[][][][][][][[I]]

DEUTSCHE GRAMMATIK.

ZWEITER THEIL.

GÖTTINGEN BEI DIETERICH1826.

[[II]][[III]]

HERRN HOFRATH UND BIBLIOTHECAR
BENECKE IN GÖTTINGEN GEWIDMET.


[[IV]][[V]]

VORREDE.


Der zweite theil meines werks liefert nur drei,
freilich aber die wichtigſten capitel des dritten buchs,
ſo daß alles, was noch davon übrig iſt, und die ganze
ſyntax, für die folge aufgehoben bleiben. Ich war an-
fangs entſchloßen, die geſamte wortbildungslehre in einen
band zu faßen, daher man auch die beiden erſten capitel
gedrängter und enthaltſamer abgehandelt finden wird; ſo-
bald ich die unmöglichkeit einſah, jenen vorſatz auszu-
führen, fieng ich an, mich mehr gehen zu laßen, die
zuſammenſetzungen ſind darum weitläuftiger, oder wenn
man will, vollſtändiger bearbeitet worden, als ſonſt hätte
geſchehen können. Allein ſelbſt ohne dieſes zufällige ver-
hältnis würde in jedweder unterſuchung der deutſchen
wortbildungen die derivation beträchtlich geringeren raum
einnehmen, als die compoſition, wofür ſprache und ſprach-
geſchichte den reichſten ſtoff darbietet. Es iſt bei der
letztern auch leichter grund zu ſpüren, als bei dem dun-
keln, oft nur in einzelnen, ſparſamen erſcheinungen vor-
blickenden geſetz, das die ableitungen regiert. Das erſte
capitel beſchäftigt ſich mit einem bisher unbeachteten
gegenſtand und bedarf vor allen vielfältiger berichtigung
und erweiterung. Wird das ganze buch jemahls einer
umarbeitung, wozu es ſich beinahe verhalten möchte, wie
zu der zweiten ausgabe des erſten theils die erſte, theil-
haftig und iſt überhaupt der gedanke, daß die weſentliche
form unſerer ſtarken conjugation alle anderen wortbildun-
gen durchdringt, es werth, größer gezogen zu werden;
ſo muß dieſe lehre, und was ſich alles aus ihr folgern
läßt, ungleich reichhaltiger ausfallen. Das neueſte in den
beiden andern capiteln dürfte mein verſuch ſein, manche
dunkle wortbildungen aus dem wegfall des bildenden a
und der davor ſtehenden ſpirans zu deuten, ſo wie die
eintheilung der zuſammenſetzungen in eigentliche und
uneigentliche.


Die deutſche grammatik befindet ſich jetzt in einem,
vor kurzem noch ungeahnten, zuſtande der aufregung,
wozu zwei an ſich völlig verſchiedene urſachen mit-
wirken.


Nachdem das ſtudium der orientaliſchen ſprachen, ſo
lehrreich und lohnend es an ſich ſelbſt ſein mag, in un-
mittelbarer beziehung auf die europäiſchen immer un-
fruchtbar geblieben war, iſt nunmehr endlich die reihe
[VI]Vorrede.
an das ſanſkrit gekommen, deſſen unleugbarer, naher zu-
ſammenhang mit den letzteren ein weites feld eröffnet.
Sein hohes alterthum, ſeine faſt alles übertreffende form-
vollkommenheit, ſetzen in den ſtand, ja nöthigen, von
dem engeren geſichtspunct abzuweichen, auf welchen uns
die gewohnheit der griechiſchen oder lateiniſchen oder
die noch größere beſchränkung der einheimiſchen lan-
desſprachen gebannt hatte. Alle vergleichungen erhalten
nun erſt ihren feſten hinterhalt und es ſcheint bald ein
regulativ gewonnen werden zu müßen, nach welchem
die verwandtſchaft zwiſchen dem deutſchen, lettiſchen,
ſlaviſchen, griechiſchen, lateiniſchen und celtiſchen *)
ſprachſtamm, anders als es bisher zu thun möglich war,
auszuführen iſt. Wenn aber dadurch ſelbſt die übliche
behandlungsart der griechiſchen und lateiniſchen gramma-
tik, in denen zumahl die wortbildungslehre ungebührlich
verabſäumt worden war, einen ſtoß, vielleicht eine um-
wälzung erhalten muß; ſo iſt vorauszuſehen, daß die heil-
ſamen wirkungen dieſer erſchütterung am wenigſten für
die deutſche ſprache ausbleiben können.


Ich bezweifle nicht, daß die erſcheinungen unſeres
lauts und ablauts mit der indiſchen vocalveränderung
durch guna und vriddhi (Bopp lehrgeb. §. 33.) zuſam-
menhängen. Keine der übrigen genannten ſprachen be-
rührt ſich hierin ſo nahe mit dem ſanſkrit. Was ich
darüber muthmaße iſt aber eigentlich für die flexionslehre
zu erörtern und ich behalte mir vor, den gegenſtand erſt
noch reiflicher zu prüfen.


Gleich dem deutſchen erkennt das ſanſkrit einſilbig-
keit der wurzeln an. Hält man die von Bopp §. 107.
aufgeſtellten wurzelclaſſen zu meinen ſ. 1-5, ſ. 388. 389.
gefundenen ſätzen, ſo gehen dieſe darin weiter, als die
indiſche grammatik, daß ich wurzeln aus bloßem vocal,
wie ſanſkr. i (gehen) î (wünſchen) im deutſchen leugne
[VII]Vorrede.
und weggefallene conſonanten dabei annehme, ſo wie daß
ich in wörtern, mit zwei conſonanten nach dem vocal,
bemüht geweſen bin, den letzten derſelben einem ablei-
tenden princip zuzuweiſen, während Bopp auch zuſam-
mengeſetzte, zur einheit verbundne conſonanten als wur-
zelhaft zuläßt. Freilich ſind ſolche wörter im deutſchen
ſogar des ablauts fähig und es ſcheint, wie dem wurzel-
vocal zwei conſonanten vorhergehen dürfen, daß ihm
auch zwei ſollten folgen können. Umgedreht macht ſich
zuweilen der vordere der beiden anlautenden conſonanten
verdächtig, aus einer zuſammenſetzung herzurühren (ſ. 406.
700. 701.). Daß die frühere ſprache ihre wurzeln be-
kleide (ſ. 3.), während ſie die ſpätere häufig nackt auf-
ſtellt, beſtätigt gleichfalls das ſanſkrit (Bopp §. 106.), das
bloß in einigen abſtracten ſubſtantiven und im zweiten
theil von zuſammenſetzungen, wie die lat. frugi-fer, ar-
mi-ger (welche ich ſ. 4. in der anmerkung hätte anfüh-
ren ſollen) reine wurzelſilben verwendet.


Schon band 1. ſ. 594. iſt gehörig hervorgehoben wor-
den daß es im ſanſkrit nur drei kurze vocale gibt *); im
deutſchen muſte die unurſprünglichkeit des e und o hiſto-
riſch erkannt werden, im ſanſkrit lehrt ſie der augen-
ſchein, weil ſelbſt buchſtaben dafür mangeln. Und wenn
unter den langen vocalen außer dem â, î, û auch ein ê,
ô erſcheinen, beweiſen die ſchriftzüge unwiderſprechlich
den zuſammenhang der letztern mit den diphthongen ai
und au. In der ausſprache ſollen zwar e und o vorhan-
den ſein; es wird angenommen (Bopp §. 10.), daß a im
anlaut rein bleibe, im inlaut aber wie o und im auslaut
wie e klinge. Hierin ſehe ich nichts, als verderbnis, die
wahrſcheinlich den heutigen indiſchen landesſprachen ge-
mäß iſt, keineswegs für die echte und alte ausſprache des
ſanſkrit entſcheidet, denn wer wollte z. b. amala (flecken-
los) amole leſen? Der anlaut ſichert in allen ſprachen
vocale und conſonanten am meiſten und gewiſſe modifi-
cationen (z. b. das ahd. Ʒ, altn. ð) gelten bloß für die
mitte oder das ende der wörter. Wären o und e orga-
niſche laute, ſo würden ſie nicht nur im ſanſkrit geſchrie-
ben, ſondern auch im anfang der wörter ausgeſprochen
werden, wie nicht geſchieht. Mit gutem fug ſcheine ich
mir daher in der deutſchen derivation nur die drei vo-
[VIII]Vorrede.
cale a, i, u als ableitende angenommen zu haben. Unter
ihnen iſt a gleichſam der vornehmſte und edelſte. Er dul-
det keine entſtellung *), wie i in ë, u in o, ſondern er haftet
oder tritt ganz ab. Keine unter allen deutſchen mund-
arten hat das ableitende a länger bewahrt, als die hoch-
deutſche, ſchon in den älteſten denkmählern wird es aber
wechſelnd bald geſchrieben, bald ausgelaßen, wahrſchein-
lich immer ausgeſprochen, während i und u, wo ſie ge-
ſprochen werden ſollen, nothwendig geſchrieben ſein
müßen. Im ſanſkrit wird in- und auslautendes i, u ge-
ſchrieben, in- und auslautendes a nie geſchrieben, wohl
aber nach jedem conſonauten ausgeſprochen (Bopp §. 2.).
Ohne zweifel iſt auch a der wahrhafte, organiſche com-
poſitionsvocal.


Seite 966. iſt der indiſchen zuſammenſetzung keine er-
wähnung gethan worden, in der abſicht hier noch eini-
ges davon zu ſagen. Merkmahl einer wahrhaften zuſam-
menfügung zu untheilbarer einheit, erkennen die gram-
matiker an, ſei, daß ein declinables wort, ohne irgend ein
zeichen der biegung, einem andern vorgeſetzt werde
(Schlegel ind. bibl. 1, 328.). Dies ſtimmt genau zu der
von mir vorgetragnen erklärung der eigentlichen, jede
flexion ausſchließenden zuſammenſetzung. Allein ſie re-
den dabei von gar keinem bindevocal, ſondern behaupten
anfügung des erſten worts in ſeiner nackten, oder ſoge-
nannten grundform (Bopp §. 115.) an das zweite. Da
aber dieſe grundform in ſehr vielen fällen auf a ausgeht,
ſo erſcheint der größte theil der ſanſkritiſchen zuſammen-
ſetzungen (z. b. hima-pânduras, ſchneeweiß; chitra-kêtus
buntfahnig; râja-puttrâs königsſöhne; pîna-ſrôni voll-
hüftig) mit einem der wurzel des erſten glieds hinzuge-
fügten a und es bleibt, wenn man die übrigen ſprachen
und das ſanſkrit in einſtimmung ſetzen will, zwiſchen
zwei annahmen die wahl. Entweder iſt auch das goth.
und ahd. a, das griech. und ſlav. o, das lat. i kein die
compoſition anzeigender vocal, ſondern einer grundform
angehörig oder die anſicht von der indiſchen grundform
muß modificiert und ebenwohl im ſanſkritiſchen a ein
compoſitionsvocal erkannt werden. Keine dieſer voraus-
ſetzungen ſcheint mir ohne erhebliche ſchwierigkeit; bei
der erſten meine ich die meiſten zu erblicken. Die ana-
logie der ſanſkr. griech. und deutſchen compoſitionsvo-
[IX]Vorrede.
cale würde noch deutlicher hervortreten, wenn man auch
bei erſterem abſorptionen durch bildende u oder i und
den vocaliſchen anlaut des zweiten glieds annähme. Ue-
brigens bemerke ich, daß meines wißens alle indi-
ſchen zuſammenſetzungen nominal ſind und keine verba
im erſten glied weder eigentlich, noch nach griechiſcher
weiſe uneigentlich (mit einfließender flexion) vorkommen.
Partikelcompoſita ſind überaus häufig, vgl. die von Bopp
§. 111-114. aufgezählten praefixa.


Ich vermag mich keiner ſelbſterworbenen, tiefer ein-
gehenden kenntnis der ſanſkritgrammatik zu rühmen;
es genügt mir die trefflichen arbeiten der forſcher in die-
ſem fach für allgemeine oder auffallende einzelne verglei-
chungen zu nutzen, welche man als beſcheidene, unwe-
ſentliche zugaben zu meiner arbeit betrachte. Die deut-
ſche ſprache nimmt bis jetzt noch meine angeſtrengten
kräfte ſo ſehr in anſpruch, daß ich nur hin und wieder
den blick über ihre grenze zu werfen wagen darf. Das
angelegenſte und liebſte iſt mir immer, mich innerhalb
dieſer ſchranke auszubilden, was ich darin finde und ent-
decke, fühle ich auch, wird einen dauerhafteren werth ha-
ben, als wenn ich bemüht wäre, vor der zeit die betrach-
tung unſerer einheimiſchen quellen abzuſchließen und all-
gemeineren oder höheren ſätzen nachzuhängen. Wer zu
ſolchen geſchickt iſt oder geſchickt werden wird, mag ſich
deſſen, was meine unterſuchungen darbieten, mit deſto
gefahrloſerer ſicherheit bedienen. Einen, der, ohne der
indiſchen noch der deutſchen ſprachregel vollkommen
mächtig zu ſein, dieſe aus jener meiſtert, neide ich nicht
um ſeine dürren reſultate.


Die andere urſache der unſchlüßigkeit deutſcher gram-
matik iſt das anhaltende oder bevorſtehende zuſtrömen
bisher unbekannter quellen. Es gehört einiger muth da-
zu, in unſerer zeit, wo man jahr aus jahr ein höchſt be-
deutenden ergänzungen der gothiſchen bibel entgegen-
harrt, an die aufführung eines gebäudes, das vor allem
auf gothiſche ſprache gegründet werden muß, hand an
zu legen, oder in ihm ein eignes geſach für die altſäch-
ſiſche zu zimmern, wozu das völlige material ausbleibt.
Wer hätte vor acht jahren gedacht, daß die herausgabe
dieſer denkmähler heuer noch eben keinen ſchritt vor-
gerückt ſein würde. Mit dem Ulphilas zaudern die Ita-
liener, allen wünſchen und erbietungen ausweichend; es
iſt doch ein kleiner ruhm, ſich die erſte ſchläfrige be-
kanntmachung eines von barbariſchen Gothen herſtam-
[X]Vorrede.
menden werkes vorzubehalten, gegen den edleren, es
offen und frei den leuten hinter den alpen, die mehr
daraus machen und mehr damit anzufangen wißen, zur
unverzögerten ſorgfältigen benutzung zu überlaßen. Die
evangelienharmonie in München ſieht der erlöſung aus
ihren banden ſeit der regierung könig Ludwigs getroſter
entgegen, eines fürſten, der ſich, wir hoffen es, auch
einmahl vaterländiſcher ſprache und alterthümer anneh-
men wird.


Statt dieſer nachtheiligen entbehrungen ſind mir uner-
wartete begünſtigungen zugefloßen. Unter ihnen ſteht
oben an Lachmanns beiſpielloſe gefälligkeit, der mir die
reiche ausbeute ſeiner reiſe nach Sangallen, bevor er ſelbſt
irgend einen gebrauch davon machte, mittheilte. Gegen
den ſchluß des zweiten capitels, wie die anführungen
lehren, fange ich an, mich dieſer neuen hilfsmittel, doch
aber nicht aller auf einmahl, zu bedienen. Nächſtdem
erwähne ich dankbar, daß mir herr doctor Maßmann
alle gloſſen, die er auf ſeiner reiſe angetroffen, mit der
größten ſorgfalt und bereitwilligkeit abgeſchrieben hat.
Von den anſehnlichen, in den letzten monaten durch
Graff zu Paris und Carlsruhe glücklich aufgefundnen bis-
her völlig unbekannten althochdeutſchen gloſſenſammlun-
gen, die ſich wahrſcheinlich über zwölftauſend wörter
belaufen, habe ich leider erſt ganz kleine proben durch ſeine
briefe kennen gelernt. Beneckes verwendungen zu Ox-
ford ſind von dem erfolg geweſen, daß ſich des Junius
alte handſchrift der hymnen, deren verluſt ich in der
vorrede zum erſten theil beklagte und ſeitdem aus den
anführungen zu Willeram näher ermaß, nebſt dem co-
dex der gloſſen wiedergefunden hat. Abſchrift davon
wird ſchon beſorgt und dann dieſes bedeutende denk-
mahl durch eine baldige ausgabe geſichert werden.


Meinem vorigen theil iſt neulich nicht ohne grund
mangel an belegen vorgeworfen worden; der gegenwär-
tige wird in dieſer abſicht mehr leiſten, aber doch nicht
genügen, ſondern viele beiſpiele ſind dem raum zu ge-
fallen unbelegt geblieben. Die beiſpiele ſelbſt ſtreben nach
einer gewiſſen vollſtändigkeit, nur verſteht es ſich, daß
dieſe jetzt noch nicht erreicht werden kann. Ich hatte
für das alt- und mittelhochdeutſche kein alphabetiſches
wörterbuch zur hand und muſte mit mühe zuſammentra-
gen; die unterſuchungen ſind zu mannigfaltig, als daß ich
für jede im voraus ſammlungen angelegt und ausgefüllt
haben könnte. Graff und Benecke werden faſt nur auf-
[XI]Vorrede.
zuſchlagen brauchen, um zu ſehen, was mir abgeht. In-
deſſen muß ſelbſt aus den gloſſarien, wenn ſie dereinſt er-
ſchienen ſind, vieles in die grammatik eingetragen wer-
den, für welche unentbehrlich iſt mit ſchnellem blick
alles, was zuſammen gehört zu überſchauen, da es ſich in
jenen der natur ihrer anordnung nach, doch wieder zer-
ſtreut oder wenigſtens in andrer weiſe verſammelt. Ich
habe darum auch ſelten auf Lye und Biörn verwieſen,
lieber gleich aus ihnen, was mir nöthig ſchien, herbei-
gehohlt. Hierauf beruht, mehr als man denken ſollte,
die luſt und das vermögen der fortſetzung und ergänzung.
Viele wohlentworfne arbeiten bleiben liegen, weil ſie ihr
material zu weit aus einander halten und es ſich nicht
genug verſinnlichen. Die äußere einrichtung hätte ich,
hier wie im erſten band, durch weglaßen der vielen
raumverderbenden und im ſatz hinderlichen ſtrichlein,
wodurch die beginnende flexion, derivation und compo-
ſition anſchaulich gemacht werden ſoll, offenbar geſördert.
Sie ſind etwan in allgemeinen abhandlungen am rechten
platz, die ſpecielle unterſuchung hebt jedesmahl hervor,
worauf es ankommt, und bedarf keines ſolchen behelfs.


Der nachtrag wird denen läſtig ſein, die gleich alles
fertig haben wollen, brauchbar den andern, die begreifen,
warum an erſchöpfung nicht zu denken iſt. Uebrigens
gründet er ſich keineswegs auf nochmahlige durcharbei-
tung des ganzen ſeit nun fünfundzwanzig monaten bo-
genweiſe für den druck niedergeſchriebenen buchs, ſon-
dern auf zufällige wahrnehmung einzelner irrthümer.
Niemand kann das auge an jede ſtelle hinrichten, noch
alle anhöhen gewinnen, die den überblick verſchaffen.
Vom ſtandpunct einer hiſtoriſch erörterten deutſchen me-
trik aus werden ſich hoffentlich bald manche dunkelheiten
der formlehre und wortbildung erhellen. Caſſel 25. jan. 1826.


[]

Neue abkürzungen:


agſ. angelſächſiſch; ahd. althochdeutſch; Bert. Bertholds
predigten; Bth. Notkers Boethius; Cap. Notkers Capella;
carlsr. carlsruher gloſſen; emm. emmeraner gloſſen, vgl.
ſ. 818; elw. elwanger gloſſen; francof. frankfurter gloſ-
ſen; ker. keroniſche gloſſen; Lampr. Lamprechts toch-
ter Sion, cod. giſſ.; mhd. mittelhochdeutſch; mnl. mittel-
niederländiſch; nhd. neuhochdeutſch; par. pariſer gloſſen;
pf. ch. pfaff chuonrât; Rab. Ravennaſchlacht; ſgall. ſan-
galler gloſſen.

[[1]]

DRITTES BUCH.
VON DER WORTBILDUNG.


Einleitung: wortbildung geſchieht entweder durch
innere änderung oder durch äußere mehrung der wurzel.
Innere wortbildung hebt die einfachheit des wortes nicht
auf; ein wort, dem außen etwas hinzuwächſt, iſt kein
einfaches mehr. Dieſer zuwachs, nachdem er aus einer
anderen deutlichen wurzel beſteht, oder aus bloßen dun-
kelen buchſtaben, heißt zuſammenſetzung oder ableitung.
Zuſammenſetzung kann vornen oder hinten an der wur-
zel eintreten, ableitung nur hinten. Von der ableitung
unterſcheidet ſich die im vorigen buche verhandelte
flexion, d. h. das einfachen ſowohl als abgeleiteten wör-
tern zuſtändige allgemeine.


Jede wurzel gründet ſich auf vereinigung von con-
ſonanten und vocalen, die conſonanz geſtaltet, der vocal
beſtimmt und beleuchtet das wort. Durch weſentliche
änderung ihrer conſonanz würde die wurzel zerſtört
werden; unweſentliche conſonanzübergänge (zumahl nach
der abſtufung verwandter lautreihen) dergleichen das erſte
buch lehrt, ſind hiermit nicht gemeint, ſie afficieren die
echte form des worts, ohne ſie aufzuheben, noch we-
niger vermögen ſie das wort fortzubilden. Alle innere
wortbildung kann demnach nur in dem vocaliſmus ge-
ſucht werden. Wieder aber kommen hier umlaute und
andere unweſentliche vocalwechſel in keinen betracht,
ſondern innere wortbildung beruhet auf dem verhältniſſe
des lauts und ablauts. Die formeln ſtarker conjugation
gewähren uns nicht allein die vocalleiter, ſondern auch
den conſonantenſtand aller deutſchen wurzeln.


Auf bloßem vocal beruhet keine; wo etwa langer
vocal das ganze wort zu machen ſcheint, iſt er aus auf-
gelöften oder abgefallenen conſonanten zu erklären, vgl.
A
[2]III. wortbildung. einleitung.
alth. ei (ovum) mit altn. egg; altn. â (flumen) mit alth.
aha. Der vocal darf die wurzel anheben, z. b. goth.
ab-a (vir) and-i (finis), beſchließen nur in unablautba-
ren partikeln, pronominal- und zahlwortsformen, wie:
ni, bi, du, þu, ba, tva etc. nicht im eigentlichen ver-
bum und nomen, d. h. höchſtens ſcheinbar, bei abgefal-
lenen conſonanten, vgl. mhd. ſê, zwî mit goth. ſáivs,
agſ. tvîg. Die conſonanz der wurzel kann einfach ſein,
oder verbindung mehrerer. Der eine conſonant, den ſie
geringſten falls hat, ſteht im nomen und verbum noth-
wendig hinten, z. b. áuſ-ô (auris), weit häufiger wird
der vocal von zwei conſonanten eingeſchloßen: mal-an
(molere). Es dürfen aber auch zweie anheben, zweie
ſchließen: blind (coecum); zweie anheben und einer
ſchließen: trud-an (calcare); einer anheben und zwei
ſchließen: bind-an (nectere). Dreie heben an: ſpráutô
(ſubito) alth. ſtrît (pugna), ſchließen aber niemahls d. h.
jeder auf den vocal folgende dritte conſ. gehört der ab-
leitung, z. b. kunſt (ars) iſt nothwendig kun-ſ-t *).
Mithin ſind fünf conſonanten das höchſte, was einer deut-
ſchen wurzel gebührt, z. b. alth. ſtreng-i (fortis), ge-
wöhnlich zählt ſie deren zwei, drei, vier, ſelten fünfe
und einen.


Die reihen ſtarker conjugation ordnen ſich nach dem
einfachen oder doppelten conſ., welcher die wurzel
ſchließt; auf die anlautende conſonanz kommt nichts da-
bei an. Auch die wortbildungslehre ſcheint der conſo-
nantanlaut wenig anzugehen, weil die ableitung hinten,
nicht vornen zufügt und anlaute insgemein dauerhafter,
als auslaute ſind. Gleichwohl blicken hin und wieder in
dem anlaut verdächtige, d. h. unurſprünglichkeit ver-
rathende elemente durch, die eine tiefer greifende unter-
ſuchung auszuſcheiden hätte; wer überſieht z. b. die ver-
wandtſchaft zwiſchen dem goth. áuſô (auris) und háuljan
(audire) alth. ôra, hôrjan? Ein ſo fuhlbares verhältnis
weiß unſere ſprache nicht mehr nachzuweiſen **) und
[3]III. wortbildung. einleitung.
die wurzeln áus-, háus- bleiben grammatiſch völlig ver-
ſchiedene. Ebenſo beurtheile ich das goth. ôgan (terrere)
agſ. brôga, alth. pruoko (terror), wir durfen beide for-
men nicht miſchen, da wir das anlautende br- nicht
mehr verſtehen. Den verſuch einige anlautende ſl-,
ſm-, ſn-, fl- fr- zu zerlegen wage ich im dritten cap.
bei der compoſition mit vorpartikeln; ſollte er auch ge-
lingen, ſo deuten ſolche wörter auf eine frühere, der
niederſetzung deutſcher ſprache vorausgegangene zeit und
wir haben z. b. meltan und ſmëltan als zweierlei gram-
matiſche wurzeln anzuerkennen. Oſſenkundige, geſchicht-
lich nachweiſliche entſtellung oder zuſammenſetzung in
neuern dialecten und gar volksmundarten wird hier nicht
gemeint, z. b. das nhd. barmherzig, gnâde, glied, blei-
ben, zackern (ſulcare) nêben (juxta) entſpringen aus und
ſind zu zerlegen in armherzig, ge-lit, ge-nâde, be-
lîben, zi-ahharen, en-ëben. Aber jenen dunkleren er-
ſcheinungen mag wohl ähnliches unterliegen.


Zu ſolchen ſpuren älterer ſprachformation leiten uns
noch deutlicher gewiſſe verhältniſſe des ablautes (cap. I.
ſchlußb. 5.) und der ableitung (cap. II.); ſie durfen weder
verkannt, noch als den hiſtoriſchen organiſmus der ſpra-
che aufhebend angeſehen werden. Sie ſind gleichſam
vororganiſch.


Ich habe auch in den vorigen büchern einzelne
buchſtaben- und flexionseinrichtungen über die zeit un-
ſerer denkmähler und quellen hinaus gemuthmaßt. Auf
dieſen vororganiſmus beziehe ich ferner folgende wahr-
nehmung: der neuſte ſtand unſerer mundarten entblößt eine
menge von wurzeln, d. h. er ſtellt ſie uns dar ohne flexions-
und ableitungszeichen. Je höher wir aufſteigen, deſto häu-
figer erſcheinen die wurzeln bedeckt. Die goth. ſprache
zeigt nakte wurzel beim ſubſt. nur im acc. und voc. ſg. erſter
und vierter männl. und vierter weibl., dann im nom. acc.
voc. erſter neutraler decl.; beim adj. nur zuweilen im acc.
voc. neutr. erſter decl.; beim verbum nur im II. ſg. imp.
(analog dem voc.) und I. III. ſg. praet. ind. ſtarker con-
jugation; nie in allen den vielen übrigen fällen, wo z. b.
im nhd. und neuengl. flexion und ableitung weggeworfen
werden. Da nun ein goth. vaúrdata f. vaúrd, fiſkana f.
fiſk, háiháitam f. háihait etc. 1, 808. 1043. vermuthet
wurden, im lat. und griech. auch noch weniger baare
A 2
[4]III. wortbildung. einleitung.
wurzeln vorkommen *); ſo ſcheint in der urſprache die
wurzel niemahls bloß zu liegen. Dieſer ſatz muß be-
hutſam machen, wenn davon die rede iſt, die bedeutung
der wurzeln einer ſpäteren ſprache auszumitteln; z. b.
die wurzel hand bedeutete ſchwerlich manus, weil hand
f. hand-u, hand-us ſtehet und die verlorene ableitung-u
und flexion -s den begriff jenes ſubſt. aus der wurzel
beſtimmen. Das neuengl. fiſh entſpricht ſowohl dem
goth. fiſk-s (piſcis) als fiſk-ôn (piſcari), wer könnte
nun aus dem engl. den ſinn der wurzel ſchöpfen? Wirk-
lich oder möglicherweiſe zerſtörte flexionen und ablei-
tungen ſind darum immer mit in anſchlag zu bringen.


Die wurzelreiche älteſte ſprache erſreut ſich leben-
diger namen und wörter, für deren nothwendige und
geheime beziehungen ihr eine fülle von ablauten und
flexionen zu gebote ſtehen. Die ſpätere, indem ſie wur-
zeln aufgibt, ablaute fahren läßt, ſtrebt durch förderung
der ableitungen und zuſammenſetzungen beweglichkeit
und deutlichkeit des ganzen zu vervollkommnen. Man
kann ſagen, daß die frühere leichtigkeit der form oft den
gedanken erſchwert und neben glücklicher mannigfaltig-
keit der benennungen einſeitigkeit kaum vermeidet. Um
dieſer auszuweichen, um den gedanken überall zu löſen,
pflegt die jüngere ſprache ſogar lieber zu umſchreiben,
als ableitungen und bildungen beizubehalten, mit denen
ſie nicht mehr ausreicht. Für die geſammte wortbil-
dung hat zwar die analogie große gewalt und aus den
grundſätzen fließen reichliche folgerungen ab; allein dem
geiſtigen weſen der ſprache iſt es auch wieder angemeßen
geweſen, daß ſich kein bildungstrieb vollſtändig nach
allen ſeiten hin entfaltete, vielmehr jeder fand im zu-
ſammenſtoß mit andern und nach beſonderheit der mund-
arten ſeine eigenthümliche begünſtigung ſowohl als
ſchranke.


Die einzelnen wortbildungen handle ich nach folgen-
dem plane ab: cap. I. innere wortbildung; cap. II. ab-
leitung; cap. III. zuſammenſetzung; cap. IV. V. bildung
des pronomens und der partikeln (es iſt rathſam, dieſe
[5]III. laut und ablaut im allgemeinen.
zum theil verdunkelten und einer früheren ſprachnieder-
ſetzung gehörigen wörter abzuſondern); cap. VI. lehre
vom genus oder der motion; cap. VII. comparation;
cap. VIII. diminution; cap. IX. negation.


ERSTES CAPITEL.
VON DER BILDUNG DURCH LAUT UND
ABLAUT.


Verba ſcheinen grundlage aller wörter. In der
deutſchen ſprache tritt dieſer urſprung oft noch hand-
greiflich vor augen, und daß der ablaut bis auf ihren
grund und boden reicht, fließt ſchon aus einer einfachen
beobachtung: ableitungen, zuſammenſetzungen nehmen
zu, ja laßen ſich nach nüchterner analogie fortſetzen,
d. h. auf dieſem wege neugeſchaffene formen würden,
wenn auch mislungen und läſtig, doch an ſich ſelbſt
verſtändlich ſein. Die echten ablaute hingegen neh-
men ab, neuerfundene würden fehlſchlagen, weil ſie
geradezu niemand verſtehn könnte. Verſuche man z. b.
von laben, beben, ſiſchet die praeterita luob, bab, faſch
und davon weiter ein luobe, luebeln, bâbe, feſchen zu
leiten; gegen ſolche, äußerlich nach graben, gruob,
gruobe, gruebeln, gâbe, liſchet, laſch, leſchen gebildete
wörter lehnt ſich alles gefühl auf. Weil alſo die ſpätere
ſprache keine macht mehr über die ablaute hat, weil
ſie ſie nur verlieren, nicht erweitern kann, eben deshalb
müßen ſie als ihr älteſtes princip betrachtet werden.
Fehlende und verlorene darf man nur nach feinerer ana-
logie der form und bedeutung aufſuchen, ſie klingen un-
ſerm ohr ſchon wie fremde wörter.


Da die anlautende conſonanz unberückſichtigt bleibt,
dem vocal der wurzel aber höchſtens zwei conſonanten
folgen, ſo zerlegen ſich alle deutſchen wurzeln in zwei
claſſen: 1) ſolche, wo ein conſonant und 2) ſolche wo
zwei conſonanten auslauten. Die erſte zahlreichſte und
mächtigſte claſſe umfaßt zugleich die ſcheinbar auf lan-
gen vocal ausgehenden wurzeln mit abgeworfner con-
ſonanz.


Unſere ſprache beſitzt nur drei kurze vocale (1, 571.)
a, i, u; die verwandlung des i und u in aí und aú
(alth. ë, o) bleibt für gegenwärtiges capitel gleichgültig.
[6]III. laut und ablaut im allgemeinen.
Sie beſitzt ſodann ſieben lange (1, 578.): ê, ô, û, ái, áu,
ei, iu *). In der erſten wurzelclaſſe wären daher nur
folgende formeln möglich: al, am, an, ar; ap, ab, af,
av; at, ad, aþ, aſ; ak, ag, ah; ïl, ïm, ïn, aír; ïp, ïb,
ïf, ïv; ït, ïd, ïþ, ïſ; ïk, ïg, aíh; ul, um, un, aúr; up,
ub, uf, uv; ut, ud, uþ, uſ; uk, ug, aúh; êl, êm, ên,
êr; êp, êf, êb, êv; êt, êd, êþ, êſ; êk, êg, êh; ôl, ôm,
ôn, ôr; ôp, ôb, ôf, ôv; ôt, ôd, ôþ, ôſ; ôk, ôg, ôh;
ûl, ûm, ûn, ûr; ûp, ûb, ûf, ûv; ût, ûd, ûþ, ûſ; ûk,
ûg, ûh; áil, áim, áin, áir; áip, áib, áiſ, áiv; áit, áid,
áiþ, áiſ; áik, áig, áih; ául, áum, áun, áur; áup, aub,
áuf, áuv; áut, áud, áuþ, áuſ; áuk, áug, áuh; eil, eim,
ein, eir; eip, eib, eif, eiv; eit, eid, eiþ, eiſ; eik, eig,
eih; ïul, ïum, ïun, ïur; ïup, ïub, ïuf, ïuv; ïut, ïud,
ïuþ, ïuſ; ïuk, ïug, ïuh.


Die ablautenden conjugationen VII. VIII. IX. X. XI.,
wurzeln erſter claſſe enthaltend, gewähren nachſtehende
formeln: (VII.) al, ôl: an, ôn; ar, ôr; ap, ôp; ab, ôb;
af, ôf; at, ôt; ad, ôd; aþ, ôþ; ak, ôk; ag, ôg; ah, ôh;
(VIII.) eim, áim, ïm; ein, áin, ïn; eip, áip, ïp; eib,
áib, ïb; eif, áif, ïf; eiv, áiv, ïv; eit, áit, ït; eid, áid,
ïd: eiþ, áiþ, ïþ; eiſ, áiſ, ïſ; eik, áik, ïk; eig, áig, ïg;
eih, áih, aíh; (IX.) ïup, áup, up; ïub, áub, ub; ïuf,
áuf, uf; ïuv, áuv, uv; ïut, áut, ut; ïud, áud, áuþ;
ïuſ, áuſ, uſ; ïuk, áuk, uk; ïug, áug, ug; ïuh, áuh, aúh;
(X.) ïp, ap, êp; ïb, ab, êb; ïf, af, êf; ït, at, êt; ïd,
ad, êd; ïþ, aþ, êþ; ïſ, aſ, êſ; ïk, ak, êk; ïg, ag, êg;
aíh, ah, êh; (XI.) ïl, al, êl, ul; ïm, am, êm, um; ïn,
an, en, un; aír, ar, êr, aúr.


Beide verzeichniſſe mit einander verglichen fehlen
in letzterem 1) alle fälle des langen û. 2) folgende ein-
zelne: av, êv; ôm, ôv, ôſ; áil, áir; ául, áum. áun,
áur; eil, eir; ïul, ïum, ïun, ïur. Hingegen ſind die
kurzvocaliſchen mit a und i häufig zweimahl vorhanden,
nämlich al, an, ar VII. und XI.; ap, ab, af, at, ad, aþ,
ak, ag, ah VII. und X.; ïm, ïn, VIII. XI.; ïp, ïb, ïf,
ït, ïd, ïþ, ïs, ïk, ïg, aíh, VIII. und X. Die mit lan-
gem vocal finden ſich durchaus nur einmahl.


Obgleich alſo die ablautende conjugation jene reihe
der möglichen wurzeln nicht auserſchöplt, bleibt den-
[7]III. laut und ablaut im allgemeinen.
noch die einſtimmende zahl überwiegend und unabweiſlich.
Unter jenen einzelnen formen kommen mehrere nur
höchſt ſelten wirklich vor, andere waren früher im ab-
laut vorhanden, wie nachher gezeigt werden ſoll. Auf-
fallend iſt die abweſenheit des û in der ſtarken conjuga-
tion (1, 838. nr. 8.) außer wo es ſich hin und wieder
ſtatt des iu, am liebſten vor k, g, f, (1, 842. 860. 897.
918. 941. 999. vgl. 1036.) entwickelt. Muß man anneh-
men, daß eine alte form des ablauts ausgeſtorben ſei, in
welcher auch dem û ſeine ſtelle gebührte? oder daß
gleich jenen ûk, ûg, ûf etc. alle û auf ein urſprüng-
liches iu deuten? Erſteres bezweifle ich bei der uralten
dauer und abgeſchloßenheit aller ablautenden conjugatio-
nen, und letzteres hilft nur für einige wörter aus (vgl.
ſkûr f. ſkiur nr. 522.) *). Die meiſten ſcheinen einſam
und außer berührung mit ablautsverwandten da zu ſte-
hen. Es iſt gut, hier die wichtigſten dieſer wörter an-
zuführen: [mhd.] mûl (os) ſûl (columna) vûl (putris) gûl
(aper) rûm (ſpatium) kûme (aegre) tûme (pollex) ſûmen
(tardare) rûne (myſterium) brûn (fulvus) hiune (gigas,?
urſus, altn. hûn catulus urſinus) ſchûr (imber) mûr
(murus) ſûr (acer) hûbe (calantica) trûbe (nva) tûbe (co-
lumba) ſtrûben (horrere) ſtûde (frutex) hût (cutis) brût
(ſponſa) krût (herba) lût (ſonorus) trût (fidus) ûƷ (ex)
ſtrûƷ (ſtruthio) grûƷ (arena) mûs (mus) lûs (pediculus)
hûs (domus) tûſent (mille) ſûs (ſtridor) bûch (venter)
ſtrûch (frutex) ſtûch (uter) rûch (hirſutus) brûchen (frui)
ſtûche (manica) tûchen (mergi). Meiſtentheils uralte wör-
ter von dunkelſter herkunft. Einigemahl ſchwanken û
und ou, für tûbe findet ſich toube geſchrieben (1, 98.)
was der form, kaum der bedeutung nach, zu toup (ſur-
dus) toben (errare) hinführt [vgl. hernach ſtarke verba
nr. 210.]; eher mag hûbe hoube ſein und dem agſ. heá-
fola (tegmen capitis) alth. houpilo? verwandt. Am wahr-
ſcheinlichſten iſt anzunehmen, daß das lange û aus älte-
rem kurzen u (wie zuweilen î aus i) erwachſen und
vielleicht noch ein goth. dubô, hus etc. ſtatt dûbô, hûs
zu behaupten ſei, folglich die stämme dieſer wörter in
die VIII. oder XI. conj. fallen.


[8]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.

Wurzeln zweiter claſſe (mit doppelter conſonanz)
dulden nur kurzen vocal (a, i, u) vor ſich; die verbin-
dung der conſonanten ſelbſt wäre auf mannigfalte weiſe
möglich, allein die ſprache erkennt bloß folgende wur-
zelhafte fälle an: 1) die geminationen Il, mm, nn, rr;
pp, tt, kk. 2) die liquiden verbindungen lm, lp, lb, lf, lv,
lt, ld, lþ, ls, lk, lg, lh; mp, mb, mf, mſ; nt, nd, nþ,
nſ, nk, ng; rm, rn, rp, rb, rf, rt, rd, rþ, rſ, rk, rg,
rh. 3) außerdem noch: ft, fſ, zd, zg, ſp, ſt, ſk, ht,
hſ. — Dieſelben conſonanzen treten nun in der zwölf-
ten conjugation vor, mit ausnahme von lm, rm, mb,
mf, mſ, lſ, zd, zg, welche ſich auf doppelte art beſei-
tigen laßen, theils können ſtarke verba ausgeſtorben,
theils mögen einzelne ſolcher verbindungen deutlich aus
ableitungsbuchſtaben nachzuweiſen ſein. Außer der
zwölften ſtehet doppelte conſonanz nur ſehr ſelten in
andern conjugationen, nämlich in VII. aſk und abſ in
X. ëſk, ëſt, eht, ëhſ, welche darum auch allmählig aus
X. in XII. entweichen; die formel aſk und ahſ kann
ſich folglich in VII. und X. (XII.) begegnen. —


Iſt es durch die bisherige allgemeine unterſuchung
wahrſcheinlich geworden, daß die wurzeln mit dem
grundſatze des ablauts, dieſer mit der natur der wurzeln
weſentlich in gemeinſchaft ſtehe; ſo muß das ganze ver-
hältnis nunmehr im einzelnen bewieſen werden. Die
erörterung zerfällt in drei abtheilungen, inſofern das ab-
lautende verbum wirklich (ſei es in einer einzelnen deut-
ſchen ſprache, ſei es in allen) vorhanden, oder das ver-
lorne nur aus der wortbildung zu folgern iſt, oder end-
lich die verwaiſte wurzel keinen ſichern ſchluß auf das
verlorne verbum mehr geſtattet.


A. verbliebene ſtarke verba.


die nummern beziehen ſich auf das regiſter theil 1, 1023-
1030; zugetrelene ableitungsbuchſtaben bleiben hier un-
berückſichtigt. Umlaute und andere der ablautslehre
gleichgültige vocalveränderungen werden für jede mund-
art aus dem erſten buche vorausgeſetzt; die einzelnen ab-
laute in jeder wortreihe ſcheide ich durch ein ſemicolon.
Warum die 65 erſten nummern übergangen ſind, weiſt
ſich in der ſechſten ſchlußanmerkung aus.


[al, ôl] nr. 66. altn. ala (nutrire, generare) goth.
aljan (ſaginare) aljan (vigor) alth. ellan, altn. eljan (la-
bor) alth. alt (vetus, d. i. adultus, vegetus). — nr. 67.
[9]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
altn. gala (canere) galdr (incantatio) alth. nahti-kala
(luſcinia) kalſtar (incantamentum); altn. gœlur (cantio-
nes) goth. gôljan (ſalutare, vgl. quetjan nr. 287.) —
nr. 68. altn. kala (frigere) kaldr, goth. kalds, alth. chalt
(frigidus); alth. chuoli (ſubfrigidus) chuoljan (refrigerare) —
nr. 69. alth. malan (molere) altn. melja; muoltra (alveo-
lus,? molae gl. monſ. 398. capiſterium gl. doc. 226a).


[an, ôn] nr. 71. alth. ſpanan (eigentlich lactare, dann
wie von lac allicere, allectare, und ſuggerere, i. e. lac,
mammam) alth. ſpanſt (ſuggeſtio) ſpenſtîc (allicibilis) nhd.
geſpenſt (fallacia) alth. ſpenjan (ſollicitare) mhd. entſpe-
nen (ablactare) altn. ſpeni (papilla); das alth. ſpunni,
mhd. ſpunne (uber) unorg. übertritt in die form nr. 375. —


[ar, ôr] nr. 73. goth. faran (ire) farjan (vehere) alth.
verjo (nauta) vart (iter); vuorjan (ducere) vuora (cibus,
ſumptus, zuſuhr) vnorôn (procurare, cibare) kivuori
(commodum) altn. fœr (meabilis) vgl. nr. 269. ziohan,
zuht. — nr. 74. altn. ſverja (jurare) ſvar (reſponfum)
alth. eidſuart (conjuratio); altn. ſœr (jurandus) ſœra (ad-
jurare) nhd. ſchwûr (juramentum).


[ap, ôp] nr. 75. goth. ſkapan (formare) gaſkafts
(creatio) altn. ſkap (indoles) ſkapt (haſtile) ſköp (fata und
membra genitalia); agſ. ſcôp (poëta) alth. ſcuof (gl. doc.
233b) — nr. 76. altſ. ſtapan (gradi) alth. ſtaph (greſſus)
ſtaſal (gradus) ſtepfen (gradi) agſ. ſtäpe (veſtigium) nhd.
fûß-ſtapfe; altſ. ſtuopo (veſtigium) nhd. ſtûfe (gradus)
agſ. ſtêpel (turris).


[ab, ôb] nr. 77. goth. graban (fodere) alth. krap (ſe-
pulcrum) altn. gröf (fovea); goth. grôba (fovea) altn.
grôf (lacuna) alth. kruopa (fovea) kruopilôn (indagare) —
nr. 78. altn. ſkafa (ſcalpere) ſkafa (radula) alth. irſcaporôn
(deradere) mhd. ſchabe (tinea); altn. ſcôf (cruſta) agſ.
ſcôf (ſcops, ſcobs) — nr. 80. altn. kefja (ſupprimere) kaf
(ſubmerſio) kafna (fuffocari); kôf (ſuffocatio) — nr. 81.
goth. hafjan (tollere) andhafjan (reſpondere) mhd. anhe-
ben (incipere) urhap (origo) altn. haf (elevatio und
aequor, die ſich hebende, volle flut) vielleicht alth. ha-
van (olla, vas cavum)? hevî (gravitas, ſoliditas) hevîc,
altn. höfugr (gravis) alth. (N.) erhaven (ſolidus) nhd.
erhâben (ſublimis, gewölbt); altn. hôfr alth. huof (un-
gula equi, vom aufheben?) altn. hôf (modus) nhd. hûb,
abhûb (res ſublata) hûbe, mhd. huobe (menſura terrae);
fällt zu dieſer wurzel auch haban (habere, tenere, weil
was man hebt man hält?) mhd. habe (opes und portus)
[10]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
alth. hapuh (accipiter *)) goth. hafts, alth. haft, altn. haptr
(vinctus) alth. haft, ſchwed. hafvande (praegnans, gra-
vida). — nr. 82. inſefjan (intelligere) altſ. ſebo (mens) altn.
ſefi (animus) hierher vielleicht mhd. ſaf (ſuccus) nhd. ſaft.


[at, ôt] das verbum 2ter anom. môtan (capere. va-
care) alth. muoƷan, muoƷa (vacuitas, licentia) goth.
môtjan (obviam ire) vgl. kinâda und nâhjan nr. 544b;
gleicher wurzel ſcheint mats (cibus) alth. maƷ, altn.
matr **) alth. kimaƷo (conviva, ſocius). —


[ad, ôd] nr. 83. altn. hlada (ſtruere, onerare) hladi
(ſtrues) hlad (agger) hlada (horreum) mhd. lade (ciſta)
agſ. hläd (onus) hläſt (onus navis, ladung) altn. hlaß
(onus carpenti); hlôd (fulcrum) vielleicht hlôdyn (eddi-
ſcher name der erde); da im agſ. hladan außer onerare
auch haurire bedeutet, könnte das mhd. ledic (vacuus)
durch exhauſtus erklärt werden. — nr. 84. altn. vada
(incedere, ruere) alth. watan; altn. ôdr (vehemens, ra-
bidus) goth. vôds, agſ. vôd (rabies) alth. wuot, altn. œdi
(furor) œda (furere) vgl. ôdinn, agſ. vôden, alth. wuo-
tan (n. deaſtri), gehört auch das dunkle goth. veitvôdjan
(teſtari, gleichſam ire in teſtimonium, procedere teſta-
tum) dahin?


[, ôd] nr. 85. goth. fraþjan (ſapere) fraþi (mens)
alth. vrad (ſtrenuus); goth. frôds (intelligens) altn. frôdr.
agſ. frôd, alth. vruot, goth. frôdei (prudentia) alth.
vruotî, altn. frœdi. — nr. 86. goth. raþjan (ratiocinari)
raþjô (ratio) alth. redja, reda (ratio und ſermo) redôn
(loqui); goth. rôdjan (loqui) ***) altn. rœda (dicere) agſ.
[11]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
rêdan (legere), kann das agſ. rôd (pertica, virga) alth.
ruota (virga, faſcis) a colligendo dahin gehören? — nr. 72.
goth. ſtandan (ſtare) f. ſtaþan, praet. ſtôþ, ſtôþun; us-
ſtaß (reſurrectio für us-ſtands) mhd. urſtende (reſur-
rectio) nhd. ſtand (ſtatus); goth. anaſtôdjan (incipere; alth.
giſtuont, incepit) vgl. nr. 545. — nr. 87. goth. fkaþjan
(nocere) altſ. ſcatho (noxius, hoſtis) alth. ſcado (damnum),
ſollte ſich das alth. ſcanta, agſ. ſcande (dedecus) zu ſca-
dan (nocere) wie ſtantan zu ſtuod verhalten? *).


[ak, ôk) nr. 89. goth. ſakan (increpare) gaſakan (ar-
guere) alth. ſahhan (cauſari) ſahha (cauſa, lis, grgumen-
tum) widarſahho (adverſarius) ſecchja (lis) altn. ſök
(cauſa) ſaka (arguere); goth. ſôkjan (quaerere) alth. ſuoh-
han, altn. ſœkja. — nr. 90. erſt die verſchollene urbe-
deutung von bakan, bôk würde lehren, wie damit die
idee von puoh (liber, codex) von puohha (fagus) viel-
leicht ſelbſt von pah (rivus) zu verbinden ſei; daß puohha
agſ. bôc ablaut von pah, bac iſt, folgt aus fagus und
daraus, daß die Römer den germaniſchen buochenwald
ſilva bacenis nennen. — nr. 91. altn. aka (vehere, agere)
akr (ager) alth. ahhar; vielleicht gehört dazu uoht, uecht,
oecht im ſchweiz. uechtland? vgl. das niederd. uker-
mark. — nr. 92. agſ. ſcacan (qualere) altn. fkekja, altn.
ſkak (quaſſatio) ſkackr (diſtortus, obliquus) ſkack-borinn
(in adulterio procreatus) vielleicht alth. ſcahho (lingua
terrae? ſinuoſa); altſ. ſkôk (adultera) altn. ſkœkja (mere-
trix). — nr. 93. agſ. väcan (naſci, oriri, ſuſcitari) vacjan
(vigilare) vacor (vigil) alth. wahhar (alacer) wecchan (ex-
citare) wahhên (vigilare) wahha (vigilia) wahta (excu-
biae); goth. vôkrs (lucrum) agſ. vôcor (proles, foenus)
alth. wuohhar. —


[ag, ôg] das verbum 2ter anom. ôgan (timere):
agjan (terrere) agis (timor) alth. ekì (diſciplina) ekiſo
(terror) altn. agi (diſciplina, ſeveritas); œgja (terrori eſſe)
œgir (terriſicus) wahrſch. auch œgir (mare, grimme flut,
wilde fee) — nr. 94. altn. draga (gerere, ferre) dragi
(bajulus) drâttr (tractus) agſ. droht (tractus) mhd. tragen
(ferre) trage (feretrum) trahte (geſtus, meditatio) nhd.
ertrâg (proventus); altn. drœgr (tolerabilis) — nr. 95.
mhd. nagen (rodere, radere) nagel (unguis, quo raditur);
[12]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
nuogel (runcina) — nr. 96. mhd. behagen (placere) altn.
hagr (dexter) hagna (prodeſſe); hôgvær (mitis) hœgr
(tranquillus) hœgð (placor) hœgja (moderare). —


[ah, ôh] nr. 99. goth. ſlahan (percutere) ſlahs, alth.
ſlac (verber) ſlahta (genus, ordo) agſ. ſläge (caedes) ſlecge
(malleus); altn. ſlœgr (vafer, verſchlagen) ſlœgr (com-
modum, was anſchlägt) ſlœgja (pratum demeſſum) —
nr. 103. hlahan (ridere) alth. hlahtar (riſus) altn. hlâtr;
goth. ufhlôhjan (exhilarare) —


[ahſ, ôhſ] nr. 108. goth. vahſjan (creſcere) vahſtus
(ſtatura) alth. wahſmo (fructus) kiwahſt (ſtatura) wahſo
(nervus) agſ. väſtm (fructus) altn. vöxtr (incrementum);
nhd. wûchs. fällt hierher vahs (cera)? das ſlav. voſk
(Dobr. p. 113.) litth. wáſzkas iſt ohne wurzel. —


[eim, áim, ïm] nr. 109. alth. girîman (contingere)
rîm (numerus, contactus) altn. rîm (concentus); reimr
(ſonorus) — nr. 110. nnl. zwîmen (in deliquio eſſe); altn.
ſveima (circumferri) mhd. ſweime (motio, volatus); agſ.
ſvima (vertigo) altn. ſvim (vertigo)


[ein, áin, ïn] nr. 112. mhd. ſchînen (lucere) ſchîn
(ſplendor); ſcheinen (monſtrare) vgl. 496. — nr. 113.
agſ. hrînan, altn. hrîna (ſonare, clamare) dahin rîn (rhe-
nus) früher hrîn flumen ſtridens? oder, wie von hëllan
(ſtrepere) hëll (purus) [nr. 332.] flumen limpidum?; goth.
hráinis, alth. hreini, altn. hreinn (purus); altn. hrinr
(clamor); von der agſ. und alth. nebenbedeutung hrînan
(tangere, ſonare facere, wie im franz. toucher un inſtru-
ment, die ſaiten rühren) ſcheint agſ. hrine (tactus) altfrieſ.
hrëne und etwan agſ. hrind, alth. hrinta, rinta (cortex)
nhd. rein (limes) abzuhängen. — nr. 115. agſ. aſvînan
alth. ſuînan, arſuînan, mhd. ſwînen (tabeſcere, decreſcere,
evaneſcere) ſwîne (tabes, ſchwindſucht, oberdeutſch
ſchweinſucht); alth. ſueinjan, mhd. ſweinen (perdere,
minuere) agſ. aſvânjan (conſumere) alth. ſuein (taedium,
gl. jun. 252.); hiernach könnte goth. ſvein, alth. ſuîn,
agſ. altn. ſvîn (ſus) etwa animal tabidum, ſordidum be-
deuten, wie tabes, tabum auch für ſordes, venenum
ſtehet. Vermuthlich iſt aber dieſes unrichtig, da den
Deutſchen das ſchwein für ein nützliches, eßbares thier
galt und eher anzunehmen, daß tabeſcere, perire nicht
urſprüngliche bedeutung, ſolche vielmehr geweſen ſei:
agi, ferri (vgl. nr. 435. wirbel mit ſchwindel nr. 386.).
Dann wäre ſum: animal, quod paſtum agitur? und nun
erklärte ſich weiter alth. ſuein, gl. ker. ſuên (bubulcus)
[13]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
agſ. ſvân (ſubulcus, bubulcus, famulus, puer qui paſtum
agit?) engl. ſwain (ſervus, puer, adoleſcens) altn. ſveiun
(puer, juvenis, ohne nebenſinn von paſtor und ſubulcus)
alth. ſueinesbërc, ſuênesbërc *) (nie ſuînesbërc) ſedes fa-
miliae nobilis haſſiacae prope Marburgum (bedeutete wohl
arx miniſtri?), noch die heutige niederheſſ. mundart un-
terſcheidet ſwîn (ſus) ſwein (ſubulcus) **) hannöv. ſwîn
und ſwên, anderwärts heißt der hirte: bub, junge. —
nr. 116. alth. hvîna (fremere); hvinr (fremitus) — nr. 117.
altn. gîna (hiare); gin (rictus) mhd. ginen (oſcitare) nhd.
gænen. — nr. 118. mhd. grînen (clamare); agſ. grânjan
(lamentari) — nr. 119. agſ. acvînan (tabeſcere); cvânjan
(langucre, lugere) neben vânjan (lugere, ejulare) goth.
quáinôn, alth. weinôn, altn. veina (lamentari, plorare)
vein (planctus) alth. wênac f. weinac (lugubris, deplo-
randus, miſer, exiguus) nnl. wênig, weinig (miſer, pau-
cus); nhd. winzig (exilis, tabidus). —


[eip, áip. ïp] nr. 121. altn. grîpa (rapere) grîpir
(raptor); greip (anſa); grip (raptus) mhd. grif. — nr. 122.
alth. ſlîfan (labi); mhd. ſleif (lubricus) altn. ſleipr —
nr. 123. alth. wîfan (involvere); goth. váips (corona);
vipja (corona) — nr. 124. altn. ſvîpa (involvere) goth.
midjaſveipains (κατακλυσμός, weniger wohl diluvium als
revolutio); altn. ſveipr (involucrum); ſvipr (vibratio) —
nr. 125. nhd. pfeifen (fiſtulare) pfeife (fiſtula); pfiff (ſibi-
lus) — nr. 126. nhd. kneifen (premere); kniff (fraus,
torſio). —


[eib, áib, ïb] nr. 128. goth. dreiban (pellere, pelli)
alth. trîpan, altn. drîfa (nix); goth. dráibjan (urgere) agſ.
drâf (grex) altn. dreiſa (ſpargere) dreif (ſparſio); drif
(procella) alth. dana-trip (repudium) nhd. trîb (com-
pulſio) triſt (paſcuum) — nr. 129. alth. chlîpan, mhd. klî-
ben (haerere, glutinari); alth. kachlep (rupes, gl. hrab.
974a) mhd. klëp (viſcus) altn. klif (clivus) nhd. klippe,
mhd. kleben (haerere) aus welchem einige dialecte die
falſche form nr. 276. gebildet zu haben ſcheinen, im engl.
mengt ſich kleben mit klieben (nr. 208.) — nr. 130. goth.
leiban (manere) altn. lîf (vita) alth. lîp (vita); goth. lái-
bôs (reliquiae) altn. leifar, alth. âleipâ (reliquiae) kaleip
(ſodalis); goth. liban, altn. lifa, alth. lëpen (vivere) [vgl.
[14]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
nhd. leiben und lêben] pilipi (oder pilîpi? panis, ad vitam
neceſſ.) — nr. 131. alth. ſcrîpan (ſcribere) ſcrîpo (ſcriptor);
ſcrift (ſcriptum) — nr. 133. altn. ſvîfa (ferri) ſveif (verticil-
lum) ſvif (vibratio) dahin vermuthl. das mhd. ſwëben
(ferri) und nicht zu nr. 275. — nr. 134. altn. þrîfa (curare);
þreifa (tangere); þrif (diligentia) þrifill (diligens). —


[eit, áit, ït] nr. 140. goth. beitan (mordere) alth.
pîƷan, impîƷan (veſci) impîƷ (refectio) mhd. imbîƷ
(Flore 766.) bîƷ (morſus Wilh. 2, 146a); báitrs (acer-
bus) altn. beitr (acutus) beit (paſcuum) beita (eſca) beita
(paſtum agere) mhd. beiƷen (venari); altn. bit (morſus)
bitr (acerbus) bitill (frenum) mhd. biƷ (morſus Ulr. Triſt.
2525.) bitter (amarus) biƷƷe (morfiuncula) — nr. 141.
goth. ſmeitan (illinere); alth. piſmîƷ oder piſmiz? (ma-
cula) nhd. beſchmitzen (maculare) geſchmeiß (colluvies) —
nr. 142. ïnveitan (adorare, obſequi) ïdveitjan (reprehen-
dere) alth. wîƷan (imputare) wîƷi (ſupplicium); altn.
veita (praebere, largiri) veitull (largus) alth. weiƷan
(praebere); vitan (ſcire) wiƷan, aus dem praet. wiſſa er-
klärt ſich das verbale adj. altn. viß, alth. ki-wis, -ſſes
(certus), das mit wîſi (ſapiens) (nr. 513.) nicht zu ver-
mengen iſt [vgl. huaſ, -ſſes nr. 477.] — nr. 143. alth.
vlîƷan (contendere) agſ. flîtan; flît (certamen) alth. vlîƷ
(cura) — nr. 144. agſ. vrîtan (ſcribere) alth. rîƷan (exa-
rare); alth. reiƷ (linea) mhd. reiƷen (incitare) altn. reita
(carpere, irritare); goth. vrits (apex literae) altn. rit
(ſcriptura) alth. riƷ (apex) — nr. 145. alth. ſlîƷan (diſcer-
pere) altn. ſlîta (rumpere); ſleita (diſſidium animi) alth.
ſleiƷan (vellicare) ſlit (ruptura) alth. ſliz. — nr. 147.
agſ. vlîtan (videre) goth. andavleizns (πρόσωπον);
vláitôn (circumſpicere) agſ. vlâtjan; goth. vlits (ὄψις)
altn. lit (aſpectus) litr (color, ſpecies) agſ. vlite (ſplen-
dor) vliteg (pulcher) — nr. 148. mhd. glîƷen (nitere)
glîƷ (nitor) — nr. 151. altn. drîta (ſordes ejicere); drei-
till (gutta); drit (excrementum). —


[eid, áid, ïd] nr. 153. goth. beidan, alth. pîtan (ex-
ſpectare) pîta (mora); peitôn (cunctari); altn. bid (mora)
mhd. bite (mora) neben bîte. — nr. 154. agſ. rîdan alth.
rîtan (equitare, urbegriff proficifci, expediri?); agſ. râde
(iter) gerâd (paratus, inſtructus ad iter) gerædjan (parare)
altn. reid (equitatio, currus) reida (equo vehere und prae-
parare) goth. garáids (praeparatus) alth. reiti, mhd. be-
reit, -eites (expeditus) gereite (apparatus equeſtris); mhd.
ritære (eques) — nr. 155. alth. ſcrîtan (gradi) agſ. ſcrî-
[15]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
ðan, ſcrîðol (vagabundus); altn. ſkreidaz (reptare); ſkrid
(curſus) alth. ſcrit (paſſus). — nr. 156. alth. ſtrîtan (cer-
tare) ſtrît (certamen) agſ. ſtrîð (pugna) altn. ſtrîd (bellum)
ſtrîdr (ſeverus) mhd. ſtrîtec (contentioſus, nhd. ſtreitig,
fehlerhaft ſtrittig). — nr. 157. mhd. glîten (labi) agſ.
glîdan; glâde (lapſus) — nr. 158. agſ. hlîdan (tegere) altn.
hlîd (latus montis) alth. hlîta, mhd. lîte, foramen; agſ.
hlid (operculum) altn. hlid (oſtium, foramen) alth. hlit,
mhd. lit, -tes (tegumen) — nr. 159. agſ. cîdan (rixari)
cîd oder cid? (rixa) — nr. 160. agſ. gnîdan (ſubigere);
gnidel (piſtillum) — nr. 162. mhd. brîten (pandere, texere);
goth. bráids, alth. preit, agſ. brâd, altn. breidr (panſus,
latus) altn. breid (expanſio) breida (expandere); agſ. bri-
del (frenum) alth. pritil. — nr. 163. mhd. ſchîten (ſcin-
dere) ſchît (aſſer) agſ. ſcîde (ſcindula); alth. ſcitôn (diſcer-
nere). —


[eiþ, áiþ, ïþ] *) nr. 164. goth. leiþan (ire, ferri,
ferre) agſ. lîðan (navigare) altn. lîda, alth. lîdan; agſ.
lâde (iter) altn. leid (iter, conventus) leida (ducere) alth.
leitan (ducere) leita (funus) nhd. geleiten, begleiten, mhd.
leit, -des (dolor) leit (inviſus) altn. leiðr (inviſus) agſ.
lâð; goth. liþus (membrum) agſ. lið, altn. liðr (artus) lið
(auxilium) liðar (ſocii, comites) alth. mhd. lit, -des (mem-
brum) nhd. glied **). — nr. 165. goth. ſneiþan (ſecare)
alth. ſnîdan, altn. ſnîða mhd. ſchneide (acies); agſ. ſnæd
(buccella) altn. ſneid (ſegmen) ſneida (ſecare); alth. ſnita
(buccella) ſnit (? ſnitu) forma veſtium, altn. ſnid. mhd.
ſnitære (meſſor) — nr. 166. alth. mîdan, agſ. mîðan
(latere, carere, abſtinere) alth. mîdunga (pudor, timidi-
tas); goth. gamáids (mancus, debilis, πηρός) alth. kimeit
(hebes, caſſus, gl. hrab. 954b bardus gl. jun. 242. ob-
tunſus) in-gimeitun (incaſſum) kameit-kengo (ſo zu
leſen gl. jun. 258? gyrovagus) mhd. gemeit (hilaris, der
begriff von eitel, leer in den von heiter übergehend);
goth. máidjan (transſormare) altn. meida (lacerare, lae-
[16]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
dere); altn. mida (movere) *) — nr. 167. agſ. vrîðan
(torquere) mhd. rîden; agſ. vrâð (iratus, pravus gleich-
ſam contortus) altn. reiðr (iratus) reiði (ira) mhd. reit,
-des (criſpus, flexus) mnl. wrêt (iratus). — nr. 170.
mhd. nîden (invidere) goth. neiþs (invidia) alth. nîd, agſ.
nîð, altn. nîð (convitium, humiliatio); vielleicht alth.
nidar (deorſum, depreſſe) agſ. niðer verwandt. —


[eiſ, áiſ, ïſ] nr. 171. goth. reiſan, alth. rîſan, agſ.
rîſan, altn. rîſa [dunkeles urbegriffs, die alth. bedeutung
cadere ſogar der altn. ſurgere entgegen ſtehend, im goth.
und agſ. kein einfaches verbum, nur das comp. urreiſan,
arîſan ſurgere; beſtimmende vorpartikeln mögen abgefal-
len ſein, jede mundart behielt den in ihr vorwaltenden
nebenſinn; vielleicht reiſan = ruere, urreiſan proruere,
aparîſan decidere]; goth. urráiſjan (erigere) agſ. arâſjan
(reprehendere) aræran (erigere) alth. reiſa (iter, alſo
nicht von rîſan cadere) reiſunga (machinatio, caſus) rei-
ſôn (moliri?) mhd. rêren (profligare, ſternere von rêſen
cadere) agſ. ræſ (impetus) altn. reiſa (proficiſci, excitare);
alth. urriſt reſurrectio (von urriſan ſurgere) giriſan (con-
gruere) praet. giriſta, giriſtîc (decens) petti-riſo (aegro-
tus, caducus) vielleicht riſi (gigas, inſurgens?) mhd.
riſel (grando) riſelen (ſtillare) — nr. 173. mhd. brîſen
(nodare); altn. bris (compages) briſl (connodatio).


[eik, áik, ïk] nr. 178. alth. ſuîhhan, agſ. ſvîcan, altn.
ſvîkja (fallere); altn. ſvik (fraus) ſvikull agſ. ſvicol (fal-
lax), ſvica (proditor). — nr. 179. alth. ſlîhhan (repere);
mhd. ſleichen (inſinuare); ſlichære (reptabundus) nhd.
ſchlich (obreptio) — nr. 180. alth. kirîhhan (praevalere)
rîhhi (potentia) rîhhi (valens) goth. reikis (opulentus)
altn. rîkr; mhd. reichen (tendere) erreichen (aſſequi) —
nr. 181. agſ. blîcan (ſplendere); blâc (pallidus) alth. pleih,
altn. bleikr, mhd. bleichen (dealbare); alth. plih (fulgor)
altn. blik (nitor) — nr. 182. altn. vîkja agſ. vîcan (rece-
dere) vâc (mollis, infirmus) alth. weih; altn. vic (receſ-
ſus) goth. vikô (ſeries) — nr. 183. mhd. gelîchen (pro-
bari, placere) die dunkele urbedeutung von leikan, láik,
likun war gewis eine andere, vielleicht jungere? goth.
leik (caro, corpus) manleika (effigies) alth. lîh, altn. lîk
[17]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
(corpus) goth. galeiks alth. kilîh (ſimilis) lîhhizan (ſimu-
lare); goth. láiks, altn. leikr (ludus, ſaltus) alth. leih,
mhd. leich (ludus, luſus) nhd. laich (laſcivia, ſperma)
goth. láikan (ſalire) altn. leika (ludere); vgl. die analogie
der bedeutungen in nr. 415. 565. und cap. III. der zu-
ſammenſetzungen -laik, -leiks, -ſams. — nr. 184. mhd.
ſtrîchen (linere); mhd. ſtreichen (caedere); goth. ſtriks
(linea) altn. ſtrik, alth. ſtrih, vgl. 553b — nr. 186. nnl.
kîken, dän. kîge (ſpeculari) altn. kîkir (dioptra); ſchickt
ſich hierzu das altn. keikr (curvus) kikna (curvari)?


[eig, áig, ïg] nr. 187. goth. hneivan (vergere) altn.
hnîga, alth. hnîkan; goth. hnáivjan (deprimere) altn.
hneigja, hnêgja (inclinare); altn. hnigna (caducum eſſe) —
nr. 188. goth. ſteigan (ſcandere) altn. ſtîgi (climax) mhd.
ſtîc (ſemita); goth. ſtáiga (ſemita) altn. ſteigr (contumax);
ſtigr (ſemita) mhd. ſtëc (ponticulus) ſtëge (gradus) —
nr. 189. altn. ſîga, alth. ſîkan (decidere, labi) mhd. ſîgen;
mhd. ſeigen (deprimere) ſeigære (perpendiculum); altn.
ſig (demiſſio aucupis, ponduſculum) agſ. ſige (occaſus),
zweifelhaft ob altn. ſigl (velum) alth. ſëgal, ſëkal (a demit-
tendo?) und ſigr (victoria) alth. ſiku (a ſternendo hoſtem,
wie victoria von vincere?) hierher gehören? die redens-
arten ſiku nëman, ſiku winnan ſtimmen nicht dafür,
noch ſtehet ſeigen f. profligare hoſtem, weshalb man
an ſîhen und ſeigen (nr. 200.) denken dürfte; altn. be-
deutete ſigur auch felicitas (wie ſinc opes) vgl. nr. 398. —
nr. 192. mhd. ſwîgen (tacere); ſweigen (compeſcere); agſ.
ſvigjan (oder ſvîgjan) ſilere, ſtupere; urbedeutung von
ſwîgen ſcheint premere, flectere, und premere vocem
abgeleitete, den nordiſchen mundarten gänzlich man-
gelnde: altn. ſveigja (flectere); ſvig (ſuppreſſio). —


[eih, áih, aih] nr. 194. goth. leihvan (mutuare) alth.
lîhan; lêhan (mutuum, f. leihan, goth. láihvan?) agſ.
læn (mutuum) lænan (mutuari) — nr. 195. goth. teihan
(nuntiare, dicere) alth. zîhan (accuſare); zeigôn (indi-
care) zêha (digitus, i. e. index); goth. taíhun, alth. zë-
han (decem) goth. tigus (decas, numerus index) alth.
zic, unorg. zuc (altn. tugr) alth. ziht, inziht (indictio,
criminatio) altn. tiginn (celeber, dignus) *); im agſ.
B
[18]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
tëóna (accuſatio, injuria, damnum) altn. tión (damnum)
tŷna (perdere) iſt das wurzelhafte h. ausgeworfen und
dadurch der vocalorganiſmus geſtört. — nr. 197. goth.
þeihan (proficere) alth. deihſmo (fermentum, profectus);
wahrſcheinl. nhd. dicht (denſus, veges, pollens) welches
ich alth. noch nicht gefunden habe, [mhd. reimt gedihte
(ſpiſſe) Triſt. 94b: lîhte] altn. þêttr (Biörn þiettr, ſoli-
dus) alth. dicchi (groſſus), vielleicht alth. dëkan agſ.
þëgen (vir nobilis, provectus)? — nr. 198. goth. þrei-
han (premere); þráihns (compreſſio); mhd. drîhe (com-
preſſorium) — nr. 199. alth. rîhan (tegere) agſ. vrîgels
(veſtis) — nr. 200. mhd. ſîhen (colare); verſeigen, ver-
ſeien (M. S. 1, 45a) ſîhte (vadoſus) — nr. 201. das noch
dunkle alth. wîhan (?facere, ſacrare, wie lat. facere ſc.
rem divinam) erwîhan (conficere) goth. veihs (ſacer)
veiha (pontifex) veihan (conſecrare) alth. wîhên; mhd.
weigen (vexare) vielleicht goth. vaíhts, alth. wiht, altn.
vëttr (aliquid, nihil)? —


[ïup, áup, up] nr. 202. goth. hniupan (nectere?)
vgl. nr. 521. diſhniupan (rumpere, von netzen und ket-
ten); diſhnáupnan (rumpi); altn. hnupl (ſurreptio) —
nr. 203. alth. ſliofan (clam et ſubito intrare); altſ. ſlopjan
(evadere) alth. intſluphan (elabi) ſlupf (latebrae) — nr. 204.
alth. ſûfan, altn. ſûpa (ſorbere); altn. ſaup (juſculum)
alth. piſoufan (immergere in fluentum); altn. ſopi (hau-
ſtus) agſ. ſype (irrigatio) — nr. 205. alth. triofan (ſtillare);
troufa (ſtillicidium) pitroufan (aquâ imbibere) altn. draupnir
(annulus, qui dicitur aurum ſtillaviſſe); alth. trof (gutta,
nur als partikel übrig) tropho (ſtilla) altn. drop, dropi,
agſ. dropa (gutta) dropjan (ſtillare) — nr. 206. agſ. crëó-
pan (repere) altn. kriúpa (genu flectere); kropning (genu-
flectio). —


[ïub, àub, ub] nr. 207. goth. hiuban? oder hiufan?
(plorare) altſ. hiofan (plorare); hofna (ploratus); gehört
hierher altn. hiúfr (pluvia tenuis)? — nr. 208. alth. chlio-
pan, altn. kliúſa (findere) agſ. clëóſu (rupes, fiſſura) altn.
klauf (ungula fiſſa) klaufi (bos, animal bifidum) kleyf
(fiſſura rupium); alth. chlopo (baculus fiſſus) chlopolouch
(allium, gl. monſ. 414. chlovolouch) chluft (forceps, a
forma fiſſili) nhd. kluft (fiſſura) agſ. clufe (ſpica) clyfer-
fête (fiſſipes) altn. klofi (fiſſura) — nr. 209. alth. ſciupan
(trudere) agſ. ſcëóſan, ſcëófel (ligo) nhd. ſchieber (trudes)
nnl. ſchuif (obex), alth. ſcûvila (ventilabrum) nhd. ſchau-
fel; nhd. ſchûb, aufſchûb (truſio, dilatio) mhd. ſchupfen
[19]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
(trudere) agſ. ſcyfe (truſio); war der wurzel urbedeutung
umfaßender: pellere, agere, congerere; ſo darf das alth.
ſcoup (faſciculus, congeries ſtraminis) agſ. ſceáf, nhd.
ſchôber (acervus) vielleicht das goth. ſkufts (capillus, a
congerendo, retrudendo?) nhd. ſchopf, dazu genommen
werden. — nr. 210. agſ. dëófan (mergi); dyfjan (mergere)
doppetan (merſare) nhd. tupfen, tüpfen; es koſtet beden-
ken, bei einſtimmender form, die bedeutung folgender
wörter hierher zu ziehen: goth. dáubs, alth. toup, agſ.
deáf (ſtupidus, hebes, ſurdus, mutus; etwa: verſunken,
unſinnig?) altn. dauſr: ſurdus, ſubtriſtis, obſcurus) goth.
dáubjan (ſtupefacere) alth. topôn (inſanire) agſ. dofung
(deliramentum) altn. dofi (torpor) dofna (marceſcere)
goth. dobnan (muteſcere); kann die taube (goth. dûbô
oder dubô? alth. tûba, altn. dûſa) vom ſpielen im waßer
ſo heißen, oder hieß urſprünglich der taucher (mergus)
ſo? N. hat doubfugeli (mergulus) vgl. nr. 523., vielleicht
ſteht agſ. dëófan unorg. für dëópan? — 211. agſ. rëófan,
altn. riúfa (ſolvere, rumpere, findere, retegere) hierhin
alth. â-riup (dirus)? altn. rauf (foramen) agſ. reáf (ſpo-
lium, veſtis, a ſolvendo, wie induſium ab exuendo?)
alth. hrê-raup, wala-raup (ſpoliatio mortui) agſ. väl-
reáf, altu. val-rauf (Snorra-edda p. 1. gewöhnl. val-rân)
alth. raup (rapina) kiroupi (ſpolium) goth. ráubôn (ſpo-
liare) altn. raufari (raptor) hierher ſtammt altfranz. robe
(nach Roquef. proie, depouille, habit); agſ. ryft (velum)
altn. rof (ruptura) [vgl. das dunkle ô-rof. gl. edd. tom. I.
ſaevities, immanitas] — nr. 212. alth. mhd. ſtiopan,
ſtieben (ſpargere, ciere); ſtoup (pulvis) ziſtoupjan (diſſi-
pare); goth. ſtubjus (pulvis) alth. ſtuppi, nhd. geſtœber
(nix pulverulenta, alth. kiſtupiri?) altſchwed. ſtoft (pul-
vis). — nr. 214. nhd. ſchrauben (torquere) ſchraube
(cochlea) verſchroben (contortus) altn. ſcrŷfa (contor-
quere) —


[ïut, áut, ut] nr. 220. goth. giutan (fundere) agſ.
gëótan, alth. kioƷan (fundere) altn. gióta (parere) *) alth.
kioƷo (fuſio fluminis) altn. gióta (ovarium piſcium); mhd.
gôƷ (fuſura?); goth. usgutnan (effundi) agſ. gyte (inun-
datio) mhd. guƷ (fuſio, imber) — nr. 221. goth. niutan
B 2
[20]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
(capere) alth. nioƷan, agſ. nëótan (frui) altn. niótr (uſu-
fructuarius) mhd. genieƷ (uſusfructus Parc. 115b); alth.
kinôƷ, agſ. geneát, altn. nautr (ſocius) naut (pecus) alth.
nôƷ, agſ. neát (animal, quod captum eſt? quo fruimur?)
altn. nautn (eſus) neytja (manducare) neytſla (cibus) agſ.
nŷten, nêten (animal); goth. nuta (captor) alth. nuƷi
(utilis) altn. nyt (commodnm) nytja (in uſum vertere)
nytr (utilis) not (uſus) agſ. not (utilitas) nyt (utilis) —
nr. 222. goth. þriutan (dolere) usþriutjan (moleſtare) altn.
þrióta (deficere) þriótr (moroſus) alth. drioƷan (aegre
ferre) mnl. verdriet (aegritudo); altn. þraut (labor) þreyta
(fatigare) agſ. þreát (caſtigatio, turba) þreátjan (urgere,
turbare); goth. þrutsfill (lepra, i. e. cutis, quae dolet,
morbo laborat?) alth. urdruƷ (taedium) druƷiſam (mo-
leſtus) altn. þrotna (deficere) — nr. 223. alth. dioƷan (ſtri-
dere) agſ. þëótan, altn. þióta (ululare) ſchwed. tiuta
(nr. 238.) agſ. þëóta (cataracta, a ſtridore); alth. mhd.
dôƷ (ſonitus, fragor) altn. þaut (murmur, b. Biörn p. 371.
fehlerhaft taut); altn. þot (aura) þytr (fremitus) mhd.
duƷ (ſonitus) — nr. 224. alth. hlioƷan, agſ. hlëótan (ſor-
tiri) altn. hlióta (obtinere); goth. hláuts (ſors) altn. hlaut
(victima) alth. hlôƷ (ſors); agſ. hluta (fortilegus) altn.
hlutr (ſors, pars) agſ. hlyte (ſors) alth. ëpanhluƷeo (con-
ſors) — nr. 225. alth. rioƷan (plorare); rôƷ (mucus, oder
roz?) rôƷac (lacrimabundus); gehört hierher das altſ.
griotan (lacrimari)? — nr. 226. alth. ſlioƷan (claudere);
mhd. ſlôƷ (clauſtrum); ſluƷ (finis) ſlüƷƷel (clavis) altn.
ſlota (remittere) ſlot (arx) — nr. 227. alth. vlioƷan, agſ.
flëótan, altn. flióta (manare, fluere) agſ. flëót (amnis)
altn. fliót (fluvius) fliótr (celer) nnl. vliet (fluentum) mhd.
vlieƷe (Triſt. 140c); alth. vlôƷa (pennula) mhd. vlôƷ
(fluxus) vlœƷen (fluere facere) altn. fleyta (natare fa-
cere); altn. floti (claſſis) flot (liquamen) flytja (vehere)
agſ. flota (claſſis) mhd. vluƷ (fluvius) vlüƷƷic (manans) —
nr. 229. altn. brióta (frangere) briótr (fractor); dahin altn.
braut (via fracta, ſtrata?) alth. prôƷ (groſſus, ausbre-
chende knoſpe)?; altn. broti (anfractus) alth. pruƷî (fra-
gilitas) pruƷîc (fragilis) agſ. brytan (comminuere). —
nr. 230. agſ. ſcëótan, alth. ſcióƷan (jaculari) altn. ſkiótr
(celer); goth. ſkáuts (fimbria veſtis) altn. ſkaut (ſinus, la-
cinia) alth. ſcôƷa (gremium gl. monſ. 410. plaguncula?
plagula, genus veſtis) kiſcôƷ (jaculum) altn. ſkeyti (ſa-
gitta und nodatio panni) agſ. ſceát (gremium); altn. ſkot
(jactus) ſkyti (ſagittarius) ſkutill (ſpiculum) mhd. ſchuƷ
(jactus) ſchütze (jaculator) agſ. ſcotjan (ſagittare) ſcyte
[21]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
(praecipitium) ſcyta (linteum) *) — nr. 233. altn. lûta
(incurvare) lûtr (cernuus); laut (locus depreſſus); lot
(curvatura) vgl. agſ. aleát (procubuit) — nr. 234. alth.
ſprioƷan (pullulare, ſurgere) ſpriuƷa (fulcra) agſ. ſprëôtan
(creſcere) ſprëót (contus) nnl. ſpriet (haſta); goth. ſpráuto
(cito); altn. ſproti (virga) agſ. ſprota (ſarmentum) alth.
ſproƷƷo (ſurculus, fulcrum).


[ïud, áud, ud] nr. 240. goth. biudan (offerre, jubere)
alth. piotan, goth. biuds (menſa, opfertiſch) altn. biódr,
agſ. beód, alth. piot, biet (menſa); kipot, altn. agſ. bod
(mandatum); alth. poto, altn. bodi, agſ. boda (nuntius)
altn. bodn (oblatio) agſ. bydel (praeco) alth. putil. —
nr. 241. goth. liudan (creſcere) alth. liotan (zuweilen un-
organiſch: hliotan) alth. liut (populus) agſ. lëód, altn.
liód; goth. láuþs, -dis (homo) juggaláuþs, -dis (ado-
leſcens); alth. ſumar-lota (virgulta, palmites i. e. qui una
aeſtate creverunt, gl. rhab. 976b jun. 242.) mhd. verderbt
ſumer-late (M. S. 1, 124b 2, 61a virga, herba); zweifelhaft,
ob goth. ludja (facies) alth. andlutti hierher zu rechnen? —
nr. 242. altn. rióda (cruentare, illinere) riódr (rubicundus)
agſ. rëód (rubicundus); altn. raudr, agſ. reád, alth. rôt
(ruber) rôtên (rubere) mhd. rôt (rubigo) agſ. reádjan;
rudu (rubor) ryden (lolium rubrum) ryd (rubigo) altn.
rod, rodi (rubor) roda (leviter inaurare) mhd. roten (le-
viter rubere); das alth. riot (arundo) fällt nicht hierher,
ſondern lautete früher hriot, agſ. hrëód. —


[ïuþ, áuþ, ] **) nr. 244. alth. ſiodan (fervere, co-
quere) altn. ſióða; goth. ſáuds (victima, cocta vel com-
buſta) altn. ſauðr (vervex); ſod (juſculum) ſodning (coctio)
nhd. ſôd (arſura ſtomachi); darf agſ. ſeáð (puteus,
abyſſus) mhd. ſôt (Barl. 402.) hierher genommen werden
(warme quelle)? vgl. brunno nr. 371. gewis nicht das
agſ. ſuð (meridies) altn. ſuðr, = alth. ſund (auſter), ſo
nahe die idee von calor, fervor gelegen ſcheint. —


[ïuſ, áuſ, uſ] nr. 245. goth. driuſan (cadere, ruere)
driuſô (praecipitium); dráuſjan (praecipitare) dráuſns
[22]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
(mica, πίπτουσα ἀπὸ τ[ῆ]ς τραπέζης, driuſandei af biuda)
alth. trôr (cruor) altn. dreyri (ſanguis); goth. drus (caſus)
hochd. truſel (n. rivi) agſ. dryre (cruor); das goth. us-
druſts (τραχεῖα) müſte via ruinoſa bedeuten, wenn es
hierher gehört. — nr. 246. goth. kiuſan (eligere); káuſjan
(guſtare); alth. chur (electio) nhd. koſten (guſtare) agf. cyſt
(electio) coſtjan (probare) altn. koſtr (electio) — nr. 247.
goth. liuſan (perdere) mnl. verlies (jactura); goth. láus
(liber) láuſjan (liberare) alth. lôs (ſolutus) lôſjan (ſolvere)
lôſên (fallere) mhd. lœſen (ſolvere) lôſen (decipere) altn.
laus (liber) lauſn (liberatio) leyſa (ſolvere) agſ. leás (fal-
lax) leáſjan (mentiri) lŷſan, alŷſan (ſolvere); altn. los
(ſolutio) agſ. lor, lyre (jactura) goth. fraluſts, nhd. verluſt
(amiſſio) — nr. 248. alth. vrioſan (gelare) altn. frióſa, agſ.
frŷſan, nhd. frieſel (febris); mhd. vrœren (gelare facere);
altn. froſt, agſ. froſt, forſt, alth. vroſt (gelu) — nr. 249.
agſ. hrëóſan (ruere) hrëóſe (caducus) hrŷſan (corruere);
hruſe (mons, terra; ab aſpredine? vgl. goth. usdruſts
nr. 245, oder a lubrico? vgl. das altn. hnaus nr. 251.)
hror (pronus) hryre (ruina) — nr. 250. altn. gióſa
(eructare, efflare); geys (furor) geyſa (graſſari) geyſir
(fons bulliens); goſa (ſpirare) guſa (eructare) guſtr (fla-
tus); vielleicht heißt das alth. guſu (T. 43, 1.) flamina ſt.
flumina und gehört nicht zu gioƷan (nr. 220. vgl. th. 1,
171.) — nr. 251. altn. nióſa (ſternutare) nióſa (ſcrutari)
alth. niuſan, (ſteht goth. niuhſeináis Luc. 18, 44. f. niu-
ſeináis?) agſ. nëoſjan (viſitare) altn. nióſn (exploratio);
nauſna (olfacere); noſtr (nimia ſollicitudo munditiei);
hierzu ſtimmt das agſ. noſe (naſus) mnl. noſe, nnl. neus,
doch im hochd. naſa und altn. nös, naſar widerſtrebt der
vocal. — Anderer wurzel iſt altn. hnióſa (labi) hnaus
(ceſpes) hneyſa (lapſus) und merkwürdig die einſtim-
mung des lat. ceſpitare (auf glatten boden ſtraucheln).


[ïuſt, áuſt, uſt] nr. 253. goth. kriuſtan (ſtridere);
kruſts (ſtridor) — nr. 254. altn. lióſta (ferire); loſti (libido)
loſtugr (lubens) lyſt (voluptas) lyſta (cupere) goth. luſtus
(cupiditas) alth. luſt; die bildung von luſt aus lióſta be-
ſtätigt durch gabaúris aus baíran (nr. 325.) und gir aus
geiſan (nr. 511.) —


[ïuk, áuk, uk] nr. 255. goth. lûkan (claudere) altn.
lûka (janua); laukr, alth. louh, agſ. leác (cepe, olus,
herba, ab aperiendo folia); alth. loh (foramen) luccha
(lacuna) nhd. locker (patens, mollis) alth. loh (opercu-
lum, übrig in houpitloh, mhd. houbetloch, capitium)
[23]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
piloh (clauſtrum, woher das mhd. bloch, nhd. block)
altn. lok (operculum) lok (finis) lykja (ſolvere) lykt (con-
cluſio) lykill (clavis) agſ. loc (clauſura). — nr. 256. alth.
riohhan (fumare, exhalare) altn. riúka (fumare, turbari);
alth. rouh (fumus) altn. reykr, agſ. rêc (fumus) rêcels
(thus); mhd. ruch (thus) nhd. geruch (olfactus) gerücht
(fama) altn. roka (turbo; gehört hierher das alth. ita-
ruhhan, agſ. ëd-rêcan (ruminare, wiederſchmecken?)
ëd-roc (ruminatio)? und das agſ. rocettan (eructare,
alth. ropfizan)? vgl. nr. 250. — nr. 257. agſ. ſmëócan
(fumare); ſmoca (fumus) ſmöcjan (fumare) nhd. ſchmau-
chen, die ganze form vielleicht aus nr. 553. entſprun-
gen? — nr. 258. altn. ſtriúka (elabi); ſtroka (curſus) —
nr. 259. altn. fiúka (vento ferri) fŷkja (affectu rapi) fûki
(foetor) mhd. viuhte, nhd. feucht (putridus, madidus);
feykja (in auras ſpargere); ſok (ningor, procella, vgl.
nr. 128.) alth. fuhtî (odor; iſt die mhd. interj. fiu, pſiu,
pſî, neben pfuch, nhd. pſui verwandt?) vgl. nr. 543. —


[ïug, áug, ug] hierher das anomale dugan, alth.
tugan (valere) wovon ich das alth. doht, toht (validus,
probus) tohtar, goth. daúhtar (ſilia, wie magus, filius,
von magan) agſ. duguð, alth. tugid, nhd. tugend (virtus)
ableite und das goth. daúhts (δοχή von δέχομαι, d. i.
aufnahme, wirtſchaft) ableiten möchte, wenn ein über-
gang des begriffs tugend in den von gaſtfreundſchaft zu-
läßig iſt, vgl. agſ. duguð-giſu (munificentia) — nr. 262.
goth. biugan (flectere, vertere) altn. biúgr (curvus) biúga
(farcimen) alth. piuko (flexuoſitas, ſinus) agſ. bûgan
(flectere, ſubmittere) bëógol (conſentiens) goth. biuhts
(ſolitus) biuhti (mos, i. e. inclinatio, ſubmiſſio?); alth.
pouc, altn. baugr, agſ. beáh (corona, annulus) altn.
beygja (flectere) goth. us-báugjan (verrere, σαίρειν, i. e.
ausſchwingen?); alth. poko (arcus) agſ. boga, altn. bogi;
alth. pucchan (inclinare) nhd. bucht (ſinus) altn. bugr
(curvatura) buga (curvare, gratificare alicui); hicrher
auch goth. bugian (emere) praet. baúhta, agſ. bycgan,
bohte, engl. buy, bought? vermuthlich aus einem alten
rechtsſymbol bei dem kauf zu erläutern. — nr. 263. alth.
liukan, altn. liúga (mentiri, celare) goth. liugus (menda-
cium) liugnja (mendax) goth. liugan, -áida (nubere, i. e.
tegi, vgl. hæman nr. 566.) goth. láugns (celatus) láugni-
jan (inficiari) alth. loukinan, nhd. leugnen, altn. laun
(f. laugn, occulte) leyna (f. leygna occultare) leynd (f.
leygnd, occultatio, alth. louknida); alth. luki (mendaeium)
[24]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
loga (mendax) altn. lyga und lygd (mendacium). —
nr. 264. alth. ſûkan, altn. ſiúga (ſorbere); mhd. ſöugen
(lactare); altn. ſuga (ſuctus) nhd. ſuckeln. — nr. 265. alth.
triokan (decipere) triokâri (fallax) iſt altn. drŷgja, agſ.
drëógan mit der abweichenden bedeutung: exercere, pa-
trare, pati, tolerare das nämliche? altn. draugr (umbra
mortui, geſpenſt); alth. kitroc (fallacia, phantaſma) mhd.
getroc, alth. trukida (ſuperſtitio) trukinâri (deceptor) —
nr. 266. alth. vliokan (volare) altn. fliúga, agſ. flëóge
(muſca) mhd. vliege; altn. flaug (volatus) fleygr (volu-
cris) fleygja (in ſublime mittere) alth. vlougjan; alth.
vluc (volatus) vlucchi (par volando) agſ. flugol (volucris)
altn. fluga (muſca) nhd. flügel (ala) — nr. 267. altn.
ſmiúga (repere) ſmiúgr (foramen); ſmeyga (irrepere fa-
cere); ſmuga (oſtiolum). —


[ïuh, áuh, aúh] nr. 269. goth. tiuhan (ducere, tra-
here); altn. taug (funis) teygja (attrahere); alth. -zoho,
ſpäter -zogo (dux) agſ. -toga (idem) alth. zuhil (ha-
bena) zuht (diſciplina, alimentum) agſ. tyht, mhd. gezoc
(tractus) zücken (rapere) — nr. 270. goth. þliuhan (fu-
gere) alth. vliohan; goth. þlaúhs (fuga) mhd. vlœhen
(fugare); vluht (fuga) altn. flôttr, agſ. flyht. —


[ïp, ap, êp] nr. 272. altn. drëpa (percutere) drëp
(ictus) nhd. treff, triftig (pertingens); altn. drâp (caedes)
dræpr (reus convictus). —


[ïb, ab, êb] nr. 273. goth. giban (dare) giba
(donum) alth. këpa, agſ. gifu (gratia) agſ. gëof (donum)
gëofjan (donare) gifol (largus) altn. giöf (donum) goth.
fragibts (deſponſatio) agſ. giſt (donum, nuptiae) giftjan
(nuptum dare) nhd. gift (venenum); goth. gabeigs (dives,
ditatus, begabt) gabei (opulentia) altn. göfugr (dives) agſ.
gafol (vectigal); mhd. gâbe (donum) gæbe (acceptus)
altn. gæfa (felicitas) — nr. 274. altn. vëfa, alth. wëpan
(moveri huc illuc, vagari, hernach von der hin und
herfahrenden ſpule: texere) agſ. vëfel, vifel, nhd. wêbel
(ſcarabaeus, a volitando) altn. vëfr (tela) alth. wëppi (tela,
bald auch wuppi oder wuppa N. 89, 10. wie im part.
gewoben f. gewëben) agſ. vëft, altn. vëftr (ſubtegmen)
mhd. wift, inwift, agſ. vëofung (textura) vëfels (pallium);
alth. wapo, mhd. wabe (favus, quem apes texunt, ge-
wirk) altn. vaf (trama, involucrum) vafra (vagari, nhd.
wabern, von geſpenſtern) vafr-logi (flamma magica)
alth. wabar-ſiuni (ſpectaculum) agſ. väferſŷne, vaſung
(ſtupor) altn. vafa (ingruere ſpectri inſtar) vafa, vofa
[25]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
(ſpectrum). — nr. 275. altn. ſofa (f. ſvëfa, dormire) ſvëfn
(ſomnium) altſ. ſuëban; alth. anſuebjan, mhd. enſweben
(ſopire); altn. ſvæfa (pacare) ſvæfill (cervical); hierher
fugt ſich der name alth. ſwâpâ (ſuevi) agſ. ſvæfas, viel-
leicht pacifici? vielleicht pacificantes? —


[ït, at, êt] nr. 277. goth. ïtan, agſ. ëtan, alth. ëƷan,
(edere) dahin wohl agſ. ëten, ëoten, altn. iötunn (gigas
i. e. edo, lurco)?; goth. atiſk (ſeges) alth. eƷiſc, altn.
etja (concitare) nhd. ätzen (mordere) altn. atall, ötull
(mordax, ſeverus) alth. aƷal, woher das n. pr. atli, ezilo;
altn. ât (eſus) âta (cibus) æti (edulia) ætr (veſcus) goth.
af-êtja (edax) uz-êta (praeſepe) — nr. 278. goth. fritan
(vorare); alth. vraƷar (procax wo nicht vrahar zu leſen?
vgl. altn. frâr, pernix); mhd. vrâƷ (lurco) gevræƷe (vo-
ratio) — nr. 279. altn. gëta (gignere, aſſequi) goth. bi-
gitan (invenire) alth. âkëƷ (oblivio) altn. gëta (conjectura);
goth. gatvo, altn. gata, alth. kaƷa (via, ſemita) altn. gat
(foramen) mhd. ergetzen (reſtituere, reficere); altn. gât
(cura) gætir (cuſtos) gæta (obſervare) gâta (aenigma) —
nr. 280. goth. mitan (metiri) mitôn (cogitare, ermeßen)
alth. mëƷ (menſura) altn. mët (trutina); altn. mat (aeſti-
matio); alth. mâƷa (modus) altn. mâti (modus) mâta
(moderari) mhd. gemæƷe (congruus) — nr. 281. goth.
ſitan (ſedere) ſitls (ſedes) altn. ſët (ſcamnum) ſëtr (ſedes)
alth. ſëƷ (ſedes) piſëƷ (obſidio) fraſëƷ (aerugo); goth.
ſatjan (collocare) altn. ſetja, nhd. ſatz (poſitio) mhd.
widerſaz (oppoſitio); goth. andaſêt (horrendum) altn. ſât,
ſâtr (inſidiae viarum) ſâta (meta foeni) ſæti (ſedes)


[ïd, ad, êd] nr. 282. goth. bidjan (rogare) bida
(preces) bidagva (mendicus) alth. pëta (rogatio) kapët
(preces) pëtôn (adorare) pëtalôn (mendicare) mhd. ane-
bët (quem adoramus) altn. bidill (procus) *) — nr. 283.
goth. trudan (calcare, ſubigere) altn. troda, agſ. trëdan,
[26]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
alth. trëtan, goth. ustrudja (ſegnis,? ſecedens) altn.
trodnîngr (callis) nhd. mundarten trotte, trottbaum
(torcular) agſ. trëd (paſſus) trode (veſtigium) mhd. trit
(gradus); altn. tröd, pl. tradir (paſcua) tradka (ſuppri-
mere) trödkun (ſuppreſſio) mhd. trat (veſtigium Triſt.
126a) alth. trata (conculcatio) mhd. treten (conculcare);
altn. trâda (terra culta) mhd. trât (abactio in paſcua) —
nr. 285. alth. chnëtan (depſere) kachnët (maſſa)


[ïþ, , êþ] *) nr. 287. goth. qviþan (dicere) altn.
qvëda (canere) alth. quëdan (dicere) altn. qviðr (teſti-
monium) qviða (poema): altn. qvedja (ſalutare) alth.
qvetjan (ſalutare) queti (ſalutatio) — nr. 288. goth.
viþan (ligare) altn. vidja (vinculum) alth. witta; altn.
vadr (funis) ved (pignus) vedja (pignorare) alth. wetti
(pignus); altn. vâd (pannus) alth. wât (veſtis) altn. vædaz
(veſtes induere) —


[ïſ, aſ, êſ] nr. 290. goth. liſan (eig. ſammeln, dann
aufs leſen der buchſtaben angewandt) vgl. nr. 411. alth.
altn. liſt (ars, wohl eigentl. peritia legendi literas) lëſo
(lector); altn. læs (literatus), das alth. lâri (vacuus), im
nord. und ſächſ. ungebräuchlich, ſteht ohne wurzel, ſollte
es hierher fallen und bedeuten: wo ſchon aufgeleſen iſt?
dagegen gehört lêran (docere) gar nicht zu lëſan. —
nr. 291. goth. ganiſan (ſanari) alth. kaniſt (ſervatio);
goth. naſjan (ſanare) alth. nerjan, nara (ſervatio, cibus);
altn. næra (fovere, nutrire). — nr. 292. goth. viſan
(manere, exiſtere, tegi?) vis (tranquillitas) alth. wiſt
(ſubſtantia, cibus) heimwiſt (patria) andere compoſ. mit
wiſt cap. III. wiſa (pratum, terra gramine veſtita?);
goth. gavaſjan (veſtire) gavaſeins (veſtitus) vaſti (veſtis)
alth. waſo (ceſpes) mhd. waſec (herboſus) verwaſec
(muſcoſus) Wigam. 12a vgl. Stald. 2, 436. mhd. waſtel
(genus panis, woher franz. gaſteau, gâteau) vgl. nr. 572.


[ïk, ak, êk und ſchwankend uk] nr. 294. goth.
brikan (ſrangere) altn. brëk (debilitas, vitium); braka
(crepere) brak (ſtridor) alth. praht (crepitus); altn.
brâka (debilitare) alth. prâhha (ager ſterilis, infirmus);
goth. gabrak (fragmentum) alth. pruh (fragmen) widar-
pruht (repugnantia) — nr. 295. goth. rikan (congerere)
mhd. rechen (congerere) alth. girih, girëh (diſpoſitio)
ungirëh (tumultus) altn. rik (pulvis)?; goth. rakjan (ex-
[27]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
tendere) altn. rekja (evolvere) alth. recchjan, rahha (ex-
poſitio, cauſa) agſ. racu (narratio) mnl. raken, gheraken
(pertingere, conſequi) altn. raka (colligere); goth. birêkja
(periclitans); gehört hierher goth. raíhts, alth. rëht (ex-
poſitus, rectus)? — nr. 296. goth. vrikan (perſequi) alth.
karih (ultio) mhd. gerich, altn. rëk und rëkftr (propulſio);
goth. vrakja, alth. recchjo (expulſus) agſ. vracu (vindicta);
alth. râhha (ultio) agſ. vræc (exſilium) altn. ræki (vin-
dicta) rækr (extorris) — nr. 297. alth. ſprëhhan (loqui)
agſ. ſprëcan; alth. ſprâhha (lingua) agſ. ſpræce; alth.
ſpruh (dictum); urbedeutung ſchwerlich loqui, vielleicht
ramificare? noch heißt agſ. ſprëc (ſarmentum) altn. ſprëk
(ramentum) ſprâk (macula) alth. ſprahhulla (? ſprâhhulla)
ſiliqua, quiſquiliae, ramentum, abſehneidſel, ſprâhhôn
(ſcindere, zerſchneiden) — nr. 298. alth. ſtëhhan (pungere)
agſ. ſticjan, goth. ſtiks (punctum) alth. ſtih, agſ. ſticel
(aculeus) altn. ſtikill (apex) goth. ſtikls (poculum, cor-
nu?); nhd. ſtachel (aculeus) agſ. ſtace (palus) alth. ſteccho
(ſudes); nhd. ſtock (baculus) ſtücke (fruſtum) — nr. 299.
alth. ſuëhhan (foetere) ſuëhhado (foetor) mhd. ſwëcher
(foetidus) agſ. ſvëcan (odorari); agſ. ſväc (odor) altn. ſvak
(ſtatus) ſvaka (flare); altn. ſvækja (vapor ſufſocans) das
im alth. und ſonſt fehlende mhd. ſwach (infirmus, exilis)
könnte zu dieſer wurzel hören, wie vielleicht effoetus
zu foetere? — nr. 300. altn. lëka (ſtillare, colare) lëkr
(rimoſus) lëki (ſtillatio); lakr (ſtillatio) lakra (aegre fluere)
alth. lecchjan, lahta (rigare T. 138.) nhd. lache (aqua
ſtagnans) lechzen (hiſcere) lechen (ſicceſcere); altn. lækr
(rivus); das goth. lêkeis, leikeis, alth. lâhhî, altn. læknir
(medicus) würde ſich hierher fügen, wenn ein lêk für
wunde (fließende oder ſpaltige?) zu erweiſen ſtünde.


[ïg, ag, êg] hierher das anomale magan (poſſe, va-
lere, pollere, gignere) alth. makan, mekin (vis, potentia)
altn. megin, agſ. mägen [vgl. nr. 66. aljan von alan] goth.
magus (genitus, filius) agſ. mëagol (potens) altn. mögr,
goth. magaþs, alth. makad (virgo) goth. mahts (poſſibilis)
mahts (vis) alth. maht, altn. mâttr; goth. mêgs (gener)
alth. mâk, altn. mâgr. — nr. 303. goth. ligan (jacere.)
ligrs (lectus) alth. lëkar (cubile) altn. lëg (cubile) lëgr
(caſtra); goth. lagjan (ponere) altn. lög (poſitio, ſtatutum)
lag (ordo) laga (aptare) mhd. gelac (ſocietas); altn. lâg
(inſidiae) mhd. lâge, altn. lægr (aptus, gelegen) læga (ſuc-
cuba) alth. lëpar-lâko (uterinus). — nr. 304. goth. vigan
(moveri, agi, auch movere, agere) goth. vigs (via) altn.
vëgr, alth. wëgôn (juvare) nhd. gewicht (pondus librae);
[28]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
goth. vagjan (excitare) alth. wakan (currus) alth. vagn
(ab agendo) mhd. wage (cunae, nhd. wiege, a movendo);
goth. vêgs (motus, fluctus) altn. vâgr, alth. wâc (fluctus,
mare) altn. vâg, alth. wâka (libra) mhd. wâgen (moveri
ad aliq., audere) mhd. wæge (utilis, promovens, auxilians)
wægeſt (optime) — nr. 305. mhd. pflëgen (ſolere) pfliht
(officium, obligatio) inphliht (tutela N. 134, 4.) — nr. 306.
altn. þiggja (accipere, acceptare, δέχεσθαι); þegi (accep-
tor); þâga (gratia) þægr (acceptus) þægja (gratificari);
þegja (tacere) alth. dagên durch: empfangen haben,
nichts mehr fordern zu erklären ſcheint mir gezwungen
und im goth. þahan gilt h ſtatt g. —


[aíh, ah, êh] nr. 307. goth. fraíhan (quaerere) alth.
chafrëgin (fando accipio) altn. frêtt (nuntius); vrâka (quae-
ſtio) vrâkanôn (conſulere), andere formen bei der conjug.
nachzuſehen. — nr. 308. goth. ſaíhvan (videre) alth. ſehan
(videre) ſëha (pupilla) kaſiht (viſus, viſio); in dem alth.
ſiuni (viſio) agſ. ſŷne, altn. ſión, ſŷn, mhd. ſiene ſcheint
ſich der unorganiſche vocal auf eine, durch ausſtoß des
h bewirkte verkürzung zu gründen; (vgl. tión nr. 195.
læn nr. 194.) — nr. 309. alth. kivëhan (gaudere) altſ. gi-
fëho (gaudium) goth. faíhu (pecus, opes) alth. vihu *);
altn. fagna (gaudere) goth. faginôn (gaudere) fahêds (lae-
titia), das goth. fahan (opes acquirere, capere) gafahs
(captura) ſcheint hierher zu nehmen, zumahl ſich aus
dem pluralablaut die alth. form vâhan wohl begreift vgl.
nr. 221. — nr. 310. alth. kiſcëhan (fieri) kiſciht (factum)
niuſciht (miraculum). —


[ïl, al, êl, ul] das anomale goth. ſkulan (debere)
ſkula (reus, debitor) alth. ſcolo, mhd. geſchol (Gudr. 72b)
goth. ſkulds (debitus, fas) alth. ſculd, -dî (debitum, pec-
catum, crimen); ohne zweifel bekennen ſich andere
gangbare wörter mit den vocalen i und a zu dieſem
ſtamme, die ich aber der dunkeln übergänge halber nicht
anführe, vgl. nr. 563. — das anomale viljan (velle, bene-
velle) vilja (voluntas) altn. vil- und vël- alth. wili-
(in compoſ. bene-, εὐ-) altſ. wëlo, agſ. vëla (bona, opes)
ſcheint nicht allein wegen val (placitum, electio) valjan
(eligere) ſondern auch des ſchwankens der partikel wela,
wola, wël, wale (1, 82. 471.) und der form wollen,
wolta ſt. wëllen, wilta ganz in conj. XI. gehörig, machte
nur das goth. váila (bene) keinen anſtand, wonach 1, 853.
[29]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
ein veilan, váil aus conj. VIII. gemuthmaßt wurde, vgl.
884. 885., ſollte ausnahmsweiſe váila für vaíla, vila
gelten? — nr. 313. goth. ſtilan (furari) altn. ſtëla; nhd.
diebſtâl, agſ. ſtalu (furtum); altn. ſtulðr (furtum) agſ.
ſtulor (furtivus) alth. ſtulingun (furtive). — nr. 314. alth.
hëlan (celare) hëlm (galea) altn. hiâlmr (galea) hilmir
(galeatus) hilma (occultare) altſ. hëliðhëlm, alth. hëlôt-
hëlm (larva) mhd. gehilwe (nubes); goth. hali (tartarus,
caverna) alth. helja, hella, mhd. helle, nhd. hölle, altn.
hel (mors) alth. heljan (velare) helî (velamentum) halm
(calamus, culmus, a cavitate?) vielleicht hierher alth.
helid (galeatus, perſonatus? miles) agſ. häleð, mhd. he-
let, nhd. held, altn. halr (vir); altn. hæli (refugium,
latebra) alth. hâlingun (occulte O. I. 17, 84.) mhd. hæ-
linc (occultatio) hæle (cura), ob alth. hâli (lubricus) mhd.
hæle, aus dem begriffe dubius, obſcurus gefolgert wer-
den kann? goth. huljan (occulere) mhd. hüllen, goth.
hulundi (chaſma) altn. hul (tegmen) hylja (tegere) hylr
(gurges) hulſtr (theca) hulins-hiâlmr (larva) goth. huls
(cavus) ushulôn (excavare) alth. hol (cavus) altn. hol
(cavitas) *) hola (foramen) mhd. holre (calamus), wahrſch.
ſtammt auch alth. hold (favens) huldî (protectio) altn.
hollr, hylli aus der wurzel. — nr. 315. alth. quëlan (cru-
ciari, mori) agſ. cvilm (nex) cvild, alth. quilt (peſtis);
alth. queljan (necare) agſ. cvellan, altn. qvelja, altn. qvöl
(cruciatus) qvalari (tortor) alth. qualm (excidium) agſ.
cvëalm (nex); alth. quâla (ſupplicium); altn. qvol (cre-
bra tractatio); der verlorne ſinnliche urbegriff würde
auch das altn. qveld (veſper) aufhellen. — nr. 316. alth.
tuëlan (torpere, ſopiri); goth. dvals (ſtupidus) altn. dvali
(deliquium) dvöl (mora) alth. tueljan (morari) tualm (ſo-
por); tuâla (mora); tuliſc (fatuus, f. tuuliſc) nhd. toll,
altn. dul (ſtultitia f. dvul) dylja (illudere). — nr. 317.
alth. ſuëlan (ardere) ſuilizan (calere) agſ. ſvëlan (uſtulare)
ſvile (apoſtema); altn. ſvalr (ſubfrigidus) ſval (aeſtus mo-
dicus) daher alth. ſuala-pah, ſuala-heim namen von
örtern, wo mineralquellen ſind, ſualm (?tepor) ſualmaha
(n. fluvii in Haſſia); altn. ſvæla (ſuffocare); nhd. ſchwül
(calidus, alth. ſwuli?) agſ. ſvole, ſvolað (aeſtus, cauma);
ſtutzig macht das oe im nnl. zwoel (tempus calidiſſimum)
dem ein alth. ſwuoli und agſ. ſvôle (nach VII.) ent-
ſpräche? —


[30]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.

[ïm, am, êm, um] nr. 318. goth. niman (ſumere, cape-
re) altn. nëma (niſi, ausgenommen); alth. nama (praeda)
namo (nomen) *); altn. nâm (occupatio) alth. nâmi (ac-
ceptus) goth. andanêms (gratus) altn. næmr (capax); goth.
arbinumja, agſ. yrfenuma (heres) goth. andanumfts (ac-
ceptio) alth. ſikinumft (victoria) etc. — nr. 319. goth. qviman
(venire); alth. piquâmi (commodus) altn. kæmr; goth. ga-
qvumfts (conventus) alth. chumft, altn. koma (adventus). —
nr. 320. goth. gatiman (decere) alth. zëmen; alth. zemjan
(domare) altn. (temja) alth. zam (manſuetus); kizâmi (de-
cens, conveniens); kizumft (decus) nhd. zunft (conventus). —
nr. 322. mhd. ſtëmen (cohibere) mit hin und wieder aus-
brechender gemination, goth. ſtamms (balbutiens i. e. loqui
cohibitus) altn. ſtamr (haeſitans) ſtama (lingua haeſitare) alth.
ſtamalôn (balbutire) nhd. ſtemmen (aquam ſtagnare facere,
mole truncove) alth. ſtam, -mmes (truncus, ſtirps,? cohi
bens, vgl. ſtockſtill, ſtumm wie ein ſtock, block); alth. ſtum,
-mmes (mutus) mhd. ſtum, -mmes und daneben unorg.
ſtump, ſtumbes (1, 1079.) nhd. ungeſtüm (inquietus, im-
petuoſus). — nr. 323. mhd. ſchëmen (erubeſcere) ſchëm
(pudor); ſcham (pudor) ſchamen (pudere). —


[ïn, an, ên, un] das anomale man (μέλλω) alth.
manôn (monere) varmanên (contemnere) varmano (con-
temptor) altn. mana (provocare); goth. munan (cogitare,
putare) gamunan (meminiſſe) gamunds (memoria) altn.
mynd (effigies, memoria) mynda (formare) muni (ani-
mus) munir (facultates) munr (voluptas, voluntas); auch
hierher fallen ſicher andere bekannte wörter, deren ver-
bindung noch ein räthſel iſt; unorganiſchen übergang in
die form inn, ann, unn bewähren: goth. ufarmunnôn
(obliviſci) alth. minnôn (meminiſſe, amare) minna (re-
cordatio, amor) altn. minni (memoria) minna (monere) —
nr. 324. mnl. ſtënen (gemere); alth. ſtunôd (ſuſpirium)
altn. ſtynja (ſuſpirare) —


[aír, ar, êr, aúr] das anom. goth. gadar, alth. tar
(audeo, praeſumo) tarôn (temerare, laedere) tara (no-
cumentum) terjan (laedere) altſ. derjen; goth. gadaúrſta
[31]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
(audebat) alth. turſta, katurſt (temeritas) und mit unorg.
gemination turrum (audemus); gehört hierher das mhd.
adj. untære (debilis, triſtis, puſiltus? Stolle hinter Triſt.
147b) adv. untâre (perpuſillum, gegenſatz von audac-
ter)? dann verdiente die ſchreibung târe vor dâre vor-
zug (1, 340); in dem altn. diarír (audax) weiß ich das f
nicht zu erklären, zu pidërpi (nr. 439) fügt es ſich gar
nicht. — nr. 325. goth. baíran (ferre, prae ſe ferre, ma-
nifeſtare) alth. përan, altn. bëra, bëri (portator) alth.
pirîc (fertilis) perd (genimen) pirihha, altn. biörk (betula)
alth. pira (pyrum, wegen des kurzen i ſchwerlich aus
dem lat.); alth. par, altn. ber (manifeſtus, nudus) goth.
baris, agſ. bere (hordeum) goth. barn (infans) barms,
alth. param (gremium) alth. perjan, altn. berja (ferire,
formare) mhd. ber (ictus); goth. bêruſjôs (parentes von
parere) alth. pâra (feretrum) altn. bær (ferendus) alth.
-pâri (ferax) kipârida (geſtus); goth. baúrs (genitus)
gabaúrds (generatio) baúrjôdus (voluptas, vgl. nr. 254.)
alth. kipurt (genus) kipurjan (convenire) purdî (onus)
pora- (elate-, valde-) urbor (reditus) *) altn. byrja (in-
cipere). — nr. 326. goth. taíran (rumpere) alth. zëran;
zerjan, zerran (lacerare) mhd. zern (conſumere); goth.
gataúra (ruptura) taúrnan (rumpi) wahrſch. alth. zorn
(ira, i. e. eruptio) vgl. cap. V. die partikel zër- zur-,
altn. tor-. — nr. 327. alth. ſcëran (tondere, ſecare) ſcëro
(talpa, a fodiendo terram); altn. ſkör (barba, a ton-
dendo) ſkard (inciſura) alth. ſcarta, alth. ſcara (ſectio, co-
hors); ſcârî (forfex) altn. ſcæri; alth. ſcurt (tonſura) altn.
ſkurdr (vulnus, ſculptura) ſkora (incidere) agſ. ſcëort
(brevis, abgeſchnitten?) — nr. 328. alth. ſuëran (dolere)
ſuëro (dolor, ulcus) mhd. ſchwierig (difficilis); ſuerido
(dolor) ſuarm (turba, a gravando, incumbendo?); goth.
ſvêrs (honoratus, i. e. gravis?) **) alth. ſuâri (gravis,
moleſtus) vgl. nr. 222. —


[ïll, all, ull] nr. 332. alth. hëllan (ſonare) mhd.
hël, -les (ſonorus, allmählig ſpäter clarus); agſ. hëal,
hëalle (aula, quae reſonat) alth. halla, altn. höll (aula)
hellir (antrum). — nr. 333. mhd. bëllen (latrare) agſ.
bël, bëlle (campana) alth. miſt-pëlla (lyciſca) mhd. wider
[32]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
bille (repugnans); agſ. bulluca (vitulus) nhd. bulle (tau-
rus); wenn der übergang auf ein hallendes, rundes ge-
fäß ſtatthaft iſt, ſo gehören hierher: altn. böllr, mhd.
bal (pila) agſ. bolla (vas, globus) mhd. hirnbolle (cra-
nium) bolle (gemma arboris) vgl. bolſter (glomeratio)
und unten C, b. — nr. 334. alth. ſcëllan (ſonare) nhd.
ſchelle (campanula) altn. ſkëllr (tinnitus) ſkillîngr (aes
ſonans); mhd. ſchal, -lles (clangor); vielleicht alth.
ſcollo (gleba, terra reſonans) [vgl. 563.] und mhd. ſchülle
(? Ben. 261.) — nr. 335. mhd. ſwëllen (tumere) ſwëlle
(limen, i. e. ſublime, turgens); nhd. ſchwall (tumor);
altn. ſullr (tumor) alth. ſuulſt, ſwulſt (tuber) — nr. 336.
alth. wëllan (volvere) wël und verſtärkt ſina-wël (ro-
tundus, volubilis) wëlla (unda, a volvendo); wal, -lles
(fundamentum, agger) altn. völlr (campus) mhd. gewelbe
(fornix); alth. wullido (nauſea, a revolvendo) nhd. wulſt
(involucrnm); iſt das goth. vilvan (rapere) nr. 348.
vilva (raptor) derſelben wurzel? — nr. 337. mhd. gëllen
(perſonare) gëlm (ſtrepitus); galm (idem). — nr. 338.
altn. hvëlla (tinnire) hvëllr (ſonorus) hvëllr (clangor)
hierher das alth. huëllêr (procax, vorlaut)? — nr. 339.
altn. ſmëlla (crepere) ſmëllr (crepitus) — nr. 541. mhd.
knëllen (ſtrepere); nhd. knall (fragor) — nr. 342. mhd.
quëllen (ſcatere) quëlle (fons).


[ïlp, alp, ulp] nr. 343. alth. hëlfan (juvare) hëlfa,
hilfa (juvamen) mhd. gehülfic (auxilians) — nr. 345. agſ.
gëlpan (ſuperbire) mhd. gëlpf, gëlf (arrogans, corruſcans)
gegëlfe (arrogantia) agſ. gëalp (ſonitus) altn. giâlp (ſtre-
pitus); gûlpa (tumere) agſ. gylp (gloria). —


[ïlb, alb, ulb] nr. 344. agſ. dëlfan (fodere) dëlfing
(foſſio) nnl. dëlf, dëlve (foſſa). — nr. 346. altn. ſkiâlfa
(tremere) ſkiâlf (tremor); ſkelfa (terrere). —


[ïlt, alt, ult] nr. 349. goth. ſviltan (mori) altn.
ſvëlta (eſurire) ſvëlta (fames); goth. ſvults (mors) agſ.
ſvylt, altn. ſultr (fames f. ſvultr) — nr. 350 agſ. ſmël-
tan, alth. ſmëlzan (liquefieri) nhd. ſchmelz (electrum);
alth. ſmalz (adeps eliquatus) alth. ſmultar (liquidus, ſere-
nus) agſ. ſmylte, ſmolt (ſerenus und dann placidus, tran-
quillus, veſpertinus, wie das lat. ſerenus zu ſerus ge-
hört) — der davon abzuſondernden agſ. form mëltan
fällt zu: alth. milzi, agſ. milte, altn. milti (lien, ſplen) a
concoquendo, ſolvendo ſuccum, forte urinam?; alth.
malz, altn. malt (polenta concocta) altn. melta (ſolvere,
chylificare). —


[33]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.

[ïld, ald, uld] nr. 351. goth. gildan (rependere)
gild (tributum) alth. këlt (cultus, oblatio, tributum, pe-
cunia) altn. giald (pecunia) goth. gilſtr (tributum) alth.
këlſtar (tributum) kilſtirro (tributarius); mhd. gülte (de-
bitum) nhd. gültig. — nr. 352. alth. ſcëltan (inculpare)
ſcëlta (convitium) vielleicht verwandt mit ſculd (culpa)
[ſ. oben ſculan] nach dem bekannten verderbnis des
d in t. —


[ïlk, alk, ulk] nr. 353. mhd. mëlhen (mulgere) praet.
malch (nicht mëlken, malc) milch (lac) altn. miólkr; altn.
mylkja (mulgere) mylkr (lactans) nhd. molke (ſerum). —


[ïlg, alg, ulg] nr. 355. alth. pëlkan (tumere, iraſci);
goth. balgs, alth. palk, altn. belgr (ſollis, venter, pellis);
altn. bylgja (unda). —


[ïlh, alh, ulh] nr. 356. mhd. ſwëlhen (glutire) ſwëlch
(lurco) vgl. nr. 277.; altn. ſvelgja (devorare) ſvelgr (gurges).
— nr. 357. goth. filhan, alth. vëlehan, altn. fela (condere,
recondere, occulere, commendare, ſepelire) alth. vëlaho
(conditor) goth. usfilhs (ſepultura) mhd. bevëlch, nhd. be-
fehl (mandatum); goth. fulhſni (latibulum) fulgins (ab-
ſconditus). — nr. 358. mhd. dëlhen (celare) altn. dylja
(celare) verſch. von dylja f. dvylja nr. 316? dylgjur (in-
ſidiae, occultationes) dyljendr (inſidiatores, diſſimulatores,
inimici) dolgr (hoſtis), vgl. goth. dalgs (fovea).


[ïmm, amm, umm] nr. 359. alth. primman (rugire);
nhd. brummen. — nr. 360. alth. ſuimman (natare); goth.
ſvamm (ſpongia, quae diluit, dann fungus); nhd. ſchwem-
men (abluere) ſchwemme (piſcina); goth. ſvumſl (nata-
torium) vielleicht auch ſumft (palus, zuſ. geſchwomme-
nes waßer, f. ſwumft?) nhd. ſumpf; Pictorius hat
ſchwumm f. natatus und ſpongia. — nr. 361. agſ. grim-
man (ſaevire) grim, grimme (aſper, ferus). — nr. 362.
mhd. klimmen (ſcandere); nhd. klemmen (arctare) altn.
klemma (anguſtiae). — nr. 364. nhd. glimmen (micare)
nhd. glinſter (ſcintiHa) f. glimſter? vgl. nr. 495.


[ïmp, amp, ump] nr. 365. goth. trimpan (calcare);
altn. trampa (conculcare) tramp (conculcatio) trampr
(equus ſuccuſſator) nnl. trampelen (pedibus proculcare).
— n. 366. agſ. limpan (evenire) gelimpan (convenire)
gelimp (caſus) alth. kalimpf (modeſtia) nhd. glimpf; altn.
lempa (temperare) lempi (moderatio). — nr. 367. agſ.
rimpan, mhd. rimpfen (rugare); nnl. ramp (inſortunium,
contorſio) alth. rampſt, nhd. ranſt (labrum, margo);
rumpf (truncus) altn. rumpr (clunes). — nr. 368. mhd.
C
[34]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
dimpſen (fumare); dampf (fumus) dempfen (ſuffocare)
altn. dampi (vapor); nhd. dumpf (vaporoſus) alth. dumphilo
(gurges) — nr. 369. mhd. klimpfen (ſtringere); altn.
klampi (fibula) — nr. 370. mhd. krimpfen (premere);
krampf (ſpaſmus) altn. krappr (arctus, curvus) kreppa
(coarctare) nhd. krempfen; krump (curvus, nicht krumpf)
ſcheint anderer wurzel. —


[ïnn, ann, unn] das anomale kunnan (noviſſe, dann
valere, gignere, wie magan) alth. chinni (gena, mala)
altn. kinn (mala) alth. chind (infans); goth. kannjan
(notificare) alth. chennjan (noſcere) altn. kanna (ſcrutari)
kenna (ſentire, docere) kendr (notus) kennîng (nota)
kenſl (notio); goth. kunþs (notus) kuni (genus)-kunds
(-gena) kunnan (obſervare) alth. chunni (genus) chuninc
(generoſus) altn. kyn (genus) alth. chunſt (ſcientia). —
das anomale unnan (favere) dahin vielleicht goth. ïnn
(intro) altn. inni (domicilium); goth. anſts (favor) alth.
anſt, altn. âſt; nhd. gunſt (favor) altn. unnuſta (amica)
yndi (jucunditas) — nr. 371 goth. brinnan (ardere) brinnô
(febris); inbrannjan (cremare) alth. prennjan (comburere)
prant (titio) altn. brandr (titio, lamina enſis) brenſla
(combuſtio); altn. bruni (uſtio) brynja, alth. prunnja
(lorica coruſcans) alth. prunno, altn. brunnr (fons, a
limpitudine, an a fervore ſcaturiginis?) goth. allbrunſts
(holocauſtum, alth. allbrandopher N. 64, 2) — nr. 372.
goth. duginnan, altſ. biginnan (incipere) alth. anakin,
pikin, -nnes (initium) mhd. begin, -nnes. — nr. 374.
goth. rinnan (fluere) urrinnan (oriri) rinnô (torrens)
mhd. rinne (curriculum aquae) rinnel (canalis); goth.
urranjan (oriri facere) alth. rennjan (currere) vielleicht
rant (margo, quod emerſit?); goth. runs (curfus) alth.
antrunnjo (profugus) altn. runnr (ſurculus). — nr. 375.
goth. ſpinnan (nere) alth. ſpinnala (fuſus) nhd. ſpindel,
alth. ſpinna (aranea) nhd. geſpinnſt (tela, filum); alth.
ſpannan (tendere) ſpanna (ſpithama); alth. uſpunna (aus
urſpunna, das ausgeſponnene? ſtupa) unorganiſch aber hat
lich ſpunni (uber) in dieſe form verloren, vgl. nr. 71. —
nr. 376. goth. vinnan (pati) alth. vinnan, alth. vinna (la-
borare, acquirere) vgl. nr. 503. alth. uparwinnan (vincere)
nhd. unorg. überwinden, nhd. gewinn und gewinnſt
(lucrum) altn. vinna (opus) alth. uberwint (victoria)
N. 75, 4. uberwunt ſtehet 70, 1. ?); ubarwant (victoria)
O. V. 10, 24. — nr. 378. alth. ſinnan (ire, tendere, in-
tendere) goth. ſinþs, alth. ſind (iter) goth. gaſinþja, alth.
ſindjo (comes) altn. ſinn (punctum temp., vices) ſinni
[35]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
(animus); goth. ſandjan (mittere) alth. ſant (miſſus); viel-
leicht goth. ſunna, ſunnô (ſol), die am himmel reiſet?
oder müßen die formeln ſinnan und ſinþan ganz ge-
trennt werden? — nr. 379. mhd. trinnen (congregare,
ſegregare?); trennen (ſeparare); trunne (grex). —


[ïnt, ant, unt] nr. 380. agſ. ſtintan (hebetare) nhd.
ſtinz, ſtint (ein kleiner fiſch); ſtenzen (truncare, decer-
pere); ſtunt (hebes) nhd. ſtunz (vas anguſtum, exiguum).


[ïnd, and, und] nr. 382. goth. bindan (ligare) alth.
anapint (liciatorium) pinta (faſcia) mhd. underbint (diſ-
crimen) altn. bindîng (ligatio): goth. bandi (vinculum)
bandja (vinctus) alth. pant, altn. band (vinculum) altn.
benda (funis) goth. bandvô (ſignum) bandvjan (nutare)
altn. bendîng (nutus) benda, banda (innuere); goth. and-
bundnan (ſolvi) nhd. bund (unio). — nr. 383. goth. vin-
dan (volvere, involvere) altn. vindr (obliquus) nhd. win-
del (involucrum); goth. vandjan (vertere) alth. want
(paries) wantalôn (mutare, negotiari) altn. vöndull (vo-
lumen) vöndr (virga, ſcopae) mhd. gewant (pannus);
vielleicht fügen ſich hierher wunta (vulnus) und wuntar
(miraculum). — nr. 384. alth. ſcrintan (findere); nnl.
ſchrand (acutus) ſchrandſe (ſciſſura); alth. ſcruntuſſa
(rima). — nr. 385. alth. ſlintan (glutire); mhd. ſlunt
(guttur). — nr. 386. agſ. ſvindan, alth. ſuintan (evaneſ-
cere) nhd. ſchwindel (vertigo); ſuentan (perdere) mhd.
ſwant (deſtructor Parc. 71b) — nr. 389. mhd. ſchinden
(excoriare) alth. ſkinn (corium); nhd. ſchund (purgamen)
wie fügt ſich mhd. ſchünden, alth. ſcuntan (incitare, al-
licere)? die haut reizen? — nr. 390. agſ. grindan (molere);
alth. grendil (grave robur, gl. jun. 388. wie lat. molere
zu moles?) altn. grannr (tenuis,? comminutus); grunnr
(fundus) agſ. grund (terra, pulvis). —


[ïnþ, anþ, unþ] *) nr. 394. goth. finþan (invenire)
altn. finna; agſ. fandjan (tentare); altn. ſundr (conven-
tus) mhd. vunt (inventum) — nr. 395. goth. hinþan
(capere) altn. hinð, alth. hinda (cerva);? goth. handus
(manus, qua capimus) vgl. 498. handugs (prudens, capax?)
alth. hantalôn (negotiari); vielleicht hunds, alth. hunt
(canis, qui capit feras)? hunta (captura).


[ïnſ, anſ, unſ] nr. 396. goth. þinſan (trahere), alth.
dinſan; mhd. gedenſe (commotio Parc. 144b); daher
vielleicht das rom. danſa (chorea) bei der zurucknahme
in tanz vergröbert?; vielleicht das alth. dunſt, duniſt
C 2
[36]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
(procella, turbo, zuſ. gezogenes wetter, nhd. vapor,
vgl. aufgedunſen, aufgeblaſen und nr. 571)? —


[ïnk, ank, unk] nr. 397. goth. drigkan (bibere)
altn. drëcka (potare) drickr und drëcka (potio) agſ. drinc
(potus) alth. trinho (potator); goth. draggk (potus) alth.
tranh, goth. dragkjan (potum praebere) altn. dreckja
(mergere); mhd. trunc (hauſtus) altn. dryckja (potatio)
druckna (ſubmergi) alth. trunhanan. — nr. 398. goth.
ſigqvan (labi) alth. ſinhan, agſ. ſincan (delabi) ſinc (cu-
mulus, congregatio, opes) vgl. die idee von verſunkenen
ſchätzen und ze ſamen ſîgen hieß: cumulari, congeri;
goth. ſagqvs (occidens) agſ. ſencan (mergere). — nr. 399.
goth. ſtigqvan (ruere, ferri) mhd. ſtinken (exhalare);
goth. gaſtagqvjan (offendere) mhd. ſtanc (odor) agſ. ſten-
can (ſpargere) altn. ſtöckva, ſchwed. ſtänka (adſpergere)
nhd. durchſtänkern (inveſtigare) — nr. 400. altn. hröckva
(torquere) agſ. vrincle (ruga); vrence (machinatio) nhd.
ränke — nr. 401. agſ. acvincan (perire); acvencan (ex-
tinguere). — nr. 402. agſ. ſcrincan (contrahi); ſcrencan
(ſupplantare) mhd. ſchrank (fraus) altn. ſkrök (figmentum,
dolus) — nr. 403. agſ. ſvincan (laborare) ſvinc (labor);
ſvencan (fatigare) hierher ſcheint, nach irgend einer mo-
dification des begriffs das mhd. ſwanc (vibratio) ſwankel
(vibratilis) zu fallen. — nr. 404. mhd. hinken (claudicare);
altn. hökt (claudicatio) hökta (claudicare,? mhd. henke-
zen) — nr. 405. mhd. winken (nuere) winc (nutus);
wanken (nutare) wenken (retrocedere) wanc (ceſſio, mo-
tus) — nr. 406. blinken (micare); blank (nitidus) blenken
(dealbare). — nr. 408. agſ. ſlincan (repere); nhd. ſchlank
ſinuoſus, gracilis?) das altn. ſlökva (extinguere) weiß
ich nicht hierher zu bringen. —


[ïng, ang, ung] nr. 411. goth. ſiggvan (legere lite-
ras, urſpr. aber ſammeln, colligere vgl. nr. 290.) ſpäter-
hin: das geleſene herſagen, recitare, canere, mhd. ſingære
(recitator, poëta); altn. ſængr (lectus) mhd. ſange (manipulus,
faſciculus) ſanc (cantus) altn. ſöngr (cantus) ſângra (murmu-
rare) agſ. ſängan (engl. ſinge) nhd. ſengen (uſtulare, d. h. kni-
ſtern machen? vgl. Parc. 25a); mhd. ſüngeln (crepitare) —
nr. 412. mhd. dringen (urgere); drengen (premere) gedranc
(preſſura Wilh. 2, 180b) gedrenge (idem) altn. þrengja (coer-
cere) þröngr (arctus) þröng (anguſtiae) — nr. 413. mhd.
twingen (cogere) altſ. gethuing (coactio); mhd. getwanc
(coactio) twengen (comprimere) altn. þvengr (corrigia)
— nr. 414. alth. prinkan (afferre); heim-prunc (reditus)
— nr. 415. mhd. ſpringen (ſalire) urſprinc (origo, ſca-
[37]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
turigo) nhd. beſpringen (inſilire, coire) alth. hewi-ſprinko
(locuſta) altn. ſprînga (disrumpi); mhd. ſprengen (ad ſalien-
dum excitare) altn. ſprengja (rumpere) ſprengr (ruptura)
alth. ſprankôn (ſalire) altn. ſprânga (tranſcendere); nhd.
ſprung (ſaltus, ruptura) urſprung (origo) — nr. 416.
agſ. ſvingan (verberare) ſving (flagellum) altn. ſvîngl (in-
certa vagatio); ſvengan (quaſſare) ſvenge (concuſſio); nhd.
ſchwung (vibratio); wahrſch. hört hierher alth. ſuangar,
mhd. ſwanger (gravidus, i. e. deſes, concuſſus) agſ. ſvon-
gor (deſidioſus) [vgl. altn. þûngr nr. 420] altn. ſvângr
(famelicus, jejunus) — nr. 417. agſ. cringan (occumbere)
altn. krîngr (gyrus) krîngr (dexter); krûngr (gibber). —
nr. 418. altn. ſtînga (pungere) ſtîngr (punctio); mhd.
ſtange (contus) ſtengel (caulis); alth. ſtunkniſſi (compunc-
tio) altn. ſtûnga (punctura) — nr. 419. agſ. vringan (tor-
quere) mhd. gerinc (contentio) — nr. 420. agſ. þingan
(?graveſcere) þing, alth. dinc (res gravis? litigium) agſ.
þingjan (intercedere); altn. þûngr (gravis, praegnans, deſes,
ſegnis) oder für þvûngr zu nr. 413? — nr. 421. altn. ſlöngva
(jacere, projicere) ſlîngr (vacillatio) ſlîngr (agilis) mhd.
ſlingære (funda); mhd. ſlange (ſerpens) altn. ſlânga (ſerpens,
ſunda) ſlöngvi (coluber, funditor) — nr. 422. mhd. klingen
(ſonare) klinge (torrens) nhd. klinge (lamina coruſcans);
mhd. klanc (ſonitus); ſeltner klunc (ſonitus) Ottoc. 21a, altn.
klûngr (ſaxetum) mhd. hôhklunge (altiſonus, ſuperbus M. S.
2, 205a; wahrſch. Ben. 291. hôhklingære, ſuperbiens, zu
beßern?) — nr. 423. mhd. lingen (ſuccedere) gelinge
(ſucceſſus) alth. linkiſo (proſperitas); goth. laggs (longus)
alth. lank (ductilis, continuus) lankara (deambulatio) ki-
lankan (pertingere) lankſam (diuturnus) kilenkida (affini-
tas); alth. lungar (citus, proſper) agſ. lungre (ſubito);
ob lunge (pulmo) verwandt? vgl. altn. lingvi (coluber)
lûngr (ſerpens) — nr. 425. ſtringan (ſtringere); mhd.
ſtranc (vinculum ſtringens) ſtrenge (rigidus) altn. ſtrengr
(funis) ſtrângr (ſeverus) ſtrengja (ſtringere) — nr. 426.
agſ. hringan (ſonare campanas) hring (annulus) vgl.
nr. 419. —


[irr, arr, orr] nr. 428. mhd. ſchërren (ſcalpere);
ſcharren (idem) — nr. 429. mhd. wërren (offendere)
wërre (ſcandalum) woher das rom. guerre (bellum) wirric
(intricatus); nhd. wirrwarr (confuſio); agſ. vyrre (bellum).


[aírp, arp, aúrp] nr. 433. goth. vaírpan (jacere)
altn. vërpa (ova facere, wie noch nhd. junge werfen)
vërpill (culeus miſſilis); varpa (jacere) varp (ovatio, teli
jactus) agſ. vearp (ſtamen textorium); alth. wintworfa
[38]III. laut u. ablaut. verbliebene ſtarke verba.
(ventilabrum) mhd. wurf (jactus) würfel (teſſera) agſ.
vyrp (jactus). —


[aírb, arb, aúrb] nr. 435. goth. hvaírban (vertere)
hveila-hvaírbs (temporarius, wetterwendiſch) altn. hvërfr
(verſutus) hvërful (caducus) hvërfa (latus) alth. huërpal
(volubilis) umpihuërft (orbis) mhd. wirbel (vertex, ver-
tigo) gewërp (negotium) erwërben (acquirere); goth.
hvarbôn (vagari, ire) alth. huarapôn (reverti) altſ. huarab
(conventus publ.) altn. hvarf (disceſſus) hvörf (amiſſio
bonorum furtiva) mhd. werbel (nuntius); agſ. hvyrft
(circuitus) — nr. 436. goth. ſvaírban (tergere) altn. ſvërfa
(minutim auferri); ſvarf (ſcobs); die bedeutung des nnl.
zwerven (vagari) ſcheint vermiſchung mit nr. 435, das
gilt auch von nhd. (mundartiſchen) ſchwurbel, ſchwirbel
(vortex, revolutio) und wahrſch. vom mhd. ſwërben,
vgl. th. I, 940. — nr. 437. alth. ſtërpan (mori) ſtirpîc
(morticinus) ſtërpo (peſtis) agſ. ſteorfa (lues); altn. ſtarf
(labor) ſtarfa (laborare) agſ. ſtëarfjan (fame perire) vgl.
349. — nr. 438. agſ. cëorfan (ſcindere, ſecare); cyrf (ab-
ſciſſio) nhd. kerbe (ſegmen) vielleicht dahin altn. kerſi
(compages) und karfa, alth. chorop (corbis)? — nr. 439.
mhd. verdërben (perire); verderben (perdere); beide
verba mangeln den älteren dialecten, verdërben ſcheint
eigentlich vileſcere und verderben vilem reddere, ſo daß
zuſ. hang mit dem anom. goth. þaúrban (egere) þaúrfts
(neceſſitas) þarbs (egenus) unverkennbar iſt. In dieſer
wurzel ſchwankt die alth. labialis, neben durſt, duruſt
(neceſſitas) und durfan (egere) darf (egeo) wofür niemahls
durpan, darp — findet ſich darpên (egere) und pidirpi,
piderpi (utilis, fructuoſus, was für die noth hilft, nhd.
in bieder entſtellt) pidërpiſôn (expedire) unpidarpeo (ne-
quam, nullius frugis) wofür ebenſowenig: darfên, pidërfi
etc. agſ. und altn. herrſcht überall f: þëarfa (indigens)
þëarf (neceſſitas) beþëarf (eget) beþëarfad (expedit, prodeft)
altn. þurfa (indigere) þörf (indigentia) þurft (neceſſitas)
þerfill (egenus) þarf (utilitas) þarfr (utilis), Zu beſtätigen
bleibt, ob wie ich glaube alth. dërap, dërp (azymus) agſ.
þëorf hierher zu rechnen, und ſo viel als vilis, rudis be-
deuten? wofür das nhd. derb (grob) ſpricht, welches mit
dem altn. diarfr (audax) nichts gemein hat. —


[aírt, art, aúrt] mhd. vërzen, agſ. fëortan, altn. frëta
(πέρδειν) agſ. feort, nnl. vërt, altn. frëtr (crepitus ventr.);
altn. frata neben frëta; nhd. furz (crep. v.) —


[aírd, ard, aúrd] nr. 441. goth. gaírdan (cingere)
gaírda (cingulum) altn. giörd (cingulum, vimen) girdi
[39]III. laut u. ablaut verbliebene ſtarke verba.
(vimen) giardari (vietor); goth, gards (domus) garda
(ſtabulum) altn. gardr (agger, praedium) gerdi (ſepes)
alth. karto (ſepimentum, hortus) kart (vimen, aculeus)
kartea, kerta (virga); kurtan (cingere) nhd. gurt, gürtel
(cingulum). —


[aírþ, arþ, aúrþ] *) nr. 442. goth. vaírþan (fieri,
evenire) vaírþs (futurus, vergens, dignus) andvaínþi
(praeſentia) vaírþôn (taxare) alth. wërd (pretium), mhd.
wirde (dignitas) wirdic (dignus) goth. gavaírþi (pax);
goth. vaúrd (verbum, eig. effatum) alth. wort, altn. ord,
agſ. vord, von dieſem neutr. unterſchieden das fem. agſ.
vyrd, altn. urdr, alth. wurt (fatum, fortuna) giwurt (de-
cus) nhd. würde (honor) würdig (dignus). —


[aírſ, arſ, aúrſ] nr. 444. goth. þaírſan (arere); alth.
derran (ſiccare) nhd. darre (locus in quo torretur) altn.
þerra (ſiccare, tergere) þerrir (ſiccitas); goth. þaúrſus,
alth. durri (ſiccus) goth. þaúrſjan (ſitire) altn. þurr, þyr-
rîngr (aridus) alth. durſt (ſitis) altn. þyrſta (ſitire).


[aírk, ark, aúrk] nr. 445. altſ. ſuërkan (obſcurari)
giſuërk (nubes) agſ. ſvëorc (caligo) geſvëorc (nebula). —


[aírg, arg, aúrg] nr. 446. goth. baírgan (arcere,
tueri) baírgs (mons) alth. përac [vgl. hlîta nr. 158.] altn.
biarg (ſaxum) bërg (auxilium) mhd. gebërc (refugium);
vielleicht altn. bergja (guſtare); goth. baúrgs, alth. puruc,
altn. borg (arx, civitas) alth. purkio, mhd. bürge (vas,
ſponſor) borgen (cavere, ſpondere) altn. borgun (vadi-
monium). —


[aîrh, arh, aúrh] nr. 447. mhd. twërhen (obliquari)
alth. duërah (transverſus) goth. þvaírhs (iratus) agſ.
þvëorh (protervus); þvyrlic (transverſus). —


[itt, att, utt] nr. 449. altn. dëtta (cadere) dëttr (ca-
ſus); datta (palpitare); dotta (nictare) dott (dormitatio)
nnl. dut (levis ſomnus) — nr. 450. altn. ſprëtta (illidi,
creſcere) ſprëttr (curſus); ſpretta (ſolvere) ſcheint unorg.
abweichung von 234. — nr. 451. alth. prëttan (ſtringere,
rapere); pruttilîh (terribilis) pruttjan (terrere) ungewis,
ob damit einer wurzel altn. brëgda (movere, agere)
brigd (mutatio); bragd (geſtus, motus) brögdugr (calli-
dus)? es gibt auch ein altn. bretta (retorquere) brettr
(recurvus). —


[ïſt, aſt, uſt] nr. 452. alth. prëſtan (frangi, deficere)
mhd. gebreſte (defectus) altn. breſtr (deſ.); hierher würde
[40]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
pruſt (pectus) altſ. bruſtjan (erumpere) zu fallen ſcheinen,
(das knoſpende, vorbrechende?), wenn nicht das altn.
brióſt (pectus) bryſti (pectuſculum) auf die formel iuſt,
auſt, uſt (conj. IX.) wieſe. — nr. 453. altn. gnësta (ſtre-
pere) gniſt (ſtridor) allein Biörn hat guîſt, was zur conj.
VIII führt und dann auch gneiſti (ſcintilla) alth. kneiſto
erzeugen kann, vgl. nhd. gniſtern (von ſprühenden
funken). —


[ïſk, aſk, uſk] nr. 454. alth. drëſkan (triturare);
goth. giþraſk (tritura); nnl. dorſchen (triturare) — nr.
455. alth. lëſkan (extingui); leſkjan (extinguere).


[aíht, aht, aúht] nr. 460. alth. vëhtan (pugnare)
kavëht und vëhta (pugna) agſ. gefëoht (bellum); nhd.
fuchtel (enſis) — nr. 461. alth. vlëhtan (ſcirpare) nhd.
geflecht, flechtwerk, flechte. —


[aíhſ, ahſ, aúhſ] nr. 462. mhd. dëhſen (linum fran-
gere, vertere?) was aber ſicher abgeleitete bedeutung iſt,
auf die verlorene urſprüngliche leiten andere, ſelbst ver-
dunkelte wörter, zunächſt der name des grabenden, wüh-
lenden thiers melis, alth. dahs (woher und nicht umge-
kehrt mlat. taxus, ital. taſſo, franz. taiſſon) welches altn.
greifîngi (? grefingi) ſchwed. gräf-ſvîn, dän. grävling,
nnl. und plattd. grevinc heißt und wohl vom graben.
Ferner iſt das alth. wort egidëhſa (lacerta) nhd. eidechſe
agſ. â-þexe, nnl. age-diſſe, das von irgend einer eigen-
ſchaft dieſes thiers rühren mag (vielleicht von ſeinem
hüpfenden gang, da es auch ſonſt agſ. e-fête, ſchwed.
fŷr-fôt, dän. fir-bên, hochd. ſpringer heißt) und end-
lich das alth. dihſil (dîhſil nach dem nhd. deichſel?) agſ.
þixl, þiſl (temo) zu erwägen *).


B. verlorne ſtarke verba.


Untergegangene ſtarke verba, d. h. in keiner einzel-
nen mundart wirklich nachweiſliche, dürfen vermuthet
werden; das folgt im allgemeinen ſchon aus der erfah-
rung, daß die früheren mundarten mehr, die ſpäteren
[41]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
weniger verba ſtark flectieren. Gleichwie demnach in den
neueren vieles fehlt, was die älteren beſeßen haben, ſo
muß in noch höher hinaufreichender zeit die ſtarke con-
jugation wiederum beträchtlicher geweſen ſein, als ſie
in allen quellen erſcheînt, die uns zugänglich geblie-
ben ſind. Die vermuthung iſt kräftig, ſobald in den
verglichenen wörtern laut und ablaut nebeneinander vor-
liegen. Ein a und ô weiſen nothwendig auf die ſiebente
conjugation; die achte, neunte, zehnte, zwölſte lautet
zweimahl ab, die eilfte ſogar dreimahl, in dieſen fällen
ſcheint es hinreichend, daß neben dem laut wenigſtens
ein ablaut oder ohne den laut zwei ablaute nachgewieſen
werden, obgleich durch das daſein auch der übrigen das
verhältnis noch ſicherer begründet ſteht. Bei den doppelt
vorhandenen formeln (ſ. 6.) hebt die zweideutigkeit jedes-
mahl der hinzugefundene laut oder ablaut. Der ſinn
des verlornen verbums iſt beinahe nur zu rathen. Ich
laße die nummern fortlaufen.


[al, ôl] nr. 463. dalan, dôl (deprimi)? goth. dals,
alth. tal (vallis); alth. tuola (vallicula gl. monſ. 322.)
ſchweizeriſch tuele (vertiefung) altn. dœll (valleſtris) dœla
(locus depreſſus) — nr. 464. ſtalan, ſtôl (jacere, collo-
cari)? die gemination im alth. ſtal, -lles (locus, ſedes)
alt. ſtallr ſcheint unorganiſch aus ſtallan, ſtellan f. ſtaljan
(collocare) eingedrungen (vgl. doch unten nr. 560.), auch
ſtehet gl. jun. 192 ſtalo-piot (ſtatua?) vgl. litth. ſtalas
(menſa); goth. ſtôls, alth. ſtuol (thronus, ſedes) — nr. 465.
halan, hôl (trahere, ſchleiſen)? alth. halôn, holôn (her-
ſchleppen) altn. hali (cauda) hala (vulpium more ſe eri-
gere caudis); altn. hœl, agſ. hêl (calx) agſ. hôl (calumnia)
hôlinga (fruſtra, vane) alth. huoljan (fruſtrari J. 396)
goth. hôlôn (fraudare) altn. hôl (jactantia) hœla (jactari)
vgl. nhd. wedeln, ſchwänzeln, fuchsſchwänzen f. ſchmei-
cheln, heucheln und gl. edd. tom. 1. v. hali. —


[am, ôm] nr. 466. daman, dôm? alth. ſirdamnôn,
nhd. verdammen (condemnare) engl. damn (maledicere);
goth. dôms, altn. dômr, agſ. dôm, alth. tuom (judicium,
poteſtas) goth. dômjan (judicare) agſ. dêman, alth. artuom-
jan (condemnare); warum aber ſchreiben alth. quellen,
neben tuom, damnôn und nicht tamnôn? (O. damnôn
und duam) ſtammte damnôn aus lat. damnare, engl. damn
aus franz. damner? — nr. 467. laman, lôm (remittere,
recedere)? alth. lam, agſ. lama, altn. lami, lama (fractus,
debilis) alth. lemjan, altn. lama (debilitare) lemja (percu-
tere); alth. luom (mollis, mitis, frequens) agſ. gelôme
[42]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
(frequenter, denſe) gerade ſo geht dick, dicht, mild in
den begriff von oft (ſaepe) uber, vgl. auch nr. 182. —


[an, ôn] nr. 468. granan, grôn (virere, creſcere)?
alth. kran, mhd. gran, altn. grön (barba) mhd. gran-
ſprunge-zît (adoleſcentia); alth. kruoni, agſ. grêne, altn.
grœnn (viridis) vgl. altn. grôa (vireſcere) f. grôna? —
nr. 469. hanan, hôn (canere, welches wörtlich daſſelbe)?
goth. hana, alth. hano, altn. hani (gallus) *) alth. henna,
d. i. hanja (gallina); alth. huon, pl. huonir, altn. hœns
d. i. hœnis, hœnir (pullus gallinaceus) vgl. unten cap. VI.
in der geſchlechtslehre. — nr. 470. ſanan, ſôn? altn.
ſenna f. ſanja? (lis) ſannr (verus, juſtus); alth. ſuona
(judicium) ſuonjan (pacare) altn. ſôn (reconciliatio) doch
ſchwierigkeit macht das goth. ſáun (lytrum) welches auf
fiunan weiſt. —


[ar, ôr] nr. 471. hraran, hrôr (ſonare)? die ſorm
hraran noch bedenklich, Stald. 1, 258. rären (mugire) agſ.
rarjan (mugire) kann es f. hraran ſtehen? lautet es nicht
vielmehr rârjan, vgl. engl. roar? aber die bedeutung des
ablautenden alth. hruorjan (tangere) altn. hrœra (movere)
ſtimmt zum ideengang von hrînan (mugire, tangere) in
nr. 113; eine dunkle ſtelle der E. H. von der tanzenden
Herodias: thiu thiorne ſpilôde hrôr aftar them hûſe, läßt
mich ungewis, ob hrôr ſubſt. (nur nicht rôr arundo) oder
verbum? oder hror (prona, ſaltans) zu leſen ſei? —
nr. 472. ſnaran, ſnôr (verti, necti)? alth. ſnaraha (tendi-
cula) altn. ſnara (laqueus) ſnara (illaqueare) ſnerill (obex
verſatilis) ſnar (celer, verſatilis); alth. ſnuor (funis, dann
nurus, cognatione nexa) ſnuorjan (illaqueare). nr. 472b.
haran, hôr (mingere)? harn (urina) gl. monſ. 330; goth.
hôrs (μοιχός) hôrinôn (moechari) agſ. hôring (adulter)
alth. huora (adultera, meretrix) wie μοιχός ablaut von
μίχω, ὀμιχέω (agſ. mîge nr. 190.) und ſollte das agſ. mil-
teltre (meretrix) zu mëltan, milte (nr. 350.) gehören?
vgl. neuengl. milt, laichen, beſamen.


[ab, ôb] nr. 473. daban, dôf? goth. gadaban (conve-
nire) agſ. gedafan (decere) und das ſtarke part. praet.
gedafen (conveniens) gedaſſum (conſentiens); gedêfe (con-
gruus) goth. gadôfs (conveniens) — nr. 474. aban, ôf
(pollere)? dieſer wurzel ſcheinen, außer einigen uralten
[43]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
partikeln, folgende wörter: goth. aba (vir) [vgl. guma
nr. 516. und vaír nr.572.] abrs (validus) afar (progenies)
[vgl. oben magus von magan] altn. afi (avus) afl (robur)
afla (poſſe, gignere, parare) alth. afalôn, afarôn (compa-
rare, ſatagere) altſ. abal (vis) abaro, agſ. ëafera (proles);
alth. uop (ſtudium) uopjan (exercere) altſ. ôbjan (ſtudere)
ôbaſt, agſ. ôfoſt (diligentia, celeritas) altn. œfa (exercere)
œfîng (exercitatio) — nr. 475. goth. þraban, þrôf, alth.
fraban, fruof (ſolari)? goth. þrafſt (ſolatium) þrafſtjan
(conſolari); altſ. fruobar, alth. T. fluobar, agſ. frôfer
(ſolatium) frêfrjan, T. fluobiren (conſolari); ob das alth.
trôſt, altn. trauſt (ſolatium, refugium) entſtellung jenes
þrafſt ſind? aus þrafſt, þravſt, trauſt, trouſt, trôſt? auch
die tr für dr, þr ſcheinen unrecht.


[at, ôt] nr. 476. batan, bôt? goth. batiza (melior)
batnan (proficere) alth. paƷ (melius) peƷiro (melior);
goth. bôtjan (prodeſſe) gabôtjan (emendare) alth. puoƷa
(emendatio) etc. — nr. 477. hvatan, hvôt (acuere) altn.
hvatr (alacer) hvetja (incitare) hvöt (incitamentum) auch
alth. huas, -ſſes, altn. hvaß (acer) ſcheint deſſelben ſtam-
mes und zu erklären wie wis, -ſſes aus wiƷan]; goth.
hvôtjan (increpare) — nr. 478. kratan, krôt? alth. chra-
zôn (vellere) mhd. kraz (fricatio); goth. gakrôtôn (con-
quaſſare) — nr. 479. fatan, fôt? altn. fat (vinculum,
veſtis, vas) fatla (impedire) fata (veſtire) fet (pes, greſſus)
feta (gradi) fetill (balteus) alth. vaƷ (vas) veƷal (catena,
impedimentum) vaƷôn (veſtire); goth. fôtus (pes) alth.
vuoƷ etc. das lat. pes, pedica, impedio verräth ähnliche
ideenverbindung. —


[ad, ôd] nr. 480. fadan, fôd (alere)? goth. fadrein
(parentes) agſ. fäder, alth. vatar (pater); goth. fôdjan
(paſcere) alth. vuotar (pabulum) altn. fœda (parere, nu-
trire) fôſtr (foetus, educatio) fôſtri (nutritor, alumnus);
wäre die form aþ, ôd? dann dürfte das goth. faþs, -dis
(praepoſitus) brûþ-faþs (nutritor ſponſae, vgl. nr. 516.)
vielleicht das agſ. fäðm, altn. faðmr, alth. vadam (ſinus,
cubitus, amplexus) vgl. goth. faþa (ſepes)? hinzugenom-
men werden. — nr. 481. gadan, gôd? mit unſerm gôds,
kuot (bonus) das gr. ἀγαθός zu verbinden, dieſes für
ἀ-γαθός zu nehmen (Welcker zu Sehwenck p. 293)
ſcheint gewagt; vgl. altn. gœda, agſ. gôdjan (bene ſe
habere, ditare) —


[, ôþ] nr. 482. ſaþan, ſôþ? goth. ſaþs, -dis
(ſatur) alth. ſatôn (ſaturari); goth. gaſôþjan (ſaturare) —
[44]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
nr. 483. aþan, ôþ (generare)? alth. adal (genus) edili,
agſ. äðele (nobilis); alth. uodal, agſ. ôðel, êðel, altn.
ôðal (praedium hereditarium, patria).


[aſ, ôſ] nr. 484. baſan, bôs? alth. paſa (amita, quae
ex eodem gremio naſcitur); puoſum (gremium, ſinus);
vielleicht fällt baſt (cortex, ligamen) hierher? — nr. 485.
graſan, grôs (virere, creſcere)? gras (gramen, herba)
alth. graſt (foenum) T. 38, 5. altn. greſja (pabulari);
mhd. gruoſe (ſuccus, ſemen troj. 45a ſchmiede 272) altn.
grôſka (gramen vernum) vgl. nr. 468. und 292. waſo,
wiſa von wëſan. —


[ak, ôk] nr. 486. ſnakan, ſnôk (repere)? altn. ſnakr,
ſnaka (anguis) alth. ſneccho (limax) altn. ſneckja (celox);
ſnôkr (anguis), ſollte J. 394 dhurah ſnuoh (irrepſit) zu
ſnahhan gehören? —


[ag, ôg] nr. 487. dagan, dôg (lucere)? goth. dags,
alth. tac (dies, lux) takên (luceſcere) vielleicht taht,
nhd. dacht (das leuchtende, brennende in der lampe)?;
goth. fidurdôgs (τεταρταῖος) ahtáudôgs (ὀκταήμερος) altn.
dœgr (ſemiſſis diei nat.) agſ. dôgor. — nr. 488. fagan,
fôg (decere, ornare)? goth. fagrs (utilis) altn. fagr, alth.
vakar (pulcher, aptus) mhd. fegen (mundare); alth. ki-
vuoki (aptus) vuoka (concinnitas) altn. fœgja (polire).


[ah, ôh] nr. 489. nahan, nôh? goth. ganah (ſuffi-
cit) Matth. 10, 25, Joh. 14, 8. alth. kinah (wofür th. 1,
883. kein kinuah zu muthmaßen); goth. ganôhs, alth.
kinuoc, altn. nôgr (copioſus, abundans) goth. ganôhjan
(contentum reddere) alth. kinuokan, mhd. genuegen
(ſufficere); auffällt das dieſen formen widerſtrebende
alth. kinuht, mhd. genuht (ſatietas, abundantia), wofür
nie kinuoht, wäre wohl die goth. form ganaúhts? vgl.
nr. 559 und ſchlußb. 5, α. —


[ahſ, ôhſ] nr. 490. ahſan, ôhſ (jungere, coaſſare)?
alth. ahſa (axis) ahſala (ſcapula); uohfa, mhd. uohſe,
uehſe (axilla, ala) agſ. ôxn (aſcella, hircus in alis) ôhſta
(idem) —


[eil, áil, ïl] nr. 491. ſeilan, ſáil, ſilun (laqueare)? alth.
ſeil, altn. ſeil, agſ. ſâl (habena, lorum) goth. inſáiljan
(illaqueare) agſ. ſælan (vincere); alth. ſilo, mhd. ſil (funis)
altn. ſili (anſa reſtis) — nr. 492. deilan, dáil, dilun (partiri)?
altn. dîli (macula, punctum); goth. dáils, alth. teil (pars);
alth. tili, agſ. dile (anethum, ein krausäſtiges, feingegabel-
tes kraut, gleichſam ramuſculum; vgl. hlutr nr. 224 und
táins nr. 497. pars, ſors, ramus, dann in zwî, zweig
[45]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
u. a. analogen die idee von zweiung, theilung, ferner
alth. tilôn, nhd. tilgen, agſ. diljan (delere) analog dem
goth. usqviſtjan (delere) alth. urchuiſtan von quiſt (ramus)
und dem lat. exſtirpare von ſtirps. — nr. 493. beilan,
báil, bilun wurde 1, 389 vermuthet, vgl. ſchlußb. 5, β. —


[eim, áim, ïm] nr. 494. leiman, láim, limun? alth.
lîm, altn. lîm (gluten) lîma (glutinare); altn. leim (argilla);
altn. lîm (frons, -dis) lim (membrum) vermuthlich das
haftende, bleibende vgl. nr. 164. — nr. 495. gleiman,
gláim, glimun (nitere)? alth. kleimo (nitor); nhd. glim-
mer (ſcintillatio) woraus unorganiſch nr. 364. — nr. 496.
ſkeiman, ſkáim, ſkimun (paululum lucere) goth. ſkeima,
alth. ſcîmo, altn. ſkîma (lux crepera); nhd. ſchimmer.


[ein, áin, ïn] nr. 497. teinan, táin, tinun? altn. tîna
(producere, recenſere); goth. táins, alth. zein (ramus,
virga, ſors) altn. teinn (bacillus) alth. zeinôn (oſtendere,
portendere) agſ. tân (virgula) tænel (fiſcella).


[eir, áir, aír] nr. 497b. ſkeiran, ſkáir, ſkaírun (lucere)?
goth. ſkeirjan (clarum reddere) altn. ſkîr, agſ. ſcîr (lucidus,
albus) altn. ſkîra, nhd. ſcheuern f. ſcheieren (mundare).


[eib, áib, ïb] nr. 498. hreiban, hráib, hribun? altn. hrîfa
(rapere); hreifa (manu tractare) hreifa (manus) vgl. 395.


[eiv, áiv, ïv] nr. 498b ſneivan, ſnáiv, ſnivun? mhd.
ſnîen (ningere); ſnê, goth. ſnáivs (nix).


[eit, áit, ït] nr. 499. heitan, háit, hitun (calere)?
alth. heiƷ, altn. heitr (calidus); alth. hiza, altn. hiti (ca-
lor) — nr. 500. ſveitan, ſváit, ſvitun (ſudare)? alth.
ſueiƷ, altn. ſveiti (ſudor); mhd. ſwitzen (ſudare) altn.
ſviti (ſudor) — nr. 501. teitan, táit, titun (zart ſein)?
altn. tîta (res tenera); teitr (equuleus, ſäugendes füllen)
teitr (laetus, delectatus) alth. zeiƷ (tener, tenellus, in de-
liciis); agſ. tit (mamilla) nhd. zitze [tutto th. 1, 155. 590.
ſcheint anderer wurzel] vgl. das lat. deliciae, delicatus,
allicio und lac, auch ſpanan nr. 71. — nr. 502. feitan, fáit,
fitun (pinguere)? altn. feitr (pinguis) alth. veiƷit (pingue-
factus); altn. fita (pinguedo) fitna (pingueſcere) — nr. 503.
ſtreitan, ſtráit, ſtritun (laborare)? altn. ſtrîta (laborare)
ſtrît; ſtreita (labor)


[eid, áid, ïd] nr. 504. eidan, áid, ïdun (ſplendere,
lucere)? alth. îtal, agſ. îdel (ſplendidus, glorioſus, vanus,
vacuus) alth. îtis, agſ. îdes, oder itis, ides? (femina,
formoſa, ſplendida?); alth. eit (ignis) agſ. âd (rogus) —
nr. 505. ſveidan, ſváid, ſvidun (ardere)? altn. ſvîda (adu-
rere); ſvidi (ignis) ſvidna (aduri) — nr. 506. geidun, gáid,
gidun, (incitari)? alth. kît, mhd. gît, nhd. mit falſcher
[46]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
aſp. geiz (avaritia) alth. kîtac, mhd. gîtec (avidus, ſtimu-
latus); agſ. gâd (cuſpis, ſtimulus) — nr. 507. ſeidan, ſáid,
ſidun (late patere)? alth. ſît, agſ. ſîd, altn. ſîdr (latus,
amplus, laxus) alth. ſîta, agſ. ſîde, altn. ſîda (pleura, la-
tus mit dem adj. latus verwandt); alth. ſitu, agſ. ſido,
altn. ſidr (mos, ἔθος, das verbreitete?) —


[eiþ, áiþ, ïþ] nr. 507b. ſeiþan, ſáiþ, ſiþun (laqueare)
altn. ſiða (incantare, beſtricken, Locaſ. 32. ſiðo, incanta-
verunt?); ſeiðr (ars magica) alth. ſeid (laqueus K. 28b)
agſ. ſâd (ſâð? laqueus) alth. ſeito (funis T. 148.) nhd.
ſaite, chorda); wiefern das goth. ſeiþu, altn. ſið, agſ. ſið
(ſero) hierher falle, weiß ich nicht — nr. 508. ſmeiþan,
ſmáiþ, ſmiþun (fabrefacere)? mhd. geſmîde, nhd. ge-
ſchmeide (opus fabrile) geſchmeidig (tractabilis); alth.
ſmid, agſ. ſmið (faber) mhd. ſmitte, agſ. ſmiðða (offi-
cina) —


[eiſ, áiſ, ïſ] nr. 509. hreiſan, hráif, hriſun? alth.
altn. hrîs (frutex) hrîſla (virga); hreiſi (cubile virgul-
teum), hört hierher das alth. reiſan (hreiſan? nodus)? —
nr. 510. leiſan, láis, liſun (ſequi, vadere)? alth. liſo (pe-
detentim, leniter); leiſa (veſtigium) wakanleiſa (orbita)
mhd. niuwe leiſe (ſchneeſpur) goth. láiſjan (docere, i. e.
ſequi facere, in viam ducere) láiſaris (doctor) alth. lêran,
lêrâri, alth. leiſinan (imitari) anakileiſit (invadit) agſ. lâſt
(veſtigium) goth. láiſtjan, altſ. lêſtean, alth. leiſtan (exſe-
qui) volleiſt (exſequutio) nhd. leiſt (menſura pedis); alth.
lirnên, lërnên (diſcere, aus liſanên, leiſanên?) — nr. 511.
geiſan, gáis, giſun (ferire)? goth. usgeiſnan (ſtupere, per-
celli) mhd. gîſel (obſes, captivus? perculſus); altn. geiſli
(radius) alth. keiſila, mhd. geiſel (flagellum) goth. gáiſjan
(percellere) gáis (vgl. 1, 91.) alth. kêr, altn. geir. (haſta)
alth. keiſt, agſ. gâſt (ſpiritus, quo ferimur) wie fügt ſich
hierher keiſenî (ſterilitas) gl. jun. 224‥ geiſen N. (ege-
ſtas)?; alth. kir, mhd. gir (cupiditas) këron, gërn (cupere)
kërn, gërn, altn. giarn (proclivis) ſcheinen zwar aus die-
ſer wurzel zu folgen, doch nehme ich wegen des goth.
r und nicht ſ in gaírnjan einen beſonderen ſtamm an,
vgl. nr. 576b — nr. 512. eiſan, áis, ïſun (ſplendere)? alth.
îs (glacies) goth. eiſarn, alth. îſarn, îſan (ferrum) agſ.
îren (ferrum); goth. áis, alth. êr, agſ. âr, altn. eyr f.
eir? (aes), wohl hierher alth. êra, altn. æra, agſ. âre
(ſplendor, gloria, honor) goth. áiza?; altn. iârn (ferrum,
früher iarn f. irn? vgl. giarn, gërn, lërnên) — nr. 518.
veiſan, vais, viſun (ducere, tueri)? goth. veiſôn, alth.
wîſôn (viſitare) alth. wîſan (monſtrare, indicere) wîſal,
[47]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
mhd. wîſel, nhd. weiſel (dux, rex, index, zumahl rex
apum) altn. vîſir (rex) vîſundr, alth. wîſant (bubalus, rex
boum) wîſi, altn. vîs (ſapiens, viae gnarus) alth. wîſa
(modus) altn. vîs (modus, modulatio) alth. wîſunga (ob-
latio); alth. weiſo, mhd. weiſe, nhd. waiſe, nnl. wês
(pupillus, orphanus) welches allen übrigen dialecten ge-
brechende wort die durchs praet. ausgedrückte negation
ſcheint, das unmündige, ſchirm und vaterloſe (wîſellôs
orphanus, wie altn. födrlaus) kind *)? gerade ſo drückt
der ablaut des pl. praet. im agſ. viſnjan, engl. wizzen,
altn. viſna (areſcere) viſinn (aridus) kraftloſigkeit aus,
vgl. altn. veiſa, agſ. vâſe (palus, verſumpftes land. engl.
ooze) —


[eig, áig, ïg] nr. 514. deigan, dáig, digun (madere)?
alth. teic, altn. deig (maſſa) deigr (madidus) deigja (ma-
defacere); digna (madeſcere) — nr. 515. geigan, gáig,
gigun (fidibus ludere, verm. abgeleitete bedeutung); im
mhd. die ſtarke form gîgen, geic, gigen noch erweiſlich,
altn. geiga (tremere) geigr (tremor), jenes alſo vom
ſchwingen der ſaiten? das goth. gageigan (lucrari) weiß
ich aber nicht damit zu vereinen. —


[ïum, áum, um] nr. 516. giuman, gáum, gumun
(nutrire)? alth. kouma (epulae, dann cura) altn. gaumr
(cura) goth. gáumjan (obſervare) altn. geyma (cuſtodire)
geymir (cuſtos) agſ. gŷman (gubernare, cuſtodire); goth.
guma, agſ. guma, altn. gumi, alth. kumo, komo (vir,
homo i. e. gubernator, rex, cuſtos)**) alth. prûtikumo,
agſ. brŷdguma (ſponſus, i. e. ſponſam cuſtodiens) vgl.
goth. brûþfaþs nr. 480. und die berührung zwiſchen
vaír (vir) wirt (dominus, nutritor) — nr. 517. gliuman,
gláum, glumun (ſtrepere)? altn. glaumr (ſtrepitus) gleymja
(obliviſci, verſchallen, verrauſchen) agſ. gleám (jubar);
altn. glumr (ſtrepitus) glymr (reſonantia) glymja (ſtre-
pere) — nr. 518. ïuman, áum, umun (dolere)? goth.
ïumjô (ὄχλος, plebs, geſindel?); altn. aumr (miſer) eyma
(dolere) vgl. wenac nr. 119. —


[48]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.

[ïun, áun, un] nr. 519. hriunan, hráun, hrunun?
altn. hrión (ſcabretum); hraun (aſpretum); hrun (ruina).
— nr. 520. þiunan, þáun, þunun (ſonare)? mhd. dôn
(ſonitus) dœnen (ſonare); agſ. þunjan (tonare) þunor
alth. donar, nhd. donner (tonitru), gehört hierher
das mhd. gedon (nicht gedôn) impetus, violentia? (vgl.
nr. 571.) da ſchon im agſ. neben þunjan mit anlauten-
der media dynja (ſtrepere) altſ. dunjan, altn. duna (to-
nare) duna (tonitru) vorkommt, darf im nhd. tôn, tœ-
nen die tenuis (obgleich neben donner) nicht verwun-
dern, dem lat. tonitru entſpricht aber das frühere, ge-
nauere verhältnis. — nr. 520b liunan, láun, lunun (ac-
cidere, contingere)? alth. liunî (forte, caſu) mhd. lûne,
nhd. laune (fortuna, caſus); goth. láun, alth. lôn, agſ.
leán, altn. laun (merces, emolumentum, id quod con-
tigit?) —


[ïur, áur, aúr] nr. 521. ſtiuran, ſtáur, ſtaúrun (pol-
lere, vigere, fulciri)? goth. ſtiurs, mhd. ſtier (juvencus,
taurus) alth. ſtiur (magnus, ſuperbus) goth. ſtiurjan, altn.
ſtŷra (gubernare, cohibere) alth. ſtiura, nhd. ſteuer (gu-
bernaculum, baculus, fulcrum) altn. ſtióri, alth. ſtiuro
(gubernator) altn. ſtiórn, agſ. ſtëorn (gubernaculum); altn.
ſtaur (fuſtis, ſudes) ſteyra (areſcere vgl. nr. 621.) alth.
ſtôrjan, ziſtôrjan, mhd. ſtœren, zeſtœren (movere, agitare,
excitare, ventilare, deſtruere, turbare); alth. ſtur (magnus)
ſturiro (magnas) ſturilinc (tyro) ſturî (majeſtas) agſ. ſtyran
(regere, cohibere, corripere, commovere, vexare) ſty-
rung (commotio, agitatio) alth. ſturm (agitatio, procella),
das u und y im alth. ſtur, agſ. ſtyran noch zweifelhaft
und vielleicht û, ŷ? oder wäre ſtŷran (regere) von ſty-
ran (agitare) engl. ſtir zu unterſcheiden? das ô im altn.
ſtôr (magnus) ſcheint unorg. für ſtor? vgl. nr. 610. 540.
554. — nr. 522. ſkiuran, ſkáur, ſkaúrun (impellere, tru-
dere)? alth. ſcioro (cito, impetuoſe) vgl. nhd. hurtig von
hurt, altn. ſkiarr (fugax) alth. ſciura (horreum) ſcûr
(grando, procella, impetus, horror) goth. ſkûra (procella)
nhd. ſchauer (horror, receptaculum); goth. ſkáurô (tru-
des, pala); alth. ſcurkan, nhd. ſchürgen (protrudere);
merkwürdige analogie des lat. horror und horreum, vgl.
nr. 209. ſchober und ſchaufel. —


[ïup, áup, up] nr. 523. diupan, dáup, dupun (mergi,
fundi)? goth. diups, alth. tiof (merſus, profundus) goth.
diupjan (profundare); dáupjan, alth. toufjan (immergere,
lavare); nhd. topf (vas profundum, olla) nnl. dop, doppe
(teſta) vgl. 210. — nr. 524. hiupan, háup, hupun (con-
[49]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
gerere, tumere)? agſ. heáp, alth. houf (agger) neben
hûſo (f. hiufo?); goth. hups, alth. huf (von ſchwellen-
den theilen des leibes: femur, femen, clunes, lumbus,
genae); kann alth. hiofa, agſ. hëópe (hagebutte) dieſer
wurzel ſein? — nr. 525. ïupan, áup, upun (aperiri, tolli)?
goth. ïup (ſurſum); alth. ûf, mhd. ûf neben ouf, nhd.
auf (in die höhe, aufgerichtet); offan, altn. opinn (aper-
tus, das gebliebene ſtarke part. praet.) altn. upp (ſurſum) —
nr. 526. ſtiupan, ſtáup, ſtupun (fundere, invertere)? alth.
ſtiuf, agſ. ſteóp, altn. ſtiúpr (privignus, orbatus, gleichſ.
inverſus?); agſ. ſteáp (praeceps) altn. ſteypa (fundere)
ſteypir (praecipitium) ſtaup, alth. ſtouf (poculum, opus
fuſile?); vielleicht altn. ſtopull (fluxus) — nr. 527. ſtriu-
pan, ſtráup, ſtrupun (vellere)? mhd. beſtroufen (vellicare)
ſtroufe (caſtigatio) nhd. abſtreifen f. ſträufen?; nhd. ſtrup-
fen. — nr. 528. kniupan, knáup, knupun (nodare)? mhd.
knouf (capitulum, nodus columnae); nhd. knopf (nodus)
knüpfen (nectere) vgl. nr. 202. [übertritt des hn. in chn,
kn.] —


[ïub, áub, ub] nr. 529. þiuban, þáub, þubun (occul-
tare)? goth. þiubs (fur) þiubjô (clam) alth. diup, mhd.
diep (fur) alth. ſcëfdiup (tyro, pirata, junger held, der
verſtolen zur ſee zieht? vgl. ſturilinc nr. 521.) mhd.
minnendiep (liebesabenteurer); altn. þauf (actus furtivus)
þaufa (palpare in tenebris); mhd. dube (res furtiva, fur-
tum) — nr. 530. liuban, láub, lubun (tegere, fovere)?
goth. liubs, agſ. lëóf, altn. liop, liup (carus, acceptus)
altn. liufr (gratioſus) alth. liupî (favor) liupên (placere);
goth. láubs, alth. loup, altn. lauf (folium, tegmen?) goth.
usláubjan (permittere, gönnen) alth. urloup (permiſſio)
goth. galáubjan (credere) alth. kiloupa (fides, conſenſus)
altn. leyfi (vnia) leyfa (laudare); agſ. lufu (gratia) engl.
love, alth. lopôn (laudare, d. i. beifall geben) —


[ïut, áut, ut] nr. 531. griutan, gráut, grutun? altn.
griót (lapides) grŷta (lapidare) mhd. grieƷ (arena) grûƷ
(granum f. griuƷ?); altn. grautr (puls) greyta (pultiſicum
eſſe) — nr. 532. ſniutan, ſnáut, ſnutun (emungere)? nnl.
ſnuit, nhd. ſchnauze (naſus, roſtrum); ſchnotz, agſ.
ſnote (mucus) goth. ſnutrs, agſ. ſnotor (ſapiens, ſagax,
emunctae naris) alth. duft-ſnuƷƷa (? ſnuza) emunctoria
gl. jun. 204. —


[ïud, áud, ud] nr. 533. ſollten ſich die dunkeln alth.
mieta, agſ. mêd (merces, munus) goth. gamáudjan (ſug-
gerere, einhelfen, eingeben) im ſtamme miudan, máud,
D
[50]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
mudun, mietan, môt, mutun (donare) begegnen? das
altn. mûta (munus, largitio), wenn es verwandt iſt, hätte
mûda zu lauten.


[ïuþ, áuþ, ] mit gewohntem übergange des þ in
d, des d in t. — 534. niuþan, náuþ, nuþun (figi, teneri)?
agſ. nëôd (ſtudium, opus) nëódlic (ſtudioſus) alth. niot
(occupatio, delectamentum) niotôn, mhd. nieten (occu-
pari, detineri, adimpleri) nhd. nieten (figere) niet (vin-
culum); goth. náuþs, -dis (neceſſitas) náuþjan (cogere)
agſ. neád, altn. nauðr, alth. nôt (neceſſitas, labor). —


[ïuſ, áuſ, uſ] nr. 535 riuſan, ráus, ruſun? mhd.
riuſe (naſſa, rohrgeflecht) nhd. reuſe *); goth. ráus, alth.
rôr, altn. reyr (arundo) — nr, 535b þiuſan, þáus, þuſun
(ſonare)? agſ. þŷs (procella) þŷſtre, alth. thiuſtri (cali-
ginoſus); altn. þauſn (ſtrepitus) þeyſa (celerrime ferri)
nhd. tôſen; altn. þyſja (ruere). —


[ïug, áug, ug] nr. 536. giugan, gáug, gugun? mhd.
giege (ſtultus); alth. koukal, mhd. gougel (praeſtigiac)
gougelære (praeſtigiator); gogel (fallax, volitans) vgl. altn.
gugna (triſtari).


[ïuk, áuk, uk] nr. 537. ſiukan, ſauk, ſukun (lan-
guere)? goth. ſiuks, alth. ſioh, nhd. ſiech (aegrotus);
goth. ſaúhts (f. ſukids) alth. ſuht, altn. ſôtt (morbus).


[ïuh, áuh, aúh] nr. 538. liuhan, láuh, laúhun
(lucere)? goth. liuhaþ, alth. liohed, lioht, mhd. lieht
(lux) goth. liuhtjan, alth. liuhtan (lucere) altn. liómi
(lux); goth. láuhmuni (fulgur) láuhatjan, alth. lôhizan
(fulgere) louc (flamma) louga (K. 59b) lauhmoni (hymn.
vet.) nhd. lôhe; altn. log (lux) logi (flamma) loga (ar-
dere) — nr. 539. hiuhan, háuh, haúhun (attollere)? goth.
hiuhma (grex, acervus); háuhs (altus) háuhjan (erigere)
alth. hôh (ſublimis) houc (collis) altn. haugr (tumulus);
hierher hugu (animus, der aufſteigende gedanke) hugjan
(cogitare) gihuht (memoria)? —


[ïb, ab, êb] nr. 540. ïban, af, êbun? goth. ïbns,
altn. iafn, alth. ëpan (planus, aequus, continuus) in-ëpan,
mhd. en-ëben, nhd. nêben (pone) goth. ïba (an) alth.
ipu, upi, oba (wie trudan nr. 283.) goth. ïbuks (retro-
gradus) ïftuma (poſterus); hierher wohl die praep. af,
apa (entfernung, ſenkung bedeutend?) altn. aftan (a tergo)
aftan, alth. abant (oder âbant, mit zweitem ablaut? vgl.
1, 88) veſper, ital. ponente, der ſinkende tag? vgl. nahts
[51]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
nr. 559, goth. aſtra (rurſus) alth. avar (iterum) avarôn
(iterare) mhd. æber (terra regelata)? — nr. 540b ſtiban,
ſtaf, ſtêbun (fulcire)? alth. ſtap, altn. ſtafr, agſ. ſtäf ( [...]a-
culus, regula) alth. arſtapên (rigere); ſtift (fundatio, inſti-
tutum); das goth. ſtáua (judicium) zähle ich nicht hier-
her, vgl. nr. 521. — nr. 541. kriban, kraf, krêbun?
altn. krafa (exactio) krefja, agſ. crafjan (exigere) alth.
chraft, agſ. cräft, altn. kraptr (robur, vis, ars) agſ.
cräfta (artifex); altn. kræſr (robuſtus); letzteres
wort hält mich ab, den ſtamm kripan zu ſetzen und das
alth. chrapho (uncus) damit zu verbinden, vgl. altn.
kreptr (curvus) krepta (contrahere). —


[ït, at, êt] nr. 542. kitan, kat, kêtun? altn. kitl
(titillus) alth. chizilôn (titillare); altn. kâtr (laetus) kæti
(laetitia) — nr. 543. vitan, vat, vêtun (madere)? goth.
vatô, alth. waƷar (aqua); agſ. væt, altn. vâtr (humidus)
væta (humor) mhd. wâƷe (odor, olfactus) wâƷen (olere)
weil ſich die begriffe feucht und duftend berühren vgl.
nr. 259. — nr. 544. vritan, vrat, vrêtun (agi, ferri)?
goth. vritus (grex); vratôn (ire, circumire) altn. rata
(ferri, elabi); hierher alth. râƷi (rapax, vagans)? —


[ïd, ad, êd] nr. 545. ſtudan, ſtad, ſtêdun, ſtudans
(ſtare) [das u für i zu nehmen wie in trudan nr. 283.
daher die alth. form ſein würde ſtëtan wie trëtan] agſ.
ſtudu (poſtis) altn. ſtod (fulcrum, columna) alth. [mit be-
haltner med. ſtatt tenuis] kaſtudnôs (fundas hymn 950.
denn fundaſti wäre kaſtudnôtôs) keſtudit (fundatus K. 18b)
und noch bei Daſypod. ſtud (columna) türſtodel, ſtëdel
(poſtis) altn. ſtoda (juvare) ſtydja (ſulcire) mhd. [mit
falſcher aſpiration) ſtützen, underſtützen (fulcire M. S.
2, 92b); hierher gehören und nicht zu nr. 72. die ab-
laute: goth. ſtads (locus, munimen) *) alth. ſtat (locus)
ſtata (occaſio) kiſtatôn (locum dare) agſ. ſtede, altn. ſtadr
(locus) ſtada (ſtatio) ſtadr (contumax) ſtedja (ſtatuere)
mhd. ſtadel (horreum); alth. ſtâti, mhd. ſtæte (firmus, con-
ſtans) — nr. 545b gidan, gad, gêdun (jungere)? altn.
gëd, alth. kët (mens, a combinando?) këti-lôs, mhd.
gët-lôs (amens, furens); altſ. gigado, alth. kikato, agſ.
gegada (ſocius) alth. gaduling, alth. katilink, mhd. gete-
linc (parens, cognatus) agſ. gëador, altſ. gador (ſimul)
nhd. gatte (maritus) alth. pikatôn (accidere, franz. joindre). —


D 2
[52]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.

[ïþ, , êþ] nr. 546. ïþan, aþ. êþun? alth. ida
(vena) gl. monſ. 350., bei N. Ariſt. heißt ida linea, altn.
iðull (continuus); alth. âdara, altn. æð (vena, nervus). —


[ïſ, aſ, êſ] nr. 547. ſviſan, ſvas, ſvêſun? goth. ſvi-
ſtar, alth. ſuëſtar (ſoror) nhd. geſchwiſter (fratres et ſo-
rores, propinqui); goth. ſvês (proprius, domeſticus) alth.
ſuâs (familiaris, privatus, carus) — nr. 548. kiſan, kas,
kêſun? nhd. kis (geſchr. kies, arena, vielleicht allg. ar-
gilla, lutum, terra) alth. chiſilinc (ſilex) agſ. ciſelſtân
(ſabulum); goth. kas (vas fictile, irden gefäß) kaſja (figu-
lus) alth. char (vas) altn. ker (vas, aber auch palus,
lutum) altn. kös (congeries) kaſa (congerere); alth. châſi
(caſeus, in irdener form gemacht? oder aus dem lat.?) —
nr. 549. fiſan, fas, fêſun (gignere)? alth. vëſa (feſtuca
T. 39, 6.) mhd. vëſe (frumenti genus) alth. viſal? (penis)
mhd. viſellîn (Parc. 27b); alth. vaſal, agſ. fäſl (ſoboles)
nhd. faſeln (prolificum eſſe) alth. vaſôn (quaerere N. 100, 6)
mhd. faſe (fibra, caulis) nhd. faſer; agſ. fæs (fimbria) oder
fäs? alth. veſti, altn. faſtr (firmus, tenax); kann farre (bos
initor) alth. var, pl. varrî dieſer wurzel zufallen (1, 123
ſteht ſchwerlich richtiges, vgl. cap. VI. vom genus)?
ſicher muß aber das longobard. fara (generatio, linea,
proſapia Paul. Diacon. 2, 9. lex longob. 1, 14) von fiſan,
wie nara, wara von niſan, wiſan, geleitet werden, und
nicht von faran nr. 73. — nr. 550. hiſan, has, hêſun
(etwa comari)? dahin deuten der form nach: alth. haſo,
agſ. hara (lepus, a hirſutia? *) alth. haſal, agſ. häſl, altn.
haſl (corylus, von zottiger geſtalt der blüte, nhd. läm-
merchen, kätzchen, nucamentum?) ausgemacht iſt haſal
nach 1, 587. eins mit corylus (früher coſylus? vgl.
κάρυον und κάρη), alth. haru, altn. hör (linum); alth. hâr,
altn. hâr, agſ. hær (crinis, vielleicht = caeſaries und dies,
oder nicht? von caedere) merkwürdig gebraucht Ulfilas
für crinis nicht dieſes wort, ſondern tagls, alth. zakal,
altn. tagl (in der bedeutung von cauda). —


[ïk, ak, êk] nr. 551. qvikan, qvak, qvêkun (movere,
vigere)? altn. qvikr, agſ. cvic, alth. quëh, goth. qvius
(vivus, ſeſe movens) altn. qvika (movere ſe) agſ. cvice
(gramen) nhd. erquicken (excitare); agſ. cveccjan (com-
movere) cvacjan (tremere) altn. qvaka, qvakla (minu-
rire, ſonum edere tremulum) qvak (minuritio) mnl. qva-
kele (coturnix, alth. wahtela nach nr. 93. vgl. wach mit
[53]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
quick); nhd. quâken (vagire, coaxare) — nr. 552. þikan,
þak, þêkun (tegi)? altn. þak, alth. dah (tectum) altn.
þekja, alth. decchjan (tegere) — nr. 553. ſmikan, ſmak,
ſmêkun (ſapere)? altn. ſmëkr (guſtus) agſ. ſmicor, alth.
ſmëhhar (delicatus, politus) ſmëhharôn (polire); agſ.
ſmäc (ſapor, guſtus) alth. kiſmah, mhd. ſmach (beßer
als ſmac, vgl. 1, 429. odor, ſapor) alth. kiſmahhan
(ſapere) altn. ſmacka (guſtare) agſ. geſmecgan, vgl. nr.
257. — nr. 553b ſtrikan, ſtrak, ſtrêkun (dirigere, porri-
gere?) hierher goth. ſtriks, alth. ſtrih? (ſinea) vgl.
nr. 184.; alth. ſtrah, mhd. ſtrac, nhd. ſtrack, agſ. ſträc
(rectus, ſtrictus) mhd. ſtrecken (extendere) nhd. ſtrecke
(tractus).


[ïg, ag, êg] nr. 554. rigan, rag, rêgun (agi, ex alto
moveri)? altn. riga (movere) alth. rikal, mhd. rigel (obex,
vgl. hartrigel cornus), vielleicht goth. rigns, alth. rëkan,
altn. rëgn (pluvia, excitamentum, commotio nubium?);
goth. ragin (γνώμη, motus animi, conſilium) raginôn
(regere, imperare) garaginôn (conſulere) altn. regin (dü
motores, die obenwaltenden) mhd. ragen (eminere, herr-
ſchen) regen (excitare) altn. raga (laceſcere) ragan, rö-
gun (imprecatio); vergl. mit dieſen noch gewagten wort-
verbindungen nr. 521. — nr. 555. trigan, trag, trêgun
(dolere, pigere)? altn. trëgr (invitus, ſegnis); trega (de-
ſiderare) tregi (moeror) agſ. trega (damnum, tribulatio)
tregjan (vexare) alth. artrakên (pigere, taedere), trâki,
mhd. træge (piger). —


[aíh, ah, êh] nr. 556. ſpaíhan, ſpah, ſpêhun (vi-
dere, intelligere)? alth. ſpëhôn (explorare, ſpeculari);
altn. ſpâ (vaticinium) alth. ſpâhi (prudens, callidus); viel-
leicht hierher ſpëht (picus, der kluge vogel)? — nr. 557.
taíhan, tah, têhun (ſtillare)? goth. tagrs, alth. zahar,
altn. târ, agſ. tëar (gutta, lacrima); altn. tær (limpidus,
[liquidus]) alth. zâhi (aegre ſtillans, tenax) agſ. târe (pix)
— nr. 558. ſvaíhan, ſvah, ſvêhun? goth. ſvaíhra, alth.
ſuëhur (ſocer) goth. ſvaíhrô, alth. ſuigar (ſocrus) mhd.
geſwîe f. geſwige (uxor fratris); mhd. ſwâger (maritus
ſororis) — nr. 559. naíhan, nah, nêhun, naúhans (f.
naíhans, wie brukans f. brikans 1, 842) vielleicht genauer:
naíhvan, nahv, nêhvun (wie goth. ſaíhvan alth. ſehan)
incumbere, attingere? nahts, naht (nox, die einbreehende,
nahe, θοὴ νύξ?); goth. nêhv, nêhva (prope) alth. nâh
(vicinus) nâhjan (appropinquare) altn. nâ (conſequi, con-
tingere) nâð, alth. kinâda (gratia, quies, otium); alth.
kinuht, mhd. genuht (ſatietas, abundantia) vgl. nr. 489.
[54]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
der übergang der begriffe erreichen, gereichen, auslan-
gen, ſuppetere, ſcheint einleuchtend. —


[ïl, al, êl, ul] nr. 560. milan, mal, mêlun, mulans
(conterere, comminuere, contundere)? alth. mëlo, altn.
miöl (farina) alth. mili-tou (rubigo) agſ. mildëav (mel-
ligo) altn. mëldropi *) nhd. mehlthau, alth. miliwa, nhd.
milbe, altn. melr (tinea) mhd. mëlm (pulvis); goth.
malô, altn. mölr (tinea) nhd. malmen (contundere) altn.
mel (lupatum, a contundendo?) goth. mêl, alth. mâl
(pars minuta, fruſtum, zeittheil, wie das heutige minute,
dann zeichen, örtliche theilung, aufſatz, ſchrift, punc-
tation, franz. minute, und davon manigfalte ableitun-
gen); alth. muljan, altn. mylja (conterere) mhd. mül
(mola) goth. mulda, alth. molta (pulvis, terra) — nr.
561. ſilau, ſal, ſelun, ſulans (tenere, poſſidere, gaudere)
altn. ſalr, alth. ſal (domus, aula) goth. ſaljan (divertere,
offerre) ſaliþva (diverſorium) alth. ſelida (manſio) ſeljan,
ſellan, altn. ſelja (tradere, praeſtare, vendere) altn. ſala
(venditio) alth. kiſello (contubernalis); goth. ſêlja (bonus)
altn. ſæll, alth. ſâlîc (beatus, felix, dives) goth. ſêlei (boni-
tas) alth. ſâlida (beatitudo) altn. ſæla (felicitas) vgl. 309. —
nr. 562. tilan, tal, têlun, tulans (pertinere, aptum eſſe)?
goth. gatils (aptus) andtilôn (convenire) agſ. til (bonus)
tiljan (parare, quaerere) tilja, tiligea (cultor) altn. til
(ad, nimis) tili (numerus) alth. zil (ſcopus) zilôn, ziljan
(niti, tendere) nhd. erzielen (acquirere); goth. untala
(ineptus, intractabilis) talzjan (docere, aptare? vgl. frama
nr. 568) altn. tal, tala, alth. zal, zala (ordo, numerus,
enumeratio, ſermo) alt. telja, alth. zeljan, zellan (nume-
rare, referre); altn. tâl, alth. zâla (fraus, inſidiae, mala
intentio) zâlîc (nequam, inſidioſus) kizâl (velox, callidus);
bedenklich iſt das im verhältnis zu zil (ſcopus) auf conj.
VIII. weiſende alth. zîla (linea, ordo) — nr. 563. ſkilan,
ſkal, ſkêlun, ſkulans (ſeparare, glubere)? altn. ſkil (diſ-
crimen) ſkilja (diſcernere, intelligere) ſkilmr (fractus,
quaſſatus); goth. ſkaljôs (tegulae) altn. ſkel (cruſta, con-
cha) mhd. ſchal (cortex, putamen, cranium) ſcheln (de-
glubere) nhd. ſchelſe (putamen); altn. ſkal (poculum)
mhd. ſchâle neben ſchal (patera); hierher alth. ſcollo
(gleba, erdrinde f. ſculjo)? vgl. nr. 334 und das ano-
male ſculan (debere) womit ſich ſkil (fas, debitum) be-
[55]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
rührt. — nr. 564. gilan, gal, gêlun, gulans (flavere)?
alth. ëlo, mhd. gël, nhd. gelb (flavus) mhd. gilwe (fla-
vor); galle (bilis, a colore f. galja); altn. gulr, ſchwed.
gul (flavus) goth. gulþ, alth. kolt, altn. gull (aurum, a
flavedine) *). —


[ïm, am, êm, um] nr. 565. ſimam, ſam, ſêmun, ſu-
mans (jungere)? O. IV. 20, 11. gi-ſëmôn?; goth. ſama,
altn. ſamr (ſimilis, aequalis, idem) in compoſ. altn. -ſamr,
alth. -ſam [analog dem-leikr, -likr, -lîh] alth. ſaman,
agſ. ſamod (unâ) alth. ſamanôn (congregare) altn. ſemja
(componere, moderari); alth. ſâmo (ſemen, origo) vgl.
nr. 183. laik, nr. 415. urſprung; da jenes-ſamr agſ. mit
drittem ablaut-ſum heißt, darf wohl das goth. ſums,
agſ. ſum (quidam) verglichen werden, gewagter ſumar
(aeſtas)? im lat. ſimul, ſimilis, ſemen etc. dieſelbe wurzel. —
nr. 566. himan, ham, hêmun, humans (tegere, involvere)?
goth. himins, altn. himinn, alth. himil (coelum, tegmen) **)
himelzi (laquear); altn. hams (cutis) hamr agſ. hama
(exuviae) alth. hemidi (induſium) altn. hamaz (transfor-
mari, exuere cutem) hemja (cicurare) hem (exuviae)
hemill (cuſtodia); agſ. hæman (coire, nubere) hæmed (coi-
tus, nuptiae) vgl. liugan nr. 263. — nr. 567. þriman,
þram, þrêmun, þrumans? altn. þrimil (tuber) þrëmr
(limen) mhd. drëmel (vectis, trabs); mhd. drum (extre-
mitas) drümen (finire, nhd. zertrümmern) [ſcheint dem
lat. -tremus wie das folg. frum dem primus verwandt,
vgl. cap. VII.] — nr. 568. friman, fram, frêmun, fru-
mans (promovere, aptum eſſe)? altn. framr (liber, au-
dax) frama (edocere) frami (profectus) framar (praeterea)
goth. fram (ultra) alth. vram (ultra, longius) vremjan
(praeſtare, perficere) goth. framaþis, alth. vremidi (alieni-
gena, e longinquo veniens); goth. frums (initium) fruma
(primus) altn. frum (primitiae) frômr (richtiger fromr)
alth. vrum (probus, idoneus) vruma (commodum) vrum-
jan, vrumman (exercere, urgere). —


[ïn, an, ên, un] nr. 569. vinan, van, vênun, vu-
nans? alth. wini, agſ. vine, altn. vinr (amicus, fidus, fide-
lis) goth. vinja (paſcuum) nhd. wonne und weide; altn.
van (defectus) vanan, vönun (diminutio) goth. van-vi-
[56]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
ſan, alth. wan-wëſan (deeſſe) altn. vanr (inops, vanus);
goth. vêns, alth. wân, altn. von ſt. vân (fiducia, ſpes)
altn. vænn (ſperandus und formoſus); agſ. vunjan (habi-
tare, degere) alth. wonên (habitare, manere) kiwon (ſue-
tus, familiaris) agſ. vyn, alth. wunna (gaudium); van
(defectus) ſcheint verneinung des dunkeln urbegriffs, vgl.
lâri nr. 290. und den übergang von ſpes certa, fiducia, ins
nhd. wahn, eitele, leere hoffnung, ſo wie gemeit nr. 166.
umgekehrt früher mancus, carens, ſpäter laetus bedeutet.
— nr. 570. qvinan, qvan, qvênun, qvunans? goth. qvinô
(femina) alth. chëna, altn. qvën; goth. qveins = qvêns
(uxor) altn. qvænaz (ux. ducere); alth. chona, altn. kona
(mulier) was vielleicht nicht ablaut u, ſondern aus dem v
entſprang? — nr. 571. þinan, þan, þênun, þunans (ten-
dere)? goth. þanjan, alth. denjan (extendere); nhd. dône
(tendicula) mhd. gedon (inſidiae) vgl. nr. 520, ſodann mit
unorg. gemination alth. dunni, altn. þunnr (tenuis, tener,
gracilis), vielleicht dunſt (odor ſparſus) vgl. 396. —


[aír, ar, êr, aúr] nr. 571b. aíran, ar, êrun, aúrans
(laborare)? goth. aírus (nuntius); alth. aran (arare, labo-
rare) altn. erja (idem) ar (labor) erill (labor) erindi,
örundi (negotium, pauſa); alth. ârunti, agſ. ærend (nego-
tium, nuntium) altn. âri (miniſter, famulus, nuntius). Ob
und wie ſich goth. ara, alth. aro (aquila) und alth. arac,
arc (vgl. 622.) zu dieſer wurzel fügen? entſcheide ich noch
nicht. nr. 572. vaíran, var, vêrun, vaúrans? die bedeu-
tung: manere, tutum eſſe? goth. vaír, altn. vërr (vir,
tutor) vgl. guma nr. 516. alth. wërên, wërôn, mhd. wërn
(durare, praeſtare) goth. vaírilô (labium, analog dem gr.
ἕρκος ὀδόντων und in der edda f. mund: hûs, borg tûngu,
tanna?); goth. varjan (prohibere) altn. verja (tueri, am-
plecti) alth. werjan, mhd. wern (defendere) werî (defen-
ſio) weri (arma) wara (cuſtodia) altn. vör, varir (labia);
alth. kiwâri (cautus, providus) wâr (certus, verus) *). —
nr. 573. faíran, far, fêrun, faúrans? goth. faírina, alth.
virina (ſcelus) virinâri (ſceleſtus); goth. fêrja (inſidiator)
alth. vâra (inſidiae) vârâri (tentator) altn. fâr (periculum)
fâra (inſidiari) nhd. gefahr, gefährde (periculum, dolus);
goth. gafaúrds (concilium judaeorum); die dunkele urbe-
[57]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
deutung muß weiter ſein, ſo daß ſie das goth. fêra (regio,
vgl. lâge nr. 303.) alth. vurt (vadum) und die partikeln
vir-, vër- (lat. per) vora, faúra miterklärt. — nr. 574.
ſmaíran, ſmar, ſmêrun, ſmaúrans (linere)? alth. ſmëro
(adeps) piſmërôn (maculare); goth. ſmarna (lutum) alth.
piſmarôn (illudere, exprobrare); altn. ſmyrja (ungere) —
nr. 575. ſpaíran, ſpar, ſpêrun, ſpaúrans (quaerere, inveſtiga-
re)? alth. ſpër, altn. ſpiör (haſta, i. e. veſtigium in corpore
relinquens, vulnerans? *) alth. zi ſpërî (nempe, videſicet,
gleichſam: ad quaeſtionem); altn. ſpari (telum); alth. altn.
ſpor (veſtigium, zumahl vulneris) alth. ſporo (calcar, aus
gleichem grunde wie ſpër) altn. ſpyrja (quaerere) ſpurull
(novi cupidus) goth. ſpaúrds, alth. ſpurt (ſtadium, nach
fußſchritten); wiefern alth. ſpar, agſ. ſpär (parcus) alth.
ſparôn, altn. ſpara (parcere) alth. ſpor (putridus?) und
der name alth. ſparo, altn. ſpörr (paſſer) aus dieſer wur-
zel folgen, kann ich noch nicht genügend nachweiſen. —
nr. 576. kaíran, kar, kêrun, kaúrans (dolore affici)? goth.
kar, kara (cura) unkarja (incurioſus) alth. chara (luctus,
paſſio) agſ. cëarjan (queri) altn. kör, karar (lectus mortis)
vielleicht auch mhd. karc (alth. charac? ſollicitus, avarus,
ſolers) vgl. 623.; kæra (queri); goth. kaúrjan (gravare)
altn. kor (ſqualor, luctus?) — nr. 576b. gaíran, gar, gê-
run, gaúrans? aus dieſer dunkeln wurzel ſcheint zu
fließen alth. kër, kir (cupido) goth. gaírns, alth. kërn,
altn. giarn (cupidus) vgl. nr. 511; goth. gaúrs (afflictus)
gaúrjan (affligere) doch das alth. gôr (fimus) gôrag (mi-
ſer) ſcheint wegen des langen ô anderer wurzel (etwa
zu giuſan, gôr gehörig nr. 250?) —


[ïll, all, ull] nr. 577. fillan, fall, fullun (turgere)?
goth. fill, alth. vël, -lles (pellis, cutis) altn. filla (pellis
piſcium) goth. þruts-fills (leproſus, hautkrank) alth.
villan (percutere) villa (percuſſio, verber) mhd. villen
(verberare, excoriare); goth. fulls, alth. vol, -lles (ple-
nus, turgidus) fulljan (implere); verbindung der be-
griffe fell und voll ſcheint unleugbar, haut iſt das ge-
füllte, gerade wie balg (nr. 355.) daher auch plenus zu
pellis hört und litth. pilnas (plenus) pilwas (venter)
heißt, vgl. die redensart: hülle und fulle. — nr. 578.
ſtillan, ſtall, ſtullun (quieſcere, ſedari)? alth. ſtil, -lles
(quietus) ſtillî (ſilentium) altn. ſtilla (moderare) ſtillir (mo-
derator) ſtillîng (modeſtia); alth. ſtal, -lles, altn. ſtallr
[58]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
(ſtabulum, locus requiei) vgl. oben nr. 464; alth. ſtulla
(hora, momentum, pauſe) ſtollo (gradus) vgl. das lat.
ſēdes und ſēdare von ſĕdēre, ſēdi. — nr. 579. ſnillan,
ſnall, ſnullun (celeriter ferri)? alth. ſnël, -lles, altn.
ſniallr (impetuoſus, celer); mhd. ſnellen (ſubito movere,
trudere) ſnal, -lles (motus ſubitaneus) nhd. ſchnalle
(fibula, elaſtiſches, ſchnurrendes band?) — nr. 579b gril-
lan, grall, grullun (aſperari)? mhd. grël, nhd. grell (aſper,
trux); agſ. grellan (ad litem provocare); nhd. groll (fe-
ritas, odium).


[ïlb, alb, ulb] nr. 580. hvilban, hvalf, hvulbun?
goth. hvilftri oder hvilſtrjô (σορός) gewölbter ſarg, nicht
feretrum; agſ. hvëalfa (fornix) mhd. gewelbe (camera);
altn. hvolf (convexitas) mhd. wolbe (fornix). — nr. 581.
kilban, kalf, kulbun? alth. chilpirra (agna) agſ. cilforlamb
(agnus f.); alth. chalp, agſ. cealf (vitulus); dunkel, ob
und wie altn. kâlfi (ſura) kôlfr (bulbus radicis) alth. cholpo
(fuſtis, caulis) hierher zu rechnen? —


[ïlþ, alþ, ulþ] mit übergang des þ in d. nr. 582.
vilþan, valþ, vulþun (vigere)? goth. vilþis, alth. wildi,
agſ. vilde, altn. villr (ferox, ferus, rudis, ſilveſtris) nhd.
wild (fera); alth. walt, agſ. vëald (ſilva) goth. valdan, alth.
waltan, agſ. vëaldan (imperare, ſuperbire, ſaevire) alth.
kiwalt, altn. valdr (poteſtas, vis, violentia); goth. vulþus,
agſ. vuldor (poteſtas, gloria) gleichverwandt ſind die lat.
fortis, ferus, ferox, fero etc. —


[ïlg, alg, ulg] nr. 583. tilgan, talg, tulgun (creſcere,
vigere)? agſ. tëlg (planta, virgultum); altſ. tulgo (valide)
goth. tulgjan (roborare); das altn. telgja (ſcindere) vereint
ſich dem ſtammbegriff, wenn man die übergänge zweig,
aſt, theil (nr. 492.) theilen, ſchneiden erwägt, auch
nr. 562. zu vergl. —


[ïmm, amm, umm] nr. 584. flimman, flamm, flum-
mun (ſplendere)? nhd. flimmen, flimmern (micare);
flamme (lux, jubar). —


[ïmp, amp, ump] nr. 585. himpan, hamp, hum-
pun? altn. himpi (ingens maſſa in manibus); hampa (ma-
nibus volvere) nhd. hampfel (quotquot manu rapitur,
nicht aus handvoll zu deuten, Stald. II, 16.) gehört hanf
(gerauftes, in der hand geſchwungenes dahin, oder
ſtammt es direct aus cannabis?) — nr. 586. ſtimpan, ſtamp,
ſtumpun (tundere)? alth. ſtamf (pila); ſtumpf (obtuſus)
ſtumpf (truncus) piſtumplan (truncare) entw. für pi-
[59]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
ſtumpflan oder zu nr. 322. gehörig f. piſtumlan, vgl. nhd.
ſtümmeln? — nr. 587. ſtrimpan, ſtramp, ſtrumpun? nhd.
ſtrampfen, ſtrampfeln (pedibus plodere, tibias movere);
ſtrumpf (tibiale). — nr. 588. ſkimpan, ſkamp, ſkumpun
(jocari)? altn. ſkimp (irriſio) alth. ſcimf, ſcimpf (jocus) —
nr. 589. kimpan, kamp, kumpun? altn. kippa (raptare,
colligere); kappi (athleta) keppa (contendere) alth. champf
(agon) chempho (pugil) agſ. camp und cempa. —


[ïmb, amb, umb] nr. 590. gimban, gamb, gumbun?
alth. cambar (ſtrenuus, ſagax) cambrî (ſtrenuitas) gl. jun.
225. 235. 250. altn. gambr (jactatio) gambra (blaterare)
dunkel iſt gamban (edd. gambanteinn, gambanſumbl, viel-
leicht pracht?) und das agſ. gombon gëldan Beov. 2.
Cädm. 43, 22; mhd. gumpen (nugari) — nr. 591. dimban,
damb, dumbun? agſ. dim, -mmes (obſcurus) altn. dimmr
(opacus) alth. timbar (obſcurus) timbrî (caligo); nhd.
dämmern (obſcurari) *); agſ. dumb (mutus) goth. dumbnan
(muteſcere) alth. tump (mutus, fatuus) mhd. tump (non-
dum ſapiens) nhd. dumm (ſtolidus) alth. horotumbil (ono-
crotalus, nhd. rohrdommel) — nr. 592. kimban, kamb,
kumbun? alth. champ (corona, pecten, criſta) agſ. camb,
altn. kambr (pecten, criſta); altſ. kumbal, agſ. cumbol,
altn. kuml (ſignum militare) alth. chumbirra (tribus); das
mhd. kumber, nhd. kummer (dolor) ſcheint mir auslän-
diſch (franz. encombre, comble). —


[ïnn, ann, unn] nr. 593. dinnan, dann, dunnun?
unter dieſem muthmaßlichen thema weiß ich wörter wie
agſ. den, denne (vallis) alth. tenni (area) alth. tanna
(abies) tinna (tempus capitis) bedeutungsweiſe noch nicht
zu vereinigen.


[ïnt, ant, unt] nr. 594. glintan, glant, gluntun (ni-
tere)? mhd. glinzen (micare); glanz, alth. klanz (nitor). —


[ïnd, and, und] nr. 595. blindan, bland, blundun
(miſcere, turbare)? goth. blinds, alth. plint (coecus);
altn. blanda (miſcere) bland (mixtura) alth. plantan (mi-
ſcere) mhd. enblanden (turbare, onus imponere) blenden
(coecare); altn. blunda (dormire) blundr (ſopor) — nr. 596.
tindan, tand, tundun (ardere)? altn. tinna (ſilex, pyri-
tes) tendra (accendere) alth. zantro (calculus, feuerſtein);
zuntro (fomes) zuntjan (incendere). —


[60]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.

[ïnþ, anþ, unþ] nr. 597. ſvinþan, ſvanþ, ſvunþun
(vigere, valere)? goth. ſvinþs, agſ. ſvið (ſortis, vehe-
mens, dexter) goth. ſvinþnan (creſcere) altn. ſvinnr
(tenax, prudens) mhd. ſwint (violentus); agſ. ſvaðe (vio-
lentia? ſciſſio, ruptura, veſtigium) wahrſcheinlich das
ſchweiz. ſchwand, ſchwändten (berghang, waldgehau,
ſchnitt) vgl. Stald. 2, 359. 360. Oberlin 1606. — nr. 597b
tinþan, tanþ, tunþun (comminuere)? alth. zand (dens);
goth. tunþus, agſ. toð. —


[ïnk, ank, unk] nr. 598. hlinkan, hlank, hlunkun
(torquere, flectere); mhd. ſelten, nhd. gewöhnl. link
(ſiniſter i. e. ſinuoſus, obliquus, wie recht: gerade, ſtrack);
alth. hlancha (ilia, lumbus a flexuoſitate) nhd. gelenk
(articulus) altn. hleckr (torques, catena); ſteht bei O.
inklenkan (infibulare) f. inhlenkan und unſer klinke
(peſſulus januae) f. linke? — nr. 599. þinkan, þank,
þunkun? goth. þagkjan, alth. denhan (cogitare) alth.
danh, altn. þöck (gratia) alth. danhôn, altn. þacka (agere
gratias); goth. þugkjan, alth. dunhan (putare, videri)
mhd. dunke (opinio, ambitio) altn. þotti (arrogantia)
þyckja (iraſci, ſuperbire) — nr. 600. dinkan, dank, dun-
kun (obſcurari)? altn. döckr (niger) döckva (obſcurare);
altſ. dunkar, alth. tunhal (obſcurus) nhd. dunkel f. tun-
kel. — nr. 601. finkan, fank, funkun (ſcintillare)? alth.
vinho, mhd. vinke (ſringilla, a colore flavo, aureo);
vanke (ſcintilla); nhd. funke. — nr. 602. ſkinkan, ſkank,
ſkunkun? mhd. ſchinke (crus, perna); agſ. ſcanca (tibia,
crus) mhd. ſchenkel (femur); nhd. mundart. ſchunke f.
ſchinke; ſollte nicht alth. ſcenhan, mhd. ſchenken, agſ.
ſcencan, altn. ſkênkja (vinum infundere, promere und
allmählig largiri, donare) daher rühren, daß man in
frühſter zeit das getränk mit einer (knöchernen?) röhre
aus dem faß laufen ließ? [oeſtr. ein pfiff weins, vgl. 1,
462. über pîpen] auch bei tibicen (flötenſpieler) dachte
man ſpäter nicht an den begriff von crus in tibia.


[ïng, ang, ung] nr. 603. fingan, fang, fungun (ca-
pere, accipere)? goth. figgrs, alth. vinkar, altn. fingur
(digitus); alth. vanc, altn. fâng (captura, acquiſitio) alth.
vankôn, altn. fânga (occupare) — nr. 604. gingan, gang,
gungun (tendere)? alth. O. gingo, mhd. ginge (deſide-
rium, ſinnen und trachten); goth. gaggan, alth. kankan,
altn. gânga (ire) etc. — nr. 605. hingan, hang, hungun
(teneri, impeti)? altn. hânga (pendere) alth. hankan
(ſuſpendere) nhd. hang (cupido, propenſio); goth. huhrus,
[61]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
alth. hunkar, altn. hûngur (fames, appetitus vehemens) —
nr. 606. tingan, tang, tungun (pangere)? agſ. getinge
(facundus, wahrſch. getynge); alth. zanka, altn. töng
(forceps) tângi (lingula terrae, erdzunge) agſ. betenge,
getenge, alth. O. gizengi (vicinus, proximus, junctus)
altn. tengja (jungere) tengdr (junctus, affiuis) tengdir
(affinitas); goth. tuggô, alth. zunka, altn. tûnga (lingua)
altn. tûngl (luna, lingulata?) agſ. tungel, alth. himil-zunkal
(ſidus) alth. kizunkal (facundus) kizunkalî (poëſis) — nr. 607.
bingan, bang, bungun? altn. bâng (pulſatio) bânga (pul-
ſare); plattd. bunge (tympanum). —


[aírr, arr, aúrr] nr. 608. ſnaírran, ſnarr, ſnaúrrun
(ſtrepere)? mhd. ſnar, -rres (ſtrepitus) ſnarren (ſonare)
nhd. ſchnarre (turdus) ſchnarchen (ſtertere); mhd. ſnurren
(ſonum facere celerem et tremulum) — nr. 609. ſpaírran,
ſparr, ſpaúrrun (patere, ringere)? alth. ſparro, mhd.
ſparre (vectis, trabs, peſſulus) alth. ſperran (claudere)
in-ſperran (recludere) nhd. geſperre (contignatio) altn.
ſperra (repagulum) ſperra (diſtendere); verwandt mit
575? — nr. 610. ſtaírran, ſtarr, ſtaúrrun (rigere)? nhd.
ſtarr (rigidus) ſtarren (rigeſcere); goth. andſtaúrran (an-
ſtarren) mhd. ſtorre (truncus). —


[aírm, arm, aúrm] nr. 611. vaírman, varm, vaúr-
mun (tepere, calere)? alth. warm, altn. varmr, agſ.
vëarm (tepidus, calidus) goth. varmjan (calefacere) altn.
verma (fovere); goth. vaúrms, alth. wurm, agſ. vyrm,
altn. ormr (vermis, anguis) nach dem glauben, daß
würme durch wärme und fäulnis gezeugt werden *),
oder daß ſie faul, eiterig, giftig ſind? vgl. altn. eitr-ormr
(ſerpens) agſ. hand-vyrm (paronychia, geſchwür, wurm
am finger) agſ. vorms (pus, ſanies) alth. wërmuot (oder
wermuot?) agſ. vërmôd, vormôd (abſinthium, wärmen-
der, bitterer, beißender trank, ſchwerlich wurmvertrei-
bender, obwohl engl. wormwood, nnl. wormkruit). —


[aírn, arn, aúrn] nr. 612. ſkaírnan, ſkarn, ſkaúr-
nun (irridere)? alth. ſkërn (ſcurrilitas) ſcirno (ſcurra);
altn. ſkarn, agſ. ſkëarn (lutum, ſtercus). — nr. 613. kaír-
nan, karn, kaúrnun? alth. chërn, chërno (granum);
chorn (frumentum) altſ. curni, goth. kaúrn, kaúrnô (fru-
[62]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
mentum) — nr. 614. haírnan, harn, haúrnun? alth.
hirni, altn. hiarni (cerebrum) altfrieſ. hërne (angulus);
goth. haúrn, alth. horn (cornu, gleichſ. aus dem hirn
gewachſen) agſ. hyrne (? hirne, angulus) — nr. 615. faír-
nan, farn, faúrnun? goth. faírnis, alth. virni (vetus);
altn. ſorn. —


[aírp, arp, aúrp] nr. 616. ſcaírpan, ſcarp, ſcaúr-
pun? alth. ſarf, ſcarf, altn. ſkarpr, agſ. ſcëarp (acer, du-
rus) altn. ſkerpa (acuminare); agſ. ſcyrpan (acuere) alth.
ſcurſan, mhd. ſchürfen (excudere) altn. ſcorpa (vehe-
mentia). —


[aírt, art, aúrt] nr. 617. aírtan, art, aúrtun? kann
ërz (metallum, das wachſende) ſich mit goth. aúrts (her-
ba) aúrti-gards (hortus) agſ. ort-gëard, engl. orchard
berühren? — nr. 618. vaírtan, vart, vaúrtun? goth.
vaúrts, altn. urt, alth. wurz, agſ. vyrt (radix). —


[aírd, ard, aúrd] nr. 619. haírdan, hard, haúrdun
(firmari)? goth. haírda (grex) haírdeis, alth. hirti, altn.
hirdir (cuſtos) agſ. hëord (grex) hirde (paſtor) altn. hird
(ſatellitium) hirdr (tutus); goth. hardus, alth. herti, altn.
hardr. agſ. hëard (durus, eigentl. firmus); goth. haúrds,
alth. hurt (janua, clathrum, munimen) alth. hort, agſ.
hord (theſaurus, a cuſtodiendo?) wobei nur die goth.
form huzd bedenken macht, vgl. unten ïzd, azd, uzd.


[aírþ, arþ, aúrþ] mit ſenkung des þ in d. nr. 620.
aírþan, arþ, aúrþun? goth. aírþa, alth. ërda, agſ. ëorðe,
altn. iörd (terra); alth. art, agſ. ëard (ſolum, natura,
indoles) alth. artôn (habitare, colere) artâri (cultor) agſ.
ëardjan (habitare) altn. ardr (aratrum) oder dies zu 571b?
wie ſlav. ralo, oralo zu orati. —


[aírk, ark, aúrk] nr. 621. ſtaírkan, ſtark, ſtaúrkun
(rigere, pollere) alth. ſtarah, agſ. ſtëare, altn. ſterkr (for-
tis, rigidus); goth. ſtaúrknan, altn. ſtorkna (rigeſcere,
erſtarren) altn. ſtyrkr (fortis), hierher wohl alth. ſtorah
agſ. ſtorc (ciconia) agſ. ſtyrc (juvencus)? —


[aírg, arg, aúrg] nr. 622. aírgan, arg, aúrgun?
alth. arac (tenax, avarus) longob. arg (iners, P. Diac.
6, 24) agſ. earg, altn. argr (iners, deſes, vecors); agſ.
yrgð, yrhð (ſegnities, ignavia) — nr. 623. kaírgan,
karg, kaúrgun? mhd. karc, -ges (aſtutus) nhd. karg
(tenax); mhd. kurc, -ges (lepidus, callidus) — nr. 624.
vaírgan, varg, vaúrgun? goth. vargjan (condemnare)
altn. vargr (latro, maleficus, lupus) agſ. vëarh (furcifer)
[63]III. laut u. ablaut. verlorne ſtarke verba.
mhd. warc; agſ. vyrgean (exſecrare, maledicere) mhd.
würgen (ſtrangulare, occidere); die ganze zuſ. ſtellung
noch unſicher, ſelbſt ob der ſtamm nicht aírh, arh,
aúrh? —


[aírh, arh, aúrh] nr. 625. þaírhan, þarh, þaúrhun
(pertundere)? goth. þaírh (per) þaírkô für þaírhô (fora-
men) alth. durah, durh (per) durahal, durhel, mhd.
dürkel (pertuſus) agſ. þurh (per) þyrl (foramen) þyrel
(perforatus). —


[ïſk, aſk, uſk] nr. 626. friſkan, fraſk, fruſkun (vi-
vere, vigere)? alth. ſriſcing (victima, i. e. geopfertes
junges ſleiſch, caro recens) nhd. friſchling (porcellus)
mhd. vriſch (recens, vividus, viridis) altn. frëſkr (viri-
ridis, von katzenaugen); ital. fraſca, franz. fraiſe (friſche,
wilde beere) gleich freſco, frais aus dem deutſchen; alth.
froſc (rana, von der grünen farbe) fruſcinga (victima,
i und u in dieſem worte zweifelhaft, aber beide hierher
dienend). — nr. 627. diſkan, daſk, duſkun? alth. tiſc
(menſa) tiſco (alumnus, commenſalis) altn. diſkr (patina);
daſk (ictus) daſka (percutere) der übergang der bedeu-
tung noch dunkel, alth. taſca (pera, auch wohl ciſta,
vgl. gl. monſ. 328. 396. ſitarcia). —


[ïzd, azd, uzd] dieſer goth. formel würde die altn.
ëdd, add, odd entſprechen, aber die alth. ërt, art, urt,
welche ſchon oben der gothiſchen aírd, ard, aúrd pa-
rallel lief, vgl. theil 1, 67. 126. 319. Wäre das goth.
huzd und vielleicht azd nur gemilderte ausſprache für
haúrd, ard? vgl. nr. 619. 620. oder iſt die alth. vermi-
ſchung beider formeln unorganiſch? Ablaut verräth ſich
in folgenden: nr. 628. ïzdan, azd, uzdun? altn. ëdda
(proavia, vielleicht: origo generis? oder ſumma, aucto-
ritas, acumen als name für die alten dichtungen?); oddr
(cuſpis, mucro), agſ. ord (acies, acumen, initium) alth.
ort (margo, extremitas, initium, ort-vruma auctori-
tas) — nr. 629. brizdan, brazd, bruzdun? altn. brëdda
(culter brevis) agſ. brërd (? brëord) ſumma, margo;
alth. prart (ora, labrum, labium); prort (idem) agſ. brord
(punctus, ſpica frumenti) altn. broddr (aculeus, telum). —


[aíhſ, ahſ, aúhſ] nr. 630. faíhſan, fahs, faúhſun
(comari)? alth. vahs, agſ. fëax, altn. fax (coma)?; alth.
vuhs, agſ. altn. fox (vulpes, das haarige thier?) vgl.
nr. 550. haſo. — nr. 631. laíhſan, lahs, laúhſun (ſplen-
dere)? alth. lahs, agſ. leax (ſalmo); alth. luhs, agſ. lox
(lynx). —


[64]III. laut u. ablaut. verwaiſte wurzeln.

C. verwaiſte wurzeln.


Von den der ſprache verbliebenen ſtarken verbis iſt
eine anſehnliche zahl wortbildungen, welche ſich ohne
zweifel noch ſehr vermehren läßt, dargelegt wor-
den. Sodann habe ich eine gleichfalls nicht geringe reihe
von wörtern, die mir im verhältniſſe des lauts und ab-
lauts zu ſtehen ſcheinen auf verlorene ſtarke ſtämme
zurückzuführen geſucht. Was im einzelnen verfehlt
wurde mag ſich aufheben gegen das richtige, welches
fortgeſetzter forſchung hinzuzufügen vorbehalten bleibt.
Im ganzen betrachtet kann immer angenommen wer-
den, daß aus den ſolchergeſtalt nachgewieſenen quellen
über ſiebenthalbhundert deutſcher wurzeln eine unzahl
von wörtern aller art in größter fülle und fruchtbarkeit
ſtröme. Sie machen die deutlichſte kraft und grundlage
unſerer ſprache aus.


Es bleibt aber eine wo nicht gleiche, doch bedeu-
tende maſſe von wörtern zurück, die auf ihren ein-
fachen beſtandtheil geführt, d. h. aller ableitungsbuch-
ſtaben entbunden, der vergleichenden unterſuchung wei-
ter keine verhältniſſe des lauts und ablauts darzubieten
ſcheinen. Sie nenne ich verwaiſte wurzeln. Nur nach
dürrer, unſicherer analogie laßen ſie ſich in die ablau-
tende conjugation einſtellen, während bei den unter B
angeführten wörtern einſtimmige verwandtſchaft mehrerer
glieder eines geſchlechts den ſchluß auf den untergegan-
genen ſtamm wahrſcheinlich machte.


Statt von ſolchen allein ſtehenden wörtern im all-
gemeinen unnöthige beiſpiele zu geben, will ich die
gründe entwickeln, welche hier dem etymologen große
behutſamkeit anzuwenden rathen:


  • a) die regeren kurzen vocale a, i, u ſind ſchwieriger zu
    faßen; außer den ſ. 6. angeführten formeln, welche
    zweimahl verſchieden vorkommen können, haben uns
    die vermuthlichen ſtarken verba noch folgende weitere
    ergeben: ïl ſteht VIII und IX; um, un ſtehen IX und
    XI. Zweifelhaft würde alſo z. b. ſein, ob das alth.
    ſuan, altn. ſvanr (cignus) von ſvinan, ſvan oder von
    ſvanan, ſvôn ſtamme? zweifelhaft, ob das goth. nati
    (rete) der form natan, nôt oder nitan, nat, nêtun an-
    gehöre? für jenes ließe ſich etwa nôta (puppis) her-
    beiziehen, für letzteres mit mehr wahrſcheinlichkeit
    alth. nëƷila, agſ. nëtele (urtica), aus der man faden
    [65]III. laut u. ablaut. verwaiſte wurzeln.
    ſpinnt; die in der bedeutung wieder ablenkenden nats
    (madidus) natjan (rigare) führen auch in der form
    nicht weiter. Solche bedenken in vielen fällen. Viel-
    leicht lehrt ſie die ſorgſamer unterſuchte ableitungs-
    lehre (cap. II.) manchmahl entſcheiden.
  • b) kurzer vocal mit doppelter conſonanz weiſt in der re-
    gel auf conj. XII. z. b. fiſc (piſcis) auf den ablaut faſc;
    theils aber ſcheint auch hierbei die ableitungslehre noch
    nicht weit genug vorgerückt, um die beſchaffenheit
    des hinteren vocals überall ſicher zu beurtheilen, theils
    zeigte buch I, daß viele conſ. geminationen ſpäter ent-
    ſprungen ſind. Wer wollte aus einem nhd. held (he-
    ros) fels (rupes) henne (gallina) hülle (tegmen) ein hël-
    den, vëlſen, hinnen, hillen ſchließen! Das goth. vullô
    (lana) deutet mit mehr ſchein auf ein villan, vall, vul-
    lun, als das mhd. bal, -lles (pila) auf bëllen, bal, bul-
    len nr. 333. führt, welches mit unvereinbarer anderer
    bedeutung ſchon vorhanden iſt. Vergleicht man boln,
    alth. polôn (jacĕre) ſo wird die form bëln, bal, bâlen,
    boln (nach XI.) viel glaublicher.
  • c) der lange vocallaut, ſchwerfälligerer natur, bezeichnet
    an ſich jedesmahl eine beſtimmte ſtarke conjugation,
    folglich führt goth. hrôt (tectum) auf hratan, hrôt;
    þeihvô (tonitru) auf þeihvan, þáihv, þaíhvun; ſtáins
    (lapis) auf ſteinan, ſtáin, ſtinun; áuſô (auris) auf ïuſan,
    áus, uſun; liuþ (cantus) auf liuþan, láuþ, luþun;
    mêna (luna) auf minan, man, mênun, munans etc.
    Gleichwohl wäre der ſchluß in allen fällen trügeriſch,
    wo contraction und conſonantauflöſung den diphthon-
    gen erzeugt haben könnte, wie in ſpäteren mundarten
    häufig geſchieht, das mhd. meit (virgo f. maget) das
    nhd. hain (lucus aus hagen) weiſen daher auf kein mî-
    den, meit, hînen, hein. Auch ältere dialecte gewäh-
    ren dergleichen unorganiſche diphthongen. Das altn.
    haukr (accipiter) läßt ſich nicht zu hiuka (fovere)
    ſtellen, es entſprang aus havekr, hafukr (agſ. hëafoc,
    alth. hapuh); eben ſo wenig iſt gaukr (cuculus) ablaut
    von giuki (nom. pr.), welches aus giveki, gifeki, alth.
    kipihho erklärt werden muß. Ein merkwürdigeres
    beiſpiel gewährt das alth. poum (arbor) und viel-
    leicht andere ſubſt. auf -oum mehr, ich führe ſie
    nicht auf eine ſtarke ſorm ïuman, áum, umun zurück;
    poum, früher paum entſpricht dem goth. bagms, altn.
    E
    [66]III. laut u. ablaut. verwaiſte wurzeln.
    badmr, ſcheint folglich aus pagam (wie ſpäter meit
    aus maget, magit) hervorgegangen *).
  • d) andere ſchwierigkeit machen ſpäterhin vergröberte und
    vermiſchte conſonantverhältniſſe. Namentlich zähle
    ich hierher die weitgreifende verwandlung des ſ in r
    und die aphäreſe der ſpiranten h und v. Wenn jener
    zarte unterſchied zwiſchen ſ und r individuelle wurzeln
    bildet, z. b. nr. 292. viſan nr. 572. vaíran; nr. 547. ſviſan,
    nr. 328. ſvaíran; nr. 548. kiſan, nr. 576. kaíran, ohne
    vergleichung mehrerer mundarten daher, zu welchem
    ſtamme das alth. char (vas) gehöre, [es dürſte formell
    zu beiden letzteren nicht nur, ſondern auch zu einem
    karan, kôr oder kaſan, kôs] unbeſtimmbar ſein würde;
    ſo ſind verwaiſte wurzeln mit dieſen buchſtaben nicht
    leichtſinnig aus ihrem dunkel zu reißen. Das alth.
    peri (bacca) fügt ſich nicht zu baíran (nr. 325.) weil
    die goth. form baſi lautet, welches ein biſan, bas, bê-
    ſun verlangt, oder zu baſan, bôs (nr. 484.) fällt. Dem
    worte ſtâr (ſturnus) z. b. getraue ich mir nicht ſeinen
    ſtamm anzuweiſen, etwas leichter wäre es für alth.
    aro (aquila) altn. ari, wo auch im goth. ara das r
    bleibt, alſo kein ïſan, as, êſun, eher ein aíran, ar,
    êrun, aúrans, da andere gründe wider ein aran, ôr
    ſtimmen. Ferner, da in den ſpäteren mundarten, nach
    abgefallenem anlaut h und v, ganz unterſchiedene
    wurzeln ſcheinbar vereinigt werden, ſo ſind wörter
    mit anlautendem l, n, r, v, wo bedeutung und analogie
    keinen ausſchlag gibt, lieber als verwaiſte wurzeln
    aufzuſtellen und nicht unvorſichtig mit anderen wör-
    tern zu verbinden, die mit ihnen auf gleicher reihe
    oder ſelbſt im ablaut zu ſtehen ſcheinen. Viele etymo-
    logen halten z. b. die mhd. wörter wolf (lupus) und
    wëlf (catulus) für einer wurzel, da ſie urſprünglich
    gar nichts, weder an- noch auslautend miteinander
    gemein haben (jenes goth. vulfs, alth. wolf, wolves,
    altn. ûlfr; dieſes alth. huëlf, huëlfes, altn. hvëlpr). —
  • e) fremde eingeführte wörter ſind in der regel nicht auf
    ein deutſches ablautsverhältnis zu beziehen, noch mit
    echtdeutſchen, die ihnen buchſtäblich verwandt ſchei-
    [67]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
    nen, zu verbinden. Das goth. faſkja (lat. faſcia) kann
    mit fiſks (piſcis) nichts gemein haben. Manche ſehr
    frühe aufgenommene wörter verbergen aber ihren
    ausländiſchen urſprung, wenige, wie ſcrîben, prîſen,
    haben ſich ausnahmsweiſe ſtarke conjugation errungen.
    Ueber einzelne bleibt die unterſuchung zweifelhaft, ſo
    z. b. ſcheint das alth. weit (iſatis) verglichen dem agſ.
    vâd, engl. woad echtdeutſch auch formell mit alth. wît,
    agſ. vîd (amplus) vereinbar, ſchwerer mit alth. witu,
    agſ. vudu (lignum), alle bedeutungen ſträuben ſich,
    man müſte denn weitîn, das gewöhnlich durch caeru-
    leus (hrab. 956b) zuweilen durch aëreus (doc. 243a)
    gloſſiert wird, dem begriffe raum, weite, luft verwandt
    erklären; woher aber das ſ, welches romaniſche for-
    men jenes wortes einſchalten: guaiſda, waiſda, gueſde,
    guaſtum? vgl. Bruns beitr. zum deutſchen recht p. 386. —

Schlußbemerkungen.


1. Etymologie will die mannigfaltigkeit der gereiften
ſprache auf anfängliche einfachheit der formen und be-
griffe zurückführen. Daß es hier um zweierlei zu thun
ſei, um den buchſtaben und um den geiſt, haben leicht
alle eingeſehen. Das leibliche mit ſeinen ſtufen und far-
ben reicht nimmer aus, die gänge und wege von ſinn
auf ſinn, von geſtalt auf gedanken zu deuten, denen ſich
die menſchliche ſeele ergibt; dahingegen in dem meere
der begriffe alle bedeutungen, wenn ſie nicht durch die
formen der ſprache geordnet und feſtgehalten werden,
fehl und irre ſchweifen. In der deutſchen etymologie
iſt aber bisher das körperliche princip zur ungebühr ge-
ring geſchätzt worden; von einer groben einſicht in laut
und formverhältniſſe ausgehend hat man ſich ihrer an-
wendung auf den begriff unterfangen und viel zu frühe
die vergleichung fremder verwandter ſprachen hineinge-
zogen. Unerkannt blieben die gemeßene färbung der
vocale, die ſo tief eingreift, die genaue abſtufung der
conſonantiſchen organe, die der unterſuchung förderliche
dialectiſche abweichung in beiden *). Vocale nach orien-
taliſcher weiſe für gleichgültig angeſehen, in den conſo-
E 2
[68]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
nanzen harte, zu keiner zeit erlaubte wechſel zugelaßen,
koſtete es geringe mühe, die verſchiedenartigſten wurzeln
zu vereinbaren oder unter willkürliche bedeutungen zu
zwängen. Und mit irgend einem der heutigen dialecte
iſt wenig anzufangen, wenn nicht die ſämmtlichen übri-
gen, voraus die älteſten, hinzugenommen werden.


2) Indem ich der falſchen methode auszuweichen
trachte, ſcheint mir freilich, daß ich eine richtigere noch
ſehr unvollkommen ausübe. Liegen, darf gezweifelt wer-
den, jetzt ſchon alle verhältniſſe deutſcher buchſtaben
und laute am tage? kann nicht fortſchreitende feinere
zergliederung derſelben erſt den blick auf den rechten
etymologiſchen grund und boden leiten? Ich antworte
mit einer unterſcheidung. Die beſtimmung der einzelnen
buchſtaben und laute, ihrer zuſammenſetzung und ver-
änderung läßt ſich gewis noch erweitern und, da in die-
ſer hinſicht die jüngeren mundarten ſo grob, die älteren
ſo fein erſcheinen, genauere bekanntſchaft mit den letz-
teren *) wird uns neue anſichten eröffnen, um deren
willen manche der von mir verſuchten etymologien auf-
zugeben ſind. Was aber den ablaut, die eigentliche
grundlage des ganzen capitels angeht, ſo glaube ich nicht,
daß in dieſer lehre noch bedeutende änderungen erfolgen
können. Alle deutſchen ſprachen ohne ausnahme bewah-
ren die tiefgewurzelte unterſcheidung der ſechs ablau-
tenden conjugationen bis auf den heutigen tag. Die go-
thiſche, die formreichſte, beſitzt hier nicht mehr als die
neuengliſche, die formärmſte. Einzelne verba dieſer ſechs
claſſen verblühen, die abtheilung ſelbſt dauert fort und
ausgeſtorbene ſtämme haben wortbildungen hinterlaßen,
welche der nämlichen abtheilung zugethan bleiben, durch-
aus keine andere zu erkennen geben. Es iſt darum un-
wahrſcheinlich, daß die vollſtändige goth. mundart oder
eine noch reichere frühere ein weiteres, unbekanntes
verhältnis des ablauts beſeßen habe, bloß in jeder claſſe
erfreuen ſie ſich einer reicheren zahl von wörtern. Hier-
[69]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
durch wird, dünkt mich, die hauptrichtung deutſcher
wurzelforſchung unwandelbar und erſchöpfend vorge-
zeichnet.


3) ein anderer erheblicher zweifel ſcheint der: müßen
ſich denn alle und jede deutſchen wörter aus dieſem
verhältniſſe des lauts und ablauts erklären laßen? Unſere
ſprache ſtehet bei ihrem erſten hiſtoriſchen auftreten be-
reits in einer beträchtlichen ferne von ihrem urſprung,
d. h. ihrer individuellen niederſetzung. Unleugbar hat,
gerade wie ſie noch heute eine menge formen und flexio-
nen fortfuhrt, welche wir nicht aus ihrem jetzigen
ſtande, vielmehr nur aus dem uns gegebenen früheren
zu deuten vermögen, ſie ſchon damahls dunkle und zer-
trümmerte formen beibehalten, deren befriedigende er-
klärung erſt aus dem uns nicht mehr gegebenen anfäng-
lichen ſtande zu erwarten wäre. Es ſoll aber auch nicht
jedes wort auf dieſem wege wirklich erläutert werden,
ſondern nur behauptet, daß in ſeiner inneren geſtaltung
an ſich nichts im widerſpruch ſtehe mit der zwar fort-
rückend vollſtändiger, niemahls ganz zu löſenden auf-
gabe. Daß in der that keine ſolche äußeren widerſprüche
ſtören rechtfertigt den zuſammenhang des ablautenden
princips mit dem element der deutſchen ſprache. Ihr
ganzer ſtoff iſt durchſichtiger geworden, als der irgend
einer andern mir bekannten ſprache; durchſichtiger, d. h.
wir ſehen oft noch auf den grund, wenn wir auch
nicht dahin reichen.


4) Will jemand einwenden, die unter B. angeführ-
ten wörter, gleich andern nichtangeführten, ſeien noch
kein nothwendiger ſchluß auf den jemahligen beſtand der
vermutheten ſtarken verba, ſondern nur in allgemeiner
analogie unbewußt den herrſchenden vocallauten gemäß
gebildet; ſo heißt das eine lebendige, wahrſcheinliche
erklärung rauben und eine mechaniſche, unwahr-
ſcheinliche für ſie hinſtellen. Auf beiſpiele des lauts
und ablauts, die ſich bloß mit hülfe ſpäterer mundarten,
nicht aus den älteren an ſich, aufbringen ließen, würde
ſie am erſten paſſen. So könnte z. b. das mhd. trëhten
(dominus) verglichen mit dem alth. truntìn, altn. drottinn
auf rohem wechſel des ë und o (1, 336.) zu beruhen
ſcheinen, keineswegs auf einem verbo drëhten, draht,
druhten (wie vëhten, vaht, vuhten); den ausſchlag ge-
ben müſte das agſ. drihten, wenn es mit ſicherheit der
ſchreibung dryhten vorzuziehen iſt. (1, 226, 268.) Schein-
barer wäre folgendes beiſpiel: die mhd. eigennamen diet-
[70]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
leip, ortleip, gotleip etc. lauten nhd. dietlieb, ortlieb,
gottlieb, man ſprach ſo, weil und ſeit man blieb, trieb,
ſchrieb f. das mhd. bleip, treip, ſchreip ſprach. Doch
gerade hier waltet offenbarer ablaut, -leip gehört zu
nr. 130. und bedeutete urſprünglich relictus, permanens *),
berührt ſich alſo genau mit beleip, blieb (remanſit), die
innere berührung war längſt unverſtanden, aber wie
durch geheimen inſtinct wandeln ſich dieſe ablaute einer
reihe gleichmäßig nach jeder färbung der zeiten. Das
iſt im nhd. nicht überall geſchehen, z. b. heiƷ bleibt heiß
und wird kein hiß (wie reiƷ riß); durch ähnliche in-
conſequenzen ſind die nhd. lautverhältniſſe oft aus der
fuge gerathen. —


5) gewiſſe erſcheinungen des ablauts laßen ſich aber
nicht anders beſeitigen, als durch die annahme, daß der-
ſelbe wortſtamm zuweilen zwei oder mehr ſtarke verba
gezeugt hat, das zweite iſt aus dem erſten erwachſen und
in ſo früher zeit, daß es ſelbſt wieder des ablauts fähig
wurde. Nicht nothwendig begreift die ſtarke conjugation
unabgeleitete wurzeln (1, 839.), aber nur ſelten haben
ſich beide formeln nebeneinander erhalten, meiſtens iſt
die ältere, zuweilen die jüngere verloren. Ich unter-
ſcheide drei arten **) der aus reinen wurzeln ſtammen-
den dennoch ſtarken verba:


α) verba der ſiebenten entſpringen aus dem praet.
ſg. älterer der zehnten und eilften conjugation: ma-
lan, môl (nr. 69.) aus mal von milan (nr. 560.) ohne
letzteres ließen ſich mëlo, mâl etc. nicht erklären; —
galan, gôl (nr. 67.) aus gal von gilan (nr. 564.), die
begriffe von farbe und ton einander berührend; —
vielleicht halan, hôl (nr. 465.) aus hal von hilan
(nr. 314.)? hâli (lubricus) bezeichnet den übergang in
[71]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
die bedeutung von heimlichem ſchleppen und ſchlei-
fen; — aban, ôf (nr. 474.) aus af von ïban (nr. 540.)?
avar (iterum) könnte vermitteln; — ſtandan (nr. 72.) ver-
hält ſich zu ſtudan (nr. 545.) faſt wie das ſlav. ſtaniti zu
ſtati; — gewagter ſcheint ſtalan, ſtôl (nr. 464.) aus
ſtal von ſtilan (nr. 313.) zu leiten? den gang der begriffe
könnte niman erläutern, das wie ſtilan auferre heißt,
wie nama (nomen, ordo, ſtatus) ſich mit ſtal (locus, ſta-
tus) vergleicht; — beſtätigung der form ſwuoli (tepidus)
ſt. ſwuli würde zu einem ſvalan, ſvôl aus ſval, ſvilan
(nr. 317.) nöthigen; — ſind faíran, far (573.) und faran,
fôr (nr. 73.) verwandt? — fatan, fôt (nr. 479.) erklärt
nicht auslänglich alle wortformen, namentlich fordern
das altn. fiötur, alth. vëƷar (compedes) das altn. fit
(ruga, plica) fitja (plicare) ein verlorenes fitan, fat; —
vahſjan (nr. 108.) ſcheint aus vaíhan, vah entſproßen,
woraus ſich das alth. wâhi (venuſtus) und vielleicht
vaíhts, wiht ſammt andern, die ich zu nr. 201. ge-
ſchlagen habe, verſtändigen? — hiermit fällt endlich
auch erwünſchtes licht auf ginuht nr. 489. vergl. mit
naíhvan nr. 559.


β) die zweite claſſe iſt zahlreicher und begreift ſämmt-
liche verba der zwölften conj., die wegen ihrer doppel-
ten conſonanz niemahls reine wurzel zu enthalten ſchei-
nen, der zweite hinzugetretene conſ. nämlich iſt unorg.
gemination oder ableitungsbuchſtabe. Sie entſtehen aber
entw. aus dem plur. praet. der achten, oder aus dem
praeſ. der zehnten und eilften. Die, welche ich zur
zeit auf dieſem wege nachweiſen kann, ſind folgende:
billan (nr. 333.) ſetzt ein verlorenes beilan, báil, bilun
voraus (nr. 493.) dunkeler bedeutung, aus welchem aber
das mhd. bîl (latratus, Ulr. Triſt. 3207., momentum, quo
canes feram captam allatrant?) niederheſſ. noch heute
beil, ferner das altn. bil (momentum) alth. piladi (imago)
u. a. m. gedeutet werden müßen; — glimmen (nr. 364.)
aus glîman (nr. 495.); — ſincan (nr. 398.) aus ſîgan
(nr. 189.) — ſvîndan (nr. 386.) aus ſveinan (nr. 115.), im
alth. und mhd. beſtehen beide ſtarke verba gleichzeitìg; —
ganz analog fließt aus geinan (nr. 117.) ein mhd. ginden
(hiſcere) zu dem ich aber das praet. gant noch nicht gefun-
den habe; — das dunkle þaíhſan, dëhſen (nr. 462.) gehört
wohl zu þeihan (nr. 197.)? — gilpan (nr. 345.) führe ich
auf gilan (nr. 564.) das folglich zwei ſtarke verba zeugt,
galan und gilpan; — brimman (nr. 359.) ſtammt aus ver-
lornem briman, bram, brêmun, brumans, wovon noch
[72]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
das alth. prëmo (oeſtrus) übrig; — grimman (nr. 361.)
aus verlornem griman, gram, grêmun, grumans woher
altn. gramr (fremens, iratus) mhd. gram, altn. gremja
(offendere) etc.; — þinſan (nr. 396.) aus þinan (nr. 571.); —
finkan (nr. 601.) aus verlornem finan, fan, fênun, funans
(lucere, ardere) wovon goth. funa, altn. funi (ignis) viel-
leicht goth. fana, alth. vano (linteum, a ſplendore?) und
noch andere; — ſollte milkan (nr. 353.) zuſ. hängen mit
milan (nr. 560.)? vgl. die ähnlichkeit der milch mit dem
mehl und ſchnee (altn. miöll nix, mialli candor); —
faíhtan (nr. 460.) mit faíhan (309) und fahan (nr. 18.)? *)
Andere wird fortgeſetztes ſtudium entdecken; begehrt die
theorie für jedes verbum zwölfter conj. einen einfache-
ren ſtarken ſtamm, ſo ſieht man, da ſich nur wenige
nachweiſen laßen, welche menge untergegangen iſt.


γ) die dritte, wiederum zahlreiche claſſe bezieht ſich
auf die reduplicierenden conjugationen, von welchen nach-
folgende anmerkung handelt.


6) bisher iſt, bei der ganzen anwendung des ſyſtems
ſtarker conjugation auf die wortbildung, der reduplicieren-
den
gar noch nicht erwähnt worden. Denkbar wäre
nun, ſo gut der ablaut des praet. auf andere wörter ein-
fließt, daß auch die verdoppelung des praet. auf ſie ein-
flöße. Durch alle deutſchen ſprachen gilt aber die aus-
nahmloſe regel: reduplication, auf das praet. ind. und
conj. beſchränkt, nicht einmahl in das participium über-
tretend, erſtreckt ſich nie in die übrige wortbildung.
Die bloß reduplicierenden verba ſtehen darin den ſchwa-
chen verbis gleich, daß der vocallaut des praeſens in
allen davon gebildeten wörtern bleiben muß. Beiſpiele:
alth. val, -lles (caſus) valla (decipula); goth. ſalt (ſal);
valdufni (poteſtas); goth. gaſtalds (poſſeſſor) alth. haku-
ſtalt (coelebs); alth. ſpalt (rima); mhd. ſchalte (contus);
goth. -falþs (-plex); alth. hals (collum); mhd. ban (in-
terdictum); ſpanne (ſibula); goth. gafahs (captura) alth.
vanc; goth. faúrahah (velum) alth. vorahanc; kanc (itio,
ambulacrum); heiƷ (juſſio); untarſceit (diſcrimen); goth.
fráiſtubni (tentatio); alth. pigiht (confeſſio); leih, altn.
[73]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
leikr (ludus); alth. hlouf (curſus); hruof (clamor); goth.
havi, alth. houwi (foenum) altn. högg (verber) ſchweiz.
hau (Stald. 2, 25) nhd. verhau (ligna caeſa); alth. ſtôƷ
(pulſus); anapôƷ (incus) altn. bauti (compulſor); blôt
(ſacrificium) goth. blôſtr; alth. ſcrôt-îſarn (ſcalprum);
vluoh (imprecatio); ſlâf, goth. ſlêps (ſomnus); vielleicht
leitils (parvus) f. lêtils? altn. læti (geſtus); grâtr (planctus);
alth. rât (conſilium); prâto (petaſo); plâſa (bulla) plâſt
(flatus); pâka (lis).


Einzig und allein ließe ſich hiergegen das nhd. ſubſt.
hieb (ictus) einwenden, darf aber umſoweniger für eine
wahre ausnahme geachtet werden, da es den älteren und
übrigen dialecten, ja unſern meiſten heutigen volksmund-
arten fremd iſt und ſich offenbar nach den ſelbſt unorga-
niſchen nhd. praet. ſchrieb, blieb, trieb in ſpäter zeit
geſtaltet hat. Man bildete das ſubſt. hieb, wie trieb
(propenſio) ſt. des mhd. trip.


Die neben der verdoppelung zugleich ablautende
fünfte und ſechſte conj. wäre an ſich auch ablautender
wortbildung fähig. Inzwiſchen gewährt die goth. ſprache
keinen beleg dazu, in den übrigen ſchwanken dieſe verba,
d. h. ſie werden entw. rein reduplicativ, und dann gilt
von ihnen die regel, oder reinablautend, wohin bloß das
altn. taka (nr. 64. nicht tâka = goth. têkan) gehört, wel-
ches völlig nach conj. VII. zu beurtheilen, mithin für ab-
lautende bildungen empfänglich iſt, vgl. die altn. eigen-
namen tôki und palnatôki, ſo wie tœki (occaſio) tœkr
(idoneus); ſtammt aber têkan aus takan, lautet das mhd.
vâhen früher fahan, ſo darf auch brâten (aſſare) auf ein
älteres braten und der ablaut bruot (genimen) brueten (ſo-
vere, wärmen) auf es bezogen werden.


Jene regel, der mangel aller aus dem praet. gezoge-
nen wortbildungen ſpricht klar dafür, daß die allmählige
zuſammendrängung der reduplication in die doppelvocale
ie und ê die natur organiſcher ablaute niemahls erreichte.
Deſto weniger dürfen die wahren ablaute aus früheren
reduplicationen erklärt werden. Die ablautenden conju-
gationen ſind älter als die reduplicierenden und dieſe, wie
ſchon ihr ſchwerfälliger langer vocal oder ihre doppelte
conſonanz zu erkennen gibt, aus jenen entſprungen.
Hiermit nimmt die folgende den ſchluß der vorherge-
henden fünften bemerkung wieder auf.


7) den ablaut aller deutſchen wortbildung zum grund
gelegt, offenbaren ſich im allgemeinen drei abſtufungen,
auf denen der ſprachgeiſt vorrückte. Die erſte erkenne
[74]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
ich in aus reinen ablautenden wurzeln gezeugten unein-
fachen, dennoch wiederablautenden (anm. 5.) verbis. Als
dieſe kraft erloſch, wandte ſich die ſprache zur redupli-
cation, ohne von den formen ſtarker flexion ſonſt etwas
nachzulaßen. Mit der ſchwachen conjugation entſprang
die dritte ſtufe. Das ganze verhältnis läßt ſich auch ſo
bezeichnen: reine wurzeln drücken die vergangenheit
durch bloßen vocalwechſel aus (conj. XI. X. VIII. IX.)
auf der erſten ſtufe wurden noch einige neue vocalbe-
ſtimmungen deutlich und unſtörend befunden, um die
herrſchaft des ablautenden princips über wurzeln zu er-
ſtrecken, die ſchon aus reinen ablauten herſtammten
(conj. VII. XII.). Die zweite ſtufe bildete ihr praet.
durch vornen angeſetzte wiederholung der wurzel oder
eines ſtücks der wurzel (conj. I-IV.) zuweilen mit noch
darunter gemiſchtem ablaut, (conj. V. VI.) welche mi-
ſchung uns nur die goth. ſprache, keine ſpätere wahr-
nehmen läßt. Endlich drittens muſte die vergangenheit
durch eine mit der wurzel hinten verwachſende, noch
nicht befriedigend erklärte anfügung einer auxiliaren
wurzel bewirkt werden (ſchwache conj.).


Was die auseinandergeſetzte entſtehung der zweiten
abſtufung merkwürdig beſtätiget, iſt, daß gerade aus jeder
einzelnen ablautenden conjugation auch eine reduplicative
form hervorzugehen ſcheint, aus VII. entſteht III; aus
VIII:II und V; aus IX:III; aus X:IV und VI; aus
XI:IV und VI; aus XII:I. Nachzuweiſen aber und
zu vermuthen vermag ich nur folgende: ſaltan (nr. 3.)
ſtammt aus verlornem ſiltan, ſalt, ſultun, wovon das
mhd. ſulze, nhd. ſülze (ſalſugo) über iſt, ſiltan ſelbſt mag
wieder aus ſilan, ſal, ſêlun, ſulans herrühren, vgl. th. 1,
826. über ſal-t; — valdan (nr. 6.) habe ich aus vilþan
(nr. 582.) geleitet; — ſtaldan (nr. 7.) aus ſtalan (nr. 464.)
vgl. kiſtaltê (collocet) gl. jun. 259. — ſpannan (nr. 14.)
ſtammt aus ſpinnan (nr. 375.); — fahan (nr. 18.) aus faí-
han (nr. 309.) die ſpäter damit verflochtene nebenform
fangan aber aus fingan (nr. 603.); — hangan (nr. 19.) aus
hingan (nr. 605.) die nebenform hahan begehrt ein ana-
loges haíhan, woher vielleicht das goth. dunkle haíhs
(monoculus, hangendes, verhängtes auges? ſuſpenſus?)
vielleicht das alth. hëhera (graculus)? — gangan (nr. 20.)
aus gingan (nr. 604.) die nicht unvermuthliche neben-
form gaíhan könnte dann doch das nhd. gêhen (f. gëhen)
rechtfertigen, zugleich das alth. kâhôn, mhd. gâhen
(praevenire, celerare) gæhe (celer, impetuoſus) aufhel-
[75]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
len. — háitan (vocare nr. 23.) aus heitan (calere nr. 499.)
zu leiten ſcheint gefährlich, anführen ließe ſich dafür,
daß analoge wörter z. b. mhd. grueƷen, agſ. grêtan
außer clamare, vocare den ſinn von hortari, excitare,
compellere, alſo incendere haben (vgl. hitzig, heſtig,
aufgeweckt) und das altlat. calare (καλεῖν) nahe an calere
rührt; — ſkáidan (nr. 25.) ſetzt ein ſkeidan, ſkáid, ſkidun
voraus und ein alth. ſcitôn (nr. 163.) iſt erweiſlich, ſonſt
aber unerklärbar; — láikan (nr. 30.) beziehe ich auf
leikan (nr. 183.); — lêtan (nr. 56.) laßen, gewähren laßen,
in friede laßen, fordert ein verlornes litan, lat, lêtun
(quieſcere?) von welchem das goth. latjan (tardare) lats,
alth. laƷ (deſes, piger) lezan (impedire, irretire) mhd.
letzen (impedire, gewöhnlich laedere) letze (finis, obſta-
culum) geblieben ſind; wie neben leitils (ſ. 73.) ahd luzil etc.
ſtatt findet, erklärte ſich dann eher. — verwâƷan (nr. 59.)
findet ſich genau in dem lat. abolere und ſtammt, wie dieſes
von olere, von wâƷe (odor) ab, gehört folglich zu wiƷan
(nr. 259.) verwâƷan iſt abolitus, ἐξαλειφθείς, was den
geruch verliert, abſtirbt, daher die bekannte fluchformel:
ſî verwâƷen, aboleſcat! — râtan (nr. 59.) könnte nebſt
raþjan (nr. 86.) von einem untergegangnen riþan, raþ,
rêþun herrühren, man erwäge die dunkeln wörter alth.
taka-ruod, mnl. daghe-raed, mnd. dage-rât (crepuſcu-
lum, tageskunft) und gerâten in der bedeutung von wer-
den, kommen. — Einige laßen ſich nicht geradezu, ſon-
dern nur unter vorausſetzungen erklären. So ſcheint
mir wallan (nr. 2.) unabhängig von wëllan (nr. 336.) zu
ſein und auf ein verlornes wëlan, wal, wâlun (fervere)
zu führen, von dem noch das adj. wal (tepidus) vor-
handen iſt. Dieſe vermuthung wird vielleicht ſelbſt durch
das einfache l im reduplicierenden praet. wiel beſtärkt?


Reſultat der ſechſten bemerkung iſt alſo: für wort-
bildung bleibt das princip der reduplication gleichgültig,
[doch vgl. cap. IV. die interjectionen], die ihm unterwor-
fenen verba ſtammen ſelbſt aus älteren ablautenden.


8) die ganze entwickelung, wenn ſie beifall findet,
wird zugleich eine zweckmäßige ordnung der conjuga-
tionen beſtimmen, welche ich im zweiten buche noch
nicht gehörig erkannt habe. So wie die ſchwache flexion
erſt nach der ſtarken abgehandelt wurde, muß die redu-
plicierende der ablautenden nachſtehen. In der ablauten-
den gebührt der VII. und XII. die unterſte ſtelle, obenan
gehört XI, dann X. und darauf folgen VIII. IX, welchen
beiden gleicher rang zukommt. XI. erſcheint als die
[76]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
älteſte, auch in der form vollkommenſte, denn ſie allein
verändert den laut dreimahl, X. VIII. IX. nur zwei-
mahl, VII. nur einmahl, XII. zwar zweimahl, doch ihr
weiſen die gehäuften conſonanten den letzten ort an.
Dieſe rangordnung gewinnt durch die vergleichung der
wortbildungen ein beſonderes gewicht, es iſt augenſchein-
lich, daß die ſtämme der eilften conjugation die frucht-
barſten und tiefgreifendſten ſind. Außer der fülle von
wörtern, mit ihren vier vocallauten erzeugt, können aus
ihnen neue ſtämme in VII. und XII. und in der redupl.
form erwachſen. In den andern ſinkt der bildungstrieb,
am ſichtlichſten in VII. und XII, die zwölfte iſt die un-
behülflichſte. Die edelſte naturkraft kann ſich nur eine
zeitlang durch ſich ſelbſt halten und ausbreiten, ſie ver-
ſiegte, wo ſie nicht durch äußere beimiſchungen neue be-
lebung empfienge. Ein einziger grundzug der ſprache
zeigt uns dieſe richtung an, es iſt aber ihr gang über-
haupt in allen zügen. —


9) eine frage, deren weitführende wichtigkeit und
ſchwierigkeit ich wohl begreife, iſt: ob man den grund-
ſatz, daß zwei verſchiedene wurzeln auch in dem buch-
ſtaben nothwendig verſchieden ſein müßen, anerkennen
dürfe? Mit andern worten: ob zwei äußerlich zuſam-
menfallende wurzeln innerlich einander ganz fremd ſein
können? Gälte letzteres, ſo würde dadurch die wurzel-
forſchung begrenzt und gehemmt, jeder ablenkenden be-
deutung zu gunſten ein geſonderter ſtamm aufgeſtellt
werden müßen und die menge der wurzeln unabſehlich
ſein. Dagegen, wenn erſtere annahme ſtatt fände, haupt-
geſchäſt des etymologen bliebe, die individuelle form
jeder wurzel ſicher zu ſtellen, dann aber alles, was ſich
zu denſelben buchſtaben bekennt, ſchienen die bedeutun-
gen noch ſo abweichend, unter ihr zu vereinigen.


Ich halte dafür, daß das letztere verfahren der würde
deutſcher ſprache angemeßen und am ende allein frucht-
bar iſt. Jene bloß analytiſche methode kann nur be-
ſchränkt wirken, ſie wird trefflichen nutzen leiſten, ſo
bald es ſich um die genaue kenntnis eines abgeſteckten
dialects handelt, dem weder alle formen noch alle bedeu-
tungen jeder wurzel zukommen können. Der vorliegende
practiſche ſinn der wörter erregt dann meiſte aufmerk-
ſamkeit, er braucht gleichſam nur an die form angelehnt
zu werden. Synthetiſche ſprachforſchung umgekehrt,
nachdem ſie ſich jene analyſe einzelner dialecte zum
[77]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
grunde gelegt hat, wird eben durch die wahrnehmung
unendlicher ſpaltungen der bedeutung genöthigt werden,
die reine form als den einzigen haltpunct, der ihr übrig
bleibt, zu faßen und von ihm aus die löſung des mannig-
faltigen zu unternehmen. Sie darf es nicht ſcheuen, in
den feinſt zergliederten formen und bedeutungen nunmehr
auch das bleibende und ähnliche zu verbinden und zuſ.
zuſetzen. Was aber dem buchſtaben nach eins iſt, kann
der ſache nach nicht ein anderes ſein, oder wir hätten
verwirrenden zufall gerade da anzunehmen, wo inſtinct-
mäßig waltende ausſpreitung eines geiſtigen ganzen, je
näher wir ihm treten, lebhaftere bewunderung weckt.


Die anatomie der form iſt freilich noch unvollendet
und dies erſt langſam zu tilgende gebrechen wird manchen
fehler der etymologen unvermeidlich machen; doch iſt
auch kein fehlſchlagen der arbeit im ganzen betrachtet,
wie es die ungründliche kenntnis der form begleiten muſte,
länger zu fürchten. Wir werden endlich, nachdem wir
die eintheilung, verſtufung und abänderlichkeit der laute
und flexionen erforſcht haben, durch ihre anwendung
auf die bedeutung, gleichſam die ſeele der wörter, gehei-
men gängen und unterſcheidungen des ſprachgeiſtes auf
die ſpur gerathen, und eine methode der bedeutungen
erkennen, welche mit dem ſtudium der form verbunden,
glückliche wortforſchungen überhaupt bedingt.


Darf der geäußerten allgemeinen anſicht ein augen-
ſcheinliches argument zu ſtatten kommen, ſo liegt es am
tage: die geſammte ſtarke conjugation in allen deutſchen
zungen kennt keine zwei wurzeln gleicher form, un-
gleicher d. h. unverwandter bedeutung; ſie leidet einzelne
zweimahl auftretende formeln (ſ. 6.), immer aber an
verſchiedener ſtelle, ſo daß durch den eindruck des gan-
zen, deſſen ſich heimlich die ſprache bewußt bleibt, mög-
liche zweideutigkeit aufgehoben wird [z. b. viſ iſt in nr.
292 laut, in 513 ablaut, aber die vollen reihen viſan, vas,
vêſun; veiſan, váis, viſun haben ſich eingeprägt; vgl.
vritus nr. 544. mit vrits nr. 144. u. a. m.] oder wirklicher
zweideutigkeit unorganiſche abweichung zu grunde liegt
[vgl. fara nr. 549. ſt. faſa]. Was aber die ſtarke verbal-
form, die ſich als weſentlichſte eigenheit der ſprache er-
weiſt, an ſich trägt, ſoll es nicht in allen engeren und
dunkleren gegenden deſſelben gebietes vermuthet werden?


Dem ſchluße von der identität der form auf ver-
wandtſchaft der bedeutung widerſtreben freilich viele wör-
[78]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
ter, d. h. ſolche deren vereinigenden begriff wir verloren
haben
. So ſcheint es unthunlich, bora (terebrare) an
bëra (nr. 325.), forare an ferre, zu knüpfen; wahrſchein-
lich iſt, wie in berja und ferire, ein activer ſinn hervor-
gehoben, vielleicht bohrer das die ſpäne herausſchaffende
werkzeug? vgl. ûƷ-bora (ſcobs) gl. flor 990a. Die ver-
ſuchte einſtellung mancher wörter unter verbliebene oder
verlorne ſtarke verba betrachte man als ein vorläufiges
wageſtück, deſſen formelle gültigkeit materielle gewähr
erſt in der folge erlangen kann. Formelle ſchwierigkeiten
ſind dabei immer beachtet worden und ich habe mich
z. b. gehütet, analog dem aus kalb und kolbe vermuthe-
ten kilban (nr. 581.), ſilber (argentum) und ſalbe (unguen-
tum) auf ein ſilban zu ziehen, weil ſchon im goth. ſilubr
und ſalbôn (weder ſilbr noch ſalubôn) von einander
weichen.


10) keine form bleibt bei ſich ſtehen, ſie ändert ihre
geſtalt, doch ſie ſpringt nie ganz von ihrem weſen ab,
ſonſt würde ſie zur unform und unerfaßlich. Ebenſowe-
nig haftet der begriff des wortes feſt, aber auch ſeine
wechſel, töne und farben ſind niemahls ſprünge, ſondern
einander verknüpft durch offene und verborgene fäden.
Oft ſcheinen die verwandlungen des ſtoffs und des ſinns
mit einander gleichſam ſchritt zu halten, oft weichen ſie
zu noch feſterer harmonie des ganzen ab, brechen hier
oder dort aus, zögern oder eilen vor, treffen ein oder
fehlen. Auf ſolcher durchdringung und entäußerung be-
ruhet am ende reichthum und armuth der ſprache, ja,
weil ſich nicht alles an einer ſtelle entfalten kann, die
nothwendigkeit der dialecte.


An den wechſel der buchſtaben und laute ſind wir
mehr gewohnt, er muß unſerer betrachtung geordneter
und faßlicher ſcheinen, als der hohe, kühne flug der ge-
danken. Nähern wir uns einmahl dieſem, ſo wird uns
auch die vorher roh erfaßte form tiefere geheimniſſe
verrathen. Im grunde ſind beide eins, geſtalt und bedeu-
tung, von dem gedanken lieb auf laub überzugehen iſt
nicht gewagter, als von den buchſtaben iu auf au. Mit
hülfe der form müßen wir anfangs zu dem geiſt aufſtei-
gen, bis wir dann wieder von ihm auf ſie zurückſchließen
können. Auch der gedanke mag misgreifen und auf ab-
wege gerathen, wie die form auf ausnahmen und ano-
malien; in beide hat ſich unorganiſches und fremdartiges
eingedrängt.


[79]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.

Ich will ſuchen, das wenige was ich bisher über das
verhältnis der bedeutung zur form, in bezug auf den ab-
laut, wahrgenommen habe, hier mitzutheilen; es ſind
noch dürftige, unſichere bruchſtücke:


α) davon gehe ich aus, daß der laut, d. h. das prae-
ſens
weſentlicher und älter, als der ablaut, d. h. das
praeteritum ſei. Das lehrt ſchon die form des ablauts.
Der kurze vocal lautet erſt in kurzen, dann auch in lan-
gen ab: viſan, vas, niman, nam, hernach vas, nam in
vêſun, nêmun; oder gleich in langen: faran, fôr. Nur
wenn das praeſ. bereits langen hat, muß auch das praet.
lang einablauten: reiſan, ráis; friuſan, fráus. Es ſcheint,
daß nach einem ſatze mit langem vocal die nächſte ſtufe
noch einen langen fordere, daher auch fôr, fôrun, daß
hingegen auf zwei längen nothwendig wieder kürze er-
ſcheine, darum riſun, fruſun. Das praeſ. iſt demnach
überall erſte, praet. ſg. zweite und praet. pl. dritte ſtufe.
In zwölfter conj. iſt durch den zugetretenen conſ. der
ableitung überall vocalkürze nöthig *). Das part. praet.
ſcheint außer dem eigentlichen ſtufengang der conjugation
zu ſtehen, hat aber durchaus kurzen vocal, es mag ab-
lauten (numans, riſans, fruſans, bundans) oder nicht
(viſans, farans). Merkwürdigerweiſe beſtätiget auch die
unorganiſch erfolgende conſonanzverſenkung jene drei
ſtufen, die reine urform des praeſ. iſt ihr am mindeſten
ausgeſetzt, mehr der ſg. praet., zumeiſt aber der pl. praet.
Daher im alth. wiſan, was, wârun; riſan, reis, rirun;
vrioſan, vrôs, vrurun; mîdan, meid, mitun; ziohan, zôh,
zugun; nhd. aber weiter vorſchreitend wâr, frôr, zôg,
doch noch im praeſ. wêſen, ziehen, zuletzt auch im
praeſ. frieren. Das praeſ. iſt die feſteſte, urſprünglichſte
geſtalt der wurzel, gleichſam ihr kern und ergibt ſich
der zerſtörung und verderbnis zuletzt. Viele ſtarke verba
der mundarten haben ſich im praeſ. forterhalten, während
ihr praet. lange außer gebrauch gerathen war.


β) im praet. kann alſo auch eine abänderung der
urbedeutung zu ſuchen ſein. Am ſichtbarſten erfolgt ſie
dann, wann der ſatz des praeſ. im praet. verneint wird.
Mehrere aus dem praet. gebildete nomina ſind unge-
[80]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
zwungen durch ſolche negation zu deuten: ſchwach
(nr. 299.) bezeichnet etwas, das ausgerochen hat, ver-
welkt iſt; zâhi (nr. 557.) was nicht mehr fließt; weiſo
(nr. 513.) einen der geleitet wurde, alſo gegenwärtig
außer ſchutz und geleite iſt; chuoli (nr. 68.) das, was
kalt war, alſo neue wärme gewonnen hat, gerade ſo
ſvalr (nr. 317.) das heiß geweſene, wieder erkaltete und
brunno (nr. 371.) ſôt (nr. 244.) das aus der wärme ge-
quollene, kühle waßer; van (nr. 569.) das leere, ver-
laßene, einſame; lâri (nr. 290.) vielleicht den ort, wo
ſchon leſe gehalten wurde; leiſa (nr. 510.) das vom ge-
hen hinterbliebene, die ſpur, wie ſpur (nr. 575.) das,
wo man geſucht hat; blâc, pleih (nr. 181.) was geſchie-
nen, die farbe verloren hat (ſublucidum); glaumr (nr. 517.)
den ſchall, gleymja das vergehen im ſchall, verklingen,
vergeßen; in dergleichen wörtern wird durch das auf-
hören einer thätigkeit der begriff von oede, ſtille, ver-
laßenheit, minderung hervorgebracht, vgl. unten κ, 6.
Daher auch anderemahle das praet. nicht eigentlich das
gegentheil, nur die abnahme und verkleinerung der wur-
zel aufſtellt, vgl. tuola (nr. 463.) mit tal; huon (nr. 469.)
mit hano; dœgr (nr. 487. ſemiſſis diei) mit dagr; uohſa
(nr. 490. axilla) mit ahſa (axis); vôcor (nr. 93.) u. a. m.
hierher wäre auch der begriff der ungleichheit, unvollen-
dung, unebenheit zu rechnen, welchen das praet. ab im
gegenſatz zu dem praeſ. ïbn (nr. 540.) enthält. Wör-
ter, welche ein ſchließen, decken, voll ſein ausdrücken,
pflegen im praet. zuweilen das offene, hohle zu bezeich-
nen, wie der ſchlüßel zu, aber auch wieder aufmacht,
die thüre deckt und öffnet, vgl. liukan (nr. 255. claudere)
laukr die ſich erſchließende pflanze, loh, luccha (fora-
men) lok (operculum); hlîdan (nr. 158. tegere) hlid (oper-
culum und foramen); hilan (nr. 314. tegere) hali (der ab-
grund) hol (das hohle, die öffnung) riufan (nr. 211. ſol-
vere) rauf (foramen) reáf (veſtis) *).


γ) dieſe ſchwächung, umdrehung, leugnung des ur-
begriffs gilt überhaupt nur als hin und wieder vortre-
tende ausnahme und hat ſich nirgends feſtgeſetzt. In
der regel gibt der ablaut nichts als das geſchehene, d. h.
[81]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
den erfolgten und bleibenden eintritt des unveränderten
wurzelbegriffs an; ſo iſt par (nr. 325.) das ſichtbar ge-
wordene, heiƷ (nr. 499.) das warm gewordene; ſtuopo
(nr. 76.) das eingetretene; namo (nr. 318.) das angenom-
mene; ginuht, ginuoc, ginâda (489.) die eingetroffene
befriedigung und ruhe; herizoho (nr. 269.) der ausge-
rückte anführer; ſuein (nr. 115.) der hirte, welcher aus-
getrieben hat; ſunnô (nr. 378.) die gereiſete; tropho
(nr. 205.) der gefallene; reiƷa (nr. 144.) das gerißene;
preit (nr. 162.) was gebreitet wurde, das weite; grôba
(nr. 77.) die gegrabene; chlopo (nr. 208.) der geſpaltene;
láus (nr. 247.) das frei gewordene; wabe (nr. 274.) das
gewebte etc. in zahlloſen beiſpielen. Es kann demnach
in fällen, wo es nicht daran lag, das geſchehende von
dem geſchehenen merklich zu unterſcheiden, dieſelbe ſache
gleichgültig mit dem laut oder ablaut bezeichnet werden,
vgl. nr. 188. ſtîc, ſtáiga, ſtëc; nr. 220. gieƷe, gôƷ; 227.
vlieƷe, vlôƷ; 247. verlies, verluſt etc. die verſchieden-
heit bezieht ſich oft nur auf mundarten und perioden,
vgl. nr. 86. goth. rôdjan, alth. redôn; nr. 397. das goth.
dragk mit dem agſ. drinc; das nhd. ſänger mit dem
mhd. ſinger, wiewohl letzteres angemeßener ſcheint.
Denn überall wo es eine ſtete, nicht auf einmahl vorge-
fallener handlung gegründete eigenſchaft, das geſchehende
und lebendige gilt, drückt ſie der vocal des praeſens
beßer aus, vgl. trinho (potator) ſcëro (talpa) hana (gal-
lus); umgedreht hat arbinumja (κληρονόμος) den vorzug
vor dem nhd. erbnehmer (? mhd. erbenæme); ja wörter
wie ſtrît (nr. 156.) flîƷ (143.) werden in allen mundarten
durchaus mit dem laut, nie mit dem ablaut gebildet, denn
ſie geben einen anhaltenden, dauernden zuſtand zu er-
kennen. Daher auch die merkwürdigen verba zweiter
anomalie die geſchwächte, abſtract gewordene praeſens-
bedeutung gänzlich durch die ablautende form der praet.
ausdrücken. Sind laut und ablaut beide nebeneinander
zu einer wortart gebraucht, ſo beruhen darauf meiſtens
feine unterſcheidungen, vgl. nr. 242. das agſ. altn. rëód,
riódr mit reád, raudr, dieſes ſtehende, rothe farbe, jenes
aufſteigende, blühende röthe; rëód: rubeſcens, rubicun-
dus, aber reád: ruber.


δ) dunkeler und ſchwieriger ſcheint die frage nach
einem unterſchiede der bedeutung zwiſchen dem ablaut
des ſg. und pl.
, deſſen nicht einmahl alle conjugatiónen
formell fähig ſind? So viel iſt wohl klar, daß hier nicht
der begriff der einheit und vielheit ſelbſt in betracht
F
[82]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
kommt, wie denn auch der vocal des plur. zur bildung
des ganzen conjunctivs (pl. und ſg.), in einigen mund-
arten ſogar zur II. ſg. ind. gereicht. Eine ſtufung des
ablauts, die früher vielleicht gar ein eignes tempus be-
zeichnete, ſcheint ſich auf den plur. eines anderen tem-
pus geworfen zu haben und nun mit ihm in die herr-
ſchaft zu theilen. Was verräth uns die wortbildung von
dem weſen dieſer beiden ſtufen? Unſeren ungeſchärften
augen müßen ſie freilich obenhin betrachtet gleichbedeu-
tend vorkommen, ja ſie gelten häufig, indem der eine
dialect den ablaut des ſg., der andere den des pl. anwen-
det, einerlei; das goth. tunþus (nr. 597.) das alth. zand;
das mhd. vanke (nr. 601.) das nhd. funke; ſo auch das
goth. báitrs (nr. 140.) das alth. pitar etc. begegnen ſich
in der bedeutung. Doch nicht in allen wurzeln, auch
nicht in allen mundarten. Welch ein fühlbarer unter-
ſchied zwiſchen nhd. trank (potus) und trunk (hauſtus);
zwiſchen altn. beitr (acutus, ſchneidend) und bitr (acer-
bus, ſcharf); altn. (nr. 121.) greip (anſa) grip (raptus);
(nr. 128.) dreif (ſparſio) drif (procella); (nr. 245.) alth.
trôr (ſtilla), goth. drus (caſus); agſ. (nr. 262.) beáh (an-
nulus) boga (arcus) und vielen ähnlichen. Mich dünkt,
wie der erſte ablaut ſchon den begriff des urlauts min-
dere, und aus heller gegenwart in ſtillere vergangenheit
ſetze, daß der zweite ablaut die bedeutung wiederum
noch mehr abſtumpfe, entſtelle *) und gegen jenen gehal-
ten abſtracter mache: bitr ſcheint weniger als beitr;
(nr. 205.) tropfo, tropf (ſtilla) weniger als troufa (ſtillici-
dium); (nr. 144.) vrits (apex literae) weniger als reiƷa
(linea exarata); und ſo vergleiche man ferner nr. 242.
rôt (ruber) mit roten (leviter rubere); nr. 204. ſaup (po-
tio) mit ſopi (hauſtus); nr. 221. nautr (conſors) mit nuta
(captor); nr. 140. beit (paſcuum) mit bit (morſus); nr. 145.
ſleita (diſſidium) mit ſliƷ. Anderemahl fällt der ſinn bei-
der ablaute wirklich zuſammen, z. b. im goth. váips und
vipja, die wenigſtens Ulfilas beide für στέφανος braucht.
Im alth. und mhd. bilden verba auf -ieƷ gewöhnlich
ſubſtantiva mit beiderlei ablaut: nr. 226. ſlôƷ (clauſtrum)
unterſchieden von ſluƷ (concluſio); nr. 230. ſchôƷ, ge-
ſchôƷ (jaculum) von ſchuƷ (jactus); nr. 221. genôƷ (ſo-
[83]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
cius) von genuƷ (uſus); nr. 220. gôƷ (infundibulum) von
guƷ (fuſio); aber kaum zu ſcheiden vermag ich die be-
deutungen von nr. 223. dôƷ und duƷ (beide: rauſchen
des waßers, der wellen, des ſturmes, donners, der po-
ſaune, geräuſch redender menſchen und ſingender vögel)
nr. 227. vlôƷ und vluƷ (fluß des waßers, blutes etc.) *).
Allmählig verblaßte oder gieng unter was früher getrennt
und manigfalt da geweſen war, ja, wie ich glaube, in
einer uralten, vollſtändigeren entwickelung der conjuga-
tionsformen für die vergangenheit ſeinen guten grund
hatte. Als ſich das gefühl für die unterſcheidung mehrerer
tempora verlor, hörte die abſtufung der ablaute auf, et-
was weſentliches zu ſein, die praeterita ſchmolzen zu-
ſammen und in der einen conjugation erhielt ſich nur
ein ablaut in der andern zwei oder mehrere. Gerade
dieſe ungleichheit des zufälligen ſpricht dafür, daß es aus
etwas weſentlichem entſprungen iſt. —


ε) größte mannigfaltigkeit der form zeigt ſich in der
eilften conjugation, wo noch ein dritter ablaut zutritt,
der im part. praet. fortdauert, vor zeiten weiter gegan-
gen ſein mag. Daher auch aus verbis dieſer conj. die
meiſten und verſchiedenſten wörter gebildet werden mit
dem reichſten wechſel der bedeutung, vgl. nr. 314. 325.
560. u. a. m. Der formellen ſtufe des dritten ablauts ſollte
nun eine analoge in dem begriff der damit gebildeten
wörter entſprechen. Beiſpiele zur unterſtützung führe
ich lieber nicht an, um dem vorwurfe kühner abſchwei-
fung auf unſicherem boden auszuweichen. —


ζ) für die anſicht einiger ſprachforſcher, nicht das
praeſens, ſondern das praet. ſei als der eigentliche ſtamm
aufzuſtellen, laßen ſich wenigſtens aus der deutſchen
ſprache keine haltbaren gründe gewinnen. Sie lehrt viel-
mehr, daß in der form das praeſens einfach, das prae-
teritum manigfalt und abgewichen ſei, wie denn nach
einer auch auf die ſtarke zurückdeutenden analogie, die
reduplicirende und ſchwache conjugation offenbar äußere
mittel, ihr praet. zuſammenzuſetzen, anwenden. Das
mannigfache und zugleich zuſammengeſetzte ist aber im-
F 2
[84]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
mer das ſpätere. Damit ſtimmt die, ſo weit wir vom
oft verdunkelten und verlorenen ſinne des urſtamms zu
urtheilen vermögen, lebendigere, kräftigere bedeutung
des praeſens. Übrigens reicht es hin, die wortbildungen
von dem laut und den ablauten abhängig zu machen
und iſt meiner meinung ganz müßig, danach zu fragen,
von welchem einzelnen tempus und modus ſie wirklich
abhängen? Die II. ſg. imp. ſtarker verba gewährt zwar
in der regel flexionsloſe wurzel, darum keine reinere,
als jede andere form des praeſens gewährt. Man kann
nicht ſagen, z. b. das ſubſt. ſtrît (pugna) ſtamme aus dem
imp. ſtrît, ſo wenig als aus ſtrîte (pugno) oder ſtrîte
(pugnem) oder ſtrîten (pugnare); vielmehr es ſtammt
aus dem in allen praeſentialformen lebendigen wurzellaut.
Hierwider gilt auch nicht einzuwenden, daß z. b. wirbel
(vertex) ſich nicht aus wërben ſondern nur aus wirp
oder aus wirbe, wirbet leiten laße. Es folgt ebenſo
ſicher aus wërben oder wërbe, da die an ſich unweſent-
liche verwandlung des i in ë bei der auf weſentlichen
lautverhältniſſen beruhenden, weit früher erfolgten wort-
bildung nichts verſchlägt. Oft hat ſich nun in einzelnen
bildungen das alte i [und] u erhalten, z. b. in ſtirbîc (mor-
ticinus) guldìn (aureus); in ſtërbe (peſtis) golt (aurum)
und andern, einfacheren als jene, nicht; alth. gelten
hëlfa und hilfa, këpa und kipa nebeneinander, will man
jedes derſelben auf eine verſchiedene praeſ. form zurück-
führen? Dem Gothen gelten aírp, aúrp überall, neben
ilp, ulp; im alth. wechseln irf, urf, ilf, ulf ab mit ërf,
orf, ëlf, olf; in den auf eine unwandelbare wurzel zu-
rückzuführenden wortbildungen dieſer art verhält es ſich
gerade eben ſo. Nicht anders müßen die ablaute des
praet. in bezug auf wortbildung genommen werden. —


η) bis hierher ungefähr führte die vergleichung der
bedeutung mit der form, d. h. dem lautenden und ablau-
tenden verhältniſſe. Es laßen ſich jedoch auch einige
wahrnehmungen mehr aus dem weſen der bedeutung
ſelbſt ſchöpfen. Dahin rechne ich zunächſt den grund-
ſatz: in der wurzel erſcheint die ſinnliche bedeutung
früher
, die geiſtige ſpäter. Nur aber war jene weder
rohleiblich, noch dieſe dürr verſtändig, beide hält und
hielt ein geheimer zug verbunden; zuerſt wuchs das ſinn-
liche, in ihm ſchlummerten die begriffe, aus ihm er-
wachten ſie nach und nach. Ohne ihre wechſelwirkung
wäre nicht wohl urſprüngliche bedeutſamkeit der wurzeln
denkbar. Könnte der geiſt seine begriffe in willkürlich
[85]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
erwählte formen gießen, ſo müſten dieſe, an ſich todt,
erſt durch ihn belebt werden. Allein das vermag er
nicht zu thun und es gibt kein urſprünglich unlebendiges
wort. Namen ſchafft der ſprachgeiſt in glücklichem wurf
durch kühne und kurze beſchreibung der ſachen. Hier-
nach wird man leicht beobachten, daß in allen ſprachen,
z. b. jeder einfachere thier-, ſtein- und pflanzenname
aus einem verbum ſtammt und eine lebendige eigenſchaft
des thiers oder der pflanze ausdrückt. So auch im deut-
ſchen, obgleich die meiſten ſolcher namen, ihres hohen
alters halben, aus verlorenen und verdunkelten wurzeln
nicht mehr gedeutet werden können; beiſpiele auslegbarer
kommen vor: nr. 115. ſuîn; 266. fliuga; 469. hano, huon;
550. haſo; 630. vuhs; 601. finke; 626. froſc; 631. lahs,
luhs; 462. dahs, dëhſa; 513. wîſant; 521. ſtiurs; 208.
klaufi; 221. naut; 512. eiſen; 548. kiſil; 564. gold; 255.
lauk; 550. haſal; 325. baris und pirihha; 492. tili u. a. m.
ſpätere, zuſammengeſetzte namen beſtärken der unzuſam-
mengeſetzten wahre bedeutung. Eine andere folgerung
iſt, daß verba ganz abſtracter bedeutung immer eine ſinn-
liche zur grundlage oder begleitung gehabt haben müßen;
auf ſolche iſt nr. 115. bei ſuînan; 282. bei bidjan; 602.
bei ſcinkan u. a. m. gerathen worden. Insgemein, wo
aus ſtarker wurzel wenige oder keine ablautsbildungen
vorkommen, ſcheint die alte urbedeutung verloren oder
verfinſtert. —


θ) man pflegt ſämmtliche verba, nach ihrer entw.
bloß innerlichen, oder außenhin gerichteten thätigkeit
einzutheilen in intranſitiva und tranſitiva. Eine in ſo
allgemeiner faßung für deutſche form- und wortbildungs-
lehre gleichgültige unterſcheidung; es ließe ſich bloß be-
haupten, daß in ſtarker form intranſitive bedeutung vor-
walte, in ſchwacher tranſitive, daneben finden ſich aber
genug tranſitiva dort, genug intranſitiva hier. Auch können
die meiſten gewöhnlichen intranſitiva den umſtänden nach
tranſitiviſch geſtellt werden, z. b. trinken bald heißen potu
ſatiari, bald vinum conſumere; leſen bald legendo occupari,
bald legere librum. Einige grammatiker verbinden mit der
tranſition einen engeren begriff und verſtehen darunter
die übertragung eines immediativen zuſtandes auf ein an-
deres ſubject, z. b. tränken, ſetzen bedeuten: einen trin-
ken, ſitzen machen. Dieſem beſtimmteren ſinne entſpre-
chen allerdings die meiſten der mit dem vocal i abgelei-
teten ſchwachen verba, doch nicht jedes, wie z. b. das
goth. gaſvôgjan (ingemiſcere) beweiſt. Der ableitungs-
[86]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
buchſtabe, nicht der ablaut wirkt jene tranſitive bedeu-
tung, welches theils daraus folgt, daß auch der laut des
praeſ. in ſolchen verbis beſtehen kann, vgl. gablindjan
(occoecare) aljan (ſaginare) gadiupjan (profundum facere)
etc. theils aus dem intranſitiv bleibenden ſinne anderer mit
dem ablaut gebildeten wörter zu ſehen iſt. So ſind zwar
goth. dragkjan, dráuſjan, alth. ſueinjan tranſitiva von
drigkan, driuſan, ſuînan, aber dráus (alth. trôr) drückt
nicht das gefällte, ſuein nicht das vertriebene aus, viel-
mehr das, was gefallen iſt und getrieben hat; dragk iſt
das, was man getrunken hat, nicht das getränkte oder
das, was getränkt hat. Das gebildete ſubſt. kann freilich
zuweilen tranſitiven begriff enthalten, z. b. nara (conſer-
vatio) wiſt ſowohl exiſtentia, manſio als cibus (das leben
friſtende).


ι) wie mithin die urbedeutung der wurzel ſchon
keime intranſitiver und tranſitiver bedeutungen in ſich
trägt, die nach verſchiedenem anlaß daraus erwachſen
können; ebenſo liegen in ihr beide, die active und paſſive
bedeutung
eingeſchloßen. Der formelle unterſchied zwi-
ſchen activum und paſſivum iſt etwas äußerliches, hin-
zugetretenes. Die ſyntax hat zu lehren, wie bei abge-
ſtumpften flexionen, auf den alten grund jener gemein-
ſchaft, zuweilen active oder ſcheinbar active form das
paſſivum ausdrückt, am fruchtbarſten wird dieſe anſicht
für das participium praet. Viele ableitungsbuchſtaben be-
ſtimmen bald den activen, bald den paſſiven ſinn, manche
dulden jenen und dieſen; der wortbildung durch laut und
ablaut ſind aber beide völlig gerecht und ſie ſpringt von
dem einen auf den andern uber. So bedeutet ata was
gegeßen wird, êtja den eßenden; giba was gegeben wird
und die gebung ſelbſt; ſchîn was leuchtet; ſwîn was ge-
weidet wird; grab was gegraben wird, grôba was gegra-
ben worden iſt, grabo einen gräber; beitr das beißende,
beit was gebißen wird; baúrs was getragen wurde, pâri
was trägt oder trug; guß ſowohl das gegoßene, als was
ſich ergoßen hat; nuta den, der gefangen hat u. a. m.


κ) einige der hauptſächlichſten begriffsübergänge oder
verknüpfungen ſind: 1) (ton und farbe) wir brauchen
jetzt erlöſchen nur vom licht, fruher galt es auch vom
ton (Parc. 44a. der ſchal laſch); aus gleichem grunde
nr. 332. hëllan (ſonare) hëll (ſonorus, ſpäter lucidus);
nr. 67. 564. galan (ſonare) gëlo (lucidus, flavus) gold
(ſonorum et lucidum) altn. giallr (ſonorus vel fulgidus);
nr. 579b. grëll (rauh, ſchreiend von ſchall und der farbe);
[87]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
nr. 345. gëlp (ſtrepens dann coruſcans) giâlp (ſtrepor,
gloria); nr. 517. gleám (jubar) glaumr (ſtrepitus); nr. 113.
hrînan (ſtridere) hrîn (der rauſchende und helle ſtrom)
hrein (purus) hrinr (clamor); brëhen (lucere) braht
(ſtrepitus) alth. përaht (lucidus) nhd. pracht (ſplendor);
nr. 422. klingen (ſonare) klinge (tönender, glänzender
ſtahl); nr. 591. dim, dumm, dumpf (obſcurus, mutus,
ohne ton); nr. 411. ſingen (canere) ſengen (verbren-
nen) *). Auffallend daß in den meiſten dieſer beiſpiele
der ſchall die frühere, die farbe die ſpätere bedeutung
hergibt. Zuweilen bedeutet der heftige ſchall auch die
verwirrung des ſchalls, ſturm und wildes geräuſche,
darum auch verwirrung des lichts, d. i. finſternis vgl.
nr. 535b — 2) (geruch, geſchmack, guter und übeler)
nr. 256. riechen (exhalare) itruchen (wiederkauen);
nr. 259. fûki (foetor) fuhtî (odor); nr. 299. ſwëchen (foe-
tere) ſväc (odor); nr. 399. ſtanc (odor); nr. 553. ſmäc
(odor, guſtus); auch der ſinn des gefühls fällt damit oft
zuſammen, altfrieſ. hrëne (olfactus) verwandt iſt der be-
griff von feuchte und näße, vgl. nr. 399. ſtanc und
ſtänka (irrorare) nr. 259. fuhtî und fiuhti (humidus)
nr. 543. wâƷe (odor) waƷar (humor, aqua). — 3) (leſen,
ſingen, reden) geiſtige verbindung der buchſtaben und
wörter war anfangs ſinnliches ſammeln, binden, zählen
der ſtäbe; nr. 86. ruota (faſcis) rêdan (legere) rôdjan (lo-
qui); nr. 290. liſan (colligere, legere); nr. 411. ſiggvan
(legere) ſange (manipulus) ſingen (canere); nr. 562. tilôn
(aptare) tal (ordo, numerus, ſermo); nr. 297. ſprëc (ra-
mentum) ſprëhhan (loqui) vgl. ſagen (dicere) mit ſæge
(ſerra) und agſ. ſagol (fuſtis); ſermo mit ſarmentum und
den verwandten nächſtfolgenden übergang. — 4) (theilen,
ſchneiden) nr. 492. dáils (ſegmentum) dîli (macula) dile
(anethum); nr. 224. hláuts, hlutr (pars, ſors); nr. 298.
ſtucchi (fruſtum) ſtock (ſudes); nr. 583. telg (planta);
nr. 297. táins (baculus) zeinôn (recenſere); nr. 560. mêl,
mâl, (fruſtum, ſignum, macula) mêljan (ſcribere); vgl.
zweig, zwiſt etc. — 5) (vermögen, zeugen, gebähren,
nähren, gedeihen, wachſen) vgl. nr. 66. alan, nr. 75.
ſkapan, nr. 108. wahſan, nr. 197. þeihan, nr. 325. baí-
[88]III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
ran, nr. 474. aban, nr. 480. fadan, nr. 549. fiſan etc. ſo
wie die anomalen tugan, kunnan, magan mit ihren vie-
len ſich berührenden bildungen, namentlich den wörtern
für die begriffe: vater, ſohn, tochter, kind, eltern; für
die nährenden, zeugenden leibestheile, als mago (ſtoma-
chus) gemächte (von maht, vis) ſkap, fiſel u. dgl. —
6) (wonne, ſchœne, gnade, ruhe, wohnung, raum, leere)
ſ. das anomale môtan, muoƷa; nr. 166. gemeit (wonnig,
eitel, ſtumpf); nr. 504. eitel; nr. 561. ſelida (manſio, do-
mus) ſâlida (felicitas); nr. 282. badi und gibada; nr. 559.
genâde; nr. 569. wohnen, wahn, wonne; wie nämlich
vorhin (unter β) der gegenſatz von ſchließen und öffnen
vereinigt wurde, ſo ſcheinen ſich auch die begriffe von
geſchäft und muße zu begegnen, nachdem auf die faßung,
erfüllung des raums oder auf die leere in dem raum ge-
ſehen wird. Daher z. b. das lat. vacare bald ledig ſein,
ruhen, bald befleißigen, arbeiten ausdrückt, oder unſer
feiern bald nichts thun, bald celebrare; das altn. erindi
(nr. 571b) bald pauſa, bald negotium; das nhd. emßig
(aſſiduus) und engl. empty (inanis) ſind daſſelbe wort,
ſogar dieſelbe bildung, vgl. altn. amr (labor) alth. emiƷîc
(aſſiduus, jugis) ameiƷa (formica) agſ. ämetig (otioſus)
ämtegian (vacare). — 7) (ſtärke, ſchnelle, kühnheit,
geſundheit, ſchönheit, artigkeit, klugheit, liſt und ge-
genüber ſchwäehe, krankheit, geringfügigkeit etc. in un-
zähligen adjectiven wahrzunehmen. Wie der ſinn auf
die gute und böſe ſeite ſchwanken kann, z. b. geizig bald
aus ſparſam, haushältiſch, ſtandhaft bald aus böſe, mis-
günſtig abgeleitet wird; ſo ſchwanken auch einzelne wör-
ter dahin oder dorthin, nachdem ſie zeit und mundart
beſtimmt haben.


Auf andere übergänge iſt bei einzelnen wurzeln ge-
deutet und gewieſen worden. Befremden manche dar-
unter durch ihre ſeltſamkeit, ſo ſcheint mit der verlor-
nen oder entſtellten ſinnlichen urbedeutung der ſchlüßel
bloß verlegt. Was kann auf den erſten blick ſeltſamer
ſein, als die verbindung der begriffe heirathen und lü-
gen oder heirath und gift? Und doch wißen wir, daß
gift (das eingegebene) gipta, gifta (nuptui dare, wegge-
ben, dem manne geben) einer wurzel ſind, daß liugan
(nubere) hæman (coire) wie das lat. wort aus dem be-
griffe verhüllen, unter eine decke bringen (nubes, ne-
bula) herleitbar, ganz nahe bei liugan (celare, tegere)
hamr (tegmen) ſteht, vgl. ſpan. velar (velare) velarſe
(nubere) velado (conjux) —


[89]III. von der ableitung im allgemeinen.

11) es iſt darum ſchwierig, den auf der ablautung
beruhenden wechſel der bedeutung rein zu erfaßen,
weil, wie gleich oben ſ. 3. bemerkt wurde, ſelten
oder nie nakte wurzeln vorliegen, vielmehr urſprüng-
lich überall flexionen, häufig ableitungen im ſpiel ſind,
deren einfluß auf modificationen der urbedeutung
ſchwer anzugeben ſteht. Unabgeleitet ſind in der regel
nur die ſtarken verba und nur die einfachen nomina
erſter und vierter ſtarker declination. Nützlich, aber
leicht wäre es, die im zweiten buche angegebenen
ſubſtantiva und adjectiva nach den reihen der ablaute
eigens zuſammenzuſtellen; verwaiſte wurzeln, deren for-
mel zweimahl vorkommt, hätte man dabei vorläufig dop-
pelt einzutragen. Wenn aber jene behauptung, daß an-
fänglich nie weder laut noch ablaut der wurzel bloß ge-
ſtanden habe, richtig iſt; ſo könnte man, da die lehre
vom laut und ablaut in das zweite buch gehört, das im
gegenwärtigen capitel vorgetragene überhaupt aus der
lehre von der wortbildung verweiſen. Hiſtoriſch ſcheint
es mir jedoch paſſender, weil ſo viele ſtarke verba aus-
geſtorben ſind, ihre wirkung und nachwirkung zuſam-
menzufaßen und als ein princip innerer wortbildung auf-
zuſtellen, wie ich gethan habe.


ZWEITES CAPITEL.
VON DER ABLEITUNG.


Allgemeine grundſätze: 1) ableitung heißt die zwi-
ſchen wurzel und flexion eingeſchaltete, an ſich ſelbſt
dunkele mehrung des worts, kraft welcher der begriff
der wurzel weiter geleitet und beſtimmt wird. Sprach-
verderbnis pflegt aber häufig bald die ableitung, bald die
flexion, zuweilen beide miteinander zu zerſtören. Ohne
ſie in ſolchen fällen hiſtoriſch herzuſtellen läßt ſich die
ſpätere wortform nicht gehörig verſtehen, z. b. das alth.
reda, ſunu muß ergänzt werden: rad-i-a, ſun-u-s,
das engl. tell: tal-i-an. Practiſch findet ſich die ablei-
tung, bei vernichteter flexion, freilich oft zu ende des
worts, z. b. alth. mah-t (vis) goth. mah-t-s; oder
goth. mah-t (vim) früher mah-t-a? Auf die ableitung
folgt aber theoretiſch immer noch die flexion, auf die
flexion folgt nichts mehr.


[90]III. von der ableilung im allgemeinen.

2) man kann die flexion, d. h. die dem verbum an-
wachſende pronominalform, die dem nomen anwachſen-
den geſchlechtszeichen und partikeln ſtrenge genommen
nicht vom begriffe der wortbildung *) ausſchließen. Auch
durch ſie wird die wurzel gebildet und beſtimmt; ſtarke
verba, nomina erſter und vierter decl. ſind, in ſofern
ſie ſchon das princip der flexion erfahren, keine ein-
fachen wurzeln mehr. Niemand wird jedoch, wenn das
verbum ſelbſt grund und ſtamm alles übrigen iſt, z. b.
das -a in nim-a (capio) eine ableitung nennen. Eher
würde man dag-s (dies) nam-ô (nomen) für aus den
verbis dagan, niman abgeleitet erklären. Sie ſind daraus
gebildet, aber ohne ableitungsbuchſtaben, folglich un-
abgeleitet. Einfache wurzelbildungen oder wörter kön-
nen alle ſolche heißen, in denen keine ableitung waltet.
Da nun in der ſchwachen conjugation durchgängig, in
der zweiten und dritten (ſtarken oder ſchwachen) de-
clination eben ſo durchgängig ableitung eintritt; ſo
darf man nur in der ſtarken conj. und in den erſten
und vierten declinationen einfache wörter ſuchen,
nicht aber immer (weil auch in ihnen ableitungen
möglich ſind) erwarten. Nicht ſelten miſchen ſich vo-
caliſche ableitung und vocal der flexion, welches die
richtige erkenntnis beider erſchwert; beiſpiele ſind in
dem vorigen buche zu finden (vgl. nachher die langvo-
caliſchen ableitungen).


3) die ableitung unterſcheidet ſich von der zuſam-
menſetzung
(cap. III.): α) letztere verbindet zwei leben-
dige oder doch deutliche wurzeln miteinander; die ab-
leitende vermehrung iſt zwar nicht bedeutungslos, aber
für ſich betrachtet unſelbſtändig, undeutlich. Ob auch
die ableitung eine allmählig entſtellte, verdunkelte wurzel
ſei? läßt ſich fragen und wenigſtens bei der rein kurz-
vocaliſchen kaum begreifen. β) ableitung tritt unmittel-
bar an die wurzel oder an eine vorausgehende ableitung,
[91]III. von der ableitung im allgemeinen.
niemahls hinter eine flexion; zuſ. ſetzung kann zuweilen
die flexion der erſten wurzel ganz oder theilweiſe ſtehen
laßen und daran die zweite wurzel fügen, d. h. die flexion
kann in der mitte bleiben. γ) die zweite componierte
wurzel macht immer (wenige entſtellte formen ausge-
nommen) eine ſilbe; die ableitung häufig nicht. δ) noch
andere verſchiedenheiten werden unter 5. 6. angegeben.


4) die ableitung iſt reinvocaliſch, wenn bloß vocale,
reinconſonantiſch, wenn bloß conſonanzen, oder endlich
gemiſcht, wenn beiderlei hinzutreten. Die reinconſonan-
tiſche erſcheint unurſprünglich, d. h. ſyncopierte vocale
vorausſetzend; ſie bildet keine ſilbe, ſondern fügt ſich zur
wurzelſilbe, nicht zur folgenden flexionsſilbe, z. b. gib-t-s,
gen. gib-t-áis, d. i. gibt-s, gibt-áis. Bei der reinvocali-
ſchen umgedreht apocope eines conſonanten anzunehmen,
wäre allzukühn. Die reinvocaliſche und gemiſchte, ſo-
lange ihr vocal nicht aus allgemeinen gründen wegfällt
oder ſich mit der flexion miſcht, gewähren eine neue ſilbe.


5) die ableitung kann, vorausgeſetzt daß vor dem
conſonanten der reinconſonantiſchen ein früherer vocal
ausgefallen ſei, weſentlich nur vocaliſch beginnen, nie
conſonantiſch; ſie darf mit einem oder zwei conſ.
ſchließen, z. b. -al, -ar; -iſk, -ung, nicht den vocal
zwiſchen zwei conſonanten haben, daher z. b. -leik, -ſam
zuſammenſetzend, nicht ableitend ſind; -ling, -lîn, -niſſi,
-ſal u. a. zwar ableitend aber zuſammenfluß mehrerer
ableitungen und dann unorganiſcher misbrauch.


6) die ableitung bildet höchſtens eine ſilbe, ſcheinbar
mehrſilbige beruhen auf häufung mehrerer, z. b. -ari auf
-ar-i. Regeln der verbindung verſchiedener ableitungen
können vor erörterung aller einzelnen nicht gegeben wer-
den. Ueber vier ableitungstriebe vereinigen ſich jedoch
an keinem worte, es gibt folglich einfache, zweifache,
dreifache, vierfache ableitungen, welche man nicht gerade
nach ihrer wirklichen ein-, zwei- oder dreiſilbigkeit beur-
theile. Einfache ſind z. b. goth. vêp-n, eiſ-arn; zwei-
fache vint-r-us, eiſ-arn-ein; dreifache alth. pin-uƷ-
ah-i, vok-al-ar-i (goth. fug-l-ar-eis); vierfach drâh-iſ-al-
ar-i (nhd. drechſler). Wieder ein unterſchied von der
zuſammenſetzung, die unbeſchränkter ins mehrfache ſtei-
gen kann.


7) die vocalverhältniſſe der ableitung, ſo groß hier
die verſunkenheit der heutigen ſprachen ſcheint, ſind
durchaus nicht gleichgültig. Außer den drei kurzen vo-
[92]III. reinvocaliſche ableitungen.
calen a, i, u (und deren unweſentlicher abweichung in e,
ë, o) kommen die langen, ê (â); ái (ê); ei (î); ô; vor,
weder û, áu noch iu. Willkürlicher wechſel dieſer vo-
cale hat in der regel keine ſtatt, z. b. für das alth. himil-
zunkal, ſcamac, mahtîc darf gar nicht ſtehen himalzunkil,
ſcamîc, mahtac. Zur entſtellung des organiſmus haben
theils aſſimilation (z. b. kizunkilî) theils allmählig eintre-
tende unbetonung der ableitungsſilben beigetragen. Ich
theile die ableitungsvocale in gebliebene und geſchwun-
dene;
conſonanzen ſchwinden hier nicht oder kaum in
den neuſten ſormloſeſten dialecten, z. b. das g im engl.
many f. manig.


8) zuerſt erörtere ich die reinvocaliſchen, dann die
reinconſonantiſchen verbunden mit den gemiſchten, weil
ſowohl die ſtets ohne vocal auftretenden conſonanten ihn
früher gehabt haben werden, als auch diejenigen, denen
er meiſtens voranſteht, nach verſchiedenheit der mund-
art, zumahl ſpäterhin, ihn entbehren. Nach dem ſubſt.
adj. und verbum die ganze abhandlung zu trennen und
dieſelben verhältniſſe bei jedem derſelben zu wiederholen
hat mir unzweckmäßig geſchienen. Billig bleiben nur die
ableitungen der pronomina und partikeln hier ausge-
ſchloßen und auf cap. IV. V. verſpart.


9) bei jeder ableitung iſt theils ihr weſen an ſich
und welche veränderung ſie allmählig erfahre, theils aber
zu unterſuchen, womit ſie ſich verbinde? ob mit der
bloßen wurzel oder einem bereits geſtalteten worte?
Letzteres (die anfügung der ableitung) iſt oft dunkel und
ſchwierig; regeln und beobachtungen, die ſich darüber
mittheilen laßen, bringt oder ſammelt die erſte ſchluß-
anmerkung.


I. Reinvocaliſche ableitungen.


Ableitende vocale herrſchen in der zweiten und drit-
ten (ſtarken und ſchwachen) declination, in der geſamm-
ten ſchwachen conjugation. Und zwar finden ihrer viere
ſtatt: i, u, ô, ái, weder a noch ê (â), ſchwerlich ei.
Die ausſchließung des kurzen a, welches ſonſt dem i
und u gleichſtehend auch in conſonantiſchen ableitungen
neben jenen wirkſam iſt, hat etwas befremdliches. Viel-
leicht muß dabei eine noch nicht genug aufgehellte ei-
genheit der allgemeinen vocallehre angeſchlagen werden,
in mehr als einer hinſicht ſtehet a nicht auf derſelben
[93]III. reinvocaliſche ableitungen.
linie mit den beiden andern kürzen i und u, nämlich
1) i und u verkehren ſich in ë und o (aí und aú) in la-
gen, wo das a gewöhnlich unangefochten bleibt. 2) i und
u verkehren ſich in j und v, welche conſonantiſierung
das a wieder nicht trifft. 3) i und u zeugen umlaute,
niemahls das a. Wenigſtens mitwirken mögen dieſe ur-
ſachen dazu, daß dem a keine ableitungskraft an und für
ſich beiwohnt, es auch, wie ſich hernach zeigen wird,
mit conſ. verbunden leichter, als i und u ſchwindet.
Das mittlere a im altn. kallada (1, 923.) ſcheint aſſimiliert
oder entſtellt; im agſ. vîſade (1, 906.) alth. êrata (1, 879.)
habe ich â (für ê) angenommen.


Die eintretenden ableitungsvocale ſind nunmehr im
einzelnen zu betrachten; wörter, in denen ſie geſchwun-
den ſind, dürfen hiſtoriſch, ſo ſcheinbar ſich ihr anſehen
durch die entſtellung vereinfacht haben mag, nie für
einfache gelten. Belege für die reinvocaliſchen ableitun-
gen brauchen hier nicht gegeben zu werden, ſie ſind im
zweiten buche zu ſuchen, oder, wenn ſie conſonantiſchen
derivationen hinzutreten, bei dieſen.


(I) ableitung durch kurzes i hat


1) ſtatt regelmäßig in der erſten ſchwachen conj. und
in ſämmtlichen zweiten declinationen, vgl. naſ-i-an,
ſôk-i-an, har-i (voc.) haírd-i (voc.) þiv-i, kun-i,
vil-i-a, raþ-i-ô, mid-i-s; ausnahmsweiſe in einigen
verbis ſtarker conj. bid-i-an etc. in einigen verbis zwei-
ter, ſeltner dritter ſchw. conj., deren ableitungs-i eigent-
lich ſchon in dem nomen ſteckt, von welchem ſie her-
ſtammen, z. b. goth. aúh-i-ôn, alth. her-i-ôn, altn.
her-i-a; endlich in einzelnen maſc. dritter ſtarker (ſtub-
jus, vaddjus) und einzelnen fem. erſter ſtarker decl. wie
ſun-i-a (1, 603.). Daß die alth. zweite weibliche der
goth. nicht recht parallel liegt wurde ſchon 1, 618. be-
merkt, weiteres hernach bei den ableitungen -ei (-î).


2) wandlung des i in j vor flexionsvocalen, deren
ſilbe es dann hinzutritt, leidet nach genauer goth. ſchrei-
bung keinen zweifel: naſ-jan, har-jis, þiu-jôs, kun-jis,
vil-jins, raþ-jôn; im altn. entſcheidet die iſländ. aus-
ſprache für tel-ja, kyn-ja (gen. pl.) vil-ja, kirk-ja;
im alth. iſt j nur nach goth. und altn. analogie geſetzt
worden. Doch im alth. zuweilen, häufiger im altſ., noch
entſchiedner im agſ. zeigt ſich vocaliſches ë ſtatt i, näm-
lich alth. vor flexionsvocalen a, o, ô (offenbar erregen
und fordern die ſchwächungen ë, o einander wechſel-
[94]III. reinvocaliſche ableitungen.
ſeitig) als: ſunt-ë-a, arp-ë-o, arp-ë-ônô; ſunt-ë-ônô;
nicht vor ë, i, u, ſondern nur ſunt-i-ûn oder ſunt-
jûn etc.; auch nicht vor conſonanten, z. b. nur ner-i-ta,
niemahls ner-ë-ta; im flexionsloſen fall erſt ſpäterhin
bei N. z. b. hirt-ë, ſuoƷ-ë f. hirt-i, ſuoƷ-i. Altſ.
wechſeln j-e und ë-a (1, 207. 633.); agſ. zeigt ſich ins-
gemein ë vor vocalen, conſonanten und auslautend, z. b.
hird-ë, rîc-ë, ner-ë-de, aglæc-ë-a, ſêc-ë-an
(1, 905.); nur praeſensformen hegen j: ner-jan, ner-je,
ſelbſt in -ig erweitertes (1, 903.); misbräuchlich haben
-j, -ig ſich ins praeſ. zweiter ſchw. conj. gedrängt
(1, 907.).


3) unterdrückung des -i erfolgt ſtufenweiſe, im goth.
ſchwindet es beinahe nie (nur z. b. in mahta f. mag-i-da
u. dgl.) im nhd. faſt überall, z. b. nær-en, ſûch-en,
hêr-, lêrer (alth. lêr-âr-i) will-e, red-e, nær-te,
kaum daß es auslautend in einzelnen wörtern zweiter
decl. gelitten iſt: hirt-e, muͤd-e. Umlaut und conſ.
gemination ſind oft gebliebene wirkung des geſchwunde-
nen ableitungs-i. —


(U) kurzes u leitet ab


1) nomina dritter ſtarker decl., als: ſun-u-s, ſkad-u-s,
fôt-u-s, hand-u-s, faíh-u, hard-u-s, þaúrſ-u-s,
auch als zweite ableitung: vint-r-u-s, agg-il-u-s,
aſ-il-u-s. Alth. iſt es weit ſeltner, z. b. noch da in
ſun-u, huk-u, vih-u, gewöhnlich in -i verwandelt:
hert-i, durr-i, oder völlig geſchwunden: vuoƷ-,
wint-ar-, eſ-il, eng-il- für vuoƷu, wintaru, eſilu.
Altn. ſcheint es überall verloren, hat aber in wurzeln
mit a umlaut hinterlaßen, als mög-r, vönd-r, tönn-,
hönd-, welche ein älteres mög-u-r, vönd-u-r, tönn-u,
hönd-u bedeuten, zugleich für unumlautbare derſelben
decl. mitbeweiſen, daher auch lim-r f. lim-u-r ſtehet,
rôt f. rôt-u. Die -u ableitungen ſind alſo hauptſächlich
aus dem goth. und altn. zu erkennen.


2) für kein ableitungs-u, ſondern für bloß flexiviſch
halte ich das -u, welches im nom. ſg. fem. und nom.
acc. pl. neutr. der erſten decl. ſubſt. und adj. verſchiedene
ältere dialecte weiſen, wofür jedoch goth. überall -a ſtehet.


3) auffallend, daß keine ſchwachen verba mit -u, pa-
rallel denen mit -i, abgeleitet werden, in den ableitun-
gen mit -ô ließen ſich urſprüngliche -u höchſtens ver-
muthen, nicht beweiſen (krôt-uda f. krôt-ôda 1, 855,
wo das û unwahrſcheinlicher, vgl. 1, 96.)


[95]III. reinvocaliſche ableitungen.

4) übergang des u in v bei den unter 1. genannten
wörtern erfolgt nur im goth. abgeleiteten ſchwachen verbo
ſkad-v-jan (umbrare) und im gen. pl. ſun-ivê, fôt-
ivê, þaúrn-ivê, liþ-ivê, tunþ-ivê, vint-r-ivê; un-
belegt sind aſ-il-ivê, þiud-in-aſſ-ivê, doch zu er-
warten, oder aſ-il-vê? aſ-l-ivê? Im gen. dat. ſg.;
dat. acc. pl. verſchmilzt das-u mit der flexion (1, 601.);
die einſchaltung eines i im nom. gen. pl. bleibt noch
räthſelhaft. Soll man-iv für einen paragogiſchen zu-
wachs halten? vgl. 1, 601. Schwerlich habe ich aber
die im altn. adj. glöggr, fölr vor flexionsvocalen aus-
brechenden-v 1, 742. richtig angeſehen, indem dieſe-v
urſprüngliche bildungs-v ſcheinen, wie die vergleichung
des goth. glagg-v-us mit glögg-r (f. glögg-v-r und
dann erſt für glögg-v-ur) lehrt, fölr lautete goth. ver-
muthlich fal-vs, nicht fal-v-us. Hiervon, überhaupt
von andern-v, hernach bei den conſonantiſchen bildungen.


(OO) die ableitung-ô


1) findet sich in der zweiten ſchw. conj. und ver-
zehrt den ſie berührenden flexionsvocal (1, 849.). Dieſes
ô geht im alth. und altſ. nicht, oder höchſt ſelten in-uo
über (1, 96.). Agſ. hat es ſich nur ſchwankend im praet.,
nicht im praeſ. erhalten (1, 906.); altn. in a (oder â?)
verändert. Gleiches a behält unter den ſpätern ſprachen
nur die ſchwediſche, alle übrigen zeigen e, das ſie ſogar
hin und wieder im praet. wegwerfen; ihr e im praeſ.
kann man für das alte ô oder für den flexionsvocal hal-
ten. Alle wörter der gedachten conj., ſo einfach ſie in
neuern ſprachen ausſehen, ſind jederzeit abgeleitete.


2) das ô in der goth. erſten decl. ſchwed. fem.
(tugg-ô, tugg-ôns) gehört nicht der ableitung, bloß
der flexion, α) weil ihm alth. â, û, kein ô wie in
zweiter ſchw. conj. entſpricht. β) weil das dem adj. blind-
ô (coeca) ganz parallele maſc. blind-a (coecus) kein ô
hat. Man darf alſo nicht blindô aus blindôa erklären,
wie ſalbô aus ſalbôa.


(AI) auch die ableitung -ái, alth. -ê herrſcht ledig-
lich in der dritten ſchw. conj., verbindet ſich aber anders
mit den flexionsvocalen (1, 850.); ſie hat im alth. zu-
längſt gedauert, in den übrigen mundarten ſich gleich dem
ô in a, e verwandelt. Wo bei dem nomen -ái, -ê vor-
kommt, iſt es flexiviſch, ebenſo im praeſ. conj. aller
conjugationen. —


(EI) goth. -ei, alth. -î keine organiſche einfache
ableitung, vielmehr


[96]III. reinvocaliſche ableitungen.

1) in manag-ei (1, 609.) entw. a) gleich dem ô in
tugg-ô flexiviſch, wie aus dem comparativ blindôz-ei,
ſpeidiz-ei neben dem maſc. blindôz-a hervorzugehen
ſcheint? — oder b) wie-ei in haírd-eis (1, 599.) naſ-ei
(1, 846) aus kurzem i entſprungen? hierfür ſpricht:
α) das bleibende kurze i in haírd-i (1, 599.) hulund-i
(1, 603.) kun-i, mêl-i, gen. mêl-jis (1, 606.) — β)
das ſich aus alth. -i in den neutris kipil-i, eimper-i,
hûſil-i allmählich entwickelnde kipil-î, eimper-î, hûſil-î
(1, 631. 632.); noch mehr das ſpätere -lîn f. il-în ſtatt
il-i. — γ) das altn. kurze-i der fem. zweiter decl. feſt-i
(1, 656.). — Wie ſehr auch form und flexion dieſer weibl.
ſubſt. ſchwanken darf doch-ei, -î nie als ihr reiner,
wahrer ableitungsbuchſtabe betrachtet werden.


2) die mhd. weibl. endung-î-e, nhd. -ei (mit ab-
gelegtem-e der flexion) iſt aus romaniſchem-ia, -ie ent-
lehnt, folglich undeutſch (daher keinen umlaut wirkend,
aber ſogar tiefbetont) auch den ältern mundarten fremd.
α) anfangs findet ſie nur ſtatt an ausländiſchen namen
und wurzeln, als: florîe, deidamîe, aſtronomîe, planîe,
maſſenîe, banekîe, veſperîe, amîe, prâerîe, prophezîe,
nigromanzîe etc., als aber dieſe formen im 13 jahrh.
gangbar geworden waren, fügte ſich β) -îe auch zu
einigen deutſchen, meiſt ſolchen wörtern, die ein bil-
dungs -en oder -er hatten, als: lâchen-îe (unguen-
taria, ſortilegium troj. 140a) arzen-îe (medicina) galſter-
îe (veneficium) zouber-îe (idem) tenter-îe (nugae), ta-
delnswerther ſcheinen dörper-îe (ruſticitas) jeger-îe
(venatio) gebildet von dörper, jeger, noch ſeltner iſt
vürſt-îe (dignitas principis Wilh. 2, 136a) nach der ana-
logie von abbet-îe (abbatia) voget-îe (advocatio), da
abbet und voget in unſere ſprache eingang gefunden *);
γ) das nhd. hat dieſe bildungen auf-ei (ſtatt-eie) über-
mäßig und wider die natur der ſprache gemehrt, indem
nicht nur amt-ei, vogt-ei, abt-ei, rechen-ei, arzen-ei,
wüſten-ei, termin-ei, zauber-ei, jäger-ei, meier-ei,
bäcker-ei, verræter-ei etc. gelten, ſondern auch bil-
dungen mit-el das-ei zugefügt wird: gaukel-ei, heu-
chel-ei, tändel-ei, tölpel-ei (jene mhd. tenterîe, dör-
[97]III. reinvocaliſche — conſonant. ableitungen.
perîe) andächtel-ei, ſeien nun verba oder ſubſt.
ſtamm. Der häufige ausgang-n-ei, -r-ei veranlaßte
aber den misbrauch, daß man von den bloßen pluralfor-
men länder, græſer, buͤcher, kinder: länder-ei —
kinder-ei bildete, ja endlich -rei für den bildungstrieb
nehmend, es an einfache wörter (wo gar kein -r-ei
denkbar iſt) hieng: ziere-rei, râſe-rei, ſclâve-rei, ſchel-
me-rei, bübe-rei, ſæme-rei, ſchweine-rei etc., ſtatt wel-
ches unfühlende ſprachlehrer gar ein noch unleidlicheres
ſâm-ei, ſchwein-ei empfohlen haben. In fremden wör-
tern wurde bald tieftoniges -ei gelaßen, wie partei, ſchal-
mei, türkei, barbarei, pedanterei etc., bald die franzöſ.
ausſprache hergeſtellt: aſtronomie, theorie, artillerie (wo-
für im 15-17 jahrh. durchaus -ei) einigen ländernamen
hingegen -ien gegeben: italien, romanien, gallien, ſpanien
etc., nach der analogie von ſchwêden, franken, heſſen
(d. h. ſchwêden-land etc.) vgl. 1, 779. 780 oder ſtammt
perſien, indien aus dem alten perſiân, indiân? — δ)
ebenſo ſehr oder noch mehr häufen ſich neuniederl. ab-
leitungen -î (geſchrieben ij oder y) als: vôgd-î, hêr-
ſchapp-î, mâtſchapp-î, woeſten-î, jâger-î, boever-î, ver-
wer-î, aſgoder-î, verrâder-î etc. und ähnlich dem nhd. -rei
hat ſich ein unorg. -nî nach der bildung -er in folgende
wörter gedrängt: lâzer-nî (lepra) râzer-nî (furor) ſlâver-nî
(ſervitus) ſpotter-nî (deriſio) zotter-nî (ſtultitia) dorper-nî
ſt. lazer-î, râzer-î. — ε) ſeltner ſind verba auf -îen ge-
bildet worden, mhd. benedîen, verketzerîen (MS. 2, 129a)
merƷîen (Triſt. 24b); nhd. benedeien, vermaledeien, ſchal-
meien, caſteien, prophezeien und noch einige, ein nhd.
-reien iſt unſtatthaft, z. b. kein verketzereien. — Daß in
allen unter α bis δ berührten fällen das undeutſche, ſpä-
ter noch vom flexionsvocal entbundne -î, -ei dem unter
1. genannten goth. -ei, ahd. -î, welches in neuern mund-
arten unbetontes -e wird, unvergleichbar ſei, noch daraus
entſprungen ſein könne, liegt am tage.


II. conſonantiſche ableitungen.


Vorbemerkungen: 1) alle einzelnen conſonanten jedes
organs beſitzen ableitende kraft, doch vor allen thätig
ſind die liquiden.


2) jedem ableitungsconſonanten geht ein vocal voraus,
oder ſcheint ihm urſprünglich vorausgegangen zu ſein; von
dieſen begleitenden vocalen bemerke ich im allgemeinen
α) es kommen die drei kurzen a(e), i(ë), u(o), aber nur
G
[98]III. conſonantiſche ableitungen. L.
drei lange vor: alth. â, ô, î (goth. ei); niemahls ê (goth.
ái). — β) die drei langen ſchwinden in den älteren dia-
lecten nie, ſondern erſt in den ſpäteren. — γ) die kurzen
ſchwinden ſchon in den älteren, am leichteſten a, ſeltner
u und i, aber u eher als i. — δ) die ahd. mundart über-
trifft alle anderen ſelbſt die goth. darin, daß ſie das a am
wenigſten wegwirft; ſie läßt es ſogar zuweilen in for-
meln der zwölften conj. ſtehen, wo es die goth. nie dul-
det, ja wo ſeine ſyncope zur niederſetzung der ſtarken
form mitwirkte. — ε) die unflectierte geſtaſt, alſo im no-
men der nom. ſg. maſc. neutr. zeigt die natur der vocale
am ſicherſten, da bei zutretender flexion leicht ſyncope
oder aſſimilation erfolgen.


3) zuerſt handle ich die fälle, wo ein conſonant die
ableitung macht, ab und ſchließe mit den wenigern, wo
zwei conſonanzen in derſelben ableitung ſtehen. Zwei-
fache ableitungen führe ich da auf, wohin ſie nach dem
conſonanten der letzten ableitung hören, z. b. jamarag,
veſtiſal ſind nicht unter r und ſ zu ſuchen, ſondern unter
g und l.


ableitungen mit L.

hier finden -al, -il, -ul, ſtatt, ſpäterhin verwandelt in -el.


[AL] das a im goth. faſt überall, im ahd. faſt nie
gewichen; im agſ. in e verdünnt und oft in o (-ol) *)
ſchwankend; altn. zuweilen vorhanden, zuweilen auf-
gegeben.


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina,
gothiſche: fug-ls (avis); ſit-ls (nidus); ſtik-ls (calix);
ſvib-ls (ſulphur).


ahdeutſche: char-al (mas, maritus); vaſ-al (ſoboles);
finach-al (foeniculum) gl. monſ. 414; vok-al (avis); hak-al
(grando); haſ-al (corylus) gl. monſ. 414, oder neutrum?
vgl. haſ-ala fem.; huot-al (cuſtos) mûrhuot-el W. 5, 7; kîſ-al
(obſes) gl. flor. 983b; koum-al (cuſtos); lumb-al (lumbus)?
J. 404; nak-al (clavus, unguis) **) gl. hrab. 951b nëb-al (ne-
[99]III. conſonantiſche ableitungen. L.
bula) nur in comp. nëbal-kouwi, nibalkouwi vorhanden
und in nibulniſſi in -ul ſtreifend; ſcam-al (ſcabellum)
T. 130.; ſat-al (ephippium); ſëk-al (velum) gl. hrab.
974a; ſëƷƷal (ſedes) gl. jun. 253.; ſpieg-al (ſpeculum) gl.
monſ. 396.; ſtad-al (horreum) gl. monſ. 393.; ſtah-al (cha-
lybs); ſtehh-al (calix) gl. caſſ. 854b; ſtod-al (poſtis, co-
lumua); ſuëv-al (ſulphur) T. 146.; tiuv-al (diabolus);
waht-al (cuſtos); want-al (ambulatio, converſio) lîp-wand-el
N. converſatio; waſ-al (humor, pluvia) gl. monſ. 347.
wo nur der dat. pl. waſalun (pluviis) vgl. waſilus (hu-
mor) in der lex allemann. addit. 4, 8. und das altn. neutr.
vaſl; zad-al (penuria); zak-al (cauda); zieg-al (tegula)
T. 54, 8.; zuîv-al (dubium).


agſächſiſche: cëor-l (mas); ëor-l (comes); ſäſ-el
(proles); fug-el (avis); häg-el (grando); näg-el (unguis);
ſëg-el (velum); ſët-el (ſedes); ſnäg-el (limax); ſvëſ-el
(ſulphur); täg-el (cauda).


altnordiſche, mit bleibendem vocal: að-all (indoles);
hag-all (grando); hâk-all (carcharias); kad-all (rudens);
þum-all (dactylotheca); vad-all (aqua vada); zuweilen
mit wegfallendem: fug-l (avis); giſ-l (obſes); hrag-l (plu-
via tenuis); iar-l (comes) kar-l (vir) vag-l (trabs).


mhdeutſche: vog-el; gîſ-el (zuweilen auch neutr.
Parc. 99b); goum-el Parc. 85b; hag-el; nag-el; nëb-el;
ſëg-el; ſëƷƷ-el (thronus); ſcham-el MS. 2, 244b; ſitz-el
(clunes) MS. 2, 67a; ſpieg-el; ſtad-el; ſtah-el; ſtod-el;
ſwëb-el; tad-el (reprehenſio); tiev-el; trieg-el (deceptor)
MS. 2, 211a; wad-el MS. 2, 244b; wand-el; grieƷwartel;
zad-el; zag-el; zieg-el; zob-el; zwîv-el.


nhdeutſche: vôg-el; geiſ-el; hâg-el; haſp-el; nêb-el;
ſêg-el; ſtah-l etc.


engliſche: chur-l; ear-l; und mit ſchmelzung des
ugel in oul, des agel, egel in ail: fow-l; hai-l; nai-l;
ſai-l; ſnai-l; tai-l. —


β) ſtarke feminina,


gothiſche: nêþ-la (acus); ſáiv-ala (anima) *).


ahdeutſche: af-la (anima) gl. blaſ. 19a vielleicht av-ala?
vis, intellectus?; ëg-ela (ſanguiſuga) gl. flor. 984a; vach-ala
(taeda) gl. monſ. 412; haſ-ala (corylus); kap-ala (tri-
dens); maſ-ala (ſlegmen) gl. zwetl. 122b; nâd-ala (acus);
për-ala (unio) gl. monſ. 400.; ſên-la, ſê-la (anima);
G 2
[100]III. conſonantiſche ableitungen. L.
ſpën-ala (acus) ſpeihh-ala (ſputum) O. III. 20, 46; waht-
ala (coturnix); wiſ-ala (muſtela); wurz-ala (radix) T. 71, 3.;
zeiſ-ala, wolves zeiſ-ala (nom. plantae); ziƷ-ala (culex)
gl. zwetl. 118b; zuiſ-ala (furca) gl. flor. 988a; man
findet die fehlerhafte ſchreibung haſ-ila, zuiſ-ila.


agſächſiſche: âd-el, âd-l (morbus, tabum); häſ-el, häſ-l
(corylus); næd-el, næd-l (acus); ſâv-el, ſâv-l (anima)
tæſ-el, vulfes tæſ-el (chamaeleon alba).


altnordiſche: nâ-l (acus); nög-l (unguis, verſchieden
von nag-li clavus); qviſ-l (ramus arboris); ſâ-l (anima);
vîf-l (fuſtis lotorius).


mhdeutſche: bër-le; vack-el; gab-ele; nâd-el; ſê-le;
zwiſ-ele (furca) Triſt. 2934.


nhdeutſche: hâſ-el; ſack-el; gâb-el; nâd-el; per-le;
ſê-le; wacht-el; wieſ-el.


engliſche: haz-el; need-le; ſou-l; teaſ-el. —


γ) ſtarke neutra,


gothiſche: maþ-l (concio); tag-l (crinis).


ahdeutſche: ad-al (proſapia) gl. jun. 245.; chand-al
(lampas) gl. jun. 194.; chnuoſ-al (genus) nur das flectierte
cnuoſles (generis) im Hild.; duah-al (lavacrum) gl. hrab.
960b; koukal (praeſtigium); lap-al (pelvis, mare) *) gl.
jun. 214. monſ. 413. (wo lapul) T. 105, 2.; mad-al nur
in alten eigennamen wie madal-përht etc.; mah-al (fo-
rum, concio) gl. jun. 200. 237.; ſëd-al (thronus) J. 345.
T. 106.; temp-al (templum) T. 117.; thuuih-al (vaccula)
gl. hrab. 955a; top-al (ſaltus); wëv-al (ſubtegmen) gl.
jun. 224.; zinſ-al (thuribulum); himilzunk-al (ſidus).


agſächſiſche: bot-el (aedes); cand-el (candela); cnôſ-l
(genus); ſuſ-el (ſupplicium); tung-el (ſidus).


altnordiſche, zuweilen noch mit dem vocal: að-al (in-
doles); mëd-al (medium); ôð-al (praedium avitum); ge-
wöhnlich ohne ihn: aſ-l (robur); amb-l (labor aſſiduus);
baſt-l (rudis labor); bram-l (tumultus); briſ-l (conno-
datio); brut-l (venundatio); bumb-l (reſonantia); buſt-l
(tumultus); draſ-l (verba inania); dög-l (nom. pl. arma);
dub-l (aleatorum jactus); duſt-l (levis opera); fîf-l
(fatuus); fip-l (contactus); gaf-l (extremitas); gag-l
(avis); gruf-l (coeca attrectatio); gut-l (agitatio liquido-
rum); haſ-l (corylus); hnup-l (compitatio); hraſ-l
(tracta); hruf-l (laeſio cutis); hvîſ-l (ſuſurrus); kit-l (ti-
tillatio); krab-l (contrectatio levis); kuf-l (larva); kum-l
(cumulus); kurf-l (virgarum fruſtula); miat-l (parva de-
[101]III. conſonantiſche ableitungen. L.
tractio); qvot-l (convallis); râng-l (greſſus obliquus);
rîſ-l (manutractatio) rid-l (tumultus); rug-l (confuſio);
rup-l (rapina); ruſ-l (quisquiliae); ſâng-l (murmur); ſkrif-l
(res lacera); ſprik-l (concuſſio membrorum); ſvam-l (va-
gatio); ſuf-l (ſorbillum); ſvîng-l (vagatio); ſumb-l (com-
potatio); tab-l (alea); tag-l (cauda); tut-l (detractio);
tûng-l (luna); vëſ-l (tunica); vîng-l (vertigo); vit-l (levis
occupatio); þvog-l (balbutiae).


mhdeutſche: ad-el MS. 2, 244b: had-el (linteum ſciſſum)
MS. 2, 177b; lâm-el (culter, enſis) MS. 2, 232b; ſëd-el
(ſedes); tob-el (ſaltus); waſt-el (panis) Wilh. 2, 62a.


δ) ſtarke maſc. auf -alî; nur goth. faúra-maþ-l-eis
praefectus. —


ε) ſtarke feminina auf -alî können ahd. von jedem
adj. auf -al geleitet werden, als: tunh-al-î (obſcuritas)
ſuîk-al-î (taciturnitas) vrav-al-î (temeritas) N. 106, 17.
vorſc-al-î (curioſitas) ſcam-al-î (verecundia) part-ſprunk-
al-î (lanugo) ka-zunk-al-î (facundia) upar-âƷ-al-î (cra-
pula) upar-trunh-al-î (ebrietas) etc. Das a aflimiliert ſich
oft: uparâƷilî etc. In den andern dialecten bemerke ich
dieſe wortbildungen nicht und ſie ſind auch bereits im
mhd. veraltet. Nhd. ſagt man wohl: die dunkle (caligo);
die mhd. form würde lauten: dunk-el.


ζ) ſtarke neutra auf -ali, collectiva die theoretiſch
jedem ſubſt. auf -al entſprechen, gern aber in -ili aſſi-
milieren, z. b. ahd. kitub-ili (convallis); kivuk-ali (com-
plexus avium) kinib-ali (congeries nubium) kiſid-ili
(diſpoſitio ſedium) und mhd. (mit dem aus der aſſim. er-
wachſenen umlaut): gevüg-ele, genib-ele, geſid-ele. Dieſe
collectiven neutra unterſcheiden ſich von den vorherge-
henden femininis dadurch 1) daß ſie aus ſubſt., jene aus
adj. entſpringen, 2) daß ſie früher gebildet zu ſein ſchei-
nen, weil ſie die alten vocale i und u behaupten, wäh-
rend ihre ſtämme bereits ë und o angenommen haben
(tobal, vokal, nëbal, ſëdal). Nhd. ſchwankend: gevœg-el,
genêb-el, geſîd-el, gezüng-el (γλωττισμός).


η) ſchwache maſculina: goth. ſvig-lja (tibicen) wäre
ahd. ſuëk-alo, ſuëk-alëo, das aber nicht vorkommt; der
goth. dat. gib-lin (culmine) Luc. 4, 9. läßt zweifelhaft, ob
der nom. gib-la oder gib-lô lautet. Auch den goth. ei-
gennamen am-ala könnte man hierher zählen. — Ahd.
fällt hierher nap-alo (umbilicus) gl. jun. 232. monſ. 339.
353. W. 7, 2; anch-alo (talus) gl. jun. 230. iſt bedenklich,
weil tali daſteht und anchalâ (nom. pl.) geleſen werden
könnte, indeſſen entſpricht jenem altn. öck-li, das nur
[102]III. conſonantiſche ableitungen. L.
zu der form -ul gehört. — Agſ. heáf-ela (tegmen ca-
pitis, nicht hëafela) wurde ahd. houp-alo lauten und mit
hoube, hûbe, nhd. haube verwandt ſein; ſodann: naf-ela
(umbilicus) vielleicht fëorh-genið-la (homicida?) Beov. 74.
117. 214. — Altnordiſche: af-li (acquiſitio) ap-li (vitu-
lus) draf-li (coloſtrum) kaf-li (ſpatium, intervallum) nag-li
(clavus) naf-li (umbilicus) ſaf-ali (muſtela); daß dieſe wör-
ter der al- und nicht der il-form zufallen zeigt der
mangelnde umlaut. Aus dem erſten theil iſt bekannt,
daß auch das -i der flexion unorganiſch ſei, ein älteres
-a ſcheint der eigenname ſtur-la (terrens) zu bewahren,
vgl. unten cap. VI. — Mhd. nur nab-ele (in einem un-
gedruckten gedicht reimt der dat. nabelen: zabelen); das
nhd. nâb-el decliniert fehlerhaft ſtark.


θ) ſchwache feminina: goth. ag-lô (moleſtia); — ahd.
cuc-ala K. 51b; ſëmm-ala (ſimilago) gl. doc.; ſport-ala (cor-
bis) gl. doc.; ſuëk-ala (calamus, tibia) O. V. 23, 396.
gl. hrab. 964b. jun. 199; kimah-ala (ſponſa) gemah-ela
W. 2, 13. 14. 4, 10, 11.; want-ala (negotium) gl. jun.
215.; wurz-ala, wurz-ela (radix) O. I. 3, 53. 23, 102.;
dieſe fem. ſchwanken zwiſchen al, il, ul und zwiſchen
ſtarker oder ſchw. declination. — Noch unſichrer ſind
die agſ. ſchwachen fem. mit -l der al, il oder ul-form
zuzuſprechen, vgl. fimb-le (fabula) eg-le (ariſta) ſving-le
(flagellum) deſſen pl. bald ſvingelan, bald ſvingla lautet. —
Der unumlaut weiſt folgende altnordiſche hierher: ham-la
(catena) tab-la (tabula) ug-la (noctua) vielleicht vëſ-la (mi-
ſeries). — Mhd. buck-el (umbo) ge-mah-ele (conjux)
papp-el (populus) ſemm-el; wurz-el, deren aller ſchwa-
che decl. mir noch nicht ausgemacht iſt. — Nhd. gehen
papp-el, ſemm-el, ſchauf-el, wurz-el natürlich im ſg. ſtark.


ι) ſchwache neutra der form -al gibt es nicht. —


2) adjectiva.


α) erſter declination, gothiſche, einfacher ableitung,
ſind in den ulfil. fragmenten kaum erhalten, nach der
analogie aber nicht zu bezweifeln, erſt das mail. ſpec. hat
uns Tit. 1, 7. ſlah-als (πλήκτης) bekannt gemacht, wo
der wohllaut keine ſyncope des a geſtattete.


ahdeutſche: âƷ-al (edax) nicht zu belegen, aber zu
folgern aus den ſubſt. upar-âƷalî; pët-al (mendicus) nach
dem verb. pëtalôn; ëƷƷ-al (edax) K. 23b. 39b.; vank-al
(capiens) nach dem verb. vankalôn; voraht-al (timidus);
vorſk-al (novi cupidus); ham-al (mutilus); haƷƷ-al (ma-
litioſus); ît-al (vacuus, inanis); kam-al (vetus) nur noch
[103]III. conſonantiſche ableitungen. L.
in der compoſition von eigennamen; këƷƷ-al (attentus)
âkëƷƷ-al (oblivioſus) nach analogie von âkëƷƷalî (oblivio);
ſcad-al (noxius); ſcam-al (verecundus); ſcranh-al (fallax)
nach dem verb. ſeranh-alôn; ſlâf-al (ſomnolentus); ſprâhh-
al (linguoſus); ſprunk-al (exultans) part-ſprunk-al (pubes);
ſtumb-al (trunceus) gl. jun. 230; ſtehh-al (arduus); ſuîk-al
(taciturnus); touk-al (clandeſtinus); truop-al (turbulentus);
tunh-al (obſcurus); wad-al (egenus, pauper) gl. hrab.
962a; wanh-al (infirmus); ſina-wërp-al (tornatilis); ka-
zunk-al (facundus). — Im agſ. ſind falt alle dieſe adj. zu der
ol-form übergegangen, doch nie îdol, ſtets îd-el (inanis).


Nicht weniger im altn. hat ſich -all wegen der im
nom. ſg. fem. aus der flexion entſpringenden aſſimilation
meiſt in -ull verwandelt. Da nämlich das fem. von atall
nicht atal, ſondern ötul (f. ötulu) lautet, ſo ſchlich ſich
auch das maſc. ötull und neutr. ötult (lt. atalt) ein. Doch
zieht die edda in vielen adj. das -all dem -ull vor, als:
at-all (ſtrenuus) gam-all (vetus) gët-all (prudens, vgl.
ſann-gët-all Grimn. 46.) ſvip-all (mobilis) þag-all (tacitur-
nus) etc. ſpäter öt-ull, ſvip-ull, þög-ull, kaum aber göm-
ull f. gam-all; forſi-âll (providus) wäre ahd. vora-ſëh-al.


Die mhdeutſchen adj. -el ſind ſchon in geringer zahl:
criſp-el (criſpus) troj. 145b; gog-el (laſcivus) MS. 2, 82b.
Wilh. 2, 169a; ît-el (inanis) përht-el (ſplendidus) Mar. 174;
ſtîg-el (praeceps) En. 4026. 5520; ſwank-el (exilis); ſîv-el
(placidus?) Wilh. 3; tunk-el (obſcurus); wank-el (incon-
ſtans); behag-el (gratus, behaglich) bei Herb. 90c. ſtreift
ins niederdeutſche, wie die mnl. mundart ſolche wortbil-
dungen enthält: behagh-el Stoke 1, 570. Maerl. 1, 90; onnoſ-el
(innocens) 1, 160; ſcam-el (verecundus) 1, 358; wand-el 1,
149; verghët-el 2, 204; wantrouw-el (incredulus) 1, 233, 246.


Nnl. finde ich: îd-el, ſcham-el (miſer); vermêt-el
(audax); onnoz-el (ſimplex); nhd. nur dunk-el und eit-el.


β) zweiter declination, gothiſche ſind keine übrig;
im ahd. glaube ich drei annehmen zu müßen, welche ihr
-ali gern in -ili aſſimilieren: ad-al-i (nobilis) vrav-al-i
(temerarius) zuîv-al-i (anceps) von den ſubſt. adal, vraval,
zuîval hergeleitet. Die form adali nicht zu belegen, das
aſſimilierte edili bekannt genug; fravili hat doc. 209a O. IV.
11, 87. V. 24, 62; flectiert fravalêr (procax) gl. jun. 185.;
zuîvalemo, zuîvalêr O. V. 11, 38. gl. jun. 185, für das un-
flectierte zuîvili bürgt ein altſächſ. [...]uifli. — Agf. äð-el-e
(nobilis, nicht eðele) vermuthlich auch fräf-ele *). — Mhd.
[104]III. conſonantiſche ableitungen. L.
ed-ele; vrev-ele wofür aber ſchon ed-el, frev-el, wie
nhd. êd-el, frêv-el.


γ) dritter declination,
goth. ag-l-us (difficilis); wäre ahd. ak-al-u, das ſich nicht
findet, ſo wenig als ak-al-i, ek-il-i, mit übergang in die
vorige decl. Agſ. eg-el-e (moleſtus) —


3) verba.


α) erſter ſchwacher conjugation:
goth. maþ-l-jan (ſermocinari) ſig-l-jan (ſignare) us-ag-l-jan
(moleſtare); ahd. mah-al-jan (loqui) ki-mah-il-it f. ki-
mah-al-it (deſpondet) gl. jun. 201; nak-al-jan (clavis figere);
piſtump-al-jan (truncare) monſ. 363. 373; mhd. ver-meh-el-en
(deſponſare); neg-el-en; ſteh-el-en; nhd. ver-mäh-l-en
näg-el-n, ſtäh-l-en, ſêg-el-n, ſchwêf-el-n. Umlaut erregt
bloß das i der ableitung, der al-form zum trotz. Agſ. mäð-
el-jan; näg-el-jan; eg-el-jan; ſig-el-jan (navigare), [engl.
nail, ſail, ail vgl. vorhin ſ. 99.] — Altn. neg-l-a; ſig-l-a.


β) zweiter ſchw. conjugation:
goth. ſvig-l-ôn (tibia canere). ahd. *) av-al-ôn (comparare)
O. I. 23, 41. IV. 7, 85; chranh-al-ôn, krank-ol-ôn (in-
firmari) O. IV. 4, 38; vank-al-ôn J. 377. gl. monſ. 364.
388. 389. 397; vok-al-ôn (aucupari); hant-al-ôn (tracta-
re); juhh-al-ôn (ſcalpere) monſ. 377; kouk-al-ôn (geſti-
culari); mah-al-ôn (poſtulare) monſ. 378; mang-ol-ôn
(carere) O. IV. 11, 72; mëƷƷ-al-ôn (triturare) gl. doc.
229a; pët-al-ôn (mendicare); ramm-al-ôn (coire); ſat-
al-ôn (addextrare) gl. jun. 227. blaſ. 10b; pi-ſcranh-al-ôn,
bi-ſkrank-ol-ôn (inſidias ſtruere) O. IV. 16, 82; ſprat-al-
ôn (palpitare) gl. jun. 222. [gl. flor. 986a ſpratelendo odo-
rus? wohl odorando? ſtam-al-ôn (balbutire); ſtumb-al-ôn
(truncare) gl. jun. 230, piſtumplôt gl. hrab. 971a für piſtum-
pilit? wad-al-ôn (fluctuari) gl. doc.; zad-al-ôn (egere);
zap-al-ôn (palpitare) gl. doc. jun. 222; zorh-al-ôn, zork-
ol-ôn (aegrotare) O. III. 23, 50; zuîv-al-ôn (dubitare)
früher vielleicht zuîvaljôn?


Obgleich die meiſten agſ. ſtämme -ol für -el haben,
ziehen ſie doch im verbo wieder das -el vor: dëág-el-jan
(abſcondere) ſad-el-jan (dextrare) ſtað-el-jan (fundare)
ſvëot-el-jan (manifeſtare).


Altn. zeigt der unumlaut dieſe verba an: af-l-a (com-
parare) amb-l-a (aſſidue laborare) bag-l-a (imperite ſe
gerere) bram-l-a (tumultuari) draſ-l-a (ſuccurſorie ferri)
[105]III. conſonantiſche ableitungen. L.
hvarf-l-a (divagari) jap-l-a (mandere) ſag-l-a (ſaepius
ſerrare) ſvam-l-a (vagari) vamb-l-a (ventre repere);
zweifelhaft ſind die umlautsunfähigen mit den wurzel-
vocalen i, ei, halbzweifelhaft die mit u, als: bid-l-a (pro-
cari) dreit-l-a (ſtillare) ſeig-l-a (tardare) hnud-l-a (ſub-
igere) hnup-l-a (ſurripere) rug-l-a (turbare) etc.


Mhd. vog-el-en; gauk-el-n; hand-el-n; mang-el-n;
ſat-el-en; ſtamm-el-n; ſwëg-el-en Barl. 255, 18; zab-el-en
Parc. 25b; zwîv-el-n.


Nhd. fâſ-el-n; gâb-el-n; hand-el-n; mang-el-n;
praß-el-n; ramm-el-n; raß-el-n; ſatt-el-n; ſamm-el-n;
ſchauk-el-n; ſprûd-el-n; ſûd-el-n; ſtamm-el-n; tromm-el-n;
tumm-el-n; wand-el-n; zapp-el-n; zweif-el-n; und an-
dere unumlautende. —


γ) dritter ſchw. conjugation,
da hier auch kein umlaut ſtatt findet, ſo ſind dieſe verba
in allen ſprachen, denen der unterſchied zwiſchen dem
ô und ê zweiter und dritter conj. erloſchen iſt, wenn
nicht die frühere volle flexion dabei leitet, nicht mehr
auszumitteln. Nach dem ahd. ar-ît-al-ên (evaneſcere)
tunh-al-ên (tenebreſcere) muß freilich ein mhd. und nhd.
ver-eit-el-n, dunk-el-n hierher gezählt werden. Ließe
ſich annehmen, daß ſie nur von adj. nicht von ſubſt. ge-
bildet werden (die zweiter conj. ſtammen von beiden);
ſo würde z. b. funk-el-n (ſcintillare) nicht hierher gehö-
ren, da wenigſtens kein adj. funkel bekannt iſt. Wer
weiß aber, ob nicht das nhd. wurz-el-n ahd. wurz-al-ên
lautete? —


[IS-AL] goth. ſ-l; ahd. iſ-al; altn. ſ-l; dieſe dop-
pelte ableitung wird, weil es kein ſ-il, iſ-il; ſ-ul, iſ-ul
gibt, füglich hinter dem einfachen -l, -al abgehandelt.
Das einfache -ſ, -iſ ſuche man unten beim S.


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina ſcheinen ſelten, ich wüſte nur
ein ahd. drâh-iſ-al (tornarius) und nicht einmahl in der
reinen form anzuführen, gl. blaſ. 33b haben drah-ſ-il,
gl. trev. drhaſil (verſchr. f. drahſil), mhd. dræh-ſ-el
Parc. 7697. Fehlerhaft kommen einzelne neutra männlich
gebraucht vor, z. b. gruoƷ-ſ-al (ſalutatio) Maria 65. 172.
und ahd. wëh-ſ-al (vices, f. wihh-iſ-al?) gl. jun. 199.
hrab. 951a, mhd. wëh-ſ-el, nhd. wech-ſ-el.


β) ſtarke feminina: ahd. am-iſ-ala (merula) gl. flor.
984b; mhd. am-ſ-el MS. 2, 192a amur 5b; nhd. am-ſ-el.
[106]III. conſonantiſche ableitungen. L.
N. 65, 13. ſtehet wart-ſ-ala (corruptio) vielleicht f. wart-
ſ-alî? Ferner dëh-ſ-ala (aſcia) doc. 207b monſ. 337. 349.;
ah-ſ-ala (f. ah-iſ-ala?, ſcapula) agſ. ëax-el, altn. öx-l, mhd.
ah-ſ-el, nhd. ach-ſ-el [doch muß die coalition ahf. alt
ſein, weil ſie ablautsfähig wurde, vgl. nr. 490.] Altn.
pîn-ſ-l, pî-ſ-l (cruciatus).


γ) ſtarke neutra: goth. hun-ſ-l (ſacrificium); ſvum-ſ-l
(natatorium); ſkôh-ſ-l (daemonium).


Ahdeutſche: chuoƷ-iſ-al (taedium) gl. doc. 252. *),
veſt-iſ-al (munimentum) gl. herrad. 191a trev. 37b; vuor-
iſ-al (alimentum) gl. trev. 53b; vuot-iſ-al (paſtio) gl. doc.;
houw-iſ-al (albugo) gl. monſ. 385. auguſt. 123a hou-ſ-al
gl. trev. 64b**); harm-iſ-al (aerumna) herm-eſ-al W.
1, 5.; hruom-iſ-al (oſtentatio) gl. doc.; cruon-iſ-al (ger-
men) gl. monſ. 408.; cruoƷ-iſ-al (moleſtia) gl. monſ. 402.;
marr-iſ-al (laeſio) gl. monſ. 401. 413.; neiƷ-iſ-al (afflictio);
gl. doc. uop-iſ-al (exercitium, cultus) gl. doc. 250. monſ.
409.; wert-iſ-al (corruptio) O. IV. 18, 46. 28, 22. V. 12,
68, 77. und ſicher noch manche andere.


Im agſ. finde ich außer hû-ſ-l (euchariſtia f. hun-ſ-l?)
und cnô-ſ-l (genus) keine, aber viele im altn.: beyg-ſ-l
(frenum) bœg-ſ-l (pinnae balaenarum) dat-ſ-l (motus
claudorum) herm-ſ-l (luctus) hun-ſ-l, hu-ſ-l (venerabile)
ken-ſ-l (notio) kyn-ſ-l (res inſolita) meid-ſ-l (laeſio)
œr-ſ-l (furor) ren-ſ-l (alveus, decurſus) ſkram-ſ-l (cro-
citus) ſkrym-ſ-l (monſtrum) ſmyr-ſ-l (unguentum) ſpen-ſ-l
(fibula) ven-ſ-l (neceſſitudo) vîx-l (vik-ſ-l? cambium)
þŷng-ſ-l (gravitas) þyrm-ſ-l (neceſſitas parcendi).


Mhd. haben faſt alle dieſe wortbildungen, zum vor-
theil des wohllauts, aber gegen den organiſmus der ſpra-
che, das a behalten, nicht in e verdünnt; ja ſie laßen
ihm vollen tiefton, daher der ausgang -ſal auf al, val,
tal reimt (vgl. Mar. 65. 172. Georg. 42b Ottoc. 462b 630a
grundriß 301.). Man nahm -ſ-al vielleicht ſchon im zehn-
ten jahrh. für die wurzel -ſal (nr. 561.). Aber keine
andere ſprache componiert wirklich mit -ſal und iſ-al,
-ſ-al kann ſo wenig dafür gehalten werden, als das
völlig analoge iſ-ôd für -ſôd (ſ. unten beim D). Auch
hat ſich im parallelen fem. aus iſ-ala kein -ſala, -ſal er-
zeugt (d. h. aus amiſala wurde richtig amſele, amſel)
[107]III. conſonantiſche ableitungen. L.
weil dem oberflächlichen gefühl das ahd. ſala, mhd. ſal
(traditio) ferner lag, als das maſc. ſal (aula), welchem
letztern der übertritt aus dem üblichen neutr. in das
maſc. (vgl. oben gruoƷ-ſ-al) zugeſchrieben werden muß.
Ich kenne beinahe keinen mhd. dichter, der im neutr.
oder maſc. das natürliche -ſ-el behauptet hätte, alle
ſetzen -ſal für eſ-al, -ſ-al, vgl. derre-ſal (ariditas) Georg.
4152.; ehte-ſal (perſequutio) cod. pal. 361, 12c, 37d; velle-
ſal (afflictio) MS. 2, 211b; vluh-ſal (was man fliehet)
Parc. 28b Barl. 238, 28.; irre-ſal, ir-ſal (error, vagatio)
mehrmahls bei Ottoc.; ræt-ſal (aenigma) Rote im grundr.
301.; nur alle gebrauchen wëh-ſ-el (nie wëh-ſal) *) und
in der unreinen mundart eines ſpätern gedichts (lieder-
ſal 619.) leſe ich trum-ſ-el (fruſtum). Doch ſind über-
haupt auch die -ſal unhäufig.


Kein ſolches -ſal, vielmehr das organiſche -ſ-el
kennt die mnl. ſprache, vgl. dek-ſ-el (operculum) Maerl.
1, 131.; doep-ſ-el (baptiſmus) 2, 104.; minc-ſ-el (demi-
nutio) 3, 208; raed-ch-el f. raed-ſ-el (aenigma) 1, 197.


Merkwürdig beſtehen im nhd. beiderlei formen neben
einander; viele -ſal dauern in der ſchriftſprache fort,
viele -ſ-el haben ſich, vielleicht durch die volksſprache,
wieder geltend gemacht. Vgl. drang-ſâl, feind-ſâl, irr-
ſâl, lâb-ſâl, muͤh-ſâl, rach-ſâl (H. Sachs) rinn-ſâl (altn.
renn-ſ-l) ſaum-ſâl, ſchick-ſâl, ſcheu-ſâl, truͤb-ſâl, wirr-
ſâl, zwang-ſâl; und auf der andern ſeite: überbleib-ſ-el,
fêg-ſ-el, füll-ſ-el, anhäng-ſ-el, gemeng-ſ-el, heck-ſ-el
(d. i. hexel) gemet-ſ-el (d. i. gemetzel), ræt-ſ-el, ſchreib-
ſ-el, ſchmier-ſ-el, ſchnit-ſ-el (d. i. ſchnitzel), ſtöpf-ſ-el,
wech-ſ-el, gewin-ſ-el. Dieſe ſcheinen gemeiner, jene
durch ihren wohllaut edler. Doch ſchließen ſich beide
ab und weder drang-ſ-el, iſt zuläßig noch überbleib-ſal.
Vielleicht dürfte man einige der letztern form für neutra
zweiter decl. nehmen, z. b. gemengſel, gewinſel für ein
älteres gemengſele, gewinſele?


Nnl. lauter-ſ-el: bloei-ſ-el, knie-buig-ſ-el, dôp-ſ-el,
uit-druk-ſ-el, begin-ſ-el, verguld-ſ-el, mâk-ſ-el, meng-
ſ-el, râd-ſ-el, ſchik-ſ-el, ſchrâp-ſ-el, uitſpan-ſ-el, ſtroi-
ſ-el, ſtyſ-ſ-el, hand-vat-ſ-el (anſa) bî-voeg-ſ-el, wind-ſ-el
(faſcia, involucrum) wiſ-ſ-el (cambium) welf-ſ-el (ge-
wölbe) u. a. m. —


[108]III. conſonantiſche ableitungen. L.

δ) ſtarke feminina auf -iſ-alî und zwar mit umlaut
-iſ-elî kommen bloß im ahd. vor: neiƷ-iſ-elî (afflictio) gl.
jun. 196. 233; hruom-iſ-elî (oſtentatio) gl. monſ. 360. 389;
wart-ſ-alî (? wart-ſ-elî, corruptio) N. 19, 7. —


ε) ſtarke neutra auf -iſ-ali, ahd. das einzige drâh-
iſ-ali (toreuma), vollſtändige form des gl. hrab. 975b ver-
zeichneten drâſli. Altn. haben einige der vorhin ange-
gebnen neutra auf -ſ-l ſpäter die form -ſ-li, als: ren-ſ-li,
beyg-ſ-li (Raſk §. 137.). Daß die nhd. gemengſel, ge-
drechſel, geſchnitzel dieſer form angehören können,
wurde eben gemuthmaßt.


ζ) ſchwache maſculina; keine.


η) ſchwache feminina im altn. häufig: ûtbreid-ſ-la
(divulgatio) brŷn-ſ-la (exacutio) eyd-ſ-la (prodigalitas)
fœd-ſ-la (alimentum) fœg-ſ-la (politura) fœr-ſ-la (ductus)
gæt-ſ-la (tutela) geym-ſ-la (cuſtodia) grœd-ſ-la (ſanatio)
hræd-ſ-la (terror) leid-ſ-la (ductus) neyt-ſ-la (eſus)
reid-ſ-la (trutina) ræk-ſ-la (cultura) reyn-ſ-la (experien-
tia) ſeyd-ſ-la (coctura) veit-ſ-la (epulum) vörd-ſ-la (tu-
tela) þræ-ſ-la (rancor).


2) adjectiva dieſer form, wiewohl als unterlage der
1, δ. angeführten fem. zu vermuthen, ſcheinen nicht
vorräthig; Pictorius gibt ramfler (laſcivus), das dürfte
ein ahd. adj. ramm-iſ-al, aber auch ein ſubst. ramm-
iſ-al-âri (wie drechſler drâhiſalâri) anzeigen. Dagegen
ſind bereits im ahd. aus der vermeinten compoſition -ſal
adjectiva auf -ſelîg entſprungen, N. 37, 5. warta-ſelîg
(corruptibilis), nicht -ſâlîg (mhd. ſælic, beatus, dives),
obgleich im nhd. feindſêlig, armſêlig (mhd. vientſelic,
armſelic, ſumeſelic?) mit ſiegſêlig, arbeitſêlig, gottfêlig,
glückſêlig (mhd. ſigeſælic Triſt. 117a. b. altn. ſigr-ſæll, mhd.
arbeitſælic Triſt. 15c) untereinander rinnen; vgl. nnl.
rampzâlig (infelix). —


3) verba.
ahd. wëh-ſ-al-ôn (mutare) T. 31, 6. N. 44, 1. *) altn.
vîx-l-a (f. vik-ſ-l-a?) mhd. wëh-ſ-el-n; altn. ax-l-a (in
humeros ſublevare); altn. ven-ſ-l-a (neceſſitate jungi);
nhd. drech-ſ-el-n, win-ſ-el-n, entræt-ſ-el-n, ſchnitz-el-n,
metz-el-n laßen auf ahd. drâh-iſ-al-ôn, win-iſ-al-ôn,
rât-iſ-al-ôn ſchließen. Dem begriffe nach frequentativa,
[109]III. conſonantiſche ableitungen. L.
diminutiva derer auf -iſ-ôn, vgl. winiſalôn mit winiſôn
(mugire).


[IL] der vocal ſchwindet weder im goth. noch im
ahd.; das agſ. hat e, das vermuthlich ë war, der tonlo-
ſigkeit wegen aber nicht vom eigentlichen e unterſchie-
den werden darf, weshalb ich die ſchreibung e vorziehe.
Altn. i, das bei zutretender flexion ausfällt. In den übri-
gen ſprachen allgemeine verdünnung in e, umlautbare
wurzelvocale jedoch stets umgelautet.


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina,
goth. das einzige kat-il-s (ahenum) einfach abgeleitet,
zweifach hingegen: agg-il-us (angelus) aſ-il-us (aſinus).
Dieſe zweite ableitung mit -u laßen die andern mund-
arten nicht mehr wahrnehmen, weshalb in den folgen-
den beiſpielen maſc. zuſ. fließen, die im goth. der erſten
oder dritten decl. zuſtanden.


ahd. enk-il (angelus) bei-J. noch ang-il; eſ-il (aſinus);
chek-il, cheg-il, zëlt-cheg-il (paxillus, clavus) gl. jun.
220. monſ. 321. 324.; chneb-il (columbar, vinculi genus)
gl. trev. 58a; cheƷƷ-il (lebes) gl. monſ. 325.; chiſ-il (ſilex)
O. I. 23, 93.; chnut-il (contulus) gl. zwetl. 117b chrouw-il
oder chrew-il (fuſcinula) monſ. 322. 331.; chum-il (cumi-
nus); diſt-il (carduus) monſ. 414.; dorn-drâh-il, -drâ-il
(lanius, avis) zwetl. 123b; drem-il (peſſulus) doc. 208b;
hef-il (funis elevator); him-il (coelum, tectum) hrek-il
(ſpolium) hreg-il Hild. reg-il gl. aug. 117b, vielleicht neu-
trum?; hrîſ-il (acus) rîſ-il flor. 985b; ik-il (hericius)
monſ. 334. 410.; vuoƷ-kenk-il (pedes) blaſ. 31a; kreb-il
(paxillus) doc. 216b; krint-il (repagulum) J. 347. monſ.
335. doc. 207b W. 5,6. gerind-el N. 106, 16. 107.; kriph-
il (graphium); pruſt-leff-il (cartilago) zwetl. 115b; merk-il
(argilla) flor. 986b lind. 992a; neſp-il (meſpilum) doc. 226a;
nuo-il (runcina) monſ. 335.; pir-il (cophinus) T. 80.;
pit-il (procus); plû-il (vectis) monſ. 412.; ſteinpôƷ-il (la-
tomus) monſ. 328.; pritt-il (frenum, habena); ſtein-
pruhh-il (latomus) trev. 42b; puh-il (acervus) hrab. 951b;
put-il (praeco); pût-il (marſupium) doc. 204a; rid-il
(diſcriminale) monſ. 332. [wurzel nr. 167., geflochtnes band];
rik-il (peſſulus) hart-rik-il (liguſtrum); reit-riht-il (au-
riga) monſ. 345. zwetl. 114a; ſceph-il (creator) eo-ſkef-el
(legislator) N. 9, 21.; ſench-il (anchora) doc.; ſleg-il (tu-
des); ſluƷ-il (clavis) T. 90. O. III. 14, 179.; ſtiak-il (gra-
[110]III. conſonantiſche ableitungen. L.
dus) K.; ſted-il (fundamentum) J. 340.; ſtempf-il (pilum);
ſtenk-il (thyrſus) zwetl. 133a; ſtôƷ-il (pilum); ſuint-il
(vertigo); tinch-il (ſiligo) T. 139.; trek-il (bajulus) monſ.
327. ſametrek-il (ſymbola) doc.; tûhh-il (mergulus) monſ.
321.; horo-tup-il (onocrotalus) monſ. 321. 335.; veƷƷ-il
(faſciola) doc. 240b; vlek-il (tribulum) monſ. 331.; vriud-il
(amator) monſ. 336. 394.; wâd-il (penicillum) flor. 989b;
wib-il (ſcarabaeus); winh-il (angulus); wînzur-il (vinitor)
T. 124. trev. 42a wînzurn-el W. 8, 12.; wurph-il (teſſe-
ra); zuh-il (frenum) hrab. 965b zug-il monſ. 329. —


agſ. brem-el (tribulus); byd-el (praeco); byr-el (pro-
mus); cet-el (cacabus); eng-el; eſ-el; feng-el (princeps)
Beov. 106.; fet-el (balteus); grind-el (peſſulus); gyrd-el
(cingulum) hrîſ-el (radius textorius); for-rîd-el (praecur-
ſor); ryn-el (curſor); ſleg-el (plectrum); ſmyg-el (ami-
culum); ſtêp-el (turris); ſveð-el (inſtita); þiſt-el (carduus);
vinc-el (angulus) und eigennamen wie grend-el etc. —


altn. bend-ill (villus); ber-ill (culeus); beng-ill (va-
rus); bid-ill (procus); bit-ill (frenum); bled-ill (foliolus);
brim-ill (vitulus marinus); bœk-ill (luxatus); byr-ill (pin-
cerna); dreit-ill (gutta); dymb-ill (crotalum lign.); dep-ill
(nubecula); dind-ill (pendulum quid); dreg-ill (limbus);
eit-ill (glandula in ligno); er-ill (labor aſſid.); eng-ill (an-
gelus); eck-ill (viduus); eyſ-ill (hauſtrum); fer-ill (tra-
mes); feng-ill (dux); fet-ill (balteus); fîf-ill (taraxacum);
frið-ill (concubinus, vielleicht f. frŷð-ill?); geiſt-ill (ra-
dius); gep-ill (cochleare latum); gimb-ill (agnus); gref-ill
(daemon); hef-ill (dolabra); hem-ill (tutela) hnîf-ill (cor-
niculum); hnik-ill (glomus); hvirf-ill (vertex) hyp-ill
(veſtis ampla); hæk-ill (extremitas); ket-ill (cacabus);
kiſt-ill (ciſtella); knŷt-ill (faſciculus); kræk-ill (uncus);
kymb-ill (faſciculus); kynd-ill (lux); kyrt-ill (tunica);
leig-ill (ſeria); lep-ill (cochleare); lyk-ill (clavis); meit-ill
(cuneus); mid-ill (facultates); rind-ill (terebra); nirf-ill
(homo parcus); rid-ill (manipula militum); riſt-ill (zona);
ref-ill (tapes); ræf-ill (res lacera); ſem-ill (collector);
ſend-ill (nuntius); ſkef-ill (ſcalprum); ſkut-ill (venabu-
lum); ſnef-ill (odor levis); ſnep-ill (praeſegmen); ſnid-ill
(falx); ſnîg-ill (limax); ſpeng-ill (homo ejuncidus); ſtik-ill
(cornu); ſtimp-ill (typus); ſtrîp-ill (corpus nudum); ſvæf-ill
(cervical); tef-ill (remorator); tref-ill (lacera veſtis); trit-ill
(homo vanus); trŷg-ill (linter); tæf-ill (cauda vulpis); þeng-
ill (rex); þiſt-ill (carduus); þrif-ill (vir diligens); þveg-ill
(terſorium); verp-ill (culeus miſſilis); væſk-ill (muſtela);
außerdem eigennamen, wie eg-ill etc. Wo das -ill keinen
[111]III. conſonantiſche ableitungen. L.
umlaut zeugt ſcheint es mir unorganiſch, z. b. in ad-ill
(auctor) draſ-ill (equus) duſ-ill (ſervus) f. ad-all etc., manch-
mahl wechſeln -ill und -all ab, z. b. neben gref-ill gilt
graf-all. —


mhd. bit-el (procus) Mar. 1494. fragm. 39a; vride-
brëch-el Cod. pal. 361, 92b; brit-el Triſt. 6930. En. 7302.;
büt-el; dift-el; drüƷƷ-el (gula) troj. 71c; eng-el; erm-el
MS. 2, 85b; eſ-el; vuoƷ-geng-el troj. 181a; gürt-el
Nib. 2558. Triſt. 10836.; him-el; ig-el; keg-el; keƷƷ-el;
kiſ-el; knüt-el; merg-el; rig-el; ſenk-el; ſchenk-el Parc.
51a Wig. 8464; ſleg-el; ſluƷƷ-el; ſpreng-el (dioeceſis);
ſprenz-el MS. 2, 72b; ſteng-el (caulis) troj. 143b; ſwenk-el
Parc. 6304; vor-tenz-el (choragus) MS. 2, 72b; ſak-treg-el
Bon. 51. veng-el (dux); veƷƷ-el; vleg-el; vried-el MS.
1, 41b; wink-el; würf-el; züg-el; es gibt noch andere,
die ſchwer anzugeben ſind, weil ihr geſchlecht unbeſtimmt
iſt, oder die abſchleifung der nachher folgenden bildun-
gen äußerlich mit ihnen zuſ. fällt. —


nhd. beng-el; beut-el; bütt-el; dink-el; diſt-el; eng-el;
êſ-el; fluͤg-el; gürt-el; hêb-el; henk-el; himm-el; huͤg-
el; îg-el; kêg-el; keß-el; kîſ-el; knêb-el; knütt-el;
krüpp-el; kuͤb-el; kümm-el; löff-el; meiß-el; münd-el;
pruͤg-el; merg-el; rüß-el; rîg-el; ſchæd-el; ſchenk-el;
ſchlêg-el; ſchlüß-el; ſchweng-el; ſpreng-el; ſteng-el;
ſtoeß-el; wink-el; würf-el; zuͤg-el u. a. m. doch hat ſich
im ganzen die zahl dieſer bildungen verringert. —


β) ſtarke feminina auf -ila ſcheint es nicht zu geben,
wenigſtens bietet Ulf. keine ſolche an, noch das altn. fem.
auf -il. Alle ahd. auf -ila gehen entw. ſchwach, oder
im fall ſtarker decl. ſtehen ſie misbräuchlich für -ala,
z. b. gl. doc. haſila (corylus) f. haſala, daher auch mhd.
haſele, nicht heſele. Misbrauch anderer art iſt, daß ei-
nige mhd. dichter gürtel weiblich ſetzen, z. b. Wirnt
Wig. 6937. —


γ) ſtarke neutra,


goth. das einzige ſáu-ïl (ſol) oder ſaú-ïl für ſav-il?
Marc. 1, 32. 13, 24. das maſc. würde -ïls fordern. Altn.
iſt dieſer bildungslaut in die wurzel verwachſen: ſôl f.
ſô-l, ſô-il? und das wort weiblich *).


[112]III. conſonantiſche ableitungen. L.

ahd. wenige, zum theil unſichere: lek-il, leg-il (do-
liolum) oder iſt die wahre form leg-ili?; mitt-il (liciato-
rium) doc., aber monſ. 326. geben mitt-uli, jun. 212.
mitt-ule (dat.)?; nuſk-il (fibula) flor. 988a zwetl. 122a
doc. 227a; pig-il (ſecuris)?; ſehh-il (marſupium) O. III.
14, 179. T. 138. wirceb. 977a; ſât-il (menſura frumenti?)
T. 74, 1.; uod-il (praedium avitum, ſolum patriae) T. 78.
oder uod-al (altn. ôð-al, agſ. êð-el)? —


agſ. cyrn-el (glandula); êð-el (allodium, patria);
ſymb-el (convivium); þyr-el (foramen).


altn. keine auf -il, ſondern oð-al, ſumb-l.


mhd. biut-el (pera) Vrib. 1530.; leg-el (dolium);
nüſch-el (fibula) MS. 2, 72b; andere ſind zweifelhaft; da
ſie für ahd. -ilî ſtehen können, z. b. heft-el Vrib. 1529.,
ahd. heft-il oder heft-ilî? letzteres des nhd. heft-lein we-
gen ſogar wahrſcheinlicher. —


δ) ſtarke maſc. auf -ili, kaum im altn. zu ſpüren,
inſofern man gem-lir (aquila) und eg-lir (coluber, neben
öglir, wie egdir neben ögdir) aus gem-ilir, eg-ilir deu-
tet, wogegen aber die ableitung des erſten von gam-all
ſtreitet. Und das letzte -i könnte den umlaut zeugen,
d. h. gemlir f. gam-alir ſtehen?


ε) ſtarke (oder ſchwache?) fem. auf ilî, von adj. auf
-il herleitbar. Goth. mik-ilei (magnitudo) ahd. mihh-ilî
K. 26a 44a luz-ilî (parvitas) O. II. 7, 96. monſ. 357.;
up-ilî (pravitas). Mhd. ſagt man nicht: diu mich-el,
lutz-el.


ζ) ſtarke neutra auf -ili und -ilî, beide im goth. man-
gelnd, im ahd. von einander zu ſcheiden:


α) die mit kurzem vocalauslaut ſetzen ſubſt. auf -il
voraus, ſchieben im obliquen fall nichts ein, wandeln ihr
-ili ſpäter in -ele, -el und haben nicht den begriff der
verkleinerung; ſie ſtehen den neutris auf -ali parallel,
um ſo mehr, da dieſe meiſt -ili aſſimilieren, ahd. epf-ili
(pomum); kip-ili (frons) monſ. 321. 331.; ki-punt-ili
(faſciculus) jun. 206.; innôd-ili (viſcera) jun. 209. T. 4, 18.;
cheƷƷ-ili (cacabus) jun. 185.; tûp-ili (caſtratura) doc. 240a;
mân-ili (monile, lunula) monſ. 332., zweifelhaft ob nicht
mân-ilî? oder man-ili (vgl. altn. men = mani)?; inſig-ili
(gemma inaurata, annulus, monile) *) monſ. 342.;
[113]III. conſonantiſche ableitungen. L.
drî-winch-ili (trigonum) monſ. 393.; vielleicht wunſc-ili
(optatio) jun. 383. belegen nur wunſchili-garta (caduceus)
nhd. wünſchelruthe; lauc-med-ili (fulgur) jun. 191. 206.
vgl. med-ili (aſſis) doc., alſo wohl feuerſtrahl, donner-
keil?; — mhd. inſig-ele, gebünd-el; nhd. inſîg-el,
bünd-el; — agſ. ſvëg-le, altſ. ſuig-li (aether); — altn.
ep-li (pomum); fyg-li (aves); ſig-li (monile); ſkef-li
(truncus ligni).


b) die mit ahd. langem vocalauslaut ſind weit zahl-
reicher, ſchieben im gen. dat. ſg. und pl. -n ein, drücken
eine verkleinerung aus und ſcheinen von jedem ſubſt.
möglich, z. b. lant (ager) lent-ilî (agellus) gen. lent-ilînes.
Folgerichtig wird daher wie aus ahhar ahhar-ili, ahhar-lî
aus vogal vugal-ilî, aſſim. vugililî (foetus, junge brut)
monſ. 411. wofür aber auch vugilî ſteht. Weiteres und
beiſpiele unten cap. VIII. Dieſe diminutiva haben im
mhd. zuweilen -el (z. b. ſchiff-el, navicula, Nib.) ge-
wöhulich -lîn, nhd. -lein.


η) ſchwache maſculina (ohne begriff der diminution),
vorerſt viele eigennamen, im goth. nicht aus Ulf. ſondern
aus den geſchichtſchreibern und urkunden zu nehmen:
att-ila, mêr-ila, mund-ila, ſvinþ-ila etc.; ahd. az-ilo,
ez-ilo, wolf-ilo, ſuâp-ilo etc.; agſ. fit-ela; altn. at-li, bud-li
(rückumlautend f. et-ili, byd-ili?); mhd. etz-el etc.
Sodann andere ſubſt., deren das goth. inzwiſchen keine
bietet; ahd. enh-ilo (talus) monſ. 327. vgl. oben ſ. 101.
anh-alo; neſt-ilo (vitta) jun. 206. 231. monſ. 323. 335.;
doch ſcheint hoſa-neſtila monſ. 319. weiblich; uo-chum-ilo
(racemus, acinus) monſ. 322. 334., wiewohl 357. und doc.
239a dem pl. auch ſtarke ſorm gegeben iſt; ſid-ilo (colo-
nus) jun. 235., chamar-ſid-ilo (ſarabaita) jun. 260., hôh-
ſid-ilo (altithronus) jun. 179.; — altn. ök-li (talus) ſcheint
für ök-uli zu ſtehen, alſo der ul-claſſe zuzufallen; geiſ-li
(radius); nag-li (clavus); — mhd. enk-el (talus) pl.
enk-eln? die meiſten ſtellen entſcheiden nicht; ſpäterhin
gewis ſtark enk-el, a. w. 3, 84.; ein-ſid-ele (eremita)
Barl. 8. —


θ) ſchwache feminina (ſelten verkleinernd)
goth. ïn-ilô (πρόφασις); mav-ilô (puella); vaír-ilô (la-
bium) — ahd. driſk-ila (flagellum) monſ. 331. zwetl. 134a;
er-ila (alnus) doc. 210a lindebr. 991b; hiuf-ila (gena)
jun. 261. hrab. 965a; liuz-ila (parvitas) J. 372.; keiſ-ila
(ſcutica) geiſ-ila O. II. 10, 18.; hawi-krimm-ila (ophio-
machus) monſ. 412.; kroſt-ila (cartilago); neƷƷ-ila (urtica)
monſ. 343. 352.; nipht-ila (neptis) monſ. 382.; purk-ila
H
[114]III. conſonantiſche ableitungen. L.
(caſtellum) burg-ila T. 44, 7. 63, 1. 111. 129. 135. 224, 1.
228, 1.; riff-ila (ſerra) monſ. 334. 335. wo bloß der pl.
riffilun, der vielleicht einem maſc. riffilo gehört?; ſceit-
ila (vertex) N. 67, 22.; ſcuƷƷ-ila (patera) T. 83. 158, 5.
monſ. 328.; ſnuob-ila (catenula) jun. 200.; ſihh-ila (falx)
T. 76.; ſpinn-ila (fuſus) doc.; ſuff-ila (ſorbitiuncula)
monſ. 327.; wint-ila (involucrum) doc. 224a. — agſ.
mëov-le (virgo); net-ele (urtica); — altn. emb-la (n. pr.);
frið-la (amalia); grâ-fyg-la (anſer f.); gimb-la (agna);
hek-la (cucullus); heng-la (animal effoetum); hnyt-la
(nodulus); hrîſ-la (virga); ig-la (ſcopelismus); ker-la
(anus); krek-la (frutex); myg-la (mucor); myſ-la (mus
f.) neg-la (obturamentum); reng-la (ramus); sig-la (ma-
lus navis) ſkerp-la (v. Biörn); ſteg-la (rota); ſŷſ-la (nego-
tium); — mhd. er-le; geiſ-el; neƷƷ-el; niſt-el; ſcheit-el
Wig. 870. Vrib. 697.; ſchüƷƷ-el; ſich-el; wind-el;
ſchwanken in die ſtarke form reißt ſchon frühe ein, vgl.
Kolocz 181. ſchüƷƷel: ſlüƷƷel. — nhd. er-le; geiſ-el;
neß-el; ſchüß-el; ſich-el, wind-el etc. ſcheit-el iſt maſc. —


ι) ſchwache neutra,
bloß im goth. barn-ilô (infans); ub-ilô (malum) —


2) adjectiva.


α) erſter declination
goth. leit-ils (parvus); mik-ils (magnus); ub-ils (malus) —
ahd. luz-il; mihh-il; up-il; chnuod-il (notus) ein-chnuod-il
(inſignis) jun. 210.; durih-il (pertuſus) monſ. 388. — agſ.
lyt-el; mic-el; yf-el; þyr-el. — altn. lît-ill; mik-ill;
îllr (nicht îll) für if-ill, iflr. — mhd. lütz-el; mich-el;
üb-el; dürh-el. Ich weiß nicht, ob man die altn. heim-
ill (jure acquiſitus) krypp-ill (claudus) für wahre adj.
anſehen darf? oder ob ſie nur ſubſtantiviſch als maſc.
gelten? Unſicher auch mhd. einz-el (ſingulus) ahd. einiz-il?


β) zweiter declination; keine, indem die ſ. 103. an-
geführten ahd. ed-ili, vrev-ili vielmehr aſſimilation aus
-ali ſind. Oder wäre, da ſonſt im ahd. bei vorſtehendem
ein- adj. zweiter decl. gelten, ein-chnuod-ili (inſignis)
anzunehmen?


3) verba.


α) erſter ſchw. conjugation, aus adj. auf -il gebildet:
goth. mik-iljan (magnificare); — ahd. mihh-iljan, vgl.
das part. mihh-elit N. 103, 24.; pi-chnuod-iljan (notum
facere?) vgl. becnuod-elen W. 5, 2.; — agſ. lyt-eljan,
mic-eljan, yf-eljan, þyr-eljan; — altn. folgt mik-la der
zweiten conj., praet. mik-ladi ſt. des vielleicht richtigern
[115]III. conſonantiſche ableitungen. L.
mik-ldi? — mhd. kein mich-eln, lütz-eln, üb-elen, doch
meine ich dürh-eln (perforare) geleſen zu haben; —
nhd. ver-uͤb-eln.


β) zweiter ſchw. conj. aus ſubst. auf -il entſpringend,
daher verlorne beweiſend:


gothiſche ſind nicht übrig; ahd. chiz-ilôn (titillare)
monſ. 409.; chlenk-ilôn (tinnire) doc. 205b; him-ilôn (la-
queare) monſ. 345. 360.; kruop-ilôn (ſcrutari) warum ſteht
grubilôn, nicht gruabilôn O. III. 7, 151. V. 25, 127. und
monſ. 351. grupilet f. grupilôt?; mûhh-ilôn (clam occi-
dere)? zu folgern aus mûhhil-ſuërt (ſica) u. mûhhilâri
(ſicarius); hals-neſt-ilôn (ſubnervare); prit-ilôn (frenare)
doc. 230a; purk-ilôn (in cuſtodiam recipere) monſ. 362.
wo giprug-ilôn (contutari) ohne sinn; quihh-ilôn (fovere)
zu ſchließen aus quihhilunga (fomes) monſ. 397.; quit-
ilôn (narrare) O. V. 9, 9; rid-ilôn (diſcriminare) monſ.
360.; riff-ilôn (ſerrare) monſ. 335.; rig-ilôn (claudere)
O. V. 2, 1. jun. 207.; rink-ilôn (circulatim torquere);
zi-ſceit-ilôn (diſcriminare) wirzeb. 977b; ſcrip-ilôn (ſcripti-
tare) blaſ. 7b; ir-ſcrud-ilôn (explorare) doc. 234a monſ.
392.; ſid-olôn (f. ſid-ilôn, conſidere) O. I. 25, 47.; hals-
ſlek-ilôn (colaphizare) monſ. 368. 396.; ſprëhh-ilôn (ma-
culare) doc. 236b; ſpur-ilôn (inveſtigare) O. V. 25, 145.
doc. 236b; ſuint-ilôn (aporiari) monſ. 336. 396.; vlig-ilôn
(adulari) doc. 211a. —


agſ. brid-ljan (frenare); byr-ljan (haurire); byt-ljan
(aedificare) u. a. m. —


altn. beyg-la (obliquare); bid-la (procari); byr-la
(miſcere); bæk-la (luxare); dep-la (nictare); ef-la (ro-
borare); er-la (continue laborare); hef-la (dolare); hrîng-
la (quati); mid-la (impertire) etc. —


mhd. geiſ-eln; keg-elen; rig-elen; ſcheit-eln; ſich-eln;
ſung-eln f. ſüng-eln? (ſtrepere) Parc. 3082.; ſid-elen;
wed-elen; würf-eln; züg-elen u. a. m.


nhd. viele, zumahl frequentativa, die ich im ahd.
und mhd. noch nicht aufgefunden habe: äug-eln; frömm-
eln; fröst-eln; gäng-eln; gruͤb-eln; heuch-eln; kränk-eln;
kräuſ-eln; kluͤg-eln; liſp-eln; läch-eln; meuch-eln;
næſ-eln; rieſ-eln; rütt-eln; ſchütt-eln; ſchmeich-eln;
ſchnitz-eln; ſpött-eln; ſtich-eln; ſtreich-eln; tänd-eln;
tröpf-eln; träuf-eln; aufwieg-eln; züng-eln u. a. m. Eine
noch größere zahl ſolcher verba auf -eln mit umlaut
des wurzelvocals iſt den volksmundarten eigen, ſ. St. 251.
252. Schm. §. 1067. So ausdrucksvoll für die begriffe
H 2
[116]III. conſonantiſche ableitungen. L.
der älmlichkeit, wiederhohlung und wenigkeit ſie un-
leugbar ſind; ſcheint doch ihr -l, wo es ſich auf kein
ſubſtantiviſches -el zurückführt, unorganiſches, der ältern
ſprache wenigſtens unbekanntes bildungsmittel *). —


[UL] Ulfilas zeigt kein -ul außer in mag-ula (und dem
fremden aípiſtula, diab-ulus, neben diab-aúlus), ſo daß
es alſo wenigſtens dem goth. organ nicht zuwider erſcheint
und das u in andern wörtern vor dem [l] kaum ſynco-
piert worden iſt. Ahd. ſchwanken ul und ol, auch ge-
hen beide in al und il über, zumahl um ſich dem fol-
genden flexionsvocal zu aſſimilieren; vielleicht entwickelt
ſich aber auch ul aus al gern nach weichen labialen, z. b.
nib-ul ſt. nib-al (altn. niſ-l, nicht nif-ul) ſuëb-ul ſt.
ſueb-al (goth. ſvib-ls). Das altn. -ul vermengt ſich ſpä-
terhin mit -al und noch häufiger ſteht das agſ. -ol für
-al. Die neuern ſprachen haben bloß -el.


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſculina,
ahd. ank-ul (hamus) ang-ol doc. ang-ul T. 93.; aph-ul
(malum) O. II. 6, 45. apf-ol monſ. 328. 345.; dëp-ul
(tapetum)? flor. 990b, ein unſicheres wort; hahh-ul (cu-
cullus) jun. 250. 257.; harz-ol (pix) monſ. 341. 342. doc.
218a 227b; capit-ul (titulus, inſcriptio)? monſ. 343. 348,
wo a für u ſteht?; këp-ul (frons, cranium) gëp-ol-ſceini
(calvaria) monſ. 329. vgl. lex bajuv. 3, 1.; linn-ol (alpha-
betum) monſ. 336. 341. 360.; liv-ol (libellus) monſ. 337.
O. I. 20, 45. V. 19, 72. 25, 190, 249.; mank-ul, mang-ol
(penuria) unbelegbar, aber aus dem verb. zu folgern;
nib-ul (nebula) folgt aus nibulniſſi, doch ſcheint nib-al
beßer; pſell-ol (pallium, byſſus) monſ. 333. 374.; ſat-ul
(ephippium) wirceb. 978a, doch monſ. 399. ſat-al, bei
der ähnlichkeit des ſchriftzuges für a und u keins von
beiden ſicher; ſnab-ul (roſtrum) jun. 191. monſ. 412.
O. I. 25, 55.; ſtaf-ol (baſis) doc. 236b; ſtif-ul (ocrea) das
ich nur aus dem verbo ſtif-ulen folgere; ſuëb-ul (ſul-
phur) J. 3, 5.; tit-ul (titulus)? J. 373. tit-ulo (titulum)
f. tit-ulu nach dritter decl.?; tiuv-ol (diabolus) doc. 239a;
vill-ol (filiolus, taufpathe) beichtformel und doc. 240b. —


[117]III. conſonantiſche ableitungen. L.

agſ. ang-ol; ap-ul? aus apulder (malus) zu ſchließen,
ſonſt ſteht ap-el; capit-ul, capit-ol; crad-ol (cunae); gaf-ul,
gaf-ol (vectigal); gic-ul, gic-el (ſtiria); ſad-ul (eph.);
ſag-ol (fuſtis); ſtap-ul (fulcrum); ſtað-ul, ſtað-ol (baſis). —


altn. bögg-ull (faſciculus); deig-ull (ſitula fuſoria);
dig-ull (catinus); diöf-ull (diabolus); dîng-ull (ſtiria);
dröſ-ull (equus); heig-ull (herba quaedam); hök-ull (tho-
rax); hörg-ull (extremitas); jök-ull (ſtiria); mönd-ull (axis
rotae); mött-uli (pallium); öck-ull (talus); röd-ull (ſol)
beßer wohl raud-ull; ſöd-ull (eph.); ſkög-ull (prominentia);
ſkök-ull (temo); ſtöð-ull (ſtabulum); ſtöck-ull (balaena);
ſtöp-ull (columna); ſtuð-ull (columna); ſvirg-ull (redimicu-
lum capitis); tig-ull (argilla lapidea); þin-ull (expanditor);
þöng-ull (fucus); virg-ull (laqueus); vönd-ull (manipulus). —


mhd. ang-el; apf-el; gëb-el MS. 2, 2b Geo. 43a;
krang-el (labor, moleſtia) mehrm. im Reinfr.; mang-el;
pfëll-el; ſat-el; ſnab-el; tiuv-el. —


nhd. [ang-el iſt weiblich] apf-el; gîb-el; mang-el;
ſatt-el; ſchuâb-el; teuf-el.


β) ſtarke feminina,
wenige wörter, mit ſicherheit nur ahd. rëg-ula (canon)
monſ. 358. O. I. 1, 70., mhd. rëg-ele? doch reimt im
Tit. rëgel: ſëgel; vielleicht noch einige thier- und pflan-
zennamen, deren ſtarke decl. ich nicht beweiſen kann, die
ich aber auch oben bei der al-form hierher genommen
habe: waht-ula (coturnix) monſ. 412.; chërv-ola (cere-
folium) wirceb. 980b; quën-ula (ſatureja) monſ. 414.;
ſuërt-ula (gladiolus) ibid. — altn. ſkög-ul (nympha bellica).


γ) ſtarke neutra; die altn. mög-l (murmur) ſnör-l
(ronchus) ſetzen ein volleres mög-ul, ſnör-ul voraus. —
neutr. auf -ul oder -uli? ſcheint auch das ſchon ſ. 112.
bemerkte mitt-uli (liciatorium) jun. 212. —


δ) ſchwache maſc.; das goth. aípiſt-ula; mag-ula
(puer) dem ein altn. mög-li entſprechen würde, es gibt
aber einige andere altn. hierher gehörige formen, die
eigennamen fiöt-li und ſör-li (ahd. fëƷ-ulo, ſar-ulo?)
außerdem kapit-uli (curia). Ahd. ſit-ulo (titulus) pl. tit-
ulon? vgl. monſ. 376. 378. wo tit-alun.


ε) ſchwache feminina: ahd. chug-ula (cucullus) hrab.
963a; ſcind-ula (aſſis) flor. 983b; ſport-ula (fiſcella) lind.
995a; ſtacch-ula (cuſpis) zwetl. 118b; hant-tab-ula (pu-
gillaris) doc. 217b; torc-ula (prelum) monſ. 383. wo der
dat. torc-alûn; vid-ula (barbyton) O. V. 23, 395.; —
Altn. fid-la; mhd. vid-ele; gug-ele (cucullus); tâv-el
[118]III. conſonantiſche ableitungen. L.
oder tav-ele? Vielleicht die agſ. hac-ele (chlamys, man-
tile) und þac-ele (lucerna)? oder häc-ele, þäc-ele? —


2) adjectiva:
ahd. keine und wenn es ihrer gab, in die al-form über-
gegangen; umgedreht viele agſ. und altn. aus der al- in
die ul-, ol-form. agſ. ac-ol (pavidus, conſternatus) Cädm.
43, 11. 75, 3. 77, 22. 90, 16; ât-ol (turpis, deformis);
bëog-ol (conſentiens); cvëð-ol (dicax); frët-ol (edax);
flug-ol (fugax); deág-ol (occultus); gam-ol (ſenex), and-
git-ol (intelligens); for-git-ol (oblivioſus); hat-ol (odioſus);
hnit-ol (petulcus); mëag-ol (fortis, ſtrenuus); nëov-ol
(pronus, praeceps); ſcëarp-num-ol, tëart-num-ol (acri-
ter prehendens); ſag-ol (dicax); ſcrið-ol (vagus); ſlâp-ol
(ſomnolentus); bäc-ſlit-ol (detractor); ſprëc-ol (linguoſus);
ſvëot-ol (manifeſtus); þicc-ol (corpulentus); þonc-ol (pro-
vidus); þynn-ol (macilentus); vanc-ol (vacillans); vað-ol
(vagabundus). —


altn. brigd-ull (mobilis); fâ-för-ull (infrequens); göng-ull
(ambulans); giöf-ull (largus); ið-ull (continuus); hvërf-ull
(tranſitorius); hvîk-ull (vagus); röſ-ull (ſternax); ſög-ull
(dicax); ſpur-ull (curioſus); ſviþ-ull (fugax); ſvör-ull
(obloquens); ſtop-ull (inconſtans); þög-ull (taciturnus) —


3) verba, wenige zu beſtimmen, da im ahd. aſſimila-
tion die al- und ul-formen vermengt. Verba erſter conj.
wohl nur von ſubſtantivis geleitet: nib-ulen (caligare)
jun. 197. ar-ſtif-ulen (farcire) hrab. 963b f. nib-uljan, ar-
ſtif-uljan; das nhd. ſchnæb-eln weiſt auf ein ahd. ſnab-
ul-en, ſnab-ul-jan zurück, nicht etwa auf ſnabilôn. —
Zweiter conj. gleichfalls aus ſubst. capit-olôn (inſcribere)
monſ. 348.; mang-olôn (deficere) O. epil. 11.; mhd. nhd.
mang-eln; ebenſo ang-eln, vid-elen, fid-eln. Altn. hönd-
la (tractare); mög-la (murmurare); ſöd-la (equum ſter-
nere); tög-la (maſtigare). Die verderbte gl. jun. 253. ſe
achulot torpit iſt etwa zu beßern: ſih achulôt (torpet)?
und ach-ulôn ſtammte aus ahd. adj. ahh-ul, dem agſ.
ac-ol parallel?


Anmerkungen zu den L- ableitungen:

a) das ableitende l verleugnet ſich ſelten; da es in wur-
zelhafter, ablautsfähiger conſonanzverbindung nie auslau-
tet, kann es nur einfach, hinter langem vocal ſtehend,
bisweilen ſchein der wurzel gewinnen. Alsdann iſt
eine ſpirans vor ihm unterdrückt. Dahin das altn. ſôl,
[119]III. conſonantiſche ableitungen. L.
ahd. ſêla d. i. ſô-l, ſê-la, goth. ſau-ïl, ſáiv-ala; ferner ahd.
plûil, nhd. bläul, bläuel; ahd. nuol, nuoil f. plûw-il,
nuoh-il; mhd. ſtrôl, ſtrôel Vrib. 5454. f. ſtrouw-el; mhd.
knielen, Eracl. 3403. mnl. knielen (genuflectere) Maerl.
1,462. 2,248 f. kniew-elen, engl. kneel. Mnd. nâlen
(appropinquare) Zeno 837. 1099. könnte aus nâh-elen,
oder aus nâ-liken (ahd. nâh-lîhhôn, nâ-lîhhôn T.) altn.
nâlgaz, ſchwed. nalkas erklärt werden, vgl. cap. III.
die comp. mit -leik. —


b) einigemahl, nach verſchiedenheit der mundart, fehlt
die ableitung, ohne daß anſcheinend die bedeutung ſehr
verändert wäre; vgl. altn. fem. grind (clathrum) mit
grind-il; agſ. fem. ſtudu (postis) mit ſtod-al; mhd. ſiz (ſe-
des) mit ſit-ls, ſëƷƷ-el. —


c) wechſel mit andern ableitungsconſonanten. Nur zu-
weilen mit r. Statt des ahd. ſuanh-al (exilis) tunh-al
(obſcurus) ſtehet agſ. ſvanc-or (gracilis) altſ. dunk-ar, mnl.
donk-er, umgekehrt vergleicht ſich das ahd. kank-ar (am-
bulans) kank-ar-arî (peregrinus) dem altn. göng-ull,
gâng-l-eri. Neben ahd. er-ila (alnus) blaſ. 52a mit zu-
gleich getauſchtem wurzelconſ. el-ira monſ. 414., wie
noch nhd. erle und eller beide gelten, Für das ahd.
mart-olôn, mhd. mart-eln ſagen wir heute mart-ern,
aber ſchon mhd. gebrauchten einige mart-elære, andere
marter-ære. So wechſeln mhd. had-el, had-er; pfell-el,
pfell-er; was O. I. 4, 39. zinſ-er (thuribulum, aus mit-
tellat. incenſorium) nennt, heißt gl. jun. 295. zinſ-el;
mhd. tent-erîe, dörp-erîe lautet nhd. tänd-elei, tölp-elei.
Die bedeutung, zumahl in den fremden wörtern, bleibt
die nämliche und die abweichung iſt bloßes kennzeichen
der mundart. Wo aber in einer mundart l und r an
denſelben wurzeln vorkommen, wird ein unterſchied der
bedeutung fühlbar ſein; das nhd. wand-eln (ambulare)
fâſ-eln (ſoboleſcere) läch-eln (paulum ridere) iſt etwas an-
ders als wand-ern (peregrinari) faſ-ern (filatim diſtrahi)
läch-ern (ad riſum moveri). Und was die neuere ſprache
vermiſcht, z. b. feß-el (catena und faſcia) ſchied die äl-
tere: ahd. veƷ-il (balteus) agſ. fet-el, altn. fet-ill, aber
ahd. vëƷ-ar, vëƷ-ur (compages) altn. ſiöt-ur, agſ. fët-or,
vgl. altn. fat-la (impedire) fiöt-ra (vincire) *). In ſolchen
fällen ſind daher beide conſonanten eigentlich unverwech-
[120]III. conſonantiſche ableitungen. L.
ſelbar und l das ſanftere, r das härtere verhältnis aus-
drückend. — Zwiſchen l und n faſt gar kein tauſch, obgleich
einige lat. wörter gerade -in, n ſtatt des deutſchen -il
haben, z. b. aſinus, catinus, cuminum, alnus, magnus:
eſil, cheƷƷil, chumil, erila, mihhil. Mit eſil ſtimmen aber
auch das ſlav. oſel, litth. aſilas und es iſt an keine ent-
lehnung aus dem latein zu denken, eher bei den andern
angef. ſubſt. Merkw. altn. aſni, dän. aſen. vgl. unten beim n.


d) wie weit dem l ein begriff der diminution inliege
unterſucht cap. VIII., offenbar iſt nicht l an ſich, ſon-
dern erſt in verbindung mit i verkleinernd; al und ul
ſind es keineswegs, ſelbst il iſt es nicht immer. Daß die
vocale a, i, u für die bedeutung des folgenden l wich-
tigkeit haben, lehrt meine darſtellung, denn nie könnte
für mihhil mihhal ſtehen, noch für vogal vogil. Wer
wollte in den alten völkernamen vand-ali, vin-ili, her-uli
die ableitungsvocale wechſeln? upali gl. monſ. 349. ſcheint
mir verwer flicher ſchreibf. für upili und das merkwür-
dige goth. adv. leit-l (paululum) Marc. 1, 19. f. leit-il
bedarf wohl näherer beſtätigung. Unleugbar ſind die
al- und ul- formen weniger geſchieden, als die al- und
il- formen. Ja es mögen einzelne al und il ſchwanken,
vielleicht dialectiſch, z. b. ſcamal, ſcemil (ſcabellum);
am leichteſten in unumlautbarer wurzel. Den umlaut
in ſpäteren mundarten muß man nur vorſichtig beurthei-
len, er kann oft einen doppelten grund haben, z. b. das
nhd. verübeln umlauten wegen des i in ubil oder in -jan
(ubiljan). Ein umlautendes verbum erſter conj. gehört
darum doch der al-form an, z. b. vermæhlen.


e) bei ſo nöthiger vorſicht und ehe erſt alle beiſpiele
der drei formen nach den älteſten denkmählern ſicher
ermittelt ſind, ſcheint es mir kühn, über ihre bedeutung
zu entſcheiden. Bemerkenswerth iſt folgender gegenſatz
der il- zu der al-, ul-form: es gibt viel ſubſt. auf il,
wenig adj., verba erſter conj. ſtammen von adj., verba
zweiter conj. von ſubſt. Die al-, ul- form hingegen
zählt viel adj. und leitet verba erſter von ſubſt., verba
zweiter conj. von adj. und ſubſt. her. Im ganzen ge-
nommen mag al, ul etwas ruhigeres, il etwas regeres
ausdrücken, daher beſchreibende thier- und pflanzenna-
men in -al, thätige menſchen und werkzeuge in -il; der
wartal, goumal, wahtal (der ſtille wächter) ſtehen dem
unruhigen gengil, pitil, tregil, putil gegenüber. Man
muß es nur nicht zu genau damit nehmen. Hinter aus-
nahmen ihre regeln zu verſtecken liebt die ſprache.


[121]III. conſonantiſche ableitungen. R.

f) einigemahl auch ſcheint der vocal bereits von dem
worte, dem die ableitung zutritt, abzuhängen, es heißt
magula, mavilô, höndla weil es ſchon magus, mavi,
hönd hieß. Allein dies verhältnis erklärt doch die aller-
wenigſten al, il, ul; barnilô z. b. kann ſein i gar nicht
aus dem einfachen barn haben.


g) der ul- form fallen viele fremde (undeutſche) wör-
ter zu.


ableitungen mit R.

[AR] beinahe, doch nicht völlig lautet die regel wie
vorhin ſ. 98. beim al; im goth. tritt der vocal meiſtens
zurück, außer in wörtern, deren nom. ſg. das -s ent-
behrt; im ahd. verhält ſich -ar gerade wie -al; das agſ.
-el ſwankt in -ol; das altn. -ar ſcheint ungefähr be-
ſchränkt wie -al und nur in einigen, zum theil gerade
jenen wörtern verblieben, die auch im goth. -ar, nicht
-rs haben.


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina,
goth. ak-rs (ager); figg-rs (digitus); lig-rs (lectus);
tag-rs (lacrima); vôk-rs (fructus); ſodann mit -ar und
nicht -rs: kaíſ-ar (caeſar); brôþ-ar (ſrater) *). —


ahd. ahh-ar (ager); ank-ar (arvum); chohh-ar (pha-
retra) jun. 174.; don-ar (tonitru) jun. 254.; ët-ar (ſepi-
mentum); eiv-ar (zelus) folgere ich nur aus dem adj.
eiv-ari; ëp-ar (aper); ham-ar (malleus) hlaht-ar (riſus);
hliod-ar (ſonitus, revelatio) hrab. 970a monſ. 405. T. 145;
hov-ar (gibbus); jâm-ar (dolor) O. I. 20, 24.; keiſ-ar
T. 5, 11.; leiht-ar, lêht-ar (ſecundinae); meiſt-ar; maſ-ar
(tuber in ligno) monſ. 412.; nëhh-ar (nicrus, n. fl.);
pip-ar (fiber) monſ. 414.; pſalt-ar O. I. 5, 19.; pruod-ar
(frater); quërd-ar (eſca) monſ. 394.; ſah-ar (carex) flor.;
ſint-ar (ſcoria) monſ. 332.; ſum-ar (aeſtas); tën-ar (vola
manus); vat-ar (pater); vink-ar (digitus); wid-ar (aries)
monſ. 383. 400.; wuohh-ar (fructus); zah-ar (lacrima);
einige nachher bei den neutris angeführte vielleicht hier-
[122]III. conſonantiſche ableitungen. R.
ber gehörig, andere im geſchlecht ſchwankend, wie z. b.
jâm-ar *). —


agſ. äc-er (ager); bëof-er (fiber); ëd-er (ſeptum);
ëof-er (aper); fäd-er (pater); fing-er (digitus); häſ-er
(caper); hof-er (gibbus); hreð-er (animus); nic-er (mon-
ſtrum fluviatile); ſtäg-er (gradus); ſum-er (aeſtas); täh-er
(lacr.); þun-er (tonitru); vël-er (labium); veð-er (ver-
vex); die übrigen ziehen die or-form vor, die auch viele
der aufgeführten annehmen, z. b. ëd-or, ëof-or etc. Doch
kein ac-or, haf-or, fing-or findet ſich (wichtig für den
weſentlichen unterſchied des ar und ur). —


altn. ak-r; ald-r (actas); bald-r (n. pr.); blômſt-r
(flos); ſing-r; gald-r (incantatio); haſ-r (caper); heid-r
(honor); hlât-r (riſus); lëg-r (caſtra); ot-r (lutra); rëkſt-r
(propulſio); ſig-r (victoria); vëð-r (vervex); a behalten:
ham-ar (malleus) kop-ar (aes) naf-ar (terebra) pip-ar
(piper). Die es wegwerfen, ſind freilich im nom. ſg. von
andern maſc. mit bloßem -r (urſprüngl. -ſ) der flexion
z. b. dag-r, arm-r ſchwer zu ſcheiden; aber akrr, aldrr
wird doch niemand ſchreiben wollen und fehlerhast
ſchreiben einige akur, aldur, da die alte form akar, aldar
war. Statt fad-ir (pater) brôð-ir (frater) ſollte lieber
geſchrieben werden fad-r, brôð-r vgl. 1, 663. —


mhd. ack-er; ang-er; bruod-er; don-er; ëb-er; ët-
er; gat-er (clathrum); had-er (linteum ſciſſum) Parc.
3314; ham-er; jâm-er; keiſ-er; kërd-er (eſca) Mar. 9,
wo ich chërder f. chorder leſe, Barl. 79. MS. 2, 119b;
klëb-er (viſcus) troj. 9720; koch-er Nib. 3838; kult-er
(culcitra) Nib. 7333; kumb-er (dolor); ſum-er; tën-er;
vat-er; ving-er; wuoch-er; zah-er; zuck-er. —


nhd. ack-er; ang-er; bech-er; brûd-er; donn-er;
eif-er; eit-er; êb-er; fehl-er; fing-er; geif-er (ſaliva);
hâd-er (ſciſſio panni und jurgium); hamm-er; jamm-er;
kaiſ-er; kât-er (ſelis m.); mard-er (martes); kœd-er;
kumm-er; mâſ-er; ſchlumm-er; ſomm-er; ſplitt-er;
vât-er; widd-er; wuch-er; zaub-er. —


engl. broth-er; fath-er; fing-er; laught-er; ſlumb-
er; ſlaught-er (mactatio); ſumm-er; ſtai-r (gradus);
tea-r; thund-er. —


[123]III. conſonantiſche ableitungen. R.

β) ſtarke feminina auf -ara und ar:
goth. nur hleiþ-ra (taberna) — und auf -ar: daúht-ar;
ſvist-ar — ahd. âd-ara (vena) N. 77, 44; cham-ara (ca-
mera) O. II. 9, 5.; vëd-ara (penna) N. 53, 7.; fluob-ara
(ſolatium) T. 7, 4. 23, 1; mânôd-pluot-ara (menſtrua)
jun. 213; ſcult-ara (ſcapula); — und auf -ar: hleit-ar
(ſcala) K. 26b gen. hleit-râ ibid.; muot-ar; ſuig-ar (ſo-
crus); ſuëſt-ar; toht-ar; vielleicht ott-ar (lutra) monſ. 414.
Das verhältnis dieſer -ara und -ar bedarf noch aufhel-
lung; ſollten ſich im goth. -ra und -ar dem maſc. -rs
und -ar vergleichen? Das -a wäre denn auch im ahd.
hleit-ar weggefallen?*).


agſ. cëaſt-er (urbs); ſëð-er (penna); ſrôf-er (ſolatium)
auch mit -or frôf-or; ſculd-er. — altn. ſiöð-ur, welches
nicht ur-form, ſondern gewöhnl. aſſimilation des nom.
ſg. fem. ſcheint, ſtatt: fiöð-ur-u = fiað-ar-a. Gleiches
gilt von æð-ur (vena), vielleicht beßer öð-ur? îſt-r
(adeps) geht auch ſchwach îſtr-a. —


mhd. âd-er Triſt. 109b 110a; vëd-ere; leit-er; kam-
ere; welche ſämtlich ſtark declinieren, womit ich 1,684
berichtige. Die anomalen muot-er etc. verſtehen ſich
von ſelbſt. —


γ) ſtarke neutra:
goth. áib-r (munus); aviſt-r (ovile, nicht áiviſtr); blôſt-r
(ſacrificium) aus dem maſc. blôſt-reis gefolgert; gilſt-r
(tributum); maúrþ-r (homicidium); ſpáiſkuld-r (ſputum);
ſilub-r (argentum). —


ahd. alt-ar (aetas); chort-ar (grex) chupf-ar; dëm-ar
(crepuſculum) Schilt. 215b; eit-ar (venenum); jâm-ar
O. IV. 32, 12; kalſt-ar (faſcinum); këlſt-ar (oblatio)
J. 395.; laſt-ar (crimen); lëk-ar (cubile); lëd-ar (corium);
lot-ar (vanitas); malt-ar (menſura frumentaria); oph-ar
(ſacrificium); polſt-ar (cervical) K. 52a monſ. 321.; phlaſt-
ar; ruod-ar (remus); ſilup-ar (arg.); vëƷ-ar (catena) viel-
leicht vëƷ-ur?; viu-r (ignis, f. viuw-ar?); vlud-ar (rates)?
jun. 224; vuod-ar (onus); vuot-ar (pabulum); wab-ar
(vagatio) nur im comp. wabar-ſiuni zu belegen; waƷ-ar
(aqua); wët-ar (tempeſtas); wunt-ar (miraculum); wold-
ar (gloria) nur in comp. erhalten; zank-ar (? monſ. 410.
pitres zaugares, mordacitatis, vielleicht auch maſc.); zëp-
ar (ſacrificium) hrab. 965b; zimp-ar (materies); zoup-ar
(veneficium) zouſ-er N. 57, 6. —


[124]III. conſonantiſche ableitungen. R.

agſ. nur folgende ziehen -er vor, die andern ſind
bei -or aufzuſuchen: bolſt-er (cervical); corð-er (cohors);
fôd-er (pabulum); fôſt-er (nutritio); fŷ-r (ignis); gëolſt-
er (virus); hät-er (veſtitus); hëolſt-er (latebrae); läf-er
(ſcirpus); lëg-er (lectus, decubitus); tib-er (hoſtia); timb-
er (lignum); ud-er (uber pecudum); vëd-er (aër); vät-er
(aqua); väf-er auch nur in comp. väfer-gang, väfer-ſŷne;
vuld-er (gloria). —


altn. âng-r (angor); bolſt-r; eit-r (pus); fôſt-r (nu-
tricatus); gamb-r (blateratio); lëð-r (corium); ſlât-r
(carnes mactatae); ſilf-r; tâ-r (lacrima); timb-r; vëd-r
(aër); — auf -ar nur allein ſum-ar (aeſtas). —


mhd. alt-er; eit-er; îſ-er (ferrum) nur bei Wolfr.
u. a.; opf-er; kord-er; kopf-er, kupf-er; kult-er MS.
2, 195a; kund-er (prodigium); laſt-er; lëd-er; lëg-er;
luod-er (eſca, luxuria); muod-er (mamillare); ruod-er;
ſilb-er; vlat-er? kol. 134; vuod-er; vuot-er; waƷƷ-er;
wët-er; wund-er; zimb-er; zoub-er. —


nhd. alt-er; eut-er; feu-er; fûd-er; futt-er; kupf-er;
lâg-er; laſt-er; lêd-er; lûd-er; malt-er; mied-er; polſt-er;
rûd-er; ſilb-er; waß-er; wett-er; wund-er; zimm-er. —


engl. bolſt-er; fodd-er; foſt-er; lay-er; timb-er;
udd-er; wat-er; weath-er. —


δ) ſtarke maſc. auf -aru.
goth. huh-rus (fames); vint-rus (hiems) welche ahd.
hunk-aru, wint-aru lauten ſollten, aber mit weggeworf-
nem -u hunk-ar, wint-ar, folglich den einfachen auf -ar
gleichlauten. Eine nachwirkung glaube ich doch zu ſpü-
ren. Wenn ſich nämlich im goth. ſum-rs (aeſtas, das
wort kommt nicht vor und wird bloß vermuthet) und
vint-rus unparallel ſtehen, ſo ſcheint auch ahd. das a in
ſum-ar haftender als in wint-ar, nämlich bei zutretender
flexion zu gelten ſum-ares (aeſtatis) und wint-res? vgl.
hild. 43. „ſumarô enti wintrô“ (goth. ſumrê jah vin-
trivê?) welches wohl nicht bloß metriſch ſo geſetzt iſt,
da das umgekehrte: wintarô enti ſumro unzuläßig wäre?
auch bei K. 51b finde ich: in wintre neben in ſumere
(ſumare) und 31b 44a ſumares (freilich auch 31b wintares,
nicht wintres). Ferner heißt es im altn. gerade ſum-ar
(aeſtas) neben vët-r (hiems); hûng-r iſt neutral; agſ.
vint-er, nie vint-or, wie ſum-or. Aus dem mhd. hung-er,
wint-er etc. läßt ſich nichts mehr ſchließen oder ſollte
dun-re, don-re Triſt. 6794. Barl. 207, 14. 251, 16; hol-re
(fiſtula) Bit. 8661. noch ein früheres ahd. dun-aru (goth.
[125]III. conſonantiſche ableitungen. R.
þun-rus? Ulf. gebraucht þeihvô) hol-aru verrathen?
vgl. hernach ven-re. Nähere bekanntſchaft mit dem
goth. würde ausweiſen, ob nicht noch andere der im
ahd. -ar und altn. -r zuſ. fallenden wörter gothiſch -rus
und nicht -rs haben? Unſer blick iſt hier ſo beſchränkt,
wie er es auf bloß nhd. ſtandpunct ſein würde, wenn
entſchieden werden ſollte, ob lêſ-er (lector) ahd. lëſ-ar
oder lëſ-arî lautete. —


ε) ſtarke maſculina auf -arî; eine fruchtbare ablei-
tung, aber mehrere ſchwierigkeiten darbietend.


goth. ſind zwei arten zu unterſcheiden. Eine, wo
dem ſchon vorhandnen -r (=ar) die vocaliſche ablei-
tung -ei zutritt; ich finde hierher gehörig nur blôſt-reis
(cultor), das ſich genau verhält, wie bei den l- und
n-ableitungen maþ-leis, aſ-neis. Die zweite art, wo das
-ar (nicht -r) mit dem -ei neuhinzutritt: bôk-areis (li-
brarius); dáimôn-areis (δαιμονιζόμενος, δαιμονισθείς)*);
láiſ-areis (doctor); liuþ-areis (cantor); môt-areis (telo-
narius); vagg-areis (cervical); vull-areis (fullo).


ahd. findet die erſte goth. art gar nicht ſtatt, ſondern
es wird dem ſchon vorhaudnen -ar noch ein vollſtändi-
ges arî oder -ârî angefügt, es heißt nicht pluoſt-ari,
ſondern pluoſt-ar-arî, pluoſt-r-ârî monſ. 405; kalſt-r-ârî
(incantator) jun. 210. monſ. 405; zoup-ar-ari (veneficus)
jun. 214; fluob-ar-erî, fluob-r-erî (conſolator) T. 164, 2.
165, 4. **); dieſes ahd. ar-arî ſteht dem al-arî, an-arî
z. b. in vok-al-arî (auceps) aſ-an-arî (mercenarius) ganz
gerecht und es bleibt dahingeſtellt, ob der Gothe fug-leis
(wie maþ-leis und aſ-neis) oder etwa fug-lareis geſagt
haben wird? Das auslautende î ſcheint fruhe ſchon in i
verkürzt. Die regel für die verlängerung -âri oder die
beibehaltung des dem goth. -areis gemäßen -ari läßt
ſich nach den verſchiednen ahd. mundarten nicht ein-
ſtimmig geben. lm T. entſcheidet der umlaut -eri für
den kurzen vocal, gleichviel ob kurze oder lange wur-
zelſilbe vorausgehe: alt-eri (altare) 147; aſ-n-eri (merce-
narius) 97; bët-eri (adorator) 87; bi-bot-eri (praeceptor)
111; buoch-eri (ſcriba) 183, 1. 205, 3; carc-eri (carcer)
163, 3; bi-gang-eri (cultor) 102, aſſim. bigengiri 132;
[126]III. conſonantiſche ableitungen. R.
gart-eri (hortulanus) 221, 4; bi-halt-eri (cuſtos) 215, 4;
hunt-eri (centurio) 210, 1; in-lîh-eri (foenerator) 138;
lîhh-ez-eri (hypocrita) 84, 146; muniz-eri (monetarius)
149; ſol-eri (coenaculum) 157, 4; ſcrîb-eri (ſcriba) 141;
ſpent-eri (diſpenſator) 146; ſcâh-eri (latro) 133; fenning-
want-el-eri (numularius) 117. Wenn folglich in andern,
quantitativ gleichen wörtern kein umlaut gebraucht iſt,
ſo wird man ihnen doch a und kein â zuerkennen:
arn-ari (meſſor) 72, 6. 76; bët-al-ari (mendicus) 107. 132;
carc-ari (carcer) 21, 2; coſt-ari (tentator) 15, 3; cêſ-al-
ari (fullo) 91; fiſc-ari (piſcator); lêr-ari (doctor) 12, 4.
128; nôt-numft-ari (raptor) 118; teil-ari (judex) 105;
touf-ari (baptizator) 64, 7; trumb-ari (tibicen) 60, 12;
wart-ari (ſpeculator) 79; wiz-in-ari (tortor) 99. — Bei
O. lehrt das metrum, daß in dreîſilbigen wörtern dieſer
form, wenn die erſte ſilbe lang und in vierſilbigen, wenn
ſie kurz iſt, nur -âri, kein -ari gelte: alt-âri I. 4, 43.
II. 9, 93; bët-al-âri (mendicus) III. 20, 61. 21, 11;
brëd-ig-âri (praedicator) V. 12, 166; buach-âri (ſcriba)
I. 17, 65. II. 3, 87; ſâr-âri (tentator) II. 4, 9. IV. 16, 27;
fiſg-âri (piſcator) V. 13, 68; gart-âri V. 7, 92; heil-âri
(ſalvator) II. 14, 242; kark-âri IV. 13, 47. V. 20, 153, 176;
lug-in-âri (mendax) IV. 7, 20; mun-iz-âri II. 11, 15;
ſcâch-âri (latro) IV. 27, 6; ſek-il-âri (ſaccularius) IV.
2, 58. 12, 94; ſpent-âri V. 8, 72; wî-âri (piſcina) III.
4, 6; zuht-âri (praeceptor) Sal. 56. Dreiſilbige mit erſter
kurzer ſilbe und vierſilbige mit erſter langer ſcheinen
dagegen -ari zu behalten: ſol-ari (coenaculum) IV. 9, 20.
21, 2; ſcrib-ari (nicht ſcrîb-) I. 20, 46; mëz-al-ari (la-
nio) II. 11, 14, 51; koſt-inz-eri (conſtantienſis) Sal. 4.
wofür auch der umlaut *) in letzterm ſpricht. — N. ent-
ſcheidet durch ſeine ſchreibung -âre für langen vocal,
ohne rückſicht auf die vorhergehenden ſilben; beiſpiele:
aht-âre (perſequutor) 19, 2. 30, 16; ambaht-âre (mini-
ſter) 102, 21. 103, 4; chund-âre (angelus) 32, 14; fâr-âre
(ſeductor) 55, 9; frum-âre (miniſter) 77, 49; halt-âre
(ſervator) 49, 24; hëlf-âre (adjutor) 18, 15; jëh-âre
(teſtis) 26, 12; laſt-er-âre (calumniator) 38, 2; loſ-âre
(auditor) 45, 5. 103, 4; lôſ-âre (redemtor) 18, 15; un-
liumend-âre (calumniator) 71, 4; pe-neimed-âre (teſtator)
[127]III. conſonantiſche ableitungen. R.
82, 6; aba-nëm-âre (ſuſceptor) 13, 3; prëdi-âre 65, 15;
priev-âre (ſcriba) 68, 3; reiƷ-âre (provocator) 67, 8;
ſcâp-âre (vellus) 71, 6; ſcuol-âre 33, 4; ſel-ed-âre (in-
quilinus) 60, 5; ſund-âre (peccator) 31, 9; uob-âre (cul-
tor) 68, 8; miſſe-wend-âre (obtrectator) 38, 2 u. a. m.
Unrichtig ſteht zuweilen e geſchrieben: arn-era (meſſo-
res) 88, 36. ſprang-ere (ſaliens) 38, 8; inphang-ere
(ſuſceptor) 53, 6. 58, 10, 17; etc. — In ältern denk-
mählern, wo uns genaue ſchreibung, umlant und me-
trum im ſtiche laßen, wage ich nicht über -arî, ari,
ârî, âri zu entſcheiden und begnüge mich mit anfuhrung
der wörter: art-ari (cultor) jun. 198; ell-an-ari (aemu-
lator) doc.; in-kang-ari (invaſor) hrab. 965a; gang-ar-ari
(peregrinus) K. 50b; germ-in-ari (incantator) doc.;
haſ-in-ari (ſtrator) doc.; hav-an-ari (ſigulus); heil-iſ-ari
(haruſpex); her-j-ari (graſſator) hrab. 965a; miſſa-huarp-
ari (everſor) 972a; jag-ari (venator) hrab. 951b; irr-ari
(haereticus) 962a 966a; lad-ant-ari (fullo) monſ. 333;
int-lêh-an-ari (foenerator) monſ. 349; leid-iz-ari (oſor)
monſ. 369; liſt-ari (artifex) K. 53b; hlioƷ-ari (ſortilegus)
jun. 251; lupp-ari (veneficus) hrab. 976a; mëld-ari (pro-
ditor) 959b; mëƷƷ-ari (menſor) monſ. 345; mûr-ari
(caementarius) doc.; mûſ-ari (larus); olpent-ari (drome-
darius) doc.; pâk-ari (altercator) hrab. 952a; ana-pët-ari
(adorator) hrab. 953a; pët-al-ari (mendicus) 960b; pilid-
ari (aemulator) doc.; pint-ari (ſtrator) monſ. 328; priev-
ari (librarius) doc.; rât-iſſ-ari (conjector) monſ. 325;
rëhh-ari (aemulator) monſ. 345; rûn-ari (ſuſurro) hrab.
975a; rûn-az-ari (idem) jun. 227; ſang-ari (cantor)
K. 30b; ſalp-ari (pigmentarius); ſacc-ari (rogus) jun. 191.
monſ. 339. 384; ſat-al-ari (ephippiarius); troum-ſceid-ari
(interpres ſomnii); ſcunt-ari (aſſentator) doc.; ſez-ari
(conditor) doc.; ſliht-ari (blanditor) hrab. 954b; ſloph-
ez-ari (circumcellio) doc.; ſpan-ari (ſuaſor) 974b; ſpîh-ari
(horreum); ſpih-ari (explorator) jun. 203; ſtam-al-ari
(balbus); ſtiur-ari (recuperator) monſ. 355; ſtuot-ari
(mulio) monſ. 384. 400. jun. 383; ſuon-ari (praeſul)
jun. 244. monſ. 379; ſuohh-ari (quaeſtor) hrab. 973a;
ſuëg-al-ari (tibicen) jun. 253; ſueig-ari (bubulcus) doc.;
ſuihh-ari (gyrovagus) K. 20a; trumb-ari (tibicen) jun. 253;
tûm-ari (hiſtrio) jun. 228. 315; vir-in-ari (ſceleſtus)
K. 29b jun. 246; vlêh-ari (adulator) jun. 186. monſ. 410;
vog-al-ari jun. 187. hrab. 951b; vuok-ari (ordinator)
doc.; waht-ari (vigil) monſ. 342; wart-ari (idem) doc.
219a; wak-an-ari (rhedarius); wëhh-ari (hebdomadarius)
[128]III. conſonantiſche ableitungen. R.
K. 43a; wërr-ari (ſchismaticus) monſ. 375; wemm-ari
(corruptor) hrab. 958a; wurz-ari (herbarius) 976a; zëh-
an-ink-ari (decanus) K. 56b 59a; zoll-an-ari (telonarius)
jun. 246. und eine menge ähnlicher vgl. gl. blaſ. 31-40.
Namentlich fallen hierher alle von ländern und örtern ge-
bildeten benennungen der leute, z. b. vranhônô-vurt-ari
(francoſurtenſis) *) dergleichen ſich in diplomen des 8.
9. 10. jahrh. überall finden, z. b. walt-chirihharô-marha,
huninc-hovarô-marha bei Neug. nr. 546. 541. Nicht ſelten
begegnet da die ſchreibung -arro ſtatt und neben -aro,
wie Neug. 512. obor-dorfarro, haſinchovarro etc. welche
gemination vielleicht die kürze des a bezeugt? Auch
K. 40a altarres, 52b liſtarra, 20a ſuihharro, doch nicht
minder bei N., dem â gebührt, prievarra 68, 3. ſunderra
100, 8. loſarra 103, 4 etc. Es mag alſo eher nachwir-
kung des ableitungs -i ſein, liſtarra = liſtarjâ etc. —


agſ. kurzvocaliſch -ere: câſ-ere (caeſar); dôm-ere (ju-
dex); ët-ere (commeſſator); fug-el-ere (auceps); fiſc-ere;
hunt-ere (venator); plëg-ere (luſor); reáf-ere (praedo);
rûn-ere (ſuſurro); ſæd-ere (ſator); ſvëlg-ere (lurco);
tvic-ere (offarius); vang-ere (cervical); vrît-ere (ſcriptor);
vud-ere (calceus ligneus) etc. —


altn. gleichfalls organiſches -ari, nur mit unorganiſch
ſchwacher flexion (1, 652.): bak-ari (piſtor); borg-ari
(civis); brut-l-ari (vendax); dôm-ari (judex); fiſk-ari;
giard-ari (vietor); keiſ-ari (caeſar); kiall-ari (cella);
mal-ari (molitor); mâl-ari (pictor); meiſt-ari (magiſter);
pîp-ari (tibicen); pund-ari (trutina); rup-l-ari (praedo);
rût-ari (ebrioſus); ſkap-ari (creator); ſkrif-ari (ſcriptor);
þamb-ari (heluo) u. a. m. Ob man umlaut eri in
gâng-l-eri (viator) ætt-l-eri (degener) vermuthen darf?
Biörn erklärt gâng-leri, ætt-leri durch compoſition,
vgl. v. leri. —


mhd. herrſcht zwar -ære und beſtätigt die ausbrei-
tung des ahd. -âri; beiſpiele ergeben ſich aus den ahd.
von ſelbſt, hier noch andere: biet-ære (oblator) Parc.
[129]III. conſonantiſche ableitungen. R.
182c; dien-ære (miniſter) Wilh. 2, 160b; eſ-el-ære (agaſo);
eg-ed-ære (herpicarius); be-halt-ære (conſervator); heime-
lîch-ære Triſt. 8472. (8589); kall-ære (garrulus); mâd-ære
(meſſor); minn-ære (amator); mord-ære (homicida); pfand-
ære (pignerator) Parc. 144a; pfeter-ære (baliſta) Parc.
47c; puſûni-ære (buccinator) Parc. 137b; tavel-runder-
ære Parc. 156b; ſager-âre (ſacrarium) Mar. 59; ſchâp-
ære (vellus) trev. 51b Mar. 114; ſcheid-ære Nib. 6373;
ſcilt-ære (pictor) Parc. 38b; ſculd-ære (debitor); ſened-
ære; ſlîch-ære (irreptor) Parc. 41c; ſling-ære (funditor)
Parc. 44b; hâr-ſliht-ære (compoſitor cincinni, homo
mollis) Wilh. 2, 145b; ſlüƷ-el-ære (claviger) Barl. 304;
ſnarrenz-ære (garrulus) MS. 1, 127a; ſparw-ære (ſpar-
varius) Parc. 172b; ſuoch-ære (aggreſſor) Parc. 50a;
tiht-ære; trink-ære; vid-el-ære; valſch-ære (falſarius)
Parc. 87c; gewalt-eſ-ære Triſt. 10898. (11031); wat-ære
(pervaſor) MS. 2, 9a; wund-er-ære Triſt. 9893 (10013) etc.
Die wurzel lautet durch das e in ære nicht um; etwas an-
ders iſt, wenn in mehrfacher ableitung der umlaut ſonſt
begründet wird, z. b. in eſelære, ſlüƷƷelære weckt ihn
das -el (-il). Die häufige ableitung -en-ære pflegt aber
ſchon jetzt eine unorg. einſchiebung des en zu verur-
ſachen. Organiſch ſind z. b. ëb-en-ære MS. 2, 146a;
hav-en-ære (figulus); wag-en-ære (carpentarius); lüg-
en-ære (mendax) trüg-en-ære (fallax) Parc. 87c; untadel-
haft auch die fremden: marn-ære (marinier) valken-ære
(fauconier) Parc. 172a; palten-ære (pautonier) Triſt. 113a;
zoln-ære (telonarius Parc. 129b); garten-ære (cod. pal.
361. gertenâre) wage ich nicht aus dem franz. jardinier
zu führen, da die gl. monſ. 394. gartinari höheres alter
bewährt *); aber in barm-en-ære (miſericors) MS. 1,
125b; bog-en-ære (ſagittarius) MS. 1, 127a; wild-en-ære
(venator) MS. 2, 134a Triſt. tiht-n-ære (poëta) liederſ. etc.
läßt ſich das -en nicht rechtfertigen, es wäre denn ſchon
in andern vorausgegangenen ableitungen (wie in hav-en,
lüg-ene) erweiſlich. Stände ſmeichen (adulari) f. ſmei-
chenen (wie wâfen f. wâfenen) ſo bliebe ſmeich-en-ære
(adulator) MS. 2, 132b unangreifbar und der misbrauch
nimmt grade zu in den ſpätern mundarten. — Neben dem
regelmachenden -ære finden ſich indeſſen ſpuren der
alten kurzvocaliſchen ableitung, wie es ſcheint, im ſinne
der otfriediſchen unterſcheidung. Nach kurzer wurzel-
I
[130]III. conſonantiſche ableitungen. R.
[...]lbe ſteht bei guten, alten dichtern kaum -ære, ſondern -ere,
-er und wenn l, n vorausgieng, -re, überall mit nun ein-
tretendem umlaut. Mithin kein jag-ære, pflëg-ære, van-
ære, ſol-ære, hël-ære vielmehr: jeg-ere (venator) Nib.
3736. 3745. 3770. 3773. im einſchnitt; jeg-er bei Conr.
ſchm. 262. troj. 137b: lëg-er; hël-re Ulr. Triſt. 2956. 64.
70; ven-re (vexillifer) blaſ. 31a jun. 299. Cod. pal. 361,
42a. b. Ben. 97. MS. 2, 89b troj. 189. (Oberlin 1717.); ſöl-
re (coenaculum) jun. 318. etwan auch böl-re (mortarium)
von boln (jacere)? Hier müßen beſonderheiten jedes dich-
ters geprüft werden, denn nicht nur einzelne, zumahl
ſpätere erlauben ſich bei kurzer wurzel ære, z. b. wel-ære
(elector) MS. 2, 131b, ſondern auch ältere -er bei langer,
mit oder ohne umlaut? vgl. ſoum-er Nib. 6353; huot-er
Wilh. 2, 186b; harpf-er Triſt. 3395. (Hag. 3508. gegen das
metr. harpfære); ſchæp-er (vellus) troj. 50b; zuweilen
noch tieftonig wie MS. 2, 196b dien-èr: gër. liederſ. 189.
vugl-èr: hër.


Auch mnl. wechſeln -are, -ere, -er nach an-
dern grundſätzen, vgl. 1, 688. 689; unorganiſche en-are
ſcheinen morden-are (interfector) molen-are (molitor)
doch vgl. franz. meûnier f. meul-nier, moul-in und ital.
mulinaro.


Nhd. ſind alle -ære aufgegeben, und, gleichviel was
vorausgehe, in -er gekürzt: böll-er; fiſch-er; gêb-er;
jæg-er; werk-er; mörd-er; müll-er; pfänd-er; ritt-er;
rett-er; ſäng-er; ſöll-er (coenaculum); ſchöpf-er; ſünd-
er; venn-er (vexillifer); wæl-er etc. Die zahl dieſer
wörter iſt größer und kleiner als früherhin. Größer,
weil man den grundſatz ſtellt, daß ſich aus jedem inf.
ein ſolches maſc. zeugen laße, wiewohl das gefühl ab-
leitungen wie fließer, ſchießer, lieber, brenner (nicht
mordbrenner) etc. aus fließen, ſchießen, lieben, brennen
verwirft *). Nach den inſ. regelt man auch den ſchwan-
kenden umlaut, es heißt: vogler, maurer, zauberer,
ſtammler, gaukler, ſûcher etc. läſterer, münzer, lieb-
äugler, heuchler etc. wegen der inf. vogeln — läſtern.
Allein es hinterbleiben ausnahmen, welche jenes prin-
cips unhaltbarkeit zeigen, z. b. erhalter, handlanger be-
ſtehen zwar mit erhalten, handlangen, nicht behälter,
[131]III. conſonantiſche ableitungen. R.
empfänger, taglöhner mit behalten, empfangen, tagloh-
nen. Ferner folgt jæger, pfänder aus jâgen, pfänden,
nicht aber müller, mæther, venner etc. überhaupt aus
infinitiven. Die alte ſprache leitete eben die meiſten
ſolcher wörter aus ſubſtantiven, in der that ſtammen vo-
galari, viſcari nicht aus vogalôn, viſcôn, ſondern aus
vogal, viſc; einzelnen ſtehen gar keine parallele verba
zur ſeite. Und wie heute aus ſubst. weiter keine ablei-
tungen auf -er treiben, ſind [auch] manche alte bildun-
gen, weil die verkehrung des organiſmus den inf. für
ſie nicht wuſte, erloſchen, z. b. nhd. kein ſchlüßeler, eſe-
ler, ſtuͤter, liſter (wohl aber überliſter). — Der unorg.
-ner ſind mehr geworden, neben hâfner, gärtner, lügner,
eigner, wâgner gilt ein: bôgner, bildner, gleiſner, hütt-
ner, harfner, glöckner, klempner, kürſchner, lautner,
redner, ſchuldner *), ſöldner etc. in eigennamen ſogar:
müllner, käſtner, ſchildner. Noch unrichtiger iſt ſchil-
derer (pictor) nach dem inf. ſchildern (mhd. ſciltære,
nnl. ſchilder). —


Engl. gilt bloßes -er: fiſh-er; fowl-er; glov-er;
hatt-er; kill-er; ſwill-er (vorax); ſlumber-er u. a. m.;
garden-er, jewell-er, marin-er entſpringen aus dem
franz. —


Die meiſten ableitungen auf -arî drücken handelnde
maſc. **) aus, doch nicht nothwendig alle; namentlich
bezeichnen die aus dem latein ſtammenden altari (altare)
karkari (carcer) ſolari (ſolarium) ſpîhhari (ſpicarium)
wîari, wîwari T. 88. (vivarium) ſagerâre (ſacrarium) bunre
(bonnarium, terminus) jun. 306. pfeterære (petraria)
kiallari (cellarium) wofür mhd. kelre jun. 285. pundari
(pondus) zentner (centenarius) lauter ſachen. Woher
rührt ſaccari (rogus)? es könnte auch deutſch ſein wie
vaggareis, mhd. wangære (culcitra) halſ-âri (cervical)
flor. 983a oder ahd. ehirari (ſpicarium) blaſ. 32b. —


ζ) ſtarke (oder ſchwache) femin. auf -arî,
können aus jedem adj. auf -ar entſtehen, dem nur das î
zugefügt wird, daher ſie ſich von den (meiſten) männ-
lichen ableitungen -arî, wo auch das -ar hinzutritt, ſehr
unterſcheiden; goth. finde ich nur mund-rei (ſcopus)
I 2
[132]III. conſonantiſche ableitungen. R.
Philip. 3, 14.; — ahd. hërapaƷ-arî (mediocritas) monſ.
377. 380., ein gleich dem adj. etymologiſch dunkles
wort; êrach-arî (antelucanum) monſ. 353; camb-rî (ſa-
gacitas) jun. 235. 250; mak-arî (tenuitas) monſ. 394; pitt-
arî (amaritudo) aſſim. pitt-irî O. V. 8, 99.; ſlëff-arî (lu-
bricitas); ſmëhh-arî (elegantia); vak-arî, fag-arî (claritas)
T. 179, 2.; vinſt-arî, finſt-rî (obſcuritas) K. 17a; ſûp-arî
(mundities) etc.; weik-arî, weig-rî (faſtus, faſtigium) monſ.
348. 376. 384. 387. weig-arî (abuſio) doc. vgl. das verb.
weigern (denegare, ſtolz abweiſen?) — mhd. bitt-er, heiſ-
er (raucedo) trev. 63b vinſt-er, liuter (Triſt. 48a) doch ſel-
ten vorkommend; nhd. noch ſeltner, nur dichter gebrau-
chen: die finſt-re, heit-re, bittre, nie aber: die mäg-re,
ſäub-re, täpf-re, läut-re. —


η) ſtarke neutra auf -ari,
goth. filêg-ri, filig-ri (latibulum), falls es kein maſc.
filêg-reis? wenn ſich der vorſatz fi- erklären ließe, ſo
wäre lêg-ri, lig-ri ein ahd. lâk-ari, lëk-ari (ein gelä-
ger). — ahd. collectiva, von ſubſt. auf -ar ſtammend:
ki-wit-ari (tempeſtas) un-gi-wit-iri O. III. 8, 19; un-
wit-ari jun. 215. hrab. 970a; ki-zimp-ari (tabulatum) und
ohne zweifel andere, wie ki-hlaht-ari, ki-vid-ari etc. —
mhd. ge-wit-ere; ge-vid-ere; ge-zimb-er; ge-hem-ere;
ge-tæp-er (? vielleicht fem.) troj. 50b; ge-linſt-er (? Loh.
55.) etc. — nhd. eine ziemlich häufige form: ge-witt-er; ge-
fid-er; ge-hämm-er; ge-lächt-er; ge-jämmer u. a. m. wie-
wohl einige, zumahl alle, welche nicht von ſubſt. ſondern
von verbis gebildet ſcheinen, näherer prüfung bedürfen:
gelichter, gewimmer, geflüſter. Unrichtig fehlt auch der
umlaut in geſchnatter, gedonner u. a. — agſ. finde ich nur
getimb-re (ſtructura) und altn. keine ſolche bildungen, akk-
eri (anchora) iſt fremdes urſprungs. — Dem ahd. vink-
iri (annulus) jun. 195., aſſim. f. vink-ari, gebricht col-
lective bedeutung (welche auch eigentlich durch den vor-
ſatz ki- bei den übrigen entſpringt); ſpäter galt fing-ir-în
T. 97. N. (Stald. p. 268.) trev. 52b, welches man wie δακτύ-
λιος
für das adject. (digitalis) nehmen könnte *) noch
mhd. vingerîn Roth. 5a 40b Parc. 170b Wilh. 2, 147b,
woraus endlich, aber unpaſſend das ſubſt. vingerlîn jun.
294. Parc. 18c 31a gemacht wurde, welches im grund
nur einen kleinen finger, keinen ring bedeuten kann. —


[133]III. conſonantiſche ableitungen. R.

θ) ſchwache maſculina (erſter oder zweiter decl.)
goth. maúrþ-rja (homicida); tim-rja (faber lign.); ſvaíh-
ra (ſocer). — ahd. ki-alt-aro (coaevus) zſg. galtro (col-
lactaneus) monſ. 363. 365, von dem ſubſt. alt-ar zu lei-
ten; am-ero (avis quaedam) trev. 15a; anh-aro (anchora)
blaſ. 106a, doch der beſtätigung bedürfend, da mhd. ſtarke
decl. gilt, auch trev. 60b ank-er haben; ham-iſt-aro (gur-
gulio)? flor. 984a hamiſtro und jun. 270. hamelſtre); hap-
aro? zwetl. 113b hav-aro? (avena) altweſtph. hav-oro,
vielleicht mit â zu ſchreiben, nach dem altn. hâfri?; mard-
-aro (? caro) jun. 200. wo quëc mardaro, (caro viva) ein
bedenkliches wort; molcht-ero (emolumentum etwa mo-
litorum?) jun. 314. ſcheint verderbt; murd-rëo (homi-
cida) hrab. 965a miſc. 1, 19, ſt. der vollen form murd-
arjo; vat-arjo (patruus) wofür fatur-ëo hrab. 971a und
ſpäter aſſim. vet-iro, vet-ero trev. 7b desgl. ge-vat-ero
(compater) f. kivat-aro? gl. jun. 266; zant-aro (calculus)
jun. 236. monſ. 333. zand-eren (carbones) N. 17, 9. 139,
10. — agſ. ëaf-ora (proles) altſ. ab-aro; gand-ra (anſer
mas); rêð-ra (remex). — altn. hâf-ri (avena) doch gibt
Biörn. nur den pl. hâfrar an; fôſt-ri (nutritor). — mhd.
g’alt-er (coaetaneus) Mar. 140; gâland-er (alauda) hab-ere
(avena) wofür hab-er (ſtark) Ottoc. 17b; vet-er (patruus);
ge-vat-ere (compater); nhd. declinieren vett-er, gevatt-
er, hab-er, hamſt-er ſtark. — So wie einige der hier auf-
geführten wörter der bedeutung und form nach ungewis
ſind, da die aſſim. und der durch das -i zweiter decl.
gezeugte umlaut die reine ar-form verdunkeln; habe ich
einige andere, ohne hinlängliche überzeugung, den ir-
und ur- formen beigezählt. —


ι) ſchwache feminina,
goth. ſvaíh-rô (ſocrus); hvilft-rjô (loculus). — ahd. âkal-
aſt-ara (pica) âgalaſtra monſ. 412; am-ara (miliaria, avis)
jun. 268; halft-ara (capiſtrum); kaneiſt-ara (ſcintilla); lang-
ara (deambulatio) monſ. 340. doc. 222a; vol-leiſt-ara (aſſiſtrix)
monſ. 343; lûd-ara, lûd-ra (cunae, cunabula, involucrum)
hrab. 957a flor. 982b doc. (vgl. altn. lûðr, culeus, ſaccus,
arca, ciſtella) *); chuo-mëlht-ara (mulctra) chu-mëlhtra
doc. (vgl. Stald. 2, 207. melchtere); vlëdar-mûſt-ara
[134]III. conſonantiſche ableitungen. R.
(veſpertilio) jun. 232; nat-ara (vipera); ôſt-ara (paſcha)
K, 33a 44b O. I. 22, 5. IV, 9, 8. T. 153, 2. 155, 1. 157,
1; pſîf-ara (tibia) jun. 253. vielleicht tibicina?; plat-ara
(veſica); ſalp-ara (unguentaria) monſ. 325; naht-ſank-
ara (degallinatio?) zwetl, 119a; ſpeihh-alt-ara (ſputum)
T. 132; ki-vat-ara (commater); viur-ara (ſocaria) monſ.
326; winiſt-ara (ſiniſtra manus) *) und ſicher noch andere.
— agſ. äd-re (vena); bläd-re (veſica); culuf-re (columba)
vgl. ſlav. golub; eáſt-re (paſcha) kann ich nicht gehörig
belegen, es ſtehet oft eáſtro und eáſtron im pl.; näd-
re (vipera); zumahl aber viele auf -eſtre, iſtre, welche mei-
ſtens handelnde feminina ausdrücken, z. b. bäc-eſt-re
(piſtrix); ëov-eſt-re (ovile); cänn-eſt-re (genitrix); fôſt-
re (nutrix); lær-eſt-re (doctrix); milt-eſt-re (meretrix);
ræd-eſt-re (lectrix); ſang-eſt-re (cantatrix); ſeám-eſt-re
(ſartrix); vëbb-eſt-re (textrix); vit-eg-eſt-re (prophetiſſa)
etc. — altn. blad-ra; nad-ra; fôſt-ra (nutrix); îſt-ra (adeps);
oſt-ra (oſtrea) ſonſt keine auf -ſtra, ſondern piſtrix, canta-
trix wird umſchrieben: bakara-kona, ſaungvara-kona. —
mhd. âgelſt-er (pica); blat-ere; nat-ere; vip-ere; kult-er
(culcitra) Parc. 16419. 22723; ganſt-er (oder genſter, gæn-
ſter? ſcintilla); gæneſter herrad. 198b; ſchült-er ſchw. decl.
Parc. 5642. — nhd. amm-er; auſt-er; elſt-er (pica); blatt-
er; natt-er; ôſt-ern nur im pl. — nnl. add-er (vipera);
bladd-er und viele auf -ſter, z. b. bakſt-er (piſtrix); be-
del-ârſt-er (mendicula); koppel-ârſt-er (lena); mâkſt-er;
nâiſt-er (netrix); voedſt-er (nutrix); zangſt-er, zingſt-er
(cantatrix) etc. — engl. add-er; bladd-er; culv-er; auch
noch einige auf -ſter: ſpinſt-er (filatrix) webſt-er (textrix);
da aber letzteres ebenwohl textor, und ſeamſt-er (ſutor)
[neben ſeamſt-reß, ſartrix] gameſt-er (luſor) bedeutet, ſo
läßt ſich daraus auf agſ. ſchwache maſc. vëbbeſtra (textor)
gameſtra (luſor) ſchließen und geht (wie aus dem ahd.
hamiſtro, altn. fôſtri) hervor, daß die bildung -ſt gar
nicht aufs fem. beſchränkt werden darf [mehr davon
hernach beim ST.] —


2) adjectiva.


α) erſter declination.
goth. ab-rs (validus); fram-ald-rs (provectus aetate) nur
der comp. ald-rôza zu belegen; báit-rs (amarus); fag-rs
(aptus); mund-rs (vigil, citus?) es kommt nur das ſubſt.
[135]III. conſonantiſche ableitungen. R.
mund-rei vor, deſſen bedeutung nicht recht zu citus
paſſet; láus-qviþ-rs (jejunus, eig. losbäuchig); ſnut-rs
(callidus); und mit bleibendem a, ohne s: anþ-ar (alius)
ſowie die poſſeſſ. ïggv-ar, ïzv-ar, ugk-ar, unſ-ar (1, 783). —


ahd. and-ar (alius) ſowie die poſſ. unſ-ar etc.; êrahh-
ar? ërahh-ar? (antelucanus) O. I. 19, 31, auch in ahd.
urkunden eigenname; heit-ar (ſerenus) hrab. 974b; hë-
rapaƷ-ar (mediocris) monſ. 355; hlût-ar (purus) T. 36,
3. 44, 11; kamb-ar (ſtrenuus) jun. 225; kank-ar (ambu-
lans) eigenname in ahd. dipl. und aus gangarari K. 50b
zu folgern; lunk-ar (expeditus) jun. 203; mak-ar (exi-
lis) mag-er N. 101, 6; munt-ar (vigil) aus dem verbo
zu ſchließen; pit-ar (amarus); ſeik-ar (languídus) aus
dem verbo zu ſchließen; ſihh-ar (immunis) monſ. 356,
beßer wohl ſihh-ur; ſlëff-ar (lubricus, proclivis) Schilt.
746b monſ. 409. auch wohl richtiger ſlëff-ur; ſmëhh-ar
(venuſtus) hrab. 961b blaſ. 5a; ſuank-ar (praegnans) jun.
192. O. I, 5, 74; ſuëph-ar (vafer) hrab. 976a; taph-ar
(? gravìdus) monſ. 390; timb-ar (obſcurus) N. 17, 10, 13.
96, 2; tûb-ar (ignobilis, ſtolidus) monſ. 396. dûf-ar O.
II. 22, 58; vak-ar (pulcher); vinſt-ar (obſcurus); vult-ar
(hirtus) fult-ar, fult-er O. IV. 29, 78. vgl. altn. fyldr
(hirtus); oder wäre das ſubſt.? vgl. valter (? dolus) lìe-
derſ. 269; vrâƷ-ar (procax) monſ. 356. doc.; wahh-ar
(vigìl) O. IV. 7, 106, 123; weig-ar (faſtuoſus) nach dem
ſubſt. zu ſchließen; winiſt-ar (ſinìſter)? ich finde nur das
fem. winiſt-ra ſubſtantiviſch und ſchwach. —


agſ. nur wenige, die meiſten -or vorzìehend: fäg-er
(pulcher); lung-er (celer) aus dem adv. lung-re (con-
feſtim) zu ſchließen; mäg-er (macer); oþ-er (alter) des-
gl. die poſſeſſ. —


altſ. dunk-ar (obſcurus); hêd-ar (ſerenus); lung-ar
(celer); oth-ar (alius). —


altn. ann-ar (alius); dap-r (obſcurus, languidus); dig-r
(craſſus); fag-r (pulcher); gag-r (abſurdus); gîf-r (vehe-
mens); ît-r (eximius); lip-r (agilis); mag-r (macilentus);
ſnot-r (prudens); vit-r (ſapiens); die poſſ. haben -ar. —


mhd. and-er; dimſt-er (obſcurus) Roth. 17a, iſt eigent-
lich mnd.; gland-er (ſplendidus) Parc. 165a 181c Vrib.
3998. 4405. 4511. 4804. 6815; hag-er (macer) Vrib. 5106;
heiſ-er (raucus) troj. 17758. Ernſt 154; heit-er; klëb-er
(viſcoſus) Loh. 136; lung-er (avidus) Wilh. 3. 321b
414a; lût-er (limpidus); mund-er (alacer) MS. 1, 130b
troj. 14116. 25111; ſchit-er (fragilis) Loh. 116. (vgl.
Stald. 2, 320); ſeig-er (aegre ſtillans) troj. 6916; ſëck-er
[136]III. conſonantiſche ableitungen. R.
(? libidinoſus) Tit. 264: lëcker; ſich-er (ſecurus); ſûb-er
(purus) Wig. 5435. Barl. 239, 2; ſwang-er; tapf-er (pul-
cher, exilis?) troj. 19896. die mon. boica XXIII, 670.
haben: handel alſo groß und tapfer (ponderoſus); timb-
er (caliginoſus); tunk-er fr. belli 12a; vinſt-er (obſcurus)
wack-er (vigil); weig-er (ſuperbus) zu folgern aus weiger-
lîch Nib. 2044. 7581; winſt-er (ſiniſter) Parc. 265; zang-er
(ſtrenuus) mehrmahls im Tit. und bei Jeroſchin. —


mnl. dapp-er (fortis) Maerl. 2, 24; dêmſt-er (tene-
broſus) 1, 6; donk-er (obſcurus) 2, 243; weigh-er (ſu-
perbus) 2, 213. —


nhd. and-er; finſt-er; hâg-er (macer); heiſ-er; heit-
er; laut-er; leck-er (delicatus); mâg-er; munt-er; ſaub-
er; ſich-er; ſchwang-er; tapf-er (validus); wack-er; in
volksmundarten noch andere, vgl. Stald. unter: nuf-er,
ſchleit-er, ſtob-er, zimpf-er etc. —


nnl. dapp-er; dimſt-er, demſt-er; donk-er; leck-er (lau-
tus); ſchrand-er (ſubtilis); têd-er (tener); zwang-er. —


engl. dapp-er (agilis) *); fai-r; oth-er. —


β) zweiter declination,
goth. keine; ahd. nur eiv-ari (amarus) N. 10, 7. (eivero
adv. 104, 28); ſûp-ari (mundus) aſſim. ſûbiri T. 46, 3.
155, 6; beide von den ſubſt. eiv-ar und ſûp-ar entſprin-
gend, daher ſich noch manche andere denken laßen,
z. b. drî-wint-ari (triennis). — agſ. läf-eld-re (planus);
lŷð-re (pravus); ted-re (tener, fragilis); þŷſt-re (tene-
broſus) altſ. thiuſt-ri; þri-vint-re (triennis) ebenſo tvelf-
vint-re, hund-vint-re (duodecim, centum annos natus);
ſŷf-re (ſobrius). — mhd. vermag ich weder ein eiv-er
noch ein ſiub-er zu beweiſen, vielmehr habe ich, nach
dem nhd. unumlaut, ſûb-er zur erſten decl. gerechnet;
oder zeigen gute hſſ. ſiuber? Der umlaut im nnl. duiſt-er
und zuiv-er beweiſt nichts und das nhd. düſt-er iſt un-
hochdeutſch, wie finſter beinahe unniederdeutſch (doch
altſ. finiſtri (caligo).


3) verba


α) erſter ſchwacher conjugation,
goth. bi-ab-r-jan (ſtupere, percelli); ga-fah-r-jan (f. fag-
r-jan, aptare); hugg-r-jan (eſurire); maúrþ-r-jan (oc-
cidere); tag-r-jan (flere); tim-r-jan (aedificare). —


[137]III. conſonantiſche ableitungen. R.

ahd. eit-ar-jan (venerare) jun. 254; heit-ar-jan (ſerenare)
hymn. 5, 3; hint-ar-jan (impedire); hunk-ar-jan (eſurire)
T. 121. 152. hungren, hungrita; murd-ar-jan (necare) monſ.
404. 411. far-murdran, far-murdrit; nid-ar-jan (humiliare)
nidiru O. IV. 11, 96. nidarremês K. 26a kanidartêr K. 54a
fornidaren T. 39, 2. 193, 1; ſûp-ar-jan (mundare) ſûbiren
T. 13, 24; vinſt-ar-jan (caligare) bifinſtrit T. 145; vuot-
ar-jan (paſcere) fuotritun T. 152; vluob-ar-jan (ſolari)
fluobiren T. 10, 2. 22, 10. 135; zimp-ar-jan (aedificare)
zimberrên (aedificent) K. 43b aber 45a zimbrôê (aedificet).


agſ. frôf-er-jan, frêf-rjan (conſolari); glend-r-jan (de-
vorare); miſt-r-jan (caligare); hind-r-jan (impedire); ge-
nið-er-jan (humiliare); ge-timb-er-jan (aedificare) þŷſt-er-
jan (caligare); es iſt gleich ſchwer, ſowohl die er- von der
or-form, als die erſte von der zweiten conj. zu ſcheiden. —


altn. gehen alle ſolche verba nach zweiter. —


mhd. hem-er-en (malleare); hind-er-n; hung-er-n
(f. hüng-er-n nach 1, 337.) ver-klüt-er-en? Triſt. Reinfr.
212b; bekümb-er-n; liut-er-n; nid-er-en; ſiub-er-n; tem-
er-en Geo. 13a; vuet-er-n; zeh-er-en (lacrimari) cod. pal.
361, 35a mit zeherden (f. zeherenden?) ougen. —


nhd. änd-er-n; fütt-er-n; hämm-er-n; hind-er-n; kümm-
er-n; läut-er-n; plünd-er-n; ſäub-er-n; erſchütt-er-n;
durch ſtänk-er-n; räuſp-er-n; wäß-er-n; zœg-er-n etc.


β) zweiter ſchwacher conjugatíon,
goth. nur aíht-r-ôn (mendicare). —


ahd. av-ar-ôn (repetere) O. IV. 31, 59; don-ar-ôn
(tonare); kank-ar-ôn (degere) gangarôn monſ. 400; kouk-
ar-ôn (vacare) caugrôn, gaugrôn K. 49a 60a; *) laſt-ar-
ôn (infamare); maſ-ar-ôn (extuberare) trev. 68a; meiſt-
ar-ôn (gubernare) doc.; op-ar-ôn (differre) jun. 201.
monſ. 404; opf-ar-ôn (ſacrificare); ſcap-ar-ôn (conqui-
rere) irſcaborôn O. IV. 2, 59; ſmëhh-ar-ôn (polire);
ſunt-ar-ôn (ſegregare); tant-ar-ôn (delirare); uob-er-ôn
(exercere) N. 118, 23; vlak-ar-ôn (volitare) flagarôn jun. 232
oder vlog-ar-ôn? vgl. vlogorazan monſ. 409.; vord-ar-ôn
(anteriorare, ? praeire) monſ. 412, bei W. vorderôn (quae-
rere); wahh-ar-ôn (vigilare) O. I. 12, 62; ar-wid-ar-ôn
(reſpuere) doc. 203a; wunt-ar-ôn (mirari); zimp-ar-ôn (ae-
dificare) zimborôn O. II. 11, 74; zoup-ar-ôn (faſcinare). —


agſ. viele, darunter auch ſolche, deren ſtamm -or
hat: ge-feð-er-jan (pennis inſtruere); ge-fët-er-jan (vin-
[138]III. conſonantiſche ableitungen. R.
cire); ſôſt-er-jan (educare); ge-gad-er-jan (colligere);
gëom-er-jan (dolere); hlëóð-r-jan (perſonare); hväſt-r-
jan (murmurare); hviſp-r-jan (ſuſurrare); ſig-er-jan
(triumphare); flum-er-jan (dormitare); vuld-r-jan (glo-
riari); þot-er-jan (uluſare).


altn. ohne umlaut: âng-r-a (moleſtare); dap-r-az
(aegreſcere); fôſt-r-a (nutrire); gîf-r-a (blaterare); halt-r-a
(claudicare); hind-r-a (impedire); hûng-r-a; iôrt-r-a (ru-
minare); klif-r-a (clivum aſcendere); lat-r-a (pigreſcere);
fkak-r-a (tremere); flât-r-a (mactare); ſmiad-r-a (adulari);
ſnot-r-a (ornare); ſvolg-r-a (abſorbere); timb-r-a (con-
ſtruere); und-r-az (mirari); das umgelautete feg-r-a (poli-
re) ſetzt entw. feg-r-ja voraus, oder gehört, wenn es aus
dem compar. ſegri geleitet iſt, gar nicht hierher. —


mhd. jâm-er-n (dolere) Nib. 2501. 5601; er-kob-er-
en (acquirere) Vrib. 5057; laſt-er-n; meiſt-er-n; er-
mord-er-n Nib. 4063, Geo. 42a; murm-er-n; opf-er-n;
plod-er-en (ſtrepere) a. w. 3, 22; ſich-er-n; ſum-er-en
Gudr. 14a; ſund-er-n; temp-er-n (temperare); vord-er-n
(exigere); weig-er-n (renuere) Nib. 1704. fr. belli 17b Loh.
85; wit-er-en MS. 2, 31b 37b; wund-er-n; zeng-er-n
(odorare) liederſ. 376: mengern; zimb-er-n; zoub-er-n. —


nhd. ack-er-n; ank-er-n; verbitt-er-n; dämm-er-n,
f. demmern, d. i. dëmmern, das ä. alſo kein umlaut;
donn-er-n; eif-er-n; feu-er-n; fied-er-n; fing-er-n;
flack-er-n; flimm-er-n; ford-er-n; gâg-er-n; geif-
er-n; gniſt-er-n; hâd-er-n; jammer-n; er-inn-er-n;
klett-er-n; klimp-er-n; er-ôb-er-n; plaud-er-n; polt-
er-n; polſt-er-n; rûd-er-n; ſchach-er-n; ſplitt-er-n;
ſchult-er-n; wand-er-n; wieh-er-n; wimm-er-n; über-
wint-er-n; wuch-er-n; zaud-er-n; zimm-er-n; zitt-er-n;
zuck-er-n. Es gibt auch einige, deren -er nicht in dem
zu grunde liegenden wort, ſei dies nun ſubſt. adj. oder
partikel, enthalten iſt, z. b. folg-er-n (concludere) das die
frühere ſprache nicht kennt. Sodann ſcheint das einge-
ſchobne -r bisweilen den hang nach etwas auszudrücken,
z. b. in den faſt nur unperſönlich gebrauchten; mich
durſt-ert, trink-ert, ſchläf-ert, läch-ert, lüſt-ert, piſſ-ert,
u. a. Ich würde ſie allein der gemeinen volksſprache
zuſchreiben, und für unorganiſch nach misverſtandner
analogie von: mich hungert, jammert, das maul wäßert,
es wittert, wintert etc. gebildet halten *), ſtünde
[139]III. conſonantiſche ableitungen. R.
nicht Vriged. 1833. ein mhd. durſtert zu leſen,
das freilich der beſtätigung bedarf (ahd. mih durſtit, ſlâ-
fôt), und enthielten nicht auch einige der angeführten
altn. verba ſolch ein zwiſchengeſchoßnes -r mit factiti-
ver oder frequentativer bedeutung, z. b. haltra, latra.
Vgl. vorhin ſ. 119. über -l. —


γ) dritter ſchwacher conjugation,
intranſitiva, wie es ſcheint, bloß aus adj. gebildet; ahd.
hlût-ar-ên (liquefieri) mhd. lût-er-n Triſt. 8149. (verſchie-
den von liut-er-n, liquefacere, ahd. hlût-ar-jan); ir-
munt-ar-ên (excitari); ir-ſeig-ar-ên (langueſcere) monſ.
343; wohl auch pit-ar-ên (amareſcere) Vriged. 1612.
mir bittert. Späterhin verlieren und vermiſchen ſich
dieſe bildungen. —


[IR] dieſes bildungsprincip, wenn es anders überhaupt
ſtatt findet, iſt von ganz geringem umfang. Die goth.
ſprache läßt kein ir zu, ſondern ſtatt deſſen -aír, aber
nirgends weder beim nomen noch verbum wird aír
zur ableitung verwandt, daß aí vor dem r weggefallen
ſei, läßt ſich nicht annehmen. Warum ſollte ein ahd.
hualira auf goth. nicht hvalaíra lauten dürfen? Wir
werden auch unter den ableitungen mit zwei conſonanten
hernach einem goth. -aírna begegnen. Im ahd. iſt kein
adj. mit -ir aufzuweiſen, einige ſubſt. und verba ſchei-
nen es anzuſprechen. Man muß aber gegen ahd. ir in
wörtern, deren goth. parallele fehlt, vorsichtig ſein, ſie
könnten aus goth. is, iz entſpringen und gehören dann
gar nicht hierher, z. b. das ahd. ahir (ſpica) mhd. eher
ſteht für ahis, und wird beim S abgehandelt. Möglich
alſo, daß unter den ahd. ir noch einige unbekannte is
ſtecken, z. b. daß jenes hualira goth. hvaliſô lautete?
Dieſe ſchwierigkeit des conſ. beiſeite geſetzt, kann das
ir fehlerhaft für ar ſtehen (z. b. in der ſchreibung
flaſtir f. flaſtar, emplaſtrum) und iri aus ari durch aſſim.
entſpringen. In umlautbaren wörtern der umlaut bleibt
daher faſt das einzige merkmahl und ſelbſt er beweiſet
kein ir, ſo oft ein ableitungs-i weggefallen ſein darf.
Die wörter, welche hier in betracht kommen, ſind fol-
gende: das agſ. bremb-er (vepres) liegt dem üblicheren
bremb-el (engl. bramble) parallel; das mhd. æb-er (oben
ſ. 51. nr. 540.) Parc. 29a wäre als ſtarkes maſc. oder neu-
tr. ahd. âb-ir; für das geſchlecht ſtreitet der ſpätere aus-
[140]III. conſonantiſche ableitungen. R.
druck: auf dem æber (a. w. 3, 109). Lachm. vermuthet
(ausw. 267) ein ſchw. fem. = ahd. âb-ira. Iſt jedoch
jener neuere dat. æber (nicht æbern) hinreichend, uns
zu verſichern, daß nicht âbiro (ſchw. maſc.) die echte
form war? und wäre ſies, ſo dürfte auch âbiro f. âbirjo,
âbarjo ſtehen, wie vetiro für vatarjo (vorhin ſ. 133.)?
oder iſt æber ein neutr. zweiter decl. ahd. âb-iri f.
âb-ari? In einer wie der andern annahme fiele das wort
der ar-form anheim. Darin beſtärkt ſogar, daß man in
Graubündten ſpricht: es âbert (nix ſolvitur). Bei den
weiteren beiſpielen ſtelle man ſich ähnliche oder gleiche
[ſchwierigkeiten] vor: treſt-ir (vinacea, floces, acini) jun.
195. monſ. 338. 400. treſt-er N. 8, 1. (ſchwerlich pl. neutr.
da der ſg. traſt doch vorkommen müſte) — meƷ-ir, meſſ-
ir? neutr. (culter)? blaſ. 49a trev. 43b mhd. meƷƷ-er; —
die ſchw. maſc. chev-iro (bruchus) trev. 15a, doch N. 104.
34, 35. chev-ir, chev-er; mhd. kev-ere jun. 270.; nhd.
kæf-er; — heig-iro (caradrion? alcedo) monſ. 412. doc.
heig-ir; — hreig-iro (ardea) agſ. hrâg-ra, mhd. reig-er. —
accar-bi-gengir-o (agricola T. 167, 1. vgl. for-leit-ero (ſe-
ductor) T. 215, 2. (f. bigengeri, forleiteri?) Die ſchw.
fem. hual-ira (balaenae, dentix) flor. 986b 988b (gl. blaſ.
70a walirim trev. 13a walrin f. walirûn balaenae) jun. 278.
walre unterſchieden vom maſc. hual, wal (cetus) altn. hvalr,
agſ. hvät; — el-ira (alnus) monſ. 414; — ſleng-ira (funda)
blaſ. 46b — zund-ira (iſca? fomes) flor. 988b zundera trev.
51b, auch agſ. þyndre (fomes). Ueber mart-ira, welches ſtark
decliniert, nachher. Im fünften cap. wird das ahd. adv.
vurd-ir (amplius, porro) angeführt, davon ſtammt vurd-
r-jan (promovere) mhd. vürd-er-n Wig. 23. 1432. nhd.
förd-er-n, verſchieden von dem vorhin angegebnen vord-
ar-ôn, vord-er-n, ford-er-n (exigere) dem ein adv. vord-
ar (ultra) unterliegt, das ich ahd. nicht nachweiſen kann,
das aber agſ. furð-or, engl. furth-er lautet, woneben
kein fyrd-er gilt, wohl aber fyrð-r-jan (provehere).
Näher beſehen iſt alſo vurdir aus vurdiri (monſ. 398.)
gekürzt, dies aber aſſim. von vurdari und allcs gehört
zur ar-form. Auch das mhd. enk-er (anchora), deſſen
ſich einzelne dichter ſtatt ank-er bedienen, deutet auf
kein urſprüngliches -ir, vielmehr wohl auf ein neutr.
anh-ari, aſſim. anh-iri, enh-iri, beſtätigt durch das altn.
neutr. akkeri, vgl. oben ſ. 133.


[UR] gothiſch gilt wiederum aúr für ur, kommt
aber ſo wenig als aír in irgend einer ableitung vor. In-
[141]III. conſonantiſche ableitungen. R.
zwiſchen iſt die ur-, or-form der übrigen ſprachen vor-
handen, obgleich ſchwankend in ar.


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſc. ahd. nur cheiſ-ur (caeſar) nach dem
dialecte einiger, vgl. altſ. kêſ-ur, cheiſ-ur-ing (Hild.) und
keiſ-or, keiſ-ores O. I. 11, 38. IV. 24, 12. 27, 19; ëb-ur
(aper) ſt. ëb-ar; mëjur (villicus) jun. 255; ſuëh-ur (ſocer). —


agſ. ald-or (ſenior); anc-or (anchora); bald-or (prin-
ceps) brôð-or (frater); cëaf-or (ſcarabaeus); cult-or (cul-
ter); êg-or (aequor); viell. neutr.?; ëof-or (aper); ham-
or (malleus); hung-or (fames); hlëóð-or (ſonus); hlëaht-
or (riſus); laſ-or (lolium); lëaht-or (crimen); rod-or (ae-
ther); ſig-or (victoria); ſvë-or (ſocer); tac-or (levir, fra-
ter mariti vel uxoris); tap-or (cereus); vôc-or (fructus). —


altn. etwa nur iöf-ur (rex) tîv-or (? Völuſpâ 36.)
und vët-ur (vgl. 1, 663.) neben vët-r.


β) ſtarke feminina. ahd. lëff-ura (labium) T. 84.
and. lëp-ora; nat-ura O. V. 12, 97. N, 101, 6; altn. lif-ur
(jecur). —


γ) ſtarke neutra. ahd. triſ-ur (theſaurus) nach tri-
ſur-hûs (aerarium) jun. 195. zu ſchließen, vgl. franz. tre-
ſor, die übrigen quellen haben triſ-u, trëſ-u, drëſ-u, gen.
triſ-ewes; vermuthlich auch das noch unbelegliche vëƷ-
ur (compes). —


agſ. ât-or (venenum); fët-or (compes); gald-or (ve-
neficium); pund-ur (pondus); ſëolf-or (argentum); tëlg-
or (virgultum); tud-or (ſoboles); vund-or (miraculum). —


altn. fiöt-ur (compages); und-ur (miraculum). —


δ) ſchwache maſc. ahd. tut-uro (vitellus) zwetl.
135a dod-ero jun. 284.


ε) ſchwache fem. ahd. chihh-ura (cicer) monſ. 327.
der pl. chihh-ur-jûn. —


2) adjectiva. ahd. ſihh-ur (ſecurus) altſ. ſik-ur (purus);
ſlëf-ur (lubricus, nhd. ſchlüpf-er-ig). — agſ. dunc-or (obſc.);
gëom-or (moeſtus); hâd-or (ſerenus); mim-or, ge-mim-or
(memor, notus) ſlip-ur (lubricus); ſnot-or (prudens); ſtul-
or (furtivus); ſvanc-or (gracilis) Beov. 163; vacc-or (vi-
gil). — altn. haben keine maſc. der ar-form nach dem
aſſimilierten fem. -ur (ſt. -uru, aru) das -ur und den
umlaut angenommen, d. h. man ſagt nur fagr, dapr nicht
fögur, döpur (fögurr, döpurr), wie þögull (ſ. 118.)


[142]III. conſonantiſche ableitungen. R.

3) verba zweiter ſchw. conj.
ahd. murm-ur-ôn murmurare) jun. 239.; ſihh-ur-ôn
(excuſare) T.; vielleicht auch vëƷ-ur-on (vincire) wofur
vëƷ-ar-ôn hrab. 958b; — die agſ. verba ziehen im inſ.
-er dem -or vor, und ſind daher vorhin ſ. 138. ange-
führt. — altn. fiöt-r-a (vincire). —


[IER, YR, IUR] finden bloß ſtatt in einzelnen frem-
den wörtern. Maſc. auf -ier, mhd. beſchelier (franz. ba-
chelier) troj. 27a 28c; ſoldier:degenſier Parc. 5c 6c Geo.
4a; ſchevalier; harpiers Triſt. 96b; Wolfr. gebraucht
auch -irre in aſtronomirre Parc. 184b; chrigirre Pare. 8b;
floitirre Parc. 3b; partirre (fallax) Parc. 71c; patelirre
Parc. 44b Wilh. 2, 101a. Statt partirre ſtehet Triſt. 60b
parâtiere oder partierære. Nhd. gilt dieſes -ier ſtatt des
deutſchen -er in falkenier (mhd. valkenære, d. i. falkner)
juwelier, kämmerier und nnl. almôſenier, valkenier, ja deut-
ſche wörter ſind mit der ausländiſchen ableitung verſehen
worden: hovenier (hortulanus, altſ. hof-ward) tuinier (idem)
kruidenier (pharmacopola); engl. chandelier, ſoldier etc. —
Starke fem. auf -iere: mhd. baniere (vexillum); ameſiere
Parc. 4896. 4967; ſurziere u. a. m. — ſtarke neutra: ba-
nier; hærſenier; refier; turnier etc. — Schwache verba
zweiter conjug. mhd. nhd. auf -ieren in menge: parlie-
ren, ſchantieren, turnieren etc.; mnl. nnl. auf -êren,
ſchwed. auf -êra.


Alle dieſe -ier reißen erſt ſeit dem 13. jahrh. ein,
und ſind der älteren ſprache unbekannt, welche nur
einige, an ihrem ort verzeichnete, fremde -ur aufgenom-
men hatte. Mhd. werden auch fremde maſc. auf -iur,
-ùr, ſem. auf -iure, ûre eingeführt, deren ſchwanken,
weil der ganze gegenſtand nicht in die deutſche wortab-
leitung gehört, ich hier übergehe. Da martira (marty-
rium) nhd. marter eigentlich ein fremdes y, kein i hat,
ſo ſcheint ihm deshalb der umlaut zu gebrechen; vgl.
martyrâ (martyres) O. V. 23, 122. Im nhd. märterer
rührt der umlaut nämlich aus dem i in -âri (marterâri). —


Anmerkungen zu den r-ableitungen

a) auch das ableitende r iſt, gleich dem I und aus
demſelben grunde, gewöhnlich leicht zu kennen. Wör-
ter in denen es, wegen ſyncopierter ſpiranten, anſchein
[143]III. conſonantiſche ableitungen. R.
der wurzel hat *), ſind: ahd. viur, altn. ſŷr (ignis) f.
viuw-ar? agſ. tëar f. täh-er, ahd. zah-ar, goth. tag-rs,
gr. δάκ-ρυ, lat. lac-rima; engl. fair f. fah-r, fag-r, agſ.
fäg-er, goth. fag-rs und fah-rjan; engl. ſtair, agſ. ſtäg-
er; dän. ſeir, ſejr (victoria) f. ſig-er. —


b) häufiger als das l fehlt das ableitende r der einen
mundart, während es die andere beſitzt, bei gleichen bedeu-
tungen. Das goth. vat-ô lautet ahd. waƷ-ar, agſ. vät-er; das
goth. vulþ-us ahd. wold-ar, agſ. vuld-or; das altn. œg-ir
(gen. œgis) agſ. êg-or (vgl. lat. aequ-or); das agſ. mearð
(martes) ahd. mard-ar; das ahd. ſik-u agſ. ſig-or, altn.
ſig-r (gen. ſigrs); das mhd. heƷ (veſtitus) agſ. hät-er;
das nnl. mes (culter) nhd. meſſ-er; das agſ. ſecg ahd.
ſah-ar; das nhd. mord goth. maúrþ-r, ahd. mord-ar;
das altn. laſt ahd. laſt-ar; das agſ. vulf (lupus) beſteht neben
vulf-er (lupus) miſt-rjan (caligare) neben miſt-jan etc. Die
beiſpiele lehren, daß kein dialect dem -r gerade geneigt oder
abgeneigt ſei; jeder hegt oder verwirft es für einzelne wör-
ter. Wie alt muß es daher ſein, wenn es ohne dem ge-
nauen ſinn abzubrechen in ihnen bald haften, bald fehlen
darf. Die meiſten r-ableitungen führen es freilich durch
alle dialecte; ein môd, muot f. môdor, muotar würde in
keiner deutſchen ſprache verſtanden werden, ſo wenig als
mat im lat. für mater, doch dem Litthauer iſt mote, dem
Slaven mati (wenigſtens im nom.) ohne r zuläßig. —


c) wechſel mit andern ableitungsconſonanten. Zwi-
ſchen r und l; davon oben ſ. 119., hier noch einige bei-
ſpiele: ſtatt des agſ. bremel, brembel (rubus) ſteht Cädm.
63. 2. brember; das nhd. ſchüttern, erſchüttern iſt ſtärker
als ſchutteln, doch ſtammeln einerlei mit ſtammern das mhd.
wiſpeln (ſibilare, vgl. ſlangen-wifpel weltchr. caſſ. 31c, wiſ-
pel-wort MS. 2, 202b) das engl. whiſper agſ. hviſprjan (ſu-
ſurrare); das agſ. hväſtrjan (murmurare) verwandt mit
hviſtljan, engl. whiſtle (ſibilare) vgl. die nhd. liſpeln, fliſpern,
flüſtern; für viſcera, inteſtina gilt der ahd. ausdruck innô-
dilu (pl. neutr. vom ſg. innôdili) jun. 209. T. 4. 18. **)
[144]III. conſonantiſche ableitungen. R.
neben innuadri (= innuodri, innôdri) jun. 184, ſpäter ina-
dere, inedere, trev. 9b jun. 263. 276. Zwiſchen r und n;
ahd. waƷ-ar (lat. ud-or) altn. vat-n, vgl. mit goth. dat. pl.
vat-n-am (1, 609.); mhd. îſ-er (ferrum) jun. 291. 292.
335. und Wolfr. îſer unterſchieden von îſ-en, nhd. eiſ-
en, doch die ältere form ſcheint beide conſ. zu verbin-
den, goth. eiſ-arn, ahd. îſ-arn. —


d) ſehr viele ahd. agſ. altn. wortbildungen, die mit
-r abgeleitet ſcheinen, gehören, wie uns die goth. mund-
art, zuweilen die altn. lehrt, zu den S-ableitungen, na-
mentlich alle comparativiſchen wörter und alle mit para-
gogiſchem -ir. Inſinitive, wie die nhd. beßern, mindern,
begeiſtern, bebändern etc. ſind darum unten beim S an-
zuführen. —


e) die einſchränkung, vielleicht gänzliche abweſen-
heit der ir-ableitungen iſt beachtungswerth, da das il
einen breiten raum einnimmt. Es könnte ſcheinen, als
habe dîe ſprache den (anm. d. gemeinten) zahlreichen
pſeudo -ir freieres ſpiel laßen wollen, doch dies erklärt
nichts, denn der Gothe hat keine aír-ableitungen, unge-
achtet ſie ſeine iſ-ableitungen gar nicht ſtören würden.


f) da ſich faſt keine maſc. auf -alî, ali finden, viele
auf -il; umgekehrt viele auf -arî, ari, keine auf -ir;
ſo entſpringt die vermuthung: ob nicht alle -il durch
kürzung und aſſim. aus -ali hervorgehen könnten? Scheint
doch das nhd. wärter (aus wartari) dem nhd. keßel (aus
cheƷil) ziemlich parallel? Ich halte dieſe muthmaßung
für verwerflich. Das goth. katils iſt von maþleis ſcharf
geſondert, und ſo wenig katils aus katleis ſtammt, kann
aus maþleis maþils werden. Selbſt der unterſchied zwi-
ſchen nhd. ä und e lehrt es uns, daß weder käßel noch
werter darf geſchrieben werden (1, 522.) —


g) vielleicht eher ſind einige -ur, -or aus aſſimilation
und apocopiertem vocal deutbar, z. b. ahd. ſuëhur, ſuë-
hor aus älterem ſchw. ſuëhoro, f. ſuëharo, goth. ſvaíhra,
vgl. lat. ſocerus neben ſocer. Oder altn. vëtur, hûn-
gur aus goth. vintrus, huhrus, f. vëturu, hûnguru?
Dergleichen bleibt höchſt unſicher, wird auch durch vie-
les nicht beſtätigt, z. b. dem ahd. cheiſur würde dann
eher ein goth. káiſarus entſprechen, lautet aber káiſar.


[145]III. conſonantiſche ableitungen. M.
ableitungen mit M.

es finden nur am und um ſtatt, kein im.


[AM] der vocal im goth. altn. agſ. überall wegge-
laßen; im ahd. und altſ. (vgl. das mnl. 1, 467. 489.) nur
noch nach r geduldet, bald auch unterdrückt. In den
meiſten m-ableitungen, zumahl bei vorausgehendem l, r
und langem vocal fügt ſich das m ſo nahe an die wur-
zel, daß es ſelbſt neue ablautsformeln zeugt (nr. 516.
517. 611.). Die am- ableitungen liegen daher oft ver-
ſteckt, im gegenſatz zu den l und r-ableitungen. Ich
wage es in den formen áum, áim, -ôm ableitendes -m
nachzuweiſen, d. h. ſie auf wurzeln iuhan, iuvan; eihan,
eivan etc. zu beziehen. Erſt dadurch kommen die ablei-
tungen mit -m in ihr gleichgewicht; ſie würden ohne
das an zahl und einfluß unerklärlich hinter denen mit
l und r zuruckbleiben.


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſculina,
goth. ar-ms (brachium, wurzel etwa nr. 571b?); bag-ms (ar-
bor) für bavms, bauvms? *); bar-ms (gremium, wurzel nr.
325.); máiþ-ms (donum, wurzel nr. 166?); vaúr-ms (ver-
mis, wurzel vielleicht nr. 572., neuen ablaut zeugend
nr. 611.) —


ahd. ar-am (brachium); dar-am (ile); dou-m (vapor)
thaum jun. 191. toum doc. 239a vgl. ſerb. tama (nebula);
hal-m (feſtuca, calamus, culmus, wurzel nr. 314.); har-
am (luctus) vgl. har-ac (lugubris); hël-m (galea, wurzel
nr. 314.): hei-m (domus), der acc. heim dauert adver-
bialiſch fort **) kal-m (ſonitus) K. 43a galm O. V. 19,
50. (wurzel nr. 67.); mël-m (pulvis) T. 44, 7. (wurzel
nr. 560.); par-am (ſinus) altſ. bar-am (wurzel nr. 365.);
po-um (arbor) aus paum, pagam?; qual-m (nex, wurzel
nr. 315.); ſou-m (ſarcina und ora monſ. 321.)***); ſcër-m
K
[146]III. conſonantiſche ableitungen. M.
(protectio) N. 26, 4, 5.; ſtrou-m (torrens); ſtur-m (pro-
cella); ſuar-am (turba, wurzel nr. 328.); ſuil-m (ſopor,
wurzel nr. 317.) jun. 225.; trou-m (ſomnium); tual-m
(ſopor, wurzel nr. 316.); var-am (filix) doc. 240b; vlou-m
(floum O. V. 1, 42. wohl nicht colluvies, φλέγμα, ſon-
dern exilium, miſeria, wurzel nr. 270. f. vlôham? goth.
þláuhms?); wur-m (vermis); zou-m (habena), funiculus,
was zieht oder gezogen wird, wurzel nr. 269. f. zôham,
goth. táuhms?). —


agſ. æð-m (halitus); beá-m (arbor, trabs, tuba); bëarht-m
(ſplendor, viſus, Beov. 133. fragor Cädm. 52, 12.) altſ. iſt
brahtm neutral; bëar-m (gremium); bot-m (fundum); cvëal-
m (peſtis); dreá-m (jubilum, canor, modulatio) *); gehört
eá-m (avunculus) hierher?; ëar-m (brachium); fäð-m (cu-
bitus); fëar-m, fëor-m (coena, victus); fleá-m (ſuga, exi-
lium, elend); gël-m (manipulus); gleá-m (jubar, coruſca-
tio); hâ-m (manſio); hëal-m (culmus); hëar-m (calamitas);
hël-m (caſſis); hreá-m (clamor); ſeá-m (ſutura, onus); ſtreá-m
(torrens); ſvëar-m (examen); teá-m (ſoboles, was erzogen
wird); þëar-m (inteſtinum); väſt-m (fructus); vël-m (fer-
vor); vyr-m vermis). —


altn. ar-mr; bad-mr (arbor = bag-mr?); bar-mr;
drau-mr; fad-mr (ſinus, f. fag-mr?); far-mr (onus nau-
ticum); fël-mr (metus); glau-mr (ſtrepitus vgl. nr. 517.);
hâl-mr (ſtipula); heim-r (domus); hiâl-mr (galea); hlió-
mr (ſonus); hôl-mr (inſula); mâl-mr (metallum); meið-mar
(pl. opes); or-mr (vermis); ſau-mr (ſartura); ftrau-mr
(fluxus aquar.) taum-r (habena); þar-mar (pl. ilia). —


mhd. ar-m; bou-m (arbor, trabs, vinculum Geo.
19b 49a); dar-m; gal-m, gël-m; hal-m; har-m (aerumna)
unüblich; hël-m; mël-m; qual-m; ſchër-m, ſchir-m (pro-
tectio); ſou-m (ſartura) Parc. 59a, onus Parc. 70b); ſwar-m;
trou-m; tou-m (vapor) Karl 128b; twal-m Bit. 128b; var-m
Parc. 107b; 111a. b.; zou-m. —


β) ſtarke feminina
goth. nur hái-ms (vicus) vgl. 1, 605. — ahd. kou-ma
(epulae und cura) vol-ma (manus) J. 367. durch παλάμη,
palma beſtätigt; beide kouma und volma in ſchw. decl.
ſchwankend. — altn. gâl-m (ruga); miöð-m (coxendix);
ſkâl-m (framea). — mhd. gou-me. —


[147]III. conſonantiſche ableitungen. M.

γ) ſtarke neutra nhd. gedär-me, geſchwär-me, ge-
wür-me etc.


δ) ſchuache maſculina
goth. ah-ma (ſpiritus) vgl. ahjan (cogitare); aha (mens) blô-
am (flos) *) glit-ma (nitor) folgere ich aus glitmunjan (nitere);
hiuh-ma (turba); laúh-ma (ſplendor) bloß gefolgert aus laúh-
muni (fulgur); hliu-ma (auris); mal-ma (pulvis); milh-
ma (nubes); ſkei-ma (lucerna) von verlornem ſtamm. —
ahd. ah-amo (mens) finde ich zwar nicht, ſchließe es
aber aus mhd. ach-me, ja nhd. ah-men in nâch-ahmen
(imitari); chî-mo (germen) wäre goth. kei-ma von kei-an,
kai? vgl. 1, 854. 855. und unten bei ST cheiſt (ger-
men) **); chuh-mo (cacabus) monſ. 325. 383. doc. 208a
wo überall der acc. chuhmun, ſo daß es auch weiblich
ſein könnte? vielleicht fremdes wort, vgl. κύμβη (trink-
gefäß) nhd. kumpf; deihſ-amo (fermentum) deiſ-mo K.
20a theiſ-mo T. 74, 1. wurzel nr. 197. fram-dêhſ-mo
(profectus) monſ. 355; har-amo (migale) monſ. 322; joh-
hal-mo (lorum) monſ. 347. 357. 366; klei-mo (nitela)
gleimo doc. 216a; kliz-amo (nitor) glizemo N. 103, 15;
lîh-mo (corpuſculum) monſ. 408., vielleicht verſchrieben
f. lîh-hamo?; har-amo (migale) monſ. 422; kiu-mo, giu-
mo (faux); niu-mo (modulatio) ein dunkles wort bei N.,
auf dieſem wege vielleicht zu deuten; pêd-emo (pepo,
melone) jun. 330. pfedemo trev. 21a fedema (l. fedemo)
blaſ. 61a, doch trev. 19a blaſ. 57a pebenun (melones) was
freilich näher zum lat. wort und dem oberd. pfebe ſtimmt;
pëſ-amo (ſcopa) monſ. 334; pluo-mo (flos) bei einigen
weiblich; phraſ-amo (uſura, foenus) T. 149. 150, wo der
dat. phraſamen ſchwerlich pl., ſo daß das maſc. zweifel-
haft wäre, indeſſen ſteht jun. 309. praſeme und niederd.
pſalm. 54, 12. priſma (uſura) 71, 14. priſmon (uſuris);
proſ-amo (mica) broſmo O. III. 6, 93; riu-mo (lorum);
ſiſ-omo (muſcus) monſ. 400. vermuthl. ſeſamum; roſ-amo
(aerugo) hrab. 974a roſ-omo K. 58a verhält ſich zu roſt
wie vorhin cheiſamo zu cheiſt; rôt-amo (rubor) monſ.
412; ſcal-mo (peſtis) jun. 219; ſcî-mo (ſplendor); ki-
*)
K 2
[148]III. conſonantiſche ableitungen. M.
ſmah-mo (ſapor) geſmagmo N. 77, 8; wahſ-amo (incre-
mentum, fructus) J. 396. (wo zu leſen waxſmun, oder fona
waxſmin) jun. 205. wirceb. 981a T. 4, 3. O. I. 16, 15. IV.
10, 13; zaſ-amo (fibra) N. (Stald. dial. p. 185). —


agſ. bëſ-ma (ſcopa); blôſ-ma und blôſt-ma (flos); flŷ-
ma (profugus); gläd-ma (glaudium)? Beov. 30; hoð-ma
(nubes) Beov. 183; lëó-ma (lux); ôm-a (ignis ſacer, ru-
bigo); rëo-ma (ligamentum) ſcî-ma (coruſcatio); ſmëd-
ema, ſmëd-ma (ſimilago); tî-ma (tempus, wurzel nr. 195,
goth. etwa teîh-ma, was verkündet, angeſagt wird?);
vað-ema (fluctus, oceanus); þæſma (fermentum). —


altn. blô-mi (flos); tî-mi (tempus). —


mhd. ach-me (ſpiritus) bloß cod. pal. 361, 22d leſe
ich den gen. achmens (f. achmen?); balſ-em, balſ-me
(balſamum); biſ-eme (moſchum); bëſ-eme (ſcopa); bluo-
me; broſ-eme, broſ-me (mica) Barl. 85, 32; deiſ-me, dêſ-
me jun. 281; ſchël-me (peſtis). —


mnl. blix-eme, nnl. blix-em (fulgor) und ſchon altſ.
blicſ-mo; nnl. bloeſ-em, bloeiſ-em (flos); dêſ-em, dêgſ-
em (fermentum). —


nhd. (mit übergängen in ſtarke form, auch in das
fem.) bêſ-en f. bêſ-em; blû-me; die beibehaltung des
tieftonigen a in broſ-am (mica) und oberdeutſch deiſ-am,
teigſ-am (fermentum Daſyp.) vergleicht ſich dem nhd.
muͤhſal, irrſal (oben ſ. 107.), man dachte wohl auch an
die adjectivbildungen mit -ſam oder gar an ſâme (ſemen)
und hörte ein bro-ſam, deig-ſam in jenen wörtern oder
hatte die endung der fremden wörter balſam, bîſam, chrî-
ſam einfluß? Nicht unähnlich iſt auch das engl. beſom,
bloſſom, nur allgemeiner (ſ. unten bei der um-form). In dia-
lecten dauert ge-ſchmach-en (ſapor) f. -em (Schm. §. 1046.)


ε) ſchwache feminina; vielleicht goth. ïu-mjô (grex);
ahd. zuweilen kou-ma und pluo-ma auch wohl broſama,
vgl. blaſ. 96a trev. 54a; agſ. bŷ-me (tuba); fol-me (palma);
altn. âl-ma (ſcapus hami); broſ-ma (inſectum quoddam);
ſkâl-ma (ſo viel wie ſkâlm). —


2) adjectiva
ahd. ar-am (miſer) agſ. ëar-m, altn. ar-mr *); goth. us-
fil-ms oder nur ſchwach us-fil-ma? (pavidus) vgl. das
[149]III. conſonantiſche ableitungen. M.
altn. ſubst. fël-mr (pavor); ahd. war-am (calidus) altn.
var-mr; altn. ôl-mr (furioſus); ſkil-mr (quaſſatus, tritus)
vgl. ſkâlm; vielleicht altn. au-mr (miſer) nau-mr (angu-
ſtus. parcus) rû-mr (amplus) u. a. m. deren beſtätigung
uns noch verborgen liegt. —


3) verba


α) erſter ſchw. conj. goth. gáu-m-jan (obſervare)
var-m-jan (calefacere). — ahd. ka-hir-m-jan (quieſcere,
ceſſare) jun. 188. N. 57, 8; kou-m-jan (obſervare); ſcir-
m-jan (protegere) war-am-jan. — agſ. drŷ-m-an (jubilare);
gŷ-m-an (obſervare); flŷ-m-an (in exilium mittere); ſŷ-
m-an (onerare) ſtyr-m-an (furere); vyr-m-an (calefa-
cere); yr-m-an (miſerum reddere). — altn. drey-m-a
(ſomniare); gey-m-a (cuſtodire); gley-m-a (obliviſci);
ſey-m-a (conſuere); ſtrey-m-a (fluere); tey-m-a (fune
ducere). — mhd. blue-m-en (floribus ornare); gou-m-en;
ſchir-m-en; ge-hir-m-en En. 7805. 12324; ſou-m-en
(onerare); wer-m-en (calefacere). — nhd. bäu-m-en;
bl[ü]-m-en; här-m-en; ſäu-m-en (ſuere); ſchwär-m-en;
träu-m-en; wär-m-en; zäu-m-en.


β) zweiter ſchw. conj. ahd. kou-m-ôn (prandere) K.
44b; niu-m-ôn (modulari) N. — agſ. æð-m-jan (exae-
ſtuare); fäð-m-jan (manu complecti). — mhd. bëſ-em-en
(ſcopare); balſ-em-en (nhd. balſamieren); biſ-em-en MS.
2. 131b; kriſ-em-en, chriſ-em-en (ungere, baptizare);
ziſ-em-en (ſequi, imitari) Loh. 167. und Tit. (in einer
ſtelle, wo der falſche reim biſem: ziſem zu ändern iſt in
biſemen, acc. ſg. und ziſemen). — nhd. nach-ah-m-en
(imitari) der frühern ſprache unbekannt. —


γ) dritter, goth. ar-m-an (miſereri); ahd. ar-par-
am-ên (miſericordia moveri); ar-war-am-ên (calefieri);
agſ. vëar-m-jan (calere). — mhd. nhd. er-bar-m-en,


β. γ) agſ. und altn. fallen zweite und dritte conj.
zuſammen: blôſ-m-jan (florere); bŷ-m-jan (buccinare);
fëar-m-jan (victum praebere); ôl-m-az (furere); ſau-m-a
(ſuere).


Manches bleibt hier ſchwer zu beſtimmen und unſi-
cher; volksmundarten liefern untergegangene verba, vgl.
z. b. Schm. §. 1068. gal-m-en; geid-m-en (laudare) f.
göudmen, von mhd. göuden); ſur-m-en (ſuſurrare, ſur-
ren). —


[150]III. conſonantiſche ableitungen. M.

[UM] der vocal bleibt im goth. wie im ahd., doch
ſchwankt in letzterm das u in a, theils wirklich, theils
durch verwechſelung der ähnlichen ſchriftzüge; die mei-
ſten agſ. wörter der um-form ſind zur m- (am-) form
übergetreten, im engl. gilt aber -om. Merkwürdig, daß
alle wortbildungen auf -um dem altn. gebrechen *).


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina, keine gothiſche; ahd. ât-um
(ſpiritus) hymn. mat. gl. jun. 252. ât-am doc. richtiger
mit der media âd-um ατμός J. 356; chrad-um (ſtrepitus)
gl. jun. 250. wo chrad-un; eid-um (gener) monſ. 411.
jun. 207; pod-um (carina) jun. 187. auch wohl pot-am,
da der bodenſee in alten urk. lacus potamicus heißt;
puoſ-um (ſinus) jun. 207. T. 39, 1; vad-um (filum) fad-
um O. IV. 29, 82; wid-um (dos) verſchieden von, oder
neben der ſchw. form? gl. monſ. 373. wid-am-huopa
(ager dotalitius?). — agſ. nur zuweilen wird bôſ-um, bôſ-
om (ſinus) meiſtens bôſ-m, ſo wie æð-m (ſpir.) und fäð-m,
umgekehrt mâð-um (Beov. 154.) f. mâð-m geſchrieben;
ob ëald-om (ſenectus, Oroſ. p. 69.) hierher zu rechnen
ſei oder für ëald-dôm ſtehe? davon hernach, doch nie
finde ich ëaldm; fult-um (auxilium)? oder ful-tum f. ful-
dôm? — mhd. ât-em, im reim auch ât-en; ërd-bid-em
(terrae motus) gefolgert aus dem verbo er-bid-em-en;
bod-em (fundus) kommt nicht mehr vor, ſondern ſchon
die abſchwächung bod-en (in boden-ſê, erd-boden); brod-
em (vapor, odor) prad-em Loh. 192. ſpäter auch frad-
em **); buoſ-em (ſinus) Triſt. 8949. Mar. 39. bei Conr.
ſchon buoſ-en; eid-em (gener); krad-em (ſonitus) Parc.
12175. Geo. 1550. Nib. 2428. Loh. 127; lud-em (tumul-
tus) Nib. 3777. Loh. 110. ſpäter lud-en (Petz); lud-em?
lûd-em? (animal ignotum) Nib. 3829; ſvad-em (exhalatio)
MS. 2, 219a; vad-em (filum) ſpäter vad-en; wid-em
(dos) die ſtarke form noch zweifelhaft, Karl 119b zwar:
mit widem (e) wol beriet, doch könnte leicht widemen
ſtehen müßen, aber jüngere ſtellen bei Oberlin liefern
den gen. widemes (dotis). — nhd. âth-em, ôth-em (ſpir.);
[151]III. conſonantiſche ableitungen. M.
ſelten brôd-em (vapor) hingegen bôd-en; bûſ-en (noch
im 17. jahrh. öfter bûſ-em); fâd-en; ſchwâd-en, die übri-
gen veraltet, mit tiefton aber eid-àm (gener) und als
ſcheinbares comp. wit-thûm (vidualitium *). — engl. nicht
allein boſ-om, bott-om, ſondern auch in andern -om, die
eigentlich der am-form gehören: beſ-om, bloſſ-om. —


β) ſtarke feminina goth. mid-uma oder mid-ums
(μέσον)? es kommt allein der dat. midumái vor; aus der
ahd. ſprache ſind keine nachzuweiſen, doch mag es ihrer
gegeben haben, Oberl. führt aus neueren quellen an:
buoſ-eme (linea recta in computatione graduum) wid-eme
(dedicatio). —


γ) ſtarke neutra, nur ahd. kad-um (cubile, pene-
trale) jun. 203. 225. hrab. 969b O. I. 27, 134.); mhd. gad-
em, ſpäter gad-en. —


δ) ſchwache maſc. goth. ald-uma (ſenectus) bedarf
der beſtätigung, da nur L. 1, 36. der dat. aldômin vor-
kommt, welches f. aldumin (wie umgekehrt krôtuda, ſu-
puda f. krôtôda, ſupôda; vgl. 1, 855.) ſtünde? Compo-
ſition mit -dôm (aldôma f. ald-dôma) anzunehmen, wi-
derſtrebt der ſonſt immer ſtarken form des -dôm, -tuom
(vgl. cap. III.) obgleich ahd. alt-duom, alt-tuom ſtatt fin-
det; zweifelhaft iſt auch das vorhin angegebne agſ. ëal-
dom? oder ëald-dôm (nicht ëald-dôma)? und analog
falſche verbindung zeigt eben das nhd. wachsthûm, wit-
thûm. —


ahd. wid-umo (dos)? wid-emen (dote) ſtehet W. 3,
10. wozu auch das agſ. vëoð-uma, vëoð-oma (Lyes un-
belegte ſchreibung vëotuma, vëotoma iſt kaum recht?
doch vgl. botm, engl. bottom mit ahd. podum) paßt. Ge-
hört hierher das agſ. gärſ-uma (gaza, theſaurus)? das man
bald ſchwach, bald ſtark declinieren findet, vgl. agſ. chro-
nik (Ingram p. 208. 274. 275.)**). —


mhd. glid-eme (jubilum)? Wittich z. 3545; ſchalmeien,
flœten und glidemen (jubila): bidemen, vgl. glädma vor-
hin ſ. 148; vielleicht auch wid-eme (dos). —


[152]III. conſonantiſche ableitungen. M.

ε) ſchwache feminina entſpringen aus adjectiven die-
ſer form, goth. hleid-umei (ſiniſtra); ein goth. taíhſ-umei
f. taihſvô (dextera) finde ich ſo wenig, als ein ahd. zëſ-
uma f. zëſ-awa, leſe aber mhd. in der heil. Martina diu
zëſeme (dextra): bëſeme gereimt. —


2) adjectiva
es iſt ein alter, ſchon faſt verwiſchter zug deutſcher
ſprache, daß sie adjectiven des begriffs der lage und folge
die bildung -um anfügt. Eigentlich, wie cap. VII. aus-
führen ſoll, ſcheint dieſes -um ſuperlativiſch, gilt auch
zuweilen ſo, wird aber gewöhnlich wieder zum poſitiv
genommen und alsdann gleich den übrigen adjectiven
nochmahls compariert *). Bemerkenswerth, daß die po-
ſitiviſch ſtehenden adj. dieſer bildung organiſcherweiſe nur
ſchwach declinieren.


goth. fr-uma (primus) fr-umei (prima) galt gewis ſchon
ſeit uralter zeit für frum-a und wurde dann ablautend
(nr. 568.); gleiches gilt von einem bloß muthmaßlichen
þr-uma (extremus) n. 567; deutlicher liegt die bildung
in den folgenden vor: aft-uma (ultimus); aúh-uma (ſu-
perus); hind-uma (poſtremus); hleid-uma (ſiniſter) hleid-
umei (ſiniſtra); ïſt-uma (poſterus); mid-uma (medius);
ſpêd-uma (noviſſimus) und wohl manche andere.


ahd. nicht mehr vr-umo (primus) ſondern vrum,
vrum-êr (provectus, probus); aber noch mit umo, mët-
umo (medius, mediocris) wofür fehlerhaft geſchrieben
ſteht oder gebraucht wird mët-amo, mitt-amo, vgl. mëta-
min-pahhe Neug. nr. 49. und K. 55b T. 77. 189, 3. 230.
1. 333, 5. mittimo O. III. 17, 100. mittemo N. 81, 1;
rëht-umo (rectus)? rëht-emo O. I. 1, 104; duërh-umo
(obliquus) tuërh-eme gl. herrad 179a falls es kein dat. ſg.
von tvërh iſt?; viele andere, z. b. hint-umo, ſpât-umo,
laƷ-umo ſind leicht zu vermuthen.


agſ. äft-ema (poſterus); for-ma (primus) Beov. 58. 171;
hind-ema (ultimus) Beov. 154. 187; inn-ema (intimus);
(noviſſimus); mëd-ema (medius); nið-ema (infimus); norð-
ema (ſeptentrionalis); ſið-ema (noviſſimus); ſûð-ema (an-
ſtralis); uf-ema (ſuperior); ût-ema (exterior); vëſt-ema
(occidentalis); verſchiedne darunter folgere ich bloß aus
[153]III. conſonantiſche ableitungen. M.
den ſuperlativen (äſtemeſt), niðemeſt, norðmeſt, ſûð-
meſt etc.) *).


mhd. iſt einzige ſpur das zwar ſeltene, aber nicht ganz
verwerfliche zëſ-eme, zëſ-em (dexter) ſtatt des gewöhn-
lichen zëſ-ewe. Belege hat Oberlin 55. und 2101., ich
will zwar weder En. 3555. noch Karl 90a 115b das m
für w vertheidigen, nur iſt es kein ſinnloſer fehler, ſon-
dern dialect des ſchreibers, wie das vorhin angeführte
ſubſt. zëſeme, auf bëſeme gereimt, darthut.


Vom nhd. mundartiſchen nächner, ſchwed. närmare,
dän. närmere u. a. ähnlichen unten cap. VII. Stalder
führt neben dem ſchweizeriſchen ſchlaß (flaccidus) auch
ein, vielleicht hierher bezügliches ſchlaßem an. —


3) verba


α) erſter ſchwacher conj.
ahd. chrad-um-jan? (tumultuari, vociferari) chradumen
monſ. 404. chradamen doc. 206a chrademen N. 9, 8. ſchwer-
lich chradumên; mët-um-jan? (dimidiare) mëtemen N.
54, 24; vermuthlich auch vad-um-jan (filare) wid-um-
jan (dedicare)? —


mhd. be-ged-em-en (hoſpitari, recipere) ſchmiede 427;
ved-em-en (filare); bred-em-en (olfacere)? vgl. liederſ.
376. frademet f. fredemet?; wid-em-en ſchmiede 1237.
Loh. 89.


nhd. fæd-m-en, ein-fæd-m-en; wid-m-en.


β) zweiter, dritter conj.
ahd. âd-um-ôn (ſpirare, flare) J. 361. mhd. ât-em-en
MS. 2, 128a. nhd. âth-m-en; mhd. er-bid-em-en (per-
tremiſcere) MS. 2, 219a ſchmiede 1237. [ahd. ar-pid-um-
ên oder ar-pid-um-ôn?].


Anmerkungen zu den M-ableitungen

a) ſie verleugnen ſich viel mehr, als die mit l und r,
namentlich gewinnen die verbindungen lm, rm wurzel-
haftes anſehen. Daher ſind nicht bloß dieſe, ſondern
auch die fälle, wo dem m langer vocal vorausgeht und
ſpiranten unterdrückt ſcheinen, ſo fern es jetzt ſchon
thunlich iſt, aufgelöſt worden. Zu weit durfte ich aber
die auflöſung nicht treiben. Denn wenn auch das m in
[154]III. conſonantiſche ableitungen. M.
ſâmo (ſemen) ableiteriſch ſchiene und aus ſah-amo, ſaj-
amo (von ſajan, ſahan, ſerere) deutbar; mochte ich es
doch nicht, noch weniger namo (nomen), der in beiden
lebendigen ablaute wegen (nr. 565. 318.), angreifen. Hier
bleibt erſt behutſam fort zu unterſuchen, damit ſich der
gegenſtand nicht verflüchtige. Wollen wir hruom (glo-
ria) tuom (judicium) rûm (ſpatium) rîm (numerus) heimo
(cicada, agſ. hâma) u. a. zerlegen, weil uns poum, pluo-
mo, chîmo der zerlegung fähig vorkamen; ſo würden
auch eine menge l und r (heil, teil etc.) wankend wer-
den und unwurzelhaft ſcheinen. Selbſt bei dem m müßen
daher ſchranken geſetzt, und die verbindungen -eim, îm,
ûm, âm (geſchweige wenn kurzer vocal vorherſteht) vor-
ſichtiger behandelt werden, als -oum, lm, rm, bei denen
verdacht der ableitung kaum abzuwenden war. Vielleicht
muß man ſich für dieſen und alle ähnlichen fälle an fol-
gende regeln halten: 1) ein wurzelhaft ſcheinender conſ.
iſt dann für ableitend zu erachten, wenn, ihn hinweg-
genommen, klare, erweiſliche wurzel zurückbleibt, z. b.
pluo-han, chî-an bei pluo-mo, chì-mo, oder hël-an, për-
an bei hël-m, par-m. 2) wenn die auflösbarkeit einer for-
mel überwiegt, wie bei -oum der fall iſt; weil flou-m,
ſou-m, zou-m etc. ohne zweifel die wurzel fliuhan, ſiu-
han, ziuhan etc. verrathen, ſo dürſen wir auch troum,
ſtroum theoretiſch für trou-m, ſtrou-m nehmen, obgleich
uns die wahre wurzel dunkel bleibt. 3) wenn die ver-
gleichung der dialecte oder auch fremder ſprachen den
ſchein der wurzel aufhebt. Wer wollte z. b. in poum
das m der wurzel zuſchreiben, wenn er bagms und badmr
verglichen hat? wer in halm, wenn er calamus hinzu-
nimmt? Erweitert ſich unſere ſprachkenntnis, ſo kann
auf manches, jetzt noch für wurzelhaft geltende wort
licht fallen und dadurch auf ganze reihen. —


b) wechſel des m mit andern conſonanten. Selten
mit l agſ. midmeſta und midleſta (medius); nhd. einſæd-
men und einſædeln. Zuweilen mit n nach verſchie-
denheit der ſprachen, ahd. varm (filix) agſ. fëarn, engl.
fern; ahd. podum, agſ. botm, altn. botn *). Die ſpätere
[155]III. conſonantiſche ableitungen. N.
hd. verdünnung in n iſt kein wechſel, ſondern verderb-
nis, nhd, fâden, bêſen, bûſen etc. f. fâdem etc. —


c) die ungleichgültigkeit der dem ableitenden conſ.
vorausgehenden vocale wird durch den gänzlichen man-
gel der im- (wie der ir-) form beſtätigt, da doch il- und
in- vielfach vorkommen. Und wie nothwendig a und
u geſchieden werden müßen geht eben aus der abweſen-
heit der um-form im altn. einleuchtend hervor. In die
bedeutung läßt das adjectiviſche -um einmahl einen blick
thun, der uns aber das ſubſtantiviſche noch nicht auf-
ſchließt.


ableitungen mit N.

hier finden ſtatt -an, -in, -un, außerdem aber -ein (-în),
ſelten oder anſcheinend -ôn.


[AN] die allgemeine regel über wegwerfung des a iſt
höchſt ſchwierig, beinahe für jede wortart ſcheint im
goth. und altn. etwas eignes einzutreten; agſ. -en, ſelten
in -on ſchwankend aber ſehr miſlich zu beurtheilen, weil
auch en für in und în ſtehet. Das ahd. -an haftet weni-
ger als -am, nämlich nach r fällt es weg, es gilt kein
r-an (ſondern r-n) *) während noch r-am (neben r-m)
vorkommt. Daß die verbindung rn jederzeit in r-n
(r-an) aufzulöſen ſei, kann nicht bezweifelt werden; ln
(analog dem lm) findet hingegen keine ſtatt.


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina
goth. mit -an nur: ſab-ans (σάβανον, alſo fremdes wort,
das geſchlecht aus dem ahd. unſicher geſchloßen, vielleicht
neutr.); þiud-ans (rex); ohne a: aúh-ns (clibanus) **);
aúhſ-ns (bos, nach dem gen. pl. auhſnê Luc. 14, 19. da
ſchwaches aúhſa aúhſanê forderte); faíhu-þraíh-ns (mam-
mona), die bedeutung des einfachen þraíhns dunkel,
ſchwerlich aber coactio (gegen 1, 598.) eher ciſta (ver-
wandt mit agſ. þruh, ahd. druho?) —


[156]III. conſonantiſche ableitungen. N.

ahd. dëk-an, dëg-an (vir fortis); dëot-an (nur n. pr.
in alten urkunden); dor-n (ſpina); har-n (urina); hak-
an (paliurus) monſ. 414; hav-an (olla); hol-an (genus ar-
boris) vielleicht zu ſchließen aus holan-tar (ſambucus)
monſ. 414?; hrab-an (corvus, hrab = corv, crov, ſerb.
gavran); irm-an (n. pr.) vgl. irman-ſûl monſ. 362. ſchwankt
in -un und -in; leiſ-an (veſtigium) wakan-leiſan (orbita)
jun. 191, vielleicht fem. oder neutr,?; louk-an (inficiatio)
loug-en N. 3, 8; morak-an, morg-an (mane) alle ahd.
quellen haben in dieſem worte die an-form; për-n, dem
agſ. bëorn, altn. biörn entſprechend, findet ſich in vielen
ahd. eigennamen z. b. adal-përn, regin-përn, dëot-përn,
megin-përn etc. ſo wie in përn-hart etc.; ov-an (for-
nax); rëk-an (pluvia); rot-an (rhodanus); ſab-an (lin-
teum) O. IV. 11, 25; ſëk-an (benedictio); trah-an (la-
crima) N. 79, 7. 95, 7. [zſg. trâ-n 36, 34. 114, 8.] W.
trev. 8a; vêh-an? (picus varius) monſ. 351. wo vêhen;
wak-an (currus); wuot-an (n. pr.); zor-n (ira, wurzel
nr. 326.); zuir-n (filum tortum). —


altſ. hëƀ-an (coelum) Hild. hëv-an; gëƀ-an (mare);
morg-an; ſuëƀ-an (ſomnium); thiod-an (rex). —


agſ. bëor-n (vir); bräg-en (cerebrum) vielleicht neu-
trum?; ëot-en (gigas); ëar-n (aquila); fëar-n (filix); gëof-
en (pelagus); hëof-en (coelum) beide auch mit -on gëof-
on, hëofon; hol-en, cnëó-hol-en (ruſcus); hräf-en (cor-
vus ſpäter hräm-n); morg-en; of-en; rëg-en (pluvia);
ſëg-en (ſignum, vexillum); ſtëar-n (ſturnus); ſtëm-n (ba-
ſis); ſvëf-en (ſomnium); tor-n (ira); þëg-en, þên (miles,
miniſter); þëód-en (rex); þor-n (ſpina); väg-en (currus);
vôd-en (n. pr.) —


altn. hraf-n (corvus); of-n (fornax); ſvëf-n (ſomnus);
þëg-n (homo liber); vag-n (currus); einige noch mit -an:
apt-an (veſper); herj-an (bellator); þiód-an (rex) nur in
den comp. þiódans-barn, þiódans-kona; þiódans-rëckr;
für ôd-an ſteht allgemein ôd-inn. —


mhd. ar-n (aquila) nur ſelten ſtatt des gewöhnl. ar,
vgl. arnes-nëſt Wilh. 2, 87a; bâr-en (praeſepe) Parc. 40a
69c; dëg-en; dor-n; hag-en; har-n; hav-en; meid-en
(equus); morg-en; ord-en (ordo); ov-en; rab-en Parc. 5b
vgl. wal-rab-en (n. pr.) Kol. 83. 85; rëg-en; rot-en; ſab-
en Nib. 2541; ſëg-en; trah-en; wag-en; zor-n. —


nhd. dêg-en; dor-n; hâf-en; har-n; morg-en; ôf-
en; rêg-en; ſêg-en; wâg-en; zor-n; zwir-n; viele andere
ſind unorganiſch (1, 703.) —


[157]III. conſonantiſche ableitungen. N.

engl. brai-n; fer-n; heav-en; ov-en; rai-n; rav-en;
tha-ne (vir nobilis); thor-n; wai-n. —


β) ſtarke feminina.
goth. theils nach erſter, theils nach vierter decl. Die
nach erſter haben ſowohl -ana: ahana (ἄχυρον, palea)
Luc. 3, 17 *); als -na: draúhſ-na (mica) faírz-na (πτέρ-να
calx); hláivaſ-na (ſepulcrum); ſmar-na (ſtercus); ſtib-na
(vox). Die nach vierter hingegen zuweilen -ans: aſ-ans
(meſſis); gewöhnlich -ns: ana-buſ-ns (lex) **); vielleicht
auch liug-ns (mendacium) obgleich das genus unſicher,
da nur der acc. liugn Joh. 8, 44. ſteht; rôhſ-ns (atrium);
táik-ns (ſignum). — Außerdem kann die goth. ſprache
aus jedem ſchwachen (nie aus einem ſtarken) verbo fe-
minina vierter decl. auf -ns (= ans) bilden, welchem
der herrſchende ableitungsvocal vorantritt, folglich in
erſter conj. i, in zweiter ô, in dritter ái, ſo daß -eins,
-ôns, -áins entſpringen. Bildungen auf -eins, ôns, áins
nenne ich ſie aber nicht, weil die vocale von dem verbo,
das ſie ableiteten, abhängen und das a der ſubſtantivab-
leitung weggefallen ſcheint, d. h. eins aus jans, ôns aus
ôans, áins aus áians erwächſt, vgl. 1, 847. 849. 850. Vom
inf. darf man dieſe verbalia nicht bilden wollen, practiſch
richtig aber nur dem imp. -ns zufügen, z. b. naſei, laþô,
báuái: naſeins (ſalvatio) laþôns (invitatio) báuáins (aedifi-
catio). Die meiſten ſtammen aus erſter conj. als: un-
ageins (ſecuritas) balveins (cruciatus) dáuþeins (baptiſmus)
fôdeins (cibus) gôleins (ſalutatio) haúheins (exaltatio) háu-
ſeins (auditio) hazeins (laudatio) and-huleins (revelatio)
faúr-lageins (propoſitio) galáubeins (fides) us-lauſeins (li-
beratio) af-marzeins (ſcandalum) ïn-máideins (mutatio)
maþleins (ſermo) gamêleins (ſcriptura) hnáiveins (humi-
liatio) niuhſeins (viſitatio) ga-ráideins (conſtitutio) hrái-
neins (purificatio) bi-rôdeins (diſputatio) hlêþra-ſtakeins
(ſcenopegia) ana-ſtôdeins (initium) þrafſteins (conſolatio)
us-táikneins (oſtenſio) timreins (aedificatio) us-valteins
(everſio) ga-vaſeins (veſtis). Verbalia zweiter conj. ſind
noch: mitôns (cogitatio) ſalbôns (unctio); und dritter:
[158]III. conſonantiſche ableitungen. N.
libáins (vita) lubáins (ſpes)? midja-ſveipáins (diluvium)
at-vitáins (obſervatio).


ahd. wenige und alle nach erſter decl.: ak-ana, ag-
ana (palea) jun. 281; aſ-ana (ſervitium)? vermuthe ich
lediglich nach dem altweſtph. aſna; liut-ana (lugdunum)
monſ. 408; louk-ana (negatio) loug-na O. I. 27, 35. II.
3, 2. III. 20. 178; rab-ana (ravenna) wirzeb. 978a; ſig-
ana (ſequana) ſigona trev. 24b, ſigena blaſ. 79a; ſtim-ana
(vox)? dieſe volle form kommt nie vor, ſondern ſtets mit
weggeworfnem a entw. ftim-na J., oder aſſim. ſtimma K.
N. O. und ſtëmma T. *); truoſ-ana (faex) truoſena N.
74, 9. truoſina ſteht monſ. 418; vërſ-ana (calx) monſ.
325. fërſna T. (fërſena N. 55, 7. ſchwach) vërfina trev.
9b; vorh-ana (truta) trev. 13a; war-na (inſtructio) N. 29,
10. — Nach vierter decl. nur ar-n (meſſis) T. 72, 6. 76.
O. II. 14, 208; und quër-n(mola). — Verbalia auf an,
jenen gothiſchen analog, gibt es nicht, wenigſtens nicht
ſolche, die deutlich der vierten ſtarken decl. folgten. Doch
ſcheinen mir einige der 1, 629. angeführten auf în ſpu-
ren davon; mend-în, ka-loub-în, touf-în; in ar-lôſ-nîn,
ur-ſuoh-nîn ſtünde aber doppeltes n (ſtatt: ar-lôſ-în, ur-
ſuohh-în); übrigens wäre -in für -jan geſetzt. Und bald
heißt es noch abgeſtumpſter touf-î, mend-î. Auf -ôn
für -ôan, auf -ên, f. êan laßen ſich gar keine ſpüren
(z. b. kein fem. lëpên, vita, oder ladôn, invitatio) viel-
mehr ſteht auch hier -î (z. b. ſpar-î, parſimonia, doc.
236a von ſparên; goth. etwa ſparáins)**). —


altſ. hôf-na (ploratus); log-na (flamma); ſtëm-na (vox);
unſicher liud-ſtam-na (gens). —


agſ. ungefähr folgende: bläg-en (puſtula); cvëor-n
(mola); drôſ-en (faex); ſtëf-en, ſpäter ſtëm-n (vox);
ſtëor-n (gubernaculum); vëar-n (denegatio, repugnantia)
Beov. 30; byſ-en (norma, exemplum) vergleicht ſich
zwar dem goth. buſ-ns, hat aber einen aus der ableitung
unerklärlichen umlaut. Dagegen gelten noch einige deut-
[159]III. conſonantiſche ableitungen. N.
liche verbalia auf -en, deren umlaut nicht aus der ſub-
ſtantivableitung folgt, ſondern im ſchwachen verbo erſter
conj. begründet iſt: byrg-en (ſepultura); gŷm-en (cura);
ræd-en (inſtitutio, nicht räden, ſondern = goth. ga-ráid-
eins) und davon manche compoſita; ſyl-en (donum) von
ſylan ſt. ſëllan (dare); vêſt-en (deſertum) von vêſtan (va-
ſtâre) und wohl einige andere. Von verbis zweiter conj.
aber keine auf -ôn, ſondern, wenn daraus verbalia ge-
bildet werden, gleichfalls auf -en, etwa lëof-en (victus,
alimentum, von ſëofjan, vivere; goth. lib-áins). —


altn. auð-n (deſertum); bod-n (oblatio); eig-n (poſ-
ſeſſio); ſeik-n (vehementia); fôr-n (victima); qvër-n
(mola); ſtiór-n (imperium, latus navis); höſ-n (portus);
lauſ-n (liberatio); lîk-n (clementia); nor-n (fatidica); ög-n
(palea); nióſ-n (exploratio); ſög-n (relatio); ſŷk-n (im-
munitas); vör-n (defenſio); þög-n (ſilentium) etc. der
umlaut aus unterdrückten -u der flexion entſpringend.
Die verbalia vierter decl. haben ſich in vollem gebrauch
erhalten, und zwar alle aus erſter conj. ſtammenden fü-
gen bloßes -n hinzu (wie das praet., deſſen rückumlaut
oder umlaut ſie gleichfalls behaupten, den bildungsvocal
ausſtößt): heyr-n (auditus, háuſeins); ſpur-n (quaeſtio) etc.
Weit üblicher ſind aber die von verbis zweiter conj. und
ſie gehen auf -an aus, welches, wenn ſich das â in kal-
lâdi (1, 924.) rechtfertigt, früherhin -ân geweſen ſein
wird, z. b. laðan (invitatio) = goth. laþôns. Die neuere
iſtänd. mundart pflegt indeſſen das -an noch in -un zu
verwandeln (1, 658.) was umlaut des a der wurzel nach
ſich zieht z. b. vönun, rögun ſtatt und neben vanan, ra-
gan. Beiſpiele ſolcher verbalia zweiter conj.: bod-an
(annuntiatio) byrj-an (initium) dŷrk-an (cultus) eggj-an
(exhortatio) elj-an (labor) iat-an (confeſſio) iðr-an (poeni-
tentia) mâl-an (pictura) prêdik-an (concio) notk-an (ver-
ſio in rem) rag-an (exprobratio) ſvip-an (feſtinatio) þrælk-
an (redactio in ſervit.) undr-an (admiratio) van-an (mu-
tilatio) and-varþ-an (ſuſpirium grave, eigentl. emiſſio ſpi-
ritus) vërk-an (operatio) u. a. m.


mhd. etwa: loug-en (negatio) zweifelhaft, da in der
redensart âne lougen, und ſonſt z. b. Parc. 32b auch der
infin. ſtehen könnte?; *) rab-en (ravenna) ſtim-me (vox);
[160]III. conſonantiſche ableitungen. N.
ſtir-ne (frons); vërſ-en (calx); vorh-en (truta) a. Tit. 148.
wo ich vorhene (trutas) ſt. vorhenne leſen würde, wie-
wohl auch irgendwo vërſenne (calces) ſteht. Verbalia auf
-en gänzlich verſchwunden.


nhd. ah-ne (palea); ſtim-me; ſtir-ne für ferſen aber
ferſe, ſo daß kaum eine dieſer bildungen zu erkennen iſt.


engl. aw-n (palea); blai-n (puſtula); droß (faex) ſt.
drôſ-n; ſter-n; ſtev-en; (vox, tumultus). —


γ) ſtarke neutra
goth. mit -an: akr-an (fructus); alj-an (ζῆλος); — mit
bloßem -n: bar-n (infans, wurzel nr. 325); haúr-n (cornu);
kaú-rn (granum); kêlik-n (turris) fremd ſcheinend, doch
vgl. altn. gâlk-n; raz-n (domus); rig-n (pluvia) Matth. 7,
25, 27; vêp-n (arma). —


ahd. chor-n (granum); ell-an (f. el-jan, al-jan, vis,
robur, auch zelus T. 117.); eik-an (praedium, dominium)
monſ. 376. O. II. 2, 43; kam-an (jocus); kar-n (filum)
gar-n O. I. 5, 24. *); îſ-an (ferrum, ſt. des frühern îſ-
arn) N.; lahh-an (linteum); lêh-an (commodatum); mak-
an (vis) miſc. 2, 5. 411. jun. 254. gewöhnlicher mek-in;
par-n (infans); pouhh-an (ſignum, nutus) heri-pouhhan
(vexillum); rah-an (rapina) folgere ich aus dem verb. ra-
hanen und aus dem altn. rân; raƷ-an? (lolium) monſ.
113. unſicher dem geſchlecht und der ſchreibung nach,
vgl. das maſc. rato (lolium) doc.; reiſ-an (nodus) jun.
184.; ſcër-n (ſcurrilitas) K. 26a 45b; veihh-an (fraus,
dolus) T. 34. 126. 153. W. 1, 15; wâf-an (arma); wolh-
an (nubes) wolk-an O. II. 1, 35; zeihh-an (ſignum). —


altſ. bar-n; bôk-an (ſignum); ell-an; fêg-an (dolus)
ſo ſcheint für fêkan zu ſtehen; gam-an (laetitia, ludus);
lak-an (pannus); têk-an (ſignum); wâp-an; wolk-an. —


agſ. bëar-n (proles); beác-en (ſignum, prodigium); ell-
en, nur in comp. wie ellen-dæd, ellen-cempa etc.; fâc-
en (fraus); gam-en, gäm-en (jocus); gëar-n; hor-n; îr-
en (ferum); læ-n (commodatum); mäg-en (vis) üblicher
als meg-en; räſ-en (laquear); ſcëar-n (ſtercus); tâc-en
(ſignum); væp-en (telum); volc-en (nubes); vor-n (ca-
terva, multitudo). —


altn. mit -an bloß: âng-an (Biörn ſ. v.); gam-an (jo-
cus); gîm-an (rima) **); mit -n: bar-n; fió-n (odium);
gag-n (victoria); gâlk-n (rupes, ſaxetum) edd. ſæm. 55b;
[161]III. conſonantiſche ableitungen. N.
gar-n (filum, inteſtina); halk-n (aſpretum) edd. ſæm. 55b;
hiar-n (gelu indurata); hor-n (angulus); kor-n (ſeges);
mag-n (robur) üblicher meg-in; naf-n (nomen); rag-n
(dirae); râ-n (rapina); rëgn (imber); ſaf-n (congeries);
taf-n (victima); tâlk-n (branchiae); teik-n (ſignum); tió-n
(damnum); vap-n, vop-n (arma); vat-n (aqua); þor-n
(ſpina). —


mhd. bar-n; ell-en; gam-en Vrîg. 5c; Herb. 11a; gar-n;
hor-n; îſ-en; kor-n; lach-en; lêh-en; wâf-en; wolk-en;
zeich-en. —


nhd. nur noch eiſ-en; gar-n; hor-n; kor-n; lâk-en;
lêh-n; wapp-en (woneben weibl. die waff-e, ſo wie die
wolk-e); zeich-en. —


engl. beac-on; cor-n; hor-n; îr-on; mai-n; tok-en;
weap-on; yar-n; alſo mit übergängen in die on-form;
für gam-en aber gam-e. —


δ) ſtarke maſc. auf -anî.
goth. aſ-neis (ſervus) agſ. eſ-ne, ahd. aber nicht aſ-ani,
aſ-ni, eſ-ni ſondern aſ-an-ari, aſ-n-eri (oben ſ. 125. haſ-
an-ari, haſ-in-ari (ſtrator) doc. 218a.


ε) ſtarke maſc. auf -anu:
goth. þaúr-nus (ſpina) ahd. dor-n, war alſo früher dor-nu
(d. i. dor-anu)? altn. ör-n (aquila) biör-n (urſus) der um-
laut das abgeworfne -u andeutend, agſ. ëar-n, bëor-n
ohne ſolche ſpur, daher vorhin unter α) angeführt.


ζ) ſtarke (oder ſchwache) fem. auf anî werden
eigentlich nur von adjectiven geleitet, doch gibt es noch
andere erſcheinungen:


a) von adj. auf -an ſtammen: goth. ana-láug-nei (oc-
cultatio). — ahd. ëp-anî (planities); keiſ-anî (ſterilitas) jun.
224.; of-anî (apertura); touk-anî (myſterium) monſ. 341.
391. 393. toug-eni N. 16, 14. 17, 1. etc.; trucch-anî (ari-
ditas) monſ. 319; upar-trunh-anî (temulentia) K. 44a jun.
252. — agſ. keine ſolche bildungen; altn. heið-ni (paga-
niſmus); kriſt-ni (religio chriſt.); hlŷð-ni (obedientia); for-
vit-ni (curioſitas) obgleich ihre ſtämme unorg. -inn ſt. -n
haben. — mhd. ëb-ene, nhd. êb-ne. —


b) da die ſtarken part. praet. den adj. auf -an mehr
oder wenig gleichen, ſo ſcheint natürlich, daß auch aus
ihnen ſolche fem. entſpringen. Allein die goth. agſ. und
altn. ſprache bedienen ſich dieſes bildungsmittels gar
nicht, die ahd. ſehr häufig. Hier beiſpiele nach ordnung
der conjugationen: I. var-halt-anî (inceſtus) ki-ſalz-anî
L
[162]III. conſonantiſche ableitungen. N.
(condimentum) zi-kank-anî (interitus) in-pland-anî (ti-
mor); II. apa-var-meiƷ-anî (abſciſſio); IV. var-lâƷ-anî
(relictio) int-lâƷ-anî (eſſrenatio, wofür monſ. 387. verle-
ſen -ſteht indaƷini) ir-rât-anî (propoſitio) var-wâƷ-anî
(anathema); VII. var-var-anî (caducitas) untar-krap-anî
(ſuſſoſſio) ir-hap-anî (aſſumtio) upar-lad-anî (obeſitas) ir-
ſtant-anî (reſurrectio) umpi-ſtant-anî (multitudo circum-
ſtans) ir-ſlag-anî (peremtio) var-ſahh-anî (renuntiatio);
VIII. var-ſuin-anî (defectus) hina-ka-lit-anî (diſceſſus) pi-
ſmiƷ-anî (tinctio) ka-dik-anî (caſtitas) ka-ſuihh-anî (ſcan-
dalum); IX. ir-pot-anî (exhibitio); X. ir-wër-anî (ſenium)
wofür ër-wër-nî N. 70, 7. pi-ſëƷ-anî (obſeſſio) var-ſëh-
anî (ſuſpicio); XI. pi-nom-anî (condemnatio) var-nom-
anî (captus) ar-quom-anî (ſtupor) êriſt-por-anî (primo-
genitura) ki-ſcor-anî (raſura); XII. ir-polk-anî (commo-
tio) ki-duunk-anî (coactio) wort-anî (exhibitio) var-wort-
anî (perditio) lîhham-wort-anî (incarnatio) untar-worf-
anî (ſubjectio) var-vloht-anî (perplexitas) hina-ir-prott-anî
(raptus)*); aſſimilation, umlaut des anî in inî, enî, verſtehen
ſich, doc. 211a firſuininî f. ſirſuinanî, jun. 256. farmeiƷinî;
N. hat -enî oder inî. Wichtiger iſt es wahrzunehmen,
daß K. jun. monſ. N. genug ſolcher participialbildungen
darbieten, J. T. wo ich nicht irre, keine einzige, O.
wohl nur wëſinî (ſubſtantia) V. 12, 99. Sie ſcheinen alſo
kaum die grenze des ſtreng ahd. zu überſchreiten **), wie
ſie dem altſ. agſ. völlig fremd ſind. Aus dem altn. wüſte
ich das einzige um-gêng-ni (converſatio) wenn man es
vom part. umgênginn und nicht lieber vom ſubſt. um-
gângr leiten will. Merkwürdigerweiſe haben ſie auch im
mhd. faſt gar nicht ſtatt, ich finde bloß ge-lëg-ene (oc-
caſio) livl. 58a ge-wiƷƷ-en (aequitas, prudentia) MS. 1,
185a Wig. 994. 11547; ge-tæne Cod. pal. 361, 69d wol-
ge-tæne MS. 1, 106b 2, 79a von den part. gelëgen, ge-
wiƷƷen und getân. Und nhd. nicht das geringſte über-
bleibſel dieſer ableitungsart. —


c) aus der partikel gag-en, geg-en hat erſt die hd.
ſprache des 14. 15. jahrh. ein ſubſt, geg-ene (regio) ge-
zogen.


[163]III. conſonantiſche ableitungen. N.

d) die goth. ſprache hängt die bildung -ni (— ani) an
einige bildungen mit -ub: fráiſt-ub-ni (tentatio) vund-
ub-ni (vundufni, plaga, ulcus), deren unbelegbarer nom.
ſg. kaum -ubnja haben wird. Gewöhnlicher ſind ſolche
bildungen neutral. In den ſpäteren ſprachen nichts ähn-
liches; mehr davon unten bei B. —


e) es gibt endlich altn. fem., deren -ni unorganiſch
für -i zu ſtehen ſcheint: blind-ni (coecitas) ein-feld-ni
(ſimplicitas) ein-læg-ni (ſmceritas) âr-vek-ni (vigilantia)
von den adj. blindr, einfaldr, einlægr, ârvakr [Rafk. §. 333].
Oder will man das letzte vom part. âr-vakinn ſtammen
laßen? —


η) ſtarke fem. auf -anu.
goth. qvaír-nus (mola) ſo daß das ahd. quir-n in der
vorzeit quir-an-u könnte geheißen haben. Zieht ſich der
umlant des altn. qvör-n dahin? —


θ) ſtarke neutra auf -ani.
goth. ataþ-ni (annus) ein räthſelhaftes wort (buchſtäbl.
ahd. aƷadani?) fulhſ-ni (latibulum) und ähnlich den un-
ter ζd erwähnten femininis: faſt-ub-ni (jejunium) vald-
ub-ni (poteſtas) vit-ub-ni (ſapientia). —


ahd. mitti-gar-ni (ferina?) hrab. 951b; hir-ni (cere-
brum); und dann collectiva von andern ſubſt. auf -an:
ki-dik-ani (famulitium, militia, mit dem vorhin ſ. 162.
angeführten fem. ki-dik-anî nicht zu verwechſeln) githi-
gini O. I. 15, 77. 20, 17; vielleicht gi-ſiuni (viſus) aus
gi-ſih-ani?; ki-ſtir-ni (militia) monſ. 323. 330. 334. 345,
dunkler ausdruck, der doch vielleicht mit ki-ſtir-ni (ſidus)
zuſ. hängt? vgl. ſibun-ſtirri f. ſtirni jun. 188.; ki-wâp-ani
(armamentum). —


altſ. kur-ni (frumentum). — altn. filſ-ni (latibulum). —
mhd. hir-ne; die collectiva: ge-dig-ene; ge-dür-ne (du-
metum); ge-hür-ne; ge-rig-ene (pluvia) Rud. weltchron.;
ge-ſih-ene (aſpectus, vultus) Nib. 6956. ein ſeltner aus-
druck, von dem ſubſtantiviſch genommenen inf. ſëhen
geleitet *); geſtir-ne (conſtellatio) troj. 29a 70c; ge-wæf-
en (arma). —


nhd. hir-n; ge-hör-n; ge-dör-n; ge-ſtir-n. —


ι) ſchwache maſculina.
goth. ga-raz-na (vicinus); liug-nja (mendax). —


L 2
[164]III. conſonantiſche ableitungen. N.

ahd. ſcir-no (ſcurra); ſtër-no (ſtella) bei einzelnen aſſi-
milirt ſtër-ro *). —


agſ. ſtëor-ra (ſtella). —


altn. aſ-ni (aſinus); hiar-ni (cerebrum); jaf-ni (herba
quaedam); gran-ni (vicinus, von rannr, domus = goth.
razn. —


mhd. ſtër-ne, bei einigen ſchon ſtarkformig ſtër-n. —


κ) ſchwache feminina.
goth. hvaír-nei (calvaria) ſcheint verwandt mit ahd. hirni,
(cerebrum) nur das hv. für h noch zu erklären; ſtaír-
nô (ſtella). —


ahd. vielleicht wër-na (aerumna)? dem agſ. vorn (turba)
verwandt? monſ. 409. bloß der dat. pl. wërnun (aerum-
nis), vgl. daſ. 400. wërna (varix)? wofür nach doc. 245a
etwa warza zu leſen? **)


agſ. fæm-ne (femina) ***) hyr-ne (angulus); altfrieſ.
fôv-ne, hër-ne. —


altn. aſ-na (aſina); href-na (corvus f., woher der um-
laut?); hyr-na (ſecuris); ſtiar-na (ſtella); ſŷk-na liber-
tas). —


2) adjectiva


α) erſter declination
goth. gaír-ns (cupidus) aus gaírnjan zu folgern, wurzel
nr. 576b; háiþ-ns (ethnicus) es kommt nur háiþnô (eth-
nica) vor; ïb-ns (aequalis); ana-láug-ns (occultus); ſvêg-
ns (laetus)? aus ſvêgnjan zu folgern?; ſvik-ns (in-
noxius) †). —


ahd. ëp-an (aequalis); eik-an (proprius); ërh-an (ge-
nuinus, germanus, ſimplex) alleinſtehend J. 359. dhër
ërchno (egregius) im ungedruckten N. verſchiedentlich
[ërchen, ſuperl. ërchenôſt] ſonſt nur in comp., wo es
[165]III. conſonantiſche ableitungen. N.
echt-, fest-, edel- *) bedeutet: J. 340. ërcna-êwa (certa
lege) monſ. 411. ërchan-pruoder (frater germanus); haſ-
an (pulcher)? ich kenne nur das adv. haſ-ano (affabre)
jun. 206; heid-an (ethnicus) vgl. heidan-këlt jun. 183.
210; keiſ-an (ſterilis) aus dem fem. keiſanî zu folgern;
kër-n (cupidus); of-an (apertus); preh-an (lippus)? blaſ.
5a brëhenên (lippis) aber aug. 123a plëhin-ouger (lip-
pus)?; ſcaf-an (praegnans) T. 5, 7, 12. 145., verſchieden
vom part. praet. ki-ſcafan? das doch auch ſonſt das ki-
wegwirft, vgl. agſ. ëarm-ſcapen, mhd. wintſchaffen; touk-
an (occultus) touganju (occulta) hymn. VI, 1., dougna
(occultam) O. V. 6, 11.; trunh-an (ebrius) jun. 230; trucch-
an (ſiccus) vgl. trucchanjan (ſiccare); vruohh-an (audax,
ſtrenuus) nur noch in eigennamen, fruochan-olf, frua-
chan-olf, fruochen-olf, frôchon-olf bei Neugart nr. 19.
22. 25. 233. 571., die bedeutung aus dem altſ. und agſ.
entnommen, vielleicht auch vruohh-ani? **). —


altſ. ëb-an (planus) häufig das adv. ëf-no (pariter);
êg-an (proprius); fruoc-an, frôc-an (audax) in den mir
zugänglichen ſtellen nur das adv. fruoc-no, frôc-no (au-
dacter, ſtrenue) oder fruoc-ni, nach zweiter decl.? vgl.
das agſ. frêcene; lung-an (citus) ſcheint einmahl für lung-
ar vorzukommen; op-an (apertus). —


agſ. âg-en (proprius); drunc-en (ebrius); ëf-en (par);
ëorc-en? nie alleinstehend, aber in dem compoſ. ëorcnan-
ſtân (margarita, topaſion, edelſtein); gâſ-en oder gæſ-en
(ſterilis, carus) vgl. chron. ſax. Ingr. p. 337; gëor-n (cu-
pidus); hæð-en (ethnicus); op-en (apertus); ëarm-ſcap-
en (miſer) Beov. 103. Cädm. 88. —


altn. for-n (vetus); frœk-n (ſtrenuus); giar-n (cupi-
dus); iaf-n (aequalis); iark-n, wieder nur in iarkna-ſteinn
(lapis pretioſus); ſŷk-n (inſons) ***); einige haben unor-
ganiſches -inn, wie es ſcheint, als: eig-inn (proprius)
op-inn (apertus).) —


mhd. ëb-en; eig-en; off-en; wint-ſchaff-en (volubilis)
Triſt. 114a; truck-en (aridus) Flore 42b; toug-en;
trunk-en. —


[166]III. conſonantiſche ableitungen. N.

nhd. êb-en; eig-en; off-en; trock-en; trunk-en. —


engl. ev-en; fai-n; op-en; ow-n. —


β) zweiter declination.
goth. ar-nis (tutus) aus dem adv. arniba gefolgert; faír-
nis (vetus). — ahd. ter-ni (altſ. der-ni, occultus); vir-ni
(vetus). — agſ. dyr-ne (occultus); frêc-ene, frêc-ne (pe-
riculoſus, audax); ſtyr-ne (rigidus) engl. ſter-n; vielleicht
auch gny-rne (moeſtus). —


bemerkung zu den adjectiven der an-form.


Man hat dieſe adj. von den part. praet. ſtarker verba,
deren flexion gleichfalls -an lautel (1, 1009) zu unter-
ſcheiden, wobei folgende kennzeichen 1) das goth. adj.
ſyncopiert das a, das part. nicht, vgl. ïbns, ïbna, ibnata,
ïbnamma mit gibans, gibana, gibanata, gibanamma *).
Im ahd. fällt der unterſchied freilich weg, ëpan geht wie
këpan; auch agſ. haben beide -en, altn. hingegen zeigt
das adj. in der regel -n, das part. -inn, obgleich auch
einige adj. -inn annehmen. — 2) wenn aus adj. verba
geleitet werden, ſo bleibt das -an, -en in der ableitung,
z. b. nhd. êbnen, öffnen, trocknen, aneignen. Aus part.
fließen keine ſolche verba. Mit dem allem leugne ich
doch nicht, daß urſprüngliche part. ſich allmählig zu
adj. verhärtet haben können, vgl. ëpan mit nr. 540. trunh-
an mit nr. 397., lung-an mit nr. 423., offan mit nr. 525.,
fägen mit nr. 488. etc. und den zweifel bei ſcafan. Die
agſ. altſ. part. eád-en, ôd-an (genitus) eác-en, ôc-an
(praegnans) ſtehen in der that nur noch adjeetiviſch. In
andern wie ërhan, keiſan, toukan etc. widerſpricht der
vocal deutlich den participialablauten. —


3) verba


α) ſiarke verba der ſiebenten goth. anomalie (1, 854).
Daß ſtarke verba abgeleitete ſein können, darf nach 1,
839. 2, 70. 71. nicht wundern. Die hierher gehörigen
auf -nan (nicht njan) ſind aber nur in der goth. ſprache
zu treffen, deutlich in keiner der übrigen. Sie conjugie-
ren bloß die praeſensformen ſtark, die des praet. ſchwach,
im praet. gleichen ſie alſo den nachher anzuführenden
altn. auf -na (deren praeſ. vielleicht früher ſtark gieng?)
Ihr ableitendes -n iſt nicht ſchon in einem nomen vor-
handen, ſondern ſcheint grade dieſe verba mit intranſit.
[167]III. conſonantiſche ableitungen. N.
begriff zu zeugen. Man könnte zwar darauf verfallen,
einige derſelben aus dem ſtarken part. praet. und ihr -n
aus dem participialen -an zu deuten, namentlich vaknan
aus vakans nr. 93.; lifnan aus libans nr. 130.; gutnan aus
gutans nr. 220.; luknan aus lukans nr. 255.; bundnan aus
bundans m. 382. Da aber, wie eben gezeigt worden iſt.
das a ſonſt im goth. part. -an nicht wegzufallen pflegt;
ſo müſte befremden, warum nicht auch vakanan, libanan,
gutanan, lukanan, bundanan, gälte? Ohnehin ſchickt ſich
bei den wenigſten der vocal zum part. praet., viele ha-
ben langen (z. b. geiſnan, hailnan) oder andern dem par-
ticipialablaut widerſtrebenden (z. b. ſvinþnan). Die inei-
ſlen ſcheinen aus adj. zu entſpringen, namentlich ga-háil-
nan, ga-dáuþ-nan, veih-nan, ſvinþ-nan, ga-qviu-nan;
ga-ſull-nan, af-dumb-nan, ga-haſt-nan, obgleich bei and-
bund-nan, us-gut-nan, geiſ-nan, dis-taúr-nan fra-qviſt-
nan kein adj. nachzuweiſen iſt. Am ſicherſten leitet man
ſie daher bloß von dem ſtarken ſtamm, wie geiſ-nan von
nr. 511; ga-bat-nan von nr. 476. etc. fraíh-nan (1, 855.)
gehört auch in ihre reihe, zeugt aber kein praet. fráíh-
nôda, ſondern nimmt es vom ſtamme fraíhan *). — Wenn
auch einige ahd. verba ein ſolches ableitungs-an beſäßen
(1, 887.) ſo ſteht doch bis jetzt ihr ſtarkes praeſ., noch
weniger ihr praet. auf anôta nicht zu erweiſen, ja ſie
ſcheinen dritter ſchwacher conj. —


β) ſchwache verba erſter conj.; hier ſteckt das -n,
an immer ſchon im nomen etc. aus dem ſie abgeleitet
werden.


goth. ïb-njan (aequare); haúr-njan (tuba canere);
láug-njan (inſiciari); rah-njan (computare); für rak-njan?
rig-njan (pluere); ſvêg-njan (exultare). —


ahd. dur-njan, pi-dur-njan (ſpinis cingere) O. IV. 23,
11.; kak-anjan (obviare) K. 57b O. IV. 5, 36. N. 73, 4.;
[168]III. conſonantiſche ableitungen. N.
leiſ-anjan (veſtigium premere, imitari) K. 25a 28b*);
louk-anjan (negare) jun. 215. fir-loug-nen O. V. 25, 25;
pouhh-anjan (lignificare) bouh-nan J. bouh-nen O. I. 9,
47. in-bouch-init (ſignificatum) doc.; ki-pir-njan (erigere)?
gi-pirnen, pi-pirnen monſ. 359. 364. 391. vgl. aug. 126a;
rah-anjan (ſpoliare)? einziger beleg Hild., wo bi-hraha-
nen, doch alliteration (rëht, rauba) und das altn. ræna
verurtheilen die anlautende ſpirans; rahh-anjan compu-
tare) ein von dem vorigen ganz verſchiedenes verbum,
das ich nicht belegen kann, ſondern bloß aus dem ſubſt.
rechnunga (diſpenſatio, computatio) gl. doc., mhd. reche-
nunge Barl. 369. folgere, es wird ſpäter rahnan, rech-
nan gelautet haben, ein rahhinôn anzunehmen verbietet
das goth. rahnjan; pi-ſpur-njan (offendere) T. 15, 4. ſpur-
njan monſ. 325., vgl. pi-ſpurn-ida (offenfio) monſ. 389.
bei O. fir-ſpirnen I. 2, 30. 23, 60.; pi-tar-njan (conſter-
nare) jun. 174. altſ. bi-der-njan; trucch-anjan (ſiccare)
monſ. 408. 411.; ki-wah-anjan? (mutire, memorare) doc.
216a giwahannen, monſ. 387. part. giwahinit [das nomen
wahan nicht nachzuweiſen, ſtamm nr. 102.]; war-njan,
wer-njan (recuſare)? Hild. warnê (deneget) **); zeihh-
anjan (conſignare) zeihhannê (conſignet) K. 41b; zuir-
njan (torquere fila); zur-njan (indignari) monſ. 363. 364.
O. IV. 30, 11. —


agſ. bŷc-nan (innuere) neben bŷc-njan, beác-njan;
dyr-nan (occultare); ëf-nan (praeſtare); ät-ſpyr-nan
(ceſpitare); vyr-nan (denegare). —


altn. geg-na (reſpondere); hëf-na (vindicare); nëf-na
(nominare); ræ-na (ſpoliare); rig-na (pluere). —


mhd. ver-dür-nen (ſepire); be-geg-enen; hür-nen
Triſt.; er-kir-nen (enucleare); loug-en (f. loug-enen; we-
gen des fehlenden umlauts 1, 951.) Nib. 5028. Parc. 17874.
Barl. 269. 280. Geo. 38a; rech-en (rechente, computare);
ûf-weg-enen (imponere currui) Nib. 3897; zür-nen Parc.
86a Barl. 16. 24. 118. 199. —


nhd. be-gêg-nen; ker-nen; leug-nen; er-wæh-nen;
rech-nen; zür-nen. —


γ) ſchwache verba zweyter conj. auch hier wird das
-an vorausgeſetzt.


[169]III. conſonantiſche ableitungen. N.

goth. nur þiud-anôn (regnare), — ahd. ar-nôn (me-
tere) O. II. 14, 217; vir-dam-ôn (damnare, fremdes
wort); dëk-anôn (militare) jun. 258; ell-anôn (aemulari)
ell-inôn monſ. 365; ëp-anôn (ſternere, aequare) monſ.
338. 345. 357; haſ-anôn (polire) jun. 184. 210; int-lêh-
anôn (foenerari) monſ. 337. 396; mak-anôn (valere)? ich
finde nur nach der in-form: upar-meg-inôn (praevalere)
jun. 217; of-anôn (aperire); rëk-anôn (pluere) J. 351;
ſam-anôn (congregare); ſëk-anôn (benedicere) T. 152;
veihh-anôn (inſidiari) feih-nôt hrab. 969a, vêh-nôt T.;
wâf-anôn (armare); war-nôn (cuſtodire, defendere); wër-
nôn (? haerere, latere) O. III. 20, 329; zeihh-anôn (ſig-
nare) T. 82. *) — mhd. [mit-en für -enen bei langer
wurzelſilbe] ar-nen; ver-dam-nen; ëb-enen; off-en (of-
fente); rëg-enen; ſam-enen; wâf-en (wâfente); war-nen;
be-zeich-en (zeichente, ſignificare) Barl. — nhd. verdam-
men; êb-nen; öff-nen; rêg-nen; waff-nen; war-nen;
zeich-nen. —


δ) ſchwache verba drittèr conj.


goth. nur maúr-nan (moerere). — ahd. ſcheide ich
zwei arten 1) ſolche, deren -an, -n im nomen liegt: louk-
anên (repellere) verſchieden von louk-anjan? gl. doc.
louganêta?; ar-trucch-anên (areſcere) hrab. 957a**); ar-
vir-nên (ſeneſcere). 2) ſolche, wo es erſt mit der ver-
balableitung zu entſpringen ſcheint, die alſo den unter α.
angeführten goth. gleichen: lir-nên (diſcere); mor-nên
(moerere); përaht-anên (ſplendere) vgl. përahtannet
(-anêt?) clarum (fit?) hrab. 951b; ſtor-nên (ſtupefieri)
vgl. ſtornêntên (attonitis) monſ. 351; ſtorh-anên (rigeſcere)
jun. 216. vgl. goth. ſtaúrknan (nicht ſtaúrknjan); tërh-
anên (palliare, colorare, diſſimulare)? doch ſtehet monſ.
386. -init f. anêt, hingegen -êta 326. -êt 373. 378. 377.
389, tërchnê (palliat, wohl palliet?) aug. 124a, vielleicht
e ſtatt ë in der wurzel? vgl. tarchneta monſ. 326; wëſ-
anên, wëſ-nên (marceſcere; (flaccere) monſ. 334. — mhd.
lër-nen; ſchat-nen (umbrare) Gudr. 4a? vielleicht ſchat-
[170]III. conſonantiſche ableitungen. N.
wen; nhd. ler-nen; in volksdialecten noch andere auf
-nen (Schm. §. 1068.) meiſt unorganiſche. —


zu γ. δ) agſ. und altn. fallen conj. 2. 3. zuſammen,
auch hier unterſcheide ich das früher vorhandene -n von
dem neuhinzutretenden: agſ. 1) beác-njan (nutare) engl.
beck-en; byſ-enjan (exempl. dare); eác-njan (concipere);
el-njan (aemulari); gäm-enjan (joculari); ge-mäg-enjan
(ſtabilire); tâc-njan (ſignare); ge-þëg-enjan (miniſtrare);
ge-væp-njan (armare). 2) broſ-njan (corrumpi); gnor-
njan (lugere); mur-njan (moerere); viſ-njan, vëoſ-njan
(areſcere) ſchott. wizz-en. — altn. 1) fôr-na (immolare);
iaf-na (aequare); lîk-na (parcere); rag-na (diis dicare);
ſaf-na (congerere); ſof-na (indormire); ſtir-na (micare).
2) bat-na (melioreſcere); biart-na (albeſcere); blik-na (pal-
leſcere); blot-na (madefieri); brâd-na (liqueſcere); brot-na
(frangi); dofna (marceſcere); fag-na (gaudere); föl-na (pal-
leſcere); glap-na (deficere); glûp-na (triſtari); grât-na (flere);
hag-na (prodeſſe); hard-na (indureſcere); hit-na (calere);
hnig-na (decreſcere); hnip-na (moerere); kaf-na (ſuffocari);
kôl-na (frigeſcere); loſ-na (ſolvi); qvik-na (reviviſcere);
rak-na (reſpirare); rod-na (rubeſcere); ſak-na (deſide-
rare); ſort-na (nigreſcere); ſtik-na (torreri); þag-na (con-
ticeſcere); vak-na (expergiſci); vik-na (molleſcere); viſ-
na (areſcere) u. a. m. Die meiſten ſcheinen zwar aus
adj. leitbar, doch nicht alle, weshalb ich ſie, gleich den
gothiſchen, lieber auf den ſtarken ſtamm zurückführe,
z. b. hitna, hnigna, ſtikna, vikna auf hîta, hnîga, ſtîka *),
vîka; kôlna auf kala etc. —


[IN] goth. ahd. altn. -in: agſ. -en; ſpäter ahd. wie
mhd. -en, oder tieftoniges -ìn.


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſculina; goth. him-ins (coelum); kind-
ins (ἡγεμών); maúrg-ins (mane). — ahd. moh-in, mô-in
(moenus); truht-in (dominus) oder truht-în? hier iſt über
kürze oder länge des i ſchwer zu entſcheiden, da das
wort im goth. fehlt und das agſ. -en, altn. -inn, ſo wie
Notkers -en (truht-en 24, 8.) bald für-în, bald für -in ſtehen.
— agſ. dryht-en (dominus); vielleicht ſëg-en (labarum)
[171]III. conſonantiſche ableitungen. N.
lieber hierher, als zur an-form, weil jun. 373. ſegin ge-
ſchrieben ſteht? — altn. drôtt-inn (dominus); morg-inn;
ôd-inn; wie es ſcheint unorganiſch, weil der umlaut
fehlt. — mhd. trëht-en (dominus) bei einigen, bei an-
dern trëht-în (1, 368. 370.) —


β) ſtarke feminina; goth. das einzige faír-ina (ſce-
lus). — ahd. nach erſter decl. chuhh-ina (culina); lew-ina
(torrens) jun. 228; lug-ina (mendacium); miſt-ina (ſter-
quilinium) monſ. 346. ſchwach decliniert; red-ina (ratio)
O.; ſeg-ina (ſagena) T. 77; ſkug-ina (tugurium) doc.; ſcëll-
ina? (tintinnabulum) monſ. 385; vir-ina (ſcelus) jun. 192;
wirt-ina (virodunum) gl. trev. — nach vierter aber eine
menge aus maſc. geleiteter feminina (wovon mehr cap. VI.)
z. b. pir-in (urſa) in alten eigennamen häufig, auch wei-
ter zuſ. geſetzt: adal-pirin, wolf-pirin, kêr-pirin, aſ-pi-
rin etc.; vora-ſak-in (fatidica) foraſagin O. I. 16, 5; chnët-
ar-in (piſtrix); zamar-in (domitrix) zwetl. 120a etc. Auch
hier bin ich unſchlüßig zwiſchen -in und -în, doch mehr
zu der kürze geneigt, wegen der alten contraction des
pirin in pirn (Waltharius 122. 366. oſ-pirn); N. hat
-en (herzog-en, chuning-en) und flectiert eigenthümlich
(1, 631.) *) — agſ. byrð-en (onus); fir-en (crimen);
mix-en (ſterquilinium); myl-en (mola) und dann auch
movierte feminina, z. b. þin-en (ancilla, f. þëgen-en);
þëóv-en (ſerva) vil-en (mancipium, f. vilh-en, vëalh-
en, eigentl. wallica, vom maſc. vëalh, welſcher, d. i. dienſt-
barer) etc. — altn. gehört nichts hierher, die fem. wer-
den anders moviert, z. b. jenes pirin heißt birna und de-
cliniert ſchwach **). — mhd. erſter decl. ket-ene (catena)
Triſt., aber Kolocz 177. këten: gebëten; küch-en (culina)
Nib. 3849; lüg-ene Nib. 8227; mett-en, met-ine (matu-
tina) Nib, 4031. 5012. Die movierten fem. vierter decl.
[172]III. conſonantiſche ableitungen. N.
ſchwanken zwiſchen -in und -în, ja ſie gehen häufig in
die form -inne über. Beiſpiele des -ìn: geſt-ìn Parc.
128a; vürſt-ìn, herzog-ìn Geo. 1a. b.; weſch-in (lotrix)
Gudr. 4847. 4892 *); gell-in (pellex) Herb. 106h; bei-
ſpiele des -în: wirt-în Parc. 89c Wigal. 8657; vâlent-în
Wigam. 3b etc. mundartlich iſt der unterſchied nicht,
beide formen wechſeln hinter einander ab, z. b. küneg-
ìn und küneg-în Parc. 104b; vgl. auch linſ-în (lens) Reinh.
1485. Das unbetonte, notkeriſche -en iſt aber im mhd.
ungebräuchlich. — nhd. gilt einförmiges tieftoniges ìn,
z. b. bær-in, wirt-in, könig-in, wäſcher-in etc. weder
-ein, noch -inne (obwohl einige -inn für -in ſchreiben),
tonloſes -en nur in gemeiner volksausſprache, z. b. kö-
mg-en, amtmänn-en etc. Die mhd. fem. erſter decl.
haben das -en ganz weggeworfen: luͤg-e, kett-e, küch-e,
mett-e, miſt-e, ſchell-e. —


γ) ſtarke neutra,
goth. áig-in (proprietas); rag-in (γνώμη) Philem. 5, 14. —
ahd. and-in (frons, -tis) J. 394. 407; für eik-in gilt ge-
wöhnlich eik-an; mek-in (robur) häufiger als mak-an;
makad-in (puella) magat-in T. oder magat-în?; pecch-in
(pelvis) bekin O. IV. 11, 27; rak-in, rek-in, reg-in, nur
in compoſ. wie regin-vrid, regin-hart, regin-heri, re-
gim-pald etc. — agſ. mæd-en, gen. mædenes (puella) f.
meged-en; meg-en (robur) ſeltner als mäg-en. — altn.
meg-in (vis); reg-in plur. (dii motores). — mhd. entſchie-
den maged-în, meged-în mit langem vocal; beck-en (pel-
vis) kann ich nicht belegen, vielmehr ſtehet becke Iw.
583. 624. — nhd. beck-en (pelvis). — engl. maid-en;
mai-n. —


δ) ſtarke maſc. auf -inî.


goth. nur rag-ineis (conſiliarius); denkbar wären auch
áig-ineis, faír-ineis. — ahd. ſo wenig vir-inî (homo ſce-
leſtus) als oben ſ. 161. aſanî, oder ſ. 125. pluoſtarî; ſon-
dern vir-inârî, jun. 246. (wie aſanârî, pluoſtarârî). —
altn. læk-nir (medicus) **).


[173]III. conſonantiſche ableitungen. N.

ε) ſtarke maſc. auf -in-aſſus.
eine mehrfache ableitung, die nur im goth. ſtattfindet,
und woraus ſich die unorganiſchen feminina und neutra
auf -naſſi, -nuſſi, -niſſi im ahd. etc. entwickelt zu haben
ſcheinen. Näheres folgt beim SS. Alle hierher fallenden
goth. ſubſt. hängen wohl mit verbis auf -inôn zuſam-
men: blôt-in-aſſus (cultus ſacer); gudj-in-aſſus (ſacerdo-
tium); hôr-in-aſſus (adulterium); kalk-in-aſſus (fornica-
tio); leik-in-aſſus (medicina); þiud-in-aſſus (imperium)
letzteres vielleicht für þiud-an-aſſus von þiudanôn (nicht
þiudinôn), die analogie der übrigen -inaſſus überwog. —
Andere laßen ſich vermuthen: fráuj-in-aſſus (domina-
tio); fag-in-aſſus (gaudium); kind-in-aſſus (praefectura)
etc. —


2) adjectiva, kaum einige:
goth. fag-ins (hilaris)? oder fah-ins? vgl. nr. 309; auch
das ahd. vag-in? unerweiſlich, nur in alten eigennamen
wie fagin-mar, fagin-hilt, fagin-olf, fegin-olf (analog
gaman-olf) zu vermuthen; vorhanden aber agſ. fäg-en,
feg-en; engl. fai-n; altn. feg-inn. — goth. fulg-ins (oc-
cultus) welches der form nach kein partic. ſein kann
(1, 1009.) aber in andern dialecten ſeines gleichen nicht
findet. — Nähere prüfung bedarf, ob man eine menge
altn. ſcheinbarer adj. bildungen auf -inn, wie fell-inn
(ſpiſſus); hygg-inn (prudens); gleym-inn (oblivioſus);
ið-inn (ſolers); þyrr-inn (aridus) etc. (Raſk §. 366, a.)
für organiſch halten könne, oder ob ſie eigentlich ſchwache
participia praet. ſeien, die das -inn der ſtarken angenom-
men haben? vgl. 1, 1009. 1034. Einige, wie þyrr-inn,
froek-inn (audax) neben froek-n deuten vielleicht auf
nichts, als auf die zweite adj. declination. —


3) verba, bloß zweiter ſchwacher conj. (weder erſter,
noch dritter).
goth. fag-inôn (gaudere); fráuj-inôn (dominari); hôr-
inôn (adulterari); gudj-inôn (fungi ſacerdotio); leik-inôn
(ſanare Luc. 6, 7. paſſive ſanari Luc. 5, 15. 8, 43.); zu
vermuthen ſind: blôt-inôn, kalk-inôn etc. —


ahd. alt-inôn (diſſimulare, differre) K. 21b 22a jun. 203.
monſ. 403. 409; dio-nôn (ſervire) ſcheint verkürzt aus diow-
inôn (vgl. fráunjinôn); ell-inôn (aemulari) monſ. 365; hahſ-
inôn (nervum praecidere) aug. 120a; hep-inôn (tractare)
monſ. 357. 367. int-hep-inôn (ſuſtentare) doc.; karm-inôn (in-
cantare) aus karminôd, germinôd (incantatio) und germinari
(incantator) gefolgert; kird-inôn (cupere) T. 97.; kliz-inôn
[174]III. conſonantiſche ableitungen. N.
(micare, flaveſcere, vibrare) jun. 173. doc. 207a 205a (wo f.
chizinot zu leſen clizinot) monſ. 347. (wo Pez dizinot aus
clizinot gemacht hat); lâhh-inôn (mederi) doc.; upar-
mek-inôn (praevalere) jun. 217; ord-inôn (ordinare) T.
pip-inôn (tremere) bib-inôn O. IV. 34, 1; purd-inôn (one-
rare) O. I. 5, 121; red-inôn (ratiocinari); riuƷ-inôn? (la-
cerare) doc. 245a; uff-inôn (promere)? jun. 205; veſt-inôn
(ſirmare); weid-inôn (paſci) doc. weid-enen W. 1, 7;
wîƷ-inôn (damnare) jun. 190. 220. monſ. 369. blaſ. 5b. —


agſ. fäg-enjan (blandiri); gliſ-njan (coruſcare); glit-
njan (micare); lâc-njan, læc-njan (ſanare); vît-njan (pu-
nire). —


altn. wegen ſyncope des i kaum zu erkennen und etwa
nur durch den umlaut von den ſ. 170. verzeichneten
auf -na zu unterſcheiden: el-na (matureſcere) freg-na
(interrogare) læk-na (mederi). —


mhd. [bei langer wurzel -en f. -enen] bib-enen (tre-
mere) miſc. 1, 41; bürd-en (bürdente) cod. pal. 361, 7d;
die-nen; ord-en (praet. ordente); ſchmeich-en (ſchmei-
chente *), adulari); veſt-en (veſtente). —


nhd. die-nen; ord-nen.


anm. die wenigſten verba auf -inôn ſetzen ein ſub-
ſtantives -in voraus (faginôn, redinôn; bei ellinôn, me-
ginôn ſcheint die richtigere form -anôn). Einigemahl
kann das plural-in der fem. eingewirkt haben, z. b. in
purdinôn u. a. Meiſtentheils tritt jedoch -in mit dem
verbo neu auf und bezeichnet neutra, aber verſchiedenes
begriffs von den ſ. 169. verhandelten auf -anên. Aus
den verbis -inôn müßen die organiſchen ſubſt. auf -in-
aſſus, -in-arî, -in-unga abgeleitet werden, wiewohl ſich
ſpäter auch unorganiſche -niſſi, nære (ſ. 129.) -nunge bil-
deten, die ich auf kein -inôn zurückführen mag, z. b. das
mhd. barmenære nicht auf barmen = barmenen, da es
umlautend heißen müſte barmenen. —


[UN] eine ableitung, von der nur die letzten ſpuren
zu erblicken ſind. Das goth. taíh-un (decem) iſt ahd.
ſchon zëh-an und niun (novem), welches auch ahd. niun
lautet, läßt ſich nicht ganz auf dieſelbe reihe ſetzen, weil
ſich der wurzel-conſonant mit der ableitung verſchmolzen
hat (niun fuͤr nivun, niuwun? vgl. novem); doch ſib-un
[175]III. conſonantiſche ableitungen. N.
(ſeptem) lautet auch ahd. noch ſip-un. Ein deutliches
fem. -uni findet ſich im goth. laúhm-uni (fulgor) Luc.
10, 18. und glitm-uni (ſplendor), welches aus glitm-unjan
(ſplendere) Marc. 9, 3 ſicher folgt. Beide wörter ſind
mehrfach abgeleitet, nämlich ahd. klizamo beweiſt ein
goth. glit-ma, mithin würde die ahd. volle form für
glit-m-uni lauten kliz-am-uni. Statt lauhamuni haben
aber die hymn. vet. lauhmoni (Schilt. 530b) *) und ſelbſt
bei Ulf. gehet -uni über in -oni, das nicht wohl -ôni
ſein kann, vgl. lauhmoni Luc. 17, 24. Ferner zu mer-
ken iſt das goth. neutr. faírg-uni (mons, terra montana),
womit mir das altn. fem. fiörg-yn (terra) und das agſ.
firg-en einerlei ſcheint, letzteres hat ſich nur in den
comp. firgen-gât (capra montana) firgen-bucca (ibex)
firgen-ſtreám (wilder bergſtrom) Beov. 103. 159. firgen-
beám (arbor ſilveſtris) firgen-holt Beov. 106. 107. be-
wahrt. Die vermuthl. ahd. form würde vërakuni, vëra-
guni, vërguni lauten **). Gehört das verdächtige ahd.
ſcaftr-uni (ſemiſſis?, vielleicht amuſſis) jun. 226. hierher?
die übrigen ſprachen haben nichts dergleichen. — Einige
ahd. fem. auf -unna ſcheinen ſich zu -un zu verhalten,
wie die auf -inna zu -in; mehr davon beim NN; wich-
tiger iſt, daß verſchiedene an-formen organiſche -un ge-
weſen ſein mögen, namentlich das ahd. irm-an, ërm-an,
verglichen mit altn. iörm-un und beſtätigt durch den
volksnamen ërmun-duri, hërmun-duri (= irmen-dure,
ërmen-dure). So wechſeln auch im agſ. ëot-on, gëof-on,
hëof-on, fâc-on mit ëot-en, gëof-en, hëof-en, fæc-en.
Das ſchwanken altn. fem. zwiſchen elj-an und elj-un etc.
wurde ſ. 159. angemerkt, doch ſcheint dabei -an die
ältere form, Raſk §. 162. —


[EIN] goth. -ein, ahd. -în (bei N. auch ſchon -en)
altſ. -in, agſ. -en, altn. -inn, mhd. -în, -en, nhd. -en,
[176]III. conſonantiſche ableitungen. N.
-n; eine hauptſächlich im adj. fruchtbare ableitung, ſehr
wenigen ſubſt. und gar keinen verbis eigen.


1) ſubſtantiva. goth. nur das fem. all-eina (ulna), ein
ahd. ell-îna kann ich nicht beweiſen, das altn. al-in hat
die beſonderheit, den wurzelvocal zu verlängern, ſo oft
das i der ableitung durch die flexion wegfällt, gen. âlnar,
nom. pl. âlnir (Raſk §. 162.) Weder goth. maſc. auf
eins, noch neutra auf -ein, ob ſich ahd. -în (wenigſtens
unorganiſche für -in) annehmen laßen, bleibt unausge-
macht. Mhd. finden dergleichen -în allerdings ſtatt (vgl.
oben ſ. 171.) —


2) adjectiva auf ein, -în
werden in der regel von einem ſubſt. geleitet und be-
zeichnen etwas daraus beſtehendes oder gemachtes; zu-
weilen treten jedoch andere bedeutungen ein, ja die ahd.
ſprache ſcheint ſolche adj. auch aus andern adj. bilden
zu können.


gothiſch, α) den ſtoff drücken aus: bariz-eins (hordea-
ceus); ſilubr-eins (argenteus); eiſarn-eins (ferreus); fill-
eins (pelliceus); þaúrn-eins (ſpineus). β) andere bezie-
hungen: áiv-eins (aeternus); ga-láub-eins (fidelis) Tit. 1,
6; liuhad-eins (lucidus); riqviz-eins (obſcurus); ſint-eins
(perpetuus, von einem verlornen ſubſt. abgeleitet, ſchwer-
lich ſin-teins); ſunj-eins (verax); ſeltſam iſt das dem
griech. text Joh. 12, 3. nachgebildete piſtik-eins *). —


ahd. α) aus jedem wort, das gewächſe, mineralien,
elemente, bezeichnet, kann ein ſolches adj. gezogen wer-
den; beiſpiele: eihh-în (quernus); haſal-în (colurnus);
ſalah-în (populeus); rôr-în (arundinaceus); hagan-în (ſpi-
neus); tenn-în (abiegnus); poum-în (arboreus); pinoƷ-în
(ſcirpeus); alpar-în (populeus); girſt-în (hordeaceus);
weit-în (coeruleus); hulz-în (ligneus); ſtein-în (lapideus);
chupfar-în (aereus); ſilipar-în (argenteus) îſan-în, îſn-în
(ferreus); plî-în (plumbeus); ird-în (terreus) ërd-în N.
15, 3; hurw-în (luteus); dâh-în (teſtaceus) etc. ferner
von andern ſtoffen: hâr-în (cilicinus); goto-wëbb-în (pur-
pureus); âwirh-în (ſtupeus); purpur-în (purpureus);
âdar-in, ſënew-in (nerviceus); lîn-în (linteus); helphant-
pein-în (eburneus); ziegal-în (lateritius) luſt-în (aëreus)
[177]III. conſonantiſche ableitungen. N.
doc. 243a; loug-în (flammeus) hymn. 2, 3. viur-în (igneus)
waƷ-ar-în (aquoſus) etc. Von thieren, inſofern ſpeiſen oder
kleidungsſtücke aus ihrem fleiſch und ſell bereitet werden,
z. b. irh-în (hircinus) gl. caſſ. 854b*); pilh-în (glireus);
heſ-în (leporinus); miuſ-în (murinus); ruſſ-în (equinus);
ſcâf-în (ovinus); varr-în (taurínus) etc.; aus dem pl. auf
-ir gezogen iſt hrindir-în (bubalus) monſ. 331; huonir-în
(gallinaceus) doc. 220a nach dem lat. adj. — β) andere,
ſonſt ſeltnere beziehungen wagt zumahl N. menniſc-în
(humanus) 29, 13. 44, 5; bluot-în (ſanguineus) 82, 7. fleiſk-
în (carnalis) 72, 26; vâr-în (inſidioſus) hrab. 960b; lieht-
în (lucidus) flectiert lieht-eneƷ (lucidum) N. 18, 9; êw-
în (aeternus) T.; wîl-în (temporalis) T. 75, 2; vinkar-în
(digitalis) vgl. oben ſ. 132. — γ) folgenden liegen andere
adj. auf -al, -il, -ali, -ili zu grunde: huoril-în (adulte-
rinus, procax) monſ. 339. 385. 397; luzil-în (paucus) O.
V. 14, 10; ruomil-în (glorioſus) monſ. 332; ſcamal-în
(pudoratus, verecundus) monſ. 356. 386. aug. 124a; pi-
ſuîhhil-în (ſubdolus) hymn. 2, 10; vorſkal-în (curioſus)
jun. 188; zuîvil-în (dubius) O. V. 11, 67; und mehrere
wären denkbar, wenn wir den eigentlichen gang und
ſinn dieſer ableitung genan wüſten. Rühren ſie unmittel-
bar vom adj. her. ſo fragt ſich welcher unterſchied zwi-
ſchen ſcamal und ſcamalîn, vorſcal und vorſcalîn, luzil
und luzilîn ſei? erhöht oder mindert die mehrfache ab-
leitung den begriff. Wahrſcheinlich iſt noch ein zwi-
ſchenliegendes ſubſt. auf -alî, -ilî anzunehmen, z. b. ſca-
malî (verecundia) vorſcalî (curioſitas) luzilî (paucitas) und
erſt aus ihm das adj. auf -în zu bilden, ſo daß dann ſca-
malîn von ſcamalî, wie vârîn von vâra ſtammt und etwa
ausdrückte, was wir heute mit: zuſammengeſetzt aus,
voll von etc. umſchreiben? vârînêr, voller betrug, vor-
ſcalînêr, aus neugierde zuſammengeſetzter. Oder will
man dieſe derivation für einen unorg. misgriff halten?
wenigſtens hat ſie weder in andern deutſchen mundarten,
noch auch ſpäter im mhd. ſtatt und man begreift nicht
recht, warum ſie auf l-ableitungen beſchränkt bleibe?
z. b. warum von ſûpar oder ſûparî nicht auch ein adj.
ſûparîn? —


altſ. bôm-in (arboreus) lîn-in (linteus); die kürze des
i ſchließe ich aus dem altweſtph. gërſt-en (hordeaceus)
neben gërſt-in, even-in (avenaceus). —


M
[178]III. conſonantiſche ableitungen. N.

agſ. bloß materielle, keine der zweiten goth. und ahd.
bedeutung gleiche: äſc-en (fraxineus); trëóv-en (arbo-
reus); ſëoloc-en, ſëolc-en (ſericus); bêc-en (fagineus);
flëax-en (lineus); lîn-en (linteus); ſtæn-en (lapideus); gyld-
en (aureus); ſilfr-en (argenteus); cyper-en, bräſ-en (ae-
neus); leád-en (plumbeus); tigel-en (fictilis); gläſ-en (vi-
treus); hyrn-en (corneus); fëll-en (pelliceus); vyll-en
(laneus); fŷr-en (igneus); bër-en (urſinus); gæt-en (ca-
prinus); ſvîn-en (porcinus); yter-en (lutrinus) etc. —


altn. nur materielle und dazu auf das mineralreich be-
ſchränkt: gyll-inn (aureus); ſylfr-inn (arg.); ſtein-inn
(lapideus); ſend-inn (arenoſus); bei Biörn finde ich keine
von gewächſen noch thieriſchen ſtoffen geleitet, doch Sæm.
edda 232b birk-inn (betulinus). —


mhd. α) materielle: lind-în (tiliaceus) Karl 57a; rœſ-în
Triſt. 130c; diſtel-în, ibid.; îw-în (taxeus) Parc. 118a;
bluern-în Parc. 56b 93c 184c; rœr-în (arundineus) Parc.
81a; beſt-în (corticeus) Parc. 61c; hæber-în (avenaceus)
Parc. 63c; weit-în (coeruleus, d. h. von weit, guaſtum)
Parc. 185c; dürn-în (ſpineus); eſch-în (fraxineus); eich-în
(quernus); viol-în (violaceus) ſchmiede 68; hülz-in (ligneus)
cod. pal. 361, 12b; tübel-în (ex aſſerculis, funiculis confectus?
vgl. tübel Frig. 10a) Wilh. 2, 184a; viur-în a. Tit. 123; güld-
în; filber-în; küpfer-în; êr-în; vëlſ-în Mar. 188; mer-
mel-în; gleſ-în (vitreus) Parc. 149c; ſtein-în; ſpiegel-în
Parc. 168a; kërz-în (cereus) Parc. 154a; îſen-în (ferreus)
MS. 2, 175b; îſer-în fr. de bello ſar. 3953; ſchirb-în (te-
ſtaceus) M. S. 2, 175b; leim-în (fictilis) Geo. 358a; hær-în
Parc. 106a; hürn-în (corneus) Parc. 188a; pfellel-în Roth.
14b En. 128. 1277; eiter-în (venenatus) Triſt. 14926;
pfæw-în Parc. 145a; lider-în Parc. 31b; merder-în Parc.
142a; viſch-în Wig. 809; zöbel-în Parc. 68c ëber-în
Reinh. 2015; hirƷ-în Reinh. 2029; ſchæf-în MS. 2, 191b;
ſamt vielen andern, mit dem pl. auf -er iſt gebildet kel-
ber-în (vitulinus) Parc. 30c; rinder-în (bovinus); cod.
pal. 341, 123a ſteht: hâr krûs, reit, vleder-în, (volitans)?
oder vëder-în? — β) andere beziehungen ſind ſelten:
menn-în (virilis) MS. 2, 161b; vröuw-în (femininus) Triſt.
6447, vröuwîne hende, fräuliche hände, materiell ge-
braucht wird es daſelbſt z. 9229. 11518. diu vröuwîne
ſchar, die aus frauen beſtehende; wülv-în (lupinus, ferus)
von gebärden, ſitten, blicken, die die eines wolfes ſind,
Mar. 150. 219. fr. d. bell. 763. 4131; geiſt-în (ſpiritualis)
S. Anno 25, doch läßt ſich auch erklären: beſteht aus
dem geiſt. — Ob alle dieſe mhd. adj., wie ich angenom-
[179]III. conſonantiſche ableitungen. N.
men habe, umlauten, iſt noch genauer zu prüfen, we-
nigſtens ſcheinen gute hſſ. ohne umlaut zu leſen: bluo-
mîn, pfâwîn, vrouwîn, rôſîn, marmelîn, hornîn, zobe-
lîn. Selten verkürzt ſich das -în in tonloſes -en, doch
gibt es beiſpiele, Herb. 54b ſteinen (lapideus): weinen. —


nhd. iſt dieſe ableitung beſchränkt, auch formell ge-
ſunken, dem mhd. -în entſpricht kein -ein, ſondern -en,
bei vorausgehendem bildungs-er bloßes -n. Der umlaut
hört auf. Außer der materiellen findet keine weitere be-
ziehung ſtatt. Beiſpiele: eich-en; tann-en; gold-en; ſil-
ber-n; eiſer-n; eher-n (f. ehr-en, êr-en); kupfer-n; me-
tall-en; ird-en; woll-en; ſeid-en; lein-en; tûch-en; lê-
der-n; hanf-en. Mit paragogiſchem plural-er und davon
abhängigem umlaut ſind geleitet: hölzer-n; dörner-n; hör-
ner-n; bretter-n; gläſer-n; und dieſe -er-n ſowohl als
die in ſilb-er-n, kupf-er-n etc. für -ern nehmend, hat
man misgegriffen und ein unorg. bein-ern; ſtein-ern;
thœn-ern; wächſ-ern (cereus); flächſ-ern; ſtähl-ern; meſ-
ſing-ern; für bein-en, ſtein-en etc. eingeführt; das ge-
meine volk wagt ſelbſt: gold-ern, tûch-ern etc. Viele
ſind abgeſtorben, z. b. es läßt ſich nicht mehr ſagen:
blûmen, rôſen, linden, diſteln, feuern etc. ebenſowenig
von thierfleiſch und pelzwerk ein ſolches adj. brauchen;
nur oberdeutſche volksdialecte haben in dieſem ſinne:
lämmern, kälbern, ſchweinern, ſchæfen etc. behalten. —


nnl. keine ſolche verwilderung, ſondern regelfeſtes
-en: ârd-en (terreus): glâz-en (vitreus); îzer-en (ferreus);
bên-en (oſſeus): goud-en; zilver-en; hout-en (ligneus);
hennip-en (cannabinus); gerſt-en (hordeaceus) etc. —


engl. nur wenige: aſh-en; beech-en; braz-en; flax-
en; glaz-en; gold-en; lead-en; ſilk-en; wood-en; wooll-
en. —


allgemeine anmerkung: es liegt in der natur dieſer
ableitung, inſofern ſie ganz unmittelbar vom ſubſt. ent-
ſpringende adj. zeugt, daß aus ihnen nicht wie aus an-
dern adj. adverbia, feminina auf -î und verba gebildet
werden können. Aus ahd. ëpan fließt z. b. ëpano (ae-
qualiter) ëpanî (aequalitas) ëpanôn (aequare); allein aus
hulzîn weder hulzîno, noch hulzînî, noch hulzînôn. Sie
leiden eigentlich auch keine ſteigerung (cap. VII.); wo
ſtünde ein hulzînôro, hulzînôſtêr zu leſen? *). Sie ſind
M 2
[180]III. conſonantiſche ableitungen. N.
wenn ich ſo ſagen darf, ſubſtantiviſcher als andere ad-
jective; daher ſie auch die ſpätere ſprache als etwas zu
rohes gern fahren läßt und den begriff mit dem ſubſtan-
tiv componiert, z. b. jenes mhd. vrouwîne hende, vrou-
wîniu ſchar drücken wir nhd. aus: frauen-hände, frauen-
ſchâr *). Doch alsdann, wann das -în andere (unter
β verzeichnete) beziehungen ausdrückt, fallen ſolche
ſchranken weg, d. h. adverbium, comparation etc. ſind
verſtattet, wie gleich das goth. ſinteinô (ſemper) lehrt
und ein êwîni (aeternitas) bei T. kann ich mir denken. —


[OON] -ôn, wird ſich kaum als ableitung beweiſen
laßen. In betracht kommen die goth. ſubſt. ſip-ôneis
(diſcipulus) und láuhm-ôni. Jenes, ſamt dem daraus ent-
ſprungenen verbo ſip-ônjan, ſteht im cod. arg. zu häufig,
und wird nie mit kurzem u geſchrieben, als daß ſich die
länge des vocals bezweifeln ließe. Eher zweifelhaft iſt
mir die deutſchheit des worts**). In láuhmoni hingegen
ſcheint das o allerdings für kurzes u geſetzt, ſ. vorhin
ſ. 175. — Ahd. nehmen die adj. zur bezeichnung der
weltgegenden ein -ôni in anſpruch, wobei das ô, wie in
den flexionen -ô, ôn, einem älteren (gothiſchen) ô treu-
geblieben, d. h. nicht in ahd. uo übergetreten ſein mag ***).
Die namen ſind bei Eginhard (vita Caroli cap. 29.) er-
halten: ôſtr-ôni (orientalis); wëſtr-ôni (occidentalis); ſundr-
ôni (auſtralis); nordr-ôni (borealis) und dann die compo-
*)
[181]III. conſonantiſche ableitungen. N.
ſita: ôſt-ſundr-ôni, ſund-ôſtr-ôni etc. vgl. auch gl. monſ.
367. wëſtiordrônun (l. wëſt-nordrônun) chorum; gl. blaſ.
76a ôſtrôno-wint (l. ôſtrôni-wint), ſundrôni-wint, wëſtrô-
no-wint (l. -ôni), nordrôni-wint. Volle form wäre: ôſta-
rôni, wêſtarôni, ſundarôni, nordarôni, nämlich die adv.
ôſtar, wëſtar, ſundar, nordar zum grund gelegt, die aber
eigentlich bedeuten: verſus orientem etc., denn ab oriente
heißt: oſtana, ab occidente: wëſtana, wie bei den adv.
ausgeführt werden wird. Inzwiſchen kommt mhd. oſt-
ern, wëſt-ern (für oſter-en, wëſter-en?) ſtatt oſten, wë-
ſten vor, vgl. Wig. 10882. MS. 2, 10a. Altſ. gilt
noch voll ôſtrôni, northrôni etc. die heil. drei könige
keißen ërlos ôſtrôniê (viri orientales). Die agſ. adj. lau-
ten ſchon ſämmtlich -ern (für -er-en, er-ôn, er-êne?):
eáſtern, wëſtern, ſûðern, norðern und ebenſo engl. ea-
ſtern, weſtern, ſouthern, northern. Alterthümlicher das
altn. auſtr-œnn, vëſtr-œnn, ſuðr-œnn, norr-œnn (f. norðr-
œnn), welches œ umlaut des ô (folgl. nicht æ zu ſchrei-
ben) mithin -œnn dem ahd. ôni völlig parallel iſt. Al-
lein aus dem altn. entſteht ein anderes bedenken gegen
die adj. ableitung -ôni, es ſcheint gar keine ableitung,
ſondern eine zuſ. ſetzung mit -rôni (-ruoni?) -rœnn im
ſpiel, nämlich nach analogie von ald-rœnn, al-rœnn
(humanus) ein-rœnn (difficilis) haf-rœnn (pelagicus) fiall-
rœnn (montanus) anzunehmen auſt-rœnn etc. alſo ahd.
ôſta-rôni oder ôſt-rôni? vgl. Raſk §. 375. Damit ver-
ſchwände auch der anſtoß, daß oſtrôni die richtung her,
und nicht hin, bezeichnet, Gleichwohl geſtehe ich, daß
ich das ableitende -ôni noch nicht für ganz wider-
legt halte. Das ahd. -rôni gewährt keinen ſinn und
ſelbſt das von Biörn aufgeſtellte altn. rœnn (ſimilis) ſcheint
mir bloß aus eben jenen adj. abſtrahiert. Und will man
undrœnn (abſurdus) nicht lieber aus undr-œnn deuten
als durch und-rœnn? Das r in fiallrœnn, hafrœnn ließe
ſich vielleicht auch anders erklären oder für unorganiſch?
Uebrigens bildet die altn. ſprache aus dieſen adj. die fe-
minina: auſtrœna (aura orientalis) norrœna (aura bo-
realis, auch: lingua borealis); hafrœna (aura pelagica)
fiallrœna (aura montana).


Anmerkungen zu den N-ableitungen:

a) die verbindung rn iſt theoretiſch immer in r-an
aufzulöſen. Aber -n nach langem vocal auf früheres
[182]III. conſonantiſche ableitungen. N.
-han (wie -m auf -ham) zurückzuführen, habe ich mir
nur in einigen entſchiedenen fällen erlaubt, vgl. ahd. ra-
han mit altn. rân; ahd. lêhan mit agſ. læn. Vermuthet
wurden ſiuni aus ſihani; dionôn aus diowinôn. Andere
uns noch verhüllte beiſpiele wird die zukunft ent-
decken. —


b) einigemahl ſcheint auch hier die hinzugetretene ab-
leitung für den ſinn gleichgültig; ſo ſteht dem goth. ara,
ahd. aro, altn. ari (aquila) ein agſ. ëar-n, altn. ör-n
zur ſeite. Nicht anders verhalten ſich ahd. përo (urſus)
und das frühere për-n, altn. biör-n; ahd. ſtaro (ſturnus)
und agſ. ſtëar-n. —


c) wechſel des -n mit -l und -m bereits oben ſ. 120.
154. berührt. Erſterer iſt nicht allzuſelten, wie auch
folgende beiſpiele lehren: goth. himins, altn. himinn,
ahd. himil (wurzel nr. 566.): ahd. tougan und tougal (oc-
cultus) jenes O. N. dieſes T.; ahd. trunhan (ebrins) und
trunhal; goth. ahana, ahd. agana (palea) agſ. egle; mhd.
ſamnen, ſmeichen (ſmeichenen), vorhene, nhd. ſammeln,
ſchmeicheln, forelle (f. forchel). Finden in einem und dem-
ſelben dialect l und n ſtatt, ſo weicht wohl die bedeutung
ab, vgl. agſ. ſëgen (vexillum) ſëgel (velum). Zwiſchen n
und r (oben ſ. 144.) iſt der auffallendſte wechſel in altn. vatn.,
ahd. waƷar; vielleicht auch altn. taf-n, ahd. zëp-ar; neben
lung-ar (citus) ſcheint lung-an zu gelten, vgl. den eigen-
namen lungan bei Schannat 393; neben dëmar (crepuſcu-
lum) findet ſich dëmenunga doc. 208a, nhd. demmerung;
agſ. glitnjan, nhd. glitzern. —


d) die a und i vor dem -n ſchwanken ungemein,
magan, megin; ragan, regin; eigan, eigin; irman, irmin
u. a. ſcheinen im ahd. beinahe gleich berechtigt. Einiges
mag für dialectiſch erklärt werden, z. b. goth. maúrgins,
ahd. morakan. Anderes halte ich für tadelhaft z. b. firan-
wuachar (uſura) f. firin-wuachar. Es gibt aber auch
fälle, wo ſich beide vocale nicht vermiſchen, z. b. die
verba auf inôn, die ſubſt. auf -inaſſus zeigen kein -anôn,
anaſſus. Das u vor -n erſcheint beinahe gar nicht mehr
und ahd. langes und kurzes i rinnen in ein agſ. e und
altn. kurzes i zuſammen, ſind aber auch im ahd. nicht
für alle fälle ſicher zu unterſcheiden.


e) in der compoſition finden ſich verſchiedne -an, die
es ungewis laßen, ob ſie von ſubſt. oder adj. herrühren;
z. b. das angan- oder agan- in den eigennamen angan-
dëo, angan-trud, agam-bërt, agan-frid etc.; das canan-,
[183]III. conſonantiſche ableitungen. P.
cannin- in dem uralten cannine-fas etc. In der E. H.
heißt es von dem zerreißenden tempelvorhang: that fa-
han-lakan të-braſt, wo mir fahan unverſtändlich iſt, viel-
leicht fehan-lakan (bunter teppich)? vgl. vêh-lachen (ſtra-
gulum) gl. blaſ. und trev. und oben ſ. 156. das gleichfalls
unſichere maſc. vêhan (buntſpecht). —


ableitungen mit P (ahd. F).

ſind längſt nicht mehr rege, müßen aber in allen ver-
bindungen lp, rp, mp, np und ſp angenommen werden.
Beiſpiele: goth. hil-pan (juvare) agſ. gël-pan (ſuperbire)
altn. ſkol-p (eluvies); goth. vaír-pan (jacere) ahd. ſcar-f
(acer) altn. ſor-p (quiſquiliae) ſnar-pr (acer); goth. trim-
pan (calcare) agſ. lim-pan (evenire) ahd. cham-f (pugna)
ſcim-f (ludibrium) ſum-f (palus) dam-f (vapor) ſtum-f
(hebes) altn. kam-pr (myſtax); han-pr (cannabis); ahd.
haſ-pal (girgillus) und viele ähnliche. Der ableitungsvo-
cal läßt ſich zuweilen im ahd. blicken und zwar zwiſchen
lf, rf, nf, nicht zwiſchen mf und ſp (nicht ſf). So findet ſich
war-af (ſtamen), ſcil-uf, ſcil-of (ſcirpus) und in einer gl.
vind. gëll-of (levir), das maſc. zu gëll-a (concubina), wenn
nicht etwa gëll-olf, gël-olf (analog dem rîch-olf, biter-
olf etc.) gebeßert werden muß, da niemahls gël-f in
gleichem ſinne vorkommt; harl-uf (licium, funis) monſ.
412. zwetl. 124a flor. 982b harl-ifa lind. 990a iſt vielleicht
har-luf und compoſitum. Vocal zwiſchen rf. haben: dor-
of (villa); â-wër-af (abjectio) K. 29a; char-oſo (carpio,
piſc.); har-afa (cithara); zwiſchen nf. han-of (cannabis)
wirceb. 980; ſen-if (ſinapi) wofür auch agſ. hen-ep,
ſen-epe.


Das alter und die verhärtung der formeln lp, rp, mp
ergibt ſich daraus, daß ſie in ablautenden verbis vor-
kommen, für np, ſp weiß ich keine anzuführen. Die
ableitende natur des p folgt aber


α) aus nicht unwahrſcheinlichen nachweiſungen des
einfachen ſtammes: gil-pan = gil-apan (nr. 345.) gehört
zu gil-an (nr. 564.); hil-pan = hil-apan (nr. 343.) ver-
muthlich zu hil-an (nr. 314.), denn adjuvare iſt zugleich
tueri, celare; ſkaír-pan = ſkaír-apan (nr. 616.) zu ſkaír-
an (nr. 327.), ſecare ſich berührend mit acuere, was
ſchneidet, hat ſchärfe; vaír-pan = vaír-apan (nr. 433.)
wohl zu vaír-an (nr. 572.) ungefähr wie jacio zu jaceo
oder wie liga zu lagja? vaíran bedeutet ruhig liegen,
[184]III. conſonantiſche ableitungen. P. B.
vaírpan in die lage bringen, legen, ſternere; dim-pan =
dim-apan (nr. 368.) fordert ein oben ſ. 55. nicht aufge-
ſtelltes dim-an (tenebreſcere) wovon dëm-ar (tenebrae)
dim-ſter (tenebroſus), da ſich dampf, nebel, finſternis be-
rühren, vgl. ſerb. tama (nebula, caligo); ſtim-pan (nr. 586.)
zu ſtim-an (nr. 322.), das ſtumpfe iſt das verſtümmelte,
gehemmte etc.


β) aus vergleichung urverwandter ſprachen, welche
labialmedia ſtatt der goth. ten. und ahd. aſp. in dieſen
wörtern haben: cann-abis, hen-ep, han-of; litth. gel-beti
(auxiliari), hël-pan, hël-fan; ich wage tur-ba zu þaúr-p,
dor-of, kaum aber die (rauſchende) har-fe, agſ. hëar-pe, altn.
har-pa zu κορ-ύβας, κύρ-βας zu halten. Wo goth. oder
ſächſ. tenuis lat. ten. begegnet liegt ſpätere unmittelbare
entlehnung unter; ſo in ſinapi (gothiſch Marc. 4, 31.) viel-
leicht auch in ſcirpus vgl. mit ſcilf.


Das ahd. mf in mft entſpricht zuweilen gothiſchem
mf (nicht mp), z. b. in fimfto (decimus) durft (neceſſitas)
ſemfti (facilis) welche daher nicht unter die p-ableitun-
gen gehören.


ableitungen mit B (ahd. P).

mciſtentheils ausgeſtorben, doch erkennbarer, als die mit
-p, welche nur noch im ahd. den ableitungsvocal zeigten.
Hier aber ſteht er bisweilen auch im gothiſchen.


1) der Gothe bildet adverbia auf -aba, -uba, denen
nichts in den übrigen dialecten entſpricht, näheres cap. V.


2) feminina und neutra auf -ubni, ſchwankend in
-ufni (1, 604. 606). Auch dieſe ableitung mangelt den
andern deutſchen ſprachen, ſie iſt mehrfach und würde
ahd. -up-ani, op-ani lauten? oder wäre ſie vielmehr
compoſition, ubni f. ôbni (wie auch ſonſt u und ô ſchwan-
ken 1, 40. 855.) aus ôbjan (exercere) ahd. uopan zu er-
klären? zumahl die ſyntax eine häufige abſtracte con-
ſtruction dieſes verbi lehren wird. Inzwiſchen fehlt ge-
rade ôbjan im gothiſchen, das auch ſonſt ableitungen mit
-ub zu hegen ſcheint.


3) es findet ſich zwar nur das einzige ſil-ub-r, ahd.
ſil-up-ar (aſſim. ſilipar oder ſilapar); mit ausgeſtoßnem vo-
cal agſ. ſëolfer, altn. ſilfr.


4) in den goth. formeln lb, rb, mb (nb und ſb gibt
es nicht) iſt der ableitungsvocal a ausgeworfen; beiſpiele:
ul-bandus (camelus), hal-bs (dimidius), ſal-bô, ſil-ba (ipſe),
[185]III. conſonantiſche ableitungen. B.
ar-bja (heres), þaúr-ban, hvaír-ban, lam-b (agnus) dum-
bs (mutus) etc. Auch hier tritt im ahd. das a zwiſchen
lp, rp hervor, nie zwiſchen mp, z. b. hal-ap (manu-
brium), huër-apan, praet. huar-ap, dër-ap (azymus), dar-
apên (egere), ar-apjo (heres), ſo gewis früher ſtatt des
ſpätern er-ibo; hingegen kein lam-ap, tum-ap f. lam-p,
tum-p. Agſ. und altn. keine ſpur des gebliebenen vocals.


5) ableitendes b erkenne ich auch (wie vorhin ſ. 154.
182. ableitendes m, n) nach ausgeworfner ſpirans h in du-
bô, dû-bô (columba), welches Ulf. nur in der compoſ. mit
hráiva f. τρυγών ſetzt, da er περιστερά durch ahaks aus-
drückt; wurzel ſcheint nämlich nr. 261. diuhan (mer-
gere) ahd. tiuhan und dubô ſtünde f. duh-abô, gerade wie
ſich columba mit κολύμβαω vergleicht und κολύμβος
mergus bedeutet. Von dem taucher wurde der name auf
die laube übertragen, vgl. oben ſ. 19. Selbſt das agſ. ver-
bum dëófan könnte aus diuh-aban gedeutet werden. Auf
dieſem wege löſet ſich vielleicht einmahl überhaupt die
dunkelheit der ſcheinbaren wurzeln mit û (oben ſ. 7.);
es ſind ſpiranten ausgefallen.


6) beſtätigungen wie vorhin beim P.


α) aus nachweiſung des einfachen ſtamms weiß ich
wenig zu gewinnen; tim-bar, zim-par (aediſicatio) könnte
aus tim-an, zim-an (nr. 320.) aptare, conſtruere? geleitet
werden, vgl. das urverwandte domus mit domare; ſcir-
pi (teſta) monſ. 344. bezeichnet eigentlich das zerbrochene
und fügt ſich zu ſcir-an (nr. 327.) ſcindere, ſo daß ſkaír-
pan und ſkaírban zwei ganz verſchiedene fortbildungen
einer wurzel wären. Noch unſicherer iſt mir aber hal-
ap (manubrium) aus hal-an (nr. 465.), ar-bi (hereditas)
aus aír-an (nr. 571b) und ähnliches


β) im griech. entſpricht die aſp. dem goth. b, ahd.
p, vgl. ἀμφί mit umpi, daher iſt ulbandus unbedenklich
ul-bandus, ahd. ol-panta = ol-apanta, wie ἔλ-εφας, ein
großes thier, kameel oder elephant. ſtaír-ban, ſtër-apan
iſt vielleicht στρ-έφειν, κατα-στρ-έφειν? läßt ſich ſviltan
(nr. 349.) aus us-viltan deuten? wenigſtens fällt mir auf,
daß der hd. dialect kein ſuëlzan kennt und von wëlzan
nur das abgeleitete ſchwache welzan; wäre ein ahd. ur-
wëlzan für ſviltan nachzuweiſen, ſo gewänne jene er-
klärung von ſtërpan, deſſen ſimplum ſtëran längſt ver-
dunkelt liegt. Da die Slaven den lippenlaut nicht aſpi-
rieren, ſo vergleicht ſich goth. b ihrem b, ſil-ubr, ſr-
ebro; folglich iſt ſlav. labe (fluvius) labud (cygnus) ſicher
[186]III. conſonantiſche ableitungen. F.
das ahd. alp = alap, el-piƷ = el-apiƷ (vgl. lat. ol-or) und
man hat nicht nöthig verſetzung des l anzunehmen, da
der eigentliche wurzelvocal, wie im ſlav. öfter, aphäreſis
erlitten hat, labud f. alabud, olabud. Im litth. mangelt
gleichfalls f, weshalb die häufigen feminina auf -ybe je-
nen gothiſchen auf -ubni vergleichbar ſcheinen. —


7) die agſ. und altn. mundart aſpiriert gothiſche me-
dia in- und auslautend, daher man zu ahd. p das agſ.
altn. f. halte, vgl. agſ. el-fet, yl-fet (olor) altn. al-ft; el-f
(fluvius) etc. Dieſes f. begegnet wiederum in hochdeut-
ſchen dialecten inlautendem b ſtatt p, wie in tûba (co-
lumba), wofür ich noch nie tûpa geleſen habe. Und
auch der Gothe ſchwankt zwiſchen ubni und ufni.


ableitungen mit F (ahd. V).

ſind völlig unwirkſam und nur in den ſeltnen verbindun-
gen lf, mf, nf, die in keinem ablautenden verbo fortle-
ben, zu muthmaßen, vgl. die goth. wörter vul-fs (lupus)
fim-f (quinque) han-fs (κυλλός, mancus, mutilus). Ahd.
findet ſich noch der ableitungsvocal im pl. fin-evî T. 44,
23. Im griech. lat. etc. herrſcht hier parallele tenuis,
fim-f iſt das doriſche πέμ-πε; vul-fs iſt lu-pus (für ul-
pus oder für ul-upus? wie λύ-κος = ſlav. vul-k) und
das in keiner andern deutſchen mundart als der gothi-
ſchen bekannte han-fs iſt wohl das litth. kum-pas (krumm)
vgl. kam-pas (winkel, krümmung). Die ft ſämmtlicher
deutſcher ſprachen erfordern vorſicht, da ſie aus ältern
lautverhältniſſen übrig ſein können und der verſchiebung
widerſtanden haben. Das ahd. ſem-fti (facilis) ſcheint
genau das agſ. ſof-te, folglich hierher unter F zu rech-
nen. In chun-ft, nun-ſt f. chum-ft, num-ft entſpricht
das ahd. ft dem goth. in num-fts; ob nun hier ein wirk-
lich ableitendes f im ſpiel, oder es bloß euphoniſch zwi-
ſchen m und t geſchoben ſei, wage ich noch nicht zu
entſcheiden. Das gilt auch vom goth. hvil-ftri.


ableitungen mit V (ahd. W).

in der älteren ſprache gangbar und erkenntlich, in der
neueren verwiſcht und abgeſtorben; ſchon im ahd. macht
die vocaliſche auflöſung des w ſchwierigkeiten. Ich un-
terſcheide hier wieder nach den drei ableitungsvocalen
[187]III. conſonantiſche ableitungen. V.
av, iv, uv, wiewohl die beiden letzten von ganz be-
ſchränktem umfang ſind.


[AV] im goth. der vocal überall gewichen, ahd. oft
erhalten, wenn auf das w flexionsvocale folgen, ſonſt
mit dem w in o verſchmolzen. Nhd. verwandeln ſich
die gebliebenen w in b. Von dem ableitenden v muß
man aber das wurzelhafte v unterſcheiden, wie ich 1,
598. 613 etc. nicht gethan habe. Ableitendes iſt nur an-
zunehmen, wo der die wurzel ſchließende conſonant ihm
vorausgeht, z. b. im goth. bal-vjan oder im ahd. pal-o =
pal-aw; geht kein ſolcher conſ. vorher, ſo gehört das
v ſelbſt zur wurzel, da es unwahrſcheinlich iſt, daß vor
einer ſpirans eine andere ſpirans ausgefallen ſei. In ſáivs,
ſnáivs, þius, qvius, ahd. ſêo, ſnêo, diu und allen ähnli-
chen ſteckt daher gar keine ableitung.


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina,
goth. nur ſagg-vs (cantus)*), aber andere laßen ſich ver-
muthen, z. b. aus dem verbo bal-vjan ein bal-vs (oder
neutr. bal-v?) malum. Zur dritten decl. gehört faírh-
vus (mundus); doch in ſkad-us (umbra) haír-us (cardo,
enſis), nicht ſkad-vus, haír-vus, ſcheint kein ableitendes
v zu liegen? vgl. indeſſen das verbum ſkad-vjan und
die übrigen mundarten **). — ahd. mat-o (pratum) mat-
awes? nur in compoſ. mato-ſcrëcch (locuſta) N. 104, 34;
pal-o (malum) O. II. 6, 71. gen. pal-awes; ſal-o (ſalix) ſal-
awes jun. 227; ſcat-o (umbra) ſcata-wes; vielleicht rit-o (fe-
bris) rit-awes?; von phul-awî (pulvilli) monſ. 339. kann ich
den ſg. phul-o nicht weiſen (monſ. 385. phul-ju neutral?),
ſpäter decliniert dies aus dem latein entlehnte wort ſchwach;
aber ſank, ſank-es, ſang, ſang-es, nicht ſang-o, ſang-awes. —
agſ. bëal-o (malum) bëal-ves; bëar-o (lucus) bëar-ves;
ſcëad-o (umbra) ſcëad-uves; vielleicht auch hëor-o (cardo)
hëor-ves. — altn. hiör-r (enſis) dat. hiör-vi; ſpiör-r
(paſſer); in ſöng-r (cantus) ſcheint der umlaut ein aus v
entſprungnes u zu bedeuten? vgl. ſöng-vari (cantor); zur
[188]III. conſonantiſche ableitungen. V.
zweiten decl. gehören eigennamen wie ſkir-vir, vir-
vir. — mhd. ſchon keine ſpur übrig, mat-e (pratum)?
unſicher nach form und geſchlecht, Wilh. 3. der dat. mat.
im reim; ſchat-e (umbra) gen. ſchat-es; rit-e (febris) gen.
rit-es (?), bei den ſpätern beide ſchwach declinierend. —
engl. ſhad-ow; mead-ow.


β) ſtarke feminina,
goth. ah-va (flumen); friaþ-va (dilectio); nid-va (aerugo)
oder ſchw. maſc.?; ſaliþ-va (manſio); trigg-va (pactio);
ubiz-va (porticus). — ahd. hël-awa, hël-ewa (paiea) monſ.
392. N. 34, 18. 48, 3; ſual-awa (hirundo); var-awa (ſpe-
cies, color); doch ah-a (fluvius); opaſ-a (doma, tectum)
ſelid-a (manſio) haben kein-aw mehr und opaſa gehet
ſchwach, monſ. 352; ältere ah-awa, opaſ-awa, ſelid-awa
ſind zu vermuthen, wohl auch pat-awa (pugna)? — agſ.
fär-bu (color) Boet. 197b mit übergang der ſpirans in die
media, f. fär-evu; frät-evu, frät-ev (ornatus); das nur
noch in der compoſ. häufige bead-o lautete wahrſcheinlich
bëad-evu (pugna)? — altn. böd, gen. böd-var (pugna).
mhd. nur var-we, beßer var-ewe (color); nar-we (cica-
trix) hat Herb. 89a; ſwal-ewe, ſwal-we Triſt. 8606. oder
mit ausgeſtoßnem w ſwal f. ſwal-e MS. 1, 51b 2, 166a. —
nhd. far-be; nar-be; ſchwal-be; matt-e (pratum). —


γ) ſtarke neutra,
goth. vaúrſt-v (opus); vielleicht bal-v (malum)? — ahd.
mël-o, mël-awes (farina); hor-o, hor-awes (lutum); ſar-o
(machinae, apparatus) Hild., der gen. ſar-awes aus ki-
ſar-awi zu folgern; trëſ-o, trëſ-ewes (theſaurus); früher
vielleicht ſcranh-o, ſcranh-ewes (fraus)? — agſ. mël-o,
mël-eves (farina); ëal-o, ëal-eves (cereviſia); ſëar-o, ſëar-
ves (inſidiae). — altn. böl (malum); lîng (frutex); miöl
(farina); öl (cereviſia); ſöl (alga); ſkrök (figmentum); das
v bricht in den dativen böl-vi, lîng-vi, miöl-vi, fkrök-vi,
vor und zeigt ſich als u in dem umlaut; in fiör, dat.
fiör-vi ſcheint v das h zu vertreten. — mhd. mël, mël-
ewes, mël-wes; hor, hor-wes; ſar nur in den comp.
ſar-wât, ſar-rinc. — nhd. mêl, mêl-s (nicht melbes). —


δ) ſtarke feminina auf avî, von adjectiven, z. b.
ahd. mar-awî (teneritudo); zëſ-awî O. I. 4, 43; mhd. gil-
we (flavedo). —


ε) ſtarke neutra auf avi, collectiva, z. b. ahd. ki-
kar-awi O. V. 4, 64; ki-ſar-awi, ki-ſer-wi (zaba, arab. =
lorica) zwetl. 135b mhd. ge-ſer-we fragm. bell. 2513;
mhd. ge-hil-we (nimbus) MS. 2, 204b etc. —


[189]III. conſonantiſche ableitungen. V.

ζ) ſchwache maſculina,
goth. bidag-va (mendicus); nid-va (aerugo) wenn es
nicht ſtarkes fem.?; ſpar-va (paſſer); vaúrſt-vja (opera-
rius); vil-va (raptor). — ahd. ſpar-awo (paſſer)? ich finde
nur ſpar-o T. 44, 21. N. 101, 7; phul-wo (capitale) blaſ.
45a trev. 51b. — agſ. räſ-va (dux); ſpëar-va (paſſer). —
altn. döck-vi (nigredo); myrk-vi (caligo); lîng-vi (ſerpens);
ŷng-vi (n. pr.) — engl. ſparr-ow; pill-ow (cervical). —


η) ſchwache feminina,
goth. band-vô (ſignum); gat-vô (via); taíhſ-vô (dextera);
uht-vô (crepusculum); þeih-vô (tornitru); vaht-vô (vigi-
lia). — ahd. ſën-awa (nervus) gl. monſ. 353. avena ver-
ſtehe ich nicht, ſën-ewa N. 7, 13; zëſ-awa (dextera);
aber kaƷƷ-a, uht-a (N. uoht-a), waht-a etc. ohne -aw. —
agſ. meal-ve (malva); ſval-eve (hirundo); ſin-eve (ner-
vus) aber uht-e. — altn. völ-va (ſybilla) neben val-a, ſo
wie nur ohne v: ſval-a (hirundo); bend-a (funis); gat-a
(via); òtt-a (matutina). — mhd. ſën-ewe; zëſ-ewe; ſwal-
ewe (cithara) Parc. 18628. [l. ſwalwen ſt. ſinalwen] 19820
ſcheint fremder name des inſtruments, oder bedeutet harpfe
und ſwalwe in dieſen ſtellen ganz etwas anderes? — nhd.
ſên-e (nervus). — engl. mall-ow; ſwall-ow; ſin-ew. —


2) adjectiva


α) erſter declination,
goth. trigg-vs (fidus); vráiq-vs (obliquus); naq-vaþs (nu-
dus); läßt ſich aus dem adv. nêh-va (prope) ein adj.
nêh-vs ſchließen? — ahd. ohne kennzeichen -o, mit
kennzeichen awêr: ël-o, ël-awêr (fulvus) jun. 205. doch
monſ. 319. ſteht eleawaƷ (fulvum), wo das zweite e fehler-
haft ſcheint; chal-o, chal-awêr (calvus); kar-o, kar-awêr
(paratus); mar-o, mar-awêr (marcidus); ſal-o, ſal-awêr
(ater); ſar-o, ſar-awêr (armatus) O. IV. 17, 15; val-o,
val-awêr (gilvus); var-o, var-awêr (tinctus); zëſ-o, zëſ-
awêr (dexter). — altſ. gar-u, gar-awêr (paratus); nar-u,
nar-awêr (anguſtus). — agſ. ſtark -o, ſchwach -va: cëal-
o, cëal-va (calvus); fëal-o, fëal-va (flavus); gëar-o,
gëar-va (paratus); gëol-o, gëol-va (fulvus); mëar-o,
mëar-va (mollis); nëar-o, nëar-va und nëar-a (angu-
ſtus) *). — altn. fallen die goth. adj. erſter und dritter
decl. zuſammen, denn beide werfen das v vor flexions-
conſonanten weg, beide laßen es vor flexionsvocalen
[190]III. conſonantiſche ableitungen. V.
erſcheinen und beide lauten das a um: döck-r, döck-vi
(niger); föl-r, föl-vi (pallidus); glögg-r, glögg-vi (parcus);
gör-r, gör-vi (paratus); hrygg-r, hrygg-vi (triſtis);
myrk-r, myrk-vi (tenebroſus); öl-r, öl-vi (ebrius); öng-r
öng-vi (anguſtus); ör, ör-vi (celer); röſk-r, röſk-vi (ſtre-
nuus); ſnögg-r, ſnögg-vi (glaber); ſögg-r, ſögg-vi (ma-
didus); trygg-r, trygg-vi (fidus); þraung-r, þraung-vi
(anguſtus). — mhd. gël, gël-wer; gar, gar-wer; kal, kal-
wer; ſal, ſal-wer; var, var-wer. — nhd. gel-b; far-b;
fal-b (neben fâl); aber kâl (nicht kal-b). — engl. call-ow;
fall-ow; narr-ow; yell-ow.


β) zweiter declination
goth. keins nachzuweiſen, zu vermuthen ar-vis (fruſtra-
neus) aus dem adv. ar-vjô. — ahd. desgleichen ar-awi
aus dem adv. arawun (incaſſum); in triuwi (fidus) ſcheint
das w der ableitung zu gehören, wenn man das goth.
trigg-vs zum maßſtab ſtellend ein trink-awêr, trink-wêr,
zwiſchen welchen und triu-wêr andere, uns ver-
lorne mittelglieder liegen müßen, annähme; oder wäre
triuwi die einfachere, triggvs die erweiterte form (1, 325.
326.)? in enk-i (anguſtus) iſt das w ausgeworfen, früher
ank-awi, ank-awu? —


γ) dritter declination,
goth. agg-vus (anguſtus); hnaſq-vus (tener); glagg-vus
(ſolers) aus dem adv. glaggvuba gefolgert; man-vus (pa-
ratus); þlaq-vus (mollis). — das ahd. kla-o, kla-wêr iſt
einziges überbleibſel und verhält ſich einigermaßen zu
glagg-vus wie triuwêr zu triggvus, nur daß es ohne
kennzeichen nicht klawi heißt, wie triuwi, ſondern klao,
klau. Das altn. glöggr und ähnliche ſind als zur erſten
decl. übergegangen anzuſehen. —


3) verba,


α) ſtarker conjugation,
die goth. verba leih-van (nr. 195.); ſaíh-van (nr. 308.);
vil-van (nr. 348.); ſigg-van (nr. 389.); ſtigg-van (nr. 399.);
bligg-van (nr. 410.); ſigg-van (nr. 411.) und wahrſchein-
lich noch einige ähnliche, die noch nicht nachzuweiſen
ſtehen; alle von den verbis mit bloßem h, l, gq und
gg genau zu unterſcheiden z. b. von fraíhan (nr. 307.);
drigkan (nr. 397.) und ſtiggan (pungere), nr. 318) *). Im
[191]III. conſonantiſche ableitungen. V.
ahd. ſind alle dieſe -v zu grunde gegangen und ein ſëh-
awan, wël-awan, ſink-awan laßen ſich höchſtens vermu-
then, doch pliuwan verhält ſich zu bliggvan, wie zu
triggvs triuwi. Im altn. dauern ſlîng-va, ſëck-va, ſtëck-
va, hrëck-va d. h. übergetreten in ſlŷng-va, ſöck-va,
ſtöck-va, hröck-va (1, 916.) fort, auch högg-va (caedere)
ſcheint hierher gehörig. Die übrigen dialecte zeigen der-
gleichen gar nicht mehr.


β) erſter ſchwacher conjugation
goth. bal-vjan (torquere); mal-vjan (conterere); val-vjan
(volvere); man-vjan (parare); band-vjan (innuere); ſkad-
vjan (umbrare); ſtagg-vjan (impingere); vái-faírh-vjan
(ejulare) *); nêh-vjan (appropinquare). — ahd. kar-awan
(praeparare); var-awan (tingere); ſal-awan (decolorare);
ſcat-awan (umbrare); ki-chal-awan (decalvare) monſ. 332.;
dieſe löſen im praet. das aw in o auf: kar-ota, ſal-ota,
var ota, ſcat-ota, ki-chal-ota (1, 886.) und haben im part.
praet. ohne flexion ka-karawit, ka-ſcatawit, bei zutreten-
der flexion aber die auflöſung: ka-karotêr, ka-ſcatotêr (wo-
nach 1, 887. die angeblich dritte form karwita zu ſtreichen
iſt). — agſ. gyr-van (parare); hyrvan (contumelia afficere);
ſyr-van (moliri); ſcead-evan (adumbrare); praet. gyr-ede,
ſcead-ede (1, 910). — altn. gör-va (parare) wofur aber
üblicher gör-a; hröck-va (torquere); flöck-va (extin-
guere); ſtöck-va (aſpergere); praet. ger-di, hrök-ti etc.
Hiernach ſollten auch dögg-va, ſlöng-va, göt-va gehen,
die ich aber in die zweite conj. geſtellt finde. — mhd.
ger-wen; ver-wen; ſer-wen (inſtruere, armare); vel-
wen; ſel-wen; wel-wen (convexum reddere) MS. 2, 62b;
be-ſchat-wen Barl. 66, 1; praet. gar-te, var-te, ſal-te etc.
doch ſtehet muſ. 2, 43. ver-var-wete, nicht ver-var-te. —
nhd. ger-ben; fär-ben; fäl-ben; wöl-ben; aber beſchatt-en.


χ) zweiter und dritter ſchwacher conj.
keine gothiſche; ahd. rit-awôn? (tremere) wofür aber N. 2,
11. rid-ôn, oder iſt dies rid-on?; ſêr-awên (areſcere) monſ.
390. 399. N. 38, 12. 118, 139; andere ſind leicht zu vermu-
then, z. b. chal-awên (calveſcere). — agſ. fëal-vjan, fëal-vô-
de (flaveſcere); frät-vjan (ornare); ful-vjan (baptizare);
nëar-vjan, nëar-vôde (arctari). — altn. dögg-va (rigare);
göt-va (inveſtigare); ſlöng-va (projicere); röckva (veſperaſ-
[192]III. conſonantiſche ableitungen. V.
cere) etc. — mhd. ver-gël-wen (flaveſcere); rid-wen (tre-
mere) Bon. 48, 88. ſchil-wen (ſtrabum eſſe) Herb. 21b. —
nhd. ver-nar-ben (cicatrice obduci).


[IV] der vocal i vor dem ableitenden v iſt kaum mit
ſicherheit nachzuweiſen. In dem goth. gen. pl. ſunivê,
tunþivê (1, 601.) ſcheint das v an ſich nicht ableiteriſch
(2, 95.); auch nicht in den adjectiven háiþiviſks, judái-
viſks (vergl. unten beim SK). Mehr hierher gehörig iſt
das ahd. mil-iwa (tinea) T. 36, 1. falls dabei keine aſſimi-
lation aus mil-awa wirkt. In hul-iwa (ſordes, uligo) gl.
flor. kann keine aſſim. eintreten, aber dieſe gloſſen ſind
in den vocalen unſicher. Mhd. kommen mil-we und
hül-we (nur beim Stricker) vor; wo der umlaut, wenn
man ſeiner ſicher wäre, entſcheiden würde. Nhd. nur
mil-be. Aus den übrigen ſprachen ergibt ſich gar nichts
für iv.


[UV] gleichfalls ſelten und unſicher: gothiſch ſchwan-
ken vid-uvô und vid-ôvô, ein vielleicht undeutſches, aus
dem lat. vidua entlehntes wort (altn. eckja); ahd. wit-
awa oder wit-uwa? mhd. wit-ewe, wit-we; nhd. wit-we
(nicht wit-be, wohl aber veraltend wittib); agſ. vid-uve,
vid-eve; engl. wid-ow. Ein dunkles wort iſt ſiſuva, viel-
leicht ſiſ-uwâ, das gl. monſ. 319, gleichbedeutend mit
ſpâniſeiu gipoſi zur überſetzung von iberas nenias braucht;
eine elwang. gl. hat ſiſva (? ſiſwa) neniae. Die parallele
gl. doc. 223b läßt es weg und gibt dafür lotar-ſprâhha.
Der ſinn iſt entweder lügen, eitle erdichtungen oder klag-
geſänge.


[EV] êv erſcheint nur im goth. al-êv (oleum), dem
aber kein ahd. al-âw entſpricht, da es ol-i, gen. ol-jes,
ol-es, mhd. öl, agſ. el-e, gen. el-es heißt. Dieſe ahd.
agſ. formen find offenbar aus dem latein gefloßen, wel-
ches ich von der goth. nicht glaube. In ihr verhält ſich
das goth. a zum lat. o wie in namô zu nomen. Auch
hat die litth. form allêjus.


anmerkungen zu den v-ableitungen:

a) das ableitende v iſt gleich den übrigen ſpiranten
häufig weggefallen, zumahl in den neueren ſprachen.


[193]III. conſonantiſche ableitungen. V. T.

b) da die ſpiranten keiner lautabſtufung unterliegen,
ſo entſpricht es auch dem lat. v, oft in den nämlichen
wörtern, vgl. ahva mit aqva, aeqvor; viduvô mit vidua,
vidva; ëlo, ëlawêr mit gilvus; valo, valawêr mit flavus
oder fulvus; chalo, chalawêr mit calvus. In den beiden
letzten läßt die zu große einſtimmung der anlautenden
conſ. faſt auf entlehnung ſchließen. Dasſelbe -v herrſcht
auch in vielen andern lat. wörtern, z. b. mil-vus, ner-
vus, ung-vis auf dieſelbe weiſe.


c) wechſel des v mit andern conſonanten: mit m in
ſwal-me Bon. 23, 2. 40, 21. f. ſwal-we, vermuthlich nach-
dem vorher w in b verhärtet worden war, denn lb wird
in den volksdialecten leicht zu lm vgl. alb und alm; ſo-
gar altn. helmîng (dimidium) f. helfîng, hâlfîng. Orga-
niſcher iſt wechſel zwiſchen v und h, ahd. vërah, dat.
vërahu (anima) altn. fiör, fiörvi; agſ. frätvum (ornamen-
tis) altſ. fratahun; mhd. ſchilhen und ſchilwen; und ſo wird
aus agſ. fur-h (ſulcus(ahd. vur-iha, engl. furr-ow. Tadel-
hafter ſcheint das im engl. ſo häufige -ow ſtatt des agſ. g,
z. b. bill-ow (unda); will-ow (ſalix); morr-ow; ſorr-ow;
burr-ow; tall-ow; harr-ow ſt. des agſ. byl-ige, vil-ige etc.
d. h. ſowohl für das wahre g, als das aus -j entſprungne
-ig, letzteres auch in den verbis hol-low (excavare, holi-
gean); bel-low (latrare) winn-ow (ventilare) etc. in foll-
ow, hall-ow iſt wahres g (fylgian, hâlgian). In wind-
ow (feneſtra) ſteckt ſogar die compoſ. altn. vind-auga,
obgleich ich kein agſ. vind-eáge weiß.


ableitungen mit T.

hier tritt der eigne fall ein, daß ſich in gewiſſen con-
ſonanzverbindungen viele ableitende t erhalten haben, die
der gewöhnlichen lautverſchiebung widerſtreben, d. h. dem
lat. t entſprechen, nicht dem lat. d. Sie bleiben auch in
allen deutſchen dialecten unverrückt, d. h. ſolche goth. t
werden keine hochd. z, Ʒ. Von ihnen ſind die andern t,
welche der lautverſchiebung folgen, ſorgfältig zu trennen.


I. goth. T. = ahd. T, = lat. T.

ſie finden ſtatt in den verbindungen ft, ſt, ht, deren
erſter conſonant offenbar zur wurzel oder zu einer vor-
hergehenden ableitung gehört. Das t bewirkt aber eine
ableitung, ſei es die erſte oder die zweite, und darf nie
zur wurzel gerechnet werden. ft und ht lauten im deut-
N
[194]III. conſonantiſche ableitungen. T.
ſchen niemahls an, von dem anlautenden ſt gilt aber daſ-
ſelbe, was von dem in- und auslautenden, d. h. auch es
ſcheint älter als die regel der lautverſchiebung. Das hohe
alter dieſer drei conſonanzverbindungen wird ferner da-
durch beſtätigt 1) daß kein ableitungsvocal zwiſchen dem
f, ſ, h und dem t zum vorſchein kommt (denn das ahd.
lioh-at, lioh-et lautet goth. liuh-aþ, -adis, nicht liuh-at).
ausnahmen miſ-it monſ. 400 fëh-eta Hild. 2) daß die
verbindungen zuweilen unorganiſcherweiſe als ableitun-
gen auftreten ſtatt des einfachen t.


[F-T] vom goth. ſchwanken in b-t, vom altn. in p-t
ſiehe anmerkungen.


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſculina,
goth. das einzige hlif-tus (κλέπτης); es mag noch andere
geben, heißt aër luf-ts oder luf-tus? vielleicht gehört
ſkuf-ts hierher? (ſ. hernach das neutr.) und dem weiter
abgeleiteten hvilftrjô (oben ſ. 133.) liegt ein hvilf-t zu
grunde, deſſen geſchlecht freilich unbeſtimmbar iſt. —
ahd. huërf-t (iter?) umbiwërf-t (circuitus) T. 5, 11;
hruof-t (clamor) hrôf-t (evocatio) hrab. 962a dat. ſg.
hruof-te (jubilo) J. 389. acc. pl. ruaf-tî (querelas) jun. 178.
ant-hruof-t (aemulatio) catech.; luf-t (aër) dat. luf-te O.
II. 4, 159; ramf-t (margo, labrum) jun. 200; ſcaf-t (ma-
nubrium, haſta) ſchon im capitulare Ludov. pii und Ca-
roli calvi von 829. 864. ſcaft-legî (armorum depoſitio) Baluze
I, 668. II, 190. (wo fehlerhaft ſcaſtlegi) ſcaf-t, pl. ſcef-tî
jun. 196. 255; ſumf-t, ſunf-t (palus) O. V. 23, 219; ſueif-t,
umbi-ſueif-t (femoralia) jun. 173; tunf-t (procella) jun.
245, unſicheres geſchlechts; wuof-t (fletus, luctus) T. 113.
N. 6, 9. aber K. 38a wuaf-t (luctus, oder wuaf-e zu leſen?)
49b wuaf-um (flctibus); ûƷwurf-t (jactus) monſ. 367. —
agſ. crof-t (agellus) vielleicht fem.?; hvyrf-t (circuitus);
ſcëaf-t (telum); vëf-t (ſubtegmen). — altn. hvop-tr
(bucca); kiap-tr (maxilla); krap-tr (vis); lop-tr (eleva-
tor); vëf-tr (ſubtegmen, verſchieden von vëf-r (tela).
— mhd. be-grif-t (complexus) Parc. 97c, die übri-
gen ſagen begrif, umbegrif; haſt (vinculum) MS. 2, 7a
149b Barl. 359, 10; louf-t (curſus, canalis) bei Wolfr.
Parc. 123a 176b 177a Wilh. 2, 195a Geo. 46a vor-louf-t
(praecurſor) Parc. 128c Karl 13a, die meiſten ſetzen louf,
namentlich Conr. troj. 89c 161c, vor-louf a. w. 3, 13. doch
behält Conr. brût-louf-t (nuptiae) troj. 169c, im Barl. 88.
89. ſtehet brût-louf männlich, 90, 6. weiblich und 298, 15.
[195]III. conſonantiſche ableitungen. T.
brût-louf-t weiblich, doch nicht im reim, ſo daß das
ſchwanken emendiert werden kann, muſ. 2, 43. brût-louft
männlich; luf-t (aër) bei allen männlich; ranf-t (margo);
ruof-t (clamor, fama) Parc. 4b wider-ruof-t Parc. 177b,
doch ſtehet ruof Wilh. 2, 9b 31b (Wilh. 2, 93b ruof:
wuof könnte auch ft ſein, ſo wie der nämliche reim Triſt.
5479, 80.), Conr. hat ruof troj. 6a etc.; ſchaf-t (haſta);
tuf-t (vapor) Parc. 57c Barl. 2, 4. MS. 2, 241b Vrîb. 1766;
wif-t (textum) Loh. 191; wuof-t (clamor) Triſt. 5480. andere
wuof. — nhd. duf-t; haf-t; lauf-t nur noch im pl. zeit-
läuf-te und im adj. weit-läuf-tig; ranf-t nur noch von
der brot-rinde; ſaf-t (ſuccus, wofür mhd. ſtets ſaf, ohne
t); ſchaf-t; ſchuf-t (nebulo) ſcheint nicht hochdeutſch. —


β) ſtarke feminina,
goth. fra-gif-ts, fra-gib-ts (deſponſatio); ga-grêf-ts (edic-
tum Luc. 2, 1; anda-numf-ts (aſſumtio) es iſt unſicher,
ob der C. A. Luc. 9, 51. ſo oder anda-num-ts lieſt, die
gleichfolgende form würde auch num-þs erlauben; ga-
qvum-þs (conventus) mehrmahls vorkommend und nie
weder qvumf-ts, noch qvum-ts, über das þ in dieſem
worte ſ. die ſchlußbemerkungen; ga-ſkaf-ts (creatura);
þaúrf-ts (neceſſitas). —


ahd. chluf-t (forceps) monſ. 328. 331; chraf-t (vis) jun.
255; chumf-t, chunf-t (adventus) aftar-chumf-t (pofteritas)
jun. 218; duruf-t, durf-t (neceſſitas) K. 38a O. IV. 5, 98.
monſ. 355 *); hlouf-t (curſus) ana-hlauf-t, ſaman-hlauf-t
hrab. 954a 958b, das fem. beweiſet der dat. anahlauftî in
erſterer ſtelle, weniger entſcheidet der dat. pl. louftin O.
III. 10, 3. und acc. pl. louftî O. III. 10, 7, woneben V.
6, 3. loufa (ohne ableitendes t, aber unſicher ob ſg. fem-
oder pl. maſc. von louf), deutliches fem. iſt der acc. pl.
brût-louftî (nuptias) T. 45, 1. O. II. 8, 6. IV. 6, 30; kif-t
(donum, gratia) giph-t monſ. 365. 369. gif-t O. V. 24,
52. zua-gif-t O. V. 12, 109; ob krâf-t, kraf-t, grâf-t,
graf-t (ſculptura)? N. 96, 7. gibt graft-pilide (ſculptile)
und monſ. 340. grephtî (ſculpturae); compoſita -numf-t,
nunf-t, allein mit merkwürdigem ſchwanken der dialecte
zwiſchen der f und ſ-form (die in den hſſ. leicht ver-
ſchrieben und verleſen wird) und dem behalten oder aus-
ſtoßen des m, n: dana-numf-t (elatio) doc. 207b; var-
numf-t, var-nunf-t (ratio, intellectus) kann ich nicht be-
N 2
[196]III. conſonantiſche ableitungen. T.
legen, K. 39b far-nufſ-t und jun. 256. fer-numfſ-tîgên
(capacibus) beide formen vereinigt, fir-nunſ-t monſ. 348.
353, N. hat überall fer-numeſ-t, fer-numiſ-t (nie fernu-
meft, überall wo Schilter ſo herausgibt, zeigen die hſſ.
deutliches ſ. wie mir Fügliſt. meldet). — nôt-numf-t (vio-
lentia) monſ. 403. T. 64, 10, 141. [keinmahl nôt-numſ-t]. —
ſiku-numf-t (victoria) jun. 177. leſen ſigi-numſtî (vexilla)
boxh. 906b (aus derſelben hſ.) aber ſigi-numftî, monſ.
326. gibt ſiga-nuftlîh (triumphalis) doc. 234b ſigannumft-
lîh (wo das doppelte n fehlerhaft), N. 64, 13. ſige-nunft
und 111, 5. ſige-nunftâre (triumphator). — teil-numf-t
(participatio) K. 37b aber 46b teil-nuf-t. — O. bedient
ſich keines der vier wörter für ratio, vis, victoria, con-
ſortium, in keiner form; kiſcaf-t (creatura), hingegen die
compoſition -ſcaſ (nie -ſcaft) in vriunt-ſcaf, lant-ſcaf etc.;
ſcrif-t (ſcriptura); zumf-t (conventus) K. 36a ki-zumf-t,
gi-zunf-t, (pactum) jun. 217. monſ. 339. 361. 379. un-gi-
zumf-t (ſeditio) jun. 250. O. V. 23, 220. —


agſ. cräf-t (vis); gif-t (donum, pl. gif-ta nuptiae);
lyf-t (aer); ſcëaf-t (creatura); ſcrif-t (confeſſio) engl.
ſhrif-t; þof-t? (tranſtrum). —


altn. gif-t (donum); ſkrif-t (pictura, ſcriptura, cen-
ſura eccleſ.); þurf-t (defectus); tôf-t (area) ſteht f. tôm-t
und gehört nicht hierher,


mhd. durf-t, nôt-durf-t; gif-t (donum) livl. 10b 52b
hant-gif-t troj. 90c; graf-t (foſſa) Eilh. 6530. 6585.; gruf-t
(caverna) Parc. 111b Loh. 100; guf-t (clamor, odor) Parc. 5b
119b dann arrogantia, vanitas? Parc. 57c 179b Wilh. 2, 170a
Geo. 37b Barl. 213, 5. 233, 10. (wo der dat. gufte fehlerhaft)
troj. 9c Vrîb. 1748, ohne t guf Nib. 6230; haf-t (cuſto-
dia, vinculum M. S. 2, 235b (manubrium) Ben. 195; kluf-t
(forceps); kraf-t (robur); krif-t? liederſ. 491. 631. (viel-
leicht trif-t zu leſen?); kunf-t (adventus); compoſ. mit
-nunf-t: ver-nunf-t nicht zu belegen, es heißt ver-nunſ-t
MS. 2, 132a Barl. Bon., erſtim 14. jahrh. vernunf-t, grundriß
443. liederſ. 381. vernuf t Fürtrer. — nôt-nunf-t und teil-
nunf-t braucht noch Wolfr., ſonſt ſind ſie ſelten — häufiger
ſtehet ſige-nunf-t MS. 1, 60b Barl. etc. wofür Conr. ſige-
nuf-t ſetzt und reimt (1, 407.); comp. mit -ſchaf-t, ſt.
des ahd. -ſcaf (1, 407.); ge-ſchaf-t (creatura) Barl.;
ſchriſ-t; ſtif-t (aedificium, fundatio) troj. 3b 34b 53b 90o
127c 132c Loh. 191. vgl. ert-ſtif-t Parc. 97c; trif-t (paſ-
cuum) troj. 56b 68b; zunf-t, ge-zunf-t kommt bei den
dichtern kaum vor. —


[197]III. conſonantiſche ableitungen. T.

nhd. brunf-t (ardor) neben dem üblichen brunſ-t;
nôt-durf-t; gif-t nur in den comp. ab-gift, mit-gift;
haf-t (cuſtodia); huf-t und endlich hüf-te (femur) ſtatt
des mhd. huf; kunf-t, an-kunft, zu-kunft, ab-kunft;
kluf-t; luf-t; nunf-t nur in ver-nunf-t (nie ver-nunſ-t),
die andern compoſita abgeſtorben; comp. mit -ſchaf-t;
ſchrif-t; trif-t; zunf-t (tribus). —


γ) ſtarke neutra,
goth. ſkuf-t (capillamentum), da nur der dat. vorkommt,
könnte es auch maſc. ſein, wofür ſelbſt das nhd. ſchopf
(ohne -t) ſprechen würde. —


ahd. weiß ich keine neutra dieſer form. —


agſ. häf-t (vinculum) engl. haf-t; lëf-t, lyf-t (votum). —


altn. dup-t (pulvis); haf-t (retinaculum); lop-t (aër)
ſkap-t (manubrium).


mhd. gif-t (venenum) ſcheint noch nicht bei den äl-
tern dichtern üblich, die dafür eiter oder lüppe gebrau-
chen, findet ſich aber ſchon bei Conr. troj. 68b 72b, älter iſt
vielleicht ver-gif-t MS. 2, 254a Vrîg. 1054. 2978. welſch. gaſt.
118b MS. 2, 254a Ottoc. 399a; ſtif-t (fundatio) livl. 10b. —


nhd. gif-t (venenum); ſtif-t; werf-t. —


δ) ſtarke feminina auf -ftî,
aus adj. entſpringend, ahd. ſamf-tî, ſenf-tî (facultas) jun.
182; ſama-haf-tî (compago) jun. 200. — mhd. ſenf-te. —


ε) ſtarke neutra auf -fti,


altn. rif-ti (reſciſſio). —


mhd. hef-te (manubrium) MS. 2, 80a Parc. 3067. und
zweimahl im Tit. —


nhd. hef-t; geklüf-t; geſchäf-t (negotium) f. hefte, ge-
klüf-te, geſchefte, welches letzte ich in der älteren
ſprache nicht nachzuweiſen wüſte. —


ζ) ſchwache maſculina,
ahd. heit-haf-to (ſacerdos). agſ. ge-þof-ta (conſors altſ.
gibenkëo).


2) adjectiva,
ſehr wenige, goth. haf-ts, ahd. mhd. haf-t, altn. hap-tr
(vinctus, fixus) und dann in vielen zuſ. ſetzungen; agſ.
ſvif-t (velox) engl. ſwif-t; zorf-t bei N. gehört nicht
hierher, da es unorganiſch für zor-aht ſtehet; der zwei-
ten decl. folgt ahd. ſamf-ti, ſemf-ti (facilis) agſ. ſof-te,
mhd. ſenf-te, nhd. ſanf-t; vermuthlich auch wît-ſueif-ti
(diffuſus) deſſen decl. aus N. 72, 2. nicht deutlich hervor-
geht. Es könnte ein gleichbedeutiges ahd. wît-hlouf-ti
gegeben haben. —


[198]III. conſonantiſche ableitungen. T.

3) verba


α) erſter ſchwacher conj. goth. haf-tjan (figere); ſkaf-
tjan (parare). — ahd. hef-tan (nectere) jun. 179. — agſ. fif-
tan (cribare). — altn. gif-ta (nuptui dare); rif-ta (reſcindere);
ſvip-ta (raptare). — mhd. ver-gif-ten troj. 10c; güf-ten (jac-
tare) Wilh. 2, 8b Parc. 63a Wig. 11151; ſenf-ten (facile red-
dere); ſtif-ten; ſwif-ten (ſedare) Nib. 7321. 8119. — nhd.
hef-ten; ver-gif-ten; lüf-ten (tollere); ſchäf-ten; ſtif-ten. —


β) zweiter oder dritter. ahd. haf-tên (figi) O. II. 9,
165. N. 30, 17. — agſ. ge-þof-tjan (aſſociare). — mhd.
haf-ten; ſchuf-ten (equo citato contendere). — nhd. duf-
ten (ſpirare odorem); haf-ten. —


[S-T] das ſ gehört zur wurzel, ſei es nun ſchon rein
in ihr enthalten, oder entwickele es ſich aus einer andern
wurzelhaften lingualis; einigemahl ſcheint es ſich auch
unorganiſch zu erzeugen. Ich unterſcheide von dieſem
ſ-t die durch einen vocal von der wurzel getrennte ab-
leitung -ſt (in henk-iſt, herb-iſt, ern-uſt, dion-uſt etc.)
welche weiter unten abgehandelt werden ſoll, obgleich
für einzelne dunkle wörter die ſcheide ſchwer zu treffen
iſt und zuweilen ſelbſt dem ſ-t ein vocal vorausſteht (z. b.
ahd. dun-iſ-t, vapor, f. das richtigere dunſ-t; altn. kunn-
uſta, ſcientia).


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina,
goth. aſ-ts (ramus); banſ-ts (horreum); beiſ-ts (fermen-
tum) gramſ-ts (feſtuca) oder beiſ-t gramſ-t neutrum?; gaſ-ts
(peregrinus); vielleicht us-druſ-ts (aſpredo) das lieber fem.
iſt; muthmaßlich qviſ-ts (ramus) þrafſ-ts (ſolatium) nach
den verbis qviſtjan, þrafſtjan; dritter decl. gehören: luſ-
tus (cupido); maihſ-tus (fimus); vahſ-tus (ſtatura). —


ahd. aſ-t (ramus); chîſ-t (germen, ſemen) vrumi-chîſ-t
(primitiae) jun. 220. ur-chîſ-t (reditus) jun. 224., die länge
des vocals folgere ich aus dem ſchweiz. kîſt (keiſt Stald.
2, 94, germen, räb-keiſt, auswuchs der reben); dunſ-t
(vapor); durſ-t (ſitis); hlaſ-t, laſ-t (onus) genus unſicher;
hurſ-t? (frutex); kaſ-t (hoſpes); keiſ-t (ſpiritus); klaſ-t
(ſplendor)?; leiſ-t (calepodium); maſ-t (malus); nriſ-t (fi-
mus) miſ-it ſtehet monſ. 400; paſ-t (cortex); pioſ-t (co-
loſtrum) monſ. 413. bieſ-t jun. 285. doc. 228, das männl. ge-
ſchl. entnehme ich aus der heutigen volksſprache; plâſ-t
(flatus); rôſ-t (craticula) monſ. 321; roſ-t (aerugo); trôſ-t
(ſolamen); unſ-t (procella) hrab. 972a altſ. uſ-t, das ge-
[199]III. conſonantiſche ableitungen. T.
ſchlecht nach dem agſ. yſ-t beſtimmt; vnaſ-t (anhelitus)
aus dem verb. zu ſchließen?; vroſ-t (gelu). —


agſ. bäſ-t (cortex tiliae); bëóſ-t, bŷſ-t (coloſtrum); duſ-t
(pulvis); eſ-t (amor); froſ-t (gelu); gäſ-t (hoſpes); gâſ-t
(ſpiritus); gërſ-t, griſ-t (molitura); gorſ-t (erica, rubus);
lâſ-t (veſtigium); mäſ-t (malus); miſ-t (caligo); þurſ-t
(ſitis); uſ-t, yſ-t (procella). —


altn. blâſ-tr (flatus); bliſ-tr (ſibilus); geſ-tr (hoſpes);
guſ-tr (aura frigida); heſ-tr (equus) f. hengſtr?; koſ-tr
(electio, facultas); maſ-tr (malus, navis); miſ-tr (caligo);
oſ-tr (eaſeus); qviſ-tr (ramus); þióſ-tr (aſperitas); vöx-tr
(ſtatura); â-vöx-tr (fructus). —


mhd. aſ-t; baſ-t; blâſ-t; dunſ-t; durſ-t; gaſ-t; geiſ-t;
glaſ-t (ſplendor); hurſ-t (frutex) Triſt. Bon. laſ-t (onus);
liſ-t (ars); maſ-t; miſ-t; roſt; rôſ-t; runſ-t (alveus flu-
vii) Geo. 41a ſt. des üblicheren runs; trôſ-t; virſ-t (cul-
men) Tit.; vorſ-t (ſilva); vrôſ-t. —


nhd. aſ-t; baſ-t; dunſ-t; durſ-t; forſ-t; froſ-t; gaſ-t;
geiſ-t; horſ-t; ver-luſ-t; maſ-t; miſ-t; roſ-t; rôſ-t;
trôſ-t; ge-winſ-t (lucrum) neben ge-winn; wanſ-t (ven-
ter, abdomen) aus wamb-eſt?; wûſ-t; zwiſ-t (lis). —


engl. duſ-t; froſ-t; ghôſ-t; gueſ-t; griſ-t; maſ-t;
miſ-t; thirſ-t. —


β) ſtarke feminina (vierter decl.),
goth. anſ-ts (gratia); all-brunſ-ts (holocauſtum); bruſ-ts
(pectus); vielleicht us-druſ-ts; fra-luſ-ts (perditio); ur-
riſ-ts (reſurrectio). —


ahd. anſ-t (gratia) ab-anſ-t (invidia) K. 59a ap-anſ-t
monſ. 407. doch aus dem dat. ap-onſ-te (zelo) monſ. 365.
ſcheint auch maſc. zu folgen; chniſ-t, chnîſ-t? (contritio)
N. 9, 2; chuſ-t (praeſtantia, puritas) kuſ-t O. IV. 37, 18. häu-
figer â-chuſt (vitium) K. N. â-kuſt O. und un-chuſ-t (ſcelus);
chunſ-t (ſcientia); harſ-t oder harſ-tî (frixura) doc. 218a;
vol-leiſ-t (auxilium) monſ. 324. 380. N. 59, 12. andere
ſetzen vol-luſ-t, eidſchw. und O. IV. 14, 32. (wo thînô
ſt. thîna?) was tadelhaft ſcheint oder als wahres comp.
mit luſt ſatisfactio, volle befriedigung bedeuten würde;
liſ-t (ars, argumentum); in luf-t vermengen ſich wohl
ſchon die goth. luſtus und luſts, obgleich ich zwar luſ-t
(appetitus) und viele compoſita, als analuſt O. II. 11, 127.
hugu-luſt I. IV, 84. leid-luſt I. 20, 35. zur-luſt (faſtidium)
doc. 246b etc. belegen kann, kein vir-luſt (amiſſio, perdi-
tio), das ich doch kaum bezweifle, weder in der vollen
form var-luſt, vir-luſt, noch in der zuſ. gezognen v-luſt
[200]III. conſonantiſche ableitungen. T.
(vgl. vliuſit, vlioſâri monſ. 361. 381.); niſ-t, ki-niſ-t (ſal-
vatio, conſervatio) das einfache wort nicht zu belegen,
das comp. chi-niſt hat J. 384. und wahrſcheinl. ſtehet
auch wëka-nëſt (viaticum) monſ. 320. 323. 324. 326, deſ-
ſen genus aus dem agſ. erhellt, für wëka-niſt (ſuſtentatio
iter facienti conceſſa); -numſ-t, nunſ-t, für numf-t ſind
vorhin beim f-t angegeben; prunſ-t (ardor) jun. 218. 231.
T. 2, 4; pruſ-t (pectus); ir-punſ-t (invidia) aus ir-bun-
ſtîg N. 36, 12. zu folgern; puſ-t (vinculum)? ein dunkles
wort, das ſich bloß in dem comp. eid-buſ-t T. 4, 15.
(jusjurandum) vorfindet; quiſ-t (calamitas) O.; ur-riſ-t
(reſurrectio)? nicht hinlänglich belegbar, T. 7, 8. 127. 209,
4. hat ur-rëſtî; ki-ſpanſ-t (ſuaſio, ſuggeſtio) K. 39a jun.
182; truſ-t (agmen) jun. 233. wo managju aber auch den
pl. neutr. begleiten kann? indeſſen ſcheint truſtis in frän-
kiſchen geſetzen und formeln (D. Cange h. v.) damit in
zuſ. hang, welches weiblich gebraucht wird; ki-turſt (au-
dacia); vriſ-t (occaſio, terminus) jun. 216. O. IV. 14, 27;
vûſ-t (pugnus); wahſ-t (ſtatura) T. 114. ki-wahſ-t jun.
221. monſ. 403. vrumi-wahſ-t (primitiae) jun. 220. uo-
wahſ-t, ô-wahſ-t (ſtirps, nutrimentum) hrab. 952a 975a
doc. 249; wiſ-t (cibus, ſubſtantia, ſtipendium, manſio)
hrab. 975a O. II, 22, 39. N. 88, 48. und compoſita: ana-
wiſt (natura) N. 88, 7. chorn-wiſt (frumentum) N. 80, 17.
heim-wiſt (patria) O. I. 18, 113 II. 7, 43. heri-wiſt (ex-
ped. bellica) Ludw. lied. nâh-wiſt (vicinia, praeſentia) O.
IV. 5, 79. 11, 68. ſam-wiſt, ſamant-wiſt (commercium,
conſortium) J. 404. monſ. 378. doc. 232b. —


agſ. brëóſ-t; cyſ-t (electio, largitas); firſ-t (ſpatium);
fylſ-t (auxilium) aus ful-læſ-t?; hläſ-t (onus); hyrſ-t (or-
natus); liſ-t (ars); lyſ-t (voluptas); nëſ-t (ſtipendium) väg-
nëſ-t, väg-niſ-t (viaticum); reſ-t (quies); viſ-t (victus)
und compoſita, z. b. ge-gador-viſt (contubernium); vriſ-t
(carpus). —


altn. âſ-t (amor); bauſ-t, buſ-t (faſtigium) val-buſ-t (ca-
pulum gladii?) Edda; frëſ-t (mora); inn-komſ-t (proventus);
liſ-t (ars); lyſ-t (voluptas); riſ-t (ſartago und convexum plan-
tae pedis); rauſ-t (vox); röſ-t (pauſa); viſ-t (manſio, cibus)
inn-viſ-t (cibus domeſticus), þar-viſ-t (da-weſenheit). —


mhd. brunſ-t; bruſ-t; ur-bunſ-t (invidia) Barl. 160,
13. das genus unausgemacht; gunſ-t (favor) *) Barl. 29,
[201]III. conſonantiſche ableitungen. T.
24. troj. 15b; gunſ-t (initium) Triſt. Hag. 2, 105a, übli-
cher begunſ-t Barl.; kunſ-t (ſcientia); kuſ-t (perfectio)
amur 6b häufiger das verneinende â-kuſ-t (dolus, vitium)
Triſt. Barl. Bon.; vol-leiſ-t (auxilium, efficacia) Mar. 9.
110. 122. 128. Parc. 189c MS. 2, 256a Karl 125b a. H.
866. Barl. etc.; luſ-t; ver-luſ-t; nunſ-t für nunſ-t vor-
hin beim f-t angegeben; ge-niſ-t (ſalvatio) Wig. 197.
Geo. 39b Triſt. troj. 108a MS. 2, 220b; riſ-t (carpus) Wi-
gam. 4943; ge-ſpanſ-t nicht nachzuweiſen, wegen des
adj. ge-ſpenſ-tic vorauszuſetzen; ge-ſpunſ-t (filum duc-
tum) troj. 116a; ſwulſ-t (tumor); vriſ-t; vûſ-t; wiſ-t nur
noch in heim-wiſ-t (domicilium) mite-wiſ-t (conſortium).
beide in Triſt.; worſ-t (tricae, fartura) troj. 2a oder iſt
vorſ-t zu leſen? —


mnl. drûſ-t (vis, impetus) Huyd. op St. 3, 110. 111. —


nhd. brunſ-t; bruſ-t; fauſ-t; friſ-t; gunſ-t; haſ-t
(celeritas); koſ-t; liſ-t; luſ-t; ver-luſ-t (in oberdeutſchem
volksdial. fehlerhaft ver-lur-ſt); raſ-t; ſchwul-ſt; tranſ-t?
vgl. Friſch h. v.; wurſ-t (farcimen). —


nnl. außer be-gonſ-t (initium) auch komſ-t (adven-
tus); vangſ-t (captura); ver-langſ-t (deſiderium) u. a.
welche offenbar vang-ſt, verlang-ſt ſind. Schweden und
Dänen haben in-komſ-t, an-komſ-t, til-komſ-t etc. doch
ſcheint ſelbſt das iſländ. in-komſ-t nicht ſehr alt.


γ) ſtarke neutra, nur wenige,
goth. vielleicht beiſ-t (fermentum), wenn es kein maſc.
iſt? — ahd. kraſ-t, graſ-t (foenum) T. 38, 5; nëſ-t (ni-
dus); porſ-t (jaculum) nach dem pl. porſtir monſ. 410?;
vielleicht truſ-t (agmen)? vgl. vorhin beim fem. — altn.
ſind verſchiedene neutral, die in den übrigen dial. an-
deres geſchlechts: baſ-t (cortex); brióſ-t (pectus); duſ-t
(pulvis); gnîſ-t (ſtridor); kaſ-t (jactus); niſ-t (fibula);
qviſ-t (ſternutamentum). — mhd. nëſ-t; vëſ-t (feſtum). —


δ) ſtarke feminina (erſter oder zweiter decl.)
goth. raſ-ta (ſtadium); vaſ-tja oder vaſ-ti? (veſtis). — ahd.
chniſ-tî (contritio) N. 13, 3; reſ-ta (requies) waſ-tî (deſer-
tum). — mhd. raſ-te; waſ-te, wuoſ-te (deſertum) troj.
1645; wuoſ-te (lumbus) troj. Oberlin. 1380. —


ε) ſtarke neutra auf -i,
ahd. ki-ruſ-ti (machina) O. I. 17, 19. II. 11, 23. III. 12,
67. V. 1, 29. — mhd. ge-niſ-te (nidiſicatio). — nhd. ge-
niſ-t; ge-rüſ-t; ge-ſpenſ-t (ſpectrum); ge-ſpinſ-t (fila-
mentum).


[202]III. conſonantiſche ableitungen. T.

ζ) ſchwache maſculina, goth. vaíhſ-ta (angulus). — ahd.
doſ-to (origanum) trev. 18b; huoſ-to (tuſſis); paſ-to (altile)
T.; truſ-tjo? vgl. das altfränk. antruſ-tio. — agſ. ge-fylſ-ta
(adjutor); ôhſ-ta (aſcella). — altn. gneiſ-ti, neiſ-ti (ſcintilla);
liſ-ti (taenia); maſ-ti (papilla); nëſ-ti (viaticum). — mhd.
gneiſ-te (ſcintilla) huoſ-te; quëſ-te, queſ-te? (caſtula)
Parc. 28a Wilh. 2, 195b. —


η) ſchwache feminina
goth. þramſ-tei (ἀκρίς). — ahd. harſ-tja (ſartago) monſ.
408; kërſ-ta (hordeum); chruſ-ta (cortex) O. III. 7, 52. —
agſ. dylſ-te (tabum). —


2) adjectiva,
goth. þvaſ-ts (certus); faſ-tis (firmus) aus faſ-tan gefol-
gert. — ahd. ëpan-plaſ-t (praeceps) jun. 246. oder iſt es
ſubſt.?; hlût-reiſ-t (clamoſus) oder hlut-reiſ-ti?; veſ-ti
(firmus). — altn. gläſ-tr (ſplendidus); þyrſ-tr (ſitiens).


3) verba,


α) ſtarker conjugation, kriuſ-tan (nr. 253.); lióſ-ta
(nr. 254.); prëſ-tan (nr. 452.); gnëſ-ta (nr. 453). —


β) ſchwache verba erſter conj.
goth. fra-qviſ-tjan (perdere); þrafſ-tjan (conſolari). —
ahd. durſ-tan (ſitire); harſ-tan (frixare); leiſ-tan (exſe-
qui); meſ-tan (pinguefacere); ana-pleſ-tan (ingruere);
reſ-tan (requieſcere); gi-ruſ-tan (inſtruere); ar-waſ-tan
(depopulari). — altſ. bruſ-tjan (erumpere); thruſ-tjan
(ſitire). — agſ. hläſ-tan (onerare); hyrſ-tan (ornare). —
mhd. bleſ-ten; gleſ-ten (ſplendere); meſ-ten. —


γ) ſchwache verba zweiter, dritter conj. goth. áiſ-tan
(ἐντρέπειν). — ahd. abanſ-tôn (invidere) monſ. 386; âchuſ-
tëôn (vitiare); choſ-tôn (tentare); luſ-tôn (appetere); niſ-
tôn (nidificare); praſ-tôn (concrepare); vaſ-tôn; vnaſ-tôn
(anhelare) hrab. 961a; vriſ-tôn. — mhd. braſ-ten; koſ-ten;
niſ-ten; raſ-ten; taſ-ten (palpare); vaſ-ten; vriſ-ten. —


bemerkung: es gibt noch manche weiter abgeleitete
oder componierte wörter, die ein ſ-t enthalten, bis auf
näheres aber hier nicht unter die nomina oder verba
eingeſtellt werden können. Folgende z. b. ſetzen ſämt-
lich unſere ableitung voraus: goth. fráiſ-tubni (tentatio);
blôſ-treis (cultor); giſ-tra-dagis (cras); þrafſ-tjan (ſolari);
ſviſ-tar (ſoror); gilſ-tr (tributum); ahd. oſ-tar; polſ-tar (pul-
vinar); ruſ-tagî (barbaries); kalſ-tar (veneficium; laſ-tar
(opprobrium); lûſ-trêntêm (attonitis); vraſ-t-munti (ſecre-
[203]III. conſonantiſche ableitungen. T.
tum); treſ-tir (vinacea); altn. flauſ-tr (praecipitantia); fôſ-tr
(educatio); noſ-tr (mundities); hulſ-tr (theca) u. a. m.


[H-T] auch von dem h-t, deſſen h grund in der
wurzel hat, iſt das ableitende, in den frühern mundar-
ten noch durch einen vocal getrennte -ht zu unterſchei-
den, wiewohl bei ſeltnen, ſchwierigen wörtern die gren-
zen ineinanderlaufen können und zuweilen vor dem h-t
gleichfalls ein vocal ſteht, z. b. in gi-bulah-t, gi-bulih-t
(ira) f. gi-bulh-t. So habe ich fehlerhaft, wie es mir
jetzo ſcheint, 1, 725. die adj. përah-t, zorah-t für për-
aht, zor-aht genommen.


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina,
goth. and-bah-ts (miniſter); ga-draúh-ts (ſatelles). —


ahd. chnëh-t (puer, miniſter, miles); am-pah-t (mi-
niſter, conductor); ſpëh-t (picus) blaſ. 72b trev. 14a, das
ë beweiſt der mhd. reim und die ſ. 53. verſuchte ablei-
tung gegen das engl. ſpeight, welches auf ſpêht führen
könnte. —


agſ. am-bih-t, om-bih-t (famulus); cnih-t (ſervus,
puer). —


altn. drât-tr (tractus); hât-tr (mos, diſpoſitio); mât-tr
(vis); rêt-tr (jus); flât-tr (ictus); þât-tr (ſectio, pars);
þvât-tr (lotura). —


mhd. brah-t (fragor, clamor) Wig. 194; knëh-t;
ſchah-t (puteus metallicus) ged. vom veldbauer z. 253. 337;
ſpëh-t (picus) MS. 2, 94b; wih-t (daemon) Geo. 36a. b.


mnl. doch-t (timor) Huyd. op St. 3, 68; knech-t. —


nhd. doch-t, dach-t (ellychnium); knech-t; be-rich-t;
ſchach-t; ſpech-t; ver-dach-t; wich-t. —


engl. knigh-t; ſpeigh-t. —


β) ſtarke feminina, (vierter decl.)
goth. daúhts (epulae) unſicheres geſchlechts; ïnna-gah-ts,
ein dunkles nur Luc. 1, 29. vorkommendes wort, das
kaum λόγος ausdrückt, vielleicht dem altn. gâtt ver-
wandt? oder f. înn-at-gah-ts (introitus) aus gaggids;
mah-ts (vis); nah-ts (nox); raúh-ts (fremitus) nicht auf-
zuweiſen, höchſtens aus raúhtjan zu folgern; ſah-ts, wie-
derum dunkel, ïnn-ſahts (διήγησις) ſtehet Luc. 1, 1. und
fri-ſahts (ὑπόδειγμα) Joh. 13, 15, ich vermuthe fra-ſahts?
vgl. altn. ſâtt, agſ. ſaht (reconciliatio) etwa compoſitio?;
[204]III. conſonantiſche ableitungen. T.
ſaúh-ts (morbus); ga-þlaíh-ts (conſolatio); vaíh-ts (res);
fra-vaúrh-ts (peccatum). —


ahd. ana-dâh-t (attentio) aus ana-dâhtîgo doc. 201b zu
folgern; vram-dih-t (profectus) monſ. 405; ëh-t; pi-gih-t;
ki-huh-t (memoria) ge-huht N. 29, 5. gi-hugt O. V. 13,38;
mah-t; nah-t; ki-nuh-t (abundantia); phlih-t (obligatio, tu-
tela) in-phliht (protectio) N. 134. 4; widar-pruh-t (proter-
via); ki-pulh-t (ira); ki-ſcih-t (eventus) niu-ſcih-t (prodi-
gium); ki-ſih-t (viſio); ſlah-t, verſch. von ſlah-ta, aber nur in
duruh-ſlaht (perfectio) man-ſlah-t (homicidium) ur-ſlaht
(exſcenſus?) Ecc. fr. or. 1, 675; ſuh-t (morbns); truh-t
(agmen, copiae) habe ich noch nicht geleſen, folgere es
aber aus truhtîn und dem mhd. truht; vluh-t (fuga);
vrah-t (meritum) K. 21a monſ. 370; ki-wah-t (recorda-
tio); wëh-t, wih-t (res, cauſa); zih-t? nur in-zih-t (ac-
cuſatio); zuh-t (diſciplina etc.) ebenſo: âtam-zuht doc.
240a volla-zuh-t (ſubſidium). —


altſ. fruh-t (fructus); mah-t; nah-t; ſuh-t; gi-thâh-t
(cogitatio); wih-t; wrôh-t (accuſatio). —


agſ. droh-t (converſatio? umgang, begleitung, umge-
bung); fëoh-t (bellum); flyh-t (volatus); ge-hyh-t (refu-
gium, ſpes); mih-t; nih-t; ge-nyh-t (ubertas); plih-t
(periculum, obligatio); ſah-t (reconciliatio)? aus dem
verbo gefolgert; ge-ſih-t (viſus); ſlih-t (caedes) mon-
ſlih-t (homicidium); ge-ſtih-t (diſpoſitio); tih-t (inculpa-
tio); tyh-t (diſciplina); vrôh-t. —


altn. ât-t (regio) æt-t (genus) beide urſpr. wohl daſ-
ſelbe; drôt-t (populus, multitudo); frêt-t (interrogatio);
gât-t (hiatus inter poſtes januae); ſât-t (pax); ſêt-t (ſe-
nio); ſôt-t (morbus). —


mhd. dâh-t (cogitatio) Ulr. Triſt. 1774, die comp. an-
dâht troj. 117a 137b miſſe-dâht Triſt.; gih-t (arthritis);
ver-gih-t (confeſſio) Wilh. 2, 31b, bei ſpäteren üblicher
bîhte; mah-t, â-maht; nah-t; ge-nuh-t (abundantia);
pfah-t (pactum, lex); pflih-t; ge-ſchih-t, un-ge-ſchih-t;
ge-ſih-t, an-ge-ſih-t; ſlah-t nur in man-ſlah-t (homici-
dium); ſuh-t (tabum); truh-t (eopia, turba, impetus)
miſc. 2, 285. amgb. 26c 30c; vluh-t (fuga); vruh-t (fruc-
tus); in-zih-t; zuh-t; ht für ft nur ſehr ſelten in der
mundart ſolcher, die ans niederd. ſtreifen, z. b. grah-t
En. 6817. ſige-nuh-t miſc. 2, 285. —


mnl. organiſche cht in: an-dach-t; mach-t; nach-t;
plich-t; tuch-t; mên-tuch-t Maerl. 1, 449. 452. 2, 17. 196.
[205]III. conſonantiſche ableitungen. T.
merch-tuch-t 2, 85. — unorganiſche für ft in: grach-t
(foſſa); hach-t (cuſtodia); krach-t (vis); brû-loch-t (nup-
tiae); ſtich-t (fundatio). —


nhd. an-dach-t; buch-t; fluch-t; frach-t; fruch-t;
gich-t; mach-t, ohn-mach-t; nach-t; pach-t; pflich-t;
prach-t (bei Opitz noch brach-t männlich); ſchlach-t
(pugna); ſchluch-t; ſuch-t; wuch-t; in-zich-t; zuch-t. —


engl. bough-t; draugh-t; figh-t; migh-t; nigh-t;
pligh-t: ſigh-t. —


γ) ſtarke neutra,
aus den älteren ſprachen außer ahd. rëh-t, agſ. rih-t
eben keine nachzuweiſen; mhd. bâh-t (ſordes, lutum) Parc.
121c Frig. 21a Otto bart 94c; rëh-t; tâh-t (ellychnium)
weltchr. caſſ. 145a kerzen-dâh-t wartb. kr. jen. 36. 39.;
nhd. rech-t; engl. righ-t. —


δ) ſtarke feminina (erſter, zweiter decl.)
ahd. ah-ta (cura, meditatio); ſlah-ta (genus); trah-ta (co-
gitatio); vëh-ta (pugna) Hild. fëh-eta; vorah-ta (metus);
wah-ta (cuſtodia); zuah-ta (ſtirps, progenies) nur O. I.
3, 51, wo Flacius zuahta, nicht zuuahta, vgl. zuac (pam-
pinus) jun. 183; êra-krëh-tî (majeſtas) êra-grëh-tî O.; du-
rah-noh-tî (conſummatio); rih-tî (rectitudo); ſlih-tî (pla-
nitudo); vûh-tî (mador). —


mhd. ah-te; bîh-te (confeſſio) Ben. 148. miſc. 2, 215;
rih-te; ſlah-te (genus); ſlih-te Wilh. 2, 176c; trah-te;
tih-te (poëma) Triſt. 162; vëh-te (pugna) Triſt. 1667;
viuh-te (mador); vorh-te (metus); wah-te (cuſtodia); die
auf-ahte (nicht die ührigen) pflegen zuweilen das e weg-
zulaßen, z. b. ah-t Nib. 5518. troj. 7c ſlah-t Frig.
20c trah-t MS. 2, 138b troj. 6058. etc.


nhd. (mit nothwendiger unterdrückung des e nach
acht) ach-t, ob-ach-t; furch-t; feuch-te; leuch-te; rich-te;
ſchlich-te; trach-t; wach-t. —


ε) ſtarke neutra (zweiter decl.)
goth. anda-nah-ti (veſper); biuh-ti (mos). —


ahd. am-pah-ti (officium); ki-chnih-ti (famulitium);
ki-rih-ti (judicium) ki-vëh-ti (bellum) J. 381. der gen.
chi-fëhtes, doch hrab. 969a ca-fëh-t (mars).


agſ. om-bih-te (officium); ge-vih-te (pondus). altn.
em-bæt-ti; gæt-ti (cardo). —


mhd. im zwölften jahrh. wohl noch am-bah-t, am-
beh-te, neben am-be-t, mit betonter erſter ſilbe; ge-
breh-te (clamor) Parc. 102a; ge-gih-te (arthritis); ge-
[206]III. conſonantiſche ableitungen. T.
rih-te (judicium); ge-ſleh-te (genus); ge-tih-te (poëma)
ge-vëh-te (pugna) Ern. 10a; ge-würh-te (opus textile)
Nib. 1732. Triſt. 2534. 2748. —


nhd. am-t (veraltet amp-t); ge-dich-t: ge-fech-t; ge-
flech-t; ge-rich-t; ge-rüch-t; ge-ſich-t; ge-ſchlech-t; ge-
wich-t; ge-züch-t. —


ζ) ſchwache maſculina,
goth. fra-vaúrh-ta (peccator). — ahd. wurh-to (operarius) in
den comp. ubil-wurh-to, leim-wurh-to bei T. (bei andern
-wurko). — agſ. vyrh-ta (opifex), ſelten-vëorca, und in
vielen comp. ſcip-vyrh-ta, trëov-vyrh-ta etc. — altn. flôt-
ti (fuga); þôt-ti (cogitatio). — mhd. vor-vëh-te (πρόμα-
χος
) Karl 57b; kein-würh-te, nur wurk-e. — engl. wrigh-t
und in vielen comp. cart-wrigh-t, wain-wrigh-t etc. —


η) ſchwache feminina,
goth. faúrh-tei (timor); uh-tvô, vah-tvô (vorhin ſ. 189.)
— ahd. uoh-ta für uh-ta, altſ. uh-ta, agſ. uh-te, altn.
ôt-ta (tempus matutinum. —


2) adjectiva


α) erſter declination
goth. baírh-ts (lucidus); biuh-ts (ſolitus); faúrh-ts (timi-
dus); mah-ts (poſſibilis); raíh-ts (rectus); ga-raíh-ts (ju-
ſtus); þah-ts in anda-þah-ts (conſideratus); þuh-ts in mi-
kil-þuh-ts (arrogans); vaúrh-ts in us-vaúrh-ts (conſum-
matus). —


ahd. dâh-t in gote-dâh-t (devotus) N. 107, 9; durah-
noh-t (conſummatus, perfectus, merus) jun. 239; për-
ah-t (fulgidus); rëh-t (rectus) krëh-t (ki-rëht, juſtus, di-
rectus); ki-ſlah-t (conſtitutus); ſlëh-t (lenis); vorah-t (ti-
midus); zorah-t (ſplendidus); ouka-zorah-t (manifeſtus). —


agſ. bëorh-t (lucidus); forh-t (timidus); rih-t (rectus);
torh-t (ſplendidus). —


altn. biar-tr (lucidus); lêt-tr (levis); rêt-tr (rectus);
ſât-tr (reconciliatus); þêt-tr (ſpiſſus). —


mhd. rëh-t, ge-rëh-t; ge-ſlah-t; ſlëh-t. —


nhd. ech-t; rech-t, ge-rech-t; ge-ſchlach-t; ſchlech-t;
ſchlich-t. —


nnl. ech-t; dich-t; lich-t; rech-t; ge-ſlach-t; ſlech-t;
zach-t (lenis). —


β) zweiter declination,
ahd. lîh-ti (levis); vûh-ti (madidus). — mhd. dîh-te (ſpiſ-
ſus), nicht dih-te, da in der oben ſ. 18. angezognen ſtelle
kein falſcher reim zu vermuthen iſt und noch heute in
[207]III. conſonantiſche ableitungen. T.
volksdialecten deich-t f. dich-t gehört wird; lîh-te (le-
vis); dur-nëh-te MS. 2, 184. Triſt. 1062; ſîh-te MS.
2, 16a (zu emendieren); viuh-te. — nhd. dich-t; leich-t;
ſeich-t; feuch-t. —


3) verba


α) ſtarker conjugation: vëh-tan (nr. 460.); vlëh-tan
(nr. 461). —


β) erſter ſchwacher: goth. and-bah-tjan (miniſtrare);
ana-mah-tjan (cogere); faúrh-tjan (timere); ga-raíh-tjan
(dirigere); in-raúh-tjan (fremere). — ahd. ah-tan, eh-tan
(perſequi); am-pah-tan (miniſtrare); rih-tan (dirigere);
ſlih-tan (mulcere); vorahtan (timere); ki-nio-wih-tan (an-
nihilare). — agſ. dih-tan (conſtituere); ge-tih-tan (inci-
tare). — mhd. eh-ten; ent-nih-ten; rih-ten; ſlih-ten. —
nhd. äch-ten; ver-nich-ten, rich-ten; ſchlich-ten; fürch-
ten. — nnl. ſtich-ten (fundare); zwich-ten (reprimere).


γ) zweiter ſchwacher conj. ahd. ah-tôn (conſiderare);
ki-durah-noh-tôn (conſummare); tih-tôn; trah-tôn (me-
ditari); vrëh-tôn (mereri) jun. 193. — agſ. ge-ſtih-tjan
(diſponere); ge-þëah-tjan. — mhd. ah-ten; tih-ten; trah-
ten. — nhd. ach-ten; dich-ten; befrach-ten; rech-ten
(litigare); ſich-ten; ſchlach-ten; trach-ten etc. —


bemerkung: verſchiedne ableitungen h-t haben in das
vorſtehende verzeichnis nicht aufgenommen werden kön-
nen, weil ihnen noch weitere ableitungen anhängen, z. b.
hlah-tar (riſus); toh-tar (filia); truh-tîn (dominus); leih-
tar (ſecundinae) agſ. lëah-tor (probrum) etc. Sie ſetzen
alle ein einfacheres h-t voraus, ein hlah-t, toh-t, truh-t,
leih-t, wie z. b. bei den analogen vorah-tal (timidus) për-
rah-tal (lucidus) bëorh-tm (ſplendor) das einfachere vo-
ah-t, përah-t, bëorh-t einleuchtet.


Allgemeine anmerkungen zu den formeln FT, ST, HT.


1) das -t iſt die eigentliche ableitung; da wo dem wur-
zelvocal unmittelbar f, ſ und h nachfolgen, laßen ſie ſich
bei jedem organ aus der tenuis, media oder ſpirans der
wurzel nachweiſen.


a) f-t aus wurzelhaftem p: hlaupan, hlouft; hrôpan,
hruoft; ſkapan, ſcaft; greipan, grift; hiupan, hüfte; giu-
pan, guft; ſveipan, ſveift.


b) f-t aus wurzelhaftem b: giban, gift; viban, wift;
ſkreiban, ſcrift; ſaban, ſaft; haban, haft; graban, graft
und gruft f. gruoft; ſkaban, ſcaft; ſkiuban, ſkuft; kliu-
[208]III. conſonantiſche ableitungen. T.
ban, chluft: dreiban, trift, ſliuban, ſchluft; riuban, ryft;
ſveiban, ſvifte; ſtiban, ſtift; ïban, ïftuma; kriban, chraft;
ſiban (cribrare), ſift.


c) f-t aus wurzelhaftem v kommt [nicht] vor, denk-
bar wäre aber ein ſnift (ningor) von ſneivan; vgl. das
altn. ſnifinn, ſniofga.


d) ſ-t aus wurzelhaftem t: blôtan, blôſtreis; beitan,
beiſt (ſauerteig, von ſeiner beißenden, ätzenden kraft);
fliutan, flauſtr; matan oder mitan, maſt (denn ſicher
hängt es mit dem ſubſt. mats, maƷ, cibus, zuſammen);
fatan (oder ſiſan?), feſt.


e) ſ-t aus wurzelhaftem d und þ: qviþan, quiſt, queſte
(vgl. ſ. 87. den übergang der begriffe reden, theilen, aſt,
zweig); knidan, chniſt; hladan, hlaſt; fraþan, fraſt-munti?;
fadan, fôſtr.


f) ſ-t aus wurzelhaftem ſ: ſviſan, ſviſtar; ni-ſan,
niſt (conſervatio); viſan, wiſt; reiſan, ur-riſt; gei-
ſan, geiſt; fráiſan, fráiſtubni; blêſan, plâſt; liuſan, luſts;
leiſan, leiſt; graſan, graſt; liſan, liſt; þiuſan, þiuſtri; ba-
ſan, baſt; kiuſan, chuſt, âchuſt und choſt; giuſan, guſtr;
driuſan, druſts; friuſan, froſt.


g) h-t aus wurzelhaftem k: vakan, wahta; rikan,
raíhts; ſiukan, ſaúhts; ſkakan, ſcaht (vom durcharbeiten.
erſchüttern des erdbodens?); riukan, gerücht; brikan, braht
(fragor) und widar-pruht; fiukan, vûhti.


h) h-t aus wurzelhaftem g: biugan, biuhts und bucht;
dugan, daúhts; dragan, trahta; pligan, pfliht; vigan,
gewicht; magan, mahts.


i) h-t aus wurzelhaftem h: ſlahan, ſlaht und ſlahta;
vahan, ki-waht; hlahan, hlahtar; tiuhan, zuht; þeihan,
dîhti; teihan, ziht; veihan, vaíhts; ſaíhvan, ki-ſiht;
ſkaíhan, ki-ſciht; ſeihan, ſîhte; hiuhan, ki-huht; þliuhan,
fluht; ſpaíhan, ſpëht.


k) die ſtämme einiger der angeführten ſind unſicher,
andere bleiben noch zur zeit völlig zweideutig, z. b. ſoll
man aſt, gaſt, baſt, buſt, luſt, bâht etc. aus wurzelhafter
tenuis, media oder ſpirans ableiten? tâht auf dagan
(leuchten, brennen) zurückführen? das würde taht er-
fordern, wie ich ſ. 44. angenommen, dem aber die mhd.
reime auf brâht und das nhd. docht neben dacht wider-
ſprechen. In chnëht könnte h aus v entſprungen ſein,
vgl. kniu, chnëo, cnëóv, aber altſ. knëo, knëohes
(1, 636). —


[209]III. conſonantiſche ableitungen. T.

2) geht dem f-t, ſ-t, h-t noch ein andrer wurzelhaf-
ter conſonant (und es kann nur liquida oder ſpirans ſein)
voraus, ſo iſt das f, ſ und h der eigentlichen wurzel
fremd und ſcheint ſelbſt ableiteriſch. Die hier in be-
tracht kommenden formeln ſind mft, lft, rft, lſt, mſt,
nſt, rſt, hſt, lht, rht; ich unterſcheide


a) die erſte ableitung hat ſich mit der wurzel ſo enge
verbunden, daß ſie ablautend geworden iſt; hier tritt das
-t der ablautenden formel ganz wie unter 1. hinzu, folg-
lich: rimpan, ramft; hvilban, hvilftri; hvaírban, huurft;
þaúrban, durft; þinſan, dunſt; þaírſan, durſt (zum be-
weis, daß man auch ahd. früher durſi f. durri geſagt
hat); vahſan, vahſtus; ahſan, ôhſta; bilgan, gi-bulht;
vaírkan (?) vaurhts.


b) in einigen fällen vermuthe ich ſolche ablautsfor-
formeln, kann ſie aber nicht belegen; ſo ſcheint mir
maíhſtus (fimus) ahd. miſit, miſt f. mihſt *), ein verbum
maíhſan (nr. 632.) zu fordern, welches (wie þaíhſan ſ. 71.
auf þeihan) wahrſcheinlich auf nr. 190. meigan oder viel-
leicht richtiger meihan (mejere, mingere) zurückweiſt.
Nicht anders gehört vaíhſta (angulus) verglichen mit veihs
und wëhſal (lat. vicus, vices) zu einem verlornen vaíh-
ſan (nr. 633). Das goth. þrafſtjan leite ich von þrifſan?
þrafſan? und dieſes von þraban. përht, zorht begehren
ein ſtarkes verbum baírhan, taírhan; faúrhts ein faírhan;
worſt, gramſt, galſtar, banſt (neben banſe) runſt (neben
runs) ein vaírſan (ſpäter wërren, nr. 429.) grimſan, gil-
ſan, binſan, rinſan? und ſind daraus wirrſal, rinnſal
(oben ſ. 107.) zu erklären, wie irrſal aus goth. aírzis
(ahd. irri, früher irſi)? Weiteres unten beim S.


c) anderemahl kann aber auch das f und ſ (von h
weiß ich kein beiſpiel) unorganiſch eingeſchoben ſein,
weil ſich f gern mit m, ſ mit n verbindet. Dahin ge-
hören chumft, zumft, numft, ſumft von qviman, timan,
niman, ſvimman, denn Ulfilas ſagt noch numts, nicht
numſts, jedoch qvumþs, welches für qvumfts ſtehen
könnte, wie im anlaute þl, þr ſich mit fl, fr berühren
(1, 66.) und ſvumfſl, ſvumſl. Hier iſt ſchwerlich ein
qvimpan, timpan, nimpan, ſvimpan dazwiſchen. Bei-
ſpiele des eingefloßenen ſ: anſt, chunſt, prunſt, unſt,
gunſt, kiſpanſt, geſpinſt, gewinſt, beginſt, geſchwulſt von
O
[210]III. conſonantiſche ableitungen. T.
unnan, kunnan, brinnan, ſpanan, ſpinnan, vinnan, gin-
nan, ſuillan. Für ein brinſan, vinſan, ſpinſan, ginſan
die altnord. brënſla (combuſtio) kënſla (notio) ſpenſl (fi-
bula), das nl. beginfel (initium) anzuſchlagen, halte ich
für zu gewagt, da ihnen auch ſchwache verba auf -iſôn
zu grunde liegen können, (vgl. anm. 8. über die ſt. im
praet. einiger dieſer verba). —


3) einige verba haben ſogar das ableitungs-t mit in
den ablaut eingelaßen, d. h. die mit ihnen verwandten
nomina zeigen kein neues t. Hierher gehören bloß die
formeln ft und ht in folgenden wörtern: kriuſtan, kruſts;
liuſtan, luſtus (verſchieden von liuſan, luſts) briſtan, brëſtr,
bruſts; gneiſtan, gneiſti; faíntan, ki-vëht; flaíhtan (? þlaíh-
tan), ki-vlëht.


4) die bedeutung des ableitenden -t, da es nach ab-
wechſelung der mundarten in vielen wörtern bald vor-
kommen, bald fehlen kann, muß ſchon lange nicht ſehr
fühlbar geweſen ſein. goth. þlaúhs, vrôhs, nicht þlaúhts,
vrôhts, wie ahd. vluht, altſ. wrôht; dagegen goth. ſkufts,
gaſkafts, wo nhd. ſchopf, mhd. geſchaf (Parc. 77a Wilh.
2, 113b). Erſt nhd. ſaft und hüfte (f. huft) wo mhd. ſaf
und huf (goth. hups), ſaft ſcheint aber ſchon im 14. jahrh.
aufzukommen, da es ſchlechte handſchriften darbieten.
Für das gewöhnliche guft nur einmahl mhd. guf, umge-
kehrt ſelten durf f. durft (Wilh. 3. nôt-durf: wurf) agſ.
þëarf. Nhd. ſumpf, rûf, lauf ſtatt des ahd. ſumft, hruoft,
hlouft; ſpur des letztern im nhd. zeitläufte, weitläuftig;
auch agſ. hleáp, altn. hlaup, wie agſ. vôp, mhd. ſchwan-
kend wuof, wuoft, ruof, ruoft. Die agſ. ſprache
begünſtigt das t am wenigſten, ſie ſetzt außer þëarf, vôp,
hleáp auch cyme, bryne, dyne (fragor) lyre ſ. ahd.
chumft, prunſt, tunſt, varluſt (goth. qvumþs, brunſts,
fraluſts). Doch gilt agſ. vyrhta, goth. vaúrhta, ahd.
wurhto, mehr als vëorca, ahd. wurho; mhd. ſchwanken
wohl würke und würhte wie gewürke und gewürhte.
Runſt, begrift, umbeſweift ſind mhd. ſeltner als runs,
begrif, umbeſweif, hingegen haben ſich die comp. mit
-ſchaft mhd. und nhd. durchaus das t angewöhnt, ſtatt
des ahd. -ſcaf. Das faſt allgemein gültige chnëht, agſ.
cniht, ſcheint monſ. 363. 413. ohne t vorhanden (chneh-
lîch und chnëh, wie für chnez zu leſen ſein wird *); in
einer ſtelle O. haben alle hſſ. knet f. knëht. —


[211]III. conſonantiſche ableitungen. T.

5) unorganiſche vertauſchung des f, ſ, h untereinander.


a) für kumft, -numft: kunſt, -nunſt, wozu die verdün-
nung des m in n mitgewirkt haben mag, doch altn. ſchwed.
dän. auch komſt, altſchwed. förnumſt. Umgedreht nhd.
brunft, brumft f. brunſt, vom begattungstriebe des wil-
des. Zuweilen wird das n vor dem f ausgeworfen: ver-
nuft, ſigenuft (doch nie kuft); ſo auch tunft und tuft
(vapor); ſind tunft und tunſt ein wort?


b) für hd. kraft, luft, ſtift, haft, graft, brûtlouft etc.
nd. verdorben kracht, lucht, ſticht, hacht, gracht, bru-
lôcht; ſo auch nach erfolgtem auswurfe des n für ſige-
nuft, ſigenucht, für ſoſt (ſtatt ſanft) ſocht, ſacht, zacht,
woher das nhd. adv. ſachte (ſenſim, leniter), ungeachtet
ſanft geblieben iſt; unſer nichte (f. nifte) ſteht neben
neffe; ſichten (explorare) ſcheint jedoch nicht das engl.
ſift (cribrare) ſondern mit ſeihen und ſeicht verwandt,
durchſeihen. Das mhd. ſwiſten haben wir aufgegeben
und aus dem nd. zwichten beſchwichtigen angenommen.
Umgekehrt macht N. zorſt aus zorht.


c) h und ſ tauſchen am ſeltenſten, doch ſcheint truſt
f. truht vorzukommen und vielleicht goth. vaúrſtv (opus)
f. vaúrhtv zu ſtehen; vgl. 1, 416. über foreht und for-
eſt. —


6) es muß nunmehr auch bewieſen werden, daß un-
ſer ableitendes -t völlig dem lat. -t entſpricht, folglich
an alter über die lautverſchiebung hinausreicht. Die lat.
ſprache verbindet aber im lippen und kehllaut die tenuis,
im zungenlaut gleichfalls die ſpirans mit dem -t, es ſte-
hen daher die lat. p-t, ſ-t, c-t den deutſchen f-t, ſ-t, h-t
parallel. Beiſpiele: aptus, captus (haft), raptus, ruptus
(ryft), ſcriptus (ſcrift), neptis (niftila), nuptus; hoſtis
(gaſts), feſtum (feſt), heſternus (giſtra), hauſtus, toſtus f.
torſtus (durſt), vaſtus (wuoſti), comeſtus, uſtus; rectus
(raíhts), macte von mactus (mahts), dictare (tihtôn),
tractus (droht), factus, actus, ambactus *), nox, noctis
(naht), vectus. Die p, ſ, c erwachſen aus allen ſtufen
jedes organs: capio, captus; nubo, nuptus; comedo, co-
meſtus; torreo f. torſeo, toſtus; uro f. uſo, uſtus; facio,
factus; ago, actus; veho, vectus; zuſ. gezogen würde
θυγάτηρ θύκτηρ lauten (litth. dukte, dukteries) wie das
O 2
[212]III. conſonantiſche ableitungen. T.
goth. daúhtar, unzuſ. gezogen dugaþar, dugadar? ſviſtar
iſt das ſlav. ſeſtra, litth. ſeſſ[ü], lat. ſoror f. ſoſor, ohne
ableitungs-t. Denn wie dieſes -t nach anm. 4. im deut-
ſchen fehlt, kann es auch im lat. daher z. b. picus viel-
leicht f. pictus (buntſpecht) ſteht. Ausnahmsweiſe und
ſehr ſelten folgt das deutſche ſt dem geſetze der laut-
verſchiebung, d. h. entſpricht lateiniſchem ſd., ein bei-
ſpiel iſt nëſt, = niſdus, woraus nidus (mit langem i)
entſprungen ſein muß, ſlav. gniezdo *).


7) offenbar dürfen die deutſchen ft, ſt, ht nicht aus
einer bloßen wohllautsregel erklärt werden, da wenig-
ſtens pt und kt wohllautend und unſerer ſprache ſonſt
gemäß ſind (vgl. die ahd. ſchwachen praet. uopta, loupta,
dacta, hancta). Die lat. pt, ct verwandelten ſich viel-
mehr in ft, ganz nach der lautverſchiebung pater, fadr,
cornu, haúrn. Aber das t blieb gefeßelt und wurde kein
deutſches þ, d, wie es, ſobald vocale die conſonanzver-
bindung trennten, immer der fall war, z. b. liuhaþ ent-
ſpricht einem lat. lux, luctis (wie es f. lucis heißen könnte)
und wird erſt durch ſyncope zu liuht, lëoht. Aus die-
ſem grunde muß die zuſ. ziehung der formen magida,
áigida, ſukids und vielleicht ſagids in mahta, aíhta, ſaúhts,
ſahts in eine ſehr frühe zeit geſetzt werden, da ſpäter-
hin z. b. im ſchwed. genug kt hervortauchen (1, 557.),
der Iſländer neben tt auch kt zuläßt (ikt, paralyſis, gicht;
akt, aeſtimatio etc.) und zwiſchen ft und pt ſchwankt
(1, 313.) wie ſchon der Gothe zwiſchen ft und bt (wenn
der ſtamm media hatte). Im mhd. erzeugt die contrac-
tion kein ft in geſchepfde, gelübde etc.


8) die anomalen praeterita môſta, viſta (viſſa), daúrſta,
káupaſta, ôhta, mahta, aíhta, þaúrfta, onſta, chonſta, pi-
gunſta, farmunſta etc. (1, 853. 883. etc.) ſtimmen genau
zu der entwickelten lehre vom ft, ſt, ht. Obgfeich im
goth. noch onda, konda gelten, beweiſt doch das ſubſt.
anſts daß das ahd. onſta, chonſta etc. längſt begründet
war; unſt (procella) altſ. uſt verhält ſich zu unda (fluctus)
altſ. uthia, agſ. yð altn. unn, wie chunſt, kuſt zu chund,
kuth, kunnr. Unorganiſch folgen der analogie das nhd.
gewinnſt oder das nnl. fangſt, verlangſt.


9) ob ſich alle -ſt in ſ-t auflöſen und keine organiſche
ableitung ſt anzunehmen iſt? unterſuche ich unten beim
[213]III. conſonantiſche ableitungen. T.
ST. Die nhd. ernſt, dienſt, herbſt, hengſt, angſt, obſt
haben freilich das anſehen, als ſeien ſie mit dunſt etc.
in eine reihe zu ſtellen.


II. T. = ahd. Z.

hier müßen die drei vorſtehenden vocale unterſchieden
werden; das ahd. zeigt in der regel, wenn der ableitungs-
vocal ausgeworfen iſt, härteres z, wenn er vorſteht, wei-
cheres Ʒ, in gewiſſen wörtern ſogar noch die tenuis.


[AT] der vocal fehlt im altn. gänzlich, hat ſich aber
im goth. ſchwachen verbo, im ahd. und agſ. hin und
wieder häufiger erhalten.


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina, goth. ſvul-ts (mors), wovon
indeſſen nur der dat. ſvulta zu belegen iſt; nach dritter
decl. kin-tus (κοδράντης, quadrans, vgl. litth. keturi,
quatuor). — ahd. klan-z (nitor); pal-z (paean?) monſ.
362. 364. ſonſt flor. 983a bal-z (baltheus); pol-z (puls)
monſ. 322; ſarz (arabs) oder ſar-aƷ? beleglich der pl. ſer-
zî monſ. 398. ſchwache ſg. ſer-zo monſ. 333; ſtur-z, nur in
avar-ſtur-z (febris recidiva) monſ. 386. 394; vil-z (matta,
ſagum) K. 52a monſ. 383.; wil-z (veletabus) pl. wil-zî. —
agſ. bel-t (baltheus); bol-t (catapulta); dyn-t (ictus); en-t
(gigas); fil-t; an-fil-t (incus); flin-t (ſilex); gyl-t (debi-
tum); mun-t (mons); ſtëor-t (cauda): ſvyl-t (mors). — altn.
gölt-r (verres); kant-r (ora, margo); krëm-tr (vox crepera);
ſnër-tr (tactus); fkol-tr (roſtrum); ſtër-tr (cauda equi); ſul-
tr (fames); ym-tr (rumor evulgatus). — mhd. bol-z (cata-
pulta); glan-z; kan-z (margo?) nur in kanz-wagen Nib.
Triſt.; kël-z (ſuperbia) Geo. 19b Herb. 49a; kran-z;
mër-z (gemma? res pretioſa?) Mar. 125. Geo. 2761. muſ.
1, 70; ſchran-z (rima) Barl. 75; ſnar-z (phantaſma?)
roſeng. 2b amgb. 2a; ſpran-z (fragrantia); ſtur-z (lapſus);
ſwan-z (ſaltatio); tan-z Parc. 153b; vil-z; vur-z. — nhd.
bol-z; pil-z; fal-z; fil-z; fur-z; glan-z; kran-z; ſchmer-z;
ſchmel-z; ſchwan-z; ſtol-z; ſtun-z; ſtur-z; tan-z. —


β) ſtarke feminina,
goth. vaúr-ts (radix) verſch. von aúr-ts (olus, herba) das
nur im comp, aúrti-gards (hortus) vorkommt. — ahd.
ſcheint wur-za (radix) J. 342. unterſchieden von wur-z
(herba) T. 73, 2. W. 1, 12.; nach erſter decl. auch wal-za
(pedica, deliberatio) monſ. 336. 338. — agſ. vyr-t (herba
[214]III. conſonantiſche ableitungen. T.
olus); vëar-t (verruca) oder ſchwach vëar-te? — altn.
âlf-t (cygnus); ur-t (herba). — mhd. wur-z (herba) Parc.
117a 154b Barl. 107. troj. 137c neben wir-z (aroma) troj.
79b ſchm. 1313. — Ableitenden vocal erhalten finde ich
etwa nur in dem ahd. worm-aƷ (vormatia) mhd. worm-
eƷ, nhd. worm-s (f. worm-ß), wenn man an der deutſch-
heit dieſes worts keinen anſtoß nimmt. —


γ) ſtarke neutra,
goth. ſal-t (ſal). — ahd. har-z (bitumen) jun. 173. doc.
218a; hol-z (lignum); mal-z (polenta); ſal-z; das a be-
halten: op-aƷ (pomum) und ſamb-aƷ (ſabbatum). — agſ.
hol-t; mëal-t; ſëal-t; und mit bleibendem vocal of-ät
(pomum). — altn. blak-t (palpitatio); flim-t (calumnia);
gan-t (ludificatio); glym-t (inſultatio); hial-t (pomum ca-
puli); hol-t (ſilva); mal-t; ſal-t; ſnök-t (ſingultus). —
mhd. har-z; hol-z; mal-z; ſal-z; ſmal-z; mit bleibendem
vocal ob-eƷ: lobeƷ ſchm. 335; ſamb-eƷ-tac. — nhd. har-z;
hol-z; mal-z; ſal-z; ſchmal-z; aber ob-ſt ſtatt ob-s, ob-ß,
und ſam-s-tag ſt. ſam-ß-tag. —


δ) ſtarke neutra auf -ati,
ahd. mil-zi (ſplen); êr-eƷi (aes) jun. 290; himil-eƷi (la-
quear) monſ. 328; mahal-eƷi (cauſa) monſ. 366. 376. ver-
kürzt mahal-zi doc. 224b; die unumgelautete form wäre
êr-aƷi, himilaƷi, mahalaƷi?; ſteht auch fiſg-iƷƷi (piſca-
tio) O. II. 7; 152. V. 13, 2. f. fiſg-aƷƷi (ſtrengahd. viſc-
aƷi)? oder iſt das i keine aſſimilation? und haben alle
dieſe vielleicht -azi? ſ. unten beim ſchwachen verbo. —
agſ. bärn-ete (combuſtio); lig-ete (fulmen); mit-te (lien);
rêv-ete (remigium, navigatio). — altn. bel-ti (zona); mil-
ti (lien). — mhd. ge-hil-ze (capulus) En. 44a; ge-himel-ze
Flore 32a En. 71b; ër-ze (f. êrze) Geo. 40a ſchm. 375.
muſ. 1, 70; mil-ze (lien); ge-ſmil-ze En. 44a; ge-reg-
eze (? Schilter 354b); ein denkmahl des 15. jahrh. liefert
ge-ſtein-ze, ge-bein-ze, ge-ding-ze u. a. — nhd. er-z, ge-
höl-z, aber nur noch in volksdialecten: himmel-ze, ge-
bein-ze, ge-thier-ze etc. mil-z iſt weiblich. —


ε) ſchwache maſculina,
goth. aúr-tja (hortulanus). — ahd. man-zo (uber) T. 58, 2;
(f. mam-zo?) pan-zo, pen-zo (incola? der in der panz, nie-
derd. bant, wovon bra-bant, teiſter-bant etc. wohnt?) eli-
ben-zo (alienigena?) O. III. 18, 28. — agſ. hil-ta (capulus);
hun-ta (venator); mit vocal äm-eta, äm-etta (otium) Boet.
116. 127. — altn. frum-ti (clunis); gal-ti (majalis); hial-ti
(gladius); bol-ti (ferrea compes). — mhd. blik-ze (ful-
[215]III. conſonantiſche ableitungen. T.
gur) MS. 2, 166b; mër-ze nicht mer-ze (menſis martius);
ſiuf-ze (zuweilen noch ſiuſ-te, ſuſpirium); ſmër-ze (do-
lor); tër-ze (terciolus, genus falconis); vël-ze (ſtria) troj.
73a Oberl. 1715. (ſchwerlich ſinen f. ſinem und velzen f.
dat. pl. von valz zu nehmen). — nhd. ſchmer-z. —


ζ) ſchwache feminina,
ahd. kal-za, gal-za (ſucula) trev. 11a; min-za (mentha);
phlan-za (planta); ſmër-za (dolor); ſpël-za (frumenti ge-
nus); ſul-za (muria) monſ. 400. — agſ. gil-te (ſucula);
min-te; plan-te. — altn. heim-ta (poſtulatio); kel-ta, köl-
ta (ſinus, gremium). — mhd. hël-ze (capulus) troi. 73a
MS. 2, 58a; lan-ze; min-ze; pflan-ze; run-ze (ruga) Barl.
32, 20. run-ſche?; ſprin-ze (feſtuca) *) ſchan-ze MS. 1,
153a; war-ze (verruca). — nhd. lan-ze; lef-ze (unorg. f.
lef-ſe); min-ze; pflan-ze; ſtel-ze; ſül-ze; wan-ze; war-ze. —


η) ſchwache neutra goth. haír-tô; ahd. hër-za; agſ.
hëor-te; altn. hiarta; mhd. hër-ze; nhd. her-z. —


2) adjectiva,
goth. hal-ts (claudus); háuh-haír-ts (Tit. 1, 7.); ſvar-ts
(niger). — ahd. chur-z (brevis); hal-z (claudus); kan-z
(integer) N. 94, 4. gan-z O. III. 2, 44; klan-z (ſplendidus)
monſ. 350; ſcur-z (brevis) K. 51b; ſuar-z (niger); den
ableitungsvocal hätte, wenn es hierhergehört, das dunkle
hërap-aƷ (mediocris) monſ. 355, dem ein agſ. hëorſ-t, altn.
hiörf-tr entſprechen würden, die ſich aber nicht fin-
den **). — agſ. hëal-t (claudus); ſcëor-t (brevis); ſmol-t
(ſerenus) altſ. ſmul-t; ſtun-t (hebes); ſvëar-t (niger); të-
ar-t (aſper); ſine-vëal-t (rotundus). — altn. ſir-tr (iratus);
mal-tr (marcidus); ſtol-tr (ſuperbus) ſvar-tr. — mhd. gan-z;
glan-z; hal-z; kur-z; lër-z, lur-z (ſiniſter); ſtol-z; ſwar-z. —
nhd. gan-z; kur-z; ſtol-z; ſchwar-z ***). —


[216]III. conſonantiſche ableitungen. T.

3) verba,


α) ſtarker conjugation: ſvil-tan (nr. 349); mil-tan,
ſmil-tan (nr. 380); ſtin-tan (nr. 380); glin-tan (nr. 594);
ſnër-ta (nr. 440); aír-tan (nr. 617); vair-tan (nr. 618). Es
ſind aber noch mehrere zu vermuthen, als ich oben ſ. 58.
59. 62. angeführt habe, So gut glintan (nr. 594) aus glei-
tan (nr. 148) durch einſchiebung des n *) entſpringt, wird
auch ein ſprintan ahd. ſprinzan (findi) nr. 594b anzu-
ſetzen ſein, deſſen quelle ſpreitan, ahd. ſprîƷan (nr. 503b)
wäre. Von erſterm ſtammt ſpranz (fiſſura) und ſprinze
(feſtuca) von letzterm das gleichbedeutige ſprîƷe. Auf
gleiche weiſe verwandt ſcheinen mir kranz (corona) und
kreiƷ (circulus) von den verbis krîƷen (nr. 503c) und
krinzen (nr. 594c). Die ſubſt. vilz, vëlze, ſamt dem
ſchwachen velzen verlangen ein vëlzen, valz (nr. 581b)
und wahrſcheinlich berühren ſich auch halz (claudus)
hëlze (capulus) mit holz (materies, lignum) in hëlzen,
halz (nr. 581c) u. a. m. ſiltan neben ſaltan iſt ſ. 74. ver-
muthet worden; ſmërzan, ſmarz (nr. 618b) läßt ſich noch
mhd. beweiſen, in Eckenausfahrt ſteht der ablaut; von
këlzen (ſuperbire) MS. 2, 58a kaun ich noch kein kalz
beibringen. —


β) ſchwache verba erſter conjugation; hier unter-
ſcheide ich ſolche die das -t (-z) ſchon im ſtarken verbo
oder nomen haben, von den intenſivis, die es erſt in die-
ſer verbalableitung bekommen und zwar gewöhnlich noch
den vorſtehenden vocal dulden:


a) goth. val-tjan. — ahd. hel-zan (debilitare); ſmel-
zan (liquefacere); ſtur-zan; wel-zan. — altn. fir-ta (bi-
lem movere). — mhd. er-gen-zen troj. 130a; glen-zen
troj. 92a; helzen; lür-zen; kür-zen; pël-zen Vrîb. 6824.
6827; ſchren-zen (findere); ſchür-zen; ſmël-zen; ſtür-
zen; ſwen-zen; ſwer-zen; vel-zen troj. 23a; wel-zen; wür-
zen. — nhd. er-gän-zen; glän-zen; kür-zen; ſchür-zen;
[217]III. conſonantiſche ableitungen. T.
ſchmel-zen; ſtür-zen; ſchwän-zen; ſchwär-zen; wäl-zen;
wür-zen. —


b) intenſiva auf atjan,
goth. nur láuh-atjan (ἀστράπτειν), es wird viele andere
gegeben haben. — Daß im ahd. der organiſche ableitungs-
vocal a ſei, fehlerhaft i dafür geſchrieben werde, folgt
theils aus dem goth. a, theils aus den unumlaut im mhd.,
theils aus dem a der heutigen oeſtreich. volksſprache. Ich
werde darum in den folgenden beiſpielen durchgehends
a ſetzen, auch wenn die belege i (oder geſchwächtes e)
bieten ſollten. Bedenklicher iſt das Ʒ oder z. Bei J.
kommt keins dieſer wörter vor, ſonſt würde ſeine ſchrei-
bung zſſ und tz entſcheiden. Für Ʒ ſtreitet die analogie
von opaƷ, ſambaƷ und des freilich auch nur muthmaß-
lich angenommenen himilaƷi, mahalaƷi, hërapaƷarî.
Scheint das z erſt durch ausfall des a zu entſpringen?
daher es im mhd. unleugbar gilt. Gleichwohl nehme ich
ein ahd. az und nicht aƷan an 1) weil -azan aus goth. atjan
folgt, wie ſezan aus ſatjan 2) weil im agſ. häufig mit ge-
mination geſchrieben wird -ettan; 3) weil nhd. volks-
mundarten auch bei haftendem vocal -azen, -izen (-atzen,
-itzen) und nicht -aßen, -ißen gewähren. Die einzelnen
wörter (keins darunter bei O.) ſind: an-azan (incitare)
von der praep. ana gebildet, jun. 183. monſ. 362. 364.
365. 368. 403. blaſ. 8b hymn. mat., praet. anazita, anazta,
imp. anazi, aſſim. anizi, weitere ableitungen: anazâri (in-
ſtigator) monſ. 362. 378. anazunga (inſtinctus) ibid. 380.
388.; âtum-azan, âtm-azan (anhelare) jun. 196.; heil-azan
(ſalutare) T. 44, 8. 91; hug-azan, hog-azan (cogitare)
caſſ. 855b; ki-jâ-zan (conſentire) f. ki-jâ-azan, ki-jâh-a-
zan? *) ki-jâzunga (conniventia) doc. 214b; juw-azan (ju-
bilare) ich kenne nur juwezunge (jubilatio, jauchzung)
miſc. 1, 27; krim-azan, krëm-azan (fremere, rugire) ge-
nau zu unterſcheiden von krim-iſôn (ſaevire), erſteres agſ.
grim-etan, letzteres grim-ſjan, indeſſen geſtehe ich, daß
krëmazan, kremizan nicht zu belegen iſt, ſondern alle
quellen kremizôn **) zeigen: cremizòn hrab. 964b cremi-
zôntêr (expoſtulans) monſ. 319. doc. 207b cremizunga
(rugitus) gremizôn T. 135., in welchen ſogar nicht e,
[218]III. conſonantiſche ableitungen. T.
ſondern e (das a durch das i in izôn umgelautet) anzuneh-
men ſcheint?; krocc-azan (crocitare) monſ. 382; leid-
azan (deteſtari) monſ. 347. T. 188, 5.; lîhh-azan (ſingere,
ſimulare) T. 228, 1.; lôh-azan (micare, flaveſcere) doc.
223b, mit unterdrücktem h, lôazit jun. 182.; ir-mucch-
azan (mutire) doc. 226a; naph-azan (dormitare) doc. 226a;
T. 146.; plëcch-azan (micare) jun. 178; roff-azan (eruc-
tare) hrab. 962b ir-ropf-zen N. 18, 3. 44, 1. ar-roff-ozen
T. 74, 1,; rûn-azan (muſſitare) doc. 232a jun. 213. rûna-
zâri (ſuſurro); ſêr-azan (dolere) K. 23a ſêr-ezan (partu-
rire) monſ. 336. 355. ſêr-ezi (dole) monſ. 344.; ſlak-azan
(plaudere) monſ. 337.; ſloph-azan (vagari) ſloph-ezâri
(circumcellio) doc. 235a; top-azan (furere) topazunga
(deliramentum) doc. 239a; tropf-azan (ſtîllare) W. 5, 5.;
vall-azan (collabi) monſ. 326; vlocch-azan (volitare) monſ.
409. ſtehet vlogorazan?; vnëſc-azan (ſingultire) doc. 211b
vielleicht vnëh-azan zu leſen?; ki-vuol-azan (attrectare)
jun. 193.; wâr-azan (adſerere) doc. 242b; winh-azan (nu-
tare) winchezunga (nutus) monſ. 332. 351; worf-azan
(jactare) gi-worph-ozit (jactatus) T. 81. — Agſ. mit be-
haltnem vocal -etan oder -ettan (früher vielleicht -ätan?)
äm-etan, am-ettan (vacare)? gewöhnlicher äm-tjan; and-
etan, ge-and-etan (confiteri) von der partikel and, gleich-
ſam entgegnen, antworten; bëalc-etan (eructare); blic-
etan (fulgurare); brod-etan (tremere, palpitare); crac-
etan (crocitare); dop-etan (merſare); drop-etan (ſtillare);
ëmn-etan (aequare); fall-etan (concidere); flog-etan (fluc-
tuare); gaff-etan (deridere); grim-etan, grëm-etan (fre-
mere); haf-etan (plaudere); hâl-etan (ſalutare); hâm-
etan, ge-hâm-etan (domum aſſignare); hleáp-etan (ex-
ſilire); hop-etan (ſaltare); lâð-etan (deteſtari); ge-lîc-etan
(ſimulare); on-etan (properare, feſtinare) von der praep.
on gebildet, parallel dem ahd. an-azan; or-etan, ge-or-
etan (infamare) von der partikel or?; räſc-etan (ſtridere);
roc-etan, rocc-etan (eructare); ſpigetan (ſpuere); ſporn-
etan (calcitrare); ſtomm-etan (balbutire); ſvor-etan (anhe-
lare). — Altn. mangelt der ableitungsvocal durchaus:
blak-ta (palpitare); bug-ta (inclinare); er-ta (irritare);
gan-ta (ludificare); glym-ta (inſultare); heim-ta (recupe-
rare, poſtulare); hen-ta (prodeſſe); jâ-ta (affirmare); krim-
ta (aegre animam trahere); nei-ta (negare); ſkem-ta (jo-
cari, eig. zeitkürzen, von ſkammr); ym-ta (ſuſurrare). —
mhd. kaum einige, ohne ableitenden vocal: blik-zen, aus
dem ſubſt. blik-ze zu folgern; dû-zen oder du-tzen tuiſ-
ſare) Parc. 178c; gag-zen (crocitare) MS. 2, 234b; ir-zen
[219]III. conſonantiſche ableitungen. T.
Parc. 178c; pſûch-zen, Vrîb. 4572; tok-zen (motitare)
Wilh. 2, 178a vgl. Kolocz 148; vlog-zen (volitare) Wilh.
2, 178a MS. 1, 88a, vlag-zen MS. 234b; wûch-zen (ju-
bilare) Herb. 117b. — nhd. oft mit unorganiſchem um-
laut: äch-zen; bli-tzen (f. blik-zen); dû-tzen (dau-tzen);
duk-ſen (f. duk-zen); grun-zen; hun-zen; jauch-zen; ihr-
zen; kräch-zen; lech-zen; muk-ſen (f. muk-zen); ſchluch-
zen; ſchmat-zen (f. ſchmak-zen?); ſie-zen. Die volks-
ſprache beſitzt weit mehrere, z. b. brun-zen (mingere)
gau-zen (latrare) ſpei-zen (ſpuere); namentlich die bai-
riſche, und zwar ohne umlaut und mit erhaltnem vocal
(Schm. §. 1069.): ach-ezen; blink-ezen; dû-ezen; feuer-
zen; gack-ezen; garr-ezen; gluck-ezen; gmauk-ezen;
gmeg-ezen; guruk-ezen; himmel-zen; juch-ezen; muck-
ezen; naff-ezen (dormitare); nach-zen; pfuch-ezen; pip-
ezen; ſcharr-ezen; ſchnupf-ezen; ſtarr-ezen; tock-ezen;
tropf-ezen; zuck-ezen. Die öſtreichiſche braucht noch
-azen: ach-azen; auch-azen; bog-azen (tremere); pſnech-
azen (ſuſpirare); plach-azen (efflare); dog-azen (moti-
tare) etc. — nnl. und engl. keine ſolcher bildungen, (vgl.
engl. belch mit bëalcetan), deren auch die niederdeut-
ſchen volksſprachen ganz zu entbehren ſcheinen. —


γ) ſchwache verba zweiter conjugation.
ahd. ſal-zôn (ſaltare) T. 64, 12. — agſ. hun-tjan (ve-
nari) *); ſalt-jan (ſaltare); tëal-tjan (vacillare). — altn.
ſcheinen einige der vorhin angegebenen wörter, wie gan-
ta, blak-ta etc., ſchon des mangelnden umlauts halben,
dieſer conj. zu folgen. — mhd. ſwan-zen Parc. 163a. —
nhd. fal-zen; pfal-zen; ſal-zen (ſale condire); ſchmal-
zen; ſchnal-zen; er-ſchwar-zen; tan-zen. — engl. hun-t.


[IT] von beſchränktem umfange, goth. die fremd-
ſcheinenden kumb-itus (cubitus) Luc. 9, 14; mil-itôn
(militare); ob der ſchwan wohl alb-its hieß? ahd.
alp-iƷ (offenbar flußvogel, der auf der elbe, ſlav. labe
wohnt, vgl. vorhin ſ. 185.) jun. 200. doc. 201b maſc. oder
fem.? für jenes das ſlav. lab-ud, mhd. der elb-eƷ Ben.
125. und ſchweiz. der ölb-s, elb-s (Stald. 2, 250). Doch
altn. âlf-t, âlp-t, gen. âlf-tar, weiblich, auch ſcheint
[220]III. conſonantiſche ableitungen. T.
das agſ. ylf-et, ylf-ete weiblich, da Lye die unbelegte
form ilf-etu beibringt. Auch bei churp-iƷ (cucumis) jun.
186. ſchwankt das geſchlecht, gl. monſ. 322, 329. geben
den pl. churpiƷâ und daneben wildâ (im acc. vgl. 1, 723.)
alſo maſe., wozu das nhd. der kürb-s, kürb-iß ſtimmt.
Allein nach dem lat. cucurbita mag das fem. ebenfalls
gelten, blaſ. 61a trev. 21a wildiu kurb-iƷ (colocynthis);
agſ. cyrf-ät. Beov. 19. ſteht ein mir dunkles agſ. ëol-et,
das hierher gehören könnte. ahd. chrep-iƷ (cancer) trev.
13b; mhd. kreb-eƷ, nhd. kreb-s (f. krebß) nnl. krev-et,
iſt von einem verlornen chrapo, chrapjo (?) weiter ge-
leitet, agſ. crabb-a und kann kein ë haben, obgleich Cou-
rad in der ſchm. krëbƷ: lëbƷ reimt; das franz. ecreviſſe,
ecrevice ſcheint aus dem hochd. entlehnt. Lateiniſches
urſprungs ſind dagegen pum-iƷ (pumex) nhd. entſtellt in
bim-s (f. büm-ß); pul-iƷ (boletus) blaſ. 61b trev. 21a;
phiph-iƷ (pituita) trev. 71b nhd. pfipf-s, pip-s; mhd.
pëll-eƷ (oder pëll-ez? pellicium) Wigal. 701. 757. nhd.
pel-z. Nicht minder undeutſch ſind die fem. mun-iza,
mhd. nhd. mün-ze (moneta) agſ. myn-et; und kal-iƷia
(caligae, tibialia) K. 51b, wofür mhd. kol-ze Parc. 163b
Wilh. 2, 133b, nach dem nom. calezon, chauſſon. Das
nhd. gren-ze (limes), mhd. noch unerhört, ſcheint aus
dem ſlav. krajina, graniza. Ueber araw-iƷ, araw-îƷ,
araw-eiƷ? hernach beim -eiƷ.


Andere fälle der ableitung -it, -iƷ ſind nicht zu be-
weiſen, für -aƷ ſchreiben ſpätere denkmähler häufig -iƷ,
z. b. trev. 16a ob-iƷ (pomum). Vielleicht gehört das
ſ. 214. angeführte fiſgiƷi zu der ableitung -iƷ; aber wohin
gehören die agſ. þëóv-et (ſervitus) frëót (libertas) f.
frëóv-et?


[UT] wieder nur einige ſubſtantiva. Ein goth. haír-
uts (cervus) vermuthe ich nach dem ahd. hir-uƷ jun.
199. altſ. hir-ut, hir-et gl. lipſ. agſ. hëor-ot, altn. hiör-tr,
mhd. hir-Ʒ, ſpäter hir-z (Fiſchart hir-tz) nhd. hir-ſch (ſt.
hir-ß), engl. har-t. horn-uƷ (crabro) trev. 15a mit dem
pl. hornuƷâ jun. 226. oder hornuƷî doc. 219b? jun. 176.
horn-aƷ f. horn-uƷî? agſ. hyrn-et, engl. horn-et, mhd.
der horn-uƷ Iw. 207. (l. horn-eƷ) nhd. die horn-iß. pin-uƷ
(juncus) T. 212, 7. 214, 2. zwetl. 129a, mhd. der bin-Ʒ Parc.
20b 133a Geo. 56b, nhd. die bin-ſe (f. bin-ße), engl. ben-t.
agſ. gan-ot (fulica) engl. gan-et, mangelt den übrigen
dialecten. ahd. trib-uƷ (tributum) T. 194, 2. iſt nach
dem latein, nhd. tribùt; auch pîp-oƷ (artemiſia) blaſ.
[221]III. conſonantiſche ableitungen. T.
55b trev. 18a nhd. beif-uß, in welchem man irrthümlich
ein comp. beifuß erblickte, ſcheint undeutſch. Lye hat äle-
puta (capito)? vielleicht äler-uta? nhd. elr-itze (phoxinus)
Popowitſch p. 106.


[AIT] dieſe noch problematiſche ableitung ſtützt ſich
bloß auf wenige wörter. Das erſte derſelben iſt ahd. am-eiƷa
(formica) trev. 12a und mhd. im reim auf reiƷen, eiƷen Parc.
99a Conr. vor Wigal. LXIII. am-eiƷe, pl. ameiƷen, ſeltner
im reim auf weiƷ MS. 2, 166a am-eiƷ, nhd. am-eiſe (f. am-
eiße); agſ. äm-ete, äm-ette, gen. äm-ettan; engl. emm-et.
Den anlautenden vocal habe ich ſ. 88. kurz angenommen,
weil mir das altn. ami (moleſtia), das agſ. äm-eta (otium)
äm-etan, äm-tjan (vacare a labore) äm-ettig (otioſus, va-
cuus) engl. emp-ty, das ahd. em-aƷîc (jugis, aſſiduus,
frequens) nhd. em-ſig (f. em-ßig) damit verwandt zu ſein
ſcheinen. Denn da ſich em-iƷîc findet, mag e das um-
gelautete kurze a ſein. Der ameiſe gebührt der name
des arbeitenden thiers, das ſprichwort geht von bienen-
fleiß wie von ameiſenfleiß. Hat es ein verlornes ahd.
ſubſt. am-aƷo, em-iƷjo (otium, negotium), wie im agſ.
äm-etta, gegeben, ſo wurde die benennung des thierleins
durch den abweichenden ableitungsvocal ei (am-eiƷa) da-
von unterſchieden. Volksdialecte zeigen indeſſen om-eiß,
welches auf âm-eiƷe mit langem vocal ſchließen läßt und
bis wir über den ablaut der wurzel am- näher aufgeklärt
ſind, hat iman, am, âmun, wonach kurzer oder langer
vocal in unſerm wort beſtehen kann, nichts widerſpre-
chendes *). — Das zweite wort dieſer ableitung iſt weiter
ausgebreitet und ſchon im goth. nachzuweiſen. agl-áitei
(ἀσέλγεια, luxuria, faſtus) Marc. 7, 22. ſcheint mit aglus
verwandt (oben ſ. 104., alſo mehrfache ableitung ag-l-ait-
ei) eigentlich ſtudium, ſolertia zu bedeuten; jenes ſubſt.
ſetzt ein adj. agl-áitis (inſtans, vehemens, procax) vor-
aus, Tit. 1, 7. agl-áit-gaſtalds (αἰσχρσκερδής, hab-gierig).
Das adj. lautet ahd. akal-eiƷi (ſolers, ſagax) O. III. 10,
53., weder âkaleiƷi, noch weniger âkaleiƷ, wie 1, 724.
angenommen wurde. Häufiger iſt das adv. akal-eiƷo (ſtu-
[222]III. conſonantiſche ableitungen. T.
dioſe) akal-eiƷôr (ſtudioſius) monſ. 351. 353. 390. jun. 210.
agal-eiƷo O. II. 22, 77. IV. 13, 10. das ſubſt. fem. akal-
eiƷî (importunitas) doc. 201a (aeſtus, agilitas) monſ. 342.
390. 392, doch O. ſcheint ein neutr. (oder maſc.) agal-
eiƷi zu gebrauchen I. 1, 2. III. 11, 57. Das verbum
ſchwankt zwiſchen agaleiƷan O. IV. 24, 17. V. 23, 335.
und agaleiƷôn V. 7, 101. Mhd. das adv. agel-eiƷe cod.
pal. 361, 68d 70a; En. 9a; Herb. 67a 108a; nicht bei an-
dern und ſpäter ausgeſtorben. Agſ. und altn. keine ſpur,
wohl aber altſ. agl-êto (Hickes gramm. franc. p. 76.) —
Drittens kommt hier in betracht das ahd. araw-eiƷ (pi-
ſum) monſ. 327. wofür aber 413. araw-îƷ oder araw-iƷ
geleſen wird; altweſtph. er-it, altn. er-t, überall wohl
weiblich. Der ſeltenheit wegen haftete (wie in ameiſe,
horniß, kürbiß) der alte ableitungsvocal noch in dem
nhd. volksdialectiſchen arb-eis, erb-eis, neben erb-es,
erb-s; die ſchriftſprache hat erb-ſe. — Die mhd. -eiƷ in
romaniſchen wörtern, wie puneiƷ, kanvoleiƷ, kardeiƷ,
matribleiƷ, ſecureiƷ etc. gehen uns nichts an.


bemerkungen zu den ableitungen T (ahd z).

a) dieſem t entſpricht eigentlich lateiniſches d, vgl.
claudus mit halts; cor, cordis (ſl. ſrdze) mit haírtô; qua-
drans mit kintus; πέρδω mit faírta; lab-ud mit alb-its,
elp-iƷ; vielleicht ſtolidus mit ſtolt; um vaúrts, aúrts und
radix zuſ. zuſtellen muß man aber annehmen, daß das
r verſetzt (ardix) oder ein anlaut weggefallen iſt, im altn.
finden ſich beide formen urt und rôt.


b) einzelne aus dem latein entlehnte wörter haben
das lat. lt, nt, rt beibehalten, kein deutſches lþ, nþ, rþ
angenommen: agſ. ſaltjan, gigant, munt, palant, palan-
tea, plante, portic, turtle, altn. kortr verglichen mit ſal-
tare, gigas, gigantis, mons, montis, palanteum, planta,
porticus, turtur, curtus; ebenſo das ſlav. ſmrt (mors)
mit ſmëorte (dolor). Sie würden ganz wie die oben ab-
gehandelten t in ft, ſt, ht zu beurtheilen ſein, wenn nicht
die ahd. mundart den laut verſchoben und ihr lz, nz,
rz eingeführt hätte: ſalzôn, phalanza, phlanza, phorzih,
churz, ſmërza wiewohl ſchwankend, neben gigant, tur-
tila (nicht giganz, turzila) und ſelbſt für churz galt ein
früheres ahd. churt. Dieſe lt, nt, rt gehören folglich
halb hierher und halb nicht. Sie ſtehen den echtdeut-
ſchen lt, nt, rt (ſalt, glintan, haírtô) gleich, inſofern ſie
[223]III. conſonantiſche ableitungen. T.
ahd. zu lz, nz, rz werden; ungleich, inſofern ihnen keine
lat. ld, nd, rd entſprechen, ſondern ebenfalls lt, nt, rt.
Es gibt aber auch einige echtdeutſche nt, die ſich im
hochd. nicht in nz verwandelt haben, namentlich vintrus,
mantls (?), ſinteins (perpetuus), ahd. wintar, mantal,
ſint-vluot *) vgl. über ſinteins vorhin ſ. 176.


c) hält man die ſ. 217. 218. verzeichneten intenſiva zu
ähnlichen lateiniſchen, als: dub-itare, cog-itare, vol-
itare, croc-itare, ag-itare, muſſ-itare, haeſ-itare, fluct-itare,
dorm-itare, vol-utare (ſt. volv-itare) palp-itare etc.; ſo
ſcheint auch hier die goth. tenuis der lat. völlig gleich,
folglich das ahd. z gerade zu nehmen, wie in ſalzôn,
phlanza, churz. Selbſt einzelne wörter ſtimmen zu den
lat. z. b. hugazan, chrochazan zu cogitare, crocitare, vgl.
wînizâri oder wînizurilo (nhd. winzer, dialectiſch wein-
zierl) mit vinitor. Ich weiß, da hier keine conſonanz-
verbindung erklären hilft, den grund nicht anzugeben,
welcher die regel der lautverſchiebung ſtöret; iſt das lat.
t organiſch, ſo ſollte im goth. þ, im ahd. d ſtehen. Grie-
chiſche frequentativa haben -ζειν: ῥιπτ-άζειν, στεν-ά-
ζειν, γενει-άζειν, βλιμ-άζειν; βαπτ-ίζειν, βλεφαρ-ίζειν,
κακ-ίζειν, αἰτ-ίζειν; ἑρπ-ύζειν
etc.


d) die bedeutung des ableitenden t (z) liegt im dun-
kel, zuweilen zeigen verwandte ſprachen in parallelen
wörtern gar keine ableitung, vgl. ἅλς, αλός, ſal mit ſal-t,
ὕλη mit hol-t. In dieſem -t wurde 1, 826. erhärtete,
neutrale flexion gemuthmaßt, es könnte eben ſowohl
wirkliche, der bedeutung wenig zu oder abthuende ab-
leitung ſein. In horn-uƷ erſcheint aber die ableitung
unentbehrlich: das mit dem horn oder ſtachel gewaff-
nete thier (corn-utus?).


e) wechſel des t (z) mit anderen conſonanten: ſelten
mit der ſpirans ſ, doch lautet das agſ. flin-t (ſilex)
ahd. vlin-s (niemahls vlin-Ʒ); ſpäter miſchen ſich
wohl die verba -azan mit denen auf -iſôn. Nhd. gehen
Ʒ und ſ über in ſch: hir-ſch, her-ſchen, doch ſcheint
ſchon mhd. run-ſche f. run-ze vorzukommen. Einige
lat. wörter haben v an der ſtelle unſeres t (z): ſil-va
(ſyl-va), cer-vus, vol-vo; hol-z, hir-uƷ, wal-zu.


f) wechſel der vorſtehenden vocale: agſ. þëóv-ot,
neben þëóv-et (d. i. -ët?) oder þëóv-ete (?ahd. diuw-
[224]III. conſonantiſche ableitungen. D. þ.
izi, wie fiſc-izi); ahd. horn-uƷ, nhd. horn-iß. Nicht an-
ders ſlav. lab-ed und lab-ud (elp-iƷ).


g) ableiteriſches -t (z), unmittelbar nach langem wur-
zelvocal, wage ich nicht nachzuweiſen. —


D. þ.

vorbemerkung über den unterſchied zwiſchen d und þ.
Regel iſt goth. d = ahd. t; gotn. þ = ahd. d. Aber ſie
reicht nicht aus, um alle ableitungen, die mit beiden
ſtufen des lingualorgans eintreten, gehörig zu ſondern.
Denn ſchon im goth. beginnen d und þ zu ſchwanken
(1, 62. 63.); in vielen wörtern, wo der lingualis langer
oder kurzer vocal voranſteht, pflegt der nom. ſg. -þs,
þ, oft auch der acc. þ, alle übrigen caſus hingegen, de-
nen flexion hinzutritt, -d zu haben, z. b. ſêþs, ſêdáis;
liuhaþ, liuhadis; doch nicht immer, man lieſet auch ſêds,
ſêd, ſtads, ſtad etc. und þiuþa (bono), þiuþeigs, þiuþjan,
fraþjan *). Gehet liquida vorher, ſo ſcheiden ſich d und
þ reinlicher. Welches von beiden iſt aber in allen wör-
tern, wo ſie wechſeln, für organiſch zu halten? ohne
zweifel das þ, nicht das d, der grundſatz folgt aus dem
geſetze der lautverſchiebung. Das þ wird zu d, nicht
aber das d zu þ; das þ kann mithin in einzelnen wör-
tern und formen einer conſtituierten mundart wiederum,
dem gange der ſprache vorauseilend, in d übergehen.
Hätte ich dieſen wichtigen ſatz ſchon im erſten theile er-
kannt, ſo würde ich dem goth. ſchwachen part. kein d
zugeſchrieben haben, das auslautend und vor s in þ
überträte (1, 1009.); gerade þ iſt das organiſche und d
die verſchiebung, ja ſelbſt dem ſchwachen praet. ſcheint
eigentlich þ ſtatt d zuſtändig. Theil 2, 10. note *** ſtellt
das richtige auf, davon ſind ſeite 15. 21. 26. 33. 35. 39.
50. 58. 62. weitere anwendungen gegeben, wiewohl noch
verſchiedene verlorne verba mit d angenommen worden,
welchen þ gebührte, z. b. nr. 480. erfordert faþan und
nr. 545. ſtuþan, da im goth. faþs, ſtaþs erſcheint, laut-
verſchoben aber fadrein und ſtads. Das d muß ſich
[225]III. conſonantiſche ableitungen. D. þ.
freilich ſehr frühe in einzelne wörter und ganze reihen
feſtgeſetzt haben, denn im agſ. zeigt ſich da. wo goth. þ
und d ſchwanken, entſchieden d und kein ð, nicht we-
niger im ahd. t und kein d. So ſtehet z. b. für goth.
ſêþs (ſatio) agſ. ſæd, ahd. ſât, ſtatt der organiſchen for-
men agſ. ſæð, ahd. ſâd. Die richtigkeit meiner anſicht
beſtätigt ſehr einleuchtend das griechiſche und lateiniſche.
Wäre nämlich das ahd. t, agſ. d in dergleichen formen
organiſch, ſo entſpräche ihm ein gr. θ, allein alle ver-
gleichbaren wörter gewähren τ, woraus offenbar ein agſ.
ð und ahd. d folgt. Hiermit ſchwindet jeder zweifel über
das verhältnis der gr. formen μετά, πατήρ, μήτηρ (1,
590.) zu den deutſchen, die agſ. mid, fäder, môder, ſoll-
ten mið, fäðer, môðer lauten, die ahd. mit, vatar, muo-
tar: mid, vadar, muodar, wie es goth. richtig heißt miþ
und es zwiſchen fadrein und faþs ſchwankt. Durch die
voreilige lautſenkung bildete ſich hier agſ. eine media,
die erſt der ahd. mundart geziemt hätte, und ahd. eine
tenuis, die fälſchlich zur griechiſchen einſtimmt *).


Dieſes angewandt auf unſere lingualableitungen richte
ich mich nach folgenden regeln: 1) wo im goth. þ, im
agſ. ð, im ahd. d erſcheint, waltet kein bedenken, z. b.
goth. mêriþa, ahd. mârida (fama). 2) wechſeln im goth.
þ und d, ſo rechne ich die ableitung zu þ, wenn ſchon
im agſ. durchaus d, im ahd. durchaus t ſtehen ſollte,
z. b. háubiþ, háubidis, agſ. heáſod, ahd. haupit. 3) kommt
im goth. nur d vor und zwar im nom. und acc. ſg., wo
ſonſt gewöhnlich þ erſcheint; ſo entſcheide ich mich für
d, wiewohl völlige ſicherheit abgeht; noch größere un-
gewisheit herrſcht für das d in wörtern, deren nom.
und acc. nicht nachzuweiſen iſt, z. b. es könnte zwar un-
lêds (pauper) aber auch un-lêþs heißen. 4) mangelt ein
wort im goth. ganz, welches ahd. t, agſ. d zeigt, ſo darf
es nur muthmaßlich unter die d-ableitungen geſetzt wer-
den. 5) einzelne ableitungen beſtimmt die analogie oder
die vergleichung des griechiſchen, nämlich τ fordert
goth. þ, ahd. d; hingegen θ goth. d, ahd. t. Das latein
hilft hier wenig aus, weil ihm aſp. fehlt und in beiden
fällen t zu ſtehen pflegt.


Am meiſten zu bedauern iſt die unſicherheit zwiſchen
d und ð im altn. (2, 68). Raſks regel entfernt ſich nicht
nur vom agſ. und ahd. gebrauch, ſondern auch vom go-
P
[226]III. conſonantiſche ableitungen. D.
thiſchen zu ſehr, als daß ich ſie der wahren altn. aus-
ſprache für gemäß halten könnte, wenn ſie es ſchon
der heutigen iſländiſchen iſt. Die älteſten hſſ. verdienten
in dieſer abſicht genaue prüfung. Uebrigens gibt jene
regel (1, 315.) dem ð großen umfang und ſchränkt das
d auf den fall ein, wo ihm l, m, n vorausgehen. Es
ſtimmen dadurch freilich manche ð zu dem goth. þ, wo
die agſ. und ahd. verderbnis d und t hat (z. b. goth. miþ,
altn. mëð). Aber ſollte das altn. eben von einer ver-
derbnis frei ſein, die ſchon im goth. anhebt und im ahd.
agſ. einförmig herrſcht? Widerſpricht nicht auch garðr
dem goth. gards?


ableitungen mit D (ahd. T.)

die vorausſtehenden vocale ſind a, i, u und ô.


[AD] das a beſtändig ausgefallen, ſelbſt ahd.


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſculina, goth. gard-s (domus); hun-ds
(canis); ſpaúr-ds (ſtadium); ga-ſtal-ds (poſſeſſor, geſtor);
vind-s (ventus); vielleicht uƷ-ds (cuſpis); nach zweiter
decl. and-eis (finis); haír-deis (cuſtos); nach dritter ul-
ban-dus (camelus). — ahd. hor-t (theſaurus); hun-t (ca-
nis); kar-t (ſtimulus) monſ. 326. 364. 387. 396; or-t (mu-
cro); par-t (barba); pran-t (torris); pror-t (labium, ora);
ran-t (margo); ſan-t (arena); ſcil-t (clypeus); ſpal-t
(rima); ſpur-t (ſtadium); haga-ſtal-t (famulus, tyro, cae-
lebs) hrab. 956a jun. 213. blaſ. 31b doc. 217a; vur-t (va-
dum); wal-t; win-t; wir-t (herus) O. II. 8, 7, 85; zar-t (te-
neritudo) monſ. 327. 386; nach zweiter decl. hir-ti (cuſtos). —
agſ. bëar-d (barba); bran-d (titio); brëor-d (ora); ëar-d (pa-
tria); fël-d (campus); gëar-d (domus); grun-d (ſolum);
hor-d (theſaurus); olfen-d (camelus); or-d (acies); ran-d
(margo); ſan-d (arena); ſcyl-d (clypeus); ſpil-d (praeci-
pitium); häg-ſteal-d (caelebs, virgo, tyro) auch hëah-
ſtëal-d; vëal-d (nemus); win-d (ventus); nach zweiter
hyr-de (paſtor). — altn. ar-dr (aratrum) R. ar-ðr; bran-dr
(titio); brod-dr (aculeus); gar-dr (agger) R. gar-ðr; lun-
dr (nemus); od-dr (cuſpis); ſan-dr; ſkiöl-dr; ſtul-dr (fur-
tum); vin-dr (ventus); vön-dr (virga); vör-dr (cuſtos)
R. vör-ðr. — mhd. pflegt inlautend zumahl nach n, doch
auch nach l, r, tenuis in media überzugehen, was auf
kein goth. þ führt, ſondern einfluß des niederdeutſchen
[227]III. conſonantiſche ableitungen. D.
d ſcheint: ar-t (modus); bar-t; bran-t; gar-t (ſtimulus)
Parc. 22a; grun-t; har-t (ſilva) in comp. wie ſpëhtes-
har-t; hër-t (ſolum) troj. 89a; hor-t; hun-t; or-t; ran-t;
ſan-t; ſchil-t; ſlun-t (gula); ſpal-t: ſtran-t (littus); vur-t;
wal-t; win-t; wir-t; zar-t MS. 1, 28a; nach zweiter hir-
te. — nhd. haben ſich die mhd. inlautenden nd, ld auch
der auslaute bemächtigt, doch dauern noch einige -lt und
die meiſten rt: bar-t; bran-d; fur-t; grun-d; -har-t;
her-d (focus); hir-t; hor-t; hun-d; or-t; ran-d; ſan-d;
ſchil-d; ſpal-t; ſtran-d; tan-d; wal-d; win-d; wir-t. —
engl. bëar-d; bran-d; fiel-d; for-d; groun-d; hoar-d;
houn-d; ran-d; ſan-d; ſhiel-d; weal-d; win-d; year-d. —


β) ſtarke feminina,
goth. nach erſter: gaír-da (cingulum); mul-da (pulvis);
raz-da (lingua); ſpil-da (tabula); nach dritter han-dus
(manus); nach vierter: ga-faúr-ds (conventus); haúr-ds
(oſtium). — ahd. nach erſter: har-ta (durities); hër-ta
(grex) N. 39, 7; hil-ta (pugna); kert-a (virga); mol-ta
(pulvis); rar-ta (ſermo, vox); ſcan-ta (confuſio); ſun-ta
(peccatum); ſcar-ta (laeſio); war-ta (ſpecula); wun-ta
(vulnus); nach vierter: tak-al-t (ludus); chuil-t (perni-
cies); han-t (manus); mun-t (tutela); ſcul-t (debitum);
ſcur-t (tonſura) K. 19a; eid-ſuar-t (jusjurandum); var-t
(iter); ki-wal-t (vis); wur-t (fatum). — agſ. ben-d (vincu-
lum); cvil-d (pernicies); han-d (manus); hil-d (pugna); rë-
or-d (ſermo); ſcyl-d (debitum); ge-vëal-d (potentia) oder
neutrum?; vun-d (vulnus); vyr-d (fatum). — altn. fer-d
(iter) R. fer-ð; grin-d (clathri); grun-d (ſolum); hin-d
(cerva); hil-dr (bellona); hön-d (manus); lin-d (tilia); lun-d
(indoles); röd-d (vox); rön-d (margo); ur-d (ſaxetum) R.
ur-ð. — mhd. ger-te; ſchan-de; ſchar-te; ſün-de; ſtun-de;
war-te; wun-de; tag-al-t; han-t; ſchul-t; var-t; ge-
wal-t. — mhd. ger-te; her-de (grex); ſchan-de; ſchar-te;
ſtun-de; ſün-de; war-te; wun-de; ar-t; han-d; ſchul-d;
var-t; ge-wal-t. — engl. ben-d; han-d; woun-d. —


γ) ſtarke neutra,
goth. baúr-d (tabula); huz-d (theſaurus); lan-d (terra);
vaúr-d (verbum). — ahd. chin-t (infans); lan-t; pan-t
(vinculum); ſuër-t (enſis); wor-t; zweiter decl. en-ti
(finis). — agſ. bor-d (tabula); cil-d (infans); lan-d;
ſvëor-d; vor-d. — altn. bor-d (menſa, ora); gnud-d (mur-
mur); hod-d (gaza); lan-d; nud-d (taedioſa fricatio); or-d
(verbum); ſpial-d (tabula); ſvër-d (enſis); ſun-d (fre-
tum); tial-d (tentorium). — mhd. ban-t; gël-t (retribu-
P 2
[228]III. conſonantiſche ableitungen. D.
butio); kin-t; lan-t; ſwër-t; wor-t; zël-t. — nhd. ban-d;
gel-d; kin-d; lan-d; ſchwer-t; wor-t; zel-t. — engl.
boar-d; chil-d; lan-d; ſwor-d; wor-d.


δ) ſchwache maſculina,
goth. gar-da (ſtabulum). — ahd. an-to (ira, zelus, ſtudium,
eigentlich ſpiritus) gen. an-tin K. 59b hrab. 976b O. IV.
22, 77. monſ. 365, mit ableitungsvocal an-ato, an-ado
finde ich nicht (vgl. nachher das verbum); ê-hal-to (pon-
tifex); kar-to (hortus); vora-mun-to (advocatus); kot-
ſcël-to (blaſphemus); lant-wal-to (gubernator). — agſ.
an-da (ira). — altn. an-di (ſpiritus). od-di (lingula terrae). —
mhd. an-de (ira); gar-te. — nhd. gar-ten (ſt. gar-te).


ε) ſchwache feminina,
goth. miz-dô (merces); var-dô (cuſtos). — ahd. hin-ta
(cerva); hrin-ta (cortex); lin-ta (tilia, faſcia); olpan-ta
(camelus); par-ta (aſcia); pin-ta (faſcia); win-ta (troch-
lea). — agſ. fol-de (terra). — altn. ben-da (funis). — mhd.
bin-de; bar-te; hin-de; lin-de; olben-de; rin-de; win-
de. — nhd. bin-de; lin-de; rin-de; win-de.


2) adjectiva
goth. blin-ds (coecus); kal-ds (frigidus); kund-s (-gena);
in-vin-ds (injuſtus); nach dritter har-dus (durus). — ahd.
al-t (ſenex); chal-t (frigidus); plin-t; wun-t (vulnera-
tus); zar-t (tener); nach zweiter her-ti (durus). — agſ.
blin-d; cëal-d; cun-d; ëal-d; hëar-d; vun-d. — altn.
blin-dr; kal-dr; har-dr, R. har-ðr. — mhd. al-t; blin-t;
kal-t; wun-t; zar-t; her-te. — nhd. al-t; blin-d; bun-t;
har-t; kal-t; wun-d; zar-t. — engl. blin-d; col-d;
har-d; ol-d; woun-d. —


3) verba


α) ſtarker conjugation: hal-dan (nr. 5.); val-dan
(nr. 6. vgl. nr. 582.); ga-ſtal-dan (nr. 7.); ſpal-dan (nr.8.);
ſkal-dan (nr. 9.); blan-dan (nr. 16. vgl. nr. 595.); ſtan-
dan (nr. 72.); gil-dan (nr. 351.); ſkil-dan (nr. 352.); bin-
dan (nr. 382.); vin-dan (nr. 383.); ſkrin-dan (nr. 384.);
ſlin-dan (nr. 385.); ſvin-dan (nr. 386.); hrin-dan (nr.
387.); grin-dan (nr. 390.); gaír-dan (nr. 441.); blin-dan
(nr. 595. vgl. nr. 10.); tin-dan (nr. 596.); haír-dan (nr.
619.); ïz-dan (nr. 628.); briz-dan (nr. 629.) —


β) erſter ſchwacher conjugation: goth. ga-blin-djan
(occoecare); tan-djan (incendere); van-djan (vertere);
ubil-vaúr-djan (maledicere). — ahd. her-tan (durum fa-
cere); kur-tan (cingere); plen-tan (coecare); rer-tan N.
[229]III. conſonantiſche ableitungen. D.
12, 5. 32, 1. 100, 3. 146, 7.; ſcen-tan (probro afficere);
ſuen-tan (perdere); wen-tan (vertere); zun-tan (incen-
dere). — agſ. gyr-dan; ven-dan. — altn. ven-da. — mhd.
blen-den; gur-ten; her-ten; ſchen-den; ſwen-den; wen-
den; zün-den. — nhd. blen-den; gür-ten; här-ten; ſchän-
den; ver-ſchwen-den; wen-den; zün-den. —


γ) zweiter und dritter ſchwacher conjugation: goth.
vun-dôn (vulnerare). — ahd. tac-al-tôn (ludere); an-tôn
(zelari) O. I. 22, 50, warum aber monſ. 361. 366. 392.
396. an-adôn mit beibehaltnem ableitungsvocal, für an-
atôn?; ar-tôn (habitare); chin-tôn (eſſe prolificum); en-
tôn (finire); hër-tôn (alternari); mun-tôn (tueri); vo-
kal-rar-tôn (augurari); ren-tôn O. II. 9, 147. III. 20,
173. V. 19, 18; ſpen-tôn; ſun-tôn (peccare); win-tôn
(ventilare); wir-tôn (epulari); wun-tôn; al-tên (ſeneſ-
cere); chal-tên (frigeſcere); ir-har-tên (indureſcere); par-
tên (pubeſcere); ir-plin-tên (coecari); war-tên (atten-
dere). — agſ. an-djan (iraſci); end-jan (finire); ëal-djan
(differre); ëar-djan (habitare); fan-djan (tentare); rëar-
djan (loqui); vëar-djan cuſtodire). — altn. en-da (finire);
nud-da (frequenter fricare); tial-da (tentorium figere. —
mhd. al-ten; an-den (ulciſci); en-den; er-har-ten; kin-
den; ſün-den; war-ten. — nhd. al-ten; ahn-den; en-den;
er-har-ten; ſün-den; war-ten. —


[ID] der vocal wird in den älteren mundarten nicht aus-
geſtoßen; nur wenige wörter können auf dieſe ableitung an-
ſpruch machen, kein gothiſches [áuþ-ida? vgl. ſ. 241.]. Im
agſ. äl-ed (ignis) altn. el-dr ſcheint wegen des umlauts der
vocal i, die ahd. form wäre al-it, el-it, iſt aber unerhört.
Neben agſ. hac-od (lucius piſcis) gilt auch häc-ed, und das
iſt das ahd. hehh-it, hech-it trev. 13b, mhd. hech-et
(: geſwechet) nhd. hech-t, altſ. hak-ed? jun. 403. hac-eth.
Neben agſ. rec-ed (domus, aula) finde ich kein rac-od,
allein die altſ. form lautet rak-ud, im ahd. weder ein
rehh-it, noch rahh-ut. Ebenſowenig entſprechen ahd.
ſubſt. den agſ. vëor-ed, vër-ed (turba, gens); ëor-ed
(turma) oder eór-ed?; hæm-ed (coitus, nuptiae), für die
beiden erſten gilt auch die od-form: vëor-od, ëor-od.
Das neutr. ëov-ed (grex ovium) iſt das ahd. ew-it, ew-iti
T. 6, 1. 53. 9. ouw-iti doc. 227b, doch das goth. av-êþi
Joh. 10, 16. macht beide verdächtig (? agſ. ëoveð, ahd.
ewîd) alſo zu þ gehörig; nicht unähnlich ſcheint die
[230]III. conſonantiſche ableitungen. D.
agſ. form fal-ed, fal-od, fal-d (ſtabulum) altſ. fal-ed (jun.
405.) engl. fol-d; täpp-ed, ahd., tepp-it mhd. tep-et, tep-t
ſtammt aus lat. tapetum. — Von adj. kommen in be-
tracht das agſ. vër-ed (dulcis) fräc-ed (turpis) doch mit
der nebenform vëor-od, frac-od, zwei allen andern dia-
lecten abgehende ausdrücke; ſodann das ahd. veiƷ-it (pin-
guis) O. I. 5, 135, welches aber vielleicht ein part. praet.
ohne ki- iſt und dann noch weniger hierher gehört.


[UD] den hierher bezüglichen agſ. ſubſtantiven ſchreibe
ich kurzes o, und nicht ô zu, weil ſie in e überſchwan-
ken, zuweilen aber im agſ. altſ. und altn. wirkliches u
vorkommt. Ein paralleles ahd. -ut finde ich gar nicht,
vermuthlich war es in -it übergetreten, d. h. für hebhit
konnte früher hahhut gegolten haben. Außer den eben-
angeführten ëor-od (turma) vëor-od (multitudo) fal-od
(ovile) hac-od (lucius) ſtehet auch Cädm. 73, 7. ein dunk-
les vitr-od; häufiger iſt das maſc. mëot-od, mëot-ud,
mët-od, mët-ud (creator, deus), welches nicht unwahr-
ſcheinlich von mëtan (metiri) abgeleitet wird, der alle
dinge bemißt und erfindet (ſchöpfer). Altn. miöt-udr R.
miöt-uðr, deshalb und nach analogie der ahd. maſc. -id
(ſ. 241.) richtiger þ-ableitung. Das agſ. vëoſod (altare) ſcheint
nicht vëof-od, ſondern entſtellung des compoſ. vëo-bed, vi-
bed (heiliges bett, thron), welche form die älteſten quellen
zeigen. Altſ. neben wër-od (multitudo) rak-ud (templum.)
Der agſ. adj. vëor-od und frac-od iſt beim -id erwäh-
nung geſchehen, bloß mit -od leſe ich for-od (labefacta-
tus), alle drei bedürfen näherer aufhellung; nac-od (nu-
dus) ahd. nahh-ut. mhd. nack-et (: zerhacket) ſtatt nach-
et, engl. nak-ed fällt nach dem goth. naqv-aþs zu den
þ-ableitungen.


[OOD] das goth. aúhj-ôdus (tumultus) Marc. 5, 38. 15,
7. würde unter dieſe ableitung fallen, wenn ihm nicht
vielmehr þ gebührte? vgl. ga-baúrj-ôþum Luc. 8, 14.
Auch die ahd. -ôt, -ôti handle ich lieber unter den þ-
ableitungen ab.


[IID] nur mhd. findet in fremden wörtern die ablei-
tung -ît ſtatt, z. b. ſam-ît, rav-ît, ham-ît, perm-ît etc.
gen. ſam[i]tes, ravîtes etc. Andere ſolche -ît bekommen
[231]III. conſonantiſche ableitungen. D.
inlautend media, ſo runz-ît, dav-ît, pſær-ît, gen. run-
zîdes. Analoge feminina ſind margar-îte, en-îte etc.


anmerkungen zu den d-ableitungen:

a) viele ſcheinbare d-ableitungen, welche goth. d, ahd.
t, agſ. d zeigen, ſind unter þ zu ſuchen, da ihnen or-
ganiſch goth. þ, ahd. d, agſ. ð gebührt. Verſchiedene
hier noch zum d geſchlagene werden bei näherer prü-
fung auch dem þ zufallen, unſicher zumahl ſcheinen
ſämmtliche -id, -ud, ôd. Die -ad, oder vielmehr mit
ausgeſtoßnem vocal die -d, haben mehr gewähr, weil
Ulfilas zwiſchen ld, nd, rd und lþ, nþ, rþ rein unter-
ſcheidet. Die goth. zd, ahd. rt, altn. dd enthalten un-
zweifelhaftes -d und die goth. ld, nd deshalb, weil lþ,
nþ im altn. zu ll, nn werden.


b) obſchon die þ-ableitungen in unſerer ſprache weit
zahlreicher ſind, iſt doch kein grund da, ihr alle d-ab-
leitungen abzuſprechen. Es wäre ſelbſt unwahrſchein-
lich, daß ſie gar keine gehabt hätte. Im griech. ſpielt
die ableitung (= goth. d, ahd. t, als: αἶθος, agſ. âd,
ahd. eit) eine merkliche rolle, vgl. ἀγερ-έθω, τελ-έθω,
βαρ-ύθω
und die ſubſt. neutr. μέγ-εθος, τέλ-θος, ἄχ-
θος, μόχ-θος, βέν-θος, πέν-θος
etc. bei andern tritt
das θ erſt im gen. hervor: ὄρν-ις, ὄρν-ιθος; κόρ-υς,
κόρ-υθος
etc. Dem Lateiner mangelt θ, er gebraucht
dafür inlautend die tenuis (ἄρθρον, artus; πάθω, patior;
λάθω, lateo;) daher die lat. t ſowohl ein goth. d als þ
bedeuten können, erſteres z. b. in hor-tus (gar-ds) ven-
tus (vin-ds). Stimmen freilich beide fremde ſprachen in
der tenuis zuſammen, ſo wird die goth. media verdäch-
tig, z. b. in ulb-andus (ἔλεφ-ας, ἔλεφ-αντος, eleph-an-
tis) altn. ar-dr (ἄρ-οτρον, aratrum) weshalb Raſks ar-ðr
vorzüglicher ſcheint, vgl. oben ſ. 62.


c) übrigens iſt die ableitende natur des d in vielen
deutſchen wörtern noch ſehr fühlbar. Unleugbar ſtammt
al-t, chal-t von alan, chalan (nr. 66. 68.); gal-dr von
gala (nr. 67.); gewagter leitet ſich el-dr (ignis) von ala
(nutrire, ſuſtentare, excitare nr. 66.) ab, etwa wie qveikr
(fomes) zu qvikr (vivus) gehört, eldr die geweckte, ge-
nährte, lebendige flamme? *) Aus den wurzeln ſveinan
[232]III. conſonantiſche ableitungen. D.
(nr. 115.) geinan (nr. 117.) erzeugen ſich ſwin-den, gin-
den (oben ſ. 71.); zu bin-dan (nr. 382.) iſt das analoge
beinan verloren, von welchem jedoch pein (os, oſſis,
goth. báin? *) und das altn. beina (expedire) übrig ge-
blieben ſcheinen. Wahrſcheinlich entſpringt auf gleichem
wege kin-d (infans) aus keinan (germinare nr. 111.) vgl.
γενέθλη. Ohne zweifel ſind pran-t, upar-wan-t aus prin-
nan, winnan (nr. 371. 376.) geleitet, unſicher ran-t aus
rinnan (nr. 374.), wie wenn es für ram-t ſtünde und aus
riman flöße, dem auch rim-pan (nr. 367.) gehörte? dann
wären ram-t und ram-pht einander näher. Ebenſo
könnte man das ſonſt unerklärliche ſan-t (arena) deuten
aus ſam-t, ſam-at und dem griech. ψάμ-αθος (ψάμμος,
wie ἄμαθος, ἄμμος) zur ſeite ſtellen; die wurzel wäre
nr. 565. Von qvilan (nr. 315.) ſtammt cvil-d; von milan
(nr. 560.) mul-da, mol-ta; von faran (nr. 73.) var-t; von
ſkaíran (nr. 327.) ſkar-d, ſcar-ta, ſcur-t; von ſvaran
(nr. 74.) ſuar-t; von baíran (nr. 325.) par-t; von taíran
(nr. 326.) vermuthlich zar-t (zerbrechlich, tener, delica-
tus) und ſo noch andere. Oft aber liegt die wurzel im
dunkel. Wenn auch ſtal-dan aus ſtalan (nr. 464.) her-
rührt, ſo weiß man nicht recht, ob in ſtandan das d ab-
leitend ſei (ſtan-dan) oder wurzelhaft und das n einge-
ſchoben (wie vorhin ſ. 216. in glintan)? und wie blind-s
(coecus)? vgl. das ſ. 218. überſehene blin-zen (coecutire)
Parc. 187c [ahd. plin-azan?


d) da noch ſo viele -d (-t) bedenklich ſind, läßt ſich
ihr unterſchied von den ableitenden -þ (d) für die be-
deutung kaum auseinanderſetzten. Warum hat ga-faúr-
ds ein d und ga-baúr-þs ein þ? Man müſte von der-
ſelben wurzel ein wort mit jeder ableitung vor fich ha-
ben, um ihren abweichenden ſinn zu laßen (vgl. ſchluß-
bemerk. zu -þ über chunt, chund, enti, endi, chind,
cîd und cîld). Merkbarer ſteht von beiden die ableitung
-t (-z, Ʒ) ab, vgl. z. b. agſ. tëar-t (aſper) mit ahd. zar-t
(tener), beide aus nr. 326. fließend, nur daß der ahd.
mundart gerade zar-z, der agſ. tëar-d mangelt, der altn.
das eine wie das andere. Zuweilen kann durch entſtel-
lung des organiſmus ein ableitungsbuchſtabe für drei ver-
ſchiedene ſtehen, z. b. das -t im nhd. nach-t, hech-t,
lich-t entſpricht gothiſchem nah-ts, hak-ids (?), liuh-aþ.


[233]III. conſonantiſche ableitungen. þ.

e) manche inlautende -d. t, denen noch weitere ab-
leitungen anhängen, konnten nicht mitaufgeführt wer-
den, z. b. das goth. mun-drei (ſcopus) Philip. 3, 4; das
ahd. ful-tar (oben ſ. 135.) wun-tar (miraculum) u. a. dgl.


ableitungen mit þ (ahd. D).

vorſtehende vocale ſind a, i, u, ê, ô, ái.


[Aþ] das a nicht ganz verſchwunden, im goth. noch
erhalten nach lingualen und gutturalen, im ahd. nach gut-
turalen und zuweilen nach l, (m), n. Verſteckte -aþ
ſind aufzuſuchen in den formeln êþ (ahd. âd) ôþ (ahd.
uod) áuþ (ahd. òd) áiþ (ahd. eid) eiþ (ahd. îd) iuþ (ahd.
iud, iod). Es iſt dabei eine ſpirans (meiſtens h) ausge-
fallen. Im agſ. fällt n vor ð aus (1, 244.) folglich ent-
ſpricht gothiſchem n-þ (ahd. n-d) ein agſ. -ð. Altn. aſſi-
miliert ſich aber goth. l-þ und n-þ zul-l, n-n (1, 306. 307).


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſcnlina
goth. mô-þs (animus, ira), zwar kommt nur oblique
môdis, môda vor, doch läßt ſich daraus kein môds be-
weiſen, ſo wenig als aus dem ahd. muot, agſ. môd
ſchließen, daß kein älteres muod, môð gegolten habe,
wurzel ſcheint das ahd. muoh-an (agitare, fatigare), ſo
daß muo-t (agitatio, animus) ſtünde für muo-d, muoh-
ad, folglich mô-þs für môh-aþs? beſtätigt wird das þ
(ahd. d) durch das ahd. adj. muo-di (agitatus) wovon
nachher; mun-þs (os, oris); ſin-þs (iter); nach dritter
decl. dáu-þus (mors), wurzel dáu-an (vgl. altn. dey-ja
mori, dâ-iun, mortuus)? wovon dáu-jan, aſ-dáu-jan (co-
gere, conſumere), bedeutung alſo: verſchmachtung (vgl.
ſvults); lei-þus (ſicera) von ganz dunkler wurzel; tun-
þus (dens); vul-þus (gloria). —


ahd. mit a: marh-at (nundinae (monſ. 350. 392. f.
marh-ad; vok-at (advocatus); ohne a: chrâ-d (cantus,
crocitus) es findet ſich nur chrâ-t, hana-chrâ-t (galli can-
tus) altſ. hano-crâ-d, wurzel chrâhan oder chrah-an (cro-
citare) alſo für chrah-ad, beſtätigung des d gewährt chra-
dum (vorhin ſ. 150.) f. chrah-ad-um; drâ-t für drâ-d
(filum ductum, tortum), wurzel drâh-an (torquere) alſo
drâ-t f. drah-ad; lî-d (ſicera); muo-t für muo-d (animus,
ira); mun-d (os); ſin-d (via); tô-d (mors) gen. tôdes,
richtiger als tô-t, tô-tes; zan-d (dens). —


agſ. blæ-d (flatus) f. blæ-ð; cî-ð (genimen, gramen)
wurzel das goth. kei-an (1, 855)? cræ-d (crocitus) f.
[234]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
cræ-ð, han-cræ-d (galli cantus); deá-ð (mors); mô-d
(animus) für mô-ð; mû-ð (os); ſi-ð (via); tô-ð (dens);
þræ-d (filum) f. þræ-ð. —


altn. mark-aðr: bur-ðr (partus); fun-dr (res inventa) für
fun-nr; hlun-nr (phalanga)? oder ſcheint nach dem ahd.
lun (obex) jun. 282. dieſes altn. nn andrer natur? doch vgl.
zan neben zan-d; môðr (animus); mun-nr (os); ſkur-ðr
(ſculptura); þrâ-ðr (filum). —


mhd. mark-et troj. 142c; vog-et; drâ-t (filum); krâ-t
(crocitus); lî-t (ſicera); muo-t; mun-t; flâ-t (rauchfang)
Geo. 1918, etwa aus flah-ad entſprungen?; ſprâ-t (im-
ber, torrens) MS. 2, 240b aus ſprah-ad, von verlornem
ſprahan?; tô-t; zan-tneben zan. —


nhd. drâ-t; mark-t; mun-d; mû-t; ſchl-ôt und ſchlo-tt;
tô-d; vog-t; zân (ohne lingualableitung). —


engl. dea-th; moo-d; mark-et; mou-th; too-th;
threa-d. —


β) ſtarke feminina,
goth. nach erſter decl. aír-þa (terra); gil-þa (falx); vgl. fri-
aþva (dilectio) — nach vierter und zwar mit haftendem ab-
leitungsvocal: mag-aþs (virgo); mit-aþs (menſura); ohne
denſelben: ga-baúr-þs (nativitas, genus); brû-þs (nurus,
ſponſa) von verlorner wurzel bruh-an (nubere, gignere)? für
bruh-aþs?; dê-þs (facinus), es kommt nur der acc. pl. miſſa-
dêdins (peccata) vor, wurzel ein verlorenes dah-an, dái-an?
ſo daß aus dái-aþs dê-þs entſprünge? denn die ahd. agſ. ver-
balformen tuo-n, dô-n ſcheinen entſtellt und erklären das
ê (â) nicht; dul-þs (feſtum, ſolemnitas); ga-kun-þs (ma-
nifeſtatio); knôþ-s (genus) Philip. 3, 5. der dat. knô-dái,
wurzel knahan, knôh? (noſcere, gignere) und knô-þs
für knôh-aþs?; ga-máin-þs (congregatio) Neh. 5, 13. ver-
ſchieden von dem weiter abgeleiteten gamaíndáiþs; náu-
þs (neceſſitas) nur ubrig in náudi-bandi, aber das þ
erweiſlich aus náuþjan (cogere), die wurzel náuan, nau-
han, folglich náuþs f. nauh-aþs? *) obgleich ſich hernach
ein ablautendes niuþan (nr. 534.) bildete; nê-þs, nê-dáis
(ſutura) fehlt, doch aus ahd. nâ-t zu folgern, wurzel
nái-an? aus nái-aþs nê-þs? das þ beſtätigt durch nêþla
[235]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
(acus); ga-qvum-þs (conventus) ſ. ſchlußbemerkung c;
ſê-þs (ſatio, ſemen) ſchwankend in ſei-þs, beide nur in
dem comp. mana-ſêþs (mundus, menſchenſaat, ja nicht
menſchenſitz) vorkommend, wurzel ſái-an (ſerere) ſê-þs
aus ſái-aþs?; — nach dritter decl. das einzige flô-dus
(diluvium) Luc. 6, 49. für fiô-þus, das geſchlecht aus
der ſtelle nicht zu erſehen, doch ſchwerlich maſc. (wie
ich 1, 600. angenommen) ſondern nach aller analogie
fem., die wurzel flôh-an, welche im altn. flô-a und unl.
vloej-en fortlebt, flô-þus für flôh-aþus? —


ahd. nach erſter decl. ër-da (terra) für ër-ada; hun-da
(praeda); mâ-da (foeniſecium) zu folgern aus guggi-mâda
(Ecc. fr. or. 1, 675.) und mâdâri (foeniſeca), wurzel
mâh-an (ſecare)?; ki-nâ-da (gratia, humanitas), unbe-
kannter wurzel, wohl mit nâh-an (goth. nêhvjan) ver-
wandt, aber nicht aus ki-nâh-ida entſtanden, weil es
ſonſt mhd. umlautend heißen würde genæde und nicht
genâde; ki-pâ-da (levamen, fomentum, recreatio) habe
ich nie geleſen, vermuthe es bloß nach dem altſ. gi-bâ-
da (f. gi-bâ-tha), wurzel pâh-an (nhd. bæhen, fovere,
torrere), kipâda f. kipâhada?; un-da, un-dëa (fluctus);
ki-wâ-da (afflatus) monſ. 367. 387. 390. von wâh-an
(goth. váian, flare) ſt. ki-wâh-ada?; noch andere analoge
ſind denkbar, z. b. ein ki-plâ-da (balatus oder auch ſpi-
ramen) von plâhan. — nach vierter decl. mit haftendem
vocal das einzige mak-ad (virgo) ſpäter mag-at, mag-
adî; ohne vocal folgende: chnuo-t (genus) für chnuo-d,
bei K. chnua-t, monſ. 408. chonôt (genealogia) ſteht ent-
weder f. chnôt = chnuot, oder iſt eine ganz andere ab-
leitung chon-ôt? Ammian hat den eigennamen chono-
do-marius (illuſtris genere); chnâ-t (cognitio) verſch. vom
vorigen chnuo-t, obgleich der ſelben wurzel (chnahan,
chnâhan), ich kenne bloß ur-chnâ-t (agnitio) jun. 234;
kluo-t (candor, ardor) gluo-t T. 186, 5. vom verbo kluo-n
(candere) monſ. 339. 341. 342, kluo-d für kluoh-ad?;
kun-d (bellum)? nur noch in compoſ. wie hilti-gund,
chuoni-gund etc. übrig, oder in der weiteren ableitung
kundahâri, gundahâri, ſpäter guntahâri; nâ-t (ſutura)
für nâ-d, das d beſtätigt durch nâdala (acus, für nâh-
ad-ala); nô-t (neceſſitas) f. nô-d; nuo-t (compages) jun.
209. f. nuo-d und dieſes aus nuoh-ad von der wurzel
nuoh-an (jungere, concatenare)?; pluo-t (flos) f. pluo-d,
aus pluoh-ad, von pluoh-an (florere); pruo-t (foetus) f.
pruo-d, aus pruoh-ad, von verlornem pruoh-an (incu-
[236]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
bare)? denn das verbum pruotan, mhd. brueten, iſt
wieder aus pruot gebildet *); prû-t (ſponſa) f. prû-d;
ki-pur-t (nativitas) f. ki-pur-d, aus ki-pur-ad; ſâ-t (ſa-
tio) f. ſâ-d, aus ſâh-ad; ſpuo-t (ſucceſſus, proſperitas) f.
ſpuo-d, aus ſpuoh-ad, von ſpuoh-an; tâ-t (factum) f.
tâ-d; tul-d (ſolemnitas) jun. 225; vluo-t (diluvium) f.
vluo-d, aus vluoh-ad vom verlornen vluoh-an (fluere),
wenn jun. 224. f. fludar (rates) fluodar gebeßert werden
dürfte, gereichte das d zur beſtätigung; zî-t (tempus) f.
zî-d, aus zîh-ad (indictio?) von zîh-an (nr. 195.)? —


agſ. nur nach vierter declination (ëor-ðe geht ſchwach):
bry-d (ſponſa) f. bry-ð; ge-byr-d (nativitas) f. gebyrð;
dæ-d (factum) f. dæ-ð; flô-d (diluvium) f. flô-ð; gû-ð
(bellum); hû-ð (praeda); mäg-ð (virgo), nicht mehr
mäg-eð, doch ſcheint ſich das ð, wegen des noch nicht
lange ausgeſtoßenen vocals, behauptet zu haben; neá-d
(neceſſitas) f. neá-ð: ſæ-d (ſemen) f. ſæ-ð; ſpê-d (even-
tus. proſperitas) f. ſpê-ð; tî-d (tempus) f. tî-ð; ŷ-ð (fluc-
tus). — Scheinbar mengen ſich mit dieſen ableitungen
auf urſprüngliches -að die gleichfalls den vocal auswer-
fenden auf urſprüngliches -ið, z. b. ſæl-ð, ſtreng-ð,
yrm-ð etc., doch ſind letztere an dem unverletzten -ð
erkennbar, während die hier abgehandelten das ð (mägð,
gûð, ŷð ausgenommen) in d geſchwächt [haben]. —


altn. brû-ðr (ſponſa); dâ-ð (virtus); glô-ð (pruna);
gun-n (pugna); nau-ð (neceſſitas); tî-ð (tempus); tön-n
(dens); un-n (fluctus). Von ihnen ſind andere, meiſt an
dem wurzelumlaut erkenntliche -ð zu unterſcheiden, die
für -ið ſtehen (z. b. ferð, fylgð, ſtœrð etc.) —


mhd. nach erſter decl. nur: ër-de; ge-nâ-de; un-de;
mâde unbelegbar, obgleich aus mâ-dære Ottoc. 500b fol-
gend; nach vierter mit haftendem vocal noch mag-et,
gen. meg-ede, meg-de, woraus mei-de, endlich der nom.
mei-t (virgo); ohne vocal: bluo-t; bruo-t; brû-t; ge-
bur-t; gluo-t; nâ-t; nô-t; ſâ-t; ſpuo-t; tâ-t; vluo-t;
zî-t. —


nhd. er-de; gnâ-de; — brau-t; brû-t; ge-bur-t; flû-t;
glû-t; mag-d; nâ-t; nô-t; ſâ-t; tâ-t; zei-t. —


engl. bir-th; bri-de; dee-d; ear-th; floo-d; mai-d;
nee-d; ſee-d; ſpee-d; tid-e. —


[237]III. conſonantiſche ableitungen. þ.

mnl. nnl. einige, die den übrigen mundarten fehlen,
z. b. ſmâ-de (opprobrium) Maerl. 1, 353. von ſmah-an. —


γ) ſtarke neutra,
goth. mit haftendem vocal das einzige liuh-aþ (lux),
wurzel liuhan (nr. 538.) *); ohne vocal: blô-þ (ſanguis)
für blôh-aþ?; gul-þ (aurum) von gilan (nr. 564.) — ahd.
mit ableitungsvocal lioh-at? ich finde nur einmahl bei K.
17a den dat. lëoh-ete und mit tadelhaftem i monſ. 355.
lioh-it. die gewöhnliche form iſt ſchon lioh-t; folgende
haben nie den vocal: hrin-t (armentum) f. hrin-d; kol-t
(aurum) f. kol-d; për-d (genimen) T, 160, 3. wo aber
der dat. bërde ſteht, ſo daß form des nom. und genus
unſicher ſind, vielleicht berdi?; pluo-t (ſanguis). — agſ.
blô-d (ſanguis) f. blô-ð; gol-d (aurum) f. gol-ð für hri-ð
(quadrupes) die weitere ableitung hri-ðer; lëoh-t. — altn.
blô-ð (ſanguis); flô-ð (diluvium); gul-l (aurum); ſâ-ð
(ſeminatio); vielleicht auch ſnâ-ð (cibus); ſin-n (momen-
tum temp.). — mhd. bluo-t; gol-t; lieh-t; rin-t. — nhd.
blû-t; gol-d; lich-t; rin-d. — engl. bloo-d; gol-d;
ligh-t. —


δ) ſtarke feminina auf -aþi,
goth. hái-þi (ager) für haiv-aþi?; kun-þi Luc. 1, 77. Phi-
lip. 3, 8. — ahd. hei-di (campus); hul-di (favor); pur-
di (onus). — agſ. hæ-ð (erica) f. hæ-ðe; hyl-de (gratia)
f. hyl-ðe; mäg-ðe (provincia); aber weiter gebildet byr-
ðen (onus). — altn. hei-ði (teſqua montana); hyl-li (fa-
vor). — mhd. bür-de; hei-de; hul-de. — nhd. bür-de;
hei-de; hul-d. — engl. hea-th; bur-den, bur-then. —


ε) ſtarke neutra auf -aþi,
goth. ga-vaír-þi (pax); and-vaír-þi (facies). — ahd. an-
di (frons, frontis) verſchieden von an-ti, en-ti (finis) O.
V. 2, 6, 9; chî-di (genimen) frumi-kî-di (primitiae) O. IV.
34. 24; mak-adi (virgo) gewöhnlich mag-eti; pil-adi (imago)
aſſim. pil-idi; dieſe neutra ſchieben bei einigen oblique n ein
(1, 631. 632.), daher der gen. magatines und ebenſo an-
dines (frontis) andine (fronte) J. 394. andinum (frontibus)
J, 407. doch nie piladines für pilades. — agſ. würde das
ahd. andi (goth. anþi?) lauten müßen eðe, das ich nicht
antreffe; bil-eðe, bil-eð (exemplum). — altn. en-ni (frons)
[238]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
ſæ-ði (ſemen); in bîl-æti (effigies) verſtehe ich weder
das î der wurzel, noch das æ und t der ableitung. —
mhd. mag-edîn (puella); bil-de (imago). — nhd. bil-d. —


ζ) ſchwache maſculina,
goth. vái-dêd-ja (maleficus); un-hul-þa (daemon) *); ga-
ſin-þja (comes), doch könnte der dat. pl. gaſinþjam Luc.
2, 44. auch auf ein gaſinþjis nach zweiter ſtarker decl.
führen, wozu das agſ. geſið, pl. geſiðas ſtimmt, zu der
ſchwachen form aber das ahd. ſindo. — ahd. ar-ër-dëo
(extorris) doc. 231a; ſaman-ſin-do (comes) O. V. 9, 18;
upil-tâ-to (maleficus) ubildâto O. III, 20, 226.; ven-dëo
(phalanx) hrab. 963b, vuoƷ-ven-do (pedes, pediſſequus
T. 79; vin-do (repertor) jun. 179a; piƷ-ado (morſus) ſ.
bei -ido, -ôdo. — agſ. fe-þa (pedes); hvëo-ða, hvi-ða
(aura lenis) vermuthlich von hvëoſ-an (ſpirare) engl.
wheeze, alſo f. hvëoſ-ða?. — altn. dau-di (mors). —


η) ſchwache feminina,
goth. he-þjô (cubiculum), vielleicht aus heiv-aþjô ent-
ſprungen? ein ſonſt dunkles wort; un-hul-þô (daemon);
kil-þei (uterus) in-kil-þô (femina praegnans); mag-aþei
(virginitas); mit-adjô (menſura) f. mit-aþjô Luc. 6, 38;
ſvin-þei (fortitudo). — ahd. un-hol-da (daemon) hymn.
24, 3. — agſ. ëor-ðe (terra). —


2) adjectiva


α) erſter declination: goth. mit ableitungsvocal das
einzige naqv-aþs (nudus), wo ahd. und agſ. der vocal
u, o waltet; ohne vocal: bal-þs (audax); dáu-þs (mor-
tuus) auch im obliquen caſus mit þ geſchrieben; -fal-þs
(-plex); frô-þs, frô-dis (ſapiens) ſcheint mir, obgleich
ablaut von fraþjan, hierher gehörig, nämlich ſelbſt fra-
þjan (nr. 85.) deutbar aus frah-aþjan, frô-þs aus frôh-
aþs, mein grund dafür iſt der zuſammenhang zwiſchen
frôþs, ahd. vruod, vruot und ahd. vruo, das nicht eigent-
lich praecox, antelucanus, ſondern vetuſtus bedeutet, auf
goth. aber frôh-is gelautet haben kann **); kun-þs (no-
[239]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
tus) ſvê-kun-þs, ſvî-kun-þs (manifeſtus) *); ſvin-þs (for-
tis); vaír-þs (dignus) ana-vaír-þs (futurus). — ahd. ehun-t
(notus) f. chun-d; hal-d (vergens) in comp. wie vram-
hal-d, zuo-hal-d etc.; hlû-t (ſonorus) f. hlû-d? wurde
ich von hluoh-an (mhd. luejen, mugire, agſ. hlôv-an,
engl. low) leiten und aus hluoh-ad erklären, wenn ſich
ein hluot, hluod nachweiſen ließe, und wenn nicht hlio-
dar (ſtrepitus, ſonus) agſ. hlëoðor ein verlornes hliuþan,
hláuþ, hluþun anriethen, zu dem auch der eigenname
hludowîc (mit kurzem u) gehört; wie aber, wenn hlû-d
aus hliu-d, hliuh-ad entſpränge?; pal-d (audax); ſuin-d
(validus) nicht zu belegen, aber zu vermuthen; tô-t
(mortuus) f. tô-d, vgl. die ſchlußbem. f; val-t (-plex) f.
val-d, nur in zuſ. ſetzungen; vruo-t (vetuſtus, prudens)
f. vruo-d; wër-t (dignus) f. wër-d. — agſ. bëal-d f.
bëal-ð; cûð (notus); dëá-d (mortuus) f. dëa-ð; fëal-d
(-plex) f. feal-ð, in comp. wie ân-fëald etc.; frô-d (grand-
aevus) f. frô-ð; hlû-d (ſonorus) f. hlûð?; hëal-d (pro-
clivis) f. hëal-ð; ſô-ð verus) erwächſt aus ſan-ð und
würde ahd. ſan-d lauten; ſvi-ð (fortis); vëar-d f. vëar-ð
in comp. wie and-vëard (praeſens) etc. — altn. bal-lr
(fortis); dau-ðr (mortuus); frô-ðr (multiſcius); hal-lr
(propenſus); hlió-ðr (taciturnus), welche ſorm die ver-
muthung eines ahd. hliud f. hlûd zu beſtätigen ſcheint,
denn es gilt kein altn. hlûðr daneben und die abwei-
chende faſt entgegengeſetzte bedeutung iſt ſo zu erklären:
hlióð heißt ſonus, dann aber auch vox non interpellata,
ſilentium, hlióðr ein lauſchender, ſtill zuhörender, den
der laut trifft; kun-nr (notus); ſan-nr (verus); ſmâ-ðr
(contemtus); ſvin-nr (fortis); vër-ðr in ofan-verðr etc. —
mhd. bal-t; kun-t; lû-t; mor-t (occiſus); ſwin-t; tô-t;
-val-t; vruo-t; wër-t. — nhd. fal-t in manig-falt; kun-d;
lau-t; ge-ſchwin-d; tô-dt; wér-th. — engl. bol-d; cou-th,
nur in un-couth gebräuchlich; dea-d; -ſol-d; lou-d;
ſoo-th; wor-th.


β) adjectiva zweiter decl.
goth. mit vocal fram-aþis (alienus); ohne vocal vil-þis
(ſilveſtris). ahd. vrem-idi aſſim. f. vram-adi; lin-di (mollis);
muo-di (feſſus) aus muoh-adi?; vruo f. vruo-i, jun. 221.
herrad. 193a vruoh-i (praecox); wil-di (ferus). — agſ. frem-
ede f. frem-eðe; li-ðe (mollis); vil-d (ferus) f. vil-ðe. —
[240]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
altn. *) lin-r (lenis) f. lin-nr?; mô-ðr (anhelus, fatigatus);
vil-lr (ferus). — mhd. ge-nen-de (audax); vrem-ede;
lin-de; mue-de; vrue-je? als adj. ſelten (Triſt. 1152. vrue-
heƷ) als adv. häufig vruo; wil-de. — nhd. frem-d; lin-d;
muͤ-de; fiuͤh-e; wil-d. — engl. li-the; wil-d.


3) verba


α) ſtarker form: fal-þan (nr. 10.); vil-þan? (nr. 582.);
fin-þan (nr. 394.); ſvin-þan (nr. 597.); tin-þan (nr. 597b);
vaír-þan (nr. 442.); aír-þan (nr. 620.); fra-þjan (nr. 85.);
niu-þan (nr. 534.); vielleicht hliu-þan (534b ſonare)?
u. a. m.


β) ſchwache verba erſter conjugation,
goth. ga-ſvê-kun-þjan (manifeſtare); nan-þjan (audere);
náu-þjan (cogere); ſan-djan f. ſan-þjan (mittere); ſvin-þ-
jan (roborare); dis-vin-þjan (diſſipare). — ahd. chun-dan
(notum facere); nen-dan (audere); nô-tan (cogere); ſen-
tan (mittere) f. ſen-dan. — agſ. cŷ-ðan (teſtari); nŷ-dan
(cogere) f. nŷ-ðan; ſen-dan (mittere) f. ſe-ðan (?). —
altn. ken-na (docere); mœ-ða (fatigare); ney-da (cogere);
nen-na (audere); ſen-da (mittere) f. ſen-na?; ſæ-ða (ſe-
minare). — mhd. brue-ten; kun-den; nœ-ten; ſen-den. —


γ) ſchwache verba zweiter conjugation,
goth. vaír-þôn (aeſtimare); ahd. wër-dôn; agſ. cû-ðjan
(innoteſcere); fan-djan (tentare); ſvi-ðjan (praevalere). —


anmerkung: es gibt noch manche -þ = -aþ in wei-
ter abgeleiteten wörtern, denen ſich hier keine ſtelle an-
weiſen ließ, z. b. goth. maúr-þr (occiſio) ahd. mor-dar;
agſ. cor-ðer (multitudo) ahd. chor-dar; goth. an-þar (al-
ter) ahd. an-dar, agſ. o-ðer, altn. an-nar etc. Ueberall,
wo vor iulautendem þ (d) vocale, zumahl lange, ſtehen,
iſt der ausfall einer ſpiraus möglich, ahd. ruo-dar (remi-
gium) ſcheint auf ruoh-adar zu deuten (vgl. mhd. rue-
jen, remigare); pruo-dar (frater) vielleicht aus pruoh-
adar (vorhin ſ. 236.) wie nâ-dala (nê-þla aus nah-adala;
nicht anders die nhd. ſprû-del (bei Gellert prû-del) ſtrû-
del, nû-del aus ſpruoh-adal (vgl. ſprue-jen, ſprůh-en)
ſtruoh-adal, nuoh-adala (vgl. nuo-d, aus nuoh-ad, compages).
Beſonders gern pflegt dieſe ableitung mit der weiteren ab-
leitung -um zuſammenzuſtehen (oben ſ. 150.) und dann
auch mitunter kurzer vocal vor dem þ (d) zu bleiben,
[241]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
vgl. ahd. va-dum (filum) aus vah-adum; chra-dum (ſo-
nitus) aus chrah-adum, wie chrâ-t aus chrah-ad; wi-
dum (dos) aus wih-adum von wîhan (nr. 201.); â-dum
(ſpiritus) leite ich von ah-adum, ſo daß es mit dem goth.
ah-a (mens) ah-ma (ah-ama ſpiritus) einer wurzel iſt.
Dem mhd. lu-dem (ſonitus) ſteht die nämliche bedenk-
lichkeit zur ſeite, die ich vorhin bei dem adj. lût erör-
tert habe, die herleitung von luejen forderte luo-dem wie
luo-t *); war die ahd. form hluo-dum, hlu-dum, hlû-
dum? für das volle hluoh-adum, hluh-adum? übrigens
könnte ludem (das thier) dieſelbe ableitung ſein und ein
brüllendes, ſchreiendes bezeichnen. Swa-dem (exhalatio)
läßt ſich nur aus der hd. mundart erklären, die wurzel
iſt unleugbar ſvikan (nr. 299.), durch vertauſchung der
aſp. mit der ſpirans wurde aus ſuëhh-adum, ſuahh-adum
ſuëh-adum, ſuah-adum und daraus ſua-dum; ein agſ.
ſväc-ðom, wenn es ſtatt fand, hätte ſich nicht verwan-
delt in ſvæ-ðm. Läßt ſich ei-dum (gener) aus eih-adum
und von der wurzel áigan (aíh, aíhta) leiten, der wel-
cher die tochter zur ehe genommen hat? Ich ſtelle dieſe
und andere hier verſuchte ableitungen als bloße vermu-
thungen auf, die ſolange erlaubt ſind, bis es uns gelingt
feſtere regeln zu finden, nach welchen wir jene beſtimmt
zulaßen oder ausſchließen können.


[Iþ] der vocal haftet im goth. und ahd., wird im altn.
überall, im agſ. gewöhnlich weggeworfen, zuweilen ſteht
noch ë. Umlaut in wurzeln, die ſeiner fähig ſind.


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſculina, goth. keine. — ahd. hal-id, hel-
id (heros); leit-id (dux) J. 387. 388. hymn. 22, 2. T.;
ki-mein-id (communio) J. 361. (chi-mein-idh), vielleicht
fem.?; ſceph-id (creator) J. 383. (wo ſcheffidhes, creato-
ris); ſtiur-id (gubernaculum) inſofern ſtiur-idâ (guberna-
cula) wirceb. 977a pl. maſc. iſt und kein fem. — agſ.
frym-ð (initium)? Lye hat den pl. frym-ðas (primitiae);
häl-eð (heros). — altn. gar keine. — mhd. hel-et, hel-
des; vielleicht wîſ-et (dux apum) MS. 2, 3a, wenn nicht
wîſ-el zu leſen iſt? ahd. wîſ-id? — nhd. hel-d.


Q
[242]III. conſonantiſche ableitungen. þ.

β) ſtarke feminina ſind deſto häufiger:
goth. aírz-iþa (error); dáub-iþa (ſtupiditas); diup-iþa
(profunditas); gaúr-iþa (triſtitia); arma-haírt-iþa (miſeri-
cordia); háuh-iþa (celſitudo); mêr-iþa (fama); niuj-iþa
(novitas); ïn-niuj-iþa (encaenia); qvramm-iþa (humor) Luc.
8, 6. bedenklich; ga-raíht-iþa (juſtitia); ſvêgn-iþa (gau-
dium); þvaſt-iþa (certitudo) Philipp. 3, 1; varg-iþa (dam-
natio); ïn-vind-iþa (injuſtitia); veit-vôd-iþa *) (teſtimo-
nium); alle dieſe haben unverrückt þ, kein d, es iſt da-
her ſchwer zu erklären, warum áuþ-ida (eremus) in allen
ſtellen (Matth. 11, 7. Marc. 1, 4. 8, 4. Luc. 1, 80. 5, 16.)
media und keine aſp. hat. Wegen des in der wurzel
vorhergehenden þ ſicher nicht, weil ſonſt, z. b. þiuþa,
þiuþeigs etc. zwei þ hintereinander unbedenklich ſind.
Gehört es gar nicht hierher, ſondern zu den d-ableitun-
gen? ahd. weder ôd-ida noch ôd-ita. — In ſal-iþva (man-
ſio) folgt noch eine v-ableitung, wie in fri-aþva. — Ue-
brigens laßen ſich alle angeführten goth. fem. auf -iþa
ſowohl von adj. leiten, von aírzis, dáubs, diups, gaúrs,
arma-haírts, haúhs, mêris (ahd. mâri), niujis, qvramms
(?), garaíhts, ſvêgns, þvaſts, vargs (damnatus, reus)?,
ïnvinds, veitvôds [oder etwa auch von den ſubſt. vargs,
veitvôds] als von ſchw. verbis erſter conj., welche ſich
faſt zu ſämmtlichen wörtern darbieten, ausgen. zu arma-
haírtiþa, niujiþa, qvrammiþa und ïnvindiþa, wo ſie doch
auch vorausgeſetzt werden dürfen.


ahd. herrſcht die organ. media ſtandhaft und geht nicht
in t über **), N. ſchon-eda ſtatt -ida; aus einer menge von
beiſpielen, die ſich überall darthun, wähle ich: arak-ida,
arg-ida (ignavia); arend-ida (aſperitas) monſ. 404; arm-ida
(paupertas); pi-chenn-ida (ſcientia) N. 138, 6; chund-ida
(nuntiatio) cuat-chund-ida (evangelium); chûm-ida (mor-
bus); chuſc-ida (caſtitas); pi-decch-ida (velamentum) N. 89,
16; pi-derh-ida (utilitas); eg-ida (occa) zwetl. 120b; êw-ida
(aeternitas) T. 3, 5. 155, 4; ê-haft-ida (religio) hrab. 973b
oder zu leſen êr-haft-ida (pietas) ibid. 972a? un-ka-mëƷ-
haft-ida (intemperantia); pi-halſ-ida (amplexus); pi-halt-
ida (cuſtodia) ki-halt-ida (obſervantia) ê-halt-ida (religio)
var-halt-ida (inceſtus) hrab. 966b; vul-hant-ida (inceſtus)
jun. 211; ka-henk-ida (conceſſio); ant-hep-ida (ſuſtentacu-
[243]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
lum) blaſ. 132b; hert-ida (durities); herm-ida -(dolor);
arm-hërz-ida (miſericordia) vora-herz-ida (praecordia)
jun. 189; heil-ida (ſalus); hôn-ida (contumelia); hôr-ida
(auditus); hrein-ida (puritas); ki-hruor-ida (tactus); hurſc-
ida (alacritas); pi-huct-ida (ſollicitudo) K. 36b; miſſa-huarp-
ida (everſio) hrab. 961b; huaſſ-ida (acrimonia); zur-kank-ida
(interitus); kanz-ida (ſanitas); karaw-ida (praeparatio); kir-
ida; klaw-ida; knitt-ida (contritio) N. 146, 3; krimm-ida
(ſaevities); lâhch-ida (medicamen) K. 39a; ki-lenk-ida (affi-
nitas); upar-lik-ida (adulterium) jun. 195; liht-ida (leva-
men) O. III. 23, 91; ana-lîhh-ida (imago) blaſ. 8a; ka-limph-
ida (opportunitas); ar-lôſ-ida (redemtio); luſt-ida (gaudium);
lût-ida (muſica) O. V. 23, 351. aber verſchieden davon luot-
ida (latratus) blaſ. 8a?; ki-mahh-ida (cubile) doc. 213a (con-
nubium) jun. 180. 188; mâr-ida; merr-ida (impedimentum);
ki-mein-ida O. IV. 11, 64; milt-ida; pi-neim-ida f. pi-nim-
ida? (teſtamentum) N. häufig; ki-nuok-ida (ubertas); ki-
nemn-ida (appellatio); pald-ida, beld-ida (temeritas); ki-
pâr-ida (geſtus, habitus); ar-parm-ida; ki-plâ-ida f. ki-plâh-
ida (flamen) hrab. 963b: plîd-ida (hilaritas); preit-ida
(elatio); ki-priev-ida (deſcriptio); ki-prûhh-ida (uſus);
miſſi-prûhh-ida (abuſus); ki-pur-ida (eventus); ki-pûw-
ida (aedificatio); ki-rât-ida (conſilium); ki-recch-ida (trans-
latio, interpretatio) ar-recch-ida (editio), vram-recch-ida
(translatio); ka-rert-ida (aptatio, directio?) doc. 294; ka-
hant-reihh-ida (conſpiratio) hrab. 955b; ant-reit-ida (ordo,
diſpoſitio); ant-ſek-ida, ant-ſeg-ida, ant-ſeida (defenſio);
ſel-ida (manſio) nicht ſel-idawa nach dem goth.; ſâl-ida
(felicitas); ſalp-ida (unctio); ſarph-ida (acritudo); leit-
ſam-ida (abominatio); ſamft-ida (lenitas) un-ſemſt-ida
(durities); pi-ſez-ida (obſidio) ki-ſez-ida (ordo); ki-ſcent-
ida (ignominia); ki-ſcih-ida (periculum) doc. 215a; ſcôn-
ida (pulcritudo); wuntar-ſcaw-ida (ſpectaculum) jun. 228;
var-ſcurk-ida (praecipitium); ſlaff-ida (relaxatio); zëlt-
ki-ſlek-ida (ſcenopegia); ſlëht-ida (blandities) K. 21b; upar-
ſliht-ida (ſuperficies) blaſ. 8b; pi-ſmar-ida (calumnia;
ſnium-ida (celeritas); ſpâ-ida, ſpâh-ida (ſapientia); pi-
ſpërn-ida (offenſio) ana-ſpurn-ida (offendiculum) jun. 216;
ſpriuƷ-ida (fulcrum); ana-ſtant-ida (conſtantia) var-ſtant-
ida (intelligentia); ſtarh-ida (fortitudo); ſtrenk-ida (aſpe-
ritas); un-ſtill-ida (clamor); zi-ſtôr-ida (deſtructio); ki-
ſtunk-ida (compunctio); ki-ſunt-ida (valetudo); ki-ſuohh-
ida (perquifitio) ur-ſuohh-ida (examen); ki-ſuon-ida (pac-
tio) jun. 221; pi-ſuihh-ida (fraus); ar-teil-ida (decretum);
tiur-ida (gloria); ur-triuw-ida (ſuſpicio) hrab. 958a; ki-
Q 2
[244]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
truk-ida (fallacia); wîn-uop-ida (temulentia) doc. 244b ki-
uop-ida, k-uop-ida (colonia) doc. 217a; ant-vank-ida (re-
ceptio) vokal-vank-ida (aucupium); mânôt-venk-ida (ca-
lendae) monſ. 322. 332. 349. in-vind-ida (compaſſio) N. 33,
20; ana-ki-vluƷ-ida (alluvio); ant-vrâh-ida (interrogatio);
vrow-ida, frew-ida (gaudium); ki-vuok-ida (aptitudo); vûl-
ida (putredo); ki-walt-ida (poteſtas) ana-walt-ida (ditio) ſëlp-
walt-ida (privilegium) letzteres aber aus hrab. 971b nicht
ſicher zu beweiſen, da der pl. auch von einem maſc.
ſëlp-walt-id rühren könnte, vgl. ſëlp-walt-ôdî (privilegia)
jun. 222; ſëlp-wart-ida (arbitrium) doc. 234b vielleicht
ſchreibf. f. ſëlp-walt-ida; ar-went-ida (diverticulum) hrab.
959b; ki-war-ida (induſtria) un-ki-war-ida, un-ki-wer-
ida (incuria) zur-war-ida (ſcandalum); wîh-ida (dedica-
tio) opfer-wî-eda (ſacramentum) N. 73, 3; ki-wiſſ-ida (ex-
perimentum) doc. 254. kaſt-wiſſ-ida (diverſorium); puoh-
ki-wiƷƷ-ida (ſcientia librorum); pi-woll-ida (contagium);
widar-wurt-ida (adverſitas); zal-ida (diſcrimen) hrab.
959b; wîp-ki-zior-ida (ornamentum mul.); in-zunt-ida
(incenſio); zurn-ida (iracundia). — Anmerkungen hierzu:
1) dunkel iſt mir urgawida (faſtidium) jun. 182. aus hymn.
25, I., vielleicht ur-ga-wiſ-ida nach der dabei ſtehenden
anderen gloſſe urkawiſôntêm (faſtidientibus)? — 2) einige-
mahl, doch ſelten, fügt ſich die ableitung -ida hinten an
die vorausgehende ableitung -n-uſſ, -n-iſſ: vûlnuſſ-ida
(corruptio); lût-nuſſida (harmonia); ophanuſſ-ida (indago,
ſignificatio); vlornuſſ-ida (jactura) doc. 212a 224a 227b
241a, ferlorniſſ-eda N. 34, 7. 92, 4; ophanuſſ-ida monſ. 348.
356. ja mit unorg. doppelung zi-deniſſ-idida (diſtentio) doc.
245b f. zi-deniſſ-ida? — 3) die herleitung dieſer fem. auf
-ida ſcheint verwickelter, als im goth., zwar können die
meiſten ebenfalls auf adj. oder verba erſter ſchw. conj.
zurüekgebracht werden. Allein es gibt einige darunter,
die von ſtarken verbis ſtammen (halt-ida, walt-ida, kank-
ida, rât-ida, ſtant-ida, vank-ida, piſuihh-ida, upar-lik-
ida, limph-ida, ſtunk-ida), andere, die ſich auf verba zwei-
ter und dritter ſchw. conj. beziehen, ohne darum das i
vor dem d mit ô oder ê zu vertauſchen (ſalp-ida, ſcaw-
ida, pi-ſmar-ida, ar-parm-ida von ſalpôn, ſcawôn, pi-
ſmarôn, arparmên *). Hieraus folgt, daß auch in jenen,
die mit verbis erſter ſchw. conj. zuſ. hängen, das i der
[245]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
ableitung -ida gehört und nichts mit dem i, welches die
verba ableitet, zu thun hat. Woher ſind ſâlida und
êwida unmittelbar herzuleiten? erſteres ſicher von dem
zwar ausgeſtorbnen adj. ſâli (goth. ſêlis), letzteres von
dem ſubſt. ê, goth. áiv. — 4) nach und nach mindert
ſich die zahl dieſer bildungen merklich, K. und die gloſ-
ſen zeigen ihrer viel, weniger O. und T., noch weniger
N. — 5) ſind auch ſtarke fem. vierter decl. auf -id an-
zunehmen? ſehr wenige kommen in erwägung: her-id
(?) Ecc. ſr. or. 1, 675. in dëro heride (heridì oder he-
ridê = goth. -ái); ki-mein-id? (communio) J. 361; tnk-
id (virtus)? tukida, tugida findet ſich nirgend, N. 17, 33.
tugede (virtute), organiſch ſcheint aber tug-und (agſ.
dug-ôð) mhd. tug-ent. —


agſ. iſt dieſe ableitung weit eingeſchränkter, der vo-
cal i überall weggeworfen (mit zurücklaßung des um-
lauts) und ſelbſt das -u der erſten decl. aufgegeben, ſo
daß faſt alle wörter der vierten folgen, alſo ein bloßes
-ð haben. Ich finde nur noch das einzige heáh-ðu (cul-
men, goth. haúhiþa) nach erſter decl. Die wichtigſten
beiſpiele ſind: ëarm-ð, yrm-ð (miſeria); hæl-ð (ſanitas);
hlëóv-ð (apricitas); hyg-ð (conatus, ahd. hukida); leng-ð
(longitudo); ge-mäg-ð (potentia); mær-ð (gloria); mirg-ð,
myrh-ð (gaudium) mir dunkeles urſprungs; ſel-ð (ſedes);
ſæl-ð (proſperitas); ſtreng-ð (fortitudo); trëóv-ð (fidelitas);
þëóf-ð, þŷf-ð (furtum); ge-þyng-ð (dignitas, gravitas). Die
mundart ſcheint dieſe bildung zu meiden, ſobald ſchon
die wurzel lingualiſch ſchließt, denn t-ð, d-ð (ahd. z-ida,
t-ida) klänge übel, doch mag ð-ð (ahd. d-ida) zuläßig
ſein; cŷð-ð, ge-cŷð-ð (patria, ahd. chundida) oder muß
es heißen cŷðe (ahd. chundi)? Zuweilen wird fehler-
haft hð geſchrieben für ht, namentlich geſihð (viſus) f.
geſiht; denn ich wüſte kein ahd. ki-ſih-ida verſchieden
von ki-ſih-t, wiewohl es der bildung ki-ſcih-ida (caſus)
verſch. von ki-ſcih-t (hiſtoria) analog wäre. —


altn. häufiger als im agſ., doch ſeltner als im ahd.
Der wegfall des i vor dem ð zieht modificationen des
linguallauts nach ſich, nämlich -ð wandelt ſich in -d und
-t ganz nach der bei der ſchw. conj. (1, 921. unter 4.)
gegebenen regel *): breid-d (latitudo); bŷg-ð (aedificatio);
[246]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
deil-d (diſtributio); dŷp-t (profunditas); erf-ð (hereditas);
fylg-ð (comitatus); girn-d (cupido); hæ-ð (altitudo);
hëfn-d (vindicta); hvîl-d (quies); leng-ð (longitudo) R.
leingð; ſæl-d (beatitudo) comp. mit-ſem-d, z. b. nyt-
ſem-d (utilitas); ſmæ-ð (parvitas); ſtœr-ð (magnitudo);
ſveng-ð (fames) R. ſveingð; þyck-t (craſſities); vîd-d
(amplitudo); væg-ð (lenitas). — Raſk §. 351. zählt auch
fer-ð (iter) hier mit auf, das mir aber organiſch zu den
d-ableitungen fällt (ahd. var-t, nicht var-ida), auch nekt
(nuditas) weil das t ſchon in dem adj. liegt (nak-tr ſ.
nak-aðr), gehört nicht darunter. —


mhd. hat ſich die zahl dieſer ableitungen ſehr verrin-
gert, einzelne ſchwanken zwiſchen fem. und neutr. (ahd.
-ida und -idi); die hauptſächlichſten ſind: er-berm-de
(miſericordia) Barl.; ge-bær-de (habitus), tadelhaft bei
ſpäteren (Vrîb. Reinfr.) ge-bër-de (:ërde); gir-de (cu-
pido) Ben. 166. troj. 33b 48b, ſeltner gër-de livl. 3b amgb.
44b; be-greb-ede (ſepultura) Rud. weltchr.; heb-ede
(opes) ibid.; be-heg-ede (deliciae) miſc. 2, 297; hœn-de
(deriſio) cod. pal. 361, 74a Rother 1811. 2240; ge-hœr-
de (auditus) Barl. an-ge-hœr-de Rud. weltchr.; ge-hüg-
ede, be-hüg-ede (memoria) Barl. MS. 2, 171a; kleg-ede
(querela) MS. 2, 207b; ge-lüb-ede (votum) Parc. 8477.
21430; ge-mein-de (communio) Triſt. Bon.; be-nem-de
(appellatio) Barl. ge-nen-de (perſona) Wigal. f. ge-
nenn-de; ſæl-de (felicitas) liut-ſæl-de Rud.; ſel-de (do-
mus) Gudr. 49a naht-ſel-de (diverſorium) Nib.; ſêr-de
(vulnus) livl. 124a Oberl. h. v.; ſchem-de (pudor)
Morolf 48a; ge-ſchepf-de, ge-ſchepf-ede (creatura) Wi-
gal. ge-ſchepf-ede (conditio, conſtitutio, beſonders corpo-
ris) Triſt. 3959. 6539. 6558. 10968. (Müll.) unterſchieden
von dem neutr. ge-ſchepf-ede, ge-ſchef-ede (occupatio);
ge-ſchick-ede (indoles, aptitudo, nh. geſchick, anſtellig-
keit) Parc. 5072. 10786. Wilh. 2, 112b; be-ſchöu-de (con-
templatio) Mar. und Tit.; be-ſwær-de (moleſtia) Flore 23b
Karl 77a Barl.; ur-teil-de (judicium) MS. 2, 121b; be-trueb-
de (afflictio) Bon.; ge-ueb-de, g’ueb-de (cultura) cod. pal.
361, 18a; be-vil-de (ſepultura): wilde Kolocz 186. Wigal.
8325. f. be-vilh-de; ge-vær-de (inſidiae) Bon.; vröu-de
(gaudium); vrüm-ede (probitas) Triſt.; be-wær-de (te-
ſtificatio) Triſt.; ge-zier-de (ornatus) Parc. 2504. Triſt.;
zimier-de (ornamentum galeae) Parc. 4892. 10659. —


mnl. ſcheinen dieſe bildungen ſeltner als im nnl.; be-
ſondrer crwähnung verdienen die der ableitung -en an-
[247]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
gehängten -ede, welche ſpäter wieder abſterben: ghe-
bûr-n-ede (femina, ancilla) Maerl. 1, 352. 353; grav-en-
ede (comitiſſa) Huyd. 2, 184. 185; ghe-ſel-n-ede (ſocia)
Maerl. 2, 52; ſwaſ-en-ede (amica) Huyd. op St. 2, 186,
man darf nicht -nede annehmen (die ahd. form würde
ſein krâv-in-ida, ki-ſell-in-ida, ſuâſ-in-ida? ſtatt welcher
es aber heißt: krâv-inna, kî-ſell-inna) oder nur ein un-
org. n-ede (vgl. hernach die agſ. n-ôð, altn. n-aðr für
ôð, aðr). —


nhd. noch wenigere als mhd.: ge-bær-de (geſtus); ge-
fær-de, bloß in der formel: ohne gef.; freu-de; gier-de,
be-gier-de; be-hœr-de (id quod competit); lieb-de, bloß
in titulaturen (ein mhd. lieb-de, ahd. liup-ida kenne ich
nicht, aber nnl. iſt lief-de ganz gewöhnlich, alſo wohl
nd. einfluß?); be-ſchwêr-de; zier-de. Bücher des 17. 16.
jahrh. gewähren noch andere, z. b. Sittewald: wärmb-de
(calor) bärmb-de (miſericordia) krümb-de (curvamen) etc.
Schöbers bericht von bibeln hat be-fuͤl-de (experientia),
be-greb-de, ver-heng-ede (permiſſio) ge-hœr-de (auditus)
be-ruͤr-de (tactus) be-wær-de (probatio). Heutige volks-
mundarten enthalten ihrer mehrere, die niederheſſ. z. b.
breit-ede, hœch-de, läng-de, tief-de, ſchweb-de (per-
pendiculum), ſogar meng-de (multitudo) von dem adj.
men-g, da organiſcherweiſe von adj. auf -ag, -ig keine
ſolche ſubſt. gebildet werden (kein ahd. manak-ida!) doch
vgl. das nnl. Die vielen ſchweiz. fem. auf -eta, ete
(Stald. dial. 217 — 220.) treffen häufig mit unſerer ablei-
tung zuſammen, z. b. miſch-eta (mixtio); ůb-eta (exer-
citatio); mit-lîd-eta (compaſſio); doch wage ich, der be-
ſtimmten bedeutungen halber, nicht, alle auf ein ahd.
-ida zurückzuführen; oft fehlt ihnen der umlaut. —


nnl. ſchwanken -de und -te, ſie ſollten es nach der
1, 992. entwickelten regel, doch ſcheint -te zu überwie-
gen, neben be-gêr-de (deſiderium); lief-de (amor); vreug-
de (laetitia) finde ich auch: warm-te (calor) ge-mên-te
(communitas); klein-te (parvitas); menig-te, meng-te
(multitudo); weinig-te (paucitas); leng-te (longitudo); be-
lof-te (votum); be-hoef-te (neceſſitas) etc., richtiger ſtehet
-te in diep-te (profunditas); grôt-te (magnitudo); jeuk-te
(prurigo) etc. —


engl. nur: heal-th (ſanitas); heigh-t (altitudo) f. heigh-th;
leng-th (longitudo); mir-th (gaudium); thef-t (furtum)
f. thef-th; tru-th (fides); weal-th (ſalus) und wohl noch
einige andere. —


[248]III. conſonantiſche ableitungen. þ.

γ) ſtarke neutra auf -iþ,
goth. háub-iþ (caput); mil-iþ (mel). — ahd. houp-it f.
houb-id; kein mil-it, oder wäre mili-tou (honigthau)
monſ. 328. 343. 349. eigentlich milit-tou? *); — ver-id
(navigium) monſ. 413. in dëmo veride (remigando) ibid.
396; vielleicht mër-id (coena) oder iſt es ein -ad? N. 80,
17. hat ze ſînemo mërcde, der nom. könnte auch ſein:
mer-idi? — agſ. und altn. bekennen ſich heáf-od und
höf-uð zur uþ-form. — mhd. houb-et, nicht umlautend,
wie die verba -ouben (1, 951, 11.); mër-d (coena)? vgl.
fragm. belli 981, wurzel ſcheint mërn (imbuere, tingere). —
nhd. haup-t, haup-tes f. haub-ed, im 16. 17. jahrh. zuwei-
len heup-t, heub-et, nachwirkung des umlauts. — nnl. hôf-d.


δ) ſtarke neutra auf -iþi,
im goth. agſ. altn. keine; im ahd. das i nicht geſichert,
da es durch aſſim. aus -adi erwachſen kann (wie pil-idi
aus pil-adi); ich kenne nur folgende vier: hem-idi (in-
duſium) jun. 226; junk-idi (foetus, pullus) monſ. 351. 395;
ki-mahh-idi (par conjugum, ein paar) monſ. 388. 395 **);
ki-ſem-idi (agmen) doc. 215a; nach dem mhd. zu ſchließen,
muß es noch andere gegeben haben. — mhd. hem-ede;
ge-jeg-ede (venatio) Nib. Triſt. verkürzt ge-jei-de; jung-
ede (pullus) Mar. 27. Rud. weltchr.; ge-lüb-ede (votum)
Triſt.; ge-mæl-de (pictura) Wigal. 8306. Geo. 58a ſchmiede
583, verſch. von ge-mæl-de in hant-ge-mæl-de Parc. z.
169. das mit dem altſ. hand-mahal (Hickes gr. agſ. 117.)
und dem gerichtl. hand-mâl (Oberl. v. hantgemahl) zuſ.
hängt; ge-ſchef-ede (negotium) Triſt. (Müll.) 4382. 5049.
17037 ***); ge-ſwiſter-de (frater ſororque) Parc. 14232 †);
treg-ede, ge-treg-ede (was getragen wird, victus, com-
meatus) troj. 19297. 23472. MS. 2, 207b 233b cod. pal.
361. 70a livl. 96b, verkürzt ge-trei-de. — nhd. ge-bäu-de
(aedif.); ge-bräu-de; hem-de; ge-höf-te (complexus aedium)
f. ge-höſ-de; ge-lüb-de; ge-mäch-te, eh-ge-mäch-te (con-
juges), nur provinziell, aber das ahd. wort, alſo f. ge-
mäch-de; ge-mæl-de; ge-ſchäf-te, ge-ſchäf-t (negot.),
[249]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
welches oben ſ. 197. nicht anzuführen war, da es unorg.
f. ge-ſchäf-de ſtehet; ge-trei-de (frumentum). — Da die
ſonſt parallelen neutra den ableitungsconſonanten aus einem
einfacheren ſubſt. erhalten, z. b. das nhd. gevögel, ge-
zimmer, gedärm, geſtirn, geklüft ſein l, r, m, n, t ſchon
in vogel, zimmer, darm, ſtern, kluft hat, ſo fragt ſich,
ob auch unſere neutra ein, nicht nachweiſliches, einfa-
cheres ſubſt. vorausſetzen? z. b. hemidi, junkidi, kiſemidi
ein hemid, junkid, ſemid oder hamad, junkad, ſamad?
vgl. das nhd. fem. jag-d mit ge-jeg-ede.


ε) ſchwache maſculina,
ahd. hruom-ido (arrogantia) ruam-ido gl. vindob.; irr-ido
(error) T. 145. 215, 3. N. 48, 14. 59, 3. 64, 4; juhh-ido
(prurigo) jun. 226. doc. 221a; prunn-ido (odor ignis) monſ.
342; ſueb-ito ſ. ſueb-ido (ſopor) blaſ. 9b; ſuër-ido (dolor)
ſuër-do N. 40, 4; vûl-ido (ſpurcities) T. 141; will-ido,
wull-ido (nauſea) jun. 215. hrab. 957a. Doch ſchwankt
es in -ado, vgl. irr-ado (ſcanda-lum, impedimentum) monſ.
361. 388. und -ido könnte aus dem aſſimilierten gen. irr-i-
din f. irr-adin auf den nom. übertragen worden ſein? gl.
doc. 244a haben will-ôd f. will-ido und monſ. 333. 384.
maga-piƷ-ado, 357. maga-piƷ-ido (ſyncope, tortura). —
mhd. das einzige ſwër-de (dolor) und dies nur im vater-
unſer 3286. 4041. 4739. —.


ζ) ſchwache feminina dieſer form ſcheinen zu man-
geln, doch ſchweiſt das ahd. -ida zuweilen in ſchwache
decl. aus, vgl. ſelidûn (tabernaculo) K. 17b 53a miltidûn
(miſericordiam) T. 22, 12. —


2) adjectiva der ableitung -iþ finde ich keine *); an-
deres ſind die part. praet. erſter ſchw. conj. auf -iþs. —


3) verba ſehr wenige und lediglich zweiter ſchwacher
conj. ahd. houp-itôn (habere caput) f. houp-idôn; luſt-idôn
(delectari) K. 41a un-luſt-idôn (taedio affici); ſel-idôn (in do-
mum recipere) N. 131, 5; ziug-idôn (enutrire) N. 54, 23, von
den ſubſt. houpit, luſtida, ſelida abgeleitet. Folglich wird
auch wim-idôn (ſcatere, ebullire) monſ. 320. 345. 350.
doc. 237b für ein ſubſt. wim-ido oder wim-ida (ſcaturigo)
zurückbeweiſen [die ſchreibung wimidôn ziehe ich lieber
der aus wiumman (ſcatere) jun. 225. und wiomente
(ebulliens) doc. 244b gefolgerten wiomidôn (1, 878.) vor,
da das nhd. wimmeln für jene ſpricht. Dunkel bleibt
[250]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
noch vig-idôn (aemulari, zelare); wenn man es auch f.
vij-idôn nehmen will (1, 188.), muß immer ein bedenk-
liches ſubſt. vij-ida (zelus) nachgewieſen werden. Uebri-
gens ſind noch viele aus ſubſt. dieſer form fließende ähn-
liche verba denkbar. Mhd. gelten houb-eten (Rud. welt-
chr.) ent-houb-eten (decollare); nhd. ent-haup-ten, be-
haup-ten.


[Uþ] gar nichts gothiſches wäre hier anzuführen, wenn
nicht die ſonderbare bildung ajukduþ erwägung forderte,
deren ſich Ulf. in der redensart ïn ajukduþ (εἰς τοὺς αἰ-
ῶνας
, εἰς τὸν αἰῶνα, abwechſelnd mit: und áiv, du áiva,
du áivam, ïn áivins) bedient, der nom. ſcheint ajukduþs
oder ajukduþ (aeternitas). Mehrere ableitungen ſtoßen
darin zuſammen, von ajuk wird unten beim K die rede
ſein, -duþ halte ich für das lat. -tud in longitudo, pul-
critudo etc. wiewohl die lautverſchiebung nicht zutrifft.
Vielleicht iſt in beiden ſprachen ein fehler, nämlich das
lat. -tud ſtehet für -tut, das goth. -duþ für -þuþ? letz-
teres ſehr ſtatthaft, da þ inlautend gerne zu d wird, ja
der gen. von ajukduþs, wenn es fem. wäre, wahrſchein-
lich ajukdudáis lauten, d. h. zwei unorganiſche d zeigen
würde. Unſer wort enthält eine geminierte ableitung,
der ableitende conſonant iſt zweimahl, obgleich in ver-
bindung mit verſchiednen vocalen, geſetzt. Beſtätigung
für das lat. -tut hole ich aus dem analogen -tut in ju-
ventutis ſo wie aus -tat in aetatis, novitatis etc. (juventus,
aetas, novitas für juventuts, aetats, novitats); wie die
romaniſchen ſprachen joventut, etat, novitat in joventud
etad, novitad (und gar -dad) verſchoben, hatte ſich ſchon
im latein. früher -tuto in -tudo abgeſchliffen. Läßt ſich
meine conjectur billigen, ſo lautet die volle organiſche
form von ajukduþ, ajuk-aþ-uþ. Dieſem merkwürdigen
wort ſteht nur das gleich anzuführende gamáindáiþ zur
ſeite. Der adverbialiſche gebrauch ſcheint ajukduþ län-
ger geſichert zu haben. Die ſpäteren deutſchen ſprachen
haben gar nichts mehr übrig von dem goth. -þ-uþ,
-þ-áiþ, (wohl aber kennen ſie das goth. -þ-iþ, lat. -t-it,
vgl. die ſchlußbem. zu dieſem cap.); im latein waren
-t-ut, -t-at, ganz häufig.


Einfache -uþ finden fich in dem agſ. heáf-od f. heáf-
-oð und altn. höf-uð (caput). Die agſ. o ſind zweideutig,
ſie können = u ſein, oder = ô; ich weiß nicht wohin al-
oð (cereviſia) gehört; fal-ud (ovile) f. fal-uð ſchwankt in
[251]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
fal-ed (vgl. jun. 405). Ob das ahd. ſalz-utî (ſalſugo,
ſalina) pl. ſalz-utinâ monſ. 337. 327. 349. für ſalz-udî ge-
nommen werden darf? fordert erſt beſtätigung. Adj. die-
ſer form ſind ahd. nahh-ut f. nahh-ud (goth. mit a naqv-
aþs), agſ. nac-od f. nac-oð, altn. nak-tr f. nak-aðr oder
nök-uðr?; agſ. ëarſ-oð (aerumnoſus) vielmehr ëarf-ôð?;
vëor-od (dulcis), ähnliche habe ich, ihres ſchwankens in
-ed wegen, vorhin ſ. 230. beigebracht.


[AIþ] zu dieſer noch ſeltneren ableitung bekennt ſich
zuvörderſt das goth. ga-máin-dáiþ-s (κοινωνία) Philipp.
3, 10, verſch. von ga-máiu-þs (ἐκκλησία) Neh. 5, 13, beide
fehlten dem C. A. Das letztere aber beſtärkt meinen
zweifel gegen die media in erſterem, welches organiſch
ga-máin-þáiþs heißen ſollte. Die gründe ſind vorhin bei
ajukduþs entwickelt worden; volle form wäre ga-main-
aþ-áiþs und ſie ſtimmt conſonantiſch zum lat. com-mun-
it-a(t)s *). Das ahd. ki-mein-ida wäre ein goth. ga-
máin-iþa.


Einfaches -áiþ hat das goth. arb-áiþs (labor) das ich
bloß aus arb-áid-jan (laborare) Matth. 6, 28. Luc. 5, 5.
folgere, und daß hier wiederum þ organiſch ſei, lehrt
das agſ. ëarf-ôð (laborioſus) und das altn. neutr. erf-iði
(labor) Edd. ſæm. 141a**). Das ahd. arap-eit (labor)
muß alſo für arap-eid ſtehen, mhd. areb-eit, arb-eit,
nhd. arb-eit (in volksdialecten mit richtigem gefühl des
wurzel und ableitungsvocales arb-et, erb-et, wie em-eße
ſtatt des am-eiße der ſchriftſprache, vorhin ſ. 221. — Ein
drittes hierher gehöriges wort ſcheint das ahd. vuotar-
eidî (auctrix, l. altrix, nutrix) doc. 251, von vuotar
(nutrimentum), ich weiß aber nichts ähnliches in den
andern ſprachen.


[EEþ, EIþ] es iſt nicht ganz ſicher, wie man den langen
vocal in den goth. ableitungen fah-êþs (gaudium) gen.
[252]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
fah-êdáis, dat. fah-êdái, Marc. 4, 16. Luc. 1, 14. Joh. 15,
11. 16, 21, 24; av-êþi (ovile eig. ποίμνη) Joh. 10, 16, zu
nehmen habe, für parallel dem ahd. â oder î? Er wech-
ſelt mit ei: fah-eid Luc. 2, 10. fah-eidái Luc. 8, 13, wie
veiſun, ſeiþs f. vêſun, ſêþs (1, 36. 844.) ahd. wârun, ſât und
vgl. altn. fagnaðr, das wohl fagnâðr war (unten ſ. 255).
Da aber auch goth. ê in i übergeht (ſpillê, ſpilli) und ei
mit i vertauſcht wird (gabeigs, gabigs), ſo verdient das
ahd. î rückſicht. Ich wüſte nun für hd. ableitungen -âd kaum
etwas vorzubringen (denn die ſ. 233. 235. abgehandelten
âd, âda entſpringen aus ah-ad), es wären denn die mhd.
femiuina wëhſel-ât (viciſſitudo) marter-ât (martyrium),
wie ſie in der nikolsburger hſ. des (nicht von Rud. ge-
dichteten) paſſionals ſtehen *) und etwa den fremden wör-
tern trinitât, nativitât etc. analog gebildet ſcheinen. Mehr
gewicht für goth. ei = ahd. î hat hier das ahd. ouw-îti
(caula) doc. 227b ew-ît, ew-îti (ſo l. für eutti) grex, T.
6, 1. 53, 9. nämlich ouw, ew verhalten ſich zum goth.
av (die leſart aiveþi iſt ganz falſch) wie houwi, hewi zu
havi; daß ouwîti, ewîti f. organ. ouwîdi, ewîdi ſtehe, be-
weiſt das goth. þ. Auch ſchwanken die agſ. ëov-ed,
ëov-od, eov-ð (grex, ovile) zwiſchen d und ð, die be-
ſchaffenheit des agſ. vocals e, o wage ich nicht zu be-
ſtimmen.


[OOþ] dieſe ableitungen ſind wieder zahlreicher; der
ahd. vocal ſchwankt zwiſchen ô und uo, der agſ. zwi-
ſchen ô und â (oder iſt auch kurzes o, a ſtatthaft?)


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina
goth. mên-ôþs (menſis) und nach dritter aúhj-ôdus (tu-
multus) f. aúhj-ôþus; ga-baúrj-ôþus (voluptas). —


ahd. ziemlich viele, doch kann ich nicht für alle das
geſchlecht ſichern, einzelne gelten bei verſchiednen ſchrift-
ſtellern neutral, auslautend wird zumahl ſpäter ein unorg.
-t ſtatt -d geſchrieben, alle bedeuten handlungen, zu-
ſtände, nie perſonen (wie die auf -id): arn-ôd (meſſis)
N. 88, 36; chepiſ-ôd (pellicatus) monſ. 322; chërr-ôd
(ſtridor) doc. 205b; chizil-ôd (titillatio) monſ. 413; chlak-
ôd (querimonia) der gen. chlag-idis N. 101, 28. iſt aſſimi-
liert; drâſ-ôd (ſternulatio) doc. 208b ſteht für drâhiſ-ôd;
[253]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
ellin-ôd (aemulatio, certamen) für eljan-ôd, jun. 196. K.
59a wo der überſetzer aemulationis f. aemulationes an-
nahm; halftan-ôd (medium) monſ. 335. T. 79. 114; han-
tal-ôd (manus immiſſio) decr. Taffilonis XV; heiliſ-ôd
(augurium, oſcen, omen) monſ. 330. zwetl. 127b; inn-ôd
(viſcus, eris) jun. 231; karmin-ôd, germin-ôd (incantatio)
monſ. 333. doc. 213b; koukal-ôd (faſcinatio) fr. or. 1, 939;
lîhhiſ-ôd (diſſimulatio, fictio) K. 40a; mân-ôd (menſis);
mêr-ôd (augmentatio) K. 43a doc. 203b blaſ. 96b; mittil-ôd
(medium) K. 30a T. 75; murmul-ôd (murmuratio) mur-
mulôdî K. 42a 44b iſt acc. pl., murmulôdin K. 44b dat.
pl., da K. âno beides mit acc. und dat. verbindet, der
dat. ſg. murmulôde K. 25a beweiſt das maſc.; niuw-ôd
(innovatio) N. 29, 1; opfar-ôd (ſacrificium) monſ. 401.
kommt neutral vor; pill-ôd (rictus) ſo ändere ich nach
boxh. das ſinnloſe rutus jun. 191. oder rugitus?; pëtal-
ôd (mendicatio) N. 106, 10; ërd-pib-ôd (terrae motus)
N. 34, 16; pipin-ôd (tremor) N. 54, 6; rîhhiſ-ôd (impe-
rium) monſ. 404; hôh-ſank-ôd (pſalmus) N. 146, 1; ſcu-
tiſ-ôd (trepidatio) monſ. 404; ſind-ôt f. ſind-ôd (comiratus)
aug. 117b; hant-ſlak-ôd (plauſus) monſ. 410; hërze-ſlag-
ôd (pavor) N.; ſcrei-ôd (clamor) N. 143, 14; ſpil-ôd (ex-
ultatio) ſtro-pal-ôd (horror) doc. 273b monſ. 362; ſtun-ôd
(hoſtorium? zwetl. 124a, ſuſpirium, ſtöhnen?); ſûſt-ôd
monſ. 326. doc. 237b N. 11, 6. 30, 11. 78, 11. 101, 5, 20;
ſuintil-ôd (vertigo) jun. 179. 193. monſ. 334; takar-ôd
(crepuſculum)? jun. 187. 194. monſ. 327. hrab. 956b, eine
gewagte muthmaßung, die hauptſächlich davon abhängen
wird, daß ſich ein verb. takarôn (luceſcere) nachweiſen
laße *); trëtt-ôd (preſſura) N. 55, 2; trukan-ôd (apocry-
phum) monſ. 331. doc. 239b; vokal-ôd (ancupium) monſ.
322; ſëlp-walt-ôd (privilegium) jun. 222; wann-ôd N. 24,
21; wëhſal-ôd (talio) jun. 252; wëdan-ôd (? venale) ver-
ſtehe ich nicht, monſ. 410. der pl. wëdanôdî (venalia);
wein-ôd (planctus) jun. 203. monſ. 397. N. 29, 12; wëk-
ôd (interceſſio) hrab. 979b monſ. 403; wëll-ôd (fluctuatio)
[254]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
N. 54, 23; wërm-ôd (abſinthium)? vgl. oben ſ. 61, gehört
vielleicht anderswohin, da gl. monſ. 414. den pl. wër-
môtâ ſchreiben, nicht -ôdâ, ô-dî; will-ôd (nauſea) monſ.
322. doc. 244a, ſonſt mit andrer ableitung will-ido, wull-
ido; wintem-ôd (vindemia) W. 8, 11. undeutſch und
bloß der deutſchen bildung angepaßt; wiſpel-ôd (ſibilus)
doc. 244b; kaſt-wiſſ-ôd (diverſorium) monſ. 337, mit an-
drer ableitung kaſt-wiſſ-ida, weiblich, man ſollte wîſ-ôd,
wîſ-ida, oder wiſt-ôd, wiſt-ida (von wiſt, oben (ſ. 200.)
vermuthen?; wiƷƷ-ôd (lex, teſtamentum) O. I. 14, 4. V.
8, 71, bei andern neutral?; zëſſ-ôd (fervor) monſ. 344;
es muß noch viele dergl. gegeben haben, nur nicht bei allen,
namentlich enthält ſich O. (von mânôd, wëgôd und wiƷ-
Ʒôd abgeſehen) ihrer ganz. Meiſt folgen ſie vierter decl. (mit
dem pl. -î) doch kommt auch nach erſter vor: wegôdâ hrab.
979b ſûſtôda N. 17, 5. wermôda (?) und mânôd hat wohl
überall mânôdâ, nicht mânôdî. Wichtiger iſt uns hier
zu betrachten, welcher ſtamm dieſen ableitungen zu
grunde liegt. Den meiſten ſichtlich ein verbum zweiter
ſchwacher conj., vgl. chlakôn, hantſlakôn, hôh-ſankôn,
zëſſôn, pibôn und zumahl viele auf -alôn, -ilôn, -anôn,
-arôn; alle ſubſtantiva mit -iſ-ôd (chepiſôd, drâhiſôd,
heiliſôd, lîhhiſôd, rîhhiſôd, ſcutiſôd) ſtammen aus verbis
-iſôn. Bringen ſie alſo das ô daher mit und gibt es keine
characteriſtiſche ableitung -ôd? Ich nehme dennoch letz-
teres an, theils weil die den ſubſt. -iſôd analogen -iſal
(oben ſ. 106.) gleichfalls aus verbis -iſôn herrühren und
das ô dem vocal a der neuen ableitung weicht, folglich
das ô in ôd unabhängig vom ô in ôn ſein kann; theils
weil einige der angeführten ſubſt. nicht auf ſchw. verba
-ôn zuruckgebracht werden dürfen, namentlich mânôd,
wiƷƷôd, vielleicht auch waltôd von waltan? (oder gilt
ein ſëlpwaltôn?) —


agſ. dar-ôð (haſta); fiſc-ôð (piſcatura); fugel-ôð (an-
cupium); folg-ôð (ſequela) hunt-ôð (venatio); häftn-ôð
(captivitas); inn-ôð (viſcus); môn-ôð (menſis); var-ôð
(littus). Offenbar ſind ſie ſeltner als im ahd., man merke
1) hänfig wird a für o gefunden, d. h. â für ô (wie in
der zweiten ſchw. conj. 1, 906.) z. b. dar-âð, fiſcâð, mô-
nâð, huntâð etc. 2) einigen pflegt unorg. n einzurücken,
z. b. hunt-n-âð (venatio) fugel-n-âð (aucup.) fiſc-n-âð (piſ-
catio), welche tadelhaft ſind, da ſich kein verbum huntnjan,
fiſcnjan weiſen läßt, wie zu häftnâð allerdings ein häftnjan.
Dieſes n-ôð vergleicht ſich dem falſchen n-ei, n-î (oben
ſ. 96. 97.) dem falſchen n-ede (ſ. 247.), dem n-iſſi und ähnl.
[255]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
abirrungen. 3) von verbis auf ſjan (ahd. -iſôn) finde ich
ſolche ſubſt. nicht gebildet, z. b. kein ricſôð (imperium)
hælſôð (augurium). 4) beſtändig wird ð geſchrieben,
aber vermôd (abſinthium) welches gegen das vermuthete
ahd. wërmôd ſtreitet, wie denn auch ahd. wërmôt ſtehet.


altn. in dem einzigen arm-ôðr (penuria) hat ſich der
organ. vocal bewahrt, die übrigen haben -aðr: bûn-aðr
(inſtrumenta); darr-aðr (haſta); fagn-aðr (gaudium); hern-
aðr (militia); jaſn-aðr (paritas); koſtn-aðr (ſumptus);
lifn-aðr (vita); mân-aðr (menſis); mëtn-aðr (honor);
ſafn-aðr (coetus); ſkiln-aðr (divortium); ſparn-aðr (par-
ſimonia); trûn-aðr (fidelitas) u. a. m. Alſo ſtatt des goth.
ahd. ô hier ein a, das früher â geweſen ſein könnte, wie
in der zweiten conj. (1, 924), jetzt aber kurz iſt, da es
in u überſchwankt: fögn-uðr, mân-uðr, jöfn-uðr, ſöfn-
uðr, dörr-uðr. Von den org. kurzen -aðr, z. b. mark-
aðr (nundinae) ſind ſie ſchwer zu unterſcheiden. Wie
im agſ. unorg. n-aðr in hernaðr, koſtnaðr, ſparnaðr,
ſkilnaðr etc. weil ſich kein verbum herna, koſtna, ſparna,
ſkilna etc. wohl aber fagna, jafna, lifna, mëtna, ſafna
nachweiſen läßt; mit fagnaðr vgl. goth. fahêþs (ſ. 252). —


mhd. mangeln (wie ahd. bei O.) faſt alle dieſe maſ-
culina, doch mân-ôt, -ôdes (menſis) beſtehet, ſogar mit un-
verdünntem abieitungsvocal, wie es bei vereinzelten bil-
dungen pflegt; mânôt reimt noch: rôt, tôt, nicht mânet:
ânet. Geſchwächte endung haben: nutz-et (utilitas) Parc.
23178, das aber erſt beßeren beweis fordert (ahd. nuz-
ôt? von nuzôn O. I. 5, 80.) und lium-et (fama) gen. liu-
medes? troj. 179c 180a Triſt. 15398. 15404, das für lium-
ent (ahd. hlium-unt, lium-unt, nhd. leum-ùnd) geſetzt
iſt, folglich nicht hierher gehört. —


nhd. mon-àt (menſis); zier-àt (ornamentum) doch
kenne ich kein ahd. zior-ôd, vielleicht dachte man ſich
zier-rath (wie haus-rath)? einige ſchreiben zier-art; und
kommen wermuth, wißmuth (das metall) hier in betracht?
vgl. hernach -ôti. Die ſchweizerſprache hat viele echte
maſc. auf -et bewahrt, wovon die beiſpiele dial. p. 214 —
216, auch der bedeutung wegen, nachgeleſen werden
müßen.


engl. dar-t (haſta) f. dar-th; mon-th. —


β) ſtarke feminina der ôþ-form
gibt es beinahe nicht, neben ſo vielen maſculinis (wäh-
rend umgekehrt der weiſe ſprachhaushalt reichlichen
[256]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
fem. der iþ-form zur ſeite faſt keine maſc. duldet); goth.
weder ein fem. auf -ôþa, noch -ôþs, noch -ôþi. Auch
ahd. kein -ôda, doch ſcheint doppelter misgriff ein -ôdî
herbeigeführt zu haben. Man nahm das organ. neutr.
aram-ôdi (paupertas) für ara-môdi, ara-môti, d. h. für
ein compoſ. mit muot und ſetzte es nun ähnlichen fem.
zweiter decl. gleich, die aus adj. mit -muoti (animatus)
entſpringen. Z. b. die adj. vaſt-muoti (conſtans) dio-
muoti (humilis) ein-muoti (concors) luzil-muoti (puſilla-
nimis) mihhil-muoti (magnanimus) heiƷ-muoti (iracundus)
laßen aus ſich ebenſoviel parallele fem. vaſt-muotî (con-
ſtantia) dio-muotî (humilitas) etc. ziehen. Das fehlerhafte
von ara-muotî (paupertas) monſ. 336. O. II. 16, 3. III. 3,
28. 20, 81. fließt ſchon aus der abweſenheit eines adjecti-
viſchen ara-muoti; was ſollte es auch bedeuten? Inzwi-
ſchen begegne ich wirklich zuweilen der ſchreibung arm-
muati (O. III. 20, 81. cod. vind.) wodurch die echte ab-
leitung völlig verfinſtert und ein ganz neues compoſ. er-
zeugt wird; auch N. wagt 68, 30. (nicht arm-muote, ſon-
dern) arm-muotig (pauper) und davon arm-muotigî (pau-
pertas), aber 71, 2. ſtehet armuotig. Das zweifache m
iſt verwerflich, wie ein altn. armmôðr f. armôðr ver-
werflich wäre. — Mhd. treten die bildungen -muete aus
der zweiten in die vierte decl., und nach den nom. die-
muot, über-muot bildete man auch einen nom. ar-muot,
gen. armuete. Mittlerzeit hatte man aber noch ein an-
deres org. neutrum -ôdi auf demſelben wege ins fem.
verwandelt, das ahd. heim-ôdi (patria) erſt in heimuoti,
heimmuoti, hein-muete, endlich in hein-muot Barl. 310,
6. 371, 36. 372, 7. Nib. 5520, wiewohl hier die wurzel
nauot noch weniger ſinn gibt, als in ar-muot. Maria 50.
noch heim-ôde: brôde aber weiblich. — Nhd. iſt ar-muth
auf dem fuß von dê-muth, groß-muth geblieben (nur
die volksſprache hat oft das richtigere arm-et, erm-et,
erm-edei), heimuth wieder aufgegeben, man ſagt heim-
àt (volksſpr. heim-et, hâm-et) wie zier-àt. Zweiter decl.
folgen das mhd. ein-œte Barl. 372, 37. Triſt. 1274. nhd.
ein-œde.


Außer dieſen entſtellten formen ſind noch zu erwäh-
men: ahd. manak-ôtî (manus? copia?) monſ. 343, ſchwer-
lich plur. maſc. (f. manakôdî), ob der nom. ſg. -ôt oder
-ôtî lautet? vielleicht manak-ôti neutral?; mhd. gegen-
ôte (regio, wie franz. contrée, ſpan. contrada) das ſicher
fem., aber nur livl. 57b zu leſen iſt, mnl. jeghen-ode,
[257]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
vgl. Huyd. op St. 3, 434. es iſt das nhd. gegen-d. — Agſ.
hat ëarf-ôð (labor, moleſtia) dieſen ableitungsvocal (ſt.
goth. ái, ahd. ei); einige andere agſ. ôð oder uð, oð?
entſprechen ahd. -und (wie mûð, cûð = mund, chund)
namentlich dug-ôð (virtus) gëog-ôð (juventus) engl.
you-th.


γ) ſtarke neutra
goth. vit-ôþ (lex) ahd. wiƷ-ôd J. 357. N. 21, 30. 47, 10.
68, 22. 103, 3, 15. (niederd. pſalm. 70, 4. f. wit-at zu leſen
wit-ath), bei O männlich, wogegen andere vorhin ange-
führte maſc. zuweilen neutral ſtehen, z. b. vûhtaƷ ophr-
ôd monſ. 407. Das altn. hêr-að (tribus) glaube ich ſteht
für org. hêr-ôð, vgl. ahd. hêr-ôti; im freckenh. denkm.
p. 13. das neutr. hunder-ôd, nhd. das hunder-t. — Neu-
tra zweiter decl.: ein goth. háim-ôþi (praedium avitum)
iſt nur zu beweiſen, wenn man den pl. háim-ôþaja Marc.
10, 29. in háim-ôþja emendiert, wo es nicht nach Zahns
guter bemerkung heißen muß háim-ôþlja, ſg. háim-ôþli
(ahd. heim-uodali?). Jenes unterſtützt jedoch das ahd.
heim-ôdi N. 40, 3., mhd. heim-ôde (oder heim-œde?
Herb., heim-ôte cod. pal. 361, 18b, bei ſpäteren heim-uete
Flore 26a, woraus ſich das fem. heim-uot, hein-muot
entwickelte, vgl. Bit. 57a 121b. Ein ahd. aram-ôdi (pau-
pertas) wird ſich vielleicht auffinden laßen, da noch Roth.
41b von deme armôde und Triſt. 4454. arm-uetes. Un-
bedenklich ſind das ahd. ein-ôti (ſolitudo) O. I. 23, 7. V.
21, 42. und hêr-ôti (dignitas), zweifelhaft manak-ôti (?mul-
titudo) monſ. 343.; in allen ſtünde -ôti f. -ôdi; beide letztere
mhd. mangelnd, erſteres weibl. geworden; — klein-œde (res
pretioſa) lautet mhd. richtig um, Wilh. 3, 456b: brœde,
die texte geben oft -ôde (Parc. 14869. 15512.), Ottoc.
reimt klein-ât: wât (631a etc.), klein-et Gudr. 14a, nhd.
klein-òd, ahd. vermuthl. chlein-ôdi, -ôti. — W. 3, 10.
ſcheint mittel-ôde neutral zu brauchen ſtatt des vorhin
angeſetzten maſc. mittil-ôd.


δ) ſchwache maſculina
ahd. hol-ôdo (foramen) doc. 219b wo der gen. holôdin, ſo
daß man ſchwerlich hol-odo f. hol-ado, hol-ido anneh-
men darf; maka-piƷ-ado (tortura, magenweh) monſ. 333.
384. für piƷ-ôdo? oder für piƷ-ido, wie daſ. 357? —
das agſ. të-ôða, altſ. tëg-ôtha (decima) ſteht f. ahd. zëh-
undo, nhd. zeh-ente, wie vorhin dug-ôd f. tug-und.


ε) ſchwache feminina, nur das altn. arm-œða (pau-
pertas). —


R
[258]III. conſonantiſche ableitungen. þ.

2) adjectiva,
goth. baj-ôþs (ambo) Luc. 5, 38., das ahd. pê-dê ſcheint
entſprungen aus pê-ôdê, vgl. 1, 765; wëk-ôd, wëg-ôd
(intercedens) O. IV. 9, 63? ſcheint mir der conſtruction
nach ſehr wohl für das vorhin angegebene ſubſt. inter-
ceſſio genommen werden zu dürſen. —


3) verba
dieſer ableitung bietet bloß die zweite ſchw. conj. und
zwar aus maſc. der ôþ-ſorm, belege weiß ich nur ahd.
für mittil-ôdôn (mediare) K. 48b und ſpil-ôdôn (exultare)
ludw. lied. Sofern nun jenen maſc. ſelbſt ſchon ſchwache
verba unterliegen, müßen die verba zweiter ſtufe eine
kenntliche modification des begriffs ergeben, vgl. ſpil-ôn
(ludere) ſpil-ôdôn (exultare), aber wie wäre mittil-ôn,
das ich ahd. nicht nachweiſen kann, unterſchieden von
mittil-ôdôn? oder wie ſcutiſ-ôn (tremere) von ſcutiſ-
ôdôn? Es gebricht an hinreichenden beiſpielen dieſer
bald ausſterbenden form, um ſchranken und lebendige
bedeutung des ſprachgebrauchs zu erfaßen.


anmerkungen zu den þ-ableitungen überhaupt.

a) viele ableitende þ lagen verſteckt, d. h. die unter-
ſuchung muſte ihr unwurzelhaftes weſen offenbaren, ſo
ſind nât, ſât, vluot, nôt, nâdala, mâdâri, ruodar und ähn-
liche mehr verſtändigt worden aus nâh-ad, ſâh-ad, vluoh-
ad, nôh-ad, nâh-adala, mâh-adâri, ruoh-adar. Meiſt
habe ich h als die weggefallene ſpirans aufgeſtellt; es
kann aber nach verſchiedenheit der mundart auch v und
j ausgeworfen ſein, vgl. die agſ. blôv-an, rôv-an, mhd.
bluej-en, ruej-en; ſeltner ſcheint hier ſ, doch vgl. hvëó-
ða mit hvëóſ-an, d. h. es entſpringt aus hvëóſ-ða,
hvëóſ-aða. Die ableitung þ hat es mit der ableitung m
(oben ſ. 145.) gemein, daß ſich hauptſächlich vor ihnen
die unterdrückung der wurzelhaften ſpirans ereignet,
bisweilen an derſelben wurzel bei beiden, wodurch ſie
licht aufeinander werfen. Aus der wurzel liuh-an
entſpringen die gleichbedeutigen liuh-ama (lëó-ma, lió-
mi) und liuh-aþ; aus teih-an die gleichbedeutigen teih-
ama (tî-ma, tî-mi) und teih-aþ (tî-ð, zî-t); aus kei-an
(germinare) kei-ma (chîm-o) und kei-aþs (chî-d) oder
war die wurzel keiſ-an, keiſ-ama, keiſ-aþs?; aus heiv-
an, heih-an hái-ms und hái-þi (praedium); aus ſái-an
[259]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
ſâ-mo *) und ſâ-had. Ferneres zuſ. halten beider wird
den blick ſchärfen. Alle verſteckten ableitungen -m und
-þ habe ich weder aufdecken können noch wollen; wie
manche jenen nachgewieſenen äußerlich gleiche wörter
(áiþs, ſáuds, biuds, gôds, un-lêþs, þiuda, ſleiþa; ahd.
nît, ſtrît, rôt, wât etc.) laße ich unangerührt. So oft
die form ablautet (wie wât von wëtan, nît von nîdan)
hat die wurzelhaftigkeit der lingualis mehr gewicht, aber
entſchieden und urſprünglich wird ſie damit noch nicht,
weil auch die ableitung ablautend werden kann (niuþan,
náuþ = niuhaþan, náuhaþ eben wie aírþan, arþ = aír-
aþan, araþ). Uebrigens verſteht ſich, daß der paralleliſ-
mus der ableitungen m und þ auch da hervortritt, wo
der wurzelconſonant nicht ausgefallen iſt, vgl. z. b. par-am
(gremium) ki-pur-d (generatio); vielleicht vol-ma (ma-
nus, f. val-ma?) mit val-dan (plicare). —


b) dem -þ (-d) in aþ, iþ, uþ etc. entſpricht gr. und
lat. tenuis: μέλι, μέλιτος, miliþ; ἱμάτιον, hemidi; dens,
dentis, tunþus; mors, mortis, maúrþr; ἕτερος, alter
(= anter), anþar, oþer; caput, capitis, haubiþ; notus
(gnotus) kunþs, cûð; fluctus, flôþus (flôhaþus); -τητ, -tat,
-tut ſind vorhin ſ. 250. 251. den goth. -þáiþ, -þuþ ver-
glichen worden, die ahd. -ôd ſind vergleichbar den lat.
-atus (meatus, latratus etc.). Und das verhältnis der þ
zu den m-formen erweiſt ſich ebenſo in fluctus, flumen
(ahd. vluot, vloum, vgl. ſ. 146.); lux (ohne lingualablei-
tung, wie nex, naúhts, náuhaþs) lumen, goth. liuhaþ,
liuma (liuhma); ſatus, ſemen (ſêþs, ſêma); tectum, teg-
men; ἐρετμός (ruodar), remus u. a. m. Welche lat. con-
ſonanten von den wurzeln gefallen ſind, bedarf erſt eig-
ner unterſuchungen, ſtammt flumen aus flucmen, flug-
men? ſemen aus ſeſmen (ſero=ſeſo)? Oft iſt in beiden
ſprachen nur eine der beiden ableitungen und zwar die
verſchiedene, vgl. ſutura mit ſoum.


c) wenn aber die deutſchen þ (d) den lat. t gleich
ſind, ſo folgt, daß die deutſchen verhärteten t in ft, ſt,
ht (ſ. 193. ff.) eigentlich und urſprünglich die nämliche ab-
leitung ſein müßen, die wir eben unter þ abgehandelt
haben. Hier zeigte ſich der ableitende conſ. lebendiger
und folgte der lautverſchiebung, die ſpirans der wurzel
R 2
[260]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
fiel oft weg; dort haftete der wurzelconſonant und mit
ihm verwachſen die alte lingualis der ableitung. Ein-
zelne wörter laßen ſich gleichgut an beiden ſtellen unter-
bringen, z. b. das ahd. lioht dort beim h-t, hier als h-ad
(wegen des goth. liuhaþ *) und chîſ-t, chî-di, chî-mo
(= chîſ-adi, chîſ-amo?) treten einander nahe. Das ſchwan-
ken der ſpirans ſ und h hilft mit erklären, pluo-mo,
pluo-t folgen aus pluoh-amo, pluoh-ad, aber bluoſ-t,
blôſ-ma aus blôſ-ad, blôſ-ama. Die verhärteten ft, ſt,
ht begegnen den m-ableitungen auf gleiche weiſe, z. b.
zuh-t dem zou-m (ſ. 146.) **). Neben chumft beſteht
das goth. gaqvumþs völlig gerecht. Einander verwandt
und doch verſchieden ſind die ahd. ableitungen ki-huh-t
und ki-huk-ida; erſterem gleicht das goth. ga-hug-þs
(= ga-haúh-ts) wovon ich nur den dat. gahugdái Marc.
12, 30. Luc. 1, 51. leſe.


d) wo die ableitungsvocale haften, zumahl alſo bei
denen auf iþ und ôþ, ſind die wurzeln leicht zu erken-
nen, einzelne wörter bleiben gleichwohl ſchwierig, z. b.
das ahd. hal-id, hel-id (vir fortis), das ich ſ. 29. zu nr.
314. gerechnet***) habe, etwa wie diup und latro auch
in edler bedeutung ſtehen, vgl. ahd. ſcëf-diup (tyro, pi-
rata), oben ſ. 49. mhd. ritter unde diep Parc. 232. Das
altn. halr (vir) ſcheint eben ſo zu deuten. Hemidi ſtammt
von himan nr. 566.; piladi von pîlan nr. 493.; framaþis
von friman nr. 568. Dunkel ſind viele, deren ableiten-
des a weggefallen iſt, z. b. gilþa (falx), gehört es wie
gulþ (aurum) zu gilan nr. 564? oder fällt mël-dôn (pro-
dere) zu milan nr. 560? fließt vaírþan (fieri) aus vaíran
nr. 572. oder viſan nr. 292? (vgl. 1, 1038).


e) zwiſchen dem -þ dieſer ableitungen und dem -þ
im praet. ſchwacher verba findet eine deutliche analogie
ſtatt, obgleich das -þ ſchon im goth. nur noch im nom.
des part. ſtand hält, inlautend zu -d wird (dáupiþs, ſalb-
[261]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
ôþs, habáiþs, gen. dáupidis, ſalbôdis, habáidis), desgl.
im praet. ind. (dáupida, ſalbôda, habáida) während es in-
lautend in verſchiedenen ableitungen haftet (in den fem.
auf -iþa) nicht in allen (háubidis, liuhadis von háubiþ,
liuhaþ). Organiſche form der praet. ind. ſcheint alſo
auch -iþa, -áiþa, -ôþa geweſen zu ſein. Das beſtätigt 1)
das lat. -t der part. lectus, auditus, amatus. 2) das -þ
des anomalen goth. kun-þa (novi) kun-þs (notus) nicht
kunda, kunds; ahd. chon-da, chun-d; agſ. cu-ðe, cu-ð
(cû-ðe, cû-ð?); altn. kun-ni, kun-nr. Hier iſt kein i
ausgeworfen, wie ich bereits 1, 853. richtig ſah, aber
vielleicht ein a (wie finþan, vaírþan = finaþan, vaíra-
þan) kunnaþa, kunnaþs? In ſcul-da, mun-da (1, 852.
gegen den C. A. munþa) hat ſich das þ ſchon in d ge-
ſchwächt, daher auch altn. ſculdi, mundi (nicht ſculli,
munni). In þaúrf-ta, môſ-ta, daúrſ-ta, ôh-ta, mah-ta,
áih-ta ſteht hingegen das uralte -t, für þaúrb-aþa, môt-
aþa, daúr-aþa, ôg-aþa, mag-aþa, aíg-aþa? viſ-ſa = viſ-
ta, für vit-aþa? 3) die ahd. praet. und part. fünfter
anomalie (1, 885.) chrâta, pluota, tâtun entſprechen ſicht-
bar den ſubſt. chrât, pluot, tât; da aber vorhin gezeigt
worden iſt, daß letztere f. chrâd, pluod, tôd ſtehen (be-
weis: chradum, nâdala, ruodar etc.) ſo folgt, daß auch
jene praet. früher lauteten chrâda, pluoda, tâdun, ſâda,
mithin goth. -þ hatten, wie die ſubſt. ſêþs etc. — Ver-
halten ſich dieſe annahmen richtig, ſo durfen viele no-
mina entw. mit uraltem ft, ſt, ht, oder mit organiſchem
-þ, oder mit geſchwächtem -d, für verbalia erklärt wer-
den, d. h. für entſprungen aus praeteritiviſchen -þ (lat.
t-) der ſchwachen conjugation. Hiervon und von ſubſt.
oder adj. der n-form, die mit verbalem -n der ſtarken
conj. zuſ. hängen, handle ich weiter unten. Es gibt aber
außer dieſen verbalien, die ich verborgene, ungefühlte
nennen möchte, ſubſtantiva und zwar weibliche die fühl-
bar von part. praet. ſchwacher conj. hergeleitet werden
müßen, allein bloß im ahd. dialect. Nämlich wie er fem.
auf -anî bildet (oben ſ. 161. 162.), hat er auch fem. auf
-itì, -ôtî, -êtî. Warum ſind ſie jedoch viel ſeltner? ich weiß
nicht mehr als folgende: un-var-dew-itî (indigeries) K.
43b; ir-pur-itî (tumor); monſ. 384. ein-vleiƷ-ti (ſagina)
monſ. 412. f. ein-vleiſc-itî? vielleicht ein-veiƷ-iti? vgl.
veiƷ-ten (ſaginare) Vrîg. 18a; er-wel-itî (electio) K. 56b;
nam-ôtî (nominatio, invocatio) von namôn, nam-âtî O.
II. 23, 51. [wie thionâta, korâta 1, 879.] aſſim. nam-itî O.
I. 9, 27; upar-vankal-ôtî (exceſſus) monſ. 374. 387; ki-
[262]III. conſonantiſche ableitungen. þ.
peƷir-ôtî (aedificatio) monſ. 350; vir-wëhſal-ôtî (viciſſi-
tudo) monſ. 368. (wo der gen. ſg. -ôtî, -tudinis); ki-
haſn-êtî (linitio) monſ. 357; terhin-êtî (color) monſ. 389.
vir-terhin-êtî (praetextus) monſ. 374. 387. Dieſe fem.
-itî, -ôtî, -êtî (obwohl urſprünglich -idî, -ôdî, -êdî) ſind
den vorhin abgehandelten bildungen -ida, -ôd ungleich,
in welchen kein participiales -t fühlbar iſt, daher auch
nicht die characteriſtiſchen conjugationsvocale auftreten.
Einzelne wörter mögen aber zweifelhaft ſein, z. b. uparvan-
kalôtî dürfte auch genommen werden für den pl. maſc.
von uparvankalôd.


f) noch einiges über die ſchwächung des þ in d (ahd.
d in t). Sie tritt oft in den verſchiednen erſcheinungen
eines wortes ein, vgl. 1, 252. 408. 867. ahd. wërdan,
wurtun; mîdan, mitun. Gerade ſo altn. finna, part. fun-
dinn (nicht funninn) = ahd. vindan, vuntan; goth. ſinþs
und ſandjan, altn. ſinn, ſenda, ahd. ſind, ſentan. Hier
ſtimmen die dialecte, aber es hat auch einer, was der
andere nicht, z. b. goth. dáuþus (mors) dáuþs (mortuus),
altn. dauði (mors) dauðr (mortuus); hingegen ahd. tôd
(mors) tôt (mortuus), agſ. deáð (mors) deád (mortuus),
nhd. tôd, tôdt, engl. death, dead, eine vielleicht nütz-
liche, aber unorg. unterſcheidung, noch tadelhafter iſt
O’s tôd und dôt (1, 157.) wiewohl IV. 36, 16. bei vor-
ausgehendem s tôtêr ſtehet. In allen dieſen und vielen
ähnlichen wörtern iſt -þ (-d) die urſprüngliche ableitung.
In andern nehme ich aber auch organiſche -d (-t) an,
z. b. goth. kalds, ahd. chaltêr, altn. kaldr und nicht kalþs,
chaldêr, kallr. Man unterſcheide voneinander kunþs (no-
tus) kunds (-gena); ahd. endi (frons) enti (finis) wie altn.
enni (frons) endir (finis); der wurzel nach ſind ſie frei-
lich verwandt.


g) mit andern ableitungsconſ. wechſelt -þ kaum; eini-
gemahl ſcheint es gleichbedeutig mit -l, ahd. ſcef-id (crea-
tor) und ſcef-il; mhd. wîſ-et (dux, beſonders apum) MS.
2, 3a (in zwei hſſ.) und häufiger wîſ-el Mar. 204. Wilh.
1, 114b Loh. 39. [ahd. einfache ſchw. form wîſo trev.
15a blaſ. 74a]; alſo nur zwiſchen perſönlichen maſc. auf
-iþs, -ils. Oder läßt ſich auch die bildung jungidi (foe-
tus) vergleichen mit vugilili (foetus) und ähnlichen? Be-
kanntlich wechſeln im latein d und l, doch mehr in wur-
zeln, als in der ableitung (Schn. 1, 255-257.)


[263]III. conſonantiſche ableitungen. S.
ableitungen mit S.

Das goth. s geht inlautend über in z: hatis, hatiza; dihs,
dihzam; aírzis; doch bleibt auch s: ahs, ahſa; vahſjan;
þaúrſus; für die ableitung beide gleichviel. In den übri-
gen dialecten hat ſich -s häufig in -r geſchwächt, wel-
ches -r ich von der organ. liquida (oben ſ. 121-144.)
ſorgſam trenne. Dieſe verwandlung des s der ableitung
(von dem der wurzel iſt hier keine rede) kann eigentlich
nur eintreten, wenn der ableitungsvocal haftet *), alſo meiſt
nach i, kaum nach a, welches gewöhnlich ſchon ausgefallen
iſt, von -r (= ſ) nach u (das dadurch o werden würde)
kenne ich kein beiſpiel (doch ſ. lepora). Ausnahme macht
das -s nach organiſchem r der wurzel, hier fehlt der ab-
leitende vocal und dennoch wandelt es ſich in r, d. h.
das goth. r-s wird zu r-r aſſimiliert. Allein jene ſchwä-
chung iſt auch nach vocalen nicht allenthalben nothwen-
dig, ſondern in vielen fällen verbleibt die ſpirans noch
den ſpäteren dialecten. Nhd. wird -s nach r in mehre-
ren wörtern zu ſch. Altn. fällt das n vor s aus, wenn
der ableitungsvocal a war (gâs, âs = ganas, anas), nicht,
wenn er i war (hœns = hônis). Ebenſo agſ. — Ablei-
tungsvocale ſind dabei: a, i, u, ô.


[AS] nur im goth. und ahd., doch ſelten **), taucht
der vocal vor; in allen übrigen mundarten iſt er ganz
verwiſcht. Gewöhnlich ſtößt -s an liquida oder h der wur-
zel (l-s, m-s, n-s, r-s, h-s), zuweilen an p, t, k, nie
an b, d, þ, g, v, ſ. Ableitendes -s nach wurzelvoca-
len darf bloß angenommen werden, wo die ſpirans h
oder die liquida n ausgefallen iſt, z. b. altn. lió-s (lux, f.
lióh-s) vgl. 1, 318. ahd. mi-ſt (ſtercus) agſ. gô-s altn.
gâ-s (ahd. kan-s), wiewohl verſchiedene der von mir
aufgeſtellten altn. -âs, -îs, denen kein ahd. -ans, -ins zur
ſeite ſteht, nähere prüfung ſordern.


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina
goth, am-s (humerus) vielleicht auch am-ſa ſchwach, da
nur der acc. pl. am-ſans vorkommt; an-s (trabs), pl.
vermuthl. an-zôs zum unterſchied vom folgenden; an-s
(heros, divus) pl. an-zeis? gefolgert aus Jornandes: Gothi
[264]III. conſonantiſche ableitungen. S.
proceres ſuos ſemideos, i. e. anſes vocavere, auch kommt
in der genealogie ein anſila vor; hal-s (collum); run-s
(curſus) ur-run-s (oriens). —


ahd. an-s (vir divinus) pl. en-ſî? übrig in eigennamen
wie anſo, ans-hëlm, ans-hilt, ans-pald, ans-walt etc.;
ar-s (anus) pl. er-ſî, in der freckenhorſt. urk. ein dorf
genannt hundes-ars; dah-s (melis); hal-s (collum) *);
kran-s (roſtrum) ſcëffes-krans (prora navis) hrab. 972a;
lah-s (ſalmo); luh-s (lynx); tur-s (gigas) N. 17, 32;
vuh-s (vulpes mas); vlin-s (ſilex), vgl. vlins-ſteinâ monſ.
404; zër-s (penis) doc. 204b. —


agſ. bô-s (praeſepe) vermuthete ich nach analogie des
altn. bâ-s und Lye’s bôſig (bô-ſ-ig) beſtätigte es; ëar-s
(podex); flëax d. i. flëac-s (linum); fox, d. i. foc-s (vul-
pes); fyr-s (lolium); hëal-s (collum); lox d. i. loc-s
(lynx); mëox d. i. mëoc-s (fimus); ô-s (heros) muß dem
goth. an-s, altn. â-s entſprochen haben, hat ſich aber
auch nur in eigennamen erhalten, wie: ôs-vëald, ôs-
bëorn etc.; tëor-s (penis); þyr-s (gigas); þrëac-s (caries)
dunkel und zweifelhaft. —


altn. ar-s (anus) neuiſl. ras; â-s (trabs, tranſtrum) pl.
â-ſar; â-s (numen) pl. æ-ſir; bâ-s (ſtabulum, praeſepe);
dâ-s (candela tenuis); for-s (cataracta); frum-s (primiti-
ae); hâl-s (collum); hâl-s (vir fortis) pl. hâl-ſar; hâm-s;
(cutis); lâ-s (ſera); lax (ſalmo); ſtan-s (ſtupor) f. ſtand-s;
þuſ-s (gigas) f. þur-s. —


mhd. ar-s; bar-s (perca) ſcheint mir undeutſch und
aus dem lat. wort; bim-s (pumex) MS. 2, 215a Herm.
Dam. 66a, gleichfalls undeutſch: buh-s (buxus) MS, 2,
206a; gip-s (gypſum) ſchmiede 1793; gran-s (roſtrum)
ſchmiede 1577. Partenopier 84. Apollonius 4546, vgl.
grenſelîn Parc. 27b ſchiffes-grans (prora) troj. 182c Apol-
lonius 5424; lah-s; luh-s; run-s (curſus) Flore 34b;
ſim-s (prominentia) MS. 2, 215a H. Dam. 66a; vlah-s (li-
num) ſchmiede 1016. MS. 2, 199b; vlan-s (os, rictus oris)
Parc. 59b vgl. vlenſelîn 27b; vlin-s; vuh-s; zin-s (cen-
ſus). —


[265]III. conſonantiſche ableitungen. S.

nhd. ar-ſch; bar-ſch; bim-s; buch-s; bur-ſch; flach-s;
flin-s; fuch-s; gip-s; lach-s; luch-s; ſchöp-s (vervex)
undeutſch, aus dem böhm. ſkopec; ſim-s; zin-s.


engl. ar-ſe; flax; fox; laxe. —


β) ſtarke feminina,
goth. nach erſter gáit-ſa (χίμαρος); han-ſa (cohors); —
nach vierter ga-run-s (forum, platea); vielleicht ſtaſ-s in af-
ſtaſ-s (repudium) us-ſtaſ-s (reſurrectio) gen. ſtaſſáis, da
ſich kaum afſt-aß, uſt-aß annehmen läßt, ein dunkles
wort, entſpringt es aus ſtat-s (wie viſſa aus vitþa)?


ahd. nach erſter und mit a: dram-aſa (flagrantia) doc.
208b wo der dat. dramaſô (flagrantiâ); op-aſa (doma, tec-
tum) monſ. 327. 352; ohne a: ah-ſa (axis); egi-dëh-ſa
(lacerta) vgl. oben ſ. 40; hah-ſa (poples); han-ſa (cohors)
T. 200, 1; lëf-ſa (labium) K. 17b N. 30, 19., in den nie-
derd. pſalmen ſtehet lëp-ora, das wohl aus lëp-oſa, lëp-
aſa entſpringt? vgl. unten bei -us; uoh-ſa (aſcella). —
nach vierter: kan-s (anſer). —


altſ. ſpun-ſja (ſpongia) undeutſch. —


agſ. eax, d. i. ëac-s (axis); gô-s (anſer); häp-s (ſera,
fibula) âþëxe, d. i. âþëc-ſe (lacerta) und wohl noch an-
dere *).


altn. flî-s (feſtuca); gâ-s (anſer); kió-s (convallis);
krâ-s (pulpamentum); öx, d. i. ök-s (humerus); þió-s f.
þióh-s (fruſtum exos); up-s (ima pars tecti). —


mhd. nach erſter: ah-ſe; bir-ſe (ancilla, ſocia) fragm.
42b; ege-dëh-ſe; hah-ſe (poples) Wig. h. v.; kir-ſe (ce-
raſum) undeutſch; lëf-ſe MS. 2, 169b; wëf-ſe (veſpa); —
nach vierter: gan-s. —


nhd. ach-ſe; äh-re (ſpica) f. ah-re; ban-ſe (horreum);
brëm-ſe (oeſtrus); ei-dech-ſe; far-ſe, fer-ſe (vacca) ei-
gentlich nur in volksdialecten (nl. vâr-ſe); flech-ſe; gem-ſe
(rupicapra) in oberd. volksſpr. auch maſc. gam-s, gäm-s,
vgl. franz. chamois, ital. camoſcia, ich habe dies wort
ahd. und mhd. nicht gefunden; han-ſe, nur hiſtoriſch von
der geſellſchaft niederdeutſcher kaufleute; kir-ſche; lef-ze
f. lef-ſe; leuch-ſe (furcale) Friſch h. v. — nach vierter:
gan-s. —


[266]III. conſonantiſche ableitungen. S.

γ) ſtarke neutra,
goth. ah-s (ſpica); dih-s (fera) es ſteht nur der dat. pl.
dih-zam Marc. 1, 13, wofür ich früher diuzam vermu-
thet hatte; veih-s, vêh-s (vicus) und ſicher noch andre,
die uns fehlen. —


ahd. mit a: ah-ar (ſpica) f. ah-as, einige ſchreiben
ah-ir monſ. 334. T. 68, 1. und dann kann umlaut eintre-
ten eh-ir, doch ſteht bei W. 4, 14. noch ah-er und zwetl.
132a eh-ar (f. ah-er?); tih-ar? könnte, wenn ſich das
goth. dih-s beſtätigt, aus einem früheren tih-ar, tih-or
allmählig ti-ar, ti-or, ti-er (fera) geworden ſein, agſ.
dëór, altn. dŷr? man vgl. z. b. das goth. taíhun (decem)
mit agſ. tëón, altn. tiú oder goth. maíhſtus, agſ. mëox
mit ahd. miſ-t, allein warum heißt es goth. nicht
daíh-s *)?; — ohne a: ſah-s (culter); vah-s (capillus);
wah-s (cera). —


agſ. ëa-r (ſpica) f. ëax, ëah-s **); dëó-r (fera) f.
dëoh-s?; fëax, fëac-s (coma); hor-s (equus); ſëax, ſëac-s
(culter); vëax, vëac-s (cera); vorm-s, vyrm-s (pus, ſa-
nies). —


altn. ax, ak-s (ſpica); bof-s (ſingultus); fax, fak-s
(juba); fió-s (bovile); fox, fok-s (vulpes); gum-s (fraus);
hor-s (equus); kal-s (jocus); lió-s (lux); of-s (violentia);
ſax, ſak-s (culter); ſëm-s (tardatio) oder ſem-s? und
dann zu den i-ableitungen; ſtrun-s (fallacia); vol-s (luxus,
ſplendor). —


mhd. ah-er (ariſta)? vermuthlich eh-er; or-s (equus);
ſah-s; trëf-s (lolium); vah-s; wah-s. —


nhd. nur noch: wach-s (cera). —


δ) ſtarke maſc. zweiter decl.
ahd. hir-ſi (milium); altn. her-ſir (princeps); mhd. hir-ſe
(milium); nhd. hir-ſen (volksſpr. hir-ſchen). —


ε) ſtarke feminina zweiter decl.
ahd. lin-ſì (lens, tis) monſ. 400. aug. 117a N. 46, 5. macht
den pl. lin-ſinin (lentibus), doc. 223a iſt lin-ſò wohl gen.
pl.?; altn. öxi, ök-ſi (ſecuris); mhd. nhd. lin-ſe. —


[267]III. conſonantiſche ableitungen. S.

ζ) ſtarke neutra zweiter decl.
ahd. aƷ-aſi (ſuppellex jun. 225. 231. 251. blaſ. 5b*); altn.
hel-ſi (torques); mhd. ge-den-ſe (protractio) Parc. 144b;
nhd. ge-ſim-ſe (projectura); ge-wäch-ſe (planta). —


η) ſchwache maſculina
goth. aúh-ſa (bos) ſofern der gen. pl. aúh-ſnê Luc. 14,
19. f. aúh-ſanê, vielleicht iſt aber auch mit einer weite-
ren ableitung der nom. aúh-ſ-ns (ahd. oh-ſ-an) ſtatt-
haft; — ahd. kan-ſo (anſer mas); oh-ſo (bos); ſah-ſo (ſaxo,
d. h. meſſerträger); wah-ſo (nervus) walt-wah-ſo jun. 214.
monſ. 411. blaſ. 14b. — agſ. gëoc-ſa. (ſingultus); nëorc-ſa
(otium) **); oxa, oc-ſa (bos); ſëaxa, ſëac-ſa (ſaxo). — altn.
ap-ſi (procax); bër-ſi, beſ-ſi (urſus); faxi, fak-ſi (colu-
ber); gal-ſi (procacitas); gâ-ſi (anſer mas) fehlerhaft ge-
ſchr. gâſſi; glô-ſi (flamma) geſchr. glôſſi, von glôa, die
ahd. form wäre etwa kluoh-ſo, kluoh-aſo?; gum-ſi (aries)
findet ſich nicht bei Biörn, ich folgere es aus dem gang-
baren ſchwed. gum-ſe; kal-ſi (frigus); oſ-ſi (ſuperbia);
oxi, ok-ſi (bos); van-ſi (defectus). — mhd. oh-ſe; ſah-
ſe; tür-ſe (gigas). —


θ) ſchwache feminina,
agſ. brim-ſe (tabanus); hram-ſe (allium urſinum, bären-
klau). — altn. hrëm-ſa (ſagitta, ungula) oder hrem-ſa? —
ahd. mhd. keine, es müſten denn einige bei der nhd.
ſtarken decl. angegebene thiernamen wie brem-ſe, fär-ſe,
gem-ſe früher hierher zu rechnen ſein; was heißt gel-
ſen amgb. 11b? —


2) adjectiva
goth. aír-zis (erroneus) ahd. ir-ri f. ir-ſi; ahd. vun-s
(promptus) agſ. fu-s; goth. þaúr-ſus (torridus) ahd.
dur-ri f. dur-ſi; die ahd. verbalia huaſ-s (acer) ki-
wiſ-s (certus) entſpringen aus hvatþ, vitþ und gehö-
ren nicht hierher. Tadelhaft iſt die ſchreibung wah-s
[268]III. conſonantiſche ableitungen. S.
(acutus) f. waſ-s. Vahs, fëax werden ahd. und agſ. auch
adjectiviſch für comatus gebraucht, vorzüglich in der zuſ.
ſetzung (beiſpiele cap. III.). Das nhd. mor-ſch iſt un-
deutſch. Vgl. die 1, 755. angeführten ſchwed. adj. ſam-s
und var-ſe.


3) verba


α) ſtarke ſtämme, nur auf n-s, h-s: þin-ſan (nr. 396.)
vah-ſan (nr. 108.) ah-ſan (nr. 490.) þaíh-ſan (nr. 462.)
faíh-ſan (nr. 630.) laíh-ſan (nr. 631.) maíh-ſan, vaíh-ſan
(vorhin ſ. 209.) u. wohl noch andere dergl. Zu unterſu-
chen bleibt, ob einige der formen -aírran (nr. 428. 429.
608. 609. 610.) ein r-s enthalten? —


β) ſchwache verba erſter conjugation
goth. aír-zjan (ſeducere); mar-zjan (offendere); plin-ſjan
(ſaltare); tal-zjan? gefolgert aus dem voc. tal-zjand (ἐπι-
στάτα
! ſprecher, tale-man, lehrer?); þaúr-ſjan (ſi-
tire). — ahd. mit a: ah-arjan (ſpicare) monſ. 389;
ohne a: der-rjan f. der-ſjan (arefacere): hel-ſjan (am-
plecti); mer-rjan f. mer-ſjan (impedire); ref-ſjan (caſti-
gare). — agſ. lixan f. lic-ſan (fulgere); mer-ran, myr-
ran (impedire). — mhd. ir-ren (in errorem ducere); der-
ren (ſiccare); hel-ſen; ref-ſen. — nhd. dör-ren f. der-
ren; ir-ren. —


γ) ſchwache verba zweiter conj.
ahd. dan-ſôn (trahere); ich nehme keine form -aſôn an, da
mir alt-aſôn (differre) aug. 124a alt-aſunga (ſuſpendium)
monſ. 347. 381. aſſim. ſcheint für alt-iſôn, alt-iſunga, vgl. gi-
alt-iſôt monſ. 388. — agſ. häp-ſjan (fibula nectere) ſteht f.
häſpjan; ir-ſjan (iraſei); mær-ſjan (amplificare); min-ſjan
(minuere); van-ſjan (deficere); — altn. â-ſa (perticis pandere
vela); dval-ſa (morari); gum-ſa (deludere); hram-ſa (violen-
ter arripere); kal-ſa (jocari) ſëm-ſa (tardare); ſtan-ſa (ſtupere,
morari) f. ſtand-ſa, dän. ſtand-ſe; vol-ſa (ſuperbire); vin-
ſa, ving-ſa (paleas ſecernere). — nhd. rap-ſen (arripere),
ſum-ſen (hum-ſen Oberl. h. v.), in gemeinen dialecten
andere wie: bam-ſchen, ram-ſchen, wich-ſen etc. —


Viele -s (-as) ſind bei den weiteren ableitungen, die
ihnen zugetreten ſind, aufzuſuchen, z. b. goth. hlaív-aſna
(tumulus) faír-zna (calx) draúh-ſna (mica) rôh-ſns (atrium)
an-ſts (amor) ban-ſts (horreum) maíh-ſtus (fimus) gram-ſt
(feſtuca) vah-ſtus (ſtatura) fulh-ſni (latibulum); ahd. zin-
ſar (thuribulum) oben ſ. 119. wah-ſamo (incrementum)
deih-ſmo (profectus) etc. Beſonders gibt es viele -ſ-l
(= aſ-al) die ich ſ. 105-109 mit denen auf -iſ-al ver-
miſcht habe, ableitendes i iſt aber nur, wo es wirklich und
[269]III. conſonantiſche ableitungen. S.
organiſch ſteht, anzunehmen. Demnach erklären ſich die
goth. hun-ſl, ſvum-ſl, ſkôh-ſl beßer aus hun-aſal, ſvum-
aſal, ſkôh-aſal als aus hun-iſal; das ahd. wëh-ſal, ah-ſala,
dëh-ſala aus wëh-aſal, ah-aſala, dëh-aſala und vielleicht
iſt kein -iſal anzuſetzen, außer wo verba -iſôn im ſpiel
ſind? Daher auch in am-ſel, ach-ſel kein umlaut, trotz
dem i, das die in vocalen fahrläßige gl. flor. am-iſala
ſchreibt, ſt. am-aſala. Das agſ. wort ô-ſle, engl. ou-ſle
ſcheint mir ſo zu erklären: aus am-ſle wurde an-ſle und
daraus ô-ſle (wie aus gans gôs). — Ob die doppelten ab-
leitungen -ans und -als aus an-as, al-as gedeutet wer-
den dürfen? erörtere ich im verfolg.


[IS] ſchwankt zuweilen in -as und -us.


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina, hierher bloß das ahd. vël-is, altſ.
fël-is (rupes), das auch vel-is, fel-is ſein könnte, wiewohl
nie fal-is vorkommt und das verwandte altn. fiall (mons)
für ë ſpricht. Dieſe wortbildung fehlt allen übrigen mundar-
ten, ſcheint auch nicht bei jedem ahd. ſchriftſteller vor-
handen (N. hat es nicht? T. 90. ſtehet ſtein) und ſchwankt
im genus. Altſ. beſtimmt fël-is, pl. fël-iſôs männlich
und ſo O. I. 23, 94. allê fël-iſâ (acc. pl. m.) aber III. 24,
129. fël-iſa weiblich, der dat. pl. fël-iſon IV. 35, 72 monſ.
408. nicht entſcheidend. Der gen. pl. fël-iſônô monſ.
406. verlangt wieder ein fem. fël-iſa. Mhd. vël-s (erſt
ſpätere dichter ſcheinen vëlſen: helſen zu reimen) Parc.
111a Triſt. etc. immer maſc., wie auch nhd. fel-s. Fremd,
aus dem lat. pituita ſtammend, iſt pfipf-is (morbus galli-
narum) lindebrog. 999b nhd. pip-s. —


β) ſtarke feminina,
das goth. aqv-izi (ſecuris) gehört zur zweiten decl. und
ub-izva (porticus) hat noch ein ableitendes v hinter der
lingualableitung (ahd. nicht upiſawa, ſondern opaſa, altn.
up-s, nicht yp-s, agſ. aber yf-eſe, engl. eav-es). Hier-
her fallen die ahd. flußnamen em-iſa (amiſia) nhd. em-s;
en-iſa (aniſus) blaſ. 78b mhd. en-ſe Nib. nhd. en-s; et-iſa
(atheſis) doc. 210a trev. 24b nhd. et-ſch. Vermuthl. auch
einzelne pflanzennamen, z. b. pil-iſa, bil-iſa (hyoſcyamus)
blaſ. 14a, nhd. bil-ſen; ein dem nhd. hül-ſe (putamen)
entſprechendes ahd. hul-iſa, mhd. hül-ſe kenne ich nicht.
Läßt ſich hual-ira (balaena) deuten aus hual-iſa? Daß
ein ahd. ſem. vël-iſa (ſaxum) gelte, wurde eben beim
maſc. bemerkt. Dunkel iſt mir chup-iſi (tugurium) jun.
[270]III. conſonantiſche ableitungen. S.
230. kub-iſi monſ. 413, welches, da auch der dat. auf -i
(-î) ausgeht, fem. zweiter decl. ſcheint. Beßeres gewähr
bedarf auch das altweſtph., in der freckenh. urk. zwei-
mahl ſtehende of-lig-eſa (praeſtatio, obligatio), es ſtamme
nun von of-leggen (ab-legen) oder of-ligen (obliegen
her. —


γ) ſtarke neutra,
goth. ag-is (timor); hat-is (odium); bar-is (hordeum) nur
gefolgert aus bar-izeins (hordeaceus) wie riqv-izeins von
dem entſchiednen neutr. riqv-is (caligo); ſonſt keine,
auch keine ſpur von dem pluralaugment -iz, welches
in den andern mundarten, zumahl im ahd. eingeſchoben
zu werden pflegt. Und wiewohl Ulf. lamba (agni) lambê
(agnorum) ſetzt, nicht lamb-iza, lamb-izê, ſo läßt es ſich
damit noch nicht allen andern wörtern der goth. ſprache
abſtreiten, z. b. ein pl. hôn-iza (pullus gall.) wäre immer
möglich. Dieſes eingeſchobne -iz, -is hat unleugbare
ähnlichkeit mit dem -iz der comparative, ja man dürfte
es eine ſteigerung der ſubſtantive heißen, es wird da-
durch der begriff einer vereinigten vielheit ausgedrückt.
Beiſpiele ſind im zweiten buch bei der decl. des neutr.
angeführt, zumahl im hochd. und agſ., in welchen bei-
den dialecten ſich aber ſchon das -is in -ir verwandelt
hat *) Dem altn. ſprach ich damahls 1, 659. dieſe bil-
dung völlig ab, und, wenn nach analogie der compara-
tive neutra mit dem augment -r nachgewieſen werden
ſollen, hat die ſache keinen zweifel. Allein es iſt eine
deutliche ſpur und zwar in der eigentlichen s-form vor-
handen, nämlich in dem neutr. pl. hœn-s (gallus et gal-
lina), wie der umlaut lehrt = hœn-is, alſo in form und
bedeutung einſtimmend zu dem ahd. huon-ir und vermu-
theten goth. hôn-iza. Dieſes hœn-s (nicht hæn-s) lebt
im ſchwed. und dän. fort, wird aber auch ſingulariter
gebraucht **). Vielleicht hat es früher noch andere ge-
geben, z. b. ein altn. kelf-s (ahd. chelp-ir) lemb-s (lemp-
ir) egg-s (eig-ir) bled-s (plet-ir) etc. — Andere neutra
dieſer form, die aber das -is ſchon im ſg. haben und
ohne es nicht vorkommen, ſind noch ahd. eh-ir (ſpica),
[271]III. conſonantiſche ableitungen. S.
neben und für ah-ar; agſ. eh-er neben ëa-r; altn. hriſ-s
(raptus) glen-s (jocus), letzteres wie hœn-s mit unent-
ſtellter ſpirans. Aus dem ahd. adj. ekis-lîh (horrendus)
ſpäter eges-lîch, eis-lîch ſieht man, daß ein ahd. ak-is,
ek-is (horror) beſtanden hat und untergegangen iſt, ohne
ſich in ak-ir gewandelt zu haben. —


δ) ſchwache maſculina: ahd. ek-iſo (horror) K. 21a
50b O. IV. 7, 172. V. 4, 43.; illit-iſo (hiaena? nhd. iltis)
trev. 12a blaſ. 66b; link-iſo (proſperitas) N. 89, 11 *). —
agſ. eg-eſa (horror, tempeſtas); gæl-ſa (luxus).


ε) ſchwache feminina: ahd. chep-iſa (pellex); mhd.
keb-eſe Nib.; nhd. nur das comp. keb-s-weib.


2) adjectiva dieſer form gibt es nicht, man wolle denn
anſchlagen, daß ahd. für und neben viƷ-us (callidus) auch
viƷ-is geſagt wird. Von der ſteigerung durch -is, -ir
handelt cap. VII.


3) verba finden ſich nur der zweiten ſchwachen con-
jugation, aber ziemlich viele, zumahl im ahd.


goth. hat-izôn (χολᾶν, iraſci) joh. 7, 23. mit dem dat.,
verſchieden von hat-an (μισεῖν), offenbar von dem ſubſt.
hat-is abgeleitet; ein nicht vorhandnes ag-izôn (horreſcere)
riqv-izôn (tenebreſcere) von ag-is, riqv-is läßt ſich
denken. —


ahd. folgende: alt-iſôn (ſuſpendere, differre) monſ. 388;
chep-iſôn (pellicem facere); pi-dërp-iſôn (expedire, pro-
deſſe) T. 135. 172, 3; drâh-iſôn (ſternutare) aus drâſôd
(vorhin ſ. 252.) vermuthet; ek-iſôn (horrere) jun. 241.
256. O. IV. 6, 24; harm-iſôn (calumniari) monſ. 330;
heil-iſôn (expiare) monſ. 402. wirceb. 979b; hërr-iſôn
(dominari) N. 71, 8. hêr-iſon doc. 219a ſcheint mir
falſch; hrein-iſôn (piare) jun. 245; hriuw-iſôn (poe-
nitere) kann ich nicht belegen; huor-iſôn (ſcortari)
folgt aus dem ſubſt. huoriſunge herrad. 194a; keil-
iſôn (luxuriari) aus geil-ſunge herrad. 194a; krim-iſôn
(ſaevire) jun. 225, verſch. von krimizôn, vgl. oben
ſ. 217; in-krû-iſôn (abhorreſcere) monſ. 363. vielleicht
ir-kr.?; lîhh-iſôn (diſſimulare K. 18b doc. 223a monſ. 356;
luſt-iſôn (luxuriari) monſ. 355. ur-luſt-iſôn (taedere) jun.
230; ki-meit-iſôn (increſcere) monſ. 326; mihhil-iſôn
(magnificare) T. 115. 141. wo aſſim. mihiloſôn; upar-
[272]III. conſonantiſche ableitungen. S.
muot-iſon (ſuperbire) N. 10, 2. 54, 13.; plûk-iſôn (dubitare)
bluch-iſôn J. 351; procch-iſôn (frangere) aſſim. procch-oſôn
monſ. 374; rîhh-iſôn (dominari) monſ. 401. T. 11, 3.
95. 150; ſerf-iſôn (ſaevire) jun. 174; ſpur-iſôn (ſentire,
wittern?) aus dem ſubſt. ſpur-iſunga doc. 236b geſchloßen;
ſcut-iſôn (horreſcere) hrab. 966a jun. 208; ſtrenk-iſôn
(confortare) T. 182, 1; tiur-iſôn (glorificare) T. 103, 129.
164, 1. 210, 2; wemm-iſôn (corrumpere? corrumpi?)
jun. 195. wo zu l. gi-wemm-iſôt, corruptus; win-iſôn
(mutire) doc. 244b; und ſicher noch manche andere. Zu
bemerken iſt a) bei dem einzigen ek-iſôn ſcheint das -is
ſchon in dem früheren ſubſt. ek-is (goth. ag-is) zu lie-
gen, bei den andern wäre es gewagt, verlorne ſubſt. alt-is,
harm-is etc. anzunehmen, vielmehr erzeugt ſich das -is
erſt zu der verbalform, aus welcher dann die ſubſt. auf
-iſo, -iſa, -iſal (ſ. 105-107.), -iſâri, -iſôd (ſ. 254.) -iſunka
wieder herfließen. b) die bedeutung iſt meiſt intranſitiv,
aber nicht immer, vgl. mihhiliſôn, ſtrenkiſôn. c) oft
liegt ein adj. zu grunde: ſarf, ki-meit, plûk, hreini,
lîhhi, krimmi, ſtrenki, pi-dërpi etc. zuweilen ein ſubſt.
wie harm, wamm, luſt; einigemahl kann es beides ſein,
z. b. heil und rîhhi. —


agſ. fällt der ableitende vocal aus, weshalb es kaum
thunlich iſt, die folgenden verba von den vorhin (ſ. 268.)
bei der as-form angeführten genau zu ſcheiden: bên-ſjan
(ſupplicare); blet-ſjan, bleſ-ſjan (benedicere); bliſ-ſjan
(gaudere); clæn-ſjan (mundare); cur-ſjan (devovere); ef-
ſjan (tondere); eg-ſjan (terrere, terreri); fäl-ſjan (ex-
piare; fyr-ſjan (elongare); gæl-ſjan (luxuriari); grim-ſjan
(ſaevire); gît-ſjan (concupiſcere); hâl-ſjan (obſecrare, au-
gurari); hlyn-ſjan (ſonare); hrëóv-ſjan (poenitere); ge-
mët-ſjan (comparare); ge-mild-ſjan, milt-ſjan (miſereri);
ric-ſjan, rixjan (regnare); ſvin-ſjan (modulari); ge-un-
rot-ſjan (contriſtare); ge-un-trëóv-ſjan (ſcandalizari). —


altn. bif-ſa (motitare); bop-ſa (tremere); glen-ſa (jo-
cari); hug-ſa (cogitare); hrein-ſa (mundare); hrif-ſa (ra-
pere); hvept-ſa (ſannis irritare).


mhd. nur noch wenige: ge-lîch-eſen, ge-lîh-ſen (diſſi-
mulare) Barl.; ver-keb-eſen Nib. 3373; rîch-eſen, rîh-
ſen (dominari) MS. 2, 198b; aus den ſubſt. gît-eſære a. w.
3, 71; kling-eſære MS. 2, 12a; ruom-eſære Ben. 262. Bon.;
riuw-eſære Barl.; ge-walt-eſære Triſt. darf man wenig-
ſtens auf veraltete verba gît-eſen; kling-eſen; ruom-e-
ſen; riuw-eſen; gewalt-eſen ſchließen.


[273]III. conſonantiſche ableitungen. S.

nhd. glei-ſen (ſimulare) f. gleich-ſen, ganz verſchie-
den von gleiß-en (ſplendere) mhd. glîƷen, daher zu
ſchreiben gleiſner (fallax) mhd. gelîchſenære Kol. 407.
420. und nicht gleißner; grin-ſen ſteht entw. f. grim-ſen
(ahd. krimiſôn) oder grin-zen (ahd. krimizôn); herr-ſchen
(regnare) ſcheint das ahd. hërr-iſôn und nicht aus dem
adj. herriſch zu leiten; keb-ſen; win-ſen übrig im wei-
ter abgeleiteten win-ſeln; feil-ſchen (licitari); be-nam-ſen
(nominare) iſt kein ſchriftdeutſch, ſollte auch umlauten.


anmerkung: unabhängig von dieſen verbis auf -iſôn,
-eſen, deren ſpirans nie in r übertritt, leitet zumahl die
nhd. und mhd. mundart theils von comparativen, theils
von den plur. neutr. (mit der einſchiebung) verba ab,
deren -irôn, -ern dem -iſôn begegnen würde, wenn in
der älteren ſprache ſolche ableitungen ſtatthaft wären.
Ahd. finde ich, aber nur ſelten, einige infinitive aus com-
parativen geleitet (nie aus plur. neutr.), namentlich minn-
irôn (minui, minuere) T. 21, 6; peƷ-irôn (emendare, lu-
crari) monſ. 368. 877. 387. 392. 397; arg-erôn N. 22, 4.
gehört nicht hierher, früher arg-ôrôn (nicht argi-rôn).
Auch mhd. keine verba -ern aus neutris, wohl aus compar.
als: beƷƷ-ern Triſt.; bœſ-ern Barl. 401; er-hœh-ern Bon.;
minn-ern Triſt.; lîht-ern Ben. 126; lind-ern Mar. 105;
ring-ern; ſwech-ern Rud. weltchr.; næh-ern Parc. 14088.
23554; hœh-ern Parc. 21601 etc. allen, denen der ahd.
comp. ôr gebührt, ſollte der umlaut fehlen, alſo nâh-ern,
hôh-ern. Nhd. aus comparativen (und ſtets umlautend):
ärg-ern; beß-ern; ver-fein-ern; lind-ern; er-leicht-ern;
mind-ern; næh-ern; er-neu-ern; ver-ring-ern; ver-
ſchœn-ern; er-weit-ern; ver-wild-ern; doch nicht aus
jedem comp. laßen ſie ſich ziehen, z. b. man ſagt nie:
ſänſt-ern, ſchwäch-ern, ver-ſuͤß-ern, zæm-ern. Aus pl.
neutr. gebildet ſind: be-bänd-ern; bild-ern (bilder auf-
ſchlagen); blätt-ern; be-geiſt-ern; ræd-ern; ränd-ern;
zer-trümm-ern; be-völk-ern *). Man darf alle dieſe -er
nicht mit den organiſchen (z. b. in läut-ern, ver-bitt-
ern etc.) verwechſeln.


[US] die wörter, welche hier in betracht kommen,
ſind: der goth. pl. bêr-uſjôs (parentes), deſſen ſg. bêr-
S
[274]III. conſonantiſche ableitungen. S.
uſis fehlt, keiner der übrigen dialecte kennt ähnliches (vgl.
dän. bar-ſel, partus) die form würde ahd. lauten pâr-uſi, pl.
pâr-uſjâ? Eine, nicht genau bekannte münze hieß auf agſ.
manc-us, manc-s. Feminina vierter decl. ſind drei ahd. ſubſt.
nämlich: ahh-us (ſecuris) ak-us O. I. 23, 126. T. 13, 15.
mhd. ack-es (ſt. ach-es), nhd. mit zugeſetztem t axt, d. i.
ak-st. HaƷ-us (ſtrio, d. i. ſtrix) monſ. 400. haƷ-aſa (ſtrio-
nibus? ſtriones? f. ſtriges) monſ. 377. haƷ-aſa (eumenides)
ebner. 1004b, die wahre pl. form ſollte ſein haƷ-uſî, oder
der ſg. müſte auch haƷ-uſa, haƷ-aſa lauten? Oder wäre
nach bekanntem leſefehler hah-us zu vermuthen? dahin
führt das agſ. heg-tis, häg-teſſe, häg-eſſe (ſtrix) und das
nhd. hexe, d. i. hek-ſe f. hech-ſe, hech-es? Daſyp.
ſchreibt häg-s, die mhd. form iſt noch aufzufinden, viel-
leicht hech-es oder heh-ſe? der umlaut zeigt, daß das
ältere u uon i verdrängt wurde. Das dritte wort iſt (wie-
der mit wurzelhaftem kehllaut) nihh-us (crocodilus) monſ.
322. 412. nich-es jun. 270., nhd. nix, nixe (flußgeiſt, fluß-
ungeheuer) f. nich-ſe. Vielleicht auch maſc. wie das
altn. nikr (hippopotamus) ohne ableitendes -s, denn der
gen. hat nik-s (nicht nik-urs) ſchwed. neck, dän. nök.
Entſpringt lëff-ura (labium) T. 84. aus lëſ-uſa? — Von
adj. dieſer bildung kenne ich bloß das ahd. viƷ-us (aſtu-
tus, callidus) jun. 181. blaſ. 8a, vgl. das comp. viƷ-us-heit
(dolus) hymn. mat. Später viƷ-is, viƷ-es monſ. 351.
387. doc. 241a 242b N. 34, 19. 54, 24. Vielleicht iſt aber
viz-us, viz-is anzunehmen?


[OOS] findet bei der comparation ſtatt, wovon cap. VII.


anmerkungen zu den ſ-ableitungen überhaupt:

1) die verwandlung des -s in -r geht, wie eingangs
geſagt wurde, nicht anders vor ſich, als wenn der ab-
leitungsvocal haftete und insgemein nur bei den comp.
und plur. neutr., ausnahmsweiſe in ah-ar, eh-ir, tio-r,
zio-r, dur-ri, ir-ri. Wogegen die auf -iſo, -iſôn das
-s behaupten. Ob noch einige andere mhd. nhd. -r, die
wir im goth. nicht vergleichen können, urſprüngliche
-s waren? namentlich die ſ. 138. 139. berührten medita-
tiva oder deſiderativa? denn im griech. findet allerdings
-σείω ſtatt, z. b. γελασείω (mich lächert) πολεμησείω (mich
kriegert, lüſtet nach krieg); ſchläfern, lächern wäre ein
[275]III. conſonantiſche ableitungen. S.
ahd. ſlâfiſôn, hlahhiſôn? und ſelbſt das lat. -urio aus -uſio
zu deuten?


2) die vorſtehenden vocale ſchwanken nur im einzel-
nen (ahar, ehir; opaſa, ubizva; viƷus, viƷis); im gan-
zen bewirken ſie deutliche unterſchiede und der pl. neutr.
duldet kein ar für ir, der inf. kein aſôn f. iſôn, es ſchlage
denn aſſimilation ein.


3) das unwurzelhafte des ableitenden -s ſpringt oft in
die augen, denn es mangelt verwandten wörtern oder in
andern dialecten und ſprachen den nämlichen, vgl. vlan-s
mit vlannen (os torquere) N. 268a nhd. flennen; ah-s
(ſpica) mit ahana (palea) oben ſ. 157; agei mit ag-is, ekî
mit ek-iſo, ek-is; haƷ mit hat-iƷ; lôhe (flamma) mit
lió-s; ahd. dioh (femur) mit altn. þió-s; lëf-ſa mit lippe,
labium; brëm-ſe mit brëme, beide derſelben bedeutung;
gum-ſi mit gumr; hal-s mit collum; hâl-s (vir) mit halr;
ham-s (cutis) mit hamr, hamo, hemidi; goth. veih-s
(vicus) mit ahd. wîh; vël-is mit fiall; vuh-s mit dem fem.
voha; luh-s mit dem ſchwed. lô u. a. m. Man könnte in
einigen wörtern ein verhärtetes kennzeichen des maſc.
erblicken, z. b. in luh-s (lynx, lyncis) fuh-s, veih-s (vi-
cus) obſchon letzteres hernach neutral geworden iſt; ana-
log wäre das neutrale -t in ſal-t (1, 826.) doch vgl. vor-
hin ſ. 223. Das -s einiger verba, z. b. din-ſan, wah-ſan,
vielleicht auch derer auf -iſon läßt ſich dem -s des fu-
turums vergleichen (1, 1051. 1058.), wie man die gr.
deſiderativa auf -σείω, da ſie auf etwas künftiges gerich-
tet ſind, mit recht aus dem -s des fut. deutet.


4) auffallend viele thiernamen ſind mit -s abgeleitet:
dah-s, vuh-s, luh-s, kan-s, oh-ſo, gem-ſe, brem-ſe,
fär-ſe, gum-ſe; auch goth. gáit-ſa; vgl. hal-s (mann,
menſch) und etwa hual-ira f. hual-iſa?


5) die lat. entſpricht der deutſchen ſpirans, vgl. anſer
mit gans; anſa (manubrium) mit ans (trabs, pertica) und
x = cs dem deutſchen hs, z. b. ſex, ſaíhs; axis, ahſa;
lux, lucis: altn. liós = lióhs; ſaxum (ſcharfer, ſchroffer
fels) ſeco, ſahs (culter); pecten, pexus iſt derſelben wur-
zel mit vahs (capillus); plecto, plexus mit vlahs. In
dem ſlav. gus, hus (anſer) fehlt das n wie im agſ. gôs,
altn. gâs.


6) für den wechſel des ſ mit t iſt ſchon oben ſ. 223.
das ahd. vlin-s, agſ. flin-t beigebracht worden. Das altn.
hug-ſa ſteht nicht einem ahd. hugiſôn zur ſeite, ſondern
S 2
[276]III. conſonantiſche ableitungen. K.
dem hog-azan, vgl. die lat. cog-ito, clam-ito etc. auch
lens (lent-s) lentis mit unſerm linſî. Merkwürdiger ſcheint
der wechſel zwiſchen ſ und þ in lió-s = lióh-as und líuh-
aþ, lieh-t, ſo wie dem altn. þió-s (weiche, hüfte) viel-
leicht ein ahd. dioh-t gegenüberſteht, falls der mhd. pl.
diehter ſt. dieher troj. 4011. die vermuthung aufbringt.


ableitungen mit K.

nach der lautverſchiebung entſpricht der goth. ten. ein
lat. g [genus, kuni], der lat. ten. aber ein goth. h oder
g [coecus, haíhs; oculus, áugô]; in gewiſſen wörtern
ſtimmen jedoch lat. goth. und ahd. tenuis miteinander.
Beide arten goth. tenuis verlangen (wie beim t, oben
ſ. 193.) geſonderte abhandlung.


I. goth. K = ahd. C = lat. C.

bloß in der verbindung ſk, wo ſ der wurzel gehört, k
die ableitung macht. Ableitender vocal zwiſchen ſ und
k findet ſich niemahls. Es wird aber bei den ableitun-
gen mit zwei conſ. ein -aſk, iſk vorkommen, deſſen ſ
nicht zur wurzel geſchlagen werden darf, dennoch unſerm
ſ-k verwandt ſcheint. Einzelne fälle laßen zweifelhaft,
welche ableitung ſ-k oder -ſk anzunehmen ſei, nament-
lich hat -ſk viel für ſich, ſo oft dem ſ ein andrer conſ.
vorausſteht, oder eine ſpirans davor ausgefallen ſein
könnte (vgl. die ſchlußbem.). Im nhd. gilt in verſchied-
nen wörtern unorganiſches -ſch für -s (oben ſ. 265.) und
ſelbſt -Ʒ (ſ. 223.) z. b. in arſch, hirſch, welchem durch-
aus kein ahd. ſ-c entſpricht. Mhd. findet ſich das nur
in roman. wörtern. — Wenn ſich das ſ vor k in goth.
z mildert, ſo tritt lautverſchiebung, nämlich g ein, da
nur engverbunden mit ſ die tenuis zu beharren ſcheint;
auch einige ahd. quellen, zumahl O. zeigen ſg für ſc.


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſculina: goth. fiſk-s (piſcis). — ahd.
aſ-c (fraxinus); loſ-c? ein unbekanntes thier, wovon loſ-
ces-hût (pellis ianthina, violfarb, purpurn?) monſ. 331,
vgl. das mhd. lœſche; throſ-c (glis, glidis = glarea, jun.
271.) monſ. 412. ein bedenkliches wort, ſchon des th
wegen, vielleicht chroſ-c?; teiſ-c deiſ-c (ſtercus) doc. 239a
flor. 988a, vielleicht neutr.?; tiſ-c (menſa) diſ-c (ferculum)
jun. 187; viſ-c; vroſ-c (rana); wunſ-c (optio). — agſ. äſ-c;
diſ-c; fiſ-c; froſ-c; merſ-c (mariſcus); tuſ-c (dens maxil-
[277]III. conſonantiſche ableitungen. K.
laris). — altn. aſ-kr (fraxinus und homo); blöſ-kr (ſtu-
por); diſ-kr (patina); fiſ-kr; þroſ-kr (vigor). — mhd.
buſ-ch (arbuſtum) Triſt. 8913. aus dem rom. boſco, bois;
brûſ-ch, vielleicht auch neutrum, dunkler bedeutung
livl. 48b, vgl. Friſch 129a brauſche (plaga) 136b breuſch
(fragilis); tiſ-ch; viſ-ch; vroſ-ch; wiſ-ch, ſtrô-wiſ-ch
Wilh. 2, 116a; wunſ-ch; nach zweiter decl. vielleicht
muſ-che (paſſer)? jun. 268. nnl. moſ-ch, muſ-ch, in nie-
derrhein. volksſpr. möſ-ch. — nhd. bauſ-ch; buſ-ch;
fiſ-ch; fro-ſch; miſch-maſ-ch; tiſ-ch; wiſ-ch; wurſ-ch. —
engl. aſ-h; diſ-h; fiſ-h; marſ-h. —


β) ſtarke feminina: goth. faſ-kja (faſcia), zu bele-
gen nur der dat. pl. faſkjam. — altn. ôſ-k (votum). —


γ) ſtarke neutra: goth. ga-þraſ-k (area). — ahd.
vleiſ-c (caro). — agſ. flæſ-c (caro) huſ-c (contumelia). —
altn. brióſ-k (cartilago); daſ-k (verber); flêſ-k (lardum);
moſ-k (palea); raſ-k (tumultus); tuſ-k (lucta). — mhd.
vleiſ-ch; nach zweiter decl. (wo nicht maſc.) lœſ-che (co-
rium cortice praeparatum) troj. 44b 90b. — nhd. fleiſ-ch. —
engl. daſ-h; fleſ-h. —


δ) ſchwache maſculina: goth. fiſ-kja (piſcator). —
ahd. aſ-co (thymallus) blaſ. 13a; tiſ-co (alumnus) jun.
195. diſ-co K. 20b etc.; waſ-co (fullo). —


ε) ſchwache feminina: goth. az-gô (cinis) ſtatt aſ-ko. —
ahd. aſ-ca; nuſ-ca (fibula); vlaſ-ca (lagena); vaſ-ca (fo-
mentum); taſ-ca (pera). — altn. flaſ-ka; froſ-ka (rana). —
mhd. aſ-che, eſ-che (cinis); vlaſ-che; taſ-che. — nhd. aſ-
che; flaſ-che; taſ-che. —


2) adjectiva,
goth. hnaſ-qvus (mollis). — ahd. chûſ-ci (caſtus); horſ-c
(alacer); raſ-c (vivax, celer); peiſ-c (mordax)? monſ.
410. peifkres? vriſ-c (recens)? ſteht zuerſt in der ſpätern
gl. jun. 276. — agſ. cûſ-c; hneſ-ce (tener); horſ-c (cal-
lidus). — altn. beiſ-kr (amarus); breyſ-kr (infirmus); elſ-
kr (amans); frëſ-kr (glaucus); heimſ-kr (ſtultus); horſ-kr;
löſ-kr (ignavus); naſ-kr (gnarus); röſ-kr (ſtrenuus);
treiſ-kr (difficilis). — mhd. kiuſ-che (caſtus); raſ-ch (ala-
cer) ſcheint ungewöhnlich, wogegen zuweilen das gleich-
bedeutige riſ-ch M. S. 2, 250a livl. 8b 13a; rœſ-che (ri-
gidus) troj. 44b; valſ-ch, undeutſch, aus falſus, franz.
faulx, faux entſprungen; vriſ-ch (recens). — nhd. falſ-ch;
friſ-ch; keuſ-ch; raſ-ch; über barſch, breuſch, harſch,
morſch ſ. anmerk. b. —


[278]III. conſonantiſche ableitungen. K.

3) verba


α) ſtarker form: vaſ-kan (nr. 88.) eiſ-chen, vreiſ-
chen (nr. 28.) þriſ-kan (nr. 454.) liſ-kan (nr. 455.); friſ-
kan (nr. 626.) diſ-kan (nr. 627.)


β) erſter ſchwacher conjugation: ahd. leſ-can (exſtin-
guere); miſ-can (miſcere) K. 21a; wunſ-can (optare). —
agſ. dväſ-can (exſtinguere). — mhd. leſ-chen; miſ-chen;
wiſ-chen; wünſ-chen. —


γ) zweiter und dritter: goth. ga-vriſ-qvan (fructum
ferre) Luc. 8, 14. (vielleicht ſtarkformig?) — ahd. eiſ-côn
(poſtulare); loſ-cên (deliteſcere) monſ. 384. N. 17, 12;
viſ-côn (piſcari). — agſ. æſ-cjan (exigere); fiſ-cjan; hneſ-
cjan (mollire); viſ-cjan (optare). — altn. daſ-ka (percu-
tere); knûſ-ka (conterere). — mhd. hiſ-chen (ſingultire);
pſnëſ-chen (ſuſpirare) Tit., vielleicht ſtark?; rûſ-chen
(ſtrepere); tuſ-chen, ver-tuſ-chen (celare) Triſt. 9032;
viſ-chen. — nhd. fiſ-chen; haſ-chen (arripere); lauſ-chen
(auſcultare); naſ-chen (delicatum eſſe); rauſ-chen: tauſ-
chen (permutare); auf-tiſ-chen; ver-tuſ-chen. —


anmerkungen zu der formel SK.


a) das ſk iſt den ſt, ſt, ht (ſ. 207. 208.) analog, ſeine
ſtämme liegen aber weit verborgner. Sie müſten auf
wurzelhaftes t, d, þ oder ſ ausgehen. Ich kann nur
einen einzigen aufdecken, peiſc, beiſkr (mordax) ent-
ſpringt von beitan (nr. 140.) d. i. báifks ſtehet für báitks.
Wie aber der ſtamm von fiſks laute, iſt ſchwer zu ſagen;
vielleicht fiſan (nr. 549.)? gleich möglich wären jedoch
fitan, fiþan.


b) geht dem ſ. liquida voraus oder muß eine ſynco-
pierte ſpirans angenommen werden, ſo kann die ableitung
-ſk (für -aſk, -iſk) ſein und nicht -k. Alsdann gehört
das ſ nicht zur wurzel. Hat man wunſ-c anzuſetzen
oder wun-ſc? Für hor-ſc (und nicht horſ-c) ſpricht die
ahd. vocalzwiſchenſchiebung hor-iſcôr (maturius) monſ.
367. Und lœſche ſcheint beinahe zu ſein loh-iſche, we-
gen des nhd. loh-gärber, vgl. Friſch 620a. b. Zumahl
halte ich die nhd. harſch, morſch u. a. für -ſch und die
altn. ſ-k mit vorſtehender liquida für -fk, wohin daher
die meiſten beiſpiele verwieſen werden.


c) die völlige gleichheit der lat. und deutſchen ſ-c
lehren urverwandte wörter wie piſ-cis, miſ-ceo; da wo
im anlaut lautyerſchiebung fehlt, nehme ich lieber ent-
lehnung an, z. b. aus lat. faſ-cia, diſ-cus. Zweifelhaft
merſc aus mariſcus?


[279]III. conſonantiſche ableitungen. K.

d) beiſpiele des ſ-c ſind auch unter weiter zugetrete-
nen ableitungen zu ſuchen, agſ. räſ-cetan (ſtrepere) ahd.
miſ-celôn (miſcere) nhd. raſ-chelen (ſtrepere) etc.


II. goth. K = ahd. CH.

ſtatt der naturgemäßen ahd. aſpirata wird auslautend
überall, inlautend, ſobald die ableitungsvocale ausgeſtoßen
ſind, -h *) geſchrieben, das nicht zu verwechſeln iſt mit
der organiſchen ſpirans. Dieſer entſpricht ſtets auch goth.
ſpirans; jenes ahd. h muß aber erkannt werden theils
an der ihm zur ſeite gehenden goth. ſächſ. nord. tenuis,
theils daran, daß es inlautend, ſo oft ein vocal vorſteht,
zu hh wird, pot-ah, gen. pot-ahhes (nicht pot-ahes).
Mhd. nhd. häufiger übertritt dieſer aſp. in die tenuis,
nach n immer, nach l und r meiſt; das engl. ſchwankt
zwiſchen -k und -ch. — Die begleitenden vocale ſind
a, i, u.


[AK] der vocal haftet mitunter im goth.; im ahd.
mehrentheils, außer nach l und n.


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſculina
goth. ah-aks (columba) fem?; ſkal-ks; þank-s? Luc. 17, 9. —


ahd. dan-h (gratia); ëb-ah (hedera) flor. 988a; pot-
ah (corpus, der leib, bauch, ohne kopf) jun. 199. monſ.
398. doc. 229b N. 78, 2, 89, 6; rin-h (procer); ſcal-h; ſcran-h
(fraus); ſpor-ah (juniperus) monſ. 329; ſtan-h (odor);
ſtor-ah (ciconia) monſ. 321, wo ὀφιομάχος, weil er die
ſchlangen tödtet; tran-h (potus); trun-h (hauſtus); vëd-
ah (ala) boxh. 904a, geſchrieben fëthdh-ah J. 368, fëtt-
ach N. 35, 8. fëtt-ag N. 67, 14, nebenform iſt vëdar-ah
geſchrieben fëder-ah doc. 210b T. 142. ſpäter vider-ich
jun. 312, die aſp. beſtätigt durch das niederd. fëther-ac,
gen. pl. fëther-aco gl. lipſ. —


agſ. dren-c (potus); fin-c (frigilla); hol-c (vena) ne-
ben hol-oc; or-c (crater, urceus); rin-c (heros);
ſcëal-c (ſervus); ſtor-c (ciconia); ſtyr-c (juvencus); þan-c
(gratia); vren-c (fraus); einige wörter ſind unorganiſch
aus der ac-form in die ig-form übergetreten, namentlich
[280]III. conſonantiſche ableitungen. K.
bod-ig (ſtatura, truncus); if-ig (hedera) ſtatt bod-ac, if-
ac oder bod-oc, if-oc und wirklich hat gl. jun. 369. das
richtige ib-ac. —


altn. bâl-kr (ſtrues); bec-kr (ſcamnum); blað-kr (cuſ-
pis folii); dryc-kr (potus); for-kr (fuſtis); hau-kr (acci-
piter) f. hav-kr; hlec-kr (catena); hôl-kr (tubus, cavi-
tas); lur-kr (furka); mað-kr (vermis); ſkâl-kr (nequam);
ſkröc-kr (fraus); ſtor-kr (ciconia); ſtyr-kr (robur); þur-
kr (ſiccitas). —


mhd. bot-ech (corpus) finde ich nur in einem unge-
dr. Stricker mihi p. 162. [bod-ik muß wohl im halbnie-
derd.fragm. belli 2603. 2934. geleſen werden]; dan-c; ſchal-c;
ſchran-c; ſtan-c; ſtor-ch, neben ſtor-c; tran-c; trun-c;
vët-ech, im Anno 204. vëder-ich; wan-c (vacillatio). —


nhd. bott-ich (bauchiges gefäß); dan-k; epp-ich (he-
dera) die ſchriftſprache zieht das compoſ. epheu, d. i.
ep-heu, früher ep-houwe vor; fitt-ich; ſchal-k; ſchran-k
(ſcrinium); ſchwan-k; ſtan-k; ſtor-ch; ſtrun-k; tran-k;
trun-k; win-k; daß -ich für -ech ſtehe zeigt der unum-
laut bott-ich, denn epp-ich entſpringt nicht aus app-ich,
ſondern ëpp-ech. —


engl. dren-ch; fin-ch; ſtor-k; than-k; win-ch; (troch-
lea); wren-ch; aber nach der agſ. ig-form ebenfalls:
bod-y (truncus); iv-y (hedera). —


β) ſtarke feminina,
goth. ar-ka (ciſta) undeutſch, aus lat. arca. — ahd. ar-ha
(ciſta); hlan-ha, lan-ha (lumbus) K. 17b monſ. 337. N.
72, 21; tren-ha (aquare); nach vierter: pan-h (ſcam-
num). — agſ. ben-c (ſcamnum); ëar-c (ciſta). — altn.
ör-k (arca); þöc-k (gratia). — mhd. ar-ke; bar-ke; mar-
ke; ban-c, gen. ben-ke. — nhd. ar-ke; bar-ke; mar-ke;
trän-ke; ban-k. — engl. ben-ch; wen-ch (meretrix). —


γ) ſtarke neutra,
goth. dragg-k (potus) Joh. 6, 55. — ahd. vol-h (populus);
wër-ah (opus) K. 27b. — agſ. fol-c; ſvëor-c (caligo); vëor-c
(opus). — altn. fôl-k; ſpar-k (conculcatio); vër-k. —
mhd. ſwër-c (nubes) Beham in Hagens ſamml. p. 59;
vëtt-ech Wigal. 5069. vol-c; wër-c. — nhd. vol-k;
wer-k. — engl. fol-k; wor-k. —


δ) ſchwache maſculina,
ahd. en-ho (agricola) blaſ. 32b monſ. 408; hol-ahho
(navis actuaria)? ſtützt ſich bloß auf jun. 280; pal-
ho (trabs) bal-co T. 39, 6; ſcin-ho (tibia) val-ho
(falco) doc. 210a aus dem latein, vielleicht mit dem ab-
leitungsvocal u, da monſ. 412. fal-uhho ſteht, wo nicht
[281]III. conſonantiſche ableitungen. K.
zu leſen iſt fal-ahho? die gloſſen erklären damit hero-
dius, herodion, vgl. miſc. 1, 39; vin-ho (fringilla); vran-
ho (francus); zin-ho (albugo) doc. 207a. — altn. ân-ki
(defectus); fâl-ki (falco); hân-ki (funiculus); har-ki (vis)
f. hard-ki; mac-ki (juba equina); vân-ki (vertigo). — mhd.
bal-ke; hol-che (celox)? Beham b. Hagen p. 56. 58. hat
höl-ch; tol-ke (interpres) grundr. 263; val-ke; van-ke
(ſcintilla); vin-ke; vlin-ke; (fruſtum metalli ſplendentis);
vran-ke. — nhd. bal-ke; fal-ke; fin-ke; fun-ke. —


ε) ſchwache feminina,
goth. kal-kjô (meretrix). — ahd. lêr-ahha (alauda) monſ.
321, ſpätere ſchreiben ler-ihha, aber unorganiſch, denn
die wurzel hat nicht den umlaut e, ſondern ê, das aus
contraction entſprungen ſcheint, vielleicht war die frü-
here, vollſtändigere form leiwar-ahha? woher ſonſt die
ſonderbaren niederd. lewer-ke, niederheſſ. löwenecker-
che, nl. lewer-ick?; ſnarr-ahha (tendicula), der nom. un-
ſicher, weil monſ. 350. nur der dat. pl. ſnarrahhun ſte-
het; rin-ha (fibula) jun. 206. wo fehlerhaft rin-ga. —
agſ. lâver-ce, lâver-c (alauda). — altn. blad-ka (foſium);
ec-kja (vidua) dän. en-ke; grœn-ka (viror); hâl-ka (lu-
bricitas); har-ka (vis); ſtor-ka (gelatio). — mhd. lêr-che;
rin-ke (fibula) MS. 2, 80b Parc. 74a Wigal. 31. 387. Wilh.
1, 146b. — nhd. ler-che. — engl. lar-k.


ζ) ſchwaches neutrum: goth. þaír-kô (foramen).


2) adjectiva,
goth. keines anzuführen, es ließe ſich denn aus dem dun-
keln adv. anaks (ἐξάπινα, ἐξαίφνης) ein adj. an-aks (re-
pentinus), etwa von der praep. ana, herleiten? aber in
jenem adv. ſcheint das -s unflexiviſch, wo es nicht für
den gen. anakis, anakáis ſtünde? *) — ahd. chran-h (fra-
gilis); plan-h (pallidus); ſtar-h (fortis) ſtar-ah noch K.
20a; wël-h (marcidus) monſ. 410. N. 54, 22. 146, 8. —
agſ. blan-c; dëor-c (tenebroſus); ſtëar-c (aſper); vlan-c
(ſuperbus). — altn. blân-kr; döc-kr (niger); frac-kr (li-
ber); krân-kr (aeger); myr-kr (obſcurus); ſtyr-kr (ro-
buſtus); vir-ki (profeſtus). — mhd. blan-c; kran-c; lër-c,
lur-c; ten-c; ſtar-c; wël-c. — nhd. blan-k; flin-k; fran-k;
kran-k; lin-k; ſchlan-k; ſchwan-k; ſtar-k; wel-k (dia-
lektiſch ſchwel-k).


[282]III. conſonantiſche ableitungen. K.

3) verba


α) ſtarkformige: val-kan (nr. 12.) drig-kan (nr. 397.)
ſig-qvan (nr. 398.) ſtin-kan (nr. 399.) hröc-kva (nr. 400.)
cvin-can (nr. 401.) ſkrin-kan (nr. 402.) ſvin-kan (nr. 403.)
hin-kan (nr. 404.) win-kan (nr. 405.) blin-kan (nr. 406.)
klin-kan (nr. 407.) ſlin-kan (nr. 408.) ſkin-kan (nr. 409.
602.) ſvëor-can (nr. 445.) hlin-kan (nr. 598.) þin-kan (nr.
599.) din-kan (nr. 600.) fin-kan (nr. 601.) ſtaír-kan (nr.
621). —


β) erſter ſchwacher conjugation:
goth. drag-kjan (potum praebere); ſtag-qvan (impingere);
þug-kjan (videri); vaúr-kjan (operari). —


ahd. chren-han (debilitare); den-han (cogitare); dun-
han (videri); ſcen-han (infundere); ſen-han (demittere);
ſten-han (ſoetidum reddere); ſter-han, früher ſtar-ahjan
(confortare); tren-han (potum dare); wur-han (ope-
rari). —


agſ. dren-can; ſcren-can; ſen-can; vyr-can. —


altn. drec-kja; kren-kja; mer-kja; ſtyr-kja (roborare);
þec-kja; þen-kja; yr-kja; vgl. die ſ. 191. augeführten auf
-kva.


mhd. den-ken; dün-ken; hen-ken; len-ken; kren-
ken; mer-ken; ſchen-ken; ſen-ken; ſter-ken; tren-ken;
wür-ken.


nhd. den-ken; dün-ken; krän-ken; len-ken; mer-ken;
ver-ren-ken; ſchen-ken; ſen-ken; ſtär-ken; trän-ken;
wir-ken. —


engl. dren-ch; ſten-ch; thin-k; wor-k; wren-ch. —


γ) zweiter und dritter:
ahd. dan-hôn (grat. agere); tun-hôn (tingere); wan-hôn
(vacillare); wër-hôn (operari); win-hôn (nutare). —


agſ. bëal-cjan (eructare); bëor-cjan (latrare); mear-
cjan (notare); ſvëor-cjan (caligari); vin-cjan (nivere); þan-
cjan (gratias agere). —


altn. or-ka (valere); vir-ka (opus facere); þac-ka. —


mhd. dan-ken; wan-ken; win-ken.


nhd. dan-ken; hor-chen (auſcultare) *); tun-ken; wan-
ken; win-ken; zan-ken. —


engl. bel-ch; mar-k; than-k; win-k.


[283]III. conſonantiſche ableitungen. K.

anmerkung: den nord. ſprachen ſind mit -ka gebil-
dete verba zweiter ſchw. conj. eigen, die ich von den
eben angeführten orka, virka, þacka ſondere. Sie ſtam-
men von adjectiven her und werden erſt durch das ab-
leitende k zu verbis, während jene das k ſchon im ſubſt.
oder ſtarken verbo haben. In ihnen allen iſt darum
ſtamm und ableitung ſehr fühlbar. Die altn. ſprache bil-
det ſie von poſitiven und comparativen: 1) von aumr
(miſer) blîðr (mitis) dŷr (carus, venerabilis) frîðr (pul-
cher) grœnn (viridis) harðr (durus) iðr, iðinn (ſolers)
ſeinn (tardus) tîðr (frequens) þurr (aridus) entſpringen:
aum-ka (miſereri); blîð-ka (placare); dŷr-ka, dyr-ka (co-
lere); frîð-ka (venuſtatem induere); grœn-ka (virere)
har-ka f. harð-ka (dureſcere); ið-ka (ſolere); ſein-ka (tar-
dare); tîð-ka (frequentare); þur-ka (ſiccare, ſicceſcere).
2) von den comparativen hærri (altior) minni (minor)
miórri (tenuior) ſtœrri (major) rühren hæc-ka (elevare,
elevari) aſſim. f. hær-ka; mîn-ka (minuere, minui) f.
minn-ka; miór-ka, mióc-ka (extenuare, extenuari); ſtœc-
ka f. ſtœr-ka (creſcere). Ihre zahl iſt aber eingeſchränkt,
d. h. man kann ſie nicht aus allen adj. herleiten, ſie ſchei-
nen faſt nur aus ſolchen gebildet, deren wurzel auf li-
quida oder ð auslautet. Im ſchwed. und dän. gibt es
noch wenigere und nur aus poſitiven, ſo viel ich ſehe.
Schwed. dyr-ka; id-ka; œm-ka (miſereri); ſin-ka (retar-
dare); tor-ka (ſiccare). Dän. dyr-ke; ſin-ke; tör-ke;
yn-ke f. ym-ke. Dagegen heißt es ſchwed. min-ſka,
dän. mind-ſke (minuere). Daß dieſe verba zu der ak-
form, nicht zu -ik, -uk gehören, lehrt der unumlaut.
In der goth. hochd. und ſächſ. mundart ſind ſie nicht
anzutreffen, dem blîðka, þurka würde ein ahd. plîdah-
hôn, durrahhôn (oder -ên ſtatt -ôn) gemäß ſein *). Merk-
wurdige ſpuren gewährt jedoch das mnl. in gra-ken (il-
luceſcere) Huyd. 2, 496; na-ken (appropinquare); min-ken
(minuere) Maerl. 2, 225. die von den adj. grâ, min und
nâ geleitet ſind. Nnl. nur noch ge-nâ-ken. —


Was ſonſt noch zur ak-form gerechnet werden muß,
iſt unter den weiteren, dazugeſtoßenen ableitungen zu
ſuchen. Hier einige beiſpiele. Das goth. táikns (ſignum)
hat keine wurzel, ſobald man k zur wurzel ſchlägt; wie
[284]III. conſonantiſche ableitungen. K.
wenn es ableitung und die wurzelhafte ſpirans h ausge-
fallen wäre? tái-kns f. táih-akns, von nr. 195, woher ſo
viel entſpringt? folglich ſtünde das ahd. zeihhan f. zeih-
-ahhan. Die ahd. tun-hal (obſcurus) win-hal (angulus)
ſtehen f. tun-ahhal, win-ahhal, en-hil (talus) f. en-ahhil;
wol-han (nubes) f. wol-ahhan; ër-han (ſ. 164.) f. er-ah-
han, wogegen das a haftet in êr-ahhar (ſ. 135). Das agſ.
ven-cle (ancilla, dirne) ſetzt ein ven-c (engl. wen-ch) vor-
aus. Vgl. nhd. mor-chel (fungus) ſpor-kel (februarius)
ſchnör-kel u. a. m. zum theil fremdes urſprungs.


[IK] läßt ſich beinahe nur im hochd. nachweiſen,
denn das goth. kêl-iku (oben ſ. 160.) iſt weiter abgeleitet
[buchſtäblich ahd. châl-ihhan?]


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſculina: ahd. chel-ih (calix) kel-ih O.
IV. 10, 25. mhd. nhd. kel-ch, altn. kâl-kr, kaleikr; ahd.
chum-ih (cippus)? doc. 206b; ahd. eƷ-ih (acetum) *) mhd.
eƷƷ-ich (Triſt. 11223.) nhd. eß-ich, fehlerhaft eß-ig; ahd.
mun-ih (monachus) hrab. 969b mhd. mün-ich, nhd. mön-ch;
ahd. meƷ-ih (ſyrieum) hrab. 955a; ahd. rat-ih (raphanus)
doc. 230b nhd. rett-ich; mhd. ſitt-ech (pſittacus); mhd.
nhd. tepp-ich. Bei den compoſ. mit -rîh näheres, ob
wörter wie putrih, eſtrih etc. noch hierher zu zählen ſind.


β) ſtarke feminina? die meiſten, wo nicht alle ahd.
fem. auf -ihha declinieren ſchwach.


γ) ſtarke neutra, die hierher fallenden diminutiva
altſ. -ikin, nhd. -ichen, -chen handle ich cap. VIII. ab.


δ) ſchwache maſculina dieſer form kommen in ei-
gennamen vor, ahd. kib-ihho, ſib-ihho, imm-ihho (Neu-
gart nr. 459. 540.); mhd. gib-eche, ſib-eche; viele bietet
die altniederdeutſche mundart dar, z. b. die freckenhor-
ſter urkunde benn-iko, mann-iko, ſahſ-iko, liev-iko, ſuith-
iko etc. Man ſollte auch ein ahd. wit-ihho, mhd. wit-
eche (nhd. witt-ich) vermuthen, vgl. das goth. vid-icula
bei Jornandes, allein in dieſem namen ſcheint frühe die
media zu gelten, ahd. wit-igo (Neug. nr. 420.) mhd. wit-
ege (Nib. 6812.), wie ſelbſt die Wilk. ſaga aus nord-
[285]III. conſonantiſche ableitungen. K.
deutſcher quelle vid-ga (wid-iga) neben ſif-ka (fif-ika) hat.
Altn. gehören hierher die nom. pr. giú-ki (f. giv-ki, gif-
ki) ſvein-ki (?ahd. ſuein-ihho, woher noch das ſpätere
ſchwein-iche) brŷn-ki (ahd. prûn-ihho?) und vermuth-
lich iſt das eddiſche bi-ki aus ſib-iki entſtellt. Nach Raſk
§. 327. verkleinert das altn. -ki; ob auch das ahd. -ihho,
altſ. -iko verkleinere? unterſucht cap. VIII. —


δ) ſchwache feminina,
ahd. chir-ihha, mhd. kir-che, chil-che, nhd. kir-che, agſ.
cyr-ice, engl. chur-ch, fremdes urſprungs; ahd. men-
ihha (armilla) monſ. 359. ſcheint verkleinerung von mani,
meni, altn. men (monile); pir-ihha (betula) mhd. nhd.
bir-ke, agſ. bëor-ce, engl. bir-ch, altn. biör-k, das i die-
ſer ableitung könnte aus aſſim. entſpringen (ſt. pir-ahha?);
tun-ihha aus dem lat. tunica und theils für das kleid (O.
IV. 28, 10. T. 13, 16.) theils für die bekleidung der mauer,
wand (dealbatio) N. 70, 7. (ſtark decl.) nhd. tün-che;
vul-ihha (puledra) gl. caſſ. 854a. Jenen männl. eigenna-
men entſprechen weioliche auf -ihha, das mhd. hel-che
(Nib.) mag ahd. hel-ihha gelautet haben, altn. her-kja,
vielleicht hël-ihha, hël-che, hër-kja? Vgl. ſtein-ka (Raſk
§. 328.), ahd. ſtein-ihha?


2) adjectiva dieſer ableitung keine; das weiter mit -il
abgeleitete ahd. dur-ihhil ſteht für dur-ahhil (goth. þaír-
kls?) mhd. dür-kel.


3) verba, mir fällt bloß ein: ahd. tun-ihhôn (linire)
monſ. 323. 339. nhd. tün-chen. —


[UK] agſ. -oc, ahd. -uh, früher in -ah, ſpäter ſchwan-
kend in -ich, -ech.


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſculina: ahd. chran-uh, chran-oh (grus)
hrab. 965b; hap-uh (accipiter); — mhd. kran-ech, kran-ch
Parc. 11932, wo vielleicht kran-c anzunehmen?; hab-
ech; — nhd. krân-ich; hâb-icht f. hab-ich. — agſ. bëall-
oc (teſticulus); gëall-oc (herba quaedam); haf-oc (accipi-
ter); hlëóm-oc (herba quaedam); mëtt-oc, matt-oc (ligo);
fëol-oc (ſericum) neben ſëol-c; vëol-oc (concha). — engl.
hav-ock (rapina); haw-k (accipiter); matt-ock; ſil-k:
wil-k. — altn. hau-kr (accip.) —


[286]III. conſonantiſche ableitungen. K.

β) ſtarke feminina: das einzige ahd. mil-uh (lac) J.
389. mil-oh W. 4, 11; mhd. nhd. mil-ch; agſ. mëol-oc;
altn. miól-k; engl. mil-k.


γ) ſchwache maſculina: ahd. val-uhho (herodion)
monſ. 412. ſpäter fal-ho (oben ſ. 280.); ich vermuthe
auch einige eigennamen -uhho, altſ. -oko. Altn. ſil-ki
(ſericum). —


2) adjectiva: goth. aj-uks (aeternus), folgere ich aus
dem ſubſt. ajukduþ (vorhin ſ. 250.), es ſcheint für áiv-
-uks zu ſtehen, etwa wie táujan f. tavjan?; ïb-uks (re-
trogradus) Luc. 17, 31. Joh. 6, 66. 18, 6. verwandt mit
dem ahd. ſubſt. ëp-ah (hedera), dem wahrſcheinlich ein
adj. ëp-uh, ip-uh entſprach, vgl. ëb-ich (carmen retro-
gradum) muſ. 2, 200. 222. oder gehört dies zum ahd. ap-ah
unten beim H). Es gibt ein ahd. adj. mël-h, mël-uh, das
von milchgebenden, melkbaren kühen gebraucht wird, gl.
blaſ. 5b mël-chô) (foetas) nhd. friſch-mel-k, in mund-
arten mül-k (Friſch 658b); altn. myl-kr. —


3) verba, die ſtarken mil-kan (nr. 353.); ſil-kan (nr.
354.); ſtatt des mhd. mël-hen hat ſich allmählig ein un-
org. mel-ken eingeführt, da doch im ſubſt. mil-ch die
aſp. haftet. Erſter ſchw. conj. iſt das altn. myl-kja (mul-
gere). —


anmerkungen zu ſämmtlichen K-ableitungen.

a) nach der regel entſpricht das lat. g, und ſo ver-
gleichen ſich mul-geo (ἀμέλ-γω) mil-ka, mil-hu; an-gu-
lus, win-hal.


b) in entlehnten wörtern ſtimmt aber goth. ſächſ.
nord. tenuis zur lateiniſchen, vgl. ar-ca, fal-co, cal-ix,
cal-x (kal-k) etc. ahd. mit lautverſchiebung hh: ar-ha,
fal-uhho, chel-ih, tun-ihha, chir-ihha, zum beweis, daß
dïeſe wörter ſchon in der deutſchen ſprache bekannt
waren, als ſich die aſp. aus der ten. entwickelte.


c) in einigen ſlav. wörtern entſpricht tenuis, nament-
lich in ml-ek, miól-k, mil-uh und pl-k (pol-k, krain.
pu-k, böhm. plu-k, agmen, turba) altn. fôl-k, ahd. vol-h,
litth. pul-kas. Entlehnung braucht hier nicht angenom-
men zu werden, da auch das lat. lac (?l-ac) ſich wie
ml-ek verhält, d. h. von mul-geo abſteht. Die litth.
ſprache hat zwar mél-zu (mulgeo), aber für das ſubſt.
milch wörter anderes ſtamms. —


[287]III. conſonantiſche ableitungen. G.

d) ſtamm und ableitung ſind ſehr fühlbar in den altn.
verbis auf -ka (ſ. 283.), weniger in andern fällen. Doch
gehört ſun-ke (ſcintilla) offenbar zu funa, funi (ignis);
ân-ki (defectus) zu ân (ſine); hôl-kr zu hol (cavus); hôr-
chen, hear-ken zu hôrjan, hear; hap-uh vielleicht zu
hapên (oben ſ. 10.). Das goth. þaír-kô (foramen) ſcheint
für þaírh-kô zu ſtehen, da kanm eine bloße verwand-
lung des h in k anzunehmen iſt, und dann entſpränge
das ahd. durihhil aus durah-ahhil? Dem ahd. chran-oh
entſpräche ein agſ. cran-oc, allein es heißt ohne ablei-
tung crane (grus, γέρανος).


c) übergang des -k in -g nur im agſ. bod-ig, if-ig
und ahd. wit-igo; gleich unorganiſch ſchwankt das hochd.
-ch in -k und das engl. -k in -ch.


ableitungen mit G (ahd. K).

begleitende vocale ſind a, u, und ei (î); kurzes i läßt ſich
nicht nachweiſen, d. h. nur als abſchwächung des frühe-
ren ei (î) oder entſtellung aus a, i vor ng.


[AG] der vocal haftet da, wo ſich die ableitung ver-
dunkelt hat, ſelten, und nur bisweilen im ahd. nach r;
im adj. aber, wo die ableitung fühlbar iſt, meiſtentheils.


1) ſubſtantiva


α) ſtarke maſculina: goth. bal-gs (cutis); baír-gs
(mons) bloß zu folgern aus der fortableitung baírgahei;
pug-gs (marſupium); ſag-gvs (cantus). — ahd. chlan-c
(ſonitus); hrin-c (annulus); vram-kan-c (proceſſus); pal-c
(cutis); për-ac (mons); phun-c (marſ.); ur-ſprin-c (origo);
ſtran-c (funis); ana-van-c (initium). — agſ. bëor-g (mons);
dvëor-g (pumilio); gan-g (iter); hrin-g (annulus); ſan-g
(cantus). — altn. bel-gr (follis); dol-gr (hoſtis); dvër-gr
(nanus); gân-gr; hrîn-gr; lûn-gr (ſerpens); mer-gr (me-
dulla); þven-gr (corrigia); var-gr (lupus). — mhd.
bal-c; bër-c; gan-c; klan-c; rin-c; ſan-c; ur-ſprin-c;
ſtran-c; ane-van-c. — nhd. bal-g; ber-g; dran-g; an-
fan-g; gan-g; han-g; klan-g; ran-g; ſan-g; ſprun-g, ur-
ſprun-g; ſtran-g; ſchwun-g; zwan-g; zwer-g. —


β) ſtarke feminina: goth. hrug-ga (baculus); ſaúr-
ga (cura); baúr-gs (urbs). — ahd. por-aka (cautio, ob-
ſervatio) bor-ga N. 105, 39; ſor-aka (cura); val-ka (oc-
caſio); pur-c (urbs), nie pur-ac, wofür aber das vor-
kommende pur-uc durch aſſim. ſtehen kann, ſo daß die
[288]III. conſonantiſche ableitungen. G.
ableitung -uc nicht organiſch wäre? — agſ. bur-g (urbs);
ſor-g (cura). — altn. bor-g; ſor-g; taun-g (forceps). —
mhd. bor-ge (conſervatio); ſan-ge (manipulus); ſor-ge;
vol-ge (ſequela); bur-c. — nhd. fol-ge; ſor-ge; bur-g. —
engl. bor-ow, bor-ough; ſorr-ow. —


γ) ſtarke neutra: ahd. din-c (cauſa) agſ. þin-g, altn.
þîn-g, mhd. din-c, nhd. din-g, engl. thin-g; ahd. ſan-c
(cantus); altn. tor-g (forum); mhd. ge-twër-c (pumilio);
vielleicht ahd. zuî-c (ramus) agſ. tvî-g, mhd. zwî-c und
zwî (vgl. 1, 425), nhd. zwei-g, engl. twi-g? wenn man
darin ein urſprüngl. zuî-ac, zuei-ac erkennen darf. Das
-c, g ſcheint nicht zur wurzel zu gehören, die jedoch
ſelbſt in tvái, zuei unvollſtändig erhalten, d. h. einer
älteren ſpirans verluſtig ſein könnte, wie gerade durch
das goth. tveihnôs (duas) beſtätigt wird vgl. 1, 761. Setzt
das ahd. zuênê (duo) ein früheres zueih-anê voraus?
ſtünde folglich zuî-c f. zueih-ac? oder bloß für zueih,
mit übergang der ſpirans in media? Wie lautete die
goth. form? tvei-g, tveih, tveih-ag?


δ) feminina auf -agei, -akî, aus adj. gebildet, be-
dürſen keiner beſondern angabe, nur bemerke ich, daß
die ahd. form häufig aſſimiliert, z. b. man-ikî, kît-ikî etc.
ſtatt man-akî, kît-akî, daher der ſpätere umlaut men-
egî, men-ege, men-ge. Dies aſſimilierte i vermiſche man
nicht mit dem organ. î ähnlicher ſubſt., die von adj.
der îc-form herrühren, z. b. ſtât-îkî, hep-îkî. —


ε) ſchwache maſculina: goth. baúr-gja (civis); gal-
ga (patibulum). — ahd. an-ko (cardo); chlin-ko (tor-
rens); kal-ko (patib.); kin-ko, gin-go (cupido); man-ko
(machina); pur-iko, pur-igo (fidejuſſor) monſ. 352. 356.
373. worin das i durch aſſim. entſpringt, aus dem her-
nach unterdrückten i der zweiten ableitung, näml. erſte
form wäre pur-ak-jo, por-ak-jo, ſpäter pur-ik-jo, end-
lich pur-iko *). — agſ. bor-ga (fidejuſſor); gal-ga; tel-ga
(ramus). — altn. gâl-gi; tân-gi. — mhd. bür-ge; gal-ge;
[289]III. conſonantiſche ableitungen. G.
gin-ge; klin-ge; flan-ge (ſerpens). — nhd. bür-ge; gal-
gen. — engl. gall-ow und borr-ower.


ζ) ſchwache feminina: goth. jug-gô (pullus f.); tug-
gô (lingua) — ahd. lun-ka (pulmo); zan-ka (forceps);
zun-ka (lingua). — agſ. lun-ge (pulmo) oder neutrum?;
tun-ge. — altn. tûn-ga. — mhd. lun-ge; ſtan-ge; zan-ge;
zar-ge (ſeptum); zun-ge. — nhd. lun-ge; ſchlan-ge;
ſtan-ge; wan-ge (gena); zan-ge; zun-ge.


η) ſchwache neutra: ahd. wan-ka (gena). — agſ.
vielleicht lun-ge. — altn. lûn-ga. — mhd. wan-ge.


2) adjectiva, hier ſind die den angeführten ſubſt. ähn-
lichen adj. zu trennen von denen, deren ableitung fühl-
bar iſt und die den ableitungsvocal nicht ſo leicht weg-
werfen.


α) dunkler ableitung: goth. ag-gvus (anguſtus); jug-
gs; lag-gs. — ahd. ar-ac (parcus) monſ. 413; en-ki (an-
guſtus); jun-c; lan-c; mur-c (putris, marcidus?) nur in
murg-fare (decolor?) N. 93, 22. 102, 15. vorhanden *);
vielleicht plû-c, pliu-c (verecundus) deſſen adv. blû-go
O. II. 4, 75. ſteht und das ich (analog dem ſubſt. zuî-c)
aus pliuw-ac deuten möchte, die wurzel ſcheint das ver-
lorne ſubſt. pliu, pliuwes (color)? agſ. blëó, die bedeu-
tung: färbig, erröthend?; ſtren-ki (ſeverus). — agſ. ëar-g
(pravus); gëon-g (juvenis); lan-g; ſtran-g; be-ten-ge
(incumbens). — altn. ar-gr; bliú-gr (verecundus); krîn-
gr (aptus); lân-gr; ön-gr (anguſtus); rân-gr (obliquus);
ſlîn-gr (callidus); ſtrân-gr (fortis); ſvân-gr (jejunus);
þrön-gr (anguſtus); þûn-gr (gravis); ûn-gr (juvenis). —
mhd. ar-c; bliu-c, zuweilen noch geſchr. bliuw-ec, bliu-
ec, blouw-ec; en-ge; jun-c; kar-c; kur-c (prudens, cal-
lidus) Parc. 82a Wilh. 2. 5a 30b 103a; lan-c; mur-c (pu-
tridus, paludinoſus) Wilh. 2, 11a Ottoc. 88b 174b 213a,
gen. mur-ges oder mur-kes?; ſtren-ge. — nhd. ar-g;
ban-g; en-g; jun-g; kar-g; lan-g; ſtren-g. — engl.
lon-g; ſtron-g; youn-g. —


β) adjectiva der fühlbaren ableitung -ag gibt es
eine menge und zwar ſind ſie im goth. leicht von den
verwandten adj. auf -eig zu unterſcheiden. Ebenſo rein-
T
[290]III. conſonantiſche ableitungen. G.
lich (wo nicht aſſim. im ſpiel iſt) ſtehen in den früheſten
ahd. quellen -ac und -îc voneinander ab, in den ſpäte-
ren werden beide endungen zu -ec, -ic und die trennung
fällt ſchwieriger. Aehnliche hinderniſſe liegen bei den
übrigen dialecten im weg.


goth. áud-ags (beatus); grêd-ags (famelicus); man-ags
(multus); môd-ags (iratus); vulþ-ags (glorioſus) und ohne
zweifel noch andere genug. —


ahd. durſt-ac (ſitibundus) Samar. T. 82; ein-ac (unicus,
unigenitus) T. 13, 7, 10. 49, 2. 92, O. der von dieſem
worte die ſchwache form vorzieht, aſſimiliert ein-egen
(unico) IV. 29, 68. ein-ogo (unicus) II, 3, 98. nach cod. vind.,
und daraus ſcheinen die tadelhaften formen ein-ego I. 22.
100. ein-ega I. 22, 104. ein-igun I. 22, 92. ein-igo II. 3,
98. nach cod. pal. entſprungen, vgl. ein-ogo (monachus)
jun. 238; kît-ac (guloſus, avidus) jun. 210. hrab. 965a
kît-agî (gula) hymn.; krât-ac (hians) jun. 211. hrab. 965b
967b; kor-ac (miſer, aerumnoſus) gor-ag O. I. 10, 15. II.
9, 52. vgl. das goth. gaúrs (triſtis); hant-ac (acer, ama-
rus) doc. 217b; har-ac (lugubris) jun. 212; heil-ac (ſanc-
tus); hunkar-ac (eſuriens) T. 82; jâmar-ac (moeſtus) O.
IV. 34, 47. V. 23, 65; leid-ac (triſtis); loup-ac (ſrondo-
ſus) un-ki-loup-ac (arens) doc. 241b; luſt-ac (hilaris); man-
ac (multus) un-man-ac (paucus); mand-ac (alacer) monſ.
360; muot-ac (animoſus) kann ich nicht belegen, muat-
ikî (animoſitas) jun. 189. iſt aſſim. f. muatakî; nôt-ac
(coactus, vinctus) nôt-ag O. IV. 12, 126. un-nôt-ag III.
4, 71; ôt-ac (dives, locuples) K. 50b T. 4, 7. 23, 1. aot-
ac hrab. 959a ôd-ag J. 383; pluot-ac (cruentus) hrab. 957a
monſ. 407; rôƷ-ac vielleicht roz-ac (plorabundus) O. I.
18, 83. II. 16, 24. V. 5, 40; ruſt-ac (barbarus) ruſt-igju
ſanc (aſſim. f. ruſtagju) volkslieder, monſ. 375, das ſubſt.
ruſtagî (barbaries) doc. 232a, ſchwerlich nach dem lat.
ruſticus, vielleicht f. hruſt-ac, vgl. hruſtim Hild.; ſcam-ac
(pudicus) un-ſcam-ac (infrunitus) jun. 211; ſêr-ac (ama-
rus) monſ. 325. O. IV. 34, 44. V. 9, 44; flâf-ac (ſomno-
lentus) K. 23b; ſnêw-ac (nivoſus) gl. ker.; ſtûd-ac (ne-
moroſus) monſ. 410; voraht-ac (timidus) jun. 256; vreid-
ac (apoſtaticus) jun. 184, doch kommt von dieſem adj.
die îc-form häufiger vor; vroſt-ac (algens) jun. 191;
vuor-ac (cibo repletus, crapulatus) doc. 245a; wên-ac
(miſer, pauper, exiguus) entſpringt aus wein-ac (deplo-
randus, lugubris) hrab. 962a jun. 213. monſ. 410. O. IV,
26, 20. V. 6, 88; wîn-ac (vinolentus) gl. ker.; wîƷ-ac
(ſapiens) vora-wîƷ-ac (praeſcius) jun. 222. hrab. 971b vgl.
[291]III. conſonantiſche ableitungen. G.
wîƷ-ako, ſpäter wîſſage (propheta); wuot-ac (furioſus)
jun. 207. 260; zorn-ac (iracundus) monſ. 329. 335. 386. —
Bei N. erſcheint -ac geſchwächt in -eg, unterſcheidet
ſich aber noch von -îg, das vielleicht zuweilen in -ig,
ſeltner in -ëg übergeht. Beiſpiele organiſcher -eg: durſt-
eg (ſitiens) 35, 10. 41, 2. 62, 1, 2. 68, 22; gër-eg (avidus)
41, 3; gît-eg (rapax) 23, 2; gor-eg (pauper) 11, 6. 34,
10; graſ-eg (herboſus); hand-eg (acerbus) 32, 8. 34, 3.
59, 6; harz-eg (reſinoſus); hunger-g (eſuriens) 58, 7, 15.
106, 5, 38; leid-eg (afflictus) 34, 14. 37, 7. 41, 10. 76, 5.
89, 7. 106, 25; man-eg 3, 1. 34, 3, 17. 70, 20; muot-eg
(iracundus)? wenigſtens hat N. in einer ungedr. ſtelle
muoteginâ (affectiones, quae cito pereunt); nôt-eg (coac-
tus); riuch-eg (fumoſus); riuw-eg (corde compunctus)
108, 16; ſcam-eg 24, 20. 30, 2, 18. 33, 6. 68, 7. 69, 3. un-
ſcam-eg 24, 2; ſêr-eg 12, 3. 68, 30; trûr-eg (triſtis) 41, 6,
7. 68 21; vlîƷ-eg (diligens); wên-eg 31, 4. 37, 7. 81, 4.
87, 7. wîƷ-eg 9, 16. un-wîƷ-eg oder un-wiz-eg? (inſi-
piens) 73, 22; zorn-eg 94, 12. Allein neben dergl. -eg
finde ich wenigſtens in den pſalmen zuweilen -ig, das
darum noch kein -îg zu ſein braucht, worüber uns erſt
die herausgabe der accente aufs reine bringen wird. So
ſtehet durſt-ig 106, 5; ſcam-ig 108, 29; wên-ig 74, 5;
wuot-ig 28, 7. 33, 1; oft man-ig 3, 1, 3. 4, 6. 11, 9. 15,
4. 16, 4. 30, 14. 70, 7, 20 etc.; heil-ig 14, 1. 18, 10.
29, 5. —


altſ. in der E. H. ſind -ag und -îg unterſchieden, je-
nes haben: craſt-ag (potens) doch nur bamb., denn cott.
gibt craft-îg; drôr-ag (cruentus): grâd-ag (vorax); hêl-
ag (ſanctus); muod-ag (iratus); man-ag (multus); ſêr-ag
(dolens) u. a. m.


agſ. muß die unterſcheidung zwiſchen -ag und -îg
aufgegeben werden, fur beide claſſen zeigen ſchon die
älteſten denkmähler einförmiges -ig, kein -ag, -eg, -og.
Ich nehme daher an, daß alle organiſchen -ag in die îg-
form übergetreten ſind und führe ſie dort auf, obſchon
ſich die länge des vocals bezweifeln läßt. Neben organ.
-îg ein -ig (für -ag) anzunehmen wäre allzugewagt. Hier
einige belege aus Beov. über wörter, denen offenbar die
ag-form gebührt hätte: blôd-ig (cruentus) 182; eád-ig
(felix); græd-ig 12. 115; man-ig 8. 32. 57. oder mon-ig
15. 65. 70. u. a. m. —


altn. ſcheint der eigentliche organiſmus gleichfalls ge-
ſtört, einziges überbleibſel der ag-form iſt heil-agr (ſanc-
T 2
[292]III. conſonantiſche ableitungen. G.
tus). Die andern alle ſchwanken zwiſchen -ugr und
-igr, beiſpiele werden dort angeführt werden. Raſk
§. 365. hält -ig für alterthümlicher als -ug; das mag ſein
in wörtern, denen goth. -eig, ahd. -îc zuſteht. In denen
mit urſprüngl. -ag erkläre ich mir die verwandlung in
-ug nicht anders als die des -all in -ull (1, 741. 2, 103.):
aus dem fem. kröpt-ug bildete ſich auch ein maſc. kröpt-
ugr ſtatt krapt-agr. Noch iſt zu merken, daß die altn.
ſprache den ableitungsvocal häufig ganz ausſtößt, zumahl
in ſolchen, ſo viel ich ſehe, die urſprüngl. -ag hatten;
das u oder i welches goth. -ei vertritt, ſcheint etwas
feſter. So findet ſich neben heil-agr, höf-ugr, nauð-
ugr, dreyr-ugr, môð-ugr, mâl-ugr, ur-igr verkürzt hel-gr,
höf-gr, nauð-gr, dreyr-gr, môð-gr, mâl-gr, ur-gr, wo-
bei die zutretenden flexionen ihren einfluß ausüben. Ja
ein ſehr gebräuchliches adj. kommt nur ohne den vo-
cal vor, nämlich mar-gr (multus), das mit dem goth.
man-ags, ahd. man-ac einerlei ſein muß; n verwandelte
ſich in r *), weil man-gr von dem compoſ. man-gi (nemo)
ſchwer zu unterſcheiden geweſen wäre. Die Schweden
ſetzen aber neben mar-g bisweilen mån-g. —


mhd. erſcheint die volle endung -ac nirgends mehr,
abgeſehen von dem aus wîƷac misverſtandnen ſubſt. wîſ-
ſage, wîs-ſage (ſt. wîƷ-ege, wie oben ſ. 107. ehte-ſal, irre-
ſal, ſt. ehteſel); ſondern dafür die abſchwächung -ec.
Da aber auch die ableitung -îc in -ëc, -ec verdünnt wor-
den iſt, ſo verſchwimmen beide endungen ineinander,
d. h. es wird für beide ein gleichlautiges -ec oder -ic
geſchrieben, Wolfr. reimt Wilh. 111a gîtec: ſtrîtec (ahd.
kîtac, ſtrîtîc). Welche ſchreibung den vorzug verdiene,
-ec oder -ic? muß wohl für einzelne dichter ausgemit-
telt werden. Bei einigen kommen zuweilen noch be-
tonte -îc, -ìc, -ìgen vor (beiſpiele ſtehen 1, 368. und
deshalb ſind die -ic nicht ganz aufzugeben; andere, na-
mentlich Wolfr., ſcheinen nur -ec zu kennen. Den or-
ganiſchen unterſchied zwiſchen -ac und -îc auch in die-
ſer periode zu erfaßen, dient alſo 1) bei umlautbaren
der umlaut; wo er mangelt iſt ein altes -ac, wo er ein-
tritt, ein altes -îc zu vermuthen. Doch jenes leidet die
bekannten ausnahmen, in welchen die mhd. ſprache den
umlaut meidet, namentlich bei wurzelhaftem ou, ung,
[293]III. conſonantiſche ableitungen. G.
uld: geloub-ec, ſchuld-ec etc. gehören, ihrem unumlaut
zum trotze, der îc-form an. 2) bei unumlautbaren ent-
ſcheidet die analogie des ahd. z. b. gît-ec, ein-ec, wên-
ec fallen der ac-form heim, will-ec, nîd-ec der îc-form,
womit ich für einzelne wörter und dialectiſch übergänge
aus einer in die andere nicht ableugnen will, z. b. da
ſchon im ahd. N. heilig oder heilîg f. heileg zuläßt, ſo
verdient auch Hartmanns heilìgen: verſwigen Jw. 58a
entſchuldigung. 3) bei Wolfr. könnte eine mir von
Lachm. mitgetheilte metriſche regel aufſchluß geben:
in der penultima duldet er vor vocaliſch anlautendem
ſtumpfreim das -ec unſerer adj. (vorausgeſetzt, daß die
wurzel lang ſei,) nur wenn die urform -ac war, nicht
wenn ſie -îc war, in welchem falle -eg ſtehen muß. So
z. b. ſchließt der vers: bluot-ec iſt, zorn-ec ouch (nicht
bluot-eg iſt, zorn-eg ouch) hingegen: genæd-eg iſt, ſæl-
eg ouch (nicht genæd-ec iſt, ſæl-ec ouch). Das wäre
nachwirkung der alten länge in -îc, welche die media
zwiſchen den zwei vocalen hervorruft: ſælegiſt, während
die alte kürze -ac kein verſchmelzendes bluotegiſt erlaubt,
ſondern das -ec mehr mit der wurzel verbindet: bluotec
iſt. Inzwiſchen hilft die regel für unſere anwendung we-
nig, da die beiſpiele wohl nur wörter darbieten, deren
-ac oder -îc ſchon aus andern gründen feſtſteht; eher
könnte ſie lehren, daß Wolfr. in einzelnen adj. der un-
org. form huldigte, z. b. wenn er ſchuldec iſt ſagt ſtatt
ſchuldeg iſt, ſo folgt daraus für ihn ein ſchuldec = ſcul-
dac ſtatt ſchuldec = ſculdîc. 4) auf die analogie der be-
deutungen, da dieſe noch nicht gehörig beſtimmt worden
ſind, iſt ſehr behutſam zu bauen. — Dies vorausgeſchickt,
laße ich die mhd. adj. der ac-form folgen: er-barm-ec
(miſericors) Wigal.; bluot-ec (cruentus); dorn-ec (ſpino-
ſus); durſt-ec (ſitiens); ein-ec (unicus); eiter-c (veneno-
ſus)? oder zur îc-form? Mar. 215. eitir-gem; graſ-ec
(herboſus); gît-ec (avidus); haft-ec in ê-haft-ec Barl. 387.
teil-haft-ec; hand-ec (acer) Herb. 76d; heil-ec; hunger-c;
jâmer-c Wigal. Parc.; ge-lang-ec Triſt.; leid-ec; durch-
liuht-ec; loub-ec (frondoſus); luſt-ec, ver-luſt-ec; man-
ec, un-man-ec; mord-ec (occiſorius) Wigal.; muor-ec (pa-
ludinoſus) Parc. 97a; muot-ec; vruot-ec Tit. un-muot-ec:
wuot-ec Wilh. 3, 24a, wuot-ec Reinfr. 43d; narr-ec (ſtoli-
dus) Bon.; nôt-ec (coactus); pfaff-ec, geſchloßen aus pfaffec-
lîche Barl. 398; harnaſch-ram-ec Parc. 99a; riuw-ec; ſtoub-
ec (pulveroſus); ſnêw-ec; ſweiƷ-ec Gudr. 78a; touw-ec (ro-
rulentus); trûr-ec (triſtis); -valt-ec, ein-valt-ec, drî-valt-ec;
[294]III. conſonantiſche ableitungen. G.
viſch-ec (piſcem olens) Parc. 118b; vlîƷ-ec (ſolers); vluot-ec
(fluctuans): wuot-ec troj. 151b (wo zu leſen über-vluot-
ec) fragm. 45a: bluot-ec Apollon. 11481; ge-volg-ec (obe-
diens); vorht-ec (pavidus) MS. 2, 152a Barl. vorhtec-lich;
vroſt-ec (algidus); ge-walt-ec (potens); ver-waſ-ec Wi-
gam. 12a; wên-ec (paucus); wuot-ec (furioſus) troj. 151b;
zart-ec (delicatus) gefolgert aus zarteclich; zorn-ec. Ei-
nige darunter könnten vielleicht îc ohne umlaut haben:
valt-ec, gewalt-ec, zart-ec?


nhd. hat ſich, da ſonſt organiſches i in vielen ableitun-
gen (namentlich -il, -ir, -in, des adj., -it, -id) zu e verdünnt
iſt, dieſer vocal in den ableitungen -ig (wie in -ich, -icht, -in
des ſubſt.) erhalten und ſelbſt in die -eg, welche urſprüngl.
-as waren, eingedrängt, ohne jedoch hier den umlaut nach
ſich zu ziehen. Kennzeichen ſind daher wieder der unumlaut
und die analogie des ahd. und mhd., wiewohl dieſe oft
abgeht, der umlaut aber von den neuern willkürlich oder
gar nach eingebildeten gründen *) geſetzt und nicht ge-
ſetzt zu werden pflegt. Beiſpiele: art-ig; aſt-ig; blûm-
ig; blût-ig; dorn-ig; duſt-ig; durſt-ig; eifer-ig; eiter-ig;
falt-ig; farb-ig; froſt-ig; geiz-ig; graſ-ig; grauſ-ig; ge-
halt-ig; hâr-ig: harz-ig; heil-ig; hunger-ig; jammer-ig;
klotz-ig; laub-ig; durch-laucht-ig; lauſ-ig; luſt-ig, ver-
luſt-ig; maſt-ig; mann-ig, verkürzt man-ch; mût-ig;
narr-ig; rauch-ig; reu-ig; rôſ-ig; rôſt-ig; rotz-ig; rûh-
ig; ſalz-ig; ſand-ig; ſchaur-ig; ſchatt-ig; ſcholl-ig; ſchuft-
ig; ſchwamm-ig; ſchnê-ig; ſonn-ig; ſtaub-ig; ge-ſtalt-ig;
hals-ſtarr-ig; ſtrotz-ig; ſumpf-ig; traur-ig; trotz-ig; thau-
ig; wald-ig; gewalt-ig; wên-ig; zorn-ig u. a. m. ich getraue
mir nicht aus der älteren ſprache alle zu erweiſen, einige
ſind offenbar ganz neu. Richtig gebildet ſcheint hoch-
alter-ig, fehlerhaft hoch-bûſ-ig (ſt. hochbûſnig) da wir
bûſen, nicht bûſe ſagen, wie wolke f. wolken, weshalb
wolk-ig beßer iſt. Wo der umlaut in etwas andern be-
gründet liegt, z. b, in dem plural-er: blätter-ig, ränder-
ig; zwei-ræder-ig wäre immer noch ac-form möglich,
obſchon ich keinen beweis, höchſtens die analogie von
laub-ig (loup-ac) beibringen kann. Den offenbar moder-
[295]III. conſonantiſche ableitungen. G.
nen bildungen aus partikeln, wie dort-ig, ôb-ig, vôr-ig
(im unedlen geſchäſtsſtil auch unt-ig, dâſ-ig f. dâ-ig, des-
fallſ-ig) gibt man keinen umlaut; doch können weder ſie,
noch alle ähnlichen unumlautbaren, z. b. hieſ-ig f. hie-ig,
(wobei keine wandlung des r in ſ, hier in hies, möglich
iſt) auch nicht die von den poſſeſſiven geleiteten mein-ig,
dein-ig etc. auf organiſche ec oder îc-form anſpruch
machen. In volksmundarten finden ſich andere beiſpiele
unumlautender oder des umlauts unfähiger adj. auf -ig,
vgl. Schm. §. 1034. —


Die nnl. ſprache liefert zwar viele adj. auf -ig, iſt
aber, weil ſie überhaupt keinen umlaut zuläßt, unfrucht-
bar für die unterſcheidung der alten -ag und -ig.


3) verba der ag-form.


α) ſtarker form, bloß mit dunkler ableitung; fân-ga
(nr. 18.) hân-ga (nr. 19.) bil-gan (nr. 355.) ſvil-gan (nr.
356.) blig-gvan (nr. 410.) ſig-gvan (nr. 411.) þrin-gan
(nr. 412.) brin-gan (nr. 413.) þvin-gan (nr. 414.) ſprin-
gan (nr. 415.) ſvin-gan (nr. 416.) krin-gan (nr. 417.) ſtin-
gan (nr. 418.) vrin-gan (nr. 419.) þin-gan (nr. 420.) flin-
gan (nr. 421.) klin-gan (nr. 422.) lin-gan (nr. 423.) flin-
gan (nr. 424.) ſtrin-gan (nr. 425.) rin-gan (nr. 426.) baír-
gan, ahd. për-akan (nr. 446.) til-gan (nr. 583.) fin-gan
(nr. 603.) gin-gan (nr. 604.) hin-gan (nr. 605.) tin-gan
(nr. 606.) bin-gan (nr. 607.) aír-gan (nr. 622.) kaír-gan
(nr. 623.) vaír-gan (nr. 624. —


β) erſter ſchwacher conj., wiederum nur dunkler
ableitung, theils aus den ſtarken herfließend, z. b. die mhd.
ſpren-gen, klen-gen, dren-gen, twen-gen etc. theils ver-
lorne ſtämme vorausſetzend z. b. pfren-gen, men-gen etc.
Ableitenden vocal zeigt noch das ahd. ſcur-akan (tru-
dere, propellere) praet. ſcur-ucta doc. 234a f. ſcur-acta
(ſcur-akita) neben ſcur-kan hrab. 972b 973b jun. 244.
monſ. 364; nhd. ſchür-gen; auch ant-lin-kan, ant-lin-gen
(reſpondere) T. gehört hierher.


γ) zweiter, dritter ſchwacher conj. a) dunkler ab-
leitung: ahd. por-akên (cavere) K. mhd. bor-gen; ſcor-
akên, ſcor-akôn? (propellere) doc. 233b wo-das part. ſcor-
aguntên; ſor-akên (angi) mhd. ſor-gen; ſtran-kên (cor-
roborari); vol-kên (ſequi) mhd. vol-gen; vgl. die mhd.
wal-gen, wor-gen, ſol-gen u. a. — b) von adj. der ag-
form: heil-akôn (ſanctificare) ki-heil-igôn jun. 215. gî-heil-
igôn N. 106, 22; leid-akôn (accuſare) leid-ogês (accuſes) monſ.
352: leid-egôſt N. 143, 6; roſt-akên (aeruginare) doc. 232a
[296]III. conſonantiſche ableitungen. G.
pluot-akên (ſanguinare) monſ. 357; ſêr-akôn (macerare, vul-
nerare) monſ. 362. 365. 379. N. 143, 6. doc. 234b wo gi-
fêrigôt; wîƷ-akôn T. 4, 14; vielleicht luſt-akên (delectari)?
welches aus luſt-ogês (delecteris) monſ. 350. nicht ſicher zu
entnehmen iſt, da dieſes für luſtôês, luſtôs ſtehen könnte
(1, 875) wie offenbar zanôgê (dilaniet) doc. 245b plôdê-
gên (paveſcant) ibid. 229b f. zanôê, plôdêên, ir-geiliſôgê
(inſoleſcat) monſ. 360. f. irgeiliſôê mithin keinen inf. za-
nagen, plodagên, irgeiliſogên beweiſen *), Altſ. be-drôr-
agan (mori). Mhd. ſchimel-gen (mucere) MS. 2, 68b. Nhd.
ein-igen: be-fleiß-igen; heil-igen; be-leid-igen; er-luſt-igen;
er-muth-igen; be-ruh-igen; ver-ge-walt-igen. — Altn.
verba dieſer art ſind: auð-ga (locupletare) blôð-ga (cruentare)
hel-ga (ſacrare) doch läßt ſich in einigen andern das -g
nicht aus dem adj. herleiten, ſondern ſcheint, wie vor-
hin ſ. 283. das -k, eigne, den übrigen ſprachen man-
gelnde verbalbildung, vgl. blôm-ga (florere facere) frióf-
ga (foecundare) fiöl-ga (multiplicare) lîf-ga (refocillare) u.
a. m. —


anmerkung: einzelne -ag ſind unter den ableitungen
zu ſuchen, die ihnen weiter hinzutreten, z. b. ahd. hun-
kar (fames) mor-akan, mor-gen etc.


[IG] dieſe ableitung läßt ſich, wie ſchon geſagt, nicht
unter die organiſchen zählen. Falſches -ig entſpringt aber:


1) aus organiſchem -ac, -ic; ſo in den agſ. ſubſt. bod-
ig, if-ig (vorhin ſ. 280.) im nhd. eß-ig (ſ. 284.); vgl. auch
wit-ige (ſ. 284.)


2) aus organ. -ang, -ing, durch auswerfung des na-
ſallauts; ſo ahd. hon-ec (mel) J. 389. K. 16a hon-ag, hon-îg
(?) Hagen 34. (vgl. 1, 120.) freckenh. han-ig, agf. hun-ig,
mhd. hon-ec, nhd. hôn-ig, engl. hon-ey, gegenüber altn.
hun-âng, ahd. hon-ang bei Notker. Desgl. mhd. kün-ec,
nhd. kœnig (rex) ſt. des ahd. chun-inc, altn. kun-ûngr,
nnl. kon-ing; nhd. pfenn-ig neben und ſtatt pfenn-ing **);
nhd. ver-theid-igen, das aus ver-tage-dingen entſpringt.
In allen dieſen -ig kann nie -îg angenommen werden.
[297]III. conſonantiſche ableitungen. G.
Umgekehrt iſt das org. -ec, -îc einzelner adj. mitunter in
-inc verkehrt worden, vgl. mhd. wên-inc Barl. (doch
nie im reim) f. wên-ec; grimm-inc Flore 18c: jungeline
wo aber die lesart verfälſcht ſcheint (? ſîn gerinc); ni-
hein-inga f. ni-hein-îga ſtehet T. 196, 1.


3) aus organ. -ag, -îg im altn. agſ. nhd. adjectiv, zu-
weilen auch im ahd., in fällen, wo man kein langes î
annehmen darf. Beiſpiele folgen unten.


4) die compoſition der zahlwörter mit -tigus, -zuc,
-zec, -zig (decas) hat nur bei oberflächlicher betrachtung
den ſchein eines ableitenden -ec. -ig, zweinz-ec, drîƷ-ec,
da es doch zwein-zec, drî-Ʒec (ſt. drî-zec) heißt.


[UG] hierher fällt das ahd. maſc. har-uc, pl. har-ukâ,
(delubrum, fanum, idolum, lucus), ein nur in den älte-
ſten gloſſen ſtehendes, zum heidenthum gehöriges wort,
hrab. 959a 963b 969a jun. 212. (wo haragâ aſſim. f. ha-
rugâ) 214. (wo haruch f. haruc). Agſ. hëar-g, hëar-h;
altn. hörg-r, pl. hör-gar (nicht her-gir, zum zeichen,
daß das u vor, nicht nach dem g ausfiel). In der lex
ripuar. ſtehet mehrmahls: in haraho conjurare, an feier-
licher ſtätte ſchwören. Ferner iſt dieſer bildung das altn.
elſk-ugi (amor, amator) ſchwed. elfk-og; dän. elfk-ov;
das ahd. mêr-ugi? mër-ugi? (frutex) monſ. 354. verſtehe
ich nicht; pur-uc halte ich für aſſim. aus pur-ac.


Von adjectiven auf -ug hat die altn. ſprache eine
menge und ſie, meiner anſicht nach (ſ. 292.) aus org.
-ag zum theil -îg entſtellt; beiſpiele: blôð-ugr (cruentus);
dreyr-ugr (idem); grâð-ugr (guloſus) göf-ugr (nobilis,
largus); hâr-ugr (crinoſus); heipt-ugr (vindictae cupidus);
hönd-ugr (dexter); hörd-ugr (trux); kröpt-ugr (potens);
kunn-ugr (gnarus); leir-ugr (lutoſus); lûſ-ugr (pediculoſus);
mâl-ugr (loquax); mold-ugr (pulverolentus); môð-ugr (ani-
moſus); mynd-ugr (majorennis); nâð-ugr (clemens); nauð-
-ugr (invitus); nert-ugr (pulcer); öfl-ugr (robuſtus); râð-
ugr (peritus conſilii); ſinn-ugr (cordatus); ſkörn-ugr (ſor-
didus); ſôt-ugr (fuligineus); târ-ugr (lacrimans); þol-ugr
(patiens); vërð-ugr (dignus); vit-ugr (ſapiens).


[EIG] ahd. -îc, bloß adjectiva, aus ihnen gezogene
feminina (ïdreiga? vgl. unten bei ïdreigôn) und verba.


[298]III. conſonantiſche ableitungen. G.

goth. gab-eigs (dives); maht-eigs (potens); anda-nêm-
eigs (excipiens) Tit. 1, 19; ſin-eigs (ſenex) Luc. 1, 18;
þiuþ-eigs (bonus); ga-vaírþ-eigs (pacificus). —


ahd. gibt es ihrer weit mehrere, als der auf -ac, da
ich dort den N. beſonders aufgezählt habe, ſo thue ich
es auch hier: anſt-îc, enſt-îc (benignus) hrab. 955a, cuat-
enſt-îc (eucharis) jun. 188, ab-anſt-îc (invidens) K. 52b,
ab-unſt-îc (aemulus) doc. 202b; chreft-îc (gravis, potens)
monſ. 350. 361. un-chreſt-îc K. 42b; chûm-îc (infirmus)
T. 135. O. III. 4, 31; chumft-îc (venturus) hymn.; chunſt-
îc (gnarus) jun. 207. un-chunſt-îc (rudis) monſ. 331 380;
ar-chuſt-îc (fraudulentus) hrab. 960b un-chuſt-îc (impu-
rus) monſ. 387. doc. 241a; ana-dâht-îc (attentus) doc.
201b; eli-diot-îc (barbarus) J. 393. jun. 235; diuv-îc?
diup-îc (furtivus) doc. 208a; ur-druƷ-îc (moleſtus) jun.
213; un-dult-îc (impatiens) hrab. 966b; duruft-îc (indi-
gens) K. 45a T. 18, 2; eht-îc (avidus) jun. 233. (dives)
hrab. 959b (idoneus) monſ. 392; ein-îc (ullus, aliquis, quis-
piam) K. 29b 38a.b. J. 374. 379. jun. 174. hrab. 958b
976b T. 53, 4. 62, 6. O. II. 7, 94; emaƷ-îc (frequens, ju-
gis) K. 39a jun. 178. 209. monſ. 358; and-îc, ent-îc (emi-
nens, von andi frons, nicht von enti finis) kommt nicht
allein vor, ſondern in folgenden comp. opan-ent-îc, opan-
ont-îc (centralis, ſummus, ſupremus) jun. 179. doc. 227a
T. 14, 4. 209, 1. O. II. 8, 72. nidan-ent-îc monſ. 321.
ûƷan-and-îc (extremus) jun. 192. vorn-ent-îc monſ. 324.
331; êw-îc (aeternus) K. 15a 17a 23b J. 374. 379. jun. 246.
êwîn-îc K. 24b O.; lîhham-haft-îc (corporeus) phyſ. (ger-
manus) monſ. 383; ki-halt-îc (parcus) monſ. 389. ê-halt-îc
(religioſus) jun. 189. 191; hep-îc (gravis) monſ. 367. un-
ki-hep-îc (lubricus) doc. 223a, aber T. 40, 2. 138. ſchreibt
hev-îg, hef-îg (moleſtus) O. heb-îg; ki-henk-îc (conſen-
tiens) T. 27, 2; heift-îc (vehemens) *) O. III. 13, 11. wenn
für heiſtîgo zu leſen iſt heiſtîgo?; mana-heit-îc (multus,
liberalis) monſ. 336. 352. 382; ki-hirm-îc (tranquillus) un-
ki-hirm-îc (inſolens) doc. 241b; ki-hôr-îc (obediens) J.
355. 383; ki-huct-îc (memor) K. 20b, pi-huct-îc (ſollici-
tus) K. 22a 27a hrab. 974b, upar-huct-îc (ſuperbus) T. 4, 7;
huor-îc (meretricius) jun. 236; zui-jâr-îc, drî-jâr-îc, finf-
jâr-îc doc. 220b T. 10, 1. jun. 173. monſ. 362; îl-îc (dili-
gens) jun. 293. monſ. 359; kep-îc (opulentus) kep-îkî (opu-
[299]III. conſonantiſche ableitungen. G.
lentia) doc. 204b; duruh-kenk-îc (obſtinatus) doc. 240a
monſ. 40; hôh-kir-îc (altipetax) doc. 219b; vilo-chôſ-îc
(magniloquus) doc. 206a; lanz-îc (vernus) doc. 222a; ki-
loub-îc (fidelis) K. 28a; ant-lâƷ-îc (praeſtabilis, inclinatus)
monſ. 343. 378. 396; leid-îc (odioſus) doc. 222b; leim-îc
(argilloſus) doc. 222b monſ. 328; liſt-îc (artificioſus) monſ.
389. hinter-liſt-îc (verſutus) doc. 219a; virin-luſt-îc (luxu-
rioſus) T. 97; maht-îc, un-maht-îc K. 23a 40a 49a hrab.
952b 967a al-maht-îc J. 340. 344. 346; meiſt-îc nur als
adv. praeſertim, maxime jun. 219. O. IV. 12, 19; mek-
in-îc (valens) J. 363. jun. 192; un-meƷ-îc (immoderatus)
K. 44b jun. 214; un-ki-mëƷ-îc (incomparabilis) monſ. 358;
upar-muot-îc (ſuperbus) J. 348. ôt-muot-îc (humilis) J.
375. T. 4, 7; muoƷ-îc (otioſus, lentus) monſ. 357. 385;
ka-nâd-îc (clemens) hrab. 956a T. 32, 8. un-ka-nâd-îc
hrab. 967a; nîd-îc (ſubdolus, invidioſus) J. 404. jun. 260.
O. V. 23, 107; vir-numfſt-îc (capax) jun. 256. vir-nunſt-
îc (ingenioſus) monſ. 353. nôt-nunft-îc (violens) T. 64,
10; oft-îc (frequens) T. 63, 3; palaw-îc (peſtilens) monſ.
351. un-palaw-îc (innocens) J. 404; nôt-pent-îc (vinctus)
T. 199, 1; un-bâr-îg W. 4, 2. danh-pâr-îc (gratioſus) monſ.
351. un-laſtar-bâr-îg O. III. 17, 132. un-wërah-pâr-îc (in-
tempeſtus) monſ. 328; pir-îc (docibilis) T. 82; widar-pirk-îc
(arduus) K.; pruƷ-îc (fragilis) O. II. 12, 66; widar-
pruht-îc (rebellis) J. 383. monſ. 355. 386; un-puohh-îc
(idiota) jun. 211. hrab. 968a; ki-pulaht-îc (iracundus) jun.
173; â-pulg-îc (furioſus) jun. 182; ana-purt-îc (genuinus)
vuri-purt-îc (parcus) monſ. 355. (longanimis) hrab. 953b;
un-ki-riſt-îc (indignus, impar) doc. 241b monſ. 379. 384;
ki-ruor-îc (floridus, viridis) monſ. 351. 390. 394; ſâl-îc
(beatus); ant-ſâƷ-îc (erectus, ſuſpectus) monſ. 384. doc.
202a; jâr-ſâm-îc (annoſus) jun. 234; hintar-ſcrenh-îc
(verſutus) monſ. 351; ſcult-îc (reus) K. 29b jun. 216. T.
26, 1. un-ſculd-îc hrab. 964b; zëhan-ſeit-îc monſ. 349;
lop-ſink-îc (hymnidicus) monſ. 392; un-ſit-îc (malemora-
tus) O. V. 25, 242; ouc-ſiun-îc (evidens) monſ. 364. doc.
227b; it-flaht-îc (recidivus) aug. 124b; ſliun-îc (citus) doc.
235a pi-ſiun-îc jun. 228; ſpât-îc (ſerotinus) jun. 175; grâ-
ne-ſprung-îc (juvenis); ſpuot-îc jun. 181; ſtât-îc, (ſtabilis)
K. 24b 53b 56a monſ. 335. un-ſtât-îc monſ. 347. 384. 385;
widar-ſtent-îc (repugnans) monſ. 385; ſtet-îc (fixus) O. V. 17,
62; ſtirp-îc (morticinus) jun. 213; ſtrît-îc (contentioſus)
monſ. 374. ein-ſtrît-îc (contumax) jun. 236. 259; ſuht-îc
(morbidus) K. 39a T. 243, 4. mânôt-ſuht-îc (menſtruus)
monſ. 322; var-ſûm-îc (deſidioſus) jun. 257; ſunt-îc (pec-
[300]III. conſonantiſche ableitungen. G.
cator) K. 18. T. 32, 5, un-ſunt-îc jun. 181; ſuntar-îc (pri-
vatus, peculiaris, vernaculus) J. 365. K. 32a 46a jun. 204.
254. T. 86. monſ. 346; êr-tak-îc (antelucanus) doc. 210a
mitti-tak-îc (meridianus) monſ. 357; ab-trunn-îc (apo-
ſtata) monſ. 378. doc. 201a; truht-îc (pronubus) doc.
240a; tuâl-îc (moroſus) jun. 259; upp-îc (otioſus) K.
26a ubb-îg O. V. 1, 36; vall-îc, vell-ic (declivis) monſ.
340. 381; manac-valt-îc (multiplex) monſ. 347; ant-vank-
îc, ant-venk-îc (acceptus) K. 25b monſ. 404; vart-îc,
vert-îc (expeditus) monſ. 319. doc. 240b; viƷuſ-îc, viƷiſ-
îc (aſtutus) monſ. 331. 351; vlîƷ-îc (diligens) O. I. 1, 214;
vorn-îc (antiquus) hrab. 955a; vilo-vrâƷ-îc (edax) doc.
240b; vilo-vreht-îc (emeritus) ibid.; vreid-îc (profugus,
apoſtata) K. 44b jun. 217. hrab. 954a doc. 212a, doch jun.
184. ſtehet freidaken (apoſtaticum) f. freidekan?; vrum-îc
(efficax) doc. 212a; ki-walt-îc, gi-welt-îg O. I. 3, 85. IV.
23, 73; wint-warap-îc (ventoſus) monſ. 413; in-wart-îc
(intimus) monſ. 369. 388. aftar-wart-îc (retro vergens)
monſ. 345. kakan-wart-îc (praeſens) gegin-wert-îg O. II.
14, 134; wahſam-îc, waſm-îc (fertilis) hrab. 951a; will-
îc (ultroneus, devotus) J. 364. jun. 231. 238. ki-will-îc
(intentus) monſ. 396. ein-will-îc (pertinax) jun. 222. wo-
la-will-îc (benevolus) hrab. 955a O. III. 10, 34. upil-will-
îc (malevolus) O. III. 17, 14; wintir-îc (hiemalis) O. III.
22, 6; wird-îc (dignus) K. 29b 20a 56b monſ. 319. T. 13,
23. 44, 6. êr-wird-îc (celeber, glorioſus, religioſus) J. 408.
hrab. 951b 956a jun. 224; tiuvol-winn-îc (daemoniacus)
monſ. 337. 391; wiz-îc (ſenſatus) monſ. 351; ki-wurt-îc
O. II. 8, 71; in-ziht-îc (zelotypicus) monſ. 356; zuht-îc
(foetus) monſ. 335. doc. 246b, aftar-zuht-îc (poſtfoetans)
monſ. 349, un-zuht-îc (indiſciplinatus) monſ. 353; ki-zumft-
-îc (conveniens) T. 189, 2; zuom-îc (vacuus) T. 57, 7. —
Nachſtehende ſind aus N., ich gebe allen -îg, obwohl er (und
wohl ſchon O.) mitunter -ig zu ſchreiben ſcheint: bir-îg (fer-
tilis) 1, 3. 51, 10. 67, 17. 127, 3.; burt-îg (nativus) 44, 11. ërd-
burt-îg (terrigena) 48, 3. fure-burt-îg (? magnanimus,
loco celſo natus) 32, 16. anderwannen-burt-îg (alienigena)
82, 7; wider-bruht-îg (reſiliens) 100, 7; chel-îg (afflictus);
chumft-îg (futurus); un-chuſt-îg (doloſus) 108, 1; ge-
dult-îg 91, 15; duniſt-îg (procelloſus) 106, 25; durft-îg
15, 2. 34, 10. 69, 6; oben-eht-îg (ſummus) 45, 3. auch
oben-aht-îg 18, 7. 71, 16. beide für oben-ent-îg, -ant-îg?;
êw-îg; ge-vell-îg (opportunus) 31, 6. undanc-fell-îg (in-
gratus) 77, 1; ſiben-falt-îg 80, 4; fâr-îg (doloſus) 16, 12;
feſel-îg (prolificus) 143, 13; hôh-fert-îg (ſuperbus) 74, 7;
[301]III. conſonantiſche ableitungen. G.
ke-folg-îg (ſequens) 36, 6. rëht-folg-îg 65, 2; freiſ-îg (terri-
bilis) 7, 1. 9, 18. 25, 2. 69, 4. 103, 26; zîtſriſt-îg (temporalis)
11, 9; rëht-frum-îg (juſtus) 100, 1; geiſt-îg 12, 5; gëſter-îg
(heſternus) 89, 4; griaſ-îg p. 263a, 10; ze-ſamene-hab-îg
96, 1; ein-lîcham-îg (incorporatus) 68, 36; ke-heng-îg
68, 11; wider-hôr-îg (inobediens) 81, 2. ge-hôr-îg (obe-
diens) 39, 4; hiut-îg (hodiernus) 142, 2; ke-huht-îg (me-
mor) 8, 15. 19, 4. 76, 12. un-ge-huht-îg (imm.) 87, 13;
jiht-îg (confitens) 6, 6. 51. 11. ein-jiht-îg 54, 14; mitte-
land-îg (mediterraneus) 71, 8; ant-lâƷ-îg 17, 33; fer-leit-
îg (ſeducens) 67, 31; un-lîd-îg (impaſſibilis) 83, 12; un-
ge-loub-îg 17, 33; ge-luſt-îg 72, 21; frido-mach-îg (pa-
cificus) 36, 37; maht-îg 23, 8; mâƷ-îg (moderatus) 72, 6;
arm-muot-îg 68, 30. (vgl. oben ſ. 256.) ein-muot-îg 67, 2.
die-muot-îg 17, 28. lint-muot-îg 95, 18. lang-muot-îg 102,
8. ſtarc-muot-îg 68, 30. truob-muot-îg 67, 6; muoƷ-îg
(otioſus) 49, 20; nend-îg (audax) 34, 26; niet-îg (cupi-
dus) ke-nuht-îg 67, 16; fer-numeft-îg 13, 2; ein-rât-
îg (concors) 40, 8; rûd-îg (ſcabioſus) 48. 15; ſâl-îg
109, 1; ant-ſâƷ-îc 11, 5; neiƷe-ſel-îg (afflictus) 43, 20.
warta-ſel-îg (corruptibilis) 37, 5, über beide vgl. oben
ſ. 108; ſeit-îg (chordatus) 32, 2; ant-ſeid-îg (excuſabilis)
aus ant-ſegid-îg; ana-ſiht-îg 81, 1. durch-ſiht-îg 16, 2.
ver-ſiht-îg 10, 9. un-ge-ſiht-îg 41, 5; ſinn-îg (intelligens)
46, 8; ſit-îg 85, 5; oug-ſiun-îg 42, 5; rëht-ſceid-îg (ſchiſ-
maticus) 54, 22; ſkiht-îg (fugax) 67, 2; hinter-ſcrench-
îg 11, 3. 42, 1; ſcëf-ſouf-îg (naufragus) 91, 6; ſpenſt-îg
(alliciens) 67, 31; ſpuot-îg, fram-ſpuot-îg (citus, proſper);
ſtât-îg (ſtabilis) 30, 14; ſtirb-îg (mortalis) 18, 14. 72, 9;
ſuht-îg 106, 25; ſund-îg; ſunder-îg 21, 22. 32, 15. 55,
11; uber-ſueif-îg (abundans) 24, 17; mitte-tag-îg 90, 6;
arg-tâht-îg (nequam) 21, 17. 25, 5. 27, 4; michel-tât-îg
(magnificus) miſſe-tât-îg 21, 2. 74, 5. ubel-tât-îg 6, 9;
zên-teil-îg 143, 9; tôd-îg (mortalis) 15, 3. 29, 8. 74, 5;
tuged-îg 32, 16. 61, 10; ir-b-unſt-îg 36, 12; upp-îg 30,
7; ge-walt-îg 44, 4. 71, 12. ſëlp-walt-îg (liber) 37, 21.
86, 16; uber-wân-îg (ſuperbus) 68, 36; un-weg-îg (im-
mobilis) pag. 260b, 16; wend-îg (declinabilis) un-wend-îg
(immutabilis) 41, 5; gegen-wart-îg 59, 12. wider-wart-îg
25, 2. 30, 7. 59, 12; â-wërf-îg (reprobus) 78, 12; ab-
wërt-îg 108, 24. fram-wërt-îg 67, 20. in-wërt-îg 36. 25.
109, 1. ûƷ-wërt-îg 59, 12; will-îg 29, 10. 67, 10. arg-
will-îg 10, 15. 34, 17. 36, 1, 63, 6. gërno-will-îg 36, 9.
guot-will-îg 61, 5. ſëlb-will-îg 36, 9. übel-will-îg 63, 6;
wir-îg (firmus) 72, 4. un-wir-îg (indurabilis) 38, 7;
[302]III. conſonantiſche ableitungen. G.
wird-îg (dignus) lobe-wird-îg 104, 3; wiz-îg (ſapiens)
106, 43. un-wiz-îg (ignorans) 13, 1. 38, 9. 70, 2; michel-
wurch-îg (magnificus) 95, 6; zâl-îg (doloſus) 25, 2. 139,
3; zît-îg (tempeſtivus); un-zuht-îg 24, 18. —


altſ. -îg oder ſchon -ig? gi-bith-îg (futurus, exſpec-
tandus); craft-îg neben craſt-ag; ên-îg (ullus); êw-îg;
gi-hôr-îg (obediens); hriw-îg (poenitens); gram-hugd-îg
(moeſtus); maht-îg; gi-nâth-îg; ſâl-îg, lof-ſâl-îg; ſculd-îg;
ſtrîd-îg (contentioſus); thult-îg; guod-will-îg; rëht-wîſ-îg
(juſtus); wird-îg; wlit-îg (pulcher); ſith-wôr-îg (feſſus
itinere) u. viele andere. —


agſ. fallen in -ig, das ich für -îg zu nehmen mir nicht
getraue, die organ. -ag und -îg untereinander, doch pfle-
gen die -ig für -ag keinen umlaut zu haben (môd-ig, nicht
mêd-ig). Beiſpiele: æn-ig (aliquis) næn-ig (nullus); blôd-ig
(cruentus); byſ-ig (occupatus); clud-ig (ſaxoſus); cräft-ig;
dreór-ig (lugubris); dyrſt-ig (audax); dyſ-ig (ſtultus); eád-ig
(felix); græd-ig (inhians); hâl-ig (ſanctus); horv-eg (ſor-
didus); hrad-ig (citus); hrêm-ig (compos); hrëóv-ig (poe-
nitens); hyd-ig (cautus) f. hygd-ig, ân-hyd-ig (pervicax);
mêð-ig (feſſus); lyt-ig (aſtutus); miht-ig, ëal-miht-ig;
miſt-ig (tenebroſus); môd-ig (animoſus); mon-ig (mul-
tus); ge-mynd-ig (memor); myr-ig (jocundus); om-ig
(rubiginoſus) Beov. 205. 226; riht-ig; ſæl-ig; ſalov-ig (lu-
ridus); ſâr-ig (triſtis); ſynn-ig (ſceleſtus) Beov. 105; ſcyld-
ig; ſpêd-ig (proſperus); ſtæd-ig (ſterilis); ſvât-ig (cruen-
tus); tëar-ig (lacrimoſus); el-þëód-ig (peregrinus) Beov.
28; þyld-ig (patiens); vël-ig (dives) Beov. 194; ver-ig
(malignus); vêr-ig (feſſus); vind-ig (ventoſus); vit-ig
(ſapiens); vorð-ig (dignus) u. a. m. —


altn. findet ſich zuweilen -igr ſtatt -ugr, offenbar un-
organiſch geſchrieben, weil kein umlaut dabei iſt: blôð-
igr, heipt-igr, nauð-igr, môð-igr etc. —


mhd. ſchwankend -ec und -ic, ich ſetze erſteres: æn-ec
(orbatus) MS. 1, 68a troj. 19c; benn-ec (banno damnatus) M.
S. 2, 185b; bend-ec a. Tit. 110. un-bend-ec Wilh. 2, 173b;
bir-ec (ferax); brœd-ec gefolgert aus brœdec-heit, brœd-
ec-lich; wider-brüht-ec MS. 2, 128a; kiel-brüſt-ec MS. 2,
133b, nider-bruſt-ec: verluſt-ec Wilh. 2, 75b; gebürt-ec;
vor-be-dæht-ec; ge-dult-ec; dürft-ec; eht-ec (locuples) Mar.
117. 159. (:mehtec); emeƷ-ec folgt aus emeƷecheit Triſt.; êw-
-ec; gell-ec (bilioſus) MS. 2, 221a Bon. 51, 39; gir-ec (cu-
pidus); gird-ec (idem) fragm. 16c; giht-ec (confitens)
troj. 102a; grimm-ec; grueƷ-ec Tit. êren-grueƷ-ec MS.
[303]III. conſonantiſche ableitungen. G.
2, 132a; be-hend-ec zu folgern aus behendeclich; hërz-ec
aus herzeclich; ge-hœr-ec (obſequens) Oberl. h. v.; ge-
hulf-ec; jær-ec (aunoſus); îl-ec (citus); be-kêr-ec Parc.
9b; kreft-ec; kund-ec (gnarus); künft-ec; kunſt-ec (arti-
ficioſus); ge-lang-ec Triſt.; ant-læƷ-ec (remiſſibilis) un-
gedr. Strick. m. p. 24; led-ec (vacuus) *); un-lid-ec (in-
tolerabilis); liſt-ec (callidus) vâr-liſt-ec (doloſus); dur-
liuht-ec; ein-lœt-ec; ge-loub-ec (credulus); lüpp-ee (ve-
nenatus) Geo. 42b; wandel-mæl-ec fragm. 45a; mæƷ-ec
und compoſ. wie ſwërt-mæƷ-ec Gudr. 49a, riſen-m. Bit.
80a, zucker-m. etc.; meht-ec (potens) â-meht-ec (impo-
tens) Triſt.; meil-ec MS. 2, 220b miſſe-meil-ec Geo. 47a;
meiſt-ec, nur adv.; hôch-muet-ec, vol-muet-ec Triſt.; mu[e]Ʒ-
ec (otioſus); münd-ec amgb. 27a; ge-næd-ec; naht-ec?
neht-ec Karl 94b; über-neht-ec MS. 2, 144a; dur-neht-
ec; ge-nend-ec; nîd-ec; ge-nüht-ec MS. 2, 172b troj.
154c; ſige-nünft-ec MS. 2, 226a; an-ræt-ec Wilh. 2:
139a nâch-ræt-ec Karl 19a; rein-ec Rud. weltchr.;
be-riht-ec, ûf-riht-ec Triſt.; ſæl-ec; wider-ſæƷ-e Bit. 80a;
ge-ſell-ec; be-ſcheff-ec Triſt.; zuo-ſcheft-ec MS. 1, 134a;
ſchell-ec (pavidus?) Parc. 1a MS. 2, 94b durch-ſchell-ec
kolocz 62; ſchem-ec (pudicus) troj. 124c, vielleicht ſchem-
ec und zu den ag-ableitungen zu rechnen, da Conr.
ſchëm ſagt, nicht ſcham?; ſchuld-ec; ſiht-ec, vor-be-
ſiht-ec, über-ſiht-ec; ſinn-ec; ſnîd-ec (ſecans) Vrîb. 6212;
nas-ſnit-ec? Parc. 25b; wider-ſpæn-ec troj. 19c; ge-
ſpenſt-ec; ſpitz-ec; ſtæt-ec; ver-ſtend-ec; ſtrît-ec; ſtünd-
ec Triſt.; ſuht-ec, waƷƷer-ſüht-ec; ſünd-ec: ſiuſz-ec Parc.
105a 108c Wilh. 2, 77a; under-tæn-ec; miſſe-tæt-ec; teg-
ec, drî-teg-ec etc.; tœd-ec (mortalis) Triſt.; be-treht-ec
Rud. weltchr.; über-ec (ſuperbus) grundr. 272. (liber, ſo-
lutus) Vrîb. 6741; üpp-ec; vell-ec (victus) ge-vell-ec (ap-
tus); veng-ec, wît-veng-ec Parc. 76c; hôch-vert-ec; virr-
ec (longinquus) Parc. 2c 10c; viur-ec Parc. 120c; vlæt-
ec (venuſtus) Parc. 161a; vlüht-ec; vlüƷƷ-ec; gevölg-ec (ob-
ſequens) Bon. oder ge-volg-ec? vgl. gevolgîc Ernſt 49a; vreid-
-ec (trux, immanis?) troj. 180a MS. 2, 93b a. w. 1, 300; vrüht-
-ec; vrüm-ec Mar. 186. Wilh. 2, 21b Wigal. 16; uber-vünd-
ec MS. 2, 123b; vürt-ec (permeabilis MS. 2, 138a; arc-
wæn-ec; weig-ec (vacillans, tremulus?) Rud. weltchr.
hat lîht-weig-ec, houbet-weig-ec; well-ec (fervidus)
Barl.; wend-ec; un-wend-ec; ge-wert-ec Kolocz 179.
[304]III. conſonantiſche ableitungen. G.
wider-wert-ec Triſt.; will-ec; wir-ec (durabilis) ſchmie-
de 242; wird-ec; witz-ec; zît-ec; züht-ec; zünd-ec
amgb. 27a. Zu dieſen mhd. adj. bemerke ich: a) vrüm-
ec, birec, girec, wirec geben der allg. lautregel nicht
nach, welcher die kürzungen vrümc, birc etc. ge-
mäß wären; die ableitung iſt noch zu fühlbar. — b) um-
laut fehlt bei ou (geloubec), ſchwankend bei ng, lg, ld,
lt (gelangec, vengec; gedultec, ſchuldec; gevolgec? viel-
leicht gehören auch valtec, gewaltec lieber zur îg-, als
zur ag-form?) — c) ſelten werden adj. dieſer form aus
dem part. praeſ. auf -ende gebildet, (wovon im ahd.
noch gar kein beiſpiel); das häufigſte iſt lëbend-ec Mar.
24. Parc. 13765. Wigal. 4764. 5213. Nib. 4080. Triſt.
10729. (auch bei Hartm. Rud.?); ſodann finde ich wal-
dend-ec nur Rother 3a 6b 11a 24b; brinnend-ec nur Parc.
3085. 6910. (der mhd. inf. lautet brinnen, nicht brënnen);
gluend-ec nur Parc. 2415. 13700; tobend-ec Bit. 111b;
kradmed-ec Mar. 86. ſtehet f. kradmend-ec vom verb.
krademen (oben ſ. 153). — d) man hüte ſich, adj., deren
wurzel mit l ſchließt und die mit -lich zuſ. geſetzt ſind,
für adj. der ec-form zu halten, z. b. vol-lich (Triſt. 338.)
ſnël-lich (Parc. 138c) bil-lich (klage 260. 1322.) etc. es
gibt kein mhd. voll-ec, ſnëll-ec, bill-ec. Hagen gl. der Nib.
führt zwar billec-liche auf, aber ohne citat und ich
glaube nicht, daß es im texte vorkommt; vollec-liche
läßt ſich nicht abſtreiten (gloſſ. Nib. Barl. etc.) und mag
ein viel älterer fehler ſein, da ſchon N. 107, 13. folleg-
lîchôr und monſ. 381. ſogar follichliho haben, eine un-
begreifliche leſart, vermuthlich folliclihho zu emendieren.
Fol-lîh-lîhho ſcheint mir unſinn, wie bil-lich-liche. Auf
keinen fall beweiſt das fehlerhaftgebildete vollic-lîh, vol-
lec-lich ein für ſich ſtehendes voll-îc, völl-ec, und die
echte form iſt ohne zweifel ahd. vol-lîh, mhd. vol-lich,
agſ. ful-lîc (nie full-ig). — e) ob aus jedwedem comp.
mit ec-lich, ec-heit ein adj. -ec zu folgern ſteht, unter-
ſucht cap. III, in der regel allerdings. —


nhd. ſind die hauptſächlichſten: blau-äug-ig, hohl-
äug-ig; un-bänd-ig; bärt-ig; leer-bäuch-ig; lang-bein-
ig; biß-ig; warm-blüt-ig etc.; brüch-ig; hoch-brüſt-ig;
aus-bünd-ig; bürt-ig; an-dächt-ig, ver-dächt-ig; dræt-ig;
ge-dult-ig; dürft-ig; eil-ig; emß-ig; êw-ig; fæh-ig; ein-
fält-ig, viel-fält-ig neben manigfalt-ig, dreifaltigkeit; fert-
ig; feur-ig; un-flæt-ig; flücht-ig; ge-fræß-ig; freud-ig;
bar-füß-ig, viel-füß-ig; durch-gäng-ig; frei-gêb-ig; er-
gieb-ig; gier-ig; grimm-ig; gült-ig; günſt-ig; gult-ig;
[305]III. conſonantiſche ableitungen. G.
lang-hälſ-ig; ab-häng-ig; ge-häß-ig; häuf-ig; häut-ig; heft-
ig; ein-hell-ig; heur-ig; hitz-ig; ge-hœr-ig (nicht mehr
obediens, bloß pertinens); jähr-ig, ein-jähr-ig; inn-ig; körn-
ig; kräft-ig; kund-ig; kunft-ig; läß-ig (negligens, von
laƷ, piger) fahr-läß-ig; un-ab-läß-ig (von lâƷen); läſt-
ig; g-laub-ig; durch-laucht-ig; weit-läuft-ig; lêd-ig; leid-
ig; liſt-ig; löth-ig; wol-lüſt-ig; mächt-ig; mäß-ig; groß-
mäul-ig; münd-ig; hoch-müth-ig; muß-ig; g-næd-ig;
nicht-ig; nöth-ig; ver-nünſt-ig; prächt-ig; ge-räum-ig;
räud-ig; auf-richt-ig; rühr-ig; rüſt-ig; viel-ſeit-ig; ſêl-
ig; ge-ſell-ig; ge-ſchäſt-ig; ge-ſchæm-ig; ſchleun-ig; un-
ſchlüß-ig; ſchmier-ig; ſchmächt-ig; ge-ſchmeid-ig; ſchneid-
ig; ſchuld-ig; ſchwier-ig; all-ſeit-ig; an-ſicht-ig, durch-ſ.;
ſinn-ig; ſitt-ig; ſpitz-ig; ge-ſpräch-ig; ſtämm-ig; an-ſtänd-
ig; ſtæt-ig; an-ſtell-ig; ein-ſtimm-ig; ſtreif-ig; ſtreit-ig; ſtünd-
ig; waßer-ſücht-ig; ſünd-ig; mit-tæg-ig; thæt-ig; tücht-ig;
ab-trünn-ig; über-ig; üpp-ig; wider-wärt-ig, gegen-w.;
wäßer-ig; kurz-weil-ig; wicht-ig; will-ig; lang-wier-ig;
witz-ig; würd-ig; würz-ig; zeit-ig; zücht-ig; frei-zug-
ig. — anmerkungen: a) hierunter gibt es verſchiedene,
die mhd. nicht vorkommen, z. b. bärtig, freudig, fæhig,
gütig, prächtig, ſchmächtig, ſchmierig, ſchwierig, wäße-
rig etc. umgedreht ſind aber noch mehr mhd. veraltet,
z. b. kein nhd. bierig (ferax), freidig, fruchtig, grüßig,
ohnig, reinig, weigig, zündig etc., einzelne, nicht geſon-
dert übliche, dauern in den comp. frömmig-keit (mhd.
vrümec-heit) behendig-keit, geſchwindig-keit, reinig-keit,
für nächtig gilt mit unrecht nächtlich. — b) umlaut fehlt
noch in glaubig, wiewohl man auch gläubig geſchrieben
hat; gedultig; ſchuldig; durchlauchtig; kundig; faltig und
fältig ſchwanken; etwas anders ſcheint die doppelform
luſtig und -lüſtig, muthig und -müthig, wovon nachher. —
c) mit dem part. praeſ. gebildet währt das einzige leben-
dig fort, dazu ſeiner echten betonung beraubt. — d) un-
organiſch, d. h. aus dem comp. -lich entſprungen ſind
die nhd. adj. adel-ig, bill-ig, allmähl-ig, völl-ig, unzähl-
ig (mhd. adel-lich, bil-lich, almâl-lich?, vol-lich, unzal-
lich) und gleich tadelhaft die ſubſt. billig-keit, ſchnellig-
keit; wer die verderbnis nicht gelten laſſen will (da doch
im ſubſt. eß-ig etc. der fehler durchdringt) und wenig-
ſtens adelich, allmählich zu ſchreiben vorzieht, müſte zweí
l gebrauchen. Tadel-ig, zweifel-ig ſtatt des richtigen ta-
del-lich, zweifel-lich ſetzen wenige. — e) von dem me-
ditat. ſchläfern (oben ſ. 138.) bildet die ſchriftſprache
ſchläſer-ig, die volksſprache auch durſter-ig, trinker-ig,
U
[306]III. conſonantiſche ableitungen. G.
vgl. die nnl. dodder-ig, flâper-ig, vâker-ig (alle drei:
ſomnolentus). —


engl. die agſ. -ig ſind zu -y geworden: an-y; blood-y;
bloom-y; buſ-y; cloud-y; craft-y; dizz-y; drear-y; greed-y;
guſt-y; heart-y; hol-y; man-y; merr-y; might-y; mo-
ther-y; mould-y; flough-y; flurr-y; ſorr-y; ſpeed-y;
ſpinn-y; wealth-y; wear-y; wind-y; worth-y und viel
dergl. Auch hier haben ſich compoſ. mit -lic unorga-
niſch in -ly verwandelt, zwar in den meiſt adverbialiſch
ſtehenden: bloodily, craftily, grimly, rightly, ſmally etc.
(agſ. blôdlîce, cräftlîce, grimlîce, rihtlîce). —


3) verba der îg-form, bloß der zweiten ſchw. conj.


goth. gehört hierher idr-eigôn (poenitere). Dies mit
dem ahd. hriuwôn, agſ. hrëóvjan, mhd. riuwen unver-
wandte wort kann nicht ïd-reigôn ſein, wie das altn.
idraz lehrt. Seine einfachere form wäre ïdrôn und -eig
iſt unſere ableitung. Ob nun ein adj. ïdr-eigs (poenitens)
gegolten haben wird, aus welchem das ſubſt. ïdr-eiga
(poenitentia) und das verbum herfließen? bleibt dahin-
geſtellt. Die entſprechende ahd. form würde lauten: itar-
îc, itar-îkôn? —


ahd. wenige wörter und nicht alle herleitbar aus adj.,
daher -ig oder -îg zweifelhaft: chriuz-igôn (cruci figere)
N. 16, 12. 44, 1, O. IV, 23, 36. hat krûzôn; hev-îgôn (gravare)
N. 40, 10. vom adj. hev-îg; bi-mun-igôn (admonere) O.
IV. 19, 93. ein adj. mun-îg nicht bekannt; gi-munt-îgôn
(memorare) T. 4, 8. hier ſcheint das adj. munt-îg zu ver-
muthen, nachweiſen kann ich es nicht; pir-îkôn (foe-
cundare) bir-îgôn N. 32, 6, ſicher von dem adj. bir-îg;
fer-til-igôn (delere) monſ. 389. N. 149, 7. hier ſcheint
mir das i aſſimiliert, alſo das verbum der îg-form fremd. —


agſ. aus adjectiven: blôd-gjan (cruentare) Beov. 200;
byſ-gjan (occupare); eád-gjan (beatificare); fâm-gjan (ſpu-
mare; ge-hâl-gjan (conſecrare); be-lyt-egjan (decipere);
mynd-gjan, myn-egan (monere) u. a. m. —


altn. ſynd-ga (peccare). —


mhd. er-led-egen Wigal.; leid-egen Triſt.; ſæl-egen
Triſt.; un-ſæl-egen Parc. 154b; ſchad-gen, ſched-egen?
Bon.; ſchuld-egen Triſt. un-ſchuld-egen Nib. —


nhd. gibt es weit mehrere: bill-igen f. bil-lichen; beeid-
-igen; be-end-igen; be-erd-igen; ver-ein-igen; be-fæh-
igen; ver-viel-fält-igen; be-fehl-igen; ver-fert-igen; be-fleiß-
igen; ver-flücht-igen; be-gnâd-igen; be-glaub-igen; be-güt-
[307]III. conſonantiſche ableitungen. G.
igen; ein-händ-igen; be-hell-igen; be-herz-igen; huld-
igen; be-kräft-igen; kreuz-igen; künd-igen; be-läſt-igen;
er-led-igen; be-leid-igen; er-mächt-igen; er-mäß-igen;
de-müth-igen; ab-müß-igen; ge-nehm-igen; nöth-igen;
pein-igen; rein-igen; be-richt-igen; be-ſeit-igen; be-
ſêl-igen; be-ſchäd-igen; be-ſänft-igen; be-ſchäſt-igen;
be-ſchein-igen; be-ſchleun-igen; ſchmeid-igen; be-
ſchœn-igen; be-ſchwicht-igen; beſchuld-igen; be-ſtæt-
igen; ver-ſtänd-igen; ſtein-igen; be-werk-ſtell-igen;
ſünd-igen; be-thät-igen; be-theil-igen; ver-gegen-wärt-
igen; ein-will-igen; witz-igen; würd-igen; zeit-igen;
zucht-igen. Die meiſten, aber nicht alle laßen ſich auf
adj. zurückführen und in letzterm fall ſcheinen ſie be-
ſonders unorganiſch (ſteinigen, beſeitigen, huldigen, peini-
gen, endigen, eidigen, beerdigen, beſchœnigen); die frühere
ſprache bediente ſich überall lieber der einfachen wörter,
ſie ſagte: beenden, vereinen, ërden, hulden, künden, pî-
nen, reinen, beſchœnen, ſteinen, ſünden wie wir noch
heute: beeiden, beſaiten, vernichten, vereinen etc. Das
-ig in befehligen mag aus dem alten -h in befelh, ſpäter
befelich (mandatum) herrühren.


bemerkungen zu den G-ableitungen insgemein.

a) die ableitung liegt bei den adj. auf -ag und -eig
am tage; in den meiſten andern fällen bleibt ſie dunkel,
wie ſchon die vielen ablautenden verba auf -lg, -ng, -rg
vermuthen laßen. Indeſſen kann die ableitende natur
des -g keinem zweifel unterworfen ſein, jung z. b. muß
ſchon darum für jun-g genommen werden, weil die ver-
wandten ſprachen den ſtamm jun- beweiſen, vgl. lat.
jun-ior, litth. jaun-as, ſerb. jun-ak (heros juvenis) jun-
az (juvencus) lat. jun-ix (junge kuh); analog iſi ſin-eigs
vom ſtamme ſin- gebildet, vgl. ſin-iſta mit dem litth. ſen-
as und lat. ſen-ior, ſen-ex. Warum aber jun-gs nicht
jun-eigs lautete und wahrſch. aus jun-ags entſpringt, läßt
ſich nicht mehr erklären. Die ahd. për-ac (mons) und
pir-îc (ferax) würden goth. lauten baír-gs und baír-eigs;
aber përîc fällt zu baíran (nr. 325.) përac zu baírgan (nr.
446.), der neue ablautende ſtamm verdunkelt die urver-
wandtſchaft beider. Da übrigens baúrgs ſo gut wie baírgs
zu baírgan fällt, ſo beſtätigt das meine vermuthung ſ. 297,
daß pur-uc für pur-ac ſtehe und das -uc nur aus aſſim.
hervorgehe. Ableitendes -g nach vocalen der wurzel
habe ich in zwî-c und plû-c gemuthmaßt. —


U 2
[308]III. conſonantiſche ableitungen. G.

b) die wichtigkeit der ableitungsvocale zeigt ſich dies-
mahl einleuchtend bei den adj. auf -ag und -eig, es darf
weder für manags, grêdags ſtehen maneigs, grêdeigs,
noch für mahteigs, gabeigs ſtehen mahtags, gabags. Ja
zu denſelben wurzeln fügen ſich einigemahl beide ablei-
tungen mit verſchiedner bedeutung, ahd. heißt einac uni-
cus, einîc aber aliquis und noch nhd. fühlen wir den
unterſchied zwiſchen blutig und vollblütig, kaltblütig;
muthig, anmuthig und demüthig, langmüthig; luſtig, ver-
luſtig und wollüſtig, weil ihn der umlaut in ſolchen fäl-
len ſicherte. Es iſt daher unrichtig, die urſache des um-
lauts oder nichtumlauts in nhd. adj. auf -ig von etwas
anderm abhängig zu machen, als eben von den alten -eig
und -ag; noch weniger läßt ſich nach willkür beiderlei
form mit jeder umlautbaren wurzel verbinden. Wohin-
aus lauft aber nun der ſinn jeder dieſer ableitungen? Ich
bin früher verſucht geweſen *), das -eig aus dem ano-
malen áigan, d. h. aus dem verlornen wahren praeſens
goth. eigan, ahd. îkan, îgan zu deuten, doch befriedigt
der gedanke nicht recht, weil die allgemeinheit des be-
griffes -habend für viele adj. beider claſſen und dann wie-
der lange nicht für alle der eig-claſſe gerecht iſt. Die
individuelle bedeutung der -ag und -eig muß ſich nahe
berühren, weil einige mundarten den formellen unter-
ſchied, ohne empfindlichen verluſt für den ſinn der wör-
ter, fahren laßen. Warum alſo maneigs und mahtags
unſtatthaft ſind, ſcheint unſern blicken nicht viel durch-
dringlicher, als der grund, welcher fugls und mikils ge-
bietet, fugils, mikls verbietet. Zwar ließe ſich ſagen,
daß die adj. auf -ag eine fülle bedeuteten: bluotac, muot-
ac, ſcamac, nôtac, hungarac, vroſtac, luſtac, graſac gleich-
ſam voll von blut, muth, ſcham etc. wogegen die auf
-îg einfach die gerade eigenſchaft ausdrückten: mahtîc,
ſuhtîc, vluhtîc, waram-bluotîc (nach dem nhd.) der mit
macht verſehen, mit der ſucht behaftet iſt, warmes blut
hat, die flucht ergreift, welches jener erklärung des -îc
aus eigan zuſpräche. Allein manac iſt nicht: voll von
menſchen, ſondern ganz das abſtracte multus, einac aus
dem hohen grad der einſamkeit zu deuten ſcheint ge-
zwungen. Auch wäre dann ein verſtärkendes mahtac,
ſuhtac etc., überhaupt öftere anwendung des worts in bei-
derlei geſtalt zuzugeben. Ganz den ſinn bei ſeite geſetzt
[309]III. conſonantiſche ableitungen. G.
habe ich überlegt, ob das î der îg-form nicht darin be-
gründet ſein könne, daß dem ſubſt., aus welchem das
adj. geleitet wird, in ſeiner bildung oder flexion ein -i
oder -î zuſtehe? dies paſt auf mehrere adj. wie mahtîc,
ſuhtîc, vertîc, heiƷmuotîc u. a. muß aber verworfen
werden wegen meginîc, palowîc, jârîc, tagîc etc. und
weil umgekehrt -ac bei nôtac beſteht. Hauptſache iſt alſo,
das urtheil über ihre bedeutung noch offen haltend, erſt
aus den älteſten quellen den unterſchied jeder form ſicher
zu ſtellen und die ſpäter eingetretenen miſchungen zu be-
richtigen. Uebrigens werden dieſe adj. geleitet 1) aus
ſubſt., wie der augenſchein lehrt; ſelten aus perſonen
und thiernamen (nhd. geiſtig, pfaffig, manig?, fiſchig, lau-
ſig). 2) aus verbis: ërparamac aus ërparamên, pirîc aus
përan, ſtirbîc aus ſtërban, hruorîc (rührig, friſch, blü-
hend?) aus hruorjan, lopſingîc aus lopſingôn? etc. *).
3) aus adv. ſliunîc f. ſliumîc aus ſliumo, chûmîc aus
chûmo, oftîc aus ofto, vgl. hiut-îg (hodiernus) N. 142, 2.
aus hiutû; nhd. heur-ig aus heuer. 4) aus andern adj. viƷus,
viƷuſîc; êwîn, ewînîc; namentlich denen zweiter decl. die
ſchon ein ableitungs-i haben: wintiri, wintirîc; einmuoti,
einmuotîc; zuomi, zuomîc; andanêmis, andanêmeigs; laſt-
arpâri, laſtarpârîc; antſâƷi, antſâƷîc; obgleich die letz-
tern auch unmittelbar von den verbis ſtammen können. —


c) die unorganiſchen -ig, welche ſich zumahl im agſ.
aus der reinvocaliſchen ableitung i, die zu j geworden
iſt, erzeugen (1, 260. 903. 907. 2, 94. vgl. auch das con-
junctiviſche g vorhin ſ. 296.) gehören gar nicht hierher.
Mit dieſem falſchen -ig ſtehet übrigens das nhd. -ig der
infinitive, die es früher nicht haben (vorhin ſ. 306.), in
keiner verbindung, d. h. man darf reinigen nicht aus dem
j im goth. hráinjan erklären wollen. —


d) den deutſchen adj. vergleichen ſich griech. und lat.
auf -ικός, -ακός, -icus, -ix und ax: ἄγροικός, απειλη-
τικός, γεωργικός, δακτυλικός, δηκτικός, ἐπιθυμητικός,
μοναδικός, πεινητικός, ποτικός, δαιμονιακός, ζωδιακός
etc.
hoſticus, mordicus, ruſticus, unicus, poſtîcus, pudîcus,
felix, audax, bibax, edax, ferax, minax, tenax, vorax etc.
mithin, wie im deutſchen, die vocale a und i (î) unter-
ſchieden; nur ſcheint in den wenigen vergleichbaren ein-
[310]III. conſonantiſche ableitungen. G. H.
zelnen wörtern und begriffen gerade a dem deutſchen î,
aber i, î dem deutſchen a zu entſprechen: ferax, pirîc;
vorax, vrâƷîc; felix, ôtac; pudicus, ſcamac; unicus, ein-
ac. Die gr. und lat. tenuis ſtimmt nach der lautverſchie-
bung nicht zu goth. g, ahd. k (oder man hätte oculus,
augô hier zum maßſtab zu nehmen?). Eigentlich läßt
die lat. ten. eine goth. ſpirans erwarten.


e) wirklich ſchwankt das goth. g und ahd. k in die
ſpirans h über, nämlich Ulf. hat neben manags kein áin-
ags, ſondern (ſchwachformig) áinaha, fem. áinôhô (aſſim.
f. áinahô), was ſich genau nach der ſiebenten formel der
lautverſchiebung zu unicus, unica verhält. Althd. ſcheint
J. bisweilen einîh (aliquis) f. einîc zu geſtatten, z. b. 395,
wo aber auch einich vorkommt; jun. 222. fora-wîƷah f.
ac und ein-willîh f. -îc; 210. kît-achî (ingluvie) f. kît-
akî. Das nhd. man-che f. man-ige wage ich nicht an-
zuſchlagen, eher das haraho in der lex rip. f. harago,
haraco; von den übergängen des h in g wird noch her-
nach geredet werden (H. zweite bem.). Man vgl. auch
mit manags das ſlav. mnogi.


ableitungen mit H.

ihrer ſind nicht ſehr viel und faſt nur mit dem vocal a;
das ahd. -h iſt von der auch auf -h auslautenden aſpirata
daran zu unterſcheiden, daß es inlautend bleibt (nicht zu
hh, ch wird) und ihm goth. agſ. h (nicht k, c) zur ſeite
ſteht. Altn. fällt aber die ſpirans völlig weg, doch tritt
einigemahl media an ihre ſtelle.


[AH] goth. fehlt, ahd. findet der vocal ſich meiſtens.


1) ſubſtantiva,


α) ſtarke maſculina goth. ana-fil-hs (traditio) us-fil-
hs, ga-fil-hs (ſepultura), oder neutra? — ahd. ël-ah (alce)
monſ. 414, doch üblicher ſcheint die ſchwache form;
par-ah (majalis)? nur aus den ſpätern gloſſen zu bele-
gen: bar-ch jun. 275. blaſ. 63a trev. 11a; pruohh-ah
(zona, balteus) jun. 197. T. 13, 11. 44, 6. pruahh-ac ſte-
het K. 52a, es iſt verſchieden von dem unabgeleiteten
ſem. pruoh (femorale) altn. brôk, oder pruohha (cingu-
lum) J. 404; ſël-ah (phoca) flor. 980a; pi-vël-ah (man-
datum) habe ich noch nicht angetroffen, wohl aber witu-
vël-ah (ſtrues ligni?) jun. 208, von ungewiſſem genus;
vir-ah (homo)? es iſt bloß der pl. vir-ahi (homines) zu
[311]III. conſonantiſche ableitungen. H.
belegen; wal-ah (peregrinus, italus) caſſ. 855b. — agſ.
bëar-h (majalis) neben bëar-g; ëol-h (alce) vermuthe ich,
Lye hat die ſchlechte form elch; ſëol-h (phoca); vëal-h
(peregrinus, wallicus, ſervus); ſpätere denkmähler zeigen
mit weggeworfner ſpirans ſëal, ſëol, vëal. — altn. ël-gr
(alce mas); fir (homo); mar (equus); ſëlr (phoca); valr
(peregrinus, gallus, italus) zu ſchließen aus val-land
(gallia), italia). — mhd. ël-ch, ël-hes (alce) Nib. 3761. a.
w. 3, 13; ſchël-ch, ſchël-hes (tragelaphus) Nib. 3762;
ſwël-hes, ſwël-ch (lurco, bibax); be-vël-ch ſcheint nicht
vorzukommen, ſo häufig das verbum iſt; wal-ch, wal-hes
(italus) Wilh. 1, 14b MS. 2, 68b. — nhd. be-fehl, im 16.
17. jahrh. noch be-fel-ch, be-fel-ich; ſchwel-g? gewöhnl.
ſchwel-ger. — engl. barr-ow; el-k; ſeal (phoca). —


β) ſtarke feminina,
goth. al-hs (templum), altſ. al-ah, agſ. ëal-h, al-h, und
daß auch im ahd. al-ah gegolten hat, zeugen die alah-ſtat
(in pago haſſorum) alah-dorp (in mulahgowe) bei Schan-
nat nr. 404. 476; ahd. mal-aha (pera) O. III. 14, 179.
hrab. 972a mhd. mal-he MS, 2, 68b, vgl. franz. malle *);
ahd. ſal-aha (ſalix) Hagen denkm. 36. vgl. ſal-ahîn (po-
puleus) aug. 117b, agſ. ſëal-h; ahd. vor-aha (pinus) geht
vermuthl. ſchwach; ahd. vur-aha? (ſulcus) agſ. fur-h,
mhd. vur-he, engl. furr-ow. — Nach zweiter decl. goth.
aúr-ahi (ſepulcrum). —


γ) ſtarke neutra: ar-ah oder âr-ah ſcheint ahd. ein
künſtliches geweb oder bildwerk zu bedeuten, kommt aber
nur in dem comp. arah-lahhan (ſtragula) monſ. 329. doc.
233a und in arahâri (polymitarius) monſ. 321. 327. ſo wie
dem verbo arahôn, arihôn (ſtragulare) doc. 228a 233a vor,
wahrſch. entſpricht ihm das gleichdunkle altn. âr oder ar
in âr-ſalr (aulaeum, ſtragula), ſelbſt das genus habe ich
hier nur willkürlich angeſetzt; ahd. mar-ah (equus) lex
bajuv. 13, 10. mhd. mar-ch, mar-hes, bald fehlerhaft
mar-c, mar-kes; ahd. var-ah (porcus) pl. var-ahir, var-
hir caſſ. 854a Hag. denkm. 36. ver-ihir, nhd. fer-k, fer-
kel; ahd. vër-ah (anima, vita) mhd. vër-ch, vër-hes, altſ.
fër-ah, agſ. fëor-h, altn. fiör; altſ. frat-ah (ornamentum)
? geſchlecht und endung aus dem dat. pl. fratahun un-
ſicher zu entnehmen. —


[312]III. conſonantiſche ableitungen. H.

δ) ſtarke oder ſchwache fem. auf -ahei, von adjec-
tiven hergeleitet: goth. baírg-ahei (regio montana) eben
ſo ließen ſich ſtáin-ahei (regio petroſa) etc. denken; þvaír-
hei (ira); — ahd. ap-ahî (verſutia).


ε) ſtarke neutra auf -ahi; dieſe ableitung ſcheint nur
im genus von der vorausgehenden goth. auf -ahei abwei-
chend, iſt aber merkwürdig allein in der hochd. mundart
anzutreffen, die niederd. agſ. und nord. zeigen keine ſpur
davon. Sie wird meiſt auf bäume, ſträuche, pflanzen an-
gewandt und bedeutet den ort, wo ſolche zuſ. wachſen,
oder ihre menge, entſprechend dem lat. -etum. Aus
dem ahd. habe ich folgende beiſpiele geſammelt: dorn-ahi
(ſpinetum); eihh-ahi (quercetum) vgl. tradit. fuld. nr. 570.
in daƷ ſmal-eihh-ahi; heid-ahi (myricetum?) monſ. 337.
397. doc. 218b wo überall bloß myricae ſtehet; gabiſſ-ahi
(migma, quiſquiliae) gaveſſ-ahi doc. 213a, wohl eigentlich
der platz, wo gabiſſa, ein ſchlechtes unkraut (O. I. 27,
132.) wächſt? Stald. hat gabüſe (artemiſia), oder wäre
gabiſſa gar keine pflanze?; mirtil-ahi (myrtetum) monſ.
345; pinuƷ-ahi (juncetum) monſ. 320. doc. 228b; poum-
ahi (arboretum) vîh-poum-ahi (ficetum) monſ. 344; prâm-
ahi (rubetum) hrab. 975b wo das unverſtändl. teſtitudo
etwan in teſquitudo für teſquetum? zu ändern; riot-ahi
(carectum) blaſ. 57b, etwas anders ſcheint rëot-ahha (ſa-
liunca) zwetl. 131a; rôr-ahi (arundinetum) doc. 245b; ſa-
har-ahi (carectum) doc. 232b monſ. 320. zwetl. 131b von
ſahar (carex) oeſtreich. ſaher (ſpitzes gras) Höf. 3, 57; ſe-
mid-ahi (carectum, juncetum) monſ. 320. doc. 232b, von
einem ſubſt., das ich oben ſ. 241 ff. unter den id-ablei-
tungen wegen unſicherheit der endung nicht aufgeführt
habe, ſem-id oder ſem-ida? Friſch 263b hat ſemde, ſende,
ſebde (ſcirpus) vgl. Höſ. 2, 336; ſpiz-ahi (vepretum?)
zwetl. 134b Friſch 304b ſpitze, wegerich, plantago minor;
ſpreid-ahi (fruticetum) doc. 236b, blaſ. 50a ein einfaches
ſpreid oder ſpreida (frutex) kenne ich noch nicht; ſtein-
ahi (ſaxetum) T. 75, 2. (ſo lieſt cod. ſ. gall. für ſteinohti);
ſtohh-ahi (gremium; cremium, ſpäne, reiſer ſcheint un-
paſſend?) monſ. 349; ſtûd-ahi (frutetum) monſ. 365;
varm-ahi (filictum) doc. 240b; vorah-ahi (pinetum) ein
bekannter wald am rhein; zein-ahi (cannetum) doc.
245b. — Schon in den ſpäteren ahd. gloſſen wird das i
weggeworfen und die ableitung zum bloßen -ach, ohne
bleibenden umlaut: ab-ſneit-ach (ſarmenta) doc. 201a;
ſpreid-ach, gi-ſpreid-ach, gl. vindob.; pimƷ-ach doc. 228b;
rîſ-ach (arbuſtum) herrad. 182a und dieſes -ach gilt denn
[313]III. conſonantiſche ableitungen. H.
auch im mhd., wo es nur ſelten und bei wenigen dich-
tern geleſen wird: albern-ach (populetum) vielleicht al-
ber-ach? Wilh. 2, 23a; buſch-ach (fruticetum) Ottoc.
738b; dorn-ach (dumetum) Parc. 69a; graſ-ach (multi-
tudo graminis) Parc. 111a; ſtûd-ach Wilh. 2, 27b troj. 4c.
Auffallend gebraucht Herbort in ſeiner mundart umlau-
tendes -ech, -ee (f. ehe, = ahd. -ahi) 12b buſch-ê, 68d
buſch-êe, 116d buſch-ech (arbuſtum) 11a geſindel-ehe (co-
mitatus?) 116b gevertel-êe (?) — Die nhd. ſchriftſprache
hat -ich: dick-ich; dorn-ich; reiſ-ich; geſpül-ich; ge-
treid-ich; weid-ich doch ſo, daß ſie in dieſen und ähn-
lichen häufig ein t zufügt; (vgl. habicht oben ſ. 285.)
büſch-icht; dick-icht; eich-icht; ecker-icht; ſtein-icht;
röhr-icht; weid-icht. Oberdeutſche volksidiome in
Baiern, Salzburg, Steier und Kärnthen behalten das
volle -ach: aich-ach; aſt-ach; birk-ach; erl-ach;
graſ-ach; halm-ach; lätſch-ach (?); ſaher-ach; ſtaud-
ach; tächſ-ach; weid-ach; zett-ach; neben kiefer-
ich; kräuter-ich (Schm. §. 1028). Zugleich geht aber
aus der neueren ſprache deutlicher hervor, daß der
begriff der ableitung nicht auf gewächſe einzuſchränken
ſei, ſondern auch fülle und anhäufung von andern din-
gen, ſelbſt menſchen und thieren ausdrücke, z. b. das
ſtein-icht; feil-icht (ſcobs); kehr-icht; ſpül-icht, wonach
auch das ahd. gaviſſahi anders genommen werden könnte *).
Höf. 1, 5. hat: gaiß-ach, kinder-ach, ſoldaten-ach, wei-
ber-ach (maße von geißen, kindern etc.) Schm. a. a. o.
gewand-ach. Vgl. das lat. ſaxetum, viretum, glabretum
(maße von kahlheit, öde) und die deutſchen orts und
geſchlechtsnamen: erl-ach, ſtock-ach, pilſ-ach etc. Das
örtliche dieſer ableitung verdient genauer ausgemacht zu
werden, da ſie nicht einmahl durch alle hochd. mund-
arten geht; ſo ſcheint ſie ſelbſt der ſchwäbiſchen und
ſchweizeriſchen fremd, wenigſtens hat im ahd. weder N.,
im mhd. weder Hartm. Rud. etc. ſpuren davon, noch
Stalder und Pictorius, der z. b. ſpinetum durch ror-buſch
umſchreibt. —


ζ) ſchwache maſculina: goth. brôþr-aha (frater) **)
Marc. 12, 20. — ahd. ël-aho, hël-aho (alce) Hag. denkm.
[314]III. conſonantiſche ableitungen. H.
36. jun. 184. 230. und vermuthl. auch ſcël-aho (tragela-
phus, doch nicht ſchielendes blickes wegen?), wofür ich
ſchël-o trev. 11a, ſchël blaſ. 63a finde, da auch in einer
urk. bei Heda de epiſc. ultraj. ël-o und ſchël-o (f. ël-ho,
ſchël-ho) nebeneinander ſtehen, ſo mag ſich ihre benen-
nung verwirren und darum die gl. jun. ëlaho durch tra-
gelaphus wiedergeben; vël-aho (conditor, inſtructor) hymn.
noct. 7. jun. 193.


η) ſchwache feminina: ahd. ël-aha (alce fem.) altn.
il-gja; ahd. mor-aha (paſtinaca) lindenbr. 999a; vor-aha
(pinus) Hag. denkm. 36. altn. fur-a. —


2) adjectiva,
goth. áin-aha (unicus) nur ſchw. decliniert wie O’s ein-
ogo (oben ſ. 290.); un-barn-ahs (ἄτεκνος, improlis) *);
ſtáin-ahs (petroſus); þvaír-hs (iratus). — ahd. ap-ah
(perverſus) ſcheint richtiger ap-uh, wovon nachher;
duër-ah (transverſus) hrab. 975a monſ. 348. — agſ. þvëor-h,
þvëor. — mhd. dwër-ch, twër-ch, nhd. zwer-ch, quer;
mhd. ſchël-ch (limus) Tit., nhd. ſchêl; wël-ch (flaccidus)
nhd. wel-k, oder gehört dies zu den k-ableitungen? **)


3) verba


α) ſtarker form: ſvil-han (nr. 356.) ahd. ſuël-ahan
doc. 238b; fil-han (nr. 357.) ahd. vël-ahan; dil-han (nr.
358.); þvaír-han (nr. 447.) vgl. twir-het Parc. 128c; þaír-
han (nr. 625). —


β) erſter ſchwacher conj. goth. ga-tar-hjan (inſig-
nire?) Matth. 27, 16. — mhd. ſchil-hen MS. 1, 3b nhd.
ſchiel-en (limis intueri oculis).



[315]III. conſonantiſche ableitungen. H.

γ) zweiter ſchw. conj. ahd. ar-ahôn (opus polymite
ſeu ſtragulatum conficere) doc. 210b 228a wo ar-ihôn. —


Unter weitern ableitungen ſind goth. fair-hvus *),
ful-hſni, ahd. dur-ahil, vor-ahana (truta), agſ. vil-en.
vyl-en f. vil-hen (ſerva) und andere -h mehr zu ſuchen.


[IH] im goth. keine ſpur eines ableitenden -aíhs **),
-aíha; ahd. kommen höchſtens einige fem. auf ſcheinbares
-iha in erwägung: mer-iha (equa) mer-ha blaſ. 65a trev.
11b, mer-ihûn-ſun (filius meretricis) monſ. 326. 330, ein
in den geſetzen verpöntes ſchimpfwort (merchen-ſun, jus
auguſt. Schilt. 188b) wie das ähnliche zâgûn-ſun monſ.
330. ſonſt zôhen-ſun, von zôhe (canicula). Ob nun gleich
der umlaut des marah in meriha ein i fordert, d. h.
nicht aus maraha erklärt wird, ſo glaube ich doch, daß
die eigentliche form marahja lautete, woraus ſich marihja,
merihja, meriha aſſimilierte; alsdann fiele es wieder zu
den ah-ableitungen, gl. caſſ. 854a hat mar-he (equa) ohne
umlaut und ohne i. Denn warum ſollte marah mit -ah
und meriha mit -ih abgeleitet ſein? Uebrigens lautet
auch das agſ. myr-e (equa) um; ſteht es für mëar-hëa?
Sollte das vorhin ſ. 285. beim -k angeführte ful-ihha viel-
mehr ful-iha ſein und wieder aus ful-ihja, ful-ahja zu
deuten? vgl. vul-hin (pultridus) trev. 11b blaſ. 65a; dann
ſtünde auch vol-o für vol-ho, vol-aho? doch iſt das kaum
anzunehmen, da im goth. fula kein h iſt und auch O. IV.
4, 20, 28. fulin ſchreibt. Das umlautende nhd. möhre
(paſtinaca) reicht nicht hin, das ahd. môraha in môriha
zu verwandeln. Ar-ihôn für ar-ahôn; duër-ih doc. 245b
f. duër-ah; dur-ih f. dur-ah ſcheint tadelhaft; dur-ih-il
iſt aſſim. aus dur-ahil.


[UH] gleichfalls ſelten; der vocal u muß in dem ahd.
adj. ap-uh (perverſus, pravus) unbedenklich angenommen
werden und ſtehet geſchrieben T. 75. 92. O. I. 4, 74. 21,
[316]III. conſonantiſche ableitungen. H.
4. III. 5, 59. 15, 86. IV. 15, 59 etc., wogegen ab-ah K.
23b 58a T. 13, 3. O. III. 7, 163. etc. aſſimilation ſcheint,
ab-oh aber J. 379. 399. wegen verwandlung des u vor h
ganz gerecht. N. hat ab-eh 71, 4. Nur auf den conſo-
nanten fällt der zweifel, ob hier nicht die auslautend zu
-h werdende ahd. aſpirata gemeint, und ap-uh einerlei
oder nahverwandt mit dem goth. ïb-uks ſei? dem ich
oben ſ. 286. das ahd. ſubſt. ëp-ih zur ſeite geſtellt habe.
Da indeſſen der wurzelvocal abweicht, auch das ahd.
adj. inlautend einfache ſpirans behält, nicht in hh, ch
verändert; ſo halte ich lieber ibuks und apuh für ver-
ſchiedne wörter. Jenes würde auf ahd. ëp-uh, ëp-uhhes
heißen, dieſes auf goth. ab-aúhs? Die ſchweizerſprache
kennt noch ab-äch (ſchief, verkehrt) und das räume ich
ein, daß das meiſterſängeriſche ëbech (retrogradum) auch
für ein ebech (perverſum) genommen werden möge. Das
verbum ab-ahôn (evertere, improbare) lieſt man bei O.
häufig.


bemerkungen zu den H-ableitungen

1) dem deutſchen h entſpricht lat. tenuis (cornu,
haúrn; ccecus, haíhs) daher ſich auch ëlaho, ſalaha, va-
rah mit alce, ſalix, porcus vergleichen.


2) da ſich das goth. áinaha von dem ahd. einac (=
goth. áinags) entfernt; ſtáinahs aber eben wohl ahd.
ſteinac (= goth. ſtáinags) heißen könnte; ſo dringt
die vermuthung auf, daß ſämmtliche goth. -ags und
ahd. -ac aus älteren, organiſchen -ahs, -ah erwachſen
ſeien? wodurch ſie mit den lat. icus, -ax in größere ein-
ſtimmung treten würden, vgl. vorhin ſ. 310. und hernach
unten die -ht ſtatt -h.


3) des wechſels zwiſchen -h und -v iſt bereits ſ. 193.
gedacht worden; läßt ſich auch ëlaho zuſ. ſtellen mit
griech. ἔλαφος? —


Nach abhandlung der ableitungen mit einzelner con-
ſonanz (ſ. 98.) kommt jetzt die reihe an die mit zwei
conſonanten, zuerſt an die geminationen, dann an die
übrigen fälle. Sie alle zeigen weit geringere bildungsfä-
higkeit, als die ableitungen, wo bloß ein conſonant im ſpiel
war; gewöhnlich finden ſich von ihnen nur ſubſtantiva,
ſelten adjectiva, noch ſeltner verba.


[317]III. conſonantiſche ableitungen. LL.
ableitungen mit LL.

ſo entſchieden -all, -ill, -ull im lateiniſchen walten und
ſo gern ſich unſere ſprache ſonſt zu dem ll neigt, läßt es
ſich gleichwohl in ihr als organiſche ableitung nicht be-
gründen. Im goth. agſ. altn. zeigt es ſich nie auf ſolche
weiſe. Bloß einige ahd. fem. machen anſpruch auf -alla,
-illa, -ulla: ſpîch-alla (ſaliva) Hag. denkm. 35; duah-
illa, dueh-illa (mappula, manutergium) doc. 208b flor.
983a; hant-illa (mappa) flor. 982a; ihſ-illa? (ſtiria) herrad.
179a; kib-illa, gib-illa (calvaria) N. 41, 1. 43, 1. 105, 19;
quëd-illa (puſtula) jun. 220. chuëd-illa doc. 206b von dunk-
ler wurzel, vielleicht verwandt mit quâd (malus, cor-
ruptus)?; ſid-illa (ſedile) doc. 205a; ſtig-illa (ſemita) O. II.
4, 17; ſtahh-illa (cuſpis) flor. 982a; ſprâhh-ulla (ſiliqua)
monſ. 397. doc. 209a. Allein ſelbſt hiergegen erheben ſich
noch zweifel; ſpîhhalla ſteht vermuthlich entw. f. ſpeih-
haltra T. 132. (verw. dem gotk. ſpáiſkuldr? Joh. 9, 6.)
vgl. ſpeicholiva (?ſpeicholtra) jun. 260, oder f. ſpeihh-ila
jun. 227. ſpeich-ela O. III. 20, 46; für duahilla findet ſich
theils das ältere duah-ila K. 52a, theils das mhd. tweh-
ele mit einfachem l und ſo habe ich in ſchlechten gloſſen
zwiſ-elle (furca) ſtatt des beßeren zuiſ-ala (oben ſ. 100.)
mhd. zwiſ-ele angetroffen. Ob ſich nun auch in den an-
dern wörtern ll aus l, vielleicht aus lj (quëd-ilja, ſprâhh-
ulja?) entwickelt hat, bleibt näherer beſtätigung vorbe-
halten, gibilla muß doch mit gibal, gëbol (oben ſ. 101.
116.) zuſ. hängen, folglich ſelbſt das i in -illa auf dem
wege der aſſim. (gibalja, gibilja) gedeutet werden. Außer-
dem gibt es noch einzelne ll in fremden wörtern: ahd.
chapp-ëlla doc. 205a, mhd. kapp-ëlle, nhd. cap-elle; ahd.
charh-ëlla (carcer, roman. carcel) hrab. 969a (wo lato-
miae, weil übelthäter zum ſteinbrechen verdammt wur-
den; auch agſ. wird carcern latomiae gloſſiert); ahd.
ſport-ëlla (ſporta) T. 89; dahin gehören ferner die mhd.
maſc. aberëlle (aprilis); cocatrëlle (crocodilus) troj. 6215.
oder kokodrille MS. 2, 206b; berille troj. 7862; das neutr.
kaſtël, gen. kaſtëlles u. a. m.


ableitungen mit RR.

finden ebenſowenig im goth. agſ. altn. ſtatt, ſondern nur
im ahd., wo ſie mir deutlich aus -rj zu entſpringen
ſcheinen. Wie nämlich aus purjo purro wird (in-burro,
[318]III. conſonantiſche ableitungen. RR. NN.
vernaculus, dili-burro jun. 230); ſo erklärt ſich auch
kilſt-irro (tributarius) jun. 229. aus kilſt-irjo, këlſt-arjo,
vgl. lêr-arrâ (doctores) N. 50, 10. kejiht-errâ (martyres)
N. 43, 13. und die mhd. -irre (oben ſ. 142). Nicht an-
ders die ſchw. fem. chilp-urra (agna) jun. 193. kilb-irra
blaſ. 63a aus chilp-urja, kilb-irja; zimp-irra, zimb-irra
(ſtructura) K. 25b N. 101, 17. aus zimp-arja. Zum be-
weis kommt auch die ungeminierende form vor: chilp-
ira zwetl. 111a trev. 10b. Zaturra (meretrix) jun. 225.
nehme ich nicht zat-urra, ſondern za-turra = za-turja,
d. h. die za turi, an der thüre ſitzt, wie man proſtibu-
lum deutete aus ante ſtabulum; das r iſt alſo wie in purro
wurzelhaft. Wie iſt aber chuburra (ratis) jun. 224. zu
verſtehen? ich leſe es nur an der einen ſtelle; mehrmabls
chumbirra, chumbarra, chumberra (tribus) jun. 228. N.
67, 28. 71, 17. 85, 16. 107, 8. 121, 4. p. 261b, 9. und zwar
ſcheint es an einigen dieſer ſtellen als ſtark. maſc. pl. ge-
braucht. Berührt es ſich mit dem agſ. cumbol (ſignum
militare) woneben auch cumbor gilt, und ſetzt es ein
ahd. chumpar (ſignum, teſſera) voraus? Dann könnte
chumparra f. chumparja ſtehen und diſtinctio agminum
ſecundum vexilla, hernach agmen, tribus ausdrücken,
vgl. altn. kuml (cumulus) her-kuml (inſigne militum).
Oder wäre es componiert aus chun-burra mit verwand-
lung des n in m durch die folgende labialis? vgl. altſ.
kuni-burd (genus, familia).


ableitungen mit NN,

ſcheinen wiederum unorganiſch, im goth. und agſ. uner-
hört, haben ſich aber im ahd. mhd. ziemlich verbreitet.
Es ſind lauter ſtarke feminina, theils auf -unna, theils
-inna (keins auf -anna, bil-anna, gingiva, Hag. denkm.
p. 35. iſt zu berichtigen in bil-arna). Von der form
-unna kenne ich nur folgende beiſpiele; lung-unna (pul-
mo? oder pneumonia, lungenſucht?) jun. 221. (gen.);
miſt-unnëa (ſterquilinium) hrab. 975a; pirt-unna (eulo-
gium) monſ. 402. (nom. pl.) verdächtig und wohl ver-
derbt; ſcrund-unna (rima) doc. 234a (gen. pl.) *) wofür
monſ. ſcrunt-uſſa haben. Es iſt ſchwer von dieſen bil-
[319]III. conſonantiſche ableitungen. NN.
dungen rechenſchaft zu geben; vermuthlich liegen ein-
fachere -un zum grunde, die ich ſ. 175. angeführt hätte,
wenn ſie mir vorgekommen wären. Später mag i an
die ſtelle des u getreten ſein, vgl. miſt-ina monſ. 346. und
umgekehrt manches der nachfolgenden -inna früher -un-
na geheißen haben. Die altn. ſprache leitet einige fem.
(namen lebendiger weſen) mit -ynja ab: âſ-ynja (mulier
diva); ap-ynja (ſimia); varg-ynja (lupa) ſämmtlich ſchwa-
cher decl. Da ſich wirklich neben dem -ynja ein -ynna
zeigen läßt (Vaſþr. 4. âſynnom) und die bedeutung zu
der des ahd. -inna ſtimmt; ſo wird nicht unwahrſchein-
lich, daß für ein ſpäteres ahd. anſ-inna, aff-inna ein äl-
teres anſ-unna, aff-unna d. i. anſ-unja, aff-unja gegolten
habe. O. I. 6, 6. ſtehet wirklich wirt-un (hoſpita) (ſpäter
wirt-in), bei deſſen flexion wirt-unna zum vorſchein
kommen könnte. — Die ahd. -inna beziehen ſich zwar
auch auf ſachen: choph-ënna N. 80, 7. iſt aus dem lat.
cophinus; vaſt-inna (praeſidium) jun. 218; ver-ënna (na-
vigium) T. 136, 7. (dat.); wuoſt-inna (deſertum) T. 4, 19.
13, 1. 15, 1. 64, 119. 135. 145. wuaſt-inna O. I. 23, 6,
38. 25, 79; *) meiſt aber ſind es lebendige aus maſc. mo-
vierte feminina: aſil-inna (aſina) T. 116. (gen.); chuning-
inna (regina) O. ad Lud. 168. (gen.) Georgslied (dat.);
kut-inna, gut-inna (dea); mâk-inna, mâg-inna (cognata)
O. I. 6, 4. (dat.) meiſtar-inna W. 1, 6. (dat.) prahh-inna
(canis f.) blaſ. 115a; prût-inna (ſponſa) doc. 230a; trût-
inna, drût-inna (amica) O. III. 23, 28. (nom. pl.); vriunt-
inna (amica) T. 96; vriudil-inna (concubina) monſ. 378;
ê-wart-inna (ſacerdos f.) monſ. 362. (nom. pl.) und ge-
wis noch ähnliche. Alle dieſe -inna, glaube ich, ſind aus
einfachen -in, die häufig daneben fortbeſtehen und von
welchen cap. VI. weiter geredet werden wird, entſprun-
gen, entw. durch zutritt eines -ja, ſo daß aus -inja her-
nach -inna wurde, oder lieber durch einwirkung der
bloßen flexion. Denn wie das agſ. fem. auf -en bei zu-
tretenden e der flexion geminiert (räden, rädenne; gy-
den, gydenne; vilen, vilenne; þinen, þinenne, 1, 643.)
gerade in analogen wörtern; ſo mag auch im ahd. die
flexion das nominativiſche n verdoppelt haben, bis end-
lich nn in den nom. drang **). Hierzu nehme man die
[320]III. conſonantiſche ableitungen. NN.
anomale beugung dieſer fem. bei N. (1, 631. β.) der dem
nom. gut-ën, gut-in (dea) den gen. gut-ënnô, pl. gut-
ënnâ gibt, folglich noch keinen, bei andern ſchon hin-
gehenden nom. acc. ſg. gut-ënna zuläßt. Und ſelbſt
manche der vorhin zur ſorm -unna, -inna beigebrach-
ten belege zeugen gar nicht ausdrücklich für dieſen ca-
ſus, ſondern ſtehen im gen. dat. ſg. oder im pl. Ihr
nom. ſg. könnte einfaches -un, -in haben, wirklich iſt T.
116. neben jenem gen. aſilinnâ der acc. eſilin; O. V. 25,
30. dei nom. drûtin; T. 57, 5. cuningin; O. I. 16, 5. fo-
raſagin; IV. 4, 18, eſilin; W. 19, 15. 2, 14. friuntin; der
acc. ſg. wuoſtinna aber T. 15, 1. 64, 4. O. I. 23, 6. zu
leſen. — Auch im mhd. darf der declination ein feinerer
unterſchied zwiſchen beiden formen -în und -inne noch
nicht ganz genommen werden. Die dichter ziehen er-
ſtere für den nom. ſg., letztere für die obliquen caſus
vor, wenn nicht (wie freilich oft geſchieht) reim oder
metrum das gegentheil rathen; da wo es dieſe erlauben
find fehler der abſchriften nach der regel zu beßern.
Vgl. die nom. ſg. geſtîn Parc. 128a wirtîn Parc. 89c hei-
denîn Parc. 79a Wig. 285. künegîn Parc. 24b und die gen.
vriundinne, wâleiſinne Parc. 19c mûlinne Parc. 132b kü-
neginne Parc. 21b, dat. viendinne Jw. 11a plur. grævinne
klage 3270. Häufig iſt aber auch der nom. -inne: wülv-
inne (lupa) Gudr. 53a 54b 62b (denn wulpinne iſt nicht
mhd.) heideninne, götinne, meiſtrinne MS. 1, 148b Parc.
89b 178b gebietærinne, vuegærinne, küneginne MS. 1,
101 117a 119a. b. viurærinne Triſt. 928. oder der acc.
kloſnærinne Parc. 105b, ſo wie umgedreht der gen. dat.
ſg. künegîn Parc. 25c 28c. Uebrigens gibt es ſolcher bil-
dungen auf -in (-in) -inne im hd. eine unzahl, da ſie von
vielen maſc., hauptſächlich von allen auf -ære (ſ. 129.)
moviert werden können: ſündær-inne (peccatrix) unkiu-
ſchær-inne (ſcortum) grundr. 269. untrôſtær-inne MS. 2,
19b, weſchær-inne (lotrix), ſelbſt von eigennamen, z. b.
nampoteniſinne Vrîb. 6090. — Nhd. haben ſich beide for-
men ſo getheilt und verſchmolzen, daß -inne aus dem
ſg., -in aus dem pl. verbannt iſt, der plur. aber (nach
1, 701. anm. 1.) ſchwach geht: könig-in, pl. könig-innen;
füchſ-in, füchſ-innen; bewältiger-in, bewältiger-innen.
Die menge dieſer fem. iſt faſt ſo unbeſchränkt, wie im
mhd. Wenn ſie aus maſc. auf -erer geleitet werden,
fällt ein -er weg, z. b. zauberin, nicht zaubererin. Eine
frage wäre: ob die nhd. in-form aus der mhd. übrig
geblieben, oder verkürzung der inne-form iſt (wie man
[321]III. conſonantiſche ableitungen. NN. SS.
-ung, -nis, f. -unge, -niſſe ſagt)? Einige ſchreiben auch
im ſg. -inn. — Raſk vermuthet §. 330. daß die ableitung
-inna erſt aus Deutſchland nach Island gedrungen ſei,
welchem ich auch deshalb beipflichte, weil der gen. des
maſc. dazu geſetzt wird, folglich wahre compoſita ent-
ſpringen: liônſ-inna (leaena) keiſara-inna (imperatrix)
von den maſc. liôn, keiſari; gleichſam den vollen be-
griff frau in das inna gelegt. Die Schweden haben mehr
das ableitende -inna: lejon-inna, keiſar-inna, värt-inna;
die Dänen -inde (f. -inne): löv-inde, keiſer-inde, ſlav-
inde, tiener-inde, ven-inde (amica) vert-inde (hoſpita)
u. a. m.; im dän. iſt dieſe ableitung häufiger als im ſchwed.
z. b. der Schwede ſagt nicht vän-inna (amica), altn.
vin-kona.


ableitungen mit SS.

der vorſtehende vocal iſt bald a (und umgelautet e), bald
i, bald u; auch ſchwankt genus und declination.


goth. finden nur -aſſus und uſſi ſtatt: α) die maſcu-
lina blôtin-aſſus (cultus); gudjin-aſſus (ſacerdotium); hô-
rin-aſſus (adulterium); kalkin-aſſus (ſcortatio); leikin-aſ-
ſus (curatio); þiudin-aſſus (dominatio) alle dieſe aus ver-
bis auf -inôn gebildet und ihr -in daher habend; ufar-
aſſus (abundantia) wovon nur der adverbialiſch geſetzte
dat. ufaraſſáu (ὑπερπερισσῶς) vorkommt Marc. 7, 37. Luc.
15, 17. — β) das fem. fil-uſſi (turba) dat. filuſſjái Neh.
5, 18. (wo filuſſiai). —


ahd. herrſcht viel verſchiedenheit: α) bei J. und T.
ſtehen dieſe bildungen ſehr häufig, auch in den gl. jun.
monſ.; ſeltner bei K. und O.; noch ſeltner bei N. und
W.; in gl. hrab. beinahe gar nicht. — β) die organiſch
mit einem vocal anhebende ableitung gilt nur in weni-
gen wörtern, nämlich folgenden weiblichen: *) gab-iſſa
(quisquiliae) O. I. 27, 132. monſ. 344; rât-uſſa (aenigma)
jun. 218. 245. hrab. 953a monſ. 344. doc. 231a rât-iſſa jun.
177. T. 72, 1. 73, 1; ſcrunt-uſſa (rima) monſ. 332. 353.
384. 389; wohin man auch die mit adj. oder part., welche
auf -n ausgehen, gebildeten zählen darf, wenn ſie nur
X
[322]III. conſonantiſche ableitungen. SS.
ein n haben: ein-aſſi (unitas) doc. 249; un-hrein-iſſa (in-
luvies) jun. 210; vuntan-iſſa (inventio) jun. 195; offan-
uſſi (ſignificatio) monſ. 354. 362. 388 etc. — γ) theils ge-
rade die häufige ableitung aus ſolchen adj. und ſtarken
part. praet., theils das einzelnen wörtern (wie im goth.)
dunkel zum grunde liegende verbale -in (oben ſ. 173.)
ſcheint den ſprachgeiſt verführt zu haben, nicht mehr
-aſſ, -iſſ, -uſſ, ſondern -naſſ, -niſſ, -nuſſ für das hier
wirkſame princip zu nehmen; weshalb auch von ſpäte-
ren grammatikern in dem -niſſ eine wirkliche wurzel
geſucht worden iſt. Wäre das, ſo müſten alle unſere
ableitungen für wahre compoſita gehalten werden. Al-
lein es hat ſo wenig ein wurzelhaftes -naſſ, -niſſ gege-
ben, als ein wurzelhaftes -nei, -nede, -nâð, -naðr (ſ. 96,
247. 254. 255.) oder -môdî (ſ. 256.); wie die unter β ge-
ſammelten überreſte des organiſchen verhältniſſes dar-
thun. Doch iſt ſchon in den älteſten denkmählern der
irrthum durchgedrungen, d. h. es wird nicht nur in
wörtern, wo ſich kein begründetes -an, -in denken, we-
nigſtens nicht mehr nachweiſen läßt (obgleich viele ahd.
verba -inôn untergegangen ſein mögen) die liquida ein-
gerückt *) z. b. tougal-niſſi (ſecretum) fol-niſſa (expletio)
nibul-niſſi (obſcuritas) fagar-neſſi (claritas); ſondern ſelbſt
geminierte geſchrieben, wo der ſtamm bereits n hatte:
ein-niſſa J. 367. pouhhan-niſſa (nutus) jun. 181; kihal-
tan-niſſa (caſtitas) jun. 219; ein-nuſſi (contractus) monſ.
378 etc. Einzelne wörter ſchweben zwiſchen der ſchrei-
bung n und nn; welche ſoll man für nachläßig halten? —
δ) der vor dem ſſ ſtehende vocal iſt gl. monſ. doc. zu-
weilen a (wie im goth.) wenn ich der verwechſelbarkeit
der ſchriftzüge a und u traue, entſchieden hat in e um-
gelautetes a durchgängig T.; nur i haben J. K. O. N. W.,
die gloſſen wechſelnd mit a und u; u hin und wieder
die gloſſen. Im ganzen i überwiegend. — ε) maſculina
dieſer bildung ſind verſchwunden; das geſchlecht ſchwankt
zwiſchen fem. und neutr., im fem. ſelbſt wieder zwiſchen
erſter und zweiter decl. (niſſa, niſſî). J. K. kennen
bloß fem. auf -niſſa, -niſſi; O. bloß neutra -niſſi; bei T.
ſind bald. fem. -neſſî, bald neutra -neſſi; bei N. fem.
-niſſa neben neutris -niſſe; zuweilen und in den gloſſen
[323]III. conſonantiſche ableitungen. SS.
häufig läßt ſich ſchwer ſagen, ob ein fem. -niſſî oder
neutr. -niſſi gemeint iſt *). T. und N. wechſeln beider-
lei formen ſogar in den nämlichen wörtern, vgl. ſûbar-
neſſî fem. T. 7, 2. 21, 3. unſûbar-neſſi neutr. 141. giwiƷ-
neſſî fem. T. 4, 15. giwiƷ-neſſi neutr. 160, 2; ferlor-niſſa
fem. N. 48, 1. ferlor-niſſe neutr. 10, 2. — Dies voraus-
geſchickt folgen nun belege für die ahd. drei formen,
1) fem. auf -niſſa: arauc-niſſa (manifeſtatio) J. 935; drî-
niſſa (trinitas) J. 358. 361. 363. K. 30b driu-niſſa hymn.
948a; ein-niſſa (unitas) J. 367; ki-haltan-niſſa (caſtitas)
jun. 219, verſch. von kihalt-niſſa (ſalus) N. 34, 23; hart-
niſſa (durities) J. 382; heilac-niſſa (ſanctificatio) J. 369;
hôh-niſſa (celſitas) J. 204; hrein-niſſa (mundities) jun. 210;
kihuorvan-niſſa (converſio) K. 57a; îtal-niſſa (deſolatio)
J. 381; kër-niſſa (devotio K. 35b 36a; kot-niſſa (divini-
tas) J. 350. 352 etc.; kiloup-niſſa (fides) 7. 406; leid-niſſa
(abominatio) jun. 194; kilîh-niſſa (imago) J. 349. 350. jun.
210. 226; farloran-niſſa (diſpendium) jun. 179. ferlor-niſſa
(interitus) N. 48, 10; lûtar-niſſa (ſinceritas) jun. 192; man-
niſc-niſſa (natura humana) J. 386; milt-niſſa (miſericordia)
J. 898; pauhhan-niſſa (nutus) jun. 181; plîd-niſſa (gau-
dium) J. 384; rëht-niſſa (juſtitia) J. 345. 384; ſtât-niſſa
(ſtatus) jun. 227; arſuoh-niſſa (experimentum) jun. 174;
toukan-niſſa (ſecretum) jun. 194; int-vanc-niſſa (aſſump-
tio) J. 373. jun. 223; invleiſc-niſſa (incorporatio) J. 375;
vol-niſſa (expletio, plenitudo) K. 34a J. 403; vuntan-niſſa
jun. 195; kivuac-niſſa (nexus) jun. 215; untarvuor-niſſa
(ſubvectio) jun. 225; wâr-niſſa (veritas) J. 396; irwart-
niſſa (corruptio) N. 37, 4; unwërd-niſſa (contemptio) J.
383; wuot-niſſa (dementia) J. 350. jun. 238. — 2) fem.
auf -niſſî: ahte-neſſî (perſequutio) T. 22, 15. 75, 2. 106;
churt-naſſî (brevitas) exhort.; kidâht-niſſî (devotio) jun.
257; ein-naſſî (univerſitas) doc. 249. ein-nuſſî (contractus)
monſ. 375; kihalt-niſſî (ſalvatio) eidſchw.; haƷ-niſſî (dam-
natio) jun. 238; ubarhlaup-niſſî (?) J. 379; hold-niſſî (pla-
catio) doc. 219b; kihôr-nuſſî (auditus); hlût-nuſſî (clan-
gor) monſ. 327; varlâƷan-niſſî (dimiſſio) jun. 212; kalîh-
naſſî (habitus) doc. 250. 252, kilîh-niſſî jun. 234. 252. wëa-
lîh-niſſî (qualitas) K. 51b; piloh-niſſî (clauſura) jun. 256;
intlohhan-naſſî (reſeratio) monſ. 408; vloran-nuſſî (dam-
num) monſ. 363. 380; michel-neſſî (majeſtas) T. 91. 152;
milt-naſſî (beneficium) doc. 250; offan-nuſſî (revelatio)
X 2
[324]III. conſonantiſche ableitungen. SS.
monſ. 354. 362 388; arougan-neſſî (oſtenſio) T. 4, 19; pë-
raht-niſſi (ſplendor) J. 344. beraht-neſſî T. 6, 1. 88; ka-
ſaz-naſſî (ſtatio) monſ. 411; ſpreit-neſſî (diſperſio) T. 129;
arſtant-neſſî (reſurrectio) T. 110; ſtunc-niſſî (compunctio)
K. 49b; ſûbar-neſſî (purgatio) T. 7, 2. 21, 3; fagar-neſſî
(claritas) T. 177, 3. 179, 3; vol-naſſî (ſumma) doc. 250.
vol-niſſî K. 33b; vûl-nuſſî (corruptio) monſ. 348; vunt-
nuſſî (praebitio) monſ. 362; var-walp-nuſſî (ſubverſio)?
monſ. 402; werd-nuſſî (juſtificatio) monſ. 331. 342. 397;
wîh-naſſî (dedicatio) miſc. 2, 288; kiwiƷ-neſſî (teſtamen-
tum) T. 4, 15; pizeih-nuſſî f. pizeihhan-uſſî (allegoria)
monſ. 397. — 3) neutra auf -niſſi: bihaban-neſſi (obten-
tus) T. 141; bihalt-neſſi (obſervatio) T. 140. gihalt-niſſi
O. II. 18, 35. (wo ich -û für den inſtr. halte); ingalt-
niſſe (ſupplicium) N. 78, 9; got-niſſi (divinitas) O. V. 6,
118; galîh-niſſi hrab. 952a; glîh-neſſi T. 91. 126. gelîche-
niſſe N. 103, 18. glîh-niſſe W. 1, 15; ferlori-niſſe N. 10,
2; nibul-niſſi (caligo) O. V, 19, 53; giruor-neſſi (motus)
T. 52, 2, 88. 210, 1; giſaz-neſſi (tractatio) T. 84; irſtant-
niſſi (reſurrectio) O. V. 24, 22. 53; firſtant-niſſi (intellec-
tus) O. I. 179. furſtant-neſſe T. 128; ſtil-niſſi (tranquillitas)
O. IV. 7, 98. ſtil-neſſi T. 128, fehlerhaft ſcheint ſtilte-neſſi
52, 6; ſuaƷ-niſſi (dulcedo) O. V. 20, 101; finſtar-niſſi (te-
nebrae) O. III. 20, 39. 21, 16. T. 21, 12. 36, 4, 47, 7. 119.
125. 185, 8. 207, 1. 216, 1; wâr-niſſi (veritas) O. IV. 21,
72; irwart-niſſi (corruptio) O. V. 12, 44; giwiƷ-neſſi (te-
ſtimonium) T. 14, 6. 44, 9. 84. 160. 2. 171, 1. 198, 5;
ziworph-neſſi (deſolatio) T. 145. — Ueber nachſtehende
bei T. bin ich zweifelhaft, ob ſie fem. oder neutr. ſind:
thruc-neſſi (preſſura) 145. 176, 5; gihôr-neſſi (auditus) 74,
6. 143; forlâƷ-neſſi (remiſſio) 13, 2. 160, 2. 232, 2; arlôſ-
neſſi (redemptio) 7, 10; nidar-neſſi (damnatio) 225, 2. for-
nidar-neſſi 141; intrigan-neſſi (revelatio) 7, 6; biſnît-neſſi
(circumciſio) 104; tougal-neſſi (abſconſum) 33, 3; gitruob-
neſſi (triſtitia) 172, 2. 174, 4; tump-neſſi (ſtultitia) 84. —
Einzelne wörter fügen zu dem -niſſ noch ein-ida: einuſſ-
ida (unio) monſ. 340. 375. ferlorniſſeda (perditio) N. 57,
11. 87, 12. 106, 19. (vgl. oben ſ. 244.) —


In der altſ. E. H. erſcheint dieſe bildung, ſo weit ich
urtheilen kann, nur einmahl im cap. von Chriſti taufe,
wo der dat. gelîc-neſſe (ſimilitudine) auf ein neutr. gêlic-
neſſi deutet. Allein man darf hieraus nicht gerade eine
gleiche ſeltenheit der form in der altſ. proſa folgern (ſ.
das agſ.). Auch zeigen die niederd. pſalmen viele -nuſſi,
wie es ſcheint, lauter neutra; wenigſtens läßt ſich dieſes
[325]III. conſonantiſche ableitungen. SS.
genus für rëht-nuſſi aus 68, 28. 70, 15. entnehmen und
kein fem. für eins der andern wörter: tebrocan-nuſſi
(contritio) 59, 3. farbrocan-nuſſi (praevaricatio) gl. lipſ.;
fager-nuſſi (pulcritudo) gl. lipſ.; gigravan-nuſſi gl. lipſ.;
îdel-nuſſi (vanitas) 61, 10. 62, 10; gilîc-nuſſi (ſimilitudo)
57, 5; rëht-nuſſi (juſtitia) 57, 2. etc.: giruor-nuſſi (com-
motio) 65, 9; ſuoke-nuſſi (ſcrutinium) 63, 7; thiuſter-nuſſi
(tenebrae) 54, 6; farwâtan-nuſſi (abominatio) gl. lipſ.; gi-
wëſan-nuſſi (ſubſtantia) 68, 3. —


Den agſ. gedichten gebricht dieſe ableitung beinahe;
in Beov. iſt kein beiſpiel (88. ändere man glëo-manneſſ
in glëo-mannes, hiſtrionis); Judith 22. ſtehet vîn-eſſa
druncen (ebrius) wofür Lye leſen will: vîne ſvâ dr., ich
weiß nicht, ob mit fug und nach der handſchrift; unbe-
zweifelt iſt das fem. cnëoris (ſtirps, genus) gen. cnëóriſſe
Jud. 26. Cädm. 37. 38. 43, doch ich weiß mich in cnëór-
is oder, wie in der proſa häufig geſchrieben wird, cnë-
óvr-is nicht zu finden, d. h. das r nicht zu erklären.
Eher vermuthe ich ein compoſ. cnëó-ris, cnëóv-ris, ähn-
lich dem altn. knê-runnr (progenies), das ich von rîſan
(ſurgere) leiten würde, wenn nicht die gemination ſſ in
cnëó-riſſe entgegenſtünde. In Cädm. und zumahl Boeth.
begegnen aber andere unabwendliche beiſpiele wirklicher
-nes, die im obliquen caſ. -neſſe erhalten; im Cädm. mit
dem vocal i; onlîc-nis (ſimilitudo) 10; êc-nis (aeternitas)
12; im Boeth. mit dem vocal e (den ich weder für um-
laut des a, noch für ë zu erklären wage): gedrêf-nes
(turbatio) 155a 184a; geſet-nes (conſtitutio) 165a; geſcâd-
vis-nes (diſcretio) 178b; ofergëotol-nes (oblivio) 183a;
rihtvîs-nes (juſtitia) 188a; hefig-nes (gravitas) 184a; ſôð-
fäſt-nes (veracitas) 183b; hâthëort-nes (ira) 187b; vræn-
nes (laſcivia) 187a. Die meiſten ſind ausdrücklich femi-
nina, einmahl Boeth. 183b leſe ich den gen. rihtvîsneſſes,
der, wenn die lesart richtig iſt, ein neutr. verräth. In
der agſ. proſa kommen die ableitungen -nes, gen. -neſſe
(die ſchreibung ſchwankend in -nis, -niſſe und -nys,
-nyſſe, welches letztere umlaut des u entlialten könnte)
ſo häufig vor, daß es unthunlich wäre, die menge von
belegen hier beizubringen. Alle ſcheinen weiblich. Bei-
ſpiele: unbërend-nes (inſertilitas); endebyrd-nes (ordo);
cnëord-nes (cura); vilddëor-nes (deſertum, luſtrum); drî-
nes (trinitas); dyſig-nes (ſtultitia); êce-nes (aeternitas);
oferëtol-nes (guloſitas); êð-nes (facilitas); frêcen-nes (pe-
riculum); oferfêr-nes (tranſitus); forgŷmed-nes (negligen-
tia; mildhëort-nes (miſericordia); hnäſc-nes (mollities);
[326]III. conſonantiſche ableitungen. SS.
forhoged-nes (contemptus); oferlëor-nes (praevaricatio);
forlige-nes (fornicatio); gelîc-nes (ſimilitudo); âlŷſed-nes
(redemtio); micel-nes (magnitudo); môdig-nes (ſuperbia);
niv-nes (novitas); nivel-nes (abyſſus); nŷte-nes (ignoran-
tia f. ne-vite-nes); unriht-nes (injuſtitia); unrot-nes (tri-
ſtitia); beſmîte-nes (inquinatio); geſvenced-nes (afflictio);
tôtvæmed-nes (diſtinctio); tôvëard-nes (futuritas); vem-
med-nes (foedatio); verig-nes (maledictio) u. v. a. Spä-
terhin wird auch -neſſe, -niſſe im nom. ſg. gebraucht.
Es gibt dieſer agſ. ableitungen weit mehrere, als der
ahd. —


Im altn. mangeln ſie durchaus, den liedern, wie der
proſa; auch die neunord. ſprachen wißen nichts davon.
Denn daß einige hochd. wörter dieſer ſorm ins däniſche
eingedrungen ſind, z. b. vild-nis kommt in keinen be-
tracht. —


Die mhd. dichter bedienen ſich der ableitungen mit-
nis, -niſſe äußerſt ſelten, und, da man ſie in der proſa
der urkunden des 13. 14. jahrh. häufiger antrifft, ſicht-
bar ungern. Die form mag ihnen metriſch unbequem,
der abſtracte begriff zu unlebendig geweſen ſein. Wolfr.
im Parc. gebraucht nur bekant-niſſe 92c, gevanc-nuſſe
93c, gevanc-niſſe 186c; Hartm. im Iw. vanc-nuſſe, vanc-
nus 9a 22a; beide wörter ſind fem. wie auch aus vanc-
nuſſe Wigal. 6816. Barl. 162, 4. vanc-niſſe MS. 2, 229b
erhellt. Im Triſt., in den Nib. etc. ſteht gar kein ſolches
wort. Die weltchr. caſſ. 281d gibt behalt-niſſe, cod. pal.
341, 51b geſtalt-nuſſe, cod. pal. 368, 4c beſwær-niſſe, übel-
niſſe und ſo mögen ſich einzelne belege mehr zuſam-
menleſen laßen. Wo die mundart ans niederd. ſtreift,
bieten ſie ſich öfter: vinſter-niſſe En. 24c weiblich (desgl.
MS. 2, 203a muſ. 2, 220. aber MS. 2, 9a neutral); wilt-
niſſe fem. En. 28b; verſuoche-niſſe, unſervater 3763; der
eine Herbort hat folgende: beſwêr-niſſe: übel-niſſe 4c;
verrête-niſſe 12b 44a 99a 103d; venc-niſſe, gevenc-niſſe
44a 114a; finſterniſſe (neutr.) 114.a 118a; geſtelte-niſſe (fi-
gura) 118a etc. Er lautet auch, wenigſtens der hſ. nach,
den wurzelvocal um, während die übrigen mhd. belege
nicht umlauten. Das genus ſcheint in einzelnen wörtern
zu ſchwanken, doch (wie im ahd.) das fem. zu über-
wiegen. Ottoc. hat-nus (1, 448). —


Der nhd. ſprache ſind die ableitungen -nis zwar ge-
läufiger, als der mhd., doch läßt ſie ihnen weit geriugern
umfang, als die engl. oder ſelbſt niederländiſche. Sie zer-
[327]III. conſonantiſche ableitungen. SS.
fallen in ſem. und neutra, allein jetzt überwiegen letz-
tere. 1) feminina auf -nis, im ſg. inflexibel, im pl. -niſſe
(überreſt der ſtarken form und ausnahme von der nhd.
regel 1, 701. welche -niſſen fordern würde): verdamm-
nis; bedräng-nis; fäul-nis; finſter-nis; befug-nis; kent-
nis, erkent-nis; erlaub-nis; empfäng-nis; beſorg-nis; be-
trüb-nis; bewandt-nis; wild-nis. — 2) neutra auf -nis,
gen. -niſſes, pl. -niſſe: ärger-nis; bild-nis; bünd-nis; ge-
dächt-nis; verderb-nis; bedürfnis; ereignis (f. eräug-nis);
gefäng-nis; erforder-nis; leichenbegäng-nis; ergeb-nis;
begeg-nis; gleich-nis; begräb-nis; verhält-nis; verhäng-
nis; geheim-nis; hinder-nis; verlöb-nis; vermächt-nis;
verſäum-nis; geſtänd-nis, einverſtänd-nis; verzeich-nis;
zeug-nis; erzeug-nis. Einige leiden wohl beiderlei ge-
nus: empfäng-nis; verſäum-nis; verderb-nis; erſpar-nis;
andere gelten faſt nur im pl. (ſchreck-niſſe, kümmer-
niſſe). In den meiſten wirkt das -nis umlaut, in erlaub-
nis nicht, aus dem grunde, der auch glaubig f. gläubig
verſtattet; in bewandtnis, beſorgnis, erſparnis, verdamm-
nis etc. nicht aus andern urſachen. Einzelne dieſer ab-
leitungen klingen ſchon ſteif (z. b. ergebnis) wag-nis, ganz
unerträglich von ſchlechten ſchriftſtellern neuerfundne
(z. b. verkentnis, labnis, ſteilnis, trocknis); analogie hat
bei dieſer ableitung faſt alles recht verloren. Die ge-
meine volksſprache enthält einzelne, die von der ſchrift-
ſprache nicht gebraucht werden; oft beſtimmt ſie auch
das geſchlecht anders, namentlich begünſtigt die ober-
deutſche das femin. Neben oder für -nis duldet ſie hin
und wieder -nus, oder umgelautetes -nüs vgl. Schm.
§. 1053. Der ſchweizerdialect ſcheint die ableitung we-
nig zu lieben. —


Mnl. ſcheint -neſſe (weiblich) ziemlich gangbar, z. b.
beſnîde-neſſe (circumciſio) Maerl. 1, 66; verdoeme-neſſe
(condemnatio) 2, 80; verrîſe-neſſe (reſurrectio) 2, 142;
quîte-neſſe (liberatio) 2, 210. wilder-neſſe Rein. 2578.
3149. — Nnl. -nis, meiſt feminina: erbarme-nis; bêlte-
nis; dêr-nis (miſericordia); beduide-nis; verdoeme-nis;
erfe-nis (hereditas); hinder-nis; ken-nis (zuweilen ken-
niſſe); erkente-nis; gelîke-nis; verrîze-nis; beſnîde-nis;
gevange-nis; wilder-nis. Einige gelten für neutra: erger-
nis; geheime-nis; geſchiede-nis; getuige-nis; bezwâr-nis.


Engl. eine menge, z. b. buſi-neß.; freſh-neß; ful-
neß, fright-ful-neß; great-neß; heavi-neß; kind-neß;
end-leß-neß, ſhame-leß-neß; like-neß; moodi-neß;
[328]III. conſonantiſche ableitungen. SS.
mouldi-neß; new-neß; righteous-neß; ſound-neß; wil-
der-neß (aus dem agſ. vildëornis, doch vgl. das nnl. wil-
der-nis); wit-neß; (wo dem neß i vorausgeht, iſt ein
adj. auf -y = -ig zu verſtehen, z. b. bußi-neß, môdi-
neß, agſ. byſ-ig-nes, môd-ig-nes). Die ableitung iſt der
ſprache ſo gefüge, daß ſie auch zu romaniſchen wörtern
tritt, z. b. perfective-neß; perfidious-neß etc. Ja, was
bei dieſer ableitung ſonſt und ſelbſt im agſ. unerhört
ſcheint, es iſt ſogar das verbum wit-neß (teſtificare) ge-
wagt worden. —


bemerkungen zu der ableitung SS.

1) daß -naſſ, -niſſ, -nuſſ keine wurzel ſei, ſich aus
-aſſ, -iſſ, -uſſ hervorgethan habe, wurde gleich eingangs
gewieſen. In letzteren könnte aber das ſſ entw. gemina-
tion für älteres einfaches ſ ſein, oder aſſimilation aus
hs, ſk? Niederdeutſche dialecte wandeln hs in ſſ (1, 498
vgl. egidëhſa, egedëſſe), nie aber hochdeutſche, welche
gleichwohl jenes iſſ leiden. Für ſk ſtritte, daß ſich wirk-
lich neben râtiſſa (aenigma) râtiſki doc. 231a râtiſcâ N. 41,
5. vorfindet. Inzwiſchen ändern ſelbſt niederdeutſche
mundarten organ. ſk nicht gern in ſſ, umgekehrt ſſ in ſk
ſch (hernach unter 3.). Wahrſcheinlicher iſt mir da-
her gemination.


2) im griech. gibt es fem. auf -ασσα, -ισσα, z. b. ἄν-
ασσα, θάλ-ασσα; βασίλ-ισσα, κίλ-ισσα, μέλ-ισσα;
meiſt
perſönlich, kaum abſtract. Hält man dazu die weibl. adj.
auf -εσσα: χαρί-εσσα, μελιτό-εσσα (μελιτοῦσσα) und die
epiſchen σσ in der plur. dativflexion: δέπασσι, βέλεσσι,
παίδεσσι, νέκυσσι;
ſo unterliegt keinem zweifel, daß auch
dieſe ſſ erſt aus gemination oder aſſim. entſpringen.


3) das latein hat wenige ableitungen -iſſa: mant-iſſa,
fav-iſſae, vibr-iſſae, in denen früher einfaches ſ gewaltet
zu haben ſcheint; wie in den flexionen -ſſe (Schn. 443).
Romaniſche ſprachen movieren feminina auf -eſſa, -eſſe;
ital. duch-eſſa, princip-eſſa; franz. duch-eſſe, princ-eſſe,
prêtr-eſſe, pêcher-eſſe; daher das mittellat. duc-iſſa, co-
mit-iſſa; im ſpan. ungeminiert: duqu-eſa, princ-eſa.
Quelle der form war das lat. -ix, netr-ix, piſcatr-ix etc.
das nur weiter ausgedehnt wurde. Aus dem roman. ent-
lehnte ſolche fem. das mhd., z. b. prophet-iſſe Parc. 113a
En. 24c 26b doſch-ëſſe Parc. 105b; nach r ſtehet bloßes
-ſe: ſuldier-ſe (altfranz. ſoudoiereſſe, ſoldatenweib); trip-
panierſe (? meretrix) Parc. 82c und ſchon in älteren, halb-
niederd. gloſſen: clûſener-ſe, meier-ſe, tolner-ſe, mun-
[329]III. conſonantiſche ableitungen. SS.
zer-ſe jun. 302. becker-ſa (piſtrix) jun. 352. ſtatt der rein-
mhd. kloſnærinne, zolnærinne, beck-inne. Dieſes -ſe
aber erklärt uns den urſprung des noch heute in Nieder-
deutſchland geltenden -ſche in frauennamen meier-ſche,
wever-ſche, naier-ſche, auch ohne vorſtehendes r: kök-
ſche (köchin) adam-ſche (Adams frau) etc. welche min-
der gut aus dem adjectiviſchen -iſc, -iſch gedeutet wer-
den. Denn in dieſem fall hätten ſie früher -ſk und nicht
-ſ. Auch hat ſich im nnl. das -es, -eſſe erhalten, nicht
in -eſch, -eſche verwandelt, aber ziemlich um ſich ge-
griffen, vgl. mêſter-eſſe (maîtreſſe), minnar-es, minnar-
eſſe, môrdenar-eſſe, verrader-eſſe u. a. m. Mnl. tover-
eſſe (venefica) Maerl. 3, 256. Selbſt daß aus abbet-iſſe.
ebbed-iſſe jun. 302. mhd. ept-iſchin Bon. 48, 20. (nhd. abt-
iſſin) wurde, vgl. tûmer-ſchin (ſaltatrix) Herb. 60c (nnl.
tuimelar-eſſe), zeugt wider organ. -fk, woran bei dieſen
wörtern niemand denken wird. Vgl. die engl. abbat-
eß, count-eß, dutch-eß, princ-eß, prophet-eß.


4) es gibt aber auch in abſtracten franzöſ. fem. ein
-eſſe, das auf den erſten blick dem deutſchen -niſſ ver-
wandt ſcheinen könnte, vgl. juſt-eſſe, triſt-eſſe, fin-eſſe,
vit-eſſe, grand-eſſe, jeun-eſſe, forter-eſſe u. v. a. Allein
das ſpan. -eza, ital. -ezza in gleichen wörtern (alt-eza,
grand-eza, triſt-eza, viſt-eza, fortal-eza, bell-ezza, grand-
ezza, fort-ezza, giocond-ezza) lehren die wahre quelle,
nämlich das lat. -tia (juſtitia, triſtitia). Daher auch in
andern franz. formen -ce waltet (juſtice, patience) und
es iſt alle berührung jenes -eſſe mit den deutſchen -niſſe
zu leugnen.


5) wichtiger iſt es für das weſen dieſer letzteren, zu
unterſuchen: welcher art wörter die ableitung hinzu-
trete? Das goth. -aſſus offenbar verbis auf -inôn, mit
ausnahme von ufar-aſſus *) und fil-uſſi, die aus den par-
tikeln ufar und filu (vielleicht alſo filu-ſſi?) gezeugt wer-
den. In den übrigen ſprachen vervielfältigt ſich die ab-
leitung, ſie tritt a) zu ſubſt. got-niſſi, nibul-n, menniſc-n,
pouhhan-n. b) häufiger zu adj. finſtar-n., wâr-n., tump-
n., ſûbar-n., gilîh-n., îtal-n., bëraht-n., hrein-n., auch
zu denen auf -ac, -îc: heilac-n., zumahl im agſ. mô-
dig-n., hefig-n., dyſig-nis. c) zu part. praet. ſtarker
[330]III. conſonantiſche ableitungen. SS. LF.
verba: antrigan-n., intlohhan-n., farlâƷan-n., farwâƷan-n.
farprohhan-n. und im agſ. vorzüglich oft zu part. praet.
ſchw. verba: forgŷmed-n., forhogedn., tvæmed-n., wovon
ich kein anderes ahd. beiſpiel weiß als gidâht-n., mhd.
bekant-n., nhd. bekent-n., gedächt-n., vermächt-n., be-
wandtn. d) nicht wenige ſcheinen aber auch herzurüh-
ren aus einer verbalform, die verkürzt worden iſt: gi-
hôr-n., arlôſ-n., farſtant-n., irwart-n., giſaz-n. (agſ. ge-
ſet-n.), gihruor-n., gihalt-n., gifanc-n., infleiſc-n., ar-
ſuoh-n., untarfuor-n., etc. Iſt hier das -an des inf. aus-
geworfen? gihôran-n., etc., oder liegen zum theil ver-
lorne verba -inôn zu grunde? z. b. infleiſcinôn bei in-
fleiſc-niſſa f. infleiſcin-iſſa? Möglichkeit der verkürzung
thut das nhd. verzeichnis dar, welches ſicher f. verzei-
chennis, verzeichnenis ſtehet.


6) bei faſt keiner ableitung ſcheinen die vorausgehen-
den vocale ſo gleichgültig und verwechſelbar, als hier
vor dem ſſ die a, i, u. Größere fülle alter beiſpiele
würde uns erſt lehren ihre wahre unterſcheidung zu be-
obachten.


ableitungen mit LF.

vorſtehender vocal iſt hier bloß u, das ſich nach der re-
gel in o wandelt, alſo die formel -olf, womit die alt-
deutſche ſprache eine menge eigennamen bildet. Bei-
ſpiele aus ahd. urkunden: agil-olf; aman-olf; ar-olf; aſt-
olf; diot-olf; fagin-olf; far-olf; faſt-olf; flôƷ-olf; frëhh-
olf; fruohhan-olf; gaman-olf; grâ-olf; gund-olf; hamar-
olf; horfk-olf; hruod-olf; hun-olf; irmin-olf; madal-olf;
môr-olf; neri-olf; nord-olf; plîd-olf; rand-olf; ring-
olf; ſand-olf; ſcerpf-olf; ſtahal-olf; ſtang-olf; ſuntar-olf;
tal-olf; tuom-olf; wâg-olf; war-olf; wërn-olf; zît-olf;
zeiƷ-olf. Noch frühere, zumahl lat. ſchriftſteller gothi-
ſcher, fränkiſcher, lombard. herkunft gebrauchen lieber
-ulſus, z. b. ata-ulfus; baud-ulfus; ëbar-ulfus; frec-ulfus;
gang-ulfus; gib-ulfus; hild-ulfus; marc-ulfus; râd-ulfus;
ſig-ulfus; ſunni-ulfus u. a. m. Im mhd. zeitraum ſind
dieſe mannsnamen viel ſeltner geworden, doch findet ſich:
biter-olf, in dem bekannten heldenliede; auch-olf (?) MS.
2, 83b; ruod-olf; heute haben wir nur ad-olf, rûd-olf
übrig, einige dauern entſtellt fort, z. b. aus agil-olf wurde
egel-olf, egl-olf (mon. boica XXIV, 172.) endlich egl-of.
Bei dieſer ableitung iſt unverkennbar, daß ſie aus einer
[331]III. conſonantiſche ableitungen. LF.
wahren compoſition entſprang, nämlich mit goth. vulfs,
ahd. wolf (lupus), indem 1) das f nach dem l durch alle
deutſchen mundarten zieht, nicht hochd. f. hier ſächſi-
ſchem p entſpricht; die ahd. flexion würde folglich v
zeigen: ſuntar-olf, gen. ſuntar-olves? Mhd. mag freilich
biterolfes f. biterolves geſetzt werden. 2) im agſ. deut-
lich -vulf ſtehet, z. b. bëo-vulf, auch in nhd. zuſammen-
ſetzungen das w hervortaucht: ſchöne-wolf, heide-wolf,
bienen-wolf; die nord. ſprache, welche überall Ulfr. ſagt,
zeigt es natürlich in der compoſ. noch weniger, z. b.
qveld-ulfr in der Egilsſaga. 3) die Grieehen ebenfalls
eigennamen mit λύκος componieren: αὐτό-λυκος, ἀρηΐ-
λυκος
etc. Hiernach ſcheint die ganze formel in das
dritte cap. zu gehören. Allein ich nehme ſie hierher,
weil ſich ohne zweifel ſchon im ahd. durch aphäreſe der
ſpirans urſprung und bedeutung des -olf ſo verdunkelt
hatten, daß eine wirkliche, anwendbare und angewen-
dete ableitung daraus wurde, bei der niemand mehr an
den begriff wolf dachte. So mögen auch verſchiedene
der angeführten eigennamen gebildet worden ſein, man
leitete mit -olf männliche weſen ab, wenn die idee des
ungeheuern (unheimlichen) und böſen vorwalten ſollte.
N. im Mart. Cap. überſetzt die heidniſchen götternamen
conſus und nocturnus durch will-olf, naht-olf, ſicher
keine anſpielung auf wolf. Pſ. 48, 12. drückt er dives
durch rîch-olf aus, weil von dem reichen manne die
rede iſt, der in die hölle kommt. So ſcheint mir gëll-
olf (oben ſ. 183.) einen mann zu bezeichnen, der kebs-
weiber unterhält. Im mhd. ſind ähnliche ableitungen
noch nicht ausgeſtorben: bitter-olf ſtehet Geo. 42b für
einen bißigen wüterich; giem-olf MS. 2, 215a für einen
thoren; trieg-olf, wân-olf Bon. 80, 23. für einen betrü-
ger und leichtgläubigen. Vielleicht iſt dieb-olt, man-olt
(? mein-olt), roub-olt MS. 2, 147a in dieb-olf, mein-olf,
roub-olf zu ändern, wo nicht das -olf wirklich in -olt
übergieng, vgl. Ben. 209. gouchgouolt (gouch-gouch-olf?).
Daſyp. verdeutſcht galbula (namen eines vogels) durch
ger-olf, und mark-olf nennt man den heher an einigen
orten. Selbſt auf die ſteiriſche form piſcholf f. biſchof
(1, 444.) mag dieſes -olf einfluß gehabt haben. Ich weiß
nicht, wie guter-olf (phiala) Wilh. 2, 147a ſpäter guttr-
olf, kutr-olf Oberl. 850. hierhergehört, deſſen urſprung
ich nicht kenne.


[332]III. conſonantiſche ableitungen. LD.
ableitungen mit LD.

laßen ſich hauptſächlich im altn. nachweiſen; ich ſchicke
einzelne, zweifelhafte wörter, welche in andern dialec-
ten auf dieſe form anſpruch machen könnten, voraus.


1) im goth. kommt bloß das dunkle ſpáiſkuldr oder
ſpáiſkuldrs (πτύσμα) in erwägung, ob es ein compoſ.
ſpáiſ-kuldr ſei, oder eine ableîtung ſpáiſk-uldr? Letzte-
res iſt mir wahrſcheinlicher. Zwar die ahd. form lautet
nicht ſpeiſc-oltar, ſondern ſpeihh-altra (ſchw. fem.) T. 132.
ſpeihh-oltra, wie ich jun. 262. emendiere; aber hier wird
man noch weniger ſpei-chaltra annehmen wollen. Die
übrigen mundarten kennen nichts ähnliches, Beßere auf-
ſchlüße müßen erwartet werden.


2) einige analogie gewährt das altn. maſc. þrëſk-uldr,
þrëſk-öldr (limen) offenbar von der wurzel þrëſka (nr.
454.) weil vor der ſchwelle, auf der tenne, gedroſchen
wird. Agſ. þërſc-old, þërſc-vold, þërſx-old; engl. threſh-
old; dän. verkürzt tärſk-el. Ahd. driſc-uvili (limen) aug.
120a (wo dirſgucfili) trev. 37a (driſcuuile) blaſ. 87a (drůſ-
cuuel) Schilt. 115b (truſcheufel) neutrum; was -ufili,
ûfili bedeute, weiß ich nicht, iſt es aus -ult, -wolt, ver-
dorben? wäre auch das altn. wort entſtanden aus þrëſk-
valdr?


3) die benennungen verſchiedner bäume ſcheinen die
formel -ld, ahd. lt zu enthalten: altn. apaldr (malus) maſc.
dän. abild, agſ. apuldre fem. ahd. affoltra fem. monſ. 326.
affaltera W. 2, 3. 8, 5. Desgl. agſ. mapuldre (acer); ahd.
maƷaltera (acer); wëhhaltra (juniperus); hiefeltra (tribu-
lus); nhd. maßholder, wachholder; Daſypod. hat affhol-
der, aftholder (opulus, viſcum) niederländiſch: appel-
târe; miſpeltâre; noteltâre etc. Gegen ableitendes -uldre,
-altra, -older ſtreitet aber, theils daß in apholtra das ol
deutlich zu aphol gehört, folglich nur -dre, -tra zur ab-
leitung; theils daß -dre, -tera (wie ſchon ſ. 122. in einer
note geſagt iſt) wahre compoſition zu bewirken ſcheinen,
nämlich aus uralten dëru (arbor) übrig ſind. Zwar heißt
dies bereits goth. triu, agſ. trëóv, altn. trê; allein in der
zuſ. ſetzung erhielt ſich leicht die alte media ohne laut-
verſchiebung. Und im engl. apple-tree, maple-tree hat
ſich die compoſition ſichtbar hergeſtellt. Vgl. holan-tar
(ſambucus) monſ. 414. nhd. holun-der und das niederd.
machandel f. wacholder.


[333]III. conſonantiſche ableitungen. LD.

4) für ſchmetterling pflegt man auch falter, zweiſal-
ter zu ſagen, volksmundarten haben pfeifalter, fîſolter,
pipolter (Stald. 1, 173.) niederl. vîfelder, vîvouter, wie-
wouter. Ahd. fifaltra, vîvaltra, (papilio) zwetl. 127b trev.
15a blaſ. 74b pîſoldre jun. 269; agſ. fiffalde, fiſalde. Das
wort läßt ſich nicht wohl durch zuſ. ſetzung mit -faldre
erklären, fif-feald iſt agſ. quintuplex, das auf das thier
nicht paſt und ahd. fimf-faltra wäre, nicht îfaltra. Lie-
ber halte ich -altra für die ableitung, fîf-für die ent-
ſtellte wurzel. Die altn. benennung iſt fiðr-ildi und dar-
in wurzel fiðr, fiöðr (pluma) erkennbar. Steht vîvaltra
f. vidar-alta?


4) im agſ. findet ſich fär-eld (progreſſus, curſus) ût-
fär-eld (exitus), dem ein altn. far-aldr entſpricht; beides
neutra. Compoſition mit aldr (aetas) maſc. hat bedenken,
warum heißt es agſ. nicht fär-eald, fär-yldu? vgl. inzwi-
ſchen das agſ. ëaldjan, ahd. eltan, altôn (morari), ahd.
mhd. tag-alt (ludus, tagvertreib). Dem agſ. adj. läfel-dre
(planus) engl. level weiß ich nichts ähnliches in den
übrigen ſprachen.


5) altn. maſc. auf -aldi: dôm-aldi (n. pr.) Yngl. S.
p. 17. 18; glôp-aldi (fatuus); hrîm-aldi (fuliginoſus); þumb-
aldi (vir inconcinnus) ſcheinen in der bedeutung dem ahd.
-olf vergleichbar; ribb-aldi (homo violentus) iſt das alt-
franz. ribaut, woher auch mhd. ribbalt; ulf-aldi (came-
lus) ſteht f. ulf-andi.


6) altn. neutra auf -ald: fol-ald (pullus equinus); gim-
ald (hiatus); kaf-ald (ningor denſus); ker-ald (vas); rek-
ald (ejectamenta marina). Für kerald ſchwed. kär-il.


7) altn. neutra auf -ildi: ſeig-ildi (nervoſitas); þick-
ildi (callus); fiðr-ildi (papilio) ſchon vorhin erwähnt.


Den urſprung mindeſtens einiger -ald aus der zuſ.
ſetzung -vald. verrathen uns viele lombardiſche, fränki-
ſche nomina pr., des 6 — 8. jahrh. bei Mabillon, Marini,
Lupi, Fumagalli, z. b. arioaldus, anſoaldus, bërtoaldus,
chadoaldus, dructoaldus, ërmenoaldus; grimoaldus, magno-
aldus, môdoaldus, radoaldus, ragnoaldus, rîchoaldus, wul-
foaldus etc. In ihnen ſcheint eben das o aus u ent-
ſprungen (vgl. ingualdus Fumag. nr. 15.), das u aus v,
folglich grimoald, bërtoald aus grim-vald, bërt-vald, viel-
leicht das altn. dôm-aldi aus dôm-valdi, da dieſe mund-
art das v von valda ohnehin im praet. ausläßt. Spätere
ital. urkunden haben denn auch grimaldo, bertaldo, ber-
[334]III. conſonantiſche ableitungen. LS.
toldo. reinaldo; franzöſ. bertould, bertoud, arnould, ar-
noud. Fränkiſche, ältere aber zuweilen -vald, -wald,
vgl. môdo-wald Miraeus 1, 242. clodo-wald teſtam. Remi-
gii; ja im agſ. ſtehet immer -vëald, z. b. ôſ-vëald, wel-
ches unſtreitig = anſoald. Alemanniſche diplome zeigen
mitunter -olt, z. b. megin-olt, liut-olt, muot-olt, kêr-olt,
gêr-olt, u. a. bei Neugart und ſo ließe ſich das vorhin
ſ. 331. angeführte dieb-olt roub-olt des 13. jahrh. rechtfer-
tigen, vgl. amer-olt MS. 2, 73a. Nhd. waltet in den
überreſten dieſer namen doppelte form, bald das organ.
-wald, z. b. rein-wald, bald falſches -hold, das aus -old
gemacht wurde, z. b. rein-hold; beider namen quelle iſt
daſſelbe regin-oald. Zuweilen nhd. rein-old wie arn-old.
Altn. iſt, wenn der erſte theil vocaliſch auslautete, das v
geblieben, z. b. in ey-valdr.


ableitungen mit LS.

verbreiten ſich nicht über das agſ. altfrieſ. und nord.
hinaus *).


1) agſ. maſc. auf -els, pl. -elſas, doch nicht ſehr viele:
byrg-els, byrig-els (ſepultura); fêd-els (altile); fät-els, fet-
els (vaſculum, pera); fët-els (balteus); hyd-els (latibulum);
ræd-els (aenigma); rêc-els (fumigatio); ſcycc-els (chlamis);
ſcytt-els (repagulum); ſticc-els (aculeus); vëf-els (vela-
men); vrîð-els (faſcia). Neben rædels auch ein ſchw.
fem. ræd-elſe (aenigma) gen. ræd-elſan. Von fëtels ein
verbum fëtelſjan (balteo ornare) hat Lye, der aber ge-
fëtelſod ſvëord durch enſis perpolitus überſetzt. Des um-
lauts wegen iſt ëls f. ils anzunehmen. — Späterhin geht
die ableitung unter, byrgels heißt mit abgeworfnem s
auf engl. burial, rædels heißt riddle. Nahm man das s
für ein pluraliſches und bildete daraus den ſg. ohne daſ-
ſelbe? buriels C. T. 15654. vielleicht noch der alte ſg?


2) in den altfrieſ. geſetzen ſtehen einige fem. auf
-elſa, -ilſa, nämlich blôd-elſa, blôd-ilſa (blutrunſt) Br.
§. 185. 203. Aſ. 99. 177; blow-elſa (tumor) Aſ. 156; wlem-
elſa (? wemm-elſa, deformitas) Aſ. 179.


[335]III. conſonantiſche ableitungen. LS.

3) altn. neutra auf -elſi ſind zufolge Raſk §. 353. erſt
ſpäter aufgekommen und unhäufig: fâng-elſi (carcer);
reyk-elſi (thus); ſtîf-elſi (obſtinatio). Deſto mehr gibt es
ſolcher ableitungen im ſchwed. und däniſchen. Die ſchwed.
-elſe ſind in der regel feminina: änd-elſe (terminatio);
fri-giör-elſe (liberatio); giut-elſe (effuſio); märk-elſe (ſig-
num); rätt-elſe (correctio); rênſ-elſe (purgatio); rêt-elſe
(irritatio); rök-elſe (thus); rör-elſe (motus); hug-ſval-
elſe (ſolatium); var-elſe (manſio); und viele ähnliche;
fäng-elſe (carcer) iſt neutr. Beiſpiele dän. fem.: bind-
elſe (impedimentum); domm-elſe (judicium); end-elſe
föl-elſe (ſenſus); til-föj-elſe (additio); grämm-elſe (moe-
ſtitia); hör-elſe (auditus); bekräft-elſe (affirmatio); til-
lad-elſe (conceſſio); nägt-elſe (negatio); rög-elſe (thus);
fort-ſätt-elſe (continuatio); ſkikk-elſe (forma); ſtörr-elſe
(magnitudo); betyd-elſe (ſignificatio) etc. Neutral bleibt
vär-elſe (hypocauſtum). —


anmerkungen zu der ableitung -els:


a) ſie ſcheint mehrfach und in zwei einzelne auflös-
bar, und zwar ſo, daß beide die ſtelle vertauſcht haben.
Da ſich nämlich im agſ. cynegils findet für cynegiſl, hors
f. hros (1, 245. 246.); ſo können auch fêd-els, rêc-els
für fêd-eſl, rêc-eſl ſtehen. Den beweis liefern die nie-
derd. pſalmen, welche 62, 6. mend-iſlis (exultationis) 64,
13. mend-iſle (exultatione) und nach dergl. lipſ. burg-iſli
(ſepulcrum) haben. Dieſe muthmaßlichen neutra burg-
iſli, mend-iſli entſprechen den agſ. maſc. byrg-els, mend-
els (?) f. byrg-eſl, mend-eſl.


b) es wären folglich ahd. ableitungen auf -iſal (oben
ſ. 105-108.), d. h. fêd-els parallel dem ahd. vuot-iſal, ræd-
els dem mhd. ræt-ſal, nhd. ræt-ſel *). Im altn. herrſcht
die form -ſl, -ſli vor (oben ſ. 106. 108.), -ls, -lſi wä-
ren erſt ſpätere verderbnis. Im dän. beſtehet neben -elſe
noch in einigen wörtern -ſel: föd-ſel (partus) fem., fäng-
ſel (carcer) neutr., ſchwed. beides föd-ſla und föd-elſe
(partus).


c) das agſ. frëols, frëolſjan, altn. friâls, friâlſa etc. ge-
hört nicht hierher, ſondern zu den compoſitis mit -hals.


[336]III. conſonantiſche ableitungen. RN.
ableitungen mit RN.

1) ſubſtantiva, meiſt neutra.


α) maſculina; aus dem goth. acc. pl. viduv-aírnans
ὀρφανούς) Joh. 14, 18. ein ſubſt. viduv-aírns oder
viduv-aírna zu folgern, iſt unſicher, man brauchte
cin bloßes adj. viduv-aírns (orbus) anzunehmen?
Maſc. ſcheint mir das ahd. pil-arn (gingiva) pl. pil-arnâ
(gingivae) monſ. 342. (wo die worte tres ordines nicht
das deutſche wort angehen können) flor. 988b, der ſg.
pil-ern, pil-ren ſtehet gl. vind. und trev. 8b, pil-ari (?)
doc. 228b, die heutige oberdeutſche volksſprache hat noch:
bild-ern, bilg-ern, bill-er, vgl. Friſch 1, 97a Stald. 1, 171.
Fiſchart pill-er-lein Garg. mihi 46a 112a. Ferner ahd.
zuit-arn (hermaphroditus, ſpurius) jun. 228. doc. 220a, nhd.
zwitt-er, in mundarten aber zwid-arn, zwied-orn, zwied-
arm. Da in der erſten hälfte des wortes offenbar zui-
(lat. bi-) ſteckt und das folgende t ſchwer zu deuten iſt,
ſo fragt ſich, ob nicht ſtatt zuit-arn ein compoſ. zui-tarn
anzunehmen ſei? das mir jedoch ebenfalls dunkel bleibt.
Das altn. tvî-tôli (hermaphroditus) dän. tve-tulle iſt in
der that mit tôl (inſtrumentum) agſ. tôl, engl. tool zu-
ſammengeſetzt, doch kann in dem hochd. ausdrucke
nicht daſſelbe wort liegen, da ſonſt z ſtehen müſte. Zeiz-
arn, ein eigenname bei Neugart kann auch mit arn
(aquila) componiert ſein. Auf -orn weiß ich nur ah-
orn (platanus) trev. 17a blaſ. 52a, das lat. acer; in andorn
marrubium) blaſ. 56a jun. 330. lindebr. 997b depandorn
(rhamnus) hrab. 973a ſteckt dorn?


β) feminina, das ahd. diorna, (puerpera) jun. 246.
traga-diorna (gerula) jun. 208. thiorna (virgo) O. dierena
(puella) W. 6, 5, 8. ſcheint aus dem einfachen diu, thiu
(ancilla) T. 3, 9. O. I. 5, 129. fortgebildet und eigentlich:
dîuw-arna, dio-arna *). Gleichergeſtalt erwuchs aus dem
altn. þŷ (mancipium, ancilla prolifera) þërna (famula)
ſchwed. tärna, dän. tärne. Die bedeutungen virgo, an-
cilla fließen in dieſem und ähnlichen wörtern (z. b. ma-
gad) untereinander. Bald wurde die form durch eliſion
des vocals weiter verkürzt, ſchon trev. 10a blaſ. 24a dirna
(puella) und mhd. reimt dirne: geſtirne; doch ſtehet Parc.
62b dieren; mnl. dieren Rein. 1875. Die Angelſachſen
haben in dem worte nicht die ableitung -rn, ſondern -n:
[337]III. conſonantiſche ableitungen. RN.
þëóv-en, þŷv-en (ancilla) *), welches ahd. diuw-in ſein
würde. —


γ) neutra: goth. eiſ-arn (ferrum) ahd. îſ-arn zwetl.
133a monſ. 325. 327. caſſ. 855a (wo îſran in îſarn zu
beßern), bei O. N. ſchon îſ-an, mhd. îſ-en, doch unter-
ſcheiden einige îſ-en und îſ-er und fr. belli 27b 39a ſte-
het das adj. îſern-în; nhd. eiſ-en; agſ. îr-en, engl. îr-on;
altn. mit eliſion der ſpirans iârn **); man könnte auch
das r im agſ. worte, ſtatt aus dem ſ, aus umſetzung des
arn erklären, îren f. iern? inzwiſchen hat noch Beov.
in einigen compoſitis ganz das alte îſ-ern, z. b. 52. îſcrn-
byrne, 231. îſern-ſcure, neben 221. îren-byrne, 60. 77.
îren-bend etc. Ferner goth. luk-arn, welches aber un-
deutſch und aus dem lat. lucerna aufgenommen iſt, Ulf.
überſetzt damit λύχνος, mit lukarna-ſtaþa λυχνία; keine
der anderen mundarten hat ſich dieſes fremden worts
bedient. Altn. ak-arn (glans) agſ. äc-ern (glans quernea)
engl. ac-orn, dän. ag-ern ſcheint einerlei mit dem ſ. 160.
angeführten goth. akr-an, das wie glans allgemein für
fructus ſtehet; im ahd. mhd. fehlt das wort ***) nhd. gilt
noch eck-ern, aber wie ein plur. von ecker gebraucht,
bald für glandes, bald für glandes fagineae (bûch-eckern)
und die oeſtr. volksſprache beſitzt ein der goth. form
ähnliches akr-am, agr-am (glans fagea) maſc.; mit eik,
eih (quercus) kann akarn nicht verwandt ſein, eher mit
akrs (ager), das was das feld trägt. Das goth. compoſ.
undaúrni-mats (prandium) läßt unentſchieden, ob und-
aúrni oder und-aúrn (meridies) ſtattfinde; ahd. unt-orni
oder unt-orn? der gen. untornes ſteht monſ. 319. doc.
207a (wo ich untrons in untornes beßere), der dat. un-
tarne Sam.; agſ. häufig und-ern; altn. und-orn, Edd.
ſæm. 2a; wurzel ſcheint die partikel und, ahd. unt (etwa
zwiſchenzeit?), ein compoſ. un-daúrni anzunehmen ver-
werflich †). — Im agſ. gibt es eine reihe von neutris
Y
[338]III. conſonantiſche ableitungen. RN.
auf -ern (in den älteſten quellen lieber -ärn geſchr.)
welche ſämmtlich den örtlichen begriff von behälter, auf-
enthalt ausdrücken: bläc-ern (atramentarium); brëáv-ern
(coquina cereviſiae); carc-ern (carcer); cvëart-ern (cuſto-
dia); dôm-ern (praetorium); gäſt-ern (hoſpitium); hëal-
ern (aula); hêd-ern (cellarium); holm-ern (navis); hord-
ern (gazophylacium); mëdo-ern (apotheca mulſi); ſlæp-
ern (dormitorium); þryð-ern (turmarum ſtatio); vîn-ern
(cellarium). Nimmt man hier wirkliche compoſita mit
ern, ärn (caſa, domus, habitaculum) an, vgl. ahd. erin
(pavimentum) jun. 220. altn. arin, arn (ſocus domeſticus);
ſo ſcheint doch in einzelnen das -ern für bloß ableiteriſch
zu gelten, namentlich in carc-ern, cvëart-ern (vgl. alten-
gl. quert, ſecuritas, b. Ritſon). — Verſchieden davon
ſind zum theil die altn. neutra auf -erni (Raſk §. 334.):
ætt-erni (genus); brôð-erni (fraternitas); fað-erni (pater-
nitas); lîf-erni (vita); lund-erni (animi indoles); môd-
erni (maternitas); ſal-erni (atrium); einige enthalten den
begriff von art, beſchaffenheit. Bei brôð. fað. môd. ſteckt
das -er ſchon in den ſtämmen.


2) adjectiva: hierher vielleicht das angeführte goth.
viduv-aírns (orbus)? Ahd. nuoht-urn (jejunus) doc.
227a noht-urn (nocturnus) N. 76, 5; mhd. nuecht-ern
(jejunus) Wilh. 2, 80b; nhd. nücht-ern, nnl. nucht-er,
ſchwed. nykt-er; aus dem lat. wort?, das freilich, ſelbſt
im mittellatein, die bedeutung von ungetrunken nicht
hat, doch fließt dieſe ungezwungen daraus her; oder iſt
nuoh deutſcher ablaut von nahan (nr. 489.)? Ahd.
duërh-ern (obliquus) doc. 208b bedarf weiterer beſtäti-
gung. Nhd. außer nücht-ern auch noch: alb-ern (inſi-
pidus); lüſt-ern (avidus); ſchücht-ern (timidus), keines
ſo in der ältern ſprache zu finden, albern entſtellt aus
dem mhd. al-wære (wovon cap. III.), für ſchüchtern hat
N. 67, 2. ſkiehtîg (ſo leſe ich f. ſkihtig). Gar nicht hier-
her gehören die unorg. nhd. gold-ern, bein-ern (oben
ſ. 179.), zweideutig iſt eiſern, entw. von eiſer eiſer-n,
oder für eiſern-en (goth. eiſarn-eins). Daß die agſ. eáſt-
ern, norðern etc. mhd. ôſtern, wëſtern entſtellung einer
vollſtändigeren ſorm ſind, wurde ſ. 181. gewieſen. —



[339]III. conſonantiſche ableitungen. RN. RD.

3) verba? zwei bedenkliche ahd. wörter: it-ernôn
(creſcere, ſurgere) monſ. 385; uoƷ-ernan (ſpernere, aſper-
nari) T. 64, 9. (urzarnitun, l. uoz.) 67, 2. (uozirnit) 118.
(uozurnitun) 143. (uozernit) 196, 7. (nozzirnita). Erſte-
res ſcheint von der partikel it- (re-) hergeleitet; letzteres
verſtehe ich weder ſo, noch wenn ich ein compoſitum
uo-zernan annehme, vgl. cap. III. die vorpartikel uo.
In der gemeinen volksſprache iſt ein verbum ûƷen (ludi-
brio habere) ſehr verbreitet, vgl. Stald. 2, 425., ſollte das
mit uozernan zuſ. hängen? —


anmerkungen: a) da, wo -rn aus keiner compoſition
entſpringt, ſondern wahre ableitung iſt, könnte es bei
näherer unterſuchung in zwei einfache -r-n aufgelöſt
werden; doch weiß ich dieſe anſicht weiter nicht zu be-
ſtätigen, man müſte denn das goth. akran mit altn. akarn
verglichen daraus die volle form akaran muthmaßen.
b) vergleichbar ſind die lat. -ern in cav-erna, ciſt-erna,
lav-erna, luc-erna, vet-ernus (morbus) und in den adj.
heſt-ernus, hib-ernus, pat-ernus, mat-ernus, ext-ernus,
int-ernus, ho-rnus, diu-rnus, noctu-rnus etc. doch
liegt bei mehrern derſelben das -er ſchon in pater, ma-
ter, extra, intra.


ableitungen mit RD.

von der ableitung -ard gilt ungefähr was vorhin bei -olf
angemerkt wurde: ſie entſpringt aus einer urſprünglichen
compoſition *) mit -hard, ahd. hart. Nur daß hier nicht
der hochd. dialect die ſpirans wegwirft und die zuſ.
ſetzung verdunkelt, ſondern der niederländiſche. Statt
der ahd. männl. eigennamen: dëgan-hart: ëbur-hart; en-
gil-hart; megin-hart; regin-hart (ſpäter mein-hart, rein-
hart) përin-hart; wolf-hart etc. gebraucht die mnl. ſprache,
mit bloßem -aert, nnl. aard, die formen bern-aert; ëver-
aert; rein-aert (ever-ârd), rein-ârd etc. Allein ſie ver-
Y 2
[340]III. conſonantiſche ableitungen. RD.
wendet nun auch dieſes -aert ableiteriſch zu benennun-
gen für mannsleute in böſem ſinn, trifft alſo mit der
bedeutung des ahd. mhd. -olf, überein, oder mit dem,
was wir nhd. durch die zuſ. ſetzungen -vogel, -bart,
-bold, -hans, -hals ausdrücken. So mnl. galgh-aert (gal-
genvogel) Maerl. 3, 127; nnl. dick-ârd (dickhals); dronk-
ârd (trunkenbold); gêr-ârd, gierig-ârd (geizhals); grîz-
ârd (graubart) lui-ârd (faulenzer) flamländ. lêg-aerd, von
lêg, ledig, otiofus; nîdig-ârd (neidhammel); plomp-ârd
(plumphans); rîk-ârd (reicher, mit dem nebenſinn von
ſtolz, geiz); vrek-ârd (karghals); tâi-ârd (zäher vogel)
u. a. m. Ich weiß aus dem ahd. keine beiſpiele des ſo
gebrauchten -hart. Mhd. aber findet fich fluc-hart MS.
2, 147a und in einer ſtelle des Renners (bei Adelung 2,
136. 137.): nëm-hart, nag-hart, lüg-hart, trügen-hart,
gleiƷen-hart, ſlink-hart, aus ſpätern quellen führt Halt-
aus an: frei-hart (exlex, homo diſſolutus). Nhd. iſt noch
bank-hart (ſpurius); buß-hart (buteo, falco); neid-hart
homo invidus) im gang, in der volksſprache andere mehr,
z. b. ding-hart, ding-hartel (der dings, verächtlich) Hö-
fer 1, 155; faul-hart, Eyering ſprichw. 2, 326, 613; zu-
weilen mit abgeworfnem h und -ert f. -art: plump-ert.
Die deutſche gaunerſprache leitet häufig mit -hart und
-ert ab, nicht bloß perſonen, auch thiere und ſachen,
z. b. gan-hart (teuſel); flunk-art (huhn); glat-hart (tiſch);
ſpitz-ert (thurm) rauſch-ert (ſtroh); grün-hart (grasgar-
ten) etc. ohne alle üble bedeutung.


Angemerkt zu werden verdient, daß die roman. ſpra-
chen nicht nur viele deutſche eigennamen der compoſi-
tion -hard, mit gleicher unterdrückung des h, aufgenom-
men haben (ger-ardo, ger-ard; ricc-ardo, rich-ard; bern-
ard); ſondern ſich dieſes -ardo, ard auch als eines eig-
nen bildungsmittels bedienen, das romaniſchen wurzeln
hinzutritt, z. b. ital. cod-ardo, franz. cou-ard, co-ard
(feige, von thieren, die aus furcht den ſchwanz, coda,
coue, queue, hängen laßen, daher in der thierfabel name
des haſen); gagli-ardo, gaill-ard; fuy-ard etc. Verächtli-
chen nebenſinn hat das -ard ſowenig in col-ard, poup-
ard etc. als in ren-ard (rein-hart, rein-aert). Einzelne
ſolcher wörter ſind hernach wohl ins deutſche eingedrun-
gen, z. b. mhd. ſtant-hart Wilh. 2, 165a nhd. ſtand-arte
(fem.!) aus rom. eſtand-ard, franz. êtend-ard, von eſtan-
dre, extendere, ausbreiten, entfalten.


[341]III. conſonantiſche ableitungen. NT.
ableitungen mit NT.

ſind bloß im hochd. und agſ. anzutreffen, überhaupt aber
ſelten.


1) ahd. ſchw. maſc. auf -anzo, -enzo -inzo in urkundlichen
eigennamen; ſlouganzo; fahenzo; wëgalenzo? megalenzo?;
regenzo, reginzo; deginzo; werinzo; liubinzo; lopenzo;
ſûbarenzo u. a. bei Neugart, Schannat, Piſtorius, im cod.
lauresham. Zum theil ſcheinen ſie entſtellt, zum theil
compoſita mit lanzo, lenzo, das auch für ſich vorkommt,
namentlich wëga-lenzo? iſt mega-lenzo ſchreibfehler? oder
magan-lenzo, megin-lenzo? bei ſûbar-enzo ſteht volles
-enzo, bei dëgan-zo, regin-zo bloßes -zo. — Im agſ. finde
ich das einzige rac-enta, racc-enta (catena), keine manns-
namen.


2) ahd. ſchw. fem. auf -anza, -enza, außer den weibs-
namen rîhh-enza; mag-anza; chot-enza?; folgende ſub-
ſtantiva: aſtr-enza (ariſtolochia) trev. 19b, vielleicht ôſtar-
enza? da ſie heutigestags oſterluzei genannt wird; troph-
inza (ſtillicidium) doc. 239b wo der dat. pl. trophinzin f.
trophinzun?; vohh-enza (laganum, collyra) monſ. 321.
zwetl. 124b ſëmal-vohh-enza (ſimilago) monſ. 326. doc.
234b, agſ. lautet das ſimplex foca (panis ſub cinere piſtus),
das wäre ahd. vohho?? viſc-enza (piſcatura) muthmaße
ich nach dem fiſch-enze heutiger mundarten, vgl. Eriſch
1, 270b Stald. 1, 372.


3) ahd. verba zweiter ſchw. conj. nav-enzôn (cavil-
lari) wenn ganavenzôta (cavillabatur) monſ. 341. richtig
iſt (ſchwerlich g’ana-venzôn). Ein mhd. ſnarr-enzen
(garrire?) ſteht zu folgern aus ſnarr-enzære (garrulus?)
MS. 1, 127a; umbi-gaginzâri (peripateticus) trev. 46b ſcheint
zu beßern in umbi-gengizâri, wie blaſ. 39a, von umbi-
gengizan (circumire). In nhd. dialecten ſind verba auf
-enzen üblich, um die ähnlichkeit des geſchmacks und
geruchs auszudrücken: bock-enzen; jud-enzen (ſapere ju-
daeum); kupfer-enzen; rauch-enzen; wild-enzen, vgl.
Schm. §. 1065. Die ſchriftſprache hat bloß faul-enzen
(pigreſcere) und davon faul-enzer. Was iſt aus der ent-
ſtellten gl. monſ. 363. varrinenzenon (tauris) zu machen?
etwa ein verbum varr-enzôn? oder abzuſondern varrînên
zenon (dentibus taurinis)? —


4) andrer art iſt das -anz, -enz in einigen fremden
wörtern: agſ. pal-aut, ahd. pal-inza O. pel-enze jun. 303.
(palatium) mhd. pfall-enze Mar. 217; den ſtädtenamen
[342]III. conſonantiſche ableitungen. NT. ND.
mag-anza, meg-inze, mai-nz (moguntiacum) nhd. cobl-
enz, breg-enz, veld-enz etc. Ein fluß reb-enze MS. 2,
212a. —


anmerkung: bei den unter 1 — 3 angegebenen formen
wage ich nicht, das -nt, nz weiter in -n-t, -n-z zu zer-
legen. Könnte nicht das n bloß naſal und eingeſchoben
ſein? vgl. fiſc-iƷi, fiſc-izi (oben ſ. 214.) mit fiſc-enza;
troph-ezen mit troph-enza, überhaupt die ſ. 217-219.
verzeichneten verba -azan, -ezan mit denen auf -enzen,
wiewohl jene nicht gerade ſo auf ſinnliches riechen und
ſchmecken zu beziehen ſind.


ableitungen mit ND.

[AND] hierher fallen alle ſubſtantiviſch gebrauchten
part. praeſ.


1) maſculina, bereits 1, 1017. abgehandelt. Keine
participia ſind jedoch das goth. ulb-andus (camelus), agſ.
olf-end (pl. olfendas) woſur altn. ulf-aldi; ahd. hëlf-ant
(elephas) Hagen denkm. 35., mhd. hëlf-ant, nhd. eleph-
ant. Ob der heldenname agſ. vêl-and *): mhd. wiel-ant
(ahd. wial-ant?) part. ſein könne, weiß ich nicht, vgl.
altn. vêla (decipere) aber völ-undr.


2) feminina: ahd. olp-enta (camelus) mhd. olb-ende;
ſceph-enta (parca, creatrix) zwetl. 128a, beide ſchwach
decl. In den noch ungedr. gl. ker. ſollen mehrere fem.
auf -antî vorkommen, z. b. gëb-antî (gratia); hêrêandî
(?êrêntî, parcitas) offenbare participia. Nach Raſk §. 318.
wird qvëd-andi (cantus) altn. weiblich gebraucht, nach
Biörn iſt es männlich, wie hyggj-andi (ſapientia) u. a. m.


3) adjectiva, das einzige ahd. ar-andi (aſper, auſte-
rus) vgl. arandiu (aſpera) K. 53b arendôr (auſterius) monſ.
403. arendidôn (auſteritatibus) monſ. 404. wofur doc.
202b arendinôn (aſperitatibus) und arendinero (aſpere)!
vielleicht arendêro (aſperae)? Die kürze oder länge des
wurzelvocals bleibt auch unentſchieden. —


[IND] dieſer form ſind bloß altn. neutra, die faſt im-
mer im plur. geſetzt werden: bind-indi (abſtinentia);
[343]III. conſonantiſche ableitungen. ND.
er-indi (pauſa); fegr-indi (res nitidae); hard-indi (an-
nonae caritas); hœg-indi (commoditas); hlynn-indi ful-
crum); hygg-indi (ſapientia); lîk-indi (probabilitas); rêtt-
indi (juſtitia); ſann-indi (veritas); ſâr-indi (dolor); tîd-
indi (relationes); vîſ-indi (philoſophia) u. a. m. Das i
ſcheint nicht einmahl organiſch, weil vielen der umlaut
fehlt, und dieſer, wo er eintritt, in etwas anderm be-
gründet. Vermuthlich entſpringen alle dieſe -indi aus
älteren -undi, vgl. erindi mit ahd. arunti. Dän. tid-en-
der (relationes novae). —


[UND] im goth. ahd. altn.


1) maſculina: ahd. hlium-unt, lium-unt gen. -untes
(fama) jun. 207. monſ. 342. 361. 366. 397. T. 17, 8.
lium-ent N. 32, 15. 130, 1. mhd. lium-et Triſt. Hag.
211b troj. 179c 180a, der mir unbelegliche gen. muß
wohl lium-edes, lium-des heißen? Bon. 53, 2. der
dat. lium-den ſchwachformig ſt. des beßeren lium-
de; nhd. mit alter, tieftoniger ableitung leum-ùnd. Ahd.
wiſ-unt (bubalus) jun. 197. (wo wizſunt) monſ. 402. wi-
ſunt-wangas, wiſantes-wangun, wiſontes-ſteiga, ortsna-
men b. Neug. nr. 168. 401. 625. ſpäter wiſ-int trev. 11a
Gerbert p. 138, wiſ-intin (bubala) zwetl. 129b und wiſ-
ent jun. 271. 276. (wo wieſ-ent); mhd. wiſ-ent Nib. 3680.
8026; altn. viſ-undr (urus, Biörn ſchreibt vîſundr). Un-
ſicher, der form und dem geſchlechte nach, ſind ahd.
hëll-unt (hiaena) flor. 954b (viell. hella-hunt? vgl. unten
ſ. 346.) lanch-unt (ilia) jun. 209. wofür ſonſt das einfache
lancha. Es gibt einige altn. eigennamen auf -undr: ön-
undr und völ-undr (vgl. oben das agſ. vël-and); außer-
dem noch das ſubſt. hör-undr (cutis, caro) gen. hörun-
dar, ſpäter hörunds. — Maſc. ſchwacher form ſind goth.
nêhv-undja (proximus) vgl. das ahd. adv. nâh-unt (nu-
per) doc. 226b; und der volksname goth. baúrg-undja?
ahd. puruk-untjo? den ich aus dem lat. burg-undio, gen.
-onis folgre, erweiſlich ſind die plurale agſ. burg-endan
bei Alfred im periplus, altn. borg-undar, mhd. burg-en-
den *), der nicht anzutreffende ſg. muß gelautet haben,
agſ. burg-enda, altn. borg-undi, mhd. burg-ende, wie
[344]III. conſonantiſche ableitungen. ND.
nhd, burg-ùnde (verſch. von burg-ùnder, d. i. burgunder-
wein).


2) feminina, goth. auf -undi: hul-undi (caverna);
þûſ-undi (mille); vielleicht auch aíhvat-undi (rubus),
wenn man das -at nehmen darf, wie oben ſ. 217. in laúh-
atjan? oder ein compoſ. áihva-tundi? tundi mit tunþus
(dens) oder tûn (ſeptum) zuſ. hängend? keine dieſer er-
klärungen reicht aus. Bloßes -ônd f. -und ſcheint zu
haben taíhund-ônds oder taíhund-ônda (pars decima) Luc.
18, 12. — Ahd. jug-und (pubertas, juventus) J. 375. jun.
181. doc. 240a O. I. 4, 67, 106, 108; leid-unt (abomina-
tio) O. IV. 24, 52. bedarf fernerer belege; tal-undi (val-
latione) gl. ker. (nach Fügl.) von dem nom. tal-und oder
tal-undi?; tug-und (virtus) nicht zu belegen, vgl. oben
ſ. 245. N. zeigt ſchon -end: jug-end und mamm-endî
(lenitas) 44, 5. 84, 4. — Altn. teg-und (ſpecies); vit-und
(notitia); þûſ-und (mille) ſpäter neutral. — Mhd. jug-
ent; tug-ent. — Nhd. jûg-end; tûg-end; aber gêgend iſt
gêgen-d (oben ſ. 257.).


3) neutra, ahd. auf unt: dûſ-unt (χιλιάς) vgl. 1,
764; auf -unti: ar-unti oder nach O’s versbau âr-unti
(mandatum, nuntium) I. 5, 8, 50, 83. 12, 20 etc. ar-onti
monſ. 324. 326. 329. 330. 333. 362. 373. âr-inde N. 85, 16. 103,
4; mamm-unti (dulcedo, placiditas) O. I. 25, 52. III. 6, 67.
14, 220. 19, 24. IV. 4, 31. 15, 92. V. 20, 216. 22, 7; murm-
unti, murm-enti (erinaceus) N. 103, 18. nhd. murmel-
thier. — Altſ. ar-undi; agſ. ær-end (mandatum, nego-
tium). — Altn. er-indi (negotium, pauſa, vgl. oben ſ. 88.)
wurde ſchon vorhin bei -ind angeführt, die nebenform
ör-indi deutet auf ör-undi (alſo hier nach beiden um-
lauten kurzes a). Mhd. tûſ-ent; er-ende oder êr-ende
noch bei Herb. (der ê für æ ſetzt) 90b, desgl. in der
kaiſerchronik. —


4) adjectiva: ahd. mamm-unti, mamm-enti (placi-
dus, lenis) O. II. 16, 10. III. 11, 52. 14, 220. IV. 4, 56.
11, 50. mamm-unto (molliter) doc. 224b mamm-ende
(ſuavis) N. 85, 5. altſ. madm-und. Part. praeſ. iſt mam-
munti nicht, da ſich kein verbum mammôn, noch weni-
ger memman beweiſen läßt, welches ich 1, 871. aus N.
34, 14. unrichtig folgerte. Der text hat manta (gaude-
bam) von menden. —


5) verba: ahd. un-hlium-untëôn (infamare) hrab.
957b nhd. ver-leum-den (nicht verleum-unden); mhd.
tug-enden (ornare virtute). —


[345]III. conſonantiſche ableitungen. ND. NS.

anmerkungen zu den ableitungen ND.


α) da im agſ. das ahd. nd, nicht aber nt, in -ð, mit
ausgeworfnem n, übergeht und agſ. dug-ôð, gëog-uð
(virtus, juventus) neben ær-end, olf-end, vêl-and etc.
ſtehet; ſo ſcheinen die ahd. mhd. jug-und, jug-end, tug-
end eigentlich nicht zu der formel -nd (ahd. -nt) zu ge-
hören, ſondern zu einer ableitung -nþ (ahd. nd).


β) wo -d (-t) zu einem ſchon früher abgeleiteten -un,
-an tritt, iſt unſre ableitung gar nicht vorhanden. Dies
gilt namentlich von einigen ordinalzahlen. Die ordina-
lien beruhen auf der ableitung -d (-t) und ſo bilden ſich
von ſibun, niun, taíhun: ſibun-da, niun-da. taíhun-da,
ahd. ſibun-to, niun-to, zëhan-to. Man darf hier kein
ſib-unda etc. annehmen. Das ahd. ſubſt. zëhan-to (pars
decima (agſ. tëo-ða, altſ. tëg-otha) unterſcheidet ſich ſehr
von dem goth. taíhund-ônds, dem ein ahd. zëhant-unt
entſprechen würde. Allein die altn. ſubſt. ſiöund, nîund,
tîund (pars ſeptima, nona, decima) ſind pure ordinal-
zahlen, welche Raſk §. 344. nicht unter die ableitungen
-und hätte miſchen ſollen. Das von den altn. cardina-
lien ſiö, nîu, tîu apocopierte n hat ſich nämlich in den
cardinalien erhalten.


γ) eben ſo wenig iſt unſre ableitung vorhanden, wo
ſich das altn. ſubſt. und (vulnus) oder undur (prodigium)
mit andern wörtern componieren, z. b. hol-und, merg-
und fem. (vulnus ad cavitatem corporis, ad medullam
permeans) vid-undur (morio) neutr.


δ) die ableitung -nd in -n-d zu zerlegen wage ich
nicht; vgl. die lat. vol-untas; fac-undus, foec-undus,
joc-undus, ſec-undus etc. und mehrfach componierte auf
-b-undus: vagabundus, tremebundus.


ableitungen mit NS.

hier ſind nur wenige ſubſtantiva beizubringen und bei-
nahe bloß aus dem hochdeutſchen.


1) ſchw. maſe. -anſo: ahd. wag-anſo (vomer) gen.
dat. waganſin, acc. waganſun caſſ. 855a jun. 232. doc.
242a, bei N. 64, 11 ſteht der dat. wag-iſin (vomere), wie
er iſila f. inſila ſetzt (1, 121.); mhd. wag-enſe Rud. weltchr.;
ſpäter weg-eneſe Oberl. 488. ſchweizeriſch wäg-eſe (fem.)
Stald. 2, 428., aus des Daſyp. weg-eiß ſollte man ein
compoſitum mit îſen (ferrum) folgern und bei N. wag-
[346]III. conſonantiſche ableitungen. NS.
îſin leſen, da vomer auch pflug-eiſen heißt. Allein der
pflug wird weder wag, noch wagen genannt und in letz-
term fall müſte wagen-îſen ſtehen. Ich halte dafür, daß
die alte bildung ſpäter misverſtanden und zuweilen in
wag-eiſen entſtellt wurde.


2) ſtarke fem. -anſa: al-anſa (ſubula) jun. 226. noch
heute in der Schweiz al-eſe, al-ſe, im berner oberland
al-aſme, al-eſſe Stald. 1, 98., ein wort, das ſich ſehr
frühe aus der deutſchen ſprache in die romaniſchen ver-
breitet haben muß: ſpan. al-eſna, ital. mit aphäreſis des
a, l-eſina, franz. al-eſne, ſpäter al-êne und (aus dem
franz.?) nnl. ael-zene, el-zene, el-s. Das andere fem.
dieſer form iſt: ſëg-anſa (falx) caſſ. 854b monſ. 364. houwi-
ſëg-anſa monſ. 383. ſëg-inſa lindenb. 995a riuti-ſëg-anſa,
riut-ſëg-anſa monſ. 383. doc. 231b; mhd. ſëg-enſe Wilh. 1,
128a wo der dat. ſë-gens, doch Vrîberc 2704. ſchon
ſenſe; nhd. ſênſe, ſenſe zuſ. gezogen, ſchweiz. ſäg-eſe
Stald. 2, 298. bei Pict. Daſyp. wiederum ſag-îſen ſag-
eis, bei Steinhöwel ſeg-eſſe; nnl. zeiſſe, plattd. ſeiſe.


anmerkungen: α) einige verdächtige formen verlangen
prüfung und beſtätigung, ehe man ſie hierherzählen darf:
habenſa (ornata comas) ebner. 1003a? es käme auf den
text im Aur. Prudentius an, vielleicht gar kein deutſches
wort, ſondern das lat. habens a? Ungedr. gl. vind. ha-
ben ellinſîn (hiaeninum), woraus ein maſc. ellinſo oder fem.
ellinſa (hiaena, vgl. vorhin ſ. 343. hellunt) zu ſchließen?
Oberlin 488. führt aus einer alten überſ. von Reg. 1, 13.
gecciſene an, das ſtiva bedeuten muß, denn Pictor. und
Daſyp. kennen geitze (ſtiva). Doch Stald. gibt kein gä-
geſe, bloß jenes geitze, 1, 439.


β) Hagen denkm. 36. ſchreibt alunſa, ſëgunſa, die
hſ. kann aber offnes a haben.


γ) die deutſchheit der wurzeln weiſt jeden fremden
urſprung der ſubſt. waganſo, alanſa, ſëganſa zurück.
Altn. alr (ſubula), agſ. äl, engl. awl, nhd. âle; altn. ſigd
(falx) nhd. ſæge (ſerra) *); das maſc. ſcheint von wigan
[347]III. conſonantiſche ableitungen. NS. NK.
(movere) zu ſtammen. Alle drei wörter bedeuten ſchnei-
dendes, ſcharfes werkzeug, an compoſition mit ans (trabs,
pertica, oben ſ. 263) iſt darum nicht wohl zu denken,
die allerdings paſſende, durch entſtellung wirklich ſchein-
bar gewordene mit eiſen muß, der älteren, beſtimmt ver-
ſchiedenen form wegen, verworfen werden. Vgl. auch
Schm. p. 272. 273.


δ) der agſ. und altn. mundart gehen dieſe bildungen
ab. Zu lauten hätten ſie etwa: agſ. väg-ôſa, al-ôs, ſeg-
ôs; altn. vag-âſi, al-âs, ſig-âs (ſi-âs).


ableitungen mit NK.

im ahd. und agſ. erſcheinen diminutiva mit der ableitung
inch, inc, der aber jederzeit noch eine weitere l-ablei-
tung angefügt wird. Ich kenne nur zwei ahd. beiſpiele,
was aber nicht gerade die ſeltenheit der form beweiſt,
da in den denkmählern und gloſſen wenig gelegenheit für
ſolche wörter war: eſil-inch-ilîn (aſellum) jun. 195; lêw-
inch-li (leunculus) lêw-inch-ilinô (leunculorum) monſ. 339.
344. beide neutra. Einige mehr im agſ.: hûſ-incle (do-
muncula); râp-incle (funiculus); ſcip-incle (navicula);
tûn-incle (praediolum); außer denen aber Lye noch ſul-
incela (aratiuncula) anführt, das ein ſchw. maſc. wäre,
wenn der anführung zu trauen iſt, vielleicht ſulh-incle?
Ob jene -incle ſicher neutra ſind, wie ich 1, 644 ver-
muthete, müßen flexion und conſtruction bewähren, nach
dem nom. dürſten ſie ebenwohl ſchwache fem. ſein.
Weder mhd. noch engl., noch in nhd. volksdialecten
ſpuren dieſer ableitung. Aber mnl. das neutr. ſcimm-
inkel (ſimiolus) vgl. Clignett bydragen p. 285 — 288., im
Teutoniſta ſcham-ynckel, anderwärts ſchem-incel, ſchom-
inkel und nnl. entſtellt in ſcherm-inkel. Alſo im mnl.
wie im ahd. werden thiere, im agſ. ſachen mit dieſer
formel abgeleitet. Ihre verwandtſchaft mit dem lat. -un-
culus (maſc.) -uncula (fem.) iſt offenbar: av-unculus; carb-
unculus; fur-unculus; hom-unculus; latr-unculus; lenuncu-
lus; ran-unculus; tir-unculus; arati-uncula; dom-uncula;
car-uncula; narrati-uncula; orati-uncula; interrogat-iuncu-
la; virg-uncula; die auf -unculus den ahd. thierbenennun-
gen entſprechend, die auf -uncula der agſ. ſächl. bedeu-
tung, wodurch auch das agſ. fem. (und nicht neutr.) be-
ſtärkt zu werden ſcheint. Man könnte überhaupt die
ganze form für aus dem latein erborgt halten, zudem die
rechte lautverſclriebung abgeht. Allein dieſe vermuthung
[348]III. conſonantiſche ableitungen. NK. NG.
hat auch anderes wider ſich, theils die eigene beſchrän-
kung auf die bedeutungen verſchieden im agſ. und ahd.,
theils daß bei ſcim-incle, deſſen wurzel ſogar aus dem
lat. ſimia herzurühren ſcheint, gerade kein lat. ſimi-uncu-
lus (auch kein le-unculus in den wörterbüchern) nach-
zuweiſen iſt. Warum hätte man nicht das lat. u allent-
halben behalten wie in karf-unkel? Und die lautver-
ſchiebung findct ſich in ableitungsſilben und naſalrn
verbmdungen wie nc, ng, ng, nh wohl öfter geſtört.
Außerdem wird in andern analogen ahd. diminutiven,
das n weggelaßen, z. b. huon-ichli (pullus) N. 108, 5.
(vgl. hun-kel bei Alberus, hün-kel, hin-kel oberheſſiſch,
rheiniſch) und das ahd. ch, ſächſ. k entſprechen dem c
lateiniſcher verkleinerungswörter, ohne daß ſich unmit-
telbare entlehnungen beweiſen ließen. In einer altſ. for-
mel ſtehet nëſſ-ikli (vermiculus). Näheres hierüber, ſo
wie über die frage, ob in dem k (vgl. oben ſ. 285.) oder
l der begriff der diminution ſtecke? im achten capitel.


ableitungen mit NG.

eine in allen deutſchen ſprachen, die gothiſche abgerech-
net, fruchtbare form, wobei die vorſtehenden vocale a, i,
u geſondert werden müßen.


[ANG] hier zwar begegnen wenige wörter: balſ-ag-
gan (τράχηλον) Marc. 9, 42. iſt das einzige goth. wort
der ableitenden form -gg überhaupt und ſo fremdartig
klingend, daß in keiner der übrigen mundarten etwas
analoges nachzuweiſen ſteht. Luc. 15, 20. wird τράχηλος
klar durch das bekannte hals überſetzt; ein ſchreibfehler
für hals-aggan, wie Stiernhielm wirklich lieſt, würde we-
nigſtens -aggan als ableitung beſtätigen. Bei balſaggan
weiß man nicht, ob der nom. balſ-agga oder balſ-aggans
laute oder gar ein comp. bal-ſagga vorliege? — Ahd.
hon-ang (maſc) N. 18, 11. 118, 103. ſtatt des hon-ec der
andern (vorhin ſ. 296.); die ang-form ſcheint aber mehr
für ſich zu haben, wie das altn. hun-âng (neutr.) zeigt.
Die freckenhorſter urkunde ſchreibt vërſc-ang (porcellus)
und ſamn-anga (congregatio) ſt. vërſc-ing, ſamn-unga,
neben andern ing-formen, z. b. penn-ing, fcill-ing. —
Die altn. maſc. far-ângr (res arctae itineri ſufficientes);
hard-ângr (locus penuriae); lêtt-ângr (via facilis); mund-
ângr (medium, modeſtia); ein-ângr (anguſtiae viarum);
leid-ângr (expeditio navalis, contributio); frân-ângr (n.
[349]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
pr. Snorraedda p. 69.); ſvar-ângr (n. pr. Säm. edd. 78a)
ſcheinen nicht derivativa, ſondern compoſita, aber ver-
ſchiedner art, theils mit ângr (anguſtus) ſo daß ſie das
ausdrücken, deſſen man bedarf, bedrängt, benöthigt iſt,
theils mit ângr (ſinus). Ahd. urkundliche namen auf
-anga (pl. maſc.) z. b. wiſind-anga Neug. nr. 866. erkläre
ich aus der comp. mit wang (campus), wie ſich denn
auch wiſint-wanga nr. 168. daneben findet.


[ING] es gibt viel maſculina dieſer bildung, wenig
fem., noch weniger neutra, organiſcherweiſe faſt gar
keine adjectiva, wohl aber adverbia.


1) ſtarke maſculina (erſter decl.); grundſatz iſt -ing,
weil aber dieſes -ing häufig zu derivativis mit -al, -il,
-ul gefügt wurde, erzeugte ſich ſehr frühe ein fehlerhaf-
tes -ling ſtatt -ing; beweiſe in den ſchlußanmerkungen.
Bei der aufzählung ſcheint es zweckmäßig, die echten
-ing von den unechten -ling zu ſondern, doch können
ſich unter letztern einzelne organiſche -l-ing befinden,
d. h. deren ableitendes -l zu entdecken künftigen unter-
ſuchungen vorbehalten iſt.


α) -ing; in Ulf. iſt kein -iggs enthalten, doch bei
alten ſchriftſtellern ſtehen, wie es ſcheint, goth. volksna-
men auf -ingi: aſd-ingi bei Dracontius und Jornandes
(vgl. 1, 126. 1070.); theru-ingi bei Ammianus Marc. 31,
5; oth-ingi, thur-ingi bei Jornandes. Tacitus nennt
zwar kein deutſches volk auf -ingi (Germ. 40. 43. reu-
digni, marſigni), im 5ten jahrh. geſchieht der thur-ingi
erſte ſichre meldung, vgl. Sidon. Apollin. VII, 323. tor-
ingus; ſpäter bekannt werden mêrov-ingi, charal-ingi.
In ahd. urkunden des 8. 9ten jahrh. folgende mannsnamen:
dur-inc (alt-durinc, halb-durinc); halb-inc; ir-inc; mun-
inc und wohl noch ähnliche *). Das capitulare de villis
[350]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
(Bruns p. 40.) hat gormar-ingâ, gêrold-ingâ, benennun-
gen von äpfeln. Die eigentlichen ſprachquellen liefern:
arm-inc (homo pauper) N. 33, 7: cheiſur-inc (drachma)
Hild.; chiſil-inc (calculus) monſ. 347. 352. doc. 205b; chun-
inc (rex); edil-inc (homo nobilis) O. Lud. 35. I. 9, 18;
enkir-inc (gurgulio) trev. 15a doc. 209b; her-inc (halec)
blaſ. 71a ſcheint mir aus dem lat. wort entſtellt; hert-inc
(heros) N. ungedr.; hintr-inc (impoſtor) monſ. 407; hliu-
munt-inc, liumend-ing (favor) N. ungedr.; maht-inc
(homo potens) N. 76, 5; muod-inc (homo infelix) N. 70,
19; phenn-inc (obolus); preit-inc (placenta) monſ. 337.
falls nicht nach doc. 225b precilinc zu leſen?; pudem-inc
(omentum) trev. 9b blaſ. 23a budem-ing N. bei Stald. 268.,
flor. 989a lindenbr. 998b, von podam deriviert?; ſcërn-inc
(cicuta) gl. vind., gewöhnl. ſcërlinc; ſcill-inc (ſolidus); lant-
ſidel-ing (indigena) N. 104, 23; ſnurr-inc (ſcurra) gl. vind.;
toukan-inc (deus opertaneus) N. ungedr.; truht-inc (ſodalis)
monſ. 324; vior-inc (quaternio) jun. 192; vriſc-inc (victima);
wihſel-inc (filius ſuppoſititius) N. 17, 46; wind-inc (faſciale)
lindenb. 995a; zëhan-inc (decanus) K. 56b 59a; zendr-
inc (caro toſta) flor. 985a zuinel-inc (gemellus) aus dem
adj. zuinel W. 4, 2. gebildet. — Im agſ. iſt der gebrauch
der ableitung -ing zu patronymicis ganz lebendig, jed-
wedem mannsnamen kann ſie hinzutreten und bildet dann
den namen oder zunamen des ſohnes oder nachkommen.
So wird in der bibel filius Eliſae überſetzt durch êliſ-
ing. Das geſchlecht der alten, einheimiſchen vorfahren
findet ſich auf folgende kurze weiſe verzeichnet: ida väs
ëopp-ing; ëoppa êſ-ing; êſa ing-ing; inga angenvit-ing;
angen-vit aloc-ing; aloc bëonoc-ing; bëonoc brand-ing;
brand bældäg-ing; bældäg vôden-ing; vôden friðovulf-
ing; friðo-vulf finn-ing; finn godvulf-ing; godvulf geát-
ing; geát oder geáta iſt dieſer aller ſtammvater; und ſo
in vielen fällen *). Im Beov. ſtehen die patronymica:
brond-ing; hunlâf-ing; ſcêf-ing; ſcilf-ing; ſcyld-ing;
*)
[351]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
ſvert-ing; välſ-ing; vylf-ing *). Der plur. bezeichnet
ſtämme und völker, die nach dem ahnherrn benannt
werden z. b. broſ-ingas (woher broſinga-men) hëlm-ingas
(ides helm-inga, ein helminger-weib 49; ides ſcyldinga,
ein ſcyldinger-weib 89.) vægmund-ingas (Beov. 209.) und
ſo die þyr-ingas im periplus. Nachdem gibt es aber
auch, wie im ahd., derivativa dieſer form mit allgemei-
ner (perſönlicher und ſächl.) bedeutung: äðel-ing (nobi-
lis); brent-ing (? vielleicht patronymiſch) Beov. 208;
câſer-ing (drachma); cyn-ing (rex); ëarm-ing, yrm-ing
(miſer); fleám-ing, flŷm-ing (profugus); her-ing (halec);
hôr-ing (adulter); hrunt-ing (nom. enſis) Beov. 111. 113;
lytel-ing (infantulus); nîð-ing (homo nequam); nägl-ing
(enſis) Beov. 191; und ſicher andere mehr. — Altn. be-
zeichnen zwar manche ableitungen auf -îngr noch die
nachkommenſchaft, aber mehr im pl., als im ſg., vgl.
hild-îngar, ſkilf-îngar etc. der ſg. -îngr in den eigen-
namen bill-îngr, hund-îngr, myſ-îngr etc. hat weniger
jenen agſ. ſinn; andere analoge wörter ziehen -ûngr ſt.
-îngr vor. Sonderbar ſind die von ländernamen deri-
vierten gentilia: færey-îngr, orkney-îngr, iſlend-îngr.
Außer den eigennamen gibt es noch andere theils per-
ſönliche, theils ſächliche. Perſönliche: blind-îngr (coecu-
tiens); and-fœt-îngr (ἀντίπους); hild-îngr (bellator);
hyrn-îngr (aries, i. e. cornutus); kemp-îngr (ſenex bar-
bam gerens); ætt-leid-îngr (heres adoptivus); fior-menn-
îngar (abnepotes); mild-îngr (largitor); nîð-îngr (nequam);
ræn-îngr (ſpoliatus); nidr-ſetn-ingr (miſer); ſpek-îngr.
(prudens); ſvêd-îngr (homo parcus); tein-îngr (acer ar-
bor); vîk-îngr (bellator); lög-vitr-îngr (jureconſultus).
Sächliche: bûn-îngr (amictus); dorn-îngr (pero); fedm-
îngr (amplexus); flêtt-îngr (funiculus); giörn-îngr (faci-
nus); hær-îngr (clipeus); hriſt-îngr (tremor); hvît-îngr
(mare); kît-îngr (contentio); kyrp-îngr (ruga); niſt-îngr
(ſtridor); reid-îngr (ſagma); reikn-îngr (computatio);
ſkill-îngr (ſolidus); ſkiln-îngr (intellectus); ſlæd-îngr (ſpi-
cilegium); ſnûn-îngr (torſio); tæt-îngr (lanificium rude);
ten-îngr (taxillus); varn-îngr (merces); vinn-îngr (victo-
ria); þyrr-îngr (ventus aridus) etc. Die unter letztern,
welche eine handlung ausdrücken, ſcheinen beßer fem.
und man findet auch giörn-îng, vinn-îng etc. weiblich.
[352]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
Das n vor -îngr mag ſich in verſchiedne unorganiſch
eingefuhrt haben. — Mhd. hat die zahl dieſer bildungen
abgenommen, gentilitia ſind noch: dür-inc; kerl-inc;
luter-inc; vlæm-inc MS. 2, 79b Wilh. 2, 196a; wülv-
inc; ſie ſtehen aber auch als bloße mannsnamen, z. b.
wülv-inc Ottoc. 484b; îſ-inc MS. 2, 37a; wirſch-inc livl.
92b etc. Andere ſubſt.: bert-inc (barbatus) Reinh. 971.
Wilh. 3, 427b; glîd-inc MS. 2, 234b; helſ-inc (laqueus)
Bon. 57, 92; hæl-inc (ſecretum) Triſt. 12700. 13089.
13554. troj. 37a 115b; hær-inc (halec) Geo. 40a; kiſel-
inc Mar. 190. troj. 143a; mimm-inc (n. enſis) En. 43c;
mued-inc En. 96b, klage, Barl.; nîd-inc (homo invidus)
MS. 2, 234b; pfenn-inc; ſchill-inc; fliht-inc (compoſitor)
a. w. 3, 208; ſnürr-inc (morio) fragm. 41a verſchieden
von ſnuor-rinc Parc. 185c; ſtatt kün-inc die verderbte form
kün-ec. — Nhd. noch wenigere; außer vielen familienna-
men, wie dœr-ing, êdl-ing, flemm-ing, henn-ing etc.
finde ich nur: hêr-ing; kîſl-ing; pfenn-ing; ſchill-ing;
zwill-ing (aſſim. aus zwinl-ing). — Mnl. einige, die der
hochd. mundart fehlen: aerm-inc (miſer, exſul, peregri-
nus) Stoke 1, 418; con-inc (rex); ouder-inc (ſenior) ou-
der-inghe (parentes) Maerl. 2, 119. — Nnl. edel-ing;
har-ing (halex); kon-ing; neſtel-ing; penn-ing; ſcell-
ing. — Engl. etwa nur farth-ing (quadrans); herr-ing;
k-ing f. kin-ing; ſhill-ing.


β) -ling,
ahd. der pl. aphtar-linkâ (extales) monſ. 325; kata-linc
(propinquus, affinis) K. 51a 54b hrab. 979a gati-ling O.
I. 22, 41 (altſ. gadu-ling); chamar-linc (cubicularius)
N. 40, 14; chunne-linc (proximus) N. 87, 19; huori-linc
(ſpurius) monſ. 323. 379; junki-linc (juvenis); niu-quëma-
linc (advena) monſ. 368. chome-linc (miſer, exſul) N. 38,
13; ſcëri-linc (cicuta) monſ. 414; ſcuƷƷi-linc (palmes)
trev. 15b; ſilupar-linc (nummus argent.) ſilabar-ling T. 193,
3; ſniti-linc (ſarmentum) monſ. 367. doc. 245b; ſturi-linc
(tyro) monſ. 330. flor. 985a; umpi-linc (gyrus, circuitus)
doc. 241a; vûſti-linc (muffula, d. i. im mittellat. ein pelz,
den man über die fauſt zieht) zwetl. 126b doc. 212b;
wîſi-linc (philoſophus) N. 31, 6; heim-zugi-linc (idiota)
doc. 218b. — Agſ. bäd-ling (homo mollis); cyð-ling
(cognatus); cnäp-ling (adoleſcens); dëór-ling (dilectus);
ëorð-ling (terricola); fôſter-ling (alumnus); feórðling
(quadrans); fiht-ling (proeliator); gäde-ling (ſocius, ſoda-
lis); gëong-ling (adolcſcens); häſtling (captivus); hinder-
[353]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
ling (ſpurius); hŷr-ling (mercenarius); nëſt-ling (pullus
tenellulus); nêd-ling, nŷd-ling (neceſſarius, famulus), ræp-
ling (vinctus); ſit-ling (cognatus); ſvert-ling (ficedula, avis).
— Altn. außer geſchlechtsnamen, wie del-lîngr aſſim. aus
dög-lîngr, pl. dög-lîngar, öd-lîngar, ſik-lîngar, ŷng-lîngar
noch andere ſubſt. als: bœk-lîngr (libellus); dyrð-lîngr (di-
vus); fœt-lîngar (pedioli); griſ-lîngr (porculus); kyk-
lîngr (pullus, aus qvik-lîngr?); reif-lîngr (infans); ŷng-
lîngr (adoleſcens); yrm-lîngr (vermiculus). — Mhd.
biuder-linc (vulnus) Oberl. 1194; gete-linc (ſocius, auch
mit dem nebenſinn: ſchöner, ſaubrer geſell) fragm. bell.
3735. MS. 2, 71a 74a 81a Bit. 900. 5698. 8729. 9095.;
griuſ-lînc, lieber grîſ-linc (ſenex) MS. 1, 81a; hege-linc (nom.
gent.) Gudr.; helbe-linc (denarius); junge-linc; këbeſe-linc
cod. pal. 361, 45c; kniewe-linc (periſcelis) fragm. 29b; kün-
linc, aſſim. kül-linc (agnatus) Mar. 200. Reinh. 1739; mur-
ze-linc? Kolocz 178; ruete-linc oder riute-linc (teli ge-
nus) MS. 2, 11b; ſchër-linc Triſt. 17987; ſchüƷƷe-linc (pal-
mes); ſilber-linc; ſtiche-linc (piſcis) Vrîg. 20c; ſtær-linc
Parc. 81a; vinger-linc MS. 2, 81a; viuſte-linc; zîte-linc? MS.
2, 79a. — Nhd. gibt es weit mehrere: bück-ling; däum-
ling; dichter-ling; dril-ling; dümm-ling; enger-ling (ver-
mis); fäuſt-ling; find-ling, fund-ling; finger-ling (dacty-
lotheca); finſter-ling; fremd-ling; friſch-ling (junges thier);
früh-ling; frömm-ling; gründ-ling (piſcis); häcker-ling;
hänf-ling; häupt-ling; höf-ling; häus-ling; jüng-ling;
kaiſer-ling (boletus) Friſch; klůg-ling; empor-, ankömm-
ling; lehr-ling; lieb-ling; wollüſt-ling; miet-ling; neu-ling;
pfiffer-ling; röm-ling (papiſt); ſäug-ling; ſchier-ling;
ſchmetter-ling; ſchöß-ling; ſchüb-ling Friſch 2, 230a; ſil-
ber-ling; ſonder-ling; ſpæt-ling; ſper-ling; ſpröß-ling;
ſtræf-ling; täuf-ling; vier-ling; waiſ-ling (orphanus) Hel-
vicus 1. 130; weich-ling; weid-ling (ſcapha) Daſyp.;
witz-ling; wuͤſt-ling; zücht-ling; zünft-ling; davon die
meiſten in der älteren ſprache unerhört ſind; unter den
eigennamen gibt es noch andere, oft ſinnloſe, z. b. kin-
der-ling. — Mnl. einige beſondere: bal-linc f. ban-linc
(relegatus, exſul) Rein. 354. Stoke III, 119; vrî-linc (pro-
cus); ſwaſe-linc (cognatus) Huyd. op St. III, 186. —
Nnl. kamer-ling; ânkome-ling; lêr-ling; nieuwe-ling; ſter-
ve-ling (mortalis); vremde-ling; wêke-ling; uitwîke-ling
(profugus) etc. — Engl. dar-ling; duck-ling; earth-ling;
fat-ling; firſt-ling; found-ling; gooſ-ling; hinder-ling;
hire-ling; kit-ling; neſt-ling; wit-ling; world-ling; yean-
ling; year-ling; young-ling; auch zu roman. wurzeln:
Z
[354]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
change-ling (wechſelbalg). — Schwed. främ-ling; kyl-
ling; kyr-ling; päp-ling (ſacerdos nondum initiatus); vek-
ling; yng-ling u. a. m. — Dän. göſ-ling; kil-ling; kyl-
ling; päb-ling; yng-ling etc.


2) ſiarke feminina, im allgemeinen merke man, a)
daß ſich hier nicht wie beim maſc. unorganiſche -ling,
neben -ing entwickeln. b) daß die ahd. mhd. nhd. ſprache
überhaupt keine fem. erſter decl. auf -inka, -inge, -ing
kennt und bloß bei O. das einzige, (einen zuſtand, keine
handlung ausdrückende) fem. zweiter decl. gor-ingî (mi-
ſeria, afflictio) I. 20, 30. II. 6, 68. IV. 26, 80. angetroffen
wird. c) daß weder die altſ., noch die älteſten agſ. quel-
len ein fem. -ing darbieten, z. b. im ganzen Beov. ſtehet
ſicher keins. Die ſpätere proſa bietet ihrer freilich viele
dar, allein ſie ſcheinen mir verdorben aus früheren -ung
welches eben aus der progreſſiven verdrängung der or-
gan. ung-form hervorgeht. Denn ſelbſt in der agſ. proſa
überwiegt noch das -ung, im altengl. und engl. hat es
ſich ganz verloren und bloß -ing herrſcht. Ebenſo muß
das ſchon im mnl. entſchiedene -inghe, nnl. -ing dieſer
feminine auf ein älteres -unge zurückgeführt werden.
d) im altn. unterſcheide ich fem., die etwas perſönliches
von denen, die eine handlung bezeichnen. Erſtere ſind
unbezweiflich alt und den maſc. auf -îngr parallel, wie-
wohl ſelten. Letztere kommen in der edda kaum vor
(ich zähle in allem vier beiſpiele), in der proſa deſto
öfter; da aber kein -ûng daneben gilt, ſo wäre es ge-
wagt, daſſelbe für die org. form auszugeben. — Dies
vorausgeſchickt können einige proben ſolcher faſt aus je-
dem (ſtarken oder ſchw.) verbo herleitbaren weibl. ſubſt.
hinreichen: agſ. ärn-ing (curſus); bärn-ing (aduſtio);
brëc-ing (fractio); byrg-ing (guſtus); cenn-ing (partus) etc.
Die critik wird aus dem höhern und niedern alter der
denkmähler zu ermitteln haben, wann zuerſt und in
welchen wörtern -ing das -ung verdrängt; die aus ver-
bis -ettan, -erjan, -eljan herrühren, ſcheinen das -ing
gar nicht zu leiden, z. b. kein citel-ing (titillatio) gëo-
mer-ing (gemitus) geniðer-ing (humiliatio) furðer-ing
(expeditio) cancet-ing (cachinnus) blicet-ing (coruſcatio),
ſondern nur -ung; dagegen ſchwanken frem-ung (effec-
tus) lëſ-ung (collectio) gemêt-ung (conventus) u. a. in
frem-îng, lëſ-ing, gemêt-ing; für einige, z. b. cenn-ing
findet ſich nie die ung-form. Im engl. allenthalben -ing,
z. b. deal-ing, cleanſ-ing, meet-ing, quak-ing und ſelbſt
further-ing. Beiſpiele aus dem mnl.: dromm-inghe (ſtre-
[355]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
pitus) rûſc-inghe (ſtridor) ſeker-inghe (ſocietas) etc. aus
dem nnl. mompel-ing, ſnorr-ing, ſnuiſter-ing und eine
menge ähnlicher. —


Altn. α) perſönliche: drôttn-îng (regina), herſ-îng
(centuria militum); ilf-îng (n. fluvii) edd. ſæm. 33a; kerl-
îng (anus); ſie ſtammen nicht von verbis, ſondern von
den maſc. drôttinn (alſo f. drottin-îng) herſir, karl.
β) ſächliche, in der alten edda nur folgende: giſl-îng
(obſidium) 36a; ſköt-îng (petulantia) 80b; lækn-îng (me-
dela) 174b; vîk-îng (bellum); — in der proſa unzählige,
z. b. bind-îng (ligatio); ginn-îng (allectatio); hegn-îng
(caſtigatio); kenn-îng (doctrina); refſ-îng (caſtigatio); ſigl-
îng (navigatio); tenn-îngar (dentes ferarum). Ebenſo in
den neunordiſchen ſprachen, worin ſich auch einige per-
ſönliche bewahren: ſchwed. drottn-ing, dän. dronn-ing;
ſchwed. kær-ing, dän. käll-ing. —


3) neutra der ing-form gebrechen beinahe. Im ahd.
kennt bloß O. das neutr. heim-ingi (patria) I. 8, 16. 16,
44. 18, 78. 19, 11. 25, 1. II. 7, 42. (dieſe ſtelle beweiſt,
daß in den übrigen kein maſc. ſteht) 14, 2. III. 2, 48.
26. 34. Das nhd. meſſ-ing (aurichalcum) iſt neutr., ver-
muthlich auch das ahd. mëſſ-inc trev. 31b mhd. mëſſ-inc
Triſt. 5961. 6320. 12607. 12611. 12675, Rud. weltchr. 4d
Ottoc. 308a, welche ſtellen alle über das genus nicht
entſcheiden. Altn. aber iſt mëſſ-îng ſem.; welches ge-
ſchlechts das agſ. mäſ-ling, mäſt-ling?


4) ſchwache maſculina zeigt nur das altn. auf: arm-
îngi (pauperculus); ætt-îngi (cognatus); band-îngi (vinctus);
erf-îngi (heres) dän. arv-ing; flæm-îngi (exſul); fôr-îngi
(dux); greif-îngi (meles); hadd-îngi (n. pr.); heið-îngi
(lupus, teſquarum incola); höfð-îngi (princeps); let-îngi
(homo piger); lauſ-îngi (homo mutabilis); leyſ-îngi (li-
bertus); morð-îngi (homicida); ofr-îngi (mendicus); ræn-
-îngi (latro); van-îngi (n. pr.) edd. ſæm. 86b; lauter le-
bende weſen. Ein agſ. int-inga (culpa, cauſa) ſcheint viel-
mehr in-tinga f. in-þinga, wenigſtens hat Lye neben jenem
auch inþing mit gleicher bedeutung.


5) ſchwache feminina, altn. ham-îngia (felicitas, eig.
genius). —


6) adjectiva ſcheinen ſelten, aber nicht abzuleugnen.
Zwar jene männl. ſubſt. -ing, wiewohl faſt adjectiviſcher
bedeutung (vgl. die agſ. äðeling, ëarming, nîðing: homo
nobilis, miſer, invidus) declinieren niemals wie adjectiva,
ſind noch weniger dreigeſchlechtig. Wenn T. 109. acce-
Z 2
[356]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
perunt ſingulos denarios überſetzt wird: intſiengun ſun-
tringon phenningâ; ſo nehme ich hier lieber ſuntringon
für ein adv. und den ſinn an: accep. ſingillatim denarios,
Allein in den redensarten: an hulingon (in occultis) nie-
derd. pſ. 63, 4; in hol-ing (fruſtra, in caſſum) N. 36, 20;
agſ. on bäc-ling (retrorſum) kann man das adj. nicht
umgehen. Noch deutlicher iſt das mhd. âne hæl-ingen
ſlich (absque fraude) Parc. 53b. Die ſ. 297. angemerkten
adj. grimminc, wêninc hingegen beruhen auf entſtellung *),
zweifelhafter mag nihein-ing T. 196, 1. ſein. Die engl. part.
praeſ. auf -ing (1, 1008), ſo ſehr ſie den umfang dieſer
form vermehren, können, da ſie aus -end verderbt ſind **),
gar nicht hierher gerechnet werden. —


7) adverbia auf -ing; dieſe bildungen ſchließen ſich
zweckmäßig gleich an die abhandlung der übrigen wör-
ter und ich gehe ihnen zu gefallen von der regel ab, wo-
nach alle adverbia ins fünfte cap. verwieſen worden ſind.
Die adv. auf -ing theilen mit den maſc. dieſer ableitung
die eigenſchaft, aus urſprünglichen -ing in -ling verwan-
delt zu werden. Von beiden arten, die ich hier nicht zu
ſondern brauche, haben uns die ahd. quellen folgende
aufbehalten, es müßen ihrer nach den übrigen mund-
arten zu ſchließen, weit mehrere geweſen ſein: araw-
ingun, arw-ingun (fruſtra) monſ. 343. hrab. 963b, bei N.
entſtellt in ardingun 2, 1. 9, 2; chrumpi-lingun, chrumbe-
lingun (oblique) N. 66, 5; hâl-ingon (clam) O. I. 17, 84 ***);
kâh-ingun (ſubito) hrab. 973b; murzi-lingun, murze-lin-
gun (abſolute) monſ. 375; plinti-lingun, blinti-lingon (la-
tenter) O. III. 20, 231. 23, 75; rucchi-lingun (ſupinus)
aug. 117b; ſuntar-ingun, ſuntr-ingun, ſuntr-ingon (ſeor-
ſim, ſingulatim) O. V, 8, 79. T. 66, 2. 74, 5. 79. 86. 91.
109; ſtul-ingun (furtim) hrab. 956b monſ. 373; ſtuzi-lîn-
gun (temere, auf den ſtutz?) N. 9, 2; tarn-ingun (clam)
[357]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
hrab. 956b (nach der hſ. gebeßert); unwar-ingun (caſu,
fortuito) hrab. 963b monſ. 410, umlautend unwer-ingun
hrab. 956a. Man darf dieſe -ingun, -lingun nicht für
dat. pl. von ſubſtantiven nehmen, da die gl. hrab. -un
ſchreiben, im dat. pl. aber -um. — Mhd. -ingen, -lingen,
ich kenne: einze-lingen MS. 2, 205b; hæl-ingen (clam)
Eilhart 1153; ſunder-lingen Nib. 6971; ſtumpfe-lingen;
Morolf 703; twirh-lingen (transverſe) Parc. 148a; vinſter-
lingen Parc. 20a troj. 62c Ulr. Triſt. 429. En. 8493; vlug-
lingen (im flug) Parc. 93a 121c; vær-lingen (doloſe) oder
ver-lingen (cito)? livl. 14a. — Nhd. gilt -ings, -lings,
die ſchriftſprache hat noch: blind-lings; gäh-lings; meuch-
lings (clanculum); rück-lings; ritt-lings; ſchritt-lings; die
volksſprache einige mehr: dunkel-ings (noctu); ſeit-lings
franzöſ. ſimplic. 1, 38; piper-lings (plorabunde); über-
wind-lings (transverſe); bücher des 15. 16. jahrh. gewäh-
ren noch das richtigere -ingen, z. b. verſtol-ingen Lin-
denblatt p. 223; ſtumpfe-lingen Keiſerſp. (Friſch 2, 352b);
gäh-lingen Daſyp.; finſter-ling Fiſchart Gorg. 130b. Da
oberdeutſch blinderdings f. blindlings geſagt wird, ſo
ſcheint auch das häufige allerdings (omnino) der ſchrift-
ſprache aus einem früheren all-ingen zu deuten, worin
mich das agſ. ëall-enga beſtärkt, unerachtet weder ein
ahd. all-ingun, noch mhd. ell-ingen, all-ingen nachzu-
weiſen ſtehet. Darf auf gleichem wege ſchon N’s ar-
dingun aus arw-ingun, ar-ingun entſtellt gedeutet wer-
den? — Mnl. -inghe, -linghe: gâ-linghe (ſubito) Clign.
61; niew-inghe (nuper) Maerl. 1, 307. 2, 282. niewe-
linghe daſ. 3, 3; onder-linghe (viciſſim, mutuo) Maerl. 1,
73. 447. 448. 2, 85. 3. 40; var-inghe (repente) Clign. 61. —
Nnl. -ling: blinde-ling; korte-ling (nuper); monde-ling
(oretenus); onder-ling; rugge-ling; zonder-ling; zuwei-
len -lings: rugge-lings.


In dieſem adv. weicht die altſ. und agſ. mundart ei-
genthümlich von der ahd. ab, indem ſie ſtatt der endung
-un erſtere -o, letztere -a zeigen und der vocal i altſ
mit u vertauſcht wird, agſ. in u ſchwankt. Die altſ.
wenigen beiſpiele -ungo, wiewohl der ing-form unan-
gehörig, bringe ich gleich hier vor: darn-ungo (clam);
far-ungo (repente); gegn-ungo (certe, omnino). Agſ.
ſcheint -inga, -ënga, -linga ältere form, wie die belege
aus Beov. zeigen: æn-inga (plane, prorſus); ëall-ënga
(omnino); dëarn-ënga (clam); fär-inga (ex improviſo)
107. 149; hol-inga (fruſtra) 82; irr-inga (iracunde) 118.
220. ſonſt auch irſ-inga; un-mënd-linga, un-mynd-linga
[358]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
(inopinato, immonito); neád-inga (aegre); rað-inga (ſu-
bito); or-ſcëatt-inga (gratis); ſemn-inga (repente); woge-
gen theils dieſelben, theils noch einige andere auf -unga,
-lunga endigen: ëall-unga; eáv-unga (palam); un-ceáp-unga
(gratis) Cädm. 31. ſonſt or-ceáp-unga (gratuito); far-unga;
gegn-unga (certe); grund-lunga (funditus); hand-lunga (co-
minus); hëalf-unga (dimidiatim); ſvig-nnga (cum ſilentio);
ven-unga (forte); auch Beov. 50. ân-unga; 213. gên-unga
(gegn-unga) gefunden wird *). Das agſ. -a verhält ſich in die-
ſen adv. zu dem altſ. -o wie in andern fällen mehr, z. b. das
altſ. ſchw. maſc. endigt auf -o, das agſ. auf -a, aber auch der
altſ. gen. pl. auf -o (? -ô), der agſ. auf -a (? -â). Kann man
nun in dem -ungo, -unga einen gen. pl. weibl. ſubſt. auf
-ung ſehen? Raſk muthmaßt es von dem agſ. -unga
(p. 88.) und freilich ſteht der gen. ſg. -es ſo häufig ad-
verbial; ſelbſt das nhd. -lings ſcheint dafür zu ſprechen.
Die eine ſchwierigkeit, daß der altſ. gen. pl. -ungono,
nicht -ungo flectiert, ließe ſich beſeitigen, da auch aus
andern gründen jenes unorg., dieſes echte form ſcheint
(1, 817, nr. 40.), die ſich gerade im adv erhalten haben
könnte. Zudem folgen die agſ. fem. auf -ung der vier-
ten decl., nicht der erſten, bilden alſo wirklich den gen.
pl. -unga. Allein ich weiß nicht mit der conjectur zu
vereinigen, daß gerade ahd. und agſ. ſubſt. der ing-form,
welche bei den adv. die älteſte ſcheint, mangeln, wollte
man aber wenigſtens im agſ. dem -unga höheres alter
vor dem -inga beilegen, daß ſich zwar ein ſubſt. ceápung
(negotium) irſung (iracundia) u. a. nachweiſen, jedoch
ſchwerlich ein ſubſt. ëallung, ânung u. a. gedenken laßen.
Endlich iſt, das ahd. -ingun weder ein gen. pl. (die ver-
kürzung des -ônô in ôn tritt zu ſpät ein, als daß hier
in den adv. ingôn f. ingônô genommen werden dürfte,
(vgl. 1, 617. γ.), noch aus dem vorhin bemerkten grunde
ein dat. pl. Darin aber, daß ſich -lingun, -linga aus
-ingun, -inga entwickelt, weiſen dieſe adv. nicht auf fe-
minina, bei welchen das nie geſchieht, ſondern auf maſc.
Wären ſie überreſte ganz verſchwundner caſus-formen
von maſc. auf -ing? blintilingun: inſtar coecutientis? (vgl.
altn. blindîngr); nomina müßen als grundlage zugegeben
werden, weil gleichbedeutiges -ing mit der praep. in, an,
on conſtruiert vorkommt (vorhin ſ. 358.), ſind es alſo ad-
jectiva? Wiederum kann das ahd. -ingun kein dat. pl.
[359]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
adj. ſein, der -ingêm fordert; und wenn ſich das altſ.
darnungo zu einem vorausgeſetzten adj. darnung verhielte,
wie diupo (profunde) zu diup (profundus) ſo fügt ſich
das agſ. -unga nicht, weil die einfachen agſ. adverbia auf
-e (nicht -a) ausgehen; und warum hätte das ahd. nicht
nicht ebenfalls -ingo (wie tiofo)? Da die meiſten der ab-
gehandelten adv. die art ausdrücken, wie man etwas thut
oder ſich bewegt, ſo gleichen ſie auffallend den lat. adv.
auf -im: gradatim (ſchrittlings), generatim (ëallinga),
ſingulatim (einzelingen), ſeorſim (ſuntaringun), furtim
(ſtulingun), curſim (gählings), viritim, viciſſim (onderling-
he), raptim (färinga).


Bemerkenswerth, daß weder das altn., noch das ſchwed.
dän. eine ſpur ſolcher adv. hat. —


8) verba der ing-form müſten, da die fem. ſelbſt aus
verbis ſtammen von maſc. gebildet werden, denkbar wäre
z. b. ein chun-ingôn, etwa wie mhd. honigen bei Gotfr.
vorkommt, das bei N. honangòn lauten könnte. Ich
wüſte jedoch kein wirkliches beiſpiel, böte nicht Oberlin
ein ziemlich ſpätes zwill-ingen (duplicare) dar.


[UNG] maſculina, hauptſächlich feminina; im goth.
überhaupt keine ſpur.


1) ſtarke maſculina; wichtig iſt hierbei wahrzuneh-
men, daß ſich neben den -ung keine -lung (wie -ling
neben den -ing) entwickelten. Zunächſt kommen wieder
gentilitia und propria in betracht: trut-ungi Pollio in
Claudio cap 6; juth-ungi Amm. Marcell. 17, 6; greuth-
ungi id. 31, 45. Ahd. urkunden gewähren mir den ei-
gennamen ſnell-unc. Der februar heißt horn-unc bei
Eginhart und herrad. 179. N. 28, 11. überſetzt Virgils
Achates mit ſtein-ung (der gedruckte text hat wohl feh-
lerhaft (ſteinunch). Ob J. 370. bauhn-unc (nutus) männ-
lich oder neutral gebraucht werde, ſteht dahin, die ei-
gentliche form wäre weiblich. — Agſ. maſc. kenne ich
kaum (Lye hat fëorð-ung f. fëorðling), wohl aber altn.:
âtt-ûngr (cognatus): brœðr-ûngr (conſobrinus); fiorſ-
ûngr (piſcis); fiorð-ûngr (quadrans); frum-ûngr (aetate
florens); ginn-ûngr (ala, maxilla); höfr-ûngr (delphinus);
horn-ûngr (filius ſervilis); ioð-ûngr (infantulus); kot-
ûngr (villicus); kûſ-ûngr (colaphus); loſd-ûngr (prin-
ceps); nâ-ûngr (propinquus); nifl-ûngr (n. pr.); ſifj-
[360]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
ûngr (affinis); ſutt-ûngr (n. pr.); ſyſtr-ûngr (ſobrinus);
þiôr-ûngr (bos caſtratus); þridj-ûngr (pars tertia). —
Mhd. außer den eigennamen amel-unc; botel-unc; balm-
unc; ilſ-unc MS. 2, 85a; nibel-unc; nîd-unc MS. 2, 147a;
nuod-unc Nib.; râm-unc Nib.; ſchilb-unc Nib.; ſchilt-
unc Parc. 12a; wild-unc Ottoc. 18a 21a; wut-unc (? wuot-
unc) grundr. 344; das ſächliche vierd-unc (quadrans) MS.
2, 130b. — Nhd. horn-ung (februarius) *).


2) ſtarke feminina, alle aus dem praeſens **) ſtarker
oder ſchw. verba geleitet, alle eine handlung, einen zu-
ſtand, nie etwas perſönliches ausdrückend. Ahd. ſehr
viele dieſer fem. auf unka, unga und faſt bei allen anzu-
treffen (namentlich K. T. N. und den gloſſen), doch ſel-
ten bei O. (murmulunga, zeihnunga). Beiſpiele: aht-unga
(perſequutio); altiſ-unga (dilatio); arn-unga (meritum);
art-unga (cultura) jun. 199; auhh-unga (incrementum);
chlaf-unga (ſtridor); chor-unga (probatio) K. 19a; choſt-
unga (tentatio) T. 15, 6; chûm-unga (laſſitudo); demph-
unga (ſuffocatio); dëmen-unga (crepuſculum); dîh-unga
(provectus); dol-unga (paſſio); ellend-unga (captivitas)
N. 84, 2; hab-unga (detentio) jun. 186; hal-unga (repe-
titio); hantal-unga (tractatio); heiliz-unga (ſalutatio);
heil-unga (ſanatio); heiliſ-unga (omen, augurium) wofür
doc. 218b heliſamunga fälſchlich, da da verbum heiliſôn
heißt, nicht heiliſamôn (!); gi-jâz-unga (conniventia); îl-
unga (feſtinatio); innel-unga (eruditio) N. 66, 2; jûwiz-
unga (jubilatio); kîn-unga (rictus); lâhhin-unga (medi-
cina); lad-unga (invitatio); leidaz-unga (deteſtatio); for-
lîhhiſ-unga (ſimulatio); liud-unga (jubilatio) N. 46, 6; lôſ-
unga (redemtio); luſtiſ-unga (illecebrae); zuo-man-unga
(admonitio); mendil-unga (gaudium); mîd-unga (pudor);
murmul-unga (murmur) O. III. 15, 78. murmur-unga
[361]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
T. 104; neihh-unga (libatio) jun. 188; nidar-unga (dam-
natio); niuſ-unga (ſternutatio); obar-unga (dilatio); ophar-
unga (oblatio); peit-unga (exſpectatio); peƷir-unga (emen-
datio); pëtil-unga (mendicitas); ërd-pip-unga (terrae
motus) auch pipin-unga; plëcchiz-unga (coruſcatio);
pouhhan-unga (nutus); ca-prëhh-unga (fractio); prëſt-
unga (damnum); fram-pring-unga (prolatio); ka-purj-
unga (eventus) hrab. 956a; phîn-unga (cruciatus) hrab.
955b; widar-chëd-unga (contradictio) N. 80, 8; quihhil-
unga (fomes) monſ. 397; redin-unga (diſputatio); rafſ-
unga, refſ-unga (increpatio, redargutio); rëht-unga (re-
gula) K. 19b 45b riht-unga (regimen) hrab. 973b; rôh-unga
(mugitus); ſaman-unga (congregatio); ſcouw-unga (con-
templatio); ſceit-unga (diſſidium) von ſceitôn; ſcrint-unga
(rima) hrab. 973b; ſcref-unga (inciſio, ſchröpfen) doc.
233b; pi-ſmar-unga (opprobrium); ſpënt-unga (diſpenſatio)
k. 36b wît-ſpënd-unga N. 72, 16; zuo-ſpil-unga (alluſio)
N. 28, 11; ſpur-unga, ſpuriſ-unga (indagatio); ſtrid-unga
(ſtridor) T. von ſtridôn; ſtarch-unga (firmamentum) N.
104, 16; ſuohh-unga (indagatio); ſuëd-unga (fomentum)
doc. 237b; ſuîn-unga (detrimentum); ſuiliz-unga (cauma)
hrab. 952b; tar-unga (laeſio) un-tar-unga (innocentia) N.
44, 11; tëmpr-unga (compoſitio) monſ. 321; tilg-unga
(conſumptio) dileg-unga N. 73, 14; top-unga, topaz-unga
(deliramentum); trâd-unga (translatio) J. 348. *); vat-
unga (ſagina) monſ. 410; veſtin-unga (corroboratio); vill-
unga (plaga); pi-vind-unga (inventio); vlêg-unga (adula-
tio); ant-vrâg-unga (quaeſtio); ant-vriſt-unga (editio);
duruh-vrum-unga (perfectio); vrouwil-unga (exultatio);
pi-wân-unga (deliberatio); warn-unga (monimentum);
wehſil-unga (mutatio); wërch-unga (operatio) hrab. 967b.
michel-wërch-unga (magnificentia) N. 28, 4; winchez-
unga (nutus); wîſ-unga (viſitatio); wîƷin-unga (vaticina-
tio) wol-unga (religio); wull-unga (nauſea); zeihn-unga
(ſignificatio) O. IV. 33, 75; zil-unga (feſtinatio); zunt-
[362]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
unga (incenſio); zuival-unga (dubitatio). Auffallend blei-
ben die ſchon 1, 1076. bemerkten nom. ſg. arn-unc, ſa-
man-unc, ſcaw-unc, bauhn-unc bei K. und J., woneben
ſie keinen auf unka, -unga gewähren. Allein der acc. ſg.
lautet ihnen bauhnunga, zuîvalunga K. 36a, der dat. -ungu
16a 19a. b. 21b 22a 30a 44b, der gen. pl. -ônô K. 19a 16a.
der dat. pl. -ôm K. 22a, ſo daß an keine andere als die
erſte decl. gedacht werden darf. Fehlerhaft ſcheint der
dat. maſc. oder neutr. dhëmu bauhnunge J. 370.; und
faſtunge K. 44b iſt, der handſchrift gemäß, in faſtun
zu beſſern. — Die agſ. feminina dieſer form fol-
gen entſchieden vierter decl. und ſind ſo zahlreich
wie im ahd., nur daß ſich hier allmählig -ing ne-
ben -ung verbreitet und es endlich im engl. ganz ver-
drängt. Beiſpiele: beácn-ung (nutus); clænſ-ung (emun-
datio); ceáp-ung (negotium); citel-ung (titillatio); dag-
ung (aurora); dof-ung (deliramentum); efolſ-ung (blaſphe-
mia); fägn-ung (jubilatio); gliten-ung (coruſcatio); gnorn-
ung (moeſtitia); hlëóðr-ung (ſtrepitus); hrëóvſ-ung (poe-
nitentia); lîcet-ung (diſſimulatio); mamer-ung (dormitio);
mang-ung (negotiatio); miltſ-ung (miſericordia) u. a.
m. *). — Altn. wenige, weil die îng-form vorwiegt:
diörf-ûng (audacia); hörm-ûng (luctus); hâð-ûng (irriſio);
laun-ûng (occultatio); lauſ-ûng (laſcivia); vërð-ûng (ne-
ceſſitas, ſatellitium regium) von den vorauszuſetzenden
verbis diarfa, harma, hæða, launa, lauſa. Der volle vo-
callaut der wurzelſilbe ſcheint das u der ableitung geſichert
zu haben, weil ſonſt hermîng, leynîng entſprungen wäre. —
Mhd. gute dichter bedienen ſich der bildungen -unge faſt
ſo ſelten wie O., proſadenkmähler häufiger. Hier die haupt-
ſächlichſten belege aus jenen: ander-unge Triſt.; atz-unge
MS. 2, 135b; barm-unge MS. 2, 232b; beƷƷer-unge Triſt.;
ort-habunge Barl. 401; handel-unge MS. 2, 73a Parc. 97b;
hoffen-unge (ſpes) Herb. 73c; lërn-unge Triſt.; ur-lœſ-unge
Parc. 191c; mand-unge (gaudium) Maria 4, 36. 143; man-
-unge (monitio) Jw. 4858; offen-unge MS. 2, 113a 166b;
(für hoff.!); tiut-unge (interpretatio) Rud.; rechen-unge
Barl.; ſchîd-unge w. gaſt 150b; ſchiff-unge Triſt.; veſten-
unge Parc. 175b; vorder-unge Triſt.; wider-unge Triſt.;
wandel-unge MS. 2, 73b; wîſ-unge Geo. 34a; warn-
-unge: ſamen-unge Parc. 11c Herb. 27c; be-zeichen-
[363]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
unge MS. 2, 176b u. a. m. — Nhd. ſind die fem. auf -ung
überall ſehr häufig. Von ſtarken, einfachen verbis ge-
leitete ſind: halt-ung; lâd-ung; reib-ung; ſcheid-ung;
weiſ-ung; ſchreib-ung; bieg-ung; zieh-ung; ſitz-ung;
lêſ-ung; hêb-ung; gelt-ung; ſchwing-ung; werb-ung;
nicht von andern (z. b. kein: grâb-ung, ſchein-ung, gieß-
ung, bind-ung, werſ-ung) außer von zuſ. geſetzten: ver-
grâb-ung; er-ſchein-ung; ver-gieß-ung; ver-bindung;
unter-bindung; unter-werf-ung; ab-nehm-ung; wahr-
nehm-ung und eine menge ſolcher. Von ſchwachen ein-
fachen: lähm-ung; lêg-ung; rêg-ung; ſtell-ung; pſänd-
ung; wend-ung; ſend-ung; nenn-ung etc. doch auch hier
häufiger von zuſ. geſetzten und man kann ein noch nie
gebrauchtes ſubſt. dieſer form leichter von ihnen, als von
einfachen bilden, z. b. leichter ſagen be-tauf-ung, aus-
lach-ung als tauſ-ung, lach-ung. Woraus ſich die ab-
ſtracte, unſinnliche bedeutung dieſer bildung überhaupt
ergibt. —


3) neutra der ung-form kenne ich nicht; dhëmu
bauhnunge J. 370. weiſt eher auf ein maſc. —


4) ſchwache maſculina ſcheinen in der älteſten ſprache
bei einigen verwandtſchaftsbegriffen ſtattzufinden. Hier-
her gehört das bekannte fatar-ungo aus Hild., das der
nom. ſg. ſein muß. Nur was bedeutet es? patruus?
Beov. 159. iſt Grendels mutter genannt: fëóndes fädr-
unga (fädr-unge?) was nichts anders bedeuten kann, als
des teufels mutter oder großmutter (vatersmutter?), mo-
dor geht 158 voraus. Wäre jenes fatarungo großvater?
Der altn. pl. fedr-ûngar bezeichnet nach Biörn: pater et
nepotes, einen ſg. fedr-ûngi oder fedr-ûngr ſtellt er nicht
auf, außer in dem comp. betr-fedr-ûngr, das filius me-
lior patre und vër-fedr-ûngr, das degener bedeuten ſoll.
Allein betr und vër heben hier, dünkt mich, keine ſitt-
liche artung oder entartung, ſondern nähe und ferne der
blutsabſtammung hervor, wie auch altn. ſelbſt vër-fadir
(ſocer, pater mariti) vër-brôdir (frater uxoris, vel ma-
riti) vër-môdir (ſocrus, mater mariti) alſo angeheirathete
verwandtſchaft *). Daher im dän. bedſte-moder f. avia.
Betr-fedrûngr (wofür auch umgeſtellt fedr-betrûngr vor-
kommt) mag alſo einen echten blutsverwandten bezeich-
nen. Brœdr-ûngar ſind conſobrini, fratrueles; ſyſtr-ûngar
[364]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
matrueles. Es dürfen aus dem ahd. fatar-ungo analoge
pruodar-ungo, ſuëſtar-ungo gefolgert werden, welchen


5) ſchwache feminina entſprechen müßen, vgl. das
vorhin vermuthete agſ. fädr-unge und altn. ſteht ſyſtr-
ûnga (conſobrina) edd. ſæm. 258a. —


6) keine adjectiva auf -ung.


7) adverbia vorhin bei -ing, das zuweilen durch -ung
vertreten wird, angezeigt.


8) verba weiß ich höchſtens einige im altn. aus maſc.
auf -ûngr abgeleitete: kûf-ûnga (colaphizare) þuml-ûnga
(pollice metiri). Feminina der ung-form, die eben ſelbſt
aus verbis fließen, können ihrer keine wieder zeugen.


anmerkungen zu NG überhaupt:

a) es liegt darin vorwaltend ein begriff der abſtammung
oder lieber verwandtſchaft, wie zumahl die maſc. auf
-ing, -ung, ingi, -ungo, vielleicht auch die abweſenheit
der neutra und adj. beweiſen. Selbſt die altn. fem. auf
-îng und -ûnga führen dahin. Daß auch dinge auf -ing,
-ung vorkommen, gründet ſich zum theil in alten perſo-
nificationen, namentlich bei ſchwertnamen. Verkleine-
rung drücken ſie an ſich nicht aus, nur in ſofern die ab-
ſtammung zugleich den begriff von jugend und kleinheit
enthält; kuning, oudering etc. bezeichnen durchaus nichts
kleines und fädrunge aſcendenz, keine deſcendenz. Da-
her ich auch zuſ. hang dieſer bildung mit dem adj. junc,
altn. ûngr leugne. Vgl. auch hornung ſ. 360.


b) ohnehin würde dadurch die augenſcheinlich begrün-
dete unterſcheidung zwiſchen ing und ung nicht verſtän-
digt; gerade die ing bezeichnen vorzugsweiſe das per-
ſönliche. In der ahd. mundart ſondern ſich die lebendi-
gen maſc. -ing von den abſtracten fem. -ung am deut-
lichſten; die übrigen ſprachen miſchen beide formen
leichter.


c) die berührung, welche zwiſchen dem begriffe der
maſc. auf -ng und dem der adv. und weibl. abſtracte
ſtatt findet, iſt mir dunkel.


d) das -ling neben -ing (nicht -lung neben -ung) iſt
fehlerhaft entſprungen und ſetzt immer ein älteres -ing
voraus, obgleich es in einzelnen wörtern (ſilberling,
kämmerling) ſehr alt ſein kann. Das organiſche -ing
[365]III. conſonantiſche ableitungen. NG.
weiſt ſich auch häufig in der frühern form, oder in der
einer andern mundart. Vgl. agſ. hôring, ahd. huorilinc;
ahd. vriſcinc, nhd. friſchling; ahd. engerinc, nhd. enger-
ling; ahd. hintrinc, agſ. hinderling; mhd. bertinc, nhd.
bärtling; mhd. helſinc, nhd. hälsling (Stald. 2, 15); ahd.
chuninc (primus in ſtirpe) *) mhd. künlinc (ejusdem ſtir-
pis); mhd. mëſſinc, engl. meſling; mnl. ouderinc, nnl.
ouderling; ahd. fiorinc. nhd. vierling. Jemehr man ſich
an das -ling gewöhnte, deſto leichter bildeten ſich neue
der urſprünglichen art und weiſe widerſtrebende wör-
ter **); vielleicht auch dann erſt mit dem nebenbegriff
des verächtlichen (witzling, römling) und verkleinernden
(duckling, kitling, neſtling). Untadelhafte ableitungen ſind
chiſalinc von chiſal; wihſalinc von wëhſal; quëmalinc
von quëmal (falls ſich ein ſolches adj. erweiſen läßt);
charalinc von charal; nägling von nägel; litling von litel;
edilinc von edili; þumlûngr von þumall u. a. m. Un-
organiſches -ring ſtatt -ing finde ich bloß in nagel-ring
(nom. enſis, agſ. nägeling.)


e) einzelne ahd. quellen haben ſehr wenige maſc. auf
-ing, namentlich T. und O. (bloß jungiling, gatiling,
ſilubarling), der letztere nur wenige fem. auf -unga.
Das erklärt zum theil den mangel einer ſpäterhin ſo
gangbaren ableitung im gothiſchen. Denn obgleich einige
goth. volksnamen auf -ing ſ. 349. gemuthmaßt wurden,
ſo heißen doch die mhd. amel-unge bey Jornandes amali,
nicht amalungi; Paul. Diac. 5, 10 hat einen amalongus;
Ulf. überſetzt ἀργύριον durch das adj. ſilubrein, nicht
durch ſilubriggs. Auch kann in der gr. und lat. ſprache
keine dem deutſchen -ng gleiche ableitung nachgewieſen
werden, es lehrten die adv. -im (ſ. 359.) einen weg.


ableitungen mit BN?

dieſer ſchon oben ſ. 184. erwähnten mehrfachen ablei-
tung, wenn es ableitung und nicht zuſammenſetzung ***)
iſt, gedenke ich hier nochmahls. Das goth. -ubni hätte
[366]III. conſonantiſche ableitungen. BN.
ahd. zu lauten -opani, folglich faſt-ubni, vit-ubni: vaſt-
opani, wiƷ-opani; aber nichts dergleichen kommt vor.
Sollten ſich einige altn. maſc. vergleichen: vind-ofnir
(appellatio coeli) edd. ſæm. 49b; ſâlg-ofnir, ſâlg-opnir
(gallus) 168b? falls das letztere von ſâlga (necare) ſtam-
men kann? die gewöhnliche erklärung iſt ſal-gofnir, ſal-
gopnir. Das einfache ofnir, opnir ſtehet 44b 47b, macht
alſo eine compoſition wahrſcheinlicher. Ohnehin geſtat-
ten die altn. perſönlichen maſc. keinen ſchluß auf die
ſächlichen goth. fem. und neutra. — Schm. §. 1052 hat
die der bairiſchen volksſprache eigenthümlichen, bereits
in urkunden des 14. 15. jahrh. gewöhnlichen *)-umb,
-um, ſtatt des hochd. -ung, jenen goth -ubni an die
ſeite geſetzt; wie mir ſcheint ohne grund. α) er nimmt
an, main-umb, faſt-umb ſei die richtigere, dem goth.
-ubni nähere form, mein-ung, faſt-ung die entſtelltere;
nun ſtimmen aber die ahd. mhd. agſ. altn. mundart in
dem (goth. freilich fehlenden) -ng ſo zuſammen, daß
kaum eine ſolche entſtellung zu vermuthen iſt. β) wenn
auch das goth. ſtibna zu ahd. ſtëmma, ſtimma wurde, ſo
blieb im agſ. ſtëfene, altn. ſtëfna, wogegen das goth. ïbn
ahd. ëpan, altn. iafn, agſ. ëfen und emn lautet. Aus
faſtubni hätte alſo ahd. vaſtopani werden dürfen, vaſtum-
ni, vaſtummi werden können, ſchwerlich vaſtumpi, noch
weniger vaſtungi. γ) die goth. bildungen ſind neutra und
fem. (aber auf -i, nicht auf -a); die ahd. -unga lauter
fem. erſter decl. δ) die goth. ſubſt., ſo viel aus den ſelt-
nen beiſpielen zu ſehen iſt, ſind nicht gerade vom inf.
praeſ. herzuleiten (fraiſtubni nicht fraiſubni, inf. fraiſan;
vitubni von dem inf. praet. vitan) während alle ahd.
-unga aus dem praeſ. fließen, daher auch kein wiƷunga,
muoƷunga etc. — Die flaviſche ſprache bildet aus verbis
weibliche abſtracta mit -b (aber ohne n) altſl. ſvatba
(nuptiae) molba (preces) böhm. ſwatba, modlitba, (vgl.
Dobr. inſt. p. 287.); die litth. aus adj. feminina auf -ybe:
daug-ybe (multitudo) baiſ-ybe (horror) aukſzt-ybe (alti-
tudo) etc., denen faſt immer gleichbedeutende maſc. auf
-ummas entſprechen: daug-ummas, baiſ-ummas, aukſzt-
ummas, von dem adj. daugus, baiſus, aukſztas, ſo daß
auch hierin keine beſtätigung jenes muthmaßlichen ahd.
vaſtummi zu finden und das -ybe (ohne n) kaum dem
goth. -ubni zu vergleichen iſt (gegen oben ſ. 186.)


[367]III. conſonantiſche ableitungen. ST.
ableitungen mit ST.

Von dem ſuperlativiſchen -ſt, vor welchem die vocale i,
ô (entſtellt in ë und â?) ſtattfinden, wird cap. VII. ge-
handelt werden. Vor andern wörtern dieſer ableitung
ſtehen a, i und u; zweifelhaft ei.


[AST] hier iſt nur wenig anzuführen: das altſ. ôb-aſt
(ſtudium, feſtinatio) agſ. ôſ-eſt, êf-eſt (fehlerhaft geſchr.
æfeſt) deſſen wurzel ôbjan (colere, exercere) kaum eini-
gem zweifel unterliegt, alſo ahd. uopan und uop-aſt?
Nächſtdem das weiter mit r abgeleitete ahd. â-gal-aſtra
(pica) vgl. oben ſ. 133. Die wurzel galan (canere
nr. 67.) und das componierende â = ar genommen
(â-galan, ar- galan) geben den ſinn: der ſingende,
ſchreiende vogel, und wenn das in dem -aſtr be-
gründet ſein kann, den nebenſinn: der rauhſchreiende,
krächzende. Mhd. â-gel-ſter, nhd. verkürzt elſter.
Wie aber aus âgalaſtra âgelſter wird, kann auch in an-
dern fällen das a weggefallen ſein. Entſpringt ahd. kal-
ſtar, gal-ſtar (incantatio) aus kal-aſtar? (wurzel galan
nr. 67.) vin-ſtar (obſcurus) aus vin-aſtar? ſteht fin-iſtrî
(tenebrae) f. fin-aſtrî? Haben die altn. maſc. bak-ſtr
(panificium); rëk-ſtr (propulſio); die neutra blôm-ſtr (flos);
hul-ſtr (theca); lem-ſtr (contuſio) ein a ausgeworfen?
Der unumlaut zeugt, daß es nicht i und u waren, und
bei lemſtr liegt der umlaut ſchon in dem verbo lemja. —
Die nhd. môr-aſt und pal-aſt ſind unorganiſch und aus-
ländiſch (franz. marais, palais). —


[IST] hierher zuvörderſt die ahd. ſtarken maſc. heng-
iſt (equus) und herp-iſt (auctumnus), beide mit umgelau-
tetem a der wurzel? Für hengiſt haben trev. 11b blaſ.
65a heingiſt, inzwiſchen ſpricht das agſ. heng-eſt, viel-
leicht das chengiſto (caballus ſpathus) der malb. gl. für
kurzen vocal, nhd. heng-ſt. Wurzelhaft ſcheint mir nur
h-n, nicht das g, jenes nach der lautverſchiebung ſtim-
mend zu dem flav. kon’ (jeriert, alſo koni, ſprich wie
franz. cogne) allgemein für pferd, vgl. litth. kuinas
(ſchlechtes pferd). Sollte dem jer das g (für j?) gleichen,
hengiſt für henjiſt ſtehen? Dann erklärte ſich auch die
altn. auswerfung des naſallauts leichter: heſtr (? hêſtr) für
hen-ſtr wie âſt f. anſt; dän. heſt, ſchw. häſt (daneben hinxt
für den beſtimmteren begriff aus dem hochd.?). Hengiſt und
heſtr müßen daſſelbe wort ſein. (oben ſ. 199). Ahd. herp-
iſt, herb-iſt N. 80, 4. mhd. herb-eſt fragm. 30b MS. 2,
[368]III. conſonantiſche ableitungen. ST.
192b. nhd. herb-ſt, agſ. härf-eſt, engl. harv-eſt, nnl.
herf-ſt, herf-t ſcheint urſprünglich meſſis *) und hernach
tempus meſſis zu bedeuten; herbiſt-mânôt iſt der deutſche
erntemonat (ſeptember) wie der röm. auguſtus mit auc-
tumnus von derſelben wurzel, nämlich augere ſtammt.
Wörtlich nahe dem herpiſt liegt das gr. καρπός (frucht)
καρπίζω (ich ernte). Die lautverſchiebung ſordert neben goth.
b, ahd. p eigentlich gr. φ, nun ſcheint καρπός lange ſchon den
etymologen einerlei mit καρφός (aufwachſendes reis, halm)
wie καρφίζω und καρφίς (vindicta, ſchlagen mit reiſern,
ruthen) neben καρπίζω, καρπίς gelten. Die altn. form
hauſt (neutr.), ſchw. dän. hœſt, iſt nicht aus dem lat.
auguſtus (denn woher die aſpiration?), ſondern aus zuſ.
ziehung des herfſt, harfſt zu erklären und dem heſtr aus
henſtr, hengſtr ähnlich **). Läßt rauſt (vox) neben rödd =
ahd. rarta, goth. razda, auf ein ahd. rart-iſt, rart-uſt
ſchließen? oder ſind rauſt und rödd unverwandt? Außer
hengiſt und herpiſt kommt in betracht das goth. av-iſtr
(ovile) oben ſ. 123. von einem muthmaßlichen ava oder
avs (ovis f.) abgeleitet; ahd. ew-iſt (caula) J. 404 K. 19b
jun. 198., mithin ohne die goth. r bildung, der ein ahd.
ewiſtar (oder ewiſtra?) entſprechen würde. Verſchiedene
davon iſt ew-îti, ouw-îti (grex) f. ew-îdi, goth. av-êþi
(oben ſ. 152) wiewohl gl. doc. 227b ouwiti, gl. vind.
ewida caulas überſetzen. In einer malb. gl. ſcheint ſon-
iſta grex equarum zu bedeuten. Das ſchw. maſc. ham-
iſtro (gurgulio) wurde ſ. 133 angeführt, nhd. ham-ſter,
das vierfüßige dem getreide ſchädliche thier. Viele ſchw.
feminina auf -eſtre (mit ë, wegen der nebenform -iſtre,
-yſtre) zählt das agſ. und beiſpiele ſind oben ſ. 134. nach-
zuſehen. Von adjectiven gehört hierher das einzige ahd.
win-iſtar, mhd. win-ſter (ſiniſter). —


[UST] auffallend ſchwankt bei dieſer ableitung das
genus; und, was damit zuſ. hängt, die bedeutung aus
perſönlicher ins ſächliche. — anguſt (angor) ahd. weib-
lich, O. III. 25, 21. IV. 6, 58. 18, 38. V. 10, 40; mhd.
bald fem. Barl. 95. a Tit. 43. bald maſc. Wilh. 2, 32b
103a. b. En. 74b MS. 1, 92a; nhd. ſtets weiblich; der agſ.
altn. mundart ganz fehlend. — dion-uſt (ſervitium) ahd.
neutr. wenigſtens bei O. thion-oſt I. 8, 44. IV. 2, 31. 11,
60. V. 23, 527. T. 5, 11; muß aber in der bedeutung
[369]III. conſonantiſche ableitungen. ST.
von obſequioſus maſc. ſein, vgl. K. 62b deon-oſtun (ſervito-
ribus) zwetl. 127a dion-ſt (obſequalem); mhd. dien-eſt (obſe-
quium) meiſt neutr. Parc. 38b Wigal. Nib. 3970. MS. 1, 53b,
auch in gleicher bedeutung männlich Nib. 1166. 8746.
9166. MS. 1, 10a 46a, im ſinne von dienſtmann immer: Triſt.
5137. Reinh. 505, doch Nib. 3381. könnte der dat. dieneſte
auf ein fem. dien-eſt (ancilla) oder dien-eſte? bezogen wer-
den; nhd. dien-ſt maſc. aber nicht perſönlich; agſ. man-
gelnd; altn. þión-uſta ſchw. fem. (miniſterium und mini-
ſtra). — ërn-uſt (res ſeria) ahd. weiblich, jun. 216. za ërn-
uſtî (ſerio, im ernſt) O. I. 22, 35. IV. 37, 59. (wo ebenfalls
der dat. ërn-uſti); ërn-oſt neutr. W. 8, 7; maſc. iſt in dem
eigennamen ërn-eſt anzunehmen und die bedeutung: homo
ſtrenuus, alacer, pugil; mhd. ërn-eſt (ſtudium, fervor)
maſc. (:gërneſt) troj. 27a 37c; nhd. ern-ſt maſc.; agſ.
ëorn-oſt (ſtudium) engl. earn-eſt; fehlt im altn. *); mnl.
ërn-ſt. ëren-ſt und daneben naern-ſt, nëren-ſt (ſerium) **)
Huyd. op. St. 3, 228; nnl. ern-ſt, nern-ſt, nâr-ſt. — oug-
uſt (auguſtus menſis) habe ich ahd. nicht geleſen, der mo-
nat heißt bei Eginh. aran-mânôt, herrad. 179. aerni-mâ-
nôt (beßer erni-m.) von der ernte, die in ihm beginnt;
in einem calender des 15. jahrh. wird julius der erſte
augſt genannt, auguſtus der ander augſt ***); mhd. bedeu-
tet oug-eſt (maſc.) den heißen auguſt Parc. 1c MS. 2,
176a in welcher letztern ſtelle ſchwache form; nhd. nicht
aug-eſt ſondern aug-ùſt nach dem lateiniſchen; nnl. ôg-ſt
(maſc.) f. meſſis, ohne daß es darum dem altn. neutr. hauſt
(autumnus, nnl. herfſt) gleichgeſtellt werden dürfte. —
Außer dem ſchon angeführten altn. þiôn-uſta noch fol-
gende ſchw. fem.: fulln-uſta (ſatisfactio) für full-uſta? †)
A a
[370]III. conſonantiſche ableitungen. ST.
gehört auch hierher das ahd. voll-uſt und iſt es kein
compoſ. vol-luſt (oben ſ. 199.)? vgl. hernach unter -eiſt;
holl-uſta (fides); kunn-uſta (ſcientia); orr-uſta, or-uſta
(proelium) von der wurzel or (incitamentum, gl. ſynt.)
oder örr (celer, alacer), kein compoſ. or-ruſta, wie Biörn
meint, wahrſcheinl. dem agſ. ëorn-eſt, ahd. ërn-uſt ver-
wandt; unn-uſta (amica) und daneben das maſc. unn-uſti
(amicus). — Zuletzt erwähne ich des mit -r weiter ab-
geleiteten ahd. putt-uſter (venter) doc. 230b, das mir un-
deutſch ſcheint *).


[EIST]? zwei wörter, die ſich beide anders nehmen
laßen: ahd. gân-eiſtara (ſcintilla)? gân-eiſtra blaſ. 91b, wo-
für trev. 63a ganehaiſta? gaeneſter ſteht herrad. 198b; mhd.
gan-eiſte troj. 4a? ſcheint zu beßern in gneiſte, wie troj.
29c 92b, weshalb es oben ſ. 40. zu nr. 453. gerechnet
wurde. Indeſſen begegnet man auch a. Tit. 115. der
ſchreibung gnâneiſten (ſcintillare) und Parc. 25a gænſtern
(ſcintillis) 106a gænſterlîn (ſcintillula) was eher ein gæn-
ſter vorausſetzt, als ſich in gneiſter ändern läßt. Altn.
gilt neben gneiſti auch neiſti, wonach ein ahd. ga-neiſto,
aber kein mhd. ga-neiſte (ſt. ge-neiſte) begreiflich würde.
Andrerſeits bliebe die wurzel gân ſehr räthſelhaft. —
Das andere ſubſt. iſt das vorhin berührte ahd. mhd. voll-
eiſt, ſtatt vol-leiſt (oben ſ. 199).


anmerkungen zu ST.

α) die grenze zwiſchen -ſt und dem ſ. 198-203. ver-
handelten ſ-t iſt unſicher. Da wo bei letzterm das ſ zur
wurzel gehört, die ableitung alſo aus bloßem -t beſteht,
findet keine berührung ſtatt. Anders, wenn die wurzel
mit einer liquida ſchließt und das ſ in ſ-t entweder eigne
ableitung oder unorganiſchen einſchub verräth (ſ. 209.
b. c.). Der unterſchied zwiſchen ſolchem ſ-t und unſerm
-ſt beruht alsdann darauf; 1) daß jenem kein, dieſem aber
ein vocal vorherzugehen pflegt: an-ſt, chun-ſt; ob-aſt,
ërn-uſt, dion-uſt. 2) darauf, daß dem ſ-t nur ein con-
ſonant (immer liquida oder ſpirans) vorausſteht, dem -aſt,
-iſt, -uſt aber auch zwei conſonanten vorausſtehen kön-
nen (deren letzter ten. oder med. ſein darf): ern-ſt, herb-
[371]III. conſonantiſche ableitungen. ST.
ſt, heng-ſt. Wo das -ſt gar keinen conſ. vor ſich hat,
ſind ſie ausgefallen, namentlich im altn. he-ſtr und hau-ſt
f. heng-ſtr, harf-ſt? — Die zweifelhafteſten fälle ſind dem-
nach die, wo dem ſt einfache liquida vorangeht und man
nicht weiß, ob ein vocal ausgefallen iſt oder nicht. Steht
ahd. gal-ſtar (incantatio) f. gal-aſtar oder f. gal-dar mit
eingeſchobnem ſ, alſo gal-ſ-tar? Daß an-ſ-t, chun-ſ-t
nicht aus ann-aſt, chunn-aſt gedeutet werden durfen, lehrt
ihre verwandtſchaft mit dem praet. (ſ. 212, 8.) obwohl
dem anſt das dän. ynd-eſt, dem chunſt das altn. kunn-
uſta parallel ſcheint, dem nhd. geſpinſt (ſ. 201,) das engl.
ſpin-ſter (ſ. 134.). Vielleicht bloß zufällige ähnlichkeit.
Das altn. âſt entfernt ſich vom dän. yndeſt und vom altn.
unnuſta in form und bedeutung. Zufällig gleicht alſo
auch das nhd. ernſt, dienſt, hengſt, herbſt dem kunſt,
gunſt, geſpinſt u. a. m.


β) verſchieden hiervon iſt die frage: ob ſich nicht
alle -ſt (-aſt, -iſt, -uſt) in zwei ableitungen zerlegen? ſo
daß z. b. obaſt, herbiſt, ërnuſt, bakſtr, bäcëſtre ein ver-
bales (ableiteriſches oder flexiviſches) obaſôn, herbiſôn,
ërnuſôn, bakaſôn oder dergleichen vorausſetzen? Aus
der deutſchen ſprache läßt ſich das nicht befriedigend
bejahen, den ſchwachen verbis auf -aſôu, -iſôn (ſ. 268.
271.) entſprechen keine ſubſt. unſerer ableitung, letzteren
keine verba auf -aſôn, -iſôn. Allein in uralter zeit kann
eine ſolche berührung dennoch beſtanden haben, vgl. das
gr. καρπίζειν mit herbiſt, das lat. equiſo (bereiter) mit
equeſtris.


γ) zwiſchen unſerm und dem ſuperlativiſchen -ſt be-
ſteht keine unmittelbare verwandtſchaft, denn dem ſuper-
lativiſchen gehet i und ô (kein a) voraus, dem ableiteri-
ſchen a, i, u (kein ô). Auch die bedeutung zeigt meiſt
keine ſteigerung der begriffe; unnuſta (amica) entſpräche
zwar dem dän. ſuperl. kæreſte, dem nhd. liebſte, allein
es gibt kein adj. unnr (carus), folglich ſtammt holluſta
nicht aus dem adj. hollr (fidus), ſulluſta nicht aus fullr
(plenus), ahd. anguſt, altn. ângiſt nicht aus dem adj. angu
(goth. aggvus) noch weniger dionuſt, ërnuſt aus adjecti-
ven. Der ſinn bleibt ganz poſitiv: enge, bedienung,
fleiß. Wahre, ſubſtantiviſch gebrauchte ſuperlative z. b.
ahd. vuriſto (princeps) unterſcheiden ſich ſeicht. Doch
kann die zerlegung des ſuperlativiſchen ſt in ſ-t (dem ſ
des comparativs tritt t hinzu, blindôza, blindôſta) dem
beſtätigung geben, was unter β vermuthet worden iſt
A a 2
[372]III. conſonantiſche ableitungen. ST.
und unter δ. zeigen ſich noch andere berührungen mit
dem ſuperlativ.


δ) das latein iſt reich an ableitenden -aſt, -eſt, -iſt, -uſt.
Die mit -aſter verringern den begriff: fili-aſter (ſtiefſohn,
vgl. das altn. vër- vorhin ſ. 363.) poët-aſter (dichterling)
ole-aſter, pin-aſter (wilder, ſchlechter ölbaum, fichten-
baum) pull-aſter (altn. kyklîngr) calv-aſter (ein wenig
kahl) ſurd-aſter (ein wenig taub) recalv-aſter (vornen
kahl) und es muß ihrer in der gemeinen ſprache noch
viel mehrere gegeben haben, wie das romaniſche beweiſt.
Franz. -âtre (f. -aſtre) mar-âtre (noverca) par-âtre (no-
vercus) roug-âtre, bleu-âtre, jaun-âtre (röthlich, bläu-
lich, gelblich) gentil-âtre u. a. m. Ich weiß nur die be-
deutung des ahd. âgal-aſtra zu vergleichen: ſchlecht, ge-
ring ſingender vogel. Die lat. adj. -eſtis, -eſtris haben
nichts verringerndes: agr-eſtis, ſilv-eſtris, camp-eſtris,
ped-eſtris, equ-eſtris, alp-eſtris, vall-eſtris, terr-eſtris.
Seltner -iſter: mag-iſter, min-iſter, ſin-iſter; hier ſchei-
nen alte ſuperlative im ſpiel (vgl. gr. μέγιστος, goth.
máiſts, minniſts; aber wie berührt ſich ſiniſts, älteſter mit
ſiniſter link?) nicht in cap-iſtrum, can-iſtrum etc. Auf
ſuperlative führen ferner die mit -uſtus: ven-uſtus (altn.
vænſtr) ang-uſtus, aug-uſtus (vgl. auctumnus und ôgſt),
doch nicht -uſtris: pal-uſtris, lig-uſtris, auch nicht -uſta:
loc-uſta. — Die ſlav. ſprache leitet viele abſtracte fem.
auf -oſt von adj. her (Dobr. inſtitt. p. 302. Vuk p. 23.);
adj. auf -ſt ſcheinen ſelten, vgl. ruſſ. rog-aſt (magnis cor-
nibus) njedr-iſt (ſinum latum habens) ſerb. kril-aſt (no-
tam albam habens) inſtitt. p. 329. —


ε) verba der ableitung -ſt ſind ſelten und ſetzen ſubſt.
gleicher form voraus: ahd. ang-uſten O. III. 20, 206. 24,
221; agſ. êf-eſtan, êf-ſtan (feſtinare); nnl. ôg-ſten (meſ-
ſem colligere) *) neben herf-ten (f. herfſten) ſchwed.
hœſta; altn. lem-ſtra (vulnerare); dän. blom-ſtre (florere).


ableitungen mit SK.

begleitende vocale ſind a, i, u; doch i der häufigſte.


[ASK] im goth. keine ſpur; Tacitus hat aber den
deutſchen eigennamen gann-aſcus (ann. XI, 18, 19.). Ahd.
[373]III. conſonantiſche ableitungen. SK.
finde ich das adj. mann-aſk (humanus) K. 42b. Altn. gibt
es mehrere -eſk, die mir geſchwächte -aſk zu ſein ſchei-
nen, weil ſie die wurzel nicht umlauten und weil -iſk
(und dafür -ſk) verſchieden davon vorkommen. Auch
erklärt ſich in dem ſubſtantiviſchen -eſkja der umlaut aus
-aſkja von ſelbſt; es ſind ſchwache feminina: forn-eſkja
(antiquitas, paganiſmus, mos ethnicorum); mann-eſkja
(homo, anima) *); vitn-eſkja (notitia) von vitni (teſtis)
oder vitna (teſtari) geleitet **). Seltner neutra -eſki: lîkn-
eſki (effigies). Sollte nicht auch barn-æſka (infantia) edd.
ſæm. 187a 261a aus barn-eſkja, barn-eſka zu erklären
ſein? dafür ſpricht das ahd. chind-iſca und goth. barn-
iſki, dawider aber das altn. æſka (juventus) edd. ſæm.
175a***); wonach barn-æſca compoſitum wäre. Vgl.
liód-æſka (vanitas). Altn. adj. mit -eſk ſind nur: himn-
eſkr (coeleſtis); iarð-neſkr (terreſtris) mit unorg. n ſtatt
iarð-eſkr (dän. jord-iſk) da hier weder ableitung (wie in
himinn) noch ſchwache flexion (wie in den folgenden
adj.) n mit ſich führen, übrigens beſtärkt das ia in iarð-
neſkr (nicht iörðneſkr, noch irðneſkr) meine deutung des
-eſkr aus -aſkr; und die von volksnamen geleiteten: gotn-
eſkr (gothicus) ſaxn-eſkr (ſaxonicus) valn-eſkr (vallicus)
ſæm. edd. 235b von den pl. gotnar, ſaxnar, valnar ſt. go-
tar, ſaxar, valar (1, 661.) —


[ISK] agſ. ëſc, altn. ſk (mit umlaut), ſpäter erſt -iſk.


1) ſubſtantiva, das geſchlecht ziemlich ſchwankend,


α) ſtarke maſculina: goth. at-iſks (ſeges) ahd. eƷƷ-
iſc jun. 226. dër heilego eƷ-eſg N. 140, 7. vgl. eƷƷ-iſc-
zûn lex bajuv. 9, 11. die wurzel ſcheint itan, ëƷƷan (edere)
wie fructus und fruges von frui, cibus von capere (niu-
tan, nieƷan), in der edda iſt æti frugis vocabulum; heim-
iſc (idiota) pl. heim-iſcâ monſ. 365. Unſicher iſt mir das
geſchlecht des agſ. ed-iſc (vivarium) engl. ed-iſh; valw-
iſch, falw-iſch (favilla) wird mhd. und oeſtr. männlich ge-
braucht, vgl. Lohengr. 31. (wo die blühende roſe falber
aſche entgegenſteht) und Höſer ſ. v. —


[374]III. conſonantiſche ableitungen. SK.

β) ſtarke feminina: ahd. rât-iſca (problema) N. 41, 5. her-
rad. 186b flor. 989a; falaw-iſca (favilla) jun. 205. blaſ. 91b her-
rad. 181b falaw-iſga O. V. 20, 54. mhd. valw-iſce Mar. 222.
von dem adj. valu, valawêr (pallidus) abgeleitet; zweiter de-
clination (von adj. auf-iſc): heim-iſcî (ruſticitas) doc. 218b (wo
idiota, ruſticus); menn-iſcî (humanitas) O. IV. 29, 23; vrôn-
iſci (decor, ſplendor) monſ. 368. 378. frôn-iſgî O. V. 7, 123;
chind-iſcî (infantia) doc. 205b miſc. 1, 27; heidan-iſcî (pa-
ganiſmus) N. 103, 6; ird-iſcî (mundus) gl. ker. 193. —


γ) ſtarke neutra: goth. barn-iſki (infantia); ahd. hîw-
iſci (familia) K. 20b hî-iſke N. 97, 3 (wo fehlerhaft hûſke)
kum-iſci, gum-iſgi (complexus virorum) monſ. 342. O.
I. 3, 43; rât-iſci (problema) doc. 231a; agſ. menn-iſc
(gens); þëód-iſc (gens); æv-iſc (dedecus)? mhd. hiuw-iſche
(familia) Mar. 16.; menn-eſche (homo) Parc. 112b 114a
Barl. 55. 75. verk. men-ſche Barl. 62. 213. und menn-eſch
Parc. 126b; nhd. men-ſche (mancipium). —


δ) ſchwache maſc. ahd. menn-iſco (homo) N. 269b W.
7, 12. menn-iſgo O. V. 12, 92; mhd. menn-eſche, men-
ſche; nhd. men-ſch; altn. föl-ſki (favilla) Snorraedda
p. 69; köl-ſki (ſenex, ſatanas), da fölſki von fölr abſtammt
und = ahd. falawiſco wäre, könnte auch kölſki von einem
verlornen kölr (calvus) ſein, = ahd. chalawiſco (kahl-
kopf)? —


ε) ſchwache feminina: ahd. diut-iſca (lingua germa-
nica) N. 80, 3; chind-iſca (infantia) Ecc. fr. or. 2, 942;
frenk-iſga O. I. 1, 67. (lingua francica); heid-eſca (paga-
niſmus) N. 43, 3; menn-iſca (anima) monſ. 320. 362. wo
aber bloß der plur. ſteht, der auch dem maſc. menn-
iſco gehören könnte? — altn. bern-ſka (puerilitas) verſch.
von barn-eſkja oder barn-œſka (pueritia) *); dirf-ſka (au-
dacia); eingel-ſka (lingua anglica); el-ſka (amor); fol-ſka
(imprudentia); gœd-ſka (bonitas); gri-ſka (lingua graeca);
heim-ſka (ſtultitia); ill-ſka (malitia); mæl-ſka (loquela, fa-
cundia); compoſ. mit-menn-ſka als ſtôr-menn-ſka (magni-
ficentia) etc; tîd-fka (mos communis); fâ-vit-ſka (rudi-
tas); ſam-vit-ſka (conſcientia); þŷd-ſka (lingua germ.);
ſeltner und nach Raſk neuer iſt die volle form -iſka in:
mâl-iſka (dialectus) verſch. von jenem mæl-ſka; pâp-iſka
(religio romana); ſie erweckt auch den umlaut nicht. —
Mhd. diu tiut-ſche (lingua germ.) welſch. gaſt; hüb-iſche
(concubina) troj. 154c. —


[375]III. conſonantiſche ableitungen. SK.

2) adjectiva dieſer ableitung gibt es ziemlich viele;
ſchon Tacitus hat die deutſchen volksnamen arav-iſci,
nar-iſci; Aurel. Victor cap. 33. das n. pr. attal-iſcus. Bei
Ulf. kommen nur vor: mann-iſks (humanus); háiþiv-
iſks (ſilveſtris); judáiv-iſks (judaeus) Tit. 1, 14; ſaurini-
fynik-iſks (ſyrophoenix) Marc. 7, 26. Ahd. un-adal-iſc
(degener) monſ. 407; âdamant-iſc (adamantinus) monſ.
337. 342; chencil-iſc (uncialis) monſ. 346. doc. 265a; chu-
ning-iſc (regius) jun. 250; drî-ſc (trinus) f. drî-iſc K. 19b
20a woher driſc-heit (trinitas) Ecc. fr. or. 1, 934. N.
269a; ender-ſc (alienigena) N. 104, 22. endir-ſc (barba-
rus) doc. 293. vollſtändig andar-iſc; entr-iſc (antiquus,
priſcus) jun. 234. 235. 245, von dem vorigen ganz ver-
ſchieden; êvangel-iſc (evangelicus); lîh-ham-iſc, aſſim. ſîh-
him-iſc (phyſicus) monſ. 411; heidan-iſc (ethnicus); heim-
iſc (ruſticus) doc. 218b; himil-iſc (coeleſtis) T. 6, 4. O. I.
12, 18; ni-huëdar-iſc, ni-wëdr-iſc (neuter) jun. 239; ird-
iſc (terrenus) O. V. 23, 203; judi-iſg (judaeus) O. II. 14,
34; nazianzên-iſc (nazianzenus) doc. 226b; nazarên-iſc (na-
zarenus) T. 115; purg-iſc (urbanus) jun. 255; rium-iſc (lo-
reus) gl. vind. Denis I. 1, 143; ſamaritân-iſc T. 87; ſarƷ-iſc,
ſerƷ-iſc (arabicus) monſ. 346. doc. 232b; ſpân-iſc (iberus)
monſ. 319; tul-iſc (fatuus, ſtultus) jun. 211; hymn. 949; varr-
iſc (toroſus) jun. 254; vëoc-iſc (quaternus) K. 20a; frenk-
iſg (francicus) O.; vrôn-iſk (nitens, elegans, pictus) monſ.
385. doc. 212a jun. 205. O. II. 22, 22. III. 20, 317. V. 7,
27; wëralt-iſc (vulgaris) doc. 243b; zui-ſc (binus) f. zui-
iſc [deſſen dat. pl. zuiſcêm, zuiſcên adverbial für inter
(duos) gebraucht wird] K. 19b O. II. 12, 80. — Agſ. cild-
iſc (puerilis); cyren-iſc (cyrenaeus)) engl-iſc (anglicus);
ëoton-iſc (giganteus) Beov. 118 195. vgl. ent-iſc 221;
geágl-iſc (laſcivus); græc-iſc (graecus); hæðen-iſc (eth-
nicus); jude-iſc (judaeus); ſeden-iſc (latinus); lunden-iſc
(londinenſis); menn-iſc (humanus); mil-iſc (mulſus, dul-
cis); vyl-iſc (wallicus) etc. — Altn. außer el-ſkr (amans,
von ala, fovere?); heim-ſkr (ſtultus) nur völkerſchaftliche:
eng-ſkr (anglicus); gaut-ſkr (gothicus); îr-ſkr (hiberni-
cus); iſlend-ſkr (iſlandicus); þŷð-ſkr oder þŷð-vër-ſkr
(germanicus) u. a. m. — Mhd. ſind dieſe ableitungen faſt
ſeltner als ahd., weit ſeltner als nhd. Der vocal vor dem
ſch iſt e oder i, wird aber, wenn tonloſe ſilbe voraus-
geht, weggeworfen, nicht wenn ſtumme: abrahem-iſch
(? hebraicus, vgl. Oberl. 5a 7a) Otnit 2228 (dreſd. aber-
heim-iſch); arâb-eſch (arabicus) Parc. 185b; ge-biur-ſch
(ruſticus) MS. 2, 238b; elb-iſch (faſcinatus, dem die
[376]III. conſonantiſche ableitungen. SK.
geiſter etwas angethan haben); gird-iſch (avidus) welſch. gaſt
35b 86a 104a; heiden-ſch (ethnicus) Parc. 4a 75b 179b Wigal.
Barl. heim-iſch (domeſticus) Bon. 15, 28; hem-iſch? (malig-
nus) Vrîb. 4655; himel-iſch Barl. MS. 1, 118b; höv-eſch (auli-
cus) verkurzt höf-ſch Triſt. Barl.; hiun-iſch (hunnicus) Nib.
6864; ird-eſch (terreſtris) MS. 2, 135a Barl.; kind-eſch a. Heinr.
199c Triſt. 6223; kriech-eſch (graecus) Triſt. 4695; meig-
eſch (vernus, menſe majo) a. Tit. 137. Triſt. 2547; mërz-
iſch (auſterus, menſe martio) Gudr. 63a; narr-iſch (ſtul-
tus) Vrîg. 2645. beßer nerr-iſch Vrîb. Triſt. 5155; tœr-
iſch, tœr-ſch (ſtultus) Barl. 243. 247, Vrîb. 5113; tiut-ſch
(theodiſcus) Wigal. 288. MS. 1, 119b gewöhnl. verkürzt
in tiuſch Parc. 196c Wigal. 141. Nib. 5423; unger-ſch
(hungaricus) Parc. 75b; wel-ſch (peregrinus, italicus, gal-
licus) *). Zu merken iſt, daß ſich nach falſcher analogie
von heidenſch? oder nach anderer? unorganiſche n ein-
zuſchieben pflegen: arâbenſch Tit. 131; irdenſch Barl.
irdeniſc cod. pal. 361, 1b; kindenſch MS. 1, 97a kriechen-
ſch Wolfdiet. 273; riſeniſc (giganteus) Rother 7b 8a.
Richtig iſt das n, wenn ſonſt die bildung ſtatthaft, in dem
adv. anderthalbenſch Parc. 169e vgl. heidenſch ibid. 186a
(ahd. heidaniſco?); andere form iſt tœrſchen (ſtulte) MS.
1, 42a. — Nhd. hat ſich die ableitung gewaltig ausgebrei-
tet. Außer den ſchon mhd. vorhandnen: bäur-iſch; hæm-
iſch; heidn-iſch; heim-iſch; himml-iſch; hœf-iſch unter-
ſch. von hüb-ſch; ird-iſch; kind-iſch; närr-iſch; und den
aus volks- und ortsnamen gebildeten: arâb-iſch; deut-ſch;
engl-iſch; fränk-iſch; jüd-iſch; perſ-iſch; thüring-iſch;
wel-ſch; berlin-iſch; götting-iſch; ſtraßburg-iſch etc.
gibt es eine menge anderer: α) bůb-iſch; dieb-iſch; aber-
gläub-iſch; ab-gött-iſch; herr-iſch; höll-iſch; höhn-iſch;
hünd-iſch; knecht-iſch; aus-länd-iſch; läpp-iſch; läuf-iſch;
link-iſch; kauf-männ-iſch; mürr-iſch; neid-iſch; pfäff-iſch;
ſelbſt-iſch; ſpött-iſch; ſtädt-iſch; thier-iſch; tück-iſch;
vieh-iſch; weib-iſch; arg-wöhn-iſch; zänk-iſch etc. von
welchen höchſtens einige noch in der ältern ſprache auf-
gefunden werden dürſten, am wenigſten die mit böſer
bedeutung. β) zumahl gern gebildet werden ſie aus ſubſt.
mit -er: verbrecher-iſch; buhler-iſch; dichter-iſch; er-
finder-iſch; gleißner-iſch; heuchler-iſch; krieger-iſch; ver-
leumder-iſch; mahler-iſch; mörder-iſch; ver-räther-iſch;
räuber-iſch; redner-iſch; meiſter-ſänger-iſch; ſchänder-iſch;
[377]III. conſonantiſche ableitungen. SK.
ſchöpfer-iſch; ver-ſchwender-iſch; träumer-iſch; betruͤger-
iſch, altväter-iſch; zauber-iſch (f. zaubereriſch, wie zauberin
ſ. 320.) etc. wiewohl ſie nicht von allen ſolchen ſubſt. bild-
bar ſind, z. b. man kann nicht ſagen: verächteriſch,
buͤßeriſch, jägeriſch. meiſteriſch, ritteriſch, ſiegeriſch,
fünderiſch, thäteriſch, wächteriſch u. dgl. Keine ſolcher
ableitungen kennt das mhd. γ) die beliebtheit dieſer
-eriſch hat einige unorganiſche bildungen erzeugt, wie:
regner-iſch (pluvioſus); frei-, ſchön-geiſter-iſch (wahrſch.
von dem plur. geiſter); wiener-iſch; ſchweizer-iſch (ſt.
wien-iſch, ſchweiz-iſch, wie es heißt, bern-iſch, ſalz-
burg-iſch, memming-iſch und nicht berner-iſch, ſalzbur-
ger-iſch). δ) man leitet auch aus mannsnamen, was die
ältere ſprache nie that, adj. auf -iſch, z. b. ſchmidt-iſch,
wielaud-iſch etc. ε) fremde lat. oder roman. adj. auf
-anus, -aticus etc. nehmen das deutſche -iſch an: african-
iſch, aſiat-iſch, hanſeat-iſch (ſt. hanſ-iſch), pedant-iſch.
romant-iſch, philoſoph-iſch u. dgl. *). — Engl. -iſh:
engl-iſh, jew-iſh etc. —


3) verba: goth. áiv-iſkôn (ἀτιμᾱν) ein adj. áiv-iſks
(ἄτιμος) oder ein ſubſt. (ſ. 374. agſ. æviſc vorausſetzend?
Vgl. das plattd. aiſk (turpis), das im brem. w. b. 1, 8. mit
eislich (egislih) verwechſelt wird. Ahd. ki-tul-iſcôn (infa-
tuare) jun. 211. Altn. el-ſka (amare); föl-ſkva (marceſcere,
palleſcere); heim-ſkaz (obbruteſcere). Mhd. höv-iſchen,
höf-ſchen (altfranz. cortoiſer) Nib. 1415. 3664. hüb-eſchen
ſtehet MS. 2, 71b; tœr-iſchen Vrîb. 2903; im 17. jahrh.
jüd-ſchen (zum juden machen) Helvicus 1, 149. 2, 54.
Nhd. ver-deut-ſchen (germanice vertere); wel-ſchen kau-
derwel-ſchen; ent-menſchen.


[USK] hier läßt ſich nur der alte volksnamen der
chêr-uſci bei J. Caeſar und Tac. anführen. —


bemerkungen zu SK.

α) wie -ſt mit ſ-t, berührt ſich -ſk mit ſ-k (oben
ſ. 276 — 278.) vgl. lœſche aus loh-iſche und hor-iſc f.
horſc. Fluſc (fluxus) fram-fluſc (profluvium) jun. 206.
220. läßt ſich wohl nur aus fluoh-iſc erklären? (vgl. ſ.
236. fluot aus fluoh-ad).


[378]III. conſonantiſche ableitungen. SK.

β) zerlegungen des -iſk in -iſ-k ſind zu vermuthen,
nicht nachzuweiſen. Das nhd. herſchen ſtammt aus hër-
riſôn und bezeugt noch keinen zuſ. hang dieſes mit dem
nhd. adj. herriſch.


γ) berührung des -ſk mit -ſſ (oben ſ. 328.) ſcheint
unorganiſch und erſt ſpäterhin einzutreten. Die älteſten
beiſpiele wären râtiſſa und râtiſca. Aus der altn., dem
ſſ abholden mundart ließen ſich lîkneſki (effigies) vit-
neſkja (notitia) neben das agſ. lîcneſſe, vitneſſe halten.
Allein beides ſind verſchiedne ableitungsformen, deren
bedeutung natürlich nicht weit aus einander liegt. Die
ſchwed. ſprache moviert fem. mit -ſka, z. b. barnmoder-
ſka (obſtetrix) blêker-ſka, twätter-ſka (lotrix) danſer-ſka
(ſaltatrix) väfver-ſka (textrix) etc. da aber nichts ähnli-
ches im altn., ſelbſt nicht im dän. (wo dandſerinde, blê-
gekone, väverinde) ſtatt findet, ſo ſcheinen mir dieſe -ſka
aus plattdeutſchen -ſche hergenommen, welche nach
ſ. 329. aus roman. -eſſe entſpringen *). Das goth. ahd.
altn. -iſk dient durchaus nicht zur motion, ſondern zu
anderen begriffen.


δ) im gegenſatze zu -îg, das ſich meiſt mit ſächlichen,
ſelten mit perſönlichen wörtern verbindet (ſ. 309.), leitet
-iſc mehr perſönliche als ſächliche ab. Es gibt daher,
in der früheren ſprache wenigſtens, beinahe keine colli-
ſionen beider bildungen. eli-diot-îc (peregrinus) jun. 235.
252. könnte nicht eli-diut-iſc heißen, noch diut-iſc (ger-
manicus) diot-îc, obwohl ihnen beiden diot (gens) zu
grunde liegt; diutiſc, wegen des u, ſcheint länger im ge-
brauch; -iſc drückt abſtammung, abkunft, etwas leben-
digeres, -îc allgemeine ableitung, etwas abſtracteres aus;
himil-iſc entſpricht dem goth. compoſ. himina-kunds (οὐ-
ράνιος
), für elidiotîc würde auch die noch gelindere ab-
leitung elidioti, elidiotjo, goth. aljaþiudja (wie aljakunja)
ſtehen dürfen. Erſt die nhd. ſprache hat neben narrig
(wenn dies nicht ganz verwerflich iſt) ein närriſch, ne-
ben glaubig, gläubig ein abergläubiſch und für das ahd.
mittelandîg N. 71, 8. ein mittelländiſch. Erſt ſie legt auch
in das -iſch die idee des verächtlichen oder tadelhaften:
kindiſch, weibiſch, knechtiſch, abgöttiſch, diebiſch, lin-
kiſch etc. im gegenſatz zu den die gute bedeutung ent-
haltenden compoſ. mit -lich: weiblich, kindlich, göttlich.
Näher beſehen liegt aber das böſe nicht in dem -iſch,
[379]III. conſonantiſche ableitungen. SK.
ſondern in dem wurzelbegriff an ſich oder einer wen-
dung deſſelben (weib, kind, dieb, abgott, link) daher
man auch nicht männiſch, göttiſch, rechtiſch von gott,
mann, recht (die nie böſes bedeuten) ableiten kann. Das
goth. manniſks, ahd. chindiſc ſind eins wie das andere
frei von einer nebenidee und das veraltete ahd. wëraltiſc
bedeutet gerade unſer nhd. weltlich (ahd. wërolt-lîh K.
53a agſ. veorold-lîc). Berührung des -ſc mit ‚-ht zeigt
das nhd. thöricht ſtatt des mhd. tœriſch und neben när-
riſch gilt auch narricht, närricht (?).


ε) die lat. ſprache beſitzt eine menge intranſitiver
verba auf -eſco: marc-eſco, pall-eſco, ſurd-eſco, vir-
eſco etc. aber wenige ſubſt. auf -iſca, -uſca: lyc-iſca,
labr-uſca, gar keine adj., die gerade im deutſchen bei
dieſer ableitung vorwalten. Den begriff der abſtammung
drückt bloßes -icus aus: german-icus, franc-icus, ala-
mann-icus. Iſt es deutſcher einfluß, daß die roman. dia-
lecte ziemlich viele -eſco bilden? ital. donn-eſco, grott-
eſco, marin-eſco, parent-eſco, pedant-eſco, pittor-eſco,
poltron-eſco, romanz-eſco, ted-eſco etc. franz. arab-eſque
(ital. rabeſco) gigant-eſque, grot-eſque, tud-eſque etc.
Der Grieche verkleinert mit -ισκος: νεανίσκος, οὐρανίσ-
κος, στεφανίσκος. παιδίσκος
. Näher dem deutſchen ſte-
hen die ſlav. adj. auf -ſk, womit auch namentlich genti-
lia abgeleitet werden (Dobr. inſtitt. p. 330. Vuk p. 44.)
aber nie fügt ſich das ſlav. ſk, wie das nhd. -iſch zu
mannsnamen, vielmehr tritt dafür eine andere ableitung,
nämlich -ov, -ev ein (Dobr. p. 322.) z. b. pavlov (nhd.
pauliſch, pauliniſch) nicht pavlſki. Die litth. -iſzkas glei-
chen ſehr den deutſchen: lêtuwiſzkas (litthauiſch) rymio-
niſzkas (römiſch) dangiſzkas (himmliſch) buriſzkas (bän-
riſch) kuniſzkas (leiblich) dwaſiſzkas (geiſtlich) ſmertiſzkas
(tödtlich) diewiſzkas (göttlich) dieniſzkas (tägſich) kiauliſz-
kas (ſchweiniſch) etc.


ableitungen mit HT.

für -ht iſt der altn. zunge -tt gemäß; der vorherrſchende vo-
cal ſcheint o (für u), ſchwankend in a (ahd bei N.) und i; die
goth. ſprache weiſt noch kein beiſpiel dieſer ableitung auf.


1) nomina ſubſtantiva: ahd. kenne ich bloß inn-ah-
ten (viſceribus) N. 50, 12. und das daher geleitete adj.
inn-ahtîg N. p. 267a, 78. Wie lautet der nom. ſg.? —
[380]III. conſonantiſche ableitungen. HT.
Altn. gibt es ſchwache fem. auf -âtta (nicht -ôtta, folg-
lich dem adj. -ôttr kaum verwandt): bar-âtta (pugna, ae-
rumna); for-âtta (aeſtus maris, odium); kunn-âtta (ſcien-
tia); vëdr-âtta (temperies aeris) ô-vëdr-âtta (intemperies);
vîd-âtta (latitudo); vin-âtta (amicitia); wären ſie mit âtt
(regio, plaga) oder ætt (genus) componiert? doch dieſe ſubſt.
gehen ſtark, wie das ahd. ahta. Barâtta gehört zu berja
(ſchlagen, ſchlacht, wie das compoſ. bar-dagi); die wurzel
von forâtta iſt mir dunkel, die der übrigen liegt am tage. —
Nhd. ſubſt. auf -icht ſind aus organiſchem -ich erwachſen:
hab-icht (oben ſ. 285.) dorn-icht, kehr-icht etc. (ſ. 313.)
geſchwiſtr-icht (ſ. 314.) —


2) adjectiva:
ahd. ang-oht (aculeatus) monſ. 338; aſtal-oht, aſſim. aſtol-
oht (nemoroſus) jun. 240; chrinn-oht (toroſus) doc. 206b
monſ. 390. (wo chirinnoht, doch chi-rinn-oht verbietet
das gi-chrinn-oht bei Doc.) vgl. chrinnin (chrinnûn) teſ-
ſerae, quibus frumentorum numerus deſignatur, doc. l. c.
und Stald. 1, 132. unter krinne; chrâph-aht (uncinoſus) N.
Boeth.; haſtal-oht (ſcorpius?) doc. 218a, vermuhl. aſtal-oht?;
haol-oht (ponderoſus) caſſ. 855a = hôl-oht (hernioſus) monſ.
332. aug. 119a; holz-oht (nemoroſus) jun. 240; horn-oht
(cornutus) jun. 199. horn-aht N. Boeth.; hovar-oht (gib-
boſus) jun. 207; maſar-oht (tuberoſus) gl. vind.; miſel-
oht (leproſus) N. 73, 11; ſui-pog-oht (forniceus) doc.
238b; poum-oht (nemoroſus) aug. 119b; ringil-oht (hama-
tus) monſ. 326. doc. 231b; ſcîp-oht (polymitus) monſ. 321.
339. 340; ſcoup-oht? (ſcabroſus) gl. vind.; ſprëckil-oht
(maculoſus) doc. 236b; ſtein-oht (petroſus) T. 75, 2. bei
Palth. (doch hat der ſ. gall. cod. das ſubſt. ſteinahi) 71, 3.
ſtehet ſtein-aht; ſtucchil-oht (diviſus) doc. 273a; ſtrimal-oht
(ſegmentatus) doc. 237b; flor. 983a talli-oht (convalleſtris?) jun.
198. ſcheint entſtellt, vielleicht tal-oht, oder talj-oht?; vlecch-
oht (maculoſus) hrab. 969a; wurm-oht (vermiculoſus) jun.
231; zuiſil-oht (bifurcus) gl. ſ. gall. — In den meiſten dieſer
belege ſteht flectierte form, die unflectierte T. 71, 3. jun. 240.
wo aſtolohti, holzohti adj. zweiter decl. ſcheinen, vielleicht
aus adj. gebildete neutrale ſubſt. ſind? holzohti (locus ne-
moroſus)? Aber auch gl. ker. 130. quî-ohti (frondoſus)
161. unbart-ohti (imberbis) 183. thorn-ohteo (ſpinoſa)?
277. beſtimmt das ſubſt. tal-ohti (valla). — Haben einige
unorg. l eingeſchoben? für aſtaloht ſollte man aſt-oht (ra-
moſus) vermuthen, oder liegt ein verlornes ſubſt. aſtal,
aſtali? ein verbum aſtalôn zu grunde? wie bei ringiloht
ringili, ringilôn.


[381]III. conſonantiſche ableitungen. HT.

agſ. -iht, zuweilen -eht aber beides ohne umlaut:
bog-iht (arcuatus); cropp-iht (racemoſus); dylſt-iht (ſa-
nioſus); hær-iht (crinitus); hôc-iht (aduncns); ſtæn-iht
(lapidoſus); þô-iht (argilloſus); þorn-iht (ſpinoſus).


altn. -ôttr: hâ-bein-ôttr (longipes); bild-ôttr (albus,
palpebris nigricantibus); blett-ôttr (maculatus); brögd-
ôttr (doloſus); bröſ-ôttr (irritabundus); depl-ôttr (ſcutu-
latus) von depill (nubecula); drop-ôttr (guttatus) ſtor-
drop-ôttr (dicktropficht); dil-ôttr (maculoſus); dröfn-ôttr
(undulatus) von dröfn (unda); fleck-ôttr (diſcolor); frëkn-
ôttr (lentiginoſus); giör-ôttr (venenoſus) edd. ſæm. 170;
golſ-ôttr (ventre furvo); hnöck-ôttr (cervice diſcolore);
hnöckr-ôttr (ſcaber); hnodr-ôttr (floccoſus); hnött-ôttr (glo-
boſus); hol-ôttr (foraminoſus); hvæl-ôttr (lacunoſus); kilp-
ôttr (ſinuoſus); klepr-ôttr (nodoſus) von kleppr (tumor); koll-
ôttr (obtuſus); krîngl-ôttr (rotundus); krekl-ôttr (tortuoſus);
lûn-ôttr (inconſtans); môâl-ôttr (glaucus) vgl. môâla (equa
colore glaucino); mold-ôttr (cinereus); grâ-mön-ôttr
(jubâ griſeâ); mög-ôttr (ventre nigro); rönd-ôttr (ſtria-
tus); ſnepl-ôttr (villoſus); ſök-ôttr (culpoſus); ſprëkl-ôttr
(maculoſus); ſtiörn-ôttr (alba macula frontis inſignitus);
for-ſtock-ôttr (caducus); tind-ôttr (dentatus).


mhd. meiſt noch -oht, zuweilen -aht, allmählig (na-
mentlich bei Conr.) -ëht, wurzelumlaut nur begründet,
wenn eine zwiſchenableitung mit i einwirkt: bart-oht
(barbatus) Parc. 127c; hover-oht Jw. 4b; hocker-ëht
Bon. 76, 7; krupp-ëht Morolf 44b; reidel-oht, reidel-ëht
(criſpus) Parc. 60c 192b; rœſel-oht (roſeus) amur 649.
2120. rœſel-ëht Ben. 29. 62. 71. troj. 116b ſchmiede 63.
mit unorg. l für rôſ-ëht? oder von dem diminutiv rœſel
und darum umlautend?; rœtel-ëht (ſubrufus) kl. 1848.
(1759) wo rôteliht, von einem verbo rœteln (ſubrubere)?;
runzel-oht (rugoſus) troj. 79b; ſchîbel-ëht (rotundus)
Vrîb. 1328, wieder von einem dimin.?; ſnabel-aht (ro-
ſtratus) Ernſt 32b im reim; ſprikel-ëht (maculoſus) troj.
72b; ſtrîf-ëht (virgatus) ſchwanr. 910; ſtück-oht (fruſtu-
lentus) Parc. 93b; ſwibel-ëht (ſulphuratus) Karl 33a; tôr-
ëht (ſtultus) Bon. 52, 53; triutel-oht (amabilis) MS. 2,
180b triutel-ëht MS. 1, 25b Ben. 22. 58. 62. 66. von dem
dim. triutel, triutelîn; velwel-oht (albicans?) Parc. 27b,
von velwelen (albicare) wurzel val (pallidus); wegg-ëht
(cuneatus) troj. 28c; weſer-ëht fragm. 32b, wenn die les-
art richtig, verſtehe ich nicht; ſchâch-zabl-ëht (in mo-
dum ludi latr. diviſus) troj. 23a; zinnel-oht (carminatus)
Maria 102. wenn nicht, wegen des vorſtehenden ge- lie-
[382]III. conſonantiſche ableitungen. HT.
ber ein part. anzunehmen und zu leſen iſt gezinnelôten
hare?; zinzel-ëht (cinctus?) MS. 2, 86a, denn bei demſel-
ben dichter ſcheint zinzel für cingulum zu ſtehen, 2, 80a,
auf jeden fall gehört es zur weibl. bruſtbekleidung. —
Conr. gebraucht in den meiſten der hier aus ihm gegeb-
nen belege -ëhte ſt. ëht, was an das ahd. -ohti ſt. oht
gemahnet.


nhd. -icht, in der regel ohne umlaut, der mir in
höckericht und thœricht unbegründet ſcheint: bein-icht;
berg-icht; binſ-icht; buckel-icht; dorn-icht; erd-icht;
felſ-icht; ſett-icht; grâſ-icht; haar-icht; höcker-icht;
holz-icht; holper-icht; kahn-icht (mucidus); kropf-icht;
mehl-icht; moſ-icht; nerv-icht; runzel-icht; ſchimmel-
icht; ſchwefel-icht; ſprenkel-icht; ſtein-icht; ſumpf-
icht; thœr-icht u. a. m. Man merke a) das ſchwanken
der ſchriftſprache zwiſchen dieſem -icht und -ig (ahd.
-ac), z. b. es heißt ebenwohl: bein-ig (hochbeinig, drei-
beinig, wie vierfuͤßig) berg-ig, erd-ig, grâſ-ig, môſ-ig,
ſtein-ig etc., ſeltner -ig (ahd. -îc): bärt-ig, här-ig (kaum
aber thœr-ig). — b) die volksſprache kürzt zuweilen das
-icht (wofur ſie auch noch -echt, -ocht, -acht gebraucht
in -et: knorr-et (knorricht) klapper-et (klappericht) ſtink-
et (ſtmkicht) vgl. Schm. §. 1032. dergleichen adj. häufig
bei H. Sachs. — c) anderemahl fugt ſie den compoſitis
mit -lich der ſchriftſprache, welch egeſtalt, farbe, oder ge-
ſchmack anzeigen, ein ſcheinbar ungehöriges -t hinzu,
ſtatt läng-lich, gruͤn-lich, gelb-lich, röth-lich, ründ-lich,
ſüß-lich, ſäuer-lich ſetzend; länglicht: grünlicht, gelb-
licht, ſüßlicht etc. Allein hier ſcheint der irrthum faſt
auf ſeiten der ſchriftſprache, nämlich gruͤnlicht nicht zu
nehmen für gruͤn-lich-t ſondern für gruͤnl-icht, von ei-
nem verbo gruͤneln, weißeln, ſuͤßeln (ſubvirere, ſubal-
bicare, ſubdulce ſapere). Dieſe verba enthalten eigentlich
den begriff der farbähnlichkeit, des beigeſchmacks. Ich
habe ſie oben ſ. 115. für unorganiſch erklärt, und es läßt
ſich freilich kein ahd. kruonilôn, ſuoƷilôn oder kruonilên,
ſuoƷilên nachweiſen, ſo wenig als ein adj. kruonil-oht,
ſuoƷil-oht. Das mhd. rœtel-eht, velwel-oht führen in-
zwiſchen auf rœteln, velwelen (vielleicht rœſel-oht, rei-
del-oht auf rœſeln, reideln?) und deutlich ſtreitet wider
das nhd. gruͤnlich, ſuͤßlich, daß die frühere ſprache keine
ſolche compoſ. erkennt, wohlzuverſtehen in der bedeutung
ſubviridis, ſubdulcis. Kruoni-lîh, kruon-lîh würde näm-
lich viridis heißen, wie ſuaƷ-lîh dulcis heißt (O. V. 12,
180.), bitter-lich noch heutzutage amarus, nicht amari-
[383]III. conſonantiſche ableitungen. HT.
cans (pittaril-oht?), unerachtet wir mit dem formell
gleichen ſuͤßlich den begriff von ſubdulcis, nicht von dul-
cis verknüpfen. — d) die volksſprache pflegt ihrem -icht,
-echt, -ocht, -acht noch die weitere ableitung -ig bei-
zugeben, folglich zu ſagen: binſ-acht-ig (juncoſus) dorn-
acht-ig (ſpinoſus) graſ-acht-ig (herboſus) kahn-echt-ig
(mucidus) rind-echt-ig (cruſtoſus) etc. Eine menge bei-
ſpiele ſchweizeriſcher -ocht-ig hat Stald. dial. 221-223.
Ich weiß weder ein ahd. -oht-îc (-oht-ac?), noch ein
mhd. -ëht-ec, noch ein nhd. -icht-ig.


Auch die agſ. mundart kennt kein -iht-ig, die altn.
kein -ôtt-ugr, neben -iht, -ôttr. Im engl. haben ſich alle
-iht in -y (= ig) verwandelt: hook-y (aduncus) ſton-y
(petroſus) thorn-y (ſpinoſus) und an ein thorn-ight-y
ſton-ight-y iſt nicht zu denken. Aber im nnl. treten
haufenweiſe adj. bildungen mit -acht-ig (dorn-achtig,
wît-achtig, bitter-achtig, hout-achtig etc.) im ſchwed. mit
-akt-ig (grå-aktig, glas-aktig etc.) im dän. mit -agt-ig
(nöj-agtig, tyv-agtig etc.) hervor. Bloßes -acht, -akt,
-agt hat keine dieſer ſprachen. Was iſt davon zu halten?


Vorerſt entſprechen die ſchwed. -aktig, dän. -agtig
nicht den altn. -ôttr, aus welchen ſchwed. -ot, -at, dän.
-et geworden iſt, vgl. ſchwed. fläck-ot (fleck-ôttr); ſchwed.
frekn-ot, dän. fregn-et (frëkn-ôttr); dän. mank-et (mön-
ôttr); dän. ſpragl-et (ſprëkl-ôttr); nopp-et (floccoſus);
brog-et (diſcolor) ſchwed. brok-ot; dän. haard-nack-et
(ſchwed. hård-nack-at) etc. Wohl aber vergleichen ſich
jene -aktig, agtig den nnl. -achtig und den -echtig, och-
tig, deutſcher volksmundarten. Sie ſcheinen daher aus
der fremde eingeführt. Vgl. ſchwed. gras-aktig, dän.
gräs-agtig, nnl. gras-achtig, ſchweiz. gras-ochtig; ſchwed.
grôn-aktig, dän. grœn-agtig, nnl. grœn-achtig, ſchweiz.
gruͤn-ochtig; ſchwed. barn-aktig, dän. barn-agtig, nnl.
kinder-achtig, ſchweiz. kind-ochtig und viele ähnliche,
denen theilweiſe nhd. -icht oder -lich f. l-icht zur ſeite
ſtehen, oft aber nicht, z. b. kein nhd. kind-icht oder kin-
der-icht (wofür kind-iſch). Was dann die nnl. -achtig
insbeſondere betrifft, ſo mögen wenigſtens einzelne der-
ſelben wahre compoſita ſein und dem nhd. -haftig ent-
ſprechen, ft in cht verwandelt und h weggeworfen, bei-
des nach nl. lautlehre. Beiſpiele: dêl-achtig (theil-haftig)
wâr-achtig (wahr-haftig) fabel-achtig (fabel-haft) zu de-
nen ſchwerlich ſchweiz. teil-ochtig, war-ochtig angeführt
werden können, obſchon Stald. dial. 224. fabel-ochtig
wagt. Da nun der dän. ſchwed. zunge jene aphäreſis
[384]III. conſonantiſche ableitungen. HT.
des h und verwandlung des ft in gt, kt unangemeßen iſt,
gleichwohl ein dän. dêl-agtig (particeps) fabel-agtig, var-
agtig (verax) ſchwed. var-aktig (durabilis) dêl-aktig (par-
tic.) vorkommt; ſo ſollte man beinahe denken, daß die
dän. ſchwed. -agtig, aktig dem grundtypus nach aus den
Niederlanden her eingedrungen ſeien. —


3) verba der ableitung -ht kenne ich nicht *).


anmerkungen zu HT:

α) berührung mit h-t (ſ. 203-207.); daß aber das
ahd. përaht, zoraht nicht për-aht, zor-aht ſei, fließt ſchon
aus dem abweichenden vocal (nicht për-oht, zor-oht)
und aus dem altn. biartr (nicht bër-ôttr) agſ. bëort (nicht
ber-iht). Auch wird hol-oht hernach nicht zu holht, wie
përaht zu përht.


β) bezweifelt werden darf gleichwohl nicht, daß -ht
in zwei urſprünglich geſonderte ableitungen h und t zer-
falle. Es folgt aus ſeiner verwandtſchaft mit der ablei-
tung -h und ſelbſt -g. Dem Gothen ſcheint -ht noch
unbekannt, er ſetzt ſtáin-ah (petroſum) ſtatt des ahd.
ſtein-aht, ſtein-oht. Im ſubſt. lautet aber auch die ahd.
form noch hap-uh, eihh-ahi; die nhd. hab-icht, eich-
icht. Das ahd. apuh lautet ſchweiz. abächtig. Das t
ſcheint ſich allmählig anzubilden (vgl. ſ. 210.).


γ) wie -ah an -ag grenzt (ſ. 316.), ſo auch -aht, -oht
an -ag, ahd. -ac (minder an -eig, ahd. -îc). Statt der
ahd. loupac, ſnêwac, riuchac ließe ſich ein loupoht etc.
denken, denn alle überſetzen lat. auf -oſus und wenn
poumoht zuläßig, warum nicht loupoht? Oben ſ. 293.
iſt aus Barl. 42, 10. ein mhd. dornec (ſpinoſus) beige-
bracht, im agſ. ſtehet þorniht. Um ſo weniger darf das
nhd. ſchwanken zwiſchen -ig und -icht (ſ. 382.) ver-
wundern.


δ) verſchiedne ſprachforſcher haben in unſrer ablei-
tung die wurzel ahta (cura, cogitatio) ahtôn (putare) ge-
funden, alſo compoſition ſtatt derivation. Dieſe anſicht
iſt ſchon vorhin für die altn. ſubſt. auf -âtta verworfen
worden und muß noch beſtimmter für die adj. -oht, -ôttr
verworfen werden. Das -t ſcheint (anmerk. β.) unur-
ſprünglich; es könnte alſo in dem goth. ſtáinahs und ahd.
[385]III. conſonantiſche ableitungen. HT.
eihhahi wieder kein aht, ſondern nur deſſen wurzel ah
liegen, was niemand behaupten wird. Selbſt bei den
ſpäteren nnl. achtig, ſchwed. aktig, dän. agtig iſt, da
keine dieſer ſprachen einfaches adj. achtig etc. kennt,
kaum an eine ſolche zuſ. ſetzung gedacht worden.


ε) die adj. -oht, -ôttr beziehen ſich meiſt auf etwas
leibliches, ſinnliches, wie es von außen erſcheint. Sie
ſtehen daher den adj. auf -în (ſ. 176.), die den innern
ſtoff ausdrücken, gewiſſermaßen gegenüber, vgl. ſteinîn,
hulzîn, durnîn, poumîn, eihhîn etc. mit ſteinoht, holz-
oht, dornoht, poumoht, eihhoht. Die ſprache bezeich-
net durch ſie hervorſtechende äußere merkmahle, flecken
und gebrechen. Zuweilen gelten ſie aber auch von un-
ſinnlichen eigenſchaften, z. b. altn. brögdôttr, bröſôttr,
ſökôttr. Die bedeutungen von -haft, -ähnlich, ſcheint erſt
das ſpätere -ochtig, -achtig mitzuführen.


ζ) die beigeſetzten lat. wörter thun eine große über-
einſtimmung dieſer deutſchen adj. mit den lat. auf -oſus
dar; wenn -ahs die urſprüngl. deutſche form wäre,
könnte ſelbſt die verwandtſchaft der ſpiranten ſ und h
(1, 584. 592.) in anſchlag kommen *). Doch reichen die
lat. -oſus weiter und begegnen auch andern deutſchen
ableitungen, namentlich denen mit -ag, -al (animoſus,
formoſus, ſamoſus, linguoſus). Aus dem litth. ſind zweier-
lei derivata zu vergleichen 1) die mit -otas, -ůtas: ak-
menůtas (ſteinicht) akſtinnůtas (dornicht) barzdůtas (bär-
tig) groblótas (narbicht) guz’ótas (knorricht) kampůtas
(eckicht) karbůtas (ſchrumpflicht) klajotas (heckicht) mi-
glotas (neblicht) miltotas (mehlicht) plaukotas (haaricht)
plunkſnótas (ſedericht) ragůtas (hornicht) ſnegotas (ſchnee-
icht) etc. 2) die mit -okas, welche annäherung in ge-
ſtalt, farbe, geſchmack ausdrücken: baltokas (albicans)
ilgokas (ſublongus) kartokas (ſubamarus) ſaldokas (ſubdul-
cis) apſkrittókas (ſubrotundus) etc. Das k könnte dem
deutſchen h, das t dem deutſchen t (in ht) entſprechen;
doch gleicht das t auch dem lateiniſchen in alatus (ſlav.
krilat, verſch. von krilaſt) cornutus (ſl. rogat, verſch. von
rogaſt) barbatus (ſl. bradat) crinitus (böhm. vlaſaty) pen-
natus (böhm. pernaty) nivatus (neben nivoſus) anſatus,
B b
[386]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
hamatus etc. *). In ihnen ſcheint zwar das t verbaler
natur; oder wäre das nicht und eine ſpirans davor aus-
gefallen, wie in dem ſchwed. -ot, dän. -et und dem -et
deutſcher volksdialecte?


Schlußbemerkungen zum zweiten capitel.


1) [vocale der ableitung] die reinvocaliſchen liefern:

aiuáiô
die (einfachen) conſonantiſchen:
alilul
arur
amum
aninuneinôn
ab?ib?ub?
aviv?uv?êv?
atitutáit?
adidudôd
áiþ? êþ?ôþ
aſiſuſ
akikuk
agugeig
ahuh

die mehrfachen und wahrſcheinlich zuſammengeſetzten:
[...]ll, ull, arr, irr, urr, inn, unn, aſſ, iſſ, uſſ, olf, ald,
ild, elſ, arn, irn, urn, ant, int, and, ind, ink, ang, ing,
ung, iſt, uſt, aſk, iſk, aht, iht, oht.


Durch alle dieſe ableitungen wird ein hauptreſultat
des erſten buchs, die beziehung ſämtlicher vocallaute auf
die drei kurzen a, i, u, beſtätiget. Goth. aí und aú ent-
wickeln ſich in den ableitungen faſt gar nicht (nur aírns
ſ. 336.); ebenſowenig ahd. ë, wohl aber o (aus u). Die
langen vocale ſtehen in der ableitung ſehr zurück; áu
(ou), û und iu kommen nicht vor (wie kein û im ab-
laut, vgl. oben ſ. 7.); ê = â kaum (vgl. ſ. 192. 252.); mehr
ô, ái. ei (î). Indeſſen ſind die von keiner conſonanz be-
gleiteten ableitungen ô und ái (ê), in ihrer häufigen
miſchung mit flexionsvocalen (ſ. 95.), eine ſeltſame, künf-
tige aufklärung bedürftige erſcheinung.


[387]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.

Nach und nach werden die alten vocalverhältniſſe der
meiſten ableitungen geſtört und aufgehoben, ihre leben-
dige färbung erblaßt. Langvocaliſche retten ſich nur in
ſeltnen fällen, wenn ſie den zweideutigen ſchein von wur-
zeln annehmen, ſo -eiƷ (ſ. 221.) -eit (ſ. 251.) -uot (ſ. 256.)
In der regel werden lange und kurze vocale zu unbe-
tontem und ſtummem e oder i, das nach umſtänden ganz
ausfällt. Seit dem zehnten jahrh. iſt im ahd. faſt kein a,
i, u der ableitung in urſprünglicher reinheit mehr anzu-
treffen. Nur da, wo ſchein einer wurzel entſpringt,
kann ſich auch der kurze vocal erhalten, vgl. -ſal (ſ. 106.
107.), -und (ſ. 343.), -niſſ, -ling, in mehrfachen ſelbſt
ohne ſolchen ſchein, -ing, -ung; zuweilen verändert er
ſich (eidam, ſ. 151.). Reinvocaliſche ableitungen ſchwinden
häufig ganz, zumahl bei nachfolgender flexion (nament-
lich in den ſchwachen conjugationen und in den zweiten
declinationen); bisweilen auch unflectiert, z. b. im nhd.
netz, bett, heer, meer, glück. Geſchwundnes i, oder
daß tonloſes e der ableitung früher i, î war, zeigt der
umgelautete wurzelvocal an (nhd. netz, engel, knüttel),
ſo wie unumlaut unorganiſches i verräth (muthig, gewal-
tig). Aehnliches gilt vom altn. u der ableitung.


Betrachten wir die vocale in dem älteſten ſtande die-
ſer ableitungen, ſo ſcheint zwar das u mehrern formeln
zuzukommen, als das i, da es namentlich kein ir, im,
ig, ih gibt. Allein die meiſten formeln des i ſind dafür
reichhaltiger, beinahe wie die des a. Frühere u pflegen
mitunter in i überzutreten (ſigu, ſigi; wirtun, wirtin)
und dann das ſchickſal der übrigen i zu theilen. Das
wichtigſte in dem verhältnis der drei ableitenden kurzen
vocale iſt aber theils die abweſenheit des a in reinvoca-
liſchen ableitungen (ſ. 92. 93.), theils ſein übergewicht in
den conſonantiſchen, theils in dieſen ſein leichterer aus-
fall. Drei erſcheinungen, deren urſachen vermuthlich
nahe zuſammenhängen.


Warum iſt das bloße, von conſonanten unbegleitete
a in der wortbildung kein ableiter? Der grund, daß es
in der flexion zu viel gebraucht werde, reicht nicht hin,
zumahl die flexionsvocale nach den dialecten großer ver-
ſchiedenheit unterworfen ſind. In goth. und agſ. flexio-
nen mag a freilich vorherrſchen, von den ahd. läßt es
ſich weniger behaupten. Auch haben i und u in den
flexionen keine kleine rolle zu ſpielen. Es muß alſo ein
tieferer grund vorhanden ſein, den uns die geſchichte
B b 2
[388]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
deutſcher ſprache nicht mehr durchſchauen läßt *). Iſt
das a, die mitte haltend zwiſchen i und u, überhaupt
ein neutraler, zur beſtimmung des beſondern ungeſchick-
ter laut? Drückt es auch in conſonantiſcher ableitung
ein allgemeineres, ruhigeres verhältnis aus, als die mit
conſonanten verbundnen i oder u? Wird es darum in
conſonantiſcher ableitung leichter entbehrlich, als i und
u, die ſich ſpäter verlieren, denen in den meiſten fällen
noch ein umlaut gleichſam nachſcheint? Die älteſte
deutſche mundart, die gothiſche, ſtößt kein ableitendes
i und u aus, aber ſehr viele a. Es gibt ſogar fälle, in
denen alle deutſchen ſprachen, ſelbſt die ahd., den ablei-
tungsvocal, d. h. das a, unterdrücken, nämlich α) bei
den ableitungen f-t, ſ-t, h-t, ſ-k; haftete er hier, ſo
würde lautverſchiebung erfolgt, für t ein þ eingetreten
ſein, vgl. ahd. lioht, lieht mit goth. liuhaþ (ſ. 237,); aber
die vollen formen gaſaþs, magaþs, fiſahs ſtatt gaſts, mahts,
fiſks wären unerhört **). β) da, wo zugleich die ſpi-
rans der wurzel verloren geht, am häufigſten alſo vor
ableitendem m und þ: blôma, môþs ſtatt des volleren
blôhama, môhaþs; ſêla ſtatt ſêvala ***).


Dieſe beiden allgemeineren ausnahmen abgerechnet
bringe ich den wegfall des a zwiſchen zwei conſonanten
(einem der wurzel, dem andern der ableitung) unter fol-
genden geſichtspunct. Es ſcheint grundgeſetz unſerer
ſprache, nur ſolche als wahre wurzeln anzuerkennen, die
auf den vocal einfache conſonanz haben (ſ. 6. erſte wur-
zelclaſſe). Von zwein conſonanten auf den wurzelvocal
iſt der hintere ableitend und zwar entw. muta auf liq.,
dann kann die muta noch mitablauten und es entſpringt
ein analogon von wurzel (ſ. 8. zweite wurzelclaſſe); oder
liq. auf liq. und muta, muta auf muta, dann iſt kein ab-
laut möglich und die ableitung liegt am tage. Der erſte
[389]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
fall (muta auf liq.) *) begreift die ſtarken verba zwölf-
ter conj. und ähnliche reduplicierende, ſamt dem, was
aus ihnen hergeleitet wird. Hier dulden die meiſten
mundarten, namentlich die gothiſche keinen ableitungs-
vocal; die muta der ableitung iſt mit der liq. der wurzel
enge verwachſen. Für goth. ſviltan, finþan, vaírþan,
þinſan, drigkan, baírgan, filhan gibt es durchaus kein
ſvilatan, finaþan, vaíraþan, þinaſan, drinakan, baíragan,
filahan. Die ablaute ſcheinen eben erſt aus ſo inniger ver-
bindung beider conſonanten hervorgegangen zu ſein (vgl.
oben ſ. 98.). Allein die ahd. mundart zeigt noch ver-
ſchiedentlich das a der ableitung, hauptſächlich zwiſchen
l und r der wurzel und gutturalis der ableitung, vgl. vë-
lahan, përakan und ablautend valah, parac, vuluhun, pu-
rukun (aſſim. f. vulahun, purakun) desgl. die ſubſt. vëlah,
vëlaho, përac, puruc. Zuweilen auch vor labialer ablei-
tung, man darf aus waraf, huerabôn ein ſtarkes verbum
wëraſan, huëraban folgern, denen ein hëlafan f. hëlfan
völlig analog wäre. Wie aber jene vëlahan, përakan
bald ausſterben, ſo können früherhin zwiſchen l und r
der wurzel und lingualis der ableitung a geſtanden ha-
ben? und warum nicht auch nach m und n, wie nach
l und r? Für ſmëlzan, wërdan, dimphan, vindan, din-
ſan, trinchan ältere ſmëlazan, wëradan, dimaphan, vina-
dan, dinaſan, trinachan? Wer die möglichkeit leugnete
und in velahan, përac, waraf ein bloßes der ahd. ſprache
eigenthümliches wohllautsprincip **), behauptete, föchte
den theoretiſchen ſatz an, von dem ich vorhin ausge-
gangen bin, daß der zweite auslautende conſ. nicht wur-
zelhaft ſein könne. Ihn beweiſen einzelne beiſpiele, z. b.
das aus ſwînen herzuleitende ſwinden. Die ableitung aber
zugegeben, ſehe ich kaum ein, wie der vocal vor dem
conſ. abzuſprechen iſt. Und fehlt er nicht minder im
goth. zwiſchen muta und liq.? wäre er auch da im ahd.
[390]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
bloß euphoniſch? Im andern hauptfalle (liq. auf liq. und
muta
, muta auf muta) wo die ableitung fühlbarer iſt,
tritt das a noch zuweilen im goth. hervor, im ahd. weit
öfter, als bei dem erſten fall. Der Gothe läßt es zwi-
ſchen m und l (amala), nicht zwiſchen m und r (timr-
jan) r und m (arms) r und n (barn, þaúrnus, außer wenn
in mehrfacher ableitung ſchon ein vorausgehendes a weg-
fiel, akran, nicht akrn), von r und l iſt kein beiſpiel da
(ſagte er karls oder karals?). Gern bleibt a nach h (ſla-
hals, ahaks, ahana, liuhaþ, láuhatjan, doch ſtehet ahma,
hiuhma, þraíhns, aúhns) nach v (ſáivala, hláivaſna), in
framaþis, þiudans, magaþs, mitaþs, naqvaþs, káiſar, brô-
þar (vgl. ſ. 121. note) anþar und in allen ableitungen
-areis, -ags, -ahs. Beiſpiele fehlender a ſind ſodann:
ſvibls, ïbns, áibr, ſitls, maþl, ſnutrs, vintrus, blôſtr,
máiþms, hleiþra, fugls, ligrs, akrs etc.*). Die entſpre-
chenden ahd. formen haben meiſt den vocal bewahrt,
bloß zwiſchen r und n ſcheint er auszufallen, von dem
flexiviſchen a verſchieden, das ſich zwiſchen r und n er-
hält (ſ. 155. not.) Den gebrauch der übrigen dialecte
lehrt die abhandlung; allermeiſt im altn. wird das a, ſelbſt
wo es noch im goth. haftet, ausgeworfen, vgl. ömlûngar
mit amala, naktr mit naqvaþs, in þiódan dauert es. —


2) [ableitende conſonanten] unter allen treten die li-
quidae vor, zumahl l, r, n, weniger ſchon m. Damit
hängt wohl zuſammen, daß auch bei den mutis die dem
m verwandten labiales geringen, die dem n näheren lin-
guales u. gutturales bedeutenden einfluß in der ableitung
zeigen. Zu l und r verhalten ſich alle organe gleichför-
mig. Von den mutis erſcheint aber þ in der ableitung
der wichtigſte laut, um ſo mehr, da gezeigt worden iſt,
daß ihm eigentlich auch das t in den verbindungen ft, ſt,
ht gleichſtehe, wie das k in der formel ſk, der lautver-
ſchiebung nach, h ſein ſollte. Das kehlorgan hat ſich in
unſrer ſprache unvollſtändig entwickelt. Im goth. fehlt
die wahre aſpirata, die dem lat. c entſpräche, wie þ dem
lat. t. Erklärt ſich daraus das ſchwanken der ableitenden
h und g? h mag bald die wahre ſpirans vertreten, bald
jene mangelnde aſpirata. Aehnliche irrungen aus derſel-
[391]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
ben urſache entfpringen im ahd. Reſultat wäre: nächſt
dem l, r, n weiſen ſich die mutae þ (= lat. t) und h, g
(= lat. c) in der ableitung die geſchäſtigſten *).


Wegfallen können keine ableitenden conſ. leichter, als
die ſpiranten v, ſ, h (ſ. 192. 275. 310); t pflegt, unbe-
ſchadet der bedeutung, zu ſchwinden oder zuzutreten
(ſ. 210. 3; vgl. 1, 429. 1073.) ebenſo r (ſ. 143.) und n
(ſ. 182, b). Das n bedarf auch in einer umarbeitung des
erſten buchs neuer unterſuchungen. Vor ableitendem þ
und ſ unterdrücken es einige mundarten (cûð, liðe,
ſ. 239; gâs ſ. 263); anderemahl ſcheint es ſelbſt in die
wurzel zu dringen **) und dem auslautenden wurzelcon-
ſonanten anſehen einer ableitung zu geben. S. 216. not.
und ſ. 232. iſt der fall berührt worden ***). Für einzelne
wörter mit nt, nd, ns, nk, ng bleibt es auszumitteln,
ob ihr n. oder ob ihre ling. und gutt. wurzelhaft ſind. —
Ungehörige liquidae drängen ſich in folgenden fällen zwi-
ſchen die wurzel und den ableitungsvocal ein; l in -ling
(ſ. 364.); r in -rei (ſ. 97.) -rer (ſ. 131.) -ring (ſ. 365.)
-rœni? (ſ. 181.) -riſch (ſ. 377.); m in -muot (ſ. 256.); n
in -nei (ſ. 97.) -nære, -ner (ſ. 129.) -nede (ſ. 247.) -nâð
(ſ. 254. 255.) -niſſi (ſ. 322.) -niſc (ſ. 376.). Seltner und
ſpäter ſchiebt ſich r unmittelbar vor den ableitungsconſ.
ein: adj. -ern (ſ. 179.) verba -ern (ſ. 273.) vergl. auch
das eingeſchaltete ſ im nhd. dâſig, hieſig (ſ. 295.). — Ob
ſich ableitende conſonanten aus urſprünglich flexiviſchen
entwickeln können? darf etwa bei einigen n (ſ. 373.) ſ
(ſ. 275. vgl. 1, 1051. 1058.) oder t (ſ. 261. 223. vgl. 1,
826.) gefragt werden. Der fall wäre ganz verſchieden
von dem ſ. 91. geleugneten, daß ableîtungen an flexionen
hinzutreten dürften. —


3) [fühlbare und dunkle ableitungen]. Hätte ich in
der abhandlung mehr darauf ausgehen ſollen, die deut-
lichen, practiſchen ableitungen von den ausgeſtorbnen,
bloß theoretiſchen zu unterſcheiden? Iſt nicht das g in
durſtig, das z in jauchzen, das t in monat, das l in vo-
gel ganz ein anders, als das in berg, wälzen, bluͤte, ſeele?
Läßt ſich nicht aufſtellen: eine fühlbare, fortlebende ab-
leitung hält ihren vocal vor ihrem conſ. feſter, verbin-
[392]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
det ſich nicht bloß mit wurzeln, ſondern auch mit vor-
ausgehenden ableitungen, man darf ſie wegſchneiden und
das wort bleibt deutlich, ſie iſt fortſetzbar, d. h. ſie lei-
det neue anwendungen? eine ausgeſtorbne, veraltete gibt
ihren vocal auf, ſchließt ſich nur an die theoretiſche wur-
zel ſelbſt an, den ableitenden buchſtaben weggenommen
bleibt eine unverſtändliche form zurück, ſie dient zu kei-
nen neuen bildungen? Ich glaube nicht, daß hiermit
weit zu reichen ſei, am wenigſten, daß danach die dar-
ſtellung der einzelnen ableitungen habe geordnet werden
dürfen. Es werden in dieſer unterſcheidung merkmahle
angegeben, die nicht immer nebeneinander beſtehen kön-
nen. Der vocal a fällt ſchon ſeit der frühſten zeit aus,
wie die erſte anm. dargethan hat: ſoll das goth. fugls we-
niger abgeleitet ſein, als mikils? der hochd. dialect läßt
die a aufrecht und noch heute ſagen wir vogel wie beu-
tel (ahd. piutil); die länger dauernden i und u leiten nicht
deutlicher ab, als die eher ſchwindenden a; aber zuletzt
ſchwinden ja auch die i und u (nhd. ſtück, reich, ſieg,
menge f. menige). Der fehlende vocal in berg, arm be-
rechtiget alſo nicht, dieſe ableitungen für dunkler zu hal-
ten, als die ableitungen ameiſe, arbeit, deren vocal vol-
lautend geblieben iſt. Auf die verknüpfung mehrerer
ableitungen werde ich in der ſiebenten anm. kommen.
Das dritte kennzeichen würde ganz identiſche ableitun-
gen von einander trennen, z. b. ſollen jâmar, nëbal nicht
wie hlahtar, huotal beurtheilt werden, weil in jenen, nicht
in dieſen, durch wegnehmung der ableitenden buchſtaben
das wort verdunkelt wird? *) Noch enger iſi das vierte
merkmahl, denn wie deutlich uns heutzutage die wurzel
von zierde, behœrde geblieben iſt, dürfen wir doch nicht
[393]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
mehr ähnliche ſubſt. mit -de fortbilden. Was aber der
einen mundart bildbar erſcheint, weiſt leicht die andere
von ſich ab, was jener eine ableitung verdeutlicht, kann
ſich in dieſer verdunkelt haben. Die vierte anm. hebt
das wichtigſte hervor, was die hauptdialecte in der ab-
leitung auszeichnet. Es iſt freilich lehrreich, die ablei-
tungen, welche am tiefſten eingreifen, zulängſt dauern,
fortgeſetzt werden können und deutliche wurzeln erken-
nen (jede aber muß im augenblick ihres urſprungs mit
einer klaren wurzel verbunden worden ſein) zuſammen-
zuſtellen. Unſere nhd. ſchriftſprache beſitzt in dieſem
ſinne nur noch wenige ableitungen. Unter den reinvo-
caliſchen das einzige -e für fem., die von adj. ſtammen,
fühlbar (guͤte, weite von gût, weit) aber nicht fortführ-
bar und in vielen anwendungen veraltet. Schw. verba
mit hülfe des umlauts neu zu bilden verſagt ſie längſt.
Unter den conſonantiſchen ableitungen ſind lebendig ge-
blieben: fürs ſubſt. lein, -chen (verkleinerungen), -in
(movierte fem. ſ. 320.) -er, -ner (handelnde maſc.) -ling
(maſc.) -ung (handlungen) vielleicht auch -nis; fürs adj.
-ig (weniger -icht) und -iſch (aber nicht mehr fürs
ſubſt.); für verbum lebt eigentlich keine ableitung, es
müſten denn -eln (ſ. 115.) oder -ern (ſ. 137.) gewagt wer-
den, die -etzen (ſ. 219.) und -enzen (ſ. 341.) gehören der
volksſprache. Fühlbar bleiben einige mehr, z. b. die ma-
teriellen adj. auf -en, die neutra auf -icht. Es iſt leicht
einzuſehen, wie ſich überhaupt die neuere ſprache von
der ableitung zur compoſition neigt, daß unter jenen
haftenden ableitungen die meiſten durch vorſchiebung
unorg. conſonanten falſchen ſchein zuſ. geſetzter wörter
angenommen haben; die ſprache leitet, ihrer intention
nach, faſt nicht mehr ab.


Dies alles wird rechtfertigen, daß ich in darſtellung
der ableitungen mich ſtreng an die form gehalten habe,
ohne rückſicht auf die ſeltenheit oder geläufigkeit der
einzelnen formeln. Nur wo es nöthig war und angieng,
ſind beſtimmte reihen hervorgehoben (ſ. 161. fem. -anî;
ſ. 261. fem. itî, -ôtî, êtî; ſ. 157. fem. -ns) und geſchie-
den worden (ſ. 113. verkleinerungen -ili; ſ. 125. -r und
-ar; ſ. 217. intenſiva -atjan; ſ. 283. verba -ka; ſ. 289.
adj. -ac).


Für die älteſten, in ſämmtlichen deutſchen ſprachen
frühſt erloſchenen ableitungen ſind zu halten: α) alle,
welche ich verſteckte nenne, d. h. vor deren conſ. ein
conſ. der wurzel nebſt dem ableitungsvocal a (nicht i, u)
[394]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
weggefallen iſt. Hauptſächlich verlieren ſich die ſpiran-
ten vor l (ſ. 118.) r (ſ. 143.) m (ſ. 154.) n (ſ. 182.) þ
(ſ. 258.), auch wohl n vor ſ (ſ. 263.). Der ableitende
conſ. rührt alsdann unmittelbar an den vocal der wurzel
und ſcheint nach der oberfläche betrachtet wirklicher
beſtandtheil derſelben. Die ſcheidung ſolcher anſcheinen-
den wurzelconſonanten von den wahrhaften iſt noch
lange nicht für vollführt zu achten und namentlich bleibt
weiterer unterſuchung vorbehalten, ob auf dieſem wege
ableitungsconſonanten des ablauts mittheilhaftig werden?
(vgl. ſ. 154.). β) alle außer der lautverſchiebung liegen-
den, mit wurzelhaftem f, ſ, h verwachſnen t und k.
Dieſe können ablautend werden; zwar ſind keine ſtarken
verba ſt nachzuweiſen, wohl aber ſt (ſ. 202.) ht (ſ. 207.)
ſk (ſ. 278.). Die wurzel geht nach wegnahme des -t nur
zuweilen klar hervor (z. b. in hlouft, hruoft).


Gefühltere ableitungen treten ſchon in den formeln
auf, welche muta auf liq. enthalten und theoretiſch ins-
geſammt des ablauts befähigt worden ſind. Und noch
um eine ſtufe ſichtbarer erſcheint die derivation in den,
des ablauts unfähigen, formeln mit liq. auf muta und
mut. auf muta. Beide fälle ſetzen a als urſprünglichen,
leicht verflüchtigten ableitungsvocal voraus, gewähren
aber, wenn man die derivativen elemente wegſchneidet,
ſelten practiſch anſchauliche wurzeln.


Hierauf folgen ungefähr die rein vocaliſchen ableitun-
gen, deren princip ſich von früher zeit an ſo zu ſchwä-
chen und zu verlieren pflegt, daß dem gewöhnlichen
blicke die baare wurzel vorzuliegen ſcheint. Nach abge-
löſtem ableitungsvocal ergeben ſich zwar viele deutliche,
aber auch manche dunkle wurzeln. Nur die an ſich be-
denkliche ableitung -ei, -î (ſ. 96, 1.) fügt ſich an lauter
klare.


Die conſonantiſchen ableitungen mit den vocalen i und
u oder mit diphthongen werden niemahls ablautend, tre-
ten aber darum nicht immer zu anſchaulichen wurzeln.


Welche ableitungen die fühlbarſten ſind, läßt ſich
beßer in den formeln darlegen, als definieren. Es ſind
unter den reinvocaliſchen die fem. auf -ei (-î); unter den
conſonantiſchen die ſubſt. auf -areis, -ili (ſ. 113.), -ubni, -iþ,
-iþa, -ôþ, -iki (ſ. 285.), -ahi, -inna, -ing, -unga, -aſſus;
die adj. auf -ein, -ag, -eig, -iſk, -aht; die verba auf -iſôn,
[395]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
-atjan (und die goth. -nan, die altn. -na, -ka). Sie kön-
nen an den ſchon berührten kennzeichen geprüft wer-
den 1) ihr ableitungsvocal haftet (man-ags, vit-ubni,
diup-iþa, vit-ôþ etc.), doch mit ausnahmen, altn. -na,
-ka, nhd. -lein, -chen und im einzelnen z. b. altn. mar-
gr, höf-gr, nhd. men-ge, man-che etc. 2) ſie treten zu
deutlichen wurzeln. 3) ſie fügen ſich auch an vorausge-
gangne ableitungen (mah-t-eigs, faſ-t-ubni, jâm-ar-ac,
hov-ar-oht etc.). 4) ſie bieten größere reihen dar und
ſtehen zu neuen bildungen länger offen. Keins dieſer
kennzeichen iſt aber ausſchließlich, einzelne können auch
bei dunkleren ableitungen ſtattfinden. —


4) [dialectiſches und geſchichtliches]; jeder dialect
und in jedem zeitraum pflegt und vervielfacht gewiſſe
ableitungen vor andern. So iſt bemerkt worden, daß die
ahd. abſtracta auf -ida, -niſſi und -unga im mhd. viel ge-
ringern umfang erhalten, desgleichen die maſc. auf -ing
allmählig ausſterben, wogegen die nhd. fem. -in ſich aus-
gebreitet haben. Eigenthümlich der goth. ſprache iſt die
ableitung -ubni; von -ugg, -oht, inna weiß ſie nichts.
Der ahd. fremd ſind die goth. und altn. verbalia auf -ns
(ſ. 157. 159.), die goth. und altn. verba auf -nan, -na
(ſ. 166. 170.); aber die aus part. praet. gebildeten fem.
wiederum bloß ahd. (ſ. 161. 261.). Die altn. kennt nichts,
was dem ahd. -niſſi, -ahi (ſ. 312.) und -inna (ſ. 319.) ent-
ſpräche, wofür ihr die neutra auf -indi (ſ. 342.) verba
-ka (ſ. 283.) eigen ſind. Im ſchwed. und dän. haben die
-elſe weit um ſich gegriffen; -nt, -nk findet ſich bloß
ahd. und agſ. (ſ. 341. 347.); -nſ bloß ahd. (ſ. 345.). Selbſt
innerhalb derſelben mundart laßen ſich hin und wieder
engere grenzen ziehen, die in der abhandlung, ſo viel es
mir möglich war, bezeichnet worden ſind. Vgl. z. b.
die ſeltenheit der -ôd bei O. (ſ. 254.). —


5) [bedeutung] wie die mit bloßem laut und ablaut
gezeugten nomina der erſten (und vierten) declination
(welche, da ſie keinen ableitenden buchſtaben zeigen, nicht
unter die ableitungen gerechnet werden können, ſ. 90.),
die größte manigfaltigkeit der bedeutungen kundgeben;
ſo läßt es ſich erwarten, daß die ableitungsmittel den
ſchon im weſen der wurzeln gegründeten wechſel und
übergang des ſinnlichen und abſtracten, des perſönlichen
und ſächlichen nicht auf ein offenbares oder leichterklär-
liches ſyſtem zurückführen werden. Sie gewähren nur
einzelne, großentheils ſelbſt noch zweifelhafte beſtimmun-
[396]III. ableitung. ſchluβbemerkungen.
gen. Bei wörtern lebendiger ableitung wird wurzel und
anfügung geſondert gefühlt, eine ganze reihe gleicher
anfügungen erlaubt es auf den ſinn zu ſchließen. Bei
dunkeln ableitungen machen wurzel und zuthat einen
totaleindruck und nach vollbrachter zerlegung der formen
ſind damit die begriffe noch nicht klar geſondert, z. b.
wenn muot (animus) aus muoh-ad entſpringt, ſo hält
es ſchwer anzugeben, was eigentlich das -ad bedeute und
wie es die idee der wurzel modificiere. Doch läßt ſich
zuweilen, ſelbſt wenn die wurzel dunkel bleibt, aus zahl-
reichen ableitungen etwas über ihr eigenes weſen ver-
muthen. Was ich im allgemeinen voranzuſtellen ver-
mag, iſt: unter den ableitenden vocalen ſcheint a vor-
zugsweiſe das ruhige, i und u das bewegte zu bedeuten.
Daher vielleicht, weil ein bloßes, unabgeleitetes wort an
ſich den ſtand der ruhe ausdrückt, keine reinvocaliſche
ableitung a (ſ. 387.); treten aber ableitende conſonanten auf,
ſo wird nähere vocaliſche beſtimmung nöthig. Man er-
wäge die ſubſt. -al, -ar, -am, -an, -ahi, -aſſus und die
adj. -ag, -aht, im gegenſatze zu -il, -in, -iþ, -ing, -ung,
-iſk, iſôn und ſelbſt zu den reinvocaliſchen ableitungen
der zweiten declination und erſten ſchwachen conjugation,
wodurch viele lebendig wirkende weſen, ſachen und tran-
ſitiva gebildet werden. Ueber ableitende diphthongen
weiß ich nichts, von den conſonanten etwa nur das zu
ſagen, daß l mehr das liebliche, weiche, r mehr das harte
auszudrücken hat *) und daß häufung zweier conſ. gern
für das widrige gebraucht wird. Am ſchwer ſten iſt die
eigenthümlichkeit der ſpiranten, des n und t zu durch-
dringen, welche alle bisweilen zu- oder abtreten (vorhin
ſ. 391.) ohne die bedeutung zu ſtören. Gleiches dunkel
liegt auf dem m, das ſich ſehr fruhe in n, ſo wie ſ in
r zu verwandeln anhebt **), vgl. auch die verwandlung
des h in g. Nur die vocale ſind freilich noch veränder-
licher. Die hauptſächlichſten begriffe, welchen einzelne
ableitungen entſprechen, mögen nunmehr folgen.


[397]III. ableitung. ſchluβbemerkungen.

α) männliche perſonen: maſculina der zweiten (ſt. und
ſchw.) decl.; -il (ſ. 120.); -ari (ſ. 131.); -id (ſ. 241. vgl.
262.); -ing (ſ. 349.); -iſco (ſ. 374.).


β) weibliche: fem. der zweiten declinationen; -ila
(ſ. 113. 114.); -ara (ſ. 133.) -eſtre (ſ. 134.); -in, -un, in-
na (ſ. 319.); -îng (ſ. 355.); -iſka (ſ. 378.); vgl. unten
cap. VI.


γ) verkleinernd: -il (ſ. 120.); -ing, -ung (ſ. 360. 364.
365.); -ik (ſ. 284.) -ink (ſ. 348.); über alle vgl. cap. VIII.


δ) abſtammung von land und leuten: -ari (ſ. 128.);
-ing, -ung (ſ. 349. 364.); -erni (ſ. 338.); -iſk (ſ. 375.)


ε) haus, ort: -ern (ſ. 338.); -ahi (ſ. 312.).


ζ) menge, fülle: -ahi (ſ. 313.); -idi (ſ. 248.); vgl. -is,
-ir (ſ. 270.); bei den neutris collectivis auf i- ſcheint aber
der begriff weſentlich in dem vorgeſetzten gi- zu be-
ruhen.


η) thiere: -ſ (ſ. 275.) vgl. das plurale -ir (ſ. 270.)


θ) werkzeuge; -il (ſ. 120.); -anſ (ſ. 347.).


ι) fehler, gebrechen, gehäßiges: -olf (ſ. 331.); -aldi
(ſ. 333.); -ard (ſ. 340.); -aſt (ſ. 356. 367.); -oht (ſ. 388.);
-iſch? (ſ. 378.); -ling (ſ. 365.).


κ) materielles: -ein (ſ. 176.).


λ) abſtractes: fem. zweiter ſt. und dritter ſchw. decl.
auf -ei, -î; goth. auf -ns (ſ. 157,); ahd. auf -anî (ſ. 162.);
-ubni (ſ. 184. 365.); -iþa (ſ. 242.); -ôþ (ſ. 252.); -iſal
und -elſi (ſ. 106. 335.); -indi (ſ. 342.) -aſſus (ſ. 321.);
-unga (ſ. 360.); aber mit manchen unterſchieden. Die
geſchehende handlung drücken -ns, -unga, -ôþ aus; den
erfolgten ſtand der dinge -î, -aſſus (-naſſi); zwiſchen bei-
den in der mitte liegen -iſal, -iþa. Einerlei mit murmu-
lunga iſt murmulôd; einerlei mit ſuoƷî ſuoƷniſſi. Für das
ahd. tiufi ſtehet goth. diupiþa, nicht diupei, aber auch
das ahd. ſcônida wird kaum etwas anders bedeuten, als
ſcônî; arparmida, ziſtôrida drücken wir heute durch er-
barmung, zerſtœrung aus, wie kihaltniſſi, irſtantniſſi
durch erhaltung, auferſtehung. Das nhd. -ung dient öfter
für den ruhigen zuſtand, als das alte -unga (vgl. feſtung).
Handlung und zuſtand bezeichnen manchmahl auch die
dunkleren ableitungen -m und -t (qualm, galm, flucht,
geſchicht).


[398]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.

μ) verba: die erſte ſchw. conj. gewährt meiſtens tran-
ſitiva, die zweite und dritte gewöhnlich neutra *). Die
goth. intranſ. auf -nan gehen anomal (1, 854.), die altn.
-na (ſ. 170.) nach zweiter ſchwacher. Nach erſter ſchw.
die intenſiva -atjan (ſ. 217.); unſicher nach welcher? die
geruch und geſchmack anzeigenden -enzen (ſ. 341.). Nach
zweiter alle folgenden: die frequentativa -iſôn (ſ. 271.);
die altn. -ka, -ga (ſ. 283. 287. 296.); die neueren -eln
(ſ. 119.) und die meditativa -ern (ſ. 138.) **).


Verwirrungen der bedeutung iſt von dem ſprachgeiſte
oft dadurch vorgebaut, daß einzelne formen reichlich
oder ſparſam zwiſchen ſubſt. und adj. oder zwiſchen
verſchiedene geſchlechter vertheilt werden. Vielen adj.
auf -al ſtehen wenig ſubſt. zur ſeite, wenigen adj. auf -il
viele ſubſt. (ſ. 120.); es gibt wenig fem. auf ôd, viel maſc.,
aber viel fem. auf -ida, wenig maſc. auf -id (ſ. 255.);
die fem. auf -ing, -ung ſchieben kein l vor, wohl aber
die maſc. (ſ. 349. 364.). Neben den maſc. auf -ari ha-
ben ſich keine analogen auf -ali gebildet (ſ. 144.). —


6) [anfügung] an welche arten von wörtern fügen
ſich nun die einzelnen ableitungen? Nach ſ. 5. ſtecken
freilich verba zuletzt in allen wörtern; da aber theils
nomina und partikeln aus der bloßen wurzel, ohne zwi-
ſchenkraft einer ableitung, theils mittelſt einer ſolchen ge-
bildet werden, ſo können im erſten fall einfache, im
andern mehrfache ableitungen aus nomen und partikel
erfolgen.


α) ableitung aus partikeln iſt die ſeltenſte. Partikeln
die ſelbſt auf dieſem wege entſpringen, kommen cap. V.
vor. Die ſubſt. filuſſi und ufaraſſus (ſ. 329.) ſind das
frühſte beiſpiel; inilô (ſ. 113.) und undorn (ſ. 337.) von
ïn, und herzuleiten, iſt noch unſicher. Auch die adj.
ôſtarôni etc. (ſ. 181.) beziehen ſich auf die adv. oſtar etc.
Fließt þaírkô und das adj. durihil aus þaírh, durah?
[399]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
oder iſt das verlorne ſtarke verbum (nr. 625.) anzuneh-
men? Das ſubſt. gegene erſcheint nicht fruhe (ſ. 162.) *)
noch ſpäter das maſc. gegner. Unleugbar alt ſind die verba
anazan, kijâzan, andetan, onetan, oretan (ſ. 217. 218.) aus
den part. ana, jâ, and, on, or; vgl. altn. jâta, neita (be-
jahen, verneinen); vielleicht gründet ſich juwazan, jauch-
zen auf eine interj. ju, juch! (nicht ächzen auf ach). Alt
ſind ferner die verba hindarjan, obarôn, arwidarôn (ſ. 137.),
zum theil neuer unſer: äußern, entäußern, hindern, er-
innern, erobern, erwiedern, begegnen, entgegnen. Hier-
her gehören auch die nhd. adj. dortig, obig u. a. (ſ. 295.)
niedrig, übrig (erniedrigen, erübrigen); überec ſchon
mhd. (ſ. 303.), hiutîc ſchon ahd. (ſ. 301.) desgl. ſliumîc,
oftîc (ſ. 309.).


β) ableitungen. die ſich dem nomen anfügen, und
zwar:


a) dem ſubſt.: alle collectivneutra auf -i (gevügele,
gevidere, gederme, gedigene, geſerwe, geklüfte, geruſte,
geſlehte, gehülze, gevilde, gemælde, geſimſe) — alle neu-
tra auf -ahi (folgt daraus etwas wider das nhd. kehricht,
feilicht, die aus kehren, feilen zu ſtammen ſcheinen?)
— alle neutra auf -inkili (ſ. 347.) — alle fem. auf -in
inna
(ſ. 319.) auf -ing (ſ. 355.) — alle adj. auf -ag (doch
iſt für grêdags, harac, wênac u. e. a. das ſubſt. nicht vor-
handen) — alle adj. auf -ein (ausgen. die ahd. ſcama-
lîn etc. ſ. 177.) — alle adj. auf -iſc — alle auf -oht.


b) dem adj.: alle fem. auf -ì (guete, vrevele, liuter,
ëbene) — die altn. verba auf -ka (ſ. 283.).


c) bald dem ſubſt., bald dem adj.: die maſc. auf
-ing — auf -olf — auf -ard — die ſubſt. auf -niſſa
die adj. auf -eig — die verba auf -iſôn und -enzen.


γ) ableitungen die ſich dem verbum anfügen: alle go-
thiſchen ſubſt. auf -ns — die maſc. auf -id — auf ôd
(mit widerſpruch von manod und wiƷôd) — alle fem.
auf -unga — alle neunord. -elſe — alle goth. -naſſus
(-inôn vorausſetzend).


δ) dem particip. praeſ. bloß einige mhd. adj. -ec
(ſ. 304.) und agſ. -fem. -nes (unbërendnes (ſ. 325.) viel-
leicht auch maſc. -ari? (vgl. ladantari ſ. 127.); dem part.
praet.
ahd. fem. auf -î (ſ. 161. 261.) ſowohl ſt. als ſchw.
conj. — ahd. fem. -niſſa, bloß dem ſtarker conj. — agſ.
fem. -nes, dem part. ſt. und ſchw. conj.


[400]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.

ε) ableitungen, die ſich an verbum und nomen fügen:
die maſc. -ari — fem. -iþa, — die verba -atjan*).


ζ) bei den übrigen läßt ſich zwar zuweilen das ver-
bum oder nomen, dem ſie hinzutreten, erkennen, ſehr
oft aber auch nur die bloßc, dunkle wurzel. Verbalia
ſind namentlich viele ſubſt. auf -il (ſtôƷil, pôƷil, plûil,
ſluƷil, zuhil, ſtemphil, ſcephil etc.) auf -am (baram, galm,
qualm, zoum etc.) auf -ar (lëgar, donar) auf -an (barn,
lêhan, zeihhan etc.) — viele adj. auf -al (ſlahal, ëƷal,
ſprunkal, ſtëhhal, wërpal) zumahl mit -t, -þ (vgl. ft 197.
ſt. 202. ht 206. nþ 238. 239. **). Vom nomen geleitet
ſind z. b. burgila (caſtellum) niftila (neptis) barnilô (in-
fans). Aber in andern ähnlichen ableitungen läßt ſich
das verbum und nomen nicht nachweiſen. Oft, wo ein
nomen unterzuliegen ſcheint, z. b. in zunkal (linguoſus)
truobal (turbulentus) haƷal (odioſus) wißen wir nicht
ſicher, ob keine laute und ablaute verlorner verba im
ſpiel ſind. Und wohin gehören ìtal, gamal, luzil, mihhil
und dergleichen in menge ***). —


7) [häufung] es fragt ſich: welche und wie viel ein-
zelne ableitungen zuſammen eintreten können?


α) gemination, oder daß ſich dieſelbe ableitung hin-
tereinander wiederhohlt, iſt der ſeltenſte fall. Er findet
ſtatt im goth. ajukduþs und gamáindáiþs, wenn dieſe,
wie ſ. 250. 251. gemuthmaßt wird, für -þuþs, þáiþs ſte-
hen; doch ſind die ableitenden vocale verſchieden. Auf-
fallender wäre das ſ. 244. angeführte ahd. zideniſſidida.
Im ahd. chundida, paldida etc. tritt zwar derſelbe ablei-
tungsconſ. doppelt auf, (wie im lat. notitia), allein das
erſtemahl in ungefühlter, das anderemahl in fühlbarer
ableitung. Auch vugilili (ſ. 113.), ſobald man die aſſim.
[401]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
aufhebt, zeigt unterſchledne ableitungsvocale. Wir ſchrei-
ben nhd. vöglein, mhd. lieber vogellîn. Oefter erfolgt
im ahd. maſc. -ar-ari (zouparari, fluobarari ſ. 125.), wel-
ches andere mundarten meiden, mit bloßem -i, ſtatt mit
-ari ableitend, goth. blôſtreis (ahd. pluoſtarari) altſ. tim-
bari, timberi (ahd. zimparari). Nhd. zwar zauberer, zim-
merer, aber zauberin (ſ. 320.) zauberiſch (ſ. 377.). Das
doppelte n im ahd. vuntanniſſa, pouhhanniſſa iſt ſ. 322.
erläutert.


β) die reinvocaliſche ableitung -i, -î kann zu jedwe-
der conſonantiſchen hinzutreten, ausgenommen zu den
goth. verbalen auf -ns. Nomina zweiter decl. können
hinter ihrer conſonant. ableitung die vocaliſche gar nicht
entbehren. Zwiſchen wurzel und zweiter ableitung er-
ſcheint das -i bloß bei -ari (her-j-ari), -unga (her-j-unga),
-òd (gabaúr-j-ôþus), vielleicht -oht (vgl. tallioht?). In
der zweiten ſchw. conj. ſtoßen zwei reinvocaliſche ablei-
tungen zuſammen (her-j-ôn = her-j-ô-an?)


γ) ableitungen mit zwei conſonanten (ſ. 317 — 385.)
leiden ſelten eine weitere conſonantiſche hinter ſich, z. b.
man kann nie ſagen chuninginniſc. Ausnahme machen
die maſc. auf -ing, denen ſich -inna, -ari, -iſc anfügt
(chuninginna, zëhaningari, chuningiſc) denkbar auch -ili
(chuningili, königlein?); -inch, womit nothwendig -ili
verbunden wird (ſ. 347.); -und, womit ſich -ari, -unga
binden (hliumundari, verleumder, verleumdung, hliumun-
dunga?); -and, womit -ida (arendida); -iſc, womit -niſſi
(menniſcniſſa, æviſcniſſe); oht womit -ig (ſ. 383.); -iſſ,
welchem noch -ari und -ida folgen dürfen (râtiſſari, ein-
uſſida). Warum ſollten die maſc. -olf, -ard nicht das
adjectiviſche -iſc vertragen? es fehlt nur an beiſpielen.


δ) ableitungen mit einem conſ. fügen ſich leichter zu
andern conſonantiſchen (mit einem oder zwei conſ.), ſo
weit es die unter 6 vorgetragnen grundſätze verſtatten.
Unmöglich wäre ein adj. ſcamagîn, mahtîgiſc; ſtatthaft
aber ſind êwînîc, manniſcîn. Man wird keinem -niſſ-
unga begegnen, denn es gibt keine verba auf -niſſôn.
Vom verbo ſelidôn geleitet ſcheint ſelidunga ſtatthaft, wie
houpitunga (enthauptung). Vor -ari, -unga, -ôd, -niſſa,
-ing, -iſc zumahl dürfen mannigfalte einfache ableitungen
ſtehen (-alari, -arari, -anari, -ilari, -inari, -iſari, -azari,
-idari, -ahari; -alunga, -arunga, -amunga, -anunga,
-ilunga, -inunga, -iſunga, -azunga; -alôd, -arôd, -anôd,
-ilôd, -inôd, -iſôd; -alniſſa, -arniſſa, -anniſſa, -ilniſſa,
C c
[402]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
-inaſſus; -aling, -aring, -aning, -iling; -aliſc, -ariſc,
-aniſc, -iliſc). Auch -ahi und -inna leiden das meiſte
vor ſich (-alinna, arinna, -ilinna, -alahi, -arahi, -idahi,
-iſſahi).


ε) hinter f-t, ſ-t, h-t, ſ-c darf wohl jederlei ablei-
tung folgen; -al, -ar, -am, -an verbinden ſich nicht un-
tereinander, zuweilen mit în (ſcamalîn) -niſſa (tougal-
niſſa) und -ag (jâmarac); das adj. -în mit nichts, als zu-
weilen mit -îg (êwînîc); -iſ nur mit -al, -ôd, -unga, -ari
(veſtiſal, rîhhiſôd, heiliſunga, heiliſari); -id nur mit -ari,
-ahi (egidari, ſemidahi); -ag, -îg nur mit -niſſa (heilac-
niſſa), nicht mit -unga, die nhd. -igung entſpringen erſt
aus den ſpätern inf. -igen (ſ. 306.). Ganz unſtatthafte
formeln, ſoviel ich bis jetzt urtheilen kann, wären:
-alida, -arida, -anida, -ilida, -inida, -iſida, -azida; -idôd,
-azôd; -iſing, -azing, -iding, -ôding; -ôdunga, -agunga,
-îgunga; -ôdiſc, -aziſc, -iſiſc; -iſniſſa, -azniſſa).


ζ) es können einfache, zweifache, dreifache (vugilili,
râtiſſari) vierfache (eſilinchilîn) ableitungen eintreten, vgl.
oben ſ. 91. Letztere ſind ſchon ſelten, fünffache mir gar
nicht vorgekommen. —


8) welche ableitungen ſtatt finden können, iſt abge-
handelt worden. Welche bei jeder einzelnen wurzel
wirklich eintreten, gehört in die wörterbücher. Keine
wurzel hat vielleicht ein viertel, geſchweige die bälfte
oder die ſumme aller derivationen an ſich entfaltet. Ver-
ſchiedene ableitungen erzeigen ſich ja nur an wenigen wur-
zeln, ſelbſt die geläufigſten lange nicht an allen. Eine der
reichſten wurzeln mag z. b. baíran (nr. 325.) ſein, daraus
entſpringen nach laut und ablaut: -përa (pariens) chnëht-përa
(puerpera); pirîc, pirîkî; vielleicht pirihha, pirihhîn; par
(nudus)?; param, arparamên, arparamac, arparamunga;
barn, barniſkî; vielleicht parn (praeſepium, beßer als pâ-
ran ſ. 156?); vielleicht baris, barizeins; barâtta; berja,
berill; berd; vielleicht part, partoht; bêruſjôs; pâra (ſe-
retrum); kipâri, kipârida; byrja, byrill, kipurjunga; purdi,
kipurt, kipurtîc; gabaúris, baúrjôþus; bor (elatio) -poro
(träger); das componierende pora und das verbum
porôn (forare) mit ſeinen eignen ableitungen; endlich, zu-
gegeben daß mit neuem ablaut baírgan (nr. 464.) daher
ſtamme: baírgs, baírgahei, bergicht, gebirge; baúrgs,
baúrgja, purigo, burgære, purgiſc, borgun und wahr-
[403]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
ſcheinlich noch einige mehr *). Dazu halte man nun die
äußerlich gleiche wurzel taíran (nr. 326.) woraus zerjan,
zerunge, zorn, zornac, vielleicht zart, zartôn, zärteln,
zartniſſi abgeleitet werden kann. Hier welche beſchrän-
kung, dort welche fülle; und doch ſind ſelbſt bei baíran
die möglichen ableitungen lange nicht erſchöpft, wie ſchon
daraus folgt, daß ſich unter den wenigen von taíran faſt lauter
andere zeigen. Dieſe beiſpiele mögen ſtatt aller weiteren
beweiſen, daß in der ableitung, wie in der ſprachbildung
überhaupt, das geſetz der analogie nie vollſtändig durch-
zuführen iſt. Die ſprache ergibt ſich ihm gleichſam nur
kurze ſtrecken, und bricht dann wieder ab, um auf eine
neue richtung einzugehn oder ganz einzuhalten. War-
um können wir dem geiſtig kein leibig, ſondern nur das
compoſ. leiblich entgegenſetzen, während geiſtlich dem
weltlich gegenüberſteht und leibig nur in der verbin-
dung dickleibig gilt? Warum darf zerung, aber nicht
berung, warum durfte pirîc, aber nicht zirîc geſagt wer-
den? Warum mag ein dialect ableiten, wie dem andern
verſagt iſt? Dieſe einrichtungen gehören zur heimlich-
keit jeder ſprache und wer z. b. anleit, einleit ſtatt anlei-
tung, einleitung, anfangung, beginnung ſtatt anfang be-
ginn brauchen wollte, ſündigt wider die natur des hoch-
deutſchen. In ſeltner, dichteriſcher anwendung können
dichter fühlbare ableitungen neu gebrauchen. Dunkle lei-
den gar keine erweiterung.


9) es iſt unverkennbare richtung der ſpäteren ſprache,
die ableitungen aufzugeben und durch compoſitionen zu
erſetzen. Dieſes beſtätigt uns eben, daß jetzt erloſchene
ableitungen vormahls lebendig, jetzt unverſtändliche oder
zweideutige vormahls fühlbar und deutlich geweſen ſein
müßen. Die zuſammenſetzung ſagt der ſchärferen be-
ſtimmung der begriffe zu, die ableitung, ſolange der alte,
volle accent **) ihre ſilben noch begleitete, war ein poe-
C c 2
[404]III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
tiſcheres princip. Derivata, die durch eingeſchaltete con-
ſonanten den ſchein von compoſitis annehmen (ſ. 391.),
ſind der jüngeren ſprache die hebſten, vielleicht thun ſie
es ebendeswegen; in verſchiednen ableitungen iſt der alte
vocal, ganz gegen die regel allgemeiner vocalverdünnung,
ſtehen geblieben, weil zufall der letzten ſilbe das anſe-
hen einer zuſ. geſetzten gab (labſal, armuth). Einige
compoſita ſind zwar umgekehrt zu ableitungen geworden,
wie ich bei -olf und -ard glaube nachgewieſen zu haben
und es können noch mehr beiſpiele entdeckt werden;
allein ſolche fälle waren ziemlich frühe eingetreten und
wurden der ſpätern ſchriftſprache bald wieder fremd.
Ganz einzelne compoſita, die ſich wie ableitungen aus-
nehmen (vorbem. 5c zum folg. cap.) beſtehen faſt nur in
gemeiner volksſprache. Welche compoſita die ableitungen
verdrängen und erſetzen, läßt ſich erſt am ſchluße des
dritten cap. nebeneinanderhalten.


10) die fremden ſprachen ſind in den anmerkungen
zu jeder einzelnen ableitung verglichen worden, doch
will ich hier einiges nachhohlen. Unſerm ableitenden -i
und -u und ihrem verſchwinden iſt das ſl. jer und jerr
ähnlich (vgl. oben ſ. 367. 388.), mit dem jer werden nament-
lich aus adj. abſtracta geleitet (Dobr. inſt. p. 274.), wie
im deutſchen mit -ei, -î, der lange vocal ſcheint aus
miſchung mit der flexion hervorzugehen. Unter den mu-
tis hat auch im lat. und griech. die lingualreihe das größte,
die labiale das geringſte gewicht. Dem -ein, în unſrer
materiellen adj. entſpricht das gr. -ινος: ξύλινος (hulzîn)
λίθινος (ſteinîn) ἀνθρώπινος (menniſcîn), das oben ſ. 176.
überſehene goth. neutrum gumein vergleicht ſich dem
gr. ἄῤῥεν, ἄρσεν. Die litth. -innis: gelezinnis (ferreus)
ſidabrinnis (argenteus) ſtikklinnis (vitreus) medinnis (lig-
neus, ſilveſtris) laukinnis (agreſtis) etc. beſtärken meine
anſicht von entwickelung der deutſchen ſubſt. -inna aus
älteren -in. — Der, möglicherweiſe, flexiviſche urſprung
verſchiedner þ und d in verbis (vgl. ſ. 261. und ſchluß-
anm. 2. am ende) geſtattet es, deutſche inſinitive wie fin-
þan, hin-þan, vin-þan, vaír-þan, bin-dan, flin-dan,
ſvin-dan, gin-dan (beide letztere zumahl neben ſvînan,
gînan, vgl. ſ. 232.) den perſiſchen inf. auf -den, ſanſk.
**)
[405]III. zuſammenſetzung. vorbemerkungen.
-tum, ſl. -ti (1, 1066.) an die ſeite zu ſtellen. Ueber-
haupt, daß viele zweite conſonanten nach dem wurzelvo-
cal wirklich zur ableitung gehören, weiſt die vergleichung
einzelner wörter mit fremden, z. b. des deutſchen hun-d
mit lat. can-is, gr. κύων, litth. ſzů. Aus noch unvor-
bereitetem tieferen ſtudium der doppelten conſonantan-
laute deutſcher wurzeln (oben ſ. 2.), das ſich faſt bloß auf
die urverwandten ſprachen zu ſtützen hat, wird dereinſt
auch hervorgehen können, wie manche erſte conſonan-
ten nach dem vocal nicht der wurzel zufallen, ſondern
der ableitung. Der eigentliche wurzelvocal iſt dann
ausgeworfen. Man halte hraban zu corvus, es ſcheint
bloß hr, cr wurzelhaft und b, v ableitend.


DRITTES CAPITEL.
VON DER ZUSAMMENSETZUNG.


Vorbemerkungen: 1) zuſammenſetzung (compoſitio)
iſt das aneinanderfügen zweier deutlicher wörter. Wer-
den mehr als zwei verbunden, ſo heißen ſie decompoſita.
Es können einfache mit einfachen, einfache mit abgelei-
teten und abgeleitete mit abgeleiteten componiert wer-
den. Auch laßen ſich nomen mit nomen, nomen mit
verbum, partikel mit beiden, partikel mit partikel, nicht
aber verbum mit verbum in compoſition ein. Nähere
bedingungen ergibt die abhandlung.


2) in der regel ſetzen ſich nur verſchiedne wörter
zuſammen, verſchiedenheit des begriffs iſt nicht grade
erforderlich, vielmehr dürfen nahverwandte oder gleiche
miteinander verbunden werden, z. b. ahd. ampaht-ſcalc,
nhd. dieb-ſtâl. Ausnahmsweiſe componiert ſich aber auch
ein wort mit ſich ſelber, welches ich bloß bei adj. wahr-
genommen habe, z. b. ahd. ſëlp-ſëlpo, mhd. wilt-wilde.
Man könnte das eine gemination des wortes nennen.


3) dem begriffe nach iſt jedes compoſitum mindeſtens
zweiſilbig, oder beſtimmter ausgedrückt, da, wo die an-
fügung geſchehen iſt, ſpalten ſich auch zwei ſilben. Es
kommen inzwiſchen einſilbige compoſita und ſolche vor,
deren zuſammengefügte ſilben in eine verwachſen ſind.
Das ſetzt aphärefen und ſyncopen voraus. Das engl.
lord und lady entſpringen aus agſ. hlâſ-ord, hlâf-dige;
[406]III. zuſammenſetzung. vorbemerkungen.
das nhd. welt aus ahd. wër-alt; das altn. frelſa aus frî-
halſa. Die wichtigſten, häufigſten fälle ereignen ſich aber
bei der compoſition mit partikeln, theils durch apocope
des auslautenden partikelvocals, z. b. mhd. bloch, nhd.
block aus ahd. pi-loh; nhd. glück aus mhd. ge-lücke;
theils durch aphäreſe des anlautenden, z. b. ſchwed. på
aus altn. up-â; ahd. fana, fona, nhd. von wahrſcheinlich
aus älteren af-ana, welches zu einer zeit componiert ſein
muß, da man noch af, nicht aba, apa ſagte; jünger iſt
neben aus in-eben. Verſchiedne mit ſ vor liq. und mut.
anlautende wurzeln ſcheinen auf uralte compoſition mit
einer partikel as, is, us zu deuten, deren vocal geſchwun-
den iſt, z. b. ſmal, ſmëltan, flingan auf ſ-mal, ſ-mëltan,
ſ-lingan, wovon weiter bei der compoſition mit partikeln
zu handeln iſt. Offenbarer ſtammt frëƷƷan, flioſan aus
fer-ëƷƷan, fer-lioſan.


4) die deutlichkeit der beiden wörter leidet aber nicht
bloß durch dieſe verminderung der ſilbenzahl, d. h. aus-
laßung von vocalen, ſondern auch durch die damit zu-
gleich oder allein für ſich ergehende unterdrückung und
entſtellung der conſonanten. Vornämlich trifft das die
drei ſpiranten. Beiſpiele von ſchwindendem ſ liefert die
partikelzuſammenſetzung; h ſchwindet im ſchonangeführ-
ten frelſa, frîals f. frîhalſa, frî-hals; in lîchame f. lîch-
hame, ſpäter entſtellt in lîch-name, altn. lîkamr f. lîk-
hamr; im nnl. willem f. wil-helm, altn. viljâlmr f. vil-
hiâlmr; altn. norðrâlfa f. norðr-hâlfa; nnl. reinaard f.
rein-hard (oben ſ. 339. 340.); nhd. compoſita mit -heit
entſtellen es oft in -keit; v ſchwindet im altn. noregr,
dän. norge f. nor-vëgr; in den formeln -olf für -wolf
(ſ. 331.), -ald für -wald (ſ. 333.), -anga f. wanga (ſ. 349.);
in niht aus ni-wiht; im agſ. nât, nylle aus ne-vât, ne-
ville. Seltner verliert ſich muta, vgl. hiutû aus hiû-ta-
gû, teidinc aus tage-dinc, mage-tuom f. maget-tuom und
Wolframs herzen-tuom f. herzogen-tuom; ahd. mû-wërf,
nhd. maul-wurf f. molt-wërf. Durch gemination entſtellt
ſich annuzi T. aus ant-luzi; durch bloßen wechſel ſchwed.
huſtru aus hus-fru *).


5) unterſchied zwiſchen zuſammenſetzung und ablei-
tung
(vgl. ſ. 90. 91.): α) beide beſtehen aus zwei theilen,
aber bei der derivation iſt der erſte theil das hauptſäch-
lichere und deutlichere, der zutretende zweite an ſich ſelbſt
[407]III. zuſammenſetzung. vorbemerkungen.
dunkel; auf jenen fällt der ſtärkſte ton, auf dieſen ein
ſchwacher oder gar keiner, ja ſein vocal kann mangeln
und wegfallen; die ableitenden buchſtaben beſtimmen die
wurzel näher, womit ſie verwachſen. Bei der compoſi-
tion iſt das zweite wort hauptſache, das erſte gereicht
bloß zu ſeiner beſtimmung, beide ſind deutlich und be-
tont. β) löſt man die ableitung ab, ſo hinterbleibt oft
eine dunkle wurzel, z. b. in him-il, vog-al; jedes aufge-
löſte compoſitum gewährt aber zwei deutliche, d. h. ein
him-ſchaft, vog-ſchaft u. dgl. wären unmöglich. Hatten
nun jene ableitungen, zur zeit ihres entſtehens, gleich-
falls deutliche wurzeln, ſo folgt, daß das princip der de-
rivation älter, als das der compoſition ſei. Die compo-
ſita gleichen in dieſer rückſicht den fühlbaren ableitun-
gen, die an lebendigen wurzeln haften. γ) zwiſchen
wurzel und ableitung darf ſich keine flexion drängen
(ſeltne ausnahmen vorhin ſ. 391.), eine ganze claſſe von
compoſition beruht aber auf flexion des erſten worts. —
Dieſer verſchiedenheit ungeachtet berühren ſich dennoch
in zwei fällen ableitung und compoſition: a) gewiſſe ab-
leitungen durch vorſchiebung unorg. conſonanten gewin-
nen wurzelhaften ſchein, folglich den des zweiten worts
der compoſition, dahin gehören -lîn, -ling, -naðr, -muot,
zweiconſonantiſche auch ohne ſolche vorſchiebung z. b.
-âtta, -ûng, -æſka. b) umgekekrt werden durch ein-
buße ihrer ſpirans die zweiten theile wahrer compoſita
zur bloßen ableitung, indem ſie bedeutung, oft auch be-
tonung aufgeben, namentlich -olf, -ard, -ald, im nnl.
-acht f. -hacht (ſ. 404.) und vielleicht noch andere. c)
daſſelbe ereignet ſich bei einzelnen wörtern dadurch, daß
dem letzten theil der ton entzogen wird. Das mhd.
iemen, niemen ſieht aus wie iem-en, niem-en, da es doch
aus ie-man, nie-man entſpringt (1, 369.); das nhd. drit-
tel, viertel, fünftel etc. iſt nicht dritt-el, ſondern drit-teil.
Mehr dergleichen erlauben ſich volksdialecte, z. b. wolſel
f. wol-feil, nachber f. nach-bar, henſche (dän. hanfke) f.
hand-ſchuh, wingert f. wîn-garte, kirmes f. kirch-meſſe.
d) geläufige compoſitionsformeln, wenn auch äußerlich
unentſtellt bleibend und den ton haltend, geben ihre le-
bendige bedeutung auf und nehmen den allgemeinern
ſinn einer bloßen ableitung an, z. b. die nhd. -ſchaft.
-heit, -lich etc.


6) hauptaugenmerk in der lehre von der compoſition
iſt es, die eigentliche von der uneigentlichen zu unter-
ſcheiden. Zweck der zuſammenſetzung ſcheint zu ſein.
[408]III. zuſammenſetzung. vorbemerkungen.
daß dadurch begriffe leichter und ſchöner, als es ſonſt
geſchehen kann, ausgedrückt werden. Nothwendigkeit
liegt nicht darin; eine ſprache ohne alle zuſammenſetzung
wäre denkbar, ſo gut wie die meiſten deutſchen compo-
ſita z. b. ins franzöſiſche nicht durch compoſita übertra-
gen werden können. Aber welche begriffe hat die com-
poſition auszudrücken? ſicher ſolche nicht, für welche
der ſprache ſchon ein anderes, ebenſo bündiges mittel
zuſteht, ich meine die flexion. Da der Gothe ſagen kann
þaírkô nêþlôs Marc. 10. 25. ſlahs lôfin (ῥάπισμα) Joh. 18,
22. 19, 3., wozu ſoll er hier componieren? Hingegen
wenn das, wofür es der ſprache an einem wort, an einer
ableitung fehlt, oder was durch adjectiva, praepoſitionen
und andere partikeln umſchrieben werden müſte, zu bezeich-
nen iſt, dann findet die eigentliche zuſammenſetzung ihre ſtelle.
Z. b. es gibt kein deutſches ſimplex oder derivatum für ἄμ-
πελος, κλῆμα, σταφυλή
, folglich wird componiert goth. vei-
na-triu, veina-táins, veina-baſi, wie nhd. wein-ſtock, wein-
rebe, wein-beere; hier iſt kein bloßes caſus noch praepoſi-
tionenverhältnis, der weinſtock kein ſtock des weins, ſondern
ein ſtock, der wein trägt. Unter tag-ſtern ſoll nicht ein
ſtern des tages, unter donner-gott nicht ein gott des don-
ners verſtanden werden, vielmehr der den tag brin-
gende, bei tagsanbruch leuchtende ſtern, der donnernde
gott. Feuer-roth, gras-grün vergleichen: roth wie feuer,
grün wie gras. Als formelles kennzeichen dieſer eigent-
lichen
zuſammenſetzung betrachte ich nun, daß urſprüng-
lich das erſte wort an das zweite durch einen compoſi-
tionsvocal
geheftet wurde, der für etwas eigenthümli-
ches und für keinen flexionsvocal zu nehmen iſt. Er er-
ſcheint aber nur noch im goth. und ahd. und verſchwin-
det nachher; die ſpätern und übrigen ältern dialecte ken-
nen ihn kaum mehr, ſondern fügen das erſte wort, wie
es uns vorkommt, geradezu an das andere, bei der un-
terſuchung muß aber jener vocal im geiſte hinzugedacht
werden. Dieſe eigentliche compoſition iſt die älteſte, an-
fänglich wohl die einzige art. Allmählig erzeugt und ver-
breitet ſich aber eine uneigentliche, die nämlich, welche
unmittelbar anſtoßende caſus und partikeln, wie ſie der
alten freien conſtruction gemäß waren, gleichſam aus die-
ſer zieht und mit dem zweiten worte verbindet. Solche
compoſita gelten dann für den beſtimmten begriff, den
die conſtruction mit ſich brachte, z. b. tages-licht, don-
ners-tag iſt das licht des tages (lux diei), der tag des
donnergotts (dies jovis). Der umfang aller uneigentli-
[409]III. zuſammenſetzung. vorbemerkungen.
chen zuſammenſetzungen läßt ſich begreiflich nur hiſto-
riſch ermitteln und iſt nach zeiten und mundarten ganz
verſchieden. Was heutzutage zur compoſition geworden
iſt, braucht mhd. und ahd. für keine gehalten zu wer-
den. Es wäre wohl irrthum, in dem ausdrucke firihô
barn der altſ. E. H. ein compoſitum zu erblicken, uner-
achtet das nhd. menſchen-kinder offenbar ein ſolches iſt.
Die frühe ſprache hat wenig uneigentliche compoſitionen,
die neue eine menge. Durch nomina propria, benennun-
gen der bäume und pflanzen ſcheinen ſie vorzüglich her-
beigeführt worden zu ſein. Ja, es hat ſich zuletzt aus
dem genitiviſchen -s, als der häufigſten uneigentlichen
compoſition, für gewiſſe fälle ein analogon von compo-
ſitionsbuchſtaben
zu eigentlicher entfaltet, welches formell
und materiell den caſus verleugnet, daher ſich auch an
feminina fügt (z. b. liebes-dienſt, vorſtellungs-vermögen).
Die anwendung einer oder der andern compoſition, der
eigentlichen oder uneigentlichen, beurtheilt ſich nach dem
begriffe und nach dem ſprachgebrauch; nur ſelten kommt
es dabei auf den wohllaut, nie aber auf die flexionsei-
genthümlichkeit der componierten wörter an. Miſchun-
gen und unorganiſche verwechſelungen beider arten müßen
gleichwohl zugegeben werden.


7) woran ſind compoſita und nichtcompoſita zu ken-
nen? Der compoſitionsvocal lehrt, wie ſich hernach zei-
gen wird, verhältnismäßig nur noch eine geringe zahl. Die
art und weiſe, wie alte handſchriften einzelne wörter
verbinden und trennen, halte ich nicht für eine genü-
gende auskunft. Im goth. werden alle wörter ungetrennt
geſchrieben. N., der im ahd. hier die meiſte aufmerkſam-
keit verdient, und nach einem feſten plane trennt oder
bindet (z. b. alle praepoſitionen an den caſus den ſie re-
gieren), ſondert, mit ausnahme der untrennbaren parti-
keln, faſt immer das erſte und zweite wort der zuſam-
menſetzung, der eigentlichen wie der uneigentlichen.
Einzige regel, woran man ſich zu halten hat, ſcheint mir
demnach: compoſition iſt vorhanden, wenn das erſte
wort derſelben für ſich ſelbſt unconſtruierbar iſt, keine,
ſobald es geſondert conſtruirt werden kann. Eigentliche
compoſita fallen leicht zu erkennen, weil ihr erſtes wort
von aller flexion entblößt, der conſtruction ſichtbar wi-
derſtreitet; den fall ausgenommen, wo es zweifelhaft
bleibt, ob nicht eine uneigentliche accuſativcompoſition
gemeint ſein könne. Uneigentliche ſind nach der ge-
ſchichte und gewohnheit jeder mundart zu beurtheilen,
[410]III. zuſammenſetzung. vorbemerkungen.
was ſich nhd. nicht mehr conſtruiert, war leicht früher
unbedenklich, z. b. tages lioht nehme ich ahd. für kein
compoſitum.


8) die partikelcompoſition hat beſondere beſtimmun-
gen, deren erklärung erſt nach der abhandlung unter-
nommen werden kann. Namentlich kommt bei ihnen
keine ſpur von compoſitionsvocal vor; hätte es alſo ur-
ſprünglich gar keine eigentliche partikelzuſammenſetzung
gegeben? Uneigentliche, d. h. hiſtoriſch ſchwankende,
wäre in allen fällen anzunehmen, wo veraltete partikeln
ſich nur durch die compoſition erhalten, d. h. zu un-
trennbaren geworden ſind? Da, wo ſich noch trennbar-
keit zeigt, wäre (nach anm. 7.) zuſammenſetzung zu leug-
nen? z. b. wenn wir ſagen: ausbrechen, eintreffen, ſo
ſcheint das vielmehr aus brechen, ein treffen, weil tmeſis
ſtattfinden und geſagt werden kann: der krieg bricht aus,
der bote trifft ein. Der grund, warum es bei partikeln
keines compoſitionsvocals bedarf, iſt einleuchtend der, daß
ſie ſich, ihrer beziehung auf das nomen oder verbum
wegen, überhaupt frei und los in die conſtruction einſtel-
len. Gleichwohl ſcheinen eben dieſe näheren beziehun-
gen ſchon in frühſter zeit und auch bei ſonſt trennbaren
partikeln wahre zuſammenſetzungen bewirkt zu haben.


9) die ordnung der abhandlung richtet ſich nach dem
erſten wort, als dem beſtimmenden, in der conſtruction
des ſatzes nicht mit regierenden. Indeſſen müßen bei
jeder einzelnen abtheilung geläufig gewordene formeln
des erſten und zweiten worts beſonders verzeichnet wer-
den. Zuerſt handle ich die nominalen zuſammenſetzun-
gen, §. 1. die mit ſubſtantiven, §. 2. die mit adjectiven,
dann die verbalen (§. 3.) und die mit partikeln (§. 4.) ab,
endlich die decompoſita (§. 5.), anhangsweiſe compoſita
mit dem unflexiviſchen -s (§. 6.) mit zahlwörtern (§. 7.)
und ſolche, die aus ganzen redensarten erwachſen (§. 8.).
Ausgeſchloßen und auf cap. IV. V. verwieſen bleiben die
pronominalen compoſita, ſowie die deren zweites wort
partikel iſt. —


§. 1. Subſtantiviſche compoſition.


I. die eigentliche.

Einleitung: von dem compoſitionsvocal. Das mittel,
deſſen ſich unſere ſprache bedient, um eine beziehung
des ſubſtantiv[a] (welche aber eine andere iſt, als die des
[411]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
bloßen caſusverhältniſſes) auf ein zweites wort auszu-
drücken, gewährt ihr der vocal a. Dieſer wird an das
von ſeiner flexion entblößte wort gefügt und dann ver-
bindet es ſich mit dem zweiten. Jedes eigentliche com-
poſitum iſt demnach urſprünglich wenigſtens dreiſilbig:
vein-a-táins, daúr-a-vards, ich werde jedoch ſchreiben
veina-táins, daúra-vards. Dieſes a ſcheint, wiewohl es auch
in der flexion vorkommt, durchaus unflexiviſch, denn
1) es ſoll einen andern begriff geben, als den einer
flexion; mit táins läßt ſich weder der dat. ſg., noch der
nom. acc. pl., die beide veina flectiert werden, vereinigt
denken. 2) im ahd. ändern ſich die flexionen und den-
noch bleibt a compoſitionsvocal, z. b. ein wîna-zein
dürſte nur noch mit dem alten dat. ſg. wîna, ſpäter
wîne verglichen werden, da der nom. acc. pl., wenn es
neutrum geblieben wäre, nur wîn, wenn es maſc. ge-
worden iſt, wînâ haben würde. 3) das flexiviſche a,
oder der an ſeine ſtelle tretende vocal dauert länger,
als der compoſitionsvocal. 4) die urverwandten fremden
ſprachen zeigen gleichfalls compoſitionsvocale (griech. o,
lat. i, ſlav. o), welche wiederum flexionsvocalen begeg-
nen, in der einzelnen anwendung ſich aber deutlich als
etwas anderes darſtellen, z. b. wie könnte das i in lani-
ger flexiviſch ſein, da lana in ſeiner ganzen decl. kein
-i zeigt? Nähere ausführung dieſer wichtigen einſtim-
mung folgt in einer ſchlußanmerk. dieſes capitels.


Keiner der andern vocale wird zur compoſition ver-
wendet, namentlich i und u nicht, wie auch daraus
hervorgeht, daß ſpäterhin, nachdem der vocal gewichen
iſt, die compoſition an ſich keinen umlaut des erſten
worts bewirkt *). Der grund aber, warum gerade das
a componiert, mag mit ſeiner ausſchließung von der
reinvocaliſchen ableitung (ſ. 387.) zuſammenhängen. Das
verhältnis zwiſchen den drei urſprünglichen vocalen
wird dadurch ausgeglichen und die unterſcheidung der
ableitung von der compoſition fundamental bewerkſtelligt.


Indeſſen darf nicht unerwähnt bleiben, daß, neben
dem a und für es, ein gleichbedeutiges compoſitionelles
o erſcheint, das ich nicht aus urſprünglichem u herleite,
ſondern als aus dem a entſtellt betrachte, wie in den
wurzeln ſelbſt a in o übertritt (1, 75. 85). Grade die äl-
teſten deutſchen ſprachdenkmahle, die uns von Römern
[412]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
überlieferten eigennamen, ſcheinen ein ſolches o zu ver-
rathen, vgl. lango-bardi (ahd. lanc-partâ) marco-manni,
teuto-burgienſis, malo-vendus, maro-bodvus, crupto-ri-
cus, ario-viſtus, inguio-merus, cario-valda, chario-me-
rus, cario-viſcus (bei Vopiſcus), hario-baudes, lanio-
gaiſo, bucino-bantes, chnodo-marius, u. a. m. War hier
o dem gehör und der ausſprache des Römers gefüger
(vgl. nomen, rota mit namo, rad)? oder fand es ſich
wirklich ſchon bei einigen deutſchen völkern? Bedeu-
tend iſt, daß compoſita ohne vocal kaum vorkommen
(nur das dunkle ger-mani und mit zweiſilbigem erſten
wort hermun-duri, adgan-deſtrius?); mit a idiſta-viſo
(wenn es comp. iſt); mit e cannine-fates und halide-ga-
ſtes (bei Vopiſc.); die i und u (ſegi-merus, ſegi-mundus,
aſci-burg, catu-merus) werden ſogleich deutlich werden.


Im gothiſchen ſtellt ſich a ohne zweifel als eigentli-
ches compoſitionsmittel dar und nach folgenden grund-
sätzen 1) einſilbige ſubſt. der erſten ſtarken und ſchw.
declinationen, ohne rückſicht auf ihr geſchlecht, legen
alle flexion ab, fügen a hinzu und componieren ſich nun
mit dem zweiten wort: α) ſtarke maſc. viga-deinôm
Matth. 7, 16; guda-faúrhts Luc. 2. 25; garda-valdands
Matth. 10, 25; ſvulta-vairþs Luc. 7, 2; mana-ſêþs (von
mans, homo); figgra-gulþ Luc. 15, 22; — β) ſtarke fem.
hveila-hvaírbs Marc. 4, 17; môta-ſtaþs Luc. 5, 27;
hléþra-ſtakeins Joh. 7, 2; ſtáua-ſtôls Matth. 27, 19; — γ)
ſtarke neutra: báina-bagms Luc. 17, 6. (wenn ſich ein
neutr. báin, morum, erweiſen läßt); veina-baſi Matth.
7, 6. Luc. 6, 44; veina-gards Marc. 12, 1; veina-táins
Joh. 15, 4; veina-triu Joh. 15, 1; blôþa-rinnandei Matth.
9, 20; heiva-fráuja Marc. 14, 14; gilſtra-mêleins Luc.
2, 2; hunſla-ſtaþs Luc. 1, 11; liugna-práufêtus Matth.
7, 15. daúra-vards Joh. 10, 3; — δ) ſchw. maſc. ſmakka-
bagms Marc. 11, 13; guma-kunds Luc. 2, 23; manna-
maúrþrja Joh. 8, 44; — ε) ſchw. fem. peika-bagms Joh.
12, 13. (falls ein f. peikô, palma, bewieſen werden kann) —
ζ) dunkles ſubſt. liegt in hráiva-dubô Luc. 2, 24; von
hráiv funus?); ſkáuda-ráip Marc. 1, 7; ob aíhva-tundi hie-
her falle, oder ein derivatum ſei (ſ. 344.), bleibt unſicher
und ob das compoſitive miſſa- ſubſtantiviſch ſei? wird
unten beſprochen werden. — 2) mehrſilbige ſchwanken
zwiſchen behaupten und weglaßen des compoſitionsvo-
cals; ſo ſtehet alêva-bagms Luc. 19, 37; akrana-láus
Marc. 4, 19; vitôda-faſteis Luc. 7, 30; vitôda-láiſareis
Luc. 5, 17; eiſarna-bandi Luc. 8, 29; himina-kunds Luc.
[413]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
2, 13; káiſara-gild Marc. 12, 14; lukarna-ſtaþa Matth.
5, 15; ſynagôga-faþs Marc. 5, 22 *); dagegen aber þiu-
dan-gardi Matth. 6, 13. Marc. 11, 10; midjun-gards **)
Luc. 2, 1. — 3) in ſubſt. zweiter und dritter declination
abſorbieren die ableitungsvocale i und u den componie-
renden vocal: arbi-numja Luc. 20, 14; mari-ſáivs Luc. 8,
22; undaúrni-mats Luc. 14, 12; ich glaube, ſtatt arbja-num-
ja, marja-ſaivs, undaurnja-mats, wie die vergleichung der
römiſchen -io (ſ. 412, 4, 5.) und der adjectiviſchen compoſition
beſtätiget, wo noch midja-ſveipáins, hráinja-hairtans ſtatt-
findet; grundu-vaddjus Luc. 6, 48; handu-vaúrhts Marc.
14, 58; quiþu-hafts Marc. 13, 17; fáihu-ſkula Luc. 16, 5;
fáihu-frikei Marc. 7, 22; fáihu-gaírnei Tit. 1, 11; fôtu-
bandi Luc. 8, 29; fôtu-baúrd Matth. 5, 35; aſilu-qvaírnus
Marc. 9, 42; ſtatt welches u gleichfalls ältere -va vermu-
thet werden dürfen: ſôtva-baúrd, ſáihva-ſkula? — 4)
auch ſubſt. vierter declination haben keinen compoſitions-
vocal, ſondern i, gleich denen zweiter decl.: mati-balgs
Marc. 6, 8; gaſti-gôds Tit. 1, 8; aúrti-gards Joh. 18, 1;
náudi-bandi Mauc. 5, 3; von den maſc. mats, gaſts und
fem. aúrts, náuþs; vermuthlich auch vinþi-ſkaúrô
(πτύον) Luc. 3, 17. von einem dunkeln ſubſt. vinþs, ver-
ſchieden von vinds (ventus). Dieſe letzte regel lehrt, was
ich ſchon 1, 811. anm. 28. ahnte, daß das in der vierten
decl. erſcheinende i nicht flexiviſch ſein kann, ſondern
der ableitung zufällt, denn ſonſt würde es nicht in der
compoſition haften ***). Es muß alſo hier, wie bei 3)
ein früheres matja-balgs etc. angenommen werden.


Ausnahmen von dieſen regeln kenne ich ſehr wenige
und zum theil ſcheinbare: vein-drugkja Luc. 7, 34. (οἰνο-
πότης
) welches eine uneigentl. acc. compoſ. ſein könnte,
oder gar keine, wie 7, 33. vein drigkands (οἶνον πίνων)
vorausgeht? †); guþ-blôſtreis (θεο-σεβής) Joh. 9, 31;
man-leika (εἰκών) Marc. 12, 16; brûþ-faþs (νυμφίος)
[414]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
Marc. 2, 19. Matth. 9, 15; nahta-mats (coena) Marc. 6,
21. Luc. 14, 12. würde nach 4. nahti-mats heißen dür-
f n, ſtimmt aber vielleicht zur anomalen decl. von nahts
(1, 610.). Und ſind die vier andern einſchleichende ent-
ſtellungen der ältern formen veina-drugkja, guda-blôſtreis,
mana-leika, brûdi-faþs? Im ahd. werden die auslaßun-
gen des compoſitionsvoc. ganz häufig.


Vorher will ich nur erwähnen, daß altfränk. quellen
des 6. und 7. Jahrh. in eigennamen faſt beſtändig o da-
für zeigen, z. b. dago-berctus, vulfo-leudus, gundo-
berctus, nordo-perctus, lando-berctus, vulfo-laëcus, ra-
geno-berctus, karolo-mannus u. a. m., welches o ſich
nur in wenigen fällen aus dem anlautenden v des zwei-
ten worts deuten ließe, wie in droctoaldus, anſoaldus
(vgl. oben ſ. 333.).


Im ahd. iſt der compoſitionsvocal noch ziemlich im
gebrauch, doch mehr bei gewiſſen wörtern (meiſt mit
kurzer wurzelſilbe), was ſchon das abſterbende princip
ankündigt; die auslaßung überwiegt bereits; einzelne
denkmähler haben o, die meiſten a; abſorption durch
ableitungsvocale wie im goth. Es ſcheint mir nützlich,
die beiſpiele genau zu ſammeln.


1) a gewähren alle quellen des 7. 8. 9. jahrh. mit
ausnahme von J. Hild. und Weſſobr.; ſeit dem 10 ten
verliert es ſich und haftet höchſtens in ſeltnen, dunkeln
wörtern.


α) compoſita mit ſtarken maſc. und neutr. erſter decl.
aſc (fraxinus): aſca-pah ortsname bei Neug. nr. 91. 164; —
âƷ (eſus); âƷa-lôſî (inedia) monſ. 347. — hac (condi-
tio) nach dem altn. hagr?: haga-ſtalt (coelebs) doc.
217a haga-ſtolt jun. 213. hagu-ſtalt hrab. 9563. — har f.
haru (linum): hierher hara-poƷo (ſtipula) monſ. 324.? —
hof (aula): hova-man (aulicus) doc. 220a francof. 119;
hova-gelt (vectigal) monſ. 404; hova-ſtat (area) monſ.
326. 331; hova-wart (canis) lex bajuv. 19, 9. — kot
(deus): eigennamen wie cota-danch; cota-dëo; cota-lint
etc. vielleicht cota-wëppi (byſſus) hrab. 955a 972a jun.
197. cotu-wëppi jun. 237. goto-wëbbi T. 200, 1, 4. O.
v. 19, 91; vgl. theil 1, 148. — kras (gramen): graſa-wurm
(eruca) zwetl. 120b; — lid (artus): lida-weih (mollis,
tractabilis) un-lida-weih (intractabilis) hrab. 966b 967b,
iſt dieſe deutung richtig, ſo muß lid entw. auch neutr.
geweſen, oder als maſc. der erſten decl. (neben der vier-
ten) gefolgt ſein? — mac (puer) ſtatt eines älteren maku:
[415]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
maga-zoho (nutritor) monſ. 330. 395. flor. 982a 984a ma-
ga-zohâ (nutrix) doc. 224a. — man (homo, ſervus): ma-
na-heitî (humanitas, liberalitas, munuſcula) K. 51a gl. ker.
73. jun. 228. francof. 145. un-mana-heiti (immanis) gl.
ker. 158. mana-heitîc (muniſicus) monſ. 352. 363. 382.
388. 397.; mana-haupit (mancipium) gl. ker. 190. mana-
houbit O. II. 6, 103. V. 19, 93. *) mana-haupiton (manci-
pare) gl. ker. 187; mana-lîh (homini ſimilis, ſtatuarius)
monſ. 331; mana-lîhho (imago, ſtatua) gl. ſgall. 189. ker.
161. zwetl. 112a monſ. 342. 404. 412; mana-liup (huma-
nus) gl. ker. 72; maua-luomi (mitis) un-mana-lômi (im-
manis) gl. ker. 158; mana-perga (cancelli) wirceb. 977a
(wo manabirge). — por (faſtus) aus dem mhd. bor ge-
folgert; pora-tiuri (valde pretioſus) monſ. 392. doc. 229;
pora-vilo (magnopere) monſ. 327. doc. 226; bora-lang
(perlongus) O. II. 3, 25. 11, 6.; boradrâto (praecipitanter)
O. IV. 24, 56. — ſlac (ictus) pl. ſlakâ?: ſlaga-hamar (mal-
leus) caſſ. 855a. — ſcrit (paſſus) pl. ſcritâ: ſcrita — mâl
(paſſus) gl. ker. 261. hrab. 975a mon. boica VII, 374. —
ſnit: ſuita-zît (tempus putationis). — ſpil (ludus): ſpila-
hûs monſ. 404. — ſpër: ſpëra-ſcaít (haſta) hrab. 972a. —
ſtap (regula): ſtapa-ſlingûn (tormenta) monſ. 361. — ſtar (mor-
bus oculorum): ſtara-plint gl. ker. 145. caſſ. 855a wirceb.
981a. — ſuan oder ſuano? (olor): ſuana-hilt, ſuana-burc
eigennamen bei Neug. nr. 98. 164. 305. — tac (dies):
taga-dinc (induciae) doc. 212a 238b monſ. 330. daga-
thing O. V. 9, 2; taga-garawa zwetl. 132b; taga-lîh
(diurnus, quotidianus) K. 17a 18b 24a 27b 28a 43b (ſo
zu leſen 46b monſ. 396. daca-lîh gl. ker. 91; taga-muos
(prandium) T. 110. 125. daga-muas O. II. 14, 192; taga-
rôd (crepuſculum) hrab. 956a taga-rôd jun. 187. 194. 235
(vgl. oben ſ. 253 und taga-prot monſ. 412); daka-ſtërn
gl. ker. 168. taga-ſtërn (lucifer) hymn. 949. daga-ſtërro
O. IV. 9, 48; daga-frift O. I. 10, 35; taga-wërh (penſum)
zwetl. 119b; ahd. eigennamen wie taga-përht, taga-lint,
taga-rât etc. — tal (vallis): tala-ſlaht (convallis) W. 6, 10;
urkundl. ortsnamen tala-heim, tala-hûs etc. — teic
(maſſa): teiga-trouc (alveolus) hrab. 961b. — tiſc: tiſca-
lachan zwetl. 132a. — volch (gens): eigennamen folcha-
rât etc. — wal (ſtrages): walu-kirêr (crudelis) hrab. 957a
walu-giri gl. ker. 10. vielleicht auch der eigenname wala-
[416]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
frid (oder iſt es walah-frid?); — wëc (via): wëga-nëſt
(viaticum) jun. 232. monſ. 320. 323. francof. 20; aſſim.
wëge-nëſt O. III. 14, 178; wëga-rih (plantago); wëga-rihtî
jun. 232; wëga-wîſo hrab. 971b; — wîn (vinum): wîna-
rëba hrab. 974a monſ. 405. 406. —


β) compoſita mit ſtarken fem. erſter decl.
aha (aqua): aha-ſtrôm (torrens) unzweifelhaft, aber nicht
zu belegen. — chara (luctus): caru-wât (veſtis lugubris)
francof. 33. — êra (honos): êra-grëhtî O. IV. 31, 37.
gewöhnl. ſteht (aſſimiliert?) êre-grëhtî I. 4, 33. III. 20,
236. 21, 66. IV. 1, 104. 5, 44. 37, 81. V. 23, 580. —
êwa (lex): êwa-duom T. 141; êwa-lêrari T. 128. — hella
(inferi): hella-grunt monſ. 408; hella-gruoba N. 142, 7;
hella-haft monſ. 403; hella-ſun T. 141; hella-wîƷi T. 44,
20. — këpa (gratia): këpa-lint n. pr. — mieta (merces):
mêta-nemo (mercenarius) gl. ker. 132. — naſa (naſus):
naſa-hëlm (vectigal) gl. ker. 279. bedarf beſtätigung. —
napa (mediolus): naba-gêr (terebrum) gl. ſgall. napu-gaer
caſſ. 955a. — pëta (preces): pëta-pûr (delubrum) gl. ker.
85. monſ. 375; bëta-hûs O. II. 11, 42. — pira (pirum):
pira-poum (pirus) gl. ſgall. — ſcama (reverentia): ſcama-
haft gl. ker. 172. 227. — ſcara (ordinatio): ſcara-mëƷ
(arapennis) mon. boic. VII, 374. — traga (feretrum),
aus dem nhd. trage gefolgert: traga-petti T. 88; traga-
ſtuol monſ. 363; traga-diorna jun. 208; eigennamen tra-
ga-poto, traga-pold etc. — vara (generatio, linea?) in
eigennamen fara-munt, fara-man, fara-purc etc. —
vruma: fruma-haft (beneficus) gl. ker. 43. hrab. 954b. —
wona (mos) wona-heit K. 29b.


γ) compoſita mit ſchwachen maſc. erſter decl.
hano (gallus): hana-chrât doc. 206a — komo (homo):
goma-heit (natura hum.) cat. theot. O. I. 27, 6. III. 15,
38. IV. 9, 61. — mago (ſtomachus): maga-pîƷado monſ.
333. 357. 384. — namo (nomen): nama-haft lindenbr.
998b — narro (ſtultus): narra-heit gl. ker. 252. jun. 180.
— poto (nuntius): bota-ſcaf O. V. 8, 107. — kiſello (ſo-
cius): giſella-ſkaf T. 80.


δ) comp. mit ſchw. fem. und neutr.
hoſa (femorale): hoſa-neſtila monſ. 319. — kouma (cura):
kouma-lôſî (negligentia) gl. ker. 158. — ouga (oculus):
auga-tora (feneſtra) ſgall. 183; auka-zorht (manifeſtus) gl.
ker. 225. auku-zorht ibid. 114. 228. ouga-zorht jun. 236.
244. T. 231, 1. 237, 6. — rëpa: rëpa-kerta jun. 218. 221;
rëpa-zuî (palmes) jun. 222. — ruohha (cura): ruachha-
lôs K. 21b 32a. — ſpinna (aranea): ſpinna-wëppi doc.
[417]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
236a. — ſunna (ſol): ſunna-vëlt doc. 238a. — tincta:
tincta-horn monſ. 339. — wolla (lana): wolla-champ.


ε) compoſition mit mehrſilbigen.
kentila-ſtab (candelabrum) T. 25, 2; ſpinnila-poum (arbor
fuſarius); zuiſtila-vincho (carduelis) gl. ſgall. 203.


ζ) comp. mit ungewiſſen ſubſtantiven.
ata-haft (continuus) N. Boeth. 74. 97?; këla-gunt (rubigo)
jun. 224; hega-druoſi (inguina) monſ. 407 doc. 218b; chëla-
tuoch (ſtrophium) khëla-toah (ſagum) flor. 983a ker. 92,
von chëla (guttur)?; khuna-withi (catena) gl. ker. 184.
(agſ. cyne-viðe, redimiculum); laka-rida (cunabula) jun.
184; viele mit miſſa- (ſpäter miſſi-) z. b. miſſa-huarpida
hrab. 961b miſſa-weiƷ ibid. 959b; ſara- oder ſâra? in den
eigennamen ſara-poto, ſara-man, ſara-purc etc.; ſiſa? in
ſiſa-gomo (pellicanus) monſ. 349; ſpara-lîh (frugalis) K.
44b. jun. 188. von einem f. ſpara (parſimonia)? u. a. m. —


2) ſtatt des componierenden a zeigen einzelne denk-
mähler o, das bei ihnen dialectiſch ſcheint, weil ſie da-
neben keine oder ſeltne beiſpiele des a haben; dieſes o
erinnert an die altfränkiſchen und von den Römern auf-
gezeichneten eigennamen (ſ. 412., 414.). J. 353. 354. 355.
356. ſtehet wëro-dhëodha druhtîn (dominus exercituum),
man darf nicht leſen wëro-dhëodha-druhtîn, denn dhëod-
ha (oder dhëodhâ) iſt der uncomponierte gen. ſg., das
compoſ. wëro-dhëodha entſpricht aber dem agſ. vër-
þëód, altn. vër-þióð (complexus hominum) und hätte
goth. zu lauten vaíra-þiuda. Dann findet ſich 359. man-
no-waldendeo (dominator), das vielleicht uncomponiert
mannô waldendeo iſt? für die compoſition ſpricht das goth.
garda-valdands. Zwei andere belege liefern Hild. und
weſſobr. in arbëo-laos und marëo-ſêo, beſtätigend arbja-
numja und marja-ſáivs. Nächſtdem begegnen bei N., der
außer jenem dunkeln ata-haft mit keinem a ſubſt. compo-
niert, mehrmahls o, z. b. hello-vreiſa 114, 3., im Boeth.
ſpilo-man, ſpilo-lîh, redo-lîh, redo-haft, ſamo-lih, ſcado-haft,
tago-lih, lido-weih, tago-ſtërno, grabo-hûfo u. a. m. Ver-
einzelter ſtehen die o in den übrigen, ſonſt a zeigenden
quellen: ſpilo-hûs jun. 257.; tago-lîh hrab. 960a; bëto-
man O. II. 14, 135, 138.; redo-haft K. 29b; ougo-zorht
T. 164. 6. 177, 4.; walto-wahſo (nervus) blaſ. 14b; hodo-
lôs doc. 219a; piro-poum zwetl. 129a; poto-lîh (apoſtoli-
cus) K. 21a 40a; boto-ſcaf O. II. 13, 14; gomo-heit O.
Sal., 29. doch in den drei letzten hat der wurzelvocal aſſi-
D d
[418]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
milation gewirkt. Einige wörter ſind mir räthſelhaft,
z. b. piro-man (ambro) monſ. 412; in noch andern ent-
ſpringt aber o aus ableitendem u (wovon nachher), iſt
alſo kein compoſitionelles.


3) aus dem a verdünntes e kommt ſchon in mor-
gane-giba (unten ſ. 429.) auch in den gl. jun. vor: go-
te-këlt 178. 197; hare-kiwât 180; walte-wahſo 214; fle-
dere-mûſtrun 232; ſpile-hûs 257; take-maƷ 259; in
hruſſe-hiruz 199. könnte es auch für ableitendes i ſtehen?
(K. 37b iſt zu leſen lîhcham-lîh). Das vorhin angeführte
êre-grëhtî bei O. kann aſſimilation ſein? Mit dem 10.
jahrh. werden dieſe e häufiger, N. ſchreibt z. b. hove-
ſtat, hove-gîra, gote-dehto, mane-heit (humanitas), bore-
vilo, rôſe-bluomo, ſuane-ring, tage-ding, tage-lîh etc. W.
ſmide-ziereda, rebe-ſnit, glaſe-vaƷ; die gl. flor. hege-tûba
(palumbes) *) 989a; hofe-ſtat 984a; lide-ſuht (podagra)
986a; gote-wëppe 986b; graſe-wurm 988a; wolle-rocho
988b; wëge-wîſo 990b; die gl. lindenbr. ſtabe-wurz (abro-
tanum); glaſe-copf; hege-druoſe; wëge-rich (plantago);
die gl. trev. ſpinne-wëppi; ſiſe-goum 14a; wëge-breita
18a; tage-ſtërro; bëte-hûs, bëte-kamera; hove-trût; wîne-
gëbo (caupo) 42b; tage-dinc; muole-ſtein 61b; trage-ſtuol
62a; brunne-krâſo 62a etc. Lauter compoſitionsvocale,
die ſich, meiſt in kurzen wurzelſilben, den frühern a
entſprechend, erhalten haben und noch ins mhd. verbrei-
ten, während ſie nach langen und mehrſilbigen wurzeln
längſt untergegangen ſind.


4) entſtellungen des a in u (aus fehlern der abſchrei-
ber wie aus dem ſchwanken in o erklärbar) ſind bei den
einzelnen belegen mitangegeben, aſſimilationen des a in
o und e bereits erwähnt worden. Es gibt auch aſſimila-
tionen in i, z. b. wîni-ſcencho monſ. 337; ſpili-man jun.
228. doc. 233b ſpili-lîh doc. 236a; piri-boum monſ. 414.
endlich ganz tadelhafte i für a oder e: tragi-ſtuol doc.
227b; wolli-champ doc. 245a; rebi-plat flor. 985b; bëti-
bûr flor. 990a; wëgi-ſceida trev. 28b; rebi-mëƷer trev. 33b
und alle ſolche. Man hüte ſich vor verwechſelung dieſer
aſſimilierten und unorganiſchen i mit den ableitenden i.


5) ableitende (den compoſitionsvocal abſorbierende) i
haben im ahd. wie im goth. ſtatt.


[419]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.

α) in ſubſt. der zweiten declinationen; folgende bei-
ſpiele werden hinreichen: hrucki-pein caſſ. 955a; wini-
ſcaf jun. 176; châſi-char zwetl. 122a; fenni-ſtat jun. 218;
heri-ſcaf, heri-ſtiura, heri-zoho; endi-tago; chinni-pein;
meri-gras (alga) zwetl. 111a; hawi-ſcrëcchi (locuſta); wîƷi-
poum (patibulum) jun. 242; petti-ſiuh jun. 191; helli-
gruopa doc. 210a; helli-wiƷi T. 141. O. V. 19, 36; helli-
rûna doc. 218b; ſippi-teil doc. 250; ſibbi-ſam T.; willi-
haft jun. 176; feri-ſcaz (naulum) jun. 191. 239. zwetl.
127a etc. So der eigenname pruni-hilt, von prunia (tho-
rax). Die, deren ableitungs-i frühe ſchwankt und aus-
fällt, zeigen dialectiſch oder abwechſelnd auch den com-
poſitionsvocal. Es iſt daher beides richtig, z. b. helli-rûna
und hella-rûna, ſippi-teil und fippa-teil, nur ſetzt erſtere
form den gebrauch von hellia, ſippia, letztere den von
hella, ſippa voraus. Fehlerhaft ſchiene dagegen mera-
gras, hrucka-pein, weil da das i nicht gebrechen kann.


β) in ſubſtantiven der vierten.
aſci-pah, eſci-pach n. pr.; lidi-ſcart monſ. 378; ſali-hûs
gl. ker. 7; ſcriti-mëƷ jun. 221; ſlegi-fëdera ſgall. fordern
den plur. aſcî, lidî, ſcritî, ſalî, ſlagî wie lida-ſcart, ſcrita-
mëƷ etc. den pl. lidâ, ſcritâ, d. h. in ſcrita-mëƷ ſteht der vo-
cal der compoſition, in ſcriti-mëƷ der derivation. Dieſes
ſchwanken iſt erklärlich, da die maſc. der erſten und vier-
ten decl. ineinander ſchwanken. Mit fem. vierter decl.
zuſammengeſetzte: ſteti-got (genius loci) zwetl. 123a; turi-
ſulî ſgall. 182. turi-porta hymn. 949; prûti-gomo hymn.
948. prûti-poto doc. 204a; truhti-gomo wirceb. 981a; nahti-
gala hrab. 958b, allein gl. ſgall. ſtehet nahta-gala und hrab.
970a ein zweideutiges nahte-gala. Die a-form könnte
hier aſſimilation ſein, iſt aber richtiger, wie im goth. nahta-
mats zu nehmen. Hanta-ſlagôn (plaudere) hrab. 971a
monſ. 355. ſtimmt zu dem goth. handus und dem dat. pl.
hantum (1, 620.) ſt. hentim, ich habe noch kein henti- in
der comp. bemerkt. Aus den vielen mit hilti- compo-
nierten eigennamen muß entw. ein hilt pl. hiltî (pugna)
oder ein hiltëa geſchloßen werden. Zuweilen darf dieſes
ableitende i fortfallen (vgl. 7.).


6) ableitende u (o).


α) in ſubſt. dritter decl. z. b. witu-hoffa (upupa) jun.
232. doc. 244b witu-vina (ſtrues ligni) O. II. 9, 96. agſ.
vudu-fin; hugu-luſt O. IV. 37, 17; ſitu-lîh hrab. 961a K.
53b aſſim. ſiti-lîh K. 45a, ſita-lôſî monſ. 348. ſchreibfeh-
D d 2
[420]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
ler oder übergang in die erſte decl. vorausſetzend; fihu-
ſtërbo jun. 219.


β) in ſubſt. erſter decl., die mit v abgeleitet ſind
(oben ſ. 187.): palo-lîh hrab. 971b palo-tât hrab. 963a;
ſcato-haft hrab. 970a; ſêo-waƷar hrab. 952b; mato-ſcrëcche
(locuſta) N. 104, 34. 108, 23. Denkbar wären hier ältere
formen mit compoſitionsvocal: palawa-tât u. dgl.


7) endlich in ſehr vielen fällen, wo auch kein ablei-
tungsvocal im ſpiel iſt, namentlich bei langſilbigen und
mehrſilbigen ſubſtantiven, hat ſich das zuſammenfügende
a verloren. Es braucht hier nur einiger beiſpiele, da
ſich andere aus dem verfolg der abhandlung genugſam
ergeben werden:


α) ſtarke erſte decl. rant-pouc (umbo) miſc. 1, 19;
poum-ſcapo caſſ. 955a zwetl. 129a; lant-ſcaf K. 23b; pein-
perga jun. 216; wîn-faƷ hrab. 958a wîn-garto hrab. 954a
jun. 224. wîn-trunchal K. 23b wîn-peri jun. 195. 224.
wîn-reba, wîn-blat T. 167, 1, 4. doc. 244a; ërd-rîhhi J.
347. ërd-waſo J. 367; molt-wërf (talpa) jun. 270; rûn-
ſtap K. 51a; himil-zungal hrab. 974b himil-rinna jun.
192; fogal-hûs; chandal-ſtap jun. 194; eitar-gëbo (vene-
ficus); dëonoſt-man; irmin-got; adal-përaht etc.


β) ſchwache erſte decl. han-chrât monſ. 358; gart-
brunno W. 4, 13; fîg-boum O. II. 7, 127. IV. 6, 10. W.
2, 13; brunn-âdara N. 77, 43; hint-chalp (hinnulus)
monſ. 351. W. 2, 9; hërz-blîdi O. I. 4, 61; hërz-lih,
hërz-rihtî N. 118, 7; ouc-ſalba, ouc-ſuëro monſ. 329.
lindenbr. 994a 998b ouc-fane (orarium) herrad. 190a
ouc-pinta (faſcinatio) aug. 124a; ôr-ſlac (alapa) ôr-hrinc,
ôr-golt etc.


γ) das ableitende i und u kann nicht unterbleiben,
z. b. kein her-dëgan, fih-ſtërbo ſtattfinden für heri-dë-
gan, fihu-ſtërbo; wohl aber das, auch in der ſing. flexion
erlöſchende i der vierten declination. So gilt hant-grif
J. 367. hant-ſlagôd monſ. 410; caſt-luamî (hoſpitalitas) K.
56a; prût-petti jun. 187. prût-chamara hrab. 975b; tât-
rahha (hiſtoria); naht-lob K. 33a. b., um ſo mehr bei
zweiſilbigen wie magad-burt, itis-lîh (matronalis), itis-
lint (n. pr.) —


Im altſ. ſcheint, ſo viel ich aus den mir zugänglichen
ſtellen der E. H. urtheilen darf, der compoſitions-
vocal weit mehr erloſchen, als im ahd. Selbſt nach
kurzen ſilben ſtehet er nicht z. b. in man-kunni, bod-
[421]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
ſcepi, gum-ſcepi, hof-ward (hortulanus); geſchweige nach
langen z. b. in gold-fat, ërl-ſcepi, ord-frumo. Nur in
dem aus der bamb. hſ. doc. 206a beigebrachten hano-crâd
(galli cantus) treffe ich ihn mit ſicherheit, woraus zu-
gleich erhellt, daß er nicht a, ſondern wie in einigen
ahd. denkmählern o war. Unſicherer ſind wâgo-ſtrôm
(fluctus maris) und lido-coſp (vinculum), indem wâgo
und lido gen. pl. und dann höchſtens uneigentliche com-
poſita ſein können. Dafür ſpricht ſogar das vorkom-
mende aha ſtrôm (torrens aquae) und gebanes ſtrôm, wie-
wohl das agſ. væg-ſtreám für wâgo-ſtróm. Iſt godu-wëbbi
= godo-wëbbi? — Uebrigens verſteht ſich, daß die ab-
leitungsvocale i und u wie im ahd. haften, z. b. meri-
ſtrôm, erbi-ward, kuni-burd, heri-togo; fri[du]-barn, hëru-
bendi, lagu-ſtrôm. — Die freckenh. urkunde gibt dag-
mâthon, ſcip-hurſt, han-hurſt, ſpëc-ſuîn, haſ-winkil etc.
ohne comp. vocal; doch mit e (für o oder a?) ſmithe-
hûſon und beſonders merkwürdig ſ. 11. 12. 17. bikie-ſtër-
ron, bikie-ſêton, bikie-tharp (daneben ſ. 15. beki-ſtër-
ron). —


Der agſ. comp. vocal iſt in der regel noch deutlicher
verſchwunden:


α) beiſpiele von ſtarken ſubſt.: däg-ſtëorra (lucifer)
däg-rêd (aurora) gräs-hoppa (locuſta) häg-ſtëald (coelebs)
hof-vëard (aedilis) god-cund, god-vëbbe, god-hëlm, diſc-
þëgn (diſciphorus) vër-þëod (genus hum.) bëd-hûs (ora-
torium) vëg-geſiða (comes) vëg-nëſt (viaticum) vîn-ëard,
vîn-hûs, vîn-berige, hel-dor (oſtium infern.) hel-dëoful
(diabolus) hen-fugel (gallina) gläs-fät (vitrum) gläs-hlûtor
(pellucidus) ſcëam-leás (procax) ſcëam-lim (pudenda) etc.


β) beiſpiele von ſchwachen: boda (nuntius) bod-
ſcipe, bod-lâc (decretum); guma (homo) gum-rinc, gum-
cyn, gum-rîce; hana (gallus) han-cræð; nama (nomen)
nam-cuð; ſunne (ſol) ſun-beám, ſun-bryne (ſolis aeſtus)
ſun-fëld (elyſium); vuce (hebdomas) vuc-þên (ſervus heb-
domadarius); cyrice (eccleſia) cyric-þên; uhte (tempus
mat.) uht-gebëd, uht-ſang; eáge (oculus) eág-äppel, eág-
duru (feneſtra) eág-hringas (palpebrae); eáre (auris) eár-
finger, eár-hring, eár-loccas (antiae); hëorte (cor) hëort-
coð (cardialgia) hëort-hama (praecordia) hëort-ſëóc (car-
diacus).


γ) ableitendes e (für i) und u (o) bleiben aber, z. b.
here-ſtræt, here-vulf, mere-ſtreám, cyne-dôm, cyne-
hëlm, vine-leás (amicis deſtitutus) liðe-byge (flexibilis)
[422]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
liðe-vâc (mitis); vudu-bill (runcina) lagu-ſtreám, frëo-
ðo-ſcëalc etc. ausgenommen, wenn ſie ſchon im unzu-
ſammengeſetzten fall fehlen, z. b. da es heißt hel (in-
fernum, ahd. hella = hellia) gilt auch hel-duru (ahd.
helli-tur).


δ) es ſteht dahin, ob nicht die älteſten denkmähler
ſpuren des compoſ. vocals haben, und war er zuletzt e?
jun. 376. ſtehet neba-gâr (l. nabe-gâr?) wofür Lye auch
naſo-gar, nafe-gar beibringt, derſelbe: nihte-gale (luſci-
nia) name-leás (ignotus) hare-fôt (lagopus) hare-hune
(marrubium). —


Auch der altn. verbindungslaut fehlt,


α) componierte ſtarke ſubſt.: dag-ſtiarna, dag-mâl, dal-
vërpi (convallis), gud-laus, gud-vëfr, gras-hoppa, glas-
ker, gras-grœnn, hof-madr, hof-gardr, ſôl-ſkîn, ſôl-ſëtr,
ſkip-madr, ſkip-brot (naufragium) vîn-ber (uva) vîn-fat,
vîn-gardr etc.


β) ſchwache ſubſt.: bodi (index) bod-ſkapr, bod-ord;
bogî (arcus) bog-madr, bog-ſveigir (ſagittarius); auga
(oculus) aug-liós, aug-ſŷn; hiarta (cor) hiart-grôinn (cordi
fixus) hiart-ſlâttr (palpitatio cordis) hiart-vërkr (car-
dialgia).


γ) ableitungsvocale haften nur, wenn ſie im unver-
bundnen ſubſt. geblieben ſind, z. b. engi (pratum) engi-
-ſprëtta (locuſta) engi-gardr (ſepes prati); erfi (hereditas)
erfi-drapa (epicedium). Hingegen heißt es, wenn z. b.
mit her (exercitus) hel (mors) nef (naſus) componiert
wird, her-bergi, her-fâng, hel-vîti, hel-blâr, nef-hryggr,
nef-ſtôr, alſo mit beibehaltnem umlaut. Ableitendes u er-
ſcheint meines wißens nie in der compoſ. und es tritt
ſelbſt rückumlaut ein; vgl. fë-giarn (ahd. fihu-kërn) miad-
drecka (ahd. mëtu-tranch?) tann-fê (goth. tunþu-faíhu?)
tann-vöxtr (dentitio); von örn (aquila) biörn (urſus) iörd
(terra) ſtammen arn-hofdôttr (capite aquilino) biarn-ylr
(calor urſinus) iard-hûs, iard-bûar (terricolae).


δ) ſpuren des componierenden vocals? da in altn. ſo
viele genitive auf -a endigen, namentlich alle gen. pl. und
die gen. ſg. des ſchw. maſc. und neutr., ſo dürfen nur
wenige a für bloß verbindend gehalten werden; ſolche
nämlich, wo flexion oder ſinn ein genitiviſches verwer-
fen. Dahin gehört vielleicht vëga-nëſti (viaticum) hana-
gal (gallicinium); ſicherer z. b. der eigenname pâlna-tôki
(mit pâlnir, gen. pâlnis gebunden). Der compoſitionsvo-
[423]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
cal ſcheint hiernach, wie im goth. und ahd. a geweſen
zu ſein. —


Mhd. hat ſich der zu e verdünnte compoſitionsvocal
hinter einigen kurzſilbigen wörtern, die ihn im ahd.
haben, erhalten, inſoweit er nicht nach allgemeiner laut-
regel auch hier weichen muſte, namentlich wenn l und
r vorhergeht (alſo ſpil-man, ſpër-ſchaft, nicht ſpile-man.
ſpëre-ſchaft). Einigemahl, beſonders bei ſchw. ſubſt.
währt er noch nach langer ſilbe fort. 1) beiſpiele des
haftenden, α) nach ſtarken maſc. und neutr.: glaſe-vaƷ
Triſt.; gote-heit Barl. 75, 40. gote-lîch; hove-bære MS.
1, 105a hove-bëlle MS. 1, 132a hove-diet, hove-ſite Triſt.
hove-vart kl. 453.; mage-zoge Wilh. 2, 148b; rade-brëchen
Barl. 113. Wilh. 3, 203b; ſtabe-wurz (abrotanum) jun. 330;
ſwane-vëlt Nib. 6113. ſwane-gœi MS. 1, 143; tage-liet MS.
1, 107b tage-ſtërne Triſt. tage-wîſe MS. 1, 147a; wëge-lôs,
wëge-muede, wëge-reiſe Triſt. Auch donre-ſtrâle und holre-
blâſen gehören hierher, vgl. oben ſ. 124. — β) nach ſtar-
ken fem.: bëte-hûs Barl. 338; rede-geſëlle Parc. 89a MS.
1, 106b rede-rîche MS. 1, 105b; gewone-heit Triſt.; zwei-
felhaft ob das häufige nahte-gal? da auch in der flexion
unumlautendes nahte gilt (1, 686). — γ) nach ſchwachen
ſubſt.: bote-ſchaft Barl. 66. MS. 1, 119a; bluome-vaƷ
Barl. 290; klobe-wurſt MS. 2, 194b; hërze-leit, -liep,
-ſêr etc.; kone-ſchaft Wigal. kone-mâgen kl. 848. Bit.
123b; ſchade-haft Triſt.; geſëlle-ſchaft Parc. 163c 170a;
ſeite-ſpil Wigal. — Ohne zweifel darf das e aber auch
in allen fällen kurzer ſilben, wie es die umſtände for-
dern, wegfallen, d. h. bot-ſchaft, got-heit, gewon-heit,
tag-weide ſind erlaubt und Bon. 75, 33 heißt es bat-ſtube
f. bade-ſtube.


2) ungleich häufiger mangelt der comp. vocal, ſo-
wohl nach kurzen ſilben, wie eben geſagt wurde, als
nach langen in der regel.


α) compoſita mit ſtarken maſc. und neutris: lant-
volc, grunt-wal, ſchif-man, nît-ſpil, touf-napf, wîn-
blat, volk-dëgen, ſtap-ſlinge Parc. 137c, vogel-weide etc.


β) mit ſtarken fem.: ërt-ber meiſt. Alex. 144c ërt-
gruft Nib. 1059. kl. 1009; wart-hûs Parc. 180a etc.


γ) mit ſchwachen ſubſt.: han-boum Parc. 46c han-
krât Tit., lintrache Nib. (ſ. lint-trache) tan-boum cod.
[424]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
pal. 361, 3a; ôr-rinc, ouc-ſalbe, die vermuthlich vor-
kommen, weiß ich jetzt nicht zu belegen *).


3) das aus den bildungsvocalen i, u entſpringende e
iſt mit dem compoſitions-e nicht zu verwechſeln; bei-
ſpiele: kinne-bein, netze-vogel, ende-haft, vihe-ſtërbe.
Nach l und r ſchwindet auch dieſes: her-zoge, mer-
grieƷ. Subſtantiva vierter decl. zeigen ſelten ſolches e,
doch vgl. briute-goume troj. 34b. —


Nhd. hören, ſeit verlängerung jener ſilben, welche
den compoſitionsvocal noch zulängſt bewahrten, die mei-
ſten fälle deſſelben auf, d. h. wir ſagen nun glâs-korb,
grâs-mücke, hôf-mann, gott-heit, râd-brechen, tâg-ſtern,
wêg-ſteuer, gewôn-heit, bêt-haus, bôt-ſchaft, nâm-haft,
ſchâd-haft, wie wir ſagen: ſchiff-mann, wein-blatt, erd-
bêre, geſell-ſchaft, lind-wurm, brunn-quell, bær-pfeife,
grâf-ſchaft, herz-blût, woll-markt, ohr-ring. Gleich-
wohl hat ſich in einzelnen zuſammenſetzungen und gern
nach mediis das e erhalten, z. B. rübe-ſâmen, râde-
macher, bâde-gaſt, bâde-magd, hunde-loch, pferde-
fleiſch, hâge-ſtolz, tâge-bûch, tâge-reiſe, reiſe-kleid, auch
wohl in ſchweine-fleiſch u. a. m., aber die verkürzung
gilt daneben, rüb-ſâme, ſchwein-fleiſch, wie in bâd-
ſtube, kalb-fleiſch u. a. immer. Das ableitende e iſt
meiſtens untergegangen (kinn-bein, hirn-ſchâle, vieh-
ſterben), zuweilen dauert das e der vierten declination,
z. B. mäuſe-falle. läuſe-kraut, und ſelbſt verhärtetes i
in nachti-gall und bräuti-gam. —


Die vorgenommene hiſtoriſche erörterung des compo-
ſitionsvocals
beſtätigt (vgl. oben ſ. 411.)


a) daß er im goth. faſt überall, im nhd. faſt nirgends
anzutreffen ſei, in den dazwiſchen liegenden mundarten
mehr oder minder. Dieſe abſtufung berechtigt anzuneh-
men, daß er das wahre princip der eigentlichen ſubſtan-
tivzuſammenſetzung, folglich in jeder, die ihn ſpäterhin
entbehrt, organiſcherweiſe vorauszuſetzen iſt. Unſer
heutiges ſchiff-mann, amt-haus muß daher auf ein goth.
ſkipa-manna, andbahta-hûs zurückgeführt werden; beide
formen, die anfängliche und entſtellte, ſind identiſch.


b) daß er ſich von den flexionsvocalen ganz unter-
ſcheide, denn


[425]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.

α) er ſchwindet nicht auf dieſelbe weiſe, ſondern
früher; es heißt z. b. ſchon im ahd. himil-rîhhi, vokal-
weida, mhd. himel-rîche, vogel-weide, da doch der dat.
ſg. ahd. himila, vokala, der gen. pl. himilô, vokalô,
mhd. beide caſus himele, vogele lauten. Erſt das nhd.
himmel-reich ſtimmt zu dem dat. ſg. und gen. pl. him-
mel. Im nhd. haften noch manche flexionsvocale, der
der compoſition fehlt lange ſchon.


β) wenn ihm flexionsvocale in einzelnen dialecten
zufällig gleichen, ſo braucht man nur die übrigen zu
rathe zu ziehen, um die verſchiedenheit beider fälle zu
finden; z. b. im mhd. tage-ſtërne kann tage darum nicht
dem gen. pl. tage identiſch ſein, weil das ahd. taka-ſtërno
und goth. daga-ſtaírnô die gen. pl. takô, dagê unberührt
laßen. Und wer den dat. ſg. darin ſehen wollte, der
freilich goth. daga, ahd. taka flectiert, würde durch das
agſ. widerlegt, wo der dat. däge, das compoſitum däg-
ſtëorra (nicht däge-ſt.) lautet. Auch das altfränkiſche o
ſtatt a in dago-bërct, karloman ſchickt ſich nicht zum
dativ *).


γ) völlige überzeugung gewährt hierbei die compo-
ſition mit ſchwachen ſubſt., deren oblique caſus meiſtens
n einſchieben, folglich flexionen bekommen, die dem
compoſitionsvocal und deſſen wegfall gar nicht ähnlich
ſehen. Man halte das nhd. brunn-quell zur decl. von
brunnen, das ahd. hërz-plîdi, ouc-fano zu der von hërza,
ouka, das agſ. hëort-hama zu der von hëorte. Im goth.
würde áuſa-hriggs von áuſô abſtehen.


δ) wäre die vermuthete, aber noch nicht überall er-
forſchte länge der flexionsvocale zur gewisheit gebracht,
ſo müſte ſich der wahrſcheinlich immer kurze compoſi-
tionsvocal noch merklicher unterſcheiden. Iſt N.’s hello-
vreiſa eigentliche zuſ. ſetzung (= hella-vreiſa)? oder un-
eigentliche hellô-vreiſa?


c) daß der compoſ. vocal mit den ableitenden voca-
len i und u nichts gemein habe, obſchon beide auf ſei-
nen ausfall einwirken. Seine beſtimmung iſt, das erſte
mit dem zweiten worte zu verbinden, für dieſe idee
gilt es gleichviel, ob das erſte wort ein einfaches oder
abgeleitetes und auf welche art abgeleitetes ſei. In der
[426]III. ſubſtantiviſche eigentl. compoſition.
auſführung wird aber die ableitung dem componierenden
vocale hinderlich. So gilt bald himil-rîhhi ſtatt himila-
rîhhi. Beſtand aber goth. himina-reiki, ſo muß auch
theoretiſch marja-ſáivs, grundva-vaddjus angeſetzt wer-
den f. mari-ſáivs, grundu-vaddjus. Beweis das ahd. ma-
rëo-ſêo.


d) zweifel zwiſchen eigentlicher und uneigentlicher
compoſition erwachſen, ſobald eine zuſ. ſetzung nicht
durch alle zeiten und mundarten verfolgt werden kann;
hauptfälle:


α) wenn das des componierenden vocals entblößte
wort auch der acc. ſg. maſc. neutr. ſtarker ſubſt.


β) wenn der haftende compoſitionsvocal ein gen.
oder acc. ſg. ſtarker fem. oder ein gen. pl. aller geſchl.
ſein dürfte.


Die erörterung dieſer fälle erfolgt erſt, nachdem un-
terſucht ſein wird, ob und in wie fern die uneigentlichen
compoſitionen ſtatt finden.


e) zweifel über die bedeutung des erſten worts kann
eintreten, ſo oft ſich ein ſtarkes und ſchwaches ſubſt.
durch die eigentliche compoſition zufällig gleich werden,
z. b. maga- im ahd. maga-zoho ſtammt von mag, magu
(filius), in maga-piƷado von mago (ſtomachus, magen-
reißen); das altn. eyr- könnte von eyr (aes) und eyra
(auris) herrühren, aus welchem grund wahrſcheinlich ge-
mieden wird, mit eyr- (auri-) zu componieren. Allein
ſolche zweideutigkeiten hebt gewöhnlich ſchon das zweite
wort und noch ſichrer der zuſammenhang der rede; ſie
finden ſich nicht weniger in andern ſprachen, z. b. das
lat. auri- darf zu auris (auri-ſcalpium) und aurum (auri-
fur, auri-fodina) gehören. —


Hiermit, glaube ich, iſt das formelle geſetz der eigent-
lichen zuſ. ſetzung erlediget und die folgende abhandlung
kann, ohne rückſicht darauf, ob der compoſitionsvocal
geblieben oder weggefallen, ob der ableitungsvocal ſtehe
oder nicht, die begriffe und wichtigſten fälle der einzel-
nen compoſitionen entwickeln.


Subſtantiv mit ſubſtantiv.

Der ſinn dieſer zuſammenſetzungen läßt ſich auf drei ver-
hältniſſe des erſten zu dem zweiten wort zurückführen,
1) auf ein präpoſitionelles, 2) appoſitionelles, 3) caſuelles,
[427]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
abgeſehen von ſolchen, die ganz verdunkelt worden
ſind.


I. präpoſitionenverhältniſſe. Sehr viele, wo nicht die
meiſten ſubſtantivzuſammenſetzungen werden erklärt, wenn
man ſich eine praepoſition zu dem erſten worte und dieſes
in dem davon abhängigen caſus denkt. Da nun urſprüng-
lich die präpoſitionen räumliche begriffe enthalten, kann
man auch ſagen, daß das erſte wort den raum beſtimmt,
der dem zweiten zuſteht, berg-ſchloß iſt ein auf dem
berge, luft-ſchloß ein in der luft erbautes. Das verbum
mag, wie in den gegebnen beiſpielen, hinzugedacht wer-
den, oder in der verbalen natur des zweiten wortes be-
gründet ſein, z. b. berg-ſprung, luft-ſprung, ein ſprung
vom berge und in der luft. Es können aber auch, wie
die präpoſition ſelbſt auf andere zuſtände, cauſal- und zeit-
verhältniſſe angewendet wird, compoſita im ſinne dieſer
anwendungen ſtattfinden, z. b. geld-noth iſt noth an gelde,
hand-arbeit die mit der hand gemachte, morgen-ſtern der
am morgen aufgehende. Weiter bemerke ich im allge-
meinen folgendes. Die hauptpraepoſitionen zerfallen in
zwei einander entgegengeſetzte reihen, deren eine ich die
poſitive nennen will, die andre die negative. Jene drückt
für das verhältnis das bezeichnet werden ſoll, nähe oder
näherung, dieſe ferne oder entfernung aus. Nun iſt es
einleuchtend, weil die compoſition eine verbindung und
nicht trennung zweier begriffe enthält, daß ſie vorzüg-
lich durch die poſitiven praepoſitionen der nähe, ſelten
durch die der näherung, noch ſeltner [durch] die der ent-
fernung, nie durch die der wirklichen ferne erklärt wer-
den könne. Aus dieſem grund greifen die praepoſitio-
nen aus, ab, von, (inſofern ſie die bereits vollendete
trennung anzeigen) und ohne (welches nur gänzliche ent-
äußerung bedeutet) nicht in den kreis unſrer unterſu-
chung. Uebrigens verſteht es ſich, daß durch die auflö-
ſung in praepoſitionenverhältniſſe nur der begriff einer
reihe von zuſammenſetzungen erörtert werden ſoll, nicht
daß ſie grade dieſer auflöſung völlig entſprechen, und
überall damit verwechſelt werden dürfen. Was hier
ſonſt noch zu erläutern iſt, kann erſt am ſchluße beſpro-
chen werden.


1) [ruhiges in]


α) raumverhältnis. goth. heiva-frauja (οἰκοδεσπότης)
Marc. 14, 14; grundu-vaddjus (fundamentum). — ahd.
chamar-ginôƷ (cubicularius) monſ. 359. chamar-ſidilo (ſa-
[428]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
rabaita) jun. 260; ërth-bibunga (terrae motus) T. 217, 1;
himil-rîhhi k. 18a; holz-muoja (lamia) doc. 219b; holz-
tûba trev. 14b; hûs-kinôƷ jun. 202; cart-ſanc (chorus)
jun. 199. gart-brunno W. 4, 15; lant-ſidilo gl. ker. 29;
lëbar-lâgo (uterinus, qui jacet in utero) jun. 231; meri-
crëoƷ (margarita) hrab. 955a flor. 982b meri-ſcala (con-
cha) meri-gras (alga) meri-minni (ſiren); petti-ſtrou flor.
983a; purc-liut hrab. 963a 967a; ſcëph-ſanc (celeuma,
geſang im ſchiff) monſ. 337. ſcëf-ſauſi (naufragus) hrab.
961a; ſtein-loh (ſpelunca) jun. 224. W. 2, 13; fëld-tenni
(area) jun. 194; fenni-ſtat (palus) jun. 218; wald-fëld
(campus ſaltus) N. 131, 6. walt-holz W. 2, 3; witu-
hopfo oder -hopfa (upupa, im wald hüpfender vogel?)
monſ. 321. doc. 244b jun. 268. trev. 14b; wôſtan-ſëthalo
l. wuoſtun-ſëdalo (ſolitarius) gl. ker. 199; hierher eine
menge ahd. ortsnamen wie tala-hûs, walt-chirihha, wa-
Ʒar-puruc etc. — altſ. brioſt-githâht (cogitatio); himil-
fader (vater im himmel); land-wîſe (brauch im land);
worold-cuning (rex terrae). — agſ. cyric-ſang (cantus
in eccleſia); ëorð- bëofung (terrae motus) ëorð-cyning
(rex terrae) ëorð-hûs (ſpelunca); gëofon-hûs (domus
marina); grund-ſtânas (rudera) grund-vëall (fundamen-
tum); hûs-cëorl (famulus domeſticus, knecht im hauſe)
hûs-vëard (paterfam.); land-folc (populares) land-hlâford
(fundi dominus) land-ſæta (colonus); mere-hengeſt (na-
vis) mere-hûs (marina domus) mere-mën (ſiren); rand-beáh
(umbo in clypeo); ſcip-here, ſcip-hlâford (gubernator); vä-
ter-älfen (nympha aquae) väter-vëg (via aquoſa); vudu-
beám (arbor ſilvae) vudu-bucca (caper agreſtis). — altn.
gard-vördr (hortulanus); grund-völlr (fundam.); haf-ſrû,
haf-gŷa (ſiren) haf-ſvëlgr (vortex); himin-bûar (coelites)
himin-rîki; hûs-bôndi (herus) hûs-fadir (paterf.); iard-
eldr (ignis ſubterraneus) iard-hûs (domus ſubt.) iard-
ſkiâlſti (terrae motus); munn-vatn (ſaliva, waßer im mund);
land-gudir (dii tutelares) land-þîng (forum generale); ſkip-
hërra (nauclerus) ſkip-rûm (interſcalmium); vid-biörn (ur-
ſus ſilveſtris) aber veidi-hoppa, nicht vid-hoppa (upupa). —
mhd. burc-grâve Parc. 84a burc-mûs (urbanus mus) a. w. 3,
185; ërt-gruft klage 1009; grunt-veſte Barl. grunt-wal
Nib.; himel-rîche, himel-ſtrâƷe MS. 2, 219b; holz-wëc Ulr.
Triſt. 1393; hûs-genôƷ; lant-vride Parc. 165a; mer-grieƷ
(arena maris) Triſt. 4670. mer-wîp Nib.; vëlt-mûs (ru-
ſticus mus) a. w. 3, 185. vëlt-ſtrît Parc. 86a; walt-ſchrat
(ſatyrus); wolken-riƷ Wilh. 2, 174b. — nhd. aug-apfel;
berg-höhle; blût-bâd; blût-taufe; burg-grâf; ei-dotter;
[429]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
erd-apfel, erd-bêben, erd-feuer; feld-maus, feld-ſchlacht,
feld-weg; fluß-gott; grund-birne; hâr-laus; haus-genoß,
haus-herr, haus-knecht; herz-kummer; herze-leid; him-
mel-reich; kammer-frau, kammer-herr; kæſe-wurm;
korn-blûme; land-grâf, land-recht; leib-weh; luft-ſchloß;
luft-erſcheinung; mâgen-wêh; mêr-gras, mêr-jungfer,
mêr-linſe; nuß-kern; rohr-buſch; ſê-bâd; ſchiff-junge;
ſchûl-bank; ſtadt-maus; ſtein-höhle; ſtall-fütterung; wald-
taube, wald-teufel; waßer-bau, waßer-jungfer, waßer-
taufe (Graff p. 32. 51.) waßer-mann; zahn-lücke, zahn-
ſchmerz etc.


β) zeitverhältnis; da ſich die ſprache hierzu der
beiden praepoſitionen in und an bedient (Graff p. 24. 78),
ſo iſt es gleichgültig, ob man die compoſita mit jahr,
ſommer, winter, herbſt, monat, tag, nacht, morgen,
abend etc. durch die eine oder die andere erklärt. Ulf.
gewährt nur zwei beiſpiele nahta-mats (coena) Marc.
6, 21. Luc. 14, 12. und in letzterer ſtelle auch undaúrni-
mats (prandium) *). — ahd. âbant-cauma k. 43b âbant-
lob K. 35a âbant-muos T. 239, 2. âbinte-ſtërro trev. 23a
âbint-ſtërro blaſ. 76a; herbiſt-ram (iſtrix, l. ſtrix) trev.
14b blaſ. 72b (wo fälſchlich hebiſtram) ein ſonſt auch
naht-ram genannter vogel; jâr-marchat (nundinae); mâ-
nôt-pluotara (menſtrua) jun. 213; morgane-giba (donum
matutinale) conventus ap. andelaum anni 587. bei Baluz
1, 14. morgan-gëba lex ripuar. 37. alam 56, 2. morgan-
lob K. 30a 31b; nahta-gala (luſcinia) naht-ram (noctua,
nycticorax) monſ. 349. 412. N. 101, 6. naht-ſangara (de-
gallinatio? unverſtändlich) zwetl. 119a naht-wahha monſ.
358. K. 34b; ſumar-lota (virgulta, l. virgula) hrab. 976b
jun. 242 ſumar-lata (pampinus) monſ. 407. 412, reb-
ſchößlinge, die im ſommer treiben; taga-muos (pran-
dium) T. 110. taga-ſcalc (operarius diurnus) taga-ſtërno
(lucifer). — agſ. æfen-dreám, æfen-ſang (cantus veſper-
tinus) æfen-gerëord (coena) æfen-gloma, æfen-ſcîma
(crepuſculum) æfenſtëorra, æfen-tungel (heſperus); däg-
lëoð (diurna cantio) däg-rim (aurora) däg-ſtëorra (luci-
fer) däg-vëorc (penſum) däg-vëard (vigil); gëar-cyning
(conſul, der im jahr regiert); härfeſt-væta (autumni hu-
miditas); morgen-gifu, morgen-ſpæce (poſtridianum con-
[430]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
cilium) morgen-ſtëorra; mônað-âdl (morbus menſtrualis)
mônað-blôd (menſtrua); nihte-gale (luſc.) niht-genga
(noctivagus) niht-hräfn, -hrämn (nycticorax) niht-reſt
(quies nocturna) niht-ſang (completorium); ſumor-ſeld
(aula aeſtiva); uht-gebëd (preces matutinae) uht-ſang
(cantus antelucanus) uht-þênung (ſervitium matut.); un-
dërn-gerëord, undërn-mete (prandium) undërn-ſang
(tertianus cantus); vinter-burna (torrens hiemalis) vin-
ter-feld (manſio hiberna); vuc-þên (ſervus hebdomada-
rius) vuc-þênung (ſervitium hebd.) — altn. âr-galli (de-
fectus annonae) âr-gœdſka (ubertas annonae); dag-blinda
(nyctalopia) dag-ferd (iter unius diei) dag-ſtiarna (luci-
fer) dag-vërdr (prandium); hauſt-annir (opera autumna-
lia) hauſt-bod (convivium aut.) hauſt-vëdr (autumnitas);
morgun-dagr (dies craſtinus) morgun-giöf (donum nup-
tiale) morgun-rodi (aurora mat.) morgun-ſtiarna; nâtt-
bôl (hoſpitium noct.) nâtt-blinda (hemeralopia) nâtt-
dögg, nâtt-fall (roratio nocturna) nâtt-far (iter nocturn.)
nâtt-hrafn (nycticorax) nâtt-vërdr (coena); qvöld-rida
(lamia, die nachts ausfährt) qvöld-rodi (aurora veſper-
tina) qvöld-ſtiarna (heſperus) qvöld-vaka (vigilia); ſumar-
blettr (ephelis) ſumar-giöf (munus aeſtivum); vëtur-lidi
(urſus, winterſchläfer) vëtur-ſëta (hiematio). — mhd.
âbent-mærlîn (narratiuncula veſpertina) fragm. 21a; mor-
gen-huote (cuſtodia mat.) morgen-ſprâche (colloquium
mat.) morgen-ſtërne; nahte-gal, naht-gengel (noctivagus)
naht-ſelde Nib. naht-var (lamia) Wilh. 1, 82a; ſumer-late
troj. 3061. MS. 2, 61a 1, 124b ſumer-töckel MS. 2, 67a ſu-
mer-töcken 2, 59b; tage-dinc, tage-liet, tage-vart, tage-
weide, tage-worhte (operarius diurnus) Oberl. 1620, —
nhd. âbend-dämmerung, âbend-mâl, âbend-lied, âbend-
roth, âbend-ſonne; herbſt-blûme, herbſt-ernte; jahr-markt;
johannis-wurm; morgen-gâbe, morgen-lied, morgen-ſonne,
morgen-ſtern, morgen-thau; nacht-herberg, nacht-kleid,
nacht-thau; ſommer-fleck, ſommer-korn, ſommer-haus,
ſommer-ſproße, ſommer-vôgel; tâg-lied, tâg-ſtern, tâg-
lohn; winter-butz (larva hiemalis) Oberl. 2041. winter-
freuden, winter-garten, winter-rock, winter-ſât etc.


γ) durch ein in für umſtände, zuſtände und cau-
ſalverhältniſſe auflösbare compoſita ſcheint die alte
ſprache noch nicht zu kennen. Erſt aus dem nhd. weiß
ich beiſpiele zu geben: angſt-ſchrei (ſchrei in der angſt);
bann-forſt; blût-zeuge; gleichnis-rêde; gewalt-thât (Graff
p. 36.); holz-bedeckung (Graff p. 38.); noth-rûf, nôt-
ſchrei; rætſel-ſprâche.


[431]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

2) [bewegendes in]
nur wenige beiſpiele, darunter aber ſchon alte; bei allen
iſt im zweiten wort der verbalbegriff deutlich rege, auch
beziehen ſich alle auf das reine raumverhältnis: ahd.
ôr-kirûno (der ins ohr flüſtert) jun. 196. monſ. 328.;
petti-riſo (der ins bett gefallen, aufs krankenlager ge-
worfen worden iſt) O. III. 14, 132. V. 16, 80. — altn.
hel-för (fahrt in den tod); ſôl-ſkrîckja (alauda, die in
die ſonne ſchmetternde). — mhd. bette-riſe Parc.
122a; hant-giſt (was in die hand gegeben wird) troj. 82b;
helle-val (fall in die h.) Gotfr. minnel. 2, 47. helle-vart
Parc. 112b; ſëgel-wint (der in die ſegel bläſt) MS. 2,
220a Wilh. 2, 203a (wonach wohl Parc. 179b ſëgels luft
zu ändern in ſëgel-luft?) vgl. unten anm. b.; walt-reiſe
Nib. Barl.; — nhd. feld-zûg; grâb-lêgung; hand-geld;
himmel-fahrt (höllen-f. ſtatt hölle-f. iſt fehlerhaft); kirch-
gang; thier-verwandlung. —


3) [bewegendes aus].


α) raumverhältnis: hier ſind viele compoſita denk-
bar, deren zweites wort den begriff von fallen, ſpringen,
fließen, gießen, ſtrömen, ſchöpfen u. a. enthält, oder wo
ein ſolches verbum hinzugedacht werden muß. Anzu-
führen weiß ich nur das ahd. himil-rinna (cataracta) jun.
192. 198. und himil-brôt (manna) N. 77, 24. (panis coeli).
Mhd. donre-ſtrâle (ſtrahl der aus dem donner fährt) Barl.;
himel-brôt, himel-tou (brot, thau, die aus dem him-
mel fallen) ſchûr-ſtein (donnerkeil) Bit. 105a. Nhd. bauch-
ſtimme, berg-ſprung, donner-keil, fels-ſprung, fenſter-ſprung,
himmel-rêgen, mond-ſtein, ſtern-ſchnupfe und wohl noch
andere *). Einerlei iſt es, ihnen die praep. aus oder von
unterzuſchieben; die alte ſprache gebrauchte noch gern
ar (ex) gegenüber dem poſitiven in, wo aber poſitives
an ſteht, kann auch negatives von gelten. Bei einigen
vorhin unter das ruhige in gerechneten läßt ſich auch
die bewegung aus denken, namentlich könnte meri-
grieƷ etc. die aus dem meer gefiſchte perle bedeuten?


β) verhältnis des ſtoffs, aus dem etwas gemacht,
gewirkt iſt, wobei wiederum die praepoſitionen aus und
von abwechſeln (Graff p. 65. 230). Goth. eiſarna-bandi
(vinculum ferreum); ahd. êr-faƷ (aeramentum) jun. 248.
[432]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
T. 84; fëder-bette N. glaſe-vaƷ W. 8, 6; agſ. gold-fät;
îren-bend; altn. gull-men (torques aureus); iarn-ſpadi
(ligo ferreus) iarn-völr (baculus ferr.); mhd. golt-faƷ
Parc. 57a; hëlfen-bein Parc. 56a; nhd. eiſen-ſtange; fêder-
bett; gold-ſchnalle; lêder-ſchuh; ſtahl-dêgen; ſtein-haus
und viele ähnliche, die erſt ſpäter häufig geworden ſind.
Denn die alte ſprache bedient ſich lieber des materiellen
adj. (oben ſ. 176 — 179.); ſie zieht z. b. þaúrneina vipja
Ulf. Marc. 15, 17. þaúrneins váips Joh. 19, 5. thurnînêr
ring O. IV. 22, 42. durnînu corona W. 3, 11. etc. dem
compoſitum vor.


4) [ruhiges an]


α) raumverhältnis, goth. figgra-gulþ (ring am fin-
ger); fôtu-bandi (ſeßel am fuß); vielleicht viga-deina oder
deinô (tribulus, weg-diſtel) Matth. 7, 16, deſſen zweites wort
unbekannt iſt. Ahd. ahſal-pein (humerale) ker. 119; chinni-
pahho, chinni-pein (maxilla); ërd-hewe (foenum terrae) N.
71, 16. ërd-marcha hrab. 963b ërd-ring O. I. 1, 189. N. 97, 9.
ërd-waſo J. 367; fuoƷ-ſuht (podagra); graſa-wurm
(eruca) zwetl. 120b; hals-pouc (torques) jun. 190; helli-
porta, helli-tur; himil-zeihhan hymn. 948. himil-zunkal
(ſidus) hrab. 974b; hofa-man (aulicus) hofa-ſtat flor. 984a;
hoſa-neſtila monſ. 319; lant-marcha hrab. 963b; muole-
ſtein trev. 61b; ôr-rinc (inauris) monſ. 332. 348; burg-
wahtel (excubitor) W. 3, 1; rëpa-plat (folium vitis) flor.
985b; ſant-wërf (ſyrtes) hrab. 974b (wo fehlerhaft ſentis)
ker. 142. 247; ſpëra-ſcaft hrab. 972a; ſtrâƷ-puruc (ar-
gentoratum); wëge-breita (plantago) trev. 18a. — agſ.
eár-hring (inauris) eár-loccas (antiae); ëarm-beág (ar-
milla) ëarm-ſcanca (os brachii); ëorð-reſt (cubatio humi)
ëorð-vëall (agger); fôt-âdl (podagra) fôt-coſp (pedica);
hëals-mene (monile); hëofon-tungel (ſidus); land-ſæta
(colonus); ſand-gevëorp (ſyrtes); ſtreám-vëall (ripa);
vëg-bræde (plantago) vëg-färeld (iter). — altn. arm-
band, arm-ſpöng (armilla); fôt-lëggr (tibia); gras-lidr
(geniculum, culmus); hals-bein (claviculae) hals-kedia
(monile); hiâlm-fiödr (criſta galeae); hiarn-ſkal (cranium);
himin-teikn (prodigium coeleſte) himin-tûngl (aſtra);
iard-vëgr (cruſta-ſoli); land-ſeti (praedii conductor); ſand-
eyri (ſabuletum); vëg-ferd (iter). — mhd. ahſel-bein
troj. 23b; hëlm-vaƷ Nib.; himel-wagen troj. 139b hirne-
ſchal troj. 30b; kinne- bein Wigal.; klobe-wurſt MS. 2,
194b; mül-ſtein troj. 46c; ort-ſtein meiſt. Alex. 144a; rîn-
vranken (franci rhenani) kl. 281; ſchilt-rieme, -vëƷƷel;
[433]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
ſpër-lachen Triſt. Vrîb. ſpër-zeichen (vexillum) jun. 299;
ſtein-want kl. 4386; wâc-ſant cod. pal. 361, 73b; zëlt-
ſtange a. Tit. 149. — nhd. alp-rôſe; arm-band; berg-
kräuter, berg-haus; blatt-laus; erd-nähe; fûß-eiſen; gras-
bank; hals-band; hirn-ſchâle; mühl-ſtein; ohr-ring, ohr-
läppchen; rhein-wein; ſand-bank; ſtirn-bein; ſchwert-
knopf; thür-angel; zahn-fleiſch etc. —


β) zeitverhältnis; beiſpiele vorhin ſ. 429. beim in
angegeben. —


γ) an bei umſtänden, zuſtänden etc. auch hier erſt
nhd. beiſpiele: geld-noth, geld-mangel, geld-klemme,
land-verluſt, waßer-noth, waßer-mangel = mangel an
geld und waßer (verſch. von dem uneigentl. comp.
waßers-noth, d. h. gefahr, die übertretendes waßer
bringt). —


5) [bewegendes an]
ahd. hals-ſlac (colaphus); ôr-ſlac (alapa) monſ. 409; ſë-
dal-ganc (occaſus ſolis, wann ſie zur ruhe, in ihre woh-
nung geht) hrab. 967b K. 24a N. 49, 1. — agſ. hâm-fä-
reld (domuitio); hand-ſylen (traditio in manum, an hand
gebung); ſëtel-gang. Im altfrieſ. häufig gers-fall, was an
die erde, zu boden, aufs gras fällt. — altn. ham-hleypa
(lamia, quae in varias formas ſe mutat); heim-bod (invita-
tio ad epulas) heim-fŷſi (noſtalgia) heim-för (reditus) heim-
koma (idem); land-gângr (exſcenſio, an land gehung. —
mhd. mûl-ſlac Parc. 87b wofür auch mûl-ſtreich vor-
kommt. — nhd. heim-gang, -fahrt, -kunft; maul-ſchlag.
maul-ſchelle; ohr-ſchlag, ohr-feige; ſtuhl-gang (gang auf
den ſtuhl, hernach mit euphemiſmus excrement). — In
allen beiſpielen iſt der verbalbegriff des zweiten worts
unverkennbar oder ein ausgelaßenes verbum naheliegend,
z. b. maulſchelle ein ans maul ſchallender ſchlag oder ein
ans maul fahrender und ſchallender. Man kann aber
auch durch andere praep. erklären, z. b. durch in, auf,
zu; das agſ. ſëtel-gang, weil es heißt ëode tô ſëtle bezieht
ſich lieber auf zu. Bei heim darf das adverbium oder
der bloße acc. (domum) angenommen werden und dann
wären es gar keine eigentl. compoſita. —


6) [bewegendes von, ab,] auch hier berühren ſich die
beiſpiele mit den beim aus gegebenen.


α) raumverhältnis, nhd. dach-traufe (ſtillicidium);
erd-ferne; alp-luft, berg-luft, ſee-luft, die vom berge,
meere her weht (kann aber auch die auf dem b. oder m.
E e
[434]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
wehende bedeuten; zuweilen iſt das zweite wort mit
der praep. ſelbſt componiert, z. b. kreuz-abnahme und
ſo dürfte auch im rechten zuſammenhang weg-abführung
und dgl. geſagt werden.


β) ſtoffverhältnis, ſ. vorhin ſ. 431. —


7) [ruhiges auf] die heutige praep. auf iſt eine urſpr.
conjunction, die mit den praep. in und an verbunden
den begriff der oberfläche hervorhebt (Graff p. 170.). Es
werden daher von den bei in und an unter 1 und 4. an-
geführten beiſpielen einige hierher paſſen, wie von den
jetzt anzuführenden einige dorthin. Hauptſächlich ſind
es zuſ. geſetzte thiernamen, deren erſtes wort den auf-
enthaltsort beſtimmt. Ahd. diſtila-vincho (carduelis) wo-
für gl. ſgall. 203. zuiſtila-vinco, diſtil-vinko trev. 15a; fuoƷ-
gengil (pedes); hewi-ſcrëcki (locuſta) T. 10, 1. hou-ſcrë-
chil lindenbr. 996b houwi-ſtapho monſ. 335. hoi-ſtaffel N.
104, 35. houwe-ſpranca jun. 270; in hawi-grimmila
(ophiomachus) monſ. 412. iſt mir mit dem zweiten wort
auch das erſte dunkel; îſ-vogel trev. 15a; mato-ſcrëcche
(locuſta) N. 108, 23; miſt-bëlla (lyciſca) lindenbr. 966.
trev. 12a blaſ. 66b das auf dem miſt bellende thier, wird
von einer art bauerhunde und vom murmelthier ge-
braucht (Oberl. 1055.), miſtbelliſch und hündiſch ſind ſy-
nonym, übrigens lieſt die handſchrift der gl. lind. wirk-
lich onſtbella oder kann ſo geleſen werden, da das an-
fangs-mi täuſchend wie on ausſieht, entſcheidend hier-
für hat gl. ker. 262. onſtun (ſterquilinium) f. miſtun = mi-
ſtunnëa (ſ. 318.); pirih-huon trev. 15a; puoh-ſpëht trev.
14b und manche ähnliche thierbenennungen. — altſ. knëo-
bëda (gebet auf gebognen knien). — agſ. gärs-hoppa,
gärs-ſtapa (locuſta); þiſtel-tvîge (carduelis avis) ſteht zwar
bei Lye, doch verſtehe ich hier tvige nicht. — altn.
engi-ſprëtta (locuſta); fiall-drapi (betula agreſtis) fiall-bûi
(monticola); gras-hoppa (cicada). — mhd. diſtel-vinke;
hœi-ſtaffel Barl. -ſtueffel (mit dem ablaut von nr. 76.)
Bon.; hove-bëlle (homo in aula latraus, hoſſchwätzer,
müßiggänger) MS. 1, 132a kamer-bëlle (virgo cubicularia,
die in der kammer plaudert) fragm. 41b. — nhd. berg-
predigt; dach-fahne, dach-ſtroh; eis-bär; grâb-ſchrift,
grâb-ſtein; heu-ſchrecke; ſeil-tänzer; ſchulter-träger;
ſchôß-kind; thurm-wächter und außerdem thier- und
pflanzennamen, (bûch-fink, diſtel-fink etc.) beſonders der
volksmundarten, z. b. in der bairiſchen heißt das huhn
miſt-kratzerl.


[435]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

8) [bewegendes auf] ahd. mhd. vuoƷ-val, nhd. ſûß-
fall, altn. knê-fall; ebenſo würde zu nehmen ſein hrucki-
val, das ich ahd. nicht belegen kann, aber N. hat rucke-
ſturzo (diabolus, ſonſt nider-riſo, der auf den rücken ſtür-
zende), rucki-chêro (tergiverſator) monſ. 408. ſcheint bloß
accuſativiſch, altn. bak-fall (lumbare, auf den rücken fal-
lendes gewand), im nhd. rück-fall iſt rück ſchon partikel-
haft; die lex alam. 65, 31. beſtimmt eine verwundung des
knies danach, ob der gelähmte mit dem fuß noch an
das bethaute gras ſtreifen könne, das hieß tou-tregil, bis
an den thau ruhrend, ſchleppend? — vgl. mhd. acker-
ganc troj. 71c weide-ganc Parc. 29a. —


9) [zu] dieſe praepoſition kann im reinen raumverhäl-
niſſe bei verſchiednen zuſammenſetzungen an die ſtelle
des bewegenden in, an, auf gedacht werden, z. b. kirch-
gang auch ein gang zur kirche ſein. Ebenſo vertritt ſie
ruhiges in, bei, z. b. haus-andacht, haus-gottesdienſt. Im
agſ. heißt hand-prëoſt, hand-þëgen ein prieſter, diener,
der zur hand iſt (ahd. aƷ henti, bei der hand, praeſto,
Graff p. 94.). Ungleich häufiger erläutert aber ihr cauſa-
ler gebrauch (Graff p. 259.) das verhältnis der beſtimmung
und des nutzens, worin das erſte wort zu dem zweiten
ſteht. Das zweite pflegt dann ein geräth, einen behäl-
ter, ein kleidungsſtück, nahrungsmittel u. a. m. auszu-
drücken. Man kann auch cauſales für dabei annehmen
(Graff p. 146.).


α) beiſpiele von geräthſchaft: goth. hunſla-ſtaþs (al-
tare) fotu-baúrd (fuß-ſchemel) lukarna-ſtaþa (candelabrum)
mati-balgs (pera) ſtáua-ſtôls (tribunal); ahd. lid-faƷ jun.
218. ſalp-faƷ hrab. 954a T. 138. lioht-faƷ hymn. 948.
pëor-faƷ hrab. 957b wîn-faƷ hrab. 958a poah-faƷ (biblio-
theca) ker. 44. lëoht-kar hymn. 949. rouh-kar jun. 229.
lîh-kar jun. 211. teiga-troug hrab. 961b ſcaz-ſung jun. 213.
chandal-ſtap jun. 194. ſatal-giziugi monſ. 399. maƷ-ſahs
(eß-meſſer) ſgall. 199. miſt-gabala ſgall. 199. wunſchili-
garta (caduceus) jun. 383. und ſo durch alle dialecte eine
menge von wörtern. Hier noch einige aus dem nhd.:
bier-faß, rauch-faß, wein-faß, leich-korb (provinziell f.
ſarg) licht-korb, teig-trôg, feuer-eimer, feuer-leiter, geld-
beutel, öhl-flaſche, tauf-napf, eßig-krug, miſt-gabel, mehl-
ſack, wünſchel-ruthe, hand-feile etc.


β) von behältern: ahd. caſt-hûs (diverſorium) ker.
268. jun. 201. 202. hrab. 959b fogal-hûs zwetl. 114a chorn-
hûs (horreum) ker. 27. chorn-ſtadal monſ. 393. buoh-cha-
E e 2
[436]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
mara zwetl. 112b, vgl. die agſ. -ern (ſ. 338.). Nhd. gaſt-
haus, vogel-haus, vogel-bauer etc.


γ) von kleid und tuch: ahd. hant-fano ſgall. 203.
panch-lahhan jun. 226. wind-lahhan ker. 92. ſueiƷ-lahhan
(ſudarium) T. 220, 4. ahſal-kiwât jun. 226. houpit-pant
hrab. 969a wîc-garawi monſ. 363. — nhd. hand-tuch,
ſchweiß-tuch, haupt-binde, achſel-binde u. a. m. Hierher
können auch einzelne von den unter 4, α angeführten
gerechnet werden, z. b. arm-band iſt ſowohl band an dem
arm, als für den arm.


δ) von ſpeiſen, getränken, arzneien: ahd. lîp-nara
(victus) jun. 238. T. 118. meƷi-môs (dapes) ker. 87; nhd.
leib-ſpeiſe, ſchlâf-trunk, ſchlâg-balſam, mâgen-tropfen,
bruſt-thee.


ε) noch andere verhältniſſe: ôr-vinger trev. 9a ſnita-
zît (tempus putationis) jun. 187; altn. ſvëfn-þorn (acus
ſoporifera) etc. *). —


10) [bei] berührt ſich mit den räumlichen begriffen
an, um, neben und kann gleich ihnen für einzelne zuſ.
ſetzungen gedacht werden, z. b. kirch-hof, haus-garten,
weg-breite (plantago); ſchild-wache (mhd. ſchilt-wahte
Nib.) iſt die wache bei dem aufgehangnen ſchild, der
grabwächter wacht bei dem grab; altn. baug-eiðr bedeutet
einen bei dem heiligen ring geſchwornen (man ſagte ſchwö-
ren in, , , durah, Graff p. 56. 94. 108. 205, altn.
vinna eið at baugi). Im zeitverhältnis wechſelt es mit
in, an, z. b. nacht-arbeit, tage-werk. Iſt regen-wurm,
regen-bogen (ahd. rëgan-pogo) der beim regen, während
es regnet, oder nach dem regen erſcheinende?


11) [über, unter] hiervon kommen wenige beiſpiele
vor, bett-decke kann ſowohl durch auf und bettvorhang
durch vor erklärt werden, als durch über; ërd-fiur monſ.
360. ërd-pruſt (vorago terrae) monſ. 328. 332. nhd. erd-
feuer, dach-kammer erläutern ſich durch unter wie durch
in. Das altn. iarð-fiúk bedeutet ein über die erde hin
ſtürmendes ſchneegeſtöber. Einige bei 7. angeführte
thiernamen (houwi-ſcrëcchi, mato-ſcrëcchi) dürfen auch
[437]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
bedeuten: das über das heu, über die wieſe ſpringende
thier, ahſal-giwât das gewand über die achſel; vihu-
ſtërbo, vieh-ſeuche die ſeuche unter dem vieh?


12) [vor, nach] räumliches vor drücken aus: ahd.
heri-zoho, agſ. here-toga, der vor dem heer zieht, desgl.
altſ. folktogo, agſ. folc-toga; goth. daúra-vards, ahd. turi-
wart, der vor der thür ſteht, welches aber auch an der
thür bedeuten kann; ebenſo die nhd. ôfen-ſchirm, rêgen-
ſchirm. Räumliches nach (hinter) ahd. fuoƷ-fendo (agſ.
feða) T. 79. der dem fuß des herrn nachtretende knecht
(pediſequus) altn. fôt-ſpor (veſtigium) agſ. fôt-læſt, nhd.
fuß-ſtapfe; ahd. wagan-leiſa oder -leiſan (orbita) nhd.
wâgen-leiſe, die hinter dem wagen zurückbleibt, altn.
vagn-ſlôd; richtung nach enthält ahd. ſunna-huirpila (ſol-
ſequium) ſunne-wirpila wirceb. 980. lindenbr. 1001a (wo
die hſ. ſunne-wirbel, nicht ſonnenwirbel hat) von huërpan
(ſich kehren, drehen, wenden). Bedeutet ſchlâf-trunk
einen vor dem ſchlaf genommenen oder für den ſchlaf?


13) [durch, um, neben] einige bei in und an aufge-
zählte compoſita fallen auch hierher, z. b. land-fahrt,
land-reiſe (durch das land); arm-band; arm-gürtel, leib-
gürtel, feld-zaun, haus-mauer (um den arm, leib, das
feld und haus) luft-flug, waßer-gang, wolken-fahrt (durch
die luft, das waßer, die wolke) kêgel-ſchnitt (ſectio co-
nica). Cauſales durch (Graff p. 206.) könnte in den com-
poſitionen angenommen werden, welche cauſales mit er-
klärt, z. b. im mhd. hant-getât, nhd. feuer-prôbe, waßer-
taufe.


14) [mit] die ſinnliche bedeutung von mit (zuſammen)
herrſcht wohl in wenigen compoſitis, doch ließe ſich he-
ri-zoho für einen nehmen, der mit dem heer auszieht,
huor-winiſcaft (vita meritricia) N. 70, 7. für den umgang
mit huren und aus dem adj. tiuvol-winnîc (daemoniacus)
monſ. 391. ein ſubſt. tiuvol-giwin folgern, vgl. O. III. 14, 124.
Unter raub-mord verſteht man einen zugleich mit raub voll-
führten mord, unter dienſt-ehre (N. ambaht-êra) die mit
dem dienſt verbundne, ihn begleitende. Unter baug-reid
altn. den ritt, wobei ein beringter ſpieß auf dem pferde
liegt (Gulaþîngsl. p. 412. 413.), alſo der ritt mit dem ring.
Deſto häufiger gilt das cauſale mit, von mittel und zu-
ſtand (Graff p. 114. 121.).


α) im zweiten wort iſt die handlung, im erſten das,
womit ſie verrichtet wird, enthalten: goth. handu-vaúrſtv,
das ich bloß aus handu-vaúrhts folgere; ahd. hant-grif
[438]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
(pugillus) J. 367. hant-ſlac (alapa) T. 187, 4. hant-ſlagôd
(plauſus); agſ. hand-grið (pax manu data) hand-geſcëaft
(creatura) hand-gevrit (manu ſcriptum) hand-vëorc (ma-
nuſactura), gehört dahin auch liſt-fanc (argumentum) jun.
194, wodurch man künſtlich gefangen wird? altn. fôt-
gânga (iter pedeſtre); hand-vërk (opiſicium) hand-ſal
(ſtipulatio manu facta); ſtein-kaſt (jactus lapidis); ſpiôt-
kaſt (jactus teli); mhd. hant-getât (creatura) hant-ſpil
Triſt.; vûſt-ſlac (alapa) desgl. dûm-ſlac. — nhd. beil-
hieb; fauſt-kampf, fauſt-ſchlag; finger-zeig (mhd. kenne
ich bloß das verb. vingerzeigen); flügel-ſchlâg; fuß-tritt;
hand-ſchrift, hand-ſchlâg, hand-werk; meſſer-ſchnitt,
meſſer-ſtich; nâdel-ſtich; pfleil-ſchuß; ſpêr-wurf; ſchwert-
ſtreich; ſtein-wurf; ſtock-ſchlâg etc. In dieſen zuſam-
menſetzungen allen iſt der verbalbegriff des zweiten wor-
tes unverkennbar.


β) das zweite wort drückt eine ſache aus, die das
erſte näher beſtimmt, hier muß das verbum meiſt hin-
zugedacht werden, ahd. ſali-hûs gl. ker. 8. (worin oder
wobei ſich ein ſaal befindet); mhd. ſtrô-ſack MS. 2, 108b
(mit ſtroh gefüllt); nhd. fêder-hût (gefüttert mit f.) pelz-
rock; grâs-hügel (bewachſen mit gras); leim-ruthe (be-
ſtrichen mit l.); ſchild-kröte (gedeckt mit ſch.); finger-
handſchuh (verſchen mit f.) *). —


anmerkungen zu der praepoſitionellen compoſition des
ſubſt. mit ſubſt.


a) der verſuch, zuſammenſetzungen aus praepoſitions-
verhältniſſen zu deuten, iſt nicht ſo anzuſehen, als ob
jene in der that aus dieſen entſprungen oder ihnen in
der bedeutung völlig gleich wären. Daß letzteres gar
nicht der fall ſei, ergibt ſich ſchon bei geringer auf-
merkſamkeit. Ein haushund, bûchfink, morgenlied ſind
keineswegs einerlei mit einem hund im hauſe, einem
finken auf der buche, einem lied am morgen, denn es
könnte auch ein jagdhund im hauſe ſein, ein diſtelfink
auf die buche fliegen, ein abendlied morgens geſungen
werden. Umgekehrt hört der haushund nicht gleich auf ein
ſolcher zu ſein, wenn er ſich aus dem hauſe verlauft.
[439]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Die compoſition drückt alſo ein innigeres band aus, als
der praepoſitionsfall, das bleibende, natürliche, gewöhn-
liche, nicht das vorübergehende, einmalige. Daher auch
die viel beſtimmteren präpoſitionellen begriffe nicht je-
derzeit in compoſitionen übertragbar ſind, z. b. in den
redensarten: der ſperling auf dem dach, der hahn im
korb wäre es übel angebracht zu ſagen: der dachſper-
ling, der korbhahn.


b) ein und daſſelbe compoſitum kann darum einen
mehrſeitigen, ja außer dem zuſammenhang unſichern
ſinn haben. Haushund bezeichnet den in oder vor dem
hauſe liegenden, oder auch nur den dazu gehörigen, da-
für angeſchafften hund; neßelraupe nicht allein die auf
dieſer pflanze wohnende, ſondern auch die ſich davon
nährende raupe. Dem zuſammenhang bleibt es vorbe-
halten zu beſtimmen, ob unter handſchlag ein ſchlag an
die hand oder mit der hand, unter bettſprung ein ſprung
in das bett oder aus dem bett gemeint ſei, ob ſëgelwint
(oben ſ. 432.) das lebendige: wind in die ſegel, oder das
abſtracte: wind für die ſegel bedeute (letzteres beſtärkt
die beifügung des adj. guot troj. 131b 142a und das pa-
rallele ſëgel-wëter Parc. 182c).


c) in vielen fällen mag die zuſ. ſetzung ganz mit
dem praepoſitionsausdruck übereintreffen, z. b. es iſt
gleichviel geſagt ſunnûn ſëdalganc (ſolis occaſus) oder
diu ſunnâ gât in ſëdal (ſol occidit). Insgemein ſcheint
die bedeutung beſtimmter, wenn das zweite wort ſinn-
lich verbal iſt, z. b. bei handarbeit, ſchwerthieb beſinnt
man ſich der redensarten mit der hand arbeiten, mit
dem ſchw. hauen, wogegen es bei thalweg an ſich un-
gewis bleibt, ob der weg durch das thal laufe oder an
dem thal her führe. Bergwege pflegt man zu nennen,
die über die gebirge ziehen, bergſtraße in der pfalz heißt,
die an den bergen hin geht.


d) einigemahl ſteht auch die erläuternde praepoſition
als bloße partikel vor dem zweiten (verbalen) wort, z. b.
in kreuz-abnahme, haus-einbruch, kegel-durchſchnitt,
wovon mehr §. 4.


II. appoſitionelle verhältniſſe. Viele compoſita fügen
ſich theils gar nicht, theils nur gezwungen in die er-
klärung durch praepoſitionen; die begriffe ihrer beiden
[440]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit comp.
wörter ſcheinen bloß neben einander geſtellt und etwa
durch ausgelaſſene conjunctionen in verbindung gebracht.
Ich ſondere hier folgende einzelne fälle:


1) [vergleichung], dieſe deutung iſt vornämlich auf
adjectiviſche zuſ. ſetzung anwendbar und findet bei ſub-
ſtantiviſcher ſelten ſtatt. Das erſte wort enthält die ſache,
der das zweite gleicht. Ahd. golt-vincho (aurivittis) der
vogel, deſſen gefieder wie gold glänzt; ſun-chëver (bru-
chus) N. 104, 34. der käfer, mit leuchtenden flügeln
(oder der in der ſonnenwärme hervorkommt?). Nhd.
laub-froſch (grün, wie laub); bîſam-käfer (wie biſam
riechend); ſtaub-rêgen (fein wie ſt.); mann-weib (wie
ein mann); feuer-kopf (roth, hitzig wie feuer). Doch
berühren ſich hiermit uneigentliche compoſita, wie hunds-
auge (κυνὸς ὄμματ᾽ ἔχων) ſchâfs-kopf (kopf von einem
ſch.) und altn. bedeutet dûna-logn federſtille, wann ſich
in der luſt keine flocke regt, aber dûna iſt gen. pl.


2) [ſpecies und genus] in thier-, pflanzen- und
ſteinnamen erſcheinen oft zwei verwandte wörter neben-
einander, das erſte gibt die art zu dem geſchlecht an.
Ahd. hint-chalp (hinnulus) nhd. rêh-kalb, rêh-kûh,
hirſch-kûh; ahd. ſtuot-hros, ſtuot-ros trev. 11b agſ. ſtôd-
hors, ſtôd-myre, altn. ſtôd-hroß, nhd. mutter-pferd;
mhd. ëber-ſwîn Nib. troj. 46a, vgl. das altſ. kô-ſwîn in
der freckenh. urk.; nhd. rêh-thier, gems-thier, maul-
thier, rêh-bock, ſchâf-bock, rind-vieh, ſchâf-vieh; wal-
fiſc jun. 277. nhd. wall-fiſch. Eine menge zuſammen-
ſetzungen mit -baum, -beere, -gras, -kraut, -lauch,
-wurz, -kohl, z. b. goth. veina-triu, alêva-bagms, ahd.
oli-poum, nhd. apfel-baum etc. Beiſpiele aus dem erd-
reich: ahd. vlins-ſtein, nhd. kieſel-ſtein (agſ. cëoſol-ſtân
und ſand-cëoſol, ſabulum) etc. *). Nun ließen ſich zwar
einige ſolcher wörter präpoſitionell faßen, z. b. hintkalb
wäre das von der hindin geborne, apfelbaum der mit
äpfeln behangne baum. Die deutung ſcheint mir aber
falſch, theils weil ſie bei den wenigſten zutrifft, theils
weil bei den baumnamen das erſte wort eben nicht die
frucht ausdrückt. Die frucht des veinatriu heißt veina-
baſi, des eichbaums eichel, jene anſicht forderte alſo vei-
nabaſitriu, eichelbaum. Ueberhaupt mag in dieſen com-
[441]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
poſitis das erſte wort den hauptbegriff einſchließen, das
zweite bloß eine fehlende oder undeutliche ableitung er-
ſetzen. Jenes iſt das individuelle, dieſes zeigt das allge-
meine an. Früher kommen dergleichen wörter, wenn
ſie einheimiſche erzeugniſſe ausdrücken, auch lieber un-
zuſammengeſetzt vor, z. b. ahd. eih (quercus) puohha
(fagus) vlins (ſilex) hrab. 962b, folglich enthalten ſie nicht
in jenen zuſammenſetzungen das beſtimmende, wie es in
praepoſitionellen das erſte wort enthielt. Man ſagte erſt
hual, altn. hvalr (balaena) und fügte, als es vielleicht un-
deutlich oder zweideutig zu werden anfieng, das kennzei-
chen des ganzen geſchlechts hinzu (wal-fiſc, hval-fiſkr).
Dieſe compoſita, inſofern auf ihrem erſten worte die
hauptbedeutung ruht, gleichen den ableitungen, bei wel-
chen allen die voran ſtehende wurzel den hauptſinn, das
hinzugefügte eine bloße modification deſſelben gewährt.
Daher es nicht befremden darf, daß die verdunkelung
des zweiten worts in aphal-tera, hiofal-tera etc. beinahe
derivativiſch ſcheint (ſ. 122. 134.).


3) [beſonderes und allgemeines bei abſtracten begrif-
fen]. Noch mehr zeigt ſich eine ſolche berührung mit
derivatis, wenn das zweite wort der compoſition die an
ſich leere idee von ſtatus, claſſis, indoles u. dgl. enthält,
welche durch das erſte wort ausgefüllt werden muß.
Hierher gehören alle zuſammenſetzungen mit ahd. -chunni,
-heit, -leih, -ſcaf, -tuom, mit agſ. -cyn, -dôm, -hâd,
-lâc, -ræden, -ſcipe, mit nhd. -art, -heit, -ſchaft,
thûm etc. Auch hier ſtehen beide wörter appoſitionell
aneinander, z. b. ahd. fogal-chunni (genus avis) dëgan-
heit (ſtatus ſervitii) wëtar-leih (tempeſtas) friunt-ſcaf (ami-
citia) êwart-tuom (ſacerdotium, ſtatus ſacerdotis); das erſte
wort läßt ſich durch kein präpoſitionsverhältnis erklären,
eher durch einen genitiv, wie die lat. überſetzungen zei-
gen und übergänge in die uneigentliche compoſition dem-
nächſt beſtätigen werden; wir ſagen zwar heutzutag: eine
art von fiſch, von vogel (oder eine art fiſche, vögel) ſt.
und neben fiſch-art, vogel-art, aber ich möchte
nicht dieſen modernen gebrauch der praep. von hier zur
erläuterung nehmen. Uebrigens erſchemt auch bei ſol-
chen abſtracten wörtern, wie bei einzelnen thier-, baum-
und ſteinbenennungen, das zweite wort bisweilen über-
flüßig, z. b. das agſ. gëoguð-hâd (juventus) altſ. jugud-
hêd bedeutet faſt nichts anders, als was gëoguð, jugud;
hâd, hêd heben bloß den abſtracten begriff hervor, im
hochd. iſt jugend-heit unüblich. Nicht nur haben in
[442]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
der bedeutung des ganzen compoſitums die zweiten wör-
ter ihren eigentlichen wurzelbegriff meiſt (immer nicht)
verloren; ſondern die ausſprache, zumahl im munde des
volks, hat ſie mitunter formell entſtellt, ſo daß ſie ſich
wie ableitungselemente ausnehmen, z. b. der gemeine
mann ſpricht an einigen orten kind-et, ewig-et f. kind-
heit, ewigkeit. Vielleicht ſind die altn. -âtta (ſ. 380.) den-
noch aus der compoſition (ahta) zu deuten? — Alle dieſe
compoſita bilden und mehren ſich faſt erſt ſpäter, wann
die ſprache geiſtiger wird; im goth. ſcheinen ſie ſogar zu
fehlen. Was ſonſt noch zu bemerken iſt, wird unten bei
der einzelnen aufzählung der beiſpiele vorkommen.


4) es ſtehen aber auch begriffe in appofitionsbeziehung
auf die das verhältnis des beſondern zum allgemeinen
nicht anwendbar iſt, ſowohl verwandte als ganz ver-
ſchiedne.


α) verwandte wörter. Ulf. überſetzt θάλασσα durch
marei, λίμνη (ſumpf? oder ocean?) durch mari-ſáivs;
agſ. heißt ein diener ombiht-ſcëalc, dem das nhd. dienſt-
bôte gleicht, wenn man ſich erinnert, daß früher dieneſt
einen diener bedeutete und bote im dienſtverhältnis vor-
kommt; auch dionoſt-man, ampaht-man läßt ſich ſo be-
trachten, weil in man der begriff des dienens liegt ſ. 415.
note). Zweifelhafter ſcheint das altſ. aha-ſtrôm, agſ. éa-
ſtreám, doch das agſ. væg-ſtreám entſcheidet für die wirk-
liche und eigentliche zuſammenſetzung. Beides ſtâla und
diuba (?) bedeuten furtum, gleichviel das componierte
dieb-ſtâl MS. 1, 136a. Das ahd. fem. ôt-wala (divitiae)
N. 136, 3. Boeth. 120. würde agſ. eád-vëla, altſ. ôd-wëlo
(maſc.) heißen; ich finde aber nur die einfachen eád und
vëla, deren jedes an ſich opes, felicitas bedeutet. Der
ſprache ſcheint manchmahl das einzelne wort zu gering,
ſie will ihm durch beifügung eines verwandten mehr nach-
druck verſchaffen, nicht grade ſeinen begriff abändern.
Die meiſten beiſpiele bietet hierzu die agſ. poeſie.


β) verſchiedne, die beide einander beſtimmen, z. b.
wîl-ſâlda (fortuna) N., das wetterwendiſche glück, mhd.
wîle-ſælde Geo. 61a vgl. das goth. adj. hveila-hvaírbs
(πρόςκαιρος); mhd. nëbel-tac Parc. 142c; nhd. milch-
ſtraße, ſturm-wind; feuer-rêgen, blût-regen; donner-gott;
wetter-hahn; ſpeck-maus, kind-bett, und eine menge
ähnlicher, wo ſache zu ſache, ſache zu perſon, perſon
zu ſache, auch wohl perſon zu perſon geſetzt wird, z. b.
chriſt-kind, gott-menſch, thier-menſch, fürſt-biſchof.
[443]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Einige laßen ſich durch adjectiva deuten, z. b. der nebe-
lichte tag, via lactea, der ſtürmiſche wind, rëgen viurîn,
der göttliche menſch; einige gezwungen durch praepoſi-
tionen, z. b. blutregen der mit blut verbunden, begleitet
iſt; andere fordern ganze redensarten zur erklärung, wet-
terhahn, der das wetter anzeigt, kindbett, worin ein
kind geboren worden iſt, ſpeckmaus, die den ſpeck frißt,
vogelflinte, womit vögel geſchoßen werden, das goth.
aſilu-qvaírnus die mühle, die der eſel tritt (mola aſinaria).
Verſchiedne vorhin bei der präp. zu angegebne erläutern
ſich lieber durch freie redensarten, z. b. ſchweißtuch,
womit der ſchweiß getrocknet wird. Wir ſehen, wie
kühn in bildung ſolcher zuſammenſetzungen die volks-
ſprache verfährt und alle merkmahle zur unterſcheidung
nutzt, z. b. einer namens meier wird zopſ-meier heißen,
weil er einen zopf trägt, löffel-meier weil er einen löffel
geſtolen hat, vieh-meier, weil er mit vieh handelt.


5) zuweilen iſt, ganz im gegenſatz von 2 und 3, das
erſte wort das allgemeinere, bloß zur verſtärkung des
zweiten vorgeſetzte. Dahin gehören die ahd. ſubſt.
magan-, regin-, irman-, ellan-, diot-, worolt- und noch
andere, von welchen hernach weiter gehandelt wer-
den wird. So z. b. bedeutet magan-wëtar ein heftiges
ſturmwetter, regin-diob einen erzdieb, worolt-chraft eine
erhöhte kraft. Die ſpätere ſprache verſchmäht ſolche
compoſita meiſtens, doch ſagen wir noch heute welt-
ſchande von einer großen, öffentlichen; leut-betrüger,
gau-dieb. Leiſe nebenbedeutungen in dem erſten wort
ſind jedoch nicht abgeleugnet. —


anmerkung zu der appoſitionellen zuſammenſetzung:
an formelle, wirkliche appoſition iſt in allen augeführten
fällen ſo wenig zu denken, als bei der praepoſitionellen
an zum grund liegende praepoſitionsfügungen. Wahre
appoſition fordert, daß die unverbunden nebeneinander
geſtellten ſubſt. beide decliniert werden und in dem caſus
ſtehen, den der ſatz mit ſich bringt. Hier aber iſt das
erſte wort (theoretiſch) durch den compoſitionsvocal an
das zweite feſtgeknüpft und der begriff der appoſition
hat uns bloß die bedeutung der fraglichen zuſammen-
ſetzungen erklären helfen.


III. caſusverhältniſſe. Es wurde (ſ. 480.) davon aus-
gegangen, daß die eigentliche zuſammenſetzung etwas
[444]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
anders als den begriff des bloßen caſus enthalte, ſcheint
alſo ein widerſpruch, wenn hier dennoch verſucht wird,
einige compoſita aus der bedeutung einzelner caſus zu
erklären. Allein dieſe erklärung will, ſo wenig wie bei
der aus praepoſitionen und appoſitionen, nicht völlig zu-
treffen, ſondern nur eine gewiſſe ähnlichkeit oder nähe-
rung behaupten. Ein merklicher unterſchied beſteht im-
mer zwiſchen einem mit dem wirklichen caſus compo-
nierten ſubſt. und einem, wie bei allen eigentlichen zu-
ſammenſetzungen durch den compoſitionsvocal verbund-
nen, das ſich gleichſam nur in jenes caſusverhältnis
überſetzen läßt. Dort liegt der form die leibhafte flexion
zu grunde, hier der verbindende vocal; dort wird auch
die bedeutung ſchärſer, beſtimmter, hier allgemeiner
ſein. Indeſſen ſtreifen beide bedeutungen aneinander und
oft componiert die eine mundart uneigentlich, was die
andere eigentlich. Formell würden ſich beide fälle frei-
lich unterſcheiden, wenn alle beiſpiele aus dem älteſten
ſtand der ſprache, d. h. mit unabgeſchliffner caſusflexion
und haftendem compoſitionsvocal zu ſchöpfen wären.
Später aber wird es oft zweifelhaft, welches von beiden
verloren und in gedanken zu ergänzen iſt. Die hier
in erwägung kommenden caſus ſind der inſtrum. gen.
und acc.


1) aus dem bloßen inſtrumentalis deuten ſich alle
vorhin ſ. 437. bei der praep. mit (unter α.) angeführten
compoſita, da die älteſte ſprache das zum grund liegende
verbum mit dem ſubſt. ohne praep. conſtruiert.


2) genitiviſch nehmen ſich aus


a) verſchiedne zuſ. ſetzungen, deren zweites wort die
begriffe laut, ſtimme, geſang enthält, das erſte beſtimmt
aber, von wo ſie ausgehen. So ſagen wir: natur-laut,
thier-ſtimme, vogel-ſtimme, vogel-ſang und ahd. heißt
es han-chrât (f. hana-chrât) altſ. hano-crâd, agſ. han-
cræd. Hier iſt praepoſitionelle oder appoſitionelle deu-
tung unpaſſend. Uneigentliche compoſition liegt ganz
nahe, aber die eigentliche wird angewandt, um bei häu-
fig vorkommender verbindung ſolcher wörter dem aus-
druck alle beſtimmtheit zu benehmen. Ulf. überſetzt
Matth. 26, 75 πρὶν ἀλέκτορα φωνῆσαι faúr hanins hruk,
d. h. ohne zuſammenſetzung, wie auch Luther: ehe der
hahn krähen wird, in beſtimmtem ausdruck. Daß aber
für eine allgemeinere zeitangabe die eigentl. compoſition
hana-chrât an der ſtelle ſein wird, bezeugen die gr. und
[445]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
lat. ἀλεκτρο-φωνία und galli-cinium. Im altn. finde ich
nur uneigentlich hana-gal (= ahd. haniu-chrât) ſo wie
fugla-qvak (concentus avium) hrafna-galdr (corvorum
crocitus ſt. corvi-cinium); man ſchriebe richtiger hana
gal, fugla qvak, wie mhd. Vrîg. 20c tiuvels ſtimme.


b) allgemeinere zeitbeſtimmungen lieben eigentliche zu-
ſammenſetzung, obgleich ſie ſich auch durch den be-
ſtimmteren gen. ausdrücken laßen. Wir ſagen: rêgen-
zeit, winter-zeit, ernte-zeit beinahe gleichbedeutig mit:
die zeit des regens, der ernte, der zuſ. hang kann das
eine oder andere vorziehen. So ahd. wintar-zît k. 30a
rëgan-mânôt, herbiſt-mânôt, ſnita-zît jun. 187. agſ. vin-
ter-däg, -tîd, -ſtund etc. Einige können auch durch
die praep. an, in erläutert werden, wie ſ. 429. verſucht
worden iſt, doch ſcheint wintarzît weniger die zeit im
winter, als tempus hiemis oder hiemale.


c) es gibt noch andere ähnliche fälle, z. b. unſer
brunnquell (ahd. prun-chulle gl. ker. 55. brun-âdara N.),
die ſich beßer anführen laßen werden, wann erſt die
uneigentlichen compoſita abgehandelt worden ſind. Wenn
das erſte wort ein ſtarkes fem. und die zuſammenſetzung
nur in der ſorm ſpäterer ſprache vorhanden iſt, bleibt
es ſchwer auszumitteln, ob eine eigentliche oder unei-
gentliche darin enthalten ſei, z. b. in nâdel-öhr, ernte-
zeit. —


3) accuſativiſchen begriff hat das erſte wort einer
menge von zuſammenſetzungen, in deren zweitem wort
ein den accuſ. regierendes verbum lebt. Es ſind meiſtens
handelnde perſonen, bisweilen die handlung ſelbſt. Z. b.
land-bauer, minne-ſänger, wein-trinker, gott-gebährerin,
geſchicht-ſchreiber, geſchicht-ſchreibung und unzählige
mehr; in der alten ſprache gewöhnlich ſchwache maſc.
und fem., die man im ſechſten cap. dieſes buchs auf-
ſchlage. Hier kommt es auch noch nicht darauf an,
zu erörtern, ob in ſolchen wörtern eigentliche oder un-
eigentliche compoſition enthalten ſei, d. h. ob ſie einen
wahren compoſitionsvocal aufzuweiſen haben und voraus-
ſetzen, oder mit dem leibhaften acc. zuſammengefügt
ſeien. Und wenn ſich auch letzteres nicht durchaus ab-
ſprechen ließe, ſo ſcheint es doch ausgemacht, daß in
vielen, wo nicht den meiſten fällen eigentliche compo-
ſition ſtatt finde, folglich nicht die form, nur die be-
deutung für accuſativiſch angeſehn werden dürfe.
Hauptſächlich beweiſen dies zwei puncte a) der vor-
[446]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
handne compoſitionsvocal im goth. vitôda-faſteis Luc.
7, 30 dulga-háitja Luc. 7, 41 (nicht vitôþ-faſteis, dulg-
háitja; wiewohl vein-drugkja Luc. 7, 34. ſtatt veina-
drugkja?) b) der mangel aller beiſpiele von zuſammen-
ſetzung mit dem ſchwachen acc. ſg. maſc. oder fem.
Denn wenn im ahd. horn-plâſo, troum-ſceido, wîn-
trincho, knëht-përa das erſte wort wirklicher acc. ſein
ſoll, ſo müſte doch auch ein namun-ſcepho, chnaphun-
përa oder was dergl. componiert vorkommen. Einige
zweifelhafte fälle unten bei der uneigentl. zuſammen-
ſetzung.


Nach dieſen grundzügen (I — III) wird ſich die
bedeutung aller eigentlichen zuſammenſetzungen beur-
theilen laßen, inſofern jedes der beiden wörter an ſich
verſtändlich iſt. Es gibt aber nicht wenige compoſita,
vorzüglich der früheren ſprache, deren erſtes oder zwei-
tes wort formell entſtellt oder im ſinn verdunkelt wor-
den iſt, z. b. im nhd. rein-hart, bräuti-gam ſind uns
rein und gam heutzutage unverſtändlich und der gang
ihrer zuſammenſetzung kann erſt durch vergleichung der
älteren formen ausgemittelt werden. Indeſſen beſitzen
ſchon unſere älteſten dialecte unentſtellte compoſita genug,
deren erſtes wort ſchwierigkeit macht; ſeltner iſt es
natürlich beim zweiten, den hauptbegriff in ſich faßen-
den, worte der fall. Auf ſolche dunkele wörter ſind
die nachfolgenden verzeichniſſe von ſubſtantivzuſam-
menſetzungen hauptſächlich gerichtet; die verbindung
deutlicher und gewöhnlicher wörter, an ſich unüberſeh-
bar, gehört in die gloſſare der einzelnen mundarten.


A. verzeichnis nach dem erſten wort.

ahſala (humerus): ahd. ahſal-pein ker. 119. ahſal-ki-
wât. — agſ. ëaxl-geſtëalla (comes, qui eſt a latere) Beov.
101. 129. ëaxl-clâð (humerale). — mhd. ahſel-bein; nhd.
achſel-band, achſel-träger.


alah (domus regia, templum): ahd. eigennamen alah-
dorof, alah-ſtat, ort, wo eine alah ſtand, alah-hilt, alah-
gund, alah-trûd, frauen in der alah dienend? ſelten bei
mannsnamen, doch findet ſich alah-olf. — agſ. ëalh-ſtede
[447]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
(palatia) Cädm. 89. — Kann das h wegfallen, ſo dürfen
auch eigennamen wie ala-reiks (alaricus) u. a. hierher
gezählt werden.


aljan (robur, labor): ahd. nur eigennamen wie ellan-
burc, ellan-ſtein, ellan-wart. — altſ. ellan-dâd (magnum
facinus). — agſ. ellen-camp (pugna) ellen-dæd (facinus)
Beov. 68. 69. ellen-læca (pugil) ellen-gäſt Beov. 9. ellen-
mærð (gloria) Beov. 64. 112. ellen-vëorc (facinus) Beov.
52. 74. 111. 179. 235; auch ortsnamen z. b. ellen-dûne.


alp (dunkler bedeutung, geiſt, flußgeiſt, fluß ſelbſt?):
ahd. mannsnamen wie alp-caſt, alp-rîli, alp-tac, alp-côƷ,
alp-win, weibliche wie alp-lint, alp-hilt, alp-louc. —
agſ. älf-cynne (ephialtum genus) älſ-däg etc.


amal (unſicher, vielleicht das altn. aml labor) übrig
in goth. und ahd. eigennamen: amala-fridus, amala-rî-
cus, amala-bërga, amal-gêr, amal-côƷ, amal-rîh, amal-
olf, ſpäter auch emil.


ampaht f. antpaht, goth. andbahts (ſervus): ahd.
ampaht-man, ampaht-ſcalh, ambaht-êra N. Boeth. 124.
ambaht-ſezeda (comitia) daſ. 126. — altſ. ambaht-man,
ambaht-ſcipi (ſervitium). — agſ. ambiht-hûs (officina)
ambiht-man, ambiht-ſecg Cädm. 14. ambiht-ſcëalc Cädm.
41. ambiht-þëgn Beov. 53. — mhd. ambet-liut, ambet-
man. — nhd. amt-leute, amt-mann.


andi, ahd. enti (finis): endi-dago O. IV. 7, 55. (dies
mortis) endi-prurdî (extremi ordines) ker. 38 endi-prur-
ditha (ordo) ibid. 248. endi-prurdneſſi (ſeries, ordo) ibid.
60. (182. enprurdi, ordine f. endiprurdi, 228. endipro-
dio ordino f. endiprordio) von dem noch durch endi ge-
ſteigerten prort, prart (ora, ſummitas). — agſ. ende-däg
Beov. 50. 225. ende-byrdnes (ordo) f. ende-bryrdnes von
brëord (ſummitas) ende-leán (ſupplicium) Beov. 128. Cädm.
79. ende-ſtäf (terminus, finis). — altn. endi-mörk (ex-
tremi limites). — mhd. ende-tac Parc. 81b ende-zil
Triſt. — nhd. end-zweck, der letzte zweck.


ans (deus): ahd. eigennamen anſe-gis, ans-hëlm (an-
ſelmus) ans-hilt, ans-nôt, ans-walt zuweilen ohne n aſ-
ulf, as-pirin, as-përin (fem.) im Waltharius os-pirn
und bei Goldaſt os-birin. — agſ. ôs-däg, ôs-vëald —
altn. âs-biörn, âs-laug, âs-lakr etc. Die bedeutung wohl
bloß verſtärkend, im altn. auch noch außer eigennamen
in âs-megin (robur divinum, eximium) âs-lâkr heißt der
hahn, mir unbekannt warum.


ara (aquila) ahd. aro, agſ. ëarn, altn. örn; davon viel-
leicht die alten namen ario-viſtus, ario-bindus? und die
[448]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
ahd. ari-dëo, ara-lint? denn es kommen auch die neben-
formen arn-hëlm, arn-dëo, altn. arn-biörn vor.


aſc (fraxinus, dann haſta und liburna, weil aus eſchen-
holz ſpeere und fahrzeuge gezimmert wurden, vgl. lex
ſal. 23, 3. aſcus vel navis): ahd. namen von örtern als
aſci-burg, aſca-pah neben aſci-pah, eſci-bach und von leu-
ten, als aſc-lint, aſc-win; aſca-man, aſc-man hieß ein
ſeeräuber, eigentlich ſchiffer (aſco-mannus, Ad. brem.) —
agſ. außer dem eigenn. äſc-vine die compoſita äſc-bora
(haſtifer) äſc-holt Beov. 27. äſc-men (piratae) äſc-plëga
(haſtiludium) äſc-tir Cädm. 45. (äſca-tir ſteht 46, für
äſca-tir?) äſc-þräc Cädm. 47. 98. äſc-viga (pugil) Beov.
153. — mhd. aſch-man, noch bei Hartm.


adal (genus) goth. aþal, aþl? woher aþala-reiks (atha-
laricus); viel ahd. eigennamen: adalman, adal-funs (al-
fonſus), adal-përo, adal-hëlm, adal-win, adal-rîh, adal-
wart und weibl. adal-heit, adal-hilt, adal-lint, adal-trût,
adal-pirin etc. nächſtdem adal-chunni (proſapia nobilis)
adal-erbi (hereditas) O. adal-erbo (heres) O. — agſ. äðel-
ſtân, äðel-hëlm. — altn. aðal-bôl (praedium avitum) aðal-
flockr (cohors maxima) aðal-madr (nobilis) aðal-rûnir
(rudimenta runarum) und eigennamen aðal-biörn. etc.


alid? (ignis) agſ. äled, altn. eldr: agſ. äled-lëóma
(flamma feuerflamme) Beov. 231. altn. eld-beri (ignitabu-
lum) eld-ſæri (id.) eld-gângr (incendium) eld-hita (cande-
factio) eld-hûs (culina) eld-ker (foculus) eld-neiſti (ſcin-
tilla) eld-qveikia (fomes) eld-töng (igniceps) eld-tinna
(ſilex); eld-hrîmnir n. pr.


aírmun, aírman? ahd. ërmun, ërman, irmin, altn. iör-
mun, zuweilen mit vorgeſetzter ſpirans h, aber dunkles
ſinnes, vielleicht name eines gottes? goth. aírmana-reiks
(ermanaricus) Tac. hermun-duri; ahd. irmin-got Hild.
irman-ſûl (altiſſima columna) doc. 203b monſ. 360. und
bei den chroniſten; die eigennamen ërmine-rîh, irmin-
rîh, ërman-dëo, ërmeno-aldus, irman-dëgan, irmin-drût,
irman-gart u. a. — altſ. irmin-diot (genus humanum) *)
agſ. ëormen-cyn (genus hum.) Beov. 147. ëormen-grund
(terra) Beov. 66. ëormen-lâfe Beov. 101. 167. ëormen-rîc
[449]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Beov. 192. — altn. iörmun-gandr (ſerpens maximus) iör-
mun-rekr (bos jugalis) iörmun-grund (terra). — mhd.
irmen-ſûl cod. pal. 361d 3c, auch im Titurel.


aírþa (terra), ahd. ërda: aërdh-chunni J. 392. ërd-
hewe N. 71, 17. ërd-ephili monſ. 322. ërd-fiur monſ. 360.
ërd-nuƷ monſ. 414. ërd-lîp N. 68, 1. ërd-piba N. 81, 5.
ërd-biba O. V. 4, 42. ërth-bibunga T. 217, 1. ërd-pruſt
(vorago) monſ. 328. 332. ërd-pûwo (terricola) N. 81, 8.
ërd-ring O. I. 1, 189. N. 97. 9. ërd-rîhhi O. I. 3, 65.
ërd-giruorneſſi T. 210, 1. aërdh-waſo J. 367. — agſ. ëorð-
äppel, ëorð-bëofung, ëorð-byre (tumulus) ëorð-cëafor
(taurus, nach Lye) ëorð-cyn (genus hum.) ëorð-cyning
(rex) ëorð-dyne (t. motus) ëorð-draca Beov. 202. 210.
ëorð-hnut, ëorð-iſig (hedera nigra) ëorð-rêced Beov. 202.
ëorð-rîce, ëorð-ſcrëf (ſpelunca) Cädm. 56. Beov. 225. ëorð-
vëall Beov. 218. 229. ëorð-vëla Cädm. 51. ëorð-väſtm (fruc-
tus t.). — altn. iarð-bûar (terrigenae) iarð-epli, iarð-eldr,
iarð-hûs, iarð-munni (ſpelunca) iarð-ſkiâlfti (t. motus)
iarð-vëgr (ſolum). — nhd. erd-apfel, erd-ball, erd-bêben,
erd-feuer, erd-haus etc.


aírls (comes, ſatelles principis) verwandt mit aírus
(nuntius)? ahd. ërl, nur übrig in den mannsnamen ërla-
win, ërl-olf, ërla-pald, irle-war. — altſ. ërl-ſkepi (comi-
tatus). — agſ. ëorl (nobilis) ëorl-dôm (comitatus). — altn.
iarl-dômr.


badv (pugna)? ahd. patu? agſ. bëado, altn. böd; da-
von die nom. pr. badu-henna bei Tac.? und ahd. patu-
rîh, patu-gis, patu-frid, pata-frid, pata-hëlm, pata-gëlt,
pata-hilt, — agſ. bëado-folme (manus cruenta) Beov. 76.
bëado-hrägl (lorica) Beov. 44. bëado-lâc (bellum) Beov.
118. bëado-lëóma (flamma belli) bëado-mägen Cädm. 69.
bëado-mêce (enſis) bëado-rinc (miles) Beov. 85. bëado-
rûn (rixa) Beov. 40. bëado-ſërce (thorax) bëado-ſcrud
(idem) Beov. 36. bëado-vëorca (miles). — altn. böd-varr
(pugnax) zugleich nom. pr.; böd-vildr n. pr. fem.


agſ. bæl (rogus) altn. bâl: agſ. bæl-blyſe (flamma)
Cädm. 71. 80. bæl-fŷr (desgl.) Beov. 232. Cädm. 61. bæl-
vudu (lignum rogi) Beov. 230. — altn. bâl-vidri (tem-
peſtas violenta).


balv (malum, cruciatus) ahd. palo, agſ. bëalo, altn.
böl: ahd. palo-mund (tutor, mala fide adminiſtrans) ſchon
in einem dipl. Ludw. d. deutſchen pale-mundus; palo-tât
(maleficium) hrab. 963a jun. 214. — agſ. bëalo-ben (vul-
nus peſtiferum) Cädm. 68. bëalo-cvëalm (nex) Beov. 169.
bëalo-nîð (nequitia) Beov. 133. 179. 202. bëalo-ſpëll Cädm.
F f
[450]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
73. — altn. böl-môdr (angor) und die nom. pr. böl-þorn,
böl-vërkr.


báugs (torques): ahd. nur die namen poug-olf, poug-
lint. — agſ. beáh-gifa (princeps muniſicus) Beov. 84.
beáh-hord (theſaurus) Beov. 69. 70. beáh-ſele (aula) wie
ſonſt hring-ſele; beáh-þëgo Beov. 163. beáh-vriða (prin-
ceps) Beov. 151. — altn. baug-broti annulos frangens)
baug-eiðr (juramentum ad annulum) baug-fìngr, baug-
reid (vorhin ſ. 437.).


ahd. panh (ſcamnum): panh-lahhan (ſagma). — agſ.
benc-ſvêg (clangor ſ. tumultus convivantium) Beov. 88. *)
benc-þël (tabulatum) Beov. 95. — hierher der altn. frauen-
name beck-hildr? vgl. das hd. bank-hart (ſpurius, der
auf der bank liegt).


báín? ahd. pein (os): hierher báina-bagms? — ahd. pein-
përgâ (ocreae) monſ. 412. — agſ. bân-bëorgas (ocreae) bân-
cofe? Beov. 110. bân-fät (knochenurne? oder membrum?)
Beov. 85. bân-hëlm, bân-hring (knochengelenk)? Beov. 119.
bân-hûs (oſſea domus, i. e. corpus) Cädm. 73. bân-locan
(oſſium ſepta) Beov. 58. 63. bân-rift (tibialis) bân-vyrt
(viola). — altn. bein-æta (caries) bein-brot (oſſifragium)
bein-gardr (ſpina dorſi) bein-ſerkr (os ilion) bein-ſtërtr
(ſacra ſpina) bein-vërkr (dolor oſſium). — nhd. bein-bruch,
bein-fraß, bein-hauer (u. pr.) bein-kleider etc.


agſ. brëgo (rex, princeps), der vocal ungewis und
eher e, wenn es dem nord. bragr verwandt, oder gar
ê?: brëgo-ſtôl (thronus) Beov. 164. 177. 178. brëgo-vëard
Cädm. 59.


agſ. brim (mare) die brauſende ſee, von briman
(rugire): brim-flôd (diluvium) brim-hengeſt (navis)
brim-hläſte (piſces) Cädm. 5. brim-lâd (iter marinum)
brim-ſtreám Beov. 143. brim-vîf (ſiren) Beov. 114. brim-
vîſa (dux navis) Beov. 217. brim-vylm (aeſtus maris) Beov.
113. — altn. brim-dŷr (beſtia mar.) brim-dûſa (anas lit-
toralis) brim-hliód (fragor undarum) brim-ſiór (mare un-
doſum) brim-rûnir (characteres fluctuales).


bruſts (pectus): ahd. pruſt-leffil (cartilago) doc. 230a
pruſt-prâto ibid. pruſt-tuoh monſ. 336. 336. pruſt-werî
(propugnaculum) doc. 230a. — altſ. brioſt-hugi, brioſt-gi-
thâht (cogitatio mentis). — agſ. brëoſt-bân, brëoſt-bëorg
(pectorale) brëoſt-cofa (cubile mentis) Cädm. 14. brëoſt-
[451]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
horð Beov. 130. 207. brëoſt-loca (ſeptum p.) Cädm. 78.
brëoſt-net (rete p.) Cädm. 68. Beov. 117. brëoſt-gevædu
Beov. 92. 162. brëoſt-vylm (aeſtns mentis) brëoſt-geþanc
Cädm. 83. brëoſt-vëall (propugnaculum). — altn. brióſt-
barn (infans lactens) brióſt-brôdir (collactaneus) brióſt-
krîngla (orbicula pectoralis) brióſt-ſkiöldr (aegis) brióſt-
verja (thorax). — nhd. bruſt-bein, bruſt-lappe, bruſt-
ſchmerz, bruſt-wehr, bruſt-warze u. a. m. Die ſächſ.
mundart gebraucht bruſt gern innerlich.


brunjâ (lorica): ahd. eigennamen pruni-hëlm, pruni-
hilt. — agſ. byrn-homa (lorica) byrn-viga (pugil). —
altn. bryn-hoſur (ocreae ferreae) bryn-kolla (galea) bryn-
ſtûkur (manicae ferreae) bryn-trôll (malleus milit.) bryn-
þvari (id.) bryn-þîng (pugna) und die nom. pr. bryni-
ôlfr, bryn-hildr.


dags (dies): ahd. compoſita mit taka-, taga-, vorhin
ſ. 429. angeführt, was ſoll es in eigennamen wie taga-
frid, taga-lint etc. bedeuten? drückt es helle, glanz, ſchön-
heit aus? vgl. die wurzel nr. 487. — agſ. däg-hvîl (tem-
pus diei) Beov. 203. däg-mæl (horologium) däg-rîm (nu-
merus dierum) Beov. 64. Cädm. 23. 31. 47. 56. 99. 122.
däg-tîma, däg-vëard (vigil) däg-vëorc (penſum); der ei-
genname däg-hräfn Beov. 186. (gegenſatz zu niht-
hräfn). — altn. beiſpiele oben ſ. 430; mir ſcheint das eini-
gen wörtern vorgeſetzte aus dag zu entſpringen; es
gibt zwar ein ſubſt. dâ (deliquium), das aber ſelbſt ſeinen
conſonanten apocopiert haben mag und für dag- ſpricht
theils die ſonſtige verkürzung in ahd. hiutû, mhd. teidinc
und altn. dellîngr (= deglîngr, döglîngr, daglîngr, d. i.
nachkomme des dagr) theils die vergleichung von dâ-
frîðr (perpulcher) mit dem ahd. n. pr. taka-frid (? taka-
frîd) von dâ-vænn (pellucidus, clarus) mit taka-përaht.
Auch erklären ſich dadurch die ſubſt. comp. dâ-leikr (fa-
miliaritas) dâ-læti (admiratio) dâ-ſemð (miraculum) dâ-vi-
vidri (malacia) vgl. vëdr-dagr.


dáuþus (mors): ahd. tôd-heit (mortalitas) gefolgert aus
undôtheit N. 37, 5. — agſ. deáð-beám Cädm. 16. deáð-
bed Beov. 215. deáð-cvëal, cvëalm Beov. 126. 129. deáð-
däg Beov. 16. 68. deáð-godas (manes) deáð-reáf (exuviae)
deáð-ſcuſa (interfector?) Beov. 14. wo ſcua ſteht, deáð-
ſcyld (crimen capit.) deáð-vîc (todesaufenthalt) Beov. 97. —
altn. dauð-dagi (mors) dauð-leiki (mortalitas). — nhd.
tôd-bette, tôd-feind.


dêds (facinus): ahd. tât-rahha (hiſtoria) monſ. 328. blaſ.
7b katât-rahha monſ. 405. 408. 413. ketât-ſcrift N. 80, 8. —
F f 2
[452]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
agſ. dæd-bêta (poenitens) dæd-fruma (perpetrans) Cädm.
23. dæd-hata (virtutis oſor) Beov. 23. dæd-leán (virtutis
praemium) dæd-vëorc (facinus) Cädm. 75. — altn. dâd-
leyſìngr (homo abjectus) dâd-rakkr (heros) edd. ſæm. 55b
ſcheint dem ahd. tât-rahha verwandt. — nhd. that-erzäh-
lung, that-ſache.


dôm (judicium): ahd. tuom-heit (magnificentia) N.
110, 3. 130, 1. und die nom. pr. tuom-hilt, tuom-olf. —
altſ. duom-dag. — agſ. dôm-bôc (liber jud.) dôm-däg
(dies jud.) dôm-hûs (curia) dôm-ſëtl (tribunal). — altn.
dôm-hrîngr (circulus jud.) dôm-hûs, dôm-rof (contemtus
rei jud.) dôm-ſtôll (tribunal).


draúhts (plebs): ahd. truhti-gumo (paranymphus)
wirceb. 989a — agſ. dryht-bëarn Beov. 153. dryht-ëal-
dor (architriclinus) dryht-folc (comitatus) Cädm. 63. 69.
dryht-guma (paranymphus, proxeneta) Beov. 10. 94. 133.
135. dryht-ſele (aula) Beov. 39. 60. 173. dryht-ſcipe (do-
minatîo) Cädm. 12. 28. dryht-ſcîre Beov. 111. dryht-vë-
ras Cädm. 40. — altn. drôtt-lâta edd. ſæm. 252b drôtt-
megir (aulici) drôtt-ſeti (major domus).


eiſarn (ferrum): eiſarna-bandi (vinculum ferreum). —
ahd. îſarn-aƷƷaſi (ferramentum) K. 40b doc. 245b îſan-
gabala, îſarn-graſta oder graſto? (ſarculum) monſ. 326.
îſarn-ſmid monſ. 335; eigennamen îſan-dëo, îſan-grim
etc. — agſ. îſern-byrne (lorica ferrea) Beov. 52. îren-byrne
221. îſern-ſcûr (imber ferreus) Beov. 231. îren-bend Beov.
60. 77. — altn. îſarn-kol edd. ſæm. 45a iârn-broddar
(ſoleae ferreae) iârn-krôkr (ſarculum) iârn-litr (color fer-
rugineus) iârn-meis (cribrum ferreum) iârn-nagli (clavus
ferreus) iârn-ſmidr etc. eigennamen wîe iârn-ſaxa, iârn-
vidr. — nhd. eiſen-band, eiſen-gâbel, eiſen-geräth, ei-
ſen-ſchmid etc.


fani (palus): ahd. fenni-ſtat (locus paludinoſus) jun.
218. — agſ. fen-cerſe (naſturtium aquaticum) fen-fëarn
(filix paluſtris) fen-fix, fen-fugel (piſcis, avis pal.) fen-
frëoðo (habitatio paludinoſa) Beov. 66. fen-hlëoð (jugum
montis pal.) fen-hôp (vimen paluſtre) Beov. 59. fen-gelâd
(iter paludinoſum) Beov. 103. — altn. fen-hrîngr (n. in-
ſulae) fen-ſalir (palatia palud.) ſæm. edd. 6b, der göttin
Frigg wohnung.


faíhu (pecus, opes): faíhu-gaírnei (avaritia) faíhu-
ſkula (debitor) faíhu-þraíhns Luc. 16, 9, 11. — ahd. fihu-
ſtërbo (morbus arment.) jun. 219. fëhe-wart (cuſtos pec.)
O. I. 13, 2. fihu-wîari (vivarium) O. III. 4, 6. — agſ.
fëoh-bôte (mulcta) fëoh-gafol (uſura) fëó-gift Beov. 78.
[453]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
83. fëoh-hord, -hûs (aerarium) fëoh-ſcëatt Cädm. 91. —
altn. fê-fâng (lucrum) fê-girni (avaritia) fê-giald (mulcta)
fê-hirdſla (aerarium) fê-lag (communio bon.) fê-pŷngja
(marſupium) fê-rân (rapina) fê-þûſa (cornu copiae). —
nhd. vieh-hirt, vieh-ſeuche, vieh-ſtall, vieh-weide etc. —
Die hochd. comp. geben nur die ſinnliche, die übrigen
nur die abſtracte bedeutung.


faírguni (mons): agſ. firgen-beám (arbor ſilveſtris)
Beov. 107. firgen-bucca (ibex) firgen-gât (capra montana)
firgen-holt (ſilva mont.) Beov. 106. firgen-ſtreám (torrens
mont.) Beov. 103. 159. — altn. comp. mit fiörgyn finde
ich nicht, wegen des ahd. vërgun-walt vgl. oben ſ. 175.


faírh (anima, vita): ahd. eigennamen fërah-pald,
fërah-win; fërh-pluot N. Boeth. 94. andere comp. nach
dem mhd. nicht zu bezweifeln. — altſ. fërah-quâla (ſup-
plicium). — agſ. fëorh-âdl (morbus fatalis) fëorh-bana
(occiſor) Cädm. 24. 46. Beov. 184. fëorh-bëalo (exitium)
Beov. 14. 155. 168. fëorh-ben (vulnus letiferum) Beov.
204. fëorh-cvëalm (id.) Cädm. 25. 26. fëorh-cyn (anima)
Beov. 169. fëorh-cyning Beov. 92. fëorh-däg Cädm. 51.
fëorh-dolg (vulnus mortif.) fëorh-hirde (protector) fëorh-
lege (fatum, letum) Beov. 208. fëorh-laſtas (vitae veſtigia)
Beov. 65. fëorh-nere (vitae ſervatio) Beov. 82. 86. fëorh-
geniðla (? moribundus) Beov. 74. 117. 214. fëorh-ſveng
Beov. 186. — altn. fiör-baugr (mulcta) fiör-brot (mors)
fiör-lauſn (redemtio vitae) fiör-râd (inſidiae vitae ſtructae)
fiör-ſegi (cor). — mhd. vërch-ban fr. belli 3054. vërch-
bluot daſ. 2533. Nib. 9354.


faírina (flagitium): ahd. firin-luſt ker. 64. hrab. 963a
firin-tât jun. 205. — altſ. firin-quidi, firin-wërc, firin-
word. — agſ. firen-dæd Beov. 77. 126. firen-liger (forni-
catio) firen-luſt (inceſtus); iſt nicht fyren zu ſchreiben,
noch weniger mit fyrn- = altn. forn- zu vermengen. —
altn. ſelten, nur edd. ſæm. 155a firin-vërk.


flati (cubile, aedes)? ahd. flezi, agſ. altn. flet: agſ. flet-
päð (hausweg, hausflur) Cädm. 58. (wo vaðas in paðas
zu beßern) flet-reſte Beov. 95. flet-geſtëald Cädm. 26. 36.
flet-vërod Beov. 38. — altn. flet-fœrîngr (dedititius, der
ſich auf den alten theil ſetzt), ſodann die eigennamen flet-
biörn, flet-vargr, die auch dichteriſch für haus gelten (Thorl.
obſ. bor. VII, 38. 141.)


ahd. volch (populus): eigennamen wie folcha-rât,
folch-win. — altſ. folk-ſcepi (populus) folk-togo (dux). —
agſ. folc-bëarn Cädm. 39. 48 folc-bëorn Beov. 168. folc-
cvën (regina) Beov. 50. folc-cyning (rex) folc-dryht
[454]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
(comitatus) folc-freá (dominus) Cädm. 41. folc-mägen
Cädm. 70. 79. folc-gerêfa (praefectus) folc-riht (jus publ.)
folc-ſcëare (regio) Beov. 8. Cädm. 41. 60. folc-geſtëalla
Cädm. 7. folc-ſtede Cädm. 48. Beov. 111. folc-geſtrëon
Cädm. 43. folc-ſvëot Cädm. 75. folc-toga Beov. 65. Cädm.
43. 86. folc-vëras Cädm. 5. — altn. fôlk-nârûngr (dux)
fôlk-iadar (idem) fôlk-orruſta (praelium) fôlk-ſtióri (ſa-
trapa). — mhd. volch-wîc (praelium) fr. de bello c. Sar.
1127. 2587. 2829.


ahd. vridu (pax) *): vridu-dinc (pactum) und die
nom. pr. fridu-hëlm, fridu-rîh, fridu-win u. a. m. —
altf. fridu-barn. — agſ. friðu, neben frëoðu, frëoðo **):
frëoðo-beácen (ſignum pacis ſ. foederis) Cädm. 25.
frëoðo-burh Beov. 41. frëoðo-dryhten Cädm. 41. frëoðo-
ſcëalc Cädm. 54. friðu-ſibb Beov. 151. frëoðo-ſpêd Cädm.
28. frëoðo-þeáv Cädm. 2. frëoðo-väre Beov. 84. 170.
Cädm. 69. frëoðu-vëbbe? Beov. 146. frëodo-vong Beov.
219; die ſpätere form iſt frið-, mit ausgelaßnem ablei-
tungsvocal, z. b. frið-bêna (pacem petens) frið-burh,
frið-candel Cädm 55. frið-hûs (aſylum) frið-ſtov (idem)
frið-land etc. — altn. frið-briótr (pacis violator) frið-rof
(p. violatio) frið-ſtôll (aſylum) frið-ſæla (deliciae p.).


ahd. fluobara (ſolatium) altſ. fruobar, agſ. frôfor:
ahd. fluobar-geiſt T. 171, 1. agſ. frôfor-gâſt; frôfor-bôc
(liber conſolationis).


agſ. ſyrd (militia) richtiger vielleicht fird? nach dem
altn. firdar (milites), die übrigen dialecte kennen nichts
ähnliches: fyrd-eſne (bellator) fyrd-färeld (expeditio)
fyrd-homa (veſtis milit.) Beov. 114 (wo homan zu le-
ſen?) fyrd-hrägl (desgl.) Beov. 116. fyrd-lëóð (carmen
mil.) Cädm. 75. fyrd-gemaca (commilito) fyrd-rinc (he-
ros) fyrd-ſëaro (arma) fyrd-geſtëalla (pugnator) Cädm.
44. fyrd-vërod (phalanx) fyrd-vîc (ſtatio) fyrd-vyrð
(dignitas mil.) Beov. 100.


[455]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

gaman (gaudium, jocus): ahd. der eigenname kaman-
olf. — agſ. gomen-päð (via gaudii) ſo vermuthe ich
Beov. 66. ſt. gomen-vâð; gomen-vudu (lignum ludi.
d. h. muſik-inſtrument) Beov. 81. — altn. gaman-leikar
(ludi) gaman-læti (geſtus ludicri) gaman-ſemi (facetiae)
gaman-yrdi (joci).


gagg (via, iter): ahd. gang-përht. gang-olf (n. pr.)
— agſ. gang-dagas (dies proceſſionis) gang-getëld (papi-
lio) gang-here (pedeſtris exercitus) gang-vëg (via) gang-
vuce (ſeptimana ambulationum). — altn. gâng-dagar,
gâng-ker (occa) gâng-limir (pedes pecudum) gâng-rûm
(ambulacrum) gâng-ſilfr (moneta communis) gâng-ſkör
(ſtratum planum) gâng-vëgr.


gards (domus): garda-valdands (herus). — ahd. cart-
ſanc (chorus) jun. 199. vgl. cart (chorus) K. 46a; bei
Neug. nr. 68. der weibsname cart-diuha (? diuwa, ancilla,
hausmagd). — altn. gard-briótr (pecus ſepem diruens)
gard-hrîfa (occa) gard-lag (ſtructura ſepis) gard-lendi
(locus ſeptus) gard-madr, -vördr (hortulanus).


gáis (jaculum): gáiſa-reiks? bei Idatius gaiſe-ricus. —
ahd. kêr-hart, kêr-hëlm, kêr-leih, kêr-mund, kêr-nôt,
kêr-vrit, ker-trûd, kêr-lint, kêr-vlât u. a. m. — agſ.
gâr-beám (ſpeerbaum) Cädm. 68. gâr-cvëalm (occiſio ja-
culo peracta) Beov. 153. gâr-heáp (jaculorum turma)
Cädm. 69. gâr-holt Beov. 138. gâr-leác (allium) gâr-ſeg,
ſecg (oceanus) Cädm. 3. 69. Beov. 6. gâr-viga (bellator)
Beov. 209. gâr-vudu Cädm. 69. — altn. geir-nagli (cla-
vus haſtae) geir-hvalr (balaenae genus) geir-laukr (al-
lium) geir-varta (papilla viri) und die eigennamen geir-
mîmir, geir-mundr, geir-niflûngr, geir-rödr, geir-fkö-
gul etc.


gáut? ahd. kôƷ? dunkler bedeutung, vgl. das altn.
gautr (vir ſagax, inventor) von giutan (gignere, fun-
dere) nr. 220? hierher die ahd. n. pr. kôƷ-përaht, kôƷ-
hëlm, kôƷ-râm, zuweilen noch mit au ſtatt ô: kauƷ-
lint, kauƷ-përht, kauƷ-win. — altn. eigennamen: gaut-
rëkr, gaut-hildr, gaut-elf; vermuthlich auch gaut-land,
die provinz in Schweden, folglich nicht gothland, ſon-
dern hochd. goßland?


giba (gratia, donum): ahd. n. pr. këpa-lint, këpa-
rîh. — agſ. gif-hëal (aula magnifica) Beov. 65. gif-ſcëatt
Beov. 31. gif-ſtôl (thronus) Beov. 15. 174. — altn. giaf-
ord (conſenſus matrim.) giaf-laug (n. pr. ſ.).


giban? (oceanus): agſ. gëofon-hûs Cädm. 30. gëofon-
yð (unda maris).


[456]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

agſ. gilp (ſtrepitus, jactantia) ahd. këlf, altn. giâlpr:
ahd. gëlpf-heit O. III. 19, 19; n. pr. këlf-rât, mhd. gëlf-
rât. — agſ. gilp-ovide Beov. 50. gilp-ſcëaða Cädm. 3.
gilp-ſpræce Beov. 75. gilp-vord Beov. 53. Cädm. 6.


ahd. kîſal (obſes): eigennamen kîſal-përaht, kîfal-vrit,
kîſal-hëlm, kîſal-hilt, kîſal-mund etc. nhd. geiſel-brecht.


agſ. glëó (gaudium): glëó-beám (inſtrumentum muſi-
cum) Beov. 169. glëó-cräft (muſica) glëó-dreám (jubilum)
Beov. 224. glëó-gomen (jubilatio) glëó-man (muſicus hiſtrio).


grundus: grundu-vaddjus (fundamentum). — ahd.
crunt-lacchâ (ſcaturigines) N. 77, 44. von lëchan (rigare),
crunt-ſoufî (naufragium) N. 103, 17. — agſ. grund-hirde
Beov. 160. grund-ſtân (rudus) grund-ſvelige (ſenecio,
kreuzwurz, engl. groundſel) grundvëall, grund-vëla
Cädm. 23. grund-vong Beov. 113. 192. 206. grund-virgen
(ſiren, monſtrum maris) Beov. 115. fem. von grund-
vëarg? — altn. grund-völlr; grunn-feſti (anchora) grunn-
gânga (aeſtus maris) grunn-ſôp (extrema evacuatio)
grunn-ſævi (brevia). — mhd. grunt-veſte, grunt-wal. —
nhd. grund-lâge, grund-ſtein, grund-ſatz etc.


altſ. grûri (horror): agſ. grŷre-gäſt (monſtrum) Beov.
191. grŷre-gëatva (apparatus horrendus) Beov. 27. grŷre-
lëóð (cantilena horrenda) grŷre-ſið (iter. horr.)


gulþ (aurum): ahd. kold-ſmid (auriſex) kold-ſtein N.
80, 16. kolt-trako (digitus annularis) zwetl. 112b kold-
vaƷ. — agſ. gold-äht (theſaurus) Beov. 204. gold-
burh Cädm. 55. gold-fät Cädm. 91. gold-gifa Beov.
197. gold-hord Cädm. 75. gold-hvæte Beov. 228. gold-
mâðm Beov. 180. gold-ſele Beov. 56. 96. gold-þëóf (au-
rifur) gold-vëard Beov. 228. gold-vine Beov. 112. 121.
180. 192. — altn. gull-armband, gull-bitill (frenum aur.)
ſæm. edd. 166a, gull-epli, gull-hâlſar (viri torquati) gull-
hlad (frontale aureum) gull-hûs (dactylotheca) gull-men
(torques aur.) gull-viðiur (catena aur.) gull-ſmidr (auri-
faber); ſodann die nom. pr. gull-rönd, gull-veig, gull-
tappr. — mhd. außer andern wörtern die eigennamen:
gold-mâr, gold-rûn, gold-wart. — nhd. gold-berg, gold-
ring, gold-kæfer, gold-ſchmid etc. und nom. pr. gold-aſt,
gold-mann etc.


guma (homo): ahd. koma-heit (humanitas) kom-man
(vir) K. 29a ker. 42. 53. und n. pr. koma-dëo, koma-hilt, ko-
ma-trûd etc. — altſ. gum-kunni (genus hum.) gum-ſcepi. —
agſ. gum-cyn (gen. hum,) gum-cyſt (munificentia) Beov.
130. 189. Cädm. 39. 40. gum-dreám (gaudium humanum,
i. vita) Beov. 184. gum-dryhten Beov. 124. gum-feða
[457]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Beov. 107. gum-rinc (bellator) Cädm. 35. gum-rîce Cädm.
78. gum-ſtôl (thronus) Beov. 147. gum-þëód (populus). —
altn. keine, es müſte denn gum-kaup (emtio rei nihili)
hierher gerechnet werden können.


gunþs (pugna)? goth. und vandal. n. pr. guntha-ri-
cus, guntha-mundus. — ahd. kund-vano (vexillum, la-
barum), gund-fano O. V. 2, 18. Ludw. 54, fehlerhaft
chund-fano jun. 232. monſ. 412 *); eigennamen kund-
rîh, kund-hraban (guntramnus), kund-mâr, kund-hëlm,
kunda-rât, kund-hilt etc.; nicht hierher gehört kunt-
rëpa (acer) **) von kunt (venenum, pus) agſ. gund, ob-
ſchon gunde-rëba und gund monſ. 414. 400. geſchrie-
ben. — agſ. guð-bëorn (heros) Beov. 26. guð-byrne (lo-
rica) Beov. 26. guð-bill (enſis bellicus) Beov. 62. 192.
guð-cëare Beov. 96. guð-cyning Beov. 17. 174. guð-deáð
(mors) Beov. 168. guð-fona (labarum) Jud. 11. guð-flân
(ſagitta) Cädm. 45. guð-floga (draco) Beov. 188. guð-ha-
foc (accipiter) Beov. 169. guð-horn Beov. 109. guð-lâc
(militia) guð-lëóð (cantilena) Beov. 115. guð-môd Beov.
25. guð-räs (impetus) Beov. 119. 176. 195. 222. guð-rêc
(fumus belli) Beov. 85. guð-rinc (heros) guð-ſcëar (co-
hors Beov. 93. guð-ſcëaða Beov. 173. guð-ſëaro (appa-
ratus) Beov. 19. guð-ſele (aula) Beov. 36. guð-ſpëll
(nuntius) Cädm. 46. guð-ſvëord Beov. 161. guð-þräo
(virtus bellica) Cädm. 43. guð-þreát (turma) Cädm. 67.
guð-vëard Cädm. 66. guð-gevëorc Beov. 75. 137. guð-
viga (pugil) Beov. 158. guð-vin Beov. 203. guð-vudu
(jaculum). — altn. gunn-fâni (vexillnm) ſæm. edd. 162b
gunn-hvati (excitator pugnae) und die n. pr. gunn-
hildr, gunn-löð u. a. — nhd. nur in eigennamen wie
gund-helm, gum-pert (f. gund-bert) günde-rode etc.


hag? (conditio, commoditas? ſeptum?) ahd. haga-
ſtalt, hagi-ſtalt (famulus, mercenarius) blaſ. 31b doc. 217a
haga-dorn (alba ſpina)? ich kenne ahd. nur hagan, mhd.
hagen. — agſ. häg-ſtëald (tyro, coelebs) fehlerhaft ge-
ſchrieben heáh-ſtëald; häg-þorn (alba ſpina). — altn.
hag-lendi (paſcua) hag-leikr (dexteritas) hag-qviſti (fru-
ticetum) hag-rædi (commoditas) hag-ſŷni (prudentia)
hag-þorn (cornus). — nhd. hâge-dorn, hâge-ſtolz. Es
kommt bei dieſen zuſ. ſetzungen darauf an, den wahren
[458]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
begriff der wurzel zu finden, oder zwei ähnliche, ſinn-
verſchiedne wörter zu trennen.


hali (tartarus) altn. hel und helja (mors) ahd. hellja,
hella (orcus): ahd. helli-gruopa doc. 210a hella-gruoba
N. 142, 7. hella-grunt monſ. 408. hel-loh (barathrum)
zwetl. 114a helle-borta N. 106, 18. helli-rûna doc. 218b
flor. 982b hello-vreiſa N. 116, 3. helle-wiht (diabolus)
Georgsl. hella-wîƷi T. 44, 20. helli-wîƷi O. V. 19, 36. —
altſ. hell-dor, helli-porta. — agſ. helle-bëarn, helle-brôga,
hell-bend Beov. 228. helle-clommas Cädm. 9. helle-flôras
Cädm. 93. helle-gâſt Beov. 97. helle-hund, helle-heáf
Cädm. 2. hel-rûna Beov. 15. helle-ſcëalc Cädm. 94. helle-
ſcëaða Cädm. 17. helle-ſmið (vulcanus) hell-trega Cädm.
2. helle-vîte Cädm. 8. — altn. hel-blinda (fatalis coecitas)
hel-för (iter fatale) hel-ſôtt (morbus fat.) hel-ſtrîd (agon)
hel-vëgr (via lethi) hel-vîti (culpa morte digna). —
mhd. helle-hunt, helle-val, helle-vart, helle-viur, helle-
wîƷe.


haliþs (heros eig. larvatus?): der eigenname halide-
gaſtes bei Vopiſcus und der ahd. helid-përht; oben ſ. 260
iſt hëlôt-hëlm (latibulum) angenommen worden, für he-
lid-hëlm ſtimmen aber das altſ. helith-hëlm, agſ. häleð-
hëlm, wiewohl beide formen aus derſelben wurzel fließen
dürfen.


altſ. halla, agſ. hëal (aula): agſ. hëal-ärn Cädm. 8.
hëal-gamen Beov. 81. hëal-rêced Beov. 8. hëal-þëgen
Beov. 13. 56. hëal-vudu (tabulatio domus) Beov. 100.


hals (collum): ahd. hals-pant (columbar) hals-pein, hals-
përc (thorax) hals-pouc (torques) hals-phulawi (cervical)
monſ. 339. 385. hals-flac, hals-weri (ſcapulare) jun. 260. —
agſ. hëals-beáh (torques) hëals-gund (ſcrophulae colli)
hëals-mene (monile) hëals-gebedda (conſors thalami)
Beov. 7. — altn. hâls-bein, hâls-biörg (lorica) hâls-bôlga
(ſcrophula) hâls-fâng (amplexus) hâls-mâl (foramen ve-
ſtis) hals-mein (angina). — nhd. hals-band, hals-bein,
hals-eiſen, hals-weh, hals-wirbel.


handus (manus): ahd. hant-druha (manica) hant-krif
(pugillus) hant-mâl (chirographum) ker. 145. hant-ſlac,
hant-ſcuo (chirotheca) hant-kiſcrip (chirographum) hant-
tabula monſ. 398. hant-vano (mappula) hant-wërah. —
agſ. hond-bana Beov. 37. 101. 186. hond-clâð (manuter-
gium) hond-dint (alapa) hond-grip Beov. 74. hond-leán
Beov. 117. 157. Cädm. 63. (lohn für das mit der hand
vollbrachte?) hond-mägen Cädm. 6. hond-gemôt (con-
flictus) Beov. 157. hond-plëga Cädm. 45. 69. hond-rä[ſ]
[459]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Beov. 155. hond-rond (ſcutum) Beov. 194. hond-geſtëalla
(ſocius) Beov. 162. 182. 193. hond-ſció (chirotheca) Beov.
155. hond-ſliht (caedes) Beov. 217. 220. hond-ſporu (ve-
ſtigium) Beov. 76. hond-þëgen (ſervus a manibus) hond-
gevëorc, hond-vyrm (teredo). — altn. hand-afli (robur
manuum) hand-bendi, hand-biörg, hand-dûkr, hand-
fâng, hand-grip, hand-klæði, hand-krykr (axilla) hand-
leggr (cubitus) hand-qvörn (mola manuaria) hand-öxi
(aſcia) hand-rân (rapina e manibus) hand-ſal (ſtipulatio)
hand-fkiól, hand-fkôr (chirotheca) hand-fkrift, hand-ſtein
(lapis miſſilis) hand-tak (apprehenſio manus) hand-tîgill
(zona) hand-vëgr (commiſſura thoracis) hand-vërk, hand-
vopn. — nhd. hand-geld, hand-griff, hand-gelöbnis,
hand-langer, hand-mühle, hand-ſchrift, hand-ſchuh,
hand-ſchlâg, hand-werk, hand-zeichen etc.


hari (exercitus): ahd. heri-dëgan doc. 218b heri-
hunda (praeda) jun. 219. heri-man (miles) ker. 68. hari-
numft (praeda) ker. 128. heri-përga (caſtrametatio, di-
verſorium, tabernaculum) monſ. 320. N. 45, 5. 107, 7.
W. 1, 5, 7, 8. heri-pouhhan (vexillum) jun. 232. heri-
kirit (equitatus) jun. 203. heri-ſezza (obſidium) doc.
218b heri-ſtal (caſtra) heri-ſtiura monſ. 361. doc. 219a
heri-ſtr;âƷa (via publ.) zwetl. 110a monſ. 323. heri-vart
(exped. mil.) monſ. 359. 363. heri-wahta (ſtatio) heri-
zoho J. 393. ker. 100 *); ſodann die eigennamen: heri-
dëgan, heri-leih, heri-lint, heri-man, heri-prant u. a. —
agſ. here-beácen (ſign. bellicum) here-bërga, here-bŷma
(claſſicum) Cädm. 65. here-byrne (lorica) Beov. 161.
here-brôga Beov. 37. here-cyſt Cädm. 66. 68. here-draca,
here-fëoh (praeda) here-flŷma (deſertor) here-folc, here-
fugol (avis exercitum ſequens) Cädm. 66. here-grima
(galea) Beov. 32. 154. 194. here-huð (praeda) here-man,
here-mäcg Cädm. 54. here-net (lorica) Beov. 118. here-
reáf (praeda) Jud. 12. Cädm. 75. here-ſërce (lorica)
Beov. 115. here-ſpêð (felicitas) Cädm. 69. Beov. 7. here-
ſtræte Cädm. 69. here-teám (manubiae) here-tŷma (dux)
here-toga (id.) here-þreát (turma) here-væd (appara-
tus mil.) Beov. 14? Jud. 11. here-vîſa (dux) Beov. 224.
here-vîc (caſtrum) here-vulf (lupus belli); und die ei-
gennamen here-man, here-rîc Beov. 90. 165. — altn.
[460]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
her-bërgi (hoſpitium, cubiculum) her-blâſtr (claſſicum)
her-brëſtr (id.) her-fâng (praeda) her-ſiötr (terror pa-
nicus) her-för (exped.) her-flockr (cohors) her-hlaup
(tumultus) her-klædi (armatura) her-kongr (bellator)
her-kuml (inſigne mil.) her-lid (exercitus) her-lûðr
(tuba) her-madr (miles) her-nâm (praeda) her-ôp
(claſſicum) her-ör (ſagitta convocandi exerc. cauſa cir-
cumlata) her-pîpa (tuba) her-ſaga (nuntius hoſtilis) her-
ſkiöldr, her-ſveit (cohors) her-togi (dux) her-verk (ho-
ſtilitas) her-vopn (arma) und die nom. pr. her-borg,
her-fiötr, her-môðr, her-teitr, her-vardr, her-vör u. a.


harm (dolor, malum): ahd. harm-quiti (calumnia) hrab.
956a haram-ſcara (ſupplicium, poena) monſ. 346. 349.
mhd. harn-ſchar Triſt. — altſ. harm-quidi, harm-ſkara. —
agſ. hëarm-cvide (maledictio) Cädm. 16. hëarm-loca (car-
cer) Cädm. 3. hëarm-plëga contentio) hëarm-ſcëaru (ſup-
pl.) hëarm-ſcëaða (maleficus) hëarm-geſcylde Cädm. 84.
hëarm-ſtäf Cädm. 23. hëarm-tân (virga miſeriae) Cädm. 24.


haþus? (bellum?): ahd. die eigennamen hadu-prant,
hadu-përaht, hadu-frit, hadu-funs, hadu-mâr, und die
fem. hadu-purc (mhd. hade-burc) hadu-louc, hadu-wîc
(nhd. hed-wig); in einer fränk. urk. des 7. jahrh. hado-
indus; vermuthlich ſind catu-alda und catu-mêrus aus
Tac. hierher zu nehmen. — agſ. hëaðo-bëarn (heros)
Beov. 152. 153. 155. hëaðo-byrne (lorica) Beov. 117.
hëaðo-dëór (bellua pugnae?) Beov. 54. 60. hëaðo-fŷr
(flamma) Beov. 188. 190. hëaðo-lâc (pugna) Beov. 46.
148. hëaðo-lâf n. pr. Beov. 37. hëaðo-reáf (ſpolium) Beov.
32. hëaðo-rinc (heros) Beov. 30. 184. Cädm. 68. Jud. 11.
Boeth. p. 160. hëaðo-ſcëard? Beov. 210. hëaðo-ſvât (ſan-
guis) Beov. 111. 121. 126. hëaðo-ſveng Beov. 192. hëaðo-
væð Beov. 6. 7. hëaðo-vëorc Beov. 214. hëaðo-vylm
Cädm. 8. Beov. 9. 209. — altn. der eigenn. höð-broddr
(ahd. hadu-prort, agſ. hëaðo-brëord?)


háims (domus): ahd. heim-gart (forum) monſ. 384.
396. heim-wiſt O. I. 18, 113. heim-zugilinc doc. 218b; das
n. pr. heim-rîh. — agſ. hâm-färeld (iter ad dom.) hâm-
ſcire (aedilitas) hâm-ſted, hâm-tûn (domicilium) hâm-
vëorod (vicini) hâm-vyrt (ſedum, hauswurz). — altn.
heim-bod, heim-burdr (oſtiatim quaeſitus cibus) heim-för,
heim-kynni (patria) heim-ſôkn (viſitatio); heim-dallr
n. pr.


haírus (enſis): altſ. hëru-bendi. — agſ. hëoro-drëór (ſan-
guis fuſus) Beov. 39. 66. hëoro-drinc Beov. 176. hëoro-
ſërce Beov. 189. hëoro-ſtov? Beov. 104. hëoro-ſveng Beov.
[461]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
120. hëoro-vëard Beov. 162. hëoro-vëarh (lupus, mon-
ſtrum) Beov. 97. — altn. eigennamen hiör-dîs, hiör-leifr,
hiör-vardr.


háubiþ (caput): ahd. houpit-këlt monſ. 402. houpit-
lahhan doc. 219a houpit-loh (capitium) ibid. houpit-man,
houpit-pant monſ. 404. 406. houpit-polſtar doc. 219b hou-
pit-purc monſ. 330. 379. houpit-ſcaz monſ. 375. houpit-
ſculd, houpit-ſunta monſ. 373. houpit-ſtat monſ. 362. hou-
pit-tuoh monſ. 347. — agſ. heáfod-beáh (corona) heáfod-
bolla (cranîum) heáfod-bolſter, heáfod-clâð, heáfod-cyrice,
heáfod-fäder (patriarcha) heáfod-lëahter (crimen capitale)
heáfod-man (dux) heáfod-mäg Beov. 46. 161. heáfod-
panne (cranium) heáfod-ſted, heáfod-ſvima (vertigo) Cädm.
35. heáfod-vëard Jud. 12. heáfod-vîſa, heáfod-vylm etc. —
altn. höfud-band, höfud-bani etc. bei Biörn p. 383. 384.


haúrn (cornu): ahd. horn-gibruader (hernioſi) O. IV.
26, 29, V. 16, 73. mhd. horn-bruoder MS. 2, 153a horn-
boge (arcus) fr. de bello 1665. 1679. und n. pr. Nib. —
agſ. horn-âdl (hernia) horn-boga Beov. 182. Jud. 11. horn-
bora (cornicen) horn-pic (pinnaculum) horn-rêced (do-
mus pinnaculo ornata) Beov. 55. horn-ſele Cädm. 40. —
altn. horn-auga (oculus limus) horn-bogi n. pr. horn-
blâſtr (ſonitus tubae) horn-klofi (corvus, der hornklauige)
horn-ſtein (lapis angularis).


heiv (familia): heiva-fráuja. — ahd. hî-leih, kihî-leih
(matrimonium) jun. 180. monſ. 378. 396. aug. 126a N. 59,
10. hî-rât W. 8, 8. — agſ. hîv-gedâl (divortium) hîv-
ræden (familia) hîv-ſcipe (domus). — altn. hî-vîg (caedes
famulitii) hiú-ſkapr (conjugium). — mhd. hî-leich und
hiu-leich. — nhd. hei-rath.


hilds? (pugna): ahd. nur eigennamen hilti-leih, hilti-
louc, hilti-prant, hilti-wolf etc. — agſ. hilde-bill (enſis)
Beov. 44. 115. 126. 199. hilde-bord Beov. 32. hilde-calla
(heros) Cädm. 68. hilde-cyſt Beov. 193. hilde-dëór Beov.
26. 64. 124. 137. 158. 230. hild-fruma Beov. 126. 210.
hilde-grâp (contrectatio hoſtilis) Beov. 110. hilde-gicel (ſti-
ria) Beov. 121. hilde-hlemma Beov. 165. 175. 189. hild-
lata (pugnam deſerens) Beov. 211. hilde-lëóð (carmen)
hilde-lëóma (flamma) hilde-mêce (enſis) Beov. 62. 165.
hilde-nædre (ſagitta) Jud. 11. hilde-ræs (impetus) Beov.
25. hilde-rond Beov. 95. hilde-ſcëorp (veſtitus) Beov. 161.
hilde-ſëtl Beov. 79. hilde-ſvât (ſanguis) Beov. 190. hilde-
ſvêg (ſonitus) Cädm. 44. hilde-tux (dens belli, i. gladius)
Beov. 115. hilde-þräc Cädm. 47. hilde-vîſa Beov. 81. hil-
[462]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
de-vulf Cädm. 45. — altn. n. pr. hildi-borg, hildi-gunn,
hildi-ſvîn edd. ſæm. 114a.


himins (coelum) ahd. himil, agſ. hëofon, altn. himinn: ahd.
himil-rîhhi, himil-rinna (cataracta) himil-prôt, himil-trûd
(n. pr.) himil-zungal (ſidus). — altſ. himil-fader, himil-craft;
hëban-kuning. — agſ. hëofon-beácen (ſignum coeleſte) Cädm.
65. hëofon-candel (lampas coeli) Cädm. 65. hëofon-col
(carbo de coelo cadens) Cädm. 64. hëofon-fugel Cädm. 5.
34. 83. hëofon-rîce, hëofon-ſtôl Cädm. 1. hëofon-timber
Cädm. 4. hëofon-tungel Cädm. 86. hëofon-vëard Cädm. 3. —
altn. himin-bûar (coelites) himin-liós, himin-rîki, himin-
teikn, himin-tûngl und die ortsnamen himin-biörg, himin-
fiall, himin-vângr.


hláiv (tumulus, agger, refugium) ahd. hlê, mhd. lê,
agſ. hlëóv, hlëó, altn. hlê, hlie: agſ. hlëó-burh (aſylum)
Beov. 70. 131. hlëóv-fëðer (ala obumbrans) Cädm. 59.
hlëó-mäg (conſanguineus) Cädm. 24. 35. — altn. hlê-biörg
(n. rupis).


hriggs (annulus): agſ. hring-boga Beov. 191. hring-
mæl Beov. 115, 153. hring-naca Beov. 140. hring-net
Beov. 205. hring-ſele Beov. 151. 211. hring-ſëte (cir-
cus). — altn. hrîng-brot (ein tanz im kreis) hrîng-ormr
(ſerpens).


hrôþs? (gloria, laus): ahd. eigennamen hruod-flât,
hruodi-choma, hruod-kanc, hruodi-kêr (mhd. ruede-gêr,
nhd. ruͤdiger) hruod-munt, hruod-përht (nhd. ruppert,
rupprecht) hruod-olf (nhd. rûdolf) u. a. — agſ. hrôð-
gâr, hrôð-mund. — altn. hrôð-mar, hrôð-vitnir, hrôð-
laugr (aſſim. hrôllaugr).


hugus? (mens): ahd. hugu-luſt O. II. 11, 127. IV. 37,
17. huge-ſang N. 107, 1. huge-ſcrei N. 30, 20; und die n.
pr. hugi-dëo, hugi-mund, hugi-ſuint etc. — altſ. hugi-
fkaft (animus). — agſ. hyge-bend Beov. 141. hyge-cräft
Cädm. 77. hyge-gëomor Beov. 180. hyge-mâðm Beov.
216. hyge-ſcëaft Cädm. 7. hyge-ſorh Cädm. 19. Beov.
174. hyge-tëóna Cädm. 32. hyge-þrym Beov. 28. und der
eigenn. hyge-lâc. — altn. hug-bod (praeſagium mentis)
hug-deiga (mollities an.) hug-ferdi (animus) hug-le[l]ding
(meditatio) hug-lettir (levamen) hug-môðr (indignatio)
hug-raun (angor) hug-ſvölun (recreatio) hug-þocki (fa-
vor) hug-þôtti (opinio).


hunus? hunis? dunkler form ſowohl als bedeutung,
altn. hûn (catulus urſinus und corbita mali); erklären
ſich dadurch die n. pr. huni-mund, hun-rât, agſ. hun-
ferd, hun-lâf, hun-rêd, altn. hûn-þiófr u. a. m.?


[463]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

huzd (opes): agſ. hord-ärn Beov. 170. 210. hord-burh
Cädm. 44. hord-cofa (ciſta) hord-fät, hord-mägen Cädm.
89. hord—geneát Beov. 22. 120. 163. 180. hord-geſtrëón
Beov. 143. 229. hord-vëard Beov. 80. 139. 171. 190. hord-
vëla Beov. 175. hord-vynne Beov. 170.


ïbrs? (aper) ahd. ëpar, ëpur, agſ. ëofor, altn. iöfur:
ahd. ëpar-ſuîn, mhd. eber-ſwîn; die eigennamen ëpur-
hart, ëpur-hëlm, ëpur-munt, ëpur-rât, ëpur-win; nhd.
êber-hard, êber-wein. — agſ. ëofor-fëarn (herba quaedam)
ëofor-heáfod (caput apri) Beov. 161. ëofor-ſprëót (telum
ad apros occid.) Beov. 109. ëofor-vîc (eboracum, york).


ahd. inwit (dolus) hrab. 959b. Hild. 35. agſ. invid
und invit, altn. îvið? die bedeutung dieſes ſubſt. iſt un-
zweifelhaft, die auslautende lingualis macht bedenken;
entw. fordert die ahd. tenuis agſ. media, die auch, wie-
wohl ſeltner, vorkommt, oder die agſ. ten. ahd. aſpirata,
die ſich nie findet. Uebrigens hat es allen ſchein, daß
das goth. ïnvinds (pravus, injuſtus) nichts anderes ſei.
Weitere vermuthungen über die formen ïn-vind, in-wit,
in-vid gehören nicht hierher, wo es ſich bloß von ihrem
gebrauch in zuſammenſetzungen handelt. Gothiſche und
ahd. beiſpiele ſind nicht erhalten, wohl aber folgende agſ.
invit-feng (captus doloſus) Beov. 110. invit-gäſt (nequam)
Beov. 199. invit-hrof (tectum doloſum) Beov. 231. invit-
net (inſidiae) Beov. 162. invit-nìðas Beov. 140. 146. invit-
ſcëar? Beov. 185. invit-ſëaro (machinae) Beov. 84. invit-
ſorh Beov. 64. 161. 140. 146. invit-þonc Boeth. 192.
Beov. 58.


kara? (cura, dolor) altſ. kara, agſ. cëaru: agſ. cëar-
bend Beov. 144. cëar-ſið (iter difficile) Beov. 179. cëar-
ſorh Cädm. 26. cëar-vëalm, vylm Beov. 23. 155.


karls? (vir, mas) ahd. charal, agſ. carl, cëarl, altn. karl,
aſſim. kall: der altfränk. eigenname karolo-man, karlo-man
woher das franz. charle-maigne, charle-magne, das man erſt
ſpät in carolus magnus auslegte. — agſ. carl-cat (catus)
carl-fugel (avis maſcula). — altn. karl-maðr (vir fortis)
karl-kyn (genus maſc.) karl-menni (vir fortis) karl-ſyft,
-ſvift (genus maſc.); gehört hierher das altſchwed. karl-
vagen (arctos) wofür agſ. carles vägen?


kniu (genu, generatio) ahd. chnio-radun (poplites) ker.
227. altſ. knio-bëda (genuflexio). — agſ. cnëó-mäg (deſcen-
dens recta linea) Cädm. 25. 39. 67. 90. cnëó-rîm (ge-
nus). — altn. knê-leiſtr (ſolea genuum) knê-runnr (linea
recta) knê-ſig (lapſus in genua) knê-ſkel (patella) knê-ſkot
[464]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
(defectus poplitis) knê-tabl (alea). — nhd. knie-beugung,
knie-ſcheibe.


kumbl? (ſignum militare): ahd. chumpal-poro (ſigni-
fer) khunpal-porun (cohortes) ker. 180. — agſ. cumbol-
gehnad, al. -gehnäſt (vexillorum conflictus, ſtridor?) Aeðelſt.
cumbol-viga (bellator) Jud. 12.


kuni (genus, nobilitas), ahd. chunni, agſ. cyn, cynnes,
in der compoſition ſcheint ſich aber das alte, ungemi-
nierte n bewahrt zu haben: ahd. chuna-widi (laurea, re-
dimiculum capitis) ker. 184. (wo khuna-withi, auch das
a für i widerſtrebt der ſ. 419, α gegebnen regel) ſodann
die n. pr. chuni-hëlm, chuni-përaht, chuni-mund, chuni-
wolf, chuni-gund, chuni-hilt etc. *) — altſ. kuni-burd
(generatio). — agſ. cyne-bëarn (regia proles) cyne-bend
(diadema) cyne-bôt (compenſatio regia) cyne-botl (pa-
latium) cyne-cyn (genus regium) Beda 1, 25. (ed. cantabr.
p. 76. mit der variante cyning-cyn) cyne-dôm (imperium)
cyne-gëard (ſceptrum) cyne-hâd (dignitas reg.) cyne-
hëlm (diadema) cyne-rîce (regnum) cyne-ſcipe (regali-
tas) cyne-ſëtl, cyne-ſtôl Cädm. 97. cyne-ſtræt, cyne-þrym
Cädm. 90. cyne-vîſe (ritus reg.) cyne-viððe (redimicu-
lum). — altn. kyn-ferdi (proſapia) kyn-fylgja (ingenium
patronymicum) kyn-qvîfl (ramus proſapiae) kyn-ſlôd (ge-
neratio) kyn-ſtafr (genus) kyn-þâttr (id.). — Die ahd.
altſ. und ſpätere agſ. ſprache ſetzt viele wörter, die vor-
her einfaches chuni, cyne hatten, mit dem abgeleiteten
chuninc, kuning, cyning zuſammen, z. b. chuninc-hëlm
(diadema) kuning-ſtuol, kuning-ſtërro, kuning-wîſa, cy-
ning-dôm, cyning-rîce.


lagus? (aqua, mare): altſ. lagu-ſtrôm. — agſ. lagu-
flôd Cädm. 3. lagu-ſtreám Cädm. 42. Boeth. 164. 176. 188.
Beov. 25. lagu-ſtræte Beov. 20.


land (rus): ahd. lant-hêrro, lant-pikenkëo (indigena)
hrab. 967a lant-liut (populares) lant-man, lant-marha (fi-
nes reg.) lant-pûwo jun. 199. lant-ſcat, lant-ſidilo blaſ.
10a jun. 235. lant-deri (latro) T. 199, 8. lant-volh, lant-
walto u. a., die n. pr. lant-përaht, lant-frid, lant-rîh,
lant-wart, lant-olf, die beiden erſten frühe in lam-përt,
lam-bërt, lam-frid (franz. lamfroi) entſtellt **). — altſ.
[465]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
land-ſcatho (latro) land-wîſa (mos regionis). — agſ. land-
älfen (faunus) land-ceáp (fundi emptio) land-ferd (iter)
land-folc, land-fruma (princeps) Beov. 5. land-begenga
(terricola) land-hlâf-ord, land-mëarc, land-gemæro (fines)
land-gemyrcu Beov. 18. land-lëód, land-lyre (amiſſio t.)
land-rîca (dominus) land-riht, land-ſæta (colonus) land-
ſcipe, land-ſpêd (opulentia) land-vare (incolae) Beov. 173.
land-gevëorc Beov. 72. — altn. comp. mit land verzeich-
net Biörn 2, 6-9. — mhd. die gloſſare zu Triſt. Nib.
Barl. Wig. — nhd. land-friede, -grâf, -grenze, -leute,
-verluſt, -räuber, -recht, -reiſe, -ſitte, -ſchaft, -ſiedel,
-volk u. a. m.


láuhs (flamma)? nach dem ahd. loug N. 82, 15. 105. 7;
láuha? nach dem ahd. lauga K. 59a; oder laúha? nach
dem altn. logi; oder laúheis? nach dem agſ. lyge,
pl. lygëas, wofür jedoch immer lige geſchrieben wird *):
ahd. lauc-medili (fulmen) jun. 191. 206. — agſ. lig-draca
(draco ignivomus) Beov. 174. vgl. lëg-draca 225. lig-fŷr
(feuerflamme) Cädm. 64. lig-yðu (aeſtus flammae) Beov.
199. — altn. log-brandr (torris).


leib (vita): ahd. lîp-leita (victus) lîp-nara jun. 234.
195. monſ. 393. T. 13, 18. lîb-puoch (liber vitae) N. lîb-
ſcrîbo N. 67, 16. lîb-tôd N. 70, 1. lîp-vuora u. a. m. —
agſ. lîf-däg Beov. 62. 123. Cädm. 22. 71. lîf-gedâl (inter-
itus) Beov. 65. Cädm. 55. lîf-freá (deus) Beov. 4. Cädm.
1. 21. 40. 68. 83. lîf-fruma (deus) Cädm. 89. lîf-lâde (vic-
tus) lîf-lyre (vitae jactura) lîf-geſcëaft Beov. 147. lîf-
vëg Cädm. 65. lîf-vëla Cädm. 75. lîf-vrâd (furor?) Beov.
74. lîf-vynne (gaudium). — mhd. lîp-geſelle Wh. 2,
153b lîp-nar, lîp-rât. — nhd. leib-arzt, leib-pterd, leib-
ſpeiſe, leib-wacht: alſo immer in der bedeutung von cor-
pus, nicht in der ältern von vita.


leik (caro, corpus): ahd. lîh-char (ſarcophagus) jun. 211.
lîh-lawi (cicatrix) ker. 74. lîh-lôi hrab. 958a, lîh-fahs (cae-
ſaries) hrab. 957b (wo leih-fahs) lîh-hamo, lîh-hemidi
jun. 236. — agſ. lîc-bëorg (ſarcophagus) lîc-homa (cor-
pus) lîc-hryre Cädm. 25. lîc-lëóð (epicedium) lîc-reſte
(ſepulchrum) lîc-ſâr (vulnus) Beov. 63. lîc-ſërce Beov.
43. 85. lîc-þênung (exſequiae) lîc-tûn (coemeterium) lîc-
vigelung (νεκρομαντεία). — altn. lîk-ami f. lîk-hami,
lîk-blœa (palla ſepulcralis) lîk-bönd (faſcia ſunebr.) lîk-
G g
[466]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
börur (feretrum) lîk-för (exſequiae) lîk-kiſta (loculus) lîk-
pallr (caſtrum doloris) lîk-ſöngr (threni) lîk-þorn (helos)
lîk-þrâ (lepra), — mhd. lîch-ame, lîch-lege (exſeq.) a.
Tit. 21. — nhd. leich-dorn, leich-huhn, leich-nam, leich-
beſtattung.


leiþus (ſicera, vinum), ahd. lîd, agſ. lîð: ahd. lîd-faƷ
(poculum) jun. 218. mhd. lît-gëbe (caupo) lît-hûs (cau-
pona); nhd. der eigenname leid-gêber.


lindô? (faſcia, vexilium, vielleicht auch ſcutum?) ahd.
linta (ſchw.) agſ. lind (ſt.) altn. lindi (m. ſchw.): agſ.
lind-croda oder crôda? (vexillum) Cädm. 44. lind-plëga
(bellum) Beov. 154. lind-geſtëalla (? vexillifer) Beov. 148.
lind-viga (pugil) Beov. 194.


ahd. liut (gens) agſ. lëód: ahd. liut-chilicha (eccleſia)
N. 34, 18. liut-chuo N. 67, 31. liut-pâga (ſeditio) jun.
liut-prôt (panes laici) monſ. 330. liut-ſcaf (gens) ker. 28.
liut-kiſemini jun. 199. liut-riſt (conditio) N. 64, 3. liut-ſtal
(ſtatio) jun. 228. liut-ſtam ker. 125. 146. monſ. 410. O. III.
12, 13. IV. 8, 27. ſodann die nom. pr. liut-olf, liut-ſint
liut-përaht, liut-prant, liut-pald (woraus leopold entſtellt
iſt). — altſ. liud-kunni. — agſ. lëód-bëalo (pernicies) Beov.
130. lëód-byrig (civitas) Cädm. 54. Beov. 184. lëód-fruma
(princeps) Cädm. 29. 51. 70. lëód-gëld (mulcta) lëód-
gëard (civitas) Cädm. 39. lëód-hata (tyrannus) Cädm. 64.
Jud. 10. lëód-hryre (jactura) Beov. 152. 178. lëód-magas
(populares) lëód-mägen Cädm. 66. 67. lëód-ſcëare (gens)
Cädm. 70. lëód-ſcëaða (diabolus) Cädm. 22. Beov. 157.
lëód-ſcipe (gens) lëód-ſërce Beov. 114. lëód-þeáv (mos
regionis) lëód-vëras Cädm. 41. lëód-vërod (exercitus). —
nhd. leut-prieſter, leut-gericht, leut-betrüger.


ahd. luft (aër): agſ. lyft-âdl (paralyſis) lyft-ëdor (do-
mus aërea) Cädm. 68. lyft-floga Beov. 173. lyft-hëlm (nu-
bes) Cädm. 64. lyft-vynne (recreatio in aere) Cädm. 74.
Beov. 225. — altn. lopt-eldr (fulgur) lopt-gina (chaſma)
lopt-teikn (meteoron) lopt-veifa (idem). — nhd. luft-
röhre, luft-ſchloß, luft-ſprung, luft-zug.


magan, magin? (vis), ahd. makan, mekin: magen-
chraft (majeſtas) N. 28, 3. 64, 7. 67, 5. 68, 6. Boeth. 127.
makan-nôtduruft (ſumma neceſſitas) miſc. 2, 289. magen-
ſûl (maxima columna) N. Boeth. 127. magan-wëtar (turbo)
jun. 254. magen-wërch (magnificentia) und viele n. pr. als
magan-gôƷ, magan-lôh, magan-rât, megin-hart, me-gin-
hëlm, megin-pald, megin-poto, megin-rât, megin-frit, me-
gin-wërh etc. — altſ. megin-fard (bellum) megin-thiof (tri-
furciſer) megin-thioda. — agſ. mägen-byrden (ſummum
[467]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
onus) Beov. 123. 229. mägen-corder (ingens turba) mä-
gen-cräft Cädm. 95. mägen-fultum (ſ. auxilium) Beov.
110. mägen-heáp (ingens caterva) mägen-räs (ing. impe-
tus) Beov. 115. mägen-ſcipe (potentia) mägen-ſtân (ing.
lapis) Boeth. 155. mägen-þreát (ing. turba) Cädm. 73. 75.
mägen-þrym (majeſtas) mägen-vudu (ingens haſta) Beov.
20. — altn. megin-haf (oceanus) megin-hyggia (magnus
animus) megin-rûnar (characteres efficaces) megin-tîr (glo-
ria magna) megin-þörf (urgens neceſſitas) megin-þiód. —
mhd. kenne ich nur magen-kraft troj. 3c 67c. — nhd.
die eigennamen mein-hart, mein-fried, mein-werk. —
engl. main-body, main-land, main-maſt, main-ſea, main-
ſtream, main-ſtone, main-top, main-yard etc.


magus (filius, puer): ahd. maka-zoho (nutritor) ma-
ka-zoha (nutrix); mhd. entſtellt magt-zoge Parc. 191b
Nib. 2890. 7925. — agſ. mago-dryht (familia) Beov. 8.
mago-räſva (caput fam.) Cädm. 36. 65. mago-rinc Cädm.
38. 50. Beov. 57. mago-þëgn (familiaris) Beov. 24. 33. 107.
112. 205. mago-timber (familia) Cädm. 26. 49. 102. mago-
tuddor (proles) Cädm. 59. 132.


man (homo, mancipium), form und bedeutung ver-
laufen ſich hier in ein unerreichbares alterthum. Einige
mundarten trennen, z. b. die altn. das neutr. man (man-
cipium, ſervus, ſerva, virgo) von dem maſc. madr
(= mannr) *). Im goth. erſcheint mit einfachem n der
gen. mans (f. manis?) nom. acc. pl. mans (f. manôs, ma-
nans?) vgl. 1, 610. und ga-mans (ſocius) Luc. 5, 7. Phi-
lem. 5, 17. 1. das abgeleitete adj. manags, das comp. pro-
nomen man-hun (neben mann-hun, manna-hun) man-
leika (imago) und mana-ſêþs (neben manna-ſêþs, mun-
dus). Im ahd. gleichfalls das adj. manakêr, das pron. io-
man, nio-man, ſodann die oben ſ. 415. näher verzeich-
neten compoſita maua-heit, mana-heitî (humanitas) ma-
na-houpit (mancipium) mana-lîhho (imago) mana-përga
(cancelli, gitter das einen birgt), ohne compoſ. vocal aber
man-chunni N. 34, 23. 70, 14., man-ëƷo (ambro, menſchen-
freßer) N. Mart. Cap., man-pîƷo (ambro) monſ. 413. **)
man-ſlaht (homicidium) monſ. 349. 384. 393. man-ſlecco
monſ. 327. 357. N. 5, 7. 25, 9. man-ſlago monſ. 407. T.
G g 2
[468]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
26, 1; die n. pr. mana-liup, mana-loup (?) mana-kold (nhd.
man-gold), falls letzteres nicht zu mani (monile) gehört? —
altſ. man-ſtërbo (peſtis). — agſ. comp. mit man (mon): man-
æta (anthropophagus) man-bryne (febris) chron. ſax. a.
961. man-bôt (mulcta hominis occiſi) man-cild (puer)
man-cvëalm, -cvild (peſtis) man-cyn (genus hum.) Cädm.
59. man-dryhten Beov. 35. 94. 95. Cädm. 88. man-
dreám (gaudium hum.) Beov. 96. Cädm. 28. 87. man-lîca
(imago) Cädm. 55. 78. man-mägen (multitudo) man-rä-
den (clientela) man-rîm (numerus hom.) Cädm. 39. 59.
man-ſlege (homicidium) man-ſlaga (homicida) man-þëóf
(fur) man-vîſe (indoles) Cädm. 43. man-vyrð (aeſtimatio
hominis). — altn. viele mit nn für die bedeutung homo:
mann-baldr (rex) mann-biörg (auxilium) mann-burdir
(virilitas) mann-dâð (virtus) etc. bei Biörn 2, 59-62; einige
mit n für die bedeutung ſervus: man-ſal (mercatus ſerv.)
und virgo: man-ſöngr (carmen amatorium). — mhd.
man-heit, man-ſlaht, vielleicht auch man-ëƷƷe (anthro-
poph.). — nhd. mann-heit, mann-ſchaft. — engl. man-
bote, man-child, man-eater, man-hater, man-kind, man-
killer etc.


marei (mare): goth. mari-ſáivs. — ahd. marëo-ſêo;
meri-chalp, meri-gras, meri-grioƷ, meri-minni, meri-ra-
tih, meri-ſnëcco, meri-ſcala u. a. m. auch die eigenna-
men meri-poto, meri-lint, meri-gart. — agſ. mere-cieſte
Cädm. 30. mere-fara Beov. 40. mere-fix Beov. 43. mere-
flôd Cädm. 4. mere-grund Beov. 110. 157. mere-hengeſt
(navis) Boeth. 118. mere-hregel Beov. 143. mere-hûs
Cädm. 30. mere-ſtræt Beov. 41. mere-ſtreám Cädm. 20.
73. 86. mere-torras Cädm. 73. mere-vîf Beov. 115. —
altn. mar-backi (margo maris) mar-hâlmr (alga) mar-
mennill (homuncio marinus) mar-ſvîn (delphinus) mar-
þvari (lupus marinus). — mhd. mer-garte (mundus) cod.
pal. 361. Annolied 444. Karl 38b mer-grieƷ, mer-wîp u. a.


marka (limes): hierher der volksname marco-manni?
ahd. marh-man? marh-krâvo? und eigennamen wie
marh-wart (marquardus) u. a. — agſ. mëarc-land (con-
finium) mëarc-ſtapa (limites habitans, percurrens) Beov.
103. mëarc-vëard (cuſtos lim.) Cädm. 66. mëarc-þreát
(limitanea cohors) Cädm. 66. — altn. mark-ſteinn.


mats (cibus): mati-balgs (pera). — ahd. maƷ-ſahs
(cultellus) gl. ſgall. maƷ-leidî (faſtidium) N. 106, 18. —
agſ. mete-bëalg, mete-fätels (ſaccus ad cibum portandum)
mete-lâfa (reliquiae cibi) mete-ſvam (fungus) mete-þgen
Cädm. 65. — altn. mat-bord, mat-föng (cibaria) mat-
[469]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
giafir (alimenta) mat-hâkr (lurco) mat-leidi (faſtidium
cibi) mat-mâl (tempus prandii) mat-ſpörn (parcitas cibi)
mat-ſveinn (coquus) mat-urtir (olera) mat-þurfi (indigus)
cibi). — mhd. maƷ-genôƷ (commenſalis).


maþl (concio): ahd. nur in n. pr. madal-gêr, madal-gart,
madal-olf, madal-win. — agſ. meðel-ern (praetorium) meðel-
ſted (concilium) Beov. 83. Cädm. 71. 74. 78. meðel-vord
(verba concepta) Beov. 20. Es kommt zwar auch maðel
vor, doch ſcheint meðel (mit -il abgeleitet und ſ. 112.
zuzufügen) geläufiger.


máin (noxa): ahd. mein-eid (perjurium) T. 30, 1. mein-
tât (maleficium) hrab. 963a N. 43, 22. 105, 37. O. I. 4, 16.
IV. 6, 21. — altſ. mên-dâd, mên-ſcatho (maleficus) mên-
ſculd, mên-githaht (prava cogitatio) mên-giwërk. — agſ.
mân-âð (perjurium) mân-dæd (ſcelus) Cädm. 11. mân-
fëld (ſceleratus campus) mân-fâcen (nequitia) mân-hûs
(improborum domus) Cädm. 74. mân-ſcëaða Beov. 56.
102. 187. Cädm. 29. mân-ſvara (perjurus). — altn. mein-
eiðr, mein-görd (nocumentum) mein-gripr (animal dam-
noſum) mein-leiki (noxa) mein-ſemð (morbus) mein-ſœri
(perj.) mein-tak (violenta attrectatio) mein-tregi (dolor
gravis) mein-vættr (malus daemon). — nhd. mein-eid.


máiþms (res pretioſa): agſ. mâðm-æht Beov. 122. 210.
mâðm-ciſte (gazophylacium) mâðm-fät (vas pretioſum)
Beov. 179. mâðm-gife (donum pretioſum) Beov. 99.
mâðm-hord (theſaurus) Cädm. 70. mâðm-hûs (id.) mâðm-
hyrde (theſaurarius) mâðm-ſigel (monile pretioſum) Beov.
205. mâðm-geſtrëón Beov. 145. mâðm-vëla (opes) Beov.
204. — Keine der übrigen mundarten bewahrt comp. mit
dieſem wort.


mêgs (affinis): ahd. mâg-ſcaf (cognatio) mâg-flaht (par-
ricidium) N. 105, 37. — agſ. mæg-älf (femina cognata)
Beov. 194. Cädm. 40. 58. 130. mæg-burg (cognatio Beov.
214. Cädm. 70. mæg-bôt (cognati compenſatio) mæg-
gemôt (cognatorum conventus) mæg-gevrit (tabula ge-
neal.) mæg-hämeð (inceſtus) mæg-morðor (parricidium)
mæg-räden, mæg-ſcipe (cognatio) mæg-ſibb (desgl.) mæg-
vine (cognatus) Beov. 185. Cädm. 37. 66. mæg-vlite (ſpe-
cies, ſimilitudo) Cädm. 35. Boeth. 197. — altn. mâg-ſemð
(affinitas).


midjuns? (medium): midjun-gards οἰκουμένη γῆ, medi-
tullium, medi-terra, wenn man ſo ſagen kann, nach me-
di-terraneus) Luc. 2, 1. verſch. von faírhvus (mundus);
ahd. mittin-gart (orbis terrarum, mundus) J. 340. 385.
386. 408; agſ. middan-gëard Beov. 8. 58. Cädm. 4. 63. 86.
[470]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
133. ſpätere denkmähler haben middan-ëard. Andere
dialecte componieren mit dem gleichbedeutigen mittil:
ahd. mittili-gart (orbis) jun. 216. (mundus) T. 16, 1. 76.
mittil-gart, mittel-gart T. 155, 1. 165, 1. 178, 2. 179, 1, 2,
3.; altſ. middil-gard; der altn. mit dem bloßen midja (me-
dium): mid-gardr (orbis), dem die Edda ût-gardr ent-
gegenſetzt. Noch ein ſchwed. volkslied hat medje-
gård = konungsgård, das land, wo wir wohnen (viſor
1, 140.). Vgl. goth. midja-ſveipáins (diluvium). Daß
midjun, mittin, middan, mittil, mid- einander ganz gleich-
ſtehen, lehren weitere compoſita, z. b. agſ. middan-vin-
ter, neben mid-ſumer und middel-hring, middel-tûn etc.
ahd. mëtan-ſcaf (mediocritas) jun. 214. neben mëtel-ſcaf
doc. 294.


miſſ? miſſô? (vices, diverſitas, defectus); in der an-
geblich untrennbaren partikel mis- erblicke ich (wie in
dem mit adjectiven componierten baúra-, pora-) ein wah-
res ſubſt. aus folgenden gründen 1) ſeine trennbarkeit
zeigt ſich theils in dem goth. miſſô (invicem), das hinter
die pluralformen der perſönlichen pronomina geſetzt zu
werden pflegt, (beiſpiele cap. IV.), theils in dem altn. â
mis
(alternatim), wo die vorſtehende praep. deutlich ein
nomen verkündet. 2) der übergang der begriffe wechſel,
abſtand, abgang, fehler iſt natürlich, das altn. mis bedeu-
tet nicht nur per vices, ſondern auch praeter, contra jus
et aequum, de via und in der compoſ. tritt der begriff
des wechſelnden, wechſelſeitigen (ἀλλήλως) genug hervor,
vgl. misdaudi, misneſi. 3) es gibt noch ein mhd. ſubſt.
miſſe (error) Parc. 113a, das ohne zweifel ſchon ahd. war,
obgleich ich es jetzt nicht belegen kann; aus ihm muß
das ſchw. verb. miſſan (carere) jun. 181. O. I. 22, 40. II.
5, 36. V. 7, 19. oder miſſôn N. 108, 24. agſ. miſſjan (er-
rare) altn. miſſa (amittere) geleitet werden *). — Subſt.
zuſammenſetzungen ſind alſo: goth. miſſa-dêds (peccatum)
miſſa-qviſſ (diſſenſio); ahd. (die gl. hrab. haben noch den
comp. vocal a, andere quellen aſſimilieren ihn meiſt zu
i; die gl. ker. geben mehrmahls bloßes mis-) miſſi-tât
(pecc. error, commiſſio) monſ. 355. 359. 389. mis-tât ker.
[471]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
121. 235. miſſa-huarpari (everſor) hrab. 972b miſſa-huar-
pida 961b miſſi-fanc (exceſſus) mis-fanc ker. 110. 230.
miſſi-triuwida (diffidentia) monſ. 377. miſſa-zumft (diſſo-
nantia) monſ. 409. (wo bloß das verbum); agſ. mis-byrd
(abortio) mis-dæd, mis-fadung (mala diſpoſitio) mis-gevi-
der (intempeſtas) mis-lâr (prava doctrina) mis-ræd (fal-
ſum conſilium) mis-ſer, mis-ſar (annus, ſemeſtre) Cädm.
37. 39. 51. 64. 107. *) mis-vëorc (mala opera); altn. mis-
æri (annonae caritas) mis-brëſtr (varietas, defectus) mis-
brigði (mutatio, delictum) mis-daudi (mors alterutrius)
mis-eldri (diſpar aetas) mis-ferli (error) mis-för (interi-
tus) mis-grunr (ſuſpicio) mis-indi (mediocratis) mis-minni
(lapſus memoriae) mis-neſi (interſeptum naſi) mis-ſeri,
mis-ſiri, (tempus ſemeſtre)*) mis-ſvëfni (diverſitas ſomni)
Fiölſv. 17. mis-unnan (invidia); mhd. miſſe-dâht (ſuſpicio)
miſſe-linge, miſſe-tât; miſſe-wende (vitium); nhd. mis-
geburt, mis-griff, mis-gunſt, mis-jahr, mis-wachs, miſſe-
nur noch in miſſe-thât (nicht mis-thât).


midus? (mulſum) ahd. mëtu, agſ. mëodo, mëdo, altn.
miödr: mëdo-ärn Beov. 8. mëodo-benc Beov. 60. 80. 82.
143. mëdo-burh Jud. 11. mëdu-dreám Beov. 151. mëdo-
ful (poculum) Beov. 49. 78. mëodu-hëal Beov. 39. 50 më-
du-ſeld Beov. 227. mëodo-ſëtl Beov. 3. mëdo-ſticg Beov.
71. mëodo-vong Beov. 124. mëdo-vyrt (herba quaed.). —
altn. miad-drëcka (obba mulſi) miad-urt (ulmaria), vgl.
das nom. pr. miöd-vitnir edd. ſæm. 2b 47a mit der va-
riante mod-vitnir.


muk? bloß im altſ. kenne ich moc-thief (ſummus la-
tro), das ohne zweifel mit dem ahd. mûhëo (latro) gl.
ſgall. 195. mûhhari (graſſator) ker. 139 und mûhhôn (graſ-
ſari) ker. 140., wahrſcheinlich mit mûhhil-ſuërt (ſica) flor.
985b und dem nhd. meuchel-mord, meucheln, meuch-
lings, vielleicht mit muh-heimo (grillus) und muccha
(muſca, der ſchwärmenden?) **) verwandt iſt.


muns? munus? (voluptas) nach dem altn. munr und
dem altſ. muni-lic (amabilis): daher die ahd. eigennamen
muni-hilt, muni-frid, muni-gîſil, muni-mund?


munds? (manus? auxilium) ahd. munt (palma) doc.
226a agſ. mund (manus): altſ. mund-boro (protector)
mund-burd (protectio). — ahd. munt-poro (defenſor)
[472]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
ker. 19. 287. monſ. 394. munt-man (id.) N. 40, 10. — agſ.
mund-bora Beov. 112. mund-brëce (pacis violatio) mund-
byrd (protectio) mund-grip Beov. 31. 59. 116. 145. —
altn. mund-laug (malluvium) mund-ridi (anſa clypei).


munþs (os) agſ. muð-âdl (oſcedo) muð-bërſting (fre-
num). — altn. munn-flapr (vana verba) munn-biti (buc-
cella) munn-mæli (adagium) munn-rœda (oratio non
ſeripta) munn-varp (dictum inconſideratum) munn-vatn
(ſaliva) munn-vik (canthus oris). — nhd. mund-fäule.


môds (animus): ahd. muot-tât (facinus praemeditatum)
muat-dât O. IV. 12, 91. muot-willo (propenſio animi) O.
I. 22, 32. IV. I, 80. — altſ. muod-kara (luctus) muod-
ſëbo (ſenſus) muod-githâht (cogitatio) muod-thrac (triſti-
tia). — agſ. môd-cëare Beov. 134. 150. 232. môd-giomor
Beov. 215. môd-hête (ira) Cädm. 39. môd-gehygd Beov.
20. môd-lufu (propenſio) Beov. 137. môd-ſefa Cädm. 12.
Beov. 16. 29. 151. môd-ſorg (luctus) Cädm. 18. môd-ge-
þonc Cädm. 3. 78. 88. môd-þräc Beov. 31. — altn. môd-
-akarn (cor) môd-guðr (n. pr. edd. ſnorr. p. 67.) môd-
tregi (dolor animi). — mhd. muot-gedœne Triſt. 8128.
muot-wille. — nhd. muth-wille.


nagls (unguis, clavus): ahd. nagal-hart n. pr. — agſ.
nägel-ſëax (novacula). — altn. nagl-far (nomen navis). —
mhd. nagel-friunt, nagel-mâc (cognatus) Oberl. 1107. na-
gel-rinc (n. enſis).


náuþs (vinculum): náudi-bandi. — ahd. nôt-duruſt
(neceſſitas) K. 44a doc. 227a nôt-thurft T. 231. 3. nôt-
meior (exactor) monſ. 333. nôt-nâma (rapina) N. 68, 5.
nôt-nëmo (raptor) jun. 188. nôt-numft (vis) monſ. 403. nôt-
pant zu folgern aus nôt-bendîg T. 199, 1. nôt-ſtallo (neceſſa-
rius) Ludw. nôti-giſtallo O. IV. 16, 8. nôt-ſuoh (exactio)
monſ. 358. 384. nôt-ſuana (examen) jun. 205. nôt-vriunt
(neceſſarius) monſ. 347. 362. doc. 227a N. Boeth. 106. nôt-wëc
(canalis) monſ. 376. und die nom. pr. nôt-kêr, nôt-pald,
nôt-olf etc. — agſ. nŷd-bade (oder bâde? pignus) Beov.
47. nŷd-boda (invitus nuntius) Cädm. 72. nŷd-dæda (ne-
ceſſario agens) nŷd-fara (nec. itinerans) Cädm. 67. nŷd-
genga (id.) Cädm. 88. nŷd-maga (neceſſarius) nŷd-næme
(violenta ereptio) nŷd-geſtëalla (neceſſarius) Beov. 68.
nŷd-þëarf (neceſſitas) nŷd-vyrhta (qui invitus agit) nŷd-
vracu (vindicta) Beov. 17. — altn. naud-begja (arctiſſimae
res) naud-hiâlpari (probatus amicus) naud-hæſi (extr. nec.
remedium) naud-mâgr (affinis invitus?) naud-ſyn (neceſ-
ſitas) naud-verja (inculp. tutela) naud-þurſt. — mhd. nôt-
durſt, nôt-hëlfære Barl. nôt-geſtalle kl. nôt-geſtalt troj.
[473]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
nôt-ſtrëbe fr. belli. — nhd. noth-durft, noth-fall, noth-
helfer, noth-taufe, noth-wehr, noth-zucht.


neiþs (invidia): altſ. nîth-ſcipe. — agſ. nîð-draca
Beov. 170. nîð-gäſt Beov. 201. nîð-hete (odium) Cädm.
75. 81. nîð-ſcipe, nîð-ſele Beov. 115. nîð-getëóna (gravis
injuria) Cädm. 45. nîð-gevëorc Beov. 53. nîð-vräce (exi-
lium) Cädm. 89. nîð-vundor Beov. 104. — altn. nîd-
ſkâld (poëta probroſus) nîð-ſtöng (haſta in contumel.
erecta) nîð-yrdi (verba contumelioſa). — mhd. nît-galle
Triſt. 15690. nît-lîder MS. 2, 144b 145a nît-ſpil MS. 2,
223b nît-hart n. pr. — nhd. neid-hart.


radrs? (coelum, firmamentum) altſ. rador, agſ. rodor,
altn. rödull: agſ. rodor-ſtôl (thronus dei).


ragin (auctoritas, conſilium): ahd. rakin-purkjo (ein
angeſehner, freier mann) die rachin-burgii, racin-burgii
aus der lex ſal. und rip. ſind bekannt, ſie heißen auch
racine-burgii, regim-burgi, raim-burgi und gleichbedeutig
boni homines *); urkunden liefern die eigennamen re-
gin-dëo, regin-rôc, regin-olf, regin-pald, regin-poto, ra-
gin-bërn, regin-tac, regin-trud, regin-vrid etc. — altſ.
regin-ſcatho (maximus latro) regin-thiob (trifurcifer). —
agſ. regen-þëóf Cädm. 74. regen-vëard, rên-vëard (vir
fortis) Beov. 60. (wo tadelhaft ſtehet venvearð). — altn.
regin-fiöll (montes altiſſimi) regin-diúp (immenſa proſun-
ditas) regin-þîng (comitia) regin-leif (n. pr.). — mhd.
nur in den eigennamen rein-bote, rein-frid, rein-mâr
u. a. woraus die nhd. noch mehr entſtellten reim-bot,
reim-bold, reimer (f. rein-mer).


randus? rands? (margo): ahd. rant-pouc (umbo)
hrab. 951b 976b — agſ. rand-beáh (umbo) rand-byrig
(ſcutum) Cädm. 72. rand-gebëorh (idem) Cädm. 69. rand-
viga (bellator) Cädm. 65. Beov. 99. 135. — altn. rand-
fluga (culex) und die n. pr. rand-grið, rand-vër. — nhd.
rand-gloſſe.


rêds? (conſilium): ahd. rât-këpo, rât-man, und die
n. pr. rât-leih, rât-lint. — agſ. ræd-bana (maliſuaſor)
ræd-bora (conſiliarius) Beov. 101. ræd-gifa (id.) ræd-þëah-
teras (conſiliarii). — altn. râd-bani (procurator necis) râd-
gâta (aenigma) râd-giafi, râd-hërra (ſenator) râd-hûs (cu-
ria) râd-krôkr (vafrities) râd-lag (propoſitum) râd-rûm
[474]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
(tempus conſult.) râd-ſpiöll (pejoratio ſortis) râd-ſtafi
(providentia) râd-vîſi (prudentia). — mhd. rât-gëbe, rât-
man, rât-vrâge. — nhd. rath-gêber, rath-haus.


reim? (numerus): agſ. rîm-cräft (ars numerandi) rîm-
getäl (numerus) rîm-ſtafas (incantationes). — nhd. reim-
kunſt, reim-buchſtab, reim-regiſter, reim-zeile.


rigns? (pluvia): ahd. rëgan-mânôt (m. defluus) monſ.
356. rëgan-pogo (arcus coeleſtis) jun. 205. rëgen-wind
N. Boeth. 110. — agſ. rëgen-boga, rëgen-ſcûr (imber)
rëgen-vyrm (lumbricus). — altn. rëgn-bogi, rëgn-dagr
(dies pluvius) rëgn-vatn, rëgen-vidri. — nhd. rêgen-bô-
gen, rêgen-mônat, rêgen-ſchauer, rêgen-waßer, rêgen-
wetter, rêgen-wind, rêgen-wurm.


rûna (ſecretum): ahd. rûn-ſtabâ (literae ſecretae) K.
51a rûn-hilt (n. pr.). — agſ. rûn-coſa (pectus, ſecretum
claudens) Boeth. 184a rûn-cräft (magia) rûn-ſtafas, rûn-
vita (amicus, arcanorum particeps) Beov. 101. — altn.
kenne ich nur die uneigentl. comp. rûna-ſtafr und rûna-
kefli.


ſals? (aula): ahd. vielleicht ſali-lant, ſeli-lant flor. 982a?
und die eigennamen ſali-gaſt, ſali-man, aſſim. ſala-man? —
agſ. ſele-ful (poculum aulae) Beov. 49. ſele-gâſt? gäſt? (dae-
mon, hoſtis aulae) Beov. 117. ſele-räden Beov. 6. ſele-
reſte Beov. 54. ſele-ſcot (tabernaculum) ſele-vëard Beov.
52. ſele-þëgen Beov. 135. — altn. ſal-gardr, ſal-hûs, ſal-
kona (fem. cubicularia). — nhd. ſâl-wächter, wärter.


ſarv? (machinae) ahd. ſaro, agſ. ſëaro (vgl. oben
ſ. 188.): ahd. kann ich ſaro-wât, ſaro-hrinc bloß nach
dem mhd. vermuthen, die urkundlichen eigennamen ſara-
man, ſara-poto, ſara-purc, ſara-trûd haben in der wur-
zel ſchwerlich â und ihr ableitendes o (u) ſcheint in a
aſſimiliert. — ſëaro-bend Beov. 156. ſëaro-cräft (machina,
argumentum) Boeth. 158b ſëaro-gimma (lapis pretioſus)
Boeth. 181b Beov. 88. 204. ſëaro-net (rete affabre factum)
Beov. 33. ſëaro-nîð (inſidiae) Beov. 46. 92. 203. 227. ſëaro-
þonc (dolus) Beov. 60. ſëaro-vundor Beov. 71. — mhd.
ſar-balc Wigal. ſar-rinc En. 67c ſar-wât kl.


ſáivs (mare): ahd. ſêo-waƷar, ſêo-vocal, und ſicher
andere, obgleich dieſe mundart lieber mit meri- zuſam-
menſetzt; bei ſpätern ſchon ſê-waƷƷer N. 113, 8. ſê-fogil
N. 106, 35. — agſ. ſæ-älfen (ſiren) ſæ-bât (navis) Beov.
69. ſæ-bëorg (mons maris) Cädm. 72. ſæ-brim (mare)
ſæ-clif (rupes mar.) Boeth. ſæ-draca, ſæ-fiſc, ſæ-flôd
Cädm. 33. ſæ-ſolde Cädm. 5. ſæ-genga (navis) Beov. 141.
143. ſæ-grund Cädm. 69. Beov. 45. ſæ-lâc (navigatio)
[475]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Beov. 125. ſæ-lâfe Cädm. 75. ſæ-lâd (iter per mare)
Beov. 88. ſæ-lëóð (cantilena maritima) ſæ-man (nauta)
ſæ-näſſas (promontoria) Beov. 19. 45. ſæ-net (ſagena) ſæ-
rinc (miles marit.) Beov. 54. ſæ-ſcëaða (pirata) ſæ-ſtrand,
ſæ-ſtreám Cädm. 68. ſæ-þëóf (pirata) ſæ-væg (fluctus)
Cädm. 83. ſæ-vëall, ſæ-vëard, ſæ-vîcing (incola maris)
Cädm. 70. ſæ-vong Beov. 148. ſæ-vudu (navis) Beov.
19. — altn. comp., welche die form ſió- und ſæ- haben
können, verzeichnet Biörn p. 248. 249. 364. 365. 366.


ſáivala (anima): ahd. ſêl-lôſunga (redemtio animae) N.
83, 3. — agſ. ſâvel-drëór (ſanguis vitae) Cädm. 34. Beov.
200. ſâvel-ſcëat (pecunia ſepulchralis). — altn. nur uneigentl.
comp. — mhd. müßen ſein ſêl-bat, ſêl-dinc, ſêl-geræte u. a.
die noch ſpäter gelten. — nhd. ſeel-mörder, ſeel-ſorge.


ſaúrga: agſ. ſorh-vord (querela) Cädm. 19. ſorh-
vylm (dolor) Beov. 70. 150.


agſ. ſib (pax, conſanguinitas): ſib-äðeling Beov. 201.
ſib-fäc (gradus conſ.) ſib-gebyrd Cädm. 42. ſib-gedryht
Cädm. 67. ſib-gemâga Cädm. 71. ſib-lufu (amor) Cädm.
1. ſib-lâc (euchariſtia) ſib-räden, ſib-ſcipe. — altn. ſif-
kona (cognata) ſif-ſkapr, ſif-ſpiöll (cognationis violatio). —
nhd. ſipp-ſchaft.


ahd. ſiku, ſigu (victoria): ſige-êra N. Boeth. 64. ſige-
gëba (quae dat victoriam) ibid. ſige-lob ibid. ſige-nëmo
(triumphator) N. Boeth. 64. 65. ſiga-numſt hymn. 22, 2.
monſ. 326. ſige-numſt N. 64, 12. und viele n. pr. ſigi-frid,
ſigi-hëlm, ſigi-lint, ſigi-louc, ſigi-man, ſigi-mund, ſigi-
përaht, ſigi-poto, ſigi-râm, ſigi-rât, ſigi-trûd, ſigi-walt,
in einem dipl. bei Neug. nr. 13. auch ſigur-mâr, von dem
abgeleiteten ſigur. — agſ. ſige-beáh (corona) ſige-beácen
(trophaeum) ſige-bëorn (heros) ſige-bŷma (tuba) Cädm.
74. ſige-drihten Cädm. 13. Beov. 32. ſige-gefëoht, ſige-
folc, ſige-reáf (toga triumphalis) ſige-rîce (provincia)
ſige-tiber (victima) Cädm. 71. ſige-þëód; andere ſind mit
dem abgeleiteten ſigor componiert, wie ſigor-leán (βρα-
βεῖον
) Jud. 12. Cädm. 62. ſigor-vëorca (victoriae auctor)
Cädm. 69. — altn. die n. pr. ſig-födur, ſig-geir, ſig-
mundr, ſig-rûn, ſig-tryggr, ſig-tŷr, ſig-valdi; doch die
gangbaren wörter wiederum mit dem deriv. ſigur: ſi-
gur-fat (toga palmata) ſigur-giöf (victima) ſigur-hrôs
(triumphus) ſigur-kufl (galea pars amnii) ſigur-laun (pal-
marium) ſigur-merki, ſigur-ôp (ovatio) ſigur-vinnari, und
die n. pr. ſigur-drîfa, ſigur-linn. — Zweifelhaft iſt das
merkwürdige goth. ſigis laun Philipp. 3, 14, nämlich entw.
gar kein comp. (wie das lat. victoriae praemium), falls
[476]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
ſich ein ſubſt. ſigs mit dem gen. ſigis beweiſen läßt, oder
mit einem abgeleiteten ſigis (wie hatis, agis ſ. 270.) com-
poniert, ſigis-laun dem ſigor-leán, ſigur-laun parallel. Dann
würden aber auch das agſ. ſigor, altn. ſigur nicht zu
den r-ableitungen (oben ſ. 141.) gehören, ſondern zu de-
nen mit urſprünglichem -s. Zu dem ſigis-laun ſtimmt
die form des burgund. n. pr. ſigis-mundus ſt. ſigi-mund,
ſëges-rîcus neben ſëge-rîcus und in altfränk. denkmählern
bisweilen ſigis-bërtus, ſigis-mêrus neben ſigo-bërtus *).
Sigurmund, ſigur-përaht kenne ich freilich nicht. Die
älteſten formen bei Tac. lauten ſëgi-mêrus, ſëgi-mundus.


ſilubr (argentum): ahd. ſilupar-ſmid. — altſ. ſilubar-
ſcatt (num. argenteus). — agſ. lëolfor-fät, ſëolfor-ſmið.


altſ. ſink (cumulus, divitiae) agſ. finc: finc-ſät Beov.
49. 92. 172. finc-gifa (largitor) Beov. 77. 102. 172. ſinc-ge-
ſtrëôn Beov. 83. 94. ſinc-þëgo (opum cumulatio) Beov. 214.


ſinþs (iter) agſ. ſið: ſið-bôc (itinerarium) ſið-boda
(nuncius itineris) ſið-fät (iter) Beov. 18. 196.


ſis? ein der näheren form und bedeutung nach
dunkles wort (im altn. heißt ſiſa difficilia lente moliri, man
vgl. auch das oben ſ. 192. angeführte ſiſuva), womit
die weſtgoth. nom. pr. ſiſe-butus, ſiſe-nandus, ſo wie
auch ſiſi-gis, ſiſi-fridus bei Procop, 2, 28. 3. 12, ſiſi-vera
b. Maffei p. 144. componiert ſcheinen, vgl. σεσίθακος bei
Strabo VII, 1; ahd. findet ſich ſiſa-gomo, ſiſe-gumo
(pellicanus) monſ. 349. jun. 267. blaſ. 72a trev. 14a, wo-
für jedoch eine andere gl. bei Gerbert 137. huoſigom
ſetzt; agſ. ſiſe-mûs (glis, ris) bei Lye, ohne citat.


ſkatts (numus): ahd. ſcaz-func (marſupium) jun. 213.
ſcaz-wurſo (libertus) monſ. 377. — agſ. ſcëatt-cod (crume-
na). — altn. ſkatt-bôndi (tributarius) fkatt-kongr (rex tri-
butarius) fkatt-land (provincia) fkatt-fkriſt (cenſura). —
nhd. ſchatz-meiſter.


ſkilds? (clypeus) daher das langob. ſcil-por (armiger)
f. ſcilt-poro (ſcutifer) P. Diac. 2, 28; ahd. ſcilt-riemo (lo-
rum cl.). — agſ. ſcild-burh Jud. 12. Cädm. 98. ſclld-hrëó-
ða (ſcutum vimineum?) Cädm. 65. ſcild-truma (teſtudo)
ſcild-vëall Beov. 231. ſcild-viga (miles clypeatus) Beov.
24. — altn. fkiald-borg, fkiald-fetill (catena cl.) fkiald-
mey (virgo clypeata) fkiald-ſveinn (armiger) fkiald-þak
(teſtudo). — mhd. ſchilt-geſteine, ſchilt-geſpenge, ſchilt-
veƷƷel, ſchilt-wahte.


[477]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

ſkip (navis): ahd. ſcëf-diup (latro) monſ. 404. 413.
ſcëf-man monſ. 334. 411. ſcëf-prohho ker. 107. ſcëf-ſanc
monſ. 337. ſcëf-ſaufi hrab. 961a. — agſ. ſcip-cräft (ars
nautica) ſcip-fät (cymba) ſcip-flota (claſſis) ſcip-fyrd (exer-
eitus nav.) ſcip-here (id.) Beov. 20. ſcip-hlâford (guber-
nator) ſcip-lâd (iter nav.) ſcip-râp (funis nav.) ſcip-rô-
ðor (gubernaculum) ſcip-ſëtel (tranſtrum) ſcip-ſtëorra (po-
lus arct.) ſcip-tëaro (bitumen) ſcip-vyrhta (naupegus). —
altn. ſkip-braud (pauis nauticus) ſkip-brot (naufragium)
ſkip-drâttr (ſubductio navis) ſkip-flak (tabula naufragii)
ſkip-madr (nauta) ſkip-pund (libra) ſkip-rûm (locus in-
ter nautas) ſkip-ſtiôrn (gubernatio) ſkip-tapi (amiſſio na-
vis) ſkip-verjar (nautae). — mhd. ſchif-man, ſchif-meiſter
ſchif-liut etc.


ahd. ſpil (ludus): ſpila-hûs (theatrum) monſ. 404. ſpi-
lo-hûs jun. 257. ſpili-hûs monſ. 366. ſpili-man (hiſtrio)
monſ. 375. 388. ſpilo-man N. Boeth. 124. ſpila-ſtat monſ.
404. ſpilo-ſtat monſ. 377. ſpile-wort (jubilum) N. 76, 4,
hierher die eigennamen ſpila-hart, ſpili-hart, ſpili-gërn. —
mhd. ſpil-man, ſpil-geſelle etc.


ſtáins (lapis): ahd. ſtein-geiƷ (ibex) ſtein-loh jun. 224.
ſtein-ofan ker. 56. ſteim-bort (?) Hild. ſteim-cawërf doc.
237a ſtein-wurho (lapidarius) monſ. 357. — altſ. ſtên-grâb,
ſtên-wëg. — agſ. ſtân-äx (bipennis) ſtân-bill (desgl.) ſtân-
bëorg (tumulus) Cädm. 48. Beov. 165. ſtân-boga Beov.
190. 200. ſtân-bricge (via lapidea) ſtân-bucca (ibex) ſtân-
clëofu (rupex) Beov. 189. ſtân-henge (ſaxum pendulum)
ſtân-hliðo (clivus) Beov. 107. Cädm. 75. ſtân-torr (turris)
Cädm. 38. ſtân-gevëorc, ſtân-vyrhta (lapicida). — altn.
comp. b. Biörn 330. 331.


agſ. altn. ſund (fretum, mare, urſpr. natatus) gehört zur
wurzel nr. 360. ſcheint mit d abgeleitet und ſtehet f. ſumd
(wie rant f. ramt, ſ. 232.) die ahd. form würde vollſtän-
dig ſuumat *) lauten; goth. ſvumd, ſvumþ? bei Marini
nr. 76. finden ſich die n. pr. ſumthaharius und ſumthul-
fus, deren letzterer recht gut agſ. ſund-vylf, altn. ſund-
ûlfr heißen könnte. Nach dem th wäre aber die ablei-
tung þ (ahd. ſvumad, ſvumd?) obgleich im agſ. durch-
weg media geſchrieben wird. Agſ. compoſita ſind: ſund-
gebland (aequor) Beov. 110. ſund-bûend (maris incola)
ſund-hengeſt (navis) ſund-nytte (?) Beov. 176. ſund-rê-
ced (domus marina) Cädm. 31. ſund-vudu (navis) Beov.
[478]III ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
18. 143. — altn. ſund-dŷr (animal natatile) ſund-madr
(natator) ſund-magi (ſchwimmblaſe) ſund-vördr (cuſtos
maris).


triu (arbor): ahd. der eigenname triu-laug. — agſ.
trëóv-cynn (genus arborum) trëóv-ſtede (locus arb.)
trëóv-gevëorc (opus lignarium) trëóv-väſtm (fructus)
trëóv-vyrhta (opifex lign.) trëóv-vyrm (teredo). — altn.
trê-madr (imago hom. lign.) trê-madkr (ligniperda) trê-
ormr (teredo) trê-reidi (inſtrum. lignea) trê-ſkôr (calceus
lign.) trê-ſmiðr (faber lîgn.) trê-telgja (idem) trê-virki (fa-
brica lign.)


triggva (foedus) ahd. triuwa, agſ. trëov *): altſ. trëu-
logo (foedifragus) agſ. trëóv-loga, trëóv-räden (pactum)
Cädm. 50.


þank? (gratia) ſo geſchr. Luc. 17, 9. aber die ſtelle
iſt bedenklich: ahd. dancho-tât (gratiarum actio) jun. 207.
vielleicht uncomp. danchô tât? n. pr. dancha-rât (tan-
crêd f. thancrêd) danch-mâr, danch-olf danch-wart,
danch-lint. — altn. þack-læti (gratitudo) þack-ſemi (mens
grata) þack-râdr (n. pr.)


þigns? (famulus), miles) ahd. dëkan, dëgan: ahd.
thëgan-heit (officium, dignitas) O. I. 3, 35. thëgan-kind
(puer maſc.) O. I. 14, 41. und die n. pr. dëgan-hart (nhd.
dêgenhard, dên-hard) dëgan-mund, dëgan-pald. — altſ.
thëgan-ſcepi. — agſ. þëgn-hyſſas (clientes) þëgn-räden
(clientela) þëgen-riht (privilegium) þëgn-ſcipe (officium). —
altn. þëgn-gildi (homicidii mulcta) þëgn-ſcylda (officium)
þëgn-ſkapr (virtus).


þiuda (gens): eigennamen theude-mirus, theude-linda,
theudi-gotha, thiodi-giſila etc. — ahd. diot-puruc (civitas
magna, populoſa) doc. 208a monſ. 403. N. 95, 7. diot-wëc
(via publica) fr. or. 1, 675. und viel n. pr. als diot-hëlm,
diot-përaht, diot-râm, diot-rîh, diot-olf, diot-win, diot-
lint, diot-purc etc. — altſ. thiad-quâla (ſupplicium) thiod-
ſcatho (ſummus latro). — agſ. þëód-cyning Beov. 3. 160.
Cädm. 41. þëód-dohtor Beov. 163. þëód-fëónd (publicus
hoſtis) þëód-guma (homo popularis) Jud. p. 24. 26. þëód-
land (provincia) þëód-licetere (ſummus hypocrita) þëód-
loga (publice mendax) þëód-mägen (cohors) þëód-mëarc
[479]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Cädm. 66. þëód-ſcëaða (publ. latro) Beov. 170. 200. þëód-
ſcipe (gens) þëód-geſtrëón Beov. 6. 93. þëód-þreá Beov.
16. þëód-vita (philoſophus). — altn. þiód-braut (via re-
gia) þiód-gata (actus publ.) þiód-hagi (celebris artifex)
þiód-kôngr (monarcha) þiód-land, þiód-leid (via regia)
þiód-râd (optimum conſil.) þiód-ſkâld (inſignis poëta)
þiód-vëgr (via publ.) und die eigennamen þiód-rëkr,
þiód-rærir, þiód-varta, þiód-vitnir.


þiudans (rex): þiudan-gardi (domus regis).


þras? ein dunkles ſubſt. womit der vandal. eigenn.
thraſa-mundus, thraſe-mundus, auch traſe-mundus ge-
ſchr., componiert iſt, vgl. P. Diac. 4, 53. 5, 16. 6, 30.
Ahd. diplome kennen gleichfalls thraſa-munt, thraſa-muat.
Agſ. heißt þräs inſtita, limbus; altn. aber þras lis, þraſa
litigare, vgl. die eddiſchen namen dôlg-þraſir Völuſp. 13.
lîf-þraſir, mög-þraſir Va[f]þr. 45. 49. þraſir bedeutet rixator
Thorl. obſ. bor. VII, 36. 139. Vielleicht gehört das
mhd. traſen fragm. 24b dazu.


altn. þrek (robur, moles) agſ. þrec, þräc: þräc-vig
(bellum) Cädm. 66. þrec-vudu (ſcutum) Beov. 95. — altn.
þrek-raun (tentatio fortitudinis) þrek-virki (res laborioſa).


ahd. undja (fluctus) altn. unn, agſ. yð: yð-geblond
(mare) Beov. 104. 120. yð-hengeſt (navis) yð-lâd (iter
mar.) Beov. 19. yð-lâfe Beov. 45. Cädm. 75. yð-lida Beov.
17. yð-mëaras (naves).


vals? (ſtrages) agſ. väl, altn. valr, mhd. wal: ahd.
wala-raupa (trophaeum, ſpolium) lex bajuv. 18. 3. wofür
uncomponiert oder uneigentlich wales rouba jun. 253;
n. pr. wala-hraban wala-frid, wala-mund. — agſ. väl-
bedd (ſepulcrum) Cädm. 24. Beov. 74. väl-benn (vulnus)
Cädm. 73. väl-bend Beov. 145. väl-clom (vinculum mor-
tis) Cädm. 46. väl-cyrige, cyrie (bellona, parca) belege
hat Lye, aber keine aus Cädm. und Beov. väl-deáð
(ſtrages) Beov. 54. väl-drëór (ſanguis) Cädm. 24. 26. väl-
fähð (inimicitia) Beov. 152. väl-fëall Beov. 129. väl-fëld
(campus) väl-fyll (caedes) Beov. 12. Cädm. 34. 55. väl-
fŷr (flamma) Beov. 85. 192. väl-gâr (telum) Cädm. 44.
väl-gäſt Beov. 101. 150. väl-grŷre (horror) Cädm. 66.
väl-here Cädm. 43. väl-hlem (fragor caedis) Beov. 224.
väl-miſt (cladis caligo) Cädm. 72. väl-nîð (crudelitas) Cädm.
75. Beov. 155. 222. väl-räs Beov. 64. 157. 189. 218. väl-
reáf (ſpolium) Beov. 92. väl-reſte (ſepulcrum) Beov. 215.
väl-ſëax Beov. 201. väl-fliht (caedes) Cädm. 69. väl-ſcëaft
Beov. 32. väl-ſtreám Cädm. 30. väl-ſtòl Aeðelſt. väl-ſtov
(locus pugnae) Cädm. 44. 56. Beov. 154. 221. väl-ſvenge
[480]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Cädm. 24. — altn. val-blîſtra (lituus bellicus) val-daugg
(cruor) val-galdr (naenia) val-gerdr (parca) val-grind
(n. pr.) val-köſtr (cadaverum acervus) val-kyrja (parca)
val-mey (parca) val-rân (exſpoliatio cadav.) val-rauf
(desgl.) val-rûnir (ſecreta caedis indicatio) val-ſlânga (ba-
liſta) val-ſtëfna (proelium) *). — mhd. wal-bluot fr. belli
34b wal-ſtat Wigal. — nhd. wâl-platz, wâl-ſtatt.


ahd. walah (peregrinus) agſ. vëalh: ahd. eigennamen
walah-hëlm, walah-mâr, walah-frid? — agſ. vëalh-baſo
(vermiculum) vëalh-hafoc (peregrinus accipiter) vëalh-
ſtod (interpres) Cädm. 73. Boeth. p. 486. — altn. val-
biörk (acer) val-hnot (juglans) val-land (gallia, italia);
berührt ſich valr (falco) mit dem agſ. vëalh-hafoc? —
nhd. wall-nuß.


altſ. warag (lupus, furcifer, exſul) agſ. vëarh, altn.
vargr: altſ. warag-trëo (furca). — agſ. vëarh-rôd. —
altn. varg-dropi (filius exſulis).


vaír (vir): ahd. wër-alt (ſeculum) wër-olt, aſſim. worolt;
wër-këlt, wëri-gëlt (capitis aeſtimatio) zwetl. 122a doc. 243b
wëro-dhëod (oben ſ. 417.) — agſ. vër-old, vor-old, vëor-
old f. vër-ëald? vër-beám (ſtirps hominum?) Cädm. 73.
vër-gëld (cap. aeſt.) vër-hâd (ſexus virilis) vër-mägð
(homines) vër-mete (cibus hom.) vër-ſcipe (virilitas)
vër-vulf (lycanthropus) vër-þëód (genus hum.) Cädm.
60. 71. Beov. 69. — altn. vër-öld (mundus) vër-fâng
(connubium) vër-þiód. — nhd. währ-wolf.


ahd. wëralt (mundus): worolt-thiot O. I. 2, 28. II. 2,
13. V. 16, 43. worolt-kraft O. II. 1, 1. worolt-kunni O.
IV. 7, 76. worolt-enti O. V. 16, 40. wëralt-êra monſ.
383. worolt-êra O. III. 15, 52. worolt-friſt O. IV. 37, 76.
V. 17, 13. wëralt-gigarawi (militiae cingulum) francof.
19. wëralt-kirida monſ. 403. worolt-lant O. II. 13, 43. III. 22,
102. worolt-man O. III. 12, 4. 20, 314. IV. 7, 91. **) wër-
o [...]t-man doc. 243b monſ. 385. worolt-ring O. II. 2, 26. III.
26, 74. IV. 7, 22. worolt-ſlihtî O. II. 2, 34. wëralt-ſprâhhî
(? ſprâhha) monſ. 407. wërolt-tât K. 23b wëralt-diurida ker.
116. wëralt-chiwaldida J. 404. wëralt-wîſun monſ. 341.
wëralt-wîſtuom monſ. 292. wëralt-wolo (mammona) T.
37, 2. — altſ. worold-rîki, worold-kuning. — agſ. vor-
[481]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
uld-âre Beov. 4. voruld-candel (ſol) Beov. 148. voruld-
cräft Cädm. 83. voruld-cyning Cädm. 51. voruld-dæd,
voruld-dreám Cädm. 28. 64. voruld-ëarſoð Boeth. p. 155.
157. voruld-fëoh Cädm. 47. voruld-hâd, voruld-lîf Cädm.
77. voruld-luſt, voruld-men (laici) voruld-geſcëaft Cädm.
3. 5. voruld-ſcëame (ignominia) voruld-ſpræce, voruld-
ſtrûdere (publ. graſſator) voruld-þëgn, voruld-vëla (di-
vitiae) voruld-vita (philoſophus) voruld-vuldor (pompa)
und noch andere, die Lye angibt. — altn. gar keine ei-
gentl. comp. mit vëröld, vielleicht weil es ſelbſt noch
fühlbares compoſitum blieb (das ahd. worolt, agſ. voruld
iſt mehr entſtellt) und die vielen decompoſita gemieden
wurden? uneigentlich ſetzt man jedoch vëraldar-madr. —
mhd. wërlt-man Roth. 2237. wërlt-wunne Roth. 1923.
Triſt. wëlt-tôre, wëlt-zage a. Heinr. 200a 207a. — nhd.
welt-bau, welt-bürger, welt-geiſt, welt-kind, welt-kör-
per, welt-lauf, welt-mann, welt-menſch, welt-theil, welt-
weiſe. — Die bedeutung iſt bald die des bloßen genitivs,
bald die von weltlich, zeitlich, irdiſch, bald eine ver-
ſtärkende (voruldſcëame, öffentliche ſchande, vor aller
welt, infamia, wëltzage, ein feiger in jedermanns augen);
unter weltweisheit wird aber urſprünglich die weisheit
dieſer welt verſtanden.


vaúrd (verbum): ahd. wort-bilidi T. 176, 3. wort-ſâo
(σπερματολόγος) doc. 245a. — altſ. word-têkan (indi-
cium) *). — agſ. vord-bëót (comminatio) vord-cvide (edic-
tum Cädm. 82. 86. 89. Beov. 138. 139. 205. vord-gyd
(carmen) Beov. 235. vord-hord (cuſtodia verborum = os)
Boeth. 156. Beov. 22. vord-loca (dialectica) vord-loga
(mendax) vord-riht (verba diſerta) Beov. 196. Cädm. 63.
vord-ſâvere (ſeminator verb.) vord-vîſa (ſophiſta). — altn.
ord-bragd (rumor) ord-fall (haeſitatio) ord-ferill (modus
loq.) ord-flaug (rumor) ord-gifr (fem. loquax) ord-gnôtt
(facundia) ord-hâkr (convitiator) ord-hnittir (ſophiſmata)
ord-rômr (fama) ord-rœda (ſermo) ord-ſendîng (nuncius)
ord-ſnilli (eloquentia) ord-tak (proverbium, ſymbolum).


vêgs (fluctus): altſ. wâgo-ſtrôm. — agſ. væg-bora
(monſtr. marinum) Beov. 109. væg-bord (navis) Cädm.
31. væg-fär (navigatio) Cädm. 69. væg-holm Beov. 19.
væg-ſtreám (fluentum) Beov. 69. væg-ſvëord Beov. 113.
gehört wohl anderswohin? væg-þële (navis, arca) Cädm.
H h
[482]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
31. 33. 34. væg-þreá Cädm. 34. væg-þreát Cädm. 31. —
altn. vog-rëk (res naufragae).


veig? (caedes): ahd. wîc-got (mars) doc. 244a wîc-kiga-
rawi (procinctus) wîg-horn (tuba) N. wîg-hûs (propugnacu-
lum) W. 4, 4. 7. 4. wîg-gewâfene W. 4, 4. und die nom. pr.
wîki-hraban (ſpäter wickram) wîki-hart, wîki-rîh, wîki-
lint. — agſ. vîg-bëalo Beov. 153. vîg-bil Beov. 121. vîg-bora
(belliger) vîg-bord Beov. 175. vîg-cräft Beov. 218. vîg-cyrm
(clamor) Cädm. 44. vîg-fruma Beov. 52. 169. vîg-grŷre
Beov. 98. vîg-heáfola (galea) Beov. 198. vîg-heáp Beov.
38. vîg-hête Beov. 159. vîg-hryre Beov. 122. vîg-hûs
(domus bellica) vîg-lëóð (claſſicum) vîg-man (bellator) vîg-
ſigor Beov. 118. vîg-ſið (exped. bell.) Cädm. 46. vig-ſmið
(bellator) Cädm. 58. vîg-vägen (currus b.) — altn. vîg-
dîs (bellona) vîg-hëſtr, vîg-lŷſîng, vîg-ſkörd, vîg-tennur
(dentes canini) vîg-vêl (ſtratagema) vîg-völlr (locus pug-
nae) und die n. pr. vîg-dalir, vîg-dvalinn, vîg-olfr etc. —
mhd. wîc-wer fr. bell. 30b 34b wîc-liet daſ. 28a 43b.


vein (vinum): goth. comp. oben ſ. 412. 413. — ahd.
ſ. 416. 420. denen zugefügt werden kann wini-ſcencho
(fuſor vini) monſ. 337. f. wîna-ſc. wîn-truoſana (vinacea)
monſ. 400. — agſ. vîn-ärn Beov. 51. vîn-burh Cädm.
75. 88. vîn-gedrinc Jud. 10. vîn-gëard Cädm. 35. vîn-rê-
ced Beov. 56. 67. vîn-ſele Beov. 54. 60. 183. Cädm. 93.
98. vîn-tifor (libatio) vîn-þëge Cädm. 75. — altn. vîn-
ber, vîn-gardr, vîn-gôlf, vîn-gud (bacchus) vîn-hûs, vîn-
ſeljari, vîn-ſteinn, vîn-ſvëlgr, vîn-trê, vîn-vidr (vitis)
vîn-yrkja.


veiti? (ſupplicium): ahd. wîƷi-poum (patibulum) jun.
242. wîƷi-thrûunga (paſcha) ibid. — agſ. vîte-brôga (hor-
ror ſuppl.) Cädm. 2. vîte-hûs (orcus) Cädm. 2. vîte-lâc
(ſuppl.) Cädm. 55. vîte-räden (mulcta) vîte-ſcräf (ge-
henna) Cädm. 105. vîte-tôl (inſtr. poenae).


ahd. witu (lignum, ſilva): ahd. comp. ſ. 419. — agſ.
vudu-älfenne (dryades) vudu-beám Cädm. 21. 86. vudu-
bind (herba ſilveſtr.) vudu-culfre (palumbes) vudu-fin
(ligni ſtrues) u. a. m.


vilja (voluntas): in der goth. quittung das nom. pr.
vilja-riþ (?vilja-rêþs). — ahd. wili-hruomo (voti compos)
doc. 244a und die n. pr. wili-chomo, wili-danch, wili-
hëlm, wili-hart, wili-gart, wili-munt, wili-muot, wili-
përaht, wili-poto, wili-prort, wili-purc, wili-rîh, wili-
rât, wili-frid. — altſ. wil-ſpël (evangelium). — agſ. vil-
hoda (gratus nuncius) vil-cuma (gr. advena) Beov. 32.
vil-däg (deſiderata dies) Beov. 113. vil-fæmne (devota)
[483]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
mulier) vil-gëofu (donum) vil-ſele (devota domus) vil-
ſið (iter exopt.) Beov. 19. vil-geſið (comes exopt.) Beov.
4. vil-geſtëalla Cädm. 47. vil-vong (amoenus campus). —
altn. vil-kör (benevolentia) vil-mögr (domeſticus) vil-
mæli (verba favorab.) vil-yrdi (promiſſio) und die n. pr.
vil-meidr, vil-mundr, vil-hiâlmr. — mhd. wille-klage,
wille-kür. wille-tôre Vrîb. 5192. — nhd. will-kür.


vinjis? (amicus): in der goth. quitt. das n. pr. vin-
jai-friþas ſ. vinja-fr.? — ahd. wini-ſcaf (amicitia) jun.
176. und die n. pr. wini-hart, wini-leih, wini-lint, wi-
ni-man, wini-munt, wini-pald, wini-rât, wini-frid etc. —
agſ. vine-dryht (foederati) Beov. 202. 235. vine-dryhten.
Beov. 67. 121. vine-mæg (cognatus) Beov. 7. Cädm. 24.
56. vine-ſcipe (ſodalitium) — altn. vin-fengi (amicitia)
vin-gœdi (desgl.) vîn-kona (amica) vin-mæli (amica
compellatio) vin-ſæld (gratia) vin-gôlf edd. ſæm. 90b. —


viſands? (bubalus) kommt für ſich als goth. n. pr. vor
(Procop. 2, 11. 13, 22.), eine zuſ. ſetzung οὐϊσανδα-βαν-
δαλάριος
wäre möglich, aber Proc. 1, 18. ſtehet zweimahl
οὐϊσανδος βανδαλάριος unverknüpft; ahd. begegne ich
dem ortsnamen wiſunt-wangas neben dem uncomponier-
ten wiſuntes w. (oben ſ. 343.).


vulþus (gloria) ahd. woldar, agſ. vuldor: ahd. n. pr.
woldar-hilt, woldar-niu. — agſ. vuldor-beáh (corona gl.)
vuldor-blêd Jud. p. 23. vuldor-cyning Cädm. 1. vuldor-
fäder, vuldor-gâſt Cädm. 62. vuldor-hama Cädm. 82. vul-
dor-ſpêd Cädm. 3. vuldor-geſtëald Cädm. 2. 75.


vulfs (lupus): ahd. wolf-piƷo (lyciſcus) trev. 11b wolf-
vorz (eine pflanze, λυκόπορδον) doc. 245a und die n. pr.
wolf-hart, wolf-hëlm, wolf-hûn, wolf-kanc, wolf-lint,
wolf-hraban (wolve-râm) wolf-prant, wolf-win u. a. m. —
agſ. vulf-hole (lupinarium) und der eigenname vulf-
ſtân. — altn. ûlf-liðr (carpus) ûlf-ûð (animus lupinus),
die n. pr. ûlf-dalir, ûlf-ſiâr, ûlf-rûn etc.


vulkn? (nubes): ahd. nur die n. pr. fem. wolchan-
drût, wolchan-gart. — altſ. wolkan-ſkion. — agſ. volcen-
faru Cädm. 83. volcen-gehnâſte (uach Lye coeli im-
menſitas).


ahd. wuntar (mirac.): ahd. wuntar-zeihhan. — altſ.
wundar-quâla (ſummum ſuppl.) wundar-têkan. — agſ.
vundor-deáð (mors admiranda) Beov. 225. vundor-ſät
(vas egregium) Beov. 59. vundor-mâðum (cimelium) Beov.
162. vundor-ſmið (artifex) Beov. 127. — altn. undur-
furda (prodigium) undur-læti (admiratio). — nhd. wunder-
kind, wunder-quelle, wunder-that, wunder-zeichen.


H h 2
[484]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

B. verzeichnis nach dem zweiten wort.


agiſa? (terror) ahd. ekiſo, agſ. egeſa *): flôd-egeſa
Cädm. 72. väter-egeſa Beov. 96.


ahd. aƷƷaſi (ſuppellex)**): îſarn-aƷƷaſi (ferramentum)
K. 40b doc. 245b. ſcrîb-aƷƷaſi (cautio) T. 108.


badi (lectus): ahd. fëdar-petti ſgall. 202. fëder-bette N.
Boeth. 84. prût-p. jun. 187. traga-b. T. 88. vart-b. trev. 62a
wurz-b. W. 5, 13. 6, 1. — agſ. brŷd-bed, deáð-bed Beov.
215. hlin-bed (κλινίδιον) ſo beßere ich Beov. 225. läfer-b.
(juncetum) lëger-bed Beov. 77. nió-bed (mir unverſt.) Cädm.
9. väl-bed Cädm. 24. Beov. 74. — mhd. ſpan-bette Parc. 55b. —
nhd. braut-bett, fêder-b. moos-b. ſtroh-b. ruhe-b. tod-b.


bagms (arbor, lignum) ***): alêva-bagms, báina-b. peika-
b. ſmakka-b. — ahd. affalter-boum W. 8, 5. fîg-boum (be-
lege ſ. 420.) hleitar-paum K. 26b hnuƷ-boum blaſ. 5a nuƷ-b.
trev. 16b chrieh-poum (ceraſus) ſgall. chrieſi-p. monſ. 414.
kirs-boum trev. 16b kirſe-b. blaſ. 51a lôr-poum (laurus)
monſ. 414. trev. 16a blaſ. 51a jun. 327. mandil-b. blaſ. 51b
mële-boum (lentiſcus) blaſ. 51b trev. 16b mûr-boum (ſico-
morus) T. 114. N. 77, 46. mit verwandlung des r in l
mûl-b. trev. blaſ. l. c. ôli-boum (olea) trev. blaſ. palm-
boum W. 7 8 [wofür bal-b. pal-b. trev. blaſ.] peri-paum
(arbuſta) ker. 39. pîn-poum (pinus) ſgall. pira-poum gl.
ſgall. piro-p. zwetl. 129a ſpëre-boum (eſculus) trev. blaſ.
ſpinnila-poum (fuſarius) ſgall. ſpinnili-b. monſ. 414. ſtel-
boum (heſperus) trev. 22b alter ſternname? wëppe-b. trev.
51b tirn-poum (cornus) monſ. 406. — agſ. firgen-beám Beov.
107. gâr-beám Cädm. 68. glëó-beám Beov. 169. vër-beám
(ſtirps hom.) Cädm. 73. vudu-beám Cädm. 21. 86. — altn.
ætt-badmr (arbor geneal.) hâr-badmr (arb. comata) ſæm.
edd. 3b 89a (vgl. 45b badmr or hâri). — mhd. kërs-boum
Eracl. 3359. lôr-boum Mar. 27. Bit. 101a œl-boum Parc.
20a ſchrank-b. Bit. 95a tan-b. cod. pal. 361, 3a vîc-
boum? (Parc. 123c Loh. 154. ſchon vîgen-b.) wuocher-b.
MS. 2, 211b. — nhd. apfel-baum, bûch-b. eich-b. man-
[485]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
del-b. kelter-b. nuß-b. œl-b. palm-b. ſtamm-b. weber-
baum, und mit eingeſchobnem beere lor-beer-baum, maul-
beer-baum, die meiſten andern haben -en.


balgs (uter): mati-balgs (pera). — ahd. ûder-balg N.
32, 7. — agſ. blâſt-bälg (follis) mete bälg, vîn-b. — mhd.
ſar-balc Wig.


bani (vulnus): agſ. fëor-benn Beov. 204. väl-benn
Cädm. 73.


banja? (occiſor): agſ. deáð-bana (homicida, ſo leſe
ich ſt. Lyes dæð-bana) ecg-bona (qui enſe interimit)
Beov. 187. gâſt-bona (deus ethnicus? qui animam eripit?)
Beov. 16. ſërhð-bana (interfector) Cädm. 71. fëorh-bona
(id.) Cädm. 24. 46. Beov. 184. hand-bona (qui manu ſua
interficit) Beov. 37. 101. 186. muð-bona (qui ore devorat
hominem) Beov. 159. ræd-bana (necem ſuadens). — altn.
hand-bani Hym. 27. höfuð-bani (percuſſor) râd-bani (pro-
curator necis).


bandi (vinculum): eiſarna-b. náudi-b. — ahd. haupit-pant
hrab. 969a flegil-bant trev. 62a. — agſ. cëar-bend? (vincl.
doloris ſtimmt nicht zum ſinn, Grundv. beßert oncer-
bend, anchora) Beov. 144. fŷr-b. Beov. 56. hyge-b. Beov.
141. hell-b. Beov. 228. îren-b. Beov. 60. 77. lióðo-b. (?)
Cädm. 9. ſëaro-b. Beov. 156. väl-b. Beov. 145. — altn.
höfuð-band. — mhd. hëlm-bant, minne-bant Triſt. na-
ſe-bant, nôt-bant, ſlôƷ-bant Barl.


agſ. benc (ſcamnum): ëalu-b. Beov. 79. 213. mëdu-b.
mëodo-b. Beov. 60. 80. 82. 143. worauf bier, meth getr.
wird.


baſi (bacca): veina-baſi (uva). — ahd. ërt-peri (fra-
gum) lindenbr. trev. blaſ. hint-peri (rubus idaeus) unbe-
legbar, aber nicht zu bezweifeln, das erſte wort iſt hinta
(cerva, die ſolche beeren freßen ſoll) lôr-peri, mûr-peri,
wîn-peri. — agſ. hind-berje, vîn-berje (fem.). — altn.
vîn-ber. — nhd. erd-bêre, him-bêre (f. hind-b.) heidel-b.
maul-b. wein-b. wacholder-b., alle fem., nur lor-bêr iſt
neutr. oder maſc.


bain? (os): ahd. [-pein und -peini] ahſal-pein ker. 119.
chinni-pein caſſ. 853a kinni-beini ſgall. elfant-pein hrab. 962b
hals-pein flor. 983a hrucki-peini caſſ. 853b monſ. 349. pruſt-
peini jun. 220. flunt-pein blaſ. 21a zagil-pein flor. 983a. —
agſ. brëóſt-bân, elpen-bân (ebur) f. elpend-b. hrycg-b.
hup-b. (limbus) vido-bân (clavicula). — altfrieſ. henſze-
bên, noſe-bên, wide-bên Br. §. 198. Aſ. 216. — altn.
hâls-bein, kinn-b. vid-bein. — mhd. ahſel-bein troj. 23b
[486]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Triſt. bruſt-b. Triſt. buoc-b. Triſt. hirne-b. Parc. 117b
helfen-b. (ebur) P. 56a huf-bein Triſt. kinne-b. Iw. Wigal.
nâdel-b. MS. 2, 186b. — nhd. bruſt-b. elfen-b. fiſch-b.
hals-b. hüft-b. tiſchb. ſchlüßel-b. ſteiß-b.


baírgs (mons): ahd. viele ortsnamen, z. b. himil-
përac, vëlt-p. fridu-p. etc. ſuoƷſtanch-përg N. 91, 13.
altn. himin-biörg, val-biörg (plur. neutr.)


baírga? (tegmen, refugium) fem., doch ſchwanken
die comp. in numerus und geſchlecht: ahd. lini-bërgâ
(cancelli, reclinatorium) doc. 223a W. 2, 10. 3, 9. flor.
988a, frühere form wohl hlina-përga? von hlina, nhd.
lehne; heri-përgâ (diverſorium, tabernaculum) jun. 228.
N. 45, 5. 59, 8. 83, 3. 107, 7. W. 1, 8; mana-përgâ (can-
celli) wirceb. 977b (wo-pirge); pein-përgâ (ocreae) ſgall.
jun. 216. monſ. 412. vgl. lex rip. 36. bainbërgas bonas;
wint-përgâ, wint-bërge herrad. 188b; dieſe ahd. comp.
ſetze ich in der gewöhnl. pluralform an, will aber den
ſg. nicht leugnen. — agſ. bân-bëorgas (ocreae) alſo maſc.,
zweifelh. here-bëorgas? von hals-bëorg, lîc-bëorg (ſar-
coph.) gibt Lye nur den ſg. cin-bërge (tegmen genarum)
Cädm. 66. iſt zweifelhaft. — altn. hâls-biörg (thorax) ſem.
ſg., her-bërgi aber neutral, mann-biörg (auxilium) fem. ſg.
— mhd. hals-bërc, hals-përc maſc. ſg. Wigal. Triſt. etc.
(Nib. bloß der pl.) *); her-bërge, meiſt im pl. fem. — nhd.
her-berge ſg. fem. — Endlich fallen hierher verſchiedne
ahd. weibsnamen, die aber nicht nach erſter decl. -përga,
ſondern nach vierter -pirc zeigen: adal-pirc, hruod-pirc,
rât-pirc, wili-pirc etc., auch das altn. vil-biörg (ſæm.
edd. 46a) ſcheint nom. pr.


baírns? (urſus, vir nobilis) agſ. bëorn, altn. biörn:
ahd. n. pr. adal-përn, magan-përn, regin-përn, hruod-
përn, diot-përn u. a. m. — agſ. folc-bëorn (princeps)
Beov. 166. guð-bëorn (heros) Beov. 26. ſige-bëorn. —
altn. nom. pr. âlf-biörn, âs-b. geir-b. gunn-b. hrôð-b.
iötun-b. îs-b. ketil-b. megin-b. ſtein-b. vîg-b. u. a. m. —
Das entſprechende fem. lautete ahd. pirin, womit fol-
gende namen componiert ſind: adal-pirin, âs-pirin, gêr-p.
hruod-p. ſigi-p. wolf-p. etc.


baíra? (-fer): altfrieſ. walu-bëra (palmarius, ſtabträ-
ger, pilgrim) As. 18. von walu (baculus) altn. völr alt-
[487]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
franz. gaule. — altn. brêf-bëri (tabellarius) eld-bëri (igni-
tabulum) liós-bëri (lucerna) hiâlm-bëri edd. ſæm. 46a
rôg-bëri (calumniator) *).


baírô? (fem. pariens): nur das ahd. chnëht-përa (puer-
pera) kenne ich aus ker. 229. und das altn. n. pr. koſt-bëra.


báugs? (corona tortilis): ahd. arm-pouc (armilla) hals-
p. jun. 190. rant-p. (umbo) hrab. 951b 976b ker. 11. —
agſ. ëarm-beáh, hëals-b. Beov. 91. 162. rond-b. — altn.
arm-baugr. — mhd. arm-bouc Nib.


baúra? (lator): ahd. arunt-poro (nuncius, ſupplex)
ker. 119. 256. chumpal-poro (cohors, vielmehr ſignifer?)
ker. 180. munt-poro (auxiliator) ker. 19. 287. ſcilt-poro
(ſcutifer) wofür ſcil-por bei Paul Diac. — agſ. cäg-bora
(claviger) Cädm. 102. loc-bora (comatus, i. e. nobilis)
mund-bora Beov. 112. ræd-bora (conſiliarius) Beov. 101.
räs-bora (bellator) ſôð-bora (vates, aſtrologus) ſtræl-bora
(ſagittifer) væg-bora Beov. 109. eher das im waßer ge-
borne ungeheuer (der ſæ-draca 108.) als das waßertra-
gende? vielleicht waßerausſprützendes? — mhd. mag das
einzige munt-bor (advocatus) beſtehen, ich kann es aber
aus keiner reinen quelle weiſen, nur aus dem noch ſpä-
ter üblichen, gerichtlichen mundber, momper etc. ver-
muthen. Vielleicht fällt der niederſächſ. name des ſtorchs
hierher: ade-bar, ade-ber, ſchon in der gl. jun. 267. ode-
bore, plattd. ae-bär, ê-ber, âtje-bar (brem. w. b. 1, 285.
vgl. 1, 31.) mnl. hode-vare (ſ. l. Rein. p. 342.) nnl. ôije-
vâr, wiewohl ich das erſte wort darin nicht verſtehe.


baúrgs (urbs): hiermit werden in allen dialecten viele
ortsnamen componiert, z. b. ahd. aſci-purc, haſal-p. ſalz-
p. ſtrâƷ-p. waƷar-p. etc.


bland? (mixtio): agſ. ſund-gebland (motus maris, mare)
Beov. 110. vind-blond (motus venti) Beov. 233. yð-ge-
blond (m. undarum) Beov. 104. 120.


agſ. brôga (terror) ahd. pruoko: agſ. bille-brôga Beov.
46. here-brôga Beov. 37. vîte-brôga Cädm. 2.


brunjô? (lorica): agſ. guð-byrne Beov. 26. hëaðo-b.
Beov. 117. here-b. Beov. 161. îſern-b. îren-b. Beov. 52. 221.


[488]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

bruzds? (apex) ahd. prort, altn. broddr; ahd. vgl. endi-
prort ſ. 447. und das n. pr. wili-prort; altn. höd-broddr.


buda? (nuncius): ahd. prûti-poto (paranymphus) doc.
204a ſunni-boto (gerulus ſunnis, vgl. lex ſal rip.) trev. 43a
blaſ. 34b walt-poto (procurator) doc. 242b und die nom. pr.
hilti-poto, kêr-p. mahal-p. megin-p. rât-p. regin-p. ſara-
p. ſigi-p. traga-p. wili-p. — agſ. nŷd-boda Cädm. 75.
ſið-b. Cädm. 68. ſpëll-b. Cädm. 54. 73. 84.


buga? (arcus): ahd. elin-pogo ſgall. rëgan-pogo ſgall.
ſatal-bogo zwetl. 112b. — agſ. flân-boga Beov. 109. 132.
horn-b. Beov. 182. Jud. 11. hring-b. Beov. 191. ſcûr-b.
(iris) Cädm. 35. ſtân-b. Beov. 190. 200. — altn. ætt-bogi
(genealogia) rëgn-b. ſödul-b. ſtein-b. — mhd. ellen-boge
MS. 1, 102a 127a horn-b. Nib. 5110. rëgen-b. ſatel-boge
Parc. 71b 93a Wigal. 2526. videl-b. Nib.


dags, auf dreierlei weiſe 1) in der frühe ſchon ver-
flüchtigten bedeutung von lux, ſplendor (vgl. vorhin ſ. 451):
die ahd. nom. pr. alp-tac, hëlm-tac, hruod-tac, regin-tac
(mhd. regen-tac Bit.) ſigi-tac u. a. m., beſonders häufig
ſind ſie im altſ. (namentlich bei Falke traditt. corb.): alac-
dag, alf-d. bërn-d. evir-d. folc-d. hëlm-d. heri-d. hildi-d.
hrôd-d. liud-d. megin-d. os-d. ragen-d. rîc-d. ſî-d. (f.
ſigi-d.) thëod-d. werin-d. wil-d. wulf-d. Agſ. finde ich
bäl-däg, vëg-däg und ſvëf-däg in der chron. ſax. (In-
gram p. 23. 24. 28), die den altn. bal-dagr, vëg-dagr,
ſvip-dagr (Snorra-edda ſormâli p. 14.) entſprechen, doch
wird nicht baldagr geſagt, ſondern baldr, das nicht aus
jenem verkürzt ſein kann, da es ein ableitendes r hat
(gen. baldrs, nicht balds). — 2) in der gewöhnlichen be-
deutung von dies: α) die wochentage, beſtimmten göt-
tern heilig, haben urſprünglich keine eigentl. comp.; aus
dem vorſtehenden gen. bildet ſich uneigentliche, ahd.
ſunnûn-tac O. V. 5, 44., agſ. ſunnan-däg, altn. ſunnu-
dagr; ahd. mânin-tac (ohne beleg) agſ. monan-däg, altn.
mâna-dagr; ahd. donares-tac, agſ. þunores-däg, altn.
þôrs-dagr etc. Doch mag ſchon ahd. mâna-tac gelten,
denn N. 47, 1. hat mâne-tag und mhd. findet ſich kein
mânen-tac, nur mân-tac (z. b. Parc. 109c 121b); über
fria-dag O. V. 4, 12. frige-tag T. 211, 1. (d. veneris)
mhd. frî-tac Parc. 108a iſt ſchwer zu entſcheiden, altn.
freyu-dagr und friâ-dagr; ſambaƷ-t. T. 68, 1. ſamiƷ-t.
N. 88, 40. 92, 1. (nach σάββατον) ſcheint eigentlich com-
poniert, Ulfilas ſetzt unverbunden zu dags den gen. pl.
ſabbatê oder ſabbatô; vgl. noch pherin-tac hrab. 971a. —
β) in andern fällen ſchwankt, bei eigentlicher zuſ. ſetzung,
[489]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
das ahd. tac in die ſchwache form tako; ſo gibt die
exh. hinter dem dat. ſuonu-tagin (die judicii) ſuonu-tage
(ſo auch cod. caſſ., wo aber beidemahl richtiger a für u
ſteht, ſôna-tagin, ſôna-tage) ein andres denkm. (miſc. 2,
288) ſuono-takin, jedoch N. 13, 4. 100, 8. immer ſtark-
formig ſuono-tag, ſuono-dag; gl. ker. 41. duldhi-daco
(dies feſtus) 254. tulthi-dacon (annua) desgl. N. 80, 4.
tult-tago (dies ſolemnitatis), derſelbe fîr-tagen (ſabbati)
37, 5, aber fîri-tage (ſabbato) 37, 8; ferner mahal-tac
(dies deſponſationis) W. 3, 11. kipurti-dago (dies natali-
tius) jun. 214. und endi-dago (dies noviſſ. O. IV. 7, 54;
darf aus meddila-daccun (meridianus!) ker. 36. ein ſubſt.
mëddila-daco gefolgert werden oder bloß ein adj.? in
ant-dago, an-dago (dies fixus) O. I. 9, 11. V. 11, 9. (aber
an-dag I. 14, 1.) iſt das erſte wort kein ſubſt., ſondern
die partikel ant. Altſ. kenne ich das ſchwachformige
ên-dago (dies fixus, fatalis), das im ſinn zu dem eben-
angeführten otfridiſchen worte trifft, allein mit dem zahl-
wort ên (unus) zuſ. geſetzt iſt, altn. ein-dagi, agſ. ân-
daga (vgl. Beov. 145. ân-däges) alſo wieder nicht hier-
her gehört (ahd. ein-tako?). Die übrigen agſ. comp. zei-
gen nur däg, nicht daga: aldor-däg (dies vitae) Beov.
56. deáð-däg (d. mortis) Beov. 16. 68. dôm-däg (d. jud.)
Cädm. 104. (unzuſ. geſetzt dômes däg Beov. 227.) ende-
däg (d. ultimus) Beov. 50. 225. Cädm. 89. fëorh-däg
(d. vitae) Cädm. 51. lîf-däg (idem) Beov. 62. 123. læn-
däg (dies mutuo datus) Beov. 175 (wo fehlerhaft þendd.)
193. mæl-däg (d. conſtitutus) Cädm. 37. 51. ſvîg-däg (d.
ſilentii) ſvilt-däg (d. mortis) Cädm. 28. Beov. 208. tîd-
däg (d. vitae) Cädm. 27. tŷn-däg (d. luctus, calamitatis,
= tëón-däg, oder wäre die zahl tŷn, decem gemeint?)
Beov. 234. vin-däg, gevin-däg (d. laboris, aerumnae)
Beov. 81. Cädm. 88; gëar-däg (d. antiquus) Beov. 3. 103.
167. Cädm. 37. ſcheint mehr mit der part. gëar (olim)
zuſ. geſetzt, als mit dem ſubſt. gëar (annus), unterſchei-
det ſich aber von dem gleichbedeutigen ær-däg Beov. 12.
100. Cädm. 67. Viele dieſer comp. ſtehen nur im plur.
Altn. gelten meiſt uneigentliche compoſitionen dauða-dagr
(d. mortis) dôma-dagr (d. judicii), dauða iſt gen. ſg. von
dauði, dôma gen. pl. von dômr; eigentl. comp. iſt aber
far-dagi (dies itineris). Mhd. eigentlich comp. ſind ende-
tac (d. ultimus) Parc. 81b Triſt. 1934. nëbel-tac (d. nebu-
loſa) Parc. 142c ſumer-tac kl. 3342. ſuon-tac (d. jud.) Barl.
76. zorn-tac (d. irae, i. e. ult. jud.) Barl. 96., woneben aber
uncomponiert ſtehet endes tac MS. 1, 109a Wizlau 448.
[490]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
gëltes tac Wilh. 2, 152a jâmers tac Wilh. 2, 166a morgens
tac Parc. 190c ſtërbens tac Wilh. 1, 107a ſtrîtes tac Wilh. 2,
133b urloubes t. Parc. 3a vröuden tac Parc. 138c u. ſ. w. Dar-
aus entſpringen die nhd. uneig. comp. gerichts-tag, geburts-
tag, tôdes-tag, jahrs-tag. — 3) verſchiedne compoſita *)
laßen den begriff von dies fahren und wenden dag in
abſtracter bedeutung auf zuſtände oder handlungen an
(gerade wie in den zuſ. ſetzungen mit -mêl und -tîd),
wobei wiederum, doch nicht immer, dags in das ſchw.
daga übertritt. Ahd. nakot-dag (nuditas) O. V. 20, 170.
ſieche-tago (morbus) W. 5, 8.; agſ. blêd-däg (fructus)
Cädm. 5. 38. und ſo verlieren ſich ins allgemeinere auch
unter den vorhin angeführten deáð-däg (mors) fëorh-d.
lîf-d. (vita) mæl-d. (terminus) vin-d. (miſeria); altn. âr-
dagi (pueritia, antiquitas) bar-dagi (proelium) dauð-dagi
(mors, verſch. von jenem dauða-dagr) ein-dagi (terminus)
mâl-dagi (contractus) ſkil-dagi (pactum) ſpur-dagi (fama)
ſvar-dagi (juramentum) vëdr-dagr (aeris temperies).
Mhd. lëp-tage (vita) häufig bei Conr., mahel-tac, mâl-
tac (terminus) Oberl. ſ. v. nacke-tage f. nacket-tage (nu-
ditas) Triſt. ſchëlm-tac (peſtis) Parc. 93c ſiech-tage (mor-
bus) a. Heinr. 144. troj. 7883. amgb. 20b ſiech-tac (ſtark)
Friged. 12a, rîche-tage (divitiae) kenne ich nicht, wohl
aber ein ſpäteres weſtphäl. rîke-dage in dieſem ſinn.
Nhd. ſind dieſe wortbildungen verloren, die volksſprache
gebraucht noch leb-tâge, leb-tâg (vita) und weh-tage
(dolor) oberſächſ. wetter-tag f. wetter. Ohne zweifel
liegt allen ſolchen wörtern die anfangs lebendige bedeu-
tung von dies zu grunde.


dáils (pars, portio): ahd. ſippi-teil (affinitas); nhd.
erb-theil, welt-theil. — agſ. gedâl (ſeparatio): aldor-
gedâl (obitus) Beov. 62. frið-gedâl (idem) Cädm. 27.
gâſt-gedâl (id.) Cädm. 27. lîf-gedâl (id.) Cädm. 55. Beov.
65. voruld-gedâl (id.) Beov. 227. yrfe-gedâl (hered. di-
viſio).


dáuþus (mors): ahd. ſcant-tôd N. 87, 8. — agſ. guð-
deáð Beov. 168. väl-d. Beov. 54. vundor-d. Beov. 225.


dêds (factum): miſſa-dêds (peccatum). — ahd. firin-
tât jun. 198. 205. T. 118. O. V. 21, 6. gluſt-tât N.
64, 1. mein-tât hrab. 963a miſc. 1, 19. mis-tât ker.
121. 170. muot-tât, palo-tât hrab. 963a jun. 214. wër-
olt-tât K. 23b. — altſ. ellëan-dâd (virtus). — agſ.
[491]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
dëofol-dæd Cädm. 75. ellen-dæd Cädm. 12. Beov. 68. 69.
firen-dæd Beov. 77. 126. hand-dæd (creatura) lâc-dæd (mu-
nificentia) loſ-dæd Beov. 4. mân-dæd Cädm. 11. morð-dæd.
— mhd. hant-getât, miſſe-tât, häufig uncomponiert heldes
tât, riters tât etc. — nhd. miſſe-thât, wunder-thât, aber
uneigentlich mannes-thât, ritters-th. helden-th.


dôms? wird 1) an perſönliche maſc. gefügt und be-
dentet dann ſtand, würde: ahd. chuninc-tuom, kheiſar-
toam ker. 161. leididh-duom (ducatus) J. 394. meiſtar-t.
K. 16a piſcof-tuom (epiſcopatus) doc. 229a ſchon N. 73, 3.
entſtellt in piſce-tuom, biſc-tuom trev. 39b; êwart-tuam
(ſacerdotium) K. 55b 56b. — agſ. abbot-dôm, aldor-d.
Cädm. 88. biſcëop-d. cyning-d. Cädm. 87. criſten-d. hæ-
ðen-d. ëorl-d. þëóv-d. (ſervitus). — altn. iarl-dômr (co-
mitatus) konûng-d. mann-d. (ſtatus virilis) hërra-d. (prin-
cipatus). — mhd. biſ-tuom Parc. 120b f. biſchof-t. hei-
den-t. Wilh. 1, 29b 58a 110b herzen-t. (ducatus) Parc.
12c 64a f. herzoc-tuom? denn herzogen-t. wäre eine
falſche, uneigentl. comp., die zwar Triſt. 18690. ſteht, das
metrum ſordert herzoc-t. oder herzen-t., wie die varian-
ten bei Groote beſtätigen, Wilh. 2, 170a Wigal. 410. iſt
ebenſo zu beßern; vürſten-t. Tit. XII, 44, ſchwerlich in
reineren quellen? rechte form wäre vürſtuom. — nhd.
biſ-thum, burggraf-th. herzog-th. kœnig-th. kaiſer-th,
pabſt-th. prieſter-th. chriſten-th. heiden-th.; man hat auch
im 16. 17. jh. luther-th. mönch-th. gebildet; neuerdings erſt
und unorganiſch volks-th.; fürſten-th. gilt aber allgemein
f. fürſt-th. — 2) ſeltner an perſönliche fem. und neutra:
ahd. thiarna-duam O. IV. 32. 10. wo der inſtr. thiarnu-
duamû aſſim. gewirkt haben wird; mhd. mage-tuom f.
maget-tuom Parc. 105b 111a Wigal. 404. etc. witwen-
tuom Tit. VI, 99. iſt verdächtig; altn. barn-dômr (inſan-
tia). — 3) erweitern ſich die bedentungen zum theil in
denſelben wörtern; chriſtan-th. nicht nur der ſtand eines
chriſten, ſondern auch die chriſtliche lehre, heidan-t. da-
her doc. 248. ſacrilegium, gottloſigkeit. Nicht anders lâ-
chi-toam ker. 194. agſ. læce-dôm medicamentum, urſpr.
medela, doctrina medici. Das nhd. alter-thum (antiqui-
tas) nnl. ouder-dôm ſcheint erſt im 16. jh. gebildet und
wohl fehlerhaft.


agſ. draca (draco): ëorð-draca Beov. 202. 210. fŷr-d.
Beov. 200. her-d. lëg-d. lig-d Beov. 174. 225. nîð-d. Beov.
170. — altn. eitr-dreki, flug-dreki. — mhd. lin-trache
Nib. (f. lind-t. nicht von linta, tilia, ſondern von einem
verlornen lind, lindo = altn. linnr, linni, ſerpens.


[492]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

agſ. dreám (jubilum): glëó-dreám Beov. 224. gum-d.
Beov. 184. man-d. Beov. 96. Cädm. 28. 87. mëdu-d. Beov.
151. ſin-d. (canor perpetuus) voruld-d. Cädm. 28.


draúhts (agmen) ahd. truht, altn. drôtt: agſ. mago-
dryht Beov. 8. ſib-gedryht Cädm. 67. ſibbe-gedryht Beov.
31. vine-d. Beov. 202. 235. þëge-d. Cädm. 75.


draúhteins? (dominus) ahd. truhtîn, altn. drôttinn:
agſ. freá-dryhten Cädm. 22. Beov. 62. 89. 195. frëoðo-d.
Cädm. 41. gum-d. Beov. 124. man-d. Beov. 35. 94. 95.
149. Cädm. 88. ſige-d. Cädm. 13. Beov. 32. vine-d. Beov.
67. 121.


fana (pannus): ahd. hant-fano (manutergium) ſgall.
kund-fano (vorhin ſ. 457.) ouc-fano (orale, goth. aúrali)
herrad. reine-vano (tanacetum) trev. 21a jun. 331. — agſ.
guð-fona. — mhd. ſturm-vane. — nhd. blût-fahne, dach-f.


ahd. vanc (captus): liſt-fanc (argumentatio) jun. 194.
mis-fanc (culpa) ker. 111. 230. miſſi-f. jun. 259. ſueiƷ-
vanc (ſudarium) doc. 238a wint-f. trev. 37a. — agſ. feax-
fang (comae pre-henſio) hals-f. (colliſtrigium). — altfrieſ.
berd-fang, fax-f. ketil-f. — altn. hâls-fâng (amplexus)
hand-f. (manubrium) her-f. (praeda) leik-f. (genus ludi)
qvon-fâng (matrimonium) vër-f. (id) ſæm. edd. 229b. —
nhd. rauch-fang, gnick-fang (bei jägern) fiſch-f. vogel-f.


fat? (vas): ahd. êr-faƷ (aeramentum) jun. 248. T. 84.
eƷih-f. jun. 194. glaſe-v. (lampas) W. 8, 6. hant-v. herrad.
199a lîd-f. (poculum) jun. 218. lioht-f. (candelabrum) T. 183,
1. N. 131. 17. ôli-f. jun. 234. poah-f. (bibliotheca) ker. 44.
rouh-f. wîrouh-f. (thuribulum) monſ. 331. ſalp-f. ker. 37.
jun. 196. trëſo-f. T. 8, 7. wîn-f. hrab. 958a. — altſ. gold-ſat,
lioht-f. rôk-f. — agſ. bân-fät Beov. 85. drinc-f. Beov. 172.
gold-f. Cädm. 91. hufl-f. (vas ſacrum) Cädm. 90. lëóht-f. mâ-
ðum-f. Beov. 179. gemët-f. (metreta) ſcip-f. (cymba) ſinc-f.
(geldfaß) Beov. 49. 92. 172. vundor-f. Beov. 89. — altn.
hûd-fat (pera) vîn-f. — mhd. balſam-vaƷ Parc. 56c brief-
v. Wh. 3, 435a bluome-vaƷ Barl. 290. glas-vaƷ a. w. 3, 159.
glaſe-v. Triſt. hel-vaƷ (vas gehennae) Herb. 88b hëlm-v.
(galea) Nib. Bit. 17a 128b golt-v. Parc. 57a lieht-v. Mar. 14.
59. lüge-v. (mendax, nhd. lügenbeutel lügenſack) MS. 2,
211a*) ôle-v. trinc-v. troj. 151b. — nhd. mehl-faß, ſalz-f.
wein-f. — Alle neutra, verſch. davon das agſ. maſc. ſið-
[493]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
fät (iter) Beov. 18. 196. Cädm. 64. 73. 89. Jud. 12; wie
lautet der ahd. nom. ſg. von gidancfaƷƷon (deliberatione)
doc.?


faþs (praefectus): bruþ-faþs (ſponſus) hunda-faþs
(centurio) ſynagôga-faþs, þûſundi-faþs, vgl. das weſtgoth.
tiu-phadus lex viſig. II. 1, 26. und die canine-fates bei Tac.


flêþs? (mundities, nitor) ahd. vlât? übrig im mhd.
vlætec (nitidus) und nhd. unflât (ſqualor) *): die goth.
weibsnamen albo-flêda, aude-flêda und die ahd. gêr-flât
gundi-flât, hruod-f. rât-f. rîh-f. ſigi-f.; agſ. nur älf-flæd.


fluga (volans): agſ. guð-floga Beov. 188. lyſt-floga
Beov. 173. uht-floga Beov. 205, lauter dichteriſche be-
nennungen des drachen.


ahd. vluot (fluctus) agſ. flôd: ahd. unmëƷ-float (di-
luvium) ker. 69. ſin-vluot (cataclyſmus) monſ. 357. ſind-
vluot N. 101, 26. (aber Boeth. 89. geſchrieben ſîn-fluot)
inſofern das unten bei der adj. comp. häufiger vorkom-
mende ſin- von einem ſubſt. herrührt, was noch im dun-
kel liegt. — agſ. lago-flôd Cädm. 5. mere-f. Cädm. 4. ſæ-f.
Cädm. 33. vill-f. (quellflut) Cädm. 32. — mhd. ſin-vluot,
nhd. fehler-haft ſünd-flût.


fruma? (auctor): ahd. ort-frumo hymn. 949. jun. 233.
vgl. ort-fruma (auctoritas) hrab. 953b ker. 33. K. 30b 42b. —
altſ. ord-frumo. — agſ. dæd-fruma Cädm. 23. hild-f. (bel-
lator) Beov. 126. 210. land-f. (princeps terrae) Beov. 5.
lëód-f. (princeps) Cädm. 29. 51. 70. lëóht-f. (deus) Cädm.
42. 83. lîf-f. (idem) Cädm. 89. ord-f. (auctor) Cädm. 1.
vîg-f. (bellator) Beov. 52. 169. — mhd. nur das abgelei-
tete ort-frumære Barl.


ahd. viur (ignis): ahd. ërd-viur. — agſ. âd-fŷr Cädm.
71. bæl-f. Cädm. 61. Beov. 232. hëaðu-f. Beov. 188. 190.
lig-f. Cädm. 64. väl-f. Beov. 85. 192. — mhd. helle-viur.


gaggs (inceſſus): ahd. ahhar-ganc (agricultura) monſ.
355. ſëdal-ganc (occaſus) hrab. 967b K. 24a N. 49, 1. vëlt-
ganc (latrina) doc. 240b flor. 982b. — agſ. bëó-gang (exa-
men apum) ſëtel-gang, väfer-gang (tela araneae). — altn.
hôlm-gângr (duellum) ſkôg-gângr (exilium) vër-gângr
(mendicatio). — mhd. acker-ganc troj. 9751. weide-ganc
Parc. 29a. — nhd. jahr-gang. — In der alten ſprache
wurde aber auch gang von perſonen gebraucht, wie die
[494]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
ahd. eigennamen hruodi-ganc, hruod-ganc, wili-ganc und
wolf-ganc beweiſen; in der edd. ſnorr. p. 83. heißt ein
rieſe gângr und hropt-gângr iſt unter den poetiſchen
benennungen des ſeuers. Angemeßner ſchiene die form
gaggja, wohin auch das agſ. nŷd-genga (pauper) Cädm. 88.
ſæ-genga (navigator) Beov. 141. 143. vëald-g. (latro) gehören.


gards (domus, aula, hortus) maſc.: aúrti-gards (hor-
tus) midjun-gards (orbis terr.). — ahd. ſchwanken ſtarke
und ſchwache formen; ſtark gehen mittin-kart, mittil-
gart (citate ſ. 470.) meri-kart (domus aetherea?) ker. 162.
(wo merikerte inetherium) wîn-gart T. 109; ſchwach nuƷ-
garto W. 6, 10. boum-garto W. 4, 13. bluom-garto N. Boeth.
35. wîn-garto ker. 38. 246. hrab. 954a W. 2, 15. wunni-garto
jun. 189. 217. wunno-garto N. 37, 4. zart-garto N. 95,
10. zier-garto N. 6, 4. — agſ. lëód-gëard Cädm. 5. mid-
dan-g. Beov. 8. vîn-g. Cädm. 35. — altn. griôt-gardr
(maceries) mid-g. ſtack-g. (foenile) vîn-g. — mhd. boum-
garte Triſt. mer-garte Karl. 38b vgl. Annolied 444. tier-
garte Ulr. Triſt. 1398. wîn-garte Parc. 91c, ſämtlich
ſchwacher decl.


gards? fem. muß perſönlich geweſen ſein, altn. iſt
das einfache gerdr ein frauenname und ahd. die comp.
adal-gart, hildi-gart, irmin-gart, madal-gart u. a. m.;
altn. hrîm-gerdr, val-gerdr, þôr-gerdr etc.


gaſts (hoſpes): ahd. n. pr. alpi-gaſt, arpi-gaſt, hadu-
gaſt, halide-gaſt, liudi-gaſt, nëvo-gaſt, poto-gaſt, ſali-gaſt,
wiſo-gaſt; mhd. elbe-gaſt, liude-gaſt. — agſ. ellor-gäſt
Beov. 63. 103. 122. 123. grŷre-gäſt Beov. 191. invit-gäſt
Beov. 199. nîð-gäſt Beov. 201. väl-gäſt Beov. 101. 150.


gáis (telum): hierher die eigennamen lanio-gaiſus,
rada-gaiſus? — ahd. aƷi-gêr (jaculum) vorhin ſ. 484.
madal-gêr (n. plantae) trev. 18b naba-gêr (terebrum)
ſgall. nabi-gêr trev. 33b blaſ. 49a (wo ſälſchl. nageber)
und die mannsnamen hruodi-gêr, hruod-kêr, nôt-kêr;
mhd. liude-gêr. — agſ. ät-gâr, bon-gâr (telum mortif.)
Beov. 152. väl-gâr (id.) Cädm. 44. und die n. pr. friðu-
gâr, here-gâr, hëor-gâr, hrôð-gâr, vulf-gâr. — altn.
at-geir (lancea) und die eigenn. âlf-geir, hrôð-geir,
ſig-geir.


gáiſts? (ſpiritus): ahd. fluobar-geiſt (paracletus). —
agſ. ellen-gâſt Beov. 9. frôfor-gâſt, helle-gaſt Beov. 97.
vuldor-gâſt Cädm. 62.


gavi (regio): eine menge ahd. namen von landſchaſ-
ten, z. b. alpi-gouwi, nibal-gouwi etc.


[495]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

gáuts (ſ. 455.): viele ahd. mannsnamen als alp-kôƷ,
amal-k. hëlm-k. hruod-k. madal-k. megin-k. truht-k.
vrid-k. wolf-k. etc. — altn. val-gautr. — agſ. vëder-geát
Beov. 122.


giba (largitor): ahd. eitar-këpo (veneficus) hrab. 976a
(wo -gerio fehlerhaft) wîni-gëbo (caupo) trev. 42b. —
altſ. bag-gëbo (larg. epularum) vgl. bag-wini (epulo) und
das ahd. pah-weiga (lanx, ferculum, diſcus). — agſ.
beáh-gifa, beág-gifa (annulorum largitor) chron. ſax. 975.
Beov. 84. ganz verſch. vom altſ. baggëbo; gold-gifa
Beov. 197. Jud. 12. ræd-gifa (conſiliarius) ſinc-gifa Beov.
77. 102. 172. — altn. râd-giafi. — mhd. lît-gëbe (caupo)
rât-gëbe Barl. — nhd. rath-gêber.


giba (donum): ahd. anſt-këpa (chriſma) blaſ. 8a (wo
ansgëba) morkan-këpa, prût-këpa jun. 228. widarmëƷ-
këpa (repenſatio) hrab. 946a. — agſ. duguð-gifu (munifi-
centia) mâðm-gifu, ſvëord-gifu Beov. 214. vil-gifu Beov.
215. — altn. fê-giöf, mat-giöf (alimentum) morgun-giöf,
ſumar-giöf. — nhd. braut-gâbe, morgen-gâbe.


gibô (largitrix): ahd. flôƷ-këba (fluvonia) N. ſâmo-
gëba (ſaticena) ſige-gëba N. Boeth. 64. — altn. aur-giafa
(opes largiens) ſæm. edd. 118b lîf-giafa (vitam ſervans).


gild (debitum, cultus): káiſara-gild. — ahd. heidan-
këlt (idolatria) jun. 183. 210. kota-këlt (cultus dei) jun.
178. 197. tievol-këlt, wëri-këlt zwetl. 122a. — agſ.
bryne-gild (holocauſtum) Cädm. 62. dëóſol-gild Cädm.
64. god-gild, hæðen-gild, vër-gild, vîh-gild Cädm. 78. —
altn. mann-giöld (mulcta homicidii) nef-giöld (reſarcitio
naſi, i. capitis) edd. ſæm. 150b vgl. Yngl. S. cap. 8 und
ahd. naſa-hëlm (vectigal) ker. 279. Dieſes giöld iſt der
pl. von giald neutr., das goth. gild, ahd. këlt, agſ. gild
ſind ſg. neutr. Ein maſc. gilds muß den goth. athana-gildus,
hermini-gildus, lewi-gildus, den ahd. pata-këlt, hruod-k.
ſipi-k. zu grunde liegen, ja ein fem. ſpara-gildis findet ſich.
— mhd. bette-gëlt Triſt. 12613. vërſen-g. Ottoc. 76a.


gîſal? (obſes?): in vielen eigennamen ans-gîſil, gote-
gîſil, hildi-g. madal-g. muni-g. liut-g. etc. es iſt mir aber
weder die länge des vocals ausgemacht, noch deutlich,
warum ſich zuweilen giſclus geſchrieben findet, was kein
fehler ſein kann, da Procop. ein k ſetzt (1, 11. θευδε-
γίσκλος,
4, 20. ἑρμεγίσκλος, woneben 4, 27. ἱλδιγισάλ.)
Ueberdem kommt ein unabgeleitetes -gis in andern eigen-
namen vor, z. b. adal-gis, anſe-gis, batu-gis, neri-gis.
wili-gis, deſſen verkleinernde form -giſclus ſein könnte?
[496]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
vgl. cap. VIII. Agſ. n. pr. zeigen -gils f. giſel, z. b.
cyne-gils, wiht-gils.


grip (captus): ahd. hant-grif J. 367. — agſ. mund-
grip (von mund, manus) Beov. 31. 59. 116. 145. — altn.
hand-grip. — nhd. hand-griff.


gulþ (aurum): figgra-g. (annulus). — ahd. hals-kolt
(mouile) ôr-kolt (annulus) trev. 52b mana-kolt (n. pr.). —
agſ. hæðen-gold (theſaurus) Beov. 170.


guma (homo, vir) ahd. brûti-gomo hymn. 948. O. II.
13, 18. trev. 7b ſiſa-gomo (vgl. ſ. 476. und hus-g. Oberl.
715.) truhti-gomo. — altſ. thied-gumo. — agſ. brŷd-guma,
pryht-g. ſeld-g. Beov. 21. þeód-g. — mhd. briute-gome
Barl. briute-goume troj. 34b. — nhd. bräuti-gam.


gunþs? (pugna, bellona): ahd. frauennamen anſe-
gund, bur-gund (ganz verſch. das derivativum burg-undo
ſ. 343.) hilti-gund, chuni-gund u. a. — altn. hildi-gunn
ſæm. edd. 115b.


ahd. hapuh (accipiter) agſ. haſoc: crano-hafoc (qui
gruem mordet) guð-haſoc (milvus) ſpëar-hafoc (fringilla-
rius) auch nom. pr.


hals (collum): mhd. hirƷ-hals (pars loricae) a. w. 3,
27. im 13 jahrh. war es auch eigenname eines magde-
burgers (Luc. David preuß. chron. IV, 46, 47.) — nhd.
keller-hals (n. herbae). — altn. net-hâls (epidromus).


hama (induviae, cutis): ahd. lîh-hamo (corpus) J. 385.
K. 15a. b. 41a kund-hamo (lorica) gefolgert aus guð-hamo
Hild. — altſ. fëther-hamo, lîk-hamo. — agſ. homa in
die ſtarke form ſchwankend: byrn-homa (thorax) Jud. 11.
feðer-homa (alae) Cädm. 11. flæſc-homa (corpus) Beov.
119. Cädm. 32. (vergl. fleiſclîche brünne Mar. 113) fyrd-
hom (lorica) Beov. 114. lîc-hama, vuldor-hama Cädm.
82. — altn. meiſtens ſtark fiaðr-hamr edd. ſæm. 70. 71.
geit-hamr (veſpa, dän. gede-hamſe) lîk-amr und lîk-ami,
ûlf-hamr (cutis lupi) val-hamr (c. falconis); aber unei-
gentl. comp. âlptar-hamr (induviae cygneae) ſæm. edd.
133. — mhd. lîchame, nhd. entſt. leichnam (ſchon mhd.
bei Stricker lîch-nâme, ja ahd. lîcha-nâmo).


hata? (oſor). agſ. bëó-hata (dunkel, wörtlich bienen
haßend?) Cädm. 68. dæd-hata (virtutis oſor) Beov. 23.
lëód-hata (tyrannus) Cädm. 64. Jud. 10. Oder wäre in
allen drein hâta = ahd. heiƷo anzunehmen?


háims (domus, vicus): eine menge ahd. ortsnamen als
holz-heim, pinuƷ-heim, ſtein-heim etc. die gl. herrad.
180a geben auch vater-heim (patria); desgl. agſ. ëofes-
hâm, fëarn-hâm (vicus filiceus) etc. altn. nifl-heimr,
[497]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
ſigr-heimr, þrym-heimr u. a. m. Es gibt aber auch viele
uneigentliche comp. mit dieſem wort, die den beſtimm-
teren begriff des beſitzes auszudrücken haben.


háids? (perſona, ordo, habitus) bisher im goth. noch
nicht aufzuweiſen, ſo wie es dem altn. abgeht *); das
ahd. heit (perſona) J. 351. 352. 358. K. 21a 58a monſ.
379. und agſ. hâd nicht zu bezweifeln. Und zwar iſt je-
nes alleinſtehend maſc., vermuthlich auch das agſ. hâd,
deſſen gen. ſg. hâdes mir bekannt iſt, nicht der pl. hâ-
das. Die agſ. comp. mit -hâd bleiben männlich, die ahd.
mhd. nhd. mit -heit und ebenſo die mnl. mit -hêt, nnl.
mit -heid werden insgeſammt weiblich. Es binden ſich
damit α) in der regel perſönliche wörter: ahd. biſcof-heit
J. 395. chint-heit (pueritia) chriſtan-h. (chriſtianitas) exh.
dëkan-h. (virilitas, fortitudo) thëgan-h. O. I. 3, 35. IV.
21, 43. dëo-h. (eig. ſtatus ſervi, dann humilitas) K. 24b
26b 40a 47b 55b goma-h. (eig. natura humana, dann wie
humanitas, benignitas) O. Sal. 29. I. 27, 113. IV. 9, 61.
mana-h. (mit ähnlichen übergängen des begriffs) belege
ſ. 415, makad-h. (virginitas) T. 7, 9. narra-h. (veſania)
ker. 252. jun. 180. — agſ. **) biſcëop-hâd (epiſcopatus)
brôðor-h. (fraternitas) cild-h. (pueritia) cniht-h. (juven-
tus) cyric-h. (ordo eccl.) man-h. (virilitas) mæden-h.
(virg.) prëóſt-h. (ſacerdotium) þëóv-h. (ſervitus) vër-h.
(virilitas) vîf-h. (genus fem.). — mhd. chriſten-heit, dëgen-
h. (virtus) Iw. Nib. Bit. 122a dorper-h. Triſt. gote-h. Barl.
kint-h. Wig. man-h. (virtus, nicht mehr mit dem ahd.
nebenſinne liberalitas) a. Tit. 50. menniſch-eit (f. men-
niſch-h.) Barl. pfaf-h. Barl. wîp-h. Triſt. — nhd. chri-
ſten-h. gott-h. kind-h. mann-h. menſch-h. narr-h. ſchalk-
h. thôr-h. — engl. child-hôd, brother-h. knight-h. mai-
den-h. man-h. prieſt-h. widow-h. woman-h., man ſchreibt
aber fälſchlich in einzelnen ſt. hood, head, z. b. god-
head, maiden-head (das wäre gotthaupt). — β) ſeltner
bedeutet das erſte wort einen zuſtand, eine handlung:
ahd. chamf-heit (militia) K. 21a (könnte auch ſtehen f.
chamſi-h. und von chamfjo, miles geleitet werden?) fi-
I i
[498]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Ʒus-h. (dolus) hymn. 949. ſcant-h. (confuſio) jun. 257.
topa-h. (deliramentum, gibt es ein ſubſt. fem. topa?)
monſ. 410. tôt-h. (mortalitas) N. 37, 4. undôt-h. (im-
mort.) N. 37, 5. tuged-h. N. 147, 3. Boeth. 113. tuom-h.
(dignitas) N. 110, 3. kiwona-h. (conſuetudo) K. 55b O. IV.
22, 18. — altſ. jugud-hêd (juventus). — agſ. camp-hâd
(militia) gëoguð-h. (juvenilitas). — mhd. ſmâcheit f.
ſmâch-h. (ignominia) ſunt-heit (ſanitas) Barl. tobe-h. Barl.
Triſt. trüge-h. Barl. Triſt. gewon-h. Wig. wuocher-h.
(fructus) MS. 2, 170a. — nhd. geſund-h. gewôn-h. — An-
merkungen: 1) vielleicht hängt das heid, heit in ahd.
frauennamen mit unſerm -heit zuſammen? Goldaſt hat
adal-heid, alb-heid, engil-heid, em-heid, liut-heid, rîh-
heid (bei Neugart ſtehen keine), freilich mit der media
geſchrieben, wiewohl 2, 146. auch adal-hait und in einer
ungedr. urk. lin-heit vorkommt; nhd. adel-heid (adel-
heidis). Sind die altn. lofn-heiðr, lŷng-heiðr ſæm. edd.
182a. b. ſo, oder lofn-heidr, lŷng-heidr zu ſchreiben? 2)
die ſchwed. und dän. ſprache haben einzelne comp. mit
-hêt, -hêd lediglich aus dem hochd. überkommen, z. b.
chriſten-hêt, chriſten-hêd, wenige mit ſubſt., deſto mehr
mit adj. componierte. 3) im ahd. und mhd. iſt mitunter
zweifelhaft, ob das erſte wort ſubſt. oder adj. ſei? z. b.
kiwona-h. tôt-h. ſunt-h. bei welchen ich hier die ſubſt.
kiwona (mos) tôt (mors) kiſunt (ſanitas) vorausſetze.


háitja (juſſor): dulga-háitja (creditor); ahd. ſcult-haiƷëo
(tribunus) ſgall. 187. ſcult-heiƷo (procurator) monſ. 403.
jun. 222. ſculd-h. (centurio) O. III. 3, 9. ſcult-heiƷo (com-
mentarienſis) N. 93, 4. dasſelbe, was krâvo, grâvo, agſ.
gerêfa bedeutet (vgl. ſcult-ſuohho); mhd. ſchult-heiƷe
amur 16a. b. nhd. ſchult-heiß, ſchult-heß, ſchulze. Dies
wort iſt nicht agſ., vielleicht fallen aber die unter -hata
angeführten hierher, lëód-hâta (exactor)?


háubiþ (caput): ahd. mana-houpit (mancipium) oben
ſ. 415. rînaha-houbit (n. loci) trad. fuld. 570. hail-houpit
(hermodactylus) gl. vind. wofür ſchwachformig heil-hou-
bito trev. 19a (fehlerh. helhubito blaſ. 57a) hunt-houbito
(cynocephalus) flor. 984. vgl. zui-houpito (biceps) hrab. 955a.
— agſ. eofor-heáfod (caput apri). — altn. ſchwachf. arn-
höfdi (cap. aquilinum). — nhd. kraut-haupt, mohn-haupt
(c. papaveris).


haúrn: ahd. buoh-horn (n. loci) tincta-h. monſ. 339. blaſ.
62b wîc-horn (claſſicum) N. Boeth. 84. — agſ. guð-horn
(idem) Beov. 109. blâc-h. — altn. hrîng-horn (c. obliquum)
ſkack-horn (obliquitas). — mhd. her-horn Barl. eichorn (ſciu-
[499]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
rus) Parc. 156a. — nhd. kuh-horn, wächter-h. etc. manns-
und ortsnamen wie ball-horn, eich-h. gold-h. hirſch-h.
kranz-h. mehl-h. ſchell-h. teut-h. etc. laßen ſich nicht
alle aus dem bloßen begriff von cornu deuten. Die volks-
ſprache auf der rhön ſagt tüb-horn (columbus) im teuto-
niſta duif-horn f. taubert (vgl. cap. VI.) — engl. ink-horn.


hilds (pugna): ahd. eine menge weibl. eigennamen,
den begriff von bellona vorausſetzend, abar-hilt, ans-h.
alp-h. chuni-h. kîſal-h. koma-h. kund-h. madal-h. maht-
h. (mathilde) mimi-h. muni-h. neri-h. patu-h. pili-h.
pruni-h. rûn-h. ſuana-h. ſuâba-h. ſind-h. ſcaf-h. tuom-h.
trûd-h. waſa-h. wîp-h. woldar-h. wuni-h. u. a. m. ſo
geläufig war das wort noch lange, daß ein reimer des
15. 16. jahrh. die welt ſpot-hilt nennet (Eſchenburg
denkm. 405.). — agſ. treffe ich weder n. pr. noch andre
comp. an, deren letztes wort hild wäre. — altn. n. pr.
âlf-hildr, gaut-h. grîm-h. (bellona larvata) gunn-h. ragn-
h. þôr-h. u. a. m.


hilms? (galea): ahd. chuninc-hëlm (diadema) hrab.
959b hëlôt-h. (latibulum) hrab. 969a naſa-h. (vectigal) ker.
279; viel männl. eigennamen, eki-hëlm, enkil-h. ans-h.
arn-h. diot-h. ëpur-h. fridu-h. friunt-h. kêr-h. kîſal-h.
kund-h. mâc-h. mekin-h. muni-h. muot-h. ôt-h. patu-h.
pili-h. pruni-h. ſiki-h. uodil-h. wîc-h. wili-h. wolf-h. —
agſ. bân-hëlm, cyne-hëlm (corona) grîm-hëlm (larva)
Beov. 27. Cädm. 66. 69. componiert mit grîme (larva)
häleð-h. Cädm. 11. lyft-h. Cädm. 64. niht-h. Beov. 135.
und die nom. pr. äðel-hëlm, eád-hëlm, ſig-h. vil-h. vulf-
h. — altn. wenig oder keine n. pr. dieſer zuſ. ſetzung,
vil-hiâlmr vielleicht aus dem agſ. entlehnt.


hragil? (amiculum) ahd. hrekil, agſ. hrägel: bëado-
hrägl (thorax) Beov. 44. fyrd-h. (idem) hand-hr. (man-
tile) mere-h. (velum) Beov. 143. ſculdor-hr. (humerale).


hriuþa? (teſtudo) bloß im agſ. hrëóða bekannt, das
wegen des ð nicht recht ſicher aus hrëód (arundo) ahd.
hriot, riot abgeleitet werden darf, ſo gut zum geflecht
der ſchilde aus rohr und ſchilf der viminum textus Tac.
ann. 2, 14. ſtimmt; hrëóða findet ſich nur in den beiden
comp. bord-h. Beov. 165. Cädm. 66. 68. 69. und ſcild-h.
Cädm. 65., beides dichteriſche benennungen des ſchilds.
Die eine ſtelle im Beov. lieſt wirklich hrëóda.


huf? (aula, delubrum) oder war die goth. form haúh
(nach oben ſ. 155. note)? ahd. ſele-hof (curtis) lindenbr.
994a vrît-hof (oben ſ. 454). — mhd. kirchof f. kirch-h.
Nib. ſëdel-h. Nib. ſtadel-h. vrît-h. Nib. gejeit-h. Bit. 135a.


I i 2
[500]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

hugus? (mens): altſ. brioſt-hugi, jâmar-hugi.


hunþa (captura): ahd. heri-hunda (praeda) jun. 219.
agſ. here-huð.


hùs (domus): guþ-hûs (templum) Joh. 18, 20. — ahd.
abgot-hûs (fanum) trev. 36a ambaht-hûs jun. 259. dinc-h.
(forum) monſ. 366. 367. chorn-h. (horreum) ker. 27.
jun. 216. fogal-h. zwetl. 114a gloc-h. (campanar) trev. 36a
huor-h. jun. 178. kaſt-h. ker. 268. jun. 201. 202. pëta-h.
(templ.) trev. 36a pluoƷ-h. (fanum) ker. 85. 125. rouh-h. flor.
983b ſali-h. (aula) ker. 8. ſpilo-h. jun. 257. ſprah-h. (oracu-
lum) jun. 216. triſo-h. (theſaurus) monſ. 337. wât-h. tûb-h.
(columbarium) trev. 37b wâfan-h. blaſ. 88a (veſtiarium) K.
51b wîg-h. W. 4, 4. und in ortsnamen wie tala-hûs, përac-
h. etc. — agſ. bân-hûs Cädm. 73. fëld-h. Cädm. 64. 65. 67.
gëofon-h. Cädm. 30. gift-h. (d. nuptialis) mân-h. Cädm. 74.
mere-h. Cädm. 30. rëord-h. (coenaculum) vîte-h. Cädm.
2. etc. — mhd. bëte-hûs Barl. dinc-h. ſtein-h. a. w. 3, 199.
vogel-h. Wigal. wart-h. Parc. 180a weide-h. Parc. 49c wîc-
h. Parc. 85a. — nhd. amt-haus, bein-h. bêt-h. fiſch-h.
gaſt-h. land-h. ſpîl-h. vogel-h. wald-h. zoll-h. hochzeit-h.


huzd (theſ.): agſ. beáh-hord Cädm. 69. brëóſt-h. Beov.
130. 207. gold-h. Cädm. 75. mâðm-h. Cädm. 70. vord-h.
Beov. 22. — mhd. tris-kamer-hort (theſaurus) MS. 2, 149b.


ahd. chamara (camera): himil-ch. O. II. 9, 17. pet-
ti-ch. (cubiculum) N. 104, 30. trev. 36b prût-ch. (tha-
lamus) hrab. 975b puoh-ch. (bibliotheca) blaſ. 88a triſu-ch.
(arcarium) monſ. 360. 398. — mhd. bette-kamer, brût-k.
tris-k. — nhd. braut-kammer, boden-k. korn-k. pulver-k.
ſtein-k. ſpeiſe-k. ſchatz-k.


agſ. candel (candela): frið-candel Cädm. 55. hëofon-c.
Cädm. 65. voruld-c. Beov. 148.


kara (cura): agſ. aldor-cëaru Beov. 70. guð-c. Beov.
96. mæl-c. Beov. 17. môd-c. Beov. 134. 150. 232. ſorh-c.
Beov. 183. — altſ. muod-kara.


kaſi (vas): ahd. châſi-char zwetl. 122a jun. 284.
hant-ch. ſgall. lëoht-ch. (lampas) hymn. lîh-ch. (loculus)
herrad. 188a meiſi-ch. trev. 56a pini-ch. (alvearium) bine-
k. herrad. 180a rouh-ch. (thurib.) ker. 275. jun. 229. ſulzi-
ch. (catinus) hrab. 961b. — altn. eld-ker (ſoculus) ſkapt-
ker (crater manubriatus). — mhd. kæs-kar kolocz 165. —
nhd. entſtellt-bien-korb, leich-korb.


ahd. chind (proles): gomman-ch. gomen-ch. (pr. maſcula)
monſ. 395. N. Boeth. 63. huor-ch. jun. 214. thëgan-k. T.
9, 2. O. I. 14, 22. fôtar-ch. doc. 211b. — mhd. dëgen-kint
Mar. 191. erbe-k. Karl 97b. — nhd. hûr-k. mutter-k welt-k.


[501]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

knaíhts? (ſervus): ahd. here-chnëht N. Boeth. 132.
fran-ch. (cacula) hrab. 958a? vielleicht fram? frôn? ſchilt-
ch. trev. 41b. — agſ. râd-cniht. — nhd. haus-knecht, ſtall-
k. ſtiefel-k. müller-k. reit-k. etc.


krafts? (vis): ahd. makan-chraft, worolt-ch. ker. 75. O. II.
1, 1. — altſ. megin-kraft. — agſ. bôc-cräft (literae) drŷ-c. (ars
magica) guð-c. Beov. 12. hyge-c. Cädm. 77. lagu-c. Beov. 18.
lëóðo-c. Beov. 206. mägen-c. rûn-c. Cädm. 90. ſëaro-c. ſtäf-
c. (grammatica) ſmið-c. vîg-c. voruld-c. Cädm. 83. — mhd.
magen-k. ſippe-k. — nhd. thât-k. ſchwung-k. zauber-k.


ahd. chrâpho (uncinus): brunne-krâſo trev. 62a ſen-
chel-chrâpho N. Boeth. 70.


kuni (genus): ahd. *) adal-chunni (nobilitas) O. I. 3,
8. aërdh-ch. J. 392. chorn-ch. (far) jun. 206. focal-ch.
(genus avis) ker. 37. gomman-ch. (gen. maſc.) doc. 216b
monſ. 395. hant-ch. (xenium?) wirceb. 981a man-ch. O.
III. 21, 12. prëma-ch. (genus oeſtri, mit prëmo oeſtrus
comp.) ker. 264. prôt-ch. (cruſtula) jun. 200. rëpa-ch.
(genimen vitis) O. IV. 10, 9. waƷar-ch. ker. 40. wurm-
ch. (genus vermis). — altſ. adal-kunni, gum-kunni, man-
kunni; gl. lips. haben thiade-kunni (generationes). — agſ.
âc-cyn (ilex) ëormen-cyn Beov. 147. ëorð-c. Cädm. 70.
fëorh-c. Beov. 169. fiſel-c. Beov. 10. gim-c. Cädm 5. hæð-c.
(n. pr. maſc. wörtlich ſilvigena?) Beov. 182. 217. mon-c.
(genus hum.) ſëalf-c. (amaricinum, eine art kräuterſalbe)
treóv-c. (lignum) tynder-c. (fomites, cremium) þorn-c.
(tribulus, ſentium genus). — altn. heim-kynni (patria)
edd. ſæm. 75a man-kynni (puellarum genus? conſuetudo?)
ibid. 78b ſal-kynni (domicilium) ibid. 83b das maſc. ſal-
kynja bedeutet domeſticus; karl-kyn (gen. maſc.).


kuniggs? (rex) ahd. chuninc, agſ. cyning: bëorn-
cyning Beov. 161. ëorð-c. Beov. 88. fëorh-c. Beov. 92.
gâſt-c. Cädm. 62. guð-c. Beov. 17. 148. 174. ſvëgl-c. Cädm.
57. þëód-c. Beov. 3. 160. vuldor-c. Cädm. 1. 4. etc. —
altſ. worold-kuning. — mhd. wërlt-kunic cod. pal. 361, 92a.


kuſis? (opulentia, aeſtimatio): ahd. ërd-chuſt (fructus
terrae) N. Boeth. 83. — agſ. gum-cyſt (munificentia) here-c.
Cädm. 66. 68. hilde-c. (virtus bellica) Beov. 193.


lakan? (pannus) ahd. lahhan, altſ. lacan, mnl. laken (agſ.
und altn. mangelnd): ahd. arah-lahhan (ſtragula) monſ. 329.
ambaht-l. flor. 985a churti-l. (cortina) hrab. 958b decchi-l. blaſ.
[502]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
45b trev. 51b fêh-l. (ſtragulum) ſgall. trev. 51a blaſ. 45b
hemid-l. (camiſile) ſgall. blaſ. 43a trev. 50b hengi-l. (cor-
tina) jun. 200. houbit-l. (peplum) blaſ. 47a huli-l. (chla-
mis) monſ. 406. blaſ. 9b lî-l. (linteamen) ſgall. trev. 51b
nuſki-l. (chlamis, fibulata?) ker. 223. vgl. Schilt. 525b,
für nuſkil-l. oder nuſc neben nuſcil (fibula) beweiſend?
panch-l. (ſagma) jun. 226. rucki-l. trev. 51b ſcar-l. (roſilis)
rev. 50b blaſ. 43b ſtuol-l. jun. 293. ſueiƷ-l. (ſudarium) T.
220, 4. tiſca-l. zwetl. 123a tiſc-l. blaſ. 45b tunih-l. flor. 990a
wind-l. ker. 92. 223. — altſ. fâhan-lakan. — mhd. decke-la-
chen Nib. lîn-l. Parc. 71a lî-l. Triſt. reis-l. Parc. 52a[ſ]eit-l.
rücke-l. Parc. 181a. bade-l. Bit. 126a brût-l. Parc. 75c tiſc-
l. Parc. 193c.


land (terra): agſ. eá-land (inſula) Beov. 174. ſpäter ig-
land; lagu-land (inſula) Cädm. 73. — ahd. pfliht-lant (pro-
vincia) fliht-l. N. 49, 8. Boeth. 126. crîƷ-l. N. Boeth. 94. ſali-
lant. — nhd. acker-land, ei-land (mhd. ein-lant troj. 50a
102a vgl. unten §. 7.) ſee-l. zins-l. — Völkernamen compo-
neren ſich mit lant nur uneigentlich oder ſtehen in der früh-
ſten ſprache als genitive pl. los daneben, z. b. ahd. ſuâpô lant,
lancpartô lant, ſahſônô lant, franchônô lant, allmählig ſuâpô-
lant, ſahſônô-lant, mhd. ſwâbe-lant, ſahſen-lant, engel-lant,
tene-lant. Unorganiſch ſind darum die nhd. ruß-land,
ſchott-land, fries-land, die wie eigentl. comp. ausſehen
und rußen-l. ſchotten-l. (mhd. MS. 2, 249b der ſchotten
lant) lauten ſollten. Nur da findet eigentl. zuſ. ſetzung
mit-land ſtatt, wo das erſte wort entw. kein volksname
iſt, oder ein verdunkelter, z. b. îs-lant (oder îſen-l.) Nib.
1685. îr-l. Gudr. Triſt. Die altn. ſprache fällt in denſel-
ben fehler, indem ſie frack-land, grick-l. ſkot-l. geſtat-
tet, Raſk pag. 218. Im nhd. deutſch-l. welſch-l. iſt das
erſte wort adj.


láida? (proceſſio, conductus): ahd. lant-leita (popu-
laris circumductio) vgl. Haltaus h. v. lîp-leita (victus)
jun. 231. K. 40a Samar. — agſ. brim-lâdu (navigatio) Beov.
80. fen-gelâd (neutr.? iter paludinoſum) Beov. 103. neád-
lâdu (expeditio periculoſa) Beov. 101. ſæ-l. (navigatio)
Beov. 88. desgl. yð-l. — altn. þiód-leid (via publ.) —
mhd. brût-leite (proc. nuptialis) Triſt. lant-leite, ſ. die
urk. von 1160 bei Haltaus, ſwërt-leite Triſt.


láifs (ſuperſtes): hiermit ſind mannsnamen der alten
ſprache componiert, vielleicht drückt es den begriff der
nachkommenſchaft aus? goth. daga-laiphus (conſul ao
461.); altfränk. baudo-leif, daga-leif, marco-leif (alle drei
im teſtam. Remigii); mhd. diet-leip, got-leip, ort-leip
[503]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
(vgl. oben ſ. 70.); agſ. ecg-lâf, ëormen-l. Beov. 166.
frið-l. hëaðo-l. Beov. 37. gud-l. Beov. 88. hun-l. os-l. vìg-l.;
altn. finn-leifr, hiör-l. regin-l. þôr-l. etc.


láiba (reliquiae): agſ. here-lâfe Jud. 16. ſæ-lâfe Cädm.
75. veá-lâfe Beov. 83. 84. yrfe-lâfe Beov. 80. 143. yð-
lâſe Beov. 45. die überbleibſel, die geborgenſchaft aus dem
heer, der ſeefahrt, dem unglück, der erbſchaft, den wo-
gen. Wie das goth. einfache láibôs, ſcheint die zuſ.
ſetzung den pl. zu lieben; doch bringt Lye brôðor-lâfe
(vidua fratris) bei und Beov. 209. ſtehet ende-lâf (ultima
propago), das vielleicht maſc. iſt und zum vorhergehen-
den lãf gehört? Häufig wird auch der gen. vor lâfe ge-
funden, z. b. hreðles lâfe Beov. 164. ſvëorda lâfe Beov.
218. vätra lâfe Cädm. 35 etc. auf welche weiſe, uncompo-
niert, altn. varga leifar (luporum reliquiae) ſæm. edd.
232a geſagt iſt.


láiks (ludus, munus): ahd. nom. pr. adal-leih, amal-
leih, heri-l. hilti-l. ort-l. ôt-l. rât-l. ſigi-l. wini-l. u. a. m.
außerdem aber die ſubſt. hî-leih (conjugium, goth. heiva-
láiks?) kihî-leih, hî-leihi doc. 219a (wo hîleiti) 214a jun. 181.
monſ. 378. 396. aug. 126a N. Boeth. 108.; chû-leih (ſca-
rabaeus) zwetl. 131b, muß ſich, wenn die lesart richtig
iſt, auf einen aberglauben vom urſprung des käfers (aus
kuhmiſt?) beziehen; eiki-leihi (phalanx) ker. 124. ſonſt
unerhört; ſanc-leih (chorus) W. 6, 12. ſcîn-leih (mon-
ſtrum) hrab. 969b jun. 214; vëhe-leih (probatica ſc. piſcina)
doc. 240b und ſicher noch andre verloren gegangne. —
agſ. das nom. pr. hyge-lâc Beov. 17. etc. ſodann aber: ag-lâc
(miſeria) Cädm. 80. *) wovon das häufigere ag-læca, ag-læ-
cëa (miſer); bëado-lâc (pugna) Beov. 118. brŷd-lâc (nup-
tiae) ellen-lâc (pugna) fëoht-lâc (bellum) guð-lâc (proelium)
hëaðo-lâc (idem) Beov. 46. 148. reáf-lâc (rapina) ſæ-lâc (na-
tatus?) Beov. 123. 125. ſcîn-lâc (portentum) vîte-lâc (ſup-
plicium) Cädm. 55; mehr andere ſind aus den mit -læcan
componierten verbis zu folgern. — altn. (mit übergängen
in ſchw. form) dâ-leikr (familiaritas) f. dag-leikr? daud-
leiki (mortalitas) ôdaud-leikr (immort.) fit-leiki (ſ. Biörn.)
hug-leikr (n. pr.) mein-leiki (noxa) vëdr-leikr (tempeſtas,
[504]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
dän. vejrlig). — mhd. kenne ich nur das einzige im ge-
ſchlecht ſchwankende hî-leich cod. pal. 361, 73d hiu-leich
troj. 23182, andere finden ſich wohl, z. b. wëter-leich,
woraus das nhd. wetter-leuchten (fulgurare) entſpringt,
Daſyp. überſetzt fulgur durch wetter-leich (vgl. Stald.
h. v.). Gemeine volksdialecte haben noch hillich, im nie-
derheſſ. iſt ſchin-leich, ſching-leiche unverſtandnes ſchimpf-
wort geblieben. — altengl. love-laik (amor) Triſtr. was
nach engl. heutiger ſchreibung love-ledge wäre (vgl. 1,
266.), denn know-ledge, früher know-lecche entſpricht
dem altn. kunn-leikr, folglich hätte das agſ. reaſ-lâc engl.
zu lauten rove-ledge. — Alle dieſe zuſ. ſetzungen lehren,
daß der lebendige ſinn einer dunkeln wurzel (nr. 183.)
auf mehrfache weiſe allgemein und abſtract geworden iſt;
die compoſita mit -leika und -leiks, wie ſie dazu im ab-
lautsverhältniſſe ſtehen, ſcheinen ſich auch in der bedeu-
tung mit -láiks zu berühren.


ldugs? (lavacrum? wie das altn. laug fem.): hiermit
ſind viele ahd. frauennamen componiert, in welchen es
badende, waſchende, vielleicht auch reine bedeuten kann,
adal-louc oder adal-loug, alp-l. ërcan-l. hadu-l. hilti-l.
hruod-l. kund-l. muot-l. përaht-l. ſigi-l. ſuana-l. (die ſich
gleich dem ſchwan badet?) triu-l. wîh-l. — agſ. weder
das ſubſt. leág, noch eigennamen damit. — altn. viele
weibl. namen: âs-laug (nicht âslög, denn der gen. lautet
âslaugar, nicht âslagar) giaf-laug, guð-l. hiör-l. ker-l.
(n. fluvii) edd. ſæm. 44a (wäre goth. kaſjaláugs?) kêtil-l.
ſvan-l. (Nialsſ.) þôr-l. und a. m.


láuks (cepe, überhaupt herba ſucculenta): ahd. aſc-louh
(aſcalonia) ſgall. trev. 21a blaſ. 61b jun. 331. chlovu-louh
(allium) ſgall. jun. 195. trev. 21a blaſ. 61b prâh-louh? trev.
19a blaſ. 57a brach-l. mit einer verderbten lat. erklärung;
ſnite-louh (ſerpillum) blaſ. 61b jun. 330. — agſ. gâr-leác
(allium) yne-leác (unio, engl. onion, franz. oignon). —
altn. ben-laukr (poetiſch gladius) frió-laukr (wäre goth.
fráiva-lauks) geir-laukr (allium) gras-laukr; in îtr-laukr
edd. ſæm. 150a ſcheint das erſte wort adj. — mhd. kno-
be-louch entſt. aus klobe-l. Barl. 265. — nhd. eſch-lauch
Friſch, knôb-l. ſchnitt-l. ſpieß-l.


láun (merces): über das goth. ſigis láun vorhin
ſ. 476. — agſ. ende-leán Cädm. 79. Beov. 128, dæd-leán
Cädm. 68. Beov. 44. hond-l. Cädm. 63. Beov. 116. 157.
ſigor-leán Cädm. 62. — mhd. ſumer-lôn, winter-l. (Oberl.
1599.). — nhd. hand-lohn, jahr-l. mieth-l. tâg-l.


[505]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

leika (imago?): man-leika (effigies); ahd. mana-lîhho,
vorhin ſ. 425. belegt; agſ. mon-lîca Cädm. 55; altn. mann-
lîkan (fem.; vgl. mhd. wîp-lich troj. 114b heim-lich troj. 67a.


linþs? dunkler bedeutung, ahd. lind, altn. linn, alſo
agſ. lið (von ahd. linta faſcia, tilia, altn. lind, agſ. lind
völlig verſchieden): ahd. weibsnamen wie alp-lind, aſc-l.
diot-l. ecki-l. hëlm-l. hugi-l. itis-l. kêr-l. kota-l. kôƷ-l.
pouc-l. rât-l. ſigi-l. taka-l. uodil-l. wini-l. wolf-l.; altn.
ſigr-linn ſæm. edd. 147a, vgl. das maſc. linni (ſerpens);
mhd. diet-lint, gote-l. her-l. ſige-l. wine-l.


liþa? lida? (iens, proficiſcens) ſcheint in der zuſ.
ſetzung beſonders vom ſchiffe geſagt zu werden, agſ.
ſtehet yð-lida (wellenfahrer) Beov. 17. dichteriſch für
navis (denkbar wären mere-lida, ſæ-lida) und ebenſo in
der chron. ſax. ann. 871. ſumor-lida (ſommerfahrer, ſchiff
deſſen man ſich im ſommer bedient), Ingr. p. 101. über-
ſetzt unrichtig a vaſt army. Im altn. ſind ſumar-lidi
(vielleicht -liði?) vëtur-lidi auch mannsnamen (Egilsſ.
p. 101.), urſpr. von ſeefahrern, warum aber der bär
vëtur-lidi heißt, der gerade im winter ſchläft, nicht aus-
geht, weiß ich kaum, lidi muß hier etwa bloß geſell
(comes) bedeuten, wie in âs-lidi (ſocius deorum) edd.
ſæm. 86a. Ahd. analoge comp. meri-lito, ſumar-lito,
wintar-lito etc. fehlen, obgleich das wort lito, lido noch
gilt, z. b. in fora-lido (anteceſſor) jun. 192.


liſts? (ars): ahd. zoupar-liſt, zouber-l. N. 10, 6. —
mhd. arzet-liſt, houbet-l. zouber-l. alle im Triſt. Die
altn. comp. ſind uneigentlîch, z. b. mâlara-liſt (Raſk p. 219.)


liuds? (populus): ahd. chouf-liut N. Boeth. 58. lant-
liut ibid. 72. O. II. 3, 67. purc-liut hrab. 963a 967a N.
Boeth. 65. — mhd. burc-liut, lant-l. Triſt. und im pl.
ambet-liute Parc. 159c ſpil-liute Wigal. — nhd. nur im
pl. amt-leute, berg-l. haus-l. kauf-l. land-l. ſpiel-l. etc.


liuhma (ſplendor): agſ. äled-lëóma Beov. 231. bëado-l.
Beov. 115. bryne-l. Beov. 173. ſŷr-l. Cädm. 94. hilde-l.
Beov. 87. 192. ſvëord-l. — das altn. comp. ôgnar-liómi
ſæm. edd. 152a 192a iſt wiederum uneigentlich.


liuþ (cantus): ahd. ſcëf-liot (c. nauta[r]um) monſ. 402.
(wo ſcof unrichtig ſcheint, vgl. ſcëph-ſanc ibid. 337;
an ſcôf f. ſcuof, poeta kaum zu denken) wîc-l. (c. belli-
cus) wini-l. (cant. plebejus, lieder unter geſellen geſun-
gen, ſchwerlich beim weintrinken, wîna-l.) monſ. 375.
402. — mhd. hüge-liet (jubilum, vgl. unten bei ſanc) MS.
2, 174b klage-l. kriuze-l. lobe-l. rege-l. (?) ſchimpſe-l.
[506]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
tage-l. MS. 1, 107b tanze-l. twinge-l. *) zuge-l. alle be-
legt im cod. pal. 357, 5; minne-liet MS. 2, 76a Apollon.
13302. (öfter minne-ſanc); die ſpäteren meiſter hatten
auch haft-l. hof-l. preis-l. u. a. m. — agſ. æfen-lëóð
Cädm. 66. 67. fyrd-l. Cädm. 75. grŷre-l. Beov. 183. guð-l.
Beov. 115. lîc-l. (epicedium) ſorh-l. Beov. 183. vîg-l.
Cädm. 67. — altn. eigentl. comp. mit lióð kenne ich
nicht, uneigentlich ſind begreiſlieh die benennungen eddi-
ſcher geſänge wie hyndlu-l. ſôlar-l. — nhd. âbend-l.
grab-l. morgen-l. trink-l.; dagegen kriegs-l. liebes-l.
hochzeits-l. volks-l.


luga? (mendax): altſ. treu-logo (fidem fallens). —
agſ. trëóv-loga Beov. 211. vær-loga (foedifragus) Cädm.
1. 29. 52. 54. 116. vord-loga (promiſſi violator).


luka? (clauſtrum, incluſum): agſ. bân-loca (cutis, cor-
pus) Beov. 56. 63. brëóſt-loca (animus) Cädm. 78. burh-
loca (murus, ſeptum arcis) Beov. 145. Cädm. 55. fŷr-
loca (clauſtrum igneum) Cädm. 92. fërhð-loca (mens)
Cädm. 68. hëarm-loca (clauſtrum damnoſum) Cädm. 3.
gevit-loca (mens) Jud. 68.


agſ. lufe (amor) in der comp. immer ſchw. fem.:
ëard-lufe (patria dilecta) Beov. 54. (wo unrichtig ëarð-l.)
môd-lufe (propenſio animi) Beov. 137. ſib-lufe (amicitia)
Cädm. 1. vîf-lufe (amor feminae) Beov. 155. Merkwür-
dig ſteht auch ein entſprechendes ahd. muot-luba (affec-
tus) ſrancof. 49. das im gen. muotlubûn fordert, oben
ſ. 49. nachzutragen und von liupî verſch. iſt.


luſlus (affectus): ahd. firin-luſt (luxuria) ker. 64. hrab.
963a T. 97. frawo-luſt (gaudium) O. V. 7, 71. hugu-luſt O. II.
11, 127. IV. 17, 37. huor-luſt monſ. 378. O. III. 17, 124. leid-
luſt (dolor) O. I. 20, 35. V. 7, 68. wuni-luſt K. 19b zart-luſt
(deliciae) W. 7, 6. — mhd. huor-geluſt w. gaſt-47b muot-ge-
luſt (appetitus) bei Conr. MS. 2, 207a troj. 22b 72b 124a.


magn? (vis): agſ. bëadu-mägen (virt. bell.) Cädm. 69.
hand-m. (virtus manuum) Cädm. 6. hord-m. (theſaurus)
Cädm. 89. lëód-m. (copiae) Cädm. 66. 67. — altn. âs-
megin (vis divina) edd. ſæm. 56b vëdr-megin (tempeſtas
= ahd. magan-wëtar vorhin ſ. 466.) edd. ſæm. 50a.


magus (puer): þiu-magus (famulus). — agſ. bëót-
mecg (infelix, damnatus?) Cädm. 80. ëarfoð-mecg (ae-
rumnoſus, miſer) Cädm. 88. hilde-mecg (bellator) Beov.
62. gigant-mecg (gigas) oret-mecg (heros, heldenſohn)
[507]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Beov. 27. 30. 38. vræc-mecg (exſul) Beov. 177; offenbar
ſtehet in den meiſten dieſer comp. mecg der bedeutung
nach ſo, wie wir heute die wörter ſohn, kind und mann
zu conſtruieren pflegen, z. b. ein mann des todes, ſohn
des kriegs, kind des unglücks; in oret-mecg iſt das erſte
wort von oretta (heros) Beov. 189. und dies von oret
(pugna) Cädm. 69. Lye gibt noch ein unbelegtes oret-
ſtov (palaeſtra), ich weiß nicht ob oret oder ôret geſchrie-
ben werden muß und ob zuſ. hang mit dem ſ. 218. an-
geführten verbo orettan (deturpare) ſtatt findet? — altn.
âs-mögr (vir divus, götterſohn) edd. ſæm. 94b 110b drôtt-
mögr (aulicus) ibid. 244a vil-mögr (ſervus) ibid. 86a;
gewöhnlich im pl. âs-megir, drôtt-megir, vil-megir.


mans (homo): ahd. ahhar-man (agricola) monſ. 408.
ampaht-m. (miniſter) hrab. 958a charl-m. (mas, faſt nur
als eigenname und mehr im altfränk. dialect, als in den
übrigen) chouf-m. (inſtitor) jun. 191. dinc-m. (conciona-
tor) jun. 186. monſ. 378. dëonoſt-m. K. 42b 43a thionoſt-m.
O. I, 19, 3. als n. pr. findet ſich das gleichbedeutige ein-
fachere dio-man; engil-m. (n. pr.) frido-m. (pacificus)
N. 71, 1. firno-man (homo ſceleſtus) O. III. 14, 212. (o iſt
comp. vocal, andere quellen würden zeigen firin-man?)
heri-man (miles) ker. 68. (auch als nom. pr.) houpit-m.
hrab. 974a hova-m. (tyro) monſ. 377. kawi-man (incola, n. pr.)
kom-man (mas, vir) ker. 188. K. 29a Samar. gom-man T. 3,
1. 5, 4. O. I. 11, 13. march-m. (n. pr.) miet-m. (mercena-
rius) trev. 41b munt-m. (homo pacis) N. 40, 10. pëta-m.
bëto-m. (adorator) O. II. 14, 135. piro-man? (ambro) vgl.
oben ſ. 467. pû-man (colonus) trev. 42a reit-man (eques,
equeſter) monſ. 363. 364. N. cant. moyſ. 1. (aſcenſor) von
reita (currus) ſala-m. (nom. pr.) ſcëf-m. (nauta) monſ. 411.
ſigi-m. (n. pr.) ſpila-m. ſpili-m. (ſcurra) jun. 228. trev.
42b ſpilo-m. N. Boeth. 58. 124. wald-m. (n. pr.) weidi-m.
(venator) trev. 42b wërah-m. (operarius) K. 17a 28b jun. 195.
W. 5, 14. N. Boeth. 95. wëralt-m. (h. carnalis) monſ. 385. wor-
olt-m. O. III. 20, 314. IV. 7, 91. wîg-m. (pugnator) N. zim-
par-m. trev. 42b. — altſ. ambaht-man. — agſ. äcer-man, am-
biht-m. carl-m. (maritus) ceáp-m. cäd-mon (n. pr.) flot-m.
(nauta) glëó-m. (glig-m. hiſtrio, muſicus) heáfod-m. here-m.
land-m. lîc-m. (libitinarius) lîð-m. (nauta) Beov. 123. gemët-
m. (homo moderatus) Beov. 189. gemôt-m. (ſenator) ſæ-
m. (nauta) ſcip-m. þëóv-m. (ſervus) þëóf-m. (fur) vëorc-
m. vëoruld-m. (ſecularis) vîf-man (femina, mulier) letz-
teres iſt gegenſatz zu carl-m. (auch wohl væpned man)
und beſtätigt die urfprüngliche neutralität der wörter man
[508]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
(vgl. ſ. 415.) *) — altfrieſ. brôc-mon (incola paludum)
tale-mon (orator, tribunus pl.) — altn. aud-maðr (dives)
her-m. (miles (hird-m. (ſatelles) karl-m. kaup-m. konûng-m.
(vir regius) lik-m. (veſpillo) ræſi-m. ſund-m. (natator). —
mhd. kouf-man, mark-m. Nib. ſchif-m. Nib. ſpil-m. Nib.
rueje-m. (mnd. remex) jun. 279. wart-m. (ſpeculator)
Wh. 2, 105b 151a weide-m. Parc. 54a wërlt-m. Roth. 23b
wërk-m. w. gaſt. 29b. — nhd. acker-mann, amt-m. berg-
m. burg-m. dienſt-m. eh-m. fuhr-m. haupt-m. kauf-m
land-m. mahl-m. ſchiff-m. ſee-m. ſpiel-m. ſtcuer-m. waid-
m. wald-m. waßer-m. wunder-m. zim-mer-m.


marei: ahd. endil-mere (oceanus) N. 71, 8. wendil-m.
(idem) trev. 23b herrad. lëber-m. (m. mortuum) trev. 24a. —
mhd. lëber-mer Barl. 56, 30. a. w. 2, 221. MS. 2, 15a. —
nhd. welt-meer.


marka (limes): ahd. ërd-marcha hrab. 963b lant-m.
ibid. — agſ. ſyrſt-mëarc Cädm. 87. þëód-mëarc Cädm.
66. — im mhd. tene-marke Nib. ſcheint tene gen. pl.,
die comp. alſo uneigentlich zu ſein. — nhd. ſeld-m. flûr-
m. grenz-m. land-m.


mats (cibus): nahta-mats, undaúrni-mats. — ahd. taka-
maƷ (refectio) jun. 259. — agſ. æfen-mete (coena) däg-
mete (agape) mæl-mete (paſtus) Cädm. 87.


altn. meidr (arbor) vgl. agſ. mæd, engl. medlar (me-
ſpilus): eiki-meidr Nialsſ. œſki-m. ibid. p. 634. vil-meidr
(n. pr.) ſæm. edd. 118b.


máiþms (res pretioſa): agſ. hyge-mâðm (der theure
ſchmuck, die leiche des todten herrn) Beov. 216. gold-m.
Beov. 180. vundor-m. Beov. 162.


ahd. meiſlar: holz-meiſtar jun. 195. 200. gëlt-m. trev.
41b liſt-m. W. 7, 1. lugi-m. doc. 224a wërah-m. T. 78. zins-
m. trev. 42a. — mhd. küchen-meiſter (von küchene, co-
quina) Nib. ſchar-m. Nib. ſchif-m. (gubernator) Nib. ſtërn-
m. (idem) Triſt. müll. 7286. ſtiur-m. hagen 7401. vride-m.
Bit. 9a. — nhd. haus-m. hôf-m. küchen-m. ſteuer-m.


maúrþrja (occiſor): mana-maúrþrja (homicida) Joh.
8, 44. man braucht nicht, gegen den C. A., manna-m.
zu leſen, da es, wie manna-ſêþs, lieber von man als
manna zu leiten iſt. Entſprechende ahd. agſ. comp.
man-murdrjo, man-myrðra habe ich nicht geleſen.


[509]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

mêgs (affinis): agſ. cnëov-mæg Cädm. 39. 67. frëó-
mæg Cädm. 24. 70. heáfod-mæg Beov. 46. 161. hlëó-
mæg Cädm. 24. 35. vine-mæg Beov. 7. voruld-mæg
Cädm. 47. — mhd. kone-mâc Nib. nagel-mâc, ſpindel-
mâc, ſwërt-mâc, die drei letzten kommen nicht in den
gedichten vor, wohl aber in den geſetzen und urkunden.


mêl (tempus, menſura, ſignum, loquela, cauſa): die
ahd. comp. ſchwanken theils zwiſchen mâl und mâli
(d. h. neutris erſter und zweiter decl.) theils zwiſchen
der ſchreibung mal und mahal, welches letztere vielleicht
durch die ausſprache maal herbeigeführt wurde *), nicht
für mâhal (1, 89.) zu halten iſt, weshalb auch die oben
ſ. 100. angenommene ableitung -al in mah-al muß fah-
ren gelaßen werden. Dies vorausgeſchickt ergeben ſich
hier folgende ſubſt. zuſammenſetzungen: friſt-mâli (indu-
ciae) doc. 212a hant-mâl (chirographum) ker. 145. hûf-
mâl (caterva) aus dem adverbialen dat. pl. hûſmâlum
(catervatim) hrab. 956b gefolgert, lîh-mâl (ſtigma) lin-
denbr. 1000b ôd-mahali (gazophylacium) ker. 140. [vgl.
das adj. ôdmahali (dives) ibid. 87.] aot-mâli (opes) hrab.
958b 959b jun. 175. ſcrita-mâl (paſſus) ker. 261. ſcrita-
mâli hrab. 975a monſ. 399. (wo grit-mali ſteht) ſpan-
mâli (ſpithama) ker. 286. ſpurt-mâli (ſtadium) monſ. 398.
ſtaf-mâl (gradus) geſchloßen aus dem dat. pl. ſtafmâlum
(gradatim) hrab. 965a jun. 208. wunt-mâle (cicatrix) N.
37, 6. — altſ. hand-mahal. — agſ. däg-mæl (horologium)
fôt-mæl (gradus) frið-mæl (pactum) hring-mæl (ornatus
annulorum, ringſchmuck, ringzeichen) Beov. 115. 153.
undern-mæl (temp. matutinum) Beov. 108. — altn. dag-
mâl (octava diei) ſôt-mâl (gradus) gâng-mâl (tempus) mör-
gun-mâl (jentaculum) nâtt-mâl, qvöld-mâl (coena) ſkot-mâl
(ſcopus) ſumar-m. (initium aeſt.); auch hier haben einige
mæli (neutr. zweiter decl.) brigd-mæli (levitas) hag-mæli
(verba lepida) ſann-mæli (veritas) vom ſubſt. ſannr (ratio)?
vin-mæli (amica compellatio, conciliatio). — mhd. bloß mâl,
kein mæle: bluot-mâl Parc. 72c golt-mâl fr. bell. 33b hant-
mâl? (das gleichbedeutende hant-gemælde Parc. 2b) hun-
ger-mâl (indicium famis) Geo. 19b 45b (aber Parc. 46a
uncomp. hungers mâl) laſter-mâl (opprobrium) MS. 2,
223b 226a 231a ſippe-mâl (cognatio) Wh. 1, 100a. —
[510]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
nhd. abend-mahl, gaſt-m. nacht-m. opfer-m. trauer-m.;
volksmundarten kennen noch andere, z. b. um den
ſchneeberg in oeſterreich heißt der regenbogen wetter-
mahl.


mênôþs (menſis): unter den ahd. monatsnamen bei
Eginhard und Goldaſt gehören hierher wintar-mânôd
(jan.) lenzin-m. (mart.) *) ôſtar-m. (apr.) von ôſtara (paſcha)
wunni-m. (majus) prâh-m. (jun.) von prâhha (aratio
agri novalis) hewi-m. (jul.) aran-m. (aug.) witu-m. (ſept.)
von witu (lignum)? windume-m. windum-m. wofür
windumânôt (oct.) von winduma, windema? (vindemia,
welches wort aus dem latein aufgenommen, vgl. das ab-
geleitete wintemôd W. 8, 11) herbiſt-m. (nov.); der
name des febr. hornunc iſt nicht componiert, der des dec.
heilac-m. adjectiviſch. Außerdem findet ſich rëgan-m.
monſ. 356. (m. defluus) und ſo nennt die caſſ. hſ. Eginh.
den november, indem andere herbiſt-m. dem ſept. beile-
gen, z. b. N. 80, 4. Die gl. herrad. 179. geben für jan.
neben winter-m. jâr-m. und für dec. herte-m., für mart.
apr. maj. neben den zuſ. geſetzten benennungen die ein-
fachen mërze, abrëlle, meie, welche drei auch im mhd.
häufig vorkommen, während die übrigen kaum genannt
werden. Der nhd. gebrauch zieht gleichfalls vor, was
kürzer iſt, beſtimmter (weil die bedeutenden namen ört-
lich ſchwanken müßen), und mit der ſitte anderer völ-
ker einſtimmt. In den volksdialecten dauern manche ab-
weichende benennungen fort. — Die agſ. monatsnamen
liefern folgende comp. ſol-mônað (febr.) hlyd-m. (mart.)
mir dunkel, eáſter-m. (apr.) ſëar-m. oder midſumer-m.
(jun.) mæð-m. (jul.) von mæð (foeniſecium) vëod-m.
(aug.) dunkel, dem ahd. witu-m. ähnlich, harfeſt-m.
(ſept.) blôt-m. (nov., menſis victimarum) midvinter-m.
(dec.). Andere ſind einfach: geóla (I. und II. dec. jan.)
liða (I. II. jun. jul.) oder nicht ſubſtantiviſch zuſ. geſetzt,
[511]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
wie þri-milchi (majus, vom dreimahligen melken der
kühe? richtiger wäre þri-milca?). — Altn. monatsnamen,
ſo viel ich ſie kenne, werden uneigentlich componiert;
was ſonſt von ihnen zu ſagen iſt, berührt nicht das ge-
genwärtige capitel.


milv? (farina): ahd. kërſt-mëlo, gërſt-mël, zwetl. 112a ſë-
mal-mëlo monſ. 327. — mhd. krîde-mëltroj. 102c 146a. — nhd.
korn-mehl, wurm-m., aber fehlerhaft gerſten-m. weizen-m.


mit? (menſura): ahd. elina-mëƷ ker. 286. gawi-mëƷ
jun. 219. gewi-mëƷ O. I. 20, 15. ſcara-mëƷ mon. boic.
VII, 374. ſcriti-mëƷ jun. 221. ſpita-mëƷ (linea) blaſ. 6a.


môs? (cibus): ahd. âbant-muos T. 239, 2. vgl. âband-
muaſôn K. 43b choh-m. jun. 202. hrab. 959b meƷi-m.
(dapes) ker. 87. taga-m. T. 110. daga-m. O. II. 14, 192.


agſ. gemôt (conventus): folc-gemôt, hond-gemôt Beov.
176. torn-gemôt Beov. 87.


agſ. mêce (gladius) altn. mœkir; das agſ. ê ſcheint
ein altn. œ zu fordern, folglich würde das ahd. wort
muohhi lauten?: bëado-mêce Beov. 110. häft-mêce (enſis
capularis) Beov. 111. hilde-mêce Beov. 165.


munds? (tutela, tutor): die goth. mannsnamen agila-
mund, beris-mund, gunþa-mund, hildi-m. huni-m. ſigis-
m. tranſa-m. (traſa-m.) þoris-m. u. a. m. — ahd. egil-
munt, chuni-m. dëgan-m. diot-m. fara-m. helid-m.
hruod-m. hugi-m. kêr-m. ſigi-m. ſcara-m. taga-m. traſa-
m. wald-m. wolf-m. — altn. âs-mundr, aud-m. geir-m.
hrôð-m. îngi-m. ſig-m. etc.


mundi? (memoria) neutr. ahd. munti, agſ. mynd: ich
finde ahd. fraſt-munti (ſecretum) doc. 211b, worin mir
das erſte wort unverſtändlich iſt (das vorherſtehende fra-
ſtot ſcheint zu ändern in fnâſtôt; doch zu fnaſt-munti
würde nicht ſecretum paſſen). — agſ. fëorh-mynd Beov.
169. vëorð-mynd (honor, dignitas) Beov. 3. 118. 132.
Cädm. 88. Jud. 12.


mûs? (mus): ahd. flëdar-mûs (veſpertilio) monſ. 321.
trev. 14b jun. 268. allein die gl. ſgall. 198. geben fredarmi
(? frëdar-mûs) und jun. 232. das abgeleitete flëdere-mu-
ſtro oder -muſtra?; auch das mhd. vlëdra-mûs MS. 1,
9a (wenn nicht in vlëder-mûs zu ändern?) hat etwas
anomales, das a könnte der verhärtete comp. vocal ſein
(ahd. vlëdara-m.). Mhd. außerdem burc-mûs, vëlt-mûs
a. w. 3, 185; nhd. feld-maus, flêder-m. haus-m. rell-m.
(glis) ſtadt-m. Agſ. ſiſe-mûs (glis).


nahts (nox): agſ. middel-niht Beov. 207. 210. ſin-niht
(nox perpetua) Cädm. 2. — altn. hŷ-nôtt ſæm. edd.
[512]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
87b, vielleicht = ahd. hugi-naht? — nhd. herbſt-n.
ſommer-n. winter-n.


nanþs? (fortis, audax, vgl. anananþjan, audere, ahd.
ginendan, altn. nenna, agſ. geneðan): die goth. manns-
namen ſiſe-nandes, jor-nandes und der weibsname theo-
de-nantha Procop 1, 8.). — ahd. ëpar-nand, gêr-n. heri-
n. hlium-n. hruod-n. ſigi-n. ſolch-n. weri-n. wîc-n. wi-
li-n. wolf-n. — mhd. volc-nant, wîc-nant. — nhd. ſer-
di-nand, das aus dem ſpan. hernando, fernando zu ſtam-
men ſcheint und in der früheren ſprache nicht vor-
kommt. — In andern ahd. namen bildet nand das erſte
wort, z. b. nand-gêr, nand-gôƷ, nand-gis, nand-rât etc.
vgl. die ableitungen nandunc. nendinc, nendihho; mhd.
nant-wîn Bit. nent-wîn Nib. 5540. Das altn. n. pr. fem.
nanna (gen. nönnu) entſpricht jenem goth. nanþô? com-
poſita kenne ich keine; agſ. fallen die comp. mit -noð
(f. nað) hierher: äðel-noð, bëorn-noð, eáð-noð, vulf-
noð, zur beſtätigung findet ſich wirklich ägel-nað (chr.
ſax. Ingr. p. 240. 265.) = ahd. egil-nand.


naſa? naſja? (conſervatio) ahd. nara: lîp-nara (victus),
mhd. lîp-nar Triſt. lîp-narunge troj. 5a; agſ. aldor-nere
Cädm. 54. fëorh-nere Cädm. 82. 86.


nati (rete): ahd. mugge-neze flor. 983a klëbe-n. trev. 61a.
— agſ. brëóſt-net Beov. 117. Cädm. 68. dëór-n (r. venaticum)
fiſc-net, flëóh-net (conopeum) Jud. 10. here-n. Beov. 118.
hring-n. Beov. 205. invit-netB eov. 122. ſëaro-n. Beov. 33.
— mhd. mügge-netze ſ. l. Wigal. 380. viſch-netze.


náuts (conſors): ahd. hûs-kinôƷ (domeſticus) jun. 202. —
agſ. bëód-geneát Beov. 129. bord-g. Beov. 28. hord-g. Beov.
22. 120. 163. 180. — mhd. bette-genôƷ Vrib. Triſt. eit-g. c.
pal. 361, 32a hûs-g. cod. pal. 361, 71c a. w. 3, 237. kampf-g.
Parc. 164c maƷ-g. (commenſalis) rât-g. Karl 36b rede-g. Vrib.
Triſt. ſchar-g. Wh. 2, 185b ſchuol-g. Flore 5c. — nhd.
bett-genoß, eh-g. fehm-g. haus-g. ſchif-g. ſtuhl-g. tiſch-
g. etc. — Alle dieſe comp. beziehen ſich auf die ſache,
derentwegen man eines genoß iſt, die perſon oder ſache
der genoßſchaft ſelbſt ſteht uncomponiert im gen. z. b.
boumes genôƷ Karl 28b engels g. Mar. 48. mangenſteines
g. Parc. 51a knopfes g. Otnit 799. kolre g. MS. 2, 191b
der engel g. Barl. 83.


náuþs (neceſſitas): agſ. þreá-nŷd (afflictio) Beov. 24.
64. þëóv-nŷd (ſervitus, vinculum ſerv.) Cädm. 44. 81. —
Im ahd. ſind männliche n. pr. mit -nôt zuſ. geſetzt, adal-
nôt, fridu-nôt, gêr-nôt; mhd. ecke-nôt, gêr-nôt, hëlm-
nôt, ſige-nôt.


[513]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

neiþs (invidia): agſ. bëalo-nîð Beov. 133. 179. 202.
fær-n. Beov. 38. hete-n. Beov. 14. invit-n. Beov. 140. 146.
orleg-n. Cädm. 3. ſëaro-n. Beov. 46. 92. 203. 227. väl-n.
Cädm. 75. Beov. 9. 155. 222.


nêms? (captio): altn. bôk-nâm (docilitas) land-nâm
(occupatio). — nhd. theil-nahme.


nima? (captor): ahd. mêta-nëmo (mercenarius) ker.
231. nôt-nëmo (raptor) ker. 235. jun. 188. ſigi-nëmo, ſige-
nëmo (triumphator) N. Boeth. 64. 65. — mhd. erb-nëm?
teil-nëm? kann ich nur vermuthen (eher als erb-næme,
oben ſ. 81.) nicht belegen. — nhd. erb-nehmer, theil-
nehmer.


numja (captor): arbi-numja (heres). — ahd. erbi-nomo
ker. 56. nôt-numëo (raptor) ſgall. 194. — agſ. yrfe-numa
(heres) nŷd-numa. — Zwiſchen dieſer und der vorausgehen-
den compoſition beſteht der ſ. 487. bei baíra und baúrja er-
läuterte unterſchied; die comp. mit dem ablaut des praet.
ſcheinen älter und gehen ſpäter in den laut des praeſ. über.


numts, numfts (captio): ahd. hari-numft (praeda) ker.
128. nôt-numft (raptus) T. 118. ſigi-numft (victoria) ſic-
numf ſtehet ker. 225. teil-numft K. 37b. — mhd. nôt-
nunft, ſige-n. teil-n. (vgl. oben ſ. 196.).


paþs? (via) ahd. pfad (O. pad) agſ. päð: agſ. flet-päð
Cädm. 58. her-p. Jud. 12. mîl-p. Cädm. 66. — nhd. fûß-pfâd.


agſ. plëga (ludus): äſc-plëga, ecg-p. hëarm-p. Cädm.
42. hond-p. Cädm. 45. 69. hild-p. Beov. 82. lind-p. Beov.
153. faſt lauter benennungen des kriegs.


ahd. pflëgo? (curator) pflëga (quae curat, praedita eſt)
gurtel-flëga (cinxia) N.


qvalms? (nex): agſ. bëalo-cvëalm Beov. 169. deáð-c.
Beov. 126. fëorh-c. Cädm. 25. 26. gâr-c. Beov. 153.
man-c.


qvaírnus (mola): aſilu-qvaírnus. — agſ. hand-cvëorn
(m. truſatilis) ëoſol-c.


qviþa? (dicus): ahd. wâr-quëto (veridicus).


qviþi? (dictum): ahd. harm-quiti (calumnia) hrab.
956a vgl. harm-quëtôn francof. 8. toam-quiti (ſententia)
ker. 57. — agſ. gilp-cvide (arrogantia) Beov. 50. hëarm-c.
Cädm. 16. hlëóðor-c. (vaticinium) Cädm. 78. Beov. 149.
ſôð-c. Cädm. 84. tëón-c. (convitium) vom-c. Cädm. 15.
vord-c. Cädm. 86. 89. Beov. 138. 139. 205.


qvêla? (ſupplicium): altſ. fërah-quâla, wundar-quâla.


qvuma? (advena): ahd. mannsnamen hruodi-como,
wili-como, zeiƷi-como (vielleicht adjectiviſch comp.) zîti-
como, ſo wie entſprechende fem. hruodi-c. wili-c. hil-
K k
[514]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
ti-c. etc. — agſ. vil-cuma Beov. 32. — Auch hier ſchwankt
das zweite wort zwiſchen laut und ablaut, neben wili-
como findet ſich wili-quëmo (vgl. niwi-quëmo, neophy-
tus, doc. 227a) wiewohl bei dem verb. quëman ſelbſt das
o in das praeſ. dringt (1, 865.).


agſ. räden? ræden? (modus, ratio) fem., ich weiß
nicht ſicher, ob der wurzel kurzer oder langer vocal ge-
bührt; für letztern ſtimmt das goth. garáideins (conſtitu-
tio) und dann gehört es zu nr. 154; für erſteres das altn.
röd (ordo) rada (diſponere) und das ahd. redina (ratio)
von der wurzel nr. 86. Die flexion geminiert das n (rä-
denne). Hiermit werden viele agſ. abſtracta gebildet, in
welchen es ungefähr was ſonſt -ſcipe (-ſchaft) bedeutet:
gecvid-r. (pactum) gefer-r. (conſortium) folc-r. (lex)
frëónd-r. (amicitia) hîv-r. (familia) man-r. (clientela) mæg-
r. (affinitas) ſele-r. (manſio?) Beov. 6. tëón-r. (injuria)
trëóv-r. (foedus) þing-r. (interceſſio) voruld-r. Beov. 87.
Den andern dialecten mangelt dieſe compoſitionsweiſe.


randus? (margo): agſ. hond-rond Beov. 194. hilde-r.
Beov. 95. ſîd-r. (cl. lateralis) Beov. 98.


agſ. räs? ræs? impetus, curſus) æ habe ich oben ſ. 16.
angenommen und das wort zu nr. 171. gezählt, räs aber
ſcheint mehr zum engl. race zu paſſen, vgl. altn. râs
(curſus): fëónd-r. Cädm. 22. guð-r. Beov. 119. 176. 195.
222. hëaðo-r. Beov. 42. 44. 80. hilde-r. Beov. 25. mägen-r.
Beov. 115. väl-r. Beov. 64. 157. 189. 218.


raſta (requies, milliare), es muß aber zur erklärung
des umlauts in den übrigen dial. ein raſtja oder raſtei da-
neben angeſetzt werden: altſ. ſvëf-reſta (dormitorium). —
agſ. æfen-reſte Beov. 51. 96. bed-r. Cädm. 49. 58. flet-r.
Beov. 95. niht-r. Cädm. 61. ſele-r. Beov. 54. väl-r. Beov.
215. vind-gereſte (patibulum, vento expoſitum?) Beov.
183. — mhd. bette-reſte kl. 2594. lîch-r. (ſepulcrum).


ráida? (currus, equitatio) fem. agſ. floc-râd (turma) hron-
râd (oceanus, currus balaenae) Beov. 3. Cädm. 5. ſëgel-râd
(navigatio) Beov. 109. ſvan-râd (mare, c. cigni) þunor-râd
(tonitru, im altn. bedeutet reid für ſich ſchon blitz [und don-
ner]
). — altn. hel-reid (deſcenſus in orcum) *). — ahd. ha-
ri-reita, heri-r. (expeditio mil.) Baluz capit. 1, 46. 109.


[515]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

raiht (jus): ahd. lant-rëht N. 93, 4. purg-r. Boeth. 58. —
altſ. land-rëht. — agſ. êðel-riht (jus patrium) Beov. 164. lond-
r. (jus terrae) Beov. 214. vord-riht (verba ſolennia?) Beov.
196. — mhd. lant-r. Parc. 37b troj. 131b ſent-r. cod. pal.
361, 50c. — nhd. burg-recht, dorf-r. land-r. ſee-r. ſtadt-r.


ráip (reſtis): ſkáuda-ráip (corrigia). — ahd. dio-reif
(jugum, vinclum ſervitutis?) monſ. 369. 366. — wât-reif
(rudis? ein kleidrieme?) hrab. 974a oder in wâc-reit (ru-
dens) zu beßern? vgl. das folgende agſ. væg-râp. — agſ.
ſôt-râp (propes) ſtig-râp (funis ſcanſilis) væg-râp (in væg-
râpas berichtigt Grundtv. das ſinnloſe væl-varas der ausg.;
entw. bedeutet vægrâp rudens, eingefrorne ſchiffstaue?
oder es iſt das eis ſelbſt gemeint, das band der wogen) *)
Beov. 122. — mhd. ſtëc-reif Parc. 81c MS. 2, 228a. —
nhd. faß-reif, finger-reif (annulus, b. Luther, reif, wie
band, auch von metall) helm-reif, ſtêg-reif. — engl. ſtirrup.


ráuba (ſpolium): ahd. wala-roupa. — agſ. hëaðo-reáſ
Beov. 32. here-r. Cädm. 75. nêd-r. väl-r. Beov. 92.


ráuks? (fumus); agſ. guð-rêc (fumus ſtragis) Beov.
85. (der text hat fälſchlich rinc f. rêc) vud-rêc (f. ligni). —
altn. iô-reykr (nubes pulveris ex equitatu). — nhd. berg-
rauch, feuer-r. holz-r. ofen-r. (weih-r. ſ. bei der adj.
comp.) — Das agſ. rêced (domus) mit langem vocal zu
ſchreiben und auf rêc (fumus) zu beziehen, hat für ſich,
daß noch jetzt deutſche mundarten rauch = haus (feuer-
ſtätte) nehmen; oben ſ. 229. habe ich reced, dem altſ.
rakud (nicht rôkud) zu gefallen angeſetzt. Hierher die
compoſita: eorð-rêced Beov. 202. hëal-r. Beov. 11. hide-
r. Beov. 149. horn-r. Beov. 55. ſund-r. Cädm. 31. vîn-r.
Beov. 56. 76.


rêds? (conſilium, ratio, conditio) **): hiermit ſind wenig
ſubſt. von lebendiger bedeutung zuſ. geſetzt, ahd. palo-rât
(pravum conſ.) meine ich geleſen zu haben, altn. böl-râd
könnte edd. ſæm. 272b ſt. böll râd geleſen werden; âſt-
râd (bonum conſ.) ſtehet 196b. Ein agſ. däg-rêd (ſtatus
diei? aurora) würde ein ahd. taka-rât nach ſich ziehen,
*)
K k 2
[516]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
dem die gewöhnlichen ſchreibungen widerſtreiten (vgl. oben
ſ. 75. 253. 415.). Sicherer iſt das mhd. hî-rât (conjugium)
a. Heinr. 208a Frig. 11a (maſc.) Nib. 8796. (maſc. fem.)
nhd. hei-rath; agſ. hî-rêd (familia) gen. hî-rêdes. Nhd.
auch haus-rath; mhd. lîp-rât troj. 21c. Aber viele nom. pr.
beider geſchlechter ſind damit componiert: ahd. maſc. chuni-
rât, dancha-r. ëpur-r. hëlf-r. hugi-r. këlf-r. kund-r. wiel-r.;
fem. anſt-r. faſt-rât, fridu-r. hilt-r. kaſt-r. land-r. luſt-r. ſi-
gir-r. etc. — agſ. maſc. älf-rêd (dieſer berühmte name alſo
auf ahd. alp-rât?) äðel-rêd etc. — altn. þack-râdr, maſc.


reiks (princeps) componiert eine reihe der älteſten
mannsnamen *): goth. amala-rîcus, athala-r. ërmana-r.
gaiſe-r. ganda-r. giſal-r. gëba-r. ſëge-r. theode-r. u. a. m. —
ahd. adal-rîh, alp-r. amal-r. diot-r. fridu-r. irmin-r. heim-
r. (woraus ſpäter hein-rich) hëlf-r. hildi-r. heri-r. këlf-r.
këpa-r. kôƷ-r. lant-r. megin-r. patu-r. ſigi-r. uodil-r.
(ſpäter ul-rich). — agſ. älf-rîc, here-rîc Beov. 90. 165.
ſige-rîc. — altn. mit gekürztem vocal ey-rëkr, frið-rëkr,
heim-r. hialp-r. etc. — Außerdem gibt es andere wör-
ter, perſonen, thiere, ſachen bezeichnend, welche mit
-rîch, oder verkürzt -rich zuſammengeſetzt werden, bis-
weilen tritt ſchwache form dazu. Hauptſächlich wird
das männchen von einigen thieren dadurch ausgedrückt:
ahd. anet-rëcho (anetus) trev. 14b blaſ. 72b zwetl. 112a**);
altn. and-riki; nhd. ente-rich, bei Fiſchart 201b ant-rach;
engl. aphäretiſch d-rake; dän. and-rik; altn. dû-riki f.
dûf-riki (columbus) dän. du-rik, nhd. täube-rich; das
nhd. gänſe-rich (anſer mas) fordert ein ahd. genſi-rîh
oder -rîho, was in dem alten n. pr. genſi-rîcus ſtecken
könnte? altn. gilt aber gaſſi, ſchwed. gåſe, dän. gaſſe (ahd.
ganſo?); die öſtr. volksſprache hat auch bien-rich (apis
mas), im kuhländchen heißt braite-rich bräutigam, din-
ge-rich ein unbeſtimmter mann (Meinert p. 388.). Das
nhd. fähnd-rich, fähn-r. (ſignifer) ſcheint mir bloß ent-
ſtellt aus mhd. venre (fenner) ahd. vanari; begründeter iſt
wuͤte-rich (tyrannus) mhd. wuot-rich, jun. 323. Mar. 217.
Ottoc. 696a wuete-rich Barl. 254., dem ein tobe-rîch gleicht,
das mir erſt Kaiſersp. in der form von döberich gewährt.
Pflanzennamen ſind wëge-rîch (plantago) trev. 18a blaſ.
55a Parc. 43c nhd. hêde-rich (hedera terreſtr.) Ganz ſäch-
[517]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
liche aber aſte-rîch (pavimentum) N. 118, 25. mhd. eſte-rîch
Triſt. eſte-rich Barl. 307. Flore 44b troj. 106c 110c nhd. eſt-
rich (vgl. aſtricus plaſtar ſgall. 182. d. i. pflaſter); ahd. puti-
rîh, but-rîch (uter) jun. 287. vgl. den eigennamen pütte-rich.


reiki (regnum): ahd. ërd-rîhhi J. 347. O. I. 3, 65.
chuninc-r. hrab. 975a Hild. himil-r. K. 18a O. I. 28, 30.
II. 5, 56. — altſ. hëban-rîki, wërold-r. — agſ. fäder-rîce
Cädm. 98. gimme-r. Beov. 37. voruld-r. Cädm. 87. —
mhd. himel-rîche, künec-r. — nhd. erd-reich, himmel-r.
könig-r.


riba? (palmes): ahd. churpiƷ-rëpa (tanacetum) gl.
vindob. gunde-rëba (acer) blaſ. 56b trev. 18b flor. 986b
hirni-rëba (cerebellum) flor. 987a lindenbr. 994a wîna-
rëpa hrab. 974a wîn-r. ker. 39. T. 167, 1. — mhd. bal-
ſam-r. MS. 2, 211b hirn-rëbe (cerebrum) fragm. belli 31b
Karl 62b wîn-rëbe. — nhd. donner-rêbe (n. plantae)
gundel-r. (Höfer 1, 338.) wein-r.


rigns (pluvia): ahd. claſt-rëgan (imber) hrab. 967a
agſ. väll-regen Cädm. 31. — nhd. ſtaub-r. feuer-r.


ahd. rinch (heros): agſ. bëado-rinc Beov. 85. fyrd-r.
Cädm. 46. gum-r. Cädm. 35. guð-r. Beov. 65. 114. 141.
197. hëaðo-r. Beov. 30. 184. Cädm. 68. hilde-r. Beov.
100. 113. mago-r. Beov. 57. Cädm. 38. 50. ſæ-r. Beov. 54.


ahd. ruota (virga): ſëgal-ruota (antenna) flor. 983a. —
mhd. lîm-ruote fragm. 19a. — nhd. leim-r. wünſchel-r.


rûna (ſecretum) ſteht componiert faſt nur im plur.:
ahd. helli-rûnâ (runae mortiferae) flor. 982b — agſ. bëadu-
rûn (runa certaminis) Beov. 40. hel-rûnan (ſchwachformig)
Beov. 15. — altn. aðal-rûnir (r. primaevae) biarg-rûnir
(auxiliantes) bôk-r. (acupictiles) brim-r. (fluctuales) gaman-r.
(amatoriae, jocoſae) *) hug-r. (animi, vgl. das mhd. hüge-
liet) lim-r. (ramales) mâl-r. (familiares, forenſes) man-r.
(muliebres, vgl. man-ſöngr) öl-r. (cereviſiae) ſig-r. (victo-
riae); belege für die meiſten edd. ſæm. 194. 195. — Der
ſing. hat aber auch den perſönlichen ſinn von ſocia,
amica in verſchiednen weiblichen eigennamen. Im di-
plom. 76. bei Marini: baude-rûna, chaide-rûna, childe-
rûna, dommo-rûna; im andern ahd. urkunden fridu-rûn,
hildi-rûn, ſigi-rûn, wart-rûn; altn. geid-rûn, god-r.
heid-r. öl-r. odd-r. ſôl-r. ûlſ-r. vard-r. etc.


[518]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

ſagja, ſaga? (-dicus): altſ. eô-ſago (qui legem dicit,
ſacerdos) ahd. findet ſich nur êa-ſagâri (legislator) monſ.
382. aber altfrieſ. â-ſega (judex); altſ. wâr-ſago (veridi-
cus), mhd. wâr-ſage, nhd. wahr-ſâger; mhd. leit-ſage
(index viae) w. gaſt und livl. 19a 125b. Agſ. ſind mit
dem ſtarkformigen ſecg zuſ. geſetzt ambiht-ſecg (nuncius)
Cädm. 14. ærend-ſecg Cädm. 16.


ſaggvs (cantus): ahd. chlaga-ſanc zwetl. 127a hugi-ſanc
(jubilum) gefolgert aus huge-ſangôn (jubilare) N. 94, 3. 107,
1. cart-ſanc (chorus) jun. 199. lop-ſ. (hymnus) ſalm-ſ. (pſal-
modia) K. 30a ſcëf-ſ. (celeuma) monſ. 347. — agſ. lof-ſong
Cädm. 94. ſëalm-ſ. — altn. man-ſöngr (cantilena amato-
ria). — mhd. minne-ſanc, vogel-ſ. MS. 1, 103b miſc. 2, 205.


ſahs (culter): ahd. maƷ-ſ. (cultellus) ſgall. ſcar-ſ. jun.
215. ſnite-ſ. trev. 33b. — agſ. hup-ſëax (pugio, der an
der hüfte ſteckt) Jud. 12. väl-ſëax Beov. 201. vrît-ſ. (ſty-
lus). — mhd. ſchar-ſahs. — Ein meſſerträger heißt ahd.
ſahſo, agſ. ſëaxa, altn. ſaxi; edd. ſæm. 118b iarn-ſaxa,
eine rieſin, die ein eiſenmeſſer trägt.


ſals (aula): altſ. gaſt-ſeli. — agſ. beáh-ſele Beov. 90.
bëór-ſ. Beov. 38. 39. 84. — dryht-ſ. Beov. 39. 60. 173.
ëord-ſ. Beov. 180. 187. geſt-ſ. Beov. 76. gold-ſ. Beov. 56.
96. guð-ſ. Beov. 36. horn-ſ. Cädm. 40. hring-ſ. Beov.
151. 211. hrôſ-ſ. (aula tecta) Beov. 115. mëdo-ſ. nîð-ſ.
Beov. 115. vîn-ſ. Beov. 54. 60. 183. Cädm. 93. 98. vyrm-ſ.
Jud. 10. — altn. (meiſt im pl.) fen-ſalir, fold-ſalir, þrym-
ſalr (Thorl. VI, 56.)


ſalbô (unguentum): ahd. binnuƷ-ſalpa (aroma) T. 212,
7. 216, 2. ouc-ſ. (ſtibium) monſ. 329. lindenbr. 994a.


ſarv? (apparatus) agſ. bëado-ſëaro Cädm. 74. fyrd-ſ.
Beov. 20. 195. guð-ſ. Beov. 19. invit-ſ. Beov. 84.


ſáivs (mare, lacus): mari-ſáivs. — ahd. anut-ſêo (la-
cus anatum?) fr. orient. 1, 675. ëgal-ſêo (l. hirudinum)
ibid. marëo-ſêo (oceanus) weſſobr. wentil-ſêo (oceanus)
Hild. wofür weldel-ſê jun. 276. — altn. ûlf-ſiâr (l. lupo-
rum) edd. ſæm. 133.


ſaúhts (morbus): ahd. fuoƷ-ſuht (podagra) monſ. 383.
394. lidi-ſ. (podagra) flor. 986a mânôd-ſ. (morb. lunaticus)
zu folgern aus mânôd-ſioh (lunaticus) miſal-ſ. (lepra)
monſ. 384. muot-ſ. N. 106, 27. und gewis viel ähnliche. —
altn. hug-ſôtt (aegritudo animi) ſæm. edd. 81. ſtein-ſôtt (cal-
culus) — mhd. miſel-ſuht, a. H. tobe-ſ. Barl. — nhd. ſchlâſ-
ſucht, waßer-ſucht. Das agſ. componiert mit âdl (morbus).


ſaúrga (cura): agſ. cëar-ſorh Cädm. 26. hyge-ſ.
Cädm. 19. Beov. 174. invit-ſ. Beov. 131. 140. 146.


[519]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

ſêta? (poſſeſſio?) ahd. ſâƷa, mhd. ſâƷe: ahd. chirih-
ſâƷa (territorium eccl.) fr. or. 1, 675. wo aber ein gau
walt-ſâƷi kurz vorhergeht. Hierher aus der freckenh.
urk. die dat. pl. brôc-ſêton, bikie-ſêton, lac-ſ. vëld-ſ.
einen nom. ſg. -ſêta fordernd?


ſêtja? ſowohl angeſeßner, als einer, der etwas hin-
ſetzt: ahd. hlëodar-ſâƷo (negromanticus) ker. 207. ſtuol-
ſâƷo (tricliniarches) monſ. 395. — agſ. hrëop-ſæta (incola
ripenſis) land-ſæta (incola) unſicher ob nicht land-ſëta?
(vgl. hernach -ſitja) vil-ſæta (viltunenfis). — mhd. lant-
ſæƷe (terricola) Triſt. truh-ſæƷe (dapifer) Parc. 159c
Triſt. — nhd. land-ſaße, wald-ſ. aber truch-ſeß.


ſiba? (mens): altſ. môd-ſëbo. — agſ. gëomor-ſëfa Beov.
6. 180. hrëóv-ſ. (poenitentia) wenn ſo f. hrëó-ſ. Beov.
163. zu leſen iſt? môd-ſ. Beov. 16. 29. 151. Cädm. 12. 85.


ſinþs (iter): agſ. ëarfoð-ſið (iter moleſtum) Cädm.
33. 89. cëar-ſ. (idem) Beov. 179. grŷre-ſ. (iter horridum)
Beov. 111. ſpild-ſ. (i. periculoſum) Cädm. 66. ſæ-ſ. Beov.
88. 179. vîg-ſ. (exp. bellica) Cädm. 46. vil-ſ. (iter jucun-
dum) Beov. 19. vræc-ſ. (exſilium) Beov. 28. 171.


gaſinþja (comes) agſ. geſið (ſtarkformig) ahd. kaſindo:
agſ. vil-geſið (comes gratus) Beov. 4. — gaſinþi? (comi-
tatus): mhd. heim-geſinde Nib. hove-g. klage 2303. kiel-g.
Triſt. — nhd. haus-g. hôf-g.


ſitja? (der ſitzt, angeſeßen iſt): ahd. ſizëo, ſëƷo?
ahd. hlëodar-ſizëo (hariolus) hrab. 970a lëodar-ſëzo monſ.
405. thrio-ſëƷ (tri-cliniarches) O. II. 8, 75. [ſtarker decl.,
da thrio-ſëƷƷô gen. pl. iſt, genaue übertragung des lat.
worts und mit truh-ſâƷo, dapifer gar nicht verwandt,
ſtrengahd. drî-ſizo? vielleicht auch thrio-ſëƷ (triclinium)
neutr. der ſitz mit drei polſtern?]. — altn. drôtt-ſëti
(major domus, wiederum von truh-ſâƷo verſch., es ließe
ſich denn beweiſen, daß dieſes f. truht-ſâƷo ſtehe, ob-
ſchon truht nicht zu dapes ſtimmt) land-ſëti (conductor
praedii).


ſitls (ſedes): agſ. êðel-ſëtl Cädm. 1. hilde-ſ. Beov. 79.
mëodo-ſ. Beov. 3. — ſitlja? (habitator): ahd. chamar-
ſidilo jun. 260. lant-fidilo ker. 29. -ſidolo jun. 235.
wôſtun-ſëthalo (ſolitarius) ker. 199.


ſkadus (umbra): ahd. naht-ſcato W. 4, 5. — agſ.
beám-ſcëado Cädm. 20. hëolſter-ſc. (chaos) Cädm. 3.
ſcûr-ſc. (umbella) Cädm. 20. (engl. ſhower-ſhade). An-
dere comp. ſind mit -ſcûva: deáð-ſcûa (umbra mortis)
Beov. 14. niht-ſc. Cädm. 45. 65. — nhd. baum-ſchatten,
nacht-ſ.


[520]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

ſkafts? ſkap? (indoles, ratio) dieſe zuſammenſetzung
ſchwankt in form, genus und declination; das goth. kennt
ſie überhaupt noch nicht (vgl. gaſkafts, creatio, creatura,
fem.). — ahd. -ſcaf fem. (vgl. kiſcaf, alimentum, jun.
235. und ſceffî K. 55b): fîant-ſcaf (inimicitia) K. 59a
blaſ. 8a friunt-ſcaf (amicitia) ker. 9. (auch mannsname,
Neugart. nr. 515.) *) heri-ſcaf (multitudo, copiae) T.
185, 5. O. I. 4, 29. 12, 42. II. 3, 26. IV. 4, 112. 5, 83.
17, 30. **) lant-ſcaf (regio) K. 20a 51b 55b ker. 24. fran-
cof. 14. J. 388. 402. (389. lant-ſcap) T. 8, 8. 13, 1. 2.
21, 12. 53, 8. 97. 150. liut-ſcaf (natio) ker. 28. mëtan-
ſcaf (mediocritas) jun. 214. mëtel-ſc. doc. 294. (f. mitun,
mittil-ſc.? vgl. oben ſ. 470, oder adjectiviſch aus mëtamo,
goth. miduma zu leiten? vgl. K. 55b dëro mëtamûn ſceffî,
ſo daß mëtan-ſ. ſtünde f. mëtam-, mitum-ſ.?) formunt-
ſcaf (defenſio) monſ. 405. kinôƷ-ſcaf (conſortium) K.
46b 37b jun. 200. 237. 260. canôƷ-ſcaf ker. 9. nôƷ-ſcaf
doc. 227a vgl. heri-ganôƷ-ſcaf monſ. 406. pota-ſcaf, boto-
ſcaf O. II. 13, 14. V. 8, 107. bote-ſcaf T. 150. pruodar-
ſcaf (fraternitas) bruadar-ſcaf O. V. 23, 238. 25, 43.
giſella-ſcaf (ſocietas) T. 80. trût-ſcaf (familiaritas, trût
ſubſtantive genommen) drût-ſcaf O. IV. 9, 60. wini-ſcaf
(foedus) jun. 176. giwîƷ-ſcaf (teſtimonium) T. 13, 4. 21, 4.
87. 88. 134. 145. 189, 2. 195, 6. 239, 5. ein ſchw. maſc.
giwîƷo (teſtis, agſ. gevîta) vorausſetzend. Gegen das
zehnte jh. beginnt die form -ſcaft, -ſchaft, vgl. gnôƷ-
ſcaft N. 21, 22. wini-ſcaft N. 70, 7. blaſ. 103b mëtel-ſcaft
doc. 294. geſelli-ſcaft W. 1, 7. Das maſc. ſpëra-ſcaft
(haſta) hrab. 972a iſt nicht hiermit zu vermengen (doch
vgl. agſ. dëoreð-ſcëaft; altn. ſkapt, haſtile von -ſkapr un-
terſchieden). — altſ. gilt -ſcepi, das meiſt männlich, zu-
weilen neutral, nie aber weiblich iſt: ambaht-ſcepi, bod-
ſcepi, brôder-ſc. ërl-ſc. (principatus) folc-ſc. gum-ſc.
heri-ſc. junger-ſc. thëgan-ſc. wërd-ſc. (coena) etc. nicht
ſelten hat ſich ſogar i für e (wie ſonſt biki f. beki) einge-
drängt, vorzüglich in den flexionen, z. b. gibod-ſcipies,
[521]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
gum-ſcipe (dat.). Außer dieſen formen finde ich aber
auch noch -ſcap neutral in wurd-giſcap (fatum) pl.
wurdgiſcapu und -ſcaft weiblich in hugi-ſcaft (fides) pl.
hugiſcefti. Der vollſtändige text der E. H. wird mehr
beiſpiele enthalten. Sollte nicht die freckenh. urk. p. 28.
meƷa-ſkap (convictus), freilich für meta-ſcap, gewähren
(meƷas-kâp iſt unzuläßig)? gl. lipſ. haben urkund-ſcap
(teſtimonium) von urkundo (teſtis). — agſ. -ſcipe (maſc.)
pl. -ſcipas, mit dem entſchiednen übertritt des e in i:
bod-ſcipe, ëaldor-ſc. frëónd-ſc. land-ſc. lëód-ſc. mägen-
ſc. (potentia) met-ſc. (convictus) þëgen-ſc. gevît-ſc. (teſti-
monium) vird-ſcipas (comitia) u. a. m. Daneben aber
als ältere form (Beov. kennt noch kein -ſcipe) -ſcëaft
(wiederum maſc. vgl. gëó-ſcëaft grimne, acc. ſg. Beov.
94.): dëoreð-ſcëaft (haſta) Cädm. 43. here-ſcëaft (agmen)
Beov. 27. hyge-ſcëaft (mens) Cädm. 7. lîf-geſcëaft Beov.
147. mæl-geſcëaft Beov. 203. mëtod-ſcëaft (deus, divinitas)
Beov. 82. 90. väl-ſcëaft Beov. 32. von-ſcëaft (defectus, vi-
tium? ahd. wana-ſc.) Beov. 12. voruld-geſcëaft (creatura);
endlich iſt aus vyrd-geſcëapum (fortuito) die form vyrd-ge-
ſcëap
(fatum) zu entnehmen. — altn. -ſkapr (maſc.): dreng-
ſkapr (virtus) fiand-ſk. (inim.) grey-ſ. (indoles canina)
höfdîng-ſk. (magniſicentia) land-ſk. (conſuetudo) mat-ſk.
(victus, Biörn gibt nur das verbum) ſel-ſk. (ſocietas)
vin-ſk. (amicitia). — mhd. -ſchaft (fem.): amûr-ſch.
Parc. 106b bot-ſch. MS. 1, 133a erbe-ſch. Wh. 2, 132b
fîent-ſch. friunt-ſch. Parc. 192c her-ſch. (multitudo) Triſt.
4047. 4324. (verſch. von hêr-ſch. excellentia, dominatus
Triſt. 4042. 4324. Wigal. 332. oder verfließt die unter-
ſcheidung?) hône-ſch. MS. 2, 222a kone-ſch. (matrimo-
nium) Wigal. künne-ſch. (cognatio) Rud. weltchr. lant-
ſch. gemahel-ſch. Barl. mâc-ſch. (cognatio) MS. 1, 126b
meiſter-ſch. Barl. nëve-ſch. Reinh. 327. genôƷ-ſch. Iw.
11c Flore 7b riter-ſch. ſip-ſch. troj. 51a geſelle-ſch. Wi-
gal. 71. 85. Parc. 163c 170a trût-ſch. Triſt. wër-ſch.
(praeſtatio) Parc. 189c wirt-ſch. Wigal. Im Rother gilt
noch das alte -ſcaf (fem.), z. b. bode-ſc. 2103. heiden-ſc.
2667. meiſter-ſc. 2275. wirt-ſc. 2561. (maſc.) etc. desgl.
cod. pal. 361, 40c vriunt-ſcaf etc. — mnl. -ſcap (fem.):
haet-ſcap (odium) Maerl. 1, 193. 224. 428. heidîn-ſc.
her-ſc. (copiae, exercitus, ganz verſch. von unſerm herr-
ſchaft) Clignett p. 238. maech-ſc. (cognatio) Maerl. 1, 346.
nut-ſc. (utilitas) Maerl. 1, 358. wer-ſc. (coena, hoſpitium)
Maerl. 1, 451. 2, 135; bisweilen ſcheint das geſchlecht
neutral, z. b. jued-ſcap (religio jud.) Maerl. 2, 201. auch
[522]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
kommt -ſcepe vor: vîant-ſcepe Barl. 1, 378. — nhd.
-ſchaft (fem.): bauer-ſch. bôt-ſch. brüder-ſch. (falſch f.
brûder-ſch.) bürger-ſch. buhl-ſch. diener-ſch. dorf-ſch.
feind-ſch. freund-ſch. grâf-ſch. heiden-ſch. herr-ſch. (nur
in der bedeutung von imperium, dominatio) jünger-ſch.
land-ſch. mann-ſch. (copiae) meiſter-ſch. vormund-ſch.
nachbar-ſch. prieſter-ſch. ritter-ſch. geſell-ſch. ſipp-ſch.
vâter-ſch. gevatter-ſch. vetter-ſch. wirt-ſch. u. a. m. Un-
organiſch ſind jûden-ſch. leiden-ſch. und dergl. — nnl.
-ſchap, in der regel weiblich: bôd-ſchap, broeder-ſch.
mât-ſch. ridder-ſch. vriend-ſch.; doch gelten verſchiedne
für neutra als: burger-ſchap, land-ſch. mâg-ſch. genôt-
ſch. prieſter-ſch. zwager-ſch. — auch beim ſchwed. und
dän. -ſkap, -ſkab hat ſich das neutr. eingeſchlichen, z. b.
land-ſkap, ſäll-ſk. bud-ſkab, land-ſk. ſel-ſk. ven-ſk. (ami-
citia); einzelne werden unneutral geſetzt. — engl. ſhip:
friend-ſhip, lady-ſh. lord-ſh. etc. einigen hat der gebrauch
-ſkip, -ſcape gegeben: land-ſkip, land-ſcape.


ſkalks (famulus): ahd. ampaht-ſcalh, chouf-ſcalh jun.
203. und die n. pr. engil-ſcalh, gota-ſcalh (nhd. engel-
ſchall, gott-ſchalk); marah-ſc. findet ſich nicht, nur das
entſtellte mari-ſc. flor. 983b mhd. mar-ſchalch, nhd. mar-
ſchall (wie mar-ſtall, mar-burg.) — altſ. hildi-ſcalc. —
agſ. ambiht-ſcealc Jud. 10. Cädm. 41. bëór-ſc. Beov. 95.
frëóðo-ſc. Cädm. 54. helie-ſc. Cädm. 94.


ſkara? (ordo, agmen): ahd. haram-ſcara monſ. 346.
zëlt-ſcara (acies) W. 6, 3, 9. — agſ. folc-ſcëare Beov. 8.
Cädm. 41. 60. guð-ſc. Beov. 93. hëarm-ſc. Cädm. 11. in-
vit-ſc. Beov. 185 lëód-ſc. Cädm. 7. — mhd. hal-ſchar f.
hals-ſch. cod. pal. 361, 31b fragm. bell. 18a harn-ſchar,
hove-ſch. troj. 65c. — nhd. pflug-ſchâr?


ſkards? (ſegmen): ahd. lidi-ſcart (mutilatio membri)
lex alem. 60. bajuv. 3, 1. vgl. das adj. lida-ſcart (mur-
cus? mutilus) monſ. 378. — agſ. hëaðo-ſcëard Beov. 210.
mägen-ſcëard, Aethelſt. — mhd. iſt kein hëlm-ſchart Bit.
53b 65b 124a rinc-ſch. kl. 15. 80. Bit. 38b ſchilt-ſch. Bit.
131a anzunehmen, ſondern ſchart das adj. (vgl. Bit. 90a
96b 108a. b.


ſkatts (numus): ahd. feri-ſcaz (naulum) jun. 191. monſ.
344. zwetl. 127a lindenbr. 998a frôno-ſcaz N. Boeth. 65. 127.
miet-ſcaz T. 222, 2. zins-ſc. T. 93. — altſ. ſilubar-ſcatt (argen-
teus). — agſ. giſ-ſcëatt (donum?) Beov. 31. mêd-ſc. ſâvel-
ſc. — mhd. houbet-ſchatz troj. 33c kouf-ſchatz Wh. 2, 201a
gemahel-ſchatz Marl. 89. 95. Geo. 46b mehel-ſchatz Parc.
106b ſlege-ſchatz Oberl. 1509. (ver-ſchatz finde ich nicht
[523]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
mehr, in den Nib. ſteht ſolt 6203. 6243.) — nhd. ſchlag-
ſchatz.


ſkaþa? (noxius, maleficus): altſ. land-ſcatho (latro publ.)
mên-ſc. regin-ſ. thied-ſ. wam-ſc. — agſ. âtor-ſcëaða (ve-
neficus) Beov. 211. dolh-ſc. Beov. 38. fëónd-ſc. Beov. 44.
guð-ſc. Beov. 173. hell-ſc. Cädm. 17. hëarm-ſc. Beov. 60.
lëód-ſc. Beov. 157. Cädm. 22. mân-ſc. Cädm. 29. Beov.
56. 102. 187. uht-ſc. Beov. 170. þëód-ſc. Beov. 170. 200.


ahd. ſcrîn (ſcrinium): ſarh-ſcrîn jun. 211. — mhd.
ſoum-ſchrîn Parc. 18c 85b leit-ſchrin Nib.


ſlahs (ictus): ahd. hant-ſlac T. 187, 4. ôr-ſlac linden-
br. 992a pûli-ſlac lex alam. 59. baj. 3, 1. 4, 1. und ſicher
andre mehr, wie dûm-ſl. hals-ſl. — altſ. huof-ſlag (ictus
ungulae eq.) — mhd. bruſt-ſlac kl. bûl-ſlac Roth. 18b 44a
47b donre-ſlac kl. 1542. ſ. l. Ben. 138. dûm-ſlac Schilde-
ners gothl. geſetz p. 201. 202. hant-ſlac Roth. 33b mûl-
ſlac Parc. 87b nît-ſlac kl. 1498. Bit. 110b Wigam. 20a ôr-
ſlac cod. pal. 361, 65a ſchirm-ſl. heldenb. ſwërt-ſl. kl.
771. vûſt-ſ.; häufig ſteht auch uncomponiert gotes ſlac
kl. 1432. gîgen ſlac Nib. 7317. zungen ſlac w. gaſt. 120b
geiſeln ſlac Barl. 378, uneigentlich brâwen-ſlac (ictus
oculorum) Barl. 213. backen-ſl. MS. 2, 6b bëſmen-ſl.
ibid. (richtiger ſchiene bëſem-ſl.) — nhd. baum-ſchlâg,
donner-ſchl. fauſt-ſchl. fluͤgel-ſchl. hand-ſchl. hâgel-ſchl.
hûf-ſchl. ritter-ſchl. ſchwert-ſchl. ſtock-ſchl. tôd-ſchl. wet-
ter-ſchl. zauber-ſchl.; uneigentlich aber gerten-ſchl. ru-
then-ſchl. nerven-ſchl.


ſlahts? (percuſſio): ahd. man-ſlaht (homicidium) fater-
ſl. (parricidium) hrab. 971a tala-ſlaht (depreſſio vallis) W.
6, 10. (viell. -ſluht?). — agſ. hond-ſliht Beov 217. 220.
väl-ſl. Cädm. 69. — mhd. man-ſlaht Barl.


ſlahta (genus): ahd. chnëht-ſlahta N. ſcalch-ſl. (ſemen
ſervorum) N. 68, 37. tiuvel-ſl. (daemonia) N. 103, 20.
Vermuthlich gehört das vorhingenannte nhd. baum-ſchlâg
hierher (man ſagt: ein ſchöner ſchlag leute, bäume).


ſlahja? (percuſſor): ahd. man-ſlago, man-ſlecco (ho-
micida) muoter-ſlecco (matricida) zwetl. 126a. — agſ. fä-
der-ſlaga (parricida) man-ſlaga, engl. man-ſlayer. — nhd.
tôd-ſchlæger.


ahd. ſlinga (funda): ſtapa-ſlinga (tormentum) monſ.
361. — mhd. ſtab-ſlinge Parc. 137c. — altengl. ſtaff-ſling
C. T. 13758.


ſmiþs? (faber): ahd. îſarn-ſmid (f. ferrarius) monſ.
335. kold-ſm. ſilpar-ſm. — agſ. ambiht-ſmið (praefectus
ſabrorum) âr-ſm. (f. aerarius) gold-ſm. hlëahtor-ſm. (ri-
[524]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
ſus excitator) Cädm. 64. îſen-ſm. vîg-ſm. (motor belli)
Cädm. 58. vundor-ſim. Beov. 127. — altn. iarn-ſmiðr,
ſkô-ſmiðr (ſutor) trê-ſm. (lignarius). — mhd. houbet-ſmit
ſchm. 98. — nhd. gold-ſchmid, eiſen-ſchm. reim-ſchm.
ſilber-ſchm. waffen-ſchm. — Es treten auch uneigentliche
compoſitionen ein, z. b. agſ. væpna-ſm. Beov. 110. altn.
lióða-ſmiðr (poeta) ſkipa-ſm. (faber navis) mhd. kampfes-
ſmit Parc. 50c nhd. luͤgen-ſchmid (oder vom alten lugina?).


ahd. ſnitu? ſnit? (ſegmen): rëbe-ſnit W. 2, 11. —
mhd. heiden-ſnit Karl 100a.


ahd. ſnuor (funis): mhd. boc-ſnuor Ottoc. 75b zëlt-
ſnuor Parc. 84c.


ſôkja? (quaeſtor): ahd. ſculd-ſuohho (exactor) jun.
203. wërah-ſuohho (idem) jun. 204.; denkbar ſind këlt-ſ.
rât-ſ. heim-ſ. und aus nôt-ſuoh (exactio) monſ. 358. 384.
folgt nôt-ſuohho (exactor) wofür ſchon nôt-ſuohhâri
monſ. 394. — nhd. ſtern-ſûcher.


ahd. ſpil (gaudium, jocus) gen. ſpiles (vgl. ſpilôn, gau-
dere, ſpilôdôn, exultare): ahd. comp. habe ich keine be-
merkt; mhd. zeigen auch noch nicht ganz den beſchränk-
tern ſinn des nhd. ſpîl (ludus), ſtreifen ſelbſt an die all-
gemeinheit des analogen leich (vorhin ſ. 504.): haſpel-
ſpil Geo. 59a minne-ſp. Ben. 154. nît-ſp. (pugna ſeria)
Parc. 168c Karl 62b Bit. 122b riter-ſp. Wigal. 49. Bit.
135a ſcham-ſp. miſc. 2, 89. ſeite-ſp. Wigal. 12. 64. vëder-
ſp. (venatio volucrum, dann auch accipiter, falco) Roth.
13. Parc. 96c 118b Wigal. 41. 184. Bit. 135a wint-ſp. (ver-
tagus, eig. jagd mit windhunden) Bit. 71b wunne-ſp. (kann
ich nicht belegen, troj. 124c ſtehet uncomp. wunne ſpil,
Ben. 160. wunnen ſpil miſc. 1, 104. hërzen ſpil) zouber-
ſp. troj. 82b — mnl. nît-ſpël (proelium) Huyd. op St.
1, 37. — nhd. brett-ſpîl, finger-ſp. kêgel-ſp. luſt-ſp.
ritter-ſp. ſchach-ſp. ſchau-ſp. trauer-ſp. würfel-ſp. und
unorganiſch ſchatten-ſp.; fêder-ſp. wind-ſp. nur in der
jägerſprache für falke, hund; in der ſchweiz bedeutet
wind-ſpîl ganz etwas anders, nämlich wirbelwind (St. 2,
452.); ſonderbar iſt kirch-ſpîl (parochia) nnl. kërk-ſpel,
worin ſpîl menge, gemeinde ausdrückt (wie in der
volksſprache menſche-ſp. leute-ſp. für multitudo plebis,
frohes gewimmel der menge? oder abſtract für -ſchaft,
-leich?).


ſpill (ſermo, narratio) vgl. ſpillôn (narrare); ahd.
ſpël, gen. ſpëlles (vom vorhergehenden ſpil, ſpiles ganz
verſch.); agſ. ſpëll, altn. ſpiall, mhd. ſpël, -lles, nhd. nur
entſtellt übrig in bei-ſpiel (mhd. bî-ſpël, nicht -ſpil):
[525]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
ahd. got-ſpël (evangelium) zu folgern aus got-ſpëllôn
(evangelizare) *) T. 13, 25. früher kota-ſpëll? — agſ.
bëalo-ſpell Cädm. 73. god-ſp. (evang.) guð-ſp. (nunc.
belli) Cädm. 46. vëá-ſp. Beov. 100. — altſ. wil-ſpël (gra-
tus nunc.) mut-ſpëlli (nunc. mutationis?) — altn. gud-
ſpiall (evangelium). — engl. go-ſpel.


ahd. ſpuot (felicitas) agſ. ſpêd: frëoðo-ſpêd Cädm. 28.
here-ſp. Beov. 7. tuddor-ſp. (fel. prohs) Cädm. 59. vul-
dor-ſp. Cädm. 3.


ſtafs? (baculus) ahd. ſtap, agſ. ſtäf, altn. ſtafr, wird
aber auch von allen handlungen gebraucht, wobei der
ſtab vorkommt und geht in abſtracte begriffe über (ge-
wöhnl. ſtehen dann die comp. im pl.): ahd. eid-ſtap
(judicium, wo der eid geſtabt wird) N. 111, 5. chandal-
ſtap (haſtile) jun. 194. kentila-ſtab (candelabrum) T. 25, 2.
ovan-ſtap, oven-ſtab trev. 61b puoh-ſtab K. 54a monſ.
325. 336. 409. zwetl. 234. buah-ſtab O. II. 10, 18. III. 7,
150. rûn-ſtap K. 51a ruog-ſtap (accuſatio) T. 194, 1. O.
IV. 20, 19. 21, 26. — altſ. buok-ſtab. — agſ. âr-ſtäf (ho-
nor) Beov. 31. 37. bôc-ſtäf Cädm. 90. candel-ſtäf (can-
delabr.) êdulf-ſtäf (ſuſtentaculum? das erſte wort dunkel)
Cädm. 26. ende-ſtäf (mors) Beov. 132. êdil-ſtäf (columna
patriae) Cädm. 48. fâcn-ſtäf (flagitium) Beov. 78. hëarm-
ſtäf (calamitas, damnum) Cädm. 23. — altn. blund-ſtafr
(ſopor) ſæm. edd. 192b bôk-ſtafr (character) böl-ſtafr (ma-
lum, calamitas) ibid. 198a dreyr-ſtafr (ſanguis) ibid. 125b
feikn-ſtafr (dirae) ibid. 128a Hervar. ſag. p. 58. hel-ſtafr (dic-
tum mortiferum) ibid. 145b hiâlm-ſt. ibid. 184b leið-ſtafr (fa-
ſtidium) ibid. 63b lîcn-ſtafr (lenimentum) ibid. 12a mein-ſtafr
(ſcelus) ibid. 63b qvein-ſtafr (lamentatio) Biörn h. v.;
uncomponiert ſcheinen laga ſtafr (mare) edd. ſæm. 50b
51b laſta ſtafr (convitium) ibid. 61a. — mhd. buoch-ſtap,
pl. -ſtabe (bei den meiſten und älteſten dichtern, einige,
namentl. Conrad geben ſchw. form, pl. buoch-ſtaben)
leite-ſtap troj. 49b ſige-ſtap (n. pr., das ſich nicht in ahd.
urk. findet) videl-ſtap jun. 315. (ſonſt videl-boge). —
mnl. boek-ſtaf und der eigenname calſ-ſtaf Maerl. 1, 176. —
nhd. bûch-ſtâb u. ſtâbe (pl. nur bûch-ſtâben) bettel-ſtâb
(altn. vanar-völr) general-ſtâb; noch im 17. jh. häufig:
[526]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
die ſtæbe = corpora, magiſtratus; bildlich: ſtab meines
alters (mhd. Karl 115b). — engl. fall-ſtaff (n. pr.)


ſtáins (lapis): ahd. eggi-ſtein trev. 37a houbet-ſtein
N. 117, 22. marh-ſt. zwetl. 125a muole-ſt. trev. 61b
renni-ſt. (colluviarium) ſtaufe-ſt. (cautes) ker. 55.
wentil-ſt. (cochlea) trev. 36a wihſil-ſt. (penas) blaſ.
87a wofür wihil-ſt. trev. 36b neri-ſt. (n. pr.). —
agſ. cëoſol-ſtân (calculus) cvëorn-ſt. (l. molaris) fôt-ſt.
(fultura) harne-ſt. (ſaxum canum?) Beov. 68. 107. 190.
204. und die mannesnamen vëox-ſtân, vulf-ſtân. — mhd.
alter-ſtein (altare) Parc. 111b age-ſt. Triſt. dil-ſt. (fundam.)
ſchm. 33. lâƷ-ſt. En. 6895. Gudr. 3162. 5820. Bit. 1595.
marmel-ſt. Nib. mül-ſt. troj. 46c mûr-ſt. kl. 2157.
murſel-ſt. fragm. 38. ort-ſt. Alex. 444a rigel-ſt. Nib. ſarc-
ſt. Wh. 2, 161a ſarke-ſt. kl. 4055. (ſarkes ſtein Parc. 192b)
ſchûr-ſt. Bit. 105a vëlt-ſt. Roth. 32b waƷƷer-ſt. Parc. 137c. —
nhd. altar-ſt. eck-ſt. feld-ſt. fels-ſt. feuer-ſt. gränz-ſt.
grund-ſt. kieſel-ſt. mauer-ſt. mühl-ſt. râben-ſt. rinn-ſt.
ſand-ſt. ſchiefer-ſt. ſchorn-ſt. tauf-ſt. winkel-ſt. etc.


ſtáirnô (ſtella): die ahd. comp. ſchwanken zwiſchen
ſchw. und ſt. form, vgl. âbent-ſtërno, tago-ſtërno N.
Boeth. 106. 110. âbinte-ſtërro, tage-ſtërro trev. 23a lëoht-
ſtërro jun. 186. dagegen taga-ſtërn hymn. daka-ſtërn ker.
168. — altſ. kuning-ſtërro (cometa). — mhd. ſchw. form:
leite-ſtërne (ſt. polaris) troj. 35b ſchm. 828. morgen-ſtërne
MS. 1, 107a 2, 5b ſchm. 140. tage-ſtërne cod. pal. 361,
74b Triſt.; keine comp. ſind aber: mers ſtërne MS. 2,
170a tunkel ſtërne (veſperugo) MS. 1, 38b von tunkel
(crepuſculum)? vgl. tunculle (gurgitem) ker. 42. mhd.
tunc (abyſſus) ſchm. 173. MS. 2, 200b.


ſtapa? (-gradus): ahd. hawi-ſtapho (locuſta). — agſ.
gärs-ſtapa (locuſta) hæð-ſtapa (der über die heide wan-
dert) Beov. 104. mëarc-ſt. Beov. 103. mere-ſt. Beov. 10.
(wo mære falſch ſcheint) môr-ſt. (ſumpfwanderer).


ahd. ſtal (locus) neutr.: cherzi-ſtal (candelabrum) ſgall.
trev. 56a heri-ſtal (caſtra) hrind-ſtal (armentum, paſcua) jun.
193. liut-ſtal (ſtatio) jun. 228. — agſ. burg-ſtëal (clivus) fäder-
ſtëal (vaterſtelle) Beov. 112. vîc-ſtëal (caſtra) Cädm. 65. väter-
ſtëal (ſtagnum). — mhd. burc-ſtal (arx) Bit. 135a Ottoc. 607b
criuze-ſtal cod. pal. 361, 89d (uncomp. criuzes ſtal Gudr.
4681.) kërz-ſtal Parc. 55c hirn-ſtal (frons) miſc. 2, 73.
tropf-ſtal (ſtillicidium) mon. boic. XIX, 66. XX, 7. — nhd.
veraltet, nur die volksſprache kennt noch burg-ſtall (ru-
dus arcis) vgl. Goldaſt ſcr. 1, 110. liecht-ſtall (candelabr.)
[527]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
Stald. 2, 171. ſo heißt auch die ſtadt luneville, vgl.
Oberl. 932. *).


ahd. ſtallo (ſocius, ſtallbruder): nôt-ſtallo, nôt-giſtallo
(vorhin ſ. 472.) — agſ. ëaxl-geſtëalla Beov. 101. 129.
fyrd-geſtëalla (ſocius belli) Cädm. 44. folc-geſt. Cädm. 7.
hond-geſt. Beov. 162. 182. 193. lind-geſt. Beov. 148. nŷd-
geſt. Beov. 68. vill-geſt. Cädm. 47. — mhd. nôt-geſtalle
Parc. 112b Frig. 22b.


gaſtalds (ſe gerens, vgl. das langobard. gaſtaldus, geſtor,
miniſter): agláit-gaſtalds (turpiter ſe gerens) Tit. 1, 7. —
ahd. haga-ſtalt (tyro, coelebs) belegt vorhin ſ. 414. 457.
es iſt auch urkundlicher mannsname, außer ihm finde ich
heri-ſtalt und win-ſtalt. — agſ. häg-ſtëald (miles) Beov.
142. Cädm. 69. (in beiden ſtellen adjectiviſcher gen. pl.
hägſtëaldra, nicht hägſtealda; iſt es auch im goth. und
ahd. adj.?). — altn. edd. ſæm. 220b 240a gramr, vinr
hauk-ſtalda poetiſch für princeps (herr, freund der krie-
ger) ich laße hier unausgemacht, ob dieſes haukſtaldr aus
hökſt. högſt. entſtellt, und dem ahd. agſ. compoſ. gleich?
oder ganz davon verſchieden und an haukr (accipiter)
zu denken ſei? — mhd. hage-ſtalt habe ich noch nicht
angetroffen, Conr. aber ſcheint nôt-geſtalde fehlerhaft f.
nôt-geſtalle zu ſetzen (womit ich 1, 389. berichtige; nôt-
geſtalle gehört nicht zum goth. ſtaldan) nhd. hâge-ſtolz,
in der form verderbt, in der bedeutung beſchränkt. —
Im agſ. gilt auch ein ſächliches geſtëald (manſio), wovon
flet-geſtëald Cädm. 26. 36. vuldor-geſtëald Cädm. 75.


ſtaþs (locus, ſtatio): hunſla-ſt. (altare) môta-ſt. (telo-
nium) und in ſchw. form übertretend lukarna-ſtaþa (can-
delabrum). — ahd. fiur-ſtat (buſtum) ker. 46. fenni-ſtat
jun. 218. hamalunc-ſtat (locus calvariae) jun. 218. hamal-
ſtat T. 202, 2. mhd. hamel-ſtat a. w. 3, 217. hova-ſtat flor.
984a trev. 35a N. Boeth. 97. ſodann eine menge ortsna-
men wie alah-ſt. dinc-ſt. mahal-ſt. etc. — agſ. ëalh-ſtede
(templum) Cädm. 89. folc-ſt. Cädm. 48. Beov. 111. glêd-ſt.
(focus) Cädm. 61. meðel-ſt. Beov. 83. Cädm. 71. 74. 78.
vîc-ſt. Beov. 184. — altn. ortsnamen, z. b. hrîng-ſtöð, pl.
hrîng-ſtaðir edd. ſæm. 150a (oft uneigentlich ſævär-ſt. dan-
par-ſt. — mhd. houbet-ſtat Barl. viuwer-ſt. Nib. Parc. 55b.


ſtôls (ſedes): ahd. chuninc-ſtuol, dinc-ſt. jun. 230. valt-
ſtuol (altfranz. faudeſteuil) blaſ. 91b ſedil-ſtuol trev. 36b traga-
[528]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
ſt. monſ. 363. trev. 62a. — agſ. brêgo-ſtôl Beov. 164. 177. cy-
ne-ſt. Cädm. 97. êðel-ſt. Cädm. 27. Beov. 160. 177. gif-ſt.
Beov. 15. 174. gum-ſt. Beov. 147. hëofon-ſt. Cädm. 1. rodor-
ſt. Cädm. 18. väl-ſt. yrfe-ſt. Cädm. 47. — altn. dôm-ſtôll
(tribunal) rauk-ſt. (ſedes caliginis? nach Biörn die wol-
ken) edd. ſæm. 1b 2a. — mhd. hêr-ſtuol (thronus) Geo. 47b.


ſtráums? (torrens): altſ. aha-ſtrôm, meri-ſtr. wâgo-
ſtr. — agſ. brim-ſtreám Beov. 143. ëá-ſtreám (t. aquae)
Cädm. 5. eg-ſtr. (t. horroris) Cädm. 32. Beov. 45. ëa-
gor-ſtr. (oceanus) Cädm. 31. Beov. 41. (vgl. ſ. 484. über
egeſa) firgen-ſtr. (t. ſilveſtr.) Beov. 103. 159. lagu-ſtr.
Beov. 25. mere-ſtr. Cädm. 20. 73. 86. ſæ-ſtr. Cädm. 68.
väl-ſtr. Cädm. 30. vâg-ſtr. Cädm. 69. — nhd. berg-ſtrôm,
meer-ſtr. wald-ſtr.


ſtrêta? (via ſtrata): ahd. heri-ſtrâƷa zwetl. 110a. —
agſ. ceáp-ſtræte (via mercat.) here-ſtr. Cädm. 69. lagu-
ſtr. Beov. 20. mere-ſtr. Beov. 41. — mhd. burc-ſtrâƷe,
himel-ſtr. Barl. 105. ſchm. 600. MS. 2, 219b waƷƷer-ſtr.
Nib. — nhd. berg-ſtrâße, hêr-ſtr. milch-ſtr. waßer-ſtr.
wein-ſtr. (worauf gefahren wird, um wein zu holen).


gaſtriun? (opes acquiſitae): agſ. botl-geſtrëón Cädm.
25. 42. folc-geſtrëón Cädm. 43. hord-geſtr. Beov. 143. 229.
mâðm-geſtr. Beov. 145. ſinc-geſtr. Beov. 83. 94. þëód-
geſtr. Beov. 6. 93. voruld-geſtr. Cädm. 41. 58. Der name
des erwerbers ſteht aber im gen. ëorla geſtr. Beov. 234.
häleða geſtr. Cädm. 89.


ahd. ſûl (columna): irmin-ſûl (ſ. 448.) magan-ſûl N.
Boeth. 127. turi-ſûl (poſtis) ſgall. 182. wolchan-ſûl N. 98,
7. — mhd. irmen-ſûl cod. pal. 361, 3c 24c. — nhd.
ſchand-ſeule, thür-ſ. wêg-ſ.; unorg. aber iſt ehren-ſ.


ahd. ſuand, ſuandjo? (perditor) bloß gefolgert aus
dem mhd. valſcheit-ſwant (deſtructor iniquitatis) Parc.
71b*) walt-ſwende (ligniperda, holzverderber, lanzen-
brecher) **) Parc. 14a Fürt. Iw. (Mich. II. 100). Da
ſchon O. IV. 26, 98. then gruanon boum ſuentan ge-
braucht; ſchweizeriſch ſchwänden vom auslichten des
holzes, waldes gilt (St. 2, 359. 360), der ſchwändten hieb
und ſchnitt bedeutet; ſo ſcheint das agſ. fem. ſvaðu (cae-
ſura, caeſio, veſtigium) verwandt, wovon die comp. bîl-
ſvaðu (beilhauen) Cädm. 69. dolh-ſv. (cicatrix, gehauene
wunde) fôt-ſv. (veſt. pedis) ſvât-ſv. (caedes, das blut
[529]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
hauen Beov. 218. vald-ſv. (waldverhau, waldweg) Beov.
107.; ahd. könnte das heißen walt-ſuanda, ſueiƷ-ſuanda etc.?


ahd. ſuanc? (ictus, vibratio) agſ. ſveng, pl. ſvengëas:
fëorh-ſveng Beov. 186. hëaðo-ſv. Beov. 192. hëoro-ſv.
Beov. 120. hord-ſv. (unveiſtändlich) Beov. 115. väl-ſv.
(todesſtreich) Cädm. 24. — altfrieſ. ſwarta-ſwang As. 94.
müſte d für t haben, um durch ſchwert oder ſchwarte
(haut) erklärlich zu werden und ſchwarz fügt ſich nicht in
den ſinn. — mhd. ſcate-ſwanc (zuwendung des ſch.)
Parc. 163b ſwërt-ſwanc Nib. — Uncomponiert ſtehet
ſvëordes ſveng Beov. 178. ſwërtes ſwanc Wh. 2, 22a ou
genblickes ſw. ibid. 70b ſëgenes ſw. ibid. 66a.


ahd. ſuëro (dolor): ouc-ſuëro (ophthalmia) trev. 19c. —
mhd. zan-ſwër Frig. 1704. Herb. 78d.


ahd. ſuart, ſuert (juramentum): eid-ſuart, -ſuert hrab.
968a jun. 210. — agſ. âð-ſvëard Beov. 155.


ahd. ſuërt (enſis); mûhhil-ſuërt (ſica) flor. 985b. —
agſ. guð-ſvëord Beov. 161. væg-ſv. (?) Beov. 113. — mhd
ſtabe-ſwërt (pugio) Rud.


táikns (ſignum): ahd. himil-zeihhan hymn. 949. wort-
zeihhan (oben ſ. 481.) — altſ. word-têkan. — agſ. luf-tâ-
cen (ſ. amoris) Beov. 140. friðo-tâcen Cädm. 51. — mhd.
her-zeichen Wh. 2, 148a wâr-z. Parc. 150b. wort-z. Barl.
— nhd. feld-z. wahr-z.


táins (palmes): veina-táins. — agſ. âter-tân (virga
venenata) Beov. 111. hëarm-tân (germen calamitatis)
Cädm. 24. — altn. egg-teinn (n. enſis). miſtil-teinn (acer).


taúha (dux): ahd. heri-zoho J. 393. heri-zogo O. IV.
7, 34. maka-zoho (nutritor). — altſ. folk-togo, heri-togo. —
agſ. folc-toga Beov. 65. Cädm. 43. 86. 89. — mhd. her-
zoge, magt-zoge. — nhd. her-zôg, hahn-zôg (n. pr.).


teihaþs? ahd. zît (tempus): ahd. arn-zît (t. meſſis) T.
76. arno-gizît O. II. 14, 208. wintar-zît K. 30a. — agſ.
æfen-tîd Cädm. 52. morgen-t. Beov. 39. uht-t. Cädm. 67.
— mhd. ſiecheit-zît Parc. 193c tage-z. Nib. vride-z. Gudr.
34a aber auch uncomp. winters z. ſumers zît Ben. 151. —
nhd. ernte-zeit, mahl-z. und uneig. ſommers-, tags-, win-
ters-z.


timbr (materies): agſ. fyrd-timber (exercitus) fugel-t.
(ames) hëofon-t. Cädm. 4. mago-t. Cädm. 2 6. 49. 102. —
altn. uneigentl. gâlga-timbr.


triu (arbor): veina-triu. — altſ. warag-trëow (patibulum).
— agſ. cirs-trëóv (ceraſus) corn-tr. (cornus) fic-tr. (ficus)
fugel-tr. (ames) gëalc-tr. (patibulum) Beov. 218. palm-tr. pin-
tr. (pinus) plûm-tr. (prunus) ulm-tr. (ulmus) vîn-tr. (vitis).
L l
[530]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
— altn. varg-trê (patib.) edd. ſæm. 271a vîn-trê; andere
componieren ſich und zwar uneigentlich mit-vidr, z. b. pal-
ma-vidr. — Alle dieſe compoſita (gëalc-tr. fugel-tr. und varg-
tr. abgerechnet) zeigen im erſten wort undeutſche, erſt
durch den fremden baum zugeführte namen; einheimi-
ſche fruchtbäume werden nicht ſo zuſ. geſetzt, quercus,
fagus heißen auf gut agſ. âc, bôc, nicht âc-trëóv, bôc-
tr.; ahd. eih, puohha, nicht eih-poum, puoh-p.; ver-
muthl. auf goth. áiks, bôka und nicht áika-bagms, bôka-
b. (vgl. oben ſ. 441.). Allein es zeigt ſich hier ein merk-
würdiges mittelglied und die ſprache lehrt gleichſam den
fortſchritt unſerer baumzucht. Einige obſtarten und ge-
ſträuche, die dem Deutſchen früher bekannt geworden
ſein müßen, als der weinſtock, kirſchenbaum, feigen-
baum etc. führen zuſ. geſetzte namen und zwar mit dem
nämlichen wort, das hier abgehandelt wird, nur in deſ-
ſen älterer geſtalt. Dem goth. triu entſpricht das celti-
ſche dero, ſlav. drevo (arbor, lignum), vor der lautver-
ſchiebung wird alſo das goth. wort gelautet haben driu,
daíru? oder wie ſich die übrigen buchſtaben geſtalteten,
es kommt hier bloß auf den anlaut an. Den goth. aus-
druck fur malus können wir freilich aus Ulf. nicht erſe-
hen (in der verſion des hohenliedes ſtünde er), vermuth-
lich war er ungefähr apldrô? apldrs? apldar? d. h. com-
poniert, apl-drô, welches nun die nähere form geweſen
ſeyn möge. Folgerichtig wandelt ſich die goth. med. in
ahd. ten. und hier begegnen die ſchon oben ſ. 332. berühr-
ten benennungen: aphal-tera (malus) affol-tera, affol-tra
monſ. 326. 414. trev, 16a W. 2, 3. afphol-ter gl. vind. [vgl.
die urkundlichen ortsnamen affaltraha, affultarwang; welche
von gepflanzten apfelbäumen herrühren]; hioful-tera, hiefel-
tra, hiufal-tar ein ſtrauch mit wilden beeren [vgl. hiafa O. II.
23, 27. mhd. hiefe MS. 2, 237a Geo. 4032. agſ. hëópe, roſa
ſilv.] ker. 281. durch ſentis, trev. 17a blaſ. 53a durch tribulus
erklärt; maƷal-tera (acer) monſ. 414. maƷil-tira flor. 986b
maƷul-tra (tamarica) ſgall. maƷal-dra (myrica) blaſ. 52b;
dieſe drei ſcheinen ſchw. fem., hingegen ſt. maſc. holan-
tar (ſambucus) ſgall. monſ. 414. verkürzt hol-dir trev.
17a und wëhhal-tar (juniperus) wechul-der trev. 17a. Die
mhd. dichter enthalten ſich der gewis noch gangbaren na-
men im reim, nur das ungedruckte wahtelmære (grundr.
p. 324. nr. 45.) gewährt aphalter: malter; in proſa wer-
den ſie eher vorkommen, vgl. Oberl. 19. Nhd. dauern
nach art ſolcher wörter verhärtet fort: holun-der, maß-
hol-der, wachol-der (nd. queckol-der); affol-der gilt im
[531]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
volksdialect zwar nicht für malus, ſondern für cornus,
opulus *); als veraltet nl. gibt Ki [...]ian appel-tere (malus)
und notel-tere neben appel-boom, not-b. Agſ. apul-dor
(malus) apul-dre (n. loci, engl. apple-doore); mapul-dor
(acer) **). Altn. bloß apal-dr (pomus) gen. apaldrs?
oder apaldrar? vgl. rôg-apaldr edd. ſæm. 142a brynþ[i]ngs
ap. 194b; im dän. abil-d hat vom zweiten wort bloß das
d gehaftet, im ſchwed. apal gar nichts (pomum altn. epli,
ſchwed. äple, dän. äble). — Der pleonaſmus in den wei-
teren zuſ. ſetzungen affalter-boum W. 8, 5. wëchalter-
poum monſ. 329. flor. 996a holdir-b. blaſ. 52b wird nicht
befremden; im dän. ſind abild und äble-træ gleichviel.


tuggl? (ſidus): ahd. himil-zungal hrab. 974b, altſ. hë-
ban-tungel, agſ. hëofon-tungl Cädm. 86.


tunþus (dens): ahd. chinni-zan (maxillaris) ſgall. 190.
hebir-zan? (oryx, ein thier) flor. 989a. — agſ. hilde-tux
(d. pugnax) Beov. 115. — altn. iſt dasſelbe hildi-tönn ein
n. pr. edd. ſæm. 117a, das ſchwachformige igul-tanni (igel-
zahn) und jûg-tanni (milchzahn?) poetiſcher beiname des
bären. — ahd. finde ich die uneigentl. componierten
mannsnamen maorin-zan (Neug. nr. 48.) përon-zan (Ried
nr. 15.)


þank? (gratia, memoria): ahd. mannsnamen cota-danch,
muot-danch, rîhhi-danch, wili-danch. — agſ. brëóſt-ge-
þonc (animus) Cädm. 83. hyge-þonc (idem) môd-geþonc
(cogitatio) Cädm. 3. 78. 88. invit-þonc (prava cog.) Beov.
58. ſëaro-þonc (machinatio) Beov. 60. — ähnliche altſ.
comp. mit githaht: brëoſt-g. mên-g. (prava cog.) muod-g.


þaúrnus (ſpina): ahd. an-dorn (marrubium) lindenbr.
997b trev. 18b (wo andor) blaſ. 56a jun. 330. dëpan-dorn
(rhamnus) hrab. 973a, in beiden comp. das erſte wort
dunkel. — agſ. þife-þorn (rhamnus) und umgedreht þorn-
þifel in derſelben bedeutung (torn-dyfvel ſchwed. ſca-
rabaeus). — altn. hag-þorn (cornus) lîk-þorn (helos)
ſvëfn-þ. (acus ſoporifera) und der mannsname böl-þorn
ſæm. edd. 28a, vgl. eik-þyrnir 43a. — nhd. hage-dorn,
kreuz-d. leich-d. ſchlâf-d.


agſ. þëgo (ſumptio): beáh-þ. Beov. 163. bëór-þ. Beov.
11. ſinc-þ. Beov. 214. vîn-þ. Cädm. 75.


L l 2
[532]III. ſubſt. eigenlt. comp. — ſubjt. mit ſubſt.

þigns? (miles): ahd. eigennamen arn-dëgan, irmin-
dëgan. — agſ. aldor-þëgn Cädm. 93. Beov. 100. ombiht-
þ. Beov. 53. hëal-þ. Beov. 13. 56. mago-þ. Beov. 24. 33.
107. 112. 205. mete-þ. Cädm. 65. ſele-þ. Beov. 135. aber
uncomp. fæmnan þëgn Beov. 154. vuldres þ. Cädm. 35.
cyninges þ. Beov. 67 — mhd. brût-dëgen Mar. 133.
140. ſwërt-d. Nib. Wigal. 64. volk-d. kl. 1746.


þilus? (tabulatum) agſ. þëlu: benc-þëlu Beov. 95. bu-
ruh-þ. væg-þ. (navis) Cädm. 31. 33. 34.


þigg? (cauſa, judicium): ahd. taga-dinc (placitum)
monſ. 330. N. 147, 1. trev. 58b. — altn. bryn-þîng (pugna)
ſæm. edd. 194b land-þ. (forum gen.) — mhd. tege-dinc
troj. 118a 136b tei-dinc Triſt.


þius (famulus), ahd. diu, lieber dëo, agſ. þëóv, altn. þŷr:
ahd. mannsnamen angan-dëo, arn-dëo, engil-d. hami-d.
hëlm-d. hilti-d. hugi-d. irmin-d. coma-d. cota-d. piri-d.
regin-d. etc. uneigentl. componiert iſt cotes-diu (Goldaſt
2, 111a). — agſ. ecg-þëóv (n. pr.) Beov. 22. 30. lâd-þëóv
(dux) meiſt geſchr. lâtþëóv, lâtëóv Cädm. 65. vëorc-
þëóv Cädm. 49. 76. — altn. n. pr. ham-þŷr (ahd. hami-
dëo) wofür in der edda ham-þir geſchrieben wird. —
Das entſprechende ſem. goth. þivi (famula) lautet ahd.
gleichfalls diu (nicht dëo), daher die weibl. nom. pr. adal-
diu, engil-d. hilti-d. etc. mit den männlichen oft zuſ. fallen.


þiubs (fur) ſcheint aber, wie das lat. wort, früher eine
allgemeinere bedeutung zu haben: ahd. meri-diup (pirata)
herrad. 192b ſcëf-diup (tiro, latro, pirata) monſ. 404. 413.
doc. 220a. — altſ. regin-thiob (trifur). — agſ. bëó-þëof
(fur apum) regn-þëóf Cädm. 73. — altn. n. pr. ey-þiófr,
frið-þ. geir-þ. her-þ. hroß-þ. (equifur) ſæm. edd. 118a*)
hun-þ. vin-þ. mann-þ. (plagiarius).


vaddjus (vallum): grundu-vaddjus. agſ. bord-vëall Beov.
221. burh-v. Cädm. 97. ëorð-v. Beov. 218. 229. grund-
v. holm-v. Cädm. 72. ſæ-v. Cädm. 69. Beov. 145. ſcild-
v. Beov. 231. ſtreám-v. Cädm. 34. — mhd. grunt-wal
Nib. — nhd. erd-wall.


vagns? (plauſtrum): ahd. reit-wakan (currus) trev.
61b vgl. reit-weko (auriga) jun. 183. — altſ. rêdi-wagan
nd. pſalm. 67, 18. — agſ. râd-vägen, -væn. — mhd. kanz-
wagen Nib. Wh. 2. Triſt. (ſchwerlich vom adj. ganz,
[533]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
eher vom ſubſt. kanz? das dem altn. kantr gleichbedeu-
tig war); noch bei Fronſperg heißt ein rüſtwagen kanz-
wagen. — nhd. heu-w. laſt-w. leiter-w.


vahtvô (vigilia): ahd. heri-wahta jun. 228. naht-wahta
zu folgern aus naht-wahtâri jun. 235? (K. 34b naht-wah-
cha) purc-wahta zu folgern aus burg-wahtel W. 3, 1. —
mhd. ſcilt-wahte Nib. — nhd. feld-wacht, ſchild-wacht,
aber nacht-wache (und nacht-wächter), wache das wa-
chen, wacht das bewachen bedeutend.


valda? (rector): ahd. lant-walto O. I. 27, 17. — agſ.
folc-vëalda Beov. 83. — altn. dôm-valdr edd. ſæm. 124b,
fôlk-valdr ibid. 81a þrûd-valdr 76a. — mhd. ſache-walte
Parc. 27b. — nhd. ſach-walter. — In ahd. eigennamen er-
ſcheint oft ſtarke form, wie im altn. dôm-valdr, woge-
gen umgekehrt altn. n. pr. ſchwache form annehmen,
dôm-valdi, dôm-aldi; beiſpiele oben ſ. 333. 334.


vaggs? (campus): ahd. holz-wanc (campus nemoreus)
monſ. 407. außerdem viele ortsnamen (vorzüglich in
ſchwaben und in der ſchweiz), deren dat. pl. in dem heu-
tigen -wangen ſteckt, auch ahd. urkunden ziehen die plu-
ralform vor (-wangâ oder -wangas) z. b. affaltra-wangâ
(campi pomiferi) wiſunt-wangâ (c. bubali); das w ver-
wiſcht ſich zuweilen (oben ſ. 349.); viele ſind uneigent-
lich, z. b. përin-w. liubilin-w. — agſ. frëoðo-vong Beov.
219. grund-vong (terra) Beov. 113. 192. 206. mëodo-v.
(aula) Beov. 124. ſæ-v. (mare) Beov. 148. ſige-v. Jud. 12.
ſtadol-v. Cädm. 42; uneigentlich aber nëorxna-vong Cädm.
4. — altn. fôlk-vângr ſæm. edd. 42a und im plur. þrûd-
vângar ſnorr. edd. 25. 61. 110; aur-vângr, hlê-vângr ſind
namen von zwergen ſæm. edd. 3a.


vards (cuſtos): daúra-vards (janitor). — ahd. ê-wart
(ſacerdos) hrab. 974a K. 55a 56a. b. êo-wart N. 50. 9.
ſchwachformig ê-warto O. I. 18, 10. und der gen. êwar-
tin K. 21b fihu-wart (cuſt. gregis) O. I. 13, 2. grieƷ-warto
(caduceator) jun. 383. helle-warto (diab.) N. turi-wart
(janitor) ker. 169. duri-wart O. II. 4, 14. unter den
mannsnamen finde ich erbi-wart, hova-w. hûs-w. lant-w.
marh-w. ſigi-w. taga-w. zîti-wart. — altſ. erbi-ward (heres)
hof-ward (hortulanus); uncomp. hëbenes ward, landes w.
liudëo w. — agſ. bât-vëard (gubernator navis) Beov. 143. brë-
go-v. Cädm. 59. däg-v. (excubitor) ecg-v. (cuſtos enſis) aus
ecg-vëarde (cuſtodia armorum, wie Beov. 20 f. and vëarde zu
leſen iſt) gefolgert, ëord-v. Beov. 174. êðel-v. Beov. 48.
165. ediſc-v. (vivarii cuſtos) ëoton-v. Beov. 52. dryhten-
v. Cädm. 86. gold-v. Beov. 228. guð-v. Cädm. 66. heá-
[534]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
fod-v. Jud. 12. hëofon-v. Cädm. 3. hëord-v. Beov. 80.
139. 171. 190. hëoro-v. (c. enſis) Beov. 162. hŷd-v. Beov.
144. lâſt-v. Cädm. 71. leác-v. (olitor) mëarc-v. Cädm. 66.
rên- (f. regen-) v. (vir fortis) Beov. 60. ſele-v. Beov.
52. vind-v. (cuſtos venti?) Beov. 93. yrfe-v. (heres);
häufig uncomp. ſvëgles v. Jud. 10. moncynnes v. Cädm.
59. hëofonrîces v. Cädm. 85. gumena v. Cädm. 88. engla
v. Cädm. 1. gâſta v. Cädm. 1. 2. lîfes v. Cädm. 4. rodora
v. Cädm. 1. 170. bëorges v. Beov. 188. 192. rîces v. Beov.
106. — altn. das n. pr. hiör-vardr (c. enſis) ſæm. edd.
118a [warum nicht vördr, wie ſonſt?] — mhd. ê-wart
miſc. 1. 51. ê-warte Mar. 21. Reinh. 405. Barl. grieƷ-
warte (c. arenae) MS. 2, 1b troj. 5c helle-warte (diab.)
Barl. ſtoc-warte (cuſtos cippi) m. Alex. 144c tür-warte;
doch die eigennamen danc-wart, ecke-w. marc-w. blei-
ben immer ſtark. — nhd. grieß-wärtel, ſtock-wärter, thuͤr-
wärter, aber die n. pr. marquart, ſieg-wart.


vardô (cuſtos f.): daúra-vardô (janitrix) neben-varda
Joh. 18, 16, 17. — ahd. duri-warta T. 186, 3.


vatô (aqua): ahd. ſêo-waƷar (aequor) hrab. 952b ſuê-
waƷar (aqua brumoſa) monſ. 400. pah-waƷar (balaſtrum)
ker. 44. — agſ. ſalt-väter Beov. 149. — nhd. bach-w. fluß-
w. meer-w. quell-w. rêgen-w. ſchnee-w. ſalz-w. ſee-w.,
unorganiſch brunnen-w. ſtatt brunn-w.


váig? (potus, poculum?) agſ. ëalo-væge Beov. 38. 39.
152. lið-væge Beov. 149. — altn. biór-veig edd. ſæm. 53a.


vaíhts (daemon): ahd. hella-wiht (diabolus) Geo. lied.
— altn. biarg-vættr (genius tutel.) mein-v. (cacodaemon)
rög-vættr edd. ſæm. 67. 68. ein ſchimpfwort, das nicht
mit dem adj. ragr (timidus) comp. ſein kann, weil es
ſonſt rag-v. heißen müſte, vielleicht iſt aber rög vættr
und letzteres weiblich anzunehmen.


vaír (vir): agſ. die pluralformen folc-vëras Cädm. 5.
(altſ. folk-wërôs) lëód-vëras Cädm. 41; vgl. ëorl-vërod
Beov. 215. flet-vërod Beov. 38.


váiþa? (manſio, ſtätte wo man raſtet und weidet) ahd.
weida: tëor-weida (luſtrum ferarum) ſgall. flor. 982a her-
rad. 180a fogal-weida (aviarium) flor. 986b, verſch. vom
altn. fugla-veiði (aucupium). — mhd. ougen-weide (der
ort, wo ſich die augen niederlaßen, Triſt. 16760. überh.
das, was man anſieht) Wigal. a Tit. 23. kl. 3709. 3849.
MS 1, 68a 127b 128a 193a troj. 42a 55c (wo ougel-w.)
[vgl. über dies comp. hernach anm 4.]; birſe-weide c. p.
361. 102d; tage-weide (iter diei, eigentlich die raſt nach voll-
brachter tagfahrt) Bit. 115b Triſt. 16686. 16766. Frig. 1187.
[535]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
En. 8a 45a; ſnabel-weide MS. 2, 179a; ſtrich-weide Triſt.
13491; vogel-weide MS. 1, 101a; wëge-weide (iter) Triſt. 8102.


vaúrd (verbum): ahd. ſkëlt-wort (convitia) jun. 186.
mhd. gëlf-wort Orlenz 349. — agſ. bëót-vord (minae)
Beov. 187. gilp-v. (arrogantia) Beov. 53. Cädm. 6. gnorn-
v. (moeſtitia) Cädm. 19. lyge-v. (mendacium) Cädm. 17.
90. meðel-v. (verba concepta) Beov. 20. ſorh-v. Cädm.
19. þryð-v. Beov. 80. — altn. ſeltner mit -ord: giaſ-ord
(conjugium) lëg-ord (fama ſtupri) lof-ord (votum) mët-
ord (dignitas); häufiger mit -yrdi: hâk-yrdi (procacitas)
hât-yrdi (ſannae) heipt-yrdi (ſaeva dicta) krîngil-yrdi
(ambages) etc.


vaúrms (vermis): ahd. dou-wurm (ſerpedo) blaſ. 69a
trev. 13a graſe-w. (eruea) ibid. lindenbr. 994b holz-w. (te-
redo) ibid. hunt-w. jun. 271. lint-w. (jaculus) trev. 12b
lindenbr. 996b rëgen-w. (lumbricus) ibid. flor. 996b ruoƷ-
w. (rubicer?) ibid. ſatil-w. (ſtellio) flor. 990a goteweppe-
w. (bombyx) flor. 986b. — altn. eitr-ormr (coluber)
högg-ormr (ſcorpius) dän. hug-orm, trê-ormr (teredo). —
mhd. lint-wurm Mar. 6. En. 23a vgl. oben -drache.


vaúrſtv (opus) ahd. wërah: taga-w. zwetl. 119b. —
altſ. firin-wërk, mên-giwërk. — agſ. däg-vëorc Cädm.
66. ellen-v. Beov. 74. 111. 235. guð-gev. Beov. 75. 135.
hand-gev. Cädm. 6. 12. hëaðo-v. Beov. 214. land-g. Beov.
72. niht-v. Beov. 64. nið-gev. Beov. 53. orleg-v. Cädm.
44. ſulh-gev. (aratio) Cädm. 25. þreá-v. Cädm. 18. —
nhd. hand-werk, pelz-w. rauch-w. ſpiel-w. tage-w.


vaúrſtvja (opifex): ahd. eitar-wurho (veneficus) jun.
255. leim-wurhto (figulus) T. 193, 5. ſtein-wurho (lapi-
darius) monſ. 357. vgl. oben ſ. 206, 210. — agſ. bëadu-
veorca (bellator) Aethelſt. ſigor-vëorca (victor (Cädm.
69. ſpäter -vyrhta: hrof-vyrhta (tignarius) morð-v. (ho-
micida) nŷd-v. (operarius coactus) umiht-v. (malefactor)
ſcip-v. (naupegus) ſtân-v. (latomus) tigel-v. (figulus)
treóv-v. (lignarius) vëal-v. (caementarius) vägen-v. (car-
pentarius) u. a. m. — mhd. liſt-wurke Barl. und weltchr.
— nhd. hand-werker, leid-werker (Stald. 2, 165.) tag-
werker. — engl. cart-wright, ſhip-wr. wain-wr. — In
ahd. und altn. mannsnamen kommt auch, wiewohl ſelten,
ein ſtark-ſormiges wërh, vërkr, vor: megin-wërh (mein-
wercus) und bölvërkr (palo-wërh?).


vaúrts (radix, herba): hiermit ſind viele kräuternamen
z. b. ahd. bein-wurz, giht-w. grint-w. haſel-w. hiruƷ-w.
hûs-w. ſtabe-w. etc. componiert, vgl. trev. 18. 19. und
ſtanch-w. W. 4, 10.


[536]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

vêds? (veſtis) ahd. wât f. und kiwâti neutr.: ahſal-ki-
wâti (humerale) jun. 226. hare-kiwâti (veſtis lugubris) jun.
180. — agſ. væd und gevæde: brëóſt-gevæde Beov. 92,
162. guð-gevæðe (veſtis bellica) Beov, 19. 212. hëaðo-væð
(veſtis ornatior) Beov. 6. 7. here-væd Beov. 143. — mhd.
wât, gewæte und gewant: bette-wât Nib. Wh. 1, 126a
ſar-wât kl. 2670. wîc-gewæte Roth. 10a houbet-gewant
Parc. 123b kamer-gewant Parc. 85b krâm-gewant Roth.
32a Parc. 136b wîc-gewant Roth. 28a. — nhd. lein-wât
und lein-wand.


vêgs (fluctus): ahd. mere-wâg N. Boeth. 141. ſnê-
wâc (aqua nivalis) ker. 55. — agſ. ſæ-væg Cädm. 83. —
mhd. heila-wâc (luſtralis aqua) MS. 2, 149b (mit erhalt-
nem comp. vocal? gleich darauf das uneigentliche heiles-
wâc) heil-wæge Mar. 224.


vêpn (arma): ahd. ſcirm-wâfan ker. 56. — agſ. hëoru-
væpen Jud. 13. ſige-væpen Beov. 62.


veib? (mulier): agſ. brim-vîf? wenn ſo Beov. 114.
121. geleſen werden kann; mere-vîf Beov. 115. — mhd.
kone-wîp (uxor) Bit. 1866. mer-wîp Nib. ſpil-wîp Parc.
87c. — nhd. buhl-weib, eh-w. kebs-w. ſpiel-w.


veiſa? (dux): ahd. wëga-wîſo hrab. 971b flor. 990a.
N. Boeth. 151. — agſ. aldor-vîſa Cädm. 28. brim-vîſa
(nauta) Beov. 217. here-vîſa Beov. 224. Cädm. 69. (here-
vôſa Cädm. 85.) hilde-vîſa Beov. 81; uncomp. vërodes
vîſa Beov. 22. — nhd. wêg-weiſer.


veiſa? (modus, modulatio): altſ. cuning-wîſa (ritus
regius) land-wîſa (mos regionis). — mhd. gougel-wîſe
(praeſtigium) troj. 7b ſanc-wîſe, tanz-wîſe, tage-wîſe
(Lachm. ausw. 224.)


vibbi? (tela): ahd. cota-wëppi (byſſus) hrab. 955a jun.
197. 237. ſpinna-wëppi trev. 13a. — altſ. godu-wëbbi. —
agſ. frëoðu-vëbbi Beov. 146. god-vëbbe (purpura). —
altn. gud-vëfr. — nhd. ſpinn-wêb.


vidus? (arbor, lignum): agſ. bæl-vudu Beov. 230.
bord-v. Beov. 95. gâr-v. Cädm. 69. gomen-v. Beov. 81.
guð-v. hëal-v. Beov. 100. holt-v. Beov. 175. mägen-v.
Beov. 20. ſund-v. Beov. 18. 143. ſæ-v. Beov. 19. þrec-v.
Beov. 95. — altn. bein-vidr (carpinus) gagl-vidr (arbor
cygni?) ſæm. edd. 6a jârn-vidr (arb. ferrea) ibid. 2b reyr-
vidr (arundo ſativa). In den altn. comp, herrſcht die be-
deutung von baum, in den agſ. die von holz.


vigs (via): ahd. diot-wëc (via publ.) franc. or. 1, 657;
in renni-wëc (ſtadium) ſcheint das erſte wort kein ſubſt.
[537]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
— altſ. ſtên-wëg (via lapidea). — agſ. bäð-vëg (via bal-
nei?) Cädm. 69. fold-vëg (terra) Cädm. 61. Beov. 67.
123. holt-vëg (via ſilveſtris) Cädm. 66. lîf-vëg Cädm. 65.
väter-vëg (via aquoſa). — altn. hel-vëgr (via ad inſeros)
mold-vëgr (via terrae, terra) edd. ſæm. 239b. — nhd.
holz-wêg, ſtaub-w. ſtein-w. wald-w.


viga? (pugnator): agſ. äſc-viga Beov. 153. byrn-v.
Beov. 216. cumbol-v. Jud. 12. gâr-v. Beov. 209. guð-v.
Beov. 158. lind-v. Beov. 194. rand-v. Beov. 99. 135. Cädm.
95. ſcild-v. Beov. 24.


agſ. vëla (opes): botl-vëla Cädm. 40. burh-v. Beov.
230. ecg-v. Beov. 129. ëorð-v. Cädm. 41. grund-v. Cädm.
23. hord-v. Beov. 175. lîf-v. Cädm. 75. mâðm-v. Beov. 204.
— altſ. ôd-wëlo; ahd. ôt-walâ (pl. ſt.) N. 63, 3. Boeth. 120.


agſ. vëlm, vilm (aeſtus): brëóſt-v. Beov. 141. brim-v.
Beov. 113. bryne-v. Beov. 174. Cädm. 92. cëar-v. Beov.
23. 155. hëaðo-v. Beov. 209. Cädm. 8. 66. hyge-v. Cädm.
24. ſæ-v. Beov. 32. ſorh-v. Beov. 70. 150.


vinjis? (amicus) ahd. wini, win: ahd. mannsnamen
ëpur-win, engil-win, këpa-win, kund-win, ort-win, fri-
du-win, frô-win, wolf-win. — altſ. bag-win (commen-
ſalis). — agſ. äſc-vine (n. pr.) freá-vine folca Beov. 176.
181. 182. gold-vine gumena (oder geáta) Beov. 89. 112.
121. 180. 192. Jud. 22. mæg-vine Cädm. 66. Beov. 185. —
altn. arf-vinr, aſt-vinr (Egilss. 616.) aber uneigentl. freys-
vinr edd. ſæm, 219b, vgl. frëó-vin edd. ſnorr. 14. und fro-
winus Saxo gramm. p. 59. 60. — mhd. golt-win fr. belli
30b (pf. ch. 64b) oder golt-wîn, denn in den eigennamen
hat ſich der vocal unorganiſch verlängert, z. b. in ëber-
wîn, gëbe-wîn MS. 2, 105a, ort-wîn, ſige-wîn MS. 2, 74b
wolf-wîn Nib. — nhd. der eigenname ort-wein.


vôkr (fructus): ahd. ërd-wuochar N. Boeth. 79. nuzi-
wuochar (uſusfructus) K. 55a. — nhd. geld-wucher.


vulfs (lupus): agſ. bëó-vulf (n. pr.) here-vulf Cädm.
44. hilde-vulf Cädm. 45. — in ahd. eigennamen ſtehet
-olf für -wolf (beiſpiele ſ. 330. 331.) — altn. eigenna-
men: herj-ôlfr, gunn-ôlfr, vîg-ôlfr, vîng-ôlfr u. a. m.


vundr? (miraculum): agſ. hond-vundor Beov. 206.
nîð-v. Beov. 210. ſëaro-v. Beov. 71. — mhd. mer-wun-
der MS. 1, 132b troj. 51a.


Was von der eigentlichen compoſition zweier ſub-
ſtantive zu ſagen übrig iſt, bezieht ſich theils auf das erſte
[538]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
und zweite wort, theils auf den compoſitionsvocal und
das ganze der zuſammenſetzung ſelbſt.


1) das erſte wort hat in der conſtruction des ſatzes
nichts zu thun und durch die verbindung mit dem zwei-
ten ſeine ſelbſtändigkeit verloren. Da nun die verhält-
niſſe der flexion und rection ſo weſentlich zuſ. hängen,
daß keine ohne die andere gedacht werden kann, ſo
müßen dem weder mit regierenden noch mitregierten
erſten worte zugleich alle declinationskennzeichen abge-
ſprochen werden. Keinem erſten worte iſt es folglich an
ſich anzuſehen, welcherlei flexion ihm gebühre, ob ſtarke
oder ſchwache (vgl. mhd. hantſlac, ô[rſ]lac von hant, ôre;
ahd. mâkaſcaf, potaſcaf von mâc, poto). Hieraus ſcheint
ein auſſchluß über die natur der ſchwachen declination
zu folgen. Offenbar iſt ſie eine wahre flexion, wenig-
ſtens hiſtoriſch eine ſolche geworden. Wäre ihr princip
derivativiſch, ſo dürſte es in dem erſten wort der comp.
nicht erlöſchen *). Die älteſten mundarten zeigen aber in
ſubſtantivzuſammenſetzungen keine ſpur weder von ei-
genthümlichen vocalen der ſchwachen form (und mit
recht wurde oben ſ. 95. das goth. ô in tuggô für unablei-
tend erklärt) noch von dem ſchwachen n. Zwar fällt
hierdurch, wie mir ſcheint, die 1, 817 — 821 verſuchte
erklärung dieſes ſchwachen n nicht ganz zu boden, es
muß aber doch das dabei angenommne bildungsprincip
auf jeden fall in eine weit entlegne zeit zurückgeſetzt
werden, welche dem entſtehen unſerer älteſten compoſi-
tionen um ein gutes vorausgegangen iſt.


2) findet keine eigentliche comp. ſtatt, deren erſtes
wort ein pluralis wäre, denn die kennzeichen des pl.
gehören zu der flexion, wie des ſg. In beziehung auf
den numerus verhält ſich daher jede eigentl. comp. ganz
neutral; aúrti im goth. aúrti-gards drückt weder den
ſg. aúrts, noch den pl. aúrteis, mana im ahd. mana-
përga weder den ſg. man, noch den ebenſo lautenden
pl. aus und ohgleich viele kräuter im garten ſtehen,
mehrere männer ſich hinter den ſchranken bergen kön-
nen, iſt der begriff der zuſ. ſetzung gar nicht auf her-
vorheben dieſer vielheit gerichtet. Wir ſagen nicht fe-
[539]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
dern-bette, ſondern feder-bette, das doch aus einer
menge von federn gemacht iſt. Die nhd. ſprache beſitzt
freilich viele compoſita, deren erſtes wort umlautend,
oder auf-en, -er endigend pluraliſches kennzeichen an ſich
trägt; bei näherer betrachtung wird ſich leicht ergeben,
daß es lauter uneigentliche compoſita ſind, die aus wirk-
lichen gen. pl. erwachſen, z. b. koſten-verzeichnis,
ſachen-recht, götzen-dienſt, bilder-dienſt, hörner-ſchall,
kinder-ſtube, kleider-pracht etc. grade wie es auch mit
dem gen. ſg. componiert heißt eigenthums-recht, gottes-
dienſt etc. Eigentliche zuſ. ſetzung ſtreitet in ſolchen
fällen meiſtens wider den begriff, es läßt ſich z. b. nicht
ſagen horn-klang für klang des hornes, wohl aber hor-
nes-klang; bild-ſeule und bilder-dienſt ſtehen einander
cntgegen als eigentl. und uneigentl. compoſition, nicht
wie ſingulariſche und pluraliſche. Früherhin kommen
die pluraliſchen, gleich allen uneigentlichen, viel ſeltner
vor, vgl. rinder-ſtal flor. 986b verhir-ſtal trev. 37b d. h.
urſprünglich hrindirô, verhirô ſtal *); ein mhd. beleg
iſt kinder-ſpil a. w. 3, 192. MS. 2, 256a (wo kinden
druckf.). Neben dem aufgeſtellten grundſatz nehme ich
folgende einſchränkungen an a) zuweilen iſt die nhd.
form ganz tadelhaft, z. b. in brüderſchaft, ſt. bruder-
ſchaft, in bienen-korb f. bien-korb, augen-braune f.
aug-braune (mhd. ouc-prâ En. 24a Herb. 28d) wiewohl
das letzte -en aus dem gen. ſg. erklärt werden dürſte.
b) oft ſchwankt der begriff ſelbſt zwiſchen eigentlicher
und uneigentlicher zuſammenſetzung und dann hat ſich
die neuere ſprache faſt immer für letztere entſchieden,
ohne daß man ihr darum einen fehler zur laſt legen
könnte; ſo z. b. heißt es wörter-buch (altn. orda-bôk)
bücher-ſchrank (altn. bôka-ſtôll) ſt. des ahd. wort-puoh,
buoh-faƷ.


3) ſeine ableitungszeichen gibt aber das erſte wort
nicht auf, es ſei dann, daß ſie, wie die reinvocaliſchen,
auch außerhalb der compoſition verſchwinden, z. b. in
fieg-fried ſt. ſigu-frid, weil ſieg f. ſigu geſagt wird. In
[540]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
der regel ſcheint keine conſonantiſche ableitung ausge-
ſchloßen, häufig ſtehen die liquiden (himmel-reich, don-
ner-keil, boden-treppe, raben-ſtein) aber auch derivata
mit mutis, z. b. goth. vitôda-faſteis, ahd. houpit-man, ma-
gad-burt, leitid-duom, pilid-puoh monſ. 319. mânôt-fen-
gida (calendae) altſ. jugud-hêd etc. und mit zwei conſo-
nanten, z. b. goth. undaúrni-mats, ahd. dionuſt-man, chu-
ninc-rîhhi, agſ. ombiht-ſcëalc, ahd. offerunc-gëlſtar (ſa-
criticium) J. 395. (zweimahl) hamalunc-ſtat jun. 218.
Letztere ſind die einzigen mir bekannten ahd. beiſpiele
einer comp. mit -unc, -unka, mhd. weiß ich gar keins,
nhd. werden ſie ganz häufig (unten §. 6.). Subſt. mit
-iſſ, -niſſ bringt die ältere ſprache auch nicht in compo-
ſition, wohl aber die nhd. (geheimnis-kræmerei, begræb-
nis-koſten). Im nhd. wüſte ich, was ſich gegen eigent-
liche comp. ſträubte, nur die diminutiva auf -lein, -chen
zu nennen; füßlein-tritt, ſchwertlein-ſchlag, vöglein-fang,
mädchen-ſchaft, bübchen-ſtreich u. dgl. läßt ſich kaum
ſagen, vielleicht weil ihr -n urſprünglich flexiviſch
iſt (1, 631.); ohne das n componieren ſie wirklich, vgl.
ahd. wunſcili-gerta (caduceus) nhd. wünſchel-ruthe und
die n. pr. entili-puoh ſchweiz. entli-buch, fügli-ſtaller.
Indeſſen ſagt man auch mädchen-herz, -ſtimme.


4) da in unzähligen erſten wörtern ein ableitungs-el,
-en, -er ſteht, ſo iſt begreiflich, wie einzelne verdunkelte
ein ungehöriges el, en, er annehmen und gleichſam an
die ſtelle des verwiſchten compoſ. vocals treten laßen.
Doch das -en läßt ſich auch in ſolchen fällen lieber ge-
nitiviſch aus uneigentlicher comp. erklären, nur daß ſelbſt
dieſes uneigentliche -en in -el überſchwankt. Beiſpiele
des -el und -er liefern hauptſächlich die eigennamen von
pflanzen und örtern. Aus dem alten eſci-pah entſpringt
neben eſchen-bach die form eſchel-bach, eſchil-bach; aus
gunda-rëba gundel-rebe und gunder-rebe (gunder-mann,
gunder-lunze); vermuthlich heidel-beere, heidel-berg,
fichtel-berg aus heid-beri, heidan-bërc *), fihtôno-bërc.
Mhd. handſchriften (ſchwerlich alte und gute) gewäh-
ren ougel-weide (troj. 7525. Vrib. Triſt. 575.) f. ougen-
weide. Gehört hierher das -el in hieſal-tera, niederl.
notel-tere von hiefe, not? Wer es in ſolchen formen
[541]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
überhaupt für organiſch halten wollte, müſte nachweiſen,
daß diminutive wie eſcili, heidili, ougili etc. oder andere
ableitungen auf -al, -il zu grund liegen [vgl. oben ſ. 381.
382. das l in den adj. rôſelëht] dann ſtünde heidel-berg
für heidil-përc (wie wentil-ſêo, endil-meri, wentil-ſtein)
oder heidili-përc (wie wunſcili-gerta), der ſinn bliebe da-
hingeſtellt.


5) in den verzeichniſſen iſt hin und wieder angeführt
worden, wie neben den eigentlichen compoſitis uneigent-
liche
eintreten; reichliche beiſpiele wird hernach die ab-
handlung der letzteren darbieten. Es geſchieht aher theils
organiſch (indem der begriff uneigentl. comp. fordert,
wenigſtens zuläßt) theils unorganiſch, ſo daß die ältere
eigentliche zuſ. ſetzung durch eine ſpätere uneigentliche
verdrängt wird, und hiervon bleibt noch einiges zu be-
merken. Der hauptfall iſt, wenn das erſte wort ein
ſchwachflexiviſches -en annimmt, ohne daß ihm ein
ſchwacher gen. ſg. oder pl. zu grunde liegt. Nhd. bei-
ſpiele: blumen-korb, dinten-faß, (mhd. tint-horn) dor-
nen-krone, fürſten-thum (ahd. vuriſt-tuom, furſtuom N.
70, 19. mhd. vermuthl. vürſtuom), gerten-ſchlag, linden-
baum, menſchen-opfer, ruthen-ſtreich, tannen-baum,
trauben-kern u. a. m., wo blum-korb, dint-faß, dorn-
krone etc. richtiger wären. Nur hüte man ſich, ablei-
tende -en für fehlerhaft zu halten, z. b. in ferſen-geld,
küchen-magd, raben-ſtein, raben-mutter (grauſam wie
raben, eine kühne, appoſitionelle zuſ. ſetzung oben ſ. 440.)
wolken-ſeule, zeichen-ſchrift *). Einzelne unorganiſche
comp. ſind aber ziemlich alt und ſchon im mhd. aufge-
kommen, z. b. palmen-boum amgb. 46a f. palm-boum
monſ. 328. 331. 340., das nicht genommen werden darf, wie
palmônô gerta bei T.


6) umlaut erleidet kaum das erſte wort durch ein
zweites, deſſen vocal i iſt (z. b. -gift, -hilt, -lint, -liſt);
die verbindung durch zuſ. ſetzung erſcheint alſo weniger
feſt und innig, als der anwuchs ableitender ſilben, die den
umlaut der wurzel nach ſich ziehen (kerl-inc, gevenc-
niſſe etc.). Eine ſpur iſt doch in dem eigennamen göte-
lint Nib. EM., die meiſten hſſ. leſen gote-lint. Aſſimila-
tionen treten unbedenklicher ein: worolt f. wër-olt, wër-
[542]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
alt, vurſtuom f. vuriſt-tuom u. dgl. Vielleicht muß auch
bei götelint erſt ein aſſimiliertes gotilint f. gotalint ange-
nommen und aus dem i nach t der umlaut geleitet wer-
den? vgl. 1, 363. und hernach -lîch beim adj.


7) erſte wörter, mit denen häufig zuſammengeſetzt
wird, büßen ihren beſondern begriff ein und verſiürken
bloß
im allgemeinen die bedeutung der zweiten wörter.
Dahin rechne ich vornämlich: magan und ragin, irmin,
lant, liut, diot und wëralt; in geringerem grade auch
got, man, chuni, adal, ellan, tac, houbit, nît und in-
wit. Die erſtern können vor manchen wörtern gleich-
gültig wechſeln, vgl. ahd. megin-poto, regin-poto; ir-
min-dëo, regin-dëo; diet-rîh, irmin-rîh; agſ. lëód-
ſcëaða, land-ſcëaða, regen-ſcëaða (regen-þëóf, erz-dieb,
gau-dieb); das mhd. wëlt-zage darf auch heißen diet-
zage Herb. 90d etc.


8) bei verſchiednen zuſammenſetzungen kann zweifel
walten, ob das erſte wort ſubſt. oder adj. ſei, dahin
gehört z. b. wana in wana-ſcaf (ſ. 521 aus dem agſ.
von-ſcëaft gefolgert), wahn-witz, wahn-ſinn, wahn-bett,
wahn-korn, vom adj. wan (inanis) oder ſubſt. wan (de-
fectus); heil in heila-wâc; menniſc in menniſc-heit (vom
adj. menniſc oder ſubſt. menniſco) u. a. m.


9) das zweite wort jeder zuſammenſetzung gehört in
die conſtruction des ſatzes und kann ſich der flexions-
zeichen ſo wenig als irgend ein einfaches ſubſt. begeben.
Die wichtigſte wahrnehmung hierbei ſcheint aber ein
beſonderes ſchwanken zwiſchen ſtarker und ſchwacher
declination
. Es gibt zwar auch einfache ſubſt., welche
nach den mundarten, ſeltner in derſelben mundart, bei-
des ſtark und ſchwach flectiert werden (beiſpiele im
zweiten buch). Allein compoſita zeigen dieſe doppelform
weit auffallender, ſei es nun, daß das ſimplex ſtark, das
comp. ſchwach, oder das compoſitum abwechſelnd ſtark
und ſchwach decliniere; der dritte fall (comp. ſtark,
ſimpl. ſchwach) tritt kaum ein (doch in ſtërno und
-ſtern). Man vergleiche agis und -egeſa; loc und -loca;
dags und -dago; kart und -karto; hamr und -hami
(-hamo, -homa); houpit und -houpito; liubî (amor) und
-luba; rîh und -rîhho; ſecg und -ſago; geſið und -ga-
ſinþja; ſtab und -ſtabe; ſtaþs und -ſtaþa; walt und
-walto; wart und -warto. Einige andere fälle bedürfen
erſt weitere prüfung, z. b. das ſ. 499. angeſetzte fem.
hilds, wofür ahd. hilta (ſtark), aber die trad. fuld. 1, 25.
[543]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
lehren den ſchw. gen. waſa-hiltûn. Ich will bei dieſer
gelegenheit eine vermuthung mittheilen, welche ſtracks
wider die 1, 823 vorgetragene theorie ſtößt. Wie, wenn
auch die deutſchen ſubſt. früher im allgemeinen jedes
der doppelten decl. fähig geweſen wären, die für alle
adj. geltend geblieben iſt? wenn eben die compoſita da-
von deutliche ſpuren zeigten? Die regel, daß das deut-
ſche adj. bei vorſtehendem artikel ſchwach, alleinſtehend
ſtark decliniere, iſt, mehrfacher ausnahmen ungeachtet,
in unſerer ſprache feſt gegründet. Nun ſetzt Ulf. Joh.
10, 3. daúravards (janitor) Joh. 18, 16 daúravardái (ja-
nitrici), beidemahl ſtarkformig, beidemahl ſteht kein ar-
tikel, den doch der text hat ὁ θυρωρός, τῇ θυρωρῷ;
gleich daneben 18, 17. heißt es aber þivi ſô daúravardô
(ἡ θυρωρός). Nicht anders K. 55a 56a êwartô (ſacer-
dotum) ohne art., 21b dës êwartin. Wirkliche adj. ſind
dieſe compoſita darum noch gar nicht. ſonſt hätte K. êwar-
têrô geſagt und für jenes goth. daúravardái würde er
turiwartu, nicht turiwartêru ſagen. Späterhin muß der
grundſatz, wenn er ſich durch mehr belege aus der
älteſten ſprache beſtätigt, in ſeiner reinheit freilich wie-
der aufgegeben werden, denn ſchon O. verletzt ihn un-
bedenklich, indem er ohne art. êwarto und mit art.
thër duriwart gebraucht; ja die exh. (miſc. 7. 8.) za
ſuonutagin neben za ſuonutage, doch lieſt die caſſ. hſ.
merkwürdig za dëmo ſônatagin, und dann za ſônatage,
wiederum miſc. 2, 288 zë dëmu ſuonutakin; vgl. dës
fîrtagen N. 37, 5. in vîritage 37, 8. Weitere ausfüh-
rungen fügen ſich nicht hierher.


10) nächſt dieſem ſchwanken zwiſchen beiderlei
flexion herrſcht nicht ſelten im zweiten wort unſicher-
heit des geſchlechts und der zutretenden oder wegblei-
benden vocaliſchen ableitung -i; vgl. namentlich ahd.
-pein und -peini, -leih und -leihi, -mahal und -mahali,
neutra bald erſter, bald zweiter decl.


11) auch das zweite wort pflegt in einigen fällen
aus ſeiner ſinnlichen bedeutung in eine allgemeine, ab-
ſtracte überzugehen; dahin gehören -heit, -ſcaft, -tuom,
agſ. -räden allmählig in bloße ableitungsſilben ausar-
tend; ein geringerer grad von abgezogenheit findet ſtatt
bei -chunni, -leih, -mahal, -rât, -rîh, -ſpil, -ſtap, -tac
und noch einigen andern. Dieſe abſtracta ſind gegen-
ſtücke zu den unter 7. angeführten erſten wörten. Beide
theile deſſelben comp. können natürlich nicht zuſammen
[544]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
verallgemeinert werden; treten ſolche wörter in verbin-
dung, ſo behauptet immer das erſte wort den vollen
ſinnlichen begriff (z. b. agſ. mägen-ſcipe, potentia).
Heil, ſchaft und thum vertreten einander zwar gewiſſer-
maßen, doch beſtehen feine, zum theil dialectiſch be-
gründete, unterſchiede: thum bezeichnet mehr die würde,
das gut, heit den bloßen namen, ſchaft den bloßen zu-
ſtand. Es läßt ſich chriſten-heit und chriſten-thum ſagen,
nicht chriſten-ſchaft, dagegen heiden-thum und heiden-
ſchaft, nicht heiden-heit. Thum und heit binden ſich
auch mit adj., nicht aber ſchaft (doch mit part. praet.,
wohin eigen gehört). Das agſ. vîs-dôm entſpricht unſerm
nhd. weis-heit, für jenes gilt weder vîs-hâd, noch für
weis-heit weis-thum, wohl aber galt ahd. wîs-tuom, mhd.
beides wîs-heit und wîs-tuom in gleichem ſinn. Mit al-
len drein zuſammenſetzbar iſt eigen: eigen-thum (domi-
nium) eigen-heit (proprietas) eigen-ſchaft (qualitas), be-
ſtimmt geſonderte bedeutungen. Zeichen dieſer drei wör-
ter (ſo wie der übrigen zweiten wörter, wenn ſie abſtract
werden) iſt, daß ſie niemahls uneigentliche comp. einge-
hen; begreiflich, da ein ſelbſt leblos gewordnes wort kei-
nen genitiv zu regieren vermag. Deſto verwerflicher iſt
das vorhin ſchon getadelte nhd. brüder-ſchaft, nicht min-
der fürſten-thum, volks-thum, völker-ſchaft.


12) das zweite verzeichnis lehrt auch viele ſynonyma
lebendiger bedeutungen, deren feinere färbung in jeder
mundart beſonders erforſcht werden muß. Man vgl.
(für pannus) ahd. fano, hregil, lahhan, tuoh, wât; (für
vas) ahd. faƷ, char, palc, ſtal, goth. ſtaþa, altn. beri;
(für ſtatio) ahd. ſtal, weida; (für lignum, arbor, mate-
ries) bagms, triu, timbr, þilus, vidus; (für opes, pecu-
nia) goth. huzd, ſkatts, máiþms, faíhu, agſ. ſinc, geſtrëón,
vëla; (für vinculum) ahd. nôt, pant, reif, riemo, ſeil,
dio-reif gleicht dem agſ. þëóv-nŷd; (für praeda) ahd.
hunta, numft, rouba, altn. fâng, nâm *); (für domus,
aula) agſ. hûs, gëard, rêced, ſtëal, geſtëald; (für via)
ahd. leita, ſtrâƷa, pfad, wëc; (für opifex) agſ. ſmið,
[545]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
vyrhta, nhd. macher; (für ſervus) goth. ſkalks, þius,
agſ. þëgen, ſecg, vgl. lâd-þëóv mit mhd. leit-ſage; (für
ſocius) ahd. ginôƷ, giſello, giſindo, giſtallo, girûno. Viele
ſind nicht angeführt worden, z. b. das neben -baíra und
baúra geltende ahd. -trago in golt-trago (auriſer) zwetl.
112b ſwërt-trago (ſpatharius) lindenbr. 1001a unnuzi-trago
(nugigerulus) hrab. 965a lieht-trage (lucerna) Ernſt 40b.


13) zweifel, ob das zweite wort ſubſt. oder adj. ſei
(wie bei dem erſten wort, oben unter 8.) kann weniger
eintreten, inſofern die flexionen bald das eine oder das
andere kundgeben, vgl. das agſ. hägſtëald (ſ. 527.) und
unter 9. die bemerkung über -wart. Ein compoſitum,
deſſen zweites wort kein deutliches ſubſt. gewährt, iſt
formell keine wahre ſubſtantivzuſ. ſetzung. Das nhd. ſorg-
falt
(ſollicitudo) erſcheint alſo völlig abnorm, denn un-
ſere ſprache kennt nur ein adj. -falt (plex), kein ſubſt.,
ja die frühere nicht einmahl ſorg-valt (ſollicitus), wohl
aber ein-valt (ſimplex) manic-valt (multiplex). Wie ſich
nun aus einvalt das ahd. ſubſt. einvaltî (ſimplicitas) er-
zeugt, ſo gilt auch im mhd. diu einvalte Barl. 179, 38.
Triſt. 16937. ohne umlaut, weil ihn die formel alt ver-
meidet (1, 332. 942.), daher auch einvaltec lieber zur -îc,
als zur ac-form gehört (oben ſ. 294.). Aus dieſem mhd.
ſubſt. hätte nun ein nhd. einfälte werden können (nach
analogie von kälte, güte und nach dem umlaut in einfäl-
tig, ſorgfältig) allein der alte unumlaut ſetzte ſich durch
(wie in manigfaltig) und man ſchnitt noch dazu den ab-
leitungsvocal hinten weg, einfalt ſt. einfalte, ebenſo
ſorgfalt ſt. ſorgfalte, vgl. dêmuth ſt. demüthe, und ſchon
mhd. diemuot. Reſultat: die nhd. ſubſt. einfalt, ſorgfalt,
dêmuth ſetzen adj. voraus, von denen ſie herſtammen
und gehören inſofern gar nicht hierher.


14) obgleich ſchon einfache wörter im geſchlecht
ſchwanken und noch mehr abgeleitete, ſo ſcheint doch
die zuſammenſetzung vorzüglich herbeizuführen, daß das
zweite wort hintereinander als maſc. fem. und neutr. auf-
tritt. Je lebloſer und abſtracter ſeine bedeutung wird,
deſto mehr iſt das der fall, vgl. z. b. -ſkaft und -rât. Und
da in den eigennamen offenbar der ſinnliche inhalt bei-
der wörter am meiſten erliſcht, ſo erklärt ſich, wie ganz
ſächliche begriffe (z. b. -feld, -ſtein, berg) welches ge-
ſchlechts ſie auch formell ſeien, zu mannsnamen, wie
einzelne (z. b. -rât) bald zu männlichen, bald zu weib-
lichen gebraucht werden können. Weitere betrachtun-
gen hierüber fallen in cap. VI.


M m
[546]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.

15) wenn in einem ſatz zwei compoſita hintereinan-
der ſtehen, deren zweites wort dasſelbe iſt, ſo pflegt es
die nhd. ſprache, zumahl der canzleiſtil, das erſte mahl
wegzulaßen, z. b. gold- und ſilber-ſchmid, fiſch- und
krebs-fang, freund- und verwandt-ſchaft. Im mhd. und
ahd. zeigt ſich dieſe freiheit noch nicht, ungeachtet ſie
bei haftendem compoſitionsvocal, der gleich das erſte wort
als ein compoſitionelles bezeichnen würde (beßer als der
nicht hörbare ſtrich in nhd. ſchreibung), zuläßiger ſchiene.
Das erſte wort einer eigentl. comp. läßt ſich nicht auf
dieſe weiſe ſparen, z. b. für land-recht und land-ſtte nicht
ſagen: land-recht und -ſitte, wohl aber uneigentlich lan-
des-recht und -ſitte, indem dann landes nichts als der
vorſtehende gen. iſt.


16) vom erlöſchen des compoſitionsvocals iſt ſ. 413-
424. gehandelt worden. Wie ſich aber der ableitungsvo-
cal in den nhd. wörtern bräuti-gam und nachti-gall er-
halten hat, ſo ſcheint jener in den mhd. vlëdra-mûs und
heila-wâc (ſ. 511 und 536.) verſteinert fortzudauern. Es
gibt wohl noch mehr beiſpiele. Ob ſich in andern fäl-
len -el und -er aus dem comp. vocal entwickelte? wurde
ſ. 540. gefragt.


17) beide verzeichniſſe, ihrer ausführlichkeit unerach-
tet, liefern nur einen geringen theil der wirklichen zu-
ſammenſetzungen deutſcher ſubſtantive, beſtätigen aber
hinlänglich was von dem weſen der eigentlichen compo-
ſition geſagt worden iſt. Der compoſitionsvocal gleicht
einem mörtel, der zwei ſteine verkittet und ſelbſt mit
ihnen zu einem neuen, eigenthümlichen begriff verwächſt,
daß ſie je länger je weniger auseinander gerißen werden
können. Zwei componierte wörter geſondert und ihren
inhalt ohne jenen lebendigen hauch wahrer compoſition
(der nach dem vergehen ſeiner leiblichen geſtalt a un-
ſichtbar fortwirkt) äußerlich wieder zuſammengereiht,
werden oft einen ganz andern, immer einen leiſe ver-
ſchiednen ſinn gewähren. Der echte begriff des compo-
ſitums entſpringt aus dem verhältniſſe, in dem beide wör-
ter zur zeit ſeiner bildung gedacht worden ſind und
pflanzt ſich hernach hiſtoriſch fort; veränderungen erlei-
den kann er wie jedes einfache oder abgeleitete wort.


18) eine menge compoſita ſterben aus und wiewohl
ihre maſſe im ganzen wächſt (ſimplicia und derivata ge-
hen verloren und müßen durch compoſita erſetzt wer-
den) ſo fehlen uns doch jetzt unzählige zuſammenſetzun-
[547]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
gen, die der alten epiſchen richtung der ſprache ange-
meßen waren. Welcher reichthum poetiſcher ausdrücke
für krieg und krieger im agſ. Beovulf allein, deren viel-
leicht keinen einzigen der dichter neu hinzu erfunden
hatte; ſie waren gemeingut und würden in den verlornen
gothiſchen liedern ſtehen, wie wir ſie in den altnordi-
ſchen antreffen. Einzelne ideenverbindungen der alten
zuſ. ſetzung ſind ſo geläufig, daß zuweilen das erſte und
zweite wort, ohne merkbare änderung des begriffs, ihre
ſtelle wechſeln (vgl. nhd. wind-ſturm, ſturm-wind; raub-
mord, mord-raub; ahd. magan-wëtar, altn. vëdr-megin;
agſ. bëót-vord und vord-bëót; vine-mæg und mæg-vine;
bëalo-cvëalm und cvëalm-bëalu; þife-þorn und þorn-þi-
fel; die ahd. n. pr. kêr-nôt und nôt-kêr etc.). Eine fä-
higkeit der älteren ſprache, die mit der natur der allite-
ration zuſammenhängt, wie überhaupt keine alliteration
ohne die manigfaltigkeit und behendigkeit des compoſi-
tionsvermögens einer ſprache würde geübt werden kön-
nen. Auch die pleonaſmen ſind ihr nothwendig (z. b.
goth. naudi-band; mhd. ſcâh-roup, cod. pal. 361, 92b;
agſ. hord-vëla, ſinc-geſtrëón, hord-geſtrëón, vudu-beám,
holt-vudu) welche zugleich der beſchreibung ſtärke und
ſchönheit verleihen *); zuweilen aber muß das zweite
wort den verdunkelten ſinn eines ihm vorherſtehenden
erfriſchen, z. b. in affalter-boum.


19) bei aller verbreitung der meiſten compoſitionen
und ihrer mittel durch den geſammten ſprachſtamm muß
die beſonderheit einzelner für die erforſchung der mund-
arten erwünſchte aufſchlüße bringen; man ſehe z. b. die
ausdrücke für lucerna, candelabrum: goth. lukarna-ſtaþa,
ahd. lioht-faƷ, lioht-char, lioht-ſtal, lioht-trago, cherzi-
ſtal, chantila-ſtap, agſ. cändel-ſtäf, altn. liós-bëri.


20) ſchließlich einige bemerkungen über fremde wör-
ter
. Ableitungen treten ungern an undeutſche wurzeln
(ſ. 400.); in der compoſition verbinden ſie ſich weit leich-
ter. So ſtehet im erſten wort lukarna-ſtaþa, cändel-ſtäf,
piſcof-tuom, meiſtar-tuom, trëſo-chamara, ſalm-ſanc etc.
und im zweiten ſind -meiſtar, -chamara etc. ganz übliche
formeln; wir ſagen ohne anſtand: feld-ſoldat, land-ſoldat,
M m 2
[548]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit ſubſt.
ſee-ſ. ſtadt-ſ. und dgl. mehr. Mehrſilbige fremde wörter
pflegt hingegen unſere ältere ſprache (wie noch heute die
des volks) gern ſo zu drehen und zu ändern, daß ſie wie
compoſita ausſehen und wenigſtens einer der beiden theile
wort ſeine fremdheit verliert. Das ausländiſche element
muß, um eingang zu finden, deutſche tracht anlegen.
Viele römiſche namen ſind auf dieſe weiſe verdeutſcht
worden, franzöſiſche verwandelt das volk fortwährend.
Beiſpiele: mediolanum mai-land; peregrinus pil-grim K.
55b nhd. pil-grim, pil-gram, endlich pilger, altn. pîla-
grîmr; lampetra lant-friga; liguſticum, lieb-ſtöckel, bei
Daſyp. laub-ſtückel, lubi-ſtechil trev. 19a lubi-ſtechal ſgall.;
moſlim muſel-mann. Aus aventure (was begegnet, avient)
wurde aben-teuer, gleichſam âbend-teuer; aus arbaleſte
(arcubaliſta) arm-bruſt, mhd. arem-bruſt Parc. 9a; aus
planchette blank-ſcheit. Solche entſtellungen haben etwas
barbariſches, aber alle natürlichen ſprachen ergeben ſich
ihnen, weil ſie der organiſmus der wortglieder und laute
begehrt *). Einfachere fremde wörter bekommen oft ein
allgemeineres deutſches zum geleit und zur deutlichma-
chung mit (appoſitionell ſ. 440. 2.); ſo haben ausländiſche
ſtädte den zuſatz -burg, z. b. auguſta ouges-purc, augs-
burg; roma rôma-burg; f. roſa ſagt N. Boeth. 67. rôſe-
bluome und in volksliedern heißt es häufig roſen-blume,
lilien-blume, weil das bloße roſe, lilie früher unverſtänd-
lich ſchien. Denn die gleiche urſache lehrte, wenn das
erſte wort deutſch aber verdunkelt war, -baum, fiſch etc.
hinzufügen (ſ. 441.) vgl. rôſe-boum MS. 2, 209a (wo rô-
ſen-boum).


Subſtantiv mit adjectiv (vgl. ſ. 426.).

die zuſammenſetzung erläutert ſich wiederum


I) durch ein praepoſitionenverhältnis; hauptſächlich
kommen die praepoſitionen in oder an, aus oder von in
betracht. Jene bei allen comp. deren zweites wort den
begriff von haft und feſtigkeit enthält, vgl. das goth. qvi-
þu-hafta (ἐν γαστρὶ ἐχούσα) Marc. 13, 17, ahd. bedeutet
das einfache haft eben ſoviel O. I. 8, 4. kindes haft O. I.
14, 12; nhd. grund-feſt, agſ. hals-fäſt (cervicoſus); ahd.
[549]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
arm-ſtrenki (manufortis) kanc-heil (pede firmus) etc.
Umgekehrt werden ablöſung und trennung durch die ne-
gativen praep. aus oder von deutlich, z. b. das goth. hi-
mina-kunds (e coelo oriundus) ahd. vart-muodi (feſſus ex
itinere, müde von der reiſe) friunt-lôs (entblößt von
freunden) etc. Andere durch andere praep., je nachdem
ſie ſchon bei den einfachen adj. zu ſtehen pflegen, z. b.
nhd. kugel-feſt (wider) mhd. viuwer-var (nâcr; wie es
heißt: gevar nâch dem viure) nhd. geld-gierig (nâch)
dienſt-willig (zu).


II) durch ein appoſitionelles; vorzüglîch das der ver-
gleichung und beſchreibung. Dieſe erklärung iſt hier weit
anwendbarer, als bei den ſubſtantiven und wird ſich her-
nach in genug beiſpielen ausweiſen, namentlich in un-
zähligen adjectiven für die farbe: gras-grün, himmel-
blau (wie das gras, der himmel).


III) durch ein caſuelles; verſchiedne einfache adj.
haben den gen. bei ſich (ob ein ſubſt. ausgelaßen iſt, ge-
hört nicht hierher zu erörtern), werden ſie mit einem
ſubſt. eigentlich zuſ. geſetzt, ſo kann dieſes auch geniti-
viſch gedeutet werden, z. b. ahd. firn-fol (voll des laſters);
andere regieren den dativ z. b. gleich, ahd. gilîh, ſo
daß das comp. gota-lîh bedeuten könnte deo ſimilis. Den
acc. vermag kein adj. an ſich zu regieren; ein zuſam-
mengeſetztes aber, in dem noch die verbale abkunſt fort-
lebt, läßt accuſativiſche deutung des vorſtehenden ſubſt.
zu. Dahin ſind namentlich die mit -nâmi und -pâri zu
rechnen: danh-nâmi (gratus) fruht-pâri (fructifer). —


Ich wiederhole die bei dem ſubſt. gemachte bemer-
kung, daß dieſe deutungen der compoſition durchaus
nicht den wirklichen urſprung derſelben aus ſolchen ver-
hältniſſen bezeichnen, ſondern grade die vielſeitigkeit und
gewalt des überall zu grund liegenden compoſitionsvocols
zu erkennen geben ſollen. Das princip ſeiner (meiſt ſchon
verwiſchten) form iſt es, welches die lebendige zuſam-
menſetzung hervorbringt, die wir zergliedernd durch
praepoſition, appoſition und caſus überſetzen. Und gleich-
wie -pâri weder einen wahren acc. bei ſich haben, noch
in hova-pâri, mhd. hove-bære das erſte wort formell ein acc.
ſein kann; ſo entſpringen aus wirklichen genitiven, dativen,
die vor adjective treten, uneigentliche compoſita, welche
ſich mit den eigentlichen höchſtens berühren oder ſie un-
organiſcherweiſe vertreten. Ruom-gërn (gloriabundus)
iſt genau betrachtet von ruomes gërn (gloriae cupidus)
[550]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
agſ. dæd-rôf (famoſus) von dâdum rôf (factis clarus)
Beov. 198. unterſchieden.


Die abhandlung des erſten worts wird kürzer ſein
können, als die des zweiten, da ſich unter der unzähl-
baren menge von ſubſt., die mit adj. verbindung einge-
hen, wenig merkwürdige allgemeine formeln bilden.


A. verzeichnis nach dem erſten wort.

arbáiþs (labor) ahd. arapeit, agſ. ëarfôð: ahd. ara-
peit-ſam (laborioſus) monſ. 407. — agſ. ëarfoð-fêre (diffi-
cilis tranſitu) ëarfôd-læte (diff. emiſſu) ëarfôd-lîc (diffici-
lis) ëarfôð-recce (diff. narratu) ëarfôð-rîme (diff. nume-
ratu). — altn. ervið-lëgr (moleſtus). — mhd. erbeit-ſam
a Heinr. 68. — nhd. arbeit-ſam, arbeit-voll.


aſks (haſta): agſ. äſc-rôf (haſtâ clarus) Jud. 12. äſc-
vlanc (haſtâ elatus) Beov. 101.


áiza? (honor) ahd. êra: ahd. êr-haft (pius, honeſtus) êr-
wirdîc (idem). — agſ. âr-cräftig Cädm. 87. âr-fäſt Beov. 89.
Cädm. 54. âr-hvät (fortis) Aethelſt. — mhd. êr-bære. —
nhd. ehr-bar, ehr-ſam, uneigentlich ehren-feſt, eh-
ren-voll.


áugô (oculus): ahd. auka-zoraht (manifeſtus) ker. 115.
228. jun. 188. 236. 244. ougo-zorht T. 164. 6. 177, 4.
oug-ſiunig N. 43, 5. — altn. aug-liós (manif.) — nhd. nur
uneigentl. augen-klar, augen-ſcheinlich.


badv? (pugna): agſ. bëado-grim Beov. 169. bëadu-
ſcëarp Beov. 201.


balv (malum): agſ. bëalo-full Cädm. 105. 106. Jud. 10.
bëalo-hëard. Beov. 102.


baúr? (faſtigium) ahd. por? mhd. bor Wh. 2, 139a;
bedeutet in der comp. mit adj. (und adv., die ich gleich
mit anführe) nimis und da es meiſt in negativen ſätzen
ſteht, oft ironiſch: gar nicht, nicht allzu: ahd. bora-drâto
(nimis vehementer) O. IV. 24, 56. por-harto (nimis du-
riter) N. Boeth. 52. bora-lang (nimis longum) O. II. 3,
25. 11, 6. bora-lango (nim. longe) Ludw. pore-baldo (ni-
mis audacter) N. 139, 6. pora-tiuri (nimis pretioſum)
monſ. 392. doc. 229. pora-vilo (magnopere) monſ. 327.
bore-vilo N. Boeth. 42. — mhd. ziemlich ſelten: bor-lanc
Roth. 1387. 5094. Ernſt. 588. cod. pal. 268, 171d bor-
mære (überlieb, d. h. unlieb = unmære) MS. 1, 9b bore-
nütze (admodum utilis) c. p. 361, 1d bor-ſenfte (nimis
mitis) Roth. 2675. bor-vil pf. ch. 58b. w. gaſt 70b por-
wol (per bene, nullatenus) c. p. 361, 11c c. p. 257, 168b;
[551]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
das im Reinh. (kolocz 404.) ſtehende enbor-holt bedeutet
ebenſo viel wie bor-holt (admodum conjunctus) ſcheint
aber mit der partikel enbor (nhd. empor) componiert,
welche ſelbſt durch in por (in faſtigium) gedeutet werden
muß; die übrigen bor-, pora- enthalten keine partikel. —
mnl. bor-out (überalt) bore-blîde (nimis laetus) bore-grôt
(nimis magnus) bore-vërre (nim. longinque) bore-wel
(perbene); belege hat Huyd. op. St. 1, 405-408. erklärt
aber bore unrichtig als eine urſprüngliche verneinung,
wozu es erſt durch die vorſtehende negation wird, die es
dann freilich verſtärkt. — nhd. und nnl. ausgeſtorben,
doch findet ſich bor-bühne, bor-kirche, bor-ſcheune für
den obern theil der bühne etc. worin das zweite wort
ein ſubſt.; Stalder hat bor-voll. — agſ. altn. keine ſpur
dieſer zuſ. ſetzungen.


blôþ (ſanguis): agſ. blôd-reád, altn. blôd-raudr und
gewis auch ahd. pluot-rôt; agſ. blôd-fâg (rutilans) Beov.
154. (gewöhnl. blôde fâh Beov. 72. 121. 220.) — nhd.
ſteht blût bei verſchiednen adj. bloß intenſiv, d. h. an
die bedeutung wird nicht mehr gedacht: blût-arm (nichts
als das blut, leben habend) blût-jung (von der geburt
blutig? nur erſt das blut habend?) blût-fremd (bis aufs
bl.) blût-ſauer (blut, ſchweiß und arbeit koſtend) blût-
ſchwêr, blût-wênig. Die comp. ſind ſicher alt, obgleich
ſie in den quellen fehlen. Vgl. die ſubſt. blut-hund, -hure
-ſchelm und hernach -mort.


dags (dies): ahd. taka-lîh (quotidianus), agſ. däg-lîc.
— altn. dâ-frîdr (ſchön wie der tag) dag-lângr (perdius)
dag-lëgr (quotidianus) dâ-gôdr (perbonus) dâ-ſamlëgr
(praeclarus) dag-ſannr (evidens) dâ-lîtill (perparvus) dâ-
vakr (celerrimus) dâ-vænn (eximius). — mhd. tâ-lanc
(perdius) ſteht nur adverbialiter (pertotum diem) tege-
lich; nhd. tæg-lich. Vgl. oben ſ. 451. die aus adj. ent-
ſpringenden eigennamen taka-përaht (dago-bërt) ta-
ka-frid.


dáuþus (mors): mhd. tôt-arm, tôt-bleich Herb. 45a
83d tôt-mager Iw. 36c tôt-ſtum, tôt-truebe, tôt-vinſter
(ſtill, dunkel wie der tod) Barl. — nhd. tôd-krank, tôd-reif.


dêþs (actio): agſ. dæd-cêne (audax) Beov. 124. dæd-
hvät (fortis) Cädm. 82. dæd-rôf Cädm. 47. — altn. dâð-
rakkr (fortis) edd. ſæm. 55b.


dôms: agſ. dôm-eádig Cädm. 29. dôm-fäſt Cädm. 30.
34. 40. 51. dôm-leás Cädm. 96. Beov. 214. altfrieſ. dôm-liacht.


faírh? (vita): agſ. fëorh-ſëóc. — mhd. vërch-lôs (exa-
nimis) vërch-ſêr pf. ch. 75b 86a vërch-wunt pf. ch. 17b.


[552]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.

gin? (hiatus): agſ. gin-fäſt (firmiſſimus) Cädm. 62. 73,
Beov. 163. 209. (97. gim-f.) — altn. gin-heilagr (ſacro-
ſanctus) wofür ginn-heilagr edd. ſæm. 1b 2a 61a, vgl.
die ſubſt. gin-faxi und gin-regin, ginn-regin edd. ſæm.
28a 52b. Da auch ginn-ſteinn f. gim-ſt. (gemma) vor-
kommt, ſo iſt vielleicht ſteinfeſt, ſteinheilig zu erklären,
vgl. gim-cyn Cädm. 5.


guþ (deus): guþa-faúrhts. — ahd. kot-chund (divinus,
deificus) ker. 192. K. 17a hymn. 6, 6. gote-leido O. IV. 7,
67. gote-foraht O. I. 15, 5. got-forht T. 7, 4. gota-vorah-
tal monſ. 395. gote-dehtig N. — agſ. god-cund Cädm. 50. 60.
— mhd. gote-leit (maxime inviſus) c. p. 361. En. 92c gote-
liep (max, carus) gote-wërt. — altn. god-mâlugr edd. ſæm. 57b.


handus (manus): handu-vaúrhts (χειροποίητος). —
ahd. hant-haft jun. 213. hant-mâƷi jun. 212. hant-ſtarch
N. 38, 12. — agſ. hond-gemæne Beov. 160. hond-rôf (ma-
nufortis) Cädm. 68. — altn. hand-bær (portatilis) hand-
faſtr, hand-fimr (promptus) hand-gôdr (tenax) hand-
haltr (manu aeger) hand-ôdr (manuum incontinens) hand-
ramr (fortis) hand-ſeinn (manu tardus). — mhd. hant-gar
(promptus). — nhd. hand-feſt, hand-greiflich, hand-lahm,
hand-gemein.


himins (coelum): himina-kunds (coeleſtis). — agſ. hëo-
fon-bëorht Cädm. 82. hëofon-cund (coeleſtis) hëofon-heáh
(altiſſimus) Cädm. 87. hëofon-torht Cädm. 64. — altn. hi-
min-blâr (coeruleus). — nhd. himmel-blau, himmel-hôch.


ahd. liut (gens): liut-mâri (publicus, divulgatus) monſ.
378. doc. 223b [die ſchreibung lût-mâri hymn. 19, 10.
O. II. 13, 55. 20, 23. III. 14, 5. IV. 34, 35. 37, 61. ſcheint
tadelhaft, es müſte ſich denn lût f. liut, vulgus rechtfer-
tigen laßen, vgl. goth. láuþs; aus dem adj. lût, ſonorus,
darf das erſte wort nicht erklärt werden, es würde ſonſt
hymn. 19, 10. hlût geſchrieben ſtehen] liut-pâri (publicus)
monſ. 327. liut-pârlîh monſ. 401. liut-zoraht (publicus)
jun. 220. liut-haƷ-lîh (tyrannicus) doc. 223a vgl. lëód-
hata oben ſ. 496. (womit zugleich die conjectur -háta
zerfällt). — nhd. leut-kund.


liþus (membrum): ahd. lida-ſcart (murcus) monſ. 378.
vgl. lidi-ſcart lex bajuv. 3, 21. lida-weih (mollis, flexibi-
lis) un-lida-weih (implicabilis) hrab. 966b 967b. — agſ.
liðe-bŷge (flexib.) lîde-vâc (mitis). — mhd. lide-ſchart Rud.
weltchr. lide-weich (lange hende, lidweich). — nhd. glied-
ganz, glied-lahm, glied-lang, glied-weich (lychnis ſilveſtr.).


magan (vis): altſ. megin-ſtreng. — agſ. mägen-fäſt,
mägen-hëard, mägen-leás (enervis) mägen-rôf Cädm. 68.
[553]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
mägen-ſtrang Cädm. 3. daneben mägnes rôf Beov. 156.
mägnes ſtrang Beov. 139. — mhd. mein-ſtrenge.


man (homo): mana-lîh (virilis)? verſch. von manno-
lîh (quilibet) ſ. im zweiten verz. -lîh; mana-liup (huma-
nus) ker. 72. mana-luomi (manſuetus) un-mana-luomi
(immanis) ker. 188; gehört hierher auch man-dwâri (man-
ſuetus) T. 22, 9. 67, 9. 116? bei der abtheilung mand-
wâri bleibt das erſte wort unerklärlich, obgleich das zweite
an miti-wâri (manſuetus) erinnert K. 21b, mite-wâre N.
75, 10. phyſiol. 2. mit-wâri J. 390. un-mit-wâri hrab.
967a. Bildet hier die part. miti das erſte wort? warum
ſteht in einer ſpäteren gl. jun. 323. geſchr. mude-were?
und bedeutet wâri für ſich betrachtet mitis, manſuetus?
dafür weiß ich bloß ala-wâroru (benignâ) hrab. 979b an-
zuführen. — agſ. man-þvære, mon-þvære (manſuetus)
vgl. das einfache þvære (manſuetus) þvârjan (temperare)
und das ahd. duëran (1, 861.) — altn. mann-bær (nubi-
lis) mann-fâr (paucis ſtipatus) mann-giörn f. (nupturiens)
mann-vandr (cautus in ehg. hom.) — nhd. mann-bar,
mann-haft, männ-lich, mann-toll.


maúrþr (homicidium) mhd. mort: mort-gir pf. ch.
17b mort-grimme Nib. mort-lîh Wigal. mort-meile (caede
maculatus) Nib. mort-meilic MS. 2, 150b mort-ræte (cae-
dem ſuadens) Triſt. oder ſteht es ſubſtantive? mort-ræƷe
Nib. — nhd. mord-bœſe, mord-ſchwer.


mit? (menſura, modus) ahd. mëƷ und verneinend
ummëƷ f. unmëƷ: ahd. mëƷ-haft (moderatus) T. um-
mëƷ-alt (ſenex) ker. 139. ummët-irri (nimium iratus)
Hild. unmëƷ-tiure N. Boeth. 164. unmëƷ-wîte (vaſtus) N.
263a, 10. (wo immëƷ) vgl. das ſubſt. ummëƷ-fluot ker. 69.
— agſ. ungemët-cald, ungemët-fäſt, ungemët-lîc.


ragin (auctoritas): altſ. regin-blind (penitus coecus). —
agſ. regen-hëard (praedurus) Beov. 27. — nhd. rein-taub,
rein-toll, rein-voll; und regen-blind, regen-frei (Schot-
tel 487).


ſêmeis? ſêmei? (dimidium) ein ſolches ſubſt. urver-
wandt mit dem lat. ſemis, ſemiſſis, das lat. lange e dem
ahd. â (wie in ſemen, ſâmo) entſprechend, erhellt aus
folgenden ahd. und agſ. zuſ. ſetzungen: ſâmi-heil (ſemi-
ſanus) ker. 246. ſâmi-quëc (ſemivivus, ſemimortuus) T.
128. ſâmi-wîƷ (ſubrufus, d. i. ſemalbus) jun. 226. — agſ.
ſâm-cvic, ſâm-cuc (ſemivivus) ſâm-gëong (ſemijuvenis)
ſâm-grêne (ſemiviridis) ſâm-vîſe (ſemiſapiens) Boeth. 173.
ſâm-vorht (ſemiſtructus) Cädm. 38. chron. ſax. p. 114.
(Ingr., der falſch überſetzt: haſtily wrought).


[554]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.

ſin? (robur, vis?) wovon ahd. ſënawa, agſ. ſinu, altn.
ſin, mhd. ſënewe, nhd. ſehne abgeleitet iſt; auf dieſen
begriff verſuche ich das in der comp. intenſiv ſtärkende
oder auch dauer (perennitas) ausdrückende ſina- zu be-
ziehen; die oben nicht verzeichneten ſubſt. werden hier
mitangeführt: ahd. ſina-huërpal (teres, tornatilis) ſina-
wërpal monſ. 353. doc. 243b ſin-wërbal ker. 17. ſin-wir-
pilî (circuitio) ker. 13; ſin-cal (jugis) nur in der weitern
zuſ. ſetzung ſin-cal-lîh ker. 168. vorhanden, das zweite
wort dunkel; ſin-vluot (diluvium, große flut, was ſonſt
ummëƷ-vluot, vgl. oben ſ. 493.) neben ſint-vluot N. 101,
26; ſina-wël, -lles (teres) W. 5, 14. monſ. 326. 340. (wo
ſina-wëlliſtûn, limpidiſſimae, wohl von glatt und rundpo-
lierten ſeulen), die wurzel des zweiten worts iſt wëllan
(volvi) *). — agſ. ſin-cëald (frigidiſſimus) Cädm. 72. ſin-
dreám (ſummus canor) ſin-gal (jugis, perpetuus) Beov.
14. 17. 87. 134. Boeth. 157. 193. 194; ſin-grêne (perviri-
dis, ſemperviridis) ſin-hîvan (conjunctiſſimi, conjuges)
Cädm. 19. 23. ſin-niht (νύξ ἐρεβεννή) Cädm. 2. 3. Beov.
14. ſin-ræden, ſin-ſcipe (conjugium) ſine-vëalt (teres, ro-
tunds) von vëaltjan (volvi). — altn. ſî-friôr (perennis,
ſemper virens) ſî-lêttr (velox, leviſſimus) ſî-mâlugr (lo-
quaciſſimus) ſî-valr (teres). — mhd. ſine-hol (concavus)
a. w. 3, 220. ſine-wël (teres) häufig, aber ſint-vluot Rud.
weltchr. — nhd. ſin-grün (vinca); ſünd-flût; ſin-well,
ſinn-bell nur in oberd. volksdialecten. — Bedenken machen
1) das goth. ſinteins (Matth. 6, 10. ἐπιούσιος, d. h. con-
tinuus) adv. ſinteinô (πάντοτε), kein compoſ. (weil dann
ſina-teins ſtehen würde und ein adj. teins unerhört iſt)
alſo wohl derivativiſches -t habend, wie das ahd. ſin-t
in ſint-vl. (vgl. ſ. 176. 223.); von ſin oder ſint (robur,
duratio) leitet ſich ſint-eins (durabilis) ab. 2) es gibt ein
altn. adv. ſî (perpetuo), das analog dem goth. áiv aus
einem ſubſt. herfließt, daher die formel ſî ok æ (immer
und ewig) goth. lauten könnte ſin (? = ſinteinô) jah áiv;
conſtruiert mit partic. iſt auch ein getrenntes agſ. ſin
ſtatthaft, z. b. ſin birnende (perpetuo flagrans) Boeth. 159.
warum kein altn. ſî hlæjandi (jugiter ridens)? 3) das
ahd. adv. ſimblum (ſemper) K. 17b 20a. b. 26b ſimbulun
T. 53. 5. 187, 2. ſimbolon O. Lud. 145. 161. IV. 29,
[555]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
112. V. 25, 325. ſimbles J. 351 agſ. ſimble, ſimle *), altſ.
ſimnen, wovon ſimblum den dat. pl., ſimble den dat. ſg.,
ſimbles den gen. ſg. eines ſubſt. zu erkennen gibt; möge
nun das b ableitend zu der wurzel ſin getreten ſein, oder
ſich dieſe mit einem dunkeln -bol, bul **) componiert
haben, in beiden fällen hat erſt der labiallaut die ände-
rung des n in m bewirkt, ſimblum ſteht alſo f. ſin-blum
(oder ſint-blum, vgl. mumper aus munt-bor ſ. 487.) und
gehört zu ſint-, ſin-; ſelbſt das lat. ſem-per (f. ſen-per?)
berührt ſich damit. 4) weil ſtärke (vis; ἴς, ἰνός) in
dauer übergeht, z. b. dicke auch oft bedeutet, ſo können
goth. ſin-eigs (longaevus) ſiniſta (major natu) und ſenex
(mit kurzem e) verwandt ſein.


ſtáins (lapis): agſ. ſtân-fâh (lapide coruſcans, epithet
der heerſtraße) Beov. 26. — altn. ſtein-blindr (talpâ coe-
cior) ſtein-ôdr (in ſaxa ſaeviens, von heftigem ſturm). —
mhd. ſtein-herte c. p. 361, 104a Mar. 120. — altengl.
ſtôn-ſtill Weber 3, 281. ***) — nhd. ſtein-alt, ſtein-reich
(bei dem gold wie ſteine liegt?) ſtein-hart, ſtein-ſtark
(Fiſchart); in der volksſprache auch ſtein-alber (Reinwald
1, 156.) ſtein-müd (oeſtr.) ſtein-weh (ſchweiz.) und ſtein-
bein-treu, mutter-ſtein-allein.


nhd. ſtock (truncus): ſtock-blind, ſtock-dürr, ſtock-
finſter (wie im ſtock, gefängnis; das volk ſagt noch ver-
ſtärkter ſtock-mauer-finſter) ſtock-fremd, ſtock-nacket,
ſtock-ſteif, ſtock-ſtill (vgl. mhd. ſtille als ein rone, c. p.
341, 142b) ſtock-todt.


uzds? (mucro) ahd. ort: ort-haft (acutus) ker. 26. ort-
waſſ (acutus) ker. 23. (wo das ſubſt. ortwaſſa, aculeus).


vaúrms (vermis): mhd. wurm-bîƷîc pf. ch. 26a Karl
28b; nhd. wurm-ſtichig, ſchweiz. wurm-äßig St. 2, 460.
(mhd. wurm-ëƷîc? bei Herb. 100c wur-ëƷic).


vundr? (miraculum): ahd. wuntar-guot monſ. 388.
wuntar-waſſ (admodum acutus) Geo. lied; wuntar-drâto
adv. (ocius). — agſ. vundor-lëóht Cädm. 65. — altn. un-
dur-lâtr (admirabundus). — mhd. wunder-breit MS. 2,
91a wunder-herte w. gaſt, wunder-kleine Morolf, wunder-
lanc liederſ. 1, 212. wunder-lich (mirus); im 12. und 13.
jh. vorzugsweiſe wundern-: wundern-alt Wigal. 417.
[556]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
wundern-balde (adv.) Reinh. 139. wundern-kuene Nib. 3503.
wundern-ſchône Wigal. 178. wundern-wê Reinh. 98. wun-
dern-wol miſc. 2, 299., welches alles ich aber für ad-
jectiviſche compoſition halte (wundern = wunderin, wun-
derîn, ahd. wuntarîn, mirus; oben ſ. 178. zuzufügen, ob-
gleich es unzuſ. geſetzt nicht vorkommt) vgl. wundrin-
ſcône Roth. 2a wunderen-kuone fr. bell. 33a (pf. ch. 67b
lieſt wunter-ch.) — nhd. wunder-groß, -herrlich, -klein,
-lieblich, -ſchœn u. a. m.


B. verzeichnis nach dem zweiten wort.

áina (ſolus): aus der ältern ſprache keine eigentl.
comp. mit dieſem adj.; das mhd. alters-eine (c. p. 361,
73b Jw. 12b Nib. Triſt. etc.) iſt adv. (ahd. altares eino?,
auf der welt allein) und höchſtens uneig. zuſ. geſetzt.
Nhd. findet ſich mutter-allein, verſtärkt mutter-menſchen-
allein, mutter-ſêlen-allein, mutter-ſêlig-allein, mutter-
ſtein-allein, ja oeſtreich. ſtein-bein-mutter-ſêliger-allein.
Ihre im dial. lex. p. 116. 171. gibt die ſchwed. compoſita:
mol-ênſam, ſtill-môl-êne, ſtill-mol-êne-ênſam und mor-
der-allêna; zum theil entſtellte, aber wohl verwandte bil-
dungen, da wir auch mutter-nacket, mutter-ſtill ſagen.
Bedeutet mutter-allein vaterlos, eingezogen bei der mut-
ter lebend? doch ſêlig iſt nicht das mhd. ſælec, ſon-
dern verderbt aus ſêlen und da die redensart keine mut-
terſêle, keine menſchenſêle gleichviel gilt mit niemand,
ſo wird mutter-ſêlen-allein ausdrücken: von jedermann
verlaßen, von jeder ſeele, jedem menſchen, den die mut-
ter geboren hat, folglich uneigentl. mit dem gen. pl. ſê-
len componiert ſcheinen; vgl. das ahd. gumônô ein O.
II. 7, 9. und das mhd. muoter-barn, menſchenkind.


ahd. alt (annoſus): ummëƷ-alt (ſenex); nhd. ſtein-alt.


arms (miſer): mhd. tôt-arm c. p. 341, 220d cod. vind.
428, 68b; uneigentl. der gotes-arme, diu gotes-arme En.
23b Nib. — nhd. bettel-arm, blut-a. kreuz-a.


balþs (fortis): agſ. cyning-bald (regi confiſus) Beov.
123. here-bald (militibus conf.) Beov. 181. 184. (wo es n.
pr.) — mhd. hëlfe-balt Parc. 112a vielleicht uneig., da
ſonſt der gen. bei balt ſtehet.


baírhts (lucidus): ahd. taga-përaht (nur als n. pr.) —
agſ. hëofon-bëorht Cädm. 82. hiov-b. Cädm. 7. (formâ
ſplendidus) rodor-b. Cädm. 83. ſadol-b. (ephippio ſplen-
dens, vom pferd) Beov. 163. vlite-b. (vultu ſpl.) Beov. 9.
[557]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
Cädm. 3. 5. 35. 38. 40. — altn. gagl-biartr (inſtar cygni
l.) edd. ſæm. 249b glô-b. ſôl-b. edd. ſæm. 167b.


báitrs (amarus): agſ. vinter-biter Cädm. 83. — nhd.
gall-bitter (gallen-b.) — altn. flîðr-beitr (laminam mor-
dens) edd. ſæm. 247a; nhd. eiter-beißig.


bêris? (-ferus) ahd. pâri, mhd. bære, meiſt abſtracter
bedeutung: ahd. nicht viele comp. danch-pâri (gratus)
undanch-p. (ingr.) jun. 186. T. 32, 9. N. 25, 3. ege-bâre
(terribilis) N. 46, 3. 65, 5. 75, 8. hî-bârîc (nubilis) trev. 7b
laſtar-pâri (damnabilis) monſ. 388. doc. 222a laſtar-bârîg O.
III. 17, 132. ſkîn-bâre N. 36, 6. Boeth. 63. — agſ. cvild-bær,
hlys-bær (famoſus) luſt-b. (jucundus) väſtm-b. (fertilis). —
altn. ſehr wenige, barn-bær (prolifera). — mhd. ſehr viele:
aht-bære Parc. 125b angeſt-b. Triſt. dieneſt-b. Triſt. êr-b.
Triſt. gote-b. (pius) Triſt. hërze-b. (cor tangens) Parc.
114c 141b Wh. 2, 101a hove-b. MS. 1, 105b Triſt. hun-
ger-b. Parc. 118b kampf-b. Parc. 81a 125b koſte-b. Parc.
161b Wh. 2, 92a. b. krône-b. Parc. 80c kur-b. Triſt. la-
ſter-b. Triſt. lobe-b. maget-b. Parc. 48c mort-b. Triſt.
rât-b. un-rât-b. Triſt. rede-b. Triſt. rëgen-b. (pluvioſus)
riuwe-b. Parc. 115b 124c 135a (riuwe-bæric Parc. 128a)
ſage-b. Triſt. ſchal-b. Vrib. ſchimpf-b. Triſt. ſchîn-b.
Triſt. ſiufze-b. Parc. 80a. b. 119b 186a ſufte-b. a. Tit. 87.
ſinne-bære Triſt. 7913. ſtrît-b. Wh. 2, 193a ſuene-b.
Parc. 46c ſünde-b. Parc. 111a 114b 115b tôt-b. (mortife-
rus) Wh. 2, 92a touf-b. Wh. 2, 78b 100a vluſt-b. a. Tit.
132. vluſte-b. Parc. 147c Wh. 2, 106b vrône-b. Lachm.
ausw. wandel-b. Triſt. zuhte-b. Parc. 82a; tadelhaft ſchei-
nen meien-b. Parc. 67c ſunnen-b. a. Tit. 98. f. meige-b.
ſunne-b. — nhd. acht-bâr, dank-b. dienſt-b. ehr-b. frucht-
b. kampf-b. koſt-b. mann-b. (nubilis) ſchein-b. ſtreit-b.
wandel-b. und noch einige, viele der mhd. ausgeſtorben.


ahd. planch (albus): mhd. ſnê-blanc Nib.


ahd. plâo (coeruleus): altn. hel-blâr (lividus). — mhd.
wolken-blâ Gudr. 71a nhd. blitz-blau, himmel-bl. ſchweiz.
knuſt-bl. Stald.


ahd. pleih (pallidus): altn. ſilki-bleikr. — mhd. tôt-
bleich Herb. Triſt. — nhd. aſch-bleich, tod-bleich (feh-
lerh. todten-bl.) wachs-bl.; oeſtr. kâs-bl. (wie käſe) ſchweiz.
ſtauchen-bl. (von ſtauche, ſchleier) bair. windel-bl. plattd.
nüſter-blêk (naſenbleich).


ahd. plîdi (laetus): herz-blîdi O. I. 4, 61.


blinds (coecus): ahd. ſtara-plint (oben ſ. 415.) das ſubſt.
der ſtar ſicher verwandt mit dem verb. ſtiren, ſtaren,
(ſtarren). — altſ. regin-blind (nach Hickes gr. agſ. 116.
[558]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
ſtehet regini-bl.) — altfrieſ. ſtaru-blind Aſ. 196. elle-blind
Aſ. 178. 179. — altn. hel-blindr, aus dem ſubſt. hel-blinda
(coecitas fatalis) und dem n. pr. hel-blindi edd. ſæm 46a
gefolgert, der einäugige Odin heißt auch noch gunn-
blindi und tŷ-blindi; zwergsname iſt ſôl-blindi, ſæm. edd.
108a, der den blick der ſonne nicht erträgt; rieſenname
miſtor-blindi ſæm. edd. 52a von miſtur, miſtr (caligo);
die proſa kennt ſtein-blindr (maxime coecus) und dag-bl.
(deſſen augen das licht ſcheuen) Biörn. — mhd. eig. comp.
fehlen mir *), doch iſt ſtar-blint nicht zu bezweifeln, da
auch mnl. ſtaer-blënt Rein. 77. vorkommt. — nhd. ſtâr-
bl. ſtock-bl. [und] verſtärkt ſtâr-ſtock-bl.; ſchweiz. noch
das alte regen-blind (kurzſichtig) St. 2, 267. — nnl. pûr-
ſtêken-blind (ſtichbl. wie p. ſt. zot). — engl. ſand-blind,
high-gravel-bl. (merch. of venice II, 2.) pur-bl. pore-bl.
(blind as ſtone).


brûns? (fuſcus): altn. kol-brûnn. — engl. berry-
brown, nut-brown. — nhd. nuß-braun; oeſtr. keſten-br.;
ſtiefel-br. (Fiſchart).


dáuþs (mortuus): mnl. ſtên-dôt Reinh. 1596. — alt-
engl. ſtân-dêde Beryn. 609. 3081. — nhd. maus-todt, racker-
todt, ſtein-todt (H. Sachs); verſtärkt maus-racker-t. [vgl.
unten -ſtille].


diups (profundus): ahd. enchil-tiuf (talaris, von einem
bis auf den fußknöchel reichenden kleid) doc. 209b. —
mhd. ſpër-tief Bit. 10a vërch-tief (von tödlicher wunde)
kl. 661. — nhd. grab-tief (Fiſchart) ſattel-tief (Stald.).
Meiſt auflösbar in: bis auf, bis zu; das maß der tiefe
ſteht lieber im gen. und gibt uneigentl. comp. z. b. altn.
raſtar-diupr, meilen-tief.


falvs? (pallidus, diſcolor): agſ. äppel-fëalo Beov. 162.
von pferden, nicht vergleichend fahl wie apfel, ſondern
eine art der farbe, das gris pommelé, beſtimmend [vgl.
unten grau]. — altn. nëf-fölr (pallens naſum) edd. ſæm.
8b 249a vgl. 48b fölr um naſar, vgl. nhd. naſeweiß und
plattd. nüſterblêk; naud-ſölr ſæm. edd. 246b. — mhd. wi-
bel-val Herb. 45a wie der kornwurm.


farvs? (colore praeditus): ahd. horo-varo (luteus) N. 92,
5. golt-varo N. Boeth. 163. mis-faro (varius) ker. 188. rôs-va-
ro (roſeus) jun. 249. — mhd. balſem-var Parc. 191b bluot-var
Parc. 141c Wh. 2, 173a 194b Gudr. 26a glas-v. Parc. 119a har-
[559]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
naſch-v. Wh. 2, 2b 79b golt-v. troj. 55b 57a küchen-v. Wh.
2, 85b lieht-v. Parc. 192b louch-v. Bit. 105b miſſe-v. Barl.
mor-v. Karl 80b nëbel-v. Bit. 105a raben-v. Wh. 2, 173b
rôſe-v. fehlerh. rôſen-v. Nib. 2378. rœſel-v. troj. 3026.
ruoƷ-v. Bit. 108a ſnê-v. Wh. 2, 10a ſtrît-v. Bit. 105a
ſturm-v. Bit. 42a tôt-gev. Wh. 2, 171a waƷƷer-v. Karl
115a wëter-v. Triſt. wibel-v. Herb. 83d (vgl. wibel-val)
zorn-v. Karl 124a u. a. m. — nhd. blût-farb, glâs-farb,
ſchnê-f. waßer-f. u. a., doch in beſchränkterem gebrauch.
Mhd. auch häufig die auflöſung: gevar nâch helle, nâch
aſchen etc. in gleichem ſinn.


agſ. fäſt (firmus, ſixus): ahd. comp. mit veſti finde
ich nicht, aber viele agſ. âr-fäſt Beov. 89. Cädm. 54.
blæd-f. Beov. 99. dôm-f. Cädm. 30. 34. 40. 51. ëard-f.
Cädm. 61. gim-f. Beov. 67. (gin-f. 193.) hals-f. Cädm. 49.
gemët-f. (moderatus) ræd-f. Cädm. 89. ſige-f. Cädm. 81.
tir-f. Cädm. 25. 64. Beov. 71. þëav-f. Cädm. 43. 57. vær-f.
Cädm. 24. 35. vuldor-f. Cädm. 1. 71. ebenſo häufig ſteht
aber auch der leibliche dat. los daneben, z. b. ſâle fäſt
Beov. 143. ëorðan f. Cädm. 86. tirum f. Cädm. 82. etc. —
altn. âſt-faſtr, blŷ-f. bû-f. gin-f. hûs-f. iard-f. timbr-f.
trû-f. — mhd. ellen-veſte Wh. 2, 160a nôt-veſte Maria
133. tugent-veſte troj. 5c 112a waƷƷer-veſte Parc. 163a. —
nhd. baum-feſt, bein-f. boden-f. ehren-feſt (f. ehr-feſt)
eiſen-f. fauſt-f. felſen-f. (f. fels-f.) grund-f. hand-f. kern-f.
mauer-f. noth-f. (Simplic. p. 482.) pickel-f. ſtein-f. wurzel-f.


ahd. vêh (varius, multicolor): gikkel-vêh (polymitus)
herrad. 184b [vgl. nhd. gickel-bunt und gickel-hahn, -huhn
f. bunterh., gackel-ei buntgemahltes,]; viƷƷil-vêh (peti-
lus, von pferden) trev. 11b blaſ. 64a jun. 273. und in ſächſ.
form ſitil-vê jun. 393. vgl. altn. fitl (levis attrectatio) ſelbſt
das lat. wort, das eigentl. tenuis, exilis bedeutet. — agſ.
gold-fâh Beov. 25. 71. 76. 136. ſtân-fâh Beov. 26. ſvât-
fâh Beov. 85. 98. väl-fâh Beov. 86. vyrm-fâh Beov. 128.
oft auch mit dem dat. drëore fâh Beov. 36. 39. 123. ſëar-
vum fâh Beov. 79. — mhd. gikel-vê (vom gefieder des
habichts) a. w. 3, 206; natern-vêch MS. 2, 223b (f. na-
ter-vêch?); vinkel-vêch (von buntem ball) MS. 2, 75b,
das erſte wort dunkel.


ahd. veili (venalis): mhd. market-veile MS. 2, 132a.


altn. feitr (pinguis): hlŷr-feitr (pinguis genâ) ſpik-
feitr (praepinguis). — nhd, ſpeck-fett, ſchnecke-f. ſchne-
gel-f. ſchlotter-f.


framaþis (peregrinus): nhd. land-fremd, leut-fr. ſtock-
fr. welt-fr.


[560]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.

fris? frijis? (liber): ich kenne bloß das nhd. vo-
gel-frei (wie ein vogel in der luft, den jeder ſchießen
darf); veraltet iſt regen-frei (vorhin ſ. 553.); plattd. gilt
auch bieſter-frei. Mhd. comp. mit -vrî, in der bedeu-
tung von los, ledig, ſind alle uneigentlich.


fulls (plenus): ahd. nur wenige, froma-fol (benignus)
ker. 43. firn-fol (ſceleſtus) T. 32, 4. 56, 3. ungiloub-fol
(incredulus) T. 233, 6. mein-ſol (flagitioſus) jun. 207. hrab.
963a ſorg-fol T. 63, 4. — altſ. mên-ful. — agſ. bëalo-ful
Jud. 10. eges-f. Beov. 217. Cädm. 73. 77. gâl-f. (libidino-
ſus) hiht-f. (plenus ſpei) Cädm. 23. invit-f. Cädm. 23. luſt-f.
ſcyld-f. ſorh-f. Beov. 41. 97. 109. 158. ſyn-f. Cädm. 73. þrym-
f. Jud. 10. tëón-f. Cädm. 80. väter-f. u. a. m. — altn. hug-
fullr, ſorg-fuilr, ſæm. edd. 211a, fleyti-fullr (ad ſumma labra
pl.); die meiſten ſind uneigentlich, z. b. hrædflu-fullr. —
mhd. keine oder wenig eigentl. comp. mit -vol (abſtrac-
ter bedeutung); uncomp. ſtehet liutes vol Gudr. 58b waƷ-
Ʒers vol Wh. 2, 85a etc. — nhd. aber verſchiedne: gram-
voll, jammer-v. pein-v. ſinn-v. jammer-v. verhängnis-v.;
zur ſinnlichen verſtärkung dienen im volksdialect: blind-
voll, hagel-v. ſack-v. ſpund-v. (bis zum ſpund) ſtern-v.
und verbunden ſtern-hagel-v. blitz-ſtern-hagel-v. blind-
ſtern-hagel-v. krutſch-kröte-v. (f. gräte-v. geräde-v., näm-
lich geſiebt, gerüttelt, geſchüttelt voll) u. a. m.


garvs? (paratus): mhd. golt-gar fr. bell. 26a 30a hant-
gar Triſt. wîc-gar Triſt.


gáils? (laetus, libidinoſus): agſ. eálo-gâl Cädm. 109.
mëdu-gâl Cädm. 90. Jud. 10. vîn-gâl Cädm. 77. alle drei
fröhlichkeit durch (nicht über) das getränk ausdrückend;
das vorhin ſ. 554. angeführte ſin-gal hat kein â, wie das
ahd. ſin-cal (nicht ſin-keil) beweiſt.


gaúps? (patulus) agſ. geáp: horn-geáp (pinnaculis am-
plus) Beov. 9. ſæ-geáp (von einem ſchiff) Beov. 143.


gaíris? (cupidus): ahd. nëf-kiri (avarus) hrab. 953a
jun. 196. K. 53a walu-kiri (crudelis) ker. 10. 65. 95. hrab.
957a — mhd. mort-gir; fr. bell. 30a mort-girec troj. 89a
doch êren-gir Triſt. 413. 4999. Karl 66b iſt uneigentl.


gaírns (cupidus): faíhu-gaírns (avarus). — ahd. kë-
pa-kërn (munificus) gëbi-gërnîg trev. 45a hruom-kërn
(jactabundus) monſ. 410. lobo-gërn N. 43, 22. rawo-gërn
(quietus) N. 103, 32. rëht-kërn (juſtus) monſ. 323. 347.
(rëht ſubſtantive betrachtet) ſpili-kërn (laſcivus) monſ.
409. wîp-kërn (leno) lindenbr. 997a vurwiz-kërn (cu-
rioſus) monſ. 366. N. 8, 9. alt-zier-kërn (veternoſus) blaſ.
24b trev. 10a — altſ. nur uncomp. inwidies gërn (dolo-
[561]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
ſus). — agſ. lof-gëorn Beov. 236. firvit-gëorn Boeth. 194a
gilp-gëorn (arrogans) ſlæp-g. (ſomnolentus); gewöhnl. un-
comp. ætes g. Jud. 11. bëalves g. Cädm. 75. corðresg. Cädm.
17. dæda g. Cädm. 81. ſiðesg. Beov. 207. — altn. fê-giarn, grât-
giarn (plorabundus) heipt-g. her-g. nâm-g. hôl-g. (jacta-
bundus) ſkraut-g. oder ſkaut-g. edd. ſæm. 237a val-g. — mhd.
miete-gërn Herb. 103b. Es ſind auch mehrere goth. und
ahd. eigennamen aus ſolchen adj. entſprungen: frithi-
gërnus, hilti-kërn, ſpili-kërn; im concil. pariſ. III (a.
557.) unterſchreibt ein ganothi-gernus, im aurelian. V.
(a. 549.) gonoti-gernus.


gilvs? (flavus) ahd. këlo, agſ. gëolo: altn. eld-gulr
(feuergelb). — nhd. butter-gelb, ei-gelb, gallen-g. (f. gall-
g.) gold-g. honig-g. fafran-g. wachs-g.


gôds (bonus): gaſti-gôds (hoſpitalis) Tit. 1, 8. — agſ.
ær-gôd (perbonus) Beov. 76. 101. 175. 191. das erſte
wort vielleicht ær (aes)? cyne-gôd Cädm. 36. 79. 84. —
altn. barn-gôdr (pueris mitis? oder perbonus?) brióſt-g.
(miſericors) dâ-g. (f. dag-g.) koſt-g. (optimae notae) mat-g.
(cibi benignus) ſkap-g. (bonae ind.) ſmëk-g. (ſaporatus)
von-g. (laetus ſpe) þiód-g. auch uneigentliche, z. b. furdu-g.
hŷru-g. — nhd. grund-gut, herz-g. kern-g. kreuz-g. ſê-
len-g. (f. ſêl-g.) wunderg. — dän. eie-god.


ahd. grâ (griſeus): aphal-grâ (vom pferd, das agſ.
äppel-fëalo) trev. 11b blaſ. 64a jun. 393. — altn. apal-grâr,
neben apald-gr., welches tadelhaft ſcheint, da nicht vom
baum die rede iſt; ûlf-grâr edd. ſæm. 158a. — mhd. ap-
fel-grâ Roth. 866. En. 5528. Wh. 1, 125a îs-grâ vater-
unſer 1222. 1431. — nhd. alter-grau, apfel-gr. aſch-gr.
donner-gr. eſel-gr. eis-gr. katz-gr. — engl. dappel-gray.
— dän. abild-graa K. V. 4, 128.


ahd. krimmi (ſaevus): altſ. hëru-grim (crudelis inſtar
gladii). — agſ. bëado-grim Beov. 169. hëaðo-gr. Beov.
43. 200. hëoro-gr. Beov. 118. 139. Cädm. 81. ſëaro-gr.
Beov. 47. nîð-gr. Beov. 17. väl-gr. Cädm. 24. 32. 40. 55.
(vgl. ahd. walu-kiri). — mhd. mort-grimme troj. 183b
Nib. muot-gr. Bit. 100a ſwërt-gr. Nib. vërch-gr. Nib.


ahd. kruoni, gruoni (viridis): agſ. ſin-grêne. — altn.
lauf-grœnn (praſinus) aber uneig. idja-grœnn von dem
pl. idjar, ifjar (viror prati), — mhd. gras-gruene Triſt. klê-
gruene Bit. 99b loup-gruene Triſt. — nhd. gras-gruͤn, ſin-gr.
ſpan-gr. (vgl. Friſch). — ſchwed. löf-grön folkv. 3, 150. 165.


hafts (fixus): áuda-hafts (dives) qviþu-hafts (prae-
gnans). — ahd. eki-haft (diſciplinatus) K. 21b ellan-h.
hrab. 976b enda-h. (abſolutus) monſ. 375. (wo endarhaft)
N n
[562]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
ata-h. (continuus) N. Boeth. 74. 97. êoh. (legitimus) N.
Boeth. 108. êr-h. (pius) K. 42b hrab. 972a N. Boeth. 144.
hella-h. monſ. 401. hant-h. (mancipium) jun. 213. heil-h.
(beatus) ker. 43. heit-h. (voto obſtrictus) T. (ſubſtantiviſch
f. ſacerdos) unhliumunt-h. T. 107. lîc-h. N. 36, 36. lîp-
-h. jun. 256. O. I. 5, 48. meil-h. (vitiatus) doc. 250.
minni-h. (diligens) monſ. 351. mëƷ-h. (temperatus) K.
40a 45b jun. 183. ungamëƷ-h. hrab. 967a unmuoƷ-h. (pro-
fanus) jun. 176. mûƷ-h. (mutabilis) doc. 226a nama-h.
(nomine praeditus) K. 57a kinât-h. (clemens) ker. 55.
(f. kinâd-h.) nôt-h. opaƷ-h. (frugiſerus) monſ. 407. ort-h.
(acutus) ker. 26. pua-h. (habitabilis) jun. 208. pugi-h.
(flexuoſus) ker. 13. purda-h. (ponderoſus) doc. 230b redo-
h. (rationabilis) K. 29b redi-h. O. II. 9, 184. 10, 12. IV.
4, 75. rëgan-h. (pluvioſus) monſ. 407. ſcado-h. (nocivus)
N. Boeth. 92. 132. ſcama-h. (pudicus) ſgall. 189. ker. 227.
unſcama-h. ker. 172. ſcatu-h. (umbroſus) hrab. 970a ſceid-
h. (differens) monſ. 395. ſcîn-h. (manifeſtus) O. Lud. 129.
ſcûm-h. (ſpumoſus) ſêl-h. (animatus) ker. 35. ſin-h. (ca-
pax) N. 106, 38. ſitu-h. (ingenitus) ker. 156. ſlôƷ-h. W.
4, 12. ſorac-h. (ſedulus, ſuſpiciens) K. 23b ſorc-h. hrab.
974b jun. 250. ſpunne-h. (lactarius) N. 67, 16. ſtata-h.
(conſtans) unſtata-h. doc. 236b ſtuki-h. (ſpatioſus?) ker.
35. ſunt-h. (nefarius) jun. 239. tuld-h. (magnus) monſ.
398. uob-h. (ſolemnis) N. 117, 27. fruma-h. (beneficus)
ker. 43. frum-h. (authenticus) ker. 33. waƷar-h. (hydro-
picus) ker. 110. wîc-h. (bellicoſus) jun. 179. willi-h. (ul-
troneus) jun. 176. wuokar-h. (fertilis) jun. 207, ker. 285.
wurz-h. (radicoſus) K. 21b 40b 52a zins-h. monſ. 360.
u. a. m. — mhd. beiſpiele: angeſt-haft Triſt. bû-h. ſr.
bell. 46a gedanc-h. Triſt. dieneſt-h. Parc. 176a ê-h. MS.
1, 174b Iw. 22a eiter-h. Parc. 175c ellent-h. (f. ellen-h.)
a. Tit. 96. Parc. 82b 131c ende-h. Parc. 9c 83b 89b êr-h.
En. 37c 38c 57a. c. heil-h. a. Tit. 39. her-h. (copioſus)
Triſt. 4022. 11172. 16864. hërze-h. Parc. 70a 137b hou-
bet-h. c. p. 361, 66b houpt-h. pf. ch. 40b klage-h. Parc.
128a. b. Bit. 19b kumber-h. Parc. 82b Wh. 2, 109a 204a
kunne-h. Wh. 2, 64b lût-h. Triſt. nôt-h. c. p. 361, 67d
73d 104a a. H. 197b rede-h. (eloquens) Triſt. ſage-h. Triſt.
ſchade-h. a. w. 3, 199. ſëdel-h. c. p. 361, 63a ſige-h. a. Tit. 99.
ſorc-h. Triſt. ſtate-h. (locuples) Roth. 3b 4a Triſt. ſünde-
h. Parc. 127a teil-h. a. Tit. 96. tievel-h. tugent-h. Parc. 176c
vlîƷ-h. Triſt. vröude-h. Parc. 124c witze-h. Parc. 37a wîc-h.
Bit. 41a wunder-h. Karl 111a wuocher-h. Karl 100b pf.
ch. 108a zal-h. pf. ch. 76a zins-h. Triſt. — nhd. fehler-
[563]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
haft, frevel-h. herz-h. laſter-h. glaub-h. launen-h. (ſ. laun-h.)
leib-h. glück-h. mann-h. mangel-h. meiſter-h. nam-h. nahr-
h. (vom alten ſubſt. nar) preſſ-h. (ſ. breſt-h.) ſchad-h. ſchalk-
h. ſcham-h. ſchmerz-h. ſchuͤler-h. ſieg-h. ſtatt-h. theil-h.
tugend-h. zank-h. zauber-h. etc. in einigen nimmt -haft
noch ein ableitendes -ig an: leib-haftig, theil-haftig. —
Bemerkenswerth, daß dieſe im goth. vorkommende, im
hochd. häufige zuſammenſetzung den ſächſ. und nord.
ſprachen (obgleich ſie das einfache adj. haft, haptr ken-
nen) durchaus gebricht. Erſt im nnl. ſchwed. und dän.
begegnen ſcheinbar abgeleitete adj. auf -achtig, -aktig,
agtig ſolchen, die nhd. -haftig haben und vielleicht mit
weglaßung der ſpirans daher entlehnt ſind (vgl. oben
ſ. 383. 384.).


hardus (durus): agſ. bëalo-hëard Beov. 102. fŷr-h.
Beov. 25. îren-h. Beov. 85. mägen-h. nîð-h. Beov. 180.
184. rëgen-h. Beov. 27. ſcûr-h. Beov. 80; oft ſteht der
dat. z. b. vundum h. Beov. 200. ſcûrum h. Jud. 10. bëad-
ve h. Beov. 117. auch einmahl der gen. vîges h. Beov.
68. — altn. bein-hardr, ber-h. ſæm. edd. 249b gall-h. œdi-h.
(von œdi furor). — mhd. ſtahel-herte Nib. MS. 1, 87b ſtein-h.
Mar. 120. vlins-h. Nib. kl. 1277. — nhd. boden-hart
(Fiſchart) felſen-h. (f. fels-h.) kieſel-h. pickel-h. ſtein-h. —
Aus den adj. entſprangen die ahd. mannsnamen dëgen-
hart, engil-h. ëpur-h. këpa-h. megin-h. nagal-h. nîd-h.
përn-h. regin-h. wolf-h. mit welchen zum theil die an-
geführten agſ. adj. ſtimmen, obgleich ſich die bedeutung
des erſten worts nicht immer (z. b. in engil-h.) zu fügen
ſcheint. Auch geben dieſe namen mit der adj. declin.
zugleich das ableitende i auf und haben nie -herti.


háils (integer): ahd. kanc-heil (firmus pede) N. 144,
12. ſâmi-heil (ſemiſanus) wana-heil (debilis) K. 38b 42b
44a T. 95. — agſ. van-hâl (mancus). — altn. band-heill
(integer vimine) Gutalag p. 57. van-heill (languidus). —
mhd. ganc-heil Bon. 85, 28. — nhd. noch im Simplic.
(vogelneſt 1, 12.) “geſund oder gang-heilig”.


haírts (-cors): ahd. unbarma-hërz (immiſericors) ker.
157. aber kann dies vom ſubſt. parm geleitet werden? im
mhd. erbarme-hërze Barl. ſteckt offenbar das verbum;
merkwürdig iſt wuotan-hërz (tyrannus) ker. 270. — agſ.
vulf-hëort (ferox) Cädm. 77. 78. 80.


háits? (calidus): agſ. vylm-hât (fervidus) Cädm. 56.
— altn. fun-heitr. — nhd. glut-heiß, ofen-heiß.


háuhs (altus): nhd. baum-hoch, berg-h. himmel-h.
thurm-h.; zur verſtärkung, abmeßung aber: baums
N n 2
[564]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
hoch (mhd. diu ſunne ſtât wol boumes hôh, c. p.
341, 93d).


hills? (lucidus): nhd. licht-hell, mond-h. ſtern-h. ſpie-
gel-h. tag-h.; waßer-h.; tadelhaft, kerzen-h. ſonnen-h.


agſ. hluttor (limpidus): gläs-hluttor. — nhd. zinn-
lauter (H. Sachs).


hvaírbs (volubilis): hveila-hvaírbs (πρόςκαιρος).


hvats? (acer): âr-hvät (ſtrenuus) Aethelſt. bëarhtm-
hvät (celerrimus) Cädm. 83. dæd-hv. Cädm. 82. fyrd-hv.
(bellicoſus) Beov. 124. 185. môd-hv. (fortis animo) Cädm.
65. 82. — altſ. mên-huat (ſceleſtus) nîth-huat (invidus). —
altn. fôt-hvatr (auch fôt-fimr, ὠκύπους) mâl-hv. (libere
loquens).


hveits (albus): ahd. ſâmi-huîƷ (ſ. 553.) — agſ. mëólc-
hvîte (lacteus) ſnâv-hvît (niveus). — altn. bâl-hvîtr (von
bâl, pyra) blik-hv. (von blik, nitor) brûn-hv. (candidis
ſuperciliis praeditus) edd. ſæm. 53b drift-hv. (von drift,
ſyrtis nivea) lîn-hv. (von lîn, byſſus, mit der variante
lind-hv. von lindi, faſcia?) edd. ſæm. 78b miall-hv. (von
miöll, nix) ſæm. edd. 49a ſkiall-hv. (vgl. ſnorr. edd. p. 20.) ſnæ-
hv. edd. ſæm. 260a ſvan-hv. 134a. — mhd. harm-wîƷ Wigal.
37. ſaben-w. (von ſaben, byſſus) ſilber-w. troj. 49c ſnê-w.
MS. 1, 159b Parc. 31c Nib. uneig. liljen-w. MS. 1, 54a. — alt-
engl. milk-white, paper-wh. ſnow-wh. — nhd. hagel-
weiß, kreide-w. oeſtr. kâs-w. (wie käſematte) mehl-w.
milch-w. ſchlôßen-w. ſchnê-w. ſilber-w.; verſtärkt: ſchnê-
-milch-w. ſchnê-hagel-w. ſchlôß-kreide-w. ſchnê-rieſel-w.
(von rieſel, hagel) ſchnê-bluͤte-w. ſchnê-bluͤtrieſel-w. —
ſchwed. arm-hvît (weißarmig) folkv. 3, 63. ſjö-hv. 1, 61.


juggs (juvenis): agſ. cild-gëong (infans) ſâm-gëong
(ſemijuv.) — altn. frum-ûngr (von frum, primitiae, vgl.
frum-grœdi) edd. ſæm. 116b iôð-ûngr 221b. — nhd. blut-j.


kalds (frigidus): altſ. wintar-kald E. H. cap. 69. —
agſ. ſin-cëald Cädm. 72. — altn. êl-kaldr (von êl, pro-
cella) Yngl. ſaga c. 51. hrîm-k. (von hrîm, pruina) edd.
ſæm. 66b 90a 191a hroll-k. (von hrollr, horror) îs-k. (von
îs, glacies) ſval-k. (von ſval, aura frig.) edd. ſæm. 118b
234a (wo Raſk fâr-k.) vâr-k. (von vâr, vor, frühling)
edd. ſæm. 107b vind-k. (n. pr.) ibid. 271a vgl. vind-ſvalr 34b.
— nhd. eis-kalt, ſchnê-k.; ſchweiz. gletſch-k. heſſiſch
eis-zapfen-k. — engl. clay-cauld Scott minſtr. 2, 417. 432.


ahd. chrump (curvus): mhd. ſichel-krump c. p. 350,
35. — altfrieſ. craul-crum (v. craul, ahd. chrouwil) Aſ. 375.


kunds (-gena): guma-kunds (maſculinus) himina-kunds
(coeleſtis). — ahd. cot-chund (divinus) K. 17a 20b hymn.
[565]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
6, 6. verſch. vom goth. gôda-kunds (εὐγενής) ſollte ahd.
auf t auslauten. — agſ. dëófol-cund (diabolicus) Jud. 10.
ëorð-cund (terreſtris) Cädm. 36. god-c. (divinus) Cädm.
50. 60.


kunþs (notus): agſ. lëód-cuð (oppido notus). — nhd.
gau-kund, lant-k. laut-k. ſtadt-k. welt-k.; früher auch
nam-kundig (ſchwed. nampn-kunnig).


ahd. chuoli (ſubfrigidus): mhd. waƷƷer-kuele Gudr.
23b.


ahd. chuoni (audax): agſ. dæd-cêne Beov. 124. gâr-
cêne Beov. 147. — mhd. ſtrît-kuene Nib. ſturm-k. Nib.
wunder-k. Nib. (vorhin ſ. 556.).


laggs (longus): ahd. pora-lanc (ſ. 550.) — altſ. ſumar-
lang. — agſ. and-long (continuus) Beov. 138. 200. 218.
ſcheint eher mit dem part. and, als dem ſubſt. ende (goth.
andi) componiert, doch vgl. die altn. form; morgen-l.
Beov. 215. niht-l. Beov. 42. — altn. dag-lângr; end-l.
(von endir, finis? die partikelcompoſ. haben and-) ſæm.
edd. 134b 239b 254a, ſpäter endil.; geyſi-l. (perlongus);
hauſt-l. (per auctumnum); ſumar-l.; vëtr-l. ſæm. edd. 140.
— mhd. bor-lanc, ſumer-l. Nib. 8435. winter-l. MS. 1,
41b c. p. 357, 43. und ſo ſcheint Wh. 2, 45a f. wolken-l.
zu leſen; tage-l. finde ich nur als adv. und verkürzt tâ-
lanc. Alle dieſe comp. drücken bloße verſtärkung oder
das verhältnis der dauer aus, ſoll körperlich verglichen
werden, ſo ſteht die ſache im gen. z. b. vingers lanc
Parc. 162b ſpërs l. Parc. 19b.


láus (expers): akrana-láus (infertilis). — ahd. arbëo-
laos Hild. erbe-lôs N. Boeth. 71. âƷa-l. (expers cibi) monſ.
347. âƷ-l. doc. 203b êr-l. (impius) J. chinde-l. N. Boeth.
136. friunt-l. Hild. gëti-l. (laſciviens) monſ. 377. von dem
veralteten ſubſt. gët, altn. gëd (mens) *) kauma-l. (negli-
gens) ker. 158. goumi-l. O. I. 22, 20. krunt-l. (profundus)
ker 40. ôr-l. (goth. áuſa-láus?) trev. 47b purg-lôs (pro-
vincialis) N. 49, 8. ruahha-l. (negligens) K. 21b 40b 46a
ſcama-l. monſ. 351. ſcame-l. N. 20, 13. 68, 8. ſita-l. (abu-
tens) monſ. 348. ſunti-l. O. IV. 26, 43. drôſto-l. O. IV. 32,
18. Merkwürdig aber drückt -lôs in einigen zuſ. ſetzun-
gen (zumahl wenn wieder ſubſt. auf -lôſî gebildet wer-
den) nicht die beraubung aus, ſondern die ungebunden-
heit, losgelaßenheit. Selbſt das angeführte gëti-lôs, ſitu-
[566]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
lôs iſt zweideutig, entw. mangel an ſinn, an beſinnung,
an ſitte oder ungezügelten ſinn, freie ſitte bezeichnend;
âwizi-lôs (amens) jun. 183. würde, lôs durch expers er-
klärt, doppelt verneinen, es heißt: losgelaßen im unſinn.
Ebenſo muoti-lôſî doc. 226a animoſitas, übermuth, nicht
muthlofigkeit; frowi-lôſî doc. 227b temeritas, ausgelaßner
jubel, nicht freudenloſigkeit, und frawjo-lôs (inconſultus)
ker. 150. — altſ. endi-lôs (infinitus); gewöhnl. wird der
gen. geſetzt barno, ſundiôno, wammes lôs. — agſ. âr-leás
Cädm. 24. barn-l. blôd-l. cëar-l. Cädm. 66. cyſt-l. Cädm.
24. dôm-l. Cädm. 96. Beov. 214. dreám-l. Beov. 130. Cädm.
87. ëaldor-l. Beov. 223. ege-l.êðel-l. Cädm. 66. 74. fëó-l.
Beov. 182. fëormen-l. (?) Beov. 205. gŷme-l. hiht-l. Cädm.
52. hilde-l. Cädm. 81. hlâford-l. Beov. 217. hyge-l. Cädm.
2. mete-l. (cibo carens) ræd-l. Cädm. 2. 78. ſâvel-l. Beov.
107. 225. ſcëam-l. ſige-l. Cädm. 8. ſlêf-l. (manicarum expers)
ſorh-l. Beov. 126. ſyn-l. þëóden-l. Beov. 84. tîr-l. Beov. 65.
vær-l. Cädm. 2. vine-l. Beov. 194. Cädm. 87. vyn-l. Beov. 108.
Beiſpiele des gleichfalls häufigen gen., oft in den nämlichen
wörtern: arna l. Cädm. 49. vynne l. Cädm. 25. dreáma l.
Beov. 66. Cädm. 3. Der zweiten ahd. bedeutung ähnliche
agſ. comp. finde ich nicht. — altn. hug-laus, konûng-l.
lîf-l. râd-l. ſak-l. ſid-l. ſæm. edd. 155a vâpn-l. vin-l. ſæm.
edd. 107a etc., andre haben den gen. z. b. munar-l. (ex-
pers gaudii); wiederum keine beiſpiele des ahd. neben-
ſinns. gëd-laus bedeutet nicht übermüthig, ſondern klein-
müthig und gëd-leyſi puſillanimitas. — mhd. gebîte-lôs
Triſt. ende-l. Parc. 112b 116a 189c troj. 2c êr-l. Triſt. gnâde-l.
hëlfe-l. Parc. 122a 143a 148b MS. 1, 119b hërze-l. houp-
te-l. kl. 888. meiſter-l. Triſt. naſe-l. Wh. 2, 108b rëht-l.
Parc. 127a ſchame-l. MS. 1, 115b ſige-l. Nib. MS. 2, 1b
ſinne-l. MS. 1, 110a ſorge-l. MS. 1, 181b vërch-l. fr. bell.
40a vröude-l. Nib. Wigal. wëge-l. Triſt. wîſe-l. (orbatus
duce) Parc. 111c Triſt. witze-l. Roth. 26a wolken-l. MS.
1, 57a 130b zuhte-l. MS. 1, 67b. Unorganiſche form
ſcheint hërren-l. Parc. 110a ôren-l. MS. 1, 123a, da ſich
hier im erſten wort ſchwerlich der gen. annehmen läßt,
der auch weder in dem umlautenden chreſte-l. Parc.
165c Wh. 2, 19a (ahd. chrefti-l., bei N. 70, 9. chrafte-l.)
noch in tugende-l. MS. 129a 130b liegt. Ein muot-lôs etc.
im ahd. ſinn kenne ich kaum, das ſubſt. gët-lôſe (laſcivia,
levitas animi) Mar. 17. 128. und das adj. gëte-l. Triſt. — nhd.
beiſpiele: boden-l. ehr-l. end-l. grund-l. herz-l. hilf-l.
kummer-l. kraft-l. lieb-l. muth-l. (exanimis) nam-l. recht-
l. ruch-l. (impius) ſaſt-l. ſchâm-l. ſchlâf-l. ſchmerz-l.
[567]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
ſorg-l. etc. und unorganiſch freuden-l. herrn-l. ohren-l.
ſitten-l., und neben nam-l. ſorg-l. namen-l. ſorgen-l., man
müſte denn unterſcheiden wollen die freiere bedeutung
unnennbar, unbekümmert von der beſtimmteren: ohne
namen, los von forgen. In der volksſprache dauern ein-
zelne veraltete comp. fort, z. b. meiſter-l. hug-l. (Stald.).


leiks (ſimilis): miſſa-leiks (varius) Marc. 1, 34., vor-
ausgeſetzt, daß das erſte wort ſubſt. iſt (ſ. 470.) — ahd.
âbant-lîh (verſpertinus) K. 35a adal-l. (nobilis) ker. 208.
arp-l. (teſtamentarius) doc. 202b art-l. (habitabilis) jun. 208
âtum-l. (ſpiritualis) K. 23b 47b 49b charl-l. (maritalis)
monſ. 408. danch-l. (gratus) hrab. 965a dau-l. (moralis,
von dau, mos, agſ. þeáv) hrab. 961a drôe-l. (minax) N.
Boeth. 61. kedult-l. (patiens) K. 23b 42a ê-l. (legitimus)
hrab. 968b ekis-l. (terrib.) K. 38a elljan-l. (fortis) Ludw.
engil-l. O. V. 19, 50. ërd-l. (terrenus) K. 22a T. 119. frî-
hals-l. (liberalis) hrab. 968b lîhhame-l. (corporeus) K. 37b
liuthaƷ-l. doc. 223a heil-l. (ſalubris) K. 22b gihugt-l. O.
V. 23, 146. ites-l. (matronalis) monſ. 377. keis-l. (ſpiri-
tualis, f. keiſt-l. ker. 68.) N. 46, 5. 57, 12. kot-l. (divinus)
J. 367. 371 *) kouh-l. (inſipiens) N. 21, 3. krunt-l. jun.
206. laſtar-l. (reprehenſibilis) K. 36b hrab. 966b kilêr-l.
docilis) jun. 202. kilimf-l. (decens) K. 37b 46b gilump-l.
O. IV. 15, 7. einluz-l. (ſingulus) K. 33b 41a miſſi-l. (diver-
ſus) K. 43b munih-l. (monaſticus) monſ. 375. muniſtri-l.
(monaſterialis) K. 19a naht-l. (nocturnus) K. 45a pinumft-
l. N. Boeth. 130. pauhhan-l. (typicus) jun. 191. palo-l. (per-
nicioſus) hrab. 971b poto-l. (apoſtolicus) K. 21a 40a prua-
der-l. K. 19a quâla-l. (anxius) châle-l. N. 118, 130. rada-l.
(ſtrenus) K. 35b rede-l. (rationabilis) N. 7, 17. ruah-l. (curio-
ſus) K. 53b ſcalh-l. N. 18, 10. ſcama-l. hrab. 965a ſcant-l. jun.
210. ſcëf-l. (navalis) hrab. 970a ſêo-l. (maritimus) hrab. 970a
ſitu-l. ſiti-l. K. 45b hrab. 961a jun. 192. ſorg-l. N. 70, 1.
O. IV. 35, 64. ſpana-l. (perſuaſibilis) jun. 182. wahrſch.
von einem ſubſt. ſpana (perſuaſio) ſpili-l. (muſicus) monſ.
340. ſpilo-l. (ludicrus) N. Boeth. 61. taka-l. (diurnus)
K. 43b ker. 91. hrab. 960a tëor-l. (ferox) ker. 137. truge-l.
N. Boeth. 144. truhtin-l. (dominicus) K. 15b 19b 24a 30b
49a tult-l. (ſolemnis) K. 54a caturs-l. (audax) hrab. 964b
antfanc-l. (acceptabilis) K. 25a fater-l. (paternus) hrab.
950a K. 20a 57b flaoz-l. (elatus) hrab. 965b? das ſubſt.
[568]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
flôƷ (ſuperbia) iſt aber erſt nachzuweiſen; foraht-l. K. 20b
29b N. Boeth. 32. wâl-l. (fortis) N. Boeth. 149. (vgl.
ôtwâla, divitiae) wëhſal-l. N. 9, 11. wëppi-l. (textrilis) doc.
243b wëralt-l. (ſecularis) K. 53a francof. 139. gawona-l.
hrab. 967b wuntar-l. zît-l. (opportunus) K. 48b hrab. 964b
— agſ. cild-lîc (puerilis) dryhten-l. (dominicus) ëarfoð-l.
(difficilis) ëorð-l. (terreſtris) gâſt-l. (ſpir.) god-l. (divinus)
hëofon-l. (coeleſtis) lîchom-l. (corporeus) luf-l. (amoenus)
ides-l. mis-l. (diverſus) ræd-l. (conſultus) rodor-l. (aethe-
reus) ſæ-l. (marinus) ſcëam-l. (turpis) ſcip-l. (claſſicus)
þeáv-l. (decens) vër-l. (virilis) vîf-l. (muliebris) u. a. m. —
altn. lîkr nur noch in mis-lîkr (diſſimilis), die übrigen
haben verkürztes und verweichlichtes -ligr (Biörn ſchreibt
-legr, von Müller praef. XII. getadelt, es iſt aber -lëgr
und dem vëga f. viga etc. analog); der eigentl. comp.
ſind weniger, als im ahd. und agſ., beiſpiele: drengi-l.
(virilis) iard-l. (terrenus) konûng-l. mann-l. (liberalis)
qvenn-l. (effeminatus) râd-l. (conſultus) vërald-l. (mun-
danus) u. a. m. Häufiger erſcheint jedoch uneigentl. ge-
nitivcompoſition, wovon im ahd. und agſ. keine ſpur,
z. b. bâlks-l. (rudis) fŷſi-l. (optabilis) hetju-l. (heroicus)
keiſara-l. riddara-l. ſkammar-l. (ignominioſus) ſkugga-l.
(tenebroſus) ſvîns-l. (ſuinus) ſögu-l. (narrabilis) þræls-l.
(ſervilis) vëtrar-l. (hiemalis). — mhd., zuweilen -lîch,
meiſt -lich; aus großer menge nur einige beiſpiele: angeſt-l.
Nib. anc-l. Triſt. dieneſt-l. Nib. eis-l. Wigal. (im c. p. 361.
noch eges-l.) ê-l. geme-l. (jocoſus) Nib. 6707 f. gemen-l.
gamen-l. vielleicht richtiger gemel-l. aſſimiliert MS. 1, 80b
2, 58a etc. gaſt-l. Barl. geiſt-l. gote-l. Barl. göte-l. MS. 1, 129b
heiden-l. Wh. 1, 122a heime-l. hein-l. hëlf-l. Parc. 109b
hove-l. jâmer-l. MS. 1, 68a 74b klege-l. Wigal. krefte-l.
Nib. (neben kreftec-l.) kone-l. Wigal. kumber-l. MS.
1, 78b künec-l. laſter-l. MS. 1, 81a men-l. (virilis) Wigal.
118. menſche-l. mis-l. miſſe-l. (diverſus) rede-l. Barl. ritter-
l. ſchede-l. MS. 1, 38a 75b ſcheme-l. ſchimpf-l. ſumer-l. MS.
1, 68a tœt-l. MS. 1. 56a troum-l. Barl. vreis-l. vride-l. Barl.
wërlt-l. winter-l. MS. 2, 179b wîp-l. zorn-l.; unorganiſch
hërzen-l. Parc. 104b Wig. 289. — nhd. -lich: ängſt-l. bild-l.
brüder-l. bürger-l. dienſt-l. eid-l. eh-l. erb-l. gefähr-l. fleiſch-
l. fried-l. fürſt-l. gaſt-l. geiſt-l. gött-l. græf-l. häus-l. heim-l.
herbſt-l. herz-l. höf-l. jugend-l. kind-l. könig-l. länd-l. leib-l.
löb-l. glück-l. männ-l. mis-l. (difficilis) menſch-l. mütter-l.
nächt-l. nütz-l. ræth-l. red-l. ritter-l. rühm-l. ſchäd-l.
ſchänd-l. ſchimpf-l. ſchmerz-l. ſitt-l. ſünd-l. töd-l. tröſt-l.
väter-l. weib-l. welt-l. winter-l. wirk-l. zeit-l. etc. — Anmer-
[569]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
kungen: 1) der urſprüngliche begriff der ähnlichkeit hat
ſich ſchon in der alten ſprache verloren in die mehrdeu-
tige allgemeinheit faſt einer bloßen ableitungsſilbe; daher
in einzelnen fälleu dialectiſches ſchwanken zwiſchen com-
poſition mit-lich und derivation mit -iſch, z. b. agſ. heißt
es hëofon-lîc (ſelten hëofon-iſc) engl. heaven-ly, ahd.
himil-iſc, nicht himil-lîh; mhd. ſcheinen kind-eſch und
kint-lich beinahe gleichviel (a. Heinr. 199b. c.), nhd. ſchei-
den ſich beide in der bedeutung. Offenbar iſt das -iſch
noch gehaltloſer, als das -lich und wohl jenes, nicht aber
dieſes dient zu bloß genitiviſchem begriff, z. b. eben ge-
nitivlich läßt ſich nicht ſagen. Daher das ahd. chuning-
iſc genau genommen durch regius, chuninc-lîh durch
regalis zu überſetzen wäre, vgl. chuningiſc kerta (baculus
regis) jun. 250. und chuninclîhhêr rinc monſ. 407. welches
mehr nachdruck auf die würde legt. Nicht anders ver-
halten ſich wëraltiſc (mundanus) wëraltlîh (ſecularis),
jenes zu himiliſc gegenſatz, dieſes zu keiſt-lîh, âtum-lîh. —
2) des nhd. -ig für -lich und -lich für -iht iſt ſ. 305.
382. gedacht worden, doch fallen die beiſpiele des letztern
nicht in die ſubſt. comp. Engl. gilt meiſtens -ly ſtatt -like.
— 3) das nhd. -lich weckt in dem erſten einſilbigen wort
den umlaut (ausg. gaſt-l.); in zweiſilbigem zuweilen (müt-
ter-l. väter-l. läſter-l. jämmer-l. kümmer-l.) nicht über-
all (adel-l. herzog-l. wunder-l. jugend-l. âbend-l.). Viel
unentſchiedner iſt der mhd. umlaut, z. b. ſchame-l. gote-
l. neben ſcheme-l. göte-l., jâmer-l. neben jæmer-l. kaum
höve-l. köne-l., noch weniger zörn-l. — 4) wir haben
geſehen, daß bloß die nord. mundart hier uneigentlich
mit dem gen. componiert; die ahd. bietet noch eine be-
ſondere, im mhd. ſeltnere, aber nicht ganz verwiſchte
erſcheinung dar: -lîh bedeutet zuweilen jeder, das dazu
gehörige ſubſt. wird im gen. pl. vorhergeſetzt. Daß in
den folgenden beiſpielen keine eigentl. zuſ. ſetzung walte,
lehrt das bisweilen hinzugefügte adj. allero; der loſe gen.
iſt gleichwohl in uneigentliche comp. getreten, wo ſich
das o der flexion in a, i aſſimilieren, ja (bei N.) in e ver-
wandeln kann. O. hat ſchwankend manno-lîh, manna-
lîh, manni-lîh (omnis homo) I. 3, 80. III. 20, 77. 21, 47.
V. 1, 35, 47, 58, 71, 82, 94; io-manno-gilîh Lud. 16.
wîbi-lîh (omnis mulier) IV. 26, 70; friunti-lîh (omnis
amicus) V. 1, 59, 70. 4, 5. lido-lîh (quodvis membrum)
I. 18, 34. N. manno-lîh 63, 10. 103, 23. 118, 1. roſſo-lîh
(omnis cquus) 31, 9. dingo-lîh (omnis res) Boeth. 162.
168. 169; allero dingo-lîh Boeth. 165. 169. boume-lîh (omnis
[570]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
arbor) 104, 33. boumo-lîh Boeth. 166. chriute-lîh (omnis
herba) Boeth. 166. allero-teile-lîh (quaelibet pars) Boeth. 149.
(mit nachfolgendem part. durhſcaffanêr, von teil regiert) wih-
te-lîh Boeth. 168; in zîte-lîh (in omni tempore) 33, 2; in al-
lero-en-de-gelîh (in omnibus finibus) 104, 31. Uncompo-
nierter gen. wäre etwan in einer ſtelle des gedichts auf Hein-
rich (Ecc. quaternio) anzunehmen: cui non feciſſet H. allero
rëhto gilîh (jedes recht) *). Meiſt kommen ſolche adj. im
nom. vor, ſeltner decliniert, vgl. manniliches (cujuscun-
que) O. III. 20, 77. und die accuſative in den beiden letz-
ten belegen aus N. Mhd. aller-dëgen-lîche Roth. 2a grâven-
iegelîche Roth. 2b lide-lîch Julian. 20. vrouwen-gelîch (omnis
femina) Herb. 41a men-lich (omnis homo) Wh. 3, 414b riter-
lich (omnis eques) Herb. 93b; verſchieden von den eigentl.
comp. vrouwe-lich (muliebris) men-lich (virilis) riter-lich
(equeſtris). Nhd. die letzte ſpur im männiglich, jeder-
männiglich des canzleiſtils. Den zuſammenhang dieſer
adj. bildungen mit dem pronomen ieglich (ahd. ëoco-
huëlîh = omnis) und welch wird cap. IV. erläutern.
Uebrigens bedarf es noch ausdrücklicher erwähnung, daß
das vorhin unter den eigentl. comp. aufgezählte taga-lîh
nicht hierher gehört, d. h. taga nicht aus dem gen. pl.
entſpringt, obgleich es außer diurnus quotidianus bedeu-
tet. Dieſes taga-lîh heißt keineswegs omnis dies, ſondern
hat ſein ſubſt. beſonders bei ſich (z. b. tagalîchaƷ prôt),
während die hier abgehandelten comp. ohne weiteres ſubſt.
ſtehen. Aber es läßt ſich auch ein allero-tago-lîh (omnis
dies) denken und ſogar mhd. nachweiſen: aller-vîr-tege-
lich (nicht -liche, adv., es iſt der acc. ſg., per omnem
diem feſtum) MS. 2, 74b, verſtärkt: allen tac tege-lich
Flore 6c; im Nib. abſchnitt 1238. nehme ich dagegen das
adv. tege-lîche (quotidie) an.


ahd. lîhti (levis): altn. lauf-lêttr (perlevis) ſpor-l. (le-
vipes). — nhd. feder-leicht, vogel-l.


ahd. lindi (mollis): agſ. mëólc-liðe.


ahd. lëoht (lucidus): altfrieſ. dôm-liacht (taghell, zum
halten des gerichts?) Aſ. 99. 154. 223. — mhd. ſpiegel-
lieht Ben. 24. 200. MS. 1, 46a 2, 204b ſumer-lieht Wi-
gam. 32b.


[571]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.

ahd. luomi (ſpiſſus, denſus, frequens) vgl. ke-lômo
(frequenter) ker. 165: caſt-luomi (hoſpitalis) K. 20a 56a
gl. vindob. und Ecc. fr. or. II, 940. (wo gaſtuemes zu
ändern in gaſtluomes); mana-luomi (mitis) unmana-lômi
(immanis) ker. 158; ſcatu-luomi (opacus) blaſ. 82b trev.
27b herrad. 180b; ſcaz-luomi (utilis, commodus) doc. 233a;
ſtata-luomi (locuples) jun. 211. gleichviel mit ſtata-haft;
ſuht-luomi (peſtiferus) doc. 238a (wo ſuot-l.) miſc. 1, 30;
hierher gehört auch das entſtellte incolome (delubra) aug.
122a, vielleicht in-galuomi? wie ſcate-luomî loca opaca. —
agſ. keine ſolche comp., wohl aber das ſubſt. lôma, ge-
lôma (ſuppellex) und and-lôma (utenſile), das adv. gelôme
(ſaepe, frequenter) gelôm-læcan (frequentare) gelôm-læc-
nis (locus condenſus); vgl. das altengl. heir-lôme (here-
ditaria ſupp.) werk-lôme (utenſ.) und das mnl. allame
(Maerl. antek. zu 3, 42.) — nhd. in der ſchweiz. mund-
art luem (mollis, lenis) ſonſt auch lumm (Stald. 2, 184.),
wie z. b. mild, mildiglich f. ſaepe, frequenter ſteht; ſchad-
liem (nocivus, St. 2, 306.) f. ſchad-luem; vgl. naß-luem
(humidus, St. 2, 231.). Mhd. -lueme finden ſich viel-
leicht noch.


gamáinis (communis): agſ. hond-gemæne Beov. 160.
ſib-gemæne (cognatione vel foedere junctus) Beov. 140.
vrôht-gemæne (ad vindictam comm.) Beov. 184. — nhd.
hand-gemein.


mêris? (famoſus): ahd. liut-mâri (vorhin ſ. 552.); agſ.
hëaðo-mære Beov. 208; altn. þiód-mærr (illuſtris) ſæm.
edd. 110b. — Aus ſolchen adj. ſcheinen viele mannsna-
men entſprungen, goth. gibi-mêr, theode-mêr, gunda-
mêr, wale-mêr, rici-mêr (für -mer häufig -mir geſchrie-
ben); bei Tacit. ſëgi-mêrus, catu-mêrus, inguio-mêrus;
bei andern -mârus, z. b. chnôdo-mârus (genere clarus);
in ahd. dipl. danch-mâr, diet-mâr, regin-mâr u. a. m.,
das ableitende i weggeworfen, wie bei -hart.


mêtis? (accommodatus): ahd. hant-mâƷi jun. 212. (wo
hantmâƷiſtûn, limpidiſſimae vgl. oben ſ. 554. ſinawëlliſtûn).
— mhd. honic-mæƷe Barl. zucker-mæƷe a. w. 2, 243.
daneben mæƷic: balſam-m. Parc. 103b bërc-m. igel-m.
Parc. 126a vuoder-m. Geo. 19b zucker-m. Wh. 2, 28b. —
nhd. -mæßig: kunſt-m. pflicht-m. recht-m. regel-m. ge-
ſetz-m. ſchrift-m. zunft-m. aber in tadelhafter uneig.
comp. helden-m. rieſen-m. volks-m. etc. in der ſchwäb.
und ſchweiz. volksmundart das ſeltſame wort kefer-mäßig
(agilis, vivax) St. 2, 81. und Simplic. p. 546.


[572]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.

môdis? (-animis): ahd. dëo-muoti (humilis) thioh-
muati O. I. 3, 82. frawa-muati (laetus) O. V. 23, 363. —
altſ. jamar-muod. — agſ. æviſc-môd (obſcoenus) Cädm.
22. dëor-môd (fortis, ferinus? oder vom adj. dëóre?)
Cädm. 65. 78. gëalh-môd Cädm. 80. (das erſte wort dun-
kel) gëomor-m. Beov. 153. 169. Cädm. 20. 25. guð-m.
Beov. 25. miht-m. Cädm. 66.


môþis? (feſſus): ahd. vart-muodi Samarit. — agſ. ſæ-
mêde Beov. 27. — altn. egg-môðr edd. ſæm. 273b heipt-m.
248b koſt-m. 56b. — mhd. her-muede Nib. kampf-m. Parc.
165b 169a ſchif-m. En. 46a ſtrît-m. Parc. 159b ſturm-m.
Nib. vart-m. Wh. 2, 136b walt-m. Parc. 111b waƷƷer-m.
Gudr. 9b wëge-m. Nib. MS. 2, 228b Jw. 41b. — nhd.
kampf-m. ſtreit-m.


naqvaþs (nudus): agſ. lim-nacod (membra n.) Cädm.
35. — altfrieſ. ſtok-naken Aſ. 86. — mhd. lider-nacket,
ungedr. ged. von Juliana 10; nâdel-nacket Stricker. —
mnl. moeder-nact Rein. 1240. vgl. moeder-baren naect
Stoke 2, 85. pûr-naect Maerl. 1, 337. — altengl. belly-nacked
C. T. 9200. mother-naked Scott minſtr. 2, 197. 200. — nhd.
fadem-nackt, faſel-n. finger-n. mutter-n. (H. Sachs) pu-
del-n. puttel-n. ſplinter-n. ſplitfer-n. ſtabel-n. und ver-
ſtärkt: ſplitter-faſel-n. pudel-ſtabe-n. mutter-ſêle-n. Einige
dieſer comp. ſind dunkel, vgl. mutter-allein ſ. 556. und das
franz. nud, comme quand il ſortit du ventre de ſa mère;
nadel, ſplitter, faden, faſel drücken vielleicht aus: bis auf
den letzten faden, bis auf die letzte nadel am kleid entblößt?
Auch dän. ſplitter-nögen; vgl. altn. ſvipnakr (nuditas).


nats? (madidus): mhd. bluot-naƷ Bit. 38a (aber bluo-
tes naƷ Nib. 6492.); tou-naƷ a. Tit. 30. — nhd. maus-naß,
pudel (puttel) -naß (vgl. vorhin pudel-nacket) tropf-naß;
plattdeutſch miß-nat, meß-n. (von miſt, nebel?) flik-nat
(leimnaß). In patſch-n. pflatſch-n. putſch-n. iſt das erſte
wort ſchwerlich ſubſt.


nêmis (acceptus): ahd. danch-nâmi (gratus, angenehm)
undanch-nâmi herrad. 193a. — mhd. dank-næme Roth.
13b 18b undank-n. Barl. 269. — altn. hiart-næmr (cor tangens).


nivis (novus): mhd. nit-niuwe (recens a clavo) Triſt.
13075. Ottoc. 96b 130a; ſpor-niuwe Pez ſcriptt. 2, 292;
viuwer-niuwe Triſt. 19049 (wo das verbum). — nhd.
nagel-neu, niet-neu, ſpan-neu; verſtärkt funkel-nagel-n.
feuer-nagel-n. ſpan-nagel-n. ſplitter-nagel-n. (entſtellt in
ſplitter-hagel-n.). — engl. brand-new, fire-new; altengl.
ſpik-new (Weber) ſpan-new (Chauc. Troil. 1671.) —
ſchwed. ſping-ſpångande-ny (Ihre p. 477.) — nnl. ſpik-
[573]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
ſpelder-nieuw. Das agſ. ëd-nëóv, mhd. ite-niuwe iſt
mit einer partikel zuſ. geſetzt.


garaíhts (rectus, congruus): nhd. hand-gerecht,
ſchul-g.


ráuds (ruber): agſ. bôc-réad (minium, zu rubriken in
büchern) ëarm-reád (in brachio rubens, von einem waffen-
kleid) Beov. 91. vyrm-reád (purpureus, ahd. worm-prûn
ker. 265.); uncomp. eágum rëód (oculis rubicundus) Cädm.
71. — altn. dreyr-raudr Egilsſ. 113. glôd-r. ſkiall-r. Hervar.
204 (vgl. ſkiall-hvîtr) val-r. ſæm. edd. 244b. — mhd. âbent-
rôt Gudr. 46a golt-rôt Nib. hitze-rôt MS. 2, 34a 35a 38b (im-
mer mit vorgeſetztem klein-vël-, die feine haut der lip-
pen bedeutend) ſcham-rôt troj. 21c viuwer-rôt Triſt.
Nib.; uneigentl. rôſen-rôt Nib. 977. 1142. Ben. 24. 224.
MS. 2, 118a vröuden-rôt Nib. 6004. — altengl. blude-red
Scott 1, 7. II, 338. 346. roſe-red C. T. 15722. — nhd.
blut-roth, feuer-r. fuchs-r. glut-r. klatſch-r. platz-r.
ſcham-r. ziegel-r. zottel-r. (Adelung); uneig. kirſchen-r.
roſen-r. ſeiden-r.; geſteigert fuchs-feuer-r. platz-feuer-r.
blas-feuer-r. (von blas, feuerbrand).


ahd. râƷi (aſper, acerbus): mhd. mort-ræƷe Nib. 8495.
ſnabel-ræƷe MS. 2, 79a 175a ſturm-ræƷe Tit. wort-ræƷe
Nib. 3395. — nhd. zapf-räß, Fiſchart von friſchem wein.


altſ. ruof (illuſtris): ellan-ruof (fortitudine clarus). —
agſ. äſc-rôf Jud. 12. brëgo-r. Beov. 145. cvild-r. Cädm.
66. cyne-r. Jud. 11. dæd-r. Cädm. 47. 56. ellen-r. Beov.
28. Cädm. 41. guð-r. Beov. 48. hand-r. Cädm. 68. hy-
ge-r. Jud. 12. hëaðo-r. Beov. 31. 67. 164. mägen-r.
Cädm. 67. ſige-r. Beov. 49. Jud. 11. þräc-r. Cädm. 44.
Zuweilen ſteht der gen. oder dat. dabei: mägnes rôf
Beov. 156. môdes rôf Cädm. 65. dâdum r. Beov. 198.
môde rôf Cädm. 67. — Ein ahd. ruof und altn. rôfr
mangeln.


ſads (ſatur): nhd. haut-ſatt (bis an die haut).


ſams? (ſimilis) goth. weder das einfache adj. in ſtar-
ker form (wohl aber in ſchwacher ſama, idem) noch
comp. damit. — ahd. mehrere: anc-ſam (anxius) ſ. l.
jun. 322. arpeit-ſ. (moleſtus) ker 84. monſ. 407. druƷi-ſ. monſ.
403. (falls ſich das ſubſt. im erſten wort nachweiſen
läßt) gammen-ſ. (ludicrus) N. Boeth. 100. leid-ſ. (abo-
minabilis) K. 27b jun. 185. N. 13, 1. lobo-ſ. O. IV. 1, 78.
luſt-ſ. N. 105, 39. minne-ſ. N. 76, 13. kanuht-ſ. ker. 9. hrab.
970b K. 25b 37b 42a T. 62, 10. 222, 2. ſibbi-ſ. T. 22, 14.
ſitu-ſ. (habilis) ker. 143. fridu-ſ. O. Lud. 58. wuni-ſ.
hrab. 951a 960b O. II. 6, 32. V. 23, 9, 40.; mit angehäng-
[574]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
ter ableitung jâr-ſamîc (annoſus) jun. 234. — altſ. wun-
ſam. — agſ. -ſum f. -ſam: ang-ſum, frið-ſ. lof-ſ. ge-
nyht-ſ. geſib-ſ. vëorc-ſ. (dolore afficiens) vyn-ſ. etc. —
altn. -ſamr: feng-ſamr (lucrans) gaman-ſamr, hôg-ſ. (mitis)
lof-ſ. nâm-ſ. nyt-ſ. rân-ſ. (praedabundus) rô-ſ. ſid-ſ. flauk-ſ.
(paludoſus) ſtarf-ſ. (laborioſus) ſvak-ſ. vot-ſ. (aquoſus) u. a.
m. aber auch uneigentliche, z. b. athuga-ſamr (cautus) vin-
nu-ſ. (laborioſus); uncomponiert moldu ſamr (terrae con-
gener) ſæm. edd. 126b (oder moldar-ſamr?) — mhd. ar-
beit-ſam ſ. l. arm. Heinr. 197b gruoƷ-ſ. Vrib. Triſt. huge-
ſam c. p. 361, 11a lobe-ſ. Barl. lus-ſ. (für luſt-ſ.) troj. 112b
Triſt. muot-ſ. Triſt. riuwe-ſ. Triſt. ſchade-ſ. Wolfdiet.
ſorc-ſ. Triſt. trûre-ſ. Triſt. vorht-ſ. Triſt. vreiſ-ſ. Wigal. 189.
zier-ſ. En. 71b. — nhd. acht-ſam, arbeit-ſ. bedacht-ſ.
ehr-ſ. fried-ſ. furcht-ſ. heil-ſ. lobe-ſ. (in lobe-ſan ent-
ſtellt) müh-ſ. rath-ſ. ſorg-ſ. betrieb-ſ. tugend-ſ. gewalt-ſ.
wunder-ſ. — engl. -ſome: hand-ſome.


ſêlis (bonus, felix): altn. fengi-ſæl (in conquirendis
opibus felix) lof-ſæll (honorabilis) ſigur-ſæll (victorioſus);
auch uneigentl. vëdra-ſæll (molliſſimi aeris). — altſ. mit
dem derivatum lof-ſâlic (laude dignus). — agſ. keine
ſolche comp., dafür analoge mit eádig (goth. áudags,
ahd. ôtac) z. b. dôm-éadig Cädm. 89. ſig-e. Beov. 118.
ſigor-e. Beov. 100. 175. tir-e. Beov. 164. Cädm. 67. —
ahd. weder comp. mit -ſâli, noch mit -ſâlîc; wartaſelig
N. 37, 5. habe ich ſ. 108. zu erklären geſucht, entw. iſt
es die ableitung -îg, die zu dem ſubſt. wertiſal (cor-
ruptio) tritt, oder unorganiſch. — mhd. unleugbare
comp. mit -ſælec (praeditus): arbeit-ſælec Triſt. MS.
2, 68a lop-ſ. En. 92b liut-ſ. troj. 118a ſchm. 1421.
ſchwanr. 282. 1109. minne-ſ. En. 75b ſige-ſ. 72a Triſt.;
uneigentl. êren-ſ. miſc. 1, 103. — nhd. ſcheinen alle zuſ.
ſetzungen mit -ſêlig gerecht, denen kein ſubſt. auf -ſal
entſpricht, folglich: feind-ſ. fried-ſ. gott-ſ. glückſ. leut-ſ.
red-ſ. (desgl. die adjectiviſchen arm-ſ. hold-ſ.); tadelhaft
aber die aus ſubſt. -ſal entſpringenden: müh-ſ. ſaum-ſ.
und trüb-ſ. So wenig aus ahd. ruomiſal (oſtentatio)
O. IV. 6, 70 oder ruomiſeli (oſtentatio) monſ. 360. 389.
ein ruom-ſâlîc erwachſen kann, noch aus nhd. ſchickſal,
labſal, drangſal, ein ſchick-ſêlig etc.; ſo wenig billigung
verdienen die zuletzt genannten drei compoſita.


ſkarps? (acutus): agſ. bëadu-ſcëarp Beov. 201. guð-
ſc. Jud. 12. here-ſc. mylen-ſc. (wie ein mühlſtein) Ae-
thelſt. — nhd. haar-ſcharf (vgl. altn. hâr-hvaß, Egilsſ.
715) meſſer-ſch. mord-ſch.


[575]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.

altſ. ſkôni (pulcher): wliti-ſkôni (facie p.) — agſ.
älf-ſciene (ſchön wie ein elb, geiſt) Jud. vlite-ſciene
Cädm. 13. 82 (vgl. vlite-bëorht ſ. 556.) — mhd. wunder-
ſchöne (ſ. 556.) — nhd. bild-ſchön, engel-ſch. himmel-
ſch. wunder-ſch.; milch-blut-ſch.


ſiuks (aeger): ahd. mânôt-ſioh (lunaticus) T. 22, 2.
petti-ſiuh jun. 191. T. 22. 3. waƷar-ſioh T. 110. — agſ. fëónd-
ſëóc (daemoniacus, engl. fiend-ſick) fëorh-ſ. Beov. 63. hëa-
ðo-ſ. Beov. 205. — altn. keli-ſiuk f. (utero laborans?)
ſæm. edd. 109a vgl. kvelli-ſ. Egilsſ. 126. fiör-ſiukr ſæm.
edd. 240a ord-ſiukr (ſollicitus de fama). — mhd. minne-
ſiech MS. 2, 26a wërlt-ſiech En. 99b — nhd. feld-ſiech
(Lirer 1, 7.) tod-ſiech. — Es ſteht auch der dat. und gen.
dabei: altſ. wundon ſiok E. H. c. 68. agſ. bennum ſëóc
Beov. 204. 215. Cädm. 43. môdes ſ. Beov. 121.


agſ. ſlav (piger) engl. ſlow: ſnail-ſlow (merch. of
ven. 2, 6.)


ſnills? (celer): altn. ord-ſniallr (eloquens) ſpor-ſniallr
(levipes) Yngl. c. 40. — mhd. ſnabel-ſnël, aus dem verbo
zu folgern MS. 2, 137a vgl. oben -ræƷe. — nhd. pſeil-
ſchnell, ſchnabel-ſchn. (ſchwäbiſch: vorlaut) ſporn-ſchn.
vogel-ſchn. wind-ſchn.


ahd. ſpâhi (prudens): altſ. word-ſpâhi. — altn. ord-
ſpakr (ſteht ſpakr f. ſpâr?). — mhd. rede-ſpæhe Anno
275. Parc. 55a vgl. Nib. 8124. wort-ſp. pf. ch. 2a 118a.


ahd. ſtarh (fortis): hant-ſt. N. 14, 1. — nhd. baum-
ſtark, glied-ſt. ſtein-ſt.; uneigentl. bären-ſt. rieſen-ſt.


ſtikls (pungens): ahd. horn-ſtëhhal (cornupeta) jun. 176.


nhd. ſtille (tranquillus): baum-ſtille feder-ſt. (keine
feder regt ſich) Stald. 1, 362. grab-ſt. (altn. graf-kyrr)
mutter-ſt. maus-ſt. (vgl. livl. 76a ſie wâren ſtille ſam ein
mûs und die dän. K. V. 1, 82. de ligge alle og tie qvär,
ſom mus i förſte ſövne) ſtein-ſt. (ſ. 555) ſtock-ſt. (ſ. 555)
wind-ſtill; ſteigerungen ſind: mutter-maus-ſtill, bickel-
baum-ſtill; vgl. oben -dáuþs. — altengl. ſtôn-ſtill Weber
III, 281.


ahd. ſtrenki (fortis): altſ. megin-ſtreng. — agſ. ëarm-
ſtrang, uncomp. mägenes ſtr. Beov. 139. — ahd. arm-
ſtrengi (manufortis) W. 4, 4. — mhd. mein-ſtrenge (f.
megin-ſtr. fortiſſimus) Anno 274. zoum-ſtreuge Roth.
52a — engl. arm-ſtrong.


mhd. ſtum (mutus): tôt-ſtum Barl. — nhd. fiſch-
ſtumm, ſtock-ſtumm.


[576]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.

mhd. geſunt (ſanus): nhd. ecker-geſund, eichel-g. (ſonſt
eichel-ganz, ex aſſe integer, Schilt. 17b) fiſch-g. (geſ.
rëht als ein viſch, troj. 79b) hecht-g. kern-g.


mhd. ſûr (acidus): krên-ſûr (ſûre ſam ein krên a. w.
3, 233.) öl-ſûr. — nhd. blut-ſauer, eßig-ſ. hund-ſ. kren-ſ.
(oeſterr.) mord-ſ.


ſvarts (niger): altn. hrafn-ſvartr, kol-ſv. (auch kol-
myrkr) — mhd. kol-ſwarz (ſw. alſam ein kol Nib. 1475)
raben-ſw. Nib. 1623. — nhd. brand-ſchwarz (Simplic.)
keßel-ſchw. kohl-ſchw. pech-ſchw. (ἠΰτε πίσσα Jl. IV,
277.) raben-ſchw. wolken-ſchw.; geſteigert: kohl-raben-
ſchw. kohl-keßel-ſchw. kohl-beer-raben-ſchw. kohl-pech-
raben-ſchw.; vgl. engl. coal-black Scott 1, 148.


ahd. ſuâri (gravis): mhd. bërc-ſwære Karl 84a Triſt.
17848 vgl. 17851. — nhd. berg-ſchwer, blei-ſchw. blut-
ſchw. centner-ſchw. felſen-ſchw. frucht-ſchw. kreuz-ſchw.
gewitter-ſchw.


ahd. ſuuoƷi, ſuoƷi (dulcis): agſ. hunig-ſvête (μελι-
ηδής
). — altn. dî-ſœtr (nectareus, vgl. dîa-miödur, nectar)
ilm-ſœtr (fragrans, von ilmr, fragrantia) daun-ſœtr. —
mhd. lieht-ſueƷe Ernſt 21a zucker-ſ. MS. 2, 130a; unei-
gentl. lüfte-ſueƷe MS. 2, 33b. — nhd. honig-ſ. meth-ſ.
ſchlaf-ſ. (Fiſch. Garg. 21b) zucker-ſ. — engl. honey-ſweet.


tams? (cicur, domitus): altn. val-tamr (aſſuetus bello)
edd ſæm. 44b vëg-tamr (gnarus viae) ibid. gâng-t. ibid.
265b. — mhd. vinger-zam Wh. 1, 54a Eckenausf. 116.
alphart 265.


táits? (hilaris) ahd. zeiƷ, agſ. tât? altn. teitr: barn-
teitr (froh wie kind, vgl. Amûr 11a) ſæm. edd. 52a (vom
rieſen) her-teitr (laetus bello) ein name Odins, ſæm.
edd. 46a aul-teitr (laetus vino) vgl. gáils.


taúrhts? (ſplendidus) ahd. zoraht, altſ. toroht agſ.
torht: ahd. auga-zoraht (oben ſ. 550.) liut-zoraht (ſ. 552.)
— agſ. hëaðo-torht Beov. 190. hëofon-torht Cädm. 64.
ſige-t. Cädm. 96. ſvëgl-t. Cädm. 1. 3. vuldor-t. Cädm. 3.
59. 61. Beov. 87.


tôms? tômis? (inanis) ahd. zuomi, altn. tômr: gall-tômr
(omnino vacuus, von einem gefäß, ſo daß es einen klang gibt).


triggvs (fidus): altn. tröll-tryggr Egilsſ. p. 610. die
rieſen ſind harmlos und unſchuldig (vgl. barn-teitr), die
zwerge liſtig und falſch. — nhd. felſen-treu, grund-treu
(H. Sachs) kern-treu, ſtein-treu; geſt. ſtein-bein-treu.


agſ. tyme (conveniens, accidens) ahd. gi-zumi?: agſ.
luf-tyme (gratus, dulcis, amoenus) gegenſatz von hefig-
tyme (moleſtus).


[577]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.

þaúrſus (ſiccus): ahd. wint-durri (aridus vento) ker.
74. hrab. 958a (gloſſiert cacula, das hier nicht ſervus be-
deutet, ſondern ligna arida, Carpentier 1, 707.). — altn.
fnióſk-þurr (von fnióſkr, lignum exſuccum) ſkræl-þurr
(von einem ſubſt. ſkræl? Biörn hat bloß das es voraus-
ſetzende ſkræla, arefacere) vind-þurr edd. ſæm. 135a. —
mhd. wint-dürre Reinfr. 17a. — nhd. bein-dürr (bis auf
die knochen) kies-d. hund-d. (H. Sachs) ſand-d. (trocken
wie ſand) ſtein-d. wind-d. zaun-d. (wie holz am zaun);
verſt. zaun-hagel-d. zaunmarter-d. zaun-racker-d.


ahd. dicchi (ſpifſus): mhd. ſnê-dicke Triſt. troj. 162.
(Oberl. 1514.) und zweimahl im Tit. (dicker dan der ſnê,
Juliana 22.) ſtrô-dicke Roth. 18a; uneigentl. ſcheint ben-
de-dicke Wh. 2, 65b. — nhd. arm-dick, brett-d. fauſt-d.
knüppel-dick; verſtärkt himmel-hagel-d. ſtern-blind-d.
pudel-hagel-d.; uneigentl. arms-d. ſpanne-dick, wenn ge-
meßen werden ſoll.


varms (calidus): nhd. bad-warm (H. Sachs) brüh-w.
(vom ſubſt. brühe) kuh-w. (lau, wie gemolkne milch)
Stald. muhl-w. (oeſtr. Höfer). — ſchwed. dåf-warm (von
dåf, vapor) Jhre. — norweg. ångle-varm (von einem
fiſch, der eben aus der angel kommt) Hallag.


vaírþis? vaírþs? (vergens): ſvulta-vaírþja (proximus
morti) Luc. 7, 2. ſonſt ſtehet ana-vaîrþs, viþra-vaírþs.


vêris? (mitis, placidus) vgl. unvêrjan (aegre ferre)
altn. vær (hilaris, tolerabilis): altn. hôg-vær (manſuetus)
vgl. hôg-ſamr *).


altn. vâtr, votr (humidus) agſ. væt, engl. vet: fen-
votr (permadidus).


váiks? (mollis) ahd. weih, agſ. vâc: ahd. lida-weih;
(flexibilis) vorhin ſ. 553. — agſ. liðe-vâc. — mhd. blî-
weich Karl 58b lide-weich. — nhd. brei-w. butter-w. fe-
der-w. glied-w. [plattd. lêde-wêk, Schütze holſt. id. 3, 33.]
ſammet-w. windel-w.


veiſis? (gnarus, ſapiens): altſ. wëder-wîſi (tempeſtatis
gnarus). — altn. böl-vis, hvat-v. læ-v. 67b ſkoll-v. 154b
ſnap-v. 66a ſnæ-v. 154b ſnip-v. 127b. — mhd. kampf-wîſe
O o
[578]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
(expertus in bello) Jw. lüge-wîſe (mendax) im ungedr. lü-
gemære, minne-wîſe MS. 2, 244b naſe-wîſe (alſo nicht wîƷ,
albus) feines geruchs, MS. 2, 146b 206b walt-wîſe m. alex.
144c wort-wîſe Triſt.; uneigentl. lobes-wîſe Parc. 67a. —
nhd. naſe-weis. — In einigen iſt das adj. zweifelhaft und
kann auch das ſubſt. wîſe (dux) gemeint ſein, vgl. ſ. 536.


veids? (latus, amplus) ahd. wît: mhd. ellen-wît kl.
2043. raſte-wît Geo. 54b venſter-wît Tit. XI, 1. — nhd.
angel-weit (ſchwäb. mangel-w.) ellen-w. himmel-w. un-
eigentl. meilen-w. ſtunden-w. verſt. ſperr-angel-w.


vilþis (ferus): mhd. walt-wilde Tit. (MS. 2, 147. wilt-
wilde zu emendieren?) — nhd. feder-wild, fuchs-w.
hirſch-w. teufel-w.; geſteigert fuchs-teufel-w.


vôds (furioſus) womit das ſubſt. veit-vôds (teſtis) nur
verwandt ſein kann, wenn ſich eine allgemeinere, ur-
ſprüngliche bedeutung von vôds beweiſen läßt (vgl. oben
ſ. 10.) — ahd. findet ſich nur ſubſtantiviſch gote-wuoto
(tyrannus) O. I. 19, 36. und hirni-wuoto monſ. 409. —
agſ. ellen-vôd (aemulus) folgere ich aus ellen-vôdjan (ae-
mulari). — altn. hand-ôdr (manibus ſaeviens) ſtein-ôdr
(in ſaxa ſ.)


altſ. wuorig (feſſus) agſ. vêrig, engl. weary: altſ. ſið-
wuorig (itinere f.) — agſ. deáð-vêrig (morte confectus)
Beov. 159. fyl-vêrig (morbo f.?) Beov. 74. guð-v. (bello
f.) Beov. 120. ſymbl-v. (epulis f.) Cädm. 35. 57. 125;
daneben gen. und dativconſtructionen: ſiðes v. Beov. 46.
135. vundum v. Beov. 218. [vgl. oben môþis].


vunds (vulneratus): háubiþ-vunds Marc. 12, 4.


Einige anmerkungen zu der compoſition des ſubſt.
mit adj.


1) das erſte wort darf hier wiederum, wenn eigent-
liche comp. vorhanden ſein ſollen, keine flexiviſchen be-
ſtandtheile haben; dem pluralen -ir ſcheint um ſo weniger
der eingang in die zuſammenſetzung zu wehren, da es
ſelbſt in ableitungen aufgenommen wird. Gelten hrindir-
în, huonir-în, loubir-în (ſ. 177.); warum wären die nhd.
kinder-haft, geiſter-haft, glieder-weich etc. zu tadeln?
Inzwiſchen kenne ich kein ahd. beiſpiel und mhd. nur
das ſ. 572., verzeichnete lider-nacket. In vielen nhd. bei-
ſpielen darf uneigentl. comp. angenommen, folglich das
-er aus dem gen. pl. gedeutet werden, z. b. in blätter-los,
kinder-los, bücher-leer. Auch bindet, meines wißens,
ſich kein ſolches nhd. -er mit den abſtracten -lich, -ſam,
[579]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
-bar; wohl aber mit -haft, -los, -mæßig (geiſter-m.)
-feſt (bretter-f.) u. a.


2) die ableitungen componieren ſich in der regel wie
die einfachen ſubſt. z. b. jugend-lich, tugend-ſam, monat-
lich, dienſt-bar. Nur verſagen -lich, -ſam, -bar den
ſubſt. auf -ung, -nis und den diminutiven; mädchen-haft
iſt nhd. erlaubt, kein ung-haft. Dagegen viele ungs-lôs
eingeführt worden ſind (§. 6.).


3) falſches -el ſcheint eingeſchlichen im mhd. rœſel-var.


4) umlaut tritt nur bei der formel -lich ein (ſ. 569.);
andere zweite wörter mit dem vocal i (wild, blind, bit-
ter etc.) erwecken ihn nicht.


5) leblos werdende erſte wörter: bor-, ſin-, gin-, ma-
gan-, regin-, blut-, mord-, ſtein-, wunder- etc.


6) leblos werdende zweite wörter: -lîch, -ſam, -bære,
-haft, -fäſt, -lôs, -luomi, -ruof, -ſælic, -mæƷic; mit
feinen und oft dialectiſchen unterſchieden. Agſ. kein
-haft, ſondern -fäſt; ahd. viele -haft, kein -veſti, daher
agſ. ſige-fäſt = ahd. ſiku-haft. Allein die ſich noch nä-
her liegenden begriffe -lîch und -ſam, beide ähnlichkeit
ausdrückend, treten in den zuſammenſetzungen jeder mund-
art nebeneinander auf und oft zu denſelben erſten wörtern
gefügt bald gleichbedeutig, bald unterſchieden. Obenhin
ſcheinen z. b. die nhd. fried-lich und fried-ſam gleichviel, beide
pacificus, die mhd. freis-lich und freiſ-ſam beide terribilis;
genauer genommen geht -ſam mehr auf ſinn und character,
-lich mehr auf die äußere natur der ſache; ein menſch kann
friedſam, ein drache freiſſam, ein thal aber nur friedlich,
ein abgrund nur freiſlich heißen. Wir unterſcheiden im
nhd. ſehr beſtimmt ſittlich (moralis) von ſittſam (mode-
ſtus), letzteres kommt dem derivat. ſittig ziemlich nahe,
das veraltete ſitthaft würde dem partic. geſittet gleichen;
vgl. ahd. ſitu-ſam, ſitu-lîh, ſitu-haft und ſit-îc N. 85, 5.
O. V. 25, 242. Auch -bære kann in einzelnen fällen an
-lich und -haft ſtoßen, es iſt weniger als dieſes, mehr
als jenes und drückt aus, was unſer heutiges part. brin-
gend, mit ſich führend (heil-bringend, ſegen-br. regen-
br.) während ſich -haft umſchreiben läßt durch: verbun-
den mit. Danch-pâri und danch-nâmi entſprechen vor-
trefflich beiden bedeutungen des lat. gratus; mhd. gilt
auch dank-næme f. gratiam referens (Barl. 269.). Die
nicht abſtract werdenden begriffe bieten ebenwohl viele
ſynonyma dar, welche oft dasſelbe erſte wort an ſich
O o 2
[580]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
ziehen, vgl. -grau und -fahl (apfel-grau, äppel-fëalo)
u. a. m.


7) es bedarf genauerer unterſuchung, als oben ſ. 423.
424. darauf gewendet worden iſt, wofür das in vielen
mhd. zuſammenſetzungen überhaupt nach langſilbigen
erſten wörtern haftende e zu halten ſei? Nach kurzen
ſilben ſcheint es unbezweifelt compoſitionsvocal, z. b. in
rede-lich, tege-lich, lobe-ſam, huge-ſam etc. Nach lan-
gen könnte es oft aus ableitenden i erklärt werden, z. b.
in ende-lich, ende-haft, ſünde-haft (ſuntja) minne-wîſe,
minne-lich (minnja); wie aber, wo kein ſolches i denk-
bar iſt, in hërze-lich, hërze-bære, riuwe-ſam, krône-bære
und allen ähnlichen, deren erſtes wort ſtarkes fem. erſter
decl. oder ſchw. fem. und neutr. war? Gebliebener comp.
vocal vermag es nicht zu ſein, da er nach langſilbigen
maſc. und neutr. ſtarker decl. überall fehlt (kampſ-bære,
mort-bære, muot-ſam). Ich halte dieſes mhd. e nach
langen ſilben in den meiſten fällen für unorganiſch, ein-
geführt entw. nach analogie des compoſitionsvocals, der
an kurzen ſilben fortdauert, oder mit fehlerhafter rück-
ſicht auf den flexionsvocal, welchen uneigentliche com-
poſita mit ſich führen. Uneigentliche compoſition ange-
nommen iſt das e im einzelnen untadelhaft, z. b. in min-
ne-wîſe vielleicht minne der gen. wie lobes in lobes-wîſe.
Nhd. ſind ſolche e meiſt verſchwunden (ſünd-haft, herz-
haft, herz-lich, end-lich) wie in den verlängerten ehdem
kurzſilbigen höf-lich, täg-lich, red-lich) und freilich auch
oft in der flexion (herz, frau).


8) in dieſem abſchnitt habe ich mehr beiſpiele aus der
gemeinen volksmundart beigebracht, als ich ſonſt pflege.
Die gebildete ſchriftſprache verſchmäht allmählig den
reichthum urſprünglich höchſt poetiſcher adjective für die
begriffe von farbe, licht, dunkel, geſchmack etc. oder
verwendet ſie nur noch ſparſam. Es kam mir darauf
an zu zeigen, daß ſie dem volk mit dem alten epos ge-
mein ſind, denn das volk erſinnt nichts von neuem, ſon-
dern bewahrt treuverworren das ihm überlieferte. Wie
in oft noch dunkeln verbindungen ferne dialecte zuſ.
treffen iſt beachtenswerth.


9) weibliche, mit der ableitung -î aus den adj. gebil-
dete ſubſt. belegen zugleich das componierte adj. ſelbſt,
z. b. mëƷhaftî, namahaftî, ſcamahaftî, ſituhaftî die adj.
mëƷhaft — getilôs. Ebenſo beurtheile man abgeleitete
verba, z. b. viuwer-niuwen. Es iſt nämlich nicht mëƷ,
[581]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
gët, viuwer mit dem fem. haftî, lôſî, mit dem verb. niu-
wen zuſ. geſetzt, vielmehr aus dem bereits componiert
beſtehenden adj. mëƷhaft, viuwerniuwe ein ſubſt. und
verbum abgeleitet worden. Daher ferner ahd. laſtarpâ-
rîc, mhd. zuckermæƷec ein laſtarpâri, zuckermæƷe vor-
ausſetzen. Allerdings kann in andern fällen die comp.
erſt mit dem zwar abgeleiteten, aber ſelbſtändigen ſubſt.
erfolgen, z. b. himilrîchi, wërltfinſtrî beziehen ſich auf
kein adj. himilrîchi, wërltfinſtar; tôtſinſtrî verlangt ein
vorgängiges tôtfinſtar.


10) nom. propria, die aus adj. entſpringen, haben das
eigenthümliche α) daß ſie zu ſubſtantiviſcher flexion über-
gehen, daher ihr nom. ſg. maſc. nie das kennzeichen hat,
z. b. hadu-funs *), heri-pald, nicht hadu-funſêr, heri-
paldêr; der dat. hadu-funſe (nicht hadu-funſeme) lautet;
der acc. hadu-funſan iſt beides dem adj. und ſubſt. ge-
mäß. Und weibliche machen den gen. dat. nicht auf
-êrâ, êru. Ausnahmsweiſe finde ich im altn. zuweilen
adjectiviſche flexion beſtehen, vgl. den gen. ſvan-hvîtrar
edd. ſæm. 133. (ſtatt ſvan-hvîtar) neben dem dat. ſvan-
hvîtu 134b (nicht ſvan-hvîtri) welches 1, 770. nachzu-
tragen. — β) daß ſie das ableitende -i wegwerfen, z. b.
ahd. regin-hart (nicht -herti) gen. regin-hartes (nicht
-hertes), regin-mâr (nicht -mâri), was eben mit der ſub-
ſtantivierung zuſ. hängt, da alleinſtehende adj. höchſtens
im nom. ihr i entbehren (1, 726. 749.). Solchergeſtalt
würde ſich auch diot-rîh aus adjectiviſchem diot-rîhhi
erklären; das goth. reiks ermächtigte mich, ſ. 516. ein
ſubſt. anzuſetzen, das freilich dem (aus Neh. 6, 17. beleg-
lichen) adj. reikis ganz nahe liegt. Amala-reiks bildete
wahrſcheinlich den gen. reikis (nicht -reikjis oder -reikeis,
dem friþareikeis in Mai’s ſpec. p. 26. zum trotz). — γ)
daß ſie im ſinn dunkel werden, vgl. ſ. 545, 14.


Subſtantiv mit verbum (ſ. 426. 548.).

Bei dieſer unterſuchung ſind zuvörderſt die freieren zu-
ſammenſetzungen des nomens mit den participien und
dem bloßen infinitiv von der hauptfrage zu ſondern.


[582]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.

I) in wie fern kann das wirkliche verbum mit einem
ſubſt. componiert werden?


1) vorlaute theorie würde die ſtatthaftigkeit der zu-
ſammenſetzung bejahen und wie bei dem nomen verhält-
niſſe der praepoſitionen und caſus oder der vergleichung
annehmen. Warum ſollte der ſatz: ich reiſe zu land,
ſchwärme bei nacht, trinke wein, fliege wie ein adler
nicht zuſammengeſetzt ausgedrückt werden dürfen: ich
land-reiſe, nacht-ſchwärme, wein-trinke, adler-fliege?
Die praxis unſerer ſprache ſträubt ſich entſchieden da-
wider, ſo unbedenklich ihr ſubſt. wie land-reiſe, nacht-
ſchwärmer, nacht-ſchwärmerei, wein-trinker, adler-flug,
u. dgl. find. Und dieſem ſträuben liegt ohne zweifel ein
tiefer grund unter. Wahrhafte compoſition würde ſich
hier hauptſächlich an zwei kennzeichen prüfen laßen: a)
an ihrem haft durch tempora und modos. Wie kein
nomen für eigentlich zuſ. geſetzt gehalten werden kann,
deſſen erſtes wort ſich etwa nur dem nom. anfügte, in
den übrigen caſibus abſpränge; eben ſo wenig iſt ein ver-
bum eigentlich componiert, dem ein nomen im infinit.
vortritt, im indic. conj. etc. aber nicht. Da der compo-
ſitionsvocal keine flexion ausdrückt, bloß zwei wörter
verbindet, ſo muß er ſie eben unzertrennlich verbinden.
Denn was ſollte, beide theile wieder voneinandergenom-
men, aus dem flexionsloſen erſten worte werden, das
kein caſuszeichen hat, folglich im ſatze nicht beſtehen
kann? Wenden wir den grundſatz auf jene verſuchten
bildungen an, ſo ergibt ſich, daß höchſtens infinitiviſch
wein-trinken, nacht-ſchwärmen geſagt werden dürfe,
nicht aber ich wein-trinke, er wein-trinkt, er wein-trank.
b) im §. 4. wird ausgeführt werden, daß die partikel ge-
vor
dem worte ſtehen muß, womit ſie ſich verbindet, ſei
es ſimplex oder compoſitum; z. b. ge-lingen, ge-linget,
ge-lungen, ge-ruhen, ge-ruhet. Es iſt aber wiederum
unthunlich ſelbſt im inf. oder partic. zu ſagen: ge-wein-
trinken, ge-weintrunken, ge-landreiſet; folglich auch aus
dieſer urſache compoſition zu leugnen.


2) regel ſcheint mir demnach, daß in unſerer ſprache
eigentliche compoſita, deren erſtes wort nomen, das zweite
verbum wäre, unerlaubt ſind. Es gibt zwar eine anzahl
zuſammengeſetzter verba, welche die aufgeſtellten beiden
kennzeichen aushalten, z. b. rathſchlagen, davon unbe-
denklich ſtattfindet: rath-ſchlaget, rath-ſchlagte, ge-rath-
ſchlaget. Allein alle ſolche fälle ſetzen ein bereits eigent-
[583]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
lich componiertes nomen als früher vorhanden voraus
und ſind lediglich daher abgeleitet. Nicht das verbnm
ſchlagen hat ſich mit rath verbunden, ſondern das ſubſt.
ſchlag und aus rath-ſchlag iſt weiter ein verbum gebildet
worden. Da es auf dieſem wege entſprungner verba
nicht ſehr viele gibt, ſcheint es mir paſſend hier die wich-
tigſten beiſpiele zu ſammeln.


α) ſchwache verba von componierten ſubſt. abgeleitet.
Ulf. kennt nicht einmahl ſie; ſein text hätte ihn leicht
dahin geführt, z. b. Luc. 6, 48. οἰκοδομεῖν οἰκίαν über-
ſetzt er timrjan razn, Marc. 1, 40. γονυπετεῖν durch kni-
vam knuſſjan: crucifigere heißt ihm hramjan (σταυροῦν).
Es waren keine goth. compoſita wie οἰκοδόμος (aediſex,
etwa razna timrja?) γονυπετής (kniva-knuſſja?) gebräuch-
lich, aus welchen die verba gefloßen wären. Doch für
δεῖπνον hat er nahta-mats, was für δειπνεῖν? nahta-mat-
jan? die ſtelle Luc. 17, 8. iſt bedenklich. — Ahd. folgen
die meiſten dieſer ableitungen zweiter ſchwacher conj.:
tag-altôn (jocari, jucundari) doc. 238b, vielleicht auch
dinc-altôn (diſſimulare) jun. 290. obgleich ich kein ſubſt.
dinc-alt, wie tag-alt beweiſen kann; taga-dingôn (in judicio
comparere); gris-cramôn (fremere) N. 2, 1. gris-cramôd (fre-
mitus) N. p. 261b, 12. gris-crimmôn doc. 216b monſ. 344.
grus-cr. cruſ-cr. monſ. 333. 395. von einem ſubſt. gris-cram?
deſſen erſtes wort das goth. kruſts ſcheint und dann für
chrus, chris ſtünde? vgl. kriſt-krimmunc ker. 260; meri-
crëoƷôn (margaritare) ker. 45. hrab. 955a; hant-kriſôn (vio-
lare) ker. 283. von hant-krif; wuof-harôn (ejulare) N. 93, 20.
von wuof-hara? (planctus) vgl. fora-haro (praeco) jun.
192. denn das einfache verb. lautet harên, nicht harôn;
mana-houpitôn (mancipare) ker. 187; aband-muoſôn (coe-
nare) K. 43b 44b (wo ich leſe muaſôên, coenent); houpit-
pantôn (redimire) hrab. 969a ker. 184. 236. jun. 243. 248;
heri-përgôn; harm-quëtôn (maledicere) francof. 8; vogal-
rartôn (augurari) jun. 194; huge-ſangôn N. 94, 3. 107, 1.
wunni-ſangôn N. 65, 2. u. ähnl.; haram-ſcarôn (percutere)
monſ. 347. 357. 382. 387; wuof-ſcreiôn oder wuoft-ſcreiôn
(ejulare) von einem ſubſt. wuof-ſcrei (clamor, lugubris) ana-
log dem huge-ſcrei N. 30, 20.) N. 65, 2, wo ſtehet wolft-
ſcreiôn, oder bedeutet wolf-ſcreiôn ululare inſtar lupi? vgl.
altn. ûlfa-þytr; grund-ſëllôn (ſund. ponere) N. 77, 69; han-
ta-ſlagôn (plaudere) hrab. 971a monſ. 355. jun. 243. hant-
ſlagôn N. 46, 2. kiusſlagôn (deſiſtere) ker. 95. worin ich
das erſte wort nicht verſtehe, und noch andere -ſlagôn,
z. b. rât-ſlagôn (conſulere); got-ſpëllon T. 13, 25; rëht-
[584]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
ſprâhhon (ſatisfacere) jun. 228; muot-vagôn (placere, gau-
dio eſſe, ſatisfacere, mit dem dat. perſ.) O. III. 20, 143.
gimuat-fagôn O. II. 14, 225, ein unbelegbares ſubſt. muot-
vaga oder ein adj. muot-vag (animo contentus, vgl. ka-
vagun monſ. 402. und gevago bei N.) vorausſetzend; vuoƷ-
vallôn O. I. 5, 99; rât-vrâgôn (conſulere) jun. 197. francof.
138. W. 5, 7. vgl. rât-vrâganôn jun. 177; ſpile-wortôn (gar-
rire) N. 76, 4. Nach erſter conj. gehen marchat-choufan
(mercari) ker. 196. endiprurtan (ordinare) ker. 79. 228. und
herrad. 197b ſtehen ôr-ſlegen; hals-ſlegen. — Agſ. beiſpiele:
griſt-bitjan (fremere, ſtridere) von griſt-bite? (ſtridor) vgl.
griſt (molitura); ende-byrdjan (ordinare); ellen-campjan
(pugillare); æfen-gerëordjan (coenare) von æfen-gerëord;
god-ſpëlljan (evangelizare); grund-vëalljan (fundare); alle
dieſe nach zweiter conj., wogegen die ziemlich häufigen
mit der formel -læcan erſter folgen (praet. læhte): æfen-
læcan (adveſperaſcere) cyrten-læcan (venuſtare) lof-læcan
(laudare) ſumor-l. (appropinquare ad aeſtatem) vinter-l.
(ad hiemem) viſt-l. (epulari) vundor-l. (mirificare) ver-
lorne ſubſt. æfen-lâc etc. vorausſetzend (ſ. 503.); andere zwei-
felhaft, z. b. ræd-ſêcan (praet. ræd-ſôhte) lieber uncomp. ræd
ſêcan. — Altn. meiſt nach zweiter conj.: hals-hœggva (de-
collare) hand-hœggva (manu truncare) munn-hœgvaz (al-
tercari) gud-laſta (blaſphemare) ætt-leida (adoptare) hug-
leida (meditari) ſtad-næmaz (conſiſtere) hag-ræda (aptare)
kaup-ſlaga (negotiari) hand-ſala (ſtipulari) hug-ſvala (con-
ſolari) hand-taka (prehendere) dag-þînga (diem referre)
grund-valla (fundare). Wenigere nach erſter: naud-begja
(cogere) her-bërgja (hoſpitari) hand-leggja (ſponſalia pro-
curare) ſtein-leggja (teſſellare) nâtt-ſetja (cadaver per
noctem ſeponere) blŷ-þekja (inplumbare) vard-veita (cuſto-
dire) wovon einigen die grundlage des ſubſt. beſtritten wer-
den könnte (vgl. ausnahme β). — Mhd. her-bërgen Nib.;
rade-brëchen Barl. 113. tage-dingen, teidingen; gris-gram-
men pf. ch. 72b Karl 75a gris-gramen Barl. gris-grimmen pf.
ch. 81b hals-ſlagen pf. ch. 84b Karl 77b hant-ſlagen Eilh.
Triſt. kouf-ſlagen (mercari) livl. 6a rât-ſlagen, vëder-ſla-
gen kolocz 118. Parc. 103a; muot-vagen Ottoc. 273b; vuoƷ-
vallen Parc. 78a; knie-vallen Mar. 37; vinger-zeigen MS.
1, 140b 2, 155a Frig. 22a; nôt-zogen Frig. 21a w. gaſt 13a;
ſämtlich zweiter conj., nach erſter das einzige her-verten
Nib. Gudr. 79b her-vart. — Nhd. her-bergen, rad-brechen
[aber nicht eh-brechen] verthei-digen, wett-eifern, gries-
gramen, hand-haben, hohn-lachen, wetter-leuchten (f. -lei-
chen, ſ. 504.) muth-mâßen (wann aufgekommen?) hof-
[585]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
meiſtern, ſchul-meiſtern, lob-preiſen, hei-rathen, rath-
ſchlagen, brand-ſchatzen, tage-werken *); erſter conj. zu-
gethan wäre etwa fuchs-ſchwänzen. — Dän, hals-hugge,
haand-hugge, hu-ſvale (conſolari).


β) ſchwache von componierten adj. geleitete verba.
Das goth. veit-vôdjan beruht auf dem erweis eines adj.
veit-vôds (ſ. 578.). — Ahd. meiſt derivata von den mit
-haft, -lîh, -lôs und -ſam componierten adj., wiederum
gewöhnlich zweiter conj.: mëƷ-haftôn (temperare) jun.
183. monſ. 351. nôt-haftôn N. p. 266a guol-lîchôn (glo-
riari) N. p. 258b miſſa-lîhhôn hrab. 960b wunder-lîchôn
(mirificare) N. 30, 22; gouma-lôſôn (negligere) vgl. eſſen.
urk. vergôme-lôſôn, ruahha-lôſôn K. 27b 49a; kinoaƷ-ſa-
môn (conſociare) ker. 49. kanuht-ſamôn (ſufficere) K.
19b 43b wuni-ſamôn (exultare) ker. 213. ouga-zorhtôn
(manifeſtare) T. 164, 6. 177, 4. Erſter conj. ſcheinen:
ſteti-haſtan (ſtabilire) ker. 128. kaſt-luaman K. 20a moat-
ſamjan (conſecrare) ker. 83. wunni-ſamjan (exultare) ker.
119. 140. wenn den vocalen zu trauen iſt. Nach dritter
möchte ich (mit angeſetztem ê) gehen laßen: cuat-lîhhêt
(gloriatur) K. 18a coat-lîhhêt kcr. 119. kinuht-ſamênt
(abundant) ker. 112. — Agſ. nach zweiter: gŷme-leáſjan
(negligere) eád-môdjan (dignari) gemôd-ſumjan (concor-
dare) genyht-ſumjan (abundare) geſib-ſumjan (reconci-
liare) vyn-ſumjan (gaudere) ellen-vôdjam (aemulari);
nach erſter: hand-fäſtan, lîf-fäſtan, eád-mêdan (humiliare,
praet. eádmêdde). — Altn. nach zweiter: hand-ſama
(manu arripere); nach erſter: hug-hreyſta (animare) von
hug-hrauſtr; hug-feſta (memoriae mandare) kroß-feſta (cru-
cifigere) lög-feſta (vindicare) ſtad-feſta (firmare) aug-lŷſa (pa-
tefacere). — Mhd. aht-bæren Triſt. heim-lichen Barl. die-
mueten Barl. viuwer-niuwen Triſt. ſämtl. erſter conj.; zwei-
ter: goume-lôſen, krefte-lôſen Wh. 2, 19a ſnâbel-ſnëllen
MS. 2, 137a und dgl. — Nhd. ableitungen von adj. -lich: ver-
herr-lichen, verlüder-lichen, verfinn-lichen, verwirk-lichen.


3) folgerungen: a) die mitgetheilten beiſpiele werden
ſich zwar vermehren laßen, doch nicht beträchtlich und
im ganzen ſticht die geringe zahl ſolcher zuſammen-
ſetzungen gewaltig ab von der unerſchöpflichen menge
ſubſtantiviſch componierter ſubſt. und adj. Die ſprache
ſcheint zu der ableitung dieſer verba wenig geneigt. —
b) alle ſo derivierten verba conjugieren nothwendig
[586]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
ſchwach, da kein ſtarkes verbum aus einem nomen ent-
ſpringt. Wo folglich ein ſubſt. einem ſtarken verbo vor-
herſteht, kann es nur von ihm regiert werden, nicht mit
ihm componiert ſein. Monſ. 385. 366. 355. 354. 391.
würde es fehlerhaft ſein gouma-nëme, gouma-nëmet,
gouma-nimit, gouma-nim zuſammenzuziehen, ſtatt gouma
nëme etc. und gleicher vorwurf trifft goum-genomen Nib.
8424. ſtatt goum (goume) genomen. Auch ſind die nhd.
theil-nehmen, wahr-nehmen, acht-geben keineswegs echtc
compoſita. Denn es liegt ihnen allen kein nomen zu
grund und es läßt ſich unmöglich ſagen weder gi-gouma-
nëman (wie gi-muot-fagôn) noch gi-gouma-noman (wie
gi-muot-fagôt); uncomponiert aber findet ſtatt: gouma gino-
man, nhd. theil genommen, wahr genommen. Gouma iſt der
leibhafte caſus, wie zum überfluß aus der ſchwachen form, die
dialectiſch gebraucht wird, erhellet: goumûn nam, oder
aus der nachſetzung des ſubſt.: nim gouma jun. 233. nim
gaumûn J. 378. Wir dürfen nicht ſagen theil-nahm (wie
rath-ſchlagte oder mhd. muot-vagete) ſondern nur (nach
den umſtänden) theil nahm oder nahm theil, während
die eigentlichen compoſita keine trennung leiden (nicht:
ſchlagte rath, vagete muot). — c) die urſache, weshalb
die ſprache unzertrennliche verbindung mit dem nomen
einzugehen das verbum verhindert, nämlich das ſtarke
durchaus, das ſchwache unmittelbarerweiſe, ja warum ſie
nicht einmahl mittelbare (ein componiertes nomen vor-
ausſetzende) verbindung des ſchwachen gerne ſieht, muß
in der natur des verbums überhaupt gefucht werden.
Sein ganzes weſen iſt thätigkeit, entgegengeſetzt der ruhe
des nomens. Bei dem nomen ſoll eben die compoſition
bleibende zuſtände im ausdruck feßeln. Das verbum,
nach zeit und modus regſam und bewegt, übt einen viel
zu manigfaltigen einfluß auf das nomen aus, als daß er
nicht durch zuſammenſetzungen ſollte gehemmt werden.
Es will beſtimmte caſus regieren, die vage allgemeinheit
ſubſtantiviſcher compoſition ſagt ihm nicht zu. Daher
glaube ich kommt es auch, daß das verbum weit weni-
ger ableitungsmittel hat, als das ſubſt. (ſ. 898. note) aber
das verbum iſt unvergleichbar wurzelreicher und wurzel-
hafter, denn alle nomina gehen von ihm aus. Daher
ſind ihm ferner die aus nominalzuſammenſetzungen ge-
leiteten verba faſt zu ſchwerfällig, die wenigen eingeführt
wordenen meiſtens intranſitiva, folglich vorzugsweiſe zur
zweiten conjug. gehörig. Endlich erklärt ſich, warum
die dem nomen näher liegenden beflandtheile des ver-
[587]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
bums, der inf. und die participia, wie wir unten ſehen
werden, ſich auch mehr der compoſition zuwenden.


4) ausnahmen von der regel ſind daran zu erkennen,
daß ſich ein ſtarkes verbum ſubſtantiviſch componieren
läßt, weil in dieſem fall ableitung von einem andern
compoſitum undenkbar iſt. α) wichtigſte und älteſte aus-
nahme ſcheint mir die zuſammenſetzung mit miſſa-, wel-
ches ſ. 470. 471. für ein ſubſt. erklärt wurde und ſich
ohne zweifel an ſtarke wie ſchwache verba fügt. Zwar
bietet Ulf. noch kein beiſpiel dar, aber im ahd. kommen
ſie ſo häufig vor, daß es vollſtändiger aufzählung nicht
bedarf: miſſi-weiƷ (deſipit); miſſi-gangan, miſſi-giang;
miſſi-fahan, miſſi-fiang, miſſi-hëllan, miſſi-hillit, miſſi-pio-
tan, miſſi-piutit, miſſi-pôt; miſſi-tuon, miſſi-tëta, miſſi-
tâtun; miſſi-ſezan, miſſi-ſazta etc. Ebenſo mhd. miſſe-
vallen, miſſe-viel; miſſe-hëllen; miſſe-zëmen, miſſe-zam,
miſſe-zæme; miſſe-bieten, -bôt; miſſe-rëden; miſſe-ha-
ben; miſſe-tuon; nhd. mis-fallen, -fiel; mis-handeln, han-
delte, ge-mis-handelt u. a. m. agſ. mis-bëódan, mis-beád;
mis-limpan, mis-lamp; mis-grêtan, mis-grêtte etc. end-
lich altn. mis-bióda, mis-baud; mis-brióta, mis-brŷt,
-braut, -brotinn; mis-gruna, mis-grunadi. Wenn auch
einzelne ſchwache bloß abgeleitet wären, z. b. ahd. miſſa-
zumſtôn monſ. 409. von miſſa-zumft oder altn. mis-kaupa
von mis-kaup, mis-lika von mis-lîkr; ſo findet bei an-
dern ſchwachen dieſer ausweg nicht ſtatt und ohnehin
bei keinem ſtarken. Offenbar verhält ſich miſſa-, miſſi-,
mis- in ſolchen zuſammenſetzungen ganz wie andere un-
trennbare partikeln, von welchen §. 4. handeln wird und
gleicht ihnen auch in der abſtract gewordnen privativen
bedeutung. Zeugt alſo unſere ausnahme wider ſeinen
ſubſtantiviſchen urſprung? ihn aufgegeben, fiele die aus-
nahme ſelbſt weg. Er braucht aber nicht aufgegeben zu
werden, meine ich. Die adjectiviſche compoſition wird
hernach eine ganz analoge ausnahme in den erſten wör-
tern folla- und wana- darbieten, welchen ihr adjectivi-
ſcher urſprung nicht abgeſtritten werden kann, falls dem
letztern nicht gar ein ſubſtantiviſcher gebührt. Vielleicht
entdecken wir künftig unter den ſubſt. zuſammenſetzun-
gen dergleichen anomalien mehr, z. b. ein bora-weiƷ (ſu-
perſapit?) wäre nicht unmöglich. — β) im altn. oder
vielmehr iſländiſchen begegnen verſchiedne ſtarke verba
mit ſubſt. componiert, namentlich bei Biörn: fôt-troda
(conculcare) hand-hefja (juvare) lög-bióda (publice auctio-
nari) lög-taka (in legem recipere) knê-kriupa (genuflectere),
[588]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
von welchen er auch das praeſ. ind. ëk fôt-trëd, hand-
hef, lög-bŷd, lög-tek, knê-krŷp anſetzt. In der edda
kenne ich keine ſolche form und es fragt ſich, ob ſie
nicht überhaupt die lexicographen aus dem unleugbaren
inf. oder part. praet. erfunden haben? es käme auf be-
lege für das praeſ. und praet. ind. aus guten denkmäh-
lern an. Unorganiſch ſcheinen dieſe compoſita auf jeden
fall, fehlen auch gänzlich den übrigen dialecten. Gibt
man ſie aber als ausnahme zu, ſo dürfen einzelne der
vorhin genannten ſubſtantiviſch componierten altn. verba,
denen ſich kein zu grunde liegendes nomen nachweiſen
läßt, hierher gerechnet werden, z. b. vard-veita.


II) zuſammenſetzung mit dem part. praeſ. (ſt. oder
ſchw. conj.).


In ſeiner adjectiviſchen eigenſchaft kann dieſes part.
gleich jedem andern adj., eigentlich componiert werden;
ſeiner verbalen natur wegen hat es aber auch mehr be-
fugnis, wirkliche caſus zu regieren, als irgend ein bloßes
nomen, dem noch verbaler urſprung eingeprägt iſt, z. b.
im ahd. chint përanti iſt der leibliche acc. ſtatthafter als
in chnëht-përa, arunt-poro, danch-pâri, welche ſ. 487.
557. mit recht zu den wahren comp. gerechnet worden
ſind. Neben chint përanti muß nun wohl chint-përanti
d. i. chinta-përanti zuläßig ſein; compoſitionsvocale wür-
den uns in früheren denkmählern allen zweifel löſen.
Wo ſie fehlen, können nur andere gründe, hauptſäch-
lich der ſyntax, für oder wider die zuſammenſetzung
entſcheiden. Ich bin geneigt eine ſolche anzunehmen,
theils wenn die rection einen andern caſus fordert, als
den acc. (bei wëſanti, vëſende, exiſtens würde ſich der
caſus nach dem ſubject des ſatzes richten und ſelbſt der
nom. ſein können) theils je mehr ſich das part. durch
öfteren gebrauch zu einer bloßen formel bildet. Von
ſelbſt aber verſteht es ſich, daß keine zuſ. ſetzung mit
dem part. praeſ. auf andere modos und tempora zu
ſchließen berechtigt.


Im goth. garda-valdands (οἰκοδεσπότης) blôþa-rinnan-
dei (αἱμοῤῥοοῦσα) Matth. 9, 20. ſcheint a der compoſitions-
vocal, garda nicht οἴκ;ῳ, blôþa nicht αἵματι; hingegen
Joh. 15, 2. überſetzt akran baírandô (neutr.) den acc. καρ-
πὸν φέρον
) und das eigentl. comp. würde akrana-baírandô
(καρποφορέον) verlangen nach analogie von akrana-láus.
— Ahd. belege mit haftendem comp. vocal ſtehen mir
nicht zu gebot, denkbar wären wëka-wîſônti, maka-pë-
[589]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
ranti, hova-wartênti u. dgl.; ohne comp. vocal findet ſich:
lant-pûantêr hrab. 957a himil-flëugendêm J. 342. ſêo-lî-
dantê (ποντοπορέοντες) Hild. teil-nëmanti (particeps) ker.
254. tôt-përandi (mortiferus) ker. 179. lauc-ſpîantaƷ (flam-
mivomum) jun. 179. lugi-ſprëhhanti hrab. 963b taod-tra-
gantêr (mortiferus) ibid. gaſt-wëſanti (hoſpes) T. 152;
uncomponiert iſt vielleicht âgëƷ machônde (oblivioſus)
N. Boeth. 171. — Altſ. ërd-buand (terricola) wâpan-bë-
rand (armiger). — Die agſ. poeſie iſt reich an formeln,
vorzüglich im plur. maſc. (der dann oft ſubſtantiviſch
decliniert 1, 1017.) âgende (habens) blæd-âgende (famoſi)
Beov. 78. bold-âgende (praedia poſſidentes) Beov. 230.
mägen-âgende (fortes) Beov. 211; bërende (ferens) äſc-
bërend (haſtifer) Cädm. 45. æviſc-bërend (impudicus) gâr-
b. (teliſer) Cädm. 67. hëlm-b. (galeatus) Beov. 187. 196.
lëóht-b. (luminoſus) Cädm. 99. rëord-b. (reficiens) Cädm.
77. ſâvl-b. (animatus) ſvëord-b. (enſifer) Cädm. 25. ta-
por-b. (cereum ferens); bûende (habitans) cëaſter-b. (ci-
vitatem incolens) Beov. 60. ëorð-b. (terram c.) Cädm.
87. fold-b. Beov. 25. 103. grund-b. Beov. 77. land-b. Beov.
10. 102. voruld-b. Jud. 10; fæmende (ſpumans) lig-f.
(flammivomus); häbbende (habens) dreám-h. (laetabun-
dus) Cädm. 2. lind-h. (vexilliferus) Beov. 107. rond-h.
(ſcutiferus) Beov. 67. ſëaro-h. Beov. 20; lâcende (ludens)
lyft-lâcende (in aere ludens); lîðende (proficiſcens) brim-
l. (navigans) Beov. 45. hëado-l. (in bellum prof.) Beov.
135. 219. ſæ-l. (navigans) Beov. 31. 33. 137. væg-l. (idem)
Cädm. 32; rædende (imperans) ſele-rædende (aedium
domini) Beov. 102; ſittende (ſedens) benc-ſ. Jud. 10. burh-
ſ. Cädm. 81. 89. flett-ſ. Beov. 135. 152. Jud. 10. hâm-ſ.
Cädm. 89. hëal-ſ. Beov. 151. 213; vëſende (exiſtens)
chniht-v. (puer) Beov. 30. 42. Beda hiſt. eccl. p. 518. 537.
umbor-v. Beov. 6. 91. das erſte wort dunkel *); vëallende
[590]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
(aeſtuans) hioro-vëallende (enſe aeſtuans? inſtar enſis vi-
brans? es iſt von lig-egeſa, dem ſchrecklichen feuer,
altn. ôgnar-liómi die rede) Beov. 207; viggende (pugnans)
byrn-v. Jud. 10. lind-v. Jud. 10. rond-v. Jud. 9. ſvëord-
v. Cädm. 68; valdende (dominans) finde ich nur mit dem
gen. conſtruiert: ſigora valdend Cädm. 3. rodera valdend
Cädm. 85. valdres v. Beov. 132. ylda v. Beov. 125. mit-
hin uneigentlich oder gar nicht zuſammengeſetzt. — Altn.
compoſita ſind ſeltner: fôlk-lîðandi (per gentes proficiſcens)
ſæm. edd. 191b ſî-hlæjandi (ſemper ridens) ſî-rënnandi,
ſî-ſkînandi (ſemper lucens) edd. ſæm. 184b — Mhd.
iſt vornämlich auf die formeln -bërnde, -gërn-de,
-wëſende zu achten und bei der letzten eigentliche
comp. unbeſtreitbar: kint-wëſende Parc. 191b meit-wë-
ſende (virgineus) Mar. 113. 172. Uneigentliche (oder
loſen acc.) bei -bërnde, -gërnde anzunehmen hindern
mich die zwar unorganiſchen, aber dem acc. maſc. und
neutr. widerſtrebenden -e, welche ſchon ſ. 580. beſpro-
chen worden ſind: durſte-bërnde Gotfr. minnel. 111a lei-
de-b. Barl. ſorge-b. Barl. ſunne-b. Triſt. ſtrenge-b. Triſt.
vröude-b. wunne-b. liebe-gërnde Triſt. minne-g. Barl. etc.
Außerdem ouge-brëhende (oculos lumine feriens) MS. 1,
3b dieneſt-gëbende Parc. 47a touf-pflëgende Parc. 182o
ſtein-wërfende Mar. 146. ſpër-zernde Parc. 176a etc. —
Nhd. formeln ſind -bringend, -nährend, -ſtillend, -tra-
gend: friede-br. frucht-br. heil-br. licht-br. qual-br. ſe-
gen-br. wonne-br. geiſt-n. ſchmerz-n. kummer-n. blut-ſt.
durſt-ſt. hunger-ſt. ſchmerz-ſt. frucht-tr. leid-tr. ſamen-
tr. etc. außerdem: liebe-athmend, hals-brechend, fleiſch-
freßend, rache-ſchnaubend, feuer-fangend, feuer-ſpeiend,
blut-triefend, bier-trinkend, freude-tödtend, zeit-tödtend,
herz-zerreißend, und die dichter wagen noch andere mehr.


III) zuſammenſetzung mit dem part. praet. (ſt. u. ſchw.)
Ulf. bietet das einzige handu-vaúrhts (χειροποίητος) Marc.
14, 58. dar, das, gleich guda-faúrhts, ſchon ſ. 552. bei dem adj.
erwähnt wurde; in andern ſtellen, wo ſolche compoſita
denkbar wären, richtet er ſich nach dem griech. und ſetzt
praepoſitionen und caſus z. b. fram vinda vagidata (ὑπο
ἀνέμου σαλευόμενον
) Matth. 11, 7; ſa us himina qvuma-
na (ὁ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καταβάς) Joh. 6, 51; aúralja bibun-
dans (σουδαρίῳ περιδεδεμένος) Joh. 11, 44; gabundans
handuns jah fôtuns (δεδεμένος τοὺς πόδας καὶ τὰς χεὶρας)
ibid. Ob aber ein vinda-vagiþs, himina-qvumans gothiſch
geweſen wären? Ich zweifle nicht, wenigſtens in lie-
[591]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
dern. In den ahd. quellen ſind dieſe zuſammenſetzungen
beiſpiellos, ſelbſt im O., der noch den meiſten dichteri-
ſchen ſchwung nimmt; daß ſie der proſa fehlen, begreift
ſich eher. Wie nahe auch manche ſubſt. oder adj. z. b.
ſcëf-ſopho (naufragus) hant-gitât, hant-giſcrip, hant-
wërah, hant-garo an das partic. grenzen; ſo darf doch
daraus kein ſchluß gezogen werden auf ein ſcëf-ſophan,
hant-gitân (manufactus) hant-giſcripan (manuſcriptus)
hant-giworaht, hant-gigarawit. Gewöhnlich ſteht bei dem
part. der wirkliche caſus, mit oder ohne praep.; zumeiſt
ein dat. und inſtrum. z. b. houpite pilôſit jun. 202. chei-
ſuringû gitân Hild. mit ſteinon gidânaƷ O. IV. 19, 72.
Man müſte denn die verbaladjectiva chunt, dâht, vorht
participialiſch nehmen und compoſita wie got-vorht T. 7,
4. gote-dâht (N. Boeth. 18. gote-dehto) hierher rechnen.
— Die altſ. E. H. liefert adal-boran (nob. genere natus)
und arm-ſkapan (miſer, afflictus? die weiber, die Chriſti
grab beſuchen, heißen idiſi arm-ſkapana) von letzterm
worte mehr beim agſ. — Agſ. compoſita (meiſt mit dem
part. praet. ſtarker conj. und immer ohne ge-): þëóv-
boren (in ſervit. natus) hëoru-bunden (cardine firmatus,
von einem ſchwert) Beov. 98., ſtünde der dat., ſo würde
erfordert hëorve b., deutlich aber biſgum gebunden (labo-
ribus vinctus) Beov. 131. ſôðe gebunden (arte poetica liga-
tus) *) Beov. 67. vîtum gebunden (poenis v.) Jud. 10. doch el-
do-bunden (ſenectute vinctus) Beov. 158. ſcheint mir zuſ. ge-
ſetzt; vîn-druncen (vinolentus) Cädm. 91. neben vîne dr.
Cädm. 35. Beov. 111. und bëóre dr. Beov. 38. 42; hëlm-be-
hongen Beov. 232; gilp-hläden. (celebris, ruhmbedeckt) Beov.
67. gold-hläden (auro onuſtus) vind-hladen (vento turbidus);
beág-hroden (annulis rubefactus) Beov. 49. Jud. 11. gold-
hroden (auro rutilus) Beov. 48. 50. 146. 152. neben brin-
gum gehroden Jud. 10; hand-locen (manu clauſus, von
dem panzer) Beov. 26. 44. oder wäre locen ein ſubſt.
clauſura?; ëarm-ſcëapen (miſer) Cädm. 88. (von Nebu-
cadnezar im wald) Beov. 103. (von Grendel) unter die
adjectiviſchen zu rechnen, ſchiene nicht altn. arm-ſkapadr
mit armr (brachium) gebildet; keine comp. mit -vunden,
ſondern bevunden und den caſus, z. b. virum bevunden
(myrtis circumligatus?) Beov. 79. flæſce bev. Beov. 181.
galdre bev. Beov. 226. vôpe bev. Beov. 233. mundum
bev. (manibus ampl.) Beov. 224. vyrmum bev. Jud. 10.
[592]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
ſo auch golde beroſen (aurc ſpoliatus) Beov. 217. hamere ge-
þyven (malleo cuſus) Beov. 98. Seltner mit part. ſchw. conj.,
doch iſt hand-vorht gebräuchlich, und hring-mæled Cädm.
44; aber der caſus ſteht häufiger, vor oder nachgeſetzt (fäted
hlëóre, ligatus maxillâ, Beov. 79.). — Altn. comp. enthält die
Edda genug und beides mit part. ſt. wie ſchw. conj.: ramm-
aukinn (viribus pollens) 118a, vielleicht vom adj. ramr?;
mein-blandinn (dolo mixtus) 195a; god-borinn (diis oriun-
dus) 153b 271a (in letzterer ſtelle gedruckt gôd-b. genere
nobilis, was mir verwerflich ſcheint); konûng-borinn
(genere regio) 168b; lög-fallinn (capite damnatus, todes
verfallen); eitr-fân (veneno coruſcans) 55b mâl-fân (ein
dunkles beiwort des ſchwerts) 84a. b., wenn ſich fân über-
haupt durch fâinn, pictus, multicolor von fâ, polire er-
klären läßt [vgl. hernach dreyr-fâdr und oben ſ. 502.
vêh-lahhan, fâhan-lakan, ſ. 559. vêh]; nifl-farinn (ad in-
feros translatus, mortuus) 249a; hel-genginn (idem) 129a;
hand-genginn (familiaris, der zur hand geht); hiart-grô-
inn (cordi fixus) hold-grôinn carni adcretus) 271a; hôf-
gullinn (ungulas auratus) 243a; hand-hœggvinn (manu
truncatus) Biörn; hug-leikinn (animo fixus); her-numinn
(bello captus) 187a; vîg-riſinn (bello clarus) 235a; gull-
rodinn (auro rubefactus) 244b; vog-ſkorinn (amfractuoſus)
Biörn; ſtâl-fleginn (chalybe obductus); lög-tekinn (lege re-
ceptus). Und ſchw. conj.: gull-bitladr (auro frenatus) 155a
ſtiórn-bitladr (lupato frenatus) 239a; dreyr-fâdr (ſanguine
rutilus) 142b; nâtt-dögqvadr (roſcidus); ſilfr-gyltr (argento
inauratus) 245b; ûlf-hugad (lupinus animo) 182b; gull-hyrndr
cornu auratus) 141a; hand-ſeldr (traditus); arm-ſkapadr (an-
cus, wozu die von Biörn angeführte ſtelle ſtimmt: kona arm-
ſköpud ok kröpnud, obgleich es auch allgemein miſera
bedeuten könnte); hör-ſkryddr (lino amictus); baug-va-
ridr (annulo ornatus) 166a hrîng-varidr (id.) 225b u. a. m.
Häufig ſteht aber auch uncomponierter caſus, z. b. bölvi
blandinn 209b afli genginn 209a viti bundinn 124b blôdi
ſtockinn 151a ecka þrunginn 168a fiötri fatladr 207b etc.
Aus 1, 307. 1012. iſt ſich übrigens zu erinnern, daß ver-
ſchiedentlich -inn für -idr gelte, wohin wohl ord-bœginn
52a von bœgja (moleſtare), unſichrer böd-frœkinn, vîg-
frœkinn 272b gerechnet werden können, da Biörn kein
verb. frœkja kennt, vielleicht iſt frœkinn entſtellung des
adj. frœkn, ahd. fruohhan (oben ſ. 165.)? Umgekehrt
möchte arm-ſkapadr aus arm-ſkapan entſpringen? —
Mhd. währt die ſeltenheit ſolcher zuſ. ſetzungen fort; was
ich anzuführen weiß, beſchränkt ſich auf wint-ſchaffen
[593]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
Triſt. tobe-trunken Barl. und goit-gewunden pf. ch. 69b
(fragm. 35a); ſchaffen und trunken habe ich mit unrecht
ſ. 165. zu den adj. gezählt, für beide comp. iſt aber die
ſubſt. natur des erſten worts noch zweifelhaft, golt-ge-
wunden ſcheint ein altepiſcher ausdruck. In der regel
ſetzen die dichter den caſus, z. b. mit golde wol bewun-
den. wol bew. m. g. Wigal. 35. 67. von golde durch-
ſlagen a. w. 3, 236. von liebe trunken troj. 74b. — Ge-
gen dieſen ſparſamen gebrauch ſticht der nhd. überfluß
ab, den wir aber erſt den dichtern (ſeit 1750) verdanken;
die ſchleſiſchen wagten noch nicht ſo zu componieren.
Luther bedient ſich nur einzelner wortbildungen, nament-
lich des ausdruckes ſchrift-gelehrt (legis peritus). Ade-
lung erkannte wohl einige an, z. b. ehr-vergeßen, pflicht-
verg. kunft-beflißen, kunſt-erfahren und ſträubte ſich ge-
gen die menge der übrigen *). Vergebens; denn was der
hochd. mundart fremdgeworden, nicht völlig unbekannt
war, was ſich in der poeſie der verſchwiſterten ſtämme
deutlich entfaltet hatte, durfte auch unſrer neugelöſten
zunge angemuthet werden und heutzutage klingen zuſam-
menſetzungen wie folgende durchaus nicht undeutſch:
knecht-geboren, ſtaub-geboren, ſchiff-befahren, dorn-ge-
flochten, meer-umfloßen, gott-ergeben, tuch-behangen.
fluch-beladen, qual-entladen, gold-beſchlagen, fiſch-ver-
ſchlungen, lied-beſungen, wonne-trunken, gras-bewach-
ſen, land-verwieſen; moos-bedeckt, ruhm-bedeckt, ſchnee-
bedeckt, ſturm-bedroht, blut-befleckt, gold-geflügelt, angſt-
erfüllt, gott-geführt, wald-bekränzt, berg-gekrönt, gram-
belaſtet, gift-vermiſcht, gott-geſandt, ſee-beſpült, pelz-
beſetzt, ſchwert-bewafnet, wind-bewegt, gold-gewirkt.
feuer-verzehrt **) u. a. m. Doch dürfen keine neue nüch-
tern erfunden werden und ihre anwendung muß über-
haupt maß halten, etwa wie die im vorigen abſchnitt an-
geführten zuſ. geſetzten adjectiva (deren zweites wort
nicht abſtract geworden iſt) häufigen gebrauch nicht ver-
P p
[594]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
ſtatten. Tadelhaft iſt es auch, das part. mit der plural-
form des ſubſt. zu componieren, wie von ſprachunkun-
digen geſchieht, z. b. zähne-bewafnet, blumen-bekränzt,
wogen-umflutet ſt. zahn-b. blum-bekr. wog-umfl., höch-
ſtens gienge das plurale -er in die zuſ. ſetzung ein (ſ. 578.)
Man b. merke, wie (mit ausnahme von liebe-trunken,
wonne-trunken) alle dieſe compoſita die partikel ge-, oder
eine andere, die das ganze verbum zuſ. ſetzt, vor dem
zweiten worte haben und. wie ſie ſich dadurch von den
aus zuſ. geſetzten ſubſt. erwachſnen verbis (ſ. 586.) unter-
ſcheiden, deren ge- ſeine ſtelle vor dem erſten worte
nimmt, vgl. gerathſchlagt, geheirathet, gehohnlächelt mit
gottgeſandt, ſchiefergedeckt. Hier iſt gott, ſchiefer ledig-
lich mit dem part., das der partikel nicht entbehren kann,
componiert. — Im nnl. ſind, meines wißens, dieſe freie-
ren und dichteriſchen comp. noch nicht eingeführt, nur
die ſchon früher auch im nhd. gültigen: ſchrift-gelêrd,
god-gelêrd, got-gelâten, god-overgeven finden ſtatt. Die
neunord. ſprachen hatten ſie aber nie aufgegeben. So
heißt bei den norweg. hirten vieh, das nach dem volks-
glauben die zwerge gelähmt haben, dverg-ſlagen (Hallag.
p. 20b). In den ſchwed. volksliedern begegnen ſolche
compoſita hauptſächlich von den verbis wirken, binden,
ſticken, nähen, ſchlagen, z. b. ſilfver-ſpänd 1, 14. ſilver-
ſtickad 3, 53. ſilke-ſtickad 1, 14; 3, 46. ſilke-ſydd 2, 52.
ſölf-ſlagen 1, 160. gull-ſpänd 3, 46. gull-flätad 3, 31. gull-
virkad 3, 31. ſorg-bebunden 1, 4; heutige dichter gehen
kühner damit um: ſvärd-ſlagen (ſchwert-erſchlagen) berg-
tagen (von geiſtern in den berg entführt) blod-beſtänkt
(blut-beſprützt) ſvärd-omgiordad (ſchwert-begürtet) ſtiern-
bekranſad (ſtern-bekränzt). Beiſpiele aus den dän. volks-
liedern: ſölv-bunden 3, 123. 146. ſilke-ſtukken 3, 397.
ſölv-ſpend 3, 67; althergebracht ſind auch ſkib-bruden
(ſchiffbrüchig, beßer als das ſchwed. ſkepps-bruten) orm-
ſtukken (wurmſtichig); neuere dichter gebrauchen: guld-
udſyed (gold-ausgenäht) ſkiold-belagt (ſchild-bedeckt) ur-
te-prydet (kraut- oder kräuter-geſchmückt) diävle-blendt
u. a. m. Engl. beiſpiele ſuche man bei Shakſp. ſhard-
born, toad-ſpotted etc. —


Noch fragt es ſich, ob von dergleichen zuſ. geſetzten
part. praet. ableitungen ſtatthaft ſind, fem. auf î, adj. auf
-îc? Zuſammengeſetzte adj. erſcheinen ihrer bisweilen
fähig. vgl. ruahha-lôſî, lâſtar-pârîc und warum ſollte von
regin-blind kein ſubſt. regin-blindî ſtammen können?
Theoretiſch wäre, was dem einfachen part. gilt (f. 399. δ.)
[595]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
dem componierten einzuräumen, z. b. falls ein ahd. wîn-
trunchan gölte, würde wîn-trunchanî daraus folgen (ich
finde upar-trunchanî, ubar-trunchalî vom adj. trunchal,
vermuthe auch eher wîn-trunchalî, als wîn-trunchanî).
Da aber in den neueren ſprachen die bildung der fem.
auf -e überhaupt verſiegt, ſo kommen comp. part. praet.
weder in dieſer ableitung, noch in andern vor. Ob ſie
weitere zuſammenſetzungen (mit -heit, -lich) erlauben,
gehört in §. 3. Bei dieſer gelegenheit will ich eine ſ. 184.
und 365. aufgeſtellte vermuthung ganz verwerfen. Die
goth. -ubni ſind keine compoſita, am wenigſten mit part.
praet. weil 1) der comp. vocal mangelt, 2) ein part. ubns,
ôbns unerweiſlich und höchſt unwahrſcheinlich iſt, 3) ſo-
wohl compoſition, als die neue derivation daraus aller
analogie entbehren. Das altn. -efni componiert ſich nur
uneigentlich (genitiviſch).


IV) zuſammenſetzung mit dem infinitiv.
Wie der inf. ſubſtantiviſch geſetzt werde hat die ſyntax
auszuführen, hier iſt bloß von ſeiner, alsdann thunlichen
compoſition mit ſubſtantiven die rede; was von ihm gilt
(ſei er nun nom. oder acc.) muß auch von ſeiner gen.
und dativform (1, 1021. 1022.) behauptet werden. Ich un-
terſcheide


α) wo die compoſition ſchon im ſubſt. vorgegangen,
das verbum bloß daraus abgeleitet iſt, verſteht es ſich von
ſelbſt, daß auch der inf. und ſeine caſus componiert ge-
braucht werden dürfen vgl. hals-ſlagônnes O. IV. 19, 144.


β) es kann aber auch die zuſammenſetzung erſt mit
den genannten verbalformen erfolgen, gleichviel ob das
verbum ſchwach oder ſtark conjugiere. Dem wirklichen
und ganzen verbo wurde dieſe compoſitionsfähigkeit
ſ. 582. abgeſprochen. Dem inf. ſeiner ſubſtantiviſchen,
wie den participien ihrer adjectiviſchen natur halben,
muß ſie zuerkannt werden. So gut man ahd. chnëht-
wëſanti (und theoretiſch chnëht-wortanêr) ſagen durfte,
war auch chnëht-wëſan, chnëht-wëſannes N. 62, 4.
chnëht-wëſanne erlaubt. Doch will ich lange nicht aus
jedem gangbaren compoſ. mit participien auf analoge mit
dem inf. ſchließen. Im ahd. und mhd. ſcheinen keine
oder wenige beiſpiele vorzuliegen, die präpoſitionell zu
erklären ſind. Gewöhnlich kann das erſte wort von dem
zweiten accuſativiſch regiert werden und dann entſpringt
zweifel zwiſchen eigentlicher comp. und uneigentlicher.
Gar keine comp. iſt in liutô fillennes, fiures brennennes
P p 2
[596]III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit verb.
(des ſchlagens der leute, des brennens des feuers) O. V.
23, 131, 132. Mhd. belege: holre-blâſen Bit. 88b ſpër-
brëchens a. Tit. 79. vëder-lëſen amgb. 24a ſatel-rûmens
Parc. 69b knie-rûnen MS. 2, 137a ſumber-ſlahen Bit. 88b,
vielleicht vëder lëſen *), ſumber ſlahen? Nhd. ſagen
wir: eh-brechen, blut-vergießen, blei-gießen, haus-hal-
ten, hof-halten, athem-holen, feder-leſen, feld-meßen,
land-meßen, theil-nehmen, wahr-nehmen, dank-ſagen,
luft-ſchöpfen, waßer-tragen, tag-wählen nnd vieles ähn-
liche, in welchen allen wirkliche acc. ſich uneigentlich
mit dem inf. mögen verbunden haben, früher gar keine
comp. ſtatt fand und noch jetzt öftere auflöſung eintritt,
z. b. wenn ein adj. vorgeſetzt wird (unſchuldiges blut ver-
gießen, tiefen athem holen, allen theil nehmen) oder das
ſubſt. hinter das verbum rückt (ich vergieße blut, nehme
theil). Nur ſteht nicht mit beſtimmtheit zu behaupten,
daß hier überall keine eigentl. comp. zu grunde liege; wie
das mhd. adj. hove-bære, ahd. hova-pâri, ſeinen comp.
vocal kundgibt, könnte das tag-wählen, des tag-wählens
auf ahd. taga-weljan. taga-weljannes beruhen. Es fehlen
nns bei dieſer unterſuchung ältere beiſpiele. Da wo
deutliche acc. pl. an das verbum ſtoßen, z. b. kränze-
winden, gäſte-ſetzen iſt höchſtens uneigentliche zuſ. ſetzung,
nie eigentliche annehmbar. Nhd. praepoſitionelle compo-
ſita laßen ſich freilich auch wenige beibringen, das blatt-
pfeifen (auf dem bl.) des blatt-pfeifens, das gold-beſchla-
gen, des gold-beſchlagens etc. dürfte geſagt werden, kaum
das ruhm-bedecken, lied-beſingen etc. Die neunord. ſpra-
chen bieten verſchiedentlich ſubſtantiviſch zuſ. geſetzte
verba zugleich in der form des inf. und part. praet. dar,
deren gangbaren indic. etc. ich in zweifel ziehen möchte.
Fände er ſtatt und wäre ihnen ein zu grunde liegendes
ſubſt. oder adj. nachzuweiſen; ſo würden ſie oben ſ. 585.
nicht hier anzuführen ſein. Beiſpiele: ſchwed. tro-lofva
(verloben) tro-lofvat, dän. tro-love, tro-lovet; ſchwed.
ſyſſel-ſätta (beſchäftigen) ſyſſel-ſatt, dän. ſyſſel-ſätte;
ſchwed. ſtål-ſätta (ſtählen) ſtål-ſatt, dän ſtaal-ſätte; ſchwed.
bo-ſätta (das haus einrichten) dän. boe-ſätte u. a. m.


[597]III. ſubſt. uneigentliche compoſition.
II. ſubſtantiviſche uneigentliche compoſition.

(vgl. ſ. 410.)


Die uneigentliche zuſammenſetzung iſt nie urſprünglich,
vielmehr überall erſt aus einem dem zweiten wort un-
mittelbar voranſtehenden caſus allmählig hervorgegangen
(ſ. 408. 409.). Liebte die deutſche ſprache dieſes voraus-
ſtellen nicht, ſetzte ſie gleich der lat. das abhängige no-
men öfter, gleich der franzöſ. immer nach, ſo würde es
weit weniger oder gar keine deutſche uneigentliche com-
poſita geben. Sie ſind ein völliger gegenſatz zu den ei-
gentlichen. Dieſe zeigen keine flexion im erſten wort,
die uneigentlichen zeigen ſie immer und nothwendig. Die
eigentlichen gründen ſich auf den comp. vocal, der frei-
lich in der ſpätern zeit verſchwindet; die uneigentlichen
können ihn nie, ſelbſt in der älteſten zeit nicht haben.
Die eigentlichen bringen eine allgemeine, vielſeitige, neue
bedeutung hervor, die uneigentlichen beruhen auf dem
engen und beſtimmten ſinn, den die conſtruction enthält,
aus welcher ſie erwachſen ſind. Gleichwohl inſofern das
erſte wort nach und nach der conſtruction entzogen wird
und die compoſition zu ſtande kommt, kann ſich auch
ſein begriff einigermaßen verändern und es gibt puncte,
wo eigentliche und uneigentliche zuſ. ſetzungen einan-
der nahe treten, wo ſie nach zeit und mundart ſich ge-
genſeitig vertreten.


Im goth. braucht noch höchſt ſelten uneigentliche
zuſ. ſetzung angenommen zu werden; im altn. ſcheint
ſie vorzüglich begünſtigt; im nhd. iſt ſie weit gangbarer,
als im mhd. und ahd. Unter allen uneig. comp. ſind die
genitiviſchen die wichtigſten und zahlreichſten. Näheres
ergibt die abhandlung.


Subſtantiv mit ſubſtantiv.

Hier kommen zwei caſus in betracht, die ein verhältnis
des erſten worts zum zweiten begründen, der gen. und
der acc. Denn der nom. kann überhaupt nicht von
einem andern ſubſt. abhängen, der dat. nur in wenigen
fällen, wo dem ſubſt. noch die kraft eines adj. oder part.
beiwohnt. Auch die rection des acc. ſetzt in dem zwei-
ten wort, wenn ſie anders ſtatt findet, verbales vermö-
gen voraus; allein die fälle ſind häufiger.


I. genitiviſche zuſammenſetzung.

Bei Ulf. ſtehet, wie in dem texte, den er verdeutſcht,
der gen. faſt immer nach dem fubſt., das ihn regiert.
[598]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
Alle bisher bekannt gemachten bruchſtücke haben ihn
bloß in neun ſtellen unmittelbar vor dem ſubſt., was ge-
gen die hunderte, in welchen er nachgeſetzt wird, bei-
nahe verſchwindet. Die neun ſtellen ſind: afſtaſſáis bô-
kôs Matth. 5, 31. (ἀποστάσιον, er muß aber ἀποστασίου
βιβλίον
geleſen haben *), vgl. Marc. 10, 4. bôkôs afſa-
teináis, βιβλ. ἀπ.); faúr hanins hruk (πρὶν ἀλέκτορα φω-
νῆσαι
) Matth. 26, 75; hvaírneins ſtaþs (κρανίου τόπος)
Marc. 15, 22; dagis vig (ἡμέρας ὁδόν) Luc. 2, 44; leikis
fiunái (σωματικῷ εἴδει) Luc. 3, 22; tvaddjê mannê veit-
vôdiþa (δύο ἀνθρώπων ἡ μαρτυρία) Joh. 8, 17; fareiſáiê
andbahtans (φαρισαίων ὑπηρέτας) Joh. 18, 3; gudjins
ſkalk (ἀρχιερέως δοῦλον) Joh. 18, 10, guþs garáideinái
(θεοῦ διαταγῇ) Rom. 13, 2; guþs andbahts (θεοῦ διάκ.)
Rom. 13, 4. In keiner wird man compoſition annehmen
wollen, in den meiſten befolgt der überſetzer die wort-
ſtellung des originals, wie in den vielen andern, wo
der gen. nachſteht; das freiere leikis ſiunái zeigt vielleicht,
daß die goth. ſprache, gleich den übrigen deutſchen, den
gen. lieber vorausgehen läßt. Und das beſtärken noch
weit mehr einige fälle, in denen Ulf. ein (einfaches oder
eigentlich zuſ. geſetztes) gr. ſubſt. mit zwei gothiſchen
umſchreibt; da ſteht der gen. vorher und da iſt unei-
gentl. comp. möglich. Ich rechne dahin baúrgs-vaddjus
(τεῖχος) Neh. 5, 16. 6, 15. 7, 1; þruts-fill (λέπρα) Matth.
8, 2, 3. Marc. 1, 42. Luc. 5, 12; zweifelhafter dulgis-ſkula
(χρεωφειλέτης) Luc. 7, 41. und ſigisláun (βραβεῖον) Phi-
lipp. 3, 14. Warum componierte er in beiden erſten nicht
eigentlich: baúrga-vaddjus (vgl. grundu-v. θεμέλιον) und
þruta-fill? ſollte der genitivbegriff: mauer der ſtadt aus-
gedrückt werden? Auch þruts muß ein gen. ſein (ts in
keiner goth. wurzel, nur in flexionen, namentlich der
ſecunda dualis und in nom. maſc. hláuts, ſvarts, vgl. 1,
840. 1049.) dazu anomaler. wie mans oder baúrgs, folg-
lich für þrutis oder þrutáis, nom. þruts, welches ich
oben ſ. 20. zu nr. 252. geſtellt habe; die genaue bedeu-
tung unſicher **). Ein loſer gen. þruts fill iſt mir, weil
außer den drei ſtellen des ſubſt. auch ein adjectiv þruts-
fills (leproſus) Matth. 11, 5. Luc. 17, 12. vorkommt, un-
[599]III. ſubſt. uneig comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
wahrſcheinlich und nach der analogie von þruts-fill ziehe
ich baúrgs-v. dem baúrgs vaddjus vor. Dulgis-ſkula
mag aber faſt ſoviel für ſich haben, als dulgis ſkula (dem
gleichbedeutigen faíhu-ſkula entſpräche dulga-ſkula, vgl.
dulga-háitja) ſkula regiert bald den gen. (Matth. 5, 22.
Marc. 3, 29.) bald den dat. (Matth. 5, 21. Marc. 14, 68.);
ſigis-láun oder ſigis l. iſt ſonſt bedenklich und ſchon ſ. 475.
476. beſprochen. —


Im ahd. iſt die vorſetzung des gen. ſo an der ord-
nung, daß beßere überſetzungen, namentlich J. und T.,
die ſtellung des lat. textes umkehren; vgl. chuningô
hruccâ, druhtînes gheiſt, ſcalches farawa, mannô walden-
dëo, gotes minnju J, 346. 353. 355. 359. 384; thonares kind,
himilô rîche, johanneſes toufî, mannes ſun, gotes gibëte.
himiles fugalâ, mittelgartes gitâtî, waƷƷares zuibar, ſtei-
nes worſ T. 22, 6. 64, 7. 64, 8. 64, 14. (153, 2. 158, 6.
182, 7. 218, 4.) 70, 1. 73, 2. 73, 3. 157, 2. 181, 1. und
ähnliche ſtellen in menge mit dem latein, das hier den
gen. immer nachſetzt. O. und N. beſtätigen dieſe eigen-
heit der ahd. ſyntax auf allen blättern. Wie ſich aus
ſolcher wortſtellung uneigentliche compoſita entwickelu
konnten, iſt alſo ſehr begreiflich. Wo aber muß der
ungebundne caſus und wo angeuommen werden, daß er
dem folgenden ſubſt. accreſciert? Regel ſcheint mir die
losheit, ausnahme die gebundenheit des gen. Nähere be-
ſtimmungen wären etwa:


α) wenn dem gen. noch ein zu ihm gehörendes adj.
oder prou., namentlich der artikel vorausgeht, ſo findet
keine zuſ. ſetzung ſtatt; denn dadurch wird er ſelbſtän-
diger und gleichſam von dem regierenden ſubſt. zurück-
gehalten. Z. b. dës heilagin geiſtes minna, oder thës
ſëlben wërkes guatî O. IV. 11, 82. thës geiſtes giburt O.
II. 2, 93. thës ſkëſes nezi T. 236, 3. Ebenſo, wenn ein
andrer gen. ſubſt. derſelben conſtruction vorausgeht, z. b.
dës rîhhes u. lantes giwalt oder gar vom befragten gen.
ſelbſt abhängt: gotes gibotes ſuaƷî O. I. 1, 93. Und ein
gleiches gilt in den ſeltneren fällen, wo ſolche adj. und
ſubſt. noch hinter dem regierenden ſubſt. nachfolgen.


β) umgekehrt wird uneigentliche comp. dadurch be-
günſtigt, daß dem gen. ein zu dem regierenden ſubſt. ge-
höriges pron. oder adj. vorausgeht; der eingeſchloßene
gen. büßt leichter ſeine freie ſtellung ein und findet ſich
zu dem folgenden ſubſt. hingedrängt, z. b. dër gotes boto
O. I. 4, 113. dës gotes botin etc. Allein ich bin weit
[600]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
entfernt, aus dieſem, im nhd. beinahe entſchieden com-
poſition mit ſich fuhrenden falle ſie ſchon für das ahd.
zu folgern, wo ſolche wortfügungen ganz häufig vor-
kommen. Sie wird dann bloß möglich und erleichtert,
wenn weitere urſachen hinzutreten; vgl. den goth. arti-
kel in: þata þruts-fill, ſô baurgs-vaddjus, þizôs baúrgs-
vaddjáus.


γ) die haupturſache der compoſition liegt in dem na-
menwerden
. Zwei ſubſt. in der hier abgehandelten ſtel-
lung, zur benennung von land, leuten, thieren, pflan-
zen, werkzeugen dienend, kehren ſo häufig wieder, daß
ihre urſprünglich lebendige bedeutung erbleicht, ihre ur-
ſprünglich freie conſtruction in uneigentliche zuſ. ſetzung
verwächſt, d. h. der vorſtehende gen. ſeine ſtelle nicht
mehr verlaßen kann. Die accretion wird durch die ge-
fügigkeit der deutſchen genitivflexionen befördert. Ei-
gentliche compoſition konnte, da dem verhältnis reingeniti-
viſche abhängigkeit zu grunde liegt, nicht angewendet wer-
den. Ob nun in den folgenden beiſpielen ſchon überall wirk-
liche comp. eingetreten, oder noch der loſe gen. anzu-
nehmen ſei, will ich nicht entſcheiden, bloß, indem ich
jene ſetze, behaupten, daß ſie in dergleichen fällen am
früheſten vorhanden geweſen ſein könne.


a) geläufige namen von land und ort: lancpartô-lant,
peigirô-lant, walhô-lant, ſcottônô-lant, franchônô-lant,
waſcônô-lant, ſuâbô-rîhhi; adalhartes-pâra, përhtoldes-
pâra; rëganes-puruc; amalgêres-wîlâri; gotes-hûs (tem-
plum) T. 68, 3. përahtleibes-hûſir; ëbures-bërc (ſr. or
1, 674.) vogales-bërc, buhiles-përc, babin-bërc; tuzzin-
wanc, wiſantes-wanc; wiſantes-ſteiga; buobin-tal, fran-
chônô-tal, wolvô-tal; mânin-ſêo (lacus lunae) brëƷƷu-
lûn-ſêo (ſr. or. 1, 674.); hrabanes-brunno (ibid.) blîderes-
brunno, ſcalchô-brunno; franchônô-furt; reginhartes-
wald; haſin-riod; ſamt vielen ähnlichen mit -fëld, -hnol,
-wiſa, -pah etc. deren erſtes wort den bewohner, be-
ſitzer oder ein daſelbſt hauſendes thier anzeigt. Seltner
drückt der gen. ein anderes örtliches kennzeichen aus,
etwa einen einzelnen baum (Neugart hat birboumes-torſ);
ſind aber viele bäume gemeint, ſo gilt eigentliche com-
poſition, zumeiſt adjectiviſche (vgl. oben ſ. 414. aſca-pah,
ſ. 530. affaltar-wanc und §. 2. maƷaltrìna-bërc, haganîna-
ſôl). Loſer gen. (nach α) ſteht z. b. in: frîgêrô mannô
vëlt, wildêrô wibô hûs, ortsbenennungen in den tradit.
fuld.; desgl. überall, wo kein fortwährender name aus-
[601]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
gedrückt werden ſoll, z. b. havanâres lant (ager figuli)
jun. 234. goth. akrs kaſjins Matth. 27, 7.


b) perſönliche verhältniſſe: mannes-ſun T. 158, 6.
182, 7. (aber 218, 4. thës mannes ſun, goth. ſunus mans)
menniſcôn-ſune (filii hominum i. e. homines) N. 88, 48.
thonares-kind (filii tonitrus) T. 22, 6. (goth. ſunjus þeih-
vôns Marc. 3, 17.) dûbûn-kind O. II. 7, 72. hîwiſkes-fa-
ter (pater fam.) T. 44, 17. 72, 4. faterin-tohter jun. 219.
fetirin-ſune monſ. 333. windis-prût (turbo) hrab. 975b jun.
230. flor. 982a 983b 984b (venti conjux, mythiſcher name,
vgl. altn. œgis-dôttor, kôlgo-ſyſtir) etc. Nicht leicht
wird es in dieſen beiſpielen ſun thës mannes, prût des
windes (noch: dës w. p.) heißen, dagegen, wo lebendige
genitive walten, abwechſelnd: heribrantes ſunu, ſunu
heribrantes; dër gotes poto, dër poto gotes; frankônô
thiot O. I. 1, 248. thiot frankônô; wìges leitidâ (belli
duces) hymn. 22. oder leitidâ wîges; potôn chind (apo-
ſtolorum filii) N. 101, 28.


c) thiernamen wenige auf dieſe weiſe, man müſte
die ahd. benennungen für inſecten kennen, die meiſten
übrigen thiere beſitzen einfache oder eigentlich zuſ. ge-
ſetzte namen; doch finde ich hundes-fliega (muſca ca-
nina) trev. 15a ſvînes-lûs (vermis porci) lindenbr. 1001b
und pſafen-dûmo trev. 14a unter fiſchen, wenn es nicht
ein ſchwamm iſt.


d) deſto mehr pflanzennamen fallen hierher, zumahl
ſolcher die der volksglaube aus beſtandtheilen von göttern
und thieren herleitet oder damit vergleicht, blaſ. 55-58.
trev. 18. 19. folgende: hanin-fuoƷ, wolves-milch, haſin-
ôra, kranches-ſnabel, kazin-zagel, wolves-zeiſala, hirƷes-
zunga, hrindes-zunga, hundes-zunga u. a. m., die ſich
nicht auflöſen laßen in: fuoƷ dës hanin, ôra dës haſin etc.
Eine menge ſolcher wörter ſind jetzt untergegangen.


e) namen lebloſer dinge, theile eines ganzen, geräth-
ſchaften: ſcëffes-crans (prora) hrab. 972a ſcëffes-podum
(carina) hrab. 956a ſcëffes-ſtiura (puppis) jun. 246; pfluo-
ges-houbit (buris, ſtiva) zwetl. 130a 135b flor. 987a;
waſkin-plûil (fullonis vectes) monſ. 412; helphantes-bein
O. I. 1, 32; përon-zan, maorin-zan, beides nom. pr. bei
Ried nr. 15. Neug. nr. 48. ſneckin-hûs doc. 235b thiſteles-
floccho (lanugo) aug. 126b. Dahin auch die comp. mit
-chorn: gërſtûn-korn O. III. 7, 50. ſënefes-korn T. 92.
ſënefes-chorn N. 45, 3. (vgl. goth. kaúrnô ſinapis Luc.
[602]III. ſubſt. unetg comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
17, 16. kaúrnô hváiteis Joh. 12, 24.) und beres-boto (zi-
zania; baccae nuntius, index?) T. 72, 3, 4, 6.


f) namen von tagen und zeiten: ſunnûn-tac (oben
ſ. 488.) ſunnûn-âband O. V. 4, 17. toniris-tac N. 80, 1;
vgl. ſunnûn-ſëdal ker. 22. ſunnûn-ſëdalkanc hrab. 967b
ſunnûn-lioht O. I. 2, 27. N. Boeth. 171. tages-lieht N.
148, 3. —


Im agſ. gehen, wie im ahd., die genitive häufig und
zumahl die gen. pl. häufiger als im ahd. dem ſubſt. un-
mittelbar voraus, von welchem ſie abhängen. Beiſpiele:
gumena baldor Jud. 9. 10. ſinca baldor Beov. 181. bëorna
brëgo Jud. 12. häleða brëgo Beov. 147. vigena brëgo
Jud. 10. beága brytta Beov. 5. 113. lîſes brytta Cädm.
3. 58. morðres brytta Jud. 10. ſinces brytta Beov. 144.
155. tires brytta Jud. 10. ëorla dryhten Beov. 80. 174.
gifena dryhten Cädm. 63. gumena dryhten Beov. 137.
ſvëgles ëaldor Jud. 10. hringa fengel Beov. 175. vîſa fen-
gel Beov. 106. bëorges hirde Beov. 172. cumbles hirde
Beov. 187. dugoða h. Cädm. 4. firena h. Beov. 58. hringa
h. Beov. 168. lëohta h. rîces h. Beov. 152. ſâvele h. Beov.
131. yrfes h. Cädm. 35. folca ræſva Cädm. 89. vërodes
ræſva Cädm. 85. äſca tir Cädm. 45. 46. cyninges þëgn
Beov. 67. fæmnan þëgn Cädm. 65. vuldres þëgn Cädm.
35. bëorges vëard Beov. 188. 192. moncynnes v. Cädm.
59. engla v. Cädm. 1. gâſta v. Cädm. 1. 2. gumena v.
Cädm. 88. bëáhhorda v. Beov. 70. lîfes v. Cädm. 4. rîces
v. Beov. 106. hëofonrîces v. Cädm. 85. rodora v. Cädm.
1, 170. ſvëgles v. Jud. 10. Alle dieſe ſind poetiſche aus-
drücke für gott, held, menſch, diener; ſo ſteht auch,
einen beſchützer, freund und tröſter zu bezeichnen, der
gen. bei hëlm, hlëó: hëofona hëlm Beov. 16. engla hëlm
Cädm. 59. gâſta hëlm Cädm. 53. liðmanna hëlm Beov.
123. vëdra helm Beov. 184. 201. ëorla hlëó Beov. 61. 78.
140. 160. 164. vëalla hlëó Cädm. 89. und nachgeſetzt bei
(ſchon eigentlich componiertem) vine: freávine folca
Beov. 176. 181. 182. goldvine geáta (gumena) Beov. 112.
121. 180. 192. Jud. 22. Belege für ſubſt. ſächlicher bedeu-
tung: fiſces bæd Run. ganotes bæð (mare) Run. Beov.
140. vuldres beám Cädm. 74. irena cyſt Beov. 53. 62.
128. ſymbla cyſt Beov. 94. vëdera cyſt Cädm. 82. væpna
cyſt Beov. 118. ëorla gedryht Cädm. 69. fäder fäðm
(gremium patris) Beov. 16. fŷres fäðm Beov. 16. dracan
fëll Beov. 156. fŷres feng Beov. 133. volcna gang Cädm.
88. flôda begang Beov. 114. 137. ſvëgles begong Beov.
[603]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
66. 134. ſvëordes hâd (ordo militaris?) Beov. 164. häleða
hryre Beov. 154. ecga gelâc (ludus enſium) Beov. 89.
ſvëorda gelâc Beov. 79. homera (hamora) lâfe Beov. 210.
chron. ſax. Ingr. 141. daraða lâfe Aethelſt. hrêðles lâfe
Beov. 164. ſvëorda lâfe Beov. 218. vätra lâfe Cädm. 35.
væpna lâfe Cädm. 44. 76. ſunnan lëóht Beov. 51. gumena
rîce Cädm. 88. ëorðan rîce Cädm. 91. hëofena rîce Cädm.
1. maga rîce Beov. 139. flâna ſcûr Jud. 11. rëgna ſcûr
Cädm. 87. volcna ſcûr Cädm. 82. yða geſpring Beov. 66.
ëorla geſtrëón Beov. 234. häleða geſtrëón Cädm. 89. hëar-
pan ſvêg Beov. 9. 183. nedran ſvêg Cädm. 93. engla
þreát Cädm. 1. 95. vyrma þreát Cädm. 98. enta gevëorc
Beov. 202. 206. giganta gevëorc Beov. 118. vundorſmiða
gevëorc Beov. 127. ëorðan vynne Beov. 130. 203. hëarpan
vynne Beov. 158. 169.


Welche unter dieſen beiſpielen ſich der compoſition
nähern, welche in ſie übergehen, iſt wie im ahd. zu
beurtheilen. Am erſten thun werden es ſolche, die der
häufige gebrauch zu dichteriſchen beinamen geſtempelt
hat, je weniger ihr ſinn auf die umſchreibung geht, als
auf den umſchriebenen gegenſtand. Hamora lâfe bedeu-
ten z. b., was die hammerſchläge übrig gelaßen haben,
d. i. die geſchmiedete waffe, folglich einfach das ſchwert;
vätra lâfe, was aus der ſündflut entkommen iſt; væpna
lâfe, was das ſchwert verſchont hat, d. h. die aus der
ſchlacht heimgekehrten krieger; fiſces bæð das bad des
fiſches, folglich das meer. Solche epitheta ſcheinen mir
enger verbunden und beinahe den nom. pr. gleich, deren
die agſ. ſprache ebenfalls eine menge darbietet, z. b.
hräfnes-holt (lucus corvorum) Beov. 217. äſces-dûn
(fraxini mons) brûnan-burh (caſtrum brunonis) buccinga-
hâm, bëofores-ſtân (caſtoris rupes) oxena-ford etc. —


Genitive vor ſubſt., von denen ſie abhängen, gewährt
jedes blatt der altn. denkmähler, die herausgeber ſchwan-
ken zwiſchen loſer und verbindender ſchreibung. Unei-
gentliche compoſition, d. h. allmählige ertödtung der ur-
ſprünglichen rection ſcheint mir wiederum hauptſächlich
in folgenden fällen annehmbar


a) bei örtlichen namen: ſvâva-land edd. ſæm. 141.
flæmîngja-land (Raſk p. 218.) haddîngja-land, hûna-land,
frânka- [...]îki, dana-veldi, ſvîa-veldi, vana-heimr, munar-
heimr edd. ſæm. 140a pariſar-borg, kaupmanna-höfn,
ſigars-hôlm 142b hindar-fiall (mons cervae) 191b ſalar-
ſteinn 1b 3a hvëra-lundr 7a glaſis-lundr 140b iða-völlr 2a
[604]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt gen.
mimis-brunnr 4a 88b urdar-brunni 4a gnŷpa-lundr, gnŷpa-
hellir u. a. m.


b) perſönliche benennungen: ſonar-ſonr, brôðrſônar-
kona, brœðra-konur, ôdins-ſonr 6b 8a idmundar-ſonr
141a þiódans-kona 28b herja-fadir 6a und beſonders viele
comp. mit -madr, -kona, -efni, ſmiðr: arnadar-madr
(interceſſor) bords-m. bods-m. (conviva) bûdar-m. bor-
gunar-m. (ſponſor) embættis-m. fiâr-m. flugu-m. (ſicarius)
hvala-m. (cetarius) hvata-m. (ſuaſor) mans-m. (manci-
pium) môtgangs-m. (hoſtis) mælîngar-m. (mathematicus)
mundângs-m. (h. modeſtus) nâms-m. (homo ingenioſus)
nauta-m. (bubulcus) ſtarfs-m. (laborioſus) ſtoltar-m. (ſu-
perbus) ullar-m. (lanifex); bakara-kona (piſtrix) ullar-
kona (lanifica); konûngs-efni, biſkups-efni, prêſts-efni,
mâgs-efni, d. h. das, woraus ein könig, biſchof, prieſter,
ſchwager wird *); böngunar-ſmiðr, hûſa-ſmiðr etc. Da-
hin auch die eddiſchen zuſ. ſetzungen mit -bani, ſkaði:
baldurs-bani, fâfnis-bani u. dgl.


c) pflanzennamen, deren erſtes wort einen gott oder
ein thier ausſagt, vgl. baldurs-brâ, friggjar-gras, brönu-
grös, biarnar-buna, hana-leikr (dän. hane-lêg), hrafna-
blökur, lamba-ſûra, krâku-fœtla, þuſſa-ſkegg etc.


d) theile des thieriſchen leibs: ſvìns-flêſk (lardum)
ſvîna-kiöt, nauta-kiöt, ſvîns-har, elgs-hûd, nauts-lëðr,
bero-hold 135a ſvîns-lifur 234a hana-kambr, hana-ſkegg,
fila-bein, hiartar-horn etc.


e) ſtücke von geräth und werkzeug: ârar-blad, ſtiór-
nar-blad 195a hömlu-band, hurdar-âs, ſtafs-hûn, ſtaß-
höfud, bita-höfud, ſtôlpa-höfud, ſtôlpa-fôtr, nâlar-auga
(goth. þaírkô nêþlôs) ſkips-bord, ſkips-kraki, ſkips-merki,
boga-ſtrengr etc.


f) zeitverhältniſſe: mâna-dagr (dies lunae) ſôlſkîns-
dagr (dies apricus) hvîldar-dagr (ſabbatum) hunda-dagar
(dies caniculares) ſôlar-rod, ſôlar-fall (ortus et occaſus ſ.)
dags-brûn, dags-liós (dilu-culum) ſtiörnu-liós (ſtellarum
ſplendor).


g) namen der lieder und weiſen: brâgar-hâttr, hymis-
qvida, helga-qv. ſigurdar-qv. atla-mâl, rîgs-mal, hyndlu-
lióð, ſôlar-lióð, hrafna-galdr, grôu-galdr, gîgjar-ſlagr etc.


[605]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.

h) abſtracte begriffe: hugar-far (mens) bidlundar-gëd
(longanimitas) hyllîngar-eiðr (homagium) ſönnunar-eiðr
u. v. a.


i) von der altn. uneigentlichen comp. ſtatt eigentlicher
handelt hernach anm. 3, γ. —


Die mhd. ſyntax hat auszuführen, daß der vorſte-
hende gen. zwar häufiger, als im ahd. vom artikel be-
gleitet wird, oft aber auch ohne dieſen ſeine freie ſtel-
lung behauptet und nicht zum folgenden ſubſt. geſchlagen
zu werden braucht; vgl. ſchildes ambet Parc. 19a 37b
67b 77c 88a (des ſch. amb. 23c); kumbers buoƷ Parc. 3o
31a 41b; minnen gëlt Parc. 6a 70a huoben gëlt Parc. 132a
ſtrîtes gëlt Parc. 19b; ſtrîtes helt Parc. 73c 81a; ritters
kleit Parc. 38a ſtrîtes kleit Wh. 2, 186b tôren kleit Parc.
39c wirtes kleit Jw. 21b; jâmers laſt Parc. 76b ſtrîtes laſt
Parc. 10c; hërzen nôt Parc. 8a Nib. 635. hungers nôt
Parc. 34b 50b Iw. 24c Wigal. 167. Frig. 27a hôchverte
nôt Parc. 174b laſters nôt Parc. 100b minnemangels nôt
Parc. 52c ſwërtes nôt livl. 137a urliuges nôt Parc. 59a
wunders nôt Parc. 38c; ritters rëht Parc. 19a; gotes ſlac
Parc. 132b haƷƷes ſlac Parc. 77b kampſes ſlac Parc. 77c
tôdes ſlac Barl. 84.; ſwërtes ſwanc Bit. 106a ſënewen
ſwanc Parc. 43b; jâmers tac Wh. 2, 166a heiles tac
Eracl. 2049. morgens tac Parc. 40b ſtrîtes tac Wh. 2,
133b urloubes tac Parc. 3a; heldes tât Parc. 97b ritters
tât Parc. 16a 161a; rabens varwe Parc. 5b mannes varwe
Parc. 30a lîbes varwe Parc. 40b viuwers varwe Parc.
42c; gotes vlîƷ Parc. 21b hôchverte vlîƷ Parc. 85b flâfes
vlîƷ Parc. 87a zornes vlîƷ Parc. 83b; goldes wërc Parc.
38a lobes wërc Parc. 123b; ſlâfes zît Parc. 168a gnâde
zît Flore 55a kunſte zît Wh. 2, 162b; oder auf andere
weiſe geordnet: engels guete Barl. 340; gotes dëgen Bit.
3b gotes êre Parc. 111c gotes gruoƷ Parc. 41b gotes gunſt
Parc. 30a gotes haut MS. 1, 85b gotes kraft Parc. 116c
135b gotes minne Parc. 105b gotes trût Geo. 38a c. p.
361, 12d gotes vlîƷ; goldes drât troj. 55b goldes zein Nib.
3566; mannes muot Parc. 1a mannes kumber Parc. 161b
mannesheil MS. 1, 124b; ritters art Parc. 29c ritters
êre Parc. 36a rittersrëht Parc. 19a ritters prîs Parc. 44a
ritters trût Parc. 31b; ſtrîtes ger Parc. 29b ſtrîtes gëlt,
ſtrîtes helt, ſtrîtes laſt Parc. 10c ſtrîtes reiſe Parc. 80a
ſtrîtes rât Parc. 135a ſtrîtes vart Parc. 100a; tôdes lëger
Parc. 83b todes ſtrâƷe Barl. 105; viures flamme MS. 1,
101a viures vunke Parc. 165b Wh. 2, 165b; vrouwen
[606]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
trût MS. 1, 97a vrouwen ſtimme Parc. 105b; wîbes ſtimme
Parc. 33b wîbes bilde, wîbes kint MS. 2, 208b wîbes
vingerlîn Parc. 31c wîbes brüſte Wigal. LVIII; zornes
kraft Parc. 19a 107b. Dieſe wenigen beiſpiele ſind meiſt
aus Wolfr., der folche conſtructionen liebt, genom-
men, laßen ſich aber bei jedem andern dichter antreffen.
Viele derſelben haben das pronom. dër, diu, daƷ vor
dem gen., was die ſpätere compoſition vorbereitet; im
mhd. iſt ſie wohl noch nicht eingetreten, ſondern nur
dann anzunehmen, wenn ſich eine formel ganz geläufig
macht (etwa hungers-nôt) und zum namen wird. Hier-
her rechne ich wie in den übrigen ſprachen:


a) länder und örter: burgonden-lant Nib. 6590. du-
ringe-lant (duringen-l. ſcheint falſch) MS. 2, 2a 4a un-
ger-lant MS. 2, 6a. b. beier-lant MS. 2, 63b tene-lant Nib.
tene-marke Nib. MS. 2, 63b küniges-bërc Wigal. 141.
hennen-bërc, baben-bërc MS. 2, 65a megde-burc (parthe-
nopolis) MS. 1, 127a (ahd. magadî-b. trev. 35b) mannes-
vëlt Wigal. 108. ſpëhts-hart Parc. 52a Nib.; dagegen un-
componiert, weil der erſte name im liede ſelbſt lebt, gun-
thers lant Nib. 192.


b) perſonen: windes-brût MS. 2, 174a a. w. 2, 2. troj.
77b 92a, tadelhaft windes-ſprout a. w. 3, 18. aus der ver-
kürzung wintſprût Geo. 38a entſprungen; wirtes-wîp MS.
1, 147a; rôſen-kint Geo. 49a; vâlandes-man Triſt. 6217.
6910; tievels-bote Wigal. 189; ſtrîtes-got MS. 2, 198b;
hingegen: dës tiuwels brût Roth. 11b Nib. 1816. dës tiu-
vels wîp Nib. 1768. küneges ſun Nib. 422. küneges toh-
ter Wigal. 102. (vielleicht vürſten-tohter Nib. 1694. vür-
ſten-dieneſt amgb. 44a) dës wîges got En. 43a auch un-
verbunden ſigelinde kint Nib. 197. 555. 1839. chriemhilde
man 3471. 3769. 3862. chriemhilde friedel 3436.


c) thiere: ſwalmen-âƷ (muſca) Bon. 40, 21.


d) pflanzen kommen in den gedichten ſelten vor,
aber gangbar geweſen ſein müßen haſen-ôre, rinder-
zunge etc.


e) theile von thieren: viſches-hût Parc. 137c lûdemes-
hût Nib. kalbes-hût livl. 93b igeles-hût Parc. 126a pfâ-
wen-vëder Wig. 92. wolves-zan Parc. 61b grundr. 263.
natern-zan Parc. 76b ëberes-zan Parc. 75c ëberes-houbet
Parc. 36b ſwînes-ôre, lœwen-herze MS. 2, 140a ſwalwen-
zagel MS. 1, 130b.


[607]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.

f) theile von pflanzen: linden-blat Nib. Triſt. min-
zen-blat kolocz 74. (wîden blat troj. 72c) linden-rîs
Bit. 101b.


g) kleidungsſtücke: ſcharlaches-hoſen Wigal. 153.
Loh. 22. Parc. 40c (wo ſcharlachens, vgl. Geo. 15b und
ahd. ſcarlahhan, tunica raſilis, oben ſ. 502.) ſcharlaches-
kappe Wigal. 67. ſcharlaches-mentelîn Iw. 3b ſamîtes-
mentelîn Iw. 47c ciclâdes-kleit Triſt. 11106; dieſe geni-
tive ſcheinen nur bei fremden ſtoffen *) zuläßig und dem
franzöſ. robe d’êcarlate etc. entſprechend, bei deutſchen
gilt eigentl. compoſition, z. b. îſen-hoſe Wigal. 227. 399.
îſen-gewant Wigal. 112. 116. lîn-kappe, lîn-hoſe Triſt.


h) geräthe: bracken-ſeil a. Tit. 132. hoſen-nëſtel
Parc. 102c; aber dër pfannen ſtil MS. 2, 3b dër pfannen
ſchalk MS. 2, 73b.


i) zeitverhältnis: tômis-tac Roth. 9a, vielleicht noch
einige der ſ. 489. 490. 605. angeführten mit -tac **); lo-
bes-jâr a. Tit. 30; ſumeres-zît Ben. 151. etwan auch
granſprunge-zît (t. pubertatis) Parc. 116a.


k) vermiſchte fälle, in denen die häufigkeit des ge-
brauchs compoſition kann gewirkt haben: gelückes-rat
Wigal. 41. MS. 2, 22b 140b müln-rat Herb. 36a Geo.
42a; müln-ſtein MS. 2, 249a ſarkes-ſtein Parc. 192b; tôten-
gebeine Barl. 47. (tôten iſt gen. pl.) ritters-gebeine a. Tit.
127. von kindes-beine Ben. 33. (ahd. wohl noch ſicher
uncomp. vona chindes peine monſ. 363.); boten-brôt
Nib.; gîgen-ſlac Nib. brâwen-ſlac Barl. brücken-ſlac
Parc. 43b; bluotes-zaher Parc. 68a; küneges-künne Parc.
6a Wigal. 94; menneſchen-heil Parc. 186a; kaum bei
abſtracten begriffen.


l) beiſpiele uneigentl. zuſ. ſetzung ſtatt eigentl.
anm. 3, γ. —


Nhd. darf der gen. in der regel nur dann vorausge-
hen, wenn er von einem adj. oder pron. begleitet iſt (aller
menſchen leben; des geiſtes kraft; eines engels ſtimme);
ohne ſolches geleit ausnahmsweiſe α) bei eigennamen,
[608]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
z. b. ludwigs freund, ſchillers werke. β) bei einigen an-
dern ſubſt., welche gleich den eigennamen keinen be-
ſtimmten artikel vor ſich leiden, namentlich gott: gottes
ſohn, gottes ehre. γ) bei den ſubſt. auf -er, welche aus
ortsnamen gebildet werden, tritt der gen. pl. (nicht ſg.)
unzuſammengeſetzt vor das ihn regierende wort, z. b.
frankfurter geld, nürnberger waaren. δ) für einzelne
redensarten, z. b. frühlings anfang. In allen andern fäl-
len iſt der vorausgehende gen. an das ſubſt. gewachſen *),
von welchem er abhängt, d. h. wirkliche (uneigentliche)
comp. eingetreten:


1) beiſpiele, wo ſie ſchon im ahd. und mhd. möglich
war: a) heſſen-land, franken-land, däne-mark, königs-
berg, franken-berg, franken-thal, manns-feld, thüringer-
wald, reinharts-wald. b) kriegs-mann, beckers-frau,
winds-braut, königs-ſohn, königs-tochter, wirts-frau,
kriegs-gott, glücks-kind, teufels-kerl, himmels-bote. c)
benennungen der volksſprache für manche inſecten, z. b.
die libelle heißt drachen-hure, pfaffen-köchin. d) pflan-
zen-namen, wiederum meiſt unter dem gemeinen volk:
bären-klau, hahnen-fuß, haſen-öhrlein, hirſch-brunſt,
hüner-darm, katzen-ſchwanz, kröten-ſtuhl (fungus, plattd.
padden-ſtol) löwen-zahn, marien-pantoffel, pfaffen-hut, teu-
fels-klau, wolfs-milch etc. e) hahnen-feder, hahnen-kamm,
kalbs-fell, hunds-naſe, löwen-herz, ochſen-fell, ſchwanen-fe-
der, ſchweins-leber, gänſe-leber, wolfs-zahn, f) linden-blatt,
gerſten-korn, ſamen-korn, trauben-kern, trauben-ſaft, ſchier-
ſings-ſaft. g) hier weiß ich dem mhd. nichts entſprechendes,
man componiert eigentlich: ſammet-rock, ſammet-mütze,
ſcharlach-kleid, vermuthlich weil dieſe wörter längſt einge-
wohnt und wie andere deutſche zu behandeln ſind. h)
hoſen-ſchnalle, pfannen-ſtiel. i) jahrs-tag, gerichts-tag,
abſchieds-tag, jahrs-zeit, tags-zeit, ſommers-zeit. k)
glücks-rad, mühl-rad, todten-kopf (todten iſt gen. ſg.
von: der todte) von kinds-beinen, harfen-ſchlag, brücken-
ſchlag, bluts-tropfe, menſchen-heil.


2) beiſpiele nhd. compoſita, wo früher der loſe gen.
ſtatt fand: hungers-noth, feuers-noth, waßers-noth,
[609]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
kriegs-noth, todes-noth; helden-that; weibs-bild, weibs-
name; manns-kraft, manns-perſon, manns-bild, manns-
name; engels-ſtimme, engels-herz; wirts-haus, wirts-
ſtube, raths-herr, raths-bank, raths-keller, raths-ſtube;
amts-diener, amts-ſtube; landesherr, landes-fürſt, landes-
vater; todes-furcht, todes-angſt, todes-ſtrafe; todten-hof,
u. a. m. Nur kann man lange nicht jedes mhd. ſubſt. mit
ſeinem gen. voran in ein nhd. uneigentl. comp. verwan-
deln; unter den wenigen ſ. 605. angegebnen belegen füge
ſich bloß eine kleine zahl dazu. Der ganze hergang be-
ruht nicht auf theoretiſcher umwandlung, ſondern auf
allmähliger und einzelner einführung im gebrauch. Wie
ſich zuerſt nom. pr., hernach im mhd. ſchon einige an-
dere gangbare zuſammenſtellungen in uneigentliche com-
poſition begaben; ſo blieben endlich im nhd., nachdem
ein ſchärfer beſtimmtes pronomen üblich geworden war
von den genitivvorſchiebungen faſt nur ſolche übrig,
welche ſich an das regierende ſubſt. feſter anſchloßen.
Wo das nicht geſchah, müßen wir jetzt, wenn aus dem
mhd. ins nhd. überſetzt werden ſoll, den gen. ſeinem
ſubſt. nachtreten laßen, z. b. für zornes kraft ſagen: die
kraft des zorns, oder andere auf andere weiſe umſchrei-
ben. Die genaueren verhältniſſe dieſer zuſ. ſetzungen
oder anflöſungen zu dem pronomen können erſt in der
ſyntax erörtert werden. —


Der kürze wegen berühre ich bloß, daß ſich im nnl. dän.
und ſchwed. uneigentliche ſubſt. compoſita ungefähr auf die-
ſelbe weiſe erzeugt und geſtaltet haben, wie im nhd.; z. b.
nnl. duivels-bruid, honds-neus, hongers-nôd, konings-doch-
ter, konings-zôn, mans-kraft, mans-klêder, zwânen-hals,
zwânen-zang etc.; dän. diävels-barn, diävels-bid (teufels-
biß, ein kraut) ilds-nœd, ilds-lue, mands-lem, mands-
perſon, vands-fare (waßersgefahr) etc. aber konge-dotter,
konge-ſœn u. a. abweichungen. Da die engl. ſprache
beinahe alle genitivflexionen hat erlöſchen laßen, ſo ſind
ſpuren uneigentlicher zuſ. ſetzung außer thier und pflan-
zenbenennungen höchſtens in verdunkelten und entſtell-
ten ortsnamen anzutreffen; aus agſ. angles-ige, aſſan-dun
(mons aſini) bebban-burh, bremes-burh, bucinga-ham,
cantvara-burh, hrofes-cëaſter wurde mit der zeit angles-
ey, aſſing-ton, bam-borough (analog dem nhd. bam-
berg aus babin-bërc) brams-bury, buking-ham, canter-
bury, ro-cheſter. Lebendige genitive der s-form ſtehen
bisweilen den ſubſt. vor (god’s grace, the king’s palace),
ohne daß daraus zuſ. ſetzung erwüchſe, wenigſtens nicht
Q q
[610]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
der ſchreibung, eher der ausſprache nach, obgleich man
unbedenklich ſchreiben könnte: kings-flower (eine blume)
kings-fiſher (der eisvogel) kings-apple ſtatt king’s flo-
wer etc.; mehr von dieſem -s hernach im 6ten §. —


Bemerkungen zu der genitiviſchen compoſition überhaupt:


1) jede, ſtarke oder ſchwache, genitivform, ſg. oder
pl. kann dabei vorkommen: a) ahd. wolves-zeiſala, ha-
nin-fuoƷ, ſunnûn-tac, ſvâpô-lant, franchônô-lant, am
wenigſten taugen, außer dem ſtarken gen. pl. aller ge-
ſchlechter, die ſtarken gen. fem. ſg. auf -ô, -â, -î, weil
ſie, unbegleitet von conſonanten, verwechſelungen mit
der eigentlichen compoſition veranlaßen. Der compoſi-
tionsvocal, ſeine aſſimilation und der bildungsvocal fal-
len hier oft ſcheinbar mit den flexionsvocalen zuſammen
(ſ. 425. 426.). Die vermuthete kürze jenes, die länge
dieſer würde den zweifel in früheſter zeit heben; im ein-
zelnen fall hat vergleichung der dialecte und analogie der
bedeutungen zu entſcheiden. Vielleicht ſind ihrer zwei-
deutigkeit wegen uneigentliche compoſita mit dem gen.
ſg. ſtarker fem. ſelten? aber eben dadurch erlangen die
gen. ſg. auf -es nachtheiliges übergewicht. b) die altn.
mundart gewährt hier ſchöne manigſaltigkeit, neben dem
gen. ſg. auf -s einen auf -ar und in der ſchw. form -a
neben -u; im plur. -a, -na; vgl. dags-brûn, heims-krînglâ,
hiartar-horn, ſonar-dôttir, ſôlar-geiſli, hana-kambr, mâna-
miölk, tûngu-band, veitſlu-madr, heſta-madr, tûngla-
hlaup, augna-hâr, eyrna-vërkr. Ueberdem kann, bei
durchgängig fehlendem compoſ. vocal, formell keine un-
ſicherheit zwiſchen eigentl. und uneigentl. zuſ. ſetzung
eintreten; nur hat, wie es mir ſcheint, die leichtigkeit
und gefälligkeit der letztern viele organiſch eigentliche
compoſita in uneigentliche verwandelt, von welchem
fehler die ahd. mundart beinahe frei iſt. c) im gegen-
ſatz zu den altn. vortheilen uneigentlicher comp. wer-
den ihr im mhd. und nhd. das zuſammenfallen der
ſchw. gen. -in, -ûn, -ônô ſchädlich. Aus der unbeſtimmt-
heit der endung -en erklärt ſich wahrſcheinlich, warum
ſie gerade in manchen wörtern an die ſtelle eigentlicher
comp. getreten iſt (beiſpiele anm. 3.). Uneigentliche com-
poſita mit dem ſtarken gen. ſg. fem. lehrt der umlaut
nur dann erkennen, wenn zugleich die bedeutung keine
eigentliche verſtattet, z. b. nhd. gänſe-fuß, gänſe-haut,
mäuſe-fraß, mäuſe-zahn, wogegen bräuti-gam, nachti-
gall eigentl. zuſ. geſetzt ſind. Compoſita mit pluraliſchem
[611]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
-er halte ich meiſt für uneigentliche, z. b. bilder-dienſt,
eier-ſchale, geiſter-beſchwörung, götter-ſpeiſe, hörner-
ſchall, kleiderpracht, kinder-geſchrei, länder-tauſch, lie-
der-ſal, völker-ſcheide etc. da in der regel dieſes -er
nicht in die zuſ. ſetzung mit eingeht, (ſ. 539. vgl. ſ. 578.);
ausnahmsweiſe ſcheinen eigentliche: blätter-teig, kräuter-
ſuppe, eier-fladen u. a. m.


2) der unterſchied zwiſchen eigentlicher und unei-
gentlicher zuſammenſetzung beruht nicht allein in der
form, ſondern auch in der bedeutung beider. Die ei-
gentliche ſoll einen unbeſtimmten, ſonſt nicht (mit den
zwei worten allein) faßbaren begriff ausdrücken; die un-
eigentliche, aus wörtlicher genitivrection erwachſen, be-
ſchränkt ſich auf ihren beſtimmten ſinn. Beide arten
ſtehen einander in denſelben wörtern oft entgegen und
dürfen nicht willkürlich vertauſcht werden. Vgl. nhd.
wind-mühle, winds-braut; eſel-treiber, eſels-ohr; don-
ner-ſtrahl, donners-tag; hunger-blume, hungers-noth;
land-adel, landes-herr; land-mann, landes-gewohnheit;
tag-ſtern, tags-licht; feuer-tauſe, feuers-noth; waßer-
mann, waßers-noth; kindheit, kinds-kinder; amt-mann,
amts-diener; könig-reich, königs-berg; kaiſer-thum,
kaiſers-lautern; brunn-quell, brunnen-rand; thor-heit,
thoren-kleid; ohr-ring, ohren-ſchmaus; aug-apfel, au-
gen-weh; kirch-hof, kirchen-verſammlung; welches
undeutſch, wer ſagen wollte winds-mühle, wind-
braut, kirchen-hof, kirch-verſammlung! die drei erſten
wären ſinnlos, das letzte würde verſammlung in der
kirche, nicht concilium bedeuten. Mhd. ëber-ſwîn, ëbe-
res-zan; ritter-ſpil, ritter-ſchaft, ritters-art; man-ſlaht,
mannes-vëlt; ſtrît-geſelle (kampfgenoß) Triſt. ſtrîtes helt;
lant-hërre (indigena, nobilis) Barl. 20, 35. landes hërre
(princeps) Barl. 44, 28; burc-grabe (grabe um die burg)
Wigal. 76. burge-tor (porta arcis) Wigal. 28. 46. 139.
167. Nib. 3201; boum-garte, boumes ſtam a. Tit. 97;
bote-ſchaft, boten-brôt; vgl. ſ. 512. die eigentl. comp.
und die genitive bei genôƷ. Altn. barn-dômr (infantia)
barna-börn (nepotes); dvërg-mâl (echo) dvërga-ſmidi
(fabrica nanorum); dag-bôk, dags-liós; vëg-ferd (iter)
vëgs ummerki (veſtigia); egg-varp (ovatio) eggja-ſkurn
(teſta ovi); fiall-bûi (monticola) fialls-hlid (latus montis);
gud-dômr (divinitas) guds-ord (verbum dei); haf-frû
(ſyren) hafs-brûn (horizon marinus); ſkip-rûm (locus in-
ter nautas) ſkips-fôlk (nautae); heim-bod (invitatio) heims-
jadar (cardo mundi); hund-tîk (canicula, appoſitionell)
Q q 2
[612]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
hunds-kiaftr (rictus) hunda-lûs (ricinus); land-nâm (oc-
cupatio) lands-lag (natura loci); mann-ſlag (caedes) manns-
barn (homo, menſchenkind); biarn-dŷri (urſus) biarnar-
feldr (pellis urſina); bôk-ſtafr, bôkar-eiðr (juramentum
per codicem ſacrum); iard-bûar (terricolae) iardar-ſynir
(filii terrae); brûd-gumi (ſponſus) brûdar-ſveinn (nym-
phagogus); fê-giald (mulcta) fiár-hald (tutela); hand-grip,
handar-veif (umdrehen der hand); hel-för (mors) heljar-
ſkinn (cutis lurida mortuorum); ſôl-bruni (aduſtio ſolis)
ſôlar-fall (occaſus); nâtt-hrafn (nycticorax) nâttar-þel
(conticinium); bog-madr (ſagittarius) boga-ſtrengr (ner-
vus); aug-lit (vultus) auga-blik (momentum) augna-frô
(pflanze, augentroſt); kon-fâng (matrimonium) konu-
brióſt (mamma); gâng-rûm (ambulacrum) göngu-madr
(mendicus). Alle eigentlichen zuſammenſetzungen laßen
ſich nur ſelten genitiviſch umſchreiben, faſt alle uneigentli-
chen gradezu in das ſubſt. mit nachſtehendem gen. um-
ſetzen, z. b. tags-licht, hungers-noth, ebers-zahn, landes-
herr, ſonnen-untergang iſt gleichviel mit licht des tages,
noth des hungers, zahn eines ebers, herr des landes,
untergang der ſonne. Doch räume ich ein, daß dieſe
umſetzung genaugenommen dem früher ungebunden vor-
ſtehenden gen. entſpricht, z. b. das mhd. diu gotes êre
gleich iſt dem: diu êre gotes. Durch den eintritt wirk-
licher compoſition verliert allerdings der begriff einiges
von ſeiner beſtimmtheit und je mehr er die natur eines
eigennamens anzieht, deſto weiter entfernt er ſich aus
dem genitiviſchen verhältnis; es würde unthunlich ſein
für königs-berg, haſen-öhrlein zu ſagen: der berg des
königs, das öhrlein des haſen. Ohnehin weiß man nicht
in jedem fall, welcher von beiden artikeln, der beſtimmte
oder unbeſtimmte, nach nhd. unterſcheidung, bei der
umſchreibung angewendet werden muß, z. b. engels-
ſtimme wird nach den umſtänden bedeuten können bald
die ſt. des engels, bald die ſtimme eines engels. Es iſt
auch nicht aus jeder mhd. genitivvorſetzung ein nhd.
uneig. comp. hervorgegangen (ſ. 609.).


3) berührung und miſchung beider compoſitionsarten,
der eigentlichen und uneigentlichen, erfolgt entw. auf
natürliche weiſe, da, wo ihre grenzen aneinander ſtoßen,
oder unorganiſch durch vcrwirrung der formen.


α) bei verzeichnung der eigentlichen comp. habe ich
verſchiedentlich fälle namhaft gemacht, in welchen ſie
mit uneigentlicher (d. h. urſprünglich mit freier genitiv-
[613]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
ſetzung) abwechſelt. Ein theil eigentlicher zuſ. ſetzungen
laßen ſich in der that genitiviſch erklären (ſ. 444. 445.),
ohne daß ſie auf dieſem wege entſprungen wären. Und
wenn ſie auch dann, wie mir ſcheint, noch einen beiſchmack
des allgemeinern haben, der den uneig. comp. abgeht,
dieſe zugleich etwas beſtimmteres ausdrücken, das jenen
mangelt; ſo liegt es doch in vielen anwendungen nicht
an ſolchen feineren unterſchieden und dichter dürfen
nach bequemlichkeit des metrums eine oder die andere
weiſe wählen. Cädmon gebraucht 16. kurz hintereinan-
der deáð-beámes ofet (pomum arboris mortiferae) und
þät väs deáðes beám (haec erat arbor mortis); man fühlt,
wie unſchicklich hier beide ausdrücke die ſtelle vertau-
ſchen würden, nicht bloß die ſilbenzählung fordert jeden
an der ſeinigen, ſondern auch häufung zweier genitive
(deáðes beámes ofet) iſt gemieden und die leiſe abwei-
chung des allgemeineren von dem nachdrucksvollen be-
ſtimmteren habe ich durch das lat. arbor mortifera und
arbor mortis wiederzugeben geſucht, obgleich hier die
deutſche ſprache von der lat. nicht erreicht werden kann.
Aehnliche agſ. beiſpiele ſind: hëofon-vëardes gâſt Cädm.
3. hëofonrîces vëard Cädm. 85. gum-dryhten Beov. 124.
gumena dryhten Beov. 137. beáh-hord Beov. 69. 71.
beága hord Beov. 170. yð-lâfe Beov. 75. vätra lâfe Cädm.
35. Im altſ. wechſeln duom-dag und duomes dag, man-
kunni und mannô kunni, gaſt-hûs und geſtjô hûs etc.
Altn. brûd-beckr und brûdar-beckr (ſcamnum nuptiale);
brûd-gângr und brûdar-gângr (nuptiae); ſôl-ſëtr und ſô-
lar-fall, beide occaſus ſolis, jenes wohl mehr den geſche-
henen, dieſes den geſchehenden bedeutend, daher jenes
für den ort, wo nachts die ſonne weilt. Ahd. wala-
rouba und wales rouba (oben ſ. 479.); himil-rîhhi (ſ. 517.)
himilô rîhhi T. 25, 6; ëlfant-pein (ebur) hrab. 962b wo
das adj. ſteht, hëlfantes bein O. I. 1, 32. Mhd. ſtein-
want Wigal. 168. 238. ſteines want Otnit, Wolfdiet. (je-
nes mehr die ſteinerne wand, letzteres die wand, ſeite
des felſens); huor-geluſt (ſ. 506.), ſtärker ausgedrückt huo-
res geluſt Frig. 17a; ſarkes-ſtein (ſ. 607.) ſarc-ſtein Wh.
2, 161a (wenn die lesart ausgemacht iſt). Aus dem nhd.
laßen ſich ſolche beiſpiele ſchwerer ſammeln, weil die
geringere freiheit des genitivs feine züge der bedeutun-
gen hindert, die wirklich eingetretene uneig. comp. auf
die fälle beſchränkt bleibt, für welche ſie eingeführt
wurde, nicht leicht aber eigentlich und uneigentlich mit
den nämlichen wörtern nebeneinander und in derſelben
[614]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
mundart componiert wird. Daher uns z. b. verſagt iſt,
neben himmel-reich, elfen-bein, ſtein-wand zu gebrau-
chen himmels-reich, elefants-bein, ſteins-wand, d. h. es
muß, um den ſinn jener älteren ausdrücke zu faßen,
umſchrieben werden: das reich des himmels, des ſteins
wand, eines ſteins wand etc.


β) einzelnes ſchwankt nach ort und zeit zwiſchen
beiderlei compoſitionsarten. Die altn. mundart, minde-
ſtens die ſpätere isländiſche ſetzt oft uneigentlich zuſam-
men, wo die ahd. eigentlich; z. b. ſie ſagt iardar-ber
(fragum) ahd. ërt-peri, vgl. iardar-hnaus (ceſpes) iardar-
men mit nhd. erd-ſcholle, ahd. ërd-waſo; hindar-kâlfr
(hinnulus) ahd. hint-chalp; ſævar-ſtadr, danpar-ſtadr,
(ſ. 527.); âlptar-hamr neben val-hamr (ſ. 496.). Die ahd.
monatsnamen ſind meiſt eigentlich componiert (ſ. 510.),
die altn., ſumar-mânadr abgerechnet, ſämtlich uneigent-
lich, z. b. midvëtrar-m. (jan.) föſtugângs-m. (febr. faſtenm.)
iafndœgra-m. (merz, von iafndœgri, aequinoctium) hey-
anna-m. (aug. heumonat, von hey-annir, ſg. hey-önn,
heuarbeit) ſlâtranar-m. (ſchlachtm. (ſchlachtm. nov.) rid-
tîdar-m. (oct., erklärung bei Biörn) jôla-m. (dec.); es
fragt ſich, wie alt dieſe benennungen ſind? ohne zweifel
beträchtlich jünger, als die ahd., denn ſo hoch hinauſ
auch das erſte wort in jôla-m. reichen mag, ſagte man
vielleicht unzuſ. geſetzt jôli, wie im agſ. gëola.


γ) unorganiſche verwechſlung beider arten. Eigentl.
ſt. uneigentl.
ſelten, weil gegen den beſtimmten begriff kaum
der unbeſtimmte aufkommt; beiſpiele: nhd. regen-tropfen,
waßer-tr. f. regens-tr. waßers-tr., wie ſchon das analoge
bluts-tr. lehrt und das ahd. rëgenes tropfo N. 71, 6. altn. rëgns
dropi ſæm. edd. 213a beſtätigt (doch Biörn gibt blôd-dropi);
nhd. feuer-flamme, feuer-funken ſt. feuers-fl. feuers-f. (vgl. die
ſ. 605. angezeigten mhd. formen); nhd. ſenf-korn f. ſenfs-
k., ahd. ſënefes-chorn; tadelhafter ſind nhd. mond-ſchein
(vgl. ſonnen-ſchein) mond-tag, ſonn-tag (ſ. 488.) und gar
frank-furt, frank-reich f. franken-furt, franken-r. neben
den richtigen formen franken-berg, franken-thal und als
dürfte man heſſ-land, ſachs-land ſagen. Uneigentl. ſt.
eigentl.
compoſition ſehen wir im mhd. und nhd. ziem-
lich häufig und es ſcheint dabei ein ſormeller grund ge-
wirkt zu haben (ſ. 610). Seitdem die flexion -en nicht
bloß die genitive -in, -ûn, ônô, ſondern auch die übri-
gen obliquen caſus ſchw. decl. vertrat, verlor ſich immer
mehr die alte beſtimmtheit und da nur noch der nom.
[615]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
ſg. ohne -n vorkam, ſo gewöhnte man ſich in dem -en
weniger eine flexion, als einen beſtandtheil des ganzen
worts zu erblicken. Beſtätigt wird das namentlich durch
den nhd. theilweiſen einſchritt des -en in den nom. ſg.
maſc. (1, 703. 704.). Bei dieſer richtung begreift ſich
aber, daß man es auch in der compoſition feſthielt und
warum ſich nur wenige mhd. und nhd. beiſpiele eigent-
hcher zuſammenſetzung, deren erſtes wort ein ſchwaches
ſubſt. iſt, vorlegen laßen (ſ. 423. 424.). Wenn ihrer auch
die älteſten mhd. quellen noch einzelne mehr darbieten
ſollten (Roth. 17b ôr-ſlac, En. 24a ouc-prâ); ſo iſt doch
ein vîgen-boum (ſ. 484.) palmen-boum (ſ. 541.) rôſen-
boum (ſ. 548.) bëſmen-ſlac (ſ. 523.) etc. nicht zu ver-
leugnen, vielleicht ein müggen-netze Wigal. 380. vürſten-
tuom (ſ. 531.) zuzugeben, wo überall die urſprünglich
eigentl. comp. verloren gegangen iſt *). Und im nhd.
ſind beiſpiele noch häufiger: blumen-korb, dinten-faß,
fiiegen-netz, fürſten-thum, linden-baum, roſen-kranz,
ruthen-ſchlag, tannen-baum u. a. m. Einige fälle kön-
nen aber mit recht uneigentlich componiert ſein, z. b.
roſen-blatt, linden-blatt (ſ. 608.) was durch wein-blatt
nicht widerlegt wird, indem roſe und linde das gewächs
anzeigen, nicht wein, daher weinſtocks-blatt geſagt wer-
den müſte. Schwaben-land ſcheint untadelhaft, ſeit ſich
ſchwabe, gen. ſchwaben f. ſchwab, ſehwabes einführte;
doch dürfte, wie däne-mark, ſchwabe-land in der comp.
ſich bewahrt haben. Fehlerhafte uneigentliche compoſita
mit erſtem ſtarkem ſubſt. ſind ebenfalls verſchiedentlich
gangbar geworden, z. b. die mit volks- ſtatt volk-: volks-
thum, volks-ſage, volks-lied, beßer ſchwed. ſolk-viſa,
denn der begriff iſt weniger ein lied des volks, als ein
unter dem volke umgehendes.


4) ſolcher verderbnis im einzelnen ungeachtet dauert
im ganzen die richtige und nothwendige unterſcheidung
[616]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. gen.
zwiſchen eigentlicher und uneigentlicher zuſ. ſetzung bis
auf den heutigen tag fort. Mit verkennung jeder derſel-
ben ſind erſt neulich unbefugte, hoffentlich erfolgloſe
angriffe gegen das genitiviſche -s gerichtet worden, ein-
gebildetem wohllaut *) zu gefallen ſollte es aus den mei-
ſten compoſitis getilgt werden. Von ſo kränklicher an-
ſicht der lebenden ſprache wißen ſich unſere nachbarn
frei zu halten; keinem Holländer oder Dänen wird es
einfallen, ſein konings-zôn, vûrs-nôd in koning-zôn, vûr-
nôd, ſein ilds-nœd in ild-nœd zu verderben, und com-
poſita wie heims-ſkaut, hirdis-ſkreppa haben bei Biörn
nicht das geringſte bedenken.


5) daß bei uneigentlicher compoſition das zweite wort
nicht abſtract werden könne, iſt bereits ſ. 544. angemerkt.
Wenn daher Beov. 154. ſvëordes hâd und im c. p. 113,
33b 114, 189b (proſa, gegen die mitte des 14. jh.) gotis
heit (neben ſînes heit und irs heit) gebraucht wird; ſo
hat hier hâd, heit die volle, lebendige bedeutung von
ordo, ſtatus und iſt mit den vorausſtehenden genitiven
gar nicht zuſ. geſetzt. Bei den im plattd. nnl. und ſchwed.
hänfigen, mit -ſon (filius) gebildeten mannsnamen, z. b.
ſtephans-ſon, ſtephen-ſen, hermans-ſon, herman-ſen, büßt
zwar das zweite wort vocal oder betonung ein, nicht
aber ſeine bedeutung. Wirkliche unbegreifliche ausnahme
ſcheint inzwiſchen das ahd. kiſintin-ſcaf (comitatus) ker. 251.


II. zuſ. ſetzung mit dem accuſativ?

Bei oberflächlicher betrachtung iſt man leicht darauf ge-
rathen, das erſte wort vieler compoſita, deren zweites aus
activen, den acc. regierenden verbis herſtammt, wirklich
für dieſen caſus zu halten. Namentlich kommen die
(cap. VI. weiter verhandelten) ſchwachen maſc. und fem.
in betracht, denen, ohne zwiſchentritt einer ableitung
(zuweilen mit ableitenden i) verba zu grunde liegen, die
[617]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. acc.?
aber ſpäterhin ein ableitendes -ari, -er anzunehmen pfle-
gen, vgl. z. b. die nhd. kern-beißer, traum-deuter, fiſch-
fänger, vogel-fänger, geſetz-geber, ſtück-gießer, bart-
ſcherer, geſchicht-ſchreiber, kreuz-träger, wein-trinker
und alle ähnlichen, desgleichen die von einigen weiter
gebildeten abſtracta: geſchicht-ſchreibung, traum-deutung,
traum-auslegung. Hier wäre dann die verbale kraft der
caſusrection gleichſam in den ſubſt. noch nicht erloſchen
und vogel-fänger ſoviel wie: den vogel (die vögel)
fangend.


Dieſe anſicht muß aufgegeben werden, denn


1) wenn auch dem ſubſt. die fähigkeit nicht ganz ab-
geſprochen werden darf, bisweilen den acc. des verbi,
von dem es herrührt, beizubehalten; ſo wird doch die
ſyntax lehren, daß der fall höchſt ſelten eintritt und der
regierte acc. dem ſubſt. eher nach als vorſteht. Er müſte
aber grade häufig ſtattfinden und vorſtehen, um (wie bei
dem vorſtehenden gen.) accretion und uneig. compoſition
annehmbar zu machen. Genitiviſche comp. laßen ſich
oft noch auflöſen, entw. durch zuziehung eines art. oder
nachſetzung des gen. z. b. orts-name in: eines orts name,
name des orts. Niemahls vogel-fänger in ein accuſati-
viſch conſtruiertes: einen vogel fänger, noch weniger:
fänger einen vogel.


2) alle dem ſcheine nach accuſativiſchen compoſita
ſind in der that eigentliche, nicht uneigentliche. Das
zeigt α) ihre allgemeinere bedeutung; es iſt ganz etwas
anders, eine eig. zuſ. ſetzung accuſativiſch zu deuten
(ſ. 445.) und eine uneig. accuſativiſche zu behaupten. Die
letztere würde an dem engen begriff ihres caſus kleben
und gleich der genitiviſchen (heſſin-pah, heſſônô-lant)
den ſg. vom pl. zu unterſcheiden haben. Offenbar iſt
aber vogel-fänger weder ein goth. fugl-faha noch fug-
lans-faha, ſondern drückt den allgemeineren, freieren
begriff aus, der auch in vogel fang (aucupium) liegt.
β) in der älteſten geſtalt gebührt ihnen alſo der comp.
vocal, fugla-faha *), wie vitôda-faſteis (ſ. 446.); hätte ſich
[618]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. acc.?
dieſer ſpäter erhalten, ſo würde nur in wenigen fällen
an den acc. gedacht werden können.


3) die täuſchung entſprang dadurch, daß nach dem
verſchwinden des comp. vocals das erſte wort dem mei-
ſtentheils flexionsloſen acc. ſg. ähnlich wurde. Wäre
wirklich accuſativiſche comp. eingetreten, ſo müſten auch
ſolche accuſative, die flexion an ſich tragen, namentlich
ſchwachformige, in der zuſ. ſetzung erſcheinen (ſ. 446.).
Allein hierfur läßt ſich aus dem ahd. und mhd. ſchwer-
lich ein beiſpiel vorbringen; ſeitun-walchun (pedica)
zwetl. 128a, ein bedenklicher und vielleicht verderbter
ausdruck, ſcheint mir im erſten wort höchſtens den gen.
zu enthalten. Nhd. compoſita wie chriſten-bekehrer, fah-
nen-träger, lauten-ſchläger wird man noch weniger ein-
wenden dürfen, letztere ſind entw. genitiviſch oder aus
fahn-tr. laut-ſchl. verderbt; das -en in chriſten ſcheint
der ableitung gehörig. Bei dem ahd. katâtrahha-ſcripo
(hiſtoriographus) monſ. 405. kann bloß zweifelhaft ſein,
ob das -a comp. vocal, oder genitiviſches -â anzuneh-
men iſt.


4) dieſen grundſätzen gemäß ſind unter den formeln
der eigentl. zuſ. ſetzungen aufgezählt worden: baíra, baúra
(ſ. 486. 487.) fruma (ſ. 493.) giba (ſ. 495.) háitja (ſ. 498.)
luga (ſ. 506.) maúrþrja (ſ. 508.) nima, numja (ſ. 513.)
pflëgo (ſ. 513.) qviþa (ſ. 513.) ſagja (ſ. 518.) ſlahja (ſ. 523.)
ſôkja (ſ. 524.) vaúrſtvja (ſ. 535.) welchen ſämtlich nur
ſcheinbar leibliche accuſative voranſtehen. Viele andere
beiſpiele ſind ebenſo zu beurtheilen.


5) nur in verſchiednen, ſämtlich neueren, wortbil-
dungen läßt ſich keine eigentliche compoſition behaupten,
in ſolchen nämlich, die aus uneigentlich zuſammenge-
ſetzten verbis abgeleitet ſind. An den inf. und das part.
praeſ. wächſt, wie wir hernach ſehen werden, der acc.
wirklich an und gilt einmahl die verbindung, ſo hindert
nichts, daß man daraus auch maſc. auf -er oder abſtracte
fem. auf -ung weiter bilde. So darf aus eh-brechen,
blut-vergießen, haus-halten, land-meßen, theil-nehmen,
tag-wählen; hof-halten, dank-ſagen etc. freilich geleitet
werden: eh-brecher, blut-vergießer, haus-halter, land-
meßer, theil-nehmer, tag-wähler; hof-haltung, dank-
ſagung. Allein hier wird kein ſubſt. mit ſubſt. zuſ. ge-
ſetzt, ſondern das bereits vorhandne infinitivcompoſitum
zur erzeugung von ſubſt. genutzt. Zwiſchen ſolchen
wörtern und den vorhin genannten, welche für eigent-
[619]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit ſubſt. acc.?
liche compoſita zu halten ſind, läßt ſich keine feſte grenze
ziehen; äußerlich fallen ſie in der heutigen geſtalt ganz
zuſammen und es kann nur davon die rede ſein, beide
arten auf hiſtoriſchem wege, ſo viel möglich iſt, von ein-
ander zu ſondern. In beiden arten mag ſogar das näm-
liche zweite wort vorkommen, z. b. das nhd. eh-brecher
iſt, glaube ich, lediglich von eh-brechen hergeleitet und
kein mhd. ê-brëche nachzuweiſen, wie ein mhd. vride-
brëche MS. 2, 151a, dem ein nhd. fried-brecher ent-
ſpräche, wofür das genitiviſche friedens-brecher einge-
führt worden iſt. Die nhd. ſack-träger, laſt-tr. hörner-
tr. ſcheinen eigentlich componiert, wie die mhd. lieht-
trage (ſ. 545.) und krône-trage MS. 2, 132a; dagegen
mhd. heie (= pfleger, heger) mit dem gen. conſtruiert
wird: der êren heie, ſtuben heie MS. 2, 221b 75b. Der-
gleichen bildungen können ſich alſo auf dreierlei gründen,
auf eigentl. compoſition oder auf uneigentl. mit dem gen,
oder mit dem acc., letzteres nur, wenn ihnen ein ſchon
zuſ. geſetzter inf. vorausgeht.


Subſtantiv mit adjectiv (ſ. 597.).

Auch hier iſt hauptſächlich von dem gen., daneben aber
von dem dat., kaum von dem acc. die rede.


I. genitiviſche compoſition. Gewiſſe adj. regieren den
gen.; ob dabei ein ausgelaßnes ſubſt. hinzuzudenken ſei,
wird die ſyntax unterſuchen. Es ſind hauptſächlich die
adj., welche fülle und leere, haft und losheit, neigung
und fähigkeit oder ein maß anzeigen. Dieſe ſogenannt
relativen adj. gehen nun auch häufig eigentliche compoſi-
tion ein, wie das verzeichnis ſ. 556-578. lehrt; allein
durch die anwendung des wirklichen gen. wird der be-
griff verſtärkt und ſinnlicher hervorgehoben, während
eigentliche zuſ. ſetzung erſt an der ſtelle iſt, wenn das
adj. ſchon halb abſtract und den lebendigen caſus zu re-
gieren unfähig geworden war. So z. b. iſt voll des ruh-
mes, geiſtes, mehr als ruhm-voll, geiſt-voll, aber zuwei-
len darf beides geſagt werden.


Compoſition wird wiederum durch den unmittelbaren
vortritt des gen., der allmählig an das adj. wächſt, be-
dingt. Im goth. ſteht er zwar einigemahl vor: ahmins
veihis fulls (πνεύματος ἁγίου πλήρης) Luc. 4, 1. banjô
fulls (ἡλκωμένος) Luc. 16, 20, doch iſt an keine zuſ.
[620]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit adj. gen.
ſetzung zu denken; þruts-ſillái (leproſi) Matth. 11, 5. Luc.
17, 12. gehört nicht hierher, ſondern aus dem componier-
ten ſubſt. (ſ. 598.) iſt das adj. þruts-fills (? þruts-fillis) gebil-
det. Auch im ahd. und agſ. erkenne ich noch keine ge-
nitiviſche compoſition an, überall nur den freien caſus.
Da die adj. nicht wie ſubſt. zu eigennamen gebraucht wer-
den, ſo fällt der meiſte anlaß zur engern verbindung weg.
Im ahd. ſind nicht einmahl die vorſetzungen des gen. häufig;
beiſpiele: kindes haft (praegnans) O. I. 14, 12. muates lind
(animo mitis) O. II. 7, 71. jâres alt doc. 220b ſanges ſatêr N.
Boeth. 181. zieredôn fol N. p. 235b; gleichoft ſteht er nach:
alt jârô O. I. 16, 3. vol mietôn N. 25, 10; ſobald es geht
entſpringen eigentliche compoſita. Umgekehrt ſcheint
im altſ. und agſ. der vorſtehende gen. beliebt, vgl. altſ.
fërahes full, enſtiô full, ſoragônô full, barnô los, ſundia
lôs und ſundiôno lôs, inwidëas gërn; und agſ. ſiðes ſûs
Beov. 112. ætes gëorn Jud. 11. bëalves gëorn Cädm. 75.
corðres gëorn Cädm. 77. dæda gëorn Cädm. 81. ſiðes
gëorn Beov. 207. vîges hëard Beov. 68. ârna leás Cädm.
49. dreáma leás Cädm. 3. Beov. 66. vingëa leás Beov.
126. vynne leás Cädm. 25. bëaleva gemyndig Beov. 156.
hroðra gemyndig Beov. 162. mägnes rôf (clarus virtute)
Beov. 156. môdes rôf Cädm. 65. ëaldres ſcyldig Beov. 154.
môdes ſëóc Beov. 121. mägenes ſtrang Beov. 139. mägenes
trum (virtute firmus) ſiðes vêrig (itinere feſſus) Beov. 46.
135. u. a. m. oft im wechſel mit eigentlicher compoſition,
wie dort angezeigt worden iſt. — Im altn. läßt ſich der ein-
tritt uneigentl. zuſ. ſetzungen eher zugeben, ſie werden auch
von Biörn und Raſk angenommen: hâra-biartr (albus crines)
ennis-breidr (fronto) raſtar-diúpr, hrocka-fullr (faſtuoſus)
lotnîngar-fullr (ſupplex) drôttnunar-giarn (imperioſus)
mëtnadar-giarn (faſtuoſus) mûtu-giarn (largitionum cupi-
dus) þrætu-giarn (rixoſus) lîfs-hvatr (alacer) ſæm. edd.
235a aga-klökkr (diſciplinam admittens) hæru-lângr (pro-
miſſis crinibus) âvaxtar-lîtill (infructuoſus) âvaxtar-mikill
(fructuoſus) âbata-mikill (lucroſus) brióſta-mikill (mammoſus)
blada-mikill (folioſus) eljanar-mikill (laborioſus) vara-þyckr
(chilo) etc. Selbſt die abſtracten formeln -laus, -ligr und -ſamr
haben ſich mit ihren vorgeſetzten genitiven, deren rection
aus einer früheren lebendigen bedeutung erklärt werden
muß (vgl. ſ. 544.) zu uneigentlicher comp. verhärtet, z. b.
blygdunar-laus (impudicus) brâda-laus (expers cibi) edd.
fæm. 236b vilja-laus exp. gaudii) 232a aſſkipta-laus (alie-
nis abſtinens) nennîngar-l. (piger) âhlaupa-ſamr (impe-
tuoſus) âhyggju-ſamr (anxius) bindindis-ſamr (modera-
[621]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit adj. gen.
tus) hugganar-ſamr (conſolatorius); beiſpiele von-ligr ſ. 568,
ich finde auch im ſchwed. barns-lig (puerilis) træls-lig (ſer-
vilis), nicht im dän. (wo barnagtig, trælagtig). — Mhd. halte
ich den loſen gen. für richtiger: tages alt MS. 2, 256b kin-
deshaft Flore 5b laſters arm Parc. 140b flâfes bar Wh.
2, 32a vröuden bar Ben. 187. alters blanc Wh. 2, 120a
minnen blint Triſt. 15190. zornes dræte Parc. 37b lobes
hël Parc. 133c ellens rîche Parc. 13c lobes rîche Parc. 39a
ſtrîtes ſat Parc. 86c liutes vol Gudr. 58b waƷƷers vol
Wh. 2, 85a armuotes vrî Wh. 2, 57a erbes vrî MS. 2,
64a ougen vrî MS. 1, 25a etc. oft ſteht auch noch ein zu
dem gen. gehörender artikel voraus. Wäre wirkliche
compoſition eingetreten, ſo hätten ſich die wörter ins
nhd. häufiger fortgepflanzt. In wenigen mhd. fällen
mag man wohl comp. annehmen, z. b. in gotes-arm
(ſ. 556.) wo aber das zweite wort beinahe ſubſtantiviſch
ſteht. — Die nhd. ſprache ſetzt den gen. dem adj., wo-
von er abhängt, nicht ohne begleitung eines artikels oder
andern adj. voraus, z. b. des todes ſchuldig, des weges
kundig, des geldes froh, nicht: todes ſch. weges k. gel-
des fr.; alles dankes werth, heiliges geiſtes voll, nicht:
dankes werth, geiſtes voll. Uneigentlicher comp., die aus
dem freien (vom pronomen unbegleiteten) gen. erwach-
ſën wären, beſitzen wir wenige, z. b. kein tags-alt, lobs-
reich, waßers-voll; wohl aber: geiſtes-arm, gottes-warm.
Mit den meßenden adj. breit, dick, lang, hoch, tief, weit
binden ſich einige genitive, namentlich: daumens, fingers,
ſpannen, meilen, z. b. daumens-dick, fingers-lang, ſpan-
nen-breit, meilen-weit; man hört auch noch in hände-
breit den alten gen. Außerdem ſcheinen einige andere,
namentlich ausdrucks-voll, freuden-voll, ſorgen-frei, in-
halts-leer, untadelhaft inſofern ihrem zweiten wort leben-
dige bedeutung verblieben iſt; den gen. vor -mäßig habe
ich ſ. 571. getadelt; gottes-fürchtig iſt bloße ableitung von
gottes-furcht, dagegen gott-fürchtig, das noch Luther hat,
eigentl. componiert (goth. guda-faúrhts).


II. dativiſche compoſition? Den dativ regieren ver-
ſchiedne adj. und er kann ihnen zuweilen unmittelbar
vorausſtehen, vgl. goth. anſtái áudahafta (κεχαριτωμένη,
näher: gratiâ dives) Luc. 1, 28; ahd. miliche gelîh (lacti
ſimilis) N. Cap. 164, in welchen fällen niemand compo-
ſition behaupten wird. Im altſ. und agſ. ſind ſolche da-
tive ungleich häufiger, z. b. altſ. wundon ſiok (vulneri-
bus confectus); agſ. cyſtum cuð. Beov. 67. gudum cuð
Beov. 163. ecgum dyhtig Beov. 98. 118. dædum fâh (vir-
[622]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit adj. dat.?
tute clarus) Cädm. 74. 94. drëóre fâh (ſanguine rutilans)
Beov. 36. 39. 23. frättum fâh Beov. 56. gryre fâh Beov.
192. mâne fâh (ſcelere pollutus) Beov. 75. ſëarvum fâh
Beov. 79. âtertânum fâh Beov. 111. vylmum fâh Beov.
199. deáðbedde fäſt Beov. 215. lëgerbedde fäſt Beov. 77.
bendum fäſt Beov. 144. 156. brembrum fäſt Cädm. 63.
craſtum fäſt Beov. 168. deáde fäſt Beov. 226. ëorðan fäſt
Cädm. 86. hruſan fäſt Run. handa fäſt Beov. 98. reſte fäſt
(dormiens) Cädm. 4. ſâle fäſt Beov. 143. ſtapulum fäſt
Beov. 202. tirum fäſt Cädm. 82. vîum fäſt Cädm. 66.
vyrtum fäſt Cädm. 86. Beov. 104. gëarum frôd Cädm.
51. hyge frôd Cädm. 43. miſſarum frôd Cädm. 93. 51.
107. dägrîme frôd Cädm. 47. 99. vintrum frôd Cädm. 51.
Beov. 130. 158. 170. vintrum gëong Cädm. 62. ſëarvum
gëaro Beov. 136. gumcyſtum gôd Beov. 113. bëadve
hëard Beov. 117. ſcûrum hëard Jud. 10. vundum hëard
Beov. 200. frätvum hrêmig Beov. 154. hûðe hrêmig
(praeda glorians) ſince hrêmig Beov. 141. môde rôf Cädm.
67. dædum rôf Beov. 198. bennum ſëóc Cädm. 43. Beov.
204. 215. hornum trum Beov. 104. duguðum vlanc Cädm.
52. hôfum vlanc (ungulis ſuperbiens) Run. vundum vê-
rig (vulneribus feſſus) Beov. 218. gâre vund Beov. 82.
mêcum vund Beov. 45. ſâre vund Beov. 204. u. a. m. in
welchen allen ich loſen dat. behaupte; einige haben
ſchwankend bald gen. bald dat. vor ſich (z. b. ſëóc, trum,
vêrig), andere liegen eigentlicher comp. ganz nahe und
wechſeln damit (z. b. dædum rôf mit dæd-rôf) und je
mehr das der fall iſt, je formelmäßiger und epithetiſcher
ſie werden, deſto eher wäre eine verhärtung des dativ
möglich. Dergleichen mag vielleicht in dem altn. hu-
gom-ſtôr (magnanimus) ſæm. edd. 272a. b. eingetreten
ſein, zumahl das pronomen (inn hugom-ſtôri) den dat.
dem adj. näher drängte. Mhd. und nhd beiſpiele unei-
gentl. compoſition mit dem dat. kenne ich aber durchaus
nicht, mhd. gote-liep, gote-leit (ſ. 552.) oder nhd. engel-
gleich ſind eigentlich zuſ. geſetzt.


III. accuſativiſche compoſition muß wie vorhin ſ. 617.
bei dem ſubſt. ganz geleugnet werden. Was danach aus-
ſieht (d. h. wo dem adj. noch verbale kraft beizuwohnen
ſcheint) iſt wahre, eigentl. zuſammenſetzung, ſei ſie nun
mit dem adj. ſelbſt eingegangen oder das adj. bloße ab-
leitung aus einem componierten ſubſt. Beiſpiel geben die
ahd. adj. mit -machig und -habig bei N.: ſin-machig
(ſenſificus) Cap. 154. ſlâf-machig (ſoporifer) Cap. 73. [vgl.
ſtang-machunga Cap. 76.] ſloƷ-habig (finalis) Cap. 90. lieht-
[623]III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit verb.
ſkihtig (nhd. licht-ſchen) Cap. 120. Die nhd. wort-brü-
chig, tren-brüchig derivieren von wortbruch, treu-bruch;
bei ehr-erbietig, dienſt-erbietig ſcheint ein inf. ehr-erbie-
ten etc, vorauszuſetzen, vgl. die ſubſt. ehr-erbietung und
mhd. dienſt-bietære Parc. 182c, dienſt-willig iſt nur ad-
jectiviſch und wie dienſt-freundlich, dienſt-beflißen, wo-
bei an keinen acc. zu denken, eigentliche compoſition.


Subſtantiv mit verbum (ſ. 619.)

1) das wirkliche verbum leidet nicht, daß ſich der
vorſtehende caſus eines ſubſt. feſter mit ihm verbinde;
uneigentliche compoſition findet hier ſo wenig ſtatt als
eigentliche (ſ. 582.), es gilt weder teila-nëmêm, (partici-
pemus) noch teil-nëmêm, ſondern bloß teil nëmêm. Selbſt
aus uneigentlich zuſ. geſetzten ſubſt. abgeleitete verba
kommen nicht vor oder können vielmehr nicht vorkom-
men, wenn man den beſtimmten begriff ſolcher ſubſt.,
die halbe eigennamen ſind, erwägt.


2) bei dem part. praeſens wäre uneigentliche comp.,
zumahl mit vorſtehendem acc., denkbar und ältere quel-
len müſten entſcheiden, ob z. b. ein nhd. kind-gebährend
aus einem ahd. chinta-përanti oder aus loſem chint pë-
ranti entſprungen iſt (ſ. 588.). Gleich zweifelhaft ſind in
dieſer abſicht ahd. ſubſtantiva, die aus ſolchen part. her-
ſtammen (ſ. 342.), als: teil-nëmandî (parſimonia?) ker.
128. knëht-kipërandî (puerperium) ker. 227. Es mag
auch einzelnen der ſ. 590. angeführten nhd. wortbildun-
gen wahrer acc. zu grunde liegen, ſo gut wie folgenden:
gott-liebend, warheit-liebend, ackerbau-treibend, handel-
treibend, gewerb-tr. Loſer gen. ſtehet z. b. vor dem
agſ. valdend (ſ. 590.).


3) bei dem part. praet. kann ſich uneigentliche zuſ.
ſetzung aus dem vorſtehenden gen. und dat. entwickeln,
die ältere ſprache zieht aber eigentliche vor oder den
loſen caſus, vgl. ahd. wînes trunchen N. 77, 65. agſ.
bëóre druncen, vîne dr.; es ſind oben ſ. 591. 592. noch
andere beiſpiele gegeben. Im nhd. gelten die genitivi-
ſchen compoſita: kriegs-gefangen, gottes-vergeßen, got-
tes-gelehrt, bluts-verwandt, bunds-verwandt, landes-ver-
wieſen, womit man die ungebundnen ahd. buochô gela-
den N. Cap. 115. mhd. ellens unbetrogen Parc. 86b und
ähnliche vergleiche. Häufig ſtehet der gen. nach dem
part., oder ein verbum dazwiſchen, oder ein artikel vor
dem ſubſt., ſo daß keine zuſ. ſetzung möglich wird.


[624]III. adjectiviſche eigentliche compoſition.

4) mit dem inſinitiv verbindet ſich in den neueren
ſprachen gerne der vorausgehende, von ihm regierte ac-
cuſativ, zumahl für den ſubſtantiviſchen gebrauch. Wir
ſagen nhd.: das athem-holen, luft-ſchöpfen, wein-trinken,
brot-eßen, theil-nehmen, flachs-ſpinnen, tag-wählen,
waßer-ziehen u. a. m., wobei aber auch oft eigentliche
compoſition walten kann (ſ. 596.). Selten accreſciert
wohl auf ſolche weiſe der genitiv; ſtatthaft wäre viel-
leicht: das landes-verweiſen, nicht aber: das krieges-
fangen.


§. 2. Adjectiviſche compoſition (vgl. ſ. 410.).


Sie zerfällt wiederum in eigentliche und uneigentliche;
allein letztere hat einen ganz beſchränkten ſpielraum und
tritt nur in einzelnen ſpäteren und abnormen fällen ein.
In der regel iſt alle adject. zuſ. ſetzung eigentlich.


I. adjectiviſche eigentliche compoſition.

Einleitung: 1) bindungsmittel iſt, wie bei der ſub-
ſtantiviſchen, der compoſitionsvocal. Und zwar lautet er
in den älteſten eigennamen wiederum o, von ſ. 412. ge-
gebnen beiſpielen gehören hierher: lango-bardi (dem la-
tein näher gebracht: longo-bardi) und vielleicht bucino-
bantes. Ein e (ê?) zeigen die erſt bei Aurel. Vict. Vo-
piſcus u. a. vorkommenden ale-manni. — Im goth.
herrſcht a, nach kurz- und langſilbiger wurzel, vgl. ala-
þarba Luc. 15, 14. fruma-baúrs Luc. 2, 7. ſama-láud Luc.
6, 34. ſama-leiks Luc. 5, 10. arma-haírtei Luc. 1, 50.
fulla-fahjan Marc. 15, 15. fulla-tôjis Matth. 5, 48. fulla-
vitans Philipp. 3, 15. jugga-láuþs Marc. 14, 51. láuſa-
vaúrds Tit. 1, 10. (mit der variante láuſái-vaúrds) galiu-
ga-chriſtjáis, galiuga-praúfêteis, galiuga-veitvôds, ſilda-
leiks (wenn ſich ein adj. ſilds beweiſen läßt). Das ablei-
tende i wird beibehalten: alja-kunja Luc. 17, 18. hráinja-
haírts (homil.) midja-ſveipáins Luc. 17, 27; das ableitende
u abſorbiert den comp. vocal: hardu-haírtei Marc. 10, 5.
Fehlend iſt er in folgenden zuſ. ſetzungen: all-brunſts
Marc. 12, 33. haúh-haírts Tit. 1, 7. haúh-haírtei Marc. 7,
23. láus-handja Marc. 12, 3. láus-qviþrs Marc. 8, 3. mi-
kil-þuhts Luc. 1, 51. ubil-tôjis Joh. 18, 30. — Ahd. lautet
der comp. vocal gleichfalls a, ſelten o und erſt ſpäter
(bei N.) c; er dauert α) nach kurzſilbigen adj. immer;
beiſpiele: ala-horſc monſ. 406. ala-man und viele andere,
[625]III. adjectiviſche eigentliche compoſition.
die hernach angeführt werden ſollen; dara-lîh (par, aequus,
ſimilis, decens) *); frumi-kîdi O. aſſim. für fruma-k.; klata-
muati K. 25a; ſama-lîh, ſama-bald O. I. 1, 122, 124; ſmala-
nôƷir (pecora) Samarit. ſmala-firihi jun. 231. ſmala-ſât K.
43b monſ. 341. 413; ſuma-lîh francof. 58. bei O. aſſim. ſu-
mi-lîh; tola-heit caſſ. 855b; wana-heil K. 44a; giwara-lîh
O. I. 17, 94. (vom ahd. giwar, ſollers?); zaga-heit doc.
245; o belegt rado-hlauftî (veloci curru) ker. 54. von
dem adj. hrad (velox), die regelmäßige form des
nom. wäre hrada-hlauft. β) zuweilen auch nach lang-
ſilbigen: alta-gund, alta-përt n. pr. bei Neugart; arma-
lîh O. III. 20, 81. ſonſt aſſim. armi-lîh IV. 34, 40. un-
b’arma-hërz ker. 156. aſſim. armi-hërzida K. 24a 28b;
blindo-ſlîhho flor. 983b, blinde-ſlîcho trev. 12b; ſuarza-
loh n. pr. bei Neug. γ) zuweilen nach mehrſibigen:
ërcna-êwa J. 440. mihhila-môt hrab. 953b haganîna-ſôl
fr. or. 1, 674. maƷƷaltrîna-bërg trad. fuld. 1, 33. δ) in
der regel haben die fälle β. γ. den comp. vocal einge-
büßt und es ſteht: alt-man, arm-hërz, mihhil-muot, lu-
zil-muot und ſo in unzähligen beiſpielen mehr. ε) ab-
leitendes i haftet meiſt, mit abſorption bei kurzſilbigen
des comp. vocals, vgl. eli-benzo, eli-poro (f. elja-benzo);
beiſpiele langſilbiger: milti-namo jun. 198. hrab. 958a niu-
wi-quëman K. 54a niuwi-boran O. I. 12, 39. rîchi-duam
O. I. 1, 125; doch ſchwindet es gleichfalls, z. b. hrein-
haft (coelebs) ker. 53. chuan-heit O. I. 1, 7. rîh-tuom
N. 48, 12. Ableitendes u bei kurzſilbigen: garo-tag (pa-
raſceve) T. 198, 3; meiſtens geſchwunden. — Der altſ.
comp. vocal pflegt, wie bei der ſubſtantiviſchen zuſ.
ſetzung (ſ. 420. 421.) bereits zu mangeln, nur in ala-huît,
ala-jung, alo-waldand treffe ich ihn an, alſo zwiſchen a
und o (vgl. hano-crâd) ſchwebend; mehr fälle werden
ſich vielleicht nach herausgabe der E. H. ſammeln laßen. —
Im agſ. und altn. gebricht er überall, er müſte ſich denn
R r
[626]III. adjectiviſche eigentliche compoſition.
im alteddiſchen iarkna-ſteinn erhalten haben. — Mhd.
ſpuren wären in kurzſilbigen adj. zu ſuchen, z. b. in
ale-wære, ale-gruene, doch gilt mehrentheils ſchon al-
wære, al-gruene; eher nach m in ſüme-lich (den umlaut
zeugt die aſſimilation ſumi-lîch) nach g in zage-heit Parc.
81c. Zuweilen ſcheint der comp. vocal ſich in langſil-
bigen verhärtet zu haben, z. b. erbarme-hërze. — Nhd.
mangelt er durchgehends.


2) der compoſitionsvocal hat mit der adjectivíſchen
flexion nichts zu ſchaffen, dieſe fällt vielmehr in allen
fällen weg, wo eigentliche zuſ. ſetzung eintritt. Es iſt
demnach bloßer ſchein, daß er einzelnen formen der
flexion, namentlich der ſchwachen gleicht, z. b. dem
goth. ſchw. nom. maſc. oder dem ahd. ſchw. nom. fem.
und neutr. In dem angeführten: daƷ haganîna-ſôl unge-
bundnes ſchwaches adj. neutr. haganîna anzunehmen hin-
dert das parallele: dër maƷƷaltrîna-bërc, wo ſtehen müſte:
dër maƷƷaltrîno b., die genitive würden lauten: dës ha-
ganina-ſôles, dës maƷƷaltrîna-bërges (nicht: des haganî-
nin ſ., dës maƷƷaltrînin b.). Späterhin, nach erloſch-
nem vocal der comp. und ableitung, ſtößt daher die
bloße wurzel an das zweite wort, z. b. alt-man gen.
alt-mannes; junc-frouwa, gen. junc-frouwûn und ſo durch
alle caſus des ſg. und pl. beider formen. Der flexions-
loſe nhd. nom. ſg. hat wieder nur zufällige ähnlichkeit,
die mit dem gen. alsbald aufhört *). Man kann über-
haupt nicht ſagen, daß dem eig. componierten adj. ſtarke
oder ſchwache form zu grunde liege; adj. welche bloß
ſchwach declinieren (z. b. das goth. ſama) ſind der com-
poſition eben ſo fähig, wie die übrigen (ſama-leiks und
ahd. ſama-lîh, vom adj. ſamo).


3) zur erklärung der bedeutung adjectiviſcher eigentl.
comp. können weder verhältniſſe der caſus noch der
praepoſitionen genommen werden. Wo das adj. ſubſtan-
tiviſch ſteht, d. h. wo es ſich nicht zu einem andern
ſubſt. gehört, hat es ſeine wahre natur ausgezogen. Das
gewöhnliche adj. befindet ſich alſo nur in einem appoſi-
tionsahnlichen verhältniſſe
zu dem zweiten worte der
[627]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
zuſ. ſetzung, ſei dieſes nun ſubſt. oder wiederum adj.
oder participium. Allein die zuſ. ſetzung erzeugt freiere
vielſeitigere begriffe, als das wirkliche adj., ſtünde es ne-
ben dem zweiten wort, haben würde, z. b. das nhd.
jung-frau bedeutet weder junge frau noch die junge frau;
alt-vordern weder alte vorderen noch die alten vordern.
Die compoſition hat einen eigenthümlichen ſinn hervor-
gebracht, der, ſobald man ſie auflöſet, nicht einmahl
immer verſtändlich ſein würde, z. b. in dem letzt ange-
führten wort. Vielen adjectiviſchen eigentl. zuſ. ſetzun-
gen entſprechen daher einfache wörter fremder ſprachen,
z. b. unſerm alt-vater, jung-frau das lat. avus, virgo.


4) die arten und wichtigſten fälle der adjectiviſchen
compoſition ſind wie die der ſubſt. abzuhandeln.


Adjectiv mit ſubſtantiv.

A. verzeichnis nach dem erſten wort.

abrs (validus): daher vielleicht die ahd. eigennamen
abar-hilt, aber-râm.


alls (totus): die goth. ſprache unterſcheidet in der
compoſition ala- von all- (f. alla-?), die ahd. ala- von
al- (für all- und dies für alla-), die agſ. äl- von ëall-,
die altn. al- von all- (Raſk §. 300.). Das erſtere läßt
ſich formell nicht aus alls (totus) herführen und kann
doch der bedeutung nach nicht anders wohin gehören.
Weiſt es auf ein älteres als, gen. alis, das ſich hernach
in alls gen. allis verwandelte? Oder wären als (das ſich
freilich nicht alleinſtehend vorzeigen läßt, bloß in der
comp.) und alls zweierlei adj.? Ala- gibt den ſinn des
griech. παντο-, lat. omni-; all- den des gr. ὁλο-; die
zuſ. ſetzungen mit all- ſind ſelten, die mit ala- häufig.
Hierher fallen folgende ſubſtantiva: 1) mit ala: goth.
alaþarba (nicht alla-þ.) Luc. 15, 14, einer, der an allem
mangel leidet, man könnte þparba auch für die ſchw. adj.
form nehmen; wahrſcheinlich iſt damit der goth. eigen-
name ala-reiks (omnipotens) componiert (und die ver-
muthung ſ. 447. falſch). — ahd. ala-man (n. pr. und gen-
tilit., in den geſetzen, urk. und geſchichtſchreibern kommt
die volle form ala-manni vor); ale-walto (omnipotens)
N. 104. 21; die meiſten comp. ſtehen bei O. und N. in
adverbialiſchen redensarten und zwar α) mit in und dem
acc.: in ala-drâtî (vehementiſſime) O. II. 23, III. 26, 89;
in ala-feſtî (firmiſſime) O. V. 7, 107; in ala-gâhî (citiſſime)
R r 2
[628]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
O. V. 20, 167. in ala-gâhûn O. III. 24, 143; in ala-halba
(undique) O. IV. 2, 38. in ala-hant (undiquaque) O. II.
7, 7; in ala-lîchî (omnimode) O. II. 4, 163. IV. 29, 89;
in ale-maht (vehementiſſime) N. Boeth. 75; in ala-nôt
(accuratiſſime) O. II. 3, 41; in ala-wâr (veriſſime) O. I.
1, 173. I. 18, 76. II. 22, 27. in ala-wâri O. II. 9, 149. V.
13, 47. III. 23, 39; in ala-wîſûn (omnimode) O. II. 4, 54.
β) mit in oder zi und dem dat.: in ala-gâhe O. II. 23,
59; in ala-halbôn O. IV. 9, 44; in ala-nahî (proxime) O.
III. 20, 353; in ale-rihte (rectiſſime) N. Cap. 161; zi ala-
wâru O. IV. 21, 55. zi ala-wâre O. V. 23, 475. — agſ. äl-
fylce (multitudo) Beov. 177. äl-miht (omnipotentia) äl-
viht Cädm. 3. Beov. 114. äl-vëalda (omnipotens). — altn.
al-gleymîngr (amneſtia) al-heimr (macrocoſmus) al-hugi
(ſerietas) al-hendur (f. pl. omnis niſus) al-mâttr, al-mætti
(omnipotentia) almûgi (plebs) al-rœmi (fama vulg.) al-
vald (omnipotentia) al-vara (ſerietas) al-vidra (mollis un-
dique aër) al-ûð (benevolentia) al-þîng (comitia) al-þŷda
(plebs). — 2) compoſita mit all-: goth. all-brunſts (ὁλο-
καυστον
) Marc. 12, 33. — ahd. al-brand-opher N. 64, 2.
(nicht ale-br.) — agſ. ëall-ofrung. — altn. all-gildi (ple-
num pretium) all-giörvi (panoplia) all-hŷſi (integr. prae-
dium) all-kiötvi (pancreas) all-klæðnadr (integer veſtitus)
all-vepni (panoplia); Biörn ſchreibt zwar dieſe wörter
ſämtlich mit al-, ich glaube daß ihnen all- zukommt. —
Mhd. kenne ich kein beiſpiel für das zweite al-, und nur
wenige für das erſte in den überbleibſeln jener adverbien:
in al-rihte Triſt. 15527. ën al-verte (ubique viarum) Mar.
43. Aufgelöſtes: in allen gâhen ſtehet Mar. 185. 192.
Parc. 118b kl. 1519. (müll.) zum beweis, daß ala- mit
dem adj. omnis zuſ. hänge; in den meiſten dieſer ſtellen
hindert das metrum nicht zu emendieren: in al-gâhen. —
nhd. iſt der unterſchied verwiſcht, denn wir ſchreiben
all-macht ſtatt almacht; bloß in dem unverſtandnen volks-
namen ale-mannen dauert die echte form, ſogar mit dem
comp. vocal.


alis? (alius, alienus) für ſich veraltet, hat ſich in fol-
genden comp. fortgepflanzt: goth. alja-kunja (alienigena),
eigentlich ſchwache form des adj. alja-kunis; die alio-rum-
nae des Jornandes hierher? ich verſtehe das zweite wort nicht.
— ahd. eli-hilt, eli-lant urkundliche n. pr.; eli-benzo (alie-
nigena) O. III. 18, 28. (goth. alja-bantja?) von bant, hochd.
banz (regio); ali-lendi (captivitas) J. 406. eli-lenti O. el-
lende N. 64, 2. eli-poro (peregrinus) jun. 193. eli-liut hrab.
954b. — altſ. eli-thëodan. — agſ. ele-lende, el-lende (exilium);
[629]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
el-þëód (peregrinitas). — altn. keine beiſpiele. — mhd.
el-lende, in ältern quellen bisweilen geſchr. ele-lende und
verderbt ene-lende (1, 386.) — nhd. ê-lend (miſeria) f.
el-lend, dem ſinn und der ſchreibung nach undeutlich
geworden.


alds? (vetus): goth. und altn. ohne beiſpiel, wie das
adj. ſelbſt. — ahd. alt-ano O. I. 3, 30; alt-duam (ſenectus) O.
II. 9, 76. vielleicht entſtellung bloßer ableitung alt-uom? vgl.
ſ. 151; alt-fater (patriarcha) O. I. 3, 11, 49; alt-forderon
(majores) N. Boeth. 135. Cap. 166; alt-cot (ſaturnus) N.
Cap. 54; alt-mâgâ (majores) O. I. 3, 4. Samar.; alt-paum
(arb. carioſa) hrab. 958a; alt-wigki (callis) ker. 73. fr. or.
1, 674; alt-worolt O. I. 4, 79; ſodann viele nom. pr. alta-
përt, alt-përaht, alt-charal, alt-durinc, alt-frid, alt-gaſt,
alta-gund, alt-hëlm, alt-hilt, alt-hun, alt-hraban, alt-rât,
alt-rîh, alt-ſuâp u. a. m. — altſ. ald-gumo (ſenex) ald-
ſidu (conſuetudo). — agſ. ëald-cvën (vetula); ëald-fäder
(avus) Beov. 30; ëald-fëónd Jud. 12. Cädm. 85; ëald-
hlâford (ſenior); ëald-mëtod (deus) Beov. 73; ëald mô-
der (avia); ëald-geniðle Jud. 11; ëald-riht (privilegium);
ëald-ſeaxa; ëald-geſegen (hiſtoria) Beov. 67; ëald-geſið
Beov. 66; ëald — ſpëll (fabula); ëald-geſtrëón Beov. 105.
111; ëald-gevin Beov. 134; ëald-vîf (vetula); ëald-gevyrht
Beov. 198. — mhd. alt-hërre c. p. 361, 18c MS. 1, 126b;
alt-man Parc. 39c; alt-vordern Barl.; alt-frouwe Wigal.
— nhd. alt-flicker, alt-knecht, alt-mutter, alt-reiß, alt-
geſell, alt-vater, alt-fordern, alt-waßer (nebenſtrom, wie
ahd. alt-wiggi kleiner weg, der vor alters hauptweg war);
auch ſagen wir noch: ein alt-baier, alt-heſſe, alt-ſachſe
im gegenſatz zu neu-baier etc.


args? (piger, malus): arc-chuſt (malitia) zu folgern
aus dem adj. arc-chuſtîc monſ. 408. arg-chuſtig N. Boeth.
80; arc-willo aus arg-willig (malignus) vgl. arg-willigi
(malignitas) N. 34, 17. arg-wilo Boeth. 201. — agſ. ëarg-
ſcipe (ignavia). — mhd. arc-heit (pravitas) Triſt. arc-wân
(ſuſpicio). — nhd. arg-wohn.


arms? (miſer): mhd. arm-man kolocz 218. wofür ar-
man c. p. 361, 71c.


aírkns? ahd. ërchan (genuinus) vgl. ſ. 164.: ërcna-
êwa J. 340; ërchan-pruoder (fr. germanus) monſ. 411;
viele n. pr. als: ërchan-pald, ërchan-përaht, ërchan-poto,
ërchan-dëo, ërchan-frid, ërchan-gêr, ërchan-hart, er-
chan-loug, ërchan-nôt, ërchan-rât, ërchan-ſind etc. vor
labialen wandelt ſich oft das n in m: ërcham-pald. —
agſ. neben den eigennamen ërcen-bërht, ërcom bërht,
[630]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
ërcon-gota (fem.) chron. fax. Jngr. p. 36. 37, deren rich-
tige form ëorcen-bëorht fordert, ëorcnan-ſtân (margarita)
f. ëorcon-ſtân? oder ëorcna-ſtân? — altn. iarkna-ſteinn
(lapis pretioſ.) edd. ſæm. 137b 139a 213b 238a mit haf-
tendem comp. vocal? (ahd. ërchana-ſtein?)


balþs (audax): ahd. eigennamen wie pald-përht, pald-
munt, pald-muot, pald-râm, pald-win (balduinus). —
mhd. balt-ſprëche c. 361, 26d.


báitrs (amarus): ahd. bitter-vîga W. 2, 13. — altn.
bitr-leiki (acor). — mbd. bitter-olf f. bitter-wolf (ſ. 331.)
— nhd. bitter-holz, -klee, -kraut, -ſalz, -waßer, -wurz.


bláiks? (pallidus, albus): agſ. blâc-hlëór Cädm. 43.
Jud. 11. blâc-hond Beov. 185. (weiß-wange, weiß-hand).


bleiþis (manſuetus) ahd. plîdi: nom. pr. plîd-hilt, plid-
kêr, plîd-kôƷ, plîd-man, plîd-rât u. a. m.


blinds (coecus): ahd. plint-ſlîhho (caecilia) zwetl. 116a
wofür blindo-ſlîco flor. 983b blinde-ſlîcho trev. 12b, was
mir eher = blinda-ſlîhho, als ungebundnes blindo ſlîhho
ſcheint. — nhd. blind-heit, blind-ſchleiche. — altn. blind-
leiki (coecitas) blind-ſkër (ſcopulus occultus).


diups (profundus): agſ. dëóp-leán (grave praemium)
Cädm. 69. 73. — altn. diup-leikr (profunditas) diup-
ſiór (pelagus). — nhd. tief-denker, tief-ſinn, tief-trunk
(n. pr.).


drûds? (carus): ahd. trût-dëkan (dilectus) drût-thë-
gan O. II. 9 23. drût-liut O. I. 7, 37. drût-ſcaf O. IV.
9, 36. und die nom. pr. trût-përht, trût-win, trût-hilt,
trût-lint. — mhd. trût-hërre Triſt. 5860. trût-ſchaft Am.
4c. — nhd. die nom. pr. traut-vetter, traut-wein.


duls? (ſtolidus): ahd. tola-heit (ſtultitia). — agſ. dol-
ſcipe, dol-ſpræce (fatuitas ſermonis). — nhd. toll-beere,
toll-heit, toll-wurm, toll-wurz.


þvaſts für faſts? (firmus) ahd. faſt neben feſti?: ahd.
nom. pr. faſt-man, faſt-purc, faſt-rât, faſt-win, faſt-olf. —
altn. faſt-eign (praedium) faſt-mæli (pactum) und eigen-
namen faſt-ûlfr, faſt-rið etc.


fris (liber): ahd. frî-hals (homo liber, collum liberum)
K. 53b ker. 191. vgl. frî-hals-lîh (liberalis) hrab. 968b
und frî-halſî (libertas) ker. 191. N. 76, 11; frî-lâƷa (manu-
miſſio) monſ. 377. frî-lâƷo (libertus) monſ. 377. — agſ.
frëó-bëarn Cädm. 47. 72. 80. 97; frëó-burh Beov. 54; frëó-
dôm (libertas); frëó-ls (liber, ſolemnis) aus frëó-hals *) vgl.
[631]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
frëóls (feſtivitas) frëólſung (ſolemnitas); frëó-lâc (libera
oblatio); frëó-lâta (libertus); frëó-mæg Cädm. 24. 70;
frëó-man Cädm. 36. 47; frëó-riht (jus ingenuorum). —
altfrieſ. fria-halſa (libertas) fria-ſtôl (thronus, ſedes judi-
cis) Aſegab. p. 17. — altn. fri-âls (liber, francus) f. frî-
hâls, noch verderbter iſt die nebenform frëls, dän. frëls,
vgl. friâlſa (libertas) friâls-leiki (libertas); frî-gëdja (ge-
neroſus); frî-hand zu folgern aus dem adv. frî-hendis
(aus freier hand); frî-ſprok (liberum colloquium). — mhd.
frî-gedanc; frî-hals? ich kenne bloß frei-helſen aus einer
urk. von 1341. (mon. boic. XI, 289.); vrî-heit c. p. 361,
81d; vrî-man kl. 1519; vrî-tuom w. gaſt 31a. — nhd.
frei-exemplar, frei-denker, frei-frau, frei-geiſt, frei-haus,
frei-heit, frei-herr, frei-loos, frei-gericht, frei-ſchöffe,
frei-ſitz, frei-ſtuhl etc. auch nom. pr. wie frei-gang, frei-
-dank; frei-tag (d. veneris) ſcheint urſprünglich nicht
hierher zu rechnen.


frôds (prudens): ahd. fruot-hëlm n. pr. — altſ. fruod-
gumo (homo ſapiens). — agſ. frôd-cyning Beov. 100. —
altn. frôd-leikr (prudentia).


fruma (prìmus): fruma-baúrs (primogenitus). — ahd.
frumi-kêr, frumi-gêr (n. pr.) frumi-kîdi (primitiae) jun.
220; frumi-wahſt (primitiae); frumi-rîh (n. pr.); in allen
mag frumi- durch aſſimilation f. fruma- ſtehen, wie aber
iſt dann frumi-rât (n. pr.) zu nehmen? — agſ. frum-
bëarn (primogenitus) Cädm. 23. 25. 28. 51; frum-cyn
(proles) Cädm. 70. 82. Beov. 21; frum-gâr (princeps)
Cädm. 27. 28. 31. 38. 50. 55. 77. Jud. 11. dieſes comp.
bedentet nicht, was Lye meint, patriarcha, ſondern ent-
ſpricht genau dem lat. primipilus, von pilum (ſpieß) alſo
dem ahd. fruma-kêr und würde altn. frum-geir lauten,
hieraus erklärt ſich wie geir erſt für bellator, heros, dann
für vir überhaupt ſtehen könne [am allgemeinſten in geir-
varta papilla viri] und wie es in viele mannsnamen paſſe
(oben ſ. 494.); frum-gifu (praerogativa); frum-hrägel
(primus veſtitus) Cädm. 23; frum-lëóht (aurora); frum-
*)
[632]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
mëólc (primum lac); frum-ræd (primum decretum);
ſcrum-ſcëaft (creatio, origo) Cädm. 68. Beov. 9; frum-
ſcëatt (primitiae) frum-ſlæp (primus ſomnus) Cädm. 77;
frum-ſtôl Cädm. 23. frum-väſtm (primitiae). — altn. frum-
burdr (prima proles); frum-grôði *) (primitiae); frum-
hlaup (primus occurſus); frum-kaup (protimeſis) frum-
vöxtr (primitiae) frum-vërr (maritus primarius). — mhd.
und nhd. keine ſolche comp.


fulls (plenus): bei Ulf. kein ſubſt. mit fulla-, bloß
adj. und verba. — ahd. ſchwankt die form zwiſchen folla-
und fol: fol-miſſa (completor.) K. 45b; folla-zuht (conni-
ventia, ſolatium) ker. 50. 254. fol-zuht (ſubſidium) ker. 5;
über das zweifelhafte fol-leiſt, fol-luſt oben ſ. 199. 370. —
agſ. full-viht, ſpäter full-uht (baptiſmus); full-vîte (plena
mulcta). — altn. full-hugi (vir animoſus); full-rêtta (plena
ſatisf.); full-trûi (patronus) full-tŷngi (auxilium); full-yrdi
(verba expreſſa). — mhd. vol-mæne (plenilunium) Triſt.
folle-munt und fol-munt (fundamentum, columna) in einer
von Schilt. 309b angeführten pſalmenüberſ., vgl. Friſch
1, 306b, vielleicht undeutſch. — nhd. voll-macht, voll-mond,
voll-genuß; dialectiſch auch noch voll-mund, füll-mund,


gamals? (vetus): ahd. die eigennamen kamal-hêr, ka-
mal-përaht. — agſ. gamol-fëax (ſenex, canus) Beov. 48.
chron. ſax. ao 559, vielleicht adj.? — altn. gamal-menni
(ſenex); gamal-þëgn (idem) Eigla p. 621.


glaggvus (ſollers): ahd. eigennamen klau-përaht, glou-
braht, klau-munt. — agſ. glëav-cëaſtre (glouceſter) n. loci;
glëav-ſcipe (prudentia). — nhd. klau-hold (n. pr.).


gôds (bonus): ahd. kuot-dëkan (n. pr.); guat-hêrero O.
IV. 7, 160; N. 22, 58; koat-poto ker. 119; kuot-tât (beneficium,
profectus) monſ. 351. 380. guot-tât N. Boeth. 192. — agſ.
gôd-cyning Beov. 67. — altn. gôd-gerd (beneficium); gôd-
gripr (res pretioſa); gôd-menni (vir probus), gôd-qvendi
(mulier honeſta); gôd-vërk (bona opera); gôd-vili (fa-
vor). — mhd. guot-knëht w. gaſt 134a (öfter das loſe adj.
z. b. pf. ch. 51b 52a 65b 70a); guot-man Parc. 176b; guot-tât
(beneficium) Barl. 148. (bonum opus) Barl. 99. Frig. 29a.
guot-wîp Parc. 182b. — nhd. nur die nom. pr. gut-mann,
gut-geſell; das adj. gut-willig deutet auf gut-wille.


gravs? (griſeus): ahd. krâ-man, krâ-wolf n. pr. —
agſ. gräg-hama (thorax) im fragm. von Sigef., nicht ci-
[633]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
cada, wie Hickes meint (theſ. p. 192.); gräg-hvæte (triti-
cum, engl. grey-wheat). — altn. grâ-bakr (ſerpens, grau
auf dem rücken); grâ-dŷr (lupus); grâ-fygli und grâ-gâs
(anſer ferus); grâ-mûnkr (frater ordinis franciſc.); grâ-
ſalt (ſal foſſile); grâ-ſilfr (argentum) edd. ſæm. 231a. —
nhd. grau-bart; grau-rock; grau-ſchimmel.


ahd. crôƷ (craſſus, grandis): crôƷ-darm und crôƷ-
mago (beide extales, inteſtina das große gedärm, viſcera
exſtantiora) ſgall. (wo fehlerhaft throƷdaran f. chroƷd.)
Goldaſt 2, 65b doc. 217a flor. 988a (wo groſ f. groƷ? vgl.
nhd. gekröſe). — nhd. groß-fürſt; groß-herr; groß-maul;
groß-ſprecher; verſchiedne n. pr. groß-mann, groß-au-
heim (gegenüber klein-auh.) etc.


grônis? (viridis) ahd. kruoni: gruon-ſpëht zwetl.
126a. — nhd. grün-baum; grün-ſchnabel; grün-ſpecht;
grüne-wald etc.


halbs (dimidius) in der comp. nicht immer der be-
ſtimmte theil des ganzen, ſondern auch das unganze,
kleine, geringe, gemiſchte: ahd. halp-cot (ſemideus); halb-
giſceid (dimidium) doc. 217b; halp-ſcild (pelta) monſ. 328;
merkwürdig ſind die urkundl. eigennamen halp-kêr, halp-
durinc, halp-walah, beide letztere wahrſcheinlich abkunft
aus der ehe einer thüringerin oder italienerin mit einem
fremden manne ausdrückend *), wegen halp-kêr iſt vor-
hin frum-kêr zu vergleichen. — agſ. hëalf-heáſod (ſinci-
put); hëalf-man and hëalf-hors (centaurus); healf-vudu
(nom. herbae); auch hier der mannsname hëalf-dan (halb-
däne?) — altn. hâlf-brôdir; hâlf-gaman (halbér ſcherz);
hâlf-hrîngr; hâlf-kyrkja (ſacellum); hâlf-qviſti (ramuli);
hâlf-rêtti (dimidia mulcta); hâlf-ſilki (ſubſericum); half-
tröll (ſemigigas); hâlf-viti (mente captus); hâlf-yrdi (vox
ſemiplena); hâlf-dan (n. pr.) Snorra-edd. 150a. — mhd.
halp-ſwuol, halp-ſûl (ſemi-verres) Nib. 3755. denn die
hſſ. ſollen ſ, nicht f leſen, obgleich im jus prov. alem.
(Schilt. II, 119a) ur-fûl dem ur-ſûl (im text ur-ſus!)
vorzuziehen ſcheint, vielleicht iſt die dritte variante
ur-gûl [auch im Wittich 1606. deutlich ſo] noch beßer,
und dann halp-gûl zu muthmaßen. — nhd. halb-
bauer; halb-bruder; halb-bier; halb-ente; halb-ermel;
halb-fiſch; halb-gott; halb-holz; halb-mann; halb-pferd
(Oberl. 595.); halb-ſcheid; halb-ſchwein; halb-ſtiefel u.
[634]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
a. m. — Mit ſâmi- (ſ. 553.) ſcheint die alte ſprache nur
adj., mit halp ſubſtantiva zu componieren; nach dem aus-
ſterben jenes fügte ſich aber halp- auch zu adj.


hardus (durus): ahd. hart-puri (magiſtratus) hrab.
969a oder nom. pl. von hart-pur;? hart-rigili (arb. ſan-
guin.) monſ. 414. flor. 990a (wo hartrugil); die nom. pr.
hart-leip, hart-leih, hart-man, hart-mund. — altn. hard-
bak (dorſum durum); hard-gëdi (ſeveritas); hard-rêtti
(dura tractatio); hard-ſpori (nix indurata); hard-uð (ſe-
rocia). — nhd. hart-riegel (liguſtrum).


háilags (ſanctus): ahd. heilac-mânôt (decemb.) Eginh.;
heilic-macha (ſanctificatio) N. 95, 6.; heilac-ſtat (aſylum)
hrab. 952b; heilic-tuom (ſacramentum) N. 103, 3. — agſ.
hâlig-dôm (ſanctimonia). — altn. heilag-leiki (ſanctitas);
heilag-fiſki (ſolea). — mhd. heilec-tuom Parc. 38c. — nhd.
heilig-thum.


háis? (almus) ahd. hêr: hêr-ſcaft (celſitudo) N. Boeth.
63. 82; hêr-ſtuol (thronus) N. 106. 32; hêr-tuom (magi-
ſtratus) monſ. 329. 335. 342. hêr-duom J. 371. 373. 387.
— mhd. hêr-ſchaft (oben (ſ. 521.); hêr-tuom c. p. 361,
74b 83d.


háuhs (altus): ahd. hôh-fater (patriarcha) N. 71, 16. thër
hôho fater J. 393; hôh-flug N. Cap. 39; haoh-chlëp? (con-
ſiſtorium) hrab. 958b; hôh-poum (cedrus) N. 103 17; hôh-
ſanc (jubilum) jun. 211; haoh-ſëdal (thronus) hrab. 975b
monſ. 325. hôh-ſëtli J. 368. 397. 399. hôh-ſidillo jun. 179;
haoh-ſpâho (architectus) hrab. 952b vgl. meiſtar dërô
hôh-ſpâhëô monſ. 410; hôh-ſtuol (triclinium) monſ. 329;
hô-kiwalti (arbitrium) ker. 219. — agſ. heáh-boda (ar-
changelus); heáh-burh Cädm. 90; heáh-cyning Cädm. 2,
78; heáh-cräft (architectura); heáh-ëaldor (archiſynago-
gus): heáh-engel (archangelus); heáh-fäder; heáh-flôd
(aeſtus major maris); heáh-gerêfa (ſummus praepoſitus);
heáh-hâd (ſummus ordo); heáh-læca (archiater); heáh-rodor
Cädm. 4; heáh-ſæþëóf (archipirata); heáh-ſangere (prae-
centor); heáh-geſcëaft Cädm. 1; heáh-ſëtl Cädm. 1. Beov.
83; heáh-ſtëap Cädm. 61; heáh-geſtrëón Beov. 172; heáh-
tîd (ſolemne tempus); heáh-torras (alpes) heáh-vëder
(tempeſtas) u. a. m. — altn. hâ-bein (celſipes); hâ-bord
(menſa ſuprema); hâ—brôk (genus veſtimenti); hâ-degi
(lux meridiana); hâ-hyrnîngr (phyſeter); hâ-leikr (excel-
lentia); hâ-leiſtr (genus calcei); hâ-lendi (loca montana;
hâ-mali (clamor); hâ-reiſti (idem); hâ-ſëti (remex); hâ-
ſinar (nervi poplitis); hâ-ſtafr (clamor); hâ-ſumar (aeſtas-
adulta); hâ-ſæti (thronus); hâ-tîd (feſtivitas); hâ-tign
[635]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
(majeſtas); hâ-vadi (clamor); hâ-vëtr (hiems adulta) u.
a. m. — mhd. hôch-gebende Wh. 2, 10a; hôch-minne
Parc. 180b; hôch-muot Parc. 82c hôch-gemuete; hôch-
vart Wigal.; hôch-zît, hôch-gezît Nib. Wigal. — nhd.
mit ungleicher betonung des erſten worts: hof-fart (aſſim.
aus hoch-f.); hô-heit (f. hôch-heit); hôch-land; hôch-
muth; hôch-ſommer, hôch-winter; hôch-zeit; eigenna-
men wie hôch-apfel, hôch-hut etc.


hveits (albus): ahd. wîƷ-hulla (calantica) N. Cap. 58;
wîƷ-ſtein ibid. 64; wîƷ-lint (n. pr.) — agſ. hvît-fôt (albi-
pes); hvît-leác (alba cepa); hvît-metas (lacticinia); hvît-
ſtân (albus lapis); und die ortsnamen hvît-circe, hvît-
ſand. — nhd. weiß-dorn; weiß-fiſch; weiß-rock; weiß-
ſtein und eigennamen wie weiß-haupt etc.


ïbns (aequalis): ahd. ëben-erbe (coheres) N. 88. 30;
ëpan-hluƷëo (conſors) hrab. 957a ëban-loƷo K. 16a; ëban-
jungiro (condiſcipulus) T. 135; êpan-plâſt? (praeceps) jun.
246; ëban-ſcalc (conſervus) T. 99. 146; ëban-wërh (co-
operatio) J. 367. — agſ. ëfen-biſcëop (coepiſcopus); ëfen-
cëaſtervaran (concives); ëfen-gemäca (conſors); ëſen-hâd
(conditio aequalis); ëfen-häftling (cocaptivus); ëfen-heápas
(commanipulares); ëfen-hlyta (conſors); ëfen-læceſtre (imi-
tatrix); ëfen-niht (aequinoctium) ëfen-þëóv (conſervus);
ëfen-vyrhta (cooperator); ëfen-yrfevëard (coheres). —
altn. iafn-dœgr (aequinoctium); iafn-keypi (contractus ae-
quus); iafn-odi (conjux); iafn-rædi (par conjugium);
iafn-ſæti (aequa pacificatio); iafn-vægi (aequilibrium);
iafn-yrdi (mutua dicteria). — mhd. ëben-chriſten (ſocius
chriſtianiſmi) pf. ch. 32a; ëben-êwicheit (coaeternitas) MS.
2, 122b; ëben-heit (ſocius) maſc. c. p. 361, 84a; ëben-hœhe
(machina bellica) c. p. 361, 154d Parc. 49c MS. 1, 89a; ëben-
hiuƷe (corrivalis, nacheiferer, mitbewerber) Wh. 2, 58b MS.
2, 76a, und ein fem. ëben-hiuƷe (rivalitas, aemulatio, imitatio)
Parc. 192c und Tit. *); eben-mâƷe (comparatio) Barl. 127;
ëben-menſche (proximus); ëben-genôƷ; ëben-wette Am.
4b. — nhd. êben-bild; êben-maß; aber unorg. mit der par-
tikel nêben (= in ëben): nêben-buhler, nêben-chriſt, nê-
ben-mann, nêben-menſch.


juggs (juvenis): jugga-láuþs. — ahd. junc-frouwa W.
2, 7; jung-man, jung-rât n. pr. — agſ. gëong-cempa
[636]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
(tyro). — altn. ûng-dômr (juventus); ûng-hryſſa (equula);
ûng-menni (juvenis); ûng-neyti (juvencus); ûng-vidi (ar-
buſculum); dagegen aus dem hochd. aufgenommen jûng-
ſrû, jôn-frû (dän. jom-fru, ſchwed. jung-fru). — mhd.
junc-frouwe Triſt.; junc-hërre MS. 1, 126b. — nhd. jung-
frau, verk. jung-fer (1, 444.); nicht jung-herr, ſondern
bloß verkürztes junker.


kalds (frigidus): altn. kald-ambr (moleſtia); kald-egg
(ovum ſubventaneum); kald-yrja (pluvia frigida). — nhd.
kalt-lager; kalt-meißel; kalt-ſchmid; kalt-ſilber; kalt-ſinn.


kláinis? (ſubtilis) ahd. chleini: chlein-liſt N. Cap. 101.
— nhd. klein-bauer; klein-heit; klein-knecht; klein-krä-
mer; klein-ſchmid.


laggs (longus, nach raum und zeit): lango-bardi (bar-
bigeri) Tac., ahd. lanc-partâ ker. 146. monſ. 417; lanc-
wid (carpentum, vinculum plauſtri) lex alam. 96. ker. 225.
monſ. 333. — agſ. lang-bëardas (longobardi); lang-bolſter
(cervical); long-geſtrëón (bona avita) Beov. 167; lang-
vëb (tela). — altn. lâng-afi (proavus); lâng-amma (pro-
avia); lâng-backi (nubilum pelagicum); lâng-backr (ſub-
ſellium); lâng-bord (menſa perpetua); lâng-bönd (tigna
lateralia); lâng-fedgar (majores); lâng-hefill (dolabella lon-
giuſcula); lâng-lund (longanimitas); lâng-ſkip (navis bel-
lica) ſæm. edd. 160b; lâng-ſög (ſerra, quae in longitudi-
nem ſecat); lâng-ſpönn (ſpithama major); lâng-vidri
(temperies aeris durabilis); lâng-vinr (amicus probatus);
lâng-viſtir (pl., manſio diuturna). — mhd. lanc-gemuete Barl.
— nhd. lang-bein; lang-fiſch; lang-hals; lang-naſe; lang-ohr;
lang-ſchläſer; lang-wagen (provinz. noch lang-wiede).


liubs (carus): ahd. liob-hêreron (diſcipuli Chriſti, Chri-
ſtus heißt druhtîn, nicht hêrero) O. II. 15, 35; lieb-tât
(benefactum) N. 77, 11. — agſ. lëóf-mynſter (n. oppidi,
hodie lempſter). — altn. liuf-leiki (comitas); liuf-menni
(vir comis). — mhd. liep-tât; lieb-gart n. pr. — nhd.
lieb-fraue; lieb-kind (Oberlin h. v.).


midis (medius, medio tranſiens): midja-ſveipáins (di-
luvium). — ahd. mitti-lant (meditullium) zu folgern aus
mitte-landig (mediterraneus) N. 71, 8; mitti-vërihi (dimi-
dium, media pars vitae, von vërah, vita) monſ. 335. 350;
mitti-duërgi (groſſior dorſo) doc. 225b nicht ganz deut-
lich, gehört es zu duërah (transverſus) oder tuërac (na-
nus)? — agſ. mid-däg (meridies); mid-fëorhð, mid-fërhð
(adoleſcentia, media aetas, von fëorh, vita); mid-hrif
(meſenterium); mid-lengten (quadrageſima); mid-niht;
mid-ſumor; mid-vinter. — altn. mid-aldra (in medio ae-
[637]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
tatis); mid-bŷk (umbilicus); mid-degi (merid.); mid-gardr;
mid-mæti (intergeries); mid-nætti; mid-ſtôlpar (columnae
medianae); mid-ſumar (aeſtas adulta, vgl. hâ-ſumar); mid-
vëggr (paries medianus). — nhd. mit-tag. — engl. mid-riff;
mid-ſummer; mid-winter. — Im agſ. und altn. vermen-
gen ſich dieſe compoſita und die durch die praep. mid
gebildeten; im ahd. ſcheiden ſich mitti- und miti-; vgl.
ſ. 469. 470. die dem ſinne nach übereinkommenden ſub-
ſtantiviſchen zuſ. ſetzungen.


mildis? (clemens, benignus) ahd. milti: milti-namo
(cognomen) ker. 77. hrab. 958a jun. 198, zur erklärung
dieſes bald ausgeſtorbnen, den andern dialecten mangeln-
den wortes müſte man einen übergang der bedeutung
liberalis in die von copioſus, frequens annehmen; nach
Lye ſoll agſ. mild-hlëahtor ſubſannatio heißen.


nêhvs? (vicinus) bisher iſt nur ein goth. nêhva (prope)
bekannt, aber ein ahd. adj. nâh: ahd. nâh-gipûr (vicinus)
monſ. 340; nâh-ſippa (proxima) N. 47, 10; nâh-wiſt
(praeſentia) O. IV. 5, 79. 11, 78. 15, 26. — agſ. neáh-ge-
bûr, neáh-bûr (vicinus); neáh-mæg (affinis); neáh-man
(vicinus); neáh-fibba (cognatus); neáh-viſt, neá-viſt (vi-
cinia). — altn. nâ-bûi (accola; nâ-bŷli (vicinia); nâ-granni
(vicinus) nâ-grenni (vicinia); nâ-lægð (preſentia); nâ-vëra,
nâ-viſt (praeſentia). — mhd. nâch-gebûr (vic.); nâch-
kunde Barl. 324. — nhd. nach-bar. — Das ahd. mhd.
nâh, nâch fällt mit der gleichlautigen partikel, das altn.
nâ mit nâ (cadaver) zuſammen.


nivis (novus, recens): ahd. niuwi-holz (myricae) doc.
226b? es iſt aber mit monſ. 337. richtiger niwiht-holz, d. i.
nichts werthes geſträuch zu leſen; niuwi-lenti (novale) monſ.
336. 343. 350; niu-plôt (cruor, d. i. friſches blut) ker. 65;
niuwi-quëmo (neophytus) doc. 227a niu-quëmalinc (advena)
monſ. 368; niu-riute N. Boeth. 110; niu-ſkiht (prodigium)
N. 104, 5. — agſ. nig-cuma, niv-cuma (novitius). — altn.
nŷ-âr (cal. jan.); nŷ-bôla (inopinatum quid); nŷ-fenni (nix
nova); nŷ-lenda (arvum); nŷ-lyndi (res nova); nŷ-lŷſi
(novilunium); nŷ-mâni (idem); ny-mæli (novellae); nŷ-
rædi (novum conſilium) edd. ſæm. 91b; nŷ-virki (recens
opus manuum); vgl. den eigennamen nŷ-râðr edd. ſæm.
2b. — mhd. niuwe-leis (nix recens, friſche bahn, ſpur)
Parc. 17c (mehr citate in Lachm. ausw. 284. 285.); niu-
rât (primitiae) Oberl. — nhd. neu-brueh; neu-jahr; neu-
licht; neu-mond; neu-ſtadt; die eigennamen neu-bauer
(plattd. nie-buhr), neu-hof, neu-mann, neu-rath etc.


[638]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.

qvîus (vivus): ahd. quëh-prunno (fons vitae) Sama-
rit.; quëh-ſilipar hrab. 962b. — agſ. cvic-beám (junipe-
rus; cvic-fëoh (pecus); cvic-fŷr (ſulphur); cvic-helm
(n. pr.); cvic-ſëolfor; cvic-ſuſl (tartarus); cvic-trëóv
(tremulus); cvic-vihta (animalia). — altn. qvik-fê (pe-
cora); qvik-ſandr (ſyrtes); qvik-ſyndi (palus impervia);
qvik-trê (ſtaticulum). — nhd. queck-ſilber; queck-holder
(wach-h.).


ráuds (ruber): ahd. rôt-ſtein monſ. 337. — agſ. reád-
gold (obryza); reád-tëafor (rubrica, bezifferung). — altn.
raud-broti (ferrum aeroſum); raud-brŷſtîngr (erythoſter-
nius); raud-kembîngr (cetus quidam) raud-magi (cyclo-
pterus mas). — nhd. roth-bart; roth-brüſtchen; roth-kehl-
chen; roth-ſtein; roth-ſtift etc.


reikis (potens): ahd. rîhhi-duam O. I. 1, 125. rîh-tuom
N. 48, 12. — agſ. rîce-dôm. — mhd. rîch-tuom; rîcheit
f. rîch-heit. — nhd. reich-thum.


ahd. ſihhur (ſecurus, immunis): ſihhur-heit monſ.
362. 387. — mhd. ſicher-bote a. Tit. 164. Parc. 176c. —
nhd. ſicher-heit.


ſilba (αὐτός, entſpricht in der comp. dem gr. αὐτο-
und dem ſlav. ſamo-): ſilba-ſiunjôs (αὐτόπται) Luc. 1, 2. —
ahd. ſëlb-folga (ſecta) N. 67, 32; ſëlp-lâƷ (effrenatio)
monſ. 389; ſëlb-munt (lombardiſch ſël-mundia, ſil-mun-
dia, ſuae poteſtatis arbitrium); ſëlp-poum (ſtipes, haſta)
jun. 194. 226. monſ. 351. vermuthlich ſtange aus einem
ſtück, wie gr. der pflug αὐτόγυον heißt; ſëlp-ſâƷo (arbi-
ter) wenn ich ſelbſuzzun jun. 194. in ſëlp-ſâƷun richtig
ändere; ſëlp-ſcôƷ (baliſta) doc. 234b; ſëlb-ſuana (arbitrium)
K. 22b 25a 43b; ſëlp-truhtîn (αὐτοκράτωρ) ſëlb-druhtîn
O. II. 4, 152; ſëlp-weli (arbitrium) monſ. 348; ſëlb-walti
(idem) neutr. N. 101, 10. ſëlb-weldî fem.? francof. 17.
21. ſëlp-waltôd (privilegium) jun. 222. ſëlp-waltida hrab.
971b; ſëlp-waltigî (emancipatio) monſ. 377. vgl. ſëlb-wal-
tigêr (liber) N. 87, 6; ſëlb-wart, ſëlb-wartida (privilegium)
doc. 234b; ſëlp-willo (αὐτογνώμη) K. 16a monſ. 409; ſëlp-
zant (n. plantae, mit gezahnten blättern? vgl. das gr.
adv. αὐτοδάξ) jun. 410. doc. 234b. — agſ. ſëlf-æte (nom.
herbae); ſëlf-bana (ſuicida); ſëlf-cvâla (idem); ſëlt-cyning
(αὐτοκράτωρ) Beov. 71. 77; ſëlf-dêma (ſibi judicans); ſëlf-
myrðra (ſuicida); ſëlf-ſcëaft Cädm. 13; ſëlf-ville (vo-
tum). — altn. ſiâlf-ala (ſe ipſum nutriens); ſiâlf-biarga
(αὐτοβοηθός); ſiâlf-byrgîngr (idem) ſiâlf-dœmi (arbi-
trium); ſiâlf-hærîngr (flos lanae); ſiâlf-rædi (libertas);
ſiâlf-þôtti (arrogantia); ſiâlf-vili (arbitrium). — mhd.
[639]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
ſëlb-kur (arbitr.) Mar. 146. — nhd. ſelbſt-dünkel; ſelbſt-
heil (prunella vulg.); ſelbſt-herrſcher; ſelbſt-lauter; ſelbſt-
liebe; ſelbſt-mord; ſelbſt-ſucht; gleichbedeutend damit iſt
eigen-: eigen-dünkel, eigen-liebe, eigen-ſinn, eigen-wille.


ſiuks (aegrotus): ahd. ſiuh-tuom monſ. 405. — altn.
ſiúk-dômr; ſiúk-leiki. — mhd. ſiech-eit f. ſiech-heit Barl.;
ſiech-hûs MS. 1, 102b ſiech-tuom Parc. 122a. — nhd. ſiech-heit.


altn. ſkammr (brevis): ſkamm-biti (trabs brevior);
ſkamm-bragd (actio cito tranſiens); ſkamm-degi (bruma);
ſkamm-lîfi (vitae brevitas); ſkamm-orf (manubrium fa-
lus); ſkamm-rif (coſtae ſpuriae); ſkamm-yrdi (convitia);
ſkamm-œdi (agonia moribundi).


ſkeirs (mundus, clarus) agſ. ſcîr: ſcîr-hâme (patria
dilecta) Beov. 142.; ſcîr-mëtod (deus) Beov. 75.; in an-
dern fällen ſcheint das vorſtehende ſcîr ungebunden.


ahd. ſcôni (pulcher): ſcaoni-ſanc (melodia) hrab. 964a.
— nhd. ſchön-färber; ſchön-geiſt; ſchön-ſchreiber; eigen-
namen wie ſchön-feld, ſchöne-wolf u. a.


ahd. ſmâh oder ſmâhi? (vilis, exignus) agſ. ſmëa
(ſubtilis, tenuis) altn. ſmâr (parvus): agſ. ſmëa-mettas
(deliciae) ſmëa-þoncas (contemplationes). — ſmâ-band
(filum tenue); ſmâ-barn (infans); ſmâ-fênadr (grex);
ſmâ-griót (ſcrupi); ſmâ-hrîs (frutex); ſmâ-kram (res mi-
nutae, nhd. klein-kram); ſmâ-lêreft (ſindon); ſmâ-menni
(homo puſillus); ſmâ-meyaland (ſamojeda); ſmâ-munir
(minutiae); ſmâ-qvendi (femella) ſmâ-qvickindi (inſectum);
ſmâ-ſveinn (famulus); ſmâ-vidri (aer tranquillus); ſmâ-
vidr (ſarmenta); ſmâ-vik (opella); ſmâ-þarmar (ilia). —
dän. ſmaa-dreng (famulus); ſmaa-ſten; ſmaa-ting etc. —
ſchwed. ſmå-ſvenn etc.


ahd. ſmal (parvus, exiguus): ſmala-fihu (grex ovium,
im gegenſatz zu dem rind, vgl. altn. ſmali, pecus); ſmala-
firihi (vulgus, gegenſ. zur großen, vornehmen welt) jun.
186. (wo des fehlenden comp. voc. wegen loſes ſmal zu
ſtehen ſcheint); ſmal-fogel (paſſer) N. 103, 17.; ſmala-
hërder (inguina) doc. 218b; ſmale-holz (arbuſta) N. 79,
11.; ſmala-nôƷ (pecus); ſmala-ſât (legumen) citate ſ. 625.;
und manche ortsnamen wie ſmala-bah trad. fuld. 1, 20.
ſmal-eihhahi ibid. 2, 54. — agſ. ſmäl-æl (anguilla); ſmäl-
þëarmas (ilia); ſmæl-þiſtel (parvus carduus). — mhd.
ſmal-ſât (Oberl. 1512). — nhd. ſchmal-fleiſch; ortsnamen
wie ſchmal-kalden etc.


altn. ſtôr (magnus): ſtôr-bœr (vicus); ſtôr-deilur (con-
troverſiae potentum); ſtôr-fê (divitiae); ſtôr-fênadr (ar-
menta, gegenſ. zu ſmâ-f.); ſtôr-fiſkr (balaena); ſtôr-gripr
[640]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
(armentum); ſtôr-grŷti (ſaxa); ſtôr-leikr (magnitudo);
ſtôr-menni (magnas); ſtôr-menſka (magniſicentia); ſtôr-
merki (miraculum); ſtôr-rëgn (nimbus); ſtôr-rædi (ingens
facinus); ſtôr-ſakir (culpae graviores); ſtôr-ſinni (animi
ferocitas); ſtôr-ſtraumr (malina); ſtôr-vidri (ſaeva tem-
peſtas); ſtôr-virki (ingens facinus); ſtôr-yrdi (convitia).


ſvarts (niger): altn. ſvart-âlfar (genii nigri); ſvart-
bakr (larus maximus); ſvart-nætti (conticinium); ſvart-
mûnkr (frater ord. dominicani). — nhd. ſchwarz-adler;
ſchwarz-brot; ſchwarz-kopf (n. pr.); ſchwarz-wald.


ahd. ſuoƷi (dulcis): ſuoƷ-ſanc zwetl. 126a; ſuoƷ-ſtanc
N. 91, 13. — altn. ſœt-leiki (dulcedo). — nhd. ſüß-heit;
ſüß-holz; ſüß-milch (n. pr.)


ahd. zeiƷ (laetus): zeiƷ-lint, zeiƷ-përc, zeiƷi-komo, eigen-
namen. — agſ. tât-vine (n. pr.) — nhd. zeiß-berg (n. pr.)


ubils (malus): ubil-tôjis (malefactor). — ahd. upil-
poum, ubil-boum O. II. 23, 29.; ubil-tât (malefactum)
N. Boeth. 192.; ubil-willo (malivolentia) folgt aus ubil-
willig N. 5, 6. — agſ. yfel-dæd (maleficium) yfel-dæda
(maleficus). — altn. ill-brigdi (malum facinus); ill-deilur
(lites injurioſae); ill-fygli (mala avis, nequam); ill-görd
(maleficium); ill-greſi (lolium); ill-lifnadr (vita nefaria);
ill-menni (nebulo); ill-menſka (malitia); ill-rædi (ſcelus);
ill-ſinni (mala indoles); ilt-ûd (vultus minax); ill-vidri
(ſaeva temp.); ill-vili (malevolentia); ill-virki (maleficium);
ill-yrdi (male dictum); ill-yrmi (anguis noxius); ill-þŷdi
(coetus nebulorum). — mhd. übel-diep MS. 2, 147a; übel-
loch (franz. mal-pertuis, mau-pertuis) Reinh. 1599; übel-
man Nib. 8259; übel-tiuvel Nib. 880. 7900. 8444. Iw. 34c;
in einigen ungebunden? — nhd. übel-that.


ahd. wâhi (ornatus): wâh-pilidi, wâh-pilde (figura) N. 77, 2.


ahd. wâr (verus): wâr-heit (veritas); wâr-quëto (ve-
ridicus) ker. 278.; wâr-ſpëllo ker. 119. — mhd. wâr-heit;
wâr-zeichen (vgl. oben ſ. 481.)


veids? (amplus) ahd. wît: gehört dazu der goth. ei-
genname vidimir d. i. veidi-mêrs? — ahd. wît-chëlli (por-
ticus, räumige halle) neutr. oder fem.? gefolgert aus wît-
chëllen (porticibus) N. Cap. 116., es muß ein ahd. adj. wît-
chëlli, -kelli? (ſpatioſus) dem agſ. vîd-gille entſprochen
haben; wît-ſpëndunga (diſpenſatio) N. 72, 16.; wît-ſueift
N. 72, 2. — agſ. vîd-floga (draco late volans) Beov. 175.
210.; vîd-gangu (late excurrens); vîd-ſcrîdol (id.); vîd-
vëgas (latitudo viarum) Beov. 65. 128. — altn. vîd-ferli
(peregrinatio) vîd-förult (peregrinator); vîd-vângr (cam-
pus patens). — mhd. wît-gevilde (id.) Ben. 171.; wît-
[641]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
weide (late excurrens) Triſt. (wiewohl weide auch adj.
ſein kann). — nhd. weit-ſeld (Adelung h. v.); weit-lauft
liegt vielleicht dem adj. weit-läuftig zu grunde.


veihs (ſacer): wîh-hûs (ſtatuarium) monſ. 398.; ahd.
wîh-përc (ſanctus mons) ker. 145.; wîh-poum (caſſia)
monſ. 349.; wîh-rouh (thus) T. 2, 3, 4. 8, 7. mit wegge-
worfnem h wî-rouh ker. 25. jun. 225. monſ. 322. 331.
O. I. 17, 129.; wîh-ſamenunga (eccleſia) N. 55, 1.; wêha-
dinc (judicium ſacrum, gottes-gericht) lex bajuv. 11, 5.
könnte für wîha-dinc ſtehen? — altſ. wîh-dag (feſtum);
wîh-rôg (thus). — agſ. vîg-bed und vî-bed (ſacra menſa,
ara) Cädm. 40. 41; vîh-gild (idolum, idolatria) Cädm. 79.
— altn. mangelt dieſes adj., aber verwandt ſcheint ihm
das ſubſt. vê (ſacra) und vê-bönd (vincula ſacra) iſt viel-
leicht adjectiviſch componiert. — mhd. wî-rouh Barl.;
wîh-tuom Anno 504. (wo wîchtuom). — nhd. weih-bi-
ſchof; weih-nacht; weih-rauch; der ſtreit der germani-
ſten, ob weich-bild f. weih-bild ſtehe oder von weich
(vicus, mhd. wîch) herrühre, läßt ſich grammatiſch nicht
ſchlichten, bevor die zuſ. ſetzung in einer alten entſchei-
denden form vorgelegt wird. Ein mhd. wîch-pilde, wîh-
pilde, ahd. wîh-pilidi würde beides bedeuten können, agſ.
aber vîh-bileðe (oder vîg-b.) von vîc-b. abſtehen. Ent-
ſcheiden würde auch ein aufgelöſtes: daƷ wîha pilidi
oder: pilidi wîhaƷ für die adj. compoſition, ſo wie: dës
wîhhes pilidi für ſubſtantiviſche.


veitags? (ſapiens) ahd. wîƷac: wîƷac-heit monſ. 402;
wîƷac-tuom monſ. 319; wîƷeg-fogela (augurales alites) N.
Cap. 37.


vilþis (ferus): ahd. wild-ëber (aper ſilveſtris) N. 79,
14. wilt-ſtocch (oleaſter) N. 95, 13. — agſ. vild-dëór (fera)
Cädm. 88. oft geſchrieben vil-dëór Cädm. 86. 87. Beov.
109; vild-fŷr (fulgur); vild-tæſel (n. plantae). — altn. mit
haltendem ableitungsvocal: villi-brâd) aſſum ferinum): vil-
li-dŷr (fera); villi-heſtr; villi-madr (homo ſilveſtris); villi-
naut (urus); villi-ſvîn (aper); villi-vextir (herbae pra-
tenſes); villi-vînvidr (labruſca). — nhd. wild-fang; wild-
graf; bei thieren und pflanzen ſteht lieber loſes adj. z. b.
ein wildes ſchwein, wilder kümmel.


B. verzeichnis nach dem zweiten wort.

Allgemeine formeln ſind hier, wie oben ſ. 550. bei
dem verzeichnis A. (aus wahrſcheinlich gleicher urſache)
nicht viele aufzuführen.


S s
[642]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.

ahd. alp (genius), altn. âlfr: döck-âlfr; hvît-âlfr;
liós-âlfr; ſvart-âlfr. — ein alemanniſcher fürſt bei Am-
mian heißt veſtr-alpus.


bant? (regio, tractus terrae) ein ort (zuletzt kloſter)
in franken banz, vgl. brâ-bant, teiſter-bant (dêſtre-ben-
zon); bantja (incola): eli-benzo (peregrinus); bucino-
bantes (n. gentis) vielleicht ahd. puohhîna-penzon, be-
wohner des buchengaues?


ahd. part (barba): lanc-part. — nhd. blaubart; grau-
bart; roth-bart; ſchwarz-bart.


dags (dies): mhd. nacket-tage, ſiech-tage, rîche-tage
(oben ſ. 490.); veic-tage (mors) pf. ch. 53a 103a.


dêds (factum): ahd. guot-tât N. 67, 10; lieb-tât N. 77,
1. — mhd. guot-tât, übel-tât.


dôms (judicium): ahd. alt-duam (ſenectus) O. I. 4.
103; elilant-tuom (exſilium) wofür ellantuom doc. 209b;
hêr-tuom (dignitas) doc. 252. T. 13, 1. J. 371; heilac-
tuom; rîhhi-tuom; ſuâs-duam (habitatio privata) O. II.
7, 40. V. 10, 14; wîs-duam O. I. 16, 51. 21, 31. 22, 77. 27, 11.
II. 10, 12. V. 1, 100; forawîƷac-tuom (praeſagium) monſ. 319.
— mhd. heilec-tuom; irre-tuom c. p. 361, 81d; rîch-tuom;
ſiech-tuom; wîs-tuom Flore 13a. — nhd. heilig-thum; irr-
thum. — Im genus ſchwanken zwiſchen maſc. und neutr.


fôtus (pes): mhd. bar-vuoƷ (nudipes) c. p. 361, 82c
Vrib. Triſt. 5910; blat-vuoƷ (planipes) Roth. 20a Ernſt
39b 40a. — nhd. baar-fuß; krumm-fuß; platt-fuß.


gaggs (inceſſus): mhd. irre-ganc grundriß 345. — nhd.
frei-gang (n. pr.) — gaggja: ahd. cameit-kenkëo.


hals (collum): ahd. frî-hals. — nhd. dick-hals; karg-
hals; ſatt-hals (Stald. 2, 302.); ſchön-hals (n. pr.); ſtarr-hals.


háubiþ (caput): nhd. breit-haupt; ſchwarz-haupt. —
altn. ſvart-höfdi.


háids (ordo, ſtatus): die ahd. comp. ſind, wie beim ſubſt.
(ſ. 497.) weiblich: arm-heit N. 101, 3; chuan-heit O. I, 7, 1.
IV. 13, 80; dump-heit O. I. 2, 37. V. 25, 60; êwig-heit N.
Boeth. 201; fruot-heit N. 18, 4. 68, 6. Boeth. 29; gameit-heit
(ſuperſtitio) monſ. 411. doc. 213a O. IV. 6, 71; nuzze-heit N.
85, 9; ſihur-heit O. III. 25, 72; ſlaf-heit (pigrities) W. 5,
1; keſuâs-heit N. Boeth. 129; tola-heit (ſtultitia); trûreg-
heit N. Cap. 195; tûber-heit (ignobilitas) monſ. 396; uppig-
heit N. 143, 4; wênac-heit jun. 213. (wo fehlerh. wena-)
wêneg-heit N. 139, 10. Boeth. 201; zaga-heit (ignavia) O.
IV. 7, 152; wahrſch. gehören auch hierher tôt-heit (mor-
talitas) und giwona-heit (ſ. 498.) — agſ. bindet ſich kein adj.
mit -hâd, wie altn. überhaupt kein nomen mit -heidr. —
[643]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
mhd. wird vornämlich die compoſition mit adj. auf -ec
beliebt, das auslautende c verſchmilzt in das anlautende
h und dieſes ch geht, wie alle ahd. ch, nach und nach
in mhd. k über, welche ch- oder k-form unorganiſch
auch da ſtattfindet, wo das erſte wort einfach (nicht mit
-ec abgeleitet) geweſen ſein muß: armec-heit, arm-keit
(f. arm-heit) troj. 22a; bitterc-heit, bitter-keit (f. bitter-
heit) Gotfr. minnel. 2, 1; blint-heit Triſt.; bôs-heit Wigal.
119; edel-keit (f. edel-heit) Barl. Friged. 10a 16b; gefuoc-heit
Triſt.; frümec-heit. Triſt. von frümec (utilis, probus); hü-
beſch-h. Trib. Triſt. 6107; irrec-heit, irre-keit Barl.; jüdeſch-
heit ſchmiede 1710; kuon-heit Nib. 2. kündec-heit Triſt.;
lôs-heit Barl.; gemuot-heit Triſt.; durnehtic-heit Triſt.; ſiech-
eit (f. ſiech-heit) Parc. 193c; ſmâ-heit (f. ſmâh-heit, ſmâcheit)
troj. 22a; geſpenſtic-heit Triſt.; ſtolz-heit Parc. 62c; ſueƷec-
heit, ſueƷe-keit troj. 23a; gewis-heit Triſt.; wîs-heit Barl.;
zage-heit Parc. 81c. Alle dieſe ſind fem., aber c. p. 361,
84a ëben-heit (ſocius, aequalis) maſc. Uebrigens haben
adj. zweiter decl., deren ableitungsvocal in der zuſ. ſetzung
erliſcht, rückumlaut: kuon-heit, bôs-heit. gefuoc-heit,
von kuene, bœſe, gefuege; in edelkeit verhindert ihn das
zweite e. — nhd. hat ſich die zahl dieſer zuſammen-
ſetzungen außerordentlich gemehrt, ſie nehmen die ſtelle
veralteter ableitungen auf -î, mhd. -e ein, gelten daher
nicht, wenn dieſe ableitung ſelbſt fortdauert, z. b. wir
ſagen nicht: groß-heit, lang-heit, lieb-heit, ſchwarz-
heit etc. weil uns noch größe, länge, liebe, ſchwärze zu
gebot ſteht; hingegen: klein-heit, ſtätig-keit, lieblich-keit,
da wir kein ahd. chleinî, ſtâtîgî, liuplîhhî übrig haben.
Die form angehend, ſo behalten 1) heit folgende unab-
geleitete oder reinvocaliſch abgeleitete adj.: all-h. blind-h. bos-
h. derb-h. dumm-h. faul-h. fein-h. feig-h. frei-h. ganz-h.
grob-h. grad-h. halb-h. ho-h. (f. hoh-h.) klein-h. klug-h.
keuſch-h. krank-h. kühn-h. neu-h. rein-h. roh-h. ſchlaff-h.
ſchön-h. ſchwach-h. ſiech-h. ſtarr-h. geſund-h. toll-h. träg-h.
gewis-h. weis-h. gewohn-h. zag-h. Kein rückumlaut in
kenſch-h. kühn-h. träg-h. ſchön-h. (da dieſe adj. jetzt
erſter decl. folgen) wohl aber in bos-h. (von böſe). 2) die
mit -ern abgeleiteten gleichfalls heit: albern-h. lüſtern-h.
nüchtern-h. ſchüchtern-h. 3) zwiſchen heit und keit
ſchwanken die ableitungen -el und er: dunkel-heit, fin-
ſter-heit, ſicher-heit; eitel-keit, übel-keit, bitter-keit, hei-
ſer-k. heiter-k. mager-k. munter-k. ſauber-k. tapfer-k.
Theoretiſch gibt es keinen grund für dieſen unterſchied,
er läßt ſich bloß hiſtoriſch begreifen. Die frühere ſprache
S s 2
[644]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
hatte unorganiſche übelc-heit, bitterc-heit gebildet, nicht
aber dunkelc-heit. ſicherc-heit. 4) keit bekommen alle
mit den adj. auf -bar, -lich und -ſam componierten:
brauchbar-k. dienſtbar-k. fruchtbar-k. koſtbar-k. zerſtör-
bar-k. ſtrafbar-k. theilbar-k.; freundlich-k. fröhlich-k.
häßlich-k. heimlich-k. reinlich-k. ſündlich-k. achtſam-k.
aufmerkſam-k. biegſam-k. furchtſam-k. empfindſam-k. etc.
Nach lich iſt das k für h entſchieden falſch, nach bar
und ſam läßt ſich die zwiſchenkunft eines ableitenden -ec
wenigſtens aus alten beiſpielen (ſ. 557. 574.) entſchuldi-
gen. 5) keit alle auf -ig, welches aber daneben ſtehen
bleibt, ſo daß das ableitungsmittel unnöthigerweiſe dop-
pelt gebraucht wird, einmahl in keit = ig-heit, dann in
dem adj. ſelbſt: ewig-k. flüßig-k. freigebig-k. frömmig-k.
haushältig-k. heilig-k. barmherzig-k. treuherzig-k. hörig-
k. harthörig-k. luſtig-k. ſchwermüthig-k. tiefſinnig-k. be-
ſtändig-k. ſtörrig-k. traurig-k. langwierig-k. etc. ſtatt ewig-
heit etc. Hierher auch die mit -fertig, -haftig, und mäßig:
dienſtfertig-k. ſtandhaftig-k. mäßig-k. 6) unorg. ig-keit
alle, die an ſich zu 1. gehörten und gar nicht mit -ig
abgeleitet ſind: blödig-k. bangig-k. dreiſtig-k. frömmig-k.
kleinigk. leichtig-k. genauig-k. gerechtig-k. ſüßig-k. etc.
ſtatt blöd-h. bang-h. etc. wiewohl man einzelne unter-
ſchiede der bedeutung davon abhängig gemacht, z. b.
klein-heit (parvitas) kleinig-keit (minutiae) *); leicht-heit
(levitas) leichtigkeit (facilitas); mattig-keit und matt-heit
ſind beinahe, feſtig-keit und feſt-heit ganz das ſelbe. Die
mit -los zuſ. geſetzten nehmen gleichfalls -ig an: gottlo-
ſigkeit, treuloſigkeit. Umlaut kann das falſche ig nicht
zeugen (bangig-k. mattig-k. genauig-k.) bei blödig-k. fe-
ſtig-k. feuchtig-k. müdig-k. ſprödig-k. ſüßig-k., iſt er be-
reits in blöde — ſüß zu ſuchen. — Die nnl. ſprache weiß
von keiner dem nhd. heit und keit ähnlichen unterſchei-
dung, um die ſie uns auch wenig zu beneiden hat. Nach
ihren organen bringt der anſtoß des ableitenden ig an
das h keine tenuis hervor, ſondern eine gelinde aſpirata;
vgl. arg-heid, bang-h. blind-h. fel-h. lôs-h. kuis-h. plomp-
h. vrî-h. vrom-h. îdel-h. bitter-h. donker-h. heilig-h.
behendig-h. mâtig-h. treurig-h. zâlig-h. Einigemahl, wo
ein im adj. unbegründetes ig auftritt, vermuthe ich hochd.
einfluß, z. b. in kleinig-heid, lichtig-h. gerechtig-h. Im
mnl. entſprang bei jenem zuſ. ſtoß eine ſtärkere aſpira-
[645]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
tion, nämlich ch, weil dieſes auslautet (1, 501.), ſo daß
dann genau genommen -echeit für ech-heit ſtehet, vgl.
nîdecheit Maerl. 1, 115; mordadicheit, 1, 64; dugedach-
ticheit 2, 53; außer dem zuſ. ſtoß aber reines h: lanc-heit,
ſwart-heit 1, 40, 47. behaghel-heit 1, 247. demſter-heit
1, 6. 259. etc. — Im ſchwed. und dän. befinden ſich viele
compoſita mit -hêt, -hed z. b. ſchwed. bitter-het, god-h.
ren-h. ſvår-h. tro-h. liuflig-h. verkſam-h. likgiltig-h. etc.
dän. bitter-hed, mörk-h. ſœd-h. ſand-h. ſanddrue-h. ſand-
färdig-h. blodtörſtig-h. kiärlig-h. liflig-h. letſindig-h. etc.
deren keines die altn. ſprache kennt. Da ſich aber nur
h, niemals k zeigt, ſo hätte ich ſie ſ. 498, 2. nicht aus
dem einfluß des hochd. herleiten ſollen, ſondern aus dem
des plattd., das ebenfalls nichts von dem hochd. unter-
ſchiede zwiſchen h und k in dieſen wörtern weiß (hoehd.
heimlichkeit, barmherzigkeit plattd. hêmelicheit, barmher-
ticheit). Ihre erklärt ſie unſtatthaft aus dem altn. hâttr.


láiks (ludus, modus, conditio); ahd. keine adj. mit
-leih, noch agſ. mit -lâc, aber viel altn. abſtracta mit
-leikr oder ſchwachformig -leiki: bitur-leiki (acerbitas)
blind-leikr (coecitas) daud-leiki und daudlëg-leiki (morta-
litas) dauf-leiki (languor) diarf-leikr (audacia) diup-leiki
(profunditas) dŷr-leiki (caritas) föl-leiki (palliditas) frôd-
leikr (prudentia) al-giör-leiki (perfectio) kær-leikr, kær-
leiki (caritas) kunn-leiki, kunnug-leiki (notitia) lin-leiki
(lenitudo) lîtil-leikr (parvitas) liúf-leiki (comitas) mikil-
leikr (magnitudo) nak-leiki (nuditas) rag-leiki (timiditas)
ſann-leikr, ſann-leiki (veritas) ſœt-leiki (dulcedo) ſtôr-
leikr (magnitudo) ſterk-leiki (fortitudo) illûd-leiki (trucu-
lentia) u. a. m. Die bedeutung kommt ganz mit dem
hochd. -heit überein, die form berührt ſich mit dem
adj. -lîkr, -ligr. — Im dän. ſind alle dieſe ſubſt. ausge-
ſtorben und durch -hed verdrängt; im ſchwed. dauern noch
einzelne, wie diup-lek, kaer-lek, ſmæ-lek (contumelia) ſtor-
lek (neben ſtor-het) etc., doch überwiegt die compoſition
mit -het bedeutend. Auch in der norweg. mundart ſtor-
leik (magnitudo) Hallag. 121a.


mans (homo): ahd. alt-man; junc-man. — mhd. fre-
vel-man Parc. 106a; frî-man; guot-man; wërt-man Parc.
182b (vielleicht loſes adj.).


mêl (loquela, cauſa): altn, blîð-mæli (blandi loquentia);
hag-mæli (verba lepida); ſann-mæli (veritas); ſpak-mæli (va-
ticinium); ſtôr-mæli (culpa grandis).


mituþs? (gubernator): agſ. ëald-mëtod Beov. 73; ſcî-
mëtod Beov. 75.


[646]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.

nhd. ſinn (animus): froh-finn; leicht-ſinn; ſcharf-ſinn;
tiefſinn; trüb-ſinn.


ſkafts? (indoles): ahd. kimein-ſcaf (commercium) ker.
64. — agſ. gemæn-ſcipe (communio). — altn. blîð-ſkapr
(blanditiae). — mhd. gemeinſchaft; bereit-ſch. Triſt. — mnl.
blî-ſcap Maerl. 2, 410; gram-ſcap 1, 107. 180; lief-ſcap 1,
11; vroet-ſcap 2, 94. — nhd. baar-ſchaft; kund-ſchaft;
lieb-ſchaft; gemein-ſchaft; bereit-ſchaft. Unrichtig war
alſo ſ. 544. die comp. von -ſchaft mit adj. geleugnet wor-
den; ſie iſt bloß ſelten, zumahl in der alten ſprache.


vaúrdi? (dictum): altn. ill-yrdi (maledictum); ſann-
yrdi (veritas); ſtôr-yrdi (convitia).


Bemerkungen zu der eig. comp. des adj. mit ſubſt.


1) das erſte wort, d. h. das adj. läßt ſich zwar häu-
fig, der bedeutung nach, in ein freies adj. auflöſen und
für einzelne fälle mögen zeit und mundart das eine oder
das andere vorziehen. So ſagen wir z. b. nhd. kurz-weile
(nicht kurze weile) aber lange weile (nicht lang-weile,
obwohl lang-weilig) auch ahd. churz-wîla N. Boeth. 66.
mhd. kurze-wîle Triſt. 72; ſtatt hoch-zeit würde uns
hohe zeit unverſtändlich ſein, ahd. zên hôhon gizîtin, thiô
hôhûn gizîtî O. I. 22, 4. IV. 8, 12; N. p. 262a, 17. ſetzt
ſmaleƷ fëho, nicht ſmale-fëho; K. 16b ubilêm tâtim, 17b
cuatêm tâtim; O. I. 25, 10. ſmâhêr ſcalc; unſer nhd. mit-
tag wird noch im mhd. uncomponiert durch mitter tac
gegeben. Die compoſition erfolgt erſt, wenn ein häufiger
gebrauch gewiſſe adj. mit gewiſſen ſubſt. ins verhältnis
geſetzt hat. Gewöhnlich entſpringt dann ein eigenthüm-
licher, feſterer, unfinnlichérer begriff und die zurückfüh-
rung in das loſe adj. iſt meiſtens unthunlich. Süßholz
kann z. b. erklärt werden durch: das ſüße holz, bezeich-
net aber ein beſtimmtes holz, das ſich von jedem andern,
mit gleicher eigenſchaft der ſüßigkeit begabten unterſchei-
det; leicht-ſinn iſt beinahe was leichter ſinn, tief-ſinn
aber von tiefer ſinn ſehr verſchieden. Noch weniger
dürſen compoſita, wie groß-vater, alt-mutter und die
menge ähnlicher überſetzt werden in: großer vater, alte
mutter, indem ſie ganz etwas anderes ausſagen. Ver-
ſchiedne laßen ſich nicht einmahl durch ein adj. zum
zweiten wort deuten, z. b. ſiech-haus iſt ein haus für
ſieche, grob ſchmied einer der grobes geräth ſchmiedet,
altn. lâng-ſög ſerra, quae in longitud. ſecat.


[647]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.

2) formell betrachtet liegt alſo im erſten wort wie-
derum weder ſing. noch plur., noch irgend ein caſus,
weder ſt. noch ſchw. flexion. Nach dem erlöſchen des
comp. vocals fällt es äußerlich mit dem nom. ſg. (ohne
kennzeichen) zuſammen und im einzelnen mag ungewis
ſein, ob compoſition oder ungebundnes adj. ſtattfindet.
Analogie und die obliquen caſus entſcheiden dann.


3)ſein ableitungselement behält das componierte adj.
freilich bei: dunkel-heit, finſter-heit, eben-bild. Gewiſſe
ableitungen verbinden ſich aber ſelten, z. b. -iſc, vgl. jü-
deſch-heit (menneſch-heit iſt vom ſchw. ſubſt. menneſche);
öfter noch -ec, vgl. heilig-thum, ahd. heilac-tuom, hei-
lac-ſtat, wîƷac-heit, wîƷac-vokal, wênac-heit, üppig-keit,
ahd. uppic-heit, mhd. irrec-heit. Die materiellen adj.
(ſ. 176-179.) gehen heutzutage durchaus keine zuſ. ſetzung
ein; vor alters ohne zweifel, wie die noch übrigen eigen-
namen gülden-apfel, eichen-thal, birken-ſtock, birken-
feld etc. darthun. Zwar weiß ich auch kein mhd. bei-
ſpiel außer wundern (= wunderîn, ſ. hernach adj. mit
adj.); im ahd. erſcheinen ortsnamen ziemlich oft mit ſol-
chen adj. componiert: locus qui dicitur maƷƷaltrîna-bërg
trad. fuld. 1, 33. (alſo nicht loſe ſchw. form, welche -îno
forderte); pirchîna-fëld ibid. 1, 14. (ſo leſe ich ſtatt pir-
chane-feld); daƷ haganîna-ſôl fr. or. 1, 674. hier wäre:
daƷ haganîna ſôl möglich, die analogie ſtimmt aber für
zuf. ſetzung); bucino-bant habe ich vorhin erklärt ahd.
puohhîna-panz; ſo verbreitet ſich licht über die form der
bekannten eigennamen boine-burg, früher bômene-burg,
bômine-b. = ahd. poumîna-puruc (arx arboribus conſita)
eſch-wege, früher eſchene-wëc = ahd. eſcîna-wëc (via
fraxinea) *). Ungebundnes adj. ſteht unleugbar in: bir-
kînên ſôlen, wîdînên ſôlen b. Schannat 595. Altn. be-
gegnen die nom. pr. gullin-burſti, gullin-kambi edd. ſæm.
6a 114a ſilfrin-toppr 44a (neben gull-toppr) gullin-ſîma
(funis aureus) 149b; gullinn ſcheint mir wie ſilfrinn adj.
und einerlei mit gyllinn, nicht part. praet. Merkwürdig
ſind die von Biörn angeführten gyllini-öld (ſeculum au-
reum) und gyllini-ſtycki (auramentum), worin das letzte
i aſſimilierter compoſ. voc. ſein könnte? da der ſinn ver-
bietet, es von der münze gyllini herzuleiten.


[648]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.

4) wird mit compar. und ſuperlativ zuſ. geſetzt? ich
kenne gar keine beiſpiele, es ſei denn mit uralten ſuper-
lativen, die wieder poſitiviſch geworden (goth. fruma =
primus) oder mit comparativen, die zu ſubſt. geworden
(ahd. hêriro, hêrro, hërre; jungiro, nhd. jünger) alſo
nicht mehr hierher gehören, oder mit ſcheinbaren, un-
organiſchen ſuperl. (nhd. ſelbſt f. ſelb). Die ſprache leidet
alſo keine compoſition mit fühlbaren geſteigerten graden,
man kann nicht ſagen beßer-mann, beſt-mann; kleiner-
heit, kleinſt-heit wie gut-mann, klein-heit. Das altn.
beſtu-menn (optimates) da beſtu die ſchwache pluralflexion
zeigt, iſt höchſtens uneigentlich zuſ. geſetzt und ſo mag
es ſich auch mit dem aus dem deutſchen recht, aber in
keiner alten form bekannten ausdruck beſt-haupt ver-
halten.


5) das ſchwindende ableitungs-i bei adj. zweiter decl.
veranlaßt im mhd. rückumlaut, z. b. gruon-ſpëht; kuon-
heit, truop-heit, ſchôn-heit etc. Nhd. aber grün-ſpecht,
trüb-heit, ſchön-heit.


6) bei einer anzahl erſter wörter läßt ſich ſchwer ent-
ſcheiden, ob ſie von adj. oder ſubſt. herrühren, z. b. in
giwona-heit kann giwon (ſuetus) und giwona (conſuetudo),
in trût-ſcaf trût (fidus) oder trût (amicus) zu grunde
liegen; dem goth. ubil-tôjis das adj. ubils oder das ſubſt.
ubilô u. a. m.


7) ſchwanken des zweiten worts, d. h. des ſubſt. in
die ſchwache form (ſ. 542. anm. 9.) iſt auch hier bei den
altn. -leikr und -leiki ſichtbar. Die wahrnehmung ſ. 543.
mag aber durch ein agſ. beiſpiel beſtätigt werden. Jud.
11. ſtehet ohne artikel: fæge frum-gâras, mit artikel Cädm.
27. ſe frum-gâra; Cädm. 38. þa frum-gâran. Verdäch-
tige lesarten oder aufgegebne unterſcheidung ſcheinen
demnach Cädm. 28. ſe frum-gâr; 31. frum-gâran; 55.
frôd frum-gâra; 77. þâ frum-gâras.


8) abſtract werdende zweite wörter: -heit, -ſchaft,
-thum, -tag, altn. -leikr. Unter den erſten wörtern
kann man dem ala-, fruma-, fulla- eine gewiſſe allge-
meinheit zuſchreiben.


9) verſchiedne zweite wörter, der form nach ſtarke
ſubſtantiva, bekommen, ohne zutretende ableitung, adjec-
tiviſche bedeutung
. Dahin gehören vorzüglich benen-
nungen, welche α) von beſchreibung der äußerlichen lei-
besgeſtalt genommen ſind: lang-bart, grau-bart, lang-
[649]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
bein, krumm-fuß, ſchön-hals, weiß-hand, kraus-haar,
gel-haar (n. pr.), ſchwarz-haupt, breit-kopf, groß-maul,
gold-zahn etc. vgl. agſ. blâc-hond Bëov. 185. blâc-hlëór
Cädm. 43. Jud. 11. gamol-feax Beov. 48. β) von klei-
dung und waffen, z. b. grün-rock, lang-mantel etc. vgl.
agſ. frum-gâr, ahd. wan-wâfan. Der ſinn iſt offenbar:
lang-bärtig, lang-gemantelt, aber jede ſtändige beſchrei-
bung geht in ſubſtantiviſche natur über (vgl. ſ. 581. anm.
10.). Nicht ſelten tritt indeſſen adjectiviſche ableitung
hinzu, z. b. im goth. láus-hand-ja (leer-händig) láus-
qviþrs (leer-bäuchig), altn. fið-ſkeggr = lang-bart) edd.
ſæm. 46b.


10) zuweilen dreht ſich die compoſition um, das ſubſt.
tritt vorn, das adj. hinten hin, beſonders liebt das die
altn. mundart, für ſchön-haar oder ſchön-härig (pulchri-
comus) ſagt ſie hâr-fagr, für lang-hals hâls-lângr, für
groß-naſe nëf-mikill; mitunter ſetzt ſie das erſte wort
in den genitiv, componiert alſo uneigentlich, z. b. ſvîna-
digr (dickhälſig) vara-þyckr (dicklippig), gleichſam dick
am hals, an der lippe, vgl. die ſ. 620. angeführten blada-
mikill (groß-blätterig).


Adjectiv mit adjectiv (ſ. 627.).

Die bedeutung dieſer zuſ. ſetzungen läßt ſich faßen
theils appoſitionell, ſo daß das erſte wort eine nähere be-
ſchreibung und beſtimmung des zweiten enthält (z. b.
gelb-grün, ein grün das ins gelbe ſpielt; grün-gelb ein
gelb, das ins grüne; alt-greis gleichſam grau von alter),
oder adverbialiſch, z. b. all-mächtig, gänzlich mächtig,
eitel-neu gänzlich neu, zumahl bei in dem zweiten wort
reger verbalbedeutung, z. b. weit-läuftig, late excurrens,
mhd. hôh-ſprunge, alte ſaliens, oder endlich praepoſitio-
nell
, inſofern ſubſtantiviſche bedeutung des zweiten worts
vorwaltet, die bildung des adjectivs faſt nur der com-
poſition zu gefallen geſchieht, z. b. ahd. chlein-ſtimme,
klein von ſtimme, hrein-hërz rein von herz. Denn man
kann in dieſem fall keine vorausgehende comp. mit dem
ſubſt. ſelbſt annehmen, z. b. chlein-ſtimma, hrein-hërza,
aus welcher die adj. bloß abgeleitet wären, da umgekehrt,
ſobald ſubſt. nöthig ſind, dieſe erſt aus dem adj. gebildet
werden müßen, z. b. chlein-ſtimmî, hrein-hërzî. Freilich
berühren ſich dergleichen compoſita mit den vorhin be-
[650]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
ſprochnen, deren zweites wort wirkliches ſubſt. iſt, adj.
bedeutung hat, vielleicht aber findet einiger unterſchied
ſtatt. Lanc-pein wäre z. b. bloß: das lange bein, mit dem
nachdruck auf bein; lanc-peinêr einer, der lang von bei-
nen iſt, den nachdruck auf lang gelegt. Wenigſtens
laßen ſich die einen innern zuſtand ausdrückenden adj.
(-hërz, -muot) nicht in jene beſchreibenden ſubſt. ver-
wandeln. — Alle aus dem adj. comp. gebildeten adverbia
und weibl. ſubſt. belegen nothwendig auch das adj. ſelbſt.


A. verzeichnis nach dem erſten wort.

alls (totus): ala-þarba (ὑστερέων) Luc. 15, 14. das
zweite wort für die ſchw. adj. form genommen *). —
ahd. ſchwanken die quellen zwiſchen ala- und al-, beider
bedeutung mengend (ſ. 627.); ala-beƷiro O. II. 9, 176;
al-ëban-reiti O. V. 19, 99; ala-feſti O. V. 1, 30; ale-garo
(accuratus) N. 7, 13. al-garo (totus) T. 5, 9; ale-gruoni
N. Cap. 65; al-hôni (infamis) O. III. 20, 321; ala-horſc
(alacer) monſ. 406; al-lîh (univerſalis) jun. 193. doc. 201b;
ale-mahtig N. Boeth. 193; ale-gemahſam N. Cap. 22; al-
mahtîc J. 354. 356; ale-ſâlîg N. Boeth. 71; al-walto T. 5,
11; ala-wâr (veriſſimus) O. IV. 19, 39; ala-wâri (beni-
gnus) wirzeb. 979b; ala-ziori O. IV. 15, 96. — altſ. ala-
huît (percandidus); ala-jung; alo-mahtig (omnipotens). —
agſ. bald äl-, bald ëal-, bald ëall- geſchrieben: äl-bëorht
Cädm. 82; äl-cëald (gelidiſſimus); äl-cräftig; ëall-cynn
(omnigenus); ëal-gëaro (confectus, conſummatus) Beov.
8. 94. 167; äl-grêne (viridiſſimus) Cädm. 5. 34. 39; ëall-
gylden Beov. 85. 206; ëall-îren Beov. 174; ëall-îſig (om-
nino glacialis); ëall-geleáflic (catholicus); äl-mihtig (om-
nipotens) Cädm. 8. 79; ëall-ſëolcen (holoſericus); äl-vær-
lîc (benignus); äl-vëalda Cädm. 7. 13. — altn. al-von
all-geſchieden, nach Raſk §. 300. jenes unumſchränkt,
dieſes ſehr (nhd. ganz) ausdrückend; α) al-: al-beinn
(promptiſſimus); al-biartr (pellucidus); al-blâr (omnino
coeruleus); al-blôdugr (totus cruore madens); al-dœla
(humanus); al-fær (permeabilis); al-giörr (perfectus);
[651]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
al-heill (perſanus); al-mâttugr (omnipotens); al-mennr
(vulgaris); al-ſnotr (prudens); al-valdr (omnipotens); al-
vitr (omniſcius); al-vâtr (permadidus) al-þŷdlëgr (huma-
nus). β) all: all-gôdr; all-illr; all-mikill; all-ſtôr; all-
vitr; welche Biörn durch perquam bonus etc. überſetzt,
ſo daß all-vitr (doctiſſimus) von al-vitr (omniſcius) ab-
ſteht. — Dem mhd. al- iſt nicht anzuſehen, ob es aus
ale- oder all- entſpringt: al-balde (adv.) Parc. 152a; al-
bar En. 50c; al-blôƷ Parc. 190b Barl. 129; al-eine (ſolus)
Nib. Triſt.; al-gruene Parc. 162c; al-gelîche (adv.) Nib.
Triſt. Barl., das adj. ſcheint zu ſtehen En. 72a, wo nicht
ungebunden: al gelîche; al-gemeine (adv.) Triſt; al-naƷ
a. Tit. 104; al-bereit Nib.; al-rôt En. 68a Nib. Parc. 152a;
al-ſtille Parc. 136c; al-geſunt En. 75c; al-wâr (veriſſimus)
Nib.; al-wære (ſimplex) Triſt. In dieſen comp. (das
letzte abgerechnet) hat al- die bedeutung des nhd. ganz
(franzöſ. tout-) *). — nhd. fügt ſich all- nicht mehr zu
ſinnlichen begriffen (wie farben), nur zu einigen abſtrac-
ten: all-ein (ſolus) wird nicht flectiert; all-mächtig; all-
mählig (f. all-mähllich); all-gemein; all-täglich; all-ge-
waltig; all-gegenwärtig.


alis? (alienus): alja-kunja. — ahd. eli-diotîc (barbarus)
J. 393. jun. 235. 252; ali-landi (advena) ker. 29. eli-lenti
(peregrinus) T. 193, 5. O. III. 25, 36. el-lenti monſ. 338.
387. el-lende N. 118, 19; eli-rart (barbarus) hrab. 954b
(wo -rartêr, doch iſt kein -rarti anzuſetzen, nach analo-
gie des agſ.) — altſ. eli-lendi. — agſ. ell-rëord (? rëard); ell-
þëodig. — mhd. el-lende (exſul, expers) verderbt en-
lende Vrib. 341. 6726. — nhd. elend f. el-lend (miſer).


alds? (vetus): ahd. alt-zier-gërn (veternoſus) blaſ. 24b.
— mhd. alt-grîs Wh. 2, 185b Morolf 12a; alt-wîſe Parc.
86c. — nhd. alt-deutſch, -heſſiſch, -ſchwäbiſch etc. ſind
bloße ableitungen von componierten ſubſt. (ſ. 629.).


altn. brâdr (citus): brâd-beitr (acutiſſimus); brâd-dauðr
(repente mortuus); brâd-feigr (cito moriturus); brâd-feitr
(praepinguis); brâd-fengr (praeceps); brâd-görr (prae-
cox); brâd-heitr (fervens); brâd-lâtr (avidus); brâd-
lyndr (iracundus); brâd-reidr (vehem. iratus); brâd-vænn
(praeſentis ſpei); brâd-þroſka (praematurus). Dieſer com-
poſition entſpricht nichts in den übrigen dialecten.


fruma (primus): ahd. frumi-rîfi (praecox, nhd. früh-
reif) monſ. 322. 344. 357. — agſ. frum-rîpe. — altn. frum-
ûngr (maturus aetate) edd. ſæm. 216b; frum- vaxta (id.).


[652]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.

fulls (plenus): fulla-tôjis (τέλειος); fulla-vita (idem)
Philipp. 3, 15. — ahd. folla-lidi (robuſtus) monſ. 390. wo
aſſim. vollo-lidi (plena brachia, ſc. habens, denn vollô
lidî darf man nicht annehmen, weil lid maſc., wohl aber
kann es auch ein vom adj. vollo-lidi geleitetes fem. vollo-
lidî ſein, ſtarkarmigkeit) fol-lide (corpulentus) ſteht N.
Cap. 62; fol-chëte (conſentiens) N. Cap. 40. 83. — agſ.
(ful- und full- geſchrieben) ful-blîðe (perlaetus); ful-cuð
(inſignis); ful-eáðe (facilis); ful-frëólic (valde liberalis)
Cädm. 36. vgl. in der lex langob. ful-freal (ahd. fulla-
frîhals?); full-gëaro (perfectus); ful-riht (rectiſſimus);
ful-ſôð (veraciſſimus); full-getrëóve (fideliſſimus); full-
vacor (vigilantiſſimus). — altn. full-aldra (majorennis);
full-fær (viribus pollens); full-giör (perfectus); full-numa
(probe ſciens); full-qvæni (optime uxoratus) edd. ſæm.
177a; full-tîda (adultus). — mhd. vol-muete (animoſus)
Triſt. 149b Hag.; vol-muotec (propenſior) Triſt. 208a
Hag. ſcheint mir beßer, als das oben ſ. 303. angenommne
vol-muetec. — nhd. voll-ährig, -blütig, -bürtig, -gliede-
rig, -gültig, -jährig, -ſtändig, -wichtig, -zählig.


gôds (bonus): gôda-kunds (εὐγενής). — ahd. kuot-lîh
(excellens) aſſim. kuol-lîh, woher guol-lîchî (gloria). —
agſ. gôd-lic.


háuhs (altus): háuh-haírts (ſuperbus). — ahd. hôh-
gërn (altipetax) monſ. 392. — agſ. heáh-hëort Cädm. 86. —
altn. hâ-beinn (longipes); hâ-leitr (ſublimis); hâ-reiſtr
(erectus) vgl. ahd. hlut-reiſti; hâ-var (clamoſus). — mhd.
hôch-gemuot; hôch-klunge MS. 2, 205a; hôch-ſprunge Triſt.
4638. vgl. ahd. grâni-ſprungêr (pubes) flor. 983b.


hlûds? (ſonorus): ahd. hlût-reiſti (clamoſus) K. 29b
lût-reiſte N. 46, 6. 67, 35. 82, 1, 3. 101, 1. etc. — agſ.
hlûd-clipol (ſonorus); hlûd-ſtëfne (grandiſonus); hlûd-
ſvêge (altiſonus). — nhd. noch bei H. Sachs u. a. laut-
reiſig.


ïbns (aequus): ahd. ëpan-alt, ëben-alt (coaevus) monſ.
384. N. Cap. 62; ëben-breit N. Cap. 90; ëban-êwîg O. I.
5, 52; ëben-faro (concolor) N. Cap. 72; ëben-fertig ib.
45; ëben-flîƷig ib. 82; ëben-frôniſk ib. 121; ëben-glat ib.
85; ëben-hôh ib. 90; ëben-lang ib. 90; ëban-lîh (aequa-
lis, coaequalis) T. 32, 6. 64, 12. O. V. 23, 479. ëban-chi-
lih J. 350; ëben-manig N. Cap. 93; ëben-michel ib. 65;
ëpan-muoti monſ. 354. 367; ëban-reiti O. V. 19, 99; ëben-
ſcône N. 143, 12; ëpan-ſlëht (aequus, planus) davon ëpan-
ſlihtî (area) monſ. 391; ëben-wîƷ N. Cap. 102; ëben-ziere
ib. 121; ëben-zorft ib. 86; ëpan-gazumftlîh (unanimis)
[653]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
monſ. 401. — agſ. ëfen-bëorht (aeque ſplendidus); ëfen-
dŷre (aeque carus); ëfen-ëald; ëfen-ece (coaeternus);
ëfen-gelîc, ëfen-lîc; ëfen-rîce; ëfen-ſârig (aeque triſtis);
ëfen-þvare (concors); ëfen-vëord (condignus). — altn.
iafn-giarn (juſtus); iafn-lëgr (aſſiduus); iafn-litr (conco-
lor); iafn-lyndr (conſtans); iafn-nær (ſine ſucceſſu); iafn-
tamr (aeque aſſuetus); iafn-vægr (aequilibris). — mhd.
ëben-alt fragm. 41a; ëben-brûn Triſt.; ëben-grôƷ Triſt.;
ëben-guot Triſt.; ëben-hël (conſonus) davon ëben-hëlle
(conſonantia) Mar. 361; ëben-hêr (aeque potens) Triſt.
Friged. 18a MS. 2, 150b (wo -hërre in -hêre zu beßern)
das ſubſt. ëben-hêre Frig. 21a; ëben-hiuƷe adj.? ſ. oben
ſ. 635; ëben-lieht Triſt.; ëben-gelîch Barl.; ëben-grade
c. p. 361, 1d; ëben-rîche ib. 54c; ëben-ſlëht troj. 6a; ëben-
gewaltec c. p. 361, 54c; ëben-willec; ëben-ziere Triſt.; Wolf-
ram ſcheint dieſe comp. wenig oder nicht zu brauchen? —
nhd. iſt ſie auch faſt untergegangen (man ſetzt mit gleich-
zufammen: gleich-alt, gleich-groß etc.) ich finde nur êben-
bürtig und êben-drähtig.


ahd. îtal (vacuus): agſ. îdel-gëorn (otioſus); îdel-hende
(leer-händig). — mhd. îtel-hende Triſt. 7130. (kein abſol.
gen. oder dat., welcher îtelre fordern würde); îtel-niuwe
(pernovus) Gudr. 25a. b. 59a.


kláinis? (ſubtilis, purus) agſ. clæne: ahd. chlein-lîh
(curioſus); chlein-ſtimme N. — agſ. clæn-gëorn (purit.
amans); clæn-hëort (mundus corde). — nhd. klein-laut;
klein-müthig.


laggs (longus): ahd. lanc-fari (longaevus) hrab. 969a;
lanc-lîpi (longaevus) monſ. 397; lanc-peinni (longipes)
monſ. 409; lanc-ſam (diuturnus) K. 19a (prolixus) doc.
222a; lanc-ſeim? lanc-ſeimi? (longus, tardus) N. Boeth.
137. 204. 210. vgl. lang-ſeimi (diuturnitas) ib. 100 *);
lang-wërig (diuturnus) ibid. 169. — agſ. lang-fär (dura-
bilis); lang-lîfe; lang-lic; lang-ſum (longus, diuturnus,
tardus). — altn. lâng-fœtr (longipes); lâng-gœdr (diutur-
nus); lâng-hendr (longimanus); lâng-lëgr (taedioſus);
lâng-leitr (facie oblonga); lâng-lîfr; lâng-ordr (longus
oratione); lâng-ſamr (longus, taedioſus); lâng-ſtædr (lon-
ginquus); lâng-ſær (prudens); lâng-tentr (dento); lâng-
[654]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
veſæll (diu infelix); lâng-vinnr (diuturnus). — mhd.
lanc-ræche Nib. 5860. vielleicht auch MS. 2, 131a ſo zu
leſen? und 2, 130b mûchel-ræche (heimlich rächend,
ſchadend, vgl. muk ſ. 471.)? lanc-ſeime (adv.) troj. 44a
152c 166c Frib. 1684 (lanc-ſême?) — nhd. lang-füßig;
lang-händig; lang-ſam (nur tardus, lentus, nicht diutur-
nus); lang-wierig.


láus (vanus, vacuus): láus-handja (κενός) Marc. 12,
3; láus-qviþrs (jejunus) Marc. 8, 3; láuſa-vaúrds (vani-
loquus) Tit. 1, 10. — agſ. leás-lic (falſus, fictus); leás-
môd (inconſtans). — altn. laus-hendr (manuum inconti-
nens); laus-lâtr (libidinoſus, losgelaßen, ausgelaßen);
laus-lëgr (inconſtans); laus-mâll (linguae incontinens).


leitils (parvus): ahd. luzil-muatê (puſillanimes) K.
48b. — agſ. lîtel-lic (callidus); lîtel-môd (puſillanimis). —
altn. lîtil-fengi-lëgr (vilis); lîtil-lâtr (humilis); lîtil-fiör-
lëgr (tenuis); lîtil-hæfr (vilis); lîtil-môt-lëgr (id.).


mikils (magnus): mikil-þuhts (arrogans) Luc. 1, 51. —
ahd. mihhil-lîh zu folgern aus michel-lîchi (magnificen-
tia) N. 67, 35; mihhila-môt hrab. 953b mihhil-moad ker.
188. — agſ. micel-lic (magnificus). — altn. mikil-feng-
lëgr (gravis); mikil-hæfr (magnificus); mikil-lâtr (ſplen-
didus); mikil-leitr (facie heroica); mikil-virkr (labo-
rioſus).


ſilba (ipſe): ahd. ſëlp-ſëlpo (idem ipſe) monſ. 395. —
agſ. ſëlf-lic (ſui amans). — altn. ſiâlf-byrgr (nullius rei
indigus); ſiâlf-daudr (morbo extinctus); ſiâlf-frænn von
einem acker, der ſich ſelbſt beſät); ſiâlf-heimſkr (fatuus);
ſiâlf-râdr (ſui juris). — mhd. ſëlp-var (was ſeine natür-
liche farbe hat) Rud. weltchr. — nhd. ſelbſt-gefällig.


ſilds? (rarus), das einfache adj. nicht zu belegen,
ſondern nur zu folgern aus dem adv. goth. ſildana? ahd.
ſëltana, agſ. ſëldan (engl. ſëldom) altn. ſialdan, nhd. ſel-
ten (vgl. rûmana, fërrana, ſîdana, die gleichfalls auf ein-
fache adj. führen); unorganiſch iſt aber das nhd. adj. ſel-
ten (rarus) von dem adv. gebildet worden. Zuſammenge-
ſetzt ſind damit: goth. ſilda-leiks (admirandus) — ahd.
ſëlt-kaluofi (rarus)? es findet ſich von dieſem ſonſt uner-
hörten adj. nur das adv. ſëlt-kaluaffo (raro) K. 25b, denn
als adj. läßt es ſich nicht auf urlaubî beziehen; ſeiner
form nach iſt es mit lafan, laffan (lambere) agſ. lapjan,
vgl. altn. lap (ſorbillum) verwandt und laffant (lambunt)
jun. 212. zeigt ein ſtarkes verbum an (die ſchwache form
hätte leffant, laffônt, laffênt) folglich den ablaut luoſ,
wohin auch das mhd. ſtarke part. praet. erlaffen (abſorptus)
[655]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
fragm. 16b erlaben Bon. 54, 40. zielt. Die bedeutung von
ſëlt-kaluof oder kaluofi könnte ſein: quod raro ſorbetur,
was man ſelten ſchmeckt, merkt, gewahrt. In dem an-
dern comp. ſëlt-ſâni rarus, pretioſus, inſolitus, peregri-
nus) monſ. 325. 388. O. II. 3, 44. IV. 28, 30. iſt das
zweite wort wiederum dunkel; ſtammt es von ſëhan (vi-
dere) und ſteht es für ſahani, ſâhani (wie gruoni f. gruo-
hani, ſ. 632.)? bedeutet es viſibilis? dann wäre ſëlt- hier
mit dem ſinn des geſichts, wie vorhin mit dem des ge-
ſchmacks zuſ. geſetzt. — agſ. ſëld-cuð, ſël-cuð (raro no-
tus, peregrinus); ſëld-lic, ſël-lic, ſil-lic (mirabilis). —
altn. ſiald-ſênn (viſu rarus) neben ſiald-ſêðr, ſo daß ſênn
für das part. praet. (ahd. ſëhan) angeſehen werden kann,
wie das gleichbedeutige ſiald-fenginn. — mhd. ſëlt-ſæne.
— nhd. entſtellt in ſëlt-ſam.


ſeiþus? (laxus, demiſſus, tardus) altn. ſîðr: ſîð-bær
(ſerotinus, von einer ſpät kalbenden kuh); ſîð-grani (barbâ
longâ); ſîð-höttr (pileo demiſſo); ſîð-ſkeggr (barbâ longâ)
drei beinamen Odins edd. ſæm. 46b 48b.


vans? (vanus, vacuus, inops): ahd. wana-heil (debilis)
K. 38b 42b 44a T. 95 wana-heilî (debilitas) monſ. 389;
wan-wâfan (inermis) ker. 162; wana-wizi? (vecors) monſ.
351. (wo ich wanewiza in wanawizê, vecordes ändere).
— agſ. van-hâl. — altn. van-fær (debilis, inops); van-
gæfr (non integer); vau-hêlgr (profanus); van-heill (lan-
guidus); van-mâttugr (debilis); van-vitr (inſipiens). —
nhd. wahn-ſinnig, wahn-witzig, beide von den ſubſt.
wahn-ſinn, wahn-witz geleitet.


veids? (latus): ahd. wît-hende (ſpatioſus manibus)
N. 103, 25; wît-mâri (famoſus) T. 199, 2; wit-ſueifte
(late vagans) N. — agſ. vîd-brâd (ampliſſimus) Cädm. 16;
vîd-cuð (late notus) Beov. 79. 149; vîd-gëll, vîd-gill (la-
tiſſimus, immenſus); vîd-mære (late celebris) Cädm. 36;
oft ſteht dafür ungebundnes adv. z. b. vîde cuð Beov.
160. — altn. vîd-förull (peregrinabundus); vîd-frœgr
(celeber); vîd-kunnr; vîd-lendr (vaſtus). — mhd. wît-
ſweife Rud. weltchr.; wît-weide (lativagus) Triſt. 4637.
vgl. agſ. vîde vâðe Cädm. 89, 4. — nhd. weit-läuftig;
weit-ſchweifig.


ahd. wuntarîn (mirus) mhd. wunderîn, wundern:
comp. ſind ſchon ſ. 556. angeführt.


B. verzeichnis nach dem zweiten wort.

áugis? (oculatus) vgl. and-áugiba (palam, vor augen):
ahd. ſûrauki, ſûr-ougi (lippus, gramioſus, torvus, ſauer-
[656]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
ſehend) monſ. 409. (wo amator, ein neidiſcher, trotziger,
ſchelſichtiger liebhaber?) blaſ. 5a trev. 46a herrad. 186b.
— agſ. ſûr-eáge? ich finde bloß das partic. ſûr-eáged
(lippus, torvus). — altn. frân-eygr (coruſcus oculis) ſæm.
edd. 187a; hvaß-eygr (oculis acutis); ſûr-eygr (lippus,
invidioſus). — mhd. habe ich noch kein ſûr-ouge, was
zu verwundern iſt, gefunden. — nhd. roth-äugig; ſchel-
äugig; auch kein ſauer-äugig (dän. fur-öjet).


bêris? (-fer): die alte ſprache ſcheint hiermit keine
adj. zu binden, erſt mhd. kommt vor irre-bære Triſt.
(vgl. irre-ſam) und nhd. kund-bar, laut-bar, welches
letztere doch auch zu dem ſubſt. laut gehören könnte.


falþs (-plex): manag-falþs Luc. 18, 30. ahd. manac-
falt, agſ. mänig-fëald, mhd. manec-valt, nhd. mannig-
falt, mannig-faltig, engl. manifold, altn. marg-faldr, dän.
mang-foldig.


faris? (means): ahd. lanc-fari (longaevus); murg-fare
(caducus) N. 93, 22. 102, 15. Cap. 117. 130. Boeth. 67.
103. 105. 147. doch wird in den drei letzten citaten â
geſchrieben, wie auch das erſte wort aufklärung bedarf
(vgl. altn. myrkr, tenebroſus, errabundus, murg f. murh,
wie dang f. danh bei N.) Boeth. 217. ſtehet mur-fariu f.
murg-f.


farvs (-color): mhd. blanc-gevar Parc. 107b bleich-
gevar Parc. 106a bunt-gev. Parc. 182a grâ-gev. Parc. 108b
lappec-var (pallidus?) Parc. 117b glîch-gev. (unicolor)
Parc. 115a MS. 1, 101b lieht-gevar Parc. 172b 192b rôt-ge-
var Parc. 175a viurec-var Wh. 2, 101a wunderlich-gev.
Parc. 126b zegelich-gevar Wh. 2, 123b u. a. m. — nhd. ähn-
liche comp. mit -farb lieber mit -farbig, -färbig, -gefärbt.


fris? (liber): mhd. edel-vrî Nib. 3325; lëdec-vrî MS.
1, 40a.


fulls (plenus): ich kenne hiermit componiert nur das
agſ. gâl-ful (libidinoſus), wo es nicht fûl iſt?


gaírns (cupidus): ahd. hôh-gërn (altipetax) monſ. 392;
niu-gërn (novi cup.) fr. or. 1, 939; ſemfti-gërn ibid. —
agſ. clæn-gëorn (puritatis amans); îdel-gëorn (otioſus). —
mhd. niu-gërn Iw. 6b troj. 82b. — nhd. neu-gierig.


hafts (fixus): ahd. chund-haft (notabilis) francof. 37;
hrein-haft (coelebs, eig. puram, caſtam vitam eligens)
ker. 53; ſama-haft (ſolidus) jun. 226. — mhd. irre-haft
Triſt. 9772. müll. (irre-ſam hag. 9892); ſicherhaft troj. 7a;
wâr-haft Barl. Triſt. — nhd. wahr-haft, wahr-haftig.


handis? (manu praeditus): láus-handja (vacuus mani-
bus). — ahd. wilt-hendi (ferus) ker. 158; wît-hendi (ſpa-
[657]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
tioſus manibus). — agſ. îdel-hende. — mhd. îtel-hende
Triſt.; wîƷ-gehende, wîƷ-gehande Triſt.


haírts (-cors): arma-haírts (miſericors) zu folgern aus
arma-haírtei Luc. 1, 50; háuh-haírts Tit. 1, 7. háuh-haír-
tei Marc. 7, 22; hardu-haírts gefolgert aus hardu-haírtei
Marc. 10, 5; hráinja-haírts (mundus corde) homil. — ahd.
arm-hërz (miſericors) O. II. 16, 33. arm-hërzo N. 110, 4.
un-arm-herzi (immiſericors) hrab. 967a vgl. armi-hërzida
K. 24a 28b, die nebenform parma-hërz (un-barma-hërz
ker. 156.) hängt nicht mit parm (gremium) zuſammen
(ſ. 563.), ſondern iſt zu deuten pi-arma-hërz; heiƷ-hërz
(furioſus) zu folgern aus heiz-hërzî (furor) ker. 131. jun.
209; milt-hërz (miſericors) T. 22, 12; preit-hërz (elatus)
ker. 6; un-kilîh-hërz (diſſimilis corde) ker. 96. — altſ.
gêl-hërt (ſuperbus, ahd. keil-hërz). — agſ. blîð-hëort
(laetus corde) Beov. 136. Cädm. 5; clæn-h. (mundus c.);
ëarm-h. (miſericors); grum-h. (dirus) Beov. 127; hât-h.
(furioſus); heáh-h. (ſup.) Cädm. 86; hëard-h. (durus c.);
mild-h. (mitis c.); rûm-h. (amplus c.) Beov. 135. 158;
ſtëarc-h. (firmus) Beov. 171. 190. — nhd. mit herzig:
barm-h. bieder-h. eng-h. gut-h. groß-h. hart-h. hoch-h.
weich-h. — engl. mit hearted: hard-h. hôt-h. mild-
h. etc.


leiks (ſimilis): nur ſama-leiks (idem); ſilda-leiks (mirus).
— ahd. al-lîh (generalis) doc. 201b alle-lîh (publicus) N.
Cap. 61; arma-lîh und armi-lîh (miſer, infelix) O. III. 3, 4. 14,
172, 238. 15, 62. 20, 81. 24, 48. IV. 16, 48. 23, 4. 30, 41. 33, 6.
36, 2. V. 3, 26. 9, 10. (in den beiden erſten büchern braucht
er dies wort nicht) arme-lîh (humilis) N. 73, 19; chlein-l.
(diligens) jun. 202; gotchund-l. (divinus) O. II. 8, 43;
kurz-l. O. II. 21, 30; dara-l. (rectus, par) un-dara-l. (ob-
liquus, dispar) belege vorhin ſ. 625; pidirp-l. (utilis) jun.
232; manacfalt-l. (multifarius) monſ. 395. einfalt-l. (ſim-
plex) K. 55a; faſt-l. (ſolidus) jun. 188. 236; fîn-l. (tener)
doc. 210a; fol-l. (plenus) O. I. 2, 50. II. 23, 12. doc. 211b;
forht-l. (timidus) doc. 211b foraht-l. O. I. 15, 48. II. 4, 192.
III. 1, 18; frafal-l. K. 23a; frawa-l. (laetus) O. I. 17, 111. II.
9, 28. das zweite a iſt comp. vocal; frî-l. K. 57a; frît-l.
(delicioſus) N. Boeth. 65, das erſte wort, für ſich unbekannt,
ſcheint das altn. frîdr (formoſus); fruat-l, (prudens)
jun. 218; cafôc-l. (compactus) hrab. 955b gifuoh-l.
(aptus) T. 51, 4; cafôr-l. (aptus) hrab. 951a 955b jun.
182; hartl. (pervicax) jun. 244; unheil-l. (inſanabilis)
jun. 210; heimiſc-l. hrab. 956a; arm-hërz-l. N. 16, 1;
hêr-l. (excelſus) N. Cap. 84; hirl. hirel. (vehemens, fla-
T t
[658]III. adj. eigentl comp. — adj. mit adj.
grans, purus) N. 57, 10. 118, 167. Cap. 23. 47. 59. 76.
114. 124. falls das erſte, allein ſtehend noch nicht vorge-
kommne wort ein adj. iſt (berührt es ſich mit dem ſubſt.
haírus, gladius?); horſc-l. hrab. 970a horſg-l. O. V. 8, 19.
15, 16; hold-l. (placabilis) N. 24, 10; hôn-l. O. IV. 23,
22; huas-l. (efficax) hrab. 966a K. 16b; ëban-l. K. 21a O.
V. 23, 479; jukunt-l. (jucundiſſimus) ker. 139; jung-l. N. 102,
15; cara-l. (totus) doc. 211b gara-l. O. IV. 24, 61. gari-l. doc.
213a; keil-l. hrab. 965b; gërn-l. K. 16b T. 8, 4; kiri-l. (avidus)
jun. 196. f. kira-l. mit comp. voc.; clau-l. (ſollers) hrab. 967a
jun. 228; grâƷ-l. (ſubtilis) hrab. 964b; crim-l. jun. 238; guot-
l. (glorioſus) J. 369. côt-l. weſſobr. vgl. guallîhhî (gloria) f.
guat-lîhhî; lang-l. (longus) O. IV. 15, 47; leit-l. (exoſus)
jun. 205. leid-l. T. 106; lîht-l. (levis) ker. 36; liup-l. (ele-
gans, amoenus) monſ. 332. 338. 341. 399. liub-l. O. III.
23, 46. IV. 29, 70; camah-l. (commodus) hrab. 955b;
mâr-l. (celeber) jun. 239; gemein-l. (generalis) monſ. 394;
kameit-l. (ſuperſtitioſus) monſ. 409; mihhil-l. jun. 173.
214; milt-l. (largus) hrab. 961a; dêmuat-l. K. 28b uber-
muote-l. N. 54, 13. widarmôt-l. (injurioſus) hrab. 967b;
nâh-l. doc. 266b; nuz-l. jun. 232; offan-l. J. 378. K. 46a
hrab. 957a jun. 244; pald-l. hrab. 952a 664b bald-l. J.
401. jun. 198. O. IV. 13, 41. 17. 16; blîd-l. O. Sal. 58. II.
4, 128. 9, 19. IV. 20, 110; V. 4, 119; rûm-l. hrab. 961a;
ſama-l. ſami-l. O. Lud. 94. I. 1, 122. II. 5, 26. IV. 15,
72; ſamft-l. ker. 178. hrab. 968b; ſcam-l. (brevis) K.
36a; ſmâ-l. (humilis) K. 28b 29a hrab. 954a jun. 232;
ſmëchar-l. (delicatus) hrab. 962b 976a; ſpâh-l. (ſapiens)
T. 138; ſpara-l. (parcus) K. 44b jun. 188; ſtarh-l. N.
35, 9; ſtrang-l. (robuſtus) ker. 242, ſuma-l. (aliquis) jun.
236. francof. 58. ſumi-l. O. IV. 12, 21; ſuâs-l. (familiaris)
jun. 207. O. IV. 35, 60; ſwaƷ-l. (ſuavis) ker. 66. ſuaƷ-l.
O. II. 14, 195. III. 18, 114. 22, 76. V. 12, 180; ſuâr-l.
(gravis) O. V. 23, 273; ſuëpfar-l. (vafer) N. Cap. 77;
tiur-l. jun. 254. diur-l. ker. 56; triu-l. hrab. 964b catriu-
l. ker. 117. driu-l. O. I. 16, 20; dûfar-l. (ſtolidus) O. IV.
31, 12; giwara-l. (cautus) O. I. 17, 94. III. 16, 44. IV.
29, 71. giwari-l. O. II. 5, 7; wâr-l. (verus) O. I. 24, 35.
K. 24a T. 4, 9; wërt-l. (celebris) ker. 56. wërd-l. (muni-
ficus) hrab. 968b unwërd-l. (indignus) monſ. 401. T. 138;
wîſe-l. (intelligens) N. 46. 8. unwîs-l. (inſipiens) monſ.
396; wona-l. (ſuetus) ungawona-l. hrab. 967b; zart-l. (de-
licatus) monſ. 327; zeiƷ-l. (tener) doc. 245b. — altſ. bëreht-
lîc (ſplendidus); cuth-l. (notus); diur-l. (carus); guod-l.
(inſignis); hold-l. (fidelis); liob-l. opan-l.; ſëld-l. (mirus);
[659]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
ſuot-l. (dulcis); ſvâs-l. (privatus, benignus); toroht-l.
(perſpicuus); wâr-l. (verus); wîs-l. (ſapiens). — agſ.
bëald-lîc (audax); bëorht-l. (clarus); blîð-l. (laetus); cuð-
l. (notus); ëarm-l. (miſer); ëfen-l. (aequalis); fäſt-l. (fir-
mus) Cädm. 87. 98; ful-l. (plenus); fûl-l. (turpis); gëong-
l. (juvenilis); gëorn-l. (diligens); gläd-l. (alacer); gôd-l.
(pulcher); hëard-l. (durus); hold-l. (amicus) Cädm. 98;
lëóf-l. (gratus) Cädm. 38. 11; long-l. (diuturnus); mær-l.
(clarus); niv-l. (novus); open-l. (publicus); rûm-l. (am-
plus); ſëld-l. ſël-l. (mirus); ſnël-l. (citus); ſpär-l. (par-
cus); ſôð-l. (verus); ſtrong-l. (validus); ſvæs-l. (blandus);
ſvëotol-l. (manifeſtum); ſvêt-l. (dulcis); torht-l. (illuſtris);
þäs-l. (aequalis); vîs-l. (ſap.) — altn. blîd-ligr (blandus);
faſt-l. (firmus); grimm-l. (trux); hard-l. (ſeverus); hŷr-l.
(benignus, von hŷr, ahd. hiuri); iafn-l. (aſſiduus); liuf-l.
(comis); nŷ-l. (nuperus); röſk-l. (ſtrenuus); rûm-l. (amplus);
ſann-l. (veriſimilis); ſkîr-l. (diſtinctus); þarf-l. (utilis); veik-
-l. (debilis). — mhd. balt-lich (audax) Triſt.; bitter-l. (amarus)
Vrib.; frevel-l. Parc. 79c; frî-l. Triſt.; frô-l. Barl.; grôƷ-l.
(magnus) Parc. 60a 61b 64a Nib. Barl.; guot-l. (nicht mehr
glorioſus, inſignis, ſondern benignus) Parc. 2c 45b Barl.; ho-
veſch-l.; junc-l. (juvenilis) a. Tit. 119; kiuſch-l. (caſtus) Wh.
2, 123a; kurz-l. (brevis) a. Tit. 119; liep-l. a. Tit. 79; lû-
ter-l. a. Tit. 41. 83. MS. 1, 76b; gemein-l. troj. 5c; offen-l.
a. Tit. 152; rîche-l. Triſt. 4063. gewöhnlich aber verkürzt
rî-l. a. Tit. 15. Barl. etc.; ſam-l. (idem)? ich kenne nur das
ſubſt. ſam-lîche (gegenſtück, pendant) fr. bell. 19b (pf. ch.
34a); ſchînbær-l. Triſt.; ſicher-l. Parc. 44b; ſumel. ſüm-l. (ali-
quis); geſwâs-l. Triſt.; træc-l. (ſerus, lentus) Parc. 2a; getriu-
l. Parc. 7c 182b; übel-l. Triſt.; wacker-l. Parc. 54b; gewær-l.
(verus) Barl.; wilt-l. (ferus) Wh. 2, 104a; wîs-l. a. Tit. 116.
u. a. m. — nhd. ält-lich; ärm-l.; bläß-l.; bläu-l.; fröh-l.;
füg-l.; gänz-l.; gröb-l.; grün-l.; güt-l.; härt-l.; höch-l.;
klein-l.; kränk-l.; läng-l.; lieb-l.; gemäch-l.; neu-l.; nütz-l.;
öffent-l. (für öffen-l., vgl. unten die zuſ. ſetzung des lich
mit participien); rein-l.; reich-l.; ſäuer-l.; ſchwäch-l.;
ſchwärz-l.; ſchmäh-l.; ſpär-l.; ſüß-l.; treu-l. getreu-l.;
weich-l.; weiß-l.; gewöhn-l.; zärt-l. u. a. m. — Anmerkun-
gen: 1) der ganz geringe umfang dieſer wortbildungen im
goth. zeigt, daß erſt die nachherige ſprache ihrer be-
durfte. Sama-leiks (ἶσος) Marc. 14, 56, 59. iſt ein verſtärk-
tes ſama, und verhält ſich dem ſinne nach dazu, wie
ὅμοιος zu ὁμός. Luc. 6, 44. überſetzt ſama-láud τὰ ἶσα.
Das adv. ſama-leikô bald ὁμοίως bald ὡςαύτως. Silda-
leiks θαυμαστός, dem ſeltnen, unerhörten gleich. Im
T t 2
[660]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
ahd. ſcheint die ſchon häufige compoſition mit -lîh der be-
deutung des erſten worts kaum etwas hinzuzuthun, chlein-
lîh, pidirp-lîh, cafuoc-lîh etc. heißen nichts anders als
das einfache chleini, pidirpi, cafuoki. Bei ſubſtantiviſchen
zuſ. ſetzungen mit -lîh (ſ. 567.) war die operation wirk-
ſamer, ſie erzeugte adj. aus ſubſt.; hier aber wird, wenn
der nämliche ſinn im vordern adj. liegt, nichts gewon-
nen. Führte nun die bloße analogie darauf, das -lîh mit
adj. zu verbinden, wie man es mit ſubſt. verband? oder
fand genauer betrachtet bei den adj. eine veränderung
des begriffes ſtatt, eine ſchwächung nämlich, inſofern das
-lîh bloße annäherung, ähnlichkeit und nicht völlige
gleichheit ausdrückte? Mir iſt keine ſtelle bekannt, die
hierfür ſpräche und z. b. dem fruot, ſuoƷi ein fruot-lîh
ſuoƷ-lîh, als das beinahe, gleichſam kluge, ſüße zur ſeite
ſetzte. Ebenſowenig finde ich ein mhd. grôƷ-lich, junc-l.,
rî-l., ſicher-l. etc. dem etwas von dem ſinn benommen
wäre, der in grôƷ, junc, rîche, ſicher liegt. Deſto we-
niger kann die verminderung des begriſß im nhd. geleug-
net werden, klein-lich, härt-l. dick-l. etc. iſt nicht klein,
dick, hart, ſondern was klein, dick, hart zu ſein an-
fängt, etwas klein, dick, hart. Am merklichſten iſt der
gegenſatz in den adj. für farben: bläu-lich, gelb-lich, röth-
lich, was ins blaue, gelbe, rothe ſpielt. Aber eben das
macht mir das organiſche einer ſolchen unterſcheidung
verdächtig. Die frühere ſprache kennt kein rôt-lîh für
ſubrufus, ſie hat dafür die ableitung -ht: rôtelëht (ſ. 381.
382.), woraus mit wegwerfung des -t nhd. rötlich, der
ſcharfe begriff der farbenverhältniſſe hernach auf andere
adj. (arm, ärmlich; alt, ältlich; fromm, frömmlich etc.)
übertragen wurde. Einzelne ſcheinen den unverminder-
ten, alten begriff behalten zu haben: fröh-l. reich-l. treu-l.
gewöhn-l. 2) Gleichwohl nehme ich auch für die ahd.
und mhd. ſprache eine durch das -lîh bewirkte änderung
der bedeutung an: ſie wird abſtract, und inſofern frei-
lich geſchwächt. Und da ſich zwar jedes ſinnliche wort
abſtract gebrauchen läßt, nicht aber das abſtracte ſinn-
lich; ſo folgt, daß man in vielen fällen das einfache adj.
ſtatt des comp. mit -lich verwenden könne, nicht umge-
kehrt. Z. b. reichliche gabe und reiche, treuliche hülfe
und treue ſind gleichviel, allein für reicher mann, wildes
thier darf nicht ſtehen reichlicher, wildliches. Dies er-
gibt ſich in der älteren, von jenem farbunterſchied unbe-
helligten ſprache weit klarer. O. braucht ſuaƷlîh bei
den abſtracten wörtern that, muth, gelüſte, milde, zu-
[661]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
weilen auch ſuaƷi, würde aber nur letzteres von honig,
milch, apfel brauchen; armalîh ſetzt er zu muth, wille,
that, bruſt, luſt, ſtrafe etc., hingegen armu wihtir, armê
joh rîchê. Heute können wir nicht mehr ſagen: eine
ſüßliche handlung, ein ärmlicher wille, welches uns ſub-
dulcis, pauperculus heißen würde; mhd. hieß der baum
noch grôƷ, der ſchall, haß grôƷlich; das kind junc, die
jahre junclich. 3) mit dieſer wahrnehmung zuſ. zuhän-
gen ſcheint mir, daß die verhandelten comp. gern in der
adverbialen form, oder als abſtracte daraus geleitete fe-
minina
vorzukommen pflegen. Denn alle adv. ihrer na-
tur nach ſind abſtracter als die adj. Viele der gegebnen
belege, liefern das adv., welches formell das adj. voraus-
ſetzt, aber nach dem ausſterben des adj. länger im gang
geblieben ſein kann. So z. b. ſind von den nhd. adv. frei-
lich, gemein-lich, ledig-lich, ſchwer-lich, wahr-lich, weis-
lich etc. die entſprechenden adj. außer gebrauch und das
engl. -ly iſt zur ausſchließlichen adverbialform gewor-
den. — 4) die compoſition mit -lîh hat ihre grenze und
kann nicht an jedem adj. verſucht werden, z. b. es gibt
kein nhd. lind-lich, raſch-lich, ſchön-lich, ſtark-lich, ob-
gleich ſtarh-lich ahd. war und röſk-ligr altn. iſt. Theo-
retiſch vertragen ſich alle unabgeleiteten oder abgeleiteten
adj. damit, wie die belege weiſen. Nur habe ich die ab-
leitungen mit -g
bis hierher verſpart, weil von ihnen
näher zu handeln iſt. Organiſches -ac, -îc hat im ahd.
kein bedenken: einec-lîh (unicus) N. 77, 69; gorîg-l. (mi-
ſer) O. IV. 26, 16; ſuntrîc-l. (peculiaris) K. 49b ſunderg-l.
N. Boeth. 219; wênac-l. (lugubris) monſ. 409. O. III. 10,
28. IV. 26, 20; wîƷac-l. (propheticus) hymn. 948a, allein
es hebt ſchon ein tadelhaftes -eclîh an, welchem kein ab-
geleitetes -ec zu grunde liegt; vgl. follec-lîh N. 91, 11.
Boeth. 202. folleg-l. N. 107, 13. Boeth. 22. follich-lîho
(late) monſ. 381; minneg-l. N. 50, 20. minnech-l. N. 21,
23. Es gibt weder ein adj. minnec noch follec, ſondern
nur ein fol-lîh (agſ. ful-lic); da nun ein comp. mit- lîh
nicht nochmahls mit -lîh zuſ. geſetzt werden kann und
fol-lîh-lîh unſinn wäre; ſo ſcheint monſ. 381. wenigſtens
follic-lîhho zu leſen (oben ſ. 304.), minnech-l. N. 21. 23.
verſchrieben f. minnec-l. oder minneg-l., das ec-lîh aber
zu nehmen wie das ec-heit f. heit (ſ. 643.). Altſ. kenne
ich nur untadelhafte hêlag-lîc, hriwig-lîc, ſâlig-lîc; agſ.
ſælig-lîc (kein hâlig-l. hrëóvig-l.); altn. heilag-ligr, gö-
fug-ligr (venerandus) naudug-ligr (difficilis) u. a. m. Raſk
bemerkt §. 365., das compoſitum gelte alsdann von leb-
[662]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
loſen ſachen, das bloß abgeleitete adj. von perſonen, wel-
ches zu meiner anſicht von der abſtractwerdung durch
-lîk ſtimmt, daher auch vorzugsweiſe die altn. adv. -ug-
liga, ahd. -aclîhho. Mhd. ſehen wir die zahl der unor-
ganiſchen -ec-lich angewachſen, ſogar ſubſtantiviſche zuſ.
ſetzungen durch einfügung des -ec ſcheinbar zu adjecti-
viſchen geworden. Beiſpiele: armec-lich Parc. 116c be-
hendec-l. Parc. 6a veſtec-l. Barl. hëlfec-l. Parc. 139c 182b
hërzec-l. Barl. koſtec-l. a. Tit. 15. 135. miltec-l. Parc.
183a minnec-l. Parc. 5b 48a 62b a. Tit. 3. 109. pînec-l. Parc.
192c ſchiltec-l. a. Tit. 65. 123. (141. ſchilt-l.) ſnëllec-l.
troj. 3a ſtrengec-l. Parc. 157b ſunnec-l. a Tit. 106. vol-
lec-l. Parc. 42b 72c 116b vorhtec-l. Barl. u. a. m. Ueber alle
will ich nicht abſprechen; ein adj. ſchiltec, pînec, minnec
wird niemand behaupten, ein armec (vgl. erbarmec ſ. 293.)
hëlfec, hërzec (nhd. herzig), ſnëllec, ſunnec (nhd. ſon-
nig) könnte es eher gegeben haben, vielleicht leitete man
ſie aber aus der form -eclich oder -echeit ſpäter her, ſtreng
beweiſen laßen ſie ſich daraus nicht (gegen ſ. 302. 303.).
Tadellos ſind dagegen folgende: blouwec-l. Parc. 110a ge-
dultec-l. êwec-l. Barl. gîtec-l. Barl. grimmec-l. Barl. hei-
lec-l. Frib. kreftec-l. Parc. 49c künftec-l. Parc. 42a liſtec-l.
Parc. 41c 137a. c. mueƷec-l. genendec-l. Wh. 2, 113a reinec-l.
Wh. 2, 118a gerûmec-l. Parc. 58a ſælec-l. Barl. geſëllec-l.
Parc. 1b 41a ſtætec-l. a. Tit. 109. 163. ſtrîtec-l. Parc. 165b vlæ-
tec-l. Parc. 120b vlîƷec-l. Parc. 40a ubervlüƷec-l. troj. 3b ge-
waldec-l. Parc. 64a wërdec-l. a. Tit. 32. Parc. 146c 156c züh-
tec-l. Parc. 46c etc.*). Nhd. ſind wenige -iglich geblieben, die
faſt nur als adverbia vorkommen und in der gewöhnlichen
rede gemieden werden: brünſtig-l. ewig-l. einfältig-l. feſtig-l.
fleißig-l. herzig-l. innig-l. ledig-l. mildig-l. ſelig-l. wonnig-l.
züchtig-l. In der regel ſetzen wir ſubſt. comp. ohne -ig
(pein-l. köſt-l. künſt-l.) oder laßen von jenen adjectivi-
ſchen das -lich weg (künftig, ewig, ſelig). 5) umlaut
begleitet zwar das nhd. -lich (ärm-l. ält-l. härt-l. gröb-l.
güt-l.) doch ſcheint er urſprünglich von ableitendem i
(ſüß-l. füg-l.) oder aſſimiliertem comp. vocal abzuhängen
(ahd. armi-l. für arma-l.) oder zuletzt durch überwiegende
[663]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
analogie allgemein geworden zu ſein; vielleicht wirkte ihn
dieſe ſelbſt bei den ſubſtantiven (ſ. 569.). Das ableitende
i wird im ahd. häufig unterdrückt: kafuor-lîh, kafuoc-l.
von kafuori, kafuoki etc., daher mhd. rückumlaut: ge-
vuoc-l., der im nhd. aufnört. N. ſcheint das -e gern zu
dulden, er ſchreibt wîſe-l. diemuote-l. — 6) die verwandt-
ſchaft des componierenden -leiks mit -láiks (ſ. 503. 645.)
hindert nicht, daß in altn. ſubſtantiven beide nebenein-
ander auftreten, zumahl ſeit der ſchwächung des -lîkr in
-ligr, -lëgr; beiſpiel: mak-lëg-leiki (meritum) von mak-
lëgr (dignus). — 7) es bleibt im allgemeinen unſicher, ob
einzelne dieſer compofita im erſten wort ein ſubſt. oder
adj. haben, z. b. voraht-lîh, adal-lîh können aus vorahta,
adal oder voraht (timens) edili gedeutet werden.


leibis? (vivus): ahd. lanc-lîpi (longaevus) ker. 183.
lang-lîbe N. Cap. 143; gemah-lîbi (commoditas) N. Boeth.
220. — altn. lâng-lîfr; ſkamm-lîfr; ſkîr-lîfr (caſtus).


altn. leitr (ſpectabilis) goth. vláitis?: föl-leitr (palli-
dus); grimm-leitr (trux); grœn-leitr (ſubviridis); hâ-leitr
(excelſus); hvît-leitr (ſubalbidus); kâm-leitr (fuſcus); raud-
leitr (rubicundus); ſæm-leitr (decorus); ſkîr-leitr (ſerenus).


liþis? (-membris): die ahd. ſubſt. kanz-lidî (praepu-
tium) ſcart-lidî (circumſio) N. 94, 4. fulla-lidî (robur) ſetzen
parallele adj. kanz-lidi etc. voraus.


mêls? (-color, pictus) ahd. kimâl, mhd. gemâl: agſ.
gräg-mæl (griſeus) Beov. 199. — mhd. lieht-gemâl Parc.
58b 63b 168c 171b 174c 177a 179o 190b Wh. 2, 8a Ulr.
Triſt. 847; rîch-gemâl Parc. 188c; rôt-gemâl ſchwanr.
1001; vêch-gemâl Parc. 187c 192b.


môds? môdis? (-animis) ahd. meiſt -muot, ſeltner
-muoti: dëo-muot? (humilis) vgl. dëo-muatî (humilitas)
K. 55b N. 21, 22. 24, 18. falls ſich ein adj. dëo weiſen
läßt, wenigſtens ſcheint O. ein adj. thich zu kennen, er
hat untar-thioh I. 22, 113. und davon thioh-muati I, 3,
82, dëo folgt aber beßer aus dem ſubſt. dëo (ſervus) vgl.
oben ſ. 572; ëpan-muot oder -muotî? monſ. 354. 367;
faſt-muat (conſtans) O. II, 10, 43. IV. 29, 8. faſt-muotî
(conſtantia) jun. 230; frawa-muat (laetus) O. V. 23, 363.
frô-muoti (hilaritas) N. 94, 1; hart-muot (obſtinax) häu-
figer mannsname, hart-muotî (obſtinatio) jun. 241; heiƷ-
muot (furioſus) heiƷ-muoti (furor) fem. N. 36, 8. 37, 2.
heiƷ-muati neutr. O. I. 20, 4; huas-muot (acer) folgere
ich aus dem ſpäter entſtellten nom. pr. wahs-muot f.
was-m.; clata-muat (laetus) K. 25a; lanc-môd (longanimis)
ker. 34; lîht-muot (levis) lîht-muotî (levitas) doc.; luzil-
[664]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
muat (puſillanimis) K. 48b; mihhil-moad (magnanimus)
ker. 188. mihhila-môt hrab. 953b; gimein-muot O. IV.
4, 106. N. Boeth. 108; ôt-muot (humilis)? vom adj. ôt?
ôtî? (facilis, levis) altn. audr, zu folgern aus ôt-muatî (hu-
militas) O. I. 3, 68. 5, 133. 7, 13. IV. 6, 85. ôd-muotî T. 4,
5; ſtilli-muot (tranquillus) ſtilli-muoti (tranquillitas) N. 91,
1; ſamft-môti (humilis) ker. 4. hrab. 950a; ſlëht-moati (hi-
laris); tump-muot, dump-muat (ſtolidus) O. V. 9, 81; weih-
muot (lenis) monſ. 389. weich-muotig N. Boeth. 219. — altſ.
hriwig-môd (poenitens); ôd-môd? ich kenne bloß ôd-môdî
(humilitas); ſêrag-môd (afflictus); ſlîd-môd (lubricus). — agſ.
blîðe-môd Cädm. 33. 40. 80. 90; eáð-môd (humilis, lenis);
gâl-m. Beov. 97. Jud. 12; gläd-m. Beov. 134. Cädm. 80;
glëav-m. Cädm. 84; hëard-m. Cädm. 7; hrëóvig-m. Cädm.
19. Jud. 12; lîtel-m. (puſill.); rêðe-m. (aſper) Cädm. 2,
75; ſtið-m. (pertinax) Beov. 191. Jud. 10; ſvið-m. (fortis)
Beov. 123. Cädm. 77. 78. 86; ſtyrn-m. (ſeverus) Jud. 11;
torht-m. (laetus) Cädm. 34. Jud. 9; þancol-m. (providus)
Cädm. 38. Jud. 11; þëarl-m. (vehemens); Jud. 10; väfre-
m. (inconſtans) Beov. 88; vêrig-m. (feſſus) Beov. 65. 117;
vrâð-m. (iratus) Cädm. 14. — mhd. hôch-gemuot Parc. 64a
148c; vrô-gemuot. — nhd. alle mit -müthig: de-müthig;
gleich-m.; groß-m.; hoch-m.; klein-m.; lang-m.; leid-m.;
ſanft-m.; ſchwer-m. In der ſchweiz bedeutet lind-mü-
thig ſumpfig, St. 2, 524.


ahd. rart (diſpoſitus, conſtitutus?) vgl. goth. razda (lo-
quela) das wie mêl, altn. mâl in den begriff von modus,
menſura übergehen kann: ahd. eli-rart (barbarus, pere-
grinus) hrab. 954b; ſama-rart (barbarus) monſ. 349. das
aber gerade den einheimiſchen, gleichartigen bedeuten
ſollte? vielleicht gehört eine negation zu barbarus? oder
wäre ſâmi-rart, halbgebildet zu leſen und das comp. ſ. 553.
anzuführen? — agſ. ell-rëord, ell-rëordig (barbarus, per-
egrinus).


ſams? (ſimilis): ahd. cafoac-ſam (congruus) ker. 14;
irre-ſam (inconſtans) N. Boeth. 217; lanc-ſam K. 19a, über
die nebenform lanc-ſeim vorhin ſ. 653; chilîh-ſam (ſimu-
latus) J. 395; lieb-ſam, gefolgert aus lieb-ſami N. 105, 4,
39; manac-ſ. J. 403. monſ. 409; kimein-ſ. (communis) K.
43a 57a; kimôt-ſ. (commodus) ker. 52. — agſ. lang-ſum.
— altn. lâng-ſamr. — mhd. gehëlle-ſam Triſt.; hêr-ſam
En. 30b fr. bell. 15a; irre-ſ. Triſt.; lîht-ſ. Triſt.; vorht-ſ.
fragm. bell. 20b; wahs-ſ. (acutus) ib. 34b. — nhd. furcht-
f.; lang-ſ.; gemein-ſ.; ſelt-ſam (fehlerhaft f. ſelt-ſan,
[665]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
ſ. 655.); ſpar-ſ.; wach-f. — Die vocalveränderungen
-ſam, -ſum, -ſeim ſind mir ein räthſel.


ſêlis? (felix): agſ. hëard-ſælig (miſer).


vaúrds (verboſus): láuſa-vaúrds. — ahd. wâr-wortêr
(verax) hrab. 976a. — altn. hag-ordr (diſertus).


Anmerkungen zu beiden verzeichniſſen.

1) eine menge ſtattfindender zuſ. ſetzungen des adj.
mit adj. ſind nicht angeführt worden. So componieren
ſich namentlich die farbverhältniſſe auf das manigfaltigſte,
α) mit den erſten wörtern hell-, dunkel-, hoch-, tief-,
rein-, ſchmutzig-: hell-roth; dunkel-blau; hoch-roth;
tief-gelb; rein-blau; ſchmutzig-weiß etc. Die ältere ſprache
auch mit pleih- und ſalo-, vgl. pleih-kruoni goldes (viror
auri) N. 67, 14. altn. bleik-gulr; agſ. ſëalo-brûn; dahin
gehört endlich das häufige ala- bei farben (ſ. 650.) β) mit
einander ſelbſt: roth-blau; grün-gelb; gelb-grün etc. in
welchem fall immer das conſtruierende zweite wort die
hauptfarbe ausdrückt, grün-gelb iſt ein ins grüne fallen-
des gelb, gelb-grün ein ins gelbe fallendes grün. Im ge-
nauen ausdruck dürfen daher beide wörter die ſtelle nicht
wechſeln. Aus der ältern ſprache beſinne ich mich kei-
ner ſolchen zuſ. ſetzung der farbadjective untereinander.


2) daß zuweilen adj. mit ſich ſelbſt componiert wer-
den, habe ich gleich im eingang dieſes cap. ſ. 405. ange-
merkt, weiß aber den belegen ſëlp-ſëlpo monſ. 395; wilt-
wilde MS. 2, 147b noch keine weiteren beizufügen. In
gemeiner volksſprache möchte ähnliches anzutreffen ſein
(du arm-armes kind); es entſpringt daraus eine wirkſame
verſtärkung des begriffs *), der die häufige mhd. umſchrei-
bung des ſuperl. durch den poſitiv und comparativ (lie-
ber denne liep, beƷƷer denne guot) vergleichbar iſt, wo-
von weiter im vierten buch.


3) haften oder wegbleiben des compoſitionsvocals ſcheint
zwar etwas lediglich formelles; doch will ich weitere prü-
fung anregen, ob in ſonſt gleichen erſten wörtern ver-
ſchiedenheit der bedeutung einfluß darauf haben könne?
Wenigſtens unterſcheiden ſich etwas auffallend goth. láus-
[666]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
handja, láus-qviþrs (leerhändig, leerbäuchig) von láuſa-
vaúrds (los, frei im reden); ahd. wan-wâfan (waffenlos)
von wana-heil (ungeſund). Ein gefundnes láuſa-qviþrs,
wana-wâfan würde dieſe bedenklichkeit beſeitigen.


4) ſynonyme erſte wörter ſind: láus- (leer-), îdel-,
van-; zweite: -lîh und -ſam; -hërz und -muot; -gevar
und -gemâl. Doch können ſie ſich nur ſelten vertreten
(láus-handja, îdel-hende; gifuoc-lîh, gifuoc-ſam; heiƷ-
hërz, heiƷ-muot; rôt-gevar, rôt-gemâl) und haben ihre
eigenthümlichkeit in gebrauch und beſtimmung. Man
ſagte preit-hërz, nicht preit-muot, aber lanc-muot, nicht
lanc-hërz; hoch-müthig und hoch-hërzig ſind im nhd.
ſehr verſchieden. Manac-ſam und manac-falt liegen ſich
nahe, aber dieſes bedeutet eigentlich multiplex, jenes tan-
tus. Das mhd. vorht-ſam bedeutet terribilis, vorht-lich
timidus; umgedreht das nhd. furcht-ſam timidus und
fürchter-lîch (f. furcht-l.) terribilis; wiewohl auch mhd.
vorcht-lich für terribilis ſtehet, vgl. ſ. 579.


5) abſtracten ſinn geben die erſten wörter al-, fol-,
frum-; die zweiten -ſam und -lîh, vorzüglich letzteres.
Der begriff des ähnlichen und gleichen wird natürlich
durch andere adj. beſtimmt, der des haftenden, feſten
ſcheint immer ſubſt. zu fordern und nur durch den ein-
tritt der abſtraction läßt ſich begreifen, wie zuweilen
-bære und -haft mit andern adj. verbunden werden kön-
nen (irre-bære; irre-haft, hrein-haft, ſicherhaft). Es
geſchieht ſelten; nie componieren ſich aber -voll, -leer,
-los mit adjectiven.


6) beachtenswerth iſt die art und weiſe, wie das adj.
des zweiten worts, erſt durch die zuſammenſetzung, aus
ſubſt. hervorgeht
und wie ſich dieſe bildungen zu an-
dern verhalten, deren zweites wort ſubſtantiviſche natur
behält:


a) ein ſubſt. kann durch bloße compoſition, ohne
zutritt irgend einer ableitung, adj. werden; es wirft dann
die ſubſtantiviſche flexion weg und nimmt adjectiviſche
an. Das gewicht des zutretenden erſten worts vertritt
gleichſam das derivierende princip und ſichert die unter-
ſcheidung von dem uncomponierten ſubſt. Alleinſtehende
adj. muot, wort, hërz gibt es nicht, nur die ſubſt. muot,
wort, hërza; dagegen ſind lanc-muot, wâr-wort, preit-
hërz wirkliche adj. geworden und laßen die flexionen
lancmuotêr, wârwortju, preithërzaƷ etc. zu. Eine neue be-
ſtätigung der wahren flexionseigenſchaft unſerer ſchwa-
[667]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit adj.
chen form (vgl. ſ. 538.); das goth. -ô, ahd. -a von haírtô,
hërza verfliegt bei dieſer operation (haúh-haírts, hôh-
hërzêr) und kann erſt in der ſchwachen decl. des neu
gebildeten adj. wieder zum vorſchein kommen (þata haúh-
haírtô, daƷ hôhhërza), wie alle andern ſtarken oder
ſchwachen flexionen, in denen ſich ſubſt. und adj. begeg-
nen, nach den umſtänden erſcheinen.


b) die ſprache fügt aber auch bisweilen ein ableitendes
-i dazu, weshalb die ahd. adj. lanc-muoti, wâr-worti
(wâr-wurti), preit-hërzi, huîƷ-henti, wo ſie ſich in die-
ſen oder andern beiſpielen zeigen, untadelhaft ſind. Ja
es iſt nicht unglaublich, daß aus ſolchem -i die nhd. ab-
leitungen -ig in vollblütig, warmblütig, weißhändig,
hochherzig, langmüthig, kleinmüthig, wahnwitzig entſtan-
den ſind, deren umlaut dann etwas anders als ſ. 308. aus-
gelegt werden müſte.


c) im zweifel entſcheidet die flexion zwiſchen ſubſt.
und adj., z. b. lanc-part bleibt ſubſt. und hat den nom.
pl. lancpartâ, nicht lancpartê, aber das mhd. val-vahs
(flavicomus) iſt adj. und hat dem plur. fem. valvahſe Nib.
2307. Hier kann nach zeit und mundart bald das eine,
bald das andere üblich ſein, z. b. bar-fuoƷ ſteht gewöhn-
lich adjectiviſch (Parc. 61c).


d) organiſche adj. der ig-form ſcheinen hauptſächlich
aus ſubſt. zu erwachſen, die ſelbſt ſchon zuſ. geſetzt wa-
ren, z. b. aus agſ. heáh-cräft (architectura) mhd. hôch-
vart ſind heáhcräftig, hôchvertec bloße ableitungen, folg-
lich zu unterſcheiden von den unter b. angeführten nhd.
vollblütig etc., die kein voll-blut vorausſetzen.


e) wo das compoſ. ſchwache form liebt, z. b. im goth.
ala-þarba, láus-handja läßt ſich ſchwer zwiſchen ſubſt.
und adj. entſcheiden; für letzteres etwa bei deutlicher
fähigkeit, ſich durch alle drei geſchlechter zu bewegen.


7) den fällen 6, a. b. liegt kein ſchon componiertes
ſubſt. zu grunde; ſoll es hervorgebracht werden, ſo muß
die ableitung -i mitwirken (ſ. 649.). Aus goth. háuhhaírts
wird háuhhaírtei, aus ahd. lancmuot oder lancmuoti wird
lancmuotî.


8) umgekehrt verwandeln ſich zuſ. geſetzte adj. in
ſubſt. Dahin rechne ich α) die eigennamen hartmuot,
wahs-muot (nach analogie von hadafuns, reginhart ſ. 581.);
hier iſt das ſelbſt erſt aus dem ſubſt. muot entſprungene
adj. -muot wieder ſubſt. geworden. β) die unorg. nhd.
[668]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit verb.
ſubſt. einfalt, kleinmuth und ähnliche, welche für einfälte,
kleinmüthe ſtehen (ſ. 545.).


9) ihre ſtelle wechſeln das erſte und zweite wort, bei
gleicher bedeutung, nicht; das goth. ſamaleiks heißt idem,
das ahd. chilîhſam fictitius, vgl. anm. 1. Dies iſt alſo
anders als beim ſubſt. (ſ. 547.).


Adjectiv mit verbum (ſ. 627. 649.).

Ich ſchlage ganz das ſ. 581. ff. bei der ſubſtantiviſchen
zuſ. ſetzung befolgte verfahren ein.


I. kann das wirkliche verbum adjectiviſch componiert
werden?

1) in der regel nicht, denn für den ausdruck des
näheren verhältniſſes, in dem ſich das adj. zum verbo
befinden könnte, iſt gerade eine eigne form vorhanden,
das adverbium. Das adverbium aber ſtehet gewöhnlich
los und ungebunden.


2) ſcheinbar adjectiviſch zuſ. geſetzte verba ſind nichts
als ableitungen von einem bereits componierten ſubſt. oder
adjectiv, alſo wiederum nothwendig ſchwacher conju-
gation.


α) ſchwache verba aus componierten ſubſt. gebildet.
Bei Ulf. kommen die comp. mit þiuþ- und ubil- in be-
tracht, welche, wie griech. verba mit ἀγαθο- und κακο-,
auf ein zuſ. geſetztes nomen zurückgeführt werden müßen.
So þiuþ-táujan (ἀγαθοποιῆσαι) Marc. 3, 4. Luc. 6, 9. þiuþ-
táujáiþ (ἀγαθοποιεῖτε) Luc. 6, 33, 35. auf þiuþ-táuï (ἀγα-
θοποιΐα
) oder þiuþ-tôjis (ἀγαθοποιός) vgl. ubil-tôjis
(κακοποιός) Joh. 18, 30; ferner þiuþ-ſpillôda (ευηγγελίζε-
το
) Luc. 3, 18. þiuþ-ſpillônds (εὐαγγελιζόμενος) Luc. 8, 1.
auf þiuþ-ſpill (εὐαγγέλιον) *) wofur er immer aívaggêljô
ſetzt. Genauer nach dem griech. iſt váila-ſpillônds (εὐ-
αγγελιζόμενος
) Luc. 8, 1. váila-mêrjanda (εὐαγγελίζονται)
Matth. 11, 5. váila-mêrjan (εὐαγγελίσασθαι) Luc. 1, 19.
4, 18. Ungebunden ſtehet þiuþ táujáis (τὸ ἀγαθὸν ποίει)
Rom. 13, 3. und ubil táujis (τὸ κακὸν ποιῇς) Rom. 13, 4.
þamma ubil táujandin (τὸ κακὸν πράσσοντι) ibid.; ſaei
ubil qviþái (umſchreibung von κακολογῶν) Marc. 7, 10,
da ſich ein ſtarkes ubil-qviþan ſchwerlich annehmen läßt,
[669]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit verb.
ein ſchwaches ubil-qviþôn (κακολογῆσαι allerdings, [εὐ-
λογῆσαι
überträgt er beſtändig durch þiuþjan]; ubil-
vaúrdjan (κακολογῆσαι) Marc. 9, 39. leite ich von ubil-
vaúrds (κακολόγος). Ubil-habandans (κακῶς ἔχοντες)
Matth. 8, 16. Marc. 1, 34. 6, 35. beweiſt kein durchgän-
giges verbum ubil-haban, ubil-haba etc. dem ich kein
ſubſt. unterzulegen weiß, es iſt daher nach andern zuſ.
ſetzungen mit dem part. praeſ. zu beurtheilen. Strenger
dem gr. text folgt das uncomp. ubilaba habandans (κα-
κῶς ἔχ
.) Marc. 2, 17. — Ahd. kann ich keine mit kuot-
oder upil- vorweiſen, denn ubil-habentê (male habentes)
T. 22, 3. gilt nur fürs part. praeſ. und in andern fällen
ſteht loſes adv. z. b. upilo pittantemo (male petenti) K.
40a ubilo ſprëhhantê (male dicentes) K. 28b oder ein lo-
ſer caſus, wie: guotes pëtôt (benedicit) monſ. 325. 395.
Aber folgende gehören hierher; eli-lentôn (captivum du-
cere) von eli-lenti (captivitas) kaelilentôt (captivatus) hymn.
21, 5; ellendôn N. 67, 19. 70, 1; giwis-mëƷôn (definire)
guis-mëƷôn N. Boeth. 100; ginôt-mëƷôn (idem) gnôt-mëƷôn
ibid., ein ſubſt. giwis-mëƷ, ginôt-mëƷ (Boeth. 170.) voraus-
ſetzend; gewâr-rachôn (colligere) N. Boeth. 171. von ge-
wâr-racha?; wîs-ſprâchôn (diſputare, philoſophari) N.
57, 6. Boeth. 93. Cap. 116. von wîs-ſprâcha. Dieſe alle
nach zweiter conj., nach erſter: mitti-vërihen (dimidiare)
mitti-vërihet doc. 225b gimitti-vërihent (dimidiant) monſ.
349. gimitti-verihit (dimidiatus) monſ. 347. von mitti-
vërihi (oben ſ. 636.). Zweifelhaft iſt arg-chôſônt (male-
dicunt) N. 34, 26, da es auch arg chôſônt (maligna lo-
quuntur) ſein kann und läßt ſich ein ſubſt. chôſa bewei-
ſen? vgl. arg wëllen Boeth. 201. — Agſ. frëolſjan (cele-
brare diem feſtum, liberare) f. frëó-halſjan. — Altn. brâd-
hûngra (fame necari); kald-hamra (tudendo indurare me-
talla); friâlſa (liberare); hâ-timbrodo (alte aedificabant)
edd. ſæm. 2a von hâ-timbr; ill-yrda (convitiari). — Mhd.
arc-wænen (ſuſpicari) Triſt. — Nhd. lieb-koſen (blandiri)
von einem verlornen ſubſt. lieb-koſe?; froh-locken f. froh-
leichen von frô-leich (gaudium)?; früh-ſtücken; kurz-wei-
len, lang-weilen; arg-wöhnen.


β) ſchwache verba aus componierten adj. Goth.
ſilda-leikjan (mirari) nach erſter conj. — Ahd. manec-
faltôn (multiplicare) N. 35, 8; kiliup-lîhhôn (venuſtare)
ker. 280. keeinluz-lîchôn N. Boeth. 213; michel-lîchôn
N. 19, 6. 33, 4. 137, 2. nâh-lîhhôn (appropinquare T. 116.
— Agſ. geſingal-lîcjan (continuare); gemæn-ſumjan (com-
municare). — Mhd. offen-bæren Triſt.; manec-falten; ver-
[670]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit verb.
niu-gërnen Friged. 2792. (vgl. miſc. 2, 196.) vom adj.
niu-gërn, aber verniu-gërn MS. 1, 32b vom adj. niu-gër,
beide gleichbedeutig und nicht zu verwechſeln mit dem
undeutſchen vernogieren (renegare) a. w. 3, 9. Wh.
3, 14b.


3) da, wo ſtarke und ſchwache verba adjectiviſcher
compoſition unterworfen ſind, iſt ſie ausnahmsweiſe an
den verbis ſelbſt eingetreten. Hierher rechne ich die adj.
fulls, ïbns, ſama, ſilba und vans.


α) compoſita mit fulls (plenus): goth. fulla-fahjan (ſa-
tisfacere) Marc. 15, 15. Luc. 4. 8; fulla-veiſjan (implere) Luc.
1, 1. — ahd. folle-chomen (perfici) N. 13, 1. Boeth. 232;
folle-gât (adimplet) N. 22, 6; folle-habê N. 25, 6; folle-halt
(conſerva) N. 16, 5; fol-leiſtan (ſuppetere) doc. 211b; fola-
pëtan (rogatus) monſ. 357; folle-recchen N. Boeth. 223; vo-
la-ſiodan (percoquere) vola-ſotan monſ.; folle-ſtuonden (per-
ſtiterunt) N. 76, 11; folle-trang (exhauſit) N. Cap. 129.
fol-truncan (inebriatus) T. 45, 8; folle-trëffen (pertingere)
N. 35, 9; vola-trîpan (peragere) monſ. 376. (wo mir vo-
latripôn fehler ſcheint); folle-tuon (perficere) N. 117, 1.
folle-tuo (perfice) N. 16, 5. folle-tân (perfectus) N. 15, 8;
fol-wahſan (perfectus) J. 397; folle-wërên (permanere) N.
5, 6; folle-wëſen, folle-ſî N. 15, 8; fola-worahta (con-
ſummavit) monſ. 328. 362. Bemerkenswerth ſcheint, daß
verſchiedne denkmähler, namentlich O. etc. dieſer zuſ.
ſetzung ſich gar nicht bedienen, dann, daß die gl. monſ.
fola- ſtatt folla- ſchreibt. — agſ. geſchrieben ful- und
full-, ful-bërſtan (rumpi); ful-bêtan (ſatisfacere); ful-
brëcan (perfringere); ful-dôn (ſatisfacere); full-endjan
(complere); ful-fëaldan (explicare); full-flëon (fugere pe-
nitus); ful-fremman (perficere); full-fyllan (implere);
ful-gangan (adimplere); ful-trûvjan (confidere); full-vyr-
can (perficere). — altn. full-gera (perficere); full-nœgja
(ſatisfacere); full-ſteykja (plene aſſare); full-treyſta (con-
fidere); full-tŷngja (auxiliari); aus andern compoſ., die
Biörn nur im part. praet. anführt, z. b. full-kominn
(perfectus) full-ordinn (adultus) läßt ſich diesmahl auch
auf die übrigen verbalformen ſchließen. — mhd. zwiſchen
vol- und volle- ſchwankend: volle-bringen Barl.; vol-
dienen Wh. 1, 114a; vol-enden Triſt. MS. 2, 113b; volle-
gân Triſt; volle-gründen MS. 1, 47b; volle-komen Barl.
vol-loben MS. 1, 188a; vol-manchen En. 102c; volle-mëƷ-
Ʒen MS. 1, 103a 2, 121a; volle-ſagen Barl.; volle-ſprëchen
Barl. vol-ſprochen Parc. 196c; volle-rihten MS. 2, 142b;
Wigal.; volle-ſtân Barl.; vol-tihten En. 102c; volle-trin-
[671]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit verb.
ten MS. 2, 123b; volle-tuo En. 98a; volle-varn Barl.;
volle-vueren Triſt.; volle-ziehen Triſt. 4519. Nib. 1443;
Wolfram ſcheint dieſe comp. nicht zu lieben. — nhd.
voll-bringen; voll-enden; voll-führen; voll-ziehen; von
vollkommen das part. praet. übrig.


β) mit ïbns (aequus): kein goth. beiſpiel. — ahd.
ëban-dolênti (compaſſus) K. 38b ëpan-tholêm (compatior)
ker. 79; giëpan-mëƷôn (temperare) monſ. 385; geëben-
mâƷôt (aequatus) N. 88, 7; ëpan-pilidôta (complantati)
monſ. 380; ëban-prinkê (conferat) K. 52b; ëban-brûchent
(coutuntur) T. 87; ëban-keſizan (conſidere) K. 57b; ëban-
ſtantanti (conſiſtens) K. 37a. — agſ. ëfen-bliſſjan (congra-
tulari); ëfen-cuman (convenire) praet. ëfen-cvom, ëfen-
gecvom; ëfen-cërran (convertere); ëfen-læcan (imitari);
efen-mëtan (comparare) ëſen-mëten (comparatus); ëſen-
geſpittan (conſpuere); ëfen-þrôvjan (compati); ëfen-vëor-
can (cooperari). — altn. iafn-bodinn (ae-quus); iafn-kŷta
(obganire); iafn-yrda (altercari). — mhd. ëben-hiuƷen
(aemulari) Parc. 161c muſ. 2, 51; ëben-mâƷen (aequipa-
rare) pf. ch. 104a Triſt. 8100.


γ) mit ſama (ſimilis): goth. und ahd. belege man-
geln. — agſ. ſam-vëorcan (cooperari). — altn. ſam-bióda
(convenire); ſam-blanda (commiſcere); ſam-borinn (frater
germanus); ſam-eina (adunare); ſam-fagna (congratulari);
ſam-fenginn (non electus); ſam-glediaz (congaudere); ſam-
harma (adgemere); ſam-hlióda (conſonare); ſam-hrîngja
(conclamare campanis); ſam-hylla (occultare); ſam-hygg-
jendr (conſentientes) edd. ſæm. 266a; ſam-iafna (compa-
rare); ſam-laga (aſſociare); ſam-lîkja (aſſimilare); ſam-
mælaz (conventionem facere); ſam-neyta (convivari);
ſam-reckja (concumbere); ſam-ſinna (conſentire); ſam-
ſetja (componere); ſam-ſlengja (miſcere); ſam-ſvara (ae-
quivalere); ſam-tengja (conjungere); ſam-þryckja (com-
primere); ſam-þyckja (conſentire).


δ) mit ſilba (ipſe): ahd. ſëlp-lâƷan (acquieſcere) doc.
234b ſëlp-lâƷ (deſine) monſ. 412. ſëlp-lieƷ (quievit) monſ.
363. ſëlp-farlâƷan (irritum) hrab. 966a. — mhd. nur mit
den part. praet. ſëlp-ſchouwet Parc. 36a; ſëlb-wahſen
MS. 1, 126b.


ε) mit vans (inanis): ahd. wana-heilit (debilitat) ker.
276. cawana-heilit (debilitatus) hrab. 958b; wan-wëſan
(deeſſe) K. 42b wan-iſt (deeſt, abeſt) K. 22a ker. 16. T.
118. wan-ſint (deſunt) K. 50b wan-ſî (abſit) T. 90. war-
um nicht wana-wëſan, wana-ſî? wegen des häufigen
[672]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit verb.
wan-iſt f. wana-iſt? Auf jeden fall muß das ahd. wan-iſt
anders als das goth. van ïſt Marc. 10, 21. Luc. 18, 22.
genommen werden, das zwar dasſelbe bedeutet, aber den
gen. der ſache regiert, ſo daß van das freie ſubſt. zu
ſein ſcheint. — altn. van-brûka (abuti); van-gëra (deeſſe);
van-haga (deeſſe); van-heidra (dehoneſtare); van-heilga
(profanare); van-kunnandi (imperitus); van-ſkapadr (de-
formis); van-virda (honori detrahere). — mnl. wan-
hagen (diſplicere) Maerl. 1, 376; wan-konnen 1, 440;
wan-trôſten 1, 403.


ζ) einzelne der von α bis ε angeführten zuſ. ſetzungen
können zwar als bloße ableitungen betrachtet und dann
zu anm. 2. gerechnet werden: fol-leiſtan, ſam-laga, van-
heidra von den ſubſt. fol-leiſt (auxilium) ſam-lag (ſocietas)
van-heidr (dedecus); ëben-hiuƷen, wana-heilan von den
adj. ëben-hiuƷe, wana-heil. Keines der ſtarkconjugie-
renden läßt ſich aber ſo ableiten, ſondern beweiſt, daß
die compoſition mit dem verbo ſelbſt vorgegangen iſt,
folglich kann dies auch von den ſchwachformigen gelten.


η) lehrreich werden die zuſ. ſetzungen fulla-, ëpan-,
ſama-, wana-, ſo wie das ihnen analoge ſubſtantiviſche
miſſa- (ſ. 587.) für die geſchichte der partikeln. Offen-
bar machen ſie nur darum ausnahme von der regel, daß
ſich kein nomen mit dem verbum componiert, weil ſie
ihrer lebendigen bedeutung verluſtig geworden, ſich dem
weſen der partikeln nähern. Man ſieht das durch über-
tragung dieſer compoſita ins lateiniſche, miſſa- entſpricht
dem dis-, fulla- dem per-, ëpan- und ſama- dem con-,
co-, wana- dem de-, ab-, alſo lauter partikeln. Ja, es
kann im deutſchen eine partikelcompoſition ganz gleich
damit laufen, z. b. vola-tân heißt grade was durah-tân
bei andern. Sollte nicht auch ihre abſtractwerdung ein-
fluß auf die form zeigen? Aus ahd. volla- wird (min-
deſtens in einigen denkmählern) vola-, wie aus alla- ein
abſtracteres ala-; in alla-, volla-, herrſcht der begriff
der vollheit, allheit, in ala-, vola- die allgemeinere ſtär-
kung; ähnlich iſt mis- aus miſſa-. Sollte ſich ala- gleich-
falls mit dem verbo verbinden? Ich kenne nur ahd.
participia damit componiert, aus denen ich kein völliges
verbum zu ſchließen wage, aber altn. findet ſich al-frœ-
giaz (celebreſcere).


θ) ſolche mit verbis componierbare nomina, deren
ſich wohl noch mehrere entdecken laßen, mögen halbe
partikeln
heißen, völlig ſind ſie es nicht: a) ihrer unab-
[673]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit verb.
trennlichkeit wegen; es gibt kein dem verbo nachge-
ſetztes, überhaupt kein für ſich ſtehendes miſſa, vola,
ëpan(a), wana. Inzwiſchen kommen auch untrennbare
partikeln vor. b) ſie haben (in ihrer älteſten geſtalt) den
comp. vocal, der keiner partikel zuſteht. Ausnahme macht
ſama, das auch als getrennte partikel gilt und auf -a en-
digt, wie in der zuſ. ſetzung.


ι) im ahd. findet ſich neben der comp. mit ëpan-
einigemahl das ungebundne adv. ëpano und in gleicher
bedeutung: ëpano gigrapana (conſepulti) monſ. 395. ëpano
piſoufta (conſepulti) ibid. ëpano givuoctaƷ (confertum)
monſ. 398. Eigentliche compoſition würde hier fordern
gi-ëpan-vuoctaƷ, gi-ëpan-grapana.


4) die altn. ſprache ſcheint, wie ſubſtantiviſch (ſ. 587.
4. β.) auch adjectiviſch einzelne, aber wenige, ſtarke
verba zu componieren, namentlich râng-ſnûa (in obli-
quum detorquere) praeſ. râng-ſnŷ. Schwachconjugierende
wie ſann-fœra (perſuadere) ſann-yrda (convincere) kunn-
gëra (notum facere) können ein zuſ. geſetztes nomen zur
grundlage haben oder will man ſie für uneigentl. compo-
ſita erklären, die aus anwachſendem accuſ. entſpringen?
kunn-gëra f. kunn gëra, wie nhd. kund-machen f. kund
machen.


II. adject. zuſ. ſetzung mit dem part. praeſ.

1) wo in dieſem part. adjectiviſche bedeutung vor-
herrſcht ſcheint es keiner zuſ. ſetzung unfähig, die zwi-
ſchen adj. und adj. eintritt. So gut man mhd. lanc-lîbe
nhd. ſüß-duftig, klein-gläubig ſagt, muß man auch mhd.
lanc-lëbende, êwec-lëbende, nhd. ſüß-duftend, roth-bſü-
hend, klein-glaubend ſagen dürfen. Hier einige ahd. be-
lege: luzil-mëƷenti (parvi pendens) K. luzil-ahtônti (id.)
jun. 174. luzil-wëganti (id.) jun. 217; niwi-quëmanti K. 53b
niu-plôtendi (cruentus) K. 53b hô-gânde N. Boeth. 230. Aus
Ulf. weiß ich nur leitil-galáubjands (ὀλιγόπιστος) Matth.
6, 30. 8, 26. Zu bemerken iſt die formel ala-: ahd. ala-
waltenti O. I. 5, 46; ale-mammendo N. Cap. 22. — altn.
al-ſkînandi (undique ſplendens). — mhd. bei Wolfram be-
liebt: al-gërnde a. Tit. 110. Parc. 10c; al-ſchëmende Parc.
8c; al-ſcrîgende Parc. 59b; al-ſpëhende a Tit. 82; al-ſtênde
Parc. 11b 129a; al-ſwîgende Triſt. 15146; al-ſwindelnde Parc.
165a; al-weinende Parc. 28c 62a 65b 96a 185c 188c 189a
Wh. 2, 28b etc.; hôch-klagende a. w. 2, 53. — nhd. all-
belehrend; all-erheiternd (Göthe); all-wißend.


U u
[674]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit verb.

2) als verbum betrachtet könnte das part. entw. den
acc. neutr. eines adj. oder ein adv. vor ſich haben und
damit uneigentlich componiert ſein? Der acc. iſt einzu-
räumen in fällen, wo auch der inf. gleiche comp. zeigt,
z. b. kund-machen (notum facere) kund-machend, im praeſ.
aber ich mache kund. Im ahd. ziehe ich unverbundnes lu-
zil ahtôn oder eigentlich componiertes luzil-ahtôn vor, vgl.
luzil pidâhtun (parvi duxerunt) monſ. 410. 411. luzil-wâ-
gun doc. 242a. Uneigentliche compoſition mit dem adv.
käme nur für das nhd. zur ſprache, ſeit die form des adv.
mit der des flexionsloſen adj. zuſ. fällt, z. b. unſer ſüß-
duftend, laut-ſingend, tief-athmend läßt ſich aus dem adv.
deuten, weil wir ſagen: ich ſinge laut, athme tief. Bei
ahd. und mhd. compoſitis gilt aber dieſe dentung nur,
wenn die wirkliche, durch die zuſ. ſetzung unzerſtörbare,
adverbiale form vorliegt und dann wird doch die unver-
bundenheit beider wörter vorzuziehen ſein. Das nhd.
laut-ſingend ſcheint mir ahd. heißen zu müßen; hlûto
ſinkanti, mhd. lûte ſingende, wiewohl ich ein eigentlich
componiertes hlûta-ſinkanti, hlût-ſinkanti nicht leugne.
Schon Ulf. ſchwankt zwiſchen ubil-habands und ubilaba
habands (ſ. 669.).


III. adj. zuſ. ſetzung mit dem part. praet.

Goth. mikil-þuhts (ſuperbus). — ahd. alt-quëtan (an-
tiquitus dictum) alt-chëten N. Boeth. 43; niwi-boran
O. I. 12, 25, 39. niwi-chuëman (novitius) K. 54a; niu-
flanzôt N. 127, 3. niwi-ſotan (recens coctum) monſ. 333. 342;
plint-poran ſgall. — altſ. adal-boran. — agſ. ëald-âvered
(tritus); niv-bacen (recens piſtus) niv-calct (rec. calce
illitus). — altn. al-blômgadr (totus in flore) al-bûinn (om-
nino paratus) al-falliun (perſuaſus) al-hugadr edd. ſæm.
144b al-kendr (omnibus notus) al-ſkipadr (plene ordina-
tus) al-ſkotinn (ager totus in gramine) al-taladr (in
omnium ore) al-tekinn (affectus) al-vâpnadr (plene
armatus); auð-bedinn (ſponte largiens) auð-beygdr (facile
flexilis) auð-brotinn (fragilis) auð-fenginn (facilis impe-
tratu) auð-giördr (factu facilis) und andere mehr mit
anð- bei Biörn; biart-haddadr (candide ornatus) biart-
litadr (lucido colore praeditus) edd. ſæm. 142a; fagr-bûinn
(pulchre paratus) fagr-varidr (pulchre amictus) edd. ſæm.
139b; frum-gëtinn (primogenitus); frôd-hugadr (prudens);
hard-hugadr (durus animo); itr-borinn (clarus genere);
edd. ſæm. 147b 150a; itr-ſkapadr (egregie formatus); kald-
rifjadr edd. ſæm. 32a; nŷ-borin kû (vacca foetum nuper
[675]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit verb.
enixa) nŷ-fœddr (recens natus) nŷ-klakinn (idem) nŷ-ko-
minn (novitius) nŷ-qvæntr (nuper nuptus); ſann-kalladr
(vere dictus) ſann-râdinn (revera circumventus); ſæl-bo-
rinn (fauſte natus); ſkamm-taladr (pauciloquus); ſtor-hu-
gadr (magnanimus); ſvinn-hugadr (callidus) u. a. m. — mhd.
alt-ſprochen (ſermone tritus) pf. ch. 26a Karl 28b alt-ge-
ſprochen Ben. 220. 221; lieht-erkant (illuſtris) Parc.; niuwe-
born, niuwe-brochen troj. 55b niuwe-ſliffen Nib.; trût-er-
welt Barl. — nhd. alt-backen; alt-hergebracht; blind-gebo-
ren; frei-gelaßen; friſch-gefallen; friſch-gebrochen; hoch-
geprieſen, hoch-geehrt; los-gelaßen; neu-geboren; neu-ge-
tüncht; roth-beflammt; ſchwarz-gefärbt u. a. m. Deut-
liches zeichen, daß die compoſition nicht das ganze ver-
bum, bloß das part. angeht, iſt die ſtellung der partikel
ge- in der mitte beider wörter; gälte ein verbum alt-
ſpreche, alt-ſprach, friſch-falle, friſch-fiel, ſo würde das
part. gealtſprochen, gefriſchfallen lauten (ſ. 582.). — Aus
dem ſchwed. führe ich, ihrer ſonderbarkeit wegen, die
zuſ. ſetzung mit -vulen an, welches ein entſtelltes part.
praet. iſt, aber nicht, wie Ihre meint, aus -vorden, viel-
mehr aus dem altn. -ollinn von valda (1, 927.) ſchwed.
vålla. Man componiert: knarr-vulen (moroſus) vom altn.
knârr (ſtrenuus) ſûr-vulen (auſterus) von ſûr (acidus) ill-
vulen (miſer) und ſo auch mit dem ſubſt. karl: karl-wu-
len (virilis). Norweg. ille-vorren Hallag. 144a kare-vor-
ren ibid. 57a (vörre = völle, ibid. 145b). Dän. knar-
vorn (moroſus). Ein altn. knâr-ollinn, ſûr-ollinn, karl-
ollinn habe ich nirgends geleſen.


IV. adject. zuſ. ſetzung mit dem inf.

Daß nhd. compoſita wie frei-ſprechen, hoch-achten,
hoch-ſchätzen, irr-leiten, irr-führen, los-geben, gleich-
ſtellen, gleich-ſetzen, gering-achten, gering-ſchätzen, ſelig-
machen, ſelig-ſprechen u. a. m. bloß den inf. (allenfalls
die participia), nicht das übrige verbum betreffen, leuch-
tet ein. Im praeſens ind. löſt ſich die verbindung auf:
ich ſpreche frei, achte hoch; im part. praet. tritt das ge-
nicht vornen hin (gefreiſprochen) ſondern in die mitte
(freigeſprochcn). Es iſt nur ſchwer zu ſagen, auf welche
weiſe die compoſition mit dem inf. ſtattgefunden hat.
War ſie eine eigentliche, ſo kann fie ſehr alt ſein. Rückte
aber der vorgeſetzte acc. oder das adv. an das verbum,
ſo ſcheint ſie erſt in der ſpätern zeit zu ſtande gekommen.
Ein urtheil hierüber wird ſich aus den unterſuchungen
im folgenden buche ergeben, welche conſtruction der
U u 2
[676]III. adj. eigentl. comp. — adj. mit verb.
älteren deutſchen ſprache bei den verbis aeſtimare, du-
cere, dicere, judicare etc. angemeßen war. Bei ſprëchen
ſtehet z. b. meiſt der acc. der perſon, auf welche das adj.
geht (liberum pronuntiare) bei ahten ein auf die perſon
des achtenden bezügliches adv. oder ein auf den gegen-
ſtand gerichtetes adj. Nur fällt grade in wörtern, die
hier in erwägung kommen, ſchon in frühſter zeit die
form des adv. mit der des adj. neutr. zuſammen, z. b.
das goth. leitil, ahd. luzil bedeuten bald parum (adv.)
bald parvum, modicum (adj.). Iſt alſo luzil ahtôn (pa-
rum aeſtimare) oder luzil ahtôn (modicum judicare) oder
eigentlich componiert luzil-ahtôn (parvipendere) recht?
den umſtänden nach wohl jedes derſelben und für eig.
zuſ. ſetzung beweiſt auch das lat. wort. Citate ſtehen ſ. 674.


II. adjectiviſche uneigentliche compoſition (ſ. 624.)

tritt ein, wenn das erſte wort adj. flexion zeigt, die mit
in die zuſ. ſetzung aufgenommen worden iſt.


1) geſchieht dies organiſcherweiſe, d. h. ohne daß die
conſtruction widerſträubt, ſo wird entw. das adj. die ſtelle
eines ſubſt. vertreten, z. b. im nnl. nieus-gierig (novi
cupidus), welches die niederheſſ. volksmundart wie neu-
ſchierig ausſpricht; oder es iſt hinter dem adj. ein ſubſt.
ausgelaßen. Dahin gehört vornämlich die häufige, vor
dem ſuperlativ ſtehende formel aller-, z. b. nhd. aller-
liebſt, aller-ſchönſt (omnium cariſſimus, pulcherrimus).
Das ſubſt., von dem die rede iſt, wird hinzugedacht, die
aller-liebſte frau heißt: die liebſte unter allen frauen, die
liebſte aller frauen. In der goth. ſprache, der einzigen
unter den deutſchen, die im gen. pl. geſchlechter ſchei-
det, würde daher bald alláizê ſtehen, bald alláizô, ſicher
aber uncomponiert, z. b. alláizê (manne) batiſts, alláizô
(qvinônô) batiſta; alláizê aftumiſts (πάντων ἔσχατος) Marc.
9, 35. Ahd. durchgängig allêrô und wiederum unver-
bunden: allêrô ôdhmuodigôſto (humillimus) J. 375. allêrô
meiſt (omnium maxime, magnopere) K. 35a 38b O. V. 12,
181. allero hartôſt N. 33, 22; allero ëbeneſto N. Boeth. 219.
zuweilen wird das ſubſt. dabei geſetzt: allêrô wîbô zeiƷôſta
(ſo die Freiſinger Handſchr.) O. I. 5, 32. aller goldo beƷƷeſta
W. 5, 11. bedeutet was: allêrô zeiƷôſtaƷ wîp, aller beƷƷeſtaƷ
gold. Agſ. ëalra lëófoſt (dilectiſſimus) ëalra ſviðoſt (for-
tiſſimus); altn. allra flêſtir (omnium plurimi) edd. ſæm.
[677]III. adjectiviſche uneigentliche compoſition.
164b. Mhd. kann man uneigentliche comp. annehmen,
da ſie die ſicherung der flexion -e in alre-gërneſt (luben-
tiſſime) erklären hilft, es ſtehet aber auch bloßes aller,
z. b. aller-beſt, aller-êrſt, alrêrſt (primum) aller-wirſeſt
(peſſimus) Nib. 8004. aller-hêreſt Barl. aller-ſchœnſt Parc. 57c
aller-grôƷeſt kl. 287. etc. Dazwiſchen geſtelltes ſubſt. hin-
dert die accretion, z. b. aller dirnkinde beſte Maria 50.


2) die unorganiſchen fälle dieſer compoſition gründen
ſich auf verhärtung einer flexion, die urſprünglich nur
einen beſtimmten caſus bezeichnet und nun auch für an-
dere mitgilt. Der nhd. nom. mitter-nacht entſpringt aus
dem häufigen gebrauch des gen. und dat. mitter nacht;
mhd. ſagte man noch richtig: umbe mitte naht Wigal.
205. nâch mitter nacht ibid. 267. ſo wie mitter tac, mit-
tes tages, mittem tage, mitten tac, mitter morgen etc.
Das nhd. mit-tag, gen. mit-tages iſt untadelhaft, nämlich
eigentliche compoſition. Seitenſtück zu unſerm mitter-
nacht iſt das ſchwed. unger-ſven, dän. unger-ſvend (ju-
venis), das für alle caſus gebraucht wird und doch nur
dem nom. zukommt, vgl. ſv. folkv. 3, 150; in nhd. ei-
gennamen z. b. lieber-mann, liebes-kind begegnet dieſelbe
anomalie. Unzähligemahl in örtlichen namen und manns-
namen, die aus ſolchen örtlichen erwachſen. Die alte
ſyntax ſtellt ortsnamen meiſt in den dativ, mit den prae-
poſitionen aƷ, zi, in u. a.; noch mhd. diu ſtat ze wor-
meƷe (nhd. die ſtadt worms). Da nun gleichnamige ör-
ter durch beigefügte adj. unterſchieden werden muſten,
ſo entſtand eine menge von benennungen, wie: zum hei-
ligen kreuz, hohen berg, hohen fels, kalten born, langen
ſtein, ſchwarzen fels, weißen ſtein; zur alten burg, heili-
gen ſtadt, neuen kirchen, rothen kirchen; zu reichen
ſachſen, hohen linden; namen fügen ſich aber leicht in
ein ganzes zuſammen (ſ. 600.) und das componierte kal-
ten-born, langen-ſtein herrſchte auch für die übrigen
caſus. Bewohner der gegend ſelbſt, die den grund des
namens verſtanden, declinierten das adj. ſicher am läng-
ſten: der rothe ſtein, des rothen ſteins, am rothen ſtein;
entferntere hielten ſich an die dative form, in welcher
er zu ihnen gelangt war. Wie frühe ſolche uneigentliche
compoſita vorkommen? das älteſte mir bekannte beiſpiel
(in freilich ältern lat. diplomen hat man keine ſicherheit
der conſtruction) ſteht N. 71, 16: uber hôm-bërch (lyba-
num) acc., was ſich kaum anders deuten läßt, als hohen
berg, zumahl hin und wieder der ortsname hom-berg,
hom-burg gefunden wird, [m ſcheint rückwirkung der
[678]III. verbale compoſition.
folgenden labialis, wahre form hôn-përc, vgl. hôn-bërc
MS. 1, 24a, neben hôhen-burc 1, 17a hôhen-vëls 1, 83b].
Aus den örtlichen namen entwickelten ſich allmählig per-
ſönliche: alten-ſtein, ſchwarzen-berg und dergl.


3) altn. oder vielmehr iſländ. ſcheint bisweilen der
nom. ſg. adj. ſchwacher decl. in die zuſ. ſetzung verhär-
tet, vgl. bei Biörn die neutra ſvarta-braud (panis ater)
ſvarta-blôd (cruor) kalda-bad (baln. frig.) kalda-kul (fri-
gus); das maſc. ſvarti-brôdir (frater ord. domin.); den pl.
hvîta-dagar (pentecoſte) u. a. m. Einen compoſitionsvocal
darin zu ſehen hüte man ſich.


§. 3. verbale compoſition (ſ. 410.).


Einleitung: a) die zuſammenſetzungen der adjectivi-
ſchen participien und des ſubſtantiviſchen infinitivs ſind
von der hauptfrage abzuſondern. Ihre verbale (nicht
ihre nominale) flexion geht begreiflich mit in die compo-
ſition ein, ohne daß dieſe dadurch zur uneigentlichen wird.


b) das wirkliche verbum componiert ſich nicht anders
als eigentlich. Etwas dem abhängigkeitsverhältniſſe, wor-
in ein vorgeſetztes nomen zu dem unmittelbar folgenden
nomen ſteht, analoges läßt die natur und ſtellung des ver-
bums nicht zu. Das nomen wird von dem verbum re-
giert, nicht das verbum von dem nomen, und jener rec-
tion entſpricht eine freie, bewegliche ſtellung des ver-
bums, die es ſelbſt in dem ſeltneren fall, wo es dem nomen
vorangeht, abhält, ſich näher damit zu verbinden. Die
verbalflexionen ſind auch theils ungleich manigfalter,
als die caſus, theils ihrem (oft nur vocaliſchen) elemente
nach unfüglicher. Am denkbarſten wäre noch eine un-
eigentliche compoſition des flexionsloſen ſing. imperat. mit
dem dahinter ſtehenden nomen und wenigſtens bietet die
ſpätere ſprache einige beiſpiele davon in eigennamen dar,
aber faſt nicht ohne einmiſchung von artikel und prae-
poſition, weshalb ich ſie in §. 8. verweiſe.


c) die eigentliche verbalcompoſition erfordert den rei-
nen (einfachen oder abgeleiteten) von aller flexion ent-
bundnen ſtamm des verbums. Weder ein zeichen der
perſon, noch des modus, noch des tempus findet eingang
in die zuſ. ſetzung. Hieraus fließt, daß jede verbale zuſ.
ſetzung den laut des praeſens haben müße und ſowenig
mit dem ablaut, als mit dem vergangenheitskennzeichen
[679]III. verbale compoſition.
ſchwacher conj. geſchehen könne. Wir ſagen grab-ſcheit,
ſchreib-feder, gieß-haus, nie aber etwas wie grub-ſcheit,
ſchrieb-feder, goß-haus. Wo ſich ablaut im erſten worte
einer compoſition zeigt, ſetzt er ein nomen voraus. In
dieſem ſatz finde ich beſtätigung deſſen, was ſ. 79. 83. über
den laut und ablaut geſagt wurde, zugleich einen merk-
würdigen unterſchied der compoſition von der derivation,
welche allerdings auch an ablautigen formen ſtattfindet
(ſ. 399. 490.). Da übrigens der laut des praeſens in eini-
gen ſtarken conjugationen veränderung erleidet (1, 863-
865.). ſo iſt zu wißen, daß in der zuſ. ſetzung der laut
des praeſ. ind. plur. oder des inf. gilt, z. b. eß-luſt, eß-
bar, gieß-kanne, vergieß-bar, nicht iß-, geuß-. Aus-
nahme machen das mhd. und nhd. ſprich-wort (prover-
bium) ſt. ſprech-wort (nnl. ſprêk-wôrd; nhd. ſprüch-wort
zu ſchreiben ſcheint ganz tadelhaft) und das mhd. genis-
bære, genis-lich, nhd. behilf-lich.


d) der verbalcompoſition liegt, gleich jeder andern
eigentlichen, ein compoſitionsvocal zu grunde, über deſ-
ſen ſtattfinden, haften, miſchen mit ableitungsvocalen und
wegfallen die nämlichen wahrnehmungen gelten. Beiſpiele
geben die hernach anzuführenden belege.


e) die zahl der verbalen compoſita iſt weit geringer,
als die der nominalen. Selbſt im nhd., das die meiſten
beſitzt, kommt etwa nur eine auf funfzig nominale, im
mhd. und ahd. erſcheinen noch wenigere. Bei Ulf., der
freîlich nicht viel über hundert nominale zuſ. ſetzungen
darbietet, iſt ſich daher nicht zu verwundern. daß keine
einzige verbale angetroffen wird. Die urſache liegt in
der natur der ſache. Durch die nominale compoſition
werden ganz geläufige verhältniſſe der nomina unterein-
ander feſtgeſetzt, das ſchon ſtätige gelangt in noch faß-
lichere ſtätigkeit. Alle beziehungen des verbums ſind
aber regſam, wandelbar und zu ſinnlich, als daß ſie ſich
feßeln ließen. Erſt der geiſtiger werdenden ſprache, ſei
es aus mangel an formen oder aus bedürfnis feinerer ab-
ſtraction, fangen verbale zuſ. ſetzungen allmählig an zu-
zuſagen. Aus verwandtem grunde iſt die compoſition des
ſubſt. und adj. mit verbis ſelten, uneigentliche verbale
ganz unmöglich. Uneigentliche ſubſtantiviſche ſchwankt
in eigentliche; uneigentliche verbale kann nicht einmahl
zu eigentlicher verbaler compoſition anlaß werden.


f) verbale zuſammenſetzung drückt auch in der be-
deutung weder genus, modus, tempus, numerus, perſon,
[680]III. verbale compoſition.
noch irgend was von der conjugation aus. Schreibfeder
z. b. iſt ſowohl die welche ſchreibt, als womit geſchrie-
ben wird, welche geſchrieben hat, womit ich ſchreibe
oder er ſchreibt etc. Ihre erklärung kann demnach auf
das freiſte und vieldeutigſte gefaßt werden, meiſtens wird
ſie ſich in den ſubſtantiviſch genommenen inf. mit der
praep. zu überſetzen laßen: ſchreib-feder, brenn-glas,
löſch-papier = feder, glas, papier zum ſchreiben, bren-
nen, löſchen. Bisweilen aber fehlt dieſe richtung auf
den zweck, z. b. waſch-bär, ſtink-ſtein ſind bloß be-
ſchreibend.


g) oft bleibt ungewis, ob dem erſten wort ein ver-
bum oder ſubſt. zu grund liege: bet-haus, raub-vogel,
tanz-luſt, ſchlummer-ſtätte können zwar von beten, rau-
ben, tanzen, ſchlummern, aber auch vom ſubſt. bet (ge-
bet) raub, tanz, ſchlummer herrühren. Selbſt der ſpä-
tere mangel eines ſolchen ſubſt. beweiſt nicht gegen ur-
ſprünglich nominale zuſ. ſetzung. Indeſſen darf man nicht
zu weit gehen und alle verbale leugnen, d. h. jeder ein
veraltetes nomen unterſchieben, am wenigſten den nhd.


h) die abhandlung ſcheint ſich am füglichſten nach
verſchicdenheit der ſtarken und ſchwachen conj. zu ord-
nen. Formeln für das zweite wort ergeben ſich bloß
beim adj.


Verbum mit ſubſtantiv.

Gewöhnlich wird durch das erſte wort die handlung
ausgedrückt, zu welcher das zweite gereicht; dieſe com-
poſita bedeuten daher vorzugsweiſe geräth und werk-
zeuge, einigemahl aufenthaltsörter oder dienende perſonen.


Ahd. beiſpiele, 1) von ſtarken verbis: ſcalt-jâr (an-
nus biſextilis) ſgall. 196; ſtôƷ-îſen (propunctorium) flor.
989b; ſcrôt-îſen (ſcalprum) lindenbr. 1001a; hefi-hanna
(obſtetrix) jun. 215. hev-annûn (obſtetrices) doc. 219a,
wohl nicht entſtellt aus amma, umgekehrt das nhd. heb-
amme aus heb-anne? vgl. altn. önn (labor) önnûngr
(ſervus) goth. annô (ſtipendium) ſo daß ahd. anna ſerva
bedeutet haben kann; hevi-prunſt (uredo) jun. 231. von
heſan (tollere)? oder hewi-pr. brand an heu und gewächs?;
waſki-waƷar jun. 235; traga-betti T. 88. traga-ſtuol monſ.
363. blaſ. 91a trev. 62a traga-diorna jun. 208. ſcheinen
mehr hierher zu paſſen, als oben zu ſ. 116, da ſich kein
ahd. ſubſt. traga erweiſen läßt und die bedeutung des nhd.
trage nicht ſtimmt; flîf-ſtein (cos)? ker. 273. ſteht ſlîpi-
[681]III. verbale comp. — verb. mit ſubſt.
ſtein (toreuma) und lindenbr. 1000a ſlîf-ſtên (pectilimatica);
ſcrîp-îſarn (calamus) ker. 18. ſcrîp-mëſrëſſe monſ. 337.
ſcrîb-ſahs T. 4, 12; ſcrîte-ſcuoh (calceamentum alatum)
flor. 989a lindenbr. 999a? wahrſcheinlicher ſcriti-ſcuoh
und ſubſtantiviſch mit ſcrit (paſſus) componiert, da wir
noch jetzt ſchritt-ſchuh ſagen und nicht ſchreit-ſch., N.
gebraucht fluge-ſc., das wiederum ſubſtantiviſch iſt; ſtrît-
louft, ſtrît-ſpil N. Boeth. 195. 197, wahrſch. vom ſubſt.
ſtrît; gieƷ-faƷ hätte ich vermuthet, finde aber das ſubſtanti-
viſche guƷ-vaƷ (infuſoria) monſ. 345. gôƷ-vaƷ doc. 216b und
gôƷ-opfer (libamen) monſ. 322. 350. 396. von den ſubſt.
guƷ und gôƷ (vgl. oben ſ. 83.); wëpa-hûs? wëbe-hûs
(textrina) trev. 36b; pëta-pûr (oben ſ. 416.) nehme ich
für ſubſtantiviſch zuſ. geſetzt, weil im goth. gards bidô,
razn bidô ſteht, überdem das ſtarke verbum ſein i behält;
gët-îſarn (falcaſtrum) doc. 231b, wäre nhd. jät-ëiſen und
ſollte eigentlich lauten gëta-îſan, lat-îſarn (ſarculum) jun.
228. ſcheint verderbt; ſcëra-ſahs (novacula) analog dem
ſcrîp-ſahs und nhd. ſcher-meſſer finde ich nicht, viel-
mehr ſcara-ſahs monſ. 333. 349. ſcar-ſahs, dem ein ſubſt.
ſcara (ſectio) oder ſcâra (forfex) zu grund liegt, ſchwer-
lich iſt es entſtellt aus ſcarf-ſahs (agſ. ſcëarp-ſëax). —
2) von ſchwachen verbis erſter conj. (daher mit ableiten-
dem i): cheri-pëſamo (verriculum) ker-bëſmo trev. 63a;
chete-finger (digitus ſalutarius) N. Cap. 79. von cheten
(ſalutare); hengi-lachan (cortina) jun. 200; beneim-ſcrift
(teſtamentum) N. 49, 5. von beneimen (ſtatuere); peizi-
ſtein (alumen) monſ. 413. peiz-ſtein zwetl. 111b; prenni-
îſarn (cauterium) monſ. 407. prenn-îſan ibid. 413; prût-
henni (gallina fovens) doc. 230a vgl. prûtta (fovit) monſ.
337, vielleicht ſubſtantiviſch?; renni-wëc (curriculum)
trad. fuld. lib. 2; riuti-ſëganſa (falcaſtrum) monſ. 383. doc.
231b riute-ſëgenſa N. Boeth. 110; ſcenchi-vaƷ (poculum)
monſ. 370. 383; ſcepfi-vaƷ (hauſtorium) zwetl. 124a; ſcirm-
wâfan (clipeus) ker. 56; ſeli-lant gl. vind. Denis 1. 1, 147.
ſele-hof (curtis) lindenbr. 994a von ſellan (tradere); ſlengi-
ſtein (calculns) ker. 59; ſtrewi-lachan (ſtragulum) jun. 228.
Verba zweiter und dritter conj. weiß ich nicht mit ſicher-
heit in ſolcher zuſ. ſetzung, ſalp-faƷ ker. 37. kann zwar
von ſalpôn, aber auch von dem ſubſt. ſalp herſtammen.


Agſ. 1) mit ſtarken verbis: vrît-bêc (pugillares) vrît-
brëd (tabula ſcriptoria) vrît-ſëax (culter ſcript.); ſcër-
ſëax (novacula) neben dem adjectiviſchen ſcëarp-ſëax,
was vielleicht die verwandtſchaft zwiſchen ſcëarp und
[682]III. verbale comp. — verb. mit ſubſt.
ſcëran (ſ. 183.) beftätigt. — 2) mit ſchwachen: ren-hund
(canis curſorius), ich finde ſonſt wenige ſichere.


Altn. 1) mit ſtarken: graf-ſilfr (argentum foſſile) graf-
tôl (inſtrumenta foſſorum); lës-liós (lectioni librorum ſuffi-
ciens lux); ſkër-bord und ſkër-diſkr (diſcus, crbiculus,
teller zum ſchneiden). — 2) mit ſchwachen: brenni-
fôrn (holocauſtum) brenni-hrîs (frutices igniarii) brenni-
iarn (cauterium) brenni-mark (ſtigma) brenni-nëtla (urtica
urens) brenni-ſteinn (ſulphur) brenni-vargr (incendiarius)
brenni-vîn (vinum aduſtum); hengi-lâs (ſera penſilis);
kenni-madr (praeceptor) kenni-merki (nota) kenni-teikn
(ſignum); læri-ſadir (doctor) læri-meiſtari (id.) renni-bor
(tornus) renni-iarn (id.) renni-ſkeid (ſtadium) renni-ſmidr
(tornator) renni-ſteinn (colluviarium); ſendi-bodi (nuntius)
ſendi-brêf (epiſtola) ſendi-för (legatio) ſendi-madr (legatus);
ſpenni-kraptr (ſpannkraft); ſpretti-net (pedica). Mit verbis
zweiter conj. keine; bemerkenswerth ſcheint das ableitende i
in langſilbigen, welches ſonſt erloſchen iſt (brenna, renna,
ſenda f. brennja etc.) aber auch in einzelnen adj. compo-
ſitionen vortaucht, z. b. in denen mit -villr. Häufig
wird, wenigſtens in ſpäterer ſprache, ſtatt der verbalen
eigentl. compoſition, mit ſchwachen fem., die aus dem
verbo gebildet ſind, uneigentlich zuſ. geſetzt, z. b. brennu-
vîn, etju-koſtr (iniqua conditio) riſtu-bragd (character
magicus) ſlîkju-ſteinn (cos) ſlîpu-ſteinn (cos).


Mhd. 1) von ſtarken verbis: ſlâf-gaden (cubiculum);
blâs-balc MS. 1, 134a fragm. 38a; rîb-îſen fragm. 38a; brîs-
ſchuoch Wigal. 53. am. 4c; gieƷ-vaƷ fragm. 38a; ſprich-
wort Triſt. 5461. 17744. Frib. Triſt. 318. 3192. Ottoc. 683b
livl. 78a; trink-vaƷ Triſt.; vëht-îſen Frib. Triſt. 2199. —
2) von ſchwachen erſter conj. ſpür-hunt Nib.; vege-vaƷ
Wigal. 163; wetze-ſtein a. H. 206b w. g. 95b; ſuoche-man
Nib.; leite-ſterne troj. 35b; — zweiter conj.: jage-hunt troj.
37c; ſëne-gluot, ſëne-viuwer Triſt.; walle-ſtap Triſt.


Nhd. 1) von ſtarken: fall-hut, fall-ſchirm; lauf-bahn;
ſtoß-eiſen, ſtoß-vogel; ſchlaf-gemach, ſchlaf-kammer;
blas-balg, blas-inſtrument; brat-pfanne; mahl-gaſt (der in
der mühle mahlen läßt) mahl-mühle; grab-ſcheit, grab-ſti-
chel; heb-amme, hebe-rolle; lad-ſtock; back-ſtube; ſchlag-
hammer; waſch-bär, waſch-faß; wachs-thum; ſchrei-hals;
ſpei-vogel, ſpei-kaſten; reib-eiſen; ſchreib-feder, -meſſer,
-ſucht, -zeug; ſchleif-ſtein; kneip-zange; ſcheide-kunſt;
ſchneide-mühle; beiß-zange; reit-bahn, reit-haus, reit-
knecht (vielleicht nicht reit-knecht, ſ. 514); ſtreit-begier,
[683]III. verbale comp. — verb. mit ſubſt. und adj.
-luſt, -kolbe (oder ſubſtantiviſch von ſtreit? wie kampf-
luſt von kampf); ſtreich-holz; leih-haus; fließ-papier;
gieß-haus, gieß-kanne; ſchließ-korb; ſaug-rüßel; zieh-
brunnen, zieh-eimer; eß-luſt, eß-tiſch; freß-luſt, -begier,
-zange; meß-tiſch; leſe-buch; ſeh-rohr; treff-ziel; dreſch-
tenne; brech-eiſen, brech-ſtein; ſprich-wort; web-ſtube,
web-ſtuhl; pfleg-vater; fecht-meiſter, fecht-ſchule; ſchwimm-
feder, ſchwimm-kunſt, -ſchule; ſpinn-rad, ſpinn-ſtube; ſtink-
ſtein; trink-gelag, -glas, -ſtube; ſing-verein; ſpring-brunne,
ſpring-flut, ſpring-ſtok; ſterb-zimmer; quell-brunnen;
melk-eimer, melk-faß. — 2) von ſchwachen erſter conj.:
brenn-glas, -kraft, -punct, -ſpiegel; denk-kraft; dreh-
orgel; fege-feuer; füll-bier; kenn-zeichen; kehr-beſen;
lehr-meiſter, lehr-ſtand; löſch-papier; nähr-ſtand; nenn-
wort; quäl-geiſt; renn-bahn; ſchmelz-hütte; ſchöpf-brun-
nen, -eimer, -löffel; ſchnür-rieme, -ſchuh; ſchröpf-kopf;
ſend-bote; ſtreu-ſand; wehr-ſtand. — 3) von ſchwacher
zweiter: lebe-mann, lock-ſpeiſe, -vogel; mach-werk; merk-
zeichen; plage-geiſt; raub-vogel; ruhe-bank, ruhe-bett;
ſchlummer-ſtätte; ſchnupf-tuch; ſpann-kraft; tanz-bär;
wage-hals; wall-fahrt; wohn-haus; zeige-finger.


Verbum mit adjectiv.

Dieſe zuſammenſetzungsart iſt beinahe nur mit einigen
abſtracten zweiten wörtern (ſ. 579, 666.) im gebrauch;
was ich außerdem anzuführen wüſte beſchränkt ſich auf
das nhd. blend-weiß (zum blenden weiß) deſſen ſich
ſchon Beham bedient (Hagens ſamml. p. 50.) und freß-
lieb (zum freßen l.); oder könnte ſtar-blind, ahd. ſtara-
plint (ſ. 415.) von dem verbo ſtarên rühren und zum er-
ſtarren blind bedeuten?


Die hierher bezüglichen formeln ſind:


1) -bære: hël-bære (celandus) a. Tit. 82. 86; genis-
bære (ſanabilis) a. H. 198b; trage-bære Triſt.; lache-bære
Wh. 2, 117a; zweifelhaft andere, denen auch ſubſt. zu
grund liegen können, wie hëlfe-b. ſage-b. etc. — nhd.
-bar: brauch-bar, eß-b. ausführ-b. fühl-b. halt-b. hör-b.
erklär-b. les-b. nenn-b. [erreich]-b. genieß-b. reiz-b. rett-
b. ſchätz-b. ſchiff-b. ſing-b. herſtell-b. beſtreit-b. trag-b.
trink-b. theil-b. anwend-b. wohn-b. verwund-b. zahl-b.
zieh-b. u. a. m., namentlich mit fremden verbis: compo-
nierbar, declinier-bar etc., es dürfen auch neue gebildet
werden. Zumahl paſſend iſt dieſe compoſition bei vor-
[684]III. verbale comp. — verb mit adj.
ſtehendem un-, man ſagt eher unwiderleg-b. unabſeh-b.
unbeſtimm-b. als widerlegb., ja, von unleug-b. wird die
poſitive form leug-b. gar nicht erlaubt. Obgleich ver-
ſchiedene ſubſtantiviſch gedeutet werden können, wie
brauch-b. halt-b. theilb. etc. ſo ſcheint mir doch das
übergewicht der verbalen zuſ. ſetzungen in der heutigen,
neben ihrer ſeltenheit in der früheren ſprache den aus-
ſchlag zu geben. Im mhd. überwiegen umgekehrt ſub-
ſtantiviſche über die verbalen und die aus der ältern ſprache
fortgepflanzten nhd. acht-b. dank-b. wandel-b. (ſ. 557.)
ſind darum nicht aus verbis herzuleiten. Umlaut tritt
bloß ein, wenn er im verbo begründet iſt.


2) ahd. gërn: rëche-gërn (ultionis cupidus) N. Boeth.
180.


3) ahd. haft: vielleicht hierher ata-haft, ate-haft (con-
tinuus) N. Cap. 72. 169. (mehr citate oben ſ. 417.); bëre-
haft (fertilis) N. 91, 15. vgl. bëro-hafti (natura) N. Cap.
154. unbëre-h. (ſterilis) N. 34, 12. — mhd. bër-haft pf.
ch. 66b a. Tit. 39. Parc. 126a Wh. 2, 74b MS. 1, 29a;
klag-haft Parc. 128a Bit. 19b; lëb-haft kl. 3840; quële-
haft a. Tit. 110; ſchëlde-haft (reprehenſibilis) Parc. 128a;
ſtële-haft (furtivus) a. Tit. 89; trage-haft. — nhd. leb-
haft; ſchwatz-haft; unſicher ſind dauer-haft, zweifel-haft,
die auch von den ſubſt. rühren können.


4) ahd. lôs: vielleicht goumi-lôs (oben ſ. 565.) ver-
bal? — mhd. lëbe-lôs Triſt. — nhd. leb-los.


5) ahd. lîh: bichêr-lîh (verſatilis) jun. 231. unchêr-lîh
(indeclinabilis) N. 77, 43; virdam-lîh (plectibilis) monſ.
381; dola-lîh (paſſibilis) monſ. 367. von dolên (pati); gre-
mez-lîh (triſtis, dirus?) N. Boeth. 61. vorausgeſetzt, daß
das verbum gremiƷôn (ſ. 217.) zu grunde liege, es gibt
aber auch ein (oben ſ. 215. übergangenes) adj. gremizi
(? für gremazi, triſtis, perturbatus) monſ. 352. 356. 392.
mit welchem gremiz-lîh componiert ſein kann; pihalt-lîh
(intentus) ker. 217; huge-lîh (laetus) N. Boeth. 144. Cap.
80. verbal oder ſubſtantiviſch?; kilêr-lîh (docilis) jun. 202;
unkalimfa-lîh (clandeſtinus? indecorus) ker. 23. oder vom
ſubſt. galimf?; kimëƷ-lîh (mediocris) ker. 51. 194. wahr-
ſcheinlich von dem ſubſt. mëƷ; inphint-l. (paſſibilis) N.
90, 10; pib-lîh (trepidus) jun. 260. von pibên (trepidare)
oder piba (tremor)?; prute-lîh (terribilis) N. 75, 13. Cap. 59.
136. von prutten (terreri) oder prutî (terror) Cap. 130?;
ſage-lîh, unſage-lîh N. 3, 5; unſpuna-lîh (imperſuaſibilis)
jun. 182. von ſpunôn (disputare) ker. 85. ſpara-lîh (fru-
[685]III. verbale comp. — verb. mit adj.
galis) jun. 188. kann auch vom adj. ſpar oder vom ſubſt.
ſpara ſtammen; unarſpuri-l. (ininveſtigabilis) jun. 193; fu-
riſtant-lîh (intelligibilis) K. 57b; volg-lîh (ſubſequens)
monſ. 384, vielleicht auch ſubſtantiviſch?; warb-lîh (ver-
ſatilis) jun. 231. werbi-lîh doc. 243b; pezeichen-lîh (my-
ſticus) N. 54, 16. 103, 3; zimi-lîh (decens) doc. 245b f. zi-
ma-lîh; und ſicher noch andere. — mhd. bëte-lich am. 9a
unbëte-lîch Barl. vom ſubſt. bët oder verb. bëten?; unzer-
ganc-l. Barl.; erkenne-lîch (noſcibilis); klage-l. Parc. 3b
vielleicht ſubſtantiviſch;? lëbe-l. (alacris) Triſt. Barl.; unge-
loub-l. Barl.; genis-l. (ſanabilis) a. H. 198b; wein-l. (lacri-
mans) Barl.; bezeichen-l. Barl.; zime-l. Barl.; es werden ſich
andere hinzufügen laßen, doch gibt es ihrer viel weniger,
als im nhd. — nhd. erbitt-lich, zerbrech-l. verbrenn-l. ver-
damm-l. verdau-l. bedenk-l. deut-l. verderb-l. verehr-l.
verfäng-l. erfind-l. unerforſchl. vergeb-l. zugäng-l. be-
gehrl-. vergeß-l. begreif-l. ergründ-l. behilf-l. unaufhör-l.
erklär-l. unerläß-l. leid-l. (lieber adjectiviſch?) unaus-
löſch-l. ermeß-l. vernehm-l. hinreich-l. widerruf-l. ver-
rück-l. unſäg-l. überſeh-l. unüberſetz-l. ſchick-l. unbe-
ſchreib-l. erſchwing-l. verſtänd-l. beſtech-l. ſterb-l. ſträf-l.
erträg-l. verträg-l. beweg-l. unweiger-l. erweiſ-l. ab-
wend-l. verwerſ-l. überwind-l. wirk-l. unverwüſt-l. ziem-
l. bezwing-l. u. a. m. Verſchiedene ſind aber nicht ohne
un- im gebrauch oder es gehört wenigſtens ſtrengere ab-
ſtraction zu: ſäg-l. auslöſch-l. entgelt-l. aufhör-l. etc. Der
überfluß dieſer nhd. bildungen, verglichen mit ihrer frü-
hern ſeltenheit, iſt theils aus der vorſchreitenden abſtrac-
tion der ſprache überhaupt, theils daher zu erklären,
daß urſprüngliche compoſita mit dem inf. und part. all-
mählig in bloß verbale übergegangen ſind, wie fich un-
ten zeigen wird. Beſondere erwähnung erfordern hier
noch die mit verbis auf -ern zuſ. geſetzten, als: verän-
der-l. ärger-l. veräußer-l. verbeßer-l. hinder-l. erinner-l.
verkleiner-l. verringer-l. abſonder-l. verwunder-l., nach
denen ſich andere bildungen unorganiſch gerichtet zu ha-
ben ſcheinen. Denn wenn gleich lächer-l. weiner-l., und
volksmäßig auch grauer-l. eßer-l. trinker-l. ſpeier-l. tan-
zer-l. etc. auf meditativa lächern, weinern etc. (ſ. 138.)
zurückgeführt werden können; ſo lehrt ſchon die unme-
ditative bedeutung, daß dem nhd. leſer-l. (legibilis) fürch-
ter-l. (terribilis) kein leſern, fürchtern zur grundlage ge-
reichen. Sie ſtehen alſo für les-l. fürcht-l. Was den
umlaut betrifft, ſo haben ihn die meiſten; einigen gebricht
er: verdamm-l. verdau-l. unerforſch-l. glaub-l. bedauer-l.
[686]III. verbale comp. — verb. mit adj.
graner-l. tanzer-l. etc. vermuthlich aus rückſicht auf die
unumlautigen verba, da doch erträg-l. ſträf-l. ebenfalls in
ertragen, ſtrafen ohne umlaut ſind. Einzelne laßen ſich
ſubſtantiviſch deuten und wunder-l. jämmer-l. deute ich
allerdings aus wunder, jammer, nicht aus wundern, jam-
mern (wohl aber verwunder-l. bejämmer-l. aus verwun-
dern, bejammern); umgekehrt ſind die nhd. vergäng-l.
verſtänd-l. nicht auf die ſubſt. vergang, verſtand, vielmehr
auf die ahd. verba gangan und ſtantan zurückzuleiten.
Bei aller ausdehnung dieſer compoſitionsart haben ſich
einige ahd. und mhd. verloren, wir ſagen nicht mehr
beb-l. leb-l. erkenn-l. genis-l.


6) nhd. ſam, ich weiß keine ahd. verbalcompoſition
mit -ſam, das mhd. klage-ſam. Triſt. darf vom ſnbſt.
klage, wie vom verbo klagen abſtammen; gehëlle-ſam
(concors) Triſt. vom adj. gehëlle oder verbo gehëllen;
gevalle-ſam (acceptus) Triſt. fordert ein verbum. Nhd.
iſt dieſe compoſition ziemlich im gang: biegſam, duld-ſ.
erfind-ſ. empfind-ſ. folg-ſ. enthalt-ſ. unaufhalt-ſ. behut-ſ.
lenk-ſ. überleg-ſ. bered-ſ. (von bereden, perſuadere) reg-
ſ. ſtreb-ſ. ſchweig-ſ. wach-ſ. wirkſ. u. a. m., doch ſchei-
nen mir acht-ſ. arbeit-ſ. heil-ſ. ſorg-ſ. ſpar-ſ. lieber von
ſubſt. herzuleiten.


Anmerkungen zu dieſen adjectiven:


a) gegen die behauptung, daß in jeder verbal zuſ.
ſetzung der laut des praeſens erſcheinen müße (ſ. 679.)
verſtoßen einzelne adj. Die altn. bæri-ligr (tolerabilis)
læſi-ligr (qui legi poteſt) ſind offenbar nicht mit den ver-
bis bëra, lëſa zuſ. geſetzt, ſondern mit den adj. bær, læs,
die faſt ſchon das nämliche bedeuten. Ker. 109. ſcheint
kipora-lîh (enixa) zu ſtehen, ich glaube für das partici-
piale kiporan-lîh; unboug-lih (inflexibilis) N. 44, 8. leite
ich von dem ſubſt. boug (torques) oder dem verb.
bougen Boeth. 224. ab. Begründeter und begreifli-
cher wird die ausnahme bei verbis zweiter anomalie,
deren praet. (folglich ablaut) zum praeſens geworden
iſt. Ker. 160. findet ſich unſcola-lîhho (inſoliter, f.
inſolite oder inſolenter?) es könnte nominal ſein und von
unſcolo (inſons) ibid. 170. herrühren, ich ziehe aber vor,
es auf das verbum ſcolan zu beziehen und ein adj. ſcola-
lîh (debitus) unſcola-lîh (indebitus) anzunehmen, weil das
mhd. müge-lîch (validus, poſſibilis) Barl. unmüge-l. (imp.)
a. H. 198b Barl., das nhd. mög-l. unmög-l. taug-l. un-
taug-l. ebenſo von mügen, mögen, taugen gebildet
[687]III. verbale comp. — verb. mit adj.
ſind *). Hiernach wäre auch ein ahd. maka-lîh? muga-
lîh? zu vermuthen, gleichergeſtalt muoƷ-lîh (licitus) tuka-
lîh (validus) chun-lîh (notus) durf-lîh (egenus)? ich kenne
kein mhd. tüg-l. und unmuoƷ-l. (occupatus) Barl. gehört
ſicher zu dem ſubſt. unmuoƷe.


b) die berührung dieſer compoſitionsmittel iſt faſt nach
dem ſ. 579, 666. erörterten zu beurtheilen; -bar und -lich
drücken mehr das paſſivum, -haft und -ſam mehr das
activum aus, oder jene ſind ſächlicher, dieſe perſönlicher.
Jene ſtimmen meiſt zu der lat. verbalableitung -bilis:
trinkbar (potabilis) verdammlich (damnabilis); häufig dür-
fen ſie miteinander wechſeln: erklärbar und erklärlich,
unvermeidbar und unvermeidlich, unabweiſbar und un-
abweiſlich, bezwingbar und bezwinglich. Zuweilen thun
ſich aber feinere unterſchiede kund, z. b. leſerlich gilt
bloß von den ſchriftzügen, lesbar von dem buche ſelbſt
und a. H. 198b ſcheint zwar genislich auch fur genis-
bære ſtehen zu dürfen, nicht aber umgekehrt, d. h. die
ſiecheit heißt nicht genisbære. Noch weniger können
wir heute wohnbar, ausführbar mit wöhnlich, ausführ-
lich vertauſchen und neben eßbar, trinkbar beſteht kein
eßlich, trinklich, neben erbittlich, ziemlich kein erbittbar,
ziembar. Mich dünkt, -lich ſei um einen grad noch ab-
ſtracter als -bar. Manche unterſcheidungen mögen aber
wiederum davon abhängen, ob das erſte wort rein ver-
bal, oder aus einem inf. und part. entſprungen iſt.


Verbum und verbum

ſetzen ſich nie zuſammen (ſ. 405.), wohl aber können aus
verbal componierten nominibus verba abgeleitet werden,
z. b. aus nhd. kenn-zeichen, wall-fahrt: kenn-zeichnen,
wall-fahrten; aus ahd. bëre-haft, huge-lîh: bëre-haftôn
N. Cap. 154. gehuge-lîchôn N. 103, 15; aus altn. brenni-
mark (ſtigma): brenni-merkja etc.


Participialzuſammenſetzungen.

Als adjectiva betrachtet ſollten ſich participia vielfältig
wie andere adjectiva componieren können, thun es aber
nur in weit engern ſchranken. Offenbar tritt ihre zu-
[688]III. verbale compoſition. — participiale.
gleich verbale natur und das element ihrer flexion als
ein hindernis dazwiſchen. Ulfilas bietet überhaupt kein
einziges beiſpiel dar.


I. das participium praeſ. bindet ſich durchaus nur
mit abſtracten zweiten wörtern und zwar


α) mit ſubſt. äußerſt ſelten. Ich kenne bloß das ahd.
wiƷent-heit (ſcientia) N. Cap. 41. 129. unwiƷent-heit (in-
ſcitia) N. Boeth. 191; aus dem mhd. vermag ich ſie nicht
nachzuweiſen, doch werden ſie fortgedauert haben, weil
noch heute im nhd. allwißen-heit und unwißen-heit ge-
ſagt wird, im 16. 17. jahrh. auch das poſitive wißen-heit
(certificatio, notitia). Auf gleiche weiſe muß das nhd.
wißen-ſchaft, nnl. weten-ſchap, ſchwed. vetenſkap, dän.
veden-ſkab zurückgeführt werden auf ein ahd. wiƷant-
ſcaf, mhd. wiƷƷen-ſchaft, die ich nie geleſen habe; und
ſelbſt das (oben ſ. 552. unorganiſch genannte) nhd. leiden-
ſchaft erklärt ſich jetzt aus einem freilich ebenſowenig
nachzuweiſenden ahd. lîdant-ſcaf. Halben beweis führen
die parallel laufenden adj. mit wiƷen- und lîden-. Nicht aber
ſtehet eigen-ſchaft f. eigent-ſch., obſchon eigent-lich gilt. Iſt
das mhd. dagent-ſchaft (ſilentium) am. 4b richtig?


β) von adj. kommen -haft und -lich in betracht,
bei erſterem mangeln mir alte belege. Scherz 532b gibt
aus Keiſersp. leiden-haft (mhd. lîden-haft?) und Oberl.
wißent-haft (notorius); livl. 72a findet ſich wagen-haft
(mobilis, vacillans), aber 19a wage-haft (von wagen, mo-
veri). Dafür iſt die zuſ. ſetzung mit -lich uralt und aus-
gebreitet.


Ahd. unkitholênt-lîh (intolerabilis) ker. 170; unchun-
dent-l. (inteſtabilis) hrab. 967b; zefarant-l. (tranſitorius)
K. 22a unarfarant-l. (impenetrabilis) hrab. 967b; ingrûênt-
l. (horridus) hrab. 953a; pihaltant-l. (attentus) ker. 25;
heilant-l. (ſalubris) hrab. 974a; kiheiƷant-l. (ſpontaneus) ker.
259; hëlfant-l. (ſub ſuppellectile) ker. 256; hiufant-l. (luc-
tuoſus) ker. 138; ungahaorent-l. (inexaudibilis) hrab. 968a;
ungahrôrent-l. (immobilis) hrab. 967a; îlant-l. (feſtinans) K.
60a; unarlaupant-l. (illicitus) K. 20a ker. 171. hrab. 968a
gloſſiert in allen drei ſtellen das adjectiviſch genommene
ſubſt. illecebrae; farlîhant-l. (accommodatus) hrab. 954b;
minnëônt-l. (amans) ker. 38. minnônt-l. hrab. 954a; unar-
nëſant-l. (inevitabilis) monſ. 410; parrent-l. (rigidus) jun. 181.
von parren (erigere, extendere); përant-l. (fructuoſus) ker.
286; unarpittent-l. (inexorabilis) hrab. 967b; kipiukant-l.
(flexuoſus) ker. 253; unpûant-l. (inhabitabilis) hrab. 967b;
[689]III. verbale compoſition. — participiale.
unirrachônt-l. (inſuſpicabilis) monſ. 356; unarrechent-l.
(inexplicabilis) doc. 202b; forakeſëhant-l. (providus) K.
22b; ſônent-l. ker. 160; anaſtantant-l. (inſtans) K. 16b far-
ſtantant-l. (intelligibilis) K. 21b; terjant-l. (letalis) ker. 179;
unkitrakent-l. (importabilis) ker. 171; wahſant-l. (fructuo-
ſus); unarwentent-l. (incommutabilis) hrab. 967a uncawen-
tent-l. (irrevocabilis) hrab. 971b; unkiwërbent-l. (irrevoca-
bilis); wëſent-l. (eſſentialis) doc. 243b; unarwîſant-l. (inevi-
tabilis) monſ. 410. vgl. piwîſan (evitare) weſſobr. und die
wurzel nr. 518; thuruhwonênt-l. (perſeverans) ker. 168.


Agſ. âgend-lic (proprius); unâbêrend-l. (intolerabilis);
unâbindend-l. (indiſſolubilis); unblinnend-l. unâblinnend-l.
(indeſinens); unâbrëcend-l. (irrefragabilis); bŷgend-l. (flexi-
bilis) unâbŷgend-l. (infl.); âcumend-l. (tolerabilis, poſſi-
bilis) unâcumend-l. (impoſſ.); unâdväſcend-l. (inextingui-
bilis); âdrëógend-l. (ferendus); ungeendigend-l. (infiniti-
vus); âfandigend-l. (probabilis); unâfyllend-l. (inſatiabilis);
forgifend-l. (remiſſibilis); hëlpend-l. (auxiliaris); unlâcni-
gend-l. (inſanabilis); untôlætend-l. (indeſinens); unâlŷ-
fend-l. (illicitus); âlŷſend-l. (ſolutorius); âræfnend-l. (to-
lerabilis) unâræfnend-l. (int.); unforrotigend-l. (incorrup-
tibilis); âſcunjend-l. (abominabiſis); âſcirigend-l. (disjunc-
tivus); âſecgend-l. (effabilis) unâſecgend-l. (ineff.); unâ-
ſeðend-l. (infatiabilis); unâſmëagend-l. (inſcrutabilis); unâ-
ſporjend-l. (id.); getâcnjend-l. (typicus); unâtëallend-l.
(innumerabilis); untellend-l. (inenarrabilis); âtëorigend-l.
(disjunctivus); untvëogend-l. (indubitans); unþëahtend-l.
(inconſideratus); þrôvjend-l. (paſſivus); âvendend-l. (mo-
bilis) unâvendend-l. (non amovendus); unofervinnend-l.
(invincibilis); ungevîtend-l. (intranſitorius); unvunjend-l.
(inhabitabilis); âvyrgend-l. (deteſtabilis) und viele ähn-
liche mehr.


Altn. mit wegwerfung des d, aber bleibendem n *):
ôbeygjan-ligr (inflexibilis); ôbifan-l. (immobilis); obœtan-l.
(irreparabilis); ôumbreytan-l. (immutabilis); brûkan-l.
(utenſilis) ôbrûkan-l. (inuſitatus); dugan-l. (habilis); ôdu-
gan-l. (ineptus); ôendan-l. (infinitus); ôatfinnan-l. (irre-
prehenſibilis); fyrirgëfan-l. (condonativus); ôatgreinan-l.
(individuus); ôgrîpan-l. (incomprehenſibilis); ôhrœran-l.
(immobilis); ôaflâtan-l. (perpetuus); ôleyſan-l. (inſolubilis);
ôlîðan-l. (intolerabilis); ômëtan-l. (inaeſtimabilis); ômæ-
X x
[690]III. verbale compoſition. — participiale.
lan-l. (immenſus); ôupprœtan-l. (inexſtirpabilis); ôafſa-
kan-l. (inexcuſabilis); ôſeðjan-l. (inſatiabilis); ôſegjan-l.
(inenarrabilis) ôûtſegjan-l. (id.); ôflökvan-l. (inextinguibi-
lis); ôſvêgan-l. (inflexib.); ôteljan-l. (innumerab.); ôtruan-
l. (incredib.); ôþeckjan-l. (inagnoſcib.) ôþenkjan-l. (inco-
gitab.); ôþolan-l. (intolerab.); ôþriótan-l. (inexhauſtus);
ôvîkjan-l. (inexorab.); ôvîſnan-l. (immarceſcib.); vitan-l.
(notus) ôvitan-l. (inſcius); ôyfirvinnan-l. (invincib.)
u. a. m.


Mhd. erſcheinen dieſe bildungen ſparſam und da auch
das t (d) wegzufallen pflegt *), entſpringt für ihre form
die ungewisheit, ob nicht mit dem inf., ja bei ſtarken
verbis, deren part. praet. den vocal des inf. hat, ob nicht
mit dem part, praet. zuſammengeſetzt ſei? Analogie und
bedeutung helfen nicht immer aus. Hier iſt alles, was ich an-
zuführen weiß: bouwen-l. Parc. 136c nach dem ahd. pûant-
l.; dolten-l. am. 7c; eigen-l. Barl., nach dem agſ. âgend-l. und
nhd. eigent-l., wiewohl altn. eigin-l., nicht eigan-l.; ver-
gëƷƷen-l (oblivioſus) Parc. 192c; grueƷen-l. Parc. 72b koſten-
-l. (pretioſus) Parc. 55b; küſſen-l. (zum küſſen gemacht) Parc.
98a; lachen-l. (ridens) MS. 1, 201b Bit. 126b; lîden-l. (dolens)
Parc. 4a; vermëƷƷen-l. troj. 195. (Oberl.); weinen-l. Wh.
2, 114a; wiƷƷen-l. (ſciens) En. 63c wiƷƷent-l. Triſt. 16618;
unverzagen-l. Wh. 2, 113a. Sollten nicht auch falſche
-eclich (ſ. 662.) aus -entlich hervorgegangen ſein? vgl.
erkennec-l. Parc. 62a und zuweilen haben die hſſ. min-
nenclich neben minneclich ſt. minnentl. (ahd. minnôntlîh),
weinenclich (Wh. 2, 114a) f. weinecl. weinel.


Nhd. werden die meiſten dieſer participialzuſammen-
ſetzungen durch bloß verbale vertreten, d. h. wir ſagen
unerbitt-l. unaufhör-l. unabwend-l. ſtatt unerbittent-l.
unauthörent-l. unabwendent-l. Nur nachſtehende behalten
die ahd. nt-form (nicht das mhd. -n): eigent-l. uneigent-l.;
flehent-l.; hoffent-l. verhoffent-l.; leident-l. unleident-l.
(wofür doch gewöhnlicher leid-l. unleid-l.); vermeßent-l.;
weſent-l. unweſent-l.; wißent-l. In gemeiner volksſprache
hin und wieder: vermuthent-l. untröſtent-l. u. a. m. Um-
gekehrt hat die ſchriftſprache einigen -nt ertheilt, denen
es als part. praet. oder gar als adj. und ſubſt. nicht gebührt:
geflißent-l. gelegent-l. verſchiedent-l. öffent-l. nament-l. or-
dent-l. (ſchon Parc. 64c) wöchent-l. aus nachgiebigkeit gegen
die gefügige verbindung des t mit n. Das part. praeſ. wird
[691]III. verbale compoſition. — participiale.
auch in jenen nicht gefühlt, die das -nt mit recht haben,
ſonſt würde man -nd ſchreiben, wie im allein ſtehenden
part. In oberdeutſchen ſchriften des 15-17. jahrh. begeg-
net die mhd. n-form, z. b. vergeben-l. hoffen-l. lei-
den-l. vermeßen-l. anſehen-l. treffen-l. weſen-l. unweſen-l.
(inhoneſtus) Oberl., wofür die heutige ſprache: vergeb-l.
hoffent-l. leid-l. vermeßent-l. anſeh-l. treff-l. weſent-l.


Anmerkungen: a) die poeſie meidet ſolche abſtracte
wortbildungen, meiſt vielſilbiger, ſchleppender form; da-
her man ſie weder in der Edda, noch bei Cädm. Beov.,
noch ſelbſt bei O. zu ſuchen, aber auch aus ihrer ſelten-
heit in gedichten des 13. jh. nicht zu folgern hat, daß ſie
der mhd. proſa unbekannt geweſen ſind.


b) das -lich ſoll die bedeutung, ohne ſie im grunde
zu ändern, abſtract machen (ſ. 661.), daher auch wie-
derum dieſe compoſita gern im adv. ſtehen. Oft hat das
einfache part. praeſ., ſchon den ſinn der zuſammenſetzung,
vgl. ahd. unarleſkenti (inexſtinguibilis) T. 13, 24. unzi-
ganganti (non deficiens) T. 35, 4; agſ. unâmetende (infi-
nitus) unbërende (infertilis); altn. ôteljandi (innumerabi-
lis) ôgleymandi (unvergeßlich) ôlîdandi, ôþolandi (into-
lerabilis).


c) dieſe bedeutung kann ſowohl activ (heilantlîh, ter-
jantlîh) als paſſiv ſein (unarpittantlîh, unarwentantlîh);
in den meiſten fällen iſt ſie durch vorgeſetztes -un, ô-
negativ. Auch pflegt dann das verbum ſelbſt ſchon mit
den partikeln ar- (agſ. â-), far-, upar- etc. componiert
zu ſein.


d) der compoſitionsvocal iſt bereits im ahd. hinter die-
ſen part. praeſ. überall geſchwunden: heilant-lîh, unki-
tholêntlîh für heilanta-lîh, unkitholênta-lîh.


II. participium praet. ſt. und ſchw.


1) in der älteſten dichteriſchen ſprache bindet es ſich
noch mit lebendigen wörtern. Die beiſpiele ſind haupt-
ſächlich agſ., einige altn., keine goth. und ahd., noch
weniger aus der ſpäteren zeit.


Agſ. blonden (mixtus, tinctus, flavus): blonden-fëax
(flavicomus) Cädm. 51. 56. Beov. 121. 135. 141. 219. bol-
gen
(iratus, tumidus): bolgen-môd (ſuperbus) Cädm. 79.
Beov. 129. bunden (ligatus): bunden-ſtëfna (navis, eigent-
lich prora ligulis compacta) Beov. 143. vunden (tortus,
tortilis): vunden-fëax (cirratus) Beov. 106. vunden-gold
(aurum affabre factum) Cädm. 42. 45. 46. 89. Beov. 91.
X x 2
[692]III. verbale compoſition. — participiale.
105. 232. vunden-loc (cirratus) Jud. p. 22. 23. 26. vun-
den-mæl (enſis) Beov. 116. hringed (annulatus): hringed-
byrne (lorica) Beov. 95. hringed-ſtëfna (navis, i. e. prora
annulis ornata) Beov. 5. 86. 143. hyrned (cornutus): hyr-
ned-nëbba (corneum habens roſtrum) Jud. 11. Aethelſt.
nagled (clavis fixus): nagled-cnëar (navis) Aethelſt. ſter-
ced
(corroboratus): ſterced-ferhð (fortis animo) Jud. 10.
11. væpned (armatus, und dann maſculus, weil ſchwert,
ſpieß und waffe den mann benennt, vgl. ſ. 631. gâr, geir
und ſwërtmâge, männliche verwandtſchaft): væpned-
bëarn (proles maſcula) væpned-cild (puer) væpned-cyn
(genus maſc.) Cädm. 50. 51. væpned-hâd (ſexus maſcu-
lin.) væpned-man (mas, vir) ſpäter verkürzt in væp-
man und gegenſatz zu vîf-man (femina) oben ſ. 507,
zuweilen ſtehen ſich die uncomponierten: vîf and væpned
gegenüber, Cädm. 5. 59. — Man darf dieſe participia
nicht etwa für ungebunden und bloß dem nomen vorge-
ſetzt nehmen; den beweis der compoſition liefert die de-
clination des zweiten, bei unveränderlichkeit des erſten
worts, z. b. hringed-ſtëfna, acc. hringed-ſtëfnan (nicht
hringedne); blonden-fëax, pl. blonden-fëaxe; væpned-
man, gen. væpned-mannes (nicht væpnedes) pl. væpned-
men. Und es iſt auch theoretiſch kein grund abzuſehen,
daß ſich participia nicht eben ſo eigentlich zuſ. ſetzen
ſollten, wie andere zweiſilbige (abgeleitete) adj., bolgen-
môd ſtehet auf einer linie mit vêrig-môd und vunden-
fëax mit gamol-fëax, woraus ſich noch auf viele andere
verlorne ſchließen läßt, z. b. hringed-hëals wie fâmig-
hëals (collo ſpumoſo, vom ſchiff) Beov. 19. 143,


Altn. vermuthe ich ſolche compoſita in borgin-môdi
(confiſus animo, ſuperbus) beiname von Odins raben und
þrûngin-môdi (compreſſus oder tumidus animo?) vgl.
þrûng-môdigr edd. ſæm. 77a; þrûngin-ſalr (atrium tumi-
dum? beiname des ſchilds) vielleicht auch þrûngin-god
(numen moeſtum? iratum?) edd. ſæm. 60b, aber dann
wäre es falſch zu ſchreiben borginn môdi, þrûnginn môdi
und letzteres für den dat. zu nehmen, da es im fall der
compoſition ſchw. form des nom. maſc. iſt. Oblique ca-
ſus müßen entſcheiden, denn von borgin-môdi hätte der
gen. zu lauten borgin-môda, von borginn môdi aber bor-
gins môdi. Analog ſind wenigſtens die ſ. 647. angeführ-
ten comp. mit gullin-, man mag nun dies für ein adj.
oder part. praet. halten.


Ahd. compoſita wie polgan-muot, wâfanôt-man (voll-
ſtändig mit comp. vocal ſogar polgana-muot, wâfanôta-
[693]III. verbale compoſition. — participiale.
man) ſind nicht aufzuweiſen *). Sollte das mhd. want-hals
Mar. 10. hierher gehören? und das nhd. brant-wein
brante-wein? vgl. brante-leid (nhd. gebranntes leid) Gör-
res meiſterl. p. 164.


2) länger im gebrauch geblieben iſt das part. praet.
mit abſtracten wörtern,


α) ſubſtantiven; hier gelten bloß die formeln -heit und
-ſchaft. Ahd. trunchan-heit; des agſ. væpned-hâd wurde
vorhin gedacht; mhd. gelëgen-heit Triſt. beworren-heit
Triſt.; nhd. gebunden-heit, ungebunden-heit, verdroßen-
heit, begeben-heit, ergeben-heit, gelegen-heit, verlegen-
h. vollkommen-h., beſchaffen-h., beſcheiden-h., verſchwie-
gen-h., ungeſchliffen-h., beſonnen-h., trunken-h., verwe-
gen-h., gewogen-h., verworfen-h., verworren-h., unbe-
wuſt-h., ungezogen-h., gelehrt-h., beliebt-h., gewandt-h.,
verzagt-h. Ahd. bolgen-ſcaft (ira) N. 77, 49. Boeth. 21;
nhd. verlaßen-ſchaft, errungen-ſch., bekannt-ſch., ver-
wandt-ſch.


β) adjectiven; die formeln -bar und -lich. Von
erſterer iſt aber das einzige beiſpiel mhd. verholn-bære
(occultus) Parc. 110a 167b. Deſto häufiger kommt wie-
derum -lich vor.


Ahd. irchomen-l. (terrificus) N. 104, 27; kikoran-l. (ele-
gans) ker. 116. unzigangan-l. monſ. 368; gelëgen-l. (proxi-
mus, aſſiduus) N. 34, 14; unkipogan-l. (inflexibilis) jun. 193;
ungiſëwan-l. (invilibilis) O. II. 12, 88; gitragan-l. T. 44, 10.
ungitragan-l. (importabilis) T. 141. unfertragen-l. (intole-
rabilis) N. 9. 20. 58, 6. aber verſchieden davon die bedeu-
tung von getragen-l. (grandaevus) N. Cap. 84. 121; un-
pitrogan-l. (infucatus) monſ. 403; unervaran-l. (incompre-
henſibilis) monſ. 393; kivuntan-l. (?) ker. 253; unerrahhôt-l.
(inenarrabilis) K. 16a; unpiwânt-l. (inſuſpicabilis) monſ. 355;
irwart-l. (corruptibilis) N. 101, 25. unwarte-l. (incorr.) N.
21, 1; wanda-l. (mutabilis) unwanda-l. (immut.) N. 65, 14.


Agſ. âcoren-l. (eligibilis); unbefangen-l. (incomprehen-
ſibilis; forgifen-l. (dativus); âgrafen-l. (ſculptilis); geriſen-
l. (congruus) ungeriſen-l. (inc.); ungeſëven-l. (inviſib.);
unâſolcen-l. (impiger); âſvunden-l. (ſegnis); unâþroten-l.
(impiger); âvorpen-l. (damnabilis); unâcvenced-l. (inex-
ſtinguib.); untôdæled-l. (inſeparabilis); ungeendôd-l. (infi-
nitivus); fulfremed-l. (perfectus); ungefylled-l. (inſatiab.);
[694]III. verbale compoſition. — participiale.
ungelæred-l. (indoctus); unâlŷfed-l. (illicitus); unârîmed-l.
(innumerab.); unbeſceávôd-l. (inconſideratus) unforeſceá-
vôd-l. (id.); ungeſvenced-l. (infatigab.); unoferſviðed-l.
(invincib.); unâtemed-l. (indomitus); ungevemmed-l. (in-
corruptib.); unâvended-l. (inevitabilis).


Altn. comp. dieſer art ſcheinen zu mangeln.


Mhd. behagen-l. Parc. 5a; erkomen-l. Barl.; beſchei-
den-l. Parc. 41b underſcheiden-l. Barl.; erſchrocken-l. Triſt.;
unverſprochen-l. Triſt.; gevangen-l. Wh. 2; unzerwor-
fen-l. Haltaus; verworren-l. Wh. 2, 112a; unverzogen-l.
Oberl.; erkant-l. (noſcib.) a. Tit. 98. unerkant-l. Barl.;
unverzaget-l. a. Tit. 132.


Nhd. nur: erkent-l. unerkent-l.


Anmerkungen a) die adj. auf -lich mit part. praet. ſind
zwar ſeltner, als die mit part praeſ., zeigen ſich gleich-
wohl bei O. und T., welchen letztere fehlen.


b) in der bedeutung ſtimmen ſie freilich ungefähr mit
letzteren überein und formell fallen ſie ſelbſt ſeit dem
mhd. wegwerfen des t damit zuſammen, ſo oft das part.
praet. ſtarker conj. den laut des praeſ. behält, z. b. be-
ſcheiden-l. vermëƷƷen-l. kann ſowohl für beſcheident-l.
vermëƷƷent-l. ſtehen, als wirklich mit dem part. praet.
componiert ſein. Darf man auch ſchon im ahd. wegſal-
lendes t annehmen?


c) gleicher zweifel für denſelben fall im ahd. und mhd.
zwiſchen zuſ. ſetzung mit dem inf. oder part. praet., z. b.
ob arvaran-l. vom inf. oder part. praet. herrühre?


d) die exiſtenz der compoſ. mit dem part. praet. wird
aber gerechtfertigt theils durch die ablautenden, theils
durch die ſchwachformigen part.


e) ſpur des comp. vocals in warte-l. und wanda-l. bei
N. von den einſilbigen formen wart, want.


Infinitiviſche compoſition.

Kann mit dem ſubſtantive genommenen inf. compo-
niert werden?


1) eigentlich, wie es ſcheint, im ahd. ohne ſchwie-
rigkeit, obſchon die beiſpiele ſelten ſind und nur mit dem
adj. -lîh vorkommen: unerchêrran-lîh (inflexibilis) monſ.
391; tholên-l. (feralis) ker. 138; grîſen-l. (horribilis) N.
Boeth. 106; heilan-l. (ſalubris) ker. 245; unbilinnan-l.
(perpetuus) K. 24a; intlêhan-l. (mutuum) doc. 213b für
intlîhan-l.?; prinkan-l. (fertilis) ker. 135; unvollan-l. (in-
ſatiabilis) ker. 24. Zwar dürſte, dem ſinn unbeſchadet,
[695]III. verbale comp. — particip. inſinitiviſche.
in allen dieſen belegen ein t hinzutreten und mit dem
part. praeſ. componiert ſcheinen? Da aber dieſelben ahd.
denkmähler ſonſt das t ſchreiben und die zuſ. ſetzung mit
dem inf. nichts widerſinniges hat, ſo will ich ſie nicht
übereilt aufgeben. Ja es ſpricht dafür das von Lye an-
geführte agſ. dôn-lic (practicus) und nhd. häufige thun-
lich, nnl. doen-lik, das ſich vielleicht noch einmahl im
ahd. und mhd. auffinden läßt. Das volk ſpricht thu-lich,
was rein verbales ahd. tuo-l. wäre? oder hätte man wie-
der ein ausgefallenes t und tuont-l. anzunehmen?


2) uneigentliche compoſition findet nhd. mit einzel-
nen adj. z. b. ſterbens-krank, hauptſächlich aber mit dem
adj. werth und würdig ſtatt: dankens-werth, erbarmens-
w. fluchens-w. haßens-w. bemitleidens-w. leſens-w. lo-
bens-w. meldens-w. merkens-w. nennens-w. rühmens-w.
ſcheltens-w. tadelns-w. und bedauerns-würdig, liebens-wür-
dig, ſehens-w. verabſcheuens-w. neben rein verbalem fluch-
würdig, lob-würdig, merk-würdig, denk-würdig. Auch
ſagt man uncomponiert mit vorgeſetztem artikel: des nen-
nens werth, des bemerkens, bemitleidens, anführens w.
In der älteren ſprache überall ohne zuſ. ſetzung: den-
chennes muodiu N. Cap. 115. fermîdennes mâriu ibid.
120. und ſelbſt in ſpäteren volksliedern: es iſt nun rei-
tens werth (werth, daß darum geritten wird) das lied
iſt ſingens (hörens) werth, die ſache iſt redens werth
(verdient beſprochen zu werden), der tod ſterbens werth etc.
Es gibt auch nhd. ſubſt. dieſer uneigentlichen zuſ. ſetzung:
redens-art, lebens-zeichen, lebens-bahn, ſterbens-wört-
chen, leidens-gefährte, lebens-gefährte. Im ahd. überall
ungebundenheit, z. b. anagangônnes cot (Janus) N. Cap.
51. Uneigentlich gebunden auf andere weiſe iſt das nhd.
hören-ſagen (franz. oui-dire), wo gewiſſermaßen zwei
verba zuſ. wachſen; es entſpringt aus der redensart: ich
habe hören ſagen, die in der ſyntax erläutert wer-
den wird.


Anmerkungen zu der verbalcompoſition insgemein:


a) bei der reinverbalen darf man nicht ſagen, daß ſie
aus dem inf. mit abgeworfnem -en entſpringe, denn eben-
ſo practiſch könnte ſie jetzt aus der III. pl. praeſ. geleitet
werden. Wie die nominale nicht hervorgeht aus dem
wegfall einer caſusflexion, ſo bindet auch bei der verba-
len der bloße comp. vocal das unflectierte verbum an
[696]III. verbale compoſition. anmerkungen.
andere wörter. Daher die freie bedeutung verbaler zu-
ſammenſetzungen.


b) aus der participialen und infinitiviſchen kann umge-
kehrt die verbalflexion nicht wegbleiben, da part. und inf.
als nomina betrachtet, ihren verbalbeſtandtheil in ſich ver-
härten und er dadurch jedem andern derivationsmittel
gleichkommt. Daher, wie noch künftige unterſuchungen
auszumitteln haben, adjectiva der ableitung -an (ſ. 164.
165.) veraltete ſtarke part. praet. ſein mögen. Die zuſ.
ſetzung mit part. und inf. iſt alſo im grund nominal und
wie andere nominale zu beurtheilen, hat auch, wenn ſie
nicht uneigentlich iſt, jede nominalflexion wegzuwerfen.


c) gleichwohl führt die im part. und inf. nie ganz
erloſchne verbale natur und bedeutung berührungen mit
der rein verbalen compoſition herbei. Dieſe bildun-
gen ſcheinen ſich gegenſeitig zu verdrängen und aufzu-
reiben, bis endlich in den ſpäteren überreſten die ſichere
ſpur ihres individuellen urſprungs ausgeht. Ohne die ahd.
ſprache wüſten wir nicht einmahl beſtimmt, daß es vier-
erlei formen gebe 1) dola-lîh (paſſibilis) 2) dolênt-lîh (to-
lerandus) 3) kidolêt-lîh? 4) dolên-lîh (luctuoſus). Die
bedeutungen ſtreifen aneinander und verſchwimmen, die
ſprache genügt ſich bald an einer dieſer formen für jede
bedeutung. Für keine einzelne zuſammenſetzung laßen
ſich alle formen nachweiſen und kidolêtlîh im beiſpiel iſt
bloß gefolgert aus errahhôtlîh; furiſtantlîh und farſtan-
tantlîh, beide in K., gloſſieren beide das lat. intelligibilis.
Im agſ. ſchwanken -endlic und -edlic (âcvencendlic, ac-
vencedlic, âvendendlîc, âvendedlic) ohne unterſchied der
bedeutung; im ahd. pichêr-lih (verſatilis) archêranlîh (flexi-
bilis) muß die verſchiedenheit der partikel angeſchlagen
werden. Die comp. mit dem part. praet. ſollte mehr das
geſchehene, bewirkte, die mit dem part. praeſ. und inf.
das geſchehende, z. b. erkennenlich (noſcibilis) erkantlih
(notus), doch das nhd. erkentlich bedeutet offenbar noſci-
bilis). Es kommt auf ſammlung von alten beiſpielen aus
lebendigem zuſammenhang, nicht aus bloßen gloſſen an.


d) reinverbale compoſition überhaupt zu leugnen und
aus participialer oder infinitiviſcher durch ausfall der
flexion zu deuten, obgleich dieſe deutung in einzelnen
fällen richtig ſein kann, ſcheint unſtatthaft. Theils be-
weiſen die verbalcomponierten ſubſt. (ſ. 680.) auch für
adj., theils wäre das i im mhd. genislich aus inf. und
[697]III. partikelcompoſition. — einleitung.
part. ſchwer erklärbar, theils ſcheinen ſich die adj. -haft
und -bar kaum mit part. zu verbinden.


e) formelle unſicherheit für den beſonderen fall wird
noch dadurch geſteigert, daß dem erſten wort auch ein
ſubſt. zum grunde liegen kann, z. b. dem angeführten do-
la-lîh das fem. dola, mhd. dol (paſſio). Im nhd. hilft der
umlaut zweifel zwiſchen ſubſt. und ſchw. verbis erſter
conj. entſcheiden, z. b. pflug-eiſen, maſt-ſchwein ſind
nicht mit pflügen, mäſten, vielmehr mit pflug und maſt
componiert, vgl. ahd. maſt-fogal monſ. 394. Schwierig-
keit macht die mhd. berührung der adjectiviſchen comp.
-eclich mit der verbalen und participialen, vgl. lîde-lich,
lîdec-l. lîden-l. lîdent-l.; hëlfe-l. hëlfec-l. u. a. m.


f) unter den ableitungen, welche den ſchein zweiter
compoſitionswörter annehmen (ſ. 391. 404.), bindet ſich
das einzige -niſſi, zumahl das agſ. -nës, mit part. praeſ.
und praet. Beiſpiele oben ſ. 325. 330. vgl. 399.


g) ein analogon uneigentl. verbalcomp. könnte man
erblicken in der anfügung des perſönl. pronomens an
ſämtliche flexionen des verbums, auf welchem wege ſich
das nord. paſſivum entwickelt. Schon im goth. folgt es
oft unmittelbar aufs verbum, aber ohne ſich anzuhängen.
Die ahd. mundart ſchickt es bald voraus, bald hinten
nach, ſo daß wiederum keine feſtere verbindung ent-
ſpringt, einzelne nachſetzungen litten vergleichung mit
der nord. weiſe, z. b. iufenſih (clamare) ker. 46. mit altn.
œpaz. Dieſe anfügung, die man richtiger inclination
nennt und von der zuſammenſetzung unterſcheidet, wird
die ſyntax abhandeln.


§. 4. Partikelcompoſition (ſ. 410.).


Einleitung: 1) die nominalcompoſition war ſowohl
eigentlich als uneigentlich. die verbale nur eigentlich,
alle partikelcompoſition iſt uneigentlich, ſie geſchieht
folglich immer ohne den compoſitionsvocal. Dieſer ſollte
bei flectierbaren wörtern vielſeitige, der flexion unerreich-
liche verhältniſſe faßen, zugleich das band ſein, wodurch
nomina und verba, ihrer flexion entblößt, an andere wör-
ter geheftet würden. Die von natur einſeitige, unver-
änderliche partikel bedarf um ſich näher an andere wör-
ter zu fügen, da ſie nichts von ſich abzulegen hat, keines
äußern, an die ſtelle der abgelegten form tretenden me-
[698]III. partikelcompoſition. — einleitung.
diums. Weiter, jedes nomen, verbum beſchließt ſeine
wurzel mit einem conſonanten (ſ. 2.), den ausfallenden
hebt die flexion hervor oder birgt eine zugefügte ablei-
tung. Unter den partikeln, die ſich zumeiſt componie-
ren, gibt es viele einſilbige, vocaliſch auslautende, an
welchen gar kein vocal der zuſ. ſetzung haften könnte.


2) iſt nun jedwede compoſition mit partikeln uneigent-
lich, ſo muß ſie auch unurſprünglich ſein (ſ. 408. 409.).
Die partikeln ſind entw. trenubare, die auch ungebun-
den, oder untrennbare, die bloß gebunden vorkommen.
Alle untrennbaren weiſen auf einen früheren ſprachſtand
hin, in welchem ſie gleichfalls als loſe und freie wörter
erſchienen ſind. Partikelcompoſita müßen aber unter allen
uneigentlichen für die älteſten genommen werden, weil
ſie ſich ſchon in den erſten denkmählern jeder ſprache
finden.


3) hierbei ſcheint mir nöthig, adverbium in weiterm,
praepoſition in engerm begriffe zu faßen, als man pflegt.
Inſofern jede uneigentliche zuſ. ſetzung aus der gewohn-
heit des nebeneinanderſtellens zweier wörter hervorgeht
(wodurch freilich nach und nach leere formeln des erſten
worts entſpringen), haben die partikeln anfänglich nicht
allein vor dem verbum, ſondern auch vor dem nomen
ungebunden geſtanden. Zur praepoſition gehört ein von
ihr abhängiger (geſetzter, bisweilen ausgelaßner) caſus.
Sie iſt nichts, als die befähigung einer partikel zur caſus-
rection, d. h. dieſer praepoſitionseigenſchaft iſt eine adver-
biale vorausgegangen (Graff ſ. 8.). Es gibt allerdings
praepoſitionen, deren adverbialer gebrauch ausgeſtorben,
adverbia, deren praepoſitionsanwendung wieder verloſchen
iſt; häufig beſtehen beide zuſammen, theils ſo, daß ſie in
der form übereinſtimmen (ahd. ana, apa, fora), theils ab-
weichen (ahd. mit praep., miti adv.; N. an praep., ana
adv.). In der compoſition gilt aber die adverbialſorm
(ahd. miti-ſlâf, nicht mit-ſlâf; N. ana-ſiht, nicht an-ſiht).
Folglich ſind auch in fällen, wo die geſtalt des adv. und
der praep. nicht unterſchieden werden kann, die compo-
nierten partikeln für adv., nicht für praep. zu erachten,
überhaupt mit andern wörtern zuſammengeſetzte *) und
untrennbare praepoſitionen zu leugnen.


[699]III. partikelcompoſition. — einleitung.

4) zeichen eigentlicher compoſition iſt, daß eine unab-
ſehbare menge von wörtern, uneigentlicher, daß nur eine
beſchränkte zahl dafür taugt. Die partikelzuſammen-
ſetzung begreift nur lebloſe, räumliche adverbia, voraus
ſolche, die zugleich auch praepoſitionen werden. Sind
alſo, nach dem vorigen, die componierten partikeln keine
wirklichen praepoſitionen, ſo verdienen ſie meiſtens prae-
poſitionale adverbia
zu heißen und dieſe berührung mit
den praepoſitionen wird ſich auch darin bewähren, daß
ſolche, deren zweites wort verbum iſt, bisweilen in das
wirkliche praepoſitionsverhältnis umgeſetzt werden. In
den untrennbaren, entſtellten partikeln läßt ſich der prae-
poſitionsgebrauch nicht immer nachweiſen, aber vermu-
then; das verneinende un- z. b. muß der praep. in nah-
verwandt ſein. Es finden ſich jedoch hauptſächlich in
der zuſammenſetzung mit dem nomen, auch partikeln, die
niemahls praepoſitionen waren.


5) [durch] die compoſition ſind untrennbare partikeln
vielfacher entſtellung und verdunklung unterworfen, wo-
von ſich hier im allgemeinen folgendes bemerken läßt:


α) der conſonant wandelt ſich nach dem anlaut des
zweiten worts, theils aſſimilierend: goth. ur-reiſan f. us-
reiſan, ahd. um-mëƷ f. un-mëƷ; theils andern lieblings-
verbindungen folgend: nhd. im-biß f. in-biß; emp-fangen
f. ent-fangen; emp-finden f. in-finden; ahd. am-paht f.
ant-paht (goth. and-bahts).


β) liquida oder ſpirans fällt weg: altn. ô- für un-;
ahd. und agſ. â- für as? wahrſcheinlich noch andere, auf
langen vocal endende, z. b. ahd. uo; was haben aber ein-
gebüßt, die mit kurzem vocal ſchließen, z. b. goth. ga-?
(vgl. gr. κατά) *).


γ) ſchwächung des vocals, vgl. mhd. ën- für in-,
bë- für bi-, zë- für zi-; ſo wie umgekehrt die zu prae-
*)
[700]III. partikelcompoſition. — einleitung.
poſitionen geſtempelten ihren vocal zu verlängern und zu
vertiefen ſcheinen, vgl. ahd. zuo, pî, mit goth. du, bi.
Seltner iſt vocalverlängerung durch compoſition: nhd.
ein- für in-.


δ) tonverluſt, nach verſchiedenen ſtufen.


ε) manche dieſer veränderungen treffen auch die ge-
trennten partikeln, namentlich als praepoſitionen; ſo altn.
î und â für in, an; ahd. ar, ir, ur für as, is, us; nhd.
um für umbe, umpi etc.


6) nicht ſelten gewöhnt ſich die wurzel ſo an die
partikel, mit welcher ſie compoſition eingegangen iſt, daß
fie, wenigſtens dialectiſch, gar nicht mehr unzuſammen-
geſetzt vorkommt. So ſtehet im goth. ur-reiſan = agſ.
â-rîſan (ſurgere), nie das einfache reiſan, rîſan; zu and-
bahts mangelt das ſimplex bahts. Iſt nun die partikel
noch dazu verkürzt, ſo tritt oft compoſition mit einem
einzigen conſonanten
ein. Hierdurch aber wird eine ver-
dunklung der wurzel
möglich, an die ſchon oben ſ. 3.
erinnert worden iſt und deren hauptfälle folgende ſind:


a) von dem ge- fällt vor l, n, r in gewiſſen nhd.
wörtern der vocal weg: g-laube, g-leich, g-leis, g-lied,
g-lück, g-nade, g-nug, g-rob und gl, gn, gr gewinnen
wurzelhaften ſchein. Die abhandlung wird nicht bloß
dieſe, ſondern auch andere ähnliche wörter in der ver-
kürzung ſchon aus dem ahd. und mhd. beibringen.


b) von dem be- ſeltner und nur vor l (nicht n, r),
vgl. nhd. b-lock, mhd. b-loch, ahd. pi-loh; nhd. b-leiben,
mhd. b-lîben, ahd. pi-lîpan; ahd. auch p-lâƷan (ignoſcere)
f. pi-lâƷan; agſ. b-lînnan f. belinnan.


c) von dem ze- nur vor w im nhd. z-war (was da-
zu keine rechte comp. iſt, ſondern ein aus der praep.
mit dem caſus entſpringendes adverbium, mhd. ze wâre);
ahd. z-wërfan für zi-wërfan.


d) der vocal unterbleibt auch vor vocaliſch anlauten-
der wurzel, vgl. nhd. g-anerbe, g-unſt, g-önnen, b-arm-
herzig, b-eichte.


e) die ahd. f-lâƷan, f-lioſan entſprechen den goth.
fra-lêtan, fra-liuſan (nicht faír-lêtan, faír-liuſan obwohl
das gleichbedeutige ahd. fir-lâƷan, fir-lioſan vorkommt);
ſtammt das mhd. vreiſchen aus ver-eiſchen? und vreiſe
aus ver-eiſe (ver-egiſe)?


[701]III. partikelcompoſition. — einleitung.

f) die nhd. partikel n-eben entſpringt aus mhd. ën-
ëben, ahd. in-ëpan; es iſt wie z-war zu betrachten, zeigt
aber den weg, auf dem wirkliche compoſita eben ſo ent-
ſtanden ſein können.


g) einzelne mit ſl, ſm, ſn, ſk anlautende wurzeln
werden verdächtig und ſcheinen, die dialecte untereinan-
der und mit fremden ſprachen verglichen, zerlegbar in
s-l, s-m, s-n, s-k, dergeſtalt, daß dieſes s überreſt einer
alten partikel wäre, etwan eines as, is, us, das nach den
lautgeſetzen der jüngeren ſprache alleinſtehend in ar, ir, ur
übergegangen ſein würde. Das gäbe den gegenſatz zu dem
unter 5, β genannten â- für as, wo der conſonant, wie
hier der vocal untergegangen iſt. Die einleuchtendſten
beiſpiele ſind: ſlicken (ſchlecken) neben lecken; ſ-mal
(parvus) ſlav. mali, das ſ- könnte die bedeutung des lat.
ex in ex-iguus haben, vgl. mhd. ur-klein (perparvus);
ſ-mëlzan (liquere) agſ. miltan, und daneben ſ-mylte (ſe-
renus, ausgelaßen, geſchmolzen); agſ. ſ-myrjan (ungere)
ſchmieren, gr. μυρίζειν; ſ-nabel (roſtrum) altn. nef (na-
ſus) agſ. neb (vultus); agſ. ſ-nëoſan (ſternutare) engl.
ſ-neeze, nhd. nieſen; goth. ſ-náivs, ahd. ſ-nêo, ſlav.
ſn-jeg, litth. ſ-négas, gr. νίψ, lat. nix; ſ-nuor, lat. nurus;
ſ-keinan (lucere) vielleicht verwandt mit keinan (germi-
nare?) vgl. us-keinan (erumpere); ahd. ſ-curz ker. 97.
(1, 175.) neben churz, nhd. kurz, agſ. ſ-cëort, engl. ſ-hort.
Ein blindes, d. h. anfänglich bedeutungsloſes ſ iſt in der-
gleichen fällen ſchwerlich anzunehmen, hat es aber be-
deutung gehabt, dieſe nur aus einer vorgeſetzten partikel
zu ſchöpfen.


h) die von a bis g erläuterten zuſammenſetzungen *)
fordern behutſamkeit, ſind nur als ausnahmen zu betrach-
ten und nicht nach ſcheinbarer analogie auf andere wör-
ter anzuwenden. Das mhd. frëƷƷen z. b. aus ver-ëƷƷen
zu deuten, ſtößt ſich daran, daß weder ein ahd. fir-ëƷ-
Ʒan, noch ein goth. fra-ïtan vielmehr frëƷƷan, fritan ſtatt-
findet. Dürfte man wagen, unſer name (nomen), das offen-
bar mit nëmen (capere) zuſ. hängt, in der weiſe von
n-ëben, aus ën-ame, folglich auch n-iman aus ïn-iman
zu leiten? ſlav. heißt imati (habere, capere) ime (no-
[702]III. partikelcompoſition. — einleitung.
men); litth. imti (capere) ohne daß ſich ein entſprechen-
des ſubſt. fände; lett. jemt, neben n-jemt (capere); alt-
preuß. imt (capere) emnes (nomen) welches alles die
wurzelhaftigkeit des n verdächtig macht, nur aber ver-
liert es ſich in ein faſt unerreichbares alterthum, wie ſchon
das lat. n-omen (vgl. omen, zeichen) darthut und iſt das gr.
ὄνομα mit νέμω verwandt oder ὄν-ομα für ἐν-ομα? Wie
viele wurzeln mit anlautendem n, g, b, fl, fr, ſl, ſm, ſn
wären hier durch eine unvorſichtig aufgeſtellte regel an-
zufechten! Dazu kommt daß ſich im ahd. und mhd.
umgekehrt unorganiſcher vocal zwiſchen wurzelhafte con-
ſonanzverbindungen einzudrängen ſcheint, vgl. terawid
(minitatur) ker. 196. f. trawid (wie daſelbſt 215); gerin-
dela N. 106, 15. f. grindela; chereftic N. 88, 1. für chref-
tic; chenebil flor. 984b f. chnebil; chinito (pinſo) doc.
205b f. chnito, chenëte N. 81, 1. f. chnëte; und nicht ſel-
ten ziwei, zewîvel etc. f. zwei, zwîvel.


7) keiner partikelzuſammenſetzung gebührt der com-
poſitionsvocal. Scheinbar tragen ihn an ſich α) compoſita
mit partikeln, denen -a als bildungsvocal zuſteht, wovon
cap. V. näher handelt, z. b. goth. ana, váila, ahd. apa,
opa, hina. Da dieſes -a ebenwohl außer der compoſition
vorhanden iſt, kann es nicht zu ihr gehören. β) aus-
nahmsweiſe einzelne untrennbare, namentlich goth. anda-
für und neben and-; ahd. una- ſtatt des gewöhnlichen
un-, falls der lesart zu trauen iſt; belege hernach in der
abhandlung. Eher ſind dieſe formen überreſte der älte-
ren, trennbaren geſtalt, als compoſitionsvocaliſch. γ) bei
dem untrennbaren ahd. ita- (re-) und vielleicht einzelnen
ähnlichen könnte indeſſen wahrer compoſitionsvocal wal-
ten, d. h. wirkliches ſubſt. oder adj. unterliegen, mithin
gar keine partikelcompoſition vorhanden ſein. Denn auch
andere nominalzuſammenſetzungen, beſonders die, welche
vielheit und mangel, fülle und leere, gleichheit und haft
ausdrücken, begegnen ſich dem ſinne nach mit partikel-
compoſitis. So entſpricht ata- (ſ. 417.) dem lat. jugiter;
bora- (ſ. 550.) dem nimis; miſſa- (ſ. 470.) dem dis-; ſina-
(ſ. 554.) dem con-, gr. σύν-; ala-, fola-, ſama-, ëpan-,
wana- (ſ. 672.) andern partikeln. Und, wie eins derſel-
ben, ſama, trennbare partikel wird, wären vielleicht meh-
rere auf -a aus urſprünglichem compoſitionsvocal zu deu-
ten? Dieſe frage verliert ſich wieder in das dunkel un-
ſeres ſprachalterthums; ihre theilweiſe bejahung würde
an der hier aufgeſtellten grundregel nichts ändern, ſondern
bloß einzelne partikelcompoſita in nominale verwandeln.


[703]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.

8) da die untrennbarkeit der partikeln nicht urſprüng-
lich iſt, da ſie allmählig und ſchwankend, nach verſchie-
denheit der mundarten früher oder ſpäter oder gar nicht
erfolgt; ſo kann eine allgemeine abhandlung der deutſchen
partikelzuſammenſetzungen nicht mit rückſicht auf den un-
terſchied zwiſchen trennbaren und untrennbaren geordnet
werden. Für einen dialect und zeitraum würde dieſe
abſonderung vortheil gewähren.


9) deſto ſorgfältiger muß hier zuſammenſetzung mit
dem nomen geſchieden werden von der mit dem verbum.
Beide ſtehen nicht auf gleichem fuß und weichen in form
und bedeutung wichtig von einander ab. Verba die aus
zuſ. ſetzungen der part. mit dem nomen abgeleitet wer-
den, ſind verſchieden von denen der part. mit dem ver-
bum, z. b. ant-worten und ent-halten nicht auf eine reihe
zu ſtellen, obgleich beiden dieſelbe partikel zum grunde liegt.
Dagegen trage ich die compoſition mit dem ſubſt. und
adj. diesmahl zuſammen vor. Decompoſita laßen ſich des-
halb nicht in §. 5. verweiſen, weil einzelne dunkle par-
tikeln ſelbſt ſchon zuſammengeſetzt ſcheinen. Alle com-
poſita, deren zweites wort wieder partikel iſt, ohne daß
ſie ſich mit nom. oder verb. binden, bleiben auf cap. V.
verſpart.


10) vielfache berührungen der einzelnen partikeln
können erſt in den anmerkungen zu dieſem §. abgehan-
delt werden.


Partikel mit nomen.

Dieſe compoſition ſcheint älter und ausgebreiteter als
die mit dem verbum, verletzt die form der partikeln in
der regel weniger und findet auch leichter ſtatt mit un-
praepoſitionalen adverbiis. Da unſere ſyntax keire freie,
unverbundne ſtellung der partikel vor das ſubſt., worauf
ſie ſich bezieht, erlaubt, vor das adj. nur bei belebten *),
nicht bei abſtracten partikeln; ſo muß nicht bloß für un-
trennbare, ſondern auch für trennbare, überall wo ſie
ſich an das nomen ſchließen, wirkliche zuſammenſetzung
angenommen werden. Wer die partikel vor dem no-
men für ein adverbium des engern ſinnes halten, d. h.
an-blick, vor-ſchritt aus an-blicken, vor-ſchreiten ver-
ſtändigen wollte, den widerlegen unzählige compoſita, de-
[704]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ren zweites wort aller verbalkraft ermangelt, z. b. goth.
ana-gards, nhd. vor-hof. Wie iſt aber die rechte grenze
zu treffen zwiſchen wirklicher compoſition mit dem no-
men und bloßer ableitung von verbis? 1) wo gar kein
verbum dem nomen entſpricht, hat ſich natürlich die
partikel mit dem nomen zuſ. geſetzt, z. b. ahd. ap-krunti,
ûf-himil. 2) wenn, die partikel abgelöſt, das einfache
ſubſt. nicht beſtehen kann, ſo ſcheint die comp. mit dem
verbo eingegangen, das ſubſt. deriviert, z. b. goth. af-lêts,
nhd. ab-laß von af-lêtan, ab-laßen, da es kein ſubſt. lêts,
laß gibt. Rein entſcheidet dieſer grund nicht, die älteren
fimplicia können verloren ſein. 3) offenbar verbale ab-
leitungen (ſ. 399, γ. δ.) bezeugen compoſition mit dem
verbo, z. b. die nhd. einrichtung, abhaltung ſtammen von
ein-richten, ab-halten, nicht hat ſich die partikel zu den
ſubſt. richtung, haltung gefügt. 4) offenbar nominale
(ſ. 399, β) dagegen fügung der partikel an das nomen,
z. b. das ahd. ab-ſneitahi rührt von ſneitahi her, nicht
von apa-ſnîdan. 5) iſt gar keine ableitung ſichtbar, oder
eine dunkle (ſ. 400. ζ) oder eine bald nominale, bald ver-
bale (ſ. 400. ε) vorhanden, übrigens verbum und nomen
gleich geläufig; ſo läßt ſich nicht angeben, ob die zuſ.
ſetzung zuerſt mit dem einen oder dem andern vorge-
nommen worden ſei. Beides ſcheint mir möglich, z. b.
im nhd. an-blick, unter-kunft, kann die partikel mit den
ſubſt. blick, kunft componiert oder aus an-blicken, unter-
kommen hernach das ſubſt. geleitet ſein. In ſolchen fäl-
len ſind die compoſita doppelt aufzuführen. 6) zuweilen
hilft die eigenthümliche veränderung aus, welche ver-
ſchiedne partikeln dialectiſch vor dem nomen oder ver-
bum erfahren Ahd. gilt z. b. â- fürs nomen, ar- fürs
verbum; agſ. or- fürs nomen, â- fürs verb.; ahd. ant-
fürs nomen, int-, in-, fürs verbum. Folglich iſt â-danch,
ant-vanc mit dem nomen componiert, nicht von ar-den-
chan, int-fangan herleitbar. Folglich dürfen auch, wenn
die partikel unverändert bleibt, nomina und verba ſelb-
ſtändig mit ihr verbunden werden, wie ich (unter 5.)
behauptete. — Der ausdruck trennbar in dem folgenden
verzeichnis zeigt an, daß die partikel außer der zuſam-
menſetzung auch noch ungebunden, untrennbar, daß ſie
nirgend ungebunden vorkomme; in der compoſition ſind
auch die trennbaren untrennbar.


â- (ex); dieſe überall untrennbare, ahd. und mhd.
nur das nomen, altſ. und agſ. nur das verbum bindende
partikel kommt weder im goth. noch im altn. vor, das
[705]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
altn. â iſt ganz etwas anders, = goth. ahd. ana. Die
länge folgt theils aus der ſchreibung aabulkii K. 23b aa-
riupo (trux) ker. 276. und N’s â-, theils aus unter-
drückung des conſ. der urſprünglichen geſtalt. Offenbar
iſt ſie einerlei mit der ahd. praep. ar, or, goth. us (viel-
leicht auch früher oder dialectiſch as) und nicht das ſpä-
tere r ſcheint weggefallen, ſondern das ältere s. Zum
beweis dient 1) daß den hochd. mit dem nomen com-
ponierten â- ſächſiſche or-, 2) den ſächſ. mit dem ver-
bum componierten â- ahd. ar- begegnen. 3) zuweilen
ahd. ur- neben â- ſtattfindet, vgl. â-wicgi und ur-wicgi
(avium, devium) ker. 26. â-chuſt und ur-chuſt K. 53a.
4) einigemahl ahd. ar- erſcheint: ar-cuſtîc (vitioſus) ſgall.
194. ar-chuſtîc (fraudulentus) hrab. 960b 968b ar-chuſtî-
gôn (callere), aber ark-chuſtîc monſ. 408. arg-chuſtig N. Boeth.
80. arg-chôſôn N. 108, 29. 5) die bedeutung des lat. ex-, wel-
chem â- mehr, als dem verneinenden in- entſpricht. Man
könnte verſucht werden, â- von der praep. goth. af, ahd. apa
zu leiten, wie ſich das lat. ab in a kürzt und in a-vium
(= de-vium, in-vium) gebraucht wird, wirklich hat ker.
218. ab-këƷƷal (oblivioſus) ſtatt des ſonſtigen â-këƷƷal
[vgl. bei ab- noch andere wörter]. Allein zur deutſchen
lautlehre ſchickt ſich ein ausfall der ſpirans, nicht der
labialis *) und ab-këƷƷal iſt nichts als die neben â-këƷƷal
gültige, gleichbedeutige zuſammenſetzung mit einer ver-
wandten partikel. Die ahd. hierher gehörigen belege
ſind: â-p-anſt (invidia, aemulatio) K. 24a ker. 20. monſ.
386. 407. â-p-anſtîc (invidus) ker. 20. ſgall. 194. (wo -an-
ſtinc) falls es decompoſitum iſt, wofür das mit dem verbum
componierte ar-p-unnan ſpricht, man kann es aber auch
für einfach mit ap- componiert halten (ſ. hernach bei
ap-), den zweifel würde N. durch die ſchreibung âbanſt
oder abanſt löſen; â-chambi (ſtupa) aug. 120b das ausge-
kämmte; â-chôſunga (deliramentum) lindenbr. 994b (wo
hacoſunge) ſetzt â-chôſôn (delirare) und â-chôſi? (deli-
rium) voraus; â-chuſt (vitium) K. 40b 46b 52a 58a monſ.
322. 385. N. 41, 2. 136, 8. Boeth. 52. 82. 191. â-kuſt O. I.
1, 60. III. 7, 125. V. 2, 12. â-chuſtîc (vitioſus) K. 56a;
â-danch (argumentum) â-denchâ (adinventiones) jun. 195;
â-varo (decoloratus); â-fërmi (ſqualor) hrab. 966a 975a,
Y y
[706]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
auskehricht, vgl. agſ. â-fëormjan (purgare); â-hërzêr
(excors) doc. 201a; â-hizzju (diverſorium)? jun. 201. viel-
leicht â-hizzja, geheiztes zimmer; â-kalaſtra (pica) vgl.
oben ſ. 367; â-gëƷ (oblivio) N. 44, 11. 59, 9. Boeth. 171.
â-gëƷôn (obliviſci) Boeth. 60. â-këƷƷal (oblivioſus) ker.
156. â-këƷƷalî (oblivio) ker. 113. K. 26b; â-guƷƷe (te-
mulentus) doc. 201a; â-leipa (refiduum, reliquiae) monſ.
333. T. 80. 89. O. III. 6, 109. 10, 80; â-lôfnîn (redemptio)
J. 385; â-maht (deliquium) â-mahtîg (debilis) N. 38, 12. Boeth.
152; â-mund (liber, ſui juris, aus der vormundſchaft)
lex longob.; â-pulkî (iracundia) fem. K. 23b â-bulgi neutr.
O. I. 23, 80. IV. 19, 119. V. 19, 46. â-bulgîc (aemulus)
jun. 240. â-bolgig N.; â-riupo (trux) ker. 276. â-riup (di-
rus) hrab. 960a jun. 203. von der wurzel nr. 211?; â-
rûmî (vicinia) O. IV. 35, 59. V. 4, 59; â-ſcaffa (ſcidola?
vielleicht ſchidia, σχίδια, ausgehaune ſpäne oder lat. ſcin-
dula?) von ſcafan, wie â-wirchi, â-ſcrôta etc. von wir-
chan, ſcrôtan, beim geogr. ravennas iſt aſcapha namen
einer alemanniſchen ſtadt, wahrſch. das heutige aſchaffen-
burg, in deſſen nähe ein ort main-aſchaf heißt, etwa
werkſtatt der zimmerleute?; â-ſcrecchî (praecipitantia)?
g-â-ſcrecchî N. Boeth. 233. heftiges aufſpringen, lieber
gâ-ſcr. für gâh-ſcr. gähes ſpringen?; â-ſcrôta (ſarcula-
mina) ker. 246. hrab. 974a; â-ſkerre (diſſeptus) N. Boeth.
224; â-ſnita (ſarmenta) ausſchneidſel hrab. 974a; â-ſpunna
(ſtupa) jun. 218. 227. (wo fehlerh. uſpanna, uſpunna), das
ausſpinnſel; â-ſueifa (quisquiliae) monſ. 405. 411. von ſuei-
fan (verrere); â-ſuih (ſcandalum) jun. 225. monſ. 381. O.
IV. 12, 20. ein adj. â-ſuihhal folgt aus dem verb. â-ſui-
holên (offendi) T. 161, 2; â-ſuinga (ſtupa) doc. 203a das
ausgeſchwungne; â-teilo (expers) jun. 187. doc. 203b â-
deilo O. I. 1, 230. II. 7, 52. 8, 9. V. 23, 245. â-teilig W.
8, 11, â-wart (averſus) gefolgert aus â-wartôn (avertere
viſum?) N. Boeth. 119; â-weiſe (cadaver) N. 62, 11. (wo feh-
lerh. âweiſin f. âweifiu, cadavera), dunkler wurzel (ſ. hernach
die mhd. form); â-wëraſ (abjectio) K. 29a hrab. 959b N.
27, 7. 103, 17. der abwurf, auswurf, â-wërf (abortivum)
jun. 194. monſ. 346. â-wërfig (reprobus) N. 9, 18. 78, 12.
âwërfôn (abjicere) N. Boeth. 45; âwirchi (ſtupa) monſ.
332. aug. 120b trev. 51b â-wirch herrad. 187a â-wurchi
monſ. 342. â-wërc jun. 292; â-wërt (abſens) jun. 256;
â-wicgi (avium) ker. 26. 164. hrab. 953a doc. 203a â-wëkke
(invius, pravus) N. 77, 8. 100, 3. 106, 40. Boeth. 233. jun. 306.
daher das adv. â-wiccun (e via, per agrum) monſ. 323.
â-wiggon O. III. 1, 22. und das verbum â-wickat (de-
[707]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
viat) ker. 89. â-wiccên (exorbitent) monſ. 394; â-wizôd
(delirium) doc. 203b ſetzt ein verb. â-wizôn, dieſes ein
ſubſt. â-wizi (amentia) voraus, welches in âwizi-lôs (oben
ſ. 566.) ſteckt. Außer dieſen ſicher noch viele analoge
ahd. compoſita. Nicht hierher fallen: 1) abuh (pravitas)
apuhôt (exaſperat) ker. 105. apah (perverſus) worin ab
wurzel, -uh derivation, vgl. oben ſ. 315. wo mehr citate.
2) agaleiƷi (ſ. 503.) bei welchem an â-galeiƷi zu denken
ſchon das goth. agláitei verbietel. 3) agawîs (publicus)
ſ. 503, womit das altpreuß. ackiwiſti (publice) merkwür-
dig einſtimmt, obgleich ſich das deutſche wort nicht durch
auga (altpr. ackis) erklären läßt. 4) alanc (integer) hrab.
966b O. II. 13, 68. IV. 28, 32. 29, 56. V. 12, 42. monſ. 321.
alonc ker. 146. 155. 239. olang N. 65, 13. p. 268a Boeth. 263.
alonges (ex integro) K. 35b êr alongi K. 48b anolkiu K.
35b wohl in alonkiu zu ändern. In dieſem alanc, alonc,
alunc iſt die wurzel al (totus) nicht zu verkennen, es
ſcheint das oben ſ. 358. zu der adverbialform -ungun ge-
ſuchte adj., dem das agſ. adv. ëallunga, ëallinga (omnino)
entſpricht. 5) ameiƷa (formica), weil â-meiƷa (ſ. 221.)
ein agſ. or-mâta fordern würde. — Mhd. machen ſich die
compoſita mit â- ſchon ſelten: â-gelſter (pica); â-greifen (he-
bere? ſchlecht greifen, nicht mehr ſchneiden?) MS. 2, 131a,
ein ſubſt. â-greife? vorausſetzend; â-kôſen (delirare) Barl.
320; â-kuſt (vitium) Barl. Triſt. Mar. 123. Flore 9c; â-laſter
(ignominia) Triſt. 15492. Hag., bedarf weiterer beſtätigung;
â-maht, â-mehtic Triſt.; â-name (cognomen ignominio-
ſum) Triſt. 321, wo kanelengres einen übeln ſinn enthält,
engres bedeutet altfranz. malus, impius; â-ſanc (aduſtio)
a. Tit. 84. (druck 796.), Oberl. 82b gibt aus dem vocab.
1482. die ſpätere form aw-ſang; â-ſprâchen (delirare,
ſtulte loqui) troj. 38c (wo â-ſprâchet zu leſen, praeſ., nicht
praet.) wie â-kôſen gebildet, daher auf â-ſprâche (deli-
rium) zurückführend; â-ſwich Triſt.; â-teilie (expers)
vaterunſer 802; â-wehſel (cadaver) Bertold p. 94. 95,
Oberl. 82b hat aweſel, awaſel, es gehört zum ahd. â-
weiſe; â-witzen (inſanire) Rud. weltchr. — Die nhd.
ſchriftſprache hat außer dem entſtellten elſter (pica) keins
dieſer wörter erhalten, die volksmundarten kennen noch
â-kuſt Stald. 1, 81; â-macht (o-macht, ohn-macht) â-name
(auch o-name, ſchimpfname); â-ſchwinge, e-ſchwinge
(ſtupa) und wohl mehrere.


af- (de, ex, ab, re-) ahd. ap, ab; agſ. of (neben äf);
altſ. altn. af; in allen mundarten trennbar. Goth. af-êtja
(vorax); af-lêts (remiſſio); af-ſtaß (repudium); von verbis
Y y 2
[708]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
abgeleitet ſind af-lageins. af-marzeins, af-ſateins. — ahd.
ſtets ap-, ab- (nicht apa-, aba-): ap-anſt, ap-onſt (monſ.
365.) ap-unſt (invidia) dem âpanſt (vorhin (ſ. 705.) vor-
zuziehen oder mindeſtens daneben anzunehmen, vgl. das
agſ. of-eſt und nhd. ab-gunſt; ab-këƷƷalî (oblivio) ker.
218; ab-got (idolum) O. IV. 5, 34. pl. ab-gotir monſ. 328.
380. der gen. pl. ap-kutjô (idolorum) monſ. 405. 411.
ſcheint auf ein neutr. ap-kuti zu weiſen; ab-crundi (abyſ-
ſus) ker. 40. 277. monſ. 411. ab-grunti T. 53, 8. ab-crunde
N. 41, 8; ab-lâƷ (remiſſio) N. 31, 5. 59, 4. 118, 149. ab-
lâƷi O. III. 1, 60; ab-lîd oder ab-lid? (obitus) J. 387;
ab-ſneitach (ſarmentum) doc. 201a; ab-trunnîc (apoſtata)
monſ. 378. doc. 201a; ab-wart (abſens, ſurdus) K. 60a
monſ. 322. ab-wërt O. V. 23, 74. ab-wërtî N. Boeth. 120.
ab-wërtig N. 108, 24. Boeth. 227. 263. — agſ. of-däle, äf-däle
(praecipitium, deſcenſus), wäre ahd. ap-tali? [vgl. goth. id-
dalja]; of-eſt (feſtinatio) ich habe oben ſ. 367. ôf-eſt angeſetzt,
das ôf wurzelhaft und das -eſt rein derivativ genommen,
entſcheide mich aber jetzt für die zuſ. ſetzung, wodurch
es dem ahd. ap-anſt parallel wird, die bedeutungen feſti-
natio, ſtudium, zelus, invidia reichen aneinander, die ne-
benſorm äf-eſt ſtehet Cädm. 28. [und äf-eſtjan (liveſcere)
entſpricht ahd. ap-unſtëôn, äf-eſtig (aemulus) dem ahd.
ap-unſtîc doc. 202b ab-anſtîc K. 52b] oft auch verkürzt äflt,
oflt; äf-græfa (exactor); of-læte, gen. -an (oblatio); of-ſpring
(proles); äf-þunca (invidia) Beov. 40. äf-þonca Jud. 12;
of-þyrſte (bene potus); äf-vëard (abſens); äf-vyrdle, gen.
-an (jactura). — altn. af-bötun (excuſatio); af-beidni (de-
precatio); af-bod (horror); af-bragd (excellentia); af-
brot (delictum); af-burdr (refugium); af-bŷli (tuguriolum);
af-dalr (convallis remota); af-drëp (refugium); af-drif
(exitus); af-eyrdr (auribus orbatus); af-fall (detrimentum);
af-farir (exitus); af-gamall (confectus aetate); af-gângr
(reliquiae); af-gata (iter devium); af-glapi (fatuus); af-
grunnr (abyſſus); af-gud (idolum); af-hallr (declivis);
af-hellir (diverticulum antri); af-hendr (derelictus); af-hlaup
(effluvium); af-hôp (ramus fluminis); af-högg (ſegmentum);
af-kâr (portentoſus) edd. ſæm. 260a; af-klippa (ſegmen); af-
klofi (ramentum); af-krô (receſſus); af-krôkr (diverticu-
lum); af-kymi (ſeceſſus); af-laki (homo nauci); af-lângr
(oblongus); af-lât (indulgentia); af-leitr (incongruus); af-
menni (homo nauci); af-nâm (detrimentum); af-qviſti
(ſarmenta); af-râd (caedes); af-râs (defluvium); af-rëk
(facinus); af-rof (detrimentum); af-ſal (abalienatio); af-
ſkêpi (monſtrum); af-ſkipti (commercium); af-ſkûm (ſpu-
[709]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ma); af-ſlâttr (foeniſecium); af-ſleppr (declivis); af-ſprîngr
(ſoboles); af-ſtada (plaga); af-ſtûka (conclave); af-ſvar
(repulſa); af-tak (pernegatio); af-taka (caedes, das ab-
thun, hinrichten); af-tal (pactum); af-tækr (prohibitus);
af-vanr (deſuetus); af-vëgr (devium); af-vik (ſeceſſus);
af-þocki (odium); af-þyrſtr (bene potus). — mhd. bald
ab, bald abe-: abe-ganc Triſt. Wh. 2, 19b 27b; ab-got;
ab-grunde; ab-hâr (depilis) Hartm. im Erec; ab-holz
(ligna decidua) Oberl.; abe-kêr Flore 32c; ab-kôſe
(delirium) folgt aus dem von Oberl. angeführten ab-kô-
ſen [vgl. das gleichbedeutige â-kôſen]; ab-lîbe (mors)
Ernſt 33b; ab-lîp (mortuus) Eracl. 513; ab-louf Nib.; ab-
ſchrôt (praeſegmen) Oberl.; abe-getroc (phantaſma) [ne-
ben â-getroc] Geo. 33a vgl. getroc Parc. 80b tievels ge-
troc Karl 62a; abe-trunne Geo. 31b ap-trünnic Barl. *)
nhd. ab-bild; -bitte; -fall; -fahrt; -fluß; -gang; -gift;
-glanz; -gott; -grund; -guß; -gunſt; -hang; -händig; -hold;
-kunft; -kömmling; -laß; -lauf; -laut; -nahme; -rede;
-riß; -geſang; -ſchaum; -ſchied; -ſchlag; -ſchnitt; -ſtand;
-ſtich; -trieb; -trünnig; -weg; -winkel (locus remotus)
u. a. m. — Die bedeutung dieſer partikel im allgemeinen
iſt entfernung, befreiung, ſchwäche, widriges; ſie ſteht
dem an- entgegen.


afar goth. noch praep. (poſt), ahd. avar (iterum, re-)
nur adv., jedoch trennbar: goth. afar-dags (dies poſte-
rus). — ahd. avur-chalawêr (recalvaſter) jun. 223; avar-
hacco (nhd. wider-hacken) monſ. 348; afar-lêra (iteratio
doctrinae) ker. 89; avar-purt (regeneratio) abur-burt T.
aber-burt N. 82, 11; avar-ſprâcha (deuteronomium) jun.
238; avar-ſturz (recidiva febris) monſ. 386. 394; avar-
wantî (trajectione) monſ. 357. — agſ. keine comp. mit
afor. — altn. afar- untrennbar und nimis bedeutend: afar-
koſtr (violentia); afar-menni (vir vehemens); afar-reiðr
(nimis iracundus); afar-yrdi (convitia). — mhd. comp.
mit aber- kann ich nicht belegen, doch mögen ſie vor-
kommen, da Oberl. aus ſpätern quellen aber-ane (proa-
vus); aber-acht; aber-bann; aber-zil (terminus prolon-
gatus) anführt, auch meine ich geleſen zu haben: aber-
[710]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
mære f. böſe nachrichten. Die nhd. aber-glaube und
aber-witz haben den ſinn des böſen, übermäßigen (wie
im altn.) vgl. hernach after-; aber-klaue bedeutet hinter-
klaue (wofür auch after-kl.); Stald. 1, 86-87. hat aber-
ſinnig (wahnſinnig, aberwitzig) aber-ſünig (launiſch) aber-
wahl (wiederwahl) aber-wand -wandel (erſatz) aber-wille
(unwille) mit welchem letztern das ahd. afur-wollê (male
velit) O. III. 1, 66. zu vergl.


aſtra (retro) *) ahd. aftar (poſt), die goth. afar und af-
tra verhalten ſich umgedreht zum ahd. avar und aftar,
ahd. iſt aftar praep. Agſ. bedeutet äfter poſt; altn. aftr
retro, unterſchieden von eftir (poſt) **). Goth. ſubſt. mit
aftra- componiert fehlen. Ahd. after-chunft (poſteritas) jun.
218. N. 104, 9; after-canc (ſucceſſus) jun. 188; aftar-quëmun
(propagines) monſ. 345; after-wart (poſterior) jun. 249.
aphter-wërt monſ. 340. doc. 201a aftar-wërtîc monſ. 345;
aphter-zuhtîc (poſtſoetans) monſ. 349. doc. 243a. — agſ.
äfter-genga (ſucceſſor); äfter-leán (praemium); äfter-râp
(poſtilena); äfter-ryne (occurſus); äfter-ſang (ſuccentus);
äfter-vëard (poſterus); äfter-yldo (ſequens aetas). — altn.
aftr-bata (reconvaleſcens); aftr-eldîng (diluculum); aftr-för
(regreſſus); aftr-gânga (manes); aftr-hald (retentio); aftr-
hlaup (receſſus); aftr-hvarf (reditus); aftr-kall (revocatio);
aftr-kaſt (recurſus); aftr-koma (reditus); aftr-reka (repul-
ſam paſſus); aftr-ſtafn (puppis); mit eftir- folgende: eftir-
bâtr (inferior); eftir-bid (exſpectatio); eftir-burdr (ſecun-
dinae); eftir-dœmi (exemplum); eftir-för (perſequutio);
eftir-fylgd (imitatio); eftir-koma (ſucceſſio); eftir-lângan
(deſiderium); eftir-lâtr (indulgens); eftir-leifar (reliquiae);
eftir-leit (indagatio); eftir-mâli (epilogus); eftir-ſafn (ſpi-
cilegium); eftir-ſiôn (poenitentia); eftir-ſpurn (perquiſitio);
eftir-taka (emolumentum) u. a. m. — mhd. after-kôſe (ca-
lumnia) after-kunft MS. 2, 221a; after-riuwe MS. 2, 115a.
— nhd. meiſtens das nachfolgende: after-geburt; -darm;
-erbe; -heu (grummet); -kind (poſthumus); -leder; -lehn;
-rede; -ſprache; -ſtück; -zins u. a. m.; zuweilen das
ſchlechtere, im werth nachſtehende: after-könig; after-
korn; after-liebe; after-mehl etc. Im vocab. 1482. after-
kal (recalvaſter), dem ahd. avar-chalo gleich.


ana-, in allen mundarten trennbar: goth. ana-buſns
(ἐντολή); ana-filbs (traditio); ana-gards (atrium); ana-
[711]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
láugns (occultum); ana-vaírþs (futurus). — ahd. ana-chlaph
(impetus) monſ. 365; doc. 201b ana-dâht (attentio) N. Boeth.
42. ana-dâhte (attentus) N. 118, 145. ana-dâhtîc doc. 201b;
ana-halba (latus) O. V. 3, 6. aber wie ſtimmt dazu allan V. 3,
24. und III. 14, 50. zu ala-halba?; ana-hlauft (incurſus) ker.
39. 117. ana-louf doc. 201b; ana-ganc (initium) zu folgern
aus ana-gangôn (incipere) N. Cap. 51; ana-gengi (initium) O.
I. 7, 21. V. 6, 127; ana-gënne (initium) N. 118, 160.
Boeth. 38. 89. 135. 157. 263; ana-kin (initium) K 21b 59a
gen. -kinnes, ana-gin O. II. 1, 21. T. 1, 1; ana-giftî (for-
matio) O. II. 1, 13; ana-ging oder -gingi (aggreſſus) O.
V. 20, 196; ana-grif (tactus) W. 5, 4; ana-guat (princi-
pium boni, ſucceſſus) O. II. 24, 32. III. 7, 86. IV, 29, 10.
V. 3, 12; ana-legi (indumentum) N. 34, 26. 103, 1; ana-
lêhan (mutuum) jun. 213. monſ. 324. 352; ana-lîh (ſimi-
lis) ana-chilîh J. 349. 363. ana-ëban-lîh J. 350. ana-lîchi
(ſimilitudo) O. III. 13, 83; ana-liute (vultus) N. 4, 7. 15,
11. 26, 8. 41, 7. 43, 4. p. 268a Boeth. 33. aber die form ana-lutte
Boeth. 11. 18. 44. 67; ana-luſtî (voluntas) O. I. 4, 84; ana-
mâli (ſtigma) monſ. 322; ana-ougî (conſpectus) N. Cap. 52;
ana-blâſôt (afflatus) N. 45, 5; ana-plâſt (conſpiratio) ker.
49; ana-pôƷ (incus); ana-burt (natura) N. 21, 1. 37, 4.
ana-burto (genius) N. Cap. 52. ana-purtîc (genuinus) monſ.
374; ana-quim (eventus) ker. 129; ana-râti (proditio) O.
II. 23, 17. IV. 12, 22. 18, 62. in der ſyntax wird die con-
ſtruction von râtan mit der praep. ana gewieſen werden;
ana-ruaftî (acclamatio, O. III. 10, 4. 20, 64; ana-ſaga (objec-
tio) monſ. 378. 380. 382. N. Boeth. 26. ana-ſagâri doc. 201b;
ana-ſciht (eventus) ker. 117; ana-ſiht (conſpectus) N. 30,
23. 43, 17. 89, 8. Boeth. 40. 78. 212. 266. 268. ana-ſihtig (viſi-
bilis) N. 81, 1; ana-ſidele (habitatio) N. 131, 13. Boeth.
34. 98. ana-ſideling (incola) N. Cap. 103; ana-ſiuni
(genius?) ker. 164. (vultus) monſ. 339. 399. N. 12, 2. 30,
21. 26, 9. p. 268a Boeth. 34. W. 4, 11; ana-ſlaht (imber)
N. Boeth. 50. 51. der anſchlagende, vgl. mhd. ane-hanc
und an-ſlahen vom froſt gebraucht Parc. 111b; ana-ſliht
(vultus,? -ſiht) monſ. 347; ana-ſlouf oder -ſloufi (indu-
mentum) N. Cap. 101; ana-ſmëro (butyrum) flor. 983a;
ana-trift (affectio) N. Boeth. 258; ana-gatrîp (impulſus)
monſ. 405; ana-tuht? (impetus) monſ. 365; ana-ſal (irrup-
tio) folgt aus ana-fallôn N. 139, 10; ana-fang (initium) N.
Boeth. 60. 96. 263: ana-vart (incurſus) gefolgert aus ana-
fartôn O. V. 20, 191. N. Boeth. 21; ana-feſti (firmus)
folgt aus ana-faſto (firmiter) monſ. 404. vgl. altn. â-faſtr;
ana-fluƷ (inundatio) N. 45, 5; ana-wali? (operatio) monſ.
[712]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
357; ana-walgî (ſumma, abſolutio) N. Boeth. 146. von
dem adj. ana-walg (totus, abſolutus) ibid. 164, ein ſonſt
unerhörtes wort, in welchem -lg, wie mehr bei N., für
-lh ſtehet, vgl. agſ. on-vëalh; ana-walto (poteſtas) N. Cap.
162; ana-weltî (latibulum? vielleicht bloß domicilium, do-
minium?) O. II. 11, 47; ana-wân (ſuſpicio) zu folgern
aus ana-wânôn (ſuſpicari) N. 118, 39; ana-wart (attentus)
O. I. 18, 26. 22, 18. IV. 15, 28. ana-warta (attentio) N.
Boeth. 266. ana-wartîg (praeſentarius) Boeth. 270. ana-
wërt O. IV. 17, 1. ana-wërt N. 124, 2. Boeth. 9; ana-wiſt
(natura) N. 87, 3; ana-wurte (ſpeculator) N. Boeth. 267. —
altſ. an- (nicht ana-): an-gin (initium); an-ſiuni (vultus). —
agſ. on-, doch iſt bei beurtheilung dieſer wörter vorſicht
zu brauchen, da zugleich on- für un-, für in-, für and-
und für ân- geſchrieben wird, nicht ſelten ſtehet auch
an-: on-äl (incendium); on-älet (fulgur); on-bên (impre-
catio); on-brincg (inſtigatio); on-färeld (ingreſſus); on-
feng (captus); on-filt (incus); on-gang (ingreſſus); on-gin
(inceptum); on-hoſp (reprehenſio); on-lîc (ſimilis); on-
räs (impetus); on-ryne (incurſus); on-ſagu (teſtimonium);
on-ſëón (vultus); on-ſtäp (ingreſſus); on-ſund (integer);
on-tëóna (injuria); on-timber, an-timber (materies); on-
vëald (poteſtas) m.; on-vëalda (magiſtratus); on-vëalh,
-vëalg, -valg (integer, totus). — altn. â-auſtr (infuſio);
â-bati (lucrum); â-blâſtr (aſpiramen); â-bôt (ſupplemen-
tum); â-breida (ſtragulum); â-burdr (ſarcina etc.); â-bœ-
tir (additamentum); â-deila (redargutio); â-dryckja (pro-
pinatio); â-eggjan (exhortatio); â-faſtr (contiguus); â-felli
(calamitas); â-fengr (vehemens); â-fûſa (voluptas); â-gângr
(aggreſſio); â-giarn (avidus); â-gôdi (proventus) vgl. ahd.
ana-guot; â-grip (compendium); â-gætr (celebris); â-höld
(utenſilia); â-heit (votum); á-hlaup (impetus); â-hrun
(ruina); â-hugi (ſollicitudo); â-kall (invocatio); â-kaſt
(ictus lapidis); â-koma (recens pluvia) vgl. mhd. ane-hanc;
â-lag (additamentum); â-lât (embamma); â-lit (aſpectus);
â-lûtr (pronus); â-mâttkr f. â-mâttugr (pervalidus); edd.
ſæm. 41b 82b; â-môt (confluentia); â-mæli (vituperium);
â-munr (avidus); â-naud (ſervitus) edd. ſæm. 84b; â-qvæði
(ſententia); â-reid (viſitatio equeſtris); â-rædi (impetus)
ahd. ana-râti?; â-ſâttr (contentus); â-ſiôn (vultus); â-
ſlâttr (verberatio undarum) vgl. ahd. ana-ſlaht; â-ſtand
(circumſtantiae); â-ſveigr (in unum latus vergens); â-ſvif
(deliquium); â-tak (attactus); â-tölur (increpatio); â-þeckr
(ſimilis); â-þrif (attactus); â-valr (convexus) wahrſchein-
lich das ahd. ana-walh, agſ. on-vëalh, zumahl wenn man
[713]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
das adv. â-valt (ſemper, omnino?) vergleicht; â-vani
(mos inveteratus); â-vardr (inſidioſus); â-vërki (vulnus);
â-vinningr (lucrum); â-væni (ſpes incerta); â-vöxtr (fruc-
tus) vgl. nhd. an-wuchs. — mhd. meiſtens ane-, nur
dann muß an- ſtehen, wo eine unbetonte zweite partikel
darauf folgt: ane-bët (adorandus) Ben. 146; ane-blic troj.
89b Barl.; ane-bôƷ Wh. 2, 35b Karl 56b MS. 2, 107b;
ane-dâht; ane-ganc Bertold 58. Triſt.; ane-genge MS. 2,
169a Wigal. Barl.; ane-haft Parc. 53c; ane-hanc (pruina,
ros) die ſich an gras und laub hängende feuchtigkeit a. w.
3, 20. Ben. 56. MS. 1, 13b 148a; ane-hap (origo) Lampr.
212; ane-lîch (ſimilis) Gudr. 6a 64b (4958. 4966.) kaum
bei andern; ane-muot Oberl. 43a; an-geſiht (fem.) Wig.
Barl.; ane-ſlouf (veſtis) folgt aus dem ſchw. verb. ane-
ſloufen mit kleide vaterunſ. 366; an-ſprâche Triſt.; ane-
vanc Barl. Triſt.; ane-want (latus?) Wh. 1, 2b. — nhd.
an-: an-bau; ge-binde; -blick; -bruch; -dacht; -drang;
-erbe; -fall; -fang; -flug; -frage; -gabe; -beginn; -griff;
-halt; -hang (nicht mehr vom thau); -hauch; -höhe;
-kauf; -klage; -kunft; -lage; -laß -laut; -lehen; -muth;
-rede; -ſatz; -ſchein; -geſicht; -ſicht; -ſpruch; -ſtalt;
-ſtand; -ſtoß; -ſtrich; -trieb; -walt; -wuchs; -zahl; -zei-
chen; -zeige; -zug u. a. m. Für an-boß gilt am-boß,
für an-lich, en-lich die ſchlechte ſchreibung ähnlich. —
Dieſe partikel iſt das gegentheil von ab-, ſie drückt das
ſich nähernde, beginnende, unternehmende, natürliche,
gelingende, wohlgefällige aus.


and (contra, ἀντί, verſus), trennbare praepoſ. lautet
dieſe part. im goth. nur and; in der zuſ. ſetzung ſowohl
and-, als anda-. Obgleich ſie in der wurzel verwandt
ſein mag mit andi (extremitas), darf man doch das a- in
anda- für keinen comp. vocal nehmen, weil dann andja-
ſtehen würde. Anda- ſcheint die ältere, volle partikel-
form, die ſich nur vor dem nomen, nie vor dem ver-
bum erhält, aber auch vor dem nomen begegnet zuwei-
len and-. Folgende nomina haben anda-: anda-nahti
(ὀψία, zeit gegen abend); anda-nêms (acceptus); anda-
numts (aſſumptio, elevatio, ἀνάληψις); das verbum ſtets
and-niman, nie anda-niman; anda-ſêt (abominabile); anda-
ſtaþeis (adverſarius, ἀντίδικος) anda-ſtáua (idem); anda-
þahts σώφρων); anda-vaírþi (τιμή, pretium) Matth.
27, 6, 9; anda-vaúrdi (ἀπόκρισις, reſponſum); anda-vleizn
(πρόσωπον). Dagegen and-: and-áugis (manifeſtus) ge-
folgert aus and-áugjô, -áugiba (palam); and-bahts (ſer-
vus, miniſter); and-vaírþs (praeſens) and-vaírþi (πρόσω-
[714]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
πον); im erſten offenbar wegen des anſtoßenden vocals f.
anda-áugis; warum es nicht anda-bahts, anda-vaírþs
heißen könne, ſehe ich keinen grund, freilich wird das
von and-vaírþs abgeleitete and-vaírþi (praeſentia) und
das mit vaírþs (dignus) friſchgebildete anda-vaírþi (aeſti-
matio) dadurch unterſchieden. — ahd. iſt die partikel un-
trennbar, aber, analog dem goth. anda- und and-, lautet
ſie vor dem nomen beſtändig ant-, vor dem verbum in
den älteſten quellen bisweilen ant-, gewöhnlich int-, häu-
fig in-*). Nomina mit ant-: ant-heiƷ (ſacrificium, vo-
tum) ker. 146. monſ. 352. N. 115, 18. (int-heiƷ N. 21, 26.
55. 14. ſcheint fehlerhaft) ant-heiƷâ nom. pl. (cerimonia)
ker. 54. abgeleitet ſind ant-heiƷo (devotus) ker. 83. ki-ant
heiƷôn (immolare) ker. 175. ge-ant-heiƷôn (vovere) N.
131, 2; ant-hruoft (aemulatio) catecheſ. theot.; ant-lâƷ
(remiſſio, venia) exhort. K. 18b (mollities) monſ. 385. N.
p. 267a, 77. ant-lâƷîc (praeſtabilis, inclinatus) monſ. 343.
878. 396. (mollis, mitis) N. 17, 33. Boeth. 69. 227; ant-
lënki (reſponſum) ker. 78. 212. davon das verbum ant-
lënkan (reſpondere) K. 17b 18b 31b ant-lingan T. 2, 9. 3,
7. 13, 16. 47, 14. etc.; ant-lutti (os, facies) ker. 212. J.
368. jun. 173. 241. annuzi T. 35, 1. O. IV. 33, 10. ſcheint
f. ant-luzi zu ſtehen? vgl. an-luzi O. I. 5, 34; am-paht,
am-baht (miniſter) für ant-paht? faſt bei allen und ſchon
ſgall. 187. (villicus); ant-pâra (ſignum) monſ. 385. 386;
ant-rahha (apologia) ker. 37; ant-rëcho (ultor) jun. 232;
ant-reitî (ſeries, ordo) hrab. 956b ant-reita T. 2, 3. O. IV.
6, 65. ant-reitida K. 57b 58a; ant-runnëo (profugus) ker.
107. hrab. 961a ant-runno jun. 231. ant-runnigî (apoſtaſia)
monſ. 378; ant-ſeida (defenſio) N. 37, 17. Boeth. 28. f.
-ſegida, aus einem einfacheren, verlornen ſubſt. abgelei-
tet?; ant-ſâƷîc (erectus) monſ. 384. ant-ſâƷîg (reverendus,
tremendus, horridus) N. 11, 5. 137, 7. 144, 6. Boeth. 47. 132.
Cap. 112. 162. es wird ein ant-ſâƷi (goth. anda-ſêtis) gegeben
haben, vgl. das verb. ent-ſetzen; (ant-fahs crinitus) N. Cap.
121. 152; an-tac f. ant-tac (oben ſ. 489.); ant-fang (ſuſceptio)
O. I. 12, 59. N. 21, 4. ant-fangi (acceptatio) O. I. 4, 145.
ant-fenki (acceptus) ker. 146. ant-phengi T. 7, 8. 18, 2.
ant-venkîc K. 25b monſ. 404. ant-ſanclîh K. 25a, das ver-
bum hat aber int-fahan; ant-wart (praeſens) K. 58b ant-
[715]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
warta (praeſentia) K. 35b ant-wërdin (praeſentia) J. 397.
408; ant-wurti (reſponſum) ker. 78. daher ant-wurtan
(reſpondere) T. 44, 13. geant-wurten N. Boeth. 247. —
agſ. untrennbar, und wiederum vor dem nomen and-,
vor dem verb. on-; mit jenem vermenge man nicht das
dem goth. und- entſprechende oð-. Hierher gehören fol-
gende zuſ. geſetzte nomina: and-bita (azyma); and-fëax
(calvus?) and-fexe (calvities?); and-feng (ſuſceptio) and-
fenge (acceptus) dagegen im verb. on-fôn; and-gët (intel-
lectus) and-git Beov. 81. and-gitol (intelligibilis), im verb.
aber on-gitan; and-long (continuus, in longum porrectus)
Beov. 218. oder iſt das erſte wort ſubſt.? vgl. oben ſ. 565;
and-lifen (victus, alimentum); and-lôman, and-gelôman
(utenſilia); and-ſaca (hoſtis, adverſarius) Beov. 61. 127.
and-ſacu (inimicitia) Beov. 140. und daher das ſchwache
and-ſacjan; and-ſæte (exoſus, abominabilis); and-ſvare
(reſponſum) Beov. 113. 138. wovon and-ſvarjan gebildet
iſt Beov. 22. 28; and-vëard (praeſens) Beov. 98; and-vëorc
(materies); and-vlita (vultus) Beov. 54; and-vyrde (re-
ſponſum) wovon and-vyrdan (reſpondere). Vermiſchun-
gen des and- mit an- (= on-, ahd. ana-, in-) ſind nicht
ſelten, deswegen ſchwebt unſicherheit über einzelnen for-
men, die ſich in correcten denkmählern nicht finden und
bei denen die vergleichung des ahd. verläßt, z. b. heißt
es and-timber (ahd. and-zimpar) oder an-timber, on-t.
(ahd. ana-zimpar)? Auch im agſ. iſt am-biht, om-biht
(nuntius, legatus) Beov. 24. 27. aus and-biht zu deuten. —
altn. and-, bloß mit dem nomen componiert, die im goth.
ahd. und agſ. häufige compoſition mit verbis ſcheint der
altn. ſprache abzugehen: and-bod (renuntiatio); and-dyr
(fores interiores); and-fâng (ſuſceptio) edd. ſæm. 32a;
and-fœtîngar (antipodes); and-hôf (reluctatio); and-hær
(adverſo crine); and-kanni (vitium); and-lit (facies); and-
mâll (oblocutor); and-marki (vitium); and-rôdr (remiga-
tio contra ventum); and-ſkoti (hoſtis); and-ſpiöll (reſpon-
ſum); and-ſtreymi (lapſus aquarum adverſus) and-ſtreymr
(difficilis); and-ſtygð (abominatio); and-ſvör (reſponſum)
wovon and-ſvara (reſpondere); and-tûr (mos indecorus);
and-tæli (meretrix, viros alliciens); and-þveiti (aggreſſus);
and-vaka (pervigil); and-vari (ſedulitas); and-vidri (ven-
tus adverſus); and-virði (pretium) goth. anda-vaírþi.
Für and-bâtt (ferva) gleichfalls am-bâtt. Wo önd- ſtehet
ſcheint ein u des zweiten worts umlaut zu erregen, vgl.
önd-urðr (obverſus, obvius) f. and-vërðr, önd-ugi, önd-
ŷgi (locus in aula ſoli obverſus) f. and-vëgi, folglich die
[716]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ſchreibung önd-vërðr, önd-vëgi tadelhaft. — mhd. dauern
fort: am-bet (miniſterium); am-pære (ſignum) Triſt. 9157.
f. ant-bære; ant-heiƷ (votum) MS. 1, 179a troj. 143c Barl.
362; ant-lâƷ Karl 53a Bert. 149. ant-læƷic (remiſſibilis)
Bert. 92; ant-lütze Parc. 75c 126a Barl. 148. 193. Nib. 977.
ant-litze Parc. 29a Herb. 69a ant-liz troj. 6a 10c (tadelhaft)
ant-liute Barl. 64. 96. MS. 2, 188a (wohl f. ane-liute?)
antule a. Tit. 124. (ganz verderbt); ant-reite (ordo) cod.
pal. 361, 19c 47d Wh. 2, 1b Geo. 52a Rud. weltchr.; ant-
vahs (horridus crine?) En. 21b; ant-vanc Jw. 45b Triſt. ant-
pfanc Nib.; ant-wërc (machinae) Mar. 192. Barl. Wigal.
Nib. Bert. 41; ant-würte (reſponſum) Mar. 33. 64. Parc.
147a 151c troj. 32a 33b 36b und daher das verb. ant-
würten. Dialectiſch und in einzelnen wörtern zeigt ſich
ſchon unorganiſches, unbetontes -ent für betontes ant-:
ent-pfanc Parc. 167a Wh. 2, 113a (iſt das in Wolfr.
ſprache?); ent-wîch (diſceſſio) Parc. 96c 138c; ent-würte
Herb. 23c desgl. im abgeleiteten verbo Herb. 106d am. 3a.
— nhd. nur übrig: ant-litz und ant-wort (abgeſehen von
dem kaum erkentlichen amt, officium); hingegen: em-
pſang. — Die abgehandelte part. bedeutet ſowohl mildes
entgegenkommen, als gewaltſames widerſtreben; ſie drückt
eine größere nähe aus, als ana-, z. b. and-vaírþs iſt prae-
ſens (gegenwärtig) ana-vaírþs futurus. Doch ſchwankt
einzelnes, vgl. ana-lutti und ant-lutti.


andar? (iterum) es ſcheint eine mit dem vorausge-
henden and (ungefähr wie afar mit af, undar mit und)
verwandte partikel gegeben zu haben, die ſich nur im
altn. (trennbaren) endr erhalten hat, deſſen umlaut die
vollere form endir vorausſetzt. Im ſchwed. und dän.
verloren. Man pflegt es dem agſ. ëd- zu vergleichen, mit
dem es zwar in der bedeutung ſtimmt, in der form nicht
ſtimmen kann, denn das agſ. ëd- iſt = ahd. ita- und nach
der lautlehre ſteht kein ahd. -t einem altn. -nd parallel.
Eher ließe ſich das ahd. endar-haft (abſolutus) monſ. 375.
in anſpruch nehmen, wo der umlaut ebenfalls endir for-
derte? ge-ander-wîſôn (mutare) iſt ganz verſchieden und
mit dem adj. andar zuſammengeſetzt. Altn. mit endr-
componierte nomina ſind: endr-bôt (reparatio); endr-giald
(compenſatio); endr-lauſn (redemtio); endr-mæli (contra-
dictio); mehr andere ſind bloße ableitungen aus compo-
nierten verbis.


ahd. âno (ſine) altn. ân geht überhaupt keine comp.
ein, weder mit nom. noch verb., ſondern ſteht, wie auch
das goth. inuh, immer getrennt, ſei es nun adv. oder
[717]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
praep. So überſetzt zwar âne wëc jun. 306. invium, iſt
aber kein âne-wëc. Das nhd. ohn-macht ohn-mächtig
ſteht entw. f. un-macht oder â-macht oder wurde aus
der redensart: ohne macht allmählig zum ſubſt., wie man
in unſern zeiten aus ſans culotte, ohne hoſen ein ſubſt.
gemacht hat, oder wie das engl. ſine-cure aus ſine cura
entſprungen iſt.


ahd. ar- (ex), dieſe für keine andere mundart giltige
form einer trennbaren partikel bindet ſich in der regel
nur mit verbis, aus welchen dann nomina deriviert wer-
den können, z. b. ar-chominî (ſtupor) ker. 8. ſetzt ein
ar-choman, ar-paramîc (miſericors) ein ar-paramên vor-
aus. Die unmittelbare zuſ. ſetzung mit dem nomen hat
â- (für as- oder ar-). Ausnahme macht ar-chuſt, neben
â-chuſt, welches vorhin ſ. 705. belegt worden iſt.


at- (ad-) überall trennbar; bei Ulf. kaum mit dem
nom. componiert, man müſte denn das dunkle ataþni (annus)
für at-aþni halten dürſen (ſ. 237.); at-vitáins (obſervatio)
leitet ſich von at-vitan her. — ahd. iſt die partikel ſelbſt
vor verbis ſelten; mit ſubſt. verbunden kenne ich nur:
aƷ-fengi (initium) jun. 211; aƷ-kêr (jaculum) aƷ-gêr gl.
vind.; aƷ-Ʒaſi (utenſile) f. aƷ-zaſi jun. 225. 231. 251, vgl.
îſarn-aƷƷaſi (ferramentum) K. 40b ſcrib-aƷƷaſi (cautio)
T. 108. fehlerhaft ſtehet aƷƷari f. aƷƷaſi blaſ. 5b. — agſ.
gleichfalls ſelten: ät-gâr (genus teli); ät-hrîn (tactus);
ät-hlŷp (nach Lye effugium, eher ſcheints accurſus). —
altn. häufig: at-bûnaðr (ſuſtentatio); at-burdr (eventus);
at-drâttr (commeatus); at-dŷpi (profundum littorale);
at-fall (acceſſus maris); at-föng (commeatus); at-för (ag-
greſſio); at-ferd (modus agendi); at-fluttr (advectitius);
at-fylgi (ſolertia); at-gângr (acceſſus); at-geir (lancea);
at-giörd (refectio); at-görfi (praeſtantia); at-höfn (opus);
at-hlâtr (deriſio); at-hlæi (ſcurra); at-hugi (cautela); at-
hugall (cautus); at-hvarf (refugium); at-kall (poſtulatio);
at-kaſt (criminatio); at-koma (adventus); at-læti (tracta-
tio); at-orka (ſtrenuitas); atqvæði (ſententia); at-reid
(adequitatio); at-renna (niſus); at-ridi (rei momentum);
at-rôðr (remigium ſtrenuum); at-ſëti (habitator) at-ſëtr
(domus); at-ſiâll (parcus); at-ſig (imminentia, beſonders
von ſturm, wie mhd. von wolken: ſie ſigen ze ſamene);
at-ſiôn (cenſus); at-ſkot (inopinatus adventus); at-ſôkn
(impetus); at-ſtôð (auxilium); at-vik (compellatio); at-
vinna (victus); at-viſt (praeſentia); at-yrdi (reprehenſio). —
Der bedeutung nach gleicht dieſe part. dem ana-, daher
ahd. aƷ-fengi und ana-fanc beide initium altn., â-qvæði
[718]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
und at-qvædi beide ſententia ausdrücken; nur liegt in
at- mehr das wirkliche beiſein, in ana- mehr die nähe-
rung. Das altn. at-dŷpi erinnert an das nhd. an-höhe.
Welchen ſinn at- bei -gêr, -geir gibt? den der beiwaffe,
eines kleinern neben dem größern ſpieß?


bi- (ἐπί, περί); im goth. iſt noch keine ſpur, weder
daß dieſe part. im fall der comp. ihren vocal ſchwäche,
noch im fall der praepoſition verlängere. Ich glaube, daß
ſie urſprünglich und im goth. immer kurzvocaliſch
und betont anzunehmen iſt, ihre bedeutung mag geweſen
ſein, welche ſie wolle. Meiſtens ſetzt ſie ſich mit dem
verbo zuſammen, und wenige nomina kommen vor: bi-
hatja (ὀργίλος) Tit. 1, 7; bi-máit (circumcifio) Joh. 7, 22,
23. Philipp. 3, 3, 5; bi-rêkis (periclitans) Luc. 8, 23; bi-
ſunja (vicinus?), worin mir das zweite wort dunkel iſt. —
ahd. beſteht eine nicht leichte unterſcheidung, genau be-
trachtet, gilt dreierlei: pî, betontes pi, unbetontes pi. Die
praepoſition, ſobald ſie das ſinnliche prope ausdrückt, hat
langes î, bei abſtracter bedeutung aber kurzen, unbetonten
vocal. Seit N. ſchwächt ſich dieſer ſogar in ë (Graff p.
103. 104. 106. 109.). In der compoſition behält nun das ad-
verbium 1) pî-, wenn es trennbar bleibt und die räum-
liche bedeutung prope hat, ſowohl vor dem nomen, als
dem verb. Die für das nomen gehörigen belege ſind: pî-
namo (pronomen) K. 20a; bî-wurti (proverbium) T. 133.
bî-wurte N. Boeth. 81. Cap. 61; bî-ſtello (defenſor) N. Boeth.
207; andere laßen ſich nach dem mhd. und nhd.
vermuthen. N. ſcheint aber einigemahl ſelbſt in ſol-
chen wörtern betontes í ſtatt î zu ſchreiben. 2) iſt
die partikel untrennbar und drückt ſie ein abſtractes
umfaßen und behandeln des gegenſtandes aus; ſo gebührt
ihr in keinem fall langer vocal, die frage iſt bloß
nach betontſein oder nicht? Regel ſcheint nun: vor
dem verbum und allem, was daher abgeleitet wird, hat
die partikel keinen ton; ſie behält ihn aber, wenn ſie
ſich mit dem nomen componiert. Schwierigkeit macht
nur, in ſtrengahd. quellen, die keine accente ſetzen, ſelbſt
componierte nomina und verbalableitungen überall von
einander zu ſcheiden, z. b. iſt píkanc anzunehmen oder
pi-kanc, deriviert von pi-kankan? Hier hilft freilich
N. für die wörter, die bei ihm vorkommen, da er im
fall der betonung immer í ſchreibt, den tonloſen vocal
in e (= ë) ſchwächt. Weil inzwiſchen ſpäterhin die
betonten bí-, die er noch hat, allmählig in unbetonte
be- übergehen, ſo können auch ſchon zu ſeiner zeit an-
[719]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
dere, welche ſtrengahd. pí- hatten, des tons verluſtig
geworden ſein, und es darf ſelbſt den mhd. und nhd.
be- ihre urſprüngliche zuſ. ſetzung mit dem nomen nicht
geradezu abgeſprochen werden. N. gewährt folgende bí-:
bí-fang (ambitus) Cap. 161. (complexus) Boeth. 253; bí-
numftlîh (violentus) Boeth. 130; bíſëƷ (poſſeſſio) 103, 24,
27; bí-zucche (involucrum, pallium) Cap. 57 125; da-
gegen: bë-gunſt (ſtudium) Boeth. 199; bë-ſuoch (tentatio)
106, 10; bë-derbe (utilis) 24, 3., welches letztere ſchwer-
lich aus einem componierten verbo abgeleitet iſt. In
nachſtehenden beiſpielen aus andern ahd. denkmählern
bleibt die betonung billig unerledigt: pi-chnât (ſatisfactio)
monſ. 378; pi-dâht (ſollicitudo) nach pi-thâhdîc (ſol-
licitus) ker. 254. 262; pi-tharpi (ntilis) ker. 28. um-pi-
tharpi (fatuus) ker. 207. pi-tharplîh ker. 28. pi-derbi
K. bi-therbi O. III. 1, 79. (die freiſ. handſchrift
liest, und accentuiert biderbe), pi-dirpi (compenſatio)
monſ. 377. 378. 287. pi-duinc (extorſio) monſ. 410;
pi-halti (cuſtodda) ker. 109; pi-heiƷ (conjuratio i. e.
promiſſum juramento firmatum) monſ. 333. 337. und
davon abgeleitet pi-heiƷôn (promittere) ker. 228. monſ.
326; pi-huct (ſollicitudo) nach pi-huctîc (ſollicitus)
K. 22a 27a; un-pi-hucdic ker. 250. vielleicht pî-huctîc?;
pi-giht (ſponſio, conſeſſio); pi-kanc (cultus) hrab. 955b
pi-gang (celebratio) ker. 26. pi-gangëo (opifex) ker. 18.
pi-kenkëo (extorris? vielleicht pî-kenkêo, finitimus, pe-
regrinus? vgl. goth. bi-ſunja) ker. 107. lant-pi-kengëo
(indigena) jun. 211. hrab. 967a accar-bi-gengo (agricola)
T. 124. bi-gangeri, bi-gengiri (cultor) T. 102. 132; pi-
kraft (ſculptile) jun. 226; pi-crift (? manubiae, was be-
griffen, geraubt wird) ker. 189; pi-loh (clauſtrum) monſ.
407. ker. 70. (wo piploh); pi-pot (mandatum, judicium)
ker. 146. 180. (praeceptum) jun. 245. K. 15a 16b (unterſch.
von ki-pot, mandatum) bi-bot (mandatum) T. 2, 2. bi-
boteri (praeceptor) T. 111; pi-proh (corruptor?) ker. 76;
pi-ſelitha (habitatio) ker. 180. vielleicht pî-ſelitha, bei-
haus?; pi-ſiuni (cura) gefolgert aus pi-ſiunîo (anxius) wo-
von pi-ſiunîgî (ſcrupulum) jun. 228; pi-ſcrenchi (verſutus)
jun. 181; pi-ſmër (opprobrium) ker. 221; pi-ſmiƷ (ma-
cula) ker. 150. 183. K. 18a; pi-ſprâhha (obtrectatio) K.
59b monſ. 332. 346. 357. 364. pi-ſprëhho (detractor) ſgall.
194. K. 23b pi-ſprâhhal (bilinguis) monſ. 352. 354. 356.
oder gebührt ihnen allen pî? vgl. oben â-ſprâcha, aftar-
ſprâcha; pi-ſuih (ſeductio, fraus) ker. 230. 249. pi-ſuihlîh
(frauduloſus) jun. 205; pi-tât (ambitus fani) monſ. 362;
[720]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
pi-fanc, bi-fang (ambitus, ſeptum, ager limitibus concep-
tus) trad. fuld. 1, 33, 55. 2, 45. 164. 182; pi-flëoƷ (ſirtes,
fretum) ker. 133. 142. 248; pi-wân (ſuſpicio) monſ. 408.
vgl. mhd. be-wænen; pi-wërf (jactura) ker. 169; pi-wë-
rah (dives) ker. 87. (oder uncomponiert: pî wërah, der
bei werke, ope, iſt?); pi-zûn oder pi-zûni (ſepimentum)
gefolgert aus bizumia (l. bizunia) trad. fuld. 1, 81. Nicht
hierher zähle ich pi-ladi (exemplum), ſondern nehme pil-
adi an (ſ. 237. 238.). Viele der angeführten zuſ. ſetzun-
gen können allerdings aus beſtehenden und geläufigen ver-
bis (pi-piotan, pi-liuhhan, pi-duincan, pi-ſmîƷan, pi-ſi-
zan etc.) bloß abgeleitet ſein, welches ſich, ohne ſicher-
heit über den accent, nicht entſcheiden läßt und warum
ſoll in pi-fanc, pi-heiƷ die partikel weniger zu dem ſubſt.
fanc, heiƷ treten dürfen, als in ana-fanc, ant-fanc, ant-
heiƷ? Dazu lautet auch das verbum nicht pi-fankan,
ſondern pi-ſâhan und es gibt kein ſtarkes ahd. pi-heiƷan,
nur ein erſt aus dem ſubſt. pi-heiƷ derivierendes ſchwa-
ches pi-heiƷôn, obgleich die agſ. mundart ein ſtarkes
be-hætan kennt. Bildungen hingegen wie pi-halſida
pi-ſuihhida, pi-ſmiƷanî etc. ſtammen unbedenklich aus
verbis und gehören nicht hierher. — altſ. bi-tenge (gra-
vis, moleſtus) ahd. gi-zengi, agſ. getenge. — agſ. zeigt
ſich 1) eine der ahd. verlängerung des pi in pî ähnliche
erſcheinung: bi wird zu big (vgl. 1, 261.) wenn es prope
bedeutet, wahrſcheinlich gieng dieſer ſchreibung ein älte-
res î vorher, Beov. findet ſich nur einmahl big- in big-
ſtôdon 226. (ahd. pî-ſtuontun). Hierher gehören folgende
nomina: bî-cvide, big-cvide (proverbium): bî-gërdel
(ſaccus); bî-hŷdig, big-hŷdig (ſollicitus); bî-lëofa, big-
lëofa (victus); bî-ſäc (pera, bei-ſack, franz. beſace, ital.
biſaccia); bî-ſpëll, big-ſpëll (fabula); big-viſt (alimen-
tum); bî-vord, big-vord (proverbium). 2) für die allge-
meinere, vagere bedeutung gilt be- (= bë), zuweilen
noch bi- geſchrieben: be-bod (mandatum) Beov. 132;
be-cyme (eventus); be-gong (cultus, opus) Beov. 29. 114.
134. be-ganga (incola); be-hât (votum); be-hêfe (neceſ-
ſarius, be-hufig); be-ſvic (fraus). — altn. gebricht dieſe
part. überhaupt, ſowohl allein ſtehend als in der compo-
ſition, das vorkommende bîlæti beſtätigt daher meine
anſicht des ahd. piladi. Alle zuſ. ſetzungen mit be- im
ſchwed. und dän. ſind aus dem hochd. entlehnt. Dafür
iſt den nord. ſprachen die partikel hiâ, hos eigen, welche
das bî- (prope), nicht aber das be- ausdrückt. — mhd.
1) betontes bî- wie im ahd.: bî-gürtel (marſupium) w.
[721]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
gaſt 136b; bî-lant (terra vicina) Triſt.; bî-lëger (concubi-
tus) folgere ich aus dem nhd. bei-lager und dem mhd.
verbo bî-ligen; bî-ſâƷe (vicinus); bî-ſchaft (parabola)
Barl. Bon.; bî-ſpël (exemplum) Barl.; bî-ſtal (ſubliminare)
Wh. 2, 182b vgl. Oberl. v. bei-ſtal; bî-ſtuodel (poſtes)
Oberl.; bî-vilde (funus, exſequiae) Nib. 4276. (al. be-
vilde); bî-wîp (pellex) Oberl.; bî-ziht (criminatio) Parc.
173c, andere ergeben fich aus dem nhd. — 2) be-, über-
all unbetont: be-derbe (utilis) MS. 2, 239b un-be-derbe
(fruſtraneus) Jw. 53b im reim: erbe, doch deutet bei an-
dern die ſchreibung bi-derbe auf die alte betonung, wenn
gleich dadurch der falſche ſchein einer wurzel bid-erbe
entſprang; be-giht (confeſſio) Barl. ſpäter contrahiert bîhte
miſc. 2, 215; be-gin Triſt.; be-gunſt (Barl.; be-griſt; (com-
plexus) Parc. 97c; be-hagel (audax) Herb. 90c be-jac (acqui-
ſitio) Parc. 87c 93c 105b Wigal. und ſonſt häufig; be-lîp (quies)
am. 19b; be-ſëƷ (obſidio) Rud. weltchr. Schütze 1, 203; be-
zoch Nib. 1465. — nhd. 1) betontes bei-: bei-bote; bei-
fall; bei-frau; bei-hilfe; bei-kirche (eccl. filia); bei-lage;
bei-lager; bei-leid; bei-name; bei-ſchlaf; bei-ſchlag (numus
adulterinus); bei-ſchmak; bei-ſitzer; bei-ſtand; bei-ſpiel; bei-
ſteuer; bei-trag; bei-tritt; bei-wagen; bei-weg; bei-wort.
2) unbetontes be-: be-dacht; be-fang; be-fehl; be-fund;
be-ginn; be-griff; be-huf; be-lauf; be-leg; be-richt; be-
ſchlag; be-ſitz; be-ſtand; be-trug; be-zug u. a. m. deren
jedoch viele ſichtbar aus verbis abgeleitet ſind, z. b. be-
lang, be-lauf. Unkenntlich geworden iſt die partikel in
bieder (validus, utilis) und beichte. — engl. 1) by-: by-
blow; by-diſh; by-lane; by-lander; by-name; by-path;
by-road; by-ſack; by-ſtander; by-town; by-way; by-
word; by-work. 2) be-, wenig nomina: be-half; be-
heſt; be-hoof; be-lief. — Aus der anfänglichen identität
des bî- und be-, von welcher ich ausgegangen bin, er-
geben ſich faſt zu jeder zeit berührungen beider, das le-
bendige naheſein geht über in den abgezogenen begriff
von einwirkung. Z. b. be-graben heißt ſepelire, mhd.
auch be-vëlhen, im ſubſt. gilt bî-vilde, wahrſch. auch
bî-graft (vocab. 1482. bei-gref), die bei-legung des leich-
nams, vgl. bei-ſchlaf und be-ſchlafen, bei-ſitz und be-ſitz,
ſo daß auch neben be-wænen ein ſubſt. bî-wân (ſuſpicio)
gelten könnte. In mehrern ahd. wörtern bin ich über
pi- oder pî- unſchlüßig. Oft ſtehen auch beide bil-
dungen einander entgegen, z. b. bei-ſchluß, be-ſchluß;
bei-ſtand, be-ſtand; bei-trag, be-trag; aber ſolche gegen-
ſätze der bedeutung laßen ſich ſelbſt in fällen wahrneh-
Z z
[722]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
men, wo die form der partikel ganz die nämliche iſt.
Verwandte partikeln ſind: miti- dem pî- (ahd. miti-ſlâf,
nhd. bei-ſchlaf); ka- dem pi- (ahd. ka-heiƷ wie pi-heiƷ),
ana- dem pi- (ahd. ana-gin, mhd. be-gin), doch mangelt
beiden dem ka- und an- die in be- liegende idee des um
(περί), an- bezeichnet einſeitige, be- mehrſeitige wirkung
auf den gegenſtand. Einigemahl ſcheinen auch pî- und
pi- (vergleichbar dem ab-, aftar-, nâh-, hintar-) das ge-
ringe, verächtliche und böſe auszudrücken, ſo in bî-wîp,
pi-ſprâhha, pi-wân (argwohn).


du- (ad-), der lautverſchiebung entgangen, für tu
ſtehend, d. h. dem ahd. za, zi entſprechend nach dem
vocalwechſel, welcher auch zwiſchen goth. us und ahd.
ar, ir, ur ſtattfindet. Dieſe, überall trennbare partikel
erleidet eine dem eben abgehandelten bi- analoge verän-
derung dadurch, daß ſie theils den vocal verlängert, theils
ſchwächt. So entſpringt im ſächſ. tô für to = tu, ahd.
zô, zuo, zua, wenn der begriff ſtärker und ſinnlicher;
ſächſ. të = ti, ahd. zë = zi, za, wenn er ſchwächer iſt.
Der nordiſchen mundart mangelt ſie wiederum, gleich
dem bi, durchaus, denn daß ſie dem an ihrer ſtatt ge-
brauchten til formell verwandt ſei, leidet zweifel. Bei
Ulf. ſtehet du in keiner einzigen ſtelle vor dem nomen
außer Matth. 9, 16, wenn man du-plata (ἐπίβλημα) für
ein compoſ. nehmen darf, welches wegen verderbtheit
der beiden folgenden wörter und der parallelſtelle Marc.
2, 21, wo das nämliche gr. wort mit dem einfachen plat
überſetzt iſt, verdacht erregt. Im ahd. altſ. und agſ. ge-
hen nomen und verbum compoſition mit dem langen
zuo-, tô- (wie mit pî-, bî-), niemahls aber mit zi- za- *),
zë-, të- ein (unähnlich der compoſ. mit pi-, bë-). Hier-
von könnte die urſache darin liegen, daß zi- und të-,
wie wir unter dem folgenden artikel ſehen werden, das
goth. dis- vertreten müßen. Reichliche beiſpiele goth.
zuſammenſetzungen des nomens mit du- (für ahd. zuo-
und zi-) würden dies zur gewisheit bringen. Für die
[723]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
zuſammenſetzung mit der verlängerten form folgende be-
lege: ahd. zuo-hald (futurus) J. 372; zô-hlauft (concurſus)
ker 78; zuo-ganc (aditus) jun. 235. zô-gang ker. 110. zoa-ganc
ker. 23; zua-gift O. V. 12, 109; zuo-muos (pulmentum)
monſ. 338; zô-quëmi (conventus) ker. 78; zuo-vër-ſiht
doc. 246a; zoa-fluht (refugium) ker. 158. zuo-fluht N. 45,
2; zoa-wân (latebra d. i. refugium) ker. 184; zuo-wart
T. 13, 13. zuo-wërt (futurus) T. 64, 1. 173, 2. — agſ. tô-
cyme (adventus); tô-dæl (diviſio); tô-feng (captio); tô-
gang (aditus); tô-hëald (proclivis); tô-hopa (ſpes) dies
wort ſteht auch in den niederd. pſalmen; tô-ryne (accur-
ſus); tô-ſvip (flagellum); tô-veard (futurus); tô-vyrd
(occaſio). — mhd. zuo-grif MS. 2, 141b; zuo-nam Parc.
75b; zuo-ver-ſiht Barl.; zuo-vart (adventus) Barl. Karl.
109b; zuo-wîp (concubina) Oberl. aus ſchon ſpäterer zeit;
ſicher noch manche andere. — nhd. zu-drang; zu-fall;
zu-flucht; zu-gabe; zu-gang; zu-kunft; zu-lauf; zu-ge-
müs; zu-nahme; zu-ruf; zu-ſatz; zu-ſchlag; zu-ver-ſicht;
zu-ſpeiſe; zu-ſpruch; zu-ſtand; zu-that; zu-tritt u. a. m. —
Der ſinn von zuo- berührt ſich pî- (pî-namo, zuo-namo;
pî-wîp, zuo-wîp) und mit ana- (ana-wërt, zuo-wërt;
an-kunft, zu-kunft; an-ruf, zu-ruf); doch hat zuo- nicht
den begriff von um, neben und verringerung, der in pî-
liegt, und drückt mehr das vollbringen aus, als ana-, das
ſich auf die wirkung nach der oberfläche und dem äuße-
ren beſchränkt. In einzelnen fällen wechſeln alle drei
mit einander, vgl. ana-gin, pi-gin und goth. du-ginnan.
Für keine zuſ. ſetzung darf man halten α) weder das
vor adj. ſtehende adv. zi, za (nimis): za pald, zi preit
(Graff p. 268.); altſ. ti lat, ti liob; agſ. tô ſtrang Beov.
13. 200. tô glad Beov. 158. etc. β) noch die praep. mit
ihrem caſus in der redensart za leipu, zi leibe, agſ. tô
lâfe und in ähnlichen.


dis- (lat. dis-, ſlav. raz-), überall untrennbar, aber
wie es ſcheint, uneinfach und aus zwei partikeln zuſam-
mengefloßen, dem vorhergehenden du, di und us, is. Die
verwandtſchaft mit du ergibt ſchon dasſelbe abnorme ver-
hältnis der goth. med. zur ſächſ. ten. und ahd. aſp., noch
mehr, daß die ahd. zi-, za-, zë-, die ſächſ. ti-, të- ganz
die ſtelle des goth. dis- vertreten (wie im lat. dis- und
di- wechſeln). Den beweis der zuſammenſchmelzung bei-
der partikeln führt aber die im ahd. und agſ. zuweilen
vorkommende form zi-ar-, zë-ir-, tô-â, wofür belege
unten bei der comp. mit verbis. Mhd. gelten ze- und
zer- gleichbedeutend nebeneinander, nhd. gilt lediglich
Z z 2
[724]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
zer-. Befremdend ſcheint, daß die weglaßung des -s, -r
kein vocalverlängertes zâ-, zî- (analog dem â- für as)
hervorbrachte, vielmehr noch die ſchwächung in zë-, të-
eintrat. Allein der fall iſt nicht gleich. Bei der einfachen
partikel as zog die unterdrückung der ſpirans ein â nach
ſich, von zar, zër wurde nicht r, ſondern von zi-ar, za-
ar, zë-ër, zë-er die ganze zweite partikel weggeworfen
und der erſten die bedeutung beider gelaßen. Zëran (ſol-
vere) kann nicht die wurzel der partikel ſein, weil im
goth. dis und taíran völlig von einander abweichen. —
Mit dis-, zër- und dem dafür ſtehenden zi-, zë- compo-
niert ſich kein nomen; wörter wie ahd. zi-teilida, zi-lô-
ſida, nhd. zer-ſtörung, ſind immer von verbis abgeleitet.
Für unmöglich halte ich jedoch nicht, daß in der frühe-
ren ſprache nomina unmittelbar ſolche verbindung ein-
gegangen ſeien.


far-, faír-, faúr-, faúri-, faúra- dieſe der trennung
und präpoſitionswerdung bald fähigen, bald unfähigen,
vieldeutigen wörter ſcheinen eines urſprungs; ſelbſt fra-
könnte entw. verſetzung von far-, oder aus fara-, faíra-
verkürzt ſein (vgl. die gr. περί, παρά, πρό, lat. per,
prae, pro, welchen ſie buchſtäblich verwandt ſind). Die
form faír-, ahd. vir-, vër-, altſ. fir-, überall untrennbar,
mangelt im agſ. und altn. gänzlich. Die form var-, far-
begegnet nur im ahd. und altſ. und iſt gleichfalls untrenn-
bar. Trennbar hingegen ſind goth. faúr- und faúra-,
ahd. vuri- und vora-, agſ. for- und fore-, altn. for- und
fyri-, fyrir-, wiewohl nicht in allen bedeutungen. Der
bedeutung und beſtimmung wegen unterſcheide ich hier
viererlei 1) far- und faír- werden zuſammen abgehandelt,
2) faúr-, 3) faúra-, 4) faúri-.


[far-, faír-] das goth. faír- bindet ſich bei Ulf. nur
mit verbis, wogegen ſein fra- vor nominibus und verbis
dem ahd. far-, fir- entſpricht. Die ahd. partikel fügt ſich
an folgende nomina: fër-chunſt (deſperatio) N. 43, 19.
105, 7. fir-chunſt (diffidentia) N. 24, 14; fir-gihtigî (para-
lyſis) doc. 211a; fër-leiteg (ſeducendus) N. 67, 31. 78, 7;
fir-ligari (fornicatio) ker. 259. for-ligiri (adulterium) T.
84. for-lëgari (ſtuprum) jun. 225. von lëgar (cubile, con-
cubitus); far-lôs (perditio) ker. 17. for-lor T. 40, 9. 178,
4. for-luſt T.; fir-nibuli (caligo) ker. 71; far-nunft (in-
tellectus) K. 39b fër-nunft monſ. 348. fër-numeft N. 118,
144. fër-numeftig (intelligens) N. 13, 2; far-purt (conti-
nentia) folgend aus un-far-purtlîh (incontinens) jun. 180;
fër-ſëƷ (aerugo) N. 77, 46; fër-ſiht (contemptus) N. 65,
[725]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
3. 122, 3, 4. Boeth. 73. fër-ſihtîg Boeth. 134. 143; far-
ſûmîc (deſidioſus) jun. 257; fir-wizi (faſtus) ker. 120. firi-
wizlîh (varius) ker. 86. 262. fir-wizi (curioſitas) N. Cap.
90. firi-wizi weſſobr. O. III. 20, 82. V. 18, 8. viri-wiz
(curioſus) monſ. 354. 366; fir-wizîc jun. 182; fir-wurt (in-
teritus) ker. 57. 96. far-wurtî K. 38a for-wurt T. 90. Die
form anlangend, erhellt α) daß far-, fir-, fër- wechſeln,
obgleich einzelne wörter nie far- und fër haben, nament-
lich fir-wizi, das ſogar firi- gewährt und dadurch an furi-
erinnert; wäre es bloße aſſimilation des furi? oder ein
goth. faíri-, das freilich ſo wenig vorkommt als faúri?
β) weitere berührung mit furi- ergibt aber auch far-purt
ſtatt des gewöhnlichern furi-purt. γ) T. hat weder far-
noch fër-, ſondern das agſ. for-. δ) mehrere wörter
ſchwanken zwiſchen far-, fër- und fra-, namentlich fër-
ſëƷ, fra-ſëƷ, daher ſich auch neben fra-wâƷ ein fër-wâƷ
vermuthen läßt. ε) die part. ſcheint bei den älteren
noch tonfähig, nicht bei N., welcher z. b. fer-ſîht accen-
tuiert; auch ſetzt die ſchon frühere verkürzung in f'
tonloſigkeit voraus: v-lor (perditio) monſ. 326. ſtatt vër-
lor (mehr beiſpiele beim verbo). — Mhd. bloß ver- und
gekürztes v-, beide vor dem nomen ſelten: ver-bunſt
(invidia) Oberl. aus Barl., wo aber Köpke 160, 13. ur-
bunſt; ver-gift MS. 2, 254a; ver-giht (conſeſſio) Barl.;
ver-luſt, v-luſt; ver-nunft, -nunſt; vir-witze Triſt. 230b
(Hag.) — nhd. ver-, ohne kürzung, in vielen wörtern,
die großentheils aus verbis derivieren können: ver-band;
-bot; -brauch; -dacht; -dienſt; -druß; -gang; -hau;
-kauf; -kehr; -lauf; -luſt; -nunft; -rath; -ruf; -ſatz;
-ſchlag; -ſchleiß; -weis, u. a. m., doch kein ver-witz, ſon-
dern vor-witz, für-witz. — Der ſinn dieſer untrennbaren
partikel iſt doppelt, a) bloß intenſiv, d. h. was ſchon im
einfachen nomen liegt, hervorhebend; ſo in far-numft,
far-luſt, ver-giht, ver-band, ver-dienſt; manches ſimplex
kommt gar nicht ohne die part. vor, welches eben ein zei-
chen ihrer gelinden bedeutung iſt. b) privativ, leugnend,
übel und verderbnis ausdrückend: fër-chunſt, fir-ligari,
fër-ſiht, ver-bunſt, ver-dacht, ver-ruf; wodurch ſich
faír formell mit faírra (procul) fra und fram, materiell
mit â-, ab- upar- (ubar-ligida, adulterium jun. 195.) u.
a. m. berührt *). Grundbedeutung, worin ſich beide ſinne
[726]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
begegnen, ſcheint: vor, fort, vorüber, vorbei (vgl. her-
nach bemerkung ζ zu faúri); ver-brauch iſt anhaltender
brauch, ver-kauf weggeben der waare, abſatz, und fër-
ſëƷ das, was ſich am eiſen zerſetzt oder abſetzt. Auf-
merkſamkeit verdient das bei fir-nibuli, fir-ligari, wie ſonſt
bei collectivis mit gi- zutretende -i; gehört dahin auch
firi-wizi?


[faúr-] im goth. formell aus faúri- oder faúra- ver-
kürzt? aber wieder keine bindungen mit nominibus, faúr-
lageins Luc. 6, 4. ſtehet für faúra-l., iſt ohnehin bloßes
derivatum. — ahd. for- bei T., in den vorhin zu faír-
geſammelten beiſpielen; mit verbis zuſ. geſetzt haben auch
gl. jun. monſ. zuweilen for-. — agſ. for-bod (inhibitio);
for-byrd (abſtinentia); for-cuð (nequam); for-fang (ap-
prehenſio); for-gitol (oblivioſus) ahd. â-këƷal, ab-këƷal;
for-ligere (fornicatio) und davon for-ligrjan (fornicari);
for-lor (perditio); for-ſið (obitus, exitium); for-ſlît (in-
ternecio); for-vyrd (perditio). — altn. for-akt (contem-
tus); for-backi (praeripium); for-bod (interdictum); for-
byrgi (atrium); for-bœnir (imprecationes); for-dyri (por-
ticus); for-dæda (flagitium); for-eldri (parentes); for-fall
(impedimentum); for-fedr (majores); for-gângr (auctori-
tas); for-gardr (pomoeria); for-gift (venenum); for-hleypi
(praecipitantia); for-hûd (praeputium); for-klæði (ven-
trale); for-lag (victus); for-lât (remiſſio); for-lög (fata);
for-mâli (prologus); for-madr (anteceſſor); for-næmi (ra-
pina); for-ord (conditio); for-râd (vis); forrâd pl. (fraus);
for-ſalr (atrium); for-ſeti (praefectus); for-ſiâ (prudentia);
for-ſiôn (providentia); fôr-ſkâli (veſtibulum); for-ſkot
(interſtitium); for-ſmiðr (architectus); for-ſnid (typus);
for-ſögn (vaticinium); for-ſpâr (praeſagus); for-ſtadr
(fuburbia); for-ſtod (auxilium); for-ſvar (defenſio); for-
ſæti (ſedile); for-tak (exceptio); for-tölur (perſualiones);
for-þionuſta (meritum); for-vërk (villicatio); for-vidra
(attonitus, nhd. verdonnert); for-vitni (curioſitas); for-
vitri (ſapiens). — Das agſ. for- bedeutet was das ahd.
far-, ſër; das altn. for- nur zuweilen, meiſtens ſteht es
dem ahd. fora- (prae, ante) gleich. Die mhd. und nhd.
vor- entſpringen durch apocope des vocals aus dem fol-
genden fora-, fore-.


[faúra-] goth. faúra-daúri (platea); faúra-gaggi (villi-
catio) faúra-gaggja (oeconomus); faúra-hah (velum); faúra-
maþleis (praefectus); faúra-tani (portentum) worin das
zweite wort unverſtändlich, da es mehr als einmahl vor-
kommt, ſcheint die emendation in faúra-þani (faúra-þan-
[727]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
jan = por-tendere) verwegen. — ahd. fora-chundo (praeco)
jun. 219; fore-dâht (praecautio) N. Boeth. 212; fora-haro
(praeco) jun. 192; fora-heiƷ (proſeſſio) jun. 246; fora-kanc
(praeceſſus); fora-kanko (praeceſſor) jun. 190; fore-leiſo (dux
viae) N. 65, 15. Cap. 37; fora-lîdo (anteceſſor) jun. 192; fora-
lôni (praerogativa) jun. 244; fora-mundo (advocatus) monſ.
405; fora-poto (praecurſor) monſ. 408. doc. 211b; fora-pouh-
han (prodigium) jun. 245; fore-burgo N. Cap. 52; fora-quidi
(indicium) ker. 157; fore-ſaga (praeſagium) N. 136, 5. fore-ſa-
gelîh N. 56, 1. fora-ſako (propheta) J. 377. etc. K. 17b 18a fora-
ſago hrab. 972b O. I. 5, 37. II. 14, 110; fora-ſcaf (prae-
deſtinatio) gefolgert aus fora-ſcaffôn (praedeſtinare) jun.
246; fore-ſcrift N. 56, 1; fore-ſiht (providentia) N. Boeth.
212. 265. fora-ſpël (prophetia) J. 376; fora-ſprâhha (prologus)
hrab. 971b jun. 183. 190. 245. monſ. 360; fora-teila (brabium)
ker. 43; fora-ferjo (proreta) monſ. 413; fora-wîs (praeſcius)
hrab. 971a; fora-wîſi (praeparatus)? ich kenne nur die
adverbia un-fora-wîſun (ex improviſo) hrab. 961a un-fo-
ra-wîſo jun. 205. un-fora-wîſinkun (fortuito) ker. 129;
fora-wiƷo (praeſcius) jun. 218. vgl. fore-wiƷeda N. Boeth.
260; fora-wîƷac (praeſagus) monſ. 319. hrab. 971a fora-
wîƷah jun. 222; fora-zeihhan (prodigium) ker. 228. jun.
221. hrab. 972a. — agſ. fore-âð (praejuramentum); fore-
beácen (oſtentum); fore-brëóſt (praecordia); fore-byſen
(exemplum); fore-cviðe (praedictio); fore-cynren (pro-
genies); fore-dyre (popylaeum); fore-feng (praeventio);
fore-gehât (promiſſio); fore-glëav (providus); fore-hea-
fod (frons); fore-lâteov (praeceſſor); fore-mære (praecipuus);
fore-mëahtig (praepotens); fore-munt (promontorium); fore-
nyme (praeoccupatio); fore-rynel (praecurſos); fore-ſaga
(propheta); fore-ſlop (ſtola) vgl. ahd. ana-ſlouf; fore-ſpræca
(cauſidicus); fore-ſtëóra (proreta); fore-tâcen (portentum);
fore-þanc (conſideratio); fore-vëallas (moenia temporaria)
Cädm. 69; fore-vëard (anterior); fore-vîs (praeſcius);
fore-vîtega (propheta) fore-vitol (peritus); fore-vyrd (an-
tefactum). — mhd. vor-bilde Barl.; vor-burge (veſtibu-
lum) Triſt.; vor-bedâht Triſt.; vor-behüge MS. 2, 123b;
vor-louf a. w. 3, 13; vor-louft Karl 13a; vor-beſiht, -be-
ſihtic Triſt.; vor-fluc oder -flüge Parc. 84b; vor-vürhte
Triſt.; u. a. m. — nhd. vor-eltern; -arbeit; -bild; -bote;
-bedacht; -fall; -fahre; -gang; -behalt; -hand; -haut;
-hut; -kauf; -klage; -lauf; -mann; -mund; -name;
-rang; -rath; -rede; -ſal; -ſatz; -beſcheid; -ſchlag; -ſchrift;
-ſchub; -ſpiel; -ſprache; -ſtand; -theil; -trab; -trag; -ur-
-theil; -wand; -welt; -werk; -witz; -wort; -wurf; -zei-
[728]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
chen; -zimmer; -zug. — Zu merken: α) dieſes faúra-
bedeutet meiſtens prae, ante, zuweilen pro, niemahls hat
es den privativen nebenſinn des ahd. far-, fir- (vgl. fora-
ſiht, providentia, fër-ſiht, contemtus; vor-ſtand, prae-
fectus, ver-ſtand, intellectus). β) es wird nie, ſelbſt im
mhd. und nhd. nicht, des tons verluſtig. γ) im nhd. vor-
theil hat ſich die echte vocalkürze bewahrt *); während
alle übrigen compoſita. gleich der praep., langvocaliſch
vôr lauten, iſt jenes wie ſcheinbare wurzel vorth-eil (un-
ter dem volk wirklich vort-el) analog den wörtern mor-
den, orden auszuſprechen.


[faúri]; die form mangelt im goth., vielleicht iſt faúr-
daraus verkürzt? — ahd. furi- nicht vor vielen wör-
tern: furi-chilli (camera) monſ. 328. vgl. wît-chëlli oben
ſ. 640; furi-hûs (veſtibulum) jun. 231; furi-purt (abſtinen-
tia, frugalitas, continentia, coelibatus) K. 44a ker. 223.
monſ. 388. furi-burt O. I. 18, 102. fure-burt N. 45, 10.
furi-purtîc hrab. 953b monſ. 355. fure-burtig N. 32, 16;
fure-reiſâre (praecurſor) N. Cap. 133; furi-ſprâhhi (deli-
beratus) monſ. 392; furi-ſôna (praejudicium) ker. 89; furi-
vanc (praeoccupatio) gefolgert aus furi-vangôn monſ. 344.
349. N. 87, 4. Cap. 116. Boeth. 258; furi-wahſt (praepu-
tium) jun. 217. monſ. 365. fure-wahſt N. 47, 14; fure-
wizkërn N. Cap. 132. — agſ. kein fyre-. — altn. fyri-
und fyrir-, beide formen nebeneinander, ſowohl untrenn-
bar als trennbar (im praepoſitionsfall). Biörn ſetzt fyrir
vor vocalen und h, fyri vor den übrigen conſonanten,
andere ziehen durchgängig fyrir vor. Raſk gibt keine
regel darüber, ſcheint aber auch fyrir zu begünſtigen,
und hat es in ſeiner ausg. der edda (ohne zweifel auf
grund der hſſ.) ſtatt des fyri der ed. hafn. (noch häufiger
ſetzt er for an deſſen ſtelle). Ich begreife alsdann nicht,
wie im gl. ed. hafn. 1, 504b fyri ältere, fyrir neuere form
heißen kann. Umgekehrt dürfte jenes aus dieſem durch
abwerfung des r entſpringen, obſchon ſich die analogen
eptir, undir, yfir nicht in epti, undi, yfi kürzen; oder
hat eben dieſe trügeriſche analogie verführt, aus fyri fyrir
zu machen? denn im ahd. erſcheint allerdings kein vorar,
vurir neben aftar, untar, upar, ſondern bloß vuri. Die
beſten altn. hſſ. mögen entſcheiden, ich will in den fol-
genden beiſpielen gleichförmiges fyrir annehmen: fyrir-
bôn (omen); fyrir-burdr (omen); fyrir-ferd (qualitas ex-
[729]III. partikelcompoſition — part. mit nom.
terna); fyrir-gângr (praeceſſus); fyrir-gërd (perditio);
fyrir-höſn (propoſitum); fyrir-hyggja (providentia); fy-
rir-kall (citatio in jus); fyrir-kufl (pars veſtis anterior);
fyrir-lëſtr (praelectio); fyrir-lidi (dux); fyrir-rûm (locus
anterior); fyrir-ſâtr (inſidiae); fyrir-ſiôn (providentia);
fyrir-ſkyrta (perizonium) edd. ſæm. 119b; fyrir-ſögn (prae-
ſatio); fyrir-ſtada (impedimentum); fyrir-tak (denegatio);
fyrir-tekt (propoſitum); fyrir-vaf (trama); fyrir-virda
(pudor); fyrir-vinna (labor ſtrenuus). — mhd. für-büge
Nib. für-gebüge Flore 22a; für-dâhtlich Barl.; für-danc
MS. 1, 157a für-gedanc Frig. 3b MS. 1, 101a 2, 149b; für-
holz (arbuſta, eingang des waldes) MS. 1, 80b; für-beſih-
tic Triſt.; für-ſpan (ſpinther) Parc. 31c 32a Wigal.; für-
geſpenge Nib.; für-ſprëche Parc. 28b; für-wîſe? Nib.
3672. — nhd. nur etwa: für-bitte; für-ſprache, -ſprecher;
für-tuch; für-witz; für-wort (pronomen, unterſch. von
vor-wort praepoſitio); der neuere gebrauch neigt ſich
aber zu vor-bitte, vor-ſprache, vor-witz. — Bemerkun-
gen: α) Graff lehrt die vermengung der praepoſitionen
fora und furi; in der zuſ. ſetzung verhalten ſich beide
partikeln auf ähnliche weiſe. β) das ahd. furi- hat wei-
tern umfang, als das nhd. für-, wie auch die heutige
praepoſition beſchränkter iſt. Ihrer räumlichen beziehung
allmählig entbunden, dient dieſe partikel allein zu dem
cauſalbegriff des nutzens und der ſtellvertretung. Ein-
zelne fälle mit der prae-bedeutung erhielten ſich länger
in der zuſammenſetzung, bis ſie zuletzt auch weichen
muſten; analog einzelnen lateiniſchen pro-, während die
praep. pro unſerm nhd. für entſpricht. γ) das compo-
nierte ahd. fora- bezeichnete mehr das zeitliche, furi-
mehr das räumliche prae-; daher furi-chilli, furi-hûs,
furi-zimpar, furi-holz, furi-wahſt, furi-ſpan etc. ſtatt der
nhd. vor-hof, vor-zimmer, vor-haut. δ) die altn. fyrir-
und for- ſchwanken gleichfalls, als part. und praep. ε)
furi- iſt betont wie fora-, folglich ſteht es eben ſo ſehr
von dem meiſt unbetonten fir-, fër- ab. Die einzige be-
rührung wäre fure-wizi mit firi-wizi. ζ) furi ſcheint der
poſitiv von furiro (prior) und furiſto (primus), ſo wie
prior und primus zu pro, prae gehören. Da ferner pri-
mus das goth. fruma iſt, das in eignem ablautsverhältnis
zu fram ſtehet; ſo folgt hieraus die berührung der par-
tikeln faír, far, faúr einer- und fra (pro, prae) fram, from
andrerſeits. Weiter: aus faúra entſpringt faúrana? ahd.
forana (a fronte) und faúrþ? ahd. forad, ford? (inde, ab-
hinc) fordaro (anterior) und furdir (porro, ultra) wie aus
[730]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
πρό πρότερος und πρωτος, was bei der lehre von bil-
dung der partikeln näher ausgeführt werden, hier nur den
übergang zu den folgenden zuſ. ſetzungen mit faúrn-
faúrþ-, fra- und fram- erläutern ſoll.


faúrana? (in fronte) ahd. forana, forna (vgl. πέρα,
πέραν
); hiermit iſt das häufige adj. foran-antîc, foran-
ontîc, forn-entîc (ſummus) ker. 11. 13. 15. monſ. 329.
363. etc. gebildet, wovon das ſubſt. forn-antîgî, forn-
entîgî (frons, caput, facies) monſ. 324. derivatum. Grund-
lage ſcheint andi (frons) nicht anti, enti (finis), da auch
die ſchreibung -andîc, -ondîc ſtattfindet; einfaches foran-
andi, forn-enti kann ich nicht belegen. — Analog ſind:
aftan-ondîc und davon aftan-entîgi (cauda, tergum) ker.
267. doc. 201a; hindan-endîc ker. 267; nidan-entîgî (fun-
damentum, radix) monſ. 323. 331; opan-enti (caeumen)
monſ. 406. O. II. 4, 105. oban-entîg O. II. 8, 72. V. 17,
79. T. 15, 4. 209, 1. obon-ôntikî (ſummitas) K. 26a.b. opan-
ontigî jun. 185. 187. 211. 226. ûƷan-andîc jun. 192. Bei N. das
entſtellte -ahtig, -ehtig f. -antig, -entig, z. b. oben-ahtig 18,
7. Boeth. 118. Cap. 133. oben-ehtig 45, 3. Mhd. ſind dieſe
comp. ausgeſtorben, ſo wie ſie den übrigen ſprachen abgehen.


faúrþ? (abhinc) ahd. forad, ford? weder goth. noch
ahd. aufzuweiſen, aber nicht unmöglich. — altſ. forth
und damit die zuſ. ſetzungen forth-ward (progrediens);
forth-wëg (progreſſus, iter). — agſ. forð-cyme (progreſ-
ſus); forð-fäderas (majores); forð-fôr (mors, obitus);
forð-gang (progreſſus) -genge (procedens); forð-hëald
(pronus); forð-here (frons exercitus) Cädm. 67; forð-ge-
lange (conducens); forð-riht (directus); forð-ſtëfn (prora
navis); forð-vëard Cädm. 5; forð-vëg (progreſſus) Cädm.
60. 63. 65; forð-vîf (matrona, provecta aetate); die adv.
forð-däges, forð-nihtes (mit dem vorſchritt des tages,
der nacht) laßen auf den nom. forð-däg, forð-niht
ſchließen. — altn. mangelt forð, denn die damit zufällig
ähnliche, gleichbedeutende compofition bort, burt-, rich-
tiger brot-, braut- geſchrieben, hat ganz abweichende
conſonanten und ſtammt vom ſubſt. braut (via), daher ſie
dem nhd. weg- in weg-fall, weg-gang an ſeite zu ſetzen
iſt. — mhd. findet ſich die part. fort, aber ſelten, z. b.
Parc. 86b; compoſita damit habe ich nicht aufgezeichnet. —
nhd. fort (ſtatt ford, wie mord, da die mhd. auslautende
tenuis abgeſchafft iſt) in häufigem gebrauch, dem nomen
verbunden in: fort-dauer; fort-fall; fort-gang; fort-ſchritt.


faúrþr? (ultra) ahd. fordar, furdir; mhd. vorder,
vürder; ich kenne erſt mhd. und nhd. compoſita mit no-
[731]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
minibus: mhd. vorder-lich Triſt.; nhd. vorder-achſel,
-arm, -fuß, -grund, -hand, -haupt, -mann, -thür, -zahn
und die adj. vorder-ſam, förder-lich, wo nicht dieſes von
dem verb. fördern gebildet iſt. Freilich könnten auch
die angeführten nhd. ſubſt. eigentlich componiert ſein mit
dem adj. vorderer (anterior)?


filu- (multum): goth. filu-galáubs Joh. 12, 3; ſilu-
vaúrdei (multiloquium) Matth. 6, 7. — ahd. filu-ëƷƷal
(multum edax) K. 39b; filo-horſc monſ. 391; filu-liſtëo
(hariolus) ker. 27; vilo-lioht (praefulgidus) monſ. 343; filu-
ſprâhha (multiloquium) K. 25b oder -ſprâhhî K. 29a, das adj.
filo-ſprâhhi, jun. 246. K. 29a, gi-ſprâhhi monſ. 338. 355. filo-
ſprâhhal monſ. 345. 348. 350. 351. 355. 387; filo-ſtiuri
(permagnificus) monſ. 360; vilo-trincho (potator) monſ.
352; filo-vrëƷo monſ. 352. fili-vrëƷo monſ. 400. fili-frâƷ flor.
987b filo-frâƷîc doc. 240b; filo-frêhtîc (emeritus) ibid. ſilu-
wërbîc (turbulentus) ker. 275. — agſ. fêla-fëald (multiplex);
fëla-hror (decrepitus) Beov. 5; fëla-môdig Beov. 142;
fëla-ſpræcol (loquax). — altn. ſiöl-bërni (numeroſa pro-
les); fiöl-hœfr (dexter); fiöl-kunnr (multiſcius); fiöl-kyngi
(magia); fiöl-lyndi (incontinentia); fiöl-mæli (multiloquium)
fiöll-mâll (multiloquus) fiöl-mâlugr (idem); fiöl-menni
(frequentia) fiöl-mennr (frequens); fiöl-nytr (multum uti-
lis); fiöl-ſviðr (prudentiſſimus). — mhd. ſubſt. mit vil-
ſind nicht zur hand, doch muß vil-vrâƷ u. dgl. ſtatthaft
geweſen ſein. — nhd. viel-artig; -deutig; -eck; -fach;
-falt, -fältig; -färbig; -fraß; -fuß; -götterei; -gut; (n.
plantae); -jährig; -künſtler; -männerei; -ſeitig; -geſtaltig;
-thätig; -weiberei u. a. m. — Vor dem adj. kann in der
älteren ſprache gern ein freies filu angenommen werden
(filu ëƷƷal, filu frêhtîc); vor dem ſubſt. geht es doch nicht
an. Hätte ſie ein adj. filu beſeßen, ſo würden eigentliche
compoſita hervorgegangen ſein, wie die lat. multi- von
multus gebildet ſind. Seit das nhd. adj. viel gilt, können
daher auch einzelne nhd. compoſita anders genommen
werden, namentlich viel-falt, wofür früher mit manag-
zuſ. geſetzt wurde (ſ. 656.). Das agſ. fëla-fëald ſcheint
neuere bildung als mäneg-fëald.


fra- (a, de) goth., ahd. agſ. unlöſbar, altn. (auch noch
ſchwed. dän.) trennbare partikel und praepoſition. Die
quantität des vocals verändert ſich nach analogie von bi-
und du-. — goth. mit kurzem a: fra-gibts, -gifts (deſpon-
ſatio); fra-lêts (remiſſio); fra-luſts (perditio); fra-vaúrhts
(peccatum); fra-veitô (vindicta, poena) und ſicher noch
andere. — ahd. fra- oder frâ? N. ſcheint zu ſchwanken
[732]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
und einigemahl letzteres, öfter erſteres zu ſchreiben (den
ton gibt er immer), ich nehme um ſo mehr für ältere
belege kurzen vocal an; es ſind ihrer wenige: fra-pald
(procax) monſ. 348. fra-paldî (temeritas) monſ. 327. 384;
fra-bârî (faex) wirzeb. 977a; fra-ſëƷ (aerugo) N. 77, 46,
48; fra-ſtrachemo (obſtinato) jun. 216. (wenn ſo zu leſen
für fruſtr.?); fra-ſûmîc (deſidioſus) jun. 257. kann leicht
f. far-ſ. ſtehen); fra-tât (ſcelus) N. Boeth. 34. fra-tâtîg
(ſceleſtus) Boeth. 71. 190; fra-wâƷ (anathema) jun. 178.
[frâkunna, inquiſitio, ker. 154. iſt nicht fra-kunna, ſon-
dern frâgunna]. — agſ. frä oder fræ? ich denke letzte-
res, weil mir ſonſt kein auslautendes ä bekannt iſt und
in den (freilich tonloſen) flexionen kurzes a bleibt: fræ-
bëorht (praeclarus); fræ-cuð (deſpectus) verſch. von dem
ſ. 230. genannten fräced, fracod (turpis) wiewohl auch
dieſes mit aſp. geſchrieben vorkommt; fræ-fätt (prae-
pinguis); fræ-mære (eximius); fræ-micel (permagnus);
fræ-ofeſtlic (praeproperus). — altn. frâ mit langem vocal
(dän. fra, nicht fraa): frâ-bær (eximius); frâ-bœgr (aver-
ſus); frâ-fall (defectio); frâ-gângr (diſceſſüs); frâ-hald
(abſtinentia); frâ-lëgr (acer); frâ-leiki (pernicitas); frâ-
leitr (abſurdus); frâ-ſinna (amens); frâ-ſaga (hiſtoria);
frâ-vëra (abſentia); frâ-vita (amens). — mhd. nhd. fehlt
die partikel. — Die bedeutungen weichen nach den mund-
arten ab, das goth. fra- hat den intenſiven, gelinden
(fra-lêts, fra-luſts, ahd. far-lâƷ, far-luſt), das ahd. fra- den
privativen ſinn von faír- (fra-ſëƷ = fër-ſëƷ; fra-tâtig
vergleichbar dem particip. praet. fër-tân, impius, male-
dictus); das agſ. fræ- verſtärkt gleich dem lat. prae- und
dem ahd. fram- (in fram-bâri, fram-ſpuot); das altn.
frâ- iſt theils beraubend (noch ſtärker als ahd. fra-)
theils vermehrend (frâ-leiki, frâ-bær, vergleichbar ahd.
fram-bâri).


fram (a, de, porro, ultra) überall trennbar; goth.
fram-aldra (provectae aetatis); fram-vigs (via continua)
folgerbar aus dem adv. fram-vigis (ſemper) vgl. agſ.
forð-vëg und die adv. forð-däges, -nihtes. — ahd. fran-
cnëht (cacula) hrab. 958a; fram-chnuat (propago) jun. 219;
fram-chunni hrab. 972a; fram-chunft J. 391. 396. ſgall. 196.
hrab. 972a; fram-dêhſmo (profectus) monſ. 355; fram-
diht (profectus) jun. 222. monſ. 405.; fram-hald (pronus)
K. 47a jun. 217. O. I. 17, 121. III. 20, 359; fram-kanc
(proceſſus) K. 16a; fram-bâri (inclitus, magnas) jun. 185.
208. fram-bâri barn (virago) gl. vet. (Idunna 1812, 119b)
fram-bâri (magnitudo, celebratio) N. 37, 9. mit kurzem a
[733]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
geſchrieben ſtehet fram-baro (elate) Boeth. 32. 81. fram-
baren (magni, gen. ſg.) Boeth. 32. aber fram-bâro Cap.
26; fram-reccho (advena, peregrinus) N. 82, 7, 8; fram-
ſcrecche (temerarius) N. 118, 39; fram-ſpuot (proſperitas)
fram-ſpuotig (proſper) N. 67, 20. 68, 7. 93, 13. fram-
ſpuotſâre (fortunatus) Cap. 52. fran-ſpuot geſchrieben
N. 37, 21. 72, 7. Boeth. 11; fram-vildi (campeſtria) blaſ. 9a;
fram-fluſk (profluvium) jun. 220; fram-wërtig (proſper)
N. 67, 20. — agſ. fram- (neben from-): fram-cyme (pro-
genies); fram-cynne (proſapia); fram-färeld (diſceſſus);
fram-ſið (abſceſſus); fram-ſcipe (profectus); fram-vëard
(averſus); fram-vîs (ſapiens); man hüte ſich, namentlich
from- mit frum- zu verwechſeln, letzteres iſt eigentliche
adj. compoſition (ſ. 631.). — altn. fram-bûd (proviſio);
fram-burdr (pronuntiatio); fram-bærilëgr (ſpecioſus) mit-
hin fram-bær vorausſetzend; fram-drâttr (protractio);
fram-ferði (mores); fram-för (profectus); fram-fœri
(ſuſtentatio); fram-fûs (promptus); fram-fœtr (pedes
anteriores); fram-gângr (progreſſus); fram-giarn (audax);
fram-hald (conſtantia); fram-heit (promiſſio); fram-hvöt
(exhortatio); fram-lângr (remotus); fram-lûtr (cernuus);
fram-myntr (labioſus); fram-qvæmð (affectus); fram-râs
(procurſus); fram-ſaga (enarratio); fram-ſtafn (prora);
fram-ſŷnn (prudens); fram-tak (ſoliditas); fram-tennr
(dentes primores); fram-vîgr (temerarium); fram-vîs
(ſagax); das adv. fram-veigis (inpoſterum) ſcheint zwar
dem goth. fram-vigis verwandt, führt aber nicht auf
fram-vëgr. — mhd. iſt allein vran-ſpuetec (proſper) übrig
und nur bei einigen dichtern, Rud. im Orlenz, mihi
14191. 15021. und Conr. troj. 17974. — Dieſe partikel
gibt ſehr verſchiednen ſinn, bald zeigt ſie entfernung,
weggehen an und berührt ſich mit ab- (fram-chunft, ab-
kunft), bald vorſchritt und erfolg (ſo daß fram-wërtig
dem ab-wërtig beinahe entgegen ſteht). Der mittlere
begriff liegt in der idee von bewegung überhaupt, welche
zugleich das her und das hin enthält. Wir haben bei
den verwandten partikeln fra-, faúrþ- etc. analoge über-
gänge aus der beraubung in die verſtärkung wahrge-
nommen.


ga-, in allen deutſchen dialecten, den nordiſchen ab-
gerechnet, welchem ſie faſt mangelt, von größtem umfang.
Abgeſehn von dem agſ. ge — ge (cum — tum), bricht auch
im goth. die urſprüngliche trennbarkeit noch hervor, indem
ſich u, þau, hvau zwiſchen ga- und die wurzel, mit der
es componiert wird, ſchieben laßen. Die belege folgen
[734]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
unten bei der zuſ. ſetzung mit dem verbum, vor dem
nomen geſchieht es nicht; unabtrennbarkeit hat ſich alſo
auch hier vor dem nomen früher entſchieden. Was die
form betrifft, ſo entſpricht goth. ga- dem ſtrengahd. ka-,
wofür andere ga-, einige (über die lautverſchiebung hin-
aus, vgl. 1, 1071. zu 1, 185.) cha ſetzen. Das volle a in
dem goth. ga- und dem ka-, ga-, der frühſten ahd. denk-
mähler weiſt auf damalige betonung *), die ſpätere ſchwä-
chung in ahd. ki-, gi-, gë- altſ. gi-, agſ. ge- (d. i. ge-)
auf allmählige unbetonung, wie bei ar-, ir-, ër-; ant-,
int-, ënt- etc. (nie erſcheint gu-, go-, wie ur-, or-, for-).
Jede ihrer freien bewegung beraubte partikel büßt an
form, ton und bedeutung ein. Wäre ga- trennbar ge-
blieben, vielleicht praepoſition geworden, ſo hätte es nicht
weniger als pi, pî, du, tô, zuo, fra, frâ, ſelbſt vocal-
verlängerung erfahren mögen. Es ſcheint mir grund-
falſch die ſache ſo anzuſehen, als ob ga- aus einer nichts
bedeutenden vorſilbe, oder aus einem der hochdeutſchen
mundart beliebten kehlbuchſtaben, gar aus dem leeren
hauch (obgleich die quellen keiner zeit ha-, hi-, he- dar-
bieten) hervorgegangen ſei. Ge- hat zwar unter allen
unſern partikeln in den meiſten fällen die gelindeſte be-
deutung, eine dem abgeſtumpften gefühl unmerkbar ge-
wordene; aber es grenzt doch nahe an be- und ver-,
denen niemand den nahmen wahrer und ſelbſt praepo-
ſitionaler partikeln abſtreiten kann. Noch verſteckter und
ungefühlter iſt uns ja die kraft der ſ. 701. nachgewieſe-
nen ſ- und n-, die zur zeit der compoſition ganz leben-
dig geweſen ſein muß. Daraus daß vor verſchiedenen
wörtern der engliſchen und heutigen niederdeutſchen
volksſprache das ge- fehlt, die doch genau den ſinn der
hochdeutſchen ge-formen geben, darf man nicht unbe-
hutſam auf das bëdeutungsloſe der partikel ſchließen.
Sie kann auch unorganiſcherweiſe getilgt worden ſein,
wie theils die vergleichung der agſ. und altſ. ſprache
lehrt, deren gi-, ge- in ſolchen wörtern mit dem ahd. ein-
ſtimmen, theils aus der altengl. weſtphäl. und frieſ. entſtellung
des ge- in y-, je- und endlich -e ſichtbar folgt. Ein bloßes
e- konnte leicht wegfallen. Und wie wenn ſelbſt im
altn. die partikel weggefallen wäre? ich will zeigen,
[735]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
daß ſie noch ſpurweiſe da, folglich ihr abfall auch
anderwärts möglich iſt. Dem goth. razn (domus) ent-
ſpricht das altn. rann, aus jenem wird mit ga- formiert
ga-razna (vicinus) = altn. granni, alſo iſt g-ranni aus
ga-ranni, oder welchen vocal man dazu nehme, ent-
ſprungen. Für lîkr (ſimilis) ſteht die ältere form g-lîkr
ſæm. edd. 254b (vgl. var. i. zu Hym. 2. ed. hafn.
1, 120.) goth. ga-leiks, ahd. ka-lîh, agſ. ge-lîc, nirgends
leiks, lîh, lîc, eher ſind demnach das nord. lîkr, engl.
lîke der vorpartikel beraubt worden, als daß ſie im goth.
ahd. agſ. etc. zwecklos und überflüßig ſtünde. So ſcheint
auch g-nôgr (abundans) edd. ſæm. 152a 260b, goth. ga-
nôhs, ahd. ka-nuac organiſcher und älter, als das übliche
nôgr; g-neiſti (ſcintilla) ahd. ka-neiſta, älter als neiſti;
und wohl noch andere. — Ueber die bedeutung der par-
tikel wird ſich erſt nach abhandlung der einzelnen fälle
ihres gebrauchs urtheilen laßen. Sie gilt 1) wenn aus
ſächlichen ſubſt. perſönliche geſellſchaftsbegriffe gebildet
werden, wobei gewöhnlich ſchwache form, oft auch ab-
leitendes i miteintritt. Es ſind maſc. und fem., keine
neutra. Goth. dáils (pars, ſors) ga-dáila (conſors) Luc.
5, 10; hláibs (panis, victus) ga-hláiba (ſocius) Joh. 11, 16.
Philipp. 2, 25; razn (domus) ga-razna (confinis, vicinus);
ſinþs (iter) ga-ſinþja (comes); vaúrſtv (opus) ga-vaúrſtva
(συνεργός) Philipp. 2, 25. verſch. von vaúrſtva (ἐργάτης);
ob auch ga-mana (ſocius) Luc. 5, 7. hierher gehört, hängt
davon ab, daß in man die ſächliche bedeutung manici-
pium zu grund gelegt werde oder nicht. Ahd. altar
(aetas) ki-altro (coaetaneus) jun. 236. g-altro (collacta-
neus) monſ. 363. 365; dinc (cauſa) ka-dingo (patronus)
monſ. 404. 406; hleip (panis) ka-leibo, ge-leipo (ſodalis)
jun. 227. doc. 213b; hlôƷ (ſors) ki-hlôƷo (conſors) J. 345;
hûs (domus) ka-hûſo (domeſticus) ge-hûſa (laris vernula)
N. Boeth. 44; laſo? (paſcuum) ca-laſuëo (vicinus, com-
paſcens)? in der lex bajuv. 22, 11. ſtehet: conmarcanus,
quem calaſneo (al. caleſneo) dicimus, welches deutſche
wort man bisher ſchlecht begriffen hat, es gehört offen-
bar zu den hier abgehandelten compoſitis, obgleich ich
meine leichte emendation des n in u (= v, w) nur durch
das agſ. läſve (paſcuum) altengl. leaſow, leſow beweiſen
kann, ca-laſuëo (vollſtändig ca-laſawëo) würde agſ. lauten
ge-läſvëa, geläſva [ſtünde n feſt, ſo wäre ein ſubſt. laſan
zu ſuchen, das ungefähr bedeutet haben muß: marca,
campus, paſcuum]; mah? (domus, manſio) davon gi-
mahho (conſors, par) N. Cap. 74. gi-mahha (ſocia, con-
[736]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
jux, par) T. 5, 18, 15. 7, 3. O. III. 23, 57. [das vermu-
thete, aber unbelegbare, uralte mah, aedificium *) ver-
hielte ſich zu mahhôn, inſtruere, facere, aptare wie zim-
par zu zimparôn und das bekannte gi-mah, quies, com-
moditas wäre davon abzuleiten; aus letzterm gi-mahha,
conjux, zu deuten, ſcheint gezwungen]; mahal (concio,
ſponſio publica) gi-mahala (deſponſata) W.; marha (ager,
limes) ka-marcho (confinis, vicinus) hrab. 964b ka-marchjo
monſ. 404, 407; maƷ (cibus, victus) ki-maƷo (ſocius, con-
viva) jun. 181. gi-maƷƷo O. II. 8, 76; namo (nomen) chi-
namno (cognominis, par, ſocius) J. 351; pûr (domus) ka-
pûro (colonus, affinis) hrab. 957a monſ. 407. andere quel-
len haben ſtarkformiges ga-pûr (vicinus) pl. ga-pûrâ ſgall.
196. doc. 204b O. II. 14, 215. IV. 5, 74. V. 4, 80. N. 78,
4, 12; rûna (ſecretum) ki-rûno (familiaris, amicus) jun.
196; ſahha (cauſa) ga-ſachjo (cauſator) lex ſal. 53; ſal
(aula) ka-ſaljo und dafür ka-ſello, gi-ſello (aulicus, ſocius,
comes) jun. 227. monſ. 389. gi-ſelljo Ludw.; ſind (via)
ga-ſindo (miniſter, comes, ſervus) Marculfi form. 1, 23.
2, 26. lex Rotharis 228. O. IV. 12, 84; ſëƷ (ſedes) gi-
ſëƷƷo (ſocius) O. IV. 12, 62; ſpil (ludus) ka-ſpilo (ſocius)
ka-ſpila (ſocia) vermuthe ich bloß nach dem mhd.; ſtal
(manſio, domus) gi-ſtallo (ſocius) O. IV. 16, 8; teil (ſors,
pars) ki-teilo (conſors) ker. 254. N. 118, 63. doc. 204a
(wo ka-têlo?) gi-teilo monſ. 360; vart (iter) gi-verto f.
gi-vartjo (conviator) doc. 215b; wizi (ſcientia) ki-wizo
(conſcius) jun. 236. monſ. 408. Altſ. bedi (lectus) gi-beddjo
(conſors thalami); benk (ſcamnum) gi-benkjo (conſors ſe-
dis); gi-gado (ſocius, par) führt auf ein, aus keiner deut-
ſchen ſprache erweiſliches einfaches gad, dem ich wieder
die bedeutung von domns oder materies zutraue und wo-
mit gaduling (domeſticus) gadur (ſimul, unà), vielleicht
auch das ahd. kadum (aedes) verwandt ſind. Denn daß
es nicht katum, neben ahd. katalinc (ſ. 352.) und wahr-
ſch. ki-kato (ſocius), das ich noch nicht geleſen habe,
nhd. gatte heißt, mag an dem oftbemerkten ſchwanken
zwiſchen dem inlautenden goth. þ, d = ahd. d, t liegen;
ſith (iter) gi-ſith (ſocius) ſtark. Agſ. bed (lectus) ge-bedda
(conjux) Cädm. 26. 40. Beov. 7. 52; bûr (cubiculum) ge-
bûr (colonus, villicus) ſtarker form; dryht (cohors, goth.
draúhts) ge-dryhta (commilito); fôr (iter) ge-fêra f. ge-
fêrja (ſocius); gad? ge-gada (ſocius); gild (cultus, ſodali-
[737]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
tium) ge-gilda (ſodalis); hâd (ſtatus, ordo) ge-hâda (ejusd.
ſtatus); hlŷte (ſors) ge-hlŷta (conſors); hûs (domus) ge-
hûſa (domeſticus); mac? ge-maca, ge-mäcëa, (conſors);
racu (cauſa) ge-reca (comes, praefectus); rôf (tectum)
daher ge-rêfa (ſocius, comes)?; rôðor (remus) ge-rêðra
(ſocius remigandi); rûn (ſecretum) ge-rûna (amicus); ſacu
(cauſa) ge-ſaca (adverſarius, mitſtreiter); ſele (ſedes) da-
von ge-ſella (ſocius) Beov. 112. (wo nur die weitere comp.
mit hond bedenken macht); ſið (iter) ge-ſið (comes) ſtark-
formig vgl. Beov. 145. 187; ſtalu (furtum) ge-ſtala (ſocius
furti); ſtëal (locus) ge-ſtëalla Beov. 68. 101. 129. 148; þoft
(tranſtrum, ruderbank) ge-þofta (ſodalis, ſchiffgeſell); vit
(animus) ge-vita (teſtis). Mhd. hat ſich die zahl dieſer
wortbildungen ſchon ſehr verringert: ge-bûr geht mei-
ſtens ſtark, ſeltner ſchwach, z. b. Gudr. 34a 38a; ge-gate
(ſocius) iſt unüblich, doch ſteht es in Eilh. Triſt. 2907.
und gate, ohne partikel, in pf. ch. Karl und im vater-
unſer 4491; ge-mahele a. Heinr.; ge-maƷe (conviva) Wi-
gal. Wh. 3, 232a; ge-nanne, g-nanne c. p. 361, 69a Wh.
2, 1b 1, 2b Barl. 60. ge-nenne Mar. 163; reiſe (iter) ge-
reiſe (comes) Triſt.; ge-ſelle a. Tit. 46. 74; ge-flâfe (ſo-
cius lecti) Triſt.; ge-ſpil (ſocius, ſocia ludi) Flore 18c 21o
22c 34c 35b etc.; ge-ſtalle bloß in der verbindung nôt-
ge-ſt. (oben ſ. 527.); ge-ſtrîte (ſocius belli, i. e. adverſa-
rius) Wigal.; ge-verte troj. 26c; ge-wëte (ſocius, par)
Triſt. 16322. Hag. von gewët (jugum, vinculum)? Nhd.
finde ich nur: ge-bauer als n. pr. und entſtellt in nach-
bar, für nach-ge-bauer; ge-fährte; ge-mahl; ge-ſelle; ge-
ſpiele; welche alle aufs maſc. beſchränkt werden, die fem.
bekommen -in: nachbarin, gefährtin, gemahlin, geſellin,
geſpielin. Ge-gatte kommt nie vor, ſondern die mehr niederd.
form gatte (maritus) gattin (uxor). — 2) ſtehet die parti-
kel, wenn aus perſönlichen oder ſächlichen ſubſt. collec-
tiva
mit der ableitung -i gemacht werden; es ſind lauter
neutra. Ulf. bietet kein beiſpiel, denn ſein ga-ſkôh iſt
ohne i und überſetzt gleich dem einfachen ſkôhs das gr.
ὑπόδημα. Ahd. chnëht, ki-chnihti O. IV. 8, 44; dah (tectum)
ki-dahhi (umbraculum) ka-thachi jun. 241; dëkan, ki-dikani
(famulitium) gi-thigani O. I. 2, 78. etc.; dranc (preſſio) ki-
drenki (compreſſio) gi-threngi O. IV. 17, 19; kadam (aedes)
gi-gadame (habitatio) W. 1, 4; lâr? (domus) gi-lâri (habi-
tatio) O. I. 11, 22. etc.; mahal (concio) ki-mâli (ſolemni-
tas) jun. 225; pant (vinculum) ki-penti (compactio) monſ.
354. T. 64, 1. O. I. 9, 60; pein (os) ki-peini (oſſamen-
tum); përc (mons) ki-pirki (regio montana) monſ. 408;
A a a
[738]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
polſtar (cervical) ge-bulſtere (ſarcinulae) N. Boeth. 17; puntil
(faſcis) ki-puntili (faſciculus) gi-buntilîn ſgall. 203; rât (conſi-
lium) ca-râti (conventus, concilium) ker. 19; roup (rapina)
ki-roupi (ſpolia, manubiae) ker. 105. monſ. 400. O. V. 4, 102;
rûna (ſecretum) ka-rûni (myſterium) exhort.; ſcuoh (calceus)
ki-ſcôhi (calceamentum) ker. 78. T. 12, 23. O. III. 14, 190; zu
ki-ſcirri (vas, inſtrumentum) Samar. kenne ich kein einfa-
ches ſcër?, wenn es auf dieſem wege entſprang; ſëdal,
gi-ſidili monſ. 338; ka-ſindo (comes) ki-ſindi (militia) jun.
213. monſ. 395. hier ſteckt die part. ſchon in der quelle
der letzten zuſ. ſetzung; ſtein (lapis) ki-ſteini (monile)
monſ. 332; ki-ſtirni (militia) monſ. 323. 330. 334. 345, ge-
hört es zu ſtërno (ſtella)? wenigſtens könnte es conſtella-
tio heißen; tobal (vallum montis?) gi-tubele (convallis) N.
59, 8; val (caſus) ge-felle (ruina) N. 109, 6; vëdara
(penna) ka-vidiri (alae); vëld (campus) ka-fildi (complexus
camporum); wâfan (arma) gi-wâfani (armatura) monſ.
340; wât (veſtis) ka-wâti (veſtimentum) jun. 175; wëc (via)
ki-wicki (bivium, compita) jun. 196. monſ. 327. N. Cap. 60;
zimpar (materies) ka-zimpari (aedificium) monſ. 405. O.
IV. 7, 4. Agſ. wenige ſolcher collectiva: ſcô (calceus)
ge-ſcŷ (calceamentum) welches ge-ſcê lauten ſollte, da
kein ſcû vorkommt; ſculdor (humerus) ge-ſcyldre (hu-
meri); timber (materia) ge-timbre (ſtructura); væd (veſtis)
ge-væde (indumentum); botl (aedes) ge-bytle (aedificium);
lëger (cubile) ge-liger (concubitus). Mhd. ſind ihrer viele:
ge-bende; ge-birge; braht, ge-brehte; ge-digene Nib.;
ge-dœne; ge-gihte (morbus articularis); ge-hilze (capulus
enſis); ge-hünde Nib.; ge-hürne Triſt.; ge-læƷe; ge-liune
Triſt.; ge-lürme? Bon.; ge-merke (confinium) Triſt.; ge-
muete; ge-niſte (nidus) Triſt.; ge-ræte (conſilium) Barl.; ge-
ræte (inſtrumenta); ge-riune Triſt.; ron, ge-rün (ſilva caedua,
eigentl. contruncatio) Wigal. 219; ge-ſidele; ge-ſinde; ge-
ſlehte; ge-ſmîde; ge-ſpræche (concilium) Barl.; ge-ſteine;
ge-ſtirne (conſtellatio); ge-ſtuele; ge-ſtüppe (congeries pulve-
ris) Parc. 183a Reinfr. 203c kaum verſch. von dem auch
vorkommenden ſtüppe, ahd. ſtuppi (pulvis); ge-ſuene
(conciliatio); ge-velle (ruina) Wigal. Lachm. ausw.; ge-
verte Wigal.; ge-videre; ge-vilde Wigal.; ge-vügele
Barl.; ge-wæfen; ge-wæte; ge-zimber Nib.; u. a. m.
Aus dem nhd. laßen ſich noch mehrere anführen, ſie ha-
ben meiſtens den ableitungsvocal abgelegt und dulden ihn
nur nach mediis: ge-äder; ge-bälk (contignatio); ge-
bände; ge-bein; ge-bilde; ge-birge; ge-blüt; ge-bündel;
ge-büſch; ge-däch; ge-därm; ge-dränge; ge-fäß; ge-
[739]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
fräß; ge-fiedel; ge-fieder; ge-häus; ge-hirn; ge-hörn; ge-
hölz; ge-lächter, vom alten lachter (riſus); ge-müth; ge-niſt;
ge-päck; ge-räth; ge-ripp; ge-ſæm; ge-ſchirr; ge-ſchlecht;
ge-ſinde; ge-ſöff; ge-ſpänge; ge-ſpräch; ge-ſtein; ge-
ſtirn; ge-ſträuch; ge-ſtühl; ge-täfel; ge-tränk; ge-wäßer;
wetter, ge-witter; ge-wölk; ge-würm; ge-würz; ge-zim-
mer; u. a. m. — 3) geringe, faſt unmerkliche bedeutung
ſcheint die part. zu beſitzen, wenn ſie zu ſubſt. tritt, die
ohne derivationsmittel aus verbis hervorgehen, d. h.
reine (ablautsfähige) wurzel an ſich tragen. Man bemerke,
daß hierzu nur ſtarke verba und öfter mit ihrem laut, als
ablaut dienen; ſchwache verba vermögen überhaupt nicht
einfache ſubſt. zu erzeugen. Die ſubſt. ſolcher compoſita
ſind aber meiſt ſächlicher bedeutung, ſelten perſönlicher,
meiſt maſc. oder neutra, ſelten fem., ſie declinieren meiſt
ſtark, ſelten ſchwach. Starke maſc. und neutra faße ich
zuſammen, weil angabe und unterſuchung des zwiſchen
ihnen beiden ſchwankenden genus nicht hierher gehört.
α) maſc. und neutra mit lauten des praeſ.: goth. ga-
fahs (captura) Luc. 5, 9; ga-filhs (ſepultura) Joh. 12, 7.
Ahd. ka-chnët (maſſa) monſ. 326. 343. 411. ki-chënët
jun. 182; ka-dik (preces) gi-thig O. V. 23, 107, wurzel
nr. 306; ka-dinc (conventus) ker. 52; ka-dhuing (ambitus)
ker. 13. gi-thuing O. V. 14, 21. 20, 195. ge-duinc (lex)
N. 84, 8; ka-heiƷ (ſponſio) ker. 9; ki-lâƷ (venia) monſ.
356; ki-leih (artus) jun. 235. ki-hîleih (matrimonium) monſ.
379. doc. 214a N. Cap. 5; ga-mëƷ (modus) hrab. 961b 969a ki-
mëƷ (menſura) ker. 138; ka-pët (preces) exh. K. monſ.
379. ki-pëd (oracula) ker. 212; ka-përc (aerarium) ker.
24. hrab. 953a gi-përc (nidus) monſ. 345. gi-bërg O. V.
12, 10; ka-prëh (fragor) hrab. 955b 963b ki-prëh jun.
207. un-kiprëh (charybdis) ker. 81; ka-prët (trabs) hrab.
975a ſgall. 181. von einem verlornen prëtan, prat? oder
ablaut von prîtan nr. 162?; ka-rih (ultio) gi-rih monſ.
327. 350. 387. N. Boeth. 204. 227; ka-rît (equitatus) monſ.
326. 361; ki-ſcaf (creator) mon. catech. ki-ſcaf (alimen-
tum) jun. 235; ka-ſceit (diviſio, divortium, ſententia) ker.
17. 21. 57. 88. gi-ſceid O. IV. 20, 53. V. 22, 16; ki-ſëƷ
(caſtrum, praeſidium) ker. 214. monſ. 331. 364; gi-ſcrîp
(ſcriptura) monſ. 376. 382. T. 18, 4. O. IV. 5, 109; gi-ſîc
(ſtagnum, palus) monſ. 370. doc. 215b N. 83. 3. von der
wurzel nr. 189. oder mit dem ablaut gi-ſic?; gi-ſliƷ (di-
viſio, ruptura) T. 56, 7. O. III. 20, 134; ka-ſpan (fibulatorium)
monſ. 411; ki-trinh (convivium) ka-drinchum dat. pl. ker.
64; ki-val (caſus) folgt aus ge-vallôn (accidere) N. Boeth.
A a a 2
[740]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
206; gi-fanc (veſtis) O. IV. 5, 86. 23, 10; ca-fëht (mars,
bellum, lucta) hrab. 969a ker. 39. 48. monſ. 413; gi-walt
(poteſtas) monſ. 335. 366. 393; ka-wërch (figmentum)
hrab. 964b ein verlornes ſtarkes verb. vorausſetzend; ki-
wërf (conjectura, collatio) ker. 76. monſ. 352. 364. 399; gi-wët
(jugum) monſ. 318. 329; ga-win (lucrum) ſgall. 197. ker. 21.
52. (rapacitas) monſ. 391; ki-zëlt (tentorium, pelles) monſ.
345. 350. von einem ſtarken zëltan?; ki-ziuc (apparatus)
N. Boeth. 79. 167. ſicher noch andere. Agſ. ge-bed (ora-
tio); ge-bëlh (offenſio); ge-bëorg (refugium); ge-bëót
(minae); ge-bind (faſciculus); ge-brëc (fragor) Cädm. 55;
ge-cîð (lis); ge-drîf (ſtipula); ge-fëoht (bellum); ge-flît
(lis) Beov. 67; ge-gang, ge-gong (eventus); ge-grîp (cor-
reptio); ge-hât (ſtipulatio); ge-hëald (obſervantia, cuſto-
dia); ge-lâc (ludus) Beov. 79. 89; ge-limp (caſus); ge-
nër (refugium) oder ge-nere?; ge-rîm (numerus); ge-
ſcâd (diviſio) Beov. 24; ge-ſcëap (creatio); ge-ſvinc (la-
bor); ge-ſpring (origo) Beov. 66; ge-þing (concilium) Beov.
32. 159; ge-vëalc (volutatio) Beov. 37; ge-vëald (poteſtas);
ge-vëorc; ge-vin (labor); ge-vind (cochlea); ge-vrinc
(tortura); ge-vrît (ſcriptura). Mhd. ge-bërc Parc. 106c
Triſt.; ge-bët Wigal. MS. 2, 150a; ge-brëch Geo. 55b
wofür ge-brëche MS. 2, 22a; ge-heiƷ Nib. Barl. Triſt.;
ge-lâƷ Wh. 2, 64b 112b; ge-limpf; ge-linc Triſt.; ge-nieƷ
Parc. 114b Barl.; ge-rich Parc. 28c 64b Wigal.; ge-rinc
(niſus) Triſt. Barl.; ge-ſchaf Parc. 77a; ge-ſpan Nib.;
ge-twërc Wigal. Triſt.; ge-val Triſt.; ge-walt; ge-wërp
(labor) Parc. 184b Wigal. Triſt.; ge-win Wigal.; ge-zëlt;
ge-ziuc Nib. Triſt. Nhd. ge-back; ge-bet; ge-biet (impe-
rium); ge-fecht; ge-freß (in der volksſpr. für maul, ver-
ſch. von ge-fräß, cibus); ge-halt; ge-heiß; ge-laß; g-
limpf; ge-ſpann; ge-ſchreib; ge-ſchmeiß; ge-web; ge-
winn; ge-werb (nicht ge-werbe); ge-werk, und noch
einige, doch haben ſie ſich gegen das mhd. und im mhd.
gegen das ahd. verringert. — β) maſc. und neutra mit
ablauten: goth. ga-juk (par) Luc. 2, 24. von jiukan, jáuk,
jukun? weil Joh. 16, 33. gajiukan und nicht gajukan ſteht;
ga-ſkôh (calceamentum); ga-þraſk (tritura). Ahd. ca-
chlëp (rupes) hrab. 974a f. chlip von chlîpan (adhaerere)?
oder andrer wurzel?; ki-danch (cogitatio); ki-kôƷ (con-
fuſio) ker. 60; ki-nôƷ (ſocius) häufig; ki-pot (mandatum)
monſ. 410; ka-pulh (increpatio) (ſgall. 198; ki-ſlôf (luſtrum,
ſchlupſwinkel) f. ki-ſlouf ker. 181; gi-ſcoƷ (romphaea, i. e.
telum) monſ. 357; ke-ſmah (ſalſamenta) monſ. 413; ki-
ſuorc (nimbus ker. 202; ki-troc (fictio, fallacia) jun. 187.
[741]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
189. T. 75; 3. gi-drog O. III. 8, 48. ki-flôƷ (fluxum) ker.
137; gi-want (terminus) O. IV. 20, 53. Agſ. ge-bland
(commixtio) Beov. 104. 110; ge-bod (mand.); ge-broc
(naufragium); ge-brot (fragmentum) ge-camp (militia);
ge-dâl (divortium) Beov. 65; ge-hlot (ſors); ge-mang
(confuſio) Beov. 124; ge-môt (occurſus) Beov. 87. 116;
ge-neát (ſocius) Beov. 22. 28. 120; ge-ſcot (jaculum); ge-
ſvic (ſcandalum); ge-tal (numerus); ge-þanc (mens); ge-
þrang (turba); ge-vand (verecundia). Mhd. ge-bâr (ſa-
cies) Triſt; ge-bot; ge-danc; ge-dranc Nib. Wigal.; ge-
lit (membr.); ge-luſt Triſt.; ge-nôƷ; ge-ranc w. gaſt 124b;
ge-ſanc Gudr. 20a Barl.; ge-ſchoƷ Wh. 2, 146a Wigal.;
ge-ſmac Barl.; ge-ſunt Wigal.; ge-troc (vorhin ſ. 709.);
ge-twanc Triſt. Barl.; ge-twâs (ſpectrum) Herb. 6a; ge-
vuoc Frib. Triſt.; ge-want; ge-zoc Triſt. Nhd. ge-biß;
ge-bot; ge-bund; g-lied; ge-noß; ge-nuß; ge-ruch; ge-ſang;
ge-ſchmack; ge-ſchoß; ge-ſtank; ge-wand. — γ) für ein-
zelne maſc. und neutr. bleibt das genaue conjugationsver-
hältnis dunkel, wir wißen noch nicht, ob ſie uns laut
oder ablaut zeigen, z. b. im ahd. häufigen gi-mah, mhd.
ge-mach (commoditas, otium) im agſ. ge-nip, (nebula)
Beov. 208. Einige zweifelhafte ſind ſchon unter α und β
angeführt. Dahin gehört das goth. ga-hiv Philipp. 2, 29?
das ahd. ka-dau, ka-thau (diſciplina) ker. 262? gi-hei
(cauma) herrad. 179b ge-hei N. Cap. 3.? u. a. m. — δ)
ſtarke fem. mit laut und ablaut: goth. ga-runs (forum);
ga-bruka (fruſtum) ahd. ka-qhuit (ſententia) K. 52a; ka-
hapa (habitus) hrab. 956a ge-haba (vultus) N. Boeth. 18.
nicht von dem verbo hapên, ſondern von deſſen ver-
lornem ſtarkem ſtamm zu leiten; kalâ-Ʒa (conjunctura)
ſgall. 189; ka-laupa (fides) exhort. gi-ſprâhha (querela)
monſ. 355. 364. — ε) ſchwache maſc. goth. ga-taúra (fiſ-
ſura); ahd. ka-laupo (fides) ker. 31. gi-loubo O. T.; ka-
ſmacho (ſapor) hrab. 952b (viell. ka-ſmachamo? ge-ſmagmo
N. Cap. 24.); ka-tuolo (haereſis) hrab. 966b; gi-fëho (gau-
dium) T. Agſ. ge-dvola (error); ge-feá (gaudium); ge-
leáfa (conſenſus); ge-ſcola (debitor); ge-tëóna (damnum).
Mhd. ge-brëche (vitium) Frib.; ge-brëſte (defectus); ge-
dinge (ſpes); ge-lange (deſiderium); ge-loube; ge-ſchol (debi-
tor) Gudr. 72b Wigam. 52b 61a. — ζ) ſchwache feminina: ahd.
ge-dinga (conditio) N. Boeth. 154. 181. ge-ſouga (collactanea)
N. Cap. 11; ge-ſtapfa (nupta) N. Cap. 148. (oder zu nr. 1? von
ſtapf, aſcenſus Cap. 152.) — η) beinahe alle unter 3, αζ ange-
führten compoſita bedeuten ſachen, perſonen nur ki-ſcaf
(creator) ki-nôƷ (ſodalis) ki-tuërc (nanus) ge-ſchol (debitor)
[742]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ge-ſouga und geſtapfa. Gleichwohl ließen ſie ſich nicht unter
1. bringen, theils weil der geſellſchaftsbegriff bei kiſcaf
und kituërc fehlt, theils kein ſächl. ſubſt. erhellt, das
ihnen zu grund läge. — θ) wichtiger iſt die öfter be-
rührte frage: ob die partikel zu dem aus dem verbo
fließenden ſubſt. trete? oder vielmehr ſchon dem verbo
verbunden ſei und aus ſolcher compoſition das ſubſt. bloß
abgeleitet werde? Im letzten fall würden ſie gar nicht
hierher gehören. Allerdings ſtimmt die gelinde bedeu-
tung der partikel zu der vor dem verbo (vgl. gafahs mit
gafahan, gafilhs mit gafilhan, kaſceid mit kaſceidan, ka-
win mit kawinnan etc.), das einfache ſubſt. läßt ſich nicht
immer nachweiſen, z. b. kein fahs, filhs, chnët, dik, prëh,
win etc., oder wo es vorhanden iſt, entfernt es ſich zu-
weilen durch ſinn und geſchlecht von dem zuſ. geſetz-
ten wort, z. b. das maſc. përc (mons) ſcheint nicht
grundlage des neutr. ka-përc (conditorium). Auf der an-
dern ſeite finden ſich aber auch viele einſtimmige ſimpli-
cia, z. b. fanc, dinc, flîƷ, mëƷ, kanc, val etc. die fehlen-
den mögen veraltet ſein und ſo kann auch ein von dem
maſc. përc verſchiednes neutr. përc beſtanden haben; ja
zu einzelnen mangeln umgedreht verba, z. b. zu prët
oder ka-prët. Endlich ſcheint die analogie anderer parti-
keln für die compoſition des ga- mit dem ſubſt. zu reden,
oder wir müſten ant-heiƷ, ant-fanc, ant-lâƷ, ana-fanc,
fra-lêts, af-lêts, â-ſuih, pi-heiƷ etc. ſo gut wie ki-heiƷ,
ki-lâƷ, ki-fanc, ki-ſuih aus zuſ. geſetzten verbis herlei-
ten, was zum theil die form und betonung einiger par-
tikeln verbietet. Daß kein ſchwaches ki-heiƷôn (wie pi-
heiƷôn) gilt, ſondern ki-heiƷan, beweiſt bloß die unmittel-
bare comp. dieſes verbi mit der partikel, unabhängig von
der mit dem ſubſt. — 4) ſteht die partikel vor ſubſt. mit
lingualableitung
, d. h. alter, von keinem vocal begleite-
ter. Es ſind lauter abſtracte fem. vierter decl. (vielleicht
ſpäter einige neutra) nie maſc. Goth. ga-baúrþs (nativi-
tas); ga-faúrds (concilium); ga-grêfts (edictum); ga-hugds
(cogitatio); ga-kunþs (nativitas?) Luc. 3, 23; ga-máinþs
(communio); ga-munds (memoria); ga-qvumþs (conci-
lium); ga-ſkafts (creatio). Ahd. ki-chunt (natura, notitia)
ker. 102. 220; ki-dult (patientia); ka-huct (memoria) ex-
hort. ki-huct (monumentum) jun. 213. ke-huct (comme-
moratio) K. 60a, einerlei damit ſcheint mir gi-huht (vena?)
monſ. 350; ki-maht (virilia) monſ. 401. verſch. von dem
nhd. weiter gebildeten neutr. ge-mächte; ka-niſt (ſanatio)
doc. 204a gi-niſt N. 37, 22. g-niſt N. Boeth. 190; ca-nuht
[743]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
(abundantia) ker. 25. g-nuht (luxus) N. Cap. 77; ka-pu-
luht (ira) hymn. gi-buliht T. 13, 13. 21, 8; ka-purt (na-
tura) monſ. 410. gi-burt O. II. 3, 17; ca-ſcaft (alimentum)
ker. 31. ki-ſcaft (conditio) ker. 71; ki-ſciht; ki-ſiht (aſpec-
tus) monſ. 319. gi-ſiht O. IV. 5, 78; ca-ſpanſt (ſuggeſtio)
doc. 204b; ki-ſwulſt (livor) monſ. 332. 352. 365; ki-tât
(actus) K.; ca-turſt (audacia) doc. 204b hrab. 964a; ki-
waht (opinio) jun. 241. monſ. 371. gi-waht (memoria) O.
I. 23, 35. N. Boeth. 98; ki-wahſt (ſtatura, pubertas) jun.
221. monſ. 403. W. 7, 7; ki-wurht (figmentum) jun. 207;
ki-zumft (convenientia). Agſ. ge-byrd (nativitas, origo);
ge-cynd (natura, generatio); ge-hyht (refugium, ſpes)
urſpr. wohl eins mit ge-hygd (cogitatio) Cädm. 76. 98;
ge-mynd (mens); ge-nyht (abundantia); ge-ſiht (viſus).
Mhd. ge-burt; ge-dult; ge-niſt Parc. 139c un-ge-niſt MS.
2, 255b; ge-nuht troj. 13c Ben. 175. 180; ge-ſchiht; ge-
ſiht; ge-tât Wigal. Barl. Nhd. ge-burt; ge-dult; ge-
ſchichte; ge-ſicht. Alle dieſe fem. haben zwar ſichtbaren
zuſ. hang mit verbis, können aber, weil auch die einfa-
chen maht, tât etc. gelten, die part. erſt angenommen
haben, nachdem die ſubſt. bildung vollbracht war. Vgl.
die ähnlichen zuſ. ſetzungen mit andern partikeln pi-huct
K. 40a, in-huct, ana-purt, ana-ſiht, fora-ſiht etc. — 5)
noch verbaler ſind neutra mit der partikel und der ab-
leitung -i, denen ſich kein ſubſt. als unterlage nachwei-
ſen läßt, und die unmittelbar aus ſchwachen verbis er-
wachſen. Sie unterſcheiden ſich daher von den neutris
unter 3, welche zwar auch mit der ableitung -i, aber aus
ſubſt. gebildet werden und einen collectivbegriff haben,
ſo wie von den neutris unter 2, welche aus ſtarken ver-
bis und ohne ableitenden vocal gebildet werden. Gleich-
wohl ſind ſie nicht als compoſita aus den ſchwachen ver-
bis hergeleitet, ſondern die partikel ſcheint erſt im augen-
blick ihrer formation hinzuzutreten und ihnen weſentlich,
ſie ſteht in der mitte zwiſchen dem ſtärkern collectiv- und
dem ſchwächern verbalbegriff. Einzelne entſprechende
ſchwache verba können freilich auch mit dem gi- verſe-
hen ſein, z. b. gi-hôran, gi-lôſan, aber dann ſcheint es in
dem ſubſt. etwas mehr nachdruck zu gewinnen. Dieſe
compoſita zeigen ſich in der alten ſprache ſparſam, in
der neuen häufig, während die unter 2. genaunten früher
oft und heute ſelten vorkommen. Ein goth. beiſpiel kenne
ich gar nicht (? ga-vaírþi, pax), und einige ahd. ſind zweifel-
haft: gi-chôſi (tractatus, eloquium) monſ. 375. 377. 381. ge-
chôſe N. 17, 31. 100, 5. leite ich von chôſôn (loqui); gi-pôſi
[744]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
(nugae) monſ. 345. 398. von pôſôn (?); chi-hloſi (auditus)
J. 404. von hloſên, oder macht das adj. gi-los (obediens)
anſpruch darauf?; ki-karawi (eultus, indumentum) ker.
15. jun. 200. von karawan; ki-ruſti O. III. 12, 67. von
hruſtan, doch gab es ein ſubſt. hruſt, hruſti (Hild.); ki-mâli
(pictura) monſ. 409. ge-mâle N. Cap. 127. von mâlên (pingere)
N. Boeth. 110. 170. verſch. iſt mâlôn (in jus vocare) N.
Boeth. 48; ki-reiti (pompa) ge-reite N. Cap. 132. aus rei-
tan, ki-reitan (parare) vgl. das adj. ki-reiti; ki-ſprâhhi (elo-
quentia) monſ. 347. 350. 400. von ſprâhhôn? kann auch aus
dem ſubſt. ſprâhha oder dem adj. gi-ſprâhhi ſtammen und dann
gi-ſprahhî fem. ſein; gi-ſteigi (aſcenſus) monſ. 324. 334. 359.
von ſteigôn? (mhd. ſteigen Parc. 105a); ki-fuori (ſuppellex)
jun. 251. 255. von gi-fuoran? Mhd. ge-kœſe Karl 55a; ge-len-
de Triſt.; ge-reite; ge-rüſte; ge-tæper? (1, 406.); ge-tihte;
ge-tiuſche. Nhd. weit häufiger: ge-brüll; ge-dicht; ge-fühl;
ge-heul; ge-hör; ge-läute; ge-räuſch; ge-rede; ge-rüſt; ge-
ſchenk; ge-ſchöpf; ge-ſchwätz; ge-ſetz; ge-ſpül; ge-ſtell; ge-
ziſch; alle ſollten umlauten und es iſt zu große rückſichtauf das
verbum, daß man bei der zweiten conj. den ungeſchwäch-
ten vocal oft beſtehen läßt, z. b. ge-brumm, ge-prahle,
ge-ſumſe. Vorzüglich gern gebildet werden ſolche neutra
von den frequentativis auf -eln und -ern: ge-bettel,
-klingel, -murmel, -plänkel, -praßel, -raßel, -rümpel,
-ſäuſel, -wimmel; ge-flatter, -flimmer, -plapper, -plau-
der, -polter, -ſchnatter, -zwitſcher etc. aus welchen der
begriff anhaltender handlung auch auf andere übertragen
worden ſein mag. Zumeiſt unorganiſch und neu ſcheint
mir die verwendung ſtarker verba für dergleichen zuſam-
menſetzungen, wie: ge-ſchreibe, ge-ſinge, ge-ſitze, die
auch wohl nur in gemeiner ſprache vorkommen. — 6)
gewiſſe adjectiva entſpringen aus ſubſtantiven jedes ge-
ſchlechts und jeder decl. durch wegwerfung der ſubſtan-
tiviſchen flexion, anfügung der adjectiviſchen und vor-
ſetzung der partikel. Das adj. drückt dann aus, daß ihm
die ſache zu eigen, es damit verſehen iſt, welche das
ſubſt. enthält. Ableitendes -i tritt nicht hinzu, wohl aber
haften -i und -u, wenn das ſubſt. mit ihnen abgeleitet
war; doch ſcheinen einzelne erſt in der adjectivſorma-
tion -i anzunehmen. Dieſe adj. gleichen rückſichtlich
ihres urſprungs den bildungen nr. 1., unterſcheiden ſich
aber α) durch ihre in der regel ſtarke flexion, wiewohl
ſie auch ſchwach gebraucht werden dürfen; β) durch
die bedeutung, ſie praedicieren bloß, während jene zu-
ſammenſein im raum oder zeit ausſagen. Man denke
[745]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ſich dasſelbe ſubſt. zu beiderlei bildungen verwendet (eines
wirklichen belegs entſinne ich mich nicht), ſo würde gi-
loupo einen mit im laub wohnenden, gi-hûs einen der
ein haus hat bedeuten, wie gi-hûſo einen, der mit im
haus wohnt, gi-loup etwas, das laub hat, bedeutet. Goth.
baúris? (elatio animi) ga-baúris? (laetus, lubens) nach
dem adv. ga-baurjaba (libenter); guþ (deus) ga-guds
(εὐσεβής, der gott im herzen hat) ga-gudei (εὐσέβεια)
Tit. 1, 1; ſkôhs (calceus) ga-ſkôhs (calceatus); til (ſcopus?
vgl. til du vrôhjan, κατηγορία, Luc. 6, 7.) ga-tils (oppor-
tunus, aptus), oder iſt ſchon ein einfaches adj. tils (nach
dem agſ.) anzunehmen?; vilja (animus) ga-vilis (ὁμόθυ-
μος
) Rom. 15, 6. Ahd. chunni (genus, indoles) ge-kunni
(naturâ inſitus) Ludw.; hant (manus) ge-hende (aptus)
N. Boeth. 44. Cap. 75; hërza (cor) ka-hërz (concors, cor-
datus) un-ga-hërz (diſcors) hrab. 960b; loup (frons, dis)
gi-loup (nemoroſus) monſ. 330. 339. ge-loube (frondoſus)
N. Cap. 109; luppi (venenum) hrab. 963a ka-luppi (toxi-
catus) jun. 190. monſ. 406; minnja (amor) chi-minni (di-
lectus) J. 366. (wo der acc. chi-minnan) ge-minne (amans
(invicem) N. Boeth. 108; muot (animus) ki-muot (ani-
matus, lubens) weiß ich nicht zu belegen, doch gilt noch
mhd. ge-muot, O. aber hat häufig gi-muati (vgl. ſ. 663.);
nôt, ki-nôti, aus dem häufigen adv. ki-nôto, ki-nôtôr, zu
folgern; part (barba) ka-part (barbatus) uh-ga-part (im-
berbis) hrab. 966a; ſlahta (genus, indoles) gi-ſlaht (indi-
tus) O. II. 23, 30. N. Boeth. 118; ſêla (anima) ge-ſêl?
(animatus) N. Cap. 45. wo der nom. pl. neutr. geſêliu
auch von ge-ſêle herrühren könnte, ſo wie das ll in ur-
ſêllêr (exanimis) jun. 204. auf ur-ſêli führt?; ſitu (mos)
ki-ſitu (moratus) ge-ſit N. Boeth. 209; ſtimna (vox) ga-
ſtimnaƷ (conſonum) doc. 213a; varawa (color) ki-varo (colo-
ratus) hrab. 963b; vëdara (penna) ca-vëder (ales, plumatus)
ker. 12. (wo cafëderê, alites) ſchwerlich ca-vëderi wara (atten-
tio, cura) ka-war gi-war (cautus, providus) un-ka-war (im-
probus) häufig. Agſ. cëalf (vitulus) ge-cëalfe (foetus);
ge-cynd (natura) ge-cynde (naturalis) Beov. 201. hier liegt
die part. ſchon im ſubſt.; fëax, ge-fëax (comatus); hëorte,
ge-hëort (cordatus); hand (manus) ge-hende (propinquus)
zur hand, behend; môd, ge-môd (concors); ſtence (odor)
ge-ſtence (odorus); tîd (opportunitas) ge-tîde (habilis, ap-
tus). Mhd. ge-hant (manibus praeditus) wîƷ-ge-hant
Triſt.; ge-hâr (crinitus) Rud. weltchr. caſſ. 55a; ge-haƷ
(inimicus) Nib. Triſt.; ge-hërze Geo. 40a Triſt.; ge-horn
(cornutus) Reinfr. 155b; ge-lenke MS. 2, 123b; ge-lîp
[746]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
(comparatus) Triſt.; ge-mâc (cognatis gaudens); ge-mâl
(oben ſ. 663.); ge-man gen. ge-mans (jubatus) Triſt. 17298;
ge-man, ge-mannes (dives ſubditis) Triſt.; ge-minne Triſt.;
ge-muot Parc. 86a Barl. 15. etc.; ge-nœte Gudr. 13b 69a;
ge-ſchuoch (calceatus) Jw. 36c; ge-ſinne (ſenſu gaudens);
ge-ſite Triſt.; ge-ſlaht Parc. 126a 171b 189a Wh. 2, 47a
74b 87a 197b Geo. 57a; ge-ſnabel (roſtratus) MS. 2,
138a; ge-ſtopfel (ſtipulam habens) MS. 2, 225a; ge-var
(ſ. 656); ge-vriunt (amicos habens) Triſt.; ge-war (cau-
tus) Karl 22a; ge-zagel (caudatus) Triſt.; ge-zan (den-
tatus) Jw. 4b u. a. m. Nhd. ſind dieſe bildungen, mit
ausnahme von ge-lenk, ge-muth (in wohlg.) ge-ſchlacht
und ge-wahr abgekommen, man braucht dafür die
part. praet. geſchuht, gezähmt, geſchnäbelt, gehörnt,
behaart oder andere bildungen. — 7) andere adjectiva
mit der vorpartikel [ähnlich den unter 3. abgehandelten
maſc. und neutris] ſtammen ohne zutretende ableitung aus
dem laut oder ablaut ſtarker verba, können aber, da
ſie zum theil einfach gelten, compoſition an ſich ſelbſt
erfahren haben und brauchen wiederum nicht von com-
ponierten verbis geleitet zu werden. Die bedeutung der
partikel iſt auch hier meiſt unſcheinbar. Goth. ga-dôfs
(conveniens) Tit. 2, 1; ga-hvaírbs (docilis) homil. un-ga-
hvaírbs Tit. 2, 1; ga-leiks (ſimilis); ga-máids (debilis,
πηρός); ga-máins (communis); ga-nôhs (ſufficiens); ga-
vamms (impurus). Ahd. gi-hël, -hëlles (conſonans) monſ.
346. N. Cap. 20. Boeth. 107. 174; ki-hlos (obediens) ge-
los N. 28, 4; ka-lanc (affinis, adfinitus) monſ. 409. hrab.
951b gi-lang O. II. 7, 46. III. 6, 50; ka-mah (aptus) un-
ga-mah (abſurdus, diſpar) ker. 5. 26., aber gi-machi monſ.
363. 364. 380. O. IV. 4. 83. ge-mache N. Cap. 67; ka-
meit (baridus, ſtolidus, vanus) hrab. 954b etc.; ka-nuoc
(ſufficiens) ker. 6. etc. ge-nuog (copioſus) N. 106, 38; ge-
rëch (paratus) N. Boeth. 171. 190; ka-rop? (raucus,
rudis) ge-rob N. Cap. 20. 39. 138. mhd. g-rop, nhd.
g-rob, ſcheint zur wurzel nr. 211. gehörig, urſprünglich
zerrißen, unglatt, goth. ga-rubs?; ki-ſuâs (domeſticus,
arcanus) K. 50a monſ. 332. 396. gi-ſuâs O. I. 3, 22. II. 15,
33. O. V. 8, 59. etc.; ki-ſunt (ſanus) O. ki-ſunti monſ.
323. 363. ge-ſunde N.; ki-tras? ich kenne von dieſem dun-
keln worte nur die form un-ki-traſûn (gen. fem. ſchw.?)
trucis ker. 276. (vgl. traſen 1, 415); ka-vago (contentus)
ſcheint nur ſchwach zu ſtehen, vgl. ka-vagun (contenti)
monſ. 402., auffallend ſetzt aber N. ein unveränderliches
ge-vago ohne rückſicht auf genus und caſus, Boeth. 79.
[747]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
81. 83. (vgl. muot-vagôn ſ. 584.); ki-vêh (inimicus); ki-
frad? (efficiens, potens) ge-frad N. Boeth. 257; ge-won
(ſuetus); ki-zal (levis) monſ. 336. 345; ka-zëſo (dexter)
hrab. 960b ki-zoſo ker. 97. Agſ. ge-fâ (inimicus); ge-
hâl (integer); ge-lang (vicinus) Beov. 105; ge-leás (fal-
ſus); ge-mâd, ge-mæd (amens, vecors); ge-mët (aptus)
Boeth. 54; ge-ſund (integer); ge-ſvæs (blandus, familiaris).
Mhd. ge-heil (integer) Herb. 25c 88d; ge-holf (auxilians):
adolf Ottoc. 579a; ge-lîch; ge-meit (vanus, hilaris, laetus):
ge-nuoc; ge-rëch; ge-reit; g-rop a. w. 2, 220; ge-ſunt;
ge-vê (inimicus) MS. 1, 8a 20b 95b ge-vêch Flore 12b
Ernſt 40b; ge-frum Geo. 48a; ge-wahs (acutus) Nib.
Bit. 103b; ge-won; ge-zëch Wh. 3, 378b caſſ. Nhd. ge-
heim; ge-mach; ge-nug; g-rob; ge-ſund; ge-ſchwind. —
8) adjectiva der ableitung -i ſcheinen nicht nur aus
ſchwachen verbis, ſondern auch aus ſtarken herzufließen;
ein unterſchied von den neutris unter 5. Vielleicht aber
ſind hier übergänge aus der erſten in die zweite decl.
anzuſchlagen, vgl. goth. -nêms, -ſêts (1, 719. 721.) ahd.
-nâmi, -ſâƷi. Ich weiß auch keine goth. adj. bildung
beizubringen, man müſte denn aus dem adv. ga-hahjô
(conſequenter) ein adj. ga-hahis folgern; dem ahd. ka-
meini, agſ. ge-dêfe ſteht aber goth. ga-máins, ga-dôfs
gegenüber. Ahd. ge-diere (ſerviens) N. Boeth. 43. Cap.
82; gi-thiuti (vulgaris, famoſus) O., falls es von dem
verbo diutan (goth. þiuþjan) und nicht dem ſubſt. diot
herſtammt; ga-duâdi (modeſtus) ſgall. 189. ein dunkles
wort, dem ich das agſ. ge-þvædel (exiguus) vergleiche,
noch vollſtändiger entſpräche ge-þvæde, wenn man Lyes
ge-hvæde (modicus, exiguus) ſo emendieren darf; ka-
hiuri (mitis, blandus) un-ga-hiuri (atrox) hrab. 951b;
ka-hucki (memor)? unbelegbar, denn ke-huckê K. 40a iſt
der conj. memor ſit; ka-luofi (oben ſ. 654); ka-luomi
(frequens) vgl. oben ſ. 571; ki-mahhi (vorhin bei ki-mah);
ka-meini, gimeini (communis); ki-nâmi (gratus, acceptus);
ki-pâri (conveniens, aptus) gi-bâri O. I. 18, 3; gi-ringi (faci-
lis) O. II. 14, 155; ge-ſpirre (conjunctus?) N. Boeth. 95. Cap.
90; gi-ſprâhhi (diſertus) monſ. 332. 338. geſprâche N. Cap.
119; ka-ſunti (ſ. 746.); ka-fôki (aptus) hrab. 951a; ka-foari
(aptus) ker. 14. hrab. 951b 954b un-ca-fôri (abſurdus)
ker. 4. 5.; ge-wëte (conjugatum) N. Boeth. 209; ki-zâmi
(decens); gi-zengi (gravis, incumbens) O. I. 20, 20. IV.
26, 54. Agſ. ge-cvëme (gratus); ge-dêfe (congruus);
ge-drŷme (conſonus); ge-fræge (notus) Beov. 7; ge-
hlëóðe (conſonus); ge-hvæde (modicus) vielleicht ge-
[748]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
þvæde, vgl. ahd. ga-duâdi; ge-ſpræce (eloquens); ge-tenge
(gravis, moleſtus) Beov. 205.; ge-tynge (lepidus) ahd.
ki-zunkal; ge-trëóve (fidus); ge-þvære (conſonus). Mhd.
ge-bære (aptus); ge-derbe (utilis) Bon.; ge-hiure Bon.,
un-gehiure; ge-meine; ge-næme Barl. Flore 34c; ge-
nende (audax); ge-nenne (famoſus) Triſt.; ge-ringe Flore
19c; ge-triuwe; ge-være Ben. 189; ge-vuege Flore 22a;
ge-wære Flore 58b; ge-zæme Flore 22a. Nhd. ge-heuer;
ge-lind; ge-mein; ge-nehm; ge-ring; ge-ſtreng; ge-treu;
ge-füg. — 9) adjectiva mit conſonantiſcher ableitung
namentlich α) mit -t: goth. ga-raíhts (juſtus) verſch. von
raíhts (rectus) ahd. ki-rëht und ſchon bei T. und N. g-
rëht; ahd. ki-wis (certus) f. ki-wiſt, wie wiſſa f. wiſta,
mhd. ge-wis. β) mit liquida: ahd. gi-ſprâhhal (bilinguis)
monſ. 357; ge-zungel N. Cap. 7. woraus das ſubſt. ka-
zunkali (facundia) fließt. γ) mit -eig, -îc: ga-vaírþeigs
(pacificus), bloße derivation vom ſubſt. ga-vaírþi (pax);
ahd. ki-haltîc (parcus) monſ. 396. ge-hengîg N. 68, 11;
ge-huhtîg (memor) N. 76, 12. 102, 18; ge-luſtîg N. 72,
21; gi-ruorîg (viridis) monſ. 351. 390. 394; ge-ſihtîg N.
41, 5; ge-folgîg N. 36, 6; ge-vellîg (opportunus) N. 31,
6; gi-willîc (intentus) monſ. 396; gi-zumftîc T. 189, 2. etc.
ſetzen ſchon mit der partikel formierte ſubſt. ki-halt, ki-
huht, ki-luſt, ki-ruori (?) *) ki-ſiht, ki-val, ki-zumft vor-
aus. — 10) zuletzt ſei der ahd. adverbien gi-tago (quo-
tidie) T. 107. 129. 185, 8. gi-dago O. IV. 1, 22. gi-jâro
(annuatim) T. 12, 1. erwähnt; die ſo viel ich weiß allen
andern mundarten fehlen und unbelegbare adj. gi-tag, gi-
jâr vorausſetzen. Analog iſt gi-zîto (mature, zeitig, bei
zeit) O. IV. 7, 180; gehört dahin auch ge-ſlago (conſe-
quenter) N. Boeth. 49. 115? — Anmerkungen: a) am
ſtärkſten iſt die bedeutung der partikel in den perſönlichen
geſellſchaftswörtern **) den collectivneutris und den beſitz-
adjectivis (nr. 1. 2. 6.). Offenbar drückt ſie vereinigung
aus und begegnet andern partikeln, namentlich dem miti-,
pi- und ſaman-, ja der eigentlichen compoſition ëpan-
und ſina-. Für ga-vaúrſtva, ga-ſinþja ſagen wir heute
[749]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
mit-arbeiter, mit-reiſender und nach analogie von miti-
ſlâf würde miti-ſlâfo kaum verſchieden ſein von ki-
ſlâfo (σύγκοιτος) mhd. gelten ge-reiſe und mite-reiſe
gleichviel. Man halte ëpan-alt zu ki-altro, ëpan-lîh zu
ka-lîh, ëpan-hloƷo zu ki-hloƷo; ſin-hivan (conjuges) zu
gi-hîleih; für gi-ſindo ſetzt O. V. 9, 18. ſaman-ſindo. Ge-
genſatz iſt ab-, vgl. ab-hâr (depilis) mit ge-hâr (gleichſam
com-pilis). In den übrigen fällen ſchwächerer bedeutung
wechſelt ge- mit be-, z. b. gi-zengi, bi-tengi; ge-ſceid,
be-ſcheid; ge-derbe, be-derbe, agſ. ge-leáfa, engl. be-lief;
es iſt, wie be- und ver- zuweilen inhaltsleer geworden,
urſprunglich nicht geweſen. — b) manche wörter, zum
zeichen ſeiner gelinden bedentung (ſ. 725.), pflegen es
dann gar nicht von ſich zu laßen: g-rob, g-leich, ge-
mein, g-lied, ge-mach, ge-ſund, ge-wis, ge-meit, ge-
vê etc. Wo es lebendiger iſt, ſcheint es immer trenn-
barer. — c) auf der andern ſeite erhellt ſeine geheime
potenz immer noch daraus, daß es nicht gleichgültig
allen wörtern vorgeſchoben werden darf. Sinnliche wör-
ter namentlich vertragen kein gelindes, ſondern nur ein
ſtärkeres, die bedeutung modificierendes. Z. b. kein farb-
adjectivum, niemand ſagt ge-ſchwarz, ge-weiß. Bei den
collectivis nr. 2. tritt je ſinnlicher das nomen iſt, deſto
lebhafter der begriff hervor, vgl. ge-hünde, ge-videre.
d) man könnte annehmen wollen, daß nicht die partikel
ſelbſt jenen ſtärkeren oder ſchwächeren ſinn wirke, der
vielmehr von dem ableitungsprincip herrühre. Allerdings
entſpringen bisweilen adj. aus ſubſt. durch die bloße ver-
wandlung ſubſtantiviſcher in adjectiviſche flexion, ohne
zutritt der partikel, und wenigſtens bei eigentlicher zuſ.
ſetzung erſcheint dieſe nicht nothwendig, vgl. z. b.
-farvs, -haírts, -môds (ſ. 656. 657. 663.) wiewohl ſie
ausgeworfen ſein könnte, wie ſie auch nach un-
auszufallen pflegt, z. b. in un-hiuri hrab. 960a ſt. un-ga-
hiuri; vgl. ôr-rûno monſ. 328. mit ôr-ki-rûno jun.
196; nôt-ſtallo mit nôt-gi-ſtallo etc. Allein abgeſehen
von ſolcher unterdrückung hängen die begriffe unter 1
und 2 doch wohl weſentlich mit dem ge- zuſammen.
Theils zeugt das ableitende -i in unzähligen fällen ohne
vortritt der partikel weder collectiva noch ſociativa,
theils mangelt es den letzteren ſogar häufig. Ebenſowe-
nig kann die ſchwache form den geſellſchaftsbegriff be-
wirken, da ſie ebenfalls zuweilen unterbleibt, oder man
müſte das ſtarkformige agſ. ge-ſið für unorganiſch erklä-
ren, in welchem allem ſcheine nach die bloße partikel
[750]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
die bedeutung hervorgebracht hat. Nicht zu überſehen
iſt auch, daß in den fällen 1 und 6., wo die partikel am
lebhafteſten war, ſeit ſie ihre wirkung einbüßte, faſt alle
damit gebildeten wörter aufgegeben worden ſind. Hätte
der grund ihrer bildung in etwas anderm gelegen, ſo
würden ſie fortdauern. — e) wo der ſchwächere ſinn
gilt, namentlich in nr. 3. 4. 5. 7. 8. 9. und ſolange nicht
(nach b.) verhärtung eingetreten iſt, leidet es keinen
zweifel, daß die partikel nach zeit und ort wegbleibt.
Vgl. goth. ſvês, ahd. gi-ſuâs; ahd. lid, nhd. g-lied; mhd.
haƷ Bon., neben ge-haƷ; nhd. lind neben ge-lind u. a. m.
Hier werden ſich bisweilen feinere unterſcheidungen
der bedeutung ergeben; wo nicht, ſo iſt nach der älte-
ren ſprache zu entſcheiden, was für organiſch zu hal-
ten ſei, das ſetzen oder auslaßen der partikel? — f) dieſe
frage, allgemein für ſämmtliche fälle des ge- aufgewor-
fen, hat beſonderen einfluß auf beurtheilung der nordi-
ſchen und engl. ſprache. Im engl. muß unbedenklich
für unorganiſch angenommen werden, was durchgreifen-
den grundſätzen der agſ. wortbildung zuwider läuſt. Da
nun das agſ. ge- mit dem hochd. meiſt übereinſtimmt,
ſo folgt, daß es in verſchiednen engl. wörtern weggefal-
len
iſt, deren begriff, ohne es voraus zu ſetzen, gar
nicht recht erklärt werden könnte. Einigemahl haftet noch
die verdunkelte partikel, im altengl. öfter und deutlicher.
Der ſociativbegriff iſt begreiflich der ſeltenſte: fere (ſocius)
agſ. ge-fêra, jetzt veraltet, aber vordem häufiger (Nares’s
gloß. fere, feere, pheer) altengl. fere und y-fere; make
(amicus, ſocius, par) agſ. ge-maca, ahd. ki-mahho, (vgl.
Nares h. v.); ye-man, yeo-man (contubernalis, ſatelles,
miniſter) agſ. ge-mana, altengl. y-mone (Horn, zeile 530.
842); reeve, reve (miniſter) agſ. ge-rêfa. Beiſpiele von
andern wörtern: birth, agſ. ge-byrd, ahd. ki-purt; fight,
agſ. ge-fëoht, ahd. ki-fëht; kind, agſ. ge-cynd, ahd. ki-
chunt; mind, agſ. ge-mynd, ahd. ki-munt; loom (ſup-
pellex), agſ. ge-lôma, ahd. ki-luomo?; ſhape, agſ. ge-
ſcëap; ſight, agſ. ge-ſicht, ahd. ki-ſiht. Und die adj.
foe (inimicus) agſ. ge-fâh, ge-fâ, ahd. ki-vêh, im alt-
engl. begegnet die ſchwache flexion fone (ſt. des heutigen
foes) agſ. ge-fâhan, die feindlichen, die feinde (Nares
v. fone); like, agſ. ge-lîc, ahd. ka-lîh, altengl. y-like;
altengl. y-lome (ſaepe) Horn z. 197. agſ. ge-lôme; mad
(amens) agſ. ge-mâd, ahd. ka-meit *); e-nough (warum
[751]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
nicht nough?) altengl. y-now, agſ. ge-nôh, ahd. ka-nuoc;
ſound, agſ. ge-ſund, ahd. ki-ſunt; altengl, y-wis (certus)
agſ, ge-vis, ahd. ka-wis. Einzelne mögen ſchon im agſ.
zuweilen ohne die partikel vorkommen, z. b. fâh (inimi-
cus) ſund (ſanus), aber gewöhnhch ſteht ſie und es heißt
ſo wenig mâd, cynd als im ahd. meit, chunt. — g) zeugt
die unterdrückung der partikel im engl. nicht zugleich
für ihren ausfall im nordiſchen? ſ. 735. aus einigen über-
bleibſeln beweiſe, daß ſie der mundart an ſich und vor
alters keineswegs fremd geweſen iſt. Folgende wörter
außer g-ranni, g-neiſti, g-lîkr, g-nôgr ſcheinen ihrer
nach analogie des goth. agſ. und ahd. fähig: bûri (ruſti-
cus); hlyri (frater, ſocius); landi (popularis) ahd. ki-lanto;
leika (ſocia ludi, ki-ſpila); maki (par); rûni (familiaris);
mâti (ſocius); ſinni (fautór, amicus); nautr (ſocius);
burdr (nativitas); ſkap (indoles); vis (certus) u. a. m.
Collectiva in der weiſe von nr. 2. kenne ich nicht, auch
keine adj. nr. 6. für welche, wie im nhd. das part. praet.
geſetzt wird, vgl. goth. ga-ſkôhs, ahd. ka-loup, ka-vë-
dar, ka-hâr mit altn. ſkôadr, laufgadr, fiadradr, hærdr
und nhd. geſchuht, belaubt, gefiedert, bekannt. Die nord.
ſprache verräth alſo in dieſer materie wenig alterthüm-
liches. — h) die partikel ga- ſcheint mir nahverwandt
mit dem lat. cum, con-, wo nicht daſſelbe. Hierauf
führt einmahl die bedeutung, vgl. con-ſors, ga-hlôƷo;
con-ſonus, ga-hël etc. namentlich auch das agſ. ge — ge,
lat. cum — tum. Wichtiger und verhüllter iſt die ähn-
lichkeit der form. Auf den erſten blick widerſprechen
ſowohl der anlaut, als die mangelnde auslautende liquida.
Was jenen betrifft, fordert die lautverſchiebung freilich
deutſches h für lat. c; allein es könnte ſich wiederum
hier verhalten, wie bei dem goth. ableitenden -ag, ahd.
-ac, das dem lat. -ic, -ac parallel lauft (ſ. 309. 310) und
wofür zuweilen -ah begegnet (ſ. 316.). Ein nicht un-
wahrſcheinliches ha- für ga- wird hernach beigebracht
werden. Ob anlautende h- in den formeln hl, hn, hr,
hv aus unſrer partikel denkbar ſeien? ſteht dahin und
läßt ſich nicht vorſchnell abweiſen, denn der ſpätere
wegfall des h ſtimmt zum wegfall der partikel, obgleich
ſehr verſchiedene ſprachperioden mitwirken, die auch er-
klären helfen, wie nach verdunklung der partikel ſchein-
*)
[752]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
bare pleonaſmen eintreten, wenn das ga- wiederum vor
einem hl, hr ſteht z. b. ga-hláiba, ga-hráinjan. Vielleicht
iſt aber in der that hier kein überfluß; es kann neben den
auflösbaren hl, hr. auch wurzelhafte, unzuſammengeſetzte
geben, wie es gl, gr gibt, die nicht g-l, g-r ſind. Jene
vergleichung des ga- mit -ag bringt mich auf den ge-
danken an mehr als zufälligen zuſammenhang zwiſchen bei-
den, wäre -ag bloße umſetzung? Wenigſtens thut bei den
adj. nr. 6. ga- ungefähr den dienſt des ableitenden -ag,
z. b. ka-loup bedeutet was loup-ac (ſ. 290.); ka-part, ka-
hâr was part-aht, hâr-aht (ſ. 380. 381), es iſt eine wei-
tere lingualableitung zugetreten (ſ. 384. β. γ.), die für die
gegenwärtige frage gleichgültig bleibt, vielleicht die er-
haltung des ältern h (ſtatt g, c) beweiſt. Wird in der
zukunft das weſen der ableitungen tiefer erforſcht ſein,
können ſolche vergleichungen nutzen bringen. Daß beide
principe nach ihrer verfinſterung nebeneinander eintreten,
z. b. in ka-loup-ac verſchlüge wieder nichts. Ich komme
auf die abweſenheit des auslautenden m oder n in der
deutſchen partikel. Hierbei iſt vorerſt das lat. co- für
com- vor vocalen, j und h in anſchlag zu bringen (Schn.
537-542). Bedeutender und merkwürdiger ſind mir die ſpu-
ren des uralten gam-, gan-; ham-, han- für ga-, in
folgenden wörtern: α) ham-edii (conjuratores) unmittel-
bar hinter dem capitulare de villis (Bruns beitr. zu deut-
ſchen rechten p. 40.) aber ſchon damahls mit der erläu-
terung: quos nos geidon dicimus; g-eido (nach 1. von
eid gebildet) iſt ga-eido und wörtlich conjurator. War
dafür älterer oder fränkiſcher ausdruck ham-êdjo? in
êdjo ſteckt gewis das ahd. eidëo, eido und was ſoll ham
anders ſein, als die partikel? Das wort hamedia kommt
auch in einem dipl. von 680. (Bouquet IV. nr. 62.) vor.
β) die lex ſal. emend. tit. 49. hat den ausdruck hamallus,
mit der erklärung: i. e. qui ſuſcepit cauſam ad mallan-
dum in vicem alterius; im pactus leg. ſal. tit. 50. ſtehet
dafür rhamallus, das vermuthlich verleſen oder verſchrie-
ben iſt ſtatt chamallus (altfränk. ch. für h, nach 1, 184,
vgl. das ahd. cha- einiger für ka-, ga-, vorhin ſ. 734.). Denn
auch bei Marculf (form. 1, 36.) wird das verbum homal-
lare für adſumere in vice auctorum gebraucht. Dieſes ha-
mallus iſt wohl nichts anderes als das ahd. ga-mahalo (ſo-
cius, defenſor in lite) und hamallare ga-mahalôn (advocatum
conſtituere). Entw. ſtehet es für ham-mallus, mit ver-
ſchlingung des einen m, oder ha-mallus bezeugt, daß
ſchon die fränkiſche ſprache ham- in ha- (= goth. ga-)
[753]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
entſtellte. γ) fällt hierdurch licht auf den bisher uner-
klärlichen ausdruck cumi-ſtadul, cumi-ſtudalo, chumi-ſtu-
dalo, chumi-ſtuodlo (paftorum potentiſſimus, princeps
equorum) zwetl. 115b doc. 206a monſ. 326? Die bedeu-
tung iſt offenbar ſtallmeiſter, hofbedienter, wenn man u
für a verſchrieben oder verleſen hält, ſo nähert ſich in
der bildung cam-ſtadalo, cam-ſtudalo dem lombard. ca-
ſtaldus, goth. ga-ſtalds (ſ. 527.), das es in der gl. zwetl.
grade überſetzt. Und hier vergönne ich mir einmahl,
die malb. gl. zu tit. 59. leg. ſal. chameſtalia anzuführen,
welche contubernium oder contubernalis auszudrücken
ſcheint. Das altfränk. cham-ſtalia oder -ſtalio wäre das ahd.
ka-ſtallo? *). δ) in eigennamen bewahren ſich ältere for-
men; könnte das bekannte hami-dëo, hama-thio, hame-
deus (Schannat nr. 576. cod. lauresham. nr. 2529. Goldaſt
2, 8. Neug. nr. 354. und ſonſt, ich führe es oben ſ. 532.
auf, ohne das erſte wort zu verſtehen) mit der partikel
und dëo, diu (famulus, ſervus) zuſ. geſetzt ſein? es ent-
ſpränge wieder der geſellſchaftsbegriff confamulus, con-
tubernalis, amicus. Das altn. ham-þŷr ſcheint aus der
ahd. ſage aufgenommen. Ein ahd. eigenname ka-dëo, ki-
dëo, den ich nicht aufzuweiſen habe, würde die conjec-
tur beſtärken. Hamedëo für hamêdëo (wie α) zu nehmen
geht nicht an, da ahd. urkunden ſicher hameidëo ſchrei-
ben würden. Neben dieſem fränkiſchen ham- mehr
hochdeutſches kan-, gan- zeigt ſich ε) in kan-arpo ( [...]o-
heres, conſors) doc. 204a, wofür canh-erbo oder chan-
erbo N. 36, 22, mhd. gan-erbe Parc. 80c, und im deut-
ſchen recht hat ſich gan-erbe bis auf heute erhalten
(Friſch 1, 315. 316.). Es iſt nichts weiter als gi-erpo,
miterbe, miteigenthümer, mitberechtigter (σύγκληρος, συγ-
κληρονόμος
). Dieſer auslegung ſtehen zwei andere ent-
gegen. Nach der einen wäre gan-erbo decompoſitum und
aufzulöſen in gi-ana-erbo, wirklich gibt das capitulare
Ludov. (Schilter II. 1, 239.) mehrmahls deutlich ge-an-
ervo (coheres). Meines wißens tritt aber gi- ſonlt nie
vor eine andere, ſchon mit einem nomen componierte
partikel, häufig treten andre partikeln noch vor das gi-,
(z. b. ana-ki-ſiht, and-ge-lôma) weshalb zwar ana-gi-
erbo, nicht gi-ana-erbo zuläßig ſchiene; eine urkunde
B b b
[754]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
von 1267. (Günther cod. dipl. rhenomoſ. 2, 355.) lieſt ane-
gerve, wo ein anderes exemplar ganerve. Die zweite
anſicht vergleicht gan-erbe mit dem im ſeeländ. und ſcho-
niſchen geſetz vorkommenden gang-arv (Kofod Ancher
I, 374. 375.) dem gegenſatz von fram-arv. Hierfür ließe
ſich höchſtens die angeführte falſche lesart canh-erbo in
der ſtelle bei N. anſchlagen, inſofern ſie cang-erbo bedeu-
tete; übrigens weicht der begriff des dän. gang-arv (altn.
kein gâng-arfi) ganz von dem des deutſchen gan-erbe ab
und die verkürzung aus ganc-erbo, gang-erbe hat gar
keinen ſchein. ζ) endlich habe ich bis hierher aufgeho-
ben das räthſelhafte ahd. gan-eiſtara, mhd. gan-eiſte (ſcin-
tilla), wovon oben ſ. 370. bei ganz dunkler wurzel gan
oder gân die ableitung -eiſt geſucht wurde. Den dorti-
gen citaten iſt aus ſgall. 183. ganaſtra (f. ganeiſtra) beizu-
fügen. Wäre nun umgedreht eiſta wurzel, gan partikel,
ſo würde begreiflicher, wie ſich aus gan-eiſtra, gan-eiſto
ſpäterhin gæn-ſter und gn-eiſte, altn. gn-eiſti, n-eiſti ne-
beneinander entwickelten (warum aber nicht ga-eiſto,
g-eiſto?). Die wurzel eiſa (cinis ignitus) belegt das
altn. (Biörn fehlerhaft eyſa, vgl. das verbum eiſa, aeſtuare,
ſæm. edd. 153a) ſo daß gn-eiſti, gan-eiſto leicht ſocius ignis
oder etwas dergl. bedeuten könnte. Keines dieſer bei-
ſpiele (von α bis ζ) gebe ich für mehr als bloße vermu-
thung, welcher namentlich entgegenſteht, daß im goth.
nur ga-, keine ſpur von gan-, gam- anzutreffen iſt. Und
wie verhält ſich dazu die formell nicht unwahrſcheinliche
verwandtſchaft mit der gleichfolgenden partikel?


ahd. kakan, gagan (contra) könnte, wie contra mit
cum, com-, con- (intra in, extra ex, ſupra ſub etc.) mit
der eben abgehandelten part. ka-, ga- in berührung ſtehen,
nach analogie von in innan, ûƷ ûƷƷan, oba oban etc.;
die übergänge der bedeutung (vgl. wid, widar; agſ. við,
viðer; oder den doppelſinn von and-) befremden weni-
ger, als das verhältnis der doppelten gutturalis. Die agſ.
form lautet gegn und gëan, das zuweilen und wohl richtiger
gân, gen (gæn, gên?) geſchrieben auf gägen (wie vän auf
vägen) führt; altn. gagn und gegn; bei Ulf. kommt die
part. gar nicht vor *). Mit nominibus geht ſie nur ſelten
compoſition ein. Ahd. gagen-lûta (tonus) N. Cap. 145;
[755]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
gagen-wërt oder gagen-wërte? (praeſens) N. 31, 8. Boeth. 263.
gagen-wërtî (praeſentia) Boeth. 120. gagen-wërtîg (praeſens)
N. 59, 2. gagan-wurt (praeſentia, (conſpectus) monſ. 330. 341.
365. Altſ. gegin-ward (praeſens). Agſ. gëan-cyme (occur-
ſus); gëan-cyr (idem); gegn-cvid Beov. 30; gëan-far (aedi-
tus); gëan-hvyrft (converſio); gëan-ryne (occurſus). Altn.
gagn-augu (tempora, die ſchläfen); gagn-drëpa (perma-
didus, durchtrieſend); gagn-giald (donatio propter nuptias,
widergeld); gagn-hreinn (candidus, perilluſtris); gagn-
ſkiær (pellucidus); gagn-ſök (reconventio); gagn-ſtædr
(oppoſitus); gagn-vidri (ventus adverſus); gagn-votr (per-
madidus); gagn-þurr (peraridus); gagn-þŷdr (totus ege-
lidus). Mhd. gegen-biet, gein-biet Parc. 120c Wh. 2, 158a;
gegen-louf Frib.; gegen-market Wh. 2, 136b; gegen-niet
Parc. 95a; gegen-rede Parc. 101a; gegen-reiſe Tit.; gegen-
ſidele Nib.; gegen-ſtrît; gegen-ſtuol Parc. 74c; gegen-wort
Parc. 153a; gegen-würte Triſt. gegen-würtic Bon. Nhd.
mehrere: gegen-bild; -dienſt; -druck; -befehl; -ſüßler;
-giſt; -klage; -kraft; -rede; -ſtand; -beſuch; -anſtalt;
-theil; -wart; -wehr; -beweis; -gewicht; -wind u. a. Das
weiter zuſ. geſetzte adv. ahd. inkakan tritt nicht vor no-
mina, wenigſtens habe ich keinen beleg dafür; wohl aber
das agſ. on-gëan (neben agëan, agen, engl. again), Lye
führt an: ongëan-cyme (occurſus); ongëan-ſär; ongëan-
ryne; ongëan-vëard. Auch mhd. ſtehet engegen-niet
Parc. 107c. Nhd. keine nomina mit entgegen. — Die
bedeutung der partikel iſt (wie bei and-) bald freundlich,
bald feindlich; altn. vor adj. auch per- (vgl. das griech.
διά-, goth. and- und die folgende agſ. part.).


agſ. gëond (verſus, per, ultra) engl. yond (beyond)
könnte zuſammengefloßen ſcheinen aus ge- und and (ſ. 715.),
wiewohl ich kein geand finde; es entſpricht in einigen
bedeutungen dem goth. and. Richtiger wird man es für
das goth. jáind (illuc) anſehen, oder ſind zwei ganz ver-
ſchiedne partikeln ge-and und gëond vermengt worden?
Mit dem nomen componiert es ſich nicht, bloß mit dem
verbum.


háim (domum) urſprünglich acc. des ſubſt. háims, der
zum adv. geworden uneigentlicher comp. fähig wird, denn
an ſich taugt kein acc. dazu (ſ. 617.). Dieſe uneigentliche
zuſ. ſetzung iſt ganz verſchieden von der eigentlichen mit
háims, nur habe ich ſ. 460. dort einige beiſpiele ange-
führt, welche hierher gehören, d. h. alle worin die accu-
ſativiſche bedeutung: nach haus waltet. In ihnen darf
kein compoſitionsvocal vorausgeſetzt werden, geſchweige
B b b 2
[756]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ſtattfinden. Ahd. heim-prunc (reditus) wirceb. 978a 979b.
Agſ. hâm-färeld (iter ad domum). Altn. heim-bod (invi-
tatio ad epulas); heim-för (reditus) heim-fûs (domum
eundi cupidus) heim-fŷſi (noſtalgia); heim-koma (reditus);
heim-ſôkn (viſitatio); heim-ſŷki (noſtalgia). Nhd. heim-
gang; heim-fahrt; heim-kehr; heim-weh.


altn. hiâ (apud, juxta), ſchwed. dän. hos, eine trenn-
bare, den andern deutſchen mundarten völlig fehlende *)
partikel. Sie erſetzt das goth. bi, ahd. pi, in der ſiunli-
chen bedeutung, nicht in der abſtracten, hat alſo weit
kleinern umfang. Ihr urſprung liegt noch verhüllt. Sollte
ſie uneinfach und zuſ. geſetzt ſein aus hi-â (vgl. eftir-â,
poſtea)? hi der ablaut von hî (goth. heiv, manſio, domus,
propinquitas)? **) vgl. hiôn (familia, conjuges), auf jeden
fall gehört ſie zu dieſer wurzel, wenn auch das â nicht
aus der praep., ſondern aus einer flexion erklärt werden
müſte. Das -s im neunord. ſcheint unorganiſch hinzuge-
treten (wie in tills für till) und aus hiâ, hiå, hå, ho ge-
worden. Im altn. tritt die part. vor folgende nomina:
hiâ-barn (proles illegitima, nebenkind); hiâ-bŷli (villula)
verſchieden aber verwandt mit dem eigentl. comp. hî-
bŷli (domicilium); hiâ-gud (idolum, abgott); hiâ-hſidrun
(ſocordia. conniventia); hiâ-hvîla (contubernium, concu-
bitus); hiâ-kâtr (abſurdus); hiâ-kona (pellex, bî-wîp);
hiâ-leggr (radius ulnae); hiâ-leiga (villa); hiâ-leitr (facie
limus, beiſichtig); hiâ-rœna (mentis inops); hiâ-ſôl (ne-
benſonne); hiâ-ſögull (falſiloquus) ahd. pî-ſprâhhal; hiâ-ſtôd
(auxilium, beiſtand); hiâ-trû (ſuperſtitio); hiâ-tûngl (pa-
raſelene); hiâ-vëra (praeſentia); hiâ-vërk (opera ſucci-
ſiva); hiâ-vinna (idem); hiâ-vîk (deflectio a via). Man
ſieht, daß die bedeutungen zuweilen unſerm bei-, zuwei-
len unſerm ab- begegnen. Das neunord. hos componiert
ſich nicht mehr mit nominibus, nur mit verbis; vor jene
ſetzt man das entlehnte bi-.


ahd. hiar, hier (hic); anzuführen weiß ich bloß hier-
wiſt (vita, das wohnen hier auf erden) Ludw. 19. dem
auch ein altn. hêr-viſt entſpricht.


hidrê (huc) agſ. hider, engl. hither: agſ. hider-cyme
(adventus); hider-vëard (horſum).


[757]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.

ahd. hëra (huc) bei N. hara, mhd. den meiſten hër,
einigen har. Ahd. hëra-fart O. V. 4, 81; hëra-funs (cu-
pidus huc eundi) O. V. 8, 55. [vielleicht auch nom. propr.?
vgl. oben ſ. 581.]; gehört zu dieſen compoſitis auch das
ſ. 215. beſprochne hëra-paƷar (mediocris)? N. Boeth. 96.
hat hara-baƷ (propius, beßer hierher) aber wie ſtimmt
dazu der begriff des mittelmäßigen? weil es das unferne
iſt? auch müſte, um hëra-paƷarî (mediocritas) zu verſte-
hen, eine zugetretene ableitung -ar angenommen werden,
für welche ich keine treffende analogie weiß; nähme ich
monſ. 355. hëra-paƷêr an, ſo würde das ſubſt. hëra-paƷî
fordern [vgl. altn. eftir-bâtr, inferior, oben ſ. 710. mit
langem â, mithin ahd. hëra-pâƷar? aber wohin führt
das?]. Die adv. hëra-ſâr, hëra-ſun (horſum) ſind auch
mit der part. gebildet, vermuthl. gab es ferner ein hëra-
wart (her-wärts). Nhd. her-gang (proceſſus); her-kunft
(bedeutet theils anherkunft, theils abkunft); her-weg.


ahd. hina (illuc) gegenſatz zu der vorigen partikel.
Ahd. hina-danch, ein in den urkunden nicht ſeltner
mannsname, welcher ausdrückt: abire cogitans, alſo auf
einen fremden oder gaſt, den heimweh treibt, gerecht iſt;
hina-fart (obitus) T. 9, 3. N. 38, 4. hina-fertig N. Boeth.
262; vgl. das adv. hina-baƷ (ultra) N. 81, 1. Agſ. hin-
fus (abeundi cupidus) Beov. 59; bin-gong (abitus); hin-
ſið (abitus) Cädm. 18. Mhd. hine-vart, hin-vart Herb.
109d Wigal. Barl.; hin-wërf (ejectio) Barl. Nhd. hin-
fahrt; -fällig; -gang; -länglich; -läßig (bei Luther ſ.
nach-läßig); -reiſe; -ſicht; -weg.


hindar (retro) ahd. hintar: hintar-chôſî? (calumnia)
nach dem verbo N. 100, 5; hintar-liſt (fraus) folgt aus
hintar-liſtîc (verſutus) doc. 219a; hintar-ſcranch (calca-
neus) monſ. 398. hintar-ſcrenchîc (verſutus) monſ. 351.
N. 11, 3. 42, 1. hintar-ſcrenchîgî (tergiverſatio) monſ. 378.
379. 387; hintar-ſprâhha (calumnia) folgt aus hintar-
ſprâhhôn N. 37. 22. 49, 20. Agſ. hinder-ſcipe (nequitia).
Mhd. hinder-kœſe (calumnia): bœſe. Nhd. hinter-achſe;
-bein; -gebirge; -fuß; -grund; -haupt; -liſt etc. die ver-
wendung für das ſinnliche hinter ſcheint der älteren ſprache
fremd, vielleicht iſt ſie wie vorder- (ſ. 731.) zu beur-
theilen.


jáind- (illuc): jáind-vaírþs Joh. 18, 3.


ïd- (re-) ahd. it- ita-, agſ. ëd-, untrennbar, doch
ſcheint das goth. trennbare ïþ (contra) verwandt und
dann ſtimmt das lat. iterum. Goth. ïd-dalja (deſcenſus);
ïd-veit (opprobrium) Luc. 1, 25. und davon ïd-veitjan.
[758]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
Ahd. it-ganc (ſeculum) ſgall. 196; it-cart (orbis) doc. 221b;
it-cruod (genimen) doc. 221b (vgl. gruoti oben ſ. 632.);
it-lôn (retributio) K. 26a 28a T. 18, 2; ët-mâl (ſolemnis)
ker. 57. id-mâli (ſolemnia) ker. 254. it-mâl oder it-mâli?
(ſolemnis) T. 12, 1. 2; it-niuwi (renovatus) ith-niuwes
(adv.) J. 341. it-niuwî (reparatio) K. 42b doc. 204a ite-
niuwi N. 77, 56; it-purt (regeneratio) wahrſcheinlich, aber
nicht aufzuweiſen; it-ruh (rumen) gleichfalls aus dem
verbo zu folgern und durchs agſ. beſtätigt; it-ſlach (recidiva
febris) doc. 221b beßer wohl it-ſlaht, denn it-ſlahtîgî aug.
124b; ita-wîƷ (opprobrium) ker. 221. (wo ita-wîƷƷa nom.
pl. maſc.? oder ſg. fem.?) ita-wîƷ (obfuſcatio) monſ. 357.
iti-wîƷ T. 2, 11. it-wîƷî O. IV. 31, 4. und das abgeleitete
verbum ita-wîƷan, ita-wiƷita (exprobrare) ker. 113. oder
ita-wîƷôn monſ. 352. jun. 249, warum hat grade dieſes
wort faſt immer ita-, oder eine aſſimilation, ſtatt it-?;
außer dieſen ſicher noch andere. Agſ. ëd-cêr, ëd-cŷr
(reditus) Cädm. 101; ëd-cvic (redivivus); ëd-cvide (rela-
tio); ëd-gëong (rejuveneſcens); ëd-gift (reſtitutio); ëd-
gyld (remuneratio); ëd-hvyrft (reditus) Beov. 98; ëd-leán
(praemium); ëd-mæl (ſacra); ëd-nëove (renovatus); ëd-
roc (rumen, ruminatio); ëd-ſcëaft (regeneratio); ëd-ſta-
ðelig (reſtitutus); ëd-viſt (ſubſtantia)?; ëd-vît (probrum)
Beov. 214. [wo ich emendiere ëdvît-lîf, vita probroſa].
Altn. finde ich nur id-giöld (talio) und id-gnôgr, ið-gnôgr
(abundans) ſæm. edd. 152a. Mhd. dauern noch fort ite-
niuwe (recens) Nib. Triſt.; ite-wîƷ (ignominia) Nib. Triſt.
Barl. troj. 42a 107a. Nhd. keine mehr. Die gewöhnliche
bedeutung iſt: wieder, it-ganc, it-mâl die wiederkehrende
zeit und feier, it-gart die ſich drehende erde; im goth.
ïd-dalja entſpricht es dem ab- (ſ. 708.); im altn. id-gnôgr
ſcheint es intenſiv zu verſtärken. Es gibt eine gleichbe-
deutige part. ïdr? ahd. itar? altſ. idur, aus der das goth.
ïdr-eigôn (ſ. 306.) und ahd. iter-nôn (creſcere) monſ. 386.
[ſ. 169. zuzufügen, doch ſcheint das -n erſt beim verbo
zu entſpringen, wie ſ. 166, α?] herſtammen, mit der ich
aber keine nomina componiert weiß.


ïn-, ïnn- (in, intro); die beſtimmung und geſchichte
der part. in- hat ſchwierigkeit, es treten nämlich auch
hier die bei dem bi- und du- beobachteten ſchwächungen
und verſtärkungen des vocals ein, aber auf ganz andere
weiſe. Im allgemeinen läßt ſich folgendes voranſtellen
1) die partikel wird, als ſolche, nie und in keiner mund-
art, weder alleinſtehend noch zuf. geſetzt, des tons be-
raubt, folglich auch nicht im vocal geſchwächt; unähn-
[759]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
lich jenen be- und ze-, welche ſich hauptſächlich in com-
poſitis zeigen. Tonloſes ahd. in, mhd. ën, findet nur für
den fall der wirklichen praepoſition ſtatt, wo dieſe mit
dem von ihr regierten nomen zuſammenwachſend ein
lebloſes adv. bildet, z. b. ahd. in-bore (dat. ſg. von bor,
cacumen) N. Boeth. 197, mhd. ën-bor, nhd. em-por; ahd.
in-kakan, mhd. ën-gegen, nhd. ent-gegen; und ſo mhd.
ën-wëc, ën-wette, ën-zît etc. analog den ahd. pi-halpu,
zi-leipu. Solche vereinigungen der praep. und ihres caſus
find keine wahre compoſition (ſ. 699. note.). 2) die par-
tikel in wird für den praepoſitionsgebrauch nie verlängert,
unähnlich dem ahd. pî, nhd. bei und nhd. zu. Als par-
tikel leidet ſie allerdings verlängerung, deren erſter be-
ginn unſicher auszumitteln iſt. Das nhd. ein (intro) un-
terliegt keinem zweifel, ahd. în läßt ſich nicht beweiſen,
(J. 387. ſteht die praep. und Roſtg. lieſt in, nicht iin),
mhd. în ſtehet im reim, z. b. troj. 23a 55c (die praep. în:
ſchîn Reinfr. a. w. 2, 91. mag ungenauer reim ſein?) und
gleicht der verlängerung des drin (tribus) in drîn oder
des -win der eigennamen ëber-win, ſige-win in ëber-wîn
MS. 2, 74a. b. nhd. eber-wein, balde-wein. Daß aber alle
mhd. dichter und namentlich bei der compoſition -în für
in- gebrauchen, wo es nhd. ein- entſpricht, bezweifle ich.
3) für das ahd. vermehrt ſich die ſchwierigkeit noch
durch vergleichung des goth., welches ſeine praep. ïn
von dem adv. ïnn (intro) Matth. 9, 25. Marc. 5, 40. 16,
43. Luc. 1, 28. unterſcheidet, in der compoſition aber ei-
nigemahl zwiſchen beiden formen ſchwankt. Dem ahd.
in (intro) ſcheint bloß durch den auslaut der conſonant
vereinfacht (1, 122.), wie die daraus weiter entſpringen-
den partikelformen inni, innana beſtätigen, und dieſes
in = inn widerſtrebt der mhd. în-form. 4) die älteſten
agſ. denkmähler gebrauchen noch die praep. in (allmäh-
lig wird ſie durch on = ahd. ana vertreten) und die part.
inn (intro) wofür jedoch in der zuſ. ſetzung meiſtens in-
geſetzt wird. 5) altn. wird î (= in) nicht nur als praep.
ſondern auch in der compoſition genau von inn (intro)
geſchieden. — Dies vorausgeſchickt führe ich die mit der
partikel zuſammengeſetzten nomina an. Goth. in-kîlþô
(praegnans); ïn-ſahts (hiſtoria) Luc. 1, 1; ïn-vinds (inju-
ſtus). Ahd. in-chnëht (apparitor) hrab. 951a monſ. 326.
doc. 220b in-knëht (domigena) herrad. 183a; in-goumen
(lares) N. Cap. 142; in-heim oder in-heimi? (domicilium,
tabernaculum) O. I. 18, 47. V. 9, 39. N. 90, 10; in-huct
(conſcientia) K. 28a; in-hûs (penetrale) doc. 221a; in-kanc
[760]III. partikelcompoſition — part. mit nom.
(introitus) K. 53a ker. 23. 132; in-lahhan? (veſtis interior) da-
her in-lachenes (intrinſecus) W. 4, 1?; in-leita N. 65, 4; in-
lenti? (incola) in-lentê (incolae) ker. 64; in-ouwi (domicilium,
patria) O. I. 18, 47. inn-ouwi O. IV. 4, 139. welche letztere
ſchreibung vor dem vocalanlaut nn bewahrt (nach 3); in-
phliht (poſſeſſio) N. 134, 4; in-biƷ (refectio) K. 41b; in-pot
(mandatum); in-bûrro (vernaculus) jun. 230; in-burgo (civi-
cus) N. Cap. 52; in-geſîde (penates) N. Cap. 50. von ſîda (la-
tus), die an der ſeite, im abgelegnen orte ſtehen?; in-ſigili (ſig-
naculum) monſ. 409; in-ſlaht (vinculum ferreum) doc. 204;
in-ſlîhho (invaſor) ker. 139; in-vart (atrium) N. 91, 14;
in-wërt (intimus) ker. 150. hrab. 966b in-wërtes (intrin-
ſecus) T. 41, 1. in-wërtîg doc. 243b; in-wittêr (doloſus)
hrab. 960a; in-zihtîc (zelotypicus) monſ. 356. N. Boeth. 56.
Agſ. in-adl (morbus inteſtinorum); in-borg (pignus); in-
burg (atrium, veſtibulum); in-byrdling, in-gebyrdling
(vernaculus); in-clëófa (penetrale); in-cnapa (famulus);
in-cniht (domeſticus); in-cofa (cubile); in-cund (intimus);
in-eddiſc (ſupellex); in-elſe, inn-elfe (viſcera); in-färeld
(ingreſſus); in-frôd (perprudens) Beov. 141. 183; in-gang
(introitus) Beov. 117. in-genga (ingreſſor) Beov. 134; inn-
here (exercitus popularium); in-hîred (familia); in-hringe
(circulus); in-hivan (domeſtici); in-gehyht, in-gehygd,
in-gehyd (conſcientia, intentio); in-land (fundus proprius)
in-lenda (incola) Cädm. 66; in-ge-man (vernaculus) pl.
in-ge-men Cädm. 67; in-mêde (pretioſus); in-merca (in-
ſcriptio); in-orf, inn-orf (ſupellex) von orf (pecus,
opes); in-ge-rife (uterus); in-ſëfa (animus) Cädm. 72; in-
ſëgel (ſigillum); in-ſpinn (opiſicium netorium); in-gë-
ſtëald (familia) Beov. 188; in-ſteppe (ingreſſus); in-ſvân
(porcarius curiae); in-ge-þanc (mens); in-vëard (inter-
nus); in-vid, in-vit (dolus) Cädm. 44. 52. 106. Beov.
64. 162. 185. 199; in-ge-vin (bellum inteſtinum). Altſ.
ſind α) folgende mit î- zuſammengeſetzt: î-beiſkr (ſuba-
marus); î-biúgr (ſubcurvus); î-bûd (inhabitatio); î-burdr
(profuſio); î-byggr (ſubdolus, prudens); î-feitr (ſübpin-
guis); î-fylja (equa foeta); î-gângr (profuſio); î-gildi (res
aequalis); î-grœnn (ſubviridis) ſæm. edd. 49a; î-gulr (ſub-
flavus); î-hvolfr (cornuatus); î-kaldr (ſubfrigidus); î-lât
(vas); î-lit (color cutis); î-mynd (imago); î-nytjar (pro-
ventus); î-ſettr (prudens); î-ſiâ (cautela); î-ſpen (inteſti-
num); î-ſtad (ſtapes); î-ſtada (conſtantia); î-tak (ſervitus,
onus); î-þrott (ars). β) mit inn- folgende: inn-blâſtr
(inſpiratio); inn-bûi (domeſticus); inn-drôtt (ſatellites re-
gii); inn-dœll (familiaris, gratus); inn-eygr (cœlophthal-
[761]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
mus); inn-fall (incurſio); inn-fiâlgr (intra penetrans?)
ſæm. edd. 168a; inn-gângr (aditus); inn-hlaup (refugium);
inn-ifli (viſcera); inn-leid (via intus ducens) ſæm. edd.
234a; inn-lendr (indigena); inn-ſigli (ſigillum); inn-ſkeifr
(varus); inn-ſtæda (pecudes ferreae); inn-tak (materia,
inhalt); inn-verdir (cuſtodes cubiculi); inn-vidir (compa-
ges). Mhd. im-biƷ f. in-biƷ Wigal.; in-bot c. p. 361, 71d;
in-ganc Triſt.; in-gruene (perviridis) Triſt. Eracl. 465;
in-leite (introductio) Triſt.; in-geſîde (familia, domus in-
terior) Mar. 57. ſchwerlich für das beinahe gleichbedeu-
tende in-geſinde (wie ſît neben ſint)? vgl. das ahd. wort;
in-ſigel Parc. 150b Nib.; in-geſinde (familia, famulitium)
Parc. 2b 71b Gudr. 18a; in-ziht (criminatio) Triſt.; wel-
chen hierunter în- gebühre? nach dem nhd. bloß zweien,
dem în-ganc und în- leite. Nhd. haben α) nur wenige
nomina in-: in-brunſt; in-gefieder (uhrfeder); in-garn
(bei jägern); in-begriff; in-gut (perbonus); in-halt (wahr-
ſcheinlich f. ent-halt); in-ländiſch; in-laut; in-ſiegel; in-
ſtändig; in-wendig; in-zicht. β) viele ein- (welches ſich
dazu nachtheilig mit dem ein- von dem zahlworte be-
rührt: ein-äugig, ein-falt, ein-heit): ein-band; ein-bruch;
ein-buße; ein-gedenk; ein-druck; ein-fahrt; ein-fall; ein-
fluß; ein-gang; ein-guß; ein-halt; ein-heimiſch; ein-kehr;
ein-klang; ein-künfte; ein-lage; ein-lauf; ein-nahme; ein-
rede; ein-ſatz; ein-ſchlag; ein-ſchluß; ein-ſicht; ein-
ſchnitt; ein-ſprache; ein-trag; ein-tritt; ein-wand;
ein-geweide; ein-wohner; ein-wurf; ein-zug. — Man
kann zwar ſagen, daß überall, wo die bedeutung hinein
waltet, ein altn. inn-, nhd. ein- ſtehe, aber beide er-
ſtrecken ſich weiter und gelten auch für das ruhige darin,
z. b. inn-drôtt, inn-verdir; ein-heimiſch, ein-wohner,
ein-gedenk. Es ſcheint unfolgerichtig in-ländiſch und
ein-heimiſch nebeneinander zu geſtatten. Selten ſtehen
ſich beide entgegen, z. b. in-halt, ein-halt; î-tak, inn-tak.
Das intenſive in-, vor adj. lautet niemahls ein-, vgl. nhd.
in-gut (volksmundartiſch auch in-ſchön, in-lieb, in-hohl)
mhd. in-gruene, agſ. in-frôd; das formell identiſche altn.
î- gibt den ſinn des lat. ſub-, vermindert alſo.


ïnna- (intus): goth. inna-gahts? Luc. 1, 29; ïnna-
kunþs (domeſticus). Agſ. inna-vëard (interior).


ïnnana- (intus) ahd. innana-wendi? im capit. Ludov.
ſteht innene-wendium. Agſ. innan-cund (domeſticus);
innan-vëard. Altn. innan-gângr (aditus per aedes con-
tiguas); innan-gengr (ab intus acceſſibilis); innan-tökur
(colica). Berührt ſich mit ïnna- und mit ïnn-


[762]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.

miþ- (cum), ahd. miti- (verſch. von der praep. mit)
agſ. mid-, fügt ſich an wenige nomina und drückt die
idee von beiſein, gunſt und geſellſchaft aus. Goth. kenne
ich bloß miþ-viſſei (conſcientia) Tit. 1, 15. Ahd. mite-
gengo (pediſſequus) N. Cap. 48; mite-ſlâf (concubitus)
ibid. 151; miti-wâri (manſuetus, d. i. familiaris, comis,
im umgang freundlich?) ſgall. 189. ker. 72. K. 21b hrab.
967a mite-wâre. N. 75, 10. mit-wâri J. 390. mit-wârî (har-
monia) ker. 7. (manſuetudo) K. 60a*); mite-wiſt (conſor-
tium) N. 100, 6. 118, 63. Agſ. mid-râd (coequitatio);
mid-ſprëca (defenſor); mid-viſt (conſortium); mid-vyrhta
(cooperator). Altn. mëd-byr (ventus ſecundus); mëd-
ferd (tractatio); mëd-giöf (pretium educationis); mëd-
görd (participatio); mëd-hald (ſtadium); mëd-læti (res
ſecundae); mëd-mæli (favor); mëd-taka (acceptio); mëd-
vindr (ventus ſecundus); mëd-vitund (conſcientia). Mhd.
mite-reiſe (comes) c. p. 361, 89d; mite-ſam (comis, gra-
tus?) Vrib. Triſt. 1228; mite-ſlüƷel (conclaviger) MS.
2, 227a; mite-vart (cooperatio) MS. 1, 101a; mite-wiſt c.
p. 361, 20a 77c Ernſt 55b Triſt. Nhd. viele früherhin man-
gelnde, zum theil ältere ge-, ëben-, erſetzende: mit-ar-
beiter; -buhler; -bürge; -chriſt; -erbe; -gabe; -gift;
-glied; knecht; -lauter; -leid; -menſch; -ſchuldig; -ſchü-
ler; -beſitz; -weide u. a. m.


nêhva, ahd. nâh, urſprünglich prope, woraus ſich die
bedeutung ſecundum, poſt entwickelte (Graff ſ. 95.), ſeit-
dem aftar (ſ. 710.) ſeltner gebraucht wurde. Es iſt da-
her noch unausgemacht, ob nicht die ſ. 637. für eigent-
liche genommenen und aus dem adj. geleiteten compoſita
vielmehr aus der partikel, mit dem alten ſinne von bei,
zu erklären ſind. Dies wird ſogar glaublicher wegen der
analogen zuſ. ſetzung anderer partikeln, z. b. nâh-wërt
(praeſens) nâh-wërtigî (praeſentia) N. Boeth. 214. nâh-
wiſt (praeſentia) vergleicht ſich dem ana-wërt, ana-wiſt.
Mit nâh, poſt bedeutend, findet ſich ahd. erſt ſpäter das
compoſitum nâh-chunft (ſucceſſio) N. 71, 5. Mhd. wer-
den die beiſpiele häufiger: nâch-huote Parc. 161b Nib;
nâch-jage Ulr. Triſt.; nâch-klanc Reinh. 490; nâch-ranc
(callidus, vafer?) Bit. 85a; nâch-ræte (prudens) Triſt.
nâch-rætic Karl 19a MS. 2, 130b; nâch-reiſe Parc. 87c;
nâ-riuwe Bon.; nâch-ſlac liederſ. 1, 395; nâch-ſmac
Vrib. Triſt.; nâch-wendic (futurus, oder proxime ven-
[763]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
turus?) Mar. 162. vgl. nâch-wendig (conſanguineus) Oberl.
Nhd. noch häufiger: nach-bild; -bürge; -geburt; -druck;
-durſt; -folge; -frage; -hall; -herbſt; -hut; -klang;
-komme; -laß; -läßig; -leſe; -mittag; -rede; -reu;
-richt; -ruf; -ruhm; -ſatz; -ſchmack, -geſchmack;
-ſchrift; -ſchluß; -ſicht; -ſommer; -ſpiel; -ſtich; -theil;
-trab; -trieb; -weh; -welt; -zug. Das agſ. nëah- und
altn. nâ- (untrennbar) nær- (trennbar) haben beſtändig
den begriff der nähe, nicht der folge.


ni-, von zuſammenſetzungen mit der verneinenden
partikel wird cap. IX. des dritten buchs handeln.


nhd. neben- (juxta); dieſe part. entſpringt aus ahd.
in-ëpan, mhd. en-ëben, erſetzt die älteren eigentlichen
compoſita mit ëben- (vgl. ſ. 635.) und bildet neue wie
neben-ſtunde, neben-weg etc. Die ahd. und mhd. ſpra-
che componiert nie mit der partikel.


ahd. nidana (ſubtus) verhält ſich zu einem verlornen
nida wie obana, forana zu oba, fora; das comp. nidan-
entîc iſt ſ. 730, belegt.


ahd. nidar (deorſum): nidar-hald (pronus) O. V.
1, 61; nider-rîs (diabolus, der niedergeſtürzte, gefallene)
N. 7, 2, 15. 17, 10. 28, 1. vgl. nider-fal und 67, 13. chu-
ning widerfluƷƷe; nider-ſcrecchi (praecipitatio) N. 51, 6;
nidar-ſtîc (deſcenſus) K. 26b nidar-ſtîga T. 116.; nider-fal
(diabolus) N. 67, 13. Agſ. niðer-gang (occaſus); niðer-
hëald (demiſſus); niðer-hryre (praecipitatio); niðer-lic
(infimus); niðer-ſîge (occaſus); niðer-ſtîge (deſc.); niðer-
vëard (demiſſus). Altn. niðr-biúgr (incurvus); niðr-
burdr (eſca piſcium demerſa); niðr-drëp (deminutio fa-
mae); niðr-fall (defluvium); niðr-gângr (occaſus); niðr-
hlaup (decurſus); niðr-hlutr (ſeminale); niðr-kaſt (de-
jectio); niðr-klædi (ſubligacula) niðr-lag (finis); niðr-
lûtr (cernuus); niðr-nîddr (ruinoſus). Mhd. nider-ganc
MS. 2, 97a; nider-kleit Parc. 130a; nider-lant Nib.; ni-
der-vart Wh. 1, 68a; nider-wât Wigal.; vgl. nider-baƷ
Hartm. Greg. (Oberl. 1122.). Nhd. nieder-deutſch; nie-
der-fall; nieder-gang; nieder-kleid Luther II. moſ. 28, 42;
nieder-kunft; nieder-lage; nieder-land; nieder-ſchlag;
nieder-wand Luther III. moſ. 6, 10. In den ahd. und
agſ. compoſitis bloß ein bewegendes nieder (herunter),
im altn. mhd. nhd. zugleich ein ruhiges (unten, unter),
namentlich wo es die begriffe kleid und gegend beſtimmt.
Vielleicht hat man es im letzten fall immer aus dem adj.
zu deuten (vgl. vorder-, unter-, hinter-, ober-).


[764]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.

ſama- (aeque, ſimul, ceu, veluti); es entſpringt, wie
für nêhva, zweifel zwiſchen uneigentlicher compoſition
mit der partikel und eigentlicher mit dem adjectiv.
Bei Ulfilas kommt noch keine partikel ſama vor,
ſondern das adj. ſama (idem); ich habe darum nicht
angeſtanden, ſama-leiks bei der adj. zuſ. ſetzung (ſ.
624. 657.) aufzuführen. Das ahd. trennbare adv. ſama
(aeque) monſ. 354. ſcheint aus dem adj. ſelbſt erſt her-
vorgegangen (vgl. ſ. 672.) und obgleich ſama-lîh compo-
niert ſein könnte wie ana-lîh, widerſtrebt doch die goth.
analogie. Nur in den fällen, wo es den folgenden par-
tikeln ſaman-, ſamant- parallel läuſt, und weniger iden-
tität, als verbindung ausdrückt, mag es unadjectiviſch
ſein, dahin rechne ich: ſama-haft (ſolidus) jun. 226.
ſama-haftî (maſſa, corpus) jun. 200. monſ. 348. 377. 390;
ſame-tregil (ſymbola) doc. 232b; ſam-wiſt (conſortium) J.
404. (vgl. miti-wiſt) *). Im agſ. gilt eine trennbare part.
ſam (aeque), womit componiert ſcheinen: ſam-hivan
(conjuges); ſam-mæle (concors); ſam-râde (unanimis);
ſam-viſt (conſortium), wofür ſom-viſt Cädm. 49. Mhd.
kenne ich kein comp. mit ſam-, unerachtet die trenn-
bare part. fortbeſteht; nhd. iſt ſie ausgeſtorben. Die altn.
part. ſam- iſt untrennbar, aber in ſehr vielen comp. zu
finden, ſowohl für den begriff der gleichheit, als der ver-
bindung: ſam-arfi (coheres); ſam-band (ſocietas); ſam-beit
(loca compaſcua); ſam-bidill (rivalis); ſam-bland (mixtura);
ſam-blâſtr (conſpiratio); ſam-burdr (collatio); ſam-bŷli
(rus commune); ſam-dauna (ejusdem odoris); ſam-drâttr
(colludium); ſam-dryckja (compotatio); ſam-eign (ſocie-
tas); ſam-fara (comes); ſam-faſtr (cohaerens); ſam-fedra
(ex eodem patre); ſam-fêlag (ſocietas); ſam-ferd (comita-
tus); ſam-ferda (comes); ſam-flot (comitatus navium);
ſam-fundr (congreſſus); ſam-fylgi (vires communes); ſam-
gângr (concurſus); ſam-hliôd (conſonantia); ſam-hvîla
(contubernium); ſam-iafn (aequalis) ſam-iafn (comparatio);
ſam-keypi (commercium); ſam-koma (conventus; ſam-
kunda (concilium); ſam-kynja (ejusd. generis); ſam-lag
(ſocietas); ſam-lendr (conterraneus); ſam-lîkr (fimilis);
ſam-lîtr (concolor); ſam-lyndi (concordia); ſam-læti (con-
venientia); ſam-mâla (colloquens); ſam-mylkîngr (collacta-
neus); ſam-mœdra (frater uterinus); ſam-nautr (con-
[765]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
victus); ſam-qvæmi (conventus); ſam-râda (conſentiens);
ſam-rædi (conſuetudo); ſam-rŷndir (ſocius ſtudiorum);
ſam-ſaga (dictis conveniens); lam-ſæti (conſeſſus); ſam-
ſinna (conſentiens); ſam-ſida (a latere); ſam-ſkipa (in ea-
dem nave); ſam-ſkipti (commercium); ſam-ſtafa (ſyllaba);
ſam-ſtëmma (congruens); ſam-ſull (colluvies); ſam-tal
(colloquium); ſam-tîda (coaevus); ſam-tök (conſpiratio);
ſam-þela (conglaciatus); ſam-þión (conſervus); ſam-þo-
lugr (mitis); ſam-þycki (conſenſus); ſam-vëra (converſa-
tio); ſam-viſt (idem); ſam-vitund (conſcientia). Dieſe com-
poſitionsweiſe hat ſich auch im neunord. erhalten, ich be-
ſchränke mich hier auf dän. beiſpiele: ſam-drägtig (con-
cors); ſam-frende (conſanguineus); ſam-fund (ſocietas);
ſam-klang (conſonantia); ſam-leie (concubitus); ſam-ſiv
(ſocietas); ſam-qvem (conventus); ſam-tale (colloquium);
ſam-tid (coaetas); ſam-tykke (conſenſus) ſam-vittighed
(conſcientia) u. a. m. nur haben einzelne ſammen- ſtatt
ſam- angenommen. — Anmerkungen: 1) offenbar richtet
dieſes nord. ſam- manches von dem aus, was das ga- der
übrigen mundarten und die ſeltenheit des ſam- im goth.
ahd. agſ. ſtimmt zu der des ga- im nord. Doch bekommt
ſam- (wie hiâ ſ. 756.) nie die abſtracte anwendung des ga- und
hat deshalb geringeren umfang. Völlig mangelt weder
ſam- dem ahd. und agſ., noch ga- dem altn. 2) man
halte die geſellſchaftswörter ſam-arfi, ſam-ſkipa, ſam-
ferda, ſam-lendr, ſam-fedra zu ahd. gan-erbo, agſ. ge-
þofta, ahd. gi-verto, gi-lanto, agſ. ge-fäder etc.; auch hier
iſt die altn. form meiſtens ſchwach, d. h. neben -i gilt zu-
mahl das älterſcheinende -a (1, 661. 743.). 3) ſam- ver-
hält ſich zu ga- (gam-, ham-), wie gr. σύν-, σύμ-, σύ-
zu lat. con-, com-, co-; ob beide wurzeln ſelbſt zuſam-
menfallen, kann dahin geſtellt bleiben, begreift ſich aber
aus dem wechſel der ſpiranten h und ſ am leichteſten;
vgl. ἅμα und ſimul mit cum und σύν.


ſamana (ſimul, conjunctim) Luc. 15, 13. ſcheint dat.
des nom. ſaman, deſſen gleichlautender acc. im ahd.
(T. 5, 12.) und altn. zur partikel dient, wofür im agſ.
nur die verbindung te ſamne, ät ſamne (te ſomne, ät
ſomne), ahd. zi ſamana, mhd. ze ſamene, nhd. zuſammen
vorkommt. Goth. nomina mit ſaman- oder ſamana-
componiert mangeln, ahd. findet ſich ſaman-haftîc (inte-
meratus, d. i. ganz, unzertheilt) ker. 155. ſaman-qhuit
(condictum) jun. 197; ſaman-ſprâcha jun. 251; ſaman-wiſt
(conſortium) monſ. 353. 378., ohne zweifel gleichviel mit
ſama-haftîc, ſam-wiſt. Weder ahd. noch agſ. nomina
[766]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ſind mit ziſamane, ätſamne, teſamne componierbar. Altn.
werden bloß verba und participia mit ſaman- componiert,
keine nomina. Auch nicht mhd., weder mit ſamen-,
noch mit zeſamene; nhd. gelten aber die ſchleppenden
wörter zuſammen-fluß, -hang, -kunft, -lauf, -ſtoß, die
freilich erſt nach der analogie von zuſammen-fließen,
-hängen, -kommen, -laufen, -ſtoßen gebildet ſcheinen.
Aehnliches gilt von den dän. ſammen-komſt, ſammen-
ſkud etc., welche der ältern ſprache fremd ſind.


ſamaþ- (in unum, ſimul) ſteht bei Ulf. nur in der
zuſammenſetzung mit dem verbo rinnan Marc. 9, 25,
weder allein für ſich, noch vor nominibus. Das ent-
ſprechende trennbare und ſelbſt zur praep. gewordne
ahd. ſamant J. 405. ſament N. 15, 5. 24, 18. (Graff p. 129.
130.) bindet ſich zuweilen mit nominibus: ſamant-chunft
(conventiculum) doc. 232b; ſament-liutig (conſonus) N.
Cap. 162; ſamant-fart (comitatus) T. 12, 3; ſamant-wiſt
(coitus) wirzeb. 978b doc. 232b und hat die bedeutung
des vorausgehenden ſam- und ſaman-. Die form ſamant
ſcheint mir aus ſamad entſtellt und ſich zu ſama zu ver-
halten, wie forad (ſ. 730) zu fora. Folglich ſteht auch
das agſ. ſamod für ſamoð; es bindet ſich meiſt mit ver-
bis, doch hat Lye: ſamod-geflìt (concertatio); ſamod-lic
(unanimis); ſamod-rynel (concurrens). Im altn. fehlt
dieſe partikelform gänzlich. Das mhd. ſament, ſamet,
ſamt und das nhd. ſamt, ſammt gehen keine compoſi-
tion ein.


ſundr- (ſeorfim, privatim) fehlt bei Ulf, folgt aber
aus ſundrô, wie ufar aus ufarô; ahd. ſuntar-, agſ. ſun-
dor-, altn. ſundr-, überall trennbar und in einigen mund-
arten ſogar praepoſition. Ahd. ſunder-ëber (aper ſingu-
laris) N. 79, 14; ſuntar-êwa (privilegium) doc. 209a; ſun-
tar-gëpa (donativa) monſ. 361; ſunder-guot (phariſaeus)
N. 68, 4; ſunder-man (idem) N. 48, 5; ſunder-ſâlda N.
Boeth. 63; ſuntar-ſcaz (peculium) jun. 219. monſ. 331;
ſunder-furſto (princeps) N. 79, 14; ſuntar-walt (monar-
chia) gl. vindob. Agſ. ſundor-cräft (privilegium); ſun-
dor-folgoð (ſequela); ſundor-gifu (praerogativa) Cädm.
88.; ſundor-hâlig (phariſaeus); ſundor-land (ſeparalis
terra); ſundor-lîf (vita privata); ſundor-note (officium
diſtinctum); ſundor-nytte Beov. 52; ſundor-ſcëat (pecu-
lium); ſundor-ſpræce (privatum colloquium); ſundor-ſtov
(locus ſecretus); ſundor-vîc (manſio remota); ſundor-yrſe
(propria hereditas) Jud. 12. Altn. ſundr-gerd (ſingulari-
tas); ſundr-leitr (diſſimilis); ſundr-lyndi (contentio);
[767]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ſundr-ſkila (ſegregatus); ſundr-þycki (diſſenſio). Mhd.
(vorzüglich bei Wolfr.): ſunder-art (ſpecies exquiſita)
Parc. 188b; ſunder-bluot (flos peculiaris) a. w. 3, 183;
ſunder-gleiƷ l. ſunder-glîƷ (nitor peculiaris) Wh. 2, 178b;
ſunder-golt (aurum eximium, purum) Parc. 20b 134a,
oder iſt in beiden ſtellen von koſtbarkeiten die rede, die
ohne gold (ſunder golt) verfertigt ſind?; ſunder-klage;
ſunder-lant (regio) Parc. 175c Wh. 2, 14b 206b; ſunder-
lëger (cubile ab aliis remotum) Parc. 159c; ſunder-liute
(homines proprii); ſunder-munt (lingua pecul.) Wh. 2,
179b; ſunder-nôt kl. 3370; ſunder-rinc (conventus remo-
tus) Parc. 161c 174b 190a Wh. 2, 14a 144a; ſunder-rotte
Parc. 148c; ſunder-ruof Wh. 2, 155a; ſunder-ſchar Parc.
191b; ſunder-ſchif Flore 27b; ſunder-ſchîn (ſplendor va-
rius) Parc. 176c; ſunder-ſiech (leproſus) Oberl.; ſunder-
ſiz Parc. 55b; ſunder-ſlâ (veſtigium peculiare) Wh. 2, 96a
107b; ſunder-ſprâche cod. pal. 361, 40a wovon das verb.
ſunder-ſprâchen Gudr. 22b 46b; ſunder-ſtarc Nib. 1947;
ſunder-ſtuol MS. 1, 28b; ſunder-trahte (edulium) v. d.
minnen z. 413; ſunder-trôſt Ben. 145; ſunder-trût (ama-
tor) Parc. 106a ſunder-triutel MS. 1, 88a; ſunder-varwe
(color particularis) MS. 1, 202b; ſunder-wâpen (inſigne
pecul.) Parc. 52a aber ſunder wâpen (wâfen?) MS. 1, 52a;
ſunder-wint (ventus peculiaris) Gudr. 58b. Nhd. ſind alle
dieſe compoſita ausgeſtorben. Sie ſcheinen bisweilen den
nebenſinn von falſch und böſe zu haben, vgl. ahd. ſun-
tar-guot, agſ. ſundor-hâlig, mhd. ſunder-bluot, ſunder-
wint und erinnern an die mit ab- und aber- (ſ. 709.);
im altn. herrſcht die privative bedeutung (ſe-, dis-) vor.
Eine andere beziehung finde ich zwiſchen der zuſ. ſetzung
mit ſunder-, und der eigentlichen mit ſëlb- (ſ. 638),
vgl. ſunder-walt mit ſëlb-walt und die untheilnehmende
zurückgezogenheit auf eignes verdienſt drückt ſich gerade
ſo in den wörtern ſelbſt-dünkel, ſelbſt-ſucht, eigen-dün-
kel, eigen-liebe aus. Daher entſprechen die altn. com-
poſita mit ſër- (ſibi), dem dat. des pronomens dritter
perſon, einzelnen ahd. mit ſuntar- ganz genau, z. b. ſër-
gôdr (arrogans) dem ſuntar-guot, und ſër-lyndr (diffici-
lis, moroſus) mag einerlei ſein mit ſundr-lyndr. In der
regel hat jedoch ſunder-, ohne ſchlimmen nachdruck, die
bedeutung des eigenthümlichen, ſelbſtändigen und heim-
lichen (ſingularis et privati).


altn. til- (ad-) dän. til-, ſchwed. till-, eine trennbare,
den nord. mundarten eigne partikel; denn daß ſie dem
goth. du-, ahd. zi-, zuo-, agſ. të-, tô- identiſch ſei und
[768]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
wohl gar die vollſtändigere form enthalte, läßt ſich mei-
ner anſicht nach nicht beweiſen (ſ. 722.). Apocope des
l iſt ſonſt ohne beiſpiel (eher ſchwindet m und n, wes-
halb die vermuthung eines gam-, gan- für ga- nicht hier-
her gezogen werden kann), außerdem widerſpricht die
abweichende caſusrection der praepoſition (til erfordert
ſtets den gen., du, zi meiſt den dat., nie den gen.) und
die dem til zu grund liegende wurzel lebt im ahd. zil
(ſcopus) agſ. til (aptus, bonus) goth. ga-tils (bonus) *).
Mit til- werden folgende nomina zuſ. geſetzt: til-bod
(oblatio); til-bôt (additamentum); til-brigdi (conſilium);
til-burdr (eventus); til-drâttr (occaſio); til-eygdr (ſtrabo
und mulieroſus, erläutert das ahd. ſûr-ougi, welches bald
lippus, bald amator bedeutet, oben ſ. 656.); til-felli (ca-
ſus); til-ferd (exordium); til-föng (aſportatio); til-gângr
(acceſſus); til-gâta (aenigma); til-giöf (antidorum); til-
hald (ſplendor veſtium); til-hœfi (veri ſimilitudo); til-koma
(adventus); til-lag (additamentum); til-lâtſemi (venia); til-
leitr (= til-eygdr); til-lit (aſpectus); til-læti (favor); til-
mæli (petitio levior); til-nafn (agnomen); til-rædi (ag-
greſſio); til-ſión (aſpectus, cura); til-ſlâttr (praetextus);
til-ſögn (informatio); til-ſtilli (procuratio); til-ſvar (re-
ſponſum); til-tak (conamen); til-tala (vocatio in jus); til-
tæki (conſilium); til-vik (geſtus) u. a. m. Bemerkenswerth
iſt, daß alle ſolche compoſita erſt in der ſpätern proſa,
noch nicht in der edda vorkommen.


tus- (δύς, aegre) ahd. zur-, altn. tor-, allen übrigen
dialecten geht es ab. Goth. bloß tuz-vêrjan (dubitare)
Marc. 11, 23. ein ſubſt. tuz-vêrei (dubitatio, ſuſpicio) oder
ein adj. tuz-vêris (ſuſpicioſus) δύςπιστος, ſchwergläubig,
hartgläubig vorausſetzend. Ahd. zur-ganc (defectio)
hrab. 959b N. 65, 4. zur-ganclîh (temporalis) monſ. 387.);
zur-heil (debilis) gefolgert aus zur-heilendi (debilitatus)
ker. 77; zur-luſt (taedium, faſtidium) doc. 246b zuor-luſt
N. Cap. 133. zur-luſtig (voluptuarius) N. Cap. 132. Boeth.
129. zur-luſt-lîh (faſtidioſus) monſ. 332. und das abgelei-
tete zur-luſtan (taedere) monſ. 329. beßer zur-luſtôn monſ.
354; zur-triuwe (perfidus) N. 88, 45; zur-wân (ſuſpicio)
[769]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
monſ. 342. zur-wâni (ſuſpicioſus) jun. 252. 260. zur-wâ-
nen (deſperare) T. 32, 8. (wo der überſetzer inde ſpe-
rantes f. deſperantes nahm?); zur-wâri (ſcandalizatus)
monſ. 413. zur-wârî (ſuſpicio) doc. 246b monſ. 373. zur-
wârida (ſcandalum) jun. 225; zur-wërf (repudium) monſ.
323. Altn. tor-bœnn (δυςπαραίτητος) ſæm. edd. 223b;
tor-feldr (auch -veldr, difficilis); tor-fœra (δύςβατον);
tor-gætr (aegre reparabilis); tor-höfn (atrophia); tor-
kendr (notu difficilis); tor-leidi (via impedita) tor-merki
(difficultas); tor-næmr (hebes) tor-næmi (hebetudo); tor-
râdr (difficultate preſſus); tor-rëk (amiſſio); tor-ſôttr (dif-
ficilis acquiſitu); tor-tryggr (ſuſpicax) tor-trygd (ſuſpicio)
tor-tryggja (dubitare, fidem non habere); tor-tión (grave
damnum). Dieſe ganz untrennbare part. kommt in ihrer
wirkung der eigentl. comp. mit miſſa- (ſ. 470.) und wa-
na- (ſ. 655.) ziemlich nahe, vgl. zur-triuwa mit mis-trauen,
zur-heil mit wana-heil. Das ahd. zur- hat mit zar-,
zër- (ſ. 723.) bloß zufällige und äußerliche ähnlichkeit,
denn 1) letzteres lautet goth. dis-, erſteres tus-; 2) letz-
teres mangelt im altn., erſteres iſt, als tor-, vorhanden.
3) letzteres componiert ſich nur mit dem verbum, erſte-
res nur mit dem nomen *). 4) letzteres iſt zuſ. geſetzt
aus zi-ar, zi-ir, erſteres ſcheint mir unzuſammengeſetzt,
da kein goth. tus aus du-us hervorgeht. Iſt es aber wur-
zelhaft, ſo kann es mit taíran (nr. 326.), wie ich oben
ſ. 31. irrig annahm, nichts zu thun haben, welche wur-
zel auf taúr, nicht auf tus führt. Die verlorne ſcheint
vielmehr tiufan, táus, tuſun (wie liuſan, kiuſan) daher
auch ahd. zur- wie chur (nicht zor, chor). 5) der ſinn
beider partikeln iſt verſchieden, tus- bedeutet ſchwierig-
keit und mangel, dis- trennung, beide begegnen ſich
bloß, inſofern beide verneinen. So möchte freilich zur-
ganc und zur-wërf an die verba zergehen, zerwerfen er-
innern, ſagt aber eigentlich misgang, fehlgang, miswurf
aus, nicht untergang, zerwerfung. Eher berührt ſich
das ahd. zur- mit ahd. ur- (ex), vgl. ur-druƷ (taedium)
ur-wâni (deſperatus) ur-luſtêr (deſidioſus), ohne daß hier-
aus eine förmliche verwandtſchaft dürfte gefolgert wer-
den. Zur- drückt wie mis-, un- bisweilen das böſe aus:
zur-wân (argwohn) zur-luſt (prava cupido, voluptas).
C c c
[770]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
6) von vermiſchung des lat. dis- mit gr. δύς- (dys-) zu
handeln, iſt hier nicht der ort.


þana? (inde) ahd. dana-? ich kann dieſe partikel al-
lein ſtehend nicht beweiſen, im gegentheil lautet die trenn-
bare ahd. form danana, agſ. þanon, mhd. aber dan neben
dannen. Die goth. adv. þana-máis und þana-ſeiþs (am-
plius) ſetzen aber im erſten wort den ſinn von inde vor-
aus. Ebenſo die ahd. dana-numft (elatio) doc. 207b;
thana-trîp (repudium) T. 29, 9; mhd. dan-vart (diſceſſus)
Parc. 194c, und mit dannen: dannen-wanc Flore 54c. Es
kann ihrer noch mehr geben.


þar- (ibi) ahd. dar-, agſ. þär-, altn. þar-, häufig ge-
trennt; zuſammengeſetzt findet ſich bloß das altn. þar-
viſi (manſio ibi). Ahd. un-dara-lîh, un-dar-lîh (obliquus,
impar) kann wegen des agſ. þäſlic und mhd. un-dære
nicht hierher gehören (oben ſ. 625.).


þaírh- (per) ahd. durah-, agſ. þurh-, mangelt im
altn. (und wird mit gagn-, gegn- ausgedrückt). Ulf. bie-
tet nur compoſita mit verbis dar. Ahd. dhurah-chunt
(manifeſtus) J. 343; thuru-thëo (ſubjectus) ker. 90; thu-
ruh-hlutor (praeclarus) ker. 111. 255; duruh-kengîc monſ.
401; duroh-gôt (perfectus) ſgall. 189; thuruh-luzîc (per-
parvus) ker. 223; duruh-noht durah-noht, (perfectus, con-
ſummatus) K. jun. 239. monſ. etc. durh-nohte N. (das
zweite wort dunkel); dureh-ſiunîc (perſpicuus) doc. 234b;
thuruh-ſlaht (ſumma) T. 30, 2. (zi thuruſlahtî, onmino);
dhuruh-fartlîh (extricabilis) jun. 184. durh-fertîg (tranſi-
torius) N. 143, 14. Agſ. þurh-bëorht (perſpicuus); þurh-
bittor (peramarus); þurh-fare (locus pervius); þurh-hâlig
(penitus ſanctus); þurh-hefig (praegravis); þurh-hvît (per-
albus); þurh-lâð (perodioſus); þurh-ſûne (pellucidus);
þurh-ſpêdig (praedives); þurh-vaeol (pervigil); þurh-vêrod
(praedulcis.) Mhd. durch-edele Bert. 241; durch-gründe
Oberlin 262; dur-liuhtic MS. 1, 23b 45b; durch-lûter Triſt.;
dur-nehte, dur-nehtic (perfectus) MS. 2, 127b Triſt. etc.;
dur-ſihtic Triſt.; durch-vart Vrîb. Triſt. Nhd. durch-
bruch; -fahrt; -fall; -fluß; -gang, -gängig; -guß; laß;
-laucht, -lauchtig; -lauf; -reiſe; -ſchlag; -ſchnitt; -ſicht,
-ſichtig; -trieb; -wachs; -zoll-; -zug. Das verſtärkende
durch vor adj., welches grade in der frühern ſprache am
häufigſten erſcheint, iſt meiſtens abgekommen, wiewohl
man noch durch-naß, durch-warm ſagen hört.


uf- (ſub) trenubar und praepoſition, z. b. þata uf hi-
mina Luc. 17, 24, hat ſich nur im goth. erhalten und
mangelt allen übrigen deutſchen ſprachen. Zuſammen-
[771]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ſetzungen bot Ulf. bisher bloß mit verbis dar, die mai-
länder fragmente gewähren auch zwei mit nom.: uf-ái-
þêái (ἔνορκοι) Neh. 6, 13. f. uf-áiþjái vom ſg. uf-áiþis
(áiþeis?) qui ſub juramento eſt; uf-kunþi (ἐπίγνωσις)
Tit. 1, 1, dem häufigen verbo uf-kunnan (cognoſcere)
entſprechend; uf-gakunþs (aeſtimatio) läßt ſich aus Luc.
3, 23. nicht deutlich darthun.


ahd. oba- (ſuper, ſupra) ſcheint formell gleichviel mit
dem vorhergehenden goth. uf (wiewohl es das gegen-
theil bedeutet), und aus dem folgenden ufar, obar, upar
durch unorganiſche apocope des r hervorgegangen. Denn
einerſeits mangelt nun die bedeutung ſub gänzlich, an-
drerſeits iſt ein überfluß der formen oba und obar für
die bedeutung ſupra unverkennbar. Den organiſmus des
goth. uf und ufar beſtätigen außerdem ὑπό und ὑπέρ,
ſub und ſuper (ſupra, vgl. cum, contra): Vielleicht ſind
auch darum der ahd. mhd. nhd. compoſita mit oba- ſo
wenig und der mit ubar- ſo viel. Im altn. iſt die ver-
derbnis vorgeſchritten und of- vielen zuſ. ſetzungen eigen,
die ahd. ubar- haben, bemerkenswerth auch die berüh-
rung des altn. of mit um (circa, inter) und dadurch mit
und, undir. Ahd. comp. oba- kenne ich nur: op-dahi
(doma) monſ. 337. od-dach doc. 227a (aſſimiliert?); obe-
ſiht (cura, inſpectio) N. Boeth. 212. 265; oba-kifëht
(expugnatio) ker. 36. Mhd. obe-dach troj. 34a 51a 122c
MS. 1, 188b; obe-man (praepoſitus) troj. 14c 182c. Nhd.
ob-acht; ob-dach; ob-hut; ob-mann; ob-ſicht (Logau);
ob-ſieg; ob-ſtand (Leſſing) ſcheint nach dem lat. obſiſto
falſch gebildet. Agſ. mangelt dieſe part. und wird durch
ofer ausgedrückt (of iſt = äf, ahd. aba; vgl. ſ. 708.); Beov.
26. ſcheint jedoch of-môdig ſtatt des üblichen ofer-môdig
(ſuperbus) Cädm. 6. 7. 8. geſetzt. Die nicht ſeltnen altn.
compoſita mit of- geben meiſt den ſinn von nimis, alſo
des ahd. ubar-,: of-æſi (ſudes graviuscula) von âs (trabs);
of-ât (comeſſatio); of-beldi (violentia); of-bod (horror);
of-dirfd (temeritas); of-dryckja (ebrietas); of-dyri (ὑπερ-
θύριον
); of-fylli (crapula); of-gamall (nimis vetus); of-
gyldr (ſuperbia); of-lâtr (homo ſuperbus) of-læti (inſo-
lentia); of-lendr (abterraneus); of-menni (vir adverſario
nimius); of-mikill (nimis magnus); of-mæli (hyperbole);
of-nefni (cognomen ineptum); of-qvæni (uxor marito ni-
mia); of-râd (nimietas conſilii); of-rîki (violentia); of-ſiô-
nir (invidia); of-ſôkn (perſequutio); of-ſögur (exaggera-
tio); of-ſtopi (intemperies animi); of-ſtŷri (res nimia);
of-tak (niſus ſupra vires); of-trauſt (nimia confiden-
C c c 2
[772]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
tia); of-þurr (aridus); of-vidri (tempeſtas); of-vit (ar-
rogantia).


ahd. obana- (deorſum) altn. ofan-: ahd. oban-enti
(ſ. 730.); altn. ofan-fall (imber frequens); ofan-vërdr (de-
ciduus).


ufar- (ſuper-) ufar-fulls (abundans) ufar-fullei (abun-
dantia) ufar-gudja (archiſacerdos). Ahd. ubar-, bei T.
als praep. auch obar (Graff p. 157.) doch nicht in der
compoſition, bei N. uber-, einigemahl ubir- (veranlaßt durch
das aſſimilierte ubiri): upar-âƷi (crapula) ker. 37. T. 146.
upar-âƷilî K. 43b monſ. 391; upar-kniwi (ſemur) ker. 137;
uber-hanc (aulaea) flor. 985a; ubar-hîwî (adulterium) T. 120;
ubar-huht (ſuperbia) ker. 6. monſ. 411. ubar-huhtîg T. 4, 7;
upar-îtali (ſupervacuus) ker. 255; upar-kan? (lues) ker. 181;
uber-laga (rhetorica declamatio) N. Boeth. 50; ubar-lîbo (ſu-
perſtes) jun. 225; ubar-lit (propitiatorium) jun. 220. von lit f.
hlit (operculum); ubar-ganoac (abundans) ker. 6; upar-megin
(vis magna) folgt aus upar-meginôn (praevalere) jun. 193.
217; ubar-muate (ſuperbus) N. 90, 1. 101, 10. ubar-muatî
O. II. 5, 14. ubar-muodîc J. 384; upar-brâchî (hyperbole)
ker. 172; uber-brâwe (ſupercilium) flor. 990a trev. 8a; upar-
ſlihtî (ſuperficies) monſ. 342. 385; uber-ſloufe (veſtimen-
tum) N. Cap. 102. vgl. ana-ſloufe (ſ. 711.); upar-ſpicchi
(arvina) ker. 12; uber-ſpringo N. 62, 12; uber-ſueif
(abundantia) uber-ſueifig N. 24, 17; ubar-trunk (vinolen-
tia) T. 146. ubar-trunchan (temulentus) ker. 68. 270. ubar-
trunchanî mon. catech. 37a K. 44a jun. 252; upar-fol
(crapulatus) hrab. 950a upar-fullî ibid.; uber-wân (ſuper-
bia) N. 30, 25. uber-wânîg N. 68, 36; ubar-want (victo-
ria) O. V. 10, 24. uber-wunt N. 70, 1. ſcheint zu beßern
in uber-wint, wie Boeth. 179. und N. 75, 4. 118, 37.
ſteht. Altſ. obar-muodi und -muodig (ſuperbus). Agſ.
meiſt ofer-, nur zuweilen auch ufer, ufor: ofer-æte (edax)
ofer-æt (ingluvies); ofer-blîðe (perlaetus); ofer-brædels
(operimentum); ofer-brav (ſupercilium); ofer-cêr (trans-
migratio); ofer-clife (praeceps); ofer-cräft (fraus); ofer-
cyme (ſuperventus); ofer-drenc, -drince (ebrietas); ofer-
dyre (ſuperliminare); ofer-eáca (additamentum); ofer-
ëald (valde ſenex) Beov. 134; ofer-ëaldorman (patriarcha);
ofer-ëtol (guloſus); ofer-färeld (tranſitus); ofer-fät (ni-
mis obeſus) engl. over-fat; ofer-feng (fibula); ofer-feoht
(victoria); ofer-flêde (inundatio); ofer-full (crapulatus);
ofer-gëare (effoetus); ofer-gëotol, -gitol (oblivioſus); ofer-
giſra (guloſus); ofer-hyge (ſuperbia) ofer-hygd Beov. 131;
ofer-hlûd (clamoſus) vorlaut; ofer-hoga (contemptor);
[773]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ofer-lîfa (reſiduus); ofer-mâðm (divitiae magnae) Beov.
222; ofer-medla (ſuperbia) Cädm. 89; ofer-môd (ſuper-
bus); ofer-nëod (perutilis); ofer-ſcëatt (nimium pretium);
ofer-ſcrud (veſtimentum ſuperius); ofer-ſëóc (admod. ae-
ger); ofer-ſläge (ſuperliminare); ofer-ſlæp (ſomnus nimius);
ofer-ſlop (indumentum ſup.); ofer-ſpræce (multiloquium)
ofer-ſpræcol (multiloquus); ofer-ſvið (nimius); ofer-tæle
(ſuperſtitioſus); ofer-þëarf (magna neceſſitas); ofer-vëder
(tempeſtas); ofer-viſt (guloſitas); ofer-vrigels (opertorium);
ofer-yðe (fluctuatio). Altn. ofr-, nur in wenigen com-
poſ. gleichbedeutend mit of-: ofr-bord (margo navis ſu-
perna); ofr-dâdugr (temerarius); ofr-efli (vis major); ofr-
hugi (nimis animoſus); ofr-kapp (inſolentia); ofr-lîtill
(permagnus); ofr-magna (ſupra vires); ofr-râda (violens);
ofr-ûngr (admodum juvenis); ofr-yrdi (jactantia). Da-
gegen findet yfir- in folgenden ſtatt: yfir-band (ligamen-
tum); yfir-bord (textum exterius veſtis); yfir-bragd
(aſpectus, praetextus); yfir-bôt (emendafio); yfir-burdir
(vires); yfir-dâd (vehementia); yfir-ferd (peragratio);
yfir-gângr (tranſitus); yfir-hërra (magiſtratus ſuperior);
yfir-hönd (poteſtas); yfir-höfn (epiblema); yfir-hûd (prae-
putium); yfir-klædi (veſtis ſuperior); yfir-lit (aſpectus);
yfir-litr (vultus); yfir-læti (magnificentia): yfir-madr (ſu-
perior); yfir-megna (praevalens); yfir-râd (dominium);
yfir-ſöngr (parentatio); yfir-ſiôn (error); yfir-ſkot (am-
biguitas); yfir-ſkrift (inſcriptio); yſir-ſŷn (providentia);
yfir-vald (magiſtratus); yfir-varp (praetextus), yfir-vætti
(ſuperpondium). Mhd. über- (nach dem ſeit dem 11. jahrh.
ublichen, vorhin erklärten ahd. ubir; oder läßt ſich noch bei
einigen uber- annehmen? keins von beiden im reim): über-
êre Bert. 184; über-gëlt (uſurae) Wh. 2, 109a; über-grôƷ
Bert. 174. 185; über-gulde Wigal. Triſt.; über-her (exerci-
tus praevalidus) troj. 60a; über-hêr (nimius) über-hêre (ſuper-
bia); über-kêre Wh. 2, 54b; über-kraft Wigal. Nib. Barl.
Karl 75b Bert. 223. über-krepfic (nimius) MS. 2, 170b; über-
krüpfe (nimia expletio ſtomachi) Parc. 67c; über-laſt m. Barl.
troj. 98a über-leſte fem. Triſt. Wh. 2, 121a über-leſte adj.
Herb. 25a; über-lede troj. 139b; über-leit Vrib.; über-gelîch
(praepotens) MS. 2, 6a; über-liebe Bert. 146; über-liſt (ars
ſumma); über-lût Nib. Barl.; über-mëƷ troj. 117c; über-muot
ſubſt. Nib. adj. Barl.; über-nehtic MS. 2, 144a; über-ge-
nôƷ (praevalidus) MS. 1, 104b w. gaſt 108a Triſt.; über-
genuht (abundantia) Barl.; über-tor (ſuperliminare) Wh.
2, 182b; über-wæge (pondus nimium) MS. 2, 79a; über-
wal (optima electio) Parc. 56c fem. (oder maſc. mit dem
[774]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
gen.- walles, abundantia?). Selten ſteht ober- und ſcheint
dann vom adj. obere (ſuperior) herleitbar: ober-hant Wigal.
409; ober-ort Bert. 148; ober-teil troj. 18a. Nhd. über-bau;
-bein; -decke; -druß; -fahrt; -fall; -fluß; -fracht; -gabe;
-gang; -hang; -klug; -kunft; -lang; -laſt; -lauf; -laut; -macht;
-maß; -muth-, -muthig; -reif; -reſt; -rock; -ſatz (uſura);
-ſcharf; -ſchlag; -ſchrift; -ſchuß; -ſchwang; -ſchwer;
-ſicht; -ſprung; -ſtolz; -theuer; -tritt; -voll; -gewicht;
-wurt; -zahl; -zug. Folgende haben ober-, welches nie-
mahls nimis ausdrückt, ſondern bloß das obere, höhere,
daher auch mit dem adj. componiert ſcheint: ober-amt;
-deutſch; -befehl; -hand; -haupt; -hemd; -knecht; -land;
-lippe; -gericht; -theil; -vogt; -welt u. a. m. In einzel-
nen ſchwankt der gebrauch, z. b. man ſagt über-rock ne-
ben ober-rock, die an ſich dasſelbe bedeuten. Ebenſo
gilt altn. yfir-nefni und of-nefni; das altn. yfir- entſpricht
oft dem nhd. ober-, und altn. of- dem nhd. über-.


ahd. umpi- (circum-), agſ. ymbe-, altn. um-; dieſe
trennbare partikel mangelt im goth. durchaus, wo ſie
durch bi- vertreten wird; ſollte umpi zuſammengeſetzt
ſein aus und-bi? aber dann würde ſich dieſes im goth.
vorfinden müßen und kaum ein agſ. ymbe, da oð für
und ſtehet, noch ein altn. um, da dieſem dialect bi fehlt,
entſprungen ſein; auch werden zumahl vor verba beide
partikeln geſetzt (umpi-pi-) und ſelbſt das gr. ἀμφί wi-
derſtrebt der vermuthung. Ahd. umbe-chuze (amictus)
miſc. 1, 37; umbi-hlauft (curriculum) ker. 78; umbi-hanc
(velamen) monſ. 360. 361; umpi-hûs (doma) monſ. 327;
umpi-huurſt (orbis) hrab. 952b umbi-wërft (orbis) T. 5,
11. umpi-wërft (aether) ker. 37; umbi-kanc (circulus)
K. 53b N. 139, 9; umpi-loh (clauſura) ker. 70; umbi-rinc
(orbis) jun. 237; umbi-ſëthalo (finitimus) ker. 135; umbe-
ſnit (eircumciſio) N. 47, 14; umbi-ſueift (perizoma) jun.
173; umbe-turna (circuitus) N. 30, 14; umbi-vart monſ.
397. Agſ. ymb-cêr (excitatio); ymb-cyme (conventus);
ymbe-färeld (circuitus); ymbe-gong (circuitus) zuweilen
ymbe-be-gong; ymbe-hoga (ſollicitudo); ymbe-hŷdíg (ſol-
licitus); ymbe-hvyrft (circuitus); ymbe-ryne (concurſus);
ymbe-ſëte (circumſeſſio); ymbe-ſpræce (ſermo); ymbe-
þonc (circumſpectio). Altn. um-bod (tutela); um-bôt
(emendatio); um-brot (molimen); um-bûd (apparatus);
um-dœmi (praefectura); um-fâng (complexus); um-ferd
(circuitus); um-gânga, um-gângr (ambulatio); um-gerd
(conditio rei); um-hyggja (cura); um-koma (auctoritas);
um-merki (terminus); um-mæli (petitio); um-râd (conſi-
[775]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
lium); um-ſât (inſidiae); um-ſiâ (providentia); um-ſkipti
(mutatio); um-ſkurn (circumcilio); um-ſlag (involucrum);
um-ſŷſla (procuratio); um-tal (rumor); um-varp (ſepi-
mentum); um-vindr (difficilis); um-yrdi (ambages verbo-
rum). Mhd. umbe-ganc; umbe-hanc Triſt. Barl.; umbe-
jac grundr. 261; um-bekreiƷ Triſt.; umbe-louf Barl.;
umbe-rede Triſt.; umbe-ſage Wigal.; umbe-ſæƷe (vicinus)
Triſt. Wh. 2, 14b; umbe-ſleif Wh. 1, 102b; umbe-trit
grundr. 261; umbe-vanc Triſt.; umbe-vart Barl. u. a. m.
Nhd. um-bruch; -fall; -fang; -frage; -gang; -hang;
-kehr; -kreiß; -lauf; -riß; -ſatz; -ſchlag; -ſchrift;
-ſchweif; -ſicht; -ſtand; -ſturz; -trieb; -tritt; -weg;
-wurf; -zug. Die part. behält vor dem nomen jederzeit
den ton, verliert ihn aber oft vor dem verbum. — Sie
berührt ſich, wenn auch unverwandt, mit bi-, vgl. ahd.
pi-loh, umpi-loh; goth. bi-ſunja, ahd. umpi-ſëdalo; ahd.
pi-fanc, umpi-fanc.


un- (in-) goth. ahd. altſ. agſ. mhd. nhd.; altn. ô- (für
on-, un-, wie â, î für an, in) ſchwed. o-, dän. u-. Frü-
heres ahd. una- (wie ana für ſpäteres an) läßt ſich aus
dem zu einzeln ſtehenden una-holda ker. 85. uno-holde N.
59; 2. nicht beweiſen, auch findet ſich, neben ana, nur
un- im goth. Formell ſcheint dieſe überall untrennbar,
ſtets betonte partikel ſowohl dem in als dem ana verwandt,
ihrer privativen bedeutung unbeſchadet (vgl. das altn.
vermindernde î-, vorhin ſ. 761.), wie das lat. völlig mit
der praep. in zuſammenfallende privative in- beſtätigt;
vielleicht ſind derſelben wurzel ïnuh und âna. Un- com-
poniert ſich bloß mit dem nomen, nie mit dem verbum
(abgeſehen vom participium), d. h. alle fälle, wo es vor
dem verbum erſcheint, ſetzen compoſition mit dem no-
men, von welcher ſie abgeleitet ſind, voraus. Die bedeu-
tung des un- iſt, wie geſagt, privativ, ſchwächend, kei-
neswegs rein negativ, gleich der des ni; mehr oder we-
niger fällt es in den ſinn von â-, aba-, miſſa-, wana-.
Daher auch un- keine verneinende pronomina bildet und
z. b. un-vaíhts, un-manna verſchieden iſt von ni-vaíhts,
m-manna; man kann agſ. villan für ne-villan (lat. nolle
f. ne-velle), weder un-villan noch in-velle ſagen. 1) zu-
ſammenſetzung des un- mit ſubſtantiven erfolgt ſeltner,
als mit adjectiven. α) vor leibliche ſubſt. (perſonen, thiere,
pflanzen) geſetzt gibt es den begriff des unnatürlichen,
verkehrten, böſen, aber meiſt für beſtimmte anwendun-
gen, nur bisweilen als allgemeiner gegenſatz zu dem, was
das ſubſt. enthält. Goth. un-hulþa maſc., lieber un-hulþô
[776]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
fem. (diabolus); gehört hierher unbiarja (θηρία) Tit. 1,
12? un-bi-arja kann ich nicht interpretieren, vielleicht
zu leſen unbaírja, unthiere, ungeheuer, vgl. ahd. përo
(urſus) von der wurzel baíran. Ahd. un-erbo (heres alie-
nus) Boeth. 71, einer der von natur zur erbſchaft nicht
berufen iſt; un-holdâ fem. (diabolus) ker. 85. hymn. 24,
3; un-wihtâre (homo vanus) N. 25, 5. Agſ. un-vin (inimi-
icus); un-väſtm (zizania). Altn. ô-drengr (nequam); ô-drœſi
(mala mulier) von drôs (femina ingenua); ô-madr ((homo
nequam); ô-tæti (homo pravus) von tâta (pupa)?; ô-þiôd
(mala gens); ô-vættr (daemon); ô-vinr (inimicus). Mhd.
un-diet (mala gens) Ernſt 32a Ottoc. 92b; un-holde c. p. 361,
74a; un-genôƷ (homo conditionis ſervilis), Oberl. 1835; un-
geſelle (παιδεραστής) MS. 2, 135b (vgl En. 1041. und
frauendienſt p. 129.); un-volk (= undiet) Oberl. 1868;
un-fruht (zizania) Triſt.; un-wîp (concubina, ſcortum)
MS. 1, 116b Orlenz 1970; un-gewürme (vermes noxii)
Oberl. 1842. Nhd. un-hold (malus genius); un-kraut
(zizania); un-menſch (homo crudelis); un-thier (mon-
ſtrum). Einigemahl werden ſächliche begriffe durch vor-
ſetzung der part. zu leiblichen, vgl. altn. hamr (exuviae
mit ô-hemi (informe corpus); hrôs (laus) mit ô-hrœſi
(vir inglorius); mâl (loquela) mit ô-mâli (infans); ahd.
faſel (ſemen) mit un-faſel (inſecta) Keiſersp.; in un-ge-
ziefer iſt mir die wurzel dunkel. — β) vor abſtracten be-
griffen drückt un- zwar oft das bloße gegentheil aus, oft
aber miſcht ſich eine eigenthümliche gelindere oder här-
tere, nach mundart und zeit ſchwankende beſtimmung
bei. Goth. un-agei (ἀφοβία, ſeveritas); un-háili (morbus);
un-ſêlei (perverſitas). Ahd. un-chraft (imbecillitas) monſ.
350. 393; un-chunni (ſpurium) doc. 241a; un-chuſt monſ. 373.
O. II. 7. 111. un-chuſtig N. 109. 1; un-danch (ingratiae); un-
dûra (mala ſecuritas) N. Boeth. 26; un-ende (ἀτέλεια) N. Boeth.
213. 263; un-êra (obſcuritas, injuria) monſ. 363. 378. N. Boeth.
81; un-hant (praecipitium?) N. Boeth. 191; un-heili O. V. 16,
82; un-lad? (exuberantia) ker. 119; un-luſt (luxus, prava cu-
pido) ker. 181; un-gimah (moleſtia); un-maht (infirmitas) T.
22, 1; un-maƷî (crapula) ker. 67. von maƷ (cibus)? oder un-
mâƷî, von mâƷ (modus)?; un-muoƷa (occupatio) monſ.
358. 376. 385; un-quidi (apocrypha) ker. 40; un-râd (eclo-
gium? auswurf des ſchlechten?) ker. 111; un-redina (ab-
ſurditas) O. I. 22, 33. II. 4, 139. III. 13, 95. 16, 111. IV.
15. 51; un-ſcaf (ſuperſtitio) ker. 255; un-ſcama (turpi-
tudo); un-ſlâf (lucubratio) N. Cap. 41; un-ſûpar (ſordes)
ker. 150. 183; un-ſtillî (intemperantia) monſ. 402. (procella)
[777]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ker. 275; un-giſtuomi (petulantia) monſ. 391; un-tât (ma-
cula) monſ. 327. 357. vgl. das nhd. kein unthätchen (nulla
macula); un-tiuphî (ſyrtes) monſ. 367; un-underſkeit N.
Boeth. 218; un-unſt (invidia) N. 104, 25. un-unſtig N. 36,
12; un-fridu (tempeſtas) monſ. 358; un-fruma (damnum)
ker. 91. 169; un-forhta (neverita) N. Cap. 53; un-gafuori
(incommodum) monſ. 402. 410; un-wân (quod praeter ex-
ſpectationem contingit) O. V. 4, 39; un-wirdî (indignatio)
O. IV. 12, 47; un-willo (faſtidium) aus dem verbo zu folgern;
un-witari (tempeſtas) ker. 146. hrab. 970a un-gewitere N.
106, 23; un-wunna (triſtitia) O. IV. 7, 70; un-wizi (furor)
O. III. 9, 16. 18, 54; un-zît N. Boeth. 35; un-zuht (in-
diſciplinatio, inquietudo) monſ. 373. 374. un-zuhtîc (in-
diſciplinatus, remiſſus) monſ. 354. 356; un-gezumft (ſedi-
tio) N. Cap. 52. T. 133. Agſ. un-æmta (impedimentum, nego-
tium); un-âre (dedecus); un-cyſt (vitium); un-dæd (fla-
gitium); un-dôm (injuſtitia); un-lond (ſolitudo, eremus);
un-ræd (conſpiratio); un-rîm (multitudo, unzahl) Beov.
94. 232; un-ſvica (ſecuritas); un-tîma (tempeſtas); un-
geþanc (mala intentio); un-þeáv (vitium) u. a. m. Altn.
ô-âr (annonae difficultas); ô-âta (res non veſca); ô-beit
(faſtidium); ô-bifr (id.); ô-bragd (aſpectus deformis); ô-
bœn (exſecratio); ô-dâd (nefas); ô-daun (foetor); ô-dœmi
(malum exemplum); ô-efni (flagitium); ô-eyra (inquie-
tudo); ô-fâ (defectus boni coloris); ô-fall (infortunium);
ô-fiöt (nefas); ô-farir (iter infelix); ô-friðr (hoſtilitas);
ô-frœgd (infamia); ô-gâ (incuria); ô-gagn (incommodum);
ô-gângr (tumultus); ô-gerd (mala intentio); ô-gledi (tri-
ſtitia); ô-grynni (immenſa copia); ô-gæfa (infortunium);
ô-happ (id.); ô-heill (id.); ô-hliód (ululatus); ô-hôf
(immodeſtia); ô-hrodi (quiſquiliae) verſtärkung des einfa-
chen hrodi, das ungefähr das nämliche heißt; ô-hugi (in-
dignatio); ô-hŷra (auſteritas); ô-knitti (nefas); ô-koſtr
(vitium); ô-kynni (flagitia); ô-lag (inertia); ô-lân (infor-
tunium); ô-land (terra infelix); ô-lempi (mala gratia,
unglimpf), ô-leſtr (mala fama); ô-leyfi (injuſſus); ô-lid
(impedimentum); ô-lîfi (mors); ô-lucka (infortunium);
ô-lund (indoles prava); ô-lyſt (taedium); ô-mak (labor);
ô-mæli (nefas dictu); ô-mâttr (debilitas); ô-megin (deli-
quium); ô-menſka (ignavia); ô-merkja (vanitas); ô-minni
(oblivio); ô-mynd (forma laeſa); ô-næmi (tarditas ingenii);
ô-nâð (indignatio); ô-nytja (inutilitas); ô-ord (mala
fama); ô-qvædi (dictu nefas); ô-râd (conſilium impru-
dens); ô-rêttr (injuria); ô-rô (inquies); ô-rŷmi (anguſtiae
loci); ô-ſannr (iniquitas); ô-ſâtt (diſſidium); ô-ſekja (in-
[778]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
nocentia); ô-ſidr (mos perverſus); ô-ſkil (iniquitas); ô-
ſköp (fata iniqua, vulgo immenſa copia); ô-ſlêtta (inae-
qualitas); ô-ſmeckr (ſapor ingratus); ô-fmîdi (opus rude);
ô-ſpekt (factio, turba); ô-ſtiórn (impotentia animi); ô-ſvinna
(imprudentia); ô-ſŷni (forma deformis); ô-ſynja (voluptas);
ô-tal (innumera multitudo); ô-tîd (tempus importunum);
ô-tili (opus dictu immane); ô-tîmi (infortunium); ô-tôt,
ô-tœti (lanificium rude); ô-trû (perfidia); ô-þaga (res in-
grata); ô-þarfi (res inutilis); ô-þefr (foetor); ô-þeckt (res
ingrata, ſtercus); ô-þerrir (tempeſtas humida); ô-þocki
(offenſa); ô-þol (impatientia); ô-þrif (tabes); ô-þurft (in-
commodum); ô-vægi (immenſa gravitas); ô-vandi (liber-
tas, mos pravus); ô-vani (inſuetudo); ô-vari (impruden-
tia); ô-vëdr, ô-vidri (importuna tempeſtas); ô-vëgr (loca
invia); ô-vendi (res prava); â-vërk (malum facinus) vgl.
ahd. un-wërah-pârîc monſ. 328; ô-vili (faſtidium); ô-virda
(dedecus); ô-vîſa (maleficium); ô-vit (inſcitia) u. a. m.
Mhd. un-art Triſt.; un-gebære Nib. un-gebærde Triſt.; un-
bilede, un-bilde (maleficium, veneficium) e. p. 361, 67c 89b
Wigal. troj. 79c; un-danc (ingratiae, dann auch maledictio)
Jw. 40a Nib. Triſt.; un-gedanc (prava cogitatio) Triſt.; un-
dinc Triſt.; un-ê Bert. 79. 80; un-êre Triſt.; un-guot Triſt.;
un-guete Barl.; un-gehabe Wigal. Bon.; un-heil Triſt.;
un-kraft Parc. 123a Nib.; un-kunde Triſt.; un-kunſt Barl.;
un-kuſt MS. 2, 206a; un-gelimpf Wigal.; un-geloube Wi-
gal. un-gelücke Triſt.; un-gemach (moleſtia); un-mâƷe; un-
minne (amor perverſus) Parc. 85a Herb. 109b troj. 52c; un-
muot Nib.; un-gemuete; un-muoƷe (occupatio) Barl.; un-ge-
nâde; un-genande (deſperatio) Parc. 57c; un-geniſt (con-
demnatio) liederſ. 1, 483; un-genuht Parc. 140c; un-prîs Parc.
162b troj. 141a; un-rât (inopia, defectus) Jw. 45c Wigal. Barl.;
un-geræte Barl.; un-rëht; un-ruoch Triſt.; un-ſælde;
un-geſchiht Wigal.; un-ſchult Parc. 112a; un-geſlehte
Parc. 34b; un-ſin Triſt.; un-ſite (furor); un-ſtate (moleſtia);
un-ſtæte; un-tât (nefas) Parc. 100a Triſt.; un-trôſt Wigal.
Barl. Karl 33b; un-triuwe; un-tugent; un-gevelle; un-vart
Wh. 2, 108b un-geverte; un-fuoc Ms. 2, 149a Triſt. un-fuoge
Parc. 84b W. 2, 86b; un-fuore Bert. 272. un-gefuere Triſt.;
un-fröude Barl. un-gewalt (deliquium animi) Herb. 87a; un-
wërt Barl. Triſt.; un-gewin Wigal.; un-witze Barl. Triſt.;
un-gewürte Bon.; un-zuht (mali mores) Nib. u. a. m. Nhd.
un-art; un-gebuhr; un-ding; un-gedult; un-ehe; un-ehre;
un-fall; un-flat; un-fleiß; un-form; un-friede; un-ſug; un-
grund; un-gunſt; un-heil; un-koſten; un-kunde; un-glaube;
un-glimpf; un-glück; un-luſt; un-gemach; un-muth; un-
[779]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
name; un-gnade; un-vernunft; un-pflicht; un-rath (col-
luvies); un-recht; un-ruhe; un-beſcheid (ſtultitia) Opitz;
un-geſchmack; un-ſchuld; un-ſinn; un-beſtand; un-ſtern
(infortunium); un-geſtüm; un-that; un-tiefe; un-treue;
un-tugend; un-werth; un-wetter, un-gewitter; un-wille;
un-zahl; un-zeit; un-zucht (turpitudo, ſcortatio). —
2) der mit un- componierten adjective gibt es eine große
menge und es iſt weder thunlich noch nöthig, die anfüh-
rung derſelben zu erſchöpfen, da (wenigſtens nach un-
ſerm heutigen gefühl) theoretiſch jedes adj. durch ein vor-
tretendes un- ſeiner bedeutung beraubt werden kann. Aus
dieſem grunde hat die partikel hier auch nicht den ſchwan-
kenden und ſtärkeren ſinn, wie vor ſubſtantiven, ſondern
mehr den der abſtracten verneinung. Goth. un-barnahs
(improlis); un-brukja (inutilis); un-fagrs (ingratus); un-
hráinis (impurus); un-karja (incurius); un-lêds (pauper);
un-ſêlja (malus); un-ſibja (ſceleratus); un-ſvêrs (inhono-
ratus); un-tala (immoriger); un-triggvs (infidus); un-
vahs (inculpatus). Ahd. un-adaliſc (degener) monſ. 407;
un-chiuſc (ſqualidus) wovon un-chûſkî (ſqualor) ker. 150;
un-an-chund (ignarus) N. Boeth. 55; un-piderbi (inutilis)
um-pi-tharbi (vanus) ker. 57; un-emiƷîc (importunus)
monſ. 385; un-êri (irreverens, contumelioſus) monſ. 355.
356; un-hold (inimicus) N. Cap. 52; un-gehërz (diſcors)
hrab. 960b; un-hôno (inculpatus) O. II. 4, 41; un-horſc
(iners) un-hurſkî (inertia) ker. 159; un-ga-hiuri (imma-
nis); un-kanz (temeratus, non integer) un-genzi (macula)
monſ. 425; un-liup (non optatus) monſ. 377. 380; un-
gamah (abſtruſus, moleſtus) ker. 23. monſ. 325; un-mâƷi
(ingens) ker. 55. 243; un-mëƷlîh (luxurioſus) ker. 64; un-
manalomi (immanis) ker. 158; un-milti (immitis) ker. 157. un-
ôdi (difficilis) ker. 8. T. 3, 8; un-pauhhinîc (ignavus) ker. 158;
un-plîdi (triſtis); un-prâhhi (rigidus) ker. 238; un-rûmi (ſa-
cer?) ker. 21; un-ſcaf (enormis) ker. 116. 164; un-ſcolo (in-
ſons) ker. 170; un-giſlaht (degener) doc. 241b; un-giſtuom)
(inſolens) monſ. 377; un-ſtâte (inconſtans) N. Boeth. 199; un-
vruot (vecors) monſ. 336. 351; un-wâge (ponderis vacuus)
N. Boeth. 95; un-gewaltig ibid. 246; un-wëgig (immobilis)
N. 124, 1; un-wërd (ignobilis) monſ. 325. 380; un-wis
(ignarus) ker. 166; un-witari (tempeſtuoſus) ker. 202. u.
a. m. Agſ. un-brâd (non latus); un-blîðe (moeſtus); un-
bryce (inutilis); un-bëorht (non lucidus); un-clæne (im-
purus); un-cûð (incognitus); un-cyme (ignobilis); un-
dëóp (non profundus); un-dyrne (apertus); un-fæle (im-
probus); un-fäſt (inſtabilis); un-grêne (non viridis) Cädm.
[780]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
3, 73; un-hâl (aeger); un-hâr (calvus) Beov. 29; un-hŷre
(immitis); un-hold (infidus); un-læda (miſer, improbus);
un-litel (multus); un-mæne (ſincerus); un-mæte (immo-
dicus); un-riht (injuſtus); un-rîpe (immaturus); un-rot
(moeſtus); un-ſcëarp (obtuſus); un-ſifer (impurus); un-
ſmêðe (aſper); un-ſôð (falſus); un-ſtilte (inquietus); un-
ſtrang (infirmus); un-ſvëotol (obſcurus); un-tîde (intem-
peſtivus); un-trum (infirmus); un-vemme (intemeratus);
un-vëorð (indignus); un-vêrig (indefeſſus); un-vis (igna-
rus) u. a. m. Altn. ô-ætr (non edulis); ô-argr (impa-
vidus); ô-blauðr (ſtrenuus); ô-blîðr (auſterus); ô-bradr
(lentus); ô-diarfr (timidus); ô-driugr (fluxus); ô-fagr
(turpis); ô-feigr (vivax); ô-fimr (tardus); ô-friófr (ſteri-
lis); ô-gladr (triſtis); ô-glöggr (ſtupidus); ô-hagr (impe-
ritus); ô-hardr (lenis); ô-hnâr (torpidus); ô-hŷr (auſte-
rus); ô-klâr (ſubobſcurus); ô-leiðr (gratus); ô-lettr (gra-
vis); ô-liúfr (invitus); ô-môðr (indefeſſus); ô-nŷtr (inuti-
lis); ô-ragr (impiger); ô-ramr (debilis); ô-rîkr (pauper);
ô-rôr (inquietus); ô-ſannr (fictus); ô-ſeinn (celer); ô-ſkîr
(obſcurus); ô-ſæll (miſer); ô-tamr (inſuetus); ô-tîdr (in-
frequens); ô-tregr (lubens); ô-þŷdr (rigidus); ô-vandr
(facilis); ô-viſſ (incertus) u. a. m. Mhd. un-danc (non
acceptus) MS. 1, 127a; un-gebære (indecorus); un-gâƷ
(incoenatus); un-gehiure; un-holt; un-kunt; un-lanc;
un-lôs (honeſtus) Parc. 48b 66a; un-gemach (moleſtus);
un-manec Barl.; un-mære (non dilectus); un-gemeit (di-
rus); un-minne (non dilectus) Parc. 85a; un-genæme
Wigal.; un-nütze; un-rëht; un-ſenſte; un-ſihtec Barl.;
un-ſlëht (iniquus); un-geſunt; un-frô; un-wæge (inuti-
lis) Triſt.; un-wërt u. a. m. Nhd. un-bändig; -blutig;
-deutſch; -echt; -edel; -fähig; -faul; -frei; -gültig; -ge-
heuer; -lieb; -nütz; -rein; -ſauber; -ſchön; -ſchuldig;
-ſicher; -getreu; -wahr und viele andere. — 3) die par-
ticipia
ſcheinen als adj. des un- vollkommen fähig, doch
kommt a) das part. praeſ. in einigen mundarten ſelten
damit gebunden vor; goth. ohne bedenken: un-baírands
(non ferens) Luc. 3, 8. Joh. 15, 2; un-galáubjands Luc. 9,
41; un-habands (non habens) Luc. 3, 11. 19, 26; un-rôd-
jands (mutus) Marc. 7, 37. 9, 25; un-ſaíhvands (coecus)
Joh. 9, 39. Ahd. ſind mir aber nur aus O. und T. bei-
ſpiele bewuſt: un-bëranti O. I. 5, 118. T. 2, 2; un-zigan-
ganti (non deficiens) T. 35, 4; un-arlëſkenti (inexſtingui-
bilis) T. 13, 24; un-tarônti (innocens) T. 199, 1. die an-
dern quellen bilden lieber förmliche adj. z. b, un-galoubo
(incredulus) un-ziganganlih (oben ſ. 693.); un-zimahhôndi
[781]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
(divictiſſimo?, vielleicht invictiſſimus) ker. 83. un-ziſcêt-
hendi (ſo l. ich f. unziſcethedi, inſerabile, vielleicht inſe-
cabile?) ibid. ſcheinen mehr den ſinn der lat. part. auf
-ndus zu geben. Mhd. beiſpiele fehlen mir ganz, denn
die participialen adverbia un-ſlâtende Ulr. Triſt. 2603. un-
wiƷƷende (1, 1020.) ſind doch etwas anders. Selbſt nhd.
haben dergleichen zuſ. ſetzungen ihr ungewohntes, man
ſagt eben nicht: unglaubende heiden, untragender acker.
unredender mann etc. eher ſchon: unliebende eltern,
unvermögende, unwißende leute. unentweihende hände;
ich glaube, daß dichter ohne gefahr neue bildungen wa-
gen dürfen und einführen werden. Im agſ. und altn. iſt
ihr gebrauch frei, wie im goth. (vgl. ſ. 691.). b) un-
vor dem part. praet. ſtehet überall (auch im hochd.) ſo
häufig und uneingeſchränkt, daß ich mich aller beiſpiele
enthalte. — 4) das übrige verbum leidet kein un- vor ſich;
lediglich können aus ſchon gebildeten nominibus mit un-
ſchwache verba abgeleitet ſein. Anders ausgedrückt: es
gibt keine ſtarken verba mit un- und alle damit zu-
ſammengeſetzt ſcheinenden ſchwachen ſupponieren no-
mina, in welchen die compoſition bereits vorgegangen
iſt. Un- alſo geſtattet nicht, was miſſa-, fulla-, wana- aus-
nahmsweiſe geſtatteten (ſ. 587. 670. 671.). Beiſpiele jener
ableitungen: goth. un-ſvêran (ἀτιμάζειν) Luc. 20, 11. Joh. 8,
49; un-vêrjan (indignari) Marc. 10, 14, 41. von un-vêrs,
un-vêris (commotus)? Ahd. um-muaƷôn K. 48a; un-ſtillê (in-
quietet) K. 48b; un-êran doc. 241a; un-fruotan (infatuare)
doc. 215b; un-plîdên (triſtari) ker. 6. 194. vgl. umplîthumês
(contriſtamur) ker. 210; un-wërdê (fordeſcat) monſ. 302. von
un-wërd (vilis); mir un-willôt (taedet me) N. Boeth. 229.
von un-willo (taedium); imo un-mahta (deliquium paſſus
eſt) N. Boeth. 131, von un-maht (deliquium) geleitet, alſo
mit dem inf. un-mahten (wie liuhten, praet. liuhta) nicht
von un-mugen (non valere), das nicht exiſtiert. Agſ.
un-clænſjan (polluere); un-mynegjan (obliviſci); un-rot-
jan (triſtem reddere) un-rotſjan (contriſtari); un-ſyngjan
(peccato liberare) von un-ſynnig (culpâ liber); un-ſtilljan
(commovere); un-vëorðjan (dehonorare); un-vlitegjan
(deformare) von un-vlite (deformitas) [in verſchiednen
von Lye angeführten compoſitis ſteht un- für on-, = ent-,
welche mit unſrer partikel nicht zu vermiſchen ſind].
Altn. ô-fagna (triſtari); ô-glediaz (triſtari); ô-heimila (poſ-
ſeſſionem alicui interdicere); ô-hêlga (profanare); ô-maka
(moleſtare); ô-nŷta (inutile reddere) etc. Mhd. un-gebæ-
ren c. p. 361, 64d; un-bilden a. Tit. 91. Nib. 5897; un-
[782]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
êren Jw. Barl.; un-mæren (odioſum reddere) Parc. 166b Triſt.;
un-minnen MS. 2, 210b a. Heinr. 203a; un-prîſen Nib. 8227;
un-rähten Triſt.; un-ſchuldigen Nib. 4186; un-ſiten (male
ſe habere, ſurere) Maria 133. fr. bell. 40a von un-ſite
(malus habitus, mos turpis, inſanus); un-ſinnen (inſanire)
Triſt.; ge-un-ſueƷen (aceſcere) a. Tit. 157; un-trœſten
Nib. Barl. a. Heinr. 198b. Nhd. ſind ſolche wörter ohne
vorſetzung einer weitern partikel ungebräuchlich, man
ſagt: ver-un-ehren; ver-un-glimpfen; be-un-ruhigen; ver-
un-treuen; ver-un-zieren. — Anmerkungen: α) die par-
tikel iſt zumeiſt gerecht für adj. (und participia), minder
für ſubſt.; man kann ſie ſich zu allen adj. hinzudenken,
nicht zu allen oder nur vielen ſubſt. Sie hat vor dieſen
leicht einen ſtärkeren, vor jenen einen gelinderen, mehr
abſtracten ſinn. Vorzüglich gern nehmen ſie vielſilbige,
ſelbſt ſchon zuſ. geſetzte adj. an, vgl. nhd. unwiederbring-
lich, unwiederherſtellbar, ahd. unmiotegërn N. Cap. 120.
unbûhaft ibid. 143. etc. β) ſie läßt ſich auch vor adj.
nicht immer durch die gerade negation übertragen und
enthält wohl oft einen euphemiſmus. Unſchön, unlieb,
unklug etc. umgehen die härte des ausdrucks von häß-
lich, verhaßt, thöricht; das altn. ôklâr (unklar) bedentet
ſubobſcurus und, merkwürdig das altn. î- (ſub-) berüh-
rend, dient die gemuthmaßte verwandtſchaft zwiſchen ô-
und î-, un- und in- zu beſtätigen. γ) die ſchwankende,
ſtärkere bedeutung vor ſubſt. kann ſich eben auf eine ur-
ſprüngliche, gelindere gründen. Statt gewiſſe laſter baar
zu nennen, wurden die verhüllenden ausdrücke ungeſell,
unminne, unthat, unſitte, unzucht u. dgl. angewandt, bis
nach und nach ſelbſt dieſe eine ſchärfe annahmen, die nicht
in der eigentlichen wortbedeutung liegt. Jedes ſolche
wort iſt aus ſeiner zeit und aus ſeinem ort zu beurtheilen,
daher die große verſchiedenheit, z. b. zwiſchen dem nhd.
und ahd. ausdruck un-zucht, un-zuht, oder dem ahd.
un-tât (macula) und altn. ô-dâd (nefas). δ) die dem un-
verwandten partikeln â-, ab-, bi-, zur-, oder auch die ei-
gentlichen compoſitionen miſſa-, wana- ſind bisweilen
eben ſo gebraucht worden. Ihre verwandtſchaft unter-
einander erhellt aus der vergleichung von un-chuſt, â-
chuſt; ô-vëgr, â-wicki; un-unſt, ap-unſt; un-wîp, bî-wîp;
un-luſt, zur-luſt; un-wân, zur-wân; un-unſt, mis-gunſt;
un-glück, mis-glück etc. ε) manche wörter kommen
ohne die partikel gar nicht mehr vor, z. b. das nhd. un-
flat, un-geſtüm, un-geziefer; das mhd. un-dære, ahd. un-
daralîh, das goth. un-barnahs etc. Dahin können na-
[783]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
mentlich verſchiedne der ſ. 688. 689. 693. angeführten
zuſ. ſetzungen gerechnet werden. ζ) einige ahd. compo-
ſita mit un- haben auch männliche nomina propria abge-
geben, z. b. un-arc, un-foraht, un-frid, un-ruoh, un-wân.


und- (ad, usque) früher wohl unþ? weil im agſ. oð,
ôð dafür ſteht, aber mit noch weiterer lautabſtufung ſo-
gar untê (f. undê), welchem goth. und, untê die ſchwan-
kenden ahd. formen unti, unzi, unz entſprechen; mhd.
unz, nhd. ausgeſtorben. Ob dieſe part. mit der copula
und (et) altn. enn verwandt ſei? gehört nicht hierher.
Sie ſcheint kaum vor nominibus zu ſtehen und, woran
man denken könnte, das goth. und-aúrni (oben ſ. 337.)
deshalb nicht mit ihr coniponiert, weil die agſ. form
und-ern lautet, nicht oð-ern, auch die wurzel -aúrni,
ahd. -orn höchſt bedenklich wäre; unt-kenkëo (naufragus)
ker. 107. iſt unſicher, vielleicht ant-kenkëo (der entron-
nene? vgl. ant-runnëo, profugus und pi-kenkëo, extorris)
und das agſ. uð-genge (deciduus, tranſitorius) Beov. 159.
uð-vita (ſapiens, philoſophus). Goth. únd agſ. verba mit
und-, oð- werden unten vorkommen, keine ahd. Das
altn. und (= undr, ſub) iſt wiederum verſchieden und
ſteht ohnehin nicht in compoſitis.


altn. undan- (ſubter), gleicht in der bedeutung mehr
[dem] nhd. ent-, als unten (ſubtus), iſt aber (wie die lat.
partikeln lehren) genau damit verwandt. In der compo-
ſition hat es bald ſubter (unten durch, von dannen) bald
praeter, prae auszudrücken: undan-bragd (impedimen-
tum); undan-drâttr (tergiverſatio); undan-fari (prodro-
mus) undan-ſör (praecurſus) undan-ſœri (effugium); un-
dan-hallr (declivis); undau-kemba (ſtupa lanea); undan-
rëkſtr (effugium); undan-ſkot (tergiverſatio); undan-ſkurdr
(pinguiſſima pars carnium balaenae); undan-vik (ceſſio,
receſſus).


undar- (ſub, inter); kein goth. beiſpiel von compoſition.
Ahd. under-chinni (ſubmentum) flor. 990a trev. 8b; under-
chleine (gnarus? oder das ſubſt. fundamentum?) N. Cap.
82; untar-thioh (ſubditus) O. I. 22, 113; untar-habitha
(ſublevatio) ker. 255; untar-lâƷ (intermiſſio, interſtitium)
monſ. 324. 331. 338. 346. etc.; undir-march (finis) N. 8,
1; untar-merchi (chaos, intervallum) T. 107. untar-marh-
lîh jun. 192; untar-penti (diſcriminale) monſ. 332. unter-
gebende doc. 241a; untar-poto (mediator) monſ. 375; un-
ter-prah (interruptio) monſ. 334. (oder praet. des verbi?);
under-brâwe (cilium) N. Cap. 121; untar-pruſt (inter-
ruptio) doc. 213a; unter-purgî (ſiliae, vielleicht kinder,
[784]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
unterpfänder, pignora amoris) monſ. 339. 361. [331. ſtehet
unter-purigî]; undar-ſcheit (diſtantia) J. 350. untar-ſceit
(diſtantia) jun. 183; untar-ſiuni (ſpectaculum) hrab. 975a;
untar-ſleiht (ſubſecivus) monſ. 379; untar-ſtal (interval-
lum) jun. 210; untar-ſtunta (idem) K. 30a 45a; untar-
ſualaht? (intercapedo) ker. 165; untar-ſuâs (mutuus) jun.
213. [vielleicht untar ſuâſun, inter amicos?]; untar-friſt
(diſtantia); untar-wîla (interſtitium); untar-wurſ (inter-
jectio) ker. 165. Agſ. under-burh (ſuburbana); under-
cyning (regulus); under-feng (ſuſceptio); under-ſolgoð
(ſubſequela); under-gëoca (jumenlum); under-hvitel (faſci-
culi ſcirpei); under-hvrædel (ſubligaculum); under-lâteov
(dux inferior); under-ëodor Beov. 79; under-rodor (coe-
lum inferius) Cädm. 3; under-ſcyte (ſubingeſtio); under-
ſyrce (ſuppar); under-þëov (ſubditus); under-vedde
(pignus). Altn. undir-briôtr (conſilia clandeſtina); undir-
briti (ſubpromus); undir-diûp (abyſſus); undir-ſörull (va-
fer); undir-furda (ſpectaculum) vielleicht von undur-
(miraculum) zu leiten; undir-gângr (occaſus); undir-giſt
(alimentum); undir-haka (pinguedo ſub mento); undir-
hyggja calliditas); undir-lag (ſtratum); undir-leitr (cer-
nuus); undir-lendi (planities); undir-hôs (refractio lumi-
nis); undir-læga (ſuccuba); undir-madr (ſubditus); undir-
mâl (fraudes); undir-rôt (cauſa, origo); undir-ſâti (ſubdi-
tus); undir-ſkriſt (ſubſcriptio); undir-ſtaða (baſis, mate-
ries). Mhd. under-bot MS. 2, 154a; under-bint (diſcrimen)
Triſt. Geo. 30b 44b; under-lâƷ (intermiſſio) Barl.; under-reit
Wh. 2, 3a; under-ſcheit Parc. 41a Barl.; under-ſlac Parc.
129c; under-ſwanc Wh. 2, 3b Barl.; under-tân (ſubditus)
Nib.; eigentlich part. praet., das aber ſubſt. geworden
iſt, wie das neugebildete under-tænic Nib. beweiſt, da
ſonſt aus part. praet. keine adj. auf -ec geleitet werden;
under-viz (diſcrimen) Parc. 55b. Nhd. unter-amt; -bett;
-hlatt; -ſutter; -gang; -halt; -haus; -hemd; -kinn;
-könig; -lage; -land; -laß; -leib; -lippe; -mann; -pſand;
-richt; -rock; -ſatz; -ſchied; -ſchleif; -ſchrift; -than,
thänig; -theil; -welt u. a. m. — Anmerkungen: 1) die be-
deutung von inter-, dis- beſchränkt ſich auf die hochd.
mundart, wie ſie auch der hochd. praepoſ. von jeher
eigen iſt (Graff p. 177. 178.). 2) nur die altn. zeigt den
böſen ſinn von trug, liſt (vgl. hinter-). 3) wo räum-
liche lage ausgedrückt wird, könnte auch das adj. (der
untere) im ſpiel ſein.


ahd. uo- (re-, poſt) agſ. ô-, eine untrennbare, ſeltne
und in andern dialecten gar nicht vorfindliche partikel;
[785]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ſie ſcheint ſich bloß an nomina zu binden, nicht an
verba. Die wenigen beiſpiele ſind folgende: ahd. uo-cha-
lawêr (recalvaſter) monſ. 322. doc. 205a ua-chalawêr jun.
223. u-calewer jun. 347; ua-qhuëmo (poſterus) jun. 217;
ua-chumſt (ſucceſſio) jun. 226; uo-quumila, ſchw. fem.?
oder -ilo ſchw. maſc.? (racemus, acinus, ein ſich über-
rankendes, traubengewächs?) monſ. 322. 334. 357. doc.
239a; uo-hald (proclivis) monſ. 404. ua-hald O. V. 17, 56.
ua-haldî (loca abrupta, praeceps) jun. 221. doc. 242b; ô-
wahſt (ſtirps) hrab. 952a 975a. Agſ. ô-hëald, ô-hylde
(pendulus); ô-gengel (obex, der hinter der thüre hängt?).
Aus der neuern ſprache weiß ich nur ein einziges wort,
welches nunmehr völlig klar ſein wird, das in der volks-
ſprache haftende o-mad (foenum ſecundarium, cordum)
hin und wieder zu omet, ombde, emde, omt, emt
entſtellt (vgl. oben ſ. 407.). Die ahd. rechte ſorm uo-mâd
(d. i. nach-mad, zweites mähen) läßt ſich vermuthen, das
verderbte â-mâd (cremium) trev. 19a blaſ. 57b, das beßere
mhd. uemet (:gebluemet) oder oumet (: geſoumet) noch
bei Conr. muſ. 1, 64. weiſen. Zur beſtätigung heißt es
in andern dialecten; nach-gras, na-gras, na-mât, et-grôn
(brem. w. b. 1, 322.) nnl. êt-groen (von ët-, it-, = re-) d. i.
neu-grün, wieder-grün, wie man auch et-fenne ſagt *);
das grummet der ſchriftſprache mag aus gruon-mâd ent-
ſpringen. — Allmählige entbehrlichkeit der partikel uo-
ergibt ſich aus den ſynonymen abar-, it-, nâh-, hinter-,
wieder-, her-; man vergleiche avur-chalo, avar-purt, it-
purt, nach-komme, wieder-kunft, her-kunft etc. Uebri-
gens ſcheint uo-, ô- ſelbſt ſchon unvollſtändige form;
welcher conſonant dabei zu grund gegangen iſt, kann ich
noch nicht herausbringen.


ïup (ſurſum), ahd. ûf, agſ. up (neben upp), altn. upp,
nhd. auf, trennbar und ſpäterhin praep. Goth. in keiner
zuſammenſetzung. Ahd. ûf-chumft (ortus) hrab. 970b;
ûf-chumi (oriens, origo) ker. 15. 38. 54. ûſ-quimi (exor-
dium) ker. 103; ûf-hald (ſurſum vergens) O. V. 1, 74;
ûf-hevî (elevatio) N. 140, 2; ûf-himil (coelum ſuperius)
weſſobr. 2; ûf-hôhî (excelſa) ker. 57; ûf-hûs (cardines) ker.
278. (triclinium) jun. 230. wirceb. 978a; ûf-canc (ortus) ker.
168. N. 41, 1; ûf-lenkî (ſtadium) hrab. 975a (ſtatura) doc. 240b
ſetzt ein ûf-lanc (erectus) voraus; ûf-lîh (ſublimis) ker. 24. T.
D d d
[786]III. partikelcompoſition — part. mit nom.
131. und ſubſtantiviſch ûf-lîh (culmen, anagoge, olympus)
ker. 38. 52. 219; ûf-manigî (turba ſuperior, coeleſtis) N.
Cap. 157; ûf-runs (ortus) N. 102, 12. Agſ. up-cund (coe-
leſtis); up-cyme (ortus); up-ende (polus); up-fëax (recal-
vus); up-flore (area ſuperior); up-gang (aſcenſus); up-
godas (ſuperi); up-heáh (ſublimis); up-hëofon (coelum
ſuperum); up-lîc (ſupernus); up-land (montana terra);
up-lang (erectus) Beov. 59; up-lyft (aer ſupernus); up-
rîce (regnum coeleſte); up-riht (arrectus); up-ryne (or-
tus); up-rodor (coelum ſuperius) Cädm. 3. 72. 74; up-
ſpring (ortus); up-vëg (via ſurſum ducens); up-vare (ſu-
peri); up-vëard (erectus); up-yrne (ortus). Altn. upp-
blâſtr (inflammatio, tumultus); upp-bod (indicatio judicia-
lis); upp-bôt (aequamentum); upp-burdr (audacia); upp-
drâttr (negotium); upp-eldi (educatio); upp-för (aſcen-
ſio); upp-fôſtr (educatio); upp-gângr (aſcenſus); upp-gerd
(figmentum); upp-giöf (deditio); upp-grip (copia); upp-haf;
upp-heimr; upp-himinn; upp-hæð (coelum excelſum); upp-
hlaup (tumultus); upp-hlutr (mamillare); upp-kaſt (vomitus);
upp-koma (eruptio); upp-lag (conſilium); upp-leſtr (reci-
tatio); upp-lióſtr (calumnia); upp-lok (apertura); upp-
miór (acuminatus); upp-nâm (praeda); upp-næmr (appre-
henſibilis); upp-râs (ortus); upp-reiſt (rebellio); upp-regin
(ſuperi); upp-rêttr; upp-riſa (reſurrectio); upp-rof (deminu-
tio ningoris); upp-rôt (everſio); upp-runi (ortus); upp-
ſala (vomitus); upp-ſâta (ſtatio navalis); upp-ſkâr (mani-
feſtus); up-ſkrift (catalogus); upp-ſlâttr (conſilium volubi-
le); upp-ſprëtta (fons); upp-ſtaða (ſurrectio); upp-ſtöckr
(ira praeceps); upp-tak (initium); upp-vadſla (temeritas);
upp-vöxtr (adoleſcentia); upp-vîs (manifeſtus). Mhd. nur
ſehr wenige: ûf-rëht (erectus) Triſt. ûf-rihtic (id.) ibid.;
ûf-ſlac (induciae); ûf-vart MS. 2, 154a Barl. Nhd. auf-
gebot; -bruch; -fahrt; -gang; -guß; -kauf; -kunft;
-lage; -lauf; -nahme; -putz; -recht; -richtig; -riß;
-ruf; -ruhr; -ſatz; -ſchlag; -ſchluß; -ſchnitt; -ſchrift;
-ſchub; -ſicht; -ſtand; -trag; -tritt; -wand; -wurf;
-zug. — Die frühere ſprache componiert mehr mit der
ruhigen bedeutung der part., als mit der bewegenden;
umgekehrt findet ſich im nhd. mit jener nur noch auf-
recht (nicht mehr auf-himmel, -land). Verſchiedene nhd.
compoſita mit bewegendem auf- entſprechen älteren mit
der partikel ur- (ur-riſt, ur-ſtende, auf-gang, auf-ſtand),
in denen das her ſtatt des hin berückſichtigt wurde. Es gibt
auch viele formeln für decompoſita, z. b. nhd. auf-ent-,
auf-er; altn. upp-â, upp-î.


[787]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.

us- (ex-) früher trennbar und praepoſition, ſpäter un-
trennbare partikel. Goth. us-druſts (aſpredo) Luc. 3, 5; us-
dâudô (ſollicite) Luc. 7, 4. ein adj. us-dáuds vorausſetzend;
uz-êta (praeſepium); us-faírina (ἄμεμπτος) Philipp. 3, 6;
us-filhs (ſepultura) Marc. 14, 8; us-filmei (ſtupor) Luc. 5,
26; us-láulei (redemtio); us-liþa (paralyticus) hängt mit
liþus (membrum) zuſammen, warum aber nicht us-liþiva,
-liþva? vgl. agſ. lið-adl (arthritis); us-qviß (perditio) Tit.
1, 6; ur-riſts f. us-riſts (reſurrectio); ur-runs f. us-runs
(oriens); us-ſindô (μάλιστα) Philem. 5, 16. von us-ſinds
(eximius); us-ſtaß (reſurrectio) Philipp. 3, 10. Luc. 2, 34;
us-ftiurei (luxuria) Tit. 1, 6. von us-ſtiuris (effrenatus)
vgl. us-ſtiuriba Luc. 15, 13; us-trudja (ſegnis) Luc. 18, 1;
us-vaúrhts (conſummatus, juſtus); us-vêna (expers ſpei,
deſperans) Luc. 6, 35. Ahd. uralt (decrepitus) hrab. 960a
(carioſus) ker. 66. 139. (lougaevus) monſ. 333; ur-kîſt
(reditus) jun. 224; ur-chnât (agnitio) jun. 194. 234; ur-
chumft (etymologia) monſ. 408; ur-chuſt (fraus) K. 53a;
ur-chundi (teſtimonium) T. 13, 4. monſ. 349. 359. 366. ur-
chundëo, -chundo (teſtis) und ki-ur-chundôn (conteſtari)
jun. 199. 251; ur-thâht (ſuſpenſus) ker. 255. ur-dâht N. 17, 46;
ur-danch (commentum, argum.) monſ. 413. flor. 985b; ur-
drëoƷ (moleſtia) monſ. 410; ur-druƷi N. Boeth. 69. ur-druƷîc
(moleſtus) jun. 213; ur-ërdëo (extorris) ſo l. ich f. ar-ërdëo
doc. 231a; ur-hap (cauſa, origo) ur-hab N. Boeth. 217. Cap.
79; ur-heiƷ (promiſſum temerarium, provocatio) O. III. 20,
194. IV. 5, 90. 13, 98. ur-eiƷ-koucha (ſtulti temerarii?) wenn
ſo für ureiƷ zu leſen iſt N. Boeth. 175. ur-heiƷo (ſuſpenſus,
incertus, arrogans?) ker. 259; ur-hirzi (excors, vecors)
ker. 107. 279. ur-hërz-môti (idem) ker. 279. ur-hërzêr
(excors) jun. 181. hrab. 961a; ur-hlôƷi (expers) hrab.
961a; ur-gawida (faſtidium) jun. 182. dunkler wurzel, vor-
ausgeht ur-ka-wiſôntêm (faſtidientibus) von ur-kawiſôn;
ur-gift (reditus) monſ. 402; ur-gilo (immenſe) O. IV. 24,
32. ſetzt ein adj. ur-gili? voraus [vgl. hernach das agſ.];
ur-gotilîh (portentuoſus) monſ. 376. von ur-got (idolum)?
oder iſt es einerlei mit ur-ketilîh (hirſutus) ker. 144?;
ur-guſe (affluentia) N. Boeth. 79; ur-lac (fatum) jun. 182.
ur-lag maſc. N. Boeth. 216. 219. Cap. 54. 61. 97. 117;
ur-lenti (peregrinus) ker. 44. 167; ur-laſtri (illuſtris, d. i.
purus, intemeratus?) ker. 117. (wo un-laſtri) 184; ur-
laup (licentia) ker. 122. ur-laubî K. 45b; ur-lôſî (redemptio)
N. 44, 3; ur-luſt (acedia, ἀκηδία) jun. 188. ur-luſtêr (de-
findioſus) ker. 86. ur-luſtlîh (acidioſus) jun. 188. ur-luſti-
ſôn jun. 230; ur-mâri (eximius) hrab. 961b 966a O. I. 18,
D d d 2
[788]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
9. ur-mârî (elegantia) ker. 100; ur-minni (non cogitans)
O. I. 4, 100; ur-môd (amens) ker. 143. ur-moad (deſpe-
ratus) ker. 93. ur-muoti (amens) jun. 233. hrab. 960b; ur-
ouge (disparens, evaneſcens) N. 7, 8. 90, 13. Cap. 63; ur-plôti
(exſanguis) hrab. 961a; ur-pôhhi (obliteratus) ker. 219;
ur-bot (oblatio) jun. 215; ur-chuiſt (nex)? vgl. ur-chui-
ſtan (enecare) monſ. 404; ur-rëſtî (reſurrectio) T. 7, 8.
209, 4; ur-riutto (exſtirpator) K. 40a; ur-runs (oriens) N.
p. 267a, 78; ur-ſcruofêr (ſpurius) monſ. 326. 379, das
zweite wort dunkel; ur-ſêli (exanimis) hrab. 961a jun.
204; ur-ſinni (alienatus) monſ. 386. ur-ſinnîc monſ. 366;
ur-ſlaht (ignominia) ſgall. 195. ur-ſlaht (varix) doc. 242a
vgl. fines wirceb. (fr. or. 1, 675.): in die niderôſtûn ur-
ſlaht furtes (trajectus); ur-ſorc (ſecurus) ker. 273. ur-
ſurgi (id.) T. 222, 3; ur-ſprâhha (eloquentia) monſ. 408;
ur-ſprâhhi (exanimis) hrab. 961a; ur-ſprinc (fons, origo,
caput) monſ. 319. 331. 398. 408. ur-ſpring N. Boeth. 179.
249; ur-ſtar (guloſus) ker. 140. verſtehe ich nicht; ur-ſtôdal
ſcheint ſolers, reſurgens? nach dem ſubſt. ur-ſtôthalî
(aſtutia) ker. 148. ur-ſtôtli (ſolertia) ker. 222. zu ſchließen,
ur-ſtôdahi (reſurrectio) mon. cat. 85b ändere ich in ur-
ſtôdalii, ur-ſtodalî; ur-ſuoh (exactio, probatio, tentatio)
monſ. 320. 354. 363. 373. doc. 242a N. 6, 5. 70, 3. 76, 3; ur-teili
(cognitio) monſ. 367. doc. 242b; ur-tiefel (rex diabolorum)
N. 90, 13; ur-toffî (temeritas) monſ. 411. etwa f. ur-topfî,
-topî, ausgelaßnes toben?; ur-triwi (infidus) ſgall. 194.
(ſuſpicioſus) K. 58b; ur-froſti (africus) ker. 36. ſcheint
misgriff des überſetzers, der den windnamen durch: a
frigus, ohne kälte deutete; ur-wâfni (inermis) hrab. 967b;
ur-wâni (deſperatus) ker. 222. O. I. 4, 104; ur-wicgi (ex-
tra viam) ker. 26. ur-wëke hrab. 967b; ur-wîhi (exſecran-
dus) jun. 204; ur-wir oder ur-wiri? (ſpado, eunuchus)
monſ. 356. doc. 242a vgl. ar-wiran (caſtrare) T. 100. von
dem veralteten wir (lat. vir, goth. vaír, altn. vërr), aus
welchem die ableitung wir-t (herus, dominus) oben ſ. 226.
ſtammt; ur-wërf (experientia) ker. 119. ur-wërf (aborti-
vus) doc. 242a; ur-wîſi (expulſus) O. II. 6, 75. vgl. ur-
wîs (digeris?) ker. 82; und wohl manche andere. Agſ.
or-blêde (exſanguis); or-ceápunga (gratis); ordâl (judi-
cium); or-dæle (expers); or-ëald (ſenex) or-eldo (ſenec-
tus); or-fëorme (exſul)? Beov. 178; or-gëllîce (valde,
admodum, extra modum) Boeth. p. 40. ſcheint mir das
ahd. ur-gilo, folglich ein agſ. adj. or-gël, or-gille, (im-
moderatus, immenſus, ſuperbus?) vorausſetzend, deſſen
zweites wort ſchon oben ſ. 640. im ahd. wît-chëlle (f.
[789]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
-këlle?) und ſ. 655. im agſ. vîd-gël, vîd-gille begegnet
iſt [Lye fügt das franzöſ. orgueil bei, noch näher liegt
das altfranz. adj. orgailhos, orgilos, ſpan. orgulloſo, ital.
orgoglioſo, für welche es allerdings an einer roman. er-
klärung mangelt; ein goth. us-gils wäre zu vermuthen;
vielleicht iſt oben ſ. 675. kein agſ. gêl-hërt, ahd. keil-hërz,
ſondern gël-hërt, kil-hërz anzunehmen? obgleich beide
wörter nach der ablautsformel geilan, gáil, gilun genau
verwandt ſein dürfen]; or-gylde (inultus); or-hær (depi-
lis); or-hlyte (exſors); or-läg (fatum) Cädm. 91. or-lege
(bellum) Beov. 101. 180; or-lëahtre (innoxius) Beov. 142;
or-mæte (nimius); or-mët (moles); or-môd (deſperatus);
or-ſâvle (exanimis); or-ſorg (ſecurus); or-þonc (inge-
nium, ars, fraus) Cädm. 70. 91. Beov. 33. 156; or-trëóve
(diffidens); or-tudre (improlis); or-vêna (ſine ſpe) Cädm.
48. 67. Beov. 77. 118; or-vige (imbellis); or-vite (amens);
or-vyrðe (dedecus). Altn. gewöhnlich ör- (avr-), zu-
weilen ſogar er-, richtiger or-, ûr- geſchrieben: ör-byrgr
(perpauper); ör-bœli (villa deſerta); ör-deyda (internecio)
vgl. goth. us-dáudô; ör-dœmi (rex exemplo carens); ör-
drag (jactus teli); ör-eyða (plena deſolatio); ör-gamall
(decrepitae aetatis) ör-gemlir (immenſae ſenectutis) vgl.
den eigennamen ör-gemlir, ör-gelmir ſæm. edd. 34b 35a;
ûr-illr (difficilis); ûr-kaſt (rejectio); ûr-kula (perfrigidus);
ûr-kynja (degener); ör-lendr, er-lendr, ûr-lendr (pere-
grinus); ör-lög, ör-log (fatum, bellum); or-lof (venia);
ör-magna, -megna (viribus caſſus); ör-miör (pertenuis);
ör-qviſi (viribus fractus); ûr-ſkurdr (deciſio); ör-ſmâr
(perexiguus); ör-ſnaudr (perpauper); or-ſök (cauſa); ör-
ſtuttr (perbrevis); ûr-ſvalr (perfrigidus) edd. ſæm. 165a
167b; ûr-taka (electio); ûr-tölur (dehortatio); ör-tröd
(paſcua depaſta); ör-þreyttr (labore fractus); ör-þrif (ni-
ſus extremus); ûr-þvætti (eluvies); ûr-val (res rejicula);
ör-vërpi (extrema foetura); ör-vëſi (aetas deorepita); ör-
uggr (ſecurus); ör-vinda, ûr-vinda (exanimis); ör-vita
(amens) er-vita ſæm. edd. 165b; ör-vænn, -vona (deſpe-
rans, inſperatus); ör-yrdi (verba libera). Mhd. ur-bor
(reditus) c. p. 361, 92b Parc. 77c Wh. 2, 91b 93a Nib.
Triſt. und davon das verbum ur-born Gudr. 35b a. Tit.
8; ur-bot Parc. 106a; ur-bunſt (invidia) Barl.; ur-druƷ
(taedium) Bon.; ur-ganc (ambulacrum) Rud. weltchr.;
ur-grunde kl. 2407; ur-gûl (aper) oben ſ. 633; ur-hap
Parc. 57a 76a 95a 105b 108b; ur-kint (nanus) heldenbuch,
vgl. das altengl. ur-chin b. Nares; ur-klein (perparvus)
Frib. Triſt.; ur-kunde (teſtimonium) Parc. 85a Wigal.
[790]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
Barl. Karl. 83b; ur-liuge (bellum) Nib. Barl. Parc. 87c Bert.
111. im 12. jh. ur-louc, vgl. 1, 353; ur-loup a. Tit. 70. Parc.
125a Nib.; ur-mære (maximus) c. p. 361, 11a 34b ſr. bell.
3708; ur-mâl Geo. 52a gehört nicht hierher, man beßere:
urinâl; ur-ſchiltes (ſubito?) ich kenne dieſes unerhörte wort
bloß aus drei ſtellen des ungedr. theils von Conr. troj. kr. bei
Oberl. 1909; ur-ſchîn (origo lucis) Mar. 132; ur-ſprino
Parc. 61a 67a 186b Geo. 1b 53b Mar. 28. troj. 57c etc. ſel-
ten ur-ſprunc Barl. 155. amgb. 14b Rav. 73. Diel. 8a; ur-
ſtende (reſurr.) Mar. 47. Bert. 146. 191; ur-ſuoch (expe-
rimentum) troj. 3a MS. 2, 211b ur-ſuoche Triſt.; ur-teil
und ur-teile (ſententia); ur-var (trajectus) c. p. 361, 9a
10d 17c 20c Parc. 130a 143a 148c 149b. c. 158c [ganz ver-
ſch. von dem ziemlich ſeltnen uover (ripa) Parc. 75a
145b agſ. ôfer, wofür mhd. gewöhnlich: ſtat, z. b. Parc.
68a]; ur-wære (fidem fallens? oder immitis tenax?) Triſt.
13229. vgl. ahd. zur-wâri und oben ſ. 577; ur-wîſe? ne-
ben für-wîſe Nib., vgl. ſ. 729. Nhd. ur-ahn; ur-alt, ur-
eltern; ur-bar; ur-bild; ur-born (ſcaturigo); ur-enkel;
ur-an-fang; ur-be-ginn; ur-heber; ur-kraft; ur-kunde;
ur-laub; ur-plötzlich (ſubito); ur-quell; ur-ſache; ur-
ſchrift; ur-ſprung; ur-ſtoff; ùr-theil; ur-groß-vater;
ur-zeit. In der volksſprache noch einzelne mehr, z. b.
ur-ſchlacht, ur-ſchlechten (variolae) ur-fahr und im ge-
richtsgebrauch oder in ältern diplomen: ur-fede (urpheda)
ur-gicht (confeſſio) ur-holz Oberl. ur-ſorge (ſecuritas)
ur-that (conſummatio). — Anm. 1) die part. verliert nir-
gends den ton. 2) der kurze vocal verlängert ſich im
altn. ûr- und im nhd. ûr-, aber dem altn. ûr- ſtehen
noch viele kurzvocalige ör- zur ſeite, dem nhd. ûr- das
einzige ùr- in ùr-theil, das wie vòr-theil (ſ. 728.) zu be-
trachten iſt. Hälte die verlängerung ſchon im mhd. be-
gonnen, ſo würden nhd. auer- ſtatt ûr- entſprungen ſein
(1, 697.). Ausnahme hiervon machen weder auer-hahn (te-
trao) noch auer-ochs, welche aus dem lat. mittell. uro-gallus
und urus (mhd. ûr, ûre) herrühren, folglich die deutſche par-
tikel nichts angehen, ſo ſehr ſie an die verſtärkende be-
deutung derſelben in ur-gûl, ur-fûl erinnern. 3) der
ſinn der partikel iſt ſehr verſchieden α) ſtärkend und er-
höhend vor adjectiven: us-dáuds, us-vaúrhts, ur-alt, ur-
gil, ur-mâri, or-ëald, or-gël, or-mæte, ör-gamall, ûr-
ſvalr, ör-ſmâr, ur-klein, ur-plötzlich, womit die ſ. 701.
verſuchte deutung von ſmal zu vergleichen. β) ſtärkend
vor ſubſt., mit dem begriff des anfänglichen, reinen,
erſten: ur-lac, ur-hap, ur-tiuvel, ur-kint, ör-vërpi, ur-
[791]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ahn, ur-bild, ur-quell, ur-anfang etc. γ) beraubend, ſel-
ten vor ſubſt. (ur-chuſt, häufig vor adj., die aber zum
theil erſt dadurch aus ſubſt. gebildet werden, oft für
ſchwache ſubſtantiva gelten können: us-liþa, us-faírina,
us-ſtiuris (zügellos), ur-hërzi, ur-hloƷi, ur-ſêli, ur-ſprâhhi,
ur-muoti, ur-ougi, ur-ſinni, ur-wâni, ur-wîhi, ur-wicgi,
ur-wiri, or-blêde, or-hær, or-môd, or-ſâvle, or-ſorg,
or-vêna, ûr-kynja, ör-magna, ör-qviſi, ör-vita, ör-vænn;
im mhd. hört dieſer privative begriff beinahe auf (vgl.
ur-wære), im nhd. völlig. δ) die natürliche bedeutung
der partikel (bewegung aus dem innern) herrſcht in: ur-
riſts, ur-runs, us-ſtaß, ur-ſprinc, ur-guſe, ur-riuto, ur-
ganc und endlich ε) eine gewiſſe abſtraction dieſer bedeu-
tung in: ur-chundi, ur-chumft, ur-druƷ, ur-heiƷ, ur-
ſuoh, ur-loup, ur-bor. 4) die verſchiedenheiten erläu-
tern ſich folgendergeſtalt. In γ und δ gilt das nämliche
aus aber in γ bezieht es ſich auf das zweite wort, nicht
in δ; anders geſaßt: in γ iſt das zweite wort der begriff,
aus dem die bewegung erfolgt, deſſen ſich entäußert
wird, in δ iſt das zweite wort das ſich bewegende (z. b.
urſprung, das aus dem fels ſpringende, us-ſtaß das aus
dem tod erſtehen). Daher können bei δ verba parallel
laufen (ur-rinnan, ur-ſpringan, ur-reiſan, us-ſtandan),
nicht bei γ, aber in den verbis wird der ſinn ſchneller
abſtract und die form der partikel veränderlich (daher
z. b. ahd. ar-ſpringan, ar-rinnan, nhd. er-ſtehen). Die
fälle α und β liegen dem δ wiederum ganz nahe, ihr ur-
deutet das ausgehen und beginnen an, nur ſtärker und
friſcher als bei δ, da ihnen keine verba zur ſeite ſtehen,
wenigſtens den meiſten nicht. Doch könnte man ur-hap,
ur-heber mit dem verwandten er-heben, ur-alt mit er-
alten zuſ. ſtellen und umgekehrt dem ur- in ur-ſprung
denſelben ſinn einräumen, der ihm in ur-bild zuſteht.
5) us- iſt eigentlich einerlei mit ar-, ir-, ër- (die in der
compoſition mit nominibus nicht erſcheinen) und mit
â- (ſ. 704-707.), welches im agſ. bloß verba, im ahd.
aber auch nomina vor ſich haben. Dieſes ahd. â- ſtehet
nur privativ, trifft alſo mit der bedeutung γ von ur-
zuſammen. In der regel bekommen die ahd, ſubſt. â-, die
adj. ur-, ausnahmsweiſe adj. â- (â-hërzêr, â-riup, â-teilo)
und ſubſt. ur- (ur-chuſt, geſchwächt ar-chuſt). Daher
z. b. â-hërzêr, â-wiegi mit ur-hërzêr, ur-wicgi gleichviel
find, man miiſte denn die letztern für etwas ſtärker hal-
ten, weil ihre partikelform lebendiger, ungeſchwächter iſt.
6) die bedeutungen des ur- berühren ſich mit dem po-
[792]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ſitiven fram-, frum-, vor- (prae-, pro-, per-) und dem
privativen fra-, far-; weshalb ſpäterhin ver-bunſt f. ur-bunſt
(ſ. 725.), ver-druß f. ur-druƷ; vgl. mit letzterm auch das
nhd. über-druß und mit ur-var, über-var, wie der alte
druck des Parc. in den angeführten ſtellen lieſt. An zur-
wâni, zur-luſt (ſ. 768. 769.) erinnern ur-wâni und ur-luſt,
ſtehen aber formell ſo gut von einander ab, wie â-keƷƷal
von ab-këƷƷal (ſ. 705.).


ut- (foras, foris) überall trennbare partikel, ſpäter auch
praepoſition; langer vocal im goth. noch nicht anzuſetzen,
wohl aber in allen übrigen ſprachen, zeugnis der ältern
kürze geben theils das engl. but (nicht bout, neben out),
folglich agſ. buton, butan, theils das altn. utan (nicht ûtan,
neben ût) vielleicht gilt auch noch ahd. uƷân, uƷana? Kein
goth. nomen mit ut- beim Ulf. Ahd. ûƷ-kanc (exitus) ker.
118. (wo ûƷ-kan) ûƷ-ganc (dyſenteria) doc. 242a; ûƷ-kôƷ
(effuſio) N. 50, 21. vgl. ûƷ-chuƷ 29. 10; ûƷ-lenti (terra aliena)
O.V.13, 36; ûƷ-lâƷ (concluſio) monſ. 339. 348. 377. 392. (finis)
N. Boeth. 96. 135. 202. 249. 261. 263. (fimbria) N. 44, 14;
ûƷ-leiti (exſequiae) doc. 242a; ûƷ-lît (exceſſus) K. 47b;
ûƷ-liute (alienigenae) N. 55, 1; ûƷ-bora (ſcobs) flor. 990a;
ûƷ-ſcazëo ſcheint ſgall. 195. zuſtehen, die lat. gloſſe iſt
aber unleſerlich, fur pauper würde ich eher ur-ſcazëo
erwarten; ûƷ-ſuht (dyſenteria) monſ. 367. doc. 242b (wo
idem bei dazwiſchengeſetzten uƷlaiti falſch iſt) monſ. 391.
ſinnloſes miuƷſuht; ûƷ-triht (trajectum, nom. urbis) blaſ.
84b trev. 35b; ûƷ-trippo f. tripëo (ejectus) monſ. 341.
ûƷ-trippa (conjux ejecta) monſ. 373. ûƷ-trippo (extorris)
N. Boeth. 33. N. 82, 10. 109, 11; ûƷ-fart (exitus) ker. 113;
ûƷ-wërt jun. 206. ûƷ-wërtig N. 59, 12; ûƷ-wërf (jactus)
ker. 42. ûƷ-wurft monſ. 367. Agſ. ût-cvëalm (bellum
internecinum); ût-dræfe (expulſio); ût-fär (exitus); ût-
färeld (idem); ût-gang (idem) ût-gefëoht (bellum exte-
rum); ût-fûs (proficiſcendi cupidus) Beov. 5; ût-hëalf
(pars externa); ût-here (exercitus exterus); ût-laga (exul,
exlex) engl. out-law; ût-land (regio extera) ût-lende (ex-
traneus); ût-lîc (exterus); ût-ryne (effluxus); ût-ſcyte
(eruptio); ût-ſëtl (ſedes extera); ût-ſiht (diarrhoea) rich-
tiger ût-ſyht; ût-fið (exitus); ût-væpnedmen (extranei);
ût-vëorce (dolor externus, haemorrhois); ût-vîking (pi-
rata extraneus); ût-vëard (exterus). Altn. ût-arfar (he-
redes collaterales); ût-bod (provocatio); ût-briôtr (irrita-
tio); ût-brot (impetigo); ût-burdr (expoſitio infantis);
ût-bær (facile venalis); ût-eyar (inſulae a continenti re-
motiores); ût-engjar (prata remotiora); ût-fall (eruptio);
[793]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
ût-ſerd (ſanies ex vulnere, eig. exitus); ût-för (exitus);
ût-gângr (id.); ût-gardar (pomoeria); ût-gerd (apparatus);
ût-gift (expenſum); ût-grynni (brevia, ſandbank); ût-hall
(crepuſculum veſp.); ût-hŷſi (caſa ſolitaria); ût-kiâlkar
(promontoria); ût-koma (exitus); ût-lât (largitio); ût-lauſn
(redemtio); ût-lægi -lægr (exul); ût-lönd (terrae exterae)
ût-lendr (peregrinus); ût-leidſla (eductio); ût-lit (vultus);
ût-mânadir (tres poſteriores menſes hiemis); ût-nyrdingr
(ventus caurinus); ût-râs (effluvium); ût-reid (certamen
equeſtre); ût-renſl (effluvium); ût-rôðr (piſcatura procul
a domo); ût-ſâð (ſemen); ût-ſaumr (acupictura); ût-ſkeiſr
(valgus); ût-ſkêr (ſcopulus maris); ût-ſkot (ſeceſſus in
domo); ût-ſkrippi (animal luciſugum); ût-ſkrift (exemplar);
ût-ſog (recurſus fluctuum); ût-ſuðr (libonotus, ſüdweſt);
ût-tekt (collectio redituum); ût-vali (electio); ût-vëgr
(acquiſitio); ût-vër (locus piſcaturae remotus); ût-vigt
(expenſio); ût-vördr (excubitor). Mhd. beiſpiele zum ver-
wundern ſelten, belegen kann ich nur ûƷ-geſinde Parc.
71c; ûƷ-trieht troj. 128c (vgl. 1, 775. 776.); ûƷ-vart Bert.
208; ûƷ-weidec (eximius, gratus?) vaterunſ. 932; ûƷ-zôc
(proceſſio) troj. 196. (Oberl.); doch ſind auch ûƷ-ganc, ûƷ-
leite nicht zu bezweifeln, und nach dem ahd. nhd. andere
zu muthmaßen. Nhd. aus-beute; -bruch; -geburt; -bund;
-bürger; -druck; -fahrt; -fall; -flucht; -flug; -fluß;
-fuhr; -gabe; -gang; -guß; -hauch; -kunft; -lage; -land;
-lauf; -leute; -mann (extraneus); -nahme; -rede; -ruf;
-ſaat; -ſage; -ſatz; -ſchlag; -ſchluß; -ſchnitt; -ſchuß;
-ſicht; -ſprache; -ſpruch; -ſteuer; -tauſch; -trag; -tritt;
-wahl; -wärts; -weg; -wuchs; -wurf; -zug. — Anm.
1) obgleich ûƷ, aus, allmählig praepoſitional geworden,
das ältere us, ur vertritt; bezeichnet es in der zuſ. ſetzung
doch nur ſelten und erſt viel ſpäter den begriff her, meiſt
den adverbialen begriff hinaus, d. h. nicht den anfang,
ſondern das ende. Daher man die früheren compoſita
ur-runs, ur-riſts, ur-ſtende gar nicht in nhd. aus-gang,
aus-ſtand übertragen kann, welche grade das gegentheil,
nämlich ſchluß und ende, beſagen würden, unerachtet
wir im verbo (freilich mit beifügung der praep. von)
aus-gehen für incipere brauchen. Der begriff des her
wird lieber mit auf- oder auf-er gegeben (auf-gang, auf-
er-ſtehung); nur einige ſchwerlich alte compoſita haben
dafür aus-, z. b. das zweideutige nhd. aus-fluß (von in-
nen her oder nach außen), vgl. aus-bruch, aus-wahl,
aus-weg. Noch viel weniger kann ûƷ-, aus- den priva-
tiven ſinn des ur-, â- belitzen. 2) bemerkenswerth iſt
[794]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
der gebrauch der part. in ûƷ-ganc, ûƷ-ſuht, ût-ſyht, ût-
vëorc, ût-brot, aus-ſatz (vgl. ſunder-ſiech ſ. 767. und
durchfall, -lauf ſ. 770.).


uta- (extra), ein dem ïnna-kunþs paralleles goth.
uta-kunþs (extraneus) vermuthe ich; agſ. uta-cund iſt
vorhanden.


utana- (extra), ahd. uƷan-andîc oder ûƷan-andîc
(ſ. 730.); agſ. utan-vëard (exterîor); altn. utan-ferd (pe-
regrinatio); utan-för (id.); utan-vërdr (exterior); nhd.
außen-land; außen-ſeite: außen-werk.


altn. ûti- (foris): ûti-dyr (antica); ûti-bûr (penuarium
ſolitarium); ûti-hûs; ûti-gângr; ûti-lëga (latrocinium);
ûti-ſkemma (cubiculum); ûti-ſtödur (carena); ûti-viſt (iter
maritimum). Einmahl auch ahd. ûƷi-trippa monſ. 373.


vàila- (bene, εὖ) goth. mit keinem nomen. Ahd. wala-
êhtî (poſſeſſio) J. 389; wëla-libî (deliciae) jun. 238; wola-queti
(benedictio) T. 3.3; wëla-q. jun. 250. wole-tât (benefactum)
W.; wola-vrêhtîc (emeritus) monſ. 380; wola-willîg (be-
nevolus) O. III. 10, 34. wëla-willîc ker. 43. Agſ. vël-
dæd (beneficium); vël-gecvëme (gratus); vel-gevlite (for-
moſus). Altn. vël-ferd (ſalus); vël-gengni (felicitas); vel-
gerd (beneficium); vël-lyſt (voluptas); vël-ſemð (honos);
vël-vild (favor). Mhd. wol-gehorn En. 35b; wol-luſt Bert.
226. 284. 291; wol-gemuot; wol-geſinne Triſt.; wol-geſite
Triſt.; wol-geſmag Bert. 246; wol-gevar. Nhd. wohl-
fahrt; wohl-feil; wohl-klang; wohl-laut; wòl-luſt (mit
bewahrter kürze, wie vôr-theil ſ. 728, ûr-theil ſ. 790.
vgl. das wôl-fel der volksſprache f. wohl-feil); wohl-ge-
muth; wohl-geruch; wohl-geſchmack; wohl-geſtalt; wohl-
anſtändig; wohl-that; (mhd. guot-tât, obgleich dieſes mehr
actio bona, als beneficium bedeutet).


agſ. altn. við- (contra, juxta, cum); dieſe den übrigen
dialecten abgehende part. verhält ſich zu viðer, viðr wie
cum zu contra, ab zu aber, und das goth. viþra, ahd. wi-
dar ſetzen ebenwohl eînfaches viþ, wid voraus. Agſ.
compoſita; við-ovëdol (contradictorius); við-flîta (repug-
nator); við-ræde (contrarius); við-ſtëal (obex). Altn.
við-beiſkr (ſubamarus); við-berjur (excuſatio futilis); við-
bit (pinguamen); við-bragd (tactus); við-bruni (aduſtio);
við-burdr (eventus); við-bœtir (appendix); við-fâng
(commercium); við-gângr (incrementum); við-gerd (re-
paratio); við-hald (conſervatio); við-höfn (ſplendor); við-
högg (truncus ſuper quo caeduntur aliae res); við-hryggr
(ſubtriſtis); við-koma (tactus); við-lîkr (ſimilis); við-lodi
(cohaeſio); við-lögur (neceſſitates); við-môt (geſtus); við-
[795]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
nam (refiſtentia); við-qvædi (epiſtrophe); við-ræda (col-
loquium); við-ſiâ (cautela); við-ſkipti (commercium);
við-ſmiör (oleum); við-ſtaða (obſtaculum); við-tak (ob-
jectum); við-vik (geſtus); við-vænîngr (tyro); við-væri
(manſio, victus). Die bedeutung iſt bald re- (dem folgen-
den widar- gleich), bald mit, bei, zu, vgl. við-burdr, við-
tak mit at-burdr, til-tak; in den adj. ſub- (vgl. altn.
î-, ô-).


viþra- (contra-, re-): viþra-vaírþs (oppoſitus). Ahd.
wider-chêr (converſio) N. 104, 5; widhar-chueti? (atrox) ker.
10; wider-hôrig (inobediens) N. 81, 2; Boeth. 127. wider-lieh-
ſene (repercuſſio luminis) N. Cap. 146. vgl. liehſen (lucidus)
N. 18, 9; wider-mâƷa (repenſatio) N. Cap. 95; wirthar-
mëƷ *) (repenſatio) ker 134. vgl. das abgeleitete wider-
mëƷôn N. 77, 2. Cap. 93. (N. 77, 68. wider-mâƷôn); wi-
dar-muotêr (injurioſus) K. 39b widar-môti hrab. 961b;
widar-përg (arduus) ker. 8. 15. widar-pirki K. hrab. 967a;
widar-pruht (obſtinatio) ker. 216. widar-pruhtîc (rebellis)
J. 383. (cervicatus) monſ. 355. wider-bruhtig (reſiliens)
N. 100, 7; wider-burt (regeneratio) N.; widar-ſcurk (re-
pudium) hrab. 959b; wider-ſihtig (torvus) N.; withar-
ſili? (obſtaculum) ker. 220; wider-ſprâcha N. 9, 7; widar-
ſtentîc (repugnans) monſ. 385; widar-tara (adverſatrix) monſ.
336; wider-fart N. Boeth. 118. Cap. 81; wider-flieƷ (diabo-
lus) N. 58, 4. vgl. nider-fal, -riſo (ſ. 763.); withar-wâkî (lanx)
ker. 185; widar-wart (adverſus) jun. 194. T. 81, withar-
wërt ker. 20. 26. 165. 247. widar-wërdî (controverſia)
ker. 65. widar-wërto (tergiverſator) jun. 252. O. I. 2, 57.
II. 3, 120; widar-wîgo (rebellis) jun. 223; widhar-zuomi
(abſurdus) J. 348. withar-zômi (villoſus, immanis) ker.
144. 158. widar-zoami (clandeſtinus) ker. 5; wider-zucch
N. Cap. 81. Altſ. widar-ſaco (hoſtis). Agſ. viðer-cora
(rebellis); viðer-cvide (contradictio, rebellio); viðer-flîta
(adverſarius); viðer-gyld (repenſatio) Beov. 154. viðer-
leán (recompenſatio); viðer-mêdo (punitio?) Cädm. 16;
viðer-môd (contrarius); viðer-ræde (hoſtilis); viðer-ſaca
(adverſarius) viðer-ſace (contradictio); viðer-ſpræce (id.);
viðer-ſtëall (reſiſtentia, obex); viðer-trod (regreſſus) Cädm.
45. Jud. 26; viðer-tŷme (moleſtus) vielleicht -tême?;
viðer-vëard (contrarius); viðer-vinna (adverſarius). Altn.
[796]III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
viðr-eign (commercium); viðr-lîfi (ſubſtentatio vitae);
viðr-mæli (colloquium); viðr-nefni (cognomen); viðr-ſiâ
(cautela); viðr-viſt (praeſentia). Mhd. wider-bot Wigal.;
wider-brühtee MS. 2, 128a; wider-dôƷ Wh. 1, 98a; wider-
drieƷ Bert. 247; wider-glaſt Barl.; wider-kêr Nib. Triſt.;
wider-muete Bert. 247; wider-rede Nib.; wider-ruoft Parc.
177b; wider-ſaz (inimicus) Parc. 194a Barl.; wider-ſæƷe
MS. 2, 228b; wider-ſchîn Vrih. Triſt.; wider-ſlac Wigal.;
wider-ſpænic troj. 121c 133b; wider-ſpël Nib.; wider-ſprâche
Karl 14a; wider-ſtendic Bert. 172; wider-ſtrît MS. 2, 171a Wi-
gal.; wider-traz Vrib. Triſt.; wider-vart Wh. 2, 136a Karl 90b
Nib.; wider-vëhte (inimicus) Karl 71a; wider-wanc c. p. 361,
70b Parc. 101a 114a; wider-warte (hoſtis) c. p. 361, 73b Triſt.;
wider-winne (adverſarius) Nib.; wider-zæme (indecorus,
horridus) c. p. 361, 52d Parc. 60a Wigal. Bert. 284. u. a. m.
Nhd. haben die grammatiker des verfloßnen jahrh. einen
unbegründeten, dem ohr unvernehmbaren unterſchied
zwiſchen wider und wieder eingeführt, um die bedeu-
tungen contra und rurſus damit zu faßen. Da dieſe natür-
lich in einander ſtreifen, z. b. wider-ſchein ſowohl abprall
und gegenwirkung, als wiederhohlung des lichts bezeich-
net, ohnehin der mehrfache ſinn vieler anderer partikeln
nicht durch die ſchreibung hervorgehoben wird; ſo könnte
man die unterſcheidung getroſt aufgeben. Ich will ſte
hier noch beibehalten: wieder-geburt; wieder-hall; wi-
der-halt; wieder-kehr; wieder-klage: wieder-kunft; wi-
der-rede; wider-ruf; wider-ſacher; wieder-ſchall; wie-
der-ſchein; wider-ſinn, -ſinnig; wider-ſpenſtig; wider-
ſpiel; wider-ſpruch; widerſtand; wieder-tauſe; -täuſer;
wider-wärtig; wider-wille u. m. a. — Außer dem vori-
gen við ſind verwandt ab, aber, after, gegen, ïd, uo.


Partîkel mit verbum (ſ. 703.).

Vorbemerkungen: 1) da jedwede partikelcompoſition
eine uneigentliche iſt, d. h. weniger aus dem bedürfnis
zwei wörter miteinander zu verbinden hervorgeht, als
aus einer verhärtung der wortſtellung; ſo muß, weil die
partikel (das adverbium) neben verbis ihre freie ſtellung
länger behauptet, als neben nomînibus, zuſammenſetzung
mit jenen ſpäter und ſeltner eingetreten ſein. 2) ſie tritt
ein hauptſächlich und in der regel nur bei ſolchen par-
tikeln, deren echte geſtalt durch ſchwächung des vocals
oder entziehung des tons gelitten hat. Dieſe vermögen
gleichſam nicht mehr auf eignen füßen zu ſtehen, dauern
[797]III. partikelcompoſition. — part. mit verb.
bloß in der compoſition fort und verdienen den namen
untrennbarer. Alle untrennbaren partikeln ſind entw.
ſichtbar entſtellt oder der entſtellung verdächtig; eine für
die beurtheilung ihres urſprungs wichtige wahrnehmung.
3) die abhandlung der partikelzuſammenſetzung mit ver-
bis hat ſich daher vorzüglich auf dielen unterſchied zwi-
ſchen trenn- und untrennbarkeit zu ſtützen. Mit nomi-
nibus componierten ſich nicht bloß untrennbare parti-
keln, ſondern auch trennbare, d. h. unentſtelltere und le-
bendigere. 4) trennbare partikeln werden der compoſi-
tion mit verbis fähig α) vor den nominalen beſtandthei-
len derſelben, d. h. vor inf. und participien, woraus kein
ſchluß auf die übrigen modos gilt, z. b aus an-ſchreiben,
an-ſchreibend nicht auf an-ſchreibe, an-ſchrieb. β) durch
theilweiſe untrennbarwerdung für gewiſſe bedeutungen,
die mit größerm oder geringerm verderbnis der form be-
gleitet ſein kann. 5) dieſelbe partikel kann als untrenn-
bare und trennbare gedacht werden, in jenem fall wird wo
nicht ihre form entſtellt, wenigſtens ihr ton geſchwächt
erſcheinen, z. b. im nhd. wider-ſprechen, unter-drücken,
über-treten (praetergredi) iſt untrennbare, des tons ver-
luſtige partikel, in wieder-ſehen, unter-gehen, über-treten
(tranſire) trennbare und betonte. So unterſcheiden ſich
be-ſtehen und bei-ſtehen; ver-ſtehen und vor-ſtehen. 6)
die untrennbarkeit der partikeln iſt ein hiſtoriſcher begrift.
Ich will deshalb nur ſolche zu den untrennbaren zählen,
welche ſich durch ihre verderbte ſorm kund geben oder
überall und immer untrennbar erſcheinen. Die es zuweilen
und für gewiſſe fälle werden, handle ich noch unter den
trennbaren ab. Wegen der goth. untrennbarkeit ſ. die
ſchlußanmerkung.


A. untrennbare partikeln mit verbis,

es gibt ihrer nur ſechſe, nämlich die nhd. be-, ent-, er-,
ge-, ver- und zer-, die aber ſämtlich von weitem um-
fang ſind und nach zeit und mundart in verſchiednen
geſtalten umgehen. Merkwürdigerweiſe bedient ſich die
altn. ſprache nur einer einzigen derſelben, des ſor-
(ver-) und auch dieſer in unentſtellter, bloß des tons
beraubter form. Das altn. and- und or- zeigen
ſich lediglich in abgeleiteten verbis. — Die übrigen
vorhin beim nomen abgehandelten untrennbaren par-
tikeln gehen keine verbindung mit dem verbo ein,
ſondern ſetzen, wo ſie davor erſcheinen, compo-
nierte nomina voraus, von welchen ſie abgeleitet lind.
[798]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
Dahin gehören die ahd. it-, un-, uo-, zur-, denn das ahd. ita-
rucchan jun. 223. 249. 388. ët-ruchan W. 7, 9. agſ. ëd-rêcan,
mhd. it-rücken, bezieht ſich auf das ſubſt. ita-ruh, ëd-rôc
[it-poran (renatus) hymn. 5, 2. iſt bloß participaliſch]; das
goth. tuz-vêrjan, altn. tor-tryggja auf ein adj. -tuz-vêris, tor-
tryggr; beiſpiele ſchwacher verba mit un- oben ſ. 781. —
Kennzeichen wirklicher zuſammenſetzung jener ſechs
untrennbaren partikeln mit verbis ſind 1) daß ſie vor
ſtarken oder ſchwachen in allen modis und ohne rück-
ſicht auf die wortfügung des ſatzes haften, in dieſem
ſtück vergleichbar den eigentlichen comp. mit missa-,
fulla-, wana-, ëpan- (ſ. 587. 670. 671.) 2) im part.
praet. niemahls ge- hinter der partikel und ſehr
ſelten vor ihr annehmen. 3) daß mit ihnen zuweilen
und erſt durch den act der compoſition aus nominibus
verba gezeugt werden, welche als einfache verba nicht
vorhanden ſind, z. b. be-mannen, ent-mannen, er-man-
nen, ge-mannen, ver-nichten, zer-ſtücken aus mann,
nicht, ſtück; es gibt kein verbum mannen, nichten,
ſtücken. Solche wörter ſtehen zwiſchen eigentlicher und
uneigentlicher compoſition, die partikeln können hier
gar nicht als urſprünglich in loſer ſtellung vor den ver-
bis gedacht werden, weil dieſe ſelbſt nicht vorkommen.
Begreiflich ſind es immer ſchwache verba. Sie ſcheinen
aber, weil ſie ſich auf eine verderbnis und größere ab-
ſtraction der partikel gründen, der älteren ſprache kaum
bekannt und erſt ſpäter eingeſchlichen.


[be-] hat meiſt verſtärkende kraft, oft unmerkliche,
ſelten beraubende. 1) gewöhnlich drückt es die anwen-
dung
des begriffs des verbi auf einen gegenſtand aus, der
dann im acc. ſteht. Das verhältnis müſte, wenn ein un-
zuſammengeſetztes verbum gebraucht würde, durch man-
cherlei praepoſitionen oder mindeſtens einen andern ca-
ſus bezeichnet werden. Den baum be-ſchneiden, die erde
be-ſprengen, heißt ungefähr: von dem baum abſchneiden
auf die erde ſprengen, Kaum löſt ſich das compoſitum
auf in die heutige, urſprünglich dem be- identiſche praep.
bei, aber das goth. bi im ſinne von circum trifft näher,
es liegt in dem be- die viel- oder allſeitige einwirkung,
die ganze und volle bewältigung. Ich be-ſchneide den
baum noch nicht, wenn ich etwas davon abſchneide,
ſondern erſt wenn ich es ringsherum thue, unter be-
ſprengen iſt die geſamte oberfläche gemeint. Alle ſolche
verba mit be- ſind tranſitiva; gleichviel, ob das einfache
verb. intranſitiv oder ſelbſt ſchon tranſitiv (z. b. ſpren-
[799]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
gen) geweſen, und bei allen muß das inſtrument, wo-
durch die haudlung verrichtet wird, ausgedrückt ſein oder
verſtanden werden dürfen, z. b. be-ſchneiden (mit dem
meßer) be-ſprengen (mit waßer) be-ſchreiben (mit der
feder); ſteckt es in dem verbo (be-kleiden, be-ringen) ſo
gehört das compoſitum unter 2, d. h. entſpringt aus den
ſubſt. kleid, ring, inſofern nach dem zuſ. hang wirklich
ein kleid oder ring gemeint wird [daher z. b. in der re-
densart: einen mit tugenden be-kleiden, be- zum verbo
kleiden gefügt ſcheint]. Goth. beiſpiele: bi-bindan (cir-
cumligare); bi-gaírdan (circumcingere); bi-gitan (invenire);
bi-graban (circumfodere); bi-hlahjan (deridere); bi-hvaír-
ban (circumire); bi-kukjan (exoſculari); bi-láigôn (cir-
cumlambere); bi-láikan (deludere); bi-láiſtjan (proſequi);
bi-máitan (circumcidere); bi-maminjan (deridere) das
zweite wort dunkel; bi-ráubôn (exſpoliare); bi-rinnan
(circumcurrere); bi-rôdjan (murmurare, etwas heimlich
bereden) Joh. 6, 61; bi-ſaíhvan (circumſpicere); bi-ſatjan
(circumdare); bi-ſáuljan (polluere) Tit. 1, 15; bi-ſitan (cir-
cumſedere); bi-ſkeinan (circumfulgere); bi-ſmeitan (un-
gere); bi-ſpeivan (conſpuere); bi-ſtandan (circumſtare);
bi-ſvaran (conjurare); bi-ſvaírban (tergere); bi-tiuhan (cir-
cumire, wie wir noch ſagen: die meſſe beziehen); bi-
þagkjan (cogitare); bi-þragjan (praecurrere); bi-þvahan
(circumlavare); bi-váibjan (circumcingere); bi-vindan (in-
volvere). Ahd. bi-cleiban (firmare) O. I. 5, 78; bi-klin-
nan (circumlinere) O. III. 20, 313; pi-cnufan (nectere)
ker. 204. 256; bi-chûmen (deplorare) O. IV. 35, 60; bi-dëlban
(ſepelire) O. III. 24, 128; bi-thenkan (conſulere) ker. 63;
pi-thonarôn (attonitum reddere) ker. 8; pi-thuingan ker.
30; pi-hapên (capere) ker. 75. 80. bi-habên (retinere)
T. 232, 6; be-halbôn (circumdare) N. 39, 13. jun. 192; pi-harên
(conclamare) ker. 52; pi-hauwan (caelare) ker. 54; bi-
hellan (tegere) O. V. 25, 135; pi-hlahan? (afficere, con-
taminare?) ker. 51 wo pi-hlakan mit unhreinî, conſper-
ſus immunditie, vgl. bi-luagi O. II. 3, 94; bi-rînan (tan-
gere) O. I. 5, 76; bi-ruaran (tangere) O. II. 4, 213. IV.
35, 53; bi-hugjan (circumvolvere animo) O. II. 8, 23. N. 114,
4; pi-këƷan (adipiſci) hrab. 952b 963b ker. 15. 128. 202; pi-
kioƷan (infundere) ker. 172. bi-giaƷan O. V. 1, 89. 23, 16; bi-
graban (ſepelire) O. V. 6, 44. 21, 26. K. 23a; pi-krîfan (diripere,
arripere) ker. 39. 93; bi-leman (debilitare) O. I. 4, 151;
pi-liuhtan (illuminare); pi-nioſan (potiri, nanciſci) ker.
15. 128. 202; pi-pintan (conligare, ſubligare, redimire)
ker. 49. 96. 184. 204. 256; bi-brëhhan (confringere) T.
[800]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
69, 9; bi-brennan (comburere, accendere) T. 13, 24. 125;
pi-pringan (deferre) ker. 94. bi-bringan (educere) J. 392.
O. I. 11, 99. III. 4, 11. 8, 54. IV. 1, 14. V. 23, 34; bi-
riaƷan (deplorare) O. IV. 35, 58; pi-ſalpôn (delinere)
ker. 94; bi-ſëhan O. IV. 29, 50; bi-ſenkam (concremare)
ker. 71. nhd. be-ſengen; bi-ſenkan (praecipitare) T. 53, 10.
nhd. ver-ſenken; pi-ſezan ker. 216; bi-ſcëltan (humiliare)
O. IV. 23, 21; bi-ſcînan O. I. 11, 98; pi-ſcindan monſ. 343;
pi-ſcëran (tondere) ker. 276; bi-ſcouwôn (circumſpicere);
bi-ſcrenkan (decipere) jun. 225. N. 16, 13. O. II. 5, 55.
III. 19, 68; pi-ſlahan (flagellare) ker. 120; pi-ſmîƷan
(contaminare) ker. 76. 84. 155. 188. 264. 283. N. Cap. 125;
bi-ſnîdan (circumcidere) T. 4, 11. 7, 1.; bi-ſperran (claudere)
O. III. 12, 28; bi-ſpurnan (offendere) T. 15, 4; bi-ſouſan
(ſuffocare) O. II. 3, 104 (demergere) monſ. 338; pi-ſtô-
Ʒan (obtundere, retrudere) ker. 220. 241; bi-ſtellan (cin-
gere) O. IV. 23, 26; pi-ſtricchan (nectere) ker. 204; pi-ſtum-
polôn (truncare) hrab. 971a ker. 73. 220; bi-ſturzan O. II. 17,
31; pi-ſuellan (obturare) pi-ſualta monſ. 359; pi-ſuîhhan
(decipere) ker. 126; be-ſuërben (tergere) N. Boeth. 9;
bi-temphan (ſuffocare) T. 53, 10; pi-trëogan (ſeducere) ſgall.
202. jun. 192; pi-fâhan (amplecti, concludere) ker. 14. 39. 93.
monſ. 352. 354. 359. 396. J. 367. T. 19, 7. 100. O. III. 8, 22;
pi-fellan (mit ekiſin, terrorem incutere) ker. 195. vgl.
be-ſellen N. 7, 16; bi-fillan (flagellare) O. IV. 23, 11; pi-fih-
tan (debellare) ker. 94; pi-fintan (invenire) ker. 49. 202. hrab;
955b 961b; bi-welzan ker. 22. 227. 240. O. II. 17, 31; pi-wem-
man (violare) ker. 268; pi-werjen (defendere) K. 58a O II. 7,
26; bi-wërfan O. III. 17, 32; pi-windan ker. 240. bi-
wintan O. IV. 35, 60; bi-weinôn O. V. 23, 492; pi-zim-
borôn (obſtruere) ker. 221; pi-ziohan (detrahere) ker. 58.
(imbuere) ker. 159, (obducere) jun. 215. ein vieldeutiges ver-
bum, vgl. pi-zocan (devinctus) ker. 95. und das goth. bi-tiu-
han, bei O. III. 8, 41. ſcheint bi-zôh ſe: convenit ad
eos; pi-zuſkan (excutere) ker. 71; und eine menge ande-
rer. Altſ. bi-brëkan (confringere); bi-dëlban (circumfo-
dere); bi-gëtan (invenire); bi-hëlan (tegere); bi-hlahan
(afficere) wie im ahd. bi-hlagan mid hoſku, affectus con-
tumelia; bi-wërpan; bi-windan ſamt vielen ähnlichen.
Agſ. beiſpiele: be-bindan; be-brëcan; be-bycgan (ven-
dere) Beov. 208; be-byrgan (ſepelire); be-cëorfan (am-
putare) Beov. 120. 160; be-dëlfan (circumfodere); be-drê-
fan (adigere); be-dŷpan (immergere); be-fôn (comprehende-
re); Beov. 99. 110. 193; be-gân (exercere); be-gitan (adipiſci);
be-grîpan (comprehendere); be-gyrdan (cingere); be-häbban
[801]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
(continere); be-hëaldan (cuſtodire) Beov. 114; be-mëornan
(dolere) Beov. 70. 82; be-reáfjan (diripere); be-ſencan (mer-
gere); be-ſëón (reſpicere); be-ſittan (poſſidere); be-ſlëan (per-
cutere); be-ſmîtan (inquinare) Cädm. 58; be-ſpanan (perſua-
dere); be-ſprengan (conſpergere); be-ſvîcan (decipere); be-
þencan (conſiderare); be-vepan (deflere); be-vindan (invol-
vere) Beov. 111. Mhd. be-decken; be-denken; be-dingen
Triſt.; be-diuten Nib.; be-dringen Bit. 122b Wigal.; be-gên
Parc. 118b Wh. 2, 173a 183b MS. 1, 105a Wigal.; be-gieƷen
MS. 1, 101b; be-graben Nib; be-grueƷen Triſt; be-grîfen
Jw. 58c Ben. 167. Parc. 123a 126c 145a Wh. 2, 196b Barl.;
be-gürten Nib.; be-haben Wigal.; be-halten; be-heften
Barl.; be-henken Wh. 2, 163b; be-hâhen c. p. 361, 74a;
be-hern (vaſtare, nhd. ver-heeren); be-holn Flore 1a;
be-hügen MS. 1, 174a; be-hüllen Triſt.; be-huoren c. p.
361, 73b MS. 2, 128a; be-hueten Wigal.; be-jagen (ve-
nando acquirere) MS. 1, 142a; be-kennen; be-kêren MS.
1, 102b; be-klagen MS. 1, 132a; be-klepfen MS. 2, 7a;
be-korn (tentare) Mar. 227. Barl.; be-krenken; be-laden
MS. 1, 101b; be-legen Wigal.; be-leiten Mar. 199. Nib.
Gudr. 58a 65b; be-liuhten Nib.; be-mæren Triſt.; be-
nîden Triſt.; be-râten Barl.; be-reden Wh. 2, 74a; be-
rennen Karl 50a; be-reſpen (corripere); be-rihten Wh.
2, 86b Wigal.; be-ringen MS. 1, 26b; be-rimpfen MS. 2,
165b; be-rinnen Nib.; be-rîſen Tit. 156; be-rîten Triſt.;
be-rieƷen Wh. 2, 94a; be-rouben; be-ruochen; be-ruo-
fen; be-rüſten Wigal.; be-ſagen Triſt.; be-ſamenen Triſt.;
be-ſchaben Triſt.; be-ſchaffen Barl.; be-ſchatzen Wigal.;
be-ſcheiden MS. 1, 128a; be-ſcheln Triſt.; be-ſchëlten
Parc. 51c; be-ſchînen Wigal.; be-ſchouwen Barl.; be-
ſchrenken Wigal.; be-ſchütten Parc. 18a Nib.; be-ſchrien
Triſt.; be-ſëhen Triſt.; be-ſenden Barl.; be-ſengen MS.
1, 101a 106a; be-ſetzen Wigal.; be-ſingen Triſt.; be-ſitzen
Gudr. 54a MS. 1, 28a; be-ſlahen, be-ſlân Parc. 60a; be-
ſlieƷen Barl. MS. 1, 101a; be-ſnîen MS. 1, 28b Triſt.; be-
ſnîden Barl.; be-ſoufen c. p. 361, 61d; be-ſperren Wigal.;
be-ſpinnen MS. 1, 3a; be-ſpringen Gudr. 34a Bit. 42a; be-ſtên
Parc. 161a MS., 121b; be-ſtiften Nib.; be-ſtinken En. 35c; be-
ſtrîchen Barl. Frib. Triſt.; be-ſtrouwen Wigal.; be-ſtürzen
MS. 1, 28a; be-ſuochen Wh. 2, 80b; be-ſwæren Barl.; be-
ſweifen fr. bell. 21a 43a; be-tihten Triſt.; be-touben Wi-
gal.; be-trahten; be-trëchen a. w. 2, 56. MS. 1, 61a Triſt.;
be-triegen MS. 1, 104a; be-trûren; be-twingen; be-vâhen
Mar. 218. Parc. 183a; be-valden Eracl. 446; be-vinden
Parc. 195b MS. 1, 113a; be-wænen Triſt.; be-wëllen Karl
E e e
[802]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
55a; be-wenden Triſt.; be-winden Wigal.; be-wîſen Barl.;
be-ziehen Wigal.; be-zimbern Nib. u. a. m., verſchiedne
ſcheinen beinahe nur im part. praet. gebräuchlich (be-
drungen, be-ſprungen, be-vangen, be-hangen, be-run-
nen, be-ſpunnen etc.?) Nhd. be-bauen; -brüten; -dauern;
-decken; -denken; -dienen; -dingen; -erben; -fallen; -fan-
gen; -fahren; -finden; -fragen; -freßen; -gehen; -gehren;
-gießen; -graben; -greifen; -gründen; -grüßen; -gürten;
-halten; -hängen; -hauen; -heften; -herſchen; -hüten;
-kämpſen; -kehren; -klagen; -kleiden; -kritteln; -lachen,
-lächeln; -laden; leben; -legen; -lecken; -lehren; -leuchten;
-lohnen; -lügen; -malen; -nagen; -nennen; -netzen; -nie-
ſen; -rathen; -rauben; -räuchern; -regnen; -rennen;
-richten; -riechen; -rühmen; -rühren; -rufen; -ſchaben;
-ſchatten; -ſchauen; -ſchelen; -ſcheren; -ſcheinen; -ſchla-
fen; -ſchlagen; -ſchleichen; -ſchließen; -ſchmutzen;
-ſchneien; -ſchneiden; -ſchränken; -ſchreiben; -ſchütten;
-ſengen; -ſetzen; -ſiegen; -ſingen; -ſitzen; -ſorgen;
-ſpeien; -ſprechen; -ſprengen; -ſpringen; -ſprützen;
-ſtäuben; -ſtechen; -ſtecken; -ſtehen; -ſteigen; -ſtelen;
-ſtellen; -ſtrafen; -ſtreiten; -ſtreuen; -ſtürmen; -ſtürezn; ſu-
chen; -täuben; -trachten; -trauern; -treiben; -triefen oder
-träufen; -triegen; -treten; -trinken; -wegen; -wei-
nen; -weiſen; -wenden; -werfen; -winden; -wohnen;
-zahlen; -ziehen; -zwingen; und viele andere, obgleich
auch manche ältere ausgeſtorben ſind, z. b. wir ſagen nicht
mehr be-binden, be-brechen, be-brennen, be-bringen,
be-geßen, be-heeren, be-jagen, be-lähmen, be-leiten
(doch be-g-leiten), be-wälzen etc., deren einfache oder
anders zuſ. geſetzte form fortdauert. Ueberhaupt läßt
ſich lange nicht aus jedem verbo durch vorſetzung des
be- ein tranſitivum gewinnen, z. b. be-haßen, be-blühen,
be-hungern, be-raſen, be-ſterben, be-ſchwinden, be-win-
nen, be-wüthen u. dgl. iſt nie deutſch geweſen. Im engl.
haben ſich zwar mehrere comp. mit be- erhalten, doch
iſt ihre zahl weit geringer, als im hochd. und agſ.: be-
drench; -drop; -fal; -get; -gird; -lie; -reave; -ſmear;
-ſpeak; -ſpit; -ſtink; -weep u. a. m.; es iſt auch mitun-
ter romaniſchen wörtern zu theil geworden: be-calm, be-
guile, be-piß, be-ſiege, be-ſot. — 2) die neuere ſprache
zeigt nicht wenige ſolcher tranſitiva, denen gar kein ein-
ſaches verbum unterliegt, ſondern die unmittelbar aus
nominibus
gebildet ſind. So ſagen wir nhd. be-rauſchen
(inebriare), be-mannen, be-weiben, be-ſaiten, be-flecken,
be-grenzen, be-graſen, be-obachten, be-feuern, be-wäßern,
[803]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
be-ſeelen, be-flügeln, be-mänteln, be-nebeln, be-fie-
dern etc., ja das volk wagt be-junkern, be-graſen für:
mit einem junker, grafen verſehen. Selbſt das plural -er
aus neutris wird beibehalten in be-bändern, be-geiſtern,
be-gütern, be-völkern. Bei manchen andern iſt zweifel-
haft, ob ſie aus dem ſubſt. oder verb. entſpringen, z. b.
be-ſchiffen, be-lauben, be-haupten, be-enden, be-lagern,
be-zäunen, be-kleiden; entſcheiden würde etwa das im
ſatz daneben ausgedrückte oder nicht ausgedrückte ſubſt.
des inſtruments. Von adj. ſtammen: be-feuchten, be-
trueben, be-ſchweren und mit comparativiſchem -er be-
reichern; be-luſtigen, be-fleißigen, be-ruhigen, be-mäch-
tigen, be-kräftigen etc.; unorganiſch ſind (ſ. 307.): be-
herzigen, be-friedigen, be-ſchönigen, be-ſchädigen, be-
köftigen, be-ſcheinigen, be-erdigen etc. ſtatt be-frieden,
be-ſchönen (mhd. be-ſchœnen MS. 1, 113a 136b), be-
ſcheinigen (mhd. be-ſcheinen MS. 1, 110b), denn es hat nie
adj. friedig, ſchönig, ſcheinig, erdig gegeben. Engl. be-
honey, be-leaguer, be-mad u. a. m. In der älteren ſprache
ſind überhaupt ſolche comp. mit nominibus nicht ſicher
nachzuweiſen. Ulf. gewährt kein beiſpiel. Ahd. ſcheint
pi-rentit ker. 56. gerändert, mit rande verſehen zu be-
deuten und ich kenne kein einfaches rentjan, das doch
nicht unmöglich wäre; pi-puntilôd ker. 238. ſcheint mit
dem vorhergehenden pi-wuntan gleichviel, alſo von pi-
puntilôn (bebündeln?); pi-zûnnan (ſepire) monſ. 394. be-
rëgenôn (compluere) N. 113b, 15. laßen ſich zwar von
zûn und rëgan, aber auch von zûnjan und rëgenôn ab-
leiten; gleiche unſicherheit bei bi-nagilen O. Lud. 144. bi-
thurnen O. IV. 23, 11. bi-redinôn O. V. 2, 27. IV. 19,
50, das in der letzten ſtelle hinzugefugte mit luginon läßt
auf zuſ. ſetzung mit dem verbo ſchließen. Allein im
mhd. ſieht man verſchiednen compoſitis ihren urſprung
aus ſubſt. und adj. deutlich an: be-gedemen (recipere)
g. ſchmiede 427; be-geſten ibid. 248. bloß geſten troj. 106c;
be-hûſen MS. 2, 3a 132a 144b; be-knëhten MS. 2, 138a; be-
ſchalken Bert. 192; be-ſerken Ulr. Triſt.; be-ſweiƷen Wh. 2,
122a; be-zinnen MS. 1, 165b; be-gruenen Parc. 119a; be-
herten Karl 18b MS. 1, 106b; be-timbern; be-frîen MS. 2,
73a u. a. m., obgleich ich nicht verabrede, daß mitunter ein-
fache verba vorhanden geweſen ſind, wie bei be-ſchate-
wen, be-ziunen ein ſchatewen, ziunen. — 3) den gegen-
ſatz zur vorſchreitenden vermehrung der tranſitive unter
1 und 2 macht das allmählige ausſterben früherer intran-
ſitive
, die mit der part. bi-, ohne merkliche verände-
E e e 2
[804]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
rung des ſinnes, bloß intenſiviſeh, zuſammengeſetzt wur-
den. Diefe haben natürlich keinen acc. bei lich, ſondern
meiſt andere praepoſitionen, zuweilen daſſelbe bi; es kön-
nen die nämlichen compoſita ſein, welche auch tranſitiv
gebraucht werden. Goth. bi-abrjan ana láiſeinái (mirari
doctrinam) Matth. 7, 28. *); bi-rôdjan bi ïna (murmurare
de illo) Joh. 6, 41; bi-ſáulnan (pollui) Joh. 18, 28; bi-
ſtigqvan bi þamma razna (irruere in domum) Luc. 6, 48.
Matth. 7, 25; bi-viſan (εὐφρανθῆναι) Luc. 15, 29, wo
bivêſjáu (εὐφρανθῷ) das praet. conj. von biviſan, nicht
etwa praeſ. conj. von bivêſjan iſt, das nicht vorkommt
(vgl. viſan und váila viſan Luc. 15, 24, 32. ganz in der-
ſelben bedeutung). Ahd. (aus den gloſſen iſt die hinzu
conſtruierte praep. nicht zu erſehen): bi-dîhan mit dem
gen. (ſuccedere in aliquo, promovere aliquid) O. I. 7, 54.
IV. 30, 27. N. Boeth. 88; pi-chlîpan (incrementum capere,
convaleſcere) ker. 131. 267. monſ. 393; pi-kinnan, bi-gin-
nan mit dem gen. (aliquid aggredi); pi-heiƷan (ſpondere)
ker. 258. J. 341; pi-hlûtan (infonare) ker. 165; pi-huërban
(reverti) O. III. 24, 59; pi-gëhan (confiteri) exhort.; pi-lî-
pan (permanere) hrab. 960b; pi-linnan (ceſſare) J. 381. 382;
pi-liuhtan (eniteſcere, eluceſcere) ker. 101; bi-miîdan (la-
tere) T. 60, 8; pi-nahten (obſcurum fieri) monſ. 357; pi-
pëotan (mandare, arcere) ker. 19. 115. 187. 198; pi-përkan
(evitare) ker. 22. 101. 275; pi-plickan (refulgere, ſplen-
deſcere) ker. 101. 102. 240; bi-quëman (evenire, adve-
nire) J. 379. O. I. 13, 40. II. 22, 55. III. 20, 210. IV. 16,
86. 29, 62. 30, 48, bald mit dem gen., bald mit praep.,
vgl. be-chumet N. Boeth. 19. 216; be-ſcëhan (contingere)
N. 80, 5; pi-ſcînan (eniteſcere) ker. 101. 102. 240; bi-
ſkrankolôn (vacillare) O. IV. 16, 82; pi-ſëhan (cenſeri)
ker. 79; pi-ſlahan (labi, cadere, occidere) ker. 254; pi-
ſlîfan (labeſactari) hrab. 969a; pi-ſuuihhen? (clareſcere)
ker. 101. iſt auffallend, 102. folgt pi-ſuuebet (emi-
cat)?; pi-ſtantan (remanere) monſ. 358; pi-tûmilôn
(terrefieri?) ker. 165; pi-vallen (cadere, occidere) ker.
64. 254. monſ. 387. 411. O. II. 24, 37. N. Boeth. 131.
bi-fallan in gruoba T. 69, 6; pi-flëohan (fugere) ker.
107; be-frieſan (gelare) N. 125, 4; pi-wartên (cavere)
hrab. 959b 961b; und ſicher viele andere. Altſ. bi-klî-
ban; bi-huëreban; bi-ginnan; bi-fallan; bi-thîhan. Agſ.
[805]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
be-bëódan (mandare) Beov. 32. 148; be-bëorgan (cavere)
Beov. 132. 133; be-cuman (venire) Beov. 11. 158; be-
fëallan (corruere) Beov. 86; be-faran (peragrare); be-
flëón (effugere); be-ginnan; be-hâtan (ſpondere); be-
yrnan (occurrere) be-arn Beov. 8; be-lîfan (ſupereſſe);
be-limpan (contingere) Beov. 184. u. a. m. Mhd. hat
ſich die zahl dieſer intenſive ſchon verringert, man ſagt
nicht mehr bebieten, beblicken, beliuhten, beſchînen, be-
ſlahen, bevallen, befliehen im ahd, ſinn, wiewohl es mich
nicht wundern ſollte, wenn ſie hin und wieder gefunden
wurden; allgemein im gebrauch ſind noch: be-gegenen
(alicui) Triſt.; be-ginnen; be-hagen (placere) MS. 1, 101a
2, 260a; be-jâren MS. 1, 153a be-jëhen; be-klîben (fixum
eſſe, creſcere) Herb. 112b Parc. 7a 61b MS. 1, 112b; be-
komen (advenire) Mar. 1. MS. 1, 112b (reverti, zu ſich
kommen) Wigal.; be-lîben MS. 1, 107a 199a; be-ligen
(deficere) Wigal. Triſt.; be-nahten MS. 1, 103a 2, 160b;
be-rinnen (conſpergi) Gudr. 73b; be-ſchëhen (accidere)
Barl. MS. 1, 120a; be-ſlîſen (elabi) Mar. 227; be-ſnaben
(vacillare) Herb. 1a Eracl. 3765; be-ſtân (durare) Barl.;
be-tagen MS. 1, 101a 103a 153a 2, 260b Barl. troj. 125c,
tranſitiv ſcheint es MS. 1, 199b (oder iſt dem fur den zu
leſen?). Nhd. gibt es ſehr wenige: be-gegnen; be-gin-
nen; be-hagen; b-leiben; be-kommen (wohl oder übel);
be-ruhen; be-ſtehen. Das ſchwed. b-lifva, dän. b-live,
neuiſländ, b-lîfa, ſcheint, ſo verbreitet es jetzo iſt, aus
dem hochd. eingedrungen, denn die altn. ſprache kennt
bloß lîfa, wie wir nhd. nachten, tagen, leuchten, ſcheinen
oder geſchehen, gebieten etc. in denſelben fällen ſagen,
wo früher die part. bi- angewendet wurde. — 4) unter
den tranſitivis nr. 1. habe ich verſchiedne verba ange-
führt, welche den begriff des beithuns, bergens und be-
wahrens enthalten, will ihn aber hier noch beſonders
hervorheben, weil er die partikel in einer ſtärkeren be-
deutung zeigt. Daher auch im nhd. zuweilen die trenn-
bare part. bei das be- vertreten muß. Es ſind zumahl
die wörter für begraben und beiſchließen. Ahd. pi-ſëla-
han, zwar allgemein credere ker. 80, dann aber auch
terrae mandare und wahrſcheinlich in heidniſcher zeit
opfern, immolare, victimare ker. 155. 284; pi-liohhan
(concludere) hymn. 14, 2. ker. 32. 220. 241. 253. (das
lat. recludere iſt dabeî nicht aufſchließen, vielmehr wie-
der zuſchließen); bi-ſperran (concludere) O. III. 12, 28;
pi-tëlpan (humare) ker. 144; pi-crapan (ſepelire) ker. 77;
pi-raiſan (funerare) ker. 77. verſtehe ich nicht; pi-kim-
[806]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
pôn? zu folgern aus pikimpôt (funera, funeſtus) bi-kim-
bitha (funeſta) ker. 127? und dem goth. kumbjan ver-
wandt?; pi-lakjan (reponere, beilegen) ker. 50; pi-windan
(condere, etwa die fahne zuſ. winden) ker. 50. hrab. 967b;
pi-tuon (obturare, claudere, nhd. beithun) monſ. 349. T.
78. O. III. 12, 73. be-tuon N. 39, 10. 43, 2. 68, 16. Boeth.
135 Cap. 156. und hiernach iſt das lat. retexit, redactus
bei pi-toat, pi-tân ker. 32. 240. 241. nicht miszuwerſte-
hen; pi-vâhan (concludere) monſ. 337. Agſ. be-hlîdan
(tegere); be-hŷdan (cuſtodire); be-dëolfan; be-myldan
(humare) von molde; be-lûcan Beov. 86; etc. aber
kein be-dôn im ahd. ſinn. Mhd. be-ſlahen (concludere)
Parc. 10b Iw. 9a; beſlieƷen Nib.; be-ſtaten Bert. 291; be-
vëlhen bloß allgemein commendare und be-tuon kommt
gar nicht mehr vor. Nhd. be-graben; be-ſtatten; be-
ſchließen, verſtärkt bei-ſchließen, wie bei-legen, bei-thun.
Man ſieht, daß gewöhnlich das zweite wort dieſer zuſ.
ſetzung den hauptbegriff hergibt, daß er aber zuweilen
auch halb in der partikel liegt, namentlich in pi-tuon oder
pi-ſëlahan, ſeitdem das einfache nicht mehr für condere,
ſepelire gebraucht wurde (wie goth. filhan, neben ga-
filhan, us-filhan). — 5) hieran grenzt die privative be-
deutung
der partikel, was beigethan wird, wird auch
beiſeite, weggethan, folglich entzogen. Nachſtehende com-
poſita enthalten zwar wiederum den begriff der berau-
bung größtentheils im zweiten wort, doch muß er halb
in der partikel geſucht werden, oft iſt auch die accuſativ-
conſtruction in eine dativiſche übergegangen, und die
bedeutung bald tranſitiv, bald intranſitiv: goth. bi-leiþan,
alicui (relinquere aliquem, einem weggehen, entweichen)
ſtarkes verbum, verſch. von dem mhd. ſchwachen be-
leiten (comitari); bi-niman, alicui (auferre aliquem) Matth.
27, 64., niman allein drückt ſchon capere, rapere aus,
regiert aber den acc. Ahd. bi-lâƷan alicui aliquid (remit-
tere) O. V. 11, 22. N. 38, 13. vgl. goth. af-lêtan; pi-lao-
ſan aliquem alicujus (privare) hrab. 960a; pi-niman (au-
ferre) ker. 93. (praejudicare, derogare) monſ. 374. 378. aus
welchen gloſſen die conſtruction unerſichtlich iſt, O. ſagt
bi-niman (eripere, tollere alicui aliquem): inan tôde binam
(morti eum eripuit) IV. 3, 31. (inan) thên unmahtin binâmi
(eum eriperet infirmitatibus)*); bi-rahanen (ſpoliare) ſo
[807]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
vermuthe ich wird im Hild. zu leſen und ein ahd. raha-
nen dem altn. ræna (ſpoliare) rahan dem rân (rapina)
an ſeite zu ſtellen ſein?; pi-ſcerjan (orbare) jun. 207. 217.
gegentheil von ſcarjan (impertire), pi-ſcerito (extraneus,
privatus) ker. 108., bei pi-lcaritê ker. 12. iſt die entſtellte
gloſſe deratores (? devoratores) unverſtändlich, pi-ſceritê
(deditos) monſ. 393. ſcheint unprivativ; bi-tailan (fraudare,
um ſein theil bringen) ſgall. 205. pi-teilan (privare) K.
37b jun. 245. hrab. 972a monſ. 355. 356. 357. 373. betei-
len N. 83, 12. 108, 11. (aliquem alicujus); pi-fâhan (conſu-
mere, auferre?) ker. 11. 12.?; pi-wërfan (divertere?)
ker. 91; pi-winên (depaſcere) jun. 201. Altſ. wird bi-
nëman (auferre) mit dem dat. der perſ. und acc. der ſache
geſetzt. Agſ. be-dælan (privare) aliquem aliquâ re Beov.
97. Cädm. 94. 98; be-drëóſan (fallere, decipere?) Cädm.
13. 20. 44; be-grindan (privare?) Cädm. 34; be-landjan
(terris privare) vgl. Lye im ſuppl; be-lëóſan (privare,
orbare) Beov. 82. Cädm. 3; be-næman (ſpoliare) ſchwa-
cher ſorm, aliquem alicujus rei Cädm. 94. 98; be-nëótan
(privare) aliquem aliquâ re Beov. 53. 179. Cädm. 25. 40;
be-ſcyrjan f. be-ſcerjan (fraudare) Cädm. 98; be-ſnyðan
(privare)? Beov. 217; be-tëldan (liberare, tollere?) ich
kenne bloß aus Lyes ſuppl. das part. bi-tolden lâme,
torne (liberatus, purgatus a luto, ab ira) eines ſonſt uner-
hörten ſtarken verbi; be-væpnjan (armis ſpoliare). Mhd.
nur drei ſolcher compoſita: be-gëben (renuntiare) ali-
quid und ſich beg. alicujus; be-nëmen (eripere) alicui
aliquid MS. 1, 103b 110b Parc. 72[o] 73a Gudr. 76a;
ſich be-wëgen, alicujus (renuntiare). Nhd. be-nehmen
wie im mhd. conſtruiert. Engl. be-head (decollare). Je
mehr die accuſativconſtruction verſchwindet, deſto priva-
tiver wirkt die partikel. Zuweilen treten die verſchîed-
nen bedeutungen ganz in denſelben formen ein vgl.
nhd. be-nehmen und ſich be-nehmen (ſe gerere); nhd.
be-haupten (affirmare) mit engl. be-head; ahd. pi-
teilan mit nhd. be-theiligen (theilhaft machen); agſ. be-
væpnjan mit nhd. be-wafnen (armare). — 6) im-
perſonalia
mit bi-: ahd. mih pe-driuƷet N. 70, 13. 119, 6.
W. 2, 5; mih pe-langêt N. 34, 17. Mhd. mich er-b-ar-
met; mich be-dünket Parc. 96c; mich be-langet, b-langet
Ben. 149. 175. 256; mich be-gnueget Bon.; mich be-riu-
wet Wh. 2, 144b; mich be-ſchiuƷet Bon. (aber mir er-
*)
[808]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ſchiuƷet); mich be-trâget; mich be-tûret Parc. 55b 85a;
mich be-vilt, dieſes mit der partikel vil gebildete, häufige
verbum iſt der ältern ſprache unbekannt und nhd. wie-
der untergegangen. Nhd, nur: mich er-b-armt, mich
be-dünkt, neben dünkt, ſo wie mich dauert, aber mich
ver-drießt, mich ver-langt, mich ge-reut. Wo der dat.
flehet, z. b. mir ir-p-armêt doc. 225a; mir be-ſmâhet
(diſplicet mihi) N. 13, 6. mir he-cnuodelet (iunoteſeit mihi)
W. 5, 2; mir be-haget MS. 2, 190a etc. iſt das verbum
ſchon von allgemeinerer intranſitiver beſchaffenheit, —
7) einzelne nhd. be- gelten bloß fürs part. praet. z. b.
be-mittelt, be-ſchaffen; wenigſtens in ihrer eiguen bedeu-
tung, z. b. be-leſen (literatus) verſch. von be-leſen, das
vom gemueſe gilt; be-redt (diſertus) verſch. von be-redet.


[ent-] die ſchwankenden formen ſind ſchon ſ. 713-716.
berühit, goth. and- (nie anda-); ahd. nur noch ausnahms-
weiſe in den älteſten quellen ant- (nie au- *) [ant-luhchit
ker. 18. ant-buntan ſgall. 199. ant-dhecchid J. 342. 395.
ant-ſene J. 385. 389. ant-luhhu J. 346. ant-hiôgnan (pla-
citum) hrab. 973a acc. ſg. maſc., ant-luagan (placitum) jun.
221. part. praet. eines verlornen ſtarken verbi oder viel-
leicht bloßes adj.?; ant-heiƷit, ant-hieƷ jun. 243. 255.], nicht
bei K. T. O. N. W., wo bei ihnen verbum mit ant-
erſcheint, iſt es von nominibus abgeleitet; in der regel
wechſeln int- und in- (ſelten ën-), weder willkürlich,
noch bei allen ganz auf dieſelbe weiſe. Es kommt auf
den anlaut des verbi an, mit dem ſich die part. zuſam-
menſetzt. Vor vocalen, ſpiranten und liquiden bewahren
faſt alle int- (N. vor vocalen und r ſogar ind-, welches
d organiſch ſcheint), vor den übrigen mutis ſtehet mei-
ſtens in-; was im einzelnen hierwider ſtößt, mag dia-
lectiſch ſein, oder ungenaue ſchreibung, z. b. in-machôn
K. 48b f. int-mahhôn, wie ſgall, 199. oder in-ſcuohen
monſ. 391. für int-ſc.; annehmlicher iſt das int-, welches
einige noch vor f, ph und p behaupten, Daß aber die
gl. ker. überall nicht int-, ſondern auch vor ſpir. und
liq. in- (ſelten en-) ſchreiben (vor vocalen? der fall fin-
det ſich nicht), befremdet am meiſten. Altſ. dauert durch-
gängig das echte ant- (f, aßd-), vor allen anlauten, fort
und ſeine compoſita unterſcheiden ſich von denen mit an-
(goth. ïn-, ana-). Agſ. gilt nicht and- (wie vor ſubſt.
und dem daraus hergeleiteten), ſondern on-, gleich-viel
[809]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
welcher anlaut folge, dieſes on- entſpricht dem ahd. in-,
zumahlder gl. ker. und ſcheint mit dem allmähligen verdrän-
gen der praep. in durch on (ana) zuſ. hängend. Mhd.
herſcht noch der ahd. grundſatz und gilt ent- vor vcc.
ſpir. liq., en- vor med. ten. aſp., doch für en-f. enpf.,
für en-g. zuweilen en-k., was aus ent-f. ent-g. (1, 382.
424.) erwachſen ſcheint. Einzelne nicht reinmhd. quel-
len gewähren (nach niederdeutſchem einfluß?) ent- auch
vor ten. und med., z. b. 361, 40c 41b int-bute, 62d int-
planden etc. Endlich können, da ſich im mhd. die ne-
gation ne vor verbis oft in en umſetzt, zweifel zwiſchen
dieſem en- und unſrer part. erwachſen *). Nhd. hat ſich
ent- allenthalben hergeſtellt, nur dauern einige empf. für
ent-f. fort. Nnl. überall ont-. Das verderbte ahd. in- (für
int-, ant-) und agſ. on- (für ond-, and-) hat vermiſchungen
mit dem ahd. in- (goth. ïn-, ïnn-) und agſ. on- (ahd.
in-, ana-) zur folge gehabt; einzelne compoſita mit in-,
on- laßen ſich ſalt nur aus der analogie und bedeu-
tung beurtheilen. Einigermaßen hilft jene ahd. unter-
ſcheidung zwiſchen int- und in-, wo nämlich in- vor
voc. ſpir. und liq. erſcheint (und kein ſchreibfehler zu
vermuthen iſt), liegt ihm (wenigſtens in der mund-
art einzelner denkmähler) kein and- zu grunde. Bei
der nunmehrigen aufzählung der ent- zuſammenſetzun-
gen nach der bedeutung braucht aber auf die form keine
weitere rückſicht genommen zu werden. Urbedeutung
des ent- iſt contra-, re-, nach verſchiednen geſichtspuncten.
— 1) ent- mit dem begriff des wider ſtehenden, widri-
gen, böſen:
goth. and-beitan (increpare, eigentl. gegen
jemand beißen); and-rinnan (occurrere) Marc. 9, 34; and-
ſakan (contradicere); and-ſtandan (reſiſtere); and-ſtaúrran
(torve intueri, ἐμβριμᾶσθαι). Ahd. in-chunnen (arguere,
increpare) N. 37, 2. 41, 5. 49, 22. 50, 2. Cap. 101; in-cri-
bôn (increpare) T. 205, 5. ſcheint aus dem lat. gebildet
und nicht hierher gehörend; in-këltan (retribuere) in-
gelten N. 34, 15. Boeth. 203. 204. int-gëltan O. II. 11, 48.
in-këltan (ferire) monſ. 389. 391; in-grûên (horrere, ab-
horrere) hrab. 953a 954b 966a; in-brëltan (rumpi) O. III.
20. 257; int-wërdôn (ſpernere, abhorrere) monſ. 357. 376.
377; auch die ausdrücke für vovere, in dem härtern ſinn
von devovere, immolare; in-heiƷan (immolare) ker. 36.
[810]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
95. 155; in-ſakên (delibare) hrab. 959a 960a 968b ker. 95.
mt-ſagên, int-ſagan (deteſtari, anathematizare) monſ. 398.*),
gehören dahin, falls ſie nicht unter 3. gebracht werden kön-
nen. Altſ. ant-gëldan (retribuere). Agſ. on-blôtan (im-
molare); on-gëldan Beov. 95; on-þracjan (vereri); on-
ſcunjan (reſpuere, deteſtari); on-ſecgan (contradicere, of-
ferre, ſacrificare) Cädm. 40. 61; on-hætan aber bedeutet
ſuccendere, wie vielleicht auch das ahd. int-heiƷan, was
die verwandtſchaft zwiſchen heiƷan und heiƷ (ſ. 75.) be-
ſtätigt; on-vinnan (impuguare). Mhd. en-gëlten, en-kël-
ten (poenas dare); ent-ſëhen (torve intueri, faſcinare)
MS. 1, 50b Eracl. 3334; ent-ſprëchen (calumniari) Wigal.
90. Nhd. ent-gelten. — 2) ungleich häufiger drückt ent-
ein gelindes gegen aus, ſelbſt in den nämlichen wörtern:
goth. and-hafjan (reſpondere); and-háitan (confiteri);
and-háuſjan (exaudire); and-niman (ſuſcipere, recipere);
and-qviþan (συντυχεῖν) Luc. 8, 19. (ἀποτάξασθαι) Luc.
9, 61; and-ſaíhvan (adſpicere, reſpicere); and-tilôn (auxi-
liari) Luc. 16, 13; andþahta mik (ἔγνων) Luc. 16, 4. Ahd.
int-habên (perpe[t]i) jun. 243. (ſuſtinere) K. 42a (ſuffulcire)
monſ. 352. 404. (cohibere) O. II. 7, 58. 8, 9. III. 23, 51.
24, 83. V. 7, 113. (comprehendere, complecti, tueri) N.
113, 11. 148, 5. Cap. 79. 115; int-hefan (ſuſtentare) vgl.
int-habana jun. 251. int-habanî (aſſumptio) K. 57b; in-
haldên (reclinare) hrab. 953b ker. 32. (wo in-aldhet) int-
heldê (reclinet) T. 51, 2; ant-heiƷan (vovere, pangere)
jun. 243. 255. int-heiƷan O. III. 20, 297; in-këƷan (cogno-
ſcere) ker. 110. vgl. das ſubſt. and-git (ſ. 715); in-kinnan
(incipere) ker. 80. 164. in-kinnan (imponere) K. 48a (co-
nari) jun. 199. in-ginnan (adniti) jun. 235. in-chinnen
(niti) jun. 188 [warum in letzterer ſtelle ch für k? die
[811]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
grundbedeutung von ginnan, welches einfach weder im
goth. noch ahd. und agſ. vorkommt, muß wohl ſein ca-
pere, complecti, vgl. das agſ. gin, giun (capedo, inter-
capedo) und altn. ginna (allicere, einnehmen), im altn.
fehlen umgekehrt compoſita. Ferner ſcheint zuſ. hang
zwiſchen nr. 117. und nr. 372. nach der oben ſ. 76. er-
theilten regel, denn das altn. gin (rictus, hiatus) iſt auch
intercapedo, ſpatium, welches die bedeutungen von ahd.
in-kinnan, mhd. en-kinnen, hernach unter 3., beſtätigen.];
in-lâƷan (ignoſcere) ker. 162. int-lâƷan hymn. 949. vgl.
ant-lâƷ (ſ. 714.): in-liuhtan (illuminare, obluſtrare) ker. 14.
200. 218; in-lôſan (ſolvere) ker. 130. 180; in-mâlên (ad-
nuere) ker. 16; in-nakutôn (denudare) ker. 88; en-nëman
(adſumere) ker. 33. = goth. and-niman; int-neinen (ne-
gare) O. II. 10, 71; in-pauhhinen (innuere) ker. 153. monſ.
368.; in-pîƷan (guſtare) hrab. 965b ker. 143. (haurire po-
tum) hrab. 953b in-bîƷan N. Cap. 129; in-piotan (man-
dare) monſ. 330. 363. 366. 367. 376. jun. 213; in-blâhan
(inflari, turgere), ein ſeltnes, bei N. Cap. 124. in-bláhen
geſchriebnes und ſtark conjugiertes verbum (dem agſ.
on-blâvan, fünfter conj. entſprechend); in-blantan (mo-
leſtiam exhibere) citate 1, 858, denen N. Boeth. 105. 202.
beizufügen; in-prëhtan (lucubrare)? vgl. inprëhtandi elu-
cubratus ker. 115. vielleicht illuceſcere, von përahten (cla-
reſcere)?; in-prinnan (exardeſcere) ker. 67. 235. int-prennan
(accendere) jun. 235. T. 25, 2; in-quëdan (reſpondere) O.
IV. 4, 111. 5, 123. vgl. en-quidi (dedicata) ker. 83. en-chëden
N. Cap. 69. 87. 95; in-rihten (erigere) ker. 255; int-ſagên
(renuntiare, defendere) monſ. 375. 386; in-ſeſan (intelli-
gere) O.; in-ſcînan (illuſtrare) ker. 148; int-ſlâfen (ob-
dormiſcere) N. Boeth. 10; in-ſprinkan (coaleſcere) ker.
77; in-ſtantan (intelligere) J. 360. O. I. 1, 238. III. 5, 1;
in-ſueppen (ſopire) hrab. 974b; in-trâlan (metuere) nur
bei O. I. 13, 30. 27, 21. II. 6, 33. IV. 1, 31, daß der ſtamm
trâtan (? tratan) laute und nicht int-râtan zu ſetzen ſei (der
irthum herſcht 1, 888. 896. 934.) wird ſich hernach beim
altſ. und agſ. erweiſen; int-fâhan (ſuſpicere, excipere, acci-
pere, concipere) exhort. K. T. 2, 11. 3, 4. O. II. 11, 10. III.
11. 51. IV. 16, 103. int-phâhan T. 40, 5. 44, 5. in-fâ-
han J. 366. 373. 374. 376. 387. (neben dem vorhin ſ.
808. angeführten ant-ſâhan) ker. 33. 54. 80. 258. in-
phâhan monſ. 390. 397. in-fahen, en-fahen N. 3, 4.
18, 12. Boeth. 64. 65. 156. Cap. 34. 55. 100. 110.;
int-findan (pendere) jun. 243. (ſentire) hymn. 949. int-
phidemes l. int-phindemês (praevidemus) doc. 221a in-
[812]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
finden (ſentire) N. Boeth. 62. 122. 259; in-firnên (inve-
terare) ker. 281. N. 31, 3. (17, 46. 101, 25 ir-firnên); in-
phrâgên (requirere) monſ. 391; in-fualan (ſentire) O. III.
14, 67; in-warmên (coaleſcere) ker. 67; int-wëhſalen (re-
ciprocare) jun. 224.; int-wihſlen hrab. 951a 973b; in-zei-
chinen (indicare) monſ. 403; inzundan (incendere) hrab.
968a ker. 170. 276. N. Boeth. 85. in-zuntida (inflamma-
tio) monſ. 409. hrab. 967a. Altſ. ant-ſâhan (accipere);
ant-hebbjan (ſuſtinere); ant-hrînan (tangere); ant-kenn-
jan (intelligere); ant-ſtandan (intelligere); folgende haben
an-, welche der übergänge wegen in andern dialecten
hier angeführt werden müßen: an-bitan (guſtare); an-
biodan (mandare); an-drâdan (timere) alliteriert: drohtin
und dâdi; an-kennjan neben jenem ant-k.; an-ſciann
(contremuit) das zweite wort dunkel; an-ſeban (intelligere);
an-ſuebjan (ſopire). Agſ. on-älan (accendere); on-bëódan
(mandare); on-beran (afferre) Beov. 76. 170; on-bernan
(accendere); on-bîdan (exſpectare); on-bîtan (guſtare)
Cädm. 12; on-byrjan (guſtare); on-blâvan (inflare); on-
bryrdan (inſtigare); on-bûgan (ineurvare); on-cliſjan (ad-
haerere); on-enâvan (intelligere) Beov. 190; on-cveðan
(reſpondere); on-drædan (timere) Beov. 126. 175. [offen-
bar nicht ond-rædan, denn es gibt vor verbis kein agſ.
oud- und die alliteration liegt auf d, das einfache drædan
habe ich noch nicht geleſen, doch führt es Lye aus Matth.
25, 25. an, vgl. das engl. dread, außerdem findet ſich das
comp. â-drædan (timere) ſo daß das ſtarke verbum dræ-
dan, drêd; altſ. drâdan, drêd; ahd. trâtan, trîat unbe-
zweifelbar iſt, aber ich verſtehe es noch nicht zu deu-
ten]; on-drincan (bibere); on-drencan (inebriare); on-
ëaldjan (inveteraſcere); on-ëardjan (inhabitare); on-êgan
(metuere); on-fangan (accipere. recipere) Beov. 6. 54.
113; on-feallan (incidere); on-findan (ſentire, experiri)
Beov. 47. 171. 201; on-galan (incantare); on-gangan (in-
gredi); on-gëtan, on-gitan (intelligere) Beov, 98. 113. 130.
144. 218; on-gëótan (infundere); on-ginnan (incipere)
Beov. 33. 153. 173. 201. 233; on-hagjan (placere); on-
hebban (elevare) Beov. 188; on-heldan (inclinare); on-
hnîgan (id.) Cädm. 79; on-hrêran (incitare) Beov. 43. 190;
on-hrînan (tangere); on-irnan (incurrere); on-lædan (in-
troducere); on-lænan (mut. dare); on-lætan (dimittere)
Beov. 122; on-lîhan Beov. 111. Cädm. 15. 89; on-lŷhtan
(illuminare); on-lutan (inclinare); on-mælan (alloqui)
Cädm. 79; on-munan (arbitrari, intelligere) Beov. 196;
on-ſendan (immittere, transmittere) Beov, 36. 47. 169;
[813]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
on-ſëón (aſpicere) Beov. 125; on-ſettan (imponere); on-ſi-
gan (imminere) Cädm. 66; on-ſittan (incumbere); on-ſtandan
(adſtare) Beov. 213; on-ſtarjan (intueri) Beov. 208; on-ſtellau
(incitare) Beov. 180; on-tendan, on-tyndan (accendere); on-
þenjan (intendere); on-vacan (expergiſei) Cädm. 77. 100.
Beov. 7. 171; on-vadan (occupare?) Beov. 70; on-ven-
dan (mutare) Beov. 193; on-vritan (inſcribere) Beov. 127.
u. a. m. Mhd. en-barn (detegere) Karl 97a Barl.; en-
bieten Parc. 36a Barl.; en-bîƷen Jw. 1b Wigal. Triſt.; en-
blanden Nib. Wigal. Bit. 30b 93a; en-blecken (detegere)
Tit 85. Parc. 147c; en-blœƷen Triſt.; en-brennen (accen-
dere) MS. 1, 30a; en-brëſten Parc. 68a Wigal.; en-brin-
nen (accendi); en-gieƷen Nib.; ent-haben (ſuſtinere) Parc.
43c; ent-halten (retinere, continere) Parc. 70c 186b Wh.
2, 27a; ent-heiƷen (vovere) Maria 70; ent-lîhen; ent-
liuhten Barl.; ent-nucken (dormiturire) MS. 2, 155b 206b;
ent-nacten Wigal.; ent-ſeben Parc. 41c Triſt.; ent-ſlâfen
Triſt.; ent-ſpringen (oriri) Triſt.; ſich ent-ſtân (in-
telligere); ent-ſweben (ſopire) Nib.; en-trâten (timere)
Herb. 95a 98b; en-pſâhen; en-pfengen (accendere)
MS. 2, 123b; en-pſinden Parc. 18c Nib.; en-pflëgen
(frui) Wigal.; en-pfremden amîs 1838; ent-wachen
Wigal.; ent-wërfen (delineare, ordinare) a. Tit. 85.
Wh. 2, 139b 204a Nib. Friged. 1987. aber ent-wërfen
iſt auch aufſtreben, emporſtreben Triſt. 17301. vgl. ſich
entwërfen Wh. 2, 109a MS. 1, 2a; ent-wërn (prae-
ſtare) Wigal. 14; ent-wilden a. Tit. 91; en-zünden Barl.
Nhd. ent-bieten; ent-blöden; entblößen; ent-blühen;
ent-brechen; ent-brennen; ent-falten; em-pfangen; em-
pfehlen; ent-fernen; em-pfinden; ent-flammen; ent-frem-
den; ent-glimmen; ent-halten; ent-heben; ent-laßen; ent-
leeren; ent-leihen; ent-nehmen (percipere); ent-rücken;
ent-rüſten; ent-ſcheiden; ent-ſchlafen; ent-ſchlummern; ent-
ſinnen; ent-ſpinnen; ent-ſprechen; ent-ſpringen; ent-
ſprießen; ent-ſtehen; ent-werfen; ent-zücken; ent-zünden.
Es iſt klar, daß die hier unter 2. verzeichneten compo-
fita ſämtlich inchoativa ſind, ihr ent- (and, gegenwärtig)
drückt das werden, hervorkommen eines neuen zuſtandes
oder bei tranſitivem begriff das verſetzen, hineinbringen
in einen ſolchen aus. Daher die intranſitiva enbrinnen,
entblühen, entwachſen, entſchlafen, entſchlummern, on-
drædan, onvacan: in brand, blüte, wachsthum, ſchlaf,
furcht, wachen gerathen, kommen, fallen und das über-
ſetzende lat. ſc: adoleſcere, obdormiſcere, pertimeſcere,
horreſcere, expergiſci. Ebenſo für perceptionen des gei-
[814]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ſtes, der ſinne und des leibes: andþagkjan (cognoſcere),
andháuſjan, inkëƷan (ongitan, andgitan), inſūalan, ent-
ſeben, entſinnen, empfinden, inpîƷan, inſâhan (concipere)
und die bald abſtract werdenden: andhafjan, andniman,
entnehmen, entſprechen, entſtehen. Tranſitiva ſind z. b.
entzünden, entbrennen, entflammen, entſweben, ent-
liuhten: in brand, flamme, ſchlaf verſetzen. — 3) die
privative bedeutung des ent- (=lat. re-, dis-, ex-, ab-)
iſt der vorigen verwandt, ſie legt nur auf das austreten
aus dem alten zuſtand den nachdruck, nicht auf das be-
ginnen des neuen. Gewöhnlich bindet ſich für dieſen
begriff die part. mit andern verbis, worüber dann der
gebrauch entſcheidet, zuweilen mit denſelben, in welchem
fall zeit, mundart oder conſtruction die zweideutigkeit
heben. Goth. and-bindan (ſolvere); and-huljan (rete-
gere); and-vaſjan (exuere). Ahd. ind-ânôn (privare) N.
Boeth. 30; int-decchan (detegere) K. 47b in-dechan hrab.
959b ker. 88. monſ. 327; int-êrên (honore privare) O.
III. 18, 2. ind-êrên N. Boeth. 29; int-halſôn (decollare)
N. 41, 1; înt-hëlan (detegere) jun. 180; ent-hëllan (diſſo-
nare) jun. 183; ſih int-hêrên (dedignari) N. Cap. 49; in-
hrekilôn (exuere) ker. 114; in-karawen (exuere) hrab.
962b; int-cân (evadere) jun. 204. in-gangan O. I. 19, 29.
II. 5, 54. in-gân N. Boeth. 126. 145. 262. Cap. 35; in-
kinnan (aperire) monſ. 344. vgl. vorhin ſ. 811. und in-
geinen (findere) N. 73, 20. 106, 27. Cap. 136. (ſ. hernach
das mhd.); int-ladan (exonerare) N. 138, 14; int-leitan
(abducere) hrab. 953a; ant-liohhan (aperire) ker. 18. in-
liohhan hymn. 2, 1. ker. 115. 119. 219. 225. int-mahhôn
(diſſociare) ſgall. 199. in-machôn (disjungere) K. 48b; in-
negilen (pandere) ker. 238. int-nagilen O. IV. 30, 59;
int-pauhhanen (abnuere) jun. 195; in-bëran (carere) O.
I. 8, 6. N. 78, 9, die eigentliche bedeutung von përan
ſcheint treiben, hervorbringen, von in-përan alſo depelli,
deſtitui, privari; in-peinan (exoſſare) monſ. 339; ant-bin-
dan (diſſolvere) ſgall. 199. in-pintan K. 20b ker. 93. monſ.
386. 399. int-pintan hymn. 949. in-bintan O. I. 27, 116;
int-rahhôn (excuſare) K. 53b; int-redinôn O. III. 12, 80;
int-rerten (liberare) N. 100, 3; int-rihan (revelare) hrab.
973b K. T. in-rîhan ker. 40. 240; ind-rinnan (eſugere)
N. 118, 61. Boeth. 16. 74. tranſitiv ind-rennen N. p. 261a,
6; int-ſagên (excuſare, defendere); in-ſcuohen (denudare)
monſ. 391; int-ſizan (metuere) ker. 131. monſ. 338, 342.
O. I. 27, 88. N. Boeth. 75. 98. Cap. 99. 113. eigentlich
aus dem ſitz, aus der ruhe gebracht werden vgl. das
[815]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
adj. anda-ſêtis und das nhd. ent-ſetzlich; int-ſezan (depo-
nere) monſ. 334. N. Boeth. 39. 131; int-ſlîſen (elabi)
hrab. 954a; in-ſlëoƷan (reſerare) hrab. 973b ker. 114. 238;
in-ſlingen (evadere) N. Boeth. 60. 62; int-ſluphen monſ.
346; int-ſpenan (ablactare) K. 26a; in-ſperran (aperire)
O. I. 5, 63; in-tragan (aſportare) jun. 235; in-toan (ape-
rire) ker. 238. int-tuon jun. 227. 248. in-tuon T, 72. 40,
4. int-duan O. III. 18, 11. in-duon N. Cap. 114. 119;
int-faldan (explicare) jun. 180. 257; int-fallan (elabi) O.
II. 4, 177. in-phallan (intercidere) monſ. 390; in-pharan
(dilabi, evaneſcere) monſ. 324. 326. 350. N. 21, 28. Boeth.
196; in-fliohan (effugere) O. V. 15, 50; in-phroren (li-
quefacere) N. 147, 7; int-wâtôn (exuere) K. 54a 59a; int-
wenen N. 130, 2; int-wëren (irritum facere) N. 70, 4. 84,
11. 88, 35; int-wërfen (deſtruere) N. Boeth. 172; int-
wirchan (demoliri) jun. 202. O. II. 12, 59; in-ziohan (de-
trahere) monſ. 350. 368; in-zûnan (aperire) ker. 82. 119.
Altſ. ant-bindan; ant-heftëan (ſolvere); ant-lêdan (abdu-
cere); ant-lûkan (ſolvere). Agſ. on-bindan (abſolvere);
on-cirran (avertere) Beov. 212. on-dôn (ſolvere); on-
gervjan, on-girvjan (exuere); on-hâdjan (de ſtatu deji-
cere); on-lŷſan (ſolvere); on-lûcan (aperire) Beov. 22;
on-ſacan (excuſare, negare) Cädm. 80. 84; on-ſvîfan
(elabi) Beov. 191; on-lŷnan (aperire); on-vëorpan (deji-
cere); on-vindan (ſolvere) Beov. 122; on-vrëón, on-vrî-
gan (revelare, ahd. int-rîhan). Mhd. ent-ânen MS. 2,
166a; en-bërn; en-beſten Triſt.; en-bilden Triſt.; en-
binden; en-decken; ent-erben; Triſt.; en-gân Nib.; en-
gerwen, en-kerwen (exuere) Wigal. 164; en-kinnen (ape-
rire, findere) En. 10a 22a (wo cod. pal. 138a en-ginnen)
44a und ſo auch im ungedr. Lamprecht 9a en-chinnen,
80a en-kinnen für ſpalten, womit die der formel nr. 117.
folgenden zer-kînen (rumpi) a. w. 2, 92. und der teuto-
niſta unter kynen verglichen werden muß; ent-hërzen
Triſt.; ent-hiuten Triſt.; en-kirnen (enucleare) troj. 55a?
üblicher ſcheint er-kirnen g. ſchmiede 47. 410. MS. 1,
192a; ent-laden Nib.; ent-leſten Triſt.; ent-leiden (li-
berare a dolore) Ulr. Triſt., ent-liechen (aperire) Bit.
105a 122b; ent-næjen Triſt.; ent-nihten Parc.4b 46a;
en-pfallen Triſt.; en-pſarn Triſt.; en-pſerwen MS.
2, 20b; en-pſëtten MS. 2, 76b Frib.; en-pflëhten Wigal.;
en-pfliegen Parc. 104b; en-pflieƷen MS. 2, 224; en-pfueren
Nib.; ent-reinen (inquinare) Barl.; ent-rennen; ent-rin-
nen; ent-rihten (turbare) Barl.; ent-rîſen (elabi) troj. 78a;
ent-rîten (abducere) Parc. 149a Wh. 2, 126b; ent-ſagen
[816]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
Parc. 48a 78b Barl.; ent-ſchîben Ulr. Triſt.; ent-ſchuohen
Wh. 2, 60a 125b; ent-ſetzen Parc. 84c; ent-ſitzen Parc.
136c 168c Karl 14a 128b; ent-ſlieƷen Parc. 123a; ent-
ſlifen Wigal. Karl 122a; ent-ſorgen Triſt. 79; ent-ſtricken
a. Tit. 95. Wigal.; en-tragen (auferre) Barl.; en-tuon
(aperire) ſcheint abgekommen; ent-wâpen Parc. 180b;
ent-warnen (armis exuere) Karl 72a; ent-wæten Triſt.;
ent-wërden Triſt.; ent-wërn (recuſare) Barl.; ent-wëſen
Nib. Triſt.; ent-wëten (ſolvere) Barl.; ent-wichen Parc.
67a Karl 54a Flore 48a; ent-wirken Wh. 2, 132b Karl
54a. Nhd. ent-arten; -behren; -binden; -decken; -ehren;
-erben; -fallen; -fahren; -färben; -feßeln; -fliegen;
-flichen; -fließen; -führen; -gehen; -hauplen; -heben;
-hüllen; -kleiden; -kommen; -krälten; -laden; -laſten;
-laufen; -leiben; -mannen; -maſten; -rathen; -reißen;
-rinnen; -ſchlagen; -ſchuhen; -ſeelen; -ſetzen; (nicht
mehr -ſitzen); -ſiegeln; -ſinken; -ſtellen; -waffnen;
-weichen; -weihen; -wenden; -wiſchen; -wöhnen;
-wölken; -wurzeln; -ziehen etc. Engl. haben dieſe häu-
figen comp., für die privative bedeutung, ſtatt des agſ.
on- ein mit der part. un- (ſ. 775.) ſchädlich vermiſchen-
des un- bekommen: un-arm; un-bind; un-bit; un-bur-
den; un-child; un-do; un-geer (ahd. in-karwjan); un-
looſe; un-rigg u. a. m. — 4) mit dem privativen ent-
ſind, wie die unter 3. gegebenen beiſpiele zum theil zei-
gen, manche tranſitiva aus nominibus gebildet worden,
und können ihrer täglich neue werden, während die ent-
unter 1. 2. ſich der fortbildung verſagen. Die heutige
ſprache verfährt dabei, wie mit dem be- 2. (ſ. 803.), da-
her auch das plural -er und adj. -ig: ent-blättern, ent-
geiſtern, ent-göttern, ent-völkern, ent-heiligen, ent-le-
digen, ent-muthigen, ent-reinigen (ſchon Keiſersberg),
ent-ſündigen, ent-ſchädigen. Der älteren können der-
gleichen comp. nicht mit beſtimmtheit beigelegt werden,
denn wer ſagt uns, daß dem int-halſôn, int-hregilôn,
int-nagilen, in-peinan, int-ſcuohan, in-zûnan, int-nacku-
tôn nicht ſchon einfache verba halſôn etc. unterliegen?
Zu mehreren mhd. dürſten fie ſich aber nicht nachwei-
ſen laßen. — Bemerkungen zu ent-: a) die verſchieden-
heit der bedeutungen 2 und 3. gründet ſich auf die dre-
hung des partikelbegriffs. Man muß hiſtoriſch lernen,
daß z. b. entflammen ſo viel wie befeuern, entgeiſtern
aber das gegentheil von begeiſtern iſt; daß entreinen
unrein machen, nicht aber entleeren aufüllen bedeutet.
Der privative ſinn mag ſich, faſt wie beim be-, aus pri-
[817]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
vativen zweiten wörten gezeugt haben. Entnakten trifft
zwar mit dem begriff von entkleiden zuſammen, nur liegt
hier die privation bloß in der part., dort in dem wort
nacket (wie bei denudare in nudus), blœƷen MS. 2, 65b
ſagt gleichviel mit enblœƷen. Viele einfache verba z. b.
fallen, ſinken, fliehen haben von natur etwas privatives;
mit ent- componiert können ſie daher, wie mans nimmt,
unter 2 oder 3 aufgezählt werden. Und bei dunkelm
zweiten wort herſcht hierüber gänzliche unſicherheit,
z. b. ich weiß nicht ob in-trâtan wie int-ſizan oder wie
das agſ. on-êgan anzuſehen iſt. b) unterweilen bedeutet
ent- vor denſelben verbis verſchiednes; das goth. and-
háuſjan iſt grade das gegentheil vom nhd. (gerichtlichen)
enthören (gehör verſagen), das ahd. intwërfen (ſolvere)
vom nhd. entwerfen (diſponere); inziohan drückt ahd.
extendere monſ. 367. ker. 96. (wo diſto in diſtendo zu
ändern?) entziehen nhd. auferre aus, das mhd. ent-wërn
ſowohl praeſtare als auch denegare. c) es iſt ſ. 809. ge-
zeigt worden, wie ſich das ahd. int- durch die entſtellte
form in-, und das agſ. and- durch die entſtellung on-
mit den partikeln in und ana berührt. Für die bedeu-
tung 2. kann dieſe berührung aber auch materiell ſein,
and- bezeichnet hier entgegenkommen, näherung, wie
ana- (ſ. 716.). Kaum alſo läßt ſich ſagen, ob das agſ.
on-ginnan auf goth. and-ginnan oder ana-ginnan, das
agſ. on-ſendan auf goth. and-ſaudjan, ana-ſandjan oder
in-ſandjan lautet? das ahd. in-kinnan iſt ſelbſt zweideu-
tig und das ahd. int-ſentan widerlegt weder ana-, noch
ïn-, da Ulf. wirklich ïn-ſandjan, nicht and-ſandjan ſagt.
Er ſagt auch ïn-branjan, ïn-tandjan etc., ſo daß das ahd.
in-prennan, in-zuntan nicht nothwendig auf int- zurück-
geführt zu werden braucht, obſchon wir nhd. ent-bren-
nen, ent-zünden gebrauchen. Unſer heutiges ent-bieten
führt allerdings auf ahd. in-piotan aus int-piotan, agſ.
on-bëodan aus and-bëodan; allein Ulf. gibt ana-biudan,
kein and-biudan. Man hat auch die parallele compoſition
der ſubſt. zu beachten, das ahd. in-pot (mandatum) monſ.
379. 384. ſpricht nicht für in-piotan aus int-piotan; in-
piƷ oder in-pîƷ (ſ. 760.) nicht für in-pîƷan aus int-pîƷan,
widerlegen ſie aber nicht gänzlich. Hingegen and-fanc
zu in-fâhan aus int-fâhan ſtimmt. Die materielle vermi-
ſchung der drei partikeln kann zu der formellen beige-
tragen haben, wohei ſich nur im ahd. und mhd., nicht
im agſ., rückſicht auf den anlaut des verbums entwickelte.
Die formelle verderbnis läßt ſich aber nicht leugnen, da
F f f
[818]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ſie ſich über die comp. mit verbis hinaus erſtreckt (z. b.
die nhd. ent-gegen, ent-zwei erwachſen ohne zweifel aus
in-gegen, in-zwei).


[er-]; im goth. lautet dieſe part. beſtändig us- und
nur vor anlautendem r aſſimiliert ſie ſich in ur-; ſpur
ihrer trennbarkeit als bloßen adverbs (abgefehn von dem
praepoſitionsfall) zeigt ſich noch Luc. 20, 25. in dazwiſchen-
ſchiebung der part. nu: us nu gibiþ (reddite) für nu us-gibiþ
oder us-gibiþ nu; vgl. uzuhïddja Joh. 16, 28. Ahd. ſchwan-
ken ur-, ar-, ir-, er-, letzteres iſt = ër, und (wie fër ſtatt fir)
ganz der alten lautregel gemäß, welche den vocal i vor
r in ë (aí) wandelt, daher nicht der ſpätern verdünnung
des auslautenden pi, zi in be, ze zu vergleichen. Der
unbetontheit wegen ſchreibe ich jedoch er- (für ër-).
Die form ir- ſcheint das i aus dem urſprünglichen is-
feſter zu halten und ſteht dem ur- (für us-) parallel,
welchem, im ahd. mindeſtens, kein or- zur ſeite ſteht.
Dagegen berührt ſich ar- zunächſt mit dem â- (für as-)
welches in dieſer mundart niemahls mit verbis compo-
niert wird. Man kann nicht ſagen, daß eine der vier
ahd. formen vor der andern etwas alterthümliches vor-
aushabe, bloß daß ur- unter allen die ſeltenſte iſt. Sie
begegnet bloß in der exhort., wo beide hſſ. ur-gëpan
gewähren; hymn. 949. ur-tructê (ſobrii); Hild. ur-hêttun;
ur-ſtiufit ker. 215. ur-witwid ker. 284; hauptſächlich aber
monſ. 401-412, in den gl., welche genauer emm. citiert wer-
den ſollten (bei Graff P. 34-52.) wo: ur-chuiſtan, ur-halôn,
ur-hefan, ur-hokan, ur-nëſan, ur-rahhôn, ur-ſceinan, ur-
ſmâlîchên, ur-ſpurjan, ur-wahhên, ur-welchên, ur-wur-
zôn, nur fragt ſich, ob die hſ. nicht etwan ar- leſe? da
in dieſen gl. emm. zugleich ar-gëpan, ar-hefan, ar-përan,
ar-lëotan, ar-lougnan, ar-rachôn, ar-rechan, ar-fullan
vorkommt, während die vorausgehenden gl. monſ. durch-
gängig ir- ſetzen. Wo ſich in andern denkmählern ur-
vor verbis findet, liegen nomina zu grund; ſo rührt
zwar ur-ſuochâri monſ. 326. ur-ſuahhida K. von ur-ſuoh-
han her, dieſes aber von ur-ſuoh (vgl. ur-ſuochenôt N.
Boeth. 246. mit betontem úr-); ur-druƷeda N. 118, 53.
von ur-druƷi; ur-teilida K. 53b monſ. 401. ur-teilda N.
16, 2. von ur-teilan und dieſes von ur-teili. Die ar-form
zeigt ſich in J. T. ſgall. jun. emm. etc. (nie monſ. bis
401; nie bei O. und N.), neben ar- mehr oder minder
er-, zumeiſt jun. (wo ar- und er- ſich beinahe gleich-
gewicht halten); das er- überwiegt bei K. (neben -ar-,
nie ir-) bei N. ſcheinen er- und ir- gleich häufig und
[819]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
willkürlich, vielleicht verſchiedene ſchreiber auszeichnend?
Das ir- herrſcht O. monſ. und ker. (etwa von 32-289.
an, denn von 1-32. gilt ar-, und ebenſo verhalten ſich
fir- und far- daſelbſt). Sichtbar iſt weniger willkür an-
zunehmen, als dialectiſche verſchiedenheit. Uebrigens
bedeuten dieſe ahd. ar-, ir-, er-, ur- ſämtlich gleichviel.
Altſ. und agſ. gelten â (für as-), deſſen länge wohl nicht
zu bezweifeln ſteht; einmahl ſcheint die E. H. ao- zu
gewähren (ao-drôbde, triſtitia affectus eſt); bis aufs engl.
herab haben ſich die verba mit a- zwar ſtufenweiſe ge-
mindert, nie ganz verloren. Alle agſ. or- gehören der com-
polſition mit nom. an, z. b. or-ſorgjan (ſecurus eſſe) or-trûv-
jan ſtammen von or-ſorge (ſecurus) or-trëóve (perfidus).
Mhd. und nhd. lautet die part. einförmig er-, in einzelnen
oberdeutſchen volksmundarten der-, tirol. dar- (Reinwald
henneb. id. 1, 21. 184. 2, 17. Schm. §. 451. 1059.) und von die-
ſem der- finden ſich ſchon frühe ſpuren, namentlich im
ſgall. cod. der Nib. der-warp 4531. der-beiƷte 6119, oder
in der abſchrift, wonach Conr. troj. kr. gedruckt iſt, z. b.
1509. der-haben; ganz häufig bei Caſp. von der rön.
Ich weiß es eben nicht genügend zu erklären. — Die
bedeutungen der partikel ſind manigfalt: 1) zum grund
lege ich die, welche das gelangen von innen nach außen,
das her, ausdrückt, die richtung des hin aber andern
partikeln oder dem verbo ſelbſt zu bezeichnen überläßt.
So heißt goth. us-gaggan (exire), verſtärkt und näher
beſtimmt ut-us-gaggan oder us-gaggan ut; aber das ahd.
ar-kankan, agſ. â-gangan oder ſelbſt das goth. us-leiþan
haben ſchon dieſen reinen begriff ſelten (z. b. ar-gang
exi, T. 19, 8.), gewöhnlicher die nebenbedeutung nr. 7.
Wir müſten, um andere beiſpiele, die noch hierher fal-
len, ſicher zu beurtheilen, über den ſinn mancher einfa-
chen verba im reinen ſein. — 2) bereits in der älteſten
zeit ſcheint in der componierten part. mehr zu liegen, als
in der bloßen praepoſition us, ar, ir, ur, nämlich die
bewegung von unten in die höhe, das herauf. Daher
auch gleichbedeutige neuere comp. nicht mit aus-, ſon-
dern mit auf- gebildet werden, viele gr. ἀνα entſprechen
und die verſtärkenden decomp. ûf-ar-, auf-er-, agſ. up-â-,
(das altn. upp-â iſt ganz verſchieden, ahd. ûf-ana, agſ.
up-on) eintreten. Der begriff kann ſowohl intranſitiv
ſein, als tranſitiv. Goth. us-baíran (efferre, proferre)
zuweilen reſpondere Marc. 11, 14; us-fulljan (implere)
von unten bis oben, Joh. 16, 241. Neh. 6, 16. Philip. 2.
29; us-graban (ὀούσσειν); us-hafjan (elevare); us-hahjan
F f f 2
[820]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
(ſuſpendere); us-hláupan (ſurgere) Marc. 10, 50. ushláu-
pands (ἀναστάς); us-hramjan (ſuſpendere); us-huljan (ex-
cavare); us-keinan (germinare); ur-reiſan (ſurgere) reiſan
mag bloß den gang, nicht die richtung aufwärts bezeich-
nen, vgl. oben ſ. 16, ur-ráiſjan (excitare); ur-rinnan
(oriri) ur-rannjan (ἀνατέλλειν); us-ſaíhvan (ἀναβλέπειν)
die augen aufſchlagen, aufſehen, von geheilten blinden,
Matth. 11, 5. Marc. 10, 51. Joh. 9, 11; us-ſitan (ἀνακα-
θίζειν
) us-ſatjan (φυτεύειν) wachſen machen; us-ſiggvan
(ἀναγινώσκειν, recitare, weil die ſtimme des leſenden auf-
ſteigt?); us-ſtandan (ſargere, ἀνίστασθαι); us-ſteigan
(ἀναβαίνειν); us-vahſjan (adoleſcere); us-vakan (exper-
giſci) folgt aus us-vakjan (expergefacere); us-valtjan (ἀνα-
τρέπειν
) Tit. 1, 11; us-valjan (καταστρέφειν). Bei eini-
gen (hafjan, ſteigan) liegt das ſtreben in die höhe freilich
ſchon in dem fimplex und dieſe können mitgewirkt ha-
ben, daß den zuſ. ſetzungen mit hlaupan, ſtandan jener
begriff beigelegt wurde. Aehnliches gilt von den folgen-
den anführungen aus andern ſprachen. Ahd. ar-hefan
J. 390. ſgall. 202. jun. 205. 246. 258. monſ. 361. N. Cap.
93; ar-hâhan (ſuſpendere) hrab. 954b 962a; ar-hliotan
(pullulare) jun. 218. hrab. 972a (mit beigefügtem fram)
ar-lëodan (egredi) J. 402. ar-lëotan (prodere) monſ. 408;
ir-gioƷan (implere) monſ. 324. 352; ir-grapan (exprimere)
monſ. 340; ir-pëlgan (intumeſcere) jun. 254. monſ. 392.
fih ir-b. (iraſci) O. IV. 33, 1. tranſit. er-pelgan (offendere)
jun. 215; ar-përan (partum edere) monſ. 405; ar-plëſtan
(erumpere) hrab. 962a; ir-pluhan (efflorere) monſ. 322.
jun. 203; ar-prëttan (evaginare) jun. 203. (expergefacere)
monſ. 334; er-purran (adlevare) hymn. 25, 1. (inflare)
monſ. 377. 390. 396; ar-quëman (ſtupere, auffahren) ker.
7. 163. 264. T. 12, 5. ir-quëman O. II. 3, 65. er-chumen
N. Boeth. 180. 199. Cap. 159; ar-rihtan (erigere) T. 4,
14; ir-rinnen (oriri) monſ. 391. 395. N. 79, 2. 103, 22.
Boeth. 211. 269; ir-roffezan (eructare) ker. 120. T. 74, 2.
N. 44, 2; ar-ſcioban (explere) ker. 259? N. Boeth. 122;
ar-ſcioƷan (excreſcere); ar-ſcînan (oriri, parere, aufleuch-
ten) monſ. 360. O. IV. 4, 104. tranſitiv ir-ſceinan (decla-
rare) monſ. 326. 363. 366. ur-ſceinan monſ. 409; ar-ſcric-
chan (exſilire) jun. 203; er-ſingan (recitare) jun. 259.
vgl. daƷ gapët ſingan (recitare, nicht canere) catech.;
ar-ſprëoƷan (fulcire) jun. 184. 187; ar-ſpringan (oriri) J.
375. ir-ſpringan monſ. 366; er-ſtantan (ſurgere) K. ir-
ſtantan ker. 186. 241. O. IV. 15, 12, 26; ar-ſtifulen (far-
cire) hrab. 963b; ar-ſtîgan (aſcendere) monſ. 402; ar-ful-
[821]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
lan (implere) J. 379. 382. 394. monſ. 404; er-wahſan jun.
237. O. IV. 7, 21; ur-wahhên (excitari) monſ. 406. ar-
wehhan (ſuſcitare) J. 398. 399. hrab. 966a jun. 237; ir-
walzan (evellere) ker. 109. Altſ. â-hebbjan (elevare);
â-hlaupan (accurrere); â-kuman (terrefieri); â-lëſan (col-
ligere); â-rihtan (erigere); â-ſtandan (ſurgere). Agſ. â-
bëlgan (iraſci) Beov. 170; â-bërſtan (rumpi); â-dëlfan
(effodere); â-fŷllan (implere) Beov. 78; â-grafan (ſcul-
pere); â-hebban (elevare); â-hleápan (accurrere) Beov.
106; â-lëſan (excerpere); â-rîſan (ſurgere) Beov. 51.
189; â-ræran (erigere); â-ſcëotan (erumpere); â-ſcî-
nan (clareſcere); â-fingan (cantare); â-ſpringan (aſſur-
gere); â-ſprëotan (gernnnare); â-ſtandan; â-ſtîgan (ſur-
gere) Beov. 85. 88; â-timbrjan (aedificare); â-väccan
(excitare). Mhd. er-bërn, es gilt faſt bloß das part. er-
born (genitus); er-bëlgen, auch meiſt nur im part. er-
bolgen; er-bluejen; er-bûwen; er-dieƷen Nib.; er-gle-
ſten; er-glitzen Gudr. 24a; er-graben; er-heben; er-hël-
len; er-klingen Nib.; er-komen Wigal.; er-ſchëllen; er-
ſchînen; er-ſchieƷen (evenire, eigentl. aufwachſen); er-
ſchricken und tranſ. er-ſchrecken; er-ſchieben (implere)
das part. er-ſchoben Parc. 48b; er-ſpringen Triſt.; er-
ſtân; er-ſwingen; troj. 113c; er-füllen; er-wachen, er-
wecken. Veraltet ſind um dieſe zeit er-rinnen, er-rîſen,
er-ſingen u. a. m. Nhd. ſind ihrer noch weniger: er-
bauen; er-blühen; er-füllen; er-graben; er-hängen; er-
heben; er-klingen; er-ſchallen; er-ſcheinen; er-ſchrecken;
er-ſchwingen; er-wachen; er-wachſen; er-wecken; einige
braucht man nur mit zuſätzen, z. b. auf-er-ſtehen, wie-
der-erſtehen, oder dafür bloß auf-: auf-ſtehen, auf-ſprin-
gen, auf-wachen, auf-hängen, auf-gehen, auf-ſteigen etc.;
wo er- daneben gilt, pflegt es zugleich eine der folgen-
den bedeutungen zu haben. Engl. finde ich nur noch a-
riſe (ſurgere); a-rouſe (excitare); a-wake oder a-waken. —
3) aus dem begriffe her und herauf erläutert ſich der des
beginnens und werdens, welches einer menge von comp.
mit der part. er- eigen iſt. Solche intranſitive inchoativa
fallen der dritten ſchiv. conj. heim, finden ſich aber,
wie es ſcheint, im goth. durchaus nicht, wo vielmehr
ableitungen mit -n gebraucht werden, denen verſchiedne
partikeln vortreten, vgl. 1, 854. afdumbnan, gaþaúrſnan,
gaſtaúrknan u. a. m. Ahd. ar-altên (ſeneſcere) ker. 6.
278. 281; ar-anguſtên (angi) ker. 20; ir-argên (obſtupeſ-
cere) monſ. 356: ir-dicchên (incraſſari) monſ. 367; ar-
dorrên (arefieri) jun. 203. monſ. 388; er-einên (deſolari)
[822]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
jun. 202; ar-heiƷên (aeſtuare) hrab. 952b ker. 20. ir-hei-
Ʒên (igneſcere) monſ. 398; ar-îtalên (infatuari) T. 24, 2;
ir-unganzên (emarceſcere) monſ. 342; ir-muntrên (exci-
tari, terrefieri) ir-muntrêta (expavit) monſ. 325; er-naƷên
(madere) N. Cap. 59; ir-narrên (obſtupeſcere) monſ. 353.
376; ir-paldên (praeſumere) K. jun. 221; ir-pleihhên
(palleſcere) monſ. 383; ir-plôdên (paveſcere) monſ. 324.
326; er-rotên, nicht er-rôtên (rubere) N. Cap. 48; ir-
roſtagên (aeruginare) monſ. 368; ir-ſeigrên (elanguere)
monſ. 343; ir-ſiuhhên (langueſcere) ker. 259. ir-ſiechen
O. V. 23, 274; ir-ſlawên (f. -ſalawen, obſcurari) monſ.
338; ar-ſmâên (vileſcere) jun. 193. ir-ſmâhên O. I. 1,
18. ur-ſmâlîchên monſ. 403; ar-tabên (obrigere) jun. 178;
er-ſtorchenên (rigeſcere) N. Boeth. 94, hier ein dem goth.
ähnliches ableitungs-n, vgl. goth. ga-ſtaúrknan, altn.
ſtorkna; ir-ſûrên (aceſcere) monſ. 380; ar-topên (bru-
teſcere) ker. 6. hrab. 954b ir-topên ker. 43. 125. er-tophên
jun. 186. (wo tophſes, viell. tophſes?); ir-trockenên
(areſcere) ker. 65. ar-truhnên hrab. 957b; ir-tumbên
(obmuteſcere) K. 25 [...]; ir-veiƷtên (incraſſari) monſ. 350;
ir-firnên (inveteraſcere) ker. 278; ir-vûlên (putreſcere)
monſ. 347. 386; ir-waldên (ſilveſcere) N. 131, 6; ar-wa-
ramên (concaleſcere, recaleſcere) hrab. 957a monſ. 412;
ur-wëlchên (marceſcere) monſ. 405; ir-wînên (inebriari)
O. II. 8, 97, ohne zweifel noch manche andre. Agſ. â-
biterjan (amareſcere); â-blâcjan (nigreſcere); â-cëaldjan
(frigefieri); â-côljan (refrigeſcere); â-deáfjan (ſurdeſcere);
â-dëorcjan (obſcurari); â-fûljan (putreſcere); â-gëolvjan
(flaveſcere); â-hëardjan (indureſcere); â-ſcëamjan (eru-
beſcere); â-ſlavjan (torpeſc.); â-ſvëartjan (nigr.); â-þŷſtr-
jan (obſcurare); â-vildjan (ſilveſtere). Mhd. er-bleichen;
er-gouchen Karl 33b; er-gruonen (mit rückuml.); er-
kalten Triſt.; er-knolen Nib.; er-lamen MS. 1, 130b; er-
ſteinen (mutari in lap.) Triſt.; er-ſtummen; er-ſwarzen
Barl.; er-tagen Nib.; er-toben Nib.; er-tôren MS. 1,
107b; er-ſûlen Barl.; er-wilden Ulr. Triſt. u. a. m. Nhd.
er-blaßen; -bleichen; -blinden; -dorren; -grauen; -grü-
nen (ohne rückuml.); -harten; -kalten; -kranken; -krum-
men; -lahmen; -matten; -müden; -röthen (falſcher uml.);
-ſchlaffen; -ſchwarzen; -ſtarren; -ſtummen; -warmen u.
a. m., einige haben ver-: ver-alten, ver-armen, ver-
ſtummen, ver-faulen, ver-ſauern, ver-wildern, ver-roſten,
ver-trocknen, wohl mit dem nebenſinn des verderbniſſes,
der in dieſer part. liegt. Die frage iſt, ob in allen hier
unter 3. verzeichneten wörtern das verbum durch die
[823]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
part. aus dem nomen gezeugt wird, oder ſchon einfach
(freilich auch aus dem nomen entſprungen) mit demſel-
ben inchoativen ſinn vorhanden war, den die vorgeſetzte
part. bloß hervorhebt und ſtärkt? Letzteres ziehe ich
vor: α) weil dieſe comp. ſehr alt ſind, anders als die
ſ. 802. abgehandelten mit be-. β) weil ſie ſich heutzu-
tage nicht neu bilden laßen, z. b. kein er-weißen (al-
beſcere) er-braunen (infuſcari), noch veraltet auffriſchen,
z. b. nicht mehr er-heißen (calere). γ) weil viele ſim-
pli[a]ia erweiſlich ſind, z. b. alten, toben, ſtarren, bleichen,
mhd. roten (neben rôten) etc. vgl. lat. rubeſcere neben e-ru-
rubeſc. — 4) wie dem begriffe her die idee des zurück und wie-
der
nahe liegt, ſo entſpricht auch er- verſchiedentlich dem
lat. re-, ſelbſt da, wo es eine kaum merkliche bedeutung hat *).
Goth. us-giban (ἀποδοῦναι, reddere) Marc. 12, 17. Luc.
7, 42. 16, 2; us-gildan (ἀνταποδοῦναι, retribuere) Luc.
14, 14; us-vandjan (ἀποστρέφειν). Ahd. er-denchan (re-
tractare) jun. 249; ar-gëpan (reddere) ker. 96. monſ. 402.
ur-gëban exhort. ar-keban, er-këban K. 22a 58a; ir-hlû-
dan (reſonare) ker. 240; ur-hokan? (repetere) monſ. 411;
ir-hugen (recolere) monſ. 385. (recordari) jun. 249. N. Boeth.
187. 246; er-huëraban (reverti) K. er-wërvan (reſipiſcere)
monſ. 392; ir-koborôn (recuperare) O. V. 7, 76; ar-leitan (re-
ducere) T. 19, 5; ar-lôſan (redimere) er-lôſan K. ir-lôſan monſ.
363; er-loffan f. er-louſan? (relabi) jun. 249; ur-nëſan (recu-
perare) monſ. 405. ir-nëſan (relipiſcere) monſ. 399; er-
piotan (referre) jun. 249; ar-chuicchan (refovere) jun.
244. er-qhuichan (recreare) K. 23a ir-quickan O. IV. 2,
12; ar-ſezan (reſtituere) hrab. 953a T. 69, 5. ir-ſezan (re-
parare) monſ. 343; er-ſkînan (refulgere) jun. 249; ir-ſto-
wan (repellere) monſ. 365; er-fullan (refercire) jun. 248;
er-wëpan (retexere) jun. 249; ir-wentan (revocare) monſ.
379; er-winden (reverti) N. Cap. 88. 115. 139; ar-zellan
(reputare) jun. 223. Altſ. â-geban (reddere); â-gëldan
(retribuere); â-lôſjan (redimere). Agſ. â-cvicjan (revi-
viſcere); â-gëldan Beov. 200; â-gifan (reddere); â-lætan
(remittere); â-lŷſan (redimere) Beov. 123; â-lêcan (re-
quirere). Mhd. er-gëben Nib.; er-getzen (rependere,
compenſare) Wigal. vgl. das intranſ. er-gëƷen unter 6;
er-holn (recuperare) Wh. 2, 4a Parc. 19a 88a er-lân (re-
[824]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
mittere); er-lœſen; er-nern (redimere); er-iteniuwen
(renovare) Nib.; er-quicken (recreare); er-ſchëllen (re-
ſonare). Nhd. ſich er-geben; ſich erholen; er-innern;
er-laßen; er-löſen; er-quicken; er-ſetzen. Offenbar iſt die
bedeutung re- manchmahl ganz gering und im einfachen
verbo mitzuſuchen, z. b. gildan heißt an ſich ſchon re-
tribuere *) und für redja urkëpan ſagen, wir heute rede
geben, rechenſchaft geben. — 5) in ſehr vielen wörtern
ſeheint die partikel bloß den tranſitiven begriff hervorzu-
heben
, gleichſam den beginn der über einen gegenſtand
ergehenden handlung zu bezeichnen. Meiſtentheils kann
das verbum ſchon ohne er- tranſitiv gebraucht werden,
z. b. greifen, ſehen, faßen, allein er-greifen, er-ſehen,
er-faßen drücken es lebendiger aus. Zuweilen verlangt
aber der traufitivbegriff die part-, z. b. man ſagt nicht:
einen blicken, matten, fechten für er-blicken, er-matten,
er-ſechten, ja gewiſſe verba kommen überhaupt nicht
ohne er- vor, z. b. er-lauben, er-obern etc. Alle ſolche
verba regieren den acc. (wie die ſ. 798. ff. verzeichneten
be-). Goth. us-agjan (exterrere); us-báugjan (everrere);
us-beidan (exſpectare) laþôn Luc. 2, 38. wogegen das intr.
beidan (exſpectare) den gen. verlangt Matth. 11, 3. Marc.
15, 43; us-bliggvan (flagellare) Marc. 12, 5; gleichbedeu-
tig bliggvan Marc. 5, 5. 10, 34; us-bugjan (emere) neben
bugjan; us-dreiban (expellere); us-filhan (θάψαι) neben
filhan; us-hriſjan (excutere); us-láuſjan (eximere); us-
láubjan (permittere); us-mêrjan (nuntiare) neben mêrjan;
us-máitan (ἐκκόπτειν) máitan bloß κόπτειν; us-qviþan
(evulgare); us-qviſtjan (perdere); us-ſáihvan (conſpicere,
περιβλέπειν) Marc. 3, 5. Luc. 6, 10; us-ſandjan (emittere)
gleichviel mit ſandjan oder ïn-ſandjan; us-ſôkjan (ex-
quirere); us-vaírpan (ejicere); us-vindan (plectere). Ahd.
ir-aran (exarare) monſ. 392; ir-âtmazan (exhalare) hrab.
961a; ar-augjan (demonſtrare) J. 352. 357. jun. 178. ir-
ougen O. I. 15, 63. III. 15, 56; ar-chennan (comperire)
J. 341. 360. jun. 236; ar-chioſan (eligere) jun. 244. ir-
kiaſan O. Sal. 10; er-temfen (ſuffocare) N. Boeth. 10;
ar-dhenan (ſternere) ker. 19. (conſternare) ker. 79. (pan-
dere, expand. extendere) jun. 242. ker. 97. 225; ir-der-
ran (arefacere) monſ. 368. ir-therran O. IV. 6, 10; ir-
[825]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
theſban O. I. 17, 103; ir-digan (impetrare) monſ. 327.
360; ar-dhinſan (rapere) J. 404. 406. (convellere) hrab.
955b; ir-thionôn (mereri) O. IV. 9, 57; ar-duingan jun.
181. 204; ar-duahan (abluere) hrab. 950b; ir-gëban (tra-
dere); er-greifôn (apprehendere) N. Boeth. 94; ir-greman
(exaſperare) monſ. 348. 364; ar-helzan (claudum reddere)
jun. 201; ar-herjôn (depopulari) hrab. 959b (devorare)
monſ. 332; ir-hôhan (exaltare) monſ. 355; ir-holan (ex-
cavare) monſ. 374; ar-îdalan (exinanire) J. 355. ir-îtalan
(vaſtare) ker. 95. 277; ir-leitan (agere, facere, transigere)
monſ. 354. 376; ar-leman jun. 201; ir-leſcan (exſtinguere);
ir-liogan (fruſtrare) monſ. 356; ar-loupan (permittere);
ir-luagên (conſpicere) O. II. 12, 63. V. 17, 77. er-luogên
N. Boeth. 207. Cap. 102; ar-mâran (magnificare) ker. 7.
J. 340. ir-mâran monſ. 360; ar-muatan (fatigare) hymn.
14, 3. ir-moadan ker. 96. 136; ir-mundren (excitare) N.
76, 4; ir-namôn (nominare) monſ. 339. 340; ar-aodan (va-
ſtare) hrab. 976a ir-ôthan ker. 37. 87; ar-offonôn T. 14, 4; ir-
barôn (diſſolvere) N. Cap. 156. (detegere) N. 147, 5. Cap. 49.
104; ir-pëtôn (exorare) ker. 112. 165; ir-pitan (expe-
tere) ker. 105. 112. 120. 156. ir-bitan O. V. 4, 33; ir-pî-
tan (exſpectare, aſſumere) monſ. 323. ir-bîtan O. III. 24, 99.
V. 13, 55; ir-pîƷan (capere, percutere) monſ. 321. 329; ar-
piotan (offerre, porrigere) ker. 96. ir-piotan monſ. 323.
368. ir-biatan O. I. 3, 68. II. 6, 99; ir-plendan (obcoe-
care) ker. 220. N. 138, 20; ar-prëhhan (effringere) jun.
203. ker. 50; ar-qhuellan (interficere) hrab. 957a 960a er-
chelen N. Boeth. 180; ur-chuiſtan (enecare) monſ. 404.
vgl. goth. us-qviß (interitus); ar-rahhôn (enarrare) J.
341. monſ. 408. ur-rachôn (explicare) monſ. 404. 405.
407; ar-recchan (exprimere, digerere) jun. 202. 205. 203.
257. monſ. 408; ir-rëhhan (ulciſci, defendere) monſ. 359.
395. N. Boeth. 227; er-râtan (conjicere) monſ. 324. jun. 200.
Boeth. 245. 250; ar-retan (eripere) hymn. 21, 3. ir-retan jun.
203. monſ. 324. 361. er-reten N. Boeth. 54; ir-rîmen (enume-
rare) O. I. 11, 104; ir-ruofan (interpellare) monſ. 362.
367. jun. 210; er-ruaran (removere) jun. 249; er-rûmen
N. Boeth. 229; ar-ſagên (enarrare) jun. 203. ir-ſagên O.
V. 23, 38; ir-ſcaborôn (conquirere) O. IV. 2, 59; ar-
ſcaidan (ſeparare) ker. 22. ir-ſceidan ker. 50. 92. 215. 249;
ir-ſcrudilôn (diſcutere) monſ. 392; ar-ſcuten (excutere)
T. 44, 9. er-ſcutten N. 126. 4; ar-ſiodan (concoquere)
hrab. 954a ir-ſiodan monſ. 331. 347; ar-ſlahan (caedere,
interimere, jugulare) hrab. 956b J. 382. ir-ſlahan ker. 206.
monſ. 388. jun. 175. 178; er-ſperren N. Cap. 124; ir-ſpîen
[826]III. partikelcomp — untr. part. mit verb.
(evomere) N. Cap. 124; er-ſprengen N. Boeth. 228. ur-
ſpurjan (circumire) monſ. 403. ar-ſpurjan (inveſtigare)
jun. 193; ar-ſtëhhan (effodere) hrab. 961b; ir-ſterben (oc-
cidere) N. 39, 15, 56, 5. 68, 3; ar-ſtiufan (orbare) hrab.
970b jun. 216. ur-ſtiufan ker. 215. ir-ſtiufan ker. 284; jun.
215; er-ſtrengen N. Boeth. 228; ir-ſtungan (incitare) ker.
149; ar-ſûfan (abſorbere) ker. 27; ar-ſuntrôn (removere)
hrab. 973b jun. 259; ar-ſuahhan (probare) jun. 180. 204.
217. 219. ir-ſuohhan monſ. 352. 360; ir-ſuentan (arefacere)
monſ. 355; ar-drîban (expellere) J. 388. ir-drîban O. V.
21, 15; ir-trenchan (ſuffocare) monſ. 398; ir-varan (de-
prehendere) monſ. 341. 351. 364. 386; ar-fëhtan (expug-
nare) hrab. 954a ker. 278. N. 108, 3. Boeth. 227; ar-fel-
lan (proſternere, conſternare) hrab. 958b N. 23, 2. 72, 18.
88, 17; ar-firran (alienare) ker. 27. ir-firran monſ. 332.
350. O. I. 2, 63. 8, 45. ir-firrôn N. 88, 34; ir-flâwan
(eluere) ker. 107; ar-flaugan (effugare) J. 388; ir-fremi-
dan ker. 289; ir-foalan (palpare) ker. 225; ir-vuoran
(arare?) monſ. 324; ir-furpan (mundare) ker. 278; er-
wallôn (perambulare) N. Cap. 158; ar-waſkan (eluere)
ker. 26. 87. er-waſken N. Boeth. 207; ar-wagjan (re-
movere) ker. 24. ir-wekan (incitare) ker. 170. ir-
wegan (quaſſare) monſ. 323; ir-wellan (eligere); ir-wen-
tan (evertere, avertere) ker. 117. monſ. 347; ar-wër-
ſan (projicere) J. 384. hrab. 973b ir-wërfan (rejicere,
repudiare) ker. 237. monſ. 322; ar-winnan (lucrari) K.
53b; ur-witwan (viduare) ker. 284; ir-wuolan (fodere)
ker. 42; ar-wôſtan (vaſtare) J. 381. hrab. 960a ar-waſtan
jun. 175; arwurgan (ſuffocare) jun. 227. ir-wurgen N.
124, 4. Altſ. â-biddjan (expoſcere); â-kieſan (eligere);
â-tuomjan (eripere); â-winnan (lucrari). Agſ. â-barjan
(denudare); â-bëódan (offerre) Beov. 180; â-bîdan (ex-
ſpectare) Beov. 75. 100; â-bîtan (mordere); â-bŷgan (in-
curvare); â-cennan (parere) Beov. 103; â-ceápjan (eme-
re); â-cëorfan (exſcindere); â-cvëðan (proloqui) Beov. 153;
â-cvellan (interimere) Beov. 68. 81. 159; â-drîfan (expellere);
â-drincan (ebibere); â-drencan (aquis immergere); â-fand-
jan (probare); â-feormjan (purgare); â-findan (invenire); â-
gëótan (effundere); â-gitan (cognoſcere); â-hlytran (purgare,
declarare); â-hëardjan (indurare); â-îdljan (irritum fa-
cere); â-lædan (educere); â-lecgan (ponere, collocare)
Beov. 164; â-mëtan (menſurare); â-myrran (impedire,
corrumpere); â-reccan (exponere); â-ſcëacan (excutere);
â-ſendan (mittere; â-ſëóðan (coquere); â-ſleán (occidere);
â-ſpanan (allicere); â-ſpîvan (evomere); â-ſtellan (ſtabi-
[827]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
lire); â-ſvefan (ſopire, ſedare) Cädm. 70. Beov. 45; â-
tellan (numerare); â-temjan (domare); â-tendan (incen-
dere); â-tëôn (auferre) Beov. 60; â-þenjan (expandere);
â-vëfan (contexere); â-vendan (avertere); â-vëorþan
(projicere); â-vinnan (ſuperare, debellare); â-vrîtan (con-
ſcribere) u. viele andere. Mhd. er-arnen Nib.; er-ahten
Wh. 2, 115b; er-bieten; er-bitten; er-biten; er-blenden;
er-denken Parc. 1a; er-gâhen Parc. 30b; er-gëben (tra-
dere) Flore 11a; er-geilen Parc. 174c; er-gengen Karl 60a;
er-grîfen; er-gruenen (viridem facere) grundr. 261; er-jagen;
er-jëten Parc. 76c; er-kennen; er-kieſen; er-krimmen Nib.;
er-kuelen; er-kuenen Parc. 119a Wh. 2, 121b; er-langen Parc.
79a; er-læren kl. 2400; er-lëdegen; er-lêren Wigal.; er-lë-
ſen; er-leſchen; er-liegen (mentiri) Parc. 7b; er-loufen Nib.;
er-manen; er-mieten (conducere) MS. 2, 143b; er-morden
Triſt.; er-nœten; er-œſen (exhaurire) Parc. 51b; er-rëchen;
er-recken; er-ringen; er-rîten Nib.; er-ſchallen; er-ſchecken
Parc. 165a; er-ſcheinen; er-ſchrecken Parc. 111a; er-ſëhen
Barl.; er-ſenden Triſt.; er-ſlahen; er-ſmecken Parc. 175c;
er-ſpëhen Barl.; er-ſprengen Wigal.; er-ſterben (inter-
ficere) Wigal. Parc. 131c: er-ſtrîten; er-ſweiƷen (ſudore
acquirere) Wh. 1, 2b; er-tœten Barl.; er-trahten; er-
trenken; er-varn; er-vëhten Geo. 55a; er-vinden; er-
fliegen (volando aſſequi) Parc. 149c; er-volgen (aſſequi)
MS. 2, 137b; er-vriſchen MS. 2, 243b; er-vürhten Barl.;
er-weinen (plorare facere) Nib.; er-weln; er-wenden;
er-wërben; er-zeigen (oſtendere); er-ziugen (parare, af-
ferre); er-zünden Nib. Nhd. er-achten; -bieten; -bit-
ten; -bittern; -blicken; -denken; -eilen; -fahren; -fech-
ten; -finden; -fliegen; -friſchen; -greifen; -gründen;
-härten; -heitern; -hohlen; -kälten; -kaufen; -kennen;
-kieſen; -langen; -laufen; -ledigen; -leichtern; -mahnen;
-mannen; -matten; -morden; -muntern; -müden; -mu-
thigen; -nennen; -obern; -rathen; -reiten; -retten;
-ringen; -rufen; -ſäufen; -ſchauen; -ſchlagen; -ſchöpfen;
-ſchrecken; -ſchüttern; -ſchweren; -ſchwingen; -ſehen;
-ſinnen; -ſpähen; -ſtechen; -ſtreiten; -ſuchen; -tränken;
-träumen; -wählen; -wärmen; -warten; -weichen; -wer-
ben; -würgen; -zählen; -zeigen; -zielen u. a. m., obgleich
mehrere frühere abgeſtorben ſind, einige ver- bekommen,
z. b. ver-eiteln, ver-gießen, ver-öden, ver-dienen, ver-
treiben, endlich einzelne nur im part. praet. gelten, z. b.
er-logen, er-ſtunken. Engl. dauern nur wenige fort: a-
bare; a-bet (incitare); a-bide; a-legge (proſternere); alt-
engl. noch einige andere: a-ſlake (mitigare); a-kêle (cool);
[828]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
a-quelle (kill); a-felle (fell) etc. Verſchiedene der hier
unter 5. enthaltenen tranſitive, wie mir ſcheint aber erſt
in der mhd. und nhd. ſprache, haben den begriff der
eben eintretenden vollbringung ſchärfer. So bedeutet er-
ſehen, er-finden das wirkliche fallen des auges und gei-
ſtes auf den geſuchten gegenſtand; er-ſtürmen mehr als
ſtürmen oder beſtürmen die wirkliche einnahme durch
ſturm, vgl. ereilen, er-reichen, er-fliegen. Ja wir bil-
den heutzutage neue. wörter in dieſer bedeutung fort,
z. b. ſein brot er-betteln, er-ſingen, er-lanzen, er-
ſchreiben, er-trotzen und dgl. Mhd. er-fliegen, er-
ſweiƷen etc. — 6) intranſitiva, deren partikel, wie bei
den vorigen tranſitivis, unmerkliche bedeutung hat und
den beginn der handlung leiſe anzeigt. Goth. us-agljan
(moleſtiam facere) alicui; us-dáudjan (certare); us-ſaljan
(divertere in domum); us-þriutan (moleſt. facere) alicui.
Ahd. ir-donerôn (intonare) N. 17, 14. 28, 3; ar-driaƷan
(taedere) jun. 228. ir-thriaƷan O. I. 27, 87; ir-geiliſôn
(inſoleſcere) monſ. 360; ir-grûiſôn (abhorreſcere) monſ.
363; ir-lëſcan (exſtingui); er-liuten (perſonare) N. Boeth.
61; ir-paramên (miſereri); ir-peiƷan (deſcendere, deſilire)
monſ. 319. 326. 362; ir-piliden (lim. eſſe) O. II. 3, 20;
ar-plâhan (autumare) ker. 19. eigentl. aufſchreien; ar-
prinnan (ardere); ir-rîſan (corruere) ker. 64. 77; ir-ruo-
hen (rugire) N. 37, 9; ir-ſcutiſôn (horreſcere) ker. 79.
147; ir-ſtërpan (mori) ker, 221. er-ftërban K. 58b; ir-
ſticchan (exſpirare) monſ. 365; ir-ſuëlhan? ir-ſuëllan (in-
tumeſcere) ker. 173; ar-ſuînan (tabeſcere) hrab. 957a
monſ. 383; ar-ſuintan (evaneſcere) jun. 204. O. IV. 26,
82; ar-tuelan (torpere) jun. 185. 191. 203. 229; ar-trâ-
kên (taedere) hrab. 975b; arfaran (procedere) jun. 247;
ar-wallan (fervere) hrab. 952b; ir-wallôn (commovere?
O. Sal. 15. Agſ. â-faran (exire); â-grîſan (horrere)
beßer â-grŷſan?; â-hlëahhan (ridere) Beov. 57; â-lim-
pan (evenire) Beov. 49. 57; â-ſvëltan (mori); â-ſvin-
dan (tabeſcere); â-þrŷtan (affici taedio) etc. Mhd. er-
barmen; er-beiƷen; er-biben Triſt.; er-brinnen Nib.; er-
dürſten (ſitire) Nib.; er-gên (accidere, locum habere)
Parc. 65b Wh. 2, 43b; er-gluejen Barl.; er-hëllen Triſt.;
er-klingen Nib.; er-knëllen MS. 2, 57a; er-lachen Wigal.;
er-lëſchen, er-ſchrîen Nib.; er-ſiuften; er-ſmielen Nib.
er-ſmieren Triſt.; er-ſtërben; er-ſwitzen Barl.; er-wei-
nen (plorare) Barl. u. a. m. Nhd. er-barmen; -beben;
-gehen; -glühen; -klingen; -löſchen; -ſeufzen; -ſticken;
-zittern etc., doch ſind ihrer weniger und manche nehmen
[829]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ver- an: ver-drießen, ver-ſterben. Engl. a-griſe (tre-
mere, horreſcere); a-light (deſcendere). Auch dieſe in-
tranſ., gleich den vorausgehenden tranſ., ſcheinen erſt
ſpäterhin den begriff des beginns hervorzuheben, er-la-
chen, er-weiuen, anheben zu lachen und zu weinen, er-
ſeufzen eben den ſeufzer ausſtoßen, während z. b. das
agſ. â-hlôg nichts als riſit, gaviſus eſt ausdrückt. Bei den
unter 3. verhandelten inchoativis iſt die bedeutung des
werdens ſtärker, ſie gehen auch alle nach dritter ſchw.
conj.; die gegenwärtigen intr. können ſtark oder nach
jeder ſchw. conj. flectiert werden. Sie berühren ſich fer-
ner mit den inchoativis auf ent- (ſ. 813.), das mhd. er-
brinnen iſt nhd. ent-brennen, wie das tranſ. er-zünden
ent-zünden. — 7) privative bedeutungen des er- ent-
wickeln ſich auf mehr als einem wege: α) nach einer
auch an andern wörtern bemerklichen identität der be-
griffe anfang und ende, drückt die part. zuweilen nicht
den beginn, ſondern den ſchluß und ausgang der hand-
lung aus, hauptſächlich bei den wörtern gehen und ſchrei-
ten. Goth. us-leiþan (tranſire, praeterire, abire); us-
tiuhan (conſummare, perficere, educere). Ahd. ir-gan-
gan (peragere, evolvere) monſ. 320. 360. 395. ar-gangan
(conſummare, finire) T. 7, 1. ir-lîdan (tranſire) monſ. 393.
erliten (confectus) N. Cap. 128; ir-përan (conficere, per-
ficere) ir-bar N. Boeth. 211; ir-ſîhan (excolare, prorſus
exhaurire) ir-ſiwan (vacuefactus) monſ. 317; ir-ſcrîtan
(praetergredi) O. I. 5, 17; ir-wîhan (conficere) ir-wigan
(confectus, decrepitus) monſ. (wo?); ir-wintan (deeſſe ali-
cui) O. II. 9, 102. Agſ. â-gangan (evaneſcere): â-irnan
(excurrere, emetiri); â-ſingan (finire cantum) Beov. 88.
Mhd. er-gên, er-gân (exire = finire) Nib. 1873. Wigal.;
er-lîden (tranſire) Parc. 21a; er-ſîhen Wigal. 286. 402;
er-wihen (conficere) Wigal. 286. Nib. 9517; er-winden
(finire. ceſſare) Wh. 2, 89a Barl. Nhd. finde ich dergl.
wörter nicht, man ſagt ver-gehen, ver-bluten (oder aus-
bluten) aus-ſingen, doch könnte er-tragen für aushalten,
er-ſchöpfen f. aus-ſchöpfen dahin gerechnet werden, wie
überhaupt dieſe bedeutung der des wirklichen erlangens
(ſ. 828.) begegnet. β) die part. drückt verderben oder
misgriff aus. Goth. us-kiuſan (ἀποδοκιμάζειν und ἀπο-
δοκιμαςθῆναι
); us-qviman (perire, umkommen, verkom-
men) und tranſ. mit dem dativ (perdere, interficere).
Ahd. ar-klihhôn (exſtinguere) ker. 253. vgl. zi-kleckan
(frangere); ir-likan (deficere) ker. 95. 113. monſ. 380. 398;
ir-quëpan (mori, marceſcere)? ich keune bloß das part.
[830]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ar-quëpanaƷ (emortuum) monſ. 326, woraus eine ſtarke
bisher überſehne form quëpan, quap, quâpun gefolgert
werden muß, deren ſinn ſich bei der zweideutigkeit des
ir- nicht beſtimmen läßt, vielleicht vigere, valere? vgl.
agſ. cviferlice (ſollicite) und altn. qvëf (catarrhus); ir-tei-
lan (condemnare) monſ. 343. ar-teiltêr (phariſaeus, ver-
worfner) ſgall. 187; er-fluahhan (devovere, verfluchen)
er-fluahhan (malignus) K. 58b; ir-wërdan (perire, tor-
peſcere) monſ. 324. 338. 387. O. III. 26, 67; ar-wertan
(corrumpere) T. 36, 3; ir-wërfan (abortire, verwerfen)
monſ. 347; ir-wëſan (confici, perire) ir-wëran (confectus,
decrepitus) monſ. 320. 338. 347. 363. er-wërni (ſenium)
N. 70, 17. vgl. nhd. ver-weſen. Altſ. â-dômjan (con-
demnare); â-wërdan (corrumpi, ſeduci). Agſ. â-biddan
(deprecari) Cädm. 57; â-vyrgjan (maledicere); â-virðan
(perire). Mhd. er-biten (deprecari, devovere, maledicere)
Triſt. 946? dieſe dem gewöhnlichen er-biten (precari,
aber auch das lat. deprecari iſt zweideutig) entgegenſte-
hende bedeutung fordert weitere beſtätigung; ſonſt ver-
fluochen, ver-kieſen, ver-teilen. Auch nhd. ver-bitten,
ver-fluchen, ver-werfen, ver-wünſchen und ver-urthei-
len. γ) die part. bedeutet ab, fort, weg. Goth. us-ni-
man (auferre, nicht ausnehmen, excipere); us-þvahan
(abluere). Ahd. ar-ſceidan (avellere, ſegregare) jun. 198.
260; ar-ſuaran (aſportare) jun. 194; ar-welzan (avellere,
hrab. 953a; ar-ziohan (abſtrahere) hrab. 958a (avellere, exi-
mere) hrab. 953a. b. (detrahere) ker. 214. ar-zucchan ker. 26.
Boeth. 196. Mhd. erziehen Triſt. 7049? Beinahe nur ver-
ſtärkung des im verbo liegenden ſinnes. δ) wirkliche berau-
bung
und entziehung, ſo daß ſie in der part., nicht im verbo
enthalten iſt. Goth. kein beiſpiel. Ahd. ur-erban (exhere-
dare) K. 17a (das vorausgehende er gehört zu chint oder iſt
überflüßig); ir-halſan (decollare) ker. 93; ir-hirnan (ex-
cerebrare) monſ. 326; ir-këƷan (obliviſci) ker. 35. 218. K.
56b ir-gëƷan O. V. 21, 7. er-gëƷen N. 118, 16. Boeth.
206. 246. ir-kiƷit (exolevit) ker. 113. vgl. das ſubſt. â-këƷ
(oblivio); er-kezan (abolere) ker. 34. er-gazto (expers)
N. Boeth. 10. 19. er-gazta (rependebat) ibid. 228; ar-mein-
ſamôn (excommunicare) K. 39a 46b ar-meinſamî (excom-
municatio) K. 17a 37b; ur-wiran (caſtrare, entmannen,
evirare) von wir, goth. vaír abzuleiten, ar-wiran T. 100.
ar-wirtê (eunuchi) ibid. vgl. ur-wir (ſpado) oben ſ. 788;
ar-wîƷan (diſcedere) T. 22, 4. vgl. altſ. giwîtan, agſ. gevî-
tan (ire, wohl auch abire); ur-wurzôn (eradicare) monſ.
403; ar-zîhan (negare) jun. 215. monſ. 324; ir-zuîgôn
[831]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
(excerpere) jun. 192. Agſ. â-mânſumjan (excommunicare);
â-fyran (caſtrare) dem ahd. ar-wiran nur zufällig ähnlich,
kann nicht für â-viran ſtehen, vielleicht für â-firhan, â-
fëorhan von firah, altn. fir (homo, oben ſ. 310. 311.)?
doch hat Lye auch das ſimplex ſyran in derſelben be-
deutung, vgl. mnl. vuren Maerl. 3. 324; â-vrîðan (ſol-
vere, extorquere), Mhd. er-gëƷƷen (obliviſci) hat ſich
bloß in der formel ſô mir got ergaƷ! Herb. 101d troj.
103a Bon. 28, 9, wovon näher in der ſyntax zu han-
deln iſt, erhalten, außerdem ſtehet ver-gëƷƷen; er-getzen
bedeutet nicht mehr, wie im ahd. expertem facere, ſon-
dern reparare, vergüten, wobei doch wohl der ſinn:
vergeßen (ergëƷƷen) machen unterliegt, bemerkenswerth
iſt die form ur-getzen MS. 1, 25a. b.; er-kirnen (enucleare)
MS. 1, 192a; er-rîden (ſolvere, entbinden?) Wigal. 429.
(verſch. er-rîten kl. 1027.). Nhd. kein beiſpiel, vielmehr
ver-geßen, aus-kernen, ent-wurzeln, ent-erben. — An-
merkungen: a) man vergleiche die zuſ. ſetzung der part,
mit nominibus (ſ. 705. 706.). b) faſt alle von 1-7 aufge-
ſtellten bedeutungen greifen in einander über, einzelne
compoſita laßen ſich bald dahin zählen, bald dorthin.
c) nicht ſelten hat ganz daſſelbe compoſ. mehrfache be-
deutung, z. b. ahd. ar-teilan gewöhrilich judicare, decer-
nere, impertire jun. 201. 238. monſ. 327. 376, zuweilen
condemnare; mhd. er-biten gewöhnlich rogare, zuweilen
deprecari; er-lîden gewöhnlich ſuſtinere, zuweilen trans-
ire, finire; er-winden bald reverti, bald finire. Dieſe
mehrdeutigkeit tritt nach zeit und mundart noch auffallen-
der hervor. Goth. us-kiuſan (reprobare) ahd. ar-kioſan (eli-
gere); goth. us-tiuhan (conſummare) ahd. ar-ziohan (avelle-
re) ir-ziohan (diſtringere) monſ. 380. mhd. (ſtringere) Parc.
102a nhd. er-ziehen (educare); ahd. ur-erban (exheredare)
nhd. er-erben (hereditate acquirere); goth. us-qviman (oc-
cidere) ahd. ar-chuman (terrefieri); goth. us-ſatjan (ſurgere)
nhd. er-ſetzen (reſtituere); agſ.â-gitan (cognoſcere) ahd. ar-
këƷan (obliviſci); ahd. ar-kezan (abolere) mhd. er-getzen (re-
parare) nhd. er-götzen (recreare, exhilarare) etc. Die wir-
kung der part. iſt überhaupt hiſtoriſch zu erlernen, denn
warum ſollte ar-huccan (meminiſſe) nicht ebenwohl was
ar-këƷan (obliviſci) ausdrücken können? d) verwandte
partikeln ſind α) be-, vgl. mhd. be-jagen, er-jagen;
ahd. pi-ſindan, ar-findan, pi-houwan, ar-houwan; pi-
ruaran, ar-ruaran etc.; meiſt aber unterſcheiden ſich
die bedeutungen: nhd. be-ſetzen, er-ſetzen; be-ſtürmen,
er-ſtürmen etc. β) ent-, vgl. goth. and-háuſjan, nhd.
[832]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
er-hören; ahd. in-grûên (ſ. 809.) und ir-grûiſôn (ſ. 828.);
ahd. in-firnên (ſ 812.) ir-firnên (ſ. 822.); in-prinnan
(ſ. 811.) ir-prinnan (ſ. 828.); ahd. ur-erban, nhd. ent-
erben; mhd. er-bluejen, nhd. ent-blühen; mhd. er-
zünden, nhd. ent-zünden; mhd. er-ſpringen, nhd. ent-
ſpringen etc. oft ſtehen ſie einander entgegen: nhd. er-
mannen und ent-mannen; er-ledigen (perficere) ent-ledigen
(liberare); er-fliegen; ent-fliegen, γ) ver-, im ahd. wechſeln
ar- und far- häufig, ſpäterhin ſteht ver- oft ſtatt des ältern
er-, zumahl in den privativen bedeutungen unter 7. Bei-
ſpiele ſind genug angegeben. Bisweilen iſt der gebrauch
noch jetzt gleichgültig, z. b. er-löſchen, ver-löſchen, ge-
wöhnlich findet ein abſtand ſtatt: er-kaufen, ver-kaufen;
er-wünſchen, ver-wünſchen; er-geben, ver-geben; er-
blühen, ver-blühen; er-bitten, ver-bitten etc. das hat
aber der gebrauch feſtgeſetzt und an ſich hätte jede part.
beides auszudrücken vermocht. δ) ge-, wovon unten.


[ge-] die form iſt ſchon oben ſ. 732. 733. zur ſprache
gekommen, hier aber einiges hinzuzufügen. Goth. über-
all ga-, altſ. gi-, agſ. ge-, mhd. nhd. ge-, altengl. y-, plattd. e-.
Ahd. der anlautende kehlbuchſtabe gewöhnlich k. (c.) oder
g., bei N. ten. und med. nach ſeiner bekannten regel abwech-
ſelnd, bei J. und ſonſt einigemahl ch., in der gl. jun. zu-
weilen gh. Der vocal ſchwankt zwiſchen a, e, i (nie-
mahls iſt er u, o) und zwar haben im ganzen ka-, ga-
die welche ar-, far- (exhort. hrab. emmer. ker. bis 32.);
ke-, ge-, die er-, fer- (K. und jun. theilweiſe, N. W.);
ki-, gi-, die ir-, fir- (ker. von 32. 33. an, monſ. bis
401, O. T.) ſchreiben, einiges ausgenommen z. b. im T.
ſtehet for-, nicht fir-). K. braucht neben dem vor-
herſchenden e auch a und i. Der vocalwechſel der part.
ent- läßt ſich nicht paralleliſieren, denn theils zeigen auch
ſolche int-, in-, die ſich zu ka-, ar-, far- bekennen,
theils ſteht das ſpurweiſe bei den älteſten vor verbis
erſcheinende ant- in der regel vor nominibus, welche
niemahls int- oder ent- leiden, während ge- und ver-
vor dieſen mit dem vocal wie vor jenen ſchwanken,
doch das er- dem ent- darin gleicht, daß es vor no-
minibus meiſt die beſondere â-form behauptet. Seite 751.
752. habe ich für ga- ein uraltes gan- gemuthmaßt;
ein ſolches auch hier in dem gan-wîſôn (viſitare) K.
23a = goth. ga-veiſôn anzunehmen, wäre doch höchſt
gewagt, vielmehr ſcheint gân wîſôn das inviſere viſitare
wiederzugeben, obgleich in Holſtens lat. text inviſere
richtiger fehlt und K. faſt immer kân oder kankan für
[833]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ire ſchreibt. — Die urſprüngliche trennbarkeit der part.
ſpürt ſich noch im goth. an zwiſchenſchiebung des fra-
genden -u: Matth. 9, 28. ga-u-láubjats (creditisne ſtatt
ga-láubjats-u; Joh. 9, 35. þu ga-u-láubeis (tu credisne)
ſtatt ga-láubeis-u; ja es werden hva und þáu in die mitte
genommen: Marc. 8, 23. ga-u hva ſêhvi (num quid vi-
deret (ſtatt hva-u ga-ſêhvi; Joh. 5, 46. ga-þáu-láubi-
dêdeiþ mis (ἐπιστεύετε ἂν ἐμοί) ſtatt þáu ga-láubidê-
deiþ. — Bedeutungen: 1) ge- entſpricht dem lat. com-,
con-, co- und beſtimmt gleich dieſem den ſinn des ein-
fachen wortes; vorzüglich zeigt ſich dieſer begriff, wenn
es vor ſtarke verba tritt. Goth. baíran (ferre) ga-baíran
(conferre) Marc. 4, 30. und häufig für parere, parturire;
baírgan (ſervare) ga-baírgan (conſervare); bindan (ligare)
ga-bindan (vincire); brikan (frangere) ga-brikan (confrin-
gere, συντρίβειν); biugan (flectere, von knien) Rom. 14,
11. ga-biugan (circumflectere, von eiſenbanden); driuſan
(ruere) Marc. 5, 33. ga-driuſan (corruere) Matth. 7, 25; hái-
tan (vocare, jubere) ga-háitan (convocare und promittere);
fraíhan (interrogare) ga-fraíhan (fando audire, erfragt
haben); kiuſan (?eligere) kommt bei Ulf. nicht vor, wohl
aber ga-kiuſan (probare, comprobare); niman (capere,
tollere) ga-niman (concipere, diſcere); niu-tan (τυχεῖν)
Luc. 20, 35. mit dem gen., aber ga-niutan (συλλαμβάνειν)
Luc. 5, 9. Marc. 12, 13. mit dem acc.; qviman (venire)
ga-qviman (convenire); qviþan (dicere) ga-qviþan (condice-
re, conſpirare); rinnan (fluere) ga-rinnan (confluere); trudan
(calcare, πατεῖν) ga-trudan (conculcare, καταπατεῖν); vri-
kan (διώκειν, perſequi) ga-vrikan (ἐκδικεῖν, vindicare).
Ahd. haltan (ſervare, cuſtodire, namentlich wie im goth.,
pecus) O. I. 12, 2. N. 7, 2. und der heiland heißt hal-
tanti (ſervator) N. 17, 51. 46, 6. 79, 15. 100, 6. (wie goth. naſ-
jands, nie ga-naſjands) nie ka-haltanti von ka-haltan
(conſervare) gi-haltan T. 6, 10. O. I. 16, 8. IV. 1, 38;
heiƷan (vocare) ka-heiƷan (promittere) ker. 16. jun. 221;
hëllan (ſonare) ka-hëllan (conſonare) monſ. 377; kân
(ire) ki-kân, gi-gên (cadere, cedere, procedere) monſ.
321. 362. jun. 200; lâƷan (ſinere) ka-lâƷan (condonare,
remittere) O. III. 11, 15. V. 23, 328. (confiteri, largiri)
monſ. 365. 388; lîdan (pati) ka-lîdan (ire, abire, evaneſ-
cere) monſ. 368. 385. 397. 398; likan (jacere) ka-likan
(coire) monſ. 338. gi-ligan (ſitum eſſe) O. III. 23, 112;
nioƷan (uti, frui, ſumere) gi-nioƷan (conſumere) monſ.
361; përan (ferre) ka-përan (gignere, parere); përkan
(condere) ka-përkan (recondere, abſcondere); pintan, ka-
G g g
[834]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
pintan; piotan (offerre) ka-piotan (jubere); plâſan (ſpi-
rare) ka-plâſan (reſpirare) ge-blâſen N. Cap. 160; pîƷan
(mordere) ka-pîƷan (depaſcere) ker. 100; piukan (flec-
tere) ka-piukan (incurvare) hrab. 968a; râtan (urſpr. wohl
facere, regere, ſtatuere) ka-râtan (conſulere) und intranſ.
(incrementum capere, bene ſuccedere); rëhhan (trudere,
pellere, efferre, corripere) O. III. 5, 15. IV. 6, 42. 28,
25. gi-rëhhan (ulciſci) O. II. 5, 12. III. 8, 143. IV. 17,
38; rîſan (ruere, cadere) N. Boeth. 31. ka-rîſan (con-
gruere, convenire) ker. 122. ge-rîſen Boeth. 232; rinnan
(manare) ka-rinnan (coagulari) hrab. 957b; ſcrîpan (ſcri-
bere) ki-ſcrîpan (conſcribere) ker. 262; ſinnan (ire, ten-
dere) O. II. 7, 78. III. 14, 123. gi-ſinnan (contendere,
intendere) O. IV. 12, 97. V. 8, 43. 25, 138; ſizan (ſe-
dere) chi-ſitzan (poſſidere) J. 392. gi-ſizan (decere, wohl-
ſitzen, wohlſtehen) O. II. 6, 14. IV. 9, 3; ſprëhhan (lo-
qui) gi-ſprëhhan (intercedere) monſ. 319. (proferre, pro-
ſequi) monſ. 359. 376. 386; tragan (portare) ki-tragan
(comportare) ker. 76; vallan (cadere) gi-vallan (contin-
gere) jun. 200. monſ. 331. 362. 384. und dann: bene
ſnccedere, placere; vrioſan (gelare) ka-vrioſan (congelare)
monſ. 357. 404; zëman (decere, wohl eigentlich ſtille,
ruhig ſein?) gi-zëman (convenire). Agſ. bëran, ge-bë-
ran; hætan (vocare) ge-hætan (ſpondere); hëaldan (te-
nere) ge-hëaldan (continere); lætan (ſinere) ge-lætan
(relaxare); licgan (jacere) ge-licgan (concumbere); irnan
(currere) ge-irnan (recurrere); trëdan (calcare) ge-trëdan
(conculcare) u. a. m., doch ſcheinen mir in dieſer mund-
art die bedeutungen des ſimpl. und comp. öfter als im
ahd. zuſ. zufallen. Mhd. bërn (ferre) ge-bërn (gignere)
Parc. 114a; bieten, ge-bieten; brëchen (frangere) ge-brë-
chen (confringere und confringi, deficere) Vrib. Triſt.
242; halten, ge-halten; heiƷen, ge-heiƷen; nîgen, ge-
nîgen (procumbere, inclinari) Triſt. 2682; lân, ge-lân
(remittere, condonare) Barl. 52. 110; ligen, ge-ligen
(procumbere, recumbere, finiri) Parc. 27a Wigal. Barl.
86. 284; lingen (niti, ſtudere, accelerare?) Ben. 244. Bon.
48, 34. ge-lingen (bene ſuccedere); nagen (rodere) ge-na-
gen (corrodere); râten, ge-râten; ſitzen, ge-ſitzen (con-
ſidere, reſidere) Parc. 79b Nib. 1603; ſtân (ſtare) ge-ſtân
(conſiſtere, durare); ſwîgen (tacere) ge-ſwîgen (conticere)
MS. 1, 123a; vallen, ge-vallen; vrieſen, ge-vrieſen. Nhd.
ſtehen ſich nur einige gegenüber, indem bald das ſimpl.
bald das comp. ausgeſtorben iſt: bieten, ge-bieten; brechen,
ge-brechen; fallen, ge-fallen; frieren, ge-frieren; rinnen,
[835]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ge-rinnen; rathen, ge-rathen; ſtehen, ge-ſtehen (confiteri,
d. h. bei einer behauptung bleiben, zuweilen auch noch
ſoviel als gerinnen). Die angeführten beiſpiele lehren,
daß die deutſche part. gewöhnlich dem lat. con-, zuwei-
len auch dem re-, oder einigen andern part. entſpricht,
daher ſie manchmahl mit dem bi- wechſelt, z. b. T. 6,
6. iſt conſervavit durch gi-hielt, 12. 9. durch bi-hielt
verdeutſcht. Nicht ſelten liegt im compoſito ein begriff
der dauer und des anhaltenden (ge-ſitzen, ge-ligen, ge-
ſwîgen, ge-rinnen, ge-frieſen etc.) wovon ich hernach
mehr ſagen werde; einigemahl auch der des gedeihens
und wohlergehens (gegên, ge-lingen, ge-râten, ge-ſitzen,
ge-vallen); in beiden fällen ſind es lauter intranſitiva.
oft aber hat das ge- vor ſtarken verbis einen ganz un-
merklichen ſinn und fällt mit dem ſimpl. zuſammen, wie
ſich ſervare und conſervare, ſcribere und conſcribere
nahe kommen. Goth. übertragen fahan Joh. 7, 44. 8, 20.
und ga-fahan Joh. 7, 32. Luc. 20, 20. beide πιάζειν (ca-
pere); ſaíhvan und ga-ſaíhvan bedeuten beide videre, ob-
gleich jenes mehr βλέπειν und ὁρᾶν, dieſes mehr εἰδέναι
ausdrückt; liſan ſowohl συνάγειν als ga-liſan; ſakan und
ga-ſakan; ſitan und ga-ſitan; ſviltan und ga-ſviltan ſcheinen
bei Ulf. einerlei. Ahd. ſind meiſtens gleichbedeutig duin-
gan, gi-duingan; chioſan monſ. 328. N. 9, 14. gi-chioſan
monſ. 321. 376. (deliberare, providere); ſlahan, gi-ſlahan;
ſceidan, gi-ſceidan; ſëhan, gi-ſëhan T. 64, 5, 6; ſuërban, gi-
ſuërban; vâhan, gi-vâhan etc. Nicht anders im agſ. und mhd.;
allein im nhd. ſind wenige ge- erhalten worden und je-
des, wenn das ſimplex daneben gilt, verändert deſſen
bedeutung, wir dürfen nicht mehr ſagen: ge-zwingen,
ge-ſcheiden, ge-ſehen, ge-fangen etc. — 2) vor ſchwa-
chen verbis
hat die partikel weit ſeltner die hervorge-
hobne bedeutung von con-, ohne zweifel, weil abgelei-
tete verba an ſich beſchränktes, enges ſinnes ſind. Nur
zuweilen finde ich noch einigen unterſchied, namentlich
bei verbis zweiter und dritter conjugation. Goth. laþôn
(καλεῖν) Matth. 9, 13. Marc. 2, 17. ga-laþôn (συγκαλεῖν)
Luc. 5, 16; haban (habere) ga-haban (tenere, retinere);
ſvêran (τιμᾷν) Marc. 7, 6, 10. 10, 19. Luc. 18, 20. ſcheint
weniger als ga-ſvêran (δοξάζειν) Joh. 12, 16. 13, 31; da-
gegen ſind gleichviel ïdreigôn, ga-ïdreigôn; ſalbôn, ga-
ſalbôn; ſupôn, ga-ſupôn; áiſtan, ga-áiſtan; arman, ga-
arman; leikan, ga-leikan; ſlavan, ga-ſlavan; þahan, ga-
þahan; þlaíhan, ga-þlaíhan; þulan, ga-þulan; tráuan, ga-
tráuan; einige finden ſich nicht ohne ga- vor, z. b. ga-
G g g 2
[836]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
veiſôn (viſitare); ga-kunnan (obſervare). Ahd. entſpre-
chen etwa folgende compoſita einem gelinden con- oder
re-: gi-ëpanôn (complanare) monſ. 357. O. III. 22, 59;
gi-hûfôn (coacervare, congerere) jun. 178. monſ. 363.
395; ki-mahhôn (coaptare, jungere) ker. 5. (comparare)
ker. 75. gi-machôn O. II. 8, 104; ki-ſitôn (coaptare, con-
glutinare) ker. 49. 62. ka-ſitôn (diſtendere?) hrab. 959b;
ki-ſtatôn (collocare) K.; gi-magên (convaleſcere) monſ.
342. T. 196, 2. gi-ummagên (dejici) monſ. 324; gi-ſagên
(condicere, exponere) monſ. 338. 390. 393. (denuntiare,
aſſeverare) hrab. 950b 960b 971b; ka-folgên (conſequi)
ker. 15; ki-lathôn (revocare) jun. 238; ka-lapôn (refocil-
lare, reficere) jun. 248. monſ. 359. 400. 410. 413; gi-ſco-
wôn (reſpicere) T. 2, 11; ka-hapên (retinere) exhort. ſih
gi-hapên (agere, ſich zuſammennehmen, anhalten zu et-
was) monſ. 326. 327. 330. 364. 365; gi-linên (recumbere)
monſ. 395; gi-raſtên (reſpirare) monſ. 364; ki-ſtillên (con-
quieſcere, requieſcere) jun. 248. monſ. 344. 361. Allein
es durfte auch ohne merklichen unterſchied ëpanôn, hû-
ſôn, ſitôn, raſtên, ſtillên gebraucht werden, wie z. b. nach
metriſcher bequemlichkeit O. mit ſitôn II. 14, 176. III.
4, 24. 14, 38. 214. IV. 11, 51. 12, 73. V. 7, 21. und gi-
ſitôn I, 2, 97. IV. 8, 33. 11, 7. 17, 7. 27, 14. V. 16, 19.
in gleicher bedeutung (id agere, aptare, inſtruere) wech-
ſelt. Hier folgen andere beiſpiele der zuſ. ſetzung: gi-
cheſtigôn (coercere) monſ. 374. 399; ge-chlagôn N. Boeth.
183; ka-entëôn (conſummare) hrab. 951b (conſumere)
ker. 81; chi-halôn (adipiſci) J. 408. ka-halôn hrab. 952a
963b monſ. 402. (cognoſcere) monſ. 359; ka-impitôn, k-
impitôn (conſerere, inſerere) jun. 184. 186; gi-grapôn
(oppilare) monſ. 361; ki-lakôn (obſidere) ker. 218; gi-
lëchôn (lambere) O. III. 10, 73; gi-lidôn (ſeparare, con-
cidere) monſ. 321. 385. wohl das nhd. gliedern, zer-
ſtücken? die verderbte gl. ni gialode (non concidat) monſ.
326. zu ändern in: ni gi-lidô?; gi-lônôn jun. 180; ge-mâ-
lôn (in jus vocare) N. Boeth.; ke-minnôn (diligere) K.
28a; gi-marchôn jun. 178; gi-offonôn (promere, denudare)
monſ. 357. 380; ka-panôn (aequare) ker. 21; ka-paron
(detegere) monſ. 404; chi-rahhôn (narrare, exponere) J.
343. hrab. 961b 962a; gi-reinôn (purgare) O. II. 24, 41;
ki-rôpôn (numerare) ker. 241. ge-ruobôn N. Boeth. 30.
vgl. ruaba (indictio) jun. 211. roaba (numerus) K. 35a. b.
wofür ruava K. 16b 22a; ki-ſcaffôn ker. 114; ki-ſcëſſôn
(dolare) monſ. 405; gi-ſculdôn (exigere) monſ. 384. 387.
394; ge-ſtatôn (habitare) N. Boeth. 186; gi-temperôn
[837]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
(condire) monſ. 353; gi-dragôn O. IV. 12, 100; ka-
tuâlôn (remorari) monſ. 402; ge-willôn (favere) N. Boeth.
206; ge-wîſôn (viſitare) W. 5, 4. beim O. wîſôn I. 10,
8. II. 2, 42. III. 3, 46. IV. 15, 94. auch T. 4, 18; gi-za-
môn (ſubigere) monſ. 387; gi-zilôn O. IV. 4, 11. 6, 45.
14, 18; ke-zimbrôn K. 18b; ca-chunnên (guſtare) ker. 27;
ka-hlûtrên (liqueſcere) hrab. 968b; g-îlên (conari) ker. 30;
ki-lirnên (diſcere) ker. 49; ka-makên (vigere) hrab. 972a
976b; ge-mâlên (pingere) N. Boeth. 110; ge-mëtemên (mo-
dificare) N. Cap. 20; ki-pârên (geſtire) ker. 251; gi-rîfên
(areſcere, matureſcere) monſ. 370; ki-ſtabên jun. 180.
216; ca-ſtillên hrab. 973b; ki-ſtorkanên jun. 216; ka-ſuî-
gên hrab. 960b u. a. m. Mhd. beiſpiele, in welchen man
nur ſelten die vorſtehende bedeutung der part. erkennen
wird: g-arnen Ulr. Triſt.; ge-bâren Parc. 32c Karl 15a;
ge-dagen Barl.; ge-dienen Barl.; g-enden Triſt.; ge-êren
Wigal.; g-ernen Parc. 61a; ge-haben troj. 79a Barl. Wi-
gal.; ge-hagen MS. 2, 29a; ge-haƷƷen MS. 1, 38b; ge-
jagen Triſt.; ge-lërnen Parc. 106b 125c; ge-lônen Nib.;
ge-machen Triſt.; ge-minnen Barl.; ge-nâden Wigal.
Nib.; ge-prîſen Wigal.; ge-reden MS. 1, 141a Nib; ge-
ſagen Barl.; ge-ſchaden Triſt.; ge-ſchamen Nib.; ge-
ſchouwen Nib.; ge-ſchulden Triſt.; ge-ſigen Triſt.; ge-
ſtaten Nib.; ge-volgen Nib. Triſt.; ge-warten MS. 2,
143a; ge-ziln Barl. etc. doch ſind nicht wenige ahd.
comp. dieſer art bereits untergegangen. Nhd. dauern
kaum einige fort: ge-bahren (zuweilen noch für: ſich
gebährden); ge-haben (in der redensart: ſich wohl, übel
gehaben); ge-langen; ge-ſtatten; ge-ziemen; auch hier
wird ge- durch ver- (ver-dienen, ver-ehren, ver-ſchul-
den) und er- (erjagen, erlernen) vertreten. — 3) ſchwache
verba erſter conj.
verändern beinahe gar nicht ihre be-
deutung durch die vorgeſetzte partikel. Goth. baírhtjan
Joh. 7, 4. und ga-baírhtjan Joh. 14, 22. Marc. 4, 22;
bandvjan Matth. 26, 73. Luc. 1, 22. und ga-bandvjan Luc.
1, 62; bleiþjan Luc. 6, 36. und ga-bleiþjan Marc. 9, 22;
bôtjan Marc. 5, 26, und ga-bôtjan Marc. 9, 12; dômjan
und ga-dômjan; dragkjan und ga-dragkjan; fulljan Matth.
27, 48. und ga-fulljan Marc. 5, 36. (beide mit dem gen.);
háiljan und ga-háiljan; háuſjan und ga-háuſjan; hnáivjan
und ga-hnáivjan; huljan Marc. 14, 65. und ga-huljan
Matth. 8, 24. Luc. 9, 45; hvôtjan und ga-hvôtjan; kann-
jan und ga-kannjan; lagjan und ga-lagjan Luc. 9, 58.
Joh. 15, 6; láuſjan und ga-láuſjan; lêvjan und ga-lêvjan;
manvjan und ga-manvjan; marzjan und ga-marzjan;
[838]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
matjan und ga-matjan; mêljan und ga-mêljan; mikiljan
und ga-mikiljan; naſjan und ga-naſjan f. ſervare, doch
nur naſjands, nicht ga-naſjands ſ. heiland; natjan Luc. 7,
38. und ga-natjan Luc. 7, 44. beide f. βρέχειν; rahnjan und
ga-rahnjan; ſatjan und ga-ſatjan; ſtráujan und ga-ſtráujan
Marc. 14, 15; táiknjan und ga-táiknjan: táujan und ga-táu-
jan Neh. 5, 13, 15; timrjan und ga-timrjan; þiuþjan und ga-
þiuþjan; vagjan und ga-vagjan beide f. σαλεύειν; vaſjan
Matth. 6, 25, 30, 31. 11, 8. und ga-vaſjan Matth. 6, 29.
11, 8. Marc. 1, 6. Luc. 8, 27. 16, 19. Joh. 19, 2. Nur ſel-
ten wird man kleiner unterſchiede gewahr: láugnjan iſt
negare Marc. 14, 70. Luc. 8, 45. ga-láugnjan celari (λα-
θεῖν
) Marc. 7, 24. Luc. 8, 47. ga-láugnjan ſik (περικρύπ-
τειν
) Luc. 1, 24; vandjan überſetzt στρέφειν Matth. 5, 39.
Luc. 7, 9. ga-vandjan ἐπιστρέφειν Matth. 9, 22. Marc. 4, 12.
5, 30. 8, 33. Luc. 1, 16, 17. 17, 31. Joh. 12, 40. ἀποστρέφειν
Matth. 27, 3. ὑποστρέφειν Luc. 1, 56. Gewiſſe kommen
nicht ohne ga- vor: ga-blindjan, ga-dáiljan, ga-dáubjan,
ga-diupjan, ga-dráuſjan, ga-ſahrjan, ga-haſtjan, ga-hráin-
jan, ga-hveitjan, ga-ïbnjan, ga-láubjan, ga-máinjan (pol-
luere, gagamáinjan Marc. 15, 23. verſchrieben?), ga-malv-
jan, ga-máudjan, ga-maúrgjan, ga-môtjan, ga-náitjan, ga-
nanþjan (ceſſare) Luc. 5, 4; ga-ſigljan, ga-ſkeirjan, ga-
ſleiþjan, ga-ſuljan, ga-ſtagqvjan, ga-ſvikunþjan, ga-ſôþ-
jan, ga-ſvôgjan, ga-tamjan, ga-tulgjan, ga-valjan, ga-varg-
jan; umgekehrt andere nicht mit der part. z. b. bláuþjan,
hazjan, kaúrjan, natjan, ſandjan, valtjan, varjan, varmjan
etc.; allein dieſe durften wohl in andern unbekannten fällen
das ga- annehmen und jene abwerfen, wenigſtens die meiſten,
wenn es auch einzelne immer (ga-láubjan?) oder nie
(ſandjan?) hatten. Ahd. macht es der überaus häufige
gebrauch der partikel unmöglich, die meiſten beiſpiele zu
ſammeln, in beinah allen fällen würde auch das einf. verb.
ſtehen können: ka-chennan (gignere) hrab. 965a ker. 274;
ka-chnupfan (connectere) hrab. 955b; ka-chripſan (arripere)
hrab. 954b monſ. 402; gi-kualan (refrigerare) O. III. 18,
141; chi-chundan J. 357. 369. 371. ker. 88; ki-henkan
(conſentire) ker. 16. 50; ki-hêlan (ſalviſicare) ker. 219;
ga-hirman jun. 188. ker. 59; ka-hirzan (concordare) K.
36a; ke-hneigan (inclinare) K. 16b; gi-hôhan (exaltare)
monſ. 331. 348; gi-hônnan (humiliare) monſ. 323. 325.
354; chi-hôran (audire) J. 357. 358. 376. ker. 60; ka-
hreinan (emundare) ker. 5. 26; ke-huckan (meminiſſe)
K. 20a 21b gi-huccen (retinere) monſ. 323. 325. 382; g-
irran (conturbare) monſ. 335. 366; gi-garawan (parare);
[839]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ki-lekan (ſternere) ker. 263; ki-lengan (protrahere) monſ.
366; gi-lepphan O. II. 14, 55: ki-leitan (reducere) ker.
238; ka-lîman (conglutinare) hrab. 956b 957b; gi-liupan,
g-liupan (probare, commendare) monſ. 380. 384. 396. gi-
liuban O. III. 20, 142. IV. 36, 24; ka-laupan (credere)
hrab. 958a ſih gi-loupan, alicujus (deficere) monſ. 331; ka-
mâran (promulgare) hrab. 972a ker. 91; ki-mietan jun.
197; gi-meinan (arbitrari) O. III. 4, 74. 6, 81. 17, 78.
20, 369. IV. 6, 66. vom goth. ga-máinjan durchaus ver-
ſchieden; gi-nendan (audere) O. III. 22, 115. wiederum
ganz anderer bedeutung als das goth. ga-nanþjan; gi-ner-
jan (conſervare) O. I. 5, 108. IV. 18, 58. (reparare) monſ.
391; gi-nezan (tingere, rigare) monſ. 395; ka-neiƷan (con-
ficere) monſ. 411; gi-nickan (conterere) monſ. 330. 341;
ka-naotan (cogere) hrab. 957a gi-nôtan monſ. 384. 398.
401; gi-nuogan (ſuppetere) monſ. 391; ca-augan, gi-ou-
gan (oſtendere) ker. 18. 168. T. 46, 4; ka-peitan (exigere)
hrab. 962b 957a ker. 63; gi-pirnan (animare, erigere) monſ.
364. 391; gi-plôdan (diſſolvere) monſ. 324. 331. 336; ki-
pouhhanan (adnuere) jun. 195; ka-preitan (dilatare) hrab.
960a ker. 91; ki-prûtan (ſtuprare) jun. 189; ke-purjan
(contingere) K. 58b gi-burjen T. 224. 2. O. IV. 32, 11;
chi-quihhan (viviſicare) J. 356; gi-rennan (conflare, coa-
gulare) monſ. 337. 342. 346. 347; ki-rihtan (collocare, di-
ſtribuere) ker. 97. monſ. 321. 331. 337; gi-ſceinan (oſten-
dere) O. III. 15, 37; ki-ſcendan (confundere) ker. 269;
ki-ſcepfan (recreare) ker. 239; ki-ſcirman (opitulari) ker.
215; gi-ſkrenkan (clathrare) O. I. 27, 120; gi-ſcultan
(commereri) monſ. 323. 324. verſch. von dem ſ. 836. be-
merkten gi-ſculdôn; ki-ſezan (componere) ker. 78. 93.
116. 263. monſ. 333; ki-ſtaltan (collocare) jun. 259; chi-
ſtiftan J. 398; gi-ſtillan (mitigare) monſ. 352. 357. O. III.
19, 40. IV. 23, 44; gi-ſtiuran (ſuſtentare) monſ. 357. 373.
385; ca-ſoachan (acquirere) ker. 15. (experiri) monſ. 403.
(exigere) monf. 390; ca-ſônan (concordare) ker. 21. ki-
ſoanan (dijudicare) ker. 90. I08; gi-ſuoƷan (condere); gi-
ſueigan (comprimere) monſ. 390; ka-tuon, giduan (facere)
häufig, hat in den gl. zuweilen noch den ſinn von con-:
ka-tëta (condidi) monſ. 406. ki-toat (congerit) ker. 77.
doch J. 356. ſtehet z. b. chi-dëda und dëda nebeneinan-
der beide für fecit; gi-tuoman, gi-duamen O. V. 10, 63;
gi-valgan (temerare) monſ. 374. 384; ka-filan (ſecare)
hrab. 974b; ca-fruman (condere, facere) ker. 18. 115. J.
350. monſ. 363. 380. 408; ka-fôcan (coaptare) hrab. 955b
ker. 49. 101. 150. monſ. 407; ki-fualazan (attrectare) jun.
[840]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
193; ka-fullan (explere) hrab. 962b ker. 115; ki-wellan
(eligere) K.; gi-wëran (facere) monſ. 323. 354; gi-weih-
han (frangere, curvare) monſ. 326. 350. 357. 395; gi-wî-
han (conficere) monſ. 350. 374. 378; gi-wîtan (dilatare)
monſ. 333; chi-wurchan J. 375; ke-zellan (computare) K.
16b; gi-zieran (pingere) monſ. 329. 336; ka-zinſan (cen-
ſere, condemnare) monſ. 332. 408. Hiernach beurtheile
jeder die geringe bedeutung der part.; da wo ſie zumeiſt
con- auszudrücken ſcheint, liegt der ſinn des verbinden-
den ſchon in den verbis, z. b. gi-chnupfan, gi-vuogan.
In einigen iſt freilich das gi- unerläßlich, wie in gi-lou-
ban und gi-rennan, aber letzteres iſt aus dem ſtarken gi-
rinnan abgeleitet und nicht neu zuſammengeſetzt. Ein-
zelne ſcheinen die part. immer zu entbehren, z. b. ſendan
(mittere). Mhd. gibt es zwar noch viele ſolcher compo-
ſita, allein im ganzen hat ihre zahl abgenommen. Bei-
ſpiele: ge-bluejen Wigal.; ge-bueƷen Barl.; ge-denken;
g-enden Triſt.; ge-gërn Triſt.; ge-grueƷen Nib.; ge-
heften Parc. 124b; ge-hœnen Parc. 125a; ge-hœren (au-
dire) Barl. Triſt.; ge-hügen (recordare); ge-kêren Triſt.;
ge-legen Nib. 3555; ge-lenden Triſt.; ge-leiſten Triſt.;
ge-louben; ge-lüſten; ge-nenden Triſt.; ge-nennen; ge-
nern Wigal. 185; ge-niuwen Parc. 98a; ge-recken Wi-
gal.; ge-ringen (adlevare) Wigal. verſch. vom ſtarken g-
ringen (pulſare, den ring an der thüre rühren) Parc.
104c; ge-refſen Barl.; ge-rueren Nib.; ge-ſenden Wigal.
429. Nib. 4640. 8896; ge-ſetzen Triſi.; ge-ſprengen Triſt.;
ge-ſtellen Triſt.; ge-ſtiuren Triſt.; ge-ſueƷen Ulr. Triſt.;
ge-ſweigen Barl.; ge-tiuren Wigal.; ge-tuon Nib. Barl.;
ge-trœſten Triſt.; ge-trueben Triſt.; ge-vellen Triſt.; ge-
veigen Triſt.; ge-vuegen Wigal.; ge-wenden; ge-wërn;
ge-würken u. a. m. Nhd. bloß noch: ge-bühren; ge-
hören (pertinere, verſch. von hören, audire); vielleicht
k-nicken f. g-nicken (conterere)?; g-lauben; ge-währen. —
4) gebrauch der partikel vor verbis intranſitiver und
paſſiviſcher bedeutung. a) die goth. intranſitiva auf -nan
(oben ſ. 166. und 1, 854.) lieben ga-, wenn nicht ſchon
eine andere part. vorſteht: ga-batnan, ga-dáuþnan, ga-drôb-
nan, ga-haftnan, ga-háilnan, ga-nipnan, ga-qviunan, ga-
ſtaúrknan, ga-þlahſnan, ga-vaknan; zum begriff ſcheint es
aber nicht nothwendig, vgl. veihnan. Eine bekanntlich den
andern dial. abgehende ſorm. b) einigemahl ſcheint der
ſinn des paſſivums durch das ge-, zwar nicht hervorge-
rufen, doch gehoben zu werden: goth. vaírþan (βάλλειν)
ga-vaírpan (βληθῆναι) Marc. 9, 45. (ſo wie at-vaírpan
[841]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
Marc. 9, 47.); ahd. heiƷan (vocare, jubere), ka-heiƷan (vo-
cari) und ſo auch mhd. heiƷen unterſch. von ge-heiƷen
Barl. 74. 237. 238, allein es ſtehet ahd. und mhd. das ver-
bum häufig ohne gi-, ge- für vocari, ſchwerlich mit der
part. für jubere; mhd. ge-heilen (ſanari) MS. 1, 48a; ahd.
râtan (conſulere) ka-râtan (bene conſuli, proſperare);
mhd. brëchen (frangere) ge-brëchen (frangi, deficere);
nhd. heißen (vocari) heilen (ſanari) aber ge-rathen, ge-
brechen. Im grunde ſcheint dieſes ge- nichts, als das
auch vor andern, entſchiedneren intranſ. ſtehende, z. b.
ahd. gi-nëſan (evadere, ſervari) gi-lîdan (recedere) gi-nî-
gan (inclinari) gi-ſtillên (ſedari) ge-linnan (idem) etc. —
5) gebrauch der part., verba aus nominibus zu zeugen?
Fürs goth. leugne ich ihn, denn ſollten auch ga-baírhtjan
ga-bleiþjan u. ſ. w. aus den adj. baírhts, bleiþis herrüh-
ren, ſo iſt das ga- dazu unerforderlich und bloß dem
ſchon gebildeten verbo baírhtjan etc. zugetreten; es
kommt daher auch baírhtjan u. a. einfach vor. Ahd.
liegt zwar vielen verbis aller ſchwacher conj. mit gi- ein
nomen unter: a) ſeltner ſubſt., z. b. gi-aharen (ſpicare)
monſ. 389; g-âwiccôn (exorbitare) monſ. 376; ki-anguſtan
(angere); kiantlenkan K. 33a; ki-antheiƷôn (immolare)
ker. 175; ge-antwurten Boeth. 247; ge-underſkeitôn
Boeth. 36; ke-ummuaƷôn (occupari) K. 48a; gi-ridilôn
(diſcriminare) monſ. 359; gi-wittôn (idem) ibid.; gi-vaſkôn
(cataplaſmare) monſ. 335; ki-piheiƷôn (conjurare) jun.
191; ki-pauhhannen (adnuere) jun. 195. b) häufiger adj.:
gi-rûhan (exaſperare) monſ. 385; ki-ſtillan (ſedare) ki-un-
ſtillan (inquietare) K. 48b; ke-unfrewan (affligere) K. 39b
40b jun. 195; ka-unreinan (commaculare) monſ. 409; ki-
hlûtiran (declarare) ker. 85; ka-acwiſſôn (publicare) hrab.
960a; gi-chalawen (decalvare) monſ. 332; gi-magiran (ta-
befacere); gi-liut-mâran (publicare) monſ. 381; ki-moat-
ſaman (conſecrare) ker. 83; ge-anterôn (imitari) N. Boeth.
259. (referre) Cap. 109; gi-ſihhirôn (purgare) monſ. 326.
376. 379; ka-einôn (adunare) monſ. 404; gi-ëpanôn (ae-
quare); gi-lîphaſtôn (viviſicare) monſ. 397; gi-mëƷhaftôn
(moderari) monſ. 351; ki-noaƷſamôn (conſociare) ker. 49;
ke-nuhtſamôn (ſufficere) K. 43b; ke-ruahhalôſôn (negli-
gere) K. 42b; ki-frêhtîcôn (defoenerare) ker. 83; ge-gra-
ſegôn (gramine obducere) N. Cap. 67; ge-ſâligôn (beare)
ibid. 61; ki-ôtokôn (ditare) jun. 201; gi-ſêragôn (vulne-
rare) monſ. 362. 389; ca-turſtîcôn (uſurpare) ker. 33;
ge-frôniſcôn (decuſſare?) N. Cap. 164; gi-mêrôn (amplifi-
care) monſ. 347. 354. 357. 365. 394; gi-minnirôn (mi-
[842]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
nuere) monſ. 334. 345. 356. chi-minnerôn J. 398. ka-
minnirôn hrab. 960a; gi-wirſirôn (depravare) monſ. 333.
376; ge-argerôn (ſcandalizare) N. 22, 4; ki-peƷirôn (di-
tare) ker. 83. gi-peƷirôn (lucriſicare) monſ. 350. 368. 377.
gi-paƷirôn (juſtificare) monſ. 344; ge-wîterôn (amplificare)
N. Cap. 169; gi-fordorôn O. III. 18, 82; ki-ſtillên
(quieſcere) K. 47a; gi-pluotagên (ſanguinare) monſ. 357.
Allein auch zu allen dieſen ahd. wortbildungen halte
ich die part. nicht für weſentlich, es darf ebenwohl aha-
ren — pluotagên heißen. Mhd. find es der beiſpiele we-
niger: ge-anegengen MS. 2, 123b; ge-friden Nib. 8016;
ge-[ſr]iunden MS. 1, 64b; ge-ëbenmâƷen Barl.; ge-herber-
gen Triſt.; ge-wurzen Triſt.; ge-unêren Triſt.; ge-ſtillen
(ſedare); ge-unſueƷen Tit. 157; ge-linden (emollire) Wi-
gam. 61a; ge-mêren; ge-minnern etc. welche ſämtlich
das ge- entbehren dürfen. Nur bei intranſ., die vor-
mahls der dritten conj. gehörten, ſcheint mir die part.
zur hervorhebung des inchoativen ſinnes nothwendig,
z. b. ge-linden (molleſcere) ge-ſtillen (quieſcere), wenn
es ſolche mhd. wörter gibt, mir iſt kein beleg zur hand
als ge-mannen (pubeſcere) Tit. 35, wofür ſchwerlich
mannen ſteht. Etwas anders ſind die von den ſubſt. ge-
nôƷ, ge-ſelle, ge-ſinde abgeleiteten verba ge-nôƷen Barl.
ge-ſinden Triſt. Barl. ge-ſellen, denen das ge- freilich
weſentlich bleibt. Im nhd. gibt es bloß noch ſolche der
letztern art, d. h. deren ge- im nomen liegt: g-lücken,
ge-lüſten, ge-ſellen. — 6) privative bedeutung entwickelt
ſich theils aus dem begriffe cum: ge-rinnen, d. i. zuſam-
menfließen, folglich aufhören zu fließen, theils aus dem
begriff des verbi, den die partikel hervorhebt: ge-linnen
(ceſſare) MS. 2, 135b; ge-ligen (danieder liegen, ermatten,
ſtille ſein, ceſſare) N. Boeth. 110; ge-brëchen (deficere);
ahd. ki-lîdan (abire, tranſire); wie iſt das goth. ga-nanþjan
(παύειν) zu nehmen? — Anmerkungen: a) bei verglei-
chung der mit ge- componierten nomina findet ſich häu-
figes einſtimmen der gelinden bedeutung (ge-wërban,
ge-wërp; ge-rëchen, ge-rich etc.), ſeltner der ſtärkeren
(gi-mah, gi-mahhidi, gi-mahhôn). b) verwandt iſt
die part. α) dem er-, vgl. gi-ſlahan monſ. 323. mit ar-
ſlahan, gi-rëhhan mit ar-rëhhan, gi-ſtrîtan (obtinere)
monſ. 373. 375. mit er-ſtreiten etc. β) dem be-, vgl.
gi-hapên, pi-hapên; gi-chnupfan, pi-chnupfan etc. —
c) es gibt verba welche das ge- nie annehmen und an-
dere, die es nicht entbehren können: α) nie bekommen
es z. b. die goth. falþan, finþan, ginnan, graban, greipan,
[843]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
greitan, haldan, hlahan, láikan, lêtan; die ahd. këltan,
kinnan, quëman, vindan etc., doch kann, bei der quellen
unvollſtändigkeit darüber keine ſicherheit gegeben werden
und die mundarten weichen ab, z. b. ahd. findet gi-lâƷan ſtatt
T. 19, 6. monſ. 381. vgl. oben ſ. 840. β) unentbehrlich iſt es
dem goth. ga-láubjan (credere), ga-leiþan, ga-niſan (während
naſjan vorkommt), ga-ſtaldan, ga-ſkapan, ga-tairan, ga-teihan;
dem ahd. ka-loupan, ka-limfan, ka-nëſan (neben nerjan), ka-
rîman, ka-vëhan, ka-wahan, ka-winnan (vincere) u. a. m.;
nhd. fehlt es nie in g-lauben, ge-neſen (neben nähren), g-
önnen, ge-ſchehen, ge-winnen vgl. oben ſ. 835. 838. Ueber
beides müßen zukünftig vollſtändige verzeichniſſe nach zeit
und mundart geführt werden. — d) von beſonderer erheb-
lichkeit und umſtändlicher zu erörtern iſt der zuſ. hang
der partikel ge- mit dem begriffe dauer und vergangen-
heit
, und der einfluß, den ſie nach und nach auf die
conjugation
erlangt hat. α) daß die idee des anhalten-
den
, ruhigen, behagenden mit dem ge- verknüpft ſei, be-
weiſen genug beiſpiele: goth, viſan (eſſe) ga-viſan (ma-
nere, habitare) Luc. 8, 27; und obgleich auch das ein-
fache viſan bene eſſe ausdrückt (Luc. 15, 24.) hebt es
doch die part. mehr hervor, vgl. ge-râten (proſpere ca-
dere) ge-vallen (placere). Ligen wird, genau betrachtet,
von einem geſagt, der jeden augenblick wieder aufſtehen
kann; ge-ligen (niederliegen) wenn er ſobald nicht, oder
gar nicht wieder aufkommt, daher: tôt gelac Barl. 86,
oder kindes gelac Parc. 27a von einer wöchnerin, einfa-
ches lac wäre hier unbezeichnender, keineswegs unzu-
läßig (lac tôt Parc. 115c). Daſſelbe gilt von ſitzen und
ge-ſitzen, ge-ſaƷ heißt Parc. 79b offenbar: konnte ſitzen
bleiben. β) dieſe idee der dauer gebührt nun allerdings
dem ganzen verbo für alle tempora und es darf nicht
bloß gelae, geſaƷ, ſondern auch geliget, geſitzet in ſol-
chem ſinne gebraucht werden. Begreiflich aber bedient
ſich das praeteritum der ge-form am liebſten und häufig-
ſten, weil die vergangenheit eine vollbringung der hand-
lung in ſich ſchließt. Die partikel kann alſo unſerer
ſprache die ihr abgehende manigfaltigkeit der flexionen
für das praet. einigermaßen vergüten helfen, lac und ge-
lac, ſaƷ und geſaƷ entſprechen ungefähr zwei verſchied-
nen griech. temporibus. Ich will einige belege anfüh-
ren, daß die part. hauptſächlich gern im praet. zutritt.
Goth. dugann natjan (ἤρξατο βρέχειν) Luc. 7, 38. gana-
tida (ἔβρεξε) Luc. 7, 44; táikneiþ (monſtrat) Marc. 14, 15.
ga-táiknida (monſtravit) Luc. 3, 7; vaſjáiþ (veſtiatis) Matth.
[844]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
6, 25. vaſjiþ (veſtit) Matth. 6, 30. gavaſida Matth. 6, 29;
ſitáiva (ambo ſedeamus) Marc. 10, 37. gaſat (ſedit, auf das
fullen) Marc. 11, 4. du baíran jah gibar (pariendi et pe-
perit) Luc. 1, 57. Ahd. zi bëranne inti gibar (pariendi
et peperit) T. 4, 9; bâri inti gibar (pareret et peperit)
T. 5, 13; bëran (parere) O. I. 9, 4. gibârin (parerent) O. III.
20, 12; ſpenit O. II. 4, 173. giſpuan V. 8, 100. Mhd. ſwër
pfliget oder ie gepflac MS. 1, 147a; ſô vil ſô geſanc ie man
MS. 1, 64a; gelas Parc. 78c; gawân brach iedoch den
kranz; dô gawân daƷ rîs gebrach Parc. 145b; der gaſt
ſich dâ gelabte Parc. 40a; geſouch Parc. 113b; als ir der
künec geriet Nib. 2059. vgl. Parc. 81b 121b 126a; ſwie vil
man gote gediente oder iemen dâ geſanc Nib. 3389; ge-
lëbete Nib. 3404; dô er ir rede gehôrte Nib. 3476; dô
man gaƷ Wigal. 29. dô ſî gâƷen und geſâƷen Wigal.
160; ſwaƷ im leides ie gewar Wigal. 278. 309. hingegen
waƷ leides ir wërre Wigal. 92. 183. Mit ſolchen beiſpie-
len ließen ſich ganze bogen füllen; im nhd. fallen ſie
aber völlig weg, es gibt kein wandelbares ge- mehr,
ſondern wo es im praet. erlaubt iſt, kann es auch
dem praeſ. nicht mangeln (gehörte, gehört; geſtattete,
geſtattet), wo es dem praeſ. mangelt, dem praet. nie ge-
geben werden. Man hat auch die ſache nicht ſo anzuſe-
hen, als ob früherhin die part. dem praet. nothwendig
oder für das praeſ. untauglich geweſen ſei. Eine menge
ſtellen werden ſie im goth. ahd. mhd. ebenwohl vor dem
praeſ. zeigen oder dem praet. abgehen laßen, ſelbſt da,
wo die handlung perfectiv zu nehmen wäre. Bloß eine
merkliche vorneigung der part. zu dem praet. behaupte
ich und glaube übrigens, daß für den älteſten ſprach-
ſtand, wie im nhd., unabhängigkeit des ge- von den tem-
poral unterſchieden eintrat. Es hatte dann noch ſeine
ſchärfere bedeutung, die keinem tempus entzogen wer-
den durfte, ſo wenig dies ſpäterhin in allen fällen, wo
ſich das compoſitum durch einen beſonderen begriff aus-
zeichnet, oder der ſpracheigenſinn ein vielleicht bedeu-
tungsloſes ge fordert, verſtattet war. Weil aber das ge-
meiſtentheils einen ganz geringen nachdruck gab, der ſich
mit dem begriff der dauer berührte, ſo band es die zu-
letzt wieder verfliegende feinheit des ſprachgefühls eine
zeitlang doch nie feſt und ſicher an tempusunterſcheidun-
gen. γ) durch die betrachtung des ge- vor dem partic.
praet.
wird das geſagte beſtätigt. Urſprünglich gebührt
dem einfachen verbo auch im part. praet. einfache form
und die partikel kann nur dann in letzterm erſcheinen,
[845]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
wenn das ganze verbum mit ihr componiert iſt. Allge-
mach aber gewöhnte ſich die ſprache, um den begriff
des vergangnen deutlicher vorwalten zulaßen, auch ein-
ſache verba mit dieſem ge- zu verſehen, ſo daß von der
form des part. praet. nicht mehr auf die übrigen modos
und tempora geſchloßen werden darf, z. b. das nhd. part.
praet. ge-rathen, ge-fallen, ge-lobet laßen zweifelhaft,
ob ihr inf. rathen, fallen, loben lautet oder ge-rathen,
ge-fallen, ge-loben. Im mhd. und ahd. hat dieſe zwei-
deutigkeit ungleich öfter ſtatt und man ſollte ſich hüten,
ein verbum, das der text nur im part. praet. darbietet,
mit der inf. form in die gloſſare einzutragen. Die, wenn
man will, unorganiſchen participia mit ge- haben ſich
ſtufenweiſe eingedrängt, bereits im ahd. und mhd. das
übergewicht erlangt, und herſchen im nhd. ausgemacht,
während [umgedreht] die ihnen identiſchen praeterita ind.
und conj. mit ge- wieder verſchwunden ſind. Es fragt
ſich, ob ſie ſchon im goth. vorkommen, oder hier noch
alte part. mit ga- auf durchgängige compoſ. ſchließen
laßen? Da ich 1, 1016. dieſen gegenſtand überhaupt zu
kurz behandelt habe, ſo erlaube ich mir hier die nöthige
ergänzung. Allerdings zeigen viele goth. part., die von
einfachen verbis herrühren, die partikel noch gar nicht.
Ich finde beim Ulf. folgende ohne ga-: fraíhans Luc. 17,
20; fráiſans Marc. 1, 13; gibans Marc. 6, 2; haſans Marc.
2, 3; háitans Matth. 9, 9; haldans Matth. 8, 31; qviþans
Matth. 5, 21. 26, 75. qvumans (ἐληλυθώς) Marc. 9, 1.
Joh. 6, 50; ſáians Marc. 4, 16; ſaltans Marc. 9, 50; taú-
hans (ductus) Luc. 4, 1; tvahans Marc. 7, 2; þraíhans
Matth, 7, 14; vaúrþans Matth. 27, 1; aliþs Luc. 15, 23;
balviþs Matth. 8, 6; dáupiþs Marc. 1, 5; fôdiþs Luc. 4,
16; kaúriþs Luc. 9, 32; manviþs Matth. 25, 41. Luc. 6,
40; mikiliþs Luc. 4, 15; rôdiþs Marc. 5, 36; vagiþs Matth.
11, 7. Luc. 7, 24; vaírþôþs Matth. 27, 9. es muß manche
andere geben, die im bisherigen text nur nicht gebraucht
werden z. b. funþans, lêtans. Nachſtehende haben die
partikel: ga-baúrans (natus, editus) Luc. 2, 11. Joh. 8, 41.
9, 2, 19. 16, 21. 18, 37; ga-bugans Marc. 5, 4; ga-bun-
dans Marc. 15, 7. Joh. 11, 44. 18, 24; ga-fahans Philipp.
3, 12; ga-fulhans (ſepultus) Luc. 16, 22; ga-kuſans Rom.
14, 18; ga-liſans Neh. 5, 16; ga-máitans (conciſus) Phi-
lipp. 3, 2. wo das ſubſt. τὴν κατατομὴν fehlerhaft durch
das part. þô gamáitanôn gegeben iſt, er hätte gamáit
ſetzen ſollen, wie anderwärts bimáits (περιτομή); ga-
numans (conceptus) Luc. 2, 21; ga-raþans Matth. 10, 30;
[846]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ga-runnans Marc. 1, 33; ga-qvumans (συνηγμένος, συν-
ιών
) Matth. 27, 17. Luc. 5, 17. 8, 4; ga-ſaíhvans Luc.
9, 31; ga-ſakans Luc. 3, 19; ga-ſkapans Marc. 2, 27; ga-
taúhans (conductus) Matth. 27, 3; ga-taíhans Luc. 2, 26.
8, 20. 18, 14; ga-trudans (conculcatus) Luc. 8, 5; ga-þaúr-
ſans Marc. 3, 1; ga-vigans Luc. 6, 38; ga-dáiliþs Marc. 3,
26; ga-dômiþs Malth. 11, 19. Philipp. 3, 12; ga-fahriþs
Luc. 1, 17; ga-háiliþs Luc. 6, 18; ga-hnáiviþs Luc. 1,
52; ga-huliþs Matth. 8, 24. 10, 26; ga-lagiþs Matth. 6. 30;
ga-láiſiþs Luc. 1, 4; ga-láuſiþs Luc. 1, 74; ga-malviþs
Luc. 4, 18; ga-manviþs Luc. 6, 14. Neh. 5, 18; ga-mar-
ziþs Marc. 6, 3; ga-mêliþs Matth. 11, 10. Marc. 1, 2. Joh.
10, 35. 17, 12; ga-náitiþs Marc. 12, 4; ga-nôhiþs Luc. 3,
14; ga-ſatiþs Marc. 8, 25. Luc. 7, 8; ga-ſkeiniþs Marc.
5, 41. 15, 22; ga-ſleiþiþs Philipp. 3, 8; ga-ſtraviþs Marc.
14, 15; ga-ſuliþs Matth. 7, 25. Luc. 6, 48; ga-tarhiþs
Matth. 27, 16; ga-timriþs Neh. 7, 1; ga-valiþs Marc. 13,
22, 27. Luc. 18, 7. Tit. 1, 1. Neh. 5, 18; ga-vaſiþs Marc. 1,
6. Luc. 8, 27. 16, 19; ga-faírinôþs Tit. 1, 7; ga-leikinôþs
Luc. 8, 2; ga-ſunjôþs Luc. 7, 35; ga-veiſôþs Neh. 7, 1;
ga-leikáiþs Luc. 10, 21. Rom. 12, 2; ga-ſvêráiþs Joh. 12,
16. 13, 31. aber auch hier ſind andere hinzuzudenken, die
der text nicht darbietet. Beide verzeichniſſe miteinander
verglichen, iſt klar, daß die partikelloſe form von verbis
herrührt, die auch ſonſt niemahls oder oft kein ga- zei-
gen, die ga-form dagegen von der allgemeinen compoſi-
tion des verbi mit der part. abhängt. Wo im praeſ. bei-
des ſtatt findet, muß auch im part. beiderlei gelten, die
bedeutung der part. ſei nun merklich oder nicht, vgl.
qvumans, ga-qvumans; taúhans, ga-taúhans; manviþs,
ga-manviþs, folglich kann neben mikiliþs ein nicht vor-
handnes ga-mikiliþs eintreten etc. Ich möchte jedoch
nicht behaupten, daß bei dem Gothen die anhängung der
part. an ein partic., deſſen übrige formen ſie nie gewäh-
ren, gar nicht vorkomme. So gut er (nach β.) einem
praet. ind. oder conj. ga- vorſchob, durfte es auch bei
dem part. praet. geſchehen. In den übrigen mundarten
werden die part. ohne ge- immer ſeltner, die mit ge-
immer häufiger, daher brauchen nur jene aufgezählt zu
werden. Ahd. hangan T. 94; heiƷan (vocatus); lâƷan mir
unbeleglich und ge-lâƷen ſteht N. 103, 26; quëman, chomen;
ſcaffan (praegnans) T. 5, 7, 12. 145; ſliƷƷan ker. 27; frëƷƷan
(aus far-ëƷƷan erklärt gehört es nicht hierher); vuntan;
wortan; wuntan Hild; curzit (breviatus) T. 145; chriu-
zigôt (crucifixus) N. 42, 1; prâht; preitit monſ. 365; phî-
[847]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
nôt hrab. 953a; rihtet Othlo 419; friſtôt (interpretatus)
N. 33, 1. Altſ. neglid (clavatus) außer den andern. Agſ.
boren (latus) verſch. ge-boren (natus); comen; dropen;
funden; hafen (elatus); hâten (vocatus) ge-hâten (pro-
miſſus); hëalden (paſtus); liden (profectus); ſcëacen; ſce-
pen; ſcofen; togen (ductus); cenned; vëaht; þëaht und
wohl noch andere. Mhd. gëben; heiƷen (juſſus) Gudr.
4287; lâƷen Parc. 164a; komen; troffen; vrëƷƷen; vunden;
worden; brâht; decket Eracl. 2206; kleidet Gudr. 16b; krô-
net Parc. 4a (ge-krônet Parc. 12b); koufet Bert. 4. 45. 91. 285;
ſteinet troj. 55b; tân; veit (politus) f. ge-veget livl. 51; vrei-
ſchet. Mnl. außer andern namentlichl ëden (praeteritus).
Nhd. in der heutigen ſchriftſprache gar keine mehr, ſondern
ge-heißen, ge-kommen; ge-funden; ge-worden; ge-
bracht etc. funden und komen (die letzten reſte der ech-
ten form) ſetzte noch Luther; doch haften einige ſpuren
feſt, nämlich werden, wenn es auxiliare iſt, bekommt
worden, nicht ge-worden und in den redensarten: ich
habe das heißen machen, ich habe das laßen machen und
ähnlichen ſtehet heißen, laßen für ge-heißen, ge-laßen.
(Ob hieraus die gangbare unorg. ſormel: ich habe ſagen
hören f. gehört entſprungen iſt, wird die ſyntax bei ge-
legenheit der analogen conſtruction von mögen, können,
wollen, ſollen, müßen, dürfen, unterſuchen). Schm.
§. 214. 485. hat wahrgenommen, daß die oberdeutſche
volksſprache das participiale ge, ſobald der vocal tonlos
wird, vor ten. und med. (auch wohl vor z) ganz unter-
drücke, dagegen den anlautenden conſonant verdicke.
Hiermit ſtimmt Stald. dial. p. 55. 56, welcher es durch
die verdoppelung bb. dd. ausdrückt. Solche abhängigkeit
der part. von dem anlaut verräth die gebildete ſprache
niemahls. Es iſt die höchſte unempfindlichkeit für ihre
lebendige bedeutung, übrigens unterbleibt ſie vor kom-
men und finden (Stald. p. 157.). — δ) das griech. aug-
ment und die ſlav. perfectiva vergleiche ich in einer
ſchlußaum. — e) eine andere hierher gehörige eigen-
thümlichkeit der volksdialecte, wovon unſere heutige
ſchriftſprache nichts weiß, iſt aber in der älteren nicht
ganz zu verkennen. Stald. dial. p. 51-55. hat zuerſt die
aufmerkſamkeit dahin gelenkt und Schm. §. 982-984.
beſtätigung gegeben. Nämlich: dem von mögen und
können abhängigen (einfachen) infinitiv wird die partikel
ge- vorgeſetzt (oder, nach der eben mitgetheilten
beobachtung, die anlautende ten. und med. verdickt).
Dieſer gebrauch findet ſich auch in gedruckten oberd.
[848]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
büchern des 15. 16. jh. (Schm. §. 982. 984.). Steigt man
zum mhd. auf, ſo lehren unzählige ſtellen, daß infiniti-
ven, die ſonſt ohne ge- ſind, es in jenem fall häufig vor-
geſchoben wird: er mac gerîten noch gegên, noch geli-
gen noch geſtên Parc. 119b; gevangen (vangen, ahd. van-
gôn) mac Parc. 119b; kan gegëben Parc. 122a; mag ich
gepflëgen Parc. 64a; mohte gemachen Parc. 52a; kan
gevueren Nib. 1525; mohte gehueten Nib. 6410; mac ge-
lâƷen Nib. 3305; mohte gelüſten Nib. 4966; kan genen-
nen Nib. 40; geteilen kunde Nib. 2066; kunde getrœſten
Nib. 4117; mohten geêren u. gemêren Wig. 226; kunde
gezeigen Wig. 143; mohte geſtillen Wig. 79; kunde ge-
vriſten Jw. 7c Wig. 155. Barl. 248. gevriſten mac troj.
60c kan gevriſten troj. 61b mohte gevriſten Triſt. 1879;
kunde gevellen Wig. 337. vgl. mueƷe vellen Wig. 89;
mac gelêren Wig. 7; geſchaden mac Wig. 177; kan ge-
hëlfen noch geſcheiden MS. 1, 64a; ge-ſlâfen maht Triſt.
3652; kunde geſchrîben noch geſagen Triſt. 15821; moh-
ten gehaben Triſt. 18778; möhte gebieten (offerre) oder
gegëben Triſt. 7223; müge gegieƷen Triſt. 19441; gelœ-
ſen kan Triſt. 2895; geſëhen möhte Triſt. 1195; gehëln
kan Triſt. 13714; mag ich ûƷ gelëſen Triſt. 4721; muoƷ
ich liegen, ſwaƷ ich geliegen mac Triſt. 8709. 10; kun-
den gefromen Triſt. 5465; kunnet gezeigen Triſt. 6088;
geleiten kunde Triſt. 7397; kunden gewëgen, gebrücken
geſtëgen Triſt. 11815; geueben müge Triſt. 10353; getuon
mac troj. 61c; kan gewîſen und gelêren troj. 62c; geſprë-
chen mac Jw. 3a; mag in gewërren Jw. 4b; mohte ge-
ligen Jw. 6b mohte getragen Jw. 6c; mac geſagen Jw.
6c; mac geſcheiden Jw. 7a u. a. m. Allein die zufügung
der part. iſt nicht nothwendig, und unterbleibt vielleicht
eben ſo oft: kan lêren Parc. 120b; mohten ſparn Parc.
121a; mohte ſin Parc. 54a Jw. 5b Wig. 16. Triſt. 3010.
3154. 1230; mohte machen Wig. 8; mohte ſëhen Jw. 8b
Triſt. 1083. Wig. 181; mac minnen Nib. 2936; müget
vlêgen Nib. 2939; müget ſîn Nib. 3056; kunde ſtrîten Jw.
1a; hœren mac Jw. 1a; wërden mac Jw. 1b; mohtet lân
Jw. 2b; mac dagen Jw. 2b; muget dagen Jw. 2c; maht
lân Jw. 4b; mac weinen u. klagen Jw. 6a; mac wëſen
Jw. 6b; wiƷƷen mege Jw. 8b; mac ueben Triſt. 10357;
möhtet tuon Triſt. 1460; kan wërden troj. 59c; kan wue-
ten troj. 60c; müget wërden troj. 61c u. a. m. Im ahd.
ſcheint der gebrauch nicht in allen quellen auf gleiche
weiſe beſtimmt. Bei N. verhält es ſich ungefähr, wie im
mhd. damit; hinzugefügtes ge- findet ſich z. b. nemag
[849]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
niht ketuon Boeth. 8; mugen wir gedingen Bth. 25; ge-
ſpuen mag, geſkeinen mag Bth. 26; wër mag taƷ keruo-
bôn (numerare) Bth. 30; getuen mugin Bth. 32; iƷ ne-
mahti getuon Bth. 33; nemugen genëmen Bth. 38; mugiſt
keſëhen Bth. 40; mahti keanterôn Bth. 259. etc.; hingegen
fehlt es: nemahta wiƷen Bth. 8; mahta ſîn Bth. 17; ne-
muge ſîn Bth. 41; nemag iƷ tîhen Bth. 36; mugen in ir-
ren Bth. 38; nemugen ſkînen Bth. 40; gân mugen Bth.
189; halſen mahta Cap. 148. etc. Bei O. ſcheint, ſo viel
ich verglichen habe, die part. lieber zu fehlen: magih
wiƷan I. 4, 109. 19, 55; mohta ſîn I. 5, 2; mag wërdan
I. 5, 73; wëſan mohti I. 8, 8; megi ſprëchan I. 18, 34;
mugun riaƷan I. 18, 46. etc. und wo ſie ſteht, durchgän-
gige compoſition vorhanden z. b. mag gizellan u. ginen-
nan I. 1, 21-24; giburren mohta V. 25, 58. Ebenſo T.
maht ſprëhhan 2, 9; mohta ſprëhhan 2, 10; mah ſîn 3,
6; mah wëſan 17, 3. 44, 25; mah wërdan 25, 1; mag
thionôn, mugut thionôn 37, 1, 2; mag tuon 41, 4. (doch
30, 6. maht gituon); mohta gân 46, 5; außer wo die part.
dem ganzen verbo gebührt, wie in: maht giſûbiren 46,
2. In J. finde ich: mahti wërdhan 342; mac wëſan 354.
395; haldan nimahtun 382; wohl aber: mac chirahhôn
343; mahti chigarawan 384. Der agſ. mundart iſt die
fragliche vorſchiebung des ge- unbekannt, man ſehe fol-
gende ſtellen im Beov.: cunnon ſecgan 6; herjan ne cu-
ðon 16; findan mihte 18; ſceðan ne mëahte 21; mihton
gangan 26; häbban ne mihte 37. 51; flëótan mëahte
43 etc.; wenn geſëón mëahte 45. 51. 82. ſteht, ſo liegt
der grund darin, daß ſich das ganze verbum mit der
part. zuſ. geſetzt hat, vgl. geſëah 57. 71. und geſëón
môſte 74. (nicht ſëón). Endlich kennt auch die goth.
ſprache die vorſetzung nicht: maguþ ſkalkinôn Matth. 6,
24; magun qváinôn Matth. 9, 15; magjáu táujan Matth.
9, 28. Joh. 9, 33; magun faſtan Marc. 2, 19; mahtêdun
matjan Marc. 3, 20; magt qviþan Luc. 6, 42; mag qvi-
man Luc. 14, 20. Joh. 8, 21; magt viſan Luc. 16, 2; gra-
ban ni mag Luc. 16, 3; magt láiſtjan Joh. 13, 36. etc.
Steht aber ga-, ſo darf es auch in andern fällen dem
verbo zukommen, vgl. mahta gatáujan Joh. 11, 37. magt
gatáujan Matth. 5, 36; magt gahráinjan Matth. 8, 2. Marc.
1, 40. Luc. 5, 12; magun gabáuan Marc. 4, 32; magi
gamáinjan Marc. 7, 15; mahtêdun gafahan Luc. 20, 26;
gaſviltan magun Luc. 20, 36. Reſultat: jener grund-
ſatz des heutigen volksdialects, obſchon nicht nach-
zuweiſen in unſerer älteſten ſprache und ſchwan-
H h h
[850]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
kend *) ausgeübt bei N., wie im mhd., iſt dennoch nicht
aus der luft gegriffen **) und kein bloßes ungefähr, denn
ſonſt würde auch nach wollen, ſollen, müßen etc. der
inf. einfacher verba zuweilen ein ge- annehmen, wie
nicht geſchieht. (Nach dürfen und türren vielleicht;
vgl. dorfte getragen Nib. 1194; geſorgen Triſt. 12706;
getar geſagen Triſt. 1226. getorſte gereden Triſt. 1458;
getorſte gewuochern, gefürkoufen, gerouben, geſteln, ê
gebrëchen Bert. 13.). Welche erklärung läßt ſich davon
geben? ſchwerlich waltet ein zuſ. hang ob zwiſchen dem
der partikel anhaftenden vergangenheitsbegriff und der
praeteritiviſchen natur von mag und kann, welche eben-
wohl eintritt bei ſoll, muß u. a.; ja dann würde nach
dem wirklichen praet. aller gewöhnlichen verba ein inf.
mit ge- erwartet werden können. Sollte aber nicht die
idee des vermögens nähere beziehung auf dauer und ſte-
tigkeit haben und deshalb den nachdruck der partikel
herbeirufen? bei ſollen, müßen, wollen etc. iſt es offen-
bar anders. Uebrigens hat ſich hier die ſyntax, wie un-
ter d, β. γ. die conjugation eines compoſitionsmittels be-
dient, das in ſofern über ſeine wahre grenze hinaustritt. —
f) es gibt einige ſchwache participia praet. mit ge-, denen
keine verbalformen zur ſeite ſtehen, namentlich ge-ſtirnt (ſtel-
lis conſitus), das ſich ſchon ahd. findet, ge-ſtirnet N. Bth. 53.
(verſch. von geſtërnôt, aſtrificus, N. Cap. 85.) vgl. gi-ſtirntî
(conſtellatio) doc. 215b f. gi-ſtirnitî. Weder ein verbum ſtirnan
noch gi-ſtirnan iſt nachzuweiſen, letzteres aber theoretiſch
anzunehmen, zugleich deutet das i vor dem r, da ſonſt
überall ſtërno gilt, auf ein hohes alter, wo nicht eine ab-
leitung aus dem ſubſt. gi-ſtirni anzunehmen iſt. Gehört
hierher auch das mhd. g-îſert (ferro obductus) Parc. 108c?
ich kenne kein îſern oder g-îſern.


[ver-]; die goth. form iſt hier dreifach, theils faír-,
das vor nom. gar nicht, vor verbis nur in drei wör-
tern; theils faúr-, das vor ſieben verbis; theils fra-,
welches vor einigen nom. und vor zwanzig verbis ſteht.
Umgedreht zeigt ſich die ahd. fra- form höchſtens vor
einigen nom. (ſ. 732.), nie vor verbis (ſtatt fra-dîhê pro-
[851]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ficiat K. 56b iſt zu leſen fram dîhê), verba ſind aber häu-
fig und gleichbedeutig mit far-, fër-, fir-, for- zuſam-
mengeſetzt. Das vocalſchwanken gleicht dem in ar-, ër-,
ir-, und die meiſten denkmähler pflegen in beiden den-
ſelben vocal zu halten. Doch mit ausnahmen, bei T.
ſtehet for- neben ar-. An ſich waltet auch große un-
ähnlichkeit ob, indem ar- vor nom. zu â-, nie aber far-
zu fâ- wird und das goth. us- kein fus-, noch das goth.
faír- ein aír- zur ſeite hat, nämlich das ahd. ar- geht her-
vor aus as- und in far- iſt das r radical. Folgerich-
tig entfernt ſich auch das altſ. far- vom altſ. â-, das agſ.
for- vom agſ. â-. Dieſes agſ. for- und die goth. faúr-
form ſehen trennhafter aus, als die ahd. partikel, indem
ſie zugleich praepoſitionen ſind; ein gleiches gilt vom
ahd. for- bei T. Im altn. begegnen comp. mit for- und
frâ-, beide formen dienen daneben getrennt und praepo-
ſitionell; doch gibt es mit beiden nur wenige, ja die mit
for- ſcheinen erſt neuiſländiſch, der Edda unbekannt.
Mhd. und nhd. bloß ver-. Der ahd. und mhd. kürzung
f-lioſan, f-lâƷan, v-lieſen wurde ſ. 700. 701. 725. ge-
dacht; iſt ſie aus fra-, nicht aus far- zu deuten? oder
ſpräche ſie vielleicht gar für fâ- aus far-? im letzten fall
wäre die zwiſchenform fâ-lioſan doch nicht aufzuzeigen,
ſo häufig far-lioſan, ver-lieſen neben der verkürzten ge-
ſtalt vorkommt. An berührung der formen fra und
far iſt nicht zu zweifeln (vgl. lat. per, prae, pro; franz.
par, pour, pre-), eher an ihrer urſprünglichen identität.
Ich hätte nach dem goth. fra-, faír, faúr- die abhand-
lung gerne geſondert, da ſie ſich unvermiſcht halten und
namentlich fra-qviþan etwas anderes iſt als faúr-qviþan,
fra-veitan von faír-veitjan abſteht. Allein Ulf. bie-
tet zu wenig beiſpiele dar und ſämtliche goth. formen
gehen in das ahd. far-, fir- über, ja faúr- könnte ſelbſt
mit dem trennbaren ahd. fora und furi noch zu thun
haben. Es bleibt alſo nichts übrig, als vorläufig fra-
und far- ungeſchieden zu betrachten, und zu verſuchen,
ob durch die ſcheidung der bedeutung kein licht auf die
form fällt. — Den bedeutungen ſcheint die von de, ab,
fort, weg zu grund zu liegen, daher ich auch die priva-
tiven zuerſt entwickeln will. 1) das dem einfachen verbo
entgegenſichende, verluſt, verderben (vor nomin. oft
durch mis- oder un- ausdrückbar) ſowohl bei intranſ.
als tranſitivis: goth. bugjan (emere) fra-bugjan (ven-
dere); kunnan (noſcere) fra-kunnan (ignoſcere, i. e. non
agnoſcere, contemnere); qviman (venire) fra-qviman
H h h 2
[852]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
(amittere, perdere, um etwas kommen); qviþan (dicere)
fra-qviþan (maledicere); vaírþan (fieri) fra-vardjan (cor-
rumpere); vaúrkjan (operari) fra-vaúrkjan (peccare,
male operari). Ahd. fer-chieſen (ſpernere) jun. 250. N. 21,
22. 46, 8. 64, 9; far-choufan (vendere, diſtrahere) K. 53a
hrab. 959a monſ. 400; far-thenkan (contemnere) ker. 34.
50. 193. 208. 261; fir-habên (abſtinere) ker. 129. 223. (re-
tinere) N. 57, 6; far-haltan (proſtituere) ich kenne nur
das part. far-haltan (proſtitutus) hrab. 972a und far-hal-
tanî, far-haltida (inceſtus) hrab, 958a 966b; fir-hukan
(aſpernari, contemnere) ker. 34. 96. 208; for-ligan (adulte-
rium, ſtuprum committere, eigentl. illicite concumbere)
vorhanden bloß das part. far-lëgan (contaminatus) ſgall.
188. T. 44, 22. 57, 2. vgl. for-lëgari, for-ligiri (adult. ſtu-
prum) und vorhin far-haltan; far-leitan (ſeducere, abdu-
cere) ker. 5. 22. 24. 126. 150; fir-manên (temnere) ker.
261. fir-monên O. I. 4, 130. III. 3, 27. 17, 105. fer-ma-
nên N. 99, 3. W. 8, 1. vir-manôn (calcare, d. i. unter
die füße treten, verachten) monſ. 378. 384. 390. 392. vgl.
far-mano (contemptor) K. 37a fra-mano hrab. 955b, das
einfache manên ſcheint favere, invitare zu bedeuten, wo-
mit ſich manôn (monere) berührt; far-përan (abſtinere)
K. 44a fir-bëran (evitare) O.; fir-piotan (interdicere); fir-
pluhan? (conflagrare) ker. 71; far-quidan (abdicare) hrab.
950b ker. 4. 16; far-ſakên (negare) far-ſagên (caſſare)
monſ. 405. fir-ſagên O. IV. 11, 57; far-ſahhan (dene-
gare, abnegare, renuntiare) hrab. 952a K. 23a ker. 4. 16.
237; far-ſcriofan (verſchrauben), das ſtarke part. fir-ſcro-
van (welches die form no. 214. beſtätigt) ſcheint ker. 139.
gramma (verſchränkung des ſchriftzuges) zu gloſſieren;
far-ſëhan (deſpicere, gleichſ. avertere faciem) hrab. 959a
ker. 34. 82. 97. vgl. unfërſëhandi (inviſus) ker. 150; fir-
ſprëhhan (abnuere) monſ. 353; fir-ſuerjan (pejerare) O.
II. 19, 13; far-tuon (perdere) fir-tân (perditus, condem-
natus) ker. 86. fir-dân O. I. 2, 23. etc.; fër-wallôn (errare)
N. 57, 4. Bth. 33; far-wânan (deſperare) monſ. 413. K. 24a;
far-wâƷan (abominari, devovere) hrab. 952b (wo hu. fehler-
haft?) ker. 4. 6. 11. 13. 93. 104. monſ. 373. eigentl. abolere
(oben ſ. 75.); far-wërdan (perire) K. 23b 55a jun. 242. ker. 217;
fir-woraht (flagitioſus) ker. 122; far-zîhan (denegare) K. 39b;
fer-ziehen N. Bth. 49. Altſ. far-duan (maledictus); far-gëtan
(obliviſci); far-hugjan (contemnere); far-kôpôn (vendere);
far-ſëhan (deſpicere); far-tellan (condemnare); far-wërkôn
(amittere?). Agſ. for-bëódan (prohibere, dehortari); for-
bëran (abſtinere); for-cvëðan (increpare, arguere); for-dê-
[853]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
man (condemnare); for-dôn (perdere, delere); for-gitan
(obliviſci, negligere); for-häbban (abſtinere); for-hogjan
und for-hycgan (contemnere); for-læran (ſeducere); for-
licgan (fornicari); for-rædan (male conſulere, prodere);
for-ſëón (deſpicere); for-ſiðjan (interire) Beov. 117; for-
ſittan (abſtinere); for-ſverjan (pejerare); for-vëorðan (in-
terire); for-vyrcëan (amittere). Altn. for-akta (ſper-
nere); for-diarfa (corrumpere); for-eflaz (deficere); frâ-
halda (abſtinere); for-leggja (negligere); for-râda (pro-
dere); for-ſaka (renuere); for-taka (negare) aber frâ-taka
(excipere). Nhd. ver-bërn (evitare, carere, aufhören zu
bërn); ver-bieten; ver-denken (ſuſpicari); ver-dërben
(perire); ver-derben (perdere); ver-dünken Triſt.; ver-
gëben (veneno interimere) MS. 1, 51b Wig. En. 98c; ver-
gên (praeterire, procul eſſe) ſich ver-gên (aberrare) Parc.
1b Triſt.; ver-gëƷƷen; ver-günnen (invidere, misgönnen)
Wh. 2, 18a. b.; ver-kieſen (deſpicere, renuere, reprobare,
vitare) Nib. Wig. Barl. Parc. 111c 79a; ver-koufen; ſich
ver-künnen (carere) MS. 1, 152a; ver-leiten Nib.; ver-
loben (abnuere) Wh. 2, 61a Barl.; ver-namen (abuti no-
mine) Triſt.; ver-nieƷen (abuti, conſumere) Oberl. 1760.;
ver-pflëgen (nicht mehr pfl., ceſſare, carere) Wh. 2,
108b 141a Parc. 120b 164a 167a Jw. 39c Wig. Karl 131a;
ver-râten (prodere) Parc. 7a; ſich ver-rîten (a via aber-
rare) Triſt.; ver-ſagen (renuere, abnuere) Triſt.; ver-
ſchaffen (deformare) wovon das part. ver-ſchaffen (defor-
mis); ſich ver-ſchemen (nicht mehr ſch., ſchamlos ſein) Parc.
41b 77c part. ver-ſchamter (nhd. unverſchämter) Parc. 41b
72a MS. 1, 115b 2, 238a; ver-ſchînen (perire?) MS. 1, 194b;
ver-ſigelen (navigando perire): MS. 1, 6a; ver-ſitzen (male ſe-
dere) MS. 1, 103b; ver-ſwern (pejerare) Barl.; ver-ſprëchen
(negare, recuſare) Nib. Barl.; ver-teilen (condemnare) Barl.;
ver-tuemen (contemnere) MS. 2, 57b, wo ver-d.; ver-tuon
(conſumere, perdere) Parc. 159b ver-tân Parc. 68b; ver-varn
(interire) Parc. 112c Wig.; ver-vueren (ſeducere); ver-
wâƷen (maledictus) MS. 1, 195b etc.; ver-wenen (male
aſſuefacere); ver-wërden (perire) c. p. 361, 52b; ver-
würken Parc. 196c Wig. Triſt. ver-worht Karl 126a troj.
96b; ver-worten (abuti verbo) Triſt.; ver-zellen (condem-
nare) ver-zalt liederſ. 1, 47b. Nhd. ver-achten; ver-bieten;
ver-bilden; ver-bitten; ver-denken; ver-derben; ver-
drucken; ſich ver-färben; ver-führen; ver-geben, -giften;
ſich ver-gehen; ver-geßen; ſich ver-greifen (misgriff thun);
ſich ver-hören (minus recte audire); ver-kaufen; ver-
kennen; ver-kommen; ſich ver-leſen; ver-legen (falſch
[854]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
legen); ver-leíten; ver-rathen; ſich ver-rechnen; ver-
reden; ver-rücken (falſch r.); ver-ſagen; das part. ver-
ſchroben (verdreht) auf ein verlornes ver-ſchrieben füh-
rend; ſich ver-ſehen; ſich ver-ſprechen; ſich ver-ſtellen
(diſſimulare); ver-ſchwören; ver-thun; ver-urtheilen; ver-
wachſen (ſchlecht w.) ver-weſen (conſumi); ver-wirken;
ver-wöhnen; ver-wünſchen; ſich ver-zählen; ver-ziehen
(falſch z.). — 2) bisweilen gibt die part. den ſinn von zu-
viel
oder zulange (über), ein goth. beiſpiel fehlt. Ahd. fir-
altên (aetate conſumi) firaltêt (carioſus) ker. 73; fer-chrô-
nen (nimis garrire) ferchrôndeſta (maxime garrula) N.
Cap. 77; ſich fer-ligen (pigreſcere) ferlëgen (deſidioſus)
N. Bth. 199; ſih fer-mëƷƷen (audere) N. Bth. 197; fer-
ruomen (nimis celebrare) N. Bth. 100. Agſ. for-ëaldjan;
for-vëaxan (immoderate creſcere). Mhd. ver-alten; ſich
ver-gâhen (nimis feſtinare) Parc. 27c Wh. 2, 113a Barl.;
ſich ver-klagen (nimis lamentari) Wig. 82. Jw. 35b; ver-
laden (nimis onerare) Wh. 2, 174a; ſich ver-ligen (nimis
longe quieſcere, pigreſcere) Jw. 21a. c.; ver-loben (nimis
laudare) Parc. 21a; ſich ver-mëƷƷen (audere) Wig. 107;
ver-rîten (zu ſcharf reiten) Karl 86a; ver-ſalzen (perſal-
ſus) Bert. 48; ver-ſchrîen (nimis vociferari) ver-ſchrît Parc.
123a; hierher vielleicht das vorhin angeführte ver-ſigelen
(auf der ſee verſchlagen werden?); ſich ver-ſitzen Parc. 1b;
ſich verſlâfen (nimis dormire) Flore 56a; ſich ver-ſtân
Barl. 240; ſich ver-weinen Wig. 82. Nhd. ver-alten;
ſich ver-bauern; ſich ver-beißen (zu feſt b.); ſich ver-
heben (ſchaden thun durch heben; ſich ver-laufen (zu
weit l.); von ver-liegen bloß das part. ver-legen, was
zu lange gelegen hat; ſich ver-meßen; ver-ſalzen; ver-
ſauern; von ver-ſitzen das part. ver-ſeßen, was zulange
ſitzt; ſich ver-ſchlafen; ſich ver-ſteigen; von ver-weinen
das part. ver-weint, was zulange geweint hat. Eigent-
lich iſt es der begriff der conſumption, den auch viele
comp. unter 1 und 3 geben: ſich ver-ſlâfen, ver-weinen,
dormiendo, plorando ſe conſumere, daher auch activ,
ohne ſich: den prîs, die zît ver-ſlâfen (ſomno laudem,
tempus abſumere) Parc. 138c MS. 1, 113b. — 3) häufig
wird ende, ausgang, vollbringung, volle verwendung
dadurch bezeichnet, der begriff liegt ſchon im einfachen
verbo und die part. hebt ihn bloß hervor (lat. per-,
dis-): goth. fra-dáiljan (diſtribuere); fra-qviſtjan (perdere).
Ahd. fir-damnôn (condemnare) monſ. 397; fir-dilôn (pror-
ſus delere) O.; fir-thorrên (contabeſcere) ker. 65; far-
drëſcan (atterere) hrab. 953a ker. 23; fer-dôſen (diſper-
[855]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
dere) N. Cap. 61; fir-dueſban (perdere) O. IV. 1, 7. V. 7,
67; fer-endôn (exterminare) N. 41, 2; far-gnitan (delere)
hrab. 953b; fir-muljan (conterere) ker. 50. 211; ſer-mur-
nen (triſtitia conficere) N. Bth. 72; far-nëman (gerade was
per-cipere, intelligere) exhort. ker. 34. 112. (conſumere) hrab.
951a ker. 78. 106; fir-plâſan (exſufflare) monſ. 345; fir-prëh-
han (confringere); fir-prennan (flammis conſumere) far-prin-
nan (conſumi) hrab. 957b; monſ. 347. 357. 388. fir-prohhan
(defeſſus) ker. 96; fir-quiſtan (perdere) O. V. 7, 66; fir-ſiodan
(discoquere) monſ. 340; far-ſlîƷan (diſſipare) hrab. 955b; far-
ſlindan (deglutire) ker. 27; fer-ſnuoren (vinculis ligare)
N. Cap. 31; far-ſûfan (penitus ſorbere) far-ſoffan (ab-
ſorptus) ker. 27. far-ſoufan (demergere) hrab. 960a; far-
ſuëlgan (glutire) ker. 27. O. V. 23, 532; fir-tragan (per-
ferre) monſ. 335. 354. 359. 377. 390; fer-faren (perire,
tranſire) N. 87, 17. 102, 16; far-wëlkan, far-wëlgan (de-
glutire) ker. 27. 93. ſcheint in der form von far-ſuëlkan
unterſchieden; far-zëran (conſumere) fir-zëran O. IV.
29, 36. N. 79, 16. Agſ. for-bernan (exurere); for-bër-
ſtan (diſrumpi); for-brëcan (conterere); for-dælan (di-
ſtribuere); for-dilgjan (delere); for-faran (perire); for-
gnagan (corrodere); for-gnîdan (conterere); for-grindan
(permolere) Beov. 199; for-læcan (pellicere) Cädm. 16;
for-nëman (conſumere); for-ſpanan (perſuadere, ſeducere);
for-ſpillan (perdere); for-ſtandan (intelligere); for-ſvëlgan
(deglutire); for-ſvëltan (mori). Mhd. ver-ballen Bert.
312; ver-boln (alle ſteine verwerfen) Parc. 137c; ver-
brinnen Barl. troj. 83b; verenden Wig.; ver-dieƷen Nib.;
ver-gieƷen (penitus effundi) Parc. 35b; ver-houwen Nib.;
ver-jagen Parc. 141b; ver-klagen Bit. 8a; ver-kêren (per-
vertere); ver-nëmen; ver-rîben (confringere) Parc. 22a; ver-
ſenken Barl.; ver-ſcheiden (mori) Parc. 193a; ver-ſchrôten
Nib.; ver-ſieden MS. 1, 44a; ver-ſnîden Nib.; ver-ſnürren
(alle pfeile verſchießen) Parc. 137c; ver-ſpiln Parc. 70b; ver-
ſtëchen Wig.; ver-ſwëlgen c. p. 361, 52c; ver-tanzen Bert.
312; ver-trîben (conſumere) Parc. 22c; ver-zërn u. a. m. (vgl.
Bert. 312. 313.). Nhd. ver-backen (alles korn); ver-blei-
ben (permanere); ver-blühen (ausblühen); ver-bluten
(ausbluten); ver-brauchen (ganz br., nicht misbr.); ver-
brechen; ver-bringen (durchbr.); ver-ſüttern; ver-glim-
men; ver-glühen; ver-gießen; ver-hallen; ver-handeln
(pertractare); ver-hungern; ver-jagen; ver-kehren; ver-
leſen (perlegere); ver-nehmen; ver-richten; ver-rauchen;
ver-ſaufen; ver-ſchießen (alles pulver); ver-ſchlingen;
ver-ſchütten; ver-ſenken; ver-ſinken; ver-ſpielen (alles
[856]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
geld); ver-ſterben; ver-tanzen (die ſchuhe); ver-toben
(austoben); ver-treten (zu grund treten); ver-trinken;
ver-treiben (die zeit); ver-zehren; ver-zweifeln u. a.
m. — 4) mit der vorigen hängt die bedeutung von ab,
weg, fort, dahin zuſammen, die bisweilen in denſelben
wortbildungen erſcheint: goth. fra-vaírpan (abjicere);
fra-vilvan (abripere, rapere). Ahd. fir-leitan (deducere)
ker. 92; fer-lucchen (ſeducere) fer-luhtêr (lactatus) N.
Cap. 44; far-loufan (tranſire, ablaufen) N. Bth. 262; fir-
nëman (tollere, auferre, abſumere) ker. 27. 34. 35. 274.
far-noman (abditus) ker. 19; fir-ſeljan (tradere) ker. 89;
vir-ſentan (relegare) monſ. 380; fir-trîpan (abigere, ex-
pellere) monſ. 347. 363. 388. 394; fir-wërfan (ejicere, ar-
cere) ker. 74. monſ. 380. 396. firworfan (abjectus) ker.
32; fir-zëohan (abſtrahere) ker. 5. 24. 85. hrab. 950b.
Agſ. for-bŷgan (declinare); for-drîfan (pellere); for-flëón
(aufugere); for-niman (tollere, auferre) Beov. 206. 220.
Mhd. ver-dringen; ver-ſeln (tradere, weggeben, ablie-
fern); ver-ſtieben MS. 1, 199a; ver-trîben; ver-vallen
(bei ſeite fallen) Mar. 81; ver-wërfen Bert. 87; doch nicht
mehr ver-nëmen im ſinn von wegnehmen. Nhd. ver-
drängen; ver-fliegen; ver-fließen; ver-geben (weggeben);
ver-laufen; ver-rauſchen; ver-reiſen; ver-ſchenken;
ver-ſchießen (abſchießen); ver-ſchwinden; ver-ſchwim-
men; ver-welken u. a. m. — 5) einigemahl läßt ſich die
bedeutung re- annehmen: goth. fra-gildan (rependere)
ahd. far-këltan, mhd. ver-gëlten; goth. fra-lêtan (remit-
tere) ahd. far-lâƷan; ahd. far-ſpîan (reſpuere) ker. 237.
K. 18a; far-trîpan (repudiare) hrab. 950b 959b ker. 4. 17.
220; far-ſantan (remittere) ker. 17; far-leipan (relinquere)
far-leiptêr (relictus) jun. 224; fir-trëtan (recalcitrare) ker.
241; fir-ſuîkên (reticere) ker. 237; mhd. ſich ver-ſinnen
(reſipiſcere) Parc. 27b Wh. 2, 103b 154a 159b u. a. m. —
6) oft ſcheint die part. bedeutungslos, das compoſitum
hat den ſinn des ſimplex. Hierher können den umſtän-
den nach einzelne der unter 3. 4. genannten bildungen
gezählt werden. Goth. fra-baíran (ferre, tolerare); fra-
giban (dare, condonare); fra-gildan (ſolvere, reddere);
fra-hinþan (capere); fra-lêtan (permittere); fra-liuſan (per-
dere, amittere); fra-niman (acquirere, accipere); fra-rin-
nan (currere, incurrere) Luc. 10, 30; fra-veitan (ulciſci,
vindicare); fra-vrôhjan (accuſare). Ahd. fir-chnuſſan
(allidere) monſ. 336; far-dolên (ſuſtinere) K. 53a ker.
96; far-douwan (digerere) hrab. 968a monſ. 331. dou-
wan verwandt mit dau (geſtus, mos) wie digerere mit
[857]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
geſtus; fir-gëpan (offerre, concedere) monſ. 383. K. 55a
fir-këpan (deditus) ker. 89; fir-gëltan (ſolvere) monſ. 358.
391; far-herjôn (depraedari) hrab. 960a; far-lâƷan (per_
mittere, remittere, linquere, relinquere) hrab. 968b 973b
K. 55a ker. 208. 250. 237. wofür die kürzung f-lâƷan
monſ. 408; far-lioſan (perdere) ker. 17. und ſonſt häufig,
gekürzt f-lioſan, f-lëoſan (wie die hſ. hrab. 952a lieſt);
far-lìhan (accommodare) K. 50b; far-lougnan (negare)
hrab. 950a ker. 4. O. V. 24, 25; far-mîdan (deliteſcere)
monſ. 406; far-murdran (enecare) monſ. 404; fir-nidiran
(humiliare) monſ. 352. for-nidaren (damnare) T. 39, 12;
fir-ôthan (vaſtare) ker. 91; fir-përgan (abſcondere) ker.
33; fir-rôkan (accuſare) ker. 65. das goth. fra-vrôhjan;
far-ſpanan (allicere) ker. 5. hrab. 951a; fir-ſcuntan (illi-
cere) monſ. 352. 368; fir-ſpûman (deſpumare) monſ. 369;
fir-tërchinan (diſſimulare) monſ. 386; far-tragan (adpor-
tare) hrab. 954b; fir-fahan (accipere) O. II. 21, 51; far-
fallan (incidere) monſ. 401. vgl. goth. fra-rinnan; far-
fluahhan (maledicere) K. 18a; fir-wantalôn (mutuari) ker.
193; far-werjan (prohibere) ker. 76; fer-winden (impli-
care) N. Cap. 74; far-wîƷan (exprobrare) hrab. 962a ker.
113; fir-zanôn (lacerare) monſ. 360. Agſ. for-dvînan
(evaneſcere); for-fangan (praehendere); for-gëldan (red-
dere); for-giſan (dare); for-grîpan (apprehendere); for-
hëlan (celare); for-lætan; for-lëóſan; for-miltan (liqueſ-
cere); for-niman (zuweilen noch capere); for-ſcrincan
(areſcere) u. a. m. Mhd. ver-denen troj. 93c; ver-jëhen
Parc. 7b 134b; ver-kiuten (mutare) Ulr. Triſt. 259. MS.
1, 153a; ver-lâƷen, ver-lân (aber keine kürzung v-lâ-
Ʒen, v-lân; ver-lieſen Parc. 60a 69b 79a und gekürzt v-
lieſen; ver-ſelwen (ſucare) Parc. 185c Wh. 2, 104a; ver-
ſêren Parc. 133a; ver-tüſchen (celare) troj. 150b; ver-
vluochen Parc. 61b; ver-wîƷen Triſt. etc. Nhd. ver-än-
dern; ver-bergen; ver-dienen; ver-fluchen; ver-hehlen;
ver-heeren; ver-lachen; ver-laßen; ver-lieren; ver-leug-
nen; ver-mehren; ver-miſſen; ver-öden; ver-ſehren;
ver-ſpotten; ver-tauſchen; ver-wechſeln etc. Einzelne
kommen ſchon in der älteſten ſprache nicht mehr ein-
fach vor, z. b. fra-liuſan, ver-lieren, obgleich das adj.
láus (ſolutus) und láuſjan (ſolvere) auf liuſan (liberari,
carere) führt. Nhd. iſt die part. unentbehrlich in ver-
heeren, ver-öden, ver-wüſten u. dgl. weniger in
ver-ändern, ver-hehlen, ver-künden, ver-wechſeln; ſie
gìlt zumahl für tranſitive bedeutungen, z. b. etwas ver-
ſchweigen, ver-fluchen, ver-leugnen, da ſchweigen, leug-
[858]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
nen, fluchen mehr intranſitiv ſtehen. Man vergleiche
die erſte bedeutung von be- (ſ. 798.). — 7) vorzügliche
aufmerkſamkeit verdient die bedeutung von zuthun, be-
decken
, in den weg ſtellen, welche meiſt durch die lat.
part. ob und prae gegeben werden kann; der hauptbe-
griff ruht zwar in dem verbo, aber die part. beſtimmt
es doch ſchärfer. Im goth. wird, glaube ich, allen ſol-
chen wortbildungen faúr-, und nie fra-, gebühren; ich
kenne nur zwei beiſpiele: faúr-ſigljan (obſignare); faúr-
valvjan (obvolvere); nahe liegt auch faúr-quiþan (excu-
ſare, im ſinn von obloqui, vorſchützen) Luc. 14, 18. Aus
dem ahd. weiß ich wenig anzuführen: fer-habên (obdere)
N. 57, 6; fer-heilen (vulnus cicatrice obducere) N. 37, 6;
fir-nipolan (obnubilare?) ker. 166; fir-pliwan (obtundere)
hrab. 971a; far-përkan (occulere) hierher?; far-ſlahan
(adnectere) ker. 5. in nôt far-ſlahan (trudere in vincula)
monſ. 401. fir-ſlahan (claudere) O. II. 4, 18. IV. 16, 34;
fer-ſtân (praecludere) N. 17, 30; fir-wëſan (tueri, vertre-
ten, vor einen treten?) O. II. 6, 108. III. 6, 91; andere
wie far-decchan (obtergere) far-ſigilôn (obſignare, T. 215,
4. bloß ſigilôn) ſind zu erwarten. Altſ. far-fahan (im-
pedire)? ſcado far-fêng thia ſunna. Agſ. for-ſtandan
(impedire) for-ſtôd (obſtitit) Beov. 117, Reicher an be-
legen iſt das mhd.: ver-decken Parc. 444a Nib.; ver-dür-
nen (ſepire ſpinis) troj. 43c; ver-gimmen (gemmis ob-
ducere) troj. Oberl.; ver-graben Parc. 91a 101c; ver-
haben Wh. 2, 143a Parc. 101c MS. 1, 147a 2, 251b; ver-
hagen Wh. 2, 99a Barl.; ver-hamîten Ottoc. 149b, wo
fehlerhaft verhanneiten, vgl. hamît Parc. 27c Geo. 40b
und Wig.; ver-heilen MS. 1, 191b troj. 87a 121c und 196.
(Oberl.); ver-herten Barl.; ver-klîben (obglutinari) MS.
1, 189a; ver-klûſen MS. 1, 108b 2, 50a; ver-klüteren Triſt.;
ver-lankenieren Triſt.; ver-lîmen Triſt.; ver-mieſen und
ver-moſen (muſco obduci) beleglich die part. ver-mieſet
Jw. 4a ver-moſet MS. 2, 6b; ver-mûren Triſt.; ver-næ-
jen Triſt.; ver-ſchieben (oppilare) Triſt. Karl. 76b; ver-
ſchrenken Nib.; ver-ſetzen (claudere) Barl. Ulr. Triſt. 2734.
mit netzen ver-ſetzen c. p. 361, 41b 72b. d.; ver-ſlahen (clau-
dere) Mar. 160; ver-ſlieſen troj. 87b Bert. 220; ver-ſlieƷen
Nib.; ver-ſiuwen (einnähen, feſtnähen) Ernſt 3410; ver-
ſmiegen troj. 150b; ver-ſnîen (nivibus tegere) Parc. 67c;
ver-ſperren Nib. Triſt.; ver-ſtên (obſidere) Jw. 10b; ver-
ſteinen (obruere lapidibus) Barl. 113; ver-ſwellen (limi-
ne munire) MS. 2, 168a; ver-vallen (impediri) mit vël-
ſen ver-vallen Triſt. 17090. mit boumen ver-vallen Wi-
[859]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
gal. gehört hierher auch: ſîn ſpil ver-vellet ſich (impedi-
tur? oder concidit?) MS. 2, 254a 257a; ver-vilzen (in
einander wirren); ver-vitzen (colligare) Friſch aus Jero-
ſchin; ver-walken (hâr ze der ſwarte) Jw. 4a; ver-wah-
ſen (concreſcere) ver-wahſen (gramine obſitus) Triſt.;
ſich ver-wëſen (tueri ſe) troj. 104b; ver-wieren (unter-
einander weben) Parc. 17a. Nhd. ver-bauen; ver-binden;
ver-brämen; ver-halten (zurückhalten); ver-härten (ob-
dureſcere); ver-harſchen; ver-kleben; ver-knüpfen; ver-
machen (provinziell f. claudere); ver-mauern; ver-nä-
geln; ver-narben; ver-rennen (den weg); ver-riegeln;
ver-ſchließen; ver-ſchneien (zuſchneien); ver-ſiegeln;
ver-ſtopfen; ver-wachſen; ver-weben u. a. m. — 8) zu-
weilen erleidet der begriff durch die part. eine gelinde
intenſion
und dieſe bedeutung vindiciere ich für das goth.
faír-: faír-greipan (apprehendere, überſetzt wie das ein-
ſache greipan und das comp. und-greipan κρατεῖν, alſo
eigentlich: feſthalten); ſaír-háitan (ſcheint etwas ſtärker,
als ga-háitan; þagk fáir-h. χάριν ἔχειν, Luc. 7, 19.); faír-
veitjan (ἀτενίζειν, die augen heften auf etwas) Luc. 4,
20. Hierher könnten nun einzelne der unter 2 und 6.
gebrachten ahd. und mhd. zuſ. ſetzungen gerechnet wer-
den, deren goth. form unbekannt iſt, da bei 2. nur
eine heftigere, bei 6. eine geringere intenſion anzu-
nehmen wäre. Ein ahd. far-grîpan, far-heiƷan, far-
weiƷan im goth. ſinn kenne ich nicht, mit letzterm wort
mag ſich gi-weiƷan bei O. berühren. Dem goth. faír-
ſcheinen aber beſonders einige hochd. verba gerecht, die
faſt nur im part. praet. vorkommen und eine leidenſchaft-
lichkeit des gemüths ausdrücken: nhd. ver-buhlt; ver-haßt;
ver-hurt; ver-liebt; ver-picht (er-picht); ver-ſchämt (pu-
dicus); ver-ſchmitzt; ver-ſeßen (auf etw.); mhd. ver-
ſënt Parc. 63c troj. 93c; ahd. fir-haƷƷêt (apoſtata) ker.
42; fir-huarôt O. IV. 5, 32. Man ſagt zwar auch: ſich
ver-lieben, doch iſt das ganze compoſ. erſt ſpät gebildet
worden. Vielleicht fallen hierher noch: ver-langen (de-
ſiderio teneri); ver-zagen (mhd. troj. 139c 140a); ſich
ver-gaffen (mhd. ver-kapfen MS. 1, 53c troj. 255. Oberl.)
u. a. — 9) endlich fragt es ſich (wie beim be- und er-,
ſ. 802. 823.): inwiefern erſt durch die partikel verba aus
nom. gezeugt werden? Die älteſte ſprache liefert keine,
doch im mhd. ſind ſie nicht abzuleugnen und im nhd.
noch beſtimmter vorhanden. a) verba aus ſubſt. gebildet,
entw. verwandelung in den ſtoff des ſubſt. oder bloße
überziehung der oberfläche damit (ſcheinbare verwand-
[860]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
lung) anzeigend: ver-glaſen; ver-kalken; ver-kohlen; ver-
holzen; ver-ſteinern; ver-wäßern; ver-golden; ver-ſil-
bern (bald über-ſilbern, bald in ſilber umſetzen); ver-
zuckern; und ſo auch bei abſtractis: ver-göttern, ver-
ketzern, ſelbſt eigennamen: ver-ballhornen etc. wiewohl
mit dem nebenſinn der verſchlechterung und übertrei-
bung. Einige gelten nur im part. z. b. ver-witwet (ver-
wittibt), ver-waiſet. Mhd. ver-affen (zum affen werden)
MS. 1, 89a ver-effen (z. a. machen); ver-gîſeln Nib.; ver-
këbeſen Nib.; ver-ketzerîen MS. 2, 129a; ver-ſachen
(zur ſache machen) Triſt. 6149; ver-ſchelken En. 89a;
ver-ſteinen Barl. 387; ver-vendern? MS. 2, 220a, kann
dies mit dem vender (im ſchachſpiel) zuſ. hängen? zu
dem ſinn ſchickt ſich eher verkaufen (vendere); ver-
weiſen Nib.; ver-witewen Nib. Man darf auch einzelne
der unter 7. verzeichneten hierher rechnen, z. b. ver-
moſen, ver-hamîten, falls ihnen kein einfaches verbum
zu grunde liegt, z. b. bei ver-rigelen, ver-ſigelen band
ſich die part. mit rigelen, ſigelen. Vielleicht iſt beim nhd.
ver-golden, ver-zinnen ehenfalls vom begriff der obduc-
tion auszugehen, nicht der verwandlung. b) verba
aus adj. Kaum aber intranſitiva mit dem begriff des
werdens, weil die part. gerade das verwerden ausdrückt
und ver-bleichen, ver-blaßen, ver-ſauern, ver-krummen
vielmehr unter 1 oder 2. gehören. Tranſitiva haben den
begriff des verderbniſſes nicht, ſondern den der bloßen
verwandlung: ver-beßern; ver-bittern; ver-deutſchen;
ver-dichten; ver-dünnen; ver-dunkeln; ver-einzelnen;
ver-eiteln; ver-finſtern; ver-größern; ver-güten; ver-
kleinern; ver-kürzen; ver-längern; ver-mindern; ver-
neuern; ver-ringern; ver-ſchlechtern; ver-ſchlimmern;
ver-ſchönern; ver-ſüßen; ver-übeln; ver-vollkomnen etc.
d. h. beßer, bitter, deutſch machen. Mhd. ſind ihrer
weniger: ver-bôſen MS. 2, 130b; ver-lützeln Bert. 45;
ver-mueden MS. 2, 167a; ver-ſtummen MS. 2, 183a; hin-
gegen heißt es: beƷƷern, mêren, ſchœnen etc. — Be-
merkungen: α) die zuſ. ſetzungen mit ver- haben ſich
ſpäterhin gemehrt, theils iſt das ver- müßig hinzu ge-
treten, theils an die ſtelle älterer er-. β) die bedeutung
ſchwankt mehr als bei andern partikeln, welches mit daher
rührt, daß im ver- drei urſprünglich geſchiedne begriffe
vermiſcht ſind (goth. fra-, faír-, faúr-). Oft ſteht in
demſelben dialect ver- vor demſelben verbo mit ganz
abweichendem ſinn. So nhd. ver-treiben (expellere)
ver-treiben (conſumere); ver-treten (vice alterius fungi)
[861]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ver-treten (conculcare) ver-treten (talum intorquere);
ver-ſehen (curare) ſich eines ver-ſehen (exſpectare) ſich
ver-ſehen (minus recte videre); ver-führen (ſeducere)
ver-führen (transportare); ver-ſchießen (colorem amit-
tere) ver-ſchießen (tela conſumere); ver-weſen (admini-
ſtrare) ver-weſen (putreſcere); ver-wachſen (male creſcere)
ver-wachſen (creſcendo obduci); ver-ſprechen (promit-
tere) ſich ver-ſprechen (falſe loqui) etc. Noch ſichtbarer
wird die verſchiedenheit nach zeit und mundart: ahd.
ſich fer-ſëhan (ſperare) N. 36. 1. Bth. 45; nhd. ver-ſte-
hen (intelligere) mhd. ver-ſtên zugleich viam impedire;
nhd. ver-ſetzen (transferre und oppignorare) mhd. auch
claudere; mhd. ver-ſchamt (impudicus) nhd. ver-ſchämt
(pudicus); mhd. ver-ſprëchen (recuſare) nhd. ver-ſpre-
chen (promittere); nhd. ver-ſchaffen (procurare) mhd.
ver-ſchaffen (deformare); fir-nëman drückt dreierlei aus:
tollere, conſumere, percipere; ahd. far-zîhan (negare)
nhd. ver-zeihen (condonare, culpam remittere). Es iſt
alſo nur hiſtoriſch zu lernen, daß ver-ehren honorare
und ver-achten contemnere bedeutet. γ) verwandte par-
tikeln: a) er-: goth. us-qviman und fra-qviman, beides
perdere, delere; ahd. ar-fluohhan (ſ. 830.) far-fluohhan,
beides maledictus); ahd. ar-këƷan, altſ. far-gëtan obli-
viſci; viele nhd. ver- ſind an die ſtelle früherer er- ge-
kommen. Häufig ſtehen ſie einander entgegen: nhd. er-
treten, ver-treten; er-ziehen; ver-ziehen, er-blühen, ver-
blühen etc. b) be- zumahl im ſinne des aufbewahrens,
z. b. be-ſperren, ver-ſperren; be-ſchließen, ver-ſchließen,
aber auch in andern bedeutungen, z. b. mhd. be-hern
und ver-hern (depopulari). c) ge-: ahd. ka-elilentôn
hymn. 21, 5. ge-ellendôn N. 67, 19. mhd. ver-ellenden
Barl.; ge-ſtillen mhd. gleichviel mit verſtillen; andere bei-
ſpiele ſ. 837; öfter ſtehen ſie ſich entgegen, indem ge-
wohl (ſ. 835. 843.) und ver- übel bedeutet. d) das trennbare
ahd. furi, vgl. furi-biotan (prohibere) ker. 19. mit nhd. ver-
bieten und goth. faúr-biudan (praecipere). e) über-, ſ. unten.


[zer-] vermuthungen über die form bereits ſ. 723. 724;
goth. bloß dis- und noch getrennt: diz uhþan ſat Marc. 16,
8. für dis-ſat. Ahd. za-, zë-, zi- ſchwankend nach der ana-
logie von ar-, ër-, ir-, far-, fër-, fir-; ſelten ſtehet zar-,
zër-, zir-, parallel dem ar-, ër-, ir-, nämlich zër- weiß ich
nicht zu belegen, halte es aber für möglich, die andern
belegen: zar-lâƷan jun. 212. zar-ſpreitan jun. 204. zar-
ſtôrran jun. 227. zar-fallan, zar-worfan jun. 201. cir-
prëhhan ker. 211. Dieſe zar-, zir- entſprechen dem
[862]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
goth. dis-, wie ar-, ir- dem goth. us-, wiewohl einige
unähnlichkeit ſtatt findet, da ar, ir, us zugleich trennbare
praepoſitionen ſind, nicht aber zar, zir, dis, und
näher betrachtet in letztern zwei partikeln zuſ. gefloßen
ſcheinen. Dis- erklärt ſich aus di-is (= du-us) zar- aus
za-ar, zir aus zi-ir. Beſtätigung gewähren die ahd. for-
men zëar-fellan monſ. 409. zeir-gân N. 78, 11. zëër-lekkê
N. Bth. 66. Anzunehmen, daß ſich hier die zweite part.
früher mit dem verbo gebunden habe, d. h. zë erſt vor
arfellan, irgan getreten ſei, folglich auch z’ vor arſprei-
tan, irprëhhan, wäre wohl verwerflich; dies würde,
weil ahd. zi- die gewalt des goth. dis- hat, jene compo-
ſita einem goth. diz-us-falljan, diz-us-gaggan, diz-us-
ſpráidan gleichſetzen und die bedeutungen verwickeln;
nach meiner anſicht ſind ſie in ein goth. dis-falljan, dis-
gaggan, dis-ſpráidan zu überſetzen. Auch bedeuten zëar-
fellan, zëir-gân, zar-ſpreitan nicht mehr oder weniger
als za-fellan, za-gân, za-ſpreitan. Endlich bezweifle ich
daß zi = dis je vor vocalen kürzung in z’ leide, wie ſie
bei zi = du ganz in der ordnung iſt und ſelbſt z’ir =
zi-ir = dis beweiſt. Altſ. bloß die mit dem ahd. zi-
gleiche form , unterſchieden von tô, ahd. zuo. Agſ.
miſchen ſich beide in der einzigen form tô- (es ließe ſich
dann erweiſen, daß man to- von tô- ſcheiden dürſte,
woran ich zweifle) und tô-lætan kann an ſich ſowohl
ahd. zi-lâƷan als zuo-lâƷan ſein. Das ſ. 723. behauptete
tô-â- = ahd. zë-ar- weiß ich höchſtens zu belegen mit
tô-â-lætan, das wie tô-lætan relaxare ausdrückt, wenn
Lye recht hat. Seine übrigen tô-â- vergleichen ſich ahd.
zuo-ar-, und gehören in §. 5., bei ihnen iſt offenbar das
tô erſt zu dem mit â- componierten verbo getreten. Mhd.
ſchwanken ze- und zer-, es läßt ſich keine regel dafür
nach dem anlaut des verbi geben, wie bei en- und ent-,
vielmehr zeigen die beſten hſſ. beide in gleichem fall hin-
tereinander, z. b. Parc. 73b ze-brochen, 74a zer-bliuwen.
Höchſtens wären einzelne wörter zu ſammeln, die einer
oder der andern form zugethan ſind, z. b. zer-brëchen
und ze-bliuwen ſcheinen ungewöhnlich und es ſteht faſt
immer zer-fueren Parc. 25b 59b, zer-gên u. dgl. Kür-
zung in z’ verträgt aber die ze-form wiederum nicht,
ſo ublich ſie bei dem ze = du vor vocalen iſt, z. b. es
heißt z’arbeitenne (zu arbeiten) nicht z’arbeiten (zerar-
beiten). Schlechte hſſ. geben zu-, zuo- für ze- (Herb.
63c zu-kram f. ze-kram, zerkratzte) was entw. ſpäter
oder niederdeutſch iſt. Nhd. hat ſich durchgängig das
[863]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
vollſtändige zer- hergeſtellt, ungeachtet jede vermiſchung
mit dem ze, ſeit es überall in zu verwandelt iſt, aufge-
hoben war. — Die bedeutung dieſer partikel, welche un-
ter ſämtlichen untrennbaren den geringſten umfang hat,
erſcheint ſchon deshalb weniger verwickelt. Sie bezeich-
net ſonderung, trennung, voneinanderreißen des verei-
nigten, gleich dem lat. dis-, iſt alſo von natur privativ.
Dieſer begriff ſchickt ſich auch nicht übel zu der gemuth-
maßten bildung aus du und us, gleichſam: auseinander,
verbundnes gelöſt. 1. häufig hat ſchon das verbum den
begriff der ſcheidung, den alſo die part. mehr hervorhebt.
Goth. dis-dáiljan (dividere); dis-hnáupnan (disrumpi) dis-
hniupan (disrumpere); dis-ſkreitan (discerpere) dis-ſkrit-
nan (discerpi) nach beiden das ſtarke verbum ſkreitan, ſkráit
nr. 499b; dis-tahjan (diſſipare); dis-taúrnan (disrumpi)
dis-taíran (disrumpere); dis-vilvan (diripere); dis-vinþjan
(diſſipare, ventilare) Luc. 20, 18. Ahd. za-laoſan (dis-ſol-
vere) hrab. 960a zi-lôſan ker. 125. 137. 259. 279; za-prëh-
han (disrumpere) hrab. 960b ker. 98 cir-prëhhan (confrin-
gere) ker. 211; za-prëſtan (disrumpi, discrepare) hrab. 960b;
za-ſceidan hrab. 959b zi-ſceithan ker. 86. 98. 112. 250. 258. zë-
ſcrinden N. Bth. 245. za-ſcrintan hrab. 958a 965b; za-ſlîƷan
(diſſipare, lacerare) hrab. 960b ker. 96. 150. 186; za-ſnîtan (diſ-
ſecare) hrab. 960a ker. 92; zi-ſpaldan ker. 97; zar-ſpreitan (ex-
panedre) jun. 204. zi-ſpreitan monſ. 341; zar-ſtôrran (ſub-
vertere) jun. 227. zi-ſtôran monſ.; zi-ſtrudan (deſtruere)
J. ker. 248; za-teilan (dividere) hrab. 959b 960b ker. 92.
271. K. 41a 34b (concidere) monſ. 330. 393; zi-weipan
(ventilare) monſ. 323. 345. 361. 384. zë-weiben N. 58, 16;
zë-zucchen (diripere) N. 109, 11. Agſ. tô-bërſtan (dis-
rumpi); tô-brëcan (disrumpere) Beov. 61. 76; tô-cëorfan
(amputare); tô-cînan (diffindi) vgl. mhd. zer-kînen; tô-
clëófan (diffindere); tô-dælan (dividere); tô-lŷſan (diſſol-
vere); tô-ſcâdan (diſtinguere); tô-ſlîtan (diffindere); tô-
tëran (laniare). Mhd. zer-brëchen Tit. 101; ze-brëſten;
zer-kînen (oben ſ. 815); zer-klieben Triſt.; zer-lœſen Triſt.;
ze-rîƷen Triſt.; ze-ſchrenzen troj. 92a; zer-ſnîden Barl.;
zer-ſpalten g. ſchm. 1481; ze-ſtœren Triſt.; ze-ſtücken Triſt.;
zer-teilen; ze-trennen Tit. 36; Wig. 311. Nhd. zer-berſten;
-brechen; -malmen; -pulvern; -reiben; -rauſen; -reißen;
-rupfen; -ſchneiden; -ſpalten; -ſprengen, -ſpringen; -ſpal-
ten; ren; veraltet ſind aber zer-ſcheiden, zer-ſchleißen und
-ſtœren; -ſtücken; -theilen; -trennen; -trümmern; -zer-
ſelten gebraucht werden zer-löſen (auflöſen) zer-ſprei-
ten (verſpreiten). — 2) die partikel gibt den trennungs-
[864]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
begriff. Bei Ulf. kein beiſpiel. Ahd. za-kân (deficere)
ker. 113. zi-gangan monſ. 347. O. II. 8, 21. zëir-gân (pe-
rire) N. 78, 11. zë-gân Bth. 246; za-hlaufan (discurrere)
hrab. 954a; zar-lâƷan (liquefacere) jun. 212. zi-lâƷan ker.
85. 88. 95. zë-lâƷen N. 125, 4; zë-lîdan (tranſire) monſ.
404; zër-lekken (diſſolvere) N. Bth. 66; zi-plâhan (tume-
re?) vgl. jun. 240. zi-plâhan (contumax) ker. 50. und heruach
zi-ſuëllan; zi-rinnan (discurrere) ker. 45. za-rinnan (ba-
chari) hrab. 955a; zi-rennan (conflare) monſ. 396. d. h.
zerrinnen machen und nicht ſelbſt mit der part. gebildet,
ſondern aus dem vorigen deriviert; zi-rînan (collabi?)
das part. zi-rinan (ruinatum) ker. 57, gleichſam zer-
rührt?; ze-rîſan (collabi) K. 22a; zi-ſâwan (diſſeminare)
part. zi-ſât O.; zi-ſezan ker. 91; zi-ſlahan ker. 73. 93.
260; za-ſlîfan hrab. 960b ker. 77. zë-ſlîfen N. Bth. 243;
zi-ſlîhhan ker. 98; zi-ſtëhhan ker. 98; zi-ſtôƷan ker. 258.
O. II. 11, 100. IV. 19, 62; zi-ſuëllan (tumere, eigentl. tumendo
interire) ker. 274; zi-ſuërpan? ker. 133; zë-trîpan monſ. 378;
zi-faran (perire) häufig; zëar-fellan (ſubruere) monſ. 409;
zi-flëoƷan (confundi) ker. 133; zë-fliegen N. Bth. 224; zi-
wërfan (divellere, diſſipare) ker. 86. monſ. 336. 376. 390;
zi-zimparôn (deſtruere?) ker. 151; zi-ziohan (diſtrahere)
ker. 85. 92. 93. Altſ. të-glîdan (collabi); të-ſcrîdan (idem);
të-ſuingan (deſtruere); të-wërpan. Agſ. tô-beátan (dila-
cerare); tô-cnâvan (diſcernere); tô-dôn (diſtinguere) ver-
ſch. von tô-ge-dôn (addere); tô-drîfan (diſpergere) Beov.
43; tô-faran (diſcedere); tô-flôvan (diffluere); tô-gëótan
(diffundere); tô-glîdan (corruere); tô-hlîdan (dehiſcere);
tô-hvëorfan (diſcedere); tô-mëarcjan (diſtinguere); tô-ſâ-
van (diſſeminare); tô-ſlëan (dilacerare); tô-ſtencan (diſper-
gere); tô-þindan (tumere) tô-þunden (turgidus) wie ahd.
zi-ſuollan, zi-plâhan, wieder ein überſehnes ſtarkes verb.
þindan, þand (tumere); tô-vëorpan (deſtruere); tô-vrî-
ðan (diſtorquere). Mhd. zer-bern (diſcutere, percutere)
Parc. 37a; zer-bliuwen Parc. 74a; zer-denen (extendere)
Bert. 40; ze-dræn Parc. 9a; zer-gëben (donando diſtri-
buere) Nib. 5552; zer-gên (perire) Wig.; zer-gieƷen Triſt.;
ze-hëllen (diſcordare) Triſt.; zer-houwen Triſt.; ze-kiuwen
MS. 2, 205a; ze-lâƷen Wig.; zer-liden MS. 1, 106a; zer-rêren
MS. 2, 45b; ze-rinnen Wig.; ze-ſenden Triſt.; zer-ſlîfen
Barl.; ze-ſtëchen; ze-ſwëllen; zer-trëchen Jw. 2b; zer-triben
Triſt.; zer-tuon Triſt. troj. 145c; zer-vallen; zer-vueren
Parc. 25b 59b; ze-wërfen Triſt. kl. 3312; ze-wërren Wig.;
ze-wirken Triſt. Nhd. ſich zer-arbeiten; zer-beißen; zer-
fallen; zer-fleiſchen; zer-fließen; zer-gehen; zer-gliedern;
[865]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
zer-hauen; zer-kauen; zer-kochen; zer-kratzen; zer-
laßen; zer-legen; zer-rinnen; zer-rühren; zer-ſchellen;
zer-ſchlagen; zer-ſchmelzen; zer-ſetzen; zer-ſtechen; zer-
ſtieben; zer-ſtoßen; zer-ſtreuen; zer-tanzen; zer-zeiſen;
ſich zer-werfen; zer-wühlen; wir ſagen aber nicht zer-
geben, -gießen; -führen, -ſäen, -thun etc.; fortbildbar
ſind ſie am erſten für den reciproken gebrauch, z. b. ſich
zer-ängſtigen; zer-plagen, zer-ſorgen, zer-ſchreiben und
dergl. — 3) eine merkwürdige bedeutung hat die part.
in einigen goth. wörtern. Sie verleugnet ganz ihren
privativen, ſondernden ſinn und drückt bewältigung aus,
etwa dem lat. ob- oder dem deutſchen be- vergleichbar.
Es ſind nur vier compoſita: dis-driuſan (ἐπιπίπτειν) Luc.
1, 12; dis-haban (occupare, περιέχειν, συνέχειν) Luc. 5,
9. 8, 37; dis-huljan (operire, καλύπτειν) Luc. 8, 16; dis-
ſitan (obſidere) dis-ſat (ἔλαβε) Luc, 5, 26. 7, 16. (εἶχε)
Marc. 16, 8. Fulda hat in ſeiner interlinearverſion des
letztern worts den gewöhnlichen begriff von dis- zu er-
reichen geſucht: extra ſe poſuit. Allein unrichtig, denn
einmahl müſte es heißen dis-ſatida, weil ſitan nie ponere
bedeutet und dann lehrt das parallele dis-haban, daß es
völlig wie dieſes zu nehmen ſei. Von dieſem goth. ge-
brauche des dis- kenne ich in den übrigen dialecten
gar kein beiſpiel, zer-haben, zer-hüllen, zer-ſitzen, nach
unſerm heutigen gefühl, wären eher das gegentheil von
dem, was die goth. bildungen ausſagen, die ſich in ein
ahd. pi-trioſan, pi-hapên, pi-huljan, pi-ſizan, übertragen
ließen. Offenbar hat das goth. dis- hier die gelindere
bedeutung des gr. διά- und lat. di-, dis- in δια-γινώσκω,
di-gnoſco; δια-βεβαιόω (obfirmo); di-ligo; dis-tineo (goth.
dis-haba) und in di-gnoſcere (agſ. tô-cnâvan) zeigt ſich
auch, weil erkennen auf unterſcheiden beruht, verwandt-
ſchaft mit der trennbedeutung. Ulf. braucht disdriuſan,
dishaban, disſitan überall tranſitiv von furcht und ſtaunen
(agis, usfilmei, ſildaleik) was unſer heutiges durchdringen
und das gr. δι-έχειν ausdrückt und wieder an den begriff
von ſcheiden ſtößt. Kann das mhd. zer-nât (geſtickt, be-
ſtickt) troj. 92a und Oberl. 2098. hierher gerechnet werden?


Anmerkungen über ſämtliche untrennbare partikeln.

1) was von den meiſten partikeln überhaupt gilt und
im fünften cap. näher auszuführen iſt, daß ſie in ihrer
bedeutung verdunkelte, in ihrer form entſtellte wörter
I i i
[866]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ſind, findet auf die untrennbaren partikeln vorzügliche
anwendung. Ihr begriff, wie wir geſehen haben, ſchwebt
von der verſtärkung zur beraubung oder hält ſich zwi-
ſchen beiden in der mitte. Ihre form geht gewöhnlich
durch alle vocale und verbleicht zuletzt in unbetontem
e; die conſonanten fallen ab oder leiden von dem ein-
fluße des anlauts, den das ſich componierende verbum
mitbringt. Eine partikel (das ge-) iſt in dem volksdia-
lect ſogar zu einem bloßen, kaum noch vernehmbaren,
vordruck herabgeſunken. Je mehr ſich dieſes verderbnis
der partikel entwickelt, deſto unfähiger geworden iſt ſie
ihre urſprüngliche ſelbſtändigkeit und trennbarkeit zu be-
haupten.


2) die alte trennbarkeit blickte noch verſtolen durch
bei dem goth. us, ga, dis, nicht mehr (wenigſtens man-
geln beiſpiele) bei and-, fra-, bi-. Etwas anders iſt, daß
ein theil dieſer partikeln und oft mit geſtärkter vocalform
in allen deutſchen mundarten als praepoſitionen fortleben,
folglich, denn alle praepoſitionen ſind getrennt, trennbar
erſcheinen. Als adverbia ſind ſie untrennbar, und weder
form noch bedeutung der praepoſitionen hält mit den
verwandten adverbien gleichen ſchritt. Dennoch iſt die
frage wohl nicht müßig: ob alle unzertrennlichen, den
verbis componierbaren partikeln praepoſitionen ſeien oder
geweſen ſein müßen? Im nhd. ſteht nur das einzige be-
neben bei und ver- berührt ſich mit vor; er- war noch
ahd. und ent- goth. praepoſition; ge- und zer- ſind nir-
gends praepoſitiv, ſelbſt im goth. nicht. Indeſſen iſt ſchon
oben ſ. 751. wahrſcheinlich gemacht worden, daß ge- mit
dem lat. cum zuſammenfällt und dann mag es vor alters
auch praepoſition geweſen ſein. Zer- trennt ſich ſelbſt
als lat. dis- nicht, doch als griech. διά.


3) erheblich iſt der nichtgebrauch dieſer untrennbaren
partikeln im altnordiſchen. Und wiewohl for- bisweilen
vor verbis, and- und or- vor nomin., nicht vor verbis
erſcheinen; ſo gebrechen be-, ge- (einzelne ſpuren ab-
gerechnet) und zer- dieſem zweige der deutſchen ſprache
völlig, be- ſogar als praepoſition. Was hat man nun für
organiſcher und alterthümlicher zu halten, ihr daſein oder
ihre abweſenheit? anders ausgedrückt: iſt im nord. dia-
lect die partikel weggeworfen worden, da ſie früher vor-
handen, oder in den übrigen dialecten zugefügt, da ſie
früher nicht vorhanden war? Ohne die vortheile zu ver-
kennen, welche im altn. der gebrauch vieler einfachen
verba ſtatt der zuſammengeſetzten gewährt, (von den
[857[867]]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
nachtheilen unten), glaube ich daß die einſtimmung der
hiſtoriſch älteren goth. ahd. und agſ. denkmähler wenig-
ſtens für das höhere alterthum der partikelanwendung
entſcheidet. Im lat. und ſlav. zeigt ſich eine ähnliche
fülle untrennbarer partikeln vor verbis. Erwägt man
ferner, daß im engl. viele einfache verba auftreten, die
im agſ., alſo in dem früheren ſtand dieſer mundart, durch-
aus componiert ſind; ſo wird es zu ſchließen erlaubt
ſein, daß die altn. verba gleichfalls ihre untrennbaren
partikeln, welche ſie vordem hatten, verloren haben kön-
nen
, ohne darum die in den part. begründete modifica-
tion der bedeutung einzubüßen. Einige beiſpiele. Agſ.
ârîſan (ſurgere) goth. urreiſan, das einfache rîſan, reiſan
kommt gar nicht vor, im engl. macht ſich ariſe immer
ſeltner und wird durch das einfache riſe mit demſelben
begriff ausgedrückt. Im altn. gilt nur rîſa, daſſelbe be-
deutend; kann hier nicht die den ſinn von ſurſum erre-
gende oder ſtärkende part. abgefallen ſein? Das altn.
vinna bezeichnet zweierlei, theils arbeiten, ſich mühen,
theils erarbeiten, erlaugen. Im goth. kenne ich nur das
ſimplex vinnan und bloß im ſinn von pati, tolerare, für
die zweite bedeutung gebraucht Ulf. gageigan, er hätte
der form nach gavinnan ſetzen mögen. Ahd. ſcheidet
ſtch winnan (laborare, certare) T. 115, 4. O. II. 3, 115. etc.
von giwinnan (vincere, conſequi); ſpäter veraltet win-
nen der form und bedeutung nach und nur gewinnen
(vincere, lucrari) beſteht. Agſ. analoge unterſcheidung
zwiſchen vinnan (laborare, pugnare) und gevinnan (vin-
cere, conſequi). Engl. bloß win, aber für ywin, gewin,
denn es drückt vincere, lucrari aus und nicht mehr la-
borare, pugnare. Sollte mithin der zweiten altn. bedeu-
tung die partikel anfangs nicht nothwendig geweſen ſein?
ſo nothwendig ſie unſerm nhd. erarbeiten iſt, wenn es
laborando obtinere bezeichnet im gegenſatz zum einfachen
arbeiten (laborare). Dem agſ. ondrædan ſcheint die part.
unentbehrlich, wie dem ahd. intrâtan, mithin dem engl.
dread abgefallen; mangelte dies verbum im altn. nicht
völlig, ſo erführen wir vielleicht die noch verborgne be-
deutung des einfachen drædan, trâtan. Wir verwech-
ſeln im nhd. tränken nicht mit ertränken, jenes bedeutet
uns zu trinken geben, dieſes ins waßer ſtürzen, das eine
iſt tranſitivum von trinken, das andere von ertrinken.
Das altn. dreckja drückt aber mergere aus, was unſer
ertränken: iſt wiederum die partikel erloſchen? Solche
beiſpiele laßen ſich leicht mehren. Sie machen es mir
I i i 2
[868]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
wahrſcheinlich, daß im höheren alterthum auch die nord.
mundart untrennb. part. beſaß; allein ſtrengen beweis
dafür geben ſie nicht. Es iſt denkbar, daß die verſchie-
denheiten der bedeutung ſchon im einfachen verbo gele-
gen haben.


4) der mangel dieſer partikeln trägt allerdings bei zu
der kürze und leichteren bewegung, die dem altn. dialect
vor allen andern deutſchen eigen iſt. Dafür gehen ihm
zwei vorzüge ab, welche die partikelcompoſition mit ſich
führt. Einmahl die feinere deutlichkeit und bildung in
fällen, wo unterſchiede der bedeutung an den partikeln
hängen. Dann die dem dichter willkommne freie wahl
zwiſchen der zuſ. geſetzten und einfachen ſorm, da wo
beide gleichbedeutig ſind. Nachtheil und vortheil wiegen
ſich ungefähr auf.


5) manche zuſammenſetzungen mit untrennbarer par-
tikel gelten allmählig nicht durch das ganze verbum und
zwar nicht im praeſens wohl aber im praet., oft nur im
partic. praet. Hauptſächlich trifft es die partikeln be-,
ge-, er-, ver-, ſeltner ent- und kaum zer-; unter allen
am meiſten das ge-. So ſagen wir heute unbedenklich:
er verſtarb, verſchied an der krankheit, verblieb zu
hauſe, das wort erſtarb ihm auf der zunge; hingegen er
ſtirbt, bleibt da, das wort ſtirbt ihm. Ahd. und mhd.
ſtehet gi- gern vor praeteritis, unhäufiger im praeſ. z. b.
geſprach Jw. 3b geſach Jw. 3[o] genam Parc. 41b getwuoc
Parc. 133b geſtieƷ Parc. 135b geſluoc Triſt. 9204. giquad
O. IV. 22, 1. andere beiſpiele ſ. 843. 844; ich finde be-
ran Gudr. 73b beſwief fr. bell. 21a, kein berinnet, be-
ſweifet. Die partikeln ſcheinen wenigſtens den begriff
der dauer (der vollbringung meine ich) zu ſtärken, dem
unbeſtimmten conjunctiv und inſinitiv aber ſeltner zu
gebühren, als dem indicativ, vgl. ſ. 844. das ahd. bâri inti
gibar. Viel entſchiedner iſt die einſchränkung auf das
part. praet. vgl. die mhd. bedrungen Wig. 32. Bit. 122b
erborn, erbolgen, erſchoben (ſ. 821.); die nhd. beſchaffen,
beleſen (ſ. 808.) beeiſt, behaftet, beherzt, bejahrt, be-
kannt (notus, verſch. von bekannt confeſſus), beleibt,
betagt, bethränt; entſeelt, entwachſen; erpicht, erboßt,
erlogen, erſtunken (ſ. 827.); verſchämt, verwandt (con-
junctus, verſch. von verwandt = angewandt) verſchie-
den (diverſus) u. a. m., von dem ge- iſt ausgeführt wor-
den, nicht nur daß es zu den part. praet. aller verba
tritt, die es ſonſt nicht haben, ſondern daß es auch von
[869]III. partikelcomp. — untr. part. mit verb.
ganz veralteten verbis fortgebraucht wird ſ. 850.): ge-
ſtirnt, geſinnt, geſittet, geſchlacht, ungeſchlacht, abge-
ſchmackt, gedunſen, aufgedunſen, gewogen etc. Hierher
gehören auch die beſondern bedeutungen von gelaßen,
gelegen, geſchickt, gewandt, die ſich nicht von den üb-
lichen verbis laßen, liegen, ſchicken, wenden herleiten.
Aus dieſem allen ergibt ſich nun, daß die partikeln, ohne
zum weſen der conjugation erforderlich zu ſein, einen
gewiſſen einfluß auf die praeterita ausüßen, das griech.
augment
iſt ihnen analog, und das ε- zumahl dem deut-
ſchen ge- (altengl. y-, frieſ. und weſtphäl. e-) vergleichbar.
Zwar erſtreckt ſich das ge- viel weiter und componiert über-
haupt (nomina und verba); das ε- erſcheint bloß in der
conjugation vor praeteritis (nie im praeſ. und fut., ge-
ſchweige vor nominibus) und bleibt auf den indic. be-
ſchräukt, den participien fremd, da ſich das deutſche ge-
grade auf das partic. wirft. Allein die möglichkeit das
griech. augment aus einer verdunkelten partikel zu deu-
ten wird dadurch noch nicht umgeſtoßen und wichtige
analogie tritt namentlich bei decompoſitis ein in der ſtel-
lung beider, des ge- und ε-, bald vornen bald mitten,
(Buttm. §. 86.) wovon §. 5. weiter zu handeln ſein
wird *). Noch deutlicher, obgleich wieder anders, be-
rühren ſich aber die ſlaviſchen perfectiva mit jenem
partikeleinfluß (vorr. zur ſerb. gramm. p. LII. LIII.).
Hier iſt keine entſtellung einer einzelnen partikel zum
bloßen augment, noch eine vorherſchende partikel wie
unſer ge-; ſondern mehrere (voraus po-, do-, na-) die-
nen, die perfective bedeutung zu erheben; ſie gehen auch
(wie unſer be-, er-, ver-) durch alle modos, nicht durch
alle tempora, praeſens (im wahren, unfuturiſchen ſinn)
imperfect und part. praeſ. verſagen ſich ihnen. Jeder der
drei ſprachſtämme zeigt alſo eigenthümliche abweichun-
gen, ohne die übereinſtimmung zu verbergen.


[870]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
B. trennbare partikeln mit verbis (ſ. 797.).

Trennbare partikeln ſind ſolche, die auch getrennt er-
ſcheinen, ſeien ſie zugleich praepoſitionen oder nicht. Ihre
form iſt in der regel unentſtellt, ſie laufen weder durch
alle vocale, noch ſind ihre conſonanten beſchädigt. Den
ton haben ſie noch nicht verloren. Ihre bedeutung iſt
einfacher und ſicherer geblieben. Sie verbinden ſich nur
zuweilen mit verbis; art und weiſe dieſer compoſition
läßt ſich am vortheilhafteſten nach den verſchiednen pe-
rioden faßen und zwar ſo, daß ich nicht von dem goth.
herab, vielmehr von dem uhd. aus hinaufſteige.


I. im nhd. gibt es [nur] ſechs trennbare partikeln, die
der wahren compoſition theilhaft und alsdann untrenn-
bar werden: über, unter, hinter, wider, um und durch;
alle zugleich praepoſitionen, alle zugleich loſe adverbia,
mit ausnahme von hinter, das nur als praep. und com-
poniertes adv. vorkommt. Die kennzeichen der eingetre-
tenen zuſammenſetzung ſind: 1) die part. büßt den ton
ein. 2) ſie haftet am verbo durch alle ſeine äußerungen,
namentlich α) in der directen rede des ind. und imp. ich
übertreffe, über-traf, über-triff; ich durch-bohre, durch-
bohrte, durch-bohre du. β) im dativ des inf. bei vor-
ſtehender praep. zu: zu übertreffen, zu durch-bohren.
γ) im part. praet., welches kein ge- annimmt: über-
troffen, durch-bohrt. 3) die (gewöhnlich tranſitive) be-
deutung hat eine gewiſſe ſchwächung und abſtraction er-
fahren, wie ſogleich wahrzunehmen iſt, wenn man oft
vor denſelben verbis (und dann meiſt intranſitives be-
griffs) das uncomponierte und betonte adv. vergleicht.
Er über-geht, unter-hält, wider-ſpricht, um-gibt, die
durch-bohrte bruſt iſt etwas anderes und unſinnlicheres als:
er geht über, hält unter, ſpricht wieder, gibt um, die
durchgebohrte bruſt. Schon der ton, welcher in den
letzten beiſpielen auf den part. ruht, verleihet nachdruck.
Der unterſchied gleicht dem verhältnis der untrennbaren
partikeln zu ihren voll und frei gebliebenen formen oder,
wenn ſie verloren gegangen ſind, analogen gleichbedeuti-
gen; man halte be-ſteht, er-ſteht, ge-rinnt, ent-kleidet,
ver-rennt, zer-ſchneidet zu: ſieht bei, ſteht auf, rinnt
zuſammen, kleidet aus, rennt vor, ſchneidet entzwei. —
Beiſpiele nhd. zuſ. ſetzungen mit jenen ſechs partikeln;
durch- (per): durch-beben; -beißen; -blättern; -bohren;
-brechen; -denken; -dringen; -fahren; -fliegen; -fließen;
-freßen (vom roſt); -gehen; -irren; -kriechen; -laufen;
[871]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
-leben; -leſen; -miſchen; -näßen; -reiſen; -ſchauen;
-ſchlieſen; -ſtechen; -ſtreifen; -wandern; -waten; -wüh-
len; -ziehen; -zittern. hinter- (retro): hinter-bleiben;
-bringen; -gehen; -halten; -laßen; -legen; -treiben.
über- (trans, ſuper; oft per, nimis); über-ackern; -ant-
worten; -arbeiten; -bauen; -bieten; -blättern; -blühen;
-bringen; -decken; -denken; eilen; -eßen; -fallen; flie-
gen; -flügeln; -führen; -füllen; -geben; -gießen; -gol-
den; -häufen; -heben; -hören; -hüpfen; -kleiden;
-kleiſtern; -laden; -laßen; -laufen; -leben; -legen; -le-
ſen; -liefern; -liſten; -machen; -mannen; -nachten;
-nehmen; -raſchen; -reden; -reiten; -rennen; -ſalzen;
-ſchätzen; -ſchatten; -ſchauen; -ſchiffen; -ſchneien; -ſchrei-
ben; -ſchreien; -ſchreiten; -ſchütten; -ſchwängern;
-ſchwemmen; -ſehen; -ſetzen; -ſilbern; -ſommern;
-ſpannen; -ſpinnen; -ſpringen; -ſtehen; -ſteigen; -ſtim-
men; -ſtreuen; -ſtrömen; -täuben; -tragen; -treffen;
-treiben; -treten; -trinken; -tünchen; -wachſen; -wei-
ſen; -werfen; -wiegen; -winden; -wintern; -zeugen;
-ziehen. um- (circum): um-armen; -duften; -fahen;
-fangen; -fahren; -faßen; -fließen; -geben; -gehen;
-graben; -hängen; -hüllen; -hüpfen; -klammern; -krän-
zen; -lagern; -mauern; -nebeln; -rauſchen; -ſchatten;
-ſchiffen; -ſchlingen; -ſchränken; -ſchreiben; -ſegeln;
-ſpannen; -ſtecken; -ſtellen; -ſtricken; -wehen; -winden;
-wölken; -ziehen; -zingeln. unter- (ſub, viciſſim): unter-
binden; -bleiben; -brechen; -bringen; -drücken; -fan-
gen; -geben; -graben; -halten; -handeln; -jochen;
-laßen; -laufen; -liegen; -nehmen; -reden; -richten;
-ſagen; -ſcheiden; -ſchlagen; -ſchreiben; -ſtehen; -ſtützen;
-ſuchen; -weifen; -werfen; -winden; -zeichnen; -zie-
hen. wider- (contra): wider-fahren; -legen; -rathen;
-rufen; -ſetzen; -ſprechen; -ſtehen; -ſtreben. — Alle
übrigen nhd. partikeln, ſo wie für gewiſſE fälle die ange-
führten durch, über, unter, um, wider (das einzige hin-
ter abgerechnet) leiden keine ſolche compoſition, nämlich
1) bleiben ſie jederzeit betont. 2) fügen ſich nicht im-
mer ans verbum, vielmehr α) im imp. ſtehen ſie noth-
wendig dem verbo nach, z. b. blicke nieder, laß ab,
fang an; β) ebenſo im ind., wenn die rede direct iſt,
z. b. ich blicke nieder, laße ab, fange an. γ) das den
dat. inf. regierende zu tritt zwiſchen ſie und das ver-
bum, d. h. es ſteht richtig vor ſeinem caſus, unbeküm-
mert um die uncomponierte partikel, z. b. nieder zu
blicken, ab zu laßen, an zu ſangen, δ) das participiale
[872]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
ge- erſcheint au ſeiner ſtelle und hat die part. vor ſich:
nieder geblickt, ab gelaßen, an gefangen. 3) dagegen nä-
hern ſich die partikeln dem verbo α) im inf.: an-fangen,
ab-laßen, nieder-blicken. β) in conj. z. b. daß er an-
fange, ab-laße, nieder-blicke. γ) wenn der ind. nach
einer conjunction oder einem relativpronomen ſteht, z. b.
ob er an-fängt, ab-läßt, nieder-blickt; ihn, der an-
fängt etc. δ) im part. praeſ.: an-fangend, ab-laßend,
nieder-blickend. Hiernach ſind (außer den fünf genann-
ten betonten durch, über, um, unter, wider) namentlich
folgende nhd. partikeln zu beurtheilen: ab, an, auf, aus,
bei, dar, ein, fort, heim, her, hin, mit, nach, nieder,
ob, vor (kein für mehr), wohl, zu, ſo wie die zuſam-
mengeſetzten: entgegen, entzwei, zurück, zuſammen, hin-
weg
und weg (frei und los ſind adj. die faſt den ſchein ſolcher
partikeln angenommen haben, vgl. oben ſ. 675.). Offen-
bar iſt in allen dieſen fällen keine echte compoſition vor-
handen, ſondern eine bloß ſyntactiſche beſtimmung der
wortfolge, wovon das nächſte buch die gründe zu erör-
tern hat. Völlig analog ſind daher die oben beſproche-
nen conſtructionen des ſubſt. und adj. mit verbis: acht-
geben, wahr-nehmen, frei-ſprechen, ſelig-ſprechen; direct:
ich gebe acht, nehme wahr, ſpreche frei, ſelig; part.
praet. acht gegeben, wahrgenommen, frei geſprochen.
Ja dieſe veränderliche wortſtellung gilt ganz allgemein in
andern redensarten, z. b. einem hofnung machen, einen
für ehrlich halten und direct: ich mache ihm hofnung,
halte ihn für ehrlich, wo ſicher niemand eine verbindung
der wörter hofnung-machen, für-ehrlich-halten behaupten
wird. Bei jenen ſubſt. und adj. trat noch zweifel ein,
ob nicht die compoſition mitunter eine eigentliche ſein
könne (ſ. 596. 675.), was hier bei den partikeln, die der
eigentl. comp. überhaupt unfähig ſind, wegfällt. Die
näherung der partikeln an das verbum ſcheint alſo we-
niger in der ſache, als nur in der neuern orthographie
begründet, der man vielleicht wieder entſagen könnte.
So gut das nieder, ab, an in directer rede ungebunden
ſteht, dürfte es auch in bedingter und unbeſtimmter un-
gebunden ſtehen. Allein man pflegt ſogar (in 2, β. δ.)
die vorſtehende partikel an das zu und ge zu hängen
(nieder-zu-blicken, nieder-ge-blickt), während jene prae-
poſition von einfachen verbis getrennt gehalten wird.
Die richtige ſchreibung: zu ſpielen, zu brechen ſollte da-
her auch die gleichrichtige: aus zu ſpielen, ab zu
brechen (und nicht: auszuſpielen, abzubrechen) nach ſich
[873]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
ziehen, da es etwas widerſinniges hat, eine praepoſition
zwiſchen zwei wörter ſeſtzuklemmen. Ausnahmsweiſe
wird auch die partikel nicht ans verbum geſchrieben,
wenn es das hilfswort ſein iſt, z. b. es heißt nicht bloß
direct: das lied iſt aus, die ſonne iſt unter, ſondern auch
indirect: wenn das lied aus iſt, die ſonne unter iſt (nicht:
ausiſt, unteriſt) und ſo vor dem inf., weil hier die part.
zuviel macht hat, oder man ſich ein ausgelaßenes: ge-
ſungen, gegangen dazwiſchen denkt. Für die anhängung
der partikel, wenigſtens an inf. und part. praeſ., folglich
annahme wirklicher (freilich immer uneigentlicher) zuſ.
ſetzung in dieſen fällen, läßt ſich allerdings ein grund
beibringen. Dieſelben partikeln verbinden ſich ohne
ſchwierigkeit mit nominibus; inf. und participium grei-
ſen aber ins nomen über. Wenn nun in wörtern wie
an-fang, hin-blick, aus-lauf die part. unzertrennlich ans
nomen gewachſen iſt, warum ſollte ſie es nicht ſein in
an-fangen, hin-blicken aus-laufen? Noch mehr, es laßen
ſich aus ſo componierten verbis nomina (auf -er, -ung,
-ig etc.) ableiten, in denen die part. wiederum feſtwur-
zelt, z. b. ab-brecher, dar-leiher, dar-bringung, fort-
ſchaffung, an-ſtellig; warum wollte man kein ab-bre-
chen, dar-leihen, dar-bringen, fort-ſchaffen, an-ſtellen
dulden? Das iſt zwar einzuräumen, wie auch ſelig-
ſprecher, frei-ſprechung auf ſelig-ſprechen, frei-ſprechen
zurückführt; doch glaube ich ſollten wir die ungebunden-
heit der partikeln vor verbis, eine gute eigenſchaft unſe-
rer ſprache, ſo weit als möglich behaupten *). Ohnehin
ſind die dichter an jene proſaiſche vor- oder nachſtellung
nicht völlig gebunden, d. h. ſie dürfen auch zuweilen
mit beſonderem nachdruck im conj. und inf. die part.
nachſetzen (daß er fange an, wie ſoll ich ſangen an die
rede) oder im ind. und imp. vor (auf-ſchlag die augen,
[874]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
nieder-laß die arme!), wo man die urſprüngliche losheit
der partikel fühlt.


Beiſpiele dieſer noch nicht vollſtändig eingetretenen,
gleichſam nur anfliegenden zuſ. ſetzungen ſind ſchwerlich
nöthig. Ich will bloß als gegenſatz zu jenen unbetonten
durch-, über-, um-, unter-, wider- einige inſinitive an-
führen, deren partikel den ton behält; oft ſind es dieſel-
ben wörter, mit nachdrücklicherer und veränderter be-
deutung: durch kann beinahe allen vorhingenannten auch
betont vorgeſetzt werden, ich habe das buch durchgele-
ſen ſagt mehr als ich habe es durchleſen; ich habe (ihn)
durchſchaut etwas anderes als, ich habe durchgeſchaut
(durch das loch); der vogel hat das land durchflogen und
er iſt durchgeflogen; ich bin durchdrungen von einer
wahrheit, der regen iſt durchgedrungen; ich habe den
koth durchwatet, ich bin durchgewatet. Zuweilen iſt der
unterſchied im ſinn unmerklich. Die betonten über ſind
aber ſeltner als die unbetonten, weichen auch mehr ab
in den bedeutungen, man kann ſie zumeiſt in ein hin-
über, herüber, darüber erweitern: über-fahren; -fliegen;
-führen; -gehen (die ſtadt geht über, die leiche geht
über); -hangen; -helfen; -hohlen (hohl über! zu fähr-
leuten); -kommen; -laufen (von augen); -legen (über die
knie); -rinnen; -ſchiffen; -ſchlagen; -ſchreiten; ſchwan-
ken; -ſetzen; -ſpringen; -treiben; -wallen; -werfen;
-ziehen; einigemahl ſteht es für übrig: über-bleiben,
über-laßen. Die betonten um ſind gleichfalls ſeltner, als
die unbetonten und weichen im ſinn bedeutend ab: um-
fahren (ein kind mit den rädern); -geben (ein tuch);
-gehen (im kreiß); -graben (noch einmahl); -hängen (ei-
nen mantel); -ſchreiben (von neuem); -ſchauen (in der ge-
gend). Betontes unter vor wenigen wörtern, hinunter,
darunter ausdrückend: unter-ackern; -binden (ein tuch);
-bringen (unter dach); -gehen; -halten (ein glas); -kom-
men; -kriechen; -legen; -mengen; -ordnen; -ſchieben;
-ſchlagen; (ein bein); -ſinken; -ſtecken; -tauchen; -tre-
ten; -ziehen (die ſchwelle). Wider im ſinne von contra:
wider-fahren; wider-halten (reſiſtere); wider-reden (obloqui,
disſuadere); wider-ſtehen; -ſtreben; -ſtreiten; öfter wenn es
rurſus bedeutet, wo man wieder ſchreibt *): wieder-kauen;
[875]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
wieder-finden; wieder-ſehen u. a. m. Die beiſpiele lehren,
daß die betonten durch, über etc. [...] mehr vor intranſitivis,
die unbetonten mehr vor tranſitivis ſtehen, daß aber in
beiden fällen auch das umgekehrte vorkommt, folglich
keine ſtrenge regel daher zu nehmen iſt.


Alle bedeutungen der übrigen trennbaren partikeln
vor verbis ſind in der regel weit ſtändiger und ſicherer,
als die der ſich wirklich zuſammenſetzenden. Zuweilen
ſchwanken ſie und werden ſonderbar: an-laufen drückt
bald widerlaufen, bald mit hauch, roſt überzogen werden
aus; auf-hören ſo viel wie nachlaßen, endigen, wahr-
ſcheinlich aus dem früheren begriffe aufmerken (atten-
dere) entſprungen, weil der aufmerkende ſich ruhig ver-
hält (mhd. noch kein ſolches ûf hœren) u. a. m. Die
deutung dieſer partikeln gehört aber offenbar nicht in die
lehre von der zuſammenſetzung.


II. inwiefern ſind die entwickelten regeln anwendbar
auf das mhd.? ſchreibung der älteſten codd. ſcheint zwar
zu beachten, nicht hinreichend zur entſcheidung. Ge-
wöhnlich ſtehen die trennbaren partikeln, wenn ſie den
verbis unmittelbar vorangehen, davon richtig abgetrennt.
Weniger genau wird aber auch oft da, wo compoſition
erfolgt iſt, getrennte ſchreibung beibehalten, z. b. (wenn
dem abdruck zu trauen iſt) Parc. 115c wider fuor ſtatt
widerfuor (d. i. wider-fuor), wie 114c überſtreit (über-
ſtreit).


Der wirklichen, vollſtändigen zuſ. ſetzung ſind auch
im mhd. nur die nämlichen ſechs partikeln: durch, hin-
der
, über, umbe, under, wider, in gewiſſen bedeutungen
unterworfen. Kennzeichen: 1) der ton geht ihnen zwar
oft ab, doch weniger entſchieden als in der nhd. proſa
und ſie können im verſe betont gebraucht werden. 2)
ſie ſind unzertrennlich vom verbo, nicht bloß in der un-
beſtimmten rede des inf., conj. und relativen ind., ſondern
auch in der directen des ind. imp. und (optativiſchen)
conjunctivs. 3) das part. praet. bekommt kein ge-, z. b.
durch-ſlagen Wig. 70; hinder-leit Bon. 55, 2; über-zint
Wig. 417; umbe-vangen Parc. 48a; under-gangen Parc.
103c; wider-varn Parc. 49a. 4) im dativ inf. ſteht das ze
vor der partikel. Beiſpiele:



[876]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.

(durch): durch-born (perforare) g. ſchm. 35. Barl.;
durch-brëchen (penetrare) Barl.; durch-gên (pertranſire)
Mar. 29; durch-graben (perfodere) Barl. g. ſchm. 35;
durch-grîfen (percipere) Bon.; durch-gründen troj. 83a g.
ſchm. 242. 973; durch-hetzen (perſequi) Barl.; durch-
louſen (percurrere) Barl.; durch-flanzen (penitus plantare)
MS. 2, 247b; durch-ſlahen (caelare) Wig.; durch-ſtëchen
(perfodere) Parc. 48a; durch-ſtreifen (pervagare) Barl.
258; durch-varn (permeare) Barl.; durch-verwen (peni-
tus tingere) Triſt.; durch-wieren (fabrefacere) Triſt.;
durch-zieren (perornare) Triſt.; durch-zeiſen (perſtrin-
gere) g. ſchm. 1016; durch-zwîen (fronde ornare) MS.
2, 247b u. a. m., ſämtlich tranſitiva.


(hinder) in wenigen wörtern: hinder-gân (decipere)
Bon. 35, 41; hinder-grîfen (impedire) Barl. 23; hinder-
klaffen (calumniari); hinder-legen (reponere) Bon. 55, 2;
hinder-lôſen (fallere) MS. 2, 152b; hinder-ſnîden (calum-
niari) Bon. 3, 2; bald tranſitiva, bald intranſitiva.


(über) in vielen wörtern und mehrfacher bedeutung,
1) obducere, tegere: über-decken Mar. 108; über-gim-
men g. ſchm. 464; über-grîfen g. ſchm. 1797; über-hou-
wen Wh. 2, 177a; über-legen Parc. 161b; über-lëſen (ob-
ducere colligendo) Barl.; über-liuhten Triſt.; über-næjen
kl. 4350; über-ſchînen Mar. 13. Parc. 169b; über-ſchrîten
Parc. 183c; über-vâhen Parc. 133a 134a 162a 193b; über-
wieren Wh. 2, 169a; über-ziln (jaculis ſuperducere) Parc.
187b. — 2) ſuperare: über-breiten Gotfr. minnel.; über-
brehten Reiuh. 1950; über-ern Bert. 49; über-gên Wh.
2, 86b Wig; über-gin (?) Friged. 7a: ſin, ſo auch miſc.
II, 195; über-gërn g. ſchm. 57; über-giuden g. ſchm. 43;
über-gleſten g. ſchm. 247; über-hœhen g. ſchm. 19; über-
herten liederſ. 1, 497; über-kergen (aſtutia ſuperare) Triſt.;
über-komen (ſuperare) Mar. 134. Wh. 2, 97b Jw. 34a 44a
Barl.; über-krœnen Bon. 59, 76; über-linden liederſ. 1,
497; über-liſten Wh. 2, 100b; über-luejen Frig. 20c;
über-oben (ſuperare) g. ſchm. 1189. MS. 2, 177a; über-
parlieren Parc. 166b; über-rîten Barl. Wh. 2, 154a; über-
ruofen Karl 20a; über-ſagen Barl. liederſ. 1, 524; über-
ſchalken Bert. 88; über-ſchœnen Triſt.; über-ſigen Triſt.;
über-ſnîden Triſt. Bert. 49; über-ſtrîten Parc. 114c 132c
148c 149a 164c 165a Wh. 2, 120b 124b MS. 1, 116a Wig.;
über-varn (agendo currum antecellere) Bert. 49; über-
vëhten Parc. 171b g. ſchm. 176. 984; über-wëgen g. ſchm.
394; über-wilden troj. 144. g. ſchm. 322. 1708; über-win-
den Jw. 57b g. ſchm. 1301. Mar. 97. Nib.; über-wundern
[877]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
troj. 144. MS. 1, 101b; über-ziugen (teſtibus convincere)
Bon. 35, 22. — 3) nimis facere: über-ëƷƷen Bert. 195;
über-gëlten Parc. 132a; über-krüpſen (cibo nimis explere)
Parc. 46a; über-laden Triſt. 6280; über-leſten Parc. 87c;
über-loben Barl.; über-trinken Bert. 195; über-ueben
Triſt. — 4) transgredi, in malam partem excedere: ſich
über-denken Wig.; ëƷ über-gëben Wig. 236; über-gên
(praeterire) Barl. 7. (tranſire) Bon. 76, 12; ſich über-hân
(abſtinere) Bon. 61, 50; über-heben (immunem reddere)
Barl. ſich über-heben Bert. 198; über-hœren (negligere,
deſpicere, drüber weg hören) Barl.; über-hübeſchen (pel-
licem facere) liederſ. 1, 248. vgl. hübiſchen troj. 154c;
über-maln (conterere, perdere) Wh. 2, 85b; über-meinſa-
men (praevaricari) Bert. 88; über-mëƷƷen (drüber hin-
aus ſehen) Parc. 69b; über-ſëhen (negligere, contemnere)
Wig. Barl. Bert. 254. auch remittere, condonare g. ſchm.
122, drüber weg ſehen; über-ſitzen (nil curare, praeter-
mittere) Mar. 164. Parc. 86c; ſich über-ſprëchen Jw. 31a;
über-tragen (ſeducere) Triſt. 7554. (eximere, liberare)
Jw. 57c Karl 2b; über-trëten (perdere, zu boden treten,
vertreten) Parc. 141c; über-wërden (liberari) Barl. —
Unter 1. berühit ſich die part. mit be- und ver-, unter
3. mit ver-, unter 4. gleichfalls mit ver- und miſſe- (auch
ſtreift ſie an privative bedeutung); unter 2. ſcheinen ein-
zelne verba erſt durch die part. aus nominibus gebildet.
Alle (unter 1-4.) ſind tranſitiv, über-wërden abgerech-
net, das vielleicht nicht hierher gehört?


(umbe) ſeltner als im nhd., die bedeutung circum:
umbe-gürten Mar. 64; umbe-haben (circumdare) Wh. 2,
51b; umbe-hengen Frib.; umbe-ligen (obſidere) g. ſchm.
1587; umbe-mëƷƷen Triſt.; umbe-ſlân Parc. 103a: umbe-
ſlieƷen Mar. 180. Nib. troj. 91b; umbe-ſtên troj. 112a;
umbe-ſweifen (circumplecti) Flore 56a Frib.; umbe-ſwin-
gen Parc. 165b; umbe-tillen troj. 119b; umbe-türnen
(turribus circumcludere) troj. 43c; umbe-vâhen Mar. 59.
66. Parc. 48a 49a Wig. 308. g. ſchm. 1561; umbe-vluo-
ten Wh. 2, 181b; umbe-vueren Mar. 124. 136; umbe-
ziunen (circumſepire) g. ſchm. 1530. u. a. m., ſämtlich
tranſitiva.


(under) häufig und in mehrern bedeutungen: 1) bis-
weilen hat es unmerklichen ſinn, z. b. under-brëchen
(daƷ ingeſigel) Eracl. 465; under-vinden (herausfinden,
etwa diſcernere) Jw. 57c; under-wîſen (inſtruere, docere)
Barl. — 2) bisweilen das eigentliche ſub: unter-graben
Barl.; under-leinen MS. 1, 108b troj. 137c Am. 2368;
[878]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
under-neigen (ſupprimere) Mar. 163; under-tuon (ſubji-
cere) wovon under-tân (ſubjectus). — 3) darunter: un-
der-brîten Triſt.; under-ſpicken troj. 83b; under-ſtôƷen
Mar. 72; under-vlëhten Triſt.; under-wëben kl. 4351.
Triſt.; under-wirken Triſt.; under-ziehen Triſt. — 4) da-
zwiſchen
(lat. inter-, dis-), ſcheidung, hemmung, tren-
nung: under-binden (diſtinguere); under-dringen Karl
83b troj. 90b; under-gên Parc. 103c; under-grîfen (inter-
cipere) troj. 2c; under-komen MS. 1, 103a Triſt.; under-
nëmen (interrumpere) livl. 99b; under-rîten, rîden? (di-
ſtinguere) Parc. 103b; under-ſagen (interdicere, obloqui)
Wh. 2, 120a Jw. 13b; under-ſcheiden Mar. 200. Parc.
43b Nib.; under-ſchüten Gudr. 73a; under-ſlahen; under-
ſnîden Parc. 67c Wh. 1, 47b Wig. MS. 1, 34a Triſt.;
under-ſprîten g. ſchm. 353; under-ſtân Nib. Wig. Barl.
Bit. 38a troj. 4a 93c under-ſwingen Parc. 103c 162b; un-
der-trëten Triſt.; under-vâhen (intercipere) Mar. 2. 36.
115. Parc. 192c; under-varn Triſt. Flore 19a; ſich under-
winden eines (occupare) Parc. 40a g. ſchm. 1165. Wig.;
under-ziehen (avertere, impedire) Parc. 52c. — Ebenſo
mni.: onder-dringen; onder-gaen; onder-lopen; onder-
rennen; onder-rîden; onder-roeyen (intercipere remi-
gando), vgl. Huyd. op St. 1, 92. 93. — 5) untereinander
(viciſſim, mutuo) immer mit dem recipr. ſich (alſo gleich-
ſam aufzulöſen in: under ſich): ſich under-bâgen Rud.
weltchr.; ſich under-dringen Barl.308. (die blätter rauſch-
ten aneinander); ſich under-kennen Flore 44b; ſich un-
der-küſſen Jw. 55a Wig. 353. Flore 6c 16b; ſich under-
minnen En. 77a Flore 2a; ſich under-nëmen Triſt.; ſich
under-ſëhen Roth. 11b Flore 44b; ſich under-vâhen Wig.
348; dieſen zuſ. ſetzungen entſpricht im nhd. nur noch
ſich unter-halten und ſich unter-reden; aus dem mnl.
führt Huyd. op St. 2, 310. 311. folgende beiſpiele an:
hem onder-helſen; hem onder-cuſſen; hem onder-lachen;
hem onder-moeten (occurrere); hem onder-ſien; hem
onder-ſlaen; hem onder-breken; hem onder-ſteken; ana-
log ſind die altfranz. ſ’entr’-aimer, ſ’entre-baiſer etc. — Alle
von 1 - 5. tranſitiva.


(wider) componiert ſich 1) in der bedeutung von ob-
viam
, entgegen: wider-gên Parc. 46b 108a 111a MS. 1,
113a Wig. Barl.; wider-loufen Wig.; wider-varn Parc.
49a 115a Wig. Nib. — 2) von contra: wider-jëhen Parc.
84c; wider-lân Triſt.; wider-pflëgen Triſt.; wider-ran-
gen (reniti) Herb. 10b; wider-râten Parc. 45b; Nib.; wi-
der-reden Nib. Barl.; wider-ſagen (negare, contradicere)
[879]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
Jw. 10a; wider-ſchaffen Triſt.; wider-ſîn Wig. 10.; wi-
der-ſitzen (timere) Mar. 29. Parc. 96c Wh. 2, 74a vgl.
ent-ſitzen, ent-ſetzen, er-komen etc.; wider-ſtân Mar.
58. 86. Nib. Barl. troj. 88a g. ſchm. 574; wider-ſtrîten
(repugnare) Wig. MS. 1, 154a; wider-ſtürzen (convertere,
reparare); wider-trîben (rependere) troj. 97a; wider-tuon
(rependere, reparare, ulciſci) Karl 73a MS. 1, 121b a. w.
3, 69; wider-wëgen (rependere) Mar. 214. Parc. 3c 5a;
wider-wëllen (revolvere) Wh. 1, 137b. — 3) von re-,
wenn es, wie das nhd. zurück in zurückhalten, zurück-
bringen, ab- (abhalten, abbringen) ausdrückt: wider-bie-
ten (renuntiare) Wig.; wider-bringen (reducere, aver-
tere) Karl 73b; wider-kêren (reducere) Mar. 64. Triſt.;
wider-ſagen (renuntiare, bellum indicere) Nib. Wig. Bon.
26, 4. MS. 1, 111b troj. 93a; wider-vâhen (retinere) Wh.
2, 2a; wider-wërfen (mutare) Triſt. — 4) hingegen com-
poniert es ſich nicht, wenn es rurſus, iterum, nhd. wie-
der oder retro, nhd. zurück bedeutet. — Die meiſten
comp. ſind intranſitiva, einige auch tranſitiva.


Von den übrigen mhd. partikeln, namentlich abe, an,
, dar, für, heim, her, hin, în, mite, nâch, nider,
obe, ûf, ûƷ, vor, vür, zuo; desgleichen durch, hinder (?),
über, umbe, under, wider, ſo oft ſie die nachdrücklichere
bedeutung hindurch, dahinter (?), hinüber, herum, dar-
unter, wieder haben, gelten folgende regeln, deren nä-
here begründung erſt in der ſyntax zu erwarten iſt:


1) in directer, von conjunction und relation unab-
hängiger rede des imp. ind. oder conj. ſtehen ſie


α) gewöhnlich dem verbo nach: hevet iuch dar! Mar.
57; grifet zuo! Parc. 2c; louf umbe loterholz! fragm. 15c;
ſtâ bî! MS. 1, 6b; gêt ir alten hût mit ſumerlaten an!
MS. 1, 124b; ſliuƷ ûf MS. 1, 119a; wis mir bî! Wig.
215. Barl. 4; gie wider (retrogreſſa eſt) Parc. 42c; leite
in mit zühten abe Parc. 194c; viel ſie nider Wh. 2, 52b;
ſtîge ich ûf und niender abe Parc. 3a; daƷ mer warf in
dar Parc. 4c; got ſchiubet ûf Mar. 52; wonet im bî Mar.
209; huop er ſich ûƷ Mar. 100; ſwungen ſich ûf Mar.
201; im ſâhen nâch Parc. 109b; warf er hin g. ſchm.
1387; zorn brichet für Bon. 35, 25; huob er ûf a. w.
3, 14, 15; ſtuont ûf Parc. 47b; wont er gërne mite troj.
34a; ſleich ſi wider Parc. 47b; gêt mit tôren umbe MS.
1, 120a; têt ſich under MS. 4, 120a; kapfen an MS. 1,
116a; gebære wider (denuo peperiſti) g. ſchm. 1074; blicte
nâch Parc. 57c und ſo in zahlloſen beiſpielen.


[880]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.

β) zuweilen aber dichteriſch vor; a) im eingang des
ſatzes, für den imp. habe ich keinen beleg geſammelt,
fur den ind. mehrere, die part. wird dem verbo vor-,
der regierende nom. nachgeſetzt: ûf rihte ſich dô Sîvrit
Nib. 4085; ûf ructe ſî ir gebende Nib. 5417; ûfſtuont Gahmu-
retes kint Parc. 167b; ûf huop ſie diu ougen Mar. 111; ûf ſtu-
ont der biſcholf Karl 9a; ûf huoben ſie die hende Mar. 180;
ûf rihte ſich der junge man Parc. 47b; ûf ſtuont mîn her Ga-
wan Parc. 156c; ûƷ ſeic daƷ hirne Herb. 57b; für gienc daƷ
klaghafte wîp Parc. 128a; nider greif er Wig. 217; dannen
ſchied er Mar. 151; dannen ſchiet ſus Parcifal Parc. 43b
u.a.m.; beleg für den optativ: zuo flieƷe im aller ſælden
fluƷ! MS. 1, 111a. Der fall iſt zwar bei ûf am häufig-
ſten, möglich aber bei allen andern, doch meine ich, be-
dienen der freiheit ſich nicht alle dichter, kaum Gotfr.
und Conr. — b) am ende des ſatzes, um das verbum
in den reim zu bringen: die boten ſich ûf ſwungen Mar.
218; daƷ liet ich ane hefte Mar. 5; Joſeben er ane harte
Mar. 215; ir opfer ſie ûf huoben Mar. 50; bluot und
ſweiƷ dâ nider trouf Parc. 89c; ir ougen über wielen
Triſt. 1207. P. in nider ſwanc Parc. 47c; ir glaſtes ſchîn
vaſt under ſluoc Parc. 45b; ſînen hëlm er abe bant, ûf
bant Wig. 18. 19; daƷ waƷƷer er dô ûf vie Wig. 313; etc.,
wiewohl einige dichter dieſer vorausſtellung abgeneigt
ſcheinen (Conrad?). Bisweilen geſchieht es auch ohne
daß das verb. in den reim käme, aus andrer convenienz,
z. b. des getr. grâven ougen vor fröuden über liefen dô
Wig. 315, wo auch ſtehen dürſte: lieſen über dô.


2) iſt die rede indirect, ſo ſtellt ſich hingegen


α) die part. gewöhnlich vor das verbum; a) belege
für den ind.: daƷ im diu huf ûƷ ſpranc Mar. 148; die
im der engel zuo ſprach Mar. 51; des manic ouge über
lief Parc. 156a; daƷ er wider gît Wig. 222; ſwaƷ m. vor
ſaget Mar. 7; daƷ dû in allen obe lîſt Mar. 27; ſwaƷ uns
ſorgen obe lit Mar. 213; daƷ dû mich an lacheſt MS. 1,
118a daƷ der muot ûf ſwinget MS. 1, 116a; daƷ ſie den
gürtel umbe bant Wig. 15; wie lange ieſlicher umbe gêt
Parc. 110a; ſwaƷ botſcheſte in an gieuc troj. 8b etc. —
b) für den conj.: daƷ ich abe kêre Mar. 117; ſwaƷ ſpîſe
ich ûƷ bræhte Parc. 109a; wenne der nëbel nider gê
Wig. 313; daƷ eƷ über gê Barl. 155; der die kraft für
breite Mar. 107. etc. — c) für den inf.: abe nëmen; an
tragen; für bringen; nider ziehen; vor ſagen; über flie-
Ʒen; ûƷ zeigen; umbe dræn Parc. 53b umbe warten Mar.
26. etc. ſtehn überall beiſpiele.


[881]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.

β) ausnahmsweiſe aber auch dahinter a) um die par-
tikel in den reim zu ſchaffen: daƷ ſie ſâhen an Parc. 45b;
ſwâ die lücken giengen durch Wh. 2, 38b; ſwâ man in
læƷet an Parc. 5c; daƷ in mâƷe volge mite Parc. 1b; hël-
len mite MS. 2, 63a; bat in ſitzen nider Wh. 2, 131a;
wolte blicken an troj. 155c etc. — b) ſo oft das praet.
conj. ohne conjunction geſetzt wird, z. b. Gawans kum-
ber ſluege für Parc. 141a: gæbet ir in niht wider Wig.
17. etc., wie noch im nhd.


3) ge- fügt ſich unmittelbar ans verbum, und zwar


α) im part. praet., unbekümmert darum, ob die part.
vor- oder nachſtehe. a) in der regel geht ſie voraus,
und ge- nimmt die mitte ein: abe gebiƷƷen (und abe im
reim) MS. 1, 113a abe geſchunden Jw. 4b abe gezart MS.
2, 85b; an geſchriben Mar. 159. an geborn Parc. 42b; bî ge-
lëgen MS. 1, 108a; für getragen Parc. 192a troj. 86a; für
geſat Mar. 69. für geleit Mar. 97. 106; hin geleit troj. 6a
hin gewant Parc. 16a; în gebogen Parc. 140a în gebriten
troj. 22b în geſloƷƷen Parc. 124a ûƷ und în gelân MS. 1, 101a
în gewunden Mar. 6; umbe gebunden; under geſlagen Parc.
192a; ûf geleit Mar. 163. ûf getân Wig. 3. MS 1, 101a ûf ge-
worfen Wh. 2, 102b ûf gekloben Parc. 137a; zuo geſprochen
troj. 93b etc. — b) zuweilen kommt die partikel hinten in den
reim: geſlagen an Wig. 315. geſenket nider ibid. geſtôƷen an
troj. 86b geſtrichen under troj. 145c gezogen hin troj.
147c. — c) die wenigen participia, die ſich dem ge- ent-
zogen haben, ſollten es auch entbehren, wenn eine par-
tikel vorſteht, z. b. wider funden, abe lân etc., bei Wal-
ter ſteht aber das angeführte în gelân (nicht în lân). —
d) ich kenne kein mhd. beiſpiel, daß ſich (wie nhd. ſ. 873.
note) privatives un- an die vor dem part. praet. ſtehende
partikel fügte, kein un-abegebrochen etc., nicht einmahl
bei den ſechs trennbaren, die der zuſ. ſetzung fähig ſind.
Wohl aber bei den ſechs untrennbaren (un-betwungen,
un-erwendet, un-verſunnen, un-zerunnen Gudr. 72b). —
e) nach hân und ſîn ſteht, wie im nhd., auch bei direc-
ter rede die part. vornen, z. b. bei fragen: wer hât ûf
getân? Wig. 3. iſt iu der ermel abe gezart? MS. 2, 85b.


β) ge- nimmt auch in andern fällen den platz zwi-
ſchen der partikel und dem verbo ein, nämlich in den
ſ. 834. ff. erläuterten, wo es nhd. veraltet iſt, z. b. abe
gebaden MS. 1, 102a abe gebant Nib. 8558. an geſach
Parc. 46c an geſiget Parc. 109b Mar. 222. troj. 86a an ge-
ruorten Mar. 67. ſich an genæme troj. 50c bî geſtân MS.
1, 115b în geriet troj. 88c nider getrat Herb. 71c obe ge-
K k k
[882]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
ligen MS. 1, 101a ûf geſtricken Parc. 37c ûf geſpranc Nib.
1857. ûf gezucte Nib. 8155. umbe geflouc Wig. 229.
umbe geſah Mar. 50. under gelige Geo. 6b ûƷ geviel
Mar. 2. ûƷ gevarn MS. 1, 112a. Hier darf das ge- noch
nicht überall für feſt mit dem verbo verwachſen gehalten
werden, wie es die unzertrennlichen er-, ver-, ſind, ſon-
dern es hat eine gewiſſe beweglichkeit.


4) zuweilen treten andere und mehrere wörter zwi-
ſchen part. und verbum: ir ſorge iſt under gar geſlagen
Parc. 192a dâ ſih nider hëte geſat Mar. 207. die dâ ûƷ
wâren gevarn Mar. 159. nider dô gelieƷ a. w. 3, 53. daƷ
man in ûƷ ſolde tragen Wig. 300. diu riuwe ir abe daƷ
hërze ſneit Wig. 305. die wolden Oranſe nider mit ſturme
dicke brëchen Wh. 2, 49b ir bote wider kam gedrabt
Parc. 46a etc.


5) die praepoſ. ze vor dem dat. inf. hat gleichfalls
ihre ſtelle erſt hinter der partikel, z. b. dan ze varne
Parc. 194c etc. —


Reſultat: da die abſonderung der partikeln in den con-
ſtructionen 1, α. 2, β. 3. 4. 5. den annäherungen unter
1, β. 2, α. wenigſtens gleichgewicht hält; ſo können letz-
tere nicht für wirkliche compoſition gelten und im mhd.
noch weniger als im nhd., wo 2, β, a; 3, α, b; 3, β; 4;
beinahe nicht vorkommen. Bloß in dem fall des part.
praet. (wo jedoch immer ein trennendes ge- dazwiſchen
tritt), des ſubſtantiviſch gebrauchten inf. (bî ligens Parc.
48b) und des adjectiviſchen part. praeſ. (bî ligender Parc.
46b) mag ſich das band feſter ziehen.


Die aufzählung dieſer halben zuſammenſetzungen ge-
hört darum nicht hierher, ſo paſſend es wäre, und des
ahd. wegen ſelbſt nützlich, ſie zu überſehen. Auch gibt
es ihrer eine große menge. In den gloſſaren zu den
Nib. und Barl. finden ſie ſich als wirkliche compoſita al-
phabetiſch eingetragen; in denen zu Wig. und Triſt. ſte-
hen nur jene ſechs partikeln, die ſich vollſtändig zuſ.
ſetzen, welches zwar auch meiner anſicht nach richtiger
iſt, aber jene überſicht entzieht.


III. für das ahd. ſchicke ich wiederum dieſelben ſechs
partikeln durah, hintar, umpi, untar, upar, widar, die
im part. praet. kein ki- annehmen und kein zi zwiſchen
ſich und den dat. inf. laßen, folglich wirkliche compoſi-
tion eingehen, voraus. Nach ihrer abhandlung wird ſich
das verhältnis der übrigen leichter entwickeln.


(durah): durh-chieſen (perſpicere) N. Bth. 255; dhu-
rah-chundan (declarare) J. 368; duruh-chuëtan (perdic-
[883]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
tus) K. 31b; thuruh-thigan (perfectus) cat. th. 70. T. 2, 7; thu-
ruh-egiſôt (perculſus); dhuruh-kankan (perambulare) ker.
181. thuruh-gân O. I. 25, 21. durh-kân N. Bth. 62; durh-
kiuƷan (perfundere) jun. 220; thurah-cruƷit (perculſus)
jun. 243; durh-lêrt (perdoctus) N. Bth. 10; duruh-lëſan
(perlectus) K. 31b; thurah-nioƷan (perfrui) jun. 244. 246;
duruh-nahten (pernoctare) hrab. 971b; durh-praſtôn (per-
ſtrepere) jun. 219; duruh-quhëman (pervenire) K. 15b
26b part. praet. duruh-quëman K. 17b; thurah-recchan
(perſtringere) jun. 243; thuruh-ſcawôn (perſpicere) ker.
276; thuruh-ſcrîban (perſcribere) ker. 109; thuruh-ſlahan
(percellere) Ludw. thuruh-ſlagan (perculſus) ker. 209;
thuruh-ſnuoh (irrepſit) J. 394; thurah-ſpanan (perſuadere)
jun. 251. duruh-ſpanan (perſuaſus) K. 44a; duruh-ſtantan
(perſiſtere) hrab. 971b K. 53b 55a ker. 104. (inſumere)
monſ. 368; thuruh-ſtëhhan (perfodere) Ludw. monſ. 348.
durah-ſtochan (perſoſſus) monſ. 395. O. V. 2, 26; durch-
ſtrîchan (percurrere) W. 3, 1; thuruh-trennilôn (peragere)
ker. 181; thurah-truapta (perculit) jun. 243. duruh-trua-
bit (perturbatus) K. 40b; thuruh-toan (peragere, perfi-
cere) ker. 160. 224. thurah-tëta jun. 244. duruh-tân (per-
fectus) K. 16b 25a; duruh-tuldit (percelebratus) K. 46b;
dhurah-faran (peragrare, pertranſire) hrab. 969a J. 386;
thuruh-folkên (perſequi) ker. 150; thuruh-frumman (pa-
trare) ker. 224. thuruh-fremit (conſummatus) T. 179, 2.
208, 1; durih-fullit (percompletus) K. 47a; durah-wachên
(pervigilare) hymn. 949; durh-waten (pertranſire) part.
praet. ebenſo, N. 123, 4, 5; thuruh-wëſan (perfici) ker.
224. durah-wëſan (perſeverare) K. 28a 38a duruh-wârun
(duraverunt) doc. 208b; duruh-wonên (permanere, per-
ſeverare) K. 16a jun. 220. 246. ker. 268. T. 3, 10. 44, 14.
Einzelne ſcheinen den lat. comp. mit per- nachgebildet, da-
her auch der mhd. ſprache fremd, offenbar fehlerhaft
und undeutſch iſt duruh-inpintamês (perſolvamus) K. 33b
35b von entbinden (ſolvere)! Die meiſten ſind zwar
tranſitiva, einige aber intranſitiva, namentlich durah-dî-
han, durah-wëſan, durah-wonên.


(hintar) nur wenige wörter: hinder-chôſôn (calum-
niari) N. 100, 5; hintar-quëman (obſtupeſcere) häufig bei
O. z. b. I. 4, 45. 8, 31. 12, 11. 17, 59. 27, 7. IV. 4, 117.
V. 17, 45. etc. das part. praet. hintar-quëman I. 4, 150.
(vgl. oben ar-quëman, außer ſich kommen); hintar-ſëhan
(reſpicere) ſih ne hinder-ſëhê (nicht hinter ſich ſehe) N.
Bth. 181; hintar-ſtantan (ſuſpicere) monſ. 362. doc. 219a,
dô hinder-ſtuont ih (ſuſcepi) N. Bth. 22. 264. hinter-ſtên
K k k 2
[884]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
(inſumant) monſ. 374. mih habent hinder-ſtanden (irrue-
runt in me) N. 58, 4; hinder-trahtôn (cavillari) N. 118,
122. (wo hintert). Die bedeutung beides tranſitiv und
intranſitiv.


(umpi): umbi-thâhta (mente circumvolvit) O. II. 11,
101; umpi-dringan (obſidere) hrab. 970b; umpi-habên
(circumdare) ker. 26. N. 47, 13. Cap. 107. umbi-habêt
(circumdatus) ker. 216. 260. N. Bth. 195; umbi-halbôn
(vallare) jun. 173. 231. N. 124, 2; umpi-halſen (circum-
plecti) ker. 63; umpi-hluſtrên (colluſtrare) ker. 72; umbe-
hêltiu (circumamicta) N. 44, 10; umbi-hringan (vallare)
J. 340. umpi-rinktêr emm. 407; umbi-kankan, umbi-cân
(ambire, circuire) K. 49a jun. 233. 241. ker. 26. T. 22, 1.
N. 58, 7. Bth. 11; umbe-graben (circumfodere) N. Bth.
37; umbi-gurtan (circumcingere) O. IV. 10, 26. umbi-
curtit (circumcinctus) ker. 63. umbe-gurtet N. 64, 13;
umbe-bougen (circumflectere) N. Bth. 224; umpi-quëman
(circumvenire, decipere) ker. 94; umbi-rîtan (circumequi-
tare) O. I. 1, 208. N. Bth. 252; umpi-ſëhan (circumſpi-
cere) ker. 218; umpi-ſitôn (decipere) ker. 94; umpi-ſi-
zan (obſidere) hrab. 970b; umbe-ſtecchet (circumſeptus)
W. 7, 2; umbi-ſuîhhan (circumvenire) jun. 198; umbe-
phahen (circumplecti) N. 47, 13. part. umbe-fangen N.
17, 5. umpi-fangan (circumamictus) ker. 15. (circumſep-
tus) ker. 63. (vallatus) jun. 254; umbe-varen (circuire)
N. 26, 6; umbi-feſtinôt (munitus) jun. 239; umbi-vuoran
(circumducere) ſ. l. monſ. 368. (oder umpi-chêrran, wie
doc. 241b). Sind lauter tranſitiva.


(untar); 1) bedeutung inter-, dis-: untar-hekit (in-
terſeptus) hrab. 968a; untar-kankan (intercedere) jun. 209;
untar-lohhan (intercluſus) hrab. 968a; untar-miſcit (inter-
jectus) doc. 225b; untar-nëman (intercipere) under-nëmen
N. Bth. 97. untar-noman (interruptus) monſ. 379. N. 96,
1; untar-prohhan (interruptus) monſ. 336; undar-quhë-
dhan (interdictus) J. 384; untar-rahhôt (interjectus) emm.
410; untar-ſegita (diſſeruit) jun. 202; untar-ſëhan (?in-
terdicere, invidere) thër imo iƷ untar-ſâhi O. I. 27, 12;
untar-ſceitôn (diſtare, dijudicare) monſ. 347. 360. 390. 395;
untar-ſtantan (reſiſtere) ker. 239; untar-teilan (differre)
hrab. 960a; untar-fallan (intercipere) O. I. 1, 158; untar-
fâhan (intercludere) O. III. 14, 16. IV. 33, 68. untar-
vangan (intercluſus) monſ. 342. doc. 240a; untar-fîlôt (in-
terraſus) doc. 205a; untar-wëban (intertextus) O. IV. 29,
12; untar-wëſta (diſtinxit, intellexit) O. II. 14, 182. —
2) bedeutung ſub-: untar-ambahtê (ſubminiſtret K. 22b
[885]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
ſteif nach dem latein gebildet; untar-chrifta (ſubripuit)
jun. 225; untar-dëonôt (ſubjectus) K. 55b 56b hrab. 959b;
untar-thiutit (ſubjectus) ker. 257. T. 12, 8. 67, 3; untar-
doupôn (ſubigere) doc. 208b; untar-hefan (ſublevare) un-
tar-haban (ſublevatus) ker. 128; untar-jouhhan (ſubju-
gare) untar-jauhta (ſubjugavit) jun. 225. (welche au für
ou haben) untar-jauctêm (interjectis) emm. 410. (für ſub-
jectis?) *); untar-këban (ſubjectus) K. 41b jun. 226; un-
tar-lekan (ſupponere) ker. 256. (fulcire) monſ. 353; un-
tar-likan (ſubjacere) K. 23a 40b 47b 49a 52a; za untar-
machônne (ſubjungendi) K. 30b; untar-puntan (ſubnexus)
emm. 403; untar-ſentit (ſubmiſſus) ker. 216. 256; under-
ſkînen (colluſtrare) N. Cap. 107; untar-ſlîhhan (ſubripere)
K. 43b 53a untar-ſlihhan part. praet. K. 44a; untar-ſlio-
fan (ſubrepere) hymn. 949; untar-toan (ſubdere) ker. 256.
(ſubmittere) monſ. 374. untar-tëta (ſubjecit) ker. 257.
ſih under-tuon N. Bth. 82. untar-tân (ſubjectus); untar-
fallan (ſubruere) ker. 252; untar-folkên (ſubſequi) K. 42a
untar-folgêt (ſubſequutus) K. 31a. b.; untar-wëſan (ſubſi-
ſtere) cat. th. 70; untar-worſan (ſubjectus) K. 54b; un-
tar-zellan (ſuggerere) monſ. 320; untar—zëohan (ſub-
trahere) K. 32a untar-zogan (ſubſtratus) doc. 246a. —
Meiſt tranſitiva, doch einige intranſitiva. Die mhd. be-
deutung von viciſſim begegnet im ahd. noch gar nicht **);
iſt ſie darum erſt roman. dîchtern nachgebildet?


(upar) in den bedeutungen ſuper-, praeter-, trans-:
ubar-koborôt (ſuperatus) O. IV. 31, 60; uber-dingen (ſu-
perſperare) N. 118, 81; upar-hepfan (transgredi) J. 342.
uber-heven N. Bth. 45. 63. ze uber-hevenne ibid. 54;
upar-hlatan (crapulatus) ker. 67. uper-latan (obeſus)
monſ. 320; upar-hukan (aſpernari) hrab. 953b ubar-hugen
(contemnere) T, 37, 1. upar-huken (ſuperbire) ker. 160;
upar-gât, upar-kenkit (transgreditur) hrab. 975b ker. 266;
uber-gultemo (deaurato) N. 44, 10; uber-legen, alicui
(improbrare, exprobrare) N. Cap. 48. part. praet. uber-
leget N. Bth. 34; ubar-meginôn (convaleſcere, praevalere)
jun. 193. 217. uber-megenôn N. 64, 4; ze ubar-muatônne
[886]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
(ſuperbiendi) K. 59a; uber-nëmen (ſuſcipere) N. Bth. 40.
part. praet. uber-nomen ibid. 86; upar-pitenti (demens)
ker. 95; upar-polôn (praeeminere) ker. 160; uper-purjan
(praeterire) monſ. 346. 381. uper-purit (praetermiſſus)
monſ. 325. doc. 230b; ubar-quimit (ſupervenit) K. 45b (vi-
tuperat) ker. 65; uper-ſagêt (convictus) monſ. 384. uber-
ſaget N. Bth. 28. upar-ſegit (confutatus) monſ. 380; uper-
ſalbôn (ſuperungere) ker. 176; ubar-ſâwen (ſuperſemi-
nare) T. 72, 2; upar-ſëhan (ſuperſpicere) ker. 111; uber-
ſigenôn (ſuperare) N. Bth. 51; uber-ſkînen (colluſtrare)
N. Bth. 94; uper-ſcricchan (tranſilire) monſ. 330; uber-
ſlahen (ſuperare) N. 39, 6. (tranſcendere) Bth. 8. 243.
Cap. 161; ubar-ſtîgan (tranſcendere) jun. 254. ubar-ſtigan
part. praet. O. I. 4, 105; upar-ſtrîtan (obtinere) monſ.
329; upar-ſuochan (tranſigere) monſ. 401; uber-teilen
(judicare) N. 73, 9. 80, 5. 95, 13. uber-teilet (condemna-
tus) N. 37, 16. Bth. 127. Cap. 150; uper-trenchan (ine-
briare) monſ. 397. uper-trinchan (inebriari) monſ. 333.
uper-trunchan (fatigatus) monſ. 359. uper-trunchanôn (ma-
dere vino) monſ. 325; upar-tuon (praevaricari) K. 45b (ni-
mis facere) Bth. 79. upar-dân (tranſactus) ker. 78; upar-
unthëôn (redundare) ker. 238; ubar-fâhan (praevaricari)
jun. 220; upar-vangalôn (excedere, praevaricari, ſupergredi)
monſ. 364. 380. 385. 389. 397; upar-faran (transgredi) ker.
247. monſ. 401. O. III. 7, 40; ubar-ferren (transfretare) jun.
230; upar-fihtit (expugnat) ker. 117. upar-vohtan (de-
victus) ker. 270; upar-flioƷan (refluere, profluere) ker.
24. 112. 174. 239. (ſupereffluere) T. 39, 4; uper-wahſan
(ſuperadultus, ſpurius) monſ. 396; uber-warten (ſuper-
ſpicere) N. Bth. 271; upar-welan (ſuperare) hrab. 961b;
uber-wigen (ſuperare) N. 118, pr.; upar-wîhan (exſupe-
perare) hrab. 963a; upar-winnan (expugnare) ker. 95.
257. O. Lud. 100. II. 11, 105. T. 176, 5. upar-wunnan
(convictus) jun. 199. O. I. 1, 153; ubar-wintan (devin-
cere) jun. 228. monſ. 338. O. Lud. 83. V. 7, 53. uber-
winden N. Bth. 28. 60. Cap. 164. ze uber-wintene W.
ubar-wuntan O. V. 14, 27. Die meiſten tranſitiver bedeu-
tung, mehrere aber auch intranſitiver.


(widar) mit den bedeutungen contra-, ob-, re-: wi-
thar-habên (reniti, reſultare) ker. 239. 240; wirthar-huâƷ-
Ʒan (recuſare) ker. 98; widar-giengun (regreſſi ſunt) T.
244, 1; widar-miƷit (comparat) hrab. 958a widar-maƷ
(rependebat) hrab. 973a widar-mëƷƷan (recompenſatum)
K. 24b wider-mëƷƷôn (comparare) N. 77, 2. von dem
ſubſt. wider-mëƷ geleitet; widar-môtit (objurgat) ker. 214;
[887]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
wider-niuwôt (renovatus) N. 97, 1; widar-pëllan (reſilire)
monſ. 390; wider-bildôt (reſormatus) N. 92, 1; widar-
pogan (reflexus) doc. 244a; widar-pougit (repandus) monſ.
328; wider-inpiotan (reſcribere) monſ. 376; widar-plûan
(retunſus) jun. 224; widar-brâhta (retulit) T. 193, 1; wi-
dar-prohhan (retortus) monſ. 321; widar-quidit (redar-
guit) jun. 191. withar-quithit (contradicit) ker. 221. wi-
der-chëden (contradictus) N. 80, 8; withar-rinkan (re-
luctare) ker. 240; widar-ruƷit (abhorret) ker. 31. widar-
ruƷanti (horridus) ker. 26; widar-ſahhan (recuſare) hrab.
973b jun. 241; wider-ſezan (compenſare) doc. 244a; widar-
ſcurkan (retrudere) hrab. 973b 956b jun. 224; wider-ſla-
hen (repellere, rejicere) N. Cap. 71. 146. wider-ſlagen
(fractus) N. 103, 17; widar-ſpirun? (recalcitraverunt) jun.
224. wirdar-ſporôt (recalcitrat) hrab. 973a; widar-ſtât (ob-
ſtat) hrab. 971a wirthar-ſtât ker. 221. widar-ſtantan (ob-
ſtare) jun. 217. widar-ſtentit, wirdar-ſtônti hrab. 973b wi-
dar-ſtantê O. I. 5, 127. widar-ſtênt (impugnant) monſ.
384. emm. 404. 406. za widar-ſtantanne (reſiſtendi) weſ-
ſobr.; wider-ſtôƷen part. praet. N. Bth. 26; widar-ſtrîtan
(reſultare) monſ. 386. 394; widar-trâhta (retractavit) jun.
224; widar-fëhtan (repugnare) jun. 241; widar-fluahhan
(remaledicere) K. 23b; widar-wartôn (contraire) doc. 244a;
wider-wërfen (revibrare) N. Cap. 146; widar-winnan
(colluctar) emm. 407; widar-wërban T. 214, 2. widar-
wurbun (revertebantur) T. 210, 3. — Mehrentheils in-
tranſitiva.


Mit den übrigen ahd. partikeln vor verbis und na-
mentlich ana, apa, avur, , dana, dara, hëra, hina,
in, kakan, miti, nâh, nidar, opa, ſamant, fona, fora,
furi, fram, ûf, ûƷ, zuo, ſo wie gewiſſen fällen von
durah, umpi, untar, upar, widar und den nebenformen
untari, upari, widari, nidari, inkagani verhält es ſich
folgendergeſtalt:


1) praepoſitionen vor dem dat. inf. treten zwiſchen
partikel und verbum: aba za ſnîdanne K. 40b; ûf za
qhuemanne hrab. 970b; apa za varſcapanne emm. 409;
ana zi liccanne (incubandi) monſ. 377; avar za ſaganne
(repetendi) emm. 411; in zi traganne (inferendi) T. 54,
2. ze ſtânne N. 126, 2; ûf und nider ze gechêrenne N.
Bth. 50. etc. Doch findet ſich eine wichtige ausnahme:
zi vuri-pringanne (ruminandi) monſ. 353. und zi vuri-
giſezanne (profuturi) wenn ſo zu leſen iſt monſ. 380.


2) im part. praet. tritt gewöhnlich ki, gi dazwiſchen:
ana giſtôƷan monſ. 382. ana-kimahliôt K. 49a ana getân
[888]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
N. Bth. 256. ana kiimphôt (inſitus) jun. 192. ana kiplâſan
(inſpiratus) jun. 191. ana katragan, ana kafôrit hrab. 966a.
ana kaſezit hrab. 957b K. 26b. ana kaſeſtinôt (infixus)
hrab. 967a. ana kichnupftaƷ (ita cod.) hrab. 967b. ana ki-
kân (initum) jun. 208; aba geſcrôten N. p. 258a; afur
katragan, avar kitragan (relatus) hrab. 373b jun. 249; dana
gebrochen N. Bth. 245. dana ginoman monſ. 346. 374.
dana gichêrit monſ. 356. dana giſceidan monſ. 350. 398.
dana giſtôƷan monſ. 355. dana givaran monſ. 399; hina
geliten N. 67, 28. hina geworfen N. Bth. 18; in kekangan
K. 46a 55b 58b. in kevaldan (implicitus) jun. 184. in ki-
haphtaƷ (inſitum) doc. 218a. in geſezit T. 213, 1. in getân
N. Bth. 81. in geſtuncôt N. Bth. 74; nâh kilëgan (comi-
nus ſitus) doc. 222b; nidar gapogan emm. 408. nidar gi-
worfan monſ. 333. nidar gilegit doc. 222b T. 181, 1. ni-
der gehangteƷ N. Bth. 11. nidar giheldit T. 208, 6. nider
geneiget N. Bth. 12; oba kaſcriban K. 34b; fona kitân
(abactus) hrab. 953b jun. 233; fora keqhuëtan K. 25a. fora
giſcripan monſ. 343. fora kiſtrahtêr K. 46b ſora kiworfan K.
54b ſora kiſezit K. 58b; furi kiſëƷan K. 20b furi kiſaztêr K.
59a; fram gifuarit jun. 217. fram kachundit, fram gaſegit jun.
221; ût kekangan K. 59b ûf kiſtikan K. 29b; ûƷ kican-
gan (egreſſus) jun. 247. ûƷ ginoman monſ. 377. ûƷ giſen-
tit T. 167, 5; zua kihangan jun. 194. zua kakëban jun.
195. zua keſuahhit K. 40a zua kitân K. 20b zô gaworfan,
zô gaſezit, zô g’auhhôt hrab. 954b zô gamahhôt hrab.
951a zô gaſôrit, zô gatragan hrab. 953b zô gagangan, zô
gahangan hrab. 954b; umpi gichêrit (reverſus) monſ. 343.
umbe geſëƷƷen N. 88, 8; widar kiwuntan jun. 229. widir
gichrampteƷ doc. 206a widiri giwuntan jun. 223. Nicht
ſelten iſt die trennung durch das eingerückte verbum
noch ſichtbarer, z. b. ana ſî kimachôt, furi ſî kiſezit K.
21a fora ſî kedenit K. 36a fora ſî kekaumit K. 41b untar
ſî ketân K. 59b zua ſî kitân K. 56b zua ſî kiambahtit K.
50b. ingagan iſt kiſpreitit jun. 216. ana iſt cafôrit hrab.
966a, während bei den untrennbaren das verb. nie da-
zwiſchen tritt, z. b. ſî far-worfan K. 59b und noch we-
niger gi-. Ausnahmsweiſe unterbleibt aber auch hinter
den trennbaren das gi- und dann ſcheint ſich die parti-
kel näher an das verbum zu ſchließen: ana-prungan (il-
latus) jun. 258. K. 53a ana-funtan O. III. 19, 25. ana-gan-
gan emm. 412. ana-brâht N. Bth. 28; aber-born (rege-
neratus) N. 44, 11. avur-prungan (relatus) hymn. 950;
apa-këpan (deſtitutus) hrab. 966a aba-ſniden (praeciſus) N.
95, 13; hina-worten N. Bth. 75; gagen-ſtellet N. 119, 3.
[889]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
inkagan-kân (ingreſſus) K. 56b ingagan-ſprochan monſ.
378; fora-qhuëtan jun. 244. fora-ſezit jun. 244. fora-ſeaf-
fôt (praedeftinatus) jun. 246. fore-ſëwen (praeviſus) N.
Bth. 252; fram-prungan hrab. 972a; furi-prungan hrab.
972b. furi-worfan jun. 216. furi-zimprit hrab. 971a furi-
ſloppôt jun. 216. fure-gurtet N. 92, 1; ûƷ-kân (egreſſus)
hrab. 962a; ûf-qhuëman (exortus) hrab. 962a; zua-prun-
gan jun. 194. zua-qhuëman jun. 247. Es iſt wahr, unter
dieſen beiſpielen finden ſich gerade participia, die im all-
gemeinen, auch wo keine partikel vorausgeht, des gi-
unbefähigt oder doch oft entblößt erſcheinen (ſ. 846.847.),
namentlich: këpan, litan, quëman, prâht, prungan, fun-
tan, wortan; bei einigen andern könnte analogie gangba-
rer, eigentlicher compoſitionen (it-poran, alt-quëtan) ge-
wirkt haben. Nur reichen dieſe gründe nicht hin.


3) in directer rede ſtehet zwar


α) nach mhd. und nhd. weiſe die partikel oft hinter
dem verbo: gurtun ſih iro ſuërt ana Hild. wizi thêh imo
ana ſâr O. I. 16, 49. liget ana N. Bth. 32. chîuſet taƷ
pilde ana Bth. 253. fieng ſî ſuſ ana Bth. 42. ne gât nieht
ana Bth. 76. iſt iu ana? trifet tih ana? Bth. 78. waƷ lâ-
Ʒeſt tû dih ana? Bth. 79. treget ana Bth. 83. wartêſt tû
ana Bth. 90; wârun ſumê aƷ T. 102. meiſtar iſt aƷ T.
135; fuor thana (freilich: ſeceſſit inde) T. 69, 8. gieng
thana (abiit) T. 213, 2. fuar thô druhtîn thanana O. II,
15, 1; quam thara T. 180, 2. quam thô thara O. IV. 3,
2. breitta ſina wât thâr O. IV. 4, 54; eineƷ peitet hina,
andereƷ peitet hara N. Bth. 75. tiz feret ouh hina N.
Bth. 65; fuar ër thô in thia worolt in O. I. 23, 17. gât
iƷ tih ieht in? N. Bth. 19; liafun miti O. I. 22, 31. ne-
fereſt tu iro danne mite na? N. Bth. 46; wurfun nidar
O. IV. 5, 55. tô ſnifta nider daƷ gezuâhte N. Bth. 10;
dhëa angilâ ſtuondun dhemu oba J. 368; dhâr eƷſſant
ſamant (comedent) J. 405; lâƷet fore N. Bth. 65; châme
wola vure N. Bth. 25; in ſînên dagon was iƷ fram O. I.
15, 18. ni quam mîn zît ſô fram O. II. 8, 35. zellent ſie
uns filu fram O. I. 3, 5; arliudit ûph gardëa J. 402.
huob hër gundfanon ûf Ludw. arſtuont ſiu thô ûf T. 48,
3. arſtantenti ûf T, 40, 3. giengun ûf T. 71, 3. hevet ſî
ûf N. Bth. 47; ſcowota thô umbi T. 60, 7. tër trîbet ſiu
umbe N. Bth. 12; quimit hër giſund ûƷ Ludw. nigês
thû thanan ûƷ T. 27, 3. thô leitta hër ſie ûƷ T. 244, 1.
zihiû giengut ir ûƷ? T. 64, 4. gieng thô ûƷ T. 71, 1.
194, 1. nam iƷ ûƷ T. 185, 2. giang ûƷ O. I. 4, 149. IV.
6, 5. wurfun ûƷ O. IV. 6, 19. fie lâƷet tër ûƷ N. Bth.
[890]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
12. hier iſt tër ſtatuſ ûƷ N. Bth. 54. ſtadeta ûƷ N. Bth.
84. ſô fuar ër fon theru burg ûƷ O. II. 11, 7; ſanta inan
widar (remiſit eum) T. 196, 3. ih ſanta iuwih widar T.
197, 3; thër engil ſprah imo zua O. I. 19, 5. ſprichet
imo zuo N. Bth. 54. u. a. m. Hier noch belege für den
imp.: wiſke aba! N. Bth. 69. faret in thia burg in! O.
IV. 9, 18. lâƷ thih nidar! O. II. 4, 100. ſtîg nidar! T.
205, 2. ni lâƷ iƷ nû untar! O. I. 19, 13. worphezet ûƷ!
T. 44, 5. nû fahên zuo! N. Bth. 35.


β) die partikel geht aber auch unmittelbar dem verbo
voraus, unleugbar häufiger, als im mhd. a) eingangs,
mit nachgeſchicktem oder ausgelaßnem nom.: ingegin lio-
fun imo zuêne T. 53, 2. ingegin loufit man iu T. 157, 2.
nidar giſazta T. 4, 7. fora feris T. 4, 17. fram quam gi-
bot T. 5, 11. ûf ſteic ze himilom cat. th. 65. 71. ûƷ ſtiaƷ
ër ſe O. II. 11, 19. ûƷ giang thër giſindo O. IV. 12, 83.
ûƷ gieng T. 175, 6. 186, 3. zuo giengun thô T. 188, 2.
und vor imperativen: ana thenchi! jun. 233. aƷ wis! ker.
60. hrab. 952a nidar ſtîg! T. 55, 4. nidar legi! jun. 201.
fora ſih! hrab. 956b furi ſih! ker. 63. ûf hevent iuwih!
N. 23, 7. ûƷ gang! T. 53, 7. — b) in dem ſatz: inti ana
ſtantent kint T. 44, 14. ër ſih ana wentit O. I. 15, 68.
gotes geiſt imo ana was O. I. 16, 53. inti ana fielun T.
43, 1. tih ana wânônt ſie N. Bth. 29. inti aba hiô T. 185,
2. inti hër ab fuor? (aba fuor?) T. 228, 4; thaƷ ſahs thana
rouftun O. I. 20, 22; ër ſînes thankes thara quam O. IV. 1,
12. thaƷ kint ouh thara brâhtun O. I. 14, 40. thaƷ kint ouh
thara fuarta O. I. 15, 22; joh hina fuartanan tôd O. I.
21, 2; inti in gieng T. 186, 2. ër thô ſâr thara in giang
O. II. 11, 8. wanda dih in gânt mîne redâ N. Bth. 76;
inti nidar ſteic rëgan T. 43, 1. allê nidar fialun O. IV.
16, 84; morgane ſaman quâmun allê T. 189, 1; inti ûƷ
giengun T. 166, 5. joh zaharî ûƷ fluƷun O. I. 20, 18. in
thînemo namen ûƷ wurphumês T. 42, 2. inti diuvalâ ûƷ
wurphun T. 44, 31; inti fora cundita T. 158, 3; andera
râtiſla furi ſazta hër in T. 72, 1. furi faru iuwih T. 162,
2. thaƷ muas furi brâhta O. IV. 2, 20; thër heilant fram
gieng T. 184, 1. in lôƷe fram gieng T. 2, 3. guot man
fram bringit guot T. 41, 5. andera râtiſſa fram ſazta hër
in T. 73, 1; inti widar ſanta T. 196, 7.


4) ſätze abhängig von conjunction oder relat. pron.
haben


α) die partikel meiſtens vor dem verbo: in thiô hër
ana gitrûwêta T. 62, 6. then ſie ana ftahhun T. 211. 4.
thërmo ana was O. I. 15, 9. thâr baldo ana ſizên O. IV.
[891]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
5, 116. diu mir ana liget N. Bth. 19. daƷ iƷ ana treget
Bth. 83. waƷ in ana gange Bth. 16. dâr diu driu ana ſint
Bth. 8; dër imo dia zungûn aba beiƷ Bth. 16. daƷ her-
cules taƷ horn aba ſluoge Bth. 53. ſô diu vinſtri aba
chome Bth. 40; thie aƷ ſtantu T. 2, 9; unz ih thara faru
T. 180, 3; thaƷ unſih heim langê O. I. 18, 86; thër hëra
quam O. IV. 4, 128. thie unlih hëra ſantin O. I. 27,
76. thaƷ ër thih hëra leitti O. II. 7, 132. dëa êr hina
wârun (perierunt) Hild. ube dû ſiu hina ne wurfiſt Bth.
13. daƷ ër hina gab Bth. 59. mitthiû ir in wâtet T. 38,
1; thaƷ man armê miti neriti O. IV. 2, 46; diu nider
ſlât N. Bth. 18. inthiû thû nidar fallês O. II. 4, 171. ër ſih
nidar liaƷi O. II. 5, 43; dhâr auh ſamant wonênt J.
405; thie ûf ſtigun T. 210, 4. daƷ imo ûf wirdet N. Bth.
233; ube dû iro dînen hals under tuoſt Bth. 46; thaƷ
thû ûƷ giengîſt T. 176, 2. thaƷ ſie ûƷ wurfin T. 44, 2.
unz ir ûƷ faret T. 44, 7. ube man ûƷ kibet Bth. 76. daƷ
ſie eoluſ ûƷ lieƷe Bth. 12. daƷ ſi ûƷ kâbe Bth. 53; thaƷ
ih fora quad T. 171, 4; thër fram gengit T. 171, 1; dô
ſi dir zuo ſpileta N. Bth. 44; daƷ tero iogelih wider ſe-
ret temo andermo Bth. 11. Der inf. bedarf keines
beiſpiels.


β) zuweilen auch hinten, doch, ſcheint es, ſeltner
als im mhd.: thaƷ wir — arlëſemês iƷ ûƷ T. 72, 5. thaƷ
wir ni farên furdir ûƷ O. I. 28, 33. thër mir thaƷ allaƷ
brâhta fram O. II. 14, 74. daƷ ër beiƷ aba dia zun-
gûn N. Bth. 91. erwelzen ûƷ noh ûƷ erwurzellôn
Bth. 38.


Bei den conſtructionen 3. und 4. haben keine belege
aus den gloſſen und K. gezogen werden dürfen, weil in
ihnen, wo ich nicht irre, die partikel niemahls nachſieht,
ohne daß hieraus etwas entſcheidendes für die compoſi-
tion der vorſtehenden partik. folgte. Denn die gloſſen
enthalten keine conſtruierten ſätze, faſt nur einzelne worte
und da ſchloß ſich die vorausſtellung der part. dem lat.
texte genauer an, ſo wie die ſteiſe verſion der benedict.
regel zu keiner nachgeſetzten part. gelangte. Ueberall
wo ſich die ſprache freier bewegt, namentlich ſchon J.
und Hild., hauptſächlich aber T. O. N. begegnet eine
dem nhd. und mhd. analoge nachſetzung. Nächſtdem
bleibt die abtrennbarkeit der partikeln auch für die gloſ-
ſen und K. immer aus der zwiſchenſchiebung des zi
und gi (unter 1. 2.) erweiſlich, ja aus noch einer zwi-
ſchenſchiebung, die im nhd. gar nicht, im mhd. kaum
wahrzunehmen iſt, ich meine des ni. Denn nicht bloß
[892]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
die fließende rede conſtruiert aba ni ſnîdê, hina ne wur-
fiſt N. Bth. 13. hina ne feret, ûƷ ni gangê (keineswegs: ni
aba ſnîdê etc.) ſondern auch die gloſſen: nidar ni rîſit doc.
231b ûƷ ni wirſo monſ. 344. und merkwürdig mit dop-
pelter negation: ni zô ni wirf! (non adjicias) ker. 210,
während untrennbaren partikeln das ni nothwendig vor-
ausgeht (ni pi-ſmërôt, ni zi-plâit jun. 240. ni cirprëh-
hamês, ni fir-mullamês ker. 211.).


Allein dieſer gründe ungeachtet wage ich nicht, die
mhd. oder gar nhd. lösbarkeit der partikeln für das ahd.
auszuſprechen, weil a) die abweſenheit des gi- in vie-
len part. praet. b) die häufigere vorſetzung der part. im
directen fall (3, β.) c) die ſeltnere nachſtellung im indi-
recten und endlich d) die beſtändige vorſetzung in den
gloſſen und bei K. wahrſcheinlich machen, daß die frü-
here ahd. ſprache wenigſtens, ſich noch mehr der goth.
als der mhd. weiſe anſchließend, die befragten partikeln
wirklich oft für mit dem verbo verbunden angeſehen
habe*). Die compoſition war nie ſo vollſtändig, wie bei
den ſechs untrennbaren noch bei den ſechs trennbaren,
in gewiſſen fällen enger zuſ. ſetzung fähigen partikeln;
aber fie muß doch feſter geweſen ſein, als in ſpäterer
zeit. Dieſes reſultat widerſpricht zwar der allgemein
wahren behauptung, daß die uneigentliche compoſition
nach und nach entſprungen und vervielfältigt worden
iſt; hier ſind umgekehrt ältere, engere verknüpfungen
im verfolg der zeit wieder loſer geworden, und, inſo-
fern die größere freiheit der partikeln für einen vortheil
gilt, unſere ſprache hat ſich einer zu ſehr eingeſchränk-
ten fertigkeit wieder beßer bedienen gelernt. Hätte ſich
nur im nhd. die vorſetzbarkeit im directen fall nicht bei-
nahe verloren! Wie man auch hiervon urtheile, die
größere compoſitionsfähigkeit der partikeln im ahd. iſt
nicht zu leugnen und macht den übergang zum goth.
möglich, wo die zuſammenſetzung noch um einen grad
feſter erſcheint.


Für die abhandlung ergibt ſich hieraus, daß es bei
entſchiednerer ahd. compoſition nöthiger, wenigſtens nütz-
licher iſt, als im mhd. und nhd., die einzelnen, wichtig-
ſten fälle aufzuzählen. Für die rechtſchreibung, daß es,
zumahl bei denkmählern des 7. 8. jh. erlaubt ſein wird,
[893]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
die unmittelbar vorſtehende part. dem verbo anzuſchließen
oder grammatiſch in den fällen 3, β. 4, α. das bindungs-
zeichen zu brauchen, deſſen ich mich ſ. 890. 891. noch ent-
halten habe, obgleich auch die getrennte ſchreibung je
ſpäter je mehr angemeßen ſcheint. Man könnte, wenn
es nicht pedantiſch iſt, dieſe unvollendete compoſition in
der grammatik am kürzeſten durch = ausdrücken. Fort-
geſetzte, umſtändlichere unterſuchungen müßen lehren,
was hier nach zeit und dialect zu ſondern ſei; welche
einzelne partikeln ſich mehr oder weniger der zuſ. ſetzung
fügen; zuweilen wird aber auch derſelbe ſchriftſteller in
gleichen fällen ſchwanken, vgl. nidar-ſtîg und ſtîg nidar
bei T.


(ana) lat. in-, vor vielen wörtern: ana-chêrran (in-
tendere) monſ. 354; ana-clëpên (coercere?) ker. 75. 76;
ana-gachnupſan (innectere) hrab. 967b; ana-dëonôn (in-
ſervire) K. 30a; ana-haſtên (inſiſtere) ker. 154; ana-hal-
tên oder -halthên (incumbere) ker. 153. 161; ana-harên
(invocare) N. 19, 9; ana-hlauffan (incurrere) K. 25b; ana-
hlinên (incumbere) K. 25a hrab. 966b 953b ker. 32. 159. 166.
ana-linên monſ. 335. ana-kilinên jun. 181; ana-hnîcan (in-
niti) ker. 161; ana-gân (invadere) hrab. 954a 965a; ana-
gieƷen N. Bth. 51; ana-lâƷan (immittere) ker. 4. N. 40,
9; ana-legan (injicere, imponere) K. 38b; ana-leitan (in-
ducere) K.; ana-ligan O. IV. 1, 91. N. 26, 12; ana-nen-
nen (adoriri) N. 123, 1; ana-bëtôn (adorare) jun. 208. 209;
ana-plâhan (inſpirare) ker. 14; ana-plâſan (idem) jun. 191;
ana-pleſtan (ingruere) jun. 175. 181; ana-prinkan (inferre,
inrogare) hymn. 948. hrab. 952a jun. 210; ana-prurdan
(initiare); ana-quëman (inſidere) monſ. 385. O. I. 17, 58;
ana-ſagên (intendere, objicere) monſ.; ana-ſëhan (inſpi-
cere, intueri) ker. 241. jun. 208. monſ. 387. Bth. 13. 248;
ana-gaſentan (imponere) hrab. 966b ana-ſentan 950a; ana-
gaſezan (imponere) hrab. 966b; ana-ſîkan (ingruere) ker.
153; ana-ſlahan (injicere) ker. 173. monſ. 378; ana-ſmîƷen
N. Bth. 30; ana-ſtantan (inſtare) ker. 149. jun. 191; ana-
ſtaphan (incedere) ker. 173; ana-ſtôƷan (impingere) monſ.
324. 338. 341; ana-toan (ingerere) ker. 167. ana-tuon
(infligere) monſ. 381. 387. 392; ana-tragen N. Bth. 83;
ana-fahen Bth. 85. 88; ana-fallan (irruere) ker. 153. (in-
cidere) hrab. 968b T. 43, 1; ana-givaran (pervadere) monſ.
373. (arripere) monſ. 350; ana-fëhten (impugnare) N. 34,
2; ana-folkên (inſequi) jun. 208; ana-caſôran (invehere)
hrab. 966a; ana-wartên (intendere) K. 49a N. Bth. 8;
ana-wëllen (adoriri, an einen wollen) N. 17, 40. 26, 2;
[894]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
ana-wentan O. I. 15, 67; ana-wërden (ingredi, occupare)
N. Bth. 256; ana-wërfan (incutere, immittere) ker. 4.
jun. 183. monſ. 387; ana-wëſen (ineſſe) ana-iſt N. Bth.
85; ana-zellan O. II. 6, 83. 7, 84. IV. 19, 80; ſih ana-
zucchen (ſibi vindicare) N. 21, 22. wofür Bth. 90. 100.
ſih ana-zocchôn.


(apa-) lat. de-, ex-,: aba-chêren (declinare) N. 82, 9;
apa-këpan (deſtituere) hrab. 966a apa-gap (deſtituit) hrab.
959b (wo fehlerhaft gedruckt iſt: apagrep); aba-nëmen N.
Bth. 59; apa-ſlahan (auferre, reſecare) monſ. 362. 387. N.
Bth. 53; apa-ſcapan (eradere) monſ. 340; apa-ſcëran (idem)
monſ. 346; apa-ſcintan (id.) monſ. 353; aba-ſnîdan (am-
putare) K. 39a 58a aba-wiſken N. Bth. 51. u. a. m.


(avur-) lat. re-: afar-cât (regreditur) ker. 241; afur-
huirvit (remeat) hrab. 973b; avur-pilîbant (remanent)
hymn. 949; afar-gapëran hrab. 973b; avur-pringan hymn.
950; avur-qhuidit (iterum dicit) K. 17a; avar-tragan
hymn. 949; avur-kiſâƷun (reſiderunt) jun. 223.


(aƷ-) lat. ad-, vor wenigen wörtern: aƷ-chlëpên (ad-
haerere) ker. 34; aƷ-henkên (appendere) hrab. 954a; aƷ-
ſtantan (adſtare) T. 2, 9. 187, 4; aƷ-wëſan (adeſſe) aƷ-pim
(adſum) aƷ-iſt (adeſt) K. 17a hymn. 949. ker. 16.


(dana-): dana-chêren N. 69, 4; dana-nëman; dana-
brëchen N. Bth. 245; thana-ſnîdan O. V. 24, 74. u. a. m.


(dara-): thara-quëman O. I. 13, 17. IV. 3, 2; tha-
ra-leitan O. II. 9, 70; dara-prinkan u. a. m.


(hëra-): hëra-loſên O. II. 9, 126; hëra-quëman; hëra-
ſentan Ludw.


(heim-): heim-quëman O. I. 22, 37; heim-wîſôn O.
I. 18, 71.


(hina-): hina-gangan T. 184, 5; hina-gëban N. 43,
13; hina-rerten N. Bth. 257; hina-ſîgan doc. 219a; hina-
faran (abire) jun. 193; hina-wëſan (perire) hina-iſt N.
Bth. 65. hina-wârun Hild.; hina-wërdan (perire) N. 5, 4.
Bth. 75.


(in-) lat. intro-, in-,: in-arnôn (einernten) T. 38, 2;
in-chunnan (arguere) N. 6, 2. 15, 7. etc. (ſcheint richtiger ſ.
809. hinzugehören); in-kân (ingredi) hrab. 968b in-gangan
K. 46a ker. 140. T. 2, 3. 4, 1. O. II. 11, 7. N. Bth. 19. 76; in-
gioƷan (infundere) hymn. 3, 2; in-lâƷan (incutere) ker.
153; in-leitan (inducere) jun. 209; in-ligen (inſitum eſſe)
N. Cap. 63; in-liuhtigen (illuminare) T. 4, 18; in-plâſan
(inſpirare) in-geblies N. Cap. 3; in-beſtan (intricare)
doc. 220b; in-piukit (incurvat) ker. 167; in-pindit (inli-
gat) ker, 161; in-piotan (indicere) jun. 210. (reſcribere)
[895]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
doc. 221a; in-ſamanôn T. 38, 2; in-tuan (infligere) jun.
211. in-tuon (indere) N. Bth. 81; in-kifaldan (implicare)
hymn. 950; in-wâten (indui) T. 38, 1; in-wërphan (im-
mittere) ker. 153; in-wuntan (involutus) ker. 155. in-
windit (involvit) ker. 160. u. a. m. In den fällen, wo
untrennbares int- zu in- wird (ſ. 808.) kann zweifelhaft
ſein, welche partikel gemeint iſt (ſ. 817.); ein part. praet.
in-kipotan wurde wider int-, ein in-potan nicht wider
in entſcheiden. Durch zwiſchengerücktes gi- unterſchei-
det ſich auch ingigiang (introivit) O. IV. 7, 112. von in-
giangi (elaberetur) IV. 8, 16.


(inni-) lat. intus: inne-ligan O. I. 11, 87; inne-ſizan
N. Bth. 127; inne-piwant (involvit) jun. 209.


(kakan, inkakan) lat. ob-,: ingagan-dennan (obten-
dere) jun. 216; kakan-hlauffan (occurrere) hymn. 949.
inkagan loufan ibid. 948. ker. 16; kagan-hôran (obedire)
K. 24b; cacan-lûtan (reſultare) jun. 250; kagan-pliwan
(obtundere) hymn. 949; cacan-ſezan (opponere) jun. 241.
inkagan-ſ. hrab. 971a; ingagan-ſprëchan (obloqui) monſ.
376; gagen-ſtellen (opponere) N. 119, 3; inkagan-wër-
fan (objicere) hrab. 971a u. a. m.


(miti-) lat. con-: miti-kânto (pediſſequus) jun. 219;
miti-loufan O. I. 22, 31; mit-môſju (comedo) ker. 281.
(wo mirmoſiu, vielleicht mir môſju?); miti-fliahan (con-
fugere) O. I. 8, 14; miti-wëſan (intereſſe) miti-pin (in-
terſum) monſ. 351. Ueberhaupt eine ſeltne compoſition,
da der begriff gewöhnlich durch ëpan-, -ſamant- oder
bloßes gi- erreicht wird.


(nidar): nidar-lâƷan (demittere) O. V. 25, 10. nider-
gilâƷan (demiſſus) doc. 226b; nidar-quëman J. 351; nidar-
giſezan T. 4, 7; nidar-ſcricchan (deſilire) jun. 202. O. III.
4, 158; nidar-ſtîgan O. II. 4, 154; nidar-fallan jun. 249.
O. II. 4, 171; nidar-wërfan O. IV. 5, 85. u. a. m.


(opa-) lat. ſupra, in wenig wörtern: opa-hlinên (ex-
cellere) hrab. 972a; oba-ſtandan J.


(ſamant-) lat. con-: ſamant-ëƷƷan (comedere) jun.
198. J. 405. ſamant-hapta (ſimul habuit) J. 355; ſamant-
lobôn (collaudare) hymn. 949; ſamant-ſingan (concinere)
ibid.; ſamant-wonên (ſimul habitare) J. 405.


(fona-) lat. ab-, kaum erhört, ich kenne bloß: fona-
iſt (abeſt) hrab. 950a und fona kitân (abactus) jun. 233.
hrab. 953b aus der lebendigen ſprache kein beiſpiel.


(fora-) lat. ante-, prae- (von der zeit), pro-: fora-
chundan (praedicere, canere) K. 29a jun. 236; fora-hlinên
(antecellere, praeeminere) hrab. 953b 962a; fora-këpan
[896]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
(praerogare) jun. 244; fore-lâƷen (excipere) N. Bth. 60;
fora-gimârta (promulgavit) blaſ. 7a; fora-mërren (praepe-
dire) jun. 244; fora-qhuëman (antecellere) ker. 53; fora-
keqhuëtan (praedictus) K. 25a; fora-kiſihit (praevidet) K.
56a; fora-ſingan (praecinere) jun. 219; fora-ſcrîpan (prae-
ſcribere) monſ.; fora-kiſaztêr (praemiſſus) K. 58b fora-
kaſatêr doc. 211b; fora-ſprehhan (proſequi) jun. 246; fora-
feris (praeibis) T. 4, 17; fore-weiƷ N. Bth. 242; fora-
kiworfan (projectus) K. 54b.


(furi-) lat. ante-, prae- (meiſt räumlich), pro-, ob-:
furi-dennan (defendere d. i. praetendere) emm. 411; furi-
chriffan (praeripere) jun. 217; furi-hertan (obdurare) K.
17a; fur-cân (? furi-cân, praecedere) jun. 246. furi-kan-
gan (tranſire) K. 57b; furi-magan (praevalere) K. 39a
58a; vuri-leitan (introducere monſ. 395; furi-biutit (pro-
hibet) ker. 19. furi-potan (reconditus) ker. 40. furi-putun
(denuntiaverunt) doc. 212a; furi-pintan (praeligare?) furi-
pundan (reconditus) ker. 40; furi-pringan (praeferre) K.
57a furi-prâhta (praetulit) jun. 217. furi-prâhta (dejecit)
monſ. 357. furi-pringan (ruminare) monſ. 353. (gloſſe
zu cantic. 7, 9.) vuri-pringan (effundere, eructare) monſ.
346. 349; furi-qhuëman (praevenire) K. 57b (anticipare)
doc. 240b (praeoccupare) hrab. 953a (prodire) jun. 246;
furi-ſahhan (abrenuntiare) doc. 212a; furi-ſëhan (provi-
dere) ker. 106; furi-ſezan (proponere) ker. 228. (praepo-
nere) jun. 244. K. 20b 21a 59b (exponere) monſ. 367;
vuri-ſcorrên (eminere) monſ. 328; furi-ſlahan (anticipare)
ker. 25; furi-ſprëhhan (defendere) emm. 411; furi-duan
(praetendere) O. III. 1, 69; fure-fahen (praevenire) N.
16, 13; furi-faran (tranſire) K. 32b 38a (praeterire) T.
25, 5. O. I. 4, 102. (fugere) doc. 212a (antecellere)
jun. 233; furi-ziohan (proferre) monſ. 387. N. Bth. 47.
(praeferre) monſ. 391; furi-worfan (obturatus) jun. 216;
furi-wurchan (obſtruere) jun. 215. Die ſchwankende be-
deutung und die ſchon ſ. 851. 861. angezeigte berührung
des furi- mit dem untrennbaren far-, fir-, fur- lehren,
daß wenigſtens dieſe ahd. partikel von der wirklichen
compoſition nicht ausgeſchloßen werden kann. Neben
ahd. far-piotan, far-ſahhan gelten furi-piotan, furi-ſah-
han und furi-kankan, furi-varan entſprechen ungefähr
dem mhd. vergên, ver-varn (ſ. 853.), denn ahd. far-kan-
kan, far-faran kenne ich nicht. Vorzüglich aber beſtä-
tigt furi- in furi-dennan, furi-hertan, furi-pintan, furi-
wërfan (obturare) und ähnlichen den ſ. 858. nachgewieſ-
nen ſiebenten begriff des ver-, welcher ein goth. faúr
[897]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
fordert, auch ſich im ahd. erſt ſparſam hervorzuthun
ſcheint, ſo daß furi- allerdings für die organiſche form
anzuſehen iſt.


(fram-) lat. pro- (weder ante-, noch prae-), nhd. her-
vor: fram-dîhant (patrantur) jun. 243; fram-gangan (prod-
ire) jun. 185. fram-gigiengun (proceſſerunt) T. 2, 2.
fram iſt gigangan (proceſſit) T. 2, 8; fram-lâƷit (diſſerit)
ker. 122; fram-luogên (prominere) jun. 244; fram-prin-
gan (proferre) ker. 101. hrab. 961b O. V. 25, 166. (pro-
mere) jun. 245. (blaſ. 7a. b. fra-bringan, referre, trans-
ferre); fram-ſcowôn (proſpicere) jun. 246; fram-kiwîſen
(provocent) K. 38b; fram-wëſan (abeſſe) fram-iſt (abeſt)
ker. 4.


(ûf-) lat. ſurſum (und daher e-, ex-), allmählig ad-
(in welchem einfacheren begriff es auch erſt praepoſition
wurde): ûf-habên (ſupportare) monſ. 360; ûſ-heſan (ſuſ-
pendere) doc. 240b; ûf-kân (ſurgere) N. Bth. 31. ûf-gienc
(exiit) monſ. 391. ûf-kangit (adoleſcit) ker. 25; ûf-purjen
(ſuſcitare) monſ. 338. 352. ûf-burren (attollere) jun. 194; ûf-
quëman (oriri, exoriri) hrab. 962a 870b ker. 103. 214;
ûf-rihten (erigere) N. 266b, 69; ûf-ſtantan (ſurgere) O. IV.
3, 28; ûf-ſtîkan (aſcendere) K. 24b 26b J. 352. (ſcandere)
ker. 260.


(ûƷ-) lat. foras, allmählig e-, ex- (und wiederum erſt
mit dieſem einfacheren begriff praepoſition geworden);
in vielen zuſammenſetzungen begegnet es dem ar-, ir-
und wie auch dieſes die richtung her bezeichnet, dem
ûf-: ûƷ-kân, ûƷ-kangan (egredi) hrab. 962a ker. 102. K.
53b T. 53, 7; ûƷ-crapan (effodere) monſ. 350; ûƷ-lâƷan
(ejicere) monſ. 362. 368; ûƷ-leitan (deducere) monſ. 337;
ûƷ-lëſan (colligere) monſ. 392; ûƷ-kelîdan, (excedere)
K. 47b; ûƷ-liohhan (evellere) monſ. 336; ûƷ-lôkên (emi-
nere) hrab. 961b ûƷ-luagên jun. 204; ûƷ-nëman (exci-
pere) ûƷ-ginoman (deſignatus) monſ. 377; ûƷ-peitôn
(erumpere velle, hinausſtreben) N. Cap. 114; ûƷ-prin-
gan (efferre) jun. 203. monſ. 367. (ejicere) monſ. 367. 397;
ûƷ-quëman (evadere) monſ. 367; ûƷ-rinnan (emanare)
hrab. 962a; ûƷ-ſceidan (deſignare) monſ. 392. 399; ûƷ-
ſcorrên (praerumpi) emm. 406; ûƷ-ſcoragen (propellere)
(monſ. 366. doc. 233a; ûƷ-ſentan (foras mittere) jun. 206.
(emittere) hrab. 961a 963a; ûƷ-ſtôƷan (expellere) O. II.
11, 19; ûƷ-ſuimman (emergere, enatare) monſ. 320. 357;
ûƷ-ſuizen (exſudare) N. Cap. 147; ûƷ-trîpan (ejicere, re-
pudiare) monſ. 341. 365; ûƷ-faran (egredi) O. I. 23, 9. N.
Cap. 114; ûƷ-frumen (emittere) N. 67, 9; ûƷ-fuoran (eji-
L l l
[898]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
cere, repudiare) monſ. 329; ûƷ-wallan (ebullire) monſ.
325; ûƷ-wërfan jun. 238; ûƷ-giwinnan (avellere) monſ.
333. u. a. m.


(zuo-) lat. ad-, vor vielen verbis: zua-auhhôn (ad-
jungere) K. 54a zuo-giouhhôn (adjicere) T. 38, 3. zua-
gauchôt (additus) hrab. 954b; zô-gachnupfit (adnectit) hrab.
951a: zua-kechnuſita (alliſit) K. 118a; zua-chundan (adnun-
tiare) K. 30b; zoa-thancandi ker. 27. und zô-denchenti hrab.
953b gloſſe zu auſta (d. i. hauſta) iſt wohl von zuo-denchan
(meditari, haurire animo?); zua-haftên (addi?) jun. 256. zua-
kihafta (applicuit) emm. 405; zô-hankên (appendere) ker. 39;
zua-kihenkan (aſſentiri) K. 55a; zuo-lôſên (attendere) monſ.
337. 397; zua-lûſtrenti (attonitus) K. 17a; zuo-îllan (ad-
ſpirare) monſ. 378. 381; zoa-cân (adgredi) ker. 30. zoa-
cangan (adire) ker. 14. K. 46a 57a; zua-këpan (addere);
zua-ladôn (advocare) jun. 233. zua-kilatôt (advocatus)
ker. 58; zuo-leccan (applicare) monſ. 339; zua-leitan (ad-
ducere) K. 18b; zô-calîdhan (accedere) ker. 14. 23; zoa-
camahhôt (adjunctus) ker. 16; zua-manôn (admonere) K.
17a 44b 56b; zuo-nâhan (applicare, appropinquare) monſ.
361. ker. 34; zua-nëman (aſſumere) K. 16b; zoa-prinkan
(prodere) zua-prâht (delatus) ker. 85; zoa-quëman (ad-
gredi) ker. 30; zua-kareigôtin? (attingerent) jun. 195;
zuo-ſëhen (adſpicere) Bth. 15. 26; zuo-ſlingen (adrepere,
advenire) N. Bth. 92. 203; zuo-ſpilen (alludere) N. Bth.
44; zuo-ſtedjan (applicare) monſ. 366. 396; zua-kiſuachit
(acquirit) K. 40a, wohl ſteif nach dem latein; zoa-ſuim-
man (adnatare) ker. 28. hrab. 954b; zoa-toan (addere)
ker. 14. 16. hrab. 952a zoa-catân (additus); zoa-tragan
(apportare) hrab. 953b; zuo-trîpan (impellere) monſ. 387;
zuo-fahen (arripere) N. Bth. 39. 60. zuo-givâhan monſ. 325;
zuo-givuokan (addere) monſ. 343; zô-gavôrit (advectus)
hrab. 953b; zuo-giwalzta (advolvit) T. 213, 2; zoa-wendan
(advertere) ker. 28; zuo-wërfan (adjicere) jun. 193; zuo-
wartên (attendere) K. 35b; zua-wunſcan jun. 193. u. a. m.


IV. im goth. iſt die wirkliche compoſition dieſer par-
tikeln noch weit entſchiedner, als im ahd., d. h. ſie laßen
ſich, wenige ausnahmen abgerechnet, nicht von den ver-
bis ablöſen.


1) ſie ſtehen unmittelbar vor ihnen, die rede ſei di-
rect oder indirect. Es heißt daher nicht nur z. b. þam-
ma af-máimáit páitrus áuſô Joh. 18, 26. (ahd. demu pê-
trus daƷ ôra apa-mîeƷ) ſondern auch: jah af-máimáit
ïmma áuſô Joh. 18, 10. (ahd. inti mîeƷ imu daƷ ôra apa)
und namentlich im eingang des ſatzes: ana-kumbida Joh.
[899]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
13, 25. at-ïddja Joh. 19, 4. etc. und im imperativ, z. b.
af-máit! Matth. 5, 30. af-lêt! at-baír! ïn-ſaíhviþ! Matth.
6, 26. etc. (ahd. meiƷ apa! lâƷ apa!). Belege auf allen
blättern des Ulf. in menge.


2) die part. praet. haben kein ga- eingeſchoben, es
heißt z. b. ana-habáiþs Luc. 4, 38. at-gibans Marc. 1, 14.
af-dáuïþs Marc. 9, 36. ïn-ráuhtiþs Joh. 11, 38. miþ-kaú-
riþs Philipp. 3, 11. und ſo durchgängig. Was alſo im
ahd. nur theilweiſe, geſchieht hier immer.


3) du bei infinitiven ſteht vor der partikel, nicht zwi-
ſchen ihr und dem verbo, z. b. du af-aírzjan Marc. 13
22. du af-dráuſjan Luc. 4, 29. (ſtatt des ahd. apa za ir-
ranne, apa zi trôranne, wenn es ſolche verba gab).


4) desgleichen findet ni ſeinen platz vor der partikel,
z. b. ni af-liþi Luc. 4, 42. (ahd. apa ni liti) ni at-taú-
huþ Joh. 7, 32. ni at-ïddja Joh. 7, 30. ni af-ïddja Luc.
2, 37. ei ni af-marzjáindáu Joh. 16, 1. etc.


5) es treten, wie bei den untrennbaren partikeln,
leicht decompoſita ein, wovon der folgende §.


Alle dieſe goth. partikeln verhalten ſich wie die ahd.
mhd. und nhd. durch, hinter, über, um, unter, wider,
ja ſie unterſcheiden ſich nicht von den untrennbaren,
(als praepoſ. noch trennbaren) goth. and, bï und us.
Und ſo gut ſich dem ga-, us-, dis- ein u, uh, uhþan
anhieng (ga-u-láubeis, uz-uh-hôf Joh. 11, 41. 17, 1. diz-
uhþan-ſat) kann es auch andern partikeln eingeſchoben
werden, z. b. at-uhþan-gaf Marc. 14, 44, wodurch die
urſprüngliche abtrennung und freie ſtellung, wie ſie jeder
uneigentl. comp. zu grund liegt, gerechtfertigt wird. Drei
partikeln zeigen ſich überdem in ahd. weiſe trennbar d.
h. ſowohl vor als nachſtehend, nämlich die den ahd. in,
ûf und ûƷ entſprechenden goth. ïnn, ïup, ut, für welche
daher keine vollſtändige componierbarkeit zu behaupten
iſt, vgl. ſaei inn ni atgaggiþ Joh. 10, 1. jabái ïnn gaggiþ
jah ut gaggiþ Joh. 10, 9. uzuhhôf áugôna ïup Joh. 11, 41.
hiri ut! (exi foras) Joh. 11, 43. þata ïnn vaúrþanô Joh.
12, 6. usvaírpada ut Joh. 12, 31. 15, 6. galáiþ ut Joh. 13,
30, 31. 18, 38. usgaggands ut Joh. 18, 4. attáuh ïnn (εἰς-
ήγαγε
) Joh. 18, 16. atiddja ut Joh. 18, 29. 19, 4. attiuha
ut Joh. 19, 4. usiddja ut Joh. 19, 4. galeiþands ïnn (εἰς-
ελθών
) Luc. 1, 28. ïnn attaúhun Luc. 2, 27. ïnſaíhvands
ïup Luc. 19, 5. etc. Es ſind adverbia (intro, ſurſum, fo-
ras), die den ſchon in verbo ſelbſt liegenden oder durch
eine andere, damit verbundne partikel ausgedrückten be-
griff in, auf, aus bloß verſtärken, z. b. us-hafjan, us-
L l l 2
[900]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
vaírpan bedeutet ſchon elevare, ejicere, ſo wie im ahd.
ar-hefan, ar-wërfan ältere, ûf-hefan, ûƷ-wërfan neuere
formen ſind; dieſelben goth. partikeln verſagen ſich auch
der compoſition mit nominibus und es läßt ſich über-
haupt hier mehr von der einen compoſition auf die an-
dere ſchließen, als im ahd.; nur nicht völlig (z. b. die goth.
tus- und un- ſetzen ſich nicht mit nom. zuſammen). In-
wiefern die ſtellung der partikel vor und nicht hinter das
verbum der goth. ſyntax überhaupt angemeßen iſt, un-
terſucht das vierte buch.


Die hier in betracht kommenden goth. partikeln ſind:
af, afar, ana, at, du, faúra, ïn, miþ, þaírh, uf, ufar,
und, viþra, da ich and, bi, dis-, faír-, ga-, us ſchon
oben abgehandelt habe. Ihre aufzählung iſt noch uner-
läßlicher, als im ahd.


(af-) lat. de-, ab-: af-áikan (negare); af-aírzjan (ſe-
ducere); af-dáiljan (ſeponere); af-dáujan (mori) af-dauïþs
(abgeſtorben) af-dáuþjan (occidere) af-dáuþnan (mori);
af-dôbnan (obmuteſcere); af-dômjan (condemnare); af-
dráuſjan (dejicere); af-dumbnan (obmuteſcere); af-filhan
(abſcondere); af-gaggan (abire); af-hôlôn (defraudare);
af-hriſjan (excutere); af-hvapjan (exſtinguere) af-hvapnan
(exſtingui); af-lagjan (deponere); af-lêtan (dimittere);
af-leiþan (diſcedere); af-lifnan (ſupereſſe); af-linnan (de-
ſinere); af-máitan (abſcindere); af-marzjan (offendere);
af-niman (auferre); af-qviþan (abnegare); af-ſatjan (re-
movere); af-ſkáidan (diſcedere); af-ſlahan (occidere, ab-
ſcindere); af-ſláuþnan (obſtupeſcere); af-ſneiþan (mac-
tare) Luc. 15, 27, wofern nicht uf-ſn. zu leſen iſt; af-
ſtandan (recedere); af-taúrnan (ſcindi); af-tiuhan (dedu-
cere); af-þaúrſiþs (ſitibundus) Matth. 25, 44; af-þliuhan
(aufugere); af-þvahan (abluere); af-vaírþan (abjicere);
af-valvjan (devolvere); af-vandjan (avertere) Tit. 1, 14.


(afar-) lat. poſt-: afar-gaggan (ſequi); afar-láiſtjan
(ſequi).


(ana-) lat. in-: ana-áukan (adjicere); ana-biudan (man-
dare); ana-filhan (tradere); ana-haban (occupare, vexare)
es kommt bloß das part. ana-habáiþs (detentus, occupa-
tus) vor, vgl. dis-haban ſ. 865; ana-hneivan (inclinare
ſe) ana-hnáivjan (adclinare, tranſitiv); ana-kumbjan (cc-
cumbere); ana-lagjan (imponere); ana-mahtjan (vi occu-
pare); ana-mêljan (adſcribere); ana-nanþjan (compellere,
adgredi); ana-qviman (ingredi, incedere, einen ankom-
men); ana-ſilan (requieſcere); ana-ſlavan (ceſſare); ana-
ſlêpan (obdormire); ana-ſtôdjan (incipere); ana-trimpan
[901]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
(conculcare); ana-þraſſtjan (ſolari) Philem. 5, 20. Dieſes
ana- in den comp. mit biudan, ſilan, ſlavan, ſlêpan lauft
in die zweite bedeutung des and- (ſ. 810. 811.) über,
vgl. die ahd. in-piotan, int-flâfan, in-ſuepjan und für
die goth. form ſtimmt das altſ. an-biodan, an-ſuebjan
(ſ. 812.); das goth. ana-filhan iſt das nhd. empfehlen wie
das nhd. an-ſtecken das nnl. ont-ſtêcken; man ſehe auch
ſ. 817.


(at-) lat. ad-: at-áugjan (oſtendere); at-baíran (af-
ferre); at-baírhtjan (manifeſtare) Tit. 1, 3; at-drtuſan
(procidere) Luc. 8, 47. Neh. 6, 16; at-farjan (adremigare);
at-gaggan (accedere); at-giban (dare); at-haban ſik (ac-
cedere); at-hahan (ſuſpendere); at-háitan (advocare); at-
lagjan (apponere); at-nêhvjan (appropinquare); at-rinnan
(accurrere); at-ſaíhvan (attendere); at-ſatjan (ſiſtere);
at-ſtandan (adſtare); at-ſteigan (aſcendere); at-têkan (at-
tingere); at-tiuhan (adducere); at-þinſan (attrahere); at-
vaírpan (projicere); at-valvjan (advolvere); at-viſan (ad-
eſſe) Luc. 2, 2. at-ïſt(adeſt) Marc. 4, 29. (nicht: atïſt); at-
vôpjan (advocare). Bemerkenswerth iſt die privative
bedeutung at-hafjan (tollere) Marc. 15, 36.


(du-) lat. ad-, ſteht allein vor wenigen verbis, öfter
noch mit at verbunden (du-at-, wovon unten): du-gin-
nan (incipere); du-rinnan (accurrere); du-ſtôdjan (inci-
pere); berührt ſich mit ana- und at-, denn ana-ſtôdjan
und at-rinnan ſind einerlei mit du-ſtôdjan, du-rinnan;
du-ginnan entſpricht dem ahd. pi-kinnan.


(faúra-) lat, prae-: faúra-gaggan (praeire) Luc. 1, 76.
verſch. von faúr-gaggan (praeterire) Marc. 11, 20; faúra-
háitan (antea vocare); faúra-qviþan (praedicere); faúra-
qviman (praevenire); faúra-ſtandan (praeadſtare).


(ïn-) lat. in-: in-agjan (metum injicere, einſchüchtern);
ïn-branjan (combureie); in-drôbnan (turbari); in-feinan
(miſereri); ïn-gaggan (intrare); ïn-máidjan (mutare); ïn-
raúhtjan (infremere); ïn-ſáian (inſerere); ïn-ſaíhvan (in-
ſpicere); ïn-ſáiljan (funibus ligare, einſeilen); ïn-ſandjan
(mittere); ïn-tandjan (accendere); ïn-vagjan (commovere);
ïn-veitan (adorare); ïn-vidan (abnegare); ïn-viſan (ineſſe,
inſtare) Marc. 16, 1. Gleich dem ana- berührt es ſich mit
ent-, vgl. ïn-branjan, ïn-ſandjan, ïn-tandjan und die nhd.
ent-brennen, ent-ſenden, ent-zünden. Bei ïn-vidan iſt
mir die wurzel dunkel. Neben ïn-gaggan Luc. 10, 5.
Marc. 1, 19. (oder wie lieſt der C. A.?) findet ſich ïnn
gaggan Matth. 7, 13. Luc. 15, 28. Joh. 10, 4. und beide
[902]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
verhalten ſich wie us-gaggan zu ut gaggan. Joh. 12, 6.
könnte neben ïnn vaúrpaus auch in-vaúrpans recht ſein.


(miþ-) lat. con-, unâ: miþ-faginôn (congaudere); miþ-
gaggan (comitari); miþ-kaúrjan (ſimul gravare) miþ-kaú-
riþs (συνφορτιζόμενος) Philipp. 3, 11; miþ-matjan (come-
dere); miþ-niman (concipere); miþ-rôdjan (colloqui);
miþ-ſkalkinôn (συνδουλεύειν) Philipp. 2, 22; miþ-ſôkjan
(ſimul quaerere); miþ-ſtandan (conſiſtere).


(þaírh-) lat. per-: þaírh-baíran (perferre); þaírh-gag-
gan (tranſire); þaírh-leiþan (tranſire); þaírh-vakan (per-
vigilare); þaírh-viſan (permanere) þaírh-viſiþ (permanet).


(uf-) lat. ſub-: uf-brikan (aſpernari, rejicere); uf-
brinnan (excandeſcere); uf-dáupjan (ſubmergere); uf-
graban (ſubfodere); uf-haban (ſuſtinere); uf-háuſjan (ob-
edire); uf-hlôhjan (ſubridere); uf-hrôpjan (exclamare);
uf-kunnan (cognoſcere); uf-ligan (deficere, unterliegen);
uf-rakjan (extendere); uf-ſueiþan (occidere) Luc. 15, 23,
30. Joh. 10, 10; uf-ſtráujan (ſubſternere); uf-ſvôgjan
(ingemiſcere); uf-vôpjan (exclamare). Compoſita, die
allen übrigen deutſchen ſprachen, weil ihnen die parti-
kel fehlt, völlig fremd ſind. In uf-brinnan, -hlôhjan,
-hrôpjan, -ſvôgjan, -vôpjan drückt die part., gleich dem
lat. ſub-, den noch geringen beginn einer ſache aus.


(ufar-) lat. ſuper-: ufar-gaggan (transgredi); ufar-giu-
tan (ſuperfundere); ufar-lagjan (ſuperponere); ufar-leiþan
(trajicere); ufar-mêljan (ſuperſcribere); ufar-munnôn (ob-
liviſci) Marc. 8, 14. Philipp. 2, 30. (aber 3, 14. ſteht
-munnan); ufar-ſkadvjan (obumbrare); ufar-ſteigan (tran-
ſcendere); ufar-ſvaran (pejerare); ufar-viſan (ſuperemi-
nere); uf-þanjan (extendere) Philipp. 3, 14.


(und-), nur in und-greipan (capere, apprehendere);
und-rinnan (accurrere, competere); vgl. das agſ. ôð-.


(viþra-) lat. obviam: viþra-gaggan (obv. ire) Joh. 11, 20.


V) im agſ. kann, wie im goth., die hochdeutſche
unterſcheidung zwiſchen einigen völlig und den übrigen
halbcomponierbaren partikeln entbehrt werden. Alle ſetzen
ſich wirklich zuſammen und leiden kaum trennung von
dem verbo, dem ſie voraus ſtehen, ſei die rede direct
oder indirect. Im part. praet. wird kein ge- zwiſchen-
geſchoben und bei dem dat. inf. ſo wie ne ſtellen ſich
vor die partikel, nicht zwiſchen ſie und das verbum, z. b.
tô of-gifanne, ne of-gëaf (ahd. apa zi këpanne, apa ni
kap). Ausnahmsweiſe ſteht inzwiſchen auf hochd. art
die partikel nach, zumeiſt in (intro), up (ſurſum) und ût
(foras) z. b. gân in Luc. 14, 23. ëode ût Luc. 15, 28.
[903]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
âhôf his eágan upp Luc. 16, 23; ſeltner und mid:
cväð him tô Luc. 9, 62. gëóng ſôna tô Beov. 135. ne
väs him Fitela mid Beov. 69. Auch darf forð (prorſum)
und ongëan nachfolgen, nie aber habe ich ät, on, of
fore hinter dem verbo angetroffen.


(ät-) lat. ad-: ät-bëran (afferre) Beov. 5. 49. 118. 159.
195; ät-filhan Beov. 74; ät-hrînan (attingere); ät-hvëor-
fan (aggredi) Beov. 172; ät-lîðan (adnavigare) Beov. 234.
(wo etlidenþum f. ätlîþendum); ät-ſpringan (profilire)
Beov. 85; ät-ſtandan (adſtare) Beov. 69; ät-ſteppan (ag-
gredi, progredi) Beov. 58; ät-vëſan (adeſſe) ät-is (adeſt);
ät-vîtan (exprobare) Beov. 88; ät-ŷcan (adjicere); ät-
ŷvan (oſtendere). Die ſchon im goth. geſpürte privative
bedeutung erſcheint häufiger: ät-bërſtan (effugere); ät-
brëdan (auferre); ät-dôn (eripere); ät-flëón (aufugere);
ät-lædan (abigere); ät-niman (eripere) Cädm. 71; ät-ſa-
can (abnegare); ät-ſcëófan (detrudere, wegſchieben) Beov.
232, wo ecſcufon f. ätſcufon; ät-ſlîdan (elabi); ät-ſverjan
(abjurare); ät-vindan (evadere) Beov. 13. Sie gleicht
dem privativen ſinne des be- (ſ. 806. 807.), das als prae-
polition dem ät (ad, apud) ganz nahe liegt und bei geht
über in vorbei, fort, weg. Oft bedeuten auch die verba
an ſich die privation, z. b. niman, flëón.


(bï-, big-) dieſe verſtärkte form des bë finde ich in
dem einzigen big-ſtandan (nh. bei-ſtehen) Cädm. 7. Beov.
226, das man von keinem ſubſt. herleiten kann.


(eft-) lat. re-: eſt-cêran (redire); eft-côljan (refri-
geſcere) eſt-cuman (revenire); eft-ëdvîtan (reprobare);
eft-faran (recedere); eſt-hvëorfan (reverti); eft-myndjan
(recordari); eft-ſceávjan (reſpicere); eft-ſiðjan (redire);
eft-vendan (redire) u. a. m.


(fore-) prae-: fore-cuman (praevenire); fore-cvëðan
(praedicere); fore-fôn (anticipare); fore-gân (praeire);
fore-gëlpan (praejactare); fore-niman (praeoccupare);
fore-ſecgan (praefari); fore-ſceávjan (praevidere); fore-
ſendan (praemittere); fore-ſingan (praecinere); fore-ſtep-
pan (antecellere); fore-vëſan (praeeſſe) fore-ëom (prae-
ſum).


(forð-) pro-: forð-bëran (proferre); forð-bërſtan (pro-
rumpere); forð-cuman (procedere); forð-dôn (proferre);
forð-faran (progredi); forð-gân (prodire); forð-gëótan
(profundere); forð-lædan (producere); forð-lûtan (proci-
dere); forð-ræſan (proruere); forð-ſteppan (procedere);
forð-vëaxan (valde creſcere) u. a. m.


[904]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.

(ongëan-, ongen-, ſeltner gëan-, gên-, gegn-, ſpäter
auch agên-, engl. again; ahd. inkakan, kakan) lat. re-,
ob-, obviam, contra: ongëan-bringan; -cuman; -faran;
-fëaldan (replicare): -ſendan; -ſettan; -ſprëcan; -ſtandan
u. a. m.


(gëond) per-, trans-: gëond-faran (pervagare); -gan-
gan (perambulare); -gëótan (perfundere); -hvëorfan (per-
luſtrare); -ſcînan (perlucere); -ſcrîðan (peragrare);
ſëón (perſpicere) Beov. 229; -ſêcan; -vlîtan (perſpicere)
Beov. 206.


(in-) lat. în-: in-bëran (inferre) Beov. 161; in-bringan
(idem); in-cuman (introire); in-dôn (indere) Cädm. 5;
in-drencan (inebriare); in-faran (ingredi): in-flëón (in-
fluere); in-gân (intrare) Beov. 31. 124; in-lædan (indu-
cere); in-laðjan (invitare); in-lŷhtan (illuminare); in-ræ-
ſan (irrumpere); in-ſettan (inſtituere); in-ſteppan (in-
gredi).


(mid-) lat. con-: mid-bëran (unâ ferre); mid-bliſſjan
(congaudere); mid-flëón (convolare); mid-ſylgjan (comi-
fari); mid-ſingan (concinere); mid-ſiðjan (comitari); mid-
ſprëcan (colloqui); mid-ſtandan (aſſentiri); mid-ſvêgjan
(conſonare); mid-þoljan (compati); mid-vyrcan (coo-
perari).


(of-) ahd. apa-, jedoch gleich dem goth. af- von wei-
terer bedeutung: 1) lat. de-, ab-: of-brëdan (auferre);
of-cëorfan (amputare); of-cuman (provenire, vgl. ab-
kunft); of-dôn (deponere) Beov. 52; of-drifan (depel-
lere); of-faran (exire); of-frëtan (devorare); of-gân
(egredi); of-gifan (deſtituere, relinquere, renuntiare) Beov.
121. 127. 143. 167. 184. 193. 211. Cädm. 3. 27. 39. 61.
(nhd. ab-geben, nicht auf-geben, das nur zufällig ähnli-
ches bedeutet); of-lætan (relinquere, emittere) Beov. 90;
123; of-niman (deprehendere); of-ſtîgan (deſcendere) of-
ſvëlgan (devorare); of-ſverjan (abjurare); of-tëón (detra-
here, deducere) Beov. 3. 115. 186. Cädm. 23. 24; of-vëor-
pan (dejicere). — 2) lat. ob-: of-beátan (occidere); of-
blindan (occoecare); of-dëlfan (effodere); of-drædan (per-
terreri); of-hnîtan (cornu petere); of-hrëóvan (miſereri);
of-hrëóſan (obruere); of-hroren (obrutus); of-licgan
eopprimere); of-myrðrjan (trucidare); of-rîdan (aſſequi
(quitando); of-ſcëótan (occidere ſagitta) Beov. 182. (wo
ofſcet in of-ſceát zu ändern); of-ſcëamjan (erubeſcere);
oſ-ſcînan (fulgere); of-ſëón (invenire); of-ſlëan (occidere)
Beov. 45. 126. 127; of-ſnîðan (mactare) ſpricht für das
[905]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
goth. af-ſneiþan, vgl. nhd. ab-ſchlachten; of-ſtingan (con-
ſodere); of-ſvingan (caedere) nhd. ab-ſchwingen; of-
torſjan (lapidare); of-þyncan (poenitere, aegre ferre)
Beov. 152. daher of-þunca (ſ. 708.) vielleicht weniger in-
vidia als aegritudo; of-þryccan (opprimere); oſ-þringan
(idem). — Von der äf-form (ſ. 708.) vor verbis habe ich
kein beiſpiel; wären einzelue oſ- das goth. uf? vgl. uf-
ſneiþan mit of-ſnîðan.


(ofer-) ſuper-: ofer-bëón (ſupereſſe); -bîdan (remane-
re); -brëcan (frangere); -brædan (dilatare, operire, über-
breiten); -bringan (transferre); -brycgëan (pontem inji-
cere); -cîdan (increpare); -cuman (ſuperare) Beov. 97;
-dôn (nimis agere); -drincan (nimium bibere); -drîfan
(expellere); -ëtan (nim. edere); -faran (transmigrare);
-fäðmjan (amplecti) Cädm. 86; -fangan (prehendere);
-fëohtan (ſuperare); -flëón Beov. 188; -flôvan (ſuper-
fluere); -ſroren (glacie obductus); -gân (transgredi) Beov.
107. 219; -gitan (obliviſci); -gyldan (deaurare); -hëlan
(velare); -hëlman Beov. 104; -hleápan (tranſilire); -hlif-
jan (ſupereminere); -hogjan (contemnere) Beov. 175;
-hycgan (idem) Beov. 206. Cädm. 96; -hŷran (non au-
dire, negligere); -lîþan (transfretare); -lŷhtan (luce ſu-
perare); -niman (abripere); -rædan (perlegere); -reccan
(ſuperare); -rîdan (equo praecurrere); -rôvan (transfre-
tare); -ſâvan (ſuperſerere); -ſcëadvjan (obumbrare);
-ſceávjan (inſpicere); -ſcînan (allucere); -ſêcan Beov. 200;
-ſegljan (transnavigare); -ſendan (transmittere); -ſëón
(inſpicere) Beov. 34; -ſettan (ſuperponere); -ſittan (ſuper-
ſedere) Beov. 53. 188; -ſprëcan (nimis loqui); -ſteppan
(transgredi); -ſtandan (ſupereſſe); -ſtîgan (tranſcendere);
-ſviðan (praevalere) Beov. 23. 133; -tëón (obducere);
-tolden (obductus) Cädm. 64; -trëdan (conculcare); -þëón
(excellere); -vëorpan (proſternere) Beov. 117; -vinnan
(ſuperare); -vrëón (operire) u. a. m.


(on-) entſpricht dem goth. ana- und ïn-, ſteht aber
auch für goth. and- (ſ. 809.); wie man alſo ein agſ. on-
anzuſehen hat muß der ſinn und die analogie der übri-
gen ſprachen lehren und ſelbſt das engl. verdient dabei
verglichen zu werden, da die engl. mit un- componier-
ten verba ein agſ. on- = goth. and-, nhd. ent- anzei-
gen, ein dem engl. verbo nachgeſetztes in oder on hin-
gegen auf ein agſ. on- = goth. ïn-, ana- weiſt. Ausrei-
chend und ſicher ſind dieſe analogien nicht völlig, weil
ſich auch in andern dialecten und namentlich im hochd.
[906]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
in-, an- und ent- gemiſcht haben *). Mehrere der nach-
folgenden compoſita muſten daher ſchon ſ. 810. 812. an-
geführt werden, ſie können dorthin und hierher gehö-
ren: on-egan (goth. ïn-agjan); on-älan (incendere); on-
birgjan (guſtare); on-bîtan (guſtare, ahd. in-pîƷan); on-
blâvan (inflare); on-blôtan (immolare); on-bŷgan (incur-
vare); on-cliſjan (inhaerere); on-cunnan (ahd. in-chun-
nan); on-dôn (ingerere); on-drædan (ahd. in-trâtan); on-
drencan (inebriare); on-ëaldjan (inveteraſcere); on-ëard-
jan (inhabitare); on-faran (progredi); on-fëallan (inci-
dere); on-fëohtan (impugnare); on-findan (invenire); on-
galan (incantare); on-gëótan (incantare); on-ginnan (in-
cipere); on-hætan (inflammare, vgl. ahd. int-heiƷan);
on-hangjan (appendere); on-hnîgan (inclinare, ahd. ana-
hnîkan); on-lædan (inducere); on-lŷhtan (illuminare); on-
mælan (alloqui); on-ræſan (irruere); on-ſecgan (immolare,
ahd. in-ſakên); on-ſoëacan (concutere); on-ſendan (immit-
tere) Beov. 31, 36; on-ſëón (adſpicere); on-ſettan (impone-
re engl. ſet on); on-ſîgan (incumbere); on-ſlæpan (ob-
dormire ahd. int-ſlâſan); on-ſpætan (inſpuere, engl. ſpit
on); on-ſtarjan (adſpicere) Beov. 208; on-ſtiðjan indu-
rare); on-ſvimman (innatare); on-tendan (goth. ïn-tand-
jan); on-timbrjan (inaedificare); on-vacjan (invigilare);
on-vrîtan (inſcribere) Beov. 127; on-vunjan (inhabitare);
on-yrnan (incurrere) Beov. 56. Zuweilen kann das ſelbe
compoſitum der and- und ïn-form gehören, z. b. on-dôn
(ingerere, an-thun, ein-thun, engl. do on) und on-dôn
(aperire, engi. un-do).


(oð-) bedeutet ſonſt ad, usque, ſcheint aber in der
zuſ. ſetzung dem ſeltneren goth. und- zu begegnen: oð-
bëran (auferre, forttragen) Beov. 46; oð-bërſtan (erum-
pere); oð-brëdan (eripere); oð-cvellan (occidere); oð-
dôn (eruere); oð-ëóvan, -ŷvan (oſtendere); oð-faran
(advenire); oð-ſêran (eripere) Beov. 160; oð-fëallan
(collabi); oð-flëón (aufugere); oð-gân (evadere) Beov.
217; oð-grîpan (rapere, eripere); oð-hefan (efferre); oð-
lædan (eripere); oð-rînan (tangere); oð-ſacan (negare);
oð-ſcëótan (deſerere); oð-ſtandan (deſiſtere, impediri);
oð-ſtillan (ſedare); oð-ſverjan (abjurare); oð-þringan
(eripere); oð-þvëán (lavare); oð-vendan (avertere); oð-
[907]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
vindan (effugere); oð-vîtan (exprobrare) Beov. 222; oð-
yrnan (aufugere). Dieſe compoſita fallen dem ſinne nach
beinahe zuſammen mit denen auf ät-, z. b. ät-vîtan, ät-
ŷvan, ät-bërſtan, ät-dôn ſind was oð-vîtan, oð-ŷvan,
oð-bërſtan, oð-dôn; wozu auch die privativwerdung bei-
der (die urſprünglich ad bedeuten) ſtimmt. Wohin ſind
die analogen ahd. zuſ. ſetzungen gerathen? unz ſteht vor
keinem verbo, die frühere ſorm unt könnte angetroffen
werden in unt-râtan (ſubtrahere) K. 49b vielleicht in
unt-kenkëo (naufragus) ker. 107. wenn daraus ein unt-
kankan (elabi) zu folgern iſt? das ahd. ant-, int- (nnl.
ont-), wiewohl dem goth. and-, agſ. on- entſprechend,
könnte ſich damit beruhren, zumahl wegen der privati-
ven bedeutung (ſ. 814, 3.). Uebrigens iſt ſchon mehr
bemerkt worden, daß das agſ. oð auf ein goth. unþ führt
(tunþus, tôð) weshalb ôð geſchrieben werden ſollte; ein
ahd. und? and? (vgl. zand, zan) ſcheint daher dem unt
vorausgegangen.


(tô-) lat. ad-, goth. du-, zuſ. fallend mit dem ſ. 862-
864. verhandelten tô- = goth. dis-. Hierher gehören:
tô-bädjan (adorare); tô-bëran (afferre); tô-blâvan (affla-
re); tô-bodjan (annuntiare); tô-bringan (afferre); tô-ciif-
jan (adhaerere); tô-cuman (advenire); tô-cvëðan (allo-
qui); tô-dêman (adjudicare); tô-dôn (adhibere); tô-eácan
(addere); tô-fëaldan (applicare); tô-findan (invenire); tô-
hëaldan (inclinare); tô-hëlpan (adjuvare); tô-hŷran (obe-
dire, pertinere ad); tô-lædan (adducere); tô-ligan (adja-
cere); tô-locjan (adſpicere) Beov. 125; tô-niman (adhi-
bere); tô-ſettan (apponere); tô-ſprëcan (alloqui); tô-tëón
(attrahere); tô-vênan (ſperare); tô-yrnan (accurrere) u.
a. m. Man muß lernen, vor welchen verbis tô- ad-,
vor welchen dis- bedeutet, nicht ſelten kann es bei-
des, z. b. tô-dælan (attribuere und disjungere) tô-vëor-
pan (adjicere und disjicere); wieſen nicht die übrigen
ſprachen für tô- = dis- eine eigene form aus, ſo könnte
die poſitive und beraubende bedeutung des tô- grade
wie die doppelte des ät- und oð- verſtanden werden.


(þurh-): blâvan (perflare); -brëcan (perfringere) Beov.
207; -bringan (perducere); -crëópan (perrepere); -dëlfan
(perfodere); -drîfan (perforare); -ëtan (exedere, corro-
dere) Beov. 226; -faran (pertranſire) Beov. 114; -fôn
Beov. 114; -gân (pervagari); -gëótan (perfundere); -glê-
dan (penitus calefacere); -ſcëótan (transfigere); -ſêcan
(perquirere); -ſëón (perſpicere); -ſlëan (percutere); -ſtin-
gan (transfigere); -tëón (perficere); -vadan (pervadere);
[908]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
Beov. 69. 119; -vunjan (permanere); -yrnan (per-
currere).


(under-) ſub-; under-bëran (ſuſtinere); -cêran (ſub-
vertene); -crëópan (ſubrepere); -cuman (ſubvenire); -dël-
fan (ſuffodere); -dôn (ſubjicere); -ëtan (exedere); -fôn
(percipere); -fylgan (ſubſequi); -gân (ſubire); -gitan
(intelligere); -hëaldan (ſuſtinere); -hnîgan (ſubjacere);
-lecgan (ſupponere); -licgan (ſubjacere) Beov. 165; -ni-
man (capere); -ſcëótan (ſubingerere); -ſêcan (diſquire-
re); -ſettan (ſupponere); -ſingan (ſuccinere); -ſtandan
(ſubſiſtere und intelligere) Beov. 108; -ſtingan (ſuffulcire);
-þëódan (ſubjugare); -vrîtan (ſubſcribere).


(up-): up-bëran Beov. 144. (wo ût-b. fehler); up-
cuman (oriri); up-faran (aſcendere); up-gân (idem); up-
hefan (tollere); up-rîdan Cädm. 68; up-rocetan (eructa-
re); up-ſiðjan (aſcendere) Cädm. 3; up-yrnan (ſurſum
currere). Mehrentheils ſteht noch eine andere part. zwi-
ſchen up- und dem verbo, namentlich â- und ge-; bei-
ſpiele unten.


(ût-) ût-bëran (efferre); ût-bringan (educere); ût-cu-
man Beov. 230; ût-faran Beov. 190; ût-gân (exire); ût-
hleápan (exſilire); ut-lætan (emittere); ût-niman (exi-
mere); ût-ræſan (erumpere); ût-rîdan; ût-rocetan (eruc-
tare); ût-ſcëóſan Beov. 19; ût-ſendan (emittere); ût-ſið-
jan (exire); ût-yrnan. Auch hier pflegt gern eine an-
dere part. (â-, ge-, oð-) zwiſchenzutreten.


(við-) contra-, re-: við-compjan (bellare, wider-
kämpſen); -cvëðan (contradicere); -cëóſan (reprobare);
-fëohtan (rebellare); -flîtan (repugnare); -gân (idem);
-häbban (retinere); -hogjan (contemnere); -lædan (redu-
cere); -lecgan (reponere); -ligan (adjacere); -mëtan (com-
parare); -ſacan (negare); -ſcûfan (repellere); -ſettan (re-
ſiſtere); -ſtandan (idem); -ſteppan (praetergredi); -tæcan
(recipere); -tëón (retrahere); -þingjan (convenire); -vin-
nan (repugnare); -vëorpan (rejicere).


(viðer-) contra-: cvëðan (contradicere); -hlinjan (re-
niti); -mëtan (comparare); -ſacan; -ſtandan; dem vori-
gen in der bedeutung gleich, aber ſeltner mit verbis,
mehr mit nom. zuſammengeſetzt.


(ymb-) circum-: ymb-bëorgan Beov. 114; ymb-bindan;
-cëorfan (circumcidere); -faran; -fôn Beov. 200; -gân Beov.
49; -gyrdan; -hogjan; -hringan; -hvëorfan Beov. 171;
-licgan; -ſprëcan; -ſvincan (ambire) -ſcînan; -ſettan;
-ſcryddan (induere); -ſittan Beov. 3. 45. 137. 203; -ſnî-
dan; -ſpannan; -ſtandan; -ſvëopan (circumverrere); -ſyl-
[909]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
lan (circumdare); -þringan; -vëaxan; -vendan; -vindan
u. a. m.


VI) über die altſ. partikelſtellung läßt ſich aus dem
geringen umfang des mir zu gebot ſtehenden textes nicht
hinreichend urtheilen. Daß in, up, ût dem verbo nach-
folgen dürfen, leidet keinen zweifel, z. b. âhliopun eſt
up; thô hrëop upp te gode; giwêt imu thô ût thanen;
hingegen: that ſiu gamen upp âhôb; upp âhlêd thie
grôto ſtên; up giwêt; gramon in gewitun (genii inſeſti
ingreſſi ſunt). Ebenſo ſtehen bald vor, bald nach ford,
aftar, nither und tô: thô gêng imo ford; that ſie it ni
ſagdin ford; huô thiu wërold ford ferid; thia wëros af-
tar gêngun; judeon aſtar ſigun; ſuarf ſie mid is fanon
aſtar (deterſit); gang thi fan them cruce nither!; ſprac
imu mid is wordun tô; behiu lêdis thu mi theſe liudi
tô? Die conſtruction ſcheint hier wie im ahd. und die
verbindung der partikel mit den verbis unvollkommen.
Ein nachgeſetztes af, an, at, fora habe ich aber nicht
aufzuweiſen, ſondern dieſe ſtehen auch in directer rede
vor: af-hebbjen; ſô af-gaf (reliquit) ina thô thiu godes
craſt; that ſiu gamen af-huobi; an-budun (mandaſtis);
an-ſuobun (intellexerunt); an-drêdin (timerent) etc., ſo
daß ſie, wie im agſ. entſchieden gebunden erſcheinen.
Die mundart hält alſo auch hier die mitte zwiſchen ahd.
und agſ.


VII) in der altn. ſprache werden die partikeln freier
als im goth. und agſ. geſetzt, faſt ſo frei, wie im hochd.
Hauptſächlich gehören hierher: â, af, aptr, at, frâ,
fram, gagn, heim, hiâ, inn, mëð, niðr, ſaman, ſundr,
til, undr, ûr, upp, ût, við, yſir, der ſelbſt componier-
ten wie: uppâ, âmôti, îgegnom etc. zu geſchweigen.


1) das gleich dem goth. du, ahd. zi, agſ. tô, vor in-
ſinitive tretende at ſcheint in der älteren ſprache (alle
folgenden anführungen ohne weiteren beiſatz ſind aus
edd. ſæm.) noch die partikel vor ſich zu laßen: âr of at
telja (ad computationem anni) 2a (ſo leſe ich ſtatt âr-ôf
bei Raſk und die variante: âr um at telja beſtärkt mich
darin); nam hon um at mælaz 217a; yfir at rîda 228b
(wiewohl hier yfir zu þar gezogen werden könnte); mâl
mun vëra upp at ſtanda Snorraed. p. 53. etc. Später
ſagte man wahrſcheinlich: at upp-ſtanda. Biörn führt im
wörterbuch alle ſolche compoſita mit vorgeſetztem at auf.


2) in directer, offner rede bekommt


α) die partikel häufig ihre ſtelle hinten: ſneið af
137b; ok drack af (ebibit) 67a, vgl. drëcka af, Yngl. ſaga
[910]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
cap. 40. 41; tôk ſkatta af, Yngl. cap. 40. 50; þâr gênguz
þeir â, Biörn v. âgengaz; fôta lutr fêll aptr 219b; fôru
aptr, Yngl. 30; bâru þar eld at, Yngl. cap. 40; þâ gêck
Beyla fram 67a; ſat in alſnotra ambôtt for 74a; ok laupi
iun 109a; gumar gêngo inn 294a; gêck hann inn 103b;
rëgns dropi rann niðr 213a; rædr um 190b; flâtt var þô
undir 255b; nam ec upp 28a; alin við upp vorum 260a;
gêngo ût ok inn 134a; lagðac arm yfir 23b; liggr ſkiöldr
yfir 94b; drupir örn yfir 41b; ſlŷgr örn yfir 9b. Impe-
rative:
rîd heim! 188b; ſëztu niðr! 85a; ſtandit upp!
73a; bërit inn! 74b; haldit heim! 182a.


β) ſie geht aber auch voraus, a) eingangs des ſatzes:
â leit Goðrûn 213a; â gêngoz eiðar (impugnata ſunt ju-
ramenta) 5b; af væri nû haufud 272b; fram gengr hann
20a; framm reid Odinn 94a; inn com in arma 74a; inn
gêngo þâ 233b; upp reis Odinn 93b; upp reis Gunnarr
222a; upp ôx þar iarl 104b; upp ôxu þar 106a; ût gêck
Sigurdr 206a; ût gêck þâ Gudrûn 248b; imperative: heim
rîd þû! 95b upp rîſtu þakrâdr! 139b. Nicht ſelten ſtehen
noch andre wörter zwiſchen, z. b. aptr ëc hvarf 22b;
upp ëc þër vërp 68a; upp ëc varp augom 77a; up hinn
ſtôd 121b; ût þû ne comir 32a. — b) nach andern wör-
tern, z. b. ecki at rêduz 257a; jô fram keyrdi 92a; ok
þeir af tôko 135a; ok heim ôku 105b; raptar ſundr bruſto
259b; grind upp luko 236a.


3) in conjunctionellen und relativen ſätzen ſtehet


α) meiſtentheils die part. vor dem verbo: þeir er â
lögðo 135b; er þeir af lêto 135a; at ëk fram teljak 1a;
þâ er fram komid 223b; þaz ek ſor viſſak 175a; er þeir
heim rido 209a mëðan ſaman drucko 123b; at ſâ upp
reis-att 257a.


β) oft auch hinter dem verbo: er vërpomc ordi â 32a;
er or ſteini var haufudit â 76b; er þër ſleit Fenrir frâ
65a; aðr gângi fram 11a; at rammhugaðr reis upp 219b;
ſvâ at gullo við 213b; at qvâðo við ok gullo við 220a.


4) dem inſin. und part. praeſ. geht die partikel bei-
nahe immer unmittelbar voraus; belege find überflüßig.
Zuweilen treten jedoch andre wörter dazwiſchen, z. b.
inn bidþu hann gânga 83a; ût ſkyldi ſenda 93b; und die
Edda bietet auch einzelne fälle der nachſetzung: ſŷngja
ſaman 111a; ne qveina om 211a 232a; ſkulo þër ſlîta
ſionir or 111b. —


Die von 1-4. gezeigte veränderliche ſtellung der altn.
partikeln lehrt, daß keine vollſtändige compoſition mit
den verbis, wozu ſie gehören, wie im goth. und agſ.
[911]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
angenommen werden darf. In der copenhagn. Edda wird
daher auch meiſtens die part. von den verbis abgerückt,
denen ſie unmittelbar vorausgeht. Die ſlockh. ausg.
ſchwankt zwiſchen abrücken, anrücken und gebrauch des
bindzeichens. Erforderlich ſcheint es gleichwohl, da von
einigen partikeln beſonderes zu bemerken iſt, die wich-
tigſten dieſer halben compoſita, anzuführen.


(â) lat. ad, in, goth. ana: â-byrgja (periculum in
aliquem remittere); â-dreifa (adſpergere); â-drëpa (attin-
gere); â-eggja (adhortari); â-fella (condemnare); â-frîa
(arguere); â-fŷſa (adhortari); â-gângaz (adoriri); â-
girnaz (appetere); â-hânga (adhaerere); â-hlŷdaz (com-
probare); â-hrœra (attingere); â-kenna (intelligere); â-
klaga (accuſare); â-lîda (procedere) er âleid vëtrinn (dum
proceſſit hiems); â-lîta (adſpicere); â-minna (admonere);
â-netja (irretire); â-qvëða (deſignare); â-reita (irritare,
vgl. nhd. an-reitzen); â-ſaka (improbare); â-ſetja (pro-
ponere); â-telja (increpare); â-vîſa (indicare, nhd. an-
weiſen); â-vîta (increpare) u. a. m.


(af-) lat. de, ab,: af-bëra (tolerare); aſ-deya (ceſſare,
vgl. nhd. ab-ſterben); af-eggja (dehortari); af-falla (de-
floreſcere); af-ferma (exonerare); af-gânga (mori); af-
gëra (ad finem perducere); af-henda (manu mittere); af-
höggva (amputare); af-kaupa (nimis care emere); af-klæda
(veſtibus exuere); af-lâta (ceſſare); af-letja (dehortari);
af-leyſa (abſolvere); af-lîda (praeterire); af-lîfa (vita pri-
vare); af-lifa (ſuperſtes eſſe); af-lima (mutilare); af-lita
(decolorare); af-mâla (depingere); af-neita (abnegare);
af-nûa (ſricando terere); af-ſaka (excuſare); af-ſelja (re-
movere); af-ſkafa (eradere); af-ſkëra (abſcindere); af-ſlâ
(rejicere); af-ſnîda (abſcindere); af-ſtanda (decedere); af-
ſtriuka (detergere); af-ſverja (ejurare); af-taka (denegare);
af-þekja (tectum demoliri); af-venja (deſuefacere); af-
venda (declinare) u. a. m.


(aftr, aptr-) lat. retro,: aſtr-halda (impedire, retine-
re): aftr-læſa (claudere); aftr-rëka (repellere).


(at-) lat. ad,: at-bëraz (accidere); at-greina (diſcer-
nere); at-hiuka (recreare); at-huga (conſulere); at-hyllaz
(adhaerere); at-ſkilja (diſtinguere); die agſ. privativbedeu-
tung könnte in dem letzgenannten wort geſucht werden,
wiewohl ſie in ſkilja ſelbſt ſteckt. Auch die praepoſition
at ſcheint zuweilen für af zu ſtehen, z. b. edd. ſæm. 269b
fallin at frændum, ſem ſura at qviſti, vaðin at vilja, ſem
viðr at lauſi; oder beruht hier die beraubung bloß in
dem begriff falla und vaða?


[912]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.

(endr-) lat. iterum, endr-borinn (regenitus); endr-
bœta (reparare); endr-fœdaz (renaſci); endr-gialda (com-
penſare); endr-gëta (regenerare); endr-leyſa (redimere);
endr-lîfga (refocillare); endr-lifna (reviviſcere): endr-min-
naz (recordari); endr-mæla (contradicere); endr-næra
(recreare); endr-ſkapa (reſtaurare); endr-vitkaz (reſi-
piſcere).


(frâ-) lat. de, ab,: frâ-bægja (ſemovere); frâ-gânga
(diſcedere); frâ-halda (abſtinere); frâ-taka (excipere).


(fram-) lat. pro,: fram-bëra (proferre); fram-bioda
(palam offerre); fram-draga (protrahere); fram-ſara (pro-
gredi); fram-fœra (proferre); fram-gânga (prodire);
fram-halda (pergere); fram-leida (producere); fram-lîda
(tranſire); fram-reida (depromere); fram-rënna (pro-
fluere); fram-ſelja (prodere); fram-ſegja (proferre).


(gagn-, gegn-) lat. per-: gagn-bora (perforare); aber
gagn-væta, gagn-þurka ſind bloße ableitungen von den
adj. gagn-vâtr, gagn-þurr (ſ. 755.).


(heim-) domum,: heim-gânga; heim-ſœkja.


(hiâ-) apud,: hiâ-bægja (praeterire).


(inn-) intro,: inn-blâſa (inſpirare); inn-drecka (im-
bibere); inn-fœra (inferre); inn-gânga (ingredi); inn-
hŷſa (in domum recipere); inn-planta (inſerere); inn-rœta
(radicare); inn-ſettja (inſtituere); inn-taka (occupare);
inn-vefja (involvere) u. a. m.


(mëð-) con-: mëð-deila (communicare) ſchwerlich
alt, ſondern nach dem deutſchen; með-kenna (confiteri);
með-taka (accipere).


(niðr-) deorſum:, niðr-leggja (deſiſtere); niðr-râda
(diſponere); niðr-ſtâga (deſcendere); niðr-þryckja (ſup-
primere).


(of-) wenn dieſe part., wie vor nominibus, die be-
deutung von nimis hat, dann ſcheint ſie, gleich dem
hochd. über- ſ. 871. 877. 885.) den verbis feſt verbun-
den und unfähig ihnen nachzuſtehen, z. b. of-bioda (ſu-
pra modum gravare); of-hlada (nimis onerare). Allein
in der alten poeſie wird of, ſo wie um, mit dem es bei-
nahe wechſelt, häufig anders und in einer ganz gelinden
bedeutung angewendet. Die grammatiker nennen beide:
ausfüllende, nichts ſagende partikeln, vgl. gloſſ. edd. ſæm.
635aof, particula expletiva, nihil ſere ſignificans; 701a
um, vocula expletiva, nihil ſignificans; Raſk §. 546: of
och um fogas oſta till verba, ſåſom expletiva eller em-
fatiſka partiklar, utan att egentligen ändra betydelſen.
Belege gibt jedes blatt der Edda. In der proſa hört die-
[913]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
ſer gebrauch auf. Den altn. dichtern ſtehen alſo zwei
kleine, wohllautende wörter zu gebot, deren ſie ſich,
ſtatt der ihnen abgehenden ahd. ar-, ga-, pi- (ſ. 866. 868.)
mit gleichem erfolg zur ausfüllung und ſchmeidigung des
metrums bedienen können. Ja ſie fügen ſich, wie das ahd.
ga-, zwiſchen verba nnd andere partikeln, z. b. inn of
cominn 64b inn um gêck 136a fram um ſêr 175a ût um
cominn 184b upp um tôk 238a. Als untrennbare altn.
partikeln durfte ich ſie oben nicht aufführen, weil ſie in
lebendiger bedeutung wirklich trennbar, ſogar praepoſi-
tionen ſind und ſelbſt in der gelinden zuweilen, obgleich
ſelten, den verbis nachgeſetzt werden, vgl. die vorhin
ſ. 910. unter 4. mitgetheilten belege. Ob ſich of und um
in allen fällen einander erſetzen können? bezweifle ich,
denn hin und wieder ſcheint of noch den begriff von
über, um den von um oder bei leiſe zu enthalten. Eini-
gemahl folgen mehrere of oder um ſchnell und in einem
athem aufeinander, z. b. 195b um vindr, um vëfr, um
ſëtr; of rêð, of reiſt, of hugði. Im ganzen wird um
häufiger gebraucht als of.


(or-) ex, ich finde in der Edda kein beiſpiel, daß
dieſe part. vor verbis ſtünde, wohl aber ſteht ſie zuwei-
len als adv. nach und wird dann in ôr, ûr verſtärkt,
während die praepoſition or, ur kurzen vocal behält
(vgl. das hochd. in und în, ein): ſkulo þër ſlîta ſionir
ôr 111b; ſkar ûr ſpiotit Yngl. cap. 30. vgl. Biörn ſkëra
ûr þrætum (dirimere lites). Alle compoſita, die Biörn
unter ör- angibt, ſcheinen derivata aus nominibus: ör-
endaz (mori) ör-megnaz (fatiſcere) ör-qviſaz (animo
frangi) ör-vilnaz (deſperare) ör-vænta (idem) aus ör-
endr, ör-megna, ör-qviſi, ör-vili, ör-væni; dagegen kann
das ſtarke ûr-râda (expedire) nicht abgeleitet ſein.


(ſaman-) con-: ſaman-briota (complicare); -draga
(contrahere); -fella (contabulare); -hrûga (contumulare);
-nûa (confricare); -raka (corradere); fioða (concoquere).
Das gleichbedeutige ſam- iſt formell ganz verſchieden
(ſ. 671.) und untrennbar.


(ſundr-) dis-: ſundr-dreifa (diſſipare); -knoſa (conte-
rere).


(til-) ad-,: til-bidja (adorare); til-bûa (parare); til-
greina (diſtinguere); til-leida (perſuadere); til-ſegja (ju-
bere); til-ſkicka (ordinare); til-ſkilja (conditionem ad-
dere); til-ſtofna (procurare); til-tegja (allicere); til-vinna
(merere).


M m m
[914]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.

(um-) circum-,: um-bëra (ferre); um-breyta (mutare);
um-buna (remunerare); um-bœta (emendare); um-faðma
(amplecti); um-flŷa (effugere); um-gânga (circuire); um-
girda (circumſepire); um-rôta (radicitus evellere); um-ſitja
(obſidere); um-ſkëra (circumcidere); um-ſkoða (circumſpi-
cere) 11a; um-ſnûa (vertere); um-þenkja (meditari); um-
ſvifa (providere); um-venda (vertere). Von dem gelinderen
und beweglicheren um iſt vorhin bei of gehandelt worden.


(undr-) ſub-,: undr-bindaz (in ſe recipere); undr-bûa
(praeparare); undr-oka (ſubjugare); undr-ſtanda (intelli-
gere); undr-taka (annuere); undr-troda (ſupplantare);
undr-þryckja (ſubigere); undr-vërþa (ſubigere). Dieſes
undr- ſcheint wirklich componiert und nicht hinter das
verbum treten zu können.


(upp-) ſurſum,: upp-ala (educare); upp-bëra (perci-
pere); -blâſa (inflare); -brenna (igne conſumere); -briota
(effringere); -bœta (reſtaurare); -ëta (depaſcere); -frœda
(erudire); -fœða (educare); -fylla (explere); -gânga (pro-
cedere); -gëſa (remittere); -götva (indagare); -hefja (eri-
gere); -hvetja (incitare); -lâta (aperire); -leggja (propo-
nere); -lëſa (recitare); -leita (quaerere); -lioſta (calum-
niari); -liuga (mentiri); -liuka (aperire); -lŷſa (illuſtrare);
-raka (congerere); -reiſa (erigere); -rënna (oriri); -rîfa
(fricare); -rîſa (reſurgere); -rôta (eradicare); -ſetja (ſub-
ducere); -ſkëra (metere); -ſpana (diſpandere); -ſprëtta
(ſcatere); -ſtappa (confercire); -ſtîga (aſcendere); -taka
(elevare); -telja (enumerare); -tendra (excitare); -vekja
(excitare); -vinna (conſumere) u. a. m.


(ût-) foras, ex-: ût-bëra (efferre); -bleyta (madefa-
cere); -breida (ſpargere); -brynja (armare); -bûa (in-
ſtruere); -bŷta (diſtribuere); -draga (extrahere); -dreifa
(ſpargere); -drîfa (expellere); -graſa (exſculpere); -hluta
(diſtribuere); -hrôpa (proclamare); -hŷſa (interdicere do-
mum); -kaſta (ejicere); -klekja (excudere ova); -leggja
(interpretari); -leida (educere); -mâla (definire); -mæla
(emetiri); -qvîſla (propagare); -rêtta (expedire); -ſauma
(acu pingere); -ſenda (emittere); -ſetja (exponere); -ſkëra
(exſculpere); -ſkîra (explicare); -ſkûfa (repudiare); -ſlökva
(exſtinguere); -ſnara (ejicere); -ſofa (edormire); -ſiuga
(exſugere); -tala (fine m facere loquendo); -troda (conſer-
cire); -þemba (tumef [...]acere); -þenja (diſtendere); -vëga
(expendere); -velja (e igere); -viſa (demonſtrare).


(við-) apud,: við-bëra (praeterire); -bëraz (impediri);
-gëta (mentionem injicere); -halda (conſervare); -kannaz
(agnoſcere); -rêtta (reparare).


[915]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.

(yfir-) ſuper-, trans-: yfir-buga (ſuperare); -döggva
(irrigare); -draga (expungere); -falla (obruere); -ſara
(peragrare); -gëfa (derelinquere); -gnæfa (abundare);
-hânga (imminere); -heyra (examinare); -hilma (occul-
tare); -lëſa (perlegere); -lŷſa (promulgare); -lîta (luſtra-
re); -ſkipa (proponere); -ſkoða (inſpicere, überſchauen);
-ſkyggja (obumbrare); -ſtîga (ſuperare); -tala (convincere);
-taka (comprehendere); -vëga (perpendere); u. a. m. —


VIII) in der kürze müßen noch die übrigen ſpra-
chen erwähnt werden. Das nnl. und mnl. verhält ſich
ungefähr wie das nhd. und mhd., d. h. die trennbarkeit
der partikeln herrſcht vor; in der nnl. ſchreibung pflegt
man, wie im nhd. die unmittelbar vorſtehende part. dem
verbo anzuhängen, z. b. dat ik aanbiede, ophoude, af-
zondere, ebenſo im part. praet. opgenomen, afgezonderd,
aangeduid, bei zwiſchentretendem te hingegen zu tren-
nen, z. b. aan te doen, op te houden, aan te duiden
(richtiger als unſer nhd. anzuthun, aufzuhalten, anzu-
deuten); door-, om-, onder-, over-, weder- componie-
ren ſich wirklich, unter denſelben bedingungen, wie die
nhd. durch-, um-, unter-, über-, wider-; für hinter-,
und neben weder- gelten auf gleiche weiſe achter- und
her-, daher im part. praet. achter-laaten, achter-volgt,
her-vallen, her-vormt (ohne ge-), das te aber vortre-
tend: te herſtellen, te achterlaaten (nicht: her te ſtellen);
ja es ſcheint ſich auch tegen (contra, aus te-jegen) bis-
weilen feſter zu binden, ſo daß die nnl. ſprache einigen
partikeln mehr ihre trennbarkeit entzogen hat, als die
nhd. — Im engl. zeigt ſich der gebrauch und das ver-
hältnis dieſer partikeln ſehr verändert gegen das agſ. So
wie von den ſechs untrennbaren nur vier (a-, be-, for-,
un-) übrig, ge- und to- ausgeſtorben ſind, begeben ſich
von den trennbaren nur noch ſechs in compoſition mit
verbis, nämlich fore, over, out (verſtärkte ſorm für
ut), under, up, with, z. b. fore-caſt, fore-deem, fore-do;
over-come, over-go, over-drink; out-bid, out-dare, out-
do; under-bear, under-bid, under-bind; up-bear, up-
braid, up-bring; with-draw, with-hold, with-ſtand etc.
Sie können in ihrer oft veralteten bedeutung den (meiſt
tranſitiven) verbis nicht nachtreten. Die übrigen par-
tikeln umgekehrt ſtehen, als lebendige adverbia, den ver-
bis in der regel nach, daher keine zuſammenſetzung
denkbar iſt, obgleich ſie oft agſ. compoſitis entſprechen,
z. b. laugh at, go after, do again, get off (verſtärkte form
des of), ſing on, cleave to, come in, read through und ſo
M m m 2
[916]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
in vielen fällen, es können noch andre wörter zwiſchen
treten, z. b. he came ſlowly in. Auch jene ſechs wer-
den in lebhafterer bedeutung (intranſitiven) verbis nach-
geſtellt z. b. go out, riſe up und dann entſpringen, wie
im hochd., unterſchiede zwiſchen under-ſtand und ſtand
under, over-come und come over, out-go und go out.
Ausnahmsweiſe und im poetiſchen ſchwung werden die
uncomponierten partikeln in den eingang des ſatzes ge-
bracht, immer aber, wo ſie das verbum berühren, ge-
trennt davon geſchrieben, z. b. up roſe the gueſt, in he
came etc. Das untergehen ſo vieler agſ. compoſita er-
klärt ſich aus dem eindringen einer menge romaniſcher
mit ad-, circum-, con-, de-, dis-, in-, inter-, ob-, per-,
prae-, pro-, re-, ſur- etc. Dieſe romaniſchen partikeln
find gleichwohl in der regel leblos und vermögen ſich
nicht mit ſächſ. wurzeln zu binden, während jene im
gang gebliebenen ſächſiſchen auch rom. verba ergreifen,
z. b. over-dreß, over-joy, under-mine, under-pin. Doch
componieren ſich zuweilen dis- und re- mit ſächſiſchen,
z. b. dis-burden, dis-like, re-call, re-hear, re-melt.
Die engl. ſprache hat durch ſolche miſchung zweier ele-
mente, welche nachtheile auch ſonſt daraus hervorgehen
mögen, einen reichthum untrennbarer, trennbarer und
bloß nachſetzbarer partikeln gewonnen, worin es ihr
keine andere deutſche oder romaniſche mundart gleich-
thut. — Auch die dän. und ſchwed. partikeln erſcheinen
größtentheils beweglich, die regel ihrer vor- oder nach-
ſetzung ſtimmt aber mehr mit dem altu. überein, als mit
dem hochd. Der inf. zieht die vorſtehende partikel feſter
an und at tritt, ſo viel ich weiß, nie dazwiſchen, z. b.
dän. at an-tände (anzuzünden) at ud-ſätte (auszuſetzen);
ſchwed. att upp-foſtra (aufzuziehen), att fram-föra (fort-
zuführen). In directer rede ſteht zwar die partikel häu-
fig nach, z. b. dän. det ſeer ikke godt ud (das ſieht nicht
gut aus); ſchwed. han gick ut, växte upp (er gieng aus,
wuchs auf); allein ſie kann ſich auch voranſtellen, wo es
im nhd. ungewöhnlich iſt, z. b. dän. fore-gav hun (gab
ſie vor) de af-vexle (ſie wechſeln ab) ned-ſablede (ſäbel-
ten nieder); ſchwed. ut-korade (wählten aus) upp-kommo
(kamen auf). Dagegen folgt ſie im indirecten fall
öfter nach, z. b. dän. gaae op og ned (auf und nieder
gehen) at falde an (anzufallen), obgleich ſie auch, wie
nhd., häufig vorſteht, zuweilen beides nach willkür. Die
nähere erörterung (vgl. Botin §. 124.) fällt der ſyntax
anheim, hier kommt es bloß auf den grundſatz der trenn-
[917]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
barkeit an. Einzelne partikeln für beſondere bedeutun-
gen componieren ſich feſter, namentlich dän. efter-, over-,
under-; ſchwed. efter-, öfver-, under- und dann ent-
ſpringt verſchiedner ſinn z. b. ſchwed. zwiſchen under-
hålla und hålla under (nhd. unter-hálten und únter-hal-
ten). Das dän. paa-, ſchwed. på- in paa-lägge, på-bju-
da etc. entſpricht dem altn. upp-â-leggja und iſt alſo de-
compoſitum.


Anmerkungen über die trennbaren partikeln.

1) untrennbare partikeln zu trennbaren verhalten ſich
einigermaßen wie ableitungen zur compoſition (z. b. zau-
berei zu zauberliſt, agſ. ëopping zu ëoppa’s ſohn) und
leblos werdende, ſcheinbar in das princip der derivation
übertretende zuſ. ſetzungsformeln (wie -thum, -heit)
gleichen den untrennbaren partikeln. Man könnte dieſe
vornhin geſtellte ableitungen nennen oder die ableitungen
ſuffigierte partikeln (vgl. ſ. 752. über ga- und -ag); ich
will hiermit nichts erklären, nur ähnliches vergleichen,
ohne die unähnlichkeit zu verkennen.


2) die trennbarkeit und veränderliche ſtellung der
partikeln beruht auf ihrer lebendigeren bedeutung (ſ. 797.).
Je lebloſer die wörter werden, deſto beſtimmter wird ihre
conſtruction. Nachſetzbare partikeln dieſer art thun da-
her noch den dienſt wirklicher adverbia und nehmen in
der verſchiedenheit der rede den platz ein, welcher an-
dern adverbiis oder ſelbſt nominibus bald vor bald hinter
den verbis gebührt. Daher ſagen wir nhd.: ab laßen, ich
laße ab, daß er ab laße, wie wir ſagen: viel reden, im-
mer lernen, los brennen, wahr nehmen, glück haben;
ich rede viel, lerne immer, brenne los, nehme wahr,
habe glück; daß er viel rede, immer lerne, los brenne,
wahr nehme, glück habe (wie ſchon ſ. 872. bemerkt iſt).


3) ſelbſt bei den wirkliche compoſitîon eingegangnen
partikeln zeigt ſich die urſprüngliche losheit in einer ſyn-
tactiſchen umſtellung. Nämlich intranſitive verba, bei
denen die praepoſition durch, um, über ſteht, wandeln
ſich bisweilen in tranſitiva, ſobald man die praep. zur
bloßen partikel macht und mit den verbis zuſammenſetzt,
die dann den vorher von der praepoſ. abhängigen acc.
ſelbſt regieren. Statt: ich breche durch den damm,
ſchaue durch den nebel, ſchiffe um die welt, ſchreite
über den fluß etc. darf es heißen: ich durchbreche den
[918]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
damm, durchſchaue den nebel, umſchiffe die welt, über-
ſchreite den fluß. Die bedeutung verliert dadurch etwas
an ſinnlichkeit, und die umwandlung wird unzuläßig,
wenn der ſprachgebrauch dem compoſito ſchon einen
noch abſtractern begriff angeeignet hat, z. b. es läßt ſich
nicht ſagen: ich übergehe den berg, für: ich gehe über
d. b. Noch weniger können übliche compoſita mit die-
ſen partikeln gradezu in das tranſitive verbum und die
praepoſ. aufgelöſt werden, z. b. ich durchleſe das buch,
waßer umgibt das land, der eine übertraf den andern
keineswegs in: ich leſe durch d. b., waßer gibt um d.
l., der eine traf ü. d. a. Auch tranſitiva mit unter- ver-
weigern ſich der umſtellung, da es ganz etwas anderes
iſt zu ſagen: ich unterſchreibe die bitte, als: ich ſchreibe
unter die bitte; compoſita mit hinter- und wider-, in
denen intranſitive bedeutung vorherrſcht, ſind vollends
untauglich dazu. Allein in der älteren ſprache waren
noch bei andern partikeln umtauſchungen thunlich, die
jetzt veraltet ſind. Graff hat ſie ſ. 89-91. im ahd. nicht
bloß für durah, ubar, umpi nachgewieſen, ſondern auch
für ana, hintar, in, oba, vora, vuri, welches eine
wichtige beſtätigung der annahme iſt, daß im ahd. dieſe
partikeln feſter an den verbis haften, daher ſchon im
mhd. die umſtellungen beinahe wegfallen. Je freier und
vieldeutiger die partikel, deſto weniger ſtellt ſie ſich in
die praep. um, z. b. den kopf auffallen hat völlig ver-
ſchiednen ſinn von: auf den kopf fallen.


4) mitunter kann es zweifelhaft ſein, ob man die loſe
partikel auf das verbum oder auf das dara, dâr, huara,
huâr beziehen will, welche oft unmittelbar im ſatz da-
neben (Graff ſ. 285-288.) oft aber durch andere wörter
davon getrennt ſtehen, z. b. in den ſ. 890. 891. ange-
führten: thâr baldo ana ſizen; dâr diu driu ana ſint; thâr
her ana lag T. 54, 8; dâ ſint ouh mite W. 4, 14. etc.
Im altn. gehört die den verbis unmittelbar vorſtehende
partikel häufig zu einem vorausgegangnen er und es iſt
alsdann keine compoſition vorhanden, daher auch at oder
auxiliaria zwiſchen partikel und verbum treten. Beiſpiele
gibt Raſk §. 414. 449. und fürs agſ. p. 102. So kann
unſer nhd. ich widerſtrebe, durchbreche zuweilen gleich-
viel ſein mit: ich ſtrebe dawider, breche dadurch,
hindurch.


5) zuſammengeſetzte nomina rechtfertigen keinen
ſchluß auf die compoſition entſprechender verba mit der
gleichen partikel. Denn ſelbſt wo eine der ſechs compo-
[919]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
nierbaren mit dem verbo wirklich verbunden wird, iſt
noch im nhd. die betonung für beide fälle verſchieden.
vgl. z. b. úmſáng (complexus) únterhált (vitae ſuftentio)
mit umfángen (complecti) unterhálten (v. ſuſtentare),
Jede dieſer zuſ. ſetzungen muß daher ſelbſtändig für ſich
entſprungen ſein, kein ableitungsmittel liegt dazwiſchen.
Folglich darf auch nicht von anblick, niedergang, zu-
tritt etc. auf anblicken, niedergehen, zutreten geſchloßen
werden, wiewohl hier die betonung gleich iſt. Etwas
anderes iſt, wenn eine derivation in der mitte liegt:


α) aus componierten verbis abgeleitete nomina behal-
ten noch heutzutage gänzlich die geringere betonung der
partikel, die vor den verbis ſtattfindet, vgl. übertrétung,
umármung mit übertréten, umármen. Aus verbis, die
ſich nur unvollſtändig componieren, dürfen gleichwohl
nomina geleitet werden (z. b. anſtellung, abſendung, vor-
ſtellung, zurüſtung etc.) ſei nun dabei auf den inf. oder
auf andere fälle, wo die partikel vorſteht, rückſicht ge-
nommen. Dieſer gegenſtand bedarf noch weiterer nach-
forſchung, weil es ableitungen gibt, die an ſich, beides
zu nomiuibus und verbis treten können (ſ. 704.) und nur
bisweilen in der früheren ſprache die form der partikel
entſcheidet. Im ahd. z. b. ſtehet ap-, wenn das zweite wort
ein nomen iſt, apa hingegen vor verbis (ſ. 708.), folglich
iſt das adj. abe-lâge (torpens) N. Cap. 29. auf das ver-
bum abe ligen (torpere) zurückzuführen, nicht anzuneh-
men, daß die partikel zu einem einfachen (unerweiſli-
lichen) adj. lâge getreten ſei. Sind alle mhd. abe- (ſ. 709.)
ſo anzuſehen? Widar-winno (hoſtis) kann wirklich auf
doppelte weiſe gedacht werden, entw. als ableitung von
widar-winnan, oder als verbindung der partikel mit dem
(nicht unwahrſcheinlichen) nomen winno (agſ. vinna, bel-
lator); im erſten fall iſt es ſchwächer, im zweiten ſtärker
accentuiert.


β) aus componierten nominibus geleîtete verba ſind
wirkliche, untrennbare compoſita, wenn ſie ſchon eine
part. enthalten, die ſich mit verbis ſelbſt nur unvollſtän-
dig zuſ. ſetzt. Sie haben daher auch ganz den accent,
welcher der part. vor dem nomen zuſteht. Tritt ihnen
ge- im part. praet. oder ſonſt hinzu, ſo hat es ſeine ſtelle
vor der partikel. Es gibt nhd. nur wenige ſolcher verba.
Ein mhd. beiſpiel iſt ſunder-ſprâchen Nib. 6932. Gudr.
22b 46b. Beiſpiele aus dem ahd.: ana-gangôn (initium
facere) N. Cap. 51. ana-gangerôn (verſare) Bth. 195;
ana-brëchôn (reprehendere) O. IV. 19, 128. mohtin gi-
[920]III. partikelcomp. — trennb. part. mit verb.
ana-brëchôn V. 20, 193. von einem mir unbekannten no-
men (vielleicht zu ſchreiben ana-brechôn?); ana-vallôn
N. Bth. 35; ana-vartôn (impetum facere) N. Bth. 21;
ana-friſtôn N. 71, 4; ka-cagan-wërton (repraeſentare)
hrab. 973b; upar-meginôn (ſuperare) von upar-megin;
untar-ſceitôn von untar-ſceit, ge-under-ſkeitôta N. Bth.
36; fora-bodôn, chi-fora-bodôt J. 347. 348. 403; furi-
hullôn von furi-hulli, ge-fure-hullôt (obtectus vultu) N.
Cap. 103; furi-fangôt (anticipat) hrab. 953a; furi-vangô-
tun doc. 240b ge-vure-vangôſt N. Cap. 116; wider-më-
Ʒôn von wider-mëƷ, ge-wider-mëƷôt N. Cap. 94. u. a. m.
Einzelne können inzwiſchen, falls ſich einfache ſchwache
verba nachweiſen laßen, und kein ge- vortritt, die par-
tikel mit den verbis ſelbſt mehr oder minder vollſtändig
verbunden haben.


6) die unſtätigkeit der meiſten partikeln in der ver-
bindung mit verbis iſt eine auffallende aber werthvolle
eigenheit deutſcher zunge. Phraſen wie: der tag bricht
an, das licht geht aus, der tiſch fällt um, I am out, ’tis
over und eine menge ähnlicher ſind andern ſprachen
ganz unbekannt, oder ſeltne figuren. Die lat. und ſlav.
partikeln, die als praepoſitionen getrennt neben ihrem
caſus ſtehen, haften als adverbia untrennbar vorne an
den verbis, zu welchen ſie gehören und bilden lauter
(uneigentliche) compoſita. Einzelne dichteriſche ausnah-
men wie ſuper unus eram, nihil erat ſuper, circum dea
fudit (Aen. 1, 412.) ſtatt ſupereram unus, nihil ſupererat,
circumfudit beweiſen nur die möglichkeit und urſprüng-
lichkeit der trennung. Begreiflich iſt auch in dieſen
ſprachen die zahl der völlig untrennbaren, d. h. als
praepoſitionen erloſchenen, partikeln größer als bei uns;
und in den romaniſchen mundarten, z. b. im franzöſ.
haben beinahe alle partikeln, mit denen verba zuſ. ge-
ſetzt werden, ihre ſelbſtändigkeit, meiſtentheils ihre wahre
geſtalt eingebüßt. In der älteren griechiſchen ſprache,
voraus der homeriſchen, haben dagegen die partikeln
eine in der proſa nachher wieder aufgegebene, der deut-
ſchen conſtruction vergleichbare, freiere ſtellung, wie es
Buttmann (kl. gramm. §. 134. anm. 8.) vortrefflich ent-
wickelt *). Eine andere wichtige übereinkunft mit der
[921]III. partikelcomp. — allgem. bemerkungen.
deutſchen einrichtung erkenne ich in zwiſchenſchiebung
oder vorausſtellung des augments bei zuſammenſetzungen
(Buttm. §. 86.). Die augmentierten tempora ſchalten
nämlich ε- zwiſchen das verbum und die damit ver-
bundne partikel ein (ἀπο-δύω, ἀπ-έ-δυσα; συλ-λέγω,
συν-έ-λεγον; προσ-φέρω
, προσ-έ-φερον); ſetzen es aber
voran, ſobald das verbum von einem (eigentlich oder
uneigentlich componierten) nomen abgeleitet iſt (οἰκο-δο-
μέω
, ᾠκο-δόμησα; μελο-ποιέω, ἐ-μελο-ποίουν; δυσ-τυχέω,
ἐ-δυσ-τύχησα
); wie im deutſchen das (ſ. 869. dem aug-
ment verglichene) ge- entweder dazwiſchen (an-ſchlagen,
an-ge-ſchlagen) oder vorantritt (rath-ſchlagen, ge-rath-
ſchlagt).


Allgemeine bemerkungen zu §. 4. überhaupt.

1) es iſt der wahrnehmung werth, daß keine einzige
der hier verhandelten, in allen deutſchen mundarten
mächtigen und geläufigen partikeln auf l oder r anlautet.
Wenige beginnen mit m und n (miti, nâh); viele voca-
liſch und mit mutis. Der griech. lat. ſlav. lett. ſprach-
ſtamm kennt ebenfalls keine ſolche partikel auf l, der
griech. auch nicht auf r, wogegen r in den übrigen
auftritt (lat. re-, ſlav. raz- etc.). Das nhd. aus dem zuſ.
geſetzten zurück verderbte rück- gibt keine wahre aus-
nahme an hand. Da nun auch l und r im ablaut ſchwie-
rig und ſelten ſind (1, 1035. 1036.), in den deutſchen
flexionen gar nicht mitwirken (nämlich das ſpäter häu-
fige r auf organiſches s zurückzuführen iſt); ſo ſcheinen
ihnen, aus einem gewis tief liegenden grunde, in unſerer
ſprache, die biegende und verbindende kraft entzogen,
wofür fie in der ableitung eine deſto bedeutendere aus-
üben (ſ. 390.).


2) das lebloswerden der zuſammenſetzung eingehen-
den partikeln hat den verfall des tons zur folge, ſo wie
er in flexionen und ableitungen ausſtirbt. Die nähern
verhältniſſe und abſtufungen von der erſten ſchwächung
bis zur völligen erlöſchung des tons laßen ſich nur ſehr
ſchwierig und für die älteſte ſprache, wenn es an metri-
ſchen denkmählern gebricht, gar nicht ſicher angeben.
Darf aus der analogie der lebenden ſprache zurückge-
ſchloßen werden, ſo beginnt der ton überall zuerſt in
den vor verbis untrennbar gewordnen partikeln abzu-
nehmen; nächſtdem auch vor nominibus, wiewohl ſchwan-
[922]III. partikelcomp. — allgem. bemerkungen.
kend und ungleich bei ent- (ſ. 716.) be- (ſ. 718.) ver-
(ſ. 725.) und ge- (ſ. 734.). Sitzen bleibt er aber in allen
partikeln, die ſich mit verbis nur unvollſtändig binden,
ſo wie in den übrigen, wenn ſchon wirklich an nomina
gefeßelten. Dies begründet einen unterſchied in der ac-
centuierung derſelben partikeln, je nachdem ſie mit einem
nomen oder verbum componiert ſind. Alle ableitungen
behalten den ton des componierten wortes aus dem ſie
gebildet ſind, ſeien fie ſelbſt nomina oder verba (ſ. 919.).
Eben das gilt von unorganiſchen bildungen der ſpäteren
ſprache, die ohne ableitungsmittel entſpringen, z. b. alle
nhd. ſubſt. mit er- (er-weis, er-folg etc.) ſind nach ver-
bis (er-weiſen, er-folgen) formiert und haben unbetonte
partikel, da ſich mit ſubſt. im hochd. kein er- componiert.
Ich habe ſ. 734. note, die vermuthung gewagt, daß das
kurze a ein kennzeichen der betonung, gleichſam der
geſundheit aller partikeln abgebe, ſo wie das ſpätere,
man weiß nicht, ob aus a oder i entſtellte e (nicht das
frühere ë vor r, = goth. aí) untergang des tons ver-
räth. Dieſe vocalverdünnung ſcheint den gegenſatz einer
gleichunorganiſchen verdickung für den betonten fall her-
vorgerufen zu haben (ahd. pî, în, zuo = goth. bi, in.
du). Uebrigens hat im nhd., wo die betonung in allein-
ſtehenden partikeln gewöhnlich den kurzen vocal ver-
dirbt (hêr, hîn, vôr, wohl; ſtatt hër, hin, vor, wol) die
zuſ. ſetzung ihn zuweilen erhalten, vgl. vor-theil (ſ. 728.)
ur-theil (ſ. 790.) wol-luſt (ſ. 794.) und ebenſo hin-gang,
ab-gang, ab-kunft, ob-dach, in-land, un-ſchuld, un-
glück etc. freilich neben hêr-gang, hêr-kunft, vôr-gang,
vôr-zug, ûr-alt, ûr-bild, wohl-leben etc. Zwiſchen an-
tritt und ân-tritt etc. ſchwankt die heutige ausſprache.


3) daß alle mit verbis wirklich zuſammenſetzbaren
partikeln zugleich praepoſitionen ſind oder waren, iſt ſ.
698. 699. 866. geſagt worden; es ſcheint auch von eini-
gen behauptet werden zu müßen, die unzertrennlich vor
nominibus ſtehen, z. b. un- und uo-, nicht von allen,
z. b. nicht von tus- (zur-), geſchweige von ſolchen, die
außerdem auch getrennt gebraucht werden z. b. váila.


4) verzeichniſſe nach dem zweiten wort, wie bei der
eigentlichen ſubſt. und adj. zuſammenſetzung, aufzuſtellen
ſchien bei der partikelcompoſition weder thunlich noch
nöthig. Doch werden folgende formen, die, da ſie lauter
nomina betreffen, lieber gleich ſ. 796. hätten mitgetheilt
werden ſollen, brauchbar, aber vielfach zu vermehren
ſein; ahd. gi-chôſi (eloquium) â-chôſi (delirium) aftar-chôſi
[923]III. partikelcomp. — allgem. bemerkungen.
(calumnia) hindar-chôſi (calumnia). — goth. ga-qvumþs
(concilium) ahd. aſtar-chunft, nhd. ab-kunft, an-kunft
aus-kunft, her-kunft, nieder-kunft, rück-kunft, zuſam-
men-kunft, zwiſchen-kunft. — ahd. â-chuſt, ar-chuſt,
un-chuſt, un-kuſt O. I. 2, 61. 17, 80. — nhd. ab-gang,
an-gang, mhd. ane-ganc, auf-gang, aus-gang, ein-gang,
her-gang, heim-gang, hin-gang, nieder-gang, über-gang,
unter-gang. — ahd. ant-heiƷ, ka-heiƷ, ur-heiƷ, pi-heiƷ,
altn. fram-heit. — goth. fra-lêts, mhd. ab-lâƷ, ant-lâƷ,
ge-lâƷ, under-lâƷ, ûƷ-lâƷ, nhd. an-laß, ge-laß, ab-laß. —
leita (conductio vgl. oben ſ. 502. und die bedeutung exſe-
quiae, funus jun. 148. 203. 205.) mhd. în-leite, ûƷ-leite
(ahd. ûƷ-laiti, exſequiae doc. 242a). — ahd. â-ſprâhha,
avar-ſprâhha, aſtar-ſprâhha, ana-ſprâhha, pi-ſprâhha,
hintar-ſprâhha. — ahd. â-ſuih (fraus) pi-ſuih (dolus). —
mhd. ge-ſinde, in-ge-ſinde, ûƷ-ge-ſinde. — mhd. her-
vart, hin-vart, în-vart, ûƷ-vart, wider-vart. — ahd.
ana-wân, pi-wân, zur-wân, alle drei ſuſpicio (vgl. nhd.
arg-wohn), un-wân das ungehoffte, ur-wân (deſpera-
tio). — ahd. â-wicgi, ur-wicgi beide invium, gi-wicgi
(compita), vgl. das goth. adv. fram-vigis (vorwärts). —
ahd. wiſt (ſubſtantia) N. 88, 48. ſonſt auch manſio, ſtipen-
dium, cibus, natura (vgl. nhd. weſen): ana-wiſt, heim-
wiſt (patria), hër-wiſt (manſio) Ludw. 19; miti-wiſt
(conſortium); nâh-wiſt (praeſentia), ſam-wiſt J. 404, ſa-
man-wiſt, (commercium) monſ. 378. ſamant-wiſt (coetus)
wirceb. 978b; agſ. gegador-viſt (contubernium), ofer-viſt
(guloſitas); altn. hêr-viſt (vita), ûti-viſt (iter), þar-viſt
(manſio ibi); bei heim- und nâh- könnte auch eigentliche
compoſ. walten, daher ich die bildungen ſ. 460. 637. 762.
aufführe, vgl. chorne-wiſt (frumentum) N. 80, 17. und
chorn-chunni (oben ſ. 501.) — altn. af-hallr (declivis),
agſ. þider-hëalð (iſtuc vergens) ahd. uf-hald (ſurſum v.)
nidar-hald (pronus), uo-hald (retro v.) fram-hald (pro-
nus). — hëra-baƷ (propius) vgl. oben ſ. 757. hina-baƷ
(ultra), altn. innar-betr (interius) yfir-betr (ulterius) mhd.
nider-baƷ oben ſ. 763., für-baƷ Triſt. — agſ. and-fëax
(calvus) mhd. ant-vahs; up-fëax (recalvus) vgl. mhd.
val-vahs (ſ. 667.). — ahd. funs, agſ. fûs (cupidus eundi)
ahd. hëra-funs; agſ. ellor-fûs (peregre eundi c.) Cädm.
35. 52. hin-fûs Beov. 59. ſuðan-fûs Beov. 148. ût-fûs
Beov. 5; altn. fram-ſûs (audax) hvar-fûs (ubicunque va-
gus) edd. ſæm. 226b vgl. oben ſ. 581. not.


[924]III. decompoſita.

§. 5. Decompoſita (ſ. 410.).


Mehrfache zuſammenſetzung iſt vorhanden, wenn über
zwei wörter miteinander verbunden ſind. Der gewöhn-
liche fall iſt die compoſition von dreien; die von vieren
iſt nicht zahlreich, die von fünfen gehört zu den ſelten-
heiten.


I. drei wörter zuſammengeſetzt. Die doppelte com-
poſition geſchieht kaum zu gleicher zeit, ſondern es ſind
ſchon zwei wörter früher miteinander verbunden, denen
ſich hernach das dritte beigeſellt. Bloß von einigen be-
ſchreibenden farbenzuſammenſtellungen, z. b. die roth-
blau-weiße cocarde ließe ſich ſagen, daß ſie auf einmahl
gebildet ſeien; es iſt aber auch mehr appoſition, als com-
poſition. In der regel tritt nun entw. ein einfaches wort
zu einem compoſito (gold-bergwerk, zell-gewebe) oder
ein compoſitum zum einfachen (erdbeer-ſtrauch, gewinn-
ſucht). Mit hinſicht auf die zuſammenſetzungsweiſe ſelbſt
find entw. beide compoſitionen eigentlich (feder-meßer-
ſtiel) oder beide uneigentlich (bundes-tags-ſitzung) oder
die eine eigentlich, die andere uneigentlich (kuh-pocken-
impfung).


1) decompoſita, beidemahl eigentlich; hier liegt der
bindungsvocal zweimahl zu grunde und müſte in der äl-
teſten ſprache zweimahl erſcheinen, etwa in hova-bota-
ſcaf, hova-taga-dinc, allein dieſe beiſpiele ſind erfunden,
ich weiß keine zu belegen. Die goth. ſprache liefert
überhaupt kein ſolches decompoſitum und die ahd.
wenige.


α) ſimplex und compoſitum: ahd. poum-wërah-mei-
ſtar (abietarius) monſ. 321. eigentlich faber lignarius, vgl.
wërc-meiſtar (faber) T. 78. trev. 42b; mhd. kar-frî-tac Parc.
108c; nhd. gold-berg-werk, kirſch-lor-beer, hof-ſilber-
ſchmid, hof-mar-ſchall, hof-küchen-meiſter, ſtadt-vieh-hirt,
ſtadt-bau-meiſter, rhein-ſchif-fahrt; hierher auch die adj.
verſtärkungen wie funkel-nagel-neu, ſplitter-faſel-nackt etc.


β) compoſitum und ſimplex; dieſer gibt es weit meh-
rere: ahd. ê-wart-tuam (ſacerdotium) K. 55b; heri-ginôƷ-
ſcaf (contubernium); puoh-ſtap-zîla (chirographum) hrab.
965b; wî-rouh-faƷ monſ. 331; ſuoƷ-ſtanch-përg (liba-
nus) N. 91, 13; ſito-vang-irre (ſchiſmaticus) N. 22, 4;
manac-falt-lîh, gota-chund-lîh (divinus), kipûr-ſcaf-lîh
(domeſticus) ker. 48. und ähnliche adj. Mhd. krân-wit-
ſtûde (juniperus) Rud. weltchr.; blî-ërz-bërc Frib. Triſt.
Nhd. heidel-beer-ſtaude; holz-apfel-baum, kern-obſt-baum,
[925]III. decompoſita.
maul-beer-baum; butter-milch-faß, brant-wein-faß; win-
ter-land-ſchaft, hof-diener-ſchaft, land-ſtand-ſchaft; du-
del-ſack-pfeifer; treib-haus-wärme; nuß-baum-holz; geiß-
blatt-laube; ſchorn-ſtein-feger, rauch-fang-kehrer; hand-
ſchuh-macher; ſchuh-macher-meiſter; ſchnell-wag-balke;
her-berg-vater; reh-bock-leder; feder-wild-bret, roth-
wild-bret; groß-her-zog u. a. m.


Anmerkung: zwiſchen beiden arten findet im nhd.
ein unterſchied in der betonung ſtatt, nämlich die unter
α. accentuieren das mittlere wort ſtärker, die unter β. gerin-
ger; man vgl. ſtádt-vìeh-hírt (viehhirt im dienſte der ſtadt)
mit féder-víeh-hírt (der das federvieh hütet) oder góld-
bérg-wérk mit góld-bèrg-réiſe (reiſe in den goldberg); góld-
fínger-ríng mit góld-fìnger-ríng. Hängt hiermit zuſammen,
daß es ahd. puoh-ſtap-zîla und nicht puoh-ſtapa-zîla heißt?


2) gemiſchte decompoſita; von den übrigen uneigentli-
chen ſondere ich die partikelcompoſita.


a) nomina, das erſte eigentlich, das zweite uneigent-
lich componiert, und wiederum


α) ſimplex und compoſitum, ein ſeltner fall, z. b.
nhd. grenz-wirts-haus (das wirtshaus an der grenze)
land-brunnen-meiſter (der brunnenmeiſter für das land);
aus der frühern ſprache gar keine beiſpiele, eben weil
die uneigentlichen compoſita zu wenig befeſtigt ſind, als
daß ſie ſich vornen eigentlich zuſammenſetzen könnten.


β) compoſitum und ſimplex; nhd. abend-ſonnen-ſtrahl,
winter-ſonnen-ſchein, buch-finken-neſt, turtel-tauben-ſeuf-
zer, nachti-gallen-ſchlag, hand-werks-mann, vater-lands-
liebe, land-friedens-bruch, kuh-blattern-impfung u. a. m., die
zu beurtheilen ſind wie ſonnen-ſtrahl, finken-neſt, friedens-
bruch, es tritt nur in der eigentlichen compoſition die
nähere beſtimmung hinzu. Die ältere ſprache kennt
ſolche decompoſita noch nicht, ſondern das erſte eigent-
liche comp. ſteht im gen. frei voraus, z. b. mhd. âbent-
ſunnen ſchîn MS. 2, 135a minne-mangels nôt Parc. 52c
(oder auch minne mangels nôt) her-berge ſtat Parc. 162a
ſporn-gruoƷes pîn Parc. 42a eiter-wolves zan Parc. 61b.


Anmerkung: auch hier im nhd. der vorhin gezeigte
unterſchied der betonung: wirts in grenzwirtshaus iſt
ſtärker betont, als werks in handwerksmann. Zuweilen
aber mag zweifelhaft ſein, wohin das decomp. gehört,
unter α oder β, z. b. abendſonnenſchein bedeutet entw.
ſonnenſchein am abend oder ſchein der abendſonne und
in dieſem fall hat ſonnen einen geringern accent. So
könnte auch unter grenzwirtshaus das haus des grenz-
[926]III. decompoſita.
wirts gemeint werden, und dann bekommt wirts den ac-
cent von werks.


b) nomina, das erſte uneigentlich componiert, das
zweite eigentlich,


α) ſimplex und compoſitum; nhd. eſels-kinn-backen,
reichs-hof-rath, reichs-feld-herr, landes-herr-ſchaft, lan-
des-haupt-mann, himmels-ſchlüßel-meiſter, teufels-fuß-
tritt, kriegs-ſchau-platz, ſtimmen-mehr-heit u. a. m. Frü-
her ſteht der gen. ungebunden z. b. ſwînes rücke-hâr Parc.
75c, doch könnte er gebunden ſein in dem nom. pr.
katzen-elnbogen MS. 1, 127a vgl. eln-bogen, ellen-bogen
MS. 1, 102a. Los im ahd. ſunnûn ſëdal-ganc (ſolis occa-
ſus) oder im mhd.: des alters tage-menege (Rud. weltchr.).


β) compoſitum und ſimplex; nhd. gänfe-leber-pa-
ſtete, namens-vetter-ſchaft, todten-hof-mauer, todten-
ſarg-träger, wirts-haus-garten u. dgl.; ältere beiſpiele fehlen.


Anmerkung: der accent des zweiten worts wie bei 1.
und bei 2, a.


c) uneigentliche partikelcompoſition neben eigentlicher
nominalcompoſition; zwei fälle,


α) die partikel in der mitte, d. h. das eigentlich
componiert werdende nomen an der ſpitze. Solcher de-
compoſita gewährt ſchon die alte ſprache; das mit der
part. zuſammengeſetzte nomen wird wie ein einfaches
behandelt und eigentlich componiert. Hauptſächlich
kommt hier die part. ga- in betracht: goth. aglϡit-ga-
ſtalds; ahd. hûs-ki-nôƷ, horn-gi-bruader, heri-ki-rit (equi-
tatus) jun. 203. liut-ke-ſemini jun. 199; altſ. muod-gi-
thâht, brioſt-gi-thâht, hëlm-gi-troſtëo; agſ. vuldor-ge-
ſtëald, lîf-ge-ſcëaft, botl-ge-ſtrëón, folc-ge-môt, bëód-
ge-neát, hond-ge-mæne; mhd. her-ge-nôƷ, ſwërt-ge-nôƷ,
hûs-ge-nôƷ, houbet-ge-want, bein-ge-want, hant-ge-
tât, ſchilt-ge-ſpenge, pfert-ge-reite, hove-ge-ſinde, kiel-
ge-ſinde, tôt-ge-var; nhd. zell-ge-webe, tiſch-ge-noß,
ſchlaf-ge-ſell, hand-ge-mein, angſt-ge-ſchrei und viele
ähnliche. Das ge- kann hier in der regel vor dem letz-
ten nomen gar nicht entbehrt werden und bloß die nord.
mundart, der es gebricht, hat keine ſolche decompoſita.
Seltner nimmt bi- die mitte ein; ahd. lant-bi-kengëo
hrab. 967a accar-bi-gengiro T. 161, 1; agſ. ëorð-be-genga,
land-be-genga; nhd. grund-be-griff, haupt-be-weis, that-
be-ſtand und dgl. Andere partikeln an dieſer ſtelle zeigt
wohl nur die heutige ſprache und meiſt ſind die compo-
ſita von verbis abgeleitet, z. b. erb-ver-brüderung,
pflicht-ver-letzung, pflicht-über-treter, kreuz-ab-nahme,
[927]III. decompoſita.
blitz-ab-leiter, dienſt-ent-laßung, haupt-an-ſiedelung, feind-
aus-treiber u. a. m.


β) die partikel vorn, und zwar wiederum entw. ſim-
plex und compoſitum (d. h. ſo, daß die partikel zu einem
bereits vorhandnen eigentlichen comp. tritt): hierher ge-
hört vorzüglich die zuſammenſetzung mit dem privativen
un-, ſchon in der älteſten ſprache, z. b. goth. un-handu-
vaúrhts (non manu factus); ahd. un-dôt-heit (immortali-
tas) N. 37, 5. un-lida-weih (inexplicabilis) hrab. 967b un-ſca-
ma-haft ker. 172. un-mana-lômi, un-mana-heitîc (immanis)
ker. 158; mhd. un-ende-haft, un-wandel-bære; nhd. un-räth-
lich, un-ſterb-lich, un-glaub-haft, un-wandel-bar etc.;
ſchwerlich ſteht eine andere partikel auf dieſe weiſe,
außer im nhd. vor zuſammengeſetzten verbis und deren
ableitungen, z. b. be-rath-ſchlagen, be-rath-ſchlagung,
ver-hand-reichen, ver-hand-reichung. Oder compoſitum
und ſimplex, d. h. ein mit der partikel bereits verbund-
nes nomen bindet ſich aufs neue und eigentlich mit ei-
nem andern, z. b. ahd. ca-nôƷ-ſcaf ker. 9. widar-mëƷ-
gëba (repenſatio) hrab. 964a ca-zëlt-ſtëcho (paxillus) hrab.
971b un-nuzi-trago (nugigerulus) hrab. 965a be-neim-ſcrift
(teſtamentum) N. 49, 5; mhd. ur-ſprunc-brunne Barl.
ge-fuoc-heit, ge-ſelle-ſchaft; nhd. ge-winn-ſucht, ge-walt-
haber, be-reit-ſchaft, ver-ſatz-brief, em-pfang-ſchein,
ver-wandt-ſchaft, ver-nunft-ſchluß, unter-ſchied-lich,
un-wahr-heit und viele ähnliche. Das zweite wort wird
im letzten fall wieder ſchwächer accentuiert, als im er-
ſten, vgl. z. b. un-wahr-heit mit un-glaub-haft.


3) decompoſita beidemahl uneigentlich,


a) nomina miteinander: nhd. bundes-tags-ſitzung,
reichs-fahnen-träger, reichs-tags-ſchluß, manns-hemds-
ermel und dergleichen, die man wohl bilden kann, die
aber nicht ſehr gebräuchlich ſind. In der frühern ſprache
iſt an keine ſolche zuſammenſetzung zu denken, die ge-
nitive ſtehen ſich ungebunden zur ſeite z. b. mhd. wîbes
ougen ſueƷe, wîbes hërzen ſuht Parc. 2a ërden wunſches
ſolt Parc. 76b (vgl. ërden wunſches überwal 56c) frou-
wen lônes laƷ Parc. 80c der minnen gëltes lôn Parc. 6a
der gotes gnâden tou Barl. 350, 40. gotes muomen barn
muſ. 2, 43. daƷ Etzeln vîende wueten kl. 3087. oder ahd.
thaƷ gotes hûſes lachan O. IV. 33, 66. wintes brûtî lê-
wes O. V. 19, 54. höchſtens dürfte in einigen dieſer bei-
ſpiele zwiſchen den beiden vordern genitiven ein nähe-
res band angenommen werden (gotes-muomen barn,
wintes-brûtî lê). Auffallend iſt das nhd. mutter-gottes-
[928]III. decompoſita.
bild, nämlich wir ſagen auch im nom. etc. mutter-gottes,
der nachgeſetzte genitiv hat ſich hier ausnahmsweiſe mit
dem ohnehin im ſg. unveränderlichen mutter componiert.


b) nomen und partikel, z. b. nhd. lebens-be-ſchrei-
bung, ſonnen-unter-gang, frühlings-an-fang, reichs-ab-
ſchied, landes-ver-ordnung, kriegs-er-klärung, bluts-ver-
wandt, rechts-wohl-that und eine menge ähnlicher; eben-
ſo mit vorſtehender partikel: ab-ſchieds-tag, ge-richts-
herr, vor-raths-kammer etc.; mhd. und ahd. geht der
gen. ungebunden voraus, ſei nun die partikel ihm oder
dem regierenden nomen anhaftend.


c) zwei partikeln hintereinander; dieſer ſchon in der
alten ſprache häufige fall fordert genauere abhandlung.


α) vor nominibus treffe ich ſie gleichwohl im goth.
noch gar nicht an; wenn man auch dis in du-us auflöſen
darf, ſo iſt dis-taheins (diſperſio) Joh. 7, 35. nichts als
bloße ableitung von dis-tahjan (vgl. ſ. 724.) und uf-ga-
kunþs hat ſonſt bedenken (ſ. 771.). Im ahd. tritt vor
compoſita mit gi- zuweilen eine weitere partikel, vgl.
ana-ga-trip (impulſus) emm. 405. upar-ca-huct (ſuperſtitio)
upar-ca-noac (ſ. 772.) nâh-ki-pûr (finitimus), nicht aber
vermag gi-, oder gar â-, pi-, fir-, vor eine andere par-
tikel zu treten, neuer grund zur verwerfung von â-p-
anſt (ſ. 705.) g-â-ſcrecchi (ſ. 706.) g-ana-erbo (ſ. 753.)
und zur annahme von ap-anſt (ſ. 708.) gâ-ſcrecchi, gan-
erbo. Decompoſita mit den übrigen partikeln fehlen,
abgeſehen von un-, das (wie in allen dialecten) vor com-
ponierte, wie vor einfache nomina tritt: un-ana-ſihtig
N. Cap. 162. (mehr beiſpiele ſ. 779.). Agſ. vor ge-: and-
ge-lôma (ſ. 715.) ofer-ge-dyre (ſuperliminare) ofer-ge-
vëorc (opus ſupernnm) ofer-ge-nyhtſum (ſuperabundans).
Mhd. vor ge- und ver-: an-ge-ſiht, in-ge-ſinde, ûƷ-ge-
ſinde, über-ge-nôƷ, zuo-ver-ſiht. Nhd. vor unbetonten
ge-, be-, ver-, ent-: ab-ge-ſang, ab-g-unſt, aber-g-laube,
an-ge-binde, an-ge-nehm, an-ge-ſicht, aus-ge-burt, bei-
ge-ſchmack, nach-ge-ſchmack, nach-ge-burt, vor-ge-
birg, vor-ge-fühl, über-ge-nug, zu-ge-müs, wieder-ge-
burt; an-be-ginn, an-be-tracht, vor-be-richt, vor-be-halt,
in-be-griff; zu-ver-ſicht, nach-ver-luſt; auf-ent-halt u.
a. m. Selten, wenn die zweite partikel lebendiger und
betont iſt: mit-vor-mund.


β) vor verbis; hier iſt zweierlei zu unterſcheiden 1)
die vier untrennbaren be-, er-, ge-, ver- (nicht aber
ent-, zer-) können die vorderſtelle einnehmen, wenn
verba aus componierten nominibus gebildet werden.
[929]III. decompoſita.
Folglich lauter ſchwache verba. Kein goth. beiſpiel, man
müſte denn ga-ga-máinjan (vgl. ſ. 838.) rechtfertigen. Ahd.
g-â-wiccôn (exorbitare) monſ. 376. ki-ant-heiƷôn ker.
175. ge-ant-wurten N. Bth. 247. ki-pi-heiƷôn (conjurare)
jun. 191. ki-un-frewan jun. 195. ki-un-ſtillên (quieſcere)
K. 47a ke-um-muaƷôn K. 48a gi-um-magên (dejici) monſ.
324. ge-under-ſkeitôn N. Bth. 36. chi-ſora-bodôn (praenun-
tiare) J. ge-vure-vangôn N. Bth. 270; pi-un-chuſkan (con-
taminare) ker. 264; ir-un-ganzên (emarceſcere) monſ. 342.
vielleicht er-ur-erban (exheredare) K. 17a (oben ſ. 830.) in
dem ſich die doppelte anwendung derſelben partikel etwa
wie im goth. ga-ga-máinjan verhalten könnte? Unvollſtän-
dig ſind alle belege, die bloß das ge- im part. praet. gewäh-
ren, z. b. ki-kagen-mâƷit (comparatus) fr. or. 2, 942. gi-
bi-ſmërôt O. IV. 23, 12. Mhd. ge-ane-gengen MS. 2,
123b ge-ant-wurten Barl. ge-für-koufen Bert. 13. ge-
un-êren, ge-un-ſinnen Triſt. etc. er-ite-niuwen Nib. Nhd.
ſind die mit ge- veraltet, dagegen gibt es ihrer mit be- und
ver-, die früherhin fehlen: be-mit-leiden, be-vor-munden,
be-vor-worten (hierher auch be-g-leiten, be-g-lücken?);
ver-ab-reden, ver-ab-ſchieden, ver-an-ſtalten, ver-ant-
worten, ver-ge-wiſſern, ver-ge-ſellſchaften, ver-gegen-
wärtigen, ver-un-ehren, ver-un-zieren u. a. m. Vor com-
ponierten ſtarken verbis erſcheinen be- und ge- äußerſt
ſelten: pi-ki-nuac (corrodit) jun. 176. warum aber pi-
chnegit jun. 199. ſtatt pi-ki-negit? vgl. ge-nuoc (rodebat)
MS. 2, 228b und altn. g-naga (rodere); bi-fora-ſingan
(praecinere) J. 377. (oder iſt bi-fora hier loſes adv.?);
ki-untar-ſceidan (diſtinctum) jun. 201. — 2) iſt die vor-
dere partikel trennbar, oder ſind es beide, ſo müßen zur
beurtheilung der wortbildungen, nach verſchiedenheit
von zeit und mundart, dieſelben rückſichten genommen
werden, die ich ſ. 870. ff erörtert habe. Im nhd. wird daher
bald der einen, bald beiden partikeln nachſetzung gebühren,
z. b. ab-ver-langen, vor-be-halten, auf-er-ſtehen, auf-er-
bauen, ein-ver-leiben, mit-ent-behren; ich ver-lange ab,
be-halte vor, er-ſtehe auf, ver-leibe ein, ent-behre mit;
mit-an-ſtehen, mit-ein-ſtehen, vor-bei-gehen, hin-aus-
jagen; ich ſtehe mit an, mit ein, gehe vorbei, (hier ſcheint
die zuſ. ſetzung zwiſchen beiden partikeln erfolgt,) jage
hinaus. Mhd. iſt alles trennbare, ſo oft es vorſteht, ab-
geſetzt zu ſchreiben, z. b. abe ge-nagen Barl. 119. vor
ge-las Barl. 191. 350. für ge-leiten (proponerent) Barl.
24. ûf er-haben Barl. 308. an ge-tragen Nib. 3506. an
ge-ſëhen Nib. 4325. ab ge-bant Nib. 8558. an er-ſtreit
N n n
[930]III. decompoſita.
Barl. 217. hin ver-triben Jw. 1986. abe er-dröuwen Bert.
182. an er-lachete Mar. 113. an er-ſtorben Ernſt 3966.
an er-liegen Rav. 308. an ge-viengen Parc. 118b ab
er-vaht Parc. 31a hërab ge-zwicken Parc. 37c ab ge-zôch
Parc. 192a abe ver-ſtoln MS. 2, 152b abe ge-zalt MS. 1,
60b abe ge-gân MS. 1, 96a în ge-bogen Parc. 140a în
ver-lâƷen Parc. 44b MS. 1, 90b umbe be-ligen fr. bell.
26b umbe be-habet ibid. 47b ûf er-born Wh. 2, 203b ûf
er-ſtân troj. 4b ûf er-runnen Mar. 189. ûf ent-haben
Parc. 147a ûf ent-ſlôƷ Parc. 123a ûf ge-erbet Parc. 72b
hinûf er-ſtrîten Parc. 161b ûƷ er-kant kl. 378. ûƷ er-korn
Triſt. 7743. ûƷ er-kôs Wh. 2, 82a ûƷ er-reden Ulr. Triſt.
2059. ûƷ er-jëten Wh. 1, 20b ûƷ er-weite Mar. 199. ûƷ
ge-trët 32b ûƷ er-komen Parc. 131a ûƷ er-twingen Triſt.
17923. ûƷ ver-ſtëln Bit. 11a u. a. m. — Fürs ahd., ohne
trennbarkeit der vordern partikel völlig abzuleugnen,
ſcheint gleichwohl nöthig, die wichtigſten decompoſitions-
formeln aufzuzählen: [ana-ir-] mir iſt kein beiſpiel be-
wußt; nach den agſ. on-â- und ſelbſt den mhd. und nhd.
an-er- laßen ſich mehrere denken. [apa-ir-] apa-ir-chu-
kit (decollatum) ker. 93. aba-er-ſluog (abſcidit) N. Bth.
211. 229. vgl. agſ. of-â-ſlëan. [avur-ar-] avur-ar-haban
jun. 248. [fram-ar-] fram-ar-hlotan (propagatus) jun.
222. hrab. 972a. [ûf-ar-] ûf-ar-rihtit (praeerectus) emm.
406. ûf-er-rihtet N. Bth. 262. vgl. ûf-ir-rihteda N. 138,
2. ûf-er-recchen N. Bth. 258. ûf-er-purit (ſublatus) monſ.
342. ûf-ar-ſciuƷit (ebullit) emm. 410. ûf-ar-ſteig (aſcen-
dit) T. 14, 3. (in directer rede). [ûƷ-ar-] ûƷ-ar-drewen
N. Bth. 90. ûƷ-ar-duƷun (emergebant) jun. 203. ûƷ-ir-
prihhit (erumpit) ker. 102. ûƷ-ar-pulzit (ebullit) emm.
410. ûƷ-er-tribut (expuliſtis) jun. 203. ûƷ-ar-welzit (eru-
tus) jun. 204. ûƷ-er-wintan (extorquere) monſ. 327. 388.
ûƷ-ar-worphan (ejectus) T. ûƷ-er-wurzellôn N. Bth. 38.
[zuo-ar-] zua-er-fultiu (adimpleta) K. 24a zuo-ir-piotan
(accommodare) monſ. 354. [ûƷ-int-] ûƷ-in-prëſtan (emer-
gere) monſ. 375. (fructuare? wohl eructare) monſ. 355.
ûz-an-prëſtan (ebullire) monſ. 362. für ûƷ-in-?, oder ûƷ-
ar-? oder vom adv. ûƷân, ûƷana? [ana-pi-] nach dem
agſ. on-be- und dem nhd. an-be- (an-be-fehlen) zu er-
warten. [umpi-pi-] umpi-pi-drungan (conſtipatus) hrab.
956b umpi-pi-halſit (circumplexus) ibid. umpi-pi-hekit
(circumſeptus) ibid. umpi-pi-habêt (circumdatus) ker. 63.
umbi-bi-gâbun (circumdederunt) T. 134. 200. umpi-pi-
quëman (circumventus) ker. 63. ſih umbi-bi-ſähun O. I.
22, 38. umpi-pi-ſelit (circumdatus) hrab. 956b umpi-pi-
[931]III. decompoſita.
faran (colluſtrare) hrab. 957b umpi-pi-tân (circumdatus)
ker. 248. [zuo-pi-] zuo-pi-tuon (comprimere) doc. 246b.
[apa-fir-] aba-fur-houwan (exciſus) T. 41, 7. apa-far-
meiƷan (truncare) emm. 409. apa-far-mêƷ (amputavi) hrab.
952a apa-fir-prohhan monſ. 342. apa-far-ſcutit emm. 409.
[in-fir-] in-fer-lâƷen N. Cap. 72. 73. in-fer-ſlunden N.
Bth. 109. [ûf-fir] ûf-fir-hapanî (aſſumtio) monſ. 348. es
ſcheint unnöthig ûf-ir- zu emendieren. [ûƷ-fir-] ûƷ-far-
dewit (egeſtus) jun. 204. ûƷ-fir-lâƷan (effuſus) monſ. 343.
ûƷ-fër-treip (abigebat) jun. 234. Häufig ſteht auch gi-
als zweite partikel, allein dîe belege fürs partic. praeſ.
(ſ. 888.) und ſelbſt das praet. ind. beweiſen aus der be-
kannten urſache nicht die wirkliche compoſition und die
erſte partikel ſcheint hier auch ſonſt loſer, vgl. fram gi-
gieng T. 2, 2. mit: gi-gieng fram T. 7, 9. fram ki-wîſên
(provocent) K. 38b ûƷ ke-lîdet K. 47b zua ka-reigôtîn
(attingerent) jun. 195. hintar gi-chêrrent (depravant)
monſ. 369. ûƷ gi-winnan (evellere) monſ. 333. etc. Daß
aber in den vorausgeſchickten formeln apa-, ûf-, ûƷ-,
zuo- feſter an den untrennbaren ar, fir, int; umpi- feſter
an dem untrennbaren pi haften, beſtärkt ſich auch durch
das allmählige verſchwinden und ausſterben derſelben
formeln. Ein nhd. ab-er-, zu-er-, aus-ver-, um-be-
ſind ganz unerhört; im ahd. gebrechen formeln goth.
und agſ. decompoſita; die ahd. mundart hält alſo wieder-
um mitte zwiſchen der größeren gefügigkeit ſolcher zu-
ſammenſetzungen im goth. und agſ. und der größeren
trennbarkeit der partikeln im nhd. und mhd. Im agſ.
und goth. kann auch eine trennbare partikel die zweite
ſtelle einnehmen, namentlich ät-, at-, wie ſich das ahd.
aƷ- nicht gebraucht findet. — Agſ. formeln: [in-â-] in-
â-faran (introire) in-â-ſendan (immittere). [of-â-] of-â-
beátan (excutere) of-â-ceápjan (redimere) of-â-cëorfan
(exſcindere) of-â-dôn (amputare) of-â-drîfan (expellere)
of-â-drincan (ebibere) of-â-heávan (exſcindere) of-â-hla-
dan (exhaurire) of-â-lædan (educere) of-â-niman (auſer-
re) of-â-pluccjan (excerpere) of-â-ſcëacan (excutere) of-
â-ſëóðan (excoquere) of-â-ſlëán (amputare) vgl. ahd. apa-
ir-ſlahan, of-â-ſnîðan (amputare) of-â-ſyllan (tradere)
of-â-tëón (auferre) of-â-vëorpan (projicere) of-â-vringan
(extorquere). [on-â-] on-â-fäſtnjan (infigere) on-â-gëótan
(infundere) on-â-heávan (incidere) on-â-rîſan (inſurgere)
on-â-ſcëacan (incutere) on-â-ſendan (immittere) on-â-
ſettan (imponere) on-â-ſlîdan (illabi) on-â-vëorpan (inji-
cere) on-â-vinnan (impugnare). [tô-â-] tô-â-lætan (re-
N n n 2
[932]III. decompoſita.
laxare) tô-â-ſendan (admittere) tô-â-ſettan (apponere) tô-
â-ſpanan (allicere) tô-â-vyltan (advolvere). [up-â-] up-
â-bëran (ſurſum ferre) up-â-brëcan (erumpere) up-â-
brëdan (eripere) up-â-bräd Beov. 192. up-â-dëlfan (effo-
dere) up-â-dôn (levare) up-â-gân (oriri) up-â-hefan (le-
vare) nhd. auf-er-heben, up-â-hafen (elevatus) Beov. 12;
up-â-hangan (ſuſpendere) up-â-lûcan (eruere) up-a-rec-
can (erigere) up-â-rîſan (ſurgere) up-â-ſittan (ſurgere,
ſe erigere) up-â-ſpringan (oriri) up-â-ſprŷtan (germinare)
up-â-ſtandan (ſurgere) up-â-ſtîgan (aſcendere) Beov. 104.
ahd. ûf-ir-ſtîkan, up-â-ſtâg (aſcendebat) Beov. 61. up-â-
tëón (educere) nhd. auf-er-ziehen, up-â-þenjan (exten-
dere) up-â-vëallan (ebullire) up-â-vendan (ſurſum ver-
tere). [ût-â-] ût-â-bërſtan (erumpere) ût-â-blâvan (ef-
flare) ût-â-brëdan (auferre) ût-â-cuman (foras venire, pe-
regrinari) ût-â-dëlfan (effodere) ût-â-dôn (eruere) ût-â-
drifan (expellere) ahd. ûƷ-âr-trîpan, ût-â-faran (egredi)
ût-â-flëón (effugere) ût-â-gân (egredi) ût-â-gëótan (effun-
dere) ût-â-lædan (educere) ût-â-lŷſan (redimere) ût-â-
ſcëótan (jacula eruere) ût-â-tëón (extrahere) ût-â-vëor-
pan (ejicere) ût-â-vëallan (ebullire). [on-ät-] on-ät-ŷvan
(apparere). [tô-ät-] tô-ät-ŷcan (ſuperaddere). [up-ät-]
up-ât-bëran (adferre) Beov. 41. up-ät-bërſtan (prorum-
pere). [in-be-] in-be-lædan (introducere) in-be-ſlëán (com-
pungere) in-be-vunden (involutus). [on-be-] on-be-cû-
man (evenire) on-be-dippan (intingere) on-be-fëaldan
(implicare) on-be-fëallan (incidere) on-be-hleápan (inſi-
lire) on-be-lædan (inducere) on-be-ſceávjan (inſpicere)
on-be-ſendan (immittere) on-be-ſettan (imprimere) on-
be-ſlëán (incutere) on-be-ſtungen (compunctus). [tô-be-]
tô-be-cûman (advenire) tô-be-fëaldan (applicare) tô-be-
gitan (acquirere) tô-be-gŷman (attendere). [up-be-] up-
be-ſëón (ſuſpicere) up-be-ſtælan (ſubducere ſe?). [ymbe-
be-
]? kein beiſpiel. [up-for-] up-for-lætan (deducere)
Cädm. 53. [ût-for-] ût-for-lætan (dimittere) ahd. ûƷ-
fir-lâƷan. [ût-oð-] ût-oð-bërſtan (erumpere) ût-oð-flëón
(aufugere) ût-oð-rêvan (eremigare). Von den geläufigen
formeln mit ge- (in-ge-, on-ge-, up-ge-, ût-ge-, ymbe-
ge-) erlaße ich mir die beiſpiele. — Gothiſche partikel-
decompoſtta: [miþ-ana-] miþ-ana-kumbjan (συνανακεισ-
θαι
) Matth. 9, 10. Luc. 14, 10. [du-at-] du-at-gaggan
(accedere) Matth. 8, 19, 25. du-at-ïddja Matth. 8, 5. 9,
28. du-at-rinnan (accurrere) Marc. 10‘ 17. du-at-ſnivun
(appulerunt) Marc. 6, 53. [ïnn-at-] ïnn-at-baíran (in-
ferre) Luc. 5, 18, 19. ïnn-at-gaggan (introire) Matth. 8,
[933]III. decompoſita.
20. Luc. 7, 45. 14, 23. ïnn-at-tiuhan (introducere) Luc.
2, 27. [us-at-] dieſe bloß mit us-at-bêrun (obtulerunt)
Matth. 9, 2. belegliche formel hat bedenken und verſtößt
wider die ſonſtige analogie, wonach kein us- (ahd. ir-,
agſ. â-) vor andern mit verbis zuſ. geſetzten partikeln
ſtehen darf (wiewohl vor verbis, die aus nomin. geleitet
werden, ſ. 919.); freilich ſcheint das goth. us- noch trenn-
barer, als das ahd. ir- und ich wage nicht die emenda-
tion ut-at-bêrun vorzuſchlagen. [faúr-bi-] faúr-bi-gaggan
(praeire) Marc. 10, 32. 16, 7. (in letzterer ſtelle leſen ei-
nige ausgaben faúr-at). [miþ-fra-] miþ-fra-hunþans (ſi-
mul captus) Philem. 5, 23. [aftra-ga-] aftra-gabôtjan
(reſarcire) Marc. 9, 12. aftra-ga-ſatiþs (reſtîtutus) Marc. 8,
35. [at-ga-] at-ga-háuſjan Luc. 19, 11. at-ga-raíhtjan
(corrigere) Tit. 1. 5. [du-ga-] du-ga-ſaíhvan (intueri)
Marc. 10, 14. [faúra-ga-] faúra-ga-mêliþs (praeſcriptus)
Rom. 15, 4. faúra-ga-taíh (praedixi) Marc. 13, 23. [ïnn-
ga-
] ïnn-ga-leiþan (introire) Matth. 7, 13. viþra-ga-môt-
jan (occurrere) Joh. 12, 13. [miþ-ïnn-] miþ-ïnn-ga-leiþan
(ſimul introire) Joh. 18, 15. [miþ-us-] miþ-us-hramiþs
Matth. 27, 44. miþ-us-keinan Luc. 8, 7. [ut-us-] ut-us-
ïddjêdun (exierunt) Matth. 9, 32. Dagegen mangeln bei-
ſpiele der formeln af-faír-, ut-faír-, du-bi-, af-us-, ana-
us-, du-us- (vgl. dis-), ïup-us-. Die partikel ut und ïnn
erſcheint übrigens trennbar und tritt oft hinten hin:
us-gaggands ut Luc. 15, 28. ſaei ïnn ni at-gaggiþ Joh.
10, 1. (mehr belege oben ſ. 899.) oder wird vor die prae-
poſition geſtellt: us-gagg ut us þamma Marc. 1, 25. —
Altn. decompoſita, im linn der goth. ahd. agſ., gibt es
nicht, und viele der angeführten formeln ſind ſchon dar-
um unſtatthaft, weil dieſe mundart keine untrennbaren
partikeln vor verbis beſitzt. Um und of, die in der Edda
oft zwiſchen verbis und andern partikeln ſtehen, gelten
lieber für getrennt in beiſpielen wie: fram um ſêr 176b
ût um kominn 184b und dergl.; uppâ-leggja (imponere)
iſt zwar doppelt zuſammengeſetzt, allein ſchon in der
partikel ſelbſt (upp-â) und wäre agſ. uppon-lecgan, durch-
aus nicht up-â-lecgan. Nicht anders beurtheile man das
dän. paa-lägge (ſ. 917.). —


II. mehr als drei wörter zuſammengeſetzt, laßen ſich
aus unſerer alten ſprache, ohne daß partikeln im ſpiele
wären, gar nicht vorweiſen. Erſt im nhd. finden ſich zu-
weilen ſolche decompoſita: erd-beer-kalt-ſchale, kirſch-lor-
beer-waßer, ober-berg-haupt-mann, rhein-ſchif-fahrts-
central-commiſſion, general-feld-zeug-meiſter, ober-hof-
[934]III. decompoſita.
mar-ſchall-amt, geſchmackloſe unformen, deren die poeſie
und reine proſa enträth; bei adj., welche titel enthalten,
ſteigt die canzleiſprache bis zur verbindung von funf,
ſechs und mehr wörtern, vgl. könig-lich-nieder-ländiſch,
groß-her-zog-lich-meklen-burgiſch u. dgl.; erträglich wird
die wortbildung, wenn eine uneigentliche compoſition
darunter iſt, z. b. geruch-ſinns-werk-zeug, ſtein-kohlen-
berg-werk, abend-ſonnen-licht-meer, ſie zerfällt dann
dem gehör und der ausſprache in zwei theile, wie ſie
in der frühern ſprache geſchieden waren. Partikeln mit
eingerechnet hat ſchon im goth. und ahd. die häufung
von vier wörtern kein bedenken, z. b. ga-liuga-veid-
vôdjan, miþ-ïnn-ga-láiþ, un-ër-rahhôt-lîh K. 16a unki-
tholênt-lîh ker. 170. fora-ke-ſëhant-lîh K. 22b und ſo
im nhd. häufig z. b. un-wider-ſprech-lich, geiſtes-über-
legen-heit, güter-ge-mein-ſchaft, ſelbſt-aus-er-ſonnen, al-
ler-auf-ge-blaſenſter, un-ſterb-lich-keit. Aus fünfen be-
ſteht un-ver-ant-wort-lich, aus ſechſen un-ver-ant-wort-
lich-keit, worunter freilich drei partikeln. Manchmahl
hat ſich auch in einem theil der zuſammenſetzung das
urſprüngliche verhältnis verdunkelt und wërald-chi-wal-
dida (ſeculi poteſtas) J. 404. wëralt-ge-garawi franc. 19.
nhd. welt-ge-pränge, un-bieder-keit können nur für
zweifach componiert genommen werden, da ſie es drei-
fach ſind, ſobald man welt und bieder in wër-alt, bi-
dërbe auflöſt.


Anmerkung: da, wie geſagt iſt, jedes decompoſitum
ungleichzeitig, nicht in einem act gebildet wird, ſo kann
und muß es ſeinem letzten act gemäß als ein einfach zu-
ſammengeſetztes wort betrachtet werden, deſſen zweiter
theil die hauptſache, deſſen erſter theil die beſtimmung
enthält (ſ. 407, α). Sei nun der erſte theil an ſich
einfach und der zweite componiert, oder der erſte
componiert und der zweite einfach, oder jeder von
beiden zuſammengeſetzt. Es kommt bloß auf die zu-
letzt bewirkte verbindung an: berg-hauptmann, kehl-
buchſtab, vor-gefühl; ſchuhmachers-frau, hauptmann-ſchaft,
heraus-tritt; ſchlafkammer-thürhüter, kaiſerlich-königlich,
gewitter-ableiter; un-wiederherſtellbar, un-abſehlich;
ſchwefeldampfbade-anſtalt.


§. 6. unflexiviſches compoſitions-S.


I) die nhd. ſprache gebraucht zur verbindung gewiſſer
weiblicher nominum den buchſtaben -s in folgenden fällen:


[935]III. unflexiviſches compoſitions-S.

1) bei den einfachen wörtern acht, hilfe und liebe:
achts-erklärung, achts-leute (Haltaus), achts-proceß;
hilfs-armee, hilfs-corps, hilfs-truppen, hilfs-völker; lie-
bes-abenteuer, liebes-apfel, liebes-brief, liebes-eifer, lie-
bes-flamme, liebes-geſchichte, liebes-gott, liebes-mahl,
liebes-noth, liebes-pfeil, liebes-qual, liebes-regung, liebes-
zeichen. Im gemeinen leben hört man auch mieths-leute,
mieths-mann f. mieth-leute, mieth-mann, von dem fem.
miethe und frauens-leute, frauens-perſon (von frau) iſt
in die ſchriftſprache aufgenommen worden.


2) bei den zuſammengeſetzten auf t auslautenden: an-
dacht, nothdurft, einfalt, -fahrt, geburt, geſchichte (für
geſchicht, 1, 700.), heirath, -nacht, -ſicht, -ſchrift, -welt,
-zeit: andachts-übung, nothdurfts-fall, heiraths-gedanken,
einfalts-pinſel, wohlfahrts-ausſchuß, rheinſchiffahrts-com-
miſſion, himmelfahrts-tag, ausfahrts-tag, geburts-feſt, ge-
burts-tag, geburts-ſtunde, geburts-wehen, geſchichts-
freund, geſchichts-erzählung, ſommernachts-traum, weih-
nachts-abend, vorſichts-maßregel, rückſichts-los, vor-
ſchrifts-mäßig, allerwelts-narr, hochzeits-feſt, -tag, -ge-
dicht, mahlzeits-ſtunde und einigen ähnlichen mehr. Auch
die ſcheinbaren compoſita arbeit und armuth gehören
hierher: arbeits-luſt, armuths-plage (vgl. armuths halber);
gewöhnlich geht dem t noch ein andrer conſonant vor-
aus, namentlich ch (früher h) und f, nur nach der ver-
bindung ſt unterbleibt der compoſitionsconſonant, z. b.
mis-gunſt-zeichen. Die ſimplicia haben ihn ebenſowenig,
z. b. nacht-zeit, ſchrift-mäßig, welt-kind, zeit-genoß.
Außerdem gibt es fem. auf -cht, -ft, die ſelbſt zuſam-
mengeſetzt ſeiner entrathen, z. b. unzucht, ohnmacht, un-
kraft, mitgift, ſtickluft, vernunft, denn wir ſagen: ver-
nunft-mäßig, vernunft-glaube, lebensluft-maſſe.


3) bei ſämtlichen derivatis auf -ung und compoſitis
mit -heit, -ſchaft: z. b. nahrungs-ſorge, hofnungs-voll,
hofnungs-los, gewohnheits-menſch, regierungs-rath, zei-
tungs-ſchreiber, freiheits-krieg, wahrheits-liebe, freund-
ſchafts-dienſt, verwandtſchafts-zeichen.


4) bei fremden ſem. auf -ion und -tät: auctions-ca-
talog, conventions-geld, compoſitions-vocal, flexions-fä-
higkeit, paſſions-blume, legations-rath, ſanitäts-collegium,
ſocietäts-ſachen, maturitäts-zeugnis, majeſtäts-verbrechen.


II) geſchichte dieſer anomalie. Da ſich im mhd. keine
ſpur ſolcher zuſammenſetzungen findet, ſo fragt es ſich,
wann ſie zuerſt aufgekommen ſind?


[936]III. unflexiviſches compoſitions-S.

a) compoſita auf täts-, heits-, ſchafts- treffe ich vor
dem 18ten jh. durchaus noch nicht an; ſtatt majeſtäts-
brief bei Friſch 1, 635c ſchreibt hundert jahr früher Be-
ſold majeſtät-brief. Was Schottel p. 396. von ung be-
merkt, führt er p. 382. 363. 345. bei ſchaft, keit und
heit nicht an, ja er gibt p. 382. die decompofita geſell-
ſchaft-leiſtung, wehrſchaft-haltung, freundſchaft-bezeu-
gung ohne -s, hingegen Friſch 1, 344c geſellſchaftes-rech-
nung *).


b) die auf ions- und ungs- ſind älter und bereits im
17. und 16. jh. anzutreffen, doch weniger in der fließen-
den proſa, als im canzlei- und geſchäftsſtil. Der verſ.
des Simpliciſſ. braucht ſie ſehr ſelten, buch 5. cap. 9. ſteht
vergeltungs-recht. Beſold im theſaurus hat erſuchungs-
brief, verminderungs-eid, religions-fried, confeſſions-reli-
gion, deputations-tag etc. in dem friedensexecutions-re-
ceß von 1649. §. 19. lieſt man evacuations- und abdan-
kungs-termin. Hortleder (repr. Gotha 1645) ſchreibt p. 1051.
einungs-brüchig und häufig: der augsb. confeſſion eini-
gungs-verwandte, aber p. 1073. purgation-artikel. Ein
Wittenb. 1606. gedrucktes buch von Garthe führt den ti-
tel: von dem religions-weſen in Heſſen. Schottel p. 396.
citiert (meiſtens aus juriſten) ringerungs-ſachen, be-
harrungs-fall, verminderungs-eid, einbildungs-kraft, nah-
rungs-mittel. Um ins 16te jh. zurückzugehen, Fiſchart,
der ſonſt ſo gern componiert, enthält ſich ſolcher bildun-
gen beinahe, im bienenkorb (alſo nach 1579.) p. m. 90b
ſtehet wandlungs-korb; bei Saſtrow (herausg. von Moh-
nike) ſchwankend 2, 641. 642. aus-ſönungs-gelt, 641. aus-
ſönung-brief, 2, 558. erledigungs-briefe, 2, 379. 565.
647. religions-vorwanten, 321. religion-ſachen, 649. reli-
gion-ceremonien, 424. religions- und glaubens-anhengig,
318. 618. 647. confeſſion-vorwanten etc. In den öffentli-
chen verhandlungen dieſes jh. eine gleich unſichere ſchreib-
art, wiewohl ſich auf die genauigkeit des abdrucks in den
reichsabſchiedsſammlungen kaum zu verlaßen iſt, der R.
J. von 1544. §. 57. lieſt erinnerungs-ſchrift; der von 1557.
§. 8. in religion- und prophan-ſachen, §. 9. hingegen:
des religions-artikels. Eine urkunde von 1541. (bei Hortl.
p. 1601.) iſt unterſchrieben: der A. C. einigungs-verwand-
[937]III. unflexiviſches compoſitions-S.
ten. Es käme darauf an, überall die älteſten abdrücke zu
rathe zu ziehen. Die ions- und ungs- ſcheinen alſo von
den canzleien gegen die mitte des 16. jh. aufgebracht,
im 15. waren ſie gänzlich unbekannt Bei Luther und
H. Sachs, ſeitdem ich darauf achte, habe ich noch kein
beiſpiel entdeckt. In Luthers bibel ſteht ſicher keins;
von fremden wörtern auf -ion braucht er legion, nation
(Eſth. 6, 8.) denn religion (3. Maccab. 3, 6.) iſt nicht von
ihm, keins davon aber zu compoſitis, und die häufigen
bildungen mit -ung ſetzt er, gleich der früheren ſprache,
(vgl. oben ſ. 540. 579.) nie zuſammen. Er ſagt weder
nahrung-ſorge, verſönung-geld, noch nahrungs-ſorge,
verſönungs-geld, ſondern ſorgen der nahrung Luc. 21,
34. geld der verſönung Exod. 30, 16. vgl. tag der verſö-
nung Levit. 25, 9. tag der erlöſung Epheſ. 4, 30. oder
wenn er componieren will, thut ers verbal, z. b. ver-
ſön-tag Levit. 23, 28. ſcheid-brief Deut. 24, 1. Matth. 5,
31. etc. Keine ausnahme macht theidings-leute Exod.
21, 22. da theiding neutrum iſt (vgl. Hiob 35, 16. Jerem.
23. 32. Ezech. 22, 28.).


c) die unter 2 und 1. genannten einzelnen compoſita
mit -s ſcheinen mir zwar ſämtlich über das 18te jh.
hinauszugehen und wenigſtens ebenſo weit zu reichen,
als die auf ungs-, wo nicht zum theil höher hinauf. Ich
führe inzwiſchen nur einige belege auf, und überlaße an-
dern ſorgfältigere erörterungen, denn manches ſchwankt
auch hier: liebes-zeichen Philand. v. Sittew. liebes-werk
Simplic. 1, 488. liebs-regungen ibid. 224. liebes-pfeil, Gry-
phius; liebs-gram, -flam, -dank, -zank Fiſchart Garg.
70b auf derſelben ſeite aber auch lieb-ſigel und 63a lieb-
tränk, ſo wie Agricola ſprichw. 150. lieb-ſchleg und ſelbſt
Beſold lieb-tränklein, auch in dem von Beſold 1621. her-
ausgegebnen Tauler beſtändig liebe-werk (nicht liebes-
werk); geburts-nöthe Simplic. 1, 488. geburts-ſtund, ge-
burtstag Pictorius h. v.; gewährs-mann Friſch 2, 419c;
andachts-boſſen Fiſchart bienenkorb 52b, aber geſchicht-
klitterung; ſein witwens-andacht Garg. 73a gleicht dem
nhd. frauens-leute, wofür Saſtrow 2, 636. 639. frawes-
perſonen, das mehr plattdeutſch ſcheint, in Agricolas
ſprichw. 159. gibt die plattd. ausg. frouwes-namen unde
menne, wo die hochd. manns- und weibs-bilder; acht-
erklärunge Saſtr. 2, 419. 447. 549. achts-erkl. 2, 697;
bundts- und hülff-genoßen ibid. 424; hochzeit-gedicht,
hochzeit-wunſch, Fleming; faßnacht-ſpiel H. Sachs. Bei
Luther keins von allen ſolchen compoſitis mit -s, er ſagt
[938]III. unflexiviſches compoſitions-S.
hochzeit-mahl, hochzeit-leute, aber ungebunden: kuß der
liebe 1. Petr. 5, 14. reizung der liebe Hebr. 10, 24. tag
der geburt Eccleſ. 7, 2. Sir. 23, 19. was ſich 2. Maccab. 6,
7. findet: geburts-tag, Eſr. 2, 62. und Neh. 7, 64. ge-
burt-regiſter rührt kaum von ihm her. Neh. 7, 64. lieſt
ed. wittenb. 1535. irer geburt regiſter, ungebunden, in
den beiden andern ſtellen aber wie die ſpäteren ausg.


III) beurtheilung.


1) dieſes ſpätere -s iſt unflexiviſch, denn kein ahd.
und mhd. femin. flectiert ſeinen gen. mehr auf -s.


α) im goth. hat zwar der gen. die endung -s; allein
damit kann das nhd. compoſitions-s durchaus nicht ver-
wandt ſein, weil ſich ſonſt im mhd. und ahd. gerade die-
ſelben compoſita zeigen müſten, welche die flexion erhal-
ten hätten. Solche compoſita wären aber nothwendig
uneigentliche (genitiviſche), die im ahd. und mhd. nur
ausnahmsweiſe vorkommen. Das wahre flexions-s gieng
vor der zeit unſrer erſten ahd. denkmähler in -r über
und erlitt apocope (1, 804. 808.).


β) das nhd. -s in weiblichen eigennamen, z. b. ma-
riens, luiſens, eliſabeths, berthas, (1, 773.) gleicht zwar
dem compoſitionellen in frauens-leute, witwens-andacht,
ſcheint aber ſelbſt neuerung und iſt in der älteren ſprache
nicht nachzuweiſen. Veranlaßt ſein mag es durch die
menge von maſc., welche den gen. ſg. auf -ens, ſtatt -en
flectieren (1, 703.). Und grade in der zuſammenſetzung
wird von jenen namen das -s wieder abgeworfen, z. b.
marien-kind, luiſen-ſtift, nicht mariens-kind.


2) wenn alſo keine weibliche flexion, könnte es viel-
leicht mit der männlichen oder neutralen des gen. zuſam-
menhängen?


α) einige feminina ſtehen adverbiell indem ſie den
gen. auf -es nach der männl. oder neutr. form annehmen,
namentlich nachts (noctu) mhd. nahtes, ahd. nahtes; ein
nom. der nacht oder ein andrer caſus mit mäunlichem
artikel iſt unerhört. Daß aber in jenem adv. das ſubſt.
die natur des fem. auszieht, folgt aus dem beigefügten
artikel: des nahtes: eines nahtes (nicht: der, einer). So
ſteht ahd. undurftes (gratis) N. 119, 7. von dem fem.
durft; agſ. gevëaldes (ſponte) his gevëaldes (ſua ſponte)
von dem ſem. gevëald (poteſtas) und wir ſagen nhd.
mittwochs (vom fem. woche, freilich wird auch der nom.
mittwoch männlich gebraucht) und ſeits (ex parte.) vom
fem. ſeite, z. b. ſeits meiner, dies-ſeits, jen-ſeits, meiner-
ſeits (worin meiner der gen. des ungeſchl. pron. iſt, nicht
[939]III. unflexiviſches compoſitions-S.
der gen. fem. des adjectiviſchen) und im 17. jh. findet
ſich auch zeits, z. b. zeits meines lebens, zeits meiner
jugend (tempore juv. meae) Phil. v. Sittew. Dieſe ad-
verbia können nun einfluß gehabt haben auf die nhd.
compoſita weihnachts-abend, faßnachts-pretzel, mitt-
wochs-abend, nothdurfts-fall, hochzeits-abend? Selblt
Luther hat nachts-tropfen Cantic. 5, 2. (ſo ſchon edit.
1535.) oder iſt es: nachts tropfen? vgl. regens tr. bluts
tr. oben ſ. 614.


β) noch mehr, das ſechſte cap. dieſes buchs wird
darthun, daß manche der hier in betracht ſtehenden fem.
früherhin männlich oder neutral geſetzt und flectiert
worden ſind. So iſt nôt bei O. zuweilen maſc. zuweilen
fem., das einfache rât überall maſc., desgleichen das ein-
ſache bei einigen auch das zuſ. geſetzte heit (conditio)
und ſelbſt an die maſc. auf -ung ſtatt -unga (ſ. 359. 362.)
wäre zu denken. Neben dem fem. zît erſcheint im ahd.
und nhd. das neutrum zît. Die compoſita heiraths-ver-
trag, hochzeits-tag, weisheits-zahn, trauungs-rede ließen
ſich alſo aus jenen maſc. oder neutr. deuten? Nur be-
greift man wieder nicht, warum ſie im mhd. mangeln;
ſelbſt einen ungebunden vorgeſetzten mhd. gen. -unges,
oder -heites (abgeſehen von der verdächtigen, ſ. 936.
note, beigebrachten ſtelle) wüſte ich nicht aufzuzeigen.
Die nhd. compoſita mit liebes-, der bedeutung nach zu
dem ſem. liebe (amor) gehörend, wären nicht ohne ſchein
auf das mhd. neutr. liep (res vel perſona grata) zurück-
zubeziehen, vgl. liebes wân MS. 1, 3a liebes muot Triſt.
1107. (ſchwerlich liebes liep Am. 11c 13a 14a, ſon-
dern liebeƷ liep?); die gangbaren formeln verleiteten,
das verwandte fem. liebe in der zuſammenſetzung damit
zu miſchen? Dem ſinne nach iſt das nhd. liebes-wahn
ganz von jenem mhd. liebes wân abweichend. Vielleicht
muß auch das nom. pr. liebes-kind (ſ. 677.) nicht für
liebes kind (mhd. liebeƷ) genommen werden, ſondern für
kind der liebe.


γ) endlich könnte die im nhd. entſchiedne neigung
urſprünglich weiblicher ſtädte namen, ins neutr. überzu-
gehen (1, 777.) angeſchlagen werden. Wiewohl keine
compoſita vorkommen und der vorſtehende ungebundne
gen. (z. b. hamburgs belagerung) ganz etwas anderes iſt.


3) die unter 2. verſuchte deutung erledigt höchſtens
einzelne fälle, das ganze bleibt unaufgelöſt; außerdem
ſteht ihr entgegen:


[940]III. unflexiviſches compoſitions-S.

a) das befragte -s, falls aus dem gen. maſc. und neu-
tr. herzuleiten, würde lauter uneigentliche, genitiviſche
compoſita anzeigen. Gewöhnlich aber ſtehen ſolche zu-
ſammenſetzungen offenbar andern eigentlichen zur ſeite,
vgl. z. b. hofnungs-los, vorſchrifts-mäßig, nahrungs-ſorge,
regierungs-rath, ſcheidungs-brief, wahrheits-durſt, frei-
heits-taumel etc. mit geld-los, recht-mäßig, geld-ſorge,
hof-rath, ſcheid-brief, blut-durſt, fieber-taumel. Hier
iſt gar kein grund uneigentlich zu componieren; der
hauptgrundſatz uneigentl. compoſition, daß ſie aus vor-
geſetztem loſen caſus erwachſe, leidet keine anwendung,
da nie ein ungebundnes -heits, -ungs ſtattfindet.


b) warum kommt das -s (nach I, 2.) gern hinter zu-
ſammengeſetzten ſubſt. zum vorſchein und unterbleibt
hinter einfachen? vgl. ſommernachts-traum, ſchlitten-
fahrts-beſchreibung, mit nacht-traum, fahrt-beſchreibung.
Ja, ein gleiches verhältnis blickt durch bei zuſ. geſetzten
maſc. und neutris, vgl. handwerks-zeug, überrocks-knopf,
butterbrots-meßer mit werk-zeug, rock-knopf, brot-
meßer. Drückt auch hier das -s etwas anders aus, als
uneigentl. compoſition?


4) es ſchiene demnach ein für mehrſilbige (abgeleitete
und zuſammengeſetzte) ſubſtantiva ſpäterhin nöthig be-
fundnes ſurrogat des compoſitionsvocals? wie ich es ſchon
oben ſ. 409. ein analogon deſſelben genannt habe. Viel-
ſilbige, langſchweiſige wörter meidet die frühere ſprache
in compoſition zu bringen. Wir finden zwar ableitun-
gen mit liquidis unbedenklich gebunden, ſeltner ſolche
mit mutis (z. b. houpit-man), kaum die mit doppelter
conſonanz vgl. oben ſ. 540. 579. Als im nhd. dieſe zu-
ſammenſetzungen nicht länger umgangen werden konn-
ten, ſtrebte der ſprachgeiſt, welchem der bindende vocal
längſt vergeßen war, nach einem andern mittel und er-
griff (durch eine menge uneigentlicher comp., vielleicht
auch die unter 2. erörterten einzelnheiten darauf geführt)
das -s. Wörter wie freundſchaft-bezeigung, glückſelig-
keit-begriff, vereinigung-punct, execution-armee hätten
in der theorie für nicht weniger eigentlich zuſ. geſetzt
gelten können, als luft-zug, ſtreit-luſt, regen-ſchirm, fang-
ſpieß. Allein jene waren etwas ungewohntes und um
ſie in gang zu bringen bedurfte es einer verdeutlichung
des acts der compoſition, wozu man inftinctmäßig das
paſſende -s wählte: freundſchafts-bezeigung etc. Das
hilfsmittel wurde inzwiſchen nicht vollſtändig auf alle
fälle angewendet, weil der neuen, halbbewuſten ſprache
[941]III. unflexiviſches compoſitions-S.
die naturconſequenz der alten fehlt. Zwei geſichtspuncte
leiteten, einmahl die vielſilbigkeit und ſchwere bewegung
des erſten worts, dann ſein auslaut auf lingualtenuis, zu-
mahl wenn ihr noch ein andrer conſ. vorausgeht. Man
ſagte landungs-armee, landesſchuldentilgungs-commiſſion,
inquiſitions-gericht, wahrheits-liebe, ritterſchafts-aus-
ſchreiben, vorſichts-mittel, unterſchrifts-prüfung und ſelbſt
bei maſc. unterrocks-futter, fingerhuts-büchschen (neben hut-
futteral); nicht aber königinns-krone, ſpitzbübins-ſtreich,
naturs-beſchreibung, partiturs-auszug, parteis-gänger,
arzneis-mittel, theologies-profeſſor, harmonies-wirkung,
theils weil ſich ſolche wörter gar nicht componieren (krone
der königin, proſeſſor der theologie, wirkung der harmonie)
theils in älteren compoſitis ohne -s gangbar waren (arznei-
mittel) theils weil der anſtoß des liquiden auslauts an das
zweite wort hörbarer war (natur-lehre) als der des ſtumment
(wahrheit-tempel, himmelfahrt-tag) in den meiſten fällen ge-
weſen wäre. Freilich hätte man auch ohnmachts-weſen,
unkrafts-weihe, mitgifts-verzeichnis, ſticklufts-bereitung
ſagen dürfen, wenn hier analogie gälte. Noch weniger
gilt ſie von den einzelnen einſilbigen fem. (I, 1.) auf an-
dere ähnliche, z. b. treus-bruch, ſalbs-mittel, ſtrafs-ver-
fügung ſtatt treu-bruch, ſalb-mittel, ſtraf-verf., obwohl
ſie dem liebes-bruch, hilfs-mittel, achts-erklärung glichen.


IV) reſultat.


1) das unflexiviſche -s entſpricht in beſtimmten, kei-
ner ausdehnung fähigen fällen dem alten längſt vergang-
nen compoſitionsvocal. Bei der vermiſchung und berüh-
rung eigentlicher mit uneigentlicher zuſammenſetzung
(ſ. 612-615.) iſt aber zu erwarten, daß es auch zuweilen
uneigentliche comp. erſetzt, folglich dem genitiviſchen -s
der maſc. und neutr. zur ſeite ſteht. Ein beiſpiel iſt
frauens-leute verglichen mit manns-leute und man darf
freilich hofnungs-los, -voll, regierungs-rath ſo gut mit
den uneigentlichen freuden-los, kriegs-rath, ſtaats-rath
zuſammenhalten, als mit den eigentlichen blut-los, rath-
los, hof-rath. Aber auch da, wo das -s genitiviſche
kraft hat, verdient es, weil ihm keine organiſche weib-
liche flexion zu grund liegt, unflexiviſch zu heißen.


2) ich will nicht leugnen, daß es etwas barbariſches
an ſich habe. Daher es auch Luthers reinem, edlem
deutſch fremd blieb, zu deſſen zeit die geſchäftsleute ein
erſtes ungs- nnd ions- gewagt haben mögen. Selbſt bei
unſern heutigen dichtern wird man nur ſelten auf die
unter I, 2-4. genannten unflexiviſchen -s ſtoßen. Sogar
[942]III. unflexiviſches compoſitions-S.
in feierlicher proſa darf der redner für: die ſtunde der
erbauung, der troſt der religion kaum ſagen: erbauungs-
ſtunde, religions-troſt; noch weniger liebes-geiſt f. geiſt
der liebe.


3) gleichwohl bin ich der meinung, daß dieſe -s in
zuſammenſetzungen, worin ſie einmahl walten, nicht wie-
der vertilgt werden können, noch ſollen. Es läßt ſich
einiges wider ſie ſagen, was den übrigen mitverfolgten
-s, welche uneigentliche compoſition ausdrücken (ſ. 616.),
nicht entgegenſteht. Allein ſie gründen ſich immer auf
ein nicht verwerffiches gefühl, die unternommene com-
poſition ſchwerfälliger und häufig fremder, ſonſt kaum
zuſammenſetzlicher wörter merkbar zu machen, oder be-
rühren ſich hin und wieder mit einer unorganiſchen
flexionsweiſe. Ohnehin iſt das reine -s, wie es hier
erſcheint, kein mislaut, ſondern, gleich allen ſpiranten,
den zuſammenfluß ſtummer und flüßiger buchſtaben be-
lebend. Wahrheitsliebe, freundſchaftsdienſt klingt unſerm
ohr unſtreitig angenehmer als wahrheitliebe, freund-
ſchaftdienſt und ſelbſt in warnungsſtimme iſt durch den
ſchwächern accent der zweiten ſilbe und die vermiſchung
der beiden laute ſ und t zu anfang der dritten der übel-
klang aufgehoben, den ſich einbilden könnte, wer etwa
warnung-ſtimme ſprechen wollte.


V) blick auf die andern heutigen ſprachen.


1) im nnl. fehlt es nicht an femininis, die ganz wie
im nhd., mittelſt -s, zuſammengeſetzt werden: arbeids-
man, arbeids-loon, arbeids-volk; bruilofts-dag, bruilofts-
kleed, bruilofts-zang; geboorts-dag neben geboorte-dag,
geboorts-brief; hemelvaarts-dag; nachts-droppelen (Can-
tic. 5, 2.); tijds-omſtandigheid; vrouws-lui, vrouws-per-
zoon. Dagegen heißt es hulp-middel, hulp-benden, min-
ne-lied, minne-gedicht. Bildungen mit -ing und -heid
nehmen das -s an: regeerings-raad, neerings-huis (doch
neben neering-huis, neering-zorge) oudheids-kenner (al-
terthumskenner) oudheids-kunde, vryheids-boom; und
zwar ſcheinen dieſe heids- älter als die nhd. heits-, die
ings- ſeltner als die nhd. ungs-; wo ſie zuerſt gebraucht
worden ſind, verdiente nachforſchung. Den nhd. ſchafts-
und ions- findet ſich aber nichts ähnliches, weil für
-ſchaft im nnl. -ſchap gilt und die abweſenheit des -t
das -s weniger nöthig macht (landſchap-ſchilder, nhd.
landſchafts-mahler) für -ion aber -ie- gebraucht wird
(reſormatie, conjugatie, complexie etc.) das keine zuſam-
[943]III. unflexiviſches compoſitions-S.
menſetzung leidet (mithin: raad van de legatie). Die nnl.
compoſitions-s ſcheinen ſich mit der flexion mehr zu be-
rühren, als die nhd. Nicht nur iſt das nnl. geſchlecht
überhaupt ſchwankender, z. b. arbeid, tijd werden unbe-
denklich männlich gebraucht, ſondern die nachläßige con-
ſtruction der gemeinen umgangsſprache pflegt ſogar das
fem. mit dem gen. auf -s andern ſubſtantiven ungebun-
den vorauszuſchicken, z. b. de zons ondergang, gerech-
tigheids handhaving ſtatt: de onderg. der zonne, de handh.
van ger., ja es kann (analog jenem hd. des nachts, eines
nachts ſ. 938.) ein männliches pronomen dazu geſetzt
werden, z. b. ’s moeders vader (wie man in Nieder-
deutſchland hört: mutters vater). Der gegenſtand fällt
alſo mehr der ſyntax anheim, als der wortbildung. Denn
eingeräumt, daß feminina, ſobald ſie im gen. einem an-
dern ſubſt. vorangehen, das männliche oder neutrale
-s annehmen dürfen, iſt die entſtehung uneigentlicher zuſ.
ſetzungen aus dieſer conſtruction nicht zu beſtreiten.


2) im ſchwed. und dän. iſt die compoſition weibl. ſubſt.
mittelſt -s darum ganz an der ordnung, weil alle femi-
nina überhaupt den gen. ſg., wie maſc. und neutra, auf
-s bilden und das dän. maſc. und fem. faſt verfließen.
Ein ſchwed. ordfognings-lära, dän. ordföjnings-läre,
regierings-konſt, bildnings-kraft, ſchwed. majeſtets-bref,
dän. majeſtets-forbrydelſe, ſchwed. qvantitets-tekn, dän.
communitets-lem, ſchwed. flexions-ändelſe, dän. deriva-
tions-endelſe, ſchwed. värdighets-namn, landfkaps-lag,
dän. friheds-ſtand, venſkabs-tegen, klogſkabs-regel und
die menge ähnlicher müßen daher anders, als die abge-
handelten nhd. anomala der zuſ. ſetzung, welchen ſie
äußerlich gleichen, beurtheilt werden. Das ſchwed. dän.
qvantitet, flexion nämlich formiert auch den loſen gen.
qvantitets, flexions; das nhd. quantitäts-, flexions- findet
nur in der zuſammenſetzung ſtatt. Eine folgerung hier-
aus iſt, daß die neunord. compoſita weibl. wörter mit -s
jederzeit uneigentliche ſind, da doch die nhd. in der re-
gel für eigentliche gehalten werden dürfen. Kein neu-
nord. fem. entbehrt das -s in gleichem fall, während das
nhd. -s als ausnahme erſcheint für gewiſſe wörter und
wortbildungen, von denen kein ſchluß auf andere ana-
loge gilt. Die ſchwed. uneigentl. zuſ. ſetzung broders-
ſon, ſyſters-ſon von den gen. broders, ſyſters iſt ſo rich-
tig wie die nhd. bruders-ſohn, ſchwefter-ſohn von den
gen. bruders, ſchweſter; fehlerhaft ſcheint mir die unter-
drückung des -s im dän. broder-ſön, ſöſter-ſön.


[944]III. unflexiviſches compoſitions-S.

3) die engl. ſprache hat faſt alle flexion fahren laßen, er-
theilt aber dem vorſtehenden gen. (ehmahls) weiblicher ſubſt.
das -s der männlichen oder neutralen, z. b. flexions property,
a compoſitions mode, beautys roſe, ſuns heat, hells groan,
the earths fertility, a midſummernights dream, the worlds
creator, the churchs reformation; man pflegt vor dem
-s einen apoſtroph zu ſetzen, der in den meiſten fällen
überflüßig ſcheint. Es ſind loſe genitive, keine uneigent-
liche compoſita, die aber bei benennungen leicht daraus
entſpringen können: goats-thorn (bocksdorn) ladys-ſlip-
per (frauenſchuh) ladys-thiſtle (frauendiſtel) queens-gilli-
flower (nachtviole) etc. vgl. oben ſ. 609. 610. Der un-
gebunden vorſtehende gen. darf in den nachgeſetzten, mit
der partikel of umſchriebnen verwandelt werden: the
property of flexion, a mode of compoſition, the heat of
the ſun etc. Tritt eigentliche zuſammenſetzung ein,
ſo nehmen auch jene romaniſchen fem. auf -ion kein -s
an, das ſie im nhd. nicht entbehren können, z. b. aſcen-
ſion-day, proviſion-houſe, confeſſion-chair, queſtion-leß
(nhd. aſcenſions-tag, proviſions-haus) woraus ich eine be-
ſtätigung meiner anſicht ziehe, daß die engl. -s immer
uneigentliche, die nhd. weiblichen -s in der regel eigent-
liche compoſition anzeigen, weil im engl. das -s einen
wirklichen caſus bildet, im nhd. nicht. —


Anmerkungen: α) die ganze anomalie, da ſie ſich in
ſämtlichen dialecten deutſcher zunge, ohne wahrſchein-
liche einwirkung des einen auf den andern, vielmehr bei
jedwedem eigenthümlich geſtaltet hat, beruht auf einem
innern bedürfnis der jüngern ſprache überhaupt. Wie
thöricht erſcheinen daher die verſuche unſerer zeitge-
noßen, dieſes -s im nhd. zu vertilgen.


β) der grund war das zu ſehr geſunkne flexionsver-
mögen des gen. ſg. ſem. Im hochd. wurde zwar durch
bewahrung der weibl. kennzeichen im adj. und pron.
die einführung eines unorganiſchen hilfsmittels für den
ungebundnen gen. vermieden und in der compoſition
diente die fortdauer der ſchwachen flexion den unter-
ſchied der eigentlichen von der uneigentlichen meiſten-
theils merkbar zu machen. Wiewohl ſchon im mhd. und
früher bei zuſ. ſetzung ſtarker fem. zweifel obwalten
(ſ. 610. 614.); ſchwerfällige feminina zu componieren
wurde umgangen. Als aber die geſchäftsſprache um ſich
zu greifen anfieng und der compoſition vielſilbiger, durch
die aufnahme fremder wörter vermehrter fem. nicht län-
ger auszuweichen war, verfiel die ſprache, wie durch
[945]III. zahlwörtercompoſita.
inſtinct, auf daſſelbe mittel, das ihre ſchweſtern nicht
viel früher in größerer ausdehnung ergriffen hatten. Der
nhd. zunächſt ſteht die nnl., welche das -s außer der
zuſammenſetzung in vertraulicher rede auch dem frei
vorſtehenden gen. fem. geſtattet, was durch die un-
gleich weiter eingerißne verwirrung der organiſchen ge-
ſchlechtsverhältniſſe ſichtbar erleichtert wird. Im engl.
erſcheint die einmiſchung des -s noch um einen grad ge-
ſetzmäßiger, da ſie ſich auf alle feminina erſtreckt und in
dem edelſten ſtil zuläßig iſt; mit der compoſition hat ſie
ſchon weniger zu ſchaffen, mit der eigentlichen gar
nichts. Im ſchwed. und dän. ſehen wir den gebrauch
des -s am weiteſten getrieben, zur förmlichen flexion des
gen. fem. geworden kann es dem regierenden nomen
vor- oder nachgeſtellt, wie der gen. maſc. conſtruiert
werden, auch unbedenklich uneigentliche zuſammenſetzun-
gen bilden helfen. Ich habe 1, 804. gewis fehlerhaft be-
hauptet, im ſchw. oder dän. gen. ſols, krafts ſei die ur-
ſprüngliche genitivflexion forterhalten worden. Mit dem
alten gen. fem. auf -s bei Ulf. ſteht dieſer neueingeführte
in keiner verbindung und im altſchwed. altdän. zeigen
die ſem. vocaliſchen ausgang des gen. ſg., die ſtarken,
nachdem ſie das altn. -r abgelegt haben (analog den ahd.
und mhd.), die ſchwachen, weil ſchon im altn. das -n
apocopiert war. Es wird hiſtoriſch ermittelt werden kön-
nen, in welchem jh. die ſchwed. und dän. -s des gen.
ſg. (und gen. pl.) zuerſt beginnen.


γ) die hochdeutſche mundart verletzt am geringſten
das organiſche verhältnis; die übrigen haben durch ihr
kühneres einſchreiten einige äußere vortheile davon ge-
tragen.


§. 7. compoſita mit zahlwörtern,


hier iſt zweierlei zu betrachten: die zuſammenſetzung
der zahlen untereinander und mit andern wörtern.


I. compoſition der zahlwörter ſelbſt. Es gibt in allen
deutſchen ſprachen nur zehn einfache zahlen, alle weite-
ren werden durch zuſammenſetzung dieſer theils mit ſich,
theils mit andern nominibus hervorgebracht. Die oft
ganz verwachſene und unkenntliche zuſammenſetzung iſt
überall eine uneigentliche und zwar aus wirklicher appo-
ſition
entſprungne. Obſchon nämlich auch der eigentli-
chen compoſition appoſitionelle verhältniſſe zu grund lie-
O o o
[946]III. zahlwörtercompoſita.
gen können (ſ. 439 - 443. 626. 627.), ſo war ſie doch nie
aus apponierten wörtern ſelbſt entſtanden. Zuſammenge-
ſetzte zahlen ſetzen aber urſprünglich ungebunden neben-
einander geſtellte wörter voraus, weil 1) das erſte wort
rückſicht auf das geſchlecht des zweiten nimmt; 2) oft
noch ſeine caſusflexion mit in die zuſammenſetzung bringt;
3) die copula dazwiſchen erſcheint, vgl. drei-und-zwanzig
mit drei-zehen; 4) ſyntactiſche auflöſungen erfolgen, z. b.
zehen und drei, zwanzig und drei; 5) die compoſition
keine eigenthümliche begriffsbeſtimmung zeugt, ſondern
beide wörter in ihrem urſprünglichen werthe läßt. Com-
poſitionsvocal kann alſo hier nirgends vorkommen. Aus
der anfänglichen freiheit beider wörter fließt das geſetz:
daß ſich cardinalia nur mit cardinalibus, ordinalia nur
mit ordinalibus zuſammenfügen. Weil ſich aber bald
mehrere cardinalcompoſita verhärteten, wurde hernach
bloß aus dem zweiten wort die ordinalſorm entwickelt,
das erſte in der cardinalſorm beibehalten, z. b. wenn wir
ſagen der drei-zehnte ſtatt dritt-zehnte (decimus tertius).


A. cardinalzahlen verbunden.


1) von I - X. ſind ſie durchgängig einfach, alle fol-
genden aber zuſammengeſetzt. Bei den drei erſten, des
geſchlechts und der flexion vorzugsweiſe befähigten zah-
len entwickelt ſich ein widerſtreit, inwiefern ſie genus
und caſus nach dem zweiten wort, dem ſie verbunden
werden, richten, oder nach dem folgenden ſubſt., wor-
auf ſich die ganze zahl bezieht. Letzteres ſetzt eine
größere verhärtung der zuſammenſetzung voraus.


2) es iſt unſrer ſprache eigenthümlich, die zehner un-
gleich zu behandeln, nämlich XI. und XII. anders als die
übrigen, da doch im lat. griech. ſlav. litth. alle auf einer
linie ſtehen; dennoch erinnert die weglaßung des καὶ in
[έ]νδεκα, δώδεκα, neben τριςκαίδεκα an die deutſche, mit
dem duodecimalſyſtem zuſammenhängende auszeichnung
jener beiden. Joniſch und epiſch ſtehet aber auch δυο-
καίδεκα
. Daß bei uns niemahls ein-zehn, zwei-zehn
geſagt wurde, ſcheint unbezweifelbar; hingegen für XIII-
XIX. könnte in frühſter zeit ebenfalls zuſ. ſetzung mit
-lif gegolten haben, grade wie im litth. von XI - XIX.
mit -lika, das der bedeutung nach unſerm -lif ganz ent-
ſprieht. Jenes ſtammt von likti (linqui, remanere) vgl.
lyktus (reliquiae); dieſes vom goth. leiban (manere, nr. 130.).
Der ſinn iſt: zehn und eins darüber, zwei darüber, alſo
was andere ſprachen durch ſetzung der copula oder durch
eine praepoſition (ſlav. na, lett. pa) ausdrücken. Die ur-
[947]III. zahlwörtercompoſita.
ſprüngliche geſtalt und conſtruction des lif läßt ſich nur
halbdeutlich erkennen. Es ſcheint ein ſubſt. neutr., weil
die goth. neutralform tva dabeiſteht. Im litth. bilden alle
zuſ. ſetzungen mit -lika weibliche ſubſt., die ſchwerlich
aus der tert. pl. praeſ. lika (ſuperſunt) entſpringen, ſo-
wenig als die goth. lif aus leiband oder liband. Wäre
aber lif lebendiges neutr., ſo müſte es den nom. pl. liba
(wie vaúrda, jêra, und hernach hunda) bilden, den dat.
libam. Allein man findet die verhärtete (dem ahd. nom.
pl. analoge?) goth. form tva-lif (duodecim) vgl. þái tvalif.
tvalib Luc. 8, 1. 9, 12. þans tvalif Marc. 6, 7. 9, 35. 10, 3.
2. Matth. 10, 1. Luc. 9, 1. táinjôns tvalif, hveilôs tvalif, jêra
tvalif Marc. 5, 25. Luc. 19, 1. und den dat. pl. þaím tvalif
Matth. 11, 1. (ſtatt tváim-libam?), daneben männlich de-
cliniert: þáim tvalibim Marc. 4, 10. 11, 11. þizê tvalibê
Marc. 14, 10. 43. Joh. 6, 71, welches tvalibim dem þrim
(tribus) ïm (eis) parallel lauft. Die zahl XI. kommt in
worten bei Ulf. nicht vor, áin-lif iſt bloß nach dem ahd.
ein-lif und litth. wieno-lika gemuthmaßt. Dem ahd.
ein-lif (O. I. 3, 72. IV. 12, 114.) ſteht zur ſeite zuê-lif f.
zuei-lif (= goth. tva-lif, wie zuei = tva) zewe-lf N.
p. 235a iſt eine nach der ausſprache verzerrte form;
mhd. ein-lef (im Triſt. auch ei-lif), zwê-lef, mit allmäh-
liger kürzung des ê in e, in Tit. reimt gezwelfet: geſchelfet,
daher nhd. zwölf (wie hölle) neben ei-lf, ê-lf, endlich
auch e-lf. Die agſ. formen fallen beide auf, an ſich und
verglichen mit einander: tvê-lf ſtünde für tvâ-lf, tvâ-lif
und bewieſe, daß fürs neutr. tvâ früher tvê gegolten
hat; aber wie end-lëofan, end-lufan (XI.) zu nehmen,
wenn es keine entſtellung aus ân-lëof, ân-lif wäre? welche
bedeutung könnte das d haben, das ſich ſonſt nicht müßig
einſchiebt (eher auswirft, vgl. die agſ. part. on- für goth.
and)? was ſoll die flexionsmäßige endung -an, wofür
auch -on geſchrieben wird? Vielleicht bieten die älteſten
quellen und hſſ. beßere formen; daß jene endung nicht
zum weſen der cardinalzahl gehöre, beweiſt mir die or-
dinalzahl end-lëof-ta (nicht end-lëofoða, wie ſëofoða,
nigoða, tëóða von ſëofon, nigon, tëón, tŷn), aber noch
im engl. ſteht elleven ab von twelve, wie im altſ. der
freckenh. urk. ellevan von tuilif und das altfrieſ. gewährt
wieder den eingedrungnen d-laut: and-lova neben twi-lif,
ja die heutige ſchweizerſprache (Stald. 1, 340.) eind-lef,
end-lef. Das Il iſt bloße aſſimilation aus nl, die auch im
altn. el-lifo edd. ſæm. 108b 257b el-lëfu 83b 84a (vgl. die
ordinalzahl ellëpto f. ellëfto 42a) eintritt und ein älteres
O o o 2
[948]III. zahlwörtercompoſita.
ên-lifu, ein-lifu fordert. Die vocaliſche endung ſtimmt
zum agſ. -an, -on und entfernt ſich von tôlf (XII.) =
tvö-lif, wie ſchwed. el-lofva, dän. el-leve von tolf, tolv.


3) bei zuſammenſetzung der übrigen zehner von XIII-
XIX. iſt auf das genus des erſten worts in XIII. zu ach-
ten. Weder einen goth. noch ahd. beleg habe ich; nach
dem altſ. thriu-tein, agſ. þrëó-tŷne (mit conſonanzver-
doppelung þrëottŷne) mhd. driu-zëhen Nib. 4582. dürfte
goth. þrija-taíhun ahd. driu-zëhan vermuthet werden,
nämlich taíhun für ein neutrum. Kaum läßt ſich driu in
der angeführten ſtelle von jâr abhängig denken, die flexion
gebührte dann mehr dem zweiten wort: driu-zëheniu
jâr. Meiner anſicht nach hätte ebenwohl zu ſtehen: driu-
zëhen tage, bürge (dies, urbes) und nicht drî-zëhen.
Von den übrigen zehnern gibt es kein beiſpiel des flec-
tierten erſten worts. Im goth. ſimf-taihunim (dat. pl.)
Joh. 11, 18. decliniert das zweite, und die form taihunim,
nom. pl. taihuneis? beſteht neben dem neutr. taíhun, wie
neben tvalibim tvalif; ahd. bald unveränderliches finf-
zëhan etc. bald finf-zëhanî. Neben dem einfachen, ſeines
n beraubten tîu lautet das altn. zweite wort -tân, -tiân;
die gemination þrëttan (XIII.) gemahnt ans agſ. þrëottŷne.


4) das maſc. tigus hilft die goth. cardinalzahlen XX-
L. bilden. In XX. XXX. richtet ſich caſus und genus
genau nach dem zweiten damit verbundenen, nicht nach
dem folgenden ſubſt., vgl. tváim-tigum þuſundjôm (vi-
ginti millibus) Luc. 14, 31. jêrê þrijê-tigivê (annorum
triginta) Luc. 3, 23. þrins-tiguns ſilubrinaizê (triginta ar-
genteos) Matth. 27, 3, 9. Will man hier unverbunden
ſchreiben tváim tigum etc., ſo habe ich wenig dawider.
Nach der analogie würde aber im nom. ſtehen ſowohl
tvái-tigjus þuſundjôs (viginti mîllia) als tvái-tigjus dagôs
(viginti dies) tvái-tigjus jêra (viginti anni) oder auch mit
dem von der zahl regierten gen. pl. dagê, jêrê. Beſtätigt
das die vorhin gemuthmaßte form des dat. pl. tváim-
libam dagam (oder dagê), des ahd. zuê-lif takâ (duode-
eim dies) driu-zëhan takâ (tredecim d.)? Im ahd. ſcheint
-zuc meiſt unveränderlich (1, 763.) daher kein dat. pl.
zuêm-zukum, drim-zukum zu erwarten iſt; der nom.
zuein-zuc entſpringt aus zueinê-zukî, zuênê-zukî und gilt
hernach, ſo wie drî-zuc, unorganiſch für andre caſus
mit; mhd. zwein-zëc, drî-Ʒëc für drî-zëc (1, 1080.); nhd.
zwan-zig (vergröbert aus zwen-zig, zwên-zig, zwein-zig
wie noch Ulr. v. Hutten ſchrieb), dreißig. Agſ. tvêntig
(f. tvêgen-tig, etwa wie rên, wæn für rëgen, vägen) þrittig
[949]III. zahlwörtercompoſita.
(f. þrî-tig). Die altn. form tuttugu (XX.) ſcheint aus tvö-tugu,
alſo aus einem neutrum zu deuten, die übrigen decaden geben
dafur -tîu, das ich 1, 762. not, der ahd. nebenform -zô
und goth. tëhund vergleiche; in den ordinalien gleich-
förmig tuttugaſta, þritugaſta u. ſ. w., doch gilt auch die
cardinalnebenform þriâ-tigi (edd. ſæm. 257b) nom. pl.,
die aus dem acc. pl. maſc. þriâ tigi hervorgegangen un-
organiſch die andern caſus ergriffen hat, da der nom.
þrir-tigir (folglich auch tveîr-tigir, acc. tvâ-tigi?) lauten
ſollte. In allen deutſehen dialecten führte demnach die
uralte appoſition eigenthümliche formverderbniſſe herbei.


5) hund iſt neutrum und bildet ganz regelmäßig tva-
hunda, dat. tváim-hundam, þrija-hunda, dat. þrim-
hundan, niun-hunda (nongenti) Eſr. 33, 37; ahd. zuei-
hunt, driu-hunt; die dat. zueim-huntum, drim-huntum
ſind aber nicht zu belegen. Agſ. tvâ-hund, þrëó-hund.


6) þuſundi iſt goth. fem., daher tvôs-þuſundjôs zu
erwarten, aber belege mangeln. Wegen der übrigen
ſprachen vergl. 1, 764.


B. ordinalzahlen verbunden.


1) goth. und ahd. wird von XIII-XIX. auch die erſte
zahl in der ordinalſorm genommen jedoch nicht mitde-
cliniert: fimfta-taíhunda (decimus quintus) fimfta-taíhundin
(decimo quinto); ahd. finfta-zëhenten T. 13, 1, dritte-zënden
(decimo tertio) N. pag. 235b, niunta-zëhanten (decimo nono
K. 34b, ungebunden ſteht ſibunto zëhanto (ſeptimus decimus)
K. 32a Compoſitionsvocale kann man in dem a- nicht ſehen,
ſchon wegen langſilbigkeit des ahd. finſt-, dritt-, niunt-; form-
verhärtungen müßen aber auch hier zugegeben werden, weil
fimfta-taíhundin jêra in nom. fimftô-taíhundô jêr, folglich
im dat. fimftô-taíhundin lauten ſollte, wogegen das ahd.
finſta-zëhentin jâre untadelhaft ſcheint, ſtatt niunta-zëhan-
tin ſalmin aber niunto-zëhantin zu erwarten wäre, falls
der nom. maſc. niunto-zëhanto lautet. Die ordinalzahl
von XI. und XII. erſcheint nicht bei Ulf., nach dem ahd.
ein-lifto (ein-lufto N. p. 235b), zuê-lifto K. 29b (zewelſto
N. l. c.) kann nur áin-lifta, tva-lifta gemuthmaßt wer-
den, nicht etwa frumiſta-lifta, andar-lifta, ſo wie im lat.
undecimus, duodecimus von undecim, duodecim geleitet,
kein decimus primus, ſecundus gebildet wird. Alle übri-
gen und neueren mundarten leiten auch für XIII-XIX.
lediglich ab, agſ. þrëottëóða, nigontëóða, nicht þridda-
tëóða, nigoða-tëóða; altn. þrëttândi, fim-tândi, nicht
þridi-tiunda; fimti-tîundi; mhd. driu-zëhende, Nib. 5576.
[950]III. zahlwörtercompoſita.
niun-zëhende, nicht dritte-z. niunde-z. und bereit sN
gibt l. c. neben dritte-zêndo, fier-zêndo, funf-zêndo.


2) die ordinalien XX-XC, mit ſuperlativiſcher endung
aus den cardin. deriviert, drücken in der alten ſprache
die geringere zahl gleichfalls mit ordin. aus, z. b. ahd.
finſto-drîzugôſto (trigeſimus quintus) K. 32b, wo finſto
beinah ungebunden ſcheint, da es auch nachſtehen dürſte:
drîzugôſto finſto, wie ſinf-zugôſto ſëhſto, ſiorzugôſto ande-
rêr, ahtozogôſto niunto K. 32b. Altn. wird ſie nachge-
ſetzt und die copula dazwiſchen: tuttugaſti ok ſyrſti (vi-
geſimus primus). Nhd. aber: der ein-und-zwanzigſte, neun-
und-neunzigſte und [nicht] mehr: der zwanzigſte und erſte,
neunzigſte und neunte, außer in poetiſcher umſchreibung.


II) compoſition der zahlen mit andern wörtrn.


A. ordinalien binden ſich mit den adj. halb und ſelb,
jenem voran, dieſem nachſtehend.


1) die einem cardinalzahlbegriff hinzutretende hälfte,
z. b. ein und ein halb, zwei und ein halb, drei und ein
halb etc. pflegt durch die folgende ordinalzahl und das
nachgeſetzte halb ausgedruckt zu werden: ander-halb
(wofür wir unrichtig ſagen andert-halb, von der analogie
der übrigen verführt) dritt-halb (2½), viert-halb (3½) etc.;
denn es iſt dem ſinne nach einerlei, ob man das halbe
abſtract hinzuſüge oder ſich als einen theil der nächſten
zahl denke *). Belege fürs mhd. vierde-halp Nib. 1778.
4438. fünfte-halp Nib. 5093; ein unbelegliches ahd. andar-
halp (ſeſqui) dritto-halp etc. bezweifle ich nicht, laße aber
unentſchieden, ob das erſte wort. wie im mhd., ſeine
flexion verliert. Zu den agſ. oðer-hëalf, þridde-hëalf,
fëóverðe-hëalf etc. gibt Lye belegſtellen. Altn. wird das
adj. ungebunden und flexibel vorausgeſchickt: hâlfr an-
narr (ſeſquialter) hâlfr þridi etc. ebenſo dän. aber gebun-
den: halv-anden, halv-tredje, halv-fierde etc.


2) zu bezeichnen, in geſellſchaft oder begleitung von
wie vielen ſich einer befinde, wird ſtatt der cardinalis
für dieſe zahl die folgende ordinalis genommen und ſelb-
vorausgeſchickt, z. b. ſelb-ander bedeutet: einer mit einem
andern, ſelb-dreizehnter: einer mit zwölfen, d. h. die
hauptperſon, von welcher geredet wird, eingerechnet,
ſind es zwei, dreizehn. Daß hier erſt ſpäter compoſition
aus bloßer appoſition erwachſe, beweiſt theils die zwi-
[951]III. zahlwörtercompoſita.
ſchenſchiebung des artikels im nnl. zelf-de-tweede, zelf-
de-derde etc. theils die nachſetzung des ſëlbe im mhd.
vierde-ſëlbe Nib. 1764. EM. obwohl es häufiger voraus-
ſteht: ſëlbe-vierde Nib. 1379. ſëlbe-zwelſte Nib. 246. ſëlbe-
ander MS. 2, 183a ſëlb-ahte Ottoc. Plattdeutſch: ſülv-
anner, ſülv-derde, ſülv-ferde etc. ſchwed. ſjelf-annar,
ſjelf-ottonde etc. dän. ſelv-anden, ſelv-tredje etc. In den
ältern dialecten ſcheint dieſe redensart noch nicht ge-
wöhnlich, wiewohl es vielleicht nur an ahd. beiſpielen
fehlt. Die alte ſächſ. ſprache beſitzt dafür eine andre
conſtruction. Sie ſchickt die cardinalzahl im gen. pl. vor-
aus und läßt ſum folgen, z. b. agſ. ëóde ëahta ſum (ivit
octo comitatus d. i. ſelbneunte) Beov. 231. fiſtêna ſum
ſundvudu ſohte (cnm quindecim ingreſſus eſt navem)
Beov. 18. þë fëovera ſumne (dich mit vieren) Cädm.
48, 10; altfrieſ. tvira ſum (ſelbdritte; Wiarda wörterb.
p. 386. unrichtig: ſelbſt zween) fiowera ſum, ſexa ſum, tolva
ſum in den geſetzen häufig. In der. ſyntax werde ich
zeigen, wie vor dieſem ſum auch andre wörter im gen. pl.
ſtehen, z. b. më manigra ſumne (me cum pluribus aliis)
Beov. 156. hë fëara ſum (is paucis comitatus) Beov. 107.
fëara ſumne Beov. 227, gerade wie in der E. H. cap. 27.
hie giwêt im fahora (l. faharo) ſum an ênna nacon (er
beſtieg mit wenigen einen nachen). Offenbar iſt dieſes
ſächſ. ſum weniger das pronomen (aliquis, quidam) als
das dem ahd. ſam parallele, auch in der compoſition ge-
bräuchliche adj. (ſ. 573. 574.), welches den begriff von
vereinigung und zuſammenſein enthält; vgl. hernach un-
ſer ein-ſam (mit ſich allein).


3) die ordinalien der beiden erſten zahlen binden ſich
(und zwar eigentlich) an einige wörter: ahd. êriſt-poran
(primogenitus) zu folgern aus êris-porinni (? êriſt-porinî,
primogenitura) N. 46, 5; nhd. erſt-geburt; ahd. êriſt-lîh?
nhd. erſt-lich; ahd. andar-lîh O. IV. 19, 75. agſ. oðer-
lîc. Hierher könnte man auch die compoſita mit dem
wieder poſitiviſch gewordnen fruma (oben ſ. 631.) zählen.


B) cardinalia in compoſition mit andern wörtern.


[ein-] bezeichnet 1) ſinnliche einheit an dingen, welche
die ſache ſonſt zwei oder mehrmahl haben, ſo daß das
compoſitum mangel oder beraubung ausdrückt. Subſtan-
tiva bildet die alte ſprache noch nicht auf die weiſe, wie
wir nhd. ein-bein, ein-fuß, ein-horn, ein-ohr ſagen.
Früherhin entſprangen aus ein- und dem ſubſt. zuerſt
zuſammengeſetzte adjectiva: ahd. ein-augi (lippus) ſgall.
198 jun. 211. ein-ougi (luſcus) doc. 209a monſ. 398; ein-
[952]III. zahlwörtercompoſita.
fuoƷe (unipes) N. 35, 12. und die ſchwache form ſolcher
adj. kann hernach wieder ſubſtantiviſch gebraucht wer-
den, z. b. ein-hurnjo (unicornis) gen. ein-hurnin monſ.
323. 408. dem glaube ich ein adj. ein-hurni vorausgeht.
Agſ. ân-eáge (monoculus); ân-hende (unimanus); ân-
hyrne (unicornis). Altn. ein-eygr (luſcus); ein-fœtr (mo-
nopos); ein-hendr (mancus); ein-ſŷnn (monoculus); die
ſubſt. ein-fœtîngr, ein-hyrnîngr (monoceros) wahrſch. aus
adj. geleitet. Mhd. adj. ein-ouge, ein-fueƷe, ein-hende
kenne ich nicht, ein-hürne Barl. ſteht ſubſtantiviſch. Nhd.
werden adj. auf -ig gebildet: ein-äugig, -händig, -füßig
u. a. m. — 2) häufiger ſind andere adj. der einheit, ohne
dieſen begriff des fehlens, ſinnliche oder abſtracte und
nicht immer abgeleitete, wie gleich das einzige goth.
beiſpiel zeigt: áin-falþs (ſimplex). Ahd. ein-chunni, ein-
kunni (unius ſtirpis?) O. I. 4, 8. (damit die nothwendig-
keit der prieſterehe zu beweiſen?); ein-haft (unus) wo-
von ein-haftî (unitas) N. 44, 15; ein-lîh (aliquid) K. 21b
O. IV. 29, 38; ein-muati (unanimis) O. IV. 29, 9. ein-
muatlîh (ſimplex) K. 55a; ein-râti (conſtans) ein-râte N.
Cap. 80. ein-râtlîch T. 196, 6; ein-ſtimmi (conſonus) O.
I. 9, 56; ein-ſtuodel (ſimplex) N. Bth. 214; ein-trafti
(ſimplex) ker. 48, das zweite wort dunkel, vielleicht von
traben, gleichſam ein-trabig?; ein-falt (ſimplex) doc. 209b
O. II. 7, 111. IV. 31, 26. V. 23, 170. aber ein-falti ker.
48. ein-valte N. Bth. 145. 267. ein-falt-lîh K. 20b. Agſ.
ân-bŷme ſcip (trabaria navis) von beám (trabs); ân-
eynne (nach Lye unicus); ân-däge (diurnus, unius diei)
Cädm. 69; ân-ecge (unangularis); ân-fâh (unicolor); ân-
fëald (ſimplex); ân-lëgere (unicubus); ân-lîc (unicus) von
on-lîc (ſimilis) zu unterſcheiden; ân-môd (conſtans, una-
nimis); ân-ſvêge (unifonus, conſonus); ân-vintre (hornus,
anniculus). Altn. ein-ærr (anniculus) ein-ætr (edulis fine
omni apparatu) ein-ætr matr (roheßbare ſpeiſe, τρώξι-
μος
); ein-bër (merus, ſimplex); ein-faldr (ſimplex); ein-
giftr (monogamus); ein-hæfr (unam tantum artem edoc-
tus); ein-litr (unicolor); ein-lægr (ſincerus) eigentl. ein-
lagig, aus einem ſtück; ein-nættr (unius noctis) edd. ſæm.
95b. Mhd. ein-bære (aptus) Triſt.; ein-lœtic (unius pon-
deris) MS. 1, 126b; ein-valt (ſimplex); ein-var (unicolor);
ein-trehtic (concors) Frib. Nhd. ein-bohrig; -drähtig;
-ſach; -fältig; -färbig; -förmig; -hufig; -jährig; -müthig;
-ſchalig; -ſchichtig; -ſchläferig; -ſchneidig; -ſitzig;
-ſpännig; -ſtämmig; -ſtimmig; -tägig; -tönig; -trächtig
u. a. m. — 3) zuweilen ſteht auch ein- auf ſolche weiſe
[953]III. zahlwörtercompoſita.
vor part. pract; ahd. ein-boran (unigenitus, μονογενής)
O. II. 12, 171. N. 68, 36. mhd. ein-born Barl. nhd. ein-
geborn; ein-choran K. 19a ſcheint ſpielende überſetzung
von anachoreta; agſ. ân-cenned (unigenitus) ân-ſtëled
(unicaulis); altn. ein-dyradr (unicas fores habens); ein-
gëtinn (monogenitus); ein-mæltr (dictu communis); ein-
râdinn (concluſus); ein-valinn (unus ex omnibus electus).
— 4) vor verſchiednen adj. gibt ein- nicht ſowohl den
begriff der einheit, als des vereinzelten, einſamen: ahd.
ein-hluƷi (ſingularis, coelebs, ferus, agreſtis) von der wur-
zel hlioƷan nr. 224, vgl. ein-luƷƷiu (agreſtis) ker. 99. ein-
luƷƷê (ſolitarii) O. III. 14, 192. ein-luƷƷo (adv.) O. I. 5,
79. ein-luƷƷêr N. 101, 7. 71, 14. ein-luƷƷî (monogamia)
ker. 199. ein-luƷlîh K. 33b 41a ein-luƷƷeg-heit N. Bth.
214; ein-feri? (uno latere?) ker. 200. ein-fara maged
(coelebs) N. Cap. 49. Agſ. ân-hlêpe (ſolitarius[,] ſingula-
ris) wofür ich nur ân-lêpe, ân-lŷpe, ân-lŷpig (ein-läufig)
finde; ân-haga (ſolitarius); ân-laga (idem) ſchwache for-
men, welche ân-häge, ân-läge vorausſetzen? Altn. ein-
hleypr (coelebs); ein-hlytr (idem); ein-ſaman (ſolus,
unicus); ein-ſtadr (familiae expers) fem. ein-ſtöd edd.
ſæm. 269b; ein-ſtakr (idem). Mhd. kein beiſpiel und nhd.
nur ein-ſam, das im ahd. und mhd. fehlt, im altn, mit dem
adv. ſaman (conjunctim) gebildet ſeheint; dürſte man es aus
der ſ. 951. erläuterten altſächſ. conſtruction erklären? —
5) vor gewiſſen adj. geht der begriff der ſingularität
in den von trefflichkeit, aber auch von unbiegſamkeit
und ſtarrheit über, einige der ſchon unter 2. angeführ-
ten fallen gleichfalls hierher: ahd. ein-chnuadil (inſignis,
egregius) jun. 210. ein-chnuolîh (inſignis) N. Bth. 222.
ein-chnôſli (cognitus) ker. 209; ein-herti (conſtans) jun.
222; ein-hêr oder ein-hêri (excellens?) ich habe nur
ein-hêrôſto (monarcha) ker. 199; ein-khirpi (obſtinatus)
ker. 222. dunkel, hängt es mit kerbe, einſchnitt zuſam-
men? ein-kerbig?; ein-khimpi (funeſtus) ker. 127. gleich-
falls dunkel, auf derſelben ſeite ſtehet pi-khimpôt (funera)
pi-kimpôt (funeſtus) bi-kimbitha (funeſta); ein-lîh (anxius)
doc. 209a; ein-rihtig (rigidus) N. Bth. 102; ein-ſnëllêr
(zelotypus) K. 58b; ein-ſtrîti (pervicax, contumax) jun.
222. K. 58b ein-ſtrîtî (contumacia) K. 56b ein-ſtrîtîc monſ.
386. 397. 413. doc. 209a; ein-willîh (pertinax) jun. 222.
Agſ. ân-hydig (arrogans) Cädm. 88.; ân-môd (obſtinatus);
ân-ræde (vehemens), doch Beov. 116. 119. ſtehet ân-
ræd; ân-villa (pertinax) engl. one-will. Altn. ein-ardr
(audax, confidens) für ein-verdr oder ein-hardr? ein-
[954]III. zahlwörtercompoſita.
beidr (optabilis); ein-beittr (intrepidus); eîn-fær (ſibi
ſufficiens); ein-hardr (perdurus); ein-hvërfr (pertinax,
abſurdus); ein-hugadr (animoſus); ein-muna (praeter
omnes memorandus); ein-râdr (pertinax); ein-rœnn (per-
vicax, abſurdus) vgl. rœnn oben ſ. 181; ein-ſinna (per-
tinax); ein-ſær (perſpicuus); ein-ſætr (aptus, tutus); ein-
virdulëgr (exquiſitus); eìn-þyckr (ſibi ſapiens). Mhd.
und nhd. adj. dieſer bedeutung gibt es nicht. — 6) ſubſt.
mit ein-: ahd. eina-chorno (far) doc. 209a eine art dinkel,
bemerklich iſt der compoſitionsvocal, oder wäre ein-
achorno zu leſen, mit rückſicht aufs goth. akran?
obgleich das nhd. ein-korn dagegen ſpricht; ein-hêrôdi
(monarchia) ker. 199; ein-ôti (ſolitudo) O. I. 10, 56. II.
4, 2, 59 etc. ſcheint hierher ungehörig, da es eher ab-
leitung iſt, als zuſammenſetzung (vgl. oben ſ. 257.); ein-
par (ſitula) caſſ. 854b eim-beri N. f. ein-beri, waßerge-
fäß mit einem griff, einträgiges, gegenſatz von zuber,
ſchwerlich von amphora, monſ. 397. ſtehet aimbre (hy-
dria) und 338. eimpri (hydrias); ein-fleiƷtî? (ſagina)
emm. 412. (vielleicht ein-feiƷtî, einzelne mäſtung? beßers
zu rathen weiß ich nicht); ein-wërches (cooperationis)
J. 361. von ein-wërch oder-wërchi?; ein-wîg (certamen
ſingulare, monomachia) doc. 209a monſ. 326. emm. 403.
404. 405. 413. O. IV. 12, 123 (wo ein-wîge zu leſen?).
Agſ. ân-däge (terminus?) vgl. ſ. 489; ân-färeld (iter ſo-
litarium); ân-genga (viator ſolitarius) Beov. 36; ân-gild
(compolitio ſimplex); ân-haga (ſolitarius) Beov. 177; ân-
mêdla (ſuperbia); ân-päð (femita anguſta, wo nur einer
gehen kann, einpfad) Cädm. 64. Beov. 107; ân-tîd (tem-
pus fixum?) Beov. 19; ân-vëald (monarchia); ân-vìg
(cert. ſing.); ân-vîte (mulcta ſimplex). Andere agſ. ân-
ſind mir zweifelhaft, weil die unaccentuirte ſchreibung
auch an- für on- (ahd. ana-) möglich macht, wiewohl
allein ſtehend kein on für ân (unus) ſteht, [kann ombor
(amphora) aus âm-bor werden? vgl. oben ſ. 589.]; ſo
dürſte ân-timber (materies) auserwähltes bauholz ahd.
ein-zimpar und an-timber, on-t. ahd. ana-zimpar ſein
(vgl. ſ. 712.); ja beide formen mit verwandter bedeu-
tung ſind recht in ân-vëald (ahd. ein-walt) und on-vëald
(ahd. ana-walt). Altn. ein-bani (percuſſor inſignis); ein-
birni (unica proles); ein-bûi (ſolitarius); ein-dagi (dies
oculata); ein-dœmi (unius arbitrium, unicum exemplum);
ein-eiði (unius juramentum); ein-fari (ſolitarius viator)
ein-ferdir (ſolitariae evagationes); ein-gânga (idem); ein-
girni (filum ſimplex); ein-hama (ſimplici ſorma humana
[955]III. zahlwörtercompoſita.
gaudens); ein-heri (heros ſingularis, egregius) 68a pl.
ein-herjar (divi) 36a 42b; ein-hŷſi (inſula, domus ſepa-
rata); eini-ber (juniperi baccae) aus dem lat. entſtellt?
ſonſt ſtünde ein-ber und das engl. one-berry iſt ganz ein
andres gewächs; ein-kenni (nota disjunctiva); ein-kylja
(unica aura, ein luſtzug); ein-lìfi (cœlibatus); ein-læti
(ſolitudo); ein-mana (ſolitarius, ſibi ipſi ſerviens) von man
(ſervus); ein-mânaðr (menſis unus. i. e. ultimus hiemis);
ein-mæli (arcanum) 254a; ein-rûm (locus abſconditus);
ein-ſëta (ſeceſſus); ein-ſkêſta (pannus unilix); ein-ſpinna
(id.); ein-ſtîgi, ein-ſtig (ſemita uni tantum pervia); ein-
ſtædìngr (amicis orbus); ein-tal (ſoliloquium); ein-val
(electio); ein-vald (monarchia) ein-valdr (monarcha); ein-
vëra (manſio ſolitaria); ein-vîgi (duellum); ein-virki (co-
lonus ſine famulitio). Mhd. ein-lant (inſula) Barl. troj.,
kann zwar wie das altn. ein-hŷſi für ein abgeſondert lie-
gendes land genommen werden, doch glaube ich daß es
aus ei-l. entſtellt iſt (vgl. ſ. 502.) und vielleicht ahd. aha-
lant lautete; von ein-œte gilt was von der ahd. form;
ein-ſidele (anachoreta) Barl.; ein-wîc Triſt. und ſicher
noch andere. Nhd. ein-beere (Paris Linn.); ein-blatt
(monophyllon); ein-falt; ein-heit; ein-korn (dinkel);
ein-klang; ein-kehle (winkel auf dem dach); ein-muth;
ein-tracht u. a. m.; eim-er ganz entſtellt. — 7) verba
mit ein- nehme ich nur im altn. wahr, ſie leiten ſich
aber von ſubſt. zuſ. ſetzungen her: ein-daga (certum
tempus definire) ein-henda (una manu prehendere, ferire)
ein-kenna (inſignire) ein-ſtrengja (clamoſe certare) und
haben einen andern grund, als die unter 3. genannten
participia. — Anm. α) mehrere comp. mit ein- in der
unter 5. ausgeführten bedeutung erinnern an die zuſam-
menſetzung mit ſelb- und eigen- (ſ. 638. 639.) vgl. ſëlb-
walt (arbitrium, libera poteſtas) ein-walt (principatus)
nhd. eigen-dünkel, eigen-ſinnig, dän. egen-ſindig, egen-
raadig, altn. ein-þyckr, ein-ſinna, ein-râdr u. a. m, wie
im griech. αὐτό-ξυλος gleichviel mit μονό-ξυλος (vgl. ahd.
ſëlp-poum) αὐτο-κράτωρ mit μονο-κράτωρ u. a. m. Man
braucht daher nicht auf entſtellung des eigen- in ein-
(wie ſie im altfrieſ. wirklich ſtatt hat) zurückzugehen
oder gar auf verwandtſchaft beider wörter und des pro-
nom. erſter perſon, deren auſführung mir jetzt fern
liegt. β) ſämmtliche compoſita mit ein- ſcheinen mir
eigentliche, wie auch der in eina-chorno erhaltne bin-
dungsvocal bezeugt und uni-, μόνο- beſtätigt; ein adv.
eina (ſemel) läßt ſich weder darthun, noch würde es zu
[956]III. zahlwörtercompoſita.
den meiſten zuſammenſetzungen paſſen, vgl. die folg.
zahlen.


[zwie-] kein goth. beiſpiel, wie würde wohl duplex
lauten? tvi-falþs oder tvizva-falþs? Ahd. zweierlei for-
men α) zui-, oder qui- (nicht zuî-, quî-): zui-beine
(bipes) N. Bth. 255; qui-falt (duplex) ker. 44. 88. zui-
fald K. 20b zui-valt O. Sal. 8. zui-falt N. Cap. 71; zui-
haupito (biceps) hrab. 955a zui-houbetêr N. Cap. 149;
zui-hîto (bigamus) hrab. 959b doc. 246b; zui-jâric (bimus)
monſ. 395. zui-jârîgî (bimatus) doc. 220b; zui-merilîh
(bithalaſſus) monſ. 366; zui-par (gerula? zweiträgiges ge-
fäß) caſſ. 854b ſpäter zû-ber (congius) doc. 246a; zui-
giwâgi (dipondium) monſ. 399; zui-was (bipennis, anceps
zweiſchneidig) jun. 236. doc. 246b; zui-zuirnêt (byſſum)
qui-quirnêt ker. 45. — β) mit dem adv. zuiro, quiro (bis)
vielleicht unzuſammengeſetzt: zuiro-gahiwit (bis nuptus)
hrab. 959b doc. 246b quiro-hîwid ker. 45; ziwir-tuîgêr (bi-
fidus) doc. 246a verſtehe ich nicht, etwa zuiro-zuîgêr; zuiro-
gizêhôt (bis tinctus) doc. 246b monſ. 394. Agſ. α) tvi-, wofür
auch tvëo- (weniger gut tvy-, tve-) geſchrieben wird:
tvi-blëó (bis tinctus); tvi-bill (bipennis); tvi-bôte (du-
plex compenſatio); tvi-cîna (bivium, eig. zwieſpalt, von
cîn oder cîne? rima); tvi-ecged (anceps); tvi-fëald (du-
plex); tvi-fête (bipes); tvi-finger (duos digitos longus):
tvi-ford (duplex vadum); tvi-gilde (duplex ſolutio); tvi-
hæmed (bigamus); tvi-hive (bicolor); tvi-läpped (duas
lacinias habens); tvi-ræde (anceps); tvi-ſnecce (id.); tvi-
ſpræce (bilinguis); tvi-ſpunnen (bis tortus); tvi-tëlgod
(bis tinctus); tvi-vëg (bivia); tvi-vinter (bimus). — β)
tva- (nicht tvâ-) welches für tviva, tvëova (bis) ſtehet:
tva-däglîc (biduanus); tva-niht (biduum) tva-ſcëal (bi-
lanx). Altn. tvî- (bei Biörn und Raſk mit langem vo-
cal, obgleich tviſvar, bis, entſchieden kurzen hat): tvî-
ærr (bimus); tvì-bakadr (bis coctus); tvî-bentr (vafer);
tvî-brotinn (duplex); tvî-burar (gemini); tvî-bŷli (prae-
dium bipartitum); tvî-bytna (amphicupella); tvî-drægni
(diſcordia); tvî-drægr (diſconveniens); tvî-dyradr (biſo-
ris); tvî-dœgra (opus duorum dierum); tvî-eggjadr (an-
ceps); tvî-eln (duarum ulnarum); tvî-friôfr (biſer); tvî-
fœtr (bipes); tvî-gildi (duplum); tvî-heilagr (bifeſtus);
tvì-höſdadr (biceps); tvì-hyrndr (bicornis); tvî-klofinn
(bifidus); tvî-litr (bicolor); tvî-mennîngr (bini); tvî-mæli
(rumor varius); tvî-qvæntr (bigamus); tvî-râdr (anceps);
tvî-ſaga (fibi non conſtans); tvî-ſkêfldr (bipennis); tvî-
ſkinnûngr (cutis duplex); tvî-ſŷnn (anceps); tvî-tentr
[957]III. zahlwörtercompoſita.
(bidens); tvî-tindadr (bifidus); tvî-tôli (hermaphroditus);
tvî-vëdrûngr (anceps coelum) und die abgeleiteten verba:
tvî-henda (ambabus manibus arripere); tvî-klifa (iterare);
tvî-nôra (bis rodere); unabgeleitet iſt das ſtarke tvî-taka
(iterare). Warum ſtehet tvö-faldr (duplex) für tvî-faldr?
Mhd. zwi-, aber die compoſita ſind zum verwundern ſel-
ten, ich weiß nur das häufige adj. zwi-valt (duplus) und
davon zwi-valden (duplicare) MS. 2, 29a. Nhd. zwie-.
neben zwei-; die alte form zwie- haben nur folgende:
zwie-back; zwie-ſach; zwie-licht; zwie-mark; zwie-ſpalt;
zwie-tracht; zwie-wuchs. Dagegen: zwei-blatt; -deutig;
-drähtig; -falter; -fach; -händig; -herrig; -jährig;
-kampf; -männiſch; -pfündig; -ſchattig; -ſchneidig;
-ſeitig; -ſitzig; -ſtämmig; -ſtimmig; -ſilbig; -tägig;
-theilig; -zackig; -zahn (nom. plantae); -züngig u. a. m. —
Anm. dieſe compoſita ſind uneigentlich, nämlich nicht
mit der cardinalzahl, welche auf kein zui-, tvi- führt,
ohnehin als bloß pluraliſch eigentlicher comp. unfähig
ſcheint (vgl. ſ. 538.), ſondern mit dem contrahierten adv.
verbunden. Das beſtätigt 1) die ahd. nebenform, zuiro-
hîwid = zui-hîwid, folglich zui-falt aus zuiro-falt, zuir-
falt, wie â- aus ar- (ſ. 705.) hier aber ohne vocalverlän-
gerung, vgl. zuiro-zëhanzug (bis centum) O. II. 8. 65.
Alleinſtehend dauert das adv. zwir im mhd. und zwier
bei Luther fort (nähere angaben cap IV.); ich muth-
maße ein goth. adv. tvizva, nach analogie des altn.
tviſvar *); agſ. lautet es tviva, tvëova (oder tvîva,
tvëóva?) verkürzt tuva, tva, ungefähr wie ſich ïzvis zu
ëóv verhält, es hätte auch ein ahd. zuiwo, zuiuwo dar-
aus werden können (wie iuwih, iu = ïzvis), allein die
ahd. mundart hielt ſich hier mit vernachläßigung des
v an das s (vgl. ubizva, opaſa) und wandelte dieſes mit
der zeit in r. 2) die lat. und griech., grade ſo mit den
adverbien bis, δίς, und neben ähnlicher kürzung in bi-,
δί- bewirkte zuſammenſetzung. Einzelne werden auch
mit lat am-, an- (vgl. ambo) und gr ἀμφι- gemacht,
z. b. an-ceps = bi-ceps, ἀμφι-κέφαλος = δι-κέφαλος; am-
phora ſtammt aus ἀμ-φορεύς = ἀμφι-φορεύς, = δι-
φορεύς,
= ahd. zui-par.


[drei-] wiederum gebrechen goth. beiſpiele, nach
dem vorigen wäre þri-falþs, þrizva-falþs (triplex) zu
[958]III. zahlwörtercompoſita.
erwarten. Ahd. dri- (nicht drî-): dri-bildîg (triformis)
N. Cap. 146; dhri-dhilli (tricamerata) jun. 173; dhri-fald
(triplex) J. 367. 368. 369; dhri-jârîc (trimus) jun. 173;
dri-ruodri (triremis) monſ. 363; dri-ſcôƷe (trigonus) N. Bth.
253. Cap. 110. 126; thri-ſunni (tres ſoles habens?) ker. 269;
dri-tagig (triduanus) N. Bth. 139; thri-decge (triduum)
ker. 269; dri-winchili (trigonum) monſ. 393; dri-zinge
(f. zinke, triangularis). Agſ. þri- oder þrëo-: þri-beddod
(tres lectos habens) þri-däglîc (triduanus) þri-dôgor (tri-
duum) þri fëald (triplex) þri-fête (tripes) þri-fôt (tripus)
þri-fëóðor (triquetrus) þri-finger (tres dig. craſſus) þri-
heáfdod (triceps) þri-hæmed (trigamus) þri-hyrne (tri-
cornis) þri-lêfe (triſolium) þri-milchi (f. mëolce? majus
menſis) þri-rêðre (triremis) þri-ſcŷte (triquetrus) þri-
ſnecce (triſulcus) þri-fpræce (trilinguis) þri-vinter (tri-
mus). Altn. þrî- (bei Biörn und Raſk, neben kurzem
þriſvar, ter): þrî-ærr (trimus); þrî-burar (trigemini)
þrî-fœtr (tripes) þrî-giftr (trigamus) þrî-gildr (triplus)
þrî-hnyttr (trinodis) þrî-höfdadr (triceps) þrî-hyrndr
(tricornis) þrî-hyrnîngr (triangulus) þrî-kantadr (trigo-
nus) þrî-klofinn (trifidus) þrî-mennîngr (tertio gradu
collateralis) þrî-nættr (trinoctialis) þrî-tentr (tridens)
þrî-þættr (trilex); folgende finde ich mit þrê-: þrê-faldr
(triplex) þrê-falda (triplicare) þrê-vëtra (trimus). Mhd.
nur dri-valt, es muß aber noch mehrere geben. Nhd.
drei-: drei-beinig, -blatt, -doppelt, -drähtig, -eck, -einig,
-fach, -falt, -fuß, -jährig, -köpfig, -laut, -ruderig,
-ſchlitz, -ſitzig, -ſpännig, -ſtachel, -tägig, -theilig,
-wöchig, -zack; dem zwie- analoge drie- ſind bloß in
eigennamen wie drie-burg, drie-berg etc. zu ſuchen. —
Anm. die erklärung muß hier ganz wie bei der vorigen
zahl ſein; das adv. lautete auf goth. þrizva?, das ahd.
driro? findet ſich nicht mehr, geſchweige mhd. drir und
aus dieſem grund fehlen die nhd. drie- in der zuſam-
menſetzung, während die zwie- zum theil fortdauern;
agſ. þriva, þrëova; altn. þriſvar; griech. τρίς-, lat. tris-
(ſpäter ter-) in der compoſition τρί-, tri-.


[vier-] goth. fidur-dôgs (quatriduanus) Joh. 11, 49;
fidur-falþs (quadruplus) Luc. 19, 8; fidur-ragineis (tetrarcha)
Luc. 3, 1. Ahd. fëor-ecki (quadrangulus) emm. 411; fëor-
hrediri (quatuor rotas habens) emm. 405; fior-ſcôƷi (qua-
drangulus) monſ. 340. fier-ſcôƷe N. Bth. 253. Cap. 126;
fier-wendi N. Cap. 147; fier-zinke N. Cap. 93. Agſ.
fëóver-feald (quadruplus); fëóver-fête (quadrupes); fëó-
ver-ſcyte (quadratus); fëóver-vintre (quadrimus). Altn.
[959]III. zahlwörtercompoſita.
fiôr-dyradr (quadriforis); fiôr-ſœtr (quadrupes); fiôr-
mennîngar (collaterales quarti gradus). Nhd. vier-fach,
-füßig, -ſeitig u. a. m. — Anm. ein adv. der vierzahl
in dem goth. fidur, verſchieden von der cardin. fidvôr
Marc. 8, 9, 20. 13, 27. Joh. 11, 17., läßt ſich beinahe
aus dem lat. quater, verſch. von quatuor abnehmen,
und dann würde auch im goth. offenbar nur mit jenem
zuſammengeſetzt. In den übrigen ſprachen iſt aber bloß
die card. zahl zu erkennen.


Alle zuſ. ſetzungen weiterer zahlen ſcheinen mit der
card. zahl gebildet. Beiſpiele: ahd. vimf-jârîc monſ. 363;
fibun-falt K. 33b ſipun-ſtërnëo ker. 13. ſiben-ſtirne N.
Cap. 66. agſ. ſëofon-vintre Beov. 181.; goth. ahtáu-dôgs;
nhd. neun-auge; goth. tvalib-vintrus Luc. 2, 42. und ſo
in vielen andern fällen. Bemerkenswerth iſt der altn.
abſtracte gebrauch von hund- zur verſtärkung des be-
griffs: hund-gemall (centennis, decrepitae aetatis); hund-
margr (permultus); hund-vîs (multiſcius) u. a. m., un-
gefähr wie wir im nhd. tauſend für eine unbeſtimmte
große zahl brauchen, z. b. in tauſend-ſchön, tauſend-
fuß, tauſend-ſchmettrig (von der kehle der nachtigall).


Im altn. pflegen ſich die gen. pl. der zwei-, drei- und
vierzahl zuweilen uneigentlich zu componieren: tveggja-
âra-tîmi (biennium) tveggja-daga-tîmi (biduum) tveggja
handa-iârn (ſcalpr. bimanubriatum) tveggja-heſta-vagn
(bigae) tveggja-manna-far (biremis) tveggja-nâtta-tîmi (bi-
noctium) tveggja-ſtranda-iârn, tveggja-vëga-môt (bivium);
þriggja-daga-tîmi, þriggja-mânaða-tîmi; fiögra-fingra-
þyckt (craſſitudo quadrantalis) fiögra-hluta-ſkipti (quadri-
partitio) fiögra-manna-far (navis bijugis) u. a. m., wie-
wohl man den umſtänden nach und wo es mehr auf die
ſache, als auf den namen ankommt, ungebundne wörter
annehmen darf.


§. 8. compoſition ganzer redensarten.


Die uneigentliche zuſammenſetzung überhaupt beruht
darauf, daß zwei nebeneinander conſtruirte wörter ver-
wachſen. Der gewöhnlichſte fall war die verbindung des
vorausgeſchickten genitivs mit dem ihn regierenden ſubſt.
Zuweilen aber geſchieht es, daß praepoſitionen und verba
mit den von ihnen abhängenden nominibus in die com-
poſition verwickelt werden.


1. gewiſſermaßen wäre ſchon eine bekannte eigenheit
der engliſchen ſyntax hierher zu nehmen, wonach das
[960]III. compoſition ganzer redensarten.
genitiviſche -s einem zweiten von der praepoſition ab-
hängigen ſubſt. angefügt wird, z. b. the king of Saxony’s
palace, nhd. des königs von Sachſen palaſt. Um jenes
logiſch zu rechtfertigen, muß man ſich die worte king-
of-Saxony in eins verſteinert denken und wird dann na-
türlich finden, daß das -s erſt am ſchluße der compoſi-
tion ſeinen platz haben kann. So ungewohnt und unedel
in der nhd. ſchriftſprache eine ſolche wortfügung wäre,
können wir doch die hernach unter 3. genannten com-
poſita nicht anders, als in derſelben weiſe conſtruieren,
z. b. ſpring-ins-feld’s leben, nicht etwa: ſpring’s-ins-feld
leben und das gemeine volk höre ich unbedenklich ſagen:
des kaiſer-von-Oeftreich’s armee ſtat des ſchriftgemäßen:
des kaiſers v. O. a.


2) der eine dialect erlaubt ſich in ſolchen fällen, was
der andere nicht leidet. Aus unſrer redensart: in acht
nehmen können wir kein ſubſt. in-acht-nehmung bilden.
Nnl. aber gilt ein ſubſt. in-acht-neming, ebenſo wird
von dem dän. i-agt-tage das nomen i-agt-tagelſe
formiert, ja zum zeichen wirklicher zuſammen-
ſetzung noch weiter componiert; reiſe-i-agt-tagelſer
(reiſebemerkungen); ein reiſe-in-acht-nehmung klingt
uns freilich undeutſch, aber iſt unſer nhd. nebenbemer-
kung d. h. in-eben-bemerkung im grunde beßer? Hät-
ten nicht unſere vorfahren adverbia wie die nhd. insbe-
ſondere, insgemein, insgeſammt mit recht verworfen? da
ſogar die beiden letzten wider den grundſatz ſündigen,
daß nach dem art. das adj. ſchwache form verlangt. Auf-
gelöſt kommt die misform gleich an tag: in das gemein,
m das geſammt ſt. gemeine, geſammte; es find ſchlechte
nachahmungen der franzöſ. adv. en particulier, en géné-
ral. Ich werde anderswo erörtern, wie mehrere adj.
der neuern ſprachen aus adv. entſpringen; der canzlei-
ftil pflegt alsdann auch die partikel un- fehlerhaft anzu-
wenden, z. b. es iſt un-vor-handen; un-von-nöthen
(ſchon bei Fiſchart, bienenkorb 56a) welches erſt nach
dem abſterben des wahren ſinns der redensarten von
nöthen, vor handen geſchehen konnte. In der reineren,
älteren ſprache ſind ſolche abirrungen beinahe unerhört.
Doch muß ich hier des ſonderbaren adj. ir-halpun-lîh
monſ. 350. ir-halpan-lîh (a für u geſehen?) monſ. 395.
gedenken, wodurch das adv. ir halpun (ex latere, de la-
tere) mit lîh verbunden wird, gleich als wollten wir un-
ſer adv. von unten, von oben in ein adj. verwandeln
und ſagen: von-unten-lich.


[961]III. compoſition ganzer redensarten.

3) natürlicher und mehr zu billigen iſt die folgende
anomalie: lebendige eigennamen für ſachen und perſonen
(ſpitznamen) entſpringen durch. ausrufungen, das verbum
und was daneben ſteht, verhärtet ſich in uneigentliche
compoſition, die aber freilich eine verbale heißen darf
(ſ. 678.).


a) meiſtentheils iſt es der imperativ und zwar wieder-
um α) entweder mit einer bloßen partikel, dahin das nhd.
kehr-aus, kehr-ab, (name eines tanzes) hüpf-auf (desgl.)
weil den tanzenden zugerufen wurde ſich zu wenden, zu
ſpringen; reiß-aus (flucht) vom zuruf auszureißen, ſchab-ab.
Alle ſolche compoſita ſind männliche ſubſt., wir ſagen: den
kehraus tanzen, einen hüpfauf ſpfelen, den reißaus neh-
men. Ferner die mannsnamen: ſebe-recht, thu-gut, haft-
aus, trink-aus, ſauf-aus, klaub-auf u. a. m. dergleichen ſich
beſonders unter den bauern finden; der mhd. name des dich-
ters ſing-of f. ſing-ûf (amgb. CCLXIV. vgl. CCCLXIII.
wo: ſing of, ſing abe, ſing hin, ſing her!) pack-an, faß-an
benennungen für hunde. — β) oder mit einem ſubft. (im
accuſ.) daneben: mbd. habe-danc (gratiae) und wiederum
maſc. MS. 1, 118b 126b miſc. 1, 103. 104; zete-brief (ei-
ner der briefe auszettelt, wahrſager) Herb. 15c; in leit-
vertrîp (doloris expulſor) MS. 1, 35b Morolf 45b 57b etc.
nhd. zeit-vertreib iſt das ſubſt. dem imp. vorgeſetzt, daß
aber vertrîp, vertreib imperative ſind, leicht zu ſehen,
denn es gibt weder ein ſubſt. vertrîp noch trîp, da die
wurzel no. 128. nur ein ſubſt. trip, nhd. trieb zeugt. Fer-
ner die mannsnamen mhd. rûme-lant, hebe-ftrît MS. 2, 73a
ſpar-helbling (Adelung 2, 134.) nhd. trau-gott, fürchte-gott,
ſchlichte-groll etc. kratzfuß, wipp-ſterz, ſchnapp-hahn, dreh-
hals, wende-hals; in einem gedicht von Dieterich (Adelung 1,
191. 195. 196.) die rieſennamen velle-walt (waldverder-
ber, waltſwende) und mit vorgeſetztem ſubſt. glocken-bôƷ
(ſtoß an die glocke) fideln-ſtôƷ (ſtreich die fiedel). Die ſpätere
ſprache ſchiebt gern den artikel den oder das, meiſt verkürzt,
dazwiſchen, vergl. die nom. pr. hebenſtreit (heb-den-ſti eit)
haſſenpflug, haſtenpflug (haße-den-pflug) ſcheuchenpflug
(ſcheu-den-pflug), leidenfroſt, ſtürzenbecher (ſtürz-den-be-
cher) rührnſchalk (rühr-den-ſchalk) bei Ried p. 1217. vom
jahr 1575. zuckseiſen (zücke-das-eiſen) klingsohr (?kling-das-
ohr). Im 16. 17. jh. waren ſehr üblich: wendenſchimpf (wen-
de-den-ſchimpf, d. i. ſpaßverderber) H. Sachs, Simplic.
p. 210; wend-unmuth (d. i. freudenmacher) vgl. wendel-
muot MS. 2, 76b; ein ſaug-den-zipfel hat Phil. von Sit-
tew. noch jetzt üblich iſt flörenſried (friedensſtörer) vgl.
P p p
[962]III. compoſition ganzer redensarten.
ehrenfried; bei Fiſchart (Garg. 274b 275a) ſind ſchreck-
den-feind, ſchreck-den-gaſt namen von feſtungsthürmen.
Indeſſen mangeln ſchon dem 13. 14. jh. ſolche formen
nicht. Das angefuhrte lied von Dieterich gewährt die
rieſennamen: ſchelle-den-walt, rinne-den-walt (Adelung 1,
196.); ungedruckte Nîtharte die bauersnamen: lobenſpot
(lobe-den-ſpott, freund von ſcherz) hengentriel (hänge-
das-maul, ein maulhänger) irrenſrit, irrentanz (irre-den
frieden, tanz, wie vorhin ſtörenfried; ſoll irrenfried den
alten namen erkenfrit parodieren?) lîmenzûn (leime-den
zaun, die bauern machten ihre zäune von leim, vgl. ahd.
ſtein-zûn, maceria; vielleicht leimenzûn zu emendieren?)
wahſengûl (unklar, vielleicht waſchengûl, reit den gaul zur
ſchwemme). Der Renner (Adelung 2, 136. 137.): ſchindengaſt
(ſchinde-den-gaſt) lærenbiutel (leer-den-beutel, plattd.
pflücke-büdel) füllenſack (fülle-den-ſack). Wahrſcheinlich
iſt ſuochenwirt, welchen namen ein dichter um 1400 führte,
zu deuten ſuche-den-wirt (beſuche die ſchenke d. i. zech-
bruder). Späterhin tritt auch ein dazwiſchen, z. b. beit-ein-
weil, wart-ein-weil, erdichtete ortsnamen. — γ) oder neben
dem imp. ſteht eine praepoſition mit ihrem ſubſt., z. b. hüpf-
ins-holz, ſpring-ins-feld, renn-ins-land, rinn-ins-land, roll-
in-hag, lug-ins-land (Garg. 274b), bleib-im-haus (ver-
kürzt bleibmhaus) u. a. m., meiſtens perſonennamen, zu-
weilen örtliche *). — δ) oder es folgen andere caſus und
partikeln, dahin der bekannte blumenname vergiß-mein-
nicht, der ſchon im 15. jh. galt (a. w. 1, 151.) ähnlich dem
noli-me-tangere, heutzutag neutrum, halt-uns-feſt (buttel).
Gardivias wird im Tit. überſetzt huet-der-verte, doch ſtehen
die worte wohl uncomponiert. Ganz ausgelaßen iſt der
imp. bei unſerm ſubſt. willkommen (maſc., einem den will-
kommen geben, bieten) für: ſei willkommen, oder iſt
will-komm richtiger und komm der nachgeſetzte imp.?


b) bisweilen ſteht das verbum im conjunctiv oder
fehlt ganz und bloße partikeln bilden den ausruf und
den namen. Für teuſel pflegen wir zu ſagen: der gott-
ſei-bei-uns. Ein geiziger heißt nimmer-ſatt, das ende der
gar-aus. Ein oeſtr. herzog bekam den zunamen jâ-ſô-
mir-gott; -bei Ried p. 287. in einer urkunde von 1205.
findet ſich ein albero iummirowê (? iemer-ô-wê); ein
ſchneidergeſell legte ſich den namen zu: ſieben-auf-einen-
ſtreich.


[963]III. compoſition ganzer redensarten.

c) auch mit dem praeſ. ind. werden eigennamen ge-
bildet, z. b. tauge-nichts f. taug-nichts (von dem orga-
niſchen taug ſtatt des nhd. taugt) franz. vaut-rien, nnl.
deug-niet. Die faule hausmagd heißt ſpät-es-tagt; ein
fabelhafter könig wie-du-wilt u. a. m. — Anmerkungen
1) den eintritt wirklicher compoſition bezeugt die decli-
nierbarkeit des letzten wortes, z. b. im gen. hüpfaufs,
zeitvertreibs, hebenſtreits, ſpringinsfelds, vergißmeinnichts,
nimmer-ſatts. 2) in den romaniſchen ſprachen gibt es
viele ähnliche zuſammenſetzungen, vgl. das angeführte
gardi-vias oder das franzöſ. rendez-vous. Im latein des
mittelalters bildete man frühe die tauſnamen quod-deus-
vult, deus-dedit (franzöſ. dieu-donné kann auch heißen:
a deo datus) und dergl. 3) in ſlaviſchen eigennamen
ſind, nach Dobrowſky, die auf -i endigenden erſten
theile der zuſammenſetzung gleichfalls aus imperativen
deuſbar, wie denn auch i kein ſlav. compoſitionsvocal iſt:
vladi-mir (walte-friede) raſti-ſlav (wachſe-ruhm) borji-ſlav,
borji-voj, vladj-ſlav. vrati-ſlav, primi-ſlav (habe-ruhm) von
vladiti (walten) raſti (wachſen) vratiti, primiti (nehmen);
bei Vuk findet ſich jezdi-mir, kazi-mir von jezditi (rei-
ten) kaziti (verderben) u. a. m. *). Hierdurch könnte man
verſucht werden, ein ahd. fridu-walt, wahs-muot für ei-
nerlei und gleichgebildet mit vladi-mir, raſti-ſlav zu neh-
men, nur daß in fridu-walt der imp. nachgeſelzt wäre.
Inzwiſchen ſcheint es mir doch richtiger in beiden deut-
ſchen nom. propr. eigentliche compoſition zu erkennen
und walt, wahs nicht für imperative, ſondern nomina
anzuſehen, obgleich waltan ſogar buchſtäblich das ſlav.
vladiti iſt. Denn -walt wird ſelbſt zu ſcheinbar ableiten-
dem -alt -olt (regin-walt, reginoaldus) vgl. ſ. 333. 334.
wahs aber iſt wohl das adj. wahs, was (acer), wie das
parallele hart in hart-muot, vgl. ſ. 667, 8. Jene aus wirk-
lichen imp. entſpringenden mannsnamen fallen auch nicht
in die älteſte zeit und haben etwas gemeines an ſich, da-
her ſie bauern, räubern und plumpen rieſen beigelegt
werden; die älteren eigentlich componierten namen ſind
edleres gepräges, auch bei den Slaven. Und ſollte das
in ſlav. eigennamen oft wiederkehrende -mir nicht etwas
anders als mir (pax) ſein, nämlich mit dem goth. -mêr,
-mir- (ſ. 571.) zuſammenhängend? in jezdi-mir wäre die
bedeutung friede unſchicklich.


P p p 2
[964]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.

Schlußbemerkungen zum dritten capitel.


1) zuſammenſetzung und ableitung unterſcheiden ſich
in mittel und zweck weſentlich voneinander. Jene ver-
einigt zwei urſprünglich ſelbſtändige wörter entweder
durch den bloß dazu auserſehnen, bald aber unſichtbar
gewordnen vocal oder durch ſeſtes zuſammenrücken bei-
der, ſo daß die flexion des erſten wortes mit aufgenom-
men werden kann. Bei der ableitung iſt hingegen nur
von einem worte die rede, das durch die anfügung an
ſich dunkler vocale und conſonanten neue beſtimmung
empfängt. Das ableitende princip iſt ein ſuffix, das zu-
ſammenſetzende eher ein praefix zu nennen, wie ſich
beſonders an der partikelcompoſition zeigt (vgl. loup-ac
mit ca-loup ſ. 752.). Die beſtimmung erfolgt bei der de-
rivation hinten, bei der compoſition durch das vordere
wort, während ſie hei der bildung durch laut und ablaut
in dem worte ſelbſt geſchieht. Daß auch an eigentlîch
componierten wörtern das erſte die beſtimmung gebe, das
zweite die hauptſache enthalte, lehren adjectiva wie na-
gel-neu, herz-lieb, gold-gelb, hell-blau, ſchwarz-braun,
(welches ſchwärzliches braun ausdrückt, braun-ſchwarz
wäre ein durch braun modificiertes ſchwarz) oder ſub-
ſtantiva wie groß-vater, berg-luft, ſalz-waßer, laub-froſch
und eine menge dergleichen augenſcheinlich. Die ablei-
tung fügt dem wort abſtracte, allgemeine begriffe (ſ. 397.
398.) hinzu, die compoſition verknüpft zwei ſpecielle, die
eigentliche meiſt auch lebendige begriffe, welche ſich oft
durch keine derivation erſetzen laßen. Beide wörter
halten ſich dann gleichgewicht und äußern gegenſei-
tigen einfluß auf einander, z. b. in apfel-kern, gaſt-freund,
bein-bruch kann man nicht ſagen weder daß bein, noch
daß bruch etc. hauptbegriff ſei. Ja, zuweilen können
beide wörter ihre ſtellen wechſeln (ſ. 547.). Wie ſich
compoſita für leibliche vorzüge und gebrechen umſetzen
iſt ſ. 649. angegeben worden. So gut huf-halz, hüſt-lahm
geſagt wird, könnte auch halz-huf, halz-hufi, lahm-hüſtig
ſtehn und ſchön-haar (καλόθριξ) = ſchön-haarig (pulchri-
comus) breit-fuß (πλατύ-πους, latipes) heißen auf altn.
hâr-fagr (pulcher comâ) ſôt-breidr. Practiſch ſagen
beide wortbildungen das nämliche aus, genau betrachtet
gilt aber die verſchiedenheit, daß in dem einen der be-
griff fuß durch breit, im andern der begriff breit durch
fuß näher beſtimmt wird, dort alſo auf fuß, hier auf
breit mehr nachdruck liegt.


[965]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.

2) nur ſolche compoſita werden abgeleiteten wörtern
älmlich und vergleichbar, deren zweiter theil abſtracte
oder allgemeine begriffe ausdrückt (ſ. 543. 544. 579.). So
iſt ſchön-heit gleichviel mit dem ahd. ſcôn-î; fähr-mann
mit ahd. fer-jô; früh-jahr mit frühling (wie ſpät-jahr
herbſt); bettel-mann, waſch-frau mit bettel-er, wäſcher-
in und zumahl vertreten die adjectiviſchen -lich, -haft,
-feſt die ſtelle bloßer ableitungen, obgleich ſie urſprüng-
lich größeren nachdruck hatten. Im grunde bezeichnet
fähr-mann einen mann, der das überfahren treibt (neben
fuhr-mann, haus-mann, berg-mann), ferge aber das
männliche geſchlecht des überfahrenden (im gegenſatz zu
fähr-frau); im grunde hat unſer töd-lich, ſterb-lich einen
lebhafteren ſinn als das ahd. tôd-îc, ſtirp-îc, wie wir
leicht fühlen, wenn wir andere im gang gebliebene deri-
vata in compoſita umſetzen, z. b. ſchlüß-el, züg-el, ſchleg-
el in ſchließ-werkzeug, zieh-w. ſchlag-w. Allein die ſpä-
tere ſprache gewöhnte ſich daran, zweite wörter aus
zuſammenſetzungen abſtract und wie ableitungsmittel zu
brauchen; die volksſprache hat ſogar einzelne compoſita,
nachdem ſie den ton ganz aus dem zweiten wort gezo-
gen und auf das erſte geworfen, in ſcheinbare derivata
verwandelt (hen-ſche für hand-ſchuh, win-gert f. wein-
garte, gleichſam henſch-e, wing-ert). Einige verdunkelte
ableitungen entſpringen vermuthlich aus zuſammenſetzun-
gen, umgekehrt haben einige wirkliche ableitungen den
ſchein abſtracter compoſitionsformen angenommen, z. b.
-ſal, -nis, wie oben dargethan worden iſt.


3) die compoſitionsfertigkeit aller deutſchen mundarten
iſt ein ſchätzbarer vortheil; wir beſitzen dadurch eine
große zahl lebensvoller, dichteriſcher ausdrücke, die ſich
oft gar nicht in andere ſprachen überſetzen laßen. Dieſe
fremden ſprachen übertreffen uns gleichwohl nicht ſelten
an einfachen wörtern und ableitungsmitteln. Compoſita
ſind ſchön, wenn ſie zwei begriffe in ein bild zuſammen-
faßen, weniger, wenn ſie einen begriff zwiſchen zwei
wörter vertheilen. In den gedichten anderer neuerer
ſprachen ſind vielleicht nicht genug compoſita, in un-
ſerer proſa ihrer zu viel. Die zuſammenſetzung iſt äußer-
lich ſchleppender und anmaßender als die ableitung und
der überfluß abſtracter compoſitionsformeln auf koſten
untergegangner einfacher wörter oder ableitungen ſcheint
mir ein nachtheil. Die lat. malus (litth. obelis), vinea
(litth. wyniczia), lotrix (litth. ſkalbeje), mulctra und viele
ſolche verdienen den vorzug vor unſerm apfel-baum,
[966]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
wein-berg, waſch-frau, melk-faß; ſocietas, puritas, juſti-
tia, dominium vor unſerm geſell-ſchaft, rein-heit, gerech-
tig-keit, eigen-thum, weil hier lauter einfache begriffe
gemeint ſind. Unzuſammengeſetzte wörter geben ſich
leichter zur ableitung und fortzuſammenſetzung her;
aus compoſitis werden nicht gern ableitungen gebildet
und ſchwerfällige decompoſita, z. b. herus durch haus-
herr überſetzt, klingt hausherriſch f. herilis ſchon ſteif
und wie ſollen wir ſagen für heri-fuga? pluvioſus,
pluvialis läßt ſich in regen-haft verdeutſchen, nicht aber
imbricus in platz-regen-haft ohne ziererei. Manche un-
ſerer zuſammenſetzungen ſcheinen eine nach ſchädlicher
verwilderung erfolgte ſprachausbildung zu verrathen;
einzelnen haftete zuerſt etwas unedles an (ſ. 937. 941. 942.),
bevor ſie gebrauch und bedürfnis annehmlich machten.
Die lichtſeite der deutſchen compoſition habe ich durch
darſtellung ihres unerſchöpflichen reichthums und ihrer
vielfachen abſtufung aufgedeckt.


4) bei vergleichung fremder ſprachen iſt mir das an-
gelegenſte, auch in ihnen den compoſitionsvocal als ſol-
chen
nachzuweiſen. Von ihm hängt, wie bei uns, alle
eigentliche zuſammenſetzung ab. Es iſt, wie im deut-
ſchen, immer ein kurzer vocal.


a) im latein -i; daß es kein caſus-i ſein kann folgt
aus ſeiner verwendung hinter allen nominibus jeder decl.
und jedes geſchlechts, auch ſolchen, die nur im plur.
gelten. Beiſpiele aus der erſten decl.: ſtilli-cidium, ſilvi-cola,
terri-cola, virgi-demia (wie vin-demia, a demendo), cauſi-
dicus, aquili-fer, bacci-fer, flammi-fer, furci-ſer, gemmi-fer,
herbi-fer, ſtelli-fer, ſagitti-fer, ſquami-fer, umbri-fer,
lani-ficus, aqui-folium, terri-gena, ali-ger, barbi-ger,
criſti-ger, lani-ger, penni-ger, ſtelli-ger, nugi-gerulus,
herbi-gradus, aqui-legium, ſpici-legium, capri-mulgus,
equi-mulgus, ſagitti-potens. Aus der zweiten: galli-
cinium, ligni-cida, auri-ſer, anni-ſer, belli-ſer, caduci-
fer, leti-fer, oſtri-fer, ſomni-fer, ſigni-fer, tauri-fer, veli-
ſer, vini-fer, racemi-fer, lucri-ficus, dei-ficus (wie dei-
loquus, dei-para, im mittellat.), veli-ficus, auri-ſodina,
argenti-ſodina, auri-fur, coeli-gena, armi-ger, belli-ger,
armi-luſtrium, hirci-pes, ſoni-pes, lucri-peta, hirci-pilus,
armi-potens, belli-potens, vini-potor, foeni-ſecium, lecti-
ſternium. Aus der dritten: muni-ceps, muri-ceps, parti-
ceps, homi-cida, inſanti-cida, lapidi-cida und lapi-cida
(vom alten lapis, gen. lapis) matri-cida, parri-cida (ſ. patri-
c.) regi-cida, muri-cidus (bei Plaut. ein feigling, maus-
[967]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
tödter), marti-cola, monti-cola, rupi-cola, ruri-cola, pietati-
cultrix, juri-dicus, flori-fer, frondi-fer, frugi-fer, imbri-fer,
luci-fer, melli-fer, nocti-fer, rori-fer, peſti-fer, ſaluti-fer, ſoli-
ter, ſopori-fer, thuri-fer, turri-fer, morti-ferus, arti-fex,
carni-fex, melli-fex, opi-fex, pani-fex, ponti-fex, honori-
ficus, muni-ficus, cruci-fixus, melli-fluus, rori-fluus, aeri-
ſodina, oſſi-fragus, aquiloni-gena, ſerpenti-gena, ſoli-gena,
marti-genus, crini-ger, flori-legium, haeredi-pela, veſti-plicus,
auri-ſcalpium, veſti-ſpicus, ſangui-ſuga, ſu-ovi-taurilia, monti-
vagus, nocti-vagus, igni-vomus, carni-vorus. Aus der
vierten wenige: algi-ficus, arci-potens, corni-cen, corni-
ger, corni-pes, domi-duca, domi-porta (ſchnecke), fluc-
ticola, flucti-gena, fructi-fer, geli-cidium. Aus der fünf-
ten weiß ich kein beiſpiel als das mittellat. ſpeci-ficus
von ſpecies, oder gehört fidei-commiſſum, rei-vindicatio
hierher? Bei adjectiviſcher compoſition kann das adj.
wiederum allen drei erſten decl. gehören. Beiſpiele aus
der zweiten und erſten: parvi-collis, uni-caulis, uni-
cornis, uni-jugis, miſeri-cors, vani-dicus, veri-dicus,
ſoli-ferreus, magni-ficus, largi-fluus, alieni-gena, tardi-
gradus, magni-loquus, multi-loquus, verſuti-loquus, vivi-
para, fiſſi-pes, longi-pes, ſolidi-pes, tardi-pes, multi-ſcius,
alti-ſonus, rauci-ſonus, ſoli-vagus, alti-volans. Aus der
dritten: omni-gena, omni-medens, brevi-loquus, blandi-
loquus, dulci-loquus, gravi-loquus, ſuavi-loquus, gracili-
pes, levi-pes, levi-ſomnus u. a. m. — Anmerkungen:
1) ohgleich ich lange nicht alle lat. eigentlichen compo-
ſita anführe, ſo iſt doch ihre anzahl überhaupt unverhält-
nißmäßig geringer, als der deutſchen und einige der
ſchönſt gebildeten ſtehen bloß bei den alten dichtern.
2) der bindungsvocal fehlt ſelten, aber doch zuweilen
α) wenn das zweite wort vocaliſch anlautet: celt-iberi,
puſill-animis, fun-ambulus, ſomn-ambulus, noct-ambulo. β)
auch vor conſonanten: man-ceps, man-cipium f. mani-
ceps (vgl. muni-ceps etc. und ahd. mana-houpit) man-
ſuetus f. mani-ſuetus (vgl. ahd. mana-luomi, gr. χειρο-
ήθης
) vin-demia f. vinî-demia (vgl. virgi-demia) ſol-
ſtitium f. ſoli-ſtitium (vgl. das mittellat. armi-ſtitium) puer-
pera f. pueri-pera (wie pueri-cida); ich weiß nicht, ob
oſ-cen hierher gehört? ſchwerlich luſcinia, das mit lux
und cano nichts zu ſchaffen hat, ſondern ableitung iſt
von luſcus, luſcinus (der geblendete ſingvogel?) γ) durch
auflöſung des avi-in au-: nau-ſragium f. navi-ſragium,
au-ceps, au-cupium f. avi-ceps, avi-cupium, au-gur ſ.
avi-gur (das zweite wort dunkel) vgl. ahd. niu f. niwi,
[968]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
goth. tánï f. tavi. 3) die ableitungsbuchſlaben bleiben in
dem erſten wort, wie die aus der dritten decl. gegebnen
beiſpiele zeigen. Man kann daraus lernen, was zur
flexion gehört oder nicht, und daß pons, pietas ſtehen
für pont-s, pietat-s. Doppelformen wie lapidi-cida und
lapi-cida gründen ſich auf ein doppeltes lapid-s und lap-
is, vulni-ſer, vulni-ficus auf eine ältere form die im gen.
kein - [...] einſchob. Bemerkenswerth iſt das wegbleibende
-in bei homi-cidium ſangni-ſuga, nicht homini-cidium,
ſanguini-ſuga, wie im goth. guma-kunds ſtehet, weil im
deutſchen das -n offenbar flexion iſt, nämlich princip
der ſchwachen (vgl. oben ſ. 538.). Ich entſinne mich
keines ſolchen lat. -in, das bei der compoſ. haftete (das
nachher anzuführende ſemini-verbius iſt ſpätere bildung),
in die ableitungen geht es häufig ein, graminoſus, ſemi-
noſus, ominoſus etc. Die natur dieſer formel ſcheint von
altersher ſchwankend bald derivativiſch, bald flexiviſch.
4) ableitende -i und -u pflegen dem comp. vocal zu
weichen, vgl. die beiſpiele aus vierter decl.; mit denen auf
-ia, -ius wird kaum zuſammengeſetzt, in tibî-cen geht
der lange vocal aus tibi-i-cen hervor, warum aber kur-
zer in medi-dies, medi-terraneus, medi-tullium? Zuwei-
len verſchlingt aber auch -u den bindelaut, man findet
arcu-potens, cornu-peta, doch acu-pictus, manu-factus,
manu-miſſus, manu-ſcriptus ſind vielmehr uneigentliche
compoſita, aus dem angerückten abl. ſg. erwachſen, ſowie
manu-pretium f. manus pretium ſteht, ich weiß nicht,
ob domuitio f. domum itio? Zeigt qu- in hirqui-tallus,
ſterqui-linium (neben hirci-tallus) ableitendes -u an?
ſolche -qui könnte man ſich auch bei zuſ. ſetzung von
acus, arcus, pecus, ſpecus, lacus, quercus etc. denken;
es kommen keine vor. 5) bisweilen iſt das erſte wort
dunkel oder unſicher, z. b. aru-ſpex oder haru-ſpex (vgl.
au-Ipex f. avi-ſpex) meri-dies (von merns? oder f.
medi-?) mani-feſtus (von manus? vgl. hand-greiflich) gaju-
gena, u. a. m. mulci-ber gehört nicht hierher, ſ. unten.
6) wie im deutſchen (ſ. 666. 667.) zeugt die compoſition
adjectiva aus ſubſt. und ſowohl ohne ableitung (levi-
ſomnus, magn-animus, hirci-pilus, longi-pes, miſeri-
cors) als mit ableitendem -i: puſill-animis, parvi-collis,
vgl. die partikelcomp. im-berbis, im-bellis, de-pilis etc.
7) können verba eigentlich zuſ. geſetzt werden? in der
regel ſcheinen fie nur herleitbar aus componierten nomi-
nibus folglich tergi-verſor ein tergi-verſus vorausſetzend;
compoſition r it partic. (wie alti-volans, omni-medens)
[969]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
beweiſt nicht fürs übrige verbum; den nicht ſeltnen auf
-fico (aedi-fico, ludi-fico, lucri-fico, melli-fico, nidi-fico,
turpi-fico, veli-fico etc.) liegen nomina mit -fex, -ficus
zu grunde, einigen auf -fero, -feror (voci-fero, peſti-
fero, nach erſter conj.) adj. auf -fer; magni-facio, flocci-
facio, flocci-pendo, parvi-duco, parvi-facio, parvi-pendo
ſcheinen aber unabgeleitet, ich würde ſie für uneigentl.
zuſ. geſetzt halten (mit dem angerückten gen. flocci,
magni, parvi) wenn nicht vili-pendo wäre, das kaum
aus dem gen. vilis entſpringt. 8) wieder anders zu neh-
men und verbum mit verbo verbunden ſind alle auf
-facio, und -fio: cale-facio, frige-facio, labe-facio, ol-
facio (f. ole-f.) pate-facio, putre-facio, nigre-facio, terre-
facio, torre-facio, tume-facio etc., welches -e kein
compoſitionslaut, ſondern dem -e der zweiten conjug.
identiſch folglich bildungsvocal iſt, obgleich ſich kein la-
beo, nigreo aufweiſen, etwa nur vorausſetzen läßt. Zu-
ſammenziehung aus calere facio etc. anzunehmen verbie-
tet theils der kurze vocal, theils cale-fio, tepe-fio etc.
wozu ſich kein inf. ſchickt. Warum geben ſich verba
erſter, dritter, vierter conj. nicht her zu ſolchen compo-
ſitis? Jene auf -eo ſind lauter intranſitiva.


b) der griechiſche bindungsvocal lautet -ο für nomina
jedes geſchlechts und jeder declination. Wegen der un-
endlichen menge ſolcher zuſammenſetzungen reichen hier
wenige beiſpiele hin. Aus der erſten declination: ἀραχνο-
ϋφής, γεο-ειδής,
gewöhnl. γεω-ειδής, ἡμερο-φύλαξ, κορο-
κόσμιον, μελισσο-τρόφος, νικο-ποιός
, νυμφο-γενἠς, ὑλο-
δρόμος
. Aus der zweiten: ἀρτο-θήκη, γερανο-μαχία,
ἱππο-νόμος, μυλο-κόπος
, οἰκο-δόμος, ὀνο-ειθής, σκοτο-
μήδης
, ῥοδο-δάκτυλος, στρατο-λόγος, ταυρο-βόλος, τοπο-
γράφος, τοξο-βόλος, ὑπνο-φανής, χρυσο-φανής
. Aus der
dritten: μελιτο-ειδής, μυο-μαχία, νυκτο-ειδής, ὀρνιθο-
λόχος, πιτυο-κάμπτης, πνευματο-ποιός, ποδο-στράβη,
ῥινο-βόλος, φοινικο-τρόφος, χειρο-μαντεία
, χιονο-βόλος.
Und mit adjectivis erſter und zweiter: αὐτο-κύριος, γυμνο-
πόδης, ἰσο-βαθής, καλο-διδάσκαλος, μεσο-φανής, ὁμοιο-
παθής;
dritter: ἀρσενο-γενής, μελανο-κόμης, τερενο-
πλόκαμος.
— Anmerkungen: 1) wenn bisweilen und
ſtatt des componierenden -ο auftritt, ſo läßt es ſich
bei der erſten decl. mit einigem ſchein von der flexion
herleiten, z. b. δαμαλη-φάγος, δαφνη-φάγος neben δαφ-
νό-γηθής, δαφνο-φόρος
(Lob. ad Phryn. 634-638.) νυμφα-
γενής, κορυφα-γενής, μιτρα-φόρος
neben μιτρο-φόρος,
μιτρο-χίτων, νυμφο-γενής, νυμφο-κλαυτος
(Lob. p. 641.)
[970]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
Der ſchein verſchwindet aber, da es ſich ebenwohl bei
ſubſt. zweiter und dritter decl. und bei adj. zeigt, z. b.
θαλαμη-πόλος, ὀμφαλη-τόμος (Lob. p. 650 ff.) ἀνθη-
φόρος, ἀχθη-φόρος, στεφη-πλόκος, βοτρυη-φόρος, βοη-
νόμος
(Lob. 679. 680.). Was iſt es alſo? entw. dialecti-
ſches ſchwanken des compoſitiousvocals zwiſchen -ο, -α,
(wie im ahd. zwiſchen -a und -o); oder dichteriſche
freiheit, um für kurzes -ο langes , zu erhalten;
oder ſpätere verwilderung. 2) oft trifft der accent den
compoſitionsvocal, zumahl wenn das zweite wort in
pafſiver bedeutung ſteht, das erſte im verhältnis der prae-
poſ. von, mit, durch gedacht werden kann, z. b. ἱππό-
νομος
(von pferden beweidet) gegenüber ἱππο-νόμος
(pferde weidend) λιθόβολος (ſtein-beworfen) λιθο-βὀλος
(ſteinwerfend): näheres bei Buttm. kl. gramm. §. 106, 9, 3.
In andern fällen ſchickt ſich dieſe unterſcheidung des
ſinnes nicht, z. b. in ῥοδό-κολπος ſteht das erſte wort wie
in ῥοδο-δάκτυλος, in μελανό-κομος wie in μελανο-κόμης
der abweichenden betonung ungeachtet. 3) der bindelaut
unterbleibt α) vor vocaliſchem anlaut: τοπ-άρχης, κυν-
αλώπηξ, γρυπ-αλώπηξ, ποδ-ώκης,
doch nicht vor jedem,
zumahl ε und ει, ἀγαθο-εργός καλο-εργός, μονο-ειδής,
κυνο-ειδής,
in der contraction kann aber auch η, ου ent-
ſpringen. β) zuweilen nach ν: μελαγ-χρής ſtatt μελανο-
χρής; μελαμ-φυλλος
ſt. μελανόφυλλος (wie ahd. eim-par
f. eina-par, ſ. 954.) γ) wie im lat. bei ναυ-βάτης, ναύ-
κληρος
und ähnlichen. 4) die ableitungsbuchſtaben haften
und namentlich weichen die reinvocaliſchen ableitungen
und nicht: πολιο-ειδής, εὐρυο-δίνης, ἰχθυο-νόμος,
ἰχθυο-φάγος
, eher weicht ihnen der compoſitionsvocal:
ἰχθυ-φάγος, εὐρυ-δίνης, γλυκυ-δερκής, δορύ-μαχος, πλατύ-
φυλλος, ταχυ-πόρος, μελι-ηδής
, πτολι-πόρθος, νυκτι-
φανής
. Bemerkenswerth findet ſich auch hier αἱμο-χαρής
f. αἱματο-χαρής (wie ſangui-ſuga f. ſanguini-ſ.) *). 5) im
zweiten wort ändern adj. durch die compoſition -υς in
-ης: βαθύς, ἰσο-βαθής; βαρύς, γυιο-βαρής; θαρσύς,
λυκο-θαρσής; ἡδύς, μελι-ηδής
etc. (vgl. Lobeck ad Phryn.
p. 534 ff.). Ebenſo verhält ſich φανός zum componierten
-φανής und das ſubſt. εἶδος zu -ειδής, das lat. animus
zu -animis, das ahd. hërza, muot zu -hërzi, muoti. Wir
wißen nicht, ob ein goth. adj. auf -us in der comp. zu
-is werden konnte (z. b. hardus, þaúrſus, balva-har-
[971]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
dis, vinþa-þaúrſis?); es wäre möglich. Da die ahd.
mundart ſchon in einfachen adj. das u durch i verdrän-
gen läßt, ſo kann jener unterſchied nicht mehr erfolgen.
Des ahd. ſchwankens zwiſchen annehmen oder wegwer-
ſen des -i im zweiten wort iſt verſchiedentlich gedacht
worden (ſ. 543. 648. 666. 667.). 6) eigentlich componierte
verba ſetzen nomina voraus: ἐργο-λαβἑω, κρεω-φαγέω
(f. κρεο-φ.) μυρο-πωλέω, ὀνειρο-πολέω, οἰωνο-σκοπέω,
οἰκο-δομέω
, ῥαβδο-νομέω, τρωγλο-δυτέω und viele an-
dere ſind abzuleiten von []ἐργο-λάβος, κρεω-φάγος,
μυρο-πώλης, ὀνειρο-πόλος, οἰωνο-σκόπος, οἰκο-δόμος,
ῥαβδο-νόμος, τρωγλοδύτης
. Dieſen canon (Buttm. §. 106,
3.) hat Lobeck l. c. 560 ff. neuerdings beſtätigt und zu-
gleich ausgeführt, daß zuſammengeſetzte participia auf
das übrige verbum keinen ſchluß erlauben (vgl. oben
ſ. 582 ff. 668 ff.). Im neugriech. wagt man freilich ein
νυκτο-φυλάσσω, als wollten wir zu deutſch ſagen: ich
nacht-wache. 7) verbale compoſita, nach art der ſ. 680-
683. abgehandelten deutſchen, fehlen meines wißens im
griech. (und lat.) gänzlich; für das, was jene ausdrücken,
ſtehen entw. ſimplicia oder derivata zu gebot. Dagegen
beſitzt die griech. ſprache viele andere verbalzuſammen-
ſetzungen, von welchen hernach geredet werden ſoll.


c) auch im ſlaviſchen und bis in alle heutigen mund-
arten iſt -ο bindungsvocal. Ich kann in dieſem -o keinen
zuſammenhang mit flexionsvocalen und namentlich nicht
mit dem nom. neutr. (Dobr. inſt. p. 456.) erkennen, da
es maſc. und fem. auf dieſelbe weiſe zeigen. Jene über-
einſtimmung mit einem caſus der neutralen declin. iſt da-
her ſo zufällig, wie die des deutſchen compoſitionsvocals -a
mit dem goth. dat. ſg. maſc. und neutr. ſubſt. oder des
lat. -i mit dem gen. ſg. maſc. neutr. Beiſpiele von maſc.
im erſten wort: altſl. bogo-ſlov’ (theologus) bogo-roditza
(θεοτόκος) ſerb. bogo-noſni (θεοφόρος) ruſſ. bogo-boretz”
(impius) böhm. boho-mil (n. pr. gott-lieb); böhm. liſto-
pad (november, d. i. blattfallmonat, in der Schweiz loub-
riſi) altſl. domo-ſtroitel’ (diſpenſator domus) ruſſ. domo-
ſjed” (qui domi ſedet); altſ. pjetlo-glaſhenïe (gallicinium);
ruſſ. kameno-lomnja (lapidicina); ruſſ. gromo-glaſïe (don-
nerſtimme) böhm. hromo-ſwod (donnerableiter); ſerb.
miro-dar (n. pr.) ruſſ. miro-tvoretz” (friedensſtiſter).
Von femininis: altſl. ruko-piſanie (chirographum) ſerb.
böhm. ruko-pis; altſl. vodo-nos’ (hydria) ſerb. vodo-pija
(n. plantae: die waßertrinkende); ruſſ. zimo-rodok” (al-
cedo) böhm. zymo-ſtrázh (wintergrün); ruſſ. mucho-mor”
[972]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
(fliegenſchwamm) böhm. mucho-můrka; ruſſ. krovo-
prolitetz” (blutvergießer) böhm. krwo-tok (blutfluß) ſerb.
krvo-pilatz (blntſauger); ſerb. zmijo-glav (gallina, ſchlan-
genkopf); ſerb. knjigo-noſcha (briefträger); ruſſ. kozo-
doi (caprimulgus) böhm. kozo-dog. Von neutris: altſl.
drovo-nos’ (holztrage) böhm. drewo-wrtek (holzwurm);
ruſſ. ljeto-pis’ (jahrbuch) böhm. leto-pis; ſerb. zlato-krili
(goldgeflügelt) ruſſ. zoloto-ok” (n. plantae) böhm. zlato-
hlaw (goldſtück); ſerb. kolo-vrat (vortex) böhm. kolo-
wrat (ſpinnrad); ſerb. vino-grad (vinea) böhm. wino-
hrad, ruſſ. vino-gradar’ (winzer); ruſſ. pivo-var” (bier-
brauer) böhm. piwo-wár (brauhaus); böhm. maſo-gjdek
(fleiſcheßer). Beiſpiele von adj. im erſten wort: altſl.
blago-vjeſtnik’ (evangeliſta) ruſſ. blago-volitel’ (fautor)
böhm. blaho-ſlawenoſt (felicitas); ſerb. drago-mir (n. pr.)
böhm. draho-mjr; altſl. novo-plodïe (meſſis, neue frucht)
novo-grad’ (n. urbis); altſl. milo-ſerd’ (miſericors) böhm.
milo-ſlaw (n. pr.) ſerb. milo-rad (n. pr.); altſl. mnogo-
miloſtiv’ (πολυέλεος) böhm. mnoho-barewny (multicolor)
ſerb. mlogo-znao (multiſcius); altſl. dolgo-terpjenïe (μα-
κροθυμία
) ruſſ. dolgo-rukïi (μακρόχειρ) böhm. dlauho-
nohy (μακρόπους) ſerb. dugo-nokt (langnagelig); altſl.
malo-plodïe (infertilitas, geringe frucht) ruſſ. malo-vjer”
(kleingläubig) u. a. m. — [Anmerkungen]: 1) der bildungs-
vocal i abſorbiert zuweilen den compoſitionsvocal, zumahl
im böhm., vgl. koni-bodce (centauri) koni-klec, koni-
trud (nomina plant.) hoſti-ſlaw (n. pr.) ohni-pal (feuer-
brand) ohni-wác’ek (phoenix) ohni-zhil (ſalamandra) pjdi-
muzhjk (nanus, d. i. ſpannelanges männlein) von den
ſubſt. kůn’, hoſt, ohen’, pjd’, ruſſ. kon’, goſt’, ogon’,
pjad’, welche (vorr. zur ſerb. gramm. XXXVI.) auf ältere
formen mit ableitendem (in der compoſition erhaltenem)
i, koni, goſti, ogni (lat. ignis) pjadi zurückführen. Auch
das ruſſ. tzar’-grad” (conſtantinopel) ſtehet für tzari-grad”.
Seltner haften beide, bildungs- und compoſitionsvocal,
nebeneinander: konjo-kraditza (pferdedieb) böhm. kon’o-
nozek (pferdefuß). Ableitendes -u ſcheint dem comp.
vocal immer zu weichen, vgl. ruſſ. medo-var” (meth-
brauer) von med” = medu, ja in med-vjed’ (urſus, d. i.
methkenner, honigſchmecker) für med”-vjed’ ſind beide
geſchwunden, wie in notſch-leg” (nachtlager) höhm. noc-
leh für notſch’leg”. 2) eigentlich componierte verba ſind
wiederum ableitungen von nominibus, z. b. altſl. blago-
vjeſtiti (evangelizare) zhivo-voriti (viviſicare) ruſſ. bogo-
-mol’ſtvovat’ (zu gott beten) malo-duſhnitzat’ (kleinmü-
[973]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
thig ſein) ſerb. bogo-raditi betteln) u. a. m. 3) die ſlav.
ſprachen ſind ungleich ärmer an eigentlichen zuſammen-
ſetzungen, als die deutſchen, aber reicher, wie Dobrowſky
längſt eingeſehen hat, an einfachen wörtern und deriva-
tionsmitteln für viele begriffe, welche wir componieren.


d) die romaniſchen ſprachen haben das vermögen ei-
gentlich zuſammenſetzen eingebüßt. Zwar führen fie
noch einige lateiniſche compolita fort, z. b. ital. arti-ficio,
edi-ficio, frutti-fico, multi-plice, mani-feſto, magni-loquo,
grandi-loquo, nau-fragio etc. ſpan. agri-cultura, ampli-ficar,
edi-ficio, boqui-tuerto, boqui-ſeco, cuelli-erguido, cuelli-corto
(? colli-curtus) nau-fragio, veri-dico etc. franz. mani-feſte,
magni-fique, veri-dique, edi-fice, arti-fice, edi-fier, multi-
plier, nau-frage u. dgl. aber wie einfache wörter, ohne die
compoſition zu fühlen, noch für neue bildungen anwenden zu
dürfen. In den meiſten fällen ſind die erſten wörter ver-
loren gegangen oder entſtellt worden. Im altfranzöſ.
ſcheinen gleichwohl hin und wieder einzelne neuge-
ſchaffne compoſita und vorzüglich in den kerlingiſchen
gedichten, auf deutſche weiſe ohne bindungslaut gebildet,
vorzukommen, z. b. fer-armé (eiſen-gewafnet) fer-lié
(eiſen-gebunden) fer-veſti (eiſen-gekleidet) pié-coupé (fuß-
beſchnitten) pié-taillé (fuß-behauen) pié-poudreux (fuß-
beſtäubt) ſoi-menti (ahd. triu-logo) Roquef. 614b, dieu-anemi
(ahd. gota-leido). Meiſt alſo mit part. praet. Die falle ver-
dienen ſorgfältige ſammlung. Den mangel an zuſ. ſetzungen
vergütet allen romaniſchen ſprachen ein reichthum von ab-
leitungen. In den deutſchen verhält es ſich nahe umgedreht.


e) was die uneigentliche compoſition der lat. griech.
ſlav. und romaniſchen ſprachen betrifft, ſo verſteht es
ſich, daß ihnen allen die mit partikeln überaus geläufig
iſt. Es könnte aber nur aus umſtändlicher darſtellung
aller verhältniſſe, wozu hier nicht der ort iſt, fruchthare
vergleichung mit den abgehandelten deutſchen zuſ. ſetzun-
gen hervorgehen. Ich laße es alſo, da die wichtigſte ab-
weichung und einſtimmung des fremden partikelgebrauchs
ſ. 920. 921. angegeben worden iſt, bei folgenden bemer-
kungen uber die ſonſtigen uneigentlichen compoſitionsar-
ten bewenden.


1) angerückte genitive ſind im latein. ſelten, beiſpiele:
legis-lator, trium-vir, duum-vir; weniger ſchon pignoris
capio, negotiorum geſtor. Meiſtentheils folgt der gen.
nach. Häufiger im griech., beſonders bei eigennamen:
διός-κοροι; διός-πολις, ἑλλής-ποντος; ἁλος-άχνη (meeres-
[974]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
ſchaum) für ἁλὸς ἄχνη; ὑδατος-ύδνη (name einer meer-
frau); κυνός-βατος (hunds-dorn) κυνός-ουρα (hundes-
zagel); ἀνδρός-αιμον (n. plantae, mannes-blut); βός-
πορος
(ochſen-furt) f. βόος πόρος; μυός-ωτον (mäuſe-
ohr, pflanze); ὀνου-γνάθος (eſels-kinnbacken, name eines
vorgebirgs in Laconica); νεώς-οικος (ſchiffs-haus, werft,
hafen); ὑος-κύαμος (ſau-bohne, ſchweins-bohne) *). Wie
im deutſchen werden zuweilen ganz analoge namen eigent-
lich componiert, z. b. λεοντο-πόδιον; ὀνό-πορδον, ὀνό-
χηλος; λυκό-πους,
zuweilen ſcheint unorganiſches σ zu
ſtehen, z. b. λυκος-ούρα (n. urbis Arcadiae). Der gen.
pl. bleibt lieber getrennt: ὀρνίθων πόλις (urbs avium, in
Phönicien). Slaviſche genitivcompoſita kenne ich ſelbſt
in eigennamen nicht.


2) angeſchobne dative oder im lat. ablative kommen
hauptſächlich bei adj. und part. praet. vor (vgl. ſ. 591.
621. 622.) lat. manu-fortis, manu-captus, mente-captus,
acu-pictus, acu-pictor, uſu-capio, überhaupt ſelten und
ſelbſt in einigen dieſer beiſpiele kann entweder bildungs-
vocal oder loſer caſus angenommen werden. Ablativi
plur. ſcheinen ſich nie uneigentlich zu binden. Das grie-
chiſche iſt hier wieder reicher. Bei dem dat. ſg. könnte
man oft zweifeln, ob nicht ein bildungs-i gemeint iſt,
z. b. in ἁλί-βατος, ἁλι-δινής, νυκτι-λαμπής, νυκτι-πόρος,
πυρι-φλεγής, δορι-πετής, δορί-τμητος, γαστρί-δουλος,
ποδί-κροτος, χειρί-σοφος;
bei dem. dat. ſg. der neutra
auf -ος und dem dat. pl. (dritter decl.) ſchwindet alle un-
ſicherheit: ἐγχει-βρόμος (haſtâ furens) ἐγχεί-μαργος, ὁρει-
βάτος
(in monte ambulans) ὀρει-δρόμος (in monte cur-
rens); ἐγχεσί-μωρος (haſtifer, haſtis pugnans) ἐντεσί-εργος
(in armis laborans) ναυσι-βάτης (nauta) ναυσί-θοος (na-
vibus celer) ναυσί-κλυτος (navibus clarus) ὀρεσι-βάτης
(per montes ambulans) ὀρεσί-τροφος (in montibus altus)
τειχεσι-πλήτης (muros pulſans? mauerſtürmend?) τελεσί-
δρομος
(ad fines currens). Bisweilen fällt das letzte i
weg: τελες-φόρος (ad finem perducens) ἐγχες-φόρος (haſti-
fer) ἐγχές-παλος (lanceam vibrans) ἐπές-βολος (rixoſus,
der mit worten wirft) κερας-φόρος (corniger) κερας-βόλος
(auf die hörner geworfen) σακές-παλος (clypeo vibrans)
σακες-φόρος (ſchildträger). Worin liegt der grund, daß
nur mit den dativen dritter decl. componiert zu werden
[975]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
ſcheint und nicht erſter oder zweiter? Dürſte man in
ὁδοι-πόρος, ὁδοι-πλανής, πυλοι-γενής, σκοτοι-βόρος das
οι aus ῳ, in γυναι-μανής das αι aus (nach doriſcher
form, ſo daß das ganze nicht für γυναικο-μανής zu ſtehen
brauchte) deuten? bei κελαι-νεφής für κελαινο-νεφής geht
es freilich nicht (vgl. hier Lob. p. 647. 648.). Uebrigens ver-
mag was die angeruckten dative ausdrücken in vielen fällen
durch eigentilche zuſammenſetzung mit compoſitionsvocal
bewirkt zu werden, vgl. ὀρό-κτυπος (in monte ſonans)
χειρό-κτυπος, σακο-φόρος κ. τ. λ. weshalb die vorhinan-
gefuhrten auf unſicher bleiben, inſofern hier der bil-
dende vocal den bindenden abſorbiert haben könnte.
Im ſlaviſchen keine uneigenſliche dativzuſammenſetzun-
gen. Die dativi pl. gehen hier, wie im deutſchen auf
-m aus und dieſe liquida hat nicht die anfügigkeit der
ſpirans -s, welche allerdings in anſchlag gebracht wer-
den muß, um die griech. compoſita mit dem dat. pl.,
wie die deutſchen mit dem gen. ſg. vollſtändig zu be-
greifen. Ich habe daher ſ. 621. 622. bei dem agſ. vun-
dum hëard, vintrum frôd etc. ungebundenheit ange-
nommen, übrigens ſtimmt das ſchwanken zwiſchen dæ-
dum rôf und dæd-rôf völlig zu dem griech. zwiſchen
ὀρει-τύπος, ὀρεσί-τροφος und ὀρο-τύπος, ὀρό-τροφος. Nhd.
uneigentliche compoſition mit dem dat. pl. z. b. in ruthen-
ſtreich, kohlen-ſauer, thaten-ſchwer, blumen-bekränzt, lan-
zen-geübt, raben-umflogen, ketten-belaſtet iſt nur ſcheinbar,
wiewohl von neueren dichtern aus unkunde unſerer ſprache
zuweilen dem griech. nachgebildet. Denn da wir den dat.
in dieſen fällen nicht los gebrauchen können, ſondern
praepoſitionen zu hilfe nehmen müßen (ſtreich mit ruthen,
bekränzt mit blumen, geübt in lanzen) ſo kann er ſich
nicht anlehnen und die praep. fahren laßen. In ketten-,
wolken-, raben- gehört -en zur bildung, in den übrigen
ſteht es unorganiſeh (ſ. kohl-ſauer, lanz-geübt) den plural
für den ſing. genommen (ſ. 594.); daß -en am wenigſten
der dat. pl. ſein könne, lehrt die vergleichung mit blätter-
umkränzt, kinder-umgeben (gewis nicht: blättern-, kin-
dern-). Die richtige ſorm iſt nur: blum-bekränzt, kind-
umgeben.


3) accuſativzuſammenſetzungen ſind ſo ungewöhnlich
wie im deutſchen (ſ. 619. 623. 624.). Die gr. ἑως-φόρος
und φως-φόρος ſcheinen accuſativiſch, das eigentliche φωτο-
φόρος
gilt neben letzterem. Das lat. anim-adverto ent-
ſpringt aus animum adverto, domu-itio aus domum itio?
(vgl. ſ. 968.). Auch im ſerb. dan-gubiti (zeit verlieren)
[976]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
dan-guba (zeit-verluſt) halte ich dan für den acc. (diem),
andern ſlav. ſprachen fehlt dies compoſitum.


5) bloße appoſition mit völliger biegung jedes der bei-
den wörter, findet ſtatt im lat. res-publica, jus-jurandum,
uſus-fructus, gen. rei-publicae, juris-jurandi, acc. rem-
publicam, uſum-ſructum. Bloß der häufige gebrauch hat
die neben einander geſtellten nomina zuſammengefügt. Im
romaniſchen geſchieht das öfter, ohne daß ſich die über-
haupt erloſchne flexion zeigen könnte, z. b. franz. jeun-
homme, prud-homme, bon-homme, grand-pré, haute-
feuille, belle-foreſt, aube-ſpin (prov. albeſpi) ital. bianco-
ſpino etc. Man vergleiche die iſländ. ſvarta-braud etc.
(ſ. 678.) nhd. die rothe-ruhr (gen. der rothen-ruhr) nicht
aber unſere eigentlich componierten weiß-dorn (gen.
weiß-dorns) nieß-brauch (gen. nieß-brauchs).


6) die lat. bene-ſicium, bene-volus, male-ficium, male-
ſanus die griech. εὐ-εργός, δυς-εργής etc. find mit den
adverbien zuſammengeſetzt, vgl. die deutſchen tus- (ſ. 768.)
und vaíla- (ſ. 794.), die franz. bien-fait, mal-ſait, bien-
veillant, mal-veillant. Mit verbis binden ſie ſich nur
durch ableitung (Lobeck l. c. p. 266. 561.).


7) bis hierher habe ich die abhandlung einer reich-
haltigen, ausdrucksvollen griechiſchen compoſitionsweiſe,
welche auf den erſten blick aller deutſchen, lateiniſchen,
ſlaviſchen und ſelbſt der vorhin unterſuchten griechiſchen
entgegenlauft, verſpart. Sie kann umgedrehte compoſition
heißen, denn der begriff, welcher in ihr die vordere ſtelle
einnimmt, hat in der gewöhnlichen die hintere und was
in dieſer das erſte wort, drückt in ihr das zweite aus.
Sie liefert zwar nicht bedeutend viele, aber meiſtens alte
und kühne wortbildungen. Zwei arten ſind zu unterſcheiden:


a) das erſte wort iſt ein verbum, meiſt in futuriſcher,
ſeltner in praeſentiſcher form, welches ich hernach zu recht-
fertigen ſuchen werde. Ein praeſens liegt folgenden beiſpie-
len zu grund: ἀγέ-στρατος (dux); ἀκειρε-κόμης (haarſchee-
rer); ἀρχέ-κακος (auctor mali) ἀρχέ-λαος (princeps) ἀρχέ-
πλουτος
(auctor divitiarum) ἀρχέ-χορος (= χορηγός); δακέ-
θυμος
(eigentl. componiert θυμο-δακής); ἑλκε-τρίβων (man-
telſchlepper) ἑλκε-χίτων (kleidſchlepper); ἐχέ-θυμος (muth-
habend) ἐχε-νηΐς (ſchiffhaltend); μενέ-λαος (populum ſuſti-
nens? cxſpectans?) μενέ-μαχος (pugnam ſuſtinens) μενέ-
χαρμος
(idem); τελέ-αρχος (miniſter) τελέ-νικος (n. pr., per-
ficiens victoriam); τρεχέ-δειπνος (ad epulas currens); φερέ-
βοτρυς
(uviſer) φερέ-ζυγος (jugifer) φερέ-κακος (ferens
malum) φερέ-νικος (dans victoram) φερέ-οικος (domi-
[977]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
porta); φιλ-άδελφος (amans fratrem) φιλ-αίμων (ſan-
guinarius) φιλ-έλλην, φιλ-έσπερος*). Ein futuriſches
σ folgenden: ἀγεσί-λαος (dux populi) ἀγησί-χορος (dux
chori); ἀερσί-νοος (animum extollens) ἀερσί-πους (pedes
cito movens); ἀλφεσί-βοιος (boves nanciſcens, bei Homer
von vielgefreiten jungfrauen Jl. 18, 593, bei Aeſchyl.
ſuppl. 861. vom viehtränkenden waßer); ἀρχεσί-μολπος
(cantum ducens); ἑλκεσί-πεπλος (ſchleierſchleppend) ἑλ-
κεσί-χειρος
(handziehend); ἐνοσί-γαιος (terram quatiens)
ἐνοσί-φυλλος (folia quatiens) ἐνοσι-χθών (terram quatiens)
ἐρασί-μολπος (cantum amans) ἐρασι-πλόκαμος (cirrum
amans) ἐρασι-χρήματος (avarus); ἐρυσί-θριξ (crines pectens)
ἐρυσί-πολις (urbem ſervans) ἐρυσί-σκηπτρον (nom. plantae)
ἐρυσί-χθων (terram arans) ἐρυσι-γαῖος (idem); δαμασί-
βροτος
(homines domans) δαμασί-φρων (domans animum);
δεισι-δαίμων (deum timens) δεισί-θεος (idem); δεξί-δωρος
(dona ferens) δεξί-μηλος (donans oves); δηξί-θυμος (mor-
dens animum) δηξι-χερής (mordens manum); διωξι-κέλευ-
θος
(incitans ad iter) διώξ-ιππος (agens equos); ζευξί-
λεως
(f. λαός, ſubjugans populum) ζεύξ-ιππος (jugans
equos); κινησί-φυλλος (folia movens) κινησί-χθων (terram
movens); κλεψί-γαμος (moechus) κλεψί-νοος (furans ani-
mum) κλεψι-τόκος (clam pariens); κρατησί-μαχος (vin-
cens bello) κρατησί-πους (pede fortis) κρατήσ-ιππος (do-
mans equos); λυσί-γαμος (ſolvens conjugium) λυσί-δικος
(ſ. litem) λυσί-ζωνος (discinctus) λυσί-μαχος (ſolvens pug-
nam) λυσι-μελής (ſ. membra) λυσι-μέριμνος (ſ. curas)
λυσί-πονος (ſ. labores) λυσί-φρων (ſ. mentem); μελησί-
μβροτος
(f. μελησί-βροτος, qui in cura hominum eſt);
νηξί-πους (natans pedibus); ὀρσί-κτυπος (ciens turbas)
ὀρσι-νεφής (nubes cogens); παυσί-λυπος (ſedans dolorem)
παυσί-νοσος (medens) παυσι-νύσταλος (pellens ſomnum);
πεισί-μβροτος (homines moderans) πεισι-χάλινος (freno
obediens); πλήξ-ιππος (ἱππό-δαμος); πηγεσί-μαλλος (la-
nam figens, firmans und dann firmus lanâ); ῥυσί-διφρος
(currum regens) ῥυσί-πολις (urbem ſervans); σεισί-χθων
(terram movens) σεισί-φυλλος (folia movens); στρεψί-
μαλλος
(lanam criſpans und dann criſpus); ταμεσί-χρως
(ſecans cutem); ταραξι-κάρδιος (cor quatiens) ταράξ-ιππος
(ein ort; tummel den gaul); τερψί-βροτος (exhilarans homi-
nes), τερψί-νοος, τερψί-χορος; τισί-φονος (caedem ulciſcens);
φαεσί-μβροτος (hominibus lucens); φιλησί-μολπος (amans
cantum) φιλησι-στέφανος; φθισί-βροτος (hom. perdens)
Q q q
[978]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
φθισί-φρων (mentem perdens); ὠλεσί-θυμος (animam
perdens) ὠλεσί-καρπος (fructum perdens) ὠλεσί-οικος (do-
mum p.) ὠλεσί-τεκνος (liberos p.) u. a. m. *). Dieſe bei-
ſpiele laßen an dem hohen alter und der ſprachange-
meßenheit ihrer bildung nicht zweifeln, manche ſind
eigennamen, viele aus Homer genommen; ſie ſtimmen
auch darin zu den ſchönſten eigentlichen zuſ. ſetzungen,
daß ſich nach dem zweiten wort gangbare formeln erge-
ben, z. b. ἐνοσίφυλλος, κινησίφυλλος, σεισίφυλλος (eigent-
lich: φυλλοχόος, φυλλοσινής, φυλλόῤῥοος, altn. qui[ſt]ſcæðr
edd. ſæm. 269b). Wie iſt nun ihre ſorm zu erklären?
Eigentliche zuſammenſetzungen ſind es nicht, denn der
compoſitionsvocal fehlt und eine verbalflexion iſt in ſie
eingegangen, die eigentliche compoſition ſchließt aber jede
flexion aus. Gleich den vorhin abgehandelten compoſitis
mit dem dat. pl. ὀρεσί-τροφος, ναυσί-πορος müßen folglich
auch παυσί-λυπος, ὠλεσί-τεκνος uneigentlich, d. h. durch
bloße anſchiebung zuſammengeſetzt ſein. Höchſtens ein-
zelne könnten aus femininis gebildet ſcheinen, z. b. κινησι-
φόρος, τερψί-χορος
aus κίνησις (motus) τέρψις (gaudium);
allein dieſe anſicht ſchwindet, ſobald man erwägt, daß λυσί-
μαχος, ῥυσί-πολις
(wie die futura λύσω, ῥύσω Buttm. §. 95,
4.) langes υ, die fem. λύσις, ῥύσις (θύσις, φύσις, χύσις)
kurzes haben. Die zuerſt aufgeführten praeſentiſchen for-
men ſind offenbare imperative praeſ. ἄγε, ἄρχε etc. und
weil ſich ἀγέ-λαος und ἀγεσί-λαος, ἀρχέ-λαος und ἀρχεσί-
λαος, φερέ-καρπος
und φερεσί-βιος ſichtlich parallel ſte-
hen, ſo wage ich zu vermuthen, daß die futuriſchen for-
men veraltete imperativi futuri ſind. Die griech. gram-
matik, wie wir ſie heute kennen, läßt das ſut. im conj.
und imp. ausfallen, ohne daß dem begriff nach dieſe bei-
den modi ihm widerſtrebten. Der analogie des aor. 1.
imp. σεῖσον, φιλήσον gemäß ſcheint mir das fut. 1. imp.
gelautet zu haben σείσι, φιλήσι**), ja ſein hohes alter-
thum zeigt ſich ſelbſt in dem uncontrahierten ἀγέσι, ἀρ-
χέσι
etc. und nicht ἄξι, ἄρξι, obgleich das alleinſtehende
fut. ind. ἄξω, ἄρξω ſt. ἀγέσω, ἀρχέσω hat. In andern
[979]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
fällen gewährt aber auch die zuſ. ſetzung verkürztes
διώξι, κλέψι etc., welches genauer zu unterſuchen nicht
hierher gehört *). Für unſere vergleichung ergibt ſich
das nicht unwichtige reſultat, daß die §. 8. erörterten
deutſchen, faſt nur im volksmäßigen gebrauch für eigen-
namen fortlebenden compoſita ihr gegenſtück im griechi-
ſchen finden. Was iſt unſer hebe-ſtreit, habe-dank an-
ders als etwan ὀρσί-μαχος, ἐχε-χαρής wäre? und wer σεισί-
φυλλος, φιλησί -μολπος
genan verdeutſchen wollte, hätte
zu ſetzen ſchüttel-blatt (ranſchenblatt) liebe-ſang; vgl.
ἑλκεσί-πεπλος mit zuck-mantel, δεισί-θεος mit fürchte-
gott. Das zweite wort ſolcher zuſammenſetzungen iſt
urſprünglich ein von dem tranſitiven verbo des erſten
worts abhängiger caſus (acc.) geweſen, wie der im deut-
ſchen einſchiebliche artikel beweiſt (hebenſtreit f. hebe-
den-ſtreit). In der kraft des zuſammenſetzenden triebs
wird aber der caſus vergeßen und der gen. hebenſtreit-s
von dem neuen ganzen gebildet, wie der Engländer ſagt:
the wiſe of Bathes tale. Im goth. würde daher bei ſol-
chen compoſitis der nom. ſg. das männliche kennzeichen
an ſich tragen, z. b. habái-þagks, hafei-ſtreids **). Gerade
ſo und noch freier verfährt der Grieche, der im zweiten
wort nie mehr den regierten caſus ſieht, ſondern ihm die
der zuſammenſetzung als ganzem gebührende flexion, oft
mit hinzugefügten ableitungsvocalen, zu theil werden läßt.
Λυσί-μαχος entſpringt freilich aus der redensart λύσι μάχην,
mit wegwerfung der flexion wurde aber dem compoſito
das männliche -ος angehängt, ungefähr als wollten wir
zu deutſch: löſenſtreiter, der löſenſtreitiſche ſagen. Hier-
nach ſind nun alle vorgetragnen griech. compoſita und
ihr umgedrehtes verhältnis zu den eigentlichen zu beur-
theilen. Δακέ-θυμος und θυμο-δακής unterſcheiden ſich
wie haßenpflug und pſlughaßer (μισάροτρος, ἀροτρομισῶν)
ähnliche umdrehungen, z. b. λεξί-θηρ und θηρο-λέξης, be-
rührt Lob. p. 628. 629. — Wider meine entwicklung dieſer
compoſition ſtreitet, daß zuweilen hinter dem praeſ. und ſut.
Q q q 2
[980]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
der organiſche bindungsvocal erſcheint, z. b. in λειπό-γαμος,
λειπό-θυμος, φιλό-τεκνος, φιλό-στροφος, μισό-παις,
μισό-ξενος, λειψό-θριξ, σεισο-πυγίς, σεισό-φυλλος
und
ähnlichen, ſtatt λειπέ-γαμος, λειψί-θριξ. Allein dieſe
fälle ſtellen ſich doch im ganzen als ausnahme dar und
ſtürzen die regel nicht über den haufen. Sie ſind unbe-
denklich aus einer ſpäteren, nahe liegenden verwechſe-
lung zu erklären. Wie ὀρεσί-τροφος und ὀρό-τροφος
ſchwankten, bildete man neben σεισί-φυλλος ein abnor-
mes σεισό-φυλλος, worin der compoſitionsvocal wider
ſeine natur gebraucht wird. Denn er ſoll die abhängig-
keit des erſten vom zweiten wort begründen und in
σείσο- iſt, wie in allen hier verhandelten zuſ. ſetzungen,
das zweite abhängig vom erſten. Aus dieſem grund
laßen ſich auch die unorganiſchen σείσο-, λείπο-, μίσο-,
φίλο-
keineswegs mit unſern deutſchen verbalcompoſitis
ſ. 680-683. vergleichen, nämlich reib-eiſen, brech-zange
iſt nicht ſoviel als reib-das-eiſen, brech-die-zange, ſon-
dern eiſen zum reiben, zange zum brechen, der haupt-
begriff in eiſen, zange gelegen.


b) der zweite fall (a. ſ. 976.) tritt ein, wenn in ſol-
chen zuſammenſetzungen das erſte wort kein verbum,
vielmehr auch nomen iſt. Die bindung geſchieht freilich
wieder durch den compoſitionsvocal. Es kommen aber
nur ſparſame beiſpiele vor: κλυτό-καρπος (fruchtbe-
rühmt) κλυτό-τοξος (bogenberühmt) ἱππο-γέρανος (kra-
nichpferd, kranichreiter) ἱππο-πόταμος (flußpferd) und
dergleichen, deren ſinn wirklich erſt aus dem ſprachge-
brauch zu lernen iſt. Dem geſetz aller eigentlichen com-
poſition zufolge ſollte ἱππο-πόταμος bedeuten pferde-fluß,
ἱππο-γέρανος pferdkranich, κλυτό-καρπος preiswürdige
frucht, κλυτό-τοξος berühmt-pfeilig, für jene begriffe
wäre ein ποταμό-ιππος, καρπό-κλυτος, τοξό-κλυτος
(arci-potens) zu gewarten. Der ſprachgeiſt ſpottet in
dieſen compoſitis aller gewöhnlichen verbindungsweiſe;
ich halte ſie für ausnahmen, wozu die häufigkeit der
unter a. verhandelten zuſammenſetzungen verleitete, zu-
mahl bei dem zuletzt erörterten misbrauch des compoſi-
tionsvocals (λειπό-θυμος). Wäre ſie etwas anders als
unorganiſche ausnahme, ſo würde dadurch die bedeutung
zahlloſer eigentlicher zuſammenſetzungen untergraben
werden.


8) nähere forſchung läßt im latein einzelne zuſam-
menſetzungen wahrnehmen, die den griechiſchen (7, a.)
gleichen. Varro 4, 11. Plinius 37, 10. gebrauchen mota-
[981]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
cilla (motans, agitans caudam, von einem veralteten ſubſt.
cilla, cauda, das zu cillere gehört), iſt es dem griech.
σεισ-ούρα nachgebildet? das deutſche wipp-ſterz, ital.
ſquaſſa-coda entſpringt gerade ſo. Kann mulci-ber ausgelegt
werden mulce-ferrum? Auffallend ſcheint flex-animus,
(bei Varro, Nonius, Catull.) für flect-animus? einem
griech. πλεξί-θυμος nachgeahmt? man ſagt aber auch
flexare f. flectere. Ich würde dieſe lat. compoſita (und
ſelbſt die eigentlichen, wozu mehr die ältere als die neuere
ſprache neigung zeigt) dem einfluß des griech. zuſchrei-
ben, wenn nicht ſämtliche romaniſche mundarten, deren
element volksmäßig, nicht gelehrtgriechiſch iſt, einen
ziemlichen vorrath ſolcher zuſammenſetzungen gewährten.
Deutſche einwirkung iſt dabei weder wahrſcheinlich, noch
nachzuweiſen. Beiſpiele: ital. bacia-mano (nhd. küß-hand,
küß-händchen, nicht kuß-hand, wohl aber hand-kuß), bacia-
pile, bacia-polvere; caccia-lupi, caccia-diavoli, caccia-nemici;
caſſa-madia, caſſa-panca; guarda-cuorpo, guarda-donna(puer-
perae famula) guarda-boſchi (ſaltuarius) guard-inſante, guar-
da-nappo, guarda-naſo, guarda-nidio (ei, das man im neſt läßt,
ſerb. polog); paſſa-tempo (mhd. zît-vertrîp); porta-cappe,
porta-fiaſchi, porta-mantello, porta-morſo; ſquarta-piccioli;
ſquaſſa-coda; taglia-borſe (crumeniſeca) taglia-cantoni (eck-
ſtein durchſchneider); tira-boſchi (n. pr.); torna-guſto (quod
urget palatum) torna-ſole (heliotropium) torna-letto. Span.
beſa-mano; gana-pan (der um brot dient); guarda-damas,
garda-ſuego, guarda-ropa, guarda-mangel, guarda-joyas;
llora-duelos; mira-ſol (heliotropium); mata-buey (muſca,
ochſen[t]ödter) mata-lobos (n. plantae) mata-candelas (lichtaus-
löſcher); monda-dientes, monda-orejas; paſſa-mano, paſſa-
tiempo; quita-cuidados (wend-unmuth) quita-peſares (idem);
ſaca-mano, ſaca-mancha, ſaca-muelas (zahnbrecher) ſaca-
pelotas; tira-braguero, tira-floxa, tira-ſol; torna-boda,
torna-ſol u. a. m. Franz. baiſe-main; briſe-fer, briſe-foi;
caſſe-cou, caſſe-noix, caſſe-tête; chante-pleure; chaſſe-
boſſe (n. plantae, mittel wider den höcker) chaſſe-chien, chaſſe-
couſin (ſaurer wein, der den beſten freund aus dem haus
treibt) chaſſe-ennui, chaſſe-loup (n. pr.) chaſſe-mouches,
chaſſe-rage (n. plantae wider die wuth); chauffe-chemiſe,
chauffe-lit, chauffe-pied; chauſſe-pied, chauſſe-trape;
coupe-bourgeon (ein käfer, der baumknoſpen frißt) coupe-
gorge, coupe-jarret, coupe-tête; cure-dent, cure-oreille,
cure-pied; gagne-denier, gagne-pain; garde-bois, garde-
corps, garde-chaſſe, garde-feu, garde-manger, garde-
marteau, garde-nape, garde-robe, garde-vaiſſelle; hoche-
[982]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
queue (motacilla); ôte-ſoin; perce-bois, perce-boſſe (n.
herbae) perce-forêt, perce-muraille (mauerbrecher) perce-
neige (n. plantae) perce-oreille (ohrwurm) perce-pierre (n.
plantae (ſteinbrech) perce-val; pleure-pain (geizhals); porte-
aiguille, porte-aune, porte-banniere (ſahnträger) porte-
chaiſe, porte-dieu, porte-drapeau, porte-enſeigne, porte-
faix, porte-feuille, porte-malheur (unglücksvogel) porte-
mouchettes, porte-piece, porte-voix (ſprachrohr); taille-
fer, taille-mêche; tire-bouchon, tire-balle, tire-ſonds,
tire-monde (wehmutter) tire-ſou; tourne-bride, tourne-
broche, tourne-dos, tourne-fil, tourne-main (handum-
drehen) tourne-lit, tourne-ſol; tranche-montagne, tranche-
plume; tue-loup (n. plantae) tue-mouche (fliegentödter) u.
a. m. Dieſe romaniſchen compoſita beſtätigen, daß das
zweite wort einen wahren, vom erſten wort regierten
acc. enthalte, der hier ſogar oft im plur. ſteht, während
das compoſitum als ganzes betrachtet emen ſing. (und wie
im deutſchen maſc.) bildet. Die griech. ſprache verfährt
hierin kühner, welche mit unterdrückter flexion dem
zweiten wort neue bildungsendungen verleiht und dieſe
für jedes geſchlecht braucht (z. b. Homers παρθένοι αλ-
φεσί-βοιαι
) obgleich vorzugsweiſe auch die gr. zuſam-
menſetzungen dieſer art maſc. ſind. Beſondere rückſicht
verdient aber, daß faſt alle romaniſchen compoſita bloß
mit den imperativen einer ſchwachen (nämlich der lat.
erſten) conjugation gebildet ſind, kaum mit denen der
ſtarken (lat. dritten) noch der ſchwachen, welchen ablei-
tendes e und i zu grunde liegt (lat. zweiten und vierten
conj.) *). Hierzu ſtimmt das lat. mota-cilla und flex-
animus (geſchlechtig und declinierbar gleich den griech.)
von motare, flexare. Im griech. hingegen ſtehen vor-
zugsweiſe ſtarke verba im erſten wort, deutſch ſowohl
ſtarke als ſchwache. Das alter der romaniſchen iſt nicht
zu beſtreiten, perce-val, perce-foreſt, briſe-fer etc. finden
ſich ſchon in altfranz. gedichten (chante-clair im rom. du re-
nard) und Ducange führt mehrere derſelben in mittellat. form
auf, z. b. garda-roba (gen. garda-robae) garda-corſium etc.


9) in das engliſche ſind, wie zu erwarten iſt, franzö-
ſiſche zuſammenſetzungen als: garde-robe, gard-manger,
[983]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
port-glaive, port-mantle etc. übergegangen: es gibt aber
auch eigne bildungen (die richtiger ſ. 962. hätten ange-
führt werden ſollen) z. b. break-faſt (faſtenbrechend) break-
neck (halsbrecher) break-promiſe (wortbrecher), break-
ſtone (ſaxi-fraga, nicht brech-ſtein zu verdeutſchen, ſon-
dern brechenſtein, man findet auch das gleichbedeutige
eigentl. comp. ſtone-break); hang-dog (hängdenhund?);
kill-cow (kuhtödter, prahler) kill-buck (bocktödter, hund);
nail-burn (brunnen vernagelnd?, vielleicht auch nagel-
brunnen, vernagelter br.); ſhake-ſpear (ἐγχεσπαλος, wie
Nares und Riemer anmerken, der ſorm näher wäre σει-
σέγχος
; ſmell-feaſt (ſchmauswitterer) ſmell-ſmock (der
jeder ſchürze nachgeht); toß-pot (ſtürzenbecher); whip-
horſe (pferdpeitſchend, whip-hand iſt aber eigentlich com-
poniert); wry-neck (drehhals) etc. vgl. auch die mit par-
tikeln im zweiten wort: fare-well (lebewohl) hold-faſt,
need-not (taugnichts) look-out, run-away, ſneck-up,
ſtart-up u. a. m. Im agſ. begegnen keine ſolche compoſita.


10) ſlaviſche ſprachen bieten, außer den ſ. 963. be-
rührten mannsnamen, noch einige, überhaupt aber we-
nige vergleichbare compoſita dar. Die meiſten der böhm.
und poln. dialect; böhm. hryzi-kůrka (nagenranſt, geiz-
hals); hubi-len (leinverderb, name eines unkrauts, lein-
dotter, flachsdotter); kazi-chléb (paniperda) kazi-modla
(vernichter der götzen) kazi-mir (ſtörenfried) kazi-ſwiet
(weltverderber); maſti-huba (ſchmierdasmaul); tluc-huba
(ſchlagdasmaul); ſtrjebi-krewka (blutigel, ſchlürfdasblut);
imperative der verb. hryzti, hubiti, kazyti, maſtiti,
ſtrjebati, tlaucy. Poln. gryzi-gljowa (kopfnager) gry-
zi-koljek (pflocknager) gryzi-krupa (graupenager, geiz-
hals) gryzi-pacierz (roſenkranznager, heiligenfreßer);
kazi-chléb, kazi-mierz, kazi-rod (blutſchänder) kazi-
wino (weinverderber) von den verbis gryz’c’, gubic’,
kazic’. Serb. gazi-blato (watimkoth) imp. von gaziti. Ruſſ.
ſverbi-guz” (fricans clunes, name einer pflanze); verti-golovka
(drehhals). Im böhm. ne-zna-boh, ſerb. ne-zna-bozhatz
(heide, der gott nicht kennt) iſt aber zna die III. praeſ.
ind. (wie in taug-nichts, vaut-rien) von znati. Zuweilen
ſcheint der compoſitionsvocal ſich gleichfalls einzumengen:
ruſſ. trjaſo-guzka (motacilla) böhm. trjaſo-rjitka; ruſſ.
verto-ſcheika (drehhals) böhm. wrto-hlaw von trjaſti
(agitare) vjertjet’ (vertere).


11) wenn es befremdet, daß ich ſo vielen griech. und
roman. zuſammenſetzungen, wie den deutſchen §. 8, einen
[984]III. compoſition. ſchlußbemerkungen.
wirklichen imperativ zu grunde lege, ſo iſt zu überlegen
α) die deutſchen bildungen vergiß-meinnicht, ſchab-ab,
klaub-auf, franzöſ. rendez-vous (auch aus einer andern
conjug.) porte-plain! (zuruf in der ſchiffahrt); zumahl
die nachſetzung des imp. in zeit-vertreib, fideln-ſtôƷ be-
rechtigen dazu. β) davon abgeſehen, muß man in der-
gleichen wörtern eins von beiden annehmen entw. ei-
gentliche zuſammenſetzung oder uneigentliche. Eigent-
liche kann es nicht ſein a) weil der organiſche bindungs-
vocal gebricht, wie ich erörtert habe; er kommt nur
ausnahmsweiſe in einigen griech. und ſlav. compolitis zum
vorſchein, meiner anſicht nach fehlerhaft. Im romani-
ſchen, das ſeiner ſonſt unfähig iſt, zeigt ſich ein vocal
von ſichtbar flexiviſcher, uncompoſitiviſcher beſchaffen-
heit. b) weil dem weſen eigentlicher compoſition entge-
gen im begriff des ganzen das erſte wort das ſtärkere und
regierende iſt. c) weil keine eigentliche comp. dem er-
ſten, ſeiner flexion beraubten und unſelbſtändig gewor-
denen wort verſtattet, auf das caſusverhältnis des zweiten
einfluß auszuüben. Hier hängt aber der accuſ. des zwei-
ten vom erſten ab. γ) iſt es alſo nothwendig uneigent-
liche compoſition, ſo folgt, daß das erſte wort nicht die
bloße wurzel, ſondern eine leibliche flexion enthalte. We-
der ein deutſches ſpring-, hebe-, noch ein griech. ἄγε-,
φέρε-,
noch ein rom. guarda-, tira- kann aber etwas an-
deres als die II. ſg. imp. ſein, folglich verräth uns das
parallele ἀγέσι, φερέσι eine außerhalb der zuſammen-
ſetzung erloſchne flexion. Da alle übrigen tempora voll-
ſtändig flectiert und beſetzt ſind und nur der imp. ſut. 1.
mangelt, weiſt die lücke unmittelbar dahin. Es wäre un-
thunlich, in jenen formen z. b. die III. praeſ. ind. (ſpringt,
hebt, ἄγει, φέρει, tira f. tirat, tire f. tiret) *) oder die I.
praeſ. ind. (ſpringe, hebe, ἄγω, φέρω, tiro, tire) zu ſu-
chen. δ) allgemeine beziehung des erſten worts auf jed-
wede flexion wäre nur durch den compoſitionsvocal, der
hier fehlt, zu erreichen, wie bei unſerm reib-eiſen, nage-
thier (ſ. 683.) worin freilich reib, nage weder imp. noch
praeſ. ind. iſt, noch eiſen, thier ein acc. Uneigentliche
[985]nachtrag.
verbale zuſammenſetzung ſcheint aber durch den impera-
tiv zu allgemeinerer wirkung am erſten befähigt. Aus-
ruf und anruf zeugen in lebendiger rede namen und be-
nennungen; der größte theil aller hier aufgeführten zu-
ſammenſetzungen liefert appellativa für männer, thiere,
pflanzen ſo wie epiſche epitheta, bei denen man freilich
den urſprünglichen imp. zuletzt nicht mehr fühlte. Hier-
mit glaube ich die natur dieſer wortbildung dargethan zu
haben *).


Nachtrag,


zum erſten capitel.


A. verzeichnis der verbliebenen. nr. 83. ledic ſcheint
unpaſſend, da lëdic zu ſchreiben, ſ. 303. note. — nr. 99.
vielleicht ſlât ſ. ſlahad? vgl. ſ. 234. — nr. 111. kind (pro-
les) vgl. ſ. 232. — nr. 117. ahd. geinôn (ringere) N. Cap.
75. aber ginên (hiare) N. Bth. 53. — nr. 118. das mhd.
grînen gilt vom knurren des hundes, des pferdes und an-
derer thiere, ſcheint aber mehr das anhebende geringere,
als das laute ſchreien zu bedeuten; nhd. greinen von kin-
dern, engl. groan (ſtöhnen) verſch. von grin (das maul
blecken, fletſchen); inwiefern agſ. grin (laqueus) engl.
grin und altn. grein (ramus) verwandt ſein können, hängt
von einer unbekannten älteren bedeutung ab. — nr. 128.
ahd. dana-trîp, (770, 9.) oder -trip? vgl. ſ. 961. — nr. 133.
vom ahd. ſuîpan, ſueip, ſuipun (ferri) ſcheint mir übrig ſueib
(vibratio, ſchwung) N. Cap. 33. 215. und ſuëp (aer) ker. 102.
116. ſuëp (vanum, leere luft) 137. ſuëpên (nare) ker. 201. wo-
durch unſer nhd. ſchweben recht deutlich wird, das ë für i
gerade wie in lëpên und chlëp. — nr. 140. beiſkr ſ. 278. —
nr. 144. reiƷ (linea) N. Cap. 93. — nr. 148. N. Bth. 78.
gliz mit kurzem i, vgl. nhd. glitzern. — nr. 154. vgl. ſ.
514. — nr. 162. man unterſcheide ahd. brîdel (habena) N.
[986]nachtrag.
Bth. 132. 155. Cap. 85. und brittel (frenum) N. 31, 9. brittolôn
(frenare) jenes der rieme, zügel, dieſes das gebiß am
zaum. — nr. 163. ahd. ſcidunga (ſeparatio) N. Bth. 163.
mhd. ſchidunge Mar. 97. Ottoc. 40a vgl. ſceidan ſ. 75. und
das adj. geſchîde muſ. 1, 70. Wolfdiet. 798. 1718. nhd.
geſcheid. — nr. 171. altſ. auch rês (ſurrexit) ohne parti-
kel. — nr. 188. ſtëgon (aſcenſionibus) N. Cap. 160. ftëgôn
(ſcandere) ibid. 116; gehört hierher auch ſtîga (caula) N.
Cap. 105? ſtiegen die ſchaſe auf ſtufen în den pferch?
man nennt hüner-ſteige (ital. ſtia) den ſtall, zu dem eine
leiter führt. — nr. 190. agſ. micge, gen. micgëan (urina)
fem. migða (id.) maſc. mîgol (diureticus). — nr. 195. ahd.
zît aus zîhad (ſ. 236.) altn. tîmi (tempus) aus tîhami (ahd.
zîhamo?) vgl. zihar ſ. 266. — nr. 201. wihadum vgl.
ſ. 241. — nr. 230. ſcoƷôn (hin und herſchießen, herun-
terfallen) intranſ. N. Bth. 185. — nr. 242. er-rotên N.
Cap. 48. — nr. 246. hierher auch chiuſ-c (caſtus) und
chuſ-t (virtus). — nr. 269. zoum vgl. ſ. 146. — nr. 270.
floum ſ. 146. — nr. 299. ſvadem? ſ. 241. — nr. 278. N.
Cap. 109. ein verbum fraƷôn. — nr. 302. mhd. ſchricken
und ſchrecken (goth. ſkrakjan?) ahd. hewi-ſerecchjo (lo-
cuſta) nhd. ſchrecken (pavor) bei Jac. Böhm: der ſchrack
(aurora 337. 338.); altn. ſkrika (labare) oder ſkryka? —
nr. 313. — ahd. ſtala (furtum) O. IV. 36, 22. — nr. 326.
der irrthum mit zër- wird ſ. 769. berichtigt; wegen zart
vgl. ſ. 232. — nr. 352. ſcëltan eher verwandt mit (dem
daraus entſprungnen) ſcaltan nr. 9. und der begriff pol-
luere (ahd. ſcalt, polluit monſ. 361. ſcëlta, macula, igno-
minia, monſ. 355.) ein abgezogner, vgl. mhd. nider ſchalt
(zu boden ſtieß) kl. 4249. — nr. 360. auch altn. ſund aus
ſumd, ſvumad vgl. ſ. 477. — nr. 367. wegen rant ſ. 232. —
nr. 379. vgl. ſ. 709. — nr. 385. wie verhält ſich zum
nhd. ſchlingen ſchlucken? nnl. ſlonk und ſlok für ſchluck.
— nr. 386. altn. ſundl (vertigo) ſ. 477. — nr. 393b es gibt
ein agſ. þindan (tumere) praet. þand, part. geþunden, vgl.
to-þunden (turgidus) und ſ. 864. die ahd. form wäre
dintan. — nr. 399. in-geſtunkôt (inſpiratum) N. Bth. 74. —
nr. 413. mhd. twinc ſ. 506. — nr. 414. ableitung aus baí-
riggan? vgl. ſ. 403. — nr. 419. ahd. ranc (lueta) vgl. rang-
leich, rang-wîg (palaeſtra) N. Cap. 88. — nr. 421. ahd.
zuo-ſlingan (heranſchleichen) N. Bth. 203. 221. welches
ſlingen von dem nhd. ſchlingen (ahd. ſlinden N. Cap. 61.)
gänzlich verſchieden iſt, ſ. 391. not. — nr. 451b hier kann
ich ein bisher überſehnes, im ahd. erhaltnes, ſtarkes ver-
bum beibringen: hrëſpan, hraſp, hroſpun, hroſpan, deſſen
[987]nachtrag.
bedeutung colligere, vellere iſt, vgl. hrëſpan (vellere) ne-
ben lëſan, colligere ker. 280. ir-hroſpan (exhauſtus, er-
ſchöpft, ausgeleſen) ker. 106. ar-hroſpan (idem) pariſ.;
mhd. rëſpen den ſwanz MS. 1, 83b und riſpent iuwer
ſwenze MS. 2, 57b kommt bei den alten tänzen vor, loc
geriſpet Wh. 1, 38b fragm. 26a von geordnetem haar-
ſchmuck; ahd. hriſpahi (virgultum) wohl quiſquiliae, ein
haufen zuſammengekehrtes reiſichs, man würde hrîſahi
denken, wenn nicht ein mhd. riſpach (heinrich von ri-
ſpach) und giraſpe (quiſquiliae) trev. 16a jenes beſtätigten;
raſpôn (colligere) hat N. Cap. 113. 116. vgl. das mhd.
raſper (? collector) 1, 422.


B. verzeichnis der verlornen: nr. 472b lafan, luof?
vgl. ſ. 654. — nr. 473. N. Bth. 220. hat ein ſchwaches
verbum be-deben (opprimere, ſuffocare? oder bloß ad
ordinem redigere?) welches genau das mhd. beteben (1,
946.) iſt; die ahd. ſtarke ſorm wäre tapan, tuop. — ôbaſt,
ôfoſt ſind zu ſtreichen, vgl. ſ. 708. — nr. 475. hierher
auch ahd. fravali, agſ. fräſele (audax, getroſtes muthes). —
nr. 493. hierher piladi (imago). — nr. 503b ſpeitan, ſpáit,
vgl. unten ſ. … — nr. 505. hierher ſuid (ſtrages, exi-
tium) N. Bth. 89. 94. Cap. 28? — nr. 508. ſmeidar (ar-
tifex) ker. 213. — nr. 508b ſreiþan, ſráiþ, friþun (ſove-
re?) ahd. frîdan, freid, fridun mit der bekannten ver-
derbnis der med. in tenuis? dem ſ. 454. note vermuthe-
ten füge ich zu, daß freidëo (profugus) hrab. 972b freidac
(apoſtata) jun. 184. frêdîc hrab. 954b K. 44b den aus dem
frieden gelaßenen flüchtling bedeuten könnte; N. Bth.
163. gedenkt des aſyls. das Romulus ſtiftete. freidên ze
gniſte (exſulibus ad conſervationem) und agſ. frîd-hûs,
ahd. frît-hof iſt aſylum, ort der hegung. — nr. 513b ſtei-
kan, ſtáik, ſtikun, vgl. ſ. 170. — nr. 513c qveikan, vgl.
hernach zu nr. 551. — nr. 515b heihan, háih? vgl. ſ. 145. —
nr. 515c ſeihan, ſáih, ſaíhun, vgl. ſ. 346. — nr. 529. mhd.
diube (furtum) nicht dube, der kurze vocal iſt alſo erſt
beßer zu erweiſen. — nr. 530. hier beweiſt den kurzen
vocal nicht nur das goth. lubáins ſondern auch das ahd.
ge-lubeda (conſenſus) nhd. gelübde, ahd. muot-luba (af-
fectus) francof. 49. agſ. môd-lufu (ſ. 472.); bemerkens-
werth iſt das ahd. liup (lux) monſ. 351. ſiupî (lucis) monſ.
379. liup-lîh (ſplendidus) monſ. 358. ſonſt decorus, gratus,
nach verwandtſchaft der begriffe liebe, ſchönheit, glanz.
— nr. 530b griuban, gráub, grubun (frigere, co-
quere) ahd. kriopan, kroup, krupun folgt aus griupo
(frixorium) doc. 217a und ka-craupta (frixam) carlsr. von
[988]nachtrag.
dem abgeleiteten ſchwachen kraupjan. — nr. 535b daß es
auch ein ahd. dioſan, dôs, duſun (und dafür durun?) gab, leh-
ren die abgeleiteten ſchwachen dôſen (corrumpere) N. Bth.
168. fer-dôſen (diſperdere) N. Cap. 61. dôſôntêr wint N. Bth.
75. mhd. dôſen Reinfr. 7b 13b tôſen grundr. 442. ver-
dôſet miſc. 2, 294. ja das nhd. toſen und getöſe. Alle ſind
von dem ſtamm nr. 223. unableitbar und nur in der be-
deutung verwandt (vgl. N. Bth. 76. dieƷentêr wint), dio-
ſan und dioƷan verhalten ſich wie gioſan (ur. 250.) und
gioƷan (nr. 220.) ſ drückt das wehen der luſt, t oder Ʒ
das geräuſch des ſchalls aus. Mit dem pl. durun könnte
der eigenname durine verwandt ſein? — 535c miuſan
máus, muſun anzunehmen berechtigt die mhd. doppel-
form mies und mos noch nicht völlig, da man für letz-
teres eher môs, môr (wie lôs, rôr, trôr) oder mur (wie
chur) und zur- ſ. 769.) erwartet hätte. — nr. 537b miu-
kan, máuk, mukun (clam occidere) ahd. miohhan, mouh,
muhhun, vgl. ſ. 471. — nr. 537c jiukan, jáuk, jukun, vgl.
ſ. 885. — nr. 539b fiuhan? vgl. ſ. 145. — nr. 540. N. Bth.
154. 267. gebraucht das ſtarke ſem. iba in der bedeutung von
conditio: mit ibo (bedingungsweiſe) âne iba (unbetlingt), es
ſcheint mir genau hierher paſſend und gleichſam die ob-heit
(das ob oder wenn) ausdrückend. — nr. 541b qviban, qvaf,
quêbun, vgl. ſ. 830. und hernach zu 571, 44. — nr. 548.
hierher auch chaſto (ciſta) chaſtâri (incluſor) monſ. 337,
das ital. caſſa, franz. châtouille ſtammen eher aus dem
deutſchen, als aus ciſta, vgl. die formel kiſten und kaſten.
— nr. 550b ſliſan, ſlas, ſlêſun, ſliſans; altn. ſlis (inſortu-
nium) ſliſa (damnum inferre); ſlas (laeſio) ſlaſa (laedere,
vulnerare); ein allen übrigen dialecten unbekannter wort-
ſtamm. — nr. 550c þiſan, þas, þêſun, þiſans? vgl. ſ. 625.
— nr. 551. wahrſcheinlich iſt dieſe formel falſch und viel-
mehr 513c ein qveikan, qváik, qvikun, qvikans anzu-
ſetzen, wofür das altn. qveik (ſemen vitale) qveikja (ac-
cendere) qveikr (fomes) zeugt, qvak und qvaka ſcheinen
andrer wurzel aber im agſ. kann cvâcjan geſchrieben
werden; vgl. ſ. 231. note. Vielleicht der flußname queich
verwandt. — nr. 560. vgl. ſ. 232. — nr. 565. ſand f. ſamd?
ſ. 232. — nr. 566. vgl. ſ. 260. — nr. 571b vgl. -ari ſ. 131.
und arm ſ. 148. — nr. 601. ahd. funcho (ſemen) N. Bth.
171. das belebende.


C. verwaiſte wurzeln. ſ. 66. nicht allein die aphäreſe
der ſpiranten, ſondern auch ihre im zweiten capitel viel-
fach erwieſene ſyncope erſchwert es, den ablaut zu be-
ſtimmen. Die grundſätze über verlängerung oder kurz-
[989]nachtrag.
bleibung der vocale bei ſolchen ſyncopen und apocopen
ſind noch nicht gehörig ausgemittelt, vgl. ſ. 259. not. und
zui- ſ. 956. 957, neben â- ſ. 699; ſiman und fraþjan könnten
aus fihaman (ſ. 259.) frahaþjan (ſ. 238.) hervorgehen. Wo-
hin ſind aber ſubſt. wie das ahd. neutrum ſowe (vene-
num) N. Bth. 84. (fluentum) Cap. 25. ſou (alimentum)
Bth. 84. unterzubringen? analog ſcheint ihm houwe, howe
(foenum), Gleiches bedenken macht das ſich eindrän-
gende n (1, 25. 2, 167. 215. 216. 391); wenn z. b. gruoti
aus gruohadi, gruoni aus gruohani (ſ. 632.) entſteht, ohne
die ſormel granan, gruon (nr. 468.) zu hindern (N. Bth.
150. Cap.66. hat gruen, virere, wie altn. grôa); ſo darf
der formel hanan, huon (nr. 469.) unbeſchadet huon
(gallina) aus huohan gedeutet werden, wozu ſogar das
franz. coc, coq (nach der lautverſchiebung = ahd. huoh)
ſtimmt. Θάνω iſt ſicher das altn. dey, mhd. töuwe und
θάνατος das goth. dáuþus, mhd. tôt, nur daß den deut-
ſchen formen das n fehlt; einige ahd. dialecte haben pîa
(apis) N. daƷ bine, dat. demo bine, dat. pl. binen Bth.
136, da das lat. apis mit i abgeleitet iſt, ſo könnte der
ableitende ſcheinbar zum wurzelhaften vocal geworden
und bia aus abia (franz. abeille, ſpan. abeja, ital. ape
neben pecchia, pecchione f. apecchia?) entſprungen ſein.


ſ. 70. ff. zwei ineinander greifende reihen ſtarker
verba;
unter α iſt noch anzuführen: frakan, frôk aus
frikan, frak (vgl. ſ. 165.); radjan nr. 86. aus ridan, rat
vgl. ſ. 515. und râtan ſ. 75; ſetzt waſchen (nr. 88.) ein
wiſchen voraus? Wie ſind aber berührungen zu ver-
mitteln zwiſchen conj. VIII. und IX, die keinen einzi-
gen vocallaut unter ſich gemein haben? Ich will davon
drei, kaum abzuweiſende beiſpiele anführen: mit nr. 188.
ahd. ſtîgan, ſteic, ſtigun ſcheint verwandt ſtiagil (gradus)
K. 40a 56a ſtiega (cochlea) monſ. 328. 329. 340. mhd.
ſtiege Nib., was auf die formel ſtiugan, ſtouc, ſtugun führt.
Nicht weniger ahd. ſpieƷ (cuſpis, haſta) blaſ. 102a altn.
ſpiot, mhd. ſpieƷ Nib. 3857. En. 91a Karl 66a. b. 71a troj.
46a Ottoc. 449a 561a auf ſpioƷan, während das mhd.
(ohne zweifel auch ahd) ſpiƷ (veru) elfenmährchen CXVII.
geſpiƷƷet ibid. CXVI. und das adj. ſpitz (acutus) agſ. ſpit
(veru) engl. ſpit und das verb. ſpit die formel (ahd.) ſpî-
Ʒan, ſpeiƷ, ſpiƷun begehren, woraus ſich ſpitz wie aus
glîƷan (nr. 148.) glitzern, aus ſmîƷan (nr. 141.) ſchmitzen,
aus ſlîƷan (nr. 145.) ſchlitz, aus rîƷan (nr. 144.) ritz, aus
lîƷan (nr. 147.) antlitz, aus flîƷan (nr. 143.) flitz-bogen
(ſtreit-bogen), aus hîƷan (nr. 499.) hitze, aus ſuîƷan (nr.
[990]nachtrag.
500.) ſchwitzen, aus zîƷan (nr. 501.) zitze entwickelt.
Noch Daſypod. unterſcheidet richtig ſpieß (haſta) von
brat-ſpiß (veru); iſt das lat. cuſpis, cuſpidis verwandt,
nämlich = cu-ſpids? Liegen ſich beide reihen hier bloß
nahe (wie vorhin ſ. 988. gioſa und giota, dioſan und dio-
Ʒan) ohne auseinander gefloßen zu ſein? Das dritte bei-
ſpiel ſei mieta (merces, praemium) monſ. 376. T. 22, 7.
O. V. 19, 113. mietôn (conducere) monſ. 329. 335. 343,
das ſich nicht aus nr. 166. folgern läßt, wohin aber
máiþms (ſ. 145.) gehört; die ältere ahd. form lautet in-
zwiſchen meida (mercedis) ker. 196. Iſt meida in mieda,
mieta verderbt worden? auch N. Cap. 132. findet ſich
einmahl: daƷ keriete (pompa) für kereite, mhd. gereite
Parc. 75b. — ſ. 74. 75. zu den beiſpielen reduplicierender,
die aus ablautenden gezeugt worden, rechne man auch
ſcaltan (nr. 9.) aus ſcëltan (nr. 352.) vgl. vorhin ſ. 986;
wie wenn trâtan (nr. 60.), das ſ. 812. gehörig von râtan
(nr. 59.) geſondert wird, zuſammenhienge mit trëtan (nr.
283.)? wir ſagen noch jetzt von einem, der erſchrocken
iſt, betreten; áikan (nr. 29.) in berührung mit gëhan,
vgl. ſ. 810. note; wegen tage-rât vgl. ſ. 253, bei N. Cap.
101. 169. tage-rôd maſc. — ſ. 80. negation im praet., vgl.
gi-ran (fließt nicht mehr) wobei freilich die im praet.
zutretende partikel gi- angeſchlagen werden muß, vgl.
ſ. 845. 842; freidëo (profugus) vorhin nr. 508b kann ſo-
wohl den bedeuten der friedlos iſt, als der zum aſyl flie-
het. — ſ. 81. im laut liegt das geſchehende, im ablaut das
geſchehene: drigkja (bibens) drugkja (potor); baíra, baírja
(ferens) baúrja (lator) vgl. ſ. 487. — ſ. 83. note. waƷero dôƷ
N. Cap. 57. (vgl. 123.) mit dem praeſ. gebildet wider-dieƷ (wi-
derſtreben) Am. 1b. — ſ. 87, 9. dunchel, vom laut, N. Cap. 123.


Zum zweiten capitel.


94, 26. willkommne beſtätigung bringt thornu (rham-
nus) ker. 236, — 96, 27. vrëƷƷerîe w. gaſt 78b — 97, 21.
ſchon mnl. leckernîe Rein. 2081. — 99, 2. prâmal (rubus)
wenn aus brâmal-buſc gl. carlsr. zu folgern, den langen
wurzelvocal lehrt das mhd. brâme und nhd. o in brom-
beere. — 99, 3. ſcimbal (mucor) wenn aus ſcimbalac
(confragoſus, mucidus?) ker. 50. zu folgern, mhd. ſchimel,
nhd. ſchimmel. — 99, 37. afla wahrſcheinlich gar kein
deutſches wort. — 99, 40. muſcula (concha)? N. Bth. 259.
muſkela und ſpäter hat es keinen umlaut. — 100, 1. ſac-
chela (fax) N. Cap. 71. ſprîƷalâ (faces) doc. 236b oder
pl. maſc.? — 101, 25. nicht bloß collectiva, auch andere
[991]nachtrag.
compoſita, z. b. ôd-mahali (gazophylacium) ker. 140. —
102, 1. umbi-ſëthalon (finitimi) ker. 135. — 102, 43.
hamel N. Bth. 229. — 103, 3. ſcadel (malus) N. Bth.
209. — 103, 6. ſtëcchel? oder ſtecchel (mit -il)? N. Cap.
147; ſtumbal (ſtolidus) ker. 42. — 103, 8. forhtel (pavi-
dus) N. Bth. 199. Cap. 99. — 103. 10. zurdel (impatiens)
N. Bth. 49. (delicatus) ibid. 71. vgl. zuordon (libidinum)
ibid. 135. — 103, 35. ôt-mahali (dives) ker. 87. — 104,
19. afalôn ker. 239. — 104, 28. ſkrankelôn N. Cap. 25. —
104, 31. vokalôn (aucupari). — 104, 32. warbelôn N. Bth.
149. Cap. 65. ir-wiſpalôn (reſilire) ker. 239. — 105, 7.
braſteln (nhd. praßeln) braſtelunder wit, cod. vind.; kra-
gelen (crocitare) kragelundeƷ huon, cod. pal. 341, 128d. —
106, 18. truopiſal (miſeria) fr. or. 1, 945. wo der gen.
truobeſſalis (miſeriae). — 107, 11. irſal Ottoc. 462b 630a
twancſal Rud. weltchr. 172. — 107, 25. ſcheinſal f. ſchein
oft bei Philand. v. Sittew.; bei H. Sachs das fem. hart-
ſel. — 109, 29. fuoƷ-kengel N. Bth. 109. — 198, 34. pentil
(lorum, ligamentum) bendel N. 146, 3. Cap. 14. bruſt-
pendel N. Cap. 104. houbet-pendel N. Cap. 30. fahſ-
pendel N. Cap. 39. — 109, 38. ôt-pudel (opulentia, i. e.
praeco divitiarum) N. Cap. 52. — 109, 40. reit-rihtel N.
Bth. 251. — 109, 43. hou-ſtaphil (locuſta). — 110, 3. tregel
(portitor) N. Cap. 145. — 110, 8. weibel (apparitor) N.
Cap. 55, — 110, 10. zuhil kürzt N. in zuol Bth. 224. —
111, 9. kübel a. w. 3, 232. — 111, 15. wîſel (dux) Wh.
1, 114b Lohengr. 152. — 111, 30. iſela (nicht îſela, vgl.
1, 121.) gehet ſtark, N. Bth. 199; auch huwela (noctua)
N. Bth. 205. — 113, 13. chëllilî (receptaculum) aus chëlli?
vgl. ſ. 640. nôƷilî (animal) ker. 117. aus nôƷ. — 113, 32.
ſtramilo? (peſtis) ker. 286; tumphilo (gurges) hrab. 954b
— 114, 4. ſkeitelûn acc. ſg. N. Cap. 21. — 114, 26. lîht-
wërpil (levis) ker. 157. zuinel (gemellus) W. 4, 2, 5. ge-
zuinele (gemini) N. Cap. 74. — 114, 40. mundilen effari,
gleichſam ex ore proferre) ker. 104. muntilit (infit) ker.
163. ſetzt kaum ein adj. muntil voraus. — 115, 5. ſtatt
chizelôn hat N. Cap. 14. chuzelôn, wohl aber das ſubſt.
chlingelôd ibid. zur beſtätigung von chlingelôn, wovon
verſchieden iſt kinkilôn (canorum eſſe?) vgl. kinkilônti
(canora) ker. 66. hrab. 957a; eichelôn (colligere glandes)
N. Bth. 35; in -hrekilôn (exuere) ker. 114. entkleiden;
innelôn? zu folgern aus inlunka ker. 152? — 115, 10.
menthilôn (gratulari) ker. 139. vgl. mendel-bërc (mons
gaudii); miſkelôn (miſcere) N. Bth. 84. — 115, 12. pruſt-
pendelôn N. Cap. 104; buchelôn (curvare ſe) N. Cap.
[992]nachtrag.
146; pi-puntilôn ker. 238. — 115, 6. quitilôn (murmura-
re). — 115, 24. pi-tumilônti (attonitus) ker. 165. undar-
vigilôn (interradere) zu ſchließen aus undar-vigilôt (in-
terraſilis); zunſelôn (incendere thus) N. Cap. 13. vgl.
ſ. 119. zinſel, zinſer. — 115, 36. fächeln, fädeln etc. —
116, 4. die armuth der ahd. ſprachdenkmähler läßt viel-
leicht ſo zu voreilig urtheilen, vgl. ſ. 382. — 116, note,
was liegt den compoſitis endil-mere, wentil-ſêo Hild.
fedel-gold N. Cap. 70. für ein ſimplex zu grund? aus
dem ſuperlativiſchen endilôſta (fines) vermuthe ich ein
adj. endil, folglich auch wendil, vgl. antilôthi (limina)
ker. 176. — 117, 26. quattulôn (coturnices) carlsr. alſo
ſchwach, und ſchwaches quënula ergibt ſpënula, acc.
ſpënulûn (acus). — 119, 34. ſtümpeln iſt zerſtücken, be-
ſchneiden; ſtümpern aber etwas ſtückhaft, unganz arbei-
ten. — 121, 29. das maſc. iſt aus dem gen. pl. lêhtrô
(ſecundarum) monſ. 323. und N. Cap. 134. (wo aber
mit kurzem vocal lehtero) unerwieſen, nach folgender
ſtelle aus dem cod. vind. 64. ſol. 63a ſcheint es vielmehr
neutrum: lehtar folliculi, qui ſimul, cum inſantes naſcun-
tur, ſecantur; das geſchlecht von zankar (vibex) ker. 284.
weiß ich auch nicht. — 126, 32. die handſchriften N’s
verfahren keineswegs einförmig, ich finde ſehr oft kurzes
a, z. b. leidare (inimicus) Bth. 22. rihtare, arzenare Bth.
219. ragare (temerarius) Bth. 233. walteſare Bth. 186. 195.
durſteſare (ſitibundus) Cap. 73. ſkërare (tonſor) Cap. 52.
hingegen leidâre Bth. 207. reiſâre Cap. 133. fram-ſpuote-
ſâre Cap. 53. pehaftâre Cap. 76. ſlindâre Cap. 73. etc. —
127, 31. ſcathari (latro) ſcatharëô (latronum) ker. 247. —
127, 41. uſinari? (oſtiarius) ker. 169. — 128, 6. hrindirari
(bœoticus) gl. weſſobr. 374; truhendingære Parc. — 129,
behendigære m. vom reiger; gîteſære a. w. 3, 171. 181;
obeƷære (qui poma vendit) jus munic. argentor. §. 44;
muot-willære MS. 2, 127b. Das aus fmeichenære ge-
ſchloßene ſmeichenen iſt falſch, wie das part. praet. ge-
ſmeichet (nicht geſmeichent) lehrt. — 133. für die
ſchw. fem. auf -ara gilt, wie bei den maſc. auf -ari,
ſchwanken zwiſchen a und â; N. hat haltara (cuſtos) Cap.
123. ſûberara (purgatrix) Cap. 134. zeigara Cap. 116. 117.
reiſara Cap. 133. aber prieſâra (parca) Cap. 55. zugedâra
(altrix) Cap. 76. wofür zuhtara ker. 17. — 135, 11. lunkar
(ſtrenuus) ker. 262. — 135, 18. ſuëfharo (ſtrenue) ker.
201. ſuëpferlîh (vafer) N. Cap. 77. — 136, 13. locker. —
137, 2. hinderen N. Bth. 196. — 137, 29. auffallend das
anlautende g in gaugrôn K. 49a 50b, der ſonſt immer k
[993]nachtrag.
ſetzt. — 137, 36. ſlokarôn, flokrôn ker. 71, 217. Aus N.
ſind zuzufügen: anterôn (imitari, referre) Bth. 259. Cap.
32. 44. 109; ana-gangerôn Bth. 195; timberôn Bth. 169.
weigerôn Bth. 169. zuizerôn (zwitſchern) Bth. 118. —
138, 28. meckern. — 138, 38. ſo auch: es brechert, lau-
fert, ſingert, ſcheißert, ſpringert, tanzert, weinert ihr,
vgl. Schm. §. 1036. — 141, 7. ſkepfor (creator) N. Bth.
222. iſt ſonderbar, gleich darauf 222. ſtehet das gewöhn-
liche: der ſkepfo. — 141, 14. tëlgor (ramus). — 141, 28.
miſtur (caligo) vgl. agſ. miſtrjan (ſ. 143.) — 143, 8. merk-
würdig das mhd. waƷƷe (aqua) bei Lamprecht 55b 56b. —
147, 16. diehſamo (incrementum) N. Cap. 73. (f. deihſamo).
147, 19. glizemo (fulgor) N. Cap. 154. — 147, 36. rota-
mo? wenigſtens hat N. Cap. 23. rutem-hafte (rutilans).
— 148, 1. geſmagmo N. Cap. 24; zu wahſamo vgl. unten
wahaſmitha. — 148, 4. zaſamo ſteht Cap. 115. — 148, 18.
blexeme ſcheint fem. vgl. Maerl. 1, 157, 206, 375. 2, 27.
— 149, 28. malmen. — dän. rödme (erubeſcere). — 150,
17. bei N. die zuſammenſetzungen widem-diu (ſerva do-
talis) Cap. 101. widem-hîa (mancipium) Cap. 132. — 152,
29. miteme (medii) N. Cap. 137. un-mëtemi (intemperies)
N. Cap. 143. — 153, 19. mëtemên (temperare) geht nach
dritter conj. N. Cap. 43. 152. 154. — 156, 17. vëhan zu
ſtreichen, man leſe monſ. 351. vêhên, pictis (ſc. tapetibus).
— 156, 37. parn (praeſepe) Lampr. 72b. — 158, 7. oahſana
(lacertus) ker. 184. — 160, 19. lâhhan (medicina). — 162,
38. falſch, gegene ſtehet Mar. 179. 210. 220. und ſonſt. —
164, 1. ſkirno ſteht N. Bth. 124. — 164, 30. ërchen Bth.
192. ërchenôſt 162. — 165, 6. hierher liehſan (lucidus)?
vgl. unten zu ſ. 266. — 165, 8. warum ſteht bei T. vor
ſcaffan die partikel ſô? — 168, 33. tougen (celare) f. tou-
genen kl. 4305. — 169, 5. hierher hefenôn (afficere) N.
Cap. 120? — 169, 9. reitenôn (colere)? N. Cap. 34. un-
gereitenôt (incultus). — 169, 28. ſëlchenên (ceſſare) N.
Cap. 118. — 169, 30. erſtorchenêt N. Bth. 94. — 170, 29.
vgl. die engl. haſten, heighten, liſten, ſharpen, threaten,
awaken etc. — 170, 33. lenzin (ver) ſgall. 196. durch
welche gloſſe die vermuthung ſ. 510. note gewinnt, lenzin
f. lengizin; mittin? vgl. ſ. 413. — 171, 3. es findet ſich
auch myrgin. — 171, 9. ordena (ordo) N. Bth. 214. Cap.
79. — 171, 12. fîantin (inimica) K. 48a u. a. m. N. ſchwankt
zwiſchen -in und -en, vgl. gutin (dea) Cap. 147. herzo-
gen Bth. 17. — 171, 27. man ſ. das fem. eikin, gen.
eikinjar (amnis) Grimn. 27. — 172, 24. vielleicht roſkin
(vigor)? doch kenne ich nur den dat. roſkine N. Bth.
R r r
[994]nachtrag.
257, deſſen nom. lieber roſki lautet und wie eimberi
geht. — 173, 34. was iſt aber aus dem goth. bi-mamin-
dêdun Luc. 16, 14. anders zu machen als bi-maminjan?
da das ableitende i eher erliſcht (f. maminidêdun) als ô
(maminôdêdun); vielleicht mundêdun, mamundêdun? —
174, 5. erbibinôta im Geo. lied. — 174, 7. far-ſcirpinôn
(diſcrepare) pariſ., in ſcherben gehen. — 175, 2. vgl.
goth. midjuns? ſ. 413; ſichrer fallen hierher das altn.
iötunn (agſ. ëoten) und die fem. îngun (n. pr.) ômun
(vox, ſonus) hlôdyn (n. pr.) und die ſchwachen auf -ynja
(ſ. 319.). — 176, 3. hier iſt das indeclinable fadrein (pa-
rentes) Luc. 8, 56. 18, 29. Joh. 9, 2, 3. zu erwähnen, wo-
bei das verb. im pl. und das pron. im malc. ſteht: þái
fadrein Joh. 9, 20, 22. þans fadrein Joh. 9, 18; der gen.
ſem. fadreináis (familiae) Luc. 2, 4. kann einem nom.
fadrei oder fadreins (von einem verbo fadrjan? vgl.
ſ. 157.) gehörig ſein; gleicher zweifel trifft die accuſ. gu-
mein und qvinein Marc. 10, 6, ſo daß es unausgemacht
bleibt, ob das -n flexiviſch iſt oder ableitend. — 176,
29. ſuammîn (funginus). — 177, 7. auch loubirîn (folia-
ceus) dipl. von 786. bei Wenk nr. 16. Andere beiſpiele
in der zuſ. ſetzung ſ. 647. — 177, 12. liehteneƷ zu ſtrei-
chen, da liehſeneƷ N. 18, 9. richtige lesart. — 178, 8.
ëoforen (aprinus) fäderen (paternus). — 178, 18. lieber
hebrîn (avenaceus). — 180, 10. die verba einiger ober-
deutſchen volksmundarten für den beigeſchmack, beige-
ruch auf -einen, z. b. brenneinen (brenzelen) müchelei-
nen (nach ſchimmel ſchmecken) älteneinen (nach alter
riechen) ſ. Häſlins H. Sachs p. 407. berühren ſich nicht
mit den adj. auf -în; vgl. -enzen ſ. 349. — 181, 1. wëſt-
ſundrôni (africus); gl. ker. 46. geben die volle form nor-
darônar, worin das letzte -ar ſeltſam. Die ganze bil-
dungsart bedarf beßeres lichtes. — 185, 36. man ſagte:
den lîp verwandeln (z. b. in dem mære vom bloch) für
ſterben. — 189, 7. mökvi (umbra); vökvi (humor). —
191, 24. vökva (irrigare). — 195, 9. vgl. gewift (textura)
zwetl. 133a. — 195, 26. heift (vehementia) wird ſ. 298.
vermuthet. — 196, 23. ſyft f. ſvift (ſexus). — 196, 26. vor
der gifte genas, Karl 101a. — 197, 12. vielleicht rëſt
(ſtigma) hrab. 975a — 197, 23. zorfti (ſplendor) N. Cap.
114; ein-traftî (ſimplicitas) ker. 48. — 198, 29. kruſts (ſtri-
dor). — 198, 43. die gl. ſgall. ſchreiben uunſt (procella),
alſo ûnſt? — 199, 2. firſt (culmen) N. Bth. 127. — 199,
8. auſtr (hauſtus) â-auſtr (infuſio) beide von auſa geleitet.
— 199, 30. chniſt (contritio) zu ſtreichen, da N. 10, 2.
[995]nachtrag.
(nicht 9, 2.) kniſt = gniſt ſtehet und ſervatio bedentet,
folglich 200, 3. anzugeben war, es findet ſich auch Bth.
163. — 200, 14, giſuulſt (livor) monſ. 332. — 201, 36.
nuſta (nexio) N. Cap. 107. vgl. genuſta (nexuit) Bth. 172.
— 203, 2. mhd. tuſter (monſtrum) elfenmährch. CXVII.
— 203, 34. daß das goth. gahts von gaggan herſtammt,
beſtätigt einleuchtend ein ahd. bette-gâht (concubium) N.
Cap. 46, die bette-gehzeit, mitternacht. — 204, 5. ubar-
huht (ſuperbia) T. 84. — 204, 7. wider-bruht (repug-
nantia) N. 59, 13. — 205, 38. gefluhte (textura) N. Cap.
107. — 207, 27. gileihter (matrix) emm. 400. — 208, 26.
gaggan, gahts. — 213, 16. paean ſcheint ein entſtelltes
hebr. wort, von der bedeutung krone, binde. — 213, 19.
ſtoraƷ? (purpura) ſtoraƷƷe (purpurâ) doc. 237a — 213,
22. eolt (pullus). — 213, 34. quarz. — 214, 23. mâlizze
N. Bth. 60. — 214, 30. himelicz (laquear) bei Ruediger
cod. regimont. 49. — 214, 34. gejegeze (venatio) Oberl.
505. parallel ſind die nnl. gedaante, gedeelte, gedarmte
und viele ähnliche; das geblümte (eintrag der bienen, Ade-
lung) iſt unhochdeutſch f. geblümze? mnl. leſe ich wil-
dert (ſolitudo) Maerl. 2, 105. middelt (medium) 2, 206.
aber weiblich. — 214, 38. manzo liegt dem griech. μαζός
und lat. mamma nahe, altn. maſti (μαστός, μασθός, ne-
benform des μαζός). — 214, 42. hierher auch das agſ.
oretta (heros)? — 215, 21. kanz (ſalvus) ker. 245; malz
(mitis) N. 180. 218. ein ſonſt unerhörtes adj., aber dem
agſ. mëltan (ſolvi) verwandt. — 216, 28. eine elwanger
gl. gibt kanicit (aediſicabitur) was ich für kanzit (wird
ganz, macht ganz) halte. — 217, 4. goth. auch kaupatjan
(colaphizare); den ahd. -azan iſt beizufügen: chahazan
(cachinnari) ker. 58. wo ein ſubſt. zu ſtehen ſcheint; gi-
rezen (concupiſcere) N. 105, 14; grunzen N. Cap. 58;
huorulazan? zu folgern aus huorrulazza (proſtituta) gl. el-
wang.?; kremizôn (exacerbare) auch ker. 105; lougezen
(inflammari) N. Cap. 143. 157; laupezent (vernabunt, i. e.
folia capeſſent) ker. 279; gelindizu (delinio) gl. carlsr. für
lindazu?; mâlezen (cauſari) N. Bth. 214; môdazan (cogi-
tare) ker. 163; blëchezen (coruſcare) N. Cap. 146; plinta-
zan (coecutire) gl. elwang., wo ich f. plintirce (caecutiat)
leſe plintazê; ſlakazit (redolet?) ker. 240. ſlagezen (verbe-
rare) N. 46, 2. Bth. 261; ſprungezen (ſalire) N. Cap. 77. vgl.
ſprungezôd (pulſus) Cap. 124; ſuilazan? vgl. ſuilizan, das
ich zu ſ. 220. anführe; dem aus emm. 408. angeführten
vlogorazan entſpricht flogerzen (ſubvolare) N. Bth. 47.
135; ki-zalazan (recenſere) ker. 241. — agſ. auch noch
R r r 2
[996]nachtrag.
cancettan (cachinnari) lyſettan? (adulari) ſprangettan (pal-
pitare). — mhd. blinzen Parc. 187c Reinh. 135; blikze
(fulgur) MS. 2, 166b; brunzen a. w. 2, 56; für irzen hat
das lied von Anno 466. igizin, fehlerhaft, der cod. pal.
361. beßer iecin (iezin) cod. guelferb. irrizen; wuchzen ſteht
auch livl. 69a. — nhd. auch pſetzen. — aus der oeſtr.
mundart noch folgende: ſogazen (ſchlucken) gigazen (ſtot-
tern) himmelazen (wetterleuchten) juchazen (jauchzen)
krokazen (rülpſen) lachazen (lechzen) napfazen (ſchläfrig
kopfnicken) munkazen (murmeln) niſchazen (nieſen) nua-
gazen (ſchwanken) quekazen (quixen) ſchwoamazen (ohn-
mächtig werden) ſchnupfazen (ſchnaufen) wiagazen (hin
und her bewegen). — 219, 34. die ſchreibung albiſze f.
albiƷe (1, 162. note) iſt N. Cap. 37. zu finden. — 220.
muniƷ oder muniz? iſt T. 126. maſc. Das goth. þái
militôndans (στρατευόμενοι) Luc. 3, 14. iſt zwar lateini-
ſches urſprungs, aber wahrſcheinlich ſchon vor Ulf. ins
goth. aufgenommen, ſo wie in andere deutſche dialecte,
vgl. milizô (militum) ker. 68. 74. Ein bisher unbekann-
tes wort knellizze (ſcinifes, vom gr. σκνίψ, σκινίψ, mücke,
würmlein) ſg. knelliz? gl. carlsr., verwandt mit knellen, knil-
len, knicken? aber ſgall. 201. ſcifes mizun?; lenzo aus lengizo,
lengizin? (vgl. ſ. 510.); einem agſ. rŷmette (ſpatium), wenn
Lyes angabe richtig, weiß ich kein ähnliches ahd. rûmiƷ.
ſouuilizzo (calor) ker. 22. f. ſuilizo gehört wie ſuilizunga
(ſ. 361.) zu ſuëlan nr. 317. und ſetzt ein verb. ſuilizan
oder ſuilazan voraus, doch N. 101, 3. hat ſuilizôn. Es
gab ein ahd. adj. gremizi? (triſtis) vgl. gremiz-aƷ (triſte)
monſ. 352. gremizju (perturbata) monſ. 392. gremizê (tri-
ſtes) monſ. 356. wovon das verb. gremizôn ſ. 217. her-
rührt, vgl. gremezi (ira) N. p. 264b, 27. — 221, 16. ge-
emeƷôt (exercitatus) N. 118, 78. — 222, 17. hierher auch
angweiƷo (puſtula) angweiƷôno (papularum) monſ. 322?
— 222, 23. μέλδω, agſ. mëlta, ahd. ſmilzu. — 226, 5. da
die verſchiednen ſchriftzeichen þ und ð (= th, dh) im-
mer auch hinweiſen auf eine verſchiedne ausſprache, da
þ nur anlautend, ð nur in- und auslautend geſetzt wird
und ð der reinen media näher kommt als þ; ſo mag das
altn. ð, wie es in den meiſten fällen von Raſk gebraucht
wird, den beginn der in den in- und auslauten ſtattfin-
denden verderbnis des þ anzeigen, folglich eine mittel-
ſtufe zwiſchen ihm und dem ð einnehmen. Die lautreihe
wäre demnach: þ, ð, d; wofür goth. bloß þ, d; ſtreng-
ahd. bloß d, t. Eine analoge mittelſtufe mag das ahd. Ʒ
darbieten, nämlich Ʒ ſich zu z verhalten, wie ð zu þ;
[997]nachtrag.
z wie þ kommt hauptſächlich im anlaut vor, dagegen
ð und Ʒ nie anlautet. Für die altn. drei töne þ, ð, d
beſitzt die ahd. nur zwei, nämlich d und t; für die ahd.
zwei töne z und Ʒ die altn. nur einen nämlich t. In
beiden fällen ſind aber þ und ð; z und Ʒ nur zerſpaltun-
gen eines haupttons, die im verhältnis der lautverſchie-
bung nichts verſchlagen, d. h. beide þ, ð, entſprechen
dem griech. τ und beide z, Ʒ dem griech. δ. — 226, 36.
auldr (ebrietas). — 227, 20. ſpëlta, (ſpica) ker. 53. — 228,
8. anadin (zelo) doc. 201b. — 228, 9. foramundo ſteht emm.
405. — 228, 30. das -d der ordinalzahlen war hier anzu-
führen, goth. ſibunda, ahtuda, niunda; ahd. ſibunto, ah-
tota, niunto; in fimfta, ſaéhſta bleibt tenuis, ahd. ſimſto,
ſehſto. — 229, 40. ewida (caulas) gl. vind. — 230, 12.
anut (anas) fr. or. 1, 675. agſ. ened, enid, wiewohl nach
dem lat. gen. anatis agſ. eneð, ahd. anud richtiger
ſchiene. — 232, 12. ſund für ſumd = ſvumd, wie vorhin
ſ. 986. bemerkt. — 235, 11. merkwürdig, mit haftendem
a, ëratha (terra) ker. 288. — 235, 18. bei N. Bth. 40.
gebaheda (fomentum) mit kurzem a, wie er fahen etc.
ſchreibt; ker. 131. hat pâthôn (fovere) wahrſcheinlich lan-
ges. — 237, 40. das ſanſkr. aditya (ſol) ſtimmt nach der
lautverſchiebung genau. — 238, 10. ſuëchado (foetor) doc.
237b; trâdo (fimbria) vgl. ſ. 361. — 238, 11. ſcaldo (ſa-
cer) ker. 69. kann bloß die ſchw. adjectivſorm ſein, iſt
aber ein merkwürdiges wort, das ſonſt kaum vorkommt.
Ich kenne bloß das compoſ. ſcald-eiche (ilex) jun. 325,
heißt das: heilige eiche (jovis arbor)? und die agſ. pflan-
zennamen ſcald-hyſel (alga marina) ſcald-þyfel (genus
ſpinae) wie auch mit heilig verſchiedne namen von ge-
wächſen zuſammengeſetzt ſind. Gehört das altn. ſkâld
(poeta) edd. ſæm. 46a, welchem langer vocal gegeben wird,
hierher, geheiligter ſänger? — 238, 16. grôdi (feracitas)
vgl. das ahd. ſtarke gruoti (viror). — 233, 43. Wh. 3,
324b ſpâte und fruote, wie wir jetzt ſagen: frühe aut-
ſtehen. — 231, 34. iſt werid (inſula) ker. 247. maſc. oder
neutr.? — 242, 27. gl. ker. geben noch -itha: ſeſtitha
(munimen) 191. walu-giridha (crudelitas) 10. bikimbitha
(funus?) 127. wahſmitha, wahaſmitha (frugalitas) 129. 156.
ſuaritha (foedus) 133. ſniumitha (efficacia) 148. liuhtitha.
(luſtrum) 181. mihhalitha 199. ſuaƷitha (ſuavitas) 205
(? ſuâƷitha) endi-prurditha (ordo) 248. folkitha (ſecta) 249.
nôt-wëkitha (violentia) 281. — 243, 16. die vermuthung
daß pineimida f. pimeinida (pinimida iſt druckf.) nämlich
bei N. beneimeda f. bemeineda ſtehe, beſtätigt Bth. 56,
[998]nachtrag.
wo bemeineda (deliberatio) vorkommt, wie ſonſt benei-
meda diſpoſitio, propoſitum, teſtamentum bedeutet, vgl.
N. 24, 10. 43, 18. 49, 5. 9. etc. und forapimeinida (propo-
ſitio) monſ. 348; N. hat auch noch folgende: ſtureda Bth.
38. ſcundeda (perſuaſio) Bth. 43. chnupfeda Bth. 214.
ſuizzeda Cap. 147. geſtelleda (ſitus) Cap. 164 etc. — 248,
18. auch wohl habadi (habitus), der dat. habede N. Bth.
81. und getrahtede N. Cap. — 249, 12. lauhido vgl. ſ. 465;
ſtëhhido (pleureſis). — 249, 15. ſuërden (dolores) N. Bth.
135; want-ſtoriden? (parietinae) N. 101, 7. — 249, 34.
ſtatt ziugedôn ſtehet zugedôn (fovere) Bth. 244. Cap. 63.
antſeidôn N. Bth. 56. — 251, 29. auch ker. 209. foatareidi
(nutrix) miſe. 1, 19. fôtareidi und fôteraidi gl. pariſ. —
252. 253. andere beiſpiele: chlingelôd (tinnitus) N. Cap.
14; mittilôth (vices) ker. 237; mëttôd (geſticulatio) N.
Cap. 122. dunkler abkunft; oſtôd (ſtrepitus) N. Bth. 80.
desgleichen; brunnôd (crepitaculum) N. Cap. 15; ſtritôd
(lis, cauſa) N. Bth. 86; trëtenôd (tripudium) N. Cap. 122;
faſtinôdh (ſtipulatio) ker. 9; wîſôd (benedictio) doc. 244b
zinſelôd (fomes) N. Bth. 171. Cap. 28. 154; bei N. wird
das ô häufig, aber nicht immer verkürzt. Das auslau-
tende -t ſtatt -d in den pſalmeu, z. b. ſcreiôt (clamor)
143, 14. houbet-wagôt (commotio capitis) 43, 15. ana-
plâſôt (impetus) 45, 5. chlaffôt (ſtrepitus) 84, 9. iſt wider
N’s ſonſtigen brauch, und Cap. 154. ſtehet auch deutlich
zinſelôd. — 255, 26. der ſgaller cod. lieſt 23178. nuzz. et
durh den namn; der münchner nutz er; der heidelb.
nvtz durch; die bildung nutzet alſo unhaltbar. — 256,
42. antilôthî (limina) ker. 176. dunkel; thikinôthî (teſtitu-
do? vielleicht teſqua) ker. 268. — 257, 20. N. 40, 3.
der dat. heimôde, dem der nom. gleichlautet, weil N.
hier kein -i mehr hat, 136, 1. wird geſchrieben heimôte?
heimote?, wie mit kurzem o hêrote Cap. 56. 117. —
258, 11; ſpilôdôn aus ludw. lied nicht zu beweiſen, es
heißt daſelbſt: ſpilôd under vrankôn (exultatio inter fran-
cos). — 259, 28. vgl. ſeges (für ſegets) ſegetis. — 259,
43. vgl. vadum aus vahadum? — 261, 39. auch: pirou-
pôtî (ſpoliatio) doc. 228. geellendôti (captivitas) N. 125, 4.
gidingôtî (pactum). — 263, 19. aus der regel fließt, daß
das ſchwed. ſans, dän. ſands unorganiſch wäre, es iſt
auch aus dem roman. ſens (ſenſus) aufgenommen; was
folgt hieraus für ſtanſa, dän. ſtandſe (ſ. 268.)? — 264, 2.
grans (prora) doc. 216b. — 264, 15. zu fyrs vgl. Boeth.
166a þornas and fyrſas. — 265, 2. knicks. — 265, 12.
opoſa (veſtibulum) ker. 278. hierher auch als fem. runſa
[999]nachtrag.
(fluentum) N. Bth. 236. Cap. 139; ich weiß nicht ob zuzſa
(laena, veſtis) K. 52a. — 265, 26. amſe? Rab. 959. — 265, 34.
eine ungedruckte wiener gl. gibt gamƷ (ibex) wonach gemße
richtiger als gemſe. — 266, 9. ein ahd. liohs, liehs (lumen) folgt
aus dem adj. liehſen (lucidus) N. 18, 9. und wider-liehſene
(refulſio) N. Cap. 146; mëƷaras, mëƷers (culter) ſ. unten
zu ſ. 321. — 266, 18. hierher auch liðs (quies) gen. pl.
liðſa? — 266, 23. altn. auch tëms (mora) und tafs (elo-
cutio praeceps). — 266, 28. mnl. wals (nomen beſtiae)
Maerl. 2, 85. — 267, 2. gilſi (cerebrum) maſc. oder neutr.?
N. Cap. der dat. gilſe, der auch zu gils paſſen könnte,
aber gl. vind. haben den nom. gilſe. — 267, 9. rancaſo
(rancor) ker. 236. — 267, 27. nhd. klimſe (rima) Keiſerſp.,
doch andere haben klunſe. — 267, 29. das goth. adv. ſuns
(ſtatim) verglichen mit altn. ſŷſla (negotium, cura) führt
vielleicht auf ein adj. ſunſis, ſuns, ahd. ſuns, altn. ſûs (wie
fûs) das ſoviel wie celer, promptus bedeutet haben wird,
doch iſt weitere beſtätigung abzuwarten. — 268, 5. es gibt
noch mehr ſchwed. adj. dieſer bildung, z. b. harmſe (tri-
ſtis) ênſe (concors) aflägſe (remotus); ſonderbar iſt das
altn. ſubſtantiviſche âleikſa (inferior in ludo) worin offen-
bar die wurzel leik ſteckt, â- iſt ahd. ana- (ſ. 712.), gleich-
ſam ein angeſpielter? — 268, 18. chripſen (diripere) N.
34, 10. — 268, 31. fûlſa (abominationem ſimulare) tëmſa
(languide agere). — 269, 23. feiliſô ſcînantêrô (ſaxi can-
didi) ker. 75. alſo weiblich. — 269, 39. hulſe (ſiliqua) her-
rad. 182b. — 270, 1. chupiſi auch hrab. 975b. — 270, 6.
durch verſehen iſt hier das der vierten decl. folgende
fem. ahd. itis (mulier) altſ. idis, agſ. ides unerwähnt ge-
blieben. — 270, 35. das ſchwed. dän. gods (opes) erin-
nert an das hochd. güter, wenn nicht im altn. gôts und
dazu ohne umlaut vorkäme, kuotir wäre altn. gœds. —
271, 11. wohl chëpiſa, weil agſ. cifeſe (bei Lye cyfes). —
271, 272. ahd. verba -iſôn: chlingiſôn ker. 58; drâhîſôn
fällt weg, wenn man nicht drâſôd annimmt, ſondern
draſôd (ſchnauben, nieſen) womit das mhd. traſen (ſchnau-
ben, in vollem athem laufen) gramm. 1, 415. zuſ. hän-
gen könnte?; durſteſôn (ſitire) nach durſteſâre N. Cap.
73; das nomen heileſôd N. Cap. 134; gemeiteſon N. Bth.
220; das nomen brocheſôd N. Cap. 27; blacheſôn (anhe-
lare) N. Cap. 23; ſarfeſôn N. Bth. 208; ſpuoteſôn nach
framſpuoteſâre N. Cap. 53; tutiſon (horreſcere) carlsr.
(für ſcutiſôn?); umbi-ficiſôn (circumvenire) elwang.; wal-
teſôn N. Bth. 107. 183, das ſubſt. walteſôd Cap. 129. —
272, 11. auch in chëpiſôn, ficiſôn liegt das -is ſchon im
[1000]nachtrag.
nomen. — 272, 36. heilſa (ſalutare). — 273, 7. rülpſen. —
273, 19. bei N. auch noch: gedunnerôn (tenuari) Cap.
59; geliehterôn (f. lîhterôn) leviorem reddere Bth. 203;
minnerôn Bth. 196; gewîterôn Cap. 169. — 273, 24. jun-
gern MS. 2, 166a. — 274, 7. hâƷus mit langem vocal,
denn N. ſchreibt hâƷeſſa (lamiae) Cap. 105. ſo wie nic-
cheſſa (lymphae) Cap. 52, welche pluralformen ein maſc.
hâƷes, nicches anzunehmen rathen. — 275, 13. vgl. liehs
(ſplendor) vorhin zu 266, 9. — 276, 34. hoſc (ſuggillatio)
elwang. — 276, 38. pûſk (ceſtus) N. Bth. 197; theiſc (ru-
dera) ker. 243; fluſk (fluxus) jun. 206. fram-fluſk (pro-
fluvium) jun. 220. mere-floſg (aeſtus maris) N. Bth. 229.
— 276, 40. altſ. hoſk (opprobrium). — 277, 2. fnioſkr
(lignum exſuccum); geiſkr (pavor) edd. ſæm. 166a, viel-
leicht neutr.? — 277, 3. aſc (fraxinus) a. w. 3, 225. —
277, 12. mit langem vocal vâſke (fomenta) N. Bth. 62. —
277, 17. öſkr, eiſkr (rugitus, fremitus) gen. öſkrs — 278,
11. lôſkêt (haeret) N. Bth. 171; naſcôn (catillare) gl. vin-
dob. — 279, 26. ſtorh (ciconia) N. Cap. 149. — 280, 28.
plëtacha (lappa) emm. 412. — 280, 41. glonko (egeſtio) N.
Cap. 124. — 281, 28. auch das adv. alakjô (omnino) war
anzuführen, es findet ſich im ahd. alluka (omnino) ker.
230. wieder (für alluhha)? — 282, 39. flinch (flunkern). —
282, 40. hôrechen W. 8, 13. — 284, 12. bei kêlikn, inſo-
fern das ê für ei ſtehen kann, verdient doch erwägung
das ſchweizeriſche chilche (eccleſia) das N. Bth. 23. 27.
chîlecha ſchreibt, obgleich ihm das ableitende -n fehlt;
da jede kirche einen thurm hat, ſo vereinigen ſich beide
bedeutungen. — 284, 18. ſchon die niederd. pſalm. 68, 22.
haben etige (aceto); hierher ferner phorzih (veſtibulum,
porticus); ruſtih (ruſticus) ker. 193; auch riſih? (cadus)
ker. 69? — 284, 20. agſ. rädic (raphanus). — 285, 9. anticha
(anicula) zwetl. 112a vgl. antiqua; locus, qui dicitur chin-
ziha trad. fuld. 1, 44; ſilihha (numus) ker. 209. 222. 264. —
285, 26. kipenihhôt (peritus) ker. 140. fordert ein verbum
penihhôn (exercere), was an das mhd. banechen Wigal.
p. 523. 524. provenzal. baneyar gemahnt; die ſchreibung
banecken wäre dann falſch, und nur bedenklich, warum
nicht benechen, benchen daraus wurde? — 285, 33. kran-
kes hals MS. 2, 140a. — 285, 36. munue (monachus) engl.
monk. — 286, 7. ahd. plëtucha (labacium?) monſ. 414. entw.
lappa oder lapathum? vgl. zu 280, 28. — 287, 31. altſ. warag
= altn. vargr. — 288, 8. ahd. tolc (ulcus, livor) blaſ.
8b jun. 232. tolc (vulnera) K. 47b agſ. dolg (vulnus, ci-
catrix). — 290, 19. handeg N. Cap. 100. — 290, 24. man-
[1001]nachtrag.
deg N. Cap. 162. — 290, 30. rotac oder rôtac (rudis) ker.
242. — 290, 34. vgl. vorhin ruſtih zu 284, 18. — 290,
35. ſcimbalac (mucoſus) ker. 50. — 290, 43. wînac ker.
270. — 291, 1. wîƷago (propheta) K. 27b. — 295, 42. N.
hat die verba: graſegôn Cap. 68. feimegôn Bth. 230. wî-
Ʒegôn pſ. 147, 1. — 296, 29. honakes (mellis) ker. 205.
und gehonagôt N. Bth. 118. — 297, 38. gehört hierher
das goth. filêgri, filigri (latibulum)? — 298, 13. pithaha-
dîc (ſtrenuus) ker. 262. nhd. bedächtig. — 299, 8. luzîc
(gracilis, parvus) ker. 208. 223. — 299, 23. unpauhhinîc
(ignavus) ker. 158. — 299, 34. ſimblîc (aeternus) hymn.;
ſlithîc (ſaevus) ker. 249. — 300, 1. ſundirîc ker. 279. —
300, 10. fêhhanîc (doloſus) ker. 97. — 300, 33. N. hat
öfter -ig, ſeltner -îg, hier noch andere beiſpiele: buoh-
chamerig Cap. 127; filo-chôſig (linguoſus) 139, 11. ihſelig
(miſer) Bth. 208; gëſterig (heſternus) Bth. 262; gibedîg
(fertilis) Bth. 140; morgenig (craſtinus) Bth. 262; unge-
niſtig (inſanabilis) p. 265a, 33; prazelig (rabidus) Cap. 112;
rertig Cap. 113; runſig (manans) Cap. 141; ferſihtig Bth.
143; wihſelîg (mutuus) Cap. 26. Bth. 216. aber wëhſelig
Bth. 139. (vgl. wëhſel-lîh, hernach zu 565, 36.); unzuî-
velig Cap. 93. 99. — 302. 303. noch einige mhd.: ertec,
unertec (nhd. artig, unartig); glenzec; ruemec MS. 1,
114a; viuhtec (humidus) u. a. m. — 306, 12. erſter conj.
ſcheint inliuhtigen (illuminare) T. 4, 18. oder iſt das in-
liuhtjen?; chûmîgen (laſſeſcere) doc. 206b vielleicht chû-
mîgên? apanſtîkan (invidere) ker. 176. — ahd. verba zwei-
ter conj. ſind noch: duruftîgôn (indigere) K. 45a; emiƷî-
gôn (continuare) K. 44b; gejihtigôte (paralytici) N. 56,
9. — 306, 37. ſchimelgen MS. 2, 68b verſchuldegen Jw.
58b. — 311, 24. furehe (ſulci, gen. ſg. fem.). — 312, 20.
hriſpahi (virgultum) ker. 282. — 312, 32. ſpizahi iſt grum-
met, nachheu. — 312, 34. ſprithahi oder ſprîthahi (ſru-
tetum) ker. 130. — 313, 3. cod. pal. lieſt ander boume
und albor nach; G. andern paumen u. albern nach. —
313, 8. vielleicht geſinde-lêhe, wie Bert. 58. zouber-
lêhe, von leich (ludus, ſpiel)? — 313, 17. jattach
(ausgejätetes unkraut). Schm. p. 154. note führt noch
an: aichach, birkach, geſlüglach, gſtockach, mit der ne-
benform -icht. Adelung hat knickicht. — 313, 40. hier-
her auch mitti-vërihi (dimidium) und das verbum gimitti-
vërihen (dimidiare). — 314, 27. ahd. in-ſnërahan (innec-
tere) pariſ.; piſnorahan (complecli) ker. 49. — 317, 10.
chuadilla ſgall. 195, was auf e, nicht ë führt. Widillo
(mollis, weichling) pl. widillun (molles) monſ. 388, auch
[1002]nachtrag.
N. Cap. 44. gibt das ſchw. maſc. widello (hermaphrodi-
tus) acc. widellen, mit der hinzugefügten deutung: er
habet wîbes lide, doh er man ſî; tannân heiƷet er wi-
dello, ſamo ſo wibello, daƷ chît ter wîblido. So unbe-
friedigend das iſt, ſieht man doch das formative der en-
dung -ello, da N. ſelbſt wibello (f. wîbello) bildet. Tun-
culle (gurgitem) ker. 42. erinnert aus mhd. tunkel-ſtërne
(ſ. 526.) — 318, 10. dieſe deutung zurückgenommen f.
722. zaturra ſteht für zat-urja, wie eim-urra (cinis) ſtehen
könnte f. eim-urja, welches wichtige wort erſt durch ker.
46. zum vorſchein kommt, wo es buſtum gloſſiert. Es
decliniert ſchwach und bedeutet die glühende, wie fala-
wiſca die todte aſche; altn. eim-yrja (cineres igniti) nicht
eim-irja zu ſchreiben; agſ. âm-yrje, æm-yrje, pl. æm-
yrjan (cineres); dän. ämmer. Stamm iſt altn. eimr (fu-
mus tenuis) ſchwed. êm, im. — 318. 319. die formen -unna
ſind die älteren und wandeln ſich ſpäter in -inna; lun-
gunne (pulmones) ſgall. 191. forſcunne (indagine) ker. 154.
ſcheinen unweiblich; Hickes gr. fr. 12. und 88. führt aus
der ungedr. E. H. die altſ. formen wôſtunja (deſertum)
und faſtunnëa (jejunium) an, vgl. goth. faſtubni (woraus
vielleicht faſtunni geworden, wie forfkunni aus faúrſkub-
ni?), die münchn. hſ. (Gley p. 33.) ſcheint wôſtinnëa
zu leſen; elinna (ulna) ker. 286; rôſennûn (lentiginem)
trev. 64a. Hierher auch die altn. niôrum (terra) und die
weibl. eigennamen iôrunn, þorunn, orun; vgl. ahd. hruadun,
gen. hruadunne trad. fuld. 1, 42. — 320, 2. gutënno ſteht
Cap. 146. — 321, 32. was bedeutet burgeriſſa N. Bth.
83?, ſchwelgerei? 321, 315. ſcruntuſſe (fiſſura) ker. 145.
— 321, 39. unbezweifelbar iſt mëƷaras alte, organiſche
form, auch gl. elwang. mëƷƷires (cultrum) und N. Cap.
73. rëbe-mëƷers (falx vinitoris, rebmeßer). — 322, 1.
hrêneſſî (caſtitas) ker. 227; firneſſî (cupiditas) ker. 158.
(von firina, luxuria). — 323. die gl. ker. ſcheinen weib-
liche -neſſî zu haben, da 83. der dat. ſculticneſſî (devo-
tione), nicht ſculticneſſe, vgl. abuhneſſî (continentîa) 260.
(abohniſſî 20.); irquëmanneſſî 163; irſtantanneſſî 241. —
323, 44. dieſes ungewöhnliche -ê ſtatt -î in der weibli-
chen flexion wäre an ſich dem goth. -ái weit entſpre-
chender als -î und verdient aufmerkſamkeit. — 324,
38. bloßes -nis ſtehet in kiſihtnis (contemplatio) jun. 236.
— 326, 11. merkwürdig iſt das altfrieſ. neſe: blâtneſe
(pauperies) heſtneſe (captivitas) damneſe (damnatio) ſkip-
neſe (conſtitutio); in den alt. geſ. (ed. leuward.) p.
373. finde ich ergens f. ergeneſe. — 327, 33. heidineſſe,
[1003]nachtrag.
tovereſſe Maerl. 3, 256. — 328, 23. daß ſſ aus einfachem
ſ erwachſe beſtätigt nicht nur das frieſ. -neſe, ſondern
auch mëƷeres, gen. mëƷereſſes, hâƷes, pl. hâƷeſſà, nicches,
pl. niccheſſà (vorhin zu ſ. 274.), ja die analogie des nn
und rr. — 328, 25. ufaraſſus ſcheint aus der partikel ufar,
wie περισσός aus περί gebildet. — 331, 32. ſchandolf Bert.
56. Ich finde noch nnl. ſpottolf. Wiarda im frieſ. wör-
terb. p. 149. ohne näheres citat hat frudelſ (procus) und
friudelve (freierſtand). — 332, 24. über dieſe baumna-
men vgl. ſ. 530. — 334, 8. hierher auch die eigennamen
hûnolt, rûmolt, ſindolt, berchtold (berht-old, përaht-old)
amerolt MS. 2, 72a; vgl. gouchgouolt Ben. 209; boſſolt
kolocz 237; ſwerolt Renner bei Adelung 2, 137. — 337,
7. altfrieſ. îrſen, umſetzung von îſern. — 338, 23. auch
agſ. nihtern (nocturnus) und daneben dägðern (diurnus),
deſſen ableitung ſchwer zu deuten iſt, es ſcheint ein
ſubſt. dägð vorauszuſetzen. — 338, 33. in plattd. büchern
des 16. jh. finde ich arbeidern (laborioſus) Agricola 37a;
früchtern (timidus) 38b; kîvern (rixoſus) 57b; bulderne
(praeceps) Kinderling p. 378; ſind ſie entſtellt aus compo-
ſitis mit -gërn (ſ. 560.) arbeidern aus arbeid-gërn? —
340, 6. auch engl. drunkard etc. — 341, 35. Fiſchart
Garg. 50b hat: mönchenzen, weibenzen, türkenzen, teu-
ſelenzen. — 342, 25. hier beiſpiele aus gl. ker.: anſtantî
(gratia) 173; hroafandî (clamor) 145; këpandî (gratia)
173; pi-clipanti (incitamenta) 131; knëht-kipërandî (puer-
perium) 227; rotêndî (rubor) 243; rôgentî (accuſatio) 55;
ſlîƷandî (ſeveritas) 20; kiſtillandî naht (intempeſta nox)
163; ſoachandî (petulantia) 6; ſuëlkendî (flagrantia) 123;
falawêndî (crepuſculum) ker. 54; phalawiſkandî (flagran-
tia) 123. von einem verbo falawiſcan (in cinerem conver-
tere?); flôverendî (conſolatorium) 226. von fluobaran
(conſolari); wentendî (diverticulum) 89. Sie ſcheinen vom
part. praeſ. wie die auf -anî (ſ. 161.) und -ôtî, -itî
(ſ. 261.) vom part. praet. geleitet, oder wären es neutra
auf -andi? wie wir heute ſagen: das tröſtende, das er-
hebende? vgl. K. 20b heilanti dîn (ſalutare tuum) und
die altn. -indi. — 343, 1. firnindi (teſqua). — 344, 13.
talundi ſteht ker. 218. mammunti ker. 179. — 344, 34.
ein goth. adj. ſniumunds (celer) folgre ich aus dem com-
par. adv. ſniumundôs (celerius, σπουδαιοτέρως) Philipp.
2, 28. wozu ſich der poſitivus ſniumundô (μετὰ σπουδῆς)
Marc. 6, 25. Luc. 1, 39. verhält, wie ſich ein ahd. ſniu-
muntô zu ſniumuntôr verhalten würde, auch alja-leikôs
(ἑτέρως) Philipp. 3, 15. iſt comparativ; nähere ausführun-
[1004]nachtrag.
gen cap. VII. — 346, 21. N. 118, 161. hat eîn verbum
chazzonſo (torqueo). — 347, 37. imaguncula. — 348, 16.
verſiclîn (verſiculi) ker. 111. — 348, 33. daƷ honang N.
Bth. 110. — 348, 40. kaupângr (emporium). — 349, 21.
ich habe ſkilliggs in den quittungen überſehen. — 350.
weiter ahd.: abanſtine (invidus) ſgall. 194; cotînc (tribu-
nus) ker. 75. heißt das von göttlicher abkunft?; ſama-
hafting (deus cunctalis) N. Cap. 52; hûſing (penas) hûſingâ
(penates) ibid. 51; ana-ſideling auch Cap. 103; truhting (ſpon-
ſalis) N. Cap. 165; fending (obolus) N. Bth. 128. — 352, 10.
hülzinc (holzapfel) Wh. 3, 415b (wo cod. caſſ. fehlerhaft kor-
cewile f. hülzinge) ſchemminc (n. equi) Rab. 394. 958. — 352,
29. gatulinc ſgall. 199; bôſiling (nugax) carlsr.; ſarling (mi-
les) N. Cap. 55. eigentlich armatus; ſubelinc (inductilis)
lindenbr. 996b, die hſ. lieſt ſo, ich vermuthe aber ſcube-
linc, was man anſchiebt oder einſchiebt (ermel, wurſt)?
— 352, 44. helflinc (denarius). — 353, 8. qvëdlîngr (bre-
vis cantilena). — 353, 10. beckeling (alapa) Oberl. 103a;
griuſ-linc (canus) MS. 1, 81a. — 353, 21. birling (meta
foeni) Pictorius; brödling (der in eines brote ſteht); günſt-
ling; knieling, Friſch; plättling (plattenträger: mönch)
Luth.: päuderling (alapa) Garg. 49a; ſchreiling, milch-
ſchreiling (infans) Garg. 47a 51a; ſchürling (geſchorner)
Luth. — 353, 40. kneekeling; voedſterling. — 354, 3. gnal-
ling; gnausling. — 354, 32. grêting (ſalutatio). — 355, 24.
der möſſinc Parc. 1c. — 356, 10. auch gl. ker. 209. 232.
eininc (quiſpiam) neininc (nullus). — 356, 25. ardingun
N. Bth. 233. Cap. 81; îtalingun (vane) ker. 150; kâhin-
kun ker. 237; ſtuzzelingun N. Bth. 233. 234. Cap. 78;
ſuntirinkun ker. 249; farinkun (repente) ker. 107. 129.
236; unforawiſinkun (fortuito) ker. 129; mit u tarnunkun
(latenter) ker. 252. — 357, 6. erſlingen (ärſchlings) a. w.
2, 56; urblüpfelingen (ex improviſo) Oberl. 1900. aus
Keiſerſp.; ſîtelingen Oberl. 1506; rad-ſchiblung (im kreis,
ſlav. okolo) Oberl. 1259. — 357, 12. brütlings (engl. abrood)
treiblings (engl. adrift) ohne -s noch gehling (ſubito)
Simplic.; ſtändling (ſtando) Garg. 250b; blinzlingen Ph.
v. Sittew. 2, 258. — 357, 42. bäclinga (retrorſum); fyr-
dinga (catervatim); grundlinga (funditus). — 359, 1. be-
merkenswerth iſt, daß N. einigen dieſer adv. langes û
gibt, z. b. ſtuzzelingûn Bth. 233. ardingûn 234, andere-
mahl nicht, gleich als ſeien es flexionen ſchw. ſem. oder
neutr. — 359, 32. herung (heros) herunga (heroes) N.
Cap. 141; kriſt-krimmunc (ſtridor dentium) ker. 260;
lizzitunc (ſimulatio) ker. 251; feſtinunc (vigor) ker. 284;
[1005]nachtrag.
wërthunc (ſolemnitas) ker. 269; wîƷinune, wîƷanunc (dî-
vinatio) ker. 207. 278. — 360, 5. hornunc MS. 2, 130b. —
360, 26. inlunka (ſtudium) ker. 152. wahrſch. iſt doc. 220b
paldên ilungen zu beßern: inlungen. — 360, 31. mëta-
munga N. Bth. 218. — 361, 10. râmunga N. Bth. 190. —
361, 13. ſcaffunga N. Bth. 181; ſcawunka (conſideratio)
K. 41a. — 361, 14. iſt ſeitunga (gladium) monſ. 388.
ſchreibf. f. ſceitunga? — 361, 15. ſëſtunga (fatum, diſpo-
ſitio) N. Cap. 41. Bth. 213. 216, kommt ſonſt nicht vor.
— 361, 19. ſtarchunga auch N. Bth. 250. — 361, 30.
wahtunga (vigiliae) ker. 105. — 361, 35. zaichanunga K.
41a; zëhanunka (decuria) ker. 91. — 362, 38. ſchiffunge
Parc. 81a; atzunge MS. 2, 135b. — 364, 9. loſunkôn
(deliberare) ker. 255. — 366, 24. aus faſtummi könnte mit
der zeit faſtumni (vorhin zu ſ. 318. 319.) geworden ſein?
wie aus namnjan nennen (1, 123.) — 367. die analogie
von ST, SK fordert auch ein ableitendes SP, ich weiß
aber nichts beizubringen außer etwa dem eigennamen
heliſpa trad. fuld. 1, 33. — 367, 7. der irrthum mit obaſt.
ofeſt wird ſ. 708. berichtigt. — 368, 38. das verbum an-
giſtên N. Bth. 72. — 369, 8. noch Plater in ſeiner bio-
graphie gebraucht p. 26. 27. dienſtlin f. knecht. — 370,
1. folleſt N. Bth. 28. und bloß das o, nicht das e, accen-
tuiert. — 374, 25. himmelſka (lex coeli); frôniſca (ele-
gantia); ſûbir-wîbiſga (mundus muliebris) elwang.; häu-
ſigſt in adverbialiſcher redensart wie: in himelſcûn (lege
ſuperâ, auf himmliſch) N. Cap. 42; in altiſkûn (auf alte
art.) N. Bth. 213; in doriſkûn (auf doriſch) N. Cap. 159;
in chriechiſcûn N. Cap. 167; in traciſcûn ibid. 109. —
375, 15. haimiſc (domeſticus) ſgall. 197; lenziſc (vernus)
N. Cap. 5. pruttiſc (iniquus) N. Bth. 186. 195; fërriſc
(longinquus) N. Bth. 250; frôniſg (arcanus) ker. 19. —
376, 26. läppiſch. — 376, 27. man ſagt: engliſch, ſchot-
tiſch, iriſch, rußiſch, finniſch, jütiſch, däniſch, und
nicht engländiſch, irländiſch, dänmärkiſch, obgleich eng-
land, irland, dänmark, weil jene adj. aus den alten volks-
namen: angeln, iren, dänen, jüten etc. ſelbſt gezogen
ſind. Nur wenn der erſte theil einer zuſ. ſetzung mit
-land keinen volksnamen enthält, geht das land mit in
adj. ableitung ein, z. b. von holland, ſeeland, grönland:
holländiſch, ſeeländiſch, grönländiſch. — 377, 23. râtiſkôn
zwetl. 116b N. Bth. 57. 87. 248; frôniſkôn Cap. 164. —
377, 30. vgl. ſchwed. minſka (minuere) oben ſ. 283. —
379, 40. fernere aufmerkſamkeit fordern: fahſohti (fomi-
tes, fechſen?) ker. 131. und opparoht (ſervitium)? ker.
[1006]nachtrag.
177. — 380, 14. ferner ahd. adj.: giloht (hernioſus) von
gil (hernia); hornaht N. Bth. 229. Cap. 147; ſtërnaht N.
Cap. 55; ſtrâmilaht (ſegmentatus) flor. 983a. — 381. wei-
ter altn. föxôttr (jubâ diſcolore); ſiöllôttr (montuoſus);
hornôttr (cornutus); ſkâlkôttr (nequam); vikôttr (tortuo-
ſus), — 382, 6. auch Herb. affëhte. — 383, 42. zonach-
tig (ſonnig). — 402, 15. -ilida findet ſich in mihhalitha
(magnitudo) ker. 199.


Zum dritten capitel.


405, 17. es hätte bloß geſagt werden ſollen: zweier
wörter, da nicht bloß das erſte, ſondern auch das zweite
durch die länge der zeit verdunkelt und undeutlich, ja
bei der partikelzuſammenſetzung das erſte wort unſelb-
ſtändig (untrennbar) werden kann. Urſprünglich, als das
compoſitum entſtand, waren allerdings beide wörter deut-
lich; abgeſehen von dem fall, wo ſpäterhin nach der ana-
logie gangbarer, alter zuſammenſetzungen neue fortgebildet
werden und das erſte wort nur etwas fühlbares, nicht
gerade etwas deutliches auszudrücken braucht. 405, 31.
hierher gehört auch die ſteigerung der abſtammungsver-
hältniſſe ur-ur-großvater, agſ. ëald-ëald-fäder (proa-
vus); nhd. pflegt bei waaren fein-fein die feinere ſorte
zu bezeichnen. Bemerkenswerth iſt der ausdruck hove-
hof bei Saſtrow 2, 602, d. h. der innere hof des adlichen
ſitzes, zum unterſchied von einem äußeren, davorliegen-
den. — 406, 24. ſchulze, ſchulz aus ſchultheiƷe, ſchult-
heiß, ſchultheß; arolſen, mengerſen, meimbreſſen, aunem
etc. aus aroldes-heim, mengeres-heim, meginbërtes-heim,
auen-heim; hierher auch das m ſtatt n vor labialanlaut
des zweîten worts, wie meim- in dem letztangeführten
beiſpiel, oder eimer f. eimber, wimper aus ein-ber, wint-
brâ; franz. baſſom-pierre ſt. baſſen-ſtein und viel dergl. —
414, 14. hercheno-aldus, vita Eligii (6. jh.) 2, 18 — 414,
40. lida-gilâƷ (junctura, compago) monſ. 353, 410. — 415.
3. mane-heit (humanitas, menſchheit) Bth. 88. — 416,
24. traga-ſtuol monſ. 363. — 416, 43. rëpa-torſûn
(thyrſo) monſ. 363; mucca-nezi monſ. 359. — 417, 32.
frawio-lôs (inconſultus) ker. 150. — 417, 38. ſpilo-
hûs monſ. 362. — 418, 2. 1. pi-noman (ſ. 806.) —
417. 418. was über das ſchwanken des comp. vo-
cals bei N. zwiſchen a, o, e geſagt iſt. will ich hier
elwas näher ausführen und belegen: a finde ich außer
ata-haft (continuus) Bth. 74. 97. (jugatus) Cap. 170. noch
in ſtata-hûs (conſiſtorium) Cap. 55. Allein er ſchreibt
[1007]nachtrag.
auch ato-haft Bth. 261. und ate-haft Cap. 72, geate-haf-
tôti Bth. 264. Folgende comp. haben ferner -o: tago-
ſtërno Bth. 31. 110. tago-lih Bth. 121. neben tage-rod
(crepuſc.) Cap. 101; turo-wart Bth. 180. neben ture-ſtaI
(poſtis) Cap. 134; grabo-hûfo Bth. 37; wëgo-wîſo Bth.
151. wëgo-leitta Cap. 134; ſcado-haft (damnoſus) Bth. 92;
gibo-hûs Cap. 13; lido-ſtarch Cap. 120; ſamo-lih Bth.
125; ſo wie nach langer ſilbe: êo-buoh Bth. 209. 271.
êo-teilare Bth. 271; hello-got Bth. 181. hello-tur Cap.
131. hello-wart Cap. 130. neben helle-winnâ (eumenides)
Cap. 131; weido-guten (diana) Cap. 146. neben weide-
gutin Cap. 147; ûhto-ſtërno (lucifer) Bth. 223; geburto-
tag Cap. 14; fuoro-gëbo Cap. 156; wunno-luſt Bth. 142;
houbeto-los Bth. 170; willo-waltig Bth. 271. neben wil-
lewaltig 212. 249. wille-warbun Bth. 249. Bloß mit -e
finde ich: mane-heit Bth. 88; chare-leih Bth. 179; fluge-
gerta Cap. 16. 37. fluge-ros Cap. 39. fluge-ſcuh Cap. 37.
149; here-chnëht Cap. 51. here-bergôton Bth. 37; truge-
tievel Bth. 44; hove-ſtat Bth. 148; mere-wâg Cap. 72;
glaſe-varo Cap. 56; graſe-varo Cap. 57; desgleichen nach
langer ſilbe: brûte-ſtuol Cap. 112; râte-lôs Cap. 120;
chrafte-lôs Bth. 186; miote-gërn Cap. 120; emiƷe-louft
Cap. 10; rôſe-bluomon Cap. 121. u. a. m. Nach langen
ſilben fehlt in den meiſten fällen jeder comp. vocal ganz.
Aus den beiſpielen ergibt ſich, daß N. (oder die abſchrei-
ber) ſich geneigen, das ältere a und o in e zu verdün-
nen. Das o für flexiviſch zu halten verbietet das dane-
ben gültige a und e. Wo e allein gilt, nicht mit a
und o wechſelt, ſcheint es oft = i, alſo ableitungsvocal,
z. b. in here-, brûte-. — 420, 24. fîg-poum N. p. 262,
19. — 423, 11. graſe-mügge MS. 2, 85b. — 423, 17. wëge-
muede Jw. 41b. — 423, 40. kirch-tür, kirch-gerüſte Mar.
84. 101. chirich-hof pf. ch. 83a. — 431, 15. bett-brunzer
(ſubmejulus); himmel-ſchreiend (ſünde die in den h. ſchreit).
— 435, 1. dac-trouftrev. 37a nhd. dach-traufe. — 437, 3. deut-
licher pin-rât fragm. belli 1465. der unter einer pinie beſchloß-
ne verrath. — 437, 14. vgl. ſunna-wendigêr (eliotropius) N.
Cap. 68. — 437, 4. nhd. löwen-ritter, mhd. r mit dem l. — 440,
11. krebsgang (wie eines krebſes). — 442, 40. fiſchwaßer, wor-
in fiſche gehalten werden; ſcalch-forhta (timor ſervilis, wie ſie
der knecht hat) N. 18, 9. — 443, 11. topf-knaben MS. 1, 80b,
knaben die mit dem kräuſel ſpielen. — 443, 15. die eier-jule, der
butter-hannes, die eier, butter feil tragen. — 449, 5. ërd-
cot Cap. 52. ërd-frowa (cybele) Cap. 146. ërd-lucher Cap.
62. ërd-chuſt Bth. 83. ërd-tier Bth. 90. ërd-wuocher
[1008]nachtrag.
Bth. 79. — 450, 2. mhd. bal-rât (fraus) Rud. weltchr.
(Schütze 2, 195. unrât). 455, 31. mhd. gêr-ſchuƷ Nib.
gêr-ſtange ibid. — 455, 39. gibo-hûs Cap. 13. — 455, 43.
giaf-göltr Gulaþingsl. 396. — 456, 24. gold-ſahs Cap. 71.
— 458, 4. hello-got Bth. 181. hello-tur Cap. 131. hello-
wart Cap. 130. helle-winnâ (eumenides) Cap. 131. —
459, 16. here-chnëht Cap. 51. Bth. 132. — 461, 25. ge-
hî-leich Cap. 89. hî-reiſara (pronuba) Cap. 41. 133. hî-
ſâmo (ſemen genitale) Cap. 152. hî-tât (gignendi opus)
Bth. 169. Cap. 134. hî-fuoga Cap. 134. — 461, 30. hî-
ſtiure (ehſteuer) Rud. weltchr. — 461, 15. höfud-ſmât
(tunicae orificium, was ahd. houpit-loh) edd. ſæm. 193.,
nach Lye ſoll das agſ. heáfod-ſmäl auch capitium be-
deuten. — 462, 3. himel-gibel (polus) Cap. 81. 107. hi-
mel-hêrote Cap. 117. himel-loƷ Cap. 55. himel-geluſt Cap.
85. himel-ring Cap. 84. himel-falenza Cap. 55. himel-ſâ-
Ʒen (coelicolae) Cap. 50. 111. 135. — 463, 29. ahd. chare-
leih (modus flebilis) Bth. 179. — 464, 35. lant-ſideling
N. 104, 25. — 465, 9. lant-mære Karl 125a. — 465, 21.
lîb-chiccha (vivifica) Cap. 158. — 466, 14. liut-cot Cap.
54. liut-frowa Cap. 134. liut-ſâlda Bth. 208. — 466, 30.
leut-freßer (menſchenfr.) Garg. 48a. — 467, 7. megin-
giörd. — 467, 44. berichtigt ſ. 806. — 468, 24. mere-wâg
Cap. 72. — 468, 34. mer-garte pſ. ch. 39b. — 469, 22.
mein-ræte Nib. mein-eit c. p. 361, 59d. mein-tât ibid.
55d. — 472, 11. muot-râwa Cap. 32. — 472, 26. nôt-feſti
Cap. 112. — 473, 9. nît-bant Frîg. 3628. nît-geſchelle
Mar. 161. nît-ſlac kl. 1498. Wigam. 1904. nît-ſpil Parc.
10166. 21097. — 477, 14. ſchif-gereiſen MS. 2, 150b. —
478, 4. agſ. ſvëora (collum): ſvëor-bân (cervix) ſvëor-
beáh (torques) ſvëor-cops (columbar) ſvëor-coðu (colli
morbus) ſvëor-vërc (id.) ſvëor-ſcëacul (colliſtrigium. —
479, 5. þiód-numa Grimn. 28. — uhtvô (crepuſculum
matut.) ahd. uhta-ſtërno (lucifer) ûhto-ſtërno Bth. 223;
agſ. uht-gebëd, uht-ſang; hat hiervon ucht-land in der
Schweiz den namen? gegen morgen liegend? — 480, 7.
wal-bluot pf. ch. 69a wal-flôƷ ib. 59a walſtat ib. 51a wal-
ſtrâƷe ib. 112a. — 480, 35. wërlt-ſacha Bth. 147. wërlt-
ſâlda Bth. 74. wërlt-mendi Cap. 37. wërlt-pilde Cap. 60.
wërlt-ſtuol Cap. 162. wërlt-zimber Bth. 174. 185. Cap.
161. — 481, 14. wërlt-êre En. 78c. — 481. wortzeichen
Bth. 45. 190. 245. — 482, 37. wil-maht (valetudo) Cap.
52. wille-warba Bth. 270. — 483, 9. wini-ſcaf (foedus)
hymn. 8, 8. — 483, 16. wine-lieder Görres meiſterl. 169.
(vgl. ſ. 505.). — 484, 3. auch lig-egeſa (terror ignis) Beov.
[1009]nachtrag.
207. — 483, 15. ahd. ehutim-boum (ſ. chutin-b., nhd.
quitten-b.) flor. 989a geiƷ-boum zwetl. 125b henkil-b.
trev. 37a kelter-b. (prelum) trev. 37b lôr-b. Cap. 15. maſt-
p. monſ. 340. rite-b. (genus tormenti) flor. 986a ſëgal-p.
(malus) monſ. 334. 340. ſpir-b. fr. or. 1, 675. und mhd.:
lint-boum (pertica feretri) En. 7935. pine-boum, pin-boum
(pinus) pf. ch. 32b 39b ſtal-boum (nom. ſideris) die ur-
mâren ſtal-boume pf. ch. 96a (das ſtelboum der gl. trev.)
etwas anders iſt ſtalt-boum En. 3008. wofür wohl ſchalt-
b. (ruderſtange) zu leſen? — 485, 6. zobel-balc Wigal.
laſter-balc Bert. 56, noch heute ſchimpfwort in Oeſtreich
(Feßlers leben p. 127.) — 485, 8. vërch-pan pf. ch. 69a.
— 485, 24. hâr-bant Roth. 3093. En. 12018. a. Heinr.
336. wint-bant (brackenſeil) c. p. 341, 235a. — 485, 40.
ſuegil-pein (tibia) doc. 238a. — 485, 42. ſvëor-bân
(os cervicis.). — 486, 22. bôn-biörg (mendicatio) fem.,
aber fugl-biarg (aviarium) neutr. — 487, 3. kroß-bëri
(crucifer). — 489, 10. geburto-tag Cap. 14. — 489,
43. wandel-tac Parc. 117b weide-tac Parc. 119b ſuon-
tac pf. ch. 81b. — 490, 40. hî-tât Bth. 169. Cap. 134.
— 491, 4. mein-tât c. p. 361. 55d. — 491, 38. das erſte
wort zuweilen unperſönlich, ſächlich, vgl. ſcâh-tuom
(rapina) fr. or. 2, 930. und altn. blôd-dômr (ſent. capita-
lis). Das ahd. zollan-tuom (telonium) monſ. 399. ſetzt
ein (nach dem latein gebildetes) ſubſt. zollan voraus, vgl.
zollinâri (telonarius). — 492, 14. ſumar-fano (pallium ae-
ſtivum) jun. 229. — 492, 15. ſige-van Triſt. — 492, 24.
fards? (iter): altſ. megin-fard (bellum); wîn-fard (iter
ad vinum compar.) freckenh. 28; mhd. her-vart Bit. 51a;
nhd. heer-fahrt, heim-fahrt. — 492, 25. glaſe-vaƷ (lu-
cerna) herrad. 199a biſem-faƷ monſ. 332. milch-faƷ flor.
985b. — 492, 39. tugent-vaƷ ſchmiede 101. uneigentl.
ſælden vaƷ c. p. 341, 234a. — 493, 33. acher-gang Bth.
235. — 493, 36. ëars-gang (latrina) huſel-gang (eucha-
riſtiae participatio) vëald-genge (latrocinium). — 493, 39.
acker-ganc MS. 2, 255a Bert. 235. — 493, 40. kirch-gang,
krebs-gang. — 494, 5. huſel-genga; vgl. ahd. lant-pigengo,
ahhar-pigengo. — 495, 6. ſpuot-këbo (ſecundanus) Cap.
52. fuoro-gëbo (cibum largiens) Cap. 156. — 495, 12.
rât-gëbe pf. eh. 8a 113a zins-gëbe Jw. 6350. (6377.). — 495,
20. chorn-gëba Cap. 52. gaſt-gëba Cap. 72. — 495, 24. hou-
pit-këlt emm. 401. 402. — 495, 36. lêhen-gëlt Otto bart
95b. — 496, 5. ahd. kot (deus): ërd-cot Cap. 52. fliht-cot
(praeſul) Cap. 162. fiur-got Cap. 52. hello-got Bth. 181.
hërt-cot Cap. 138. liut-cot Cap. 54. luft-cot Cap. 135.
S s s
[1000[1010]]nachtrag.
tegân-got (decanus) Cap. 160. tuom-got Bth. 156. zuîvel-
got Cap. 52. — 496, 12. altn. hûs-gumi (herus) edd. ſæm.
103b. — 496, 17. ahd. anot-hapuh, cans-hapuh, lex bo-
juv. — 496, 24. nhd. lurs-hals Platers leben p. 171. neid-
hals (= neid-hart) Bronners leben 1, 197. (vgl. ſ. 340.).
— 496, 37. dän. hinde-ham, hiorte-ham K. V. 1, 248.
258. — 497, 13. biſcof-heit Cap. 123. ſcalh-heit Bth. 238.
wîp-heit monſ. 390. — 498, 1. gîr-heit Bth. 50. 53.
(? gir-heit). — 498, 8. frâƷ-heit Barl. 102. — 499, 30. nhd.
axt-helm (manubrium). — 500, 8. gibo-hûs Cap. 13. muos-
hûs (coenaculum) jun. 318. palinz-hûs O. IV. 20, 6. ſtata-
hûs (conſiſtorium) Cap. 55. — 500, 17. altn. fiarg-hûs
edd. ſæm. 249b 250b; mhd. dinc-hûs c. p. 361. 12c muos-
hûs Wigal. — 500, 39. muos-kar MS. 2, 81a. — 501, 6.
altſ. himil-kraft. — 501, 10. man-kraft Roth. 7a. — 502,
11. ambaht-lakan, ſculd-lakan freckenh.; mhd. ſpër-lachen
Vrib. Triſt. — 502, 33. verſchieden iſt leitî in waƷƷar-
leitî (aquae ductus) monſ. 333. heim-leiti (nuptiae) Cap.
42. — 503, 3. gud-leiſr. — 503, 11. chare-leih (cantus
flebilis) Bth. 179. chlaf-leih (tonitru) Cap. 59. 114. rang-
leih (palaeſtra) Cap. 88. ſang-leih Bth. 181. — 503, 37.
hiör-leikr (pugna) edd. ſæm. 185a. — 505, 2. agſ. ſvîn-
lîca (forma porcina) Beov. 110. — 505, 3. ahd. lîp (vita):
ërd-lîp N. 68, 1. himil-lîp ibid. ûfſcouwo-lîp (vita con-
templativa) N. 32, 2; mhd. munih-lîp (vita monaſtica) c.
p. 361, 77d. — 505, 33. ſnabel-liute Ernſt 30b. — 506, 1.
wine-liet vgl. zu 483, 16. — 506, 31. himel-geluſt Cap. 84. wun-
no-luſt Bth. 142. — 507, 14. acher-man Cap. 77. Bth. 216. —
508, 30. ſcif-meiſter trev. 42a. rot-meiſter Rab. 534. — 509, 15.
vgl. friſt-mâlîg Bth. 241. 262. — 509, 18. louft-mâl (fta-
dium) Cap. 145. — 511, 38. vlëder-mûs MS. 2. 144a. —
512, 21. lîp-nar c. p. 361, 70a. — 512, 33. ſchar-genôƷ pf.
ch. 54b ſtrît-genôƷ Mar. 226. verrât-genôƷ pf. ch. 37a. —
515, 33. vgl. balo râtan O. IV. 12, 60; ein mhd. bal-rât
oben zu 450, 2. — 518, 9. mêter-ſang Bth. 212. ſeit-ſang
Cap. 106. ſuegel-ſang Cap. 106. — 518, 12. agſ. uht-ſang
(cantus matutinus). — 518, 13. vâpn-ſöngr edd. ſæm.
248b. — 519, 7. himel-ſâƷo (coelicola) Cap. 50. 111. 135.
ſtuol-ſâƷo Bth. 206. — 519, 11. truch-ſæƷe c. p. 361,
49c. — 520, 12. mëtem-ſcaf Cap. 23. — 519, 23. wini-ſcaf
Bth. 181. — 521, 24. tröll-ſkapr (furor giganteus). — 523,
18. ôr-ſlac Roth. 17b — 524, 19. ſtrît-ſpil Bth. 197. —
524, 25, ſeit-ſpil c. p. 361, 79b. — 525, 24. aud-ſtafr n.
pr. — 526, 23. ûhto-ſtërno (lucifer) Bth. 223, vgl. vorhin
zu 479, 21. gegenſatz zu tuncul-ſtërno? abendſtern. —
[1011]nachtrag.
526, 37. ture-ſtal (poſtis) neutr. — 526, 41. hërt-ſtal (ſo-
cus) Herb. 95a. — 527, 33. hove-ſtat Bth. 148. — 527,
40. ſlâf-ſtat Parc. 46b. — 527, 41. ſtáua-ſtôls Rom. 14, 10.
— 528, 1. brûte-ſtuol Cap. 112. ſuht-ſtuol N. 1, 1. wërlt-
ſtuol Cap. 162. — 529, 33. ſumer-zît Bth. 224. — 529,
39. wërlt-zimber Cap. 161. Bth. 174. 185. — 530, 1.
möndul-trê (manubrium ligneum) edd. ſæm. 159a negul-
trê (caryophylius) nâ-trê (feretrum). — 530, 42. abholder
(pomus) ſchmiede 1318 — 531, 35. rôg-þorn (ſpina belli,
i. e. haſta) edd. ſæm. 248a. — 532, 9. altn. bord-þil (conta-
bulatio navis) edd. ſæm. 212a. — 532, 34. nhd. brot-dieb. —
533, 35. hello-wart Cap. 130. turo-wart Bth. 180. — 534.
10. hlid-vördr (cuſtos portae) edd. ſæm. 236a men-vördr
(c. monilium) ib. 248b ſund-vördr (c. freti) ib. 153b. —
534, 13. helle-warte c. p. 361, 59a. — 535. 18. blôd-ormr
(gladius) edd. ſæm. 150a. — 536, 1. dinc-wât (toga) doc.
208a. — 536, 7. kvën-vâdir (veſtes muliebres) edd. ſæm.
72a. — 536, 11. mere-wâg auch Cap. 72. — 536. 18. ahd.
dioneſt-wîp Cap. 100. — 536, 21. veig? (caedes): ahd. burg-
wîg Bth. 227. naht-wîg Cap. 134. rang-wîg (palaeſtra)
Cap. 89. — 536, 29. ſtadel-wîſe MS, 1, 87a. — 537, 4. gâlg-
vëgr edd. ſæm. 98a. — 539, 22. das unorganiſche ſchwan-
ken zwiſchen der flexionsloſen form des erſten worts und
dem -en beginnt ſchon im mhd. wird aber im nhd. zu-
ſehends gewöhnlicher. Luther ſchwankt gleichfalls, z. b.
1. Sam. 17, 19. 21, 9. ſtehet eich-grund und 17, 2. eichen-
grund; ſtatt unſeres buchen-wald bietet Fiſchart Garg.
56a noch buch-wald dar; wir ſagen eichen-wald neben
eich-wäldchen. — 540, 15. auch fem. auf -in componie-
ren ſich kaum eigentlich, man ſagt nicht ſpinnerin-lied,
ſpitzbübin-ſtreich; wohl aber uneigentlich: ſpinnerinnen
lieder, ſpitzbübinnen ſtreiche. — 540, 33. wegen eſchen-
bach ſieh ſ. 647. — 540, 35. ein fihtôno-bërc iſt aus urk.
nicht nachzuweiſen, der name kommt im ahd, zeitraum
nicht vor. Beßeres beiſpiel iſt faſtel-abend f. faſten-abend,
plattd. faſtel-dag (laiendoctrinal p. 59.); für heidelbeere
wurde im 16. jh. auch heidel geſagt, vgl. Fiſchart Garg.
65b heidelfreßer. — 541, 39. auch ört-wîn Nib. 161, 1.
177, 4. Lachm. — 548, 23. rôſe-bluomon Cap. 121. —
550, 29. das vermuthete ahd. ſubſt. por (faſtigium) liefern
ker. 136. und gl. pariſ. Merkwürdig ſteht bore vor dem
privativen un-: daƷ mir êr bore-unchunt ne was (non
tamen antehac prorſus ignorata) Bth. 183, woraus kei-
neswegs folgt, daß pora ein adv. ſei (vgl. hernach zu
928, 27.). N. hat auch Bth. 209. daƷ neiſt por-rëht zala
S s s 2
[1012]nachtrag.
nieht ſolichera ſarſi (non eſt juſta ſatis ſaevitiae ratio). —
551, 28. die erklärung des altn. dâ- aus dag iſt unſicher;
Raſk leitet es aus dem adj. dâr, dâ, dâtt (vehemens). —
551, 37. tôt-wunt Nib. — 552, 38. lido-ſtarch Cap. 120. —
552, 40. lide-ganz Oberl. — 553, 27. die ſubſt. meƷ-chuolî
(temperies) Cap. 154. mëƷ-muotî (humilitas) N. 62, 7.
ſetzen adj. mëƷ-chuoli, meƷ-muoti voraus oder geſtatten
ſie mindeſtens. — 553, 38. ſâmi-daht (ſeminudus) Cap. 10.
eigentl. halbbedeckt. — 555, 25. ſtock-dicke-finſter Luther
Hiob 10, 22. — 555, 33. wunder-tiure Bth. 139. — 557,
2. das decomp. ſkaf-heid-biartr zu folgern aus ſkaf-heid-
birta (ſudum ſerenum). — 557, 11. ſkîn-bare, ſkîm-bare
mit kurzem a Bth. 209. Cap. 23. 164. ſcheint mir tadel-
haft. — 557, 13. vâpn-bær (ad pugnam aptus). — 558,
7. ſtar-blindr, das ſubſt. ſtar (cataracta) iſt neutr.; dän.
ſter-blind K. V. 1, 10, 41. 14. 66. — 558, 17. mô-brûnn
(ſubniger). — 558, 18. mhd. purper-brûn Triſt. — 558,
20. ſæ-daudr edd. ſæm. 198b ſôtt-daudr ibid. vâpn-daudr
ib. — 558, 37. blic-ſaro Cap. 23. glaſe-ſaro Cap. 56. graſe-
faro Cap. 57. rôs-faro Cap. 63. — 559, 21. nagl-faſtr. —
559, 26. nagel-feſt. — 559, 27. giggil-vêh trev. 50a; bluom-
feh Cap. 61. — 560, 39. fleiſk-kërn (carnificus) ker. 67.
miote-gërn Cap. 120. — 561, 3. bil-giarn (ſegnis) ô-bil-
giarn (petulans). — 561, 27. mûs-grâr; ſtâl-grâr. — 561.
41. dän. löv-grön K. V. 4, 127. — 561, 43. ahd. ata-haft
(continuus) citate vorhin zu ſ. 417. 418; lachen-hafte Bth.
200; nôt-hafte 195; rutem-hafte (rutilans) Cap. 23; ſâm-
haft (ſoecundus) Bth. 234; ſcado-haft Bth. 92; zeichen-
haft Bth. 92; zeichen-hafte Cap. 69; wahrſcheinlich ha-
ben auch die übrigen bei N. -haſte? — 562, 30. adel-
haft ſchmiede 636; erbe-haft a. w. 3, 64; gemuot-haft
Triſt.; valſchaft troj. 19a. — 563, 1. hab-haft; mädchen-
haft; veilchen-haft (Wieland). — 563, 15. halts (clau-
dus): ahd. huf-halz, beiname Heinrichs II.; altfrieſ. ſtric-
halt B. 210; engl. ſtring-halt. — 563, 40. nhd. lamm-
herzig. — 564, 16. brâ-hvîtr edd. ſæm. 139b; drift-hvîtr
von drift (nix). — 564, 37. wegen ſâr-kaldr vgl. Raſk
anviſn. §. 302. — 565, 5. altfrieſ. bûr-kud, gâ-kud, oude
wetten p. 351. — 565, 81. mëƷ-chuoli (temperatus) vor-
hin zu 553, 27. — 565, 29. bei N. noch: chrafte-lôs Bth.
186. houbeto-lôs Bth. 170. horn-lôs Bth. 229. râte-lôs
Cap. 120. ſlâfe-lôs W. 7, 13. — 567, 9. anc-lîh (anguſtus)
ker, 35. — 567, 9. jugund-lîh O. V. 23, 284. — 565, 36.
wëhſel-lih Bth. 213. womit das vorhin zu ſ. 300. ange-
führte derivatum wëhſelîg, wihſelîg zu vergl. — 568, 26.
[1013]nachtrag.
arbeit-1. Barl. — 568, 33. maget-l. a. Tit. 31, 50. — 570,
5. wëge-lîchemo (omni viae) N. 35, 5. allero ſtrîto-lih
Cap. 118. allero ubelo-lîh Bth. 223. allero teile-lih Bth.
149. mânôd-liches (quovis menſe) Bth. 175. (f. mânôdo-l.)
wie mhd. aller-mâuedgelich Parc. 23c und noch nhd.
monat-lich adv. (per menſem) monat-lich (menſtruus)
adj. — 570, 41. vgl. leida-lîh O. V. 7, 46. — 571, 35.
fôdar-mâƷi (vehem capiens) caſſ. 854b (wo choffa fôdar-
maƷiu zuſ. gehört). — 571, 44. keffer-meßig Keiſersp.
omeiß 10d, ich glaube, daß këfer eigentlich këber ge-
ſchrieben werden ſollte und zu dem ſ. 830. 988. beſproch-
nen ahd. verbo quëpan (vigere, vivere) gerechnet wer-
den muß, këber-mæƷe, quëpar-mâƷi, agſ. cvifor-mæte?
— 572, 9. elli-môðr (ſenio confectus). — 572, 22. ſtabe-
nackend Schweinichen 1, 30. — 572, 30. bach-naß Plater
97. 143. tropf-naß Bronner 1, 69. — 572, 37. altn. ſpân-
nŷr Raſk §. 302. ſchwed. nagel-ny. — 573, 5. ahd. gold-
rôt Cap. 71. — 573, 10. ſôt-raudr (fuligineus). — 574, 18.
bir-ſæll (felix in navigando). — 574, 40. nnl. ramp-zalig
(infelix). — 574, 41. altn. ſkâr (mordax): eyr-ſkâr (aes
ſecans) folk-ſkâr edd. ſæm. 191a nîd-ſkâr (convitiis mor-
dax). — 575, 11. tûngl-liukr (lunaticus). — 575, 25. altn.
ſtamr (balbus, rigidus): aldr-ſtamr (ſenectute balbus) edd.
ſæm. 250b. glŷ-ſtamr (? caligine impeditus) ib. 269a mâl-
ſtamr (loquelâ impeditus). — 576, 3. altfranz. ſains con
un poiſſon. — 576, 5. öl-ſûr Parc. 15361. — 577, 18.
ahd. waltîc (potens): himel-gewaltig (altipotens) Cap. 118.
willo-waltig (liberalis) Bth. 212. 249. 271. — 577, 18. bad-
warm Garg. 242b. — 577, 32. ſchmutz-weich Garg. 275b.
— 577, 33. auch engl. weather-wiſe. — 583, 21. zuîvel-
chôſôn N. Cap. 113. ſetzt ein ſubſt. zuîvel-chôſî voraus;
gefedel-goldôt (bracteatus) Cap. 70. ein ſubſt. fedel-gold
(bractea). — 583, 40. hals-ſlegilon (celaphizare) monſ.
368. 396. von hals-ſlegil. — 583, 42. ich würde kuis-
ſlagôn leſen (vgl. guis-mëƷôn ſ. 669.), wenn dadurch ſinn
ins wort käme. — 584, 5. mânôd-fallôntî (lunatici) emm.
407. von mânôd-fal. — 584, 7. kîdanch-wërchôn (ſatisſa-
cere) gl. elwang. — 584, 28. ſvîn-beygja (incurvare in
modum porci) Vatnsdœla p. 134. blund-ſkaka (linis ocu-
lis intueri). — 584, 34. vinger-diuten troj. 162a von ei-
nem ſubſt. vinger-diute? — 584, 35. wette-loufen von
wette-louf weiuſchwelg 122. — 584, 37. vëder-ſlahen Tit.
XIII, 202. ſcheint unrichtig; will-fagen gebraucht noch
ſpäterhin Steinhöwel. — 584, 43. will-küren, part. gewill-
kürel; wett-laufen (pract. wett-laufte). — 585, 4. vold-
[1014]nachtrag.
tage (vi rapere) ſchwed. våld-taga; ſchwed. kring-ſko
(ein pferd beſchlagen) tro-lofva, praet. tro-lofvade. —
585, 9. ate-haftôn Bth. 264. — 585, 16. kemëƷ-lihhê (tem-
peret) K. cap. 64; wît-preitan (vulgare) gl. elwang. —
585, 21. koad-lîhhêndi (glorians) ker. 114. — 589, 6. tôt-
trakandi ker. 127; man vergleiche die ſem. auf -andi (zu
342, 25.) deil-nëmandî (parſimonia) ker. 128. knëht-kipë-
randî (puerperium) ker. 227. — 590, 15. lob-ſprëchende
Mar. 180. — 590, 34. feuer-glaſtîng bei H. Sachs für
feuer-glaſtend oder glaſtig? — 592, 5. weitere altn.: höld-
borinn, hërs-borinn edd. ſæm. 114b vom höldr oder hër-
ſir geboren; fôt-brotinn (der den fuß gebrochen hat)
Eyrb. S. p. 316; gras-gëfinn (graminoſus); ſödul-bakadr
(pandus) ſödul-nefjadr (ſilus); nâtt-vakiun (nocturnus). —
593, 13. bei Fiſchart finden ſich mehr beiſpiele: chriſt-
getauft; eh-verknüpft; gnad-geſalbt; mark-erſeigert; mot-
ten-gefreßen; ſalz-beſtrichen; ſilber-beſchlagen Garg. 19b;
tod-geminnt; traum-gebildet etc. welt-berufen, welt-be-
ſchrien finde ich in einem buche des 17. jh. — 593, 31.
ein heutiger dichter ſagt ſchön: laß mich ruhn, grauer
fels, auf deiner wetterzerwaſchenen bruſt. — 594, 27.
gull-ſömad 3, 144. — 594, 33. grund-muret (grundge-
mauert). — 594, 38. creſt-fallen (verdutzt, aus den wol-
ken gefallen) winter-beaten (vom winter beſchädigt). —
600, 27. diu riſôn-burg N. Bth. 175. gëllûnburg (Samaria)
N. 73, 18. himilô-rîchi T. 13, 2. 18, 5. — 601, 9. wintes-
brût O. V. 19, 54, auch in den griech. mythen führt
eine harpye den namen ἀελλώ. — 601, 22. huntes-ſatel
(muſca doc. 220a, weil die fliege auf dem hund liegt? —
601, 42. wëffin-nëſt doc. 243a fâwen-fëdera (pfauenfeder)
N. Cap. 57. palmôno-gerta O. IV. 3, 42. — 602, 23. ſe
fæmnan þëgn Beov. 154. — 603, 30. hräfna-vudu (cor-
vorum ſilva) Beov. 217. ëarna-näs (aquilarum rupes) Beov.
225. — 604, 18. altn. thiernamen: ôdins- hani (tringa
minima). — 604, 26. laufs-blad Snorraedda p. 52. plôgs-
land Yngl. S. cap. 5. — 605, 23. endes tac MS. 1, 109a
fanges tac MS. 1, 116b. — 606, 2. mannes bilde Parc,
121a. — 606, 13. der drachen-ſtein, diu etzeln-burc, daƷ
lerichen-vëlt. — 606, 28. tievels-trût Nib. — 607, 28.
vgl. bluotes rëgen Parc. 63c. — 608, 21. bocks-bart (eine
pflanze). — 608, 25. gänſe-magen, enten-füße, mäuſe-
dreck, kalbs-braten, hammels-braten, rinds-braten, och-
ſenbraten, kalbs-kopf, ſchweins-kopf. — 608, 36. helfers-
helfer, henkers-hand, rädels-führer (nach Kopitar: an-
führer des tanzes, (von rädel, reigen, ſlav. kolo) narren-
[1015]nachtrag.
ſeil, galgen-geſindel, handwerks-knecht, ſchiffs-leute, bau-
ers-leute (wie aber wanders-leute, wanders-mann? da es
kein ſubſt. wander gibt; ſteht es für wander-mann oder
wanderns-mann?), geleits-mann, ſchieds-mann, ſchieds-
freunde, diebs-griff, hunds-ſoff (Simplic. p. 219.), teufels-
lärm, meeres-wogen, lebens-licht, lebens-freude, gewißens-
angſt, lieblings-idee, ſchreckens-botſchaft, ſtandes-erhöhung,
ſchalks-narr, todes-ſtrafe, hausmanns-koſt, jahrmarkts-bude,
ſchadens-erſatz, friedens-zeit (Garg. 276b noch frides-zeit),
ſitten-einfalt, waffen-ſtillftand, buchſtaben-zuſammenſet-
zung, lieder-reichthum, güter-gemeinſchaft, und die menge
ähnlicher. — 612, 25. daß die uneigentliche zuſ. ſetzung
bisweilen etwas anderes ausdrückt, als der loſe genitiv,
iſt leicht wahrzunehmen; z. b. herrn-tiſch bedeutet den
für edelleute, der tiſch des herrn aber den altar. Die
pfarrer, ſagt irgendwo Lichtenberg, bauen den acker got-
tes, die ärzte den gottes-acker. Der freie gen. hat, wie
mir ſcheint, etwas edleres an ſich (vgl. ſ. 942. oben). —
613, 38. bluotes mâl Parc. 69a bluot-mâl 72c; golts vaƷ
Parc. 24199. golt-vaƷ 24212. — 614, 29. die ſyntax lehrt,
daß wir conſtruieren: ein tropfe wein, waßer ſtatt weins,
waßers. — 621, 2. das ſchwed. konungs-lig unterſcheidet
ſich von konung-lig. — 621, 4. bluotes rôt Nib. vröuden
rôt Nib. — 621, 30. lebens-lang, lebens-länglich; ſtaats-
klug; nichts-werth, nichts-würdig. — 622, 34. im nhd.
thränen-ſchwer, thränen-feucht ſehe ich keinen dativ pl.
(vgl. ſ. 975.). 627, 38. ale-namo (praenomen) Cap. 1. —
628, 10. zi ala-ſpërî (ommino) ker. 263. — 629, 10. alt-
gilâri O. I. 11, 22. — 629, 25. alt-vater a. w. 3,78. — 629, 39.
mhd. eigen (proprius): eigen-diu, eigen-holde, eigen-man,
eigen-wîp, ſämtlich in den Nib. — goth. aírzis, ahd. irri,
mhd. irre: irre-ganc liederſ. 2, 314. 315. grundriß p. 345.
irre-vart Jw. 42c irre-tuom c. p. 361, 81d; nhd. irr-lehre,
irr-thum, irr-wiſch. — 630, 21. ahd. preit (latus) agſ.
brâd: brâd-ax (ſecuris) brâd-hlâf; nhd. breit-haupt, breit-
kopf. — 634, 11. heilac-huat (cydaris) jun 200. — 634,
31. heáh-dëor (cervus). — 634, 34. heá-lufe Beov. 147. —
653, 7. hoch-wild (cervus etc.). — 636, 22. lâng-eldr
Eyrb. S. p. 276. — 638, 25. ſëlb-namo (nominativus) N.
77, 43. — 638, 28. vielleicht ſëlb-ſcuƷun? nach dem fol-
genden ſëlb-ſcôƷ und dem altfrieſ. ſël-ſkëtta B. 219. —
ſëlp-ſalpa (migma) lindenbrog.; ſëlh-hevi Bth. 233. ſëlb-
ſcôni Cap. 120. ſëlb-waga Bth. 233. ſëlb-wala Bth. 213. —
642, 20. wizeg-tuom (mit kurzem i, folglich z?) Bth.
243. — 642, 29. agſ. fâmig-hëals (ſpumoſo collo). —
[1016]nachtrag.
642, 30. naß-hals, nnl. nat-hals (ſäufer). — 642, 35. blûc-
heit (diffidentia) N. 24, 14. grim-heit (crudelitas) N. 10, 7.
ſâlig-heit N. 43, 9. — 643, 12. laƷ-heit Parc. 71a — 646, 5
blîde-ſchaft MS. 1, 18a 19a. b. — 647, 11. die auf -iſch
nicht ſo ſelten; wie unſer deutſch-land, welſch-land da-
mit zuſ. geſetzt iſt, ſagte man mhd. rœmiſch-laut, hûniſch-
lant; auch kommt in eigennamen -mann mit dieſen adj.
vor, z. b. fuldiſch-mann, windiſch-mann, die abkunft zu
bezeichnen. Ebenſo im engl.: dutch-man, engliſh-man,
iriſh-man etc. — 648, 15. vgl. hernach zu 673, 36. furiſt-
ſizento. — 648, 33. þam frum-gâran Cädm. 57. on þäm
frum-gâre Beov. 212. — 653, 19. Saſtrow 3, 21. neben-
alte f. eben-alte. — 654, 24. ſama (ſimilis) vgl. ſ. 671:
goth. ſama-leiks; ahd. ſama-liaſt (ſolidus) jun. 200. 226;
ſamo-glat (aeque ſplendidus) cap. 86; ſamo-zorſt (id.)
cap. 125; ſama-lîh (belege ſ. 658.); ſama-bald O. I. 1, 124.
Ich ſtehe in zweifel, ob hier adjectiviſch componiert iſt
oder mit der partikel? vgl. ſ. 764. Samo-zorſt iſt bei N.
was ëben-zorft, in welchem ëben für kein adv. gehalten
werden kann, und ſein compoſ. vocal lautet gern o,
freilich aber auch ſeine part. ſamo. — 656, 7. es ſteht
bei Berthold. — 656, 26. kranc-var MS. 1, 123a. — 659,
22. heidenſch-lich Barl. 7. — 663, 31. arm-muotig N. 68,
30. hôh-muotig N. 48, 10. lang-muotig N. 102, 8. lint-
muotig N. 95, 18. gemein-muotig N. Bth. 221. truob-
muotig N. 76, 6. — 664, 21. grôƷ-gemuot a. Tit. 130.
zornic-gemuot Nib. — 665, 10. auch mit matt-: matt-
gelb, matt-grün. — 669, 32. hvît-fâga (dealbare) hvît-
mata (candefcere). — 669, 35. kurz-wîlen Nib. — 671, 12.
ëban-ſtantan jun. 237. ëban-frewen ibid. — 673, 35. ther
furiſt-ſizento (architriclinus) T. 45, 8. — 677, 16. noch
Fiſchart: gegen mitt-nacht Garg. 274b — 677, 21. allge-
mein üblich iſt das uneig. compoſitum feins-liebchen, dat.
dem feins-liebchen, pl. die feins-liebehen. — 677, 29.
zum warmen brunnen (nhd. warm-brunn); ze wilden-
bërc Parc. 55b. — 680, 31. ſceit-judôn (phariſaei) N. 18,
9. — 681, 25. puri-crap (tumulus) jun. 230. auferhöhtes
grab; ſpuri-hunt, leges vett.; ſuëbe-waƷer N. Cap. 59. —
682. 27. heve-amme Mar. 174. — 682, 33. ſuëbe-leite,
feldbauer 51. — 683, 13. hemm-kette, hemm-ſchuh. —
682, 18. flatter-ſinn. gängel-band, plage-geiſt, wander-
ſtab, zank-apfel. — 684, 23. ſchmeichel-haft. — 684, 37.
unkilît-lîh (inacceſſibilis) ker. 163. — 684, 42. bur-lîh
N. 71, 16. — 685, 12. bezeichen-l. troj. 4a. — 686, 13.
ahd. hôr-ſam K. 16b 20b, nhd. gehor-ſam. — 686, 25.
[1017]nachtrag.
außer den ſechs formeln gibt es noch einige andere ſol-
cher adj., doch wenige, z. b. ſenk-recht. — 688, 4. aus
der nhd. volksſprache fällt mir doch eine ausnahme bei,
wo ſich das part. praeſ. mit einem nicht abſtracten adj.
bindet, man ſagt: ſtickende-wickende-voll (zum erſticken
voll) ſtrotzend-voll, drückend-voll; oder will man hier
einen adverbialiſch geſetzten, ungebundnen caſus anneh-
men? — 692, 30. hierher auch: bundin-ſkeggi (mit ge-
bundnem bart) edd. ſæm. 103a; hangin-lukla (die mit
ſchlußeln behangne) ibid. — 693, 13. verſtanden-heit
Oberl. — 693, 26. firſëan-lîh (deſpicibilis) ker. 96. fir-
thenkit-lîh (contemptibilis) ibid. — 693, 42. außer zoran-
ougi, agſ. toren-eáge, vielleicht auch das ahd. prëhan-
prâwi (lippus) caſſ. 855a und plehen-ouger jun. 384. ſteht
wohl für prëhen-ouger? — 695, 10. plattd. wirklich un-
dôndlik (unthunlich). — 701, 23. ſviltan f. us-viltan?
vgl. ſ.185. — 705, 5. dem ahd. â- hat Schlegel ind. bibl.
1, 233 - 235. das indiſche a- verglichen. Wenn auch die
länge jenes, die kürze dieſes kein unüberwindliches hin-
dernis entgegenſtellt, da ebenwohl ſonſt durch unter-
drückung des -s der vorſtehende kurze vocal nicht lang
wird, folglich ein paralleles goth. a- (nicht ê-) gedacht
werden dürfte, oder umgekehrt das privative indiſche a-
faſt wie â- ausgeſprochen wird (Bopp lehrg. §. 10.); ſo
trete ich doch aus andern gründen der vermuthung nicht
bei. Einmahl trifft die vergleichung des ſanſkr. a-mala
(un-befleckt) mit dem goth. am-ala, worin am wurzel,
al ableitung iſt, nicht zu. Sodann bindet ſich das ſanſkr.
a- (wie ſu- und dur-) bloß mit nominibus, nicht mit
verbis (Bopp §.114.), während wir â- im altſ. und agſ.
häufig vor verbis erblicken. Drittens ſcheint die vor
vocalen hervortretende urform der ind. partikel: an, ob-
gleich bopp dieſes n für ein euphoniſches hält; es ſteht
alſo dem deutſchen un-, altn. ô-, griech. ἀ-, lat. (priva-
tiven) in- zur ſeite, die ſich grade ſo nur mit nominibus
componieren (ſ. 775. 781. 782.) — 706, 17. darf man wa-
gen hierher zu zählen â-ſchâro (non tonſuratus) malb.
lex ſal. 28? — 711, 20. dies ana-mâli lautet in der ſchwei-
zerſprache ammal, pl. ammäler Plater p.30. 36. für an-
mal, wie auch an-mol vorkommt (Schreiber vom bund-
ſchuh p. 49.) vgl. Stald. 1, 100. der ganz untreffend an
amme (mutter) denkt. — 714, 40. ant-friſt (iuterpres)
hrab. 967b. — 719, 33. pi-pot (imperium) hrab. 967b. —
723, 4. zua-minna O. V. 13, 114. — 728, 20. fur-turſt
(praeſumptio) k. 49b. — 732, 3. fra-mano (contemptor)
[1018]nachtrag.
hrab. 955b. — 735, 31. ge-eido (conſaoramentalîs) vgl.
ſ. 752; ge-lando (pagenſis, landsmann) capit. Ludov. —
737, 18. ge-leite (dux). — 742, 40. gi-daht? (cultus) vgl.
ge-dehten (cultibus) N. Cap. 90. — 742, 43. gi-luſt (vo-
luntas) giluſtî (voluntate) monſ. 388. 395. — 744, 12. ge-
ſprâchi (facundia) N. Cap. 1. entſchieden ſem. — 754, 28.
ob hier auch an gen-gêngo (1, 916.) zu denken wäre,
ibant ſimul, conveniebant? Faſt kein gewicht lege ich
auf das nnl. ghen-arm (umarmung) f. ghe-arm (Bilderd.
ad Hooſt 3, 5.) worin die einſchiebung des n auch anders
gedeutet werden mag. Eine bedeutende beſtärkung mei-
ner vermuthung daß ga- aus gam-, ham- hervorgegan-
gen ſei, liefert aber das ſanſkrit, worin die untrennbare
partikel ſam- (mit) gerade ſo verwendet wird. Bopp
ſagt (lehrgeb. p. 80.): ſam äußert einen kaum merklichen
einfluß auf die bedeutung der wurzel oder verſtärkt ſie
bloß. Zuweilen deutet es die vollendung oder vollkom-
menheît der durch die wurzel bezeichneten handlung
oder eigenſchaft an, womit man vergleiche, was ich
ſ. 843. 869. erörtere. Die identität der ſorm folgt aus
dem übergang zwiſchen ſ und h (1, 584. ind. ſaſa, goth.
haſa, lepus) ſam = ham, ſo daß auch der ſ. 765. gemuth-
maßte zuſammenhang zwiſchen ſam cum, σύν und ἁμα
höchſt wahrſcheinlich iſt. — 757, 36. hinder-ganc, MS.
2, 235a hinder-ſlac Bon. — 761, 15. auch mhd. în-vart
Mar. 222. — 768, 27. im ſanſkrit dur- und duſh- (Schle-
gel ind. bibl. 1, 331. 349. Bopp lehrgeb. pag. 82.) — 770,
20. duruh-heitar (praeclarus) hymn. 2, 1. — 770, 24. du-
ruh-ſiunlih (perſpicuus) hrab. 971b. — 773, 43. über-fluƷ
Bert. 191. — 775, 7. umb-rede Bert. 320. 326. — 776,
2. über un-biarja vgl. ſ. 804. note. — 776, 10. ô-rŷmir
(gigas). — 776, 13. un-genôƷ a. w. 3, 27. — 776, 19. un-
gethüm (monſtrum); ſchweizeriſch: un-kind, un-kuh, un-
ſchaf St. dial. p. 228. — 778, 22. un-gëlt (perceptio telo-
nei indebiti) urk. von 1234. — 778, 25. un-geloube iſt
weniger das heutige unglaube, als aberglaube. — 778, 40.
un-wîſe MS. 1, 112b. — 779, 6. ſchweizeriſch: un-naſe,
un-ſchnee, un-wind, un-mengi, den begriff von nimis
ausdrückend, St. dial. 228. — 779, 21. un-darohaſt (in-
violatus) N. Bth. 68. — 780, 21. ô-þeßlëgr (abſimilis, im-
par). — 780, 43. un-wëſente (non exiſtens) N. Cap. 163.
784, 27. under-dige (interceſſio) Mar. 57. 212. — 786, 31.
ûſ-ſcup (dilatio) Mar. 92. ûf-ſlac Bon. 35, 20. — 793, 19.
ûƷ-vart Mar. 96. — 794, 15. griech. εὖ-, ſanſkr. ſu-
(Bopp lehrgeb. p. 82.) — 796, 4. wider-dienſt Bon. wider-
[1019]nachtrag.
hiuƷe Bon. wider-kip Bon. MS. 2, 89b wider-ſaz auch
Parc. 59c. — 799, 34. pi-heiƷan (conjurare); pi-hôhôn
(deludere) hrab. 960a; pi-kankan (exercere) ker. 107. 249.
— 800, 5. pi-ſengit (torridus) jun. 254. — 800, 19. pi-
ſuerjan (obſecrare) hrab. 971a. — 801, 36. be-ſoufen Parc.
117b. — 801, 43. be-vâhen ſchmiede 940. — 803, 2.
Fiſchart im Garg. 67b ſagt be-corallen, be-muſcheln. —
807, 29. nhd. belauben, das laub abbrechen (Adelung). —
808, 35. in-ſlingen f. int-ſlingen N. Bth. 62. — 808, 44.
an-pintamês K. 33b. — 813, 17. ent-rîſen Parc. 41b. —
819, 18. mehi im münchner cod. vgl. der-kande Lachm.
80, 4. der-ſlagen 80, 4. 228, 1. ûƷ-der-welt 231, 2. 346, 4. etc.
— 829, 29. irwintan O. I. 22, 87. — 836, 1. ga-jiukan
(ſubjugare). — 842, 35. ſih ge-louben (mit gen. der ſache)
N. Bth. 40. 62. — 847, 2. die agſ. beiſpiele ſind lange
nicht vollſtändig, hier noch aus Beov. andere und beleg
für die angeführten: boren 124. broden 117. drëpen 132.
giſen 146. hladen 143. numen 88. ſceacen 87. 172. 203.
ſcofen 71. togen 98. 109. fäted 79. ſcynded 71. — 851, 2.
fur im Hild. fur-læt in lante, dat man wîe fur-nam. —
862, 8. auch zeir-fuoren N. Bth. 151. — 863, 18. ze-
lëchen N. Bth. 134. — 864, 3. za-hlaufit (decurrit) hrab.
954a. — 864, 19. zi-faran (ceſſare) J. 388. — 864, 45. im
16. jh.: die vestung zer-genzen (ſchleifen) Saſtrow 2, 532.
— 868, 15. das altn. of und um (ſ. 912. 913.) nicht zu
überſehen. — 888, 1. ana kikân jun. 208. ana gagangan
emm. 412. — 892, 4. ûƷ ni lâƷit monſ. 353. — 894, 35.
hina-ziohan (mori) monſ. 398. — 909, 40. aptr at gânga
Eyrb. 5. p. 314. und ſo auch ſonſt oft in der proſa. —
924, 33. in der ungedruckten Martina ſteht: erbe-helle-
kint, erbe-helle-wëlfe, wiewohl helle-kint, helle-wëlf
uneigentlich componiert ſein kann, die beiſpiele alſo
ſ. 925. 2, a, α aufzuführen wären. — 928, 27. für das
un- ſind zwei fälle zu unterſcheiden; entw. tritt es vor
ein compoſitum, z. b. un-gimah, un-gi-ſtuomi, un-mana-
luomi (ſ. 553.) un-lida-weih (ſ. 552.); oder ein mit ihm
componiertes nomen ſetzt ſich weiter zuſammen, ſowohl
uneigentlich, als eigentlich, z. b. mord-un-gern, wunder-
un-lieb, ahd. bore-un-chunt N. Bth. 183. — 929, 5. ge-
un-chreftigôt N. 67, 10. — 929, 34. aus-er-wählen, ich
er-wähle aus; an-er-bieten, ich er-biete an. — 935, 7.
kindtaufs-gericht, kindtaufs-kuchen. — 935, 16. einfalts-
glaube. — 937, 6. warnung-ſchrift an die zu frankfurt
am main (Luthers werke, Altenb. VI, 112. und zuerſt
einzeln 1548.) Dagegen in Dilichs heſſ. chronik (Caſſel
[1020]nachtrag.
1605) 1, 160. ſeſtungs-bau 2, 334. religions-ſachen; 2, 328.
religions-friede; 2, 345. execution-ordnung; und bei
Schweinichen 3, 139. miethungs-weiſe; — 937, 38. frou-
wens-perſon ſteht in Schürens von Troß herausg. chro-
nik p. 110. 114., nicht im teutoniſta. — 950, 40. ver-
gleichbar iſt im ſanſkrit die anfügung von âdya, âdi
(primus) an ein ſubſt., um auszudrücken. daß das erſte
einer gewiſſen claſſe genannt iſt und alles übrige mitver-
ſtanden werden muß, z. b. ſinh-âdi (leo primus, d. i. der
löwe und die andern thiere des waldes) vgl. Schlegel
ind. bibl. 1, 113. — 951, 18. Raſk hat dieſen gebranch
nicht verſtanden, wenn er ſ. 47. ſeiner agſ. ſprogläre:
Jacob ferde hund ſëofontigra ſum aus Gen. 46, 27. über-
ſetzt: omtrent 70. mand ſtärk. — 960, 2. wir ſagen auch
nhd. bei adlichen namen, deren von bedeutungslos ſtehet:
johann von müllers werke, dagegen: der herr von fal-
kenſtein des herrn von f. — 961. 962. dieſe namen ver-
dienen ſorgfältigere ſammlung, weshalb ich noch folgende
beibringe: der wirt heiƷet ſchäntingaſt (ſchände-den-gaſt)
Mart. 72a; vintentribel (find-den-tribel) Anshelm berner
chron. 1, 138; jage-teuſel Cramer pomm. kirchenchron. 2, 82.
(ad ann. 1399.); wenden-ſchimpf Ayrer faßnachtſp. 148c;
finde-wand (?) ibid. 160b; halt-feſt (der büttel) ibid. 101c;
trag-den-dilen Fiſchart Garg. 260b; hol-hip Lorich zu Ovid
p. m. 470. vgl. hol-hipper Friſch 455a; ſla-den-teuſel Saſtrow
3, 33; knip-ſtro ibid. 3, 32. Im froſchmeuſeler finden ſich die
bildungen: ſeume-zeil, ſchmecke-bier, ſpringe-ring, fürchte-
ſchnee, riech-wetter, ſpar-krümlein, dürſte-blut, waren-
fried, rüren-dreck, riech-den-wind, fleuch-die-kelte, hüpſ-
ins-holz, lug-ins-loch, lug-ins-land, kiek-int-land, beiß-
hart-brot, ſieh-dich-um, acht-ſein-nicht. Heutige gang-
bare eigennamen ſind: ſtreck-fuß, ſchlucke-bier, kratzen-
ſtein, hauenſchild, grîpenkerl, warn-könig, ſöke-land, halt-
auf-der-heide, bleib-tren. Man nennt einen auffahrenden,
leichtſinnigen: brauſe-kopf, ſauſe-wind, in welchen aber
eigentliche verbale compoſition wahrſcheinlicher iſt. — 962,
30. vgl. vade-mecum und vade-in-pace (carcer monacho-
rum Ducange. — 963, 5. wie ital. ben-ti-voglio (ich will
dir wohl) mal-ti-voglio. — 981, 15. ammazza-bovi, am-
mazza-fette; ſſerra-cavallo (ein kraut, das die hufeiſen
abreißt); franz. creve-coeur (was das herz bricht).


[]

Appendix A Angemerkte druckfehler, lies:


2, 35. fühlbares. 31, 31. nhd. 43, 26. veƷil. 43, 40. Schwenck.
51, 39. altſ. gaduling. 58, 38, quantum manu. 66, 8. viſan; 92, 30.
ſechſie. 95, 30. ſchwache ſem. 117, 43. barbiton. 137, 1. venenare.
143, 44. Philem. 147, 4. tilge das;. 145, 5. blôma. 150, 10. ἀτμός.
172, 14 nhd. 178, 11. ſilfrinn. 178, 28. Geo. 35a. 180, 42. T. 57, 5.
185, 41. ſimplex. 199, 17. vroſt. 201, 36. chriſti. 202, 40. ôſiar.
203, 36. ϊnn. 220, 22. rom. 226, 19. uzds. 229, 27. ſ. 242. 232, 24.
blin-ds. 232, 29. auseinanderſetzen. 239, 40. cap. IV. 243, 16. f.
pimeinida. 249, 18. ſcandalum. 301, 4. griuſig. 313, 27, 29. maſſe. 316,
21. háihs. 331, 9. ulſr ſagt. 333, 8. fiſaltra. 341, 6. dëginzo. 341, 23. tilge
ein fragzeichen. 341, 24. Friſch. 346, 16. ſëg-ens. 386, 37. künf-
tiger. 399, 34. mânôd. 403, 22. anfang,. 407, 25. umgekehrt.
412, 34. mana-. 418, 35. rëbi. 424, 18. z. b. 435, 28. fôtu. 435, 29.
lîd. 438, 40. ſ. 436. 460, 32. væd. 466, 42. megin. 471, 16. miſſetât, 502,
7. raſilis. 527, 38. ſævar-. 530, 26. ſein. 536, 4. gevæde, gevæd. 565, 15.
mit der. 570, 5. ende- 577, 36. bölvîs. 585, 33. ſnabel. 590, 12. gërnde.
605, 39. ritters rëht. 609, 9. fügt. 645, 41. blandiloquentia. 657, 12.
heiƷ- 676, 37. freiſinger handſchr. 693, 42. toreneάge. 703, 5.
nicht mit. 703, 19. nicht alle in. 719, 19. cuſtodia. 721, 18. bezoc.
726, 29. for-ſkâli. 741, 30. ka-lâƷa. 770, 21. hlutar. 775, 38. nil-
lan. 776, 29. ſecuritas. 797, 37. for- 800, 5. biſenkan. 887, 45.
ana kimahhôt. 925, 11. ſiádtvíehhírt. 925, 12. fédervìehhírt. 962,
16. plücke- 968, 35. graju- 969, 45. ννμϕό-. 997, 13. ſaíhſia. Es ſte-
hen noch andere.


ob fugam ſpatii: 71, 30. ze bîle ſtên wird durch ein gedicht im
liederſal 2, 300 - 305. trefflich erläutert, ze bîle auf einen ſiein
ſpringen erinnert an den häufigen ortsnamen bîlſitein, beilſiein, der
üherall von den jägern ausgegangen iſt. — 320, 36. war auch
ditrſtiginne aus Jw. 47a (6403.) zu erwähuen, eine ſeltſame bil-
dung, weil hier ſonſi adj. nicht ins ſpiel treten. 480, 6. was bedeutet
wel-recke Rab. 536. 635. 811. 850. 923? ſieht es für wal-recke von
wal (ſtrages) oder wal, ahd. weli (optio)? vgl. ûƷerwelt Rab. 761.
und altn. valmenni (vir egregius). — 483, 4. vil-mögr ſcheint vîl-
mögr, alſo hierher ungehörig.


[][][][]
Notes
*)
für dieſen beinahe ausgeſtorbnen ſtamm findet ſich das
wenigſte vorgearbeitet, obgleich die gehaltvollen denkmähler
der cymriſchen (walliſiſchen) und noch mehr die älteren der
iriſchen ſprache zum ſtudium derſelben treiben ſollten. In
England und ſelbſt in Italien und Deutſchland liegen althiber-
niſche werke und gloſſen ungedruckt. Es wäre ſchon verdienſt-
lich, die in würzburger (münchner?) ſangaller und mailänder
handſchriften des achten und neunten jahrh. zerſtreuten bruch-
ſtücke herauszugeben und grammatiſch zu erläutern, vgl. Eccard
ſr. or. 1, 452. 453. 847-853. und Am. Peyron Ciceronis orationum
ſragm. inedita Stuttg. 1824. p. 188-191.
*)
vgl. für das aethiopiſche, arabiſche und ſyriſche: Hupfeld
exercitationes aethiopicae, Lipſ. 1825. p. 8.
*)
von den umlauten des a in e und ö (durch i und u) iſt hier
gar nicht die rede.
*)
Einziger einwand gegen dieſen grundſatz kann aus den
adj. përht (lueidus) zorht (ſplendidus) vorht (timens) herge-
nommen werden; davon cap. 3. in der anmerkung über
die verbal-adjectiva.
**)
Noch näher liegen ſich lat. auris und audire, directe ab-
leitung ſcheint auch dabei unthunlich; vgl. litth. auſis (au-
ris) mit klauſyti (audire) d. h. alth. hloſ[e]n.
*)
Faſt nur im nom. ſubſt. dritter decl.; die ausnahmsweiſen
lat. imp. es, dic, duc, fac, fer, welche zum deutſchen
ſtarken imp. ſtimmen, bezeichnen anhebendes verderbnis,
frühere denkmähler haben auch noch: duce, dice, face, der
pl. ducite etc. nicht ducte, wie ferte.
*)
Allgemeine lautverhältniſſe gebe ich am liebſten nach dem
gothiſchen an.
*)
Der umlaut des û in iu, welcher gleich jedem umlaut,
etwas ſpäteres, eine ſchwächung des vocalprincips iſt, be-
zeugt zwar die verwandtſchaft beider laute, kann aber oſ-
feubar nicht û aus dem iu erklären helfen.
*)
Von aceipere? wie ſlav. jaſtreb von jati (capere)?
**)
Vgl. niutan (capere) nioƷan (veſci); vielleicht cibus mit ca-
pere verwandt, b und p wechſelnd (Schneider 1, 225. 226.)
***)
Schwierig ſcheint der wechſel zwiſchen þ und d in fraþjan,
frôþ, frôþun und frôds, raþjan und rôdjan (desgleichen
in ſtôþ, ſtôþun und ſtôdjan, nr. 72.), zweierlei wurzel zu
vermuthen verbietet die nähe der bedeutungen. Und das
alth. vrad neben vruot ſtimmt völlig zur goth. anomalie,
wiewohl neben redja kein retja, reta, aber ruota. Wie
wenn ablaut und ableitung noch nicht gehörig erkannten
einfluß auf abſtufung des þ in d, des d in t ausübten?
Ich vergleiche das agſ. ſëóðan, ſudon, ſnîðan, ſnidon, das
alth. mîdan, mitun (1, 252. 408. 867.). Alſo theilweiſe,
dem gange der ganzen ſprache vorauseilende lautſenkung,
aber genau nach dem geſetz der verſchiebung (1, 584.) Nicht
unanalog geht die abſtumpfung des ſ in r und die des h
in g; vgl. ſchlußb. 10, α.
*)
Die begriffe ſchade und ſchande (damnum und ignominia)
reichen aneinander; das alth. hôno, altfrieſ. hâna bezeich-
net den beſchädigten (gehöhnten).
*)
Oder ſuênebërc, vgl. marburg. beítr. III. 171.
**)
So auch die frankenberger gewohnh. von 1493. (Schminke
mon. 2, 702.)
*)
über das ſchwanken einiger bildungen dieſer formel aus þ
in d und aus d in t vergl. die anm. ſ. 10.
**)
liþus mit leiþan zu verbinden, wird gewagt ſcheinen, glied
iſt das helfende, begleitende, mitgehende, daher mitglied
= ſocius, comes; vgl. nr. 404. ſelbſt membrum [für me-
brum, -brum ableitung wie in cere-brum, tere-brum,
candela-brum etc.] darf zu meare gezogen werden; vgl.
Lucans (pharſ. 3, 640.) diverſa membra meantis. leit. (dolor)
verwandt wie paſſio mit pati, paſſus.
*)
In den verwandlungen dieſer wurzel noch zweifelhaftes,
ich führe nicht alles an, was buchſtäblich dahin gehören
dürfte, z. b. altn. meiðm, agſ. mâðm (donum, opes) und
ſelbſt midr (medius) miþ, miti (praepoſ.)
*)
Nach der regel 1, 586. bilden die gr. und lat. ſprache aus
derſelben wurzel dieſelben wörter: teihan = dicere, δείκειν; di-
gitus = zêha; decem, δίκ [...] = taíhun; tign = dignus; inzîhan =
indicere.
*)
Gerade ſo das lat. fundere für gignere, parere, edere, Cic.
de nat. d. 2, 62. tuſcul. 5, 13. Plin. h. nat. 8, 30. 17, 22. 18, 10.
Virg. Aen. 8, 139. und mhd. ein bilde gieƷen (creare).
*)
Die begriffe jaculari und gremium erläutert etwan unſer
nhd. werfen und wurf (plica veſtis, ſinus) die alten rockſchöße
waren gefältelt und gefranzt; parallel ſtehet auch gêr (telum)
und gêre (lacinia); ſchüßel (catinus) alth. ſcuƷila, altn. ſkutull,
agſ. ſcutel halte ioh für ausländiſch (franz. eſcuelle, ſpan. eſcu-
dilla aus dem lat. ſcutum).
**)
Schwankend in áud, ud (ſ. oben).
*)
Keine ablautsbildung, wenn man orare, rogare für die ur-
bedeutung von bidjan hält, doch das ableitungs -i und der
tranſitive ſinn deuten auf anderes; gilt rathen, ſo hieß bidan
früher liegen, jacere, humi proſterni, als ein flehender? hernach
ward daraus bidjan precari, einem anliegen, mit dem acc. der
perſon? ſo nur erklärt ſich goth. badi, alth. petti, altn. bedr
(eigentlich und bei Ulfilas lectulus κλινίδιον, κράββκτος) analog
dem goth. ligrs (lectus, κλίνη) mhd. lëger (größeres bett)
von ligan, ſo wie dem ſtôls (thronus) von ſtalan (nr. 464.)
und wie bett, ſänfte, ruhe ſcheint das altſ. gibada oder gibâda:
levamen, beruhigung.
*)
Auch hier die mehrbemerkten übergänge aus þ, d in d, t.
*)
Wie das lat. gaudere den begriff der erfreuenden habe
einſchließt und ſo andere wörter in den ſprachen.
*)
Vgl. κοῖλος und coelum, da[ſ] wölbende, deckende. wie hi-
minn nr. 566.
*)
Gerade ſo gehören im ſlaviſchen die mit der deutſchen wur-
zel identiſchen wörter und begriffe imu (capio) und imja (no-
men) zuſammen. Die aphäreſe des n iſt leicht darzuthun, bei
einigen compoſitis tritt es wieder vor, vgl. ruſſ. emlju (capio)
vnemlju (intelligo, vernehme) ſnemlju (ich nehme ab). Litth.
immu (capio) lett. jemmu und njemmu.
*)
Vgl. vôkrs (nr. 93.) und τόκος (foenus und proles) τοκ[ȣ]ύς (pa-
rens) von τίκτω.
**)
Vgl. lat. onus, onuſtus mit honos, honeſtus; früher galt
honus f. onus (Schu. 1, 183.)
*)
mit übergängen des þ in d.
*)
Uebergänge des þ in d, d in t wie oben.
*)
Adelung meint, eidechſe verleugne nicht das gr. α᾽ίθαξ, das
aber ein unwort iſt, von Eraſm. Alberus zur deutung des deut-
ſchen namens erdichtet. Auffallend ſieht im litth. drezas (eidechſe)
drezle (deichſel) nebeneinander, ſo wie grezule (deichſel) gryſzte
(flach[ſ]knoten) von greſzti bohren, wenden, winden.
*)
d. i. ſinger, wie ſlav. pjetel pjevaz von pjeti, pjevati (canere)
und im Reinhart-fuchs: chanteclair, crayant.
*)
wie pupillus mit pupilla, dem augenſtein (altu. augnaſteinn)
berührt ſich mit weiſe das mhd. weiſe, der berühmte edelſtein
deutſcher reichskrone, agſ. ëarcnaſtân, altn. iarknaſteinn (alth.
ërhanſtein?) nach der edda aus kinderangen genommen, Sæmundar-
edda p. 137b: enn or augom iarknaſieina.
**)
Snorraedda p. 195: gumar eða gumuar heita flokſtiórar,
ſvâ ſem gumi er kallat î brûðför.
*)
das ſ. blieb wie in kinſe, kieſe, obſchou rôr älter als
kôr iſt.
*)
ob auch ſtaþs (littus) agſ. ſtäð, mhd. ſtat, -des, vom ſtehen
des flußes? die conſonanzſtufen dieſer wurzel ſcheinen ſeit lange
ſchwankend und verwirrt.
*)
Plin. XI, 39. villoſiſſimum animalium lepus.
*)
Sæm. edda p. 32b Snorraedda p. 11. von mel (lupatum) dem
ſpeichelmalmenden gebiße des roſſes hrîmfaxi abgeleitet; gram-
matiſch gleichviel, ob von mehl.
*)
vgl. ſlav. ſhelt (flavus) ſheltſch (fel) zlato (aurum) litth.
geltas, geltonas (flavus) lat. gilvus.
**)
vgl. ſlav. nebo mit lat. nuhes; litth. dengti (tegere) dan-
galas (tegumen) dangus (coelum); die edda nennt den himmel:
helm, haus der erde, geſtirne etc.
*)
ohne die goth. ſ-formen in nr. 292. und den beſtimmten
unterſchied zwiſchen vaſjan und varjan würde man leicht beide
wurzeln verſchmelzen, da ſich alth. wara zu wëſan wie nara zu
nëſan zu verhalten ſcheint und die begriffe exiſtere, fovere, veſtire,
defendere aneinander ſtoßen.
*)
vgl. lat. quiris mit quaerere; Snorra-edda: fôtſpor jârns
(veſtigium ferri) dôlgſpor (veſt. hoſtis) = vulnus.
*)
ob dieſes anderm ſtamme folgt? Schilter hat 215b aus den
verlornen hymn. dhëmar (crepuſculum) das kaum für tëmar ſteht,
vielleicht þëman, þam, þêmun, þumans fordert?
*)
Snorraedda p. 15. die zwerge entſpringen aus fäulnis in
wurmgeftalt; yrmlîngr, würmlein, nicht bloß vermiculus, ſonderu
überhaupt catulus, brut, kleines geſchöpf, das eben ausſchloff,
fotus a fovendo.
*)
Dieſe wahrnehmung wird wichtig für das agſ. (1, 238.),
das verwiekelter und abgewichener, als das alth. au, ou erſcheint;
aus bägm, bëagm wurde bëavm, beám (ſtipes, arbor, lignum)
vgl. bŷm (tuba, blaſeinſtrument aus holz). Doch bleiben zweifel;
teám, ahd. zoum gemahnt an nr. 320!
*)
Ten Kate hat die ablaute zuerſt in ihrer wichtigkeit her-
vorgehoben, nur die vocalunterſchiede nicht ſtrenge genug, am
wenigſten die der conſonanten beobachtet.
*)
wünſchenswerth bleibt feſtſetzung und durchführung des
richtigen unterſchieds zwiſchen d und ð beim altnordiſchen in-
und auslaut; ich habe 1, 315 die ungenügende Raſkiſche regel
bezweifelt, hernach doch befolgt, in gegenwärtigem bande be-
ſtimmt verlaßen, ſo oft mich die analogie der übrigen mundarten
dazu berechtigte. Die reiche nordiſche ſprache beſitzt nur ſo
manche wörter ausſchließlich, wo man leider nicht weiß, ob
ihnen med. gebühre oder aſp.
*)
augenſcheinlich bedeutet-lieb hier nicht-carus, gottlieb
nicht Deo carus; die goth. oder agſ. formen wären þiudláibs,
guþláibs, uzdláibs; þëódlâf, godlâf etc. die goth. urkunde von
Arezzo liefert dagegen ein wirkliches guþliubs, wenn richtig ge-
leſen wurde.
**)
ob es nicht noch einige mehr gibt? nämlich berührungen
der VIII. und IX. mit der X. und XIten? Denkbar wäre, daß
das i des pl. VIII. und das u des pl. IX. ein praeſ. X. (vgl. tru-
dan nr. 283. f. tridan) zeugte. Ich wüſte kein beiſpiel außer ſtri-
kan (nr. 553b) und ſtreikan (nr. 184.) Einfluß der IX. auf die
XIIte geht aus der anmerkung ſ. 72. hervor.
*)
doch faihſan (630.) ſcheint ein verlornes fiuhan, fáuh
faúhun vorauszuſetzen, aus deſſen pl. praet. noch faúhô (vulpes f.)
übrig iſt, ſo daß ſich aus dem pl. praet. neunter ein pl. praet.
zwölſter und daraus das ganze thema gebildet hätte? beſtätigung
gewährt nr. 621. 631. das auf ſtiuran nr. 521. und liuhan nr. 538. weiſet.
*)
die formeln der ſechs conjug. laßen ſich kurz ſo darſtellen;
XI. X. ⏑ ⏑—; VIII. IX. — —⏑; VII. ⏑— —; XII. ⏑ ⏑ ⏑ oder
— — — nachdem man auf den vocal oder die poſition ſieht; un-
möglich ſind: —⏑ ⏑; —⏑—; ⏑—⏑.
*)
nicht im verhältnis des praet. zum praeſ., vielmehr in der
zweideutigkeit des begriffs ſelbſt gegründet iſt die entgegengeſetzte
bedeutung, wenn z. b. in einer mundart rîſan fallen, in der an-
dern aufſtehen ausdrückt (nr. 171.); oder wörter wie ort, drum
bald den anfang bald das ende, bald oben bald unten bezeichuen.
*)
ſonderbar, wenn ſich aus einer wurzel die idee des böſen,
ſchädlichen hervorthut, daß dieſe wendung häufig erſt mit dem
zweiten ablaute erfolgt, vgl. nr. 303. lâga (inſidiae) nr. 281. ſâtr
(dolus) nr. 562. zâla (fraus).
*)
vgl. dôƷ Parc. 91c 98c Wilh. 2, 19a 196a Triſt. 124b Iw.
2d 57b Bit. 80b Ben. 160. Georg 22b Barl. 229. Nib. 3777. 8281.
8285. 9019. — duƷ Parc. 25a 43c MS. 2, 66b 234b Georg 13a 27a
Nib. 3794. Frig. 6avlôƷ Parc. 106c Wilh. 2, 193a Barl. 81. 155.
Triſt. 124b 140c troj. 2c 55avluƷ Parc. 145b Wilh. 2, 199a
MS. 2, 66b 234b, kommt mhd. vlôƷ f. ratis vor?
*)
die ſprachen, nicht bloß die deutſche, pflegen ſonnenauf-
gang und tagesanbruch mit ausdrücken zu bezeichnen und zu um-
ſchreiben, die bald vom ſchall, bald vom licht hergenommen ſind;
dieſes nehme ich mir vor an einem andern orte ausführlich ab-
zuhandeln.
*)
die flexion des nomens oder die declinationsform enthält
im nom. das bloße geſchlechtskennzeichen, das ſich in den ob-
liquen caſus mit partikeln mengt. Das geſchlechtszeichen ſcheint
urſprünglich jedem unabgeleiteten oder abgeleiteten nomen zuzu-
ſtehen, fällt alſo bei ſeiner allgemeinheit mit den ihm vorausge-
henden ableitungsbuchſtaben durchaus nicht in eine linie. Daß
die 1, 817 ff. vorgetragene hypotheſe vom urſprung der ſchw.
form hier unberückſichtigt bleiben muß, verſteht ſich.
*)
aptei Nib. 4584a E. L. iſt eine andere, ältere form, da
ſchon gl. monſ. 326. 329. 356 etc. oblei (xenium eulogia) mittellat.
oblia, obleia, und gl. trev. 40a abteia und 62b orlei (horologium)
gewähren; dieſes -ei muß aus irgend einem roman. -aja, -ajo,
-ejo ſtammen.
*)
es iſt zwar 1, 227. nicht ohne grund angenommen worden,
daß die agſ. -ol, -or = -al, -ar ſtehen; da inzwiſchen in der
verbalflexion agſ. -on dem goth. -un entſpricht, in den ableitun-
gen ſehr oft -el das -al zu vertreten ſcheint, ſo iſt es rathſamer,
-ol und -or für -ul, -ur zu halten.
**)
gl. flor. 986a nag-ala unguis, was zu dem nord. fem. nögl
und der unterſcheidung von nag-al (clavus) ſtimmte; aber viel-
leicht iſt ungues zu leſen und uagalâ der pl. maſc.?
*)
wohl einer wurzel mit ſáivs (mare, fluctus): die bewe-
gende, wogende kraft.
*)
D. Cange: mare vitreum, ſpecies vaſis.
*)
wurzel frafan (audere) nr. 475.
*)
alôn, zumahl bei O. häufig in olôn aſſimiliert.
*)
auch das ſ. 100. zu dem einfachen -al gerechnete chnuoſal
(genus) entſpringt vielleicht aus chnuoh-iſ-al? vgl. chnâhen
(noſcere).
**)
dunkles, der ſpätern ſprache ungekanntes wort, das ich
aus der wurzel houwan noch nicht verſtehe.
*)
eben der frühern coalition des hſ. in dieſem worte wegen,
weshalb auch nnl. wiſſel und nicht wikſel ſteht.
*)
gl. hrab. 951a 964a wihſlen, wihſlit nach erſter ſchw. conj.
für wëh-ſ-il-jan, wih-ſ-il-en, vgl. anm. ſ. 107.
*)
vgl. den ahd. runennamen ſuhil, ſugil, ſigil = ſonne, agſ.
ſigel, zuweilen ſygel für ſonne und für halsband; ſigel-vare die
Aethiopen im ſonnenland; ſchwerlich ſagil zu vermuthen, das dem
goth. ſáuïl näher käme?
*)
agſ. ſig-ele, offenbar von dem in der vorausgehenden note
angeführten ſigil (ſol) wie mânili (monile) von mâno (luna), ſei
glanz des geſchmeides oder ſonnen- und mondförmiger ſchmuck
der namen anlaß geweſen.
*)
noch andere -il ſehe man in den formeln -ari, -în, und
-ing, -unga denen ſie gern vorherſtehen.
*)
verwandt ſind ſich veƷil und vëƷur freilich, wie ich oben
ſ. 71. nachweise [ſ. 43, 26. berichtige man den druckfehler veƷal
in veƷil].
*)
offenbar, weil das -s fehlt, bleibt der vocal, woraus man
aber fehlſchließen würde, daß akrs im acc. ſg. akar bekomme,
denu es heißt akr; jenes -s muß früher weggefallen ſein. So
ſind auch die übrigen falle des bleibenden ar anzuſehen.
*)
gar nicht fallen hierher die compoſita ein-par, eimpar
(ſitula) zui-par (gerula) obgleich ſie nhd. den ſchein von eim-er,
zûb-er annehmen; auch die endungen -tar, -tara in mchrern
banmnamen weiſe ich in die eompoſition.
*)
1, 618. ſind überhaupt die ahd. -ara und dieſes -ar aus
verſehen weggelaßen.
*)
da Ulfilas δαιμό[ν]ια unhulþôns überſetzt, warum bildete er
nicht unhulþareis?
**)
phedirârî (aries, baliſia) doc. iſt das der deutſchen form
angebildete mittellat. petraria.
*)
den ſonſt O. in unbetonten ſilben wohl entbehrt, vgl.
widari, nidari; fehlerhaft wäre aber alteri II. 9, 93. und ſcâhero
II. 11, 46. geſchrieben. Auffallende aſſimilation iſt ſpîh-iri (hor-
reum) I. 28, 31. und leit-iri (ductor) IV. 16, 46. f. ſpîh-âri, leit-âri.
*)
dieſes-ari verbindet ſich natürlich nur mit dem unflectier-
ten
ſubſt., nie mit dem dat. ſg. pl., in welchem ſo viele ſtadte
und ländernamen ſtehen (1, 776. 777.); daher z. b. das nhd. ſach-
ſenhauſener ſt. ſachſenhauſer undeutſch ware, ahd. ſahſônô-hûſ-
ari (unmöglich-hûſum-ari). Freilich erlaubt ſich der gefühlloſe
ſprachgebrauch: ein hom-berg-er (von hom-berg, d. i. zë hôm-
bërge, zë hôhem bërge) ſt. hôch-berg-er. Gleich undeutſch iſt
Wirtemberger.
*)
hatte die flexion garto, gartin hier und in andern einfluß?
oder gab es ein fem. gartina? vgl. jardin, das deutſcher wurzel iſt.
*)
cap. VI. wird ausführen, daß die alte ſprache viele ſubſt.,
die wir jetzt mit -er ableiten, durch das einfache wort in ſchw.
form ausdrückte, z. b. ſcolo (ſchuldner) trinho (trinker) etc.; was
mhd. mord-ære, hieß früher murd-r-jo.
*)
dieſes ſcheint doch älter, ja ahd., wenigſtens ſieht ſculde-
[n]are in der gebetsformel bei Lambec. II. p. 462.
**)
ob art mit dem ſtarken verbo nr. 571b zuſ. hängt? dann
erläuterte der ablaut zugleich -ârî.
*)
vgl. ſlav. prſt (δάκτυλος) prſten (ring, δακτύλιος); doch goth.
das compoſ. figgra-gulþ, altn. fîngr-gull.
*)
zugleich auch buccina, tuba; woraus ſich vielleicht die
ſage von Aslög erklärt, die als kind in einer harfe (harpa f.
lûðr?) herumgetragen wird? vgl. Vaſþr. 35. legja â lûðr.
*)
die baum- und pflanzennamen affoltera, hieſaltera, weh-
haltera ſuche man bei der compoſition, vgl. die note ſ. 122.
*)
zuſ. hang der bedeutungen dieſes adj. in den verſchiednen
ſprachen: alacer, fortis, gravis, hebes auf der einen, und alacer,
agilis, exilis, venuſius auf der andern.
*)
kobôron O. IV. 31, 60. V. 12, 68. ſcheint undeutſch, aus
dem lat. recuperare, franz. recouvrer.
*)
für ſie ſtreiten doch auch die lat. meditativa: eſurio, par-
turio, dormiturio, micturio.
*)
ahd. tio-r, altn. dŷ-r (fera) ſcheint dem S. zu gehören
vgl. goth. diuh-s? mehr davon an ſeinem ort.
**)
inôbli doc. 221a ſchiene verderbt, wenn nicht altn. innîfli
vorkäme; die wurzel iſt inn (das innere, innerſte) wovon ohne l
oder r ableitung agſ. innôð, pl. innôðas (viſcera), vgl. innôdi
jun. 231. innadir (?) doc. 221a ob eine compoſ. inn-âdara eintrete?
bezweifle ich. Vielleicht klärt auch das noch ungewiſſe goth. haírþra
(σπλάγχνα), hilem. 5, 12. auf, vom ſg. haírþr.
*)
wurzel vielleicht biuvan (aedificare) da man mit bäumen,
balken baut?
**)
wurzel ſcheint ein verlornes heivan, háiv oder heihan,
háih (498c 515b) fovere, domi eſſe? vgl. goth. heivafráuja οἰκο-
δεσπότης
) ahd. hîha (ſponſa) ka-hei (cauma) altn. hî (manſio ſe-
cura domus) mhd. hîen (nubere) ahd. hîleih (connubium) u. a. m.,
háim alſo für háihm, heim f. heiham, heiwam?
***)
wurzel ein verlornes ſtarkes ſiuvan, ſiuhan (ſuere) ſoum
f. ſôham? die doppelte bedeutung ſutura und onus erklärt das lat.
ſarcina (laſt, bündel) von ſarcio (ich nähe, binde) wie laſt von liſan
nr. 290. colligere; vgl. auch mit ſaum das gr. σάγμα.
*)
wichtig für die geſchichte der bedeutungen, daß das agſ.
dreám nie ſomnium ausdrückt, wofür ahd. troum, altn. draumr,
ja ſogar engl. dream allgemein gilt (agſ. für ſomnium ſvëfen,
*)
welche ſpirans iſt ansgefallen? ſieht es für blôſ-ma nach
dem agſ. (vgl. flos, ſloris f. floſis? Schn. 1, 342. 343.)? oder für
blôh-ma? vgl. ahd. pluohan (florere) oder für blôv-ma? vgl. agſ.
blôvan (florere).
**)
ſteht keima f. keiſma ſo vergleicht ſich das lat. germen
(f. geſmen) vollkommen.
*)
altſ. ſuëƀan. Hielt man den traum für geiſtige muſik, frohe be-
täubung der ſeele? vgl. Nib. 7376. enſweben (einſchläfern durch
ſüßes fideln) und entzückung: freude, jubel.
*)
das adj. und ſubſt. arm wahrſcheinlich einer wurzel; ar-m
der arbeitende, mühſelige knecht; ar-m das arbeitende glied. Ul-
filas hat zwar arman (miſereri) aber kein adj. arms, indem er
[...]τωχός ſtets durch un-lêds überſetzt, agſ. un-læd.
*)
häufig geht dem -um ein ahd. d-, agſ. ð- voraus; daß
dieſes unwurzelhaft, jedes dieſer wörter alſo zweifach abgeleitet
ſei, z. b. vadum ein vahadum, widum ein wihadum vorausſetze,
wird unten beim þ entwickelt.
**)
bradem Tit. 387. etwas anders, etwa praſem (πράσιος) ein
grüner edelſtein, En. 8251.
*)
mit eidàm vorhin ſ. 148. broſàm und rinnſal ſ. 107., mit wit-
thûm f. widum, widèm (während das verbum widmen blieb) her-
nach unten beim þ heimàt, armût etc. zu vergleichen.
**)
das altn. gerſemi (vgl. Yngl. ſaga cap. 13. mit Snorraedda
p. 37.) iſt weiblich und wird aus ger-ſemi componiert erklärt, wo-
für auch das adv. gër-ſam-liga (omnino) ſpricht, und daß ſich das
agſ. gärſ-uma ſchwerer deuten läßt als gär-ſuma.
*)
dies verfahren hat analogie mit den verbis zweiter anoma-
lie, deren praet. wieder zum praeſens wird, welches dann ein
neues, ſchwaches praet. zeugen muß. Auch dürftc man den alten
ſuperlativ -um den ſtarken, den ſpätern -iſt den ſchwachen nennen.
*)
nicht -mæſt, welches erſt die ſpätere engl, mundart aus dem
em-eſt gemacht und es darum in -môſt verkehrt hat; weiteres hier-
über cap. VII.
*)
in welchem worte auch das verhältnis der hd. media zur
agſ. und altn. tenuis auffällt; nach der regel müſte es entw. agſ.
boðm oder ahd. poƷum heißen. Doch ſelbſt das lat. ſundum beſtärkt
botm und in podum ſcheint d ſpur einer ahd. adſpirata dh, die
vielleicht älter iſt, als Ʒ.
*)
nur gl. wirceb. 891b leſe ich zoran-ouga (ſcotomaticos, der
gloſſator meinte wohl nicht ſchwindlig?) f. zorn-ouga? oder zorn-
aga? Im ahd. part. praet. ki-poran, ki-zoran, var-loran haftet
aber das a nothwendig.
**)
wohl ganz das ahd. ovan, agſ. ofen, nach bisher uner-
kanntem verhältnis des agſ. uf, of, altſ. oƀ zum goth. aúh; vgl.
auhuma agſ. uſema etc.
*)
das griech. wort entſcheidet für den acc. ſg. fem. und ge-
gen den acc. pl. neutr. (wonach 1, 605. zu beßern).
**)
mandatum, vielleicht von anabiudan (praecipere)? wiewohl
keine verwandlung des d in ſ (wie in báuſt f. báudt 1, 844.) hier-
bei annehmlich iſt.
*)
wurzel nr. 540b wegen des zuſammenhangs der begriffe
rede und ſtab (oben ſ. 87.); aus ſtibna (agſ. ſtëfen) wurde ſtimma
(agſ. ſtëmm), wie aus hraban hramn, hramm (vgl. ſuëban mit
ſomnus und ſchwed. ſömn); vermuthlich entſpringt auch das nhd.
ſtamm (ſtipes) aus ſtamn, ſtaman, ſtaban, vgl. agſ. ſtämn (baſis). —
**)
die goth. ſem. -ns auszudrücken bedient ſich die ahd.
ſprache meiſ[t]ens der, dem Gothen gerade mangelnden, bildungen
-unka, unga. Erſt im nhd. wird der inſ. allgemein und häufig
als ein neutrales ſubſt. gebraucht.
*)
vgl. ſin lougen troj. 126b; Benecke macht mich aufmerk-
ſam auf die variante: eine lougen Triſt. 17793, Groote. Im ahd.
gelten maſc. und fem.
*)
verwandt mit kar-o (paratus) kar-wjan (parare).
**)
andre bewandtnis ſcheint es mit noch einigen neutris auf
-an zu haben: ô-âran (annonae caritas) ô-vëdr-an (intempeſtas)
ô-kyn-jan (monſtrum) etc. vgl. gl. edd. I, 637a.
*)
warum monſ. 388. gihëllanî ſt. gihollanî; lautet das part.
praet. zuweilen (nach X.) gihëllan? wirklich gl. doc. 218b gi-
hëllanêr (tinnulus, oder gihëllantêr?); vgl. monſ.-365. irquëmanî
(ſtupor) doc. 208b durahquëmanî (perventio) wo ebenfalls ë für o.
**)
vergl. unten bei den lingualableitungen die ſeltnern, aber
ganz analogen aus partic. ſchwacher conj. ſtammenden ahd, feminina.
*)
wer dies, von aller analogie verlaßene geſihene ganz tadel-
haft findet, kann ſich bei der variante geſiune E. M. beruhigen.
*)
anders das lat. ſtella aus ſter-la; vgl. gr. ἀστήρ.
**)
fallen hierher die weiblichen nom. pr. die in ahd. urkun-
den vorkommen, z. b. bërtana (përahtana) muotana, diotana, wa-
lahana etc.?
***)
nicht fämne; die ahd. form wäre veimna, die goth. faáim-
nô und der zuſ. hang mit dem lat. fêmina, fœmina (d. i. foimina,
vgl. 1, 44.) bleibt unabweiſlich, obgleich das lat. wort mit p an-
lauten ſollte. Altn. ohne ableitendes n feima. Verwandtſchaft
mit ahd. veim, agſ. fâm (ſpuma) wage ich nicht aus ἀφρός und
ἀφροδίτη zu beweiſen.
†)
nr. 178 und 299. bieten ſich als wurzeln dar, aber keinen
leichten übergang auf den begriff; inſofern ſveikan deeſſe bedeu-
tet, könnte ſvikns expers, inſons ausdrücken?
*)
Pictor. v. ſtauſ hat urchin-guldiner ſtauf (crater auro
ſolidus).
**)
offenbar nah verwandt mit vrëh (audax) goth. friks, doch
das verhältnis der vocale zwingt nach ſ. 70. 71. zwei ſtarke verba
zu ſetzen: nr. 553c frikan, frak, frêkun und daraus 486b fra-
kan, frôk.
***)
für ſvikn, wie þŷ f. þvi, ſyſtir f. ſviſtir etc.
*)
ebenſo ſtcht das ſubſt. þaúrnus, ahd. dorn, zorn vom part.
baúrans, poran, zoran ab, vgl. oben ſ. 155.
*)
dieſe verba laßen in die wortbildung etwas tiefer ſchauen.
Wo ſich das ableitende -n ſo innig zur wurzel fügte, daß eine
ablautsformel aufkommen konnte, entſprang ein völlig ſtarkes ver-
bum, z. b. ur. 111. ahd. chînan, chein, während im goth. viel-
leicht die nachwirkung der ausgeworſnen ſ. (vorhin ſ. 147. note)
ein praet. káin hinderte und nur keinôda verſtattete. Die vermu-
theten ſkairnan, kairnau, hairnan, fairnan, nr. 612-615. würden
ebenſo entſpringen. Aber in den meiſten fällen, z. b. ſvinþnan,
fullnan, gutnan konnte ſich das -n nicht eng anſchließen, folglich
kein neues ſtarkes verbum ablautmäßig geſtaltet werden. Die
Augelſachſen duldeten aber ſogar ein ſtarkes frägn, fran (1, 910.)
*)
leiſanonti K. 28a wohl fehler f. leiſananti? übrigens gehört
leiſanan ſicher zur wurzel 510 und folgt aus dem ſubst. leiſan
(ſpäter leiſa); aber lir-nên (diſcere) aus liſanên? darf zu 510.
oder 290. geſchlagen werden.
**)
altſ. gi-wernjan (denegare) mnl. wernen, Rein. z. 190.
*)
aus halftanôd (medietas) truganôd (apocrypha) truganari
(deceptor) ließe ſich halftanôn (dimidiare) trukanôn (fallere)
ſchließen, deren -an nicht urſprünglich im nomen zu liegen
ſcheint; oder gebührt ihnen -inôn? Aus dem ſelbſt dunklen wë-
danôdi? (venalia) folgere ich lieber nichts.
**)
O. II. S, 98. ſcheint die lesart drukanên (ſitire) vorzügli-
cher als drunkanên (ebriari).
*)
ſteikan, ſtáik, ſtikun (wovon auch altn. ſteika, torrere)
kann nr. 513b eingeſchaltet werden.
*)
vgl. unten die ableitungen -inna, auch 1, 631. 7, α die fem.
auf -î, welche im plur. -in entwickeln, die aber nicht auf N. zu
beſchränken ſind, denn ſalz-ſutî (ſalina) monſ. 337. 349. 397; gen.
pl. ſalz-ſutino 327; purdî (faſeis) monſ. 334. 351. purdinon (ſaſci-
bus) 405; vermuthlich auch hartî (ſcapula, im gegenſatz zu weihhî,
lumbus) untar hartinum (inter ſcapulas) gl. caſſ. 853b; mhd. diu
herte Nib. 3623. Unſicher iſt daher das angegebene ſcëllina aus
dem bloßen dat. pl. ſcëllinun zu ſchließen, zumahl mhd. ſchëlle
gilt, Triſi. 15851.
**)
merkliche abweichung der mundarten, ahd. përo (urſus)
pirin, pirn (urſa); altn. biörn (urſus) birna (urſa); doch von dem
ahd. përn (urſus), vorhin ſ. 156. würde das fem. pirnin lauten.
*)
zwar nicht im reim, aber dieſe hſ. ſchreibt -ein f. în; die
zweite form weſcher-in 4850. 5100. 5179. 5436. rührt vom maſc.
weſcher, oder waſchære, hingegen weſch-in vom maſc. weſch-e
(ahd. wafcjo); eine dritte iſt weſch-inne (miſc. 2, 164.); eine vierte
weſch-e (ahd. waſcja) miſc. 2, 163. 164.
**)
goth. leikeis, uicht leikineis.
*)
nicht ſmeichete; vgl. das ſubſt. ſmeichenære (oben ſ. 129.)
*)
falls es mit dieſem eitat richtig iſt; denn Junius ad W.
p. 173. führt aus hymn. II, 3. laugînêm radum, flammeis rotis, an
und dieſelbe ſtelle im gloſſ. goth. v. lauhmôni; nirgends lauhmoni
als ahd. wort.
**)
in Schwaben hieß ein alter gau (an der jaxt, unweit El-
wangen) die virgun (Cruſius dodec. 1, 305. tractus virgunenſis)
auch virgunt; vgl. Wolfr. Wilh. 175a: der ſwarzwalt und diu
vërgunt.
*)
der überſetzer verſtand νάρδος πιστική (trinkbare, flüßige narde)
nicht und behielt das fremde wort, zu goth. adj. geformt, bei:
Ein nacharbeiter erklärte es ſich aus πίστις, daher die gloſſe filu-
galáubis.
*)
von irh (hircus)? vgl. mhd. irch amgb. 2a und oefir. iren
(gegerbt leder) Höfer h. v.
*)
gerade ſo bilden die latein. auf -eus, -aceus weder ein
adv. auf -e, -iter, noch werden ſie compariert, (woran nicht ge-
*)
die franzöſ. ſprache hat alle materiellen adj. aufgegeben
und umſchreibt: d’or, d’argent, de fer, de ſoie, de laine etc. Im
grunde werden auch, wie mich Benecke lehrt, die angeführten
engl. adj. heutzutag nicht mehr materiell, ſondern nur figürlich
gebraucht, brazen für unverſchämt, ſilken für weich, lea-
den, wooden für ſchwerfällig etc. Aus gleichem grunde ſind nhd.
viele dieſer ſinnlichen adj. ausgeſtorben, die noch mhd. beſtanden.
**)
in der vorrede zu Wuks ſerb. gramm. p. II. habe ich ſei-
nen zuſ. hang mit dem ſlav. ſhupan (dominus, nobilis, junior)
aufgeſtellt. [Bemerkenswerth der eigenname Siboni in Oeſtreich,
vgl. morgenblatt 1818. nr. 3.] Otfried nennt Chriſti jünger thëganâ
und das ahd. chnëht bedeutet puer, miniſter, nobilis, miles.
***)
allmählig wird freilich das ô gekürzt worden ſein, wie
aus dem nordruni doc. 244a zu ſchließen; T. 75, 5. ſogar ſundi-
rinu (ſo die ſ. gall. hſ.) auſtralis, nom. ſg. ſem. für ſundarônu.
*)
rade der mislaut ſchuld iſt, da man von idoneus, tenuis, arduus etc.
idoneior, tenuior, arduior findet); nhd. wagen wir freilich: der
goldenſte und: ſich hölzern benehmen; aber iſt es gut deutſch?
*)
daß in den goth. formeln ggv. gqv das v conſonantiſch ab-
leitend ſei, nicht zu dem gg, gq (= ng, nk) gehöre, folgt aus
den wörtern, wie gaggs, drigkan, die es nicht haben. Ebenſo
beurtheile man hv. In allen übrigen dialecten hat ſich hinter ng,
nk, h das v meiſt verloren.
**)
zwiſchen ableitendem v und ableitendem u, das in v über-
tritt (oben ſ. 95.) iſt die rechte ſcheide ſchwer; ich ſehe hier noch
nicht klar und muß im ahd. aw annehmen, die goth. u ſcheinen.
*)
1, 734. nachzutragen, daß alle dieſe agſ. adj. den acc. ſg.
maſc. auf -one bilden: fëalone, gëarone, nëarone etc. nicht
fëalvne.
*)
wo die goth. form überſehen worden iſt; ſie ſteht zwar
nur Matth. 5, 29. wenn man us-ſtagg in us-ſtigg emendiert, da
ſtaggau kein inf. ſein kann.
*)
etwa vái fairhvu! (wehe welt) rufen? vgl. Parc. 115b.
*)
folgt ein half-t (dimidium) aus dem nhd. hälf-te? aus dem
ahd. half-tanôd? und half-tara (capiſtrum) agſ. hëalſ-tre?
*)
wann hat auſt aufgehört? wann iſt gunſt (f. geunſt) iu
brauch gekommen?
*)
agſ. (ohne ableitendes -t) mix = mihs (wie fox; fuhs);
vgl. mix-en (ſtercorarium) ahd. miſt-unnea.
*)
vgl. das ſlav. knez (princeps, nobilis).
*)
Caeſar de B. G. 6, 15. Feſtus, nach Ennius, ein galliſches
(deutſches) wort, = ſervus, offenbar das goth. and-bahts, ahd.
ampaht: Scaliger leitet es vom lat. ambigere.
*)
vgl. litth. lizdas (lett. liſda) f. nizdas, wie lakſztingala f.
nakſztingala (nahtigala).
*)
man könnte zwar Geo. 35b ſprinzen: glinzen in ſpriƷen:
glîƷen ändern; allein wegen ſpranz und glanz muß auch jene
form behauptet werden (ſ. hernach die ſtarken verba dieſer ſorm)
**)
hëra-paƷ durch ein compoſitum, aus dem adv. beßer-her,
mehr in die mitte (vgl. altn. hingat-betr, propius) zu deuten,
hat wider ſich, daß ſonſt aus comparativen keine feminina gebil-
det werden, wie herapaƷarî (mediocritas) monſ. 377. 380. ja, daß
das adv. ſelbſt nicht hëra-paƷ lautet, ſondern hërapaƷiro (medio-
criter) monſ. 383.
***)
hat es ein ahd. adj. ein-aƷêr (ſiugulus) gegeben? kann es
aus dem adv. ein-aƷun, ein-eƷun (ſummatim) ein-iƷen O. III. 22,
23, ein-iƷis N. 50, 5. gefolgert werden? mhd. die weitere ablei-
tung ein-zel, aber ſelten, Triſt. 19450; nhd. ein-zeln ſehr ge-
bräuchlich.
*)
verba zwölfter conj., die n haben, können auf doppelte
weiſe aus einfacheren ſtämmen hervorgehen (welches oben ſ. 71.
nicht hinlänglich auseinander geſetzt iſt): entw. tritt dem wurzel-
haften n ein ableitender conſ. zu, wie in ſvindan, oder es wird
ein noch räthſelhaftes n eingeſchaltet, wie in glintan, ſprintan.
Hieraus folgt, daß in ſolchen und vielleicht in allen fällen des
nt, nz, das t, z. nur ſcheinbar zur ableitung gehöre, da es gerade
wurzelhaft iſt. Bei weiterer unterſuchung ſind daher dieſe ſor-
meln wegzulaßen.
*)
ſchwerlich hängt die partikel jâ (immo) mit jëhen (affir-
mare) zuſammen, denn jene lautet auch goth. ja, dieſes aber aikan.
**)
auch agſ. neben grimetan die form grimetjan, praet. gri-
metode, offenbar nach zweiter conj.
*)
ein der agſ. mundart eigenthümliches wort, das man wegen
des -t nicht mit nr. 395. [wozu vielmehr das agſ. huð (ahd. hunda
captura) gehört] vermenge; Boet. 168a ſtehet ge-hentan (capere,
praetendere).
*)
oder wäre hier gar kein ableitendes -eiƷe, ſondern âmeiƷa
anzunehmen, von meiƷan (ſecare)? entw. das gelenkige, einge-
ſchnittene thier (inſectum, ἔντομον) vgl. Parc. 12131, oder das ein-
freßende? doch warum agſ. ämetta, nicht æmæta?
*)
ewige, große flut, voraus man ſpäter ſünd-ſlut misgegrif-
fen hat; goth. ſint-flôdus?
*)
man hüte ſich, dieſen wechſel dem mhd. auslautenden t, in-
lautenden d zu vergleichen; im goth. iſt ſêþs organiſch, ſêdáis
unorganiſch, im mhd. umgekehrt tôt unorganiſch, tôdes organiſch
(außer wo ſich falſche media eingeſchlichen hat, wie in brant,
brandes etc).
*)
ein beiſpiel der theil 1, 1075. 15. zu 584, vermutheten rückkehr.
*)
auf andern ablaut weiſt jedoch das altn. ilr, ylr (calor, te-
por) ylja (calefacere); vgl. agſ. älan (accendere).
*)
vgl. báina-bagms (morus, συκ[ύ]μινος) bein-baum? wozu doch
kein anderer name ſtimmt.
*)
die conjectur náuþs aus naúhaþs wird nicht wenig bekräf-
tiget durch vergleichung des lat. nec- (= naúh-, wie noctis =
nahts; ſex, ſec-s = ſaih-s; ſec-o verwandt mit ſah-s; decem =
taihun etc.) in nec-eſſe, nec-eſſitas, nex = nec-s, nec-is (tod,
höchſte noth) nec-to (binde, wie das deutſche nôt auch vinculum
bedeutet).
*)
wäre pruo-dar (frater) goth. brô-þar (qui ex eodem foetu
nafcitur?) verwandt, ſo beſtärkt es das þ (d).
*)
ob in ataþni (annus) ein ableitendes at-aþ ſteckt? die volle
form wäre at-aþ-ani; oder iſt at partikel und aþni wurzel? Die
buchſtaben in latein geſetzt ergäbe adatn…, vgl. oben ſ. 163.
*)
Ulfilas überträgt das neutrum δαιμόνιον ſchwankend durch das
maſc. unhulþa und das fem. unhulþô, öfter durch letzteres, wo-
zu auch das ahd. unhulda ſtimmt, womit (und nicht mit unhuldo
maſc.) das lat. maſc. diabolus ausgedrückt werden ſoll. Ich be-
ziehe das auf deutſch-mythologiſche vorſtellungen; Matth. 9, 33.
vergißt ſich der Gothe ſo ſehr, daß er auf das part. usdribans
ſein fem. folgen läßt.
**)
einige mhd. ſtellen gebrauchen vruot und vrueje ſynonym.
*)
ſ. cap. III. die zuſ. ſetzungen mit ſva- und ſvê.
*)
fram-andi (advena) ſcheint weniger das goth. fram-aþis, als
part. praeſ. von frama.
*)
vgl. inzwiſchen hernach ſ. 243. den unterſchied zwiſcheu
lûtida und luotida; in beiden ſteht l für hl.
*)
vielleicht kein comp. ſondern veitv-ôd-iþa? falls ſich ein
goth. veitvjan f. ahd. weiƷan oder ein ahd. weiƷôt f. goth. veit-
vôds ſicher ergäbe.
**)
doch K. 42a ubar-fluat-ita (ſuperfluitate).
*)
ki-mahh-ida nicht von mahhôn zu leiten, ſondern von dem
adj. ki-mah (aptus).
*)
es wird dadurch das characteriſtiſche der ableitung dem
allgemeinen lautgeſetze geopfert; bei der flexion des ſchw. praet.
läßt ſich mehr dafür ſagen.
*)
oben ſ. 64. anders verſtanden; wiewohl miliþ könnte ſelbſt
zu nr. 560. gehören.
**)
mit junkidi, kimahhidi vgl. die ſerb. feminina auf -ad (in-
ſtitt. p. 298.)
***)
in einem ungedruckten Stricker (mihi p. 173.) reimt ge-
ſchef-te (negotio): klef-te; es wird aber zu leſen ſein geſchef-ede:
hlef-ede (garrulitas) ahd. chlaf-ida oder chlaf-idi?
†)
Wilh. 3. ſtehet einmahl ge-ſwiſter-îde.
*)
fora-perahtida (praeclara) K. 16b ſcheint fehler f. fora-
përahtiu.
*)
den lat. novitas, libertas, liberalitas etc. parallel ſtehen die
gr. σεμνότης, ἰσότης, μικρότης etc. für τητς, wie der gen. -τητος lehrt.
Alle ſolche fem. ſtammen wie das goth. gamáindáiþs, aus adj.
**)
fälſchlich deutet es Biörn durch ar-vinni, ar-viði; ebenſo
irren alle hd. ctymologen, die ar-beit theilen.
*)
Wien. lit. zeit. 1816. p. 164. 173. einigemahl; die meinunger
hſ. lieſt merteler rât (grundr. p. 264.).
*)
oben ſ. 75. ſchien mir das ſchwierige wort ein comp. taka-
rôt, wofür manches ſpricht; an rôt (ruber) zu denken darf das
nhd. tagesröthe, morgenröthe nicht verleiten, denn die gl. hrab.
hat ein ô, welches ſtrengahd. uo iſt (nicht ô, wofür ſie ao ſetzt,
ruber würde ſie raot ſchreiben, nicht rôd). Bedenklich iſt freilich
das mnd. fem. dag-rât (En. 11c): krât; nml. daghe-râd; mhd. fehlt
das wort. Agſ. dägred, was nicht entſcheidet, doch heißt es nie
dägr[ô]ð, dägrað.
*)
vgl. jedoch den zweifel ſ. 154. oben; oder entſpränge ſiman,
ſam aus ſihaman, ſaham? die länge oder kürze der wurzelvocale in
ſolchen wörtern hat noch viel dunkelheit; vgl. chradem f. chrâdem.
*)
das nhd. lôdern (flammare) erkennt dieſelbe wurzel und ab-
leitung, es lautete ahd. etwa lô-darôn f. lôh-adarôn?
**)
aus der wurzel ah-an (moveri) leiten ſich ah-a (mens);
ah-ma (ſpiritus); â-dum = ahadum (ſpiritus); ah-ta (obſervatio)
= ah-ada; ah-va (aqua, a movendo, vgl. ſáivs und ſáivala ſ. 99.
note und môþs ſ. 233).
***)
und von hël-ôd (weil hier das ô kein e geſtattet) unter-
ſchieden; dieſes ſiehet nur in hëlôt-hëlm (latibulum) hrab. 969a
vgl. altn. hiâlmr huliz (= huliðs) Edd. ſæm. 50a.
*)
natürlich, iſt ſie einmahl eingetreten, ſo beſteht das -r,
wenn gleich nachher der ableitungsvocal weggeworfen wird.
**)
goth. hláiv-aſna; ahd. ah-ar; dram-afa; op-aſa; aƷ-aſi;
doch vgl. agſ. ef-eſe, engl. eav-es.
*)
ſollte nicht auch ahd. die altn. andere, von collum verſchie-
dene, bedeutung vir gegolten haben? ich ſchließe es aus den vie-
len compoſitis mit -hals, welche cap. III. aufführen wird, z. b.
geiz-hals, wage-hals etc. zumahl dem ahd. vrî-hals (homo liber,
agſ. ſrëóls, altn. friâls, frêls) gerade wie ſonſt vrî-man, frëó-man
verbunden ſteht.
*)
Weber 3, 410. irrt, wenn er das goth. hanſa noch im alt-
engl. finden will, er würde agſ. nicht hanſe, ſondern hôſe lauten,
das nicht vorkommt. In der redensart: tô gôde hans (metr. rom.
1, 68. 124.) iſt haus das roman. hance, haunce, franz. encan, vgl.
engl. enhance.
*)
auf dieſem wege bricht vielleicht licht ein über mehrere
ahd. -iur, -ior, z. b. über zior (ornatus) das ſich aus zih-ar (goth.
tih-s, taih-s) verkehrt haben könnte; wurzel wäre nr. 195. und die
ausgefallene ſpirans h erwieſe ſich hier aus dem lat. dec-us, dec-
or, vgl. das adj. taihſvs, dexter von derſelben wurzel
**)
ganz verſchieden von eáre, eár (auris, goth, áuſô); im
engl. ear mengen ſich beide wörter und begriffe.
*)
inſofern man aƷ (die partikel) für den ſtamm nehmen darf;
wäre es aber ein compoſ. aƷ-zaſi und das dunkle zaſi ſtamm, ſo
gehörte es gar nicht hierher, vgl. iſarn-aƷaſi (ferramentum) K.
40b ſcrîb-aƷuſi (cautio) T. 108.
**)
bloß aus dem gen. pl. nëorxena in der verbindung në-
orxena-vong (paradiſus) gefolgert; die 1, 268. verworfne ablei-
tung aus ne-vëorxa, obgleich ich das einfache vëorc-ſa (labor)
ſowenig nachweiſen kann, wie das verneinende ne-vëorc-ſa (quies),
ſcheint mir jetzt ziemlich ſtatthaft. Nicht unanalog heißt der
ſonntag im ſlav. ne-djelja (von ne und djelati) der nicht-werk-
tag, im gegenſatz zu den werktagen.
*)
eine malb. gl. zum vierten tit. der lex ſalica lautet nach
dem wolfenb. cod. lampſe, welches ich kaum auf ein früheres
lampis, lampiſu f. lempir, lempiru zu deuten wage.
**)
Raſk §. 331. hat die weiterbildung hœnſni (ahd. gleichſam
huonirni, huonirani?)
*)
was ſoll agipiſo (muſcat? vielleicht muſca oder muſcas)
monſ. 400? lieber ein comp. agi-piſo? vgl. biſe-wurm (oeſtrus)
blaſ. 74b trev. 15a.
*)
ſchildern (pingere) kann nicht aus dem pl. ſehilder geleitet
werden, ſtammt von ſchilder (mhd. ſciltære, pictor) und iſt eine
tadelhafte bildung.
*)
denkmähler, welche die aſp. nicht durch hh ausdrücken,
ſondern durch ch, ſetzen auch inlautend ch. ſei es nach vocalen
oder conſonanten.
*)
vgl. 1, 610. 853. die gen. nahts, baúrgs und den imp. ôgs:
übrigens wird man auch an die griech. adv. auf -άξ, -ίξ erinnert
(ὀδαξ, παραλλάξ, ἀναμίξ).
*)
ein ahd. hôr-ahhôn, mhd. hôr-chen nicht nachzuweiſen,
vgl. das agſ. weiter abgeleitete hear-cnjan, engl. hear-ken; goth.
hauſ-kôn?
*)
einen zweifel regt nâlihhôn (appropinquare) T. 182, 7. 183,
3. welches aber nicht für nâlahhôn ſtehen kann, ſondern ein com-
poſ. iſt, nâ-lîhhôn, agſ. neá-læcan, vgl. cap. III.
*)
abweichend von goth. ak-eit (ac-etum) und lautverſchiebend
altſ. ek-id; agſ. ec-ed; wahrſcheinlich wurde ehh-iƷ verderbt in
eƷ-ih.
*)
wie lautete aber das goth. baúrgja (civis) auf ahd.? pur-uk-
jo, pur-kjo, pur-go? ich finde es nicht und auch mhd. gilt bür-
gære, nhd. bürger, verſch. von bürge (vas). Wie wäre ahd. pu-
rigo ins goth. zu überſetzen? auch baúrgja? Beide wörter, der
verſchiedenheit des begriffs und der herleitung (eins aus dem
ſubſt. baúrgs, das andere aus dem verb. baúrgan) uubeſchadet,
könnten in den buchſtaben zuſ. treffen; in ſolchen fällen ſorgt aber
jede mundart für eigne unterſcheidungen.
*)
da N. zuweilen nach liquidis -g für -ch ſchreibt, z. b.
dan-g f. dan-ch, ſo könnte mur-g f. mur-h, mur-ch ſtehen und
dem altn. myr-kr vergleichbar ſein? doch beſtärkt die media der
flußname murg (in Schwaben).
*)
nicht unähnlich wandeln die Serben daſſelbe wort mnogi
in mlogi, doch wohl aus anderm anlaß.
*)
es kann z. b. nichts verſchlagen, ob das ſubſt., von wel-
chem das adj. hergeleitet wird, im pl. umlaute oder nicht, und
doch haben einige deshalb lang-arm-ig neben lang-händ-ig aufge-
ſtellt; lang-ärm-ig ſollte es heißen, wie langnæſig, langhälſig, tief-
ängig, hochbrüſtig, langöhrig, kurzfüßig etc.
*)
meinen irrthum zi-ahharagên (1, 880.) hat Graff praep.
p. 261. berichtigt.
**)
noch einige andere ſubſt. auf -ig geben verdacht, z. b. das
agſ. bôſ-ig (praeſepe) nhd. zeiſ-ig (acanthis) f. zîſ-inc oder zîſ-
ich? ahd. chluurigo (cicerulae) doc. 206a f. chihhurjûn?
*)
nhd. heft-ig. von dem oben ſ. 195. 196. überſehenen fuhſt.
heiſt (iracundia)? altn. heipt.
*)
oder lëd-ec? weil auch lid-ec geſchrieben ſteht, z. b. Bon.,
dann zerfiele aber die oben ſ. 10. verſuchte leitung von laden.
*)
erſte ausg. der grammatik p. 560.
*)
ſlâfrec (ſomnolentus) Barl. 90, 12. vielleicht ſlâferec, ſlâferc?
nhd. ſchläferig, bewieſe ein mhd. deſiderativum ſlâfern (oben zu
ſ. 139.)
*)
viele andere -aha in ahd. ortsnamen gehören nicht hierher,
es ſind compoſita mit aha (fluvius) z. b. van-aha, gruon-aha, elm-
aha, ſtein-aha etc.
*)
und wie iſt das ahd. vir-ahi, aſſim. vir-ihi (vulgus) boxh.
904a jun. 231. (wo ich leſe ſmal-firahi) zu nehmen? nämlich das
-ah ſteckt hier ſchon im maſc. virah; vgl. altſ. firiho-barn und
Hild. fireo in ſolche, ſo wie vërah (vita).
**)
wenn der begriff der cognation hervorgehoben werden ſoll,
daber vielleicht nur im pl, broþr-ahans; obgleich die form im
*)
da klahs, in der einzigen ſtelle Luc. 10, 21, mir verdächtig
iſt, vermuthe ich ein noch dunkles oder entſtelltes niukl-ahs mit
unſerer ableitung, das den ſinn des gr. νήπιος (in-fans) wiederge-
ben ſoll; etwa ni-ukl-ahs? un-mikil-ahs wäre zu kühn. Oder
vergliche ſich niu-klahs dem altn. nŷ-klakinn (recens natus) neu-
klangig?
**)
gar nicht hierher fallen drilch (trilex, triplex) zwilch (bi-
nus, duplex) deren l unwurzelhaft iſt, aus der compoſition dri-
lich, zwi-lich entſpringend.
**)
ahd. noch nicht aufgefunden iſt, ſo war ſie doch ſicher vorhan-
den, da im hochd. des 17. 18. jahrh. zuweilen geſchwiſter-iche,
geſchwiſter-ichte gilt (Friſch 2, 250a). Die analogie fordert auch
ein goth. ſviſtr-ahô. Schwer zu erklären iſt ein agſ., im Cädm.
mehrmahl ſtehendes ſuhtr-iga, ſuhter-ga (fratruelis) das mir hier-
her zugehören ſcheint, vgl. ſuhter-gefäderan Beov. 89.
*)
fáirhvus (mundus) ahd. vërahawu? iſt ohne zweifel ver-
wandt mit virah (homo) vërah (vita) goth. faírh?
**)
wie es doch wohl und nicht -ihs heißen müſte; das ver-
dächtige þarihis Matth. 9, 16. kann hier wenig beweiſen, vielleicht
gehört das übergeſchriebne i vor das r: þairhis? obgleich ich
dies auch nicht verſtehe. Vgl. inzwiſchen dihs (fera) ſt. daíhs?
*)
die form ſcrundunnô (rimarum) f. ſcrundunnônô iſt wohl
nicht zu verwerfen, ſondern überreſt der organ. ſtarken gen. pl.
Auch in den níederd. pſalm. 67, 26. timparinnô (tympaniſtarum).
*)
ſo auch altſ. heng-inna und heng-innja (ſuſpendium).
**)
vgl. das nn bei der decl. des inf. (1, 1021.); N. 46, 5. êris-
porinni (primogenitura) f. êriſt-poranî; truhtënna 38, 8. f. truht-
ën (dominus) iſt mir unverſtändlich; vorhenne a, Tit. 148. f. vorhene.
*)
gehört hierher auch das ſonderbare maſc. oder neutr. mëƷ-
Ʒar-as, gen. mëƷƷar-aſſes (culter) oder mëƷƷar-aſſi? gl. aug. 118a
mëƷƷr-as (cultrum) doc. 233b ſcrîp-mëƷer-eſſe (ſcalpellum) monſ.
337. ſcrîp-mëſr-eſſe (ſcalpello).
*)
wohllauts halber oder um die ableitung mehr hervorzuhe-
ben, kann es nicht geſchehen; warum wären tougal-iſſi, fagar-iſſi
un wohllautiger oder unklarer?
*)
ſonderbarer gen., dat. fem. auf -ê (?) ſtatt -î: ſûbarneſſê
T. 7, 2. 21, 3.
*)
unverwandt dem ahd. compoſ. ubar-aƷ? ubar-âƷ (crapula)
T. 146. von ubar-ëƷƷan; wenn veinnas (πάροινος) Tit. 1, 7. nur ein
u hätte, ließe ſich ein goth. vein-aſſus (vinolentia) folgern.
*)
Conrads marmels troj. 79a ſcheint adverbialiſch ſtehender
gen. von marmel (rigor, deliquium) ſchweiz. marfel, Stald. 2, 198;
vgl. die von Oberlin 1004. aus dem noch ungedr. theil (fol. 171.)
beigebrachte andere ſtelle.
*)
dies wort hat ſchwankende ableitungen: ahd. rât-uſſa, rât-
iſſa; rât-iſci oder rât-iſca; rât-iſal, nhd. räth-ſel; agſ. ræd-els
(maſc.), ræd-elſe (fem.); engl. ridd-le; bei K[0]isersp. u. a. ræt-
erſche (fem.).
*)
dionôn, mhd. dienen (ſervire) iſt verkürzt aus diuw-inôn;
dionuſt, dieneſt aus diuw-inuſt. Agſ. þëóvjan, þëóvôde (ſervire)
ohne ableitendes -n; das wäre ahd. diuwôn.
*)
unterſchieden davon iſt þînen (ancilla) abgeleitet von þên f.
þëgen (miles, ſervus); þînen wäre ahd. digin-in.
**)
im eddiſchen îſarn-kôl Grimn. 37. ſcheint die alte ſorm übrig.
***)
man ſagt eihhilâ (glandes) und vermuthlich auch puoh-
hilâ (glandes fageae) nhd. eicheln, b[û]cheln.
†)
viſ-urn (ren) jun. 264. iſt unerhört und für die ſpätere gl.
zu alterthümlich, als daß ich nicht, der zufalligen ähnlichkeit
dem ungar. veſe (ren) zum trotz, entſtellung aus niero, nierun
vermuthete. Wegen eih-horn (ſciurus) das man freilich für eih-
†)
horn nehmen könnte (agſ. âc-vern, altn. îk-orni) verweiſe ich
auf das folgende cap., wo noch andere bedenkliche comp. mit
-horn zur ſprache kommen.
*)
wirkliche compoſita bleiben aber die altn. -urd, -yrdi, in
denen der begriff von ord (verbum) haftet, daher ſie bloß in cap.
III. gehören. Ein andres -urd entſpringt aus vërd in dög-urdr
(prandium) und dem eigennamen ſig-urdr, vgl. hol-urd (ſaletum
cavum) fem.; das -ard in dem adj. ein-ardr (audax, conſians) hin-
gegen aus hardr, wie das gleichbedeutige ahd. adj. ein-herti lehrt. —
Wie das agſ. hl[a]f-ord (dominus) gebildet ſei, iſt noch nicht be-
friedigend erläutert, ſchwerlichmit dem 1, 229. vermutheten ord =
oddr (cuſpis).
*)
Beov. 36. Bocth. 162a. b. Joannes monachus in vita Gauſ-
ſredi ducis normannor. Pariſ. 1610. p. 19. nennt ihn: Galannus,
ſabrorum ſuperlativus.
*)
der nom. burg-enden, burg-onden Nib. 2264. der gen. burg-
onden 1814. 1882. 3163. 3981. verdient den vorzug vor burg-ende,
das Hagen einigemahl ſetzt; 1814. burgenære, vgl. ahd. burgun-
dâre trev. 39a burgundera blaſ. 79a.
*)
auch ſêh (ligo) monſ. 400 und ſihhila (falx) monſ. 370 lie-
gen nahe, die ſormel iſt eih, áih, aíh und oben ſ. 47 nachzutra-
gen: nr. 515b ſeihan, ſáih, ſaíhun (= lat. ſecare), verſch. von nr. 200,
das vielleicht ſeihvan (colare)?; aus ſeihan fließen: ahd. ſêh (vo-
mer), f. ſeih, mhd. ſëch, ahd. ſihhila (ſecula) f. ſih-ila und h über-
gehend in g (zîhan, zigun) altn. ſig-ð (falx) mhd. ſëge (ſerra) f.
ſige. Nicht unwahrſcheinliche berührung mit ſah-s (culter) ver-
mittelt ſich aber nicht anders, als wenn (nach ſ. 70. note **) aus
dem plur. ſihun ein praeſ. ſihan, ablautend ſah, erwachſen ware.
*)
ihre patronymiſche bedeutung kann ich nicht beweiſen, be-
zweifle ſie aber für eine frühere zeit keineswegs; ſie iſt aus der
großen menge ſolcher mannsnamen, dieſe aber wiederum aus der
unzahl von ortsbenennungen auf -ingun in ahd. urkunden des 8.
9. 10. jahrh. zu folgern. Vgl. Neug. unter alamunt-inga, antar-
march-inga, baƷmunt-inga, bërmuat-inga, birihh-inga und hun-
derten ähnlicher bis auf die vielen nhd. -ingen herab. Es ſind
dat. pl. von dem nom. ſg. alamunt-ing etc.; zi alamuntigun heißt:
an dem orte, wo alamunds nachkommen, die alamundinge, woh-
*)
altfrieſ. eigennamen ſind nach der nämlichen ſitte abgeleitet,
wie es ſcheint aber ſchwacher decl., -inga (nicht -ing) z. b. idſ-
inga; ſchelt-inga; mann-inga; add-inga; tamm-inga; hug-inga;
eitſ-inga; ſchult-inga; ſik-kinga; hun-inga etc.
*)
nen. Ein ſolcher name kann ein ganzes land oder nur einen ort
bezeichnen, nachdem das geſchlecht ausgedehnter war, oder nicht,
ſo z. b. iſt dur-ingun von einem einzelnen orte gebraucht, Neug.
v. duringas.
*)
Beov. 220 ſtehen wechſelnd; vulf vonreding und ſunu
vonredes.
*)
ebenſo das mhd. wuetendinc, waldendinc (cod. pal. 361.
5c 47d) f. waldendîc, wuetendîc (oben ſ. 304). Hans Sachs ge-
braucht häufig -ing für -ig: bluting, liſting, ehrling, hungring,
geſiring, einſalting, heiling etc.
**)
auch dieſer verderbnis begegnet man in hochd. volksmund-
arten, z. b. der hennebergiſchen (Reinw. I. vorr. IX.).
***)
hâlingun (von nr. 314.) der wurzel nach ganz etwas anders
als das agſ. hôlinga (von 465.); wie hulingon (zu nr. 314.) und
holing (= haling, zu 465.). Denn hulingon ſteht wie ſtu-
lingon f. hâlingon, ſtâlingon, vgl. das mhd. ſubſt. hælinc. Schwer-
lich meinte O. halingun (fruſtra).
*)
engl. weiß ich, was hierher gehörte, nur dark-ling (im
dunkeln).
*)
unſere vorfahren gaben zuweilen zwei aufeinander folgen-
den monaten einen namen, beide durch adjective unterſcheidend.
So hieß agſ. der junius ærra liða, der julius äftera liða (der
erſte und zweite milde monat). Bildete einen gegenſatz hierzu
der erſte und zweite harte monat (januar und februar)? hartmo-
nat für januar kommt vor im ahd. Da nun ein bauernreim lan-
tet: der kleine horn (februar) ſpricht zum großen horn (januar) ſ.
Bredows Eginhart p. 109. ſo ſcheint hornung = kleiner horn.
Welchen ſinn aber horn hier hat, weiß ich nicht.
**)
nicht aus dem praet., alſo wenn ein ſtarkes verbum zu grunde
liegt, nie mit dem ablaut, z. b. kein midunga, ſcruntunga, vun-
dunga, quâdunga etc. Es wird immer eine rege, geſchehende
handlung, ein gegenwärtiger zuſtand dadurch ausgedrückt.
*)
ein außer dieſer ſtelle nicht vorkommendes wort, verwandt
mit trâdo (nicht trado) fimbria, lacinia, jun. 175. T. 60, 4, O. III.
9, 18. 14, 36., das wohl aus trahado entſpringt und oben ſ. 238.
anzuführen wäre, folglich identiſch dem lat. tractus von trahere
(das tr wie 1, 154.) Der begriff von ziehen wird überhaupt für
überliefern, überſetzen gebraucht, vgl. agſ. räccan (interpretari)
und traducere. Im agſ. trahtjan (exponere, interpretari) begriff
und wort einſtimmend, -ht = lat. -ct = ahd. -âd für -had. Un-
verwandt ſind drât (filum) von drâhan (torquere) und trëtan
(calcare).
*)
im Beov. nur das einzige vëorð-ung, vurð-ung (veneratio,
ſolemnitas) 16. 73. 187. 224. von vëorðjan (honorare).
*)
franz. beau-père, belle-mère, beau-ſrère, belle-ſoeur; ein
euphemiſmus?
*)
chuninc von chunni (goth. kuni) wie truhtîn von truht,
þiudans von þiuda, fylkir von folk oder fylki.
**)
noch unorganiſcher ſind die nnl. -ling für -lik: ſterveling
(ſterblicher) mondeling (mündlich) korteling (kürzlich); vielleicht
auch lieveling, liebling f. lieblicher?
***)
vgl. im folgenden cap. die altn. compoſita mit ëfni.
*)
vgl. Doc. wien. jahrb. 1819. VIII, 187.
*)
man ſagt noch heute der herbſt f. weinernte.
**)
vgl. beſtr aus betſtr; ſigurðr aus ſtgfriðr; þuß aus þurs.
*)
wenn man das n für weſentlich hält, aber es könnte ſelbſt
ableitend ſein (wie in gërn) oder unorganiſch (wie in -niſſi oder
dem altn. full-nuſta); unter ſolcher vorausſetzung vergleicht ſich
das altn. or-uſta (proelium) dem ahd. ërn-uſt f. ër-uſt, wofür
ſpricht, daß nicht nur das agſ. ëornoſi beſtimmt certamen, duel-
lum bedeutet, ſondern auch das mhd. ërneſt eben dahin weiſt, vgl.
Triſt. 6754. ërneſt-kreiƷ (kampſplatz).
**)
das vorgeſchobne n ſcheint aus der häufigen phraſe: in
ernſte (gegenſatz dem: in ſpële) entſprungen, ähnlich dem në-
ven aus in ëven; obgleich nëven nicht ſubſtantiviſch ſteht, wie
nërnſt und man nicht ſagt: in nëven wie in nërnſt.
***)
vgl. Stald. 1, 119. f. v. äugſtler.
†)
full-uſta wird beſtätiget durch das ſchwed. ſyll-eſt, dän.
fyld-eſt, ſo wie dem holl-uſta ſchwed. hyll-eſt entſpricht; dän.
auch ynd-eſt (ſavor, nicht amicus; amica).
*)
unorganiſch ſtehet -ſt im nhd. ob-ſt (pomum) f. obeß, obes,
mhd. ob-eƷ.
*)
altfranz. aouſter, aoſter (Triſt. 1775).
*)
das dän. menn-eſke und ſchwed. männ-iſka ſind neutral.
**)
hardneſkja (lorica iſt das franz. harnois, mhd. harnaſch,
nhd. harniſch: ſo mnl. maraſſch (palus) Maerl. 2, 12. franz. ma-
rais, nnl. maras, moeras, nhd. moraſt; doch vgl. agſ. merſc.
***)
Biörn und gl. Nial. erklären æſka aus ærſka (von âr, an-
nus). Wie wenn es von ôſk (votum) herkäme und die wunſch-
zeit, die zeit der glücklichen kindheit bedeutete? dann ſollte
œſka geſchrieben werden.
*)
Ni[á]ls S. p. 30. (cap. 19.) iſt barneſku variante zu bernſko.
*)
cod. pal. 361, beier-iſc (noricus) 2c 41d; frenk-eſc 3c; rom-
eſc 3b; ſwab-iſc 89a; walh-eſc 40c.
*)
bei ſpäter gebildeten aus eigennamen unterbleibt gern der
umlaut, um keine zweideutigkeit zu veranlaßen; ſo wielandiſch,
marburgiſch und ſelbſt gothiſch (gothicus) neben ſächſiſch, frän-
kiſch, jüdiſch.
*)
altfranzöſ. findet ſich nicht ſelten -ſc: nobleſce, largeſce etc.
*)
wirihtê (revereatur) monſ. 399. iſt verdächtig.
*)
zumahl die Slaven in ähnlichen wörtern dem l ein t, wie
die Deutſchen dem h ein t zuzufügen ſcheinen, vgl. die vorhin
ſ. 372. angeführten rogaſt, krilaſt, njedriſt.
*)
vgl. πτερωτός γενειήτης κομἧτης κ. τ. λ.
*)
ich habe zu Vuks ſerb. gr. in der vorr. XXXIV-XXXIX.
aufgeſtellt, daß die ſlav. jer und jerr aus (vermuthlich ableitenden)
vocalen i und u entſpringen und daß beide die wurzel auf eine
weiſe afficieren, die ſich dem deutſchen umlaut durch i und u
vergleichen läßt. Folglich auch die ſl. ſprache weiß von keinem
auslautenden (ableitenden) vocal a.
**)
iſt hiernach fëheta f. ſëhta (ſ. 205.) verwerflich? ſteht es
= fëheda? vgl. nhd. fehde (das vielmehr ahd. vêhida, odium,
ſcheint).
***)
zuweilen wird mit dem a (nie mit dem i, u) der ablei-
tung auch das wurzelhafte n weggerißen, meiſt der wurzelvocal
dadurch afficiert, vgl. ſ. 263. gâs f. ganas.
*)
wenigemahl auch muta auf ſpirans (vëhtan); ſchwerer zu
deuten iſt der ablaut in den formeln rm, rn (nr. 431. 432. 611-614.)
wo liq. auf liq. folgt; ablautendes lm läßt ſich ſchwerlich aufwei-
ſen, vgl. oben ſ. 6. Das agſ. irnan entſpringt aus rinnan, in an-
dern rn war vielleicht r früher ſ? Daß auch die geminationen
ll, rr, mm, nn der XII. conj. auf keiner ableitung beruhen iſt
wahrſcheinlich.
**)
ungefähr wie im nhd. mauer (1, 697.); etwas anderes iſt
der zwiſchen zwei anlautende conſonanten der wurzel geſchobne
vocal, wie chereſtig N. 88, 1. gerindela N. 106, 15. f. chreſtig,
grindela.
*)
ob die goth. liquida hier noch das recht einer eignen ſilbe
habe (Schm. p. 111. 112.)? müſten erſt gothiſche lieder lehren.
Mir ſcheint fugls und arms gleich einſilbig, wie das engl. fowl
und nhd. arm.
*)
der wechſel des d und g in ſlinden, ſlingen iſt erſt ſpäte
verwechſelung zwiſchen nr. 385. und nr. 421.
**)
etwas anders iſt die eindringung des f und ſ (ſ. 209.).
***)
vgl. das n im lat. mingo (mejo) ningo (nix) frango (fregi) etc.
*)
Dobrowſky inſt. p. 79. theilt ſämmtliche ſlaviſche wörter
in ſimplices und compoſitas. Die ſimplices ſind ihm wiederum
primitivae und derivatae (quae a vocibus jam formatis deducuntur);
primitivae entw. nudae (ſine litera ſervili) oder auctae (ſervili li-
tera formatae). Was mir hierbei bedenklich ſcheint, iſt der un-
terſchied zwiſchen litera ſervilis und dem element der derivation.
Das ſyſtem auf die deutſche ſprache angewandt fragte ſich z. b.
ob gift eine vox aueta oder derivata heißen ſoll? es ſtammt von
giban, wie ziſiôrida von ziſtôran, wie topazunga von topazan.
Wenn alſo gift deriviert iſt, warum ſoll es luſt, deſſen verbum
unnachweiſlich ſcheint, nicht ſein? Das goth. ſitls und fugls ſte-
hen deutlich auf gleicher reihe, ich möchte ſie nicht jenes als
derivatum, dieſes als auctum einander gegenüberſtellen. Oder
will man bloß mehrfach abgeleitete wie giftig, luftig, vogler de-
rivata nennen?
*)
eine heftige, laute, ſtürmiſche bewegung zeigen die ahd.
ſubſt. donar, hliodar, hlahtar, jâmar, galſtar, hamar, hungar, wë-
tar, waƷar, viur (das ranſchende, flackernde element) an; eine
linde, ſanfte die altn. duſtl, gutl, hvîſl, krabl, ſângl etc. vgl. oben
ſ. 143.
**)
bemerkenswerth, daß dieſe beiden, der entſtellung zumeiſt
ausgeſetzten buchſtaben gerade das ſuperlativiſche und comparati-
viſche element bezeichnen.
*)
um den einfluß der ableitungsvocale näher kennen zu ler-
nen, wäre es wichtig, vollſtändige verzeichniſle der ſchwachen
verba aufzuſtellen, die reinvocaliſch von ſubſtantiven (mhd. z. b.
ammen, dieben, ërden, ſiten, ſteinen, vriden) oder von adjectiven
(alten, dicken, jungen, rîchen) geleitet ſind.
**)
fühlbarer conſonantiſchen ableitungen fürs verbum, ver-
glichen mit denen fürs nomen, gibt es in unſrer ſprache auffal-
lend wenige; ein grund mit, um in dem zweiten conſ. der zwölf-
ten conj. ungefühlte anzunehmen.
*)
doch ſteht es mhd. in Wernh. Maria.
*)
zuweilen dunkel, z. b. bei dem goth. láuhatjan und káupat-
jan (vom ſchlagen beim kauf?)
**)
ich werde anderswo unterſuchen, in wie fern die lingualis
in den verbaladjectiven kunþs, raíhts, baírhts etc. überhaupt ab-
leitend heißen kann, da ſie mit dem participialen t oder þ zuſ.
zuhängen ſcheint. In viſſ (certus), das ſ. 202. anzuführen war,
wie in kunnr (notus), das ſ. 239. ſteht, hat ſie ſich aſſimiliert
(f. viſt, kunþ); in dem ſchw. praet. gleichfalls.
***)
zu fremden wurzeln geſellt ſich eigentlich keine deutſche
ableitung, ausgenommen das -ari, (dáimônareis, ſcuolâri, predigâri),
das -inne zu mannsnamen (waleiſinne etc.), das -iſch zu orts- und
eigennamen: römiſch, mexicaniſch, miltoniſch etc. und die di-
minutivableitungen. Selten tritt -ung zu inf. -ieren: unterminie-
rung, ſtaſſierung. Die Engländer verbinden -neß und -ling auch
mit roman. wurzeln (ſ. 328. 354.)
*)
es fragt ſich, ob nicht auch briggan, brahta (nr. 414.) aus
bairan hervorgehe (baír-iggan)? wofür die bedeutung ſpricht;
und bairhts (manifeſtus, offenbar)? Solche ableitungen ſehen jetzt
noch verdächtig aus.
**)
es gehört nicht hierher zu erörtern, welche betonung die
alten ableitungsſilben hatten, wie ſie ſich allmählig ſchwächte,
endlich ganz verlor. Im nhd. ſind tieftonig und zum reim taug-
lich geblieben: -ei (ſ. 96); -in, -inne; -ing; -ung; nis, und nicht
einmahl in jedem fall; ausnahmsweiſe auch einzelne wie einœde,
burgunde; untauglich ſind der haftenden betonung unerachtet:
lábſàl, árbeìt, léumùnd, ámeìſe, mónàt. Mhd. reimen außer -îe,
**)
-inc, -unge, -în, inne, -niſſe auch noch -ære, -ach, das adj. -în,
zuweilen -îc, -ôt (1, 368. 369.); auch noch das -eit und -eiƷe in
arbeit, ameiƷe.
*)
beiſpiele die menge liefern heutige ortsnamen, da verwan-
delt ſich -dorf in -druf (thorp in trup); -heim in -hem, -em etc.
*)
der vocal des zweiten worts kann ihn wohl wirken.
*)
vgl. die eigennamen athala-ricus, ërmana-ricus etc.
**)
ein maſc. midjuns vorausſetzend, wie das ahd. mittin-gart
ein mittin, welche ſ. 175. und 170. nachzutragen ſind.
***)
die vierte decl. wird alſo hiſtoriſch wegfallen; ſie iſt nur
eine andere modification des in die flexion eingreifenden ablei-
tungs-i, als die zweite. Nähere darſtellung dieſer verhältniſſe ge-
hört nicht hierher.
†)
in vein-nas (πάροινος) Tit. 1, 7. verſtehe ich das zweite wort
nicht ſicher, bedeutet es naſus, naſutus? Das altn. nâ-nös (ava-
rus, opes emungens) iſt weiblich.
*)
die übereinſtimmung mit dem lat. mancipium iſt groß, nicht
vollſtändig (es heißt nicht manciput); das deutſche wort mag lie-
ber von man (perſona) geleitet werden, als von manus (hand);
knecht und mann miſchen ſich im begriff u. wort.
*)
gehört es zum dunkeln hega- (ſ. 417.)? oder iſt hecge-
tûba zu leſen (nach den hegge-holeron bei W. 2, 13, 14.)?
*)
das wegwerfen des flexionsvocals verwandelt in den fällen
β. γ. nach mhd. lautlehre die media in tenuis, vgl. ërde, ouge
mit ërt-ber, ouc-ſalbe.
*)
andere gründe gegen den dativ werden ſich aus der be-
deutung ergeben.
*)
gehört das ſonderbare giſtra-dagis (cras) Matth. 6, 30 auch
hierher? iſt giſtra-dags (es bedeute nun dies craſtinus oder he-
ſternus) ſubſt. mit ſubſt. zuſammengeſetzt?
*)
iſt das agſ. ſun-beám ebenſo zu nehmen: von der ſonne aus-
gehender ſtrahl? aber die hochd. ſprache componiert hier unei-
gentlich ſonnen-ſtrahl, wie altn. ſôlar-geiſli.
*)
die franz. ſprache umſchreibt die von α [...] verzeichneten
compoſita, wenn ſie keine einfachen wörter dafür hat, mit der
praep. à (lat. ad) z. b. tonneau à vin, fourche à fumier, panier à
chandelle, echelle à feu, grange aux bleds, pot aux fleurs, flâcon
à Phuile, lime à main; bisweilen ſtehet pour.
*)
beide fälle umſchreiben die Franzoſen mit à (d. h. avec =
lat. ab, verſchieden von dem ſ. 4. angeführten à = lat. ad) oder
de: combat à coups de poing, chapeau à plumet, gant à doigts,
panier à anſe, coup de pied, de bâton, de couteau, jet de pierre,
pluie de feu etc.
*)
man kann hierher auch viele compoſita mit ſtrom und fluß
zählen, z. b. meri-ſtrôm, aha-ſtrôm, rîn-ſtrôm, elb-ſtrôm; vgl.
hernach 4, α.
*)
wie wenn germani hiermit zuſ. hienge, nämlich kein comp.
ger-man wäre (ſ. 412.), ſondern ein derivatum germ-an (oben
ſ. 175.)? freilich findet ſich weder hermani noch germunduri,
aber der kehlanlaut kann bei verſchiednen volksſtämmen von der
ausſprache und dem ohr der Römer verſchieden aufgenommen
worden ſein.
*)
bëorhtode heißt in dieſer ſtelle nicht ſplenduit, ſondern ſtre-
puit, vgl. oben ſ. 87.
*)
verſchieden davon das vrît, frît in frît-hof (atrium, coe-
meterium) jun. 234. monſ. 378. T. 18S, 1. 192, 3. O. III. 25, 12. ad hartm.
12. N. 83, 3. nhd, vreit-hof (Friſch 1, 294a) vgl. frîtet (ſovet) frît-
lich (delicioſus) N. Boeth. Gehört es zum altn. frîdr (formoſus,
tutus)? und ſteht es im ablaut zu fridu (pax) altn. friðr?
**)
ſchwerlich frëóðo, wobei an das goth. friaþva (ſ. 188.
234.) und ahd. vriudil (amator) und au die wurzel frijôn zu
denken wäre; eine höhere verwandtſchaft aller dieſer wörter
mit fri (liber) iſt leiohter zu vermuthen, als nachzuweiſen.
*)
daher altfranz. gonfanon, gontfanon, ital. gonfalone.
**)
vielmehr hedera vulg. terreſtris, hederich, officinell und
einigen thieren ſchädlich.
*)
nicht hierher gehören hêri-ſcaf (ſerenitas) hêr-ſcaf, hêr-
ſtuol (thronus) hêr-tuom (dignitas) hrab. 956a; vielleicht auch
hêr-fogeli N. 103, 17. wonicht das lat. her aus herodius darin
ſteckt? vgl. agſ. here-fugol.
*)
ſollte ſtatt der mir unverſtändlichen chumi-ſtudalo (paſtorum
potentiſſimus) doc. 206b cumi-ſtadul (gaſtaldus) zwetl. 115b zu le-
ſen ſein chuni-ſiudalo?
**)
umgekehrt verdeutſchte man das lat. lampetra, lampreta
(muraena) in lantſrida W. 1, 11, lantfriga monſ. 346.
*)
jun. 218. lauhido (prurigo); ſo leſe man ſtait luahido und
trage es oben ſ. 249. nach.
*)
mit der form manna ſcheint in ablautsverhältnis minni (fe-
mina) in meri-minni, vielleicht auch minnja (amor) vgl. oben
ſ. 30. und das altn. man-ſöngr mhd. minne-ſanc.
**)
ſollte das oben ſ. 418. angeführte piro-man (ambre) man-
piro zu leſen und in man-pîƷo zu beßern ſein?
*)
die eigentl. wurzel von miſſ, miſſô liegt verborgen, die ge-
mination ſſ könnte, wie in viſſa, qviſſ, ſtaſſ, aus einer zuſammen-
ziehung erwachſen und mit, mid, miþ lauten, in letzterm
falle ließe ſich das lat. met vergleichen, das ſich an perſönl. pron.
hängt, aber auch im ſing. Verwandtſchaft zwiſchen miſſ und dem
adj. midja. ſo wie der praep. miþ iſt mir nicht unwahrſcheinlich.
*)
das zweite wort verſtehe ich nicht, weder im agſ. noch
altn.; âr (annus) liegt nicht darin, denn mis-æri iſt verſchieden
und es ſteht kein agſ. mis-gëar f. mis-ſer, mis-ſar.
*)
das zweite wort verſtehe ich nicht, weder im agſ. noch
altn.; âr (annus) liegt nicht darin, denn mis-æri iſt verſchieden
und es ſteht kein agſ. mis-gëar f. mis-ſer, mis-ſar.
**)
altn. fluga (muſca und aſſafinium a celeritate, muſcae in-
ſtar Biörn).
*)
Savigny rechtsg. 1, 177-185, wo unzuläßige ableitungen
von rahha, rek (reiks) etc. vorgetragen werden; goth. volle
form würde lauten ragina-baúrgja. Die bedeutung von ragin iſt
(wie von magin) bloß verſtärkend.
*)
vgl. thoris-mundus. Uebrigens iſt das altn. ſira (dominus) franz.
ſire, verkürzung aus agſ. ſigora (ſihora, Auguſtin. epiſt. 178.).
*)
vgl. altn. ſundl (vertigo) mit nhd. ſchwindel von nr. 115.
386.
*)
das agſ. fem. trëóv (foedus) und neutr. trëóv (arbor) unter-
ſcheiden ſich componiert nur durch die bedeutung; vermuthl. ſind
ſie beide auch in der wurzel verwandt, etwa wie robur (eiche
und feſtigkeit) robuſtus (firmus) und wie wir noch baumfeſt, baum-
ſtark ſagen.
*)
einzelne altn. comp. mit val- ſind zweifelhaft, weil ſie von
val (electio) oder valr (accipiter) rühren können, vgl. val-brâd,
val-höll (aula praeſtans); ſ. auch das folgende walah.
**)
O. I. 23, 10. woroltî man entw. nicht componiert, oder in
worolt-man zu ändern.
*)
ahd. wort-zeichan N. Boeth. 29. mhd. wort-zeichen Oberl.
2059. ſpäter entſtellt in wâr-zeichen und iſländ. in jar-teikn, dän.
jer-tegn; vgl. altn. ord-tak.
*)
wird gern für die ſchreckniſſe der überſchwemmung, des
erdbebens gebraucht, vgl. O. V. 4, 43 und in der E. H. heißt es:
wirkid thie gëbenes ſtrôm egiſon; altn. iſt das meer ſelbſt œgir (das
grauenvolle) genannt.
**)
über dies dunkle wort ſelbſt vgl. oben ſ. 267., für aƷ-Ʒaſi
ſcheint das agſ. ät-gâr (telum) ahd. aƷ-gêr, aƷi-gêr zu ſprechen
(Wigal. p. 523); beides Ʒ oder z, a oder â unſicher.
***)
bei Ulf. mehr als triu, denn er ſagt veinatriu, wie wir
noch heute weinſtock, nicht weinbaum; agſ. iſt trëóv allgemeiner.
*)
da ſich kein ahd. hals-përc findet, ſo ſcheint das mhd. wort
aus dem rom. hauberc, halberc wieder aufgenommen, das freilich
deutſches urſprungs iſt; auch aus herbërge wurde auberge, albergo.
*)
der unterſchied zwiſchen baira und -baúra erklärt ſich nach oben
ſ. 81.; eins iſt aus dem praeſ., das andere aus dem praet. geleitet, jenes
den bringer, träger ausdrückend, dieſes den, der gebracht, getra-
gen hat. Letzteres erſetzt in allen ähnl. fallen das verlorne part.
praet. act. Beide aber miſchen ſich und zum theil dialectiſch, im
altn. gilt nur -bëri, kein -bori, im agſ. nur -bora, kein -bëra.
Auch im lat. wechſeln -fer, -ger mit -lator, -geſtor, obgleich letz-
tere nicht eigentlich componiert werden.
*)
ich verſtatte mir, einige hier mit aufzuführen, deren erſtes
wort kein ſubſt. iſt.
*)
vielleicht uncomp. lüge vaƷ wie gîtes vaƷ, nîdes vaƷ?
ebendaſ.
*)
flêþs, vlât entſpringt wie dêþs, ſêþs, tât, ſât, chrât (oben
ſ. 233. 234) vgl. das mnl. vlaen (excoriare, purgare?) 1, 980. und
das mhd. vlein, vleun, vleuwen, vlöuwen kl. 1800 (1889) mun-
dare, exuere?
*)
das altn. heið (gens) wovon heiðinn (gentilis) und heiði
(campus) goth. háiþi (campus) haiþns (ethnicus, paganus) ahd.
heidan (paganus) agſ. hæðen, mhd. heide (campus) ſind offenbar
verſchieden, wenn auch nach der ſucceſſion von þ, d vielleicht
verwandt.
**)
meines wißens in Beov. kein comp. mit -hâd (wohl aber
uncomp. on ſvëordes hâd 164.).
*)
unſre gloſſatoren denten ein fremdes wort, wofür ihnen
der genaue deutſche ausdruck fehlt, durch comp. mit chunni;
wie wir heutzutage cine baumart, thierart, vogelart etc. ſagen.
*)
das dunkle erſte wort in dieſer compoſition iſt dem goth,
aglô (aerumna) verwandt, wohl auch dem agláitei, ahd. akaleiƷi
(oben ſ. 221.), welche ſämtlich bloß abgeleitet, nicht componiert
ſind; man vergl. weiter das ahd. aga-wîs? in agawis-firinari hrab.
972b, achiwiƷ-f. K. 29b, ackiwiſlihho (ſpecialiter) ker. 263. akiwis
(publice) ker. 225; ag-lâc wäre goth. aga-láik, ahd. aka-leih? an
ein âglâc, verwandt mit eikileih? iſt ſchwerlich zu denken.
*)
das ſubſt. twiuc (oben ſ. 36. nachzutragen) lehrt Parc. 76a.
*)
aus vîſ-man das engl. woman (der pl. women noch lautend
wimen); aber woher leman (amica, dilecta)? aus agſ. gleóman,
gligman? das den ſinn freudenmädchen gäbe, oder aus luſ-man
(love-man)? das ich nicht nachweiſen kann.
*)
älteſte ſpur der nhd. weiſe, ein ungehöriges h zu ſchreiben,
aber doch verſchieden, weil es zwiſchen zwei vocalen ſteht; eben-
ſo ſcheint pihil, pigil (ſ. 112.) f. pîl zu beurtheilen.
*)
bei Goldaſt lengizin-m. alterthümlicher, dem agſ. lengten,
lencten entſprechend; lenzin-mânôd darf kaum für ein uneig.
comp. gehalten werden, wie wenn der nom. lautete lengizin?
(zweimahl abgeleitet, leng-iz-in, ſ. 220 und 170 anzuführen) gen.
lengizines? Unorganiſch wäre dann das adj. lanzic (vernus) doc.
222a ſt. lanzinîc und der ſchwache nom. lenzo (ver) N. 73, 17. acc.
lenzen Boeth. 11. dat. lenzen Boeth. 36. 67. Für dieſe anſicht
entſcheiden die agſ. compoſita lencten fäſten (vernale jejunium)
lencten-tîd (vernale tempus) nicht lenctan-f. Auch ſtehet jun. 305.
der nom. lenten (ver). Iſt das ſlav. ljeto (aeſtas) verwandt?
*)
der urbegriff von reidan (nr. 154.) iſt nicht aufs pferd einge-
ſchränkt, wie man noch ſpät ſagte: zu ſchiffe reiten, ſo hieß es
ahd.: ûfen dëro reito rîten (zu wagen fahren) N. Boeth. 66; da-
nach ſind auch die comp. mit reita zu verſtehen: reit-ros (equus
curulis) monſ. 330. nicht unſer heutiges reitpferd; reit-rihtil (au-
riga) monſ. 345. zwetl. 114a reit-man (equeſter) monſ. 363. Ob
*)
verwandtſchaft zwiſchen ahd. reif (lorum) und rîſo (pruina)
beſtehet nicht, denu letzteres war früher aſpiriert (hrîſo ſgall.
192.), nicht erſteres.
**)
verwandt dem vorhergehenden agſ. räden? wie überhaupt
nr. 86. ein älteres riþan, raþ, rêdun erfordert, nach dem grund-
ſatz ſ. 71.
*)
und wie aber die ahd. comp. prant-reita (andena) ſgall. flor. 986b
und ſcaf-reita (toreuma) flor. 985b 990b hierher gehören? ent-
ſcheide ich nicht.
*)
ſelbſt die celtiſchen -rix in ambio-rix, adiato-rix, cingeto-r.
vercingeto-r. dumno-r. eporedo-r. lugoto-r. orgeto-r. ſino-r. viri-
do-r. ſcheinen verwandt.
**)
vgl. ital. anitroccio.
*)
vgl. gaman ſ. 455. und die compoſita glëo-gamen (jocus)
hëal-gamen Beov. 81; altn. iſt ſvëfn-gaman edd. ſæm. 51a ein
name der nacht (traumfreude).
*)
ergibt ſich aus dieſem perſönlichen gebrauch, daß auch im
ahd. (wie im altſ. agſ. altn.) -ſcaf urſprünglich maſc. geweſen?
**)
von heri, das ſelbſt ſchon ſoviel bedeutet, zu leiten; ver-
ſchieden von hêr-ſcaf (dominatus, potentia, imperium, ſerenitas)
N. 21. 22. 70, 19. Boeth. 63. 82., das mit dem adj. hêr (potens,
almus) componiert ſcheint, aber es auch mit hêriro, hêrro ſein
könnte und dann gleichfalls hierher gehörte, wofür wenigſtens
das nhd. herr-ſchaft ſpricht.
*)
O. hat êvangêliô, wie Ulf. aívaggêljô, der doch Luc. 3, 18.
das verb. þiuþ-ſpillôn ſetzt; könnte für evangelium goth. þiuþ-
ſpill ſtehen? es wäre dem kot-ſpël unähnlich, welches mit kot
(deus) componiert iſt, nicht mit kuot (bonum); auch heißt es agſ.
altn. nicht gôd-ſpëll, gôd-ſpiall.
*)
verſch. das maſc. ſtal (ſtabulum), wovon z. b. mar-ſtal Parc.
111b rinder-ſtall flor. 986b.
*)
valſcheite laƷ Parc. 56b d. valſcheite widerſatz (adverſarius)
Parc. 37c 59c valſches vrî Parc. 140a etc.
**)
vgl. a. Tit. 96. Parc. 19b MS. 2, 252b.
*)
wie apſel (malum) auch von andern früchten geſagt wird:
eich-a. erd-a. tann-a.; agſ. ſîc-äppel (feige).
**)
weder die bedeutung von maƷal und mapul, noch die ver-
wandtſchaft beider (da ſich Ʒ und p nicht berühren) verſiehe ich.
*)
bei Saxo gramm. p. 44. ein ros-tiophus; vgl. roß-diebold in
Fiſcharts Garg. 114b und das uncomponierte hroſſa þiófr ſæm.
edd. 75b.
*)
aus gleichem grunde unterbleiben die kennzeichen ſchwa-
cher form bei jedem daraus abgeleiteten worte, z. b. die adj. an-
goht und poumoht ſind eins wie das andere gebildet, obſchon je-
nes aus dem ſchw. ango, angin, dieſes aus dem ſt. poum, poumes
ſtammt.
*)
böten denkmähler des 8ten jahrh. wirklich hrindir-ſtal, ſo
würde daraus immer noch keine eigentl. pluralcomp. folgen, da
das eingeſchobne -ir nicht reinflexiviſch, vielmehr bildend er-
ſcheint, da es zwar meiſt im pl. aber auch im ſg. eintritt (1, 622.
644. 2, 270.) Namentlich gilt das vom agſ. hryðer, gen. hry-
ðeres, es findet ſich hryðera hëord neben hryðer-hëord (rinder-
heerde).
*)
die form heidel-bërg begegnet nicht vor dem 12. jahrh. und
neben ihr findet ſich heiden-bërg (Dumbeck geogr. pagor. 166.
170.); mons myrtillorum (das wäre heidelberberg) kann es nicht
bedeuten.
*)
formeller zweifel über eigentl. oder uneigentl. comp. kann,
ſeit wegfall des comp. vocals, bei den ſtarken maſc. entſpringen,
die dem gen. kein -s geben, alſo z. b. in vater-heim (patria) her-
rad. 180a, vater-land, vater-mörder etc.
*)
vielleicht iſt doch das nhd. leichnam keine entſtellung aus
lîcham; es gibt nicht nur ein mhd. lîch-nâme Herb. 91b Karl 46b
118a ſondern auch ein ahd. lîcha-nâmo (zweimahl in einem cod.
clauſtroneuburg.) welche ſpolium, exuviae, corpus, mithin daſſelbe
bedeuten, was lîh-hamo. Die einfachen hamo und nâmo ſind
beide veraltet.
*)
ich habe ſ. 405. in abrede geſtellt, daß ſich ein fubſt. mit
ſich ſelbſt componiere; doch iſt das agſ. cyne-cyn nicht zu
überſehen.
*)
auch echtdeutſche verdunkelte wörter wandeln ſich in ein
ähnlich lautendes ganz verſchiednes aus derſelben urſache, z. b.
ſint-vluot in nhd. ſünd-flût.
*)
ein ſin-huli läßt ſich ſchwerlich aus der gl. monſ. 40b be-
weiſen, da es nicht zu lahhan ſtimmt und blaſ. 9b huli-lahhan be-
ſtätigt; alſo ſîn h. l.
*)
ganz verſch. von ſymbel (convivium) altn. ſumbl.
**)
verwandt mit ahd. polôn, mhd. boln (werfen)?
***)
vgl. ſtill as ſtône C. T 7997. Scott minſtr. 3, 185. Jamieſ.
2, 22. und mhd. ſweic als ein ander ſtein Karl 92b, ſtiller denne
ein quâder troj. 79a.
*)
die urſache der blindheit ſteht im gen. bei blint: ougen-
naƷƷes blint, minnen blint Triſt. 15190, woraus uneig, comp. eut-
ſpringen können.
*)
iſt jun. 197. këti-lôs (absque jugo) zu leſen? oder ketti-lôs
= chetti-l. (nhd. kettenlos)?
*)
verſch. von guot-l., gôt-l., (excellens) J. 369. 386 K. 18a; ſo
wie agſ. god-lîc verſch. von gôd-lîc, und engl. god-ly von
good-ly.
*)
andere bedeutung hat gilîh in guati-gilîh O. II. 7, 95. wor-
to-gilîh I. 18, 35. leido-gilîh V. 23, 435. (irgend etwas gutes,
irgend ein wort, irgend ein leid); thëgano gilîh im Ludw. l. iſt:
heldengleich.
*)
ich glaube jetzt über vêris, ahd. wâri klarer zu ſehen, als
vorhin ſ. 553. und rechne dazu weiter: miti-wâri (manſuetus);
zur-wâri (ſcandalizatus, d. i. turbatus) monſ. 413; ala-wâri (be-
nignus) hrab. 979b [agſ. ëal-værlic benignus] mhd. ale-wære, al-
wære (ſimplex, mit einer drehung des begriffs nhd. albern; war-
um nicht auch mand-wâri, falls das erſte wort mit mendî (gau-
dium) menden (gaudere) verwandt iſt? wogegen freilich das agſ.
monþvære und geþvære Beov. 94. ſtreitet.
*)
von ſuns (promptus) vgl. adal-funs, heri-ſuns (? hëra-funs,
ſ. §. 4.) agſ. gâr-fûs, ſið-fûs, väl-fûs Beov. 180; altn. geir-fûs,
hel-fûs, ſæm. edd. 250a hrôðr-fûs 184b ôð-fûs 74a vîg-fûs, die
bald adj. ſind, bald eigennamen.
*)
auch buch-ſiabieren, mit dem undeutſchen -ieren; dän. bog-
ſtavere, ſchwed. bok-ſtavera.
*)
Beov. 6. gehört umbor-vëſende nicht zu dem acc. ſg. hine,
ænne (welches vëſendne erforderte) ſondern zu þe und onſendon,
iſt folglich nom. pl., p. 91. aber umbor-vëſendum dat. ſg. oder pl.
Lye gibt (ohne citat) umbor für gleichviel mit omber, amber aus:
amphora, cadus; wäre umbor-vëſende ein weinberauſchter? den
wir noch jetzt weinſchlauch, weinfaß zu nennen pflegen [vgl. den
namen amphora für den trinker Bonoſus bei Vopiſcus, ſcriptt. H.
A. 2, 770.]. Die überſetzung p. 6. qui eum initio ablegarunt ſo-
lum per aequora temulenti, und p. 91. quod nos ambo fecerimus
in gratiam et honorem iſti ebrioſo (iſtis ebrioſis) läßt ſich am
übrigen inhalte, weil beidemahl nur epiſodiſch erzählt wird, gar
nicht prüfen; umbor = ombor hat auch bedenken, da man nach
dem ahd. eimpar ômber, âmber erwarten ſollte.
*)
ſôd-bora (vates, wahrſager) ſôð-cvide (effatum, eig. vera
opinio).
*)
lehrgeb. II. §. 465. p. 25; den hauptgrund wuſte er nicht
einmahl geltend zu machen, daß ſie im ahd. und mhd. beinahe
fehlen.
**)
gewöhnlich werden ſie ſich durch die praep. von, mit, aus
erklären; ſelten durch ein bewegendes in, an (ſ. 431. 433.) wiewohl
an ſich nichts dawider ſiritte; heim-gegangen, heim-gefahren iſt
zweifelhaftes beiſpiel (wie heim-gang, heim-fahrt), himmel-gefah-
ren, thier-verwandelt, meer-verſunken ſcheineu mir zuläßig, vgl.
das ſchw. berg-tagen und altn. hel-genginn.
*)
und dafür ſpricht: vëder liſet MS. 2. 240a; oder wäre zu
ändern vëder-lëſet, (vom ſubſt. vëder-lëſe) praet. vëder-lëſete?
deun vëder-liſet, praet. vëder-las leugne ich.
*)
oder einer Jat. verſion gefolgt ſein, wenn es nicht ſpätere
interpolationen aus der Itala ſind; die vulg. hat libellum repudii.
**)
kann ein thier gemeint ſein, deſſen räudige haut dem
ausſatz verglichen wurde? wie wir nhd. gänſehaut ähnlich ge-
brauchen.
*)
von efni (material); man ſagt auch kŷr-efni (vitulus)
hlâturs-efni, ſorgar-eſui; (ſtoff zu lachen und trauer) Raſk p. 219.
*)
vgl. bahnats ein dicke matraƷ Parc. 163b des rôten feites
einen roc Wigal. 55. vielleicht auch Iw. 16a zu leſen: niuwe klei-
der ſeites. Ich finde auch altſchwed. ſilkes-klæd, ſilkes-ſärk,
ſilkes-ſiykke.
**)
mnl. doemes-dach Maerl. 2, 106. jaersdach 3, 363. donres-
dach, woens-dach 2, 143. 144.; vgl. maaneds-dag in dän. volksliedern.
*)
und zeichen davon, daß die alleinſtehend veraltete ſchw.
genitivflexion fortdauert, ſei es nun für einzelne fälle des gen.
ſg. maſc. oder für den gen. ſg. fem. und neutr. insgemein, z. b. hah-
nen-kamm, ſonnen-wärme, augen-blick, da wir jetzt declinieren:
des hahns, der ſonne, des auges.
*)
über die mhd. zuſ. ſetzung mit erſtem ſchw. wort wären
ſteben verzeichniſſe zu führen 1) eig. mit comp. vocal bei kurz-
ſilbigen: bote-ſchaft. 2) eig. ohne comp. voc. bei langſilbigen:
tan-boum. 3) uneig. org. bei kurzſilbigen: boten-brôt. 4) uneig.
org. bei langſilbigen: ſunnen-âbent. 5) uneig. unorg. bei kurz-
ſilb.: herzogen-tuom (ſ. 491.). 6) uneig. unorg. bei langſilb.: vî-
gen-boum. 7) comp., welche das ſ. 423. 580. beſprochne -e ha-
ben, namentlich die mit hërze (hërze-luſt, hërze-liep), vielleicht
auch mit ouge und ôre, man kann ſie weder eigentlich noch un-
eig. neunen, aber unorganiſch.
*)
allgemeine regeln über ſprachwohllaut ſind ein unding; wie
viel ihm im deutſchen verſtattet werden darf, ſollte ordentlich
unterſucht werden. Uns geht nun einmahl das bedeutſame über
das gefallige; wie ganz anders verfahren iſt unſre ſprache z. b.
mit ihrem artikelpronomen, als die ital. oder franzöſiſche. Dieſe
ſind durch ihre ausbildung weicher geworden, die deutſche, je
weiter ſie vorrückte, hat von ihren älteren vollen tönen fahren
laßen. Bei bildung aller ſprachen bewährt ſich aber ein wunder-
bares geſetz des wohllauts in unendlicher verſchiedenheit, ein ca-
pital, das keine für die ganze dauer ihres lebens auszehrt.
*)
wenn anders die ältere ſprache hier zuſammenſetzt; Ulf.
hätte wohl ſuglja (auceps) geſagt wie ſiſkja (ἁλιεύς) und Marc. 1,
17. braucht er nachgeſtellten gen. nutans mannê nach dem gr.
ἁλιε[ὺ]ς ἀνθρώπων. Selbſt heute iſt uns fiſcher geläufiger als fiſchfän-
ger, wiewohl vogler beinahe verdrängt durch vogelfänger.
*)
ahd. finde ich nur das verneinende un-dara-lîh (obliquus,
impar, incongruus, indignus, vilis, agreſtis) ker. 9. 20. 177. 285.
monſ. 386. 387. un-darlîh (von ungleichen ſternen) N. Cap. 66. 68.
und mhd. das uncomponierte undære (indignus) undâre (indigne,
incongrue) vgl. 1, 340. wo es richtig aus -un-dâſi, un-daſa-lîh,
agſ. un-þäſ-lic erklärt wird (oben ſ. 31. gerathe ich auf den ab-
weg). Denn Marc. 14, 56, 59. überſetzt das agſ. þäſlic das griech.
ἶσος = goth. ſamaleiks, folglich iſt unþäſlic, ungeþäſlic, ahd.
undaralîh: impar, obliquus, ineptus. Der vcrlorne ſiarke ſiamm
muß geweſen ſein þiſan, þas, þêſun; ahd. dëſen, das, dâſun (dârun).
Den kurzen vocal in undaralîh (neben dem langen in undære) lehrt N.
*)
es kann freilich, wenn nur der nom. (beim neutr. nom.
und acc. ſg.) da ſtehet, zweifelhaft bleiben, ob compoſition oder
keine vorhanden iſt, z. b. das agſ. dëóp leán (magnum praemium)
würde uncomponiert den gen. dëópes leánes bilden, componiert
aber dëóp-leánes. Hier iſt die analogie zu berückſichtigen.
*)
ableitendes -ls läßt ſich kaum annehmen (ſ. 335.) und die
abgeleitete bedeutung von frëóls (ſolemnitas, d. i. feſt der frei-
*)
laßung? verſchlägt nichts, da das altn. friâls deutlich liber, libe-
ralis heißt. Auch ſtimmt dem ſinne nach der freie, unter das
loch der knechtſchaft nicht gebeugte hals. Man darf daher nicht
die agſ. und altn. form für die echte und die ahd. für die ent-
ſtellte halten (etwa durch eingeſchaltetes h, frihals f. frials, wie
mahal, pihil aus mâl, pîl, vgl. ſ. 509.). In den lombard. ge-
ſetzen ſcheint mir ful-freal entſprungen aus ful-fri-hals, vollfrei
volledelbürtig.
*)
von grôði (viror) ahd. gruoti monſ. 334. f. gruohadi, oben
ſ. 237. 238. nachzutragen; ich zweiſle nicht, daß auch das adj.
gruoni (viridis) aus gruohani entſpringe (ſ. 182, a.).
*)
auf die verſchiednen verhältniſſe der abſtammung wurde ge-
nau geachtet, ſ. oben ſ. 629. alt durinc etc.
*)
hernach unten das verb. ëben-hiuƷen (aemulari); vgl. wi-
derhiuƷi (aemulatio) Bon. 66, 5. und das einfache adj. hiuƷe Ot-
toc. 74b (von roſſen, alſo wohl fourig, muthig) MS. 2. 71b 78b
(von frechen bauern).
*)
dem Daſypod. iſt parvitas noch kleinigkeit.
*)
darum eſchen-bach Parc. 44c 196c nicht zu verwerfen
(ſ. 540.), es kann ahd. eſc[i]na-pah neben eſoi-pah (ſ. 448.)
beſtehen.
*)
ein ſtarkes þarbs (1, 719.) kommt nie vor, ſondern nur
ſchwachformig þarba (πτωχός) vgl. þarbam (nicht þarbáim) Marc.
10. 21. Joh. 12, 5. þarbanê Joh. 12, 6. þans þarbans Luc. 9, 11.
Wogegen das gleichbedeutige, häufigere unl[ê]ds ſtark (Matth. 11,
5. Marc. 14, 5. Luc. 16, 22. 19, 8.) und ſchwach (Luc. 14, 13. 16,
20. Joh. 12, 8. 13, 29.) gebraucht wird.
*)
von dem al- vor dem artikel in der ſyntax.
*)
aus den angeführten ahd. und mhd. belegen erhellt nicht,
ob das adj. zweiter oder erſter decl. folgt (ſ. hernach -ſam im
verz. nach dem zweiten wort); die vermuthung 1, 748. gebe ich
faſt auf, wie auch in der bedeutung lanc-ſam und lanc-ſeim ſchwer-
lich verſchieden ſind.
*)
ſollten einzelne -lich anders zu deuten ſein, nämlich aus ge-
lih? ſo daß armeclich arme-gelich, allecliche allegeliche (Barl. 24,
31.) wäre? vgl. ſ. 570. note und ſunderc-lich mit dem nhd. ſonder-
gleichen. Ich glaube nicht; es würde dann uneigentl. compoſition
eintreten, folglich ein gen. plur. ſtehen (armer-gelich), wie ſich
nie findet; auch entſcheidet die analogie von ec-heit dagegen.
*)
im ruſſiſchen wird, zwar ohne compoſition, zu demſelben
zwecke das adj. im inſtrumental wiederhohlt: tſchernim tſchernii
(ſchwarz-ſchwarz) oder noch ſtärker tſchernim tſcheruechonek,
Puchmayer p. 269.
*)
vgl. ſ. 525. 583. das ahd. kot-ſpël und kot-ſpëllôn.
*)
Der Gothe gebraucht für dieſe begriffe die unzuſammenge-
ſetzten verbaladjectiva ſkulds, mahts, kunþs, munds; vgl. die ahd.
chund und kiwis (certus, vom praet. wiſſa).
*)
daher ähnlich, aber ungleich dem wegfall des d in der III.
plur. praeſ., wo auch das n verloren geht.
*)
während in der III. pl. praeſ. -nt haftet.
*)
Doch; zoran-ougi (nicht zorn-) ſ. 155. agſ. toren-eáger zer-
rißen im auge, lippus.
*)
mhd. ſchreiber, im ahd. N., pflegen die praep. an ihren
caſus zu hängen, was doch niemand für wirkliche compoſition
auslegen wird, zudem häufig, und je ſpäter deſto häuſlger, die
*)
meiner anſicht nach entſpringen alle partikeln aus lebendigen
wurzeln; da nun, im deutſchen wenigſtens, keine wurzel vocaliſch
ſchließen, geſchweige aus bloßem vocal beſtehen darf, ſo muß für
alle partikeln wie â-, uo-, ga- etc. der verlorne conſonant geſacht
werden.
*)
praep. nicht an ihr eigentliches ſubſt., ſondern an den voraus-
gehenden artikel oder ein anderes pron. und adj. (bei N. ſogar an den
zwiſchenſtehenden gen.) geräth. Dieſe ungrammatiſche ſchreibung
wieder aufzunehmen wäre unangemeßen, obgleich ſie an die innere
gemeinſchaft der praepoſitionen und caſus mahnt. — Etwas anders
iſt, wenn praep. mit ihrem caſus ein neues adverbium bilden, z. b. ahd.
in-gimeitûn, zi-ſamane etc. deren vereinigung freilich beinahe com-
poſition wird.
*)
es wären noch andere zu bemerken, auf welche die gleiche
bedeutung bei vermehrung des conſonantiſchen anlauts führt, z. b.
br in brôga und ôga (terror), prort und ort (margo); k in kare
und arc etc.
*)
z. b. ſchrecklich theuer, unendlich lieb, ausgezeichnet ſchön.
*)
ich wüſte nicht, daß im ahd. mhd. oder in der heutigen
ſchriftſprache jemahls p oder b unterdrückt würden; gemeine
volksmundarten geſtatten wohl â-nehmen und dergl. für ab-nehmen.
*)
da kein ahd. apa-trunno vorkommt und im mhd. verſchie-
dentlich fehlerhaftes apt- für ab- geſchrieben wird, z. b. apt-cot,
apt-crunt f. ab-got, ab-grunt; ſo könnte auch abtrunne ſtehen ſ.
abe-runne, vgl. nachher bei ant- die form ant-runno. Anderer-
feits wird -trunno beſtärkt durch trunne (grex) und trennen (ſe-
jungere).
*)
aftana- (retro) ſ. unten bei faúrana-.
**)
dieſem altn. unterſchied zwiſchen aftr (aptr) und eftir (ep-
tir) entſpricht das ſchwed. åter und efter, dän. atter und efter, auch
in der compoſition.
*)
die goth. einiilbigen and- konnten leichter zu int-, ent- ver-
derben; in den zweiſilbigen anda- war der volle laut zu mächtig
und ant- blieb.
*)
die ſ. 318. verſuchte deutung des ahd. zaturra iſt fahren zu
laßen wegen zatre (meretrix) ker. 180. 181. zatare 259. und des
noch heute provinziell gebräuchlichen zatter, zotter, zotte. Ablei-
tung iſt folglich -urra, wurzel zat-, vielleicht zât- zu ſchreiben.
Noch weniger darf etwas gegen den obigen ſatz aus den unbe-
hülflichen überſetzungen ze manungû (ad monitionem f. admoni-
tionem) K. 16b ze wunſke (ad optionem f. adoptionis) K. 20a und
za teile (ad diviſionem f. diſtributio) K. 35b gefolgert werden. Er
hätte ſchreiben ſollen: zuamanunga, zuawunſces, zuateilunga.
*)
ob außer f-luſt, f-lor noch andere ſl- aus ſar-l. geleitet
werden können? oben ſ. 700. 701. für frëƷo und frâƷ aus far-ëƷo,
far-âƷ ſpricht außer dem mhd. ver-ëƷƷen das goth. af-êtja (ſ. 707.).
*)
wie in einigen andern compoſitis, z. b. weg-fall, her-berge etc.,
da man alleinſtehend wêg, her ſpricht.
*)
ob ſich insgemein für alle zuſ. geſetzten partikeln die regel
ſtellen läßt, daß ihre älteſte a-form (ga-, ar-, far-, fra-, fram-,
ant- etc.) noch nie des tons verluſtig gehe, ſondern tieftonig ſei?
ich komme in den ſchlußanm, darauf zurück.
*)
vgl. das -magus in celt. ſtädtenamen, nach der lautverſchiebung.
*)
gemahnt an das ſ. 632. note angeführte gruoti, das doch
ſchwerlich in gruori, giruori zu ändern iſt, ſo wie es nicht gruo-
rîg, ſondern nur giruorîg heißt.
**)
den oben überſehenen fall, wo ga- vor ein anderes perſön-
liches ſubſt. tritt, hohle ich hier nach; es ſind die verwandtſchafts-
wörter ahd. ka-vatero (compater) ka-vatara (commater) monſ. 382;
agſ. ſtark ge-fäder, ge-mêder, ge-brôðor (pl. ge-brôðru) aber
ſchwach ge-nëfa (nepos) etc.
*)
das goth. gamáids bedeutet leiblich ſchwach, das ahd. ka-
meit, agſ. gemâd, engl. mad ſchwach an geiſt, thöricht, das mhd.
*)
gemeit geht aus dem begriffe leer, dünkelhaft, eitel, leichtſinnig
ganz in die gute bedeutung von ſtolz, fröhlich, luſtig über.
*)
die malb. gl. zu tit. 3. chamitheuto, al. chamutevo, hama-
chito, könnte wiederum die partikel enthalten; da von einem tau-
rus communis de tribus villis gehandelt wird; ich verſtehe aber das
ſubſt. nicht.
*)
oder wäre ſie mit ga-geigan (lucrari) franz. gagner einer
wurzel, wie das altn. gagn wirklich iucrum, franz. gain heißt?
das brächte auf einen ganz andern weg, der aber auch formelle
ſchwierigkeit hat.
*)
in dem volksdialect der ſette communi, deutſcher anſiede-
lungen im obern Italien, finde ich hoſz für bei (Hormayrs tyrol
1, 46.); wenn die aufnahme richtig iſt, vielleicht bloßes ſpiel des
zufalls und entſtellung einer andern ahd. partikel, etwa des aƷ,
welches mit dem neunord. hos nichts zu thun hat.
**)
franz. chez bekanntlich aus caſa (domus).
*)
gleichbedeutig, aber formell verſchieden von mandwâri (ſ.
553. 577.)?
*)
das adj. ſamarart (oben ſ. 664.) ſcheint, wenn das ſubſt. ſa-
mar (barbaries) monſ. 331. richtig iſt, ſamar-art zu nehmen, oder
wenigſtens für ſamar-rart zu ſtehen, [und] nicht ſama-rart.
*)
das engl. until (donec, usque) gilt zwar altengl., aber nicht
agſ. (wo dafür oð) ſcheint daher wirklich ein daniſmus; vgl. goth.
und, ahd. untaƷ, unzi, mhd. unz. — Im gloſſ. edd. ſæm. 2, 816a
wird behauptet, daß für til in den älteſten denkmählern tî gefun-
den werde, wofür ich keinen beleg weiß, wodurch ſich aber auch
im altn. das l als ein unorg. anwuchs darſtellen würde.
*)
dieſer grund, wenn er der einzige wäre, würde von geringem
gewicht ſein; man könnte nämlich zur- (wie ant-) für die vollere
form der part. vor dem nomen, zër- (wie int-, ent-) für die
ſchwächere vor dem verbum nehmen.
*)
franzöſ. re-gain; litth. at-tolas, lett. at-als, at-ſals von at-
(re) und Ʒole, ſahle (gramen); ruſſ. ſerb. otava, böhm. wotawa,
vielleicht f. o-trava, wo-trawa, von trava, trawa (gramen)?
*)
wirthar kein ſchreibf. für withar, ſondern ſeltnere neben-
form, die auch ker, 98. 221. vorkommt und hrab. 973b lieſt die
hſ. dreimahl wirdar- ſtatt des abgedrackten widar- (vgl. ërdo für
ëdo. ëddo).
*)
hierbei fällt mir ein, ob nicht ſtatt des bedenklichen un-
biarja (ſ. 776.) zu leſen ſei un-bi-abrja (monſtra, portenta)?
*)
in welchem ſinn heißt ambro (ſchwelger, räuber) pi-noman
ker. 11. und pi-ſangan ibid.? inſofern er benommen (geraubt) hat?
das ſynonymum lehrt auf jedem fall die gl. monſ. 412. piroman in
*)
pinoman berichtigen und oben ſ. 467. 507. iſt die falſche form zu
ſtreichen.
*)
doch, jun. 248. an-fangan (ratus), das kaum f. ana-fangan;
ker. 27. an-baiƷ (hauſerat) f. in-peiƷ.
*)
es iſt mir nicht unwahrſcheinlich, daß dieſe zweideutigkeit
des en- zu dem nachtheiligen aufgeben der dem verbo vorſtehen
den verneinung im 14, 15. jh, mitwirkte.
*)
zweifelhaft iſt mir ineihan (ſo die hſ. für incihan) pim
delibor) hrab. 960a, ſchwerlich aber eihan part. praet. von ei-
gan (habere) ſondern etwa die alte form für gëhan = goth. áikan
(nach dem 1, 863. erklärten übergang aus II. in X.) folglich in-
eihan oder beßer in-eihhan = goth. and-áikan oder ana-áikan
(delibare)? denn für and-áikan ſollte gl. hrab. allerdings int-eih-
han haben. Und wie verhält ſich dazu neihhentêr (libans) nei-
hunga (libatio) neihhit (immolat) jun. 175. 188. 192? ein ſtamm
nîh, neih iſt unerhört und in-neihan unwahrſcheinlich; wie wenn
überall geleſen werden müſte in-eihhentêr etc. oder alterthum des
begriffs und der ſorm erlaubte, hier eine aphäreſe anzunehmeu
n-eihhen für in-eihhen? Die parallele von in-heiƷan, in-eihhan,
in-ſakên und wohl auch in-quëdan (ſamtlich: diis vovere, diris
devovere) leuchtet ein, ihre partikel ſei nun urſprünglich and,
ana-, oder ïn-.
*)
daß dieſes re- wörtlich unſrer part. verwandt ſein könne
wäre zu behaupten ſehr gewagt, es ließe ſich dafür höchſtens die
mhd. umdrehung des er- in re- beibringen (1, 387.); lieber ſuche
ich er- im lat. ex für ec-s.
*)
ſonderbar ſteht Rom. 12, 19. ei gildáu, ïk ſragilda f. ἐγὼ ἀντ-
[α]αποδώσω
; oder ſoll durch ei gildau bloß fraveitô ([ἐ]κδίκ[υ]σις) erläu-
tert werden?
*)
es wird ſich wohl noch einiges beſtimmen laßen, z. b. daß
gewiſſe abſtracta (ſîn, wëſen, wërden) ſich überall dem ge- verwei-
gern; auch glaube ich, daß vor finden, komen etc. nie ge- ſtatt-
findet: der grundſatz weicht dann einem ſtärkeren collidierenden.
**)
woraus folgt, daß wiederum in die gloſſare alle infinitive
mit der ge-form bei mögen etc. behutſam einzutragen fiud.
*)
zuſammenhang des augments mit der reduplication ſchließt
es vielleicht nicht aus, ja die letztere erinnert an das oberdeutſche
verdicken oder verdoppeln der anlautenden conſonanz (ſ. 847.),
wiewohl im goth. das ga- neben der redupl. gilt (gaſtaiſtald) etwa
wie im griech. plusquamperſect? Ulf., wenn ich nicht irre,
braucht mit gefühl ſein ga- gern wo ein griech. augment oder
eine redupl. ſteht, vgl. vagid (σαλευόμενον) Luc. 7, 24. Matth. 11, 7.
gavigan (σεσαλευμένον) Luc. 6, 38. wenn nicht andere rückſichten
überwiegen. Es iſt hier der ort nicht, ſolche vermuthungen weiter
zu erörtern, noch die, daß ſich doch in einzelnen praeſensformen
augmente nachweiſen laßen dürften.
*
andere gründe für die eingetretene zuſ. ſetzung kann abge-
ben, a) daß ſich das part. praet. mit privativem un- componiert,
z. b. unabgebrochen, unangefochten, unangemeldet, unaufgeſcho-
ben, unaufgefordert, unausgemittelt, uneingetragen, unhergeſtellt,
unvorbereitet, unzubereitet, unzuſammengeſetzt etc. doch ſcheinen
dieſe bildungen ſehr neu und gelten nicht in allen fällen, man
ſagt nicht leicht: unbeigebracht, undargebracht, unfortgetragen,
unhingeſtellt, unmitgenommen, unnachgelaßen, unniedergeſchla-
gen. b) daß das part. praet. mit haben und ſein conſtruiert auch
in directer rede die partikel vor ſich behält, z. b. ich habe aufge-
fangen, wer hat aufgefangen? während es ſonſt heißt: ich ſange
auf, wer fängt auf?
*)
die unterſcheidung zwiſchen wider und wieder (oben ſ. 796.)
iſt doch wohl nicht rein erfunden, ſondern eben auf die beobach-
tung gegründet, daß in der zuſ. ſetzung mit verbis das unbetonte
wider- von dem betonten wieder- abſteht, daher letzteres dem im-
*)
mer betonten nieder gleicht und überhaupt das nhd. ie für i be-
tonung vorausſetzt. Ganz rechtfertigt ſich dadurch die doppelte
ſchreibung nicht; theils iſt die part. vor ſubſt. immer betont, theils
unterſcheidet man ja die übrigen partikeln nicht auf ſolche weiſe.
*)
iſt die form jouhhan, jauhhan richtig, ſo beſtätigt ſie, was
auch aus dem goth. ga-jiukan Joh. 16, 33. hervorgeht, den ſtar-
ken wortſtamm (nr. 537b) jiukan, jáuk, jukun; ahd. jiohhan, jouh,
juhhun (johhun); vgl. goth. ga-juk (par) und ga-jukô (ſimilitudo).
**)
ſonſt ſtände wohl T. 158, 7. untar-ſcowotun ſih ſtatt ſc. ſih
thâr untar zuiſgên; und 160, 6. 169, 1. iuwih minnôt untar
zuiſgên.
*)
privatives un- vor part. praet. (ſ. 873.) finde ich im ahd.
nicht, außer bei jenen ſechs partikeln, zumahl bei durah-, z. b.
un-durahtan K. 25a un-thuruhzokan, un-thuruhlêrit ker. 166.
*)
im ahd. würde zi und ni entſcheiden z. b. zwiſchen z’inpî-
Ʒanne und in zi pîƷanne, nicht aber im agſ., wo beide fälle tô
onbîtanne lauteten.
*)
die gebundenheit der partikeln in Ulfilas proſa (wobei auch
die ſirengere befolgung eines griech. oder lat. textes anzuſchlagen
iſt) würde vielleicht in goth. liedern, wie in altu. und ahd., ver-
ſchwinden.
*)
um ſo weniger kann ein mhd. gotheits amme g. ſchm. 293.
recht ſein (es wäre ſchon als ſchreibſ. merkwürdig); andere hſſ.
die ich nachgeſehen, auch kolocz 293, [leſen]gotes amme.
*)
man vergleiche die zwar ſinnliche, aber ungeſüge däniſche
(nicht ſchwediſche) umſchreibung der cardinalzahl 50. 70. 90.
*)
oder läßt ſich tvi-ſvar, þri-ſvar für componiert mit ſvar
(reſponſum, loquela) nehmen, aualog dem hochd. zwei-, drei-
mahl?
*)
vgl. die hausgeſindenamen, kindermährchen 3, 233-235.
*)
böhmiſche und ruſſiſche beiſpiele geben Dobr. p. 62. und
Puchmayer p. 98.
*)
andere beiſpiele dieſer ſogenannten genitivi imminuti hat
Lobeck 1. c. pag. 669.
*)
die lebendigen (grammatiſch unzerlegten) wörter ſcheinen
freilich beßer mit σ ſtatt ς- zu ſchreiben (κυνόσουρκ, ξλλήσποντος); ein
deutſches windſpraut, manuſplut folgt aber nicht daraus.
*)
zuweilen ſteht unorganiſch für : ἀρχί-βουλος, τερπι-κέραυνος.
*)
vgl. Lob. l.c. 769-71; es kann auch, wie (vorhin ſ. 974.) beim
dat. pl. das wegfallen, z. b. ϕερέσ-βιος (lebenbringend) f. ϕερεσί-βιος.
**)
ohne dieſe flexion bliebe nur übrig, in den verhandelten
zuſammenſetzungen einen blinden bildungstrieb für das -σι oder
gar rohe nachahmung jener dat. pl. anzunehmen. Bemerkenswerth
iſt auch daß in den meiſten zuſ. ſetzungen ſtarke (d. i. unabgelei-
tete) verba vorkommen, ſeltner ſchwache (ἐράσι, κρατήσι, ϕιλήσι).
*)
es ſind noch einige andere erſcheinungen zu deuten, z. b.
λιπεσ-ήνωρ (mannverlaßend) ſt. λείψ-ανδρος, λιπό-δερμος (circumciſus)
neben λειπό-δερμος und auf mancherlei weiſe deutbar.
**)
geht hier das rechte licht auf über den goth. eigennamen
vinjái-ſriþas? den ich ſ. 483. nicht verſtand und in vinja-fr. emen-
dieren wollte. Er ſcheint uneigentlich componiert und vinjái im-
perativ von vinjan, das vielleicht alere, paſcere bedeutete, alſo
ſerva pacem, ſlav. vladi-mir? Wahrſcheinlich ſind auf dieſer
neuen bahn noch mehr goth. und ahd. nom. pr. zu deuten.
*)
ausnahme das franz. bat-beurre (butterſtößel) bat-cul
(ſchwanzrieme) bat-queue (motacilla) von battre, das ſpan. bati-
hoja (blechſchläger) von batir, ital. batti-cuore (herzſchlag) batti-
fuoco (feuerſtahl) batti-ſegola (kornblume, die ans korn ſtoßende)
von battere, vielleicht noch andere.
*)
ich habe bedacht, daß ἄγεσι, ϕέρεσι die III. ſg. praeſ. ind.
einer veralteten form auf -μι ſein könne, nach analogie von ϕησί
(ait) δείκνυσι, wofür ſich auch taug-nichts und neznaboh geltend
machen ließe; die übrigen wahrnehmungen zuſammen weiſen mehr
auf einen imp., auch componieren ſich die wirklichen verba auf
-μι gerade nicht ſo.
*)
erkennen die grammatiker auch im griechiſchen den unter-
ſchied zwiſchen eigentlicher und uneigentlicher compoſition an,
folglich die nothwendigkeit, daß jene im erſten wort alle flexion
auswirft, dieſe umgekehrt behält; ſo wird weder von einem o
caſuale (Lob. p. 678. 679.) noch von einem weggelaßenen ſigma
finale (Lob. p. 681.) noch von einem euphoniſchen ſigma (Buttm.
lexil. p. 165.) die rede bleiben. Den gegenſatz zur eigentl. zu-
lammenſetzung macht in der griech. uneigentlichen verbalen die
weſentliche wirkende kraft des erſten worts höchſt ſichtbar.

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TextGrid Repository (2025). Grimm, Jacob. Deutsche Grammatik. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bj69.0