aus dem 119. Psalm v. 54.
Deine Rechte ſind mein Lied in meinem Hauſe;
bei Anſehnlicher und Volckreicher
Leichbeſtattung
Des weiland Edlen/ Hoch-Achtbaren
und Wohlgelahrten
Herrn Henrich
Schuͤtzens/
Churfl. Saͤchſ. aͤlteren Capell-Meiſters/
Welcher im 88. Jahre ſeines Alters am 6. Novembr. dieſes
1672. Jahres/ alhier zu Dreßden ſanfft in ſeinem Erloͤſer einge-
ſchlaffen/ und darauf den 17. ejusdem in der L. Frauen-
Kirchen ſein Ruh-Staͤdlein be-
kommen/
Gedruckt daſelbſt durch Melchior Bergens/ Churfl. Saͤchſ. Hof-
Buchdr. ſel. nachgelaſ. Wittwe und Erben.
Dem Wohl-Edlen/ Veſten/ Hochgelehr-
ten/ und Hochweiſen
Herrn
CHRISTOPHORO
Pinckern/
Fuͤrnehmen JCto, Churfl. Durchl. zu Sachſen Appellati-
on-Rath/ des Schoͤppenſtuhls zu Leibzig Aſſeſſeori und
aͤlteſten hochverdienten Buͤrgemeiſter ꝛc.
wie auch
Dem Wohl-Wuͤrdigen/ Hoch-Achtbarn/ Wohl-
gelehrten und Wohlweiſen
Herrn Johan Seideln/
Dom-Herrn zu Wurtzen und Raths-Verwand-
ten zu Leibzig/
Samt deſſen hertzgeliebten Hauß-Ehre
Der Edlen/ Viel-Ehr- und Tugendreichen
Frauen Gertraut Lupbroſinen/
geborner Pinckerin/
Ubergiebet zu erbaulichen Andencken dieſe Jhrem
Seel. reſpective Hn. Schwieger-Groß-
Schwieger- und Groß-Vater gehaltene
Leich-Predigt/ nebenſt anwuͤntſchung al-
les gedeulichen Wohlergehens und himli-
ſchen Segens durch Chriſtum
M. G. D.
HERR lehre uns bedencken/ daß wir ſterben
muͤſſen/ auff daß wir klug werden/ Amen.
WEnn wir/ alleſamt Gelieb-
te in dem HErrn JEſu/ uns in
unſerer Teutſchen Bibel mit Fleiß um-
ſehen/ werden wir darinnen mehr nicht/
als einen Sangmeiſter antreffen;
nemlich den Chenanja/ I Paral. 16. (ebr.
15.) 22. 27. der Leviten Oberſten/
der ſie unterweiſete zu ſingen/ denn er war verſtaͤn-
dig. Zwar wird uns ſolches von etlichen diſputirlich ge-
macht/ weil in heiliger Sprache ſtehet das wort [...] (von dem
[...] auffheben/ tragen;) welches ſie verſtehen von dem Auf-
heben der Bundeslade/ ſolcher geſtalt/ das Chenanja der oͤber-
ſte Auffſeher geweſen/ welcher/ wen und wo ſelbige ruhen/ inglei-
chen wen ſie wieder auffgehoben und fortgetragen werden
ſollen/ die anordnung ertheilet. Allein ob dazu eben ſo groſſer
Verſtand ſei erfodert worden/ wie alhier dabei ſtehet/ (den er
war verſtaͤndig/) laͤſſet ſich noch wohl zimlich zweifeln. Der-
halben weil das Nasá von Eꝛhebung der ſtimme ſonſten mehr-
mahls zu finden/ (als Geneſ. 27, 38. 20, 11. Judic. 9, 7. \&c.)
weil auch der Saͤnger/ und nicht der Traͤger/ ausdruͤcklich
nebenſt dieſen maſa gedacht wird v. 27. (Chenanja haſsár
hammaſsá hamſchorerim: Chenanja der Sangmei-
ſter mit den ſaͤngern/) ſo haben wir nicht eben urſach von den
LXX. Dolmetzſchern abzutreten/ welche ihn nennen [...]
B [...][]Die koͤſtlichſte Arbeit. [...], Den fuͤrſteher der geſaͤnge. Auff welche meinung
auch der gelehrte Vatablus gloßiret: moderabatur lationem,
ſubint. vobis. principatum tenebat in cantu illô ſublimio-
re: præerat exaltationi vocis, gallicè: il tenoir la haulte-
contre. Das iſt/ er regierte die erhebung/ verſtehe/ der
ſtimme/ er hatte den vorzug in denſelben hoͤhern geſange.
Der Salomo Jarchi hat gleiche gedancken: er war Fuͤrſt o-
der meiſter bêmaſſa in der erhebung des geſangs. Wor-
auff er auch die folgende worte erklaͤret: [...] er corrigirt/ halff
ein und beſtraffte in der melodie und liebligkeit des geſan-
ges/ wen die ſtimme entweder ſolte erhoͤhet oder geſencket
werden. Den er war verſtaͤndig/ nemlich in erhebung
des ſingens/ der ſtimme und der zunge. Wozu er anfuͤh-
re den ſpruch 1. Paral. 25, (26.) 7. und es war ihre zahl ſamt ih-
ren bruͤdern/ die im geſang des HErrn gelehrt waren/ al-
leſamt Meiſter (da ſtehet eben/ wie hier: [...]) zwei-
hundert und acht und achzig. Ein anderer bekandter Ju-
de/ David Kimchi legts faſt eben alſo auch aus: ſeine Weiß-
heit oder kunſt zu ſingen theilte er andern mit und unter-
wieſe ſie/ daß er were ein Fuͤrſt oder groſſer meiſter in der
weiſſagung. item: nach anderer meynung, er war
meiſter in erhebung der ſtimme/ er that es ihnen (an der
ſtaͤrcke und liebligkeit) allen fuͤr in ſingen. [...] das lieſet er
[...] er blieb ein Fuͤrſt/ er excellirte; welches er beſtaͤrcket
durch gleichmaͤßige/ verwechßlung der buchſtaben/ Eſrae 4,5:
[...] fuͤr [...]\&c. Wolte man ja wegen Erhebung
der ſtimme noch etwas anſtehen bei dem Worte Maſſa, ſo
koͤmt uns dennoch zu ſtatten/ daß eben daſſelbe zu zeiten auch ſo
viel iſt als Propheceiung oder Weiſſagung. Nun iſt aber
bekant/ daß zu Davids Zeiten eben bei ſolchem werck ſo wohl
vocal als inſtrumental muſic uͤblich geweſen/ ſintemal wen
dem[]Die koͤſtlichſte Arbeit. dem Saul ein hauffen Propheten begegnen/ ſo gehet fuͤr ihnen her
ein pſalter/ und baucken/ und harffen [und] pfeiffen/ und ſie weiſ-
ſagen: 1. Sam. 10, 5. Wohin auch der albereit angefuͤhrte Kimchi in
ſeinen worten zweifelsfrey geſehen. Und alſo bleibet dem Chenanja ſei-
ne ehre/ daß er der Fuͤrnehmſte Sangmeiſter zu des Frommen Da-
vids Zeit geweſen/ der ſonder zweiffel in groſſen werth von ihm/ als der
die Sache ſelbs verſtanden/ iederzeit gehalten worden. Qvoad tex-
tum 1. Par. XV, (XVI) 27. notari poteſt R. Sal. Jarchy ut \& Aben-
danæ obſervatio,, repetendum eſſe nomen rectum ſinem emph. h.
m. \& Chenanja erat [...]princeps ſeu præcipuus, [...]prin-
ceps elevationis; addo, pari ratione etiam repeti poſſe [...]
[...]elevationis cantantium, h. e. dirigebat cantantium voces ele-
vandas.) Zwar ohne iſt es nicht/ daß auch in dieſer Singekunſt zimli-
chen ruhm erlanget haben/ Ethan der Esrahiter/ Heman/ Chal-
chal und Darda/ welche Tichter mit dem weiſen Salomon verglichen
werden/ 1 Reg. 4, 31 Abſonderlich ſtehet von Heman/ Jedithum/ (wel-
chen etliche vor einen halten/ mit dem Ethan/) und dem Aſſaph/ daß
ſie geweiſſaget haben mit harffen/ pſaltern und cymbeln, 1. Paral.
XXX (XXVI) 1. item Aſtaph habe geweiſſaget bey dem Koͤnige: v.
2. ingleichen Heman ſei der Schauer des Koͤnigs geweſen/ in den
worten Gottes/ das Horn zu erheben; v. 5. das iſt/ ſie haben bey der
hofhaltung ſich muͤſſen finden laſſen/ ſo wohl bei der kammer-music oder
an der tafel/ als auch beim Gottesdienſt ihre auffwartung iederzeit abzu-
ſtatten/ und diß ſo wohl mit der ſtimme/ als mit inſtrumenten/ ſo wohl
lieder ſelbs auffzuſetzen/ als auff die gegebene Texte beqveme melodeien
zu verfertigen. Gleichwohl fuͤhret unter dieſen keiner einen ſolchen ti-
tel/ wie Chenanja; und ſcheinet alſo/ daß er fuͤr den andern des Sang-
meiſters titul meritiret und behalten habe.
Solten wir unſern in Gott ruhenden (tit.) aͤltern Churfl. Saͤchſ.
Capelmeiſter Herr Heinrich Schuͤtzen/ deſſen leichnam wir itzt hieher
begleitet haben/ auch einen titel aus heiliger Schrifft auffſuchen und zu-
B 2thei-[]Die koͤſtlichſte Arbeit. theilen/ wuͤrden wir hoffentlich nicht verſtoſſen/ wen wir ihn als einen
ſolchen Sangmeiſter in ſeinem tode ruͤhmeten. Am tage liegt es/ daß er
in die 57. jahr treue dienſte an dieſem Chur-Saͤchſiſchen Hofe erwieſen/
und ſo wohl bei der tafel-muſic nach Gelegenheit/ als auch in der Hof-
capelle ſonderlich/ manch ſchoͤnes Singewerck verrichtet. Ja woͤ-
chentlich werden noch alleweil ſeine herrlichen melodien uͤber den Pſalter
Davids gebrauchet; Zugeſchweigen anderer ſeiner guten Arbeit/ ſo in
und auſſer Teutſchland wohl bekant iſt. Unterweiſete Chenaja die
Leviten/ zu ſingen/ dieweil er verſtaͤndig war; ſo hat gewiſtlich un-
ſer ſeliger Herr Schuͤtz auch manchen guten diſcipul gemacht und hin-
terlaſſen/ den er war verſtaͤndig. Hat jener das werck des HErrn
tapffer getrieben/ ſo hat gewißlich unſer Herr Schuͤtz ſeel. auch die Rech-
te Gottes ſein Lied in ſeinem hauſe redlich ſein laſſen; und diß ſo eine
geraume Zeit/ daß er wenig ſeines alters unter uns gelassen/ welche in die
87. jahr lang Gottes ruhm durch geſaͤnge alſo hetten befoͤrdert und ge-
trieben. Er hats noch hoͤher gebracht/ als ſchon Moſes zu ſeiner zeit
das hohe ziel beſtimmet/ Pſ. 90, 11: unſer leben wehret 70. jahr/ und
wenns hoch koͤmt/ ſo ſinds achzig jahr. Uber dieſes hoch-kommen
hat der Hoͤheſte ihm noch Sieben jahr gegoͤnnet/ und zwar alſo/ daß er
biß in das 88. jahr noch iederzeit bey zimlichen Kraͤfften und guter ge-
ſundheit/ biß auff wenig ſtunden vor ſeinen ſeligen Abſchiede/ verblieben.
Ja er iſt gar aus dieſer welt faſt alſo hinaus kommen/ daß er kein lang-
wieriges ſiechen ausſtehen duͤrffen/ ſondern in einem gar gelinden ruck
hinuͤber in jenes lebens-land uͤberbracht worden. Es heiſſet itzo recht
von Jhm/ wie der HErr JEſus redet im heutigen Evangelio (Matth.
9, 24:) Herr Schuͤtz iſt nicht todt/ ſondern er ſchlaͤffet. Wohlan/
wir wollen dieſen Beruͤmten Herr Sang- und Capel-Meiſter zu ſei-
nen letzten ehrenandencken annoch das jenige verrichten/ was er ſelbſten
eigenhaͤndig auffgeſetzet. Und damit ſolche unſere Andacht Gott dem
Allerhoͤheſten gefaͤllig/ uns ſelbſten aber erbaulich fallen moͤge/ wollen
wir[]Die koͤſtlichſte Arbeit. wir um himliſchen beyſtand zufoͤrderſt bey unſern Guͤtigſten Vater im
namen JEſu Chriſti anhalten in einem glaͤubigen Vater unſer.
Die Wort/ ſo unſer ſeel. Mit-Bruder bei geſunden Tagen
zu ſeinen letzten Ehren-Gedaͤchtnuͤß ausgezeichnet/ lauten
aus den 119. Pſalm v. 54. alſo:
’
Eingang.
GJebts in der welt un-
nuͤtze/ elende und falſche arbeit/
da bildſchnuͤtzer/ mahler/ toͤpffer und
ihres gleichen/ ihre zeit und kunſt/ zu befoͤrderung
falſchen Gottesdienſtes und aberglaubens/ gar
uͤbel anwenden; Weißh. XV, 4. 8. 9: arbeiten
ihrer viel in wind/ Predig. V, 15. ſo giebt es doch
gleichwohl auch hinwiederum gar koͤſtliche arbeit/ nemlich die jenige/
womit ſich unſer ſeel. Herr Capelmeiſter ſonderlich beluſtiget/ nach laut
Sirachs XLIII, 32: ſo gar/ daß er ſelbigen ſpruch auffs zierlichſte uͤber
ſeinen Schranck der muſicaliſchen arbeit ſetzen laſſen/ der alſo lautet:
lobet und preiſet den HErrn/ ſo hoch ihr vermoͤget/ er iſt doch noch
hoͤher. Preiſet ihn aus allen kraͤfften/ und laſſet nicht abe/ noch
werdet ihrs nicht erreichen. Redet alſo von
(1.) Einer gar froͤlichen arbeit/ welche beſtehet in lauter loben
und preiſen. [...] heiſſet etwas in die hoͤhe bringen/ alſo/ daß es
fuͤr andern herfuͤr rage/ und weit und breit koͤnne geſehen werden/ wie al-
B 3ſo die[]Die koͤſtlichſte Arbeit. ſo die eherne ſchlange von Moſe erhoͤhet ward/ Joh. 3. 14. Hernach be-
deutet es auch/ wuͤrcklich einen alſo Erhoͤhen/ daß er in groſſen ehren
und aller gluͤckſeligkeit empor ſchwebe; wie alſo GOtt die demuͤtigen
erhoͤhen wil/ 1. Pet. 5, 6: wie er auch ſeinen Sohn ſelbs durch ſeine
Rechte und zu ſeiner Rechte albereit erhoͤhet hat: Actor. 2, 33. Hierne-
ben aber heiſſet es auch zu weilen ſo viel/ als/ ſich ſelbs oder andere nur
mit worten Erhoͤhen oder groß machen/ wen viel pꝛalens/ großſprechens
und auffſchneidens gemachet wird/ da ihrer viel ſich ſelbs Erhoͤhen/
und alſo ihre erniedrigung ſelbs befoͤrdern: Matth. 23, 12. Alſo achtens
ihrer viel fuͤr eine ſonderbare kunſt/ durch orationes, carmina, lieder
und dergleichen aus einer muͤcke einen elephanten zu machen/ und die je-
nigen hoch zu heben/ die von rechts wegen in der tieffe ſich noch wohl be-
helffen koͤnten. Wen aber ſolches Erhoͤhen gegen GOtt gefunden
wird/ daß der menſch denſelben Erhoͤhet/ ſo darff man an kein ſichtbares
Hochheben/ oder auch an keine wuͤrckliche zuwendung hoͤherer gluͤckſe-
ligkeit gedencken/ ſondern alle ſolch Erhoͤhen geſchicht bloß mit innerli-
chen gedancken des menſchlichen Hertzens/ da man der gebuͤhr nach/ den
Schoͤpffer als das Hoͤchſte gut uͤber alle creaturen weit empor hebet/ oder
unermeßlich hoch achtet/ da man auch hernach mit der zunge ihn hoch
ruͤhmet/ es geſchehe nu mit freyen/ ungebundenen/ gleichflieſſenden/ oder
mit eingeſchrenckten worten/ welches wir reime nennen; es geſchehe in
reden/ oder in ſingen: wie alſo Exo. 15, 2. Moſes ſang: Das iſt mein
Gott/ ich wil ihn preiſen; er iſt meines Vaters Gott/ ich wil ihn
erheben. Jngleichen David Pſal. 34, 3: preiſet mit mir den HEr-
ren/ und laſt uns mit einander ſeinen namen Erhoͤhen/ Pſal. 99[,] 5.
erhebet den HErrn unſern GOtt/ betet an zu ſeinen fußſchemel/
den er iſt heilig: v. 9: erhoͤhet den HErrn unſern GOtt/ ꝛc. Wor-
aus den zur gnuͤge erſcheinet/ daß ſolches Erhoͤhen von Herrn Luthero
gar fein deutlich durch das Loben ſei ausgeſprochen worden/ ſintemal
wen man Gottes ſeine uͤberſchwengliche majeſtaͤt/ ſeine groſſen werck
und wunder/ uͤber alles andere hoch hebet und kundbar zu machen bemuͤh-
het[]Die koͤſtlichſte Arbeit. het iſt/ ſo geſchicht ſolches durch nichts anders/ als vernemliches/ ehrer-
bietiges/ erfreuliches und inbruͤnſtiges Loben. Nebenſt welchen worte
aber auch noch das Preiſen ſtehet: [...], gebt ehre/ macht klar
und anſehnlich/ daß man ſich uͤber den ungewoͤhnlichen glantz entſetzen
und verwundern muͤſſe/ wie etwa geſchach uͤber dem ( [...]) glaͤn-
tzenden angeſicht Moſis/ 2. Corinth. 3, 10. Wie alſo die heuchler zu fa-
ſten/ beten und almoſen auszutheilen pflegen/ damit ſie [...] ge-
preiſet werden von den leuten: Matth. 6, 2. Anderswo gibts Herr
D. Luther durch verklaͤren/ Joh. 17, 1. ſeqq. Wen demnach des Prei-
ſens hier gedacht wird/ ſo verſtehet ſichs von einer ſolchen heiligen ent-
zuͤckung eines gottſeligen gemuͤths/ wen daſſelbe ſeines guͤtigen GOttes
allmacht/ guͤtigkeit/ weißheit/ warheit/ gerechtigkeit/ ſo wohl im geoffen-
barten wort/ als auch in den ſcheinbaren wercken/ nach der laͤnge durch-
gehet/ eines gegen das andere haͤlt/ zum theil was ſchon geſchehen/ was
itzo geſchicht/ und noch kuͤnfftig geſchehen wird/ zum theil/ was er an den
Gottsfuͤrchtigen/ und den auch was er an derer widerwaͤrtigen erwieſen/
und alſo endlich in ein vollſtaͤndiges ungefaͤrbtes Preiſen heraus bricht/
daß auch andere ſolche unſere gedancken vernehmen koͤnnen. Auff wel-
che art Matth. 5, 16. ſtehet/ wir ſollen unſer licht laſſen leuchten/ da-
mit die leute unſere gute wercke ſehen/ und Gott den Vater im
Himmel preiſen: wie alſo das volck Gott uͤber der wunderlichen huͤlffe
des gichtbruͤchtigen preiſete/ c. 9, 8. Marc. 2, 12. ingleichen die hirten
uͤber des Meßiæ geburt/ Luc. 2, 20: und der curirte auſſaͤtzige uͤber ſeiner
geſundheit/ c. 17, 15.
Fahren wir in dieſer Arbeit fort/ ſo iſt ſie auch (2) Heilig/ den ſie
hat mit dem Allerheiligſten zu thun: lobet und preiſet den HErren.
Wen andere ihre ſinreichen koͤpffe zerbrechen uͤber dem lobe und preiſe
eiteler und nichtswuͤrdigen dinge/ loben den eſel/ den ſchatten/ die muͤcke/
das zipperle/ den floch/ und was der haͤndel mehr ſein/ (vide ſis Areti
um in 2. Timoth. p. m. 394. Reineſ. prafat. de lingvâ Pun. Eraſmi mo-
riam
[]Die koͤſtlichſte Arbeit.
riam p. m. 68. Herrenſchn. oſeulol. præfat. Schuppii oper. p. 402. \& c.)
wan andere wohl gar die laſter oder ihre puͤberei und loſe ſtuͤckgin her-
aus ſtreichen/ oder aber ſie loben die/ ſo ſie lieben/ preiſen ihre Patronen/
hohe haͤupter/ und dergleichen/ ſo ſaget hingegen Sirach von einer an-
dern materie: loben und preiſet den HErren nemlich der der rechte
HErr iſt aller Herren/ und der Koͤnig aller Koͤnige/ 1. Timoth. 6.
15. Apoc. 17, 14. 19, 16.: welcher iſt der HErr/ der Allmaͤchtige Gott/
deſſen wercke groß und wunderſam/ deſſen wege gerecht und war-
hafftig ſind/ der da iſt der Koͤnig der Heiligen. Wer ſoll dich nicht
fuͤrchten/ HErr/ und deinen namen preiſen? den du biſt allein hei-
lig/ ꝛc. c. 15, 4. Ach dieſer HErr iſt groß und ſehr loͤblich/ und ſeine
groͤſſe iſt unausſprechlich: Pſal. 145, 3. Wer uͤber dieſes Herrnlobe ge-
ſchaͤfftig iſt/ wer hieran ſeine kraͤffte wendet/ der hat lauter heilige arbeit
fuͤr ſich; dem vergehen alle andere uͤppigkeiten/ und findet er uͤbrig ge-
nug/ womit er ſo wohl die zeit vertreiben/ als auch ſein gemuͤth erqvicken
und vergnuͤgen koͤnne. Cauſa diligendo Deum eſt ipſe Deus: mo-
dus diligendi ipſum eſt ſine modô; ſaget gar ſchoͤn Bernhardus in
ſeiner rede de dilig. Deo: das iſt/ die urſach/ warum man Gott liebẽ
ſoll/ iſt Gott ſelbs: Die weiſe oder maße/ wie man ihn ſoll lieben/
iſto ohne weiſe oder unmaͤßig. Dieſer HErr/ wie Sirach ſpricht c.
18, 1. iſt allein gerecht/ niemand kan ſeine wercke ausſprechen. Wer
kan ſeine groſſe wunder begreiffen? wer kan ſeine groſſe macht
maͤſſen? wer kan ſeine groſſe barmhertzigkeit erzaͤhlen? man kan
ſie weder wehren noch mehren/ und kan ſeine groſſe wunder nicht
begreiffen. Dannenhero geſchichts/ daß dieſe arbeit auch iſt
(3) Muͤhſam: lobet und preiſet den HErren/ ſo hoch ihr ver-
moͤgt/ [...], das iſt/ ob ſchon manche arbeit ſich gleichſam
ſpielend verrichten laͤſſet/ es iſt ein parergon, es bedarff nicht viel kopff[-]
brechens/ ſo iſts doch mit dieſem lobe Gottes gar nicht auff ſolche weiſe
gethan/ ſondern da heiſt es: ſo hoch ihr vermoͤgt/ thuts/ als aus dem
ver-[]Die koͤſtlichſte Arbeit. vermoͤgen/ das GOtt darreichet/ wie etwa Petrus (wiewohl in etwas
anderen abſehen/) alſo redet/ 1. Epiſt. c. 4, 11: redet iemand/ daß er
rede als GOttes Wort: Dienet iemand/ das ers thue als aus den
vermoͤgen/ das GOtt darreichet/ damit GOtt in allen dingen
gepreiſet werde. Da koͤmt einem danckbaren Diener dieſes HErrn
zu/ daß er anſpanne alle kraͤffte ſeines verſtandes/ ſein gedaͤchtnis/ ſeine
hertzens bewegungen/ ſeine aͤuſerliche ſinnen/ mit fleißigen leſen/ anhoͤ-
ren/ wiederholen/ nachfragen/ vergleichen/ mit anwendung tuͤchtiger
worte/ anfuͤhrung denckwuͤrdiger dinge/ durchdringender Urſachen/ ꝛc.
Daruͤber ſchonet man keiner zeit/ keiner verſaͤumniß achtet man/ nichts
haͤlt man zum ſtichblat zuruͤcke/ (wie etwa jener fechter ſeinem ſtolzen
diſcipul, der ſich aus groſſer einbildung an den Meiſter ſelbſten machte/
unverſehens einen ſolchen ſtreich verſetzte/ daß er zu boden fiel/ mit dem
vorwand; es muͤſſe ein ſchlechter meiſter ſeyn/ der nicht ein kunſtſtuͤcklein
fuͤr ſich zuruͤck behielte;) ſondern man tichtet/ man ſchreibet/ man com-
poniret/ man ſinget/ man muſiciret/ ſo gut man immer kan/ und mach-
te es gern noch beſſer/ wen nur das vermoͤgen da were; und dennoch/ wie
dem allen/ ſo bleibt es
(4) Eine unendliche arbeit: preiſet ihn/ ſo hoch ihr vermoͤ-
get/ [...], er iſt doch noch hoͤher. Wie die regiments-
perſonen genennet werden/ [...], die fuͤr andern herfuͤr ragen/ (wie
Saul des kopffs laͤnger war/ den alle andere/ 1. Sam. 10, 23.) die allent-
halben ihrer hoheit wegen geſehen werden koͤnnen/ die gewalt und ehre uͤ-
ber alle andere fuͤr ſich gebracht: alſo iſt vielmehr unſer Herr und Gott
noch hoͤher/ ja er iſt der Allerhoͤchſte/ deſſen vollkommenheit von
keiner creatur erreichet oder ausgeſonnen werden kan/ und dieſes darum/
dieweil Gottes vollkommenheit unendlich/ unſer ſchwacher Verſtand
aber mit gewiſſen/ und zwar gar engen ſchrancken eingeſchlossen; der
dannenhero ſolches meer ſo wenig/ als das kleine kinder-gruͤblein faſſen/
oder mit dem Loͤffel ausſchoͤpffen kan. Und alſo gehets uns mit dieſer
Cfroͤ-[]Die koͤſtlichſte Arbeit. froͤlichen/ heiligen und muͤhſamen arbeit/ wie einem Frembden/ der ſich
in einer Provintz/ in eine ſtad/ koͤniglichen reſidentz oder kunſtkammer
gar fleißig zwar umgeſehen/ und dannenhero ihm vollkommene Wiſſen-
ſchafft aller ſachen einbildet/ aber wan er ein wenig von Einheimiſchen
befraget wird/ ſo findet ſich hier und dort gar mercklicher mangel; ja es
gehet wie mit einem einfaͤltigen/ welcher unten am Berge ſich einbildet/
der auffgehende mond oder ſtern liege oben auff dem berge; ie mehr er
aber den berg hinan ſteiget/ auch endlich gar deſſelben hoͤhe erreichet/ ie
mehr ſiehet er des mondens und ſterne entlegenheit/ und daneben ſeine ei-
gene thorheit/ nebenſt angewandter muͤhe vergebenheit.
Dieſes deſto mehr uns einzubleuen wiederhohlet Sirach die ſache
noch einmahl: Preiſet ihn aus allen Kraͤfften/ und laſſet
nicht abe/ noch werdet ihrs nicht erreicht. [...]
[...], machets viel mit erhoͤhen/ fangets gleichſam von fornen an/
wil er ſagen/ laſſets drum ſein/ was bißher unſonſt gethan zu ſein ſchei-
net/ verſuchets auff eine gar andere art/ dennoch ſolt ihr wiſſen/ das ihr
mit GOttes Lobe nicht werdet zum eingebildeten Conſummatum eſt
gelangen. Petrus hatte die gantze nacht vergebens gefiſchet; da er a-
ber auch CHriſti Wort am hellen tage das netz auf eine neue art auswarf/
beſchloß er eine groſſe menge fiſche; Luc. 5, 5. Hier mag mans anfan-
gen/ wie man will/ man mag ſich bemuͤhen um allerhand neue inventi-
ones und maniren/ doch wird keines zulaͤnglich erfunden werden. Es
ſetzet Sirach uͤber diß noch hinzu: [...] preiſet ihn/ mit allen Kraͤff-
ten. Simſon/ da er ſeine letzte rache GOttes feinden uͤben wolte/
und ſie uͤber ihrer goͤtzen ehre zu ſchanden machen/ ſuchte gleichſam alle
ſeine leibes kraͤffte aus allen winckeln zuſammen/ nach fuͤrgegangnen
gebeth/ erfaſſete die ſeulen/ und warf alſo aus allen Kraͤfften das Haus
uͤbern hauffen: Judic. 16, 29. Hier moͤgen wir die Kraͤffte des leibes
und der ſeelen/ des gemuͤts/ ſcharfſinnigkeit/ gedaͤchtnuͤs/ und was ir-
gend vorhanden ſein mag/ auf einen hauffen zuſammen tragen/ als wol-
ten[]Die koͤſtlichſte Arbeit. ten wir GOtt zur voͤlligen gebuͤhr ſeinen preis abſtatten/ dennoch wird
uns unſere einbildung umſchlagen/ und groͤblich betruͤgen. Was im
griechiſchen dabey ſtehet/ [...], arbeitet nicht/ ſcheinet gar wider
ſinniſch vom vorigen abzuſpringen. Wie kan einer ſich uͤber etwas aus
allen kraͤfften bemuͤhen/ und doch nicht arbeiten? Allein entweder
verſtehet Sirach die gewiſſe art und abſehen der arbeit zugleich mit;
(arbeitet nicht/ als die es gaͤntzlich auszumachen verhoffeten/) oder
Arbeiten heiſſet ſo viel/ als muͤde werden/ (wie Sirach 16, 28. \&c:)
Auff welche art Herr D. Luther es recht wohl gegeben: und werdet
nicht muͤde/ und Camerarius: ne defatigemini, das iſt/ ob ihr ſchon
dermaſſen auff den Preis des Hoͤheſten erpichet und begierig ſeid/ das
ihr eurer eignen geſundheit und kraͤffte druͤber verluſtig werden ſoltet/ ob
ihr gleich keine muͤdigkeit fuͤr groſſen eifer an euch innen werdet/ doch
werdet ihrs nicht erreichen. Je laͤnger ihr in dieſem irrgarten/ o-
der vielmehr Paradies/ euch werdet umſehen/ ie tieffer ihr in dieſes Waſ-
ſer euch hinein werdet wagen/ ie weniger ihr auf den grund werdet ge-
langen koͤnnen; eben wie der Prophet Ezechiel befand C. 47, 4. ſeqq.
Sprichſtu: ie wen es den um das lob des HErrn alſo beſchaffen iſt/
das es bey Sirachs worten bleiben ſoll/ (wenn wir gleich viel ſagen/
ſo koͤnnen wirs doch nicht erreichen: kurtz er iſts gar. Wen wir
gleich alles hoch ruͤhmen/ was iſt das? er iſt doch noch viel hoͤher/
weder alle ſeine Werck. Er iſt unausſprechlich gros/ und ſeine
macht iſt wunderbarlich: C. 43, 28. ſeqq.) worum unterfaͤnget man
ſich deſſen gar mit einander? were es nicht beſſer/ man unterlieſſe es
flugs anfangs? Allein/ lieber menſch/ hierauff geb ich dir zu bedencken:
wen du mit guten appetit an eine wohlbeſetzte tafel oder volle ſpeiſe-kam-
mer koͤmſt/ kanſt aber alle ſchuͤſſeln nicht ausleeren/ unterlaͤſſeſtu deswe-
gen/ deiner nothdurfft nach gar nichts anzugreiffen? kan ein durſtiger
gleich den vollen krug oder das gantze weinvaß nicht in ſich ſchlucken/
aͤuſſert er ſich deſſentwegen alles trinckens? kan ein bergman in einer rei-
C 2chen[]Die koͤſtlichſte Arbeit. chen fundgrube/ darinnen lauter gediegen ſilber oder gold/ lauter fuͤndi-
ge gaͤnge und kluͤffte verhanden/ gleich nicht alles bewaͤltigen/ ſteiget er
den deswegen leer wieder heraus? ich zweifle gar ſehr. Alſo auch/ ob ſchon
das herrliche und unerſchoͤpffliche ſuͤſſe Lob Gottes nim̃ermehr von uns
bewaͤltigt werden kan/ dennoch ſchrecket uns ſolches im geringſten nicht
von der allerſeligſten arbeit ab; ja vielmehr waͤchſet uns hieruͤber die hei-
lige begierde. Jſts nicht ſo/ wen einer ins ſpielen einmal kommen iſt/
ie laͤnger er ſpielet/ ie mehr er drauff erhitzet wird/ ſo gar/ daß er eſſens/
trinckens und ſchlaffens druͤber vergiſſet? koͤmt einer einmahl ins bauen/
ins reiſen/ ins jagen/ oder dergleichen verrichtungen/ ſo gehets gewaltig
ſchwer zu/ daß man ihn wieder davon bringe. Solte den dieſe Froͤli-
che/ dieſe Heilige/ dieſe muͤhſame arbeit des Lobes Gottes uns des we-
gen verdruͤßlich werden/ weil ſie unendlich iſt? Ach daß ſey ferne. Sol-
te unſer ſeliger Herr Capelmeiſter uns ſeine gedancken itzt hieruͤber eroͤff-
nen/ ſo wuͤrde er ſo wohl ſeine itzige gantz neue himliſche Capel-muſic her-
ausſtreichen/ als auch ſeine vorige gedancken nochmahln beſtaͤtigen mit
ſeinem vorlaͤngſt erkohrnen leichen-texte: Deine rechte ſind mein
lied in meinem hauſe. Der liebe Man/ ob ers ſchon ſein lebenlang
auff mancherley art mit goͤttlichen Lobe fuͤrgenommen/ und daſſelbe mit
allerhand ſchoͤnen ſtuͤcken und compoſitionen zu vermehren ſich bemuͤ-
het/ dennoch hat Er ihm dabey niemals die geringſte vollkommenheit
eingebildet: und doch gleichwohl hat er auch keines weges deſſelben uͤber-
druͤßig werden wollen/ ſondern daruͤber biß an ſein ſelig ende ſich bemuͤ-
het. Wohlan/ wir wollen nach anleitung des erkohrnen ſpruches mit
einander fuͤr dißmahl in des HErrn furcht erwegen
Die allerkoͤſtlichſte Arbeit.
- I. Womit ſie umbgehe? mit GOttes Rechten.
- II. Worinnen ſie beſtehe? in Liedern.
- III. Wo ſie verrichtet werde? in meinem Hauſe.
GOtt gebe durch ſeinen heiligen Geiſt hiebei ſelige andacht und
fruchtbarliche erbauung; um Chriſti JEſu willen/ Amen.
Vom Erſten.
GLeich wie der CXIX Pſalm unter allen der laͤngſte iſt/ und in 176.
verſiculn beſtehet/ derer 8. allzeit von einem eintzigen Buchſtaben
des ABC. nach einander anfangẽ/ und alſo durch das gantze a b c
biß zum ende durchgehẽ; alſo iſt denckwuͤrdig/ daß in einem iedwedern ver-
ſe ein titul Goͤttlichen Woꝛtes oder ſonderliches lob zu befindẽ ſei. Und eben
ſolches iſt auch handgreiflich in unſern Spruͤchlein/ daraus wir/ ohn um-
ſchweiff/ alſobald erlernen/ (I.) Womit die allerkoͤſtlichſte Arbeit umge-
he? nemlich mit Gottes Rechten. Das Wort [...] hat ſeinen
urſprung von dem [...] graben oder ſtechen/ wie etwa eine ſchrifft oder
gemaͤlde in ſtein oder metall auff gewiſſe art gebracht wird/ zum exempel
eine belagerung Ezech. 4/ 1: oder ein namen Jeſa. 49/ 16. Weil dem-
nach die Land- oder Stad-rechte in ſteinerne oder maͤßinge taffeln pfleg-
ten gegraben zu werden/ um mehrerer dauerhafftigkeit wegen/ und das
es iederman leſen koͤnte/ ſo bekamen deswegen die Geſetze ſolchen namen
chykkim; wie auch von weltlichen Satzungen ſolches zu ſehen/ prov.
8/ 15: da durch die Weißheit die Raths-Herren das Recht ſetzen;
und da auch wohl die Schrifftgelehrte unrechte geſetze machen/ Jeſa.
X, 1. Alſo von Goͤttlichen Rechten ingeſamt wird es mehrmahlen ge-
funden/ dergeſtalt/ daß darunter das durchgehende Sittengeſetz der hei-
ligen zehen geboth/ ſamt den abſonderlichen Kirchen uñ Policei-ſatzun-
gẽ des Jſraelitiſchen volcks/ mit einander begriffen werde. Ja es gehoͤret
auch dazu der geoffenbahrte gnaden wille des Hoͤheſten/ da er reuenden
Suͤndern in dem Herrn Meßia gnaͤdig zu ſein ſich erklaͤret hat; wie den
ausdruͤcklich der Geſalbte des HErrn Pſal. 2/ 7: ſolches chok Weiſe
oder Recht erwehnet/ daß er wolle davon predigen/ wie der Vater zu
ihm geſaget: Du biſt mein Sohn/ heute hab ich dich gezeuget. Hei-
C 3ſche[]Die koͤſtlichſte Arbeit. ſche von mir/ ſo will ich dir die Heiden zum erbe geben ꝛc. Jch ge-
ſchweige/ das an etlichen orten um unterſchieds willen/ man dieſes Wort
abſonderlich von denẽ Moſaiſchen Kirchen-rechten will verſtanden wiſ-
ſen. Hier/ wan David zu GOtt redet; Deine Rechte ſind mein lied/
verſtehet er wohl ſonder zweifel alles das jenige/ was GOtt der HErr
von ſeinẽ heiligẽ willen ſein volck haͤtte wiſſen laſſen/ ſo wohl was er wol-
te geglaͤubet uñ gethan/ als auch gelaſſen haben/ wofuͤꝛ man ſich ſolle huͤt-
ten/ und was man ihm auch ſolle zutrauen/ oder ſich in den gebenedeyeten
Weibesſamen zu um verſehen: wie den ausdruͤcklich der goͤttlichen
gnade gedacht wird v. 124. des Worts von der Gnade/ v. 58. welches
einzig uns erfreuen kan/ v. 50. 72. 92: der troͤſtlichen gnade und
barmherzigkeit/ v. 75. 77: wodurch man leben v. 88. 123. 159. 166.
174. 176. Von welchen Rechten/ das ſelige Erlaß-jahr ſonderlich be-
treffende/ der Herr Meßias zu ſeiner zeit fuͤrnemlich geprediget/ Jeſa. 61/
I. Luc. 4/ 18. 43. Kurtz: Gottes Rechte heiſſen ſo wohl das Geſetz als
Evangelium/ oder in geſamt das Goͤttliche Wort/ es ſtehe daſſelbe in
dem Moſe/ propheten oder Pſalmen (Luc. 24/ 44) auch numehr in den
Apoſtoliſchen Schrifften. Und wie demnach heutiges tages die jeni-
gen Beyder Rechte Doctores heiſſen/ welche ſo wohl in dem Keiſerli-
chen als Paͤbſtlichen oder Canoniſchen Satzungen/ gnugſame wiſſen-
ſchafft erlanget haben: alſo redet auch David hier von Goͤttlichen
Rechte/ daß er ſich darinnen am allermeiſten und allerliebſten umgeſe-
hen/ daß er damit ſeinen groͤſten nutz geſchaffet/ und ſich alſo am aller-
liebſten ſolcher Rechte wiſſenſchafft ruͤhmen wolle. Hierauff folget nu-
mehr
Zum Andern:
WJe mit ſolchen Rechtẽ David umgegangen ſei? oder woriñen
ſeine arbeit beſtanden habe? Deine rechte/ ſagt er/ ſind mein
lied. haju li ſemiroth, ſind mit lieder geweſen/ haben mir
zu lie-[]Die koͤſtlichſte Arbeit. zu liedern gedienet/ haben mich als die ſuͤſſeſten lieder erqvicket/ damit ich
taͤglich umbgegangen. [...] heiſſet eine rede/ nicht wie ſie einem ohn
gefehr in mund koͤmmet/ oder die man in gemeinen Leben in fragen und
beantworten brauchet/ ſondern die mit ſonderbaren bedacht abgefaſſet/
hin und wieder beſchnitten/ in gewiſſe ordnung/ gleichſam nach anzahl
der ſyllaben/ geſchrencket/ und alſo zum ſingen oder gewiſſen melodeien
mit fleiß eingerichtet wird; ſintemahl Samár, davon es herſtammet/ iſt
ein wintzerwort/ wan dieſelben die reben beſchneiden/ beblaten/ und
ſonſt in guter ordnung halten; wie zu ſehen Levit. 25/ 3. 4. Jeſa. 5/ 6. \&c.
Und dergeſtalt iſt David geweſen lieblich ſemiroth mit pſalmen oder
dergleichen artigen liedern/ 2. Sam. 23/ 1. Alſo gibt auch GOtt das ge-
ſaͤnge in der nacht/ Job 35/ 10. das iſt/ nach Herr Lutheri randgloſſe/
ſo wohl der lieblichen voͤglein/ als der danckbaren kinder Gottes. Laſſet
uns mit dancken fuͤr ſein angeſicht kommen/ und mit Semiroth
pſalmen ihm jauchzen/ ſaget David Pſ. 95/ 2: anderer orte zu ge-
ſchweigen. Ob nu wohl ſonſten die arten der Lieder unterſchiedlich
ſind; es giebt Hochzeit-lieder/ als da ſind der 45. Pſalm/ das Hohe-
lied Salomo/ ꝛc. es giebt Leichen- oder Sterbe-lieder/ wie uͤber den
Saul/ Jonathan/ Abner/ 2. Sam. 1/ 18. ſeq. c. 3/ 33: es giebt Sieglie-
der/ Judic. 5. Exo. 15. 1. Sam. 18/ 7. \&c. es giebt Buhlen-Lieder/ Jeſa.
23/ 16: Sauff- und Schmauſelieder/ c. 24/ 8. 9: und was des din-
ges mehr iſt/ dennoch dencket itzo David hieran im geringſten nicht/ ſon-
dern ſagt: deine rechte ſind meine lieder/ (er ſprichts aus in plurali,
weil derer nicht etliche wenig/ ſondern eine zimliche anzahl geweſen/ und
derer er ſich auch taͤglich gebrauchet;) das iſt/ wen ich im geiſt mir eine gu-
te liſt will ſtifften/ wen ich mich in zuſtoſſender gefahr und mancherley
unluſt wil muthig machen und wieder auffrichten/ wen ich mir den un-
muth wegen der aͤrgerlichen gottloſen (alſo hefftet es Abeneſra zuſam-
men mit den vorhergehenden 53. verß/) wil vertreiben/ ſo finde ich nichts
beſſers/ als deine Rechte. Dieſelben geben nur die ſchoͤnſten gedan-
cken/ die beſten Lieder/ die herrlichſte ergoͤtzung. Fallen andere/ die ſich
poë-[]Die koͤſtlichſte Arbeit. in poëtiſchen oder muſicaliſchen Sachen wollen herfuͤr thun/ oder ihre
ſinreiche inventionen der welt zu erkennen geben/ auff liebeshaͤndel/ oder
ertichten allerhand comœdien/ ballette, ſtreichen die alten Heldentha-
ten der vorfahren (wie unſere alte Teutſchen im gebrauch gehabt/) oder
auch wohl der itzo lebenden Patronen ihre groſſe qvalitaͤten und meriten
auffs beſte heraus/ ſo mache ich mich an deine Rechte; dieſelben werden
mir cantabiles, wie die lateiniſche Bibel hat/ ſanghafftig/ wen man
ſo reden duͤrffte/ das iſt/ ich bringe ſolche heilige dinge in andaͤchtige und
erbauliche geſaͤnge/ damit ich/ oder auch die gantze gemeine/ ſie ſingen/
und nach gelegenheit mit der harffe/ pſalter und andern inſtrumenten/
drein muſiciren kan. Das hieſſe recht/ ſich nach Gottes befehl halten/
Devt. 6/ 6: Dieſe wort/ die ich dir heute gebiete/ ſoltu zu hertzen
nehmen/ und ſolt ſie deinen Kindern ſchaͤrffen/ und davon reden/
wen du in deinem Hauſe ſitzeſt/ oder auff dem wege geheſt/ wen du
dich niederlegeſt oder auffſteheſt: und ſolſt ſie binden zum zeichen
auff deine Hand/ ꝛc. Auff welche art auch Paulus denn Chriſten der-
gleichen einbindet/ Coloſſ. 3/ 16: Laſſet das wort Chriſti unter euch
reichtlich wohnen/ in aller weißheit. Lehret und vermahnet euch
ſelbs mit Pſalmen und lobſaͤngen/ und geiſtlichen lieblichen lie-
dern/ und ſinget dem HErrn in euren Hertzen. Jſt noch zuruͤck
Zum Dritten:
WO den ſolche Arbeit zu verrichten? Deine rechte ſind mein lied
in meinem Hauſe. Unſer Seel. Herr Capelmeiſter/ da er
dieſen ſeinen text mit ſeiner eignen Hand verzeichnet hat/ brau-
chet dieſe wort: es ſcheinet/ das die Lateiniſche verſion, (in locò pe-
regrinationis meæ, auf meiner wallfarth/) ſich zu meinen fuͤrhaben
etwas beſſer ſchicke. Da wir den nicht in abrede ſein/ das auch der
grundtext ſelbs eben dergleichen gedancken uns an die Hand giebt:
[...] in dem Hauſe oder ort meines herum reiſens. Den wie
eben[]Die koͤſtlichſte Arbeit. eben dieſes wort von des Abrahams ſeinen Herum ziehen gefunden wird
Geneſ. 17, 8: ingleichen von des Jacobs/ c. 28, 4. 47, 9. alſo hat auch
den lieben David ſolch herum vagiren offt gnug betroffen; wie aus ſei-
nem lebenslauff zur gnuͤge bekant iſt. Nicht allein aber hat er und die
Patriarchen ſolche unruhe verſuchet/ ſondern/ wen wir die warheit be-
kennen wollen/ ſchicke ſich das Herum wallen auch auf alle und iede
menſchenkinder/ ſolten ſie ſchon aus ihrer geburtsſtad/ oder wie man re-
det/ kaum hinter den ofen herfuͤr gezogen ſein; ſintemahl nach GOttes
eignen ausſpruchs heiſſets: das land iſt mein/ und ihr ſeid fremdlin-
ge und gaͤſte fuͤr mir: Levit. 25, 23. Dannenhero auch David be-
kennet/ Pſ. 39, 13. ich bin beide dein Pilgrim und dein Buͤrger.
item, Pſ. 119, 19. ich bin ein gaſt auf erden. Alſo ſiehet man gar
leichtlich/ das es der R. Obadja alzu enge hier ſpannet/ wen er nur von
dem Hauſe Barſillai/ darinnen ſich David/ als exulirender koͤnig
auffgehalten/ und daſelbs geiſtliche lieder zum oͤfftern abgeſungen/ dieſe
wort will verſtanden haben. Nein/ der heilige Mann ſihet hiermit viel
weiter/ und begreiffet ſeinen gantzen lebenslauff/ alſo das er ſchon/ wie
er noch an ſeines Vaters brod und dienſten ſich auffgehalten/ ſolcher gu-
ten lieder ſich zu bediene angefangen/ und dannenhero der muſic und
Gottesfurcht wegen/ bei hofe iſt geruͤhmt worden: 1. Samu. 16, 18.
Und alſo ſinget noch heutiges Tages ein ieglicher Chriſt/ er ſey wer er
wolle/ mit guten fug:
Wen demnach Gottes Rechte des Davids lieder in ſeinem hau[-]
ſe geweſen ſind/ ſo verſtehet ſichs hieraus/ daß er es nicht bey denn Lie-
Ddern[]Die koͤſtlichſte Arbeit. dern am offentlichen gottesdienſt habe beruhen laſſen/ als were damit
Gott dem Herrn ſein Lob uñ Preiß ſchon zur gnuͤge abgeſtattet; auch hat
er ſich ſolcher geiſtlichen lieder nicht gebrauchet auff offentlicher gaſſe und
ſtraſſe/ auff gut phariſæiſch/ Matth. 6/ 1: ſondern auch zu Hauſe hat er
dieſe uͤbung der gottesfurcht unablaͤßig getrieben. Wen andere/ nach
heutiger art zu reden/ ihnen die lange weile zu kuͤrtzen/ das bretſpiel/ kar-
ten/ oder andere ergoͤtzung herfuͤr ſuchten/ ſo ließ David in ſeinem hau-
ſe oder zimmer ihm an geiſtlichen liedern und erbaulicher muſic begnuͤ-
gen. War ihm ingeſamt/ bey ſeinen hin und wieder reiſen/ bei ſtillie-
gen/ bei [abwartũg] ſeiner ſchweren amts-verrichtungen/ bei kriegszuͤgen
oder ſonſt/ etwas verdrießlich/ ſo waren hingegen Gottes rechte ſein
ergoͤtzendes lied in ſeiner weltherberge/ damit er ſich am beſten die
Zeit und unmuth vertreiben kunte. Welches den ebenfalls auch unſer
ſeliger Herr Mitbruder an ſich wahr befunden/ in dem er bei ſeinem gan-
tzen leben nicht allzuviel ꝛuhige tage gehabt/ ſondeꝛn auch/ dem leibe nach/
zimlich gnug von einem ort und lande zum andern herumb gewandert/
und bald hie/ bald da/ ſich auffgehalten; wie aus ſeinen lebens-lauff wird
gnugſam zu vernehmen ſeyn. Aber bei allen ſolchen ſeinen Reiſen/ ja
wo er auch ambtswegen/ ſich wuͤrcklich niederlaſſen und auffhalten
muͤſſen/ hat er dennoch zu foͤderſt auff die Rechte Gottes ſein abſehen
gerichtet; dieſe waren ſein lied/ da waren alle andere weltliche materi-
en lauter parerga, aber mit geiſtlichen Sachen gieng er am liebſten uͤm:
da componirte er mit luſt/ da muſicirte er aus allen kraͤfften/ (wie etwa
David bei heimfuͤhrung der bundeslade mit aller macht tantzete: 2.
Sam. 6/ 15.) da revidirte er noch mit aller ſorgfalt bey ſeinem hohen al-
ter/ und wolte alſo hieruͤber gleichſam ſeinen geiſt am allerliebſten auffge-
ben; wie auch in der that erfolget.
Gebrauch
Wir unſers theils nehmen ſchließlich dieſe Lehre mit uns nach hau-
ſe/ das Lieder machen/ Lieder ſingen/ bei Liedern muſicaliſche inſtru[-]
ment[]Die koͤſtlichſte Arbeit. ment gebrauchen/ GOtt dem HErrn durchaus nicht mißfallen koͤn-
ne/ ja daß vielmehr der heilige Geiſt ſelbs ſein Werck hiebey iederzeit ſpuͤ-
ren laſſen/ ſo gar/ daß der offentliche Gottesdienſt ſelbs auff Goͤttlichen
befehl/ mit ſolcher muſic iederzeit verſehen geweſen. Den da ſoll keiner
meinen/ daß es im Alten Teſtament mit abſchlachtung und verbren-
nung des opffer-vieches alles gethan geweſen/ ſondern hierneben wurden
gewiſſe reden von dem Prieſtern an das Volck gethan/ man predigte
den nahmen des HErrn/ ſonder zweifel wie der todt/ blutvergieſſen/
und feuer beim opffer abbildete den brennenden zorn Gottes uͤber die ſuͤn-
de/ und wie der Weibesſamen/ als das Lam Gottes/ ſo der welt ſuͤnde
traͤgt/ einen ſolchen blutigen ſchlangen-ſtich werde ausſtehen/ und die
Zorngluth des Goͤttlichen eifers empfinden muͤſſen/ ꝛc. Hierneben wur-
de uͤber diß gebetet und geſungen/ ſo wohl von denn Prieſtern/ als von
dem anweſenden Volcke; da waren herrliche geſaͤnge und Pſalmen/
worein mit Poſaunen/ cymbeln/ paucken/ harffen und pſaltern nach
gewiſſer art geſpielet ward. Da loͤſete ein Chor den andern ab/ wie zu
ſchlieſſen aus Eſræ. 12/ 31: 2. Sam. 6/ 12. \&c. Da ſangen die Prieſter
vor/ und das volck antwortete/ vermuthlich nach art des 136. Pſalms/
da in die 27. mahl wiederholet wird: den ſeine Guͤte waͤret ewiglich/
faſt wie in unſerer litanei: erbarm dich uͤber uns: item, erhoͤr uns
lieber HErre GOtt. Kan ſein/ daß auch wohl des nachts uͤber/ bei
wehrenden brande des abendopffers/ man mit der muſic oder geſaͤngen
continuiret hat/ wie etliche ſchluͤſſen wollen aus 1. Paral. IX. (X) 33: das
ſind die ſaͤnger/ die haͤupter unter den vaͤtern der Leviten/ uͤber die
Kaſten ausgeſondert/ den NB. tag und nacht waren ſie drob im
geſchaͤffte. (De duplici Odeó ſeu locô muſicorum in templo Sa-
lomonis, unô inter Iſraelis atrium \& atrium ſacerdotum, alterô
inter mulierum atrium \& atrum Iſr. iisq; ad orientem altaris, \&c.
Vid. L' Empereur middoth p. 71. ibidem de ſuggeſtu, ubi canebant
pulſabantq; inſtrumenta, p. 75.) Das bey der offentlichen kirchen-
muſic auch wohl weibsperſonen/ wegen ihrer hohen diſcant-ſtimmen/
D 2moͤ-[]Die koͤſtlichſte Arbeit. moͤgen gebrauchet worden ſein/ diſputiret Menochius de repub. Ebr. f. 93.
Jm Neuen Teſtament haben wir Chriſten wegen der geſaͤnge und geiſt-
lichen lieblichen lieder gnung an Pauli angefuͤhrten ſpruͤchen/ Epheſ. 5/
19. Coloſſ. 3/ 16: wie auch an dem exempel der him̃liſchen heerſcharen/
die ihr Gloria in excelſis ſo herrlich bei der Geburt Chriſti abgeſungen/
Luc. 2/ 14: eben wir zu Eſaiæ zeiten das Sanctus, Sanctus, Sanctus: Je-
ſa. 6/ 1. Wozu die geſaͤnge und Harffen gehoͤren in der Offenb. c. 4/
11. \&c. Und hat der edlen muſic nachdruck nicht nur Saul hiebevor be-
gehrete/ vor ſeiner weiſſagung/ 2. Reg. 3/ 15: (anderer Exempel mehr zu
geſchweigen/) ſondern es geſtehet auch der heilige vater Auguſtinus fuͤr
ſeine perſon/ wie viel die kirchen-Muſic zu Meiland bey ihm vermocht
habe. Qvantum flevi, ſchreibt er l. 9. confeſſ. c. 6: in hymnis \& can-
ticis tuis, ſvaveſonantis eccleſiæ tuæ vocibus commotus acriter?
Voces illæ influebant auribus meis, \& eliqvabatur veritas tua in
cor meum, \& ex eâ æſtuabat inde affectus pietatus, \& currebant la-
crymæ, \& benè mihi erat cum eis. Das iſt/ wie weinte ich doch uͤ-
ber deinen lobgeſaͤngen und liedern/ da ich recht hefftig von denn
ſtimmen deiner wohlſingenden gemeine beweget ward? Dieſe
ſtimmen floſſen durch meine ohren hinunter/ und ward zugleich
deine warheit in mein hertz eingefloͤſſet/ daruͤber erhitzte ſich die
gottesfurcht/ und floſſen meine Thraͤnen mit hauffen; dabei mir
doch gar wohl war. Alſo ergetzet ſich Hieronymus im gelobten lan-
de uͤber den guten geſaͤngen: Extra pſalmos ſilentium eſt. Qvocun-
qve te verteris, arator ſtivam tenens Halleluja decanta. ſudans
meſſor pſalmisſe avocat, \& curvâ attondens vites falce vinitor ali-
qvod Davidicum canit. Hæc ſunt in hab provinciâ carmina, hæ,
ut vulgò dicitur, amatoriæ cantiones. epiſt. 18. ad Marcellam. Das
iſt/ hier bei uns hoͤrte man nichts/ als pſalmen/ auſſer denen lau-
ter ſtillſchweigen zu ſpuͤren. Wo man ſich hinwendet/ wird der
Ackermann hinter dem pfluge her ſein Halleluja ſingen. Der be-
ſchwitzte[]Die koͤſtlichſte Arbeit. ſchwitzte ſchnitter wird ſich mit pſalmen wieder erholen. Der
wintzer wird bei ſeinem ſchneiden etwas Davidiſches her zu ſingen
wiſſen. Dieß ſind in dieſem lande die gewoͤhnlichen poëtereyen
oder gesaͤnge/ dieß ſind unſre Buhlenlieder. So viel die Anti-
phonen anlangt/ da der Chor und das volck wechſelsweiſe geſungen/ und
einander geantwortet haben/ ſtehen viel in denn gedancken/ der heilige
Ignatius, ſo noch Johannem den heiligen Apoſtel gehoͤret hat/ habe ſol-
che art zum erſten auffbracht/ und zwar eben in der Stadt Antiochien/
da zum erſten der Chriſten namen auffgekom̃en: Actor. XI, 26. (v. So-
crat. l. 6. hiſt. eccl. c. 8. de viſione.) Von der Morgenlaͤndiſchen kir-
che ſey es von Baſilio in Griechenland/ und von Ambroſio in die Latei-
niſchen oder Abendlaͤndiſchen kirchen gebracht worden. Das Pſalmen
wechſelsweiſe Tag und nacht in den kirchen geſungen worden/ mit dem
ſchluß: gloria Patri \& Filio, \&c. will man dem Roͤmiſchen Biſchoff
Damaſo zulegen. Gregorius M. ſoll dieſelbe verordnung geſchaͤrffet
haben. Euſebius ſetzt l. 2. hiſt. eccl. c. 17. [...]
[...]
[...]. Es ſei alſo iederzeit uͤblich geweſen/ wen einer in
gewiſſen reimen und zierlich den Pſalmen habe fuͤrgeſungen/ ha-
ben die uͤbrigen in aller ſtille zugehoͤret/ die letzten worte aber ha-
be man miteinander zugleich geſungen. (vide ſus Meurſii gloſſ. græ-
cobar. p. 35. Allat. de libr. græc. p, 14. Voetii. l. 1. polit. eccl. p. 482. 537.
de his ipſis antiphonis.) Von dem Cæſario, Biſchoff zu Arles in
Franckreich/ ſo Anno 554 geſtorben/ gedencket Severanus Exem. mo-
rien. p. 138. daß er mit allen fleiß den gemeinen man angetrieben/ die la-
teiniſchen und griechiſchen lieder mit lauter und gehoͤriger ſtimme mit zu
ſingen/ damit ſie nicht unter wehrenden ſingen der Geiſtlichen/ andern
unfug ſtiffteten. Worum es aber im Pabſtum abgebracht worden/ auch
was fuͤr klage Chryſoſtomus uͤber des gemeinen mannes unordentliche
ſtimmen gefuͤhret/ iſt unnoͤthig zu erzehlen. (vide, ſi placet, Schulting.
antiq. eccl. l. 1. cap. 167. 187) Was fuͤr nutzen durch die geſaͤnge ge-
D 3ſchaffet[]Die koͤſtlichſte Arbeit.[ſchaffet] werden koͤnne/ erſcheinet unter andern aus des Franc.
Xaviers erfindung/ da er die Chriſtlichen religions-articul in artigen ge-
ſaͤngen denn Jndianiſchen kindern beigebracht/ welche ſie hernach ihren
abgoͤttiſchen aͤltern fuͤrgeſungen/ und ſie alſo zu fernerer nachfrage auch
beliebung zum wahren Gottesdienſt bewogen: wie es Jarricus erzaͤhlet/
L. 1. theſau. rerum Indic. p. 124.
Was ſonſt in der muſic und liedern fuͤr ſonderbare krafft liege/ auch
natuͤrlich davon zu reden/ alſo/ daß auch unvernunfftige thiere dadurch
bewogen werden/ als delphin/ elephanten/ ſchaf-vieh/ pferde/ ꝛc. item/
daß ſich kinder dadurch laſſen einſchlaͤffern/ daß der biß der gifftigen ta-
rantulen nur durch muſic curiret wird/ ꝛc. uͤbergehen wir gutwillig. Diß
aber giebt uns Chriſten eine ſonderbahre anreitzung/ gerne und andaͤch-
tig zu ſingen/ wen wir den HErrn JEſum ſelbs den lobgeſang ſamt ſei-
nen Juͤngern gebrauchen ſehen/ Matth. 26/ 30 ingleichen wen Paulus
und Silas um mitternacht im gefaͤngnis ſingen/ Actor. 16/ 25: wen
hernachmahls ſo hohe ſtands-perſonen des Singens ſich nicht geſchaͤ-
met; zum exempel Conſtantinus Magnus, der erſte Chriſtliche keiſer/
welcher wohl ſelbs die lieder angefangen: item Theophilus ein grichi-
ſcher Keiſer/ welcher geiſtliche geſaͤnge verfertiget/ beim abſingen den
tact gefuͤhret/ und ſeine ſtimme gar mercklich hoͤren laſſen. Carolus M.
pſallendi legendiq; officia in eccleſiâ diſcrevit, chorisq; pſallenti-
um ſe immiſcuit: (Cranz. l. 2. Sax. c. 9.) hat das leſe- und ſing-amt
in der kirchen eingetheilet/ auch unter die Choͤre der ſaͤnger mehr-
mahls ſich eingemenget. Keyſer Heinrich II. ſoll mit ſeiner Gemah-
lin Kuͤnigunden im Chor zu Merſeburg auff den Dom/ nebenſt andern
Canonicis fuͤr den pulpet geſtanden und mit geſungen haben: wie man
den hiebevor ihꝛe Choꝛ-roͤcke/ ſo ſie in wehꝛenden ſingen ſollen angetragen
haben/ daſelbs gewieſen hat. Keiser Otto I. hat im Cloſter Mammeleben
an der Unſtrut die Mette mit geſungen. Und der from̃e Hertzog von Oe-
ſterreich Albrecht hat auch ſo wohl tags als nachts/ dergleichen verrich-
tet; (Sachſens Keiſer-Chronic. p. 4. fol. 226.) Alſo wirds dem Koͤnig
in Franck-[]Die koͤſtlichſte Arbeit. in Franckreich Ludwig dem XIII. nachgeruͤhmet/ daß er in der muſic ex-
celliret/ und ſelber etliche ſtuͤcke componiret habe; wie den auch Keiſer
Ferdinand der III. von der eitelkeit der welt dergleichen verfertiget/ darin-
nen ſonderlich groſſe kunſt ſtecken ſoll: anderer exempel mehr fuͤr diß-
mahl zu geſchweigen. Wobei den auch das noch zu gedencken/ das bei
der Gemeine Gottes oͤffters auch neue lieder/ auſſer den bibliſchen Pſal-
men/ eingefuͤhret worden/ wolche bekanter und geiſtreicher kirchenlehrer
Arbeit waren; auff welche art Auguſtinus (to. 1. ſupplem. oper. f. 229)
in einer weinacht-Predigt gedencket eines neuen hymni, welchen Am-
broſius eben damahls erſt verfertiget hatte/ ſintemahl ſie beyde wenig
Jahr von einander waren: hunc noſtri gigantis excurſum breviſſimè
ac pulcherrimè cecinit B. Ambroſius in hymnô, qvem paulò ante
cantastis: egreſſus ejus à Patre, regreſſus ejus ad Patrem, \&c. das
iſt/ Dieſes unſers Heldens ſeinen ausgang hat der ſeel. Ambroſius
ſehr ſchoͤn und kurtz beſchrieben/ in dem hymnô, den ihr alleweil
erſt geſungen habet: ſein Lauff kam vom Vater her/ und kehret
wieder zum Vater/ ꝛc. Das man alſo hieraus gar deutlich ſiehet/ wie
damahl vor der Predigt die gantze Gemeine/ und nicht nur die geiſt-
lichen/ gewiſſe lieder habe geſungen/ und wie man auch neue Lieder all-
maͤhlich habe eingefuͤhret; daß alſo nach und nach ſolches Lieder tichten
und abſingen in der Kirche [braͤuchlich] blieben/ auch noch heutiges tages
der geiſt nicht ſolle gedaͤmpffet werden/ 1. Theſſ. 5/ 19: nur daß dabei ge-
ziemende fuͤrſichtigkeit und maſſe gebrauchet werde/ und nichts aus fuͤr-
witz/ eignen gutduͤncken/ ehrſucht oder liebe zur neurung fuͤrgehen moͤge.
Woraus ferner den leichtlich zu ſchlieſſen/ daß diejenigen/ ſo wohl
bei alten als auch unſern Zeiten/ nicht richtig im Kopf geweſen/ ſo der
vocal und inſtrumental-muſic ſich feindlich widerſetzet. Worum Pau-
lus Samiſatenus die geiſtlichen lieder abgeſchaffet/ berichtet Euſebius 1.
7. hiſt. eccl. c. 30. Die Browniſten in Engelland haben zu unſerer
Zeit den in reime gebrachten pſalter unter ſich abgeſchaffet/ darum/ daß
er nicht Gottes wort allein ſei/ ſondern menſchen-arbeit darunter. An-
ders-[]Die koͤſtlichſte Arbeit. derswo haben ſie das ſingen in der Kirche miteinander abgebracht/
und nur einen erfahrnen allein laſſen ſingen/ was ihm der geiſt eingege-
ben/ deme die andern zuhoͤren muͤſſen. Ja an viel orten hat mans al-
lerdings als einen Paͤbſtiſchen ſauerteig verworffen/ wie der Calviniſt
Joh. Hornbeck ſu, controv. rel. p. 686. ihnen ſelbs es alſo ſchuld gibt.
Der grobe Carlſtad war auch ein ſolcher feind des figuralgeſangs/ mit
vorgeben/ wie nur ein Gott ſey/ alſo ſolle auch nur eine ſtimme ſein/ daß
man alſo weder diſcant noch alt noch Baſs duͤrffe brauchen. (v. præfat.
Clauderi p. 1. pſalmod.) Zvvinglius ſoll ſingend fuͤr dem rath zu Zu-
rich ſeine ſache fuͤrgetragen haben/ anzudeuten/ daß es ebenfals unge-
reimt ſei/ fuͤr Gott zu ſingen. Die ungnaͤdigen urtheil etlicher Refor-
mirten wider die inſtrumental-muſic wollen wir auch nicht eben anfuͤh-
ren/ als des Parei uͤber 1. Corinth. 14. p. 599: da er begehret/ man ſolle
die andacht nicht mit trommeln und pfeiffen erwecken/ ſondern mit pre-
digen/ pſalmen und geſaͤngen: \&c. Uns vergnuͤget/ daß ſie einander ſelbſt
hierinnen wiederſprechen. Beza, der doch ſonſt hart gnug geweſen/ hat
ſie gaͤntzliche zu verwerffen ſich nicht unterſtehen wollen auff den Collo-
qvio zu Mompelgard p. 731: Da hingegen an manchen orten man die
pferde in der kirchen angeſpannet/ und das gantze Corpus der orgel mit
ketten und ſeilen angebunden herunter geriſſen/ und aus der kirchen ge-
worffen hat: wie es D. Jac. Andreæ in angefuͤhrten ort erzehlet/ p. 735.
Alſo noch heutiges Tages verwirfft dieſe muſic der bekante Gisbertus
Vœtius (v. l. I. polit. ecc. p. 544. ſeqq. item Zepperus polit. eccl. p. 173.
175. Rivet. Exo. 15. p. m. 396.) Hingegen ein ander Calviniſt in Holland/
der geburt aber nach ein Frantzoß/ Samuel Mareſius, verthaͤdigt ſie als
einen anhang des Gottesdienſts: paradox. p. 187. ingleichen hat fuͤr ihm
gethan Alſtedius und andere mehr. Und eben deſſen hat man gnugſa-
me urſach in erwegung Goͤttlicher anmahnung Pſal. 150/ 3. Lobet ihn
mit poſaunen/ lobet ihn mit pſaltern und harffen/ ꝛc. Hilarius in
der vorrede des Pſalters fuͤhret dieſe wort: Pſalmus eſt, cum ceſſante
voce, pulſus tantum organi concinentus auditur. Canticum eſt,
cum[]Die koͤſtlichſte Arbeit.cum cantantium chorus libertate ſuâ utens, neq; in conſonum
organi adſtrictus obſeqvium, hymnô canoræ tantum vocis exul-
tat. Canticum a. pſalmi eſt, cum organo præcinente ſubſe-
qvens \& æmula organo voc chori cunctis auditur, modum pſal-
terii modulis vocus imitata, Pſalmus v. cantici eſt, cum choró
antecanenti humanæ cantionis hymno ars organi conſonantis
aptatur, vocisq; modulis præcinentis pari pſalterium ſvavitate
modulatur. Auguſtinus uͤber den 72. Pſalm ſchreibet alſo: Hymni
laudes ſunt Dei cum cantico. Hymni cantus ſunt continentes
laudes Dei. Si ſit laus, \& non ſit Dei, non eſt hymnus. Si ſit
laus, \& Deu laus, \& non cantetur, non eſt hymnus. Oportet er-
gò, ut ſi ſit hymnus, habeat hæc tria, \& laudem, \& Dei, \& canti-
cum. Woraus den ſo viel zu nehmen/ das es mit inſtrumental muſic/
nach dieſer heiligen Vaͤter meinung/ ſo ungereimt nicht ſei/ gute an-
dacht/ hertzliche freude in GOtt/ wie auch geziemendes lob deſſelben
zubefoͤrdern; anderſt wuͤrden ſie wohl ſolcher inſtrument ſo hoch nicht
geachtet haben. Was der Moͤnche und Nonnen ihr unvernuͤnfftiges
Lohn-Geſaͤnge in Kloͤſtern betrifft/ da der Zehende/ ja kaum der Hunder-
te/ verſtehet/ was er ſinget/ und es recht heiſſet/ wie der HErr zu den
Soͤhnen Zebedei ſagte: ihr wiſſet nicht/ was ihr bittet/ (Matth. 20,
22.) da auch bei dem lateiniſchen geloͤre die wenigſten Zuhoͤrer das
Amen ſprechen koͤnnen/ (1. Corinth. 14, 16.) wollen wir auch nicht
viel Zeit verlieren. Was das heiſſe/ was Hoſe. 7, 14. ſtehet: ſie
ruffen mich nicht an von Hertzen/ ſondern [...] loͤren (bloͤken und
heulen) auff ihren lagern/ geben wir ihnen in deſſen zu bedencken.
Gleichwohl aber werden viel auch unter uns nicht von Grunde
ihres Hertzens mit David ſprechen koͤnnen: Deine rechte ſind mein
Lied in meinem Hauſe/ in dem ihrer viel gar ſchlechte beliebung dazu
tragen. Zwar Lieder ſind noch wohl zu hoͤren; aber was fuͤr lieder?
ſauff-lieder/ ſchandbare bulen-lieder/ hoͤniſche ſpott-lieder/ und was der-
gleichen uͤppigkeit befoͤrdert. Da finden ſich manche geile Ovidii und
ECatulli,[]Die koͤſtlichſte Arbeit.Catulli, die junge Hertzen weidlich vergifften und entzuͤnden koͤnnen.
Da heiſſets: ihr ſpielet auf dem Pſalter/ und ertichtet euch lieder/
wie David; (ihr wollets dem David zu trotz nach- oder vorthun/)
und trincket wein aus denn ſchalen/ etc. Da finden ſich derer nicht
wenig/ die bis in die nacht ſitzen/ das ſie der wein erhitzet/ und ha-
ben harffen/ pſalter/ paucken/ pfeiffen und wein in ihren wohl-
leben/ und ſehen nicht auff das werck des Herren/ (wie Gott anderer
orten ſo eifferig abſtraffet/) und ſchauen nicht auff das geſchaͤffte
ſeiner Haͤnde. Jeſ. V. 11, 12. Wie viel ſind auch derer/ denen es ſchimpflich
fuͤrkoͤmt/ GOtt dem HErren/ zu ehren in der Kirche ein Lied mit zu ſin-
gen/ in meinung/ ſie wuͤꝛden die maͤuler zu ſehr aus dem geſchicke bringen.
Und hat man auch bei ietziger Kirchen-Viſitation mit verwunderung
anhoͤren muͤſſen/ wie in manchen Doͤrffen das Weibes-Volck keine
lieder mit zu ſingen begehre/ gleich als ob ſie ſolche GOttes Ehre nicht
angehe. Geſetzt aber/ das ja noch manche wohl ein gutes lied in der
Kirche mit ſingen/ wie ſtehets aber in ihren Haͤuſern? leider mehr
leichtfertigkeit/ als Gottesfurcht. Singt man auch ſchon etwas guts
mit dem munde/ lieber/ wo iſt das Hertz? Viel ſingen mehr der melodei
zu liebe/ weil etwa das lied neu iſt/ eine feine friſche art hat/ und fein welt-
lich klinget/ wer fragt nach dem inhalt? Es gemahnet mich mit ſolchen
leuten/ als wie mit einem/ der groſſe beliebung traͤgt zu neuen Kleider-
trachten: deswegen wen er einen ſolchen fremden Vogel ſiht/ der fein
ſeltzam auffzeucht/ ei/ heiſt es/ das iſt artig! das iſt beqvem! mit einem
ſolchen machet man Kundſchafft/ nimt ihn zu ſich/ GOtt gebe/ was fuͤr
ein pube in ſolchen neuen Kleide ſtecke/ oder was fuͤr unluſt und ſchaden
er hernach dem wirthe zuziehet. Alſo ſingen und lernen ihrer viel ein
lied/ nicht eben darum/ das es aus einem geiſtreichen Hertzen entſprun-
gen/ oder aus einem fleiſchlichen ſin/ ſondern weil es vor eine artige me-
lodei gehalten wird. Solten aber auch wohl ſolche leute die wort des
HErren treffen/ Jeſa. 29, 13: Dies Volck nahet ſich zu mir mit ſei-
nem munde/ und mit ſeinen lippen ehret es mich; aber ihr Hertz
iſt[]Die koͤſtlichſte Arbeit. iſt ferne von mir/ und fuͤrchten mich nach menſchen geboth/ die ſie
lehren. So will ich nun auch mit dieſem Volck wunderlich um-
gehen/ auffs wunderlichſte und ſeltzamſte/ etc: Hieher gehoͤret/
was ſo wohl von Alten als Neuen Kirchen-Lehrern geklaget worden uͤ-
ber die ungeiſtlichen/ taͤntzerlichen/ ja laͤcherlichen ſing-arten und muſic/
ſo man in dem Kirchen manchmahl zu hoͤren bekoͤmt/ da gewiß/ ſo einer
mit verbundenen augen dahinein were gefuͤhret worden/ er gaͤntzlich da-
fuͤr halten ſolte/ er were auff einem theatro, da man ein ballet tantzen/
oder eine comœdie ſpielen werde. Wie ernſthafft der alte Kirchenlehrer
Clemens Alex. l. 2. pædag. c. 4. wieder der edlen muſic misbrauch
zur ſaufferei und geilheit handele/ iſt unnoͤtig anzufuͤhren. Nur geden-
cken wie der ſchluswort ſelbigen capitels: [...]
[...]
[...]
[...]. das iſt/ erbare und
ſittſame harmonien ſol man paſſiren laſſen: aber gantz ferne
weg treiben die weichligen und unſerm Veſten oder ernſthafften
verſtande gantz ſchaͤdlichen melodeien/ als welche mit boͤſen ver-
kuͤnſtelten brechungen oder beigungen der ſtimme zu wolluͤſtigen
und faulen uͤppigkeiten uns verleiten. Recht eiferig handelt auch
hiervon Hieronymus, Epheſ. 5. t. 6. f. 188: uͤber wie wort: ſinget und
ſpielet/ etc. audiant hæc adoleſcentuli, audiant hi, qvibus pſal-
lendi in eccleſiâ officium eſt. Deo non voce, ſed [corde] cantan-
dum, nec in Tragœdorum modum guttu \& fauces dulci medi-
camine collinienda, ut in eccleſia theatrales moduli audiantur
\& cantica, ſed in timore, \&c: das iſt/ Hoͤret das ihr jungen Ge-
ſellen/ hoͤret dies/ die ihr in der Kirche das ſingen zu verrichten
habt. GOtt ſoll man nicht mit der ſtimme/ ſondern mit dem
Hertzen ſingen/ nicht auff art der comœdianten, die kehle und den
hals mit ſuͤſſen ſaͤfften glatt machen/ damit man in der Kirche
etwas theatraliſches zu hoͤren bekomme/ ſondern in des HErren
E 2furcht[]Die koͤſtlichſte Arbeit.[furcht] etc: Setzet hierauff/ das man mit den Singen ſolle dahin zie-
len/ damit der unſaubere geiſt von Saul vertrieben werden moͤge/ nicht
aber/ daß er durch ſolche uͤppige und taͤntzerliche manieren ſeinen einzug
deſto eher befoͤdere/ wen aus GOttes Kirche ein theatrum gemacht
wird. Denen Paͤbſtlern zu liebe ſetzen wir hieher die Wort ihres
Drexelii aus der rhetor. coel. l. 1. c. 5. §. 4. m. f. 78: Hîc pace
veſtrâ dixerim, ò muſici; nunc templis dominatur genus cantan-
di novum, ſed exorbitans, conciſum, ſaltatorium, \& parùm pro-
fectó religioſum, theatro aut choreæ convenientius, qvàm tem-
plo. Artificium qværimus, \& perdimus priſcum precandi ac can-
canti ſtudium: curioſitati conſulimus, ſed reveræ negligimus
pietatem. Qvid enim novitia hæc \& tripudians cantandi ratio,
niſi comœdia eſt, in qvæ cantores veluti actores ſint, qvorum mo-
dò unus prodit, modò duo, modò ſimul prodeunt omnes, \&
modulatis vocibus colloqvuntur; mox iterum unus triumphat
ſolus, cæteris brevi ſecuturis. das iſt/ Verzeihet mir ihr Herrn
Muſici; itzt herſchet in der Kirche gar eine ſpan-neue ſing-art/
aber ausſchweiffig/ gebrochen/ taͤntzerlich/ und gar im wenigſten
andaͤchtig; mehr reimet ſie ſich zum theatro und tantzplatz/ als
zur Kirche. Kunſt ſuchen wir/ und hieruͤber verlieren wir den
alten fleis zu beten und zu ſingen; unſerm fuͤrwitz rathen wir/ aber
in der warheit verlieren wir dabei unſere Gottesfurcht. Den
was iſt dieſe neue huͤpfferliche manier zu ſingen anders/ als eine
comœdie, da die ſaͤnger die agirende perſonen ſein/ derer bald ei-
ner/ bald zwene/ bald alle mit einander heraus tretten/ und mit
gebrochenen ſtimmen durch einander reden? itzt hat einer das
maul alleine/ bald folgen die andern hernach/ und uͤberſchreien
ihn; etc. Hierauff faͤhret er weiter fort/ und ſtellets dar/ das die uͤppige
Kirchen-muſic nichts anders in der that ſei/ als Welſche Singe-co-
mœdien; beziehet ſich ferne auff die Tapffern alten Muſicos, welche
weit gravitätiſcher und andaͤchtiger mit GOttes rechten umgegan-
gen/[]Die koͤſtlichſte Arbeit. gen/ wen ſie ſelbige als lieder abgeſungen. Ermahnet daneben/ das man
doch verſtaͤndlich ſingen wolle. Qvod ſi cordi eſt \& curæ divinus
honos, hoc agite viri, hoc laborate, ut qvæ cantantur verba, ſimul
etiam intelligantur. das iſt/ iſts euch um Goͤttliche ehre ein ernſt/
ſo bemuͤhet euch daruͤber/ ſtrebet darnach/ das man die Wort/
ſo ihr ſinget/ auch moͤge verſtehen; (damit ſie nich ſo gar ungeheur
zerdehnet und verdrehet werden.) Wem beliebt dieſen ort auffzuſchlagen/
wird noch ein mehrers daſelbs finden. Jſts aber an dieſem noch nicht
gnug/ ſo ſtellen wir ihnen gar einen Cardinal fuͤr/ nemlich den Bellar-
minum, welcher uͤber den 136. (bei uns 137.) Pſalm v. 5. dieſe gedan-
cken fuͤhret/ das auch die jenigen in fremden landen des HErren lied
ſingen/ welche heilige pſalmen und lieder dergeſtalt ſingen das ſie nur/
oder doch fuͤrnemlich/ der ohren fleiſchliche wolluſt befoͤdern/ durch aller-
hand wandlungen und verdrehungen der ſtimme. den die geiſtlichen lie-
der ſind darum gegeben/ das ſie das gemuͤth zu GOtt erheben ſollen/
nicht aber leibliche ſinne ergoͤtzen. Hingegen/ ſagt er ferner/ ſind auch
ihrer etliche/ welche Babels lieder in das Haus GOttes bringen/ illi
videlicet, qvi verba ſacra modulis profanis ita veſtiunt, ut qvi
audiunt, non tam verba conſiderent, qvàm profanam modulati-
onem attendant: nemlich welche die heiligen worte mit weltlichen
weiſen alſo verkleiden/ das die jenigen/ ſo es anhoͤren/ nicht ſo wohl
auff den ſin/ als auff die melodei achtung geben. Dieſem Cardinal
koͤnte noch beigefuͤget werden ein geborner Roͤmer Joh. Bapt. Caſalius,
welcher gewaltig auch wider ſolche ungeiſtliche taͤntzerliche ſing-art eifert
(in ſeinem buch von der Kirche alten gebraͤuchen de ritib. vet. ecc. f.
198. 199.) abſonderlich auch wider die jenigen/ welche um der ſtimme wil-
len zu unmaͤnnern ſind gemacht worden/ um welches ſchaͤndlichen
misbrauches willen der Kirche noch viel boͤſes wiederfahre muͤſſe;
wie ſolches in einem beſondern buch der Jeſuit Inchofer (welchen er
fol. 418. benennet/) ſoll ausgefuͤhret haben.
Wir unſers theils bleiben bei denen Rechten unſers lieben GOt-
tes/ und laſſen dieſelbe unſer andaͤchtiges/ erbauliches/ troſtreiches lied
iederzeit ſein in unſern Hauſe. Ach es bleibt dabei: Wen ich in
noͤthen beth und ſing/ ſo wird mein Hertz recht guter ding. Ach
was fuͤr groͤſſere ehre koͤnnen wir doch haben/ als das wir bei andaͤchtiger
abſingung geiſtlicher lieder verſichert ſein/ GOtt der HErr hoͤre uns mit
luſt zu: Jhm gefaͤllt die rede mein/ kan ein frommes hertz ſagen:
wie D. Becker alſo reimet Pſ. 104:
Ein ieder frommer Chriſt muntert ſich billich mit ernſt ſelbſten
taͤglich auff aus Pſ. 146, 2: Lobe den HErren meine ſeele/ ich will
den HErren loben/ ſo lang ich lebe/ und meinen GOtt ſingen/
weil ich hie bin. Ja er trachtet auch/ andere neben ſich im geiſt auffzu-
bringen: Lobet den HErren! den unsern GOtt loben das iſt ein
koͤſtlich ding; ſolch lob iſt lieblich und ſchoͤn: Pſal. 147, 1. item/ lobet
den HErren in ſeinem heiligthum/ lobet ihn in der feſte ſeiner
macht. Lobet ihn in ſeinen thaten; Lobet ihn in ſeiner Herrlig-
keit etc. Pſal. 150, 1. ſeqq. Ach was fuͤr groſſe gluͤckſeligkeit goͤnnet uns
der guͤtige GOtt bei dem hellen Lichte des Evangelii fuͤr unſern Vorfah-
ren/ auch fuͤr denen/ ſo noch ietzo im finſtern Pabſtum ſitzen? Wer ver-
ſtehet doch daſelbs einen gantzen Pſalmen/ ja nur einen Vers des Pſal-
mens/ recht und gruͤndlich? wie unvernemlich iſt doch der Lateiniſche
Pſalter? Hingegen was fuͤr edele geiſtreiche Lieder haben wir Evange-
liſchen?[]Die koͤſtlichſte Arbeit. liſchen? Johan Weiße/ ein frommer/ alter/ gelehrter man/ (wie
Spangenberg gedenckt par. 3. cyth. Luth. f. 8.) pflegte offters zu ſagen:
wen Lutherus mehr nichts gethan haͤtte/ den das er nur das Vater un-
ſer/ wie wirs itzt ſingen/ in geſangweiſe gebracht/ ſo haͤtte er doch damit
eine beſſere und nuͤtzlichere arbeit gethan/ den alle Gelehrte im Pabſtum
mit allen ihren groſſen buͤchern; dafuͤr ihm auch die welt nicht gnugſam
dancken kan. Ein anderer frommer Alte/ da er das lied/ komt her zu
mir/ ſpricht GOttes Sohn/ hoͤrete ſingen/ kunte ſich der threnen
nicht enthalten/ ſagende; ach lieben kinder/ lieben kinder! wie ſeelige
Zeit habt ihr doch erlebet! wen meine aͤltern dieſe worte fuͤr ihrem ende
gehoͤret hetten/ wie waͤr ihr Hertz ſo freudig worden! (Herberg. domin.
13. Trin.) Was fuͤr hertzliche krafft in des Seel. D. Ebers liede (HErr
JEſu CHriſt waar menſchen und GOtt/) verborgen liege/ erfahren
taͤglich/ und habens auch hiebevor erfahren/ viel fromme Hertzen.
Der loͤbliche Fuͤrſt Joachim zu Anhalt hatte nicht nur fuͤr ſeine perſon
gar innigliche ergoͤtzung druͤber/ wie ers zu erſt bekam/ ſondern betete es
taͤglich/ lernete es auswendig/ und verordnete auch/ das mans alle ſon-
tag nach gehaltener Predigt von der Cantzel leſen muſte/ auch zu Deſ-
ſau und in allen Kirchen ſeiner lande lies ers woͤchentlich einmahl ſin-
gen. (v. Berman 2. theil der ſterb. exem. p. 169.) Was fuͤr krafft bei
beſeſſenen/ auch bei wichtigen amtsgeſchaͤfften/ das lied/ GOtt der Va-
ter wohn uns bei/ mehrmahlen erwieſen/ wird in angefuͤhrten orte mit
mehrern erzehlet p. 170. ſeqq. Alſo das lied/ Chriſtum wir ſollen
loben ſchon/ machte den angefochtenen Herrn Lutherum gleichſam
wider lebendig/ da er vor unmuth vorher nicht wuſte/ was in ſolcher
noth fuͤr zu nehmen. Wohl dem/ der ſich ſolche und dergleichen geiſtrei-
che lieder laͤſſet lieb ſeyn! Wohl dem/ der des HErren Rechte als
ſein lied in ſeinem Hauſe immerdar treibet! ach es koͤmt eine Zeit/ da
man ſolche artznei gewaltig wohl genieſſen kan. Wie thut ſich da in
Kranckheiten/ bekuͤmmernuͤſſen und andern harten Zuſtaͤnden/ manch-
mahl ein unvermuthetes freudenblicklein herfuͤr/ ein troſt/ den man ſonſt
nimmer-[]Die koͤſtlichſte Arbeit. nimmermehr in ſolchen worten ſich eingebildet hette. Da hat wohl
ehe ein ſingend ſchuͤlerlein fuͤr der thuͤr einer armen Kreiſtenden und faſt
deſperaten mutter neue kraͤffte gebracht/ das uͤber denn worten (und ob
es waͤrt bis in die nacht/ und wider an den morgen/ etc:) ſie ſich in
GOtt geſtaͤrcket/ und die frucht geſund zur welt gebohren hat. Wohl
auch dem/ der ſein itziges leben als eine ſtehtwehrende Reiſe/ ſein Haus
aber als eine kurtz-eingeraͤumte Herberge anſihet/ nach anleitung un-
ſers ſpruches: in loco peregrinationis meæ. Lieber GOtt/ wie lange we-
rets wohl/ das wir hier uns auffhalten? was ſind 70 80. ja 100. Jahr?
Wen der menſche lange lebt/ ſagt Sirach c. 18, 8: ſo lebet er hundert
jahr. Gleich wie ein troͤpflein waſſers gegen das meer/ und wie
ein koͤrnlein gegen dem ſand am meer/ ſo geringe ſind ſeine jahr ge-
gen die ewigkeit. Wer wolte den/ wofern er anders recht Klug were/
ſich uͤbermaͤſsig bekuͤmmern um die unluſt/ ſo ihm auff ſolcher reiſe be-
gegnet: Ohne iſt es zwar nicht; lieber kehret man unter weges ein bei
einem ehrlichen manne/ da man ſeine ruh und gute beqvemligkeit haben
kan. Aber wen ſichs nicht anders leiden will/ ſo nimt man auch mit ei-
ner geringen [ſchencke] vor lieb/ und iſt zu frieden/ wen man nur ein ſtuͤcke
brod/ einen guten trunck und eine ſchuͤtte gut ſtro bekoͤmt/ lieber/ als wen
man in regen/ froſt und ſchnee unter freien Himmel liegen muͤſte. Waͤ-
rets doch nicht lange/ getroͤſten wir uns/ und warten deſto freudiger auff
den lieben morgen. Alſo ob wir ſchon auff unſerer Lebensreiſe auch ein-
mahl beſſer als das andere/ beſſer an dieſen/ als an jenen orte/ accomo-
diret werden/ ſoll uns doch deswegen die ungedult nicht uͤberwaͤltigen.
Lieber ein Lied von des HErren Rechten geſungen/ als das man ver-
gebens eines daher gruntzet oder pinſelt/ damit uns doch gar nichts ge-
holffen wird. Ach wie klug thun die jenigen/ ſo da ſehen auff das ende
des glaubens/ welches iſt der ſeelen ſeligkeit/ 1. Pet. 1, 9: unterdeſſen
aber grosmuͤtig alle unluſt in der kurtzen herberge verſchmertzen/ in be-
trachtung/ das der anfaͤnger und vollender unſers glaubens weit mehrers
uͤberſtanden/ da er doch wohl freude hette haben koͤnnen: Ebr. XII, 2.
Schluͤslich ſoll unſer gemuͤth aus dieſen wenig worten auch an-
nemlichen Troſt habe wider zuſtoſſende unluſt bei unſerer itzigen Rei-
ſefahrt. Wollen die Rechte dieſer Welt manchmahl zu unſern nach-
theil von ungewiſſenhafften Weltleuten wider uns misbrauchet werden/
es geſchehe in- oder auſſer-halb der gericht/ in handel und wandel/ im ge-
meinen leben/ oder ſonſt/ da uns fuͤrgeworffen wird/ es ſei Rechtens/
da es doch nicht das rechte Rechte iſt/ ſondern kaum deſſelben ſchein/ ſo
dencke du an GOttes Rechte/ welche dein Lied ſein in deinem Hauſe.
Dieſe habe uñ nim fuͤr dich/ Pſ. 119, 30: den ſie ſind lieblich/ Pſal. 119, 39:
weiche nicht davon/ Verſ. 102. dieſe Rechte werden dir ſchon helffen:
Verſ. 175. Nach dieſen Rechten mus es denen/ die from bleiben und
ſich recht halten/ zu letzt (NB. zu letzt) wohlgehen: Pſal. 37, 37.
Hier heiſſets: es gehet gewalt uͤbeꝛ Recht/ daꝛum gehets gaꝛ andeꝛs
den recht/ und kan keine gerechte ſache gewinnen: den der gottloſe
uͤberfortheilet den gerechten/ darum gehen verkehrte urtheil:
Habac. 1, 4. Allein laß drum ſein/ liebe ſeele; GOttes Rechte wer-
den doch endlich die oberhand behalten muͤſſen. Unterwegens und auf
der reiſe gehets alſo ſeltzam; die wege ſind krum/ die wirthe ſind ſchlim/
die gaͤſte ſind arg; kommen wir nur aus der reiſe zur rechten heimath/
ſo ſols ſchon anders werden. Sprechen uns GOttes Rechte das
himliſche erbe zu/ ſo moͤgen die weltlichen Rechte abſprechen/ was ſie
wollen/ und was ſie koͤnnen/ ja es moͤgen auch die Paͤbſtiſchen Kirchen-
rechte uns gar die Hoͤlle zuſprechen und Verdammen/ was fragen wir
darnach? nemen ſie uns den leib/ Gut/ Ehr/ Kind und Weib/ laß
fahren dahin[/] ſie habens keinen gewin/ das Reich GOttes muß
uns bleiben. Ferner wen an ſtat der froͤlichen und guten Lieder wir
manche ſtichel- und ſpott-wort hoͤren muͤſſen/ man ſinget gar ein liedlein
von uns/ (Ezech. 33, 32:) wir ſelbſten koͤnnen fuͤr angſt zu keinem Liede
kommen/ lauter ſeufftzen/ winſeln und aͤchtzen qvillet aus unſern gepreſten
Hertzen heraus/ ſo dencke du dennoch/ liebe ſeele/ an die ietzigen worte
Davids: Deine Rechte ſind mein Lied in meinem Hauſe. Uber-
Fwinde[]Die koͤſtlichſte Arbeit. winde dich ſelbs/ und ſinge der welt/ dem Deifel und deinem eignem flei-
ſche ein gutes lied zu trotz/ wie Paulus und Silas um mitternacht in den
gefaͤngnuͤs/ oder wie der Herr Lutherus mitten in der ſchwerſten anfech-
tung: verſuch es in CHriſti namen/ du wirſt wunderliche wirckung er-
fahren. die wort ſtehen da: ſeid froͤlich in Hoffnung/ gedultig in
truͤbſal: Rom. 12, 12. Was ein froͤlich und geiſtreich lied fuͤr thaten
thun koͤnne in zuſtoſſender gefahr/ wollen wir nicht bekraͤfftigen mit der
Paͤbſtler ihren eingebildeten Wundern; als wen ſie fuͤrgeben/ das Anno
1209: durch den geſang Veni creator Spiritus, die Vorſtaͤte zu Carcas-
ſona weren uͤberwaͤltiget/ auch die Ketzer (vermuthlich die Waldenſer)
Anno 1211. und 1212. gar ſichtiglich dadurch geſchrecket und erleget wor-
den: (bei dem Odorico Raynaldo, Annal. to. 13. An. 1209. n. 23. A.
1211. n. 15. A. 1212. n. 12.) von welchen dingen nich gar viel zu fragen ſtuͤnde.
Wir ſtellen auch dahin/ was der abgoͤttiſchen Sineſiſchen ſtatt Lu fuͤr
eine wunderliche errettung durch die muſic zugeſtanden/ ſintemahl da
der Haſingius ihr den gaͤntzlichen untergang geſchworen/ in herumrei-
ten aber an unterſchiedenen orten der ſtad ſo wohl der vocal als inſtru-
mental muſic gewar wurde/ ſchloſſe er daraus/ das es keine barbarn/ ſon-
dern vielmehr vernuͤnfftige/ geſchickte und treue leute ſein muͤſten/ die
ſich ſolcher guten ſachen befliſſen/ und casſirte deswegen ſeinen ſchwur:
wie Martinius berichtet l. 7. hiſt. Sinenſ. f. 263. Dies that die muſic.
Dieſe und andere exempel laſſen wir itzt an ihrem orte beruhen. Koͤnnen
aber nicht geſchweigen der gar heilſamen invention des Biſchoffs von
Antiochien, Flaviani, welcher den erzuͤrneten Keiſer Theodoſium, ſo
auch dieſer ſtad die gaͤntzliche ruin und untergang geſchworen hatte/ auff
ſolche art beguͤtigte. Er ließ die klaͤglichen bus- und angſt-lieder/ ſo
die armen erſchreckten leute zu Antiochien damahls zu ſingen pflegten/
durch die Kaiſerlichen capelknaben bei der tafel ſingen. Und als der
Keiſer auff gethane erkuͤndigung den bericht bekam/ dies weren ietzo der
armen Antiochener ihre geſaͤnge und letzte zuflucht/ lieffen ihm die thre-
nen die backen herab/ und casſirte gleichfalls ſein geſprochenes urtheil:
wie[]Die koͤſtlichſte Arbeit. wie mit mehrern zu leſen beim Nicephoro l. 12. hiſt. eccl. c. 43. Was
die edele Sing-kunſt vermoͤge/ den unruhigen geiſt des Sauls zu ver-
treiben/ und hingegen heilige entzuͤckung in GOtt bei dem Eliſa zu
erwecken/ iſt albereit droben angefuͤhret worden. Vergiß du deſſen
nicht in deiner traurigkeit/ ſondern troͤſte dich mit kraͤfftigen guten lie-
dern; die probe iſt bei vielen gar herrlich und gewiß gelungen. Koͤmts
mit dir zum Siechen/ ja gar zum Sterben/ ach erinnere dich dieſer
worte: Deine Rechte ſind mein lied in meinem Hauſe. Wie
hertzlich ſind auch fuͤrnehme gelehrte Theologi, derer ich mit namen et-
liche wohl koͤnte nennen/ und andere tapffere leute/ in ſolchen zuſtande
erqvicket worden! unter werenden ſingen der erforderten ſchulknaben/
ſtudioſorum, oder anderer umſtehenden freunde/ ſeind ſie von der un-
ruhe zu einer guten ſtille kommen/ ja unter werenden ſingen ſind ſie gar
ſanfft/ als unſchuldige kinder/ eingeſchlaffen. Wir geſchweigen derer/
die einer gehoͤrten Engel muſic halben ſich wunderbarlich haben erfreuet.
Ach freilich ſeind dieſe himliſchen mûſicanten nicht ferne/ wo GOttes
Rechte das lied im Hauſe ſind. Wie ſie um den Latarum/ da er mit
den tode rang/ herum ſtanden/ und alsbald die ſeele zu [Abrahams] ſchooß
begleiteten (Luc. 16.) alſo ſtehen ſie auch noch dieſe ſtunde um derer
jenigen ſiechbette herum/ welche bald ihre Adjuvanten bei der himliſchen
Capell werden ſollen. Wen ietzo dieſer geiſtlichen Saͤnger und Saͤn-
gerinnen/ derer Lied GOttes Recht in ihren Hauſe geweſen ſind/
ihre Reiſe oder Pilgerſchafft ſich enden wird/ ſo wird unverzuͤglich
der eintrit ins himliſche Vaterland erfolgen; da wird das heilig/ [heilig]/
heilig/ im hoͤhern Chor vernommen werden. Derhalben
einigt werden.
Amen/ im namen JESU/
Amen!
Jch ruhe ſanft und ſelig.
Kurtze Beſchreibung
Des
(Tit.)
Herrn Heinrich Schuͤtzens/
Chur-Fuͤrſtl. Saͤchſ. aͤltern Capellmeiſters/ gefuͤhrten
muͤheſeeligen Lebens-Lauff.
DEr Chur-Fuͤrſtl. Saͤchſ. aͤltere
Capellmeiſter Herr Heinrich Schuͤtze/
iſt auf dieſe Welt gebohren worden zu Koͤſte-
ritz/ ein wohlbekandten Flecklein an der El-
ſter gelegen/ und denen Hoch-Edelgebohr-
nen Herrn von Wolfframsdorff gehoͤrig/
im Jahr CHriſti 1585. am 8. Tage des Octo-
bris, Abends umb 7. Uhr. Sein Herr Vater iſt geweſen Herr
Chriſtoff Schuͤtze/ nachmahls Buͤrgermeiſter der Stadt Weiſ-
ſenfelß. Seine Fr. Mutter Frau Euphroſina/ Herrn Johann
Bergerns/ vornehmen Practici und Buͤrgermeiſters zu Gera
ſeel. eheleibl. Tochter. Sein Herr Groß-Vater vom Vater/ iſt
geweſen/ Herr Albrecht Schuͤtze/ Raths-Caͤmmerer zu Weiſſen-
felß/ Seine Fr. Groß-Mutter/ Muͤtterlicher Linie aber/ Frau
Dorothea/ geboren aus dem alten und zu Gera wohlbekandten
Geſchlechte/ der Schreiber/ Weitern Bericht von ſeinen Ober-
Eltern und beyderſeits Anverwandten/ iſt wegen kuͤrtze der Zeit
allhier beſcheidentlich zu uͤbergehen; Vielmehr aber zu ruͤhmen/
daß des Herrn Capellmeiſters geehrte Eltern in ihrer Chriſtli-
chen Sorgfalt/ nach welcher Sie zum erſten mit ihren dazumahl
neugebohrnen Sohne/ nach dem Reich GOTTES getrachtet/
und damit Er deſſen unzweiffelbarer Erbe werden moͤge/ unſerm
F 3einigen[]Lebens-Lauff. einigen Erloͤſer JESU CHRJSTO/ denſelben in der heiligen
Tauffe an folgenden 9ten ſelbiges Monats fuͤrgetragen/ da Er
denn durch die Krafft des Blutes CHRJSTJ mit dem hoch-
theuern Verdienſt ſeines Heylandes angethan/ und in GOT-
TES Geſchlechte mit dem Nahmen Heinrich aufgenommen
worden/ Dieſen ſeeligen Anfang ſeines Chriſtenthumbs haben
die geehrte Eltern durch gottſeelige Aufferziehung und zeitlichen
Unterricht in der Erkaͤntnis ſeines GOttes/ treulich nachgeſetzet/
und eiferigſt dahin getrachtet/ wie Er mit zunehmenden Kraͤff-
ten vornehmlich in wahrer Gottesfurch einher gehen/ zu einen
rechtſchaffenen Chriſten auffwachſen und zu denen wuͤrcklichen
Gaben und Gnaden eines huld- und liebreichen Menſchens ge-
langen moͤge/ Dahero dann/ nachdem Anno 1591. ſein Herr
Groß-Vater/ Herr Albrecht Schuͤtze/ wohlverdienter Raths-
Caͤmmerer zu Weiſſenfels nach GOttes Willen verſtorben/ und
ſein Herr Vater als zu den verlaſſenen Guͤthern hinterbliebe-
ner Erbe/ dahin nach Weiſſenfelß ziehen muͤſſen/ hat Er Jhn
nebenſt andern ſeinen Geſchwiſter daſelbſt nach den wohlgeleg-
ten Grund der Gottſeeligkeit/ ſtets zu einen tugendhafften Wan-
del/ ſtillen Leben/ erbaren Sitten/ guten Wiſſenſchafften und
Sprachen/ auch folgends zu hoͤhern Studiis nicht allein durch ei-
gene privat Præceptores ſelbſt gehalten und fleiſſig angewieſen/ ſon-
dern Jhn auch anderer ſtattlich gelehrter Leuten Information
hierzu untergeben/ Gleich wie ſich aber die Luſt zu einem Dinge
leichtlich nicht bergen laͤſſet/ alſo hat ſich auch ſtracks in der Ju-
gend eine ſonderliche Inclination zu der edlen Muſic, bey dem
Herrn Schuͤtzen gefunden/ alſo daß Er in kurtzer Zeit gewiß
und ziemblich wohl mit einer beſondern Anmuth zu ſingen geler-
net hat/ welches denn nicht eine geringe Urſach ſeiner zeitlichen
Befoͤrderung geweſen/ denn nach dem Anno 1598. Jhre Hoch-
Fuͤrſtl.[]Lebens-Lauff. Fuͤrſtl. Gnaden Herr Landgraff Moritz von Heſſen Caſſel/ eins-
mahls bey ſeinen Eltern pernoctiret/ und Jhn als damahls ſo ei-
nen kleinen Knaben/ ſo lieblich ſingen gehoͤret hatte/ ſeynd Jhre
Fuͤrſtl. Gnaden bewogen worden/ ſeine Eltern deßwegen anzu-
reden/ Jhn an ſeine Fuͤrſtl. Hofſtadt mit ziehen zu laſſen/ mit
Verſprechen/ daß Er zu allen guten Kuͤnſten und loͤbl. Tugenden
ſolte aufferzogen werden. Alß aber ſeine Eltern ihn in ſeiner
ſchwachen Kindheit von ſich wegziehen zu laſſen Bedencken getra-
gen/ Jhre Hoch-Fuͤrſtl. Gnaden aber anderweit in Schrifften
umb ſeine Perſon angehalten/ und ſeine Eltern vermercket/ daß
Er Luſt und Beliebung truͤge/ in die Welt zu ziehen/ haben ſie
darin endlich conſentiret/ und iſt Er Anno 1599. am 20. Auguſti
von ſeinen lieben Herrn Vater außgefuͤhret/ und Jhre Hoch-
Fuͤrſtl. Gnaden dem Herrn Landgraffen uͤbergeben worden.
Solcher Gelegenheit in acht nehmend/ hat Er ſich daſelbſt etliche
Jahr auffgehalten/ und iſt in einer anſehnlichen Hof-Schule o-
der vielmehr Gymnaſio unter Graffen/ vornehmen von Adel und
andern tapfern Ingeniis, zu allerley Sprachen/ Kuͤnſten und exer-
citien angefuͤhret worden/ welcher ſein darinen gethaner Fleiß
und darzu anreitzende Luſt auch nicht vergebens geweſen iſt/
maſſen Er in kurzter Zeit in der Lateiniſchen/ Griechiſchen und
[Frantzoͤſiſchen] Sprachen mit Verwunderung zugenommen/ und
nebenſt den andern bald gleiche profectus erwieſen/ alſo gar/ daß
auch ſeine Herren Præceptores und Profeſſores, weil Jhm alles
wohl von ſtatten gangen/ ſehr werth gehalten/ und ieder gewuͤnt-
ſchet und Jhn angereitzet/ daß auff ſeine Profesſion Er ſein Stu-
dium richten moͤchte. Nachdem Er aber alles auff des Hoͤch-
ſten Direction geſtellet/ hat Er ſich endlich das Studium Juris er-
wehlet/ dahero Er denn getrachtet ſich fernerweit umbzuſehen/
und ſein ſtudiren fortzuſetzen/ welches Jhn auch nicht ermangelt/
da es[]Lebens-Lauff. da es ſich gleich zugetragen/ daß circiter Annum 1607. ſeine ſeel.
Eltern ſeinem Bruder Georgium nebenſt ſeines ſeel. Herrn Va-
ters Brudern Sohn/ Heinrich Schuͤtzen Studiorum gratia nacher
Marpurg geſchicket/ nach deſſen Vernehmung auf Anhaltung
Er von Jhre Hoch-Fuͤrſtl. Gnad. permisſion erlanget/ daß in
gedachter Geſellſchafft Er ſich nach Marpurg mit begeben moͤch-
te/ Alß Er nun ſeines Wuntſches theilhafftig worden/ hat Er
ſich daſelbſt mit Continuirung ſeines einmahl vorgeſetzten Studii
Juridici eiferigſt erwieſen/ dahero Er denn den Inſtitutionibus
Juris. Qvæſtionibus Hœnonii und andern vornehmen Authoren
fleiſſig obgelegen/ und in weniger Zeit durch eine Diſputation de
legatis ruͤhmlich erwieſen/ daß Er ſeine Zeit nicht uͤber angewendet
habe. Bald darauff Anno 1609. iſt geſchehen/ daß hoͤchſtge-
dachte Jhre Hoch-Fuͤrſtl. Gnaden Herr Land-Graf Moritz
nacher Marpurg kommen/ da denn Demſelben Er ſeiner Schul-
digkeit nach aufgewartet/ bey welcher Gelegenheit/ nicht wiſſen-
de qvô fatô, Jhre Gnaden angefangen und geſaget hat/ wie Er
vernommen/ daß Er ſich gaͤntzlich und vornehmlich auf das ſtu-
dium Juridicum wendete/ und weil Er bey Jhm eine ſonderbare
Inclination zu der Profeſſion der edlen Muſic vermercket/ und der
weltberuͤhmter Muſicus Herr Johann Gabriel zu Venedig annoch
am Leben were/ ſo were er nicht uͤbel beſonnen/ im fall Er Herr
Schuͤtze Luſt haͤtte/ Jhn den Verlag darzu zu ſchaffen/ und da-
hin zu ſenden/ damit Er das ſtudium Muſicum rechtſchaffen fort-
ſtellen koͤnte; Wie nun dergleichen Offerten junge Leuthe ſelten
außzuſchlagen pflegen/ alſo hat Er ſich auch damahls reſolviret/
und ſolche angetragene Gnade mit unterthaͤnigſten Danck ange-
nommen/ in Meinung/ daß Er nechſt ſeiner Wiederkehre aus
Jtalien/ dennoch fernerweit zu den Buͤchern greiffen/ und ſeine
Studia in mehrern continuiren koͤnte/ Jſt daher im Nahmen
GOttes[]Lebens-Lauff. GOttes Anno 1609. nach Jtalien/ und zwar vornehmlich
ſein geſetztes Ziel zu erlangen nach Venedig fortgezogen/ allda
er ſich bald unter des weitberuͤhmten Muſici Herrn Johann
Gabrielis inſtitution begeben/ und biß in das 4te Jahr auff-
gehalten/ bey welcher Zeit er denn nicht allein nach den rechten
Nutz der Peregrination getrachtet/ was eines oder andern
Orts Denckwuͤrdiges wohl in acht genommen/ gelehrte und
weiſe Leuthe fleiſſig geſuchet/ ſich mit denenſelben in gute Cor-
reſpondentz geſetzet/ was zu imitiren heilſam/ wohl gemercket/
und nach der Lehre des Apoſtels/ was Erbar/ was Gerecht/
was Keuſch/ was Lieblich/ was wohl lautet/ wo etwa eine
Tugend/ wo etwan ein Lob geweſen/ demſelben nachgedacht/
ſondern er hat ſich auch vermittelſt Goͤttlicher Gnade in der
Muſic vor den andern ſeiner damahls neben ihn ſich auffhal-
tender Geſellſchafft herfuͤr gethan/ und ein Muſicaliſches
Wercklein zu Venedig drucken laſſen/ durch welches er bey
Maͤnniglichen in ſondere Ehre/ Reſpect und Lob kommen iſt;
Nachdem aber ſein vorgenanter Herr Præceptor zu Venedig
verſtorben/ hat er ſich Anno 1612. daſelbſt weg begeben/ und
wiederumb nach Teutſchland zu dem hochgemelten Herrn
Landgraffen gewand/ welcher ihn auch alſobald 200. Guͤlden
biß zu einer gewiſſen Beſtallung ſetzen laſſen/ weil ihm aber
nicht gefallen ſolcher geſtalt bey der Muſic zu verbleiben/ hat er
lieber ſeine Buͤcher wieder vor die Hand nehmen wollen/ umb
das jenige was er in Jtalia darinnen verſaͤumet/ zu erſetzen/
und nebenſt dieſen die Muſic als ein parergon zu anderweiten
Befoͤrderung zu gebrauchen/ Der Hoͤchſte aber welcher viel-
leicht ihn von Mutterleibe an/ zu der Muſic abgeſondert/ hat
ihm auch fuͤr dieſes mahl die Buͤcher auſſer Handen geruͤcket/
indem Anno 1615. von dem Durchlauchtigſten Churfuͤrſten
Gzu[]Lebens-Lauff. zu Sachßen/ Hertzog Johann Georgen dem Erſten/ hoͤchſt
ſeel. Andenckens/ als ihm der andere Printz der Durchlauch-
tigſte Hertzog Auguſtus, ietziger Adminiſtrator des Ertz-
Stiffts Magdeburg getaufft werden ſolte/ er nacher Dreßden/
ſonder alle ſeine die Zeit Lebens gehabte Gedancken/ beruffen
worden/ und weil er ſolche hohe Gnade billich zu obſerviren
hatte/ iſt er mit erlangter Permisſion des Herrn Landgraffens
dahin gereiſet/ da ihm dann alsbald von Jhrer Churfuͤrſtl.
Durchl. bey dem Hoch-Fuͤrſtlichen Kind-Tauffen Dienſte und
das Directorium uͤber Dero Churfuͤrſtl. Muſic an præſentiret
worden. Wie er nun des Allgewaltigen GOTTES wunder-
barliche Schickung inſonderheit darinnen vermercket/ Alſo
hat er dieſes hohe Begeben nicht abgeſchlagen/ ſondern viel-
mehr/ daferne er von Jhre Gnaden den Herrn Landgraffen
loß kommen koͤnte/ die Gelegenheit in unterthaͤnigkeit accepti-
ret, ſolch ſein anſtaͤndiges Gluͤck nun hat Jhre Fuͤrſtl. Gnaden
der Herr Landgraff ihm auch nicht mißgoͤnnet/ ſondern auff
Zuſchrifft hoͤchſt gedachter Jhrer Churfuͤrſtl. Durchl[.] ihm gar
gerne mit Verehrung einer Ketten und Bildnuͤs und ſonder-
baren gnaͤdigen Abſchieds-Worten dimittiret. Nachdem
nun er Herr Schuͤtze ſich nacher Dreßden gewendet/ mit ſei-
nen guten Qvalitäten und ſtatlichen Wiſſenſchafften bey ſeiner
gnaͤdigſten Herrſchafft und maͤnniglichen viel Gnade/ Liebe
und Affection erworben/ GOTTES gnadenreichen Bey-
ſtand in ſeinen Fuͤrnehmen/ und daß durch deſſen Gnade alles
zu accreſcirung ſeines Wohlfarth ſich dieſes Orts wohlgefuͤ-
get/ mit danckbaren Hertzen verſpuͤhret/ hat er ſeinen Statum
allhier deſto beſſer ein zu richten/ auff eine ihm anſtaͤndige Hey-
rath gedacht/ Derohalben den getreuen GOTT vornehm-
lich umb Vaͤterliche Direction ſeines Chriſtlichen Fuͤrhabens
inbruͤ-[]Lebens-Lauff. inbruͤnſtig angeruffen/ dann der lieben Seinigen Gutachten
gebrauchet/ und weil er eine ſonderbahre Ehren-Affection und
hertzliche Liebe zu des Churfl. Saͤchſ. [L]and- und Tranck-Steu-
er Buchhalters/ des weiland Edlen und hochbenahmten
Herrn Chriſtian Wildecks Seel. vielgeliebteſten Toch-
ter/ Jungfer Magdalenen/ bey ſich gemercket/ hat er in Nah-
men des Allerhoͤchſten mit guten Wuntzſch und Willen ſeiner
Liebſten Angehoͤrigen/ ſolche geſchoͤpffte Ehren-Freundſchafft
ietzt gedachter Jungfer Wildeckin geehrte Eltern/ mit gebuͤh-
render Beſcheidenheit angetragen/ welche dann nach vorher-
gehender ihres theils gleichfalls beſchehener Anruffung des
Hoͤchſten und reifflichen Uberlegung unter ſich und ihren na-
hen Anverwandten/ ihre geliebte Tochter/ ermelten Herrn
Schuͤtzen in Anſehung ſines Gottſeeligen Wandels/ leutſeeli-
gen Hertzens und Gemuͤths/ ſtattlicher Erudition, Wiſſen-
ſchafften und andern beſonders ruͤhmlichen Qvalitäten, in
Nahmen der heiligen Dreyfaltigkeit verlobet und verſpro-
chen/ welches angefangen Ehe- und Ehren-Werck auch den 1.
Junii 1619. gewoͤhnlicher Maſſen durch Prieſterliche Trauung
vollnzogen worden. Nachdem ihm nun dieſes Freuden- und
Ehren-Licht auffgangen/ hat der fromme GOTT ſolches ie
mehr und mehr vermehret/ und ihn und ſeine Ehe-Liebſte mit
zweyen Toͤchtern benantlich Anna Juſtina und Euphroſina
begnadiget: Allein die Suͤſſigkeit dieſer erwuͤndſchten Ehe/
iſt gar gald in eine bittere Creutz-Wermuth verwandelt wor-
den/ indem er in den 6. Jahr ſeine Liebe erfahren muͤſſen/ wie
ſeine Ehe Liebſte Anno 1625. am 6. Septembris durch den zeit-
lichen Todt ſeiner Seiten entriſſen/ und er dadurch in ein nicht
geringen Betruͤbnuͤs verſetzet worden/ dahero er dann ſeine
beyde vorbenante Toͤchtere anfaͤnglich ſeiner liebſten Mutter
G 2nacher[]Lebens-Lauff. nacher Weiſſenfels/ nachmahls aber des damaligen Steuer-
Buchhalters Herrn Chriſtian Hartmans Ehe-Liebſten/ als
ihrer nahen Anverwandtin zur Aufferziehung gegeben/ und
weiln die damahligen Kriegs-Preſſuren in dieſen Landen ie
mehr und mehr zu nahmen/ welche denn alle das jenige/ was
ſonſt bey der edlen Friedens-Zeit zu floriren pfleget/ verhinder-
ten/ und gleichfalls ſeiner Profesſion einen nicht ſchlechten Ein-
wurff thaten/ hat er ſich reſolviret, eine peregrination wieder-
umb an zuſtellen/ und nachdem er von Jhre Churfuͤrſtl.
Durchl. numehro hoͤchſtſeel. Andenckens auff eine gewiſſe Zeit
Indult erlanget/ iſt er Anno 1628. am 11. Auguſti von hier zum
andern mahl nach Jtalien gangen/ nach ſeiner gluͤcklichen
Wiederkunfft aber/ hat er mit Schmertzen erfahren muͤſſen/
wie ſein lieber Herr Vater Chriſtoph Schuͤtz geweſener Buͤr-
germeiſter zu Weiſſenfels Anno 1631. am 25. Auguſti und ſein
lieber Herr Schweher[-]Vater Herr Chriſtian Wildeck geweſe-
ner Churfuͤrſtl. Steuer-Buchhalter am 1. Octobris ejuſdem
anni ſich dieſer Welt entzogen haben/ dahero er immer ein Be-
truͤbnuͤs uͤber das ander bekommen hat; Und nachdem die
boͤſen und unruhigen Kriegs-Zeiten noch keine Endſchafft neh-
men wollen/ iſt er immer von einem Orth zum andern/ iedoch
ſtets mit Permisſion ſeiner gnaͤdigſten Herrſchafft verreiſet/
ſich theils in ſeiner edlen Muſic umb deſto mehr perfectioniret,
theils von hohen Koͤnigl. und Fuͤrſtl. Potentaten auff gnaͤdig-
ſtes Begehren/ weit und breit geruͤhmt gemachet/ Maſſen er
denn Anno 1634. uff Begehren Jhrer Koͤnigl. Majeſt. in Den-
nemarck nach Coppenhagen/ Anno 1638. nacher Braun-
ſchweig und Luͤneburg/ Anno 1642. wiederumb nach Denne-
marck daſelbſt beym Koͤnigl. Beylager und andern hohen Zu-
ſammenkunfften die Muſicam dirigiren und vorſtehen muͤſſen;
Der[]Lebens-Lauff. Der liebe GOTT aber hat ihn dieſes ſein Gluͤck und hohe Ehre
allezeit bey ſeiner Zuruͤck-Kunfft mit Traurigkeit verſaltzen/
Jndem ihn Anno 1632. ſein Bruder M. Valerius Schuͤtz/ Anno
1635. ſeine liebſte Frau Mutter/ Anno 1636. ſeine Frau Schwie-
ger Mutter/ Anno 1637. ſein Herr Bruder Doctor George
Schuͤtze/ und Anno 1638. ſeine liebe Tochter Jungfer Anna
Juſtina in Dreßden verſtorben/ und er dadurch in ein lang-
wieriges Trauern und Betruͤbnuͤs geſetzet worden iſt. Anno
1647. in Auguſto hat der ſeelig Verſtorbene ſeine noch eintzige
und juͤngſte Tochter/ Jungfer Euphroſinen an den Ehren-
Veſten Groß-Achtbarn und Hochgelahrten Herrn Chriſtoph
Pinckern/ J. U. Doctorn. damahls Juris Practicum, ietzo aber
Churfl. Saͤchſ. Appellation-Rath/ des Schoͤppen-Stuhls
zu Leiptzig Aſſeſſorn und Buͤrger-Meiſtern daſelbſt/ ehelichen
verſprochen/ und hernach am 25. Januarii Anno 1648. dieſes
Chriſtliche Ehe-Geloͤbnuͤs durch Prieſterliche Copulation
vollnziehen laſſen/ aus welcher Ehe er auch ſonderbaren Troſt
und Vergnuͤgung empfunden/ auch fuͤnff Enckelein erlebet/
darvon aber nur noch eines nehmlichen Frau Gertraud Eu-
phroſina/ ſo am 18. Maii Anno 1670. an Herrn Johann Sey-
deln/ Dom-Herrn zu Wurtzen und Raths-Verwandten zu
Leipzig verheyrathet worden/ noch am Leben/ von welcher er
auch zwey Enckelein/ davon eines auch bald wieder verſtor-
ben/ erlebet/ und alſo zum Groß Groß Vater gemachet wor-
den/ die auch ietzo ihren ſeeligen Groß-Vater das Geleit zu
ſeiner Ruhe-Stete giebet; Jm Januario Anno 1655. aber iſt
dieſe ſeine einige Tochter in Leipzig/ als der ſeelig Verſtorbene
eben dahin gekommen ſie zu beſuchen/ durch den zeitlichen Tod
zu ſeinem und ſeines Herrn Eydams hoͤchſten Betruͤbnuͤs
hinweg geriſſen worden/ Wie ſich aber der ſeelig Verſtorbene
G 3als[]Lebens-Lauff. als ein vernuͤnfftiger Chriſt in ſeiner ſo offt zugeſchickten Ehre
und Gluͤck niemahls erhoben/ ſondern vielmehr eine Anrei-
tzung zu fernern anſtaͤndigen und geziemenden Chriſtlichen
Auffmunterung ſeyn laſſen als hat er auch in dem offt zu ge-
ſchickten Elend und Betruͤbnuͤs von ſeinen treuen GOTT
nicht abgeſetzet/ ſondern ihm ſtets von Hertzen vertrauet/ und
alle ſein Thun und Vornehmen in des Hoͤchſten Willen ge-
ſtellet/ nicht zweiffelnde/ daß der jenige/ ſo die Wunden gema-
chet/ ſolche auch wieder heilen und alles zum beſten kehren
werde/ Jn welcher Zuverſicht er denn nicht weniger bey die-
ſer Churfuͤrſtl. Reſidentz als anderer Orthen/ wo er gebohren
und gezogen/ wo er in der Frembde gelebet/ und mit Studiren
und andern loͤblichen Ubungen ſeine Zeit nuͤtzlich angewen-
det/ ein allgemeines Lob und den ruͤhmlichen Chriſtlichen
Nachklang erworben/ daß er ſich iederzeit vor einen armen
Suͤnder Bußfertig erkennet/ darbey aber des Verdienſtes
ſeines Heylandes und Erloͤſers JESU CHRJSTJ in
wahren Glauben feſtiglich getroͤſtet/ zum Gehoͤr Goͤttliches
Worts/ zum Beicht-Stuhl und hochwuͤrdigen Abendmahl
fleiſſig gehalten/ maſſen nur noch vor wenig Wochen am 15.
Septembris nechſt hin geſchehen/ und in uͤbrigen der Schul-
digkeit eines guten Chriſten gegen ſeinen Nechſten treuli-
chen beflieſſen/ da benebenſt iedermann nach Standes Er-
forderung mit Reſpect, mit aller Diſcretion, Freundſchafft
und Leuthſeeligkeit begegnet/ Seinen armen Freunden und
andern Nothduͤrfftigen Leuthen viel Gutes gethan und ih-
nen ſo viel moͤglich behuͤlfflich geweſen/ Dahero er denn
wiederumb wegen ſeines geſchickten Wandels/ ſcharffſinni-
gen Verſtandes und ſonderbaren Dexterität alſo in ſeiner
alten Redligkeit von Hohen und Niedrigen bis in ſein graues
Alter-[]Lebens-Lauff. Alterthumb hoͤchſtruͤhmlich geliebet und geehret/ geprieſen
und hoch gehalten worden/ wie er denn auch allezeit genoſſen
hohe Chur-Fuͤrſtl. und Chur-Printzl. Gnade/ die auch im
Tode den ſeeligen Herrn Capell-Meiſter durch Abſchickung
anſehnlicher Geſandten nicht unbegleitet laſſen wollen/ etc.
So viel des ſeelig Verſtorbenen Kranckheit und letzten
Abſchied betrifft/ ſo haben bey denſelben die Kraͤffte und ſon-
derlich das Gehoͤr/ etliche Jahr her ſehr abgenommen/ alſo
daß er gar wenig ausgehen noch ſich der Anhoͤrung Goͤtt-
lichen Worts gebrauchen koͤnnen/ ſondern mehrentheils zu
Hauſe bleiben muͤſſen/ daſelbſt er aber ſeine meiſte Zeit mit
Leſung der heiligen Schrifft und anderer geiſtreicher Theo-
logorum Buͤcher zu gebracht/ auch noch immer ſtattliche
Muſicaliſche Compoſitiones uͤber etliche Pſalmen Davids/
ſonderlich den 119. item die Paſſion nach drey Evangeliſten/
mit groſſen Fleiß verfertiget/ darbey ſich ſehr Diætiſch und
Maͤſſig gehalten; Es haben ihn auch Zeit hero etliche mahl
ſtarcke Fluͤſſe uͤberfallen/ welchen aber durch Gebrauch nuͤtz-
licher Artzneyen noch immer widerſtanden/ Am verwiche-
nen 6. Novembris aber iſt er zwar friſche und geſund auffge-
ſtanden/ und hat ſich angezogen/ es hat ihn aber nach 9. Uhr/
als er in der Cammer etwas auffſuchen wollen/ eine gehlinge
Schwachheit mit einem Steck-Fluß uͤbereilet/ alſo daß er dar-
uͤber zu Boden ſincken muͤſſen/ und ſich nicht helffen koͤnnen/
und ob wohl/ als ſeine Leuthe zu ihm kommen/ ihm auffge-
holffen/ auch alsbald in die Stuben in ein Bette gebracht/ er
ſich in etwas wieder erholet und gar verſtaͤndlich geredet/ hat
ihn doch dieſer Steck-Fluß ſo ſtarck zu geſetzet/ daß er/ nachdem
er noch dieſe Worte von ſich hoͤren laſſen: Er ſtellete alles
in GOTTES gnaͤdigen Willen/ der Sprache nicht mehr
maͤchtig[]Lebens-Lauff. maͤchtig geweſen/ und da gleich der Herr Medicus alſobald
zu ihm gefordert worden/ und mit koͤſtlichen Medicamentis
ihm zu Huͤlffe zu kommen und die Natur zu ſtaͤrcken allen
Fleiß angewendet/ iſt ihm doch wenig bey zu bringen geweſen/
Jngleichen ſein Herr Beicht-Vater zu ihm erfordert worden/
der ihm allerhand Gebeth und Spruͤche vorgebethet und
eingeſchrien/ da er denn etliche mahl durch Neigung des
Haupts und mit den Haͤnden zu verſtehen gegeben daß er
ſeinen JESUM in Hertzen habe/ worauff ihn der Herr
Beicht-Vater eingeſegnet/ Und iſt er alſo fort als wenn er
ſchlieffe/ gantz ſtille liegen blieben/ bis endlichen der Athem
und Pulß allmehlich abgenommen und ſich verlohren/ und
er als es 4. geſchlagen/ endlichen unter dem Gebeth und Sin-
gen der Umbſtehenden/ ſanfft und ſeelig ohne einiges Zucken
verſchieden/ Nachdem er in die 57. Jahr Churfuͤrſtlicher
Saͤchſiſcher Capell-Meiſter geweſen/ und ſein
Alter gebracht hat auff 87. Jahr und
29. Tage
Abdanckungs-Sermon:
H[]Des Durchleuͤchtigſten Fuͤrſtens und Herrn/
Herrn
Johann Georgens des Andern/
Des Heil. Roͤmiſchen Reichs Ertz-Marſchalln/
Chur-Fuͤrſtens zu Sachſen und Burggra-
fens zu Magdeburg/
Und
Der Durchleuͤchtigſten Fuͤrſtin und Frauen/
Frauen Magdalenen Sibyllen/
Gebohrner Marggraͤfin zu Brandenburg/ ver-
maͤhleter Churfuͤrſtin zu Sachſen/ wie auch
Burggraͤfin zu Magdeburg/
So wohl
Des Durchlauchtigſten Furſtens und Herrn/
Herrn
Johann Georgens des Dritten/
Chur-Printzens zu Sachſen/
Allerſeits Hertzogen und Hertzogin zu Sachſen/ Juͤlich
Cleve und Berg/ Landgrafen und Landgraͤfin in Thuͤringen/
Marggrafen und Marggraͤfin zu Meiſſen/ auch Ober- und Nieder-
Lauſitz/ Grafen und Graͤfin zu der Marck und Ravensberg/
Herrn und Frauen zu Ravenſtein:
Unſers allerſeits gnaͤdigſten Churfuͤrſtens und Landes-Vaters/
Unſereꝛ alleꝛſeits gnaͤdigſten Churfuͤrſtin und LandesFr. Mutter/
Unſers allerſeits gnaͤdigſten Churprintzens und Herrn/
Hoͤchſt- und Hochanſehnliche
Herren Abgeſandte:
Wie auch
Andere vornehme hohe Anweſende/
Hoch- und Wohl-Edelgebohrne/ Hoch- und Wohl-Edle/
Geſtrenge und Veſte/ auch Edle/ Groß Achtbahre/ Hoch-
und Wohlgelahrte/ Hoch- und Wohl-
weiſe ꝛc. ꝛc.
Groſſe Patronen und hochgeneigte Foͤrderer:
SEhr annehmlich und ſinnreich iſt zu leſen/
was aus einen Scribenten des vorigen Seculi
dem Jonſtonio in ſeinen Hieroglyphicis angefuͤh-
ret wird/ daß einſten zum Zeiten des Keyſers Theo-
doſii unweit ſeiner Reſidentz ſich ein ſehr ſchoͤner uñ
wohl gewachſener Schwan auf dem Waſſer auf-
gehalten/ der des Tages uͤber nach der Reſidentz des
Theodiſii hingeflogen/ ſich deſſen Perſon durch die erwieſene taͤgliche
Fuͤtterung bekand gemachet/ und der Kirchen und Taffel-Muſic auf
die inſonderheit der Keyſer viel gewendet/ mit Fleiß zugehoͤret: Abends
aber habe er gegen die Temmerung zu ſeinem Neſte ſich gewendet/
und den Hof verlaſſen; und dieſe Gewohnheit habe er viel lange Jah-
re/ durch Veranleitung ſeiner Natur practiciret: Als er nun ein-
ſten bey ſeinem Neſte todt liegend gefunden worden/ ſo habe man
wahr genommen/ wie ſeine von ihm auffgezogene Jungen umb ihn
beweglich ſich geſtellet/ und gleichſam als vernuͤnfftige Creaturen
durch allerhand Anzeigungen Leide getragen/ dahero dann der Keyſer
bewogen worden/ an ſelbiger Stelle eine Statuam aufzurichten/ und
mit dieſen Worten ſie bezeichnen zu laſſen:
Das iſt: Siehe da mein lieber Leſer/ ich bin der Schwann/ uͤber
deſſen Natur man ſich in Leben gewundert/ den man ſeiner Tugend
wegen geliebet: Jtzo habe mich die/ ſo ich gezeuget/ hieher gleichſam
zu meinem Grabe getrage/ gehe hin/ lebe wohl/ gedencke daß es mit
dir auch einſten ein Ende nehmen werden: Nun geſtehe ich vor meine
Perſon gar gerne/ wenn man dieſe Begebenheit ſo lieſet oder anhoͤret/
ſo wollen die Umbſtaͤnde etwas harte auf einander lauten: Alleine wir
ſtellen es dahin, iſt es wahr/ ſo muß man wie aus allen Dingen/ alſo
auch hieraus/ GOttes Allmacht mit Verwunderung erkennen; iſts
aber nicht ſo/ ſo iſt doch zum wenigſten die Invention des Authoris zu
loben/ als welcher hierdurch auff etwas nachdruͤcklichers zielen wollen:
Heute zu Tage koͤnte man es anders und zwar auff mein propos ohn-
gefehr alſo deuten; Es finden ſich in der Welt an gottſeeliger Theodo-
ſiorum ihren Hoͤfen/ nicht allein großmuͤhtige Adler/ ſondern auch ver-
nuͤnfftige/ ſinnreiche/ und durch die Fittichen der Tugend ſich hoch-
ſchwingende Schwaͤne/ die da zwar den angeerbten ſchwartzen Adams-
Fleck/ von ihren Schnabel nicht abwiſchen koͤnnen/ im mittelſt aber
mit dem ſchneeweiſſen Glantze der Unſchuld/ Aufrichtigkeit und Gott-
ſeeligen Wandels Freund und Feind unter die Augen treten. Ereig-
net ſich in der Stille zu Zion ein Muſicaliſches Lob-Gethoͤne nicht dem
Baal und Dagon/ ſondern dem lebendigen GOtt zu Ehren/ ſo dich-
tet dann ein ſolches Hertz ein feines Lied in ſeinen Gedancken/ da denn
die Linien des Glaubens auff nichts anders als die weiſſe Unſchuld
JESU CHRJSTJ muͤſſen gezogen ſeyn: Geſchichts nun daß
der Todt einen ſolchen Zierath des Hodes und Schmuck ſeiner Kir-
chen hinweg nimmet/ ſo weinen Fuͤrſten und Gewaltige/ es tragen
Leid[]Abdanckungs-Sermon. Leide Edle und nicht Edle/ es heiſſet/ Wehe uns/ daß die Aeltiſten
im Volck ſo ploͤtzlich dahin ſterben/ und unſere Reihen in Klage ver-
wandelt ſeyn: Zwar wo hat man heute zu Tage dergleichen Exem-
pel? Solchen Schwaͤnen verſchneidet Belial bald die Fluͤgel/
daß ſie in den Brudel dieſer Welt erſticken/ und mit ihren Glan-
tze niemand vor Augen duͤrffen; Bey Hofe/ ſaget der ſeelg.
Herr Lutherus will die Tugend faſt verhungern/ hergegen ſiehet
man wie viel Monſtra Reichthumb und die Fuͤlle haben: Es iſt
der Rautenſtock das einige Baͤumlein in Gaͤrten/ da von rechts-
wegen alle gifftige Thiere darvor fliehen/ gleichwohl koͤnnet al-
lerhand Geſchmeiſſe/ das es zu verunreinigen ſuchet/ Kuß und
Todtſchlag gehet von und auß einem Munde/ groß Wunder iſt/
wer aus dieſer Herberge unbeflecket entfliehen kan; Aber wie dem
allen: GOtt lob zu unſerer Zeit finden wir dergleichen Diener noch
allewege/ die das Hofe-Leben zwar taͤglich bauen/ doch alſo/ daß
vor allen GOttes Ehre/ des Nechſten Wohlfahrt/ und ihre ſelbſt
eigne Seeligkeit beobachtet werde; Jhre Freude iſt an GOTT
ſich zu halten/ ihre Luſt mit dem gottſeeligen Haͤuflein zu dem Hau-
ſe GOttes zu wallen/ und ihr groͤſtes Verlangen in dem einigen
Mittler CHriſto JEſu/ alle Beyhelffer außgeſchloſſen/ reich und
ſeelig zu werden.
Jch ſtelle anietzo ohne fernere Weitlaͤufftigkeit/ die ich mit
Fleiß vermeide/ zu einem ruͤhmlichen und nachdencklichen Exempel
vor/ einen alten 87. Jaͤhrigen Greiß/ von deſſen GOttgelaſſenen
Wandel unſere Stadt/ ja das gantze Land zu ſagen weiß; Nehm-
lich den Edlen/ Wohlgelahrten/ und Kunſtweitberuͤhmten Herrn
Heinrich Schuͤtzen/ bey dem Chur-Fuͤrſtl. Hauſe zu Sachſen/
und inſonderheit bey hieſiger weitberuͤhmten Hof-Capelle geweſe-
nen 57. jaͤhrigen Directorn und Capell-Meiſtern: ò der ſchoͤnen
Zeit! ò des treuen Dieners! ò der unverdroſſenen Aufwartung.
H 3Der[]Abdanckungs-Sermon. Der allerhoͤchſte GOTT/ der einem ſo/ den andern anders be-
ruffet/ hat auch den ſeeligen Herrn Capell-Meiſter umb und in die-
ſer Reſidentz Dreßden/ da ein rechter Bruder des Chriſt-eiferigen
Theodoſii, das Chur-Schwert GOtt gebe allen ſeinen Feinden
zum Schrecken noch lange Zeit fuͤhret/ ſein Randevous gemachet/
und zwar ſo/ daß ſo wohl mit ſeinen virtuoſen Gemuͤthe/ als grau-
en ſilberfarbenen Haaren/ Er als ein rechter der edlen Muſic gie-
riger Schwan/ ſich neben die Fuͤrſten ſchwingen/ und ſich allezeit
eines gnaͤdigen Auges und gutthaͤtigen Hand ruͤhmen duͤrffen;
Mit was vor Contento, Ehr und Ruhm dieſer und anderer weit-
entferneten Laͤnder/ kañ ich hierinnen Einfaͤltiger/ nicht beurtheilen:
Diogenem lachet man aus/ wenn er mit ſeinen geborgeten Feuer
den groſſen Welt-Lichte einen Splendor ertheilen will/ mit einer
Handvoll Waſſer des Meeres Fluthen zu vermehren/ iſt vergebli-
che Arbeit: Kurtz/ das Werck wird ſo lange die Welt ſtehet/ den ſee-
ligen Herrn Schuͤtzen als ſeinen Meiſter loben: Nur ſeiner geiſt-
lichen und allezeit auff GOTT gerichteten Schwannen-Muſic,
kann ich nicht vergeſſen: GOttes Rechte/ ſie mochte Dur oder
Mol ſeyn/ war allezeit das Lied in ſeinem Hauſe/ nach ſeinem Jhme
erwehleten Leich-Spruch; Da mancher Jhme eine verfaͤlſchete
Muſic brachte/ und das Inſtrument ſeines Hertzens halb mit Schaf-
und Wolffs-Seiten uͤberzogen hatte/ welches denn bey GOTT
eine abſcheuliche Diſſonantz giebet/ ſo bliebe der Ehrliche Schuͤtze
doch allezeit ſchlecht und recht/ Er haſſete die den HERREN haſ-
ſen/ falſche Leute hielte und litte Er nicht in ſeinem Hauſe/ und dar-
umb liefe auch das Final ſeines Schwannen-Fluges wohl und gluͤck-
lich abe: Denn da Er nun bey den Abend und Temmerung ſeines
Lebens/ ſeinen Beruff nicht mehr verwalten konte/ die Hof-Ca-
pelle verlaſſen/ und in ſeinem Siech- und Todes-Neſte verharren
muſte/ die Moͤller wolten nicht mehr mahlen/ die Seulen ſeines
baufaͤl-[]Abdanckungs-Sermon. baufaͤlligen Leibes fiengen an zu zittern/ das Grab war da/ ſo leitete
der liebe GOTT dieſen alten Greiß nach ſeinen Rahte/ und nahm
Jhn endlich mit Ehren an: Gantz ſanfte leiſe und ſtille/ gleich ei-
nen ſuͤſſen Thon/ ſtarb Er nach GOttes Willen/ ſein Troſt ware
GOttes Sohn: Ach wohl dem jenigen Schuͤtzen/ der den letzten
Abdruck ſo wohl in acht nehmen/ und das rechte Ziel des Glaubens
treffen/ ja ſeelig iſt der/ der ſo unvermuhtet/ doch ſeelig und in wah-
ren Glauben die Zeitligkeit wie der ſeelige Herr Capell-Meiſter/ ge-
ſegnen und die Ewigkeit antreten kan! Aber gewiß/ wie dort The-
odoſius den verwunderungs-vollen Schwann/ nicht ohne con-
ſternation des Gemuͤthes todt anſehen kunte/ ſo mitleidend finde
ich anietzo bey dem Sarge des alten weitberuͤhmten Muſici unſere
gnaͤdigſte Herrſchafft: Hier vor meinen Augen ſtehen drey hoch-
guͤtige Zeugen/ die durch ihren angelegten Flor und Trauer-Habit
erweiſen/ wie ſo hoch es ſchmertze/ daß ein Stuͤck ihrer zeitlichen
Vergnuͤgung/ daß einen ihrer altiſten treuen Diener Sie heute
mit Schmertzen muͤſſen ſehen zum Grabe tragen: Alleine wer kann
gerade machen/ was GOTT kruͤmmet: Vielmehr dancket die
Pincker- und Seideliſche Freundſchafft in gehorſamer Unterthaͤnig-
keit/ vor die wie im Leben/ ſo lange Jahr erzeigeten/ hohen Chur-
Fuͤrſtl. Chur-Fuͤrſtl. und Chur-Printzl. alſo auch in Tode treulich
nachgefolgeten Gnade; ſie empfiehlet ſich Dero Chur- und Hoch-
Fuͤrſtl. ja ihnen allezeit gnaͤdigſt bey gethanen Schirmhaltung un-
terthaͤnigſt/ und wuͤntſchet/ daß GOTT Jhr Alter ſegnen/ Jhre
Jugend ſtaͤrcken/ und Sie Lebens-Zeit in ſeiner vaͤterlichen Hulde
wolle ruhen/ und auch endlich ewig ſchweben laſſen: Nachdem
dancket Sie denen Hochanſehnlichen Herren Abgeſandten/ vor die
ſo willige angenommene Muͤhwaltung/ ingleichen allen andern ho-
hen und vornehmen Anweſenden/ vor die erwieſene apparentz und
anſehnliche Gegenwart; Mir iſt anbefohlen/ Sie in Gegentheil
[aller][]Abdanckungs-Sermon. aller Obſervantz und Dienſtleiſtung zu verſichern/ ſo ich auch hier-
mit zwar in wenig Worten/ doch in gewiſſer Verſicherung der
nachfolgenden wuͤrckl. Danckbarkeit will abgeleget und außgerich-
tet haben.
Und nun Jhr edlen Muſici, Jhr Virtuoſi, und treue Clien-
ten Euers eißgrauen Senioris, umbfanget und begleitet mit Thraͤ-
nen den Coͤrper des ſeeligen Herrn Capell-Meiſters zu ſeiner Gra-
be-Staͤte; Machet und haltet anietzo Jhme nach Chur-Fuͤrſtl. gnaͤ-
digſter Anordnung die angeſtelte Kirchen-Muſic bey ſeiner Be-
ſtattung aufs beweglichſte/ und wiſſet/ daß ſeine letzte Ehre zwar
hierdurch erwieſen/ die Eurige aber hierdurch wachſen/ und Euch
bey Hoch und Niedrig noch mehr beliebt machen werde:
zu Grabe/
liebt/
Sachſen giebt!
Jn dem Beyeriſchen Trauer-Hauſe vor
Außtragung der Leiche auf Be-
gehren gehalten
von
M. J. C. Hertzogen.
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 1. Die köstlichste Arbeit/ aus dem 119. Psalm v. 54. bei Ansehnlicher und Volckreicher Leichbestattung Des Herrn Henrich Schützens. Die köstlichste Arbeit/ aus dem 119. Psalm v. 54. bei Ansehnlicher und Volckreicher Leichbestattung Des Herrn Henrich Schützens. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bj5p.0