uͤber die thewre werthe Wort S. Pauli/ die Er uns in
ſeiner erſten Epiſtel an Timotheum Cap. 1/ 12.
ſeqq. hinterlaſſen hat/
bey Volckreicher Verſamlung/ als der
abgelebte Coͤrper/
Des weiland zwar armen und ge-
brechlichen; nunmehr aber der Seelen nach
in Chriſto reichen und ſeligen/
Michael Neubers/
Altenburg viel Jahr lang unterhalten
worden/ und den 11. Dec. 1648. im HErrn
ſelig entſchlaffen/ auff dem Gottes-Acker bey-
geſetzet worden/
in der Stadt-Kirchen daſelbſt den 14.Dec.
gehalten/
Officin, im Jahr 1649.
Das walte der Fuͤrſt des Lebens Chriſtus Je-
ſus/ welcher nicht allein durch ſeinen Todt die Macht
genommen hat dem/ der des Todes Gewalt hatte/
nemblich dem Teuffel/ und erloͤſet hat die/ ſo durch
Furcht des Todes/ im gantzen Leben Knechte [ſeyn]
muſten: ſondern auch uns ingeſambt die Gerech-
tigkeit und das ewige Leben hat erworben/ dem
ſambt Gott dem himliſchen Vater/ und dem wer-
then Heiligen Geiſt dafuͤr ſey Lob/ Ehr/ Preiß und
Danck geſagt/ anietzo und zu ewigen Zeiten/ Amen;
ANdaͤchtige und Außerwehlte in dem
HErrn/ wenn der Hocherleuchte Apoſtel
Paulus an ſeine Corinther unter andern
alſo ſchreibet: Sehet an/ lieben Bruͤder/
ewern Beruff/ nicht viel Weiſen nach dem
Fleiſch/ nicht viel Gewaltige/ nicht viel Ed-
le ſind beruffen/ ſondern was thoͤricht iſt fuͤr der Welt/ das
hat Gott erwehlet/ daß Er die Weiſen zu ſchanden machet.
Vnd was ſchwach iſt fuͤr der Welt/ das hat Gott erwehlet/
daß Er zu ſchanden machet/ was ſtarck iſt. Vnd das Vn-
edle fuͤr der Welt/ und das verachte hat Gott erwehlet/ und
daß da nichts iſt/ daß Er zu nichte machet/ was etwas iſt/
auff daß ſich fuͤr Jhm kein Fleiſch ruͤhme: 1. Cor. 1/26.
ſeqq ſo lehret Er Sie und uns allerſeits/ was fuͤr Leute von
Gott dem HErrn zum Reich Chriſti beruffen ſeyn/ und zu
ſeinem Eigenthumb erwehlet/ auch ſolchen Goͤttlichen Be-
ruff angenommen haben/ nemlich/ nicht viel/ die mit hoher
Menſch- und Weltlicher Weißheit begabet/ oder ihrer groſ-
A ijſen
4Chriſtliche Leich-Predigt.
ſen Macht und fuͤrnehmen Standes und Geſchlechts hal-
ben an ſehnliche und hochberuͤhmte Leute vor der Welt ſind;
Denn dieſelbe faſt in gemein ſich auff ihre Weißheit/ Ge-
walt und Adelichen Geſchlecht und Stand zuverlaſſen/
und ſich fuͤr der Welt derſelben zuruͤhmen/ und darmit zu
prangen; hingegen aber das Evangelium vom Chriſto/
welches iſt das Wort vom Creutz/ fuͤr eine Thorheit zu ach-
ten pflegen: Cor. 1/ 17. 18. Sondern was thoͤricht/ ſwach/
unedel/ veracht und gleichſam fuͤr Gott ruͤhmen koͤn-
ne/ als wenn Er die wahre ſeligmachende Erkentnis Got-
tes durch ſeine weltliche Weißheit/ Macht/ und Adelichen
Stand erlanget haͤtte/ ſondern ſich iederman des HErrn
Chriſti ruͤhme/ und bekenne/ daß Er aus Gnaden/ durch
ſein Erkentnis/ gerecht worden ſey/ Eſ. 53/ 11. und durch
den Glauben an Jhn die ewige Seeligkeit erlangen werde.
Hab. 2/ 4 Rom. 1/ 17. Gal. 3/ 11. Heb. 10/ 38. Daß nun
dem alſo/ deſſen haben wir nicht allein unter andern/ ein au-
genſcheinlich Exempel an dem armen/ gebrechlichen und
ſiechen Lazaro/ welcher zwar vor der Welt nicht Weiſe/
Gewaltig und Edel iſt geweſen/ ſondern von iederman fuͤr
thoͤricht/ ſchwach/ unedel/ und veracht; ja fuͤr nichts gehal-
ten; und dennoch von Gott beruffen/ und zu ſeinem Eigen-
thumb erwehlet/ auch den Goͤttlichen Beruff mit demuͤti-
gen Danck angenom̃en/ und durch den Glauben an Chri-
ſtum Gerecht und Selig worden: Da hingegen der reiche/
und in der Welt hochgeachte Schlemmer/ alldieweil Er
ſich auff ſein Reichthumb/ Macht/ und Gewalt verlaſſen/
derſelben vielfaͤltig mißgebrauchet/ und darbey Moſen und
die Propheten hat verachtet/ zum Hoͤllen-Brande und ver-
dammet[5]Chriſtliche Leich-Predigt.5
dammet worden iſt: Sondern wir haben auch deſſen ein Ex-
empel an dem weiland zwar armen und Gebrechlichen;
nun mehr aber der Seelen nach in Chriſto reichen und ſeli-
gen/ Michael Neubern/ welcher an dem Fuͤrſtl. Hoffe al-
hier viel Jahr lang unterhalten worden/ und vor wenig Ta-
gen durch Gottes Gnade in Chriſto ſelig iſt entſchlaffen.
Deñ ob gleich derſelbe Jhm bey ſeinem Leben groſſe Weiß-
heit/ Macht und Hoheit eingebildet/ und nicht allein fuͤr
Edel/ ſondern fuͤr einen Gewaltigen Herrn und Potenta-
ten dieſer Welt hat wollen angeſehen und gehalten ſeyn: ſo
wiſſen wir doch in geſambt/ daß Er ein rechter Thore/ und
armer/ gebrechlicher/ vor der Welt verachter Menſch gewe-
ſen. Dennoch aber hat Gott der HErr Jhm vor ſeinem
Ende die groſſe Gnade erwieſen/ daß wir nunmehr gewiß
verſichert ſeyn/ daß Er auch von ſeiner [Goͤttlichen] Maje-
ſtaͤt zum Eigenthumb erwehlet/ und der Seelen nach ſchon
allbereit in einem Seligen Zuſtand ſich mit Lazaro befinde.
Wenn wir deñ anietzo im Hauſe des allerhoͤchſten mit ein-
ander verſammlet und zuſammen kommen ſeyn/ unter an-
dern die vielfaͤltige groſſe Gnade/ ſo der grundguͤtige Gott
dem ſelig verſtorbenen im Leben und im Sterben hat erwie-
ſen/ nach Anleitung ſeines allerheilichſten Worts zube-
trachten; ſolches aber aus unſern eigenen Kraͤfften nicht
geſchehen kan: Als bitten wir den Vater aller Gnaden
und Barmhertzigkeit/ daß er uns hierzu von obenherab des
heiligen Geiſtes Beyſtand mildiglich verleihen wolle Sol-
ches von Goͤttlicher Majeſtaͤt und Allmacht zu erlangen/
ſo erhebet mit mir ewer Hetzen hinnauff gen Himmel/
und ſprechet im wahren Glauben/ ein heiliges Vater
unſer.
A iijHierauff
6Chriſtliche Leich-Predigt.
Hierauff wolle Ewre Chriſtliche Liebe mit in-
bruͤnſtiger Andacht und Begierde anhoͤren einen ſchoͤnen
Apoſtoliſchen Text/ welchen uns S. Paulus in ſeiner erſten
Epiſtel an den Timotheum hinterlaſſen/ und wir auff begeh-
ren zu erklaͤren fuͤr uns genommen haben. Deſſelben
Wort lauten auff unſer Deutſchen Sprach/
wie folgt:
ſeqq.)Note: danach handschriftlich eingefügt: usq̕ ad
V. 17 inclus.\>
Ich dancke unſerm HErꝛn Chriſto
Jeſu/ der mich ſtarck gemacht/ uñ trew geachtet hat/ und geſetzt in das
Ampt/ der ich zuvor war ein Laͤſterer
und ein Verfolger/ und ein Schmeher.
Aber mir iſt Barmhertzigkeit wieder
fahrẽ/ deñ Jch habe es unwiſſend gethan
im Vnglauben. Es iſt aber deſto reicher
geweſen die Gnade unſers HErrn/
ſambt dem Glauben und der Liebe/ die
in Chriſto Jeſu iſt. Denn das iſt ie ge-
wißlich war/ und ein thewer werthes
Wort/ daß Chriſtus Jeſus kommen iſt
in die Welt/ die Suͤnder ſelig zu ma-
chen/ unter welchen Jch der fuͦrnehm-
ſte bin. Aber darumb iſt mir [Barm-
hertzigkeit] wiederfahren/ auff daß an
mir
[7]Chriſtliche Leich-Predigt.7
mir fuͦrnemlich Jeſus Chriſtus erzeig-
te alle Gedult/ zum Exempel denen/
die an Jhn glaͤuben ſollen/ zum ewigen
Leben. Aber Gott dem ewigen Koͤnige/
dem Vnvergenglichen und Vnſichtba-
ren/ und allein Weiſen/ ſey Ehre/ und
Preiß in Ewigkeit/ Amen!
Erklaͤrung.
IN unſerm abgeleſenen Text/ Andaͤch-
tige und Außerwehlte in dem
HErrn/ ruͤhmet nicht allein S. Pau-
lus die vielfaͤltige Groſſe Gnade/ ſo der
grundguͤtige Gott Jhm erwieſen/ ſon-
dern erzehlet auch darneben/ wie Er ſich
darauff gegen Goͤttliche Majeſtaͤt erzeiget und verhalten
habe. Dannen hero wir bey Erklaͤrung dieſes Texts/ die
Gedancken unſer Hertzen auff zwey Hauptpunct mit ein-
ander zurichten/ und zwar anfaͤnglich Gottes groſſe Gna-
de und Guͤtigkeit; hernach aber des Apoſtel Pauli Danck-
barkeit zu betrachten haben.
Den erſten Punct belangend/ iſt zu wiſſen/ das der
liebe Gott Saulo/ ſo bißher ein grawſamer Verfolger der
Chriſtlichen Kirchen geweſen/ nicht geringe; auch nicht ei-
nerley: ſondern groſſe und vielerley Gnade erzeiget und
erwieſen habe. Denn eine groſſe Gnade iſts 1. Daß Er
Jhn ſtarck gemacht/ trew geachtet/ und das Apoſto-
liſche Ampt Jhm anvertrawet hat. Jch dancke/
ſpricht
[8]8Chriſtliche Leich-Predigt.
ſpricht Er/ unſerm HErrn Chriſto Jeſu/ der mich
ſtarck gemacht/ und trew geachtet hat/ und geſetzet
in das Ampt/ der ich zuvor war ein Laͤſterer und ein
Verfolger/ und ein Schmeher. Fuͤr drey Gnaden-Stuͤ-
cke/ Gottergebene Hertzen/ dancket Er in dieſen
ſeinen Worten dem HErrn Chriſto/ ſo doch inge-
ſambt zu ſeinem Apoſtel Ampt gehoͤren. Das erſte iſt/ daß
Er ihn ſtarck gemacht hat/ das iſt/ ſo viel Krafft und Ver-
moͤgen hat gegeben/ daß Er das herrliche Evangelium des
ſeligen Gottes/ welches Jhm anvertrawet geweſen/ uner-
ſchrocken Juͤden und Heyden/ hohes und niedriges Stand-
des Perſonen vortragen und erklaͤren koͤnnen/ welches nicht
Menſchen/ ſondern Gottes Werck iſt. Das ander iſt/ daß
Er Jhn trew gemacht/ und nicht allein zuvor geſehen/
daß Er durch ſeine Gnade Jhm trew in ſeinem Ampt ver-
bleiben/ keines Weges aber/ wie Judas der Verraͤther an
Jhm trewloß werden wuͤrde/ ſondern auch trew geachtet
hat. Das dritte iſt/ daß Er Jhm das Apoſtoliſche Ampt/
welches in der Chriſtlichen ſtreitenden Kirchen das aller
fuͤrnehmſte iſt/ 1.Cor. 12/ 28. Eph. 4/ 11. neben andern an-
vertrawet hat. Daß zeiget Er an/ wenn Er ſagt:
Jch dan-
cke unſerm HErrn Chriſto Jesu/ der mich geſetzet in das
Ampt/ und verſtehet dadurch kein ander/ als das hochheili-
ge Apoſtoliſche Ampt/ zu welchem Er nicht von Menſchen
auch nicht durch Menſchen/ ſondern durch Jeſum Chriſt/
und Gott den Vatter/ der Jhn aufferwecket hat von den
Todten/ war beruffen und erhaben worden. Gal. 1/ 1.
Da-
hero Er ſich auch im erſten Capitel der erſten Epiſtel an
Timotheum/ daraus unſer Text genommen/ einen Apo-
ſtel Jeſu Chriſti alſobald im erſten verßlein nennet. Das
koͤnnen wir wol auff gewiſſe Maß und Weiſe auff unſerm
ſelig
[9]Chriſtliche Leich-Predigt.9
ſelig verſtorbenen Michael Neubern appliciren. Denn
Gott der Allerhoͤchſte Jhn in ſeiner letzten Kranckheit
nicht allein an ſeinem Verſtande geſtaͤrcket/ daß Er ſich
deſſelben vielmehr und beſſer als in vorigen Zeiten gebrau-
chen koͤnnen/ ſondern Er hat Jhn auch drch ſeine unaus-
ſprechliche Gnade im Glauben ſtarck gemacht/ und verlie-
hen/ daß Er Jhn biß an ſein Ende trew verblieben/ und
auff ſeinen Nahmen/ in warem Glauben ſelig von dieſer
Welt abgeſchieden iſt. Vnd ob gleich den Buchſtaben nach
von unſern ſelig verſtorbenen nicht kan geſaget werden/ daß
derſelbe entweder in der Chriſtlichen Kirchen ein Apoſtoliſch
oder ander Geiſtliches Ampt: oder auch in dem Gemeinen
Welt-Weſen ein vornehmes Officium bedienet: ſondern
iederman bekant/ daß Er in einem geringen/ und vor der
Welt ſehr veraͤchtlichen Stande gelebet: ſo iſt doch dieſes
eine groſſe Gnade/ daß ſein und unſer aller Heyland Chri-
ſtus Jeſus ſein Hertz zbd Verſtand vor ſeinem Abſchied
alſo erleuchtet hat/ daß Er ab Jhn geglaͤubet/ von Jhm
geredet/ geſungen/ viel ſchoͤne Gebet und Hertzens-Seuff-
tzer zu Jhm gen Himmel abgeſchicket/ Jhn mit den armen
des Glaubens gefaſſet/ und nicht gelaſſen hat/ biß Er Jhn
mit einem ſeligen Abſchied geſegnet; auch Jhm ſchon all-
bereit das Ampt anvertrawet hat/ daß Er nunmehr in der
Himliſchen HoffKirchen das ſchoͤne newe Lied der Seelen
nach mit ſinget/ und Er zu Jhm als dem rechten Lamb
Gottes mit den vier und zwantzig Elteſten ſpricht:
HErr/
du biſt wirdig/ zu nehmen Preiß/ und Ehre/ und Krafft!
Denn du haſt alle Ding geſchaffen/ uñ durch deinen Willen
haben ſie das Weſen/ und ſind geſchaffen. Offenb. 4/ 11.
Jtem:
Du biſt wirdig/ zu nehmen das Buch/ und auff zu
thun ſeine Siegel/ denn du biſt erwuͤrget/ und haſt uns er-
Bkaufft
[10]10Chriſtliche Leich-Predigt.
kaufft mit deinem Blut/ aus allerley Geſchlecht und Zun-
gen und Volck/ und Heyden/ und haſt uns unſerm Gotte
zu Koͤnigen und Prieſtern gemacht/ und wir werden Koͤni-
ge ſeyn auff Erden/ cap. 5. v. 9. 10. Nemlich auff der newen
Erden/ die Gott ſchaffen wird: Eſ. 65/ 17. c. 66/ 22. 2. Pet.
3/ 13. Offenb 21/ 1. Darinnen wir uns alle Außerwehlte
vollkommen werden herrſchen. Aus welchen allen denn er-
ſcheinet/ daß Er ſich nunmehr der Seelen nach in einem
recht ſeligen/ heiligen und hochherrlichen Stande befinde/
und ein ſolches Ampt bedien/ welches allen Emptern die-
ſer Welt weit vorzuziehen iſt.
Eine groſſe Gnade iſts II. daß Chriſtus Je-
ſus S. Paulo und uns allen zu gut in die Welt kom-
men iſt. Das zeiget Er an/ wenn Er ſchreibet/ daß Chri-
ſtus Jeſtus kommen ſey in die Welt/ die Suͤnder ſelig
zu machen. In dieſen Worten/ Andaͤchtige in dem
HErrn/ iſt wol zu mercken/ wer derſelbe ſey/ der uns und al-
len armen Suͤndern zu gut un die Welt kommen iſt? S.
Paulus nennet Jhn Chriſtum Jeſum. Derſelbe wird uns
in Gottes Wort und unſern Catechiſino beſchrieben/ daß
Er ſey warhafftiger Gott/ vom Vater von Ewigkeit ge-
born/ und auch warhafftiger Menſch/ von der Jungfrawen
Maria geborn. Er wird genennet Chriſtus/ das iſt/ der
Geſalbte/ weil Er mit dem Frewdenoͤl des Heiligen Gei-
ſtes/ Pſ. 45/ 8. als der groſſe Prophet/ den Moſes verheiſ-
en/ 5. B. Moſ. 18/ 15. Apoſt. 3/ 22. Vnd der rechte Hohe-
prieſter des Newen Teſtaments; Heb. 8/ 6. c. 9/ 11. 12. 15.
wie auch der rechte Koͤnig zu Zion/ Pſ. 2. 6. iſt geſalbet wor-
den/ welches alles durch die Proheten/ 1. Koͤn 19/ 16. den
Koͤnig David/ 1. Sam. 16. v. 12. 13. Vnd die Prieſter des
alten Teſtaments iſt fuͤrgebildet worden. 2. B. Moſ. 30/
30. c. 40/
[11] 1095Chriſtliche Leich-Predigt.11 30. c. 40/ 13. 14. Jeſus heiſt ſo viel/ als ein Heyland/ oder
Seligmacher/ dieweil Er uns ſelig gemacht hat von allen
unſern Suͤnden. Matth. 1/ 21. Deſſen wir uns ingeſambt
zu getroͤſten und anzunehmen haben. Denn Er iſt das Lamb
Gottes/ welches der gantzen Welt Suͤnde hat getragen.
Joh. 1/ 29. Es iſt einer fuͤr uns alle geſtorben/ nemlich
Chriſtus. 2. Cor. 5/ 15. Er hat ſich ſelbſt fuͤr alle zur Erloͤ-
ſung gegeben/ 1. Tim. 2/ 6. und iſt die Verſoͤhnung fuͤr
unſer Suͤnde/ nicht allein aber fuͤr die unſere/ ſondern auch
fuͤr der gantzen Welt. 1. Joh. 2/ 2. Dannenhero Er von
S. Paulo aller Menſchen Heyland wird genennet. 1. Tim.
4/ 10. Deſſen hat auch ſich auff ſeinem Lager unſer ſelig
Verſtorbene durch Gottes Gnade hertzlich getroͤſtet/ und
ietzt erzehlte und dergleichen Evangeliſche Troſtſpruͤche
nicht allein mit ſonderbarer Andacht nachgeſprochen/ ſon-
dern auch bisweilen aus eigenem bewegnis/ darzu Er zweif-
fels ohne vom Heiligen Geiſt angetrieben worden/ ſelbſt
angefuͤhret/ das die Vmbſtehenden ſich druͤber offtermals
verwundert haben. Eine groſſe Gnade iſts III. daß Er
Saulum alſo erleuchtet hat/ daß Er das Evange-
lium von Chriſto angenommen/ und daſſelbe fuͤr
ein gewißlich wahres/ tewres und werthes Wort
hat gehalten. Denn alſo redet Er in unſerm Text: Das
iſt ie gewißlich war/ und ein tewer werthes Wort/
daß Chriſtus Jeſus kommen iſt in die Welt/ die
Suͤnder ſelig zu machen. Erſtlich nennet Ers ein ge-
wißlich wahres/ das iſt/ ein ſolches Wort/ welches es gar nicht
in zweiffel zu ziehen/ viel weniger fuͤr ein Gedicht/ wie die
Fabeln und unnuͤtzen Geſchwetze der Juͤden/ verſ. 4. 7.
und viel Legenden der Papiſten/ zu halten: Sondern das
warhafftig und gewiß iſt/ wie der Sohn [Gottes ſelbſt]Note: Hier wurden zwei Wörter versehentlich zusammengeschrieben. bezeu-
B ijget/[12]109612Chriſtliche Leich-Predigt. get/
daß iederman demſelben ſichern Glau-
ben zuſtellen kan und ſoll. Darneben ſo ruͤhmet Er daſſelbe
als ein thewres werthes Wort. Nach der Haupt-Sprache
lautet es eigentlich alſo/ daß es ein ſolches Wort ſey/ wel-
ches wirdig/ daß es billich approbirt/ und mit Danck ange-
nommen/ und alſo thewer und werth gehalten werde.
Darbey einfaͤltige Hertzen in acht zu nehmen haben/ daß
thewer allhier nicht ſo viel heiſſe/ als ſeltzam/ gleich wie 1.
Sam. 3/ 1. wird gemeldet/ daß zu des Prieſters Eli zeiten
das Wort des HErrn thewer/ und wenig Weiſſagung ge-
weſen/ alldieweil nicht Prediger oder Pfarrer gnug im Lan-
de geweſen/ ſondern die Bibel unter der Banck gelegen/ und
faſt niemand ſtudieret/ biß Samuel kommen/ und dieſelbe
wieder herfuͤr gezogen hat/ wie es der Herr Lutherus/
Chriſtſeligen Angedenckens/ erklaͤret: ſondern es bedeutet
ſo viel/ als koͤſtlich und herrlich/ in welchem Verſtande
auch Gottes Guͤte/ Pſ. 36/ 8.Ephraim/ Jer. 31/ 20. Vnd
das roſinfarbene Blut unſers HErrn und Heylands
Chriſti Jeſu thewer wird genennet. 1. Pet. 1/ 18. 19.
Ja freylich/ Gott ergebene Hertzen/ iſt das Evangelium
von Chriſto ein thewres/ das iſt ein koͤſtliches und herrli-
ches Wort/ welches aller Fuͤrſten/ Koͤnigen und anderer
Potentanten Worten/ die doch an Eides ſtatt auff- und an-
genommen werden/ weit fuͤrzuzihen iſt. Denn es iſt ja nicht
von Menſchen/ oder auch von einem Engel erfunden/ ſon-
dern von Gott ſelbſt gegeben worden. Dannenhero es
Gottes Wort/ 1. Theſ. 2/ 13.1. Pet. 4/ 11. Das Wort der
Warheit/ 2. Tim. 2/ 15. Ein feſtes Prophetiſches Wort/
2. Pet. 1/ 19. Ein Wort des Lebens/ Phil. 2/ 16. Des Heils/
Apoſt. 13/ 26. Vnd des ewigen Lebens/ Joh. 6/ 68. wie
auch eine Krafft Gottes wird genennet/ ſelig zu machen/
alle/ die daran gleuben. Rom. 1/ 16. Thewer iſt es auch zu
[achten]/[13]1097Chriſtliche Leich-Predigt.13 achten/ weil es von heiligen und hohen Perſonen/ den Pa-
triarchen/ Propheten/ Gottſeligen Fuͤrſten und Koͤnigen/
S. Johanne dem Taͤuffer/ und den Apoſteln; wie auch den
heiligen Engeln; ja dem Sohn Gottes ſelbſt geprediget/
ausgebreitet und fortgepflantzet/ uñ von den Heiligen Got-
tes groſſe Vnkoſten auff deſſelben Außbreitung und Fort-
pflantzung ſind gewendet worden. Denn allein der Koͤnig
David 6000. Tonnen zum Hauſe des HErrn geſchafft/
1. Chron. 23/ 14 und von ſeinem eigenen Gut 180. Ton-
nen; c. 30/ 4 ſeine Fuͤrſten aber 300. Tonnen Goldes/ und
10000. Vngeriſche Goldguͤlden darzu gegeben haben;
cap. 30/ 7. (a) Sein Sohn Salomon auch zu deſſel- (a) Vid. M.
Hennrici Bun.
tingi lib. de
ponderibus et
monetis, cap.
de Supputat.
monetarum
Vet. Teſtam.
p. m. 94.
ben Einweihung 22000. Ochſen und 120000. Schaf-
fe hat geopffert. 1. Koͤn. 8/ 63. Zugeſchweigen/ daß zuvor die
Kinder Jſreal ein anſehnliches/ und zwar mehr/ als noͤtig
geweſen iſt/ zu Auffbawung des Heiligthumbs/ oder der
Wonung der Huͤtten des Stiffts willig gebracht haben/
daß auch der Mann Gottes Moſes durchs Lager hat muͤſ-
ſen ausruffen laſſen/ daß niemand etwas mehr zur Hebe
des Heiligthumbs ſolte bringen laſſen. 2. B. Mos. 36/ 3.
ſeqq. Thewer iſt es endlich zu halten/ weil es nicht allein mit
der heiligen Maͤrterer/ derer Todt werth geachtet fuͤr dem
HErrn/ Pſal. 116/ 15. Sondern mit dem thewren Blut
Chriſti/ als des unſchuldigen und unbefleckten Lammes
Gottes/ confirmirt und beſtetiget iſt. 1. Pet. 1/ 19. Derowe-
gen wir ingeſampt daſſelbe thewer und werth halten ſollen.
Von dem Koͤnig Alexandro, dem Groſſen dieſes Na-
mens/ leſen wir/ daß/ da Er ein Guͤldenes Kaͤſtlein bekom-
men/ Er ſich verlauten laſſen/ Er wolle darein das koͤſtliche
Buch/ den [Homerum] legen. Wir/ Außerwehlte in dem
HErrn/ haben anietzo gehoͤret und vernom̃en/ daß das [Ev-
angelium] von Chriſto ein koͤſtliches Buch/ oder ein thewres
B iijwerthes/[14]109814Chriſtliche Leich-Predigt. werthes Wort ſey: Derowegen wir daſſelbe/ dieweil des
Heidniſchen Poeten Homeri Schrifften mit dieſem Him-
mels-Schatz/ dem Wort des Lebens/ gar nicht zu verglei-
chen/ vielmehr hochhalten/ in das Kaͤſtlein unſer Hertzen
legen/ wol bewaren/ und zuſehen ſollen/ daß wir durch Got-
tes Gnade viel Frucht in Gedult bringen moͤgen. Werden
wir das thun/ ſo ſind wir recht ſelige Leute: allhier ſelig in
Hoffnung/ Rom. 8/ 24. und koͤnnen uns der ewigen
Frewd und Seligkeit gar gewiß verſichern. Denn ſelig
ſind/ die das Wort Gottes hoͤren und bewahren/ wie der
Mund der Warheit/ Chriſtus Jeſsus ſelbſt bezeuget. Luc.
11/ 28. Nun ſolche groſſe Gnade hat der grundguͤtige Gott/
auch unſerm nunmehr ſeligen Michael Neubern erzeiget/
Denn Er durch das Heiligen Geiſtes ſonderbare Erleuch-
tung und Regierung auch zum oͤfftern in ſeiner waͤrenden
Kranckheit hat bekennet/ daß in ſeinem Hertzen Er ver
ſichert ſey/ daß das Evangelium von ſeinem und unſer aller
Heyland Chriſto Jeſu ein gewißlich wares und thewer
werthes Wort ſey/ welches denn auch in ſeiner Schwach-
heit ſeiner Seelen Troſt Labſal iſt geweſen. Eine groſ-
ſe Gnade iſtsV.daß Er Saulum zur Erkentnis ſei-
ner Suͤnden/ und waren Buſſe hat gebracht. Das
giebt Er uns ingeſambt zu vernehmen/ wenn Er geſtehet
und bekennet/ daß Er unter denen Suͤndern/ welchen
Chriſtus zu Gut in die Welt kommen iſt/ der fuͤr-
nemſte ſey. Jn der Griechiſchen und der Vulgata
oder Gemeinen/ und von den Paͤpſten zu Rom Canoniſirten
Lateiniſchen Verſion ſtehet ein ſolches Woͤrtlein/ welches
ſonſten beydes den erſten in der Ordnung/ und denn auch/
nach Gelegenheit der Vmbſtaͤnde eines Texts/ den vor-
nembſten kan bedeuten. Dannenhero etliche/ wie Thomas
Aqvinas[15]Chriſtliche Leich-Predigt.15Aqvinas erwehnet/ in dieſe Naͤrriſche Gedancken gerathen/
daß die Seele unſer aller Ertzvaters/ Adams/ in S. Pau-
li Leib gewandert ſey/ welches Er andeute/ wenn Er beken-
ne/ daß Er primus, oder der erſte unter den Suͤndern ſey:
Aber das iſt Gottes klarem Wort zu wider. Denn die
Seelen nicht aus einem Leibe in den andern wandern: ſon-
dern der Gerechten Seelen ſind in Gottes Hand/ und kei-
ne Qvaal ruhret Sie an/ wie der Meiſter des Buͤchleins
der Weißheit cap. 3/ 1. bezeuget. Vnd cap. 4/ 7. ſaget Er/
Der Gerechte/ ob Er gleichzeitlich ſtirbt/ ſo iſt Er doch in der
Ruhe. Jn der Haupt-Sprachen ſtehet ein ſolches Woͤrt-
lein/ das nicht eine bloſſe/ ſondern ſolche Ruhe bedeutet/
darbey einer zugleich gelabet/ erfriſchet und erqvicket wird.
Ja freylich/ Allerliebſten Freunde in dem HErrn/
ruhen alſo die Gleubigen/ die in Chriſto ſelig von dieſer
Welt abgeſchieden/ daß ſie zugleich der Seelen nach/ alſo-
bald Himliſche Labſal und Erqvickung empfinden. Denn
Sie werden von den Engeln getragen in Abrahams
Schoß/ da Sie alſo ruhen/ daß Sie zugleich auch verbali-
ter und realiter getroͤſtet werden/ das iſt beydes Troſt- und
Frewdenreiche Wort hoͤren/ und darneben unausſprechli-
cher Himmliſcher Frewden und Seligkeit wircklich genieſ-
ſen. 1. Cor. 2/ 9. Sie kommen in das Reich des HERRN
Chriſti/ oder in den Paradeiß: Luc. 23/ 43. da nicht allein
gewuͤndſchte Ruhe/ ſondern Friede und Frewde die fuͤlle
und liebliches Weſen zur rechten Gottes immer und ewig-
lich iſt. Pſ. 16/ 11. Dieſes gibt uns auch S. Johannes zu-
vernehmen/ wenn Er bezeuget, daß Er eine Stimme vom
Himmel gehoͤret/ die geſagt habe: Schreibe/ ſelig ſind die
Todten/ die in dem HERRN ſterben von nun an! Ja/ der
Geiſt ſpricht/ daß Sie ruhen von ihrer Arbeit: Denn ihre
Wercke [16]16Chriſtliche Leich-Predigt.
Wercke folgen Jhnen nach.Offenb. 14/13. Wie ſind
aber/ moͤchte alhier ein Chriſtliches Hertz fragen/ die Wort
des Apoſtels zuverſtehen? Solte denn S. Paulus/ der zu-
vor Saulus geheiſſen/ der fuͤrnehmſte Suͤnder geweſen
ſein? Solte denn Judas/ ſo den HErrn Chriſtum verrah-
ten/ Hannas und Caiphas, die Jhn dem Heidniſchen Land-
pfleger uͤberantwortet/ Herodes, ſo Jhn verſpottet/ Pon-
tius Pilatus, welcher Jhn wider beſſer Wiſſen und Gewiſ-
ſen zum Todte des Creutzes hat verurtheilet/ und andere/
ſo zu deſſelben Leiden aus des Satans Antrieb geholffen/
nicht groͤſſer Suͤnder geweſen ſeyn? Antwort: Ja freylich
ſind dieſe groͤſſer oder fuͤrnehmer Suͤnder gewesen/ dieweil
Sie nicht allein des HErrn Chriſti Gliedmaſſen/ wie
Saulus/ ſondern auch denselben in Perſon verfolget habẽ.
Dannenhero etliche aus den Papiſten die Wort des Apo-
ſtel alſo erklaͤren/ daß Er aus tieffer Demut ſich den fuͤr-
nehmſten Suͤnder ſoll genennet haben: Gleich wie etwa ihr
Canoniſirter Heiliger Franileus hab zu ſagen pflegen/
ſepeccatorũ eſſe maximum, Er ſey der allergroͤſte Suͤn
der/ wie Cornelius à Lapide gedencket. Tomas Aqvinas
iſt in den Gedancken/ daß S. Paulus ſich den fuͤrnehmſten
Suͤnder nenne/ weil Er der fuͤrnehmſte ſey unter den Juͤ-
den/ ſo zuvor den HErrn Chriſtum verfolget/ und hernach
durch ſeine Gnade ſich zu Jhm bekehret haben/ und an
Jhn glaͤubig worden ſind. Andere haben es alſo erklaͤret/
daß S. Paulus ſich den fuͤrnehmſten Suͤnder genennet/
weil Er nicht ſo wol auff anderer Leute/ als auff ſeine Suͤn-
(b) Vid. Cor-
nel. à Lap. in
h.l.de geſehen/ dieſelbe am meiſten gefuͤhlet und berewet habe. (b)
Die beſte Meynung iſt/ daß die Wort des lieben Apoſtels
nicht alſo zu verſtehen/ als wenn Er absolutè und ſchlechter
Dinge
[17]Chriſtliche Leich-Predigt.17
Dinge unter allen Menſchen/ ſo iemals gelebt haben/ oder
auch unter den Feinden und Verfolgern des HErrn Chriſti
und ſeiner Glaͤubigen Gliedmaſſen/ der allergroͤſte geweſen
were: Sondern daß Er faſt der fuͤrnehmſte Verfolger ſeiner
Zeit/ und alſo einer unter den fuͤrnehmſten ſey. Das hat nun
auch unſer ſelig Verſtorbener vor ſeinem Ende erkant und
bekant. Denn ob Er gleich in vorigen Zeiten/ aus mangel
des Verſtandes/ bißweilen nicht geſtehen wollen/ daß Er
ein armer Suͤnder ſey/ ſo hat Er doch in ſeiner Kranckheit/
ſolches alles willig und gerne bekant/ hertzliche Rewe und
Leid ſpuͤren laſſen/ ſich fuͤr der fuͤrnehmſten Suͤnder einen
auch gehalten/ und den Grundguͤtigen Gott umb aller-
gnaͤdigſte vergebung der Suͤnden bittlich und demuͤtig er-
ſuchet. Wir aber haben uns darbey zuerinnern/ daß ein
ieder mehrlauff ſeine/ als anderer Leute Suͤnde ſehen/ und zu
foͤrderſt darnach trachten ſolle/ wie Er derſelben loß werden/
und ſein Hertz und Gewiſſen darvon reinigen/ und hinfuͤro
frey behalten moͤge; immaſſen uns deſſen der HErr Chri-
ſtus ſelbſt erinnert/ wenn Er ſpricht: Was ſiheſtu den
Splitter in deines Bruders Auge/ und wirſt nicht gewar
des Balcken in deinem Auge? Oder wie darffſtu ſagen zu
deinem Bruder: Halt/ ich wil dir den Splitter aus deinem
Auge zihen/ und ſihe/ wie du den Splitter aus deines Bruders
Auge ziheſt.Matth. 7. v. 3. 4. 5. Werden wir das mit S.
Paulo ingeſambt thun/ wird viel boͤſes unterbleiben und
verhuͤtet werden/ damit wir bißher wider Gott und unſern
Nechſten ſchwerlich uns verſchuldet haben. Endlich und
zu VI. ſo iſts auch eine groſſe Gnade/ daß Saulus
aus des Heiligen Geiſtes Antrieb und Erleuchtung/ Gottes
CGnade
[18]18Chriſtliche Leich-Predigt.
Gnade und Barmhertzigkeit/ wie auch des HErrn Chriſti
Verdienſt Jhm appliciret hat. Das bedeutet Er an/ wenn
Er ſagt: Aber mir iſt Barmhertzigkeit wiederfah-
ren. Wenn Gott der HErr durch ſeinen Heiligen Geiſt
Saulum nicht alſo erleuchtet und regieret haͤtte/ were Er
endlich mit Ahitophel/ Juda dem Verraͤther/ Franciſco
Sleidanus lib.
21. Hiſtor.Spiera, und anderen Verzweifflern/ ganz und gar/ wegen
ſeiner groſſen und uͤberhaͤufften Suͤnden/ in verzweiffelung
gefallen. Daß aber ſolches nicht geſchehen/ ſondern Er ſich
der Barmhertzigkeit des Vaters/ und des Advents und
Ankunfft des HErrn Chriſti in wahrem Glauben hat ge-
troͤſtet/ iſt ein Gnaden-Werck des Allerhoͤchſten/ welches
Er auch die Zeit ſeines Lebens mit Danck erkant/ und bey
ſeinen Zuhoͤrern hochgeruͤhmet hat. Wie Er denn an ſeine
Galatter unter andern ſchreibet: Chriſtus hat auch mich
geliebet/ und Sich ſelbſt fuͤr mich dahin gegeben.Gl.2/20.
Dieſe groſſe Gnade iſt auch unſerm ſelig verſtorbenẽ wieder-
fahren. Denn derſelbe in ſeiner Kranckheit auch zum off-
tern Gottes Barmhertzigkeit und Gnade hoch geprieſen/
und es HErrn Chriſti hochthewres Verdienſt Jhm in
waren Glauben appliciret/ und mit S. Paulo hat geſagt:
Mir iſt Barmhertzigkeit wiederfahren/ und es iſt gewißlich
war/ das Chriſtus Jeſus auch mir zu gut in die Welt kom-
men ſey; Jch bin auch gewiß/ daß weder Todt noch Leben
weder Engel/ noch Fuͤrſtenthumb/ noch Gewalt/ weder
Gegenwertiges/ noch Zukuͤnfftiges/ weder Hohes/ noch
Niedriges/ noch keine andere Creatur/ mich ſcheiden mag
von der Liebe Gottes/ die da iſt in Chriſto Jeſu/ unſerm
HErrn.Rom. 8/38.39 Und mit dem lieben Hiob hat Er
geſeufftzet und geſagt: Jch weiß das mein Erloͤſer lebt/ und
Er wird mich hernach aus der Erden aufferwecken/ und
werde
[19]Chriſtliche Leich-Predigt.19
werde darnach mit dieſer meiner Haut umbgeben werden/
und werde in meinem Fleiſch Gott ſehen/ denſelben werde
ich mir ſehen/ und meine Augen werden Jhn ſchawen/ und
kein frembder. Joh. 19/25.26.27. Wer iſt aber Saulus
geweſen/ moͤcht alhier ein Andaͤchtiges Hertz nicht unbil-
lich dencken/ oder ſagen? Jſt Er denn etwa bißher ein ſo
groſſer Heiliger/ und umb die Kirche Gottes wolverdienter
Mann geweſen/ daß Jhm Gott der HErr ſo groſſe und
vielfaͤltige Gnade und Barmhertzigkeit erwieſen hat?
Nein/ keines weges/ ſondern Saulus iſt vor ſeiner Bekeh-
rung ein groſſer Suͤnder/ und recht elender Menſch gewe-
ſen. Denn Er ja in unſerm Text ſelbſt geſtehet und bekent/
daß Er ein Laͤſterer/ ein Verfolger/ und ein Schmeher des
HErrn Chriſti geweſen/ wiewol Ers unwiſſend/ und im
Unglauben gethan habe. Da hoͤren wir das Saulus vor
ſeiner Bekehrung nicht unter die Gottſelige/ fromme/ und
heiligen gezehlet werden koͤnne; viel weniger Engel-
rein; ſondern ein Laͤſterer geweſen ſey/ welch er den ewigen
Sohn Gottes/ ſeines und unſer aller Heyland/ mit ſeinen
Munde gelaͤſtert und geſchendet; auch bey dem Laͤſtern es
nicht habe bleiben laſſen: ſondern uͤber diß den Unſchuldi-
gen HErrn Jeſum in ſeinen Gliedmaſſen grawſam ver-
folget habe. Wie wir denn wiſſen/ daß/ als der heilige
Mann Gottes Stephanus/ gantz unverdienter Weiſe/
geſteinigt worden/ Er nicht allein wolgefallen an ſeinem
Tode gehat: Apoſtelg. 8/ 1. ſondern auch wider die andern
Juͤnger des HErrn mit draͤwen und morden geſchnaubet
habe/ und zum Hohenprieſter gegangen ſey/ und Jhn umb
Brieffe gebeten habe/ gen Damaſcon an die Schule/ auff
daß / ſo Er etliche Juͤnger dieſes Weges fuͤnde/ Er ſie ge-
bunden gen Jeruſalem fuͤhren moͤchte. Cap. 9. v. 1. 2. Dan-
C ijnenhero
[20]20Chriſtliche Leich-Predigt.
nenhero Jhm der HErr Chriſtus vom Himmel zugeruf-
fen: Saul/ Saul/ was verfolgſtu mich? und als er geſagt:
HErr/ wer biſtu? Jhm zur Antwort hat gegeben: Jch bin
Jeſus/ den du verfolgeſt! Es wird dir ſchwer werden/ wider
den Stachel zu lecken. Ja Er hat es bey dem Laͤſtern und
Verfolgen nicht bleiben laſſen: ſondern Er hat wie ein
Tyrann mit Gewalt zu unterruͤcken/ und den Nahmen des
HErrn Chriſti gantz und gar auszurotten uñ zuvertilgen in
den Sinn genom̃en. Denn Er ſelbſt geſtehet/ Er ſey geweſen
[...], welches zwar einen Schmeher heiſt/ wie es der
Herr Lutherus hat gegeben; Aber zugleich auch einen ſol-
chen Menſchen/ der andere mit Gewalt unterdruͤcket/ welche
Deutung dann alhier auch gar wol ſtatt finden kan/ alldie-
weil Er ſich ſchon zuvor einen Laͤſterer genennet hat. Daß
alles aber hat Er nicht wiſſendlich/ ſondern unwiſſend und
im Unglauben gethan. Denn Er damals noch nicht ge-
glaͤubet hat/ daß der gecreutzigte Jeſus von Nazareth der
HErr Meſſias were/ ſondern Sich von den Hohenprie-
ſtern/ Phariſeern und Schrifftgelehrten bethoͤren und ver-
fuͤhren laſſen/ daß Er Jhn vor einen Verfuͤhrer des
Volcks geachtet/ und aus blindem Eyver mit denselben uͤber
das Gesetz Moſis/ und den Levitiſchen Gottesdienſt feſt
und ſteiff gehalten. Daß koͤnnen wir auch zum theil/ auff
gewiſſe Maß und Weiſe/ auff unſerm ſelig verſtorbenen ap-
pliciren. Denn Er ja auch den HErrn Chriſtum/ ſeine
heilige Wunden/ und hochwuͤrdige Sacrament in vorigen
Zeiten offtermals grauſam gelaͤſtert/ geſchendet und ge-
ſchmehet/ ſonderlich wenn Er etwa von andern zum Zorn
bewogen/ und beleidigt worden iſt. Aber Er hat es auch un-
wiſſend und im Unglauben gethan. Denn ja gnugſam be-
kant/ daß Er ſeiner Vernunfft ſich allzeit nicht recht gebrau-
chen
[21]Chriſtliche Leich-Predigt.
chen koͤnnen/ und dahero ſelbſt nicht allezeit verſtanden/
was e geredet und gethan. Daher leicht zuerachten/ daß
es groͤſſer Suͤnde werden haben/ ſo Jhm Vrſach darzu ge-
geben/ und Jhn zum Zorn gereitzet haben. Er aber hat nicht
unbillich vor ſeinem Ende die groſſe und vielfaͤltige Gnade
Gottes hoch geruͤhmet/ ſo Er Jhm erwieſen/ da Er doch
ein Laͤſterer/ Schmeher/ und recht elender blinder Menſch
geweſen. Es hats aber der [grundguͤtige] Gott bey ober-
zehlten Gnadenſtuͤcken nicht bleiben laſſen/ ſondern unſerm
ſelig verſtorbenen uͤber dieſelben auch viel andere Woltha-
ten [und] Gnaden-Werck erzeiget. Denn eine groſſe
Gnade iſts/ daß Er Jhn in der waren Evangeliſchen Lu-
theriſchen Kirchen von Chriſtlichen vornehmen Eltern
hat geboren werden/ in der heiligen Tauffe von ſei-
nen Suͤnden waſchen/ in der heiligen Tauffe von ſei-
nen Suͤnden waſchen/ in freyen Kuͤnſten und Sprachen
aufferziehen/ und zufoͤrderſt aus ſeinem allerheiligſten
Wort unterrichten laſſen. Eine groſſe Gnade iſts/ daß/
als Er von etlichen boͤſen Buben und Belias-Kindern
umb ſeine Geſundheit und Verſtand gebracht worden/ Er
Jhn nicht im Zorn und andern Suͤnden durch einem ploͤtz-
lichen Todt von dieſer Welt abgefordert/ ſondern Jhm
ſein Leben hat gefriſtet/ und ſo viel Gedaͤchtnis gegeben/ und
[] gnadiglich erhalten hat/ daß Er viel ſchoͤne Lateini-
ſche und Deutſche Spruͤche/ verſe, Pſalmen [und] Geiſt-
liche liebliche Lieder behalten/ die Er zum theil offermals
hergeſagt und geſungen/ ſonderlich aber Zeit ſeiner Kranck-
heit/ in groſſer Anzahl/ mit groſſer verwunderung der
Vmbſtehenden wiederholet hat. Eine groſſe Gnade iſts/
daß Er Jhm auch bißweilen zuvor/ und faſt beharlich in
ſeiner Kranckheit/ ſeinen Verſtand alſo erleuchtet/ daß Er
vernuͤnfftige/ Chriſtliche und hochtroͤſtliche Reden fuͤhren/
C iijund
[22]Chriſtliche Leich-Predigt.
und ſich ſelbſt mit herrlichen Spruͤchen und Pſalmen wider
den Todt uñ alle Anfechtung troͤſten und auffrichten koͤñen.
Man lieſet ſonſt in den Hiſtorien von unterſchiedlichen ar-
men gebrechlichen Leuten/ daß dieſelbe bißweilen vernuͤnff-
tige/ kluge/ und weitaufſehende/ wie auch Chriſtliche Reden
gefuͤhret haben. [Alſo] erzehlet der Herr Lutherus von einem
Narren/ ſo zu/ oder umb Wurtzen ſich ſol auffgehalten ha-
ben/ daß Er in den Faſtnachten ſich trawrit gekleidet/ uͤbel
gehabt/ und klaͤglich geſtellet; in der Marter-Wochen aber
ſchoͤne Kleider angethan habe/ und froͤlich und guter Dinge
ſey geweſen: Als Er aber dermaleins gefraget worden ſey/
warumb Er das thete/ zur Antwort gegeben habe: Jn der
Faſtnacht geſchehen viel Suͤnden/ da ſol man billich
trawrig ſeyn: Aber in der Marter-Woche predigt
man/ wie Chriſtus fuͤr die arme Suͤnder geſtorben/
(c) B. Luth.
in den Tiſch-
reden ſol.
m. 444.daruͤmb ſoll man froͤlich ſeyn. Welches warlich eine
recht Chriſtliche und kluge Rede iſt/ ſo wir billich ingeſambt/
ſonderlich aber Schwelger und Faſtnacht-Bruͤder/ in acht
nehmen ſollen/ wo ſie anders von dieſen damals armen ge-
brechlichen Menſchen vor Chriſti Richter-Stuel nicht wol-
len angeklaget werden/ daß ſie die heilige Faſtnachtzeit/ un-
angeſehen/ ſie bey guter Vernunfft geweſen/ auch fuͤr gute
Evangeliſche Chriſten habẽ willen angeſehen ſeyn/ mit ih-
rem ſuͤndlichen Sawleben verunheiliget/ und Bacho gedie-
net: da ſie doch auff Chriſtum getaufft ſeyn/ und demſelben
verſprochen habẽ/ daß ſie die zeit ihres Lebens in aller Gott-
ſeligkeit und Erbarkeit Jhm dienen wolten. Vnd von einem
andern armen gebrechlichen Menſchen/ ſo Johann Stock
geheiſſen/ und an des Ertzhertzogs Leopoldi, des Erſten
dieſes Nahmens/ Hoffe ſich auffgehalten hat/ erzehlet
Stumpfius
[23]Chriſtliche Leich-Predigt.
Stumpfius und mit demſelben Zvvingerus/ daß derſel-(d) In Thea-
tro vol 7. lib.
1. p. 1636. b.
be/ als hochgedachter Ertzhertzog zu Oeſterreich mit ſeinen
Raͤthen und Officirern berathſchlaget/ wie Er ſeinen Fein-
den/ den Schweitzern/ in das Land fallen wolte/ gantz un-
verhofft/ wider ſeinen Gebrauch/ zu ruffen angefangen ha-
be: Jhr gedencket nur/ wie Jhr den Feinden in das
Land fallen wollet: Aber niemand rathſchlaget dar-
von/ wie Jhr wieder aus ihrem Lande kommen moͤ-
get. Daß aber dieſe Rede nicht vergeblich/ ſondern bedenck-
lich geweſen ſey/ hat der Ausgangn bewieſen/ dieweil bald
darauff mehr Hochermelten Ertzhertzogs Reuterey ge-
ſchlagen worden. Dergleichen vernuͤnfftige/ Chriſtliche und
nachdenckliche Reden hat auch unſer ſelig Verſtorbener
bißweilen/ ſonderlich aber in ſeiner letzten Kranckheut gefuͤh-
ret/ wir den jenigen bewuſt/ ſo um und bey Jhm ſind gewe-
ſen/ oder Jhn beſuchet haben; immaſſen in ſeinem Lebens-
Lauffe/ ſo nach der Predigt wird abgeleſen werden/ derſel-
ben etliche werden angefuͤhret werden. Eine groſſe Gnade
iſts auch/ das Gott der Herr Jhn/ nach dem Er ſeine Ge-
ſundheit und Verſtand verlohren/ an dieſen Fuͤrſtl[.] Saͤchſ.
Hoff gebracht hat: Da Er denn von Jhren Fuͤrſtl.
Gn. Gn. allerſeits lieb und werth gehalten/ mit Speiſe/
Tranck und Kleidung; wie auch in ſeiner Kranckheit mit
Artzney und Labſal/ und denn mit Vnterricht und Seelen-
Troſt durch die Diener des Goͤttlichen Worts trewlich und
fleiſsig iſt verſehen worden. Welches alles vielleicht unter-
blieben were/ wenn Gott der Herr Jhn nicht an dieſen
Fuͤrſtl. Hoff gebracht/ ſondern in ſeinem Vaterland gelaſ-
ſen haͤtte. Das hat Er ſelbſt in ſeiner Kranckheut ſo wol/
als ſeine Gebrechligkeit erkant/ da Er doch zuvor nicht ge-
ſtehen wollen/ daß Er ein armer gebrechlicher Menſche were/
ſondern
[24]Chriſtliche Leich-Predigt.
ſondern Jhm feſt eingebildet/ und zum oͤfftern fuͤrgegeben
hat/ daß Er ein groſſer Herr und Potentat dieſer Welt
were/ welcher dem gantzen Fuͤrſtl. Hoff/ und vielen andern
zu commendiren haͤtte. Noch eine groͤſſere Wolthat
iſts/ daß Er Jhn in ſeiner Kranckheit durch den Diener
des Goͤttlichen Worts/ nach abgelegter Chriſtlicher Beich-
te/ an Chriſti ſtatt/ und aus deſſelben Befehl/ von ſeinen
angebornen und darzu gethanen Suͤnden hat abſolviren
und loßzehlen/ auch darauff mit dem hochheiligen Abend-
mal ſpeiſen und traͤncken laſſen; immaſſen Er denn ſolches
auch mit hertzlicher Andacht und Begierde empfangen/
darauff Gott dem Allerhoͤchſten fuͤr ſolche groſſe Gnade
mit Mund und Hertzen gedancket/ und ſeiner Goͤttlichen
Majeſtaͤt zu Ehren mit lauter Stimme frewdig mit geſun-
gen hat: Nun lob mein Seel den Herren/ was in mir
iſt den Nahmen ſeyn/ und darauff den Segen angenom-
men und empfangen. Jn vorigen Zeiten zwar haben wir
und unſere Vorfahren/ ſo in der Fuͤrſtl[.] Saͤchſ. Schloß
Kirchen das Ampt des Geiſtes gefuͤhret/ nach fleiſsiger
Vnterredung und Erwegung/ nicht befinden koͤnnen/ wie
unſer nunmehr ſeliger Michael Neuber zur Beicht und
Tiſch des HErrn koͤnte zugelaſſen werden/ dieweil ſeine An-
docht nicht lang gewaͤret/ ſondern ſtette Wechſelung fuͤrge-
gangen. Weil Er aber in ſeiner Kranckheit [meiſtentheils]
bey ziemlichen Verſtanden geweſen/ ein hertzlich verlangen
nach der heiligen Abſolution und dem hochwuͤrdigen A-
bendmal getragen/ auch daruͤmb anfaͤnglich bey der
Durchlauchtigen/ Hochgebornen Fuͤrſtin und
Frawen/ Frawen Dorotheen/ Gebornen und
Vermaͤhlten Hertzogin zu Sachſen/ Juͤlich/ Cleve
und Berg/ Witwen/ ſo damals allein bey der Fuͤrſt-
lichen
[25]Chriſtliche Leich-Predigt.
lichen Hoffſtadt alhier geweſen/ Vnterthaͤnig/ und
hernach bey uns/ den Dienern des Worts/ zu unter-
ſchiedlichen mahlen beweglich angehalten/ haben wir/
nach dem wir alle Vmbſtende in der Furcht des
HERRN fleisſig erwogen/ Jhm ſeine Bitte nicht ab-
ſchlagen wollen/ bevorab weil wir ſein hertzliches verlangen/
ſeine Andacht im Gebet/ ſeinen Eyver im ſingen/ ſeinen
Glaube und Hoffnung/ aus vielen gewiſſen Zeichen
gnugſam geſpuͤret/ auch Er ſeines Glaubens richtige und
gruͤndliche rechenſchafft nach der lenge gegeben/ und viel
herrliche Spruͤche aus Gottes Wort/ ſchoͤne Reim-Ge-
betlein und Geſaͤnge ſelbſt angefangen/ hinaus gebetet/
und ſich darmit alſo getroͤſtet/ daß ſolches die Vmbſtehen-
den mit verwunderung/ und zum theil nicht ohne Thraͤnen
angehoͤret haben: ſondern wir haben uns erinnert/ was
S. Petrus geſagt/ als Er in das Hauß Corneln gekom- Apoſtel.
cap. 10, 47.
men/ und nach gethaner Predigt vernommen/ daß Er mit
ſeinen Haußgenoſſen an Chriſtum glaͤubig worden/ mit
Zungen geredet/ und Gott hochgepreiſet/ in dem Er aus-
geruffen: Mag [auch] iemand das Waſſer wegen/ daß
dieſe nicht getaufft werden/ die den Heiligen Geiſt
empfangen haben/ gleich wie auch wir? Weil wir
demnach aus vielen Zeichen augenſcheinlich und gewiß
wargenommen/ daß der Heilige Geiſt in und mit unſerm
ſeligen Michael Neubern geweſen/ und durch Jhn gewirc-
ket/ haben wir mit S. Petro angefangen: Wer mag uns
wehren/ daß dieſer nicht von Suͤnden abſolviret
werde? Ja wer mag das Brodt und den Wein
wehren/ daß dieſelbe nach des HERRN Chriſti
Einſetzung nicht geſegnet/ und unter und mit
denſelben dieſem Patienten ſein warer Leib und
ſein roſinfarbenes Blut mit getheilet wer-
Dden/
[26]Chriſtliche Leich-Predigt.
den/ damit Er in ſeinem Glauben noch mehr geſterc-
ket/ der Goͤttlichen Gnaden verſichert/ und zu dem
ewigen Leben moͤge erhalten werden/ weil wir ſehen/
daß Er den Heiligen Geiſt ſo wol empfangen habe/
als wir/ oder andere Bußfertige Glaͤubige Hertzen?
Darauff denn die Vmbſtehenden einen Abtritt genommen/
Er aber bey ſeinem Beichtvater ſeine Beichte nach der laͤn-
ge/ ohne allen Anſtoß/ mit ſonderbarer devotion und An-
dacht gethan/ und kein Stuͤck ausgelaſſen oder uͤbergan-
gen/ ſo zu einer Chriſtlichen Beichte gehoͤret; und endlich
Beyſeyn vieler Chriſtlichen Hertzen/ die wieder hinein ge-
laſſen worden/ nach geſchehener Conſecration und Einſe-
gnung/ das hochheilige Abendmal mit groſſer Andacht und
Begierde empfangen/ wie darvon in ſeinen Lebenslauff
ewer Chriſtl. Liebe mit mehrem wird berichtet werden. Die
allergroͤſte Gnade aber iſts/ daß der Grundguͤtige
Gott/ Jhn biß an ſein ſeliges Ende in wahrem Glauben/
Chriſtlicher Andacht/ groſſer Gedult und beſtendiger Hoff-
nung des ewigen Lebens erhalten/ und mit einem ſanfften
und ſeligen Simeons-Stuͤndlein hat geſegnet. Warumb
und zu welchem Ende aber hat Gott der Herr
Saulo ſo groſſe und vielerley Gnade erwieſen? Daß
fuͤhret er ſelbſten an/ [wenn] er ſpricht: Darumb iſt mir
Barmhertzigkeit widerfahren/ auff daß an mir fuͤr-
nehmlich Jeſus Chriſtus erzeigete alle Gedult/ zum
Exempel denen die an ihn gleuben. Hier hoͤren wir/
das es der liebe Gott gethan nicht alleine/ auff daß Er fuͤr-
nehmlich an Saulo/ als einem ſehr groſſen Suͤnder/ alle
ſeine Gedult/ oder Langmuth/ wie es nach der Haupt-
ſprachen kan gegeben werden/ ſehen lieſſe/ ſondern auch an-
dere ein Exempel/ oder vielmehr ein lebendiges Muſter und
Bey-
[27]Chriſtliche Leich-Predigt.
Beyſpiel haͤtten/ welches ſie allzeit fuͤr Augen haben/ und
alſo nicht in ihren Suͤnden verzagen/ ſondern ſich mit
Saulo bekehren laſſen moͤchten/ gleich wie ſie zuvor mit
demſelbem geſuͤndiget und mißgehandelt haͤtten. Dannen-
hero S. Chryſtoſtomus ſpricht: Si impius es, cogita (e) homil. 2.
in Pſal. 50.
publicanum; ſi immundus es, attende meretricem; ſi
homicida es, perſpice latronem; ſie iniqvus es, cogita
blaſphemum: conſidera Paulum, priùs perſecutorem,
poſteà annuntiatorem. Nolo mihi dicas: Blaſphemus
ſum! Nolo dicas: perſecutor ſum! Immundus ſum! Ha-
bes omnium oſtenſiones: in qvem volueris portum
confugio. Vis in novum? Vis in veterem? In veteri
David, in novo Paulus! Et infrà: Qvid eſt peccatum ad
Domini Miſericordiam? Tela araneæ, qvæ vento flan-
te nusqvam comparet. Das iſt: Biſtu Gottloß/ ſo ge-
dencke an den Bußfertigen Zoͤlner; Biſtu unrein/ ſo
ſihe an die groſſe Suͤnderin; Biſtu ein Moͤrder/ ſo
ſchawe an den Bußfertigen Schecher; Biſtu ein Laͤ-
ſterer/ ſo nimm fuͤr dich das Exempel Pauli/ wel-
cher zuvor ein Laͤſterer und Verfolger geweſen7 und
hernach ein Prediger des Evangelii worden iſt.
Sage mir doch ja nicht: Ach! Jch bin ein Laͤſterer!
Sage mir nicht: Jch bin ein Verfolger! Jch bin ein
Vnreiner Menſch! Du haſt allerley beweiß/ du kanſt
deine Zufkucht nehmen wohin du wilſt. Wilſtu ein
Exempel aus dem Newen/ oder dem Alten Teſta-
ment haben? Jm Alten iſt Koͤnig David/ im Newen
der Apoſtel Paulus. Vnd hernach ſpricht Er: Was
iſt die Suͤnde gegen Gottes Barhmhertzigkeit zu-
rechnen? Eine Spinnenwebe/ welche/ ſo der Wind(f) in 1.
Tim. 1.
wehet/ nirgend zufinden iſt.Anshelmus ſchreibet
D ijmit
[28]Chriſtliche Leich-Predigt.
(g) Serm. 9.
de Verbi Apo-
ſtoli:mit S. Auguſtino auch gar ſchon darvon. Si Saulus,
inqvit, ſanatus eſt, ego qvare deſpero? Si à tanto medi-
co tam deſperatus æger ſanatus eſt, ego vulneribus me-
is illas manus non optabo? ad illas manus non feſtina-
bo? Ut hoc dicerent homines, ideò factus eſt Saulus ex
perſecutore Apoſtolus: Qvia cum venit medicus, vo-
lens ſibi famam comparare, infirmum qværit aliqvem
deſperatum, \& ipſum ſanat; \& ſi [pauperrimum] inveni-
at, non ibi qværit mercedem, ſed commendat artem.
Ita \& Chriſtus potentiam ſpecialis Medicinæ Spiritua-
lis ſuæ oſtendit in Saulo, ut omnes deinceps noſſent,
eum ſanare poſſe cunctas infirmitates omnium confu-
gientium ad ſe.So Saul/ ſpricht er/ (welcher ein graw-
ſamer Verfolger/ und Schmaͤher des HErrn Chriſti ge-
weſen) an ſeiner Seelen geheilet worden iſt/ warumb
wil ich denn verzagen? Warumb wil Jch nicht von
dieſem vortrefflichen Seelen-Artzt/ (Chriſto Jeſu)
weil von Jhm ein ſolcher Patient/ bey dem fuͤr
Menſchen/ iſt curiret und bekehret worden/ wuͤnd-
ſchen/ daß er meinen Wunden ſeine geſegnete Haͤn-
de aufflege? Warumb wil ich nicht zu ſeinen Haͤn-
den eilen? Auff daß die Leute dieſe Reden fuͤhren
moͤchten/ ſo iſt Saulus aus einem Verfolger ein
Apoſtel worden: Denn wenn ein Artzt ankoͤmmet/
welcher ihm einen groſſen Nahmen wil zuwege-
bringen/ ſo ſuchet er einen ſolchen Krancken/ da alle
Hoffnung des Lebens auszuſeyn ſcheinet/ und heilet
denſelben und ſo er einen gantz armen antrifft/ ſo
begehret er keine Vergeltung/ ſondern er commen-
dirt und lobet ſeine Kunſt und Artzney. Alſo thut
auch
[29]Chriſtliche Leich-Predigt.
auch Chriſtus! Er beweiſet die Krafft ſeiner [Goͤtt-
lichen] Artzney (welche iſt ſein allerheiligſtes Wort) an
Saulo/ damit alle hernach wiſſen koͤnten/ daß Er de-
rer aller Seelen-Kranckheiten und Gebrechlig-
keiten heilien koͤnte/ welche (mit bußfertigen/ glaͤubi-
gen und demuͤtigen Hertzen) zu Jhm flihen wuͤrden.
Dannenhero auch unſer nunmehr ſeliger Michael Neuber
auff Chriſtum ſeine Hoffnung und Zuflucht geſetzet/ und
ſich verſichert/ daß weil Er Saulum zu Gnaden auff und
angenommen/ Er ſich auch ſeiner werde erbarmen/ und
Jhn nicht Huͤlff und Troſtloß von ſeinem Angeſicht ver-
ſtoſſen; bevorab weil Er Jhm und uns ingeſambt zuruffe/
und ſpreche: Kommet herzu Mir alle/ die Jhr muͤhſelig
und beladen ſeyd/ Jch wil Euch erqvicken; Matth. 11/ 28.
auch gar troͤſtlich Sich verlauten laſſe/ daß wer zu Jhm
mit Bußfertigen/ Glaͤubigen und Demuͤtigen Hertzen
komme/ den wolle und werde Er nicht von Sich hinaus
ſtoſſen. Joh. 6/ 37.
Weil denn Gott der HErr auch auff arme gebrech-
liche Leute ein wachſames Auge hat/ ſollen wir dieſelben
nicht verachten/ ſondern vielmehr ein Mitleiden mit Jhnen
haben/ bevorab weil wir wiſſen/ daß ſie von Gott auch ge-
ſchaffen/ 2. B. Moſ. 4/ 11. und von dem HErrn Chriſto
erloͤſet ſind/ ja auch wol in die Zahl der Außerwehlten gehoͤ-
ren/ und Gottes liebe Kinder ſeyn koͤnnen/ wie an jenem ge-
brechlichen Weibe zuſehen/ Luc. 13/ 11. und S. Paulus
erinnert/ wenn Er ſchreibt: Was thoͤricht iſt fuͤr der Welt/
das hat Gott erwehlet. 1. Cor[.] 1/ 27. Wir ſollen auch dieſel-
be nicht vexiren und zum Zorn und andern Suͤnden irriti-
ren und reitzen. Denn ſo man den Tauben nicht fluchen/
und den Blinden keinen Anſtoß ſetzen/ ſondern ſich fuͤr dem
D iijHerrn
[30]Chriſtliche Leich-Predigt.
Herrn ſeinem Gott fuͤrchten ſoll/ 3. B. Moſ. 19/ 14.
wird keines weges zu verantworten ſeyn/ wenn man ſolche
Leute vexiret und zum Zorn und andere Suͤnden beweget/
welche ihrer Vernunfft nicht recht gebrauchen koͤnnen.
Wer aber das thut/ der macht ſich aller ſolcher Suͤnden
theilhafftig7 1. Tim. 5/ 22. und wird es dermal eins viel
ſchwerer zuverantworten haben/ als die jenigen/ welche von
Jhnen alhier vexiret und agiret worden ſind: dieweil ſie es
viel beſſer wiſſen und verſtehen/ und dennoch ihres Ver-
ſtandes weder Gott zu Ehren/ noch dem armen und Ge-
brechlichen Nechſten zum beſten/ ſondern vielmehr beyden
zuwider anwenden und gebrauchen. Vielweniger aber
ſollen wir ſolche Leute/ die entweder ihren Vollkommenen/
oder doch noch etlicher Maſſen einen guten Verſtand ha-
ben/ zu Narren machen/ oder machen helffen/ wie an vor-
nehmer Herren Hoͤffen von Vnchriſtlichen Hoffleuten
pfleget zugeſchehen. Denn wer das thut/ der verdirbt/ oder
hilfft/ ſo viel an Jhm iſt/ eine Edel Creatur und Kind Got-
tes verderben/ welches ſeine Goͤttliche Majeſtaͤt/ ſo wenig/
und viel weniger ungeſtrafft hingehen laſſen wird/ als
Chriſt- und Ehrliebende Eltern leiden koͤnnen/ daß ihr leib-
liches Kind vexiret/ geſchendet/ und zu einem Thoren ge-
macht werde. Es iſt auch kein zweiffel/ daß ſolche Spaͤtter
und Suͤnden-Knechte dermaleins von Juncker Satanas
wider verſpottet/ und als Thoren und Narren/ wie in
Warheit alle Gottloſen ſind/ und von dem Heiligen Geiſte
ſelbſt [ausdruͤcklich] genennet werden/ Pſ. 14/ 1. nicht allein
tractiret/ ſondern auch in Ewigkeit werden gefoltert und ge-
martert werden. Ja ſolche Gottloſe Leute werden dermal-
eins ſelbſt offentlich geſtehen und bekennen muͤſſen/ daß ſie
gantz naͤrriſch gehandelt/ und ſich als Thoren erwieſen ha-
ben/
[31]Chriſtliche Leich-Predigt.
ben/ die unſern ſelig verſtorbenen bey ſeinem Leben vexiret
und zum Zorn/ fluchen/ Gottslaͤſtern und andern Suͤnden
in dieſem Leben verurſacht haben/ wenn ſie nicht in der Zeit
der Gnaden ware Buſſe thun/ und Gott auch dieſe ihre
Suͤnde demuͤtig abbitten. Denn es wird der Gerechte (am
herbeynahenden Juͤngſten Tage) mit groſſer Freydigkeit
ſtehen wider die/ ſo Jhn geaͤngſtiget haben. Wenn dieſel-
be denn ſolches ſehen/ werden ſie grausam erſchrecken/ fuͤr
ſolcher Seligkeit/ der ſie ſich nicht verſehen haͤtten/ und wer-
den untereinander reden mit rewe/ und fuͤr Angſt des Gei-
ſtes ſeufftzen: Das iſt der/ welchen wir etwa fuͤr ein
Spott hatten/ und fuͤr ein hoͤniſch Beyſpiel. Wir
Narren hielten ſein Leben fuͤr Vnſinnig/ und ſein
Ende fuͤr eine Schande/ wie iſt Er nun gezehlet un-
ter die Kinder Gottes/ und ſein Erbe iſt unter den
Heiligen? Daruͤmb ſo haben wir des rechten We-
ges gefehlet/ wir haben eitel unrechte und ſchaͤdliche
Wege gegangen/ und haben gewandelt wuͤſte Vn-
wege/ ꝛc. W[e]ißheit 5/ 1. ſeqq. Ach wolte Gott/ das alle die
jenigen/ ſo andere vexiren und zu Narren helffen machen/
ſolche erbaͤrmliche Klage zu Ohren und zu Hertzen faſſen/
von ihrem [Gottloſen] Weſen abſtehen/ und rechtſchaffene
Buſſe thun moͤchten! Am allerwenigſten aber werdens die
jeniger verantworten koͤnnen/ ſo die edle Gabe des Ver-
ſtandes von unſerm HErren Gott aus Gnaden zwar em-
pfangen haben/ und ſich derſelben ſo wol Gott zu Ehren/
und dem Nechſten zu nutz/ als der geſunden Glieder ihres
Leibes koͤnten gebrauchen: Aber umb einer Gelben Hoff-
Suppen und eines guten Truncks willen/ oder auch umb
Finantzen und Geſchencke/ ſich ſelbſt zu Narren gleichſam
machen/ und wiſſentlich dafuͤr halten und gebrauchen laſ-
ſen/
[32]Chriſtliche Leich-Predigt.
ſen/ welches nicht der geringſten/ ſondern der groͤſten Suͤn-
de eine iſt. Sintemal ſie ja Gott ihren Schoͤpffer dadurch
mutwillig verunehren/ daß man ſie wol aus den Schirfften
Moſis anreden moͤchte: Danckeſtu alſo dem HErrn
deinem Gott/ du toll [und] thoͤrichter Menſch? Jſt
Er nicht dein Vater und der HErr? Jſts nicht Er
allein/ der dich zu einem vernuͤnfftigen Menſchen ge-
macht und bereitet/ und mit Verſtand begabet hat?
5. B. Moſ. 32/ 6. Dannenhero auch der Allerhoͤchſte/ als
ein Gerechter Richter/ mit ſolchen [mutwilligen] Narren
auffs wunderlichſte/ und viel anders umbzugehen pflegt/ als
mit denſelben/ welche etwa von Natur bloͤde ſind/ oder durch
einen unverhofften Zufall umb ihren Verſtand kommen/
immaſſen wir ſolches [auch] allhier erfahren haben. Denn
Er ja ſich unſers verſtorbenen Michael Neubers in Gna-
den erbarmet/ [und] ihn alſo erleuchtet hat/ daß er bey ziem-
lichen Verſtande und beharrlicher Andacht in Chriſto ſe-
„lig verſchieden: Da hingegen nicht unbekandt/ daß der Ge-
„rechte Gott uͤber andere/ ſo umb freſſens und ſauffens wil-
„len ſich bey Fuͤrſt- und Adelichen Hoͤfen offt eingeſchlichen/
„die Adelichen [Hochzeiten]/ Kindteuͤffen/ und andere Zu-
„ſammenkunfften unerfodert beſuchet/ und ſich fuͤr Stock-
„narren gutwillig gebrauchen laſſen/ ein ſchrecklich Gericht
„ergehen/ und geſchehen laſſen/ daß einer voller weiſe zu to-
„de gefallen/ ein ander aber erſoffen/ und im Waſſer jaͤm-
„merlich umbkommen iſt. Darumb alle andere Stocknar-
„ren ſich an denſelben billich ſpiegeln/ und Gott dem
HErrn beſſer fuͤr ihren verliehenen Verſtand dancken/
auch denſelben recht anwenden [und] gebrauchen ſollen. Wer
Ohren hat zu hoͤren/ der hoͤre/ was der Geiſt der Gemei-
nen ſagt!
Weil
[33]Chriſtliche Leich-Predigt.
Weil denn der HErr Chriſtus Saulo ſo groſſe und
vielfaͤltige Gnade hat erwieſen/ ſo fragt ſichs vors ander
nicht unbillich/ wie er ſich darauff erzeiget und verhalten?
Hat er ſich denn auch mit jenem Samariter danckbar ge-
gen Jhm erwieſen/ oder gehoͤret er in die Zunfft und Geſell-
ſchafft jener neun Außſetzigen/ welche weder mit Worten/
noch mit Wercken ihre Danckbarkeit ſpuͤren laſſen? Luc.
17/ 17. 18. Antwort Nein/ keines weges kan er unter die
Zahl der Vndanckbarn gerechnet werden. Denn er in un-
ſerm Text mit klaren Worten ſein Hertz und Gemuͤth ent-
decket und eroͤffnet/ wenn er ſpricht: Jch dancke unſerm
HErrn Chriſto Jeſu. Jtem: Gott dem ewigen Koͤ-
nige/ dem [Vnvergaͤnglichen]/ und Vnſichtbarn/ und
allein Weiſen/ ſey Ehre und Preiß in Ewigkeit/ A-
men. Jn dieſen Worten/ meine Allerliebſte/ haben wir
zu bedencken I.Wer Chriſto gedancket habe? Nem-
lich/ der bekehrte Saulus7 welcher bißher ein Laͤſterer/
Verfolger und Schmaͤher des HErrn Chriſti geweſen:
Hernachmals aber ein trewer Zeuge/ Juͤnger und Apo-
ſtel deſſelben worden iſt. Daß ſollen noch heutiges Ta-
ges alle die jenigen [thun]/ welche durch ſein Wort von Jhm
erleuchet/ und zu Jhm bekehret werden. Wer hat er
aber II. gedancket? Chriſto Jeſu/ welchem er unter-
ſchiedliche Ehren-Titul giebt. Denn er Jhn ausdruͤcklich
GOtt nennet/ dieweil Er nicht ein bloſſer Menſch iſt/ ſon-
dern ob Er gleich nach dem Fleiſche herkoͤmmet von den
Vaͤtern/ doch zugleich Gott iſt uͤber alles in Ewigkeit ge-
lobet/ wie er an einem andern Ort redet und bezeuget. Rom.
9/ 5. Darneben nennet er Jhn einen Koͤnig/ weil ſein
Himliſcher Vater Jhn zum Koͤnige auff ſeinen heiligen
Berg Zion eingeſetzet hat. Pſ. 2/ 6. Er leget Jhm auch
Ezu
[34]Chriſtliche Leich-Predigt.
zu unterſchiedliche Herrliche Eigenſchafften/ welche Jhm
als wahrem Gott und unſerm HErrn und Koͤnig zuſtehen
und gebuͤhren. Denn er beſchreibet uns denſelben als
einen ewigen Koͤnig/ welcher weder Anfang noch En-
de hat oder haben kan/ dieweil ſein Ausgang vom Anfang
und von Ewigkeit her iſt geweſen: Mich. 5/ 2. Als einen
unvergaͤnglichen Koͤnig/ der von Natur ein ſolches
Weſen hat/ ſo der Eitelkeit und Vergaͤngligkeit/ wie wir
Menſchen/ nicht [unterworffen]: Als einen unſichtbarn
Koͤnig/ der ſeiner Goͤttlichen Natur nach/ mit leiblichen
Augen natuͤrlicher weiſe nicht kan geſehen werden: Vnd
denn als einen allein weiſen Koͤnig:[Dieweil] allein die-
ſes Koͤniges Verſtand [unausforſchlich]/ Eſ. 40/ 28. Vnd
unbegreifflich iſt/ Wie Er ſo weißlich regiere; Er auch
ein Brunqvell aller Weißheit iſt. Wie hat er denn III.
Jhm gedancket? Nicht allein mit dem Munde/ in dem
er geſprochen: Jch dancke unſerm HErrn Chriſto
Jeſu/ ſondern von Grund des Hertzens/ und mit der
That und in der Warheit/ in dem Er ihm Preiß und
Ehre in Ewigkeit zugeſchrieben/ einen rechten Her-
tzenswundſch darzugethan/ und ſich Jhm gantz und
gar/ als ſeinem Gott und Koͤnig verobligirt und
verbunden hat. Nun das hat auch unſer ſelig Verſtor-
bener gethan. Sintemal derſelbe auch auff ſeinem La-
ger/ biß an ſein ſeliges Ende/ Chriſto Jeſu/ als ſeinem
Gott und Koͤnige muͤnd und hertzlich/ fuͤr die vielfaͤltige
groſſe Gnade/ ſo Er ihm erwieſen/ hat gedancket/ und taͤg-
lich ſeine Stimme mit erhaben/ und mit allerley ſchoͤnen
Lob- und Danck-Pſalmen/ und andern Geiſtreichen Lie-
dern ſeinen heiligen Namen hat geruͤhmet; auch ein kraͤffti-
ges Amen darauff zum oͤfftern geſprochen/ und ſich nicht
allein
[35]Chriſtliche Leich-Predigt.
allein Jhm gantz und gar/ als ſeinem HErrn und Koͤni-
ge zu eigen hat gegeben/ ſondern auch biß an ſein Ende trew
verblieben iſt. Dannenhero auch der Koͤnig der Ehren
Chriſtus Jeſus ihn mit Ehren hat gekroͤnet/ und die Kro-
ne des Lebens ihm gegeben/ welche Er allen ſeinen trewen
Dienern aus Gnaden zuſagt und verheiſt/ wenn Er
ſpricht: Sey getrew biß an den Todt/ ſo wil Jch dir die Kro-
ne des Lebens geben. Offenb. 2/ 10.
PERSONALIA.
WAs aber nun anlanget unſers im HErrn S. ver-
ſtorbenen Michael Neubers Lebenslauff/ ſo iſt
derſelbe zu Soldin in der Newmarck Anno 1596.
von Chriſtlichen uñ Ehrlichen Eltern geboren. Sein Vater
iſt geweſen der weyland Ehrwuͤrdige/ Achtbare/ uñ Wolge-
larte/ Herr Abraham Neuber/ trewfleisſiger Diaconus[uñ]
Diener am Wort Gottes bey der Chriſtlichen Gemeine
zu Soldin: Seine Mutter Fraw Eva/ eine Hallin/ des
Ehrwuͤrdigen/ Großachtbarhn und Wolgelarten/ Herrn
N. Hallens/ weyland wolverardneten Superintenden-
ten zu Landsberg an der Warte ſel.[] hinterlaſſene Tochter.
Von dieſen ſeinen Eltern iſt er nicht allein in reinem
Ehebette gezeuget/ ſondern auch darauff zur Gottesfurcht
alſo bald angewehnet/ und Chriſtlich aufferzogen worden/
wie denn ſeiner Eltern geſchehene fleisſige Vnterweiſung
auch dahero an ihme gnugſam zuvermercken geweſt/ daß
er die Capira pietatis richtig erlanget/ den Catechiſmum/
wie auch viel ſchoͤne Pſalmen/ und troſtreiche Spruͤche in
groſser Menge fertig herzuſagen/ und ſich derſelben/ vor-
nemlich in ſeiner Kranckheit/ wolzugebrauchen gewuſt.
E ijNach
[36]Chriſtliche Leich-Predigt.
Nach angewendeter privat inſtitution haben ſie dieſen ih-
ren Sohn von ſich/ und anders wohin/ als ſonderlich in
die damals wolbeſtellte Schule nach der Spandaw verſchic-
ket/ do er eine geraume Zeit freqventiret/ und in ſeinen
ſtudiis gute fundamenta geleget. Vnd weil er auch
hiernebens nicht wenige beliebung zur Muſic getragen/
hat ihn ſein Vater bald in der Jugend darzu mit einen gu-
ten præceptore verſehen. Nach dem er aber Anno 1618.
naher Guſtraw verreiſet/ in willens/ die von ſeiner doſelbſt
verſtorbenen Muhmen hinterlaſſene Erbſchafft einzufor-
dern/ iſt er mit etlichen Schuſtersgeſellen einſten in Zwie-
tracht gerathen/ und von denenſelben dermaſſen zerſchla-
gen/ mit Degen-Knoͤpffen in den Kopff ſehr uͤbel geſtoſſen/
und alſo zugerichtet worden/ daß er endlich ſeiner Ver-
nunfft recht und voͤllig nicht gebrauchen koͤnnen. Wel-
ches denn ſeinen Eltern ein groſſes Hertzeleid geweſen/ als
die ihn hernach bey ſich behalten/ und das Elend an ihm ſe-
hen muͤſſen. Endlich/ als der General Wachtmeiſter Bin-
dauff in der Marck zu Soldin ſein Qvartier gehabt/ hat er
ihn doſelbſt von ſeinem Vater zu ſich genommen/ und etz-
liche Jahr mit ſich herumb gefuͤhret an den Chur Saͤchß.
und Brandeburgiſchen Hoff/ biß Herr General Wacht-
meiſter Bindauff 1629. mit demſelben anhero kommen/
do der Fuͤrſtl. Saͤchß. altern Frawen Witwen/ unſer Gnaͤ-
digen Fuͤrſtin und Frawen/ Er ihn zuruͤck gelaſſen hat.
Jſt alſo gnaw in die 20. Jahr alhier geweſen.
Jn ſolcher Zeit hat er zwar beym Gottesdienſt ſich alle-
wege und fleisſig befunden/ und eingeſtellet/ auch darbey
ſtille/ und nach ſeinem Verſtande/ andaͤchtig erwieſen:
Jedoch haben wir in vorigen Zeiten im Predigambt/ nach
unterſchiedlicher gehaltener Vnterredung mit ihm von
ſeinem
[37]Chriſtli[c]he Leich-Predigt.
ſeinem Chriſtenthumb/ ſo viel befunden/ daß er ſich zum
wuͤrdigen Gebrauch des Hochheiligen Abendmals nicht
pruͤfen/ noch gebuͤrlich bereiten moͤge/ dieweil damals ſeine
Andacht nicht lange gewaͤret/ ſondern ſtaͤtte Wechſe-
lung geweſen/ ſonderlich/ wenn er etwan von andern irriti-
ret/ und zum Zorn bewogen iſt: Darzu er denn gar leicht
Anleitung und Vrſach genommen hat/ wie ſlche Leute
zu thun pflegen.
Auſſer dem offentlichen Gottesdienſt hat er ſonſt
ſeinen Abend- und Morgen-Segen gebetet/ und Geiſtrei-
cher Geſaͤnge ſich mehrentheils gebrauchet. Derowegen
auch ſonderlich unſere Gnaͤdige Fuͤrſtliche hohe Obrigkeit
ihm gnaͤdig gewogen geweſen/ und ihn gerne umb [ſich] lei-
den koͤnnen.
Seine Kranckheit betreffend/ iſt er mit derſelben im
abgewichenen October befallen aus langwieriger Ver-
ſchleim- und Stopffung der Miltz- und Kroeſes/ wie auch
endlichen aus [anſamlung] Scharbockiſcher feuchte umb
die gegenden der Bruſt/ ſo gar/ das endlichen die Leber
in dero Wirckung gleicher maſſen nicht wol beſtehen koͤnnen;
Worauff denn eine hefftige Cachexia erfolget/ biß endli-
chen der untere Leib/ neben den angelegenen Gliedmaſſen/
gefaͤhrlichen geſchwellet und auffgetrieben worden.
Jn waͤrender ſeiner Kranckheit und Schwachheit haben
Hochgedachte Jhre Fuͤrſtl. F. F. F. G. G. G. Gnaden/
nicht weniger/ wie bey voriger guter Geſundheit/ alle Gna-
de Jhm erwieſen/ auffs fleiſsigſte fuͤr ihn geſorget/ und der-
maſſen in achtzunehmen gnaͤdig anbefohlen/ daß ſie nichts/
auch am geringſten/ was zu des Pati[e]nten Leibes Geſund-
heit/ und zufoͤrderſt zu befoͤrderung der Seele ewiger Wol-
farth und Seligkeit dienlich und noͤtig/ ermangeln laſſen.
Vnd nach dem/ ungeacht des Herrn Medici angewende-
E iijten
[38]Chriſtliche Leich-Predigt.
ten ſonderlichen Fleiſſes und Sorgfalt/ die Leibesgeſund-
heit nicht hat erfolgen wollen/ Als hat der barmhertzige
Gott es an dem Gemuͤth/ Verſtande/ und Seele-Ge-
ſundheit/ zu jedem andern beſtaͤndigen ewigen Leben/ deſto
reichlicher an ihm erſetzet; Wie wir denn dieſes Orts im
Predigambt zu Hoff/ nach fleiſsiger warnehmung/ inner-
halb zweyer Monat/ denn ſich die Kranckheit im October
angefangen/ an ihme verſpuͤret.
I.Des Heiligen Geiſtes Beywohnung und Er-
leuchtung/ bey welcher ſich der natuͤrliche Verſtand auch
mercklich wiedergefunden. Sintemal er ja ohne eines an-
dern Menſchen Erinnerung/ nach dem er abgenommen/
daß die Kranckheit des Leibes ſich vermehrte/ die oͤffentliche
Vorbitte in der Kirchen/ und das allgemeine Gebet fuͤr ihn
zu thun begehret; auch abſonderlich von dem Prediger/ da
er ihm nach gehaltenen Gottesdienſt beſuchte/ und als er
vernam/ daß eben an verfloſſener Stunde es geſchehen/ und
der Anfang gemacht worden were/ ſagt er darauff: Das iſt
recht/ denn das Gebet des Gerechten vermag viel/
wenn es ernſtlich iſt. Aus Antrieb des Heiligen Gei-
ſtes/ und ohne iemands Erinnerung/ hat er nach vielem
ſeufftzen zu dem Gebrauch des H. Abendmals/ daſſelbe
gleichermaſſen begehret und gebeten. Do er auch von uns
Predigern/ und zwart von iedem abſonderlich tentiret und
examiniret worden/ hat er ſo verſtaͤndigen gnugſamen Be-
recht gethan/ daß wir weiter von ihm nichts begehren/
vielweniger ihm das Abendmal verweigern koͤnnen/ ſon-
dern ihn biß auff damals morgenden Tag vertroͤſtet/ do er
[denn] bey genommenen Abſchied nochmals ſagte: Habt
ihr mich doch nun ex fundamento examiniret/ brin-
get doch Morgen den Kelch/ und reichet mir das A-
bendmal.
[39]Chriſtliche Leich-Predigt.
bendmal. Da er auch darauff des morgenden Tages von
ſeinem Beichtvater von newem nach der lenge/ in beyſeyn
der Vmbſtehenden examiniret wuͤrde/ und ſonderlich an-
fangs gefraget: Ob er noch das H. Abendmal gebrauchen
wolle? Antwortet er freuͤdig und begierig/ in dem er zu-
gleich mit der Hand auff ſeine Bruſt ſchlug alſo: Ja/ von
Hertzen gerne. Wie freuͤdig/ wie verſtaͤndig/ wie andaͤch-
tig/ wie ausfuͤhrlich/ wie beharrlich er nun damals ſein
Bekentnis auff alle Hauptfragen/ ſo etwa vor der Beichte
den Beicht-Kindern vorgehalten werden/ thaͤte/ mit was
heiligen Geberden/ wie mit zuſammen geſchloſſenen Haͤn-
den er ſich zum H. Abendmal bereitet/ das wiſſen und
werden zeugen/ alle die damals darbey geweſen/ und es mit
erfreweten Hertzen uͤber Gottes reiche Gnade/ und zugleich
ncht ohne Thraͤnen und naſſe Augen/ angeſehen/ daß und
daruͤber wol einfiel/ was Act. 10. S. Petrus ſagt/ da die
glaͤubigen/ ſo mit Petro in das Hauß Cornelii kom̃en warẽ/
hoͤreten/ daß ſie mit Zungen redeten/ und Gott hoch preiſe-
ten: Mag auch iemand das Waſſer wehren/ daß die nicht
getaufft werden/ die den Heiligen Geiſt empfangen haben/
wie auch wir? Vnd wir darauff anfiengen: Mag auch ie-
mand das Brodt und den Wein wehren/ daß ſie
geſegnet werden/ und vermittels derſelben dieſem der wahre
Leib und das Blut Chriſti nicht mitgetheilet werden/ der den
Heiligen Geiſt empfangen hat/ gleich wie auch wir? Vnd
daß dieſer ſein Glaube an Chriſtum vom Heiligen Geiſt
kaͤme/ erkante er auch ſelbſt/ da er einſten anfieng: Ja ich
glaͤube/ daß ich nicht aus eigner Vernunfft noch
Krafft an Jeſum Chriſtum meinen HErrn glaͤu-
be/ oder [zu] Jhm kommen kan: ſondern der Heilige
Geiſt hat mich durchs Evangelium beruffen/ mit
ſeinen
[40]Chriſtliche Leich-Predigt.
ſeinen Gaben erleuchtet/ und im rechten Glauben
erhalten.
II.Den wahren Glauben/ und feſtes Vertrawen
auff das blutige Verdienſt Jeſu Chriſti/ ſo er aus An-
fuͤhrung vieler Spruͤche/ unterſchiedlich ſehen ließ. Sonder-
lich/ do er newlich ein newes rothes Oberkleid bekam/ uñ es
von der ſchoͤnen rothen Farbe ihme geruͤhmet ward/ und der
Prediger darauff Vrſach nam von dem Blutrothen Kleide
Chriſti zu reden/ deſſen er ſich ſonderlich mit Eſaia erfrewen
koͤnte/ und mit Jhm ſprechẽ ſolte/ c. 61. Jch frewe mich im
Herrn/ und meine Seele iſt froͤlich in meinem Gott.
Denn Er hat mich angezogen mit den Kleidern
des Heils/ und mit dem Rocke der Gerechtigkeit be-
kleidet: ſagte Er: Das iſt war/ ich weis ſonſt von kei-
nem andern/ denn das Blut Jeſu Chriſti Gottes
Sohns macht uns rein von allen unſern Suͤnden.
Jtem/ do er erinnert/ was fuͤr eine gewiſſe Ehre wir haͤtten/
wie wir ſo getroſt auff Chriſti Verdienſt/ nach Gottes
Willen ſterben koͤnten/ ſagt er freudig: Ja/ as iſt ie ge-
wißlich war/ und ein thewer werthes Wort/ ꝛc.
Wir haben an ihm wargenommen.
III.Ehrerbietung gegen das Predigampt/
und daß er eine gebuͤhrende Schew vor uns gehabt. Dahe-
ro/ als einſten fruͤh Morgens der Prediger ihn beſuchte/
und fragte/ Ob er auch fleiſsig/ und andaͤchtig/ ſonderlich/
den Morgen-Segen mit gebetet/ und die Anweſenden uͤber
ihn etwas klagen wolten/ gabens ſeine Geberde und Wort/
das er ſich nicht wenig ſchemete/ ſagte auch zu/ er wolte es
nicht mehr thun. Wie wir denn auch verſpuͤret/ das ihm
unſere Ankunfft und Gegenwart niemals zu entgegen ge-
weſen ſey.
IV.Ge-
[41]Chriſtliche Leich-Predigt.
IV.Gedult. Denn ob er gleich die Zeit ſeiner Kranck-
heit mehrentheils mit ſteten Sitzen/ bey einem beſchwerli-
chen Odem hat zubringen muͤſſen: ſo hat man doch keine
ſonderliche Vngedult von ihme vermercket, bevoraus und
gar nicht in Worten/ da er doch ſonſten bey geſunden Ta-
gen gar leichtlich konte irritiret/ und zu unchriſtlichen Re-
den gebracht werden. Ob er auch gerne noch laͤnger ge-
lebet/ ſo hat er doch allezeit auff der Prediger Zureden ſich
erklaͤret/ daß er ſich Gottes Willen gehorſamlich unterge-
ben wolte: auch dahero von ſeiner Grabſtete geredet/ wo
man ihn hin begraben ſolte/ ſonderlich aber von ſeinem ne-
wen Sterbehembde. Noch an dem Abend/ da er abtruckte/
ſprache er: was ihme waͤre verſprochen worden/ daß moͤchte
er gerne haben. Er hat auch fleisſig geſungen: Was mein
Gott wil das geſcheh alzeit/ ꝛc. Nun muß ich Suͤn-
der von dieſer Welt/ ſcheiden nach Gottes willen/ ꝛc.
Do der Prediger einmal Abſchied von ihm nam/ und ſagte
unter andern: Jch befehle euch der Gnaden Gottes/ ꝛc.
Sprach er darauff mit Lateiniſchen Worten: Ego com-
mendo Spiritum meum in manus Domini: Ipſe rede-
mit me. Vnd ein andermahl ſprach er: Gott bewahre
unſer Leib und Seel zum ewigen Leben!
V.Chriſtliche Andacht/ die er erwieſen/ mit
Heuptneigung bey Nennung des allerheiligſten Namens
Jeſu/ mit zuſammenfaltung der Haͤnde/ und durch fleis-
ſige Einſtim̃ung/ ſo offt als geſungen wurde. Er wuͤndſche-
te auch einſten/ daß er doch das Chriſt-Feſt mit halten ſol-
te/ und begehrte darauff zu ſingen: Gelobet ſeyſtu Jeſu
Chriſt/ daß du Menſchen geboren/ ꝛc. Welches auch ge-
ſchahe. Do einſten der Herr Hoff-Diaconus mit ihm ne-
nebenſt andern Geiſtreichen Liedern/ geſungen hatte/ Hertz-
Flich
[42]Chriſtliche Leich-Predigt.
lich lieb hab ich dich/ ꝛc. hat ers bey ſeinem Collegen als
derſelbe bald darauff zu ihm kommen/ hoch geruͤhmet/ und
geſagt: Ach wir haben ietzo gar zu ſchaͤn geſungen!
Das Hertz im Leibe iſt mir recht frewdig daruͤber
worden.
Do auch der Prediger bißweilen verſuchte/ ob er mit
betete/ (ſonderlich do die Kraͤffte zu letzt ſehr abnahmen)
und ſich ſtellete/ als wuͤſte ers nicht weiter hinaus zu ſingen/
noch zu beten/ hat er allezeit/ welches offt geſchehen/ fort-
gebetet/ und dem Prediger einhelffen wollen.
VI.Das beſte/ nemlich/ an Chriſtum gleubi-
ge Beſtaͤndigkeit. Denn nach dem am vergangenen
Montag zu Abend umb 7. Vhr der Prediger zu ihm
kommen/ und geſehen/ das es/ allen Anzeigungen nach/
mit ihm ſich zum Ende ſchickte/ hat er ihn deſſelben erin-
nert/ auch darneben kuͤrtzlich alles wiederholet/ was bißhe-
ro mit ihm gehandelt worden/ und gefragt: 1. Ob er ſich
auch noch errinnert der heiligen Tauffe/ und des Gnaden-
Bundes/ welchen Gott dadurch auch mit ihm gemacht?
Reſp.Ja. 2. Jn weſſen Namẽ er getaufft? Reſp.Jm Na-
men des Vaters/ ꝛc. 3. Was die Tauffe nuͤtze? Reſp.Sie
wircket Vergebung der Suͤnden/ erloͤſet vom Todt
und Teuffel/ und giebt die ewige Seligkeit. 4. Gleu-
bet ihr das auch/ und troͤſtet euch deſſen? Reſp.Ja. 5.
Gleubet ihr denn auch an Gott Vater/ Sohn/ und Heili-
gen Geiſt? Reſp.Ja. 6. Durch wen koͤnnet uñ gedenckt ihr
denn in den Himmel zu kommen/ und ſelig zu werden? Reſp.
Durch Jeſum Chriſtum. 7. Wer iſt Jeſus [Chriſtus]? Reſp.
Wahrer Gott und wahrer Menſch. 8. Jhr habt new-
lich empfangen das heilige Abendmahl/ was habt ihr alda
unter dem geſegnete Brodt und Wein genoſſen? Reſp.
Den
[43]Chriſtliche Leich-Predigt.
Den wahren Leib/ und das wahre Blut Jeſu Chriſti[.] 9.
Worzu? Reſp. Zum Pfande meiner Seelen Seligkeit. 10.
Glaͤubet ihr denn auch/ das Prediger Chriſti Diener ſeyn/
[uñ] daß ſie euch an ſeiner ſtatt die Suͤnde vergeben ſollen und
koͤnnen? Reſp.Ja[.] 11. Glaͤubet Jhr denn auch/ daß Jch
Euch an Chriſti ſtatt von Suͤnden loß zuzehlen befehl
und macht habe? Reſp.Ja[.] 12. Begehret ihr/ daß Jch Euch
nochmals die Abſolution/ und Vergebung aller ewrer
Suͤnden/ zum ſeligen Sterben und Hinfart/ ſprechen/ und
mittheilen ſolle? Reſp. Ja: Welches auch darauff im Nah-
men Gottes des Vaters/ des Sohnes/ und des Heiligen
Geiſtes iſt geſchehen. Darauff hat er allerley Sterbe Lieder/
(Als: Weñ mein Stuͤndlein vorhanden iſt/ ꝛc. Frew
dich ſehr O meine Seele/ ꝛc. Chriſtus der iſt mein
Leben/ ꝛc. Von allem Vbel uns erloͤß/ ꝛc. Auff mei-
nem lieben Gott/ ꝛc. HErr Jeſu Chriſt/ war Menſch
und Gott/ ꝛc. Hertzlich lieb hab ich dich O HErr/ ꝛc.)
mit beharrlicher Andacht theils mit geſungen/ theils mit ge-
betet. Zu den Gebetlein uñ Pſalmen/ die der Prediger allein
ihm vorbette/ ſprache er beweglich: Amen/ und hab Vrſach
zu beten: Amen/ das iſt/ es werde war/ ſtaͤrck unſern
Glauben immerdar/ ꝛc. Dieſe ſchoͤne Seufftzer/ HErr
Jeſu/ Dir lebe ich/ Dir ſterbe ich! Jn deine Haͤn-
de befehle ich meinen Geiſt/ ꝛc. HErr meinen Geiſt
befehle ꝛc. hat Er vielmahl wiederholet.
Jn dieſer Andacht verharrete er auch durch Gottes
Gnade biß an ſein ſeliges Ende. Nach eilff Vhr lieſſen wir
ihn ruhen/ weil es ſcheinete/ als wolte er etwas ſchlaffen/
doch das der Prediger ihn endlich und nochmals fragte:
Ob er Den Herrn Jeſum noch in ſeinem Hertzen
haͤtte/ und auff denſelben leben und ſterben wolte? darauff
er
[44]Chriſtliche Leich-Predigt.
er Ja antwortet. Da es auff ein Viertel nach eilffen kam/
hub er von Jhm ſelber an: Jch muß fort. Vnd als ge-
fragt wurde: Wohin? ſagte Er: Zu dem Himmliſchen
Vater. Zu ſolchen Gottſeligen Gedancken iſt Er auch fer-
ner angehalten/ und darbey geblieben/ biß er endlich ohne
Vermutung der Vmbſtehendẽ/ ploͤtzlich ſo ſchwach wordẽ/
daß ſich alles Gehoͤr und Verſtand verloren/ und er dar-
auff ſanfft und ſelig eingeſchlaffen/ unter der Anweſenden
Gebet. Welches geſchehen den 11. Decemb. am juͤngſt ver-
gangenen Montag zu Nacht/ eine halbe Stunde nach
eilffen: da er alt worden Ein und Funfftzig Jahr/ ꝛc. Der
grndtuͤtige Gott gebe/ daß wir auch uns zu einem Chriſt-
lichen Abſchied recht bereiten/ und dermaleins in Chriſto ſe-
lig entſchlaffen moͤgen/ und mit Jhm am herbeynahen-
den Juͤngſten Tage zum ewigen Leben auff-
erwecket werden/ umb ſeines Namens
Ehre willen/ Amen!
ENDE.
- Holder of rights
- Kolimo+
- Citation Suggestion for this Object
- TextGrid Repository (2025). Collection 1. Christliche Leich-Predigt über die thewre werthe Wort S. Pauli/ die Er uns in seiner ersten Epistel an Timotheum Cap. 1/ 12. seqq. hinterlassen hat. Christliche Leich-Predigt über die thewre werthe Wort S. Pauli/ die Er uns in seiner ersten Epistel an Timotheum Cap. 1/ 12. seqq. hinterlassen hat. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bj55.0