Darſtellung
der
Handlung
in deren mannigfaltigen
Geſchaͤften.
Bei Benjamin Gottlob Hoffmann.
[[II]][[III]]
Vorrede.
Bald nach dem Anfange der Handlungs-
Akademie in Hamburg entſtanden mir Gruͤn-
de zu Vorleſungen uͤber die Handlung, ſo
wie ich mir getrauete ſie mit den bis dahin
in dieſem Fache erworbenen Kenntniſſen geben
zu koͤnnen. Es ſammelten ſich zu denſelben
auſſer den damals wenigen, aber zum Teil
am Verſtande reifen, Eleven des Inſtituts
eine Anzahl junger Maͤnner, die ſich ſchon
wirklich mit der praktiſchen Handlung auf
hieſigen Comtoiren beſchaͤftigten, deren ver-
ſchiedene jezt unſre Stadt und Boͤrſe als
die einſichtsvollſten Kaufleute kennt und ehrt.
Nie habe ich eine Lehr-Arbeit mit einem glei-
chen Vergnuͤgen unternommen und vollfuͤhrt,
wenn gleich mein koͤrperlicher Zuſtand eben
damals ſehr ſchwach war. So wenig ich
den eigentlichen praktiſchen Unterricht in der
Handlung auf mich nehmen konnte, ſo ſehr
)( 2
[IV]Vorrede.
entfernte auch den bloſſen Gedanken daran
die Beſchaffenheit meiner Zuhoͤrer. Ich
konnte nur mir zum Zwek ſezen, den Gegen-
ſtand, den Grund und Zwek der wichtigſten
Handlungsgeſchaͤfte zu unterſuchen, in wel-
chen mich die Geſchichte hauptſaͤchlich leitete,
und das, was der fuͤr die Handlung be-
ſtimmte junge Mann ſo treibt, wie es einge-
fuͤhrt iſt, und ihm insbeſondere aufgetragen
wird, in einem zuſammenhaͤngenden Raͤſonne-
ment darzuſtellen. So geriet ich z. B.,
als ich meinen Zuhoͤrern etwas uͤber die Wech-
ſelgeſchaͤfte vortragen wollte, in eine Unter-
ſuchung der Gruͤnde des Wechſelrechts; als
ich von Banken reden wollte, entſtand mir ein
Anlaß zur Darſtellung des bis dahin ſo ſehr
uͤberſehenen Unterſchiedes der Banken und
deren dem zufolge ſo ſehr von einander ab-
weichenden Operationen; als ich auf den
Geldsumlauf geriet, eine Unterſuchung des
natuͤrlichen und jedem Volke erſprieslichen
Ganges deſſelben; bei dem Actienhandel eine
Betrachtung der groſſen Handlungs-Compa-
[V]Vorrede.
nien und die Ueberzeugung von deren faſt all-
gemeiner Schaͤdlichkeit. Eine Schwierigkeit
war dabei fuͤr mich, das ich kein Lehrbuch
zum Grunde legen konnte. Ich empfahl
meinen Zuhoͤrern Ludovici Handlungs-
Syſtem anzukaufen, welches den lezten
Band von deſſen Handlungs-Lexikon
ausmacht. Aber auch dies Buch war viel
zu weitlaͤuftig, und kam ſo wenig mit der
Art meines Vortrages uͤberein, daß ich es
blos brauchen konnte, um denſelben nach
der dieſem Buche gegebenen Einteilung zu
ordnen. Aber eben deswegen ward dieſer
nicht zu einem zuſammenhaͤngenden Ganzen,
ſondern alles, was ich daruͤber in die Feder
ſagte, war eine Sammlung von Anmerkun-
gen und Reflexionen uͤber die vorzuͤglichſten
Geſchaͤfte der Handlung. Viele derſelben
gab ich ſchon damals nach der noͤtigen Umar-
beitung vorlaͤufig ins Publikum, durch deren
Einruͤkkung in die Hamburgiſchen Addreß-
Comtoir-Nachrichten. Einzelne von dieſen
unterwarf ich nachher einer ernſthaftern Be-
[VI]Vorrede.
arbeitung; und uͤberhaupt ſind faſt alle meine
Schriften uͤber Staatswirtſchaft und Hand-
lung aus dieſen erſten Vorleſungen entſtan-
den. Ich wiederholte dieſelben nachher noch
einmal, und verband auch damit Vorleſun-
gen uͤber die Handlungsgeſchichte, in welchen
ich ebenfalls des Ludovici Buch nur, ſo zu
reden, als einen ſchlaffen Leitfaden brauchte.
Aus dieſen ſind ebenfalls einzelne hiſtoriſche
Schriften von mir in dem Handlungs-Fach
entſtanden, und weil mich dieſelben auf die
neuere Geſchichte ohn Unterlaß zuruͤkfuͤhrten,
auch der Grundriß der Geſchichte
der Welthaͤndel neuerer Zeit. Doch
habe ich in der Geſchichte der Handlung
ſelbſt, wegen der immer mehr fuͤr mich zu-
nehmenden Schwierigkeit ſo viel zu leſen,
als dabei noͤtig war, nicht ſolche Fortſchritte
machen koͤnnen, daß ich ein des oͤffentlichen
Beifalls wuͤrdiges Ganze daraus zu machen
gewagt haͤtte, oder noch wagen moͤgte. Vor
etwa acht Jahren entſtand mir aus der Faͤ-
higkeit der damaligen Eleven unſers Inſti-
[VII]Vorrede.
tuts die Veranlaſſung, jenen Vortrag zu
erneuern. Aber diesmal nahm ich mir vor,
ein Ganzes aus jenem Stuͤckwerk zu machen,
und, ohne irgend ein Buch zum Leitfaden zu
nehmen, meinen Zuhoͤrern das noͤtige in die
Feder zu ſagen. Dieſe Dictaten konnten um
ſo viel kuͤrzer ſein, da ich bis dahin ſo viel
uͤber die Handlung geſchrieben hatte, und ſo
oft auf dieſe meine Schriften verweiſen durfte.
Dies ziemlich ſtarke Manuſcript habe ich ſeit
der Zeit bei jedem Vortrag uͤber Staatswirt-
ſchaft und Handlung zum Grunde gelegt,
auch fuͤr erwachſene junge Maͤnner, zum Teil
von vornehmer Geburt, die der von meinen
Kenntniſſen in dieſem Fache, ich weiß nicht,
mit welchem Verdienſt, entſtandene Ruf zu
mir fuͤhrte. Ich beſorgte eine Abſchrift fuͤr
dieſelben, und ging dann in der kuͤrzern oder
laͤngern Zeit ihres Aufenthalts dieſelbe mit
ihnen durch. Es ſind auſſerdem ſehr viele
Abſchriften davon genommen worden, und
daß ſie ſich weiter verbreitet haben, muß ich
aus den wiederholt ſchriftlich an mich gelang-
[VIII]Vorrede.
ten Anfragen abnehmen, ob ich nicht dieſel-
ben nach einer mir etwa nohtwendig ſcheinen-
den Umarbeitung zum Druk befoͤrdern wolle.
Dies zu tuhn, ſezte ich mir vor etwa zwei
Jahren vor, und fing wirklich mit einer
gaͤnzlichen Umarbeitung der erſten Capitel
jenes Manuſcripts an. Aber ich ermuͤdete
bald, als ich inſonderheit bei dem Kapitel
von dem Geldesumlauf mich in die unange-
nehme Nohtwendigkeit geſezt ſahe, mich ſelbſt
wieder weitlaͤuftig auszuſchreiben, wenn ich
dem Buche die Vollſtaͤndigkeit geben wollte,
zu welcher ich die Anlage zu machen angefan-
gen hatte. Aber es iſt mir durchaus uner-
traͤglich, uͤber Gegenſtaͤnde, welche ich nach
dem Umfange meiner Kenntniſſe ſchon er-
ſchoͤpft zu haben glaube, noch einmal zu
ſchreiben. Ich verwarf alſo jene angefan-
gene Arbeit, und um mich vollends frei von
Ausſchreibung meiner eigenen Schriften zu
halten, wollte ich nun zwar jenes Manu-
ſcript nur nach einer fleiſſigen Durchſicht und
Verbeſſerung desjenigen, was ſich ſeit eini-
[IX]Vorrede.
gen Jahren geaͤndert hatte, oder ich jezt
reifer einſah, in den Druk geben. Aber
auch bei dieſer Nacharbeitung gieng es mir
ganz anders, als ich vermutet hatte. Der
ernſthafte Gedanke, nun ein Buch daraus
zu machen, das ſich vor dem Publikum nicht
ſchaͤmen duͤrfe, veranlaßte mich bald zur
gaͤnzlichen Umarbeitung faſt aller Abſchnitte
des Manuſcripts. Mir floſſen ſo viele Ge-
danken zu, uͤber die ich noch nicht geſchrieben
hatte, daß ich beinahe in eine eben ſo weit-
laͤuftige Umarbeitung gerahten waͤre, als die-
jenige war, welche ich bereits bei Seite ge-
legt hatte. So wie das Buch jezt erſcheint,
iſt es wenigſtens dreimal ſtaͤrker, als das Ma-
nuſcript. Weil ich aber durchaus dieſer Ar-
beit ein gewiſſes Ebenmaas geben wollte, ſo
habe ich vorjezt alles das bei Seite geſezt,
was mir ſchien in ein zu genaues Detail zu
gehen. Beiſpielen, die mir zur Erlaͤuterung
nohtwendig ſchienen, habe ich ihren Plaz
nirgends verſagt. Aber umſtaͤndliche hiſtori-
ſche Erlaͤuterungen dieſer Beiſpiele, Rech-
[X]Vorrede.
nungen zur Aufklaͤrung und Beſtaͤttigung die-
ſer oder jener Wahrheit oder manches kaufmaͤn-
niſchen Verfahrens, glaubte ich bei Seite ſezen
zu muͤſſen. Solchen Zuſaͤzen und gewis noch
viel mehreren, als auf welche ich in dem Buche
hinausgewieſen habe, widme ich einen beſon-
dern Band, welcher, wie ich hoffe, dieſen
beiden bald folgen wird. Er wird auch
wahrſcheinlich noch manche Verbeſſerung ent-
halten. Ich traue mir nicht zu, daß ich
unter der Mannigfaltigkeit von Gegenſtaͤn-
den einen jeden voͤllig richtig erkundigt oder
beurteilt habe. Ich bitte vielmehr jeden
Leſer, inſonderheit aus dem Kaufmannsſtan-
de, mir die ihnen bei Durchleſung dieſer
erſten zwei Teile entſtehenden Erinnerungen
mitzuteilen. Ich werde ſie mit Dank anneh-
men und in dem dritten Teile mit beſter Ue-
berlegung benuzen.
So viele Anleitungen zur Handlungs-
Wiſſenſchaft ſeit etwa zwanzig Jahren in
Deutſchland gedrukt ſind, ſo habe ich doch
[XI]Vorrede.
geglaubt, nichts aus denſelben erborgen zu
duͤrfen, und, um mich gewiſſermaſſen in die
Unmoͤglichkeit dazu zu ſezen, habe ich keine
derſelben ſeit langer Zeit geleſen. Man lege
es mir nicht zum Stolz aus, daß ich dieſes
ſage; denn freilich war es nicht noͤtig, um
mich von dem Verdacht eines gelehrten Dieb-
ſtals zu befreien. Nachahmen konnte und
wollte ich eben ſo wenig. Meine Arbeiten in
dem Handlungs-Fache konnten nicht anders
als eine gewiſſe Originalitaͤt erlangen, da
die Lage, unter welcher ich ſie ausgearbeitet
habe, vielleicht noch nie die Lage eines
Schriftſtellers in dieſem Fach geweſen iſt.
Vor einigen Jahren ſagte mir ein mit der
neuen deutſchen Litteratur von Amtswegen
ſehr bekannter Gelehrter und fleiſſiger Leſer
neuer Schriften: Ich mag nichts mehr leſen,
was im Deutſchen uͤber die Handlung ge-
ſchrieben wird, wenn Sie es nicht ſchreiben.
Ob Sie dazu Grund haben, antwortete ich
ihm, weiß ich nicht; aber ich nehme auch
das, was Sie ſagen, nicht als ein Compli-
[XII]Vorrede.
ment fuͤr mich und fuͤr meinen Kopf. Es iſt
blos Folge von dem Umſtande, daß bisher
kein Deutſcher Gelehrter in einer ſo groſſen
Handelsſtadt, wie ich, gelebt hat, welchem
aͤhnliche Veranlaſſungen zu dieſer Art von
[Schriftſtellerei] entſtanden waͤren. Ich haͤtte
hinzu ſezen moͤgen, daß auch keiner, dem
etwa ſonſt die Luſt dazu entſtanden ſein moͤgte,
ſo wie ich, durch die Mathematik dazu vor-
bereitet war. Bleibt alſo etwas Verdienſt
fuͤr mich dabei, ſo iſt es dieſes, daß ich dieſe
Lage nach meinem beſten Vermoͤgen benuzt
habe. Die Theorie der Handlung war es
freilich, mit welcher ich mich im Lehren und
Schreiben hauptſaͤchlich nur beſchaͤftigen
konnte. Aber ich lebte und lebe noch unter
ſo vielen Praktikern. So viele unter dieſen
ſind meine Freunde, auch zum Teil ehema-
lige Zuhoͤrer, und ſagen mir unverholen,
was ich zu wiſſen noͤtig habe, weil ſie keinen
Misbrauch bei mir befuͤrchten. Treffe ich
auf ſolche, die darin anders denken, und auf
vermeinte Geheimniſſe ihrer Praxis ſtolz ſind,
[XIII]Vorrede.
ſo gelingt es mir doch oft, aus einem halben
Worte, das ihnen entfaͤllt, zu erfahren,
was mir dient. Doch muß ich bei dieſer Ge-
legenheit zur Ehre meiner Mitbuͤrger ſagen,
daß ich von dieſer Schwierigkeit jezt nur ſelten
noch etwas erfahre. Denn Schwierigkeit
war es wirklich fuͤr mich im Anfange meiner
Bemuͤhungen. So habe ich dann alles,
was man Theorie in meinem Buche nennen
koͤnnte, mehr als einer meiner Vorgaͤnger
auf wirkliche Praktik gruͤnden koͤnnen. Dieſe
Praktik habe ich nicht aus vielen Buͤchern
kennen gelernt. Das groſſe Buch, welches
ich in dieſer Abſicht ſtudire, iſt die Hambur-
giſche Boͤrſe.
Seitdem meine Schriften in dem Hand-
lungs-Fache ſich verbreitet haben, ſehe ich
mich durch viele Briefe behelligt, in welchen
man Raht von mir fodert, wie man es an-
zufangen habe, um ſich Handlungs-Kennt-
niſſe zu verſchaffen, die das Comtoir nicht
lehrt. Bald iſt es ein junger Gelehrter, der
dieſelben gern an ſeine uͤbrigen Studien knuͤ-
[XIV]Vorrede.
pfen moͤgte, oder ein Privat-Lehrer, der ſie bei
ſeinen Zoͤglingen noͤtig zu haben glaubt, bald
ein Juͤngling, der ſich der Kaufmannſchaft
gewidmet hat, aber es fuͤhlt, daß ihm ſein
Kopf in dem gewoͤhnlichen Gange der kauf-
maͤnniſchen Belehrung zu leer geblieben ſei.
Ich habe die meiſten dieſer Briefe unter dem
Drange andrer Arbeiten unbeantwortet laſſen
muͤſſen. Der beſte Raht, den ich ihnen haͤtte
geben koͤnnen, waͤre geweſen, nach Hamburg
zu kommen, und es ſo zu machen, wie ich es
gemacht habe, oder, um ihre Fortſchritte zu
beſchleunigen, meine naͤhere Belehrung zu be-
nuzen. Aber dieſer Raht war teils ihren Um-
ſtaͤnden nicht angemeſſen, teils moͤgte er eigen-
nuͤzig geſchienen haben. Vielleicht trage ich
durch die Herausgabe dieſes Buchs etwas
dazu bei, ihre Wuͤnſche zu erfuͤllen. Einen
zweiten oft an mich gelangten Wunſch,
Buͤcher zum Leſen uͤber die Handlung vor-
zuſchlagen, werde ich in den Zuſaͤzen bei
jedem Capitel erfuͤllen.
Theoretiſch-Praktiſche
Darſtellung
der
Handlung.
[][[1]]
Allgemeine Grundſaͤtze
der
Handlungs-Wiſſenſchaft.
[[2]][[3]]
Einleitung.
§. 1.
Handeln heißt: einen Vorrath von Pro-
ducten der Natur oder Kunſt, oder von
beiden anſchaffen, die uns ſelbſt entbehr-
lich ſind, und ſie andern mit Vorteil,
oder den Umſtaͤnden nach mit Verluſt
wieder abtreten.
Wer dergleichen Producte zu ſeinem eigenen
Gebrauch anſchaft, von dem ſagen wir nicht, daß er
handele; auch nicht von dem, der ein von ihm be-
ſeſſenes und ihm entbehrlich werdendes Ding einem
andern abtritt. Die Abſicht und Hofnung des Ge-
winns muß zum Grunde aller Handlung liegen: es
mag dieſelbe hintennach erfuͤllt werden, oder nicht.
§. 2.
In dem bloſſen Tauſchhandel werden Pro-
ducte der Natur oder der Kunſt gegen einander ver-
A 2
[4]Einleitung.
aͤuſſert. Der Gewinn zeigt ſich in demſelben, wenn
einer fuͤr Ein Product ſo viel von einem andern be-
koͤmmt, daß er bei abermaliger Veraͤuſſerung des
Eingetauſchten mehr bekommen kann, als er wegge-
tauſcht hat. Z. E. Paul vertauſcht an Peter 10
Scheffel Rokken fuͤr Einen Ochſen, und ihm werden
fuͤr dieſen Ochſen 12 Scheffel Rokken wieder ange-
boten, ſo iſt durch dies bloſſe Bot ſchon ſein Gewinn
entſcheiden.
§. 3.
Der Gebrauch des Geldes hat den Tauſchhan-
del faſt ganz aus allen polizirten Voͤlkern verdraͤngt.
Der aus jedem Handel entſtehende Gewinn zeigt ſich
ſo leicht und geſchwind in dem Unterſchiede des Gel-
des, welches einer fuͤr die erhandelte Waare gibt
und wieder empfaͤngt, daß es keines Beiſpiels zur
Erlaͤuterung davon bedarf. Doch iſt das Geld noch
immer ein nicht ganz notwendiges Huͤlfsmittel und
auch nicht der eigentliche Gegenſtand der Handlung.
§. 4.
Die natuͤrliche Ordnung wuͤrde mich daher lei-
ten, zuvoͤrderſt von den Gegenſtaͤnden aller Hand-
lung, d. i. von den Waaren zu reden, darauf die
verſchiedenen Arten der Handlung, ſowol in allge-
meiner Ruͤkſicht, wie ſie von Volk zu Volk betrie-
[5]Einleitung.
ben wird, als insbeſondre die verſchiedenen Wege,
in welchen der Kaufmann ſeinen Gewinn durch die
Handlung ſucht, zu beſchreiben und zu erlaͤutern.
Demnaͤchſt wuͤrde ich von den Huͤlfsgeſchaͤften han-
deln duͤrfen, welche nicht eigentlich ſelbſt als Hand-
lung angeſehen werden koͤnnen. Eine Belehrung von
dem Gelde, und dem, was ſonſt deſſen Stelle vertritt,
wuͤrde dann folgen, und eine Darſtellung der Ver-
fahrungsart die Abhandlung beſchlieſſen, durch welche
ein jedes Volk ſeine beſondern Vorteile in der Hand-
lung ſo hoch als moͤglich zu treiben ſucht.
§. 5.
Nun aber iſt das Geld das erſte Erfodernis in
der Handlung, ſo wie ſie jezt betrieben wird, und
die Abhandlung der drei erſten Abſchnitte wuͤrde ſehr
unvollſtaͤndig und eine bloſſe magere Theorie bleiben,
wenn nicht der Unterricht von dem Gelde und allen
Geſchaͤften des Kaufmanns mit demſelben vorange-
gangen waͤre.
§. 6.
Ich werde alſo dieſe Abhandlung in fuͤnf Buͤcher
einteilen.
Das erſte derſelben wird handeln von dem
Gelde, den die Stelle des Geldes vertretenden Zei-
[6]Einleitung.
chen des Wehrts und den mannigfaltigen damit be-
triebenen Umſaͤtzen.
Das zweite von den Waaren, von deren noͤ-
tiger Kenntnis und den Mitteln zur Schaͤtzung von
deren Wehrt, wie auch den im Waarenhandel Statt
habenden mannigfaltigen Gebraͤuchen.
Das dritte von der Handlung und deren
verſchiedenen Arten.
Das vierte von den Huͤlfsgeſchaͤften bei
der Handlung und den in denſelben dienenden
Perſonen.
Das fuͤnfte von der Handlungspolitik
und deren ſowol richtigen und billigen, als unrich-
tigen und minder billigen, wenn gleich von vielen
Voͤlkern befolgten Grundſaͤtzen, wie auch von den
Handlungsrechten im Allgemeinen.
[7]
Erſtes Buch.
Von dem Gelde uͤberhaupt, und dem
Geldeswehrt der Dinge.
Erſtes Capitel.
Von dem Gelde uͤberhaupt, und dem
Verhaͤltnis des Goldes und
Silbers.
§. 1.
Wer um Geld handelt oder mit demſelben Um-
ſaͤzze macht, will vor allen Dingen wiſſen, wie viel
des edlen Metalls, das die Materie des Geldes iſt,
er in demſelben bekomme. Bei ganz reinem Golde
oder Silber wuͤrde ſich dies unmittelbar durchs Waͤgen
ausmachen laſſen.
§. 2.
Weil aber das reine Gold und reine Silber zu
weich ſind, und in dem taͤglichen Gebrauch als Muͤnze
zu viel Abgang leiden wuͤrden, ſo iſt man genoͤtigt,
in deren Ausmuͤnzung beiden einen Zuſaz, gewoͤhn-
lich von Kupfer, zu geben, wodurch ſie haͤrter werden.
[8]1. Buch. Vom Gelde.
Z. E. in unſerm Hamburgiſchen Silber-Gelde ſind
nur ¾ oder 12 Loht in der Mark rein Silber, das
uͤbrige aber Kupfer. Alsdann giebt man den Muͤn-
zen bei einem beſtimmten Zahlwehrt eine beſtimmte
Groͤſſe und ein beſtimmtes Gewicht. Dies heißt:
ihr Schrot; das feine Silber oder Gold aber,
welches in einer ſolchen Muͤnze ſtekt, ihr Korn. So
iſt z. E. das Schrot eines Hamburgiſchen 2 Mark-
Stuͤcks, wenn es auf der Wage gewogen wird,
381½ Aſen. Im Korn iſt es 12 Loͤhtig, und folg-
lich haͤlt es in dem eben bemerkten Gewigte nur
286 Aſen fein. Die Fuͤrſten und Staaten zeigen,
jedoch nicht alle mit gleicher Aufrichtigkeit und Deut-
lichkeit, in ihren Muͤnz-Edicten an, wie ſchwer und
wie fein ihre Muͤnzen ſein ſollen. Manchmal iſt
das Schrot und Korn ſchwer aus denſelben zu
berechnen. Der Kaufmann hat jedoch dieſe Muͤhe
nicht noͤtig. Sie iſt ihm durch verſchiedene Schriften,
inſonderheit durch Kruſens Kontoriſten, abge-
nommen, in deſſen erſten drei Tabellen er das Re-
ſultat aller Rechnungen findet, die er ſonſt ſelbſt
zum Behuf ſeiner Handlung machen muͤßte, wenn
er zuerſt auf einen Platz zu handeln anfinge, deſſen
Muͤnze er noch nicht kennt, wovon ihm aber die
Muͤnzverordnungen des Staats die noͤtigen Anga-
ben fuͤr ſeine Rechnung geben.
[9]Cap. 1. Vom Gelde uͤberhaupt.
§. 3.
Das Gold- und Silber-Gewigt iſt bei den mei-
ſten Europaͤiſchen Nationen eine Mark oder ein
halbes Pfund. In Deutſchland gilt die Coͤllniſche
Mark, welche 4864 Hollaͤndiſche Aſen ſchwer iſt.
In Holland und Frankreich gilt die Mark Troy,
die in Holland 5120, in Frankreich 5094 Aſen haͤlt.
In England hat man das Troy Pfund von 7766
Aſen; handelt aber gewoͤhnlich nach Unzen, deren
zwoͤlf auf ein Troy-Pfund gerechnet werden, und
alſo 647⅙ Aſen halten. Von dem Gold-Silber-
und Muͤnz-Gewigt der uͤbrigen Staaten giebt
Kruſens vierte Tabelle auf Einen Blik genauen
Unterricht.
Seit bald dreiſſig Jahren hat man in einem
groſſen Teile Deutſchlands einen Muͤnzfus beliebt,
nach welchem 20 Gulden eine Mark fein enthalten,
welches auf den Gulden und auch auf den kleinern
Muͤnzen verhaͤltnismaͤſſig durch den Stempel aus-
gedrukt wird. In einigen Kreiſen iſt der 24 Gulden-
Fuß erwaͤhlt. Von andern Muͤnzfuſſen in Deutſch-
land weiß man es aus den von den Fuͤrſten belieb-
ten Muͤnzverordnungen, in welchem Zahlwehrt der-
ſelben eine Mark fein enthalten ſei, ohne daß es auf
der Muͤnze ſelbſt bemerkt wird. Der alten Reichs-
oder Species-Tahler enthalten 9, jezt 9¼, der Luͤbi-
[10]1. Buch. Vom Gelde.
ſchen Courant-Tahler 11⅓, der Tahler nach dem
Leipziger Fuß 12, und der Preuſſiſchen Tahler 14
eine Mark fein Silber.
§. 4.
Eine jede Muͤnze iſt ein Werk der Kunſt, wel-
ches nicht ohne Koſten verfertigt werden kann. Dieſe
Koſten ſucht der Staat wieder zu gewinnen, indem
er der Muͤnze einen hoͤhern Wehrt ſezt, als fuͤr
welchen das rohe Silber oder Gold angeſchaft werden
kann, oder die auf den Silber- und Gold-Kauf pri-
vilegiirte Muͤnze daſſelbe annimmt. Der Ueber-
ſchuß des einen Preiſes uͤber den andern wird der
Schlag-Schatz genannt. Z. E. in Frankreich
hatte die Koͤnigliche Muͤnze bisher allein den Kauf
des rohen Goldes und Silbers. Sie kaufte das
rohe Gold, bezahlte die Mark fein im Golde nach
Steuarts Berechnung mit 720 Livres 9 Sols
1 Denier, und muͤnzte ſie aus zu 801 Livres 12
Sols. Sie muͤnzte alſo zu 8⅕ pro Cent teurer
aus, als ſie einkaufte, und dies war ihr Schlag-
Schatz. Das Silber bezahlte ſie zu 51 L. 3 S. 3 D.
und muͤnzte daraus 55 Livres 7 S. 8 D., welches
ebenfalls 8⅕ p. C. Schlagſchatz giebt.
England geht einen ganz andern Weg. Die
Muͤnze kauft die Unze Standard- oder Probe-
[11]Cap. 1. Vom Gelde uͤberhaupt.
Silber, welche 11/12 fein hat, fuͤr 62 Pence, und
muͤnzt eben ſo viel wieder heraus; das iſt: aus
einem Troy-Pfunde 62 Schilling Sterl. Das
Troy-Pfund Gold, welches 11 Unzen fein und eine
Unze Zuſaz hat, bezahlt ſie mit 44½ Guineen und
muͤnzt eben ſo viele daraus. Sie zieht alſo gar kei-
nen Vorteil vom Muͤnzen. Dagegen aber bewilligt
das Parlament von Zeit zu Zeit 15000 L. Sterl.
zu den Muͤnz-Koſten. Dies hat boͤſe Folgen fuͤr
die Muͤnze, wovon bald mehr folgen wird.
In Staaten, deren Herren edle Metalle ſelbſt
aus ihren Bergwerken ziehen, nimmt man die
Muͤnz-Koſten aus denen Abgaben, welche der Fuͤrſt
von den Eignern der Bergwerke zieht, wenn er
deren Silber vermuͤnzt, und ihnen darin ihre Aus-
beute zahlt.
In ſolchen Staaten, die keine Bergwerke ſelbſt
haben, und den Preis des rohen Goldes und Sil-
bers der Lage ihrer Handlung nach nicht feſtſetzen
koͤnnen, haͤngt das Muͤnzweſen von vielen Umſtaͤn-
den ab, und erfodert ſehr feine Berechnungen. Ham-
burg hatte ſeit vielen Jahren nicht muͤnzen koͤnnen,
als es im Jahr 1788 einen koſtbaren Verſuch da-
mit machte, den es nicht wird wiederholen koͤnnen,
bevor nicht der Curs ſeines Courant-Geldes gegen
[12]1. Buch. Vom Gelde.
Banco wenigſtens 4 pro Cent beſſer wird, als deſſen
innerer Gehalt ihn beſtimmt. (Man ſehe meine
Abhandlung uͤber den Schlagſchatz im 3ten Stuͤk des
2ten Bandes von meiner und Herrn Ebelings
Handlungs-Bibliothek.) Der weſtliche Teil
von Deutſchland muß ſich ſehr nach Frankreich und
Holland richten, und haͤngt in Anſehung ſeiner
Muͤnze von den dort Statt habenden Preiſen der
edlen Metalle ab.
§. 5.
Durch die vor beinahe 100 Jahren ſehr ver-
beſſerte Muͤnzkunſt iſt man zwar im Stande, die
Muͤnzen viel leichter auf einerlei Gewigt zu verfer-
tigen, als ehemals. Doch kann dies nicht ſo genau
geſchehen, daß nicht einzelne Stuͤkke ſchwerer, an-
dere leichter ausfielen. Wo kein Schlag-Schatz iſt,
wie in England, da findet die Gewinnſucht groſſen
Vorteil in Einſchmelzung der ſchweren Muͤnzen.
In England iſt es daher ſo weit gekommen, daß es
ſchon lange kein vollwichtiges Silber-Geld mehr ge-
habt hat, und die Unze Probe-Silber 65 Pence ge-
golten hat, ungeachtet ſchon in 62 Pence eine Unze
ſein ſoll. In Frankreich aber konnte, ſo lange es
mit einem Schlagſchatz von 8⅕ p. C. muͤnzte, keine
Muͤnze mit Vorteil eingeſchmolzen werden, wenn
ſie nicht wenigſtens 9 pro Cent zu ſchwer war, wel-
[13]Cap. 1. Vom Gelde uͤberhaupt.
ches nicht leicht Statt haben kann. Dies galt auch
vom Golde uͤberhaupt in Frankreich.
Das Gold koſtet im Verhaͤltnis zu ſeinem Wehrt
am wenigſten zu muͤnzen. Grobe Silber-Muͤnzen
koſten weniger, als kleine. Die Scheide-Muͤnzen
koſten das meiſte. Um dieſe Koſten gut zu machen,
giebt man ihnen mehr Zuſatz, und muͤnzt die Mark
fein zu einem groͤſſern Zahlwehrt aus. Z. E. im
Hamburger Courant wird alles grobe Geld bis zu
2 Schilling-Stuͤkken zu 34 Mark die Mark fein
ausgemuͤnzt. Allein Schillinge werden zu 36, und
Sechslinge und Dreilinge zu 38 die Mark fein
vermuͤnzt.
Sehr kleine Muͤnzen verlieren ſich leicht, wel-
ches immer Verluſt fuͤr die Nation iſt. Es iſt alſo
nicht gut, wenn in einem Staate zu viel Scheide-
muͤnze iſt, und eben daher iſt es rahtſam, das ge-
ringe Geld von Kupfer zu machen. Wenigſtens ſoll-
ten die Obern keines Staats lange dabei ruhig ſein,
wenn das Land wenig oder gar keine andre als kleine
Silber-Muͤnze hat. Denn der Geldesvorraht des
Volks nimmt bloß durch dieſe Urſache fortdauernd ab.
§. 6.
Das Gold hat bei allen Voͤlkern einen viel
groͤſſern Wehrt, als das Silber, aber bei den han-
[14]1. Buch. Vom Gelde.
delnden Voͤlkern uͤberhaupt einen ſehr ungleichen
Wehrt. In Europa iſt es am wolfeilſten in Por-
tugal, ſeit dem Braſilien ſo viel Gold giebt. Es
iſt nemlich in deſſen Muͤnze nur 13½ mal ſo theuer,
als Silber angeſezt. Am [theuerſten] aber iſt es in
Spanien, wo der Hof ſeit einigen Jahren das Gold
15½ mal ſo hoch als das Silber geſezt hat. In den
mittlern Staaten von Europa wird rohes Gold gegen
rohes Silber 14½ bis 14⅔ mal teurer [verkauft].
Die Umſtaͤnde der Zeiten und der Handlung machen
dieſen Preis abwechſelnd. Das rahtſamſte iſt, dem
Golde keinen feſten Preis gegen Silber-Muͤnzen zu
geben, ſondern denſelben nach den Umſtaͤnden ſteigen
und fallen zu laſſen. So iſt es z. B. in Hamburg
mit den Louisd’or und Hollaͤndiſchen Species-Ducaten
bewandt, welche ihren Wehrt gegen Banco- und
Courant-Geld von einem Tage zum andern veraͤn-
dern. Allein faſt alle [Staaten] geben ihren Gold-
Muͤnzen einen feſten Wehrt gegen das Silber, und
zwar den Wehrt ungefaͤhr, in welchem das rohe
Gold gegen das rohe Silber in ihrem Lande gilt.
Z. E. in Portugal haben die Gold-Muͤnzen einen
Wehrt, der nur 13½ mal hoͤher iſt, als Silber. In
Frankreich hatten ſie ſonſt einen 14½ mal hoͤhern.
Hieraus entſteht kein Schaden, ſo lange das Geld
nur im Lande umher geht. Aber wenn einer Nation
mit einer andern in Handlung und Geld-Umſaz
[15]Cap. 1. Vom Gelde uͤberhaupt.
ſteht, welche ein anderes Verhaͤltnis in ihren Muͤn-
zen hat, oder einen ſtarken Handel mit rohem Golde
und Silber treibt, ſo kann groſſer Verluſt daraus
entſtehen. Grosbritanien hat ſich ungemein groſſen
Schaden dadurch gethan, und iſt in groſſe Muͤnz-Un-
ordnungen verfallen, da es in dem Jahre 1728 ſeine
Guineen auf den feſten Preis von 21 Schill. Sterl.
ſezte, welches damals 5 pro Cent zu hoch gegen Silber
war. Doch laͤßt ſich dies weiter unten beſſer erklaͤren.
§. 7.
Das Kupfer-Geld muͤßte freilich auch ein ge-
wiſſes Verhaͤltnis gegen Gold- und Silber-Muͤnzen
haben. Aber dieß laͤßt ſich noch viel weniger recht
feſte ſetzen. Der Wehrt des Kupfers ſteigt und faͤllt
ganz anders im Handel, als der vom rohen Golde
und Silber, weil es eine Waare von ſo [mannigfal-
tigem] Gebrauch iſt. Es hat auch bei den verſchiedenen
Voͤlkern einen ſehr ungleichen Wehrt. Spanien, das
ſehr viel Kupfer aus America bekoͤmmt, aber es zum
Raffiniren wegſenden und wieder einkaufen muß,
und zwar mit 20 p. C. Verluſt, haͤlt das Kupfer
dieſerhalb in ſeinen Muͤnzen am teuerſten; Schwe-
den, Ungarn, Deutſchland und Rußland am wol-
feilſten. Daher ſind die Kupfer-Muͤnzen uͤberall
von ſehr ungleichem Gehalt, z. E. in Schweden
mehr als die Haͤlfte ſchwerer bei gleichem Wehrt, als
[16]1. Buch. Vom Gelde.
in Daͤnemark. Weil man indeſſen viel auf das
Muͤnzlohn bei denſelben rechnen muß, ſo ſind ſie
uͤberhaupt zu leicht, als daß man ſie einſchmelzen
koͤnnte, um ſie nach dem Gewicht zu verkaufen.
Doch hat Schweden, als es mit ſeinem Wechſel-
Curs in Unordnung war, erfahren, daß alles grobe
Kupfer-Geld aus dem Lande gefuͤhrt wurde.
§. 8.
In allen handelnden Voͤlkern rechnet man den
Wehrt der verkaͤuflichen Dinge, welche alle durch
Arbeit der Menſchen muͤſſen zubereitet werden, zu
Gelde. Dieſer wird durch folgende Gruͤnde beſtimmt.
1) Durch den Lohn der Arbeit, die an daſſelbe
gewandt wird, um es der Natur als ein rohes Pro-
duct abzugewinnen.
2) Die Koſten der Huͤlfsmittel zur Befoͤrderung
der natuͤrlichen Fruchtbarkeit; wie auch:
3) Zur Abhelfung derer Hinderniſſe, welche die
Natur ſelbſt der Fruchtbarkeit in den Weg legt. Z. E.
der Bauer muß nicht nur ſeinen Duͤnger und ſein
Saat-Korn, ſondern auch die von Graͤben, Schoͤpf-
werken, Deichen und Daͤmmen und die Koſten der
Zubereitung, um das Product in den Stand zu
ſetzen, daß es als eine Waare verkauft werden kann,
[17]Cap. 1. Vom Gelde uͤberhaupt.
in den Wehrt der Waare rechnen, wenn er beſte-
hen will.
4) Die Koſten des Tranſports bis zum Orte des
Verkaufs.
In dem Wehrt einer Manufactur-Waare koͤmmt
noch mehr zuſammen, nemlich:
1) Wie viel arbeitet ein Menſch von dieſer
Waare in einer geſezten Zeit?
2) Wie viel braucht er zu ſeinem Unterhalt in
dieſer Zeit?
3) Wie viel koſtet das Material mit demjenigen,
was davon in der Arbeit verloren geht, wie auch
die zur Verarbeitung nohtwendigen Huͤlfsmittel,
z. E. die Feuerung?
4) Die Anlage und Unterhaltung der Manu-
factur in Gebaͤuden, Werkzeugen und dergleichen,
deren Koſten wenigſtens in derjenigen Zeit wieder
herausgewonnen werden muͤſſen, welche ſie ohne
voͤllige Umbauung und Erneurung ausdauern koͤnnen.
5) In der jezigen Verfaſſung buͤrgerlicher Ge-
ſellſchaften werden auch die Zinſen des Capitals,
mit welchem das Gewerbe betrieben wird, berechnet.
Auch ſelbſt der Mann, welcher nichts auf die Anlage
ſeines Gewerks ſchuldig iſt, muß dieſe berechnen.
B
[18]1. Buch. Vom Gelde.
6) Auch die Abgaben an den Staat gehoͤren hie-
her, ſo wol diejenigen, welche er von ſeinen Unter-
tahnen [uͤberhaupt], als insbeſondre die, welche er
von den Producten und Waaren nimmt. Dies alles
beſtimmt den natuͤrlichen Wehrt der Waaren.
In der Handlung aber entſteht ein Wehrt, welcher
von jenem ins mehrere und mindere weit abweichen
kann, den man den willkuͤhrlichen oder zu-
faͤlligen Wehrt nennt. Davon wird weiter unten
geredet werden.
§. 9.
Eben ſo beſtimmt ſich der Wehrt alles nuzbaren
Eigentuhms in einem Volke durchs Geld, und der
Reichtuhm einzelner Perſonen wird
Geld genannt und zu Gelde gerechnet.
Man ſagt z. B. von einem Mann, er habe 100000
Rthlr. Geld, wenn der Wehrt derjenigen Dinge,
die er beſizt, und inſonderheit ſeines nuzbaren Ei-
gentuhms ſo groß iſt. Es kann jedoch ſein, daß er
nicht 100 Thaler baar Geld in Haͤnden hat. Dieſer
Reichtuhm verliert an ſeinem Wehrt oder erhoͤhet
ſich mit den Einkuͤnften des nuzbaren Eigentuhms.
Doch gehoͤrt dieſe Sache nicht vorzuͤglich in eine
Theorie der Handlung. Man ſehe davon B. 3.
§. 22 bis zu Ende des erſten Abſchnittes, von dem
Gelds-Umlauf.
[19]
Zweites Capitel.
Von den Banken, den durch dieſelben
entſtehenden Zeichen des Wehrts
und andern Zeichen
des Wehrtes.
§. 1.
In Staaten, wo eine lebhafte Handlung iſt, macht
die baare Auszahlung des Geldes viel Muͤhe. Da
in den mittleren Zeiten die Handlung am lebhafte-
ſten in Italien war, erfand man zu Genua, und
nachher zu Venedig, zwei verſchiedene Einrichtun-
gen unter der gemeinen Benennung der Bank,
welche zum erſten Zwek hatten, die Muͤhe der baa-
ren Auszahlung zu erleichtern, die aber nachher auch
viele andere Endzwekke zu erreichen gedient haben.
§. 2.
Die in Venedig gemachte Einrichtung war im
weſentlichen folgende:
Die Kaufmannſchaft legte an einem ſichern Ort,
unter Aufſicht der Obrigkeit, Summen Geldes nieder,
ein jeder nach ſeinen Umſtaͤnden, uͤber welche Buch
und Rechnung gehalten ward, ſo daß, wenn einer dem
B 2
[20]1. Buch. Vom Gelde.
andern zu zahlen hatte, er es nur auf die Rechnung
deſſelben uͤbertragen laſſen durfte, da ſodann uͤber
kurz oder lang die Bank-Buͤcher auswieſen, wie ſich
ſein Anteil an dem Bank-Schatze vermehrt oder ver-
mindert habe.
Dieſe Einrichtung iſt zuerſt 1609 zu Amſterdam
und darauf 1619 zu Hamburg, nachher aber auch in
andern Staaten nachgeahmt. Eine Bank dieſer
Art hat den Namen Giro-Bank. Sie kann nur
im Zirkel (Giro) der Einwohner Einer Stadt nuͤz-
lich werden, und erfuͤllt hauptſaͤchlich nur den Einen
Zwek, die Erleichterung der baaren Zahlung. In-
deſſen giebt ſie ein vortrefliches Mittel ab, das Geld
aller handelnden Staaten ſehr genau mit einander
zu vergleichen und aufs genaueſte zu berechnen.
Davon wird in dem nachfolgenden Capitel mehr
geſagt werden.
§. 3.
Die in Genua gemachte Einrichtung war
folgende:
Man gab denjenigen, die ihr Geld in die Bank
einlegten, Zettel von einem gewiſſen Belauf, wel-
chen ein jeder, der dieſen Zettel zur Bank brachte,
von derſelben in Empfang nehmen konnte, ohne daß
[21]Cap. 2. Von den Banken
in den Buͤchern der Bank von dieſen Zetteln, und wie
viel deren ein jeder in Haͤnden habe, Rechnung ge-
fuͤhrt werden durfte. Dieſe Einrichtung iſt in
vielen Staaten nachgeahmt. Die wichtigſte Bank
dieſer [Art] iſt zu London 1694 errichtet. Ich un-
terſcheide ſie von jener durch den Namen Zettel-
Bank.
§. 4.
Die Zettel einer ſolchen Bank haben einen leich[-]
tern Umlauf, als baares Geld, zumal in groſſen
Summen. Selbſt die Zahlung groſſer Summen
geht faſt ſo leichte vor ſich, als in Giro-Banken.
Daher gewoͤhnt ſich ein Volk ſehr leicht an deren
Gebrauch, und zieht ſie wol gar dem baaren Gelde
vor. Die Noten der von Law im Jahr 1716
errichteten Bank galten in Frankreich, als dieſelbe
in gutem Credit ſtand, 1 p. C. mehr, als baares Geld.
Ueberhaupt aber bleiben ſie dem Gelde gleich, ſo
lange ein jeder, der eine Bank-Note beſizt, gewiß
ſein kann, dieſelbe von der Bank ausbezahlt zu
bekommen.
§. 5.
Dies hat auch noch Statt, wenn gleich jeder-
mann weiß, daß die Bank nicht alles Geld im Vor-
rath hat, welches ſie auf ihre Zettel zu zahlen ſchul-
[22]1. Buch. Vom Gelde.
dig iſt. Sie kann alſo die bei ihr niedergeſezten
Summen in allerlei Wegen zu ihrem Vorteil ver-
wenden, ja ſogar weit groͤſſere Summen in ihren
Zetteln auszahlen, als jemals in ihr niedergelegt
ſind. Dadurch kann ſie groſſe Vorteile machen,
welche aber nur den erſten Eignern der Bank oder
Beſitzern der Actien, (*) keinesweges aber den In-
habern der Banknoten, zu Gute kommen koͤnnen.
§. 6.
Die Eigner der Bank oder die aus dieſen ge-
waͤhlten Directoren ſuchen natuͤrlich ihre Vorteile ſo
hoch zu treiben als ſie koͤnnen. Wie ſie darin zu
weit gehen koͤnnen, iſt in meiner Abhandlung von
den Banken, welche die 2te meiner kleinen
Schriften uͤber die Handlung, Hamburg
1784. 8. iſt, umſtaͤndlich angegeben.
Wenn es endlich dahin koͤmmt, daß die Bank
nicht mehr den vollen Belauf ihrer Banknoten jedem,
der es verlangt, bezahlen kann, ſo fallen die Noten
unter ihren Zahlwehrt. Wie weit dies gehen koͤnne,
hat man 1763 in Schweden geſehen, wo damals
der wahre Wehrt der Banknoten nur ein Drittel von
[23]Cap. 2. Von den Banken.
deren Zahlwehrt war. Daͤnemark hat ſich ſeit etwa
30 Jahren in aͤhnliche Umſtaͤnde geſezt, und Jahre
durch faſt gar kein baar Geld uͤbrig behalten.
§. 7.
Die Zettelbanken tuhn den groͤßten Schaden
durch das uͤbertriebene Verleihen, welches ſo weit
gehen kann, daß der Wehrt von Landguͤtern,
Schiffen, Haͤuſern, den im Handel begriffenen
Waaren, kurz von allem, was Geldes Wehrt in
einem Volke hat, im Lande circulirt. Die Folge
davon iſt, daß die Nation ſich reicher glaubt, als ſie
wirklich iſt, und in eine Verſchwendung hineinge-
raͤht, durch welche alles ihr baares Geld zum Aus-
laͤnder geht. Denn die Banknoten koͤnnen nie viel
weiter reichen, als die Grenzen des Landes gehen,
in welchem die Bank angelegt iſt. Am ſchnellſten
geraͤht eine Zettelbank in Verfall, wenn der Staat
glaubt mit Banknoten Krieg fuͤhren, oder einen leb-
haften Seehandel treiben zu koͤnnen. Wie unter
ſolchen Umſtaͤnden die Banknoten ihren Wehrt ver-
liehren und der Credit der Bank immer mehr ab-
nimmt, aber die Eigner der Actien noch fortdauernd
gewinnen koͤnnen, davon ſehe man meine Abhand-
lung von den Banken §. 46.
[24]1. Buch. Vom Gelde.
§. 8.
Das Papier-Geld, welches inſonderheit die
Amerikaniſchen Staaten bei ſich eingefuͤhrt haben, iſt
von den Banknoten ſehr zu unterſcheiden. Denn
fuͤr dieſes iſt keine oͤffentliche Kaſſe errichtet, in wel-
cher der Wehrt deſſelben baar ausgezahlt wuͤrde.
Es hat alſo von Anfang an in Amerika nicht den
Zahlwehrt behalten koͤnnen, auf welchen es lautete,
ſondern das baare Geld hatte ein Agio dagegen,
welches ſchon vor der Revolution in den Provinzen
ſehr ungleich war, je nachdem des Papier-Geldes in
denſelben mehr und des baaren Geldes weniger war.
Denn jede Provinz hatte ihr eignes Papier-Geld,
welches unter Autoritaͤt der General-Aſſembly ver-
fertigt ward, ſo wie die Provinz deſſen bedurfte;
Neu-Schottland ausgenommen, welches nie Papier-
Geld gekannt hat, weil es am ſpaͤteſten als Colonie
errichtet iſt. Mit dem Anfange des 1782 geendig-
ten Krieges verlohr ſich das baare Geld bei den Ame-
rikanern ſo ſehr, daß es einen erſtaunlichen Wehrt
gegen Papier-Geld bekam, und man in einigen
Provinzen, ſonderlich in Suͤd-Carolina, 50 Dol-
lars oder Piaſter und daruͤber in Papier fuͤr Einen
baaren Piaſter gab.
§. 9.
Seit etwa einem Jahrhundert haben die Euro-
paͤiſchen Staaten ſehr groſſe Schulden gemacht, aber
[25]Cap. 2. Von den Banken.
auch Mittel gefunden ihren Credit auf einen feſtern
Fuß zu ſetzen, als dies ehemals moͤglich war. Solche
Staats-Schulden werden von vielen Schriftſtellern
mit dem Papier-Gelde vermengt[.] Sie ſind aber
ganz anders zu betrachten, und als ein nuzbares
Eigentuhm anzuſehen, welches auf eben die Art, wie
liegende Gruͤnde oder Schuld-Verſchreibungen von
einem Privatmanne, ſo lange einen Wehrt im
Staate hat, als man gewiß iſt, die Einkuͤnfte davon
zu heben, die man ſich verſpricht, oder mit ſeinem
Schuldner ausgemacht hat.
§. 10.
Alles nuzbare Eigentuhm iſt wahrer Reichtuhm
und behaͤlt ſeinen Wehrt, ſo lange die Einkuͤnfte
deſſelben gewiß ſind. Die Staats-Schulden ſind
alſo ein wahrer Reichtuhm der Nation, ſo lange der
Staat zur Bezahlung von deren Zinſen Raht zu
ſchaffen weiß. Dies aber kann nicht anders als durch
Einkuͤnfte geſchehen, die von der Nation ſelbſt geho-
ben werden. Wenn eine Nation in ſich reich iſt,
viel Gewerbe hat, eine vorteilhafte Handlungs-
Balanz genießt, ſo kann ſie dieſe Einkuͤnfte aufbrin-
gen; aber auch ſelbſt der Reichtuhm, der aus den
Staats-Schulden entſteht, hilft ſehr mit dazu. Aber
wenn die Nation in ihrem Wohlſtande abnimmt,
ſo werden ihr bald die Auflagen zu ſchwer, der Staat
[26]1. Buch. Vom Gelde.
kann alsdann nicht mehr neue Schulden machen, ja
nicht einmal zur Bezahlung der Zinſen ſeiner alten
Schulden Raht ſchaffen. Alsdann verlieren dieſel-
ben ihren Wehrt und der Reichtuhm verſchwindet,
welchen die Nation an den Staats-Papieren zu be-
ſitzen glaubte. Aber nicht anders verſchwindet auch
der Reichtuhm eines jeden Beguͤterten, den er in
Schuldverſchreibungen von Privatleuten zu beſitzen
glaubte, wenn dieſe unfaͤhig zu bezahlen werden.
Man ſehe davon das mehrere im 1ſten Abſchnitt des
6ten Buchs von dem Gelds-Umlauf.
§. 11.
Eben dieſes gilt auch von den Actien der Hand-
lungs-Companien, von denen ich bald naͤher handeln
werde. Sie ſind kein Papier-Geld, ſondern, wie
die Staats-Obligationen, ein nuzbares Eigentuhm,
das ſeinen Wehrt mit der Nutzung veraͤndert.
Drittes Capitel.
Von der Circulation des Geldes.
§. 1.
Das Geld und andere Zeichen des Wehrtes dienen
dem Menſchen, um ſich ihre Dienſte und Arbeiten
[27]Cap. 3. Vom Geldes-Umlauf.
damit zu belohnen. Wer Geld anbietet, kann von
jedermann die Dienſte bekommen, welche derſelbe
ihm zu leiſten faͤhig iſt. Auch in unſern Beduͤrf-
niſſen, die wir von andern erkaufen, bezahlen wir
eigentlich nur die daran gewandte Arbeit.
§. 2.
Wenn nun in einem Volke, bei welchem das
Geld im Gebrauch iſt, viele Dienſte und Arbeit zu
bezahlen vorfallen, ſo geht das Geld fleiſſig aus
einer Hand in die andere, oder es circulirt. Aber
nicht, daß das Geld circulirt, ſondern daß einer dem
andern Verdienſt und Auskommen giebt, iſt das
Gute der Sache. Wenn es ein Volk von lauter
Spielern geben koͤnnte, unter welchen das Geld bei
tauſenden circulirte, ſo wuͤrde dieß doch keine wahre
Circulation ſeyn, weil, was der eine gewinnt, der
andere verlieret, ohne etwas wieder dafuͤr zu bekom-
men, das ihm nuͤzlich waͤre.
§. 3.
Wenn in einer Nation viel Geld iſt, aber dies
Geld nicht als Lohn von Dienſt und Arbeit aus einer
Hand in die andere geht, ſo iſt die Nation noch immer
arm und elend. Ja ſogar groſſe Geld-Geſchaͤfte, die
aber nur kleinen Verdienſt geben, laſſen ein Volk
in Mangel und Duͤrftigkeit. Z. E. vor etwa 30
[28]1. Buch. Vom Gelde.
Jahren war Augsburg eine der aͤrmſten Staͤdte in
Deutſchland, ohngeachtet deren Gold-Schmiede und
Cambiiſten viele Millionen umſezten. Denn die
Stadt hatte ihre alten Manufacturen verloren, und
die Schuͤliniſche Cattun-Fabrik war noch nicht in
Gang geſezt. Aber jene beiden Geſchaͤfte gaben
nur wenigen Menſchen Verdienſt.
§. 4.
Die Circulation des Geldes iſt
- 1) eine einheimiſche unter den Gliedern
Eines Staats: und - 2) eine auslaͤndiſche zwiſchen verſchiedenen
Staaten.
§. 5.
1) Es iſt natuͤrlich, daß zwiſchen Menſchen, die
als Buͤrger Eines Staats einander nahe leben,
weit mehr und oͤfter Gelegenheit entſtehen muß, da
ſie einer den andern brauchen und ſich Verdienſt und
Auskommen geben, als unter den Einwohnern von
einander entfernter Laͤnder.
Denn Menſchen, die Ein Volk mit einander
ausmachen, leben einander am naͤchſten und geben
[29]Cap. 3. Vom Geldes-Umlauf.
ſich Gelegenheit zu Beſchaͤftigungen. Es koͤmmt
aber ſehr darauf an, daß es vielerlei Volks-Claſſen
in [demſelben] gebe, deren eine die Dienſte der andern
braucht, und die nicht etwan alle genug daran ha-
ben, jede fuͤr ſich ſelbſt zu arbeiten. Wenn der
Bauer ſich alle ſeine Kleidung ſelbſt macht, und der
Buͤrger zugleich Akkersmann iſt, ſo giebt es wenig
Verdienſt im Lande.
Man theilt ein Volk gewoͤhnlich ein
- a) in Bauern oder Landleute. Dieſe
ſind die nohtwendigſten, weil ſie fuͤr die uͤbrigen,
wie fuͤr ſich ſelbſt, allen Unterhalt, und auch fuͤr die
Kunſt-Arbeiten das Material, der Natur abgewin-
nen muͤſſen. - b) Buͤrger oder uͤberhaupt Menſchen, die
durch allerlei Arbeiten der Kunſt ſich den uͤbrigen
nuͤzlich und nohtwendig machen. - c) Koſtgaͤnger des Staats, d. i. Men-
ſchen, die teils ohne Beſchaͤftigung, teils von dem
Lohn ſolcher Beſchaͤftigungen leben, die weder zum
Landbau noch zu den Kuͤnſten gehoͤren, die Renteni-
rer, der Adel, Soldaten, Hofleute und Civil-Be-
diente, Gelehrte und Geiſtliche.
[30]1. Buch. Vom Gelde.
Die beiden lezten Claſſen haben ihren Aufenthalt
mehrenteils in Staͤdten. In Laͤndern, wo der
Staͤdter zu wenig gegen den Landmann ſind, z. E.
in Schweden, wo ſie [nur] den 13ten Teil des Volks
ausmachen, ſteht es nie gut. Sie muͤſſen wenig-
ſtens den fuͤnften Teil ausmachen, wenn die in-
laͤndiſche Circulation lebhaft fortgehen ſoll. Da,
wo ihrer mehr ſind, ſo daß der Boden und der Fleiß
des Landmanns nicht Nahrungs-Mittel genug fuͤr
alle insgeſamt hervorbringen kann, wie dies der
Fall mit Holland und manchem andern handelnden
Freiſtaat iſt, da muß die auslaͤndiſche Circulation
zu Huͤlfe kommen, wenn ſie leben ſollen.
§. 6.
Wenig Laͤnder haben das alles auf ihrem Grund
und Boden, was zu ihrem Leben [und] Wolleben
noͤtig iſt, oder uͤben alle die Kuͤnſte, deren ſie be-
noͤtigt ſind. Daher beſchaͤftigen die Voͤlker eins das
andere, und geben ſich unter einander auf groſſe
Entfernungen Verdienſt und Auskommen.
Dieſe Circulation, die ich
2) die auslaͤndiſche nenne, kann zwar ein
Volk reich machen; aber man irrt ſich ſehr, wenn man
glaubt, daß auf ſie allein alles ankomme. Man-
[31]Cap. 3. Vom Geldes-Umlauf.
cher Staat, z. E. Japan beſteht ganz und gar durch
die inlaͤndiſche Circulation. Beſſer iſt es freilich,
wenn zu dieſer ein lebhafter auslaͤndiſcher Handel
hinzu koͤmmt. Aber auch dann iſt das der Haupt-
Vorteil, daß hiedurch die inlaͤndiſche Circulation leb-
hafter gemacht wird. Dieſe auslaͤndiſche Circula-
tion iſt das Werk der Handelsleute, und es iſt nicht
der Ort hier mehr davon zu ſagen. Man wird dies
alles in hinlaͤnglicher Vollſtaͤndigkeit in meinem
Buche von dem Geldes-Umlauf abgehan-
delt finden.
Viertes Capitel.
Von den Zinſen und dem Credit.
§. 1.
Die inlaͤndiſche Circulation wird hauptſaͤchlich da-
durch befoͤrdert, wenn der fleiſſige Buͤrger und Land-
mann das Geld ſeiner reichen Mitbuͤrger, die entwe-
der ganz muͤſſig ſind, oder ihren Reichtuhm nicht
ganz in ihren Geſchaͤften nuͤzen koͤnnen, in ſeinem
Gewerbe benuzen kann. Es verſteht ſich, daß er
dafuͤr dieſen eine gewiſſe Einkunft geben muß, welche
man Zinſen nennt. Durch uͤbel verſtandne Re-
[32]1. Buch. Vom Gelde.
ligions-Grundſaͤzze waren vor Zeiten dieſe Zinſen
verboten. Kein Chriſt durfte bis an die Zeiten der
Reformation dem andern Geld leihen, und Geld
als Zinſen dafuͤr nehmen. Indeſſen verpfaͤndete
man ſich zuweilen liegende Gruͤnde, deren Ein-
kuͤnfte ſo gut als Zinſen waren. Wer aber auf an-
dere Weiſe fremdes Geld noͤtig hatte, muſte es bei
den Juden ſuchen, welche, weil die Gerichte immer
wider ſie waren, der Sicherheit halber den Wucher
ſehr hoch treiben mußten. Mit der Reformation
aͤnderte ſich dieſes. Allein ſehr lange blieben die
Zinſen aͤuſſerſt hoch, weil durch die Geſezze noch
nicht hinlaͤnglich fuͤr die Sicherheit der Glaͤubiger
geſorgt war. Die Fuͤrſten unternahmen nach der
Zeit, durch ihre Verordnungen die Zinſen auf be-
ſtimmte pro Cente zu ſezen, doch faſt ohne alle
Wirkung.
§. 2.
In unſern Zeiten iſt dieſe Sache in ihrer natuͤr-
lichen Ordnung, ſowol bei Katholiken als Proteſtan-
ten. Die Zinſen aber richten ſich nach verſchiedenen
Umſtaͤnden.
1) Nach dem Schuzze, den der Glaͤubiger von
den Gerichten und Geſezzen wider einen boͤſen Schuld-
ner zu finden hoffen kann. Wo dieſer fehlt, bleiben
[33]Cap. 4. Von Zinſen und Credit.
die Zinſen immer hoch. Z. E. In Polen kann der
reichſte Edelmann nicht unter 8 bis 10 Procent Geld
bekommen; in der Tuͤrkei ſind 10 Procent, in Oſt-
indien faſt durchgaͤngig 8 pr. C. die uͤblichen [Zinſen].
2) Nach der Sicherheit, welche der Zuſtand des
Schuldners ſeinem Glaͤubiger fuͤr ſein Capital und
Zinſen zu geben ſcheint.
3) Nach der Menge des Geldes, welche unter
einem Volk iſt. Doch koͤmmt es hiebei inſonderheit
darauf an, ob es viele und gluͤckliche Gelderwerber
giebt, in deren Haͤnden ſich das Geld ſtaͤrker anhaͤuft,
als ſie es in ihrer Lebensart oder Gewerbe verbrau-
chen koͤnnen.
§. 3.
Credit iſt der Glaube oder die Meinung von der
Sicherheit, die man von der Wiederbezahlung einer
Schuld hat, welche durch Ausleihen oder Handlung
entſtanden iſt, oder noch entſtehen kann. Dieſer
Credit iſt zweierlei: 1) Ein hypothekariſcher
Credit, der ſich auf ein von dem Schuldner gege-
benes Pfand, gewoͤhnlich aber auf ein durch die Lan-
desgeſezze beſtaͤttigtes Recht gruͤndet, des Eigentums
des Schuldners ſich zu bemaͤchtigen, wenn derſelbe
Zinſen oder Capital, oder beides nicht abtragen kann.
C
[34]1. Buch. Vom Gelde.
Gewoͤhnlich laͤßt ſich der Glaͤubiger dies Recht auf
liegende Gruͤnde anweiſen.
In den meiſten Landesgeſezzen wird hier dem
Glaͤubiger, welcher die aͤlteſte Schuld hat, das erſte
Recht gegeben, welches man die Prioritaͤt nennt.
Die Stadt- oder Land-Schuld- und Rentebuͤcher zeich-
nen dieſe Ordnung der Schulden ſorgfaͤltig an. In
Laͤndern, wo dieſe fehlen, iſt der hypothekariſche
Credit ſehr ſchwach und unſicher. Doch wird auch
bei uns ein hypothekariſcher Glaͤubiger genannt, der
dem andern auf Handſchrift vorſchieſſet, in welcher
derſelbe ſich ſub hypotheca bonorum verſchreibt.
Zweitens: der perſoͤnliche Credit, da man
einem Manne Geld leihet, ſich in Geldgeſchaͤfte mit
ihm einlaͤßt, Handel ſchließt, Waaren creditirt und
dergleichen, in der Meinung, die man von ihm hat,
daß er durch ſeinen Fleis, Geſchicklichkeit und den
Gewinn aus ſeinen Geſchaͤften ſich immer im Stande
befinden, und auch den redlichen Willen haben werde,
ſeine Schuld zu rechter Zeit abzutragen. Bei baaren
Vorſchuͤſſen werden, wie bei jedem Credit, Zinſen aus-
gemacht; in andern Faͤllen aber muß der Vorteil aus
dem Geſchaͤfte ſelbſt entſtehen, wiewol der Kaufmann
jedesmal die Zinſen fuͤr den erlaubten Verzug der
Bezahlung mit in den Preis ſchlaͤgt. Doch iſt bei
[35]Cap. 4. Von Zinſen und Credit.
Handlungen, die nicht ohne Credit gefuͤhret werden
koͤnnen, gewoͤhnlicher, daß man den Preis ausdruͤk-
lich ſo ſezt, daß die Zinſen fuͤr die ſpaͤtere Zahlung
ſchon mit eingeſchloſſen werden, alsdann aber demje-
nigen, der ſogleich bezahlt, einen Abzug (bei uns von
1 halb pr. C. auf den Monat) erlaubt. Daraus iſt
in einigen Artikeln der Hamburgiſchen Handlung der
ſogenannte Rabatt entſtanden, wovon naͤher zu reden
der Ort in dem folgenden Buche ſein wird.
Alle Obligationsſchulden, in welchen nicht ein
gewiſſes Pfand benannt wird, gruͤnden ſich auf den
perſoͤnlichen Credit, wenn gleich der Verſchreibung
der Ausdruck: unter Verpfaͤndung meiner Haab und
Guͤter, eingefuͤgt iſt.
§. 4.
Der Wohlſtand des Kaufmanns haͤngt von ſeinem
perſoͤnlichen Credit ab. Fuͤr ihn koͤmmt alles darauf
an, daß er ſich niemals auſſer Stande finden laſſe,
ſeine Verpflichtungen in Geldgeſchaͤften zur geſezten
Zeit zu erfuͤllen. Am meiſten Credit hat derjenige,
der ſich das Anſehen giebt, oder wirklich in der Lage
iſt, als ob er ihn am wenigſten brauche, und ſich in
den Zuſtand ſezt, daß er bei dem geringſten Zweifel
an ſeinem Credit baar bezahlen kann, und auch oft
unerwartet denjenigen bezahlt, der ihm gern krediti-
ren moͤgte.
C 2
[36]1. Buch. Vom Gelde.
§. 5.
Die Zinſen des in der Handlung angewandten
Geldes verſtecken ſich in jede Rechnung, die man uͤber
ein Handlungsgeſchaͤfte macht, es mag wirklicher
Geld- und Wechſel- oder Waarenhandel ſein. Wenn
die Zinſen in einem Lande niedrig ſind, und der per-
ſoͤnliche Credit wenige Schwierigkeit findet, ſo gehen
alle Handelsgeſchaͤfte leicht fort. Wenn ſie hoch ſind,
ſo erſchwert dies die Handlung, und manches Land
muß der hohen Zinſen wegen eine Handlung oder ge-
wiſſe Gewerbe unterlaſſen, die ein anderes mit Vor-
teil treiben kann. So treibt z. B. Holland noch
immer diejenigen Manufakturen mit Vorteil vor
andern Nationen, zu deren Anlegung ein groſſes
Kapital und lange Vorausbezahlung der Materialien
der Fabrik erfodert wird, z. E. Oel- Papier- Saͤge-
muͤhlen, und dergl. blos, weil die Zinſen im Lande
niedrig ſind. Dort iſt es ſchon Gewinn, wenn ein
Gewerbe 4 bis 5 pr. C. jaͤhrlich abwirft, da hingegen
in jedem Lande, wo die Zinſen ſchon 5 pr. C. ſind,
derjenige zu Grunde gehen muß, welcher nicht mehr
als 6 bis 7 pr. C. gewinnt.
§. 6.
Die Zinſen haben auf den Ackerbau den Einfluß,
daß der Kaufpreis der liegenden Gruͤnde da niedrig
iſt, wo die Zinſen hoch ſind, und ſteigt, wenn die
[37]Cap. 4. Von Zinſen und Credit.
Zinſen niedrig werden. Z. E. Wenn in einem Lande
die Zinſen 5 pr. C. ſind, ſo kann ein Landgut, das
5000 Rtlr. Einkuͤnfte giebt, hoͤchſtens 100000 Rtlr.
wehrt ſein, wird aber 125000 Rtlr. wehrt werden,
wenn die Zinſen auf 4 pr. C. fallen. In England
ſieht man bei dieſen Umſtaͤnden auf die Zeit, in wel-
cher der Kaufpreis eines Guts durch deſſen Einkuͤnfte
wieder eingebracht wird. Sind die Zinſen hoch, ſo
wird dieſe Zeit kuͤrzer; ſind ſie niedrig, ſo wird ſie
laͤnger gerechnet. Man ſpricht dem zufolge: Guͤter
werden verkauft auf 20 oder 25 Jahre Kauf.
(Eſtates are ſold at twenty or twenty five Years
Purchaſe.) Bei kleinen Bauerguͤtern, aus deren
kleinem Ertrage neben den Zinſen auch der ganze Un-
terhalt einer Familie gewonnen werden muß, ſteht
die Rechnung etwas anders. Dieſer Umſtand allein
hat jedoch keinen Einfluß auf den Landbau, ſelbſt
da, wo derſelbe ſchon in gutem Gange iſt. Ein
Gut, das 5000 Rtlr. eintraͤgt, mag teuer oder
wolfeil gekauft ſein, ſo muß doch der Beſizzer deſſel-
ben, ſo lange ſich nicht die Preiſe der Dinge uͤber-
haupt aͤndern, immer gleich viel arbeiten, um 5000
Rtlr. zu gewinnen. Daher koͤnnen ſolche Laͤnder,
wo der Credit ſchlecht ſteht, und die Zinſen hoch ſind,
z. E. Polen, Liefland, u. a. m. doch noch einen ſtar-
ken Produktenhandel fuͤhren. Aber zur Verbeſſerung
der Guͤter traͤgt es viel bei, und der Produktenhan-
[38]1. Buch. Vom Gelde.
del nimmt folglich zu, wenn die Zinſen niedrig ſind,
weil alsdann ein verſtaͤndiger Landwirt Vorteil dabei
findet, wenn er z. E. 10000 Rtlr. zu 4 pr. C. lei-
hen, und durch Verbeſſerung ſeines Guts 600 Rtlr.
jaͤhrlich mehr gewinnen kann.
§. 7.
In einem Lande, das oͤffentliche Schulden hat
und ſeinen Credit feſt erhaͤlt, richten ſich die Zinſen
fuͤr dies Gewerbe unter ſeinen Buͤrgern gar ſehr nach
den Zinſen der Staatsſchulden, doch ſo, daß dieſelben
immer etwas hoͤher, als dieſe, bleiben. Z. E. in
Hamburg ſind die Zinſen, welche die Kammer giebt,
ſeit funfzig Jahren faſt beſtaͤndig 2½ pr. C. Courant
von Bco, das iſt etwa 2 pr. C. in gleich gerechnetem
Gelde geweſen. Vor etwa 20 Jahren ſtiegen ſie auf
3 pr. Bco von Banco; die Zinſen in Haͤuſern ſind
3 bis 4 pr. C. Cour. von Banco, und die Zinſen
von ſichern Kaufleuten 4 pr. C. Bco. von Banco. In
England hat ſich dies noch deutlicher gezeigt. Wenn
aber der Staat oder der Fuͤrſt Schulden macht, ohne
ſichern Credit zu haben, wie in Frankreich, wo der
Koͤnig ſonſt Macht hatte, ſein Wort zu brechen, ſo
erhalten ſich die Zinſen in Privatgeſchaͤften gleich hoch
mit den oͤffentlichen, oder noch wol niedriger. Wenn
aber die Fuͤrſten ohne Regel und ohne allen Credit
Schulden machen, wie wir ſo viele Beiſpiele von
deutſchen Fuͤrſten haben, ſo hat dies auf die Privat-
[39]Cap. 4. Von Zinſen und Credit.
geſchaͤfte keinen Einfluß. Jene finden gar keinen
Credit, ſondern muͤſſen ſich an Wucherer halten.
§. 8.
Der Gewinn, welcher mit angeliehenem Gelde
oder creditirtem Geldesvorraht ſich machen laͤßt, wird
von dem Anleihenden oder Creditſuchenden groͤßer
gehoft, als die Zinſen ſind, welche von ihm gefodert
oder ihm angerechnet werden. Nur ein Tohr kann
ſich entſchließen, Geld zu 6 pr. C. zu leihen, um da-
mit ein Geſchaͤfte zu machen, welches ihm hoͤchſtens
dieſe 6 pr. C. wieder einbringen kann. Alſo beſtimmt
auch fuͤr den Darleihenden dieſer moͤgliche Gewinn
die Grenze, innerhalb welcher er mit Billigkeit Zinſen
fodern und der Borgende mit Vernunft ſie einwilligen
kann. Zinſen, welche dieſe Grenzen uͤberſchreiten,
verdienen ſchon den Namen des Wuchers; und
ſolche ſind nicht nur keinem Gewerbe befoͤrderlich,
ſondern vielmehr ſchaͤdlich. Zwar giebt der Mangel
hinlaͤnglicher Sicherheit bei manchem Darlehn einen
billig ſcheinenden Grund zur Erhoͤhung der Zinſe ab.
Aber es bleibt doch immer wahr, daß kein Geſchaͤfte
mit Vorteil getrieben werden koͤnne, wenn ſich der
Anleihende, es ſei aus welchem Grunde es wolle,
zu hoͤhern Zinſen entſchließt, als welche ihm dieſes
Geſchaͤfte wieder einbringen kann. Ich rede hier
nur von den Zinſen in Handlungsgeſchaͤften, und
[40]1. Buch. Vom Gelde.
werde weiter unten von der verderblichen Zinſenlaſt
mehr ſagen, welcher die ſogenannten Wechſelreuter
freiwillig ſich unterwerfen. Von dem Wucher uͤber-
haupt empfehle ich die Abhandlung des Herrn
Lic. Guͤnther im 3ten Bande der Hand-
lungsbibliothek nachzuleſen, wiewol deren Vol-
lendung durch einen zweiten Teil noch zu erwarten iſt.
Fuͤnftes Capitel.
Von dem Gelde verſchiedener Staaten
und der Ausgleichung von deſſen
Wehrt im ſogenannten Pari.
§. 1.
So groß der Vorteil fuͤr die Handlung im Allge-
meinen ſein wuͤrde, wenn die handelnden Staaten
Geld von einerlei Benennung und Gehalt haͤtten, ſo
iſt doch eine ſolche Vereinigung einerſeits niemals zu
hoffen, und anderer Seits wuͤrde ſie doch nicht lange
beſtehen koͤnnen, wenn ſie auch jemals getroffen
wuͤrde. Inſonderheit wuͤrde ſie nicht in Anſehung
des Verhaͤltniſſes der edlen Metalle und auch des
Kupfers lange Beſtand haben. Die Handlung mit
den rohen Metallen wuͤrde ſie ſehr bald verruͤcken.
[41]Cap. 5. Vom Gelde verſch. Staaten.
Wir haben in unſerm Deutſchland ſeit bald 30 Jahren
eine merkwuͤrdige Erfahrung davon. So viele Staa-
ten vereinigten ſich fuͤr den Zwanzig- andere fuͤr den
Vier und zwanzig-Guldenfus, bei welchen der alte
Louis d’Or und die ihm gleich gepraͤgten Goldmuͤn-
zen dort fuͤnf, hi[e]r ſechs Tahler gelten ſollten. Aber
man hat bald den Goldmuͤnzen ein Aufgeld erlauben,
oder hier und dort die Silbermuͤnze im Gehalt veraͤn-
dern muͤſſen, um bei jenem Wehrt der Goldmuͤnzen
beharren zu koͤnnen.
§. 2.
In der ſchwachen Handlung, die in mittlern
Zeiten betrieben ward, da auch die Muͤnz-Kunſt ſo
unvollkommen war, wurden Gold und inſonderheit
Silber nach dem Gewichte berechnet und gezahlt,
wie ſchon fruͤher aus den aͤlteſten Zeiten Beiſpiele
davon ſind. Die Stadt Troyes in Champagne hatte
in mittlern Zeiten eine groſſe Meſſe und auf derſel-
ben einen lebhaften Handel. Das in dieſem zur Ab-
waͤgung des Silbers beſtimmte Pfund fuͤhrte ſich na-
tuͤrlich bei den dort handelnden Nationen allgemein
ein; und wo man dann auch Muͤnze zu ſchlagen ge-
rahten fand, ſo beſtimmte man das Gewicht der
groͤſſern nach groͤſſern, und das der kleinern nach
kleinern Teilen dieſes Pfundes. Die groſſe Muͤnze
in Frankreich hieß Livre, in England Pound, in
[42]1. Buch. Vom Gelde.
Italien Lira. Die Deutſchen Handels-Staͤdte und
uͤbrigen Staaten namen das halbe Pfund oder die
Mark zum Gewigt der edlen Metalle an, nach wel-
chem ſie in groſſen Summen einander zahlten. Die
Muͤnzen waren Teile dieſer Mark in verſchiedener
Groͤſſe und Benennung. Im ganzen deutſchen Reiche
hat man ſpaͤterhin die Coͤllniſche Mark angenommen.
Capitalien wurden in Marken loͤtigen Silbers nicht
angeliehen, und Grundſtuͤkke darnach verpfaͤndet
oder verkauft. Noch jezt beſtimmen die Reichsge-
richte ihre Geldſtrafen in Marken loͤtigen Goldes.
§. 3.
So ſelten Silber und Gold in den mittlern
Zeiten waren, ſo behielt man doch lange die ſchweren
Muͤnzen und die Bezahlung nach dem Gewigte bei.
In ſpaͤtern Zeiten aber haben die Fuͤrſten und Staa-
ten die Muͤnze immer leichter gemacht, aber meh-
renteils die alten Benennungen beibehalten. Die
groͤßten Veraͤnderungen hat das Franzoͤſiſche Geld
gelitten, wo der Livre jezt ungefaͤhr der 110te Teil
eines Pfundes iſt. Indeſſen wird in den meiſten
Muͤnz-Verordnungen noch immer der Gehalt einer
Muͤnze aus der Mark fein beſtimmt. Z. E. unſer
Hamburger oder Daͤniſch Mark Curant ſoll 34 mal
genommen eine Mark fein Silber enthalten. Ja
man hat auch nach 1763 in dem groͤßten Teil Deutſch-
[43]Cap. 5. Vom Gelde verſch. Staaten.
lands beliebt, auf eine jede groͤſſere oder kleinere
Muͤnze zu praͤgen, wie viel derſelben eine Mark
fein enthielten. Sachſen, Oeſterreich und eine
Menge kleinerer Staaten haben den Zwanzig-
Gulden-Fuß, die Staaten aber in der Gegend des
Rheins den 24 Gulden-Fuß beliebt. Dies bringt
die Sache gewiſſermaſſen in den alten Weg zuruͤk.
Doch kann man bei den kleinſten oder ſogenannten
Scheide-Muͤnzen nicht bei dieſer Einteilung bleiben,
und ihnen den derſelben gemaͤſſen Gehalt geben.
§. 4.
Wenn jedoch alle Staaten dieſen Weg erwaͤhlten,
ſo wuͤrden dennoch andere Umſtaͤnde die Rechnung
verruͤkken, dieſe ſind:
1) Die Nohtwendigkeit dem edlen Metall einen
Zuſaz zu geben, um beide dauerhafter zum Gebrauch
im Umlauf zu machen.
2) So ſehr die Muͤnz-Kunſt ſeit etwa 100 Jah-
ren durch Erfindung der jezigen Muͤnz-Werkzeuge
verbeſſert iſt, ſo iſt ſie doch nicht vollkommen genug,
daß man die Muͤnzen genau vom rechten Gehalt und
Groͤſſe machen koͤnnte. Man muß daher auch dem
geſchikteſten Muͤnzmeiſter bei Einlieferung der neu
gemachten Muͤnzen etwas nachlaſſen, das ſowol an
[44]1. Buch. Vom Gelde.
der Feinheit als am Gewicht einzelner Muͤnzen fehlen
darf, ohne daß er dafuͤr verantwortlich iſt. Dieſer
erlaubte Abgang wird das Remedium genannt.
3) Im naͤchſtvorigen Capitel iſt etwas vom Ver-
haͤltnis des Goldes und Silbers im Allgemeinen ge-
ſagt, [und] wie die handelnden Staaten darin von
einander abwichen. Die Folge davon iſt, daß man
das Geld einer jeden Nation nicht nach dem Silber
allein, ſondern auch nach dem Golde berechnen muß.
Wenn ein Land, z. E. England, viel in Golde be-
zahlt, aber dieſes zu hoch ſezt, ſo wird der Wehrt
einer dort in Golde zu leiſtenden Zahlung fuͤr mich
geringer, als er es ſein wuͤrde, wenn ich es in Sil-
ber bezahlt bekaͤme.
4) In vielen Laͤndern geſchehen die Zahlungen
auch in Papier-Gelde, als Banknoten, Coupons
oder Scheinen, wofuͤr der Staat die Zahlung in ge-
wiſſer Zeit zu leiſten, oder in andern Scheinen, wo-
fuͤr derſelbe Zinſen verſpricht, aber keine Zahlung
auf beſtimmte Zeit. Es iſt klar, daß dies keine
Veraͤnderung mache, wenn bei der Zahlung in Pa-
pier weder an Wehrt noch an Zeit Verluſt zu
fuͤrchten iſt. Wenn aber Verluſt am Wehrt oder an
Zinſen entſteht, und doch jede Bezahlung in dieſem
Papier-Gelde genommen werden muß, ſo veraͤndert
[45]Cap. 5. Vom Gelde verſch. Staaten.
ſich die Rechnung ſehr. Dies hat in Anſehung
Daͤnemarks Statt, wo man in den Zahlungen nur
auf Banknoten rechnen kann, von deren Wehrt die
Bank nur einen kleinen Teil baar bezahlt. Noch aͤrger
war es in Schweden bis 1774. Fuͤr Spanien fiel
der Curs im lezten Kriege ungemein, weil der Wech-
ſel nur zum kleinern Teil mit baarem Gelde bezahlt
werden konnte, und man faſt alles in Staats-Billets
annehmen mußte. Es hat aber auch noch bis jezt
ſich wenig darin geaͤndert. In Rußland iſt gar nicht
mehr auf dem Wehrt des ſilbernen Rubels zu rech-
nen, ſeit dem man auch dort es mit dem Misbrauch
der Bank ſo weit getrieben hat, daß die Zahlung
nur in deren Noten erwartet werden kann, und
dieſe nicht anders, als in Kupfer, von der Bank be-
zahlt werden.
§. 5.
Aus dieſen Gruͤnden iſt die Berechnung des
Pari zwiſchen verſchiedenen Laͤndern ziemlich ſchwer,
ſezt viel Nebenunterſuchungen voraus, und es bedarf
zuverlaͤſſiger Erkundigungen, wie es mit dem Muͤnz-
und Geldweſen in jedem Lande ſtehe. Da, wo es
beim Alten bleibt, tuhn Kruſens Kontoriſt
und aͤhnliche Buͤcher noch immer gute Dienſte.
Kruſe hat in ſeiner 3ten Tabelle den Silberwehrt
aller im Handel vorkommenden, ihm bekannt gewor-
[46]1 Buch. Vom Gelde.
denen Muͤnzen in Hollaͤndiſchen Aſen bargeſtellt.
Wenn ich dem zufolge wiſſen will, wie viel z. B.
der Portugieſiſche Cruſado von 480 Rees in Hambur-
ger Banco wehrt ſei, ſo finde ich, daß derſelbe 276
Aſen fein halte. Da nun das Mark Hamb. Banco
deren 176 haͤlt, ſo iſt die Rechnung bald gemacht:
176 geben 16 ßl. Banco, was 276?
Dies giebt 25 1/11 ßl. Banco. Oder, da der Fran-
zoͤſiſche kleine Tahler noch zu 278 6/10 Aſen angenom-
men werden kann, ſo giebt eine aͤhnliche Rechnung,
daß er um eine Kleinigkeit beſſer als jener Cruſado,
naͤmlich 25⅓ ßl. Banco, ſei. Die Rechnung wird in
dieſer Reduction der auslaͤndiſchen Silbermuͤnzen auf
Hamb. Banco dadurch vollends leicht, daß man die
Zahl der in ihnen enthaltenen Aſen nur durch 11 divi-
diren darf, um deren Gehalt in Schillingen Banco zu
haben. Denn ſo viel Aſen enthaͤlt dieſer Schilling,
weil das Mark 176 enthaͤlt. Z. B. der Preuſſiſche
Couranttahler enthaͤlt 347 Aſen; dies durch 11 divi-
dirt, giebt 31 6/11. Er iſt alſo ein geringes mehr als
31½ Schilling Banco wehrt.
Aber man kann ſich nicht weiter darauf verlaſſen,
als man annehmen darf, daß die Muͤnzen dem Muͤnz-
fuſſe gemaͤs ſein. Denn auf die in dieſen Staaten,
deren Muͤnzen hier berechnet werden, nach der Zeit
vorgegangenen Muͤnzirrungen wird in Buͤchern dieſer
[47]Cap. 5. Vom Gelde verſch. Staaten.
Art keine Ruͤckſicht genommen, wie denn z. B. der
Silbergehalt des Pfundes Sterling dort noch immer
ſo angeſezt iſt, wie er nach der Muͤnzordnung ſein
ſollte, ſo ſehr auch derſelbe jezt wirklich davon abweicht.
§. 6.
Aber uͤberhaupt bleibt keine Muͤnze ihrem Muͤnz-
[fuß] lange gemaͤß. Wenn nicht der Gewinnſuͤchtige
Vorteil dabei findet, dieſelbe zu beſchneiden oder ein-
zuſchmelzen, ſo verlieren ſie durch den Gebrauch.
Jedes Land, in dem nicht neuerlich eine Ummuͤnzung
vorgenommen iſt, hat daher immer ein zu leichtes
und unwigtiges Geld. Zettelbanken, wenn ſie auch
ohne Anſtand auszahlen, koͤnnen das Geld nicht
vollguͤltig erhalten, und ihre Banknoten koͤnnen
nie mehr wehrt werden, als das geringhaltige
Geld des Landes. So iſt es z. B. mit den Engliſchen
Banknoten bewandt. Als die Bank noch in Silber
oder in Silber und Gold zahlte, war das Pf. Sterl.
wenigſtens 5 pr. C. ſchlechter zu rechnen, als es nach
dem Muͤnzfuß ſein ſollte. Jezt, da ſie nur in Golde
zahlt, kann deſſen Wehrt nur aus den Goldmuͤnzen
des Landes, den Guineen, berechnet werden.
§. 7.
Eine Girobank aber erhaͤlt das Geld, welches
ihren Fond ausmacht, in mehrerer Ruhe; es wird
[48]1 Buch. Vom Gelde.
auch wol beim Empfange immer nachgewogen. Man
kann ſich alſo mehr darauf verlaſſen, daß die Berech-
nung von dem Wehrt ihres Geldes unveraͤnderlich
bleibe. Z. E. Ein Bancotahler in der Hamburgi-
ſchen Bank, welcher 1619, und ein Ducaten der Am-
ſterdammer Bank, welcher 1609 in derſelben nieder-
gelegt, und ſeitdem nicht in Umlauf gekommen iſt,
muͤßte denſelben Silberwehrt noch immer haben.
Indeſſen entſtehen auch in ſolchen Banken zuweilen
Irrungen, deren Gruͤnde oder Veranlaſſungen hier
nicht ausgefuͤhrt werden koͤnnen. Siehe hievon
meine Abhandlung von Banken, inſonderheit
in dem erſten Anhange. Die Hamburgiſche Bank
hat dies auch erfahren. Von ihren erſten Banco-
Tahlern hielten 9 eine Mark fein, jezt muß man
9¼ auf dieſelbe rechnen. Aber dieſen Veraͤnderungen
fuͤr jezt und kuͤnftig abzuhelfen, und dem Banco-
Tahler einen feſten Wehrt zu geben, hat die Direction
der Hamburgiſchen Bank vor etwa 16 Jahren be-
liebt, Silberbarren, die bis auf die Feine von 15 Loht
12 Graͤn raffinirt werden muͤſſen, ſo anzunehmen,
daß fuͤr jede Mark fein 27 Mk. 10 ßl. Banco dem
Einbringer gut geſchrieben werden, der aber, wenn
er das Silber wieder herauszieht, ſich 27 Mk. 12 ßl.
abſchreiben laſſen muß, folglich 2 ßl. per Mark ver-
liert. Z. E. Wenn er heute einen ſolchen Barren
100 Mark fein haltend eingebracht hat, und ihm dafuͤr
[49]Cap. 5. Vom Gelde verſch. Staaten.
2762 Mk. 8 ßl. Banco zugeſchrieben ſind, er aber
nach einigen Tagen eben dieſen Barren, oder gleich
viel Silber, aus der Bank zuruͤck haben will, ſo wer-
den ihm 2775 Mk. Banco von ſeiner Rechnung ab-
geſchrieben. Wenn man alſo jezt fragt, was 1 Tahler
Hamburger Banco ſei, ſo muß man, wenn man ihn
empfaͤng’t, auf den teurern Preis ſehen, fuͤr welchen
ihn die Bank wieder weggiebt, und ſagen: Der
Hamburgiſche Banktahler iſt eine Maſſe Silber, de-
ren 9¼ auf eine Mark ſein gehen, oder 37 auf 4 Mark.
Und nun iſt in dem Jahre 1790 beliebt, daß ſelbſt
keine neue, wenn gleich vollwigtige Speciestahler ſo,
wie ſonſt, angenommen werden, ſondern der Bank-
Fond blos aus Silberbarren oder Piaſtern beſtehen
ſoll, die man zu 27 Mk. 6 ßl. die Mark fein
annimmt. Der Kaufmann aber berechnet ſeinen
Banktahler, ſo lange er ihn nicht baar herauszieht,
aus dem Preiſe der Mark fein 27 Mk. 10 ßl. Er
iſt dem zufolge der unveraͤnderliche Bruch 48/442, oder
24/221 einer Mark fein. Man ſehe mehr hievon in
meiner kleinen Schrift: Ein Wort zu ſeiner
Zeit uͤber die Hamburgiſche Bank. 1790,
die auch in dem 3ten Stuͤck des 3ten Bandes unſerer
Handlungs-Bibliothek abgedruckt iſt.
§. 9.
Nach dieſer Einrichtung dient jezt die Hamburgiſche
D
[50]1. Buch. Vom Gelde.
Bank dem groͤßten Teil des handelnden Europa
zum beſten Mittel, um den Wehrt und Gehalt aller im
Handel vorkommenden Silbermuͤnzen zu berechnen
und zu vergleichen. Die noch uͤbrigen Staaten, de-
nen dies noch nicht bekannt iſt, werden ſich mehr und
mehr darnach richten. Z. E. wenn ich in Saͤchſiſchen
oder andern deutſchen Staaten einen Tahler nach
dem Zwanzig-Guldenfuß, deren alſo 13⅓ Tahler
eine Mark fein halten, mit dem Hamburger Banco-
Tahler vergleichen will, ſo ſehe ich gleich ein, daß
13⅓ dieſer Tahler eben ſo viel, als 9 15/48 Tahler Banco
ausmachen. Denn beide enthalten eine Mark fein.
§. 10.
Das Gold wird bei uns zwar auch nach Banco
berechnet, aber nie in der Bank zu einem feſten
Wehrt angenommen. Von den zwei im groſſen
Handel vorkommenden Goldmuͤnzen werden die
Louisd’or zu 10 Mk. 8 ßl. (weniger oder mehr) in
Banco berechnet. Die Ducaten aber, welche ur-
ſpruͤnglich ausgemuͤnzt waren, um 2 alten Reichs-
oder Speciestahlern gleich zu gelten, werden gegen
Banco nach Procenten verglichen. Wenn das Gold
teuer genug iſt, daß ein Ducat genau 6 Mk. Banco
wehrt wird, ſo heißt es, er ſei Pari mit Banco.
Seit einigen Jahren iſt deſſen Preis hoͤher, welcher
dann nach Procenten und Bruͤchen von Procenten
[51]Cap. 5. Vom Gelde verſch. Staaten.
beſſer als Pari berechnet wird. Dann ſteht die Rech-
nung, wenn die Frage iſt, wie viel z. B. 100 St.
Ducaten in Banco wehrt ſein? alſo:
- 100 Mk. in Ducaten ſind wehrt 102 Mk. Bco.;
was 600 Mk. oder 100 St. Ducaten? - Antwort: 612 Mk. Banco.
Iſt aber der Ducaten 2 pr. C. ſchlechter, ſo heißt es
nicht etwan: 98 Mk. Banco ſind 100 Mk. Duc.
ſondern 102 Mk. Ducaten ſind gleich 100 Mk. Bco.
Alle andere Goldmuͤnzen, welche hier nicht im Um-
lauf ſind, unwigtige Ducaten und das rohe Gold,
welches uns die Handlung zufuhrt, wird aus Feinheit
und Gewigt ſo berechnet, daß man herausbringt, wie
vielmal das reine Gold, das der Ducat enthaͤlt, in ei-
ner ſolchen M[uͤ]nze oder Goldſtange enthalten ſei, und
dann wird nach den Umſtaͤnden der Preis in Schill.
Bco. behandelt. Wenn der gemuͤnzte vollwigtige Du-
cat pari mit Banco iſt, ſo verſteht ſichs, daß der Ducat
al Marco, oder der in einer Goldſtange oder in nicht
curſirender Muͤnze ſteckende Ducat etwas wolfeiler
gegeben werden muͤſſe, weil er in dieſem Zuſtande noch
nicht als Muͤnze curſiren kann.
§. 11.
Deutſchland und die ihm benachbarten Staaten
zaͤhlen ihr Geld unter uͤbereinſtimmender Berechnung,
z. B. Tahler, Gulden, bei ſehr ungleichem innern Gehalt.
D 2
[52]1. Buch. Vom Gelde.
Indeſſen iſt auch der geringe Mann nicht mehr ein-
faͤltig genug, um das beſſere Geld fuͤr das ſchlechtere
in gleichem Zahlwehrt hinzugeben, oder mit Einem
Tahler des beſſern Geldes zu kaufen, was er fuͤr
Einen Tahler des ſchlechteren haben kann. Der
Wehrt des beſſern wird demnach durch eine Zugabe
des ſchlechtern ausgeglichen, die man das Aufgeld
oder Agio nennt. Dieſe Ausgleichung wird von
dem Kaufmann fuͤr groͤſſere Summen nach Procenten
mit vieler Genauigkeit gemacht. In kleinern Zah-
lungen wird jeder groſſen Muͤnze das ihr zukommende
Aufgeld zugelegt. Dies kann nicht mit gleicher Ge-
nauigkeit geſchehen, und giebt einzelnen Gewinn-
ſuͤchtigen Gelegenheit zu Vorteilen auf Unkoſten
derer, die mindere Einſicht von dem Gehalt der beſſern
Muͤnzſorte haben. Bei Weggebung kleiner Muͤnzen
laͤßt ſich das Agio nicht mehr beſtimmen. Und weil
in dem Verkehr aller Staaten an ihren Grenzen der
Fall ſo oft vorkoͤmmt, daß man aus dem Lande,
welches das beſſere Geld hat, Kleinigkeiten in das-
jenige, welches das ſchlechtere hat, bezahlt, und um-
gekehrt, ſo liegt darin eine Urſache, daß das Geld
des erſtern allmaͤhlig mit Verluſt in den andern uͤber-
geht. In beiden ſtellen ſich auch die Beduͤrfniſſe
des geringen Mannes, die mit wenigem Gelde bezah-
let werden, auf einen gleichen Zahlwehrt bei ſonſt
gleichen Umſtaͤnden. Von dem Schaden, der daraus
[53]Cap. 5. Vom Gelde verſch. Staaten.
den Manufacturen jener Staaten entſteht, ſiehe
meine Abhandlung von dem Geldesumlauf.
B. 6. §. 15.
§. 12.
Die Gold- und Silbermuͤnzen eines Landes wer-
den zwar gewoͤhnlich auf einen feſtſtehenden Zahlwehrt
ausgemuͤnzt, und erhalten ſich dabei in dem innern
Umlauf, inſonderheit in dem Mittel eines groſſen
Staats. Allein an den Grenzen ſolcher Staaten, die
ein ungleiches Verhaͤltnis in dem Wehrt beider Me-
talle beliebt haben, oder wo die Handlung daſſelbe
von demjenigen verruͤckt, das in dem Muͤnzfus an-
genommen war, entſteht ein Agio, und ein Umſaz
beider Metalle in Barren und Wechſelei im Kleinen,
welche demjenigen, der ſein Gold zu hoch ausmuͤnzt,
ſein Silber mit Nachteil entzieht. England, Daͤ-
nemark, und verſchiedene Staaten des [Deutſchen]
Reichs haben nachteilige Erfarungen davon gehabt,
die nur dann ein Ende nehmen, wenn des zu niedrig
geſezten Metalls nicht mehr da iſt, als in aͤuſſerſt
leichten Stuͤcken, oder in Scheidemuͤnzen.
[54]1. Buch. Vom Gelde.
Sechſtes Capitel.
Von den Wechſeln.
§. 1.
Ungeachtet der Erleichterung, welche die Schiffahrt
in ihrem jezigen gebeſſerten Zuſtande, die Sicherheit
der Wege in Europa und die fahrenden Poſten zur
baaren Bezahlung aus einem Lande in das andere
geben, findet es doch der Kaufmann natuͤrlich viel
leichter, eine Schuld in der Ferne zu bezahlen, wenn
er dort einen Schuldner hat, an den er ſeinen Glaͤubi-
ger verweiſen kann. Hat er ſolchen nicht ſelbſt, aber
wol einen Mitbuͤrger zu Hauſe, der dort eine Schuld
zu fodern hat, ſo entſteht ihm das leichte Mittel,
daß er dieſem die Schuld zu Hauſe bezahlen kann,
da dann derſelbe ſeinen Schuldner in der Ferne an-
weiſet, dem Glaͤubiger ſeines Freundes zur Stelle
zu zahlen, was dieſer ihm ſonſt heruͤber ſenden
muͤßte. In eben dem Wege kann ſich alſo auch dieſer
die Bezahlung ſeiner Activ-Schuld aus der Ferne
verſchaffen.
§. 2.
Dies muß natuͤrlich zu allen Zeiten in der Hand-
lung Statt gehabt haben.
[55]Cap. 6. Von den Wechſeln.
Man kann aber hiebei auf zweierlei Art ver-
fahren:
1) Man beredet blos, daß man ſich hintennach
einander bezahlen wolle, wenn die Nachricht einlaͤuft,
daß die Schuld an dem entfernten Orte bezahlt
worden ſei, oder
2) derjenige, der die Bezahlung beſorgt, laͤßt
ſich ſchon ſogleich den Wehrt der Schuld bezahlen,
welche an dem entfernten Orte auf ſeine Anweiſung
bezahlt werden ſoll.
§. 3.
In beiden Faͤllen muß eine ſchriftliche Anweiſung
gegeben werden, die den hieſigen Schuldner in das
Recht ſezt, ſeinen entfernten Glaͤubiger an den ent-
fernten Schuldner des hieſigen Glaͤubigers zu ver-
weiſen. Indeſſen ſteht in dem erſten Fall der hieſige
Glaͤubiger dem, welchem er den verlangten Dienſt
tuht, nicht ein, daß die Schuld gewiß bezahlt wer-
den werde. Aber in dem zweiten Fall muß er ihm
dafuͤr einſtehen, und, wenn die Bezahlung nicht
erfolgt, wenigſtens ihm das dafuͤr ſchon empfangene
Geld unmittelbar wieder auszahlen.
[56]1. Buch. Vom Gelde.
§. 4.
Der Zwek von beiderlei Verfahren iſt einerlei,
nemlich einem entfernt lebenden Glaͤubiger eine
Schuld zu Haͤnden zu bringen, und ſich die Zahlung
der Schuld eines entfernten Schuldners zu ver-
ſchaffen, beides mit Vermeidung der Koſten und
der Gefahr der baaren Ueberſendung. Die Form
kann auch in Ruͤkſicht auf dieſen Zwek eben dieſelbe
ſein. Allein bei dem leztern Verfahren wird der,
welcher das Geld vor oder bei dem Empfang der
Anweiſung zahlt, einen Beweis ſich geben laſſen,
daß er dies getahn habe. Es iſt allgemein uͤblich
dies Geſtaͤndnis des Empfaͤngers in den Worten:
Valuta empfangen, der Anweiſung einzuruͤkken.
Wenn aber dieß auch nicht waͤre, und, wie bei an-
dern Geld-Zahlungen, eine beſondre Quitung aus-
geſtellt wuͤrde, ſo wuͤrden doch fuͤr den Geber des
Geldes Rechte daraus entſtehen, die nicht Statt
haben, wenn eben dieß Geſchaͤft in dem erſten Wege
verrichtet waͤre.
§. 5.
Man ſeze, A. habe den Wehrt von 50 Pf. Sterl.,
die er in London ſchuldig iſt, mit 600 Mk. Hambur-
ger Banco-Gelde an ſeinen Mitbuͤrger B. in Ham-
burg bezahlt, und dieſer ihm eine ſchriftliche Anwei-
ſung auf C. in London gegeben, in welcher B. die
[57]Cap. 6. Von den Wechſeln.
Zahlung der Valuta eingeſteht. Nun ſendet A. den
Wechſel an ſeinen Creditor D. in London, welcher
ihm aber bald Nachricht giebt, daß C. nicht bezahlen
koͤnne oder nicht wolle. Alsdann wird A. unge-
ſaͤumt ſeine Bezahlung von B., nebſt den Koſten
und der Erſezung alles des Verluſtes zuruͤk fodern
duͤrfen, welchen der Verzug der Bezahlung ihm ver-
urſacht hat. Geſezt aber, B. entſchuldigt ſich, daß
er die 600 Mk. nicht gleich ſchaffen koͤnne, weil er
dieß Geld verwandt habe. Jezt iſt es klar, daß,
wenn auch gar kein Wechſel-Recht exiſtirte, kein
Richter den B. mit dieſer Entſchuldigung zulaſſen
werde. Denn B. hat an A. eine Schuld verkauft,
und dieſe iſt nicht geliefert. Aber das dafuͤr
empfangene Geld iſt ihm als Bezahlung
dieſer Schuld bezahlt, nicht zu ſeinem
Gebrauch geliehen worden.
§. 6.
Hierin liegt alſo der Grund des ſtrengen Wech-
ſelrechts und des Vorzuges, welchen die Wechſel vor
andern Schuld-Verſchreibungen haben, ſo daß auf
die erſte Einklagung eines Wechſels die Auspfaͤn-
dung erkannt wird. Jezt haben zwar faſt alle han-
delnde Staaten in Europa ein beſtimmtes Wechſel-
recht unter oͤffentlicher Autoritaͤt. Aber die Ge-
ſchichte zeigt, daß lange vorher, ehe ſolche Wechſel-
[58]1. Buch. Vom Gelde.
Rechte oͤffentlich eingefuͤhrt wurden, jeder billige
Richter nach dieſem Grunde ſprach. Das erſte, mir
bisher bekannt gewordene gedrukte Wechſelrecht fin-
det ſich in dem Hamburger Stadt-Buch von 1603.
(Th. 2. Tit. 7.) Das beſte und vollſtaͤndigſte iſt
bisher das Wieneriſche. Je mehr der Handel in
Europa zunahm, deſtomehr Neben-Umſtaͤnde miſch-
ten ſich in dieſes Geſchaͤft ein. Auch darin kam es
bald zu einer beſtimmten der Natur der Sache ge-
maͤſſen Verfahrungs-Art, welche nachher von den
Obrigkeiten als Geſez beſtaͤttigt ward. Die fuͤr Am-
ſterdam geltende Wechſel-Ordnung heißt noch jezo
nicht Geſez, ſondern Willekeuren (Willkuͤhr)
Man ſehe hievon meine Abhandlung von dem
wahren Grunde des Wechſelrechts, ſamt
einem Beitrage zur Geſchichte deſſelben,
in dem dritten Stuͤk des 1ſten Bandes unſerer
Handlungs-Bibliothek vom J. 1784.
§. 7.
Zu einem vollkommenen Wechſel gehoͤren alſo
vier Perſonen. Die erſte iſt der, welcher den Wech-
ſel kauft um zu zahlen oder zu remittiren.
Dieſer heißt der Remittent. Die zweite iſt der Ver-
kaͤufer des Wechſels, der als Creditor das Recht
hat, ſeinen auswaͤrtigen Schuldner anzuweiſen, die
Schuld an die Ordre des Kaͤufers zu bezahlen. (Denn
[59]Cap. 6. Von den Wechſeln.
der Kaͤufer muß noch erſt den Mann benennen, der
durch daſſelbe bezahlt werden ſoll.) Dies Anweiſen
von dem Verkaͤufer, als Creditor, haben die Italiaͤner
vor Alters durch dies Wort Traſſare, und den Abge-
ber des Wechſels durch Traſſant ausgedrukt. Dies
Wort iſt faſt in allen Sprachen beybehalten, wird
auch wol durch Ziehen uͤberſezt. Die dritte iſt der-
jenige, welcher die Schuld zu heben angewieſen
wird, der, weil ſeine erſte Handlung iſt, den em-
pfangenen Wechſel dem, der ihn bezahlen ſoll, zur
Acceptation zu praͤſentiren, auch der Praͤſen-
tant heißt. Die vierte und lezte iſt der, welcher
das Geld zahlen muß, aber vor der auf Zeit geſtell-
ten Zahlung durch das Wort: acceptirt, und die
Unterſchrift ſeines Nahmens ſich dazu bereit und
ſchuldig erkennt. Dieſer heißt auch daher allgemein
der Acceptant.
Anmerkung.
Man wendet zwar in deutſchen Buͤchern und
ſelbſt in deutſchen W[e]chſelgeſezen deutſche Benennun-
gen an, und nennt den Traſſanten den Nehmer,
den Remittenten den Geber. Aber darin iſt eine
Zweideutigkeit, weil man nicht hoͤrt, ob das nehmen
und geben ſich auf das Geld oder den Wechſel be-
zieht. Deutet man es auf den Wechſel, ſo iſt der
Traſſant Geber und der Remittent Nehmer. Man
[60]1. Buch. Vom Gelde.
nennt auch den Traſſanten den Ausſteller, und den
Acceptanten oder Traſſaten den Bezogenen. Dieſe
Benennungen haben keine Zweideutigkeit, und ich
werde mich ihrer neben den andern bedienen, welchen
ich jedoch als allgemein angenommenen Kunſtwoͤr-
tern den Vorzug gebe.
§. 8.
Indeſſen trift es oft, daß ein Kaufmann an
eben dem Ort zu fodern hat, wo er bezahlen ſoll.
Er darf alſo keinen Wechſel kaufen, ſondern wird
Remittent und Traſſant zugleich. In dieſem Fall
verſchwindet zwar der Grund des ſtrengen Wechſel-
rechts. Indeſſen iſt es eingefuͤhrt, daß, im Fall der
Nichtbezahlung, ſein Glaͤubiger, der Praͤſentant,
eben ſo ſcharf, als in jenem Fall mit ihm verfahren
koͤnne; es iſt genug, daß das Wort Wechſel gebraucht
wird, um das Wechſelrecht geltend zu machen.
Wenn der Remittent dies anders wollte, ſo muͤßte
er das Wort Aſſignation gebraucht haben.
Hiezu koͤmmt, daß ein ſolcher Wechſel gewoͤhnlich
bald an einen dritten, durch eine auf der andern
Seite (in dorſo) des Papiers geſchriebene kurze
Formul uͤbertragen, das heißt indoſſirt wird,
und dadurch ein Dritter das Recht bekoͤmmt, auf
promte Wechſel-Zahlung zu dringen, den es gar
nicht kuͤmmert, und welcher gar nicht darauf zuruͤk-
[61]Cap. 6. Von den Wechſeln.
gewieſen werden darf, in welchem Verhaͤltnis der
Praͤſentant mit dem Traſſanten ſtehe, ſondern der
auf guten Glauben in deſſen Rechte getreten iſt.
§. 9.
Ein dritter Fall iſt, wenn ein Mann von einem
andern Geld aufnimmt, oder etwas kauft, und ihm
daruͤber einen Wechſel ausſtellt, der von ihm ſelbſt
zahlbar iſt, folglich ſeinen Namen als Acceptant
ſelbſt unterſchreibt. Dieſer Fall entſteht gewoͤhnlich,
wenn der Glaͤubiger dem Borgenden nicht trauet,
und ihn durch die Form des Wechſels ſtrenger binden
will, als er es durch bloſſe Schuld-Verſchreibung
tuhn kann. Solche Wechſel nennt man trokkene
oder eigne Wechſel (Cambio Secco). Bei
dieſen fehlt aller Grund des Wechſelrechts, und ſie
werden daher in den beſten Wechſel-Ordnungen we-
nig beſſer als bloſſe Obligationen geachtet, wenn ſie
gleich ſchon indoſſirt ſind. Indeſſen haben bis hieher
faſt alle bekannte Lehrbuͤcher vom Wechſelrecht ihre
Erklaͤrung von dieſem troknen Wechſel angefangen,
weil ihnen derſelbe einfacher als die uͤbrigen zu ſein
ſchien; ſie haben aber eben daher den Grund der
Sache ganz verfehlt.
[62]1. Buch. Vom Gelde.
Anmerkung.
So bekannt die gewoͤnlichen Formulare der
Wechſelbriefe ſind, ſo finde ich doch gerahten, von
allen drei Arten der Wechſel dieſelben anzuhaͤngen,
und ſie mit einigen Bemerkungen zu begleiten, um
inſonderheit meine Theorie von dem Grunde des
Wechſelrechts dadurch zu beſtaͤrken, von welcher mich
wundert, daß ſie den Herren Rechtsgelehrten ſo
wenig bisher einleuchten will. Einige derſelben
fuͤhren meine Abhandlung an, ſagen dennoch ganz
andere Dinge, und bleiben in dem gewoͤhnlichen
Gange, der bei den troknen Wechſeln anfaͤngt.
Zwei Monat nach Dato zahlen E. E. gegen
dieſen meinen prima Wechſel, an die Ordre von Herrn
Reinhold Meier, zwei Tauſend Gulden Banco, Va-
luta von demſelben, laut Advis von
Meinhard Muͤller.
An Herrn Liborius Schmidt
in Amſterdam
Dieſer Wechſel enthaͤlt in den kuͤrzeſten Aus-
druͤkken alles, was als Grund der ſtrengſten Wechſel-
[63]Cap. 6. Von den Wechſeln.
Verpflichtung gelten kann. Muͤller hat eine Schuld
(denn dies iſt die Vorausſezzung) des Schmidt an
Meier verkauft, das Geld dafuͤr empfangen, und ver-
langt nun von Schmidt, daß er das ihm ſchuldige
Geld an Meier, oder jeden andern, den dieſer in
ſeine Rechte ſezt, bezahlen ſoll. Schmidt kan bei
einer reellen Schuld nichts dawider haben. Nun ſezt
Meier auf der hintern Seite (in dorſo) den Namen
Samuel Schneider, wird der erſte Indoſſant und
ſchafft den erſten Indoſſaten, der, wenn Meier mit
dem Zuſaz: an die Ordre, indoſſirt hat, wieder
einen andern in ſeine Stelle ſezzen kann. Was
aus dem allen folge, iſt bereits in §. 5 und 6 geſagt.
In dieſem Wechſel hat allein ein vollkommener Tauſch
oder Wechſel der Schulden Statt, worin ohne Zwei-
fel die Benennung ſich gruͤndet.
Zwei Monat nach Dato zahlen E. E. gegen
dieſen meinen prima Wechſel, an die Ordre von Herrn
Hieronymus Dreier, zwei Tauſend Gulden Banco,
Valuta in Rechnung, und ſtellen es a Conto, laut
Advis von
Meinhard Muͤller.
An Herrn Stephan Pfeiffer
in Amſterdam.
[64]1. Buch. Vom Gelde.
Nun wohnt Dreier, der Praͤſentant, in Amſterdam.
Die Worte: Valuta in Rechnung, deuten auf
ein anderes Verhaͤltnis deſſelben gegen den Traſſan-
ten, als welches in dem erſten Wechſel durch die
Worte: Valuta empfangen, angedeutet ward.
Er hat nicht Valuta bezahlt, ſoll ſie aber berechnen,
wenn er ſie empfangen hat. Eben ſo deuten die
Worte: ſtellen es a Conto, auf ein anders
Verhaͤltnis zwiſchen dem Traſſanten und Acceptanten,
als welches man anzunehmen Grund hat, wenn es
ſchlechthin heißt: Sie zahlen. Man weiß nicht,
ob er ſein Schuldener iſt, oder auf Credit zahlen ſoll.
Es iſt klar, daß hier Traſſant und Remittent Eine
Perſon ſei, und daß der wahre Grund des Wechſel-
rechts fehle. Es ſollte auch nicht Wechſel, ſondern
Anweiſung oder Aſſignation heiſſen.
Nun aber iſt der Praͤſentant Dreier durch die
ſeinem Namen vorgeſezten Worte: an die Ordre,
in das Recht geſezt, die von dem Traſſaten zu lei-
ſtende Zahlung, an wen er will, zu verweiſen, und
wenn er dies durch ein zweites: an die Ordre, ge-
tahn hat, ſo wuͤrde es ein wunderliches Ding werden,
wenn die Rechte dieſes Indoſſaten ſchwaͤcher, als die
des Indoſſaten Schneider auf dem erſten Wechſel
ſein ſollten. Denn das Verhaͤltnis, unter welchem
der Wechſel ausgeſtellt iſt, ſei, welches es wolle,
ſo muͤßte es entweder beſtimmter ausgedruͤckt ſein,
[65]Cap. 6. Von den Wechſeln.
oder es muß alles dem vorigen gleich angenommen
werden. Des Indoſſaten Sache iſt es nicht, dies
zu unterſuchen, und dem zu Folge die mehrere
oder mindere Verbindlichkeit ſeiner Vormaͤnner zu
beurteilen.
Sechs Monat nach Dato zahle gegen dieſen
meinen Sola-Wechſel an Herrn Pancratius Neu-
mann, oder deſſen Ordre, Zwei Tauſend Sechzig Mark
Banko, Valuta von demſelben baar empfangen.
Ignatius Schumacher.
Acceptirt
Ignatius Schumacher.
Ein ſolches Papier hat nichts vom Wechſel in
ſich, als die Form, die ihm, ſo viel moͤglich, gege-
ben iſt, aber doch nicht ganz gegeben werden kann.
Denn der Name des Bezogenen ſteht nicht an ſeiner
Stelle. Schumacher hat nur 2000 Mk. bekommen,
hat ſich aber zu 3 p. C. Zinſen fuͤr die 6 Monat ver-
pflichtet, welche der Form halber 1) zu der Schuld-
Summe geſchlagen werden; weil im Wechſel von
keinen Zinſen die Rede ſein darf. 2) Schumacher
E
[66]1. Buch. Vom Gelde.
hat aber auch den Wechſel acceptirt. Denn er iſt es,
der bezahlen ſoll, und kein anderer, folglich Accep-
tant und Traſſant in Einer Perſon. 3) Er hat ihn
aber auch an die Ordre von ſeinem Creditor geſtellt,
und ihn dadurch in das Recht geſezt, die Schuld zu
uͤbertragen, an wen er will.
Aber aus dem Inhalt iſt Sonnenklar, daß hier
nichts mehr zum Grunde liege, als bei jeder andern
Anleihe, und daß kein Tauſch wechſelſeitiger Schulden
Statt habe, ſondern die Schuld des Schumacher
zugleich mit dem Wechſel entſtanden ſei. Der Glaͤu-
biger Neumann kann, wenn Schumacher nicht be-
zahlt, nicht ſagen: ich habe dir die Schuld eines
Dritten verkauft, und dieſe iſt mir nicht geliefert.
Auch kann der Dritte, an welchen Neumann den
Wechſel uͤbertraͤgt, nicht unwiſſend ſein, unter wel-
chem Verhaͤltnis der Wechſel ausgeſtellt ſei. Es
fehlt alſo auch der Grund, aus welchem jenem zwei-
ten Wechſel die Wechſelkraft gegeben werden mußte,
ganz und gar.
Es iſt alſo klar, daß man durchaus den verkehr-
ten Weg gehe, wenn man die Erklaͤrung des Wech-
ſelrechts von dieſen ſo genannten troknen Wechſeln
anfaͤngt, in welchen derſelbe ganz fehlt. Wer einen
Wechſel wirklich verkauft hat, kann, wie oben ge-
[67]Cap. 6. Von den Wechſeln.
ſagt, ſich, wenn derſelbe nicht bezahlt wird, nicht
hintennach entſchuldigen, daß er das Geld in ſeinem
Nutzen verwandt habe, und deswegen Aufſchub
bitten; denn dazu war es ihm nicht gegeben. Dies
kann aber der tuhn, welcher Geld von einem andern
zu Borge nimmt, und muß damit gehoͤrt werden.
So muß es auch billig der, welcher uͤber ſein er-
borgtes Geld einen Wechſel ausſtellt. Eben deswe-
gen wird auch bei trokkenen Wechſeln die Bewilligung
des Aufſchubs oder der Prolongation von Seiten des
Glaͤubigers ſo ſehr gewoͤhnlich, welche durchaus
wider die Natur eines wahren Wechſels iſt, wie ich
bald zu zeigen Gelegenheit haben werde.
Es iſt wahr, der Ausſteller eines ſolchen trokke-
nen Wechſels mußte wiſſen, was er taht, als er ſtatt
einer gemeinen Verſchreibung eine ſolche ausſtellte,
welcher er durch die Worte: Wechſel, und an die
Ordre, und die Unterſchrift ſeiner Acceptation die
Form eines Wechſels gab. Es iſt klar, und darauf
ſieht nun der Juriſt ganz, daß er eingewilligt habe,
einen andern Contract mit ſeinem Glaͤubiger einzu-
gehen, als den, welcher bei einer gemeinen Schuld-
Verſchreibung Statt hat; und ich raͤume ein, daß er
nach dieſer ſeinem Contract gegebenen Form gerichtet
werden koͤnne. Aber wer wird jemals aus einer
Form die Materie beurteilen und erklaͤren, zumal
E 2
[68]1. Buch. Vom Gelde.
dann, wenn es ſo klar iſt, wie hier, daß die Form
der Sache blos durch eine gewiſſe Accommodation ge-
geben ſei? Man muß doch immer vorher die Sache
ſelbſt gruͤndlich kennen und beurteilen, ehe man die
Form und deren moͤgliche Accommodationen beurtei-
len kann. Das aber fehlt ganz in allen juriſtiſchen
Lehrbuͤchern vom Wechſelrecht, ſo viel ich deren bis-
her kenne.
Indeſſen erklaͤre ich mich hiedurch keinesweges
gegen den Gebrauch der troknen oder eignen Wechſel
in der Meßhandlung. Die Meßwechſel koͤnnen die
Stelle der gezogenen Wechſel auf eine Art vertreten,
deren andere trokne Wechſel durchaus unfaͤhig ſind;
und die Accommodation der Form iſt bei ihnen viel
natuͤrlicher, als bei bloſſen Geld-Anleihen. Dem
Kaufmann, welcher von Einer Meſſe zur andern
Schuldner eines andern Kaufmanns wird, muß es
frei ſtehn, daß er ſich durch ſeine Acceptation zur
Bezahlung ſeiner Schuld eben ſo pflichtig mache, als
derjenige, welcher einen auf ihn gezogenen Wechſel
in andern Verhaͤltniſſen acceptirt. Daher kann dann
auch ein ſolcher Wechſel fuͤglich indoſſirt werden,
wenn der Eigener deſſelben glaubt, ſich der Gefahr
ausſezzen zu koͤnnen, daß er, im Fall der Nichtbe-
zahlung von dem Ausſteller, ſelbſt Wechſelſchuldner
wird. Alle Indoſſaten ſehen auf den Ausſteller zu-
[69]Cap. 6. Von den Wechſeln.
ruͤk, als einen Mann, der ſchuldig geworden iſt um
zu gewinnen, nicht um einer einſtweiligen Verlegen-
heit abzuhelfen, welches bei andern troknen Wech-
ſeln der gewoͤhnlichſte Fall iſt.
§. 10.
Faſt alle Wechſel werden an die Ordre des
Praͤſentanten geſtellt, und ihm wird dadurch das
Recht gegeben, die Schuld, welche er vom Acce-
ptanten zu fodern hat, an einen andern, dem er ſchul-
dig iſt, oder der ihm das Geld vor der Verfall-Zeit
bezahlt, uͤberzutragen. Dies geſchieht durch das ſo
genannte Indoſſament, oder folgende auf dem Ruͤk-
ken des Wechſels geſchriebene Worte: fuͤr mich an
die Ordre des Herrn N. N. Dieſer heißt nunmehr
der Indoſſat, kann aber auch wieder Indoſſant
werden, weil das Indoſſament an ſeine Ordre
lautet. Der lezte Indoſſat fodert am Verfalltage
das Geld von dem Acceptanten ein. Bezahlt dieſer,
ſo wird der Wechſel in ſeinen Haͤnden gelaſſen, und
das Geſchaͤfte iſt ganz beendigt.
§. 11.
Bezahlt er aber nicht, ſo entſteht dem lezten In-
doſſaten das Recht, die ihm mangelnde Zahlung von
dem, der an ihn indoſſirt hat, aufs ſtrengſte zu fo-
dern. Dieſer Indoſſant iſt in eben dem Fall mit
[70]1. Buch. Vom Gelde.
dem, der vor ihm ſteht, bis zu dem Remittenten
und Traſſanten hinaus. Bei dem leztern befindet
ſich die Valuta fuͤr den gekauften Wechſel. Da nun
alle einer dem andern gehalten ſind zu bezahlen, ſo
hat der lezte Indoſſat das Recht, denjenigen auszu-
waͤhlen, von welchem er glaubt, das Geld am er-
ſten zu bekommen. Gewoͤhnlich aber geht er an den
Remittenten oder den Traſſanten zuruͤk, behaͤlt ſich
aber ſein Recht an die uͤbrigen vor.
Anmerkung.
Dies iſt einer von den verwikkelteſten Faͤllen im
Wechſelrecht. Da der lezte Indoſſat ein gleiches
Recht an alle ſeine Vormaͤnner, und, wenn ſie alle
inſolvent werden, an ihrer aller Fallit-Maſſen hat,
ſo kann es dahin kommen, und bei der Handels-
Zerruͤttung im J. 1763 kam es wirklich dahin, daß
mancher derſelben am Ende mehr empfaͤngt, als den
Belauf ſeiner Foderung. Aber um dieſem Fall vor-
zubeugen, muͤßten Verordnungen gemacht werden,
welche am Ende unausfuͤhrbar ſein wuͤrden. In
den Zuſaͤzen wird ſich der Ort finden, dies umſtaͤndlich
aus einander zu ſezen.
§. 12.
Die Friſt zwiſchen der Ansſtellung des Wechſels
und deſſen Zahltage macht es moͤglich, daß derſelbe
[71]Cap. 6. Von den Wechſeln.
durch wiederholtes Indoſſiren zwiſchen mehrern an
ganz verſchiedenen Orten wohnenden Kaufleuten cir-
culiren, oder, wie der gewoͤhnliche Ausdruk iſt,
giriren kann, welche ſich dadurch einer nach dem an-
dern fuͤr bezahlt halten in der Vorausſezzung, daß
der Bezogene ihn am Verfalltage dem lezten Indoſſa-
ten bezahlen werde. Dieſes Giriren wuͤrde nicht
Statt haben, wenn es allererſt ſeinen Anfang naͤhme,
nachdem der Wechſel von demſelben acceptirt iſt.
Fuͤr dieſe Acceptation muß indeß zu gehoͤriger Zeit
geſorgt werden. Dies geſchieht, indem ein zweites
Exemplar deſſelben an den Ort der Zahlung verſandt
wird. Es muß aber auf dem zum giriren beſtimm-
ten Exemplar bemerkt werden, an wen es verſandt
ſei, um die Acceptation zu beſorgen, welches durch
den Ausdruk geſchieht: Prima oder Secunda
(denn dies iſt gleichguͤltig) zur Acceptation bei
N. N. Bei dieſem fodert der lezte Indoſſat, mit
Vorzeigung des an ihn indoſſirten Exemplars, das
acceptirte ab, und kann nur auf Vorzeigung beider
die Zahlung verlangen. Der, welcher die Accepta-
tion beſorgt hat, iſt nicht befugt die Zahlung zu ver-
langen, kann aber gar wol bevollmaͤchtigt werden,
auf die gerichtliche Niederlegung oder Depoſition
von deſſen Valuta zu dringen, falls das girirende
Exemplar uͤber den Verfalltag ausbleibt. Doch iſt
[72]1. Buch. Vom Gelde.
kein Indoſſament guͤltig, welches nach dieſem Tage
noch auf den Wechſel geſchrieben wird.
§. 13.
Die Erklaͤrung, daß und von wem man die Zah-
lung des Wechſels vergebens geſucht habe, geſchieht
durch eine, von einem Notarius aufgeſezte Acte, der
Proteſt genannt. Dieſe wird hauptſaͤchlich noht-
wendig um darzutuhn, daß bei der Cinfoderung der
Valuta nichts von dem lezten Inhaber verſehen oder
verſaͤumt ſei. Denn, weil alles aufs ſtrengſte nach
dem Buchſtaben des ſo kurz ausgedrukten Wechſels
gehen muß, ſo haftet der Ausſteller nicht mehr fuͤr
denſelben, wenn der lezte Inhaber nur Einen Tag
zu ſpaͤt denſelben eingefodert hat. Eben dieſer Pro-
teſt enthaͤlt auch die Urſache, warum die Accepta-
tion, oder nach geſchehner Acceptation die Bezahlung
nicht Statt gehabt hat. Dieſe Urſache mag lauten,
wie ſie will, und ein noch ſo nichtiger Vorwand auf
Seiten des Acceptanten ſein, ſo nimmt der lezte
Inhaber ſich deſſen nicht an, um etwa deſſen Unguͤl-
tigkeit zu beweiſen und die Bezalung einzutreiben,
ſondern ſucht nun derſelben durch einen andern
Wechſel nach, den er auf einen ſeiner Vormaͤnner
zieht, und deſſen Belauf er um ſo viel erhoͤhet, daß
er demſelben die Zinſen wegen nun ſpaͤter erfolgen-
der Bezahlung, die Koſten des Proteſts, ja ſelbſt
[73]Cap. 6. Von den Wechſeln.
das Brief-Porto zur Laſt bringt. Ein ſolcher Wech-
ſel heißt Ruͤkwechſel oder Ricambio, welcher,
wie man ſieht, nicht anders Statt hat, als in Folge
eines ruͤkgaͤngig gewordenen Wechſelgeſchaͤftes. Es
iſt alſo ein leeres und von Unwiſſenheit der Sache
zeugendes Geſchwaͤz, wenn diejenigen, welche den
Urſprung der Wechſel von der Vertreibung der Juden
aus Frankreich herleiten, ihnen insbeſondere die Er-
findung des Ruͤkwechſels zuſchreiben. Denn geſezt,
ein aus Frankreich nach Italien oder Spanien entwi-
chener Jude haͤtte es noch moͤglich zu machen gewußt,
ſein dort hinterlaſſenes Geld durch Wechſel von einem
zuverlaͤſſigen Freunde einzuziehen, wie haͤtte er in
ſeiner bedraͤngten Lage einen Ruͤkwechſel rechtskraͤftig
machen koͤnnen, wenn es mit dem erſten Wechſel
nicht richtig ging? Oder, wenn der Bezogene in
Frankreich ihn betrog, und dann ein Ruͤkwechſel auf
ihn in Italien enſtand, ſo war es ja nicht ſeine
Erfindung, ſondern ein fuͤr ihn ſehr verdrieslicher
Vorfall.
§. 14.
Die Weite des Weges, in welchem die Wechſel
verſandt werden, und die Ungewisheit derer Zufaͤlle,
die mit demſelben vorgehen koͤnnen, wie auch die
Nohtwendigkeit, einem Kaufmann zur Bezahlung
eine billige Zeit zu laſſen, beſtimmen das ſogenannte
[74]1. Buch. Vom Gelde.
Uſo oder die Friſt zwiſchen dem Tage der Ziehung
und dem der Zahlung des Wechſels. Die gewoͤnliche
Zeit iſt 2 Monat, und fuͤr entferntere Gegenden
groͤſſer, z. B. zwiſchen Hamburg und Spanien oder
Portugal 3 Monat, welches 1½ Uſo bei dieſen Wech-
ſeln heißt. Von Hamburg auf England gelten
2 Monat, und heiſſen hier 2 Uſo; von England
auf Hamburg aber 2½ Monat oder 2½ Uſo. In
Wechſeln von der Oſtſee her wird die Friſt nach Tagen
(67 oder 70) beſtimmt. Bei Wechſeln, welche in
entfernte Weltteile uͤbers Meer gehen, iſt die Friſt
6 und mehr Monate, und beſtimmt ſich uͤberhaupt
der Zeit gemaͤß, fuͤr welche man es als gewis an-
nehmen kann, daß der Wechſel, wenn er nicht ganz
verloren geht, anlangen muͤſſe. Aber eben moͤgli-
cher Unfaͤlle halber hat man uͤbers Meer hin an 2
Exemplaren nicht genug, ſondern ſendet noch ein
Drittes oder Tertia, alle auf verſchiedenen Schiffen.
§. 15.
Teils um der Verzoͤgerungen willen, welche die
Anlangung des girirenden Wechſels ſpaͤter, als den
Verfalltag aufhalten koͤnnen, teils um dem Bezoge-
nen noͤtigen Falls einen kleinen Aufſchub zu erlau-
ben, ſind durch Gewohnheit und ſpaͤterhin durch Ge-
ſezze einige Tage uͤber den Verfalltag erlaubt, um
welche der Bezogene mit der Zahlung zoͤgern darf,
[75]Cap. 6. Von den Wechſeln.
nach deren Ablauf aber mit aller Strenge des Wech-
ſelrechts angegriffen werden muß. Dieſe Tage
heiſſen die Reſpit-Tage. Kruſe giebt in ſeinem
Kontoriſten bei den meiſten Wechſel-Plaͤzzen an,
wie viel deren geſezmaͤſſig ſind. In Hamburg gelten
deren 11, in London nur 4. Es iſt zutraͤglich und
zwekmaͤſſig, wenn deren nicht zu wenige ſind. Denn
weil kein Proteſt uͤberhaupt in chriſtlichen Staaten
an Sonntagen, von Juden aber nicht an Sonn-
abenden, genommen werden kann, beide heilige Tage
aber in die Reſpit-Tage mitgerechnet werden, ſo
nimmt der Jude in England, wenn der Wechſel an
einem Mittwochen verfallen iſt, den Proteſt ſchon
am Freitage. Wenn nun eine kleine Irrung die
Bezahlung aufhaͤlt, ſo fehlt die Zeit, um derſelben
abzuhelfen, und der Proteſt erfolgt zu ſchnell.
§. 16.
Es iſt nicht gewoͤhnlich groſſe Summen auf kurze
Friſt zu ziehen. Denn nicht jeder Kaufmann kann
zu ſolchen Raht ſchaffen, ſondern bedarf Zeit, um
fuͤr viele auf ihn laufende Wechſel die noͤtige Diſpo-
ſition zu machen. Zudem ſind dieſe Wechſel bedenk-
lich. Wer auf Sicht traſſirt, giebt dem Inhaber
des Wechſels das Recht, die Bezahlung zu fodern,
wenn er will, und haftet ihm folglich auf eine un-
beſtimmte Zeit dafuͤr. Wenn er nun mittlerweile
[76]1. Buch. Vom Gelde.
dem Bezogenen deſſen Valuta remittirt hat, und
dieſer bricht, bevor der Inhaber die Bezahlung hebt,
ſo iſt er dieſem noch immer gehalten.
Wenn indeß ein Kaufmann nicht umhin kann,
einen groſſen Wechſel auf Sicht auszuſtellen, ſo
macht die Vorſicht folgendes Verfahren rahtſam: Er
gebe nur Ein Exemplar des Wechſels an den Kaͤufer
deſſelben, und ſende ein Zweites an den Ort des
Bezogenen zur Beſorgung der Acceptation irgend
einem Correſpondenten zu. Hat er nun nicht auf
Credit gezogen, ſondern die Valuta dem Bezogenem
eingeſandt, oder iſt dieſer ſonſt ſein Schuldener, ſo
praͤſentirt der Correſpondent dieſem den Wechſel zur
Acceptation. Gewoͤhnlich werden ſolche Wechſel von
kurzer Friſt auf einige Tage nach Sicht ge-
ſtellt. Erſcheint nun der Inhaber des Hauptwech-
ſels nicht vor deren Ablauf, ſo iſt der Correſpondent
befugt, die Depoſition der Valuta von dem Bezo-
genen zu verlangen, und dieſer darf ſich deren nicht
weigern. Denn er hat den Wechſel geſehen und
acceptirt.
Anmerkung.
Wie noͤtig dieſe Vorſicht ſind, beweiſt folgender
Vorfall. Ein Mann reiſete vor nicht gar vielen
Jahren durch Hamburg nach Kopenhagen, in der
[77]Cap. 6. Von den Wechſeln.
Abſicht, um von dort nach Oſtindien zu gehen. Er
fuͤhrte einige Tauſend Tahler mit ſich, gab ſie einem
hieſigen Kaufmann, und nahm einen Wechſel auf
Sicht, in Kopenhagen zahlbar. Der Hamburger
remittirte die Valuta ſehr bald nach Kopenhagen,
wohin aber der Fremde nicht kam, weil er in Roſkild
erfuhr, daß das Schiff ſchon bei Helſingoͤr liege.
Nun brach eine Zeitlang nachher der Kopenhagener.
Jener Fremde kam nach zwei Jahren aus Indien
mit ſeinem Sichtwechſel zuruͤk; und nun mußte der
Hamburger bezahlen. Denn der Wechſel lautete auf
Sicht, und dieſe Sicht hatte bis dahin nicht Statt
gebabt.
§. 17.
In kleinern Weiten, wohin der Wechſel bald
kommen kann, laͤßt das Uſo eine Friſt uͤbrig, welche
dem Inhaber des Wechſels oft zu lang wird. Er
ſucht ihn alſo entweder in Bezahlung einer Paſſiv-
Schuld anzubringen, oder er ſucht Vorſchuß der
Summe bei einem geldreichen Mann, oder bei einem
Kaufmann, der um eben die Zeit ſein Geld bloß ſtehen
hat. Es verſteht ſich, daß in lezterem Fall fuͤr die
Zeit, die der Wechſel zu laufen hat, Zinſen berech-
net werden. Dieſe Zinſen heiſſen der Diſcont,
und werden von dem Vorſchuß abgezogen.
[78]1. Buch. Vom Gelde.
Anmerkung.
Es iſt noch nicht gar lange, da ein Kaufmann
es als ſeinem Credit ſchaͤdlich anſah, wenn er einen
Wechſel diſcontiren ließ, und ihn deswegen gewoͤhn-
lich bis zur Verfallzeit aufbewahrte, nachdem er
acceptirt war. Man indoſſirte nur an ſolche, mit
welchen man in Rechnung ſtand, und alſo durch dies
Indoſſament irgend eine Schuld liquidiren konnte.
Aber ſeit funfzig Jahren iſt die Handlung uͤberall ſo
lebhaft geworden, daß auch der ſolide Kaufmann
fuͤr jeden Tag es als Verluſt anſieht, wenn ſein
Geld muͤſſig ſteht. Das Diſcontiren der Wechſel iſt
alſo ein ſehr gewoͤhnliches Geſchaͤft der Reichen, die
von Zinſen leben, und ſelbſt des Kaufmanns gewor-
den, wenn er in dem Gange ſeiner nicht immer gleich
lebhaften Handlung von Zeit zu Zeit Geld muͤſſig
ſtehen hat. Einige Zettelbanken, z. B. die in Lon-
don, machen ein Hauptgeſchaͤfte daraus.
Der Diſcont richtet ſich 1) nach der Menge der
Wechſel, fuͤr welche derſelbe geſucht wird. In Ham-
burg war er im Jahre 1763 auf 12 p. C. geſtiegen,
iſt aber ſeitdem oft auf 2½ geſunken. 2) Nach der
anſcheinenden Sicherheit der Wechſel, die ſich teils
auf die Vielheit der Indoſſaten, teils auf deren an-
genommenen Credit gruͤndet. Doch wagt es ein
Diſcontent bei vielen Indoſſaten, deren keinem allein
[79]Cap. 6. Von den Wechſeln.
er trauen wuͤrde, fodert aber einen ſo viel hoͤhern
Diſcont.
Dieſer Diſcont wird aufs Jahr zu 360 Tagen ge-
rechnet, wenn man z. B. ſagt, er ſei 4 p. C.; und
die Rechnung wird dann auf die Zahl der Tage ge-
macht, welche der Wechſel noch zu laufen hat.
Man hat beſondere zur Erleichterung dieſer Rech-
nung dienende Tabellen.
Ein kleiner Vorteil des Diſcontenten liegt darin,
daß das Jahr nur zu 360 Tagen angenommen wird;
ein zweiter iſt, daß er den Diſcont ſchon bei der Be-
zahlung der Valuta abrechnet.
§. 18.
Dieſer Diſcont verſtekt ſich in dem Preiſe eines
jeden Wechſels, welcher einige Zeit zu laufen hat.
Z. E. wenn der Curs zwiſchen Hamburg und Am-
ſterdam auf Sicht Pari d. i. ohngefaͤhr 33⅜ Stuͤ-
ber fuͤr 2 Mk. Bco iſt, ſo muß er in Hamburg bei
Wechſeln auf 2 Monat 33⅝ Stuͤber ſein. Denn es
iſt billig, daß derjenige, welcher mir mein ihm ge-
zahltes Bco. Geld mit hollaͤndiſchem Gelde verguͤten
will, das allererſt nach 2 Monaten zu empfangen
iſt, mir deſſen mehr geben muͤſſe, als derjenige,
deſſen Geld ſchon am naͤchſten Poſttage in Amſter-
[80]1 Buch. Vom Gelde.
dam faͤllig iſt. Oder, wenn in Amſterdam ein
Wechſel auf Hamburg gekauft wird, und auf Pari
d. i. 332/8 Stuͤber fuͤr 2 Mk. Banco auf Sicht ſteht,
ſo werde ich, wenn die 2 Mk. erſt in 2 Monaten zu
haben ſind, nicht das Pari, ſondern wenigſtens
¼ Stuͤber weniger, folglich nur 33⅛ Stuͤber dafuͤr
bezahlen. Wenn ſich nun gleich in Staaten, die
viele Handlung mit einander haben, der Wechſel-
Curs fuͤr Wechſel auf Sicht auf einerlei Zahlen ſtellt,
ſo muͤſſen die Zahlen des Curſes fuͤr laͤnger laufende
Wechſel an beiden Orten verſchieden ſein. Z. E. in
Hamburg legt der Verkaͤufer des Hollaͤndiſchen Wech-
ſels ¼ Stuͤber zum Pari zu, und in Holland zieht
der Kaͤufer des Hamb. Wechſels ¼ Stuͤb. vom Pari
ab, weil die Hamb. Valuta die feſte iſt, gegen welche
die Hollaͤndiſche als veraͤnderlich berechnet wird. Da-
gegen iſt in dem Curs zwiſchen England und Hamb.
die Engliſche Valuta 1 Pf. Sterl. die feſte. Hier
zieht der Kaͤufer des Engliſchen Wechſels an dem in
Bco. berechneten Preiſe des Pf. Sterl. ab, und in
London giebt der Verkaͤufer des Hamb. Wechſels
etwas mehr Hamb. Banco-Geld fuͤr 1 Pf. Sterl.
Z. E. am 11ten Octbr. 1783 konnte in Hamburg
1 Pf. Sterl. fuͤr 32 Schill. Fl. gekauft werden. In
London aber wurden 32 Schill Fl. 8 Gvl. gvl. fuͤr 1 Pf.
Sterl. verkauft. Lteſſen ſich Wechſel von Hamburg
auf London auf Sicht ziehen, ſo wuͤrde der Curs
[81]Cap. 6. Von den Wechſeln.
derſelben ungefaͤhr im Mittel, d. i. auf 32 ßvl.
4 gvl. geſtanden haben.
Anmerkung.
Der Ausdruk, fe ſte Valuta, bedarf einer Erklaͤ-
rung. In dem Wechſelhandel zwiſchen zwei ver-
ſchiedenen Staaten wird der Curs in Zahlen be-
ſtimmter Benennungen behandelt, die eigentlich nur
Verhaͤltniszahlen ſind. Z. B. wenn der Hollaͤndiſche
C[u]rs auf 32 Schill. Hamb. Banco fuͤr 33⅓ Stuͤb.
Bco. ſteht, ſo ſind dies Verhaͤltnis-Zahlen, nach
welchen nun jede Wechſel-Summe berechnet wird.
Nun iſt in Holland, wie in Hamburg, die erſte Zahl
32 Schill. oder 2 Mk. Bco die unveraͤnderliche,
gegen welche jene ſteigt und faͤllt. In den Curſen
zwiſchen England und Hamburg, wie auch Holland,
iſt das Pfund Sterling die unveraͤnderliche Groͤſſe,
gegen welche das Hamburgiſche und Hollaͤndiſche Geld
ſteigt und faͤllt. Wenn dies anders waͤre, ſo wuͤrde
die Berechnung der Wechſel noch viel verwikkelter
werden, als ſie wirklich ſchon iſt Nur in den
Curſen zwiſchen Hamburg und Paris hat eine Ab-
weichung von dieſer Regel Statt. In Hamburg iſt
die feſte Valuta der kleine Thaler von 3 Livres
unter der Benennung der Krone; in Paris aber ſind
es 100 Mk. Banco. Doch hat zwiſchen Hamburg
und Bourdeaux dieſes nicht Statt, ſondern der kleine
F
[82]1. Buch. Vom Gelde.
Thaler iſt an beiden Orten die feſte Valuta. In
Hamburg fragt man im Wechſelhandel: Wie viel
Schillinge Banco giebſt du mir fuͤr einen kleinen
Tahler zahlbar in Frankreich? und in Bourdeaux:
wie viel Schillinge Banco zahlbar in Hamburg giebſt
du mir fuͤr eben dieſen kleinen Tahler? In Paris
aber, wie viele Livres fuͤr 100 Mk. Bco.?
§. 19.
Auf den Diſcont und die Leichtigkeit Wechſel zu
diſcontiren gruͤndet ſich die Wechſelreuterei.
Eine kurze Vorſtellung davon ſei dieſe:
A. in Hamburg hat nicht perſoͤnlichen Credit
genug, um Geld auf eine gewoͤhnliche Schuld-Ver-
ſchreibung zu leihen. Er zieht alſo einen Wechſel
von 100 Pf. Sterl. auf B. in London, einen Kauf-
mann, der hier mehr Credit, als er ſelbſt, hat. Er
verkauft dieſen Wechſel zu 34 ßvl. 8 gvl. den 17. Octob.
dieſes Jahrs an C. in Hamburg, der ihm alſo 1300
Mk. Bco. bezahlt. Dieſer ſchikt ihn an D. in Lon-
don, der ihn den 17ten Decbr. von B. eincaſſirt.
B. der alſo gegen den 17ten Decbr. Geld haben muß,
traſſirt vor dieſer Zeit wieder auf A. einen Wechſel
von etwas mehr als 1300 Mk. Bco., um ihn fuͤr
100 Pf. Sterl. zu verkaufen, und den Diſcont, der
in dem Wechſel-Curs ſtekt, wie eben gezeigt iſt, ein-
zuholen. Leute, die zu vorſichtig geweſen ſein wuͤr-
[83]Cap. 6. Von den Wechſeln.
den, um dem A. allein zu leihen, oder andre, die
ihr Geld in ihren Geſchaͤften benuzzen und gerade
um dieſe Zeit einen Wechſel auf London noͤtig haben,
werden es wagen, einen ſolchen Wechſel zu kaufen,
weil ſie durch das Wechſelrecht an B. und A. beide
ſich halten koͤnnen. Aber um den Credit zu ver-
groͤſſern, ſezen ſich mehrere in ſolche Verbindung,
und indoſſiren dergleichen Wechſel, um den Diſcon-
tenten mehrere Debitores darzuſtellen. Dem erſten
Anſchein nach verliert der Wechſelreuter nur den
Diſcont. Aber, wenn er alle mit einem ſolchen Ge-
ſchaͤfte verbundene Koſten an Wechſel-Commiſſion,
Curtage, Brief-Porto u. d. gl. berechnet, ſo koſtet
es ihm wenigſtens noch 4 p. C. mehr. Ein ſolcher
Betrieb kan alſo nur ſo lange beſtehen, als mit dem
auf dieſe Art an ſich gebrachten Gelde Geſchaͤfte be-
trieben werden, welche ſo viel abwerfen, daß der
Diſcont und dieſe Koſten damit gewonnen werden,
und noch einen Ueberſchuß laſſen, wovon die Wech-
ſelreuter einer und alle leben koͤnnen. Dies aber
hat in den jezigen Umſtaͤnden der Handlung ſelten
Statt. Daher iſt Wechſelreuterei gewoͤhnlich das
Vorſpiel von Bankerotten, und zwar um ſo viel ge-
wiſſer, weil der Bruch eines einzelnen in dieſer
Kette, wenn es dieſem nicht gelingt, mehr als die
Koſten der Wechſelreuterei in ſeinem Gewerbe zu ge-
winnen, die uͤbrigen in ſolchen Verluſt ſezt, den ſie
F 2
[84]1. Buch. Vom Gelde.
nicht aushalten koͤnnen, weil auch ihr Gewinn
ſchwerlich ſehr hoch uͤber jene Koſten geſtiegen ſein
kann, wenn ſie gleich bis dahin gluͤklich geweſen ſind.
Anmerkung.
Ich behalte mir vor, in den in der Vorrede ver-
ſprochenen Zuſaͤzzen zu dieſem Buche eine Berech-
nung beizubringen, aus welcher ſich natuͤrlich erge-
ben wird, wie koſtbar, und folglich wie gefaͤhrlich die
Wechſelreuterei ſei. Solche Rechnungen ſind durch-
aus noͤtig, um den jungen Mann, der ſich der Hand-
lung widmet, zeitig davor zu warnen. Denn ein
ſolcher kann auf dem Comtoir eines Wechſelreuters
Jahrelang dienen und in die Meinung geſezt werden,
ſein Principal mache groſſe gewinnvolle Wechſel-
Geſchaͤfte, wenn ſie gleich keinen andern Zwek haben,
als fremdes Geld ſo lange zu benuzzen, als er kann,
bis ſich das Spiel mit einem Bankerott endigt.
Das ſchlimmſte iſt, das der Wechſelreuter ſeinen
Verluſt nicht voraus wiſſen kann. Er muß ſich den
Diſcont und die Wechſelcurſe gefallen laſſen, wie ſie
laufen. Durch leztere kann ihm zwar auch Vor-
teil jentſtehen. Aber er iſt doch nimmer davon gewis,
und ſelbſt viele Wechſelreuterei verſchlimmert den Curs.
Von der Wechſelreuterei iſt ein uͤberlegtes hin-
und wieder traſſiren auf Credit ſehr zu unterſcheiden,
ohne welches die Banker ihre Geſchaͤfte gar nicht
[85]Cap. 6. Von den Wechſeln.
treiben koͤnnen. Auch gehoͤrt nicht das traſſiren
eines ſchwaͤchern Kaufmanns auf den maͤchtigern
hieher, der ihm dieſes aus Freundſchaft erlaubt, um
in reellen Geſchaͤften ſich noͤtigenfalls zu Gelde zu
helfen; auch nicht eine gegruͤndete Wechſel-Specu-
lation, die inſonderheit bei dem Handel mit rohem
Silber oder Golde Statt hat. Von allem dieſen be-
halte ich mir vor, in den Zuſaͤzzen zu ſeiner Zeit
Beiſpiele und Erlaͤuterungen zu geben.
§. 20.
In jedem Wechſel, der uͤber die Grenzen eines
Landes geht, wo ſich die Muͤnzen veraͤndern, wird
eine Rechnung uͤber das Geld noͤtig, welches fuͤr
den Wechſel am Ort der Ausſtellung zu zahlen iſt.
Dieſe Rechnung hat eben die Gruͤnde, nach welchen
der Wehrt verſchiedner in Einem Orte curſirender Geld-
muͤnzen verglichen wird. Z. E. ein Hamb. Bco.
Rthlr. hat 528 Aſen und ein Curant-Tahler 429 Aſen,
folglich muß ich von dieſen 123 Stuͤk haben, um
eben ſo viel Silber zu bekommen, als in 100 Tahlern
Banco iſt.
Nach eben dieſen Gruͤnden wuͤrde ich eine in Ko-
penhagen auf Wechſel (aber in baarem groben Curan-
ten Gelde) zu hebende Schuld von 123 Tahlern mit
100 Tahlern Bco. bezahlen. Aber auch dann,
[86]1. Buch. Vom Gelde.
wenn die Benennungen und der Gehalt der Muͤnzen
des Landes, auf welches der Wechſel geht, verſchie-
den ſind, muß ich nach eben dieſem Grunde rechnen.
Z. E. 1 Fl. Hollaͤndiſch Curant hat 200 Aſen, ein
Mark Bco. 176, folglich muß ich 105 Fl. fuͤr 120
Mk. Bco. haben. Dieſe Gleichheit des Gehalts
der in Wechſel-Geſchaͤften mit einander zu verglei-
chenden Muͤnzen, nennt man das Wechſel-Pari.
Wenn die Wechſel in klingender Muͤnze eines Landes
bezahlt werden, ſo muß dieſes Pari zuvoͤrderſt aus
den Muͤnz-Ordnungen deſſelben herausgerechnet
werden. Dann hat auch die Berechnung des Wech-
ſel-Pari nicht mehr Schwierigkeit, als wenn das
auslaͤndiſche Geld zur Stelle waͤre, um gegen das
inlaͤndiſche verwechſelt zu werden. Ich muß nur
unterrichtet ſein, ob ich daſſelbe fuͤr vollhaltig und
dem Muͤnzfuß des Landes gemaͤß annehmen duͤrfe,
und ob die Bezahlung in Gold- oder in Silber-
muͤnze dort zur Stelle Statt habe. Geſchieht ſie
ganz oder zum Teil in einem und dem andern, ſo
muß ich auf die Muͤnze desjenigen Metalls hinaus-
rechnen, welche in jenem Lande zu einem verhaͤlt-
nismaͤſſig hoͤhern Wehrt geſezt iſt. Denn Eines
Teils wird in dieſem am liebſten bezahlt; andern
Teils iſt das zu ſchlecht angeſezte Metall dort bald
ausgewippt, und wird uͤberhaupt ſelten. So ſollte
z. B. der Curs von Hamburg auf die Oeſterreichiſchen
[87]Cap. 6. Von den Wechſeln.
Staaten, nach dem Silber berechnet, etwa 145 pr. C.
ſein. Als aber Joſeph II. die Goldmuͤnzen erhoͤhete,
und dem Ducaten den Wehrt von 3 Tahlern gab,
welchen er im Preuſſiſchen gegen das dort ſo viel
ſchlechtere Silbergeld hat, ſank der Curs ſehr bald
uͤber 150 p. C. hinaus, und iſt ſeit jener Zeit unge-
faͤhr ſo verblieben.
§. 21.
Aber in den meiſten handelnden Staaten geht
die Rechnung in Wechſelgeſchaͤften auf ein Geld, das
in keiner Muͤnze exiſtirt. Dies entſteht natuͤrlich,
wenn ein ſolcher Staat eine Giro-Bank hat, deren
Geld wenig oder gar nicht in die Circulation koͤmmt,
folglich ſich mit der Zeit mehr und mehr von dem in
dem taͤglichen Umlauf ſich abnuzenden Gelde unter-
ſcheidet, und ſo zu reden, losreißt. Bei einigen
dieſer Banken ward dies ausdruͤklich zur Abſicht ge-
ſezt, und deswegen das Geld der Bank urſpruͤnglich
von dem Curantgelde des Staats durch ein Agio un-
terſchieden. Wie durch eine Folge wol uͤberlegter
Umſtaͤnde es mit der Hamburgiſchen Bank dahin ge-
kommen ſei, daß jezt deren Geld eine unveraͤnder-
liche Silbermaſſe, nemlich 24/221 einer Mark fein iſt,
habe ich Cap. 5. §. 7. erlaͤutert.
Aber in vielen Wechſelplaͤzzen geſchieht etwas
[88]1. Buch. Vom Gelde.
dem aͤhnliches, wenn gleich ſie keine Bank haben.
Man geht daſelbſt in den Wechſeln von dem umlau-
fenden Gelde ab, und gibt dem Wechſelgelde Be-
nennungen, die in dem Muͤnzfuß eben deſſelben
Staates gar nicht vorkommen, deren Belauf aber
aus dem Curantgelde des Staats oder dem dort vor-
kommenden Gelde anderer Staaten, in welchem die
baaren Zahlungen geleiſtet werden, berechnet werden
muß. So rechnet z. B. Livorno nach Pezze d’Otto,
und zahlt in Florentiniſchen und fremden Goldmuͤn-
zen nach dem Gewigt. Das Reſultat ſolcher Be-
rechnungen gibt Kruſe auf der erſten Tabelle mit
einer vorzuͤglichen Genauigkeit an. Das, worauf
ſich dieſe Berechnungen gruͤnden, laͤßt ſich in denen
Artileln ſeines Buches nachſehen, welche von denen
Handelsplaͤzen handeln, die dieſes Wechſelgeld an-
genommen haben. Ich werde in den mir vorbehal-
tenen Zuſaͤzzen einzelne dieſer Berechnungen ganz
darſtellen, welche nicht allerdings leicht ſind. Darin
liegt nun wirklich eine Erſchwerung der Handelsge-
ſchaͤfte, die den Bankern ſolcher Plaͤzze freilich man-
chen Vorteil auf Unkoſten der Unkundigen einbringen
mag. Aber das iſt nicht ſo wol der Grund dieſer
Erfindung, als die Einſicht von der Notwendigkeit,
in die Stelle des ſo vielen Veraͤnderungen unterwor-
fenen curanten Geldes der Staaten einen Geldeswehrt
zu ſezen, der, ſo idealiſch er immerhin ſein mag,
[89]Cap. 6. Von den Wechſeln.
als minder veraͤnderlich angeſehen werden kann.
Nur eine ſolide Girobank kann dies dem Kaufmann
auf das vollkommenſte leiſten. Aber eine ſolche Bank
koͤnnen nur wenig Handelsplaͤzze haben, und mehr
als Ein groſſer Handelsplaz, der ſie haben kann,
und wirklich errichtet hat, ſtoͤrt dies Gute hinten-
nach durch Fehler in deren Direction. Venedig und
nun auch Amſterdam geben belehrende Beiſpiele
davon.
§. 22.
Man ſagt, der Wechſel ſtehe im Pari, wenn
das Wechſel-Geld eines Landes in dem andern mit
nicht mehrerm Gelde bezahlt wird, als worin gleich
viel Silber enthalten iſt. Z. E. der Hollaͤndiſche
Wechſel ſteht in Hamburg im Pari, wenn man 33⅓
d. i. 33⅜ oder 3/16 oder ⅓½ St. Bco. mit 32 Schill.
Bco., oder wenn man 105 Fl. Curant mit 120 Mk.
Bco. bezahlt. Denn in beiden iſt gleich viel Silber;
aber dies kann nur bei Wechſeln Statt haben, die
ſehr kurze Zeit, oder auf Sicht laufen. Denn wenn
ein ſolcher 2 Monate zu laufen hat, ſo muß, wie
ſchon oben §. 18 gezeigt worden, die Zinſe ein-
gerechnet werden, und dies verruͤkt die Zahl von
dem Pari weg.
§. 23.
Indeſſen hat das alles, was ich oben von der
[90]1. Buch. Vom Gelde.
Verruͤkkung des Pari in der baaren Umwechſelung
Cap. 5. §. 4. geſagt habe, auch von dem Wechſel-
Pari Statt. Wenn man weiß oder erfaͤhrt, daß
dieſer oder jener Staat ſeinen Muͤnzfuß veraͤndert,
ein anderes Verhaͤltnis zwiſchen Gold und Silber be-
liebt hat, oder ſeine Bank bezahlt nur in Kupfer, oder
in Zetteln, oder in Staats-Papieren, ſo ſagt kein
Kruſe, oder ein andres Buch der Art uns das
Wahre, und, wer auf einen ſolchen Staat handelt,
muß eine andre Rechnung machen, und muß gelernt
haben, wie er ſie anſtellen muͤſſe.
§. 24.
Aber auch ohne dergleichen Umſtaͤnde bleibt der
Wechſelcurs zwiſchen handelnden Nationen nicht
lange im Pari, ſondern weicht von demſelben ab,
wenn die eine Nation mehr zu fodern, als die andere
zu bezahlen hat. Wenn z. E. an dem naͤchſten Poſt-
tage in Hamburg an der Boͤrſe 50000 Fl. Remeſſen
auf Holland geſucht werden, und nur fuͤr 40000 Fl.
Tratten angeboten werden koͤnnen, ſo werden zuvoͤr-
derſt diejenigen, welche dieſe Tratten abzugeben ha-
ben, dies als eine Gelegenheit anſehen, um ihr
Hollaͤndiſches Geld teurer zu verkaufen. Sie wer-
den z. E. nicht 33⅜ Stuͤber, ſondern nur etwa 33
Stuͤber fuͤr 2 Mk. Banco verkaufen wollen. Oder
Maͤnner, welche auch auf Credit ziehen koͤnnen,
[91]Cap. 6. Von den Wechſeln.
werden denjenigen, welche die uͤbrig bleibenden
10000 Fl. zu remittiren haben, Wechſel zu dieſem
Belauf zwar verkaufen; aber ihr Correſpondent in
Holland, auf den ſie ziehen, muß Zinſen fuͤr ſeinen
Vorſchuß, muß Wechſel-Commiſſion, und ſie ſelbſt
muͤſſen auch noch etwas fuͤr ſich gewinnen. Sie wer-
den alſo nicht mehr als etwan 33 Stuͤver fuͤr 2 Mk.
Bco. geben koͤnnen ohne Schaden zu leiden.
Wenn die Sachen ſo in Hamburg ſtehen, ſo wer-
den in Holland mehr Tratten ausgeboten, als Re-
meſſen verlangt werden. Die Glaͤubiger der Ham-
burger werden alſo nicht mehr 33⅜ Stuͤver fuͤr 2 Mk.
Hamb. Bco. von den Schuldnern der Hamburger be-
kommen koͤnnen. Die Banker jener Nation werden
zwar die uͤberfluͤſſigen Tratten kaufen, und ſie an
Correſpondenten remittiren, welchen ſie ſelbſt nicht
ſchuldig ſind, aber auch dies nicht tuhn, wenn ſie
nicht 2 Mk. Bco. ſo wolfeil bezahlen, daß fuͤr ſie
und ihre Correſpondenten etwas uͤberſchießt. Oder
diejenigen, welche ihre Tratten nicht in Amſterdam
anbringen koͤnnen, werden ihren Schuldenern in
Hamburg ſchreiben, daß ſie ihnen von dorther remit-
tiren. Dadurch wird aber in Hamburg die Geld-
maſſe, fuͤr welche man Remeſſe ſucht, anwachſen, und
das Hollaͤndiſche Geld in den Tratten ſo viel teurer
werden. Wenn dann hinwieder die Hamburgiſchen
[92]1. Buch. Vom Gelde.
Schuldner ihren Glaͤubigern in Holland aufgeben,
auf ſie zu traſſiren, ſo werden wiederum der Tratten
mehr in Holland, und das Hamburgiſche Wechſel-
geld wolfeiler. Man ſieht hieraus leicht ein, daß
der Wechſelcurs zwiſchen zwei in einer lebhaften wech-
ſelſeitigen Handels-Connexion ſtehenden Staaten ſich
bald auf eine gleiche Rechnung ſtellen muͤſſe, in ſo
fern es noch nicht dabei auf Zinſen ankoͤmmt, welche
der Aufſchub der Wechſel-Zahlung veranlaßt. Die
Wechſel auf Sicht geben daher den zwiſchen ſolchen
Staaten beſtehenden Curs allein zuverlaͤſſig an.
Die Sache geht umgekehrt, wenn hier 50000 Fl.
Tratten angeboten und nur 40000 Fl. Remeſſen ge-
ſucht werden. Da werden die Remittenten ihren
Vorteil ſuchen, und fuͤr 2 Mk. Bco. mehr, als deren
Pari, verlangen, und z. B. 33\frac{2}{4} Stuͤver bekommen.
§. 25.
Man ſieht hiebei, daß der Gewinn und Verluſt
hier in Hamburg nur zwiſchen den Remittenten und
Traſſanten ſich verteile, aber von einem Verluſt oder
Gewinn Hollands oder Hamburgs noch nicht die Rede
ſei. Z. E. der Curs ſtehe uͤber Pari fuͤr Holland zu
33 Stuͤber. Dann verliert in Hamburg der Remit-
tent, weil er das Hollaͤndiſche Geld zu teuer bezahlt;
und, was er verliert, gewinnt der Traſſant, der es
[93]Cap. 6. Von den Wechſeln.
ihm teurer als im Pari verkauft. In Amſterdam
aber verliert der Traſſant, der fuͤr 2 Mk. Hamb.
Bco. ⅜ Stuͤber zu wenig bekoͤmmt, und dieſe gewinnt
der Remittent. Dies muß man wiſſen, um zu ver-
ſtehen, warum, wenn der Curs ſehr vom Pari ab-
weicht, unter den Kaufleuten Eines Ortes ein Teil
klagt und der andere ſehr zufrieden iſt. Indeſſen
entſteht wahre Verlegenheit aus den ſchnellen Ab-
wechſelungen der Curſe. Man ſeze, ein Kauf-
mann, der in Frankreich 9000 Livres zu fodern hatte,
und bei einem ſolchen Sprunge des Curſes an einem
Poſttage jeden Ecu oder drei Livres um ½ Schill.
Bco. wolfeiler verkaufen muß, als er einen Poſttag
fruͤher haͤtte tuhn koͤnnen, wenn er ſchon zu traſſi-
ren befugt geweſen waͤre. Nun verliert er 1500
Schill. oder 93 Mk. 12 Schill. Bco. Auch hat ein
lange anhaltender Stand des Curſes uͤber dem Pari ſehr
oft eine Abnahme der Handlung, wenigſtens in ein-
zelnen Zweigen, fuͤr das Land zur Folge, deſſen
Geld zu hoch im Curſe ſteht. Die engliſchen Ma-
nufactur-Waaren koſten nun ſeit langer Zeit dem
Auslaͤnder blos des Curſes wegen 5 bis 6 p. C. mehr,
als wenn derſelbe im Pari ſtuͤnde. Wenn nun eine
ſolche Waare auſſer England in einem Lande zu
haben iſt, auf welches der Curs unter Pari ſteht,
ſo wird ſie natuͤrlich lieber von dorther verſchrieben.
Sehr wahrſcheinlich liegt der Grund von dem leb-
[94]1. Buch. Vom Gelde.
haften Vertriebe der Franzoͤſiſchen Manufactur-
Waaren bei jezigen Umſtaͤnden darin, daß der Fran-
zoͤſiſche Curs 20 und mehr p. C. unter Pari ſo lange
geſtanden hat. In England gewinnt der Manu-
facturiſt nichts dabei, daß der Deutſche jedes Pfund
Sterling, welches er ihm remittirt, 5 p. C. uͤber
Pari kaufen muß; und in Frankreich verliert der-
ſelbe nicht, ſo lange ſeine Arbeiter den Livre in Aſſig-
naten ſo gut, als ehemals den baaren, nehmen
muͤſſen, oder wenigſtens nicht ihren Lohn merklich
verteuern duͤrfen.
Es ſteht alſo fuͤr die Handlung im Allgemeinen
immer am beſten, wenn die Wechſel-Curſe dem
Pari ſo nahe ſtehn, als moͤglich.
§. 26.
Zwar deutet ein hoher Wechſelcurs zwiſchen
zwei Nationen gewoͤhnlich auf eine fuͤr die Nation
vorteilhafte Handels-Balanz, deren Geld uͤber
Pari ſteht.
Der Grund davon iſt aus §. 24. leicht einzu-
ſehen. Aber dieſer Schluß wird ſehr oft zum Trug-
ſchluß, und viele unſerer unreifen Schriftſteller uͤber
die Handlung verſehen es darin, daß ſie den Wechſel-
Curs als das Barometer (das iſt ihr gewoͤhnlicher
[95]Cap. 6. Von den Wechſeln.
Ausdruck) der Handelsbalanz anſehen. Sie beach-
ten dabei nicht die am meiſten einleuchtenden Urſachen,
welche den Wechſelcurs verruͤcken, welche ich oben
§. 20. erwaͤhnt habe. Seit dreißig Jahren hat ſo
mancher Daͤniſcher Schriftſteller es fuͤr entſchieden,
wiewol grundlos, angenommen, daß die Handels-
Balanz wider ſeinen Staat ſtehe, weil der Daͤniſche
Curs ſo ſehr geſunken ſei. So wuͤrde ſich auch der-
jenige ſehr irren, der den ſo aͤuſſerſt niedrigen ruſ-
ſiſchen Curs als einen Beweis anſehen wollte, daß
Rußland, welches ſonſt in dem Handel mit faſt jedem
Lande gewann, nun ſtark zu verlieren anfange.
Aber die wahren Urſachen, auſſer den §. 20. bemerk-
ten, liegen zu ſehr auſſer dem Geſichtskreiſe mancher
Schriftſteller, als daß ſie auf dieſelben hinausſehen
koͤnnten. Von dieſen will ich etwas jezt im Allge-
meinen ſagen, und die naͤhere mit Berechnungen
begleitete Erlaͤuterung fuͤr die Zuſaͤtze erſparen.
§. 27.
In dem jezigen Zuſtande der Handlung beſtimmt
ſich der Wechſelcurs keineswegs allein aus den Umſaͤtzen
zweier Nationen mit einander. Denn 1) mancher
einzelne Handelsplaz oder groͤſſere Staat leiſtet einer
andern Nation die Bezahlung nicht nur fuͤr die Ge-
ſchaͤfte, welche dieſelbe mit ihm beſonders treibt, ſon-
dern fuͤr den ganzen Handel derſelben. So gehen
[96]1. Buch. Vom Gelde.
z. E. alle Zahlungen auf und von Rußland durch
Hollaͤndiſche Wechſel, ohne was jezt durch Londoner
Wechſel gut gemacht wird, ſeitdem London einen
directen Curs auf Rußland in Gang geſezt hat. Eben
das tuht Hamburg faſt ganz fuͤr Schweden und Hol-
land nimmt mindern Antheil daran, als ehemals.
Als nun in dem lezten Seekriege Schweden ſo viel
Geld von allen Nationen zog, ſtand der Curs zwiſchen
Hamburg und Schweden 6 pr. C. uͤber Pari fuͤr
Schweden, da ſonſt alle Curſe ungefaͤhr eben ſo viel
uͤber Pari fuͤr Hamburg ſtanden. Damals moͤchte
der Halbwiſſende geſchloſſen haben: alſo ſteht Ham-
burg, und mit ihm Deutſchland, in einer hoͤchſt nach-
teiligen Handelsbalanz mit Schweden. Das war
es aber nicht; ſondern der Curs auf Schweden war
deswegen hoch, und wirklich gingen uͤberdies noch
Millionen an Silber dorthin, weil Hamburg fuͤr ſo
viele Auslaͤnder zu bezahlen hatte. Aber jede Schuld,
welche Hamburg fuͤr einen Franzoſen, Englaͤnder
oder Hollaͤnder an Schweden bezahlte, machte eine
Schuld von deren Seite entſtehen, und veranlaßte
eine Tratte dahin, oder eine Rimeſſe daher, trug alſo
zur Erniedrigung der derſeitigen Curſe bei.
2) In dem Wechſelhandel unſerer Zeiten ſtellen
ſich oft die Curſe ſo, daß ein Vorteil entſteht, wenn
man, ſtatt des directen Curſes ſich zu bedienen, uͤber
[97]Cap. 6. Von den Wechſeln.
Einen Wechſelplatz auf den andern zieht, oder den
Umſtaͤnden nach remittirt. Dieſer Vorteil wird durch
die ſogenannte Arbitragerechnung ausgemacht,
und muß gros genug ſein, um die durch ein zwiefaches
Wechſelgeſchaͤfte natuͤrlich ſich vermehrenden Koſten
tragen zu koͤnnen. Ein jedes neueres kaufmaͤnniſches
Rechenbuch lehrt dieſe Rechnung, und, was man von
mir als Erlaͤuterung davon hier erwarten moͤgte,
ſpare ich fuͤr die Zuſaͤtze. Als vor Jahren dieſe Rech-
nung wenigen gelaͤufig war, beſtanden zuweilen die
Curſe eine Zeitlang ſo, daß der Vorteil auf geraume
Zeit betraͤchtlich ward und blieb. Jezt aber ſind dieſe
Rechnungen einem jeden, der ſich mit Wechſelgeſchaͤf-
ten befaßt, ſo gelaͤufig, und die darauf ſich gruͤndenden
Wechſeloperationen werden ſo ſchnell und von ſo vie-
len zugleich gemacht, daß, wenn ja an einem Poſttage
Wechſelcurſe kund werden, welche ſich ſo geſtellt ha-
ben, daß die Arbitrage Vorteil giebt, in einem oder in
wenigen Poſttagen ſpaͤter dieſer Vorteil nicht mehr
Statt hat. Z. B. Es zeigt ſich heute in dem franzoͤ-
ſiſchen Curs ein Vorteil fuͤr den, der 100 Pf. Sterl.
in London zu bezahlen hat, wenn er den Wehrt der-
ſelben auf Paris remittirt, und ſeinen Glaͤubiger in
London anweiſet auf Paris zu traſſiren, ſo wird
dies ſogleich von ſo vielen geſchehen, und folglich wer-
den ſo viel mehr Tratten auf Paris in Hamburg ge-
ſucht werden, daß der Pariſer Curs dadurch ſogleich
G
[98]1. Buch. Vom Gelde.
wieder ſteigen wird. Hieraus allein wird ſchon man-
chem meiner Leſer einleuchten, daß die Wechſelcurſe
derjenigen Nationen, welche in einer nicht ſchwierigen
Wechſel-Connexion mit einander ſtehn, (welches fuͤr
die weſtliche Haͤlfte Europens wirklich Statt hat) kei-
nesweges von der Handelsbalanz zwiſchen zwei und
zwei Nationen abhaͤngen, ſondern: dieſe Curſe
alle vereint ſind das Reſultat derer
Handels-Operationen, welche zwiſchen
dieſen Nationen uͤberhaupt in einer
gewiſſen Zeitperiode im Gange ſind.
3) Wenn der Wechſelcurs ſo weit unter dem
Pari wider Eine Nation iſt, daß der Verluſt groͤſſer
als die Koſten der baaren Bezahlung wird, ſo wird
es fuͤr die Banker vorteilhaft, Gold oder Silber in
Barren zu uͤberſenden, um auf deren Wehrt traſſi-
ren zu koͤnnen. Die Folge davon iſt eine Beſſerung
des Curſes, der ſich nun dem Pari wieder um etwas
naͤhert. Der Halbwiſſende wird alsdann ſchlieſſen,
die Handelsbalanz fange an ſich zu beſſern. Dies
iſt dann freilich falſch. Denn der Curs hat ſich ge-
beſſert, weil die ſchlechte Handelsbalanz die Wegſen-
dung von vielen edlen Metallen veranlaßt hat. Aber
wenn dies eine Zeitlang geſchehen iſt, ſo beſſern ſich
die Curſe ſo, daß der Verluſt an denſelben kleiner
wird, als die Koſten der baaren Verſendung. Durch
[99]Cap. 6. Von den Wechſeln.
dieſe kann alſo kein Curs ganz wieder aufs Pari zu-
ruͤckgebracht werden. Als z. B. im Jahre 1782
der Curs von Schweden auf Hamburg fuͤr lezteres
6 pr. C. unter Pari war, ging noch immer viel baa-
res Geld uͤber, und dies verurſachte dann freilich
kleine Schwankungen in dieſem Curſe. Nun deute-
ten zwar 6 pr. C. Gewinn im Curſe fuͤr Schweden
auf einen ſehr groſſen Gewinn in deſſen Handlung,
wenn gleich nicht auf Unkoſten Hamburgs. Aber
dieſe 6 pr. C. waren doch nicht das Barometer, aus
welchem der wahre Zuſtand der Schwediſchen Han-
delsbalanz haͤtte ganz beurteilt werden koͤnnen. Nur
das Geld allein, welches nach Schweden uͤbergieng,
konnte die richtige Anzeige davon geben.
4) Sehr oft ſucht eben der Staat, der in der
Handelsbalanz leidet, oder mit ſeinem Bank- und
Geldweſen, folglich auch mit ſeinen Wechſelgeſchaͤften
in Unordnung gerahten iſt, ſich durch eine Geld-
Negotiation in dem Lande zu helfen, deſſen Geld
uͤber dem Pari ſteht. Was davon durch Wechſel
uͤbermacht werden kann, wird alsdann in dem Staat,
wo das Geld angeliehen wird, ſo gut Remeſſe, als
waͤre es Schuld deſſelben, und erhoͤht den Wehrt der
dort verkaͤuflichen Tratten. Was aber baar uͤberſandt
wird, hat keinen Einfluß auf den Curs unmittelbar.
Nun aber koͤmmt es darauf an, ob und wie ein ſolches
G 2
[100]1. Buch. Vom Gelde.
Darlehn hintennach gebraucht wird, um dem zerruͤt-
teten Geldweſen des Staats, oder deſſen in Unord-
nung geratener Bank aufzuhelfen. Geſchieht dies
mit einer ſolchen woluͤberlegten Wirkſamkeit, als es im
J. 1772 in Schweden nach Liliencranzes Plan
geſchah, ſo hat der Staat bleibende Vorteile davon.
Geſchieht aber dieſes nicht, ſo iſt es nicht nur ein
leeres Palliativ, ſondern die Folgen fuͤr den Curs
ſind um ſo viel nachteiliger, da die jaͤhrliche Remit-
tirung der Zinſen denſelben unter dasjenige ſinken
macht, was die Umſtaͤnde der Handlung allein mit
ſich bringen wuͤrden.
Aber mit ſolchen und andern noch ſchaͤdlichern und
oft laͤcherlichen Kuͤnſteleien werden die Regenten man-
ches Staats und deren Miniſter oft von Leuten be-
toͤhrt, die es auf ſich nehmen den Curs zwingen
zu wollen, und ſchon zum Voraus ihrer Ausfluͤchte
gewiß ſind, wenn es damit nicht gelingen will.
§. 28.
So kann dann der Wechſel-Curs nur bis zu ge-
wiſſen Graͤnzen fallen, wenn bei der Nation, deren
Geld zu niedrig ſteht, noch baare Muͤnze iſt. Als-
dann bleibt der Curs ungefaͤhr auf dem Puncte ſte-
hen, bei welchem die Rechnung giebt, daß man mit
Vorteil Silber oder Gold in Barren wegſenden
[101]Cap. 6. Von den Wechſeln.
koͤnne. Wenn dies der Kaufmann nicht tuht, ſo
verſtehen es die Cambiiſten, und ziehen ihren Vorteil
daraus. Z. E. wenn ich in Hamburg einen Wechſel
auf Holland noͤtig habe, und denſelben nicht anders
als zu 32 Stuͤber fuͤr 2 Mk. Bco. kaufen kann,
welches das Pari um 5 p. C. uͤberſteigt, ſo muß mir
der Gedanke natuͤrlich entſtehen, daß die Ueberſen-
dung der Valuta von jeden 32 Stuͤbern, die ich in
Holland ſchuldig bin, nicht 5 p. C. Koſten machen
koͤnne. Ich werde alſo, weil ich kein Hollaͤndiſch
baar Geld hier haben kann, Gold oder Silber an-
ſchaffen, und meinem Glaͤubiger in Holland zuſen-
den. Aber dies iſt nicht ein Geſchaͤfte, das mit den
uͤbrigen Geſchaͤften eines jeden Kaufmanns beſtehen
kann. Denn er muß die Metalle entweder roh,
oder Muͤnzen dazu anſchaffen, dieſe einſchmelzen
laſſen, ſie ſicher zu verſenden wiſſen, Fracht und,
wenn es uͤber See geht, Aſſecuranz bezahlen, aber das
alles auch zum voraus berechnen. Solche Rechnungen
ſind nicht eines jeden Kaufmanns Sache, der ſich
mit dem Waarenhandel beſchaͤftigt. Auch nicht
einem jeden Glaͤubiger ſind ſolche Remeſſen ange-
nehm, der ſich nur auf das Geld ſeines Staats ver-
ſteht. Alſo wird es in jedem handelnden Staat zum
eigentuͤhmlichen Geſchaͤfte der Banker und insbe-
ſondre der Juden, welche ihre Vorteile dabei durch
alle moͤgliche Erſparung der Koſten, und vorzuͤglich
[102]1. Buch. Vom Gelde.
durch Auswahl der Muͤnzſorten und der ſchwereren
Muͤnzſtuͤkke zu deren Einſchmelzung, zu vermeh-
ren wiſſen.
§. 29.
Dieſe Wegſendung der Baarſchaften wird ſo
lange fortgehen, als die Nation, die in der Handels-
Balanz leidet, aus ihrer innern Circulation noch
Geld entbehren kann. Es iſt ein grober Irrtuhm,
den manche Fuͤrſten und Staatsmaͤnner hegen, als
wenn, auch unter ſolchen Umſtaͤnden, alle Zahlun-
gen durch Wechſel koͤnnten abgetahn und das baare
Geld durch Verbot der Ausfuhr im Lande erhalten
werden. Indeſſen kann eine Nation, welche nur
baar Geld in ihrer Circulation hat, nicht alles ver-
lieren. Sie wird ſehr arm werden koͤnnen, aber
zulezt ihren Handel einſchraͤnken muͤſſen, um ihr
leztes Geld zu erhalten. (Siehe mein Buch von
dem Geldes-Umlauf B. 3. §. 38.) Ein
Mittel aus vielen, wodurch der verlierenden Nation
Huͤlfe entſteht, ſind die Bankerotte. Denn was
durch dieſe verloren geht, indem es dem, der zu
fodern hat, unbezahlt bleibt, behaͤlt die aͤrmere
Nation alles ein.
§. 30.
Wenn aber eine Nation Papier-Geld hat, ſo
[103]Cap. 6. Von den Wechſeln.
kann ſie ihr baares Geld ſo lange wegſenden, bis ihr
kein anders Geld, als die kleinſte Scheide-Muͤnze
uͤbrig bleibt. Denn ſie behaͤlt noch immer in ihren
Banknoten und Papier-Gelde ein Zeichen des
Wehrts, das ihr wenigſtens in der inlaͤndiſchen Cir-
culation brauchbar bleibt. (Siehe meine Abhand-
lung von den Banken am Schluſſe und im
4ten Anhang.) Dies hat Daͤnnemark ſeit etwa
zwanzig Jahren und Schweden in den Jahren 1743
bis 1774 erfahren.
Am ſchnellſten und auch am ſchlimmſten geht es
damit, wenn eine Nation unter ſolchen Umſtaͤnden
genoͤtigt oder verleitet wird, ſich auf Kriege einzu-
laſſen, zu welchen deſſen Papiergeld gar kein Huͤlfs-
mittel mehr abgeben kann, ſo bald der Krieg uͤber des
Landes Grenzen hinaus geht. Faſt eben ſo ſchlimm iſt
es, wenn ſie eine Handlung in die Ferne zu treiben
wagt, zu welcher ihr die Geldeskraͤfte fehlen, und
ſich durch hochgetriebene Wechſelreuterei zu helfen
ſucht. Aber eben alsdann werden die haͤufigen Ban-
kerotte, die Folgen eines ſolchen Schwindel-Handels,
ein Mittel um ihren Schaden etwas einzuholen,
und einen Teil ihres Verluſtes auf die Auslaͤnder
zu werfen.
[104]1. Buch. Vom Gelde.
§. 31.
In dem erſten Fall (§. 29.) kann ſelbſt unter beſtaͤn-
dig fortgehender Wegſendung der Baarſchaften der
Wechſelcurs gar wohl um 6 pr. C. zu niedrig bleiben,
weil das baare Metall immer zu langſam koͤmmt, um
denſelben dem Pari naͤher zu bringen. In dem lezten
Jahre des 1782 geendigten Seekrieges ward es den
Hollaͤndiſchen Bankern ſchon zu ſchwer, Silber und
Dukaten nach Hamburg uͤberzuſchicken. Alles auf
Recepiſſen in der Amſterdammer Bank niedergelegte
Geld war ſchon herausgezogen. So fiel dann der
Curs auf Hamburg um 6 pr. C. England ſandte zu
eben der Zeit Millionen in Goldſtangen heruͤber, aber
nie genug, um den Curs wieder herzuſtellen, der eine
Zeitlang auf 30 ßvl. oder 11 Mk. 4 ßl. Bco. ſtand.
Auch konnte der Curs, bis ſich die Umſtaͤnde aͤnderten,
nicht wieder dem Pari naͤher gebracht werden. Hin-
gegen aͤnderte ſich nach gedachtem Kriege der Gang
der Handlung ſo, daß im Jahr 1785 eben dieſer Curs
uͤber 33 ßl. ſtieg. Und nun haben wir ihn im J. 1791
eine geraume Zeit auf 35 ßvl. 5 grvl. ſich erhalten
ſehen, welches einen Unterſchied von beinahe 12 pr. C.
von jenem Curſe macht, ohne daß die immer fortge-
hende Verſendung des Goldes aus Deutſchland nach
England ihn auf ſein nach Golde berechnetes Pari
haͤtte zuruͤckbringen koͤnnen.
[105]Cap. 6. Von den Wechſeln.
§. 32.
In dem zweiten Fall §. 30. hat das Fallen des
Wechſelcurſes keine Grenzen. Denn man kann gar
nicht mehr auf baares Geld rechnen, worin der Wechſel
bezahlt werden koͤnnte. Keiner in einem ſolchen Lande
kann Wechſel abgeben, wenn er ſich nicht auſſer Lan-
des einen Credit gemacht hat. Dieſen verſchaft er ſich:
a) auf eine ſolide Weiſe durch Verſendungen von
Landeswaaren. Aber wenn nur Wechſel auf aus-
waͤrtige Schulden allein gegeben werden koͤnnen, ſo
ſtockt das Wechſelgeſchaͤfte allemal, welches nur durch
Cambiiſten, die zur rechten Zeit Baarſchaften hin
und her ſenden, im leichten Gange erhalten werden
kann. Oder
b) durch einen ohne baare Remeſſe, auswaͤrtig
gemachten Credit, das iſt, durch Wechſelreuterei.
Dieſer Credit aber koſtet dem Banker viel, der ihn
nimmt, und folglich auch jedem Kaͤufer ſeiner Wechſel.
Die Koſten davon bleiben in der Fremde, ſo lange
die Sache ſo fortgehet. Die Handelsbalanz wird
immer ſchlechter, und der Curs muß, ſo lange dies
waͤhrt, zum Nachteil des Volkes, welches nur in
Papier bezahlen kann, fallen. Unter dieſen Umſtaͤn-
den fiel 1762 der Schwediſche Curs auf 200 pr. C.
unter Pari. Der Hamb. Rtlr. Bco, welcher eigent-
[106]1 Buch. Vom Gelde.
lich nur 36 Mk. Kupfermuͤnze wehrt iſt, ſtand im
Curs auf 108. Die Haupturſache war der Krieg in
Deutſchland, welchen die damalige Schwediſche Re-
gierung glaubte mit Papiergeld fuͤhren zu koͤnnen.
Daͤnemark hat in den Jahren 1780 bis 84 einen andern
Fehler gemacht; da die Regierung und die Kaufleute
glaubten, man koͤnne den lebhaften Handel, zu wel-
chem die Conjunctur durch den Krieg entſtand, mit
Banknoten betreiben. Die Kaufleute gerieten dadurch
in eine ſolche Wechſelreuterei hinein, daß der Curs
bis 15 pr. C. unter Pari fiel. Die Wechſelreuterei
koſtete ihnen, abſonderlich im Diſcont und den un-
vermeidlichen Koſten des Wechſelumſatzes, zulezt
12 pr. C. wobei es nicht moͤglich iſt, daß die Hand-
lung, im Durchſchnitt genommen, Gewinn bringe.
§. 33.
Die oben §. 9. in der Anm. angegebenen For-
mulare der Wechſel I. und II. zu welchen alle etwa-
nigen Zuſaͤtze auſſerweſentlich ſind, beweiſen, daß
in der buͤrgerlichen Geſellſchaft kein Geſchaͤfte, zumal
von ſo groſſer Wichtigkeit, in einer ſo buͤndigen Kuͤrze
des Ausdrucks dargeſtellt werden koͤnne, als dieſes.
Aber eben deswegen muß daſſelbe in allen Puncten
nach dem Buchſtaben erfuͤllt, und von dieſem auf
keine Weiſe abgewichen werden. Ein Nebengrund,
wiewol ein ſehr wichtiger, liegt in dem Giriren der
[107]Cap. 6. Von den Wechſeln.
Wechſel. Eine nicht beſtimmbare Zahl von Perſonen
uͤbertragen Einer das, was eine Zeitlang Eigentuhms-
recht fuͤr ihn war, an den andern, und jeder nimmt
das ihm uͤbertragene Recht ſo an, wie er es geſchrie-
ben liest: 1) in Anſehung der Summe. Erklaͤrt
ſich der Acceptant nicht zur Zahlung des Ganzen,
ſondern nur eines Teils, ſo ſei dieſer Teil ſo groß,
wie er wolle, ſo iſt der Praͤſentant oder der lezte In-
doſſant zu einem Proteſt wegen des mangelnden nicht
nur befugt, ſondern ſogar verbunden. 2) In An-
ſehung der Zeit. Daher wankt der Credit eines jeden
Kaufmanns, der auch nur um die geſetzmaͤſſigen
Reſpittage zoͤgert. Daher findet bei gezogenen Wech-
ſeln durchaus keine Prolongation Statt. Alle In-
doſſaten haben angenommen, die Wechſelſumme werde
an dem Verfalltage bezahlt werden. Selbſt dem
lezten Indoſſaten iſt eine ſolche Verlaͤngerung zu Gun-
ſten des Acceptanten nicht erlaubt, wenn er nicht alle
Rechte an ſeine Vormaͤnner verlieren will. Denn
dieſe koͤnnen Eines Teils ihm ſagen: Du haſt dir
ein Recht genommen, welches wir dir nicht uͤbertra-
gen hatten. Andern Teils werden ſie, wenn der
Wechſel nach verlaͤngerter Friſt nicht bezahlt wird,
mit Grunde ſagen: War der Acceptant noch nicht
inſolvent am Verfalltage, ſo iſt es deine Schuld,
wenn du durch den Aufſchub verlierſt, nicht die unſrige.
3) Keine Auslegung gilt bei einem Wechſel, wenn
[108]1. Buch. Vom Gelde.
gleich einzelne Ausdruͤcke darauf leiten, z. B. der Aus-
druck: Sie ſtellen es a Conto, deutet zwar
darauf, daß der Wechſel auf Credit gezogen ſei, oder
daß wenigſtens der Traſſant mit dem Acceptanten in
einer Rechnung ſtehe, die vielleicht nicht liquide genug
ſein kann, um ihn zum Schuldner fuͤr die ganze
Wechſelſumme zu machen. Aber wenn er ſein Accept
auf denſelben geſezt hat, ſo kuͤmmert es keinen der in
dem Wechſel Intereſſirten, in welchem Verhaͤltniſſe er
mit dem Traſſanten ſtehe. Er darf auch ſelbſt ſeinem
Accept nicht die geringſte Bedingung oder Vorbehalt
beifuͤgen, ſondern blos die zu zahlende Summe kleiner
beſtimmen, wenn er nicht fuͤr das Ganze gehalten
ſein will. 4) Der Advisbrief darf nicht vor der
Acceptation ausbleiben, wenn er verſprochen iſt.
Aber 5) die bezahlende Perſon kann den Umſtaͤnden
nach eine andre werden. Denn wenn der Wechſel
bezahlt wird, es ſei von wem es wolle, ſo geſchieht
dem ganzen Zwek deſſelben ein Genuͤge, und die
Rechte und Erwartungen aller derer ſind erfuͤllt,
welche daran Anteil haben. Dieſer Fall koͤmmt vor,
wenn die Acceptation oder die Bezahlung durch irgend
eine Veranlaſſung fehlt, und ein dritter aus Freund-
ſchaft, oder um den Eredit irgend eines Indoſſan-
ten oder des Traſſanten zu erhalten durch Unterſchrift
ſeiner Acceptation mit dem Zuſatz par honneur ſich
zur Zahlung verpflichtet, oder ſie unmittelbar leiſtet.
[109]Cap. 6. Von den Wechſeln.
Dann aber hat dieſer Acceptant alle Rechte des Praͤ-
ſentanten oder des lezten Indoſſaten, und kann den
Ruͤckwechſel, ſo wie dieſe, zu einem ſolchen Belauf be-
ſtimmen, welcher ihn fuͤr alle Nebenkoſten ſchadlos haͤlt.
§. 34.
Dieſe ſtrenge Anhaͤnglichket an den Buchſtaben
der Wechſel iſt das Weſentliche in allen Wechſel-Ge-
ſezen, ſo wie es gewiß vor deren Entſtehen die ein-
zige Verfahrungsnorm unter den Kaufleuten war.
Waͤre dies Geſchaͤfte ganz in ſeiner erſten Simplici-
taͤt geblieben, waͤren nicht die Wechſel mehr und
mehr zur Erfuͤllung anderer Zwekke angewandt, als
derer, welche ihnen den erſten Urſprung gaben, ſo
wuͤrde es vielleicht nie einer vom Staat zum Geſez
gemachten Wechfelordnung bedurft haben. Es
moͤchte auch nicht leicht ein Vorfall von falſchen
Wechſeln Statt gehabt haben. So aber macht inſon-
derheit das Giriren Eines Exemplars des Wechſels
vor der Verfallzeit, da mittlerweile das andre zur
Acceptation eingeſchikt wird, viele verwikkelte Vor-
faͤlle entſtehn, und erleichtert auch in gewiſſer Maaſſe
den Betrug.
Zwar ſichert der Traſſant den Acceptanten vor
demſelben durch ſeinen Advis-Brief, das iſt, durch
die beſonders ihm unter ſeiner Hand gegebene Nach-
richt, daß er an dem beſtimmten Tage eine beſtimmte
[110]1. Buch. Vom Gelde.
Summe auf ihn gezogen habe, oder ziehen wolle.
Bei Wechſeln von geringem Belauf unterbleibt dies
zwar. Dann aber muß auf dem Wechſel ausgedruͤkt
werden, daß kein Advis erfolgen werde. Iſt die-
ſer verſprochen und erfolgt nicht, ſo liegt darin allein
ſchon ein guͤltiger Grund zur Nichtbezahlung und
deren Folge, dem Proteſt. Aber die Indoſſaten ſehen
in manchem Fall nur die einfache Handſchrift ihres
Vormanns. Daher ſind der Exempel von verfaͤlſch-
ten Indoſſamenten weit mehr, als der von verfaͤlſch-
ten Wechſeln. Die Acceptation iſt eine der ernſthaf-
teſten Handlungen bei den Wechſeln. Aber der Um-
ſtand, daß dieſe ſo oft auf einem beſondern Exemplar
geſchicht, und die Friſt, welche zwiſchen derſelben
und der Bezahlung verlaͤuft, veranlaßt manchen
Mißbrauch. Dieſe haben ſich inſonderheit in Frank-
reich ſo ſehr gehaͤuft, daß bei einem franzoͤſiſchen
Wechſel nur wenig Ruͤkſicht auf die Acceptation ge-
nommen werden kann. Man ſehe davon mein
Memoire ſur les Abus, qui ſe ſont introduits
en France dans les affaires de Change, in dem
vierten Stuͤk des zweiten Bandes unſerer Hand-
lungs-Bibliothek.
Die Beguͤnſtigung ſolcher trokkenen Wechſel, die
nicht durch die Handlung veranlaßt werden, bringt
gleichfall viel unrichtiges in die Wechſel-Ordnung,
[111]Cap. 6. Von den Wechſeln.
das mit den Gruͤnden des Wechſelrechts nicht zu ver-
einigen iſt.
§. 35.
So ſehr das Wechſelgeſchaͤfte jezt in Europa
ausſtudirt iſt, ſo kann doch keineswegs ein jeder
Handelsplaz auch ein Wechſelplaz werden, auf wel-
chen man nach Gefallen traſſiren und remittiren
koͤnnte. Und wenn dies auch in dem Bezirk Eines
ungeteilten Staats Statt hat, ſo geht doch nicht jedes
Wechſelgeſchaͤfte von jedem Handelsplaze deſſelben
uͤber deſſen Graͤnzen hinaus. In den groſſen Rei-
chen Europens ſind nur wenig Wechſelplaͤtze fuͤrs
Ausland. Portugal hat nur Liſſabon und Porto;
Spanien Madrid, Cadix, Bilbao und St. Seba-
ſtian; Frankreich Paris, Bourdeaux und Lion;
Grosbritanien und Irland das einzige London; die
vereinigten Niederlande Amſterdam und in gewiſſer
Maaſſe Rotterdam; Daͤnemark ſamt Norwegen
nur Copenhagen; Schweden Stockholm und Go-
thenburg; Rußland hauptſaͤchlich nur Petersburg.
Von denen Staaten, in welche Deutſchland ge-
teilt iſt, hat faſt jeder groͤßere einen Wechſelplatz,
und manche Reichsſtadt z. B. Nuͤrnberg, Frankfurt,
Augsburg, iſt ein Wechſelplatz fuͤr ſich. Hamburg
iſt unſtreitig von allen der vornehmſte, und die naͤchſts
[112]1. Buch. Vom Gelde.
gelegenen Staͤdte Luͤbeck, Bremen und Altona wei-
ſen die Zahlung ihrer Wechſel vorzuͤglich auf Ham-
burg an, welches man einen Wechſel domiciliiren
nennt. In den deutſchen Preuſſiſchen Staaten iſt
es nur Berlin, und in Schleſien Breslau; in
Preußen Koͤnigsberg. In den Oeſterreichiſchen Staa-
ten ſind es nur Wien und Prag; in Sachſen Leip-
zig. Mancher betraͤchtliche deutſche Staat hat noch
gar kein Wechſelrecht, und folglich gar keinen Wech-
ſelplaz. So iſt es mit Hanover und Mecklenburg
bis jezt noch bewandt. Italien hat ſo viele Wechſel-
plaͤze, als Staaten von Belang in demſelben ſind.
Polen an ſich hat keinen Wechſelplatz, ſondern be-
dient ſich anderer nicht ſo ſehr entfernten Plaͤze, in-
ſonderheit Danzigs.
§. 36.
Ich ſeze dieſe Angabe, die ich nicht fuͤr vollſtaͤn-
dig ausgebe, nur hieher, um nachſtehende Anmerkun-
gen daran zu verbinden:
1) Nur wenige unter den benannten und uͤbri-
gen Wechſelplaͤzen ſtehen in einer ſolchen Verbindung
mit einander, daß man mit gleicher Leichtigkeit von
einem zum andern traſſiren koͤnnte. Denn die Vor-
ausſezungen, unter welchen dieſes eigentlich nur
Statt hat, ſind folgende:
[113]Cap. 6. Von den Wechſeln.
a) Wenn der Verkehr im Kauf- und Verkauf-
handel, in Activ- oder Paſſiv-Schulden zwiſchen
ſolchen Orten beinahe gleich lebhaft iſt.
b) Wenn man durch Wechſelcredit ſich helfen
kann, um, wenn der Remeſſen an einem Ort zu
viel geſucht werden, Tratten auf einen Creditgeben-
den Correſpondenten verkaufen zu koͤnnen. Solche
Wechſeloperationen flechten ſich natuͤrlich in die Ge-
ſchaͤfte auch derer Staaten mit ein, welche in der
lebhafteſten Handelsverbindung miteinander ſtehen.
Denn es iſt unmoͤglich, daß an jedem ſolcher Orte
zu jeder Zeit die geſuchten Remeſſen mit den zum
Verkauf bereit ſtehenden Tratten, die ſich auf wirk-
liche Schulden beziehen, gleich ſtehen. Ich habe
ſchon §. 25. darauf hinaus verwieſen.
c) Wenn die baaren Remeſſen leicht und ohne
zu groſſe Koſten von jedem Wechſelplaz zum andern
uͤbergehen koͤnnen.
Unter dieſen Umſtaͤnden vereint, macht Ham-
burg ſeine Wechſelgeſchaͤfte ſehr leicht mit Frankreich,
England und Holland. Mit allen uͤbrigen Staaten
giebt es dieſe oder jene Schwierigkeit.
H
[114]1. Buch. Vom Gelde.
§. 37.
Wenn dieſe Vorausſezungen nicht Statt haben,
ſo ſind die Folgen davon dieſe:
a) Daß man nur von einem beider Wechſel-
plaͤze auf den andern traſſiren kann, folglich auch
der Curs nur an einem von beiden Orten ſich be-
ſtimmt. So kann man z. B. von Livorno auf Ham-
burg gar wol traſſiren, wo ſich dann auch der Curs
den Umſtaͤnden nach ſtellt; aber nicht ſo, von Ham-
burg auf Livorno. Denn der Belauf derer Waaren,
welche von Livorno auf Hamburg gehen, iſt viel
groͤſſer, als derer, welche Hamburg dorthin ſchikt.
Wie jedoch eben dies auch unter andern Umſtaͤnden
Statt habe, werde ich bald zeigen.
b) Oft muß der Credit an einem dritten Ort ge-
ſucht werden, der mit dem Plazze, wohin man nicht
directe traſſiren oder remittiren kann, in naͤherer
Verbindung ſteht. Aber eben dies haͤngt
c) inſonderheit von dem Umſtande ab, wenn die
daaren Remeſſen ſich leichter auf dieſen dritten Ort
machen laſſen, oder Ein Staat dies durch ſeine Muͤnz-
Einrichtungen beſſer als andere zu befoͤrdern weiß.
Inſonderheit koͤmmt es darauf an, daß ein Staat
Cambiiſten habe, welche dies Geſchaͤfte mit Einſicht
[115]Cap. 6. Von den Wechſeln.
und mit ſtarken Geldkraͤften treiben. Dadurch hat
Holland bis zu unſern Zeiten ſich in den Beſiz groſſer
Vorteile im Wechſelhandel geſezt. Der Gang ſeiner
Seefahrt ſezte es ſonſt in den Stand, die [Baar-
ſchaften], mit welchen Spanien ſeine Handels ſchulden
mit Deutſchland ſaldirt, an ſich zu ziehen. Ham-
burg, und durch daſſelbe ein groſſer Teil Deutſch-
lands, mußte daher ſeine Bezahlung ſonſt durch
Wechſel ſuchen, welche in Holland zahlbar waren.
Da Polen und Rußland in der Handels-Balanz mit
dem uͤbrigen Europa uͤberhaupt gewinnen, ſo haben
ſeit langer Zeit deſſen Banker groſſe Summen dort-
hin geſchikt, um andern Nationen Tratten dorthin
abgeben zu koͤnnen. Der Staat erleichtert ihnen die-
ſes durch Erlaubung und Veranſtaltung einer aͤuſſerſt
wolfeilen Ausmuͤnzung der Hollaͤndiſchen Ducaten
und der Alberts-Tahler. Ich kann mir nicht vor-
ſezen hieruͤber alles zu ſagen, ſondern behalte ein
mehreres den Zuſaͤzen vor.
§. 38.
Groſſe Staaten koͤnnen viele Handelsplaͤtze ha-
ben, deren jeder einen beſondern Zweig der Handlung
zwar lebhaft treibt, die aber dadurch in ſo verſchie-
dene Verhaͤltniſſe mit dem Auslande kommen, daß
einer oft und viel zu bezahlen, der andere aber deſto
mehr zu fodern hat. So ſind z. B. in England die
H 2
[116]1. Buch. Vom Gelde.
Manufactur-Staͤdte in der Lage mit Deutſchland,
daß man daſelbſt faſt immer nur zu fodern hat. Nur
Mancheſter muß auch viel hieher bezahlen, weil es
die Deutſchen Leinen-Garne in Menge zieht. Hier
wuͤrden die Traſſanten und Remittenten ſehr oft zu-
ſammen treffen, aber nicht ſo leicht in Birmingham eine
Tratta auf Hamburg ſich verkaufen laſſen, weil ſich
nicht immer der Mann finden wuͤrde, der in Ham-
burg ſchuldig waͤre. Und angenommen, ein Ham-
burger wollte ſeinen Glaͤubiger in Birmingham durch
Wechſel bezahlen, ſo wuͤrde er nicht leicht den Mann
in Hamburg finden, der dort zu fodern haͤtte.
Wollte er dahin Goldſtangen ſchikken, ſo wuͤrde er
ſich doch an einen dritten in London oder in Hull
wenden muͤſſen, um ſie dorthin zu befoͤrdern.
Dieſe und viele andere Umſtaͤnde, welche ich
nicht hier weitlaͤuftig ausfuͤhren kann, machen, daß
die Wechſelgeſchaͤfte eines groͤſſern Staats in Einem
Hauptplaz deſſelben ſich vereinigen. In dieſem ſtellt
ſich dann auch der Wechſelcurs den Umſtaͤnden der
Handlung nach, indem dort alle Summen zuſam-
men treffen, welche alle Handelsplaͤzze des Staats
insgeſamt von dem Auslande zu fodern haben, oder
demſelben ſchuldig ſind. Aber eben deswegen kann
kein Mann in einem ſolchen Staat ein auslaͤndiſches
Gewerbe treiben, ohne einen Banker in dem groſſen
[117]Cap. 6. Von den Wechſeln.
Wechſelplaz zu haben, durch deſſen Haͤnde alle ſeine Gel-
der gehen, und auf welchen er den Auslaͤnder zu traſſi-
ten anweiſet, wenn er ſchuldig iſt. Dies veranlaßt
einen Zuſaz auf dem Wechſel, fuͤr weſſen Rechnung
dieſe Tratte gelte, welcher Zuſaz jedoch ſonſt nichts
neues in die Sache bringt.
Dies giebt alſo in ſolchen Staͤdten einer Menge
von Bankern Auskommen und Reichthum. In
London iſt deren Zahl ungemein gros, und die Noten
der in unerſchuͤttertem Credit ſtehenden Bank erleich-
tern die Zahlung von den Bankern ins Land hinein,
und umgekehrt, ungemein. Denn ohne dieſe wuͤrden
die Zahlungen zwiſchen der Hauptſtadt und den klei-
nern Staͤdten, wenn ſie alle durch Wechſel geleiſtet wer-
den ſollten, groſſe Schwierigkeit haben. In keinem
Plaz draͤngen ſich die Wechſelgeſchaͤfte ſo ſehr zu-
ſammen, zumal da Schottland und Irland ſo gut,
wie jede Stadt in England, ſich an London halten
muͤſſen.
§. 39.
Ich habe ſchon §. 37. erwaͤhnt, wie Holland in die
Wechſelzahlungen auf die Oſtſeeiſchen Handelsplaͤzze
einwirke. Man moͤgte daraus ſchlieſſen, daß Hol-
land immer im Stande ſei, auf die Valuta der
von ihm baar dorthin verſandten Muͤnzen Wechſel
[118]1. Buch. Vom Gelde.
abzugeben. Dennoch hat dies nicht Statt, wenig-
ſtens nicht in groſſen Summen, ſondern in ganz
Europa, auſſer in England, muß der Kaufmann,
der in Rußland zu fodern hat, abwarten, daß ihm
Remeſſe uͤber Holland gemacht werde. Aber auch
England kann eben ſo wenig auf Rußland traſſiren.
Die Urſache liegt darin, daß kein Curs anders, als
in den Ruſſiſchen Ausfuhr-Haͤven, inſonderheit in
Petersburg, feſtgeſezt werden kann, wo alle Activ-
und Paſſiv-Schulden des geſammten Ruſſiſchen
Reichs an das Ausland eben ſo zuſammen treffen
muͤſſen, wie die Britiſchen in London. Hier tritt
noch eine Urſache mehr ein: die Commiſſionen auf
Ruſſiſche Ausfuhr-Waaren koͤnnen nur in eben dieſe
Ausfuhr-Haͤven gegeben werden. Hier wuͤrden alſo
der Traſſanten uͤberfluͤſſig viel ſein, aber nimmer
Remittenten genug. Dieſe finden ſich groſſenteils
in dem innern Rußland; und ihre Paſſiv-Schulden
muͤſſen mit den Activ-Schulden, die in den Ausfuhr-
Haͤven entſtanden ſind, zuſammen ſtoſſen, ehe der
Curs ſich einigermaſſen beſtimmen kann. Allererſt,
wann dies geſchehen iſt, kann von dieſen Orten aus
auf Halland traſſirt und dieſe Tratten den Remit-
tenten verkauft werden.
In Hamburg wuͤrden immer der Tratten mehr
auf Rußland, als der geſuchten Remeſſen ſein, weil
[119]Cap. 6. Von den Wechſeln.
ſich in die Hamburgiſche Handlung der Belauf faſt
aller derer Guͤter einflicht, welche von einem groſſen
Teil Europens von Hamburg ab, inſonderheit uͤber
Luͤbek, dorthin befoͤrdert werden. Dennoch kann
man nur kleine Summen durch Wechſel dorthin re-
mittiren. Wer aber einen ſolchen Wechſel kauft,
kann die Valuta nicht hier ſogleich rein bezahlen,
ſondern es muß die briefliche Nachricht abgewartet
werden, wie viel dieſelbe nach dem in Petersburg
beſtehenden Curs auf Holland betrage. Mittler-
weile ſtellt man ſie lieber in der Form der Aſſignatio-
nen als der Wechſel aus.
Aehnliche Urſachen haben fuͤr Polen Statt, deſſen
Activ-Schulden ſich in Danzig ſammlen, und mit
einem Teile der Paſſiv-Schulden zuſammen treffen.
Denn der groͤſſere Teil von dieſen wird auf den Deut-
ſchen Meſſen mit baarem Gelde bezahlt.
§. 40.
Schweden haͤlt ſich in ſeinen Wechſelgeſchaͤften
vorzuͤglich an Hamburg, und hier ſind der Activ-
Schulden in dem gewoͤhnlichen Gange der Handlung
immer mehr, als der Paſſiven. Dennoch kann nicht
von Hamburg auf Schweden traſſirt werden. Die
Urſache iſt, weil auch in den auslaͤndiſchen Geſchaͤf-
ten Schwedens der Curs ſich nicht anders als in den
[120]1. Buch. Vom Gelde.
beiden vornehmſten Handelsſtaͤdten des Reichs be-
ſtimmen kann. Man ſeze z. B. ein Hamburger
habe in Carlscrona zu fodern, und ein anderer in We-
ſterwyk zu zahlen. Jener wird ſeine Trotta lange
ausbieten koͤnnen, ehe er jemanden findet, der in
Carlscrona zu bezahlen hat; und dieſer ſeine Remeſſe
lange ſuchen, ehe er an jemanden geraͤht, der in
Weſterwyk zu fodern hat. Und wenn beide Paare
zuſammen kommen, ſo werden ſie allein unter ein-
ander keinen Curs auf Carlscrona und Weſterwyk
beſtimmen koͤnnen. Es iſt alſo kein andres Mittel,
als daß jener ſeinen [Schuldner] in Carlscrona anwei-
ſet, ihm den in Hamburg zahlbaren Wechſelbrief
eines Stockholmiſchen Bankers zu remittiren, und
dieſer ſeinen Glaͤubiger in Weſterwyk, durch eben den
Umweg auf ihn zu traſſiren. Beide muͤſſen ſich
alsdann den Curs ſo gefallen laſſen, wie er in
Stockholm ſteht.
§. 41.
Noch wunderſamer iſt es, daß ſich aͤhnliche
Schwierigkeiten zwiſchen den Deutſchen Staͤdten,
und insbeſondere in deren Gewerbe mit Hamburg,
finden, welche wahrſcheinlich nicht in eben dem Ma[a]s
vormals Statt gehabt haben. Noch immer ſtehen in den
Hamburgiſchen Wechſelcurſen die Namen Frankfurt
am Mayn, Leipzig, Augsburg, Naumburg und
[121]Cap. 6. Von den Wechſeln.
Nuͤrnberg; aber ſeit manchen Jahren ohne Zahlen.
Nicht als wenn es an wechſelſeitigem Gewerbe auf
alle dieſe Plaͤzze ganz fehlte. Denn wie groß iſt
nicht der Handel zwiſchen Sachſen und Hamburg!
Aber mit einigen derſelben iſt nichts, als in der Meſſe
zu ſchaffen. Andre machen ihre Remeſſen durch
Wechſel entfernter Staaten und Handelsplaͤzze.
Dafuͤr aber kann auch der Hamburger keinen Wechſel
auf einen Schuldner, den er in einem dieſer Orte
hat, traſſiren, ſondern muß deſſen Remeſſe gedul-
tig abwarten.
§. 42.
Ich bin etwas lange bei der Erlaͤuterung dieſer
Schwierigkeiten im Wechſelhandel verweilt, weil ich
glaube, ſie ſei fuͤr viele dienlich, welche ſo leicht
glauben, mit Wechſelbriefen koͤnne man allenthalben
hinreichen, und der Kaufmann koͤnne, wenn er
wolle, eine jede Schuld durch Wechſel einziehen,
wenn nur ſein Schuldner zahlfaͤhig iſt. Ich habe
von den Schwierigkeiten, welche daraus fuͤr den
Hamburgiſchen Handel insbeſondre entſtehen, in
meinen kleinen Schriften von der Hand-
lung, Seite 455 ff. mehr geſagt, ohne jedoch die
Sache zu erſchoͤpfen. Eben aus dieſen Schwierig-
keiten entſtehen den Bankern anderer Deutſchen
Staͤdte Vorteile, die ſie ſo reich machen, und
welche der Kaufmann ihm laſſen muß, der ſich
[122]1. Buch. Vom Gelde.
ihrer zur Einziehung ſeiner Gelder aus der Ferne
bedient, wenn er nicht durch Reiſen, ſorgfaͤltige Er-
kundigungen und Ueberlegungen ihnen auf die Spur
koͤmmt und kuͤrzere Wege ausfindet.
Und doch wird manche Handlung in Europa ge-
trieben, in welcher gar kein Wechſel und kein Ban-
ker zu Huͤlfe kommen kann, und baar uͤberſandtes
oder von dem Kaufmann ſelbſt mitgefuͤhrtes Geld
allein anwendbar iſt. Dergleichen ſind diejenigen
Geſchaͤfte groͤſtenteils, welche auf Deutſchen Meſſen
von Ungarn, Polen und Ruſſen betrieben werden.
So iſt es auch mit dem Handel auf die Levante be-
wandt, ſelbſt auf denjenigen Teil, der noch zu Eu-
ropa gehoͤrt. Noch naͤher her kann mit den Ein-
wohnern von Zante und Zefalonien nicht anders ge-
handelt werden, als ſo, daß das Schiff, welches dort
Corinten laden ſoll, vorher von Venedig baares
Geld holt, um dort zu bezahlen. In dem Handel
auf Archangel ward es ſonſt oft, wo nicht nothwen-
dig, doch vorteilhaft, baare Rubel von Petersburg
dorthin zu ſchikken, die man dort denen Leuten an-
vertrauen mußte, welche die committirten Producte
in dem innern des Landes aufkaufen. Ob die Bank-
noten dies jezt gut machen, weiß ich nicht, weil das
Ruſſiſche Kupfergeld ſich nicht ſo, wie Rubel, ver-
ſchleppen laͤßt.
[123]
Zweites Buch.
Von den Waaren, als dem Gegenſtande
der Handlung, und der Waaren-
Handlung im Allgemeinen.
Erſtes Capitel.
Von den Waaren uͤberhaupt.
§. 1.
Waare nennt man einen jeden Gegen-
ſtand der Handlung. Solche Gegenſtaͤnde ſind
uͤberhaupt Produkte der Natur oder der Kunſt.
Doch wird nicht ein jedes ſolches Produkt dadurch
zur Waare, weil es zuweilen und zufaͤllig verkauft
wird. Das Gefallen an einer Sache, oder die Mei-
nung von deren Seltenheit, macht oft ein Ding zum
Gegenſtand eines Kaufs, das niemals weiter in den
Handel koͤmmt. Es ſieht z. B. einer in den Haͤnden
eines Bauerknaben das Horn eines groſſen Kaͤfers,
den man Schroͤter nennt; ihm duͤnkt es ſeltener, als
es wirklich iſt, er bezahlt dem Knaben ſeinen Fund
und legt es bei. Dadurch aber wird dies Horn nicht
zur Waare, weil es Einmal verkauft worden iſt.
[124]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
§. 2.
Man erinnere ſich an den §. 1. der Einleitung
gegebenen Begriff vom Handel; ſo wird es bald ein-
leuchten, daß ein Produkt der Natur und der Kunſt
nur unter folgenden Vorausſezungen zur Waare
werden koͤnne.
1) Es muß ein Beduͤrfnis vieler ſein. Denn
nur ſo kann dem Handelnden der Gedanke entſtehen,
einen Vorraht davon anzuſchaffen, groͤſſer als er ihn
ſelbſt bedarf, um ihn mit Vorteil an andre ab-
zutreten. Es koͤmmt aber nicht darauf an, wie
dringend das Beduͤrfnis der Sache deren Natur nach
ſei, oder ob es aus einer bloſſen Meinung und Ge
fallen der Menſchen dazu werde. Edelgeſteine ſind
fuͤr keinen Menſchen ein wahres Beduͤrfniß, werden
es aber blos durch die menſchliche Meinung. Selbſt
die edlen Metalle wuͤrden es nicht ſein, wuͤrden es
wenigſtens nicht ſo ſehr ſein, als manches minder edle
Metall, wenn nicht eine Vereinigung ſo vieler
Voͤlker entſtanden waͤre, ſie als ein Zeichen des
Wehrts zu gebrauchen. Sie werden alſo zur ver-
kaͤuflichſten Waare bei allen Voͤlkern, die es als ein
ſolches anwenden. Bei den Negern tritt ein ande-
res Produkt der Natur in deren Stelle, das fuͤr
keine andere Voͤlker einen Wehrt haben wuͤrde. Dies
ſind die kleinen Schnekken, Bouges oder Kauris ge-
[125]Cap. 1. Von den Waaren uͤberhaupt.
nannt, die nur an den Maldiviſchen Inſeln gefun-
den und dieſen Voͤlkern von den Europaͤern zugefuͤhrt
werden, ſeitdem ſie einen ſolchen Gefallen daran
finden, daß man bei ihnen fuͤr ſolche Schnekken alles
kaufen kann.
Manches Ding iſt daher nur ſo lange eine Waare,
als die Meinung, man beduͤrfe deſſen, oder der Ge-
fallen daran beſteht. Vor dreiſſig Jahren waren die
Steine in den Koͤpfen der Krebſe eine ſehr geſuchte
Waare, welche zu ſammeln man in Ungarn die
Krebſe bei tauſenden fing, ſie zu Tode quetſchte,
laͤngſt den Ufern verfaulen ließ, weil es an genug-
ſamen Verzehrern der Krebſe ſelbſt fehlte, und dann
nur die Steine ſammelte. Ich erinnere mich der
Zeit, da auch die Kinnbakken der Hechte eine Apo-
theker-Waare waren, weil die Aerzte jener Zeit ihnen
beſondere Heilkraͤfte zutrauten. Wie ſehr der durch
die Neuheit erregte Gefalle manches Kunſt-Produkt
zu einer ſchnell verkaͤuflichen Waare mache, ſieht
jedermann an den Modewaaren, und eben ſo wol,
wie eine andere es zu ſein aufhoͤre, wenn ſich dieſe
Neuheit verliert.
§. 3.
2) Das Produkt muß, um eine Waare fuͤr den
Handel zu werden, nicht von jedermann und ohne
[126]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
Muͤhe aus der Natur genommen, oder mit roher
Kunſt zubereitet werden koͤnnen. Denn was jeder-
mann haben kann, wird vergebens feil geboten.
Kein Beduͤrfniß iſt allgemeiner, als das des Waſſers.
Aber auf dem Lande, wo ein reiner Bach das Dorf
durchfließt, oder jedermann ſeinen guten Brunnen
hat, wird es nicht verkaͤuflich; wol aber in groſſen
Staͤdten, wo mancher, der einen guten Brunnen
hat, eine Art von Handel mit deſſen Waſſer treiben
kann. Die eben erwaͤhnten Kauris wuͤrden keine
Waare bei den Negern abgeben, wenn ſie dieſelben
an ihren eigenen Seekuͤſten aufleſen koͤnnten.
§. 4.
Es muß auch irgend jemand ein Eigenthums-
Recht an die verkaͤufliche Sache gehabt haben, wenn
ſie zur Waare werden ſoll. Iſt das nicht, und kann
ſie von jedermann da geſucht werden, wo die Natur
ſie offen hinlegt, ſo beſtimmt ſich der Wehrt derſel-
ben blos durch die Koſten, welche das Herbeiholen
derſelben veranlaßt. Z. B. der den Schiffen ſo
noͤtige Ballaſt gilt ohngefaͤhr nur ſo viel an denen
Orten, wo er eingeladen wird, als die Koſten der
Herbeiholung.
Wenn aber die an ein ſolches Produkt zu wen-
denden Dienſte und Arbeiten ſich durch die Weite des
Weges und andre Umſtaͤnde vervielfachen, ſo ge-
[127]Cap. 1. Von den Waaren uͤberhaupt.
winnt auch das roheſte Produkt der Natur den Rang
und den Namen einer Waare. Z. B. der Schiffer,
welcher von Rouen auf Hamburg ſeegelt, nimmt
zum Ballaſt eine Art von Leimerde, deren die Ham-
burger Zukkerſieder beduͤrfen, um den raffmirten
Zukker, wenn er in den Formen ſteht, damit zu-
dekken. Dieſer Ballaſt wird alſo hier zu einer
Waare, und ſteigt und faͤllt, wie andre Waaren in
ihrem Preiſe, zwiſchen 12 und 6 Mk. fuͤr 1000 Pfund.
§. 5.
4) Ein ſolches Produkt muß nicht zu ſchnell ver-
derblich ſein, und ſich eine gewiſſe Zeit erhalten koͤn-
nen, damit es dem Handelnden moͤglich werde, einen
Vorraht davon zu ſammeln und abzuwarten, bis
der Kaͤufer komme, an den er denſelben mit
Vorteil abſezen kann. Was keine ſolche Dauerha-
ftigkeit hat, wie dies der Fall mit vielen Lebensmit-
teln iſt, bleibt nur ein Gegenſtand des kleinen Han-
dels zwiſchen dem, der es produzirt hat, und dem
lezten Verbraucher. Aber eine laͤngere Dauerhaftig-
keit macht ſchon, daß ein Vorkaͤufer ſie dem Pro-
duzenten abnehmen kan; da ſie dann den Namen
einer Waare verdienen, z. E. Kohl, Erdtoffeln, Ruͤ-
ben. Groſſes, und ſelbſt kleines Vieh wird dadurch
zum Gegenſtand eines groͤſſern Handels, weil es ſo
[128]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
viel laͤnger erhalten werden kann, als man demſel-
ben vor dem Verkauf das Leben laͤßt.
Dieſe Dauerhaftigkeit wird manchem Natur-
produkte durch eine rohe Kunſt gegeben. Die Fiſche,
und insbeſondre der ſo leicht faulende Hering, ſind
ſeit vielen Jahrhunderten ein wichtiger Gegenſtand
des groſſen Handels geweſen, ſeitdem man gelernt
hat, ſie durch Einſalzen, Raͤuchern und bloßes
Troknen vor der Faͤulnis zu bewahren. Eben da-
durch wird das Fleiſch des Rind- und andern Viehes
zu einer Waare, fuͤr welche man den Verbraucher
bis in Weſtindien aufſuchen kann.
Andern Naturprodukten giebt eine gewiſſe Kunſt
eine laͤngere Dauerhaftigkeit, als welche ſie ohne-
hin ſchon von der Natur haben. Das Korn wird
durchs Doͤrren dauerhafter, und zu einem entferntern
Handel anwendbar gemacht.
§. 6.
Es giebt wenig Produkte, welche in dem Zuſtande,
worin die Natur ſie liefert, ſchon ein Gegenſtand
des Handels werden koͤnnten. Es muß wenigſtens
eine gewiſſe Vorarbeit an ſie gewandt werden; nicht
um ihnen die zur Verſendung nohtwendige Dauer-
haftigkeit zu geben, ſondern ſie verkaͤuflicher zu ma-
[129]Cap. I. Von den Waaren uͤberhaupt.
chen, und ſie fuͤr den kuͤnftigen Verbrauch vorzube-
reiten, auch die Verfuͤhrung derſelben zu erleichtern.
Dieſe Arbeit erhoͤhet ſchon den Gewinn eines Volkes,
das nur den Produktenhandel treibt. Nur von
einem Volke, dem aller Kunſtfleis mangelt, wird
man ſolche Produkte in ihrem ganz rohen Zuſtande
holen muͤſſen oder duͤrfen. Duͤrfen ſage ich.
Denn kein Volk wird es erlauben, in welchem man
ſich auf dieſe Vorarbeit verſteht. Aber manches Volk
kann in einer ſolchen Unwiſſenheit ſtekken, daß es
auch dieſe Vorarbeit nicht einmal verſteht. In
Schweden verſtand man bis zu den Zeiten Koͤnigs
Guſtavs I nicht den Eiſenſtein zu ſchmelzen. In
Deutſchland verſtand man es; und ſo war es ein ge-
winnvolles Gewerbe fuͤr die Hanſe-Staͤdte an der
Oſt-See, daß ſie den Schweden ihren rohen Eiſen-
Stein wegholten, ſchmolzen, zu Stangen ſchmie-
deten, und dieſe ſelbſt den Schweden wieder ver-
kauften.
Noch dann, wenn eine ſolche Vorarbeit an ein
Produkt gewandt wird, nennt man dies Produkt
ein rohes Produkt. Denn es iſt noch fern von
ſeiner eigentlichen Brauchbarkeit, und erwartet noch
manche Arbeit der Kunſt, ehe es an den lezten Ver-
braucher verkaͤuflich wird.
J
[130]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
§. 7.
Eine andre Arbeit des das Produkt verkaufenden
Volkes iſt das Abſondern der Waare in ihre verſchie-
denen Gattungen, oder das ſogenannte Sortiren.
Auch dadurch erhoͤhet ſich der Gewinn dieſes Volkes
gar ſehr uͤber dasjenige, was ihm fuͤr ſeine Waare
zu Teil wird, wenn es gute und ſchlechte Waare
durch einander gemiſcht verkauft. Ein Beiſpiel
davon giebt die Wolle, welche nicht nur bei verſchie-
denen Schaafen nach deren Gattung oder der Zeit,
zu welcher ſie geſchoren werden, ſondern auch auf Ei-
nem und demſelben Schaafe ſehr verſchieden iſt.
§. 8.
Dieſe Vorarbeit iſt nicht als eine Kleinigkeit an-
zuſehen, und ſezt gewiſſe Kenntniſſe voraus, inſon-
derheit von dem Gebrauch, den der entfernte Kaͤufer
von dem Product machen kann. Wer z. B. mit roher
Wolle handelt, muß wiſſen, welche Gattung und
zu welcherlei Zeugen die Manufactur ſie anwenden
werde, an welche er ſie verkauft. Sie dieſem ge-
maͤß zu ſortiren, das verſteht man nun freilich in
der Manufactur ſelbſt. Aber er wird dieſer nimmer-
mehr den Preis gehoͤrig ſezen koͤnnen, wenn er nicht
ſelbſt ſie ſorgfaͤltig zu ſortiren verſteht. Ich erinnere
mich eines Mannes, der ſich auf den Handel mit
Meklenburgiſcher Wolle einließ, aber in wenig Jah-
[131]Cap. I. Von den Waaren uͤberhaupt.
ren ſein nicht kleines Vermoͤgen dabei verlor, blos
weil er die Wolle nicht zu ſortiren verſtand, bevor er
ſie an die Manufacturiſten in Frankreich verſandte,
welche ſolcher Wolle bedurften.
Das Holz iſt ein ſehr rohes Produkt, und es be-
deutet nicht viel mit der Vorarbeit, welche daran in
den Waldungen geſchieht, um ganze Staͤmme an
den Fluß zu verfuͤhren, auf welchem ſie fortgefloͤßt
werden. Aber das Spalten derſelben in Stabholz
erfodert ſchon eine Kunſt und Handgriffe, zu deren
Anwendung man geuͤbte Leute haben muß. Blos
in deren Ermangelung wird mancher Gutsbeſizzer
ſein Holz nicht mit dem gehofften Gewinn verkaufen
koͤnnen, ſondern ſich einem Holzhaͤndler in die Haͤnde
geben muͤſſen, welcher die Leute dazu zu ſchaffen
weiß. Mit der Vorarbeit an dem Schiffsbauholze
hat es noch mehr zu bedeuten. Als vor dreiſſig
Jahren der Holzhandel auf der Elbe noch nicht vom
Koͤnig Friederich den Oberlaͤndiſchen Staaten abge-
ſchnitten war, ſuchten einige Boͤhmiſche von Adel im
Saazer Kreiſe das ſchoͤne Holz ihrer Waldungen
durch Verkauf deſſelben in Hamburg ſich eintraͤglich
zu machen. Sie hatten, um die Krummſtuͤkke fuͤr
den Schiffsbau zuzuhauen, Leute vom Rhein her
verſchrieben, welche den Hoͤlzern die Form gaben,
in welcher ſie fuͤr die rundbodemigten Schiffe der Hol-
J 2
[132]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
laͤnder dienen, ſo wie ſie dieſelbe am Rhein kennen
gelernt hatten. Aber eben deswegen waren ſie in
Hamburg nicht verkaͤuflich, ohne mit groſſem Verluſt.
Denn Holland zog zu der Zeit kein Schiffbauholz von
der Elbe; und fuͤr die Britiſchen, Daͤniſchen und
Schwediſchen Schiffe war es nun nicht brauchbar.
§. 9.
Daß man ein jedes Produkt und folglich auch
das Holz kennen muͤſſe, wozu es ſeiner Natur nach
brauchbar ſei, verſteht ſich von ſelbſt. Daß aber
auch, zumal bei einem neuen Verſuche in der Hand-
lung, groſſe Fehler durch Mangel dieſer Kenntnis
begangen werden koͤnnen, beweist folgendes Beiſpiel:
Um die eben erwaͤhnte Zeit hatten andre von Adel in
dem innern Boͤhmen ſich von einem Manne, den ſie
fuͤr Sachverſtaͤndig hielten, ſagen laſſen, daß ſie in
ihren Waldungen von Nadelholz einen unermeßlichen
Schaz in den herrlichen groſſen Baͤumen haͤtten,
welche, nach Hamburg hinabgefloͤſſet, ihnen 500
Tahler das Stuͤk, ſo gut wie die in ihrer Art einzi-
gen Rigaiſchen Maſten, wehrt ſein wuͤrden. Man
ſchritt zum Werke. Man faͤllte der Baͤume viele
hunderte. Aber es mußte ein Weg aus dem Walde
und dem Gebirge gemacht werden, von welchem man
mir verſichert hat, daß er 20000 Thaler gekoſtet
habe. Nun wurden die Baͤume nach Hamburg ge-
[133]Cap. I. Von den Waaren uͤberhaupt.
floͤßt. Nie habe ich ſo ſchoͤne Baͤume von Dicke,
Laͤnge und Wuchs geſehen. Aber ſie hatten einen
kleinen Fehler. Dieſer war, daß ſie der Gattung
nach eine weiſſe aͤuſſerſt magre Fichte waren, ſo ma-
ger und ſo kraftlos, daß ſie in keinem Bau auf dem
Lande, ſelbſt nicht im Innern, wo ſie keiner Naͤſſe
ausgeſezt geweſen waͤren, zu Staͤndern, Riegeln
oder Brettern anwendbar waren. Nur Tiſchler
konnten ſie in ſchlechter Arbeit, in Pakkiſten u. d. gl.
brauchen. Nun aber waren ſie einmal da, und
mußten ſo ſchlecht verkauft werden, daß faſt das
ganze daran gewandte Capital verloren ging.
§. 10.
Dergleichen und ſo wahrhafte Beiſpiele reichen
zu, um vorlaͤufig zu beweiſen, daß es in der Kennt-
nis der Waaren auf mancherlei Art verſehen werden
koͤnne. Ein Kaufmann muß wenigſtens diejenige
Waare ſehr gut kennen, mit welcher er handeln will,
oder wirklich handelt. Schon dabei iſt vieles zu be-
denken, was ich bis hieher nicht geſagt habe. Aber
ich werde vorher etwas von der Waarenkenntnis im
Allgemeinen zu ſagen haben.
Da alle Waaren Produkte der Natur oder der
Kunſt ſind, ſo iſt unſtreitig die Kenntnis jeder Waa-
re, von welcher Art ſie auch ſein mag, ein Stuͤk
[134]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
aus einer der beiden Wiſſenſchaften, in welchen man
beiderlei Produkte ſyſtematiſch kennen lernet. Dieſeſind
die Naturgeſchichte und die Kunſtgeſchichte
oder die Technologie. Ich will von beiden meine
Meinung ſagen, in wie fern ich das Studium derſelben
dem Kaufmann fuͤr rahtſam halte, unter der Vor-
ausſezung, daß er ein gewiſſermaſſen allgemeiner
Kaufmann iſt, oder zu werden gedenkt, welchem
eine jede Waare in ſeinem Handel willkommen iſt.
§. 11.
Kein Menſch iſt ſo ſehr, als der allgemeine Kauf-
mann, in dem Fall, daß er ſich mit einer groſſen
Mannigfaltigkeit natuͤrlicher Koͤrper beſchaͤftigt, und
dieſes mit einem Intereſſe, welches dem nimmer ent-
ſteht, welcher blos aus Wisbegierde ſie kennen zu
lernen bemuͤht iſt, wenn er nicht etwa auch dabei
Naturalienhaͤndler, das iſt, ein Kaufmann in ſeiner
Art iſt. Der Kaufmann iſt alſo genoͤtigt, die ihm
vorkommenden Gegenſtaͤnde ſeines Gewinns zuver-
laͤſſiger und nicht blos auf fremden Bericht und Zeug-
niß zu kennen und zu beurteilen. Jeder Irrtuhm
iſt ihm ſchaͤdlicher, als dem, der durch dieſe Kennt-
nis blos ſeine Wisbegierde vergnuͤgen will. Was er
dann auſſer der bloſſen Naturgeſchichte derſelben von
ihnen wiſſen muß, das iſt er gewiſſer deutlicher ein-
zuſehn, wenn er durch dieſe dazu vorbereitet iſt.
[135]Cap. I. Von den Waaren uͤberhaupt.
Haben gleich unſere Vorfahren derſelben ſehr entbeh-
ren koͤnnen, weil faſt ein jeder von ihnen wußte,
was fuͤr Waaren in ſeinen Handel kommen koͤnnten,
ſo iſt dies jezt nicht mehr der Fall, da ein jeder
Kaufmann doch vorzuͤglich gern den Commiſſions-
Handel treibt, in welchem er nimmer gewiß iſt, wel-
cher Art Waaren ihm vorkommen werden.
Aber ich bin fern von der Foderung, daß ein
Kaufmann ein Hauptwerk aus dieſer Wiſſenſchaft
machen muͤſſe. Eine allgemeine Ueberſicht derſelben
iſt ihm genug. Einzelne Teile derſelben kann er
ganz und gar bei Seite ſezen. Wozu wuͤrde z. B.
dem Kaufmann die ganze Conchyliologie, oder die
Kenntnis der Muſcheln und Schnekken nuͤzen?
Wenn aber gleich in allen Naturhiſtoriſchen Buͤ-
chern das Vaterland eines jeden, inſonderheit eines
auslaͤndiſchen natuͤrlichen Koͤrpers angezeigt wird,
ſo hat er doch an dieſen kurzen Notizen nicht genug, ſon-
dern muß mehr geographiſche Kenntnis von einzelnen
Naturprodukten haben, als der beſte Schuͤler des
großen Linaé, des Vaters der neuern Naturge-
ſchichte. Ich werde unten §. 15. ein Beyſpiel an-
fuͤhren, wie ſich die Geographie an die kaufmaͤnni-
ſche Waarenkenntnis anknuͤpft.
[136]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
§. 12.
Die Technologie iſt als vorbereitende Wiſſenſchaft
dem Kaufmann unentbehrlich, der mit Manufactur-
waaren handelt, oder vorausſieht, daß er damit
handeln werde. Wenn er in der Naturhiſtoriſchen
Kentniß manchen Teil ganz bei Seite ſezen kann, ſo
wird er ſich dies weniger in dem Studium der Tech-
nologie erlauben duͤrfen. Zwar teilt man dieſe in
gutgeſchriebenen Anleitungen nach den drei Natur-
reichen ſehr ſchiklich ein. Aber die Arbeiten der
Menſchen an den natuͤrlichen Koͤrpern unterſcheiden
ſich nicht allerdings nach dieſen Gegenſtaͤnden. Die
Chemie, welche ſich an die Technologie anknuͤpft,
leiſtet eben ſo wol ihre Dienſte bei Zubereitung der
Waaren aus dem Thier- und Gewaͤchs-Reiche, als
bei denen aus dem Mineralreiche, mit welchen ſie
freilich ſich am meiſten beſchaͤftiget. Die Werkzeuge
der Kuͤnſte aller Art unterſcheiden ſich in ihrem Me-
chanismus nicht allerdings nach denen Gegenſtaͤnden,
welche damit behandelt werden.
Die Hauptſache aber iſt, daß der junge Kauf-
mann durch den Unterricht in beiden Wiſſenſchaften
die ihm dienliche Wendung des Geiſtes, inſonder-
heit daß er den Beobachtungsgeiſt erlange, welcher
ihm ſo nuͤzlich iſt. Er muß dadurch ſo viel gewin-
nen, daß er, wenn ihn kuͤnftig irgend ein Natur-
[137]Cap. I. Von den Waaren uͤberhaupt.
oder Kunſtprodukt naͤher intereſſirt. alles unterſuche
und erfrage, was fuͤr ſeinen Zwek zu wiſſen noͤtig
iſt. Das wird er gewiß beſſer tuhn, und beſſer auf
den Grund der Sache kommen, wenn er dieſe beiden
Kenntniſſe in ſeinen Jugendjahren mit einigem Ernſt
getrieben hat, als wenn er darin ganz unwiſſend
geblieben iſt. Dieſe Wendung des Geiſtes wird er
inſonderheit auf verſtaͤndig angeſtellten Reiſen gewin-
nen, und eben dadurch ſich auch ſeine Reiſen nuͤzli-
cher machen.
§. 13.
Meinen Raht ſo ſehr einzuſchraͤnken, habe ich
um ſo viel mehr Urſache, je mehr ich uͤberzeugt bin,
daß die vollſtaͤndigſte Kenntnis beider Wiſſenſchaften
den Kaufmann das nicht lehre, was er eigentlich von
jeder Waare wiſſen muß, die der Gegenſtand ſeines
Handels insbeſondere wird. Die Naturprodukte
kommen groͤßtenteils in ſein Waarenlager in einer
ganz andern Geſtalt, als in welcher die Natur ſie
hervorbringt. Ihre ſich mit dem Boden, worauf
ſie gewachſen ſind, veraͤndernde Guͤte, Beſchaffenheit
und Abarten werden ihm durch keine Linnéiſchen
Kennzeichen und Benennungen klar. Betruͤge aller
Art werden angewandt, um ihn in ſeinem Urteil
uͤber deren Beſchaffenheit und Guͤte irre zu machen.
[138]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
Noch mehr und mehrerlei Betruͤge werden bei den
Kunſtprodukten angewandt. Mancher derſelben
wird zwar ihn nicht taͤuſchen koͤnnen, wenn er das
ganze Verfahren der Kunſt kennt, mit welcher dieſe
Waare bearbeitet wird. Aber mancher Betrug iſt
doch zu ſehr verſtekt, auch fuͤr ein wolunterrichtetes
Auge. Freilich iſt es wahr, daß lange Uebung das
Auge ſo ſcharfſichtig in der Beurteilung einzelner
Arten von Waaren macht, daß der Unkundige dar-
uͤber erſtaunen muß. Ich habe in Schleſien den
Mann geſehn, der einem jeden noch rohen Stuͤkke
Schleier bis auf einen guten Groſchen ſeinen Wehrt
beſtimmte, und ohne davon abzuweichen es von dem
Weber erhielt, der es ihm zu Kauf brachte. Aber
wie mancher muß ſchweres Lehrgeld geben, ehe er
es ſo weit bringt! Dazu kommen ſo viele durch das
Willkuͤhr der Menſchen eingefuͤhrte Dinge, die der
Kaufmann alle wiſſen muß, um gewiß zu ſein,
ob und wohin er ſeine Waare verkaufen koͤnne.
§. 14.
Dieſe Special-Waarenkenntnis hat alſo Schwie-
rigkeiten, uͤber welche nach Regeln zu belehren ich
mich ganz unfaͤhig fuͤhle, da ich auch mit keiner ein-
zigen Waare recht kaufmaͤnniſch bekannt bin. Aber
einzelne Beiſpiele aus der Menge derer anzugeben,
[139]Cap. I. Von den Waaren uͤberhaupt.
welche mir beilaͤufig bekannt geworden ſind, halte
ich doch fuͤr noͤtig, um den der Handlung ſich wid-
menden Juͤngling zu warnen, daß er nicht glaube,
mit jeder Waare handeln zu koͤnnen. wenn er eine
Calculation uͤber dieſelbe ſich hat einſenden laſſen,
oder ſie ſelbſt zu machen gelernt hat. Inſonderheit
moͤgen junge Leſer meines Buchs ſich das merken,
daß, wenn man ſo oft von Streitigkeiten in der
Handlung hoͤrt, welche der darunter leidende Teil
gern fuͤr Chicanen ſeines Correſpondenten aus-
ſchreiet, die gewoͤhnliche Urſache in der dem Ver-
kaͤufer oder Commiſſionair fehlenden Kenntniß der
Waare liege.
§. 15.
Zwar glaubt der Kaufmann, dieſer Kenntnis
durch den Dienſt des Maklers guten Teils uͤberhoben
zu ſein. Er hat Recht dazu. Denn der Makler ſoll
die Waare kennen, welche er behandelt, und dieſe
Kenntnis wird ihm teuer genug in der Courtage be-
zahlt, welche in dem Waarenhandel gewoͤhnlich ⅚
pCt. betraͤgt. Aber nicht in allen Handelsplaͤzen
ſind Makler, und ich nehme an, daß mein Buch
auch in dieſen werde geleſen werden. Mein erſtes
Beiſpiel mag alſo eine Beſtaͤttigung hievon geben.
[140]2 Buch. Von dem Waarenhandel.
1) Copenhagen hat keine Waarenmakler; we-
nigſtens hatte es ſie noch nicht in dem Jahre 1782,
als ich zum zweitenmal dort war. Der damalige
Seekrieg vergroͤſſerte die Handlung dieſer Stadt ganz
ungemein, und fuͤhrte derſelben von dem Daͤniſchen
Freihaven St. Thomas in Weſtindien Waaren zu,
die man dort gar nicht kannte, und denen man in den
Briefen an die Committenten ganz unrechte Namen,
wenigſtens in Bezeichnung der Gattung, gab. An-
fangs traute man dieſen Bezeichnungen. Wenn
aber die committirte Waare an den Ort ihrer Beſtim-
mung kam, war ſie bald von einer beſſern, bald von
einer ſchlechtern Gattung. Wer die beſſere bekam,
ſchwieg ſtill; wenn ſie aber ſchlechter ausfiel, ſo ent-
ſtand eine nicht ungerechte Schadensklage. Die Folge
davon war, daß man ſeine Commiſſion nicht eher
beſtimmt gab, als nachdem die Proben mit der Poſt
uͤberſandt waren. Von manchen Waaren wurden
die Proben von dortigen Kaufleuten ſelbſt nach Ham-
burg oder Amſterdam geſandt, mit der Bitte, ihnen
die Gattung der Waare zu benennen und den Preis,
den ſie gelten koͤnnten, zu beſtimmen. Ich ſpoͤttle
nicht etwa, ſondern ich ſage die Wahrheit, zu deren
Beſtaͤttigung ich anfuͤhren darf, daß dortige Kaufleute
in dem Gefuͤhl dieſer Verlegenheit mich baten, einen
oder mehrere waarenkundige Maͤnner zu veranlaſſen,
[141]Cap. I. Von den Waaren uͤberhaupt.
daß ſie nach Copenhagen uͤbergehen, und der dor-
tigen Handlung als Makler dienen moͤgten.
2) Aber ſelbſt der Makler kann fehlen. Von
dieſer Art war der Fall, uͤber welchen man S. 262 ff.
in dem erſten Bande unſrer Handlungsbiblio-
thek nachleſen kann. Dieſer nicht unwichtige Rechts-
handel wuͤrde nicht entſtanden ſein, wenn der Makler
uͤber die Waare voͤllig unterrichtet geweſen waͤre,
und wenn er inſonderheit den Geographiſchen Um-
ſtand gewußt haͤtte, daß die Gegend, welche in ge-
woͤhnlichen Landcharten die Caraquiſche Kuͤſte heißt,
drei Teile habe, von welchen einer, die eigentliche Ca-
raqueskuͤſte, den allerbeſten Cacao hervorbringt.
§. 16.
3) Schon bei der natuͤrlichen und noch durch
keine Kunſt veraͤnderten Beſchaffenheit mancher Waare
iſt vieles zu bedenken, das der Kaufmann wiſſen muß,
wenn er in dem Handel mit derſelben ſicher gehen
will. Welch eine einfache Waare iſt nicht das Korn!
Und doch gehoͤrt zu einer zuverlaͤſſigen Kenntnis des
Korns ſehr viel. Nicht genug iſt es zu wiſſen, in wel-
chem Lande das Korn gewachſen ſei. Denn nicht
jedes Land traͤgt in jedem Jahre Korn von gleicher
Guͤte. Z. B. in dieſem Jahre iſt der Waizen in den
Holſteiniſchen niedrigen Marſchlaͤndern um 10 pr. C.
[142]2 Buch. Von dem Waarenhandel.
beſſer, als in andern Jahren, in Folge des trocknen
Sommers. Bei dem Korn, das auf Fluͤſſen zuge-
fuͤhrt wird, iſt ein Betrug zu fuͤrchten, der nicht bei
demjenigen Statt hat, das auf der Axe oder uͤber See
koͤmmt, naͤmlich, daß diebiſche Schiffsleute es an-
feuchten, um ihm das Maas und Gewichte des von
ihnen geſtohlnen und am Lande verkauften Korns
wieder zu geben.
Das Holz iſt zwar eine ſehr rohe Waare. Aber
der muß viel und lange mit Holz umgegangen ſein,
der eine gute Holzkenntnis erlangt hat. Auch das
beſte Holz wird ſchlechter und ſchwaͤcher, wenn es
gefloͤst iſt, und oft nicht allenthalben unter allen
Umſtaͤnden verkaͤuflich. In England wendet man
kein gefloͤstes Holz zu Kriegsſchiffen an. Ein Wa-
terman auf der Themſe ſagte mir, daß das Boot,
mit welchem er ſein Brod verdiene, ganz von Eng-
liſchem Eichenholz, und die Bretter deſſelben nur
⅜ Zoll dick ſein, von Hamburgiſchem Holze aber einen
Zoll dick genommen werden muͤſſen. Von der Vor-
arbeit an Holzwaaren habe ich oben §. 8. etwas
geſagt.
§. 17.
4) Das Willkuͤhr der Menſchen und ihre Ge-
woͤhnung an den Verbrauch von Waaren einer ge-
[143]Cap. I. Von den Waaren uͤberhaupt.
wiſſen Art, die Abſichten der Kaͤufer bei deren wei-
terem Vertriebe, inſonderheit durch die Contrabande,
ſind ſo mannigfaltig, daß ein ſtarkes Buch von allen
mehr oder minder richtigen Umſtaͤnden ſich ſammeln
lieſſe, welche der Kaufmann bei jeder Waare beſon-
ders wiſſen muß, und deren Unkunde ihn in Scha-
den ſezt. Hier ſind nur einige Beiſpiele davon:
Als vor etwa dreiſſig Jahren die erſten Maͤhri-
ſchen Leinen nach Cadix verſandt wurden, waren ſie
dort unverkaͤuflich. An ihrer Guͤte, an ihrer Gat-
tung und an ihrem Preiſe war nichts auszuſezen.
Aber ſie waren zu breit, breiter als Schleſiſche Lei-
nen von gleichem Preiſe, ſo daß folglich deren Kaͤu-
fer mehr Waare fuͤr ſein Geld bekam. Allein mit
dieſer Breite paßten ſie nicht in die Kaſten, mit
welchen man im Spaniſchen Amerika die Mauleſel
belaſtet, um die Waaren uͤber die Gebuͤrge zu brin-
gen. Dieſe Kaſten haben deswegen eine gewiſſe
Form, damit man Arzneiglaͤſer darauf packen koͤnne,
da dann der Kontrabandirer alles fuͤr Arznei aus-
giebt, und zollfrei einbringt. Schon in Cadix
machte die Form und Breite dieſer Leinen eine
Schwierigkeit im Zoll.
Die Leinen, welche nach Amerika verfuͤhrt wer-
den, und in Spanien ſelbſt verkaͤuflich ſein ſollen,
[144]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
muͤſſen in der Gattung, im Geſpinſte und in den
Maaſſen ganz verſchieden ſein. Leinen, die in Ca-
dix willkommen ſind, ſind es nicht in Bilbao, dieſe
wieder nicht in Mallaga oder in Barcelona. Denn
ſelbſt in den Provinzen iſt es anders und anders.
Bei manchen Waaren muß die Ausſicht darauf
genommen werden, daß man ihnen die Form und
das aͤuſſerliche Anſehen, wiewohl ohne eigentlichen
Betrug, geben koͤnne, in welcher ſie verkaͤuflich wer-
den, wenn etwan eine Commiſſion auf Waaren
einer gewiſſen Art einlaͤuft, und dieſe nicht vor-
raͤhtig iſt.
Mir iſt ein noch nicht entſchiedener Rechtshan-
del bekannt, welcher blos die Unwiſſenheit eines
Kaufmanns von dem Maaſſe einer gewiſſen Ellen-
waare zum Grunde hatte, die ihm in Verkaufs-
Commiſſion zugeſandt war. Er nahm 60 Cllen in
jedem Stuͤk an, und verkaufte unter dieſer Vorausſe-
zung die ganze Partei. Der Kaͤufer fand aber eine viel
geringere Ellenzahl. Von abſichtlichem Betruge
war nicht die Rede, und es verſtand ſich, daß er ſo
viel weniger zu bezahlen haͤtte. Aber nun erhob die-
ſer eine Schadensklage unter dem Vorwande, daß er
eine groͤßere Partei der Waare behandelt habe, und
[145]Cap. I. Von den Waaren uͤberhaupt.
folglich den darauf gehoften Vorteil zum Teil
verloͤre.
Auch manche Waare empfielt ſich in einzelnen
Gegenden durch wirkliche Unvollkommenheit. Noch
vor dreiſſig Jahren waren in einem groſſen Teil
Deutſchlands nur alte Roſinen angenehm, und nie-
mand genoß ſie, wenn nicht der Zucker in denſel-
ben zwiſchen den Zaͤhnen zu fuͤhlen war.
§. 18.
5) Von abſichtlichen Betruͤgen im Waaren-Ver-
kauf mag ich nicht viel ſagen. Wahr iſt es freilich,
daß man viele Waaren ausdruͤcklich ſo verfertigt,
daß man den Kaͤufer, der nicht Kenner iſt, und im-
mer gut zu kaufen glaubt, wenn er wohlfeil kauft,
damit anlocke. Wahr iſt es auch, daß manche Ma-
nufactur, die ſonſt gut zn arbeiten gewohnt iſt, Com-
miſſionen annehmen muß, die ihr in dieſer Abſicht
gegeben werden. In den haͤufigen Waarenauctionen,
welche in Hamburg geſchehen, glaubt der Halbwiſ-
ſende, die Manufacturwaaren werden verſchleudert,
oder aus Noht verkauft, weil er nicht weis, daß ſie
ausdruͤcklich ſo ſchlecht beſtellt worden ſein, um ſo
verſchleudert werden zu koͤnnen.
K
[146]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
Bei einem Vorfall, wo ich an der Frage Teil
nahm, wie ein Speicher angelegt werden ſolle, ſagte
mir ein Kaufmann im ganzen Ernſt: Speicher
muͤſſen lang und ſchmal gebaut ſein, und wenig Licht
in der Mitte haben. Denn da ſtellt man ſolche Waa-
ren hin, welche nicht der beſten Art oder ſchadhaft
ſind. Koͤmmt dann der Makler, beſieht ſie, und
denkt nicht daran, mit der herausgenommenen Probe
naͤher ans Fenſter zu gehen, ſo wird man noch wol
eine Waare los, oder bekoͤmmt einen Preis dafuͤr,
den man ſonſt nicht bekommen wuͤrde.
Schwerer, als mit allem uͤbrigen, haͤlt es mit der
Beurteilung der Arbeiten der erſten Hand in Manu-
facturen, deren Anfang das Spinnen iſt, wenn ſie
dem, der ſie weiter bearbeiten laͤßt, als ſo weit fer-
tige Waare zum Verkauf gebracht werden oder gar
von ihm verſchrieben werden muͤſſen. Zwar ſorgt
eine jede Obrigkeit in ſo fern dafuͤr, daß ſie ein ge-
wiſſes Maas der Haſpel und beſtimmte Zahl der Um-
laͤufe fuͤr das Gebinde des Garns beſtimmt. Wenn
dieſes richtig gehalten wird, ſo entſcheidet freilich das
Gewigt der Zahl Stuͤkke im Pfunde uͤber die Fein-
heit deſſelben, und uͤber deſſen Brauchbarkeit fuͤr
Arbeiten einer gewiſſen Art. Die Hamburgiſchen
Zwirn-Manufacturen, welche der Spizzen-Kloͤp-
pelei und auch dem feinen Weisnehen vorarbeiten,
[147]Cap. I. Von den Waaren uͤberhaupt.
waren bis vor etwa vierzig Jahren in einem ſehr
guten Beſtande. Denn die Spinner in dem Diſtrict
Weſtphalens, wo die ihnen noͤtigen aͤuſſerſt feinen
Garne geſponnen werden, waren ehrlich, und die
Hamburger bekamen dieſelben zuverlaͤſſig gehaſpelt
von ihren Commiſſionaͤren in Guͤtersloh. Nun aber
kam der Geiſt des Betrugs in die Koͤpfe dieſer Spin-
ner, ſo daß in jedem Gebinde viel an der Zahl der
Faͤden fehlte, folglich auch die Feinheit bei gleichem
Gewigte truͤglich ward. Erſt ſpaͤt ward, durch eine
von deren Obrigkeit von hieraus erbetene Inſpection,
dem Uebel ſo weit gewehrt, daß die hieſigen Ma-
nufacturiſten nicht mehr ſo groſſen Betrug fuͤrchten
durften.
Das rahtſamſte iſt, dergleichen Unterſuchung,
welche im Groſſen ſowol dem Manufacturiſten als
ſeinen Aufkaͤufern unmoͤglich faͤllt, wo es nur ge-
ſchehen kann, (denn in dem jezt erzaͤhlten Fall hatte
dieß nicht Statt) Leuten zu uͤberlaſſen, welche die
zweite Arbeit daran verrichten. Denn der Weber,
der ſolches Garn fuͤr ſeinen einzelnen Weberſtuhl
kauft, wird ſich von dem Spinner nicht ſo leicht be-
triegen laſſen. Er kann das wenige Garn, welches
er kauft, ſorgfaͤltiger beurteilen, kennt auch ſeinen
Verkaͤufer beſſer, als der groſſe Manufacturiſt.
Dieſer hat dann nichts weiter zu unterſuchen, als
K 2
[148]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
die Beſchaffenheit der fuͤr ſeine lezten Arbeiten der
Appretur, Faͤrberei und dergleichen fertigen Arbeit des
Webers, worin ſein Auge endlich ſo geuͤbt wird, wie
ich die Beweiſe davon geſehen habe.
Hierin liegt die Haupt-Urſache, warum ſolche
Manufacturen, deren Grund die Spinnerei und We-
berei iſt, in England, Schleſien, Sachſen und an-
dern Gegenden vorzuͤglich beſtehen, und hingegen ſo
groſſe Schwierigkeit finden, wenn Fuͤrſten ſie auf
den Fuß unternehmen wollen, daß alle Arbeit vom
erſten Anfang an fuͤr die Rechnung Einer Fabrik und
unter deren Direction geſchieht. Eben hierin liegt
auch die Haupt-Urſache, warum die Manufacturen,
welche man zum Beſten der Armuht durch Werkhaͤu-
ſer in Gang zu ſezen ſucht, ſo ſchwer fortkommen.
Zweites Capitel.
Einteilung der Waarenhandlung in
allgemeiner Ruͤkſicht.
Zwar iſt das dritte Buch fuͤr die Erlaͤuterung der
Handlung ſelbſt, und der verſchiedenen Arten, wie
[149]Cap. 2. Einteilung des Waarenhandels.
dieſelbe betrieben wird, beſtimmt. Aber da in die-
ſem Buche die Rede von den Waaren iſt, ſo gehoͤrt
ſchon die Erlaͤuterung desjenigen Unterſchiedes in
daſſelbe, der ſich auf die Art bezieht, wie ein
Volk zu den Waaren, den Gegenſtaͤnden ſeiner
Handlung, gelangt. Nur dieſen werde ich hier kurz
auseinder ſezen, und vor jezt alles zur Seite laſſen,
was als Folge daraus in politiſcher Ruͤckſicht anzu-
merken ſein moͤgte.
§. 1.
Ein Volk gelangt zu ſeinen Waaren auf vier
Wegen:
1) Es gewinnt dieſelben aus ſeinem Grunde
und Boden, und wendet nicht mehr Arbeit daran,
als noͤtig iſt, um ſie auf die noͤtige Zeit bis zu
deren Verbrauch dauerhaft zu machen, und vor
dem Verderben zu bewahren. Oder es verrichtet an
denſelben einige Vorarbeit, um ſie zu einer weiteren
Aus- und Umarbeitung vorzubereiten, nach welcher
ſie allererſt des eigentlichen Verbrauchs faͤhig werden.
M. ſ. §. 5 des vorigen Capitels. So beſchaffen
nennt man noch dieſe Waaren rohe Producte, und
den Handel mit ſelbigen den Productenhandel.
§. 2.
2) Oder ein Volk iſt im Beſiz eines entfernten
[150]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
Landes, deſſen Boden ihm Producte giebt, die ſein
eigner Boden nicht hat. Es beſezt daſſelbe mit Ein-
wohnern, die es anbauen, und fortdauernd ihm an-
gehoͤrig und unterwuͤrfig bleiben. In dieſer Ruͤkſicht
nennt man dies Land eine Colonie, und den Handel
mit demſelben den Coloniehandel. Solche Hand-
lungs-Colonien ſind allererſt in neueren Zeiten ent-
ſtanden, ſeitdem die Seefahrt ſich ſo ſehr erweitert
hat, [und] durch dieſelbe ſolche Naturproducte bekannt
worden ſind, die das Altertuhm nicht kannte, oder noch
nicht zu ſeinen Beduͤrfniſſen rechnete. Durch dieſe
Colonien wird alſo jezt eine ungeheure Maſſe von
Producten in den Handel gebracht, welche derſelbe
in der Vorzeit nicht kannte. Das Land, welchem
die Colonie angehoͤrt, nennt man das Mutterland,
im Engliſchen Mother-Country, und im Franzoͤ-
ſiſchen Metropole.
Die vor Alters des Handels wegen in der Ferne
entſtandenen Niederlaſſungen handelnder Voͤlker,
wie z. B. die der Tyrier in Gades, oder dem heuti-
gen Cadix, waren keine eigentliche Handelscolo-
nien, wie dieſe neuerer Zeit, ſondern das, was
wir jezt eine groſſe Faktorei nennen wuͤrden. In
jenen Zeiten hatte auch nicht eine aͤhnliche Veranlaſ-
ſung Statt, ein entferntes Land anzupflanzen. Die
[151]Cap. 2. Einteilung des Waarenhandels.
Handlung hatte ihren Siz in dem Mittellaͤndiſchen
Meere, und die daſſelbe umgebenden Voͤlker kannten
keine ſo groſſe Verſchiedenheit in ihren Producten,
als diejenige iſt, welche die des Nordens, und die des
heiſſen Erdſtriches haben. Diejenigen, welche die-
ſem Erdſtriche ganz eigentuͤhmlich ſind, kannten oder
entbehrten ſie nicht. Freilich waren ihnen manche
Producte Indiens ſehr angenehm. Aber dort konn-
ten ſie keine Laͤnder ſich eigen machen, um ſie anzu-
pflanzen, weil die directe Schiffahrt ihnen nicht of-
fen war. Jezt aber, da die Handlung ihren Siz
im Norden hat, finden die handelnden Voͤlker weit
mehr Producte der waͤrmern Gegenden in ihrer Le-
bensweiſe anwendbar. Die ganz veraͤnderte Lebens-
weiſe der neuern Voͤlker hat ihnen einen Gefallen an
Producten jener Gegenden erwekt, welche auch das
ſuͤdliche Europa nicht einmal hervorbringen kann.
Einige, z. B. der Zucker, ſind ein allgemeines Be-
duͤrfnis fuͤr den Suͤden, wie fuͤr den Norden Euro-
pens geworden. Andere, z. B. den Cacao, waͤhlen
die Suͤdlaͤnder, andere die Nordlaͤnder vorzuͤglich,
z. B. den Rum. Einige derſelben treten, als
Materialien fuͤr die Manufacturen, den ſchon be-
kannt geweſenen Waaren der Levante von gleicher
oder aͤhnlicher Art in den Weg, z. B. die Baum-
wolle und viele Faͤrbewaaren.
[152]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
Auf dieſer Verſchiedenheit der Producte beruhet
inſonderheit die Handels-Verbindung eines Mutter-
landes mit ſeinen Colonien. Auch die politiſche Ver-
bindung haͤlt dabei um ſo viel feſter. Wenn daher
ein Europaͤiſches Volk ein Land beſizt, deſſen Boden,
Klima und Producte dem ſeinigen zu aͤhnlich ſind,
und dann etwan, wie England in Anſehung von
Nord-America taht, die Handlungs-Verbindung er-
zwingen will, ſo wird doch dieſelbe auf dieſe Weiſe
nicht lange feſten Beſtand haben. Dies hat die ſo
fruͤhe Losreiſſung von Nordamerica bewieſen. Doch
werde ich hievon mehr in dem fuͤnften Buche ſagen.
§. 3.
3) Oder ein Volk handelt mit Producten ſeines
oder eines fremden Landes, denen es durch Kunſt
mehr Vollkommenheit und Brauchbarkeit gegeben
hat, als welche ſie haben, wenn ſie aus der Hand
der Natur kommen. Dies macht den Manufactur-
Handel.
Die Arbeiten der eigentlich ſo zu benennenden
Manufacturen ſangen da an, wo die §. 5 des vori-
gen Capitels erwaͤhnten Vorarbeiten an den rohen
Producten aufhoͤren. Sie teilen ſich aber
a) in diejenigen, welche den Materialien der
[153]Cap. 2. Einteilung des Waarenhandels.
Manufacturen die lezte fuͤr deren Verbraucher noht-
wendige Vollendung geben; und
b) diejenigen, welche, bei Anwendung einer ge-
wiſſen nicht ganz gemeinen Kunſt, doch nur als Vorar-
beiten fuͤr die vollendenden Manufacturen in verſchie-
denen Stuffen koͤnnen angeſehen werden. Man
nennt ſie gewoͤhnlich die Arbeit der erſten
Hand.
Man wird mich voͤllig verſtehen, wenn ich den
Flachs zum Beiſpiel nehme. Jedermann weiß, wie
vielerlei Vorarbeit an denſelben gewandt werden
muͤſſe, ehe er als roher Flachs verkaͤuflich wird, ſo
wie er in Menge von der Oſtſee aus nach Portugal
und andern Laͤndern verfuͤhrt wird. Dieſe iſt noch
nicht die ſo benannte Arbeit der erſten Hand. So
iſt er noch ein rohes Produkt und noch gar keines
Verbrauchs faͤhig. Zu Garn geſponnen iſt er ſchon
als eine Manufactur-Waare anzuſehen. Wird dies
Garn gezwirnt und gebleicht, ſo ſind auch dies noch
Vorarbeiten fuͤr gewiſſe vollendende Manufacturen,
z. B. fuͤr die Spizzenkloͤppelei. Als bloſſes Garn
benuzt es der Weber, deſſen Arbeit doch auch nur
Vorarbeit fuͤr die eigentliche Leinenmanufactur iſt,
welche durch Bleichen und Appretiren dem Leinen die
[154]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
Vollendung giebt, mit welcher der lezte Verbraucher
allererſt zufrieden iſt.
Ich werde dieſen Unterſchied zwiſchen den vollen-
denden und nicht vollendenden Manufacturen im
5ten Buche ſehr benuzzen, und merke hier nur vor-
laͤufig an, daß nicht ein jedes Land der lezten Vollen-
dung der Mannfactur-Waaren, zu welchen es ſelbſt die
Materialien hervorbringt, oder die es durch ſeinen
Colonie-Handel an ſich zieht, ſich annehmen koͤnne.
Anmerkung.
Manufactur iſt die allgemeine Benennung
fuͤr jede Kunſtarbeit, durch welche irgend ein Natur-
Product ganz oder zum Teil zu deſſen eigentlichem
Verbrauch vorbereitet wird, was auch fuͤr Huͤlfs-
mittel dazu angewandt werden. Fabrik iſt der
Ableitung des Worts nach die Werkſtaͤtte jeder Kunſt-
arbeit, welche Feuer und Hammer, oder wenigſtens
den Hammer und ſchneidende oder hauende Werk-
zeuge zu Huͤlfe nimmt. Es iſt daher falſch und
unter den Schriftſtellern, welche den Ausdruk uͤber-
legen, nicht mehr gewoͤhnlich, lezteres Wort als
dem erſterern gleichgeltend zu nehmen. Man ſollte
billig nie von Leinen- oder Wollen-Fabriken
reden. Es iſt auch ſchon fehlerhaft, wenn man Fa-
briken und Manufacturen neben einander nennt.
[155]Cap. 2. Einteilung des Waarenhandels.
Denn jene ſind unter dieſen ſchon mit verſtanden
und eine Gattung derſelben.
§. 4.
4) Der einzige auſſer jenen noch uͤbrige Weg fuͤr
ein Volk Handel zu treiben iſt: wenn es die Pro-
ducten und Manufactur-Waaren Eines Landes an-
kauft und holt, um ſie einem andern Lande zu ver-
kaufen und allenfalls ſelbſt ſie ihm zuzufuͤhren.
Dieſen Handel nenne ich den Zwiſchenhandel.
Die Franzoͤſiſchen Schriftſteller geben bisher dieſem
Handel die Benennung Commerce d’Oeconomie,
woraus die Deutſchen den Namen Oeconomie-Handel
gezogen und lange gebraucht haben. Morellet
hat jedoch den ſchiklichern Namen, Commerce d’en-
trepôt, angegeben.
Anmerkung.
Ich habe, wie ich glaube, zuerſt dieſe natuͤrliche
Benennung, Zwiſchenhandel, in der erſten Aus-
gabe meiner kleinen Schriften uͤber die Hand-
lung, bereits vor zwanzig Jahren angegeben, und
ſie iſt ſeitdem in Deutſchen Schriften ſehr allgemein
geworden. Bis dahin nahm man von den Franzo-
ſen die Benennung: Oeconomie-Handel an, welche
darauf deutet, daß dieſer Handel eine beſondere Spar-
ſamkeit und Ueberlegung aller kleinen irgend moͤg-
[156]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
lichen Vorteile erfodre. Das iſt aber nicht mehr
dieſem Handel eigen, als einer jeden Handlung,
wenn ſie von einem verſtaͤndigen Manne betrieben
wird. Es iſt auch unſtreitig, daß der Manufactur-
Handel, zumal in der jezigen groſſen Concurrenz der
manufacturirenden Voͤlker, einer aufs genaueſte
uͤberlegten Sparſamkeit weit mehr bedarf, als der
Zwiſchenhandel. Ueberhaupt muß man auch keine
Benennungen der Sachen von ſolchen Umſtaͤnden
hernehmen, die nur zufaͤllig ſind, und gar nicht auf
die Natur derſelben deuten. Herr Profeſſor Fiſcher
in Halle, der Verfaſſer einer Deutſchen Handlungs-
Geſchichte, ſcheint jedoch noch dies Wort lieb zu be-
halten. Ich rede ihm aber daruͤber eben ſo wenig
ein, als ich ſeiner ungegruͤndeten Widerrede gegen
meine Grundſaͤzze des Wechſelrechts, aus alten
Rechten der Deutſchen gegen ihre Schuldner uͤber-
haupt, und ſeinem falſchen Tadel einer von ihm ganz
mißgedeuteten Stelle in meinem Buche von dem
Geldes-Umlauf jemals etwas entgegenſezen
werde.
§. 5.
Dieſer Zwiſchenhandel iſt in alten Zeiten der
erſte Handel im Groſſen geweſen. Der Handel der
Seeſtaͤdte, die der Hanſe angehoͤrten, war groͤßten-
teils ein Zwiſchenhandel. Er iſt auch noch durchaus
[157]Cap. 2. Einteilung des Waarenhandels.
nohtwendig, um den Handel zwiſchen entfernten
Voͤlkern im Ganzen zu erhalten. Indeſſen ſucht
und findet in dem jezigen Zuſtande Europens ein
verſtaͤndiger Kaufmann andre Wege, als welche ſonſt
moͤglich waren, um mit Vorbeigehung derer Staa-
ten, die den Zwiſchenhandel treiben, ſeine Hand-
lung zu fuͤhren. Die Einwohner ſolcher Staaten
bieten ſelbſt die Hand dazu, und dienen ihm durch
Commiſſion oder wol gar durch bloſſe Spedition.
Man unterſcheidet daher mit Grunde den Handel,
in den directen Handel oder den mit der erſten
Hand, und den indirecten oder den Handel mit
der zweiten Hand. Allein faſt jede Handlung hat
eine zweite oder dritte Hand. In denen Handels-
plaͤzen, wo die Zwiſchenhandlung bluͤhet, miſchen
ſich daher folgende 3 Handlungen:
a) Die Propre- oder Eigne Handlung
mit Waaren, von welchen der Buͤrger eines ſolchen
Orts Eigentuͤhmer wird. Dies iſt der eigentlich ſo
zu nennende Zwiſchenhandel.
b) Der Commiſſions-Handel, da der aus-
waͤrtige Kaufmann auf einen ſolchen Ort Commis-
ſion giebt, Waare fuͤr ihn zu verkaufen, oder ein-
zukaufen.
[158]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
c) Der Speditions-Handel, welcher bloß
in Beſorgung der Verſendung fremder Waaren,
die nur durchgehen ſollen, beſteht. Dieſer ſezt den
ſogenannten Tranſit-Handel voraus.
Ich erwaͤhne dieſe drei Arten hier nur vorlaͤufig,
und werde noch oͤfter von denſelben in mehr als
Einer Abſicht zu reden haben.
§. 6.
Die Fiſcherei und der daraus entſtehende Handel
iſt zum Producten-Handel zu rechnen, auch dann
noch, wenn die Fiſcherei in einem entfernten Meere
betrieben wird, wie z. Ex. der Wallfiſchfang und
Heeringsfang der Hollaͤnder, Hamburger und
anderer. Denn der Fiſch iſt ein Naturproduct, und
wird ein Gegenſtand des Productenhandels derjeni-
gen Nation, welche ihn gefangen hat, es ſei, wo
es wolle, es ſei im freier oder in einer fuͤr beſchloſſen
geachteten See, unter voͤlliger Beguͤnſtigung des Voͤl-
kerrechts, oder in Folge gewiſſer Tractaten oder nicht,
in einem nahen oder entfernten Meere.
Den Heeringsfang nennen die Hollaͤnder die
groſſe, und den Wallfiſchfang die kleine Fi-
ſcherei, wegen der ehemals fuͤr groͤſſer gehaltenen
Wichtigkeit von jenem.
[159]Cap. 2. Einteilung des Waarenhandels.
Der Schiffsbau wird auch fuͤr manche Nation
ein Gegenſtand des Handels, und muß zum Ma-
nufactur-Handel gerechnet werden, wenn eine Na-
tion Schiffe banet, um ſie andern zu verkaufen.
Man ſehe von dieſem allen meine Anmerkun-
gen uͤber die Handlung uͤberhaupt, wie
auch die auf dieſelbe folgende Schrift in meinen
kleinen Schriften uͤber die Handlung.
§. 7.
Die uͤbrigen Einteilungen der Waarenhandlung
nach den verſchiedenen Arten der Waaren, z. Ex.
Tuchhandlung, Leinenhandlung, Materialhandlung
u. d. gl. erklaͤren ſich hinlaͤnglich durch ihre Benen-
nung. Der Wechſel-Handel gehoͤrt zu den Huͤlfs-
Mitteln der Handlung. Ich wuͤrde daher allererſt
in dem vierten Buche von demſelben reden, wenn
nicht der Inhalt des erſten Buches eine Erlaͤuterung
des Ganges der Wechſelgeſchaͤfte durchaus erfodert
haͤtte.
§. 8.
Man unterſcheidet auch den Handel in Abſicht
auf die Art der Taͤhtigkeit, mit welcher ein Volk
denſelben betreibt, in den Activ- und den Paſſiv-
Handel. Beide Worte erklaͤren ſo deutlich, wie
wenig andre wiſſenſchaftliche Benennungen, was
darunter zu verſtehen ſei. Ich darf nur anmerken,
[160]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
daß dadurch eine gewiſſe Art, nicht der Grad der
Taͤhtigkeit in der Handlung eines Volks angedeutet
werde. Wenn z. Ex. alle Voͤlker Europens die
Natur- und einzelne Kunſtproducte Ruslands von
dorther verſchreiben, wenn zur Erleichterung dieſes
Verſchreibens Kaufleute aus deren Mittel ſich in den
Ruſſiſchen Ausfuhrhaͤven niederlaſſen, und nur
fremde Schiffe dorthin kommen, um die verſchriebe-
nen Waaren abzuholen, ſo iſt das eine Art der Taͤh-
tigkeit, welche die Ruſſiſche Nation nicht uͤbt, und
den Umſtaͤnden nach nicht wol uͤben kann. Aber die
Hervorbringung Ruſſiſcher Producte, ſo wie die der
Kunſtarbeiten, z. B. der Jufften, des Segeltuchs,
ſelbſt der Matten, ſezt doch eine Taͤhtigkeit voraus,
welche wol ſo groß, als die Taͤhtigkeit andrer han-
delnden Nationen in den durch deren Handlung
veranlaßten Beſchaͤftigungen ſein kann; wiewol eine
Vergleichung des Grades dieſer Tahtigkeit eine
muͤſſige Unterſuchung ſein wuͤrde.
§. 9.
Beiderlei Nationen uͤben ihre Taͤhtigkeit in der
Erwartung eines Gewinns von derſelben. Ob dieſer
Gewinn groͤſſer fuͤr die eine oder die andre Nation
ſei, auch das haͤngt nicht von der Art oder dem Grade
der Taͤhtigkeit ab, die zum Charakter der Einen und
der andern Nation gehoͤrt. Es kann ſein, daß die
[161]Cap. 2. Einteilung des Waarenhandels.
Ruſſen in ihrer Art minder fleiſſig, als die Englaͤn-
der ſind, welche ihnen ihre Producte abholen, und
die ihrigen zufuͤhren. Aber wenn das, was die
minder fleiſſigen Ruſſen uͤberhaupt genommen fuͤr
die Englaͤnder produciren, mehr an Wehrt betraͤgt,
als was die Englaͤnder ihnen zufuͤhren, ſo iſt doch
der ganze Handel gewinnvoll fuͤr erſtere Nation.
Dennoch haben faſt alle unſre deutſche Schrift-
ſteller beides, ſo wenig es zuſammen gehoͤrt, unter
Einen Begrif gezogen, und den Activ-Handel immer
als gewinnvoll, den Paſſiv-Handel als Verluſt brin-
gend angeſehen. Ich mag hier nicht wiederholen,
was ich daruͤber bereits vor zwanzig Jahren in der
erſten meiner kleinen Schriften uͤber die
Handlung geſchrieben habe. Ich bewies auch der
Reihe nach von allen handelnden Staaten, daß mehr
Beiſpiele eines gewinnvollen Paſſiv- als des Activ-
Handels ſein. Doch ſind bis jezt nicht alle Schrif-
ten der Deutſchen, welche die Handlung zum Gegen-
ſtande waͤhlen, rein von dieſer unverzeihlichen Ver-
mengung der Ideen.
§. 10.
Will man dann noch einen Unterſchied in der
Handlung in Abſicht auf den Gewinn oder den Ver-
luſt, den ein Volk bei derſelben hat, feſtſezen, ſo
L
[162]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
bieten ſich die beiden Benennungen: Gewinnhan-
del und Verluſthandel, natuͤrlich dar. Die
Rechnung, durch welche man dieſes auszumachen
unternimmt, mag dann immer die Handlungs-
Balanz heiſſen. Aber dies iſt eine Rechnung,
mit welcher ſehr viele Schriftſteller gar zu leicht
fertig werden zu koͤnnen glauben. Der Ort von
deren Schwierigkeit zu reden, wird ſich in dem
fuͤnften Buche finden.
Drittes Capitel.
Von Maaſſen und Gewigten, dem Gut-
Gewigt, der Thara und dem Rabatt.
§. 1.
Alle Waaren ſind koͤrperliche Maſſen, und ihr Preis
richtet ſich nach dieſer Maſſe. Dieſe koͤnnen entwe-
der gemeſſen oder gewogen werden. Sie zu meſſen
giebt die Geometrie Anleitung, deren Anwendung
aber bei jeder Handlung viel zu weitlaͤuftig ſein
wuͤrde. Nur in der Beſtimmung und Berechnung
der in einem Volke gewaͤhlten Maaſſen wird ſie
von der Handlung zu Huͤlfe gefodert. Das Waͤgen
[163]Cap. 3. Von Maaſſen und Gewigten ꝛc.
iſt alſo ein viel leichteres Mittel, inſonderheit in dem
Verkauf roher Producte, und wird in den meiſten Faͤl-
len angewandt, wo es bloß auf die koͤrperliche Maſſe
ankoͤmmt, nachdem die Guͤte der Waare nach andern
Gruͤnden beurteilt iſt.
§. 2.
Das Meſſen wird vorzuͤglich angewandt
1) bei fluͤſſigen Waaren, wo es auch auf die
koͤrperliche Maſſe ankoͤmmt, aber doch nicht immer
die Schwere uͤberſehen werden kann, z. B. beim
Brandtwein. Man nimmt zu deren Maaſſen hohle
cylindriſche Gefaͤſſe von beſtimmtem Gehalt, iu deren
Beſtimmung die Geometrie ihre Dienſte tuhn muß.
Bei vielen Waaren, z. E. Wein, nimmt man es
nicht ſo genau im Verkauf, ſondern laͤßt die glaͤſer-
nen Gefaͤſſe als deren Maas gelten, welche nach
langer Uebung auf den Glashuͤtten zu einem faſt glei-
chen Inhalt verfertiget werden.
2) Solcher Art Waaren, die aus vielen kleinen
Teilen beſtehen, wie z. E. Korn und allerlei kleines
Geſaͤme, werden zwar in Gefaͤſſen von beſtimmter
Groͤſſe gemeſſen, und nach dieſen Maaſſen gewoͤhn-
lich behandelt. Dabei wird es auch wol immer blei-
ben, weil alle Commiſſionen auf Kornwaaren nach
L 2
[164]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
denſelben gegeben werden. Aber es iſt einer der
groͤßten praktiſchen Irrtuͤhmer in der Handlung,
wenn man ſich auf dieſes Maas allein verlaͤßt, in
welchem bei Korn von gleicher Art und Guͤte ein Un-
terſchied von 5 p. C. wenigſtens ſich herausbringen
laͤßt, wenn der Kornmeſſer das Korn ſanft einſchuͤt-
tet, und mit dem Streichholz ſchnell daruͤber hinfaͤhrt,
oder es heftig in das Maas hineinwirft, und das
runde Streichholz langſam daruͤber hinrollt, und
Koͤrner, die mit dem Streichen uͤber den Rand hin-
ausgefallen ſein wuͤrden, durch das Rollen eindruͤkt.
Zwar wird nicht leicht ein Handel uͤber Korn ge-
ſchloſſen, ohne vorher mit der ſogenannten Hollaͤn-
diſchen Kornwaage, durch ein reducirtes Gewigt,
deſſen Schweere nach einem reducirten Maaſſe zu
ſchaͤzzen. Aber wozu hilft es, wenn ich glaube 100
Laſt guten Rokken 170 Pfd. im Hamburger Scheffel
ſchweer gekauft zu haben, und mir durch nachlaͤſſi-
ges, ich will nicht ſagen gewiſſenloſes Meſſen, 105
Laſt herausgemeſſen werden, und ich alſo fuͤnf Laſt
mehr bezahlen muß, als ich eigentlich fuͤr mein Geld
ſchon haben ſollte?
Bei allen Kornarten koͤmmt es auf die koͤrper-
liche Subſtanz hauptſaͤchlich an, welche ich kaufe,
170 Pfund Rogken geben mehr [Nahrung], als 160,
und im Deſtilliren mehr Brandtewein. Man koͤnnte
[165]Cap. 3. Von Maaſſen und Gewigten ꝛc.
demnach in ſo fern alles Meſſen bei Seite ſezen, und
ſich im Kornhandel blos an das Gewigt halten.
Kauft man doch weit ſchlechtere Waaren, z. E. Heu
und groſſe Steinkohlen nach dem Gewiat! Freilich
iſt kleinkoͤrnichter Rogken, welcher richtig gemeſſen
160 Pfd. im Scheffel wiegt, nicht allerdings ſo gut
und eben des Gebrauchs faͤhig, wozu man einen
großkoͤrnigren anwenden kann, der 170 Pfd. wiegt.
Aber daruͤber mag die Probe nach dem reducirten
Gewigte entſcheiden. Wann dann dieſer zufolge die
Laſt Rogken behandelt iſt, ſo kann ich mit vollkom-
men ſo groſſem Recht verlangen, daß mir fuͤr den
beredeten Preis der Laſt 4800 oder 5100 Pfd. ge-
liefert werden, als ich nach Behandlung einer Laſt
Steinkohlen nicht anders als fuͤr 4000 Pfd. mein
Geld bezahle.
Ich habe bei einer gewiſſen Veranlaſſung eine
Kornwaage angegeben, und beſize noch ein Modell
davon, in welcher Maaß und Gewigt mit einander
vereint ſind, ſo daß das Korn zwar Scheffelweiſe
gemeſſen werden kann, aber dieſe Scheffel durchaus
gleiches Gewigt halten muͤſſen. In dem kleinen
Handel zwiſchen dem Landmann und dem Muͤller,
oder dem Branntweinbrenner, iſt der Verkauf des
Korns nach dem Gewigt vor laͤngſt uͤblich geweſen.
Ganz neulich hat eine Koͤnigl. daͤniſche Verordnung
[166]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
angewieſen, das Korn zu waͤgen, wenn die Han-
delnden daruͤber einig werden.
§. 3.
3) Naſſen Waaren, wenn ſie in Quantitaͤt ver-
fuͤhrt und verkauft werden, giebt man Faͤſſer nach
beliebiger Form und Groͤſſe, die der Boͤttger zwar,
ſo gut er kann, auf einerlei Gehalt ausarbeitet, aber
es doch nicht ſo genau gleich treffen kann. Bei eini-
gen Waaren, z. E. bey den geringern Weinen, ſieht
man nicht ſehr darauf. Wer ein Oxhofd Wein kauft,
nimmt an, daß er 60 Hamburger Stuͤbchen bekom-
me. Man bekoͤmmt aber oͤfters mehr. Wenn
nun einer weniger bekoͤmmt, darf er ſich nicht be-
klagen. Denn haͤtte er mehr bekommen, ſo wuͤrde
ihm nichts abgefodert worden ſein. Bei andern
Waaren aber nimmt man es genauer, inſonderheit
bei dem Franzbrandtwein, Rum, Arak und verſchie-
denen feinen Weinen. Hier wird der Inhalt jedes
Faſſes durch einen Viſir- oder Roye-Stab gemeſ-
ſen. Der dazu beſtimmte Meſſer hat hier den Nah-
men Royer. Die Erklaͤrung der Gruͤnde findet
ſich in meinem Verſuch einer buͤrgerli-
chen Mathematik am Ende der Geometrie.
Das Viſiren nicht voller Faͤſſer, inſonderheit wenn
ſie auf der langen Seite liegen, hat groſſe Schwie-
rigkeit. Lambert hat dieſelbe in ſeinen mathe-
[167]Cap. 3. Von Maaſſen und Gewigten ꝛc.
matiſchen Beitraͤgen zwar durch ſichere Re-
geln gehoben, aber ſie ſind in der Praxis noch nicht
genug bekannt und angewandt. Der Fall koͤmmt
nicht ſo oft im Handel vor; aber oft genug im Nach-
laß eines Weinhaͤndlers, wenn ein Weinlager taxi-
ret werden ſoll.
Anmerkung.
Man hat zweierlei Viſir-Staͤbe im Gebrauch,
den cubiſchen und den cylindriſchen. Je-
ner wird am liebſten von den Royern angewandt,
weil ſie ihr Geld ſchnell damit verdienen koͤnnen.
Den Unwiſſenden zur Warnung will ich nur dies hier
anfuͤgen, daß der cubiſche Viſir-Stab nur fuͤr Faͤſ-
ſer von aͤhnlicher Figur dient, und urſpruͤnglich fuͤr
ſolche berechnet und eingeteilt ſein muß. Sobald
ein Faß eine abweichende Figur hat, ſo muß entwe-
der ein anderer Viſir-Stab fuͤr daſſelbe und die ihm
aͤhnlichen Fuſtagen verfertigt, oder der cylindriſche
angewandt werden. Denn dieſer iſt fuͤr Faͤſſer von
jeder Figur brauchbar. Das Meiſterſtuͤk eines Ro-
yers iſt die Verfertigung eines ſogenannten Kant-
ſtabes zur Ausmeſſung nicht voller Faͤſſer. In dem
groſſen Handel laͤuft jedoch das Viſiren der Faͤſſer
auf wenig mehr als eine bloſſe Formalitaͤt aus.
Denn da dieſe fluͤßigen Waaren aus dem Lande mit
einer in die Factur eingetragenen Roye oder Anzeige
[168]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
des Inhalts der Faͤſſer kommen, ſo iſt der Groſſirer nicht
gerne mit dem Royer zufrieden, wenn er ihm durch
ein zu ſorgfaͤltiges Viſiren einen andern Inhalt her-
ausbringt. Auch der Kaͤufer etwas groſſer Par-
teien iſt gewoͤhnlich damit zufrieden, und verlangt
keine ſehr ſcharfe Roye. Nur der Kaͤufer einzelner
Faͤſſer will gern gewiß davon ſein, wie viel er in
ſeinem Faſſe bekoͤmmt.
§. 4.
Die troknen Waaren, welche der Kraͤmer bei
Pfunden verkauft, verhandelt man im Groſſen in
ihren Gefaͤſſen und Pakken, deren Gewicht zwar
nicht gerechnet wird und in den Kaufpreis geht.
Aber es wuͤrde groſſe Schwierigkeiten geben, das
Gewigt der darin enthaltenen Waaren auszumachen,
wenn man die Waare herausnehmen und beſonders
waͤgen wollte. Dies geſchieht wirklich bei einigen
Waaren z. E. beim Coffee, welcher, wie der Aus-
druk iſt, geſtuͤrzt wird. Dadurch wird dann auch
der Betrug verhuͤtet, welcher ſo oft vorgeht, da
man ſchlechte Wanre oben mit guter bedekt.
Fuͤr die meiſten dergleichen Waaren aber verfer-
tigt man an dem Verſendungsort die Faͤſſer und
Emballagen ſo einfoͤrmig, daß man ſich mit gutem
Glauben darauf verlaſſen kann, auf gleich groſſe
Gefaͤſſe und Ballen ſei ungefaͤhr gleich viel Abzug zu
[169]Cap. 3. Von Maaſſen und Gewigten ꝛc.
rechnen. Dies ſezt man zu Procenten des Gewichts
der Waare, und nennt es die Thara. Bei Faͤſ-
ſern und Ballen von ungleicher Groͤſſe kann dies
nach mathematiſchen Gruͤnden nicht richtig gehen.
Wenn z. E. ein Pakken Waare einen Cubicfus groß
iſt, und ein andrer eine Cubicelle, ſo wird die durch
das Pakleinen und Matten eingefaſte Flaͤche nur
4mal ſo gros, das Gewicht der Waare aber 8mal
groͤſſer. Die Thara ſollte demnach fuͤr den groͤſſe-
ren Pakken nur halb ſo viel Procente gerechnet wer-
den, als fuͤr den kleinen. Allein
1) differiren die Pakken und []Faͤſſer fuͤr
einerlei Waare aus einerlei Gegend nicht ſo ſehr an
Groͤſſe, als es in dieſem Exempel angenommen iſt.
2) Verſteht es ſich, daß weniger Waare leichter
gepakt oder in ſchwaͤcheren Gefaͤſſen [und] Gebinden
verfuͤhrt werden koͤnne, als ein ſchwereres Gewicht
von Waaren.
§. 5.
Die Thara wird in der Waarenhandlung an
jedem Ort nach der Erfahrung beſtimmt. Hier in
Hamburg wird die nach Procenten beſtimmte Thara
vom hundert gerechnet. Die Frage iſt uͤberfluͤſſig,
ob man nicht ſie richtiger aufs 100 rechnen ſollte.
[170]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
Denn ſo, wie man nun wirklich ſie rechnet, nem-
lich vom 100, iſt dies eine Folge gewiſſer Erfahrun-
gen. Z. E. hier in Hamburg iſt die Thara von
Roſinen in Faͤſſern zu 10 pCt. angenommen, und
wenn daher 10 Faͤſſer dieſer Waare 1500 Pfund
wiegen, und man dabei in 1500 Pfunden 150
Pfunde Thara annimmt, und dieſe Zahl von jener
abzieht, ſo ſchlieſſe ich mit Recht daraus, daß um
90 Pfund Roſinen zu pakken 10 Pfund Holz er-
fodert werden. Gaͤbe die Erfahrung ein anders, und
koͤnnte man 110 Pfund Roſinen in 10 Pfund Holz
im Durchſchnitt pakken, oder wuͤrden die Faͤſſer in
Spanien ſo viel leichter gemacht, ſo wuͤrde die Rech-
nung ſchon darnach geſtellt ſein, und der Verkaͤufer
wuͤrde dem Kaͤufer nicht 10, ſondern ungefaͤhr 9 pCt.
Thara einraͤumen.
§. 6.
Im Waarenhandel im Groſſen wird auch dem
Kaͤufer ein Abzug aufs Gewicht unter der Benen-
nung Gut-Gewicht, verſtattet, welcher bei gro-
ben Waaren 1 pCt., bei feinern ½ pCt. betraͤgt, und
ebenfalls vom [Hundert] gerechnet wird. Die natuͤr-
liche Urſache davon iſt, weil jeder Kraͤmer, wenn er
im Kleinen verkauft, ſeinen Kaͤufern einen kleinen
Ausſchlag geben muß, welcher fuͤr ihn reiner Ver-
luſt ſein wuͤrde, wenn nicht der Groſſirer, von
[171]Cap. 3. Von Maaſſen und Gewigten ꝛc.
welchem er kauft, ihm ſo viel einraͤumte, daß er
davon dieſen Ausſchlag nehmen kann.
§. 7.
Beim Verkauf von Waaren, die durch die
Fehler der Verſender, oder ihrer natuͤrlichen Be-
ſchaffenheit wegen viel Unreinigkeit bei ſich fuͤhren,
z. E. Coffee, Indigo, wird den Umſtaͤnden nach
ein Abzug beredet, der aber keine feſte Regel hat
noch haben kann. Man nennt dieſen Abzug Re-
factie. Doch iſt von derſelben noch nicht die Rede,
wenn nicht die Waare viel mehr Unreinigkeit, als
gewoͤhnlich, hat.
Ich halte es fuͤr uͤberfluͤſſig, mehr von dieſen
Dingen zu ſagen, welche ein jeder Lehrling der
Handlung ſchon in ſeinen erſten Dienſtjahren in meh-
rerer Genauigkeit kennen lernt, als welche fuͤr mein
Buch zwekmaͤſſig ſein wuͤrde; wie dem auch in jeder
kaufmaͤnniſchen Arithmetik ſie zu berechnen angeleitet
wird.
§. 8.
So viel die Waaren auch im groſſen Handel aus
einer Hand in die andre gehen koͤnnen, ſo muͤſſen ſie
doch zulezt, ehe ſie an den Verbraucher gelangen,
von dem groſſen Kaufmann an den Kraͤmer, oder,
[172]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
wenn es Materialien fuͤr Manufacturen ſind, an
den Manufacturiſten kommen. Beiden muß Auf-
ſchub der Bezahlung verſtattet werden. Denn der
Kraͤmer kann nicht, wie der Kaufmann, auf einmal
ſeine Waare wieder verkaufen, oder, wenn ihm die
Waare lange liegen bleibt, durch Conjuncturen die
Zinſen ſeines Geldes einholen. Der Manufacturiſt
muß die gekauften Materialien in ſeinem Gewerbe
verbrauchen, und die Waare wird allererſt nach vielen
Monaten fertig und wieder verkaͤuflich, da er die
Bezahlung ſeiner Auslage wieder bekoͤmmt. Hier-
aus entſtand, vermuhtlich zuerſt in den Niederlan-
den, wo neben den groſſen Handelsleuten der Ma-
nufacturiſten und der Kraͤmer ſo viele waren, ein
Vergleich zwiſchen dem Gros-Haͤndler und dem Kraͤ-
mer und dem Manufacturiſten, in welchem erſterer
den lezteren die Zinſen zu ⅔ p. C. auf den Monat
anſezte, die ſie entweder durch unmittelbare Bezah-
lung erſparen konnten, oder die der Groſſirer auf
den Preis ſchlagen mußte, wenn dieſe einen Credit
von 4, 7 oder 13 Mk. genieſſen wollten. Es iſt
natuͤrlich dahin gekommen, ehe noch die uͤblichen
Zinſen geringer als 8 p. C. wurden, daß mancher
Kaͤufer, wenn er nur irgend zum Gelde Raht ſchaffen
konnte, dieſen Vorteil vorlieb nahm, und alſo bei
jeder Zahlung dem, der ſonſt 13 Monaht Credit
genoß, 8⅔, fuͤr 7 Mt. 4⅔ und fuͤr 4 Mt. 2⅔ p. C.
[173]Cap. 3. Von Maaſſen und Gewigten ꝛc.
an dem Kaufpreiſe erlaſſen wurden. So lange dieſer
Rabatt galt, ward er von dem Verkaͤufer auf den
Preis geſchlagen, fuͤr den er ſonſt verkauft haben
wuͤrde. Was er fuͤr 100 Rthlr. verkaufen konnte,
berechnete er dem, der den Credit von 13, 7 oder
4 Monaht benuzen wollte, nun zu 108⅔, zu 104⅔
oder 102⅔. Dies iſt die Urſache, warum der Rabatt
auf hundert und nicht von hundert gerechnet
wird.
§. 9.
Als die Zinſen gering wurden, und ein Kraͤ-
mer oder Manufacturiſt von gutem Namen fuͤr 6 bis
4 p. C. Geld in ſein Gewerbe bekommen konnte,
ward es natuͤrlich, daß keiner mehr dieſen ſo hoch
gerechneten Credit von dem Verkaͤufer ſich gefallen
ließ, und der, welcher ſich ihn gern gefallen laſſen
wollte, gewiß keinen Credit mehr fand, eben ſo
wenig, als jezt ein Mann Credit finden wuͤrde, der
an der Hamburger Boͤrſe Seide auf 13 Monat
kaufen und 8⅔ p. C. mehr ſich dafuͤr anrechnen laſſen
wollte. Der Rabatt ward daher von allen lieber
genuzt, als daß ſie ihn bezahlt haͤtten. Indeſſen iſt
nun die Berechnung der Preiſe ſolcher Waaren auf
dieſem Fuß verblieben.
In Hamburg wird der Boͤrſenpreis ſehr viele[r]
Waaren, die man aus der Hamburgiſchen Preiscu-
[174]2 Buch. Von dem Waarenhandel.
rant kennen lernen kann, welche auch Kruſe dem
Artikel Hamburg in ſeinem Kontoriſten einge-
ſchaltet hat, mit dem erwaͤhnten Rabatt angeſezt,
als waͤre es noch immer die Meinung eines jeden
Verkaͤufers, dem Kaͤufer den Aufſchub von 13, 7
oder 4 Monaten zu geben, und ihm fuͤr jeden Monat
⅔ p. C. Zinſen anzurechnen. Wenn aber die Rech-
nung dem Kaͤufer eingeſandt wird, ſo wird, als wenn
man nun unmittelbare Bezahlung von ihm erwartete,
nach den Verhaͤltniszahlen 163, 157 und 154 zu
150, auf welche jene Zahlen 108⅔, 104⅔ und 102⅔
zu 100 ſich reduziren, wieder herabgerechnet, und ſo
der eigentliche Preis beſtimmt. Wer ſieht nicht ein,
daß dadurch die Rechnung, nach welcher der Handel
geſchloſſen und nachher wirklich bezahlt wird, ohne
Noht erſchwert werde? Nur der Einfaͤltige kann
ſich dabei einbilden einen wirklichen Vorteil zu ge-
nieſſen, und nicht merken, daß der wahre Kaufpreis,
auf welchen er gehandelt hat, die kleinere durch Abzug
des Rabatts ſich beſtimmende Zahl ſei; kurz, daß
ihm der Verkaͤufer nur mit der Einen Hand wieder gebe,
was er ihm mit der andern ſchon genommen hatte.
Ich weiß nicht, ob dies Ueberbleibſel alter Hand-
lungsgewohnheit noch in der Handlung irgend eines
Staates, auſſer der Niederlaͤndiſchen und Hambur-
giſchen, Statt habe. In der Britiſchen kennt man
[175]Cap. 3. Von Maaſſen und Gewigten ꝛc.
es gewis nicht. Vor wenig Jahren war man in
Hamburg nahe daran, ſich davon los zu machen,
und einem jeden Kaͤufer in Einer Zahl ohne Um-
ſchweife zu ſagen, fuͤr welchen Preis man ihm zu
verkaufen gemeint ſei. Aber es iſt vorerſt noch beim
Alten geblieben.
§. 10.
Nachdem dieſer Rabatt ſeine Wirklichkeit verloh-
ren hat, ſo daß kein Menſch mehr mit Berechnung
deſſelben auf 13, 7 oder 4 Monate kaufen darf, hat
ſich natuͤrlich bei jedem Waaren-Handel ein Credit
wieder eingefunden, der aber ohne feſte Regel jedes-
mal beredet wird. Kraͤmer und Manufacturiſten
brauchen denſelben jezt eben ſo gut als damals, als
der Rabatt eingefuͤhrt ward. Der Kaufmann rechnet
alſo in ſeinem Preiſe immer die Zinſen fuͤr die Zeit,
in welcher er ſeiner Bezahlung entgegen ſieht, zu
½ p. C. auf den Monat, hinein, rechnet ſie aber gerne
demjenigen zuruͤk, der ihm baare Bezahlung anbietet.
Ein Aufſchub der Zahlung von einem Monat
wird bei jedem Handel einverſtanden, und die Rech-
nung dem Kaͤufer nicht vor deſſen Ablauf eingeſandt.
Eben deswegen aber iſt es gebraͤuchlich, daß, wenn
dieſer nach geſchloſſenem Kaufe ſich erklaͤrt gleich zu
bezahlen, er ½ p. C. von dem behandelten Preiſe ſo-
[176]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
gleich abziehen darf. Aber ſonſt hat ſich in vielen
Geſchaͤften ein ſo langer Credit eingefuͤhrt, der ſo
wenig Regel hat, daß es gewiſſermaſſen beſſer waͤre,
wenn ein geſezmaͤſſiger Rabatt, aber auf 6 p. C. fuͤrs
Jahr, berechnet, Statt haͤtte, doch ſo, daß nach Ab-
lauf der in dieſem Rabatt angenommenen Monate
die Bezahlung keinen Aufſchub litte. In Hamburg
arbeitet z. B. der Cattun-Fabrikant fuͤr den Kauf-
mann auf Jahrrechnung. Wahr iſt es, daß lezterer
ebenfalls ſeinen Kunden langen Credit geben muß.
Aber der Kaufmann kann dies beſſer aushalten, und
hat auch mehr als Eine Periode im Jahr, da ihm
ſein Geld einlaͤuft. Der Manufacturiſt aber hat
wenigſtens woͤchentliche Auslohnung, und kann
nicht auf ſein Geld Jahr und Tag warten. Muß
er es aber tuhn, ſo kann er nicht anders als teurer
arbeiten.
Ganz anders iſt es mit dem Credit bewandt,
welchen der Kaufmann dem Manufacturiſten und
Kraͤmer giebt. Eben daraus iſt der alte Rabatt ent-
ſtanden und ein woluͤberlegter und den Umſtaͤnden
gemaͤſſer Credit in deſſen Stelle getreten. Von dem
Vorteil, welchen der Hamburgiſche Zukkerſieder eben
davon hat, habe ich in meiner Abhandlung von
den Hamburgiſchen Zukkerſiedereien vie-
les geſagt.
[177]Cap. 3. Von Maaſſen und Gewigten ꝛc.
§. 11.
In der Hamburgiſchen Waarenhandlung hat es
ſich auch eingefuͤhrt, daß der Kaufmann dem Kraͤ-
mer manche Waaren in Curantgelde zu einem feſten
Agio von 120 oder 116 p. C. verkauft. Die wahr-
ſcheinliche Urſache davon iſt, um es dem Kraͤmer
leicht zu machen, dem das Steigen und Fallen des
Curant-Geldes gegen Banoo ſeine Rechnung zu ſehr
verruͤkken wuͤrde. Der Kaufmann aber muß dennoch
ſeine Rechnung ſo zu machen wiſſen, daß er ſeinen be-
rechneten Preis in Banco bekomme, und er ſchenkt dem
Kraͤmer nichts, wenn er gleich zum Schein ſein Cu-
rantgeld einige p. C. hoͤher annimmt, als daſſelbe
gegen Banco ſteht.
§. 12.
Der Handel mit Ellen-Waaren iſt von allen die-
ſen Weitlaͤuftigkeiten frei. Bei ihm weiß man
nichts von Thara, Gutgewigt oder Rabatt. Alles
wird hier gemeſſen, und die genaue Kenntnis und
Vergleichung von den Laͤngenmaaſſen verſchiedener
Laͤnder iſt die Hauptkenntnis desjenigen, der ſich mit
dieſem Waarenhandel beſchaͤftigt.
§. 13.
Es wuͤrde eine groſſe Erleichterung fuͤr die Hand-
lung ſeyn, wenn alle handelnde Staaten, wenig-
M
[178]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
ſtens in Europa, ſich fuͤr einerlei Laͤngenmaas verei-
nigten. Allein dieß hat noch groͤſſere Schwierigkeit,
als die Vereinigung fuͤr Ein Gewigt, und, wenn
ſie auch jemals zu Stande kaͤme, wuͤrde ſie nicht lange
beſtehen. Man macht ſolche Maaſſen am liebſten von
Metall. Dieſes aber dehnt ſich in der Waͤrme, und
zieht ſich in der Kaͤlte zuſammen. Auch mit der wie-
derholten Nacharbeitung der Maaſſen veraͤndern ſich
dieſelben ſo, daß ſelbſt in denen Staaten, wo aufs
ſtrengſte daruͤber gehalten wird, die Maaſſen nicht
lange einander gleich bleiben koͤnnen. Es wird alſo
wohl immer bei verſchiedenen Maaſſen im Handel
bleiben. Kruſe hat in ſeinem Kontoriſten die
in dem Handel aller Laͤnder vorkommenden Laͤngen-
Maaſſen mit beſondrer Sorgfalt verglichen. Seine
6te Tabelle ſtellt das Verhaͤltnis von 428 Maaſſen
vor, und es braucht nur einer leichten Berechnung,
um ein Maas auf das andre zu reduciren.
[179]
Viertes Capitel.
Von der Beſtimmung des Preiſes der
Waareu im groſſen Handel, den
Waarenberechnungen, der Nachfrage
und den Speculationen eines Kauf-
manns.
§. 1.
Die im vorigen Capitel bemerkten Umſtaͤnde be-
ſtimmen groſſenteils den Preis der Waaren im inlaͤn-
diſchen Handel, oder, wenn auch die Waare eine
fremde iſt, in dem Handel, der zwiſchen Buͤrgern
Eines Staats damit getrieben wird.
Sie kommen auch meiſtenteils in der Berech-
nung wieder vor, die der Kaufmann machen muß,
der aus fremden Laͤndern Waaren verſchreibt, oder
ſie dahin verkauft. Aber dieſer hat noch eine Menge
Dinge in ſeine Rechnung zu bringen, ehe er den
natuͤrlichen Wehrt, das iſt, den durch alle
daran gewandte Koſten beſtimmten Preis, unter
welchem er nicht ohne Schaden verkaufen kann, feſt
zu ſezen im Stande iſt.
M 2
[180]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
§. 2.
Dieſer natuͤrliche Wehrt einer Waare, wenn ſie
aus der Hand des erſten Hervorbringers oder Verfer-
tigers koͤmmt, [muß] dieſem ſeine Koſten gut machen.
Aber, wenn ſelbige durch den auslaͤndiſchen Handel
verfuͤhrt wird, ſo kommen eine Menge teils noht-
wendiger, teils willkuͤhrlicher Koſten dazu, welche
den Wehrt derſelben, den wir auch noch den natuͤr-
lichen Wehrt nennen muͤſſen, ſehr erhoͤhen. Die
nohtwendigen Koſten ſind z. B. die Fracht zu
Waſſer oder Lande, der Lohn aller Handreichung an
dem Ort der Verſendung und der Ausladung, wie
auch der Dienſte derer, die zum Kauf und Verkauf
helfen, des Commiſſionaͤrs und des Maklers. Eben
darein muß man auch den etwa aus dem Wechſel-
Eurs entſtehenden Verluſt rechnen.
§. 3.
Willkuͤhrliche Koſten ſind z. B. die Aſſe-
curanzen. Doch muß auch der Kaufmann, der nicht
aſſecuriren laͤßt, ſo rechnen, daß der in einzelnen
Faͤllen ihm entſtehende Verluſt durch den Gewinn
mehrerer gluͤklichen Unternehmungen getragen werde.
Inſonderheit aber gehoͤren die mannigfaltigen Zoͤlle
und Abgaben hieher, deren Kenntnis in manchen
Staaten aͤuſſerſt weitlaͤuftig iſt. Sie laͤßt ſich nicht
anders als durch einzelne Erkundigungen erlangen.
[181]Cap. 4. Vom Waaren-Preiſe ꝛc.
Anmerkung.
Es iſt ein groſſer Mangel fuͤr die praktiſche
Handlung, daß wir noch kein Buch haben, in wel-
chem eine allgemeine Nachricht von den Zoͤllen der
handelnden Staaten zuſammen geſtellt waͤre.
Freilich wuͤrde dies keine leichte Arbeit ſein, und
Vollſtaͤndigkeit wuͤrde nicht nur bei der erſten Aus-
gabe ſich nicht erwarten laſſen, ſondern es wuͤrde
auch wegen der unaufhoͤrlichen Veraͤnderungen in
den Zoͤllen, nach dem Willkuͤhr der Regenten, kein
Buch der Art auf mehrere Jahre hinaus zuverlaͤſſig
und brauchbar bleiben. Aber das iſt man bei allen
Buͤchern gewohnt, durch welche man dem Kauf-
mann in ſeinen Rechnungen zu Huͤlfe zu kommen
ſucht. Wer die aͤltern Ausgaben der Britiſchen
Zollbuͤcher (Books of Cuſtons) mit den neuern ver-
glichen hat, weiß es, daß dieſe wenigſtens zehnmal
ſo weitlaͤuftig, als jene, ſind. Jede etwas groſſe
Handlung in England haͤlt gern einen oder mehrere
Bediente zu groſſem Gehalt, die wenig mehr ver-
ſtehen und nichts anders tuhn, als daß ſie den Zoll
fuͤr ihr Haus beſorgen. Im J. 1775 gab Koͤnig
Friedrich einen neuen Zolltarif fuͤr Schleſien. Ich
befand mich damals in Breslau, und mehr als Ein
Kaufmann dieſer Stadt ſagte mir, daß ihn dieſer
Tarif noͤtigen wuͤrde Einen Bedienten mehr zu halten.
[182]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
Wenn ich jedoch ſolch ein Buch dem Kaufmann
wuͤnſche, ſo nehme ich nicht an, das daſſelbe die
ganzen Zoll-Tarife aller Staaten, ſondern nur das
weſentliche und zuverlaͤſſige Nachrichten von der Art
enthalten ſolle, wie bei den Zoͤllen der vornehmſten
handelnden Staaten verfahren werde, wie auch von
der noͤtigen Behutſamkeit, um nicht in Verdrieslich-
keit zu gerahten, die ſo manchem unverſchuldet bei
denſelben entſteht.
§. 4.
Die Berechnung des natuͤrlichen Wehrts einer
Waare aus allen dieſen nohtwendigen und willkuͤhrli-
chen Koſten, nennt man eine Waaren-Calcula-
tion. Dieſe entſteht dem Kaufmann natuͤrlich und
mit Genauigkeit erſt nach dem Empfang der Waare,
da er alle ihm bis zur Einbringung der Waare in ſein
Lager entſtandene Koſten wirklich erfahren hat.
Allein darauf laͤßt es kein verſtaͤndiger Kaufmann
ankommen, daß er dies alles erſt hintennach erfahre.
Er wird, inſonderheit wenn ihm eine neue Specu-
lation entſteht, und es nur irgends die Zeit erlaubt,
von einem auswaͤrtigen Correſpondenten ein ſo-
genanntes Conto Finto oder erdichtete Rech-
nung ſich uͤberſenden laſſen, welche den Preis der
Waare am Orte des Verkaufs mit allen dort vor-
fallenden Koſten in moͤglichſter Genauigkeit angiebt.
[183]Cap. 4. Vom Waaren-Preiſe ꝛc.
Die Unkoſten ſeines Plazes wird er dieſem beizu-
fuͤgen wiſſen. Dergleichen Conti Finti werden
auch ſchon einem Kaufmann noͤtig, wenn er eine
etwas lange unterlaſſene Handlung auf einen Plaz
wieder verſuchen will. Denn die Umſtaͤnde einer
jeden Handlung und die Auflagen aͤndern ſich ſo oft,
daß man durch deren Unwiſſenheit bisweilen groſſen
Schaden leiden kann.
§. 5.
Vor nicht langen Jahren waren derer Kaufleute
nur wenige, welche den natuͤrlichen Wehrt der von
ihnen verſchriebenen Waaren ſcharf zu berechnen
wußten, und die dies wußten, bewahrten ihre
Waaren-Calculationen zum Teil als einen heimlichen
Schaz, mit welchem ſie ſelbſt ihre Handlungs-Be-
diente nicht bekannt werden lieſſen. Damals war es
eine Aushuͤlfe fuͤr manchen minder faͤhigen oder nicht
genug unterrichteten Kaufmann, daß er lauſchte,
wenn ſein kluͤgerer Mitbuͤrger Waaren verſchrieb,
wenn ſie angelangt waren, ſich erkundigte, zu welchen
Preiſen dieſer verkaufte, und dann gleichen Preis
foderte. Jezt aber iſt auch dieſes Geheimniſſes we-
niger in der Handlung geworden.
Seit einiger Zeit ſind im Deutſchen verſchiedene
Sammlungen von Waaren-Calculation von Engel-
[184]2 Buch. Von dem Waarenhandel.
brecht, Woerdemann(*) und Kruſe erſchie-
nen. Allein man kann ſich auf dieſelben nicht lange
Zeit verlaſſen. Sie dienen nach Verlauf einiger Zeit
dem Kaufmann blos zur ungefaͤhren Ueberſicht der in
Rechnung kommenden Umſtaͤnde, uͤberheben ihn aber
nicht der Nohtwendigkeit eines aufs neue gemachten
Conto Finto. Ein jeder Handlungs-Bedienter,
der auf ſeinen eigenen kuͤnftigen Nuzen ſieht, thut
wol, ſich alle in ſeines Herrn Dienſt ihm vorkom-
mende Calculationen auszuziehen.
§. 6.
Durch die Calculation erfaͤhrt der Kaufmann den
natuͤrlichen Preis, fuͤr welchen er ohne Schaden
ſeine Waare geben kann. Aber ſein Gewinn und
Verluſt haͤngt von der Nachfrage ab, d. i. dem
[185]Cap. 4. Vom Waaren-Preiſe ꝛc.
Begehren derjenigen, die ſie verbrauchen oder fuͤr
den lezten Verbraucher kaufen wollen. Steuart
ſagt im 7ten Cap. ſeines 2ten Buchs ſehr viel Rich-
tiges von dieſer Nachfrage und deren Wirkungen.
Er unterſcheidet ſie in eine ſtarke und ſchwache,
hohe und niedrige Nachfrage. Eine ſtarke
Nachfrage iſt das anhaltende Begehren nach einer
Waare bei deren Verbrauchern, welche deren Abſaz
derſelben ſo gewiß macht, daß deren Hervorbrin-
ger und Bearbeiter anhaltend fortarbeiten koͤn-
nen. Sie hat keine erhebliche Steigerung von
dem Preiſe einer Waare zur Folge, erhaͤlt aber ſowol
den Producten- als den Manufactur-Handel in dem
vorteilhafteſten Gange.
Wenn dies Begehren ſich allmaͤhlig mindert, ſo
nimmt freilich dieſe Handlung ab; allein ein fleiſſi-
ges Volk gewinnt doch Zeit, andere Beſchaͤftigun-
gen hervorzuſuchen.
§. 7.
Eine hohe Nachfrage entſteht, wenn durch
gewiſſe Vorfaͤlle und Zeit-Umſtaͤnde eine Waare auf
eine Zeitlang ſtaͤrker begehrt wird, als ſie zu der
Zeit geliefert werden kann, oder wenn durch andere
Vorfaͤlle der Vorraht und die Zufuhr einer Waare
[186]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
ſo gemindert wird, daß deren Verbraucher nicht
genug davon finden koͤnnen.
Eine niedrige Nachfrage entſteht durch
entgegengeſezte Umſtaͤnde, wenn Zufaͤlle veranlaſſen,
daß von einer Waare weniger begehrt wird, als Vor-
raht in den Haͤnden der Verkaͤufer iſt, oder wenn ein
ſtaͤrkerer Vorraht einer ſolchen Waare producirt oder
herbeigefuͤhrt wird, als in einiger Zeit verbraucht
werden kann. Dieſer Fall trift am oͤfterſten bei den
nohtwendigſten Lebensmitteln ein.
§. 8.
Alles dieſes ſteht in Verbindung mit der ſoge-
nannten Concurrenz der Kaͤufer und Verkaͤufer, das
iſt, der Bemuͤhung und Nohtwendigkeit, welche ſich
bei vielen zugleich aͤuſſert, eine Waare zu kaufen oder
zu verkaufen. Eine ploͤzlich zunehmende Concur-
renz der Kaͤufer macht eine hohe, und die Concur-
renz der Verkaͤufer eine niedrige Nachfrage.
Es iſt wichtig hiebei anzumerken, daß die Con-
currenz der Verkaͤufer gewoͤhnlich dringender iſt, als
die Concurrenz der Kaͤufer. Wenn die Preiſe ge-
wiſſer Waaren zu hoch werden, ſo nimmt die Menge
der Verbraucher ab. Der geringe Mann entwoͤhnt
ſich von ſolchen Waaren, wenn es nicht nohtwen-
[187]Cap. 4. Vom Waaren-Preiſe ꝛc.
dige Lebens-Beduͤrfniſſe ſind, oder braucht andere
in deren Stelle. Z. E. als im lezten See-Kriege der
Reis ſo theuer ward, hielt man ſich an [die] Graupen.
In manchen Gegenden vergaß der geringe Mann
des Zukkers, und brauchte wieder Honig. Jezt eben
leſen wir wieder in den Zeitungen, daß man in
England darauf bedacht ſei, den Gebrauch des Zuk-
kers, ſo viel moͤglich, einzuſchraͤnken, um deſſen zu
hoch geſtiegenen Preis dem alten Preiſe wiederum
naͤher zu bringen. Aber die Verkaͤufer koͤnnen ſich
des Verkaufens nicht immer erwehren, wenn ſie
ihre Waare einmal zu Markt gebracht haben. Wollen
ſie dieſelbe wieder zuruͤk fuͤhren, ſo wird ihr Schade
um ſo viel groͤſſer. Hiezu koͤmmt, daß der Kauf-
mann die Zinſen ſeines Capitals ſelbſt fuͤr die Zeit,
da ſeine Waare liegen bleibt, nicht entbehren kann
und ſie zum Verluſt rechnen muß.
§. 9.
Die Vermuhtung einer hohen Nachfrage, in
deren Folge ein Kaufmann Waaren anſchaft, um
von der hohen Nachfrage Nuzen zu ziehen, nennt
man eine Speculation. Wie die hohe Nach-
frage aus zwei Urſachen entſtehen kann, ſo hat auch
eine Speculation in zwei Umſtaͤnden Statt. Man
glaubt entweder voraus zu ſehen, daß das Begehren
einer gewiſſen Waare zunehmen, oder daß die Zufuhr
[188]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
abnehmen oder gehindert werden werde. Dem zu-
folge kauft man dieſelbe entweder auf, oder haͤlt an
ſich, was man davon hat. Z. B. in denen Tagen,
da ich dieſes ſchreibe, erwekt die Nachricht von dem
Aufſtande der Schwarzen in St. Domingo die Ver-
muhtung, daß die Zufuhr der Colonie-Waaren
uͤber Frankreich ſich mindern werde, und alſo eine
Speculation, ſo groß auch der Vorraht der in Eu-
ropa vorhandenen Guͤter dieſer Art iſt.
Aus dem vorigen §. ſieht man ein, was die Spe-
culation mislich mache. Trift die Vermuhtung ein,
und das Beduͤrfnis der Kaͤufer bleibt oder ſteigt ſogar,
ſo gelingt die Speculation. Sie kann aber eintreffen,
und das Beduͤrfnis nimmt bei dem hohen Preiſe ab,
ſo daß die Speculation deswegen mislingt. Am
mißlichſten ſind ſolche Speculationen, die aus ſolchen
Vermuhtungen entſtehen, welche den Umſtaͤnden der
Zeit nach eine Menge von Kaufleuten zugleich faſſen
muß. Bloß aus dieſem Grunde ſind die am Ende
des lezten Seekrieges gemachten Unternehmungen auf
Weſt-Indien und Nordamerica ſo ſchlecht eingeſchla-
gen. Die vielen dorthin geſandten Schiffe ſezten
alle die Vermuhtung einer hohen Nachfrage nach Eu-
ropaͤiſchen Guͤtern in jenen Gegenden voraus. Die
dadurch uͤbertriebene Zufuhr machte, daß dieſe nie-
drig ward, und weil ſie alle Retour-Guͤter ſuchten,
[189]Cap. 4. Vom Waaren-Preiſe ꝛc.
ſo erregten ſie umgekehrt dort zur Stelle hohe Nach-
frage nach Colonie-Waaren.
Kurz, was ein Gegenſtand der Specula-
tion fuͤr viele oder fuͤr jedermann iſt, muß
es nimmer fuͤr den verſtaͤndigen Kauf-
mann ſein.
§. 10.
Ein jeder Vorfall, welcher eine hohe Nachfrage
zum Vorteil der Verkaͤufer erwekt, welche zu der
Zeit Vorraht von einer Waare haben, heißt eine
Conjunctur, er mag nun von einem Speculanten
vorausgeſehen ſein oder nicht. Die ſo vielen Zu-
faͤllen unterworfene Seefahrt macht dergleichen Con-
juncturen haͤufig entſtehen, doch nur auf einzelne
Waaren und an einzelnen Handels-Plaͤzzen. Ge-
meiniglich iſt der Vorteil, den einzelne davon ziehen,
mit dem Nachteil vieler andern begleitet, und man
hat Unrecht denſelben als vorteilhaft fuͤr das Ganze
anzunehmen, wenn gleich der groͤßte Reiz zu Hand-
lungs-Unternehmungen in Speculationen und Con-
juncturen liegt.
Doch iſt dies der wahre Nuzen der Speculatio-
nen, daß durch ſie manches nohtwendige Beduͤrfnis
zu rechter Zeit herbeigefuͤhrt wird, deſſen zu groſſer
Mangel Ungluͤk fuͤr die Menſchheit werden wuͤrde.
[190]2. Buch. Von dem Waarenhandel.
Waͤren nicht in dem Hunger-Jahre 1771 die Specu-
lationen der Hamburger auf Ruſſiſches Korn zufaͤllig
ſo hoch gegangen, daß in Archangel 75 Schiffe allein
fuͤr Rechnung der Hamburger in Ladung lagen, ſo
waͤre das Elend in einem groſſen Teile Deutſchlands
noch viel groͤſſer geworden. Zufaͤllig war dieſe Spe-
culation. Denn von Archangel her kann kein Korn
anders, als Ein Jahr voraus, verſchrieben werden;
und man konnte im J. 1770 noch nicht wiſſen, daß
Deutſchland deſſelben in dem folgenden Jahr ſo viel
beduͤrfen wuͤrde.
§. 11.
In den jezigen Zeit-Umſtaͤnden iſt es der Krieg
inſonderheit, welcher die Conjuncturen entſtehen
macht, wobei der Kaufmann uͤberhaupt gewinnt;
dies iſt groſſenteils eine Folge von der gelindern Art,
den Krieg in unſern Zeiten zu fuͤhren, bei welchem
man der Handlung ſchont, und das Recht der neu-
tralen Flagge beinahe allgemein eingefuͤhrt iſt, wovon
in dem lezten Buche mehr vorkommen wird. Aber
die wahren Urſachen, wodurch der Krieg der Hand-
lung im Ganzen vorteilhaft wird, ſind folgende:
a) Der Krieg hat eine Menge Beduͤrfniſſe,
welche in der buͤrgerlichen Geſellſchaft in Friedens-
Zeiten nicht entſtehen. Dadurch werden eine Menge
[191]Cap. 4. Vom Waaren-Preiſe ꝛc.
Menſchen in Taͤhtigkeit geſezt und das Maas ihrer
Arbeit vermehrt. Die Eile, mit welcher dieſe Be-
duͤrfniſſe herbei geſchaft werden muͤſſen, und deren
Nohtwendigkeit macht, daß man groſſe Preiſe der-
ſelben einwilligt. Es entſteht alſo die ganze Wir-
kung einer hohen Nachfrage und gleicher Vor-
teil fuͤr deren Verkaͤufer. Je mehr man die Kriegs-
Kunſt ausſtudirt, deſto koſtbarer werden deſſen Beduͤrf-
niſſe, und der Privatmann gewinnt immer am mei-
ſten von dem Fuͤrſten, der den Krieg am beſten ver-
ſteht, weil der andre bald Schulden macht.
b) Durch den Krieg werden viele Producte ver-
dorben, und die Induſtrie in manchen Landen geſtoͤrt,
welches die Nachfrage in denen Laͤndern, die der
Krieg nicht erreicht, ſteigen macht.
Von allen Beſchaͤ[f]tigungen, die zum Dienſt des
Krieges entſtehen, iſt der Hauptſiz in den Staͤdten.
Die Staͤdte nehmen alſo in jedem Kriege im Wohl-
ſtand zu, ſelbſt in dem Lande, welches der Krieg
trift. Z. E. die Oeſterreichiſchen Niederlande wuͤr-
den nicht ſo viel bluͤhende Staͤdte haben behalten koͤn-
nen, da ſonſt die Handlung dort ſeit dem Entſtehen
der Republik der Vereinigten Niederlande ſo ſehr
ſtokte, wenn nicht der Krieg mehr als Ein Jahr-
Hundert durch dort ſeinen gewoͤhnlichen Siz ge-
habt haͤtte.
[192]
Drittes Buch.
Von den mancherley Arten die Handlung
zu betreiben.
Erſtes Capitel.
Von der ſogenannten Propre- oder
Eigenen Handlung.
§. 1.
Wenn wir auf den zu Anfang angegebenen Be-
grif der Handlung zuruͤk ſehen, ſo giebt es eigent-
lich keine andre wahre Handlung, als diejenige, in
welcher man wenigſtens eine Zeitlang voͤllig Eigen-
tuͤhmer der Waare wird, aus deren Verkauf der
Gewinn entſtehen ſoll. In alten Zeiten kannte man
keine andre Handlung, als dieſe, und man wuͤrde die
Geſchaͤfte derjenigen, die derſelben zu Huͤlfe kom-
men, nimmer mit dem Nahmen der Handlung be-
legt haben.
Eine ſolche Handlung benennt man die Eignen-
oder Propre-Handlung. Doch verſteht man
noch nicht darunter den Handel, welchen der Hervor-
bringer eines Natur- oder der Verfertiger eines Kunſt-
[193]Cap. 1. Von der Eignen Handlung.
Products mit demſelben treibt, ſondern man ver-
bindet damit die Vorſtellung, daß vor dem Ver-
kauf ſolcher Guͤter ein Kauf, unter der Hofnung
eines Gewinns auf deren Wieder-Verkauf, herge-
gangen ſei.
§. 2.
Der erſte Weg, in welchem dieſe Handlung be-
trieben ward, war der Tauſch. Seit dem aber das
Geld ins Mittel getreten, iſt von dem Tauſchhandel
ſo wenig uͤbrig geblieben, daß wir uns bei demſelben
nicht aufhalten duͤrfen.
Der reine Tauſchhandel geht nur noch bei ſehr
rohen und wilden Voͤlkern vor. Wenn in polizirten
Voͤlkern, die das Geld kennen, getauſcht wird, ſo
wird doch immer der Wehrt der einen [und] der andern
Waare vorher zu Gelde geſezt. Man nennt dies
Barattiren. Aber keiner von beiden Teilen wil-
ligt in einen ſolchen Baratt-Handel ein, wenn er
nicht glaubt, an der eingetauſchten Waare den Gel-
deswehrt zu bekommen, fuͤr welchen er ſeine eigene
Waare moͤgte haben verkaufen koͤnnen. Alſo treffen
in dem Barattiren eigentlich zwei Handels-Geſchaͤfte
zuſammen, und dies bringt zu wenig Neues in die
Sache, als daß es noch einer weitern Erlaͤuterung
beduͤrfte.
N
[194]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
§. 3.
In den aͤlteſten Zeiten mußte ein jeder Kaufmann
mit ſeiner Waare ſelbſt reiſen. Bei der Unſicherheit
der Straſſen und Meere war der Handel zu vielen
Unfaͤllen unterworfen, als daß man ſeine Waaren,
ſo wie jezt, einem Manne haͤtte anvertrauen koͤnnen,
den deren Verluſt nicht eigentlich intereſſirte.
Dies geſchieht auch noch jezt in allen Gegendeu
des Erdbodens, wo es noch aͤhnliche Gefahren giebt,
das Fuhrweſen nicht in Ordnung iſt, und keine
ſichere Wege zur Ueberſendung des Geldes Statt
haben. In dieſen Gegenden kennt man auch keine
andre, als die Propre-Handlung.
§. 4.
In dem jezigen Zuſtande der Handlung iſt die
Verbindung zwiſchen den zur See handelnden Staa-
ten ſo leicht, und die Aſſecuranz ſchaft ſo viele Si-
cherheit gegen die Gefahr der See, daß der Kauf-
mann dieſer Schwierigkeiten vorlaͤngſt uͤberhoben iſt.
Es wuͤrde auch bei der Mannigfaltigkeit der Hand-
lungs-Geſchaͤfte nicht einmal moͤglich ſein, daß ein
Kaufmann einer jeden Waare, die er uͤber See ver-
ſendet, auch nur Einen ſeiner Bedienten mitgaͤbe.
Indeſſen entſteht dieſe Schwierigkeit ſogleich wieder,
wenn man uͤber See auf ein entferntes Land handelt,
[195]Cap. 1. Von der Eignen Handlung.
wo man keinen ſichern Correſpondenten hat, und die
Einziehung der baaren Bezahlung durch Wechſel zu
ſchwer wird. In dieſen Faͤllen erfodert die Propre-
Handlung die Mitſendung eines Handelsverſtaͤndigen
Mannes oder Bedienten. Man giebt demſelben
den Namen Cargadoͤr. Bei groſſen Schiffen und
koſtbaren Ladungen ſendet man einen Ober- und
Unter-Cargadoͤr mit. Dies geſchieht inſonderheit
von den Oſtindiſchen Companien, bei welchen ſie
gewoͤhnlich Ober- und Unter-Kaufmann heiffen. Auch
bei Privat-Unternehmungen auf entfernte Gegenden
iſt ein ſolcher Mann unentbehrlich, aber auch ſchwer
auszuſuchen. In dem lezten Seekriege iſt den Kauf-
leuten unſrer Gegenden ſehr viel Schaden durch die
Wahl unwiſſender oder betruͤgeriſcher Cargadoͤre
entſtanden.
§. 5.
Der Eigene Handel beſtimmt ſich inſonderheit
nach der Lage derer Plaͤzze, in welchen er betrieben
wird. Mancher Plaz iſt einer fruchtbaren oder an
Kunſtprodukten reichen Gegend ſo nahe belegen oder
von derſelben umgeben, daß unter deſſen Buͤrgern
eine Betriebſamkeit entſteht, dieſe Producte zu groſſen
Vorraͤhten zu ſammeln, und ſie dem entfernten Kaͤu-
fer zuzufuͤhren, oder den Abnehmer derſelben zu er-
warten. Dieſe Handlung allein kann ſchon zu einem
N 2
[196]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
hohen Betrage ſteigen und einzelne Buͤrger ſehr be-
reichern. Es knuͤpft ſich dann an dieſelbe eine ge-
winnvolle Teilnehmung an den Manufacturen ſelbſt,
indem die Kaufleute eines ſolchen Plazzes ſich der
lezten Arbeiten annehmen, durch welche Waaren
dieſer Art die Beſchaffenheit und Form gegeben wird,
in welcher ſie dem lezten Verbraucher erſt recht ange-
nehm werden. Wenn [nun], wie dies das gewoͤhn-
lichſte iſt, in ſolcher Handelsplaͤzzen der Handel mit
auslaͤndiſchen Guͤtern nicht weiter geht, als das Be-
duͤrfnis der Stadt und naͤchſtgelegenen Gegend es be-
ſtimmt, ſo nenne ich einen ſolchen Handelsplaz eine
Niederlage.
Anmerkung.
Wenn ich ſage, ich nenne, ſo muß ich dabei
auf meine Schrift: Noch Ein Wort uͤber den
Zwiſchen-Handel, im 1ſten Stuͤck des 2ten Ban-
des unſrer Handlungs-Bibliothek zuruͤkweiſen. Sie
wird mich durch Anzeige der Veranlaſſung rechtferti-
gen, welche mir entſtanden iſt, einen Unterſcheid zwi-
ſchen den Woͤrtern: Niederlage, Stapel-
Stadt und Marktplaz zu machen, der freilich
noch nicht von Schriftſtellern angenommen iſt, aber
doch eine bisher nicht erkannte Nohtwendigkeit zu ha-
ben mir ſcheint.
[197]Cap. 1. Von der Eignen Handlung.
§. 6.
Die Ausfuhr inlaͤndiſcher Produkte beiderlei Art
uͤber die Grenzen des Landes oder der Gegend, wo
dieſelben produzirt werden, iſt alſo der Hauptgegen-
ſtand der Handlung ſolcher Plaͤzze. Es veraͤndert
die Sache nicht, und veranlaßt mich nicht dieſe Be-
nennung zu aͤndern, wenn gleich der Sitz der gan-
zen Manufactur in eben dieſen Niederlags-Staͤdten
iſt. So ſind es in England die meiſten Manufactur-
Staͤdte, z. B. Birmingham, Sheffield und Man-
cheſter; oder in Deutſchland Elberfeld, mit dem be-
nachbarten Barmen u. a. m. Ich werde weiter un-
ten von der Einmiſchung des Commiſſions-Handels
in den Betrieb ſolcher Plaͤzze mehr ſagen.
§. 7.
Einen jeden Handelsplaz, der ſich hauptſaͤchlich
mit der Einfuhr aus dem Auslande beſchaͤftigt, um
die umliegende Gegend ſo weit, als die Umſtaͤnde
dieſelbe beguͤnſtigen, zu verſorgen, nenne ich eine
Stapel-Stadt. Natuͤrlich verbindet ſich damit
die Ausfuhr der Produkten eben dieſer Gegend, oder
iſt urſpruͤnglich derſelben vorhergegangen. Solche
Staͤdte ſind gewoͤhnlich der Ausweg fuͤr den Betrieb
der Niederlagsplaͤzze. Die Lage derſelben an Fluͤſſen,
Meeren oder an groſſen durch die Natur gewiſſer-
maſſen angewieſenen Landſtraſſen entſcheidet uͤber
[198]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
eine ſolche Ausdehnung des Gewerbes einer Stadt,
bei welcher ſie eine Stapelſtadt werden kann. Ich
ſehe bei dieſer Benennung nicht auf die vor Alters
ſolchen Staͤdten von unwiſſenden oder durch zudring-
liches Biten betoͤhrten Regenten erteilte Stapel-
Gerechtigkeit, welche allein es nicht bewirken wird,
daß die Handlung einer ſolchen Stadt eine etwas
entfernte Gegend verſorge. Doch werde ich in dem
3ten Buche etwas mehr von dieſem Misgriff in der
Handlungspolitik voriger Zeiten ſagen.
Ich will zur Erlaͤuterung nur einige Beiſpiele
von ſolchen Deutſchen Handlungs-Staͤdten geben,
denen ich dieſe Benennung beilege. Solche ſind alle
kleinere Seehaͤven an der Nord- und der Oſt-See.
Sie verſorgen mit auslaͤndiſchen Waaren jede einen
kleinern oder groͤſſern Strich Landes, gewoͤhnlich ſo
weit, bis ihnen der Betrieb einer andern Handels-
Stadt in den Weg koͤmmt. Durch ſie geht die Aus-
fuhr der Kunſt- und Natur-Producte eben dieſer Ge-
gend, und ſo dienen ſie auch der Einfuhr mancher
inlaͤndiſchen Stapel-Stadt. So hat z. B. Stettin
eine groſſe Stapel-Stadt, nemlich Breslau, hinter
ſich. So hat der Rhein mehrere Stapel-Staͤdte,
durch deren eine zur andern die Handlung fortgeht,
deren aber jede insbeſondre eine kleinere oder groͤſſere
Gegend teils mit auslaͤndiſchen Waaren verſorgt,
[199]Cap. 1. Von der Eignen Handlung.
teils deren Produkte an ſich zieht. Ich rechne aber
auch ſelbſt die durch eine entfernte Seefahrt den Colo-
niehandel treibenden Staͤdte groͤßtenteils, und in ge-
wiſſem Betracht alle zu den Stapel-Staͤdten.
§. 8.
In dieſen Stapel-Staͤdten wird der Handel noch
ſehr nach alter Art betrieben. Der Einwohner der-
ſelben reiſet ſelbſt oder laͤßt ſeine Bediente im Lande
umher reiſen, um deſſen Natur- und Kunſtprodukte
aufzukaufen, und eben ſo beſuchen die inlaͤndiſchen
Kaufleute und Kraͤmer perſoͤnlich den Stapelplaz,
um in demſelben einzukaufen und zu verkaufen.
Durch briefliche Auftraͤge werden nur wenige Ge-
ſchaͤfte ganz vollendet, und es heißt in den meiſten
derſelben: Selbſt iſt der Mann. Dadurch werden
und bleiben deren Einwohner noch jezt verwoͤhnt,
daß ſie den Eignen Handel faſt nur als den einzigen
kennen, und wol gar durch alle moͤgliche Wege dem
Entſtehen jedes Handels anderer Art wehren. Die
Stapel-Gerechtigkeit in ihrer weiteſten Ausdehnung,
in welcher ſie wirklich mancher Stadt vor Zeiten ge-
geben ward, hatte nur dies zum Zwek, alle Hand-
lung, die an ſolche Staͤdte gelangte, zur Eignen
Handlung zu machen. Viele Statute des Hanſeati-
ſchen Bundes uͤberhaupt, noch mehr aber die Statu-
ten derer Staͤdte, welche Meiſter ihrer eigenen Ver-
[200]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
faſſung waren, zielten eben dahin ab, und manche
derſelben ſucht ſich noch dabei zu behaupten, ſo gut ſie
kann. Ich werde mehr davon im fuͤnften Buche ſagen.
§. 9.
Eine ſolche Handels-Stadt, welche durch ihre
Lage oder andre Umſtaͤnde beguͤnſtigt, ihre Hand-
lung auf eine ſolche Art treiben kann, daß deren
Ausdehnung keine beſtimmbare Grenzen hat, und
von deren Handlung die Gegenſtaͤnde eben deswegen
ſich in einer unbeſtimmbaren Mannigfaltigkeit ver-
vielfachen, nenne ich einen Marktplaz. Man
wird mir erlauben, daß ich von der Stadt, in wel-
cher ich lebe, das erſte Beiſpiel nehme, um den
Begriff eines Marktplazzes zu berichtigen. Ham-
burgs Handlung hat keine beſtimmbare Grenzen. Es
iſt kein Land, kein Ort, von welchem her ſie nicht
die Produkte an ſich ziehen, keine Gattung von Waa-
ren, welche ſie nicht zu ihrem Gegenſtande nehmen
koͤnnte. Es ſteht mir nicht entgegen, daß mancher
Ort der bewohnten Erde iſt, bis zu welchem ſie nicht
handelt; auch nicht, daß manche Waare nicht immer
in ihren Lagern vorraͤhtig iſt. Denn daß dies wirk-
lich geſchehe, muß die Hofnung des Gewinns ma-
chen; und nicht eine jede Handlung iſt gewinnvoll.
Es iſt genug, daß eine jede Handlung fuͤr ſie ihrer
Lage nach moͤglich iſt, und daher koͤmmt es auch,
[201]Cap. 1. Von der Eignen Handlung.
daß eine ſo groſſe Menge und Mannigfaltigkeit von
Waaren zu ihr oder durch ſie gefuͤhrt wird, als welche
nur zu wenig andern Handelsplaͤzzen gelangen kann.
See- und Fluß-Fahrt vereint ſind es, welche
ſolchen groſſen Marktplaͤzzen ihren Ort beſtimmen;
doch mehr in der neuern als in der alten Zeit. Denn
die Handlung der Vorzeit hatte ihren Sitz an dem
mittellaͤndiſchen Meere, in welches wenig Fluͤſſe ſich
ergieſſen, welche weit hinauf ins Land ſchiffbar
waͤren. An deſſen Ufern entſtanden alſo, ſo wie an
den Ufern der Oſtſee, faſt allenthalben Handels-
Plaͤzze, wo nur die Natur einen Haven darbot.
Die Guͤte eines ſolchen Havens entſchied zwar in
etwas, aber doch noch mehr der Fleis und die Taͤh-
tigket der Einwohner daruͤber, ob ſich ein ſolcher Han-
delsplaz zu dem Range eines Marktplazzes erheben
ſollte und koͤnnte. Als aber in ſpaͤteren Zeiten die
Handlung im Norden Leben gewann, da ward es
natuͤrlich, daß ſie den Vorteil benuzte, welchen die
ins Meer auslaufenden Fluͤſſe ihr gewaͤhrten, und daß
ihre Schiffe ſo weit in dieſelben hinauf liefen, als die
Meeres-Fluht ſie fuͤhren konnte. Denn jenſeits
dieſer Stelle fieng auch in den meiſten Fluͤſſen die
Tiefe fuͤr beladene Seeſchiffe zu fehlen an. Hier
wechſelte alſo die Flußfahrt mit der Seefahrt. Ein
jeder betraͤchtlicher Fluß bekam alſo eine Handels-
[202]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Stadt auf dieſer Stelle, und hat ſie behalten, wenn
gleich durch natuͤrliche Veraͤnderungen manche derſel-
ben dieſen Vorteil nach der Zeit verlohren haben,
indem das Bette dieſer Fluͤſſe ſich ſo erhoͤhet hat,
daß die See-Schiffe nicht mehr zu ihnen gelangen
koͤnnen. Doch nahm auch damals manche hoͤher an
dem Fluß belegene Stadt an dem Seehandel Teil,
fuͤr welche jezt der bloſſe Gedanke unmoͤglich ſcheint.
Denn man wagte ſich mit kleinern Schiffen auf die
See. Wer moͤgte z. B. jezt Luͤneburg fuͤr eine See-
handelsſtadt halten, oder annehmen, daß ſie es je-
mals geweſen ſei? Aber ſie war es doch noch im
vierzehnten Jahrhundert. Und ſo war es auch Thorn
bis an das Jahr 1400.
Die Kunſt aber giebt in neuern Zeiten manchem
Orte dieſen Vorteil, den ihm die Natur verſagt hat,
durch Canaͤle, die eine Schiffahrt da moͤglich machen,
wo die Natur ſie nicht gibt. Dadurch hat jezt man-
cher Handels-Plaz ſich zum Range eines Markt-
Plazzes erhoben; und andere, die es ohnehin waren,
ihre Vorteile gar ſehr erhoͤhet. Doch werde ich von
der Canalfahrt, als von einem Huͤlfsmittel der Hand-
lung, beſſer in dem vierten Buche reden.
§. 10.
Es iſt nicht zu leugnen, und ſo manches Bei-
ſpiel beſtaͤttigt es, daß eine Stadt, auch ohne See-
[203]Cap. 1. Von der Eignen Handlung.
und Flußfahrt, ein groſſer Handelsplaz und gewiſſer-
maſſen ein Marktplaz werden koͤnne. Die es unter
dieſen Umſtaͤnden ſind, haben es mehrenteils einer
in dem mittlern Zeitalter gewoͤhnlichen Beguͤnſti-
gung der Regenten zu danken, welche ehemals viel
mehr wirken konnte, als jezt. Dies war die Ertei-
lung des Meß-Privilegiums, wodurch man eine
Zuſammenkunft der Handelsleute aus entfernten
Gegenden veranlaßte, die damals um ſo viel leichter
zu bewirken war, als noch der Kaufmann mit ſeinen
Waaren reiſete, nicht ſo, wie jezt, ſeine Waaren
ohne Begleiter auf jeden Ort verſenden konnte, wo
deren Abnehmer wohnen, auch nicht aus der Ferne
diejenigen, deren er bedurfte, verſchreiben konnte,
ſondern ſie ſelbſt holen mußte. Damals eilte er
gerne einem jeden Orte zu, welcher ihm durch Ober-
herrliche Verordnungen als derjenige ausgezeichnet
ward, welcher zu einer Verſammlung der Kaͤufer
und Verkaͤufer mit ihren Waaren aus einer unbe-
ſtimmbaren Ferne zu einer geſezten Zeit dienen ſollte.
Es iſt anmerklich, daß zu ſolchen Meßplaͤzzen wenig
andre, als inlaͤndiſche Staͤdte gewaͤhlt wurden; oder,
daß, wenn ja einige an der See und groſſen Fluͤſſen
belegne Staͤdte ſich ſolche Privilegien erteilen lieſſen,
ſie ihnen weit weniger, als den inlaͤndiſchen Staͤdten,
zu Statten kamen. Aber es iſt aus eben denen Ur-
ſachen leicht zu erklaͤren, aus welchen ich in dem
[204]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
fuͤnften Buche erklaͤren werde, warum Meſſen und
Jahrmaͤrkte jezt keinen Seeſtaͤdten groſſen Vorteil
bringen, und warum uͤberhaupt dieſelben in dem jezi-
gen Zuſtande der Handlung ein wenig vermoͤgendes,
ich moͤgte ſagen, ein abgenuztes Huͤlfsmittel der
Handlungspolitik ſind, um die Handlung eines
Staates zu beleben.
§. 11.
Es giebt noch Eine Art des Eignen Handels,
welchen Buͤrger eines jeden Ortes treiben koͤnnen,
ohne daß deſſen Lage im geringſten dabei in Betrach-
tung kaͤme, den aber auch die Buͤrger groſſer Markt-
Plaͤzze haͤufig treiben. Dieſer iſt der Handel, den
ein Kaufmann mit Waaren Eines Landes ſo treibt,
daß er ſie einem andern Lande zufuͤhrt, ohne ſie uͤber
ſeinen Plaz gehen zu laſſen. Man ſieht leicht ein,
daß nicht gemeine Handlungskenntniſſe zu ſolchen
Unternehmungen erfodert werden, und mehr als
dieſes, eine groſſe Aufmerkſamkeit auf alle Con-
juncturen, die in der Handlung entſtehen, oder ſich
vermuten laſſen, eine groſſe Taͤhtigkeit in Benuͤzung
derſelben, und ſichre Handelsverbindungen mit zu-
verlaͤſſigen Correspondenten. Es iſt aber auch klar,
daß ein in dieſem Wege handelnder Speculant Con-
juncturen benuzen koͤnne, welche demjenigen entge-
hen, der alle Gegenſtaͤnde ſeines Handels zu ſich auf
[205]Cap. 1. Von der Eignen Handlung.
ſein Waarenlager holt, und hier die Folgen einer
Conjunctur erwartet, oder, wenn er ja ſie von
Hauſe aus dahin verſendet, wo die Conjunctur ſich
hervortuht, auſſer den vergroͤſſerten Koſten auch die
Zeit verliert, welche eine zwiefache Reiſe mehr, als
Eine, erfodert.
Dieſer Art von Handel weiß ich keine beſondre
Benennung zu geben. Er bedarf deren auch nicht.
Er iſt der Zwiſchenhandel der vorzuͤglichſten Art.
In Deutſchland haben die Buͤrger keiner Stadt ihn
ſo lebhaft betrieben, als die von Iſerlohn, einer
Stadt, welcher ihre Lage jeden andern Zwiſchenhan-
del damals inſonderheit unmoͤglich machte, als die
Bergwege ihrer Gegend kaum einem Karren fahrbar
waren, und ihr uͤbriger Wolſtand auf einigen Drahte
und aͤhnlichen Fabriken beruhete. Daß es aber auf
den Kopf und auf gruͤndliche Handelskenutniſſe derer
ankomme, die ihn treiben, hat ſich auch dort be-
wieſen. Dieſe ſchoͤne Periode jener Stadt hat ſich
mit dem Tode derer Maͤnner, die ihn um die Mitte
dieſes Jahrhunderts betrieben, ſchon ſehr geaͤndert,
da die Erben der durch denſelben reich gewordene
Vaͤter ihn groſſenteils, ich weiß nicht, ob mit min-
derer Einſicht oder mit minderem Gluͤck, getrieben
haben. Doch iſt auch zu bemerken, daß der Vorteil
der Stadt, von welcher aus ein ſolcher Handel ge-
[206]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
trieben wird, ſich darauf beſchraͤnkt, daß dieſelbe
einzelne reiche Einwohner bekoͤmmt. Was dieſe in
ihrer Lebensweiſe verzehren, iſt, wiewol nur zum
Teil, Gewinn fuͤr die Stadt. Im uͤbrigen fließt
dem geringen Einwohner kein Gewinn von dieſem
Handel zu.
§. 12.
Der eigne Handel waͤhlt auch oft den Weg, daß
ein Kaufmann in einem fremden Handelsplaz eine
Handlung unter dem Betriebe eines von ihm ausge-
waͤhlten und fuͤr zuverlaͤſſig gehaltenen Mannes mit
ſeinem Gelde und fuͤr ſeine Rechnung errichtet. Man
nennt eine ſolche Handlung eine Commandite.
Man ſieht leicht ein, daß eine ſolche nur unter den
zwei Vorausſezungen Statt habe, daß der ſie errich-
tende Kaufmann mehr Geld habe, als er in ſeinen
Geſchaͤften bei ſich zu Hauſe zu benuzen weiß, oder
ſeine Geſchaͤfte in dieſer engen Verbindung mit einem
entfernten Handlungs-Comtoir zu erweitern ſuche,
und daß er ſich von der Treue, dem Fleitz und den
Einſichten des Mannes gewiß halte, in deſſen Haͤnde
er ſein Geld gibt. Friderich der Groſſe ward im
Jahr 1766 veranlaßt, vier groſſe Commanditen, jede
mit 200000 Tahlern, in Berlin, Hamburg, Am-
ſterdam und Cadix zu errichten. Sie nahmen aber
ein fruͤhes und ſchlechtes Ende, wovon ich die Erzaͤ-
lung fuͤr die Zuſaͤze erſpare.
[207]
Zweites Capitel.
Von dem Commiſſions-Handel.
§. 1.
In dem vierzehnten Jahrhundert entſtand in den
Wechſelbriefen dem Kaufmann ein Mittel, ſeine
Schulden aus der Ferne her einzuziehen, und andre
zu bezalen. In dem funfzehnten kamen faſt alle
Staaten zu einem Beſtande, der ſie in den Stand
ſezte, Ruhe und Ordnung innerhalb ihrer Grenzen
zu handhaben, und die Land-Straſſen zu ſichern.
(Man ſ. meine Geſchichte der Welthaͤndel
zu Anfang.) Erſt gegen das Ende deſſelben bewirkte
dies in Deutſchland der Landfriede. Der Geſezloſen
ohne allen Grund, den das Recht des Krieges und
des Friedens darbietet, betriebenen Seeraͤuberei ward
ein Ende gemacht. Dagegen war noch nicht die der
Afrikaniſchen ungeſchlachten Voͤlker entſtanden. Im
ſechszehnten entſtanden die Poſten, und man konnte
auf eine ſichre Befoͤrderung der Briefe, wenigſtens
auf den Hauptwegen der Handlung, rechnen.
§. 2.
Dies alles waren wichtige Erleichterungen der
Handlung, welche inſonderheit dem Kaufmann
[208]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Mittel darboten, ſeine Geſchaͤfte, wo nicht in alle
Gegenden hin, doch in ſehr viele, ohne perſoͤnliches
Mitreiſen oder ohne koſtbare Verſendung ſeiner
Handlungsbedienten zu verrichten. Nun konnte er
Waaren mit minderer Gefahr einem Schiffer oder
Fuhrmann anvertrauen. Er konnte, wenn er durch
einzelne Reiſen in den Handelsplaͤzen ſich Bekannte
erworben hatte, ſeine Auftraͤge an ſie durch Briefe,
in einer mit mehrerer Vollendung der Poſteinrich-
tungen ſich genau beſtimmender Zeit, gelangen laſſen.
Er konnte durch Wechſel Bezahlung empfangen und
leiſten, und fuͤr beides konnte eine beſtimmte Friſt
geſezt werden, in welcher die Poſten ſie unfehlbar
zur Stelle brachten.
§. 3.
So wie der Kaufmann dieſe Erleichterungen
mehr und mehr benuzte, veraͤnderte ſich die Art die
Handelsgeſchaͤfte zu betreiben, und es knuͤpfte ſich
an die eigentliche [Handlung] die ſogenannte Com-
miſſions-Handlung.
Denn in der Taht gibt es nur Einen Handel, den
im vorigen Capitel beſchriebenen Eigenen Handel.
Jeder im Handel gegebene Auftrag oder Commiſſion
ſezt voraus, daß ein Mann, wer er auch ſei und wo
er auch lebe, fuͤr ſeine eigne Rechnung eine Handels-
[209]Cap. 2. Vom Commiſſions-Handel.
Unternehmung vornehme, und in dieſem ſeinen eig-
nen Handel die Dienſte eines andern benuze, der das
fuͤr ihn tuht, was vormals der Kaufmann ſelbſt
taht, oder durch ſeine in beſtaͤndigem Solde ſtehende
Bediente tuhn lies. In den reinen Commiſſions-
Geſchaͤften bezahlt auch der Committent ſeinem Com-
miſſionaͤr ſeinen Dienſt, bei jedem Ausfall des Ge-
ſchaͤftes, es ſei gewinnvoll fuͤr ihn oder nicht, wie er
ihn ſeinen Bedienten bezahlt. Ich ſollte alſo billig von
denſelben, als von eigentlichen Huͤlfsgeſchaͤften der
Handlung, allererſt in dem vierten Buche reden.
Aber es heißt nun ſchon ſo lange und ſo allgemein ein
Commiſſions-Handel, und ſo mancher Mann,
der nur dieſen allein treibt, hat gleich andern den
Namen eines Kauf- und Handelsmannes, aber auch
bei weitem die meiſten verbinden denſelben mit ihrem
eignen Handel, daß ich alſo nicht der Ordnung und
Methode wegen die gewiß von jedem Leſer ſchon hier
erwarteten Erlaͤuterungen ſo weit hinaus ſezen mag.
§. 4.
Als der Kaufmann ſich entſchloß, die Ausrich-
tung ſeiner eignen Handelsgeſchaͤfte dem Einwohner
eines entfernten Handelsplazes aufzutragen, konnte
er den Lohn dieſes Auftrages nicht etwan ſo mit ihm
behandeln, wie mit einem Bedienten, der ſein taͤg-
liches Brod bei ihm ißt. Er konnte ihn nicht im
O
[210]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Verhaͤltnis der an ſeine Geſchaͤfte gewandten Muͤhe
und Zeit ablohnen, welche er in der Ferne nicht
wiſſen oder ſchaͤzen konnte. Kurz, der Lohn be-
ſtimmte ſich bald nach dem Wehrt des Gegenſtandes
von jedem ſolchen Geſchaͤfte. Es verſteht ſich, daß er
alle in dem Geſchaͤfte entſtandene Auslagen, alle mit
einigem Grunde zu berechnende Koſten, z. B. die
Aufbewahrung der Waaren in ſeinem eignen Spei-
cher, dem Committenten anrechnen duͤrfe.
§. 5.
Es iſt in dieſem Geſchaͤfte durch ein faſt allgemei-
nes und in Faͤllen dieſer Art ſonſt nicht leicht Statt
habendes Einverſtaͤndnis dahin gekommen, daß dieſer
Lohn des Commiſſionaͤrs, welchen man die Pro-
viſion nennt, in dem groͤßten Teile des handelnden
Europa auf zwei p. C. ſteht. Dieſe werden nicht
nur auf den Wehrt der committirten Guͤter, fuͤr
welchen ſie eingekauft oder verkauft werden, ſondern
auch auf den Belauf der dabei entſtehenden Koſten
berechnet, welches freilich billig iſt. Weil jedoch
uͤberhaupt Dingen zum Handel gehoͤrt, ſo wird auch
wol zwiſchen einzelnen Kaufleuten die Commiſſion
auf 1½, ja wol gar auf 1 p. C. herabgehandelt, und
von ſolchen gerne eingewilligt, welche die groſſen
Commiſſionen eines maͤchtigen Handlungs-Hauſes
an ſich und einem andern zu entziehen ſuchen. Dies
[211]Cap. 2. Vom Commiſſions-Handel.
wird alsdann ſtille gehalten. Doch moͤgte ich be-
haupten, daß ſolch ein Abhandeln zwiſchen ſoliden
Kaufleuten nicht vorfalle.
In Anſehung der Handlungs-Unkoſten kann keine
Uebereinſtimmung Statt haben. Auch in ſolchen
Umſtaͤnden hat ſie nicht Statt, wo die Natur der
Sache auf eine ſolche zu leiten ſcheint. Z. B. das
Magazinage, welches der Commiſſionaͤr, wie billig,
berechnet, ſollte ſich blos nach der Groͤſſe und dem
Gewicht der Waare, und nach der Zeit, die ſie auf
dem Lager bleibt, richten. Aber in Cadix wird es
zu einem halben p. C. des Wehrts angeſchlagen.
§. 6.
Die Einkaufs-Commiſſionen werden ein wichti-
ges Geſchaͤfte in vielen groſſen Manufactur-Staͤdten,
wenn nicht die Manufacturiſten ſelbſt aus einer uͤbel
verſtandenen Gewinnſucht die Kaͤufer ſelbſt allent-
halben aufſuchen, wo ſie dieſelben glauben auffinden
zu koͤnnen. Ich nenne ſie uͤbelverſtanden. Denn
1) die dazu notwendigen Reiſen beſtehen nicht gut
mit dem Betriebe eines Manufacturiſten. 2) Der
unſichere Credit, zu welchem er ſich bequemen muß,
und die oft auch von guten Schuldnern lange verzoͤ-
gerte Bezahlung, haͤlt ihn in ſeinem Gewerbe zuruͤck,
welches gleichfoͤrmig fortgehende Auslagen und Aus-
O 2
[212]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
lohnung erfodert. Es iſt ihm deswegen ſehr zutraͤg-
lich, wenn er zwiſchen ſich und dem Abnehmer ſeiner
Kunſt-Producte einen Mittelmann an ſeinem Mit-
buͤrger hat, der ihm in geſezter Zeit bezahlt, auch
wenn ihm die Remeſſe von ſeinen Committenten noch
fehlt. Auch dieſer iſt beſſer daran, wenn er ſeine
Auftraͤge einem Manne giebt, der neben mehreren
Manufacturiſten einer Art wohnt, in ihren Werk-
ſtaͤtten die Waare aufſucht, und den Verſuch, wel-
chen mancher unter ihnen wagen moͤgte, den Aus-
laͤnder mit ſchlechter Waare zu hintergehen, gleich
zur Stelle niederſchlaͤgt. Zwar moͤgte man denken,
der Manufactur-Handel, welchem jede moͤgliche Er-
ſparung ſo noͤtig iſt, beſtehe beſſer ohne die hinzu
kommenden 2 p. C. Proviſion. Aber Zuverlaͤſſig-
keit iſt in jedem Handel mehr als 2 p. C. wehrt. Es
beſtehen alſo in den Britiſchen Manufacturplaͤzen
eine groſſe Menge Kaufleute durch bloſſe Commiſſio-
nen. So iſt es auch in vielen deutſchen Plaͤzen und
Gegenden, z. B. Elberfeld und Remſcheid. (*)
In Hamburg ſind die Commiſſionen auf gemachten
[213]Cap. 2. Vom Commiſſions-Handel.
Zucker ein ſehr wichtiges Geſchaͤfte, aber gewis gleich
vorteilhaft fuͤr die Fabriken und die Abnehmer, wenn
gleich die Koſten dadurch vermehrt werden.
§. 7.
Der Commiſſionshandel bringt einen betraͤchtli-
chen, und in ſo fern ſicherern Gewinn, als der
Eigne Handel, weil derſelbe nicht von dem Aus-
ſchlage des Geſchaͤftes abhaͤngt, auf welches die
Commiſſion ſich bezieht. Allein in dem Gange dieſer
Geſchaͤfte miſchen ſich viele Umſtaͤnde ein, die deren
Gewinn ſehr mindern, und eine Urſache werden,
daß in jeder Commiſſions-Handlung auf die Laͤnge
viele boͤſe Schulden entſtehen, und mancher redliche
Commiſſionaͤr wol gar dabei zu Grunde geht. Nicht
um den ſchon ausgelernten Kaufmann zu belehren,
ſondern um den Juͤngling und ſelbſt den jungen
Mann zu warnen, der oft mit zu vielem Muht ſeine
Geſchaͤfte antritt, will ich dies, ſo gut ich dazu im
Stande bin, aus einander zu ſezen ſuchen.
Die Commiſſionen ſind teils Einkaufs- teils
Verkaufs-Commiſſionen. Die Einkaufs-
Commiſſionen machen ſo, wie ſie ausgerichtet
werden, den Commiſſionaͤr zum Schuldner an
dem Orte des Einkaufs. Genießt er dann gleich
Credit, ſo entgeht ihm die in den Preis ge-
[214]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
ſchlagene Zinſe. Oder bedarf er deſſelben nicht, und
bezahlt ſogleich, ſo hat er um ſo viel laͤnger der Be-
zahlung entgegen zu ſehen, wenn nicht ſein Com-
mittent an einem Orte lebt, wohin er unmittelbar
auf ihn oder auf den ihm angewieſenen Banker in
einem Wechſelplaze traſſiren kann. Das iſt aber
mit nur ſo wenigen Gegenden und einzelnen Oertern
in dem handelnden Europa der Fall, wie ich B. 1.
Cap. 6. §. 39 ff. gezeigt habe. Es gehoͤrt alſo auch
zu einem ſichern Commiſſions-Handel eine ſtarke
Caſſe. So mancher junge Kaufmann verſieht es
darin. Er will ſeine Handlung errichten; unter-
nimmt deswegen eine Reiſe, und, weil er den Com-
miſſions-Handel fuͤr den ſicherſten haͤlt, ſo iſt ihm ein je-
des Verſprechen angenehm, daß man ihm Auftraͤge ge-
benwolle. (M. ſ. meine Abhandlung von Kauf-
maͤnniſchen Reiſen im 2ten Bande der Hand-
lungs-Bibliothek, und im 2ten Bande von
Bohns wolerfahrnen Kaufmann.) Dieſe
kommen nun, werden ſchnell ausgerichtet; der junge
Mann wird an allen Ekken ſchuldig. Mit den Re-
meſſen aber zoͤgert es, und manche bleibt gar aus.
Er muß alſo allerlei Umſchlaͤge machen, muß ſich
auf Wechſelreuterei einlaſſen, die ſo, wie ſie bekannt
wird, ſeinen Credit niederſchlaͤgt, und ihn bald noͤ-
tigt mit oder ohne Inſolvenz ſeine kaum angefangene
Handlung aufzugeben. Am mißlichſten ſind jezt die
[215]Cap. 2. Vom Commiſſions-Handel.
Ruſſiſchen Commiſſionen, welche ſich zu erwerben
ſo mancher junge Kaufmann aus allen Gegenden ſo
weite Reiſen tuht. Ich werde bald noch einige Ur-
ſachen davon mehr, als den mißlichen Wechſelcurs,
aufuͤhren. Die groͤßte Gefahr laͤuft derjenige, der
bei ſeinen Reiſen ſich zur erſten Abſicht ſezt, andern
Kaufleuten von gutem Credit ins Gehege zu gehen.
Gerade ein ſolcher bekoͤmmt die ſchlechteſten Commis-
ſionen. (Kaufmaͤnniſche Reiſen Cap. 3. §. 6.)
§. 8.
2) Die Verkaufs-Commiſſionen geben freilich
mehr Sicherheit, weil der Commiſſionaͤr in dem Beſitz
des durch deren Ausrichtung geloͤſeten Geldes iſt,
und, was ihm zukoͤmmt, ſich berechnen kann; er
mag zum Vorteil oder zum Schaden des Commit-
tenten verkauft haben. Aber der Anlaß zu den
meiſten und wichtigſten Verkaufs-Commiſſionen iſt
dieſer, daß der Eigentuͤhmer ſolcher Waaren nicht
Zeit hat, die Verſchreibung von auſſen her bei ſich
zu erwarten, ſondern, ſobald als moͤglich, wenigſtens
einen Teil ſeines Geldes einzuziehen ſucht. Dies
iſt der Fall, in welchem ſich die Franzoͤſiſchen Arma-
toͤre, und uͤberhaupt die Manufacturiſten, alsdann
zumal befinden, wenn ſie unter einer ſchwachen
Nachfrage leiden. (B. 2. C. 4. §. 7.) Wer alſo
deren Verkaufs-Commiſſionen haben will, muß ſich
[216]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
gefallen laſſen, daß ſie ſogleich nach Abſendung der
Waare, oder wenn ſie in Schiffe verladen wird, mit
Einſendung des Connoſſements auf ⅔ des Wehrts
traſſiren. Die Folge davon iſt, daß eine Handlung
nicht ohne groſſe Geldeskraͤfte ſolche Verkaufs-Com-
miſſionen annehmen kann; aber auch eine andere gute
Folge, daß ſie ſolche feſter an ſich halten, und der
Committent nicht ſo von einem Hauſe zum andern
uͤbergehen kann, als dies bei Einkaufs-Commiſſio-
nen ſo leicht geſchieht. Fuͤr die bezahlte Tratte be-
rechnet dann der Commiſſionaͤr ⅓ p. C. Zinſen auf
den Monat, bis die Waare verkauft iſt. Gegen
die Gefahr des See-Verluſtes ſichert er ſich durch die
Aſſecuranz, welche er gleich nach empfangenem Con-
noſſement beſorgt und Beſizer der Polize wird.
Aber bei dem allen ſind Commiſſionen dieſer Art
nicht ganz ohne Gefahr des Verluſtes. Ich rede
nicht von ſolchen groben Betruͤgen, wovon die Exem-
pel doch nicht ganz fehlen, da Waaren in Verkaufs-
Commiſſion eingeſandt und Wechſel auf deren Wehrt
gezogen werden, die Kiſten und Packen aber mit
Sand und Steinen gefuͤllt ankommen. Aber mit
mancher ſolcher Commiſſion iſt die Abſicht verbunden,
einen Commiſſionaͤr in Geſchaͤfte von anderer Art zu
verwickeln, und inſonderheit den Anfang zu einer
Wechſelreuterei zu machen, die dann oft aus Gefaͤl-
[217]Cap. 2. Vom Commiſſions-Handel.
ligkeit, oder aus Furcht die groſſen Commiſſionen
eines ins Wilde handelnden Kaufmanns zu verlieren,
eingegangen wird, und gewoͤhnlich ein ſchlechtes Ende
nimmt. Doch ich will mich uͤber ſolche Dinge nicht
verbreiten. Man ſieht wol, daß es bei Commiſſio-
nen beiderlei Art auf den Kopf, die Vorſicht und
den Muht des Mannes ankoͤmmt, der ſie betreibt;
und der verſtaͤndige Kaufmann bedarf meiner Be-
lehrung nicht.
Die Franzoͤſiſchen Verkaufs-Commiſſionen, ſo
wol als die dorthin gegebenen Einkaufs-Commiſſio-
nen, ſind einer beſondern Gefahr unterworfen, die
aus dem Rechtsgange der Nation entſteht. Sie iſt
dieſe: Wenn ein dortiger Einwohner Guͤter verſen-
det und darauf Bankerot ſpielt, ehe er dieſelben be-
zahlt, das Schiff aber noch nicht unter Seegel iſt,
ſo hat der nicht bezahlte Eigner der Guͤter das Recht
das Schiff anzuhalten, und, ſo viel Schwierigkeit
auch die Sache bei einem vollgeladenen Schiffe machen
mag, ſie aus demſelben herauszunehmen. Man
nennt dies Recht le Droit de ſuite, oder de pour-
ſuite.
Es hat ſeinen voͤlligen Grund in dem alten juri-
ſtiſchen Grundſatz: wo ich mein Eigentuhm finde,
da nehme ich es. Aber ich moͤgte dann auch behaup-
[218]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
ten, daß der Mann, welcher eine Tratte auf ⅔,
oder, wenn er ſie verſchrieben hat, auf den vollen
Wehrt dieſer Guͤter acceptirt hat, eben ſo viel Recht
habe, die Bezahlung zu weigern, wenn er erfaͤhrt,
daß ein anderer Eigentuͤhmer ſeinem Recht an dieſe
Guͤter vorgegriffen habe. So heilig dem Kaufmann
ſeine Acceptation in jedem andern Falle ſein muß,
ſo muͤßte hier dieſe groſſe Regel gebrochen werden
duͤrfen. Ich behalte mir vor in den Zuſaͤzen mehr
daruͤber zu ſagen.
Von denen Vorteilen, welche ein handelnder
Staat davon hat, wenn mehr Einkaufs- und Ver-
kaufs-Commiſſionen zu demſelben gelangen, als von
ihm aus ins Ausland gegeben werden, wird in dem
fuͤnften [Buch] noch vieles zu ſagen ſein.
§. 9.
Ich habe bisher von denen Bedenklichkeiten gere-
det, welche die Annehmung der Einkaufs- und Ver-
kaufs-Commiſſionen hat. Aber nicht geringer ſind
diejenigen, welche mit der Erteilung derſelben ins
Ausland verbunden ſind.
1) Die Einkaufs-Commiſſionen ſezen voraus,
daß man mit einem Mann zu ſchaffen habe, der die
Sache ganz ſo anſieht, als waͤre ſie ſeine eigene.
[219]Cap. 2. Vom Commiſſions-Handel.
Dieſe Vorausſezung ſagt viel. Mit aller Achtung
fuͤr den wuͤrdigen Kaufmann werde ich doch ſagen
duͤrfen, daß ſolche Menſchen ſelten ſind, denen ein
fremdes Geſchaͤfte ſo wichtig, als ihre eigene Sache,
wird. Ich werde ſagen duͤrfen, daß manchem, wenn
er begierig die Commiſſion des Auslaͤnders annimmt
und gut ausrichtet, nicht ſowol der Antrieb ſeines
Herzens, als der Gedanke dazu treibe, daß ſeine
Geſchaͤfte nicht gut fortgehen werden, wenn er nicht
den Ruhm eines ehrlichen Commiſſionaͤrs behauptet.
Und das iſt denn auch wahr, daß kein Kaufmann in
Commiſſions-Geſchaͤften es hoch bringe, deſſen Ruhm
der Ehrlichkeit durch oͤftere Vorfaͤlle geſchwaͤcht wird,
die demſelben widerſprechen. Auch das bleibt wahr,
daß ein ſolcher Mann, wenn er ſieht, er ſei an einen
chicanirenden Committenten gerahten, wol tuht,
wenn er deſſen Chicane etwas aufopfert, dann aber
auch mit einem ſolchen Mann alle Geſchaͤfte aufgiebt,
um ſeinen guten Ruhm zu behaupten, und ſich nicht
etwa nachſagen zu laſſen, ſein eignes Gewiſſen habe
ihn gedrungen, ſolch ein Opfer zu machen. Dies
halte ich fuͤr eine wichtige Regel der Klugheit. Denn
der wirklich chicanirende Committent bleibt ohnehin
nicht lange, und ſolche Leute ſind gewohnt, ihre
Commiſſionen bald hie bald dort hinzugeben, um,
was ſie von Rechts wegen dem Commiſſionaͤr goͤnnen
muͤſſen, ihm durch Chicanen zu entziehn. Dies ge-
[220]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
lingt ihnen auch, und ſie koͤnnen reiche Leute dabei
werden. Denn die handelnde Welt iſt gros genug,
um immer andere und andere zu finden, die ihre
Commiſſionen gern annehmen. Sie haben auch
daher weniger Gefahr fuͤr ihren guten Ruhm dabei,
als jeder einzelne Mann, der von den Auftraͤgen
vieler leben will.
§. 10.
Gute Kenntnis der Waare, des Gegenſtandes
der Einkaufs-Commiſſionen, iſt eine wichtige Vor-
ausſezung des Committenten. Sie hat zwar min-
dere Nohtwendigkeit an Orten, wo man gute Waa-
renkenner unter den Maklern hat. Denn dafuͤr
werden den Committenten ⅚ p. C. als Courtagie an-
gerechnet. Aber nicht jeder Handelsplaz hat Waaren-
Makler. (M. ſ. oben B. 2. C. 1 §. 15.) In ſol-
chen Plaͤzen gewinnen dann Maͤnner, welche die
Waaren gut kennen, gar ſehr die Oberhand uͤber jeden
andern, der ſie nicht kennt. Ueberhaupt aber mag
der junge Kaufmann ſich dies geſagt ſein laſſen: will
er einen Commiſſions-Handel ins Groſſe und mit
Sicherheit treiben, ſo muß er ſo wenig es aufgeben
in der Waarenkenntnis weiter zu kommen, ſo lange
er lebt, als wenn ſein Plaz gar keine Makler haͤtte,
und als wenn er mit allen moͤglichen in der Hand-
lung vorkommenden Waaren zu handeln vorhaͤtte.
[221]Cap. 2. Vom Commiſſions-Handel.
§. 11.
Die Erteilung von Verkaufs-Commiſſionen hat
freilich keine Gefahr fuͤr den Mann, welcher ſie er-
teilt, daß er ſeinen guten Ruhm dabei zu Wage
ſezte. Hat er ſeine eingeſandte Waare nicht gekannt,
hat er ſie fuͤr beſſer ausgegeben, als ſie wirklich iſt,
ſo kann ihm doch nicht nachgeſagt werden, er habe
dadurch betruͤgen wollen. Den jeder Verſuch dazu
iſt vergebens, wenn der Commiſſionaͤr die Waare
beſſer, als er, kennt.
Aber in Anſehung der von ſeinem Auftrage ge-
hoften Vorteile haͤngt er gar ſehr von der Rechtſchaf-
fenheit ſeines Commiſſionaͤrs ab. Er wird demſel-
ben zwar den Preis ſezen, zu welchem er ſeine Waare
verkauft zu ſehen wuͤnſcht. Aber es haͤngt doch von
einer jeden ſchlechten Conjunctur ab, ob er dieſen
Preis erlangen werde. Und ob er von einer guten
Conjunctur den ganzen Nuzen ziehen werde, das
haͤngt nur gar zu ſehr von der Rechtſchaffenheit ſeines
Commiſſionaͤrs ab. Es ſei ferne von mir, Bedenk-
lichkeiten gegen ſolche Maͤnner im Allgemeinen zu
erheben. Denn wie waͤre es moͤglich, mit Gewinn
in die Ferne zu handeln, wenn viele Commiſſionaͤre
nicht den Vorteil einer guten Conjunctur ihren Com-
mittenten zu Nuzen kommen lieſſen? Aber wie, wenn
beim Entſtehen der Conjunctur der Commiſſionaͤr die
[222]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
in Haͤnden habende Waare zu ſeinem Eigentuhm
macht, dem Committenten Verkaufs-Rechnung ein-
ſendet, die bis an deſſen vorgeſchriebenen Preis und
zum Schein noch etwas daruͤber geht, dann aber den
uͤbrigen Vorteil der Conjunctur fuͤr ſich nimmt?
Sollten Beiſpiele dieſer Art wol ſo ganz und gar
fehlen, da es ein Committent darauf gewagt haͤtte,
zumal da der Beweis davon hintennach ſo ſchwer zu
fuͤhren iſt?
§. 12.
Am bedenklichſten wuͤrde bei den Verkaufs-Com-
miſſionen der Credit ſein, ohne welchen kein Ver-
kauf leicht Statt haben kann. Wollte der Commit-
tent ſeinem Commiſſionaͤr vorſchreiben, nicht anders
als fuͤr baar Geld zu verkaufen, ſo wuͤrde der Ver-
kauf ſeiner Guͤter ſich ins unbeſtimmbare verziehen,
und er ſo viel mehr in den Zinſen ſeines Capitals
verlieren. Es iſt alſo die natuͤrliche Folge davon,
daß der Commiſſionaͤr die Gewaͤhrleiſtung fuͤr dieſen
Credit uͤbernimmt, oder, wie der Ausdruk iſt, del
Credere ſteht. Es iſt aber auch eben ſo natuͤrlich,
daß er ſeinem Committenten dafuͤr etwas neben der
Proviſion berechne. Denn jeder Kaufmann weiß,
wie viel der von ihm ſelbſt in ſeiner eignen Hand-
lung mit aller moͤglichen Vorſicht gegebne Credit ihm
[223]Cap. 2. Vom Commiſſions-Handel.
koſte. Wie koͤnnte er denn dieſe Gewaͤhrleiſtung
fuͤr einen andern unentgeltlich uͤbernehmen?
Aber die Vergeltung dafuͤr kann keineswegs ſo,
wie die Proviſion, in der handelnden Welt ſich auf
eine gewiſſe Gleichheit ſtellen. Denn die Gefahr
dieſes Credits iſt beinahe eben ſo verſchiedentlich zu
ſchaͤzen, als die See-Gefahr. Die Credit-Geſeze
und Falliten-Ordnungen weichen in den handelnden
Staaten gar ſehr von einander ab. Eben ſo groß
ſind die Abweichungen in dem rechtlichen Verfahren,
und eben ſo mannigfaltig die Wege, durch welche
ein boͤſer Schuldner den Geſezen und den Gerichten
ſich entziehen kann. Aber auch der Gang der Hand-
lung an jedem Plaze macht dieſen Credit, fuͤr wel-
chen der Commiſſionaͤr dem Committenten insbe-
ſondre einſteht, mehr oder minder gefaͤhrlich. So
bedenklich der Credit iſt, den der Hamburgiſche Kauf-
mann in ſeiner eignen Handlung geben muß, ſo wird
er doch minder bedenklich in dem Verkauf der Com-
miſſions-Guͤter, welche er nur ſeinen Mitbuͤrgern,
es ſei zum Behuf deren Eignen Handels, oder
der an ſie eingegangenen Einkaufs-Commiſſionen,
verkauft. Verſendet er einen Teil dieſer Guͤter an
ſeine Correſpondenten oder auf an ihn gelangte Ein-
kaufs-Commiſſionen, ſo geht dieſer Credit ihn ins-
beſondre an, ſo wie er auch den daraus ihm entſte-
[224]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
henden Gewinn ganz fuͤr ſich zieht. In ſolchen
Marktplaͤzen kann alſo der Kaufmann fuͤr den moͤg-
lich geringſten Preis del Credere ſtehen; und in der
Taht berechnet der Hamburgiſche Commiſſionaͤr daſ-
ſelbe in den meiſten Faͤllen nur zu Einem p. C. Bei-
laͤufig werde ich anmerken duͤrfen, daß dies ein wich-
tiger Vorteil fuͤr die Handlung uͤberhaupt iſt, welchen
nur die groſſen Marktplaͤze derſelben gewaͤhren.
§. 13.
Denn in den Stapelſtaͤdten ſteht es ganz anders
mit dem Credit, fuͤr welchen der Commiſſionaͤr ein-
ſtehen ſoll. Er kann in dem Verkauf der Guͤter
ſeines Committenten ſich keinesweges auf ſeine Mit-
einwohner einſchraͤnken, ſondern muß ins Land
hinein verkaufen, muß dem zur Stapelſtadt ſelbſt
zum Einkauf kommenden inlaͤndiſchen Kaufmann
oder Kraͤmer langen Credit geben. Er uͤbernimmt
alſo, wenn er del Credere ſteht, die ganze Gefahr,
die ein Kaufmann in ſeinem eigenen Handel zu ſtehen
hat, wenn er von der Stapelſtadt aus in naͤhere
oder fernere Gegenden des Landes ſeine Waare auf
Credit verkaufen muß. Eine Gefahr, welche den
Umſtaͤnden nach nicht fuͤr 2 und mehr p. C. zu aſſe-
curiren ſein moͤgte, ja wol gar unbeſtimmbar wird!
Dieſe Gefahr kann man als noch groͤſſer werdend an-
ſehen, wenn die Waaren von der Stapelſtadt aus
[225]Cap. 2. Vom Commiſſions-Handel.
uͤber See in entfernte Colonien gehen. Doch moͤgte
ich ſie nicht in allen Faͤllen fuͤr groͤſſer halten, weil
der Kaufmann in den Ausfuhr-Haͤven des Mutter-
Landes mit dem Coloniſten in einer zuverlaͤſſigern
Verbindung iſt, ihn wegen deſſen Retour-Waaren
mehr in Haͤnden hat, vielleicht auch mehr Ehrlichkeit
in dieſem Handel ſich erhaͤlt (denn wenigſtens ehemals
war es ſo), als in dem Handel zwiſchen andern Sta-
pelſtaͤdten und den inlaͤndiſchen Kaufleuten, die noch
dazu oft eines fremden Gebiets ſind.
Aus dieſen Urſachen wird das del Credere in
Cadix und Liſſabon mit 2 p. C. neben der Proviſion
bezahlt. In Petersburg befaßt der Commiſſionaͤr
ſich gar nicht oder hoͤchſt ungern damit. Mir iſt be-
kannt, daß einem Petersburgiſchen Hauſe vergebens
3 p. C. geboten wurden, wenn es del Credere ſtehen
wollte. Wer alſo auf Rusland einen Verkauf-
Handel treiben will, muß ſeine Guͤter weit mißli-
chern Schickſalen uͤberlaſſen, als wenn er ſie von
Hauſe aus an entfernte Correſpondenten verkauft.
Faſt alles wird von Petersburg aus auf langen Credit
ins Land hinein verkauft. Die daruͤber genommene
Abrede wird nicht immer treulich gehalten, und von
dem beſten Kaͤufer wird auf den Curs gelauert, ehe
er remittirt. Doch ich werde in den Zuſaͤzen noch
mehr von den Schwierigkeiten der Ruſſiſchen Hand-
lung beifuͤgen.
P
[226]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
§. 14.
Man kann leicht denken, wie ſehr in ſolchen
Handelsplaͤzen von dem Commiſſionaͤr der Vorwand
benuzt werden koͤnne, es ſei noch kein Geld einge-
laufen, um die Remeſſe zu verzoͤgern. Ich ſage,
er koͤnne benuzt werden; nicht, daß er wirklich
von allen, oder nur von den meiſten, weiter benuzt
werde, als Wahrheit dabei zum Grunde liegt. Der-
gleichen Klagen hoͤrt man auf Seiten der Commit-
tenten ſehr oft, auch wol manchmal ohne Grund.
Denn der beſte Commiſſionaͤr iſt doch nicht gehalten
fruͤher zu remittiren, als er ſelbſt Geld in Haͤnden
hat. Aber eben daraus entſteht fuͤr einen rechtſchaff-
nen Kauffmann Ein Mittel mehr, ſich in einen
guten Ruf zu ſezen, der ſeine Commiſſionsgeſchaͤfte
vermehrt, wenn er ſeinen Committenten die Bezah-
lung fruͤher, als ſie es bei andern gewohnt ſind, zu
Haͤnden bringt, indem er ſeine Commiſſions-Waaren
nur an Kaͤufer uͤberlaͤßt, welche er ſo gut auswaͤhlt,
als er es ſelbſt fuͤr ſich tuhn wuͤrde, und, wenn ſie
bedenklich werden, durch alle moͤgliche Wege die Be-
zahlung von ihnen herauszubringen ſucht. Dies iſt
ein Verdienſt, welches der Kaufmann in groſſen
Marktplaͤzen in gleichem Maaſſe zu machen nicht An-
laß hat, wo die Verkaufs- mit den Einkaufs-Commis-
ſionen zuſammentreffen.
[227]
Drittes Capitel.
Von dem Tranſito- und Speditions-
Handel.
§. 1.
Wenn der Commiſſions-Handel nicht eigentlich
den Nahmen eines Handels verdient (M. ſ. §. 3. des
vorigen Capitels) ſo koͤmmt derſelbe der Spedition
vollends auf keine Weiſe zu. Denn der Speditoͤr
iſt auch nicht fuͤr eine kleine Weile Eigner oder Be-
ſizer derer Guͤter, die durch ſeine Haͤnde gehen,
welches doch der Commiſſionaͤr, in vielen Faͤllen we-
nigſtens, wird.
§. 2.
Tranſit-Handel bedeutet der Ableitung des
Worts nach den durch ein Land blos durchgehenden
Handel, an welchem dieſes keinen andern Anteil
nimmt, als daß es ſeine Landſtraſſen demſelben oͤfnet
und des Verdienſtes genießt, welcher ſich laͤngſt dieſen
Straſſen verbreitet. Er ſezt alſo den Eigen-Handel
anderer Nationen voraus, iſt ſelbſt kein Handel,
ſondern nur eine Benennung des Eigen-Handels
in der erwaͤhnten Beziehung.
P 2
[228]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Als einen ſolchen kannten ihn alle alte Voͤlker,
welche Cultur genug hatten, und deren Sitten ſanft
genug waren, daß ſie dem mit ſeinen Waaren rei-
ſenden Kaufmann keine Hindernis in den Weg legten,
ſondern ihm fuͤr ſeine Perſon und Guͤter hinlaͤngliche
Sicherheit goͤnnten. Keine neidiſche Handlungs-
Politik ſtoͤrte denſelben und ſuchte ihn in einen an-
dern Weg zu bringen, oder mit Zwang ihn in eine
Eigne Handlung des Staats, fuͤr welchen ſie ſtrebte,
zu veraͤndern.
In den mittlern Zeiten blieb es noch damit in
dieſem Wege in dem groͤßten Teil des Menſchenge-
ſchlechts, wo nur einige Cultur war. Die ihrem
Gewinn nachgehenden Kaufleute derer Voͤlker, welche
in der Handlung die taͤhtigſten waren, ſuchten und
fanden ihren Weg, in den groͤßten Entfernungen,
durch Gegenden, die jezt fuͤr die Handlung undurch-
dringlich ſein wuͤrden, wenn man ihrer noch be-
duͤrfte. So hatte z. B. die Indiſche Handlung eine
Hauptſtraſſe den Ganges herauf bis in die Fluͤſſe,
welche in der Nachbarſchaft des Caſpiſchen Meers
entſpringen, ſo weit dieſe fahrbar waren, dann uͤber
das Caſpiſche Meer und von dieſem zum Schwarzen
Meere. Eine zweite ging von dem Perſiſchen Meer-
buſen ab in ungefaͤhr eben dem Wege, welchen jezt
die Caravanen, vielleicht mit minderer Sicherheit,
[229]Cap. 3. Vom Tranſito-Handel.
als damals, nehmen. Eine dritte ging durch Egyp-
ten in das mittellaͤndiſche Meer. Von der Indi-
ſchen Handlung in dem erſten Wege zog ſich ein Teil
durch das damals minder verwilderte Rußland, als
es ſpaͤterhin wieder ward, zur Oſtſee. Inſonder-
heit aber ging die Handlung in einer ungeheuren
Landreiſe von dem Schwarzen Meere ab auf das nord-
liche China, die jedoch den von ihr erzaͤhlten Umſtaͤn-
den nach eben ſo ſicher geweſen zu ſein ſcheint, als ir-
gend eine Reiſe jezt durch Europa ſein mag.
§. 3.
In dieſem Handel mittlerer Zeit bedurfte der mit
ſeinen Waaren ziehende Kaufmann der Bewohner
derer Staͤdte, durch welche er zog, zwar nicht in
ſolchen Dienſten, deren ſeine perſoͤnliche Gegenwart
ihn uͤberhob, ſondern in ſolchen Huͤlfsleiſtungen,
deren ein jeder Reiſender fuͤr ſich und das mit ſich
gefuͤhrte ſchwere Gepaͤcke bedarf. Indeſſen mag ſich
doch mancher Auftrag daran gefuͤgt haben, der ſich
einer jezt ſogenannten Spedition aͤhnlichte, und deſſen
Bezahlung, mit dem uͤbrigen zuſammengenommen,
dieſe Staͤdte gros und reich machte. Davon zeugen
uns noch die Ruinen von Palmyra, einer Stadt
mitten in den ſandigten Wuͤſten der Levante, deren
Handel ihrer Lage nach doch wol wenig mehr, als
ein Tranſithandel, ſein konnte. In dem Landſtrich
[230]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
zwiſchen dem Schwarzen und dem Caſpiſchen Meere,
jenſeits des leztern in der Bucharei und ſo weiter
hin, bluͤheten viele Staͤdte auf, von deren vielen
ſelbſt der Nahme ſich verlohren hat, oder die wir,
wie z. B. das ehemals ſo groſſe Samarkand, kaum
noch kennen.
§. 4.
In Deutſchland aber war es, eben in dieſen
Zeiten, ſchon ganz ein anders. Kaum hoben ſich in
unſere Gegenden Handlung und Gewerbe empor, als
die Einwohner von deren Staͤdten dem Tranſithan-
del Feſſeln anlegten, welche deſſen Gang aͤuſſerſt er-
ſchwerten. Das mindeſte, was ſie an ſich zu halten
ſuchten, war der Gewinn von der Verfuͤhrung der
durchgehenden Waaren. Sie erbaten ſich von den
ſchwachen Regenten Deutſchlands und erlangten
ſehr leicht die Stapel-Gerechtigkeit des erſten Grades,
nemlich das Recht, daß alle zu ihnen gelangende
Waaren bei ihnen ausgeladen und durch ihre Buͤrger
zu Lande oder zu Waſſer weiter verfuͤhrt werden
mußten. Die Gierigkeit anderer begehrte und er-
langte noch mehr, nemlich das Recht, daß alle zu
ihnen gelangende Guͤter bei ihnen ausgeladen und
mehrere Tage durch zum Verkauf ausgeſtellt werden
mußten, und nur dann weiter gehen durften, wenn
ſich in der Stadt kein Kaͤufer dazu anbot. Durch
[231]Cap. 3. Vom Tranſito-Handel.
ſolche Stapelgerechtigkeiten wurden die beſten Fluͤſſe
Deutſchlands geſperrt; aber auch manche mitten
im Lande belegene Stadt begehrte und gewann ſolche
Rechte, wenn ſie eine Zeitlang erfahren hatte, daß
die Handlung ihren Weg durch ſie nahm, und nun
zu glauben anfing, ſie koͤnne keinen andern nehmen.
Von den Erſchwerungen der Handlung durch die
Zoͤlle, mit deren einer ſo groſſen Menge die Deut-
ſchen Fluͤſſe belegt wurden, rede ich hier nicht. Denn
deren Abſicht war nicht ſowol, die Tranſit Handlung
in ihrem Gange aufzuhalten, wie dies durch die Sta-
pelgerechtigkeit geſchah, als ſie den damals Geldlo-
ſen Fuͤrſten ſo eintraͤglich zu machen, als moͤglich.
In den dem Hanſeatiſchen Bunde verwandten Staͤd-
ten war der Eigenhandel das Haupt-Augenmerk.
Dieſen ſuchten ſie durch wirklich oder vorgeblich er-
langte Gerechtſame oder durch eigenmaͤchtige Verfuͤ-
gungen zu erzwingen. Andere ſuchten den Tranſit-
Handel gewaltſam durch Anmaſſungen an ſich zu
halten, die ſelbſt bei dem jezigen ſo allgemein be-
liebt gewordnen Handlungszwange Beiſpiellos ſind.
Suchte doch die an einem kleinen Fluß abwaͤrts von der
Elbe belegene Stadt Luͤneburg noch in dem 16ten Jahr-
hunderte ſich in das Recht zu ſezen, daß keine Guͤter
von Hamburg ab die Elbe hinauf verfuͤhrt werden
duͤrften, ſondern alle durch ihr Fluͤßchen zu ihr ge-
[232]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
ſchifft, und dann durch die Landfracht von ihren Buͤr-
gern weiter befoͤrdert werden ſollten. (*)
[233]Cap. 3. Vom Tranſito-Handel.
§. 5.
Schon dieſes Beſtreben der Staͤdte, den Durch-
zug der Waaren an ſich zu halten, deutet auf die
groſſen Vorteile, welche ſie davon erwarteten. Sie
beſtellten auch zu deſſen Befoͤrderung und Sicherung
viele Officianten, welche dieſe Staͤdte noch jezt unter
verſchiedenen Nahmen und zum Teil unter ſolchen
Gerechtſamen beibehalten, welche die Unkoſten des
Tranſit-Handels ungebuͤhrlich vermehren.
Aber die Vorteile davon haben ſich ſehr vermehrt,
ſeitdem fuͤr die Handlung uͤberhaupt die oben
Cap. 2. §. 1. angegebenen Erleichterungen entſtanden
ſind. Seit dieſer Zeit wendet der nicht mehr mit
ſeinen Waaren reiſende Kaufmann dem Einwohner
derer Staͤdte, durch welche er ſie verſendet, vieles
Geld, das er ſonſt ſelbſt verdiente, fuͤr die in der
weiteren Verſendung ſeiner Guͤter angewandte Be-
muͤhung zu. Dieſer Bemuͤhung giebt man die Be-
nennung der Spedition. Durch eine, ſo viel ich
weiß, allgemeine Uebereinkunft hat ſich der Lohn
derſelben auf ⅓ p. C. von dem Wehrt der durch den
Speditoͤr befoͤrderten Guͤter geſtellt. Hierin ſcheint
zwar etwas der Natur der Sache nicht gemaͤſſes zu
ſein. Denn eine koſtbare Waare von wenigem Ge-
wigt macht dem Speditoͤr nicht ſo viele Muͤhe, die
mit deren Wehrt ſo in Verhaͤltnis ſtuͤnde, als bei
[234]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
einer ſchwer wiegendem minder koſtbaren vorfaͤllt.
Aber dagegen iſt es natuͤrlich, daß ein ſorgfaͤltiger
Speditoͤr fuͤr die koſtbare Waare, zumal wenn ſie
einer Beſchaͤdigung faͤhig iſt, mehr Sorgfalt anwen-
den muͤſſe, auch um ſie voͤllig ſicheren Schiffern und
Fuhrleuten anzuvertrauen.
Zwar bekoͤmmt derſelbe nur ſelten die Waare zu
ſehen, welche er zu befoͤrdern hat, und alſo koͤnnte
ihm deren Wehrt verholen werden. Aber er muß
denſelben dem Fuhrmann oder Schiffer aufgeben,
um die unterwegs vorfallende Zoͤlle demſelben gemaͤß
zu bezahlen. Oder er wird ihm dadurch bekannt,
daß er die von dem Abſendungs- oder dem naͤchſten
Speditions-Ort her bezahlten Zoͤlle, nebſt der Fracht
dem, der ſie ihm bringt, bezahlt.
§. 6.
Dieſe bis zu dem Ort der Spedition und an dem
Orte ſelbſt vorfallenden Koſten legt der Speditoͤr aus,
und berechnet ſie. Ich mag nicht gerade zu ſagen,
daß eben in dieſer Berechnung der Speditoͤr ſeinen
Haupt-Vorteil finde. Aber ſo etwas mag doch wol
wahr ſein. Denn unſer einer, der nicht mit der
Handlung zu tuhn hat, hoͤrt doch ſo oft Klagen der
Kaufleute uͤber das Schneiden der Speditoͤre in
ihren Rechnungen, hoͤrt, daß ſie ſo oft deswegen
[235]Cap. 3. Vom Tranſito-Handel.
ihren Speditoͤr aͤndern, erfaͤhrt auch wol, daß aus-
waͤrtige Kaufleute ihre hieſigen Commiſſionaͤre an-
weiſen, ihre Waaren nicht auf gewiſſe Oerter zu
ſenden, wenn eine Wahl derſelben Statt hat, weil
die Speditoͤre daſelbſt ſo unbillig ſind. Man hat
mir auch ſagen wollen, daß manchmal ein ſolcher
Mann, um die Speditionen von einem groſſen
Handlungshauſe an ſich zu halten, ſich bequeme ¼
ja gar nur ⅙ p. C. dafuͤr zu berechnen. Sollte dies
wahr ſein, ſo waͤre doch eine ſolche Nachgiebigkeit zu
weit getrieben, wenn nicht der Speditoͤr noch ſonſt
etwas dabei zu verdienen wuͤßte.
Inſonderheit mag ich das nicht fuͤr ganz zuver-
laͤſſig ausgeben, daß Speditoͤre in ſolchen Staͤdten
ſich am beſten ſtehen, welche vor Alters den Tran-
ſithandel mit ungebuͤhrlichen Zoͤllen belegt haben,
und noch den alten Tarif behalten, ungeachtet ihr Wol-
ſtand auf dem Tranſithandel beruhet, deren Obrigkeit
aber ihren Buͤrgern durch die Finger ſieht, und die
von ihnen ſpedirten Waaren zu einem viel geringer
von ihnen angegebenen Wehrt gehen laͤßt. Es
kann ſein, daß ſie dieſen Vorteil ihren Committen-
ten, wo nicht ganz, doch zum Teil, zu gute kommen
laſſen. Ja man hat mir ſogar ſagen wollen, daß
man mit den Speditoͤren ſolcher Staͤdte behandeln
koͤnne, daß ſie den Tranſitzoll nur zur Haͤlfte be-
[236]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
rechnen. Aber ich bin nicht der Mann, der davon
aus eigner Erfahrung ſprechen koͤnnte.
So viel iſt indeſſen gewiß, daß ein Kaufmann, der
eine groſſe Propre-Handlung treibt, ſehr wol daran
tuht, wenn er durch mehrere Reiſen ſich mit denen
Straſſen bekannt macht, auf welchen er ſeine Waa-
ren verſenden muß. Seine Reiſe wird ſich ihm ſehr
gut bezahlt machen, wenn er ſich von allen Dingen,
die in der Rechnung ſeiner Speditoͤre vorkommen,
zur Stelle unterrichtet. Doch wird er einen faſt
gleichen Vorteil, in Anſehung ſeiner durch Einkaufs-
Commiſſion an ihn gelangenden Guͤter, haben.
Denn ſein Commiſſionaͤr dient ihm als Speditoͤr,
fuͤr wenigſtens den Weg vom Einkaufs- dis zum
erſten Speditions-Plaze. Doch muß ich, wenn ich
dem jungen Kaufmann dieſen Raht gebe, ihn er-
innern, daß er nicht an Kleinigkeiten haͤnge, ſon-
dern nur wichtigeren Dingen, inſonderheit den Zoͤllen,
nachforſche.
§. 7.
Sehr natuͤrlich wird die Spedition ein Hauptge-
ſchaͤfte inlaͤndiſcher Staͤdte, auch ohne eine ihnen er-
teilte Stapelgerechtigkeit, wenn deren Lage ſo be-
ſchaffen iſt, daß die Flußfahrt daſelbſt mit der Land-
fracht wechſelt, oder die inlaͤndiſchen Fuhrleute den
[237]Cap. 3. Vom Tranſito-Handel.
Plaz zum gewoͤhnlichen Ziel derer Reiſen machen,
uͤber welches hinaus ſie keine Frachten annehmen.
Dadurch allein wird eine Stadt noch nicht zur Han-
delsſtadt, welcher eine der drei oben angegebenen Be-
nennungen zukaͤme. Man moͤgte eine ſolche Stadt
einen Ablager-Plaz benennen. Iſt aber die-
ſelbe ſchon ohnehin eine Handelsſtadt, es ſei eine
Niederlage, eine Stapelſtadt oder gar ein Marktplaz,
ſo knuͤpft ſich auch natuͤrlich die Spedition an deren
uͤbrige Geſchaͤfte, falls nicht deren Buͤrger ſie von
ſich abhalten, oder altvaͤteriſche Statuten ihr entge-
gen ſtehen. Das iſt nun wirklich mit vielen Staͤdten
der Fall. Wo man an den eignen Handel von Alters
her gewohnt iſt, da glaͤnzen freilich einzelne Fami-
lien im Reichtuhm, die denſelben an ſich gezogen
haben, durch ihre Geldeskraͤfte den Handel mit den
Nachbaren zu zwingen und deren Vorteile klein zu
erhalten verſtehen. Dieſen ſcheint eine jede Veraͤn-
derung in dem Betriebe der Handlung Verluſt, und
iſt es freilich auch fuͤr ſie. Dem geringen und dem
Mittelmann iſt es nicht nur gleichgeltend, ob ſein
Verdienſt aus dem Eignen, dem Commiſſions- oder
dem Tranſit-Handel entſtehe; ſondern ſein Gewinn,
und mit demſelben die Bevoͤlkerung der Stadt, mehrt
ſich durch lezteren am ſchnellſten. Ich werde noch
mehr davon in dem fuͤnften Buche zu ſagen haben.
[238]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Indeſſen haben viele Staͤdte ihren alten Anmaſ-
ſungen ſo ſehr entſagt, daß der Tranſit-Handel nicht
nur erlaubt, ſondern ſo gar beguͤnſtigt wird. Die
Stadt, in welcher ich lebe, giebt ein vorzuͤgliches
Beiſpiel davon. Auf der andern Seite hat der in-
laͤndiſche Kaufmann die vielen Wege der Handlung
beſſer kennen gelernt. Er verſucht es daher wenig-
ſtens auf allen, ob er ſeine Vorteile mehren koͤnne,
und haͤlt ſich allererſt dann, wann der Ausgang
ſeiner Erwartung nicht entſpricht, in ſeinem Eignen
Handel wieder an den groſſen Marktplaz.
§. 8.
Dieſem aber entſteht eine Gefahr des Verluſtes
aus den Speditionen, welche die bloſſen Ablager-
Plaͤze nicht kennen. Wenn, wie natuͤrlich, ein
ſolcher Marktplaz auch ein groſſer Wechſelplaz iſt,
und deſſen Einwohner, die ſich zu der bloſſen Spedi-
tion willig finden laſſen, Kraͤfte haben, die der bloſſe
Speditoͤr in jenen Staͤdten ſelten hat, ſo ſucht der
fremde Kaufmann fuͤr ſeinen Tranſit-Handel auch
gerne bei dieſen Credit, und laͤßt auf ſie den Wehrt
der aus der Ferne verſchriebenen Waaren traſſiren.
Das iſt in der Taht zu viel Gefaͤlligkeit gegen den
Fremden, der den Markplaz nur zum Behuf ſeines
Tranſit-Handels braucht, die deſſen Buͤrger nicht fuͤr
ihn haben, wenigſtens nicht Wechſel fuͤr ihn accep-
[239]Cap. 3. Vom Tranſito-Handel.
tiren ſollten, bevor ſie ihre Bedekkung ſehen. Denn
die Gefahr, die ſie fuͤr ⅓ p. C. Wechſel-Proviſion
laufen, iſt nicht klein, weil unter den einlaͤndiſchen
Kaufleuten gerade diejenigen die unſicherſten ſind,
die am meiſten unternehmen und es auf allen Wegen
verſuchen wollen. Mir ſind manche Beiſpiele be-
kannt, da Kaufleute fuͤr ein bischen Speditions-
Gebuͤhr und Proviſion ſchwer gebuͤſſet haben.
Viertes Capitel.
Von der Geſellſchafts-Handlung unter
Privat-Perſonen.
§. 1.
Es iſt nichts gewoͤhnlicher, als eine Vereinigung
zweier oder mehrerer Perſonen, zur Betreibung
ihrer Handlungs-Geſchaͤfte; aber auch eben ſo ge-
woͤhnlich iſt es, dieſelben durch Unfaͤlle oder Mis-
helligkeit getrennt zu ſehen. Daß eine ſolche Ver-
bindung ihre gute Seite habe, iſt nicht zu bezwei-
feln, da ſo manche Handlungs-Societaͤt zwiſchen Pri-
vatperſonen viele Jahre durch mit einem fuͤr jeden
[240]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Teil gluͤklichen Erfolg beſteht. Da aber Beiſpiele
der Art minder haͤufig als die von dem Gegenteile
ſind, ſo muß die Sache auch ihre boͤſe Seite haben,
welche darzuſtellen der beſte Weg ſein wird, wenn
ich die Veranlaſſungen nach der Reihe beurteile,
unter welchen gewoͤhnlich Handlungs-Societaͤten
errichtet werden.
§. 2.
Die erſte und natuͤrlichſte dieſer Veranlaſſungen
iſt, wenn die Geſchaͤfte einer Handlung wirklich von
der Art ſind, daß ſie nicht von Einem Mann be-
ſtritten werden koͤnnen. Z. B. Eine Handlung erfo-
dert oͤftere Abweſenheit desjenigen, der ſie fuͤhrt, bei
vielen zu Hauſe lebhaft fortgehenden Geſchaͤften. Ich
ſezze die Frage beiſeite, ob, die Geſchaͤfte, zu deren
Betreibung dieſe Reiſen nohtwendig ſind, nicht eben
ſo gut von treuen und verſtaͤndigen Bedienten ausge-
richtet werden koͤnne? Doch werden meine Leſer fol-
gendende Bemerkungen gegruͤndet finden:
1) Mancher Mann nimmt dies zu geſchwind an,
und beurteilt ſeine Geſchaͤfte ſelbſt nicht gehoͤrig,
glaubt nicht durch Bediente ausrichten zu koͤnnen,
was doch durch ſie beſſer geſchehen kann, oder trauet
ſich ſelbſt nicht zu ſie ſo ausſuchen, ſo leiten und
ihrer Treue ſich ſo verſichern zu koͤnnen, daß ſeine
[241]Cap. 4. Von Geſellſchafts-Handlung.
Sachen ſicher gehen. Es giebt Ein Mittel, die
Treue eines reiſenden Bedienten zu binden, nemlich
wenn man ihm einen maͤſſigen Anteil an dem Gewinn
einraͤumt, der aus ſeinen Reiſen entſteht. Sagt
man, dann werde der Bediente zu koſtbar, ſo ant-
worte ich: aber noch koſtbarer wird der Compagnon.
Von jenem kann man ſich los machen, wenn man
in deſſen Wahl gefehlt hat; von dieſem nicht ſo leicht,
und ſelten ohne Rechtshaͤndel.
2) Sehr oft truͤgen ſich zwei in dieſer Abſicht
vereinte Compagnons in der Einteilung ihrer Ge-
ſchaͤfte. Derjenige, der das Reiſen auf ſich nimmt,
bliebe vielleicht beſſer auf dem Comtoir, oder umge-
gekehrt. Mir ſind mehrere Beiſpiele bekannt, da
der verſtaͤndigere Compagnon reiste und ſein Genoſſe
unterdeſſen zu Hauſe alles verdarb. Jener fand bei
ſeiner Ruͤkkunft alles zum Bankerott bereit. Ich
erinnere mich inſonderheit zweier Vorfaͤlle, da die
kaum angefangene Societaͤt, ſogleich bei der Ruͤk-
kunft des einen Compagnons von der erſten Reiſe,
aufgehoben werden mußte.
3) Mancher zu Reiſen gewaͤhlte Compagnon
glaubt dann auch immer reiſen zu muͤſſen, und liegt
beſtaͤndig auf der Landſtraſſe. Seinen Bedienten
laͤßt der Principal reiſen, wenns noͤtig iſt. Jenen
Q
[242]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
aber kann er nicht allerdings zwingen. So vermeh-
ren ſich die Unkoſten der Handlung ungebuͤhrlich,
und ſchwaͤchen ein Haus, daß es bald zu Grunde geht.
§. 3.
Die zweite Veranlaſſung iſt der gar zu groſſe Um-
fang und die Schwierigkeit der Geſchaͤfte. Ich muß
geſtehen, daß ich dieſer in den meiſten Faͤllen, wo
ſie zum Vorwande dient, am wenigſten einraͤume.
Es giebt der Menſchen gar viele, die ein ihre Kraͤfte
uͤberſteigenden Uebermaas der Geſchaͤfte zu fuͤhlen
glauben, das ſie nimmer fuͤhlen wuͤrden, wenn ſie
Geiſt der Ordnung haͤtten, nebſt der Faͤhigkeit die
Beſchaͤftigungen derjenigen, welche ihnen dienen,
gehoͤrig zu leiten und in Ordnung zu halten. Mit
aller Achtung, welche ich fuͤr den Kopf und die Faͤ-
higkeit eines groſſen Kaufmanns hege, mit der groͤß-
ten Meinung von dem Umfang ſeiner Geſchaͤfte,
glaube ich doch annehmen zu duͤrfen, daß ſie mit
den Geſchaͤften des Regenten eines nur maͤſſigen
Staats nicht in Vergleichung kommen. Zwar giebt
es mehrere unter dieſen, denen es am Geiſt der Ord-
nung fehlt, und denen ſelbſt ihre Regimentsgeſchaͤfte
Langeweile machen. Dann nehmen ſie zwar keine
Regierungs-Compagnons an. Aber ihre Miniſter,
und allenfalls ihre Maͤtreſſen dazu, werden mehr
als dies, werden Ober-Regenten. Aber wie man-
[243]Cap. 4. Von Geſellſchafts-Handlung.
chen Fuͤrſten zeigt aus die Geſchichte, wie manchen
ſtellt uns ſelbſt unſer Zeitalter dar, dem die Regie-
rungsgeſchaͤfte nie zu groß werden, weil er Geiſt der
Ordnung hat, und ſeine Diener auszuwaͤhlen und
fortdauernd zu beobachten verſteht. Es iſt anmerklich,
daß, wenn die Handlungs-Geſchichte uns groſſe Kauf-
leute nennt, z. B. einen Gresham, Bernard, dies
faſt alle einzelne Namen ſind. Die Medicis erwarben
ihre fuͤrſtlichen Reichtuͤhmer mit Bedienten, nicht mit
Compagnons. Ich laſſe gerne Ausnahmen gelten, und
koͤnnte manche noch lebende Maͤnner ohne Schmeichelei
nennen, welche jedermann als groſſe Handelsleute gel-
ten laͤßt, die jedoch in Societaͤt handeln. Aber das iſt
doch natuͤrlich, daß ſolche Beiſpiele ſich vorzuͤglich
unter Maͤnnern finden, deren Verſtand und Fleis
ihnen nie den Gedanken entſtehn lies, daß ihre Ge-
ſchaͤfte fuͤr ſie allein zu groß waͤren, niemals aber
unter ſolchen, welche dieſem Gedanken zu ſchnell
Raum geben.
§. 4.
Die dritte Veranlaſſung iſt, wenn eine Perſon
glaubt, eine Handlung errichten oder wenigſtens
fortſezen zu muͤſſen, welche zu deren Geſchaͤften ſich
unfaͤhig erkennt, oder nicht die Luſt hat ſich dazu
faͤhig zu machen.
Q 2
[244]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Dies iſt der ſo gewoͤhnliche Fall fuͤr die Erben
einer Handlung, ſowol Witwen als Soͤhne eines
verſtorbenen Handelsmanns, aber auch oft fuͤr reich
gebohrne Juͤnglinge, welche in Folge fremder Leitung
und ohne eignen Trieb ſich fuͤr den Handelsſtand be-
ſtimmt haben, und bei anwachſenden Jahren keinen
andern Stand kennen, dem ſie ſich widmen koͤnnten.
Davon ſind die Folgen ſehr traurig. Ich habe nun
lange genug gelebt, um wenigſtens dreſſig Exempel
von groſſen Handlungshaͤuſern dieſer Stadt aufzaͤh-
len zu koͤnnen, die dadurch zu Grunde gegangen ſind,
daß die Witwen oder die unfaͤhigen Soͤhne eines bis zu
ſeinem Tode gluͤklichen Handelsmanns glaubten, ſie
muͤßten deſſen Handlung fortſetzen. Ihre Unfaͤ-
higkeit zu deren Geſchaͤften ſollte dann ein Compag-
non erſezen. Der Erfolg war Verluſt des ganzen
oder eines Teils ihres Vermoͤgens, wenn ein guter
Geiſt ſie leitete, daß ſie zu rechter Zeit ihre Gefahr
einſahen, die Companie aufhoben, und das tahten,
wozu ſie gleich Anfangs ſich haͤtten entſchlieſſen ſollen,
nemlich von den Zinſen der Haͤlfte des Vermoͤgens zu
leben, das ſie wenig Jahre vorher ganz hatten.
Unter denen Handlungshaͤuſern, welche in Hamburg
im Jahre 1763 zu zahlen aufhoͤrten, waren viele,
deren Unfall blos hierin ſeinen Grund hatte. Hier
war es nicht Betrug abſeiten der Compagnons. Aber
die Urſachen, warum es damals ſo gieng, und ge-
[245]Cap. 4. Von Geſellſchafts-Handlung.
woͤhnlich ſo geht, ſind leicht anzugeben. Ich ver-
ſpare ſie indeſſen fuͤr die Zuſaͤze.
Aber den wichtigen Raht, den ich ſeit fuͤnf und
zwanzig Jahren ſo manchem jungen Manne gegeben
habe, kann ich nicht bis dahin ausſezzen. Wenn
du, habe ich ihm geſagt, dich ſo ſehr auf dein vaͤter-
liches Vermoͤgen verlaͤſſeſt, daß du glaubſt, du koͤn-
neſt deſſen ohne eigne Arbeit genieſſen, ſo handle
lieber gar nicht. Wilſt du jedoch nicht anders, glaubſt
du, die vaͤterliche Handlung fortſezen zu muͤſſen,
oder wilſt du deswegen gar eine neue Handlung er-
richten, weil du glaubſt, mit deren Gewinn beſſer
daran zu ſein, als mit den Zinſen deines Erbteils,
und vermagſt du nicht ſo viel uͤber dich, daß du deine
Kraͤfte ſelbſt den Geſchaͤften widmeſt, ſo lerne we-
nigſtens das, was dir noͤtig iſt, um einen richtigen
Blick auf deines Compagnons Arbeiten zu werfen,
um ihn nicht blindlings handeln zu laſſen, und immer
wiſſen zu koͤnnen, wie deine Sachen ſtehen. Bringſt
du nicht wenigſtens es ſo weit, ſo biſt du uͤber kurz
oder lang verlohren, und ich wiederhole dir: Lieber
handle nicht!
Freilich laͤßt dieſer Raht nur dem Juͤnglinge ſich
geben, der nicht gar ſchwach von Kopfe iſt, und
keine ganz entſchiedne Abneigung von der Arbeit und
[246]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
gaͤnzliche Entſchloſſenkeit fuͤrs Wolleben zeigt. Iſt
aber dies, ſo gilt wiederum nur der einzige Raht:
Handle nicht!
§. 5.
Eine vierte ſehr ſcheinbare Veranlaſſung zur
Schlieſſung einer Handlungs-Societaͤt iſt: Wenn
die Handlung, die man unternimmt, ein groͤſſeres
Capital erfodert als ein einzelner Mann beſizt.
D[i]es bringt gewoͤhnlich viele Privat-Companien zu
Stande, iſt aber doch in mehr als Einer Abſicht be-
denklich. Wenn das Vermoͤgen nicht groß iſt, ſo iſt
die gewoͤhnliche Folge, daß in den Haushaltungen
beider Compagnons mehr verzehrt wird, als die
Handlung abwerfen kann. Wenn dann nun einmal
eine ſolche Companie geſchloſſen iſt, ſo wird es ſchwer,
ſie wieder aufzuheben, wenn man gleich ſieht, daß
zu wenig verdient wird. Koͤmmt es aber zur Auf-
hebung der Companie, da die Sachen auseinander
geſezt werden muͤſſen, ſo wird gewoͤhnlich der Han-
delszuſtand beider Handelsleute bekannt, und der
Credit iſt fuͤr beide verlohren. So habe ich manche
Handlungs-Societaͤt verſtaͤndiger und fleiſſiger Kauf-
leute ſich endigen ſehen, die vielleicht einzeln ſich
moͤgten in die Hoͤhe gearbeitet haben, aber deren zu
maͤſſigen Gewinn die zwiefache Haushaltung ver-
ſchlang, bis ſie durch einen unabwendlichen Ban-
[247]Cap. 4. Von Geſellſchafts-Handlung.
kerott, oder durch verhaßte Rechtshaͤndel getrennt
wurden.
§. 6.
Das rahtſamſte fuͤr einen verſtaͤndigen Kaufmann
iſt, nicht aus dem Grunde, weil er ſein Vermoͤgen
fuͤr zu klein haͤlt, eine Companie fuͤrs Ganze zu
ſchlieſſen, ſondern mit ſeinem kleinen Capital zu
machen, was er kann. Bei einzelnen Vorfaͤllen oder
Speculationen aber wird er, wenn er einen guten
Ruf hat, einzelne Kaufleute ſehr leicht zur Vereini-
gung fuͤr dies Geſchaͤfte bringen koͤnnen. Es iſt in
der Taht ſehr gewoͤhnlich, daß ein Kaufmann mit
dem andern auf halbe Rechnung (à conto meta)
etwas unternimmt. Aber es kann dies mehr ins
Groſſe gehen, wenn mehrere verſtaͤndige Kaufleute
Eine Speculation, wenn gleich jeder fuͤr ſeine be-
ſondere Rechnung, unternehmen. Z. E. vor etwa
50 Jahren ward ein ſtarker Material-Waarenhandel
an Hamburg, bloß durch eine ſolche Vereinigung
von vier oder fuͤnf verſtaͤndigen Kaufleuten, gehal-
ten, der ſich nach deren Tode wieder mehr nach Hol-
land gezogen hat. Wenn einem dieſer Maͤnner ein
Vorfall kam, da eine Partei ſolcher Waaren fuͤr ſein
Capital zu groß ward, ſo teilte er ſeine Speculation
den uͤbrigen mit. Dann kauften ſie zuſammen,
hielten den Preis ſo hoch, als die Umſtaͤnde es er-
[248]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
laubten, und verkauften nicht anders, als zugleich
und zu gleichem Preiſe. Zu ſolchen Verbindungen
gehoͤrt jedoch die ſtrengſte Redlichkeit. Bricht einer
die Abrede, ſo kann ſie nie wieder zuſammen kommen.
§. 7.
Bis hieher habe ich alles wider die Privat-Hand-
lungs-Societaͤten geſagt, worauf mich die vieljaͤhri-
gen Bemerkungen desjenigen, was ich um mich her
habe vorgehen ſehen, geleitet hat. Doch will ich
dadurch nichts mehr, als demjenigen Behutſamkeit
empfehlen, der mein Buch mit dem guͤnſtigen Vor-
urteile liest, daß er guten Raht fuͤr ſich darin finden
koͤnne. Bin ich gleich nicht ſelbſt ein Kaufmann,
ſo ſind doch dieſe Vorfaͤlle, auf welche ich hier zuruͤck
ſehe, nicht Comtoir-Geheimniſſe, ſondern Erfah-
rungen, die dem vieljaͤhrigen Einwohner einer groſſen
Handels-Stadt, wenn er einigen Beobachtungsgeiſt
hat, ſehr natuͤrlich entſtehen, er ſei, welches Stan-
des er wolle. Aber wie koͤnnte ich mich unterfangen,
allen denen Ueberlegungen einzureden, welche einem
ſoliden Kaufmann es rahtſam machen, eine Hand-
lungs-Societaͤt einzugehen! Ich geſtehe vielmehr,
daß der Credit eines ſolchen Handlungshauſes bei
mir am feſteſten ſtehen wuͤrde, welches ſeine Ge-
ſchaͤfte eine Reihe von Jahren durch in ungeſtoͤrtem
Einverſtaͤndnis beider Aſſociirten betrieben hat. Ich
[249]Cap. 4. Von Geſellſchafts-Handlung.
wuͤrde daraus ein gutes Vorurteil fuͤr die Faͤhigkeit
und den Fleis ſo wol, als fuͤr den Wolſtand derſel-
ben faſſen. Denn wenn beide Aſſociirte ihr Werk
nicht recht verſtehen, oder nicht recht treiben, da
nimmt es ein ſchlechtes Ende in kuͤrzerer Zeit, als
welche ein einzelner Mann ſich noch hinhalten kann.
Fehlt es bei einem von beiden, ſo bleibt es nicht
lange ſtille damit, und das Societaͤts-Band reißt
fruͤher oder ſpaͤter.
Man kennt in der handelnden Welt diejenigen
Haͤuſer als aͤuſſerſt zuverlaͤſſig, welche von Kaufleu-
ten dieſer oder jener Nation in dem Auslande in der
Ausſicht errichtet werden, nach erlangtem hinreichen-
dem Gewinn wiederum ihr Vaterland zu ſuchen, vor-
her aber ihre Stelle durch juͤngere Compagnons zu
erſezen, da dann ſelten die Geſchaͤfte zwanzig Jahre
in den Haͤnden eben deſſelben Mannes bleiben. Es
iſt einleuchtend, daß Privat-Companien auf dieſen
Fuß nur in ſolchen Plaͤzen errichtet werden und be-
ſtehen koͤnnen, wo die Hofnung des Gewinns vor-
zuͤglich gros iſt, und daß meine §. 2 bis 5 erhobenen
Bedenklichkeiten durch den Umſtand ſehr gemindert
werden, daß der Compagnon aus den Bedienten
des Comtoirs genommen wird, nachdem er Jahre
durch den Gang von deſſen Geſchaͤften hat kennen
[250]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
gelernt; und dies mit der Ausſicht, in eben denſel-
ben ſich zu einem reichen Manne zu machen.
Fuͤnftes Capitel.
Von den oͤffentlichen Handlungs-
Companien.
§. 1.
Oeffentliche Handlungs-Companien ſind
Geſellſchaften, welche ſich unter der Autoritaͤt und
den Beguͤnſtigungen der Regenten und Obrigkeiten
in der Abſicht vereinigen, Handlungsgeſchaͤfte von
einer beſtimmten Art und Ausdehnung mit den von
deren Mitgliedern zuſammengetragenen Geldeskraͤf-
ten zu betreiben. Die gewoͤhnliche Veranlaſſung zu
denſelben beruht in der Meinung, daß die Geſchaͤfte,
welche den Gegenſtand der Companie ausmachen
ſollen, entweder gar nicht oder doch nicht mit hin-
laͤnglich lebhaftem Betriebe von einzelnen oder weni-
gen ſich allenfalls vereinigenden Kaufleuten in Gang
geſezt werden koͤnnen. Freilich macht man dieſe
Vorausſezung oft zu ſchnell, inſonderheit in ſolchen
Staaten, wo man die Triebfedern der Privathand-
lung und Induſtrie nicht gehoͤrig kennt.
[251]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
§. 2.
Das Erfodernis, um an ſolchem Companiehandel
Teil zu nehmen, iſt Geld. Handlungskenntniſſe
ſind es nur bei denen, welchen die Fuͤhrung der Ge-
ſchaͤfte aufgetragen werden ſoll. Ein recht hoher
Grad dieſer Kenntniſſe ſollte das Erfodernis bei den-
jenigen ſein, welche die oberſte Direction derſelben
uͤbernehmen. Aber, da dieſe Perſonen faſt allemal
aus den erſten Staͤnden gewaͤhlt werden, in welchen
dieſe Kenntniſſe ſehr ſelten ſind, ſo fallen ſolche groſſe
Companien ſehr natuͤrlich in den Fehler, von wel-
chem ich §. 4. des vorigen Capitels geſagt habe, daß
er den Privat-Companien ſo gefaͤhrlich ſei. Groſſe
Geſchaͤfte werden von Leuten betrieben, welche die
Charten zu miſchen wiſſen, wie ſie wollen, ohne daß
die Teilnehmenden und Ober-Directoͤre ſich die Faͤ-
higkeit erwerben, ihnen gehoͤrig in die Charte zu ſehen
und ihr Spiel zu beurteilen.
§. 3.
Zur Teilnahme an dieſen Companien werden alle
diejenigen, ſelbſt in den meiſten Faͤllen Auslaͤnder,
zugelaſſen, welche ihr Geld dazu hergeben wollen.
Dies wird auf eine gewiſſe Summe beſtimmt, und
das Eigenthums-Recht an dieſelbe ihnen durch ein
Document zugeſichert, welches man eine Actie
nennt. Die Bedingung dabei iſt, daß der Geber
[252]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
dieſes Geldes es nicht zuruͤk fodern darf, ſo lange
die Companie beſteht, oder durch die Obrigkeitliche
Acte, welche man deren Octroi nennt, zu beſte-
hen befugt iſt. Aber das Recht, die Actie zu ver-
kaufen, wird deren Inhaber gelaſſen. Doch iſt die
Actie nicht etwan, wie Banknoten, in den Haͤnden
eines jeden Inhabers guͤltig, bevor ſie bei der Di-
rection auf deſſen Namen umgeſchrieben worden.
Sie kann auch nicht einmal ſo, wie Wechſel, durch
ein bloſſes Indoſſement an einen andern uͤbergetra-
gen werden. Dies iſt einer von vielen Gruͤnden,
weswegen Actien nicht als Papiergeld angeſehen
werden koͤnnen, wie von vielen Schriftſtellern irrig
geſchieht. (Mehr Gruͤnde ſehe man B. 6. §. 12.
von dem Geldes-Umlauf.) Als Pfand koͤn-
nen ſie freilich, ſo wie jedes andere nuzbare Eigen-
tuhm, einem andern zu Haͤnden geſtellt werden.
So viele mal ein Teilnehmer an der Companie
das Capital zahlt, welches fuͤr jede Actie beſtimmt
iſt, ſo viele Actien werden demſelben ausgefertigt.
Das Recht, in den Angelegenheiten der Companie
eine Stimme zu geben, wird gewoͤhnlich nur dem
Beſitzer mehrerer Actien in beſtimmter Zahl zuge-
teilt. Und noch eine groͤſſere Zahl derſelben gehoͤrt
dazu, um zum Directoͤr der Companie gewaͤhlt wer-
den zu koͤnnen. Der faͤhigſte Mann, dem aber ſeine
[253]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
Vermoͤgensumſtaͤnde nicht geſtatten viele Actien zu
nehmen, iſt daher von der Direction ausgeſchloſſen.
§. 4.
Fallen die Geſchaͤfte der Companie gewinnvoll
aus, ſo wird der Vorteil nach Procenten des Capi-
tals einer jeden Actie an die Teilnehmer, bei einigen
jaͤhrlich, bei andern halbjaͤhrlich, ausgezahlt. Dies
nennt man das Dividend. Wenn dies Dividend
ſteigt, ſo ſteigt natuͤrlich der Wehrt der Actien bei
jedem Verkauf derſelben, und ſinkt, wenn dies Di-
vidend klein iſt. Hieraus entſteht der ſo bekannte
Actien-Handel, von welchem ich in dem naͤch-
ſten Capitel mehr ſagen werde.
§. 5.
In der Handlung aͤlterer Zeiten mag es freilich
nicht an Verbindungen mehrerer Kaufleute, zur Be-
treibung gewiſſer Handlungsgeſchaͤfte, gefehlt haben,
zu welchen die Geldkraͤfte einzelner nicht hinreichten.
Aber ſolche Handlungs-Companien, als welche unſer
Zeitalter hat, kannte die Vorzeit nicht. Der Zwek
ſowol, als der Grund der Vereinigung mehrerer
Staͤdte in dem Hanſeatiſchen Bunde, war einer ganz
andern Art. Als am Ende des 15ten Jahrhunderts
die Portugieſen ſich in den Beſiz der directen Hand-
lung auf Indien ſezten, und ein ganzes Jahrhundert
[254]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
durch in demſelben erhielten, fiel es ihnen nicht ein,
oͤffentliche Companien auf dieſe Handlung zu errich-
ten. Als den Hollaͤndern am Ende des ſechzehnten
Jahrhunderts der Muht entſtand, ſich in dieſe Hand-
lung einzudraͤngen, geſchah dies anfangs durch ver-
einte Kraͤfte kleiner Societaͤten mehrerer Kaufleute.
Weil aber dieſe Unternehmung mit Kriegesgewalt
verbunden ſein mußte, deren Koſten fuͤr jede dieſer
kleinen Societaͤten zu hoch ſtiegen, ſo vereinten ſich
dieſelben im Jahr 1602 in Eine groſſe Companie,
deren Fond doch nur aus 6,459840 Holl. Gulden
beſtand. So klein dieſer, auch in damaligen Zeiten,
fuͤr eine zu Kriegesunternehmungen genoͤtigte Hand-
lungscompanie war, ſo ſehr gelang es ihr in den-
ſelben aus Urſachen, die man §. 24 meiner Abhandl.
von den groſſen Handlungs-Companien
nachleſen kann. Dieſer Erfolg machte einen groſſen
Eindruck bei allen Regenten und Freiſtaaten Euro-
pens. Die erſte Folge davon war, daß man die
Indiſche Handlung als eine ſolche anſah, welche zu
betreiben kein ander Mittel, als die Errichtung einer
groſſen Handlungs-Companie waͤre. Aber, als in
ſpaͤtern Zeiten der Gedanke mehr und mehr rege ward,
in handlungsloſen Staaten Geſchaͤfte, welche dieſel-
ben bis dahin nicht kannten, entſtehen zu machen,
ſo ſah man noch immer auf das ſo groß ſcheinende
Gluͤk jener Hollaͤndiſchen Companie zuruͤk; und ſo
[255]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
ward das Vorurteil allgemein, daß eine jede Hand-
lung von einigem Belang nur durch Companien be-
lebt und betrieben werden koͤnne.
Dieſer Irrtuhm (den Irrtuhm iſt es gewis) hat
bisher die Regenten faſt aller handelnden Staaten
mißgeleitet. Ich habe in meiner Abhandlung uͤber
die oͤffentlichen Handlungs-Companien,
welche die erſte in unſerer Handlungs-Biblio-
thek iſt, alles geſagt, was ich dieſem Irrtuhm ent-
gegen ſezen zu koͤnnen glaube. Ich koͤnnte freilich
meine Leſer ganz auf dieſelbe verweiſen, zumal da
ich ungerne mir ſelbſt nachſchreibe. Allein ich kann
und darf doch keine Luͤkke in dieſem Buche laſſen,
wenn ich auf Gegenſtaͤnde gerahte, von welchen ich
bereits anderswo geſchrieben habe. Ich will alſo
wenigſtens die Reſultate hieher ſezen, welche in jener
Abhandlung weiter ausgefuͤhrt und, wie ich glaube,
hinlaͤnglich bewieſen ſind. Denn hisher habe ich
noch keine Widerlegung derſelben geleſen, ob ich
gleich ſehr uͤberzeugt bin, daß ich dem Intereſſe ſehr
vieler zuwider geſchrieben habe.
§. 6.
Ich will dieſe Reſultate hier nach zwiefacher
Ruͤkſicht abteilen.
[256]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
I. Wie und warum groſſe Handlungs-Compa-
nien nicht die Vorteile machen, welche man ſich davon
verſpricht. Die Urſachen davon ſind:
- 1) Weil Faͤhigkeit und Einſicht nicht die Wahl
derjenigen beſtimmen, welche die Geſchaͤfte derſelben
betreiben und dirigiren. (§. 7. jener Abhandlung.) - 2) Weil die Geſchaͤfte mit einer beſtimmten
Summe angefangen und fortgefuͤhrt werden, wel-
ches dem natuͤrlichen Gange der Handlungs-Induſtrie
durchaus zuwider iſt. (§. 8.) - 3) Weil die zu groſſe und zu gewiß geachtete
Hofnung von dem kuͤuftigen Gewinn einen groſſen
Aufwand veranlaßt, welcher fruͤher gemacht wird,
als noch der Gewinn ſeinen erſten Anfang nimmt.
(§. 19. 20.) - (4 Weil die Concurrenz mit der Privat-Induſtrie
oder mit andern Companien ſie noͤtigt, ihren Betrieb
hintennach, auch unter den nachteiligſten Umſtaͤn-
den, hoͤher zu treiben, als ihre durch den Aufwand
der erſten Anlage geſchwaͤchten Kraͤfte es ihr zutraͤg-
lich machen. (§. 5.) - 5) Weil jede Companie durch Kriege zerruͤttet
wird, es ſei nun, daß ſie deſſen Koſten tragen muß,
[157[257]]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
oder ihr Gewerbe durch den Krieg unterbrochen wird.
(§. 24 und ſonſt hin und wieder.)
§. 7.
II. Schaͤdlich fuͤr den Staat, in welchem ſolche
Companien entſtehen, werden ſie
- 1) durch die denſelben ſo willig eingeraͤumten
Monopolien. (§. 15. 16.) - 2) Weil die erſte Regel einer Companie iſt, mit
ihrem beſtimmten Capital den moͤglich groͤßten Ge-
winn zu machen. (§. 21.) - 3) Wenn der Kaufmann ſeinen Vorteil darin
ſucht, daß er ſein Capital ſo geſchwind als moͤglich
umſezt, und dadurch der dem ganzen Staat nuͤzli-
chen Geſchaͤfte ſo viel mehr werden, ſo iſt der Gang
der Geſchaͤfte einer Companie viel zu ſchwerfaͤllig,
als daß ſie dies tuhn koͤnnte. - 4) Keine Colonie hat gedeihen koͤnnen, ſo lange
ſie einer eigentlichen Handels-Companie unterworfen
war. (§. 25. 26.) - 5) Vielweniger muß eine Companie die Ober-
herrſchaft uͤber Land und Leute haben. (§. 28 ff.)
R
[258]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
- 6) Aber auch ſelbſt ein entferntes handelndes
Volk wird durch ſie zu Grunde gerichtet, wenn einer
Companie das Monopol in deſſen Handlung von den
Beherrſchern dieſes Volks erteilt wird.
Ich werde, da jene Abhandlung vor ſchon acht
Jahren geſchrieben iſt, und ſeitdem viele Tahtſachen
entſtanden ſind, welche zur Beſtaͤrkung jener Reſul-
tate dienen, aber auch zum Teil die Hofnung geben,
daß es mit dieſem Mißgriff in der Handlungspolitik
zu Ende gehe, in den Zuſaͤzen noch manches beitra-
gen, das mir hieher zu gehoͤren ſcheint. In der Taht
hat die Erfahrung mehr und mehr die Wahrheit dieſer
Reſultate beſtaͤttigt. Der ſchlechte Zuſtand der Hol-
laͤndiſchen Oſtindiſchen Companie, die Folge des lez-
ten Seekrieges und einer Wirtſchaft, in welcher Spar-
ſamkeit und Verſchwendung ſich wunderlich unter ein-
ander miſchten, iſt kein Geheimnis mehr. Dieſer
ſo groſſe ehemals ſo majeſtaͤtiſch ſcheinende Coloſſ,
auf welchen man immer hinaus ſah, wenn man
Plane von Handels-Companien machte, ſchwankt
und drohet einen unabwendlichen Zuſammenſturz.
Wir werden auch hoͤchſtwahrſcheinlich bald von
neuen Verlegenheiten der Britiſchen O. J. Compa-
nie, der Folgen ihrer Kriegsſucht, hoͤren.
§. 8.
Weil ich jedoch nicht annehmen kann, daß die
Welt ſo bald voͤllig klug werden, und der Gedanke
[259]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
an Errichtung ſolcher groſſen Handels-Companien
ganz verſchwinden werde, ich auch nicht gerade hin
leugne, daß, wenn die gehoͤrige Vorſicht ange[w]andt
wird, eine Companie den Teilnehmenden ſo wol,
als dem Staate, zutraͤglich ſein koͤnne, ſo will ich
die §. 39 jener Abhandlung gegebenen zwoͤlf Voraus-
ſezungen und Bedingungen, unter welchen allein ſolche
errichtet werden ſollten, in moͤglichſter Abkuͤrzung
hieher ſezen.
- 1) Sie muͤſſen der lezte Weg ſein, eine Hand-
lung in Gang zu ſezen, wenn ſich ſonſt kein Mittel
ausfindig machen oder abwarten laͤßt, um dieſen
Zwek zu erfuͤllen. - 2) Man muß gar nicht an ſie denken, wenn
das Geſchaͤfte, daß man zum Gegenſtand der Com-
panie zu machen gedenkt, ſchon in der Nation mit
einigem Erfolge betrieben wird. - 3) Man muß den Companien eine nur kurze
Dauer durch ihre Octroi zuſichern, um deren Ge-
ſchaͤfte der Privat-Induſtrie wieder zuwenden zu koͤn-
nen, ſo bald dies tuhnlich erſcheint. - 4) Monopolien muß keine Companie haben.
R 2
[260]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Kann ſie ohne dieſelben nicht beſtehen, ſo iſt deren
Errichtung gewiß nicht zutraͤglich. - 5) Auch Freilaſſung des Privathandels unter
Abgaben an die Companie iſt unnatuͤrlich, wenn
dieſe Abgaben mehr als einen billigen Zuſchuß zu den
der Companie zu Laſt fallenden Koſten ſind. - 6) Der Gang der Geſchaͤfte einer Companie
muß dem Gange der Privathandlungs-Geſchaͤfte ſo
aͤhnlich ſein, als moͤglich. - 7) Die Companie muß ihre erſten Unterneh-
mungen nur klein machen und ſie allmaͤhlig erwei-
tern; und ſo auch ihre erſten Koſten. - 8) Der Gehalt ihrer Bedienten muß, ſo viel
moͤglich, aus dem reinen Gewinn beſtimmt werden. - 9) Sie muß ihre Bedienten unter kurzen Fri-
ſten zur Abrechnung anhalten. - 10) Eben dieſelben muͤſſen, in ihren entfernten
Handlungs-Etabliſſementern, nicht im Verhaͤltnis
des Belaufs, ſondern des Gewinns der Geſchaͤfte
bezahlt werden.
[261]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
- 11) Keine Colonien muͤſſen einer Companie
untergeben werden. - 12) Vielweniger muͤſſen ſie Land und Leute mit
Oberherrlicher Gewalt regieren.
§. 9.
Faſt keine dieſer Regeln und Anmerkungen trift
auf ſolche Companien zu, deren Zwek nicht ein unter
deren Mitglieder zu verteilender Gewinn, ſondern
vereinter Beitrag zu den Unkoſten der von vielen fuͤr
eigne Rechnung betriebenen Handlungs-Geſchaͤfte iſt.
Dies war der Zwek des Hauſa-Bundes fuͤr die dem-
ſelben angehoͤrenden Staͤdte. In vielen dieſer
Staͤdte traten abſonderliche Companien zuſammen,
und ſind noch nicht ganz erloſchen, deren Haupt-
Abſicht die gemeinſame Tragung der in gewiſſen
Handlungs-Zweigen unvermeidlichen Koſten war.
Zwar knuͤpfte ſich natuͤrlich das Recht des Alleinhan-
dels fuͤr die Mitglieder der Societaͤt daran. Denn
wie konnte man denen einen ſolchen Handel frei laſſen,
welche deſſen gemeine Laſten nicht mittrugen? Aber
ein jeder ſorgte beſonders fuͤr ſeine Vorteile in dem
natuͤrlichen Gange der Privat-Induſtrie mit denen
Kraͤften, welche ihm ſein Privat-Vermoͤgen gab.
Als ſolche Companien beſtanden in Hamburg eine
Flanderfahrer- eine Englandsfahrer- eine Schonen-
[262]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
fahrer und eine Bergenfahrer-Companie, und beſte-
hen noch, wiewol deren alter Zwek in dem ganz
veraͤnderten Gange der [Handlung] wegfaͤllt. Eine
Abſicht derſelben war die Erſparung in den Koſten
der Mitſendung von ſichern Perſonen mit den Schif-
fen und Guͤtern. Man ſchrieb und ſchreibt noch
neugebohrne Knaben in dieſelben ein, die als junge
Maͤnner zu dem Grade eines Vogts ſteigen. Und
dieſe Voͤgte waren ehemals gehalten, als Cargadoͤre
mit den Schiffen und Ladungen der aͤltern Mitglie-
der zu reiſen. Das waren alſo den Zeiten [und] Um-
ſtaͤnden weit beſſer angemeſſene Handels-Compa-
nien, als die der neuern Zeit.
Der Zwek der von England aus in Deutſchland
unter ſo vielen Haͤndeln durch die Koͤnigin Eliſabeth
eingeſezten Adventurer-Geſellſchaft (Society of
Merchants-Adventurers, auch wol Staple Mer-
chants) war, und iſt noch bei der in Hamburg bis
jezt beſtehenden, blos Vereinigung in Ruͤkſicht auf
gemeine Koſten und erlangte gemeine Vorteile, aber
keineswegs gemeinſame Betreibung der Geſchaͤfte und
gleichmaͤſſig zu verteilender Gewinn aus denſelben.
§. 10.
Ungluͤksfaͤlle aller Art, und Verluſt, der einzel-
nen Mitgliedern einer buͤrgerlichen Geſellſchaft, oder
[263]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
Perſonen Eines Standes, uͤberhaupt gewiß, aber
durch keine Regel fuͤr einzelne beſtimmbar ſind,
geben den natuͤrlichſten Anlas zu einer Vereinigung
in der der Natur einer jeden Geſellſchaft ſo gemaͤſſen
Hinausſicht, daß viele einzelnen helfen ſollen, und
der Verluſt uͤber alle Mitglieder verteilt werde, wel-
cher einzelnen zu ſchwer zu tragen ſein wuͤrde. Dies
hat in den meiſten polizirten Staaten eine hier frei-
willige, dort anbefohlne, Vereinigung zur Erſtat-
tung der Brandſchaͤden an Gebaͤuden veranlaßt. Der
geſamte Kaufmanns-Stand ſezt ſein Eigentuhm
weit mehreren und mannigfaltigern Gefahren aus,
unter welchen die des Verbrennens die geringſte,
deſto groͤſſer aber die der Seefahrt iſt. Alle zu-
ſammen genommen ſteigen nicht ſo hoch, daß ſie ein
wirkliches Hindernis der Handlung werden koͤnnten.
Vielmehr war der Handel fuͤr jede Stadt in allen
Zeiten gewinnvoller, welche ihre Guͤter den Gefah-
ren der See ausſezte, als fuͤr diejenigen, welche
blos uͤber Land handelten und noch handeln.
Indeſſen druͤkt doch der fuͤr den ganzen Kauf-
mannsſtand ſo leicht zu tragende Verluſt den einzel-
nen Mann oft nieder, welchen er trift. Die Ver-
teilung deſſelben uͤber alle oder viele iſt daher in
ſich eben ſo natuͤrlich, als die von den Brandſchaͤden.
Ich werde von den Verſicherungen fuͤr See-Gefahr,
[264]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
als einem Huͤlfsmitel der Handlung, in dem folgen-
den Buche umſtaͤndlich reden. Hier aber iſt der Ort,
zu erlaͤutern, in wie fern dieſelbe der Gegenſtand
einer Aſſociation ſein koͤnne oder wirklich iſt.
Eine ſolche Vereinigung aller Kaufleute Eines
Staats, vermoͤge welcher alle den Verluſt einzel-
ner durch Ungluͤksfaͤlle der Schiffahrt tragen, iſt nur
ſo lange denkbar, als man noch nicht zu der Ueber-
legung uͤbergeht, wie die Gefahr geſchaͤzt und dem
zufolge er Beitrag desjenigen beſtimmt werden ſolle,
welchem die Verguͤtung deſſelben verſprochen wird.
Fuͤr Gebaͤude auf feſtem Boden kann die Gefahr von
Feuersbruͤnſten gewiſſermaſſen als gleich angeſehen,
und der Beitrag zur Erſezung ſolcher Schaͤden gleich-
maͤſſig verteilt werden. Aber die Gefahr der See-
fahrt iſt den Umſtaͤnden nach aͤuſſerſt verſchieden.
Die Gruͤnde zu deren Beurteilung ſind: die Weite
der Reiſe, die natuͤrliche Beſchaffenheit der Meere,
durch welche ſie geht, die Jahrszeit, in welcher ſie
unternommen wird, die Beſchaffenheit des Schiffes,
die Meinung von der Wiſſenſchaft, dem Muht und
der Entſchloſſenheit des Schiffers u. a. m. Noch
immer laͤßt es ſich als tuhnlich gedenken, daß, wenn
eine Aſſociation aller Kaufleute fuͤr dieſen Zwek be-
ſtuͤnde, eine von derſelben niedergeſezte Direction
alle dieſe Umſtaͤnde beurteilte, und dem zufolge dem-
[265]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
jenigen, deſſen Guͤter unter groͤſſerer Gefahr uͤber
See gehen, einen verhaͤltnismaͤſſig groͤſſern Bei-
trag zuerkennte, als demjenigen, deſſen Gut und
Schiff mindere Gefahr laͤuft. Man koͤnnte auch
nach erfolgtem Verluſt dieſen Beitrag der nach jenen
Gruͤnden beurteilten Gefahr gemaͤß beſtimmen, und
dem, der den Erſaz fodert, von demſelben abziehen.
§. 11.
Aber beides hat leicht zu erkennende Schwierig-
keiten. Denn 1) in dem lebhaften Gange der [Hand-
lung] wuͤrde eine ſolche Unterſuchung zu viel Zeit
wegnehmen, und in manchem Fall noch nicht geen-
digt ſein, wenn der Verluſt ſchon wirklich erfolgt
iſt. 2) Die Schaͤzung der Gefahr nach ſchon ent-
ſtandenem Verluſt wuͤrde boͤſe Haͤndel machen, und
die Entſcheider in manchen Faͤllen den Vorteil mis-
brauchen, daß ſie den Mann, welchem ſie den Scha-
den erſezen ſollen, in Haͤnden haben, wie man ge-
woͤhnlich ſpricht, und dieſer daher nie vorher beſtimmt
wiſſen wuͤrde, wie viel er gewiß wieder bekommen
werde. Aber der Kaufmann muß in allen ſeinen
Rechnungen ſo gewiß gehen, als moͤglich, und traͤgt,
ſo wie die Sache nun iſt, zum voraus in die Berech-
nung, auf welche ſich ſeine Speculation gruͤndet,
auch die Koſten der verſicherten Seegefahr.
[266]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
§. 12.
Es iſt alſo ſchon lange dahin gekommen, daß er
mit einem einzelnen Mann uͤber den Preis dieſer Ge-
fahr abhandelt, fuͤr welchen ſich derſelbe zu dem Er-
ſaz des beſorglichen Schadens verpflichtet. Man
nennt dieſen den Aſſuradoͤr, Aſſecuradoͤr oder
Verſicherer und den Vergleich daruͤber die Aſſe-
curanz.
Hier verſchwindet nun zwar dem Anſchein nach
die Idee einer Aſſociation. Dennoch aber bleibt das
weſentliche derſelben. Dem Anſchein nach erwartet
der Verſicherte den Erſaz ſeines Schadens aus dem
Vermoͤgen des Verſicherers; und, da dieſer wirklich
dazu verpflichtet i[ſt], ſo ſtuͤzt ſich auch ſein Credit,
den er als Aſſuradoͤr hat, groſſenteils auf die Mei-
nung von ſeinem Vermoͤgenszuſtande. Aber keiner
der Verſicherten iſt ſo einfaͤltig anzunehmen, daß
ſeine Sicherheit ganz auf dieſem beruhe. Er weiß
vielmehr und iſt auch billig genug zu wuͤnſchen, daß
der Erſaz ſeines Schadens aus den Beitraͤgen derer-
jenigen, die gluͤklicher ſind als er ſelbſt, eben ſo wol
ſich ſammeln werde, als dies in einer allgemeinen
Aſſociation Statt haben wuͤrde. Er ſelbſt ſucht in
ſeinem Contract mit dem Verſicherer den Preis, fuͤr
welchen dieſer ſeine Gefahr uͤbernimmt, ſo tief herab
zu bringen, als moͤglich. Aber er wuͤrde dem Verſi-
[267]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
cherer nicht trauen, von welchem er erfuͤhre, daß
er in Beſtimmung dieſes Preiſes uͤberhaupt zu leicht-
ſinnig ſei, und ſich dadurch in Gefahr ſeze, bald in
ſein eignes Vermoͤgen greifen zu muͤſſen, um ſeine
Verpflichtungen zu erfuͤllen.
Es iſt alſo wirklich eine Geſellſchaft von vielen
da, die den Erſaz des Schadens einzelner zuſammen-
tragen, wenn gleich deren Mitglieder ſich einander
nicht kennen, und keine Verpflichtung gegen einan-
der haben, als die Zahlung ihres Beitrags, uͤber
welche ihr Contract mit dem Verſicherer entſcheidet.
Dieſer iſt wie das Haupt derſelben anzuſehen, der
die Mitglieder ſeiner Geſellſchaft allein kennt. Ich
moͤgte ſie alſo in dieſer Ruͤkſicht mit der unſichtbaren
Kirche vergleichen. Aber die Gemeinſchaft der Heili-
gen iſt nicht ſo wandelbar, als dieſe, deren Mitglie-
der von Tag zu Tag wechſeln, und nach ihrer Will-
kuͤhr mehreren Geſellſchaften zugleich beitreten.
§. 13.
Von dieſer wandelbaren Geſellſchaft unterſchei-
den ſich die minder wandelbaren, die eigentlich ſo
benannten Aſſecuranz-Companien, deren Einrichtung
ſo uͤbereinſtimmend mit den Handlungs-Companien
iſt. Mehrere beguͤterte Perſonen, die eben ſo we-
nig, als in dieſen, Mitglieder Eines Staats ſein
[268]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
duͤrfen, tragen in denſelben eine beſtimmte Summe
auf Actien zuſammen, welche erfoderlichen Falls
zum Erſaz der von der Companie verſicherten Schaͤ-
den angewandt werden ſoll und muß. Sie ſtellen
das Geſchaͤfte unter die Direction einzelner dazu er-
waͤhlter Mitglieder. Aber die Schwierigkeit, welche
ich oben §. 11. 12. in Anſehung der Entſcheidung
uͤber die Groͤſſe der Gefahr angegeben habe, hat hier
eben ſo wol Statt, und macht die Anſtellung Eines
Bevollmaͤchtigten nothwendig, unter welchem ſich
jene wandelbare Geſellſchaft eben ſo, wie unter dem
Privat-Aſſecuradoͤr, ſammelt und nach Willkuͤhr
veraͤndert.
Mit den Actien einer Aſſecuranz-Companie hat
es jedoch eine andre Bewandnis, als mit denen der
Handlungs-Companien. Dieſe beduͤrfen des ganzen
Capitals, zur Betreibung ihrer Geſchaͤfte, ſo bald
ſie in Gang geſezt ſind. Jene beduͤrfen deſſelben
nur auf den Fall der Noht. Es wird alſo nur ein
Teil des Belaufs der Actien zu Anfang eingeſchoſſen,
und weil es unbeſtimmbar iſt, ob und wie bald das
Beduͤrfnis der Companie durch erfolgende Schaͤden
ein mehreres erfodern werde, den Inhabern der Actien
die Verpflichtung aufgelegt, das uͤbrige nachzutra-
gen, aber auch Zinſen fuͤr den bereits eingeſchoſſenen
Teil verſprochen und bezahlt, wenn die Companie
[269]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
ſo gluͤklich iſt, daß ſie dieſelben nicht in Erfuͤllung
ihrer Verpflichtungen verwenden darf. Daraus
folgt, daß nur ſolche Eigner der Actien, und, wenn
ſie veraͤuſſert werden, (wie dies auch hier freiſtehen
muß) nur ſolche neue Kaͤufer derſelben zugelaſſen
werden koͤnnen, deren Bermoͤgenszuſtand fuͤr den
moͤglichen Nachſchuß Sicherheit giebt.
§. 14.
So uͤbereinſtimmend die Einrichtung dieſer Aſſe-
curanz-Companien mit der gewoͤhnlichen der Hand-
lungs-Companien iſt, ſo hat doch dieſe Kaufmaͤnni-
ſche Aſſociation groſſe Vorzuͤge vor allen andern.
Denn
1) ihr Zwek iſt nicht, durch Umſezung eines be-
ſtimmten Capitals den moͤglich groͤßten Gewinn zu
machen, und zu dieſem Ende einen erzwungenen Be-
trieb in ſolchen Wegen zu machen, welche die Privat-
Induſtrie nicht kennt. Vielweniger wirkt ſie dieſer
entgegen.
2) Wenn der Betrieb der Handlungs-Companien
mit einem Aufwande anfaͤngt und fortgeht, welcher
der Privat-Induſtrie unbekannt iſt, ſo werden hin-
gegen bei dieſen die Koſten weit unter dasjenige ge-
mindert, was die Privat-Aſſecnranzen dem handeln-
[270]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
den Publicum natuͤrlich koſten. Denn man ſeze,
daß zehn Privat-Aſſecuradoͤre mit ſo vielem Gluͤkke
zeichnen, als ſie haben muͤſſen, um davon zu leben,
ohne in ihr Capital einzugreifen, (Ein Gluͤk, wel-
ches jedermann ihnen goͤnnen muß!) und alſo jeder
2000 Tahler, und alle insgeſammt 12000 Thr. ver-
dienen. Nun nehme man an, daß die Aſſecuranz-
Companie mit ihrem ſo viel groͤſſern Capital und
Credit eben ſo viel, als jene insgeſamt, zeichne, und
eben ſo viel gewinne. Dieſe wird die Beſoldung
ihres Bevollmaͤchtigten und ihre Comtoir-Unkoſten
mit etwan 5000 Tahlern beſtreiten koͤnnen, und folg-
lich noch nicht in ihr Capital eingreifen duͤrfen, wenn
jene zehn Privat-Aſſecuradoͤre ſchon dies tuhn muͤſſen,
folglich die auf deren Vermoͤgens-Zuſtand ſich gruͤn-
dende Sicherheit der Verſicherten bereits abnimmt.
3) Aber dieſe Sicherheit nimmt noch nicht ab,
wenn auch die Aſſecuranz-Companie ſchon ihr Capi-
tal anzuwenden anfaͤngt, um ihren Verpflichtungen
ein Genuͤge zu tuhn. Bei deren Errichtung wird
bekannt, wie groß das ganze Capital ſei, zu wel-
chem ihre Mitglieder, im Fall des Ungluͤcks, gehal-
ten ſind, welches man bei jenen zehn Privat-Aſſecu-
radoͤren nicht wiſſen kann.
Aber weiter darf auch die Verpflichtung der Teil-
[271]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
nehmer nimmermehr gehen, als bis auf den Belauf
ihrer Actien. Man verſah es darin, als man in
Bremen vor etwan funfzehn Jahren die erſte Aſſecu-
ranz-Companie errichtete. Man ſah das Geſchaͤfte
fuͤr ſo gewinnvoll, und den Fall eines Verluſtes von
mehr als dem Belauf der Actien fuͤr ſo gut, als un-
moͤglich an. Um alſo den Credit dieſer Companie
aufs hoͤchſte zu ſichern, verpflichteten alle Teilnehmer
ſich, mit ihrem ganzen Vermoͤgen einzuſtehen. Das
war uͤberbillig! Denn die Teilnehmer ſollten den Ge-
winn im Verhaͤltnis des Belaufs ihrer Actien teilen,
und liefen eine Gefahr, die ſo ungleich als ihr Ver-
moͤgen war. Mancher konnte mit ſeinem Vermoͤ-
gen vielleicht gerade nur fuͤr den Belauf derer Actien
einſtehen, deren Eigner er war, und auf deren Ge-
winn er hoffte. Ein andrer, der nicht mehr Actien
als [jener] hatte, und daher nicht zu mehrerem Ge-
winn berechtigt war, ſtand mit einem zehnmal groͤſ-
ſeren Vermoͤgen ein. Das iſt ganz wider die Natur
einer Aſſociation, in welcher durchaus Gewinn und
Verluſt gleichmaͤſſig verteilt werden muß. Als nun
durch mehrere Urſachen dieſe Companie ihr Ende
nahm, veranlaßte dies Haͤndel und Proceſſe, die
noch nicht alle geſchlichtet ſind, und fuͤr einzelne
Teilnehmer einen um ſo empfindlichern Verluſt, je
reicher ſie waren, und je treuer ſie der unnatuͤrlichen
von ihnen eingegangenen Verpflichtung blieben.
[272]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
§. 15.
Voͤllig ſo gros, als der von Seegefahren, iſt
der Verluſt von Bankerotten und boͤſen Schulden in
der Handlung. Der Gedanke an eine Aſſecuranz
deſſelben iſt nicht neu, und entſteht noch von Zeit zu
Zeit. Er muß von der Kaufmannſchaft uͤberhaupt
voraus geſehen und von einzelnen ertragen werden,
ſo gut ſie es koͤnnen. Aber er wird auch die gewoͤhn-
lichſte Urſache der Bankerotte oder des allmaͤhlichen
Untergangs mancher Kaufleute. Daß er jedoch, im
Ganzen genommen, nicht uͤbergros ſei, und daher,
wenn er uͤber alle Kaufleute Eines Staats verteilt
werden koͤnnte, nicht ſchwerer, als die nun gewiſſer-
maſſen uͤber alle verteilte Seegefahr, zu tragen ſein
moͤgte, iſt doch wol gewis genug. Denn wie koͤnnte
die Handlung, uͤberhaupt genommen, noch ſo ge-
winnvoll ſein, wenn der Verluſt durch boͤſe Schul-
den ſo gar viel von dieſem Gewinn wegnaͤhme?
Indeſſen wird doch die Errichtung einer Aſſecu-
ranz-Companie fuͤr boͤſe Schulden immer in der Reihe
idealiſcher Wuͤnſche und Entwuͤrfe verbleiben, we-
nigſtens nicht die Folge einer freien Vereinigung fuͤr
dieſen Zwek werden koͤnnen. Denn 1) die Gefahr
von boͤſem Credit iſt ungemein viel ſchwerer zu ſchaͤz-
zen, als die Seegefahr. 2) Einer Beurteilung
derſelben in einzelnen Vorfaͤllen wird kein Kauf-
[273]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
mann, wenn er auch noch ſo ſehr die Sache wuͤnſcht,
ſich unterwerfen wollen. Denn da muͤßte er jede
ſolche Handlungs-Unternehmung, bei welcher er ſich
zu ſichern ſucht, dem Urteile des Verſicherers offen
darlegen, und ſeinen Correſpondenten nennen. Das
Schiff, in welches einer verladet, der Name des
Schiffers, die Weite und Umſtaͤnde der Seereiſe,
koͤnnen keine Geheimniſſe ſein. Aber, wenn der
Verſicherer auch verlangen duͤrfte, den Nahmen eines
jeden Mannes zu wiſſen, an den die verſicherten
Guͤter verſandt werden, ſo moͤgte dies allein ſchon
manchen abhalten, Verſicherung auf dieſelben zu
nehmen.
Aber die, welche eine Kaufmaͤnniſche Credit-
Aſſecuranz vorſchlagen, geben es gewoͤhnlich ſo an,
daß ein Kaufmann eine beſtimmte Summe nach
Maasgabe der Ausdehnung ſeiner Handlung ſich ſolle
von Jahr zu Jahr verſichern laſſen koͤnnen, ohne daß
die Frage ſei, ob er in dem Lauf eines Jahrs mehr
oder weniger verborge? Wirklich geſchieht etwas dem
aͤhnliches in der Aſſecuranz fuͤr Feuersgefahr auf
Waarenlaͤger. Dieſe wird auf eins oder mehrere Jahre
zu einer gewiſſen Summe geleiſtet. Das Waarenla-
ger wird von dem Verſicherten zu einem beſtimmten
Wehrt zwar taxirt, der aber unmoͤglich lange deſſen
wahrem Wehrte gleich bleiben kann. Von einer
S
[274]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
ſolchen Aſſecuranz aber wuͤrde 3) dies die Folge ſein,
daß der minder verſtaͤndige oder zu viel unternehmende
Kaufmann im Vertrauen auf dieſelbe alles wagte.
Man weiß es ja, daß die Handlung auf manche Ge-
genden, inſonderheit dahin, wo man hauptſaͤchlich
nur durch Contrabande handeln kann, mit beſtaͤndi-
ger Hinausſicht auf den dabei vorfallenden Verluſt
durch boͤſen Credit getrieben werden muß. Die
Preiſe werden dem zufolge ſo geſtellt, daß, wenn der
Empfaͤnger der Waaren nur dreimal bezahlt, und
bei dem vierten Umſaz Bankerot macht, noch Vorteil
uͤbrig bleibt. Wie kann darauf Aſſecuranz geleiſtet
werden? Es wuͤrde alſo eine Aſſociation nur der
Leichtſinnigen und der Contrabandirer werden. Vor-
ſichtigkeit iſt die Seele der Handlung. Der uͤberle-
gende Kaufmann wuͤrde vielleicht, weil eine ſolche
Sicherheit auch ſeiner Vorſicht gefaͤllt, es mit einer
maͤſſigen Summe verſuchen, aber bald zuruͤktreten,
und von ſeiner Vorſicht mehr Sicherheit, als von
ſolch einer Aſſecuranz annehmen. Dann wuͤrde der
Aſſecuradoͤr mit ſeinen leichtſinnigen Kunden zuſam-
men bleiben, und durch dieſe bald zu Grunde gerich-
tet werden.
Man ſehe meine naͤheren Gedanken uͤber dieſe
Sache auf Veranlaſſung eines Schreibens uͤber
die Moͤglichkeit einer Credit-Aſſecuranz
[275]Cap. 5. Von Handlungs-Companien.
Seite 458 des erſten Bandes unſrer Handlungs-
Bibliothek. Doch kann ich nicht unerwaͤhnt
laſſen, daß ich vor mehr als zwanzig Jahren veran-
laßt ward, einen Entwurf zu einer ſolchen Credit-
Aſſecuranz unter der Vorausſezung zu machen, daß
dieſelbe durch Oberherrlichen Befehl allgemein fuͤr
alle groſſe und kleine Kaufleute desjenigen Staats
gemacht werden ſollte, fuͤr welchen dieſer Vorſchlag
beſtimmt war. Ich werde dieſen lange bei Seite
gelegten Plan aufs neue durchſehen, und, wenn ich
bei reifer Beurteilung es noch gerahten finden ſollte,
ihn in die Zuſaͤzze eintragen.
Sechſtes Capitel.
Von einigen minder gewoͤhnlichen Arten
die Handlung zu betreiben.
§. 1.
Die Waaren, welche als Gegenſtaͤnde der groſſen
Handlung von Europa auf entfernte Weltgegenden
verſandt werden, gehen dort noch durch viele Haͤnde,
welche alle ihren Gewinn darauf zu machen ſuchen,
S 2
[276]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
ehe ſie an den lezten Verbraucher gelangen. Da-
durch wird deren Preis fuͤr dieſen gar ſehr erhoͤhet,
und es iſt natuͤrlich, daß ein Mann, der dieſe Waa-
ren in Europa kauft, ſelbſt mit ihnen reiſet, und
ſie an den Verbraucher zu bringen weis, ihm dieſel-
ben viel wohlfeiler geben, und doch groſſen Gewinn
darauf machen koͤnne.
Dies wird nun in ſolchen Europaͤiſchen Haͤven
das Gewerbe vieler Leute, die ausdruͤklich in dieſer
Abſicht mitreiſen. Es wird aber auch ein Nebenge-
ſchaͤfte der Schiffer und anderer zum Schiffsvolk ge-
hoͤrenden Menſchen. Dazu koͤmmt, daß der Abſaz
mancher Kunſtproducte in jenen entfernten Gegenden
nicht durch die Verſender der Schiffe oder durch die
Handlungs-Companien ſelbſt betrieben werden kann,
und daß Leute, welche ſchon eine oder mehr Reiſen
dort hin gemacht haben, ſolche Wege zu deren Abſaz
kennen lernen, welche jenen unbekannt bleiben. Auf
dieſe Art gehen jezt mehr und mehr Europaͤiſche
Kunſtproducte nach Indien und China, und vermin-
dern den Geldverluſt Europens in dieſer Handlung,
da ſonſt die Companien ſelbſt und ihre hoch beſolde-
ten und im Wolleben ſchwelgenden Officianten nicht
wußten, welche Waaren ſie jenen Nationen ange-
nehm machen koͤnnten.
[277]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
§. 2.
Die Perſonen, welche ich angegeben habe, daß
ſie ſich mit dieſem Gewerbe und ſolchen Umſaͤzen be-
faſſen, haben ſelten das Vermoͤgen, es mit eigenem
Gelde zu tuhn; und die etwas dazu haben, wollen
doch gerne mehr tuhn, als ſie mit ihrem kleinen
Vermoͤgen beſtreiten koͤnnen. Sie ſuchen alſo Vor-
ſchuß, wo ſie ihn finden koͤnnen. Dieſer aber hat
folgende Gefahren mehr, als jeder andre Credit:
1) Die Zeit der Wiederbezahlung iſt ungewiß.
Es laͤßt ſich nicht genau beſtimmen, wie bald das
Schiff und mit ihm der Borgende mit ſeinem geloͤs-
ten Gelde wiederkommen werde. Auch kann der-
ſelbe nicht immer gebunden werden, und Zufaͤlle
koͤnnen ihn verhindern, mit eben demſelben Schiffe
wieder zu kommen. So iſt es z. B. mit denen Leu-
ten bewandt, welche von Cadix in das Spaniſche
America, oder von Liſſabon nach Braſilien gehen.
2) Die ganze Seegefahr auf die Hin- und
Herreiſe muß von dem Leihenden getragen werden,
oder dieſer muß ſelbſt Verſicherung auf ſein Capital
nehmen.
3) Der Borgende geht in Gegenden, die der
Leihende nicht kennt, und wagt ſich in Gefahren,
[278]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
die ſeinem Leben ein Ende machen, und ſein Geld
und Gut in ſolche Haͤnde bringen koͤnnen, aus wel-
chen es ſchwerlich wieder zu erlangen iſt, da die Hand
der Gerechtigkeit ſelten ſo weit reicht.
4) Die Borgenden ſind mehrenteils Perſonen
geringen Standes und von zweifelhafter Denkungs-
art. Zwar wird der Mann, der ſein Geld in die-
ſem Vorſchuß auf die Waage ſezt, es nicht tuhn,
wenn er gegruͤndete Zweifel an derſelben hat; und
in der Taht ſind die Beiſpiele des Betruges abſeiten
dieſer Leute ſehr ſelten. Aber es iſt doch ein anders,
einem Mann leihen, den man fuͤr ehrlich haͤlt, wenn
er ſeinen Wohnſiz neben uns hat, und gleichen Ge-
ſezen mit uns unterworfen lebt, als wenn derſelbe
in eine ſolche Ferne geht, wohin ihn die Geſeze nicht
verfolgen koͤnnen. Der Leihende rechnet alſo natuͤr-
lich das Zutrauen zu Gelde, welches er auch noch
unter dieſen Umſtaͤnden in ihn ſezt.
§. 3.
Aus dieſen Gruͤnden werden alſo die fuͤr einen
ſolchen Vorſchuß verlangten und eingewilligten Zin-
ſen ſehr hoch, und ſteigen auf ein Dritteil, ja wol auf
die Haͤlfte des Capitals. Der in dieſem Wege betrie-
bene Handel hat den Nahmen Aventura groſſa,
eine Benennung, welche ohne Ueberſezung in alle
[279]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
Sprachen uͤbergegangen iſt, in welchen man von
Handlung redet oder ſchreibt. Im Deutſchen ſpricht
man: Grosaventur-Handel, und einen Vor-
ſchuß der Art tuhn heißt, ſein Geld auf Gros-Aven-
ture geben.
Wir werden in dem folgenden Buche ein aͤhnli-
ches Geſchaͤfte kennen lernen, die Bodmerei, wel-
ches jedoch oͤfter Schiffe als Guͤter zum Gegenſtand
hat. Beide ſind mit der Verſicherung fuͤr Seegefahr
verwandt, ſchlieſſen ſie ein, oder haben eine ſolche
zur Folge. Daher werden in den beſten Theoreti-
ſchen und Juriſtiſchen Schriften, wie z. B. in denen
von Magens, Emerigon und Baldaſſeroni,
dieſelben in Einer Folge vorgetragen und erlaͤutert.
§. 4.
Man ſieht leicht ein, daß ein Handlungs-Ge-
ſchaͤfte dieſer Art nur in ſolchen Handelsplaͤzen Statt
hat, von welchen aus man in groſſe Fernen oder
mit ſolchen Nationen handelt, bei welchen der Han-
del im Kleinen ſehr groſſe Vorteile vor dem Handel
im Groſſen giebt. Er beſteht alſo hauptſaͤchlich in
den weſtlichen Haͤven Europens und in denjenigen
Haͤven am Mittellaͤndiſchen Meer, von welchen aus
man auf die Levante handelt. Doch hat man auch
Beiſpiele von groſſen Handlungs-Companien, inſon-
[280]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
derheit von der Franzoͤſiſchen, daß deren Agenten in
Indien Contracte auf Gros-Aventure geſchloſſen
haben. Freilich war dies die Folge groſſer Geld-
Verlegenheit, und auf Gewinn ward dabei wol nicht
gerechnet.
In unſern Gegenden, inſonderheit in Hamburg
hoͤrt man wenig von Unternehmungen dieſer Art.
Denn die Handlung geht von hier aus nicht auf ſolche
Laͤnder, wo die §. 1. angegebenen Vorausſezungen
Statt haͤtten. Sie hat auch keine Gegenſtaͤnde,
deren Vertrieb der Kaufmann, wenn er in ein Schiff
ladet, nicht ſelbſt durch ſeine Commiſſionaͤre und
Correspondenten zu bewirken wuͤßte. Freilich iſt in
den meiſten Staaten unſrer Gegend den Schiffern
einen kleinen Handel fuͤr ſich zu treiben unverboten.
Man nennt die Guͤter, welche ſie in dieſer Abſicht
mit ſich nehmen, deren Pacotille. Doch ſezen
die Statuten der Hanſa- und anderer See-Plaͤze
dieſem Handel der Schiffer enge Grenzen. Dem
uͤbrigen Schiffs-Volk kann er um ſo viel weniger er-
laubt werden, weil der ohnehin ſo ſchwer zu verhuͤ-
tenden Schiffs-Dieberei dadurch Tuͤhr und Tohr
geoͤfnet werden wuͤrde. Wollte dann aber ein Schif-
fer bei uns Geld auf Gros-Aventure ſuchen, ſo
wuͤrde er es nicht finden, weil jedermann wiſſen
wuͤrde, daß ſein Gewinn auf ſeinen kleinen Handel
[281]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
nicht gros genug ſein koͤnne, um die hohen Zinſen
zu tragen.
§. 5.
Contracte, durch welche ein Teil dem andern
einen noch nicht bei ihm vorhandenen Vorraht ge-
wiſſer Beduͤrfniſſe zu einer beſtimmten Zeit zu lie-
fern ſich verpflichtet, ſind auſſer der eigentlichen
Handlung inſonderheit zum Behuf des Militarwe-
ſens und oͤffentlicher Bauunternehmungen ſehr ge-
woͤhnlich. Es bieten ſich zu denſelben ſolche Perſo-
nen an, die nach ihrer Lage die Wege, in welchen
der verlangte Vorraht Teilweiſe ſich ankaufen und
herbeifuͤhren laͤßt, beſſer kennen und zu benuzen
wiſſen, als die Obern im Staat oder ſelbſt die Pri-
vatleute, die deſſelben beduͤrfen. Rechnet man auf
eine Concurrenz ſolcher Perſonen, ſo ruft man ſie
zu einem Verdinge beiſammen, der mit dem Min-
deſtfodernden geſchloſſen wird. Doch raͤht oft die
Sicherheit der Erfuͤllung ſolcher Contracte, eine
ſolche Concurrenz nicht zu erregen oder zu benuzen,
ſondern mit einzelnen bereits als zuverlaͤſſig bekann-
ten Perſonen zu ſchlieſſen, von Zeit zu Zeit ſie zu
erneuern, und den Preis und andre Bedingungen
den Umſtaͤnden nach zu aͤndern. Friedrich der Groſſe
verblieb beſtaͤndig bei eben denſelben Lieferanten, da
dann fuͤr dieſe der dem Koͤnig ſehr wol bekannte Ge-
[282]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
winn von ihren Lieferungs-Contracten wol ſo ſicher,
als die Einkuͤnfte eines Ritterguts waren. Aber
die Zuverlaͤſſigkeit in dieſen Contracten, eben durch
das ſich mehrende Geldvermoͤgender Lieferanten, und
die Hinausſicht, daß er vielleicht ſelbſt in die Lage kom-
men moͤgte, da er die Bezahlung nicht zu rechter
Zeit leiſten koͤunte, und ſie ihm alsdann auch noch
zuverlaͤſſig bleiben muͤßten, veranlaßten den Koͤnig,
ſeiner ſonſt gewohnten Sparſamkeit in dieſem Fall
zu entſagen.
§. 6.
Das iſt nun freilich nicht der Fall, in welchem
der Kaufmann ſich befindet, wenn er einen Handel
auf Lieferung ſchließt. Eine ihm entſtandene
Speculation, oder eine eingelaufene groſſe Commis-
ſion, macht ihm das Beduͤrfnis eines groͤſſern Vor-
rahts von einer gewiſſen Waare entſtehen, als wel-
cher zu der Zeit ſich in den Haͤnden ſeiner Mitbuͤrger
oder in einer ſolchen Naͤhe befindet, aus welcher er
ſelbſt ihn herbeizuſchaffen im Stande iſt. Ihm iſt
alſo das Erbieten eines jeden willkommen, welcher
ihm die Waare in beſtimmter Zeit herbei zu ſchaffen
verſpricht, es ſei nun, daß dieſelbe ſchon ſich unter-
wegs befindet, oder er ſich im Stande glaubt, ſie
ſchneller als andre, und mit groͤſſern Vorteilen im
Preiſe und Unkoſten, anzuſchaffen. Er nimmt in
[283]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
dieſem Wege Teil an dem Vorteil von einer Specu-
lation und einer ploͤzlich ſteigenden Nachfrage, der
ihm entgehen wuͤrde, wenn er eben dieſe Waare nicht
eher verkaufte, als bis er ſie zur Stelle hat. So
war in den Tagen der hochgetriebenen Speculation
auf Caffe, welche die erſten Nachrichten von dem Auf-
ſtand der Schwarzen in St. Domingo veranlaßten,
der auf allen Schiffen um eben die Zeit aus Frankreich
in Hamburg anlangende Coffe bereits vor ſeiner An-
kunft mit einem Gewinn verkauft, welchen deſſen
Eigner ſonſt verfehlt haben wuͤrden. Aber der auf
Lieferung kaufende ſchließt nicht, wie Friedrich, ſei-
nen Coutract in der Abſicht, den andern Teil reich
zu machen, ſondern um ſelbſt dabei ſo viel zu gewin-
nen, als moͤglich.
Ein ſolcher Handel auf Lieferung iſt daher zulaͤſſig
und den Umſtaͤnden nach beiden Teilen zutraͤglich.
Aber er iſt auch viel bedenklicher, als ein jeder Han-
del, der nach einer Probe der ſchon vorhandenen
Waare geſchloſſen wird, und deſſen unmittelbare
Folge die Ablieferung der Waare iſt, nach welcher
der durch Handels-Uſanz und guten Glauben feſtſte-
hende Grundſaz gilt, “daß, wenn die Waare die
“Waagſchale des Berkaͤufers paſſirt iſt, dieſer,
“auſſer dem Fall eines nachher ſich entdekkenden ab-
[284]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
“ſichtlichen Betruges, fuͤr Qualitaͤt und Guͤte der-
“ſelben nicht mehr einſtehe.“
Zuverlaͤſſige Makler ſind bei einem ſolchen Han-
del vorzuͤglich nohtwendig, und muͤſſen zum Beſten
ihres Principals ihn ſo ſchlieſſen, und alle noͤtige
Umſtaͤnde ſo anmerken, daß der Chicane, inſonder-
heit in Abſicht auf die Qualitaͤt der Waare, ſo wenig
Anlaß bleibt, als moͤglich.
In der erwaͤhnten Coffe-Speculation gieng es
ſo ſchnell mit dem Kaufen und Verkaufen des Coffe
zu, daß auf die Proben wenig geachtet ward, die
auch von dem noch uͤber See erwarteten nicht einmal
gegeben werden konnten. Auch ward manche Partei
mehremal verkauft, ohne von deren Kaͤufern empfan-
gen zu werden. Es war genug, den Speicher an-
zuweiſen, wo die verkaufte Waare lag, und ſo
nahm der ganze Handel die Geſtalt eines Handels
auf Lieferung an. Als aber am Ende Novembers
die Nachrichten ſich aͤnderten, und die lezten Kaͤufer
endlich ihre am teuerſten gekaufte Waare empfangen
mußten, entſtand des Streitens uͤber deren Quali-
taͤt ſo viel, daß in den erſten acht Tagen bereits uͤber
zwanzig Klagen der Art bei den hieſigen Gerichten
anhaͤngig gemacht waren.
[285]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
§. 7.
Aus dieſem Handel auf Lieferung entſteht der
ſogenannte Praͤmien-Handel. Dieſer unter-
ſcheidet ſich von dem ſimpeln Handel auf Lieferung
durch folgende Umſtaͤnde:
1) Daß der Kaͤufer einen beſtimmten Ueberſchuß
uͤber den gegenwaͤrtigen Preis der Waare dem Ver-
kaͤufer voraus bezahlt.
2) Daß der Kaͤufer ſich die Freiheit vorbehaͤlt,
die Waare nicht zu nehmen, wenn ſie zur Zeit der
beredeten Lieferung ihm keinen Vorteil verſpricht,
der Verkaͤufer aber gebunden iſt, ſie zur beredeten
Zeit zu ſchaffen, ſie mag alsdann ſo hoch geſtiegen
ſein, als ſie wolle. Z. E. A. kauft von B. im Ja-
nuar d. J. Leinen einer gewiſſen Art, wovon das
Schock jezt 12 Rthlr. gilt. Er verſpricht ihm aber
12½ Rthlr., und zahlt ihm den halben Rthlr. jezt als
Praͤmie voraus, da er die Waare im May liefern
ſoll. Geſezt nun, im May iſt eben das Leinen fuͤr
11½ Rthlr. zu haben, ſo verbleibt dem B. der halbe
Rthlr., den er als Praͤmie bekommen hat; aber A.
wird und darf die Waare nicht nehmen. Geſezt aber,
dieſe Leinen waͤren im May bis auf 14 Rthlr. geſtie-
gen, ſo wird den B. zwar der Handel ſehr verdrieſſen,
aber er muß die Waare liefern. Indeſſen geht ein
[286]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
ſolcher Handel unter ſoliden Kaufleuten ſelten vor.
Denn wenn es Ernſt mit einem ſolchen Handel iſt,
ſo verſteht es ſich, daß man unter einer ſolchen Be-
dingung nicht anders, als teuer kaufen kann.
§. 8.
Man kann dieſen Handel auch ſo ſchlieſſen, daß
beide Teile frei ſind, wenn zur Zeit der Lieferung
der eine oder der andre ſeine Rechnung nicht dabei
gefunden hat; dann aber wird keine Praͤmie voraus
gegeben, ſondern ein Teil bezahlt alsdann dem an-
dern das, was durch die veraͤnderten Preiſe Ge-
winn fuͤr den einen und Verluſt fuͤr den andern im
wirklichen Handel geworden ſein wuͤrde. Z. E.
Einer kauft am 2ten Januar Reis, den 2ten April zu
liefern, die 100 Pfd. zu 14 Mk. Gilt an dieſem
Tage der Reis 16 Mk., ſo giebt der Verkaͤufer dem
Kaͤufer nicht den Reis, ſondern die 2 Mk. auf 100
Pfd., um welche er jezo teurer iſt. Goͤlte er aber
12 Mk., ſo wuͤrde der Kaͤufer dem Verkaͤufer die
2 Mk. geben, welche der Reis wolfeiler geworden
iſt. Man wuͤrde dies einen Reukauf nennen koͤn-
nen, dergleichen oft bei ernſthaft gemeinten Geſchaͤ-
ften vorkoͤmmt, und worin nichts unrechtes iſt.
Allein, wenn vollends ein ſolcher Handel mit dem
Vorſaz geſchloſſen wird, daß keiner von beiden Tei-
len ihn halten, ſondern nur einer von beiden auf
[287]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
Unkoſten des andern gewinnen will, ſo iſt dies keine
Handlung eines vernuͤnftigen, ſondern bloß eines
ſpielſuͤchtigen Mannes. In der Taht hoͤrt man auch
unter Kaufleuten ſelbſt von dergleichen Vorfaͤllen ſel-
ten, und in vielen handelnden Staaten verbieten ihn
deren Geſeze.
§. 9.
Ich habe oben S. 251 ff. von den Actien der
Handlungs-Companien im allgemeinen geredet, aber
von dem Actienhandel zu reden bis hieher ver-
ſchoben.
Ein Handel mit dieſen Papieren entſteht natuͤr-
lich aus der Veraͤnderlichkeit des von denſelben zu
erwartenden Gewinns, oder des ſogenannten Divi-
dends. Da den Inhabern der Actien das Recht
dieſelben zu veraͤuſſern gelaſſen werden muß, ſo tritt
einerſeits der Fall oft ein, daß ein ſolcher einen an-
dern Gebrauch des Geldes, welches er an deren An-
kauf gewandt hat, zu machen wuͤnſcht, andernteils
treibt ihn die Furcht, wenn das Dividend kleiner
ausfaͤllt, aber auch, wenn es die wahrſcheinlich groͤßte
Hoͤhe erreicht hat, der Gedanke dieſen Zeitpunct zu
benuzen, zu deren Veraͤuſſerung. Der Preis, wel-
chen er ſich dabei gefallen laſſen kann, beſtimmt ſich
aus der Vergleichung des Dividends mit den in dem
[288]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Staate uͤblichen Zinſen, muß aber doch ſich aus dem
Grunde etwas niedriger ſtellen, weil die Einkunft
eines ſicher belegten Capitals mehr wehrt iſt, als
die des eben ſo groſſen aber minder gewiſſen Dividends
von der Actie. Man ſeze z. B., der [u]rſpruͤngliche
Wehrt der Actie ſei 1000 Tahler, und deren Divi-
dend ſtehe auf 6 p. C., ſo iſt doch ein auf ſichere Hy-
pothek zu 4 p. C. belegtes Capital von 1000 Thalern
wol eben ſo viel wehrt. Doch wird ein etwas langer
Beſtand des Dividends auf 6 p. C., oder die gewiß
ſcheinende Erwartung, daß das Dividend ſich meh-
ren werde, deren Wehrt dem eines groͤſſeren Capi-
tals naͤher bringen. Dies Steigen und ſo auch das
Fallen wird nach Procenten beſtimmt. Man wird
alſo 100 Tahler in einer ſolchen Actie mit 120 und
mehr Tahlern bezahlen. Dies iſt der natuͤrliche
ſolide Actien-Handel, von welchem ich als einer mei-
nen Leſern bekannten Sache nichts mehr ſagen mag.
Aber nun glauben faſt alle Teilnehmer an ſolchen
Handlungs-Companien, es ſei ihr Jutereſſe, die
Meinung von deren Gewinn ſo hoch zu treiben, als
moͤglich: die Directoren, um deſto groͤſſeren Credit
fuͤr ihre Unternehmungen zu finden, und die Inha-
ber der Actien in der Hinausſicht, ſie teurer zu ver-
kaufen. Leichtglaͤubigkeit knuͤpft ſich gar leicht an
die Gewinnſucht. In jedem nicht ſehr geldloſen
[289]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
Volke ſind eine Menge Menſchen, welche von dem
Gewinn der Handlung eine zu hoch getriebene Vor-
ſtellung haben, die dem wirklichen Kaufmann dieſen
Gewinn beneiden, und weil ſie ſelbſt nicht Handlung
verſtehen, ſich dieſes ihnen angebotenen einzigen
Weges freuen, an den Vorteilen einer ihnen ſo ge-
winnvoll beſchriebenen Handlung Teil zu nehmen.
Es waͤre die Pflicht aller guten Regenten, nach-
dem ſie irgend einer Handlungs-Companie eine Octroi
erteilt haben, ſie anzuhalten, daß ſie von ihren
wirklichen oder noch zu hoffenden Vorteilen keine
andre als eine ganz wahrhafte Vorſtellung geben
duͤrfte. Die der Companie zugewieſenen Geſchaͤfte
gewinnen nichts dadurch, wenn deren Actien auch
noch ſo teuer verkauft werden. Ihr Capital wird
dadurch im geringſten nicht vermehrt, auch nicht bei
ſinkendem Preiſe der Actien gemindert. Nicht zu
ihrem Vorteil, ſondern weil es durchaus nicht an-
ders ſein kann, muß der Verkauf der Actien deren
Eignern freigelaſſen werden.
Aber zum Ungluͤck ſind die Handlungs-Compa-
nien, Banken, was dieſem anhaͤngt, gewoͤhnlich das
Werk der Unterregenten eines Staats, oder ſolcher
Menſchen, die ein offnes Ohr bei ihnen finden.
Auch ſie beſeelt der Neid gegen den ſoliden gluͤklichen
T
[290]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Kaufmann. Auch ſie moͤgten gerne handeln, verſte-
hen es aber nicht, und koͤnnen nur in dieſem einzigen
Wege daran Teil nehmen. Gewoͤhnlich nehmen ſie
die meiſten Actien bei der erſten Errichtung der Com-
panien jeder Art.
Ihr Intereſſe iſt es, die Meinung von deren zu
hoffenden Vorteilen ſo hoch zu treiben, als moͤglich,
nicht nur, um die Actien vollzaͤhlich zu machen, ſon-
dern auch um bald moͤglichſt durch deren teuren Ver-
kauf ſich einen Gewinn zu verſchaffen, welchen von den
Geſchaͤften der Companie ſelbſt abzuwarten ſie nicht
den Vorſaz oder die Gedult haben.
§. 10.
In dem vorigen Jahrhundert gab es ſchon ver-
ſchiedene Handlungs-Companien, deren Actien mit
ihrem Dividend ſo ſtiegen und fielen, daß freilich
groſſer Gewinn und Verluſt aus deren Verkauf ent-
ſtand. So lange die Hollaͤndiſche Weſtindiſche Com-
panie waͤhrendes Krieges mit Spanien und Portu-
gall, und da ſie im Beſiz eines Teils von Braſilien
war, ſo aͤuſſerſt reiche Priſen an den Schiffen beider
Nationen machte, daß ihr Dividend einmal bis auf
50 p. C. ſtieg, galten ihre Actien nach deſſen Maas-
gabe. Als aber die Revolution in Portugal im J.
1640 und der Muͤnſterſche Friede dieſer Kaperei ein
[291]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
Ende machten, ſie auch Braſilien verlohr, und ihr
Dividend zulezt auf 2 p. C. fiel, die jedoch aus
ſichern Einkuͤnften von den Colonien ſich ſammelten,
ſchwand der Preis ihrer Actien bis auf 30 p. C.
Aber erſt dieſem Jahrhundert war es vorbehalten,
daß in groſſen handelnden Staaten der kurzſichtige
Buͤrger von ſeinen Obern ſelbſt, oder wenigſtens unter
deren Augen und Nachſicht, durch einen Actienhandel
betoͤhrt wurde. Dies geſchah bekanntlich zuerſt in
Frankreich in den Jahren 1718 bis 1720, demnaͤchſt
in England durch Nachſicht des Hofes und Colliſion
einzelner Groſſen mit der nicht lange vorher entſtan-
denen Suͤdſee-Companie. Nie kann die Betoͤhrung
weiter gehen, als ſie damals bei den Briten gieng.
Ich werde in den Zuſaͤzen mehr davon ſagen. Das
lezte Beiſpiel hat Daͤnemark gegeben, als es durch
Errichtung vieler Companien auf einmal die Vor-
teile des lezten Seekrieges recht gros fuͤr ſich zu ma-
chen ſuchte, aber eben dadurch ſie ſich faſt ganz ent-
wiſchen lies.
§. 11.
Die Staatsſchulden ſind ebenfalls ein Gegenſtand
des Handels, wenn ihr Wehrt eines Steigens und
Fallens faͤhig iſt. Das aber ſind ſie nicht, wenn ſie
unter eben der Bedingung gemacht werden, unter
welcher Privatperſonen eine der andern Geld leihen,
T 2
[292]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
nemlich daß das Capital von beiden Teilen aufgekuͤn-
digt werden und die eingewilligte Zinſe anders bere-
det werden darf. So ſind z. B. die Hamburgiſchen
Stadt-Schulden oder Kammer-Briefe zwar verkaͤuf-
lich, koͤnnen aber kein Gegenſtand des Handels wer-
den. Denn wenn gleich einige derſelben noch zu
3 p. C. ſtehen, da faſt alle nur 2½ p. C. geben, ſo
kann daraus kein hoͤherer Wehrt des Capitals ent-
ſtehen, weil der Kaͤufer darauf hinaus ſehen muß,
daß ein ſolcher Kammerbrief ihm eben deswegen
werde aufgekuͤndigt, und ihm nichts mehr, als das
urſpruͤngliche Capital bezahlt werden.
Aber die groͤſſern Staaten ſezen bei Contrahirung
ihrer Schulden zur Bedingung, daß ſie zwar von
ihrer Seite, aber nicht abſeiten des Glaͤubigers duͤr-
fen gekuͤndigt, wol aber verkauft werden, bis dahin
jedoch die Zinſen feſt ſtehen. Eine Staatsſchuld,
die 5 p. C. giebt, iſt demnach mehr wehrt, als eine,
deren Zinſen nur 4 p. C. ſind. Noch dadurch wuͤr-
den ſie nicht ein Gegenſtand des Handels werden,
wenn man den Fall als nahe oder als wahrſcheinlich
anſehen koͤnnte, daß die Staaten ſie aufzukuͤndi-
gen im Stande ſein wuͤrden. Denn da wuͤrde die
Aufkuͤndigung zuvoͤrderſt bei den am hoͤchſten verzin-
ſeten Staatspapieren anfangen. Allein, ſeitdem die
groſſen Staaten angefangen haben ſo groſſe Schul-
[293]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
den zu machen, wiſſen ſie faſt alle, zum Gluͤk geld-
reicher Leute, es dabei zu erhalten, daß oͤfter von
neuen Auleihen, als von Aufkuͤndigung der alten
die Rede iſt. Dann aber verſteht es ſich, daß der
ſchon tief verſchuldete Staat bei jeder neuen Anleihe
beſſere Bedingungen, als die bisherigen waren, an-
bieten muß, um neue Glaͤubiger anzulokken. Eben
dadurch aber entſteht ein Sinken des Preiſes der aͤl-
tern Schulden, weil deren Beſizer groſſenteils die-
ſelben zu veraͤuſſern ſuchen, um an den groͤſſern Vor-
teilen der neu zu machenden Anleihe Teil zu nehmen.
§. 12.
Dieß hat inſonderheit in England Statt. Wenn
deſſen Staatspapiere oder ſogenannte Stocks fallen,
ſelbſt in Folge einer fuͤr den Staat ungluͤklichen Be-
gebenheit, ſo irrt man ſich, wenn man dies als ein
Zeichen des ſinkenden Credits der Nation anſieht.
Dieſer ſteht bisher noch immer gleich feſte. Aber
die Inhaber der Stocks ſehen auf eine neue dem Staat
notwendige Anleihe als eine Folge dieſer Begebenheit
hinaus, und eilen, ſich durch deren Verkauf Geld
zum Ankauf der mehr Vorteil anbietenden neu ent-
ſtehenden Stocks zu verſchaffen.
Einen groſſen Teil der Engliſchen National-
Schuld machen faſt 80 Millionen L. S. ſogenannter
[294]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
3 p. C. Stoks aus, das iſt derer Staatspapiere, auf
welche bis zu dem J. 1748 zu 4 p. C. angeliehen war.
Damals aber wagte es das Parlement, nach geſchloſ-
ſenem Achener Frieden, dieſelben allen Glaͤubigern
aufzukuͤndigen, welche ſich nicht mit 3 p. C. begnuͤ-
gen wollten. Man war gewiß, Geld genug zu
dieſer Zinſe zu bekommen, wenn die Aufkuͤndigung
von einem Teile der Glaͤubiger waͤre angenommen
worden. Da aber alle ſich bequemten, ſo iſt, da
die Nation nach der Zeit ſich zu 4 p. C. im J. 1777,
und ſogar zu 5 p C. in Annuiten im J. 1784 hat
entſchlieſſen muͤſſen, von dieſen gewiß, daß ſie
zulezt von allen, das iſt, wahrſcheinlich nimmer
werden aufgekuͤndigt werden. Daher koͤmmt in dem
Preiſe dieſer Stocks die Hinausſicht auf moͤgliche
Aufkuͤndigung gar nicht, wie doch noch bei andern,
in Betracht, und ihr Steigen und Fallen iſt gewiſſer-
maſſen die Regel fuͤr die uͤbrigen. In dem fuͤr Eng-
land ſo gluͤklichen ſiebenjaͤhrigen Kriege fielen ſie blos
aus den erklaͤrten Gruͤnden auf etliche und 50 p. C.
Izt ſtehen ſie auf etliche und 80 p. C., waren aber
doch im April dieſes Jahrs auf 76 p. C. geſunken,
und im Auguſt auf 90 geſtiegen.
§. 13.
Der Britiſche Stocks-Handel hat einen ihm ei-
gentuͤhmlichen Grund, nemlich den ſeit bald hundert
[295]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
Jahren fortdauernden Anwachs der Schulden bei
dem noch ganz unerſchuͤtterten Credit. Der Staat
der V. Niederlande hat ungeheure Schulden. Aber er
kann ſeinem Credit nicht ſo viel zutrauen, daß er nicht
wanken ſollte, wenn der Belauf dieſer Schulden be-
kannt waͤre, und er dann noch neue [Schulden] machen
wollte. Bei Frankreich miſcht ſich in die Gruͤnde
des Steigens und Fallens von deſſen Papieren ein
Zu- oder Abnehmen des Credits ſelbſt mit ein.
§. 14.
Freilich wird in andern Staaten die Furcht an
Capital oder an Zinſen zu verlieren, und vollends
eine wirkliche Erklaͤrung, daß der Staat ſeine einge-
gangene Verpflichtung nicht halten koͤnne oder wolle,
eine leichter einzuſehende Urſache von dem fallenden
Wehrt der Staatspapiere. Als Ludwig XV. eigen-
maͤchtig die Zinſen ſeiner Schulden herunterſezte, ſo
verlohren die Franzoͤſiſchen Staatspapiere mehr als
im Verhaͤltnis der herabgeſezten Zinſen. Man
mußte befuͤrchten, den Despoten noch weiter gehen
zu ſehen; und ſo verloren ſie auch noch im Verhaͤlt-
nis des Grades dieſer Furcht. Wenn vollends die
Zinſen nicht bezahlt werden, ſo bleibt dem Staats-
papiere nur noch ein Wehrt nach Maasgabe der Hof-
nung, daß die Umſtaͤnde ſich aͤndern und der Staat
ſeine Verpflichtung wieder erfuͤllen werde. Doch
[296]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
hat nicht mehr ein eigentlicher Handel damit Statt.
Diejenigen, welche die Erfuͤllung dieſer Hofnung
nicht abwarten koͤnnen, verkaufen zu jedem Preiſe,
und die ihr Geld daran wagen, ſuchen von deren
Kleinmuht ſo viel zu gewinnen, als moͤglich. So
gieng es mit den Saͤchſiſchen Steuerſcheinen im ſie-
benjaͤhrigen Kriege. Leute, die von deren Zinſen
gelebt hatten und es nun nicht aushalten konnten,
gaben ihre Steuerſcheine gern fuͤr etwa 10 p. C. hin.
Andern waren ſie gar nicht verkaͤuflich. Hatten ſie
der Zinſen entbehren koͤnnen, ſo konnten ſie auch
noch der niedrigen Kaufſumme entbehren, die man
ihnen anbot. Als aber nach geendigtem Kriege Ca-
pital und Zinſen wieder geſichert wurden, ſo wur-
den ſie nicht nur wieder verkaͤuflich, ſondern ihr Preis
ſtieg nach folgenden Gruͤnden bis zu dem Wehrt des
Capitals: 1) Vor dem mit dem zunehmenden Wol-
ſtande Sachſens ſich erniedrigendem Zinsfus ſchienen
3 p. C., worauf ſie im J. 1764 geſezt wurden, eine
niedrige Zinſe, als noch andre Capitalien 5 p. C.
gaben; aber immer weniger ſo, je mehr der Zins-
fus im Lande ſich ihnen naͤherte. 2) Die jaͤhrliche
Abbezahlung einer halben Million durch Verloſung
macht die baldige Bezahlung des vollen Capitals
immer wahrſcheinlicher, je kleiner die totale Schuld-
den-Summe wird. Doch ſcheint viel dazu zu gehoͤ-
ren, daß ein Staats-Papier allen Wehrt verliere.
[297]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
Noch vor zwanzig Jahren ſtanden die Sileſia Bonds
in der Liſte der Britiſchen Stocks zu 2 p. C. Dies
waren die von Kaiſer Karl VI in England auf die
Einkuͤnfte von Schleſien angeliehenen 6 Millionen,
welche der Koͤnig von Preuſſen in dem Breslauer
Frieden auf ſich genommen hatte, die Zinſen davon
einige Jahre bezahlte, aber ſie zuruͤck hielt, als die
Englaͤnder in dem fortwaͤhrenden Seekriege, durch
ihre gewoͤhnliche Gewalttaͤhtigkeit gegen die neutra-
len Flaggen, Preuſſiſchen Schiffen einen auf 200000
Thlr. angeſchlagenen Schaden zugefuͤgt hatten.
Zwar iſt meines Wiſſens nie Preuſſiſcher Seits et-
was wegen des Capitals oͤffentlich erklaͤrt worden.
Als aber gegen das Ende des ſiebenjaͤhrigen Krieges
England den Koͤnig im Stiche lies, ohne die ſchon
faͤlligen Subſidien des lezten Jahres bezahlt zu ha-
ben, da war es freilich entſchieden gewiß, daß bei
jeder Nachmahnung wegen jener 6 Millionen der
Koͤnig die Foderung wegen der Subſidien ruͤgen
wuͤrde. Was konnte man aber mit jenen 2 p. C.
noch zu kaufen vermeinen? Etwa die Ehre, ein
Glaͤubiger Friedrichs des Groſſen, des Groͤßten, des
Einzigen zu werden? Das war es wol nicht; ſon-
dern dieſe 2 p. C. waren der Preis der ſchwachen
Hofnung, daß der Hof mit dem Koͤnige abhandeln,
und doch wenigſtens ein Teil jener Schuld bezahlt
werden wuͤrde. Dazu aber ſcheint das Britiſche
[298]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Miniſterium nie Luſt gefaßt zu haben. Denn es
wuͤrde, um den Britiſchen Untertahnen zu ihrem
Rechte zu verhelfen, ſich zu einer ungefaͤhr gleichen
Summe haben verſtehen, und dieſe aufnehmen
muͤſſen, um damit zu compenſiren. Nachmals ward
es aber auch ein Grund mehr dies nicht zu tuhn, weil
man nur den dermaligen Eignern fuͤr 2 p. C., die
ſie ihnen mogten gekoſtet haben, einen uͤbergroſſen
Gewinn wuͤrde zugejagt haben.
§. 15.
Aus dieſen Urſachen und unter dieſen Veran-
laſſungen werden nun zwar die Staatsſchulden der
Gegenſtand eines Handels, und eine Quelle des Ge-
winns fuͤr manche Buͤrger des Staats ſo wol, als
fuͤr Auslaͤnder. Aber was ich oben §. 8. von dem
Actienhandel geſagt habe, gilt auch von dieſem mit
den Staatspapieren. Fuͤr die Buͤrger des Staats,
wenn einmal derſelbe Schulden zu machen genoͤtigt
worden, iſt es gewiß beſſer, wenn kein Handel mit
dieſen Schulden Statt hat. Was Ein Buͤrger des
Staats gewinnt, das verliert der andre. Nicht nur
wird keinem Zweige der Induſtrie dadurch aufgehol-
fen, ſondern vielmehr wird dieſelbe uͤberhaupt da-
durch geſtoͤrt. Es faͤllt ſo ſehr ins Ohr, wenn man
hoͤrt, dieſer oder jener habe in dem Handel mit
Staatspapieren gewonnen. Geldreiche Leute, die
[299]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
keinen andern Handel verſtehen, wenden ihr Geld
in dieſem an, welches ſie ſonſt bei ihren Mitbuͤrgern
zu belegen wuͤrden ſuchen muͤſſen, und deren Privat-
Induſtrie befoͤrdern. Da geht es dann eben ſo, wie
mit dem lezten Actien-Handel in Daͤnemark, uͤber
welchem die Nation die ſoliden Vorteile verſaͤumte,
welche ihr die Zeitumſtaͤnde in dem damaligen See-
kriege anboten.
Aber wie iſt dieſem Handel zu wehren, wenn
nun einmal der Staat verſchulder iſt, und dieſes un-
ter der Bedingung der Verkaͤuflichkeit? Es iſt nicht
noͤtig ihm zu wehren; denn unter folgenden Umſtaͤn-
den wird er gar nicht entſtehen: 1) Wenn der Staat
ſeine Schulden in dem Wege eines Privatmanns
macht, ſeinen Credit nicht uͤbertreibt, und keine Ver-
muhtung entſtehen macht, daß ſeine ſpaͤtern Schulden
wegen erhoͤheter Zinſen mehr werden wehrt werden,
als die fruͤhern; aber auch ſeinen Credit ſo zu erhalten
weiß, daß ſeine Schulden nie unter dem Capital-
wehrt ausgeboten werden koͤnnen. 2) Wenn er ſich
ſo weit hilft, daß er zur Abbezahlung ſeiner Schul-
den Raht ſchaffen, und damit einen betraͤchtlichen
Anfang machen kann. Wer wird z. B. jezt noch
eine Schuld des groſſen Staatswirts, des Herzogs
von Braunſchweig, mit Vorteil anbringen koͤnnen,
da man gewiß iſt, das derſelbe in Kurzem keine
[300]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Schulden mehr haben wird. 3) Wenn er ſeine
Schulden ſo, wie ein Privatmann mit dem beider-
ſeitigen Rechte der Aufkuͤndigung macht. Daraus
entſteht der groſſe Vorteil, daß der Staat den Zuͤgel
in Haͤnden hat, um die Zinſen niedrig zu halten.
Er wird, wenn er ſeinen Verpflichtungen getreu
bleibt, immer niedrigere Zinſen als der Privatmann
genieſſen, und, wenn er durch Aufkuͤndigung ſie
noch weiter herunter bringt, den Buͤrger, dem dieſe
Zinſen zu geringe werden, noͤtigen, ſein Geld, es
ſei auf hypothekariſchen oder perſoͤnlichen Credit,
ſeinem Mitbuͤrger zur Befoͤrderung von deſſen Pri-
vat-Induſtrie darzuleihen. Dies erfaͤhrt Hamburg,
und hat es ſchon oft erfahren.
§. 16.
Der Misbrauch der Banken, inſonderheit der
Zettelbanken, giebt manchem Staate eine Aushuͤlfe
Schulden zu machen, die freilich nicht als ſolche er-
ſcheinen, wenigſtens nicht ein Gegenſtand des Han-
dels werden; man moͤgte denn das einen Handel
nennen, daß die Banknoten in dem Maaſſe fort-
dauernd im Curſe verlieren, wie der Staat der Bank
mehr und mehr ſchuldig wird, oder, wenn er ſich zu
deren Eigner gemacht hat, die Banknoten vermehrt,
wie ſeine Beduͤrfniſſe es zu erfodern ſcheinen. Jenes
geſchah in Schweden in dem Ruſſiſchen Kriege 1741
[301]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
und in dem ſiebenjaͤhrigen Kriege. Beides iſt in
Daͤnemark ſeit dem Jahr 1762 geſchehen. In dem
umgekehrten Wege iſt es in Rußland gegangen, da
im Jahr 1778 die Kaiſerin, als alleinige Eignerin
der Bank, 100 Millionen Banknoten mehr ausfer-
tigen ließ, und ſie, wenigſtens groͤſtenteils, den
Guͤterbeſizern als Dahrlehn gab.
Das iſt dann freilich ein fortgehender Verluſthan-
del fuͤr die Nation, ohne zu einem Gewinnhandel
fuͤr deren Regenten zu werden, in deren Haͤnden dies
Papiergelde immer minder wehrt wird. Denn wenn
es damit aufs hoͤchſte getrieben iſt, und die Regenten
ihren eigenen Schaden in dem Abgange an ihren in
dieſen Banknoten bezahlten Einkuͤnften zu ſehr fuͤh-
len, ſo muß freilich Wandel in der Sache geſchaft
werden. Dann muß der Staat entweder, wie dies
1774 in Schweden geſchah, baares Geld negociiren,
um ſein Geldweſen in Ordnung zu bringen; oder er
muß, wie dies jezt in Daͤnemark geſchieht, und
gewiß zu ſeiner Zeit in Rußland geſchehen wird,
durch alle ihm moͤgliche Erſparung ſich in den Stand
ſezen, der Banknoten, welche in ſeine Caſſe als
Einnahme kommen, nach und nach ſo viele zu ver-
nichten, bis ein ungefaͤhres Gleichgewicht zwiſchen
den noch uͤbrigen und der in der Nation vorraͤhtigen
Geldes-Maſſe wieder entſteht. Erſt alsdann zeigt
[302]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
ſich, daß das zum Behuf der Beduͤrfniſſe des Staats
gemachte Papiergeld doch eine wahre bei der Na-
tion gemachte Schuld geweſen ſei, wenigſtens ganz
aͤhnliche Folgen fuͤr die Regenten, wie wirklich an-
geliehenes Capital, habe.
§. 17.
An dieſen Handel mit Actien und Staatspapieren,
von welchem dieſe doch noch ein wirklicher Gegen-
ſtand ſind, knuͤpft ſich in manchen Staaten, inſon-
derheit in England, ein Handel, von welchem dieſe
Papiere nur zum Schein der Gegenſtand ſind. Man
unterſcheidet ihn in England von jenem Handel
(Stocks-Trade) durch die Benennung (Stocks-
Jobbery). Man wird ſogleich einſehen, was er
bedeute, wenn man das nachliest, was ich oben
§. 7. von dem leeren Praͤmienhandel geſagt habe.
Denn in dieſer Stocks-Jobbery iſt es blos auf den
Unterſchied in dem Preiſe der Stocks abgeſehen, den
ein Teil dem andern bezahlt, und kein Staatspa-
pier geht von dem Verkaͤufer zu dem Kaͤufer uͤber.
Die Sache ganz zu verſtehen, muß man wiſſen,
daß freilich der reelle Stockshandel ſo lebhaft in Lon-
don fortgehe, daß an jedem Wochentage Beraͤnde-
rungen in deren Preiſen entſtehen, welche in den
oͤffentlichen Papieren angedeutet werden. Aber das
Eigentuhm derſelben kann nur durch Umſchreibung
[303]Cap. 6. Von minder gewoͤhnl. Handl.
in dem Gebende der Bank am 15ten der vier Monate,
Februar, Mai, Auguſt und November, wirklich
uͤbertragen werden. Sehr natuͤrlich entſtehen oft
Vorfaͤlle, da einer, der zum Beiſpiel am 27ſten
Maͤrz 1791. 3 pro Cent Stoks zu 76 pro Cent ver-
kaufte, ſich am 15ten Mai den Verkauf gereuen
ließ, da ſie wieder auf 81 p. C. ſtanden, dem Kaͤu-
fer als Reukauf die 5 p. C. anbot, um welche ſie
geſtiegen waren, und die Umſchreibung mit beider
Einwilligung unterblieb. (Jenes Fallen ruͤhrte von
Pitts Verſuch her, die Kaiſerin von Rußland zum
Frieden mit den Tuͤrken zu noͤtigen, und dieſes
Steigen von der Herabſtimmung des hohen gegen
Rußland angenommenen Tons, bei welchem man
ſchon wiſſen konnte, daß es Friede bleiben wuͤrde.)
Bei den Stocksjobbern war aber am 15ten Mai von
keiner Umſchreibung die Rede, ſondern wer den 27ſten
Maͤrz zum Schein Stocks gekauft hatte, empfieng,
und wer verkauft hatte, bezahlte dem andern am
15ten Mai dieſe 5 p. C. Noch mehr, nemlich 8
p. C., ward von den verkaufenden Stocks-Jobbern
zwiſchen dem 2ten Julius, da ſie auf 81 ſtanden,
und dem 15ten Auguſt deſſelben J. verloren, da ſie
auf 89 geſtiegen waren. In dieſem Wege kann alſo
einer an jedem Boͤrſentage 10000 Pfd. Stoks ver-
kaufen, wenn er hinlaͤnglichen Credit hat, ohne daß
er 1 L. S. wirklich an die Nation zu fodern hat.
[304]3. Buch. Verſchiedene Arten der Handl.
Ich werde mehr von dieſem verderblichen Handel in
den Zuſaͤzen ſagen, und will nur noch anfuͤgen, daß
Geſeze genug gegen denſelben in England gegeben
ſind, aber ohne Wirkung, weil der Straffaͤllige nicht
uͤberwieſen werden kann, wenn er einwendet, er
habe im Ernſt gekauft und durch einen Reukauf ſich
wieder davon loß gemacht.
Appendix A Inhalt
des erſten Teils.
- Einleitung.
§. 1. Die weſentliche Abſicht alles Handels
iſt Gewinn. S. 3. - — 2. Wie ſich der Gewinn im bloſſen Tauſch-
handel zeige. — — - — 3. Vom Geldgewinn. — 4.
- — 4. Die Gegenſtaͤnde dieſer Abhandlung
ſind: Waaren, Geld, Arten der Hand-
lung, deren Huͤlfsmittel und die Hand-
lungs-Politik. — — - — 5. Warum jedoch vom Gelde zuerſt ge-
handelt werden muͤſſe. — 5. - — 6. Daraus folgende Einteilung dieſer Ab-
handlung in fuͤnf Buͤcher. — —
Erſtes Buch.
Von dem Gelde uͤberhaupt und dem Geldeswehrt
der Dinge.
U
[306]Inhalt.
Erſtes Capitel.
Von dem Gelde uͤberhaupt und dem Verhaͤltnis des
Goldes und Silbers.
§. 1. Die erſte Frage bei allem Gelde betrift
deſſen Gehalt. S. 7. - — 2. Nohtwendigkeit eines Zuſazes zu dem
Golde und Silber in den Muͤnzen:
Vom Schrot und Korn derſelben. — — - — 3. Von dem uͤblichen Gold- und Silber-
Gewigt: Von einigen Muͤnzfuſſen,
die den Silber-Gehalt der Muͤnzen in
der Mark fein geradezu angeben. — 9. - — 4. Vom Schlagſchaz und den verſchiede-
nen Wegen denſelben zu gewinnen. — 10. - — 5. Der Schlagſchaz wird auch durch die
Fehler der Muͤnzkunſt notwendig. — 12. - — 6. Von dem Verhaͤltnis des Goldes und
des Silbers. — 13. - — 7. Schwierigkeit das Verhaͤltnis zwi-
ſchen dem Kupfer und den edleren
Metallen zu beſtimmen. — 15. - — 8. Wie der Wehrt der verkaͤuflichen
Dinge, und — 16. - — 9. der Wehrt des nuzbaren Eigentuhms
ſich in Gelde beſtimme. — 18.
[307]Inhalt.
Zweites Capitel.
Von den Banken, den durch dieſelben entſtehenden
Zeichen des Wehrts und andern Zeichen
des Wehrts
§. 1. Der urſpruͤngliche Zwek der Banken
iſt Erleichterung der Zahlung. S. 19. - — 2. Entſtehen der Giro-Banken. — —
- — 3. Entſtehen der Zettel-Banken. — 20.
- — 4. Die Zettelbanken erfuͤllen jenen
Zwek leichter. — 21. - — 5. Wie in denſelben Gewinn fuͤr ihre
Eigner entſtehe. — — - — 6. Wie dieſer zu hoch getrieben werden
koͤnne. — 22. - — 7. Von dem Verfall einer ſolchen Bank. — 23.
- — 8. Unterſchied des eigentlichen Papier-
Geldes von den Banknoten. — 24. - — 9. Staats-Schulden machen kein ei-
gentliches Papiergeld entſtehen. — — - — 10. Wie dieſelben im Wehrte fallen. — 25.
- — 11. Ein gleiches gilt von den Actien. — 26.
Drittes Capitel.
Von der Circulation des Geldes.
§. 1. Mit Gelde bezahlt man eigentlich
nur menſchliche Arbeit. S. 26.
U 2
[308]Inhalt.
§. 2. Wo viele Dienſte und Arbeiten bezahlt
werden, da circulirt das Geld lebhaft. S. 27. - — 3. Jede Circulation des Geldes ohne
dieſen Zwek iſt fruchtlos. — — - — 4. Die Circulation iſt teils eine einhei-
miſche, teils eine auslaͤndiſche. — 28. - — 5. Einheimiſche Circulation unter den
verſchiednen Volksclaſſen. — — - — 6. Grund der auslaͤndiſchen Circulation.
Sie iſt minder wichtig. alv jene. — 30.
Viertes Capitel.
Von den Zinſen und dem Credit.
§. 1. Grund der Zinſen. Ehemalige Un-
zulaͤſſigkeit derſelben. S. 31. - — 2. Beſtimmungsgruͤnde der Zinſen. — 32.
- — 3. Was Credit eigentlich ſei, und Ein-
teilung deſſelben in den hypothekari-
ſchen und perſoͤnlichen. — 33. - — 4. Der Credit des Kaufmanns iſt ein
perſoͤnlicher. — 35. - — 5. Von dem Einfluſſe der Zinſen auf die
Handlung, und — 36. - — 6. auf den Ackerbau — —
- — 7. Wie ſich die Zinſen. nach den Staats-
Schulden richten. — 38. - — 8. Vom Wucher im Allgemeinen. — 39.
[309]Inhalt.
Fuͤnftes Capitel.
Von dem Gelde verſchiedener Staaten und der Aus-
gleichung deſſelben im ſogenannten Pari.
§. 1. Schwierigkeit eines allgemeinen
Muͤnzfuſſes. S. 40. - — 2. Vor Alters ward Silber inſonder-
heit nach dem Gewichte gerechnet und
gezahlt. — 41. - — 3. Allmaͤhlige Verminderung des alten
Muͤnzpfundes. — 42. - — 4. Allgemeine Urſachen der Verruͤkkung
des Wehrts der Muͤnzen. — 45. - — 5. Gruͤnde der Berechnung des Pari
der Muͤnzen. — — - — 6. Verſchlechterung der Muͤnzen durch
den Verbrauch. — 47. - — 7. Wie eine Girobank, und wie inſon-
derheit die Hamburgiſche Bank den
Wehrt ihres Geldes unveraͤnderlich
erhalte. — — - — 8. Wie die Hamburgiſche Bank zur Aus-
gleichung des Wehrts der Muͤnzen
anderer Staaten diene. — 49. - — 9. Wie das Gold in Hamburg gegen
Banco berechnet werde. — 50. - — 10. Vom Aufgelde. — 51.
[310]Inhalt.
§. 11. Schaͤdliches Wegwechſeln der Muͤn-
zen Eines Metalls durch die des
andern, als eine Folge gewiſſer
Muͤnzfehler. S. 53.
Sechſtes Capitel.
Von den Wechſeln.
§. 1. Natuͤrliches Entſtehen eines Tau-
ſches der Schulden. S. 54. - — 2. Dabei kann auf zweierlei Art verfah-
ren werden. — — - — 3. Verſchiedene Folgen dieſes verſchiede-
nen Verfahrens. — 55. - — 4. Form der Anweiſung in dem zweiten
Fall. — 56. - — 5. Folgen daraus fuͤr den Ausſteller der
Anweiſung und Grund des ſtrengen
Wechſelrechts. — — - — 6. Dies entſtand fruͤher, als die geſchrie-
benen Wechſelgeſeze. — 57. - — 7. Benennung derer vier Perſonen, die
an einem vollkommenen Wechſel Teil
haben. — 58. - — 8. Von Wechſeln, wo der Traſſant und
der Remittent Eine Perſon iſt. — 60.
[311]Inhalt.
§. 9. Von troknen Wechſeln, an welchen
nur zwei Perſonen Teil nehmen. S. 61.
Anm. Formulare von dieſen dreier-
lei Wechſeln und Erlaͤute-
rung der verſchiedenen Rechte,
die aus jeden entſtehen. — 62. - — 10. Vom Indoſſiren der Wechſel. — 69.
- — 11. Von dem Rechte der Indoſſaten
gegen ihre Vormaͤnner. — — - — 12. Von der Nohtwendigkeit mehrerer
Abſchriften Eines Wechſels in Abſicht
auf das Giriren deſſelben. — 70. - — 13. Vom Wechſelproteſt und Ruͤkwechſel. — 72.
- — 14. Vom Uſo der Wechſel, und deſſen
Grunde. — 73. - — 15. Von den Friſt- oder Reſpittagen. — 74.
- — 16. Von Wechſeln auf Sicht und noͤtiger
Vorſicht bei denſelben. — 75. - — 17. Von dem Diſcont der Wechſel. — 77.
- — 18. Wie ſich der Diſcont in dem Wech-
ſelcurs verſtekke. — 79.
Anm. Erklaͤrung des Ausdruks:
Feſte Valuta. — 81. - — 19. Von der Wechſelreuterei. — 82.
- — 20. Gruͤnde des Wechſelpart. — 85.
- — 21. Von dem in handelnden Staaten an-
genommenen Wechſelgelde. — 87.
[312]Inhalt.
§. 22. Wenn der Wechſelcurs im Pari
ſteht, ſo kann dies nur in Sicht-
wechſeln ſich zeigen. S. 89. - — 23. Verruͤkkung des Wechſel-Pari durch
Muͤnzfehler und Papiergeld. — — - — 24. Verruͤkkung durch die Handlung
ſelbſt, und Erlaͤuterung davon. — 90. - — 25. Bei hohem Wechſelcurs gewinnt in
jedem Staat beſonders Ein Kauf-
mann von dem andern; aber noch
entſteht kein Gewinn oder Verluſt
fuͤr die Staaten ſelbſt daraus. — 92. - — 26. Der Wechſelcurs iſt nicht ein Ba-
rometer der Handelsbalanz zwiſchen
zwei Staaren. — 94. - — 27. Erlaͤuterung der wahren Urſache,
welche den Wechſelcurs beſtimmen,
und Folgen davon. — 95. - — 28. Bis zu welchen Grenzen der Wech-
ſelcurs fallen koͤnne. — 100. - — 29. Verbot der Ausfuhr des Geldes
zwingt den Wechſelcurs nicht. — 102. - — 30. Wenn Papiergeld in einer Nation
circulirt, ſo treibt ein nachteiliger
Wechſelcurs zulezt alles Geld aus
dem Lande, zumal wenn Kriege
[313]Inhalt.
und hochgetriebene Handlungs-
Speculationen dazu kommen S. 102.
§. 31. Grenzen, bis zu welchen in dem
Fall des §. 29 der Curs ſinken
kann. — 104. - — 32. In dem Falle des 30ſten §. hat
dies Sinken keine Grenzen. — 105. - — 33. Wie bei Wechſeln alles dem
Buchſtaben gemaͤs gelten muͤſſe. — 106. - — 34. Von Verfaͤlſchung der Wechſel
und einzelnen Misbraͤuchen. — 109. - — 35. Schwierigkeiten, die den Gang
des Wechſelgeſchaͤftes hindern. — 111. - — 36. Vorausſezungen bei einem ſolchen
freien Gange. — 112.
(Durch Verſehen iſt die Zahl der fol-
genden §§. dieſes Capitels um
1 zu groß in dem Buche.) - — 37. Folgen, wenn dieſe Vorausſezun-
gen nicht Statt haben. — 115. - — 38. Groſſe handelnde Staaten haben
nur einzelne Haupt-Wechſelplaͤze,
in welchen ſich der Curs ſtellt. — — - — 39. Warum Holland nicht auf Rus-
land traſſiren koͤnne? — 117. - — 40. Warum Holland und Hamburg
nicht auf Schweden? — 119.
[314]Inhalt.
§. 41. Schwierigkeiten des Wechſelgan-
ges zwiſchen den Deutſchen Han-
delsſtaͤdten. S. 120. - — 42. Von den Vorteilen der Banker
aus dieſen Schwierigkeiten. — 121.
Zweites Buch.
Von den Waaren, als dem Gegenſtande der
Handlung und dem Waarenhandel im
Allgemeinen.
Erſtes Capitel.
Von den Waaren uͤberhaupt.
§. 1. Was eine Waare ſei. S. 123. - — 2. Vorausſezungen, unter welchen
ein Ding zur Waare wird, 1) daß
es ein Beduͤrfnis vieler ſei. — 124. - — 3. 2) Es muß nicht ohne Muͤhe aus
der Natur genommen werden
koͤnnen. — 125. - — 4. 3) Irgend jemand muß ein Eigen-
tuhmsrecht daran haben. — 126. - — 5. 4) Es muß nicht ſchnell verderb-
lich ſein. — 127. - — 6. Faſt alle rohe Waaren erfodern eine
gewiſſe Vorarbeit. — 128.
[315]Inhalt.
§. 7. Bei andern wird die Arbeit des
Sortirens nohtwendig. S. 130. - — 8. Wichtigkeit und Eintraͤglichkeit die-
ſer Vorarbeiten. — — - — 9. Nohtwendigkeit der Waaren-Kennt-
nis, auch bei rohen Producten. — 132. - — 10. Grund der Waarenkenntnis in
der Naturgeſchichte und Techno-
logie. — 133. - — 11. Wie weit erſtere dem Kaufmann
nohtwendig werde. — 134. - — 12. Wie weit die Technologie. — 136.
- — 13. Doch lehren beide Wiſſenſchaften
den Kaufmann nicht alles, was
er bedarf. — 137. - — 14. Kein Kaufmann muß glauben,
der Waarenkenntnis entbehren zu
koͤnnen. — — - — 15. Der Makler und deſſen Dienſte
machen ſie ihm keineswegs ent-
behrlich. — 139. - — 16. Beiſpiele von Nebenumſtaͤnden,
die zur Kenntnis der Waaren ge-
hoͤren. — 140. - — 17. Von dem Einfluß des Willkuͤhrs
der Menſchen auf die Waaren. — 142.
[316]Inhalt.
§. 18. Von der Kenntnis der Betruͤge
bei Waaren. S. 145.
Zweites Capitel.
Einteilung der Waarenhandlung in allgemeiner
Ruͤkſicht.
§. 1. Von dem Productenhandel. S. 149. - — 2. Von dem Coloniehandel. Das Al-
tertuhm kannte den Coloniehandel
unſerer Zeiten nicht. — — - — 3. Von dem Manufacturhandel. Un-
terſchied der Manufacturen in die
vollendenden und vorarbeitenden,
oder Arbeiten der erſten Hand. — 152.
Anm. Der Begrif von Manu-
facturen und Fabriken
wird beſtimmt. — 154. - — 4. Von dem Zwiſchenhandel. — 155.
Anm. Ueber die Benennung:
Zwiſchenhandel. — — - — 5. Ueber einige andere Benennungen
der Handlung, deren Grund in der
Art ſie zu betreiben liegt. — 156. - — 6. Die Fiſcherei iſt ein Zweig des Pro-
ductenhandels. Der Schiffsbau ein
Zweig des Manufacturhandels.
[317]Inhalt.
Die Schiffahrt nicht eine Hand-
lung, ſondern ein Huͤlfsmittel der-
ſelben. S. 158.
§. 7. Von einigen ſchon durch ihre Be-
nennung ſich erklaͤrenden Arten der
Waarenhandlung. — 159. - — 8. Vom Activ- und Paſſivhandel, und
von unrichtiger Anwendung dieſer
Benennungen. — — - — 9. Naͤhere Darſtellung dieſer Unrich-
tigkeit. — 160. - — 10. Richtigere Benennung des Gewinn-
und Verluſthandels. — 161.
Drittes Capitel.
Von Maaſſen und Gewichten, dem Gutgewicht, der
Thara und dem Rabatt.
§. 1. Im Waarenhandel koͤmmt es auf
die koͤrperliche Maſſe der Waare
an. Das Waͤgen iſt das natuͤrlich-
ſte Mittel zu deren Beſtimmung. S. 162. - — 2. Dieſe Maſſe wird gemeſſen
1) bei fluͤſſigen und kleinkoͤrnig-
ten Waaren. Doch iſt es
viel richtiger, das Korn zu
waͤgen als zu meſſen. — 163.
[318]Inhalt.
§. 3. Vom Meſſen naſſer Waaren in
Quantitaͤten. S. 166.
Anm. Von den verſchiedenen
Viſierſtaͤben. — 167. - — 4. Von der Thara und deren Ent-
ſtehen. — 168. - — 5. Warum ſie in Procenten vom Hun-
dert berechnet werde. — 169. - — 6. Vom Gutgewicht und deſſen
Grunde. — 170. - — 7. Von der Refactie, oder dem Abzuge
wegen zu groſſer Unreinigkeit der
Waare. — 171. - — 8. Gruͤnde von dem Entſtehen des ſo-
genannten Rabatts. — — - — 9. In der Handlung unſerer Zeiten
macht er eine unnuͤze Weitlaͤuftigkeit. — 173. - — 10. Von dem jezt uͤblichen Credit beim
Waarenhandel. — 175. - — 11. Von der in Hamburg uͤblichen Be-
handlung der Waaren zu einem
feſten Curs des Curants gegen
Banco. — 177. - — 12. Im Handel mit Ellenwaaren kennt
man das alles nicht. — — - — 13. Schwierigkeit der Einfuͤhrung
eines allgemeinen Laͤngenmaſſes. — —
[319]Inhalt.
Viertes Capitel.
Von der Beſtimmung des Preiſes der Waaren im
groſſen Handel, den Waarenberechnungen,
der Nachfrage und den Specula-
tionen eines Kaufmanns.
§. 1. Von dem natuͤrlichen Wehrt der
Waaren. S. 179. - — 2. Vergroͤſſerung deſſelben bei deren
Verſendung. — 180. - — 3. Willkuͤhrliche denſelben vermehren-
de Koſten durch Aſſecuranz und
Zoͤlle. — —
Anm. Von der Schwierigkeit,
welche die Zoͤlle dem Kauf-
mann machen. — 181. - — 4. Von Calculationen und Conti Finti. — 182.
- — 5. Wie ſich der halbwiſſende Kauf-
mann ſonſt half, und wie ihm jezt
durch Buͤcher geholfen wird. — 183. - — 6. Von der Nachfrage und deren
Graden. — 184. - — 7. Wie eine hohe Nachfrage entſtehe. — 185.
- — 8. Von der Concurrenz. — 186.
- — 9. Von der Speculation. — 187.
- — 10. Von Conjuncturen. — 189.
[320]Inhalt.
§. 11. Einfluß der Kriege neuerer Zeit
auf Conjuncturen und Specu-
lationen. S. 190.
Drittes Buch.
Von den mancherlei Arten die Handlung zu
betreiben.
Erſtes Capitel.
Von der ſogenannten Propre- oder Eigen-
Handlung.
§. 1. Die Eigen-Handlung iſt die na-
tuͤrlichſte. S. 192. - — 2. Wie dieſelbe vor Alters in dem
Tauſchhandel beſtand. — 193. - — 3. Vormals reiste der Kaufmann ſelbſt
mit ſeinen Waaren. — 194. - — 4. Jezt bedarf es dieſer Reiſen we-
niger. — — - — 5. Einteilung der Handelsplaͤze in
Ruͤkſicht auf den eigenen Handel,
1) in Niederlagen. — 195. - — 6. Auch groſſen Manufacturplaͤzen
koͤmmt dieſe Benennung zu. — 197. - — 7. 2) In Stapelplaͤzen. — —
- — 8. In vielen dieſer Stapelplaͤze haͤlt
man zu feſt an dem Eigen-Handel. — 199.
[321]Inhalt.
§. 9. 3) In Marktplaͤzen. Wie die Natur
die Lage und den Ort dieſer Markt-
plaͤze gewiſſermaſſen beſtimme. S. 200. - — 10. Wie eine inlaͤndiſche Stadt ein
Marktplaz werden koͤnne. — 202. - — 11. Von dem Eigenen Handel, der
nicht uͤber den Wohnſiz des Kauf-
manns, der ihn treibt, geht. — 204. - — 12. Von Commanditen. — 206.
Zweites Capitel.
Von dem Commiſſions-Handel.
§. 1. Erleichterung der Handlung in
nenerern Zeiten. S. 207. - — 2. Wie dadurch der Handel durch Com-
miſſionen moͤglich ward. — — - — 3. Doch ſezt der Commiſſions-Handel
immer einen eigenen Handel voraus. — 208. - — 4. Von dem Lohn des Commiſſio-
naͤrs. — 209. - — 5. Wie ſich dieſer Lohn oder Proviſion
faſt durchgaͤngig gleich geſtellt habe. — 210. - — 6. Von dem Commiſſions-Handel in
Manufacturſtaͤdten. — 211. - — 7. Von Einkaufs-Commiſſionen. — 213.
X
[322]Inhalt.
§. 8. Von Verkaufs-Commiſſionen. Ge-
fahr der franzoͤſiſchen Commiſſio-
nen durch das droit de ſuite. S. 215. - — 9. Bedenklichkeiten bei den Einkaufs-
Commiſſionen. — 218. - — 10. Nothwendigkeit der Waaren-Kennt-
nis im Commiſſions-Handel. — 220. - — 11. Bedenklichkeiten bei Verkaufscom-
miſſionen. — 221. - — 12. Von dem bei Verkaufscommiſſio-
nen Statt habenden del Credere. — 222. - — 13. Groͤſſere Schwierigkeit dabei in den
Stapelſtaͤdten und kleinere in den
groſſen Marktplaͤzen. — 224. - — 14. Von der oft vorfallenden Zoͤgerung
der Bezahlung. — 226.
Drittes Capitel.
Von dem Tranſito- und Speditions-Handel.
§. 1. Spedition ſollte eigentlich nicht
Handlung heiſſen. S. 227. - — 2. Kurze Geſchichte des Tranſit-Han-
dels. — — - — 3. Der in mittlern Zeiten mit ſeinen
Waaren reiſende Kaufmann be-
durfte keines Speditoͤrs. — 229.
[323]Inhalt.
§. 4. Erſchwerung des Tranſithandels in
Deutſchland durch Stapelgerechtig-
keiten und Zoͤlle. S. 230. - — 5. Entſtehen der Spedition in deut-
ſchen Handelsſtaͤdten. — 233. - — 6. Rechtmaͤſſige und unrechtmaͤſſige
Vorteile des Speditoͤrs. — 234. - — 7. Wie ſich die Spedition auch an die
Geſchaͤfte eines Marktplazes an-
knuͤpfe. — 236. - — 8. Unbillige Gefahr dabei. — 238.
Viertes Capitel.
Von der Geſellſchafts-Handlung unter Privat-
Perſonen.
§. 1. Privat-Companien haben ihre gute
und ihre boͤſe Seite. S. 239. - — 2. Erſte Veranlaſſung derſelben in
der Art der Geſchaͤfte und den dabei
noͤtigen Reiſen. Bedenklichkeiten
dabei. — 240. - — 3. Zweite: in dem groſſen Umfang
und Schwierigkeit der Geſchaͤfte.
Bedenklichkeiten dagegen. — 242. - — 4. Dritte: Unfaͤhigkeit des Haupts der
Handlung. Dieſe hat die groͤſten
Bedenklichkeiten. — 243.
[324]Inhalt.
§. 5. Vierte: Vermehrung des zur Hand-
lung noͤtigen Kapitals. Auch dieſe
hat ihre Bedenklichkeit. S. 246. - — 6. Von der Vereinigung einzelner
Kaufleute fuͤr einzelne Geſchaͤfte. — 247. - — 7. Wie dennoch Privat-Handlungs-
Societaͤten rahtſam bleiben koͤnnen. — 248.
Fuͤnftes Capitel.
Von den oͤffentlichen Handlungs-Companien.
§. 1. Gewoͤhnliche Veranlaſſung der-
ſelben. S. 250. - — 2. Haupt-Bedenklichkeiten bei denſel-
ben in der Wahl der Directoren. — 251. - — 3. Von den Actien ſolcher Com-
panien. — — - — 4. Von dem Dividend. — 253.
- — 5. In der Vorzeit kannte man ſolche
Companien nicht. In neuern Zei-
ten entſchließt man ſich zu voreilig
fuͤr dieſelben. — — - — 6. Kurze Darſtellung der Gruͤnde wi-
der die groſſen Handlungs-Compa-
nien. I) Warum ſie nicht den ge-
hoften Vorteil machen. — 255.
[325]Inhalt.
§. 7. II) Wie ſie ſchaͤdlich fuͤr den Staat
werden. S. 257. - — 8. Voransſezungen, ohne welche keine
Handlungs-Companie errichtet wer-
den muß. — 258. - — 9. Von Companien, welche nur die
Verteilung gemeiner Koſten einer
Handlung zum Zwek haben. — 261. - — 10. Ueber die Vereinigung zur Vertei-
lung des Schadens der Seegefahr. — 262. - — 11. Schwierigkeit einer ſolchen allge-
meinen Vereinigung wider See-
ſchaͤden, wie die in der Brandaſſe-
curanz uͤbliche iſt. — 265. - — 12. Wie dennoch die Verſicherten eine
wandelbare Geſellſchaft ausma-
chen. — 266. - — 13. Von den feſtſtehenden Geſellſchaf-
ten der Verſicherer oder den Aſſe-
curanz-Companien. — 267. - — 14. Groſſe Vorzuͤge ſolcher Compa-
nien vor allen andern Handlungs-
Companien. — 269. - — 15. Schwierigkeit einer aͤhnlichen Aſſe-
curanz-Compagnie auf den kauf-
maͤnniſchen Credit. — 272.
[326]Inhalt.
Sechſtes Capitel.
Von einigen minder gewoͤhnlichen Arten die Hand-
lung zu betreiben.
§. 1. Beſondre Umſtaͤnde in dem Handel,
wenn er in weite Entfernungen
geht. S. 275. - — 2. Gefahr des an die, welche ihn unter
dieſen Umſtaͤnden treiben, gegebe-
nen Credits. — 277. - — 3. Benennung: Gros-Aventur-Han-
del. — 278. - — 4. Warum derſelbe in dem naͤher be-
triebenen Handel nicht Statt habe. — 279. - — 5. Von Lieferungs-Contracten uͤber-
haupt. — 281. - — 6. Vom Handel auf Lieferung. — 282.
- — 7. Vom Praͤmien-Handel. — 285.
- — 8. Vom Praͤmien-Handel, der ein
bloſſes Spiel iſt. — 286. - — 9. Vom Actienhandel im Allgemeinen.
Unnuͤzlichkeit deſſelben, ſelbſt fuͤr
die Handlungs-Companien und de-
ren Geſchaͤfte. — 287. - — 10. Zunahme und Uebertreibung deſſel-
ben in neuern Zeiten. — 290.
[327]Inhalt.
§. 11. Unter welchen Umſtaͤnden Staats-
Schulden der Gegenſtand eines Han-
dels werden koͤnnen. S. 291. - — 12. Von den Britiſchen Staatsſchulden
insbeſondere, und den Gruͤnden des
Handels mit denſelben. — 293 - — 13. Beſonderer Beſtimmungsgrund von
deren Wehrt. — 294. - — 14. Von den Schulden anderer Staaten
und den Beſtimmungsgruͤnden von
deren Wehrt, — 295. - — 15. Dem Handel mit Staatsſchulden
ſollte, ſo viel moͤglich, vorgebeugt
werden. Wie dies geſchehen koͤnne. — 296. - — 16. Aus dem Misbrauch der Zettelban-
ken entſtehen ebenfalls druͤkkende
Schulden fuͤr den Staat ſelbſt. — 300. - — 17. Von dem falſchen Stoks-Handel
(Stoks-Jobbery) in England. — 302.
[][][][]
unten geſagt werden.
Bedienter in Amſterdam. Seine ſchoͤne Leibes-
Laͤnge war Urſache, daß er unter Preuſſiſche
Werber gerieht und nach Potsdam gebracht ward,
wo er unter der Garde diente. Als Grenadier
in derſelben ſchrieb er: Anweiſung zur voll-
ſtaͤndigen Wechſel- und Waaren-Be-
rechnung, Potsdam 1774, aus dem Schaz ſei-
ner alten Kenntniſſe, und debicirte dieſelben
Friedrich dem Groſſen. Dies aber half ihm nicht
vorwaͤrts, ſondern er iſt, wie man mir verſichert
hat, einige Jahre darauf als Grenadier geſtorben.
Eiſen-Manufacturen ſo geſchaͤftigen Teile des
Herzogtuhms Berg an der Wuͤpper oberhalb
Elberfeld, vielleicht misbraͤuchlich, giebt. Denn
Remſcheid iſt nur E ins von denen vielen Kirch-
ſpielen dieſer Gegend.
nen wir aus Krauts Geſchichte der Luͤne-
burgiſchen Schaalfahrt in dem erſten
Stuͤck der Annalen der Br. Luͤneh. Chur-
lande. S. 67.
Der ſelige Kraut trug alſo kein Bedenken,
von ſeiner Vaterſtadt, welcher er als Proto-
Syndicus diente, eine ſo gehaͤſſig ſcheinende
Sache ans Licht zu bringen. Aber was kann uns
jezt hindern zu geſtehen, daß die Handlungs-
Politik der ehemals Hanſeatiſchen Staͤdte, ſo
wie die des ganzen Bundes, den hoͤchſten Eigen-
nuz zum Gegenſtand gehabt habe, daß ſie, wo
ſie nur konnte, einen Handlungszwang geuͤbt
habe, dem derjenige nicht allerdings gleicht, zu
welchem die neuere Handlungspolitik der Fuͤrſten
ſich ſo raſch entſchließt? Nur ein Tohr wird
ſagen, an den Nachkommen der Hanſeaten der
Vorzeit werde dadurch eine billige Vergeltung
geuͤbt. So ſchwache Gruͤnde muͤſſen nicht in
der Handlungspolitik entſcheiden. Denn die
Frage koͤmmt blos darauf an: iſt Handlungs-
zwang uͤberhaupt oder in gewiſſen Faͤllen fuͤrs
Ganze, oder insbeſondere fuͤr das Volk vorteil-
haft, deſſen Handlung man dadurch aufzuhelfen
ſucht? Und dieſe Frage bejahe ich in manchen
Faͤllen mit eben der Freimuͤtigkeit, welche ich
haben wuͤrde, wenn ich ſelbſt unter einem den
[Handlungszwang] liebenden Fuͤrſten lebte.
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 1. Theoretisch-Praktische Darstellung der Handlung in deren mannigfaltigen Geschäften. Theoretisch-Praktische Darstellung der Handlung in deren mannigfaltigen Geschäften. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bj3z.0