Die ganze
Aeſthetik in einer Nuß,
oder
Neologiſches
Woͤrterbuch;
als
ein ſicherer Kunſtgriff, in 24 Stunden
ein geiſtvoller Dichter und Redner
zu werden,
und ſich uͤber alle ſchale und hirnloſe Reimer
zu ſchwingen.
Alles aus den Accenten
der heil. Maͤnner und Barden

des itzigen
uͤberreichlich begeiſterten Jahrhunderts
zuſammen getragen,
und
den groͤßten Wort-Schoͤpfern
unter denſelben
aus dunkler Ferne geheiliget
von
einigen demuͤthigen Verehrern
der ſehraffiſchen Dichtkunſt.

1754.
[]

Ut mala quem ſcabies, aut morbus regius urget,
Aut fanaticus error, \& iracunda Diana;
Veſanum tetigiſſe timent, fugiuntque Poetam,
Quiſapiunt; agitant pueri, incautique ſequuntur.

Horat.

[]

Dem Geiſt-Schoͤpfer,
dem Seher,
dem neuen Evangeliſten, dem Traͤumer,
dem goͤttlichen
St. Klopſtocken,
dem Theologen;
wie auch
dem Syndfluthenbarden,
dem Patriarchendichter,
dem Rabbiniſchen Maͤhrchen-Erzaͤhler,
dem Vater der mizraimiſchen
und heiligen Dichtkunſt,
dem zweyhundertmaͤnniſchen Rathe
Bodmer,
widmen dieſe Sammlung neuer
Accente

Die Sammler.


[][]

Vorrede
zum neuen Woͤrterbuche.


Endlich, meine lieben Mitbruͤder!
bin ich im Stande, euch ein Buͤ-
chelchen zu uͤberreichen, wornach
ihr, ſonder Zweifel, laͤngſt werdet geſeufzet
haben. Jch bin ein junger Dichter; das
iſt, ich laſſe Zeilen von beliebiger Laͤnge
drucken:
ich weis es alſo aus Erfahrung,
wie ſchwer Sachen, die uns in unſern auf-
geklaͤrten Tagen Ehre machen ſollen, einer
geſunden Vernunft fallen. Jch erbarme
mich alſo; und recke mit einer kleinen
Sammlung davon hervor, die ich, wills
Gott, bis auf einen Folianten zu ver-
a 3mehren
[]Vorrede.
mehren gedenke. Es iſt doch nichts ſo
ſchoͤn, als Verſtand haben; und nichts ſo
ſicher, in itzigen Zeiten dazu zu gelangen,
als keine geſunde Vernunft zu haben.
Wie waͤren ſonſt die goͤttlichen Maͤnner,
ein B = = ein Br = = ein Kl = = und
andere dieſer Groͤße zu dem Ruhme gelan-
get, den ſie doch unwiderſprechlich beſitzen?
Ein Blick in die Schriften dieſer heili-
gen Maͤnner iſt mir wie ein Blick in
die goldenen Zeiten,
* wo noch ein Vers
etwas galt, der nach Biſem und Ambra
roch. Jch aͤrgere mich recht, und ich ſage
es hiemit zur Schande meines Vaterlan-
des: ich graͤme mich recht, daß man auf
dem Lande noch ſo ſpricht, als man vor je-
nen zehen Jahren in den Staͤdten ſprach;
und ſo dichtet, wie unſere lieben Alten dich-
teten. Die lieben Alten! Sie waren nur
die Zwerge, auf denen wir, Rieſen, ſtehen.
Kein Wunder, daß wir ſie zu Grunde ge-
treten
[]Vorrede.
treten haben! Jn Staͤdten, dem Himmel
ſey Dank! herrſchet eine ganz andere
Dichtkunſt. Bezeugen es nicht ſo manche
Gedichte junger Gelehrten; gelehrter Juͤng-
linge, die ſo gleich durch ihr Schiboleth
verrathen, wes Geiſtes Kinder ſie ſind?
Auf den Kanzeln ertoͤnet das Lob eines
goͤttlichen Klopſtocks;* in den Schu-
len, in den Baumſchulen der kuͤnftigen
Stuͤtzen des Landes, ** lernet man die Al-
ten verachten; ſo, daß es ein Wunder iſt,
wie es noch Wahnwitzige geben kann, die
ſich einem ſo oͤffentlichen Ausſpruche wider-
ſetzen. Aber die Schaalen! die Seich-
ten!
*** ſie haben ihren Lohn dahin. Sie
ſollen aus dem Buche der Dichter ausge-
kratzet, und in die kalten Gruͤnde der Rei-
mer verbannet werden.


a 4Jch,
[]Vorrede.

Jch, der ich nur zum Bewundern ge-
bohren bin; ich habe mich bereits ſeit 15
bis 16 Jahren, d. i. die halbe Zeit meines
Lebens, bemuͤhet, Bluͤmchen zu ſammeln,
die alle den Stengel zeigen, von dem ſie
gebrochen worden;
* d. i. Kinder des
Verſtandes ſind. Jch habe daher die
mehr als homeriſchen Teufel- und Bibel-
dichter
faſt alle geleſen, und bin, wenn
ichs ſagen darf, endlich ſo weit gekommen,
ein Mitglied der vortrefflichen Sprach-
ſchnitzergeſellſchaft,
oder himmliſchen
Juͤngerſchaft
** zu werden. Da nun ei-
nes jeden Pflicht iſt, ſein Talent nicht zu
vergraben: ſo wuchere auch ich mit meinem
Pfunde. Jch mache gar zu gern Proſely-
ten. Jch halte des Nachmittags ordent-
lich eine Erbauungsſtunde, wo ich meine
Schuͤler, an Statt eines Kapitels aus der
Bibel, allezeit ein Stuͤck aus der Meßiade
vorle-
[]Vorrede.
vorleſen, und in die gemeine Sprache
uͤberſetzen
laſſe. Jch habe auch bereits an-
gefangen, die Bibel in Hexameter zu brin-
gen, und die Luͤcken aus dem Meßias zu
fuͤllen. Welches vortreffliche Bibelwerk
ich hiemit allen Liebhabern der Froͤmmig-
keit beſtens anpreiſe. Nur ein franzoͤſiſch
Thierchen koͤmmt mir mit ſeinem Boileau
immer in die Queere. Jch bin manchmal
verliebt, um nur Gelegenheit zu haben, et-
was zaͤrtliches auszukramen. Jch opfre ihr
die ſchoͤnſten Bluͤmchen, die ich mir aus
dem Meßias, Noah ꝛc. geſammelt; ich re-
de lauter neue Accente.
* Sie lacht
mich aus; ſie zeigt mir gleich Stellen ihrer
Art poetique, die mir, in Wahrheit! nicht
viel Ehre machen. Und doch dichte ich!
Warum? Eben darum, warum meine
Vorgaͤnger dichten. Was gehen uns die
Franzoſen an? Sind wir nicht Herren in
unſerm Lande? Das waͤre ja eine ſeltſame
a 5Scla-
[]Vorrede.
Sclaverey, wenn unſer Verſtand gar fran-
zoͤſiren
ſollte: Schande genug, daß es un-
ſer Leib thut. Und iſt es denn wohl ſo
ausgemacht, daß Boileau Verſtand
hat?
Jch moͤchte ihn gern allen Franzo-
ſen
abſprechen; denn ſie machen mir mit ih-
ren verdammten Regeln die ſchoͤnſten Ein-
faͤlle zunichte. Jch kehre mich daher auch
gar nicht daran. Jch biete Himmel und
Hoͤlle, Sehraffen und Cherubim zu Le-
gionen auf; wenn ich auch nur den Tag
meines Maͤcenaten beſinge. Jch weis
wohl, daß er oft ſaget: ich raſete! aber
Gott verzeihe es ihm! Er ſoll mir beweiſen,
daß man mit geſunder Vernunft raſen koͤn-
ne. Denn auſſer der Dichtkunſt bin ich ſo
fromm, als ein Lamm. Der gute Herr!
Er iſt in Paris geweſen; er hat Voltaͤren
geſehen; auch Fontenellen geſprochen.
Weil dieſe nun zu verſtehen waren; ich
aber mich in der Entzuͤckung oft uͤbern Ver-
ſtand ſchwinge, und die Macht uͤber Geiſt
und Sprache etwas dichteriſch ausuͤbe: ſo
lachet
[]Vorrede.
lachet er; ſo ſaget er: ich wuͤrde ſeine Kin-
der verfuͤhren, denen ich die Ehre thue, ſie
zu unterweiſen. Seine Frau Gemahlin
gab gar juͤngſt dem Aelteſten ein Paar
Ohrfeigen; weil er ſie in einem Neujahr-
wunſche verleugnet, und immer von Mut-
ternatur, Muttererde
und dergleichen ge-
redet hatte. * “Du, Bube! ſagte ſie,
willſt du deine Mutter verleugnen?” Aber
ich habe Mittel in der Hand, mich zu troͤ-
ſten. Lachet mich die lebendige Welt aus:
ſo troͤſte ich mich mit der Nachwelt; und
machet mich die ſcheu: ſo berufe ich mich
auf Ariſtoteln. Jch habe ihn zwar nicht
geleſen; denn ich kann ſein Griechiſch we-
gen der Buchſtaben nicht leiden. Genug!
Ariſtotel und die goͤttlichen Dichter ſa-
gen es: ein Dichter herrſche mit unum-
ſchraͤnkter Macht uͤber die Geſetze der
Sprache.
** Da ſieht mans, welche ei-
ne
[]Vorrede.
ne wichtige Perſon ein Dichter iſt. Red-
ner, Theologen, Weltweiſe, Geſchicht-
ſchreiber, Rechtsgelehrte, Aerzte muͤſſen
vor der Tyrannin, der Sprache, zittern.
Ja, alle, die vernuͤnftig ſeyn wollen, er-
kennen, und verehren ſie. Aber wir
nicht!
Was gehet uns die geſunde Ver-
nunft an? Vernuͤnftig ſind die Men-
ſchen lange geweſen; aber ſo witzig, wie
wir, noch nicht.
Man kann leicht denken, daß
ich mir bey dem Worte wir den Bart, wie
ein polniſcher Landboth, ſtreiche; wenn
er ſein vetodonnert.* So ſehr ich mich
auch bemuͤhe, mich in dieſer Vorrede zu
meinem Leſer herab zu laſſen: ſo ſiehet man
wohl, daß mein Geiſt viel zu groß iſt, als
daß er ſeine Groͤße verbergen koͤnne. Es
gehet mir wie dem Cyrus, der auch un-
tern Ochſenjungen ſeinen koͤniglichen Geiſt
verrieth. Allein was Cyrus? Das war
kein Patriarch; ein Gleichniß von Zo-
phenat-
[]Vorrede.
phenatpanah waͤre myriadenmal beſſer
geweſen: denn wer wird Joſeph ſagen?
und wer millionenmal?*


Mein Bewunderer; ich ſetze voraus,
daß es alle meine Leſer ſind; mein Bewun-
derer wird bemerken, wie ſorgfaͤltig ich
Verſtand
und geſunde Vernunft von
einander unterſcheide. Mancher moͤchte
denken: es waͤre ein Ding; aber irrig!
Jedermann giebt zu, daß Klopſtock Ver-
ſtand
hat; nicht aber alle raͤumen ihm eine
geſunde Vernunft ein. Dieſe alle nun
ſind ſehr vernuͤnftige Leute; das ſpricht ih-
nen niemand ab. Allein, unter uns geſagt,
ſie ſollen nicht viel Verſtand haben. Man
ſehe alle ſchweizeriſche Schriften: was fol-
get alſo? daß man vernuͤnftig ſeyn, und
nicht Verſtand haben koͤnne; und wie-
derum Verſtand haben koͤnne, ohne ei-
ne geſunde Vernunft zu beſitzen.


So
[]Vorrede.

So gewiß nun dieſes iſt: ſo muß man
ſich wundern, daß es noch hin und her
Leute giebt, die lieber eine geſunde Ver-
nunft,
als Verſtand, haben wollen.
Man muß ſie beklagen, und ſich nicht von
ihnen verfuͤhren laſſen. So muntere ich
denn alle meine Bewunderer auf, keine ge-
ſunde Vernunft zu haben. Man folge nur
beherzt den großen Maͤnnern, die ohne
Vernunft zu Verſtande gelanget ſind.
Denn nehmet ihnen die Fehler wider jene
weg: was wird doch von allen unſern Dich-
tern bleiben? Einer nehme die neuen Woͤr-
ter im Meßias; der andere die verdrehten
Ausdruͤcke; der dritte die Luͤgen, die er
uns von Gott und Himmel vorſchwatzet:
Was wird doch bleiben? “Man findet
alles ſo huͤbſch ausfuͤhrlich bey ihm, wo-
von die Bibel nichts ſagt,
” ſprach juͤngſt
ein Freund zu mir. Ein Vernuͤnftiger
nennet das Luͤgen; ein Witziger, oder ei-
ner, der Verſtand hat, eine goldene
Schaale voll Chriſtenthraͤnen, die er

vor
[]Vorrede.
vor dem Throne Gottes niedergeleget
hat.
*


Ein jeder Dichter iſt Schoͤpfer;**
nicht von Narrenspoſſen: nein! er iſt wirk-
lich ein Schoͤpfer, unter deſſen Hand aus
Nichts etwas wird; aus Unſinn Woͤrter;
aus Woͤrtern Raͤthſel. Jch bin alſo
Schoͤpfer: und ſo ſchaffe ich.


Jch habe mir eine Drechſelbank machen
laſſen. Da nehme ich nun einen noch un-
geformten Gedanken; ſpanne ihn ein; und
arbeite. Es ſoll ein Hexameter werden;
ich theile die Materie, das Unſelbſt,*** in
Fuͤßen ein; die Splitter hebe ich auf; es
ſind lauter einzelne Woͤrter, die ſetzet man
entweder am Ende hintern Punct; oder
willſt du es lieber? vor einen Punct: alles
nach Bequemlichkeit. Da ich nun wenig
dabey denke, ſo iſt es kein Wunder, wenn
mir hier und da etwas arabiſches, chineſi-
ſches
[]Vorrede.
ſches und japaniſches entfaͤhrt. Genug:
mein Hexameter iſt da: ob er gut iſt; das
uͤberlaſſe ich der geſunden Vernunft. Jch
gehe nicht, wie der ſelige Guͤnther,
um ein Wort zwo Stunden auf und nieder.
Nein! das erſte, das beſte! das laͤngſte,
das ſchoͤnſte! Ja! koͤnnte man ein Wort
drechſeln, das allein einen ganzen Hexame-
ter ausmachte: ſo wuͤrde ich hoffen, noch
Heldengedichte zu ſehen, die aus 12000
neu gedrechſelten Woͤrtern einzig und allein
beſtuͤnden. Gluͤckſeliger Drechsler! der du
noch nicht biſt: welch ein Lorbeer wartet
dein! Jch irre, welche Aureola wartet
dein? Denn Sehraffen muß man mit
Sehraffen, und Maronen mit Maro-
nen
oder Kaſtanien belohnen. * Zwoͤlf
tauſend Verſe ſind die rechte Laͤnge eines
Helden- oder Judengedichtes. Warum?
Virgil und Bodmer haben den ihrigen
dieſe Laͤnge gegeben. Virgil und Bod-
mer: zween Namen, die ſich nicht

wun-
[]Vorrede.
wundern, wie ſie zuſammen gekommen
ſind.
Doch, wenn ſie ſich auch wunder-
ten, mein ſchaffender Finger fuͤget ſie zu-
ſammen. Machte alſo ein Wort einen
Vers: ſo waͤren zwoͤlf tauſend Woͤrter ein
Heldengedicht.


Jch freue mich; ja ich frohlocke recht,
daß ich der erſte bin, der zu dieſem Gebaͤu-
de ein Steinchen traͤgt. Jn meinem
Woͤrterbuche naͤmlich befinden ſich viele
Heldengedichte; Meßiadenen mignatu-
re.
Es ſind Saamenkoͤrner, oder Ge-
ſchlechter von noch nicht entwickelten Hel-
den. Man rechne naͤmlich ein bekanntes
Maͤhrchen ſo, wie der Parzifall, oder der
gehoͤrnte Siegfried, auch die Suſanne:
je juͤdiſcher, je beſſer; es klinget ſo bi-
bliſcher;
man nehme es, ſage ich. Man
zeichne die Laͤnge der Hexameter oder Pen-
tameter auf dem Papiere mit rother Dinte
ab. Alsdann ſuche man Woͤrter; je laͤn-
ger, je beſſer, und ſetze die hinein. Sind
ſie zu lang: ſo hau ihnen ein Glied ab;
bkoͤpfe
[]Vorrede.
koͤpfe ſie; reiß ihnen das Herz aus dem Lei-
be; das muͤßte ein Ungluͤck ſeyn, wollte ſich
ein Wort denn nicht paſſen.


Hoffentlich wird man mit meinem Bu-
che ſo lange auskommen koͤnnen, bis der
Foliant ans Licht treten wird. Sonder
Vorſchuß aber kann er nicht gedruckt wer-
den. Hingegen wird man auch alle heilige
Dichter
erſparen koͤnnen, indem mein
Buch ein Elyxir von ihnen ſeyn wird.
Jch mache es der lieben Schuljugend zu
gut; ihr Beutel wuͤrde gewiß leer ſeyn,
wann ihr Kopf voll waͤre: man kann aber
eher die geſunde Vernunft, als jenen, ver-
miſſen.


Jch ſchmaͤuchle mir, die goͤttlichen
Dichter
werden mir fuͤr mein Unternehmen
Dank wiſſen. Wir ſind ſchuldig, ihre
Verdienſte zu verehren. Einer verehret ſie
in Predigten, der andere in Gedichten, ich,
ihr aufrichtiger Bewunderer, und fleißiger
Nachahmer in einem Woͤrterbuche. Je-
ner
[]Vorrede.
ner bildete ſich ein, wenn er das Lexicon
auswendig koͤnnte: ſo koͤnnte er Latein.
Er betrog ſich. Jch aber verſichere, daß,
wer mein Buch auswendig weis, der kann
allezeit, auch blind, wie Milton, Verſe
machen. Ueberdieß wird man nichts, als
große Namen, darinnen finden. Die klei-
neren naͤmlich, ob ſie zwar in ihrer Sphaͤre
auch groß ſind, bleiben fuͤr mein groͤßers
Woͤrterbuch; als welches ich auf eng-
liſch mit breitem Rande will drucken laſ-
ſen,
* damit ein fleißiger Leſer es nach ſei-
nem Gefallen vermehren koͤnne. Blieben
doch die Teufelchen auch Teufel, wenn ſie
gleich in der Reichsverſammlung der Herren
Satane Zwerge wurden.


Ce Monſieur Jupiter ſait dorer la Pillu-
le,
ſagte Moliere. Jch wollte ihm folgen,
und um gelehrteres Anſehens wegen, mich
mit lateiniſchen Buchſtaben drucken laſſen.
b 2Wa-
[]Vorrede.
Waren aber urſpruͤnglich die runden und
eckichten Lettern nicht Geſchwiſter? Druck-
te man nicht lateiniſch und deutſch mit ei-
nerley Buchſtaben? Waren nicht beyde
Erfindungen der Moͤnche? Was, dachte
ich, ſollte ich mich mit einem Vorzuge breit
machen, der lediglich von einem ungelehr-
ten Buchdrucker den eckichten gegeben wor-
den? Jch uͤberließ es alſo meines Verle-
gers Belieben. Denn wie leicht kann man
noch weiter gehen? und wie ſchoͤn wuͤrde
ſich nicht deutſch mit ebraͤiſchen Buch-
ſtaben leſen laſſen?


Man wird nicht boͤſe ſeyn, daß ich mich
meiſtens des Lobes bediene, wenn ich der
Quellen erwaͤhne, die ich kroͤne. Jch bin
ſehr empfindlich, und es verdreußt mich
ſehr, wenn man mich nicht lobet. Jch lo-
be alſo, um wieder gelobet zu werden, und
thue es, wenn mir was eingeſchicket wird,
auch ſonder Entgeld. Ja, wer mir das
laͤngſte Wort ſendet, daraus ſich ein
Hexameter zimmern laͤßt: dem verſpre-

che
[]Vorrede.
che ich einen waͤchſernen Abdruck von
der Muͤnze, die
Zophenatpanahaus-
werfen ließ, als er der erſte Staatsbe-
diente des Koͤniges der Mizren ward.
*


Wenn ich ein Wort, das ganz nagelneu
iſt, eine ſeltene Verbindung, oder nie er-
hoͤrte Figur bewundere: ſo gehe ich oft
noch weiter. Meine Augen werden von ſo
vielem Glanze blind; ich kann von dem
Blatte nicht wegkommen; ich entdecke
noch mehr Schoͤnheiten. Dieſes iſt die Ur-
ſache, warum oft A das hat, was Y ha-
ben ſollte. Jch leſe, ich bewundere, ich
bin entzuͤckt, ich ſchaffe, ich raſe! Bald
bringet mich ein Bild auf ein anderes, und
ich entwerfe es kuͤhnlich. Bald entdecke ich
in meinem Gehirne die Quelle, aus der
ein ſo vortrefflicher Strom koͤnnte gefloſſen
ſeyn; und ich zeige ſie. Bald aber ent-
reißt mich mein Zorn; ich fuͤhre Spoͤtter re-
dend ein; und ich zuͤchtige ſie. Oft aber
b 3laſſe
[]Vorrede.
laſſe ich auch ihre ſeichten Gruͤnde nackt
und bloß ſtehen, und uͤbergebe ſie dem Ge-
ſpoͤtte der Schuͤler. Jch weis alſo nicht
recht, ob mein Woͤrterbuch eine Poe-
ſie, oder meine Poeſie ein Woͤrterbuch
iſt.


Das Lob, was mein Verſuch in den ge-
lehrten Zeitungen, den Schiedsrichtern
des Witzes, und Ausſpendern der Un-
ſterblichkeit
einerndten wird, ſetzte mich
zwar in Verſuchung, meinen Namen davor
zu ſetzen. Da aber Klopſtocks Name doch
iſt verrathen worden, ob er ihn gleich nicht
vor ſein treffliches Geſinge geſetzet: ſo
traue ich auch meinen Leſern den Verſtand
zu; ſie werden ſo neugierig ſeyn, und ſich
etwas Muͤhe darum geben. Denn ich
beichte eben nicht alles, et mon Nom n’eſt
pas un Peché.


Der angehaͤngte Lebenslauf iſt nur ein
Fragment. Der Verſuch iſt nicht fertig,
wird man ſagen. Sind doch aber manche
Gedich-
[]Vorrede.
Gedichte auch nicht fertig, ob ſie gleich ze-
hen bis zwanzig Jahre her angefangen wor-
den. *


Jch bekenne, daß ich mich unterfangen
habe, einige Ausfaͤlle in das Gebieth der
Redner zu thun. Die Ehre davon wird
aber nicht auf mich, ſondern einen Freund,
fallen, der dieſe Beute mit mir getheilet.
Eheſtens wird er ſelbſt den geneigten Ver-
ehrern der neuen Kanzelberedtſamkeit
mit einem B - tſt - enucleato aufzuwarten
ſuchen.


Nun, mein Bewunderer! ich ſchließe.
Es iſt Zeit, daß du ſelbſt aus den Quellen
ſchoͤpfeſt, aus denen ich trinke. Schoͤpfe,
trinke, und biſt du voll, ſo dichte! Jch ver-
lange zur Belohnung nichts mehr, als den
Ruhm, auch etwas zum Durchbruche
des Geſchmackes
beygetragen zu haben. **
Jch
[]Vorrede.
Jch entwerfe dir eine Ausſicht; du, male
ſie aus! Hat man doch ganze Vorreden
von Ausſichten, wo nicht ein Woͤrte-
lein von dem Gedichte ſtehet.
*Jch
glaube, du biſt in den Stand geſetzet,
noch mehr hinzudenken.
** Gehabe dich
wohl, und denke.



Neumo-
[[1]]

Neumodiſches Woͤrterbuch
fuͤr angehende Dichter:
oder die Neologie.


A.


Abart.

Ein ſehr maleriſches Wort, um mißrathe-
ne Enkel
auszudruͤcken; welches wir mit Verart,
von verarten, wuͤrden gegeben haben.


Die Feind u. Gold veracht’t, und uns den Ruhm
erworben,
Den kaum, nach langer Zeit, der Enkeln Abart
loͤſcht;

Da Vieh ein Reichthum war, und oft ein Arm
gedroͤſcht,
Der ſonſt den Stab gefuͤhrt.
Haller, 3te Auflage S. 75.


Der Ruhm hat folglich gebrennet. Man ſage
auch nicht mehr gedroſchen: ſondern gedroͤſcht;
ob man gleich nur in den Schenken droͤſchet und
laͤrmet. Man bemerke auch die Zeugeendung:
der Enkeln. Jch freue mich, daß ich gleich an der
Spitze meiner Helden dieſen vergoͤtterten Dichter
fuͤhren kann: denn wir verehren ihn herzlich.
Man ſehe nur, wie klug er das Wort Stab brau-
chet; ob man gleich einen Bettelſtab darunter
verſtehen koͤnnte. Wir werden dieſe Zierde oft zu
bewundern finden.


Abbild a. St. Abriß.

Allein dieſes iſt gewoͤhnlich;
und darum ſinget man nicht, um gewoͤhnliche Sa-
chen zu ſagen.


AWie
[2]Ab

Wie angenehm iſt doch die Liebe!
Erregt ihr Abbild zarte Triebe:
Was wird das Urbild ſelber ſeyn?
Haller, S. 70.


Dieſe Verſe ſind ein vollkommenes Abbild ihres
Urhebers. So wahr iſt das rede! damit ich dich
ſehen, und bewundern koͤnne; und eine Nachtigall
kann ſich niemals verlaͤugnen. Ja, wir wollten
Se. Gn. von hinten erkennen, wenn wir auch
nur Dero Stimme hoͤrten.


Abbildungen einiger guten Stunden des Geiſtes.


S. Vorrede der bremiſchen Gedichte.
Hierzu gehoͤret ein ganz beſonderer Pinſel. 1.
Stunden zu bilden; und 2. des Geiſtes
Stunden zu bilden.
Es ſollen aber wohlgera-
thene Gedichte heiſſen.
Gedichte ſind freylich
Abbildungen des Geiſtes; der Stunden des
Geiſtes:
das war neu, und folglich ungemein.
Man ſetzet, und wir loben den Vorſatz, hier auch
ſelbſt den Rang des Gedichtes feſt: den Unterſten
unter den nicht unnuͤtzen;
man ſage nicht, un-
tern nuͤtzlichen.
So ſpricht der breite Herr
Johann Heinrich Oeſt,
ein hoͤflicher Mann
und deutlicher Dichter.


Abbrechen ein Leben, a. St. verkuͤrzen.

Dieß
thut der geſchwaͤchte Sinn der Alten. Hal-
ler S. 6.
Eben ſo ſaget man, Faden abbre-
chen,
und Eiſen zerreiſſen. Der ſpoͤttiſche An-
tilongin
nennet dieſe Figur eine Catachreſis.
70S.
Allein er hat Unrecht. Haller nicht; denn
wie
[3]Ab
wie ſollte der Unrecht haben? Große Leute fehlen
nie; ihre Fehler ſelbſt ſind ſchoͤn.


Abdruck

einen, durch Zuͤge des Schlafes, ver-
dunkeln.
Dieſes heißt: er ſchlaͤft! in der heili-
gen Sprache.
Alſo, durch Zuͤge des Wa-
chens erhellet,
heißt: er wachet! Man ſehe doch,
wie hoch jenes, und dieſes tief iſt.


Doch war ſein Abdruck daſelbſt in Zuͤgen des
Schlafes verdunkelt. Meß. 24. S.


Abel.

Ein frommes Gleichniß iſt es, wann
Klopſtock Jeſum mit Abeln, und Gott folg-
lich mit dem Kain vergleichet.


‘So neigte ſich Abel, als er einſam entſchlief.
Meßias, 184 S.
()

Einſam entſchlafen heißt heutiges Tages, ſter-
ben, ohne daß jemand dabey iſt.
Aber dann
ſtirbt man nicht einſam; und es ſtirbt ſich doch ſo
gar zu ſchoͤn.


Abgericht’t,

a. St. abgerichtet. Haller, an vie-
len Orten.
Dieſe Erfindung haben unſerm
Popen viele Dichter abgeborget. Der unſterbli-
che Schuſter zu Nuͤrnberg war ehedem der Erfin-
der dieſer Figur.


Abhang,

a. St. Seite des Berges. Man muß
kurz in Ausdruͤcken ſeyn. Denn iſt ein kleiner
Menſch nicht artiger als ein langer?


Sein ſanfter Abhang glaͤnzt von reifendem
Getreyde,
Und ſeine Huͤgel ſind von hundert Heerden
ſchwer. Haller, S. 29.


A 2Wer
[4]Ab

Wer hatte doch vor den Zeiten des unſterblichen
Mannes die Huͤgel gewogen? Ein Kleid, ſagt
man, iſt von Golde ſchwer: aber ein Berg von
Heerden;
das war neu und folglich ſchoͤn.


Abglanz.

So ſaget Herr Bodmer im Noah der
Abglanz der Gottheit. Was iſt er aber nun?
Jſt es der Glanz vom Glanze? der Wieder-
ſchein? der Abſchein
wird es ſeyn: eines ſo
trefflich, als das andere! Clerc koͤnnte das Ka-
pitel De Nominibus Nihili aus unſern großen
Dichtern um ein großes vermehren; wenn er noch
lebte. Allein wir wollten den Spoͤtter ſchon zu-
recht weiſen.


Abloͤſen.

Wachten loͤſen ſich ab. Mit einem
andern abloͤſen,
iſt Halleriſch, folglich unge-
mein. Jch verbinde mit dem Worte Halleriſch
die groͤßte Ehrfurcht, die ich Seiner Unſterblich-
keit
ſchuldig bin. Und haben wir nicht ſeine Ein-
willigung, ihn fuͤr einen großen Dichter zu halten?


‘Entzuͤckung loͤſt mit Wehmuth ab.
Haller 123 S.
()

Abpreſſen.

Den Unterthanen preſſen Tyrannen
das Geld ab. Daß aber gequetſchten Beeren
ein jaͤhrend Naß abgepreßt werde,
ſaget Herr
von Haller 24. S. ausgepreßt
werden ſie;
denn ſind ſie ſchon gequetſchet: ſo wird man ihnen
nicht viel abpreſſen. So dachte man ſonſt; nun
aber denket man anders, und tief.


Abtritt.

Man vermenge nicht dieß Wort mit einem
heimlichen Gemache.
Der Dichter findet einen
zwiſchen Haß und Gunſt.


Wenn
[5]Ab

Wenn zwiſchen Haß und Gunſt bey ihm ein
Abtritt iſt,
Und manchmal ſich ſein Herz im Munde
gar vergißt. Haller, 90 S.
Warum nicht im Abtritte?


Abweſend.

Ein Blick, der abweſend iſt, iſt
das nicht ein Blick, der nicht daheim, nicht zu
Hauſe iſt? Haller, 63 S.
()

Seht den verwirrten Blick, der ſtets abweſend iſt,
Und itzt vielleicht den Raum von fernen Welten
mißt.


Wir haben nach dieſem Blicke geſehen; aber ihn
nicht gefunden; koͤnnen ihm auch ſolches nicht
uͤbel nehmen, indem er eine ſolche ſchwere Beſchaͤf-
tigung, als die iſt, wann man Welten mißt,
uͤber ſich genommen hat. Wir bewundern indeſ-
ſen die vortreffliche Scanſion in abweſend. Jm
Noah giebt es auch dergleichen Seelen, die
nicht daheim ſind.


Abgetrennt.

Der Hoͤfe Luſtbarkeit, Spiel, Tanz
und helle Pracht,
Gefaͤllt ihm abgetrennt von der ſchlaf-
loſen
Nacht. Zernitz, 9 S.


Sie waren auf der Nacht genaͤhet: koͤnn-
ten ſie ſonſt abgetrennet werden? Jch be-
wundere die Scanſion in ſchlafloſen, wie
auch die einzelne Zahl von der Hoͤfe Luſtbarkeit,
a. St. der Hoͤfe Luſtbarkeiten. Eine gewiſſe
Schule will eine Klage eingeben, daß, da ſie uͤber
die gewoͤhnlichen Sprachen eine ganz beſondere
deutſche noch lernen muͤſſe, ihr eine Sprachlehre
A 3darzu
[6]Ac Ad
darzu fehle. Sie bittet daher alle Richterſtuͤhle
des deutſchen Witzes, ſo viel deren auch immer
mehr ſind, den Erfindern dieſer heiligen Sprache
von Amtes wegen aufzulegen, ihr eine zu verſchaf-
fen. Jch thue das Meinige, und mache ein
Woͤrterbuch.


Accente.

Die neuen Dichter reden lauter neue Ac-
cente.
Was ſie da reden, weis man ſo eigentlich
nicht. Vielleicht verba, prætereaque nihil.


Mit Entzuͤcken vernahm er des Maͤgdchens
neue Accente. Noah 9 S.


Sie hatte ſonſt alte. So muſikaliſch, und ver-
liebt ſinget der Druide Bodmer.


Adelich.

Mein Leſer! willſt du wiſſen, was ein
adeliches Lied iſt?


Von Gott und Pflicht u. Helden mußt du ſingen:
Das heißt ein adeliches Lied!
Brem. Ged. 90 S.


a. St. edeles Lied. So wird man auch bald kai-
ſerliche Lieder
ſingen, und paͤbſtliche Verſe ma-
chen.


Adern wallen nun auf, und das Blut ſchwillt.
Haller, 32 S.
()

Dieſes Stuͤck gehoͤret in die neue Phiſik; u. Hr. Ham-
berger
wuͤrde nicht ermangelt haben, dem Erfinder
daruͤber eine Schmaͤucheley zu machen; wenn man
Dichtern das anrechnen koͤnnte, was ſie in der poe-
tiſchen Wuth ſchreiben. Ueberhaupt: man muß
ſtark in der Catachreſis ſeyn; einer Figur, wo man
ordentlich ein x fuͤr ein u ſetzet. Bart abmaͤhen,
Gras
[7]Ae
Gras abſcheeren ꝛc. alles dieſes wird im
Antilongin, auf der 70 S. hierdurch ge-
rechtfertiget.


‘O Victor! wallen dir nicht des Ruhms be-
gierige Adern?
Brem. Ged. 54.
()

Warum nicht Nerven? So hat der Ruhm
Adern?
und dazu begierige Adern? Man
glaubet es kaum!


Aecht.

So wie man ſagen kann aͤchte Steine:
ſo ſage man auch aͤchte Menſchen, aͤchte Hun-
de, aͤchte Baͤume;
folglich auch unaͤchte.


Verlaͤßt des Himmels Aug das ſterbliche
Geſchlecht?

Von ſo viel Tauſenden iſt denn nicht einer aͤcht?
Haller, 65 S.


Ein loſer Vogel wollte hier durchaus die Figur
finden, die Hr. M. Schwabe den Reimzwang
nennet. Aber der gottloſe Menſch! Er bedachte
nicht, daß niemand weniger des Reimes wegen
in Verdacht iſt, als der Hochwohlgebohrne Hr.
von Haller.
Sein Geiſt kennet dieſen Nothſtall
gar nicht. Wie koͤnnte der Reim einen ſo ſchoͤ-
nen Vers ausſchaffen? Allein mit Erlaubniß!
Wer wird hier verlaſſen? Das ſterbliche Ge-
ſchlecht vom Auge, oder das Aug vom ſterblichen
Geſchlechte? Je mehr ein Vers zu denken giebt:
deſto ſchoͤner iſt er. Si non vis intelligi,
NON debes legi.
Hier iſt das zweyte NON
ſonder Zweifel ein Druckfehler.


A 4Aem-
[8]Ae

Aemter.

Die Aemter ſtehn umher im weiten Zir-
kel,

Und ſenken ſich in Nadien zum Schoͤ-
pfer,

Und ſtoßen all’ in ſeinem Ruhm zu-
ſammmen.
Brem. Ged. 3 S.

Nimm mirs nicht uͤbel, mein Leſer! wenn ich dieß
nur bewundere und nicht uͤberſetze. Jch pflege es
mit allem, was ich nicht verſtehe, ſo zu machen.
Ahme mir nach! Ahme dieß ganze Lehrgedicht
nach!


Aengſtig.

Ein wallend aͤngſtig Weh erhebt
mich von der Erde.
Haller 143 S.
()

Wie er ſo ſchoͤn iſt! Der Ausdruck naͤmlich.
Jch wette, daß jeder Leſer die Worte verſtehet;
aber ich wollte meine Wette verlieren, wenn man
nicht oft den Vers geleſen, ohne ſeinen Sinn einzu-
ſehen, und zu bewundern. Denn was heißt das,
wenn mich ein wallend aͤngſtig Weh von der
Erde erhebet?
Was empfinde ich da? Hat denn
ein Weh auch Angſt?
Was iſt das fuͤr ein auſſer
mich beſtehendes Weſen? Man bewundere das
neue Wort aͤngſtig; es iſt a. St. aͤngſtlich. Auf
eben dieſer Seite fuͤhlet man Stunden; und
warum nicht? Fallen ſie dem nicht ſchwer ge-
nug, der dieſe Raͤthſelchen lieſt. Allein, ſo reden
nur ſeuchte Spoͤtter, ſchaale Koͤpfe, kleine
Geiſter, kalte Reimer.


S. alle Schr. der Zuͤricher.


Aeo-
[9]Ae Af

Aeonen ſchlafen.

Wie lange ſchlaͤft man da? Zu-
mal in einem gefalteten Orangenblatte.
Noah 32 S.


Aetheriſch.

Dieſes aus der Philoſophie der Gold-
macher in die heilige Sprache uͤbertragene Wort
haben wir unſern Theologiſten zu danken. Es
giebt dieſemnach aͤtheriſche Leiber, und Vor-
haͤnge. Meßias 11 S. aͤtheriſche Stroͤ-
me,
und was nicht mehr aͤtheriſch! Auch aͤthe-
riſche Naſen?
Warum nicht? die Engel ha-
ben auch Naſen. Aber was iſt nun aͤtheriſch?
Etwas, das man gern beſchreiben will und
nicht kann.


Hell, gleich einem von Lichte gewebten aͤtheri-
ſchen Vorhang,

Zieht ſich ihr Glanz (der Samen) um den Him-
mel herum. Meß. 11 S.


Alſo kann etwas, das von Lichte gewebet wird,
ein Vorhang ſeyn;
es iſt auch moͤglich etwas
von Lichte zu weben. Der Weberſtuhl muß et-
was kuͤnſtlich ſeyn: Schade, daß der Seher
himmliſcher Manufacturen
uns mit keinem Riſ-
ſe davon verſiehet. Es iſt auch ein verklaͤrter
aͤtheriſcher Strom
zu ſehen: Meß. 10 S.
Die Engel freylich ſind keine Fiſche: lieber eine
Bruͤcke, wie Milton; doch es wird Eis ſeyn;
die Engel glitſchen naͤmlich.


Affen.

Wer da wiſſen will, was der wahren
Keuſchheit Affen
ſind; der ſuche nur die Vorzuͤ-
ge falſcher Zucht.


A 5Vorzuͤ-
[10]Ah
Vorzuͤge falſcher Zucht, der wahren Keuſch-
heit Affen. Haller, 21 S.
()

Auch eine von Pracht belaͤſtigte Sehnſucht iſt
da zu haben; auch ein Auge, was Glut in
muntern Geiſtern ſchuͤrrt.
Die Staatsſucht
wird da nicht zur Ungluͤckskupplerin. Natuͤr-
lich, wie der ſelige Hans Caſpar von Lohen-
ſtein, ſchwuͤlſtiges Andenkens.
Das Mooß
ſchwillt
auch da, ſo wie manches großen Wort-
ſchoͤpfers Dichtkunſt.

Allein
Geſchwollen heißt nicht fett und ſtark.
Gottſched.


Ahne, a. St. Anherr.

Der Ahne, des Ahnen:
eine ganz ſpannnagelneue Zeugeendung!


Des Ahnen Aberwitz wird auch des Enkels
ſeyn. Haller, 58 S.


Hier ſind auch naſſe Flammen, a. St. ſiedend
Waſſer,
oder Oel zu fuͤhlen:
Zuletzt erwacht der Fuͤrſt und laͤßt zu naſſen
Flammen

Die Feinde ſeines Reichs mit ſpaͤtem Zorn’ ver-
dammen. e. d.


Wer hat den ſpaͤten Zorn? Der Fuͤrſt, oder die
Feinde? Nur nicht ſo, wie andere Leute geſpro-
chen: ſo ſpricht man allezeit recht. Was gehet
Dichtern die geſunde Vernunft an? Da kaͤmen
unſere Verleger zu kurz, wenn man bey jedem Aus-
drucke jene alte Vettel zu Rathe ziehen wollte.
Hallers Gedichte wuͤrden, ſo wenig ihrer auch
ſind, auf einem Bogen Platz haben; das wuͤrde
aber auch denn eine rechte Weinſuppe ſeyn!


Akant-
[11]Ak Al

Akantbekraͤnzete Saͤulen.

Man bemerket, daß
die neuen Pegnitzſchaͤfer große Liebhaber von aus-
laͤndiſchen Steinen ſind. Wir ſind es auch, und
ruͤhmen dieſe Steinbruͤche ſehr.


Marmorne Wege begleiten zu Tempeln und
hohen Pallaͤſten
Zwiſchen langlinichten Reyhen akantbekraͤn-
zeter Saͤulen,
Ueber welchen ſich Laͤngen geſaͤgeten Granits
hinziehen. Noah 76 S.


Sieheſt du, lieber Leſer! die Baukunſt recht ein?
Was ſind Laͤngen? Balken? Allein man
denke doch! Marmorne Wege begleiten ꝛc.


All.

Das All iſt ein Wort, welches neuen Dichtern
ſo viel Ehrfurcht zuwege bringet, daß ich gleich ei-
nen Vers fuͤr philoſophiſch halte, in dem ich es
wahrnehme. Es zeiget eine tiefe Einſicht in die
abgezogenen Wiſſenſchaften an; und wir erin-
nern uns dabey der abgezogenen Waſſer.


Aller.

Ein feiner Gebrauch dieſes Woͤrtleins iſt hier
zu haben, und zu bewundern. Jch laſſe, wie
man ſiehet, gar zu gern dem Haupte unſerer Neo-
logiſten
Gerechtigkeit wiederfahren. Andere ha-
ben Seine Unſterblichkeit, oder Hochwohlge-
bohrne Gnaden
von der einen Seite verewiget;
ich thue es von der andern, und ſchoͤnſten.


Der eingetheilte Witz wird aller angewandt.
Haller, 107 S.


Eben daſelbſt findet man jeder Pflicht Maaß von
Verſtand; nicht Scheffel. Eine Flammen-
ſchrift
wird mit dem Nachgeſchmacke, des La-
ſters
[12]Al
ſters Scheu, die bittere Koſt der Reue, in uns
gegraben.
Der Dichter machet ſich oft das un-
ſchuldige Vergnuͤgen, ſeiner Leſer Verſtand zu ver-
ſuchen. Denn wer erraͤth es wohl gleich, wie
ein Verschen eines Wiegenliedes oder Her-
manns,
daß, wenn man das Laſter frißt, der
Nachgeſchmack die bittere Koſt der Reue
ſey?
Das eingebohrne Licht ſpricht auch allda
ein Urtheil. Das eingebohrne Licht
iſt ein
Stuͤckchen von den Ideis innatis. Wie es aber
ſprechen kann: das weis allein der Dichter; und
was weis der nicht?


Allgewaltigkeit,

braucht a. St. Allmacht der weiſe
Hr. M. Naumann in ſeinem gar vortrefflichen
Nimrod 445 S. Dieſes Gedicht haͤtten wir,
zum Ruhme unſerer aufgeklaͤrten Zeiten, noch vor
der Meßiade zu bewundern bekommen, wenn nur
die Hn. Verleger ſich auch nicht durch die Tyran-
nin, die Mode, lenken lieſſen. Nimrod waͤre
ſonſt, auf unſerm chriſtlichen Parnaſſe, der
Vorlaͤufer des klopſtockiſchen Meßias ge-
worden. So aber war Meßias der Vorlaͤu-
fer vom Nimrod,
und Habacuc ſein Hofnarr.


Allmachtsfluͤgel

hat nach Saͤnger Bodmern der
Abglanz der Gottheit. Sollte es noͤthig ſeyn:
ſo wird er ihm auch ein paar Allmachtsfuͤße geben;
auch eine Allmachtsnaſe.


Der den Schatten der Allmachtsfluͤgel zum
Beſten der Menſchen
Ueber Huͤgel u. Plaͤn’ u. Meer u. Erde verbrei-
tet. Noah 49 S.


Spoͤtter
[13]Al

Spoͤtter ſagen: die Reimer brauchen nicht allein
Fuͤllſteine; denn was ſind hier Huͤgel und Plaͤn?
Sind Meer und Erde nicht genug? Man ſiehet
doch, wahrhaftig! den ungereimten Verſen, bey
ihrer großen Freyheit, die Reinigkeit nicht an, die
in den gereimten ſo ſchwer zu beobachten war.
Aber es iſt nicht ſo! Wir herrſchen uͤber die
Sprache; wir erkennen ihre Macht nicht; weſſen
Macht wir nun nicht erkennen, deſſen Befehlen
koͤnnen wir auch nicht gehorchen. Geſetzt; es er-
kennet einer nicht den Pabſt: ſo waͤre es ſehr thoͤ-
richt, wenn man uns zumuthen wollte, ſeiner
Bulle zu gehorchen. Die Sprache alſo muß uns
folgen. Kein Wunder, daß ſie von einem jeden
Schuͤler ſo verhunzet wird! Bodmer aber iſt
kein Schuͤler.


Alkove.

Der Verfaſſer des Picknicks haͤtte auch
die Goͤttin der Eiferſucht eben nicht in einen Alko-
ven
ſperren doͤrfen, wenn es nicht wahr waͤre,
daß ihre Verehrer gerne das Finſtere ſuchten. Ein
weit ſchoͤnerer Alkove aber iſt hier:


Du ſollſt die Nacht die Gabe des balſamtraͤu-
felnden Schlafes

Mir zur Seit’ im wirthſchaftlichen Alkove ſu-
chen. Noah 34 S.


Das heißt: du ſollſt in der Kaͤſe- oder Aepfel-
kammer ſchlafen;
denn beſſere Alkoven hatte
Noah nicht. Was iſt aber die Gabe des bal-
ſamtraͤufelnden Schlafes?


Alpe

wird nun in der einzelnen Zahl gebrauchet:
z. E.


Zeuch,
[14]Al

Zeuch, Hannibal! vom heiſſen Calpe
Durch Pennins nie beſtiegne Alpe!
Haller 11 S.


Durch, nicht daruͤber! Der Sprung, den der
Dichter hier thut, iſt etwas ſtark. Man ſtelle
ſich Hannibaln vor, wie er auf dem Berge Cal-
pe,
oder Gibraltar ſtehet; einen Satz nach den
Pyrenaͤen thut; und ohne zu ruhen noch einen
nach den Alpen verſuchet; aber auch da nicht inne-
haͤlt, ſondern noch einen nach dem appennini-
ſchen Gebuͤrge
thut. Welch ein Springer! Das
Gift iſt auch da von Hannibals Siegen. Allein
hat er denn das Gift beſieget? Der Unfall ſchlaͤft
allda auch Tyrannen bey: was wird es doch fuͤr
Kinder zeugen? Denn beywohnen jemanden,
oder beyſchlafen iſt das nicht einerley? Die ſinn-
lichen Dichter ſind ſehr ſinnlich. Wozu verleitet ei-
nen aber nicht die Redensart: dieſes oder jenes
wohnet mir bey? die man im gemeinen Leben
hoͤret.


Wie oft muß Gift aus Freundes Haͤnden

Des groͤßten Helden Leben enden,

Das tauſend Degen nicht verſehrt?

Man bewundere doch die geſchickte Auslaſſung des
Artikels des Freundes. Hat endlich das Leben
die Degen, oder haben die Degen das Leben nicht
verſehret? Es iſt eine Paronomaſie: naͤm-
lich, wenn ein Wort, wie hier das, wie die Zunge
eines Holzſchreyers, doppelt redet; auch eine
Schaukel. Antilong. 88. Solche Freyheiten
aber ſtehen einem großen Dichter ſehr ſchoͤn. Al-
lein
[15]Al
lein war denn der Hr. von Haller auch ſo groß,
als er dieſe Schnitzerchen machte?


Alpen von Glut (a. S. Berge) u. Ebnen, wor-
auf Geſpenſter umirrten,
Gorgonen mit Harpyen und Amphisbaͤnen
mit Hydern. Noah, 245 S.


Jn der heiligen Dichtkunſt bedeuten Alpen im-
mer große Berge. Beſſer waͤre es, ſie nenneten
ſie Blocksberge; denn es giebt oft eben ſo viel
Teufel darauf; und ein Hexentanz iſt noch lange
nicht ſo fuͤrchterlich, als ein Tanz von Geſpen-
ſtern, Gorgonen ꝛc.
Man findet dieſe Unge-
heuer nicht ſelten. Die Suͤndfluth hat ſie erzeu-
get, und Maler Bodmer gemalet.


Alpenmehl

iſt Milch, oder Kaͤſe. Man ſucht es
nicht.


Jndeſſen, daß der Froſt ſie nicht entbloͤßt be-
ruͤcke:
So macht des Volkes Fleiß aus Milch der
Alpen Mehl.
Hier wird auf ſtrenger Glut geſchiedner Zieger
dicke,
Und dort gerinnt die Milch, und wird ein ſtehend
Oel. Haller, 25 S.


Wie vorſichtig die Bauern nicht ſind! Allein, wer
iſt doch entbloͤßt? Der Froſt, oder ſie? worauf
gehet ſie? Was iſt Zieger? Man verzeihe mir
die Fragen: ich wollte mich gerne belehren laſ-
ſen. Scheidet man auch Milch, ſo wie Gold
und Silber? Was man nicht alles lernet!
Hier kochet auch der Raub; das Haus ſtehet
leer,
[16]Al Am
leer, gar zierlich a. St. die Leute gehen muͤßig.
Die Welt begraͤbt ſich in Froſt;
d. h. es wird
Winter. Des Jaͤgers Horn rufet dem Fel-
ſenkinde.
Dieß Kind aber iſt entweder das
Echo, oder die Gemſe; nach Hallers Spr. Leh-
re ein Gems. Das Bley iſt nicht kuͤnſtlich:
heiß iſt es. Der Hunde lauter Kampf heißt
Bellen; e. d. u. f.


Erzuͤrnter Huren lauter Kampf.


Alſo.

Man ſage nicht mehr: alſo ſagt er! Nein!
das iſt altvaͤteriſch. So ſagten unſere Altvor-
dern;
und das waren nicht Schweizer.
Saͤnger Bodmer
aber ſagt, wie ſein zu großer
Schuͤler Klopſtock: Alſo Sipha! Auch
wohl: So Sipha! Man laͤßt auch das ſo ganz
weg, und ſaget: Sipha! Bodmer! Ey!
wie kurz!


Altvordern,

a. St. Ahnen. Man ſehe nur!
Nimrod 660 S. So kann der Hr. M. auch
Junghintern a. St. Enkel ſagen. Jch bekenne
es; keine Sprache iſt geſchmeidiger als die Deut-
ſche,
und laͤßt ſich mehr haͤnſeln.


Ambroſialiſche Ranken;

und beamberte Fruͤch-
te! Lohenſtein! Lohenſtein! Noah 62. S.


“Die Perlenſchwangere Lohe rauſchet heutigen
“Tag noch uͤber die Alpen. Kein Wunder, daß
“ſie ein ſolches Getoͤſe machet, weil ſie uͤber ſo vie-
“le Ungeheuer hinweg rollet.”


Ambra.

Jn vier Verſen iſt hier der ganze Lohen-
ſteiniſche Raritaͤtenkaſten. Perlen, Ro-
ſen, Lilgen, Ambra, Thau, Attlas;
nicht
grauer
[17]Am An
grauer Attlas, ſondern Attlas grau; nach Hans
Sachſens loͤblichem Muſter. Haller, 2 S.


Die Roſen oͤffnen ſich, und ſpiegeln an der Sonne
Des kuͤhlen Morgens Perlenthau;
Der Lilgen Ambradampf belebt zu unſrer Woñe
Der zarten Blaͤtter Attlas grau.


Ammon.

Der Dichter ſpielet mit entfernten Bildern;
und nur Se. Gn. der Hr. v. Haller kann erra-
then: daß Ammon Alexander der Große ſey.


Das zeigt Auguſts und Ammons Gunſt.
Hallers Ged. 14 S. u. Zuſchr.


Al:

liebte den Choͤrilus; war alſo kein Kenner.
Man lohnet hier auch Maͤcenen mit Maronen
oder Kaſtanien; und nicht mit Virgilen.
Was ſchoͤn iſt, bleibet immer ſchoͤn: ich ſcheue
mich alſo nicht, dieſe Redensart meinem Buͤchel-
chen einzuverleiben.


Anbauen.

Er will neue theologiſche Wahrheiten er-
finden: ſo klagte man ehemals uͤber den beruͤhmten
Carpov. Beſſer iſts, wenn man ſchreibet:
Er ſucht das Land der theologiſchen Wahr-
heiten anzubauen. Buttſtaͤdt.

Das erſte iſt gemein, das andere neu, und folglich
fuͤrtrefflich.


Anblick.

Einen Anblick feyern, oder einen An-
blick arbeiten.
Dieſe in der Meßiade, oder
klopſtockiſchen Evangelio, oder in der Offen-
barung Sanct Klopſtocks
ſehr oft befindliche
Redensart gehoͤrt zur neuen Aeſthetik, die nur
von Engeln verſtanden wird. Menſchen freylich
wiſſen nicht, was das heißt, einen Anblick
Bfeyern
[18]An
feyern oder arbeiten. Jch fange ſelbſt an, die
Sprache zu vermehren; und ein Mauleſel jauch-
zet,
ſobald er den andern gewahr wird: ſie jauch-
zen
ſich beyde entgegen. Noch eine Verrichtung
des Anblickes!


‘Der Anblick hebt die Schwachen auf.
Haller, 87 S.
()

Ein Unwiſſender ſchaler Kopf wird hier ſagen:
Zum Aufheben muß man Arme haben; der An-
blick
hat alſo Arme: welche Arme! Allein es iſt
neu, folglich ſchoͤn.


Andachtsbrand gluͤhet in den Adern.
Haller, 61 S.
()

Ein Ausdruck, um den es Schade waͤre, wenn er
verlohren ginge; darum erbarme ich mich ſeiner.
Frage nicht, du ſeichter Reimer, wo wird doch
Platz fuͤr das Blut bleiben, wenn ein Andachts-
brand in den Adern gluͤhet?
Die armen Adern!
Der ungluͤckliche Menſch, in deſſen Adern
Braͤnde gluͤhen!
Du irreſt, und ſiehſt nicht,
wie das ſo ſchoͤn iſt!


Anden des Monden.

Sind das die Hoͤrner?
Man vergebe mir meine Frage. Mancher Leſer
kann nichts, als deutſch: es koͤnnte aber leicht
ſeyn, daß die neuen Dichter nicht fuͤr Deut-
ſche ſchrieben.
Deſto ſchoͤner iſt es aber, wenn
mans nicht verſteht.


‘Er flog in die Anden des Monds.
Noah, 160 S.
()

Anfachen.

Muth und Witz facht einen Tacht an.
Dieß iſt nun fuͤr ſo edle Weſen eine ziemlich ſchlechte
Verrichtung, und doch wahr.


Doch
[19]An

Doch ach! es liſcht (a. St. verliſcht) in uns des
Lebens kurzer Tacht,
Den Muͤh u. ſcharfer Witz zu heftig angefacht.
Haller 64 S.


Man ſage nicht: ſo war der Tacht vorher ausge-
loͤſchet?
da muß es ſehr uͤbel gerochen haben.
Bald wird das Leben ein Talchlicht bekommen!
Thorheit! Denn haben nicht ſchon die Berge
Talch?


Anfangen.

Der Engel faͤngt ſchon an.
Haller, 60 S.
()

Ein bloͤder Sprachgruͤbler fraget hier: Was thut
alſo der Engel, wann er anfaͤngt? Es ſollte
heiſſen: man faͤngt bey lebendigem Leibe ſchon
an, ein Engelchen zu ſeyn.
Er irret. Dieſe
neue Art des Erhabenen beſteht in der Auslaſſung
vieler Woͤrter, die zum Verſtande der gemeinen
Sprache noͤthig ſind. So kann ich z. E. ſagen,
wenn ein Gottloſer ſtirbt: der Teufel faͤngt
ſchon an.
Denn jenes galt von einem Maͤgdchen,
welches in einem Kloſter eingekleidet wird.


Angſt ruͤmpft die Stirne,

d. h. es wird mir
angſt;
zumal, wann die Stirne aufgewoͤlket
iſt. Haller, ich weis nicht wo.
Man verge-
be uns eine ſolche Anfuͤhrung. Wir haben uns
naͤmlich dieſes wehrten Mannes Gedichte, wie die
Bibel, zu eigen gemachet; haben wir nicht einen
Prediger gekannt, der auch, bey einem Glaſe
Wein in der Hand, ſeine theologiſche, oder mora-
liſche Unterſuchungen, mit einem wie der un-
ſterbliche Herr von Haller
ſagt, gar ſinnreich
B 2ver-
[20]An
verbraͤmete? Wir ahmen ihm nach, ſo viel wir
nur immer koͤnnen.


Anmuth.

Jch weis nicht, ob die Anmuth jemals
haͤßlich iſt gefunden worden. Auf der 20 S. der
halleriſchen Ged.
wird ſie auch bey Armen
ſchoͤn gefunden. Auf eine anmuthige Art dunkel
zu werden, zeigt Verſtand, und zwar den feinſten.


Die Anmuth wird hier auch in Armen ſchoͤn
gefunden;
Man wiegt die Gunſt hier nicht fuͤr ſchwere Ki-
ſten hin ꝛc.


Der erſte Vers wuͤrde nicht ſo ſchoͤn ſeyn, enthielte
er nicht eine kleine Zweydeutigkeit. Das Vor-
wort in wirket dieſes; denn wir koͤnnen dadurch
eine Anmuth verſtehen, die auch in den Armen
der Verliebten ſchoͤn gefunden wird.
Die Sa-
che iſt gewoͤhnlich; der Ausdruck nicht. Von dem
Worte hinwiegen beſiehe den Buchſtab H un-
ſers Woͤrterbuchs.


Annehmen.

Hr. von Haller fuͤget dieſes Wort ſo:


‘Die Tugend nimmt ſich leicht bey ihrem Bey-
ſpiel an. H. Ged. 81 S.
()

Wuͤrde das nicht in unſeren niedern parnaßiſchen
Landen heiſſen: Man wird leicht tugendhaft,
wenn man Beyſpiele der Tugend ſieht?
Aber
wie weitſchweifig klinget das nicht!


Anſtarren,

a. St. anſchauen, oder etwas ſtarr an-
ſehen.
Dieſes Lieblingswort der Herren
Schweizer haben wir den unſterblichen Geſaͤngen
ihres Oberhauptes zu danken. Dieſer goͤttliche
Mann hatte nicht genug vor einer Sache zu er-
ſtarren;
[21]An Ap
ſtarren; er ſtarrte die Sache ſelbſt an. Denn
alſo ſinget er in ſeiner unvollkommenen Ode
auf die Ewigkeit:


Jch ſtarrte jedes Ding, als fremde Wunder, an.
153 S.


Hier laͤßt der große Dichter auch die Zunge, auch
ein Nichts reifen. Wenn es nun reif iſt, was
traͤgts?
So fragen nur ſchale Koͤpfe.


Anſtreichen.

Der Tiſchler ſtreichet Schraͤnke an;
der Schulmeiſter die Fehler ſeiner Schuͤler. Ein
Schweizer aber ſtreicht der Tugend Farben
einem an.


‘Jhm ſtreicht der eitle Ruhm der Tugend
Farben an. Haller, 63 S.
()

So, ſprichſt du, iſt der Ruhm ein Maler? Umſonſt.
Es iſt ſchoͤn: Lohenſtein hats auch ſchon geſaget.


Applicationen.

Dieſes Wort ſchicket ſich trefflich
a. St. Anwendung in ein deutſches Gedicht.


Jch tadle die Empfindung deines Herzens
Und deine falſchen Applicationen.
Brem. Ged. 13.


Allein, das iſt ein Griff ſeichter Koͤpfe, die nicht
arabiſch oder engliſch im Deutſchen reden wol-
len. Der Juriſt ſagt im poetiſchen Dorfjun-
ker:
haben ſie etwa eine Altercation gehabt?
Eben ſo kann ein dichteriſcher Philoſoph von Appli-
cationen
ſchwatzen.


Apfelfoͤrmicht.

Der nimrodiſche Herr von
Maupertuis
haͤlt die Erde nicht fuͤr eyrund.


‘Schwinge deswegen dich eilends zur apfelfoͤr-
michten Erde. Nim. 485 S.
()

B 3Dieß
[22]Ar Au

Dieß ſaget NB. der unſterbliche Satan; ſo kann
man kuͤnftig auch ſagen: der unſterbliche Spitz-
bube,
oder Galgenſchwengel Lips Tullian.


Armee und Militz

nimmt der Herr Magiſter Nau-
mann
wieder zu Gnaden an, nachdem ſie bis auf
die Zeitungen
aus dem Deutſchen waren ver-
bannet worden. Fuͤr ein deutſches Gedicht iſt es
keine geringe Schoͤnheit. Er machet auch
Staabsofficire. So leihet denn der Poͤbel uns
neue Accente. ſ. Nimrod a. v. O. Gruͤb-
ler nennen es zwar mit Swiften die Poͤ-
belfigur;
allein, es ſchadet nichts. Es wird
wieder die Mode; und dann laͤßt es ſchon.


Athmen tiefer herauf,

d. i. ſchwer athmen.
Meßias 163 S.
Das Wort tief ſchicket ſich zu
allerhand Wendungen in der heiligen Sprache;
bald bedeutet es hoch; bald tief.


Auen des Aethers,

oder Wieſen des Himmels.
Noah 220 S.
Hier werden vielleicht die
himmliſchen Kuͤhe weiden. Es giebt auch am-
broſialiſche Auen. Noah, 333 S.
Ein gei-
ſtiger Schwarm
von ambroſialiſchen Duͤften.
Noah, 377 S.
Welche ambroſialiſche
Schoͤnheiten!
Welch ein ambroſialiſcher
Dichter!
Das Wort zieret einen ganzen Vers.


Auflegen,

und aufgelegt werden. Dieſe Woͤrter
verſtehen die Herren Buchhaͤndler am beſten. Sie
werden mir es aber vergeben, daß ich ihnen den ei-
gentlichen Beſitz derſelben ſtreitig mache. Es
kann ſeyn, daß ſie mit allem Rechte ſagen: ich lege
dieſes Buch auf, dieſes Buch iſt zum drittenmale
auf-
[23]Au
aufgeleget worden ꝛc. Jch beneide ſie wegen des un-
rechten Gebrauchs dieſes Wortes nicht. Den ſinnrei-
chen Kanzelrednern,
den Schoͤpfern ebentheu-
erlicher Wortverbindungen,
haben wir die zier-
lichſte Anwendung dieſes Wortes zu verdanken.
Der unverſtaͤndige Haufe hat ja immer geſagt und
geſchrieben: Der Menſch iſt zur Gluͤckſeligkeit er-
ſchaffen worden. Was kann man hierbey denken?
Wenig! Auch die kleinen Kinder lernen von ih-
ren Schulmeiſtern, daß ſie ſind erſchaffen worden.
Daß ſie aber ſind aufgeleget, ja zur allerſeligſten
Gluͤckſeligkeit ſind aufgeleget worden,
wiſſen
ſie noch nicht. Sie brauchen es auch nicht zu wiſ-
ſen: denn ſie ſind zu unverſtaͤndig, die Stufen
dieſer Vergleichung auszuſpaͤhen. Leute, die
mit den Preſſen zu thun haben, koͤnnen dabey ein
mehres gedenken. Dieſe verſtehen den Redner,
wenn er ſeine Predigt mit den Worten anfaͤngt:


Daß der Menſch zur allerſeligſten Gluͤckſe-
ligkeit ſey aufgeleget worden, wird nie-
mand leugnen koͤnnen. Buttſt.
()

Moͤgen doch andere Leute nicht wiſſen, was der
Redner haben will. Eine allgemeine Deutlichkeit
muß man niemanden anmuthen. Man prediget
eben nicht fuͤr alle Zuhoͤrer. Ja, mancher Redner
prediget um ſein ſelbſt willen: denn was waͤren
ſonſt die haͤufigen Anfuͤhrungen des Grundtextes,
der heiligen Vaͤter, der Rabbinen, des Gro-
tius, Marshams, Spencers, Clericus,
Hammonds
und Buxtorfs, des Lundius und
Ligtfots noͤthig?


B 4Auf-
[24]Au

Aufruhrſaat.

Daß Aufruhr Saamen hat, das
war bekannt; Saat aber, das heißt, gedacht. So
denket Hr. von Haller, 59 S. Die Thraͤnen
fangen
eb. daſ. einen Aufruhr an. 141 S.
Bald werden ſie ſtuͤrmen. Die boͤſen Thraͤnen!
Koͤnnte mans ſchoͤner ſagen?


Aufſpringen.

Vom Aufſpringen des Kaiphas
leſe man des Meßias 103 S. Doch ein wohl-
paſſendes Gleichniß. Schlacht, Tod, Lan-
ze, Gotteslaͤugner, Hoͤlle, Blut, Panzer,
Roſſe,
gehoͤren zu einem Gleichniſſe, wenn ein
Menſch ſoll beſchrieben werden, der zornig von
ſeinem Stuhle ſpringet.
Aber je weniger ſich es
bey einem Prieſter paßt: deſto ſchoͤner! S. An-
tilongins 116 S.
Ein Gleichniß naͤmlich muß
nicht ſo knapp, als ein Preuß; vielmehr etwas weit
und nachlaͤßig, wie ein Franzos ꝛc. gekleidet ſeyn.


Augen.

Man hat in Goͤttingen Augen, die da
ſaugen, in der 1 Ausgabe des befr. Deutſchl. ge-
tadelt; und freylich! die Figur war etwas
ſchweizeriſch. Aber eben die Richter haben fol-
gendes vergoͤttert:


Aber es ſtanden beſonders in einen Klumpen
geſchloſſen
Meine Soͤhne mit weit geoͤffneten Augen, die
ſtarrend
An die ſchluͤpfrigen Schoͤnen ſich haͤngten,
und geizige Zuͤge
Von dem bezauberten Blick einſogen ꝛc.
Noah, 22 S.


Was fuͤr Woͤrter! was fuͤr Verbindungen!
Wie
[25]Au
Wie ſie alle ſo ſchoͤn ſind! Schluͤpfrige Schoͤ-
nen!
So giebts auch trockene? Welch ein
Klumpen von Schoͤnheiten!


Aurora hat ein Bett.

Das war bisher noch zwei-
felhaft; der Hr. von Haller aber hat es am Gan-
ges
gefunden. Jhr Gaſt, der Herr Apollo,
oder Phoͤbus, der alte, der alle Tage zu ihr
koͤmmt, ſeine Pferde bey ihr ausſpannet, und ru-
het, wird ſich deſſen bedienen. Haller, 7 S.


O! Juͤngling! rufte jener Weiſe,
Warum hat deine Heldenreiſe
Sich in Aurorens Bett gewagt? ꝛc.


Wann eine Reiſe ſich zu einer Schoͤnen ins Bett
waget, ſo hat es keine Gefahr; wann aber ein
Held, ein Juͤngling ins Bett ſteiget: dann!
dann! Aurorens Gold hat oft die Berge ver-
goldet;
auf der 23 S. durchſtreifet ſie die Berge.


Wann nun von Titans Glanz die Wieſen ſich

entzuͤnden,

Und in dem falben Gras des Volkes Hoffnung

reift;

So eilt der muntre Hirt nach den bethauten

Gruͤnden,

Eh’ noch Aurorens Gold der Berge Hoͤh
durchſtreift. ꝛc.

Wir bewundern dieſe Art, Haͤu zu machen; erſt-
lich zuͤndet die Sonne die Wieſen an; dann
reifet in der Aſche die Hoffnung, und wird
Haͤu.
Welch ein Haͤu!


Ausgraben.

Schaͤtze graben ſaget der Deut-
ſche.
Der Schweizer hingegen: aus uns
B 5Schaͤtze
[26]Au
Schaͤtze ausgraben. Haller, 86 S. Aber es
graͤbt auch die Weisheit:


Sie findet Luſt und Ruh im Haus,

Und graͤbt aus uns ſelbſt Schaͤtze aus,

Die nimmer ekeln, nimmer fehlen. ꝛc.

Vor allen Dingen gefaͤllt uns das Haus, von
dem man nicht weis, ob es der Weisheit, oder
uns zugehoͤret; und dann loben wir auch die Ver-
bindung von Schaͤtzen, die ekeln; wo ekeln
als ein thaͤtiges Zeitwort gebrauchet wird.


Ausguß.

Ein neues Wort, welches ſich aus dem
Gehirne der Herren Neologiſten herſchreibet.
Jhr Haupt ſinget:


Wie wird mir? mich durchlaͤuft ein Ausguß
kalter Schroͤcken. Haller, 97 S.


Einen Topf geußt man aus! Allein, das waͤ-
re niedrig; ſo wie auch, wenn er geſaget haͤtte:
ein Strom von ꝛc.


Aushauch.

So redet Kerenhapuch, oder ent-
ſchleußt ihr Herz:


Sey mir gegruͤßt, ſuͤßduftende Luft im ſchat-
tichten Lichte!
Aushauch,
der aus dem Schooß der Mutter-
tererde hervorquillt.
Fluͤſſe der Luft,
ſo ſanft von bebenden Schat-
ten gemildert!

Allzulang hab ich euch in dem oͤden Kaſten ver-
lernet. Noah, 380 S.


Man erlaube mir eine kleine Entfaltung dieſer
Accente.
Was iſt doch eine ſuͤßduftende Luft
im ſchattigten Lichte? Duftet denn die

Luft,
[27]Au Ab
Luft, oder die Erde? Was iſt Aushauch, der
aus Vater Koth hervorrauſchet? War um ſol-
len Fluͤſſe der Luft von bebenden. Schatten ge-
mildert werden?
Warum beben die Schat-
ten?
Was iſt ein ſchattichtes Licht? Eine
Daͤmmerung des Verſtandes? Der Kaſten war
nicht oͤde; denn die Saat einer unterthaͤnigen
Schoͤpfung (Noah, 381 S.) lebte ihr Leben
meergruͤn darinnen.
Man zeige mir in einem
andern Dichter vier Verſe von ſolchem Reichthu-
me. Dieſen Vorzug beſitzet allein Maler und
Saͤnger Bodmer. Ein Leben leben; Luft
verlernen; Hauch quillt!


Ausfluß der Leichen dampf entgegen.

Meß. 53 S.
Was fließt doch aus Leichen? Der Leſer kanns er-
rathen.


Ausſicht.

Jch las juͤngſtens eine Vorrede, worin-
nen von nichts, als Ausſichten, gehandelt ward.
Jch vermuthete zum wenigſten einen Garten;
aber ach! es war eine ſehr betruͤbte Ausſicht:
die
Syndfluth! die naſſe Syndfluth.


Aus.

Wir lernen alle Tage je mehr und mehr, daß
auch eine einzige Sylbe einen Vers verengeln
kann. Denn wer haͤtte vor jenen dreyzig Jahren
geglaubet, wir wuͤrden noch Dinge ausſchaffen,
ausbilden, ausformen:
da doch ſeit viel Jahr-
hunderten genug war geſchaffen, gebildet, ge-
formet
worden?


Abend.

Man ſchreibt gemeiniglich: die Sache
wird vor dem Ende der Welt nicht ausge-
macht werden, ſo uneinig ſind die Meynungen.
Jch
[28]Ab
Jch rathe eben nicht, daß man ſichs angewoͤhne, ſo
plan zu ſchreiben. Man gebe der Sache eine klei-
ne Wendung. Man beſinne ſich auf den Abend
der Welt, und ſpreche:


Der Abend der Welt wird hereinbrechen,
ehe ſich die Meynungen uͤber dieſe Sache
vereinigen werden.


Sagt man auch der Mittag der Welt? die Mit-
ternacht der Welt? Herr Bodmer ſinget da-
her in ſeiner Elegie, auf das Abſterben ſeines Soh-
nes, ſehr geiſtig. Er will ſagen: Heute werde ich
mit Erzaͤhlung dieſer Sache nicht fertig. Wie male-
riſch druͤcket er dieſen gemeinen Gedanken nicht aus?


— — eh wuͤrden dunkle Schatten

Den Himmel uͤberziehn, und dieſen Tag

beſtatten.

Warum iſt doch unſere Welt bey einem taͤglichen
Begraͤbniſſe des Tages ſo gleichguͤltig!


Abzaͤhlen.

Bedeutet nach meiner Meynung, von
mehrern Stuͤcken eine gewiſſe Zahl abſondern.
So zaͤhlet man z. E. von zwoͤlf Thalern vier Tha-
ler zu einer beſtimmten Ausgabe ab. Man wird
aber aus verſchiedenen Schriften einen beſſern Ge-
brauch dieſes Wortes lernen, welches in Trauerre-
den von großem Nachdrucke iſt. Jch ſetze als be-
kannt voraus, daß ein Redner die Gabe habe, in
traurigen Faͤllen erhaben zu denken, und hoch zu
ſprechen. Es iſt eine allgemeine Meynung, daß
der Menſch ſterben muß, wann ſeine Zeit da iſt.
So matt ſpricht man zwar im gemeinen Leben; und
alsdenn iſt auch der Ausdruck gut. Ein Trauer-
redner
[29]Ab
redner aber wuͤrde ein ſchlechtes Lob erlangen,
wenn er ſich nicht hoͤher ſchwingen, und erhabener
ausdruͤcken wollte. Wie? wenn man ſo ſagte:


Auch der leichte Stich einer Fliege toͤdtet
den Menſchen, wenn die Stunde ausge-
laufen iſt, die ſein Leben abgezaͤhlet hat.


Jſt das nicht erbaulicher und lehrreicher? Ein
mittelmaͤßiger Kopf denket gleich an die Geſtalt
des Todes,
an deſſen Senſe und Sanduhr.
Die Stunde iſt ausgelaufen, und zaͤhlet das
menſchliche Leben ab.
Jſt das nicht ſchoͤn?
Je verſteckter eine Sache, eine bekannte Sache ein-
gekleidet wird, je ausgebildeter ſie dem Zuhoͤrer
und Leſer, durch einen Commentarium, kann ge-
macht werden, deſto gegruͤndeter iſt die Vermu-
thung, daß der Redner ein Mann ſey, der das
Weſentliche der Beredſamkeit in ſeiner Gewalt ha-
be. Aus dieſem Grunde ſchaͤtze ich die Meßiade
hoch, weil Meier und Dommerich zum Troſte
Deutſchlandes daruͤber Commentarios ſchreiben.
Man wird kuͤnftig der gelehrten Welt einen Band
klopſtockiſcher Exegeten
liefern koͤnnen. Ja,
ſchreyen die Kunſtrichter, das heißt bey uns
ſchwuͤlſtig und dunkel. Man laſſe ſich den Eigen-
ſinn dieſer Leute nicht blenden. Das Volle einer
Rede, oder eines Gedichts, iſt keine Schwulſt;
ſondern ſchon uͤber die Schwulſt und uͤber das
Dunkle hinweg.


Bach
[30]Ba

B.


Bach.

Nach der Lehre der Herren Neologiſten
thut nun ein Bach das, was man ſonſt vom
Sande ſagte. Jener ſtaͤubet, und dieſer ſpruͤ-
tzet. Wenn alſo mein Kleid voll Staub iſt:

ſo iſt es beſpruͤtzet; und wenn ich in Koth gefallen
bin, und mich im Sande geſielet habe: ſo bin ich
beſpruͤtzet. Wenn ich aber ins Waſſer gefallen
bin: ſo bin ich beſtaͤubt. Die Eigenſchaften der
Dinge zu veraͤndern iſt der Hauptgriff unſerer neo-
logiſchen
Dichtkunſt.


Der (Bach) ploͤtzlich aufgeloͤſt in Schnee und
Perlenblaſen,
Durch jaͤhe Felſen rauſchend ſtaͤubt ꝛc.
Haller, 96 S.


Wir lernen unter andern hier einen Bach in
Schnee und Perlenblaſen aufloͤſen.


Baͤche

der Luft trinken heißt in der denkenden
Sprache leben.
Die Menſchen muͤſſen folglich
entſetzliche Schluͤnde haben, ganze Baͤche zu ver-
ſchlingen. Man ſchluͤrfet auch die Baͤche des
Lichts,
wie Thee oder Kaffee.


Seine Geſtalt ward heller = =
Daß ſein Anderer ſo nahe bey ihm die Baͤche
des Lichtes trank. Noah, 83 S.


Wie ſeh ich dann aus, wann meine Geſtalt hel-
ler wird?
Alſo auch ſein Siebenter.


Baͤlle

von Bley aus blitzleitenden Waffen mit
Feuer fluͤgeln;
d. i. mit Musketen ſchieſſen.
Warum nicht kugelleitende Waffen? Es muß
blitzen! Eine Kugel iſt alſo ein Ball, oder viel-


mehr
[31]Ba
‘mehr ein Baͤllchen. Sie hat auch Fluͤgel von
Feuer: welche Fluͤgel! Noah, 355 S.
()

Baͤngſte der Leiden

leidet der Meßias 183 S.
So iſt denn dem Leiden, aber nicht den Menſchen,
bange? So ſagt Sanct Klopſtock in ſeiner
Offenbarung.


Baͤthen dir.

Die Gebeendung iſt in der heiligen
Dichtkunſt heilig;
wie uͤberhaupt alle moͤgliche
Fehler wider die Sprache: ihre Regeln ſchaden dem
Hohen: ſie koͤnnen ſie daher nicht beobachten.
Schade, daß kein ander Volk, als wir, ſo denket.
Auch ein Hallelulachen erhebet einen Vers;
Lucian gab ſchon die Urſache hiervon an, 222 S.
d. D. Ueberſ.


Halleluja! mein Schoͤpfer! dir baͤthen un-
ſterbliche Menſchen
Von der heiligen Erde! dir baͤthen unſterbliche
Menſchen. Meßias 164 S.


Hier fehlet nichts, als ein Kyrieleiſon: ſo iſt un-
ſer himmliſche Pſalmiſt ſo ſtark, als Lobwaſ-
ſer. Schoͤpfer Klopſtock
hat auſſer unſerer
Erde
noch eine heilige geſchaffen; und noch eine
kleinere Erde, oder vielmehr Sonne in unſrer
Erde.


Baͤume.

Eine gruͤne Nacht belaubter Baͤume
findet man in der ſchoͤnen Doris.


Die gruͤne Nacht belaubter Baͤume
Fuͤhrt uns in Anmuthvolle Traͤume:
Worinn die Seel’ ſich ſelber wiegt.
Haller, 67 S.


Wir bewundern das Wiegen. Wenn alſo der
Mond
[32]Ba
Mond ſcheinet: ſo haben wir eine weiſſe oder ſil-
berne Nacht.
Man muß die Figuren recht weit,
d. h. ins Ungeheure treiben. Furchtſam ſeyn iſt
ſchuͤlermaͤßig


Bagaſche.

Das deutſche Wort Plunder iſt viel zu
niedrig, als daß es ein heiliger Dichter brauchen
koͤnnte. Der Herr Magiſter Naumann hat alſo
wohl gethan, jenem Hurkinde das Buͤrgerrecht,
aus eigner Macht, zu verleihen. Alle Zwitter
ſind alſo bey uns, wie in Spanien die Hurkinder,
edel. ſ. Nimrod 293 S.


Balſamiſch.

Dieſes Beywort balſamiret jedweden
Vers. Noah, 190 S. auch Antilongin,
125 S.
Wir nennen es die Balſamfigur,
oder das Balſambuͤchschen.


Band.

Viele Redner gebrauchen dieſes Wort,
wann ſie eine Verbindung oder einen Zuſammen-
hang andeuten wollen. Daher kommen viele Re-
densarten, denen man das Schoͤne nicht abſpre-
chen kann. Z. E.


Diejenigen, die die erſten Buchſtaben in
den Grundwiſſenſchaften wiſſen, koͤnnen das
Band der Wahrheiten einſehen. Buttſt.
()

Ein anderer wuͤrde vielleicht geſchrieben haben:
Wer die Anfangsgruͤnde der Grundwiſſenſchaft
gelernet hat, kann den Zuſammenhang der
Wahrheiten einſehen.


Das erſte iſt zierlicher. Die erſten Buchſtaben
wiſſen, iſt fein gegeben!
Der Redner macht es
dem Zuhoͤrer leicht: denn wer iſt doch ſo ungeleh-
rig,
daß er die erſten Buchſtaben einer Meta-
phyſik
[33]Ba
phyſik nicht lernen koͤnnte? Das Band einſe-
hen
iſt alſo ein untadelhafter neuer Ausdruck.


Band.

Zernitz, der halleriſirende, ſaget auf
d. 170 S. ſ. Ged.


‘Denn brennte ſich in nichts der Einſchraͤnkun-
gen Band.
()

Die Flamme wuͤnſchte ich zu ſehen; noch lieber das
Band: weit, weit lieber aber waͤre mir der Ver-
ſtand.
Es wuͤrde mir ein Maaßſtab ſeyn, ande-
re Verſe darnach zu meſſen. Nur friſch! Die
Wahl in Ausdruͤcken verdirbt alles.


Bande.

Dieß Wort wird gar zierlich von Teufeln
gebrauchet. Man nenne ſie die ſchwarze; die
Engel, die weiße Bande. Sammlung Ni-
colai 33 S.


Flieht! ſpricht ſie, (die Zwietracht) zu der
ſchwarzen Bande!


Baſtart.

Auf deutſch, ein Hurkind: eine hoͤfliche
Benennung eines Freundes, wo er die Reime lie-
bet.

So waren denn Gottſched, Schwabe,
ja Haller, Kanitz, Guͤnther ꝛc. Hurkinder?
Der Grobian! ich irre mich: der hoͤfliche Mann!
Und ich, und die Kritik benennet dich Baſtart!
Brem. Ged. 57 S.


Dieſer Herr Jch muß ein ſehr großer Herr ſeyn,
weil er und die Kritik nicht allein ein Ding iſt;
ſondern, weil er ſeinen Freunden ſo grob begegnen
darf. Aber nein! Es iſt nur der Herr Johann
Heinrich Oeſt!
ein verwaͤgener Mann. Noch
ein Broͤckchen von dieſem breiten Herrn und ſei-
ner breiten Einſicht. Es ſtehet e. d.


CWie?
[34]Ba

Wie? oder hat ein duͤrrer Zweig von Pappeln
— — — — dich gefuͤhret
Zu Swifts geheimen, weiten, wuͤſten
Bathos:
Worinn du tappteſt, fieleſt, krochſt, und
umkameſt:
Ein Scheuſal, wie der finſtre Mond und
Blackmor.


Muß man nicht ein Zauberer ſeyn, um, wie Vir-
gil,
den Aeneas mit einem duͤrren Zweige in das
Bathos der Hoͤlle zu fuͤhren? Da wiſſen wir
nun, was der breite Herr von Swiften haͤlt.
Ein Ungeheuer iſt er, wie der finſtre Mond und
Blackmor. Der neologiſche Pindar irret
ſich; Swifts Bathos iſt nicht geheim; denn
es iſt, wie mein Woͤrterbuch, die Ehrenſaͤule der
Dichter,
und Schandſaͤule der geſunden Ver-
nunft, gedruckt;
allein zum Ungluͤck der Deut-
ſchen
nur einmal. Lieber Leſer! Haſt du wohl
den Wohlklang und die Gelindigkeit des Verſes
tappteſt, fieleſt ꝛc. ꝛc. bemerket? Wie er ſo
ſchoͤn iſt!


Baubegnadigungsgelder

waren ſchon eine Erfin-
dung Sr. Nimrodiſchen Majeſtaͤt. Nim-
rod, 139 S.
Es giebt auch eine Nimrodi-
ſche Bibliothek. Nimr.
146. Man glaubet
es nicht, was die dichteriſche Wuth des Hn. M.
fuͤr Erfindungen an die Hand giebt. Denn hat
Nimrod nicht ſo gar eine Reiſecaleſche? Wir
irren alſo, wenn wir die Caroſſen fuͤr unſere Er-
findung halten.


Bauch.
[35]Ba

Bauch.

Verfuͤhrung ſchwacher Zucht, der Got-

tesdienſt des Bauchs,

Fruchtloſer Muͤßiggang, der Hunger ei-
tels Rauchs,

Und ſo viel Unthier mehr ꝛc. bruͤtet das

Herz.

Alles Unthiere, die ihr Daſeyn Sr. Gn. dem
Hn. von Haller 110 S. zu danken haben. Jch
wette, daß ein Philoſoph uns eher ſagen wird, was
ein einfaches Ding iſt; ein Ding naͤmlich, das
keine Theile hat; keinen Raum einnimmt, und in
nichts kann eingeſchloſſen werden: ehe der Dichter
ſagen kann, was Verfuͤhrung ſchwacher Zucht
iſt. Denn was iſt Verfuͤhrung ſchwacher
Zucht? = = Verfuͤhrung ſchwacher Zucht!
= = Ein
wenig Geduld! = = ich werde es gleich ſagen. = =
Sollte die ſchwache Zucht verfuͤhren, oder ver-
fuͤhret werden?
= = Wahrlich! ich weis es nicht.
Wolluͤſtige haben bisher ihren Bauch zu ihrem
Gotte gemachet; einen ordentlichen Gottes-
dienſt des Bauches
haben ſie noch nicht errichtet.
So hungert dem Rauche, oder ſind wir dar-
nach hungrig? Bruͤten! das Herz kann bruͤ-
ten;
es wird auch wohl Eyer legen. Noch eines
vom Bauche:


Der traͤge Muͤßiggang ſchwillt (a. St. ſchwellt)
niemals ihren Bauch. Haller 22 S.


Man muß nicht leichtfertig ſeyn, u. a. St. Bauch
ein ander Wort ſetzen. Hier iſt noch ein Bauch;
wo aber ein Bauch iſt: da iſt auch ein H = = =
Der Hint = = der Welt!
ſo wie der Bauch
C 2der
[36]Ba Be
der Welt! Haller, 49 S. Das unreine
Gold
waͤchſt darinn zum kuͤnftigen Gelde, ohne
erſt gepraͤgt zu werden. Das Gold iſt alſo der
Unflath der Welt. Die Sterblichen werden ei-
ne Laͤuterung dagegen eingeben. Man muß nicht
lachen; denn der Dichter iſt ſehr ernſthaft.
Wenn aber ein ernhafter Mann einen Harlekins-
wams anziehet, ſoll man da weinen?


Baumſchule,

eine ganz vortreffliche, von Cinna-
momus
und Balſam; lohenſteiniſche Ge-
waͤchſe!
iſt Noah, 405 S.


Eine Baumſchul’ des ſuͤßeſten Vorraths,
wo die Natur itzt
Jhre verneute Jugend beging mit jungfraͤu-
lichen Spielen.


Eine Jugend begehen! eine Baumſchul’ des
ſuͤßeſten Vorraths!
auch ſaures Vorrathes!
jungfraͤuliche Spiele!
Alles epopoͤiſche Saͤ-
chelchen. Wie ſie ſo ſchoͤn ſind!


Bazar.

So heißt nicht allein der Marktplatz in
den tuͤrkiſchen Staͤdten. Saͤnger Bodmer
ſinget mit eckichten Buchſtaben auch von dem Ba-
zar
der Staͤdte der alten Mizren, deutſch, Ae-
gyptier;
in ſeinem Schaͤfergedichte Jacob und
Joſeph 39 S.


Bebieſamen, eben ſo gut, als benelken, oder beroſen.
Die allerreineſte Luft bebieſamte deſſen Re-
viere. Nimr. 582 S.


Hier ſind auch ambrirte Duͤfte und lebendige
Pfeiler.
Jch fuͤrchte, wenn ſie leben: ſo wer-
den ſie ſich ruͤhren; es kann ihnen einmal einkom-
men,
[37]Be
men, auf den aͤtheriſchen Auen ſpatzieren zu ge-
hen, und ambrirte Duͤfte zu riechen: wo werden
dann die elfenbeinerne Pallaͤſte bleiben? Sollen
ſie auch mitzotteln? Hat doch Homer auch
Stuͤhle, die da ſpatzieren gehen.


Beekelt.

Dieſes Wortes Sinn muß in dem Zuͤr-
cheriſchen Woͤrterbuche
geſuchet werden. Mei-
nes wuͤrde viel gewinnen u. deſto deutlicher werden.


Sein kuͤnſtlicher Geſchmack beekelt ſeinen
Stand. Haller 19 S.


Er hat einen kuͤnſtlichen Geſchmack war noch
nicht geſaget worden. Er hat einen Geſchmack
an kuͤnſtlichen Sachen
war zu gemein. Soll
aber das kuͤnſtlich hier nicht ekel bedeuten?


Bebruͤten.

Der Geiz bebruͤtet Gold. Haller, 34 S.
Welche Eyer! Wenn alſo der Geizhals ſein Geld
in den Kaſten thut: ſo legt er Eyer ins Neſt.
Allein, es iſt nicht ſo, daß er bruͤten will. Die
Voͤgel ſollen nicht ausfliegen; ſie thun es auch
nicht, bis ein barmherziger Sohn die Gefangenen
erloͤſt; und ſein Haus mit ihnen durchjauchzet.


Befahren.

Die Luft mit Liedern beſeegeln, be-
fahren, bereiten;
d. h. in der einfaͤltigen Spra-
che ſingen:


‘Singende Choͤre befuhren die Luft mit zaͤrtli-
chen Liedern. Noah, 60 S.
()

So waren denn die Lieder die Wagen, und die
Kehlen die Pferde.


Befeuert.

Das Gebluͤt, das kein Jachzorn be-
feuert;
oder beſchießt. So muß man denken.


Jn ihren Adern fließt ein unverfaͤlſcht Gebluͤte,


C 3Darinn
[38]Be

Darinn kein erblich Gift von ſiechen Vaͤtern
ſchleicht;
Das Kummer nicht vergaͤllt; der Jaͤhzorn
nicht befeuret;
Kein geiles Eiter faͤult; das Schwelgen nicht
verſaͤuret ꝛc. Haller 22 S.


Erſtlich bewundern wir, von Amtes wegen, das
Nebenwort darinn; weil es ſowohl auf Adern,
als Gebluͤt gehen kann. 2. daß das Gift, wie
ein Gut, erblich wird: man wird es daher bald
zu Lehn machen: angeerbtes Gift war freylich
zu gemein; 3. loben wir den Artikel das, wel-
cher ſowohl auf Gift, als Blut gehet; 4. das
geile Eiter, das Blut faͤult; faͤult war ſonſt ein
unperſoͤnliches Zeitwort; und man ſagte: das
Fleiſch fault;
aber nicht: die Faͤulniß faͤult das
Fleiſch. Verſaͤuret
war auch noch bisher kein
Zeitwort von der thaͤtigen Gattung. Allein,
wir erwarten eine neue Sprachlehre.


Beflogen.

Etwas befliegen: ein allerliebſtes
Wort, welches, wahrlich! aus der geheimſten
Kammer maleriſcher Dichterey genommen wor-
den.

‘“Ein nie beflogener Gipfel ſtreckt das
“Wetterhorn durch einen duͤnnen Wolken-
“kranz; beſtralet mit roſenfarbenem Glanze
“beſchaͤmt ſein graues Haupt, das Schnee
“und Purpur ſchmuͤcken, gemeiner Berge
“blauen Ruͤcken.
”’
()

Haller 96 S. Wer mir
das ſagen kann, der muß ſich fuͤr keinen Schwindel
fuͤrchten.


Befehlen.

Das Auge zuruͤck befehlen: vortreff-
lich!


Bald
[39]Be

Bald befahl ich das Auge, das ungern ſahe
zuruͤcke
Nach der inwendigen Seite des Paradieſes.
Noah 17 S.


Wenn ich alſo nicht Toback riechen will: ſo befehle
ich meine Naſe zuruͤck,
die ungern riechet.
Wer etwas mehr, als die Mechanik in der Dicht-
kunſt, verſtehet; der wird an dieſen Klippen nicht
ſtoßen: denn es iſt ein neuer Zeitpunct in der
Dichtkunſt entſtanden.


Begleiten ein Opfer mit Gebaͤth,

iſt kein Galli-
ciſmus.
Denn wie koͤnnten in der Offenba-
rung St. Klopſtocks
Fehler ſeyn? Meßias
2 S. u. anderwaͤrts.


Begiſcht.

Stallknechte pflegten zu ſagen: das
Pferd iſt geritten worden, daß der Jaͤſcht auf ihm
ſtehet. Nunmehr brauchet es ein heiliger Dichter,
und machet ein Beywoͤrtchen daraus.


Er peitſchte die knirſchenden Pferde, die begiſch-
ten ſtrampfenden Hengſte,
Die wohl geſtriegelten Schecken, hochbreit
vom Ruͤcken und Kreuze.
Nimrod 611 S.


Welche Beywoͤrter! Hat der Herr M. nicht einen
rechten Pferdeverſtand? Pater S. Clara
ſagt: ein Gaimazer machet den andern auch gai-
mazen.


Begriffe

ſchwaͤrmen beym Herrn. J. H. Oeſt in
mathematiſchen Puncten. Brem. Ged. 17 S.

Muͤſſen die Begriffe nicht ſehr klein ſeyn, die in
Puncten ſchwaͤrmen?
Wie groß aber iſt der
C 4Geiſt
[40]Be
Geiſt nicht, der ſie ſchwaͤrmen laͤßt! Sie ſchwaͤr-
men
vorher in ſeinem Gehirne; in der Zirbeldruͤſe,
in die Carteſius unſere Seele einſperret. Der
waſſerklare Dichter redet von der Welt, worinn ſo
du, als ich, und alle


Ein ganz Adamiſches Geſchlecht durch tauſend
Glieder
Nur Puncte ſind, gleich mathematſchen Pun-
cten;

Sind noch zu klein mit allem, was ſie ſchlieſſen,
Und die Begriffe, die darinnen ſchwaͤrmen,
Sind Zahlen in unendlich kleinen Bruͤchen
Von jenem Einen, jenem großen Ganzen. ꝛc.


Sind das nicht Verſe in Bruͤchen? Wir haben
einen Adami gekannt; vielleicht iſt dieß ſein Ge-
ſchlecht, ſein mathematiſches Geſchlecht.


Behaͤltniß.

Ein Behaͤltniß der Gebeine iſt nicht
ein Beinhaus. St. Klopſtock nennet alſo
den menſchlichen Koͤrper.


Nunmehr klagt er ihn troſtlos, u. faſt das kalte
Behaͤltniß
Seiner Gebeine
mit ſterbendem Arm.
Jn ſ. Offenbarung 38 S.


Ein ſterbender Arm an einem Koͤrper, der doch
leben bleibet, iſt das nicht ein Wunder? Das
Wort erſtirbt mir im Munde;
dieſe Redensart
hat den goͤttlichen Seher darauf geholfen.
Sollte jemand ſpitzig ſeyn, und ſchelten, daß ich
die Offenbarung St. Klopſtocks neben St. Jo-
hannis ſeiner
ſetze: der leſe nur die Anrufung
gleich im Anfange ſeines Gedichtes. Entweder,
die
[41]Be
die Sachen, und Geſichte, die er darinnen ſiehet,
ſind wahr; oder es ſind Luͤgen. Er ſaget aber:
es ſind nicht allein Wahrheiten; ſondern Offen-
barungen:
ich folge alſo dem goͤttlichen Seher;
dem Evangeliſten St. Klopſtock; oder viel-
mehr dem Theologen.
Jch hoffe aber von nieman-
den weniger Widerſpruch, als von ihm. From-
me werden ſich an meiner Vergleichung nicht aͤr-
gern: ſonſt bitte ich ſie, ja, ich beſchwoͤre ſie recht,
nicht die Meßiade zu leſen. Herrnhut ſelbſt
dichtet nicht ſolche geilgeiſtliche Lieder. Wurm-
ſaamen.


Behauſen,

a. St. bewohnen; und warum das
nicht? Man ſagt ja Behauſung; und ein Wort
muß ſo viele Geſtalten, als ein Seidenwurm, an-
nehmen koͤnnen: ſonſt taugt es nichts.


Nur hab’ ich in der umgebenden Fluth das Jn-
ſelgebuͤrge
Seine Stirn’ erhoben, u. Wild u. Fluͤgel be-
hauſet. Noah 113 S.


Wie man ſiehet: ſo nimmt dieß Behauſen eine
leidende und thaͤtige Bedeutung an. Man
kann auch a. St. Wildbeine, ſo wie Saͤnger
Bodmer Fluͤgel
a. St. Voͤgel, ſagen.


Beherrſchen.

Um zu ſagen: ein Schiff ſeegelt von
Cadix nach Cuba: ſo ſprich, ein Schiff, das
Zwiſchen Cadix und Cuba des Meeres Wuͤſten
beherrſchet. Noah 158 S.


Mit ſolchem Schiffe vergleichet der witzige Suͤnd-
fluthendichter
das Luftſchiff des Koͤniges Da-
gon;
der Koͤnig gigantiſcher Menſchen. Hat
C 5alſo
[42]Be
alſo das Meer Wuͤſten: ſo wirds auch bald
Staͤdte haben. Das Wort beherrſchen uͤber-
haupt iſt das Schiboleth der Neueren. So be-
herrſchen
z. E. die Muſen die Geſaͤnge im
Noah und Meßias;

“welche Gedichte Chri-
“ſtenthraͤnen ſind, die er in goldenen Schaalen
“vor den Thron des Hoͤchſten geleget.”


Auch unſere Thraͤnen ſind in dieſer goldenen
Schaale.
Samml. Nicol. Sam. Pattzke 38 S.


Bekropfen;

a. St. ſeinen Kropf fuͤllen. Man ſa-
ge demnach auch von einem, der ſeinen Beutel be-
ſpicket:
er bebeutelt ſich. Ein Narr machet den
andern; alſo auch ein Wort das andere. Hier iſt
ein treffliches Gleichniß!


So, wie ein Hamſter zum Winter ſich mit Vor-
rath verſorget,
An ſeiner Statt ſeine Jungen aufs Feld ſchickt,
ſich zu bekroͤpfen. Nimrod 427 S.


Bellen.

Was bellt des Poͤbels Wahn im Schwarm
verworfner Richter
Das blendend reine Licht in ihrem Glanze an.
Samml. Nicol. 147 S.


Man laſſe alſo lieber den Wahn ziſchen, oder
pfeifen, wenn er nicht bellen ſoll. Kein Wun-
der, daß der Vers etwas mondſuͤchtig iſt; das
Gleichniß koͤmmt vom Monde. Man ſage mir
den Sinn dieſer Verſe! worauf, zum Exempel,
gehet ihrem? Allein eben dieſe Zweydeutigkeit
ſchaͤrfet das Nachdenken.


Bein.

Die Waͤnde mit Beine bekleidet
Von
[43]Be
Von Elephantenzahn, mit Purpurſtreifen
beſprenget. Noah 21 S.


Elfenbein heißt alſo Bein von Elephantenzahn;
man ſagt auch mit Elfenbein bekleiden, a. St.
auslegen; man beſprenget auch mit Streifen;
alles ausgeſuchete Ausdruͤcke!


Benebelnder Staub,

oder beſtaͤubender Nebel;
ſehr genaue und wohlpaſſende Beywoͤrter. Es
iſt, um zu ſtaunen!


Nur ein benebelnder Staub verbirgt die
maͤchtige Wahrheit. Noah 191 S.


Hier ſind auch auf einem Sterbenden:
Welkende mit der Farbe des Staubs ge-
zeichnete Zuͤge!


Wie figuͤrlich! Es giebt vielerley Staub; es
giebt auch eine Art von Staub, den man den Leu-
ten ins Geſicht wirft. Man ſiehet Sachen, die
man ſonſt nicht geſehen; Schoͤnheiten, wo man
ſonſt Fehler gefunden; und Witz, wo ein anderer
Raſerey wahrnimmt.


Auch Schritte benebeln. Samml. Nicolai
11 S.

‘“Ein Schritt der bloßen Allmacht
“benebelt unſern Verſtand; ohne ihn zu leh-
“ren.
”’
()

So reden unſere neologiſche Redner.
Wenn man einem mit dem Fuße ins Auge ſtoͤßt: ſo
iſt ſein Auge benebelt; mit einem Schritte zu be-
nebeln:
das iſt vortrefflich!


Bepfeilt;

alſo auch bekugelt: eine bekugelte Flinte.
Die bepfeilten Bogen der Schuͤtzen hatten ſchon
Salve gegeben. Nimrod 427 S.
Mit Bogen Salve geben: eine gar richtige Re-
densart!


Be-
[44]Be

Beraͤuſcht, a. St. berauſcht.

Es iſt eine Figur,
des Reimes wegen; eine Metatheſys, d. i. Buch-
ſtabenwechſel; oder wie das Ding heißt. Haller
irgendwo in ſeinen Gedichten.
Jch verſchweige
den Ort, meinem Leſer ein Vergnuͤgen zu machen.
Denn, wie ein junger Menſch immer verliebter
wird, je mehr Schoͤnheiten ihm ſeine Liebſte verbir-
get: ſo gehet es auch den verliebten Bewunderern
des unſterblichen Hallers, die immer mehr
Schoͤnheiten entdecken, je weniger er ſie ſehen laͤßt.


Belohnen mit ſeegnenden Blicken,

d. h. einen
freundlich anſehen.
Jch glaube, die Geizhaͤlſe
ſind alle Meßianer; ſie belohnen lieber mit
Blicken, als Gelde. Offenb. St. Klopſt.
6 S.
Allein in der heiligen Sprache heißt auch
ſeegnen, fluchen; folglich iſt es eine Paronoma-
ſie. Antilongin 88 S.


Wer herrſcht, der ihm gefaͤllt? Vor ihm iſt

alles ſchlecht;

Belohnen unverdient, verſagen ungerecht.

So laͤßt der Froͤſche Volk ſein Quaͤken in den

Roͤhren

So wohl beym Sonnenſchein, als wenn es wit-

tert, hoͤren. Haller 79 S.

Der Dichter hat wohl gethan, ein Fragezeichen in
dem erſten Verſe zu ſetzen. Ein anderer wuͤrde ge-
ſetzet haben: Gefaͤllt ihm der, der herrſcht?
Jenes aber iſt verworfener u. alſo ſchoͤner. Vor
ihm iſt belohnen unverdient!
Wenn er die Be-
lohnung bekoͤmmt, oder wenn er ſie austheilen ſie-
het? Jn was fuͤr Roͤhren quaͤcken wohl die
Froͤſche?
[45]Be
Froͤſche? Quaͤcken ſie nicht auch in den Tei-
chen, Seen, Fluͤſſen, Baͤchen?
Jn den
Roͤhren wuͤrde ihr Gekroͤchz nicht viel Laͤrmen ma-
chen. Heißt die Figur nicht der Reim- oder viel-
mehr der Gedankenzwang? Nein! ſie heißt
die Ausfuͤllung, die Vollſtopfung.


Bereuter Laſterwurm:

ein ſeltenes Thier, wel-
ches nur auf den Alpen ſo graͤßlich geſchaffen
worden.


Nie ſtoͤrt ſein Gleichgewicht der Sinnen jaͤ-
her Sturm;

Nie untergraͤbt ſein Herz bereuter Laſterwurm.
Haller 66 S.


Ein gemeiner Dichter wuͤrde ſagen: Er bleibt ſich
ſelber gleich.
Da wuͤrde nun weder ein Gleich-
gewicht
ſeyn; noch der Sinnen jaͤher Sturm
ein Gleichgewicht ſtoͤren. Man bemerke wohl
die Redensarten. Hier umwoͤlket auch ein ſau-
rer Blick
der Augen heitres Licht. Kann das
ein Blick?


Berge;

gemeine Berge, poͤbelhafte Berge,
vornehme Berge.


Gemeiner Berge blauen Ruͤcken.
Haller, 96 S.
()

Bergtalch.

Sonſt hatten die Ochſen nur Talch;
hier iſt gar ein Talch aus Thon und Staub ge-
drehet. Gott
iſt alſo ein Toͤpfer; ein Drechs-
ler;
darzu ein recht kuͤnſtlicher, weil er aus
Staub drehet.
Jn der zweyten Zeile iſt er ein
Goldmacher; in der dritten ein Baumeiſter;
in der vierten ein Schneider. ſ. Antil. 27 S. u. f.


Du
[46]Be

Du haſt der Berge Talch aus Thon und
Staub gedrehet;

Der Schachten Erz aus Sand geſchmelzt;
Du haſt das Firmament an ſeinem Ort erhoͤ-
het;

Der Wolken Kleid darum gewaͤlzt.
Haller 2 S.


Wo ſollte wohl das Firmament ſtehen, als an
ſeinem Orte?
So waͤlzet man nun ein Kleid
um ſich?
vor dieſem zog mans an. Wie wuͤrde
auch das geklungen haben: er hat der Wolken
Kleid dem Firmamente angezogen?
Die er-
ſten Kleider Adams und der Eva koͤnnen nicht ſo
pumphoſicht ausgeſehen haben, als dieſes Kleid
der Wolken;
das darzu nur darum gewaͤlzet
worden. So ehrerbietig verfaͤhret man mit dem
Hoͤchſten, daß man ihn, zu was es einem belie-
bet, ja zum Schneider machet! zum Kammer-
diener!


Beryll

und Schoham bedecket eines Gehirnes
Geſpinſt.
So ſinget der Oberwurmſaamia-
ner Bodmer
von ſeinem Gotte.


Aber der Prieſter mit ſeinem gegoßnen Gotte
von Golde
Trat in die Fluth und vollzog die Rechte des
heiligen Waſchens
Seines Gehirnes Geſpinſt, mit Beryll und
Schoham bedecket, Noah 21 S.


Gehet dieß Bedecken auf das Geſpinſt, oder
den Prieſter, oder den Gott? Hier ſind drey
Wege;
[47]Be
Wege; gehet welchen ihr wollet! Was mag doch
das Waſchen fuͤr Rechte haben?


Beſeelt.

Ein Stein von ſtarker Hand beſeelt,
bekoͤmmt der eine Seele? Kann ihn eine Hand
beſeelen?
Jſt doch ein Kloß auch einmal beſeelet
worden; warum nicht deſto eher ein Stein?
Aber es iſt auch eines Schweizers Hand.


Hier ringt ein kuͤhnes Paar; vermaͤhlt den
Ernſt dem Spiele;
Umwindet Leib um Leib,
und ſchlinget
Huft um Huft.

Dort fliegt ein ſchwerer Stein nach dem geſteck-
ten Ziele,
Von ſtarker Hand beſeelt, durch die ge-
trennte Luft. Haller 20 S.


Ein anderer wuͤrde vieleicht geſagt haben: ver-
miſchet Ernſt und Spiele.
Aber dann wuͤrde
keine Hochzeit oder Vermaͤhlung ſeyn vorgefal-
len; und das Wort vermaͤhlen hat doch, ſeines
Alterthums halber,
oft eine Verbindung, die
man verehren muß. Wenn man etwas um-
windet:
ſo muß man auch etwas haben, womit
man es umwindet: Hier ſehe ich aber nichts als
Leiber, mit denen man nicht wohl etwas, als
mit Bindfaden, umwinden kann. Sonder
Zweifel will der Verfaſſer ſagen: Und ſetzet Bruſt
an Bruſt, und ſchlinget Bein um Bein;
denn
eine Huͤfte mit der andern zu umſchlingen, wird
auch, in den Spielen der Liebe, unmoͤglich ſeyn.
Ueberdieß haben wir das ſchoͤne Wort Huft, ich
weis nicht welches Geſchlechtes, vieleicht dem
Reime
[48]Be
Reime zu danken. Vieleicht iſt auch nicht noͤ-
thig, einen Stein zu beſeelen, wenn er ſchon
durch die Luft flieget. Man bemerke mein ehrer-
bietiges Vieleicht; denn ich bin ſehr furchtſam.


Beſaͤmen.

Die Maͤgdchen vor der Suͤndfluth ha-
ben gar andere Sachen, als unſere, zu thun ge-
habt. Sie haben die Tulpen beſaͤmet und ge-
ſchwaͤngert.


Damals waren ſie gleich im Werk, die befruch-
teten Saͤmchen
Abzubrechen;
hernach mit dem Mehl weiß-
farbener Tulpen

Feuerrothen verwittweten Ritz beſaͤmend zu
ſchwaͤngern. Noah 40 S.


Jtzund hat ſich die Sache gewaltig geaͤndert; und
die Maͤgdchen laſſen ſich lieber ihre Ritzen beſaͤ-
men
und ſchwaͤngern.


Damit niemand auf dieſer Erd’
Zu ſehr ſtolzier’ und ſicher werd’.


Beſuch.

Man bewundere doch die Klarheit nachſte-
hender halleriſirender Verſe; denn ſo ſchreibt
Haller, der 2te.


Er merket beym Beſuch mit ſtolz gezaͤumten
Pferden,

Daß ſie ihm laͤſtiger, als ihnen er kann werden.
Zernitz 9 S.


Das glaube ich; zumal wenn ſie mit in die Stube
kommen. Ein ſehr hoͤflicher Beſuch! “Die
Nachwelt iſt viel zu gerecht, als daß ſie dieſem
ſchaffenden Schaͤferdichter veruͤbeln ſollte: ein ſo
großes Muſter, als Hr. v. Haller iſt, ſich er-
waͤhlet
[49]Be
waͤhlet zu haben.„ Der Beyfall, um den die le-
bende Welt mit eiſernen Faͤuſten kaͤmpfet, iſt ihm
Buͤrge dafuͤr. Ja! ich unterſtehe mich, allen
denenjenigen den Verſtand vor der Fauſt abzuſpre-
chen, die nicht ihre Stimmen mit der meinigen ver-
einigen. Siehet man hier wohl das neue Wort
laͤſtig? Es koͤmmt von uͤberlaͤſtig. Beuge al-
ſo: laͤſtig, laͤſtiger, laͤſtigſter. Wir haben von
einem Wolluͤſtlinge gehoͤret, der, wann er beſoffen
war, alle ſeine Pferde in die Stube kommen ließ.
Vieleicht iſt dieſes Zernitzens laͤſtiger Beſuch.


Beſuchen.

Meine Hand beſuchet mein Haar,
ſagen unſere Neologiſten. Die Alten kratzten
ſich darinnen. Pſuy! wie garſtig das nicht klin-
get! Samml. Nicol. 78 S. Auch alten
Woͤrtern muß man einen neuen Schwung geben.


Beſtralen.

Unkoͤrperliche Dinge beſtralen auch;
Sachen, die an ſich ſelbſt keinen Glanz haben.


Wer ſtirbt hier wuͤrdiger? Ein gleicher Hel-
denmuth
Beſtralet beyder Tod, u. wallt in beyder Blut.
Haller 59 S.


Was heißt doch wuͤrdig ſterben? Das Wort
wuͤrdig mit einem Zeit- oder Hauptworte zu ver-
binden, ohne zu ſagen, was oder weſſen der Ge-
genſtand wuͤrdig iſt, iſt ein ſehr artiger Galliciſ-
mus:
und dieſe Figur iſt keine geringe Schoͤnheit
in der neologiſchen Sprache.


Beſtreuen.

Folglich kann man auch ſagen betroͤ-
pfeln.
Dieß ſaget mit eckichten Buchſtaben zier-
Dlicher
[50]Be
licher, als mit runden der iſraelitiſche Schaͤfer-
dichter Bodmer.


Seine geringſte that war mit wohlſtand und
anmuth beſtreuet oder betröpfelt.
Jac. u. Joſ. 10 S.


Beſchuͤtzen.

Kanitz ſinget:


Euch, ihr Stunden! die verlaufen,

Koͤnnt’ ich euch mit Blut erkaufen!

Aber die Fuͤgung mit Blut iſt gewoͤhnlich; ſo wie,
ich will mein Blut fuͤr dich vergießen. Hr. von
Haller machet aus dem Blute ein Gewehr,
und beſchuͤtzet damit.


Ein angenommner Satz, den nichts als
Glaube ſtuͤtzt,
Wird bald ein Theil von uns, und auch mit
Blut beſchuͤtzt. Haller, 44 S.


So iſt demnach der Satz, daß der Herr Ammon
durch ſeine Gedichte unſterblich ſey, ein Glied von
mir?


Bethauet.

Sonſt dachte man, der Thau ſtiege
aus der Erde,
oder fiele vom Himmel. Allein
der dichteriſche Herr Doctor lehret: das Mor-
genroth
und das Abendroth bethauet.


Doch geh durchs weite Reich, das Gottes Hand
gebauet,
Wo hier in holder Pracht, von Morgenroth
bethauet,

Die junge Roſe gluͤht. Haller, 49 S.
Oder iſt gar das Morgenroth ſelber der Thau?


Betreten.

Die weite See der Welt betreten.
Das
[51]Be
Das thue Hr. v. Haller, und ich nicht. Swift
nennet dieſe Figur das Unmoͤgliche. Antil. 94 S.


Verſehn zu Sturm u. See, in allem wohl be-
ſtellt,
Betraten wir
nunmehr die weite See der
Welt. Haller 107. S.
()

Viel Gluͤck zur Reiſe! Jch weis nicht: ob der
Hr. Doctor unter verſehen beſtimmt, oder ver-
ſorgt
meynet. Der Deutſche ſagte bisher: es
iſt gut mit mir beſtellt; die Sache iſt gut beſtel-
let worden.
Fuͤr den Witz Sr. Unſterblich-
keit
war es aufgehoben, in allem wohl beſtellt zu
ſagen.


Betrybniß

verſæuret, alſo auch Freyde verzu-
kert.
So ſinget der lohenſteiniſche Wuͤrzkraͤ-
mer Bodmer!


Ihn im elend zu wiſſen, verſæurte nur Ja-
cobsbetrybniß.Jac. u. Joſ. 31 S.


Bewaffnen

eine Rede mit Donner; warum nicht
mit Hagel?


Der will ich ſeyn! Und gegen ihn mit der
Stimme der Donner
Meine Rede bewaffnen!
ꝛc.


So drohet Jthuriel in der Offenb. St. Klop-
ſtocks 140 S.
Der Donner wird Jſcharioten
nicht viel ſchaden; denn der Seraph darf nicht
Ernſt machen, und ihn einſchlagen laſſen. Aufs
hoͤchſte darf er ihm die Zaͤhne weiſen; ein bischen
knallen; aber nicht beiſſen. Das iſt ein Vorzug
der miltoniſchen und klopſtockiſchen Engel und
Teufel,
daß ſie ſich wie unſere Zweykaͤmpfer nur
D 2ver-
[52]Be
verletzen; doch nicht todt machen doͤrfen. Das
waͤre ſans Raiſon; wie koͤnnte da ein Engel beſte-
hen?


Bewirthungsrechte

mit einem begehen, ſaget
man a. St. einen bewirthen. Das Wort bege-
hen
iſt ein heiliges Wort.


Daſs er mit euch die heilgen bewirthungs-
rechte begehe.Jac. u. Joſ. 39 S.


Die patriarchaliſchen Dichter begehen ſich gar zu
gern.


Bewußt.

Wenn dieß Wort recht eingepflochten
wird: ſo macht es den ſchlechteſten Vers ſchoͤn und
ſtark; auch in matten Dichtern.


Beyhuͤlfe.

Will man ſagen: die Eigenliebe lehr-
te uns Mittel, das Meer zum Behuf unſerer
Reiſen zu beſtreichen;
ſo druͤckte man ſich ſo
kurz aus:


Sie bahnete das Meer zur Beyhuͤlfe unſers
Reiſens. Haller 105 S.


Beyhuͤlfe war ſonſt ein der Mildigkeit gewidme-
tes Wort; allein die Mildigkeit hat es der Reiſe
geliehen.


Beyſpiel.

Ein Beyſpiel von wohlverdienter Se-
ligkeit giebt
bey ſeiner Hochzeit, bey lebendi-
gem Leibe,
der lebendige, wohlgebohrne und
gnaͤdige Herr Jſaak Steiger.


Du auch, der ſein bemuͤhtes Leben
Der Buͤrger Wohlfahrt hat geweiht,
Wirſt uns nunmehr ein Beyſpiel geben
Von wohlverdienter Seeligkeit.
Haller 119 S.


Allein,
[53]Be

Allein, wann man Hochzeit machet, will man da
ſterben? und ehe man nicht ſtirbt, kann man nicht
ſeelig werden: es muͤßte denn in Wein ſeyn.
Von einem betrunkenen Menſchen pfleget man zu
ſagen: er iſt ſeelig! So hoffet vieleicht derglei-
chen Seeligkeit auch der Dichter vom Herrn
Braͤutigame. Es war moͤglich!


Better, a. St. Gartenbeete:

vieleicht des Reimes
oder des Gedankens wegen: denn wie richtig iſt
der Gedank nicht, der den folgenden Reim zieret?


Noch toller, als hernach, da es die Gartenbetter
Zu heilgen Tempeln macht, und duͤngte ſeine
Goͤtter. Haller 43 S.


So haben die Heyden die Erde verehret, aus der der
Baum gewachſen, aus deſſen Holze ein Jupiter
geſchnitzet worden. Memphis naͤmlich vereh-
rete die Gartenbetter, da es die Blumen vereh-
rete,
die auf jenen gewachſen; indem ſie Miſt dar-
auf ausſpreiteten. Eine gar vortreffliche My-
thologie. Worauf ſich das toller beziehet, iſt un-
gewiß; denn vorher ſtehet ein Punct. Toll klin-
get ſehr poetiſch, ſo wie duͤngte, a. St. miſtete,
wenn es huͤbſch vorn und nicht hinten geſetzet wird.


Bezahlen.

Hier werden Wunden verkaufet.


Doch Tempel und Altar bezahlt des Maͤrtrers
Wunde;
Und Quebeis nackter Held ſtirbt von dem Tod
der Hunde. Hall. 59 S.


Wir wußten vorher nicht, daß fuͤr eine Wunde
ſind Tempel gebauet worden. Es heißt aber
auf deutſch: er wird vergoͤttert! Und Que-
D 3beis
[54]Bi
beis nackter Held ſtirbt, wie ein Hund.
Von dem Tode der Hunde
iſt ſchoͤn galliſch und
ebraͤiſch. Die Hunde werden freylich nicht alle
gebraten und gefreſſen, wie die Amerikaner, die
ihren Feinden in die Haͤnde fallen. Es ſtehet da-
her zu erwarten, was fuͤr eine Auslegung der Herr
Doctor ſeinen Worten geben moͤchte. Ein jeder
naͤmlich iſt der beſte Ausleger ſeiner Worte. Er iſt
eines betruͤbtes Todes, oder einen betruͤbten Tod
geſtorben, war ſonſt gewoͤhnlich; nun ſaget man,
von einem Tode ſterben.


Bild.

Ein Bild, das da hoͤret, wann man weinet.
Auf jener oͤden Au, an der gelinden Leine,


Beſucht mich oft ihr Bild, u. hoͤret, wann ich
weine. Haller 142 S.


Bemerket doch das ſchoͤne Beywort gelinde, a. St.
ſanft von einem Fluſſe! a. St. beſucht, ſetze be-
lauſcht.


Jhm wiſcht kein ſchoͤnes Bild die Runzeln vom
Geſicht. e. d. 63 S.


So kann denn ein Bild wiſchen? Vieleicht aber iſt
es auch eine Figur die Enthauptung, a. St.
Weibesbild. Es gehoͤret kein gemeiner Ver-
ſtand zu ſolchen Erfindungen, die Dichtkunſt zu er-
leichtern.


Bilden,

beſſer ausbilden, in der aͤfthetiſchen
Sprache. Den Sohn nach Brandtewein
bilden,
d. h. einen Sohn von Brandtewein ma-
chen.
Der Gedank iſt ſehr richtig.


‘Dort bilden Vaͤter ſchon den Sohn nach
Brandtwein. Brem. Ged. 24 S.
()

Biſſen,
[55]Bi Bl

Biſſen,

verſchwiegene: giebts alſo auch redende?
Aber ſie nagete mit verſchwiegenen Biſſen
di ſynde.Jac. u. Joſ. 4 S.


Biſſen des zaͤrtlichen Mitleids: alſo beißt das
Mitleid?


Und wie nagte die Wehmuth des letzten uͤbrigen
Mirza

Mir an meiner Bruſt mit Biſſen des zaͤrtlich-
ſten Mitleids. Noah 38 S.


Der einfaͤltige Sachs ſagte nur: der uͤbrige Kaͤ-
ſe,
die uͤbrige Butter; noch ſchoͤner ſagt der wi-
tzige Schweizer:
mein uͤbriger Bruder, mein
uͤbriger Sohn: ein Sohn, den man zu viel,
oder uͤbrig hat. Man wird oft zweydeutig: al-
lein, deſto ſchoͤner!


Bitten.

Das Schickſal giebt uns vergebens
mehr, als was wir bitten.
Das iſt niedrig!
ſo ſpricht die geſunde Vernunft; aber nicht der
Witz; und der machet doch einem Menſchen mehr
Ehre, als jene. Denn ſo ſaget Haller, der Un-
ſterbliche, 111 S. ſ. Ged.


‘Vergebens uͤbertrifft das Schickſal unſer Bit-
ten.
()

Blank.

Der blanke Nord! der ruſterige Weſt!
Jch freue mich; ja ich frohlocke recht, dieſen ſo oft
bewunderten Vers meinem Buͤchelein einzuver-
leiben.


Sie ſind im Weſen eins; nur an Geſtalt ver-
ſchieden,
Weiß unterm blanken Nord, ſchwarz un-
term braunen Suͤden. Haller 43 S.


D 4Blaͤhen.
[56]Bl

Blaͤhen.

Trefflicher kann dieß Wort nicht ge-
braucht werden:


Welch Druck das große Meer zu gleichen
Stunden blaͤht. Haller, 64 S.
()

Vieleicht hat es blaͤhende Sachen verſchlungen;
die machen in einem menſchlichen Koͤrper oft Ebbe
und Fluth. Gleiche Stunden ſind nicht Stun-
den, die einander gleich ſind. Nichts weniger!
es heißt vielmehr: Zu eben den Stunden.
Man kann alſo auch trotz Gottſcheden ſagen:
welch Mann; und welcher Holz. Jch bin
heut gluͤcklich in meiner Erndte. Hinfuͤro werde
ich, a. St. das Waſſer will nicht zuruͤck, gar
zierlich: der Schaum blaͤhet ſich, ſagen. Das
Exempel eines großen Mannes rechtfertiget mich
dazu. Jch will lieber mit Hallern irren, als
mit der geſunden Vernunft Recht haben. Pars
pro toto
heißt die Figur.


Doch, wie ein feſter Damm den Sturm ge-
drungner Wellen,
Wie ſehr ihr Schaum ſich blaͤht,
zuruͤcke
zwingt zu prellen. Haller, 76 S.


Die Wellen ſtuͤrmen! gedrungene Wellen,
ſo wie gedrungene Verſe! welche Schoͤnheiten!


Blaͤſt.

Wann man Waſſer aus dem Maule ſpruͤtzt:
ſo irret man ſich, wenn man nicht ſaget blaͤſt.


Dem Fiſch, der Stroͤme blaͤſt, und mit dem
Schwanze ſtuͤrmet:

Haſt du die Adern ausgehoͤhlt;
Du
[57]Bl
Du haſt den Elephant aus Erden aufgethuͤrmet,
Und ſeinen Knochenberg beſeelt.
Haller, 2 S.


Stroͤme blaſen! warum nicht Meere?
Mit dem Schwanze ſtuͤrmen: ein artig Ge-
wehr! Was beſtuͤrmet er denn? Wellen!
Eine richtige Klageendung: den Elephant!
Ein feiner Berg! Kann man nicht alſo ſagen:
ein Fleiſchberg? ein Rippenberg? ein Run-
zelnberg?
denn alles ſind Theile vom Elephan-
ten.
Noch ein ſauberes Broͤckchen! Man ſage
a. St. das Leben geben nur dreiſt beſeelen; und
ſetze alſo auſſer Zweifel, daß Gott einen Athem
dem Elephanten in die Naſe geblaſen. So
ſinget Haller der Grammatiker.


Blaue Schatten ſiehet man;

auch hin und her ro-
the.
Und warum das nicht? wer krauſe geſe-
hen, kann auch wohl glatte geſehen haben.


Zu meinen Fuͤßen lag ein ausgedaͤhntes Land,
Durch ſeine eigne Groͤß’ umgraͤnzet,

Worauf das Aug kein Ende fand,
Als wo Juraſſus es mit blauem Schatten
kraͤnzet. Haller, 95 S.


Das Aug? Wie groß iſt das Land, das
durch ſeine eigene Groͤße umgraͤnzet iſt?

Welch ein Zuſammenlauf der Selbſtlauter!


Blaͤtter.

Was iſt ein Kind? Gelt! lieber Leſer!
das weißt du nicht! Wie die Dichter nicht klug
ſind!


Ein Kind iſt noch ein Baum von eiteln
Blaͤttern gruͤn. Haller, 141 S.

D 5So
[58]Bl
So ſind die Blaͤtter eitel? Eine Peruͤcke von ei-
teln Haaren weiß! Wie es ſo ſchoͤn iſt!
Mein Feuer brennt nicht nur auf Blaͤttern;
Jch ſuche nicht dich zu vergoͤttern:

Die Menſchheit ziert dich allzuſehr.
72 S. e. d.


Wer Henker wird den Liebesbrief leſen, wenn er
brennte? Wenn aber das Feuer nun nicht auf
Blaͤttern allein brennet: wo brennet es denn
mehr?
So geſchickt weis der Grammatiker
den Sinn wegen einer gewiſſen Figur auszulaſ-
ſen, die, wir wollten wohl; aber wir koͤnnen
nicht,
heißt. Jch glaube nicht, daß das eitelſte
Maͤgdchen ſich auf ihre Menſchheit ſo viel einbildet,
daß ſie die Vergoͤtterung uͤbel nehmen ſollte. Jch
frage daher den Hn. Doctor auf ſein Gewiſſen, ob
er boͤſe wird, wenn man ihn mit Popen verglei-
chet? Haller, der deutſche Pope.


Bley blitzet.

Daran haben die Naturkuͤndiger bis-
her gezweifelt. Jch wuͤnſche dem Erfinder Gluͤck.
Eine Kugel blitzet alſo, wann ſie aus dem Laufe
faͤhrt; das Feuer des Pulvers nicht.


Dort fliegt ein ſchnelles Bley in das entfernte
Weiſſe,
Das blitzt;
und Luft und Ziel in gleichem Nu
durchbohrt. Haller 20 S.


Sr. Hochwohlgeb. zu Ehren halte ich dafuͤr,
daß dieſes das, das blitzt, nicht auf das Weiſſe,
ſondern Bley gehe. Jch werde mich dawider ſe-
tzen, ſo lange ich nur ſchreiben kann. Was man
nicht lernet! die Luft wird wie ein Brett durch-
bohrt.
[59]Bl
bohrt. Wie ein Brett! Ha! ha! ha! Hi!
hi! hi! Gleichem
Nu, a. St. einem Nu.


Blenden, a. St. Blendung.

Die Franzoſen ſa-
gen: Windes. Se. Majeſtaͤt, Kaiſer und
Jaͤger Nimrod
fuͤhrte ſchon Laufgraben mit
Blenden.


— Wir machten hierauf große Blenden
Von Tuͤchern und Brettern, u. gruben am hellen
Tage darhinter. Nimrod 248 S.


Ein Heldendichter muß auch ſeine Kriegsbaukunſt
zeigen.


Blokiren,

a. St. einſchlieſſen oder verſperren;
oder umrennen. Kriegsbaumeiſter Nau-
mann
brauchet dieß Maͤngſel ſehr zierlich in ſeinem
Hofnarren Habacuc, oder Jaͤger Nimrod
246 S.


Zuerſt blokirt’ ich die Stadt, um ſie, durch Hun-
ger, zu zwingen.


Blaͤſonirt.

Hr. M. Naumann verſtehet auch die
Wappenkunſt; und was kann man nicht einem
Manne zutrauen, der noch vor St. Klopſto-
cken klopſtockiſch
gedacht hat!


Der Steinhagel —
Zerbrach (nicht zerſchmiß) mit aͤuſſerſter Kraft
die blaͤſonirten Schilde. Nimr. 430 S.


Blindheit.

Ein Herz hat keine Augen, wie kanns
denn blind ſeyn? warum nicht? Der Menſch
hat Augen.


Ein ohne Blindheit zartes Herz
War meine Luſt, und iſt mein Schmerz.
Haller, 124 S.


Bloͤde.
[60]Bl

Bloͤde.

Mein Verſtand iſt zu bloͤde, dieſes Bloͤde
einzuſehen. Welche Reime!


So bleibt der muͤde Geiſt, bey falſchen Guͤtern.
oͤde;
Der Ekel im Genuß entdeckt das innre
Bloͤde. Haller 111 S.


Es iſt zu bewundern, zu was fuͤr Fuͤgungen das
Beywort innre Anlaß giebt. Kein Dichter iſt ſo
klein; er ſchwatzet davon. So giebts auch oͤde
Geiſter?
Die antigrammatikaliſche Seite verſie-
het uns mit allerley Geiſtern. Es ſpuͤket recht in
ihren Gedichten; und kein Teufel hat Ruhe vor
ihnen: allein, warum ſollten ſie auch Ruhe ha-
ben?


Bluͤht.

Jn der bluͤhenden Schreibart, die
Swift die blumichte nennet, iſt der Botanikus
und Grammatikus ſtark. ſ. Antilongin, 125 S.


‘Geſetzt, daß ungefuͤhlt in ihr die Jugend bluͤhet.
Haller, 61 S.
()

Lieber ungerochen! Bluͤhet die Jugend in mir:
ſo iſt wohl die Jugend ein auſſer mich beſtehendes
Weſen? Jch weis es nicht: ich laſſe mich be-
lehren.


Blumicht.

Wenn ein Maͤgdchen Blumen liebet:
ſo iſt es ein blumichtes Maͤgdchen. So Bod-
mer!


‘— Sem gab ſein Aufſehn Deboren;
Cham
der Thamar, u. Japhet der blumich-
ten Kerenhapuch. Noah 99 S.
()

Oder, war das blumichte Maͤgdchen in gebluͤm-
ten
Zeug gekleidet? Bluͤmichte Weſten waren
auch
[61]Bl
auch Mode vor der Suͤndfluth. Sein Aufſehen
einem geben, a. St. ein Auge auf jemanden haben.


Einige mußten die Juͤngling’ in hellen Baͤdern
bedienen,
Mit wohlriechendem Oele ſie ſalben u. blumichte
Weſten
Ueber die Schultern werfen, die jugendlich
bluͤhten. - - Noah, 28 S.


Bluͤhten die Schuliern? ſo wird auch wohl der
H - -, oder Steiß gebluͤhet haben? oder geht
es auf die Weſten? So werden ſie aͤlterlich auf
den Huͤften Milkas gebluͤhet haben.
Ein bluͤ-
hender Steiß:
welch ein Bild, ein angenehmes
Bild!


Blythe

hinanſteigen, oder kletern. Das muͤſſen
wohl Seidenwuͤrmer ſeyn. Nein! Benjamin iſt
es. Das Klettern uͤberhaupt iſt ſehr Sitte:
man klettert ſo gar auf Gedanken.


Eile, mein ſohn! befödre dein wachsthum
an weisheit u. tugend,
Wie du die blythe der jugend entfaltend
zur manheit hinan ſteigſt.

Jac. u. Joſ. 10 S.


Bluͤmrant.

Wer ſollte ſichs traͤumen laſſen, et-
was Bluͤmrantes in einem Gedichte vom Nim-
rod
zu finden? Jch habe den gluͤcklichen Fund
gethan, und wuͤnſche mir Gluͤck dazu; unſern
Zeiten aber noch mehr, die den Hr. M. Naumann
gewiß verewigen werden: ſollte es auch nur mit
Lachen geſchehen.


Weiter
[62]Bl

— Weiter hin bewegten ſich die Kreiſe
Millionen geiſtiger Flammen, wie der Regenbo-
gen vielfarbicht;
Bluͤmrant, wie ein Tuͤrkis, u. gruͤn, wie ein
Chryſolit, oder Jaspis. Nimr. 581 S.


Jſt das nicht ein recht himmliſches Luftfeuer?
Noch ein Feuerchen! ſ. dergleichen himmliſche
Jllumination im Antilong. 22 S.


Ein ewiger Tag herrſchte hier; alles war unele-
mentariſch.

Die allerſubtilſten Subſtanzen des allerlau-
terſten Feuers
Brannten, ohn’ zu verbrennen, an ſich ſelbſt
unverzehrlich. Nimr. e. d.


Jſt das nicht ſubtil?


Blut.

Unſere neologiſche Witztyrannen finden
kein Wort in der deutſchen Sprache ſo geſchmeidig,
als dieſes. Bald iſt es ein feiner Duͤnger; bald
giebts etwas darinnen zu waſchen. Kurz! die
Wirkungen ſind unzaͤhlich, die das arme Blut uͤber
ſich nehmen muß. Eines von den groͤßten Haͤu-
ptern machet ſehr ſinnreich einen Duͤnger daraus,
nachdem er zuvor mit dem Schwerte gepflan-
zet.
Bisher glaubte man nur, daß ein Schwert
ausrotten koͤnne:
allein, es kann auch pflanzen,
Und was fuͤr Eigenſchaften nimmt ein Ding nicht
an, wenn nur ein Schoͤpfer, ein Geiſtſchoͤpfer,
daruͤber koͤmmt!


Die Nachwelt angeſteckt von ihrer Ahnen Wuth
Pflanzt Glauben mit dem Schwert u. din-
get ſie mit Blut. Haller 44 S.


So
[63]Bl

So kann man auch ſagen a. St. den Acker duͤngen,
den Weizen duͤngen.
Dieſe ganze Seite iſt eine
rechte Schatzgrube von neologiſchen Seltenheiten.
Ein jeder Vers giebt einem was heim zu denken
und zu lachen,
wie Saͤnger Bodmer von je-
dem Verſe verlanget. Unter andern iſt hier etwas
hohes oder tiefes. Jch habe es von vielen Geiſtli-
chen, aber wohl zu verſtehen, wenn ſie auf die roͤ-
miſche
Geiſtlichkeit erzuͤrnet waren, anfuͤhren
hoͤren.


Fuͤr ſeines Gottes Ruhm gilt Meyneid und

Verrath:

Was Boͤſes iſt geſchehn, das nicht ein Prie-
ſter that?

auf deutſch:


Was iſt wohl Boͤſes geſchehen, das nicht ein
Prieſter gethan hat?
Antwort: Sehr viel!
Man muß alſo auch Luͤgen einmengen, wann man
moraliſiret. Man hat angemerket, daß Prieſter
und Fuͤrſten es ſehr groͤblich mit unſern Witzlin-
gen
muͤſſen verſehen haben, indem ſie jene bey allen
Gelegenheiten anzapfen. Sie ſollten doch beden-
ken, daß Prieſter ihnen den Himmel geben; Fuͤr-
ſten
aber ihnen die Luft laſſen. Allein Philoſophen
haben weder Freund, noch Vater; die Wahrheit,
das ſo beſchrieene Weib, iſt ihnen an Statt alles.
Kalk und Steine haben noch nie Blut gegeben.
Der unſterbliche Herr Doctor ſaget ſo gar, daß
der Schutt von zerſtoͤrten Staͤdten Blut habe.
Er erſaͤufet den Schutt in ſeinem Blute: in ſei-

nem
[64]Bl
nem eigenen Blute. Jſt das nicht ein Jam-
mer?


Wer hat Tholoſens Schutt in ſeinem
Blut erſaͤuft,

Und Prieſtern einen Thron von Leichen aufge-
haͤuft? Haller, 56 S.


Prieſterblut, wie Cofent, wohl verſtopft, wird
ſchoͤn gaͤhren und brauſen. Wie er nicht ſchim-
pfen kann!


Grauſamer Wuͤtherich! verfluchter Ketzereifer!
Dich zeugte nicht die Hoͤll’ aus Cerbers gel-
bem Geifer:

Nein! Heilge zeugten dich; du gaͤhrſt in
Prieſterblut. e. d.


Ha! Ha! Ha! die ganze Hoͤlle ſchlaͤft beym
Cerberus?
Der arme Hund! wie wird er das
ausſtehen? Aber es iſt auch der Hoͤllenhund.
St. Klopſtocks Juͤnger,
der Herr Fabricius,
waͤſchet
ſo gar Berge in Blut: eine feine Waͤ-
ſche!


Nicht, der ein Land verheert, und Voͤlker ausge-
rottet,
Mit Blut die Berge waͤſcht, und Loͤwenkraft
verſpottet. Samml. Nicol. 122 S.


Es giebt eine Figur die Erweiterung.

“Man
“kann ſie beſchreiben, als eine Kunſt, aus einem
“Gedanken alles zu machen, was man nur dar-
“aus machen kann. Dieß iſt das Spinnrad
“des βάϑος; dieß iſt das Spinnrad, welches
“die Gedanken ſpinnet, ausdehnet, verlaͤngert,
“aufwindet, und einen ſehr ſaubern Faden dar-
“aus
[65]Bl
“aus machet. Es giebt Erweiterer, welche die
“gluͤckliche Gabe beſitzen, ein halb Dutzend ge-
“ringer und ſchlechter Gedanken ſo auszudehnen,
“daß daraus ein ganzer Foliant wird.”

So
Swift. Antilongin 55 S.
Unter den Erwei-
terern
aus neuen Zeiten verdienet den erſten Rang
mit ſeinem Octavbaͤndchen auf der Dichterbank der
Wohlgebohrne und gelehrte Hr. von Haller.
Dieſer goͤttliche und kaum fuͤr einen Menſchen ge-
haltene Mann, dieſer eingefleiſchte Seraph ſa-
get unter andern:


Sein Leib verfaͤllt in Staub; ſein Blut ver-
fliegt in Rauch:

So ſtirbt ein großer Mann; ſo ſterben Vieher
auch. 39 S.


Ob das Blut in Rauch verflieget, das uͤberlaſſe
ich den Phiſikverſtaͤndigen zu erlaͤutern. Jch be-
gnuͤge mich, die Redensart, in Staub verfallen,
a. St. wie Staub zerfallen, und die mehrere
Zahl
von Vieh zu bewundern. So ſterben Och-
ſen
oder Eſel auch, waͤre freylich niedrig. Wir
haben Urſache, ihm zu danken, daß er uns Mittel
gewieſen, eine mehrere Zahl zu machen, wo keine
iſt. Sonſt waͤrmte man nur Suppen auf.
Allein ſiehe! wie der große Mann eine Kuͤchenre-
densart auf den Parnaß erhebet. Glieder laͤßt
er, welche Glieder? aufwaͤrmen:


Der Wolluſt ſanfte Glut waͤrmt ihre Glieder
auf; e. d. a. e. d. S.

ENoch
[66]Bl
Noch eine Benennung des Blutes:
Sein Herz pocht ſchon verwirrt; ſein truͤbes
Auge bricht;
Der Lebenspurpur ſteht, und jeder Saft wird
dicht. e. d.


O! des großen Mannes! des Dichters! des
Arztes! Jch will ein Buch ſchreiben, das ſich ge-
waſchen haben ſoll. Maͤnnling der neue will
ich ſeyn! Der will ich ſeyn! und einen Halle-
rum enucleatum,
einen ausgeſchaͤlten Haller,
ſchreiben. Kann man ihn wohl genugſam ver-
ewigen?


O Held! dein Muth iſt groß! Es ſoll, was du
geweſen,

Auf ewigem Papier die letzte (nicht die erſte)

Nachwelt leſen.

Alleine, wann im Harz, nun lang genug gequaͤlt,

Ein aufgebrachtes Schwein zuletzt den Tod er-

waͤhlt;

Die dicken Borſten ſtraͤubt; die ſtarken Waffen

wetzet,

Und wuͤthend uͤbern Schwarm entbauchter

Hunde ſetzet:

Oft endlich noch am Spieß, der ihm ſein Herz-

blut trinkt,

Den kuͤhnen Feind zerfleiſcht, u. ſatt von Rache

ſinkt. Haller, 62 S.

So wird demnach der Harz gequaͤlt? So er-
waͤhlt ſich das Schwein den Tod?
Das
glaube ich! Ueber Hunde ohne Baͤuche kann es
leicht ſetzen. Saͤuft das Schwein am Brat-
ſpieße,
[67]Bl
ſpieße, oder Jaͤgerſpieße Herzblut? Das iſt
ja wunderſam, und wohl zu bemerken, daß ein ge-
bratenes Schwein den Koch zerfleiſcht.


Bluten.

Von fremden Ruthen bluten, und
doch nicht Schlaͤge bekommen, iſt das nicht ſelt-
ſam? Es iſt doch wahr.


Fuͤllt ein Herze Ehrſucht mit Erbarmen?
Das dem Ungluͤck reicht die milden Armen,
Weint mit andern, und von fremden Ruthen
Wuͤrdigt zu bluten. Haller 52 S.


Das thaͤte ich nun eben nicht, daß ich meinem oder
meines Freundes Ungluͤcke die Armen reichte.
Wegjagen
wollte ichs, wenn ich koͤnnte. Wie
kuͤnſtlich das hier angebracht iſt! Erbarmen
kann es ſowohl, als ein Herz auf ſich ziehen, von
dem man nicht recht ſiehet, ob es fuͤllet oder gefuͤl-
let wird.
Aber eben das ergetzet den Leſer, wenn
er einen Fund thut; und ſo liſtig iſt, den Sinn zu
errathen. Fremde Ruthen, alſo auch eigene
Ruthen!
So kann man auch dem Herzen einen
Schilling geben?


Bluten.

Sein Leben bluten. So beſtehet folg-
lich unſer Leben im Blute? So orthodox lehret
St. Klopſtock in ſeiner Offenbarung 140 S.


Jch will, iſt zierlich vergeſſen worden.
Meine rechte Hand aufthun, u. ſagen: bey dem,
der geblutet;
Von den Hoͤhen des Kreuzes herab ſein Leben
geblutet!

Jſt das nicht ein Bluten! Noch ein Bluten!
Wie aber es blutet!


E 2Er
[68]Br

— Er jammert im Staube! die ſteigen-
den Adern
Bluten Todesangſt aus!
Er, dem kein Jam-
mer verdeckt iſt: St. Klopſt. 178 S.


Nimm vorlieb, mein Leſer! Ein andermal ſollen ſie
Freude bluten; denn wir Dichter ſteigen alle
Stufen der Qual und Freude hinab und her-
auf. e. d.


Brand.

Jaͤher Brand; warum nicht jaͤhe
Funken;
ich dachte ſonſt, daß dieſes eher der
ſchleichende Brand der Wolluſt thaͤte; denn
von einem male faͤllt kein Baum.


Der Wolluſt jaͤher Brand verſchwendt des
Leibes Kraͤfte. Haller 113 S.


Es wird auch gar ſchoͤn a. St. Funken gebrauchet.
Sie fand den erſten Brand im Zweykampf
Steins u. Eiſens. Haller 105 S.


Erſt ſpringen Funken; dann muß Zunder ſeyn;
hierauf brennt Holz: alsdann ſind Braͤnde zu ha-
ben. Allein, wer wird ſich ſo lange auf halten?
Die Dichter ſitzen zu Pferde, und reiten oft ſehr
ſchnell. So rauft ſich Stein und Eiſen; und
ich koͤnnte, im Duelle Steins und Eiſens, ſa-
gen. Hier iſt auch ein graͤſern Kleid; denn was
iſt Raub der fetten Trifft? Gras! Ein
Kleid
von Gras! Ein paar Hoſen von Gras!


Sie kleidet Nackende vom Raub der fetten
Trifft. e. d.

Vom Himmel koͤmmt ſein Brand, der keinen
Rauch gebieret;

Viel edler iſt der Trieb, der uns fuͤr andre ruͤhret.
e. d.


Sollen
[69]Br

Sollen wir denn rauchen? Wo iſt je Feuer oh-
ne Rauch?
Jn den vortrefflichen Gedichten des
Unſterblichen. Den Namen laſſe ich gar zierlich
aus. Seine Verehrer haben ihn im Herzen; und
fuͤr Spoͤtter ſchreibe ich nicht. Tadeln die doch
wohl Klopſtocken den Theologen.


Braun.

Ein maͤnnliches Braun; giebts auch ein
weibliches? Redet man im Braune? lieber
im Blauen! die Lippen im Zorne naͤmlich wer-
den blau. Eine Strenge reden, eine Suͤße
ſingen. Wie das ſo ſchoͤn iſt!


Von ihm nicht fern war einer, der in dem maͤnn-
lichen Braune
Strenge der Tugend redt’
und Zorn fuͤr das
haͤßliche Laſter. Noah, 207 S.


Brauſen,

a. St. brauſen ſetze Gebraͤuſe, wie der
große Wortſchoͤpfer. Sage alſo, a. St. blaſen,
Geblaſe!


Jm Mittel (a. St. in der Mitte) eines Thals
von Himmelhohem Eiſe,
Wohin der wilde Nord den kalten Thron
geſetzt,
Entſprießt ein reicher Brunn mit ſiedendem
Gebraͤuſe,
Raucht durch das welke Gras, u. ſaͤnget, was
er netzt. Haller 32 S.


So iſt denn ein Himmelhohes Eis ein Thal;
und es iſt kein Widerſpruch, zugleich ein Thal und
ein Berg zu ſeyn. Aeſte entſprießen nicht
mehr; ſondern entſpringen. Das letztere thaten
vor dieſem Brunnen. Zwey Hauptwoͤrter koͤn-
E 3nen
[70]Br
nen ſich ja wohl ihre Zeitwoͤrter leihen. Wer will
ihnen das uͤbel nehmen? Flammen verbruͤhen,
und Waſſer ſaͤnget. Wenn zwo Regeln zuſam-
men kommen, von denen mir eine im Wege ſtehet:
ſo muß die letztere weichen. S. Samml. Nico-
lai 45 S.
Man kann nicht zugleich hoch und
auch richtig denken.


Brechen.

Flachs brechen die Weiber; einen
Starrkopf die Schulmeiſter; Nacken die
Helden,
und wer ſich mit Ermordung der Men-
ſchen abgiebt. Man bricht auch den Hals,
wenn man aus dem Fenſter faͤllt. Allein, lieber
Leſer! weißt du wohl, wer den Winter und den
Sommer bricht? Wer anders, als Gecken
und Dichter! Nicht ſo Haller!


Wie, daß dann unſer Sinn auch nicht

Des Unmuths oͤden Winter bricht?

Haller 83 S.

Die Freude wird folglich einen vollen Sommer
haben. Es iſt eine Catachreſis: 70 S. im Antil.
Jch ziehe dieß Buͤchelchen mit Fleiß ſo oft an; es
enthaͤlt naͤmlich die Regeln zum Erhabenen, zu
dem unſere fliegenden Fiſche, Schwalben,
Strauße, Papageyen, Taͤucher, Meer-
ſchweine, Froͤſche, Aale, Schildkroͤten,
oh-
ne Regeln gelanget ſind. Das Buch iſt ſelten zu
haben; man erlaube mir alſo, die Eigenſchaften
dieſer Art Thiere herzuſetzen. Ein jeder Leſer
kann die Liſte vermehren und auslegen; er muß es
aber nicht machen, wie jener, der aus dem
Bruͤyere ein Pasquill machte.


1. Die
[71]Br
  • 1. Die fliegenden Fiſche ſind Schriftſteller, die ſich
    zuweilen auf ihren Floßfedern erheben, und aus
    den Tiefen in die Hoͤhe fliegen. Allein ihre
    Fluͤgel werden bald trocken, ſo, daß ſie wieder her-
    nieder fallen, und ſich wieder ins Waſſer tauchen.
    Dieß ſind bey uns W. N. und alle Suͤndfluthen-
    dichter.
  • 2. Die Schwalben ſind Dichter, die ſich nur bewe-
    gen, herum flattern, und beſtaͤndig jagen; alle ih-
    re Behendigkeit aber, und alle ihre Geſchwindigkeit
    iſt einzig allein, Fliegen zu erſchnappen.
    Der witzige Herr
    Gl -- m,JungferD-lth-y,
    und viele, die von Wein und Liebe ſingen.
  • 3. Die Strauße ſind diejenigen deren natuͤrliche
    Traͤgheit ihnen ſelten vergoͤnnet, ſich von der Erde
    zu erheben; ihre Fluͤgel dienen ihnen nicht zu flie-
    gen, und ihre Bewegung haͤlt ein gewiſſes Mittel
    zwiſchen Fliegen und Gehen: dieſes nun zu erſtat-
    ten, laufen ſie mit einer auſſerordentlichen Ge-
    ſchwindigkeit. Bey uns ſind es der beliebte
    P-k-nd-r, Br-ck-s, St-pp- und ihre Nachah-
    mer; Quodlibethecker
    und Recitativen-
    ſchreiber.
  • 4. Die Papageyen ſind diejenigen, welche die Wor-
    te eines andern mit einer ſo heiſern, und ihnen
    ganz eignen Stimme wiederholen, daß man glau-
    bet: es waͤre dieſes ihre ordentliche und natuͤrliche
    Stimme. Hierunter gehoͤren in Zuͤchten und in
    Ehren D. Tr-r, B-dm-r in ſeinen Fabeln,
    und viele Dollmetſcher.
  • 5. Die Taͤucher ſind Menſchen, die ſich lange un-
    E 4term
    [72]Br
    term Waſſer verſteckt halten, und unterweilen wie-
    der erſcheinen, wenn man ſie am wenigſten erwar-
    tet. Das werden ſeyn K. ein unbekannter Fa-
    beldichter
    aus Hamb. und die Gluͤckwuͤnſchler.
  • 6. Die Meerſchweine ſind plump und ſchwer: ſie
    laſſen alle ihre lieblichen Geſaͤnge bey einem großen
    Geraͤuſche, Laͤrme und Sturme hoͤren. So oft ſie
    ſich aber bey ſchoͤnem Wetter, und am hellen Tage
    zeigen, welches gar ſelten geſchiehet: ſo ſind ſie
    nichts, als haͤßliche und ungeſtalte Ungeheuer:
    Gorgonen, Hyaͤnen, Amphisbaͤnen, Hy-
    deen.
    Bey uns ſind dieſe Ungeheuer ſehr zahl-
    reich. H-ll-r, B-dm-r, Kl-pſt-ck, und al-
    le Wurmſaamianer.
  • 7. Die Froͤſche koͤnnen weder gehen, noch fliegen;
    aber ſie huͤpfen und ſpringen mit einer wunderns-
    wuͤrdigen Geſchwindigkeit. Sie leben ordentli-
    cher Weiſe in dem Grunde eines Grabens, und ma-
    chen ein groß Geſchrey, wenn ſie den Kopf aus dem
    Schlamme ſtecken. Es waͤhret aber oft nur einen
    Sommer; oder ſo lange, als der Verleger Geld
    giebt. Dieß ſind manche Wochenſchriften,
    viele Journaliſten, Zeitungsgewaltige Ty-
    rannen,
    und die ungereimten Dichter, als
    Hr. W. u. ſ. Gelichters, die ſich bey akademiſchen
    Standeserhebungen hoͤren laſſen.
  • 8. Die Aale ſind verborgene Autore, die ſich in dem
    Kothe einwickeln, und da verſteckt halten; die aber
    ungemein lebhaft, und behendes Leibes ſind.
    Das ſind die Sinnſchriftler, die auf die geſunde
    Vernunft Satiren machen; ſie in die Zeitungen
    ſetzen,
    [73]Br
    ſetzen, und durch ihre Trompeterſtuͤckchen man-
    chem, der zu ſtolz wird, ein Runda machen.
  • 9. Die Schildkroͤten ſind langſam, froſtig und er-
    ſtarret. Sie ſind gleich den Autoren, welche Hir-
    tengedichte ſchreiben. Sie haben einen großen
    Gefallen an Gaͤrten. Sie haben meiſtens eine
    ſchoͤne bunte Schaale; unter dieſer Schaale aber iſt
    ein ſchwerer Klump. Das iſt der Herr Baron
    v. S.
    Z-n-tz, D-rſch-- und viele Schaͤfer-
    dichter.
  • 10. Das Dutzend voll zu machen, erwaͤhne ich noch
    dreyerley Art von Thieren. Die Ratzen benagen
    den Leuten das Brodt. Verfolget man ſie: ſo
    entſchluͤpfen ſie in die Loͤcher; ja, ſie ſtellen ſich wi-
    der die Katzen zur Wehre. Sie haben krauſe
    Schwaͤnze; und man findet unter ihnen den Ra-
    tzenkoͤnig
    H. B. Die Herren Verleger bedienen
    ſich ihrer, und ſchicken ſie ihren Kunſtverwandten
    in die Buchlaͤden. Sie ſind ſonderlich ſchlimm
    auf die Franzbaͤnde, die ſie, bis auf die Buchſta-
    ben, verzehren.
  • 11. Die Puhue leben in den Einoͤden; naͤhren ſich
    vom Aaße und rohem Fleiſche. Sie haben Eu-
    lenaugen
    und Adlerklauen. Sie ſind ſo ver-
    haßt, daß, wenn ſie ſich greifen lieſſen; alle Kraͤ-
    hen
    oder Dichter auf ſie ſtoßen wuͤrden. Sie er-
    heben ihre Fluͤgel mit einem entſetzlichen Geraͤuſche;
    und klappern, wie die Stoͤrche, mit ihren krum-
    men Schnaͤbeln. Eine gewiſſe Art Geiſter, die
    Sehraffen, ſind nur ihrer maͤchtig. Sie ſetzen
    ſie auf den Daumen, wie die Falken: und ſo bald
    E 5ein
    [74]Br
    ein Taͤubchen ſich ſehen laͤßt: ſo iſt es verlohren.
    Dieß ſind M. und die G-tt-ng-r.
  • 12. Das Camaͤleon iſt das graͤßlichſte Ungeheuer,
    das ſich denken laͤßt. Es nimmt nicht allein die
    Farbe, ſondern auch die Geſtalten von allen oben-
    genannten Thieren an. Es treibet die Eigenſchaf-
    ten jedes Thieres aufs hoͤchſte. Jn ſeinem Ge-
    hirne bruͤten Ungeheuer; aus ſeiner Naſe ſtuͤrzen
    Suͤndfluthen, die die Erde vertuſchen. Es iſt
    zu fuͤrchterlich, als daß ichs nennen ſollte. So
    Swift!

Brennen.

Jch habe es oft geſagt, und werde es
noch oͤfter ſagen, mein Herr Doctor iſt ein rechter
Meiſter in der Wortfuͤgung. Anſtatt von dem,
ſage womit.


Sie zuͤndt das Feuer an, womit die Helden
brennen. Haller, 104 S.


Oder ſoll es das Feuer ſeyn, womit man ſaͤnget
und brennet. Der Dichter liebet die Figur: das
Raͤthſel.


Mein mittleidsvolles Lied ſoll nicht von Rache
brennen. Samml. Nicolai 147 S.


Es wuͤrde auch nicht gut ſeyn, denn es verbrenne-
te
ja: und es waͤre doch ewig Schade darum.


Breit.

Man braucht dieſes Wort auf mancherley
Art. An Statt tiefe, ſaget man breite Ein-
ſicht.
Dieſe Umſtaͤnde erzaͤhle ich ſo breit, ſagt
der Vorredner der bremiſchen Gedichte. Ob er
nun das Maul oder die Beine ſo weit von einan-
der ſperret, das weis ich nicht. Eines von beyden
iſt
[75]Br
iſt zu vermuthen; weil ich ſonſt nicht wuͤßte, was
breit erzaͤhlen hieße.


Bremiſche Gedichte.

Es iſt in unſern Tagen Sit-
te, wann ein Dichter ſeine Geburten taufet, ſie ge-
meiniglich mit dem Namen des Ortes, wo er ſie ge-
machet hat, zu zieren. Es iſt auch ſehr gut; man
wuͤrde ſonſt nicht wiſſen, ob ſie in den Wolken
oder im Kothe waͤren gemachet worden. Viele
haben ſich dawider empoͤret. Sie wollen nicht lei-
den, daß nur einer allein in einer Stadt das Recht
zu dichten an ſich reiße. Das waͤre ein Eingriff in
die oͤffentliche Freyheit; und zugleich grob, allen
andern aufgeweckten Koͤpfen in einer Stadt die
Faͤhigkeit zu dichten abzuſprechen. Stadt- und
Landaͤrzte haͤtten wir wohl; aber noch nicht
Stadt- und Landdichter. Allein den Ausſpruch
muͤſſen wir von den Tribunalen des deutſchen
Witzes
erwarten. Wir genieſſen, was wir ha-
ben; und ich freue mich, daß wir die bremiſchen
Gedichte
einem Jrrthume zuzuſchreiben haben.
Che felice Errore! Der breite Herr Vorred-
ner geſtehet es ſelbſt mit ſeiner breiten Einſicht.
Kein Wunder, daß eine ſo artige Verwirrung
darinnen herrſchet. Herr Joh. Heinrich Oeſt
hat mir zu meinem Vergnuͤgen vorgearbeitet. Er
bildet ſich nicht unbillig etwas darauf ein, und hat
oft die koͤrnichten Redensarten groß drucken laſſen.
Moͤchten ihm doch alle heilige Dichter nachah-
men; mein Buch wuͤrde deſto eher fertig werden.
Aber ach! alles wuͤrde große Buchſtaben haben.


Brigade.

Du wirſt es dieſem Woͤrtelein gleich an-
ſehen,
[76]Br
ſehen, weß Geiſtes Kind es iſt: des naumanni-
ſchen
Geiſtes!


Und ich ging, ohne zu ſaͤumen, mit meiner Bri-
gade vor Zipor. Nimr. 402 S.


Brunnen.

Dieſes Wort wird in der verbluͤmten
Schreibart mit vieler Zierlichkeit von ſolchen Sa-
chen gebrauchet, auf die ſich nicht ein jeder gleich
beſinnen wuͤrde. Ach man bedenke es doch! Ein
gelehrter Mann, der ſich ſeit langen Jahren bear-
beitet, uͤber die Geheimniſſe der Chriſten vernuͤnf-
tige Gedanken zu ſchreiben, hat das Woͤrtchen
Brunnen recht aͤſthetiſch angebracht, und uns
ein Muſter gegeben, wie man die gewoͤhnliche
Sprache verlaſſen muͤſſe, wenn man gefallen will.
Man merke! Z. E. der Juriſt ſagt, dem Weibe die
eheliche Pflicht leiſten, und die Bibel, ſeinem Weibe
beywohnen. Solche gemeine Redensarten ſind,
wie die Sache ſelbſt, der Welt nur allzu bekannt.
Bey einer Frau ſchlafen, und Kinder zeugen, ſind
Dinge, die alle Tage geſchehen. Weg damit!
Man muß es wie Hr. B-ttſt-tt machen, und
ſich dem Brunnen naͤhern, und aus dem-
ſelben die Fortpflanzung des menſchlichen
Geſchlechtes ziehen.


Das iſt traun! ein Bluͤmchen, daruͤber auch der
Vater Vavaſſor lachen wuͤrde. Bey dieſem
Bluͤmchen merke man ſich auch folgende Regel:
Man muß bey Abfaſſung dogmatiſcher
Schriften alle Regeln vergeſſen, die uns
der praktiſche Theil der Vernunftlehre von
der Abfaſſung dogmatiſcher Schriften ge-
geben hat.


Die
[77]Br

Die Erfahrung wird es den angehenden Schrift-
ſtellern ſagen, wie ſehr dieſe meine goldene Re-
gel
das Schreiben erleichtere. Man kann den
Bogen bald voll machen, und man wird mit Ver-
gnuͤgen wahrnehmen, daß ein Menſch, der ins
Gelag hinein ſchreibet, heutiges Tages weiter
koͤmmt, als ein bedachtſamer Wortknoͤteler!


Brunnen.

Siehe, wie Sanct Klopſtock einen
ſonſt leichtfertigen Einfall, von dem erſten Spie-
gel unſerer lieben Eva, in ſeiner Offenb. hei-
liget. 34 S.


Sey du mir mein Eden; du Brunnen Da-
vids, die Quelle,
Wo ich goͤttlich erſchaffen zuerſt mich ſahe; = =


War alſo das Paradieß bey Bethlehem. Sollte
es dem Manne Bodmer einfallen, die Fabel
vom großen Chriſtoph in Hexameter, ſchwei-
zeriſche Hexameter,
zu bringen; man wuͤrde
nicht lachen. Noch einen Brunnen findet man
von Thraͤnen und vom Leben im weichen Mark
der zarten Lebensſehnen. Welch ein Brunnen!
Mark
in den Sehnen! nicht Saft!


Allein, im weichen Mark’ der zarten Lebens-
ſehnen
Wohnt
ein geheimer Reiz, der zwar ein
Brunn von Thraͤnen,
Doch auch vom Leben iſt. Sat ſatis!
Haller, 106 S.


Die Wohnung iſt etwas enge!


Bruͤder.

Bruͤder machen hieß ſonſt, bey der
Mutter ſchlafen.
Hier werden dem Donner
Bruͤder
gemachet.


Ein
[78]Br

Ein neuer Prometheus beſtiehlt den Himmel
wieder;
Zieht Blitz und Stral aus Staub; und macht
dem Donner Bruͤder. Haller, 37 S.


Hat das Prometheus gethan? Jch glaube, ein
Aſt iſt nicht Staub. Oder gehet das auf die
Electricitaͤt? So wußte ſie Prometheus auch
ſchon? Daͤchte man doch nicht! Allein das iſt eine
Synecdoche. Antilongin. 72 S. Noch eine
Figur: der Reimzwang! Wuͤrde man ſonſt
Scheffel und Laſten a. St. Schocke erndten
laſſen? Zu Laſten Korn gehoͤret auch ein ſehr
groß Stuͤck Land, dem Meere zu entreiſſen. Wie
koͤnnte man aber ſo geſchwind ein beruͤhmter Poet
werden, wenn man den grammatikaliſchen Gril-
lenfaͤngern folgen wollte! Jch will einmal Gift
und Gegengift neben einander ſetzen. Der Leſer
waͤhle!


Das Meer wird ſelbſt verdraͤngt; ſein altes Ziel
entfernt;
Und wo manch Schiff verging, itzt Laſten
Korn geerndt. Haller.

Wer weiß, was dieſen Berg, der itzt ein Auge
ſchroͤckt,
Den Fels, der ewig ſcheint, noch fuͤr ein Schick-
ſal deckt?
Vieleicht wird hier, wo itzt die dicken Wolken
ſtehen,
Dereinſt ein ſchweres Schiff mit vollen Segeln
gehen. Gottſched.


Aber das heißt nichts: man kanns verſtehen.


Bruͤ-
[79]Br Bu

Bruͤder.

Sanftflieſſende Bruͤder; ich wundere
mich, daß es dem Herrn Bodmer nicht gefallen,
den Tagen ſanftflieſſende Schweſtern zu geben;
denn die ſind noch ſanfter.


Noch war an ſtillem Licht den Tag den vorigen
Tagen
Seinen ſanftflieſſenden Bruͤdern, vollkom-
men aͤhnlich geweſen. Noah, 247 S.


Ha! ha! So giebt es auch vieleicht ein Knaſtern-
des Licht?


Bulgen.

Der Franzoſe ſaget: le ſang ſortit à
gros Bouillons;
der Deutſche: es ſprudelte
das Blut; Hr. M. Naumann aber: das Blut
mit großen Bulgen von ſich heraus gurgeln.


= = Nimrod nahm ſelber das Becken
Und fing das Blut damit auf, das ſie mit
großen Bulgen
Von ſich heraus gurgelten. Nimrod, 74 S.


Des Hofpredigers Jemma Hochwuͤrd. mit
Dero dicken Wanſte ſtand dabey. Nimrod und
ein Hofprediger: welche Verbindung!


Jemma aber war groß; ſein dicker Wanſt war
ſein Abgott.
Er aß und trank mehr, als ſechſe zu ſich zu neh-
men vermochten.
Sein Phlegma machte ihn faul, dabey begehr-
lich und geizig.
Sein Predigen that er fuͤrs Geld; und troͤ-
ſtete fleißig die Suͤnder:
Beſonders die Großen und Reichen.
Nimrod, 77 S.


Das
[80]Bu

Das war ein Vielfraß! Jſt das Bild nicht nach
dem Leben gezeichnet?


Buſemsfreund,

a. St. Herzensfreund. Wenn
ich alſo zu meinem Maͤgdchen ſagen will: ich liebe
dich von Herzen;
ſo wird es ihr weit beſſer ge-
fallen; wenn ich ſage: ich liebe dich von Buſem.
Aber Bodmer ſchreibet nicht fuͤr Maͤgdchen:
und giebt es nicht Witzlinge, die ein Lied fuͤr Eu-
lern,
und das andere fuͤr Louischen ſchreiben?


Sprich! ob es ſtrafbar iſt, nicht allen deutlich

bleiben,

Manch Lied den Schoͤnen weihn, und man-

ches Weiſen ſchreiben?

Jch fuͤrchte nur, dieſer Vergleich moͤchte wie ein
Reichstag zwiſchen Spiritualiſten und Mate-
rialiſten
beſtehen.


Bunt.

Hier iſt etwas Buntes! Es iſt wie ein
ſchielender Taffent, deſſen Farbe man nicht wohl
beſtimmen kann.


Wie thoͤricht koͤmmt mir jener vor,

Der bey des Zeno buntem Thor

Verſchwur die Menſchheit und die Thraͤnen!

Haller, 84 S.

Jch ſehe wohl, daß in dem Verſe ein Thor iſt;
allein ich weiß doch, zum Sinne zu gelangen, kei-
nen Weg. Hatte Zeno ein buntes Thor? Jn
was fuͤr einen Labyrinth fuͤhret uns der Dichter!
Der Vers iſt fuͤr Gelehrte geſchrieben; und Halb-
gelehrten iſt er ein Raͤthſel.


Buͤrgerlich,

a. St. geſittet; lieber graͤflich; denn
die Grafen pflegen, oder ſollen vielmehr noch ge-
ſitteter,
als die Buͤrger, ſeyn.


Sie,
[81]Bo Br
Sie, dieſe Liebe, war der Menſchen erſte Kette;

Sie macht uns buͤrgerlich, und ſammlet uns in
Staͤdte.
Haller, 105 S.

Sie war der Menſchen erſte Kette; d. h. ſie
verband uns zuerſt mit einander. So wird
dann ein Gefangener, der die erſte Kette auf ſei-
nen Fuͤßen fuͤhlet, mit dem Kerkermeiſter verbun-
den. Bewundert doch die Gelindigkeit des Rei-
mes! Wie es ſo reimet ſich!


Bogen.

Jch waſche meine Haͤnde in Unſchuld, und
laͤugne, daß der Reim dieſen Bogen gemachet hat.


So tobten die empoͤrten Wogen,

Da in des Schiffs geloͤſtem Bogen

Jhr Schoͤpfer ſeine Macht verbirgt.

Samml. Nicol. 109 S.

Herr Tenzel wird am beſten wiſſen, wo des Schif-
fes Bogen
ſey. Ein kleiner Commentar wuͤr-
de dieſen und den folgenden Vers erklaͤren. Ei-
ne Stuͤtze wecken,
wollen wir ſchenken:


Die Kleinmuth weckt die nahe Stuͤtze.


Jn der Angſt kann man freylich einen Baum fuͤr
einen Menſchen anſehen.


Breitblaͤttricht,

alſo auch ſchmalblaͤttricht. Hier
erkennet man recht, wie trefflich ſich unſere Spra-
che zu Zeugung neuer Woͤrter ſchicket.


Nachtlaͤufer, Huͤfteſohn iſt nichts dagegen.
Nimrod wollte das Waſſer abſchlagen:


Drum nahm er etwas zum Vorwand, und ging
aus der reinlichen Leimhuͤtt’,
Die der breitblaͤttrichte Weinſtock mit ſchlaͤng-
lichten Reben umarmte. Nimr. 16 S.


FSo
[82]Br

So umarmen alle Weinſtoͤcker. Jch mache mir
ein wahres und gerechtes Vergnuͤgen, die Urſachen
anzufuͤhren, welche die nie geſehenen Dichter
haben, anders, wie andere Leute, zu ſprechen.
Sie ſtehen in der Nicol. Sammlung auf d.
45 S. und Herr Johann Samuel Patzke iſt
der Verfaſſer davon.

“Sie ſagen, die Kenner
“naͤmlich, daß ſich die poetiſche Freyheit auf die
“allgemeine Regel gruͤnde, welche dieſe iſt: wenn
“zwey Geſetze zuſammen kommen, die ich bey-
“de nicht beobachten kann, ſo muß ich von
“dem kleinern die Ausnahme machen.
Wenn
“der Verfaſſer des Meßias, beydes, ſowohl
“eben die Groͤße und das Erhabene der Gedan-
“ken, als auch die ſtrengſte Reinigkeit der deut-
“ſchen
Sprache, ſo wie ſie in der Proſe ſeyn muß,
“und itzt in dem Gedichte herrſchet, zugleich haͤtte
“beobachten koͤnnen; ſo waͤre es ein Fehler gewe-
“ſen, wenn er es nicht gethan haͤtte. Allein,
“wann die eine Regel die andere aufhebet; wenn
“ich, durch den Sprachgebrauch, durch die ge-
“woͤhnliche Wortfuͤgung, oder wohl gar, durch
“ein recht reines einzelnes Wort, das nicht ſo viel
“bezeichnet, als es bezeichnen ſoll, abgehalten
“werde, den erhabenen Gedanken erhaben aus-
“zudruͤcken: ſo berufe ich mich auf das Urtheil
“aller Kenner, von welcher Regel ſie mir rathen
“werden, die Ausnahme zu machen ꝛc. So un-
“recht es in der mittleren, und niedern Den-
“kungsart iſt, die Regeln der Sprache zu uͤber-
“treten; ſo erlaubt macht es das hoͤhere Geſetz
“der
[83]Br Bo
“der erhabenen Poeſie, oder des βαϑος, in
“gewiſſen Faͤllen.”

Da ſieht man den klaren
Kern, und die Herren Proſaiſten werden allein
die Erlaubniß haben, vernuͤnftig zu ſeyn. Hr.
M. Naumann hat alſo Recht, wie ein Pegnitz-
ſchaͤfer
zu ſagen, 17 S. ſ. Nimr.


Dort ruderten quakende Enten mit blaͤu-
lichtgruͤnlichen Fluͤgeln;
Hier plauderten hinkende Gaͤnſe; hochherzig-
gekroͤnete Pfauen,
Der blutrothbebaͤrtete Truthahn irreten auf
dem Gefilde;
Der ſichelkrumgeſchwaͤnzete Hahn rufte den
ſperbrichten Weibern ꝛc.


Sind das nicht recht hochherzige, blutrothbe-
baͤrtete, ſichelkrummgeſchwaͤnzete, ſperberichte

Verſe? Lohenſtein wuͤrde ſein ganzes Zucker-
werk
darum geben, wenn zu ſeinen Zeiten ein Sa-
muel Patzke
gelebt haͤtte.


Borgelicht.

Jſt das nicht ein geborgtes Licht?
wuͤrde ein Spoͤtter fragen. Allein der Spoͤtter
muß bedenken, daß der Mond wirklich ſein Licht
von der Sonne borget; es iſt aber ungewiß, wann
er es ihr wiedergiebt. Brennet alſo ein Licht auf
meinem Tiſche: ſo heißt der Schein an der Wand
davon das Borgelicht; denn in der That borget
es die Mauer: ſie giebt es aber eben ſo wenig wie-
der,
als der Mond.


Das Borgelicht des hornichten Monden, der
die weit gereiſete Stralen,
F 2Wie
[84]Bo Ca
Wie eine geweiſſete Wand von ſeinem Koͤrper zu-
ruͤck wirft. Nimr. 553 S.


So kann ich dann von einem geduldigen Hahnreye
ſagen: es iſt ein hornichter Mann. Stralen
reiſen
zu laſſen, iſt auch keine zu verachtende
Schoͤnheit. Wo nun dem Monden einmal die
Luſt zu reiſen ankoͤmmt? Jch daͤchte, wir legten
eine Landkutſche nach dem Monden an, damit
es den Stralen nicht ſo ſchwer fiele. Wir ſind
uͤberzeugt, daß der ſchweizeriſche Scalder aus
den Trinkhoͤrnern getrunken, die von dem Mo-
ſte,
oder Methe gefuͤllet waren, der im Odin
bis an den aͤuſſerſten Schlund mit einem Rie-
men gepreßt ward; wo dieſer Meth zwiſchen
zween Bergen in praſſelndem Geraͤuſche um-
herſchoß. S. ein Geſchaffenes zum Ge-
brauche der rubenſiſchen Delphinen.


C.


Dieſer auslaͤndiſche Buchſtab iſt in den Behaͤltniſſen
der Setzer nicht mehr ſo ſelten, als ſonſt. Die
unſterblichen Dichter ſuchen noch mehr Buchſta-
ben, unſer Alphabet zu vermehren: o! der wei-
ſen Buchſtaͤbler!


Canal.

Peter, der Große, grub einen Canal,
das ſchwarze Meer und die Oſtſee zuſammen-
zuhaͤngen. Ludwig, der 14te, das Mittel-
laͤndiſche Meer
und Gaſcogniſche zuſam-
menzuhaͤngen. Corbulo, Churfuͤrſt Fr. Wil-
helm
und andere große Herren mehr gruben auch
Canaͤle. Niemand aber grub in unſerm Flei-
ſche
[58[85]]Ca
ſche einen Canal der Sinnlichkeit. Der Mann
Bodmer,
aus Zuͤrich, von Religion ein Meſ-
ſianer,
und von Handwerk ein Hexameter-
ſchmied,
grub ihn. Allein kein Wunder! hat
er doch gar die Suͤndfluth beherrſchet, deutſch:
beſungen.


Wenn ſie kuͤnftighin auf den groͤßern Schau-
platz der Welten
Treten, mit Fleiſch bekleidet, ſo ſollen ſie nicht
nur empfinden,
Sondern zum Denken hinauf ſich ſchwingen, und
alles durchforſchen,
Was der neue Canal der Sinnlichkeit ihnen
zufuͤhret. Noah, 346 S.


Wenn mein Schulmeiſter mir die deutſchen Mit-
telwoͤrter
verhaßt machen wollte, denen ich, als
ein Knabe, (wegen ihrer Bequemlichkeit,) ſchon
ſehr gewogen war: ſo nennete er ſie Zwitter, de-
ren Geſchlecht man nicht erkennen koͤnnte; die La-
teiniſchen hingegen truͤgen das Zeichen allezeit, wie
ein Haushahn, hinten. Der liebe ſeelige Mann!
Er wußte nicht, daß eben in der Zweydeutigkeit Witz
ſtaͤcke. Der Leſer leſe den Vers noch einmal; er
ſiehet den Sinn; er greift darnach, wie nach einer
Fledermaus; er haſchet ſie und bewundert die
Zweydeutigkeit:


Hæc decies repetita placebit. Horat. ()

Dieſes allerliebſte Schickſal hat das Mittelwort
mit Fleiſch bekleidet.
Der groͤßere Schau-
platz der Welten
kann naͤmlich mit Fleiſch be-
F 3kleidet
[86]Ca
kleidet ſeyn: aber auch das ſie. Welche Tiefe
des Ausdruckes! Welche Hoͤhe der Gedanken!


Casket.

Dieſe Figur iſt die Vollkommenheit aller
Figuren. Sie kann nach Swiften im Anti-
longin, 115 S.
die Tautologie; oder auch der
Zirkel heiſſen. Es iſt mit ihr, wie mit dem Zir-
kel
in der Vernunftlehre, beſchaffen. Sie ge-
het, wie die Katze um den Brey; und bleibet doch
an der erſten Stelle ſtehen; und ſaget folglich eben
das erſte Wort, nur mit einer kleinen Tinctur von
Veraͤnderung. So war, z. E. im folgenden
Verſe Sturmhaube nicht genug: es mußte noch
ein Casket folgen.


Setzeſt du den Sturmhut nicht auf? oder iſt
dein Casket noch zu Babel?
Nimr. 424 S.


Camoͤniſch.

So kann man auch ſagen muſiſch;
denn die Camoͤnen ſind ja die Muſen noch im-
mer geweſen, obgleich der Parnaß auf den Berg
Sinai iſt verſetzet worden. Einen camoͤniſch
alſo ſehen. Wahrlich! ich weiß nicht, wie man
einen alsdann ſiehet. Wuͤnſchler Wilhelmi
ſiehet ſeinen Freund, den Hn. Steinbruͤck, ſo
in einer Ode.


Camoͤniſch ſah ich dich; dich ſeegn’ ich noch
einmal!


Sonder Zweifel iſt der Dichter ein Candidat des
Miniſterii: er ſeegnet ja. Allein die Muſe von
Tabor
hat alle Dichter zu Prieſtern geweihet; und
ſie ſeegnen alle, ſo viel ihrer ſind.


Cataſtrophe.

Eine Cataſtrophe des Seegens
hat
[87]Ca Ce
hat der weinende Hr. Nicolai in ſeiner Samml.
67 S.
“Unterdruͤcke die Strafen durch Ge-
“baͤth, die du auf die Urſachen des Ungluͤckes
“zueilen ſahſt; und ſey erfreut, wenn ſie, durch
“die Cataſtrophe des Seegens, hier und in
“Ewigkeit, ihren Fehler erkennen ꝛc.”
Die
Strafen? Haͤtte ich nicht eine unuͤberwindliche
Ehrfurcht vor allem, was ich nicht verſtehe: ſo
waͤre ich hier bald von einer Cataſtrophe des La-
chens
getroffen worden.


Cherubsgeſtalt iſt ein Cherub.

Jſt alſo mein Zim-
mer voll Bildniſſe der alten Churfuͤrſten: ſo iſt
es von Churfuͤrſtengeſtalten voll. Noah be-
ſchreibet ſeinen Kindern Raphaels, nicht Ma-
ler Raphaels;
nein! Engel Raphaels ge-
malete Tapete in der Arche. Sie fragten ihn:


Welchem Stamm die Leut’ in den ſchildernden
Ramen verwandt ſind?
Er ſaget ihnen, das, was den Zuͤgen des Pinſels
zu ſagen verwehret iſt:
Unter den Maͤnnern erblick ich einen mit Augen
und Lippen
Himmliſcher lachen; ſein Haupt geußt um
ſich olympiſche Stralen,
Ob er den Menſchen in allem ſonſt gleich, ißt,
ſchlaͤft und ſich kleidet;
Jhnen dienet, der ſelbſt von Cherubsgeſtalten
bedienet wird ꝛc.
Sein Haupt geußt! Olympiſche Stralen! ſ.
das Wort Olympiſch in meinem olympiſchen
F 4Woͤr-
[88]Ci
Woͤrterbuche! Jſt das nicht ein kuͤnſtlicher Ma-
ler? Allein der
in die Felder der Weſen
Aus dem Nichts ſie hervorbefiehlt, hat hier
gearbeitet. Noah, 209 S.


Cirkel.

Man ſiehet mit Vergnuͤgen, wenn man
das Schickſal der deutſchen Sprache, ſeit dreyßig
Jahren her, uͤberdenket, wie Zirkler Bodmer
ſie allmaͤhlich mit Cirkel und Cubus mit ſeiner
Sphaͤre verbunden hat: o! des großen Man-
nes! So:


Wie das ewige Maaß bey allen mit Cirkel und
Cubus
Oder mit Sphaͤre die Theil in netter Ordnung
verbindet. Noah. 246 S.


Jener Prediger rief aus Eifer, und zugleich ſeine
Einſicht in die Geiſterlehre, in einem Gebethe, zu
zeigen: o! du vollkommenſte Monade! Ein
Meßkuͤnſtler haͤtte geſagt: o! du vollkommenſter
Meßkuͤnſtler!


Ciſterne.

Daß Joſeph von ſeinen Bruͤdern in eine
Ciſterne geworfen worden, ſtehet zwar nicht in
der Bibel: Grube aber waͤre zu niedrig geweſen.
Das ſchickte ſich wohl fuͤr Moſen, den Ge-
ſchichtſchreiber:
aber nicht fuͤr Bodmern,
den Hexametriſten. Denn ſo ſtehet geſchrieben:


Wollen wir ihn nicht gleich umbringen,
und ſeine gebeine
In der ciſternen eine, die hier ſind, wer-

fen? — — Jac. u. Joſ. 28 S.


Ein ſehr dienliches Mittel, die Hexameter beliebt
zu
[89]Ci
zu machen, iſt es, bibliſche Hiſtorien darein einzu-
kleiden. Vieleicht iſt doch wo eine alte Vettel, die
ſie lieber, als den Ruͤbezahl, lieſt, wo ſie die latei-
niſchen Buchſtaben nur nicht abſchrecken.


Cither klingende lippen,

ſind wohlklingende Lip-
pen.
Schalt alſo Xantippe: ſo hatte ſie dudel-
ſackklingende Lippen.
Aber man leſe nur:


— — So oft ich im geiſte
Seine ſtets lachenden augen, ſeine cither-
klingende lippen

Unter den griffen
(nicht Klauen) des thiers
vor todesængſten entſtellt fah.

Jac. u. Joſ. 9 S.


So wollte wohl das Thier die Cither ſchlagen?
Da wird es ſehr uͤbel geklungen haben. Der Eſel
ſchlaͤget ſchon ſchlecht die Laute: geſchweige ein
Pardel.


Citadelle.

Der Herr Hof, oder Oberlandbau-
meiſter Nahor,
laͤcherliches Andenkens, hat in
der Nimrodsburg eine Citadelle gebauet. Nimr.
5 Buch:
eine Burg, ein Schloß, waͤre nicht
kriegsbaukunſtmaͤßig geſprochen; denn wie
mein Antilongin ſagt: ſo iſt es zuweilen ſehr
nuͤtzlich, Kunſtwoͤrter anzubringen, als welche
unſere Schreibart von den großen Begriffen,
den gemeinen natuͤrlichen Begriffen, ſo zu ſagen,
entwoͤhnen und entfernen. 123 S. Aus eben
dieſer Quelle flieſſet des Herrn Magiſters vor-
treffliche Kriegsbaukunſt. Jch ſtelle mir es im
Geiſte vor, mit was fuͤr einer Wuth der Dichter
den Vegez und Lipſende re militari wird ge-
F 5pluͤndert
[90]Cl Co
pluͤndert haben. Kruͤpeln und Blinde wird es in
den nimrodiſchen Jagden oder Kriegen nicht ge-
ſetzet haben. Ob ſie aber in den Muſterrollen
untern Invaliden gefuͤhret worden: das ent-
ſcheidet der Gebrauch, den der Hr. M. von dieſem
Worte machet. Jn den Sitten der neuen Dicht-
kunſt iſt der Dichter ſtark.


Cloſet.

Ein richtiges Lieblingswort der Maͤnner
von Zuͤrich!
der heiligen Skalder!


Gleich der Roſe, die erſt den Morgen ihr Cloſet
verlaſſen. Noah, 7 S


Vieleicht iſt es die Schlafkammer, in der die
Roſe ſchlaͤft, ehe ſie aufſtehet. Hat doch die
Morgenroͤthe auch ein Bett!


Commandant, a. St. Befehlshaber.

Er hieß
Ahalibama, laut Zeugniſſes des Herrn Mag.
Nimr. 242 S.


Ein Baͤr nimmt zwiſchen die Tatzen den Kopf,
den die Hummeln verfolgen,
Und kollert auf ihm vom Berge — Welch ein
kollern!


Jſt das nicht ein geſchwaͤnztes Gleichniß auf einen
Befehlshaber?


So hat auch Ahalibama


Verfolgen die Hummeln nur den Kopf? Dieſe
Figur heißt, laut Swiften, die Verheutigung.


Compagnie.

Hat wohl ſchon jemand unſere Trie-
be compagnienweiſe
geſtellet? Der breite Hr.
Oeſt
wird der Platzmajor des Herzens. Er
ſaget hier gewiß Wahrheiten.


Jedoch,
[91]Co

Jedoch, ich moͤchte mich zu weit verirren,
Wenn ich durchs ganze Heer dich wollte
fuͤhren,
Vom Feldherrn an, durch alle Compa-
gnien:

Die Muſterung waͤre zu lang u. dir verdruͤßlich.
Brem. Ged. 22 S.


Das iſt wahr! das iſt wahr! Zween Druckfehler
ſind zu verbeſſern: Setze an Statt, durchs ganze
Heer, durch die Armee;
und a. St. Feld-
herrn,
Brigadier. Auf eben der Seite ſind
ſchreckliche Zergliederungstabellen zu leſen.


Cometiſch, von Cometen;

ſo wie trabantiſch von
Trabant.


Jtzt zerreiſſen die Knotten der angefuͤlleten
Schlaͤuche
Ueber den Guͤrteln des Lands mit ihren cometi-
ſchen Waſſern,
Schuͤtten Eymer von Regen herab, und ſtroͤmen-
de Kruͤge,
Die ſtets goſſen, u. ſtets mehr Waſſer im Hinter-
halt hatten. Noah, 252 S.


Da wird es Scherbel geſetzet haben! Hinterhalt!
ſchoͤn! ſehr ſchoͤn! Guͤrtel des Landes! Et-
was geographiſches.


Coniſch.

Es iſt ein Vorzug der heutigen Dichtkunſt,
und unſerer Groteskenmaler, auch die Sper-
lingsſchnaͤbel mathematiſch
zu beſchreiben; z. E.
a. St. Sperlingsſchnabel, ſage man coni-
ſcher Schnabel.


Dann
[92]Co

Dann die vom Huͤnervolk mit coniſchem
kruͤmmendem Schnabel,
Deren Oberkehle gehoͤhlt, wie der Rinnen am
Dache.

Endlich beſchloſſen den Zug die Voͤgel vom
Sperlingsgeſchlechte
Mit dem coniſchen abgeſtutzten Schnabel;
dieß Volk ruͤhmt,
Daß es in ſeinem Mittel die Singer des Vo-
gelheers fuͤhret. Noah, 243 S.


Der Dichter will ſagen: die Schweizer! Man
muß in der heiligen Dichtkunſt die vorkommen-
den Gegenſtaͤnde mit allen Tiefen und Flaͤchen,
Kruͤmmen, Biegungen, Ebnen und Riſſen, Hoͤ-
kern und Buckeln ſchildern. Zur Erhebung neh-
me man ein aus der Tiefe genommenes Gleichniß;
wie z. E. eine Dachrinne; man bekoͤmmt einen
deſto deutlichern Begriff von den Kehlen der Reb-
huͤner.
Vergleichet nicht Homer einen Helden
mit einem Eſel? Oben habe ich ſchon die Kunſt,
Kunſtwoͤrter einzumengen, geprieſen; ich thue es
noch einmal, und preiſe ſonderlich die an, die ein
bischen mathematiſch ausſehen. Denn auf was
fuͤr Begriffe faͤllt man nicht, wenn man weis, daß
ein Sperling einen coniſchen Schnabel hat!


Conterfait.

Bey dieſem Worte haben wir zweyer-
ley zu bewundern; erſtlich, den Urſprung;
zweytens die Anwendung. Es iſt eine bekannte
Regel, daß man es mit auslaͤndiſchen Woͤrtern,
deren Gebrauch unumgaͤnglich noͤthig iſt, wie der
Großſultan mit fremden Geſandten, machen muß.
Wollen
[93]Co
Wollen ſie nicht Tuͤrken werden: ſo muͤſſen ſie
doch tuͤrkiſche Kaftane anziehen. Der ſeelige
Guͤnther ſang daher:


Kann ich dich dereinſt beſchaͤmen:

Will ich noch dein Conterfay

Jn dem Tod ans Herze nehmen,

Daß er recht beweglich ſey.

Wir ſehen mit Vergnuͤgen, wie ein großer Dichter
dieſem Worte den Caftan ausgezogen, und es na-
ckend und bloß in die Welt geſchicket hat. Wir be-
wundern zugleich die geſchickte Anwendung.
Er ſaget es ſeinem Freunde vorher: er werde das
Portrait oder Conterfait des Unumſchraͤnkten
nirgends finden, das unter endlichen Geſtalten
niemand, als ein Heyde, ſuchet.


Und, unter allen endlichen Geſtalten,
Wirſt du das Conterfait des Unumſchraͤnkten
Von oben an,
bis unten, nirgends finden.
Brem. Ged. 15 S.


Jſt das nicht von den Hexen in der Walpurgis-
nacht
genommen? Oben hinaus und nir-
gends an!


Convex.

Jch freue mich, daß ich dieſen Buchſtab
mit lauter auslaͤndiſchen, und meiſtens mathema-
tiſchen Woͤrtern anfuͤllen kann. Es zeiget die Ar-
muth
der Deutſchen, und den Reichthum der
Bodmeriſchen Sprache an. Kein Jaͤger z. E.
weis, daß die Spechte convexe Schnaͤbel ha-
ben. Die Jaͤgerjungen hatten laͤngſt bemerket,
daß ſie klemmeten. Jch aber und Hr. Bodmer
entdecken, daß es convexe ſind.


Nach
[94]Co

Nach ihm folgte das Federheer; zuerſt das
Gefluͤgel
Mit krummhackichten Schnaͤbeln, gefraͤßige,
beißende Voͤgel:
Dann die Arten des Spechts mit convexen,
klemmenden Schnaͤbeln. Noah, 243 S.


Man denke doch: ein Heer von Federn, a. St.
Vogelheer. So wird man auch bald Beine-
heer
ſagen, denn es giebt Voͤgel, Paradiesvoͤgel,
die keine Beine haben ſollen: ein Heer von Bei-
nen.
Wie der tiefſinnige Mann nicht Gefluͤgel
von Voͤgeln unterſcheidet!


Corſaren.

Wuͤrde man wohl Corſaren bey einem
Patriarchen ſuchen? Wir haben ſie nichts deſto
weniger im Jacob und Joſeph auf der 78 Seite
mit Bewunderung entdecket und angeſtaunet.


Corſaren und ſtreifende banden
Haben ſie weggezykt.


Bande a. St. Raͤuberbande. Das wegzyken
koͤmmt vieleicht von dem Entzuͤcken des Apoſtels
Paulus in den dritten Himmel her. Dieß heiſſen
wir eigentlich verheutigen; d. i. die Patriarchen
zu Maltheſerrittern ſchlagen:
Ausdruͤckungen,
die alle beyde von groͤßer Richtigkeit ſind. Die ei-
ne bemerket, wie wir uns um die Sitten der Zeiten
und Helden bekuͤmmern; die andere zeiget die Ge-
walt an, mit welcher wir die Bibel romaniſiren.
Kraft dieſer Staͤrke koͤmmt es, daß Jacob ein
Liedchen, ein Schaͤferliedchen, wie Gellert, ſin-
get, und Joſephs Gemahlin Spinnſtuben hat.
Daher koͤmmt es, daß Gott wie Klopſtock
ſpricht;
[95]Cy
ſpricht; und Klopſtock wie Gott ſchaffet,
und, wie Johannes der Theologe, Offenba-
rungen ſiehet.
Daher koͤmmt es endlich, daß
Nimrod Ludwig dem 14 und Feldmarſchall
Jojakim Vendomen gleichet. Antil. 132 S.


Cylinderfoͤrmichte

Trombe mit gepreßtem Waſ-
ſergebunde ſprang bleyrecht,
nicht ſtangen-
recht, zum Himmel. Noah, 274 S.
Wir
wurden vor Erſtaunung ganz ſtarr, als wir dieſes
Waſſergebund, dieſe Trombe, dieſes bley-
recht anſtaunten;
obgleich unſere Springbrun-
nen eben ſo ſpringen: wir koͤnnen uns auch noch
nicht von unſerer Erſtaunung erholen.


Jtzo wunden ſich aus den berſtenden Baͤuchen
(nicht Hintern) der Huͤgel
Fluͤßige Saͤulen empor; ſie ſenkten den
ſchwarzen Gipfel
Jn die Wolken ꝛc.


Dieſe waſſerreiche Figur iſt die Vermiſchung des
Moͤglichen mit dem Unmoͤglichen,
worinn uͤber-
haupt mein waͤſſerichter Homer ein Obermeiſter
iſt. Der ganze Noah iſt etwas cylinderfoͤr-
micht;
allein, je cylinderfoͤrmichter ein Gedicht
iſt, deſto beſſer!


Cylindriſche

Schnaͤbel. Jſt das nicht ein Ge-
ſchnaͤbele?


Andere mit cylindriſchen Schnaͤbeln geſtumpft
und geſchmeidig ꝛc.
Auch cylindriſche Zungen; nicht Schwaͤnze.
Jtzo die Zahnloſen, mit den langen cylindri-
ſchen Zungen;


Feinde
[96]Cy Da

Feinde der kleinſten Ameiſen ꝛc. Die Katzen aber
haben Hundeszaͤhne. So kann man ſagen, eine
fuͤßloſe Schlange. Was fuͤr eine angenehme
Verwirrung von Begriffen! was fuͤr eine ſeltene
Vermiſchung neuer und wichtiger Beywoͤrter!
Und alles das in ſo wenigen Verſen!


Cymmeriſche Abendſchatten.

Noch bis itzund iſt
mit dieſen Schatten mein Verſtand bedecket, und
ich ſuche vergebens, was dieſen Schatten wirft.
Die Rede iſt von Myriaden, nicht Millionen
entleibter Seelen
der Suͤnder.


— Sie deckten die Felder
Weit u. breit mit blaſſen (nicht hellen) cym-
meriſchen Abendſchatten. Noah, 301 S.


Es iſt demnach auch moͤglich, daß Seelen entlei-
bet
werden. Vieleicht iſt dieſes Miltons Licht-
dunkel.
Wir erwarten eine Beſchreibung von den
cymmeriſchen hellen Morgenſchatten; bis da-
hin faltet die Verwunderung heilige Haͤnde.
Unter andern iſt zu beſtaunen, daß auf dieſer Sei-
te fremde Fluͤgel mit Geklatſche die Berge her-
abſteigen.
Der Leſer vermuthet ein großes Bild;
ſeine Gedanken erheben ſich; und er findet ein Ge-
klatſch.


D.


Daͤhnen.

Jch freue mich, daß ich endlich dem
Obermeiſter des Bathos auf meinem Wege zur
Unſterblichkeit wiederum begegne. Dieſen Vor-
theil hat allein ein Held und ſein Geſchichtſchrei-
ber; und wir wuͤrden von manchen Voͤlkern nichts
wiſſen,
[97]Da
wiſſen, waͤren uns ihre Ueberwinder nicht bekannt
worden. Wie koͤnnte ich alſo durch mein Woͤrter-
buch mir einen Namen machen: waͤren die Maͤn-
ner nicht groß und beruͤhmt, die es verewiget?
Das Bild, welches uns folgender Ausdruck vor-
ſtellet, iſt deſto vortrefflicher: je niedriger es iſt.
Gut Leder daͤhnet ſich, ſagt der Schuſter;
Herr von Haller aber laͤßt die Wehmuth Schu-
ſterin werden, und den Verluſt daͤhnen;
ja
was das wunderſamſte und ſchoͤnſte iſt, in ferne
Folgen,
d. i. weit entfernte Folgen. Jch und
andere ſeichte Koͤpfe wuͤrden geſagt haben: die
Wehmuth macht deinen Schmerz ewig.

Doch vieleicht thut alles dieſes die gleiche Zaͤrt-
lichkeit; vieleicht die Schoͤnheit; vieleicht die
Stimme der Natur:
denn alles dieſes wird in
einem Puncte, durch das allmaͤchtige die verbun-
den. Sie daͤhnt dir den Verluſt in ferne Fol-
gen aus. Haller, 141 S.
So hat auch
Schlegel, der deutſche Corneille, vollkommen
Recht, wenn er in ſeinem Trauerſpiele Electra
ſaget:


Denn, was indeß geſchehn,
Electra! kannſt du kaum aus langen Reden
ſehn,
Die ſich in ſteter Reyh, durch Tag und Naͤchte,
daͤhnen.


Erſtlich bewundern wir eine Rede in ſteter Rey-
he,
und beſinnen uns zugleich auf ein Paternoſter,
wo eine Kugel an die andere, ſo, wie eine Periode
an die andere gereyhet iſt; zweytens ergetzet uns
Gauch
[98]Da De
auch eine langgedaͤhnte Rede, indem wir uns
mancher ſuͤßen Traͤume beſinnen, die wir waͤhren-
den Predigten gehabt haben.


Dankgeſaͤnge.

Man ſteiget nunmehr zu Dank-
geſaͤngen;
und hinket zu Trauergeſaͤngen.


Und auf Sion mit ihm zu Dankgeſængen
geſtiegen.Jac. u. Joſ. 6 S.


Wir bewundern hier, als eine ſeltene Meteore,
oder Phaͤnomenon, drey Verſe, die auch im Noah
uns entzuͤcket haben. Wir machen uns ein wah-
res Vergnuͤgen daraus, dieſen unverſehenen Raub
dem Eigenthuͤmer zu erſtatten. Entweder hat Ja-
cob den Noah,
oder Noah den Jacob be-
ſtohlen.


Demmerung.

Die Dichter haben ſie beſungen.


Der Naͤchte trauriges Gefieder

Sinkt auf die Welten taumelnd nieder,

Die Daͤmmerung erblaßt und ſtirbt.

Die Philoſophen halten ſie weniger in Ehren.
Sie druͤcken mit der Daͤmmerung das Kahle
und Trockene der Wahrſcheinlichkeit aus. Z. E.
Dieſe Fragen haben Demmerung gegen
Morgen, Demmerung gegen Abend,
das
heißt ohne Gleichniß, ſetzt mein Autor ſehr
weislich hinzu, keine von allen kann es im Be-
weiſe hoͤher, als auf eine trockene und kahle
Wahrſcheinlichkeit, bringen.


Buttſt. vernuͤnft. Ged. 4te Band, Blatt 112.
Man merke ſich die Beywoͤrter kahl, trocken,
die dem Rauchen und Naſſen entgegen geſetzet
werden.
[99]De
werden. Es giebt alſo eine rauche Wahrſchein-
lichkeit, eine naſſe Wahrſcheinlichkeit.


Man uͤberlege alſo, ob es leichter und kuͤnſtli-
cher ſey, nach der alten, oder nach der neuen
Mode
zu ſchreiben? Es lebe die letzte! Sie iſt
am geſchickteſten, den Geiſt eines gelehrten
Schriftſtellers ſowohl, als ſeines Leſers, zu tum-
meln,
das heißt ohne Gleichniß: ſeine Kraͤfte auf
die Probe zu ſtellen.


Denken.

Hr. Witzling in der deutſch. Schaub.
6 Theil
hat folgendes dem Erfinder entwendet:


Allein, was wahr und falſch, was Tugend,
Pralerey,
Was ſtetes Gut, was boͤs, was Gott u. jeder ſey:
Da denket keiner an! Haller, 38 S.


a. St. daran denket keiner! Jenes gehoͤret zum
niederſaͤchſiſchen Dialecte. Ein neuer Dich-
ter muß, wie Homer, alle moͤgliche Dialecte
der deutſchen Sprache in ſeinen Accent ver-
wandeln. So kann einer z. E. bayeriſch, oͤſter-
reichiſch, pommeriſch, ſchwaͤbiſch, ſchweize-
riſch
und pfaͤlziſch in einem Athen reden, ohne zu
fuͤrchten, daß er nicht deutſch rede; denn die
Sprache ſinket unter ihm, oder der Dichter unter
der Sprache.


Der. Gottſched

hat in dem 2 Hauptſtuͤcke,
164 S. 11 §. ſ. groͤß. Sprachk.
Unrecht. Man
muß ſagen: der Klopſtock hat Offenbarun-
gen geſehen;
und alſo wie der Klopſtock alle-
zeit das Geſchlechtswort vor das Nennwort
ſetzen. Z. E. der Noah, der Nimrod, der
G 2Meßias;
[100]Di
Meßias; auch wenn Meßias nicht die Wuͤr-
de,
ſondern den Namen, ausdruͤcket. So ſa-
gen wir auch weit zierlicher der Koͤnig der Daͤ-
nen,
als, der Koͤnig in Daͤnemark; ſ. Offenb.
St. Klopſt. Vorbericht;
und Gottſcheds
Kern der d. Sp. L. 222 S.


Dichte.

Unſere philoſophiſchen Dichter ſchreiben
fuͤr Philoſophen. Denn wie kaͤme ſonſt das ſtum-
me Dichte, Gefuͤhl
und Licht zuſammen?


Allein das ſtumme Dichte
Hat kein Gefuͤhl von Gott, noch Theil an ſeinem
Lichte. Haller, 101 S.


Mein Ruͤcken iſt gewiß dichte; er iſt auch ſtumm:
hat ihm aber Gott kein Theil an ſeinem Lichte ge-
geben: ſo hat er doch ein Gefuͤhl von ihm be-
kommen; denn es that ſehr weh, wenn mir der
Schulmeiſter ſchwer fiel. Es giebt in der neuen
Dichtkunſt eine Figur: der Miſchmaſch; im
Antilongin, 86 S. heißt ſie das Kauderwaͤl-
ſche.
Der ſchweizeriſche Pope beſitzet darin-
nen eine ungemeine Staͤrke: Z. E.


Verſchiedne Macht und Ehre,
Entſchieden ſtuffen weis die unzaͤhlbaren Heere;
Die ungleich ſatt vom Glanz des mitgetheilten
Lichts,
Jn langer Ordnung ſtehn von Gott zum oͤden
Nichts. Haller, 101 S.


Denn hier entſtehet die Frage, wer die Heere ſind?
Ob man kann ſatt vom Glanze werden? da doͤrf-
te man nur, wenn einem der Hunger ankaͤme, in
die Sonne ſpatzieren gehen. Endlich bleibet zu
ent-
[101]Di
entſcheiden, was eine lange Ordnung, und ein
oͤdes Nichts ſey?


Das Dicke nahm ſich an, und Licht und
Feuer ronnen. e. d.


So nimmt ſich der Coffee an, wenn ſein Grund
ſich ſetzet. Licht
und Feuer gerinnet eben ſo,
als Talch und Wachs nach der Phiſik des Hn.
von Haller.

“Der Ausdruck naͤmlich iſt richtig
“und angemeſſen, wenn er nach dem Maaße
“der Tiefe des Gedanken, von welchem er der
“Dollmetſcher iſt, niedrig iſt. Er muß nicht
“immer den Regeln der Grammatik gemaͤß ſeyn,
“aus Furcht, er moͤchte pedantiſch, und einem
“wackern Manne, einem Ammanne, nicht an-
“ſtaͤndig ſeyn; er muß auch nicht gar zu klar ſeyn,
“damit er nicht zu gemein werde.”

Antil.
116 S.
Der Dichter beſinget, oder malet viel-
mehr, wie ein anderer Bartas die Schoͤpfung:
ein fuͤr ein geſchaffenes Weſen nicht vergebenes und
dabey edeles Unternehmen.


Ding.

Jſt unter den Dingern der neuen Schoͤpfer
ein Ding, welches unſere Hochachtung verdienet:
ſo iſt es dieſes:


“Jn der Ordnung der Dinge ſind kaum die
Raͤmen uns ſichtbar.” Noah, 199 S.


Ja nur die Kanten! Ein Gedank’ muß eben ſo viel
Flaͤchen und Ecken, als ein Brillant haben; und
nicht halb, ſondern ganz brillantirt ſeyn.


Dinkel.

Was mag das immer fuͤr Getreyd ſeyn?
Was anders, als mizraimiſches!


G 3“Was
[102]Do Di Dr
“Was fyr Dinkel in Kanaan war; kam al-
ler vom Nile.” Jac. u. Joſ. 5 S.
()

Jſt die Verbindung mit aller nicht zu bewundern?


Donnerton.

Die himmliſche Tonleiter fuͤhret
unter andern einen fuͤrchterlichen Ton; den Don-
nerton.
Denn ſo ſtehet geſchrieben in der Of-
fenb. St. Klopſt. 168 S.


“Spraͤchen Donner aus meiner Rechte, Ge-
danken zu ſagen,
“Die zu ſagen, die himmliſche Harfe den
Donnerton mißte ꝛc.”


So haben alle Myriaden Engel nur eine Harfe?
Das brummte noch aͤrger als ein Brummeiſen;
Klopſtock
aber und Gott finden ein Vergnuͤgen
an Donnern. Sie donnern oft nur zur Luſt, und
mit halben Schuͤſſen, wie Milton von Gott
ſaget.


Divan.

Der Großſultan, der Hoͤllen Koͤnig, haͤlt
oft Divan mit ſeinen teufliſchen Baſſen. Die
Figur heißt die Vertuͤrkung.


Jn dem entſetzlichen Divan, ihr Haupt und
Koͤnig, der Satan. Noah, 340 S.


Drache.

Es giebt gewiſſe Sagen, die von Vater
auf Sohn faſt ins Unendliche fortgepflanzet wer-
den. So iſt es, z. E. mit dem fliegenden Dra-
chen
beſchaffen, den die alten Weiber im Nim-
rod
auch glaubten. Dergleichen Maͤhrchen zie-
ren ſehr eine Epopoͤe; und der Hr. Magiſter hat
nicht Unrecht, ſeine Saͤchelchen liebliche Traͤume
zu nennen. S. 257.


“Der fliegende Drache, welchen der alberne
Poͤbel
“Fuͤr
[103]Dr Du
“Fuͤr den Hausgott der Hexen, der ſie reich
machet, erkennet;
“Weil ſein Schweif zu dem Rauche der Feuer-
eſſen hinzufaͤhrt.” Nimr. 254 S.


Drehen.

Wir haben ſchon oben bewundert und ge-
ſehen, daß es ein Kunſtſtuͤck in der erhabenen Poe-
ſie iſt, Gott zum Handwerker zu machen. Jn
folgenden Verſen iſt er wieder ein Drechsler:


Denkt ihr, euch koͤnne der nicht raͤchen,
Der durch ſein Winken Welten dreht.
Samml. Nicol. 110 S.


Denn es iſt nichts niedriger, als wenn ſich ein
Dichter unter den Geſetzen der geſunden Vernunft
unterjochen laͤßt. Alles aͤndert ſich: ſollte ſich
denn nur die geſunde Vernunft nicht aͤndern? Ein
Swift lobet dieſe Macht, die wir an der Sp. L.
ausuͤben, an ſeinen Engellaͤndern; wir unter-
ſtehen uns, ſolche an unſern miltoniſirenden
Deutſchen
zu bewundern.

“Denn die Dunkel-
“heit und Niedrigkeit giebt der Rede ein wunder-
“ſames Anfehen, und bringet einem Gedichte,
“worinnen weder Sinn noch Verſtand iſt, die
“Hochachtung eines Orakels zuwege.”

So
Swift im Antil. 27 S.


Dunſtbehangen.

Man muß neu in Beywoͤrtern
ſeyn.


Denn er malte die dunſtbehangne Luft mit
Geſtalten,
Die durch den wilden Abſatz des Schwarzen
und Hellen ſchon ſchreckten.
Noah, 249 S.


G 4Jſt
[104]Du

Jſt das nicht ein wilder Abſatz? Der Maler iſt
der Mond.


Dunkel.

Das iſt ein ſehr gewichtiges, denn wer
wird ſagen wichtiges, Wort; man machet damit
einen ganzen Vers hell. So wird, z. E. ein
dunkler Schaͤfer und ein heller Bauer ein
Ding ſeyn.


“Noch mehr! mein dunkler Schaͤfer wuß-
te ꝛc. Zernitz, 32 S.
“Wo ſich niemals der Geiz verzehrt von dun-
keln Sorgen. Zernitz, 2 S.

“Seht! Huͤllenddunkel ſchwebt ſchon in
den Luͤften;
“Das Weltmeer ſchaͤumt aus tiefen Gruͤf-
ten. Poet. Ausarb. 33 S.


Jm erſten Verſe iſt das Huͤllenddunkel eine Wet-
terwolke; in dem zweyten iſt zu bewundern, wie
dieſer viel verſprechende Dichter, ein großer Geiſt
von 18 Jahren,
das Weltmeer in Gruͤfte ein-
ſchlieſſen
koͤnnen. Daß ers gethan, das ſehen
wir; ob es aber angehet, iſt eine andere Frage.


‘“Vom Dunkel eines begeiſterten Hayns.
Jac u. Joſ. 6 S.
()

D. i. ein Wald voll Geiſter. Noch etwas Dunkeles!
Unterdeſſen erhob ſich wallend auf Fluͤgeln der
Weſte,
Auswendig dunkel, inwendig hell zum
Durchſchaun eroͤffnet,
Nebel und Dunkel, die uns mit duͤftenden
Wolken umdeckten.
Samml. Nicol. 164 S.


Da
[105]Du

Da ſehe mir einer! Jſt das nicht Dunkel und Ne-
bel?
Es iſt zu bewundern, wie ein junger Menſch
von 18 Jahren es ſo weit in der heiligen Dicht-
kunſt
bringen koͤnnen. Wenn man aber beden-
ket, wie der unſterbliche Juͤngling von der Muſe
von Tabor
gleichſam eingeheizet worden: ſo be-
greifet man es; denn ein guter Kiehn machet
bald Feuer.
Bey den Fluͤgeln der Weſte iſt
zu bemerken, daß es nicht Fluͤgel einer Weſte
ſind; man wuͤrde den Hoſenknopf ſonſt gar zu
bald gewahr werden. Wenn die Herren Wurm-
ſaamianer
Wind machen: ſo brauchen ſie gemei-
niglich Weſte dazu.


Dufttriefender Hauch iſt kein Unding.

Denn 1)
kann ein Hauch gewaltig triefen, z. E. im
Schnuppen; 2) Duft triefen; z. E. meine
Frau haͤtte eine ſtinkende Naſe: ſo iſt der Hauch
ein Duft, denn er riechet. Die Zephire, dieſe
geplagte Winde, von denen ein neuer Dichter ganz
voll iſt, koͤnnen gar wohl des Athems Erſtlinge
auf ihre Fluͤgel faſſen, und eilen dieſe wohl-
riechende Beute in die braͤutlichen,
nicht fraͤu-
lichen, Zimmern zu tragen.


“Jhren dufttriefenden Hauch, des Odems
Erſtlinge faßten
“Sanft die Zephir auf ihre Fluͤgel und eilten
die Beute
“Jn die braͤutlichen Zimmer zu tragen.
Noah, 132 S.


Durch.

Eine einzige Sylbe iſt im Stande, uns in
Verdacht einer Bekanntſchaft mit der Goͤttin von
G 5Tabor
[106]Du
Tabor zu ſetzen. Das Wort durch, wenn man
es mit allen moͤglichen Zeitwoͤrtern verſetzet, iſt
unter andern von ganz ungemeiner Wirkung.
So kann man, z. E. ſagen: durchdonnern, durch-
zittern, durchfalten, durchjauchzen,
und was
nicht mehr durch? auch durchteufeln. So ſagt
der weiſe und ſinnvolle Bodmer:


Truͤbe Waſſer mit Sand und Erd und Steinen
durchſetzet. Noah, 194 S.


Daß die Tugend, nicht ſchwer zu tragen, die
Stirn nicht durchfaltet. Noah, 45 S.


Ein jedes Gedicht, das, mit ſchweizeriſcher Er-
laubniß, und Beyfalle der Kunſtrichter ſeit 1730,
ſeine Leſer eingeſchlaͤfert hat, iſt mit dieſer Selten-
heit durchſpicket.


Durchſchnitt.

Man hat jetzt gar beſondere Arten,
die Wege zu meſſen. Die Art zu gehen, indem
man einen Weg mit den Fuͤßen verſchlinget,

heben wir, als einen beſondern Leckerbiſſen, auf.


Zwoͤlfmal den Durchſchnitt der Erde waren
wir ſchon entfernt.
Samml. Nicol. 165 S.


Wo ſind wir dann? Jn den Wolken! Nubes \&
inania capimus.


Durchſchlagen, a. St. hinbringen.

So haben
wir mit unſaͤglicher Muͤhe viele Tage durch-
ſchlagen,
eine kleine Sammlung neuer Accente
zu machen. Fuͤr heute habe ich das Vergnuͤgen
unſern Bewunderern, ein neues Raͤthſelchen vor-
zuſagen. Ein junger Dichter pruͤfe ſich, und
rathe.


Vom
[107]Du Dy

Vom Ende nah, vom Anfang weit,
Und in der Mitte durchquaͤlt,
Jn Tropfen, aber dir getrennt,
Durchſchlag’ ich muͤhſam das Jahr.
Brem. Ged. 133 S.


Dieſe Gedichte uͤberhaupt biethen einen Blumen-
ſtrauß der ſeltenſten Blumen dar.


Durchſichtigſilbern.

Das Silber iſt bey dem Hn.
M. Naumann durchſichtig. Es iſt ewig
Schade, daß dieſer Kuͤnſtler, wie gewoͤhnlich, ſo
neidiſch iſt, und uns ſein Geheimniß vorenthaͤlt.
Der Herr Hofbecker Pherez iſt da ungemein
ſinnreich im Zuckerwerke.


— Zur Rechten ſtund Canaans Hauptſtadt,
Das ſiebenthuͤrmichte Hebron von Zucker
geformet. Nimrod, 135 S.


Swift wuͤrde dieſes die kindiſche Schreibart
nennen; wir aber nennen es die Erhabene. Was
kann naͤmlich erhabener ſeyn, als ein Zuckerbe-
cker zu Nimrods Zeiten!
Was fuͤr ein Feld
fuͤr eine ſeraphiſche Einbildungskraft! Und was
fuͤr Stoff zur Bewunderung!


Dyſter.

Was wird doch ein helles Betragen ſeyn,
wenn ein Dyſters ſo duͤſter iſt?


Aber die wehmuth redt in ihrem dyſtern
betragen. Jac. u. Joſ. 22 S.
()

Wie dyſter muß der Kopf nicht ſeyn, aus dem
ſo was Dyſters entſpringet! Wer kennet aber
nicht den dyſtern Sænger?


Egoiſt.
[108]Eg Ei

E.


Egoiſt.

Wir kennen keinen aͤrgern Egoiſten, als
Klopſtocks Gott. Er wendet und drehet ſich
in vielen Verſen, die alle einerley ſind; nur, da-
mit er ſagen koͤnne: ich bin ewig! Dieſe Eigen-
ſchaft Gottes muß wohl dem Meßias ganz was
neues ſeyn. Wuͤrde es der, der Offenbarun-
gen geſehen,
ſonſt gebrauchet haben? Wer alſo
den Egoismus, Jch bin ewig, brauchet,
deſſen Thraͤnen ruhen in jenen goldenen
Schaalen, wo auch die meinigen ſind,
die ich
aber oft vor Lachen vergeſſen habe.


Einfarbroͤthend,

alſo auch dreyzehnfarbroͤthend.
Jch habe dieſes vortrefflichen Beywortes bereits
oben unter dem Worte Beſaͤen mit gebuͤhrendem
Weihrauche erwaͤhnet; ich thue es noch einmal,
weil des Guten nicht oft genug kann gedacht wer-
den. Beſiehe und bewundere dieſe Figur, nebſt
andern Seltenheiten, in dem Patriarchenge-
dichte Noah, deſſen zwoͤlf Geſaͤnge ein Ver-
langen nach noch verſprochenen 24. erwecken.

Es bekaͤme dadurch eine deſto groͤßere Aehnlichkeit
mit dem Rolando des unſterblichen Arioſts,
welche ohnedem groß genug iſt.


Einfluß.

Die ſaftige Schreibart, oder die kuͤ-
tzelnde,
hat einen großen Einfluß in die Heilige,
oder Geſtiefelte; und die uͤbernatuͤrlichen Dichter
werden oft ſehr natuͤrlich.


Allemal,
[109]Ei

Allemal, wenn der Vater der Menſchen beliebet
den Einfluß
Auf das Hochzeitbett, u. den Tag der Empfaͤng-
niß zu ſchuͤtten:
Fleußt der goͤttliche Seegen vom Vater zum
Sohne hernieder. Noah, 19 S.


Jſt das nicht einmal deutlich von der Ehe geredet,
zumal von Fraͤulein Debora? Dieſe Schreib-
art der juckenden Begierde,
wie ſie Antilon-
gin
nennet, iſt der vornehmſte Theil der Mode-
ſchreibart;
eine Schreibart, die ſeit einiger Zeit
ſehr in Anſehen gekommen iſt, weil ſich Dichter vom
erſten Range derſelben bedienet haben. Die Mu-
ſen haben ja auch Fleiſch und Blut: ſollen ſie denn
nicht manchmal den Bademuͤttern ins Handwerk
fallen? Dieſe Schreibart beſtehet ganz und gar
nicht aus Metaphoren, ſondern wirklichen Schilde-
reyen, die von den beyden fruchtbarſten Quellen
hergenommen werden, welche das wahrhafte Tie-
fe
des menſchlichen Leibes ſind, naͤmlich von -
und von - Hiatus magnus lacrimabilis - aus
ſaftigen Anſpielungen, ſaͤuiſchen Bildern, Fratzen
Bodmers, Klopſtocks,Wielands, Nau-
manns,
welches alles aus beſagten Quellen herge-
leitet iſt. Dieſe Brunnen des Witzes ſind uner-
ſchoͤpflich; und ſo lange das menſchliche Geſchlecht
witzig geweſen, hat es die beliebteſten Zuͤge des Wi-
tzes daher geholet. Jch hoffe auch, daß ſie ſo
bald nicht verſiegen werden.


Einſchnitt.

Dieſes Ragout, oder dieſer Ein-
ſchnitt
iſt ein gelenker Einſchnitt, nicht von Kaͤl-
berfuͤßen,
[110]Ei
berfuͤßen, ſondern Elephantenfuͤßen, die die Ma-
den und Motten, Spinnen und Milben haben.
Der Held ſiehet durch ein Luftcryſtall. Die Stel-
le iſt zu ſchoͤn, als daß ich ſie nicht ganz herſetzen
ſollte, und meine Leſer werden mir Dank dafuͤr
wiſſen.


Ploͤtzlich ſiehet das Auge vor ihm (a. St. ſich)
in hohen Geſtalten,
Gorgonen u. Chimaͤren, mit Zangen, Sti-
leten u. Ruͤſſeln,
Haͤßlichen Zitzen und ſaͤgenden Zaͤhnen, und
hoͤrnenen Klauen,
Ueber dem Kopf ein Dach u. franſichte Schild
auf dem Ruͤcken;
Andre mit Schuppen u. Borſten, u. Straͤußen,
u. haarichten Maͤhnen;
Zottigte Koͤpfe, wie von dem hintern Theile ge-
ſchnitten,
Haͤngen am duͤnneſten Hals, ein Reichthum
der laͤngeſten Fuͤße,
Voller gelenken Einſchnitte
traͤgt die Schwe-
re des Bauches. Noah, 79 S.


Welch ein Reichthum! welche Einſchnitte!
welch ein Bauch! welche Zitzen! welche Verbin-
dung der Worte!


Einſam.

Eines von den ſchoͤnſten Lieblingswoͤrtern
des goͤttlichen Klopſtocks. Da giebt es einſa-
me Naͤchte; Naͤchte
naͤmlich, die keine Geſell-
ſchaft haben. Offenb. St. Klopſt. 5 S. Da
giebt es einſame Himmel, e. d. 24 S. eine einſa-
me Wolluſt,
obgleich dieſe ungern einſam iſt,
und
[111]Ei
und ſich lieber paaret. e. d. 25 S. Oft wechſelt die-
ſes einſam ab mit


Einſiedleriſch;

man kann auf eben die Art bettle-
riſch
a. St. arm ſagen. Ey! wie reich iſt nicht
unſere Sprache geworden! und wie ſchoͤn wird ſie
noch werden! Alle Figuren im Antilongin ſind
nichts gegen die meßianiſchen. Alles dieſes ha-
ben wir dem Dichter und Arzte Haller, und ſeinen
Genoſſen, oder hoͤrſt du lieber Geſpielinnen im
Thale?
ſeinen Geſpielen zu danken.


Einweihend.

Was mag doch ein Aug thun koͤnnen,
wenn Blicke einweihen koͤnnen? Jch habe Prie-
ſter geſehen, die, wann ſie das Volk ſeegneten,
aus Andacht die Augen halb zumachten. Wir
halten dieſes fuͤr den einweihenden Blick.


Welchen Koͤnig der Gott uͤber die Koͤnige
Mit einweihendem Blick, als er gebohren
ward,
Vom Olympus her ſah, der wird ein Menſchen-
freund,
Und des Vaterlands Vater ſeyn.
Ode an den K.


Der Gott der Chriſten auf dem Olymp! Jſt
das nicht ſchoͤn! Man hat die waͤlſchen Dich-
ter mit Unrecht getadelt, daß ſie Pluton und Be-
lialn
vermengen: denn ſetzen unſere heilige Maͤn-
ner nicht Jupiter neben den Zebaoth? Gott iſt
noch weit mehr Gott auf dem Olymp, als anders-
wo. Jn eben dieſer Ode haben wir ſo viel Sel-
tenheiten zu bewundern, daß wir den Seher ver-
vergoͤttern wuͤrden, haͤtte er auch ſonſt nichts ge-
ſchrieben.
[112]El
ſchrieben. Rechnete jener die Groͤße des Herku-
les
aus ſeiner Zehe aus; und errieth jener Maler
aus einem Striche die Meiſterhand, von der er
kam: ſo koͤnnen auch wir von dieſer Ode ganz ſi-
cher auf das Gehirne ſchlieſſen, in dem ſie jung ge-
worden. Es war falſch, daß unſere Dichter
glaubten, mit jeder Strophe muͤſſe der Sinn ſich
auch ſchlieſſen. Nein! es ſind Oden moͤglich, de-
ren Strophen ſo kuͤnſtlich in einander geflochten
werden, daß kaum die letzte Strophe einen Punct
bekoͤmmt. Denn wer kann das Meer aufhalten,
wenn es aus ſeinen Ufern tritt? ſo wallet auch
Klopſtocks Gehirn, und tritt uͤber die Kuͤſten.


Wir finden auch ein eiſernes Feld, indem wir
uns ein Feld vermuthen, welches mit zerknirſche-
ten Harniſchen und zerbrochenen Speeren bedecket
iſt. Wir wollen demnach in der erſten Ode, die
wir machen werden, uns eines gebeinten Feldes,
oder beinernen Ackers, bedienen.


Eloa, ein Engel, den Klopſtock geſchaffen.


Nun wiſſen wirs; die Bibel wuͤrde noch einmal ſo
viel gewinnen, wenn ſie uns huͤbſch erzaͤhlte, wor-
aus Gott die Engel erſchaffen. Der ſchweizeri-
ſche Schoͤpfer
ſah dieſen Mangel ein, und er-
ſetzte ihn.


Gott ſchuf ihn erſt. (a. St. zuerſt) Aus einer hell-
leuchtenden Morgenroͤthe
Schuf er ihm einen aͤtheriſchen Leib. Ein Him-
mel von Wolken

Floß um ihn, da er wurde.
Offenb. St. Klopſt. 15 S.


Es
[113]El Em

Es iſt eine Luſt zu leſen, wie der Schoͤpfer und der
Geſchaffene ſich hierauf ihr Gefuͤhl zu fuͤhlen ge-
ben, das ſie fuͤhleten.


Empfindung.

Jetzt beb’ ich groͤßers Gluͤckes voll;
ganz bin ich Empfindung.


Was fuͤhlſt du, mein Herz? Sprich, was du
fuͤhlſt!
Ach! du empfindeſt zu viel; du dichteſt verge-
bens
Auf einen gefuͤhlvollen Laut.
Ode an Steinbruͤck.


Der Dichter will ſagen, eine Ohrfeige; denn die
iſt gefuͤhlvoll; ſie klinget auch. Was iſt man
da, wenn man ganz Empfindung iſt? Ein Her-
renhuͤter!
Andere zaͤhlen dieſe Schreibart zu der
taͤndelnden: ich nicht; denn Klopſtock, der
Seher, der ſie geſchaffen hat, will nicht taͤndeln;
oft aber thut man das, was man doch nicht thun
will. Und ein Lied von ihm iſt mir lieber, als der
ganze Hermann; oder, wie der Dichter ſaget:


Ein Lied von ihm iſt mir mehr, als hundert Ge-
ſaͤnge
Von muthigen Schreyern gereimt. e. d.


Electriſch.

Bald wird man des Darius Codo-
mannus
Stutzbart mit einer ſtaͤhlernen Peruͤke
eines Stutzers vergleichen. Die Verheutigung
naͤmlich iſt eine gelehrte Figur. Nimmermehr
haͤtten wir die Electricitaͤt im Patriarchenge-
dichte Jacob
und Joſeph geſuchet.


HWie
[114]Em En
Wie der blitz des electriſchen drats den
Kœrper des menſchen
Plœtzlich durchfæhrt u. die Sinne betæubt,
wie er ſchnell von dem erſten
Zu dem folgenden fortgeht u. alle durch-
fæhrt u. betæubt:
Alſo durchfuhr der ſchlag von Zophnats
gefundenem bæcher
Benjamins Buſem;
nicht Buſen. 48 S.’
()

Der Herr Doctor Kraft haben wohl gethan,
dieſes Gleichniß zu verewigen; denn, wie man ſie-
het, ſo thun wir es auch.


Empiraͤum.

So wird nunmehr, nach dem mit
fremden Federn ſo bereicherten Milton, der
Himmel genennet.


Sallum und Zimri, zween Engel des
Empiræum vom Himmel
Zu Beſchytzern — geſchicket.

Jac. u. Joſ. 37 S


Der Himmel herrſchet alſo uͤber die Engel. Scha-
de, daß noch nicht ein neues Wort fuͤr unſere Er-
de
erfunden worden; ſie doͤrfte nicht mehr Erde
heiſſen.


Endlich.

Nichts iſt ſinnreicher, als ein Schaͤferge-
dicht mit einem angenehmen Gewirre anzufangen.
Z. E.


Das Endliche zum Nichts, das dieſe Welt
umſchraͤnkt. 1 S. Zernitz.


Das Endliche zum Nichts ſcheinet uns ein ſolches
Nichts zu ſeyn, dabey ein jeder, ein Denker aus-
genommen, platterdings nichts denken wird.
Wir
[115]En
Wir glauben, das Geheimniß verrathen zu koͤnnen,
und machen uns dadurch um unſern Leſer nicht we-
nig verdienet. Die beyden Woͤrter Endlich und
Nichts ſind in der heiligen Sprache unum-
ſchraͤnkt
und voll. Wer ſie folglich brauchet, der
hat einen unumſchraͤnkten und vollen Kopf.
So war z. E. Zernitzens Kopf ſo voll, daß ſich die
Woͤrter in ſeinem Kopfe ſtießen; und alſo ganz ver-
wirrt herauskamen.


Endpunct.

Wir hatten Mittelpuncte: nun haben
wir Endpuncte, Anfangspuncte, Mittel-
puncte.
So ſpricht ein ſinnreicher Redner:
Reden die Triumphbogen nicht, (zierlich a. St.
ſagen,) daß die Groͤße ſeines Ruhmes noch ſehr
weit von dem Endpuncte ihres Steigens ent-
fernet ſey? Samml. Nicolai, 8 S.


Endzweck.

Weißt du, lieber Leſer, was der End-
zweck
des Schoͤpfers iſt?


Des Schoͤpfers Endzweck iſt ein großer
Grundſtein,
Den mußt du legen ganz aus Quaterſtuͤcken,
Den Kies u. Sand hindurch, bis auf den Fel-
ſen. Brem. Ged. 12 S.


Ey! wie ſchoͤn! Ein ſteinerner Endzweck,
ein Endzweck aus Quaterſtuͤcken! Noch nicht
genug! Aus Kies und Sand, aus Felſen!
Dieſer philoſophiſche Baumeiſter und Kalkloͤ-
ſcher
iſt Herr Johann Heinrich Oeſt, ein
großer Mann.


Endzweck.

Gewiſſe Schriftſteller ſchwatzen auf al-
len Seiten von Zwecken. Man merke ſich nur
H 2eine
[116]En
eine Wortfuͤgung. Nach einem Endzwecke ſtre-
ben, iſt ſchlecht geſchrieben. Herr Buttſtett
giebt es niedlicher:
Einen Endzweck eintreten.


Das iſt deutſch! recht kern deutſch.


Engelbewacht,

a. St. von den Engeln bewacht.
So kann man nicht in der heiligen Dichtkunſt ſa-
gen, von Soldaten bewacht. Das waͤre zwar
der Sprachlehre gemaͤß; aber es iſt zu langweilig.
Sprich z. E. Nachtwaͤchterbewacht: das wird
ſchoͤn ſeyn.


Aber im niederſten Abſchnitt des engelbewache-
ten Berges. Noah, 16 S.


Es verraͤth ein niedertraͤchtiges Gemuͤth, wenn
Kunſtrichter ihren Verſtand anſtrengen, aus den
Schriften beruͤhmter Maͤnner Fehler zu klauben.
Das iſt eben ſo, als wenn in dem Heydenthume ein
naſeweiſer Witzling den Goͤtzendienern die Spinne-
weben eines hoͤlzernen und verehreten Jupiters
haͤtte ſammlen, und woͤchentlich den athenienſi-
ſchen Herren Studenten
verkaufen wollen.
Wir glauben, eine groͤßere Seele zu zeigen; denn
bringen wir unſern Goͤtzen nicht Weihrauch? Ja,
wir treiben unſere Abgoͤtterey ſo hoch, daß wir ih-
nen, wie Boileau ſaget, oft mit dem Rauchfaſſe
uͤbers Geſicht fahren.


Ent.

Endlich, meine Freunde! komme ich auf ein
Syllbchen, welches recht, wie die Zauberruthe der
Circe, die ſchlechteſten und oft nie gedachten Woͤr-
ter, gleichſam auf einen Schlag, vergoͤttert, und
verengelt. So ſagen z. E. Se. Gn. der Herr v.
Haller
[117]En
Haller auf der 91 S. in Dero Ged. Arbeiten
darf er nicht: er wuͤrde ſich entadeln, a. St. ſei-
nen Adel beſchimpfen.
So haben wir ſchon
oben entbauchte Hunde bewundert, und finden
eben itzund entbauchte Rippen; die Rippen
naͤmlich haben Baͤuche. So ſtehet geſchrieben:


Wir — — empfinden den mangel,
Der mit entbauchten Rippen u. hagerm ge-

ſicht nach uns greifet.Jac. u. Joſ. 13 S.


Jm Vorbeygehen loben wir auch die Verbindung
mit mit; denn man greifet nicht mehr mit Haͤn-
den. Weiter haben wir entfalten. So entfal-
tet
ſich ein Menſch, wenn er die Falten ſeines Ge-
hirnes aus einander faltet, oder auf altdeutſch ſich
entwickelt.
Daher koͤmmt das treffliche Wort
Entfaltung. Will man z. E. von einer jungen
Dirne ſagen: ſie ſey in dem Fruͤhlinge ihrer
Jahre,
oder, ſie ſey in ihrer erſten Bluͤthe; ſo
ſage man: ſie ſey


‘Jn der erſten Entfaltung der ſanftaufgehen-
den Bluͤthe. Noah, 44 S.
()

Erſtlich denket man bey dieſer Entfaltung an die
Falten, die ſich entfalten ſollen, und ſich oft zu
fruͤh entfalten; z. E. wenn eine Jungfer ein Kind
kriegt; zweytens ſuchet man die ſanftaufgehende
Bluͤthe der Roſe des Maͤgdchens;
und findet
ſie - - ich weis nicht wo. Dieſer Strom von
fruchtbaren Einfaͤllen flieſſet aus eben den Quellen,
die, wie wir oben beym Einfluſſe erwaͤhneten, ſeit
viel tauſend Jahren gequollen ſind. Weiter
koͤnnen wir ſagen, entfeſſeln; ja Wellen ent-
H 3feſſeln;
[118]En
feſſeln; denn unſterbliche Dichter koͤnnen auch die
feſſeln, oder in Ketten legen. So Bodmer!


An der Morgenſeite der Stadt, wo der heitere
Piſon
Aus dem marmornen Bette hervor die entfeſ-
ſelte Wellen

Wieder verbreitet. Noah, 20 S.


Man ſiehet es, ohne uns, wie der große Mann
dem Piſon ein Bett, obgleich ein etwas hartes,
giebt; und dann die daran gefeſſelte Wellen ent-
feſſelt.
Wir geben daher einem unbekannten Lie-
dermacher zu uͤberlegen, ob er nicht den großen
Mann ſeiner Federn beraubet, wenn er ſaget:
Soll ich der Großen Prunk beneiden,
Wenn Thoren ſich in Seide kleiden?
Nein! Nein!
Sie buͤſſen auf den Schwanenbetten
Gar oft in ſelbſt geſchmiedten Ketten:
Jch will entfeſſelt ſeyn.


Denn nach ſeiner beliebten Genauigkeit ſollte es ent-
kettet
heiſſen. Da uns nun dieſes gleich an eine
Flohkette erinnert: ſo ſehen wir nicht ab, warum
er nicht auch ſagen koͤnnen:
Jch will die Ketten ſcheun?


Da ſiehet mans, daß man auch oft in Koth tritt,
wenn man ihn gleich vermeiden will.


Weiter! Das Wort entſchlieſſen iſt gewoͤhn-
lich; allein feurige Dichter wiſſen auch gewoͤhnli-
chen Worten ungewoͤhnliche Fuͤgungen zu geben;
d. i. einen Edelmann auf einen Bauer zu ſetzen.
So kann man denn ſagen, wenn einem die Blaͤhun-
gen
[119]En
gen im Leibe Laͤrmen machen; den Steiß ent-
ſchlieſſen
a. St. aufſchlieſſen. Wie ſinget der
große Mann?


Dieſer entſchloß die Lippen vor mir mit ernſtli-
chen Worten. Noah, 43 S.


Wie ſaget der ſaftige Geiſt?


Der ſie (die Teufel) aus ihrem geheimen Ent-
halt zu uns hervorladet. Noah, 151 S.


Enthalt bedeutet die Kemnate, oder das Cabinet
der Herren Satane. Entmenſchet der fuͤrchter-
liche Saͤnger nicht ſogar die Herzen? Der Grau-
ſame!


Was fyr ein geiſt des abgrunds entmenſchte
die herzen der bryder.Jac. u. Joſ. 26 S.


Nach unſern alten Accenten wuͤrde man ſagen:
entriß die Menſchlichkeit dem Herzen der Bruͤder.
Allein beſſer klinget entmenſchen: ſaget man nicht
auch entgoͤttern, entengeln, entteufeln?
Entwinket Klopſtock, der Geiſtſchoͤpfer,

nicht Welten dem Undinge? a. St. Welten
ſchaffen.


Aeuſſerliches Geraͤuſch
War nicht um den hohen Meßias! war nicht
um den Vater,
Als er vor dem die kommenden Welten dem Un-
dinge entwinkte. Meßias, 152 S.


So hat auch der Seher ſein meßianiſch Weltchen
dem Undinge entwinket.


Laͤßt dieſer goͤttliche Saͤnger, beſſer Traͤumer, nicht
die Teufel den Thronen entſtuͤrzen, a. St.
vom Throne fallen? Und denket man, daß es
H 4ſo
[120]En
ſo was leichtes iſt, einen Teufel vom Throne zu
werfen, oder zu entthronen? Man hoͤre nur,
wie das nicht wird geknaſtert haben!


Sinnlos, wider Gott was zu denken, entſtuͤrzten
im Abgrund,
Jhren Thronen die hoͤlliſchen Geiſter. Als
jeder da hinſank,
Stuͤrzt auf jeden ein Fels; brach unter jedem
die Tiefe
Ungeſtuͤm ein, u. donnernd erklang die unterſte
Hoͤlle. Off. St. Klopſt. 9 S.


Die armen Teufel! da ſiehet man, wie viel hohe
und niedrige Hoͤllen es in der Hoͤlle giebt. Es
wird den Teufeln ein rechter Poſſen geweſen ſeyn,
wenn auf ſie, wie in einer Maͤuſefalle, ein Stein
gefallen iſt. Geiſter naͤmlich koͤnnen wohl gequet-
ſchet,
aber nicht zerquetſchet werden! Wie wer-
den die Herren Satane nicht die Steiße in die
Hoͤhe, und die Koͤpfe hinunter gekehret haben!
Ein Sperling iſt geſcheidter, als dieſe dumme
Teufel:
er fliegt davon, ſo bald ein Aſt bricht.
Worzu haben die Boͤſewichter denn Fluͤgel? Ge-
nug von der Sylbe ent! Es warten noch mehr
Schoͤnheiten: tollhaͤuſiſche Schoͤnheiten.


Entgegenſeegnen.

Hierbey ſtellen wir uns zween
Prieſter vor, die einander ins Angeſicht ſeegnen.
Schade, daß dieß Geheimniß der Cantor in Boi-
leaus Pulte
nicht gewußt hat; er haͤtte dem Praͤ-
laten
entgegenſeegnen koͤnnen. Die Seele der
Frau Eve ſinget der Seele Adams folgendes
Duetto entgegen:


ſo
[121]En Er

ſo wollen wir dir in feyrendem Aufzug
Jauchzend mit Hallelulahgeſaͤngen entge-
genſcegnen. Offenb. St. Kl. 33 S.


So hat Frau Eve eine Kleiderkammer, wo ſie
ihre himmliſche Feyerkleider aufhebet. Denn
heißt Aufzug hier nicht eine Equipage? Die
Equipage der Frau Eve! Ha! Ha! Ha! Wie
ſie ſo ſchoͤn ſind!
e. d. 34 S. So ſingen zween
Caſtraten oder Verſchnittene in den Singſpielen
einander entgegen, wann ein Duettchen getril-
lert wird.


Entſetzlicher Sohn.

Unſere dummen Voraͤltern
ſagten: ein grauſamer Sohn; jenes aber iſt
ſchoͤner; denn der Sohn ſiehet zugleich entſetzlich
aus.


Allda muͤſſ’ ein entſetzlicher Sohn den Vater
erwuͤrgen. Meß. 100 S.


Er

wird nunmehr folgendergeſtalt gebrauchet. Wie
er ſo ſchoͤn iſt!
a. S. wie ſchoͤn iſt er! Meß.
34 S.
Hier ſind drey Verſe, die, wie ein Ca-
ninichen,
einer auf den andern hucken; und doch
alles drey Caninichen ſind.


Aber du haſt nur einen, nur einen goͤttlichen

Menſchen,

Einen gerechten, ach! einen unſchuldigen theu-

ren Meßias,

Einen Sohn Gottes, unſterbliche Tochter der

Erde! gebohren.

Wir nennen dieſe Figur die kindiſche. Kinder
ſagen gern ein Wort vielmal, wie hier fuͤnfmal
einen; ſie kann auch heiſſen die Ausfuͤllung: al-
H 5lein
[122]Er
lein am beſten thut man, ſie die unſchuldige
Kinderfigur,
auch das Caninichen zu nennen.
Einen vortrefflichen Gebrauch des Fuͤrwortes Er
haben wir in den Gedichten des unſterblichen
Hallers
zu bewundern. Es iſt unſere Schuldig-
keit, die Quelle zu kroͤnen, aus der wir ſo vieles
Dickes und Duͤnnes ſchoͤpfen.


Nie mit ſich ſelbſt vergnuͤgt, ſucht jeder auſ-
ſenher

Die Ruh, die niemand ihm verſchaffen kann, als
er. 98 S.


Jn der Schweiz ſaget man a. St. ſich ihm; und
a. St. wir er. Jn Frankreich wuͤrden ihn alle
Schuͤler auspfeifen: in Deutſchland bewundern
ihn Gelehrte. Laͤndlich, ſittlich!


Erborne.

Wir haben bisher umſonſt die Bedeutung
dieſes Beywortes geſuchet: wuͤrde der Gramma-
tiker
es ſonſt brauchen? Er weis naͤmlich oft das,
was wir ſuchen, zu verſtecken. Große Leute
muͤſſen ſich naͤmlich nicht ganz, ſondern nur
halb ausſchreiben. Wir muͤſſen immer noch
etwas fuͤr uns behalten; und uns freuen, wenn
unſere Verehrer uns erſuchen muͤſſen, ihnen den
Sinn zu erklaͤren. Z. E. Hier ſind zwey alte
Troͤdelweiber, die Schleyer verleihen; auch ei-
ne Scheu, die mit Larven handelt.


Erlernte Ehrbarkeit leiht manchem ihren
Schleyer,
Wann andrer, die die Scheu mit keiner Larve
deckt,
Er-
[123]Er
Erborne Haͤßlichkeit die Augen trotzt und
ſchroͤckt. Haller, 110 S.


Weis der Leſer nun, was das fuͤr Menſcher ſind?


Erbarmungen.

Ohne auf die mehrere Zahl zu
achten, die uns Longin ausdruͤcklich zu machen
erlaubet, ja befiehlet, bewundere man doch die-
ſen Vers:


Komm! ſey gegruͤßt in deinen Erbarmungen,
Gottmenſch! Erloͤſer!
Offenb. St. Kl. 35 S.


Vieleicht ſind die Erbarmungen ein Land; ſoͤnſt
finden wir hier keinen Sinn: findet ihn der Leſer?


Erdalter,

Sternalter, Eſelsalter, Tollhaus-
alter.


Wie ein Engel des Tods mit den Myriaden
der Suͤnder
Jn den duͤrren unwohnbaren Monden geflogen,
daſelbſt ſie
Mit dem verſteinernden Stock geſchlagen,
Erdalter zu ſchlafen. Noah, 338 S.


Sollte man nicht laͤnger, als ein Erdalter, ſchla-
fen, wenn man mit dem verſteinernden Stocke
geſchlagen iſt? Man wird ja da zu Steine, wenn
man verſteinert wird. Wir glauben alſo, daß
wir in den Monden kommen, wenn wir ſterben,
um allda zu Stein zu werden. Es iſt auch letzte-
res ſehr rathſam, indem wir da nicht Platz haͤtten,
wenn wir nicht, wie die Monaden, auf einan-
der gethuͤrmet laͤgen. Wir freuen uns, dereinſt
verſteinerte Monaden zu werden: o welche
verſteinerte Monas der Herr Bodmer nicht

ſeyn
[124]Er
ſeyn wird! Trifft ihn der Engel nicht etwas zu
fruͤh?


Erdenſtand,

Himmelsſtand, Hoͤllenſtand, Rau-
pen-Natzen-Maͤuſeſtand;
denn alle Dinge ha-
ben Staͤnde, wie Grafen und Fuͤrſten. Hier-
von ſ.


Mach deinen Raupenſtand doch nicht zu dei-
nem Zweck! Haller irgendwo.


d. i. Mach doch dein kurzes Leben, das nicht laͤnger,
als das Leben einer Raupe, waͤhret, doch nicht zu
deinem Zwecke. Ob nun eine Raupe ſo lange, als
ein Menſch, lebet, uͤberlaſſen wir den Kennern der
Jnſecten, den Jnſectengelehrten, zu unterſu-
chen. Wir freylich muͤſſen es Amtes wegen be-
wundern und ruͤhmen. Denn uns lobenden Thie-
ren
gehet es wie Zernitzens ſeinen arbeitenden.


Der Thiere Dienſt, den ſie der Menſchen Muͤh
erwiedern,
Macht ſie im Erdenſtand zu der Geſellſchaft
Gliedern. 158 S. ſ. Ged.


So ſind die Eſel auch Glieder der Geſellſchaft;
und wir bewundernde Thierchen im Dichter-
ſtande
auch. Ein Eſel, was fuͤr ein angeneh-
mer Geſellſchafter!


Erdreichspfeiler.

Wo moͤgen die ſtehen? Ruhet
denn die Erde noch auf Pfeilern? Der Singer, der
ſeinen Kopernic ſonſten ſo noahiſiret, verſuͤn-
diget ſich, wider den Gebrauch, an ihm.


Oder ſie wurden vom Fall der Erdreichspfeiler
getroffen. Noah, 298 S.


Doch
[125]Er
Doch ach! es liſcht in uns des Geiſtes kurzer

Tacht,

Den Muͤh und Schweizerwitz zu raſend ange-
flacht. Haller, irgendwo.

Ergreifen.

Alles greifet im Meßias, ſ. 145 S.
wie man von einer dunkeln Nacht ſaget, in der
man ſich vor Geſpenſtern fuͤrchtet.


Banges Erſtaunen ergriff die Verſamm-
lung.


Sonder Zweifel iſt die Verſammlung ergriffen
worden: oder, hat ſie gegriffen? Noch eines von
einer hellen, nicht dunkeln Verſammlung.


Warum weckt von der Lippe der Cidli die ſil-
berne Stimme,

Warum vom Auge der maͤchtige Blick, mein
ſchlagendes Herz mir
Zu Empfindungen auf, die mich allmaͤchtig
ergreifen,

Die ſich rund um mich her, wie in helle Ver-
ſammlungen draͤngen? Meß. 133 S.


So redet Lazarus, der Verliebte! Fuͤrs erſte
bewundern wir die treffliche und in der Offenb.
St. Kl.
ſehr gewoͤhnliche Verbindung mit von;
2. eine ſilberne Stimme; eine heilige Verliebte,
wie Cidli, mußte eine Silberne haben; an ei-
nem Silbertone hatte ſie nicht genug; 3. die
Empfindungen, die allmaͤchtig ſind; da ſie 4.
um den Lazarus herum ſich draͤngen, und auch
in ihm wirken; denn in der heiligen Poeſie per-
ſonniſiren
wir alles, auch Wolken. Was wird
doch
[126]Er
doch Lazarus am juͤngſten Tage ſagen, wenn ihm
Klopſtock die Cidli gefuͤhret bringen wird?


Erlieſet, a. St. erkieſet, von ausleſen.

Dieſes
Wort iſt von großer Wirkung in der halleriſchen
Terminologie.
Denn ſo ſaget der Termino-
logicus:


- - Den Raum des oͤden Orts
Erfuͤllt verſchiedner Zeug, den regende Gewalt
Erlieſet, trennet, miſcht, und ſammelt in Ge-
ſtalt. Haller, 101 S.


Jſt das nicht ſchoͤn Deutſch, etwas in Geſtalt
ſammeln?
Jn der Bibel ſtehet ſchon der Zeug.
Dem Zeuge Jſrael Hohn ſprechen;
allein hier
ſtehet es a. St. Stoff.


Ertrocknen am Verſtande.

Ein ſchoͤnes und nicht
laͤcherliches Gleichniß iſt dieſes:


Zwo Thuͤren weit davon wird, wie ein Fiſch
im Sande,

Er fern von ſeinem Volk ertrocknen am Ver-
ſtande. Haller, 92 S.

Alſo ertrocknet ein Fiſch im Sande am Ver-
ſtande?
d. i. ein Fiſch ſtirbt, wann er in den
Sand geraͤth. Ertrocknet er da nun gleich nicht
am Verſtande, ſo wird er doch am Leibe tro-
cken;
und ſtirbt. Ein Stutzer aber ſtirbet nicht,
wenn er gleich nicht Zoten reißen kann. Vielen
poetiſchen Gleichniſſen gehet es, wie den meiſten
mathematiſchen Beweiſen; denen man auch den
Beweis eben nicht anſiehet, waͤre der Mathe-
matiker
nicht vorſichtig, und ſchriebe ihn daruͤber.
Dichter thaͤten daher wohl, wenn ſie ihre Gedichte
auch
[127]Ev
auch ſo bemerkten. So iſt auch die Allmacht des
Woͤrteleins wie zu bewundern.


Evan! Evoe!

Der Dichter Wilhelmi ſaget in
der Ode an den Herrn Steinbruͤck:


Da toͤnt (im Gruͤnen) o! Evan! Evoe!
O! Evan! Evoe! ſo rufen alle Schaaren;
Und alle trinken Wein, und alles jauchzt und
toͤnt ꝛc.


Sind unſere Schaͤfer wieder Heyden geworden?
Jſt das wahr, daß alle Schaͤfer Wein trinken?
Wir haben es niemals gehoͤret, und wollten es dem
Dichter zu Ehren wohl wuͤnſchen. Trinken doch
nicht alle Dichter Wein, wenn ſie gleich davon
ſingen: darum ſehen ihre Lieder auch ſo berau-
ſchet aus. Zur Anzeige, daß man auch berauſchet
thun koͤnne, ohne beſoffen zu ſeyn. Ueberhaupt
iſt dieſe Ode ſtark, und klopſtockiſch. Es iſt
auſſer Zweifel, daß die wahren Dichter und Auto-
ren des Tiefen aufmerkſam ſeyn muͤſſen, die groſ-
ſen Muſrer in ihrer Art zu ſchreiben nachzuahmen;
und man kann es mit einer großen Anzahl Exempel
klar beweiſen, daß ſehr viele ſind, die durch dieſes
Mittel zu einer Tiefe gekommen, zu welcher ihre
eigene Traͤgheit ſie niemals wuͤrde gebracht haben.
Jn der That, wer ſiehet nicht, daß Zernitz ein
poetiſcher Sohn oder Schuͤler des Hn. von Hal-
ler
iſt; Naumann Bodmers, Wieland
Naumanns,
und Klopſtock Miltons iſt?
Wir muͤſſen uns ſelbſt dieſe Frage machen: wie
wuͤrde Hr. von Haller dieſes verdrehet haben?
Druͤcke ich mich ſo gebrechlich aus, als H--d-n?
Laufen
[128]Ev Eu
Laufen meine Verſe mit der ruhigen Dummheit des
Herrn Wielands? Backe ich ſo viel neue Woͤr-
ter, als Bodmer? Tummele ich die Teufel, und
verhunze ich die Bibel ſo, wie Klopſtock? Schim-
pfe ich ſo, als Meyer? Und uͤberſetze ich ſo gluͤck-
lich, als Sp--r? Ja, ſpuͤken auch meine Gei-
ſter ſo, als Miltons? Lieſet man z. E. den
Hermann: ſo frage man ſich, wie wuͤrde das der
goͤttliche Traͤumer, Klopſtock, gegeben haben?
Auch Virgils Gold koͤnnen wir in unſerm Miſte
begraben; und aus Taſſon die Teufel ziehen.


Ein Dichter, der wahrhaftig einen Kopf dazu
hat, wird, wenn er etwas majeſtaͤtiſches, eine ſehr
lebhafte und ſinnreiche Stelle in den Schriften die-
ſer Maͤnner findet, die Geſchicklichkeit haben, es
ſehraffiſch zu machen; er wird ihnen alles
menſchliche Anſehen zu benehmen wiſſen; er wird,
durch einen ſinnreichen Umſtand, ein eingeſchaltet
Teufelchen, Engelchen, es in die ewige Forme
gießen; oder er wird alles wohl vermengen, ſchuͤt-
teln, ruͤtteln, und ein Chaos zum Schaffen
vorbereitetes Stoffes von ſich geben; welches denn
Orel und Compagnie verlegen, und Bodmer und
Meyer bewundern; Narren aber kaufen werden.


Euter.

Wie ſchoͤn benennet nicht der iſraelitiſche
Schaͤferdichter die Bruͤſte der Schaͤferinnen, wor-
an die Muſen vor dieſem ihre ganze Zaͤrtlichkeit
und Kunſt verſchwendet haben! Nicht Alabaſter!
Nicht Schwanenbuſen! Nicht Schnee! Nicht
Sammet! Nicht Marmel! Nein! Wie denn?
Euter!Kuheuter! ihr armen Dinger!


die
[129]Ew Fa
‘— die Sæuglinge darben,
Weil der mutter vertrockneten euter die
nahrung nicht geben. Jac. u. Joſ. 13 S.
()

Die hottentottiſchen Damen wuͤrden empfind-
lich ſeyn, wenn man ihre kleinen Semmelbroͤdt-
chen
Euter nennete. Allein wir, wir bewundern
es. Ja, wir rathen es allen Verliebten an, ſich
nach den Eutern ihrer holden Schoͤnen zu ſehnen.
Wir, fuͤr unſere Perſon, ſind mit dieſer Benen-
nung uͤbel angekommen; und bekamen eine derbe
Ohrſeige, als wir dieſes Bluͤmchen bey einer Da-
me anbrachten, bey der wir die Ehre zu ſitzen hat-
ten. “Gnaͤdige Frau! ſollten wir ſagen: wie
“ſchwer holen ſie nicht Athem;
wir verirre-
“ten uns und ſagten: wie ſchwellen die euter
nicht!„ Was war der Lohn? eine Ohrfeige!
Laͤndlich! ſittlich!


Ewignothwendige

iſt nach der milton-bodmeri-
ſchen
Religion ein Weſen, welches die Teufel noch
uͤber das hoͤchſte Weſen ſetzen. Die Teufel
ſind dumm, es iſt wahr, daß ſie ſchon den ver-
geſſen haben, der ſie mit ſeinem Donner aus den
himmliſchen Verſchanzungen trieb und bis in
die Hoͤlle verſcheuchte: allein ſaget man nicht,
das iſt ein dummer Teufel? ſ. Noah, 141 S.


F.


Fackel.

Es war einmal eine Zeit, da man eine
Fackel anzuͤndete. Sie iſt vorbey; und wir le-
ben in einer, wo man auch einen Wachsſtock mit
JFeuer
[130]Fa
Feuer beſtecket. Wir rechnen dieſes Bluͤmchen
zur geſtiefelten Schreibart, welche man oft mit
der beſchwerten vermenget, die eine lange Schlep-
pe von Metaphoren hinter ſich herziehet, und den
tuͤrkiſchen Handdecken gleichet, die bis auf die
Erde hinunter haͤngen. Denn, wie die erſte die
wahrhafte Maſchine iſt, das, was hoch und erha-
ben iſt, zu erniedrigen: ſo iſt die andere das ei-
gentlichſte Werkzeug, geringe und niedrige Sachen
zu erheben und ſie in ein Ruͤhrendes zu ſetzen, wel-
ches laͤcherlich iſt; ſo daß, wenn man dieſe beyde
Schreibarten zuſammen vereiniget, das Tiefe
alsdann auf ſeinem Gipfel und in ſeiner Vollkom-
menheit iſt; wie, wenn ein Menſch ſich den Kopf
nach unten, und den Steiß nach oben kehret, ſei-
ne Vertiefung ganz und vollkommen iſt. Es
iſt wahr, daß es ein Ende iſt, das ſo hoch iſt,
als es nur jemals geweſen: aber es iſt umgekeh-
ret, und dieß iſt, ſo zu ſagen, die verkehrte Welt.
Allein, nach allen dem iſt wohl kein wahrhafter
Liebhaber des Tiefen, der nicht jauchzet, wenn
er die niedrigſten Handlungen auf dieſe Art ver-
himmeln
ſiehet.


Wir jauchzten alſo, als wir das erſte mal un-
ſerm Jungen, a. St. Junge! zuͤnde das Licht
an!
zurufen konnten: Erdling! beſtecke das
Licht mit Feuer!
Wahr iſt es; wir beſteckten
ſeinen Ruͤcken mit haſelnen Waffen; und dann
vernahm er den neuen Accent.


Laß’ ich den Trauungsgeſang nach Vermaͤh-
lungsſitten ertoͤnen:
Dann
[131]Fa
Dann will ich auch am Heerde die Fackel mit
Feuer beſtecken,

Und den Großvater tanzen. Noah, 207 S.


Faͤcher.

Die Fraͤulein des ſeel. Herrn Noah fuͤhr-
ten noch vor der Suͤndfluth, welches zu bewun-
dern iſt, Faͤcher und Schattenhuͤte. Wir ha-
ben gehoͤret, und wuͤnſchen uns Gluͤck dazu, daß
dieſe Damen in einer neuen Auflage, der wir
mit Seufzen entgegen ſehen, Mantillen und
Haͤnschen fuͤhren werden. Dieſe Schoͤnheit ha-
ben wir ſchon, unter der Figur der Verheuti-
gung,
mit gebuͤhrendem Weihrauche beſtreuet;
begnuͤgen uns daher, die vortreffliche Stelle her-
zuſetzen:


Schon ſteht das Kleeblatt der Maͤgdchen mit
Schattenhuͤten und Faͤchern
Fertig zur Reiſ’. Er nimmt den leitenden
Stab von der Pſoſte. Noah, 102 S.


Der Stab naͤmlich leitete ihn; a. St. Noah ſtuͤtz-
te ſich auf ihm.


Faͤhig und Unfaͤhig.

Viele Schriftſteller brauchen
dieſe beyden Woͤrter unrecht. Was iſt gemeiner,
als daß man mit einer zweifelhaften Demuth be-
kennet, man ſey zu einer Sache faͤhig, oder unfaͤ-
hig? Das heißt, wie es alle Menſchen verſtehen,
man ſey einer Sache gewachſen, oder nicht, man
habe Geſchicklichkeit ſie auszufuͤhren: oder man
werde durch die Empfindung ſeiner Schwachheit
genoͤthiget, ſie liegen zu laſſen. So redet der Poͤ-
bel! Weg damit! Die Schriftſteller muͤſſen einer
Sache allemal faͤhig ſeyn. Nur die Sachen
J 2ſind
[132]Fa
ſind ſchuld, wann hie nur große Lucken bleiben.
Jn dieſem Falle ſchiebe man getroſt alle Fehler auf
die Sachen. Man ſchreibe nicht:
Wann ich faͤhig bin, dieſe Vorgabe aufzu-
loͤſen.


Wer zweifelt denn daran; und warum ſchreibt
man denn davon? Sondern man ſchreibe mit
einem kleinen Selbſtvertrauen zu ſeinen bekannten
Geſchicklichkeiten:


Wenn dieſe Vorgabe einer weitern Ueber-
legung und Aufloͤſung nicht unfaͤhig iſt.
Buttſtaͤdt.
()

Wie reizend iſt nicht dieſe Art zu ſchreiben! Der
Leſer kann, wenn er anders nicht einfaͤltig iſt,
beſſer an die Sache ſelbſt gedenken, und den Schrift-
ſteller, mit allen ſeinen Faͤhigkeiten und Unfaͤhig-
keiten, daruͤber vergeſſen. Dieſen Vortheil fin-
det man angebracht in der Vorrede des Hrn.
B-ttſt--tts, zu ſeinen vernuͤnftigen Gedanken
von dem Urſprunge des Boͤſen.


Fallen enge.

Jſt jemand ſchon enge gefallen: ſo
faͤllt H. J. H. Oeſt enge; und wenige beſitzen
die Kunſt, wie er, mit Annehmlichkeit zu fallen;
denn auch artig zu purzeln, iſt eine Kunſt.


— Du faͤllſt, und faͤllſt enger,
Als dich mein ſchwacher Arm ſonſt koͤnnte hal-
ten. Brem. Ged. 11 S.


Faſchinen.

Die Herren Soldaten, beſonders die
Herren Kriegsbaumeiſter pflegen lieber Faſchi-
nen,
als Reisbuͤndel zu machen; obgleich ur-
ſpruͤnglich beydes einerley iſt. Weil nun der Hr.
M. Nau-
[133]Fe
M. Naumann bekanntermaßen ein ſtarker
Kriegsbaumeiſter iſt: ſo brauchet er kuͤhnlich
Faſchinen in ſeinen Belagerungen, und auf Zug
und Wachten.


Laachen, Moraͤſte und Suͤmpfe
Fuͤllten wir mit Faſchinen. Nimr. 294 S.


Federgewebe, a. St. Fluͤgel.

Denn ſo beſchrei-
bet oder bemalet Maler Bodmer einen Olym-
pier,
oder Engel:


— Das dritte Paar (Fluͤgel) deckte
Seine Beine bis zu den Ferſen mit Federgewebe
Lazurblau.
Er ſtand, ein Olympier, unter
den Menſchen. Noah, 373 S.


So ſtand er! So heiſſen auch der Sperlinge
Fluͤgel Federgewebe braͤunlich geſprenget; wie
der alte ehrliche Ringwalt:
Des Elias Wagen roth.


Wir bewundern den wieder auferſtandenen Mei-
ſterſinger, der ſeines Vaterlandes Ehre iſt, und
auf den Druͤmmern der geſunden Vernunft ruhet.


Feld voll Auferſtehung iſt ein Feld, wo die
Verſtorbenen auferſtehen;

folglich iſt eine
Schenke, wo ſich die Bauern beſoffen hinſtrecken,
ein Haus voll Morgen; denn wenn der Voigt
koͤmmt: ſo werden ſie wohl aufſtehen. Wir ha-
ben dem Meiſter, dem Obermeiſter des heiligen
Rathes
unſere Ehrfurcht ſchon oft bezeuget; wir
koͤnnen noch nicht aufhoͤren. Denn ſo ſagt er in
ſeinen ewigen Geſaͤngen:


J 3Der
[134]Fe

Der Donner
Der Poſaune wird bald, bald wird der
Schwung der Gebeine,
Und das rauſchende (beſſer klappernde) Feld
voll Auferſtehung vom Thron her,
Jeſus, der auch ein Todter einſt war, zum Welt-
gericht rufen. Off. S. Klopſt. 180 S.


Hier uͤberlaͤßt der Prophet, uns zu errathen: wer
da moͤchte gerufen werden? Erſtlich bewundern
wir die Donnerpoſaune; wir werden aber wohl
bald andere Poſaunen finden; 2. den niedli-
chen Schwung,
den ſich die Gebeine aus den
Graͤbern heraus geben werden; 3. das Feld voll
Auferſtehung;
4. das wohl eingeſchaltete Wort
Jeſus; 5. aber den Faden des Sinnes, der
wie der Faden der Ariaden im Labyrinthe um-
her laͤuft; bey dem einen Puncte anfaͤngt, und
bey dem andern aufhoͤret.


Feldmarſchalk.

Wir vermutheten einen Seras-
kier
oder Großvezier an der Spitze der Eberiten
anzutreffen: allein, wir fanden einen Feldmar-
ſchall Saleph. Nimr. 313 S.
Die Ver-
heutigung;
eine treffliche Figur; wie Bartas mit
ſeinem Grand Duc.


Felſenan.

Dieſes neue Beywoͤrtlein haben wir
auch dem Seher himmliſcher Offenbarungen,
dem Hallelujahſaͤnger zu danken. Dieſer ent-
menſchte Geiſt
giebt ſich alle erſinnliche Muͤhe,
unſere wortarme Sprache zu bereichern; und es iſt
faſt keine Zeile in ſeinen ewigen Liedern, in der
nicht etwas von ſeinem Gepraͤge vorkaͤme. Wir
pflegen
[135]Fe
pflegen ihm gern nachzuahmen. Hielt doch
Marc Aurel es fuͤr ſeine Pflicht, den Goͤttern
gleich zu werden. Das that ein Heyd; wir aber
ſind Chriſten, und darzu meßianiſche Chriſten.
Wir ehren alſo unſern Seher; wir folgen ihm;
und wenn wir auch nicht wollten: ſo muͤßten wir.
So ſagen wir nach Felſenan, Baͤumean, Fen-
ſteran u. d. gl.


“Seine dem Tode noch kaum entgegenrin-
gende Seele
“Trieb ihn, von dem moͤrderiſchen Feinde zum
Unſinn empoͤret,
Felſenan. Offenb. St. Klopſt. 39 S.


Ach! wie der goͤttliche Mann nicht die Seele rin-
gen, dem Tode entgegen ringen
laͤßt! Wie er
den Teufel nicht ſchimpft; und bis ſehr zierlich bey
zum Unſinn auslaͤßt! Wird Deutſchland
wohl ſolch einen Mann wiederſehen? Gluͤckli-
ches Soroe! Wie er da bruͤtet nicht! Wel-
ten
und Geſaͤnge, Engel und Teufel, Himmel
und Hoͤllen. Sehr feſte Felſen ſind in des
barmherzigen Hrn. Nicolai Samml 67 S.
zu ſehen. “Felſen, die dem Meere der un-
“barmherzigen Verwuͤſtung,
Jahrhunderte
“durch, entgegen ſtehen.„ Daß Gottes Barm-
herzigkeit ein Meer ſey: das wußten auch wir
Suͤnder. Daß es aber auch ein Meer der Ver-
wuͤſtung
gebe: das war bisher noch unbekannt.
Wir danken fuͤr die uns gegoͤnnete Entdeckung.


Fenſter von ſteinernen Spiegeln,

um Licht und
Luft durchzulaſſen,
ſind etwas ſelten; aber doch
J 4im
[136]Fe
im Noah zu finden. 221 S. Wir zweifelten,
ob Noah dadurch ſeine Abſicht moͤchte erreichet
haben, in der Arche Licht zu ſchaffen. Wir glaub-
ten daher, es waͤre beſſer geweſen, glaͤſerne
Steine
oder ſteinerne Glaͤſer zu machen. Wir
befanden uns auf eine angenehme Art uͤberra-
ſchet, da uns folgender Vers in die Augen fiel:


Ueber den Ramen der glaͤſernen Steine befe-
ſtigte Noah
Zottichte Felle, das Kleid der Loͤwen u. ſcheckich-
ten Tyger,
Die man in Schleifen rollt, u. wieder entwi-
ckelnd herabließ ꝛc.


Denn ſind dieß nicht natuͤrlich unſere Vorhaͤnge?
Beym Kleide der Loͤwen
befuͤrchte ich nur, daß,
weil man doch ein Kleid ausziehet, dem Loͤwen
ſehr ungeſund ſeyn moͤchte, ſich zu entkleiden.
Doch bewunderten wir das niedliche die, als wel-
ches ſowohl aufgerollte Tyger als Loͤwen zuwege
bringen kann; ungeachtet ſolch ein Vorhang uns
ſehr fuͤrchterlich zu ſeyn ſcheinet. Ein großer
Dichter iſt uͤber ſolche Pedantereyen weit weg.


Ferne eine dunkle, oder helle Weite.

So ſinget
der Geiſt Klopſtock:


Darf ſich die Dichtkunſt auch wohl, aus dunkler
Ferne, dir naͤhern? Off. St. Klopſt. 3 S.


Ein gemeiner und verwoͤhnter Geiſt wuͤrde geſaget
haben: Darf auch die Dichtkunſt wohl in dei-
ne Geheimniſſe dringen? Dich im Himmel
und auf der Erde herumtummeln?
Allein, da
wuͤrde weder Dunkel noch Ferne geweſen ſeyn.


Da
[137]Fe
‘— Da er ſo mit gefluͤgeltem Blicke
Jede Ferne durcheilt. — — e. d. 127 S.
()

Es muß folglich viele Fernen geben; und man
thut weislich, die Blicke nicht nur fliegen zu laſ-
ſen: ſondern ihnen auch ein Paar Fluͤgel, wie
dem Merkure, anzuhaͤngen; denn giebt es nicht
auch gefluͤgelte Toͤne, gefluͤgelte Stimmen,
ja gefluͤgelte Huſten?


Feſte.

Klopſtock, der Theologe, und Bod-
mer,
der Hexametriſt, haben fuͤr gut befun-
den, in ihrer ſehraffiſchen Religion die Sonnta-
ge
abzuſchaffen; dafuͤr aber haben ſie gewiſſe Din-
ger eingefuͤhret, die ſie Feſte heiſſen. Da giebt
es Feſte des Lichts, und Sonntage der Finſter-
niß; Feſte in Armen; Feſte im Antlitze; Fe-
ſte im Herzen; Feſte ich weis nicht wo:
Kurz,
ewige Feſte und Sonntage. Feſte im Him-
mel
ziehen natuͤrlicher Weiſe auch Werkeltage
nach ſich. Der Dienſt der Seelen beſtehet in ewi-
gen Hallelujahgeſaͤngen; wenn alſo ein Wer-
keltag
einfaͤllt, der im himmliſchen Kalender mit
Schwarz gezeichnet iſt: ſo iſt es maͤuschenſtill
im Himmel, und der liebe Gott wird ſein Zeug-
haus,
die Engel aber werden ihre Kleiderkam-
mern
beſehen. Jener wird die alten und ſtum-
pfen Donner einſchmelzen
laſſen: dieſe werden
die dunkeln Gewande zu den ſeraphiſchen
Schneidern
ſchicken, ihnen wieder ein feſtlich
niederwallendes Glaͤnzen
geben zu laſſen. Wir
haben dieſe Erfindung hoͤchlich bewundert, und
wollen zum Beweiſe deſſen ein Paar Stellen aus
J 5dieſem
[138]Fe
dieſem poetiſchen Propheten, oder prophetiſchen
Poeten
zur Erſtaunung herſetzen. Der liebe Gott
verſpricht den Seelen einen Feſttag; deutſch zu re-
den: ein Maybier.


Alsdann ſollen ſie hier, im Schooße des Friedens
getroͤſtet,
Feſte des Lichts u. der ewigen Ruh triumphie-
rend begehen. Off. St. Klopſt. 19. u. a. O.


Der Saͤnger, der aus den Alpen Accente hervor-
donnert oder ſtammelt, hatte nach ſeiner wunder-
ſamen Geſchmeidigkeit in Nachahmung des Erlog-
nen
und Wunderbaren am Begehen eines Fe-
ſtes
noch lange nicht genug. Denn wer in die Tie-
fe will, der muß bey keinem Berge ſtehen bleiben.
Darum ließ er gar Feſte umarmen. Es gehet
unſerm Dichter, wie jenem Koͤnige, der alles zu
Golde machte, was er beruͤhrete: nur umgekehrt!
Unſer allgemeine Geiſt, oder Genie univerſel,
darf nur etwas beruͤhren: ſo wird es zu Bley.


Noah beging mit Milca ſchon im Gemuͤthe die
Feſte,

Die in den Armen Siphas, u. ſeiner holdſeeli-
gen Toͤchter
Auf ſie warteten, u. nicht lange verzoͤgern konn-
ten. Noah, 105 S.


Jene lieblichen Feſte, die er im Geiſte gefeyret,
Wichen aus ſeinem Geſicht; er ſah dafuͤr
Fluth u. Verwuͤſtung. Noah, 108 S.


Wir zweifeln nicht im geringſten, dieſe Fluth und
Verwuͤſtung werde auch auf ſeinem Geſichte zu
ſehen geweſen ſeyn: wo naͤmlich ſo viel liebliche
Feſte
[139]Fe
Feſte Raum haben; da koͤnnen auch Fluth und
Verwuͤſtung ſeyn. Jm Vorbeygehen billigen
wir auch die artige Eliſion, oder Verbeiſſung
von Suͤnd; indem ein ſchaaler Kopf das Wort
Suͤndfluth ſeines Kopfes nicht wuͤrde beraubet
haben.


Feſtlich.

Wir muͤßten die Staͤrke in Beywoͤrtern
nicht kennen; wollten wir dieſem unſern Beyfall
verſagen. Nur wundert uns, warum man noch
nicht ſonntaglich ſaget. Doch zur Sache! Wir
beſitzen viel feſtliche Dinge; ſo haben wir uns
z. E. mit feſtlichem Schalle, feſtlichem Blicke,
und andern feſtlichen Saͤchelchen mehr verſehen.
Wir wiſſen zwar nicht, ob ein Schall am Feſtta-
ge
beſſer klinget, als an einem andern; allein es iſt
doch feſtlich, und was feſtlich iſt, das iſt feſtlich.
Denn ſo ſaget unſer Lehrer und Meiſter:


Er hoͤrt auf den Huͤgeln,
Mit dem kurzen Gewand wohlriechender
gekleidet,
Feſtlichen Schall
u. Stimmen der Harf ein-
ander begegnen. Noah, 6 S.


Wir haben hier allerley zu lernen: 1. Hoͤret
man einander begegnen; ſo hoffen wir denn auch
bald Gras wachſen, und Floͤhe huſten zu hoͤ-
ren;
2. lernen wir, daß er, Japher naͤmlich,
mit einem kurzen Gewande von wohlriechen-
den Kraͤutern bekleidet
geweſen; 3. daß die
Harfen Stimmen haben.
Alles dieſes bewun-
dern wir, trotz den allerunbarmherzigſten Kunſt-
richtern; und wir ſcheuen uns nicht, folgenden
Satz,
[140]Fe
Satz, als die Stuͤtze, den erſten Grund, und den
Eckſtein unſerer Kunſt vorzutragen. Wer in der
heiligen Dichtkunſt vortrefflich werden will,
muß alle Begriffe, alle Geburten, und auch die ge-
ringſten Spuren des gefaͤhrlichſten Feindes des
Witzes, dieſes Verwuͤſters der ſchoͤnſten Figuren,
welcher, ich will nicht ſagen, bey allen Deut-
ſchen,
unter dem Namen der geſunden Ver-
nunft
bekannt iſt, auf das ſorgfaͤltigſte vermeiden,
ſie verabſcheuen, und einen Widerwillen davor ha-
ben. Er muß ſich ganz darauf legen, den wahr-
haften verkehrten Geſchmack zu erlangen, und ſich
auf eine gluͤcklichere Art zu denken legen, die nicht
ſo gemein, ſondern wunderſam iſt, und von der er
ſelbſt keine Urſache geben kann. Zu dieſer baͤhnen
uns den Weg die vortrefflichen Buͤchlein Hn.
Bodmers, Breitingers, Meyers,
welche die
Kunſt zu malen, zu denken, zu ſcherzen in ſich
halten.


Feuer graͤbt.

Niemand haſſet mehr den Verwuͤſter
der ſchoͤnſten Figuren, als mein Held, den wir ſo
oft, aber nie genug bewundert haben. Wer haͤtte
ſonſt, als dieſer tiefe Mann, einen Tag graben
laſſen?
Wer ſonſt der Reue a. St. eines
Grabſcheites Feuer in die Hand gegeben?
Ja,
wer haͤtte alles dieſes in einer Bruſt verrichten laſ-
ſen? Welch eine Tiefe des Geiſtes!


Wer iſt, der einen Tag von Tauſenden erlebt,
Den nicht in ſeiner Bruſt die Reu mit Feuer
graͤbt? Haller, 98 S.


Es
[141]Fe

Es ſtehet um das menſchliche Geſchlecht, leider!
ſehr ſchlecht; und wir leben unter tauſend Ta-
gen nicht einen, den wir nicht bereuen.

Welch eine Wahrheit! d. i. wir haben in dreyen
Jahren nicht einen guten Tag.
Jſt das
wahr? Ein Dichter muß ſich ſelbſt als einen
Grotesken- und Fratzenmaler anſehen, der ſeine
Werke verderben wuͤrde, wnen er der Natur nach-
ahmete, und die Gleichfoͤrmigkeit des Riſſes beob-
achtete. Er muß allerhand kleine Stuͤcke von un-
terſchiedenen Dingen unter einander mengen, die
gar nicht zuſammen gehoͤren, als Landſchaften,
Hiſtorien, Schildereyen und Thiere, welches er
durch eine große Anzahl Zuͤge und Blumenbinden
an dem Kopfe oder am Schwanze, eines an das an-
dere knuͤpfet; wie die Verbindung ſeiner Einbil-
dungskraft gefallen wird, und es zu ſeinem Haupt-
zwecke mit helfen kann; welcher iſt durch eine ſelt-
ſame widerwaͤrtige Zuſammenfuͤgung der Farben
zu blenden, und durch die Widrigkeit und Ungleich-
heit der Bilder in Verwunderung zu bringen.
Dergeſtalt vereiniget er Voͤgel und Schlangen,
Tyger und Schafe: Serpentes avibus gemi-
nentur, Tigribus agni;
er giebt Feuer a. St.
eines Grabſcheites, und laͤßt einen Tag ins
Fleiſch graben.


Feyern.

Wir haben ſchon oben geſaget, daß man ſo
eigentlich nicht weis, was die Engel thun, wann
ſie feyern;
noch weniger, wann ſie ſehen und
feyern.
Denn


Biswei-
[142]Fe

Bisweilen eroͤffnet
Gott den daͤmmernden Vorhang, durch ma-
jeſtaͤtiſche Donner,
Vor dem Blicke der himmliſchen Schauer. Sie
ſehen u. feyern. Meßias, 16 S.


Haben wir nicht geſaget, daß Gott oft nur zur
Luſt donnert?
Er ziehet den Vorhang ein wenig
auf; die himmliſchen Schauer ſehen; und ſiehe,
es donnert! Oft hat auch der Vorhang eine
Morgenroͤthe; denn hat er nicht hier eine Daͤm-
merung?


Feuer und Waſſer,

zwo Sachen, die auch den
Schriftſtellern unentbehrlich ſind. Der Natur-
kuͤndiger kann daraus nuͤtzliche Entdeckungen ma-
chen; was ſoll uns aber ein Fortforſcher oder
Ausknoͤteler hierbey ſagen? Feuer iſt Feuer,
und Waſſer iſt Waſſer! Geduld, mein Leſer!
Feuer und Waſſer veranlaſſen das Erhabene in ei-
ner Rede: und beyde, wann ſie einen kleinen Zu-
ſatz bekommen, gehoͤren zu den neuen Ausdruͤcken,
die den Verehrern des Antilongins theuer und
wehrt ſind. Ein Exempel macht die Sache deut-
lich. Froſtige Redner ſagen gemeiniglich:
Wer dieſen Satz behaupten wollte, wuͤrde et-
was unmoͤgliches fuͤr moͤglich halten.


Will man nun dieſen kalten Ausdruck meiden, ſo
nehme man eine Menge Feuer und Waſſer, und ſa-
ge mit dem wortreichen Herrn B-ttſt-tt:


Wer dieſes fuͤr wahr hielte, wuͤrde Feuer
und Waſſer zuſammen binden.
Buttſt. 7 Th. 18 S.
()

Er
[143]Fe

Er haͤtte wohl ſchreiben koͤnnen: Feuer und Waſſer
zuſammen reimen. Allein, das waͤre ſo unmoͤg-
lich nicht: denn die Dichter, die ungereimten
Heldendichter!
ſetzen wohl eher Dinge zuſam-
men, die aͤrger, als Feuer und Waſſer, mit einan-
der ſtreiten. Man muß unſern erleuchteten Zeiten
deswegen Gluͤck wuͤnſchen! Feuer binden,
Waſſer binden!
und was noch ſcharfſinniger ge-
ſaget iſt, Feuer und Waſſer zuſammen binden,
das druͤcket die Sache edel und bildreich aus.
Der ganze Nachdruck lieget in Binden. Man
merke ſich alſo eine Regel, die eine unerſchoͤpfliche
Quelle der ſchoͤnſten Schreibart iſt:
Je weniger ſich Woͤrter zuſammen ſchicken,
und je weniger man dabey denken kann;
deſto ſorgfaͤltiger und oͤfterer muß man ſie
zuſammen ſetzen.


Zwar murriſche Kunſtrichter wollen den neuern
Schriftſtellern die Ehre eines feinen Geiſtes nicht
goͤnnen. Sie ſchreyen: ſolche Reden, die man
nach meiner goldenen Regel zuſammen ſtoppelt,
waͤren ein Nonſens. Wer wollte ſich aber nach
dieſen Leuten richten? Wie vieles bliebe unge-
ſchrieben, ungedruckt und ungeleſen! Sie ſollen
und muͤſſen nicht Recht haben!


Feyrer.

Dieſes bisher unbekannte Wort bedeutet
einen, der einen Sonntag hat. So kann man
auch ſagen: Anfeyerer des Sabbaths. Wie
man aber ein Feyrer des Gerichtstages ſeyn kann,
iſt ungewiß.


Wenn
[144]Fi

Wenn der Gerichtstag iſt untergegangen,
wird aufgehn der dritte, (Sabbath.)
Ewigkeit heiſſet ſein Maaß; ſein erſter Feyrer
Meßias. Offenb. St. Klopſt.


Einige Verehrer Miltons haben geſaget, wenn
Gott engliſch ſpraͤche: er wuͤrde nicht anders,
als Milton ſprechen; wir unterſtehen uns, ſol-
ches von dem Evangeliſten Klopſtock zu be-
haupten. Ein guter Freund hat den Abend der
Welt
bewundert, und wir wuͤrden fehlen, wenn
wir nicht den Tag dieſes Abends erhuͤben. Er
iſt untergegangen der Gerichtstag!
Wann
wird doch ſeine Morgenroͤthe aufgehen? Ewig-
keit heiſſet ſein Maaß;
ſo miſſet man nun die
Tage. Wir wuͤrden dieſe Redensart den He-
braͤismus
nennen, wenn wir nicht alles das ver-
ehreten, was in der Bibel ſtehet.


Fichtenzimmer iſt ein Schiff;

oder vielmehr die
Cajuͤte des Schiffers.


Der Gottheit unſichtbaren Schimmer
Verſchließt ein Schiff im fichtnen Zimmer,
Wo deine Weisheit Lehrer ſchafft.
Samml. Nicol. 108 S.


Auf deutſch der Heyland trat ins Schiff.
Kann aber das Zimmer nicht auch von Eichen,
oder Cedern geweſen ſeyn? Wir wuͤrden Ce-
dern
geſaget haben. War der Libanon nicht in
der Naͤhe? Baut man denn Schiffe von Fichten?
Baumeiſter Naumann
bauet ſeine Fichten
gar aufs unbepfaͤlte Waſſer. Nimrod 24 S.


Er
[145]Fi Fl

Er baut ſeine Fichten getroſt aufs unbepfaͤlte
Gewaͤſſer.


Es iſt ſehr dienlich, daß das Gewaͤſſer nicht Pfaͤ-
le
hat; wuͤrden die Schiffe nicht ſcheitern?


Fiebriſche Stoͤße.

Was fuͤr allerliebſte Stoͤße!
Erſtlich
denket man an das Fieber, wie das einen
ſchuͤttelt; 2. an die Stoͤße, die die Erde bekam,
als ſie das Fieber hatte; naͤmlich die Suͤndfluth.
Gott behuͤte den Herrn Verfaſſer fuͤr ein ſolches
Fieber; wir ſorgen nur um ſein Gehirn; denn
ſonſt wiſſen wir, daß ein Fieber zur Geſundheit
dienet. Allein das Schoͤnſte iſt, von Stoͤßen ge-
wieget
zu werden. So wieget der Schulmei-
ſter die Jungen.


Hin u. her, wie von fiebriſchen Stoͤßen ohn-
maͤchtig gewieget,

Folget ein Sturz. Noah, 252 S.


Wir trauen unſerm Leſer kaum den Verſtand zu,
das Sinnliche dieſes Bildes einzuſehen. Be-
merket man auch das Wort ohnmaͤchtig?


Feuervolkan iſt nicht der Gott Vulcan:

Wir wiſ-
ſen nicht recht, unter welcher Trope dieſe Figur oder
Bluͤmchen gehoͤret; nennen uns aber unterdeſſen
den Zuͤrcheriſmus; denn wer kann anders, als
ein Zuͤricher, errathen, daß es ein feuerſpeyender
Berg
iſt?


Zwar war ſein feſter Kern mit Feuervolkanen
beſetzet. Noah, 248 S.


Flaͤhmiſchfunkelnd.

Etwas ſehr flaͤhmiſches befin-
det ſich im Nimrod und ſeinem Hofnarren Ha-
bacuc, 7 S.


KMit
[146]Fl

Mit flaͤhmiſchfunkelnden Augen entreißt er
dem Hauptmann
Den Spieß ꝛc.


Dieß thut der flaͤhmiſche Nimrod! Und dar-
zu mit den Augen entreißt er. Jſt das nicht ein
rechtes Hundegleichniß?


Flatern.

Wie der große Mann das Leben nicht
flatern laͤßt!


— ihr Leben


Flatert’ auf der Spitze der Degen; es floß auf
der Klinge
Gern, u. hielt es fuͤr Schimpf, durch andre
Wege zu fließen. Noah, 71 S.


Freylich! Waͤre es durch den Steiß gefloſſen:
ſo waͤre es ſchimpflicher. Wie das Leben nicht
flieſſen kann! Bald wird mans, wie das Waſ-
ſer, abſchlagen.
Wie die kleinen Fluͤgelchen
nicht werden gewackelt haben! Was fuͤr Bilder!
Was fuͤr Gedanken!


Fleiſchfarben.

Die Schule der Maler erklaͤret die-
ſes Kunſtwort. Jch freue mich, eine Gelegenheit
zu haben, einen ganz neuen und unerwarteten
Gebrauch deſſelben anzuzeigen. Ein gewiſſer
Schriftſteller, der weitlaͤuftige Herr Buttſtett,
im 4ten Bande der v. Ged. 108 S. redet von
einem Geiſte, der mit Fleiſchfarben kann
abgemalet werden.


Dieſer Ausdruck iſt in ſeiner Art wohl der ſinnreich-
ſte, und will nichts mehr ſagen, als dieſes: Ein
Geiſt, der die Natur des Blutes hat. Kann man
denn aber auch Anlaß finden, dieſes Bluͤmchen an-
zubrin-
[147]Fl
zubringen? Ach ja! Man rede zum Exempel
von dem Urſprunge der menſchlichen Seele. Eini-
ge Weiſen haben behauptet, daß die Seele aus dem
Blute der Aeltern kaͤme; andere haben ihnen ge-
antwortet, daß alsdenn die Seele eine koͤrperliche
Natur haben muͤßte. Dieſes nicht zu roh und zu
trocken auszudruͤcken, ahme man dem Hn. Butt-
ſtett
nach, und ſage:


Wenn die Seele aus dem Blute der Aeltern
gezeuget wird, ſo wohnet ein Geiſt in uns,
der aus Materie beſtehet, und mit Fleiſch-
farben kann abgemalet werden.

Buttſt. Ged. 4 Th. 108 S.


Ein Redner kann zwar nach der alten Leyer denken;
aber ungewoͤhnlich, neu und maleriſch muß er re-
den und ſchreiben, ſonſt taugt ſein ganzer Kram
nichts.


Flußpferd ſtampfet den Marmor, der es haͤlt;


und doch haben wir noch keines von Marmor geſe-
hen, das ſich geruͤhret haͤtte.


Loͤwe, Flußpferd u. Greif erheben ſich, uͤber die
Haͤlfte des Leibes,
Aus dem Marmor hervor, und ſtampfen den
haltenden Marmor. Noah, 77 S.


Wir heiſſen dieſes die Figur en Bas reliéf.
Halb ſtecket naͤmlich der Verſtand noch in dem
Marmor.


Fluthumarmet,

und wird in den wurmſaamia-
niſchen
Gedichten oͤfters umarmet, wann die
Helden ins Waſſer purzeln. Sie hat Hoͤrner,
K 2und
[148]Fl
und ſtoͤßt wie ein Ochs, und ſtreifet ab, wie ein
Jaͤger.


Wenn die Hoͤrner der Fluth ihn ſtoßen, die
Flur ihm abſtreifen. Noah, 189 S.
Sie wird auch bepfluͤget!
Da ſie ſchon zwanzig Tage geſchirmt die Flu-
then bepfluͤget. Noah, 286 S.


Dieſes Pfluͤgen verrichten ſie eigentlich mit Cara-
ken
und Caravellen, in deren Rippen der Hie-
rarch
verſchloſſen iſt, der ſich auf der Suͤndfluth
retten will. Er nahm das Muſter zu dieſem
Schiffe von dem Luftſchiffe des weit liſtigern Teu-
fels, als Satan, Adramelechs; dieſes aber iſt
von dem Fuhrwerke hergenommen, das Arioſt
nach den Monden angeleget. Die Rieſen fan-
gen ein jaͤmmerliches Laͤrmen an, und nothzuͤchti-
gen
darinnen alle Weibesperſonen: eine zu einer
Epopoͤe ſich wohl ſchickende Epiſode!


Og ſtand zwiſchen die Schneiden der blanken
Schwerter und flehte:
Schonet, o! ſchonet der Fluthentflohnen, der
Hoffnung der Erde!
Gebt dem Schwert nicht das Blut der Freund’
u. Edeln zu ſchluͤrfen! e. d.


Wenn das Schwert es nur nicht getrunken haͤtte;
geſchluͤrfet wuͤrde es wohl nicht haben. Sollte
das die in dem 1 Verſe nicht ein Druckfehler ſeyn?
Auf die Frage wo? gehoͤret ſonſt die Nehmen-
dung.


Flug.

Es iſt gewoͤhnlich, daß Dichter fliegen; ſie
fliegen aber manchmal ſo hoch,


Daß
[149]Fl

Daß ſich vor Freuden die Koͤpfe an Waͤnden zer-
ſtoßen. Heldged. Wurmſ.


Unter allen den Fluͤgen, die unſere wirbelſuͤchtige
Dichter ſeit zehen und mehr Jahren gethan haben,
ſind uns keine ſtaͤrker zu bewundern vorgekommen,
als zween: ein beſchnittener und ein fallender
Flug.
Wir wuͤrden uns des Neides ſchuldig
machen; erwaͤhneten wir des großen Mannes
nicht, der ſie gethan. Es iſt der Vater unſerer
neuer Homere; der Kenner der noahiſchen
Sitten; Klopſtocks Geſpiel im Thalep,
ach!
koͤnnten wir ihn noch mehr ehren! Herr Bod-
mer,
die Ehre des großen Rathes zu Zuͤrich.


Ein fallender Flug iſt alſo, wenn man aus
dem Fenſter faͤllt, und ein ſteigender Fall, wenn
man wieder hinauf klettert.


Meinen fallenden Flug zur Wohnung der ir-
diſchen Leute,
Und mein Bleiben bey ihnen verſuͤßt allein der
Gedanke,
Daß ein Noah hier lebt ꝛc. Noah, 167 S.


Mein fallender Flug, den ich durch das ganze
Reich des Anarchen, die Gedichte neuerer Zeiten,
thue, wird allein durch die Namen Klopſtocks,
Hallers, Bodmers, Naumanns ꝛc. ver-
ſuͤßet.
Welch ein allerliebſter Flug ein ver-
ſuͤßter Flug
nicht iſt!


Denn was iſt groͤßers und herrlichers irgends-
wo zu finden,
Als ganz vernunftlos, dennoch vernuͤnftig zu
ſchreiben? Wurmſaamen.


K 3Fly-
[150]Fl Fr

Flyſtern.

Es klinget ſehr angenehm, wenn wir ei-
ne Antwort mit Fluͤſtern empfangen. Denn 1.
kann derjenige flyſtern, der ſie uns bringet; und
2. der, welcher ſie empfaͤngt: ſie flyſtern ſich alſo
beyde entgegen. Niemand aber flyſtert ange-
nehmer, als der Flyſterer der Alpen.


Iſraels ſoehn’ empfiengen die antwort mit froe-
lichem flyſtern.Jac. u. Joſ. 35 S.


Vieleicht flyſterten die Soͤhne unter einander;
welches denn ein ſehr flyſterndes Flyſtern wird
erreget haben.


Forſchendes Meſſer

iſt bey Saͤnger Bodmern
ein Meſſer, welches einem in den Hals geſtoßen
wird. So forſchet der Schlaͤchter, wenn er
ſchlachtet, und der Schaͤfer, wenn er die Hammel
reiniget; ja auch das Meſſer forſchet, welches
Verſchnittenen uͤber die Haut faͤhrt. Das eine
Meſſer forſchet nach dem Leben; das andere
nach den Hoden: wornach forſchet Hn. Bod-
mers
ſeines?


Ungeſaͤumt wurden ſie mit den langen forſchen-
den Meſſern

Jn die ſchneeweiſen Haͤlſe (nicht Steiße) ge-
ſtochen. Noah, 145 S.


Freundſchaft.

Wir wiſſen dieſe Stunde noch nicht
recht, ob wir uns gleich in einem Stoßgebetchen zu
den Alfern und Feyen gewendet haben: was fol-
gendes fuͤr eine Freundſchaft ſey? Bedeutet ſie
Raphaels Freundſchaft, d. i. die Engel, mit
denen er verwandt iſt?
Oder ſoll es des Engels
Freund-
[151]Fr
Freundlichkeit ausdruͤcken? Kurz! wir wiſſen
es nicht; und hier iſt die Freundſchaft!


‘Unter der Pforte des Bergs erwartet’ ihn Ra-
phaels Freundſchaft? Noah, 167 S.
()

Wir wiſſen auch nicht, ob es Darm- oder Drat-
ſayten
ſind, mit denen wohlklingende Freunde
verbunden ſind. Denn ſo rufet Cham:


Er hat die Menſchen — —
Mit gleichſtimmenden Saiten der Freund-
ſchaft zuſammen verbunden. Noah, 283 S.


Wir werden Achtung geben, und eheſter Tages die
Saiten unſers Freundes
verſuchen; nur fuͤrch-
ten wir, daß er uns mit dem Fiedelbogen uͤber den
Kopf ſchlaͤgt: denn er klinget ſehr ſcharf.


Fronte.

Es iſt ein Wunder, daß der Herr Kriegs-
baumeiſter Naumann
nicht das Bajonet bey
den nimrodiſchen Kriegsleuten eingefuͤhret hat:
wir finden doch ſchon, daß ſie ſich des Wortes
Fronte bedienet haben: denn Nimrod ſelbſt
ſaget:


— Jch hatte wirklich des Morgens
Die Fronte meiner Armee gegen die Stadt
ausgebreitet. Nimrod, 246 S.


Wir bilden uns demnach ein, der Herr Magiſter
werde ein Paar Troͤpfchen von des alten Skal-
ders Odin Waſſerblaͤschen
getrunken haben;
ja es koͤnnte leicht ſeyn, daß er auch etwas von den
verdickten Klumpen gekoſtet haͤtte.


Froſt.

Es iſt wahr, wir haben wohl eher die Leute
im Froſte rennen ſehen; den Froſt aber ſelbſt
auf ſo ſchnellen Fuͤßen zu ſehen, iſt uns noch nicht
K 4gelun-
[152]Fr Fu
gelungen. Wir ſelbſt haben auch oft in dem Fro-
ſte gebebet;
daß er aber bebte, war uns, ſo ge-
lehrt wir auch ſind, unbekannt.


‘Ueber dem Anblick rann ihm ein bebender
Froſt
durch die Adern. Noah, 145 S.
()

Auf eben dieſer Seite bewundern wir ein neues Bey-
wort blutlos; ſo ſagen wir auch athemlos.


Fruͤhlingslaͤcheln

iſt ein gar ander Laͤcheln, als
Winterlaͤcheln; die meiſten unſer laͤchelnder
Dichter laͤcheln
das erſte Laͤcheln: denn ſo laͤ-
chelt
die Feya von Tabor; oder fuͤllt ein Ant-
litz.


‘Ein heiliges Fruͤhlingslaͤcheln
Fuͤllte ſein Antlitz. Meß. 36 S.
des heiligen
Laͤchlers St. Klopſt.
()

Fuͤhlplatz.

Ein trauriger Fuͤhlplatz der allge-
meinen Verwuͤſtung,
die Hr. Bodmer gere-
det oder geſtammelt. S. im Noah.


Fuͤhlen und Fuͤhlung,

zwey poetiſchmyſtiſche
Woͤrter der heiligen Traͤumer, oder der Fromm-
dichtergemeine.


‘Jtzt trat er hoch uͤber die weichere Fuͤhlung.
Noah, 172 S.
()

Wohin trat er alſo? Jn lauter Miſchmaſch, das
von dem ewigen Gefuͤhle des Gefuͤhles, was ein
hoͤheres Gefuͤhl das niedere Gefuͤhl zu fuͤhlen
zwinget, gefuͤhlet wird.


Fuͤhren.

Niemals ſind wir in ein angenehmer La-
byr[i]nth von Thraͤnen und Gedanken, klopſto-
ckiſchen
Gedanken, als in folgendes, gefuͤhret
worden.


“Wenn
[153]Fu

“Wenn die Seele im Kuß, und der Gedank
“in der Umarmung ſpricht: Freund!
dann
“fodre kein zaͤrtliches Wort. Thraͤnend fuͤhrſt
“du deine Seele in die meinige, und ich empfin-
“de, wie du. Freund! (das hat gefallen,)
thraͤnend fuͤhrſt du deine edle Seele in die mei-
“nige, und ich empfinde, wie du. Koͤrper!
“bewege dich in bangem melancholiſchem Zittern!
“Gedanken zwoer ſchwermuͤthig entzuͤckter See-
“len ſind dir im geheiligten Dunkel nahe. Zwo
“Seelen, beyde ein Tempel Gottes! ꝛc. Nun
“weine voll Beſchaͤmung! Erloͤſer! ewige Er-
“barmung! ꝛc. Zwiſchen zweenen Engeln ſenk-
“teſt du dich, durch den Sturm meiner Bruſt,
“und er wuͤrde ruhig.” Samml. Nicol. 66 S.


Senkte er ſich lieber zwiſchen zwoen Myriaden!
Jſt das nicht herzbrechend? Kann man nicht aus
Froͤmmigkeit ein Tremulant werden? Wir nen-
nen dieſe Figur das Zittern; oder den Tremu-
lanten ſchlagen.


Funkeln.

Auch Redner muͤſſen funkeln; wir tau-
fen daher dieſes Bluͤmchen, und es heißt: der
Karfunkelſtein. Denn ſo wie wir aus den be-
liebteſten Dichtern unſerer Zeiten das, was fun-
kelt,
herausſuchen, und unſern Leſern in die Au-
gen funkeln laſſen: ſo muß man auch in einer
Rede, aus einer Menge funkelnder Tugenden, die-
jenigen hervorſuchen, durch die unſer Held am
meiſten funkelt. Samml. Nicol. 9 S.


Furche.

Ein Kunſtwort der Pflugtreiber. Ein
bekannter Schriftſteller, der einem unſerer groͤßten
K 5geiſt-
[154]Fu
geiſtlichen Redner nachaͤffet, und ſich recht martert,
wie ein Mosheim zu ſchreiben, ohne wie ein
Mosheim zu denken, leget dieſem ſo verachte-
ten Worte eine edele und erhabene Bedeutung bey.
Er will ſagen: die Sache hat einen großen Ein-
druck gemacht. Das waͤre wohl ſchlecht ge-
ſchrieben!


Die Sache hat merkliche und tiefe Furchen
in dem Acker des menſchlichen Herzens ge-
zogen. B-ſt-dt.
()

Das iſt ſchoͤn! Jch empfehle dieſe Redensart allen
Anfaͤngern in der geiſtlichen Beredſamkeit: beſon-
ders denen, die mit allem Fleiße die Ausdruͤcke der
Bibel vermeiden, und uͤber ſolche Kleinigkeiten
ſchon weg ſind. Es fehlet ihnen nicht an Vorgaͤn-
gern. Mein guter Freund, der juͤngere Herr
Chryſoſtomus,
ſagte mehr als einmal in ſeiner
heiligen Rede:


Jch wuͤnſche, daß mein heutiger Vortrag
tiefe Furchen in dem Acker eurer Herzen
ziehen moͤge!
()

Wann man zu einer Dorfgemeine ſo ſpricht: ſo
iſt der Ausdruck ſchoͤn, und aͤſthetiſch. Jn einem
Lehrbuche ſollte er nicht gelten. Wer kann es allen
Leuten recht machen?


Furcht iſt der Seele Froſt;

was wird doch ihre Hi-
tze
ſeyn? Wie ſaget der große Geiſt?


Die Furcht, der Seele Froſt; der Flammen-
ſtrom, der Zorn,
Die Rachſucht ohne Macht, des Kummers tie-
fer Dorn ꝛc.

Der
[155]Fu
Der Liebe Folterbett, der oͤden Stunden Laſt,
Die herrſchen nicht ſo ſtark im Schaub, als im
Palaſt. Haller, 112 S.


Wer wird ſich lange bey der Huͤtte auf halten?
Man muß hineingehen; der Bauerfrau den
Schaub,
oder die Schaube nehmen und der
Liebe Folterbett hineinſtecken. Es iſt wahr, man
daͤhnet ſich auf dem Folterbette der Liebe auch et-
was aus: ob es aber ſo fuͤrchterlich, als eine Fol-
ter,
iſt, das fragen wir alle Verliebte? Wir be-
wundern auch hier einen Flammenſtrom, einen
Strom von Flammen; wie auch einen tiefen
Dorn.
Denn ſo kann man ſagen a. St. er ſpruͤ-
het Flammen aus;
er ſtroͤmet Flammen aus;
und einen Degen, der einem tief in den Leib ge-
ſtoßen worden, koͤnnen wir einen tiefen Degen
nennen. Allein hier iſt noch einen graͤßlichere
Furcht; und ſo ſiehet des Herrn M. N.
Furcht aus.


Seine Furcht war ſo naͤrriſch, als die Kunſt der
Prophetin,
Die eine haͤßliche Vettel und ein vorwitzig Weib
war:
Runzlicht, hoͤkrig und zahnlos, mit bleichen
begeiferten Lefzen,

Mit triefend gelbem Geſicht, und duͤnnen
graͤulichen Haaren,

Wobey ſie einaͤugig, lahm war; und einen En-
tenfuß hatte. Nimr. 407 S.


Einen Entenfuß, oder einen Entenſteiß! Jſt
das nicht eine naͤrriſche Furcht?


Fuß-
[156]Fu Fy

Fußtritt.

Vieleicht ſoll dieſes einen Schemel be-
deuten?


Wer ungewahrſam den Trank der irdiſchen
Froͤhlichkeit trinket,
Dem entzieht ſich das aͤchte Gefuͤhl; die Stel-
le der Freude
Nimmt auf ſeinem Fußtritt die Krankheit
mit ſcheußlichem Antlitz,
Garſtig. Noah, 62 S.


Jſt das nicht garſtig? Ach! wie die heiligen
Trinker
nicht trinken koͤnnen! Kaum laſen wir
in der Bibel, die Baͤcher des Zornes trinken:
ſo tranken wir Deckelglaͤſer der irdiſchen Froͤh-
lichkeit ungewahrſam;
d. h. wir nahmen uns
nicht in acht;
und ſoffen uns toll und voll, bis
ſich das aͤchte Gefuͤhl entzog, und wir nun ein
unaͤchtes fuͤhlen. Da ſetzet ſich nun auf den
Schemel der Freude die Krankheit, und grin-
ſet.
Alles grymſelbergiſche Schoͤnheiten und
Weſen!


Fyrſtlich.

Die Thraͤnen laſſen ſich von einer fyrſt-
lichen
Hand noch einmal ſo gut abtrocknen, als
von einer joſephiſchen, oder zophenatpanahi-
ſchen Hand.


Wie dem traurigen vater der lange bewei-
nete Joſeph
Mit der fyrſtlichen hand zuletzt die thrænen
getruknet. Jac. u. Joſ. 6. S.
()

Man muß auch nicht ſagen getrucknet: nein! der
Accent muß auf das k etwas ruhen; ſage daher,
wie der unſterbliche Accentuiſt, getruknet.


Galgen-
[157]Ga

G.


Galgenfeld.

Am verdienten Stricke im Gal-
genfelde pralen
heißt nach der Sprache der
Scharfrichter haͤngen. Dieſes zwar iſt kurz;
allein ein Kramsvogel muß auch Butter haben.
Gehangen ſind die Diebe lange worden. Man
muß alſo eine Bruͤhe daruͤber her gießen und ſie im
Galgenfelde pralen laſſen. Freylich iſt das
Pralen nicht weit her; und ſie haben nicht viel
Urſache dazu: allein ſie pralen doch; und pralen
iſt doch ein ſo pralendes Wort.


Und iſt denn der ein Held,
Der am verdienten Strick noch pralt im
Galgenfeld? Haller, 59 S.


Wir haben die Ehre, Sr. Gn. die Frage zu beant-
worten, und ſagen: Nein! denn hat er den
Strick verdienet:
ſo iſt er nicht ein Held, wenn
er auch in eiſernen Ketten hienge und gar auf dem
Rade laͤge.


Gang ein eiſerner.

Wir bemerken hierbey, daß
ein goldener Gang weit ſanfter ſeyn muß; was
aber das ſchoͤnſte iſt: ſo kann ihn ein hoͤrendes
Ohr hoͤren.
Es kann auch ein Fußtritt, oder
Schemel, darunter verſtanden werden. Wie
ſinget oder traͤumet der goͤttliche Traͤumer?


Wenn du nun hoͤren wirſt um dich herum im
Dunkeln dahergehn
Gottes Fußtritt, (Schemel) den eiſernen
Gang
des wandelnden (ſpatzierenge-
henden)
Richters,
Und
[158]Ga Ge
Und den Kriegsklang (nicht den Friedens-
klang)
der Panzer um ihn!
Meß. 123 St. Klopſt.


Dann werden wohl die Engel ſich harniſchen; denn
ſie haben nicht ſo viel Muth, als unſere Helden,
die faſt ſo nackend, als die Hand, ins Feuer
laufen. Wir glauben in aller Demuth, daß un-
ſer, wie nenne ich ihn doch recht? unſer mehr,
als Homer,
von der Feya aus vollen Trink-
hoͤrnern des Saftes Odins getraͤnket worden.

Was koͤnnte anders, als ein uͤbermenſchliches We-
ſen, einen ſo harten Rauſch zuwegebringen?
Gott einen Schemel, wenn er gehen will, zu
geben, und die Engel harniſchen zu laſſen! Drum
wenn ihr von einer Heerſchaar Engel redet: ſo
nennet ſie die engliſchen Kuͤraßierer, oder Pan-
zernen.


Gaukeln.

Vor dieſem gaukelten Seiltaͤnzer, und
Puppenſpieler. Nun aber laſſen die neueren
Alfern nicht nur ihre Geiſterchen und ausge-
ſchaffene
Puppchen gaukeln; ſie ſelber auch gau-
keln.
Siehe alle heilige oder gaukelnde Saͤn-
ger, oder Weltenmacher.


Gebaͤhrmutter.

Wir haben mit Bewunderung be-
merket, und glauben, daß alle neueren Dichter
oder Muſen Accoucheurs und Hebeammen ge-
worden ſind. Nach ihren ſaftigen Lieblingsfigu-
ren zu urtheilen, koͤnnen wir getroſt unſere Ba-
demuͤtter
abſchaffen, und wann unſere Weiber
im Kreißen liegen, geſchwinde einen Dichter kom-
men laſſen. Denn wer verſtehet ſich beſſer darauf
als
[159]Ge
als Maͤnner, die ſo gar die Kinder an der Gebaͤhr-
mutter ſeegnen?
Und wer kann beſſer


Sein geſchlecht an den bryſten und an der
gebæhrmutter ſeegnen?
Jac. u. Joſ. 10 S.
()

Gebeth.

Sich auf Gebethe lehnen. Dieſe Stuͤ-
tze iſt zwar etwas unſicher; zumal fuͤr einen ſo
alten Mann, als Jacob iſt: ſie iſt nichts deſto-
weniger ſchoͤn.


‘— auf ihre gebethe gelehnet
Geh ich getroſt. Jac. u. Rachel. 8 S.
()

Wir wollen ihn gehen laſſen.


Gebeine der Auferſtehung

ſind nicht der Auferſte-
hung Gebeine:
es ſind Gebeine, die da auf-
erſtehen wollen.
Siehe eben dieſe Schoͤnheit
unter Feld. Denn ſo fluchet Philo dem Gama-
liel:
in der Offenb. St. Klopſt. 116 S.


So trete der Poͤbel

Auf dein Grab hin, und ſpotte daſelbſt des Pro-

pheten und deiner:

Warum liegt ihr ſo ſtill der Auferſtehung Ge-

beine?

So iſt dann Gamaliel der Auferſtehung Ge-
beine?
Das Grab muß freylich etwas groß ſeyn,
auf dem ein Poͤbel ſtehen koͤnne. Allein es iſt
figuͤrlich: ſo wie uns der ganze Meßias eine Fi-
gur zu ſeyn ſcheinet: eine Figur von einem Helden-
gedichte! Hr. Prof. Meyer haben bey ihm die
Stelle eines Addiſons vertreten; wir ahmen
ihm, ſo unnachahmlich ſein epiſcher Eifer fuͤr
den Hn. Klopſt. auch iſt, durch ein Woͤrterbuch
nach.
[160]Ge
nach. Beylaͤufig! Wir haͤtten gern geſehen, daß
es dem groͤßten Dichter, dem Teufelsſaͤnger,
gefallen haͤtte, ſeine Weltchen in Kupfer ſtechen
zu laſſen: o! was wuͤrden wir da fuͤr Teufelchen
zu ſehen bekommen haben! Eheſtens werden wir
uns beſchneiden laſſen, um zu ſeinen theologi-
ſchen,
und rabbiniſchen Geheimniſſen zugelaſſen
zu werden: wie werden wir dann nicht harfen,
und uns allmaͤhlig zum Denker modeln! Uns
jauchzete ein gewaltiges Lachen durch unſere Ge-
beine,
als wir folgendes Jauchzen jauchzeten:


Auch mir huͤpfet mein Herz; auch jauchzt durch
meine Gebeine

Freud und Hoffnung, die goldgewuͤrkete Tage
weiſſaget. Noah, 95 S.


Auch uns huͤpfte das Herz; auch ſchrie durch un-
ſre Gebeine
Scherz und Lachen, das bleygewuͤr-
kete Verſe weiſſagte.
Wir wundern uns, wie
es moͤglich geweſen, ſo viel mizraimiſche Schoͤn-
heiten, als huͤpfen, jauchzen, Gebeine, Freude,
goldgeſponnene Tage, weiſſagen,
in zweenen
Verſen zu verknuͤpfen! Wir ſahen den Dichter
gleichſam vor unſern Augen in unſerm gopher-
nen Behaͤltniſſe,
oder getaͤfelten Kemnate huͤp-
fen,
und jauchzen; jauchzen und huͤpfen; und
bezeichneten dieſe Figur gleich in unſerm Figuren-
regiſter unterm Bilde der Bachſtelze; denn die
Bachſtelze huͤpfet und wackelt mit dem
Schwanze, wie ein Dichter.


Gebruͤckt.

Dach hatte, und dazu gleichnißweiſe,
bebruͤckt geſaget. Herrn Bodmer floß es
ganz
[161]Ge
ganz kalt uͤbers Geſicht: er ſagte, doch das iſt
zu wenig, er accentuirte gebruͤckt. Die Rieſen
ſtuͤrmen das Paradieß, wie die Soͤhne Titans
den Olymp:


Schon war der Berg in ihrer voreiligen Hoff-
nung uͤberſtiegen,
Da ſie hinauf die hohe, die maͤchtige Steige
gebruͤckt ſahen. Noah, 137 S.


Adramelech war der Bruͤckenmeiſter; es war
alſo eine recht verteufelte Bruͤcke. Siehe das
Woͤrtlein Schon, wo wir es mit gebuͤhrendem
Weihrauche beſtreuen; erwarten aber einen Be-
richt von der Macht dieſer Steige; oder Stiege.


Gebund von Freuden;

alſo auch eine Strehne
Betruͤbniß,
welches beydes Spinner Bod-
mer
auf Swifts Spinnrade drehet und ſpin-
net.
Wir hatten ein ganzes Schock von Freu-
den,
als wir dieſes laſen, und durften nicht ſpin-
nen
und winden; aus Furcht, alle unſere Freu-
den,
iſt die mehrere Zahl nicht ſchoͤn? aus unſerm
Leibe zu ſpinnen. Wir nennen dieſes Bluͤmchen
die Spinnſtube. Die Weiber vermiſchten ſich
ſchon in Gedanken fleiſchlicher Weiſe
mit ihren
Maͤnnern, die jenen kleine Noachiden, Buͤb-
chen mit Gruͤbchen im Kinne,
machten. Die
Verheutigung eine treffliche Figur reiche dem
Manne von Zyrich ein Gleichniß dar:


Wie, wenn ein Juͤngling die Tag’ erfuͤllt ſieht; da
ſein Verwalter
Wieder zu Haus ſeyn kann, den laͤngſt ſein Vater
verſchickt hat,
LEine
[162]Ge
Eine Frau ihm von ſeinen Freunden in der Fern
zu freyen:
Soll der Verwalter freyen?
Gegen Abend aufs Feld geht, da nach der Gegend
zu ſchauen,
Wo die gewuͤnſchte Braut herkommen ſoll; ſei-
ne Gedanken
Alle ſind bey dem Maͤgdchen, das er noch nie-
mals geſehen,
Aber aus ihm die Luſt der kuͤnftigen Tage ſchon
machet; (Kinderchen.)
Augen voll Glut, voll Roſen die Wangen, ihm
ſinnreich erſchaffet,
Mit dem Gruͤbchen im Kinn. So gingen mit
eilender Liebe
Jhren noch ungebohrnen Kindern die Muͤt-
ter entgegen;
Knuͤpften ſich
ſchon ein Gebund von Freu-
den in ihrem Gemuͤthe,
Und beſchenkten ſie muͤtterlich mit den ſchoͤnſten
Geſtalten. Noah, 383 S.


Sobald uns die Schoͤpferluſt ankommen wird:
wollen wir auch unſern Verwalter, wie Abra-
ham,
ſenden; ſendet gleich mancher einen Schnei-
der. Bewunderſt du auch recht, mein Leſer! das
ſeinen und ihm, welches uͤber das ganze Gleich-
niß gleichſam einen Vorhang ziehet, hinter dem
Herr Bodmer, dann und wann, hervorkuket?
Der Verfaſſer des Hermanns hatte kaum geſaget:
Und die ungebohrne Welt ſoll noch deinen Trotz
beweinen.


So
[163]Ge

So ſehen wir auch ſchon Muͤtter ihren ungebohr-
nen Kindern entgegen ſpatzieren gehen.


Au! nie ſo ſtark hat Cynthius gekniffen;
Als Aſa mir die trocknen Ohren reibt:
Ein Skalder iſt, ſo donnert ſie verpfiffen,
Der klingelnd hell gleich dir in Reimen
ſchreibt. Ein Geſchaffenes 3 Gebr.
der rubenſ. Delphinen.


Geburthsfels.

Man ſiehet wohl, was folgende
Verſe fuͤr einen Geburthsfels oder fuͤr ein Ge-
burthsgehirn
haben. Wir wuͤrden in unſerm
Geburthsdorfe nicht ſo accentuiret haben.


Raſenden Lerm (ſah ich) und wildes Gewimmel
mit drohenden Stimmen,
Die an meinen Geburthsfels ſchlugen und
zwanzigmal brachen. Noah, 412 S.


Da ſehet, wie der wundernswuͤrdige Mann erſtlich
die Stimmen laͤßt zu einem Meere werden. Nun
wallen die Stimmen; ſie werfen ihre Wellen;
und der Geburthsfels zwinget ſie, dieſes ſtuͤrmen-
de Weſen
fahren zu laſſen, und ſie brechen ſich
zwanzigmal.
Wir ſtellen uns dabey die Wirbel
des Carteſius vor und ſehen ſie vor uns, wenn wir
ausrufen: Bodmer! der Wirbler! wirbelt;
ja wir gerathen mit in den meßianiſchen Wir-
bel,
der uns allmaͤchtig dahin reißt. Hier ein
Teufelchen; dort ein Engelchen: ein allerlieb-
ſter Dudaim; eine ſilberne Cidli ergetzen uns in
dieſem Wirbel. Welch ein Wirbel! Wie er ſo
ſchoͤn iſt! Wir theilen unſere modiſche Dichterwelt
in ſechs Wirbel, davon einer den andern dahin-
L 2reißt;
[164]Ge
reißt; und verſchlingen wuͤrde, wenn nicht ein
Sehraff jeden in ſeinem Schwunge erhielte.


  • 1. haben wir den gleimiſchen Wirbel; den Wir-
    bel der Kleinigkeiten. Dichter, die von ihm ge-
    zogen werden, ſehen die groͤßten Dinge zwar durch
    ein Vergroͤßerungsglas; allein ſie kehren das
    Sehrohr um, und alles ſtellet ſich ihnen von der
    kleinen Seite vor. Doris ſpricht bey ihnen ſo
    dumm, als ein Moͤpschen; und Moͤpschen ſo
    taͤndelnd und witzig, als ihre Bruͤnette. Phi-
    loſophen ſuchen am Himmel nur die Jungfer:
    aber nicht die Sterne. Man trifft darinnen ſo viel
    Schoͤnen an, als kaum der Großſultan einge-
    ſperret haͤlt; hat gleich der Dichter oft nicht ein
    Kammermaͤgdchen zu ſeiner Phillis. Dieſer
    Wirbel verſchlinget viele Witzlinge, die mit dur-
    ſtiger Kehle von Weine, und mit kaltem Blute
    von der Liebe ſingen. Ruach Abdiel, als der
    barmherzigſte Teufel, ſtehet ihm vor, und beherr-
    ſchet ihn aus ſeinem Orangenblatte, wo auch die-
    ſer ganze Wirbel Raum haͤtte.
  • 2. haben wir den Schaͤferwirbel. Er ſtoͤßt an den
    erſten; und man ſiehet darinnen beſchnittene Maͤn-
    ner mit langen Baͤrten; Viehhirten, die, wie die
    Tattarn im Lande umherzogen, zu arkadiſchen
    Schaͤfern werden. Jhre Schallmeyen ſchnar-
    ren etwas; man kann auch immer am Ende des
    Liedes hoͤren, wer der Setzer davon geweſen.
    Brummet es: ſo iſt es der alte Schaͤfer Bod-
    mer; quitſchet
    es aber, wie bey uns die Scha-
    lumos
    auf den Bauerhochzeiten: ſo iſt es Schaͤ-
    fer
    [165]Ge
    fer Wieland; der ſich auch oft in dem Tone der
    alten Ritterbuͤcher verſuchet, wie ſein Parzifall
    bezeuget. Eheſtens wird er auf Anan, der die
    Mauleſel erfand, ein Mauleſelgedicht machen.
    Dieſer Wirbel entſtehet meiſtens uͤber Suͤmpfen
    und Moraͤſten, und die Schoͤnen, weil doch kein
    Gedicht ohne die ſeyn kann, die man darinnen
    antrifft, haben die laͤngſten Euter von der Welt.
    Ruach Bodmer iſt in ſeiner menſchlichen
    Huͤlle
    der Vorſteher dieſes Wirbels, und erhaͤlt
    ihn, damit er nicht in Koth dahinflieſſe.
  • 3. haben wir den Rieſenwirbel. Geſtalten von
    entſetzlichen Rieſen irren darinn umher. Wir
    haben einſtens darinnen das Luftſchiff Adrame-
    lechs
    ſeegeln ſehen. Guanos,Hydern, Am-
    phisbaͤnen flatern
    da, wie bey uns die Schwal-
    ben. Die fuͤrchterlichſten Jnſecten mit Stile-
    ten
    und Riſſeln ſpinnen in dem Gehirne der Dich-
    ter: in welchen Spinneweben ſich Gedanken fan-
    gen, und Begriffe verwickeln. Ruach Adra-
    melech
    ſchiebet mit goͤttlichen Armen dieſen Wir-
    bel vor ſich her, damit er nicht aus dem Gleiſe
    komme; allein er kann doch nicht hindern, daß
    nicht hin und her ein Rieſe, ein Amphisbaͤn-
    chen,
    und Hyderchen verzetelt wird; welches
    denn von kleinen Geiſterchen aufgefangen, und
    mit einem Saͤftchen
  • 4. in den Nimrodswirbel verſetzet wird. Kraft
    dieſem Saͤftchen, welches wir unter dem Namen
    der Verheutigung verkaufen, ſiehet man den
    Jaͤger Nimrod Hof halten; man ſiehet, wie
    L 3ſehr
    [166]Ge
    ſehr ſeine Luſtbarkeiten, die Rieſenſpiele ausge-
    nommen, den Luſtbarkeiten unſerer Koͤnige glei-
    chen; man findet Narren, wie unſere Narren,
    und wundert ſich, daß der copernicaniſche Welt-
    bau den nimrodiſchen Kuͤnſtlern nicht unbekannt
    geweſen. Ja man trifft Generale, Jngenieurs,
    Lieutenante
    an, und lernet daraus alle franzoͤ-
    ſiſche Kriegeswoͤrter.
    Es iſt zu hoffen, daß un-
    ſern Faͤhnrichen dieß Buch ſehr brauchbar wer-
    den wird, wenn dieſe Herren auſſerm Morgen-
    ſeegen
    und der Ecole des Filles nur etwas le-
    ſen werden.
  • 5. haben wir den halleriſchen Wirbel, der vor
    funfzig Jahren unterm Namen des Lohenſteini-
    ſchen
    bekannt war. Alle, die witziger, als
    Opitz, Kanitz, Guͤnther, Gottſched,
    Schwabe
    ſeyn wollen, werden von ihm herum-
    geſchleppet. Bald zerſcheitern ſie an einem Mit-
    telworte;
    bald verſchlinget ſie ein Hellenismus,
    der ſie nach 24 Stunden wieder von ſich ſpeyet,
    und in das Reich des Anarchen ſtuͤrzet, wo ein
    roher Stoff zu Gedanken ohne Aufhoͤren ſtuͤrmet
    und ſchaͤumet. Dieſer Wirbel toͤnet auf har-
    moniſchen Sphaͤren hoch hinuͤber
    in das Reich
    der Natur und der geſunden Vernunft.
  • 6. kommen wir in den groͤßten aller Wirbel, in
    den meßianiſchen Wirbel. Er reißt wie ein
    Comet hindurch, und ſchleppet alle oben geſchil-
    derte Wirbel in ſeinem allmaͤchtigem Schwan-
    ze donnernd
    fort. Das Allerheiligſte iſt nicht vor
    ihm ſicher. Er faͤhrt in den Abgrund, und drin-
    get
    [167]Ge
    get in den Himmel, und enthaͤlt alles, was eine
    ſich ſelbſt gelaſſene Einbildungskraft, nur im Hey-
    denthume, uns von Himmel und Hoͤlle erzaͤhlen
    koͤnnen. Er iſt ſo anziehend, daß ihm auch viele
    aus Furcht folgen, und ihre geſunde Vernunft auf-
    geben. Wir nennen ihn den Teufelswirbel;
    weil er ſo gar dem Engelswirbel obſieget.

Sind das nicht Wirbel? Wir muͤſſen aufhoͤ-
ren: ſonſt ſchleppen ſie uns mit fort.


Gedanken;

die ſich mit den Gedanken der Gei-
ſter vereinen,
ſind klopſtockiſche Gedanken.


O! du, dieſer verherrlichten Erden erwaͤhlter

Beſchuͤtzer,

Seraph Eloa! verzeih dieß deinem zukuͤnfti-

Freunde,

Wenn er deinen ſeit Edens Erſchaffung verbor-

genen Wohnplatz,

Von der heiligen Muſe gelehrt, den Sterblichen

zeiget.

Hat er ſich jemals, voll einſamer Wolluſt, in

tiefe Gedanken

Und in den hellen Bezirk der ſtillen Entzuͤ-

ckung verloren;

Hat mit Gedanken der Geiſter ſich ſein Ge-

danke vereinet;

Hat die enthuͤllete Seele der Goͤtter Rede ver-

nommen:

O! ſo hoͤr ihn, Eloa, wenn er, wie die himmli-

ſche Jugend,

Kuͤhn u. erhaben, nicht modernde Truͤmmer

der Vorwelt beſinget;

L 4Son-
[168]Ge
Sondern den Buͤrgern der goͤttlichen Erde dein

Heiligthum aufthut. St. Klopſt. 25 S.

Wir haben, um es recht zu bewundern, mit Fleiß
dieſes beſcheidene Geſpraͤch, denn daß es ein Ge-
beth ſeyn ſolle, wollen wir nicht hoffen, eines
Sterblichen mit einem Seraphen hergeſetzet.
Denn 1. lernen wir, daß Eloa, der von Se-
raph Klopſtocken
geſchaffene Engel, der Pa-
tron
von unſerer Erde iſt. 2. daß es heilige
Muſen
giebt; 3. daß die Entzuͤckung einen hellen
Bezirk hat; einſame Wolluſt haben wir unter
einſam bewundert. 4. ſehen wir, wie Geiſt
Klopſtock
in ſeiner Kemnate und irdiſchen
Huͤlle ſitzet; harfet; und 5. Gedanken auf
Gedanken der Harfe rufet; 6. daß er, wie die
Engelchen, ſinget; 7. daß die Helden die Truͤm-
mer der Vorwelt
ſind; 8. daß er wirklich uns
das Heiligthum aufthut: denn was konnten wir
anders von einem Freunde Eloas erwarten?
Eloa wird ſich durch ſeine Freundſchaft, die ihm
Schoͤpfer Klopſtock widmet, ſehr geehret finden.


Gedraͤngt.

Dieſes Wort war bisher noch nicht ein
Beywort geweſen; wir finden es aber mit dieſer
neuen Wuͤrde in den Geſichten St. Klopſtocks,
169 S.
geſchmuͤcket. Wir ſehen, wie der armen
Bangigkeit bange wird, und beklagen ſie herzlich.


Aber da immer die Bangigkeit baͤnger u. ge-
draͤngter die Angſt ward,
Dunkler die Nacht, gewaltger der Klang der
Donnerpoſaune.


Hier ſehen wir, wie ſich der Heyland vor der Dun-
kelheit
[169]Ge
kelheit fuͤrchtet; und daß es donnert, wenn die En-
gel poſaunen: allein donnert doch wol ihre Harfe.


Gefoͤlgig.

Wir hatten uns zwar ein Geſetz gema-
chet, kein Beywoͤrtchen mehr, aus Furcht, Ekel
zu erregen, anzufuͤhren: allein, wir haben der
Schoͤnheit des gefoͤlgig, zumal in der Verbindung,
nicht widerſtehen koͤnnen.


— Nun bringen gefoͤlgig die Maͤnner
Jhr lebendiges Opfer. Noah, 409 S.


Vieleicht folgten die Maͤnner einander. Auf
eben dieſer Seite bewundern wir auch einen
freundlichen Thau.


Gehorſamer Ruͤcken;

dieſemnach giebt es auch un-
gehorſame,
wann uns ein Grobian nicht gruͤßet.


Seh ich es recht, ſo ſind auf der Schlange gehor-
ſamen Ruͤcken

Maͤchtige Krieger mit glaͤnzendem Schild u.
Speere bewaffnet. Noah, 185 S.


Wir erſtaunen, daß ſo viele maͤchtige Krieger nur
ein Schild und Speer haben.


Geiſt.

Wer mich an einen oͤden Geiſt erinnert,
der noͤthiget mich, an einen vollen zu denken: denn,
ſo wie ich ſchließe, wann ich eine leere Wurſt ge-
ſehen habe; daß es auch eine volle geben koͤnne; ſo
kann ich auch von einem oͤden auf einen vollen
Geiſt ſchlieſſen. Herr von Haller ſtopfet dieſe
Wurſt mit falſchen Guͤtern.


So bleibt der muͤde Geiſt bey falſchen Guͤtern
oͤde. 111 S. Dero Ged.


Geiſt verknuͤpft in des Tages Riß.

Nimmer-
mehr haben wir einen Tag abreiſſen ſehen; noch
L 5weni-
[170]Ge
weniger einen Geiſt damit verknuͤpfen; ja einen
Geiſt, der noch unreif zu dem Weſen, wir wiſ-
ſen nicht zu welchem, erleſen worden:


Ein Geiſt, noch unreif zu dem Weſen,
Wird heut zur Groͤße ſchon erleſen
Verknuͤpft in dieſes Tages Riß.
Haller, 130 S.


Sollte wohl verknuͤpft auf Groͤße gehen? Jn
der 1. Zeile dieſer Strophe ſagt der unſterbliche
Mann, daß ihm ſchwindelte. Wir glauben es;
und die ganze Ode iſt ein Beweis davon.


Geiſter.

Ein aͤſthetiſcher Philoſoph belehret ſeine
Leſer, daß Gott zweyerley Gattungen vernuͤnftiger
Geſchoͤpfe aus Nichts hervorgebracht habe; naͤm-
lich Menſchen, und zweytens:
Weſen, deren Geſtalt nur mit den Augen
des Verſtandes kann geſehen werden.


Jch lobe den Mann, daß der die andere Gattung
nicht Geiſter genennet hat. Leben nicht in unſern
Zeiten Menſchen, die das Daſeyn der Geiſter in
Zweifel ziehen? Die Klugheit eines Schriftſtel-
lers macht ſich ein Geſetz, dem Leſer nicht anſtoͤßig
zu ſeyn. Auch ein einziges Wort bringt uns um
den Beyfall.


Geiſtſchoͤpfer.

So pfleget man auf neu deutſch
Gott anzureden: es iſt ein ſehr artiger Sproß von
zweenen zuſammen gewachſenen Staͤmmen: der
eine Stamm iſt ein Gallicismus; der andere ein
Anglicismus: woraus die ungemeine Frucht,
die wir den Klopſtockianismus nennen, ent-
ſprin-
[171]Ge
ſpringet. Denn ſo redet der kleine Geiſtſchoͤ-
pfer
mit dem groͤßern:


Aber, o Werk! das nur Gott allgegenwaͤrtig
erkennet,
Darf ſich die Dichtkunſt auch wohl, aus dunkler
Ferne, dir naͤhern?
Weihe ſie, Geiſtſchoͤpfer! vor dem ich in
Stillem hier bethe;
Fuͤhre ſie mir, als deine Nachahmerin, voller
Entzuͤckung,
Voll unſterblicher Kraft, in verklaͤrter Schoͤnheit
entgegen.
Ruͤſte ſie mit jener tiefſinnigen einſamen Weis-
heit,

Mit der du, forſchender Geiſt! die Tiefen Got-
tes durchſchaueſt:
Alſo werde ich, durch ſie, Licht u. Offenbarun-
gen ſehen,
Und die Erloͤſung des großen Meßias wuͤrdig
beſingen. Off. St. Klopſt. 3 S.


Wir wollen die Spoͤttereyen eines loſen Vo-
gels herſetzen, und ſie alsdann widerlegen. 1.
Fragt er: “wer wird hier allgegenwaͤrtig er-
“kennet? Das Werk oder Gott? 2. Wem
“naͤhert ſich die Dichtkunſt? 3. Wozu ſoll ſie,
“die Ferne, die wir unter Ferne bewundert ha-
“ben, oder die Dichtkunſt geweihet werden?
“4. Jſt das nicht eine fromme Verwegenheit,
“die Dichtkunſt fuͤr Gottes Nachahmerin,
“und dazu in einem Gebethe, auszugeben?
“Das Schaffen Gottes, und der Dichtkunſt
Schaf-
[172]Ge
Schaffen iſt wohl einerley? Homer bittet
“die Muſen nur um den Einfluß: Klopſtock
“aber iſt ein Nachahmer Gottes und ſchaffet.
“Wer
iſt voll? Jſt Gott einſam? Was iſt
“das wieder fuͤr ein Geiſt, den er nun wieder
“anrufet? Welcher Geiſt ſchauet die Tiefen
“Gottes durch?
” Aber, mein lieber Herr
Spoͤtter! er iſt ein gruͤner Unglaͤubiger?
Siehet er nicht, daß es Licht und Offenbarun-
gen
ſind? Freylich ſind ſie nicht ſo, als die Of-
fenb. Johannis:
aber es ſind auch St. Klop-
ſtocks Offenbarungen.
Wie billig verfahren
wir alſo nicht, ſie ſo zu benennen! Je ne fais,
que rendre ce que le Public, (ou Klop-
stock
) m’a preté:
wie Bruyere von ſeinen
Characteren ſagete.


Gekruͤgelt.

Wann ein Nelkenſtrauch in einem
Topfe ſtehet: ſo heißt er ein gekruͤgelter Nelken-
ſtrauch:
ſo wie, wann er auf dem Beete ſtehet,
ein gebeteter.


Kerenhapuch nahm einen gekruͤgelten Nel-
kenſtrauch mit ſich. Noah, 237 S.


Gericht Aſche.

Ein Gericht Aſche! Wer hat je
ſo geredet? St. Klopſtock! 12 S. ſeiner Ge-
ſichte.


Aber dereinſt, wenn ſich die Weltgebaͤude ver-
juͤngen,
Und aus der Aſche des großen Gerichts trium-
phirend hervorgehen.


da wird St. Klopſt. Reich anfangen; da
wird das große Gericht zu Aſche brennen; da
wird
[173]Ge
wird der eingemenſchte Sehraff hoch daher ge-
hen; da werden ſie ſehen - - O! - Sene Rari-
te!
Auch ein Gericht von Waſſer, a. St.
Suͤndfluth; ſo wie ein Gericht von Feuer, eine
Feuersbrunſt.


Durch ein Gericht von Waſſern, in welchen die
Erde verſenkt wird. Noah, 192 S.


Ein Gericht kann auch glaͤnzen, und zwar aus
dem Auge:


— Wie glaͤnzet aus deinem Auge
Lauter Gericht!
Wie reden die Donner ſo
laut ihre Stimme! Meß. 155 S.


Sie bruͤllen oft gar ihre Stimme, und knallen.


Gericht.

Es waͤre uns leid geweſen, wenn wir
nicht auch ein lateiniſches Gericht haͤtten bewun-
dern koͤnnen.


Ein murmelnd gericht flieht (nicht fliegt)
von den lippen zu lippen.
Jac. u. Joſ. 63 S.


d. h. man ſaget es ſich ins Ohr. Au! ſ. e. Ge-
ſchaffenes.


Gemengſel.

Ein neues und ſehr edles Wort!


Er warf ſich ins dickſte Gemengſel der Streiter.
Nimr. 503 S.


Druͤcket das nicht ſchoͤn das Handgemeng aus?
und iſt das nicht tapfer?


Geſchmeide.

Mit Geſchmeide ſich wapnen.
Es iſt wahr, die Waffen ſind fuͤrchterlich; zumal,
wann ſich eine Schoͤne damit wapnet; ob wir uns
zwar vor einer nackten Schoͤne noch einmal ſo ſehr
fuͤrchten.


Juͤng-
[174]Ge
‘Juͤnglinge muͤſſen den Leib mit ſtarkem Ge-
ſchmeide bewapnen. Noah, 144 S.
()

Wir wollen uns auch ſo wapnen, und, den erſten
Tag den beſten, auf unſere Liebſte losgehen, die
ſich nur damit ſchmuͤcket. Wir tragen daher kei-
nen Zweifel, daß wir oben und ſie unten zu liegen
kommen wird. Wie ſuͤß wird alsdann unſer
Treffen ſeyn!


Geſchwaͤrzt.

Stiefeln und andere Sachen wurden
geſchwaͤrzet; Se. Gn. aber ſchwaͤrzen auch des
Urtheils Licht:
d. i. Sie machen es zu einer
Pechfackel.
Es iſt ein Ungluͤck: denn ſonſt ſollte
wohl des Urtheils Licht weiß ſeyn.


Des hoͤchſten Guts Genuß war ewiglich ver-
ſcherzt;
Der Sinn ward mißvergnuͤgt; des Urtheils
Licht geſchwaͤrzt. Haller, 108 S.


Geſellig.

Es giebt geſellige Wolken und einſame
Donner:
Wir beneiden jene, und haben Mitlei-
den mit dieſen.


Dunkle geſellige Wolken verhuͤllten noch ihre
Gebirge.
Jn den Geſichten St. Klopſt. 23 S.


Vieleicht werden auch die Wolken von den Ge-
birgen,
von der Wolken Gebirgen verhuͤllet.
Auf eben dieſer Seite bewundern wir 1. ein nie-
driges Thal;
denn es giebt auch hohe Thaͤler;
und 2. den guten Morgen, den ſich die Ster-
ne ſtill biethen;
denn unſere Erde iſt ja auch ein
Stern. Jſt ſie denn ſchon ſeelig? Sie iſt ja
noch nicht geſtorben; allein d. i. a. St. gluͤckſeelig.


Gabriel
[175]Ge

Gabriel kam nur allein zur ſeligen Erde her-
nieder,
Die der benachbarte Kreis voruͤbergehender
Sterne
Still mit einem allgegenwaͤrtigen Morgen
begruͤßte. e. d.


Nun folgen die neuen Namen der Erde; denn
auch die iſt umgetauft. Wir haben einen Mor-
genſtern
geſehen, der hell klingelte; vieleicht
werden die Sterne beym guten Morgen auch
geklingelt haben.


Geſellen.

Blicke zu den Stralen der Sonne ge-
ſellen:
d. h. aus der Sonne auf die Erde ſehen.
Wir bewundern nur, daß die Seelen auf der Zin-
ne
ſtehen; ja, wir glauben, daß ſie, um beſſer zu
ſehen, ſich auf den Zehen erheben: haben ſie nicht
einerley Urſache?


Hier fand er auf der Zinne der Burg die Seelen
der Vaͤter,
Die unverwandt den feurigen Blick zu den
Stralen geſellten. Geſ. St. Kl. 30 S.


Ob man im Feuer gut ſehen koͤnne: das uͤberlaſ-
ſen wir andern zu unterſuchen: wir bewundern es.


Geſpenſt hungriger Begierden.

Hat jemand das
Geſpenſt geſehen? Wir haben auch gehungert:
aber der Hunger war ſehr wirklich: er trieb die
Gedaͤrme recht herum.


Getrieben vom Geſpenſt ſtets hungriger Be-
gierden
Sucht er in Arbeit Ruh, und Leichterung in
Buͤrden. Haller, 98 S.


Wen
[176]Ge

Wen alſo hungert, der arbeite, und wer da
duͤrſtet, der trage Buͤrden: welches ein vortreff-
liches Mittel, ſich zu ſaͤttigen, iſt. Wie wuͤrde
mancher Geizhals ſeine Knechte abſpeiſen! Jſt
der Reim nicht genau? Buͤrden, Begier-
den!


Geſpielin.

Wir halten Sehraff Klopſtocken
fuͤr verliebt; und bemerken, daß ſeine Geſpielin
auch eine Geſpielin der Teufel iſt. Da wollten
wir nun nicht trauen; indem wir wohl wiſſen,
wie es Satan mit der Suͤnde gemacht hat; al-
lein ein jeder hat ſeinen Geſchmack. Wir ſehen, daß
dieſe Geſpielin eben ſo die Lieder liebet, als unſere
Geſpielinnen.


Die du himmliſche Lieder mich lehrſt, Geſpielin
der Engel! (auch der Teufel,)
Seherin Gottes! du Hoͤrerin unſterblicher
Stimmen,
Melde mir, Muſe von Tabor! das Lied! —
Meßias, 12 S.


— Du, unſterbliche Ruhe,
Meine Geſpielin im Thale des Friedens: wo
biſt du geblieben? e. d. 63 S.


So ſtuͤrmet es nie im Thale? Es iſt wahr, wir
ſuchen mit unſern Geſpielinnen auch die Thaͤler:
noch lieber aber die Buͤſche.


Geſpindelte Finger.

Wo ein ſterblicher Kloß ſich
es erdreiſten darf: ſind das ſchoͤne Finger, die
wie Spindeln ausſehen? Oben duͤnn, unten
dicke!
und in der Mitten ein Bauch!


Siphas
[177]Ge

Siphas jungfraͤulich Chor war in die Gaͤrten
gegangen,
Als ihr Vater den Meyneid der 50 Schweſtern
erzaͤhlte,
Daß ſie da ihrer Blumen mit ihren geſpindel-
Fingern

Pflegten. Noah, 39 S.


Hat Sipha es den Jungfern Toͤchtern darum
erzaͤhlet? Die allerliebſten, die kuͤſſenswehrten,
geſpindelte Fingerchen! Wie ſie nicht werden
um den Blumen gefingert haben! Hierauf
ſchwatzen die drey Nymphen von dem Einfluſſe in
dem Ehebette;
und verrathen faſt das ganze Ehe-
geheimniß.
Werden wir nicht bald eine weißar-
michte Dame,
oder weißfingerichte und weiß-
daumichte Jungfer
ſagen?


Geſpraͤche Geheimnißvolle erheben ſich.

Die
verſtehet Gott: aber das Gebeth nicht; Meßias
kann es nicht vorn Thron bringen; und Gabriel
muß die Reiſe uͤber ſich nehmen.


‘Jtzo erhuben ſich neue geheimnißvolle Geſpraͤ-
che. St. Kl. Geſicht, 10 S.
()

Geſtade neue.

Die Seeligen ſitzen, gleich den
Rohrſperlingen, im Geſtade des aͤtheriſchen
Stromes,
und dieſes Geſtade wird nie von ho-
hen Verſammlungen leer
ſeyn; auch die himm-
liſchen Harfeniſten
laſſen ſich da hoͤren.


St. Kl. Geſ. 12 S.


Geſproße des Himmels iſt vieleicht eine Wolke:


‘Jch bin ein Geſproße des Himmels!
Nimrod, 487 S.
()

MSo
[178]Ge

So ſaget die Herrſchſucht, ein Geſproße des
Gehirnes des Hrn. Magiſters.


Getoͤſe.

Wir haben vielerley Getoͤſe; das erſte
z. E. und das zweyte.


— Die ſchaffende Stimme
Wandelte noch mit dem erſten Getoͤſe kry-
ſtallner Meere. Meßias.


Hier kann man ſich eine Stimme vorſtellen, die
mit dem Getoͤſe ſpazieren gehet.


Gezelt.

Jſt folgendes nicht ein fuͤrchterliches Ge-
zelt?


Von dem entſetzlichem Haupt ſtieg ein Qualm
von Schwefelgeſtanke

Zum Erdboden herab in die Naſe der bebenden
Menſchen.
Um ihn her hieng ein Gezelt von dunkelſtra-
lenden Duͤnſten,
Mit ſalpetriſcher Glut ihr Eingeweide durch-
beizet. Noah, 249 S.


Es iſt artig zu ſehen, wie der alte Skalder einen
Qualm, und der dazu nur in einem Geſtanke
beſtehet, herabſteigen,
und dann von unten in
die Naſen klettern
laͤßt. Es iſt auch wohlgethan
geweſen, ein Zelt uͤber den Qualm zu haͤngen,
weil er die andern Planeten auch haͤtte was fuͤr die
Naſen ſchicken koͤnnen. Wir haben ein Weib geſe-
hen, die einen Abtritt auf dem Ruͤcken trug, und
wenn ſich jemand ihrer Buͤrde bedienen wollte, gar
liebreich einen Mantel, oder bodmeriſch, ein
Gezelt, uͤber die ganze Maſchine hing; denn ſie
hatte eben die Abſicht dabey, fuͤr die Naſen der
Nach-
[179]Ge
Nachbarn zu ſorgen. Noch ein Gezelt; ein
Feuergezelt im Orchus; ſo wie ein Eisge-
zelt
im Norden.

Ey! welch ein Fluch!
Ueber ihm moͤge ſein Feuergezelt der Orchus
aufſchlagen! Noah, 192 S.
Da wird es heiß ſeyn! das Zelt wird brennen;
aber nicht verbrennen.


Gewandlos heißt los vom Gewande, nackt ſeyn.


Ziehe ich alſo meine Hoſen aus: ſo bin ich hoſen-
los;
und laͤßt die Jungfer den Rock fallen: ſo
iſt ſie rocklos.


Und mit Aſch’ auf dem Haupte, gewandlos,
ohn’ Urim u. Tummim.
Offenb. St. Klopſt. 106 S.


Gewalthaber.

Hier erinnern wir uns eines Gene-
ralgewaltigers.


Unterm Gewalthaber Nimrod, dem geherr-
ſchigen Koͤnig. Nimr. 493 S.


Wir ſehen wohl, daß der Hr. M. oft auf den
Nimrod ſchimpfet; allein doͤrfen wir ihm auch
trauen? Beſinget er nicht Nimrods Helden-
thaten?


Gezaͤum, a. St. Zaum.

Wir glauben entdecket
zu haben, warum unſere Hn. Neologiſten, be-
ſchnittene Judendichter
und dergleichen, ſich ſo
viel neuer Woͤrter bedienen. Lucian entdeckte es
vor uns; und hier ſind ſeine Worte:


Jupiter! du Freundſchaftsfreund! du
Gaſtfreyheitbeſchirmer! Geſellſchaftsbe-
ſchuͤtzer!
du Hausgott! du Donnerer! du
Meyneidraͤcher! du Wolkenthuͤrmer! du
M 2Ge-
[180]Ge Gl
Geraͤuſchmacher! und wie dich etwan ſonſt
die wirbelſuͤchtigen Dichter nennen moͤgen; vor-
nehmlich, wann ſie von dem Sylbenmaße
in die Enge getrieben ſind, und ſtocken.

Denn alsdann haͤufen ſie deine Ehrennamen;
(dann ſingen ſie ein Halleluja nach dem an-
dern.) Dann mußt du das ſinkende Gedicht
erheben, und die Luͤcken im Verſe ausfuͤllen.
Samml. Lucians deutſch. Ueberſ. 222 S.


Gelt! hier haben wir die Quelle der aͤtheriſchen
Stroͤme.


Gezeptert; a. St. gekroͤnt.

Der Hirt heißt folg-
lich ein gehoͤrneter Mann; denn er hat ein Horn
in der Hand:
ein geflegelter Mann; denn er
hat einen Flegel.


O! ſo wird ſie dadurch erlauchter, als die Ge-
ſellſchaft
Einer Verſammlung gezepterter Fuͤrſten und
Herren der Welt iſt. Noah, 396 S.


Glanz.

Mit Glanze beſaͤen; folglich ſprechet
auch, mit Schatten betroͤpfeln. Alles dieſes
thut ein ſchoͤnes Gemuͤth. Jch einfaͤltiger Tropf
haͤtte geſaget: eine ſchoͤne Seele zieret einen
ſchoͤnen Leib;
allein, da haͤtten wir nicht Glanz
ausſaͤen
koͤnnen: was wird er doch tragen?
Eben daſelbſt bewundern wir einen zierlichen
Wohlklang der Glieder.
Wenn alſo der
Steiß klinget,
iſt das zierlich? Oder klinget ei-
ner Jungfer Steiß beſſer?


Welches (Gemuͤth) den Leib mit Glanz beſaͤt,
der ihn liebenswehrt machet. Noah, 22 S.


Es
[181]Gl

Es iſt zu erſtaunen, wie das Gemuͤth ſaͤen kann:
da es doch in uns iſt. Eben ſo labet uns ein waͤſ-
ſerner Glanz,
ſo wie ein eiſerner.


Hier in dem waͤſſernen Glanz erblickte ſie erſt-
lich ſich ſelber. Noah, 174 S.


Auch ein verſengter Glanz:


‘Einer ſehraffiſchen Anſehns, doch mit verſenge-
tem Glanze. Noah, 208 S.
()

Das war ein armer Teufel; ich wundere mich nur,
daß der Glanz nicht verbrannt iſt: denn Feuer
genug iſt in der Hoͤlle darzu.


Glaͤnzen.

So glaͤnzen die ſeraphiſchen Ge-
wande.


Gabriel
Nahm ſein helles Gewand, (das Gallakleid)
mit dem er beym Engel der Sonne
Stets erſchien. Ein feſtlich niederwallendes
Glaͤnzen
Floß, da er ging, den Fuß des Unſterblichen
praͤchtig hinunter.
Offenb. St. Klopſt. 30 S.


Aus dieſen wenigen Zeilen lernen wir, daß Ga-
briel
auch dunkele Gewand oder Alltagskleider
haben muͤſſe; daß er zuweilen dem Engel der Son-
ne ſeine Aufwartung mache; daß ein Glanz
fließe:
und wir ſehen, wie das Glaͤnzen von ihm
wird getroͤpfelt
haben. Auf eben dieſer S.
ſehen die Bewohner des Monden unſern Tag auf
den Gebirgen wallen
oder ſpatzieren. Der Tag
ſteigt auch, wie ein Eichhoͤrnchen, die Baͤume
hinunter.


M 3Jtzo
[182]Gl Gi

Jtzo ſtieg uͤber die Cederwaͤlder der Morgen
herunter. e. d. 33 S.


Gleicher, d. h. der Aequator: ſo wie Trittling,
und Schnauber.


Ueber des Neguz reich an der nordlichen
Seite des Gleichers. Jac. u. Joſ. 5 S.
()

Auch hier ſind Geſtade; auch hier ſind verſengte
Zinnen;
auch ein Oberhofmeiſter: zum Zei-
chen, daß die oben erwaͤhnte Wirbel eine anziehen-
de Kraft
gegen einander haben.


Glieder von Erde ſind Fleiſch;

Fleiſch alſo iſt ein
Glied von Erde oder Sande; entſprangen wir
nicht aus einem Erdenkloße? Bis ins Paradieß
muͤſſen wir unſere Figuren treiben:


Jn dem Gefild, wo mit den menſchlichen
ſterblichen Fuͤßen
Mein Verſoͤhner zu wandeln, auf ihm die Glie-
der von Erde

Jn den Schatten zu legen gedenkt.
Noah, 373 S.


So hatte der Heyland noch andere Glieder. So
giebts auch goͤttliche unſterbliche Fuͤße, und wan-
delt man mit dem Kopfe. Mit den Fuͤßen wan-
deln, iſt das ein Wunder?


Giftfaͤhig.

Noch nie haben wir gehoͤret, daß je-
mand giftfaͤhig ſeyn koͤnne; und haben es erſtlich
von Ruach Bodmern lernen muͤſſen.


Levi u. Simeon ſteckten ſie (gedanken) in
die giftfæhigen herzen.
Jac. u. Joſ. 27 S.
()

Lernen
[183]Gi Go

Lernen wir hier nicht auch, wie man die gedanken
ſtecken
koͤnne?


Giganten;

ſo hat nunmehr die Rieſen der giganti-
ſche
Dichter umgetaufet; ſind nicht in ſeiner Zir-
beldruͤſe gigantiſche Treppen?
wo ein giganti-
ſcher Gedank nach dem andern hinunterſteiget?


Wo er die Maͤnner vom Rieſengeſchlecht im
Werke verlaſſen,
Eine gigantiſche Treppe zu baun, von ſchließen-
den Stufen. Noah, 137 S.


Wir wollen den gigantiſchen Dichter verlaſſen,
und ſeinen gigantiſchen Verſtand bewundern.


Golfo.

Ein Golfo heißt auf deutſch ein Meerbu-
ſen;
alſo ſage man ein Meerbuſen der Suͤnd-
fluth;
dieſer war nun eben da, wo ihr Haven
war.


Hexe von Endor! beſing die Rettung des
Dichtergeſchlechtes,
Die der Richter von Zyrch im Golfo der
Suͤndfluth vollbracht hat. Noah, 3 S.


Ein Golfo durchſtechen heißt aus dem Meerbu-
ſen hervorragen.
Man ſiehet wohl, daß man zu
dieſem durchſtechen weder Spat, noch Schippe
brauchet. Werft euch in einen Meerbuſen; ra-
get mit dem Kopfe
hervor: ſo habt ihr ihn durch-
ſtochen.


‘— es hatte beynahe den Golfo durchſto-
chen — Noah, 361 S.
()

Gott.

Zernitz ſaget:


Zu Goͤttern ward einſt Gott. 73 S. ſ. Ged.
Jſt das wahr? Wir wiſſen wohl, daß die Heyden
M 4viel
[184]Go Gr
viel Goͤtter verehret haben; in Jndien ſollen ei-
nige die Teufel verehren: ſo koͤnnte man ſagen:


Zu Teufeln ward einſt Gott.


Gehet das an?


Er iſt nicht nur ein Gott der Menſchen; ſelbſt,
der Muͤcke. Zernitz, 156 S.


So kann man ſagen: der Ratzen und der Maͤuſe;
auch iſt gar zierlich nein! ausgelaſſen worden:
wir wuͤrden naͤmlich geſaget haben: Nein! ſelbſt
der
— Noch iſt Gott nie gedacht worden.
Ein frommer Mann aber ſaget


Gott iſt der ſchoͤnſte der Gedanken,
Durch den die kaum erwachte Seele in ſich den
Reiz der Freude lehrt.
Samml. Nicol. 157 S.


d. i. ſie bauet in ſich einen Lehrſtuhl; und lehret:
wen? Sich! Die Gottheit hat auch allda einen
Schatten.


Denn ſollt ihr ihn zum Thron begleiten,
Den meiner Gottheit Schatten deckt. e. d. 3 S.


Sie iſt alſo etwas koͤrperlich; denn wie wir wiſſen:
ſo werfen die Koͤrper nur Schatten.


Gopherne Kiſten

macht der unſterbliche Tiſchler
Bodmer; von einem Holze dazu, deſſen Namen
etwas gophern iſt. Es giebt ganze Baͤume von
Gopher im Noah, und die armen Rieſen muͤſſen
ſich recht damit ſchleppen.


Sipha


‘Legte die Schlafende dann in eine gopherne
Kiſte. Noah, 121 S.
()

Grab.

Was iſt doch ein Grab? Nicht eine Ruhe-
ſtaͤte;
[185]Gr
ſtaͤte; nicht eine Grube? was denn? das
Dunkel der Erde?


— die wohlgeſitteten Menſchen
Sind mit dem Tode der umgebrachten Men-
ſchen zufrieden,
Und vergoͤnnen den Todten ihr Grab, das Dun-
kel der Erde. Noah, 245 S.


Der harte Mann! der Karaibe! Laͤßt er nicht
die umgebrachten Menſchen noch einmal ſter-
ben?
Denn was iſt der Tod der Menſchen, die
ſchon umgebracht ſind?


Ach! wie der boͤſe Mann das Fleiſch nicht ze-
chet!

Wie wird er nicht erſt das Blut freſſen!
e. d. a. e. d. S.


Grat.

Ob dieſes die einzelne Zahl von Graͤten iſt,
aus denen die geſtiefelten Dichter die Berge aus-
bilden:
das iſt noch etwas dunkel. Doch, kein
Wunder! Es ſinget dieſes, wie das ganze Ge-
dicht, ein kleiner Knab, auf den die Muſe geſtie-
gen.
Es iſt moͤglich und glaublich, daß ſie im
Kletern ſeine Zunge, oder das Gehirn verletzet hat.
Junker Zohar ſinget in einer Spinnſtube von
juͤdiſchen Fraͤulein:


Jacob war auf den Grat der ſanften hygel
geſtiegen. Jac. u. Rachel 5 S.
()

Ey! wie der goͤttliche Junge nicht ſinget!


Graͤten.

Ganz ſonderbare Graͤten; wir wiſſen
aber nicht von was fuͤr einem Fiſche, finden wir im
Noah 76 S.


M 5Hier
[186]Gr
Hier u. da ſtehet ihr Ruͤcken, (der jungen Erde)

mit hohen Graͤten erhaben,

Wohlgeſtalteten Huͤgeln von ſanftabneigendem

Hange;

Von der Hoͤhe der Pyramiden; die Hoͤchſten

erreichen

Kaum den Abſchnitt, den wir auf dieſem Ge-

buͤrge bewohnen,

Welches die beyden Gipfel mit Abendwol-

ken umkraͤnzet;

Sonſt mit einem Fett der Erd, als einem Pol-

ſter, bezogen:

Reich an Quellen, die Waſſerkammern der

niedrigen Ehnen ꝛc.

Wir bitten um Erlaubniß, dieſe Nuß aufzuknak-
ken,
und den klaren Kern herauszuklauben. Jſt
die Fuͤgung mit von in den erſten Verſen nicht zu
loben? Jſt der Hang, wie eine Pyramide, ſo
hoch? Umkraͤnzet das Gebirg die Gipfel mit
Abendwolken? Wo iſt
denn der allerliebſte
Kranz? Auf den Gipfeln? oder auf dem Ge-
birge?
Eine Pomadenbuͤchſe, iſt das nicht ein
angenehmes Polſter? Jſt das Polſter reich an
Quellen,
die die Waſſerkammern ſind? Unſer
Verſtand kuͤhlet ſich ganz in dieſen Waſſerkam-
mern
ab. Jſt dieſer
Grand marieur des mots, l’un de l’autre
étonnés

nicht ein rechter Grand marieur?


Verſe,
[187]Gr

Verſe, die muß nicht ein jeder ſo leichtlich verſte-
hen;
Sondern die Meynung derſelben mit Angſt-
ſchweiße errathen:
Welten, Begriffe, Jdeen und Abracadabra;
Dieß ſind die alleine die Zeichen von einer erhabe-
nen Dichtkunſt. Wurmſaamen.
Abracadabraiſt Bodmer iſt ein großer Mann:
nur
Ferner auch fehlen ihm gaͤnzlich die hoͤrſamen
Ohren,

Daß er den Uebel- u. Wohlklang der Verſe nicht
hoͤret.
Er liegt beſtaͤndig u. traͤumet von fremden Ge-
ſtalten,
Und Bildern, die er ſelbſt erfindet, und ſelber be-
wundert. e. d.


Grenzen.

Die Juriſten erklaͤren dieſes Wort am be-
ſten. Jch zeige einen ſeltenen Gebrauch deſſelben
fuͤr die Theologen an. Herr Buttſtett redet von
gewiſſen Leuten, die als Chriſten von der goͤttlichen
Vorſehung heydniſche Begriffe hegen. Dieſes
kurz, ſchoͤn und deutlich zu geben, ſchreibt er:


Sie ſetzen die goͤttliche Vorſehung in die
Grenzen der Heyden.

Vernuͤnft. Ged. 6ter Band, Bl. 10.


Man kann alſo von denenjenigen Leuten, welche
die Verdienſtlichkeit der Werke behaupten wollten,
ebenfalls ſagen:
Sie ſetzten die guten Werke in die Grenzen
der Papiſten.


Jch
[188]Gr

Jch darf den Ausdruck nicht vertheidigen: ohne
Zweifel gefaͤllt er.


Großhoͤrnicht.

Mein Bewunderer! denn ich ſetze
zum voraus, daß alle meine Sammlung bewun-
dern; weil ſie wirklich den Saamen, oder halle-
riſch, die Saat
zu kuͤnftigen Epopoͤen in ſich ent-
haͤlt. Mein Bewunderer! alſo; weißt du wohl,
was ein großhoͤrnichter Laͤufer iſt? Kein Laͤufer,
der einen Pferdefuß hat! Auch kein Pferd, das
etwa einen Gaͤnſehuf hat! Nein! keinesweges!
Was denn? Jch will dirs im Vertrauen ſagen:
ein Hirſch, ein fahler Hirſch iſt. Denn ſo tau-
fet ihn der unſterbliche Magiſter.


Nachdem ers ein wenig getummelt: (das Pferd)
ſprengt er mit verhangenem Zuͤgel
Den Froſt durch, der vor ihm floh; um den
großhoͤrnichten Laͤufer,
Den fahlen Hirſch,
zu verfolgen. Gefaͤllte
ſtrupfichte Staͤmme
Lagen im Wege; daruͤber wollte er ſetzen.
Aber es ſtolpert das Pferd; ſein Reiter ſtuͤrzt
weit hinuͤber. Nimrod, 16 S.


Hieß es da nicht recht nunc jacet in drecco, qui
modo Nimrod erat?
Schade, daß Vir-
gil
nicht auch erzaͤhlet, wie oft Aeneas auf der
Jagd geſtuͤrzet; noch niedlicher waͤre es geweſen,
haͤtte er die ſchoͤne Dido ſtuͤrzen, und uns dabey
eine ſchoͤne Huͤfte, oder ſonſt ein niedliches Hinter-
theil ſehen laſſen. Was waͤre das nicht fuͤr ein
Gegenſtand fuͤr des Hn. M. Pinſel geweſen!
Was fuͤr Farben haͤtten wir da nicht geſehen! Daß
Nim-
[189]Gr
Nimrod ſtuͤrzte, war kein Wunder, und das ar-
me Pferd mußte ſcheu werden. Alle Baͤume lie-
fen;
ſie purzelten uͤber die ſtrupfichten Staͤm-
me:
in ſolcher Unordnung hatte noch Nimrod
von Gluͤcke zu ſagen, daß nicht ein Baum auf ihn
anlief, und Se. Majeſtaͤt zu Boden rennete.


Großvezier.

Schon oben haben wir eine Figur ge-
ruͤhmt, die auf dem Grymſelbergiſchen Par-
naſſe
unterm Namen der Verkuͤrzung benennet
wird. Sie war zu ſchoͤn, als daß ſie der geiſtvol-
le Saͤnger
nicht haͤtte brauchen ſollen. Daher
flieſſet der artige Vers:


Tydor, ſein Großvezier, (des Magogs) der
erſte der Sclaven des Koͤnigs ꝛc.
Jſt ſein zerſchmetternder Arm, den Reſt der Tu-
gend zu daͤmpfen. Noah, 47 S.


Wir koͤnnen dieſes auch den Japanismus fir-
meln: denn woher koͤmmt
das Todesgeſchenke,


Eine goldene Schachtel, darinn ein ſilbernes
Meſſer, (war)

Daß er den Bauch aufſchnitt. — —
Einmal verbot er, die Spitze des Hutes gerade
zu ſtellen:
Fo-am trug ſie gerad; er ſandt ihm das ſil-
berne Meſſer. e. d. a. e. d. S.


Der Dichter laͤßt uns errathen, was er mit dem
ſilbernen Meſſer wird gemacht haben; zum ſpie-
len, und Marcipan damit zu ſchneiden, ſandte ers
ihm freylich nicht. So bodmeriſch iſt noch
kein Dairo geweſen. Auf eben dieſer Seite be-
wundern
[190]Gr
wundern wir auch eine graue Verſammlung:
wir werden aber bald gruͤne und blaue finden; in-
zwiſchen bekennen wir uns zur weiſſen.


Graͤuel.

Haben wir nicht geleſen, daß unſere dich-
teriſchen Maler,
denn unſere Maler werden bald
zu dichten anfangen, nur darum ſo pinſeln, da-
mit ein jedes Wort ein Bild darbiethe?
Was
mag doch folgendes fuͤr ein Bild haben?


‘Und verdiente den Tod im garſtigſten Graͤuel
des Wortes. Noah, 183 S.
()

Das muß ein garſtiger Tod ſeyn. Fraͤulein
Debora,
was zu bewundern iſt, ſpricht ſo; aber
ihre Accente haben viel von Hn. Bodmers ſei-
nen an ſich. Wir haben es im Spiegel verſuchet,
und den Tod ſo garſtig, als moͤglich, ausgeſprochen;
wir grinſeten, wie der Tod im Milton, als die
Suͤnde ihren Liebſten, den verliebten Satan, fuͤr
ihren Gemahl und fuͤr den Vater des Todes erken-
net. Jſt das der Graͤuel?


Grotesk.

Es giebet Voͤgel, die immer ihren eige-
nen Namen rufen: ſollte es nicht den Dichtern oft
auch ſo gehen? Wie ſchreyet der Kibitz? Was ru-
fet der Kukuk? Wie ſinget der Puhu? Und wie
accentuirt Bodmer?


Unbehauener Marmor erhob groteske Ge-
ſtalten. Noah, 388 S.
()

oder:


‘Unbehauene Witzſucht erhob groteske Ge-
dichte.
()

Gruͤndlich Aug:

eben ſo wie ein ſeichtes Auge;
denn alles muß gruͤndlich an unſerm Koͤr-
per
[191]Gr
per werden: auch ein Zopf, ein gruͤndlicher
Zopf.


Und ſoll ein Werk der Kunſt ein gruͤndlich Aug
erfreun,
So muß bloß die Natur in ihm die Seele ſeyn.
Zernitz, 5 S.


Wir bewundern hier die mannigfaltige Zweydeutig-
keit: denn man kann rathen, in wem die Natur
die Seele ſeyn muß? Jm Auge,
oder im
Werke?


Und Kunſt gofaͤllt nicht mehr, hat Witz ſie uͤber-
trieben. e. d.


Jſt das ſie nicht deutlich? Hat der Witz die
Kunſt,
oder die Kunſt den Witz uͤbertrieben?
Leute, die in Bedienungen ſtehen, treiben die Dicht-
kunſt nur als ein Nebenwerk, wie der Großſultan
ein Handwerk. Sie koͤnnen die Zeit, die zur Aus-
beſſerung eines Verſes gehoͤret, beſſer anwenden,
und wie Herr Zernitz Gerichtshalter ſeyn.


Gruͤne und blaue;

gruͤne Unglaͤubige, und blaue
Glaͤubige.
Eine ſinnreiche Anſpielung auf die
pariſiſche Bluthochzeit iſt im Noah, 55 S.
u. f.
zu bewundern.


Jene glaubten, das Blaue des Himmels be-
kleidete die Andacht;

Dieſe fanden im Gruͤnen der Flur mehr geiſtli-
chen Schmuckes.
Man kann leicht denken, daß die Hyaͤnen einen
Schmauß dabey werden bekommen haben:
Damals lachten die Hunde, ſatt von dem Blute
der Gruͤnen
Anais
[192]Gr
Anais an; man ſah Hyaͤnen vor Asdode
gaukeln;
Asdod und Anais lachten hinwieder Hyaͤnen
und Hunden.
Damals ſah man vor Schwere des Kropfs die
Raubvoͤgel wanken. 57 S.


Der Herr Profeſſor ſind mit dem Blute der Gruͤ-
nen
ſehr freygebig. Wie oben geſagt, wir halten
es mit den Weiſſen: denn zwiſchen ſolchen Gruͤ-
nen
und Blauen, Anais, Hyaͤnen, Asdoden
und Anais, Hyaͤnen und Hunden wohne der
Teufel.


Grube.

Eine ganz ſonderbare Grube haben des
Herrn Steinbruͤcks Gedanken: kein Wunder,
daß ſie ſo tief und oft kothicht ſind; denn giebt es
in den Gruben nicht auch Koth? Dieß iſt der
wahre Weg, der zum heiligen Bathos fuͤhret.


Jeder Gedanke von dir (der Seele) der Ewig-
keit wuͤrdig
Entſchwing ſich der Grube, wie du.


Die ganze Seele ſtack auch in der Grube, ehe ſie
Sehraff Klopſtock begeiſterte.


Gruß.

Wir ſind auf den Einfall gekommen, ein
Complimentierbuͤchelein zu machen; welches ein
Dichter, der noch nicht recht in den neologiſchen
Gruͤßen
erfahren iſt, fuͤglich bey Geburthstagen
ſeiner reſpectiveMaͤcenaten und ſonſten wird
gebrauchen koͤnnen. Unter andern ſoll dieſer Gruß
unſer Buch zieren:


— Jch gruͤße das Alter des wuͤrdigen
Noah
Mit
[193]Gu
Mit dem Vaternamen, und Milkas mit dem
Mutternamen.
Beyde lehrten mich an der Bruſt der Mutter
den Namen
Sipha ſtammeln, und Mehtabeel mit Zaͤrtlich-
keit ſeufzen. Noah, 16 S.


Denn iſt das nicht ſchoͤn, wann man einen Na-
men ſeufzen
kann? Wenn man eines Greiſes
Alter Vater,
und einer Vettel Alter Mutter
zu nennen weis? An weſſen Bruſt lag Japhet,
wenn ihn ſeine Mutter an der Bruſt einer andern
Mutter alles dieſes, ja ſtammeln, lehrte? Das
Letztere iſt nicht gewoͤhnlich; und wir haben noch
keine Mutter geſehen, die ihr Kind ſtammeln
lehret. Hat es Hrn. Bodmer die feinige geleh-
ret? Jn der gebundenen Rede ſtammelt er: und
wir ſollten ſeine Frau Mama bald in den Ver-
dacht haben. Wir haben es verſuchet, ob wir ei-
nen Namen ſtammeln koͤnnten: und es ging recht
gut; allein, einen Namen zu ſeufzen: das war
uns zu ſchwer.


Guͤte Gottes wuͤrket, oder ſpinnet Vergnuͤgen.


Das iſt ſchoͤn! Sie wird alſo auch
wohl ein Spinnrad brauchen; wir wollen ihr da-
mit aushelfen, und ſchlagen das aus dem Anti-
longin 55 S.
vor; erſparen ihr aber die Muͤhe,
ihr Geſpinnſt zu bringen: wir wollen es ſelbſt
holen.


Milca! wir koͤnnen die Guͤte, die uns Ver-
gnuͤgen zu wuͤrken

NHeim-
[194]Ge
Heimlich arbeitet, und wenn es gewuͤrkt iſt,
es zu uns herabbringt,
Beſſer nicht loben, als wenn wir in ihrem Um-
kreis ſie fuͤhlen. Noah, 106 S.


Vieleicht iſt dieſer Umkreis ihre Weife.


Geſtirne.

Warum fliehen ſie doch und klingeln
nicht lieber?


Lieblicher, als die Geſtirne, da ſie vorm Throne
des Schoͤpfers
Jugendlich neu, und voll Licht, mit ihren Ta-
gen vorbeyflohn.
Geſicht St. Kl. 15 S.


Schleppeten ſie denn alle ihre Tage mit ſich?
Werden ſie jemals alt? Sollte der Dichter Recht
haben, wenn er den Baron troͤſtet:
Aber was kann der Zernichtung und dem Falle
widerſtehn:
Da ja Sterne ſelbſt verſchwinden und auch Son-
ne untergehn?


Gewuͤrzt.

Wuͤrzkraͤmer Bodmer wuͤrzet auch
Tugenden: nicht mit Pfeffer; nicht mit Zim-
met: mit Wohlſtand:
welche Wuͤrze!


Tugend im neuen Licht (im 1 Mondviertel)
zu wuͤrdigerm Anſehn gereifet;
Guͤte mit Wohlſtand, und Einfalt mit Ern-
ſte geſchmuͤcket. Noah, 62 S.


Der Dichter will ſagen gepfeffert: denn ſo hat er
zwey Gerichte und ſpeiſet im Mondenſcheine
der Tugend. Hyaͤnen
und Amphisbaͤnen ma-
chen die Tafelmuſik, und Rieſen Nephilim, Re-
phaim, Zuzim, Gibbarim, Zamzummim
und
Emim warten auf. Siehe Volk!


Haͤf-
[195]Ha

H.


Haͤften.

Voller Gefuͤhl des Gerichts —
Stand er auf die Erde geheftet, —
Offenb. St. Kl. 182 S.
()

Wir wiſſen nicht recht, ob der
nicht mehr der unſterbliche Seraph,
Gleich dem Menſchen von Erde gemacht, —
e. d.


mit den Fuͤßen, oder mit den Augen an die Erde
angenaͤhet geweſen: allein, das wiſſen wir und
lernen es aus dieſen Verſen: daß ein unſterbli-
cher Seraph gleich dem Menſchen von Erde
gemacht ſey;
aber es iſt auch St. Kl. Sehraff,
den jener erſt aus einer Morgenroͤthe gehauchet
hatte. Gleich darauf ſchreyet dieſer irdene
Seraph:

Heil mir! daß ich geſchaffen bin! Heyl! daß
du ewig biſt! Heyl dir! Heyl! Heyl! nicht
Trink Heyl! ſ. ein Geſchaffenes.


Fuͤhlet das Gericht, oder fuͤhlet der Seraph?
der Seraph: denn er danket ja, daß er nach-
empfunden;
und ihm vorempfunden worden.


Haͤlfte.

Eine Haͤlfte eines trefflichen Verſes iſt:
— ſchafft Haͤlften Haͤlften gleich. Zernitz, 4 S.
Wenn nun die Natur zwo Haͤlften machet, die
einander gleich ſind, wird das ein Ganzes? Man
ſehe ein Blatt: iſt eine Haͤlfte, wie die andere?
Zwar die Verſe ſind einander ſehr aͤhnlich, die der
Herr Zernitz gemacht hat: einer verdreht; der
andere geſtutzt.


N 2Haͤß-
[196]Ha

Haͤßlich fallen, a. St. ſehr fallen.

Wenn alſo ein
Jung auf dem Eiſe auf den Steiß faͤllt: ſo muß
er ſchreyen: ich bin haͤßlich gefallen! Freylich
wird ſein Hintertheil alsdann noch haͤßlicher, als
ſonſt, ausſehen. Der arme Junge!


‘Dieſes Geſchlecht, nur juͤngſt erſchaffen, iſt haͤß-
lich gefallen. Noah, 107 S.
()

Hier bewundern wir auch eine Sehnſucht, die da
ſpornet; denn wenn ein Verliebter gern zu ſeiner
Schoͤnen will: ſo ſetzet ſich die Sehnſucht auf
ihn, und giebt ihm Spornen.
Allein in aller
Demuth zweifeln wir, daß er mit ſeiner Reiterin
nicht um einen Schritt naͤher koͤmmt, wenn ſie ihn
auch peitſchete, und mit verhaͤngtem Zuͤgel
jagte.


Haͤufen.

O! moͤcht’ ich doch, durch wuͤrdigs Singen,

Dem ſtillen Orte Ehre bringen,

Der ſeine Laſt durch Menſchen haͤuft!

Nicol. Samml. 112 S.

Weißt du, lieber Leſer! was das fuͤr ein Ort iſt?
Kein Miſthaufen, obgleich der ſeine Laſt auch
durch Menſchen haͤuft!
Der haͤlliſche Kirch-
hof
iſt es! der naͤmlich nimmt die Leichen auf die
Schultern, und laͤuft damit fort! Er begraͤbt ſie
ſich auch ſelber. Welch ein Kirchhof!


Hayn.

Um zu ſagen: aus Cedern nach Salo-
mons Art gebauet;
ſage:


Ein weiter Saal
Aus des erhabnen Libanons Hayn ſalomo-
niſch erbauet. Meß. 106 S.


Alſo a. St. von Eichen erbauet ſage: aus dem
Harze
[197]Ha
Harze erbauet; ſind gleich nur ein Paar Schock
darauf gegangen. So kann man auch ſagen, ein
Heldengedicht, aus den 50 geſtohlenen Dich-
tern des Miltons klopſtockiſch erdichtet.
Mei-
ne Leſer verſtehen doch wohl die Staͤrke des Bey-
worts, oder Nebenwortes klopſtockiſch? Wenn
ſie es nicht wiſſen: ſo will ich ihnen ins Ohr ſagen,
daß es ſo viel heißt, als ſchoͤpferiſch.


Hafen.

Hat ſchon jemand einen Hafen laufen
ſehen?


Der Hafen eilt dem Wunſch entgegen.
Nicol. Samml. 110 S.
()

Wir waren letztens ſpatzieren gegangen; und er-
ſchracken herzlich, als uns unſer Haus entgegen
gelaufen kam.
Wir liefen hinein, und befuͤrch-
teten, eine große Unordnung darinnen anzutreffen:
denn es war uͤber ein Paar Bruͤcken gerennet: aber
es war alles ganz ordentlich. Das Haus lachte
uns an,
und wir merkten, daß es mit uns nur
hatte gaukeln wollen.


Hallelujah.

Die Halleluja ſingen auch ein Hal-
leluja;
denn ſo verſtehen wir den Lobgeſang der
Hallelujah.


‘Und der Jubelgeſang der Hallelujah ver-
ſtummte. Geſicht St. Kl. 145 S.
()

Denn wie koͤnnte er verſtummen, haͤtte er nicht
geſungen: lieber Kyrieleiſon!


Hallelujahgeſang.

Wir wollen hoffen, daß ein je-
der Meßianer dieſen Hallelujahgeſang beſſer
verſtehet, als viele fromme und ehrliche Chriſten
das Kyrieleiſon und Sela. Wir geſtehen unſere
N 3Schwaͤ-
[198]Ha
Schwaͤche, und ruͤhmen uns derſelben: wir wiſſen
nicht, was das heiſſe einem


Jauchzend mit Hallelujageſaͤngen entgegen-
ſegnen. Offenb. St. Kl. 33 S.


Denn in einem Athem zu jauchzen, und auch Hal-
leluja
zu ſchreyen, daͤucht uns fuͤr die ſtaͤrkſte
Bierkehle unmoͤglich. Jauchzen und ſingen;
ſingen
und jauchzen kann nur ein ewiger Jauch-
zer,
wie St. Kl. iſt. Allein das bekennen wir:
wo das ein Hallelujageſang iſt, wo auf allen
Seiten Halleluja ſtehet: ſo iſt Meßias, oder
der Traum St. Kl. der ſchoͤnſte Hallelujage-
ſang.
Noch ein Hallelujachen!


Halleluja! ein feyrendes Halleluja! o!

Erſter!

Sey dir von uns unauf hoͤrlich geſungen! Zur

Einſamkeit ſprachſt du:

Sey nicht mehr! und zu den Weſen: entwi-

ckelt euch: Halleluja!
e. d. 14 S.

Da muß dem lieben Gott viel daran gelegen ſeyn,
daß wir in alle Ewigkeit hinein Halleluja ſchreyen:
doch wir wollen in die Gottesgelehrſamkeit, die ſo
vielen Schwaͤrmereyen ein Maͤntelchen geben muß,
nicht pfuſchern. Nur moͤchten wir uns gern be-
lehren laſſen, was die Einſamkeit geworden ſey:
da ſie nicht mehr war. Lauter Geſellſchaft?
und alsdann moͤchten wir wohl wiſſen, wer das
letzte Halleluja geſungen? Hr. Klopſtock?
oder Gott? Jſt dieſes: ſo muß ſich Gott ſelbſt
eins ſingen; iſt jenes: ſo wollen wir auf des D.
Ambroſius Lobwaſſers
Gruft treten, und
jauchzen:


“Was
[199]Ha
‘“Was liegt ihr ſo ſtill der Auferſtehung der
Gebeine?”
()

Halsberg.

Wuͤßten wir wohl, was ein Halsberg
ſey: waͤre der folgende Vers nicht der Verraͤther
des erſtern?


Naͤchſt ein Krieger in ſeinen geſtrickten Hals-
berg geſchloſſen,
Auf dem Helm ſaß der Blitz mit zackichten
Pfeilen geſpitzet. Noah, 206 S.


Das wird alſo wohl ein geſchloßner Helm ſeyn.
Allein mit Erlaubniß des Hn. Plattners! Wir
koͤnnen nicht glauben, daß ein geſtrickter Helm
Schuß oder Hieb abzuhalten im Stande ſey; wir
trauen es dem ſchlechteſten Filze eher zu: ja wenn
jener auch von Leder geſtricket waͤre. Wir nen-
nen dieſe Figur den Erzſchrein; weil ſie uns von
den Erzſchreinhaltern ihre Abkunft herzuleiten
ſcheinet. Ach! der ſelige Clajes, wie wuͤrde er
nicht dirdirliren: koͤnnte er aus dem Grabe ſeinen
Sohn Bodmer hoch daher gehen ſehen!


Halbſcheid.

Ey! wie der Hr. Magiſter nicht
uͤberſetzen kann! Er ſcheidet die Erde in zwoen
Haͤlften und nennet eine Hemiſphaͤre Halb-
ſcheid;
nicht ein halbes Scheit Holz.


Die Feuerkugel der Sonne ſenkte ſich ſchon hin-
term Meere
Zur zweyten Halbſcheid der Erde.
Nimrod, 479 S.


Noch eines a. e. d. S.


‘Die Leibgarde wurde ſo matt, als uͤbertrieb-
ne Heerden.
()

N 4Wir
[200]Ha

Wir wiſſen nicht, ob es Ochſen, oder Schweine
geweſen. Es ſey nun, wie es ſey: fuͤr eine nim-
rodiſche Leibgarde
iſt es immer gut genug.
Denn waren die Schlingel nicht Rieſen? Ein
anders waͤre es, wenn ſie aus artigen, kuͤſſens-
wehrten Stutzerchen, wie unſere Leibgarden, be-
ſtanden haͤtte: da muͤßten wir Mittleiden haben,
wann ſie untern Helmen ſo keichten; aber der
Ringkragen, der Reſt von der Ruͤſtung der Rie-
ſen, iſt ſo ſchwer nicht; ja wenn auch ein Spon-
ton
dazu kaͤme.


Handſchuhbewaffnete Fauſt.

Spottweiſe war in
dem Lockenraube behandſchuht geſaget worden:
Warum dringt der Stutzer Heer weiß behand-
ſchuht um den Wagen?


Hr. Bodmer, als ein ernſthafter Mann, reitet
auf dem Kinderpferdchen ganz oͤffentlich und ſagt:


Wer mit handſchuhbewaffneter Fauſt dem
Gegner die Bruſt brach. Noah, 46 S.


Wir gehoͤren zwar eher zun Pigmaͤen, als zun
Rieſen; waͤren wir aber daͤbey geweſen: wir
haͤtten uns von keiner Fauſt, die nur mit einem
Handſchuh bewaffnet
geweſen, die Bruſt bre-
chen laſſen;
ja waͤren auch die Stuͤlpen uͤbern
Ellenbogen gegangen. Nach den Spielen auch zu
urtheilen, ſo war Virgil um ein Paar Ellen klei-
ner, als Bodmer: denn auch in Spielen erken-
net man den Geiſt. Noch etwas e. d.


Mit dem Schlachtfeld vertraut, ein Muͤndel
der Loͤwen; am Schlachttag
Hielt
[201]Ha
Hielt er ſein Leben wohlfeil; er trugs auf
der Schneide des Schwertes.
Noah, e. d.


Wir moͤgen das Leben nicht kaufen, das uns ſo
ſpitzig angebothen wird. Ein Miſtjunker aber
kann ſagen:
Mit dem Miſte vertraut, ein Muͤndel der
Ochſen; am Schlachttag ꝛc.

denn, wenn die gnaͤdige Frau ſchlachtet: ſo hat
er einen Schlachttag; hat er aber einen Tag
der Schlacht?


Harfen:

ſo kann man ſagen waldhorniren; auch:
Leid verwandelt ſich in Harfen, oder Trompe-
ten; Freude
aber in Brummeiſen, und Du-
delſaͤcke.


Wenn ſich das leid bei meinem betagten
vater in harfen,
Und die weinende Stimme des werthen in
pſalmen verwandelt. Jac. u. Joſ. 59 S.
()

Wenn alſo ein junger Herr Faͤhnrich wieder-
kommt: ſoll die Frau Mama Pſalmen ſingen?


Harmonie.

Der harmoniſche Traͤumer Klop-
ſtock
zeiget, wie man Traͤume in Wahrheiten ver-
wandeln; und Wahrheiten mit Luͤgen kuͤnſtlich
verbraͤmen koͤnne: welches uͤberhaupt ein Mittel
iſt, alle Tiefen des heiligen Bathos zu durch-
kriechen, und den Grimſelberg auf den Berg
Sinai
zu thuͤrmen. Denn woher entſpringet
das Geklingel ſeiner Sterne? das er, wie an
einem heil. Dreykoͤnigstage, von den himmli-
ſchen Jungen
oder Juͤnglingen behorchen und
N 5accom-
[202]Ha He
accompagniren laͤßt. Sind das nicht die pytha-
goriſchen Singweiſen des Himmels?


Wenn er wandelt, (ſpatzieren gehet,) ertoͤnen
von ihm auf Fluͤgeln der Winde
An die Geſtade der Sonnen die ſphaͤriſchen
Harmonien

Hoch hinuͤber. Traum St. Kl. 12 S.


Wir ſtellen uns hierbey eine Orgel vor, die der liebe
Gott tritt, und wovon die Winde den Kaſten fuͤl-
len, deſſen Baͤlge Calcant Klopſtock tritt. Die-
ſes Orgelwerk aber beſtehet nur aus einem Pe-
dale;
denn wir werden hier kein Manual ge-
wahr: es wird alſo ſehr brummen. Nur klin-
gelt
oben der Morgenſtern. Hat die Sonne
auch Geſtade?


Haſſer, ſo wie Lieber: mein Haſſer, dein Lieber;


a. St. er haßt mich; und ich liebe dich.


‘Einer, der edler geſinnt iſt, und nicht dein Haſ-
ſer, Jehovah! Traum St. Kl. 180 S.
()

Hat Lucian nicht die Quelle dieſes Jehovah ge-
zeiget? Wir fragen nur!


Harmloſes Opfer

iſt ein Opfer, welches keinen
Harm, keinen Gram hat.
Die Ochſen uͤber-
haupt haben nicht viel Gram oder Harm: und der
Gott des Harmes
faͤllt ihnen nicht ſo ſchwer,
als uns.


Und verbrennen dem Richter und Freund ein
harmloſes Opfer. Noah, 184 S.


Heer.

Hat je eine Bademutter ein Heer in einer
Frau Leibe geſehen?


zugleich ward Jacobs geſchlechte
An
[203]He
An der Bærmutter geſegnet u. drohte, zu
Heeren zu wachſen. Jac. u. Joſ. 100 S.


Man ſehe nur, wie der Vers durch das Wort Bær-
mutter
tief wird. Zu dieſer Tiefe zu gelangen
verſaͤume man keinen Kayſerſchnitt; und bemerke
wohl die innerlichen Lagen der Theile des weibli-
chen Geburthgliedes. Wir haben z. E. uns vor-
genommen, einen Hodenſack aufzuſchneiden, ihn
wohl zu betrachten, und ſeine Schoͤnheiten in Verſe
zu bringen. Ein Gratulant merke ſich das zu
Heeren wachſen;
und wuͤnſche ſeiner Frau Baa-
ſe ein Paar Heere aus dem Leibe. Die arme
Frau! der entſetzliche Bauch!


Heerdemann.

Schoch hatte nur geſagt:
Dein Vieh muß dir in vollen Eitern ſtehen,
Der Heerde Mann, der große Ziegenbock ꝛc.


Das ſprach ein einfaͤltiger Schaͤfer: nun aber
zeucht dieſes ein weiſer Dichter, wofuͤr er ſich
ausgiebt, zuſammen; und finget:


Der junge Heerdemann, wann er den Thau ge-
rochen,

Verlaͤßt ſich auf die Kraft der maͤnnlich (och-

ſicht) ſtarken Knochen;

Sucht ſeinen Gegner auf ꝛc.

Samml. Nicol. 150 S.

Jſt das nicht der Dorfbruͤmmel? Nichts fehlet,
als daß er ihn nicht jauchzen laͤßt; denn alsdann
waͤre es ein vollkommener klopſtockiſcher Ochſe
oder Stier. So heißet denn ein Gaͤnſerich der
Gaͤnſemann; ein Entrich der Entemann.


Heerold.

Jn alten Zeiten, die auch im Kriege auf
Ord-
[204]He
Ordnung hielten, ſchickte man ſich Herolde zu,
Krieg und Frieden zu ſchlieſſen. Wir wiſſen nicht
recht, warum der Tag die Daͤmmerung als ei-
nen Herold voranſchicket.
Soll er der Nacht
den Krieg ankuͤndigen?
Sie wird nicht Stand
halten: denn ſie iſt ſchon auf der Flucht, wann die
Daͤmmerung koͤmmt.


‘Die fruͤhe Daͤmmerung, der Herold von
dem Tag,
Entfaͤrbt Aurorens Kleid.
Samml. Nicol. 151 S.
()

Was? Soll der Herold Auroren das Kleid
nehmen: oder nur die Farbe? Oder ſoll Aurora
noch mehr Aurora werden, als ſie iſt? Wird
man nicht roth oder blaß, wann man ſich entfaͤr-
bet?
Konnte man vorher wohl ſagen: ich entfaͤr-
be dich?
Noch ein Herold!


— Die Pracht der himmliſchen Bildung
Hat die Natur nicht tuͤckiſch zum Herold der
Falſchheit geordnet. Noah, 98 S.


Wenn alſo ein falſcher Kerl ſchoͤn iſt: ſo iſt ſeine
Schoͤnheit ein Herold ſeiner Falſchheit.
Ein
Herold aber iſt vor andern Menſchen zu erkennen:
allein, jener nicht. Das waͤre nicht undienlich,
wenn ein Herold immer vor einem falſchen Kerle
voran ginge. Mancher ehrliche Biedermann, der,
wie ein Tuͤrk, eine ſchoͤne Seele in einem ſchoͤnen
Koͤrper glaubet, wuͤrde nicht anlaufen.


Herrſcher.

Dieß ans der Muͤnze Sr. Gn. gekom-
mene, und mit Dero Bildniſſe bezeichnete Wort
ſiehet
[205]He
ſiehet ſehr pigmaͤiſch aus, wenn es mit kurz ge-
fuͤget wird.


Mein ſtilles Gluͤck, die Luſt von wenig Stunden,
Jſt wie das Gluͤck von einer Sommernacht,
Jſt ohne Spur, als wie ein Traum, ver-
ſchwunden,
Der Bettler oft zu kurzen Herrſchern macht.
Haller, 148 S.


Wie lang iſt alſo ein langer Herrſcher? Ein
langer Koͤnig, und ein kurzer Herrſcher? Ein
kurzer Dichter, und ein langer Reimſchmidt?
Sind die Traͤume in einer Sommernacht
nur
ſo gluͤcklich? Wir traͤumeten einmal in einer
Winternacht, daß Herr v. Haller ein kurzer
Herrſcher
auf dem deutſchen Pindus waͤre.
Es war aber kein Traum: denn wir hoͤren, daß
er wirklich herrſchet, und ein langer Herrſcher
untern Sylbenhenkern ſeyn wird. Wird uns
unſer Traum ausgehen?
wie die alten Weiber
ſagen.


Hellen, a. St. erhellen.

Wir haben ſchon oben
bewundert, daß unſere heiligen Dichter berechti-
get ſind, den armen Woͤrtern bald ihren Kopf,
bald ihren Schwanz zu rauben; ja das Eingeweid
[reiſſen] ſie ihnen aus dem Leibe. Der heilige
Laͤchler
ſaget unter andern:


Ein goͤttliches Laͤcheln

Hellt die ſelige Stirn und unausſprechliche

Freude

Floß, da er ging, um ſein Haupt. So wie

der Himmliſchen einer,

Der
[206]He
Der als Waͤchter zween Liebende ſchuͤtzt, die

edler ſich lieben,

Tief verlohren in ſeiner Entzuͤckung, auf

bluͤhenden Huͤgeln,

Unten am ewigen Thron ſtehet, wenn Seraph

Eloa vor Gott ſingt,

Und der toͤnenden Harfe die himmliſche

Sprache gebiethet.

Traum St. Klopſt. 124 S.

Hier lernen biegſame Koͤpfe, denn mit den harten,
die auch die Proſe und die geſunde Vernunft in
die Poeſie bringen wollen, haben wir nichts zu
thun; hier lernen wir alſo, 1. wie ein Laͤcheln ei-
ne Stirne, die ſchon bey lebendigem Leibe ſelig iſt,
hellen oder erhellen koͤnne; naͤmlich durch ein
goͤttliches Laͤcheln,
ob wir gleich nirgends finden,
was das ſey: wir auch in der Bibel umſonſt ein
goͤttliches Laͤcheln geſuchet haben; vielmehr iſt
bemerket worden, daß der Heyland nirgends ge-
lachet, ſondern oft geweinet. Wir wuͤnſchten nur
Sehraff Klopſtocken laͤcheln zu ſehen, um ein
kleines Bild davon zu bekommen. 2. koͤnnen wir
uns die unausſprechliche Freude, die um das
Haupt gefloſſen, als einen magnetiſchen Wirbel
vorſtellen; und wuͤrden um den ſeligen Fuͤßen
auch noch einen haben fließen laſſen. 3. loben
wir das a. St. Engel des Sylbenmaßes wegen ge-
brauchte Wort Himmliſcher: denn ſo koͤnnen wir
a. St. Menſch fuͤglich ſagen, ein Erdener oder
Jrdiſcher. 4. freuen wir uns, daß die Engel
auf den Huͤgeln ſitzen, wenn wir unten im Tha-
le
[207]He
le mit unſern Geſpielinnen kaͤlbern. 5. ſehen
wir, daß man in tiefer Entzuͤckung ſeyn, und doch
wachen koͤnne: nur fuͤrchten wir, daß es dem En-
gel wie dem unſterblichen Neuton gehen moͤchte,
der, in eben einer ſolchen Entzuͤckung, den kleinen
niedlichen Finger einer Dame, bey der er ſaß, fuͤr
einen Tobacksſtopfer anſah, und mit ihm getroſt
die gluͤhende Aſche zuruͤck ſtopfte. 6. werden wir
mit Erſtaunung gewahr, daß der himmliſche
Virtuoſe Eloa
oft ein Solo ſinget: aber wie
wird das klingen? die himmliſche Harfe redet ih-
re himmliſche Sprache darein:
denn er gebie-
thet ſie ihr, der Harfe. Doch, wir beſinnen
uns; haben wir nicht Stuͤckchen von irdiſchen En-
geln
gehoͤret, welche Stuͤckchen halb geſungen,
halb geredet,
und halb gepfiffen wurden? Es
klang ſehr ſchnakiſch.


Heckicht.

So, wir wir einen Edelmann bewun-
dern, deſſen Geſchlechtsregiſter ſich bis in der Hun-
nen
Zeiten verlieret: ſo hat uns auch folgendes
Beywort unſere Bewunderung abgedrungen, da
uns ſein Urſprung in ein angenehmes Gewirr von
Hecken und Dornen verfuͤhret. Wir holeten
auch, wie der erſte Rebelle, aus; allein, noch
dieſe Stunde haben wir unſer rechtes Bein aufge-
hoben: denn wir fuͤrchten uns vor den Hecken.


Jhre gigantiſche Treppe war an der nordli-
chen Seite
Angelegt, in der Gegend, wo Satan, der erſte
Rebelle,

Als
[208]He
Als er gekommen, im Berg die erſten Menſchen
zu ſuchen,
Fern von dem rechten Eingang mit einem
hoͤhniſchem Sprunge
Alle Klippen und heckichten Schanzen des
Bergs uͤberhohlte. Noah, 138 S.


Gigantiſche Treppen haben wir oben bewundert;
dem Rebellen werden wir weiter hinten unſere
Aufwartung machen: doch haͤlt uns der rechte
Eingang und der hoͤhniſche Sprung
auf.
Wahrhaftig! ſo ſpringen alle Katzen; und wir ha-
ben unſern Hauskater oft bewundert, wenn er ne-
ben dem Gartenthore mit einem hoͤhniſchen
Sprunge die Mauren uͤberhohlte. Sie lie-
fen zwar nicht vor ihm ſo ſchnell, als die he-
ckichten Schanzen vor dem erſten Rebellen:

aber ſie liefen doch; wie haͤtte er ſie ſonſt uͤber-
hohlen
koͤnnen? Wir nennen dieſe Figur den Teu-
felsſprung,
oder den Miltonismus. Sprich
a. St. aufm Berg im Berg.


Herbſt.

Niemals haben wir einen ſchoͤnern Herbſt,
als folgenden, gehabt:


‘Was ſie nicht pfluͤckten, ein Herbſt, Heerſchaa-
ren von Voͤlkern zu ſpeiſen:
oder: Noah, 217 S.
()

Heerſchaaren von Maͤuſen. Wie ſie nicht freſ-
ſen, einen ganzen Herbſt freſſen! Die mitleidi-
gen Jungfer Toͤchter des Hrn. Sipha befuͤrchten
die Verwuͤſtung ihrer Saͤmchen; ſie fuͤrchten,
die Erde ihres kurzen Fruͤhlingsgewandes be-
raubet
und nackend zu ſehen. Wir wuͤrden ge-
ſaget
[209]He
ſaget haben: man gebe ihr ein Langes, und laſſe
das Haͤschen laufen.


Aber ſie wurden vom Sem die eitle Sorge
gelehret.

d. i. ſie wurden belehret, daß ſie nicht geſcheidt
waͤren.
Er tritt darauf mit ihnen einen Streit
an; erwaͤhnet der verſtaͤubten Saͤmchen; nen-
net die Suͤndfluth eine Waſſerdecke; alſo auch
Feuer eine Feuerdecke. Er ſaget:
Oft iſt ein Volk von Blumen aus einer Blu-
me
gewachſen.


Wir wollen, wegen dieſes Volkes, unſern Gaͤrtner
fragen; weil wir fuͤrchten: dieſes Volk koͤnne
uns aus unſerm Garten treiben. Weiter ſpricht
Sem von einem Baume, der oft Schatten,
fuͤr ganze Heerden, verbreitet.
Ja! ja!
wenn ſechs Schafe eine Heerde ſind. Er ſa-
get: die Luft wehete uns, aus fernen Ge-
genden, Amerika, Aſien, Afrika, Blu-
men zu;
bald werden wir nicht mehr ſaͤen: denn
wir warten auf einen Wind, der uns aus Jn-
dien die ſchoͤnſten Blumen zuwehe;
die ſich wie
Blaſen elaſtiſch erheben, und ſpatzieren ge-
hen.
Da iſt es leicht, Gaͤrtner ſeyn! Noch ein
Herbſt, und zwar ein Herbſt, den ſechs Seelen,
drey Fraͤulein und drey Maͤnnlein, tragen
koͤnnen.


‘Jtzo begunnen ſie auch den Herbſt in die Arche
zu legen. Noah, 222 S.
()

Die Arche muß ſehr groß geweſen ſeyn, wenn ſie
auch nur die Aepfel haͤtten hineinlegen, und die ar-
Ome
[210]He
me Pomona laufen laſſen wollen. Allein, was
zu bewundern iſt: es war ein Herbſt,


Welchen der unterſte Berg in ihrer Naͤhe ge-
waͤhrte. e. d.


Auch das muß ein entſetzlicher Berg geweſen ſeyn,
der im Stande iſt, einen ganzen Herbſt zu ge-
waͤhren.


Herodes iſt Satans Opferprieſter:

der arme Koͤ-
nig! eine neue Wuͤrde!


Unterdeß ließ ich, nicht muͤßig zu ſeyn, durch
meinen Erwaͤhlten,
Meinen Koͤnig und Opferprieſter Herodes
zu Bethlem,
Saͤuglinge wuͤrgen.
St. Klopſtock in ſ. Geſichten, 53 S.


Ein feiner Zeitvertreib! Jſt Herodes jemals
Satans Koͤnig geweſen? Uns iſt es unbekannt.
Wuͤrden ſich die alten Helden nicht wundern, wenn
ſie die Buͤcher leſen, die wir von ihnen und ihren
Wuͤrden ſchmieren? Der Fuchs im Hn. Licht-
wehr
hat wohl Recht:


Was da der Fuchs ſpricht, wuͤrden wir

Von hundert alten Helden hoͤren:

Wann ſie die Buͤcher, die wir hier

Von ihnen leſen, kundig waͤren.

Heiter dienen, und finſter ungehorſamen.

Heiter u. jung dien’ ich dir. Nur Freundſchaft

belebe

Mich, als ſchon halb ſterbenden Greis!

Ode an Steinbruͤck.

Ach! wie der allerliebſte, der empfindende Dich-
ter
[211]He
ter nicht jung, und zugleich ein ſchon halb ſter-
bender Greis
ſeyn kann!


Herzerhoͤhende Worte.

Sonſt ſagte man herzruͤh-
rende:
allein, da war nichts hohes oder tiefes
darinn.


Japhet verſetzte darauf die herzerhoͤhende

Worte. Noah, 16 S.

Wo ſoll aber das Herz ſeyn, wann es nun hoͤher
iſt? Jm Schlunde? Da gehet es beym erſten Hu-
ſten verlohren.


Herzdurchwuͤrzend.

Ha! Ha! das Herz iſt auch
eine Biermerthe, die man wuͤrzet. Das Herz,
dachten wir, brauchte nicht gewuͤrzet zu werden:
denn wir wollen es weder ſchmecken noch riechen.
Wenn die heiligen Maͤnner lieber den aͤuſſerſten
Schlund wuͤrzeten.


Jhre Soͤhne beſchauten mit herzdurchwuͤrzen-
der Wolluſt
Dieſe zaͤrtliche Scene. Noah, 112 S.


Wir wollen den Vorhang herunter laſſen; die
Soͤhne werden bald ihren Geſpielinnen etwas an-
ders durchwuͤrzen.


Nur ein Blick, nur ein Kuß, in welche die See-
le hervorſtieg,

Sprachen Reyhen Gedanken auf einmal u. oh-
ne Verwirrung e. d.


Wir wiſſen nicht, ob die Seele auf dem Blicke
oder auf dem Kuſſe gekletert habe.
Wir ſind
auch verliebt geweſen; allein, wir koͤnnen auf un-
ſere Ehre verſichern: wir dachten nichts; wir
empfanden nur,
und waren wirklich ein
O 2Sehraff:
[212]He
Sehraff: wir wollten nur, und waren, bis
auf den kleinen Finger, lauter Fuͤhlung.
Vie-
leicht liebet man in Zyrich und an der Lindmatt
auf eine andere Art.


Herz.

Ein Herz, das mit Steinen eingefaßt,
oder cramoiſirt iſt: das iſt ein hartes Herz!
Man laſſe es brillantiren; es wird noch haͤrter.
Juda
ſaget zum Jacob: denke nicht, daß,


Da ich ihn ſeh, mein herz mit ſtein ein-
gefaßt ſey,

Daſs es in voller maaß mein ſohnstheil da-

von nicht empfinde.Jac. u. Joſ. 17 S.


Lies a. St. ſohnstheil, bruderstheil; folglich
auch tochtertheil, ſchweſtertheil, wie die
Herren Juriſten bey Erbſchaften reden. Jſt das
weibliche Geſchlecht nicht ſchoͤn? die Maaß! Al-
lein die bodmeriſchen und klopſtockiſchen Woͤr-
ter, gerade, wie ihre Engel,


‘Werden, wie es uns beliebt, heute Maͤnner,
morgen Weiber. Lockenraub.
()

Herunterbethen:

folglich auch einen herauf bethen;
denn der Fuͤgungen ſind mannigfaltig, die ein
Wort in der heiligen Poeſie machet. Nikode-
mus
will den David vom Himmel herunter be-
then. Wir zweifeln aber, daß es ihm gelinge;
wenn er auch Jahrhunderte bethete. Wir wollen
die ganze Stelle, wegen der darinn enthaltenen
goͤttlichen Klopſtockianismen, herſetzen:


— — Sie fuͤhlten ihn grimmvoll. Er
zwang ſie; ſie hoͤrten:


Auch wir fuͤhlen Hn. Klopſt. grimmvoll. Er
zwingt
[213]He
zwingt uns: wir hoͤren: Sein aus dem Engli-
ſchen
ins Deutſche uͤbertragene


Heil mir! daß ich mit meinen Augen dich, Goͤtt-
licher! ſchaute!
Heil mir! daß ich die Hoffnung der Schwei-
zer, den Klopſtock, erblickte!
Welchen zu ſehn im Hayne zu Zyrich ſelbſt
Breitinger oftmals
Einſam ſeufzte: den Klopſtock, der Mann
zum Beten geſchaffen,
Gern aus den Armen des Vaters herunter ge-
bethet haͤtte!
St. Klopſt. i. ſ. Geſichten, 118 S.


So kann man denn auch fluchen: Boͤſes dir!
Wohl mir,
und Weh mir! klinget naͤmlich zu
matt. Ein andaͤchtiger Meßianer ahmet dieß
auf ſeinem Dreyerpfeifchen, und reimend,
welches faſt eine Ketzerey in der meßianiſchen Re-
ligion
iſt, folgendergeſtalt nach:


Heil dir! feſtlicher Tag! der unſerm Freund

gebohren.

Ein Koͤnig, Schweſtern! unſer Freund!

Heil dir! uns neues Reich, zum Schauplatz

ihm erkohren,

Dem frommen Krieger, niemands Feind.
Wir bewundern erſtlich nach Heyl dir! den feſt-
lichen Tag, der unſern Freund gebohren hat,

oder unſerm Freunde gebohren worden iſt.
2. werden wir auf eine angenehme Art durch eine
Nennendung uͤberraſchet, indem wir eine Geb-
endung
vermuthen. 3. laͤßt der Herr Dichter
O 3gar
[214]Hi
gar liſtig aus, uns iſt ein neues Reich; ihm
aber ein neuer ꝛc.
Der Fall des letztern Verſes
gleichet einem Raͤthſel, und iſt zu bewundern, ſo,
wie der ewige Tanz in den folgenden Strophen.
Wir wuͤnſchen dem Hrn. Verfaſſer gute Beine da-
zu, und ein beſſer Schickſal, als ſeinem Vor-
gaͤnger.


Es waͤchſt manch heylſam Kraut in ſchweiz-

riſchen Gefilden:

Nur eins fuͤr raſende Poeten nicht.

Dieß merkte Mylius; drum hohlt’ ers bey

den Wilden:

Ach! daß der Tod ſein Reiſen unterbricht!

Wie heylſam wuͤrde dieß Kraut nicht geweſen ſeyn!

Himmel. Die ehrlichen Schaͤfer werden gar Chi-

neſen: z. E.

Zum Himmel, ihrem Gott, entfloh kein

Fluch u. Schwur. Zernitz, 6 S.

Sie wollten den Fluch mit den Lippen feſt halten:
allein, das Ding ſtand ihm nicht an, und er ent-
floh.


Himmel.

Dieſer Tummelplatz der heiligen Dich-
ter
iſt uns nie ſo bekannt geweſen, als itzund.
Die irdiſchen Sehraffen erzaͤhlen uns in ihren
lieblichen Traͤumen ſo viel Umſtaͤnde, als St.
Johannes
vieleicht ſelber nicht gewußt hat: al-
lein es iſt kein Wunder; ſie ſind entzuͤckt! Sie ha-
ben aber auch vielerley Himmel. Hier iſt z. E.
ein ganzer Himmel Rauch.


— ein
[215]Hi

— ein heiliger Rauch ſtieg mit dem Gebethe
Stillbegleitend vom Altar, dann hub er ſich
weiter u. wallte
Wie von der Erde Gebirgen ein ganzer Him-
mel zu Gott auf. Off. St. Klopſt. 17 S.


1. iſt hier kuͤnſtlich auf bey ſtieg ausgelaſſen wor-
den: ſtieg vom Altar auf. 2. Stillbeglei-
tend
weis ich zwar auf nichts zu ziehen: aber es iſt
doch ſchoͤn! warum? weil es begleitet. 3.
ſiehet man auch gleich nicht, was das fuͤr ein
Himmel iſt, der auf der Erde Gebirgen liegt,
und zu Gott hinauf wirbelt:
ſo iſt es doch ſchoͤn!
warum? weil Himmel wallen, und Gebirge
darinnen ſind.
Jſt das nicht Rauch? ein
gottloſer Rauch? Alsdenn haben wir auch


Himmel zu Legionen gegoſſen.

Dazu muß eine
entſetzliche Forme ſeyn; da er zumal noch dabey
jauchzet oder ein himmliſch Juchheu! ſchreyet.


— Unfehlbar ſtand auch der Himmel
Aus den ewigen Pforten, zu Legionen, ge-
goſſen,

— und jauchzte dir Lieder.
St. Kl. 122 S.


Sehen wir nicht gleichſam, wie ein Engel hinterm
andern aus den Pforten flieſſet?
Sie halten
naͤmlich die Beine zuſammen, und glitſchen:
Weil ein Geiſt nicht noͤthig hat, erſtlich ein Ge-
lenk zu kruͤmmen.


Dann haben auch wir


Himmel in der Seele; Himmel im Auge; Him-
O 4mel
[216]Hi
mel im Buſen: kurz! Himmel uͤber Himmel,
ich weis nicht wo:
Ernſt in ſeinem Geſicht; tief in der Seele
der Himmel! Meß. 117 S.


Folglich haben wir auch aller Orten Hoͤllen.
Wir machen auch Bey- und Nebenwoͤrter dar-
aus. Z. E.


Himmelab:

ſo wie Himmelan:


— So wie ſich ein Donner im ſchweflich-
ten Berge
Himmelab ſtuͤrzt; e. d. 93 S.

ob er gleich nur vom Berge koͤmmt.


Himmelbenachbarte Alpen.

Einer von den alten,
aber abgeſetzten Dichtern hatte ſpoͤttiſcher Weiſe
einen Berg in die Wochen kommen, und eine
Maus gebaͤhren laſſen.
Parturiunt mon-
tes; naſcetur ridiculus mus.
Das Ding iſt
moͤglich; und wir ſehen aus folgendem, daß,
wann die Alpen in die Wochen kommen, ſie
Schweizer gebaͤhren;
und alſo nicht eine
Maus; nicht eine Ratze.


Wie ein gebohrner Sohn der Himmelbe-
nachbarten Alpen

Fern von ihnen in einem umnebelten niedri-
gen Clima
Schmachtend ſchnappt nach Odem,
und
nach der Heymath verlanget,
Wenn er noch fern den Connor, den Santus
u. Altemann ſiehet,
Vor ungehaltner Freud’ in allen Gebehrden
ausſchweifet. Noah, 363 S.


Wir
[217]Hi

Wir lernen hieraus, daß ein Schweizer in allen
Gebehrden ausſchweifet,
wenn er das Heim-
weh bekoͤmmt. Bald ſchnappet er nach der Luft,
wie ein Fiſch auſſerm Waſſer; bald wackelt er
mit dem Schwanze,
und ſielet ſich im Sande:
ja, wenn wir ihn aufhalten: ſo glitſchet er uns,
wie ein Aal, aus der Hand. Wir, fuͤr unſere
Perſon, wuͤnſchten dabey geweſen zu ſeyn, als der
gebohrne Sohn der himmelbenachbarten Al-
pen, Se. Gn. der Herr v. Haller,
das Heim-
weh bekamen, und uͤberdruͤßig waren, zu die-
nen einem Herrn,
der ihm Brod gab: denn wir
zweifeln nicht, daß ſie, ſo, wie Dero Verſe, in
allen Gebehrden werden ausgeſchweifet haben.

Freylich ſchnappeten ſie in dem umnebelten
niedrigen Clima nach Odem,
den ſie nun, als
Amman, auf dem Grymſelberge beſſer ziehen
werden. Unſer Troſt iſt, daß ſie uns noch viel
ungebohrne Soͤhne der Himmel oberwaͤrts
und der Hoͤlle unterwaͤrts benachbarten Alpen
in unſern bergebenachbarten Thaͤlern zuruͤck ge-
laſſen haben, die Dero Andenken aus den
Kammern des Todes, (Noah, e. d.) retten

werden. Auch wir retten daſſelbe, durch einen
Kern neuer Accente,
unſern ungebohrnen
Soͤhnen der Thaͤler
zum Beſten.


Himmelbett.

Wir erſtaunen, wenn wir die Ge-
lehrſamkeit bewundern, die der Herr Magiſter
Naumann
aus der Ecole des Filles gezogen.
Haͤtte es doch dem unſterblichen Manne gefallen,
O 5die
[218]Hi
die Erfindung ſeines Himmelbettes uns in ei-
nem Kupferſtiche mitzutheilen!


— Das Himmelbett befand ſich
Mitten zwiſchen zwo Waͤnden —
(vieleicht in einer Niche oder Vertiefung.)
Jnwendig ſtaͤlerne Federn machten, daß die
ſich drauf legten
Sich hoben, ſchaukelten, wiegten.
Dahin
fuͤhrte Tirza den Koͤnig. Nimr. 230 S.


Was ſie da werden gemacht haben, denke der Leſer
hinzu. Wann ſie ſich aber nun ſo wiegten: ſoll-
ten die beyden verliebten Majeſtaͤten ſich nicht mit
den Koͤpfen geſtoßen haben? Zum wenigſten mußte
ihnen der Teufel dieſe eheliche Luſt, wie dort beym
Milton, mißgoͤnnen. Nimrod 232 S. Wir
nennen dieſe Figur und Maſchine die Schaukel.


Himmling:

ein ſpannnagel neues Wort, welches
der Teufel verſtehet. Da ſieht mans, daß Ho-
raz
und Gottſched Unrecht haben, wann jener
lateiniſch, und dieſer deutſch ſaget:


Jn neuer Woͤrter Bau ſey kein Poet zu kuͤhn.
Horaz v. d. Dichtkunſt.


Und was? ſollte es dem Teufel nicht erlaubt ſeyn,
neue Woͤrter zu bauen? Wir ahmen alſo mit ſei-
ſer Erlaubniß dem ſataniſchen Grammatiker
nach, und bauen folgende ſinnreiche Woͤrter nach:
Mondling, Sonnling, Sternling, Planet-
ling, Seeling, Erdling, Bergling, Mo-
raſtling,
und alles, was ſich mit ling paaren
laͤßt:


Wenn
[219]Hi

Wenn nicht Adramelech den Haß zu den
Himmlingen ablegt. Noah, 141 S.


Aus eben dieſer Quelle flieſſet das ſchoͤne Wort


Himmlung, ſo wie Erdlung, Mondlung,
Sternlung ꝛc.


Satane nennen ſie zwar die Himmlung aus
elender Schmaͤhſucht. e. d.


Anbey bewundern wir hier die eingeflochtene Zwey-
deutigkeit, da man nicht recht ſiehet, wer nennet
oder genennet wird. Dergleichen Orakel kom-
men uns vor, wie die Orakel der Heyden, die im-
mer gar bequemlich zwo und mehr Deutungen lit-
ten. Man koͤnnte daher dieſe Fuͤgung, die bey al-
len meßianiſchen Chriſten verehret wird, das
Orakel nennen. Man kann leicht denken, daß
das Wort Himmel ſich wie Ungeziefer vermehret
und vervielfaͤltiget. Hoffte Bayle, daß die
Sonne endlich Ruhe vor den Dichtern ha-
ben wuͤrde:
ſo hoffen andere eben dieſes vom
Himmel; allein wir nicht: denn wir kennen die
Fruchtbarkeit des Bathos, der durch unſere
Hirngeburten immer geduͤnget, und gleichſam ge-
ſchwaͤngert wird. Wir haben wohl eher eine


Himmelskoſt gehabt:

allein aus einem guͤldenen
Munde auf Schuͤler
iſt ſie, nach dem Abſterben
des ſeligen Hans Caſpar v. Lohenſtein, nicht
gethauet.


Begluͤckte Fahrt! erwuͤnſchte Stunde!
Da Himmelskoſt aus guͤldnem Munde
Auf euch, ihr Gottesſchuͤler! thaut.
Samml. Nicol. 108 S.


Man
[220]Hi

Man ſtelle ſich dabey einen goldenen Mund vor,
der immer Himmelskoſt auf die Schuͤler ſpuckt;
auch an einen Schnupfen, den ein Menſch hat,
kann man dabey denken: indem wir wohl eher
dann es einem aus Naſe und Maule haben lau-
fen ſehen:
allein, das war keine Himmelskoſt;
ſonder des ehrlichen Rachels gemeiner Rotz.


Himmliſch.

Schon oben haben wir die himmliſche
Sprache
bewundert, die die toͤnende Harfe re-
det.

Der Seraph ſtehet entzuͤckt; aber
Die Harfe toͤnt fort mit gefluͤgelten Stim̃en,
Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke!

der hoͤrende Juͤngling
Jauchzt, und zerfließt im ſuͤßen Gefuͤhl unaus-
ſprechlicher Freuden. St. Kl. 124 S.


Ach! wie der goͤttliche Harfeniſt nicht wird die Au-
gen verdrehet haben! Ach! was fuͤr niedliche Fluͤ-
gel die Stimmen nicht haben! Ach! was das fuͤr
Gedanken ſind! Das iſt gar kein Wunder, daß
dieſe Harfe a. St. Toͤne Gedanken von ſich giebt:
denn ſie kann ja reden; ja nicht allein reden: ſon-
dern gar himmliſch reden. Wie mag aber ein
Gedank klingen?


Hin.

Dieſe Sylbe ſtreitet mit ent um den Vorzug:
und ſie hat Recht dazu; ſie iſt ja ſo gut eine Sylbe,
als ent. Wir laſſen ſie daher in ihren wohl her-
gebrachten Rechten und Vorzuͤgen ungeſtoͤrt, und
ſagen einmal fuͤr allemal, daß man ſie in der heili-
gen Dichtkunſt
mit allen nur moͤglichen Zeitwoͤr-
tern verſetzen kann; z. E. Hinbruͤllen, hindon-
nern, hinſitzen
ꝛc. Zum Abſcheue und zum Aeger-
niſſe
[221]Hi
niſſe der Herren Proſatadler, nach des ſeel. Dry-
dens
Ausſpruche, ſetzen wir eine vortreffliche
Strophe her:


Furchtbar verſcheuchſt du von dir den kriechen-

den Poͤbel;

Jhn donnerſt du ſchaarweiſe hin;

Und geheſt kuͤhne, doch fromm, klopſtockiſch dich

ſchwingend,

Hoch zum unbegraͤnzten Geſtirn.

Ode an Steinbruͤcken.

Wir fuͤhren gern die Engellaͤnder an; wir wollen
dadurch in Verdacht kommen, als wenn wir auch
ſo tief daͤchten, als ſie. Zum wenigſten haben
wir es im Bathos eben ſo weit gebracht. Allein
war denn Swift auch ein Engellaͤnder?


Hineingeſchmiegt ſitzen.

So haben wir ein Puͤpp-
chen ſehen ſitzen, das Dukaten aus ſeinem aͤuſſer-
ſten Schlunde ſpie; Herr Bodmer
aber ſiehet
neben einem unbaͤndigen Schache einen ſitzen,


Der, den Oberſten gleich an Anſehn, doch unten
am Thron ſaß,
Jn ſich hineingeſchmiegt. Noah, 207 S.


Unter uns geſagt: es war der Etmat-doulet,
dem etwas vorm Strange bange war. Wir nen-
nen dieſe Figur nach unſerer Art: und ſie heißt das
Schachſpiel; oder das Haͤngeſpiel.


Hinabſtrecken Schatten, a. St. Schatten werfen.


Sieheſt du dort das unendliche breite Gebirge,
Welches ins fruchtbare Thal verlaͤngerte
Schatten hinabſtreckt? St. Kl. 94 S.


Das war das Reich Johannis, des Lieblings
Jeſu.
[222]Hi
Jeſu. Bisher haben wir den Verraͤther Juda
nicht zu entſchuldigen gewußt: allein was ſagte
Caͤſar?Si violandum eſt jus, regnandi cauſſa
violandum eſt.


Satan richtete ſich, nach Vollendung ſeiner
Geſichte,
Ueber ihm auf. So richtet ſich hoch ein olym-
piſcher Berg auf,
Welcher ein Thal war, wann Thaͤler um ihn, bey
Erſchuͤttrung der Erde,
Mit unermeßlich ſinkendem Schritt in die
Tiefe ſich ſtuͤrzen. e. d. 97 S.


So ſtanden der Tod und Satan im Milton ge-
gen einander. Ey! wer daͤchte das! Giebt es im
Himmel auch Erdbeben? Schreiten die Berge,
wann ſie ſinken? Das ſind große Schritte!


Hinlaͤßig, a. St. nachlaͤßig.

Es iſt ſchon ſehr lange,
daß wir nach einem Bluͤmchen aus des unſterbli-
chen Herrn v. Hallers Garten geſeufzet: end-
lich brechen wir eines ab, das da ſtinket wie
Tran, und ausſieht wie ein Lappe. Sein Duͤn-
ger des Verſtandes iſt freylich ſo fruchtbar, daß
wir uns getraueten, unſer Buͤchelein, oder Blu-
menſtrauß
mit lauter halleriſchen Bluͤmelein
zu zieren. Wenn wir aber dieſe Ehre nun dem
Obermeiſter des reimenden Bathos einraͤume-
ten: wuͤrden die heiligen Maͤnner und Mei-
ſter
nicht boͤſe werden? Und wie fuͤrchterlich iſt
ihr Zorn nicht! Haben ſie nicht Sehraffen zu
Legionen gegoſſen,
ja die ganze himmliſche Ar-
tillerie
zu ihrem Befehle? Nur ein Knall, ein
Pfiff:
[223]Hi
Pfiff: ſo muͤßten wir in unſer Nichts, d. i. in
unſere Kemnate, oder Cabinet zuruͤckzittern.

Da nun ein jedes Weſen ſeine Zernichtung ſcheuet:
ſo wollen wir unſern Weihrauch dieſen unſern
Gottheiten mit geballten Faͤuſten ins Geſicht wer-
fen, und ſo viel Dampf vor ihren Augen machen,
daß ſie ſo ſchwarz wie ein Jupiter auf einem
Feuerheerde werden, uns aber nicht ſehen ſollen:
jenen reimenden Meiſtern hingegen wollen wir
Pfefferkoͤrner, dann und wann, in ſolcher Menge
zu freſſen geben, daß ſie ihre ganze Pimpla mit
Schlamm und Koth, Froſchleich und uͤbrigem Un-
rathe, ihren Durſt zu loͤſchen, ausſaufen ſollen.
Wann ſie dann Schneiden und Reiſſen in ihren Ein-
geweiden empfinden, d. i. Dichterwehen fuͤhlen
werden: ſo ſoll unſere Feya ihr kupfernes Ge-
faͤß
unterhalten, und den Goͤttertrank, der, mit
praſſelndem Geraͤuſche, das Thor des Schlundes
durchbrach, in kleinen Brantweinglaͤſerchen, ih-
ren Verehrern, zur Fruͤhlingscur, mildiglich rei-
chen. Wohlan! hier ſind Pfefferkoͤrner!


Vergebens ruͤhmt ein Volk die Unſchuld ſeiner

Sitten;

Es iſt nur juͤnger ſchlimm, und minder weit

geſchritten.

Der Lappen ewig Eis, wo allzu tief geneigt

Die Sonne keinen Reiz zur Ueppigkeit er-

zeugt,

Schließt nicht die Laſter aus; ſie ſind, wie wir

hinlaͤßig,

Geil, eitel, geizig, traͤg, mißguͤnſtig und gehaͤßig:

Und
[224]Hi
Und was liegt denn daran, bey einem bittern

Zwiſt,

Ob Fiſchfett, oder Gold des Zwieſpalts Urſach

iſt?
Haller, 110 S.

Se. Gn. werden uns erlauben, 1. ein Volk, das
juͤnger, nicht aͤlter gut iſt, zu bewundern; 2. ei-
nes, das nicht weit ſchreiten kann, d. i. das enge
Hoſen hat; 3. das Eis, wo die Sonne darinnen
tief geneigt ſtecket; 4. das Zwitterwort ſie, wel-
ches ſo wohl auf Laſter, als Lappen gehen kann;
5. den Widerſpruch, daß, da die Sonne die Lappen
nicht uͤppig machen ſoll, ſie rauchen Kerle doch,
nach dem 6. Verſe, wie wir, huren, buben, gei-
zen, beneiden und faulenzen: vieleicht aber haben
ſich Se. Gn. auch Widerſpruͤche erlaubet, wie je-
ner praͤſidentiſche Philoſoph in ſeinen Werken es
gethan hat; 6. bewundern wir die vortrefflichen
weiblichen Reime; 7. daß Sr. Gn. nichts daran
liegt, ob man ſich um Tran oder Gold bey einem
bittern Zwiſte raufet. Wir wollen einen Groͤn-
landsfahrer
darum fragen, der uns ſagen wird,
daß er nur ſeine Reiſe ums Gold thue, indem der
Tran allein das Mittel, dazu zu gelangen, ſey.
Die Erfahrung zu machen, wuͤnſchen wir dem
Herrn v. H. einen guten Wallfiſch, oder ein
Schiff mit Thran: nicht mit Fiſchfett; weil die
Hechte und Karpfen auch Fett haben.


Hirner;

dieſes deutet einen Menſchen an,


“Der Vorrath im Gehirn und Salz im Munde
fuͤhret.” Rachel.


Se. Gn. ſchimpfen die Stutzer und junge Her-
ren ſo.


“Paris
[225]Hi Ho

Paris ziert ſelbſt ſein Haupt; weil eine
mindre Stadt
“Nicht Kunſt, noch Puder gnug fuͤr kluge Hir-
ner hat.” Haller, 90 S.


Ein artiger Hauptſchmuck! Klinget das nicht, als
wenn Paris auf ſeinem Kopfe waͤre?
Wir ha-
ben eine Cybele geſehen, die ein Mauerwerk auf
dem Kopfe trug; es gehet folglich mit Paris auch
an; nur bejammern wir die gekraͤuſelten Haͤrchen.
Freylich! die großen Locken koͤnnten alsdann die
Stuͤcke auf den Bollwerken vorſtellen. Wenn ich
alſo einen Tuͤrken beſchreiben will, der einen
Turban traͤgt: ſo ſage ich: Stambol ziert
ſelbſt ſein Haupt.


Hirngeſpinſt.

Ein bekanntes Schimpfwort. Um
feiner und witziger zu ſchimpfen, ſage man:
Der Menſch erdichtet Schaͤttenwerke, die
ſonſt nichts als Fleiſch und Blut im Spie-
gel haben. Buttſt. Gedank.
6ter Band, Bl. 18.

So muß man das Gedachte mit dem Raͤthſel-
haften
geſchickt vereinigen!


Hochſchenklichte Maͤnner ſind Rieſen;

alſo klein-
ſchenklichte, Zwerge.


“Dieß ſind der Nephilim Werke der hochge-
ſchenkelten Maͤnner,

“Soͤhne der ſchluͤpfrigen Schoͤnen aus Ka-
ins wildem Gebluͤte.” Noah, 78 S.


Wir lernen hieraus, da[ſ][K]ain kein ſanftes Blut
gehabt; rathen daher allen Schoͤnen, ſich nach
Zwergen umzuſehen: ſo wie wir unſern Jungge-
ſellen rathen, ſich trockene Schoͤnen zu erwaͤhlen.
PJm
[226]Ho
Jm Vorbeygehen bemerken wir, daß die Groͤße
allein in hohen Schenkeln beſtehe.
Will man
ſich alſo einen Rieſen abzeichnen: ſo male man
ſich ein Paar große Schenkel, darauf man fuͤg-
lich einen Kinderkopf ſetzen kann; denn es bleibet
doch ein hochgeſchenkelter Mann. Fuͤrwahr!
ein artig Bild! ꝛc. Horaz. Dichtk.


Hochzeitgebraͤuche.

Wir haben ſchon oben die ge-
ſchickte Beſaͤmung verwittweter Ritze mit ge-
buͤhrendem Weihrauche beſtreuet; die Schoͤnheit
des folgenden Ausdruckes aber reißt uns vollends
dahin. Wer koͤnnte ſonſt als Rath Bodmer,
der zweyhundertmaͤnniſche Rath, der den
Hochzeiten der Neſſeln und Nelken beywohnet,
uns die Gebraͤuche verrathen, die von den fuͤhl-
loſen Pflanzen
bey ihren Hochzeiten beobachtet
werden? Die Fraͤulein Toͤchter Noahs wußten
zwar viel von der Zeugung der Menſchen;


“Dennoch wußten ſie nichts vom Leben der
fuͤhlloſen Pflanzen,
“Jhrer geheimen Zeugung und ihren Hoch-
zeitgebraͤuchen.” Noah, 40 S.


Die Blumen haben freylich ihre Geburtsglieder,
und ihre hochzeitliche Sitten: und was fuͤr
Hochzeitliches bekommen wir nicht in folgendem
hochzeitlichen Verſe zu denken!


“Lobet den Gott, den Retter, von welchem die
Milde des Segens
“Auf die hochzeitliche Nacht und Empfaͤng-
nißſtunde herabfleußt. Noah, 386 S.


Ob wir gleich einen naͤhern Ort wiſſen, von dem
der
[227]Ho
der Segen fleußt: ſo lernen wir doch hieraus,
daß, ſo oft ein Mann Kinder machet, er eine hoch-
zeitliche Nacht
hat. Wenn er nun aber einen
Fehlſchuß thut: wie heißt denn die Nacht? eine
unhochzeitliche Nacht. Sonſt ſang man nur in
Hochzeitgedichten ſo hochzeitlich, nun aber auch
in Epopoͤen.


Hoͤhe.

— “Es wird die Tiefe ſich buͤcken,
“Und die Hoͤh gefaltete Haͤnde gen Him-
mel erheben.” Offenb. St. Kl. 183 S.


Jſt dieſes Perſonniſiren nicht zu weit getrieben?
Nein! und wenn die Hoͤhe auch die Fuͤße in die
Hoͤhe reckte;
und die Tiefe in dem Buͤcken den
Steiß ſehen lieſſe.
Nur entſtehet die Frage: ob
der Prophet etwas bey dieſem Ausdrucke gedacht
hat? Denn buͤcket ſich wohl die Tiefe, wie ein
Tanzmeiſter? Ja bethet die Hoͤhe, wie ein altes
Muͤtterchen, oder, wie der Koͤnig David vorm
Lobwaſſer? Hat den Dichter ein Hofprediger
wohl mit Unrecht den Goͤttlichen genennet? Wir
ahmen ihm nach, und goͤnnen (ſeinem Goͤtzen) die
Ehre der Obermeiſterſchaft im ungereimten
Bathos.


Hoffnungen auf den Glanz der præch-
tigſten Blythe gegryndet.
Jac. u. Joſ. 10 S.


Eine Bluͤthe iſt ein ſehr ſeichter Grund; wird es
wohl ſicherer ſeyn auf Glanz zu bauen, zumal
fuͤr eine Menge Hoffnungen?


Honigtes Land.

Die Schrift hatte geſaget, ein
Land, worinnen Milch und Honig fleußt.

P 2Rath
[228]Hu
Rath Bodmer drehet dieſes auf ſeinem Raͤde-
lein,
und es kommen Menſchen heraus, die, wie
die Bienen, mit ihren Steißen in Honig ſitzen.
Wohlmeynend aber wollten wir rathen, keine
ſammtene Hoſen anzuziehen, wenn man in Ho-
nig ſitzen
will; das Gefaͤß iſt etwas klebricht.


‘“Dieſes honigte Land, worinne wir itzt
Fremdlinge ſitzen.Jac. u. Joſ. 12 S.
()

Doch ich beſinne mich: die Patriarchen trugen
nicht Hoſen; allein ſie hatten lange Roͤcke an:
die werden noch aͤrger eingetunket haben. Wir
koͤnnen uns folglich auch auf ein milchichtes Land
freuen.


Huͤlſe eine entſeelte.

Die Huͤlſen haben alſo See-
len;
d. i. es giebt beſeelte Huͤlſen. Bald wer-
den unſere Hirſekoͤrner zu plaudern anfangen;
denn der Menſch iſt eine Nuß; knacket ſie auf:
ſo habt ihr den Kern, die Seele. Rath Bod-
mer
redet von einem Raume,


“Wo die entſeelte Huͤlſe von Mehtabeel bey-
geſetzt war.” Noah, 190 S.


Ein Erbbegraͤbniß iſt alſo ein Raum, der mit ent-
ſeelten Huͤlſen
gefuͤllet wird.


Huͤgel.

Sonſt pflegten ſich die Sonnenſtralen an
den Huͤgeln laͤnger, als in den Flaͤchen, zu bre-
chen. Klopſt. der Theologe, aber lehret in ſ.
Offenb.
und Traͤumen 6 S. das Gegentheil;
denn um neuerſchaffene Huͤgel zu ſchildern, ſa-
get er:


“Um und um lagen die Huͤgel in lieblicher
Abenddaͤmmerung,
“Gleich,
[229]Huͤ
“Gleich, als waͤren ſie ſchon neuerſchaffen,
und bluͤhend, wie Eden.


Alterſchaffene Huͤgel werden alſo wohl in der
Morgendaͤmmerung um und um liegen.


Huͤpfende

Sachen giebt es in der heiligen Dicht-
kunſt
mancherley: nirgends aber ſolche ſeltſame
Spruͤnge, als hier.


“Oberhalb huͤpfte der Berg mit ebnen Ter-
raſſen von Auen,
“Wie mit Stufen an uͤberwallende Huͤgel
gelehnet,
“Sanft hinauf zu beyden allmaͤhlich ſpitzen-
den Gipfeln. Noah, 7 S.


Erſtlich huͤpfet der Berg; dann huͤpfen die Ter-
raſſen mit ihm; zu gleicher Zeit iſt er an Huͤgel,
die auch huͤpfen, und ihn uͤberwallen, gelehnet;
dennoch huͤpfet er zu Gipfeln, die da ſpitzen.
Wir nennen dieſe Figur, dieſe Geburt eines huͤpfen-
den
Gehirnes, die Bachſtelze; und preiſen ſie
allen denen an, die gern huͤpfen. Nur wuͤnſch-
ten wir Rath Bodmern auf dieſem Berge ſte-
hen zu ſehen.


Huͤter.

Wir ſuchen noch umſonſt, was dieſes fuͤr
Huͤter ſeyn moͤgen?


Balack, das Haupt im Rath der Aelteſten,
hatte den Huͤtern
“Jn der gewahrſamen Bruſt die Wache zu
halten befohlen.” Noah, 72 S.


Jn unſrer Bruſt haben wir Nachtwaͤchter, die da
wachen, wann wir bewundern. Wir bewun-
dern daher auch Balacks erfahrnen Befehlſtab,
P 3der
[230]Hu Hy
der ſchwindlichte Heere trannte. Denn ſagen
wir nicht eine geſchickte, eine maͤnnliche Feder?
Was zu einem paßt, das paßt auch zu dem andern.
Vieleicht werden dieſe Huͤter lauter Ammaͤnner
ſeyn, die an der Thuͤre ſtehen und die anmelden,
die vor den Hn. Schultheiß wollen.


Huͤllen.

Jn Huͤllen, oder im Kleide der Menſch-
heit, wandeln:
ſaget Klopſtock, der Seher,
a. St. im Fleiſche ſeyn. So wandelt eine Schoͤ-
ne in Huͤllen der Mannsperſonen, wann ſie eine
Amazonenkleidung anziehet.


‘“Erde! dein ſchoͤnſtes Gefilde, wo Gott in Huͤl-
len der Menſchheit
“Wandelt.” Offenb. St. Klopſt. 74 S.
()

Was iſt eine Huͤlle?


Hungrige Jahre.

Wir lernen mit Verwunderung
aus dem JudengedichteJacob und Joſeph,daß
den Jahren hungert:
die armen Jahre!


‘“Izt ſchwebt yber den feldern das dritte
von hungrigen Jahren.” e. d. 5 S.
()

Beſſer yber den hæuſern! yber den kychen!
Wenn alſo am Neckar der Wein nicht geraͤth:
ſo ſchwebt yber dem Neckar ein durſtiges
Jahr;
und uͤber dem, der vor Hunger in der
Sonne ſpeiſen gehet, ſchwebt eine durſtige
Stunde.


Hymnen lobbelaſtete.

Addiſon belaſtete ſchon
einen Tag mit Catons und der Welt Schickſale;
wir bewunderten ſehr dieſen Laſtwagen; allein,
wie wuchs nicht unſer Erſtaunen, als wir gar
Hymnen lobbelaſtet fanden! Denn ſo ſaget ein
blauer Glaͤubiger:


“Nie-
[231]Hu Ja
‘“Niemals ſchwiegen mir dort die lobbelaſte-
ten Hymnen.” Noah, 322 S.
()

Wir lernen auf e. d. S. daß der Zirkel ein Werk
von alberner Einheit;
das Dreyeck aber ein
Werk iſt, das von drey klugen Winkeln bekroͤ-
net
wird. Dieſes ſey unſern Hnn. Proſatadlern
ins Ohr geraunet! denn dieſe Herren unterſtehen
ſich gewoͤhnlich, eine feurige Poeſie nach ihrer
kalten Proſe zu beurtheilen; z. E. Langens Horaz:
Oden nach Guͤnthers Liedern; da doch jene eine
treffliche Neologie in ſich halten.


Huſan.

Wir haben bisher noch nicht gewußt, daß,
wenn man an einem Dinge angebunden ſey,
man deſſelben Eigenſchaft annehme.
Wir ler-
nen es mit Bewunderung; und wuͤnſchen darum
an dem Herrn Rathe angeſchloſſen zu werden;
um einige Theilchen ſeiner Klugheit zu empfangen.
Denn ungeachtet unſere neue Dichtkunſt, daß
ich mich des Ausdruckes bediene, ein Hurkind iſt;
indem ſie mehr als einen Vater aufzeigen kann:
ſo wird doch niemand leugnen, daß der Herr
Rath
am meiſten im Verdacht ſtehe, ihr Vater zu
ſeyn. Und was fuͤr Verſtand zeigt es nicht, dem
Hn. Bodmer
ſo nahe anzugehoͤren!


‘“Huſans Geſchlecht lag an die Dummheit
mit Seilern gebunden.” Noah, 308 S.
()

J.


Jaͤhnender Golfo

iſt ein Meerbuſen, der das
Maul weit aufſperret.
Man pfleget zu jaͤhnen,
P 4wenn
[232]Ja
wenn man ſchlafen will; zu jaͤhnen, wenn man
geſchlafen hat; zu jaͤhnen, wenn der Leib voll
ſuͤßes Weins iſt, und bey mehreren Gelegenheiten,
z. E. wenn man Hexameter lieſt. Wann jaͤhnet
aber ein Meerbuſen? Dann, wenn ihn ein
Schweizer bemalet!


“Oben erbebten die Giebel des Bergs mit nei-
gendem Nicken

“Neunmal; im zehnten entſtuͤrzten ſie in den
jaͤhnenden Golfo. Noah, 292 S.


Waͤre mein Maul ein Golfo geweſen: vor La-
chen haͤtte ich es eben ſo weit aufgeſperret. Malet
Rath Bodmer nicht richtig? Siehet man nicht
recht die Giebel ſich neigen, nicken, ſo wie man
nicket, wann man zu ſchlafen anfaͤngt, neunmal
nicken;
und dann im zehnten, d. i. Male, ent-
ſtuͤrzen?
Wir nennen dieſe Figur die Hochzeit;
denn eine Schaukel vermaͤhlet ſich hier mit einer
Catachreſis. Jenes iſt eine Figur, durch wel-
che man die ſich zuwider ſeyende und entgegen ge-
ſetzte Dinge mit ſolcher Geſchicklichkeit in einem
Gleichgewichte haͤlt, daß der Leſer nicht weis, nach
welcher Seite er ſich wenden ſoll; welches ihm
denn ein unausſprechliches Vergnuͤgen verurſachet.
Dieſes aber iſt eine Figur, durch die man gerade
das ſaget, was man nicht denken ſollte. Man
koͤnnte ſie auch das Unmoͤgliche nennen; denn,
wie iſt es doch moͤglich, daß ein Golfo jaͤhnen
koͤnne? Jm Antilongin, 84 S. finden wir auch
jaͤhnende Wolken; welche denn Rath Bod-
mers jaͤhnenden Golfo
vollkommen rechtferti-
gen.
[233]Ja
gen. Wir haben mehr als einmal gejaͤhnet,
wann wir den Noah laſen; wir haben ihn bewun-
dert und gejaͤhnet.


Jahr; ein verwittwetes Jahr; wir hoffen alſo ehe-
ſtens ein beweibtes zu finden; ſo wie Naͤchte,
Tage, Reize
und Ritze, die alle verwittwet ſind.
Noah, 12 S.


Jahr ſinkt in das weſtliche Meer; d. i. es iſt da-
hin!
Nun wiſſen wir, wo die Zeit bleibet: in
dem weſtlichen Meere!


Bald war ein jahr mit auf- u. niedergehen-
den tagen
“In das weſtliche meer geſunken.

Jac. u. Joſ. 3 S.


Jahrhundert.

Wir koͤnnen noch nicht aufhoͤren,
folgende treffliche Redensart zu bewundern. Wir
erſtaunen, wie der große Rath Bodmer uns
arm an Weihrauch machet. Unſer Leſer wird
nicht ſagen, daß unſer Rauchfaß viele Ruhe habe.
Da wir aber nur eine raͤuchernde Jnſecte ſind,
und vom Lobe leben: befuͤrchten wir uns wohl mit
Unrecht, der große Rath werde uns das Leben
nehmen? Der harte Mann will ja alles Lob allein
an ſich reiſſen; denn wir koͤnnen unmoͤglich ſeine
Groͤße, des Rieſendichters Groͤße, beraͤuchern!
Wir raͤuchern ihm vorne; wir raͤuchern ihm hin-
ten: doch bleibet genug zu beraͤuchern uͤbrig.


“Willig gaͤb ich mein Leben fuͤr Bodmern,
den Freund zu erkaufen,
“Den Jahrhundert’ er mangelt’, u. mich
Jahrhunderte hatte. Noah, 171 S.


Jſt dieſe Fuͤgung mit mangeln nicht ungemein?


P 5“Ja-
[234]Ja

Japhet! wie war dir bey dieſem Geſicht? welch
ſuͤßes Entzuͤcken
“Zog dir die Seel in das Aug, in das ſie geſamm-
let hervor trat,

“Und unerſaͤttlich im Schaun im froͤhlichen
Schimmer da ruhte.” Noah, 8 S.


Du armer Japhet! Trat dir deine Seele ins Au-
ge,
wodurch ſie, wie durch ein Kappfenſter,
kuckte? Ruhte ſie auf dem Ellenbogen im froͤhli-
chen Schimmer:
oder ſaß ſie? Du armer Ja-
phet!
deſſen Seele zerſtreuet war; denn wie haͤtte
ſie koͤnnen geſammlet werden? So iſt es denn
nicht wahr, daß ſie ein einfaches Weſen iſt. Hier ha-
ben wir in einem Auge eine Treppe und ein Bett;
man ſollte kaum denken, daß alles Raum haͤtte.


Jauchzen.

Nimm nicht uͤbel, lieber Leſer! wenn
auch wir etwas jauchzen werden; die heiligen
Jauchzer naͤmlich jauchzen gar zu jauchzend.
Wir erinnern uns dabey der Zoͤglinge Anas und
Zibeons,
die auch jauchzen, wenn nur einer zu
jauchzen anfaͤngt. Kaum fing ein goͤttlicher Klop-
ſtock
zu jauchzen an: ſo jauchzete unſer gan-
zer Parnaß; denn in dem jauchzenden Geſichte
Meßias jauchzet alles: auch die Pforten der
Tiefen tief unten.


“Und ein wandelndes Jauchzen durchdrang
die Pforten der Tiefen.” 6 S.


Das Jauchzen gehet demnach ſpazieren; die Tie-
fen
muͤſſen auch Pforten haben, damit die Stim-
me hinein koͤnne. Ein unſterbliches Jauchzen,
iſt das nicht ein ewiges Schreyen? e. d. 19 S.
Es
[235]Jn Ju
Es zeiget einen edlen Muth an, wenn man Woͤrter
zuſammen paaret, die einander nie geſehen haben;
und je mehr man ſich von der geſunden Vernunft
entfernet: deſto naͤher koͤmmt man dem heiligen
Bathos,
welches nur kalte Spoͤtter den klop-
ſtockiſchen Wuſt
nennen.


Jnſecten.

Ein undeutſches Wort. Man um-
ſchreibe es, und nenne die Jnſecten
den kriechenden Unflath, der von den Aus-
duͤnſtungen der Erde lebet.


Wer dawider was erinnern will, wird doch geſte-
hen muͤſſen, daß die Umſchreibung deutſch ſey.


Jrren.

Man ſage nicht mehr eine Jrre: es iſt klop-
ſtockiſcher,
und folglich goͤttlicher, die Jrren.


Jubelgeſang.

Wenn Noahs Fraͤulein Toͤchter
Hochzeit machen: ſo ſingen die Voͤgel einen Ju-
belgeſang.
Warum denn einen Jubelgeſang?
Darum, ſie gehen mit ihren unbeſchnittenen Hel-
den
nur alle hundert Jahre zu Bette. Sind das
nicht traͤge Kerle? Noah, 132 S.


Jubiliren.

Dieſer aus der Pegnitzſchaͤferey ent-
lehnte Zwitter druͤcket im Traume St. Klopſt.
viel aus; z. E. 22 S.


“Da die Stimme von deiner erhabnen Ge-
ſandtſchaft erſchallte,
Hub ſich mein Geiſt jubilirend empor ꝛc.


Man denket hierbey an eine Lerche, die eben ſo ti-
riliret,
als Klopſtock und der ſel. Clajes jubi-
liren.
Eines machet uns zweifelhaft; wir wiſſen
naͤmlich nicht recht, ob dieſe Stimme der Geſand-
ſchaft,
[236]Ju
ſchaft, oder dem Geruͤchte von der Geſand-
ſchaft
zugehoͤre.


Juͤngerſchaft, die himmliſche.

So ſollten v. R.
W.
viele deutſche Geſellſchaften heiſſen, die
bey lebendigem Leibe ſchon himmliſche Juͤnger
ſind; d. i. klopſtockiſiren.


“Doch nicht jener zugleich, der, der himmli-
ſchen Juͤngerſchaft unwehrt,
“Jeſum verrieth.” Off. St. Klopſt. 73 S.


So koͤnnte man auch die Teufel die hoͤlliſche Juͤn-
gerſchaft
nennen. Wir bekennen uns zur Himmli-
ſchen.
Eben in dieſes Fach gehoͤret die himmliſche.


Jugend, d. i. Engel.

Folglich giebt es auch Greiſe
unter ihnen; folglich waͤre Eloa der Aelteſte:
Eloa
das Geſchoͤpf Klopſtocks. e. d. 11 S.


Selige friedſame Thaͤler, vordem von der
Jugend des Himmels
“Liebreich beſucht ꝛc.”


Der goͤttliche Dichter brauchet friedſam a. St.
ruhig, und ſelig a. St. gluͤckſelig. Jm Vor-
beygehen merken wir an, daß der Verfaſſer des
Hermanns Unrecht hat, den Himmel nicht bey
Dingen ins Spiel zu mengen, die durch Men-
ſchen koͤnnen verrichtet werden.
Er hat da-
durch ſeinem Gedichte ein gewiſſes Feuer geraubt,
welches Homer und Klopſtock, durch die Men-
ge Teufel und Goͤtter, die ſie mit einflechten, den
unſterblichen Geſaͤngen ertheilet haben, die die
heydniſche und meßianiſche Religion enthalten.
Furchtſame Dichter ſollten ſich daher nicht auf den
Parnaß wagen; und ein Held hat weit mehr Ehre
davon,
[237]Ju
davon, wenn es eine Gottheit an ſ. St. thut, als
wenn er es thaͤte.


Junggeſchaffen;

folglich auch alterſchaffen.


“Die, ihr mich zaͤrtlicher liebt, geſellige Freun-
de!

“Entdeckte mein ſuchender Blick
“Euch junggeſchaffen ſogleich? Nach eurer
Umarmung
“Ward halb meine Jugend verweint.”
Ode an Steinbruͤck.


Dieſes Geſellige gehoͤret Klopſtocken, dem
Theologen: uns kleinen Dichtern iſt nur das
Mauſen erlaubt.


Juweel

ſaget man gar zierlich im Deutſchen a. St.
Kleinod; ja es iſt artig, den Patriarchen von Ju-
welen
reden zu hoͤren. Es iſt die Verheutigung,
der wir ſchon oft erwaͤhnet, und in welcher Rath
Bodmer
nicht einer von den zweyhundert Maͤn-
nern
iſt, die den Zuͤricher Johann Hagel vorſtellen.


Aber das ſchönſte, das beſte Juweel von
meinem vermögen iſt Rachel.
Jac. u. Joſ. 7 S.
()

Unſer beſtes Kleinod iſt Bodmer, der Rieſen-
dichter:
der am erſten den Parnaß beſtuͤrmet,
und den Grymſelberg und den Gletſcher auf
ihm aufgethuͤrmet hat. Seine gereimten Ge-
dichte,
die wie ein ſanfter Bach dahin rauſchen,
waren die Stufen, auf denen er ſich zum Unge-
reimten
erhob. Da ſitzet er nun, und bruͤtet
Welten
und Hexameter: der große Mann!
Nur bleiben ſeine Hexameter unlesbar, und ſeine
Welten
[238]Ka
Welten unglaubbar. Eben dieſes Ungluͤck hatte
Chapellain, ein gelehrter Mann!


K.


Kalmaͤuſer.

Wenn es moͤglich waͤre, daß ein Dich-
ter, oder beſſer, daß ein Reimſchied die Poͤbelfi-
gur
brauchen koͤnnte, der, Sr. Wohlgeb. Un-
ſterblichkeit, dem Hrn. Amman v. Haller,

nachzuahmen, geprieſen worden: wer wuͤrde ſonſt
einen guͤltigern Anſpruch darauf machen, als der
Herr Gerichtshalter Zernitz? Seine Verſe,
die er gewiß nicht ſo ſchnell, als ein Protocoll, ent-
worfen; ja vielmehr mit einem Hammer zuſam-
men gekeilet hat, ehe ſie eine reimende Geſtalt
annahmen, zeigen uns, daß er nicht allein halle-
riſch
geſchrieben; ſondern auch halleriſch ge-
dacht hat.


“Ein Schulfuchs duͤnkt ſich klug zur Herrſchaft
einer Welt;
“Der Feige ſonder Feind, ſo tapfer, als ein Held;
“Der Dichter einſt gekroͤnt, begluͤckt durch
Lorbeerreiſer;
“Voll hoher Wiſſenſchaft der ſtaubichte Kal-
maͤuſer.” Zernitz 78 S.


Hat der Nothſtall des Reimes nicht einen vortreffli-
chen Kalmaͤuſer hinein gezwungen? die vorher-
gehenden Mittelwoͤrter waren der Kappzaum.


Kalenderzeichen.

Aus folgender Strophe lernen
wir, daß die Kalenderzeichen, d. i. die Mon-
desviertel,
etwas in den Jungfern bedeuten.


“Doch
[239]Ka
“Doch Daphnis war noch jung u. ſchoͤn;

“Kann dieß ein Alter auch noch ſehn,

“Fuͤr welchen die Kalenderzeichen

“Jn ihr bedeutend Nichts entweichen?”

Zernitz, 48 S.

Wir haben dieſes treulich uͤberſetzet; wir wollten
auch ſagen, was es hieße, wenn das Mittelwort
bedeutend nicht einen Flohr daruͤber zoͤge, der uns
den Sinn gaͤnzlich entziehet; wir wuͤrden es ſonſt
zur Saufigur rechnen.


Kanot.

Jſt das nicht ein Nachen oder ein Kahn?
Dieſes aber iſt gemein; jenes hingegen belehret
uns, daß Rath Bodmer auf ſeinen epiſchen
Reiſen
auch Amerika beſegelt hat; denn die
Kaͤhne der Wilden pflegen einige ſo zu nennen.
Die ganze Seite enthaͤlt eine Figur, die wir den
Amerikanismus nennen; indem ſie Amerika
und Gog und Magog noch vor der Suͤndfluth
zuſammen koppelt.


“Vor Ueberfall ſchien ſie die Natur geſchirmet

zu haben,

“Als ſie zwiſchen ihr Land und Magog den

Golfo gegraben,

Ueber welchen zu ſetzen die Kraft des

ſchwimmenden Pferdes,

“Oder der ſtaͤrkern Kanots nichts taugt.”

Noah, 51 S.

Jſt das neue Wort geſchirmet nicht ſchoͤn? Jſt das
atlantiſche Meer nicht ein kleiner Meerbuſen?
Jſt das nicht ein Candidat des Tollhauſes, der
auf einem Pferde nach Amerika uͤberſetzen

will?
[240]Ka
will? So dumm iſt kein Caraibe! Wer aber iſt ſo
klug? Der Zweyhundertmaͤnniſche Rath
Bodmer!
ein großer Mann! Denn wie groß
muß man nicht ſeyn, wenn man einſiehet: man
koͤnne nicht auf einem Pferde nach Amerika
ſchwimmen!


Kappzaum den Begierden anlegen,

und die See-
le an der Leine laufen laſſen,
ſind aus der Reit-
bahn
auf den Parnaß erhobene Redensarten.
Denn auch bey Woͤrtern giebts Standeserhoͤ-
hungen;
zumal koͤmmt ein ſolcher Schaffer und
Schoͤpfer, als Rath Bodmer, zum Wort-
reiche: Wortreich,
ein neues Wort!


‘“Aber den Kappzaum den ungezaͤhmten Be-
gierden anlegen. Noah, 350 S.
()

Dann ſattelt ſie Rath Bodmer, ſetzet ſich auf,
und lehret ſie den ſpaniſchen Schritt. Das
Gleichniß iſt gar zu ſchoͤn, als daß es ein halleriſi-
render Zernitz
nicht haͤtte vorher denken ſollen.
Die Erfindung gehoͤret alſo ihm; ſie iſt auch ur-
ſpruͤnglich ſchoͤner; denn er leget einer Schoͤnen
einen


Kappzaum an;

einer zarten Schaͤferin! die arme
Naſe! der Liebe ſelbſt leget er ihn an!


“O! geh ich in die Unſchuldszeiten;

“Da dich noch nicht ein Kappzaum fing:

“Und da ein Herz voll Zaͤrtlichkeiten

“Vor Reichthum, Stand u. Ehre ging. 70 S.

Jſt denn die Liebe in Waͤldern, wie ein Wildfang,
umher gelaufen? Reitet man ſie denn zu, wie
rohe Pferde? Die Schaͤfer, die doch zuerſt von der
Liebe
[241]Ke
Liebe geſchwatzet, haben wohl nie ihren Schaͤfe-
rinnen
den Kappzaum angeleget. Die mehre-
re Zahl
von Zaͤrtlichkeiten haben wir dem Reime
zu danken; einer Quelle, aus der viele gedachte
Verſe
gefloſſen ſind, und noch fließen.


Kelchglas;

eben ſo, als ſagte ich der Kelchbaͤcher;
auf deutſch, der Baͤcherbaͤcher.


‘“Bald wird das Kelchglas uns Muth u. ſtar-
ke Geiſter einhauchen ꝛc.”
Noah, 272 S.
()

“Alſo ſagten ſie Zotten, u. meynten, ſie redeten
Scherze.


Ganz recht! ganz recht! wenn es von den Hrnn.
Wurmſamianern verſtanden wird. Alles hat
in der heiligen Sprache einen Athem; es haucht
ſtarke Geiſter ein,
die zum Zotenreiſſen oder
mizraimiſiren taugen; denn es heißt von den hei-
ligen Maͤnnern:


“Alſo jauchzen ſie Zotten und meynen, ſie
jauchzeten Weisheit.


Kerkerfrey.

Der gegen Klopſtocken, den goͤttli-
chen Seher, waſſerklare Virgil
ſperret die
Winde in Hoͤhlen. Allein Hoͤhlen ſind lange
nicht ſo enge, als Kerker. Hr. Tenzel leget da-
her die Winde in Kerker, und Aeol muß Ker-
kermeiſter
werden:


“Wohin die Wuth bewegter Schluͤnde, (oder
Gruben)
“Die Kriege kerkerfreyer Winde,
Durch dich gedaͤmpft, mein Auge ziehn.”
Samml. Nicol. 107 S.


QWir
[242]Ke

Wir bewundern anbey die Zweydeutigkeit; denn
Hr. Tenzel kann ſowohl die Schluͤnde oder Gru-
ben,
und auch die Winde gedaͤmpfet ſehen.
Wie unerſchoͤpflich ſind doch die Mittelwoͤrter an
Erfindungen!


Kern.

Jch werde keine Erklaͤrung von dieſem unent-
behrlichen Worte geben. Man weiß es doch wohl,
daß in unſern Tagen das Kernichte ſcharf unterſu-
chet wird. Das Kernichte in Gedichten, das
Kernichte in Reden,
gehoͤret in die Kritik, und
nicht ins Woͤrterbuch. Man ſchlage den Clerc
nach, in ſeiner arte critica, den erſten Band,
den andern Theil, das 8te und 9te Capitel. Ge-
wiß kann ich nicht behaupten, ob Clerc dieſes Wor-
tes gedacht habe. Genug! das Kernichte gehoͤret
zu dieſen beyden Capiteln. Jch will nur den Red-
nern zum Troſte die Schoͤnheit dieſes Woͤrtchens
anzeigen. Diejenigen, die mit dem Grundtexte,
und deſſen mannigfaͤltigen Erklaͤrungen viel zu
ſchaffen haben, ehe ſie eine Sache an ihren Ort ge-
ſtellet ſeyn laſſen; dieſe, ſage ich, koͤnnen hier ei-
ne Zierlichkeit finden. Ein altmodiſcher Schrift-
ſteller bleibt bey ſeiner Leyer und Einfalt. Er
ſchreibet:


Der Spruch hat keinen Verſtand, wann
wir dieſe Meynung annehmen.
()

Das iſt ein einfaͤltiger und grober Ausdruck! Wer
wollte ſo unartig freveln, und die Ausleger ſo hart
widerlegen! Heutiges Tages muß man hoͤflich ſeyn.
Man ſchreibe doch lieber mit Buttſtaͤdten:
Der Kern des Jnhalts, der ſonſt in dieſer
Stel-
[243]Ke Kl
Stelle lieget, wird taub und verlohren wer-
den: wann man dieſe Meynung annimmet.

Wer hier den unterſchied, das Schoͤne und
Sinnliche, nicht einſehen kann, der iſt nicht weit
gekommen. Alte und abgebrauchte Gedanken
muͤſſen mit neuen und ſeltenen Ausdruͤcken
friſch uͤberkleidet werden.
Alsdenn erpreſſen
ſie den Beyfall der Leſer und Zuhoͤrer.


Keuchen ſchroͤckliche Worte.

Es wundert uns,
daß Rath Bodmer uns die ſchroͤcklichen Wor-
te wiederkeuchen
kann, da ſein Held dabey ſo ge-
keuchet
hat; wenn man naͤmlich keuchet: ſo re-
det man nicht.


“— Er keuchte die ſchroͤcklichen Worte.”
Noah, 74 S.


Klang.

Uns iſt zwar niemals vorgekommen, als
klaͤnge das Gold ſo vortrefflich, daß man einen
goldenen Klang ſchmieden ſollte. Allein das
Gold iſt ſchoͤn; daher muß alles, was von
Gold koͤmmt, ſchoͤn ſeyn: ein goldner Klang,
ein goldner Laut, ein goldner Hauch. Es iſt
unnoͤthig, einen anzufuͤhren; unſere Bibel- und
Teufeldichter blaſen gern einen goldenen
Klang.
Was meyneſt du aber von folgendem


Klange der Waffen?


“Jm Klang der Waffen voll von Unſterb-
lichkeit
Sucht ſich mit eiſern Haͤnden des Peleus
Sohn
“Die Ruhe, die das Morden fliehet,
Q 2“Und
[244]Kl
“Und ſich bey kuͤhlenden Waſſern weidet.”
Samml. Nicol. 154 S.


Hier lernen wir, daß der Klang ꝛc. voll Unſterb-
lichkeit ſey;
daß ſich Achilles, wie jener, der auf
dem Eſel ſaß, und den Eſel ſuchte, mit eiſern,
nicht mit eiſernen, Haͤnden geſuchet habe; daß
er, wie unſere alte Ritter, eiſerne Handſchuhe
getragen; und endlich, daß die Ruhe am Ba-
che, wie eine Kuh, graſen oder weyden
gehe:
Alles Dinge, die wir vorher nicht wußten.


Kleid der Dinge;

das Auge ſtoͤßt ſich am Kleide
der Dinge, und thraͤnet doch nicht;
aber es iſt
auch Sr. unſterbl. Gnaden Aug, das wohl ei-
nen Stoß vertraͤgt.


‘“Und wie ſich unſer Aug’ am Kleid’ der
Dinge ſtoͤßt.” Haller, 103 S.
()

Bey dieſem Stoßen iſt das e, der Zippel vom
Kleide,
verlohren gegangen. Der Freund des
Hn. Ammanns, Rath Bodmer, umgiebt die
Erde mit einem Kleide von Wolken, und, was
am wunderſamſten iſt, mit Windeln von
Schatten,
die er hernach in der Suͤndfluth
waͤſcht;
oder doch waſchen muß.


“— Er webte


‘“Ueber dem Meer’ ein Kleid von Wolken
u. Windeln von Schatten.”
Noah, 365 S.
()

Gerade wie Blackmor im Antilongin, 23 S.
Freylich haben uns die Britten ihre Kunſt, tief
zu denken, mitgetheilet: nur unſere Tiefe iſt noch
geraͤumi-
[245]Kl
geraͤumiger, als ihre; noch moraſtiger, als
ihre.


Kloß der Hoffnung.


“Und braͤche dann am Ende deiner Hoffnung
“Der falſche Kloß:
was wuͤrdeſt du beginnen?
Brem. Ged. 7 S.


Folglich giebt es auch wirkliche oder treue Kloͤße.
Ueberhaupt bauet der breite Hr. Johann Hein-
rich Oeſt
ſo leicht und feſt, daß wir uns wun-
dern, warum noch nicht alle Dichter eigene Haͤu-
ſer
haben; es wuͤrde denn nicht heißen:


Mira mirorum!

Poeta emit domum!

Der Bauherr lehret auch, wie man glauben
muͤſſe:


“Erſt glaube eins; hernach glaub’ auch das
andre;
“Erſt glaube kluͤglich: wenig von allem:
“So lerneſt du deſto mehr von allem wiſſen.
e. d.


Haben die Maͤrtyrer auch ſo glauben lernen?
Weiter! Die heil. Dichter haben die Entdeckung
gemacht, daß Adam aus einem Kloße gebildet
worden; ſie nennen uns daher ſterbliche Kloͤße:
ſie
aber ſind die unſterblichen Kloͤße und Schnee-
baͤlle.
Man ſiehet wohl, daß wir ihre Leimerde
ſo feſt zuſammen druͤcken, damit ihre Theilchen
nicht zerfallen moͤgen; unſer Lob iſt der Firniß,
den wir daruͤber ſtreichen, dami[t] ſie halten und
glaͤnzen ſollen.


Q 3Kieſel.
[246]Ki

Kieſel.

Rath Bodmer hat einen Nacken von
Kieſel
oder Feuerſtein.


“Der Chuſite, dein Sclav, hat einen Nacken
von Kieſel;

“Beym geringſten Misgluͤcken zerreißt er ſeine
Gedaͤrme.” Noah, 320 S.


Jſt das nicht grauſam?


Kinder hingen, wie marmorne Bilder, an den
Lippen Noahs.

So hingen die Ketten, die an
Herzen gefeſſelt waren, an den Lippen des galli-
ſchen Herkuls,
um ſeine Beredſamkeit auszu-
druͤcken; und ſo haͤnget der Faden eines Spinnro-
ckens aus dem Munde eines alten Muͤtterchens,
wann ſie ſpinnet und Maͤhrchen erzaͤhlet. Wir
befuͤrchten nur, die Kinder moͤchten etwas vom
Speichel bekommen, wann ſie uns ſo nahe zuhoͤ-
ren; wir auch ſelbſt nicht reden koͤnnen, wann es
unſern Soͤhnen und Frauen der Soͤhne einfallen
ſollte, an unſern Lippen zu haͤngen. Es iſt
auch ſehr unangenehm, manchen Leuten ſo nahe zu
kommen, und ihren ſtinkenden Athem an der Quelle
ſelbſt zu riechen. Die Rede iſt von Noahs Soͤh-
nen,
und Frauen der Soͤhne:


“Dieſe zerfloſſen in Luſt, wann er mit reden-
den Zuͤgen

“Jhnen die Rahmen enthuͤllt’, und hingen,
wie marmorne Bilder,
“An den Lippen Noahs.” Noah, 339 S.


Jſt der Ausdruck nicht richtig: Rahmen mit re-
denden Zuͤgen enthuͤllen?
Solche redende Zuͤ-
ge
ſind es, die ein Maler brauchet, wenn er eine
gemal-
[247]Kn
gemalte Tapete aus einander rollet und erzaͤh-
let, was darauf ſtehe.
Dieſes that naͤmlich
Noah, indem er ihnen Engel Raphaels ge-
malte Tapete
ausleget. Quæ! qualis!
quanta!


Kniefall, a. St. Kniebeugen.

Alſo ſage auch,
wenn du auf den Hintern gefallen biſt, einen
Steißfall.


“Ueber ſie ward der Koͤnig, der itzt den Himmel
beſitzet,
“Zornig, weil ſie ſich fuͤr die Rechte des
Schickſals erklaͤrten,
“Und ihm kuͤhn den ſtrenge gefoderten Knie-
fall abſchlugen.” Noah, 148 S.


Es bleibet zu entſcheiden, ob ſie ihn ihm, oder dem
Schickſale, abſchlugen. Dieſe Ungewißheit,
dieſes Raͤthſel haben wir dem Woͤrtlein ihm zu dan-
ken. Jſt das Beywort in dem letztern Verſe nicht
lang genug?


Knochen.

Rath Bodmer erzaͤhlet in ſeiner
Bodmerias, oder dem Noah: der Karaibe
nage Knochen. Der geſtrenge Herr Rath

machet alſo fleiſchichte Knochen, welches ſonder
Zweifel das Fleiſch, das an den Knochen ſitzet,
vorſtellen ſoll. Wir wuͤrden es lieber ein kno-
chichtes Fleiſch
nennen; und zechen laſſen.


— “Alſo nagt unter den ſittlichen
Menſchen

“Nur der wilde Karibe die fleiſchichten
Knochen der Leute. Noah, 245 S.


Karibe zierlich a. St. Karaibe. Wir frohlo-
Q 4cken
[248]Kn
cken recht, daß der Herr Rath die Karaiben un-
ter die ſittlichen Menſchen zaͤhlet; und wuͤnſchen
ihm Gluͤck zu dieſer Erfindung. Wir freuen uns
auch, klippichte oder bergichte Knochen ange-
troffen zu haben.


“— Neuthuͤrmende Berge
“Standen unter dem Waſſer auf —
“Mit zerſpaltenem Haupt’, mit abgeriſſenen
Seiten,
“Klippichten Knochen,
die aus den magern
Schenkeln hervorragten.” e.d. 359 S.


Da haben wirs! da ſehen wir, daß die Berge
keine Waden
haben. Die Berge werden die
Beine gebrochen haben: denn da ragen die
Splitter hervor: die armen Berge!


Knorricht.

Daß die Eichen ein Eingeweid haben,
war unbekannt; daß es knorricht ſey, noch unbe-
kannter: am allerunbekannteſten aber war es, daß
es eine Strafe ſey, einen ins Eingeweid zu ſte-
cken:
allein es iſt auch der Eichen Eingeweid.


“Gottes Geſandter trat mit dem Kleinſten der
Schroͤcken zu ihnen ꝛc.
Murmelt ihr unter der Laſt: ſo will ich den
Eichbaum zerſpalten,
“Und euch beyde tief in ſein knorrichtes Ein-
geweid klemmen:

“Bis ihr drey langſame Tage darinn ver-
heult habt.” Noah, 173 S.


Wie groß mag alſo das Groͤßte der Schroͤcken
ſeyn? Wo mag er doch das Schroͤcken gefuͤhret
haben? Auf dem Helme? Murmelt druͤcket weit
mehr
[249]Kn
mehr aus, als murret. Es nimmt uns Wunder,
warum nicht Raphael alle Teufel in Eichen ge-
klemmet;
ſie wuͤrden nicht mehr die hoͤlliſche
Schildwacht, Abdieln,
hintergehen. Drey
Tage in Eichen zugebracht,
ſind freylich lang-
ſamer,
als drey Tage in Pflaumbaͤumen.
Flemming
brauchte ſchon verweinen, verwa-
chen:
ſo kann alſo auch wohl Rath Bodmer
verheulen
brauchen. Eben ſo drohet Ariel, der
Sylphe, den Sylphen und Sylphiden im
Lockenraube, wo ſie nicht Belinden recht be-
wachen werden:


“Welcher Sylphe nun aus Leichtſinn ſeine
Pflicht zu ſchlaͤfrig treibt;
“Von dem ſtrengen Poſten weichet, oder nicht
ſtets bey ihr bleibt: ꝛc. ꝛc.”


Jſt das Wort klemmen nicht hoch? zum wenig-
ſten iſt es tief.


Knatternd.

Man wird bald merken, daß dieſes
Wort aus dem knatternden Gehirne des Hrn.
Magiſters
entſprungen iſt. Zum Beweiſe
fuͤhren wir dieſen knatternden Vers an:


“Der Schwerter knatternd Geraͤuſche hatte
ihn alſo erſchrecket,
“Daß er ſeinen eignen Soldaten zwiſchen den
Beinen hindurch kroch.” Nimr. 435 S.


Sollte er ſich nicht da etwas geklemmet haben?
Der arme Mann! Er hatte das Ungluͤck, daß er
keinen Degen konnte klingen hoͤren. Auf der
429 S.
giebt es auch etwas knirrendes und knor-
rendes.


Q 5So
[250]Kn Ko

“So wie ein laͤrmender Hagel, der auf dem
Dachziegel raſſelt,
“Mit einem knirrenden Tone die Fenſter der
Haͤuſer zerſchmettert: ꝛc.
“Da ſchwirrten die Sehnen der Bogen, wie das
Schnarren knorrender Hunde.


Jſt das nicht recht was Knorrendes, Schnar-
rendes, Schwirrendes, Schmetterndes,
Knirrendes, Raſſelndes, Laͤrmendes?
Ohe!
jam ſatis!


Knotichte Sayten.

Nun koͤmmt ein Stuͤckchen fuͤr
die Herren Geigeniſten, oder, wie ſie ſich lieber
nennen, fuͤr die Herren Virtuoſen. Sie moͤgen
uns ſagen, wie dieſe Sayten klingen:


“Der Unterſchied entſpringet aus den Lauten:
“Auf knotichten ungeſtimmten Sayten
Greift jener fein, u. hoͤrt doch grobe Toͤne.
Brem. Ged. 12 S.


So geht es unſern Hexametriſten; ſie greifen
fein; und man hoͤrt doch grobe Toͤne; ſie wollen ei-
ne Laute ſchlagen, und man hoͤret eine Sackpfeife;
ſie ſtimmen hoch, und die Sayten reiſſen. Wir
aͤrgern uns daher recht, wann man ſie tadelt.
Was koͤnnen ſie davor, daß es nicht Leute giebt,
die Midasohren haben?


Koͤpfe.

Hier iſt fuͤr ein Heldengedicht ein ſehr erha-
bener Ausdruck, und er zeiget, wie der Hr. Ma-
giſter annehmlich fallen
kann.


— “Hierauf entſtand nun im Kriegsvolk
“Ein Getoͤs; u. ſie ſteckten die Koͤpfe einhaͤl-
lig zuſammen.” Nimr. 7 S.


Uns
[251]Ko

Uns koͤmmt es vor, als ſaͤhen wir den Hofnarren
Sr. Maj. Hrn. Habacuc,
auf einem Ber-
ge ein Getoͤs machen; ehe wir es uns aber verſe-
hen, ihn vom Berge uͤber Hals uͤber Kopf her-
ab purzeln.


Koͤrper.

Rath Bodmer malet hier ein ſeltenes
Volk:


“Jedes Gliedmaß an ihnen iſt ungeduldig;
die Worte
“Sind zu traͤge fuͤr ſie: ihr Koͤrper wird aller
zu Ausdruck.

(Der Steiß auch? Ein feiner Ausdruck!)
“Witz iſt ihr beſter Verſtand,
und unſere
goͤttliche Reden
“Sind unſinniges Zeug in ihrem verkehrten
Geſchmacke.” Noah, 55 S.


Was mag doch ihr ſchlechter Verſtand ſeyn?
Freylich! ſo geht es den goͤttlichen Reden Klop-
ſtocks
und Bodmers an vielen Orten. Jm
Vertrauen, Herr Rath! beſtehet ihr Volk nicht
aus Narren?


Kochen.

Der Ueberſetzer der Jlias iſt freylich kuͤhn,
daß er den Zorn zum Koche machet.


“Und in den Adern kocht der Zorn ein ſchnelles
Blut.”


Noch kuͤhner, ja tollhaͤuſiſch iſt es, wenn man gar
Laſter kochen will. Bald wird man auch Tu-
genden ſieden,
und Gemuͤthsgaben braten.


“Aber die Herzen des Schwaͤch’rs u. der Braͤu-
te kocheten Meyneid.” Noah, 70 S.


Sie
[252]Ko Kr

Sie machten einen Brey daraus, und gaben ihn
ihren Liebſten zu freſſen, die ihn fraßen.


Kommlichkeit, a. St. Bequemlichkeit.

Dieſes
gehoͤret in das naumanniſche Faͤchelein:


“So wie der fleißige Landmann, zur Kommlich-
keit ſeines Lebens,
“Jn einen lockeren Boden geflammte eichene
Pfaͤle,
“Oder in ſumpfichte Oerter Staͤmme von Er-
lenholz einpfloͤckt.” Nimr. 293 S.


Wir haben niemals Pfaͤle, geſchweige geflamm-
te Pfaͤle
und Staͤmme einpfloͤcken geſehen; ob
wir gleich oft dabey geweſen ſind, wann der
kommliche Landmann Pfaͤle eingeſchlagen, und
Staͤmme eingerammet hat.


Kranz.

Die Kenner der Alterthuͤmer haben von
dem Gebrauche der Kraͤnze gehandelt. Was der
Lateiner mit ſeiner illibata virginitate ausdruͤ-
cket, das ſagt der Deutſche mit ſeinem Kranze.
Findet ſich Gelegenheit von dieſer Sache zu reden,
ſo wird uns dieſes geringe Woͤrtchen neue Gedan-
ken und unerwartete Ausdruͤcke an die Hand ge-
ben. Z. E. Sichem ſchwaͤchete die Dina. So
einfaͤltig und anſtaͤndig erzaͤhlet die Bibel. Wie
matt und kalt iſt dieſes fuͤr einen hochbaͤumenden
Redner? Er ſagt lieber:


Sichem zerriß einen Kranz, den die Geſetze
der Ehe nicht fuͤr ihn gewunden hatten.

Beſſer gegeben! Buttſt.


Kreis.

Wie denket man doch da, wann man im
Kreiſe denket? Jſt unſere Seele ein Kraͤuſel?


“Der
[253]Kr

“Der Philoſoph blaͤht ſich u. denkt im engen
Kreis:

“Was einen Helden macht, iſt oft des Poͤbels
Preis.” Zernitz, 78 S.


Denket er dieſes nicht auch im weiten Kreiſe?
Jſt die Scanſion von blaͤht ſich nicht wohlklin-
gend?


Krieg rennt durch offene Felder,

und wird doch
nicht muͤde. Der grobe Krieg! Der tollkuͤhne
Krieg!


“Es ſteigen dir zum Hohn dort tauſend Frevler

auf

“Vom Schlamm, der ſie gebahr: da im toll-

kuͤhnen Lauf

“Krieg durch die offnen Felder rennt.”

Brem. Ged. 77 S.

Der breite Herr Johann Heinrich Oeſt haben
uͤber dieſe Ode Pindariſche Ode geſchrieben.
Es iſt zur Bequemlichkeit des Leſers geſchehen, der
ſie ſonſt eine lykophroniſche haͤtte nennen koͤn-
nen; ſo wie man manchen fuͤr einen Narren hal-
ten wuͤrde, wenn er nicht Doctor waͤre.


Krieger eherne rauſchen mit eiſernem Getoͤſe.


Dieſer ganz eiſerne Vers gehoͤret zur eiſernen
Phraſeologie St. Klopſtocks;
denn ſo ſaget
er in ſeinen Offenbarungen 68 S.


“Jtzo ſandten ſie, hoch von himmelnahen Ge-
birgen,
Eherne Krieger; ſie rauſchen mit eiſernem
wilden Getoͤſe

“Ueber
[154[254]]Kr Ku
“Ueber die Felſen, u. krachen, u. donnern, u.
toͤdten von ferne.


Jſt das nicht graͤßlich? Erſtlich ſehen wir ſie, dieſe
eherne Krieger; ſie rauſchen mit eiſernem,
nicht mit goldenem Getoͤſe; ſie krachen; ſie
donnern; ſie toͤdten! Das glaube ich! Dann
wollten wir auch krachen, donnern und toͤdten,
wenn wir ehern waͤren.


Kriegsklang der Harniſche

und Friedensklang der
reichen Weſten, e. d. 123 S.
Wir haben ſchon
oben bewundert, daß die Engel ſo zaghaft ſind, und
Harniſche anziehen, ob ſie gleich nur ein bischen
Milch a. St. Blut geben; die Wunden auch gleich
zuheilen. Wir haben mehr Herz.


Kriegswagenburg;

vieleicht hat der Teufel auch
eine Friedenswagenburg; Kutſchen, Phaeto-
ne
und Wurſtwagen.


‘— “allein die Kriegeswagenburg Sa-
tans.” e. d. 57 S.
()

Wir haben auch den Milton und Taubmann
geleſen; wiſſen aber nicht recht, ob ſich die Engel
mit einer Wagenburg bedecket haben. Jn
Polen iſt es gewoͤhnlich: ob es im Himmel
auch iſt, das lernen wir eben nun.


Kuͤhl.

Den Augenblick leſen wir, daß ein Oel-
baum kuͤhl
iſt, und mit einem Keller oder einer
Grotte eine Eigenſchaft hat.


‘“Um ihn verbreitet ein Oelbaum ſein Kuͤhl.”
Noah, 206 S.
()

Dieſes that er dem Heylande zu gefallen, indem ein
Seraph am Saͤuſeln einer Cryſtallenen
Quelle
[255]Ku
Quelle ein Lager von Mooße machet. Siehe
eben dieſes Bluͤmchen in den Geſichten St.
Klopſtocks, 5 u. 6 S.


“Um und um nahm ihn der Oelbaum ins
Kuͤhle ꝛc. ꝛc.

— “Beym Grabe der Seher
“Waͤchſt dort unten ruhiges Mooß im kuͤhlen-
den Erdreich. ꝛc. ꝛc.”


Giebt es alſo auch ein unruhiges Mooß?


Kuͤnftigkeit.

Sr. wohlgeb. Unſterblichkeit iſt
die Aſche der Vergangenheit ein Keim von
Kuͤnftigkeiten.
Unſer Geſicht zwar iſt zu kurz,
dieſe Aſche und dieſen Keim zu ſehen. Allein es
muͤſſen doch zwey unvergleichliche Dinger ſeyn;
weil ihrentwegen zwey ſo ſchoͤne neue Woͤrter,
nebſt einer neuen mehreren Zahl, gebacken worden.
Wie es ſo ſchoͤn iſt!


“Furchtbares Meer der ernſten Ewigkeit!
“Uralter Quell von Welten u. von Zeiten!
Unendlichs Grab von Welten u. von Zeit!
“Beſtaͤndigs Reich der Gegenwaͤrtigkeit!
“Die Aſche der Vergangenheit
“Jſt dir ein Keim von Kuͤnftigkeiten.”
Haller, 150 S.


Was fuͤr ein Meer! Was fuͤr ein Quell! Was
fuͤr ein Grab! Was fuͤr ein Reich! Was fuͤr ei-
ne Aſche! Ja! was fuͤr ein Keim! Was endlich
fuͤr Reime! So hat die Ewigkeit die Welten
geſchaffen!
So iſt ein Grab unendlich! Und ſo
kann man Woͤrter haͤufen, mit denen keine Begrif-
fe zu verknuͤpfen ſind! Eya! waͤren wir da!


Kuß.
[256]Ku

Kuß.

Niemand kuͤßt lieber, als Dichter: das
war laͤngſt wahr; unſere heilige Maͤnner kuͤßen
noch weit aͤrger, als Guͤnther jemals gekuͤßt hat.
Hier iſt ein recht ſuͤßes Kuͤßchen; die Thraͤne
kuͤßt eines Geliebten Spuren;
denn, wenn ſie
auf den Spuren aufgekuͤßt wuͤrde: ſo koͤnnte leicht
ein bischen Koth mit unterlaufen. Wir rechnen
es zur ſuͤßen Schreibart.


Die Liebe weint in eure Lieder:
Jhr Sayten! ahmt ihr Schluchzen nach!
(Weſſen? der Lieder?)
Haucht ſanfte Toͤne
durch die Fluren!
(Toͤne hauchen; Athem ſingen.)
Wo ſie bey des Geliebten Spuren,
Die ihre Thraͤne jammernd kuͤßt,
Um ſein Entfernen troſtlos iſt;
Der Nachhall wird zum Mitleid wach:
Und ſtammelt ihre Seufzer wieder.
v. a. Samml. Nicol. 152 S.


Das heiße ich zaͤrtlich! der Nachhall muß ſtam-
meln: lallen?
das koͤnnte er wohl im Schlafe
thun; darum wecken wir ihn auf: denn er hatte
den Kopf ins Kuͤſſen geſtecket. Auf der f. S.
weinet die Liebe Zeugniſſe.
Noch ein Kuͤßchen!


— “wo unſre Liebe
“Sich mit der Weisheit muͤtterlichem Kuß
“Jn deiner Redlichkeit geſetzten Kuß getheilt
“Von uns zu fernen Kuͤſſen eilt.


Dreyerley Kuͤſſe! Ein muͤtterlicher Kuß! ein
geſetzter Kuß; ferne Kuͤſſe: ſind das nicht Kuͤſſe?
Ferner ſagt er: kein Ocean raſt ſo ſehr, als
ein
[257]Ku
ein Freund, wenn er ſich von dem andern tren-
nen muß:
und das finden wir gar nicht uͤbertrie-
ben. Noch ein Paar Kuͤſſe! Ein ganzes halbes
Dutzend! Und das iſt kein Wunder: denn, wie
die letzte Arie zeiget, ſo iſt er beſoffen.


Vom Taumel (lieber, Baͤcher!) entzuͤckender
Regung berauſchet,
Mit Ruhe, die niemand fuͤr Kronen vertauſchet,
Umſchatte, o! Himmel! den redlichſten Freund.
J. F. E. Fabricius.


Am ſchoͤnſten iſt es, daß dieſer Herr ſeinem Freun-
de,
oder dem Himmel, einen Rauſch, oder Tau-
mel
anwuͤnſchet. Das Wort Taumel druͤcket
uͤberdieß in der heiligen Sprache einen goͤttli-
chen Rauſch
oder Begeiſterung aus; und die-
ſemnach haben wir viel beſoffene Dichter. Noch
ein Kuͤßchen! denn wie koͤnnte man ein Schaͤfer-
dichter
ſeyn, und nicht kuͤſſen?


“Geſtalt und Pracht, der Farben Staͤrke,
“Die Mund u. Bruſt u. Wangen ſchmuͤckt,
“Thun zwar ſo lange Wunderwerke,
Als man im Kuſſe Blumen pfluͤckt.
Zernitz, 70 S.


Wir haben es verſuchet; wir beſtreuten den Mund
unſers Engelchens mit Blumen, und kuͤßten:
aber es ſchmeckte nicht; denn wir kuͤßten nur
Blumen, und pfluͤckten ſie nicht. Wir kniee-
ten daher auf eine Wieſe, wo Veilchen ſtunden,
und kuͤßten und pfluͤckten. Wir pfluͤckten aber
auch Kuhblumen: denn indem wir kuͤßten: ſo
ſahen wir nicht; wir haͤtten auch wohl in et-
Rwas
[258]La
was aͤrgers greifen koͤnnen. Ueberhaupt merken
wir, daß man in dieſer Strophe nicht recht ſiehet,
wer da ſchmuͤcket, oder geſchmuͤcket wird.


L.


Labyrinthiſche Tafel:

iſt das nicht eine verwirrete?


“Dort an den goldenen Pfeilern, da ſind laby-
rinthiſche Tafeln

“Voll vom Schickſal. —
Offenb. St. Klopſt. 17 S.


Gott haͤnget ſie auf, damit Eloa darinnen buch-
ſtabieren
kann. Unter andern buchſtabieret er
auf der 18 S.


‘“Und die zur Rache geruͤſtete Glut! — —’ ()

Er buchſtabieret es, ſage ich: denn wir ſehen nir-
gends einen Zuſammenhang. So buchſtabieret
St. Klopſtock!


Laͤcheln;

dieſes iſt ein vielſchaffendes Wort in der
Klopſtockiſie; einer gewiſſen Krankheit, die
Dichter immer zu laͤcheln und oft zu lachen ma-
chet. Man laͤchelt in dieſem Paroxiſmus Thraͤ-
nen, Worte, zerbrochene Haͤlſe, Donner,
und noch mancherley.
Dieſer Zufall iſt gefaͤhr-
lich; wer einmal zu laͤcheln anfaͤngt, laͤchelt und
lachet die Zeit ſeines Lebens. Koͤmmt noch das
Gaukeln dazu: ſo iſt der Menſch verlohren.
Wir fuͤhren es einmal fuͤr allemal an, um durch
das ewige Laͤcheln kein Lachen zu erregen. Es
iſt kein anderer Rath, als wir fuͤhren die Laͤchler
in die Hoͤhle des Trophonius. Wir fuͤrchten
nur
[259]La
nur ſie, als Weiner, herauskommen zu ſehen.
Denn dieſe Krankheit hat zween Aeſte; verſchnei-
det man den einen Aſt: ſo waͤchſet der andere;
und es giebt Dichter, die immerfort bald eine
laͤnglichte, bald eine eckichte Thraͤne, bald eine
leutſelige, bald eine menſchenfeindliche Zaͤhre
vergieſſen. Sieh zu Ende von L. die wei-
tere Ausfuͤhrung.


Laͤrmeriſch.

Man hatte lange genug laͤrmend ge-
ſagt: es war einmal Zeit, den Ton zu veraͤndern.


“Dieß laͤrmeriſche Gepolter hoͤrten nur
Nimrod und Thirza. Nimr. 233 S.


NB. Und der Herr Magiſter! das ſpuͤket!
das poltert!


Ladan.

Ein gar koſtbares, obgleich etwas unbe-
kanntes Gewaͤchs fuͤhret Rath und Wuͤrzkraͤ-
mer Bodmer
in ſeinem dichteriſchen Laden,
von dem Lohenſtein der Ladenhuͤter iſt. Jſmae-
liten
fuͤhreten es ſonſt: nun aber Jſmaelen:
ſo ſage man nicht mehr Jſraeliten; ſondern
Jſraelen.


‘“Ungefæhr kam ein trupp Iſmaelen von
Gilad; ſie fyhrten
Storak, gummi und ladan auf ihren
kamelen, womit ſie
In Mizraim wollten. Jac. u. Joſ. 29 S.
()

Nicht nach Mizraim; auch merke man ſich das
deutſche Wort trupp, dem der Herr Rath das
Buͤrgerrecht in der bodmeriſchen Sprache ver-
leyhet. Gilead kann auch ex auctoritate ins
R 2Kurze
[260]La
Kurze gezogen werden; und der Herr Rath iſt
keine geringe Autoritaͤt.


Langgehalstes Cameel, ſo wie eine kurznackichte
Doris.


— — “die Bruͤder
“Nehmen dem langgehalsten Cameel die
koſtbare Laſt ab.” Noah, 112 S.


Wir wollten lieber einer kurznackichten Schoͤnen
das Halsgeſchmeid abnehmen: denn es iſt auch
eine koſtbare Laſt. Jener hielt ſich uͤber folgen-
den Vers auf:


‘“D’une Epée, ornement \& defenſe à la
fois,
“Pendoit à ſon côté le magnifique Poids.
Iliade de la Motte.
()

Jſt unſerer beſſer? Jch zweifele!


Laͤngen von ſeufzenden Zuͤgen,

und Tiefen von
ſinkenden Toͤnen ſchleifen.
Jſt das nicht eine
herrliche Muſik? Eine Laͤnge ſchleifen; eine
Kuͤrze purzeln! Aber wer ſchleifet denn ſo? Der
Necromant! Er beſchwoͤret die Teufel! Allein
ſie kamen nicht; und das iſt nicht zu verwundern.
Wer Teufel hoͤret gern eine ſolche Muſik, davon
das Zetergeſchrey die Baß- oder die Grobſtim-
me
iſt? Wir wollen, zur Bewunderung, die
ganze Stelle herſetzen:


“Dann beſchloß (a. St. verſchloß) ſich der
Necromant in ein finſters Zimmer,
“Seine Beſchwoͤrung der Hoͤll im Grauen der
Nacht vorzunehmen.
“Er zerritzte die Bruſt mit ſpitzig geſchliffenen
Steinen,
“Zwang
[261]La
“Zwang die Glieder verkehrt in ſeltſam ge-
kruͤmmte Geſtalten,
“Und die Kehle zu unharmoniſchen haͤßlichen
Toͤnen;
Wieherte, ziſcht’ und ball, und bruͤllte,
heulte; dann ſchleift’ er
Laͤngen von ſeufzenden Zuͤgen, und Tiefen
von ſinkenden Toͤnen.” Noah, 142 S.


Klingt das nicht unharmoniſch? Der Necro-
mant
war erſtlich ein Pferd: er wiehert; eine
Schlange: er ziſchet; ein Hund: er bellt; ein
Ochs: er bruͤllet; ein Wolf; denn er heulet:
worauf es ihm dann beliebet, eine Nachtigall zu
werden. Verrichtungen und Verwandelungen
genug, die einem Teufel, geſchweige einem Zau-
berer,
ſchwer fallen wuͤrden! Endlich hoͤren es
die Teufel und ſie erſcheinen; obgleich ein bischen
grob. Einer ſetzet ſich auf ihn: er lehret ihn
auch dafuͤr die Anrede:


“Hoͤret, ihr Herren der Welt, Zamzummim,
und Zuzim und Emim!


Denn von den Staͤmmen in im waren dieſe
Herren.


Langhaͤndicht.

Daß die Koͤnige lange Haͤnde
vor den uͤbrigen Menſchen voraus haben, iſt be-
kannt. Ein Beywoͤrtelein hieraus zu ſchnitzen,
das war noch uͤbrig. Der Herr Magiſter merk-
te es, und ſchnitzte es:


— “das befiederte Rohr dieſes Bolzen
“Traf den langhaͤndichten Koͤnig, den unge-
ſtuͤmigen Nimrod.” 503 S.


R 3Ob
[262]La

Ob ein Bolzen von Rohr iſt, das wiſſen wir nicht:
wir lernen es aber.


Langlinicht.

Man daͤhnet ſich langlinicht, wann
man zur Schlange wird. Wir haben zwar kei-
nen Kuͤtzel, es zu verſuchen; daher wir uns denn
begnuͤgen, die treffliche Verwandelung des Herrn
Raths herzuſchreiben:


— — “dem Unmenſchen
“Spitzten ſich Haupt und Haͤnd’ in Schlangen-
koͤpfe, der Koͤrper
Daͤhnete ſich langlinicht, mit kupfern
Schuppen bepanzert,
“Bis ſich die Menſchengeſtalt in der Amphis-
baͤne verlieret.” Noah, 66 S.


Da hoͤren wirs, daß eine Amphisbaͤne, eine Ge-
burt Rath Bodmers, kupferne Schuppen
hat. Solch ein Thier iſt noch nie gemalet worden.


Langſchleppende Zuͤge

ſind nicht Zuͤge, die etwas
ſchleppen;
auch nicht Zuͤge, die geſchleppet
werden.
Was denn? das weis Gott und Rath
Bodmer!


“Aber er ſah itzt uͤber die Flur ſich Schaaren
ergieſſen,

“Seltſam durch einander ſich kreuzen, mit
fliefſenden Fahnen,
“Wagen von Erz
mit Pferden beſpannt,
langſchleppende Zuͤge,
“Schwer beladne Kameel’ und Elephanten
mit Thuͤrmen.” Noah, 6 S.


Dieſe Figur heißt nach dem Antilongin, 52 S.
die Umſchreibung; denn da ſehen wir, 1. eine
Flur,
[263]La
Flur, auf der ſich Schaaren, wie Wellen, ergieſ-
ſen;
2. ſehen wir ſie auf einander kreuzen, wie
die Maltheſer auf die Algierer. 3. mitten in
dieſen Wellen kommen erzene Wagen, nicht ge-
ſchwommen,
ſondern gefahren; ſie koͤnnten
ſonſt untergehen. 4. erſcheinen Kameele und ge-
thuͤrmte Elephanten: 5. Fahnen, die da flieſſen,
und endlich finden wir, daß alles dieß ein Hoch-
zeitſchmaus
iſt. Alles iſt deutlich, ſehr deutlich:
nur faͤllt es uns unmoͤglich zu ſagen, was lang-
ſchleppende Zuͤge
ſind.


Landhaft.

Wir wiſſen nicht recht, was folgendes
fuͤr ein Lager ſey:


— “Am Saͤuſeln
“Einer kryſtallenen Quell erwies ſich ein
Seraph geſchaͤftig,
“Jhm vom zarteſten Moos ein landhaftes
Lager zu ſammeln.” Noah, 206 S.


Der Verfaſſer der Bodmerias wird uns erlau-
ben, ſeinem Kinde den Namen zu ſtehlen. Wir
wollen die Urſachen unſers Diebſtahles anfuͤhren.
Verdienet ein Gedicht, wodurch der Name des
Dichters mehr, als des Helden, verewiget wird,
nicht eher des Dichters, als des Helden Namen?
Wir ſind uͤberzeugt, daß Rath Bodmer mehr
durch den Noah, als Noah durch Rath Bod-
mern
verherrlichet wird: was ſollte uns alſo hin-
dern, ſein landhaftes Gedicht eine Bodmerias
zu nennen? Es ſey alſo eine Bodmerias!


Laut.

Wir haben bereits oben der goldenen Klaͤn-
ge
erwaͤhnet: es iſt unſere Schuldigkeit, dem gol-
R 4denen
[264]La
denen Laͤuten auch dieſe Ehre wiederfahren zu laſ-
ſen. Denn ſo ſagt der große Rath in ſeiner
Bodmerias, 242 S.


‘“Alle die Zeit, ſo lange die Poſaune den gol-
denen Laut blies.
()

Das iſt nun freylich ſchoͤn; aber noch ſchoͤner, daß
die Poſaune und nicht Noah dieſen goldenen
Laut geblaſen.
Jm Vertrauen! Wie ſiehet denn
ein goldener Laut aus?


Lautenklang.

Niemand hat bis jetzt das Waſſer
eine Laute ſpielen laſſen. Daher rufet Rath
Bodmer
der Muſe


‘“vom lautenklang fallender waſſer.
Jac. u. Joſ. 6 S.
()

Denn alles, was noch niemals geſagt, niemals ge-
glaubt, niemals gedacht worden: daraus machet
ſich eine Ehre, zu ſagen, zu glauben, zu denken
der große Rath.


Laut.

Lieber Leſer! du weißt nicht alles, was ein
Laut kann: weinen kann er; und rauſchen, und
winſeln.


‘“Was fyr ein ængſtlicher laut mit bangem
winſelndem rauſchen
Weinet aus deinem mund, u. welche ver-
borgene geſchichte
“Hat ihn aus dein gedryckten gemyth
auf die lippen gejaget.Jac. u. Joſ. 25 S.
()

Eine feine Hetze! Jch moͤchte wohl die Hunde ſe-
hen, die einen Laut jagen; er mag vortreffliche
Spruͤnge thun, ehe er auf den Lippen ſein Lager
findet. Ein großer Mann muß ſich gar nicht um
die
[265]La
die Bedeutung der Woͤrter bekuͤmmern; das ge-
hoͤrt fuͤr Schuͤler. Woͤrter ſind Bilder unſerer
Gedanken: folglich koͤnnen wir ſie malen, wie wir
wollen; die Woͤrter zu verſtehen, und ihre Bedeu-
tung iſt willkuͤhrlich.


Laſurne Laͤnge.

Hat jemand eine laſurne Laͤnge
geſehen? Wir werden es kuͤnftig kuͤhnlich brau-
chen, wann wir einen blaulichten Balg werden
ſagen wollen. Allein was ſollen wir denken, wann
wir ſagen: er kriecht nachahmend? Kann denn
ein Wurm anders, als ein Wurm, kriechen?
Oder ſoll dieſes Nachahmen des Malers Nach-
ahmung
ausdruͤcken?


— — — “Auswendig
“Um die bauchichte Woͤlbung von ſanft-
erhabener Arbeit
Kriecht nachahmend ein Wurm; er win-
det die laſurne Laͤnge

“Jn triumphirenden Wellen nach einem
nahen Gebuͤſche.” Noah, 38 S.


Wenn alſo ein Kind ſich der Wuͤrmer entlediget:
ſo kann die Amme ſagen:


— — — “Auswendig
“Um die ſteißichte Woͤlbung von ſanfterha-
bener Arbeit
Kriecht nachahmend ein Wurm; er win-
det die bedr - - Laͤnge

“Jn triumphirenden Wellen nach einem na-
hen Gehaͤuſe.


Nur ein Zweifelsknoten ſtoͤßt uns auf: naͤm-
lich, warum triumphiren Wellen? des Wur-
R 5mes
[266]Le
mes Ruͤcken ſind alſo Wellen? Ein garſtiger
Wurm!


Leben.

Ein Leben leben; folglich auch ein Leben
ſterben;


— — — “ein Leben
“Von ein Paar uͤbelgeſicherten Odemszuͤgen
zu leben.” Noah, 253 S.


Wir erſehen zugleich, daß von nicht mehr die
Nehmeendung zu ſich nimmt; auch haben wir
unter der Hand vernommen, der große Rath ar-
beite an einer antigottſchedianiſchen Sprach-
lehre.
Wir theilen dieſes Geheimniß unſerm Le-
ſer nur, unter der Bedingung, mit, es bey ſich zu
behalten.


Leben.

Wenn du fragen willſt: leben Sie noch?
ſo ſp[r]ich in der neueren Sprache:


— “o! hauchen ſie noch das irdiſche Licht
ein?

“Soll mein Auge noch einmal ihr Antlitz
gruͤßen, auf welchem
“Jch mit der reinſten Luſt zu ruhn vor dieſem
gewohnt war? Noah, 16 S.


Das waͤre nun ein bischen nachdruͤcklich! Wir
zum wenigſten wollten keinen Schweizer, ge-
ſchweige den großen Rath, auf unſerm Antlitze
ruhen laſſen: Doch, wenns endlich ein huͤbſches
Schweizermaͤgdchen waͤre! Sie muͤßte uns
aber verſprechen, es wieder auch von uns zu
leiden.


Leben.

Ein dunkles Leben iſt ein betruͤbtes Leben;
ein helles wird folglich ein froͤhliches ſeyn.


Denn
[267]Le
‘“Denn wiewol wir das leben des Joſephs
entdeckten, ſo wære
“Dieſes leben fyr Jacob ein dunkles, troſt-
loſes leben. Jac. u. Joſ. 31 S.
()

Leben toͤdten.

Wir wiſſen zwar nicht, warum der
Dichter ſo grauſam ſeyn will, ein Leben zu toͤdten,
das ihm nichts gethan hat: allein genug! er toͤd-
tet es!


“Vergebens toͤdt’ ich alles Leben, durch das
mich die Natur vergnuͤgt.
Samml. Nicol. 156 S.


Es lebet doch wieder auf! Das iſt nun noch un-
dankbar und unbarmherzig zugleich ſeyn, etwas
toͤdten zu wollen, was mich vergnuͤget. Das iſt
eine doppelte Suͤnde! eine Suͤnde, die demjenigen,
der ſie begehet, weder Luſt, noch Vortheil, bringet:
und alſo von einer betruͤbten Rachgier zeuget.


Leblos.

Hier iſt etwas Lebloſes!


Lebloſe Stille hieng uͤber der Luft, den
Auen, und Haynen,
“Die nicht der kleinſte Schall von einigem
Leben erhellte. Noah, 387 S.


So erhellet demnach ein Leben! ſo giebt das Le-
ben
einen Schall; und ſo kann man eine Stille,
ein unperſoͤhnliches Ding, als einen Koͤrper
aufhaͤngen.
Denn das iſt ein ganz beſonderes
Geheimniß der Neueren, Dingen, die man nicht
ſinnlich machen kann, alle fuͤnf Sinne, ja auch den
Sechsten, den ſchweizeriſchen, oder beſſer
bodmeriſchen Sinn, zu ertheilen.


Leerheit.

Wir haben uns lange geſehnet, etwas
von
[268]Le
von Klopſtocken, dem Theologen, bewundern
zu koͤnnen; Nicht etwa, als wenn wir nicht ganz
allein ein neologiſches Woͤrterbuch aus ſeiner
Offenbarung ziehen koͤnnten: nein! gar nicht!
Wir trauten uns wohl einen der fuͤrchterlichſten
Folianten davon zu liefern. Aber wir tragen
ſo viel Ehrfurcht gegen die heilige Sachen, die er
vortraͤgt, daß wir uns nicht anders, als mit Zit-
tern, ſeinen Heiligthuͤmern naͤhern. Wir wiſſen
es, wie man, leyder! heutiges Tages ſehr freyge-
big mit den belohnenden Namen eines Frey-
geiſtes
und Gotteslaͤugners iſt; daß ſo gar auch
ein heiliger Eifer Verirreten oder Unuͤberzeugten
die ſittlichen Tugenden abſpricht. Doch koͤnnen
wir auch von Amts wegen unſern mehr als Mil-
ton
nicht unbewundert laſſen. Wir bewundern
daher das ſchoͤne neologiſche Woͤrtelein Leerheit;
und verſichern, daß wir es oft in den Gedanken des
Dichters wahrnehmen.


Lehen.

Es iſt uns ein unausſprechliches Vergnuͤ-
gen, den Hn. Amman dem lieben Gott eine
Lehenskanzeley errichten zu ſehen. Ach!
wie unerſchoͤpflich Se. Gn. nicht an Erfindun-
gen ſind!


Georgens Thron iſt Gottes Lehen,
“Und der Gebrauch ſein Eigenthum.
Haller, 131 S.


Georgens? oder Gottes? Hier wollten wir
lieber Amman, als in Bern, ſeyn; wofern es
nicht vortheilhafter waͤre, Lehenskanzler zu wer-
den. Es iſt alſo nicht wahr, daß Hannover
von
[269]Le
von dem Reiche zu Lehen gehet. Wir irren uns:
Großbrittanien iſt ein unmittelbares Lehen
von Gott.


Leibfarb keuſcher Jugend.

Was mag das fuͤr eine
Farbe ſeyn? Die keuſche Jugend ſieht oft blaß;
oft roth; auch gelb und braun, und weiß, und
ſchwarz aus. Wir ſtaunen!


Du ſtaunſt! es regt ſich deine Tugend:
Die holde Leibfarb keuſcher Jugend
Deckt dein verſchaͤmtes Angeſicht.
Haller, 68 S.


Verſchaͤmt, a. St. ſchamhaft; ein Geſicht, das
verſchaͤmt iſt, hat ſich ausgeſchaͤmet. Frey-
lich! hatten E. Gn. ſagen koͤnnen: eine Roͤthe.
Allein das waͤre keine Leibfarb geweſen: und Pa-
ter St. Clara
hat auch eine Leibfarbe.


Lehrgedicht

in einem Sommerkleide, oder freyerm
Anzuge,
ſchreibet Hr. Johann Heinrich Oeſt
an Hn. Eoban. Ob nun das Gedicht, oder
der Dichter das Sommerkleid an habe; und
was ein Gedicht in einem Sommerkleide
heiſſe:
das beurtheile der Leſer der bremiſchen
Gedichte.


Leibesmacht.

Mit aller Macht des Leibes war
bekannt. Der Herr Magiſter iſt etwas laco-
niſch,
und ſagt kurz: mit Leibesmacht.


— — “Und rudern mit Leibesmacht fort.
Nimrod, 241 S.


Hier giebt es auch herzloſe Maͤnner, oder Maͤn-
ner ohne Herz,
und andere Seltenheiten mehr;
denen wir unſern Weihrauch nicht verſagen:
denn
[270]Le
denn wer iſt es wuͤrdiger, als der laconiſche Herr
Magiſter?


Leidenſchaft erobern.

Wir hoffen ſie bald zu bela-
gern,
und Laufgraben davor zu eroͤffnen. Es
iſt kein Scherz! Es verrichtet es ein klopſtocki-
ſcher
Held von 18 Jahren.


“Du! (Klopſtocks Muſe!) die du die Seelen
mit heiligem Feuer begeiſterſt,
“Die du die Leidenſchaften in reizenden
Stuͤrmen eroberſt! Held. Ged. auf
Klopſt. Samml. Nicol. 160 S.


Sind das nicht reizende Stuͤrme? Wohlan!
Wir wollen eheſter Tages eine ſproͤde Schoͤne klop-
ſtockiſch reizend beſtuͤrmen.


Leutefreundlich;

denn leutſelig iſt veraltet.


‘— “die lippen
“Yberfloſſen den mænnern vom lob des
Zophenatpanahs,
“Der ſich zu ihnen ſo leutefreundlich
heruntergelaſſen.” Jac. u. Joſ. 46 S.
()

Uns uͤberfloſſen die Lippen auch vom LobeZo-
phenatbodmers, der ſich zu ſchylern ſo
Dichterfreundlich heruntergelaſſen.


Leutſelige Zaͤhren;

es wird folglich wohl auch men-
ſchenfeindliche
geben. Hr. Klopſtock weinet
jene leutſelige Zaͤhren, laͤnglicht und eckicht,
nach Belieben. Wir bedauern nur ſeine Augen,
die von ſo vielem Weinen roth ſeyn muͤſſen; wel-
ches auch ein Dichteraug in der Laͤnge nicht aus-
halten kann. Wir warnen ihn von Amtswegen.
Denn
[271]Le
Denn es ſchadet doch, wenn er ſie auch gleich, die-
ſe Thraͤnen, einzeln weinet.


Eine getreue leutſelige Zaͤhre, die ſeh’ ich
noch immer,

“Netzte ſein Antlitz; ich kuͤßte ſie auf; die ſeh’
ich noch immer ꝛc.”

“Ja! ſo ſagt er, Dudaim. Und der iſt unſer
Erloͤſer;
“Durch den ſind wir ſo ſelig: umarme mich, lie-
ber Dudaim!
Offenb. St. Klopſt. 30 S.


Wir nennen dieſe Wiederholungen die Jmmerfi-
gur;
oder die Dudaimsfigur: eine ſehr un-
ſchuldige Kinderfigur:
auch, wie oben geſagt,
das Kaninichen; indem ein Wort auf das andere
hucket; und doch Worte bleiben. Der heilige
Prophet
beſitzet eine ungemeine Staͤrke darinnen;
und es koͤmmt uns vor, wie der letzte Ton aus ei-
ner Sackpfeife, oder Schalumo, deutſch
Schallmey, wo auch der letzte Ton ein Toͤn-
chen hoͤher
nachſchnarret, obgleich das Stuͤck
aus iſt. Daher koͤnnten wir dieſe Figur den Du-
delſack
nennen; da waͤre St. Klopſt. der ſtaͤrkſte
Bockpfeifer.


Leyer.

Sollte wohl jemand eine Leyer in einer Of-
fenbarung
geſuchet haben? Wir finden und be-
wundern ſie, wie billig, in St. Klopſtocks Ge-
ſichten, 159 S.


— “Dich haben die Cedern,
“Und am einſamen Ufer, die Baͤche Jedidoth
geweinet.
“Ach!
[272]Le Li
“Ach! dich haben, in Schleyer gehuͤllt, auf
die Leyer herunter,

“Deiner Toͤchter jungfraͤuliche Thraͤnen,
o! Sumith! geweinet.


Was fuͤr Wunderwerke! da ſehen wir Cedern und
Baͤche, in Schleyer verhuͤllte Jungfernthraͤ-
nen,
und in Hoſen verwickelte Junggeſellen-
thraͤnen weinen; weinen,
ach! weinen auf
die Leyer herunter: wir wollen ſie wieder herauf
lachen!


Lenden.

Nach der neuen und heiligen Hebam-
menkunſt gebaͤhren
die Maͤnner, und die Wei-
ber zeugen:
ein niedlicher Tauſch, der eben
darum ſchoͤn iſt, weil es nicht wahr iſt.


‘“Einen zahlreichen trupp aus deinen len-
den gebohren.” Jac. u. Joſ. 15 S.
()

So iſt das Wort Truppen auch deutſch! und
recht ſehr deutſch.


Licht.

Ein zwingend Licht iſt ein ungemeines
Licht;
bald wird man auch ein fechtend Licht ſa-
gen. Denn ſo ſingen Se. Unſterblichkeit:


O! Schoͤnheit! fuͤr den Geiſt gezieret,
Wen einſt dein zwingend Licht geruͤhret,
Bleibt keinem mindern Gute treu.
Haller, 129 S.


Hier iſt 1. kuͤnſtlich der ausgelaſſen: denn eine
Figur, die viel Ungluͤck anrichtet, und vielen Ver-
ſen bald den Kopf, bald den Bauch, bald den
Schwanz koſtet, glaͤnzet hier in ihrer Groͤße. 2.
iſt die Treue zu bewundern; denn einem Gute
treu bleiben,
iſt eine unvergleichliche Redensart.


Lichter.
[273]Li

Lichter.

“Zu oft malt ein getreuer Dichter
“An ſeinem Helden Nebenlichter.”
Haller, 131 S.


Hierbey haben wir das Vergnuͤgen, uns einen
Helden vorzuſtellen, der mit lauter Lichtern be-
malet
iſt. Das wird huͤbſch werden, wenn ſie
ausbrennen ſollten.


Lichtweg;

ein Weg von Licht: warum nicht
Nachtweg?


“Laßt euch dieſen Lichtweg hinab.” —
Offenb. St. Klopſt. 20 S.


Dieſes ſaget die klopſtockiſche Gottheit zu un-
ſern Vaͤtern; ſie ſollten auf einem Strale in die
Sonne glitſchen, und aus dem Feuer auf die Er-
de ſehen. Geht das an?


Licht.

Die heiligen Dichter haben gern, wie die
roͤmiſchen Heiligen, einen Schein um ſich:
wenn die Stralen von Gold ſind: ſo laſſe ichs
gelten.


“So dank’ ichs meinem ſchoͤnen Lichte, das
dieſe Nebel bald zerſtreute,
“Und jene unbefleckte Klarheit der guͤnſtigen
Natur verneute.”
Samml. Nicol. 156 S.


Das Licht umwoͤlbet auch; oder es wird um-
woͤlbet:
waͤre das Letztere: ſo muͤßte es, daͤchte
ich, finſter werden.


“Des Koͤrpers viel zu maͤchtge Kraͤfte beſtreiten
oft das helle Licht,
“Das doch die Sinnlichkeit umwoͤlbte, wann
ihr die Einſicht widerſpricht.”


Ein fein Gewoͤlb!


SLie-
[274]Li

Liebesverwundet,

a. St. von Liebe verwundet.
Ueberhaupt muͤſſen wir eine Quelle entdecken, die
viel Stroͤme von ſchoͤnen und gewichtigen Bey-
woͤrtern hervorbringet. Man nehme zwey Woͤr-
ter, ein Hauptwort und ein Beywort, die ſich
gar nicht zuſammen ſchicken, und ziehe ſie in eins
zuſammen: ſo habt ihr die Quelle vieler Stroͤme:
z. E. glanzbeſaͤet, eiſenbepflanzet. Es iſt
wahr, daß man nicht Glanz ſaͤet; noch Eiſen
pflanzet:
Beydes aber fuͤhret uns doch auf den Be-
griff von Saͤen und Pflanzen: wir pflanzen;
wir ſaͤen: und das iſt ſchoͤn! So gehet es auch
hier mit liebesverwundet. Es iſt wahr, daß die
Liebe nur einmal, naͤmlich von dem ungeſchlach-
ten Diomedes, verwundet worden: Allein ſie hat
myriadenmal verwundet: folglich iſt das Bey-
wort von Liebe und verwundet ſchoͤn.


“Aengſtlich warnt’ ich: allein die liebesver-
wundete Herzen
Hoͤrten mich nicht.” Noah, 24 S.


Jſt das Hoͤren nicht wichtig?


Lieder von Schwung,

und Verſe von Fall begei-
ſtert: ſind die Lieder, denen ein ganz neuer
Schwung gegeben worden. Denn ſo ſprach man,
als man noch deutſch dichtete. Aber Blatter
fallen ab; und neue entſtehen: ſo gehet es auch
mit den Sprachen: nun gruͤnet die Klop-
ſtockiſche.


“Unſere Lieder von Schwung u. Harmo-
nien begeiſtert,
“Suchen
[275]Li
“Suchen dein Bild; doch umſonſt.
Offenb. St. Klopſt. 13 S.


Wo der Prophet jemals wahr von Gott gedacht hat:
ſo hat ers hier gethan! Denn wie ſollen doch Har-
monien Gott begreifen:
da er uns unbegreiflich
bleibet? Aber unter uns! was ſind Harmo-
nien?


Liederwuͤrdiger;

je laͤnger ein Beywort, je ſchoͤner!


“Wie, Liederwuͤrdiger! ruͤhret dein gleimi-
ſcher Scherz!
“O! hoͤrte doch ſchwatzendes Volk
“Unſre geheiligte Geſpraͤch, das den, der in
Wolken
“Hoch uͤber uns wandelt, bejauchzet.
Ode an Steinbruͤck.


Die ſeltene Verbindung muß einen jeden in dieſer
Ode reizen, und wen dieß Maͤngſel nicht reizet:
der iſt fuͤhlleer. Es giebt gewiſſe Leute, denen
auch das Kindern Ehre machet; da ſind z. E.
Gleim, Gellert, u. a. Leute, die am Steuerru-
der des Witzes ſitzen. So gehet denn der liebe
Gott in den Wolken ſpazieren? Und kann ein
Geſpraͤch auch jauchzen?


Lippen.

‘“Da ich ſo bey dir ſaͤß, u. die weiſen Lip-
pen vernaͤhme. Noah, 38 S.
()

a. St. Reden vernehmen: warum nicht lieber
Zungen? Allein, warum das nicht? Hat man
nicht ſchon Ohren gehoͤret? Und die Lippen
ſchmatzen
ja: ſo kann man ſie ja auch wohl hoͤren.


Lippen.

Noch etwas von innern Lippen: ſo wird
man auch innere Naſen ſagen koͤnnen: z. E.


S 2“Richter
[276]Li

“Richter im Herzen, auf Vernunft gegruͤndet,
“Welchem
kein Vortheil innre Lippen bindet,
“Welchen
die Sinne mit geſchmuͤckten Luͤgen
“Nimmer betruͤgen! Zernitz, 101 S.


Hier fraͤgt ſich, 1. wer auf Vernunft gegruͤndet
ſey? das Herz, oder der Richter? 2. ob dem
Herzen, oder dem Richter die inneren Lippen
ſollen gebunden werden, und die wir noch nicht
entdecket haben. 3. ob das Welchen auf Vor-
theil,
der ſo gut maͤnnlichen Geſchlechts, als
der Richter iſt, gehe? Und 4. lernen wir, daß
wir die erſte Strophe jederzeit mit Namen des
Gegenſtandes, der in der 2ten Strophe koͤmmt,
anfuͤllen koͤnnen.


Linien der Lenden;

Linien, die unzaͤhlich aus
meinen Lenden entſpringen:
ſind das Spuhl-
wuͤrmer?
Wir haben uns eine Lende gemalet,
und viele Linien, die daraus entſprangen: wir
wieſen ſie einem guten Freunde. Der Dumm-
kopf! Er war ſo boshaft, daß er nicht that, als
ſaͤhe er, daß es Kinder waͤren.


‘“Linien, die unzaͤhlich aus meinen Lenden
entſpringen. Noah, 346 S.
()

Liſpeln.

Es laͤßt ſehr ſchalkhaft, wenn Maͤgdchen
liſpeln;
allein, wenn Dichter liſpeln: ſo liſpeln
ihnen die Winde nach.


“Kuͤhlende Abendluͤfte umliſpelten den Bu-
ſen der Erde. Samml. Nicol. 161 S.


Die leichtfertigen Luͤfte! Wir wuͤrden dreiſter ge-
weſen ſeyn, und lieber gekuͤßt haben. Aber die
heiligen Liſpeler fahren nicht ſo gleich zu.


Lobtoͤne
[277]Lo Lu
Lobtoͤne greifen; dazu davidiſche. ()

So greifen
wir ſwiftiſche Lobtoͤne, wann wir, ſo viel an
uns iſt, den heiligen Liſpelern hofieren; und
auf proſaiſch jauchzender Harfe greifen.


“Dich, deſſen gluͤckliche Hand auf jauchzender
Harfe
“Davidiſche Lobtoͤne greift,

“Die wiederholend mit Macht der Himmel
nachjauchzet.

“Dich ſah ich, Wilhelmi! zuerſt.
Ode an Steinbruͤck.


Das iſt recht, daß der Himmel nachjauchzet;
denn, wann ein Dichter ſeine Leyer ſtimmet: ſo
muß die Hoͤlle krachen, und die Erde beben.


Loͤwe.

Opitz ſagte ein koͤniglicher Leu: und das
hat Grund; bald wird man eine kaiſerliche Katze
ſagen; und das hat auch Grund: Denn Rath
Bodmer accentuiret
einen fuͤrſtlichen Loͤwen.
Noah, 41 S.


“Wuͤßte er mich hier: ſo wuͤrd’ ihn die fremde-
ſte Gegend nicht halten,
“Kein hiebevor unbemerketes Wild, kein
fuͤrſtlicher Loͤwe,

“Daß er nicht ſchnell umkehrt, auf meinem
Antlitz zu ruhen.


Ein Fuͤrſtlicher nicht: vieleicht aber ein grauſamer.


Luftcryſtall.

Ein Sehrohr aus Luftcryſtall, iſt
das nicht durchſichtig?


“Durch optiſche Parallaxen
“Wußte er aus Luftcryſtall teleſcopiſche
Glaͤſer zu ſchleifen. Noah, 79 S.


S 3Haben
[278]Lu

Haben wir nicht oben geſaget, daß es gar ſchoͤn iſt,
Kunſtwoͤrter anzubringen? Man giebt dadurch zu
errathen, daß man, wie der große Rath, ein
Brillenmacher
ſey: ein telefcopiſcher Brillen-
macher!


Luftgeſtalt iſt nach Werenfelſen eine Meteore,


wie z. E. der ganze Noah, Meßias, Nimrod ꝛc.


“Alsdann wimmelts von Luftgeſtalten im
Berg und im Thale,
“Wie die Geſpenſter in Truppen um Merlins
Angeſicht flatern.
Ey! Ey! Herr Rath! was machet Merlin
im Noah? 297 S.


Luftmeer.

Der luftige Dichter brauet auch ein
Luftmeer, worinn die Fluͤgel, nicht das Gefluͤ-
gel,
die Fiſche ſind; daher entſtehet auch ſein Luft-
ſchiff.
Er wird dieſes Meer auch bald bepfaͤlen.


“Wie — — unzaͤhliche Heere
“Fremder Fluͤgel das ungepfadete Luftmeer
beſtreichen. Noah, 301 S.


Wir ſagen ja ungebaͤhnt; folglich koͤnnen wir
auch unbepfadet ſagen.


Luftpfad.

Alle Woͤrter, die man ſonſt mit Luft
verband, zeigten ein Nichts, ein Hirngeſpinſt
an: allein hier iſt es ein Orangenwald.


“Hier gefielen ſie ſich (die Engelchen) im duͤn-
nen gereinigten Luftpfad;
“Oder Orangenwald; Sie ſaßen auf Blaͤt-
tern und Bluͤthe;
“Und ſie ſogen das duftende Suͤß von den Lip-
pen des Fruͤhlings. Noah, 149 S.


Hat
[279]Lu

Hat der Fruͤhling einen ſtinkenden Athem?
Das ſich gefallen iſt nichts weniger, als ein Gal-
liciſmus.


Lyke.

Hier iſt eine entſetzliche Lyke!


welche græßliche lyke mit eingeſtyrze-
tem rande,

“wie der gehnende ſchlund des pardels mit

Zæhnen umzæunt.Jac. u. Joſ. 84 S.


Eine feine lyke! ein feiner Rand! ein feiner
Schlund! ein feiner Zaun! Jſt der Parder oder
der Schlund mit Zaͤhnen umzaͤunet? Dieſe Zwey-
deutigkeit iſt eine angenehme und nothwendige Fol-
ge der deutſchen Mittelwoͤrter, wie wir ſchon
oben erwaͤhnet haben; und deſto mehr nachzuah-
men, je doppelſinniger es einen Vers machet.


Lus war Stadtſyndicus in der Reſidenz Sr.


Nimrodiſchen Majeſtaͤt; welches ich zur
Verheutigung zu zaͤhlen bitte. Es iſt eine Fi-
gur, die der Herr Magiſter vollkommen in ſei-
ner Gewalt hat. Nimrod, 153 S.


Einſchaltung, oder Anhang zum Laͤchler.


Es war eben, wie Heinrich von Alkmar ſa-
get, an einem Pfingſttage, als man Waͤlder und
Felder mit Laub und Gras gezieret ſah; und man-
cher Vogel ſich in Gebuͤſchen und auf Baͤumen
mit ſeinem Geſange froͤhlich bezeugte. Die Kraͤu-
ter und Blumen ſproßten uͤberall hervor, und ga-
ben den lieblichſten Duft von ſich. Der Tag war
heiter, und das Wetter ſchoͤn: wir ergetzten uns
daran; wir hatten eben unſer Fenſter auf, und
S 4dachten
[280]La
dachten uͤber die Hoͤhle des Trophonius ſo
ſtark, daß wir, trotz den reizenden Stimmen der
Nachtigallen, und dem Hauch der Zephire, ein-
ſchlummerten. Da wir nun vorher nichts, als
angenehme Vorſtellungen, gehabt hatten: ſo war
auch unſer Schlaf angenehm. Wir befanden uns
in eine ſchoͤne Gegend verſetzet. Hier erklangen
Haberroͤhre; dort ſprang ein muntrer Haufen
Schaͤfer und Schaͤferinnen; hier ſchnarreten
Harfen und Saytenſpiele; dort ſchmetterten helle
Trompeten, deren Silbertoͤne ſo oft wiederſchalle-
ten, daß wir uns vergaßen, und uns einbildeten,
wir waͤren in den Eliſaͤiſchen Feldern, die man
nur einmal betritt. Es war eben ein Feſt, wel-
ches der Dichtkunſt und Wahrheit geheiliget
war. Was aber das Sonderbarſte zu ſeyn ſchien:
ſo war die Hoͤhle des Trophonius der Tempel,
wo die Einwohner dieſer Gegend ihrer Geluͤbde ent-
lediget wurden; und ſo, wie wir an den kecken und
zuverſichtlichen Gebehrden vermerketen: ſo beſtand
das ganze Volk aus Dichtern und Dichterinnen;
es war eine antiplatoniſche Republik. Jeder,
der auf der Erde eine Gottheit verehret hatte, fand
ſie auch hier; er ward gleich zu den Fuͤßen derſelben
gebracht, ihr fuͤr den guͤtigen Einfluß zu danken,
den ſie ihm geſchenket. Jn der Hoͤhle erkannte
man, was man ſich und der Gottheit ſchuldig war;
ja mancher theilete ſeine Lorbeern vergnuͤgt mit de-
nen, welchen er ſie in ſeinem Leben geraubet hatte;
das Geſtaͤndniß davon war die Buße, die eine Art
von Ehrenbezeugung war, wodurch man die Groͤße
ſeiner
[281]La
ſeiner Vorgaͤnger verherrlichte. Die aber an We-
ſen geglaubet hatten, die unerhoͤret waren, wur-
den gefeſſelt in eine noch tiefere Hoͤhle geworfen,
bis ſie ihren Fehler erkenneten. So ward z. E.
eine Muſe von Tabor geſuchet; aber nicht ge-
funden; ſo ging es den Verehrern einer Muſe
von Sinai:
ſie ward geſuchet und nicht gefun-
den. Und wirklich war es nur eine abgoͤttiſche
Neuerung, indem die Menſchen ſeit 3000 Jah-
ren her
mit neun Muſen zufrieden geweſen wa-
ren. Man ſah auch wohl, daß ſie den neuen
Propheten
nicht immer beygeſtanden hatten: und
ich hoͤrte ganz vernehmlich dieſe geiſtige Weſen la-
chen, wenn unſere heilige und luſtige Maͤnner vor
der Hoͤhle die ſchoͤnſten Stellen ihrer Geſaͤnge her-
ſagen mußten, ehe ſie eingelaſſen wurden. Es
kam uns vor, als waͤren wir der Pfoͤrtner: zum
wenigſten wird man es uns erlauben, im Traume
zu ſeyn. Kaum hatten wir uns geſetzet, unſer
Pfoͤrtneramt zu beobachten: ſo kam ein kleines
Maͤnnchen; er huͤpfte; er ſprang und wackelte,
wie das Moͤpschen mit dem Schwanze wackelte,
das er unter dem linken Arme trug; da der rechte
mit einem Seherohre geruͤſtet war. Er ſah nach
den Sternen, und ſah lauter Maͤgdchen; Er fing
an zu ſingen, und ſang lauter Maͤgdchen; er fing
an zu ſchaffen, und ſchuf lauter Maͤgdchen: er
liebte nichts als Schoͤnen:


Er liebte die Helenen,

Die Hannchen und die Fiekchen,

Die Lieschen und die Miekchen.

S 5Kurz!
[282]La

Kurz! er war jungferntoll; und nannte ſich der
deutſche Anakreon. Den Augenblick erſchien
der griechiſche, und fuͤhrte ihn in die Hoͤhle.
Als ſie wieder heraus traten, that jener ſo ernſt-
haft, als ein Bonze oder Marbut. Er ge-
ſtand: er heiße nicht Anakreon: ſondern
Gleim. Er haͤtte gehoͤret, daß Anakreon von
griechiſchen Fraͤulein, und griechiſchen
Champagnerweine
geſungen: er haͤtte es ver-
ſuchet und ihm nachgeahmet; aber leider! die
Lehren vergeſſen, die ſein Meiſter mit Scherz und
Luſt verknuͤpfet. Jener haͤtte geſcherzet, um zu
lehren; er aber nur geſcherzet und getaͤndelt,
um zu ſcherzen und zu taͤndeln. Als er dieſes
ſagte, ging er bey uns vorbey. Aber ach! Haͤtte
gleich der Fuchs ſeine Suͤnden Grimbarten,
dem Vaͤtter, gebeichtet: ſo ſprang er doch nach
den Huͤhnern, daß die Federn von ihnen ſtoben: ſo
ſah auch uns Gleim fuͤr ein Maͤgdchen an, und
wollte gaukelnd, wahrhaftig! wahrhaftig!
uns kuͤſſen; ob wir gleich mit einem graͤßlichen
Capuzinerbarte verſehen waren.


Hierauf erſchien ein finſterer Mann, der haͤmi-
ſche Blicke in unſer Herz warf.
Wir erſchra-
ken; er entriß uns den Schluͤſſel; ging als ein
Edelmann eigenmaͤchtig hinein, und kam, als
ein Doctor, wieder heraus. Er hatte ſein Von
vor dem Altare gelaſſen; auch die Praͤſidenten-
ſtelle
niedergeleget; er beklagte, daß ein unzeitiger
Weihrauch ihn gehindert haͤtte, Fehler zu ſehen; er
bekannte, daß er ein Schweizer und kein Deut-
ſcher
[283]La
ſcher ſey; er warf ſeine Gedichte, ſowohl die Ue-
berſetzung,
die er ſelbſt machen laſſen, als die
Urſchrift, die aus lauter Jugendfruͤchten beſtand,
veraͤchtlich von ſich; und ergriff Gottſcheds
Kern der deut. Sprachlehre.
Als er aber
ſah, wie ſehr er geſchlaͤgelt hatte: ſo ward er ver-
zweifelt; wir liefen ihm nach, und dachten, er
wuͤrde ſich aufhaͤngen: allein, er vertauſchete
nur ſeinen Purpur und ward ein Thuͤrhuͤter.


Jndem wir uns von unſerm Erſtaunen erhohl-
ten: ſo erhub ſich ein graͤßlicher Krieg. Ein
Mann, ſo hoͤflich, wie ein Kunſtrichter, und ſo ei-
genſinnig, als ein Prinz, erſchien mit einem Hee-
re von Rieſen; vor ihnen her flogen Hydern und
Amphisbaͤnen, mit ledernen Fluͤgeln. Man
drohete die Hoͤhle zu ſtuͤrmen, und wir mußten der
Gewalt nachgeben: wir uͤberreichten den Schluͤſſel
ganz demuͤthig. Auf einmal ſtuͤrzte der Schwarm
auf die Oeffnung; allein ſie war zu klein: und die
Rieſen ſtießen ſich ſo gewaltig an den Koͤpfen, daß
Rieſen und Rieſinnen in ihr Nichts zuruͤck be-
beten.
Nur ihr Schoͤpfer, der ſie hervor ge-
rufen,
blieb uͤbrig, und drang mit einem graͤßli-
chen Gepolter hinein. Er drohte, ſich ſelbſt auf den
Altar zu ſetzen. Dieſe Gotteslaͤſterung allein war
zu haͤftig, und es ging ihm, wie dem Dagon der
Philiſter. Zu gleicher Zeit brachte ein barmher-
zig Muͤtterchen einen Kranken gefuͤhret, der ſich
ſelbſt zum Schoͤpfer machte; Offenbarungen
und Geſichter vorgab, und gar gotteslaͤſter-
lich log.
Wir hatten Mitleiden mit ihm, und
ſperre-
[284]La
ſperreten ihn daher auf acht Tage in die tiefſte
Kammer der Hoͤhle; doch ohne Hoffnung einer
Beſſerung; denn die Krankheiten eines Dichters
ſind oft ſo unheilbar, als die Narrheit, wenn ſie
reiche Leute befaͤllt.


Wir waren noch mit dieſem Ungluͤckſeligen be-
ſchaͤfftiget, als uns eine Menge Maͤhrchenerzaͤh-
ler,
oder, wie ſie ſich lieber nennen, Fabeldich-
ter,
umgab. Da ſahen wir den freundlichen
Gellert; der ſo gern lobet, um wieder gelobet
zu werden:
und ein deutſcherVoiture und
Fontaine ſeyn will. Er ging hinein; kam wie-
der mit einer Bleyfeder in der Hand; er ſtrich viel
taͤndelndes Weſen aus ſeinen Gedichten weg,
und wollte ſich mit Neukirchen vertragen; auch
lieber dieſes großen Mannes Fehler ſeinen Zeiten,
und dem Schickſale eines jeden Anfanges Schuld
geben, als laͤnger auf ihn, mit ſeinen Briefen und
Vorreden ſchimpfen; er erlaubte geiſtreich zu
ſeyn, ohne ſeinen Geiſt zu beſitzen; ſtrich auch von
vielen ſeiner Luſtſpiele den Titel hinweg, um
dafuͤr Geſpraͤche zu ſetzen.


Nun kam der geile Roſt, der aber nicht ein-
mal vorgelaſſen; ſondern als ein Ehrendieb an
den Pranger geſtellet ward. Jeder Dichter gab
ihm einen Naſenſtuͤber, wovon Roſtens Naſe
entſetzlich aufſchwoll. Er waͤre auch ſonſt nicht
vorgekommen: Die Muſen naͤmlich leiden
nichts geiles.
Endlich erſchienen ſo viele unbe-
kannte Dichter und Dichterinnen, daß ich, um ſie
auf einmal zu bekehren, ſie alle hinein trieb; und
ich
[285]Ma
ich hatte die Luſt, die Dichterinnen theils als
Bethſchweſtern, theils ſchwanger mit ihren
Maͤnnern an der Hand;
theils als Koͤchinnen
herauskommen zu ſehen; ich freute mich uͤber dieſe
Veraͤnderung, die ihrer Beſtimmung weit naͤher
kam; und ich war eben im Begriffe, ihnen Gluͤck
zu wuͤnſchen; und mir meine Gebuͤhren einzufo-
dern. Nur die Dichter fingen um den Rang in
dem Allerheiligſten einen ſolchen Laͤrmen an, daß
wir haͤtten hineingehen, und darinn zum Rechten
ſehen muͤſſen, wenn wir nicht in der Bewegung
mit dem Kopfe ans Fenſter geſtoßen haͤtten, und
alſo aufgewacht waͤren. Es war auch ſehr gut,
daß wir nicht hinein kamen; vieleicht wuͤrde unſer
Woͤrterbuch davon Schaden gelitten haben.
Wir wuͤrden zu ernſthaft geworden ſeyn, und we-
der mehr laͤcheln noch lachen koͤnnen. Genug
von unſern heiligen Laͤchlern! Kuͤnftig eines
von den Liſpelern.


M.


Machpela.

Das Gut Machpela, das Belve-
dere
und Sans Souci des Patriarchen Jacob,
lag bey Mamre.


‘— “an dem gute Machpela, bei
Mamre,
“Wo der felſigte Bogen auf ſeinem eignen
gewicht hængt. Jac. u. Joſ. 81 S.
()

Wie iſt das moͤglich, Herr Rath? Haben ſie
auch einen Begriff, wenn Sie ſagen: es haͤngt
auf
[286]Ma
auf ſeinem eigenen Gewichte? Wir wollen einen
Ball, ja eine Feder, als das leichteſte, nehmen:
haͤnget dieß beydes auf ſeinem eigenen Gewich-
te?
Ey! Ey! Sie haben eine ganz neue Lehre;
und wir bewundern Sie und Dero Lehren herzlich.


Madratzen

ſind ſchon von Sr. nimrodiſchen
Maj.
erfunden worden; denn ihre Kriegsbau-
meiſter
brauchten ſie ſchon in Belagerungen, ſich
vorm feindlichen Geſchoſſe zu bedecken.


‘“Sie fuͤllten Schlaͤuche mit Spreu, auch ſie-
benfache Madratzen. Nimr. 251 S.
()

Ewig Schade, daß der Herr Magiſter nicht den
Folard geleſen: die Rieſen wuͤrden nicht ſo viel
Muͤhe gehabt haben, das Geſchuͤtz zu ſpannen.


“Das Windewerk wurde durch Rieſen, durch
Panzerpferde gezogen. Nimr. 253 S.


Ein Panzerpferd iſt ein koſtbares Pferd!


Malende Nadel.

Unſere Naͤther- und Sticker-
maͤgdchen naͤheten und ſtickten nur mit Nadeln:
allein in Zyrich laͤßt ſie der große Rath malen
mit Nadeln.


“Mit der malenden Nadel von Sephas
Kindern entworfen. Noah, 203 S.


Eben daſelbſt laͤßt der Maler


‘“Deck’ und Wand mit Gemaͤlden von
Fleiſch u. Leben bewerfen.
()

Ueberhaupt iſt hier eine kurze Geſchichte der Ma-
lerey
zu leſen, welches eben darum gefaͤllt; weil es
kein Teufel im Noah ſuchen ſollte. Daher ha-
ben wir dem Verfaſſer des Hermanns gerathen,
zu deſto beſſerm Abgange ſeines Verſuches, eine
Geſchich-
[287]Ma
Geſchichte von der Buchdruckerey hinein zu brin-
gen. Velleda kann in ihrem Thurme ſchon ei-
ne Preſſe beherbergen, und ihre Wahrſagungen
woͤchentlich, wie unſere Zeitungen, gedruckt her-
ausgeben. Hinten koͤnnte ein Artikel von gelehr-
ten Sachen
angebracht werden, worinnen ſie die
Lieder der Barden verdammen oder loben koͤnnte.


Maͤhen mit Zungen.

Wir koͤnnen es gleich an der
Fuͤgung der Woͤrter erkennen, aus welcher Muͤnze
ein Wort koͤmmt. Niemand, als Se. Gn. Maͤ-
hen
mit Zungen und laͤcken mit Senſen. Aber
es ſind auch Ochſenzungen! eine feine Senſe!


“Er treibt den traͤgen Schwarm von ſchwer
beleibten Kuͤhen

“Mit freudigem Gebruͤll durch den be-
thauten Steg;

“Sie irren langſam um, wo Klee u. Muttern
bluͤhen,

“Und maͤhn das zarte Gras mit Scharfen
Zungen weg.
Haller, 23 S.

Wie ſchoͤn der Hirt nicht bruͤllet! Jſt eine ſchwer
beleibte Kuh
nicht fett? Umirren a. St. umher
irren!
Haben Se. Unſterblichkeit auch den
Antilongin von der Catachreſis 70 S. und des
Zuſchauers 617 und 595 Stuͤck geleſen? Sie
lieben ja die Engellaͤnder, wie Voltaͤr: leſen
Sie doch die auch! Vieleicht aber machen Sie es,
wie jener Edelmann, mit Streitſchriften, die uͤber
ſein Gut gewechſelt wurden. Er wollte ſie nicht
leſen, um nicht an der Rechtmaͤßigkeit ſeines Be-
ſitzes zu zweifeln. Was geſchah? Er las nicht;
behielt
[288]Ma
behielt aber auch ſein Gut nicht. Se. Gn. aus
Liebe zu Dero Ruhm leſen auch nicht: Sie koͤnnen
daher auch noch ihren Ruhm verlieren. Leſen ſie
doch! Erkennen ſie ſich, und lernen Sie von uns,
daß nimmer mehr thun, die beſte Buße iſt!


Maͤnner von angebranntem Gehirn; ihr
ſchwaͤrmender Kopf fliegt
Schwindlich auf Fluͤgeln des Jrrwiſch-
lichts in ſumpfichten Pfuͤtzen.
Noah, 70 S.


Wenn die Koͤpfe nun ſo weit wegfliegen, wo blei-
ben denn die Maͤnner von angebranntem Ge-
hirn?
Bis hieher haben wir nur angebrannte
Braten,
und dergleichen Leckerbiſſen gehabt;
nun beſitzen wir auch ein angebranntes Gehirn.
Der Franzos verknuͤpfet mit Cerveau brulé
keinen ſonderlichen Begriff: iſt es erlaubt, ihn
bey den meiſten unſerer neuen Dichter anzu-
wenden?


Mangel.

Es iſt kein beſſer Mittel, ſich des Man-
gels
zu erwehren; als wenn man ihn erwuͤrget;
denn der Herr Rath ſind kein Wortſpieler.


Soback kennte den Mangel, als den, der
den Mangel erwuͤrgte. Noah, 306 S.


So wollen wir den Hunger nach Fleiſch, den
Hunger nach Brod erwuͤrgen laſſen.


Mantel.

Es giebt allerley Maͤntel; einige ſind
Zeichen der Wuͤrde; einige ſind Strafen; z. E. die
ſpaniſchen Maͤntel. Was iſt aber folgender
Mantel fuͤr ein Zeichen?


“Ueber
[289]Ma Me

“Ueber der Erde war, wie ein heller kryſtalle-
ner Mantel,

“Alles Gewaͤſſer verbreitet. Noah, 359 S.


Ein Mantel von Glas! Eben ſo, wie ein glaͤ-
ſern Dach.
Vieleicht tragen die 200 Maͤnner
kryſtallene Maͤntel,
wenn ſie den großen Rath
vorſtellen.


Mark.

Vor dieſem ging es nicht an, etwas Fluͤßi-
ges auszuhoͤhlen;
denn wie konnte das hohl
bleiben, was in einander fließt. Der theure
Herr Arzt von Haller aber hoͤhlet Mark aus;
Se. Gn. machen und brauchen ein ausgehoͤhltes
Mark.


Meander.

Dieſes ſoll ein Fluß in Kleinaſien
ſeyn, der in ſeinem Laufe mancherley Kruͤmmen
und Wendungen machet. Der große Rath,
wie auch der Theologe, und Anhaͤnger brauchen
dieſen Strom, wenn ſie zierlich von einer artigen
Wendung, Vermiſchung der Sachen reden wol-
len. Da nun ſchwerlich ein Fluß eine gleichlau-
fende Linie machet: dieſe Maͤnner aber doch nach-
zuahmen, einen beſondern Verſtand anzeiget; ſo
geben wir hiermit, kraft unſers Kunſtrichteram-
tes, allen denen, die nur zum Dichten, und He-
xametriſiren
einigen Beruf fuͤhlen, freye Macht
und Gewalt, ihren Stroͤmen und Baͤchen, an de-
nen ſie wohnen, gleiche Ehren zu erweiſen. Die
Lindmat wird ſo gut ſeyn, als der Maͤander,
und die Luppe ſo ſtolz auf ihre Beugungen ſeyn,
als jener. Zugleich billigen wir auch alle moͤg-
liche Beywoͤrter, die daraus nur koͤnnen geſchni-
Ttzet
[290]Me
tzet werden. So kann zum Exempel ein Maler
reden:


Neuton hat erſt des Lichts verſchiedene Fa-
den getrennet,

“Als er ihm in den lichten Meander der
Miſchung gefolget. Noah, 410 S.


Da ſehen wir, 1. wie das Licht als ein Gebind
Garn
verwickelt geweſen; und dann 2. wie Neu-
ton
dem Meander, naͤmlich dem Faden, nach-
gelaufen iſt. Man darf dieſe Redensart nur
ſinnlich machen, und das Bild, wovon ſie genom-
men worden, malen: ſo haben wir den wahren
Begriff davon, und ein Mittel, die Richtigkeit
jeder Figur zu beſtimmen. Man ſiehet wohl,
daß der Herr Rath den Milton, aber nicht
des Zuſchauers 595 Stuͤck uͤberſetzet hat. So
kann weiter ein Tapezierer ſagen: einen Maͤan-
der weben:


— — “Noch hat der Gott, der die Schi-
ckungen lenket,
“Keinen Maͤander, der unerforſchbar ſey,
hier hingewebet. Noah, 284 S.


Man ſtelle ſich, nach obiger Regel, Gott als ei-
nen Leinweber vor, der an einem Weberſtuhle ſi-
tzet, und webet: ſo hat man dieſen Maͤander
erforſchet. Wir koͤnnten noch mehrere Maͤan-
der
in den Offenb. St. Klopſtocks finden;
unſere Leſer moͤchten aber uͤber ſo viele Schoͤnheiten
gar zu entzuͤcket werden, daß ſie den uͤbrigen
Maͤandern unſerer neologiſchen Tiefen ihre
Aufmerkſamkeit nicht goͤnnen mochten. Wir eilen
daher zu dem Beywoͤrtelein


Mean-
[291]Me

Meandriſch,

welches, wie ein Sohn den Vater
nach den Rechten vorſtellet, jederzeit den Maͤan-
der
ſelbſt vertritt. So ſagen wir rheiniſch;
werden aber auch nun ſagen, lindinatiſch, lup-
piſch, bariſch, oderiſch:
denn ein Fluß iſt ſo
gut, wie der andere.


Meer.

Es iſt an dem, daß Wellen nicht Berge
ſind; allein ſie werfen ſich doch im Sturme ſo
hoch auf als Berge: ein gebirgichtes Meer
iſt alſo ein wallendes Meer: ſo wirft der Kaf-
fee
auch Berge; ſo ſagen wir auch ein gebir-
gichter Kaffee:
denn er wirft auch Wellen,
wann er kochet; die ja in ihrem Weltchen gegen
ein ſtillſtehendes Waſſer auch Berge ſind.


“Alſo ſiehet ein gefuͤrchteter Fels vom hohen
Olympus
“Jn das gebirgichte Meer auf ſchwimmende
Leichname nieder!
“Aber bald wird ihn der Donner faſſen; bald
wird er zertruͤmmert
Tief im Meer ein Thal ſeyn, und liegen;
ihn werden die Jnſeln
“Fallen ſehn, und ringsum dem raͤchenden
Donner zujauchzen.
St. Kl. in ſ. Offenb. 98 S.


Sollte wohl die Muſe von Sinai vom Olympus
ſingen? Jſt ein gefuͤrchteter Fels nicht ein fuͤrch-
terlicher? Liegt der Olympus am Meere? War-
um ſoll ihn denn der Donner greifen? Was iſt
das fuͤr eine Prophezeyung? Kann ein Berg ein
Thal ſeyn?
Das hieß vormals ein Widerſpruch!
T 2Warum
[292]Me
Warum ſollen denn die Jnſeln jauchzen? Er
drohete ja ihnen nicht: er drohete nur dem Meere:
und iſt ſein Fall ſo ſchroͤcklich: ſo werden ſie eher
beben, als jauchzen; denn bey Erdbeben pfleget
niemand ſehr zu jauchzen. Wir nennen dieſe
Figur den Regenbogen. Er hat vielerley Far-
ben; er ſpielet ſchoͤn: wer ihn aber zu erreichen
hoffet, vor dem fliehet er; und ſo iſt es mit dem
Sinne der ſchoͤnſten Redensarten im Meßias
beſchaffen. Sie glaͤnzen; ſie leuchten; ſie bli-
tzen; und oft donnern ſie: nahet hinzu, greifet
darnach: ſo iſt es eine Waſſerblaſe, und oft noch
weniger.


Meerengichter Sund.

Jn Norden heißt eine
gewiſſe Meerenge der Sund. Meerenge und
Sund ſind Stammwoͤrter; ſie koͤnnen alſo Kin-
der zeugen: ſie zeugen demnach meerengicht und
ſundicht, ein Zwillingspaar; dieſe nun mit ein-
ander verheyrathet haben erſtlich bodmeriſche
Meerengen
zu Kindern.


Nod iſt durch einen meerengichten Sund
von Chus abgeſchnitten,
“Der von ſtrudelnden Stroͤmen mit lautem
Bruͤllen durchkreuzet wird.
Hier ſind die Waͤlder voll Wildbraͤt ꝛc.
Noah, 51 S.


Da haben wirs, daß Horaz Unrecht hat mit ſei-
nem Delphinum ſilvis adpingit \& fluctibus
aprum.
Hier giebt es ja Waͤlder voll Wild-
braͤt
mitten im Strudel bruͤllender Stroͤme.
Wir ſtellen uns hierbey auch Stroͤme vor, die
ſanft
[293]Me Ma
ſanft bruͤllen oder ſchreyen; und beklagen nur die
Schiffe, die in dieſem Sunde ſegeln. Schade,
daß Gog hier keinen Zoll angeleget.


Meere zerflieſſen in lange Gebirge.

Wir haben
ſchon oben einen Probierſtein angegeben, das aͤch-
te und unaͤchte einer Metaphor von einander zu
unterſcheiden. Wir wollen zur Abwechſelung die-
ſe darauf ſtreichen. Wir malen uns ein Meer;
dieſes iſt Waſſer: nicht wahr? Da ſoll nun etwas
zerflieſſen, was ſchon zerfloſſen iſt: das iſt nun
ſchon unbegreiflich; noch unbegreiflicher aber wird
es, wenn Waſſer Sand oder Fels werden ſoll,
von welchen Materien doch Gebirge beſtehen.
Der goͤttliche Klopſtock, dem wir und ſeine Be-
wunderer ſo oft mit dem Rauchfaſſe uͤbers Ge-
ſicht fahren, hat faſt jede Zeile ſeiner Offenb.
mit dieſer Figur, die wir den Unſinn nennen, ver-
braͤmet. Wir ſchlieſſen daher, daß die Muſe von
Tabor
nicht deutſch kann; denn koͤnnte ſie es:
ſie wuͤrde es wohl reden.


“— Die Meere zerfloſſen in lange Ge-
birge,

“Da ſein kommender Fuß die ſchwarzen Flu-
then zertheilte. Off. St. Kl. 48 S.


Ein kommender Fuß iſt das nicht ein allerlieb-
ſter Fuß?


Mauern.

Herr Lazarus, der in die ſilberne
Cidli
goͤttlich oder ſehraffiſch verliebt iſt, baut
auf eine wunderſame Art in ſich ſelbſt eherne
Mauern.
Dieſe ganze Liebeserklaͤrung zeiget,
wie die Liebe mit der Schwaͤrmerey artig zu ver-
T 3binden
[294]Ma
binden ſey; und daß auch eine Offenb. nicht ohne
Liebe
beſtehen koͤnne.


‘— “Wie hat mich der Schmerz mit ehernen
Mauern
“Jn mich hinein verſchloſſen!
—’
()

Das mußte ſo ſeyn; denn haͤtte er dich drauſſen
gelaſſen: ſo waͤre die arme Cidli Gefahr gelau-
fen; und die ſehraffiſche Liebe wuͤrde in eine fleiſch-
liche
Begierde ſeyn verwandelt worden: dieß aber
iſt bey den bibliſchen Dichtern allein dem Sa-
tan
erlaubet, der ſich mit Vergnuͤgen, wie ein
ausgemergelter Buhler, der Buhlereyen erinnert,
die er im Himmel, vorm Throne Gottes, mit
ſeiner ſchoͤnen Tochter, der Suͤnde, getrieben.
Auf eben d. S. finden wir einen Schmelztie-
gel,
eine Seele aufzuloͤſen: wir danken fuͤr die
Erfindung, und hoffen dadurch bald zu den Theilen
zu kommen, woraus unſer Weſen beſtehet.


“Und in Schauer der Angſt, ohne Namen,
in Schlummer des Todes
Loͤste meine Seele ſich auf —
Off. St. Kl. 135 S.


Eine Angſt, die gar nichts heißt, eine Angſt
ohne Namen,
iſt das nicht eine entſetzliche
Angſt?


— “Wenn ich jenen Gedanken,
“Jenen andern Gedanken
der Nacht, und
der Einſamkeit dachte. e. d.


Was iſt doch der erſte Gedanke, wenn man in der
Nacht an ein Maͤgdchen denket? Du armer
Lazarus! Warſt du denn noch ſo heilig verliebt,
als
[295]Me
als du ſchon deine irdiſche Huͤlle einmal abgeleget
hatteſt? Man hat Maͤhrchen von Leuten, die wie-
der aufgelebt ſeyn ſollen; allein dieſe neugeſchaffe-
ne Menſchen waren bis zu ihrem zweyten Tode
allem Jrdiſchen abgeſtorben: es muß doch nicht
ſo ſeyn!


Melancholiſch.

So kann man zu einem Schwer-
muͤthigen ſagen: Sie haben heut ein melan-
choliſches Aug.


— “Sein tiefes und melancholiſches Auge
“Funkelte,
da ſprach er mit zornig gefluͤgel-
ter Stimme. Off. St. Kl. 107 S.


Jſt das wahr, daß ein Aug funkelt, in dem ſich
die Schwermuth leſen laͤßt?
Werden wir nicht
auch bald freundlich gefluͤgelte, oder gefiederte
Stimmen
bekommen?


Maͤhl.

Maͤhl hat noch niemand geſaͤet: allein
der große Rath, der teleſcopiſche Brillenma-
cher, ſaͤet
gar Semmelmaͤhl. Was wird er
doch erndten? Wurmſaamen! Noah, ir-
gendwo.


Menſch.

Was iſt ein Menſch? Ein


Zweydeutig Mittelding von Engeln und
von Vieh. Haller, 104 S.


Ob wir gleich nicht recht wiſſen, was ein zweydeu-
tig Mittelding
fuͤr ein Ding iſt: ſo bewundern
wir doch dieſen Ausdruck; finden aber, daß vor
uns
die Teufel noch ſind; hinter uns hingegen
die Affen dieſe Leiter der Weſen hinaufklettern.
Se. Gn. ſtehen ſonder Zweifel auf einer Sproſſe
mit den Engeln, da Sie ja bey lebendigem Leibe
halb Ewigkeit ſind.


T 4“Aus
[296]Me

“Aus ungleich feſtem Stoff hat Gott uns
auserleſen;
Halb zu der Ewigkeit, halb aber zum Ver-
weſen. e. d.


Dieſer ungleich feſte Stoff iſt der Leib und die
Seele. Jener iſt folglich ſo unzerſtoͤrlich, als
dieſe. Gott


‘“Schuf uns zu etwas mehr, als Herren
von dem Wild. e. d.
()

Dieſes iſt gar zierlich a. St. Herren der Thiere
geſagt. Se. Gn. haͤtten figuͤrlich alſo weiter ſa-
gen koͤnnen: zu Herren der Haſen ꝛc.


Menſchennachahmer iſt der Aff;

und ein Goͤtter-
nachahmer
der Menſch; ein Teufelsnachah-
mer
der Gottloſe.


‘“Die aufrecht der Aff auffuͤhrte, der Men-
ſchennachahmer,
“Durch die engeſte Graͤnze getrannt von
dem dummeſten Menſchen.
Noah, 242 S.
()

Jſt getrannt ein Druckfehler, oder ein Zürche-
rismus?
Jſt die Graͤnze nicht enge, die zwiſchen
einem dummen Menſchen und Affen iſt? Wir
glauben, daß ſie zwiſchen einem dummen und
lebhaften Dichter und einem Affen noch enger
iſt. Es iſt freylich wahr, daß man einem ſolchen
Witzlinge eine menſchliche Geſtalt anſiehet; allein
er machet ſo viel krumme Spruͤnge, und hat eine
ſo unvernehmliche Stimme, daß man eher einen
Affen, als einen ſolchen Dichterling, verſtehen
wird. Eines jeden Menſchen Geſicht ſoll mit dem
Geſichte
[297]Me
Geſichte eines gewiſſen Thieres eine Aehnlichkeit ha-
ben; man will gar von derſelben auf die Gemuͤths-
art ſchlieſſen. Umgekehrt! ſo waͤre es recht! von
der Gemuͤthsart auf die Aehnlichkeit!


Menſchenbild.

So kann man ſagen, ein Ochſen-
bild;
denn ſagen wir nicht ein Weibesbild, ein
Mannsbild?


“Sie will (die Gottheit) ihr goͤttlich Bild in
Menſchenbilder huͤllen.
Samml. Nicol. 88 S.


Huͤllet man etwas in Bilder: ſo reiſſet man die
Bilder erſtlich ab. Allein die Gottheit will
Menſchen machen, ein Bild, das uns gleich
ſey.
So ſpricht die Bibel! aber ſie irret: und
das goͤttliche Bild, der Geiſt, iſt in Menſchenbil-
der eingehuͤllet:
natuͤrlich, wie eine Lattwerge;
oder eine Oblate, in der man Pillen einwickelt, wenn
einem Kranken vor ihnen ekelt.


Menſchengewebe;

folglich auch ein Goͤttergeſpinn.


“Wenn er das Menſchengewebe der irdiſchen
Seligkeit fliehet. Off. St. Kl. 28 S.


Menſchliche Mahlzeit.

Jſt das wohl eine menſch-
liche Mahlzeit, bey der die Herren Satane
Menſchen verzehren?
Und darum nennet ſie doch
der große Rath eine menſchliche Mahlzeit.


“Dieſe geſchlachteten Koͤrper, die Leichen auf
Leichen gehaͤufet;
“Die Gefaͤße mit Blut, den Duft des ſieden-
den Erztes,
“Der aufſteigend den leckern Geruch zu den
Satanen wehet.
T 5“Wahr-
[298]Me Mi
“Wahrlich! ein wuͤrdiger Trank fuͤr deine
Goͤnner, die Teufel!
“Wuͤrdig, daß ſie im Schwarm zu der menſch-
lichen Mahlzeit ſich draͤngen.
Noah, 152 S.


Weiter! Mit dem Beyworte menſchlich verknuͤpf-
te man bisher die Begriffe des Mitleidens, der
Schwaͤche, und anderer Leidenſchaften: was iſt
aber ein menſchliches Zimmer fuͤr ein Ding?


“Sammelte dann ſein Haus in die menſchli-
chen Zimmer des Kaſtens. Noah, 240 S.


Ach! wir fuͤrchten, daß es auch unmenſchliche
Zimmer
geben koͤnne; wie fuͤrchterlich werden die
nicht ſeyn!


Minen.

Furcht ſaß in den minen. Jac. u. Joſ. ()

Jſt das nicht ein trefflicher Stuhl fuͤr die Furcht?


Milton.

Hier iſt eine offenbare Beſchimpfung des
Miltons; allein ſo gehet es: Lumen majus
obfuſcat minus:
und ein halbes zuſammenge-
ſtohlenes Gedicht ein ganzes zuſammengeſtohlenes.


“Leider! ein Tag wird kommen, der Miltons
erhabene Gedichte
“Auch mit Vergeſſen bedeckt, die ewig zu leben
verdienen ꝛc.
“Weder der Nachwelt Laſtern, noch ihrem
anarchiſchen Goͤtzen
“Wird es gelingen, die hohen Geſaͤnge vom
Blute des Bundes

“Vor der Aufloͤſung der Erd in den Staub des
Vergeſſens zu werfen. Noah, 239 S.


Ey! Ey! Herr Rath! Was haben ſie hier fuͤr
einen Goͤtzen?


Mitſeyn.
[299]Mi

Mitſeyn.

Gaͤbe ſich ein Narr ſo viel Muͤhe, klug zu
ſeyn, als er ſich giebt, einen Narren vorzuſtellen:
wie leicht wuͤrde er weiſe werden! Gaͤbe ſich alſo ein
dunkler Dichter ſo viel Muͤhe, deutlich zu ſeyn, als
er ſich giebt, dunkel zu ſeyn: wie leicht wuͤrde er ſich
leſen laſſen! Das wiſſen Se. Gn. wohl; daher
ſagen Sie:


“Kein endlich Weſen kennt das Mitſeyn aller
Sachen. Haller, 102 S.


Miskennen;

was heißt das? ich miskenne dich!
Wie er ſo ſchoͤn iſt!
a. St. verkennen vieleicht.


“Und voll (beſoffen) von ihrem Glanz; ver-
druͤßlich aller Schranken,
“Miskennten
ſie den Gott, dem ſie ihn ſollten
danken. Haller, 108 S.


Nach dieſer Regel nimmt das Beywort verdruͤß-
lich
die Zeugendung zu ſich.


Mißtoͤnen.

Die Sylbe miß kann man mit vielen
Woͤrtern verſetzen; z. E. mißklingen, mißſpre-
chen, mißſchlagen, ꝛc.


Schwere Geruͤchte —
“Kreuzen
von Land zu Land und wachſen hin-
an zu den Wolken, ꝛc.
“Worte der Laͤſterung, des Grimms, mißtoͤ-
nende Stimmen der Hydern

“Der unflaͤtigen Guanos, der Uhu, und der
Hyaͤnen. Noah, 43 S.


Das ſind unflaͤtige Dinger! Der Dichter brau-
chet ſie a. St. die Suͤnden der Erde ſchreyen zu
Gott um Rache.
Dabey giebt er den Guanos
ein Aemtchen; und laͤßt ſie die Stimmen der Hy-
dern
[300]Mi
dern zum Generalbaße dienen; welches denn ei-
ne vollkommene mißtoͤnende Muſik vorſtellet.
So kann man auch ſagen:


Mißtritt a. St. faux Pas;

denn es giebt toͤdtliche
Mißtritte, die das Antlitz entfernen:
z. E. wenn
man einem auf die Naſe tritt.


“O! wie befuͤrcht’ ich, wie fuͤhl’ ich, es hab’ ein
toͤdtlicher Mißtritt
Gottes Antlitz vom Menſchengeſchlecht
entfernet. Noah, 309 S.


Mittag.

Mein Mittag iſt vorbey, ſagte Kanitz,
um zu ſagen: die Haͤlfte ſeines Lebens ſey voruͤber.
Der Herr Rath aber bedienet ſich einer Sonne,
und waͤlzet
ſie, ohne ſich zu fuͤrchten, die Finger
zu verbrennen.


“Nunmehr waͤlzet die fuͤnfzigſte Sonn’ um
die Stunden des Mittags. Noah, 17 S.


Fuͤnfzig koͤmmt von fuͤnf; und ein Sprachlehrer,
wie B. biethet der Gewohnheit Trotz. Man muß
in allem das Ungewoͤhnliche, folglich auch im
Zaͤhlen ſuchen.


Mittag.

Ein heitrer Mittag. Beſſer:


Ein klarer Mittag, der das anbrechende
Licht der Sonne gleichſam ausloͤſchet.

Buttſt. 6 B. 17 S.


Bey dieſer Redensart kann ſich der Leſer erforſchen,
wie weit ers in Entdeckung des Schoͤnen und des
Gedachten gebracht hat. Der Mittag, der das
anbrechende Licht
der Sonne ausloͤſchet, iſt erſt
ein rechter Mittag! Man koͤnnte ſagen: der Aus-
druck iſt uͤbertrieben! Aber man gebe auf das Ne-
benwoͤrt-
[301]Mi
benwoͤrtchen gleichſam Acht. Dieſes iſt geſchickt,
eine Sache zugleich zu bejahen, und zu verneinen.
Ein Candidat, mein guter Freund, ſchrieb mir,
daß ſeine Excellenz der Hr. Graf = = = ihm eine
erledigte Pfarrſtelle gleichſam verſprochen haͤtte.
Der Herr Candidat bekam nichts; und daran war
das Woͤrtchen gleichſam ſchuld: denn der Can-
didat war in allen Wiſſenſchaften gleichſam ein
Polyhiſtor, nur in der Bibel nicht.


Mittelding.

Der Herr Rath lieben ſehr die Mit-
teldinger,
die Maͤgdchen; Sie bringen ja dieſe
niedlichen Dinger allenthalben, wie der Ritter
von der traurigen Geſtalt
ſeine Dulcinee von
Toboſo, an, und ſagen:


“Sie ſind ein Mittelding zwiſchen Juͤngling
und Engel. Noah, 91 S.


Sie ſind alſo halb Engel, halb Juͤngling. Halb
Engel,
das gehet an; denn die Engel werden frey-
lich heute Maͤnner, morgen Weiber: allein
halb Juͤngling: nein! denn wir haben nie gehoͤ-
ret, daß ein Maͤgdchen zeugen koͤnne: es muͤßte
ein Bodmeriſches ſeyn.


Mitternaͤchtlicher Berg;

der iſt im Norden. Da
fuͤhret der Weg zu einem Loche, das in den Mit-
telpunct der Erde
gehet, da waͤlzen ſich Oceane;
da iſt ein menſchenloſes Geſtade; da iſt die ganze
klopſtockiſche Schoͤpfung; da iſt eine mit
fluͤßigem Schimmer bekroͤnte Sonne;
da ge-
het ſie nie auf und unter; da ſind der Koͤnigreiche
Beſchuͤtzer, die Engel des Krieges und des
Todes.


“Auch
[302]Mi Mo

“Auch die Seelen, die zarten kaum ſproſſen-
den Koͤrper entflohen.
2 S. d. Off. St. Kl.


o! ſene Rarité! Die Seelen waren noch nicht
reif; ſie werden ſchon wiederkommen; denn un-
term groͤßern Schauplatze der Welten verſte-
hen wir die Erde.


“Jhre Beſchuͤtzer begleiten ſie zu ſich, und leh-
ren ſie reizend
“Unter dem Klange belebender Harfen, in
lieblichen Liedern:
Wie und woher ſie entſtanden; wie groß
die menſchliche Seele
“Von dem vollkommenſten Geiſte gemacht
ſey; wie jugendlich heiter
“Sonnen und Monden nach ihrer Geburt
zum Schoͤpfer gekommen. e. d.


So daß es ein Wunder iſt, daß die Jungen ſo dumm
ſind, wann ſie zur Welt kommen, und der Schul-
meiſter ſie kaum mit Einblaͤuen auf das A B C
verhelfen kann; ja manche Seele kann ſich Zeit
Lebens nicht darauf beſinnen. Wir nennen die-
ſes den Raritaͤtenkaſten; laſſen alſo einen fluͤßi-
gen Schimmer,
ein menſchenloſes Geſtade,
ein jugendlich, und andere Seltenheiten mit Ver-
gnuͤgen bewundern.


Modeln;

ſich zum Manne modeln; ſich zur Jung-
fer modeln;
ſich zum Narren modeln; ſich zum
Weiſen modeln; ſich zu Hallern modeln; ach!
wie Se. Unſterblichk. ſich nicht zum Dichter
gemodelt
haben!


“Sie
[303]Mo

“Sie ſinds, bey dem man ſich zum Manne
modeln muß,
“Steif, ehrbar, ordentlich, in ſeinem Thun
bedaͤchtlich,
Gewirbig; zum Gewinn iſt ihm kein Weg
veraͤchtlich. Haller, 92 S.


Worauf gehen denn alle dieſe ſchoͤne Beywoͤrter?
Z. E. das Gewirbig? Sind die weiblichen Rei-
me
nicht ſchoͤn? Wir ſind barmherzig; wir wol-
len alſo ein Mittel angeben, ſich zu einem Haller
zu modeln;
1. lerne man weder conjungiren,
noch decliniren: denn dieß Geheimniß gehoͤret al-
lein den gelehrten und fremden Sprachen; 2.
erlaube man ſich alle nur moͤgliche Fuͤgungen der
Woͤrter; 3. ſey man durchaus nicht deutlich;
dieß uͤberlaſſe den Proſaiſten, Franzoſen und
Gottſcheden; 4. uͤberleſe man nie ſeine Arbeit,
aus Furcht, hernach Fehler zu finden, die man
erſt fuͤr Schoͤnheiten hielt; 5. nenne alle Ari-
ſtarchen
Dummkoͤpfe, wenn ſie auch nur die
Schale, und nicht den Kern deiner Gedichte an-
packen; 6. ſchreibe nicht viel; und gieb deine Ar-
muth an Einfaͤllen fuͤr eine Weisheit aus: ſo
wirſt du Haller werden.


Moͤrderiſch einen anſehen;

d. h. einen toͤdten
wollen.


— — “Bald werden die Menſchen
“Moͤrderiſch mich anſehn! —
Offenb. St. Klopſt. 99 S.


Wenn alſo ein Mann ſeine Frau verliebt anſiehet:
ſo will er Kinder machen. Jener ſagte: “Leute
“von
[304]Mo
“von großen Gemuͤthsgaben verdieneten allein
“gehangen zu werden.” Wir wollen ſo grau-
ſam nicht ſeyn; doch ſagen wir, “daß Dichter
“von großer Einbildungskraft allein verdienen
“eingeſperret zu werden, wenn ſie dieſelbe uͤbel
“anwenden.” Die groͤßeſten Thorheiten, die
aͤrgſten Schnitzer, werden durch die aͤuſſerliche
Schminke, die ein falſcher Witz ihnen zu geben
weis, ſchoͤn: daß unvorſichtige Gemuͤther ſich in
die Farbe vergaffen, ehe ſie wiſſen, daß es
Schminke iſt. Ja, gebet mir ſechs Gelehrte, die
ich uͤberreden kann, daß undeutſch ſchreiben und
Schnitzern ſchoͤn iſt: ſo wird es ganz Deutſch-
land zur Hoheit zaͤhlen.


Mizren

heißt in der Bodmeriſchen Erdbeſchrei-
bung
die Aegyptier; alſo Mizraim das Land,
und mizraimiſch aͤgyptiſch.


Von den grenzen des Nils und der
Mizren zuryke gekommen.
Jac. u. Joſ.
u. mehr.


Monaden.

Dieſe fehleten noch im Nimrod, und
koͤnnen mit den Atomen einen ungemeinen Glanz
einer bibliſchen Epopoͤe ertheilen: ginge es nicht
an, die vorher beſtimmte Harmonie des Hn.
von Leibnitz
darinn einzuflechten; z. E. in der
Hexe von Endor?


‘“Ein heftig Entſetzen durchdrang Satans
ſubtilſte Monaden. Nimr. 439 S.
()

Wir haben geglaubt: ein Geiſt beſtuͤnde nur aus
einer Monade; ein Koͤrper hingegen aus mehre-
ren; wir haben es geglaubt und geirret; denn wie
wir
[305]Mo
wir ſehen; ſo beſtehet Satan aus vielen Mona-
den:
d. i. er iſt ein Koͤrper. Ey! Ey! Herr
Magiſter!
das war nicht wolfianiſch!


Mond.

Sind das nicht hoͤfliche Worte? Og
ſpricht ſo mit Noahn; gerade, als ob jener den
Koran geleſen haͤtte.


“Ruf den Monden vom Himmel, u. gieb ihm
deine Befehle!
“Vor dich zu treten, u. gegen dich eine Neigung
zu machen;
“Alsdann dich laut mit den Worten zu gruͤßen:
o! Gottes Prophete!
“Auf dir ruhe der Friede! Nach dieſen hoͤfli-
chen Worten
“Heiß ihn in deinen Rock, durch den rechten
Aermel, hineingehen;
“Durch den linken dann wieder heraus; nach
dieſem ſich theilen,
“Eine Haͤlfte nach Morgen, die andre nach Nie-
dergang fliegen,
“Jn der Luft herum huͤpfen, wie leichte Gras-
huͤpfer ſpringen,
“Endlich ſich wieder vereinen in einen zirkeln-
den Monden,
“Und in dem Thierkreis des Himmels die vori-
rige Stelle bekleiden. Noah, 155 S.


Warum nicht lieber ein unſterbliches Maͤgdchen
von oben herab laͤchlen? Wir nennen dieſe aller-
liebſte Erfindung die Mondſucht. Die Sonne
iſt nicht allein die Schatzkammer der Gleichniſſe;
unſere heilige Maͤnner wiſſen auch, was mit dem
UMonde
[306]Mo
Monde anzufangen; und niemand iſt mondſuͤchti-
ger,
d. i. niemand liebet mehr die Gleichniſſe, die
vom Monde genommen werden, als der Theolo-
ge.
Z. E.


“Still, wie der friedſame Mond in daͤmmern-
den Mitternachtswolken,

“Jſt Joſeph von Arimathia.
Offenb. St. Kl. 104 S.


Eine Mitternachtswolke iſt weit ſchwaͤrzer, als
eine Morgenwolke. Da wir einmal am Him-
mel ſind, ſo wollen wir auch einen Cometen be-
trachten.


“Jtzt uͤberſtieg er ſechsmal die volle Scheibe
des Monden,
“Trat mit verbreitetem Gang uͤber die
naͤchtlichen Schatten
“Und vermehrte die taube Stille mit dreyfa-
chem Schauer. Noah, 222 S.


Da ſehen wir, wie der Comet 6 mal anſetzet, uͤber
die Scheibe zu ſpringen; und, da es nicht gehet,
mit aus einander geſperreten Beinen uͤber die
Schatten tritt;
und zu der Stille, die, wie wir
lernen, nicht Ohren hat, einen dreyfachen
Schauer
ſchuͤttet. Aber was iſt doch ein drey-
facher Schauer?
Jſt es nicht eine vox Nihili?


Morenfarben,

a. St. ſchwarz; ſo ſprich ſchwe-
denfarben
a. St. weiß. Nimrod, 633 S.


“Die morenfarbene Nacht, die thauichte
Freundinn der Sterne;
“Der halbaͤuicht ſchnarchende Schlaf, der
leidbegrabene Stumme,
“Hatten
[307]Mo
“Hatten den nachtſchweifigen Liebſten der
Abenddaͤmmrung geſendet.
“Der wetterweißagende Mond mit blaſſen
blinkenden Wangen ꝛc.


Sind das nicht Beywoͤrter? Jſt das nicht Ge-
ſchmack? Streichet die Haͤlfte der Beywoͤrter weg:
was bleibet? was von Folgenden bleibet!


“Jhr Matten voll Schatten, begraſete Waſen,
“Jhr naͤrbigt u. faͤrbigt gebluͤmete Raſen:
“Jhr buntlichten Sternen,
“Jhr Felderlaternen! ꝛc. ꝛc.


Es zeiget einen Reichthum an Einfaͤllen an, wann
man ſo lange Beywoͤrter zuſammen raffet, bis
man das letzte Wort des Hexameters ertappet hat;
denn dieſes laͤuft vor dem Dichter, und dieſer hin-
term Worte her.


Morgen.

Wieder ein Beweis, daß Longin uns
mit Recht die mehrere Zahl zum Erhabenen an-
preiſet; denn ſagen wir nicht die Abende?


“Erhabner Seelen theure Morgen

“Zu edel fuͤr gemeine Sorgen

“Stehn hier zum Dienſt der Wahrheit frey.

Haller, 131 S.

Se. Hochgeb. Unſterblichkeit werden uns ver-
goͤnnen, dieſe theure Morgen erhabener See-
len,
wie billig, zu bewundern: wir bewundern ſie!
und den Erfinder. Wir wußten wohl, daß Dero
Freund, der große Suͤndfluthenbarde, nicht
unterlaſſen wuͤrde, dieſe Metaphor hoͤher zu trei-
ben; Raͤuchern Sie nicht, nach Sr. Gn. Vor-
U 2bilde,
[308]Mo
bilde, mit einem Morgen- und Abendweihrau-
che?
a. St. Gebeth zu ſagen?


Wo ein Altar, vom glatteſten Marmor der
Klipp aufgerichtet,
Taͤglich mit Morgen- u. Abendweihrauch
zum Himmel hinauf ſteiget.
Noah, 17 S.


Der Altar ſteiget alſo alle Morgen zum Him-
mel hinauf?
Wann porzelt er denn wieder her-
unter?


Morgenklage und Abendklage:

was iſt das?
Das iſt Zophenatpanah, den Jacob Mor-
gens
und Abends beklaget.


‘“Joſeph, die morgenklage
“Und die abendklage
Jac. u. Joſ. 8 S.
()

Warum nicht auch die mitternachtsklage?
Hier finden wir auch, daß die Maͤnner, wie die
Froͤſche, mit der Rechten Kinder zeugen.


Benjamin, Sohn der Rechten des va-
ters.e. d.


Haben der Herr Rath ihren Sohn ſo gemachet?
Sie ſind ja ein unvergleichlicher Mann!


Morgenroͤthe.

Die Dichter haben ſeit undenkli-
chen Zeiten ein Recht gehabt, dieſes Wort nach
Belieben zu gebrauchen. Vor kurzer Zeit hat ein
großer Geiſt
und ein ſtarker Dichter die Kunſt
erfunden, an ſtatt der Schminke, das Angeſicht
mit Morgenroth zu faͤrben. Eine Wiſſenſchaft
biethet der andern die Hand. So ſolls ſeyn!
Vielleicht lernen wir noch Stoffe mit Morgen-
roͤthe
[309]Mo
roͤthe faͤrben. Meine Einſichten reichen nicht zu,
in der Naturlehre Entdeckungen zu machen. Jch
will auch hier nicht von Licht und Farben ſchreiben.
Meine Abſicht iſt, den angehenden Rednern die
Morgenroͤthe anzupreiſen. Die Streitfrage
iſt bekannt: ob naͤmlich die Heyden zu den Zeiten
Auguſts, des erſten roͤm. Kaiſers, erleuchtete Ein-
ſichten in philoſophiſche Wahrheiten gehabt haͤtten,
oder nicht? Foſter hat fuͤr die erſte Meynung eine
Predigt gehalten: und ein wahrhaftig großer
Redner der Deutſchen, der Herr von Jeruſa-
lem,
hat ſich fuͤr die letzte erklaͤret. Jch habe in
den Reden dieſer fuͤrtrefflichen Maͤnner kein Bluͤm-
chen [finden] koͤnnen, welches die Frage deutlich ent-
ſchiede. Der alte boͤſe Geſchmack herrſchet in
ihren Reden.
Endlich iſt mirs doch gelungen.
Bey einem dritten Manne fand ich das Bluͤm-
chen,
man kann durch Huͤlfe deſſelben von der phi-
loſophiſchen Wiſſenſchaft der Heyden gruͤndlich ur-
theilen. Wenn man alſo die Stufen ihres Er-
kenntniſſes, und deſſen Deutlichkeit, ſcharf beſtim-
men will, ſo nehme man
eine Hand voll Morgenroͤthe,
eben ſo viel Licht, und etwas gebrochene
Strahlen, vermiſche oder ſchmeiße ſie wohl
unter einander:
ſo hat man einen

deutlichen und vollſtaͤndigen Begriff von der
philoſophiſchen Wiſſenſchaft der alten Heyden.

Jhre Lehren, ſagt mein wortreicher Schrift-
ſteller, gleichen der Morgenroͤthe,
die
das Licht zeuget, von dem ſie ſelbſt iſt geboh-
U 3ren
[310]Mu
ren worden, und mit ihren ſchwachen und
gebrochenen Stralen die Ankunft des
vollkommenen Lichtes anzeiget. Buttſt.

Dieß iſt ein Muſter einer ſehr deutlichen und ſinn-
reichen Antwort. Ein Denkender kann nach
Belieben etwas dazu, oder nach Gefallen auch
etwas davon denken.


Muͤndel des Saͤbels.

Jſt der Herr von Saͤbel
nicht ein feiner Vormund? Wir bewundern die-
ſe Vormundſchaft hoͤchlich; und freuen uns,
wann wir Soldaten ſehen:


Soͤhne des Raubs, des Unrechts Freund,
u. Muͤndel des Saͤbels,
“Auf der Schneide des Schwerts mir den
Trank des Todes zu bringen.
Noah, 32 S.


Den trinke Rath Bodmer! Jſt der Raub
nicht ein huͤbſcher Papa? Weiter!


Schon war der Staub genaht; es ſtiegen
Reuter und Pferde

Aus ihm hervor. Schon roch ich den Tod
von den Waffen Abirams. e. d.


Die Reuter waren abgeſtiegen: denn wie haͤtten
ſie ſonſt vor den Pferden aus dem Staube her-
vorſteigen
koͤnnen? Wie riecht denn der Tod?
Sauer oder ſuͤß? Noch ein allerliebſtes Muͤndel!


“Kennt ich den Geiſt, den Seraph, der zwiſchen
Gott und mir ſtuͤnde,
Der die Weiten verſchluͤnge, die zwiſchen
Gott und mir liegen,
“Die
[311]Mu
“Die zu den Soͤhnen des Staubs mich ſper-
ren, zu Muͤndeln des Viehes.
e. d. 308 S.


Nun ſage man mir, daß der Witz keine Kraft ſey,
die Aehnlichkeiten der Dinge wahrzunehmen.
Nehmen nicht, kraft dieſer Faͤhigkeit, der Herr
Rath
wahr: daß ein Sehraff das Maul auf-
ſperret, Weiten zu verſchlingen?
Sehen Sie
nicht, daß der Staub unſer Vater iſt? Ja!
erfahren wir nicht, daß ein Bruͤmmel unſer
Vormund iſt? Was iſt alſo der bodmeriſche
Witz? Eine Faͤhigkeit, einem Dinge Eigen-
ſchaften beyzumeſſen, die es nicht hat, und
Aehnlichkeiten zu finden, die kein Henker ſu-
chen ſollte.


Muͤtterliches Land

heißt in der heiligen Accen-
tuation
das Land, wo man gebohren worden;
denn Vaterland druͤcket lange ſo viel nicht aus:
wir werden es kuͤnftig ein ſchweſterliches Land
nennen.


Muͤtterliches Land, o Erde! nach dir ſeh’ ich
ſehnlich hernieder.
Jn den Geſ. St. Kl. 22 S.


Mundwiſſenſchaft,

iſt das eine Freßwiſſenſchaft,
eine Brodkunſt?


“Wenn nun die Eule nicht der Menſchen Mund-

art findet;

Jn ihrem Weſen war die Eule nur ge-

gruͤndet.

Ey! Ey! wie koͤmmt der Vers hieher? eine ge-
gruͤndete Eule,
iſt das nicht eine ſchoͤne Eule?


U 4“Em-
[312]Mu
“Empfaͤng ein kuͤhner Hahn, was Rednern oft

gebricht,

Mundwiſſenſchaft und Witz: wie buͤndig

ſpraͤch er nicht.
Zernitz 153 S.

Er hat ſie empfangen, die Mundwiſſenſchaft:
denn ſtreut ihm nur brav Futter; er wird ſchon
freſſen. Ach! lerneten doch unſere Dichter eher
conjungiren und decliniren, ehe ſie Verſe mach-
ten; denn oft ſind ſie ſehr gelehrt; ſie wiſſen al-
les, nur die Grammatik nicht:
aber auch ohne
die kann man gelehrt ſeyn. VideanturHaller,
Bodmer, Klopſtock, Naumann u. a.


Murmelungen a. St. Murmeln.

Jſt das nicht
ungemein?


Murmelungen von o! Weh! - -
“Vom ſchoͤnen Thurm - - Gott ſey uns gnaͤ-
dig! - - Brem. Ged. 126 S.


Jſt das nicht eine ſchoͤne Murmelung? Gott
ſey uns gnaͤdig! Gott ſey uns gnaͤdig,
wofern
der Dichter dieſe Ode zu einem Gewitter gemacht
haͤtte, daß er es nicht gethan, bittet er a. d. 118
S.
um Vergebung. Man horche! denn auch
horchen iſt beſſer, als hoͤren. “Man wird bey
“dieſem Gedichte nicht eben glauben, daß ich es
“im Ganzen, als eine Copie von einem Originale
“der Wirklichkeit, verfertiget habe.” Frey-
lich! ach! nein! Wir nehmen es nicht uͤbel!
denn es waͤre ein gedrucktes Ungewitter gewor-
den: es praſſelt ſo genug darinnen!


Muße einem geben,

d. h. einem ein Gnadengeld
von 400 Thl. geben, daß man Muße genug

habe,
[313]Mu
habe, eine Sprache zu verhunzen. S. Vor-
ber. zur Ode vorm Meßias.


Myndling; a. St. Muͤndel;

denn der Witz des
Hrn. Rathes iſt fruchtbar, den Woͤrtern
Schwaͤnze anzuhaͤngen.


Aber ich folge den brydern itzt nach dem
fluſſe Mizraims,
“In der næhe die weisheit von meinem

Myndling zu hören.

Jac. u. Joſ. 38 S

Myriade.

Dieſes iſt eines von den maͤchtigſten
Woͤrtern in der Klopſtockiſie; nur ewig Scha-
de, daß Luther es nicht gebraucht hat: er wuͤrde
auch, wie St. Klopſtock, der Seher, geſaget
haben:


“Wer kann auf Erden ſie zaͤhlen? wer untern
Himmeln? Jhr Nam’ iſt:
Myriade! — —

Klopſtockiſie, 139 S.

So aber redet leider die Schrift nur von Legionen
und Hunderttauſend. Vieleicht heißen die
Himmel auch Myriade; zum wenigſten gehet
das Fuͤrwort Jhr auch auf Himmel; denn ſo
wohl ein wohl angebrachtes Fuͤrwort, als eine
geſchickte Vermiſchung der Namenendung mit
der Klageendung machet im [Deutſchen] eine aller-
liebſte Zweydeutigkeit. zum erſten Exempel
dienet obiges; zum zweyten, wenn ich ſagen woll-
te: Helden naͤmlich ſchaffen Voͤlker; denn
man ſiehet nicht, wer geſchaffen wird, ſo wenig
als man hier eine Endung entdecken kann. Wir
haben dergleichen Schoͤnheiten auch im Hermann
U 5entde-
[314]Na
entdecket; und der Verfaſſer hat uns verſprechen
muͤſſen, ſie nach ſeinem dichteriſchen Gewiſſen zu
beurtheilen. Allein, er habe das Herz, und be-
wundere ſie nun! Es iſt noch Platz genug fuͤr ihn in
unſerm trefflichen Woͤrterbuche; wir biethen
ihn allen, die darnach ehrgeizig ſind, unentgelt-
lich an.


N.


Z. N. Den Augenblick, da wir dieſen Buchſtab
anfangen wollen, erhalten wir einen Brief, deſſen
Siegel eine Amphisbaͤne iſt, die eben mit einer
Hyaͤne Hochzeit machet.
Wir brechen ihn auf,
und leſen:


Spitziger Herr!

Orel und Compagnie berichten uns, daß
“ihr einen ſpoͤttiſchen Auszug unſerer heili-
“gen Dichter
machet; wir hoͤren auch: daß ihr
“Leſer finden werdet. Glaubet ihr denn aber,
“daß wir nicht Hyaͤnen, Guanos und Am-
“phisbaͤnen
genug haben, ſie euch auf den Hals
“zu ſchicken? Richten die nun in unſern Gedichten
“eine ſolche Verwirrung an: was werden ſie euch
“nicht erſt thun? Jhr ſehet wohl, daß wir uns
“zu euch in eurer niederen Sprache herab laſ-
“ſen; indem ihr unſere goͤttliche Reden doch
“nicht verſtehen wuͤrdet. Wir warnen euch al-
“ſo! Leget euch mit uns nicht auf, die wir hie-
“rarchiſch auf Sinai herrſchen!
Denket, daß
“wir noch einmal die Charactere der deutſch.
“Ged. vermehren
und veraͤndern koͤnnen!
“Nach
[315]Na
“Nach Gottſcheden wollen wir euch einſchalten.
“Haltet mit der Arbeit ein: ſonſt drohen wir euch,
“wie der Praͤſident Voltaͤren: Zittert!



Bodmer.


Da haben wirs! Wie ein Menſch nicht unſchuldig
in Ungluͤck gerathen kann! Thun wir wohl etwas
anders, als bewundern? Klauben wir nicht aus
dem bodmeriſchen Miſte die Karfunkelſteine,
mit denen der große Rath ſich ſchmuͤcket? Und
dafuͤr werden wir bedrohet? Und dafuͤr haben wir
den Dank? Allein, es iſt noch ein Tag! Arbeiten
wir nicht fuͤr unſere undankbare Mitbruͤder: ſo ar-
beiten wir fuͤr eine dankbare Nachwelt. Wir wol-
len alſo fortfahren, und alle Vorurtheile des Anſe-
hens, die alte Großmutter, wie Perſius ſaget,
aus unſern Herzen reiſſen.


Nacht.

Se. Gn. geben der Nacht einen Pinſel,
und ſie muß ſich ſelbſt malen.


‘“Wo ſich in jedem Buſch die Nacht des
Grabes malt. Haller, 149 S.
()

Es iſt freylich! wahr; dieſe Nacht malet ſich in
jedem Verſe dieſer dunklen Ode und unvollkom-
menen Liedes.
Folgende Nacht verehren wir
auch mit gefalteten Haͤnden:


“Die Nacht hatte ihres Gemahls fleckichtes
Schild ſchon verſilbert;
“Er (der Hr. Gemahl) ſtund beyn Kerzen des
Himmels, wie der Vater untern Soͤhnen.
Nimr. 151 S.


Mit
[316]Na

Mit Erlaubniß, Herr Magiſter! war das der
Herr Mond?


Naͤchtlich.

Als wir juͤngſt ſo herum gingen, und
auf Stoff zu unſerm Buͤchlein dachten: erblick-
ten wir einen großen Saal. Auf der Thuͤre ſtand
mit mizraimiſchen Lettern gemalet: Der
Dichterſaal. Herr v. Haller
war der Thuͤr-
huͤter; allein eben, weil er des Amtes noch nicht
gewohnet war, war er eingeſchlummert. Wir
gingen alſo hinein. Jn der Mitte ſtand ein ſehr
großer Tiſch, und eine Drechſelbank, worauf jeder
Dichter ſein Weltchen drechſelte. Die Splitter
hoben einige Kunſtrichter, oder woͤchentliche Tyran-
nen, auf. Es ging ganz entzuͤckt zu; einer ver-
drehete die Augen; der andere wackelte mit dem
Stuhle: nur Bodmer verderbete alles, was
noch zu trocken war, mit ſeiner Suͤndfluth; ſie
ergoß ſich uͤber den ganzen Tiſch, daß alſo alle da-
von naß wurden. Jn den Winkeln waren Tiſch-
chen
geſetzet, woran Anfaͤnger ſaßen, die ſich mit
neuen Beywoͤrtchen abgaben. Die Ehre war
freylich klein; aber es war doch eine Ehre. Unter
andern fanden wir da den menſchenfreundlichen
Gellert,
der ſich Hexameter zu machen bemuͤhte.
Allein es gelang ihm nichts beſſer. Jſt Saul
auch untern Propheten?
ſprach ich: Ja! ant-
wortete er: was thut man nicht, um zu gefal-
len?
Jch trat eben auf ein Splitterchen, das vom
Meßias flog, und ſiehe! es was naͤchtlich!
Denn ſo ſinget der, der Offenbarungen geſehen:


“Nie-
[317]Na

“Niemals hat noch ein Auge, von kleinern
Himmeln umgraͤnzet

“Dieſe verlaßnen Gefilde geſehen, wo naͤchtli-
ches Erdreich

“Unbewohnt ruht. e. d. 26 S.


Nun, mein Leſer! weißt du wohl, was ein naͤcht-
liches Erdreich
iſt? Jch will dirs ſagen: ſo bald
du mir erklaͤren wirſt: ob St. Klopſtocks Aug
von kleinen Himmeln umgraͤnzet iſt?
Ach!
auch eine naͤchtliche Lampe! ey! die des Nachts
brennet. Wer brennet bey Tage eine Lampe?


“Jtzo liegen die Staͤdte noch ruhig; bey naͤcht-
licher Lampe

“Wacht noch der Weiſe; e. d. 93 S.


Hierauf unterreden ſich goͤttliche Freunde bey
Champagnerweine von der Seele:
das iſt et-
was ſelten; und das wird eine heftige Diſputir-
kunſt
werden, wenn die Duͤnſte in die Koͤpfe ſteigen
werden. Mit dem Glaſe in der Hand diſputiret
ſichs gut.


Nacht Gottes ruhet auf einem himmliſchen Berge.


16 S. Off. St. Klopſt. warum nicht im Thale?
St. Klopſtock
ziehet die Nacht und den Tag
aus dem Kaͤfichte hervor,
wohin ſie der blinde
Milton,
unter Gottes Throne, verſperret hat-
te. Wir loben ihn deswegen; haͤtte er aber nicht
lieber gar die Nacht weglaſſen koͤnnen? Die En-
gel ſchlafen ja nicht: wozu brauchen ſie denn eine
Nacht? Weiter! Eine naͤchtliche Thraͤne iſt
weit ruͤhrender, als eine taͤgliche: z. E.


“Jhm
[318]Na
“Jhm winkt ſchimmernder Ruhm, u. die Un-

ſterblichkeit,

“Viel zu theuer durchs Blut bluͤhender Juͤng-

linge

“Und der Mutter und Braut naͤchtliche

Thraͤn’ erkauft,

“Jn das eiſerne Feld umſonſt.

Ode an den Koͤnig.

Wem gehoͤret dieſe Unſterblichkeit? Den Juͤng-
lingen?
Und erkauft: wohin gehoͤrt das? Hier
bewundern wir auch eine Strophe, der der
Nachſatz fehlet.


“Wenn der Saͤugling im Arm hoffender

Muͤtter ſchlief

“Einſt ein gluͤcklicher Mann! (Miltonia-

nismus;) wenn ſich des Greiſes Blick

“Sanft in Schlummer verlohr, u. itzt verjuͤn-

get ward:

“Noch den Vater des Volks zu ſehn.
e. d.

Freylich iſt hier ein Punct: allein wo iſt der Sinn?
Wir bewundern anbey das Verjuͤngen des Bli-
ckes.
Ferner haben wir oben ſchon die horazia-
niſche
Art geprieſen, aus einer Strophe in die an-
dere zu laufen. Aber ach! wie ſchoͤn iſt nicht,
wenn man eine Strophe folgendergeſtalt anfangen
kann!


Jſt ein Chriſt u. belohnt redliche Thaten erſt.
Wer iſt ein Chriſt? Der Koͤnig der Daͤnen!
Ey! war er das nicht ſchon von Koͤnig Haralds
Zeiten her? Welche Neuigkeit!


Nachlaß

war vor Olimszeiten, bis Bodmer kam,
mit
[319]Na
mit Erbſchaft einerley: nun aber bedeutet es auch
Kinder.


Benjamin —
“Meiner zærtlichen Rachel, du bleibſt ihr

einziger nachlaß: Jac. u. Joſ. 10 S.


Nackendes Auge.

Hat wohl jemand ein bekleide-
tes
geſehen? Freylich! Wer denn? Der große
Rath!


“Jtzo ward er des Nachts mit nackendem
Auge geſehen. Noah, 210 S.


Namen.

Neue belohnende Namen heißen im
St. Klopſtock die Standeserhoͤhungen, die er
zuweilen mit den Planeten und Engeln vor-
nimmt. Denn die Engel ſind gerade ſolche Nar-
ren, wie wir: ſie laſſen ſich auch durch klingende
Namen
fangen; z. E. Unſterblichkeit, a. St.
Excellenz. Da ſind


— — “dann Buͤcher des Lebens, die unter
dem Hauche
Maͤchtiger Winde ſich oͤffnen, und Namen
kuͤnftiger Chriſten
Neue belohnende Namen, des Himmels
Unſterblichkeit, aufthun. Meß. 18 S.


Werden die Winde ſie auch nicht verblaͤttern?
So ſind auch die Engel die Excellenzen des Him-
mels;
da waͤre Eloa die vornehmſte, erlauchte-
ſte Excellenz.


Naß.

Dieſes Woͤrtchen kann einen Menſchen be-
zeichnen, der gerne trinket. Kurz: einen Saͤu-
fer. Will man alſo ſagen: die Kinder des Trun-
kenbol-
[320]Na
kenboldes pflegen immer auch gerne zu ſaufen; ſo
kann mans feiner geben:


Die Kinder lieben gemeiniglich Wein und
Bier, die ein naſſer Vater gezeuget hat.
Buttſtaͤdt.
()

Naß.

Was iſt doch folgendes fuͤr ein Naß?


— “Er netzt dich, wirſt du zun Vaͤtern

begraben,

“Mit Menſchen unreinbarem Naß.

Ode an Steinbruͤck.

d. h. auf deutſch: er wird auf dein Grab piſ-
ſen;
denn wahrhaftig! dieſes Naß iſt Menſchen
unweinbar; aber nicht unpißbar. Noch ein al-
lerliebſtes Naß!


“Entſtuͤnd ein ſchwaͤcher Naß, als Feur in
Elementen. Zernitz, 96 S.


So iſt denn das Feuer naß, und Waſſer feu-
richt:
iſt das nicht philoſophiſch gedichtet, und
grob gelogen?


Natur wird itzund von allen, die nach der Hoheit
oder Tiefe ſtreben, a. St. Welt gebrauchet.


— “Jndem die Ewigen ſprachen:
“Ging durch die ganze Natur ein ehrfurcht-
volles Erbeben. Meß. 9 S.


Das Erbeben lief; denn es hatte Ehrfurcht.


— “Entfliehend und ferne
“Geht die bewoͤlkte Natur voruͤber. 11 S.


Wer iſt das? So kann man auch ſagen Mutter-
natur:
denn der Dichter, oder der Herr Rath
wird ihr, als ein kleiner pausbaͤckichter Junge,
an dem Geburthstage an die Warzen geleget;
freylich!
[321]Na
freylich! um mit der Milch die Heimlichkeiten
einzuſaugen. Wie? oder leget ihn Mutternatur
an die Warzen der Muſe? Noch eins! wer iſt
dieſe himmliſche Muſe? Wer wehet denn die Gei-
ſter Elihus an? die Muſe? oder Mutterna-
tur? Spuren ſagen,
iſt das nicht ſchoͤn?


“Von der großen Geſchicht hat in den Tafeln
der Zeiten
“Wenige Spuren der Schwamm, der ſie durch-
waͤſchet, (die Zeiten, oder die Geſchichte,
oder Spuren?
) gelaſſen;

“Schier unmerkbare Spuren; allein die en-
dorſche Muſe,

“Weis ſie u. ſagt ſie gern dem Dichter, der an
dem Geburthstag
“Von der Muttermama ihr an die Zitzen ge-
legt ward.
“Sie iſts, die vor den Waſſern der Fluth die
Geiſter des Lohnſteins
Angewehet, u. ihn die ſchwaͤrmenden Lieder
gelehret,
“Die mit dem Vater Klopſtock den Herrn im
Dunkeln nun ſingen. Noah, 4 S.


So Klopſtock! — Wie bethet ihr
Antlitz,
“Und die gefaltete Hand vor ihm an. Auch
ſcheint die Natur hier
“Ueberall ſtill zu ſchauern, als waͤre Gott wo
zugegen. Jn ſ. Offenb. 178 S.


So bethet die Hand? So ſchauert die Natur
auch irgendwo laut?


XNatio-
[322]Na Ne

Nationen erzeugen.

Man betruͤge ſich nicht, und
denke, als haͤtte ſie ein einziger Mann erzeuget.
Das waͤre ſeiner Faͤhigkeit zu viel zugetrauet: und
das koͤnnte nicht ein Kapuziner bereiten. Aus
des Gerechten Lenden ſind ſie entſprungen:


‘“Daß er da goͤttlicher lebt’ u. Nationen er-
zeugte. Noah, 3 S.
()

Nefrem.

Man ſollte es nicht denken, was fuͤr eine
Ordnung in Wuͤrden oder Etiquette, die mizrai-
miſchen
und patriarchaliſchen Meiſterſinger
bey ihren Hoͤfen halten.


— “Hœrt die befehle
“Pharao Nefrems, u. Zophenatpanahs, des

Nefrems Vezieres.Jac. u. Joſ. 39 S.


davon ſtand in der Bibel nichts. Menes war
Zophenatpanahs Hoffverwalter
oder Ober-
hofmeiſter.


Nelken.

Von Nelkengeruche umfloſſene Lippen
einem antragen:
iſt das nicht eine ſchoͤnriechen-
de Wortart?
So riechen die Lippen? Wir wiſ-
ſen wohl, daß Leute, die einen ſtinkenden Athem
haben, Nelken freſſen: aber wir wollten ſie doch
nicht kuͤſſen, wenn ſie uns auch gleich mit Nel-
kengeruche umfloſſene Lippen antruͤgen.


“Zalmon, ein Sclav in der Bluͤthe der Jahre,
verſchmaͤhte die Kuͤſſe,
“Die ihm mit Nelkengeruch umfloſſene Lip-
pen antrugen. Noah, 308 S.


Man male ſich doch dieſe Lippen, und den Nel-
kengeruch,
wie er ſie umfleußt; oder um ſie her-
fleußt.


Neige
[323]Ne No

Neige war ſonſt der Hefen;

nun aber hat die Erde
ein Ding,
das man Neige nennet, und hinter
dem vieles entfliehet.


‘“Jhre Pallaͤſte entflohn ihm hinter die Neige
der Erde. Noah, 6 S.
()

Neunmal neun,

a. St. zwey und ſiebenzig; bald
wird man das Einmaleins in Verſe bringen.


Hanuch faßte ſie nicht in ihre neunmal
neun Thore. Noah.


Noachiden.

Wer iſt das? Geck! Es ſind die Kin-
der Noahs.
Sagen wir nicht Hexakliden?
So koͤnnen wir auch Alexandriden, Auguſtiden,
Noachiden, Abraimiden, Alphaͤiden, Bod-
meriden
ſagen: denn eine griechiſche Endung
klinget gar vortrefflich.


“Alſobald fammeln die Noachiden mit ihren
Vermaͤhlten. Noah, 184 S.
“Den du Abraham ſchwurſt u. nach ihm den
Abrahamiden. St. Kl. 116 S.


Netz.

Hier iſt eine noch ſinnreichere Erfindung, als
der Schild iſt, den ein Engel im Taſſo holet.


“Raphael nahm das goͤttliche Netz im
Zeughaus der Allmacht,
“Welches (das Zeughaus?) auf einmal Pro-
vinzen u. Koͤnigreich’ uͤberſpannet,
“Wunderbar, unaufloͤßlich, wiewohl von zaͤr-
term Gewebe,
“Als der klebrichte Faden der Spinn iſt, tuͤch-
tig das Spaͤhen
“Satans ſelber zu taͤuſchen ꝛc.
Noah, 159 S.


X 2— Eben
[324]No

— “Eben dieſes himmliſch geſtrickete
Netze

“Faͤngt einen, der Alter durch im gefalteten
Blatte gelegen. ꝛc.


Wie lange lag er? Alter durch! wie lang iſt
das? ich weis nicht! Was iſt doch himmliſch ge-
ſtrickt?
Hat alſo Gott eine Fiſchreuſe? So iſt
denn die Luft eine See; und wir ſind die Gruͤnd-
linge.
Was machet denn das Netz im Zeug-
hauſe, wo Gott ſeine Donner auf haͤnget?

Jm Fiſchhauſe muß es ſeyn. So verſteigen wir
uns in die Luft, und fallen ins Netz, ins goͤttlich
geſtrickete Netz, das uͤber uns geſtreuet iſt;
Noah, 161 S. und regnen aus der Luft in die
Hoͤlle; Wachs und Mann vertraͤufeln. e. d.

Dieſes iſt ein Meiſterſtuͤck der tiefen und heiligen
Dichtkunſt; und wohl zu betrachten.


Noch:

ein Wort, welches von unſern franzoͤſiren-
den
Witzlingen zum Anfange eines Satzes ſehr ge-
mißbrauchet wird; z. E. von G. von H. von B.
von K. und Anhange. Nicht ihres Ge-
ſchlechts,
d. h. des weiblichen Geſchlechts.


“Miſchte ſich dann erfreut mit ihrem Bruder-
geſchlechte
“Welche mit Wunder den Glanz nicht ihres
Geſchlechts an ihr ſahen. Noah, 407 S.


So kann man auch ein ja ſein Geſchlecht bilden:
ein vortrefflicher Ausdruck!


Norden.

So hat ein Schiff alle vier Winde.


— “Den
[325]No Nu

— “Den Wind zu empfangen,
“Den im Norden des Schiffs unſichtbare
Fluͤgel erſchuffen. Noah, 158 S.


Jſt denn der Wind oder die Luft nicht bereits da,
ehe ihn unſichtbare Fluͤgel erſchaffen? Noch ein
tiefer Ausdruck:


“— — und hinter ihm brannten
Nordens Geſtirn’ unverdeckt durch ſein
durchſichtig Geſchleppe. Noah, 217 S.


Jſt das Geſchleppe nicht ſchoͤn?


Noditen ſind Leute aus Nod;

Zyrchiten, Bod-
merianer,
oder Leute aus Zyrich.


Neun Noditen, die nackt dort in den Waͤl-
dern umſchweifen. Noah, 353 S.


Wir bewundern auch hier einen Traum, der mil-
de mit Wundern beſaͤet iſt;
denn Wunder iſt
ein ſchoͤner Samen.


Noth.

Die ferne Noth mit altem Ueberfluſſe
ſpeiſen:
ſollte dieſe Speiſe wohl einen Hungri-
gen
ſaͤttigen? Wuͤrden Se. Gn. nicht hungern,
wenn wirs mit Sr. Gn. verſucheten? Se. Gn.
ſingen:


“Sie zeuget uns, wie heut fuͤr morgen ſor-
gen muß,
Und ſpeiſet ferne Noth mit altem Ueber-
fluß. Haller, 104 S.


Nullen.

Der Ueberſetzer der Jlias laͤßt den Ulyſ-
ſes
zum Therſites ſagen:


“Jm Felde, wie im Rath, biſt du fuͤr nichts
zu zaͤhlen.


X 3Dieſes
[326]Nu Ob

Dieſes drehet, und ſpinnet der Herr Magiſter
auf ſeinem Raͤdelein folgendergeſtalt:


“Die ſind im Kriegsrath Nullen; nichts be-
deutende Stimmen. Nimr. 415 S.


Antilongin hat, wie wir oben erwaͤhnet, eine
Figur Macrologie, oder Pleonasmus genannt,
die man ſo oft gepaaret findet, als man ein ma-
gers Kaninichen einem fetten beywohnen ſie-
het. Nullen
ſind hier das Fette, und nichts-
bedeutend das Magere. Antil. 114 S.


Nur in Kleinigkeiten verliebte Geiſter geben auf
ihre Ausdruͤckungen Acht; und es iſt nur eine Er-
findung der Abendlaͤnder, poetiſche Woͤrter mit der
geſunden Vernunft zu beleuchten. Jſt die Dicht-
kunſt nicht die Sprache der Goͤtter? Wenn nun
Dichter, wie andere Menſchen, ſpraͤchen: wuͤrden
ſie nicht eine Kunſt entweihen, die nur Wahnwi-
tzige fuͤr eine Sprache der Narren halten? Da
nun entzuͤckt ſeyn und auſſer ſich ſeyn, eins iſt:
ſo ſind auch unſere Dichter auſſer ſich: ſo bald ſie
ihr Raͤdelein in die Hand nehmen, und ihre Ge-
danken darauf drehen.


O.


Ob

ihm wird zierlicher a. St. auf ihn, oder uͤber
ihn
gebrauchet. Unter andern bewundern wir
auch hier die Reichsacht, in die Se. Gn. die
Seele erklaͤren.


“Nachdem der matte Geiſt die Jahre ſeiner
Acht,
“Ver-
[327]Ob Of
“Verbannt in einen Leib, mit Elend zuge-
bracht,
“Schlaͤgt erſt ob ihm die Noth mit voller
Wuth zuſammen:
“Verzweiflung brennt in ihm mit nie ge-
ſchwaͤchten Flammen. Haller, 98 S.


Wir ſind mit der Acht vollkommen zufrieden; und
Se. Unſterblichk. wuͤrden nicht ſo unſterblich
geworden ſeyn: ſtuͤnden Sie nicht dieſe Verban-
nung
aus. Wir laſſen die Frage unentſchieden,
ob die Noth uͤber den Leib, oder uͤber den Geiſt
zuſammenſchlage.


Oberhofmeiſter.

Haben wir nicht geſaget, daß
ZophenatpanahGroßvezier geweſen? Er war
auch Oberhofmeiſter: denn auch die mizraimi-
ſchen Großen
waren, wie unſere, im Stande,
mehr als einer Wuͤrde vorzuſtehen.


Simeon, einer der ælteſten war zuryke
geblieben,
Ihn befahl der oberhofmeiſter in bande
zu legen. Jac. u. Joſ. 3 S.


Offenbarungen.

Nun ſage man uns: ob wir Un-
recht haben, die Traͤume St. Kl. Offenbarun-
gen
zu nennen! Man gebe nur auf das Woͤrte-
lein auch acht!


“Der Juͤnger — —
“Der in der einſamen Patmus die Offen-
barungen auch ſah. Meß.


Hier iſt gar zierlich Jnſel ausgelaſſen; denn ſo
kann man ſagen: die heiße Sardinien; die em-
poͤrte Corſika:
ſubintelligiturJnſel.


X 4Ohr.
[328]Oh Ol

Ohr.

Jſt auch jemals erhoͤret worden, daß Ohren
leſen
koͤnnen? Hr. Samuel Patzke, der Lob-
redner des Meßias, laͤßt ſie leſen; denn ein Glied
kann ja wohl des andern Stelle vertreten.

“Es
“iſt, ſagt er, eine zu große Verwerfung und Ver-
“ſetzung der Redensarten da, wider alle Vor-
“ſchriften der Sprachlehre; ſo daß ſie, (die
“Meßiade,) nicht ein deutſches Ohr, nicht ohne
“Mißvergnuͤgen leſen kann.” Samml. Nicol.
44 S.

Wir freuen uns uͤber dieſes deutſche
Ohr,
und werden jauchzen, wann wir ein ame-
rikaniſches
ſehen werden.


Midas, le Roi Midas, a des oreilles d’aſne.
Boileau.


“Die Ohren eilen zur Gruft, u. mit den Oh-
ren die Toͤne. Brem. Ged. 54 S.


Ey! das iſt artig! daß die Ohren mit ins Grab
kommen: freylich; die Todten ſollten ſie drauſſen
laſſen.


Olympiſch.

So bald mir meine Leſer ſagen wer-
den: ob es erlaubet iſt, den chriſtlichen Himmel
den Olympus zu nennen: ſo will ich ihnen das
Beywort treulich uͤberſetzen. Allein, wir zwei-
feln; denn waͤre es erlaubt: ſo koͤnnten wir auch
Jehovahn mit dem Namen Zevs ehren; es
rechtfertigen es einerley Urſachen. Wir wundern
uns indeſſen, daß die Heyden nicht ſo oft vom
Olympus, als die iſraelitiſchen Dichterlinge,
reden.


“Um ihn her ſtand von ſeinen Nachkommen ein
Kreis in dem andern ꝛc.
“Jn
[329]Ol
“Jn Geſtalten olympiſches Lichts; ihr ir-
diſcher Leib lag
“Unter dem Staub der Erde verweſt, verzetelt
und finſter.


So kann ein Leib verzetelt und finſter liegen?
Ein olympiſches Gezelt, und eine olympi-
ſche Schlafkammer
ſind huͤbſche Wohnungen.
Noah, 302 S. Hier ſind viel olympiſche
Saͤchelchen;
der Leſer beliebe nur den ganzen
Murmelthierkaſten, olympiſchen Murmelthier-
kaſten,
nachzuſehen. Auch iſt hier das Dunkel
der menſchlichen Farbe;
auch ſteigt der Menſch
auf zu kleinen Engelsgedanken, und der En-
gel herunter zu großen Menſchengedanken.

Wir halten es mit den großen Menſchengedan-
ken;
die naͤmlich ſind allezeit groͤßer, als kleine
Engelsgedanken.
Jn eben dem Kaſten klinget
der Harfenton der menſchlichen Stimme; da-
her wir uns denn auf einen Geigeton freuen.
Ach! auch ein Sopha, oder Cannape fuͤr den
Hn. Raphael; denn die Engel ſitzen auch gern
weich:


“Raphael ſaß zu ihm auf ein Sopha, und
hielt nicht fuͤr noͤthig,
“Seinen Reden erſt ſorgſam des Menſchen
Ohr zu erbitten. Noah, 303 S.


Noah waͤre auch nicht geſcheidt geweſen, haͤtte er
ihm ſein Ohr gegeben: es waͤchſet nicht wieder,
wie eine Kredsſcheere.


“— Das Auge
“Gottes, das eines Geſellen nicht mangelt, —


X 5So
[330]Op Or

So hat Gott zwey Augen? Raphael ſaget:


“Elend, das vom Olympus koͤmmt, iſt nicht
Elend. 306 S.


Was waͤre es denn? Das iſt fuͤr einen Engel ein
bischen dumm. Zu gleicher Zeit unterwerfe ich
mich; und erklaͤre das Wort Olympus fuͤr das
neue Jeruſalem. Denn, wenn die Engel den
Himmel ſo nennen: ſo haben der Herr Rath
vollkommen Recht. So heißt denn auch ein
Olympier ein Himmling. 373 S. So hat
auch der Theologe Recht, wann er ſaget:


“So richtet ſich hoch ein olympiſcher Berg
auf. Offenb. 97 S.


Denn er knieete erſtlich.


Opferwolken ſind nicht Wolken von Opfern;
ſondern Rauch.


“Daß das Heiligthum ganz von Opferwol-
ken erfuͤllet ward. e. d. 143 S.


Orakel.

Nach der Bibel des zweyhundertmaͤn-
niſchen Rathes
verehreten Jacobs Kinder ein
Orakel. Jſt das nun gleich der alten Bibel ein
Paar Ohrfeigen gegeben: ſo iſt es doch der wahre
Weg, zum Tiefen der heiligen Dichtkunſt zu
gelangen.


‘“Naphtali: (ſagte,) wie unglyklich hat
uns das orakel verſchwiegen,
“Daſs uns die freund’ in Mizraim ſo un-
treu hintergehen wyrden.
Jac. u. Joſ. 49 S.
()

Orcane, die Waſſer im Abgrunde ſuchen.

War-
um ſie es im Abgrunde ſuchen, da ſie es doch auf
der
[331]Or Pa
der Oberflaͤche haben: das weis allein ein tiefer
Geiſt;
nicht ein Geiſt, der tief iſt; ſondern, der
in die Tiefe dringet, und naß, wie Bodmer, aus
der Suͤndfluth zuruͤck koͤmmt. Noah.


Orion iſt ein gewiſſes Geſtirn am Himmel;

wir
haben es nie donnern gehoͤret; allein der Theo-
loge, der dort oben gewandelt,
laͤßt, wenn er
was ſchroͤcklich machen will, Orione wandeln
und donnern.


— “Jhn (den frommen Teufel) ſchroͤckte
der Glanz, und gefluͤgelte Donner
“Gegen ihn wandelnder Orionen —
J. d. Klopſtockiſie, 63 S.


Wir nennen dieſe Figur: der Orion! Er kann
zugleich das Knarren der Sterne ſinnlich ma-
chen, wenn man ihre Wendung um ihre eigene
Axen
beſchreiben will.


P.


Partikel.

Es iſt laͤngſt den Philoſophen Schuld
gegeben worden, daß ſie nicht gebohren ſind, ei-
ne Sprache zu verſchoͤnern. Daß es aber ein
Jrrthum ſey, zeiget der philoſophiſche Magi-
ſter Naumann,
der da vollkommen weis, wie
ſcheinbare Koͤrper
entſtehen. Er redet von der
Herrſchſucht:


“Dieſe Gauklerin ſammelte in der Luft itzt vie-
le Partikel,
“Und machte daraus eine Maſſe zu ihrem
ſcheinbaren Koͤrper. Nimr. 233 S.


Pa-
[332]Pa Pe Pf

Patrouillen im Nimrod!

Kein Wunder, denn der
Herr Magiſter fuͤhret ſie auf.


“— Wir zogen aus von Ramalja,
“Und ſchickten viele Patrouillen, die Straßen
reine zu halten. Nimr. 293 S.


Paͤaniſche Kuͤnſte;

was ſind das fuͤr Kuͤnſte?
ſchwarze?


“Alſo lebte Philocles in ſeiner foͤrenen
Huͤtten ꝛc.
“Jnnig beluſtigt, durch ſeine paͤaniſche Kuͤn-
ſte das Leben,
“Das am Rande ſchon ſtand, ſchon beweint
war, zuruͤckzurufen. Noah, 338 S.


Wenn das helfen wollte: ſo lerneten alle Geizhaͤlſe
dieſe Kuͤnſte. So lebte Philocles in einer Bun-
deslade?
Wie das Leben nicht ſtehet!


Peitſchen:

eine artige Peitſche! Zumal, wann das
Blut dieſer Peitſche ſich bedienet. Der Peit-
ſchenmacher
iſt der Herr Rath! denn wer koͤnn-
te es ſonſt ſeyn?


“Jn den Adern kocht das Blut und peitſcht im
Tumulte
Jhr Gemuͤthe. Noah, 41 S.


Jſt das nicht ein Tumult?


Pflanzen.

Die Toͤchter ſind den Muͤttern weit
naͤher gelegene Pflanzen,
als die Soͤhne; die
Urſache iſt unbekannt; doch ſchoͤn: darum, weil ſie
Bodmer anfuͤhret.


“Meine Gehuͤlfin gebahr dreymal; und jedes-
mal Maͤgdchen,
“Jhre
[333]Pf
“Jhre troͤſtende Freud’, und naͤher gelegene
Pflanzen. Noah, 34 S.


Pferd.

Ach! wie der ſel. Zernitz nicht die Pferde
beſchlaͤgt!


“Was will beym Weltmann doch der ſo geſetzte
Gang?
“Der Pferde leiſer Zug, beym Gruß der ſpaͤte
Dank? Zernitz, 76 S.


Wir ſagen: nichts will er! ein leiſer Zug iſt
wohl ein Druckfehler, a. St. langſamer; die
Pferde naͤmlich koͤnnen nie leiſe gehen: die Huͤ-
fe muͤßten denn mit Filze beſchlagen ſeyn.


Pfoͤrtnerin.

Weis man, wer des Lichtes Pfoͤrt-
nerin
iſt? Es iſt das ſchoͤnſte Geſicht der Luft!


“Das ſchoͤnſte Geſichte der Luft, des Lichtes
Pfoͤrtnerin, hatte
“Mit lieblich praͤchtiger Roͤthe noch nicht den
Landmann ergetzet. Nimr. 203 S.


Aurora, das klang heydniſch!


Pforte erklang mit waͤlzendem Lachen;

warum
nicht mit ſielendem?


— “Ein wildes Gelaͤchter
“Faßte die Red’ auf; die Pfort’ erklang mit
waͤlzendem Lachen. Noah, 60 S.


Pfropfen;

ein Recht, wie Pflaumen pfropfen.
Siegmar
ſaget nur im Hermann, 3 S.


“Jſt der Trieb, den dir dein Vater in die zarte
Bruſt gedruͤckt,
“Schon durch Roms verdammtes Schmaͤu-
cheln, ewig dir zur Schmach, entruͤckt?


Allein druͤcken iſt nicht pfropfen; nicht nur
Soͤhne
[334]Pf
Soͤhne pfropfen; ſondern auch Tugenden
pfropfen.


“Damals pfropften die Vaͤter das Recht, die
Tugend und Sitten
Jn den Buſen der Soͤhne; ſie wuchſen
darinn zum Jnſtincte.
“Das iſt: die Soͤhne wurden Hunde.
Noah, 45 S.


Wir wuͤnſchten uns hiervon ein Paar Pfropf-
reiſer.


Pfeilen.

Um zu ſagen, ehe die Sonne unterge-
het:
ſo ſprich:


Eh die ſonne den tag mit den feurigſten
pfeilen entflammte. Jac. u. Joſ. 11 S.


Wann ſie alſo untergehet: ſo hat ſie ihre Pfeile
verſchoſſen.
Wir haben manchen warmen Tag
erlebet: das koͤnnen wir uns aber nicht ruͤhmen,
einen feurigen Pfeil der Sonne geſehen zu haben.


Pfuͤlbe.

Jſt das nicht eine niedliche Pfuͤlbe? Ab-
diel Abbaddonna
ſtack in ihr: ein allerliebſter
Teufel!


“Wehe mir! daß mein fuͤhlloſer Schlaf nicht
ewig gewaͤhret hat,
“Daß er ſo hart, ſo unerweckbar nicht war,
wie das Eis,
“Das zur Pfuͤlbe mir dient, in den ſanften
Stunden der Ruhe,
“Die ich noch ſeit dem Abfall geruht.
Noah, 329 S.


So fromm wie der Teufel auch iſt: ſo bleibet er
in der Froͤmmigkeit auch ein Teufel. Merket der
Leſer
[335]Ph Pi
Leſer die Luͤge nicht? Abdiel nennet ſeinen
Schlaf fuͤhllos; waͤre er aber fuͤhllos geweſen:
ſo wuͤrde er wohl unerweckbar geblieben ſeyn.
So war denn entweder der Schlaf erweckbar,
und nicht fuͤhllos; oder Abdiel luͤget. Was
meynen Sie, Herr Rath?


Phantome;

denn wir haben keine Geſpenſter.


“Jtzo flattern Phantomen des ewigen Ruhms
um ſein Auge. Off. St. Kl. 126 S.


Ey! Herr Profeſſor! Wuͤrden Geſpenſter nicht
auch geflattert haben? Aber dieſe Phantomen
waren in ihrem Kopfe.


Phrenetiſches Haupt gehoͤret ins Tollhaus;

denn
es iſt ein verruͤckter Kopf ein phrenetiſches
Haupt.


“Jn dem phrenetiſchen Haupt war alles Ver-
brechen und Laſter. Noah, 73 S.


Piſtacien.

Wer ſollte denken, daß Jacob Piſta-
cien
gekannt habe? Er hat ſie doch, und ſaget
es: Jac. u. Joſ. 35 S.


‘“Packet ein kleines geſchenk von den be-
ſten frychten des lands ein:
“Honig, Storak, und ladan, piſtacien,
mirrhen und mandeln.
()

Das wird Fingerlecken koſten!


Pinſel.

Jſt das nicht ein entſetzlicher Pinſel?


“So mußt du dann — —
“Den Pinſel mit gereckten ewigen Armen
“Jn ſchreckliche Unendlichkeiten tauchen.
Brem. Ged. 15 S.


Nichts fehlet, als der Farbenſtein und die Staf-
feley;
[336]Pi Pl
feley; gereckte ewige Arme, die naͤmlich im-
mer tauchen,
malen die etwas? Nimmermehr!


“Dieß Conterfait beſchaun dann nur die
Goͤtter. e. d.


Der Heyde! Herr Oeſt! wohin? nubes \& ina-
nia captat.


“So ſtellſt du gleichſam den Uneinge-
ſchraͤnkten
“Jn Mignatur vor eingeſchraͤnkten Au-
gen. e. d.


Das nenne ich, Gotten migniaturegemalet!
ja wohl recht ins kleine! Das ſind Maler! Nun
folget der verjuͤngte Maaßſtab: denn der fehlete
noch. e. d. 16 S.


“Doch wiſſe: dieſe Kunſt iſt nicht ſo leichte;
(das glaube ich.)
“Dein Auge muß das Ebenmaaß verſtehen,
“Und alles fuͤglich, nach Proprotionen,
Verkleinern, groͤßern, trennen, ſchieben,
fuͤgen.
“Der Anfang deiner Kunſt beſteht im Maaß-
ſtab,
“Und in dem Puncte, den du mußt machen;
“Da ſetzeſt du den Zirkel ein und miſſeſt;
“Und freuſt dich dann des richtigen Gemaͤl-
des. e. d.


Welch ein richtig Gemale! Jch freue mich deſſen.
Und wer wird ſich uͤber den Hn. Johann Hein-
rich Oeſt
nicht freuen?


Platteforme.

Die heiligen Maͤnner ſind liebens-
wuͤrdiger, als man glaubet; ſie trauen ihrem
deutſchen
[337]Po
deutſchen Leſer mehr Faͤhigkeit zu, als er oft hat.
Denn wiſſen wir, wo das Haus ſtand, wenn wir
wiſſen?


Noahs Behauſung war auf der Plattefor-
me gebauet. Noah, 5 S.


Pokal.

Wann wir einen Baͤcher mit Weine kroͤ-
nen,
iſt dann der Baͤcher nicht mit Weine ge-
kroͤnet?
Oder ſind die Reben unterm Weine
zu verſtehen?


“Selig, indem der Pokal, mit Wein gekroͤ-
net, herumging,
“Und die Speiſen der Zunge liebkoſten; vor
Leckernheit kraͤnklich. Noah, 59 S.


Jſt das liebkoſien nicht ſchoͤn? Was halten der
Herr Rath vom Sinne des 2ten Verſes?
Waren Sie nicht etwas berauſchet, als Sie dieſen
Vers machten?


“Sie beſtreuen mit Roſen das Bett, und ſchla-
fen unſanfte,
“Wann die Knoſpen ſich unter die Blaͤtter
mengen. — e. d.


Sie haben auch Recht, denn auf Knoſpen mag ſich
es auch unſanft ſchlafen: ſie ſind ja ſtachelicht!
Es gehet leicht an, daß ein Ausdruck, im Kuͤnſteln,
ſich eben von der ſchlechteſten Seite zeiget. Der
Herr Rath wollen ohne Zweifel von Leuten reden,


“Die ein Bett von Roſenblaͤttern oftermals
verletzen kann. Baron.


Poſamenten.

Jſt es nicht unvergleichlich, wann
der ſinnreiche Verheutiger Naumann einem
Herolde einen guͤldenen Mantel mit Poſamen-
Yten
[338]Po
ten umhaͤngt? Ach! was fuͤr ein geſchickter Po-
ſamentierer!


“Zuerſt ritt ein Herold auf einem aſchfarbenen
Pferde
“Jm langen Mantel mit guͤldenen Poſamen-
ten und Franzen. Nimr. 218 S.


Jſt es nicht, als wenn wir in einer Zeitung die
roͤmiſche Kaiſerwahl in Hexameter gebracht
laͤſen?


Poſaune.

Wir haben oben allerley Poſaunen be-
trachtet; eine, die von ſich ſelbſt blies; eine,
die einen goldenen Laut blies:
Hier haben wir
eine Allmachtspoſaune: eine Art von Poſau-
nen, die der Herr Rath blaͤſet.


“Lieget das Alter der Erd im Todesſchlafe
begraben:
“Bis die Allmachtspoſaune zum andern
Gericht’ euch wecket! Noah, 301 S.


Hier iſt ſinnreich zu verſtehen gegeben, daß der
Tod das erſte Gericht iſt; wir haben geglaubet,
daß gleich darauf die Belohnungen ihren Anfang
naͤhmen: allein, wie wir hoͤren, ſo verſparet ſie
Gott bis zum zweyten Gerichte. Auch das Al-
ter der Erde
haben wir oben bewundert: denn wir
ſagen ja ein Mannsalter. Verknuͤpfen wir nun
gleich mit dieſem eine gewiſſe Anzahl von Jahren:
ſo kann ja die Muſe von Sinai wohl den Herrn
Rath, als er an ihren Zitzen lag,
gelehret ha-
ben, wie viel Jahre zu einem Erdalter gehoͤren.


Poſtament.

Bildhauer Naumann fuͤhret mit
vielem Verſtande Statuen und Poſtamente ein;
wir
[339]Ph Pr
wir haben naͤmlich keine Schnitzbilder noch Fuß-
geſtelle.


— “Ueberall ſiehet man Alleen,
“Grasbaͤnke, ſteinerne Tiſche, auf Poſtamen-
ten Statuen. Nimr. 212 S.


Ach! wie die Hofdamen Sr. Maj. der Koͤni-
gin Thirza
nicht werden in den Alleen oder
Gaͤngen auf und nieder geſchlendert ſeyn! Hier
ſtellen wir uns vor, wie der Herr Magiſter
wuͤrde im Gruͤnen geſeſſen und geſungen haben:
natuͤrlich, wie eine Holzſcheere.


Phyſiognomon.

Herr Magiſter! was heißt
das? Wir wohnen ja in Deutſchland, und ihr
Kerl ſiehet aus, als wenn er auf einem Dorfe bey
Athen
gebohren waͤre.


— “Der beſte Phyſiognomon,
“Der aͤltſte Empyrikus ſchließt ſicher aufs
Jnnre der Menſchen. Nimr. 232 S.


Empyrici, ſind das nicht Marktſchreyer? Man
vertauſche die Woͤrter!


Praͤlaten im Nimrod!

Ha! Ha! Ha! Warum
nicht auch die Monſtranz und die Transſubſtan-
tiation?
Ey! Herr Magiſter! wie wiſſen Sie
nicht alles zu verheutigen! Laſſen Sie doch auch
Ordenskreuze austheilen!


Thirza kam ihrem Gemahl in der offnen
Saͤnfte entgegen
“Mit den Praͤlaten des Reichs; empfieng ihn
unter dem Stadtthor. Nimr. 224 S.


Prieſter.

Das waͤre, daͤchte ich, nun eben kein La-
ſter, wenn man in den Prieſter verartete. Ge-
Y 2woͤhnli-
[340]Pr
woͤhnlicher Weiſe ſollen das die ſanfteſten Ge-
muͤthsarten
ſeyn. Was koͤnnen Prieſter davor,
daß es unter ihnen Pabſte und Dairos gegeben
hat? Gab es untern Engeln nicht Teufel?


“Aber mein Herz verflucht den Gedanken, dein
bluͤhendes Leben
Abzumaͤhen; mein Vater mag in den Prie-
ſter verarten. Noah, 30 S.


Allein Fuͤrſten und Prieſter haben es nun einmal
mit uns verſchuͤttet. Alſo iſt das Leben Gras?


Prieſterlich.

Freylich! Ein ſo fruchtbares
Stammwort muß nicht vorbey gehen, ohne ein
Beywoͤrtchen zuruͤck zu laſſen: ein ganzer Vers
wird durch das Wort prieſterlich tief. Gehet das
weiter ſo fort: ſo griechenzen wir aͤrger, als die
griechenzenſten Griechen gegriechenzet haben.
Wir wuͤrden geſagt haben, vors Altar treten;
St. Klopſtock
aber accentuiret:


— “Er ſah ihn, und ging in feſtlicher
Schoͤnheit
Prieſterlich zum Altar. Offenb. 16 S.


Er haͤtte auch in ſonntaͤglicher Schoͤnheit gehen
koͤnnen.


Praͤtor.

Es wundert uns, warum der Herr
Magiſter
nicht lieber einen Schultheiß gema-
chet hat.


“Der Praͤtor folgte ihm nach, und wies um-
ſtaͤndlich die Mittel. Nimr. 286 S.


Probe.

Eine Probe ſchaͤnden: eine ganz ſpann-
nagel neue Nothzucht!


Ich
[341]Pu

— “Ich ſeh itzt Jacobs geſchlechte
“Gnugſam erweicht, u. hoffe: ſie werden

die probe nicht ſchænden.
Jac. u. Joſ. 38 S.


Wir hoffen es auch vom Herrn Rathe.


Purpur.

Man darf nicht denken, als wenn unſere
Purpurkraͤmer mit Lohenſteinen und Maͤnn-
lingen
ausgeſtorben waͤren. Wir werden unſern
Leſern mit ſo feinem Purpur aufwarten, dem man
nur in Zyrich eine ſolche Hoͤhe ertheilen koͤnnen.
Z. E. das waͤre zu niedrig, wenn ich mit Neukir-
chen
ſagen wollte: du biſt fruͤher, als Aurora.
Hat Aurora nicht ein rothes Gewand an? Wir
nennen es Purpur; ob wir gleich wiſſen, daß
Purpur nicht morgenroth iſt: genug, es iſt Pur-
pur; Purpur
iſt ſchoͤn: folglich ſey es Purpur!
Da gehen wir nun zun Thoren des Morgens;
zupfen Auroren bey dem Purpur,
und machen
ihn, aber nicht Auroren, wach, die bis an den
hellen Mittag ſchlaͤft: und dieſes thut ein Koͤ-
nig
. . . .


“Er eilt, und macht ſchon an des Morgens
Thoren
Den Purpur wach.
Samml. Nicol. 3 S.


Purpurgewand.

Dieſes von Lohenſteinen ſehr
zerriſſene Gewand flicket der Rath Bodmer;
ſchmelzet
es und gießet es auf ſeinen Leib, wie
folget:


Y 3“Fuͤnf-
[342]Pu

Fuͤnfzehn Tag’ im Purpurgewand mit
Stroͤmen des Lichts
Kamen das Feld der wieder entwickelten
Luft zu umfaſſen. Noah, 302 S.


D. h. Der Himmel ward klar, und die Tage
heiter.
Um dieſes verbluͤmt zu geben: ziehe man
den Tagen eine Purpurhoſe an; gieße Stroͤme
des Lichtes daruͤber her,
daß ſie naß werden,
wie die Enten; darauf moͤgen ſie ihre Arme von
einander breiten, und den Acker der Luft, die
man aus einander wickelt, umfaſſen. So
gehts! Erſt kam Haller, und lehrte uns ſchwei-
zeriſch;
dem folgen Bodmer und Klopſtock,
und lehren uns rothwaͤlſch.


Puͤffe.

Puͤffe brauchet der Herr Magiſter im
Nimrod, ohne zu fuͤrchten, der geſunden Ver-
nunft ein Paar Puͤffe zu geben, und von der Sa-
tire ein Paar Puͤffe wieder zu bekommen. Hier
ſind ſeine und unſere Puͤffe.


— “Doch ſtuͤrmt ins Schiff ein Winds-
braut
“Und deckts mit Sande und Schaum bey den
ſchroͤcklichſten Puͤffen der Wellen.
Nimr. 240 S.


Hat der große Kenner nicht Recht, der da geſagt:
daß im Nimrod mehr Schoͤnheiten, und im
Hermann weniger Fehler waͤren? Denn giebts
im Letzteren wohl ſolche Puͤffe? Schnitzer wohl;
aber nicht Puͤffe. Wenn nun in einem Gedichte
mehr Schoͤnheiten; und in dem andern weniger
Fehler ſind: welches iſt beſſer?


Pyra-
[343]Py

Pyramide.

Jſt das nicht eine treffliche Pyrami-
de, die nicht allein in der Luft haͤngt:
ſondern
die man auch durchwandeln kann? Eine Pyra-
mide des Schweifes!


“Damals war die Haͤlfte der Erde genoͤthigt
ungluͤcklich
“Nicht nur die Pyramide des neblichten
Schweifs zu durchwandeln,
“Sondern die Ufer der Atmosphaͤr des
Sterns zu betreten. Noah, 248 S.


Der Herr Rath haben, wie man ſiehet, Wiſt-
hons
Meynung von Entſtehung der Suͤndfluth
angenommen; laſſen daher die Erde auf das Ufer
der Atmosphaͤre treten;
denn die Luft iſt Waſ-
ſer;
ſo muß ſie auch Ufer haben: Wiſthon er-
klaͤrte es nur durch die anziehende Kraft des
Sternes.
Allein ein Tritt iſt nachdruͤcklicher.


Pyramidene

Gipfel brauchet unſer pyramidene
Dichter
und Rath nach ſeiner wunderſamen
Macht, Beywoͤrter zu bilden.


Japhet ſah von ihr nur die pyramidenen
Gipfel. Noah, 6 S.


Das war Thamiſta, eine maͤchtige Stadt, die
in ihrem Dunkel lag;
d. i. in der Entfernung.
Ob nun das einerley heißt, Dunkel und Entfer-
nung,
das weis Gott und unſer Herr Rath.


“An des Horizonts Schluß lag im Dunkel
Thamiſta.


Der Horizont naͤmlich hatte allda ein Ende: und
folglich war jenſeits die Welt mit Brettern ver-
ſchlagen.


Y 4Pyra-
[344]Py

Pyraten wird gar zierlich, a. St. Seeraͤuber,

ge-
brauchet. Jch finde ein Wort in einer fremden
Sprache; es gefaͤllt mir; ich uͤberſetze es nicht;
ich ziehe ihm nicht einmal einen Caftan an: es ge-
faͤllt mir; das iſt genug! ich brauche es kuͤhnlich.
Jſt es fremde: deſto beſſer! deſto weniger verſte-
het mans, und deſto mehr bewundert man
den Dichter. Eben ſo, wie ein Landjun-
ker ſeinen Sohn aufs Pferd ſetzt; dem Jungen
einen Degen umhaͤngt; 100 Thl. auf den Weg
giebt, und ihn in den Krieg jaget. Gluͤcket es
ihm; ſo heißt es: Das iſt mein Sohn! ich ha-
be ihn gemachet. Gluͤckt es nicht: wir haben
das Unſrige gethan, und die Welt mit einem
Schlingel vermehret.
So gehet es auch mit ei-
nem neuen Worte: entweder, es machet ſein
Gluͤck, oder es koͤmmt um. Folgendes hat ſein
Gluͤck gemachet:


— “Durch Gottes regierendes
Schickſal
Wurden hievon Pyraten der fernen
tyrrheniſchen meere — aufgehoben.
Jac. u. Joſ. 39 S.


Pyrmontiſch.

Aus pyrmontiſchen Baͤchern
trinken,
heißt das Pyrmonter-Waſſer trin-
ken?
Folglich aus Tokayerbaͤchern trinken,
heißt Tokayer trinken. Allein, wenn es er-
laubt iſt: ſo glauben wir in aller Demuth: daß
man aus Tokayer-Baͤchern Waſſer, und aus
pyrmontiſchen Wein trinket.


“Von
[345]Py Qu

“Von holden Freunden, Jken! umarmet
Faͤhrſt du anitzt auf ruhigen Stunden,
“Und trinkſt aus pyrmontiſchen Baͤchern
“Geſundheit und Freude.
Brem. Ged. 75 S.


Faͤhrt ſich es ſanft auf dem Wagen der Stun-
den?
Wir rathen allen Dichtern, in Ermang-
lung des Pyrmonterbrunnens, unſer Woͤrter-
buch
des Fruͤhjahres zu brauchen. Jener reini-
get nur den Leib; dieſes aber den Kopf. Wir
nehmen an der Geſundheit unſerer heiligen Maͤn-
ner
herzlich Theil; bitten ſie daher, folgende Spe-
cies zum Clyſtiere vor dem Brunnen
zu ge-
brauchen:
Species zu einem Clyſtiere; welches
aber nicht von hinten; ſondern durch
die Naſe zu appliciren.


“Nimm eine Hand voll Kraͤuter aus Boileaus
“Dichtkunſt;
ſonderlich von da, wo ein Kraut
“fuͤr die Teufel
waͤchſet; vom Antilongin,
quantum ſatis; je mehr, je beſſer. An St.
der Milch, koche dieſes in einem Noͤſel der
“Waſſerblaͤschen, die mit dicken Klumpen
“vermenget, vom Odin wegrolleten.
Laß
“es ſo lau werden, bis du es auf dem Auge leiden
“kannſt. Und dann ſpruͤtze!


Q.


Quade.

Was kann ein Menſch davor, wenn er ei-
nen quaden Namen hat? Jſt aber auch der Dich-
Y 5ter
[346]Qu
ter entſchuldiget, wenn er mit dem Namen ſpielet?
Wohl! je laͤcherlicher ein Name iſt: deſto ehrwuͤr-
diger machet ihn der Dichter.


“Der Mann, o Quade! welcher in Unſchuld
lebt. Samml. Nicol. 155 S.


Folgender iſt noch ſchoͤner!


“Was beginnſt du kuͤhne Thaten!
“Nicht ſo ſorglos! Lappenberg! Lap-
penberg! Brem. Ged. 110 S.


Siehet der Leſer wohl, kraft welcher Figur, in
dem erſten Verſe, fuͤr ausgelaſſen worden?


Quarren.

So quarret der Herr Magiſter!


— “Da quarrten die hanfenen Sehnen
“Wie Froͤſche abendlich quarken. Allein der
zwitzſchernde Bolzen ꝛc.


Jſt das nicht ein quarrender, quarkender, und
zwitzſchernder Vers? Nicht anders! Man
muß mit ſeinen Worten eben ſo quarren, quar-
ken
und zwitzſchern, als die Froͤſche quarren,
quarken,
und die Bolzen zwitzſchern: d. h. die
Natur nachgeahmet: So macht es Virgil:


‘“Quadrupedante putrem ſonitu quatit
ungula campum.
()

Jſt folgendes nicht ein Gleichniß aus der Bad-
ſtube?


“Wie ein vielredender Zahnarzt einen in der
Stube herumzerrt ꝛc.
“Eben ſo zerrte Gantham den angeſpießten
Zemari. Nimr. 514 S.


Noch etwas Schrapendes.


— “Die
[347]Qu

— “Die ſcharf gezogene Sehne
Schrapte, wie das Schnarpen der Schafe,
wann ſie die Kraͤuter zerkaͤuen. e. d.


Virgil machte auch neue Woͤrter, um Lappe-
reyen
und Poſſen nachzuahmen: natuͤrlich, wie
der Herr Magiſter.


Quelle der Dichter.

Rouſſeau ſaget in ſeinen
Briefen:
“Es iſt nicht genug, daß ein Gefaͤß
“von Gold iſt; es muß auch ſo fein, als moͤg-
“lich, gearbeitet ſeyn.” Dieſes wiſſen unſere
heiligen Maͤnner. Sie feilen daher und haͤm-
mern an ihren Ausſchmuͤckungen ſo lange, bis ihre
Gedichte alle nur moͤgliche Verdrehungen der
Sprache zeigen. So ſagen z. E. der große Rath:


“— Die Quelle zu Vaterhoffnungen
iſt dir

“Nicht verſtopft. Noah, 101 S.


Bey Maͤgdchen; ja! da geht es an; allein bey
Bodmern muß ſie abgeſchnitten werden.
Weiter!


“Da in ihrem Gemuͤth’ die ergiebige Quelle
von Troſt ſaß. e. d. 220 S.


Auf einem Stuhle? Sonſt waren die Bergwer-
ke ergiebig.


“— Er hatte die Glut des Glanzes
beſaͤnftigt,

“Und insgeheim in ihr Auge vom goͤttlichen
Quelle des Lebens
Etliche Tropfen gegoſſen, die Sehensner-
ve zu ſtaͤrken. e. d. 373 S.


Der Glanz war vorher zornig; das Leben wird,
wie
[348]Qu
wie man ſiehet, in einer Flaſche verwahret.
Hebet ſie wohl auf, daß ſie nicht einer mauſet.


“Denn die Quelle der Freud’ und ihr Mittel
bleiben unſtoͤrbar. e. d. 223 S.


Sonſt zerſtoͤrte man nur Haͤufer, und Quellen
verderbte
man: Umgekehrt! ſo wird ein Schuh
daraus!


‘“Sie ſind mit Diamant der Quelle des
Lichtes gewiedmet. e. d. 24 S.
()

d. h. Sie ſind auf ewig der Sonne geheiliget.
Dieſen vortrefflichen Diamant haben der Herr
Rath
dem Steinſchneider Lohenſtein ent-
wendet. Wir Verfaſſer des Woͤrterbuchs
werden ein Gericht ſetzen, vor dem man unterſu-
chen ſoll: was fuͤr Diebſtaͤhle geſchehen ſind, ſeit
dem Lohenſtein ſeine Bude geſchloſſen.
Nicht
wahr, Herr Rath! Herr Profeſſor! Herr
Magiſter! ſie zittern! Gottſched
ſoll Rich-
ter, Lohenſtein
der peinliche Klaͤger, und
Schoͤnaͤich Nachrichter ſeyn; denn der juͤngſte
Rathsherr war vor dieſem der Henker. Einige
Zeitungsſchreiber,
und Herr Meyer ſoll von
Amtswegen den armen Suͤnder vertreten, den
Herr Cramer zum Tode begleiten ſoll. U. das
V. R. W.


Quetſchung,

a. St. Zerquetſchung; auf ein
Sylbchen koͤmmts ja nicht an!


“Beyde waren im Schiff geweſen, u. beyde ge-
fallen:
“Aber zu ihrer Erhaltung in einen Brunnen
gefallen,
“Der
[349]Ra
“Der ſie vor Quetſchung in ſeinem zerfloſſe-
nen Schooße bewahrte. Noah, 172 S.


Das iſt eine ſchlechte Huͤlfe, wenn man, um ſich
nicht zu quetſchen, in einen Brunnen faͤllt, in
dem man erſaufen kann. D. h. aus dem Regen in
die Traufe kommen. Auf ein Wort! Herr
Rath!
Was war der Schooß, eh’ er zerfloß?
War er nicht Waſſer?


R.


Rahm, a. St. Raͤhmen.

Die Raͤhmen oder
Kanten der Dinge haben wir bereits oben be-
wundernd betrachtet. Hier finden wir Gelegenheit,
einen Auftritt zu bewundern, der in einer Rahm
glaͤnzet.
Und dieſes Meiſterſtuͤck ſchreibet ſich da-
her: Es haben ſonder Zweifel der Herr Rath
die Camera obſcura ſich dabey vorgeſtellet, wel-
che, ſo oft der Schwarzkuͤnſtler ein Blatt wegzie-
het, einen andern glaͤnzenden Auftritt vorſtellet.
Wir taufen und firmeln daher dieſe Figur: die
Camera obſcura.


‘“Alſo glaͤnzt in jeglicher Rahm ein beſon-
derer Auftritt. Noah, 204 S.
()

Raſche, a. St. vorwitzig.

Denn weder ge-
ſchwind,
noch ſchnell hat hier einen Sinn.


— “wie raſche
Sagtet ihr in Mizraim, daſs ihr den bru-
der noch hættet.Jac. u. Joſ. 17 S.


Allein der arme Jacob ſoll ſeinen Benjamin da-
hin
[350]Ra
hin geben: wie kann er alſo ſeine Worte auf die
Wageſchaale legen?


Rathſchlag; a. St. eine Rathsverſammlung.


Es halten ſie Weiber, die ſich Harams von
bluͤhenden Juͤnglingen halten:
etwas ganz un-
erwartetes!


“Jhr Gemuͤth beherrſchet der Leichtſinn; ihr
Rathſchlag beginnet
“Mit gefalteter Stirn’ u. endet mit Affenge-
behrden. Noah, 59 S.


Das werden lauter Senatusconſulta Macedo-
niana
werden; ſo rathſchlaget auch Harlekin auf
der Buͤhne: allein, was iſt das fuͤr eine Affenge-
baͤhrde,
die der Rathſchlag machet? Die Affen
haben, wie der Herr Rath, vielerley Gebaͤhr-
den?
Welche meynen Sie? Wir koͤnnen es nicht
laͤugnen; wir moͤchten dieſen Rathſchlag mit die-
ſer Affengebaͤhrde
gern gemalet ſehen.


Rauſch.

“O! du, an deſſen wallender Bruſt mein
ſchmachtendes
“Herz jene himmliſche Wolluſt der Freundſchaft
mit maͤchtigen
“Zuͤgen in ſich ſog, bis ihn oft der Rauch er-
habener

Gedanken weit uͤber die Empfindung der
Sterblichen
Hinuͤber entzuͤckte.
Samml. Nicol. 73 S.


Wohin ging alſo die Reiſe? Jns Bathos? Wir
freuen uns uͤbers Geſtaͤndniß, daß die heiligen
Maͤnner
oft berauſchet ſind. Zum wenigſten
verſichern
[351]Ra Re
verſichern wir, daß keine Zeile in dieſem Neu-
jahrswunſche
ſey, die nicht den Rauſch des
Wuͤnſchlers verrathe.


Rauſchen.

Wenn ein Klang oder Laut von Gold
ſeyn kann: ſo will ich den ſehen, der mir ein eiſer-
nes Rauſchen
verwerfen ſollte. St. Klopſtock
laͤßt es weislich Sturm laufen:


“Wie er unter der Laſt vom eiſernen Rauſchen
umſtuͤrmet. Offenb. 47 S.

Kuͤnftig werden wir ihn damit umduͤften.
e. d. 5 S.


Recruten.

Hier ſind Recruten fuͤr den Antilon-
gin: M. Naumann trommelt.


Jojakim, der Feldherr, ſteckte die neugekom-
menen Recrouten. Nimrod, 644 S.


Recken.

Wir haben keinen weiſern Gebrauch des
edeln Wortes Recken, als im folgenden Recken,
gefunden:


“Du reckſt den Finger nach Jſai Enkel.
Brem. Ged. 4 S.


Noch etwas Reckendes!


“Gereizt verlaß’ ich ploͤtzlich die Tiefe,
“Und ſchwinge mich zum Haupte des Huͤ-
gels,
“Der fuͤrſtlich frey ſich ſo dorten hervorreckt.
e. d. 86 S.


Wir loben dieſes Fuͤrſtliche Recken, und hielten
es vorher fuͤr ein Oeſtiſches.


Regen.

Gemeine und allzubekannte Dinge machen
eine Rede matt. Ein Redner ſoll aber immer auf-
geweckt und munter ſeyn: wie kann man ſich alſo
helfen?
[352]Re
helfen? Antwort: man vermeide die bekannten
Namen der Sachen; man umſchreibe ſie figuͤrlich,
und brauche ein Dutzend Woͤrter, wo man mit vie-
ren auskommen koͤnnte. Z. E. Ein Redner will
in ſeiner heiligen Rede ſagen: Laſſet uns Gott
um einen fruchtbaren Regen bitten.
Ein
Bauer, der die Nothdurft ſeines Ackers beherziget,
wuͤrde den Redner zwar verſtehen; aber deswegen
iſt ein Redner, der den ſchoͤnen Vorſatz hat, ſeine
Beredſamkeit auszukramen, mit einem ſo matten
Ausdrucke nicht zufrieden. Ein ſolcher Mann
ſagt lieber:
Laſſet uns Gott flehentlich angehen, daß er
die Duͤnſte, welche die Sonne von der Er-
de auf hebet, und in Wolken zuſammen
bindet, und die die Erde zur Empfaͤngniß
der Fruͤchte bequehm machen, uͤber uns
herab ſchuͤtte.


Wenn dieſe Periode nicht aͤſthetiſch und maleriſch
iſt, ſo weiß ich nicht, was es ſonſt ſeyn kann.
Eine Sonne, die Duͤnſte aufhebt, und in Wol-
ken zuſammen bindet,
iſt ja recht ſinnlich.
Eben ſo ſchoͤn iſt der Ausdruck des Herrn B-ttſt-tts.


Der Menſch iſt aus Staub und Aſche zu-
ſammen gebunden.


Eine ſolche ſtaubichte Materie laͤſſet ſich ſchwer
zuſammen binden:
darum iſt auch der Ausdruck
wunderbar. Man darf ſolche Ausdruͤcke nicht
gering ſchaͤtzen, oder glauben, daß ſie ihren Ver-
faſſern aus dem Aermel fallen. Ach nein! Man
ſiehet es ihnen wohl an, daß ſie mit Aengſten und
Wehen
[353]Re
Wehen ſind zur Welt gebracht worden. Der Bey-
fall, den ſie uͤberall ohnfehlbar erhalten, belohnet
dieſe Muͤhe reichlich.


Regnen.

Nach Gottſcheden und der geſunden
Vernunft war regnen ſonſt ein unperſoͤhnliches
Zeitwort.
Allein man haͤtte Rath Bodmern
bey der Sprachlehre zu Rathe ziehen ſollen.
Dieſer wuͤrde geſagt haben: daß er auch Kuͤſſe
regnen koͤnne:
und warum das nicht? Er kann
ja Schnitzer hageln, und Unſinn regnen. So
kann man nicht ſagen: es regnet Pruͤgel; ſon-
dern ein Mann regnet Pruͤgel auf ſeine Frau.


Milca regnete Kuͤß’ auf die Maͤgdchen, u.
ward es nicht muͤde. Noah, 111 S.


Wir wollten letzthin auf unſer Maͤgdchen auch
Kuͤſſe regnen; allein es ging nicht: und wir
mußten es wirklich kuͤſſen. Wer dieſes lieſt: der
gehe hin, und thue desgleichen!


Reicher.

Ein Reicher an Jahren iſt ein Greis;
wir wetten, daß mancher ein Armer an Jahren
zu ſeyn wuͤnſchet.


“Unter dem Werk’ koͤmmt im Begleite des Rei-
chen an Jahren,

“Japhet durch den Garten; Noah, 40 S.


Reifen geweißt.

Bisher weißten nur Maͤurer;
nun weißet auch der Reif.


“Die zu beſehn ſtieg er mit unermuͤdeten Fuͤßen,
“Bis er vom Reifen geweißt den erſten Bo-
den erblickte. Noah, 186 S.


Reiſe hoͤren.

Eine Reiſe hoͤren; das war verwe-
gen: eine zirkelnde Reiſe hoͤren; das, das iſt
Zſchoͤn!
[354]Re
ſchoͤn! Der Teufel ſelbſt kanns nicht ver-
ſtehn.


“Seine zirkelnde Reiſ’ um die Guͤrtel der Er-
de zu hoͤren. Noah, 43 S.


D. i. eine Reiſe, die um die Guͤrtel der Erde
zirkelte.


Reitvolk.

So wie man ſaget Fußvolk; ſo kann
man auch ſagen Reitvolk; wir ſagen ſchon Wa-
genvolk.
NB. dieſes Reitvolk iſt kriegeriſch.


— “Es hatte die Koͤnigin Thirza
“Sich auf ihr Reitpferd geſchwungen, u. mit
dem kriegeriſchen Reitvolk
“Sich aus dem Lager begeben. Nimr. 644 S.


Der Herr Magiſter hat uͤbrig Recht. Denn,
wenn ſich ein Herr Magiſter mit ſeinen Zuhoͤ-
rern zu Pferde ſetzet: ſo iſt dieß freylich kein krie-
geriſches Reitvolk;
aber doch oft ein ſchwaͤr-
mendes.


Reuen i. d. m. Zahl.

Wir Gelehrte muͤſſen wiſſen,
was fuͤr ein Wort einer mehreren Zahl bedarf.
Das waͤre artig, wenn der Poͤbel unſer Sprachleh-
rer wuͤrde; und der HerrUſus iſt gar oft, ſo alt
er auch iſt, nicht geſcheidt.


“O! ſanfte Moͤglichkeit, den Sinnen ange-
nehm!

“O! goͤttlich Bild! allein zur Tugendlehr

bequem;

“O! Leben voller Gluͤck! o! Wolluſt ſonder

Reuen!

“Koͤnnt’ auch der Dichter dir die Wirklichkeit

verleyhen.
Zernitz, 21 S.

So
[355]Ri

So waͤre die ſanfte Moͤglichkeit zur Tugendleh-
re bequem?
Wozu iſt doch die harte bequem?
Laſter
gehoͤren auch zur Moͤglichkeit.


Rippe

gebiehrt des Elends juͤngere Troͤſter.
Was? gebaͤhren auch die Rippen? Ja! wenns
kleine und große Phoͤbus waͤren, die da von ih-
nen wirklich gebohren wuͤrden. Wird der Steiß
nicht auch bald gebaͤhren? Er iſt ſo nahe dazu,
als die Rippen.


“Oder die Rippe, die mir das eitle Leben ver-
ſuͤßt hat,
“Die mir die Kinder gebohren, des Elends
juͤngere Troͤſter. Noah, 172 S.


So? machen die Rippen auch ſuͤß? den Augen-
blick wollen wir Ribben in den Caffee thun; aber
Schweinsribben. Denn mein Maͤgdchen ha-
be ich zu lieb, als daß ich es um eine Ribbe brin-
gen ſollte.


Richter.

Und der Richter richtete!
Offenb. St. Klopſt. 184 S.
()

So gern wir das Schrecken dieſer Worte einſehen
wollten, ſo wenig wiſſen wir, was Gott thut,
wann er uͤber den Meßias Gericht heget.

Dieſem Gerichte zu gefallen iſt er doch vom Him-
mel
bis auf den Berg Moria geſtiegen; als
wenn er das Gericht nicht oben haͤtte halten koͤn-
nen. Noch eine vortreffliche Figur, wo man
Woͤrter brauchet, die nichts heiſſen. Z. E. e. d.
120 S.


‘“Religion der Gottheit! Nicht Religion
mehr!
()

Z 2Dieſes
[356]Ri Ro

Dieſes 16 Zeilen lang auf alle moͤgliche Art veraͤn-
dert, iſt ein Meiſterſtuͤck des Bathos. Was
ſind das fuͤr zwo Religionen? Hat die Gottheit
auch eine Religion? Nicht Religion mehr! d.
i. wohl eine garſtige Religion mehr?


Riß.

Wann zwo von meinen Maͤgdchen, den
ſterblichen Maͤgdchen, ſterben: ſo heißt das letzte
der zweyte Riß.


“Mirza, der fuͤnfzigſte Riß von meinem huͤlf-
loſen Leben. Noah, 30 S.


Rocken.

Endlich finden wir auch etwas fuͤr die al-
ten muͤtterlichen Kloͤße:
einen Rocken, einen
flieſſenden Rocken; einen gehorchenden Ro-
cken.


“Lehrt uns mit ſtreichelnden Fingern die
zarten Faden zu drehen,
“Die aus dem Rocken fließend der leitenden
Spindel gehorchen. Noah, 118 S.


Allerliebſt! Sind das nicht drey unvergleichliche
Erfindungen? 1. ſtreicheln die Finger das
Werk, damit es erlaube, ſeine Faden zu dre-
hen;
wir haben dieſe Demuth der Finger nie geſe-
hen, wohl aber manch altes Weibchen am Werke
zupfen ſehen. 2. fließen die Faden aus dem
Rocken:
viel Gluͤcks zur Erfindung! Alle faule
Maͤgde werden Jhnen danken, Herr Rath!
3. ſehen wir, wie die Spindel den Faden leitet.
Wie man nicht irren kann! Bisher glaubten wir,
die Hand thaͤte es. Aber es bleibt wohl wahr:
ein Philoſoph iſt ein Menſch, der nicht glau-
bet, was er ſiehet:
und das ſiehet, was wir
nicht
[357]Ro
nicht mit menſchlichen Augen entdecken koͤnnen.
Ach! wie ſie in der Schweiz nicht ſpinnen!
Noch ein Broͤckchen von Maͤgdchen! Denn wann
der Herr Rath auf dieſe allerliebſten Mitteldin-
ger
kommen: ſo ſteiget unſere Bewunderung aufs
hoͤchſte. e. d. 119 S.


— “wofern die Ahndung nicht irret,
“Daß das Maͤgdchen allein die Haͤlfte; der
Juͤngling die Haͤlft’ iſt;
“Daß die beyden zuſammen geſetzt vollendet
und ganz ſind.


Die armen Hageſtolzen, die Zeit Lebens nicht
ganz werden! die immer Haͤlften bleiben! Wer
wollte nicht Luſt haben, ein Ganzes zu werden?
Jſt die Zuſammenſetzung nicht natuͤrlich? Noch
natuͤrlicher iſt es, wann man weis, daß Debo-
ra, Fraͤulein Debora,
dieſe Ahndung fuͤhlet.
Die Ahndung wird eintreffen. Aber im Ver-
trauen! Jſt dieſes naſeweiſe Juͤngferchen nicht
Rath Bodmers Tochter? oder des heil. Laͤch-
lers Geliebte?


Roͤsliche Bluͤthe; d. i. roth, roͤslich;

ein neu
Wort!


Rachels lippen u. augen in ihrer rösli-
chen blythe.Jac. u. Joſ. 8 S.


Augen, in roͤslicher Bluͤthe, ſind das nicht ro-
the Augen?


Roͤthe;

eine freundliche Roͤthe, denn wir haben
auch eine unfreundliche, z. E. im Zorne.


Z 3“Thamar
[358]Ro

Thamar bringet Roſinen u. Mandeln mit
freundlicher Roͤthe,

“Jn wohlgemachten Koͤrben. Aus einer ge-
ſchmiedeten Flaſche

“Geußt Debora die Frucht des Weinſtocks
mit ernſter Gebehrde. Noah, 15 S.


Man ſah es Fraͤulein Deboren wohl an, daß ſie
die Saufphiloſophie aus dem Grunde verſtand.
War denn die freundliche Roͤthe der Thamar
mit bey den Mandeln?


Roͤthlicher Kopf;

folglich auch ſchwaͤrzlichter
Kopf.
Nicht, als waͤre die Haut roth oder
ſchwarz. Wir meynen die Haare, und es muß
niemand etwas anders meynen, als was wir
meynen.


“Maͤnnlichs oder ſchwaͤchers Geſchlechts, nur
roͤthliches Kopfs. Noah, 142 S.


So muͤſſen die Opfer fuͤr die Teufel ſeyn. Wir
danken fuͤr dieſe Ehre.


Roode.

Was Teufel iſt das?


“Auf der gebirgichten Roode, des alten Gal-
lus Beſuche. Noah, 338 S.


Rollen.

Berge rollen nennen kleine Geiſter einen
Miſchmaſch: denn wer kann Berge rollen?
Herr Tenzel!
ein maͤchtiger Mann!


“Wo iſt der Muth? wo iſt der Glaube,
“Der Martern trotzt, und Berge rollt?
Samml. Nicol. 109 S.


Denn Berge verſetzen: das iſt zu ſchwer. Man
kann eher etwas Schweres rollen, als verſetzen.


Roſen.

Um zu ſagen: er erblaßte! ſprich:


“Ueber
[359]Ro

“Ueber die Roſen der Wangen umwand ſich
toͤdtlicher Schatten;

“Jtzt verkroch ihr Leben ſich in die innerſten
Winkel. Noah, 181 S.


Jſt das Verkriechen nicht richtig?


Roſinenſchatten.

Da haben wirs! Ein Schat-
ten von Roſinen!
Wir wollten hier auch einen
oͤlbaumnen Schatten anbringen, wenn wir ihn
nicht als einen Leckerbiſſen aufhuͤben. Wir ma-
chen inzwiſchen einen Pfirſichkernſchatten.


‘“Wenn ich unter den Zweigen des oel- u.
mandelbaums Sitze
“In dem roſinenſchatten.
Jac. u. Joſ. Rachel 7 S.
()

Rothkaͤlchen.

Jſt das nicht ein allerliebſtes Gleich-
niß, welches ſich wohl zu einem Feldherrn paßt,
der ſich erhangen hat? Es iſt wohl wahr: ein
Rothkaͤlchen haͤngt; ein Feldherr auch: al-
lein das Thier iſt zu klein, wir wuͤrden ihn daher
mit einer Droſſel verglichen haben; oder mit ei-
nem Dummpfaffen.


“Wie ein Rothkaͤlchen haͤnget an der Spren-
kel des Vogels,
“Jndem das Fuͤßchen ihm einſchnappt; oder,
wenns in die Schlingen der Dohnen
“Sich verfetzt u. erdroſſelt — So zuckte Ar-
phachſad am Strange. Nimr. 457 S.


Da ſieht man alſo, wie ungerecht Boileau iſt,
wenn er ſich uͤber eine Malerey aufhaͤlt, die ein
franzoͤſiſcher Herr Magiſter, St. Amand,
gemacht hat.


Z 4“Ni-
[360]Ru Sa
Nimitez pas ce Fou, qui decrivant les

mers,

“Et peignant au milieu de leurs Flots en-

tr’ouverts

“L’Hebreu ſauvé du Joug de ſes injuſtes

maitres

Met pour les voir paſſer les Poiſſons aux

Fenêtres;

“Peint le petit Enfant, qui va, ſaute, re-

vient,

Et joyeux à ſa mere offre un Caillou,

qu’il tient.

“Sur de trop vains Objets c’eſt arreter la

veüé \&c.
Art. Poet.

Was meynen Sie, Herr Magiſter?


Ruhe.

Wie viele Ruhen hat wohl das menſchli-
che Leben?


Jede Ruhe des Lebens iſt hin!
Offenb. St. Klopſt. 184 S.


S.


Saͤumen auf eines Angeſichte;

d. h. einen laͤnger
anſehen.
Z. E. Wann man kuͤßt: ſo ſaͤumet
man gerne auf der Schoͤnen Antlitze.


‘“Deſto laͤnger auf Kerenhapuchs Geſichte zu
ſaͤumen. Noah, 40 S.
()

Sandglas, a. St. Sanduhr.

So kann man
auch Schlagglas, a. St. Schlaguhr; Repe-
tierglas,
a. St. Repetieruhr ſagen. Se.


Gna-
[361]Sa

Gnaden,

nach denen wir gleichſam geſeufzet ha-
ben, rechtfertigen unſere Nachahmung.


‘“Die Zeit muß ſeit dem Fall ihr Sandglas
jaͤher ſtuͤrzen. Haller, 113 S.
()

Wie wir ſehen: ſo hat die Zeit viel zu thun.


“Und wenn die unvermeidliche Hand der Zeit, die
“alles auskehret, alle Werke unſerer heiligen
“Maͤnner
von Heute, ſo zu ſagen, mit dem
“Beſen wird ausgekehret haben: So muͤſſe dieſes
“Zeugniß einer zu ihrer Zeit geſchriebenen Critik,
“zu ihrem Ruhme, ſich bis auf Uebermorgen er-
“ſtrecken.” Antilongin 168 S.


Sand und Stricke.

Nicht ein jeder wird, bey Er-
blickung dieſer Woͤrter, an ihren zierlichen Ge-
brauch denken. Gewiß! ein Redner, der nicht
mit dem Poͤbel ſprechen will, muß viel wiſſen, und
ein getreues Gedaͤchtniß haben. Leute von dieſer
Art beſinnen ſich freylich auf ihren Erasmus und
Seybold. Sie gehen ſo gleich in ihre Schatz-
kammern
der allzeit fertigen Realien. Taͤg-
lich ſpricht man:
Jch wuͤrde mir eine vergebliche Muͤhe machen,
wenn ich die Sache nicht beweiſen koͤnnte.


Der Ausdruck iſt deutlich: das iſt wahr! aber er iſt
ſchaal, leer und trocken. Das Feine und
Neue fehlet ihm. Man halte aber die folgende
Periode dagegen, und ſage alsdenn unparteyiſch,
ob man das Schoͤne, das Bildende, das Neue,
das Volle, und das Gedachte nicht bewundern
muß. Mein Schriftſteller, Herr Buttſtett,
ſagt:
Z 5Jedoch
[362]Sa
Jedoch wir werden blinde Luftſtreiche thun,
die keinen Koͤrper treffen,
und aus Sande
Stricke drehen,
wenn wir den Beweis nicht
beyſetzen.


Arrige aures Pamphile! Ein harter Kunſtrich-
ter wuͤrde dieſe Periode ausſtreichen. Er wuͤrde
ſagen, ein Luftſtreich ſey ſchon ein blinder Streich,
wie ein Feldſtein ein ſteinerner Stein. Aber
du guter lieber Mann! deine Kritik iſt zu zeitig.
Wir wiſſen ja nunmehr, daß die Luft in ihrem
Fluſſe unzaͤhlige Koͤrper mit ſich herum fuͤhret, die
alle um unſer Geſicht herum fließen. Ein blin-
der Luftſtreich iſt alſo ein ſolcher Streich, der keinem
von dieſen herumfließenden und flaternden
Koͤrpern einiges Leid thut. Jch geſtehe es gerne:
dieſe Erklaͤrung iſt luftich. Deſto koͤrnicher iſt
der zweyte Ausdruck. Er kann einem Redner ge-
doppelt nuͤtzen; je nachdem ſeine Zuhoͤrer gelehrt,
oder ungelehrt ſind. Der gelehrte Zuhoͤrer mer-
ket ſo gleich, daß der Redner kein Fremdling in den
Schriften der Alten iſt. Suidas hat dieſes herr-
liche Sprichwort aufbehalten: εξ αμμου σϰοι-
νιον πλεϰεις.


Hat der Redner einmal das Vorurtheil fuͤr ſich,
daß ihn der Zuhoͤrer fuͤr einen gelehrten Mann haͤlt:
ſo rede er getroſt in den Tag hinein. Was Hiero
von dem Archimedes ſagte, wird auch bey dem
Redner eintreffen: man wird ihm naͤmlich glau-
ben, er rede auch von einer Sache wie er kann und
will. Dieſer Gluͤckſeligkeit erfreuen ſich beſonders
die Dichter. Man ſagt z. E. Haller iſt ein
großer
[363]Sa
großer Dichter. Man leſe ihn auf dieſer Empfeh-
lung ſelbſt, und ein jeder Leſer, der NB.denken
und empfinden kann, wird ihm den Titel eines
großen Dichters
geben, der mit einer Groß-
muth auf ſeine Sprachſchnitzer
von ſeiner Hoͤhe
herab ſiehet.


Jch komme auf die zweyte Gattung der Zuhoͤrer,
auf die Laien, auf die einfaͤltigen Leute, worunter
ich auch die ſchaalen Koͤpfe rechne. Dieſe Leute
werden vor dem Ausdrucke, aus Sande Stricke
drehen,
ſo gleich ſtaunen, und vor dem Wun-
derbaren
und Gemalten, das in dem Ausdrucke
lieget, ſtarren; und nachdenken, ob das Ding
moͤglich ſey. Nun nehme man den Vater der roͤ-
miſchen Beredſamkeit zu Huͤlfe. Dieſer große
Redner ſagt in dem erſten Hauptſtuͤcke ſeines Bu-
ches de optimo genere oratorum:
Optimus eſt orator, qui dicendo animos
audientium et docet, et delectat, et per-
movet \&c.


Man ſey nicht verdrießlich, daß dieſer Artikel ſo
weitſchweifig iſt. Jch habe mir vorgenommen,
wider die ſtrengen Kunſtrichter zu behaupten,
daß allerdings die neologiſchen und aͤſthetiſchen
Redner vor den Alten einen großen Vorzug haben.
Jch will mit dieſer einzigen Redensart den Verfech-
tern des alten Geſchmacks ein ewiges Stillſchwei-
gen auflegen.


Cicero ſagt: der beſte Redner lehre. Dieſes
thut mein Held. Er erweitert das Erkenntniß des
Zuhoͤrers mit einer neuen Wahrheit. Dieſe lie-
get
[364]Sa
get ja in den Worten: aus Sande Stricke dre-
hen. Verlohnte es ſich der Muͤhe, ſolches
von dem Hanfe zu bejahen?


Der beſte Redner beluſtiget. So einfaͤltig iſt
kein Bauer, der in ſeiner Seele uͤberzeuget waͤre,
daß man auch aus Sande Stricke machen koͤnne.
Er lacht alſo in ſeinem Herzen daruͤber. Delecta-
tur!
Bey dieſer guten Gelegenheit gebe ich den
neuen Rednern den wohlgemeynten und weiſen
Rath, in geiſtlichen Reden immer etwas luſtiges
und aufgewecktes anzubringen, damit die theolo-
giſchen Wahrheiten durch den trocknen und ernſt-
haften Vortrag die Zuhoͤrer nicht einſchlaͤfern.
Die Einwuͤrfe, die mir viele hier machen koͤnnten,
will ich meiner deutſchen aͤſthetiſchen Patholo-
gie,
die ich zum Nutzen der angehenden Redner
und Dichter heraus zu geben, und mit ſchoͤnen
Exempeln
zu erlaͤutern gedenke, getreulich beant-
worten.


Drittens erfodert Cicero, daß auch ein Redner
bewege. Auch dieſe pflicht erfuͤllet mein Held. Der
gelehrte Zuhoͤrer wird bewegt. Warum? und
wodurch? Er denket an die eraſmiſchen Chilia-
den.
Der Einfaͤltige wird beweget: denn er ſie-
het die Unmoͤglichkeit vor Augen gemalet. Man
ſage daher getroſt:
Ein Chriſt, der bey einem gottloſen Lebens-
wandel, durch die Reinigkeit der gefaßten
Glaubenslehren, den Himmel zu errin-
gen ſich einbildet, der thut blinde Luftſtrei-

che,
[365]Se
che, die keinen Koͤrper treffen, und drehet
aus Sande Stricke.


Welch eine Kunſt! den Verſtand ſo geſchickt auf
das Abgeſchmackte zu lenken. Noch eine kleine
Anmerkung will ich zur Erweiterung der deutſchen
Sprache mittheilen. Unſere Zeiten haben die
Gluͤckſeligkeit erlebet, daß große und grobe
Sprachmaͤnner
aufgeſtanden ſind, die viel hun-
dert ſchoͤne neue Woͤrter ausgemuͤnzet haben.

Jch gebe nur eine Probe aus dem Buche, aus
dem ſibylliniſchen Buche! eines geiſtvollen
Mannes. Der olympiſche Dichter, Herr
Bodmer, deſſen Verdienſte nur diejenigen
einſehen, die mit ihm gleiche Talente zum
Dichten von den Muſen empfangen haben,

ſchreibet in ſeinem unvergleichlichen Noah auf
der 308ten Seite:


Huſams Geſchlecht lag an die Dummheit
mit Seilern gebunden.


Man kann alſo, anſtatt: aus Sande Stricke dre-
hen, auch ſagen: aus Sande Seilere drehen.


Es iſt eine Figur, eine ſchoͤne Figur![o]pifex
pro opificio.
Was will man wohl dawider ein-
wenden?


Seegnen.

Wir haben mehr als einmal dieſes ge-
dankenſchwangern
Wortes erwaͤhnet: allein
trotz unſerer bewundernden Aufmerkſamkeit fol-
genden Segenſpruch aus der Acht gelaſſen.


“Gott umgiebt ſeegnend die Hoͤlle mit maͤch-
“tiger Ruͤſtung.” Off. St. Klopſt. 43 S.
()

Eine Ruͤſtung iſt ein Kuͤras. Er ziehet alſo der
Hoͤlle
[366]Se
Hoͤlle einen Kuͤras an, und ſeegnet. Ja!
aber im Hiob heißt ſeegnen fluchen: wir wollen
daher ein Recept zu dem lautern und unver-
faͤlſchten Klopſtockianismus
vorſchlagen:


Recept.

Nimm eine gute Hand voll Redensarten aus dem
Hiob oder Pſalmiſten. Hierzu thue etwas von
der Offenb. St. Johannis eine Meſſerſpitze.
Vermiſche dieſes mit drey Finger voll Prophe-
ten;
ſonderlich vom Ezechiel. Schuͤttele dieſes
wohl zuſammen, und geuß einen Glanz von Re-
ligion daruͤber her:
ſo haſt du eine vortreffliche
Suppe; auf deren Grunde der Kern des Klop-
ſtockianismus
ſich ſetzen wird. Milton kann
den Jngwer dazu geben; und die Rabbinen den
Zimmet. Schicke dieſes Recept nach Halle!
Apotheker Meier
verſtehet allein die Charactere.


Der Leſer muß nicht uͤbel nehmen, daß wir ihm
mit einem Recepte aufwarten. Aber es gehet in
der Dichterwelt, wie in einer jeden andern; es
giebt Quackſalber darinn, und redliche Aerzte.
Koͤnnen wir gleich nicht viel: ſo ſind wir doch red-
lich! und rufen: venienti occurrite morbo!
Zum wenigſten kann unſer Woͤrterbuch die
Stelle eines Lavements vertreten. Un pe-
tit lavement! benin! benin!


Seegen.

Man zaͤhlet auch die Seegen.


‘— “Der Zwölfte
“Seiner ſeegen
iſt weit mehr werth, als
lændern gebiethen.
Jac. u. Joſ. 44 S.
()

Schach-
[367]Sc

Schachmatt.

Jn einem Heldengedichte iſt der
Ausdruck, einen Schachmatt machen, gar
vortrefflich; aber es iſt auch der Nimrod.


“Wir machten ihn endlich ſchachmatt, u. trie-
ben ihn ab von den Mauern.
Nimr. 255 S.


Schaͤferin.

Jacob ſinget ſeiner Schaͤferin ein
ebraͤiſches Schaͤferliedchen. Nichts zeiget
mehr ein tuͤckiſches Gemuͤth an, als wenn man ei-
nen ins Angeſicht erhebet, und hinterm Ruͤcken
verachtet. Uns wird und ſoll man dieſer Suͤnde
nicht zeihen: denn wir ſagen das oͤffentlich, was
wir denken, und ruͤhmen folgendes Schaͤferlied.
Erſt ſinget Rachel:


ſie ſang: die reineſte liebe,
“Der mein herz ſich fähig befindet, iſt
dir nur gewiedmet.

“Jacob, als ob ſie auf ihm die lieblichen
worte geſungen,
Schæferin, wenn du mich meinſt, ſo ſagt
er, wie bin ich ſo glyklich!
Aber, verſetzt ſie, du irrſt! es ſteht nur
ſo in dem liede.

“Nachgehends ſang auch Jacob: In dei-
nem geſicht ſtralt die ſchönheit;
“Aber dein ſchœnerer geiſt entzyndet
mich mehr, als dein Antlitz.

“Rachel zog es auf ſich, u. fragte den ſæn-
ger: Mein ſchæfer!
Redeſt du ſo mit mir, ſo iſt die ſprache
mir fremde.

“Jacob
[368]Sc
“Jacob erwiedert: Ich redte mit dir nicht;
ſo ſtehet im liede.


Jacob war liſtig! Jndem Rachel dieſes zu ih-
rem Lieblinge ſang:


— “der war das weißeſte læmm-
chen
“Unter den blœkenden Heerden:

Jac. u. Joſ. 89 S.


So concertirten die bloͤkenden Heerden. Jm
Vertrauen! Singet nicht Jacob wie Bodmer?
Wir haben letzthin ein altes Manuſcript gefunden,
welches vor vielen Jahrhunderten von einem ehr-
lichen Moͤnche zun Zeiten der Kaiſer aus dem
Hauſe Staufen
ſchien aufgeſetzt zu ſeyn: Zei-
ten, wo die Ehrlichkeit mehr, als ein falſcher Witz,
galt. Da es ja Sitte iſt, die Maͤhrchen der Al-
ten, z. E. den Parcifall, zu uͤberſetzen, oder ihnen
die Accente unſerer Leute zu leyhen: ſo wollen
wir es auch wagen. Sollte man glauben: wir
zielten auf gewiſſe noch lebende Vorbilder; ſo wer-
den wir antworten: jenſeit des Waſſers woh-
nen auch Leute.
Und hat es vor dieſem Men-
ſchen gegeben: ſo kann es auch wohl eben und die-
ſelbe Fehler gegeben haben.


Ruſtefeil.

Vor Zeiten, in den alten Jahren, als die Hun-
nen
noch nicht in Deutſchland gefallen waren,
wohnte ein Mann, mit Namen Ruſtefeil, in ei-
nem Waͤldchen; er ſtammte in gerader Linie von
dem Ruſtefeile her, in deſſen Hofe Reineke, der
Fuchs, Braun,
den Baͤren, ſo wohl mit Ho-
nigſchei-
[369]Sc
nigſcheiben einſt bedienete. Niemand hatte die
Ruhe dieſes Waldes geſtoͤret: und ſo lange er gruͤ-
nete, hatten ihn Ruſtefeile beſeſſen. Dieſer Ru-
ſtefeil
zeugte eine Tochter. Sie war ſchoͤn, und
uͤberaus beſcheiden. Die Sonne hatte ihre Farbe
zwar nicht verderbet; aber ihren Zuͤgen doch einen
ſolchen Glanz ertheilet, den unſerer Ritter Frauen
und Fraͤulein, durch keine Schminke, erlangen.
Sie beſaß eine kleine Heerde, und war die einzige
Erbin ihres Vaters. Schoͤn, und eine einzige
Erbin ſeyn, iſt faſt zu viel fuͤr eine Perſon; ja in
unſern Jahren waͤre es an dem letztern genug.
War es alſo ein Wunder, daß ſie Verehrer hatte?
Sie zaͤhlte unter ihnen ſo gar Freyen und edle
Baren. Allein ein Schatz iſt ſo leicht nicht zu
heben; und unſere Schoͤne war auch weiſe. Zwar
war ſie keine Roswithe, auch nicht eine Wins-
beckin:
allein kann man nicht weiſe ſeyn, ohne
eben jemanden zu verdunkeln? es giebt ja vieler-
ley Sterne am Himmel. Jhre Weisheit beſtand
hauptſaͤchlich in einem leichten Gedaͤchtniſſe, alle
weiſe Maͤhrchen zu faſſen, und ſie des Abends
dem Vater zur angenehmen Zeitkuͤrzung wieder zu
erzaͤhlen. Sie erfand auch neue. Jn ihrer Ein-
ſamkeit, und bey der ſanften Gemuͤthsart ihrer Ge-
ſellſchaften, ging es auch leicht an. Es war alſo
nicht genug ſtolz und grob zu ſeyn, dieſe Beute da-
von zu tragen: man mußte auch Maͤhrchen er-
zaͤhlen,
d. i. Verſtand zeigen. Ueberdieß hatte
ihr Vater ein Horn in dem Walde gefunden, oder
es war ihm vielmehr von einem Waldgeiſte, de-
A aren
[370]Sc
ren unſere ehrliche Alten viel hatten, gegeben wor-
den; unter der Bedingung aber, niemanden ſeine
Tochter zu verheyrathen, als wer auf dieſem Trink-
horne
einen Ton herausbringen wuͤrde. Es war,
wie man muthmaßet, von Golde: denn was von
Geiſtern koͤmmt, muß wohl gut ſeyn. Ruſtefeil
beſtimmte alſo einen Tag; er ließ ausrufen: daß,
wer dieſes wunderwuͤrdige Horn wuͤrde blaſen,
und Mathilden, ſo hieß ſeine Tochter, das ſchoͤn-
ſte Maͤhrchen erzaͤhlen koͤnnen: der ſollte die
Braut heimfuͤhren; wer hingegen ungeſchickt waͤ-
re, der ſollte ſich, Ritter und Freyen, ſeiner
Strafe unterwerfen. Allein, wer achtet die Ge-
fahr, wenn man um ein ſolches Kleinod kaͤmpfet?


Der Tag erſchien, und die Kaͤmpfer noch vor
Tage: Heyden, Juden und Chriſten, und ver-
ſammelten ſich auf dem Kampfplatze. Die Schoͤ-
ne erſchien auch. Sie ward von ihrem Vater ge-
fuͤhret, und ſetzte ſich auf eine kleine Erhoͤhung, von
der man ſowohl die Braut, als das verſprochene
Land, ſehen konnte. Mops war zu ihren Fuͤßen,
und die Heerde lag um den Huͤgel her. Wie man
leicht denken kann: ihr Zeug war nicht koſtbar;
doch war ſie ſo gekleidet, daß ihre Kleidung ihre
Glieder erhob; und dieſe von jener nicht zu ſehr
verſtecket wurden. Jn der Rechten hielt ſie das
fuͤrchterliche Horn; in der Linken ein Buch mit
Maͤhren.


Der erſte, der ſich ihr naͤherte, war zwar ein
ganz wohlgezogener Juͤngling; der ſich aber bunter
gekleidet hatte, als es ſich fuͤr einen kuͤnftigen
Schaͤfer
[371]Sc
Schaͤfer ſchickete. Er wollte vielen gefallen, und
dieſe Schoͤne war nicht die einzige, nach der er ge-
ſtrebet. Jn ſeinem Anzuge war ſo was fremdes,
daß man ihn bald fuͤr einen fremden Schaͤfer,
fuͤr einen franzoͤſirenden Deutſchen, erkennete.
Jedoch die Probe mußte geſungen ſeyn; ehe er bla-
ſen konnte. Man hoͤrte ihm zu; er fiel dann und
wann auf ganz artige Toͤne. Als er aber ſo ver-
waͤgen war, einen Schaͤfer ſo dumm zu ſchil-
dern, daß er eine Syrene mit zu Bette nahm,
ohne ſie zu erkennen:
(S. Gellerts Fabel, der
Schaͤfer und die Sirene;) ſo befahl Ruſtefeil, ihn
noch ein Jahr in den Wald laufen zu laſſen, damit
er die Sitten der Schaͤfer beſſer einſehen lerne.
Ueberdieß ſchilderte er die Schaͤferinnen ſo wi-
tzig, als er ſelbſt war,
und ſah Mathilden mit
allen ihren Maͤhrchen heimlich fuͤr dumm an; ob
er ſich zwar oͤffentlich ſehr beſtrebte, zu gefallen,
und ordentlich von den Leuten war, die wir die
Mitmacher nennen.


Der zweyte ſah ganz fuͤrchterlich aus. Die
Ziegenfelle, mit denen er bekleidet war, trieften
von Waſſer. Er ſagte, er kaͤme eben aus der
Suͤndfluth, und koͤnnte ſchoͤn malen. Erzaͤh-
len
ſollſt du, ſagte Ruſtefeil. Allein er wollte,
weil er allenthalben immer gern der erſte war,
erſtlich das Horn haben, das, wie er ſagte, ei-
nen goldenen Laut
blies. Er wehrte ſich lange;
und wollte mit der Sprache nicht heraus, die etwas
undeutſch, und hoͤlzern war: endlich fing er in
einem ſehr dumpfichten Tone ein Schaͤferlied von
A a 2Juͤden
[372]Sc
Juͤden an, das ſich mit Rieſen und Rieſinnen
ſchloß. Unter andern ſagte er zur Schoͤnen: er
wolle ihre Euter bald melken und ihre Ritzen
beſaͤmen. Mathilde
klagte uͤber Kopfſchmer-
zen; Ruſtefeil uͤber das Klingen der Ohren; und
die Schafe waren gar davon gelaufen: weil der
Saͤnger Donner und Wetter in ſein Lied ge-
menget hatte. Mops bekam alſo eine Arbeit,
und zupfte ihn ſo lange an ſeinen Fellen, bis er
in die Gebirge entfloh, aus denen er gekommen
war. Vorher entriß man ihm den Schaͤferſtab,
und gab ihm eine Peitſche, die ſchwerbeleibten Kuͤ-
he
in ſeinem Vaterlande zu huͤten, die er begie-
rigſt melkete.


Der dritte, der ſich heran wagte, trat ganz
tiefſinnig daher; er hatte ſolche weite Hoſen,
Schweizerhoſen,
an, daß fuͤglich 3 Paar dar-
aus haͤtten koͤnnen geſchnitten werden. Er ſeuf-
zete, und ſah nach ſeinem Vorgaͤnger, der ſein
Buſemsfreund war. Endlich fing er mit un-
ſaͤglicher Muͤhe einen Geſang an, worinn man be-
merkte, daß er die Alpen fuͤr ein Arkadien aus-
gab. Man ſagte es ihm: die Alpen waͤren nicht
Arkadien; er fing auch an, ſich zu bequemen,
als ein Schwarm ihm zurief: er waͤre vollkom-
men;
und ſo ſchrie, daß der Saͤnger vor vielem
Geſchreye es endlich ſelber glaubte, und mit Ge-
walt nach dem Horne drang. Aber mit Gewalt
richtet man bey Schoͤnen nichts aus; Ruſtefeil
ſtieß ihn vom Huͤgel, den er, als er ihn nicht
beſitzen konnte, verachtete; er folgte ſeinem
Freunde.


Nun
[373]Sc

Nun kam der vierte: ein feiner Juͤngling, deſ-
ſen Kleid auch ſo ziemlich nach Schaͤferweiſe ge-
ſchnitten war. Nur war es nicht moͤglich, den
Zeug zu erkennen, woraus es beſtand; ja, was
noch mehr ſchroͤckte: ſo ward man unterm Gewan-
de auch Schweizerhoſen gewahr. Er wollte
kluͤger, als die andern Schaͤfer, ſeyn; und ob er
kaum ein Maͤhrchen zuwege bringen konnte: ſo
wollte er doch die Natur der Schaͤfergedichte
lehren. Nachdem er ſich ſehr lange geraͤuſpert,
fing er an:


‘“Das Endliche zum Nichts, das dieſe
Welt umſchraͤnkt ꝛc.
()

Was? Was? ſchrie Ruſtefeil; Weg mit dem
Thoren! Was gehet doch Schaͤfern dein Endlich
und dein Nichts an? Geh ſelber in dein Nichts!
Und er ging auch.


Der fuͤnfte, der hinzutrat, war munter geklei-
det, nur war auszuſetzen, daß er die Glieder nicht
eben verbarg, die erſtlich die Schoͤne nach Son-
nen Untergange ſehen ſollte. Sie ward daher
ſchaamroth; hielt die Hand vors Geſicht: er aber
ſagte: er wollte ihr Zeiſigneſt bald finden, und
die Voͤgel ausnehmen. Vor Angſt haͤtte ſie
ihm das Horn auch gegeben, wenn nicht Ruſte-
feil
eben den Unverſchaͤmten fuͤr einen beruͤchtig-
ten Spoͤtter erkannt, und ihn den Schaͤfern, ihn
zu peitſchen, gegeben haͤtte.


Der ſechste kam und hatte einen Strick in
der Hand, ob er zwar ſonſt ganz geſetzt ſchien; er
ſagte:


A a 3“Ach,
[374]Sc
“Ach, ſtolze Sylvia, laß deinen Zorn ſich

wenden!

“Jch will dir, wo du willſt, auch wohl Ge-

ſchenke ſenden;

“Nicht etwa, die der Wald und unſer Gar-

ten hegt,

“Nicht, wie das reife Feld ihn in die Scheu-

ne legt:

“Nein! ſondern einen Putz mit Puder uͤber-

ſchlagen,

“Wie in der Stadt itzund die Buͤrgertoͤchter

tragen.

Mathilde ſagte: ſie wohne auf dem Lande; ſey eine
Schaͤferin; brauche alſo keinen Puder. Worauf
er mit einem tiefen Seufzer verſetzte, und den
Strick zeigte:


“Doch, wo du auch hierdurch nicht zu bewe-

gen biſt:

“So weis ich Aermſter nicht, was weiter

uͤbrig iſt,

“Als daß ich meinen Rumpf an einen Eich-

baum henke;

“Vieleicht liebſt du mich todt, weil ich dich le-

bend kraͤnke.

Ey! Ey! mein Sohn! ſagte Ruſtefeil: ein ſol-
ches Verfahren iſt zu gottlos fuͤr einen Schaͤfer.
Du biſt eine ehrliche Haut; aber in einer ſchlim-
men Schule
geweſen. Was machen da die Edel-
ſteine
auf dem Schaͤferhute? Das muß nicht
ſeyn! Wir wollen nicht Hochzeit machen; ſon-
dern den Tanz verſchieben, und eſſen. “Mein
“Kind!
[375]Sc
“Kind! ſprach er zur Tochter: wir wollen dieſen
“erziehen; zeigt er ſich deiner wuͤrdig: ſo ſoll er
“dich haben. Wo nicht: haſt du doch das Horn;
“es werden wohl mehr kommen.” Das Horn
iſt alſo noch zu haben. Man aͤrgere ſich nicht an
der Einfalt dieſer Erzehlung. Zun Zeiten der
ſchwaͤbiſchen Kaiſer ſprach man noch nicht neue
Accente.


Schall;

ein andaͤchtiger Schall: ſo giebt es denn
vieleicht auch einen gottloſen Schall; denn ſo
ſinget der juͤdiſche Schaͤferdichter:


‘“Komm auch zu mir, u. ſtimme die leyer
zu meinem geſange
“Mit andæchtigem Schall. Jac. u. Joſ. 6 S.
()

Sie kam, hat aber ſchlecht geſtimmet.


Schall.

Ein lauter Schall, ein ſtarker Schall, ſind
keine Seltenheiten. Seltener findet man
einen ſtummen Schall, der ſonſt nichts als
die Ohren fuͤllet.


Buttſt. vern. Gedank. 6ter Band, Bl. 19.
Mein guter Freund hat ſich uͤber dieſes Bluͤmchen
gewaltig geaͤrgert: weil er nicht ſo ſcharfſichtig
war, das Band dieſes Ausdruckes einzuſehen.
Ein Schall, ſagte er, der ſtumm iſt, und doch die
Ohren fuͤllet,
widerſpricht ſich. Und ſoll denn
der Schall auch das Geſicht, den Geruch, und
die Zunge fuͤllen? Aber mein Freund verſtand
nicht, was zum Rednerhandwerke gehoͤret. Eine
Sache kann ja dem Redner ſchoͤn und deutlich ſeyn,
wenn gleich der Zuhoͤrer nichts davon verſtehet.
Von bekannten Dingen zu reden, iſt nicht uͤberall
A a 4Mode.
[376]Sc
Mode. Vieleicht iſt es mit dem Schalle, wie mit
den Toͤnen, beſchaffen. Haben wir nicht goldene
Toͤne?
ja was noch unbegreiflicher iſt, gefaͤr-
bete Toͤne?
Sagts uns nicht ein großer Dich-
ter,
daß
Caſtelli Toͤne faͤrbt, und Koͤrber Seelen
mißt.


Eine ausgemeßene Seele iſt mir eben ſo unbe-
greiflich, als ein ſtummer Schall, der ſonſt
nichts als die Ohren fuͤllet.
Und dennoch hat
der erſte Begriff ſeinen Grund: denn Koͤrber hat
uns ja den Maaßſtab, in ſeinen Abhandlungen
von der Ausmeßung der Seele, angegeben. Es
erhellet hieraus, daß man mit den aͤſthetiſchen
Rednern
und Dichtern ſehr unbillig verfahre,
wann man ihre Schriften deßwegen tadelt, weil
man ſie nicht verſtehet. Die Verfaſſer derſelben
werden doch das verſtanden haben, was ſie in die
Welt hinein ſchreiben? und haben ſie nicht die mei-
ſten Schriften um ihrer ſelbſt willen drucken laſ-
ſen? Es ſtand alſo allerdings bey ihnen, ob ſie es
uns erlauben wollen, daß wir ihre Schriften ver-
ſtehen, oder nicht verſtehen.


Schalymo;

ſo wird gar zierlich eine Schallmey ge-
nennet. Es war die Lockpfeife, mit der Jacob
ſeine Soͤhne zuſammenrief; denn wenn der Laut
floß,
oder flieſſend lief: ſo kamen ſie, wie die
Hunde kommen, wann der Jaͤger pfeifet.


Als durch den wœlbenden wald des ſcha-
lymos flieſſender laut lief,

“In
[377]Sc
“In das verſammlungsgezelt die Sœhne Ja-
cobs zu rufen. Jac. u. Joſ. 35 S.


Ach! der arme Laut! wohin lief er?


Schatten

einen gedacheten; d. i. ein Schatten,
der ein Dach hat.
Wir haben uns vorgenom-
men, aus Schatten Saͤulenwerke zu bilden,
und Obelisken zu hauen.


‘“Unfern erhub ein hayn mit mandelbæu-
men und palmen
“Seinen gedacheten Schatten.
Rachel u. Jac. 6 S.
()

Denn wird nicht ſchon eben daſelbſt ein Schatten
gewoͤlbet?


am fuß der ſtattlichen bæume
Wœlbten den kyrzern Schatten roſinen
und taxusgeſtæude.


Aber unmoͤglich koͤnnen wirs anſtehen laſſen, fol-
genden Schatten laͤnger vorzuenthalten. Hat
der Leſer nicht ſchon einen dornſtraͤuchichten
Schatten
bemerket? Wir warten ihm mit einem
oͤlbaͤumenen auf.


‘“Dann wies ich ihr den Luftpfad zu dieſen oͤl-
baͤumenen Schatten. Noah, 400 S.
()

Engel Raphael weiſt der Taube den Luftpfad.
Ueberhaupt iſt anzumerken, daß unſere heilige
und denkende Maͤnner ſo viel Schatten in ihre
Gedichte werfen, daß man oft in einer aͤgypti-
ſchen Finſterniß
ſitzet, wann ſie uns mitten in
die Sonne
verſetzen. Jhre Gemaͤlde ſind Nacht-
ſtuͤcke. Ja, der kleinſte Hexametriſt hat am
hellen Tage ſein Laͤmpchen vor ſich ſtehen, das ihm
A a 5Schat-
[378]Sc
Schatten werfen muß. Sie zeichnen, ſie malen;
oft aber koͤmmt eine Sau, und bedecket alles.


Schatten.

Krauſe, gruͤne, und andere farbich-
te Schatten
ſind gewoͤhnliche Dinge, wie die
ſchwarzen und gruͤnen Gedanken. Aber Schat-
ten, die alle Dinge mit gleichen Farben abma-
len,
moͤgen Wunder ſeyn. Ein beruͤhmter Ver-
faſſer
vernuͤnftiger Gedanken, uͤber die Geheim-
niſſe der Chriſten, ſchreibet:
Der Verſtand muͤſſe in finſtere Schatten
gehen, die alle Dinge mit gleichen Farben
abmalen.


Wir erſuchen die Maler der Sitten, uns von die-
ſen ihren Kunſtverwandten eine kleine Nachricht zu
geben. Unſere Bemuͤhung, einen Schatten, der
malet,
ja der alle Dinge mit gleichen Farben
malet,
aufzutreiben, iſt leider! vergeblich gewe-
ſen; obgleich das Malen heutiges Tages allge-
mein, und nicht nur fuͤr die Augen, ſondern auch
fuͤr die Ohren, fuͤr die Naſe, kurz! fuͤr die
aͤußerlichen und innerlichen Sinne gemalet
wird. Warum ſind denn aber die natuͤrlichen und
regelmaͤßigen Bilder noch ſo ſelten und theuer?
Darum: weil alle Stuͤmper malen, denen man,
bey Ergreifung des Pinſels, aus dem Dichter zuru-
fen ſollte:
Viel lieber einen Flegel
Dem Maler in die Fauſt!


Schatz.

Ey! Hier haben wir einen ſchoͤnen
Schatz gehoben;
ohne Wuͤnſchelruthe, ohne
Kobold.


“— Ein
[379]Sc

“— Ein Schatz von Geduld lag in ihren
Gemuͤthern. Noah, 372 S.


Sonſt ſagte man wohl ein Schatz von Tugen-
den;
allein man muß auch die Tugenden her-
zaͤhlen.
So kann man nun ſagen: ein Schatz
von Großmuth; ein Schatz von Keuſchheit:

gerade, als wenn es vielerley Großmuth, vie-
lerley Keuſchheit,
ſo wie vielerley Tugenden,
gaͤbe. Denn zu einem Schatze gehoͤret mehr als
ein Stuͤck Muͤnze.


Scheckicht.

Dieſer ſcheckichte Ausdruck gehoͤret
ins blumichte Fach. Die Rede iſt von bunten
Matten,


Auf die der junge Lenz erfreut

Ein ſcheckicht Heer von Blumen ſtreut.

Samml. Nicol. 34 S.

Ein Heer ſtreuen, iſt das nicht richtig? ein Volk
ſaͤen!


Schein,

der als eine Erbſchaft von einem Tage
einem Lichte verlaſſen wird.
Alſo iſt das Licht
des Tages Sohn? Vor dieſem machte das Licht
den Tag. Hat man wohl Unrecht gehabt zu ſa-
gen, daß, wenn man zwoͤlf Leute uͤberreden
koͤnne: die Sonne mache nicht den Tag: ſo
wuͤrde man bald Anhaͤnger finden? Se. Gn.

wagten es: und halb Deutſchland glaubte es.


“Sie ſahn ein Licht den Enkeln glaͤnzen,

Dem dieſer Tag den Schein verlaͤßt.

Haller, 130 S.

Scheuchen.

Die Frauen in tief beſorgte Ge-
danken ſcheuchen.


“Sem
[380]Sc
‘“Sem ſprach; und ſcheuchte die Frauen in
tiefbeſorgte Gedanken. Noah, 220 S.
()

Die Stimme muß eine rechte Scheuche ſeyn, die
dieſes kann. Jn unſerm Lande ſcheuchet man
nur Voͤgel;
in der Schweiz Frauen: laͤnd-
lich, ſittlich! aber in tiefbeſorgte Gedanken,
in Gedanken, die ſich etwas tief beſorgen:

das iſt artig; ſehr artig! Ach waͤre doch unſer
Woͤrterbuch auch eine Scheuche! Dichter
wollten wir ſcheuchen, und heilige Maͤnner
wegpreſchen.
Jſt das nicht hoch? Jſt der Herr
Rath
nicht ein rechter ſcheuchender Popanz?
Man ſehe nur, wie er die Frauen vor ſich her
ſcheuchet.
Der große Mann! der Scheucher!


Schimmer

der Opfer: iſt das nicht Feuer? Unmoͤg-
lich kann ſonſt ein Boͤckelein, oder ein Ziegelein
ſchimmern.


“Da umgab ihn vom hohen Moria ein Schim-
mer der Opfer,

“Die den ewigen Vater noch itzt im Bilde ver-
ſoͤhnten. Offenb. St. Kl. 5 S.


D. i. Es rollte Feuer vom Moria und umgab
den Heyland. Stehet das in der Bibel? Nein!
aber in der Meßianiſchen ſtehet es, welche doch,
wie viele unſerer heiligen Maͤnner behaupten,
ordentlich eine Fortſetzung der alten h. Schrift
iſt. Allein im Vertrauen! Sollte wohl dieſe
Fortſetzung nicht das Schickſal aller Fortſetzun-
gen
haben? Gemeiniglich taugen ſie nicht viel.
Doch vieleicht redet eben derſelbe h. Geiſt durch
St. Kl. der durch St. Matthaͤus und uͤ. gere-
det
[381]Sc
det hat. Warum aber erzehlet er uns das erſt nach
2000 Jahren, was er damals haͤtte erzehlen
koͤnnen? Und wie? wer opferte denn damals?
Schleppet Gott den alten Opferſchimmer immer
mit ſich? Wir fragen nur, und ſind in den Ge-
heimniſſen des chriſtlichen Olymps freylich nicht
ſo erfahren, als der Evangeliſt und Seher
Klopſtock.


Schlaͤngelnd.

Folgendes Schlaͤngelnd haben wir
ſehr bewundert; und werden es nicht aufhoͤren zu
bewundern, ſo lange unſere Glieder nur noch eini-
ge thieriſche Bewegungen verrichten koͤnnen.


Schlaͤngelnd haͤtten die Stirn’ ihm Hoͤr-
ner des Steinbocks geſchmuͤckt.
Noah, 266 S.


Dieſen Schmuck nagelt man in Portugall Neu-
vermaͤhlten an die Thuͤre: fiat applicatio, wann
er auf die Stirne koͤmmt.


Schlafmacherin

iſt beym Hn. Magiſter die
Nacht, ſo wie bey uns Wachmacher der Tag.


“Doch hatten die Kinder von Eber, die un-
ſchlaͤfigen Waͤchter,
“Die Nacht, die Schlafmacherin, verlohren,
ſamt ihren Schatten. Nimrod, 553 S.


Das war freylich ein Ungluͤck: allein, was heißts
denn? Unſchlaͤfig von ohne und Schlaf; ſchoͤn,
ſehr ſchoͤn!


Schleuſe.

Weinen heißt in der h. Spr.der dry-
kenden bruſt die Schleuſen aufthun.
Wir
werden hinfuͤhro die dæmmedurchbrechen laſ-
ſen. Regent,
d. i. Joſeph.


“Eilends
[382]Sc
‘“Eilends gieng der regent ins næchſtge-
legne Zimmer,
“Daß er der drykenden bruſt die Schleu-
ſen aufthæte. — Jac. u. Joſ. 44 S.
()

Schluͤpfen.

‘— “Wir reiſten mit ſchluͤpfenden
Fuͤßen;
()

“Unter den Ferſen entſtand kein Staub; kein
Fußtritt verrieth ſich. Noah, 44 S.


So reiſen die Engel; ſie halten die Fuͤße zuſam-
men, und glitſchen, wie die Kinderchen auf dem
Eiſe glitſchen. Kommen ſie an ein Gebirg: ſo
huͤpfen ſie.


“Weſen naͤmlich ſolcher Art gehen niemals,
ſondern ſchwimmen;
“Weil ein Geiſt nicht noͤthig hat, erſtlich ein
Gelenk zu kruͤmmen. Baron.


Schluͤrfen.

Wir haben uns ſchon oben an einem
Schluͤrfen der Schwerter erquicket: hier iſt ein
anderes.

— “Es
“War ein bitterer Trank, den ich nicht gern in
mich ſchluͤrfte. Noah, 22 S.


So kann ein Vater ſagen, wenn er nicht gern in
die Heyrath der Soͤhne williget. Schluͤrfen
ſchmecket uͤberhaupt beſſer, als trinken; und der
Hr. Rath verſtehen auch das Feine der Wolluſt.


Schluchzen.

Man ſchluchzet, wenn man weinet;
Damon ſchluchzet,
wenn er von der Doris ſich
trennet. Der Herr Rath ſchluchzen gar das
letzte Lebewohl; Sie ſtoßen an; Sie wollen es
ſagen; Sie ſtammeln; Sie ſchluchzen.


Kaum
[383]Sc
‘“Kaum vergönnt’ ihm ſein herz das letzte
lebwohl zu ſchluchzen.
Jac. u. Joſ. 37 S.
()

Schlug

mit unwiderſtehlichem Falle. Mit ei-
nem Falle jemanden ſchlagen,
heißt uͤbern
Haufen
werfen, und im Falle jemanden mit her-
unter reißen. Folgendes koͤmmt aus dem Eze-
chiel;
und iſt mit etwas Propheten verſetzet.


“Furchtbar war ſein Antlitz; und furchtbar
die Stirne des Stuhles,
“Und der cherubiſchen Raͤder, in welchen ſich
Donner waͤlzten.
“Von da ging Verderben aus, und ſchlug in
die Seel ein;
“Schlug mit unwiderſtehlichem Fall My-
riaden zu Boden. Noah, 205 S.


So fiel alſo das Verderben uͤbern Haufen: wie
konnte alſo der Fall widerſtehen? Dahin rechnen
wir auch ein


Seeleinſchlagendes Schmettern des Donners.


Wird die Seele nicht brennen? denn der Blitz
pflegt zu zuͤnden.


“Dann folgt die Stimme des Donners mit
ſeeleinſchlagendem Schmettern.
Noah, 252 S.


Schoͤn.

A. St. der Schoͤnheit brauche man das
Schoͤne. So haben wir das Suͤße a. St. Suͤſ-
ſigkeit;
das Bittere a. St. Bitterkeit; das
Tollhaͤuſiſche a. St. Narrheit. Jn dieſer
Schreibart ſind bey uns ſtark folgende große Maͤn-
ner, denen die Tiefe der deutſchen Dichtkunſt
viel
[384]Sc
viel zu danken hat. Wir wollen ihre Namen, weil
doch das Britanniſiren Verſtand anzeiget; wir
auch in aller Demuth darnach ſtreben, auf engliſch
herſetzen: aber umgekehrt; die Mittlauter nicht!
=e==e==; =o==e=; =a==e=; =a=e=o==:
ein
großer Kenner des Schoͤnen; ===e=e=: die Ehre
des deutſchen Trauerſpieles; ==o==e=: der
Dichter fuͤr alte Weiber; und viele, deren Werke
nicht Uebermorgen erleben.


Schoͤnmaͤhnichter Zelter,

und ein ſchoͤnſchwei-
fichtes Pferd
ſind treffliche Gaͤule. Der pferde-
verſtaͤndige Herr Magiſter,
der, wie der ſelige
Koͤnig, ein Pferdebaͤndiger iſt, befindet ſich
hier gezeichnet.


“Die ſo verſchiedne Art zu ſtuͤrmen und zu

ſchlagen,

“Die tauſend Koͤnigen unſterblich Lob ge-

bracht;

“Hat er mit einem Heer und ſpielend nachge-

macht;

“Er ſie; du, Koͤnig! ihn. Wem iſt, wie

dir, vergoͤnnet,

“Daß er der Pferde Koͤpf und Sitten alle

kennet,

“Du, Pferdebaͤndiger! ꝛc.

Charact. d. d. Ged.

Dieſes koͤnnen wir unſerm Pferdebaͤndiger auch
nachſagen; denn wer kennet, wie er, die Sitten
der Pferde?
z. E. daß Pferde, wie man ſiehet,
abwuͤrfich, großohricht ſind.


“— — Jch habe dich nur erſt neulich


“Mit
[385]Sc

“Mit einem ſchoͤnmaͤhnichten Zelter, der
apfelgrau iſt, beſchenket.
“Die Maaßrichtigkeit ſeines Kopfes, mit
einem Stern an der Stirne,
“Sein hoher Nacken, ſein Schweif, ſeine
brennenden Augen
“Haben ſchon viele bewundert. Er iſt nicht
harttrabig, ſtetiſch,
“Noch großohrich, hartmaͤulich, abwuͤrfich.
Nimrod, 476 S.


Alles niedliche Stallredensarten; nur den Na-
cken
bitte ich auszunehmen; denn ſo redet kein
Reitknecht.


Schmaragdne Blaͤtter.

Wieder ein Raub, der
dem ſel. Hn. v. Lohenſtein, dem beſten Stein-
ſchneider Deutſchlandes, geſchehen iſt.


“Mit leichten ausgeruheten Schwingen

“Erheb’ ich mich in heitere Luͤfte,

“Und gleich dem Kaͤficht’ entflohenen Voͤgeln

“Such ich den nahen Aſt;

Und huͤpfe durch ſchmaragdene Blaͤtter,

“Und kuͤß’ entzuͤckt balſamiſche Duͤfte,

“Und in den kuͤhlenden Arm des Zephirs

“Seh ich ein Morgenroth,

“Das durch die halbverſchloſſene Zweige

“Mit flatterhafter Neugier gucket,

“Und ſchalkhaft froͤhlich bey meinem Er-

ſchrecken

“Scherzte mit dem großen Blick.

Brem. Ged. 86 S.

Dem Himmel ſey Dank; endlich ein Punct: un-
B bſere
[386]Sc
ſere Lunge lief Gefahr. Jſt der Uebergang aus
einer Strophe in die andre nicht ungemein? Die
ſchmaragdenen Blaͤtter werden brechen, wenn
ein Dichter von ſolcher Staͤrke darauf huͤpfet;
und Hr. Johann Heinrich Oeſt iſt kein Sper-
ling. Viermal Und: ey! wie bibliſch! Beym
Kuͤſſen fuͤrchten wir, daß der Mund nichts;
die Naſe aber alles bekommen wird. Ey! Ey!
wir haben gedacht, daß Aurora nur mit dem
Titon zu Bette gegangen waͤre. Der Henker
traue kuͤnftig den Jungfern und Frauen, wenn
dieß eine Goͤttin thut. Betreffen wir ſie nicht,
wie ſie ſich in den Armen des loſen Zephirs ab-
kuͤhlen laͤßt?
Das glaube ich! Auf eine ſtarke
Bewegung muß man ſich freylich abkuͤhlen.
Aber ſehet doch, wie ſie durch die Blaͤtter gucket;
und den großen Blick, wie Harlekin, machet!
Wie klug ſind Sie nicht, Hr. Oeſt! Machen Sie
einmal den großen Blick!


Schoͤpferkraft.

‘“Es hat ſich eine gewiſſe Schoͤ-
“pferkraft
auf unſere Dichter ergoſſen ꝛc.”’
()

Samml. Nicol. 37 S. Wahr iſt es; wenns
nur gut waͤre!


Schneide des Schwertes:

ein treffliches und beque-
mes Geſaͤß.


“Er ritt auf der Schneide des Schwerts
auf ſie an. — —


Der arme Hintere des Magogs! Geſetzt nun:
es waͤre ein Schweizerſchwert geweſen: welche
Wunde! Jm Hermann zwar ſtehet auch 102 S.


“Auf
[387]Sc

“Auf den Spitzen ihrer Klingen ſaßen Jammer,
Krieg und Tod.


Allein, das ſind unkoͤrperliche Weſen, um deren
Steiße es eben nicht ſchade iſt: aber Magogs
Steiß
war wirklich ein Steiß.e. d.


— “Chus theilte mit Nod die blinkenden
Schwerter
Ungleich, fuͤr ſich behielt es das Heft; ihm
gab es die Klinge. Noah, 53 S.


Eine feine Theilung! So wollte ich mit meinen
aͤrgſten Feinden theilen; auch mit dem Hn. Ra-
the;
ſo wenig ich mit ihm zu theilen haben moͤchte.


Schoͤpfung.

Auch dieſes Wort iſt uns uͤbers
Waſſer
gebracht worden, und bedeutet in Halle,
wie in London, die Welt: denn unſere Dichter ſind
Handelsleute; ſie nehmen gerne fremde Waaren
an; wir moͤchten aber wohl wiſſen, was ſie dage-
gen vertauſchen. Große Herren reiten gerne auf
Engellaͤndern; die Pferde ſind uns zu theuer; wir
kaufen daher engliſche Redensarten, die bey uns
keiner Umſchmelzung, wie jenſeits des Rheins
in Frankreich, bedoͤrfen.


Schon.

Dieſes Wort iſt uͤbern Rhein zu uns ge-
flogen; Herr = e = = e = = fieng es auf; hat
es auf deutſchem Boden gepflanzet, wo es eine
gar vortreffliche Frucht traͤget, die Witzlinge be-
gierigſt ſammeln, und ſpeiſen. Sie hat einen an-
genehmen Geſchmack; ſie ſtecket ein ganzes Gehirn
an; und zeuget darinnen lauter Gallicismus.


Schon iſt er Ewigkeiten vorhanden ꝛc.

Schon
iſt; Schon haucht; Schon donnert; Schon

B b 2knaſtert.
[388]Sc
knaſtert. Nur kuͤhnlich es vor ein Zeitwort zum
Anfange eines Satzes geſetzet. Z. E.


“Eile; Schon hat der Engel des Tods mit
heilendem Wurfſpieß
“Deinen Buſems-Freund zu den Heiligen
Gottes geſammelt. Noah, 236 S.


Jſt das nicht ein kuͤnſtlicher Spieß, der da heilet
und ſammelt?


Schreck.

“Du, Quell des Seyns; du, Wort der
Staͤrke:
Unendlich Triebwerk deiner Werke!
“Du, Schreck des Nichts! dich beth’ ich an.
Samml. Nicol. 107 S.


Du, lieber Gott! was ſoll doch der Schreck des
Was
ſeyn, wenn der Heyland der Schreck des
Nichts
iſt? Wir erſchracken vor der Quelle des
Seyns,
oder alles deſſen, was iſt, in der niedri-
gen Sprache. Das unendliche Triebwerk, ein
Triebwerk, das kein Ende hat, trieb unſer
Staunen noch hoͤher. Unſere Geſtalten aber
wurden gar dunkel, als wir den Schreck des
Nichts laſen. Warum erſchrecket ſich denn das
Nichts vorm Heylande? Fuͤrchtet es, ein Was
zu werden? Wenn es fuͤrchten kann: ſo muß das
zaghafte Nichts ſchon Was ſeyn: denn Nichts
iſt Nichts.
Der Name dieſes Schoͤpfers des
Nichts muß nicht mit Selbſtlautern angedeu-
tet werden: er heißt: T-nz-l! ein großes
fleiſchliches Was,
welches mit einer vortreffli-
chen Schoͤpferkraft begabet iſt, aus Nichts
Was
zu machen.


Schreck-
[389]Sc

Schreckniß;

iſt das eben das, was der Oeſterrei-
cher
mit Schrecknuß ausdruͤcket? Wie es nicht
feſſeln kann!


Freunde! geht unbeſorgt, daß magiſche
Schroͤckniß euch feſſeln. Noah, 139 S.


Ha! Ha! nun ſehen wirs: es iſt ein magiſches,
oder vielmehr Rathbodmeriſches Schreckniß;
wir ziehen die Wuͤrde mit dem Namen aus Liſt
zuſammen; denn dieſer erhebet jene: und wir
fuͤrchten, unſer Leſer wuͤrde nicht unſere Liſt bemer-
ken, wenn wir ihn nicht davon unterrichteten.


Schreiben;

ſich arm ſchreiben, heißt, viel Pa-
pier verderben;
hier aber ſich fuͤr arm ausgeben.


“Wie ungemein war deine Liebe,
“Die Schoͤnheit, Stand und Gut vergaß,
“Und mich, ſo arm ich mich ſelbſt ſchriebe,
“Allein nach meinem Herzen maß.
Haller, 123 S.


Se. Gn. machen ſich hier die poetiſche Freyheit
bey ſchriebe, a. St. ſchrieb, zu Nutze: eine Frey-
heit, die von Stuͤmpern errichtet, und von Faulen
beſchuͤtzet wird.


Schoham:

ſ. oben a. St. Baͤcher.


Schuͤtten Voͤlker aus hundert Thoren.

Hier ſe-
hen wir, wie der Thorſchreiber die Thore an-
packet,
und Voͤlker ausſchuͤttet. Thamiſta
that es:


‘“Dieſe ſchuͤttete Voͤlker aus hundert eher-
nen Thoren. Noah, 80 S.
()

So ſchuͤttet ein Tollhaus und mancher Pindus
Narren.
Der Herr Rath haben ſonder Zweifel
B b 3von
[390]Sc Se
von egyptiſchen, oder, hoͤreſt du dieß lieber? von
mizraimiſchen Staͤdten geleſen, die hundert
Thore hatten, und aus jedem Thore zehen tau-
ſend Mann in den Krieg ſchicken konnten.
Sie
laſen es, merkten es ſich und trieben es noch hoͤher.


Schwindelgeiſt;

einen mit Schwindelgeiſte
traͤnken:
ein feines Getraͤnk! Rath Bod-
mers Schwindelgeiſt
iſt ſo dick, daß man ihn
mit Loͤffeln eſſen koͤnnte.


“Ein Volk,
“Das, von dem Schwindelgeiſte getraͤnkt,
von Gott ſich verirrt hat. Noah, 10 S.


Schwindlichte Tiefe iſt nicht eine Tiefe, die da
ſchwindlicht iſt; ſondern die ſchwindlicht machet.


“Jn einer raͤumlichen Jonke verſuchet er die
ſchwindlichte Tiefe. Noah, 52 S.


Eine Jonke! dieſes iſt etwas vom Japanis-
mus,
ſo wie Caravelle von ich weis nicht was.
Rath Bodmer
verſuchte dieſe Tiefe auch, und
ihm ward ſchwindlicht, wie Noah und unzaͤhli-
che Auswuͤrfe
zeigen. Jhm ward uͤbel, und er
brach ſie dick und duͤnne von ſich: der arme Mann!


Seegnungen Gottes;

ſo wie Fluchungen des
Teufels.
Noah, u. m.


Allein, was heißt es? Wir wiſſen, daß wir
nicht allerdings den Pflichten eines Lexicographen
nachkommen, wenn wir nicht ein Wort zu erklaͤ-
ren wiſſen. Denn, wenn wirs nicht wiſſen: ſo
ſollen wirs doch errathen. Jedes Ding aber hat
ſeine Graͤnzen: ſollte ſie ein Lexicograph nicht
auch haben?


See-
[391]Se

Seegruͤnes Maͤgdchen;

ein violettener Patri-
arch,
ein purpurner Cardinal! Feine Dinger!


“Mit ihm war ein Gefolg ſeegruͤner Maͤgd-
chen geſchwommen. Noah, 266 S.


Sehender Milton.

Da ſieht mans, wie allge-
mein oft Jrrthuͤmer werden! Hat die ganze Welt
nicht geglaubet: Milton waͤre blind geweſen?
Sie hat geirret, dieſe Welt, ſo klug ſie auch iſt,
oder ſeyn will; und Rath Bodmer belehret ſie
eines andern; denn er hat die Oerter geſehen,


“Die ihm die Muſe Sions, die meine Geſaͤnge
beherrſchet,

“Eben die, die unlaͤngſt ſie dem ſehenden Mil-
ton auch zeigte. Noah, 184 S.


Oder ſoll es weißagen heißen? Wie bequem ein
Wort nicht iſt, das wie ein Januskopf zwey Ge-
ſichter hat! Das Unlaͤngſt iſt ohngefaͤhr 100 Jahr.


Seher;

ein goͤttertraͤumender Seher iſt ein
Seher, der Goͤtter traͤumet. Welcher Jude
oder Teufel aber hat geſagt, daß der Heyland
Goͤtter traͤumte?
Ja, wenns Seher Klop-
ſtock
waͤre!


‘“Doch, du wurdeſt ein Menſch, ein Goͤtter-
traͤumender Seher. Off. St. Kl. 40 S.
()

Der Teufel ſpricht etwas unrichtig; denn alle
Menſchen
ſind nicht Goͤttertraͤumende Seher,
wie ſein Klopſtock: allein, die Teufel ſprechen
auch ſchlecht deutſch.


Schwerleibige Dichter

ſind beym J. H. Oeſt die
Reimer; ob wir gleich gewiß wiſſen, daß viele,
die duͤnnes Leibes ſind, ſich unter ihnen befinden.
B b 4Wir
[392]Se
Wir haben die Ehre, unſerm Leſer dieſes ſtarken
und großen Geiſtes Glaubensbekenntniß vom
Reime
vorzulegen, welches auf dem Grymſel-
berge
ſo gut, als die Augſpurgiſche Confeßion,
gilt. Er ward ihnen zu ſchwer, der Reim;
darum ſchafften ſie ihn ab.


“Den Reim, das glaube mir frey, hat tuͤcki-
ſche Dummheit erfunden;
“Den Dichtern zum lethaͤiſchen Trank.
“Er reizt, verzaͤrtelt Gehoͤr; jedoch ſein gifti-
ger Nebel

“Umringt die Vernunft; verloͤſchet den Witz.
Brem. Ged. 54 S.


Daß ſich Gott erbarme! So waren, ſo ſind ſo vie-
le Voͤlker ſo tuͤckiſch! Du tuͤckiſcher Opitz! Du
tuͤckiſcher Rachel! du tuͤckiſcher Kanitz! du
tuͤckiſcher Guͤnther! du tuͤckiſcher Gottſched!
Ja! du tuͤckiſcher Haller und tuͤckiſcher Bod-
mer!


“Das ſagt auch Klopſtock nicht, der unge-
ſchickte Reimer.


Jn der Anmerkung vergleichet der Dichter den
Reim
mit einer Werbtrommel; wir, das Syl-
benmaaß
mit einem Kuͤhhirtenhorne: ſehr ſinn-
reich; ſehr breit!


Seele in eine andere verweben:

das iſt alſo ein
Tuch von Seelen.


‘“Seine Seele ſchien in der Seele Benonis
verwebet. Jac. u. Joſ. 4 S.
()

Mit Erlaubniß, Herr Baron! gehoͤret ihr
Weben nicht auch hieher? Jch freue mich immer,
wenn
[393]Se
wenn ich auch Jhnen begegne. Es iſt ein Merk-
mal, daß die Tiefe die wahre Natur des Menſchen
iſt; weil auch Leute, die dieſe Tiefe vermeiden
wollen, hinein plumpen. Sie ſind jung; Sie
koͤnnen ſich beſſern: beſehen ſie dieſen Vers: hier
iſt er!


“Wann die halb erſtorbnen Bruͤſte mir durch
Seufzer aufgelebt;
“Wann ein boͤſer Traum die Sinnen in ver-
neuten Gram verwebt.


Die Sinnen ſind huͤbſche Faden, Herr Ba-
ron!
Sonder Zweifel wollen Sie ſagen: Wann
ein boͤſer Traum ihren Schoͤnen etwas betruͤb-
tes vorgeſtellet; und ſie aufs neue betruͤbet hat.

Nicht wahr? Haͤtten ſie da nicht ſagen koͤnnen?


“Wann ein Geiſt in boͤſen Traͤumen aͤchzend um
ihr Bett geſchwebt.


Denn, wie Sie wiſſen, ſo fuͤrchten ſich die lieben Kin-
derchen oft vor Geſpenſtern. Sie wuͤrden da-
durch den Weberſtuhl vermieden haben, den ihre
Schoͤnen, um ſo kuͤnſtlich zu weben, doch nur
aufs Bett haͤtten ſetzen muͤſſen. Bedenken Sie:
bey ſo zarten Gliedern ein Weberſtuhl!


Seicht.

Ein Mode- und Lieblingswort, das wie
eine alte Ritterlanze zu Scherz und Ernſt zu gebrau-
chen iſt.


“Wo Trieb, u. ſeichter Witz bey gruͤner Baͤu-
men Frucht,
“Die trinkbar weiße Milch beym zahmen
Vieh geſucht. Zernitz, 2 S.


Um Vergebung! Der Witz iſt nie melken gegan-
B b 5gen.
[394]Si
gen. Allein Sie wollen ſagen, daß der Menſch
habe anfangen zu melken;
da werden Sie mir
nun erlauben, die Partey unſerer erſten Aeltern zu
nehmen: ſagen Sie! war das ein ſeichter Witz,
der da ſchloß: eine Kuh oder ein Schaf haben et-
was in den Eutern, nicht allein Kaͤlber und Laͤm-
mer, ſondern auch Menſchen zu ernaͤhren? Eine
Milchmagd aus Adams Zeiten halten wir einer
Philoſophin aus unſern Zeiten gleich. Noch
eins! Hat der Leſer ſchon eine ſchwarze Milch ge-
ſehen?


Sicheln.

Wer ſollte vor hundert Jahren gedacht ha-
ben, daß eine Fluth Sichel habe? Da ſie aber
nun Sichel hat, iſt es nicht gefaͤhrlich, auf Si-
cheln
zu kaͤmpfen, deutſch, zu ſchwimmen?


‘“— — wie wenn im ſchiff bruch
“Lang ein menſch auf den Sicheln der
Fluth um ſein leben gekæmpfet hat.
Jac. u. Joſ. 55 S.
()

Silberner Schleyer.

Jſt das nicht ein Schleyer
von Silber?
von gediegenem Silber: ein
ſchoͤner Schleyer. Wir unterſtehen uns, in al-
ler Unterthaͤnigkeit, die wir Offenbarungen
ſchuldig ſind, zu zweifeln, ob Cidli, die Phillis
des Lazarus, einen ſilbernen Schleyer getra-
gen habe. Denn waͤre ſie auch reich genug dazu
geweſen, wie wir nicht zweifeln, weil ſie eines
Oberſten Tochter war: ſo waͤre ſie, wahrlich!
nicht geſcheidt geweſen, einen ſilbernen Schleyer,
durch den nur ein Sehraff ſehen kann, uͤbers Ge-
ſicht zu haͤngen. Sie hang ihn doch uͤber ſich,
nachden
[395]Si So
nachden ſie ihre Gedanken dem allerliebſten La-
zarus gelispelt
hatte. Ein Lazarus; ein fei-
ner Liebſter! Wir wuͤnſchen Seher Klopſto-
cken
eine Lazara.


“Alſo denkt ſie; (ſie lispelte?) Es bricht ihr das
Herz; ſie kann ſich nicht halten,
Stille Thraͤnen zu weinen. Es ſah ſie La-
zarus weinen,
“Ob ſie mit ihrem ſilbernen Schleyer ihr Ant-
litz gleich deckte. Offenb. St. Kl. 132 S.


Hieher rechnen wir auch ihre ſilberne Stimme,
und goldenen Hauch, und diamantenen
Schweiß.


Sittimholz;

ein artiges mizraimiſches Holz; es
waͤchſet auf den Alpen, und Tiſchler Bodmer
machet Saͤulen daraus.


“— Es (das Dach) ſtand auf zirkelnden
Saͤulen,

“Welche von Sittimholz ins Ovale geſetzt
empor ſtiegen. Noah, 14 S.


Wenn die Saͤulen ſteigen koͤnnen: ſo koͤnnen ſie
auch wohl zirkeln.


Sonnen.

Fuͤnfzig Sonnen abweſend ſeyn:
wie lange iſt das? Gehet alle Jahre eine neue
Sonne auf? Rath Bodmer
glaubet vieleicht,
wie einige Voͤlker, daß alle Tage eine neue
Sonne aufgehe.


Fuͤnfzig Sonnen war Noah ſchon mit dem
Engel abweſend. Noah, 4 S.


Sonnegebohrner, oder Sonnenbewohner.

Ein
Teufel iſt alſo ein Hoͤllegebohrner; dahin gehoͤ-
ret
[396]So
ret auch eine Sonnengebuhrt; auch das Bey-
woͤrtelein ſonnicht.


Lamech ſteht auf der Burg im Geſpraͤch mit
Sonnengebohrnen ꝛc.
“Und er fragt unruhig darnach bey den Son-
negebuhrten. e.d. Noah, 311 S. u. f.


Sonne raͤumt die Mittagszimmer;

d. i. es wird
Mittag.
Wie viel Begriffe liegen nicht in dieſer
Redensart? Denken wir nicht erſtlich an die
Sonne? dann an die Zimmer, die gegen
Mittag gelegen ſind?
dann an eine Magd, die
gleichſam, als einen Auskehricht, die Sonne
aus der Stube raͤumet.
Aber auf ein Wort!
wird in den andern Zimmern nicht auch Mit-
tag?
Das heißt recht, den Tag mit Mulden
austragen!
Noch eines von raͤumen. Dieſes
Wort ward mit aus, ein, weg verbunden.
Durch die Abkuͤrzung oder Enthauptung des armen
Wortes entſtehet eine bezauberte Zweydeutigkeit;
indem man nicht weis, ob die Sonne die Zim-
mer aus-
oder ein- oder weggeraͤumet habe.


‘“Als des Tages die Sonne die Mittagszim-
mer geraͤumet. Noah, 40 S.
()

Was andere, z. E. franzoͤſiſche Schriftſteller und
Dichter, von den unſrigen auf eine ſehr kenntliche
Art unterſcheidet, iſt die Aufmerkſamkeit, die ſie
anwenden, die eigentlichſten Umſtaͤnde, zur Er-
laͤuterung und Erhoͤhung ihres Vorhabens, in ei-
ner Beſchreibung zu waͤhlen und abzuſondern.
Die natuͤrlichen Umſtaͤnde ſtellen ſich von ſich ſelbſt
dar; alſo haben ſie nichts erſtaunendes, nichts be-
ſonders.
[397]So
ſonders. Denn iſt das was erſtaunendes, wenn
ich ſage: der Mittag kam heran? Nein! das
thut er alle Tage. Die Sonne muß in ein Zim-
mer geſperret, und ihr ein Beſen in die Hand
gegeben werden. Diejenigen Umſtaͤnde aber, die
von weitem hergeholet ſind, deren man ſich nicht
vermuthet, und die eine Art eines Widerſpruchs
haben, ruͤhren, ſetzen in Verwunderung, und er-
ſchrecken ganz wunderſam. Der Widerſpruch be-
ſonders iſt eine der annehmlichſten Zieraten unſe-
rer heiligen Dichtkunſt; und ein Schuͤler iſt oft
darinnen noch ein groͤßerer Meiſter, als ein Pro-
feſſor:
ein Schickſal, das unſere Kunſt mit der
Liebe gemein hat.


Sonnenmeile.

Jch will dir, lieber Leſer! ſo
gleich ſagen, wie viel Erdmeilen eine Sonnen-
meile
iſt: ſo bald du mir ſagen wirſt, was eine
Sternenmeile ſey.


“Wenn wird toͤnen um euch der Pole don-
nern; wenn vor euch
“Wird der Geſang der Sphaͤren, in Stim-
men der Meere verwandelt,

“Brauſend vorbeygehn, u. ſchnell die Reyhen
wandelnder Sternen

Tauſend Sonnenmeilen herauf u. tauſend
hinunter,
“Durch die Unendlichkeit werden erzittern.
Off. St. Klopſt. 172 S.


Doͤrfen wir das Große mit dem Kleinen verglei-
chen? Uns naͤmlich koͤmmt St. Klopſtocks
Weltchen
als ein ungeheurer Garten vor, der
vormals
[398]So
vormals einem großen Herrn gehoͤret; den aber
nun ein geiziger Landjunker um ein bischen Gras
verwildern laſſen. Hier lieget ein zerbrochenes
Saͤulenwerk, worinn die Kroͤten hecken, und Fle-
dermaͤuſe niſten; dort verfuͤhret uns ein Ueber-
bleibſel eines Labyrinthes, durch die unordentliche
Wendungen ſeiner Gaͤnge: allenthalben giebts go-
thiſche
Seltenheiten; und nirgends die geringſte
Ordnung. Doch locket uns das Ungeheure und
die Scheußlichkeit der grotesken Stuͤcke immer
weiter. Kaum bewunderten wir die Sonnen-
meile:
ſo wurden wir tauſend Sonnenmeilen
herauf, und tauſend herunter
mit den Reyhen
wandelnder Sterne
geworfen. Kaum forſch-
ten wir nach, was dieſe Reyhen waren: ſo hoͤr-
ten wir nicht den Klang, nein! den Geſang der
Sphaͤren.
Kaum zog unſer leckerhaftes Ohr den
Geſang mit geizigen Zuͤgen: ſiehe! ſo ward er
in eine Stimme der Meere verwandelt, und
ging brauſend bey uns vorbey. Wir ſprangen
zuruͤck: und es donnerte! Die Pole knarreten
und donnerten. Hat der Himmel auch Pole?
Ein wenig Geduld, lieber Leſer! Wir koͤnnen von
der Sonne ſo bald nicht wegkommen, und in un-
ſern Gedichten iſt immer Sonnenſchein. Denn
freylich!


Sonnenſchein in der Seel’ u. Freud in der
Stille des Herzens
“Jſt der Froͤmmigkeit Lohn. Noah, 284 S.


Was iſt alſo eine Regenwolke? Hier entzuͤcket
uns auch die Geſchicklichkeit eines Dichters,


— “Der
[399]So

— “Der alle Scenen des Men-
ſchen geſungen,

“Dieſen Maͤander, der mit verborgenem Pla-
ne gemacht iſt.


Folglich auch die Scenen der irrenden Dichter,
und den Maͤander der Witzlinge. Hierauf er-
waͤhnen der Herr Rath zweener engliſchen Bar-
den,


Pop u. Jung: unſterbliche Namen —
Die, wie ein loſer Schalk hinzuſetzte, Namen,
“Die niemals unentweiht von B-dm-rs
Lippen kamen.


Solo-art.

Dieſes Wort druͤcket das Greifen eines
Dichters folgender Geſtalt aus:


“So greif ich mit der Hand in meine Saiten,
“Nach ſtarker Solo-art, damit es bebe
“Vom Jubel Daniens u. ſeinem Ahnherrn,
“Und Jkens werde gedacht.
Brem. Ged. 91 S.


Ja! auf der Bockpfeife! Solo kann auch naͤm-
lich ſanft geſpielet werden; und der Ton bebet
mehr in ſanfter, als ſtarker Beruͤhrung der
Saiten.


Sorgen.

Wir haben eine vortreffliche Bruͤhe ent-
decket, Sorgen damit zu begießen. Se. Gn.
gießen:


“Unſelig! wenn nicht wahre Liebe
“Die Zuflucht ſeiner Seelen bliebe,
“Die Luſt auf ſeine Sorgen gießt.
Haller 119 S.


Mit Erlaubniß! wer gießt?


Sor-
[400]So Sp

Sorgen,

die die Stirne durchpfluͤgen. Zu ei-
nem Pfluge gehoͤren auch Ochſen: wo ſind die
Ochſen der Sorgen? Jn Dero Stalle, Herr
Rath?


‘“Sie bemerkten die Sorgen, die ſeine Stirne
durchpfluͤgten. Noah, 168 S.
()

Spæhen.

Vor dieſem ſpaͤhete man nur Fehlern
nach oder aus: nun ſpæhet man die blöſſe des
landes.


‘“Denn er hatte verdacht, ſie wæren ge-
kommen, die blœſſe
“Von Mizraim zu ſpæhen.
Jac. u. Joſ. 4 S.
()

Speculationen hat J. H. Oeſt.


“Daß auch die Nacht die Speculationen
“Und unſere Finſterniſſe ſah, und flohe.
Brem. Ged. 17 S.


Uns ging es, wie der Nacht; wir ſahen Dero
Finſterniſſe, und flohen ſie.


Spitziglaͤnglicht.


— “Auch in der Ausdaͤhnung ſchienen
“Am unermeßlichen Himmel Cometen mit baͤr-
tigen Koͤpfen,
“Mit ſpitziglaͤnglichten, theils breitgeſtraͤh-
leten Schweifen. Nimr. 49 S.


Dieſes ſind des Hrn. Magiſters ſpitziglaͤnglich-
te, baͤrtige,
und breitgeſtraͤlete Verſe. Zu die-
ſen fuͤgen wir


Spitzigheißhungrige Bolzen;

denn Bolzen kann ſo
gut nach Fleiſch hungern, als Schwertern nach
Blut
[401]Sp
Blut duͤrſten; denn unſerer Feder duͤrſtet nach
Dinte,
wann wir den Hrn. Magiſter ſehen.


Spitzheißhungrige Bolzen bedeckten die
Feinde mit Haufen,
“Wie ein Schwarm ſchwarzer Kraͤhen den
Acker auf einmal bedecket. Nimr. 429 S.


Bolzen und ſchwarze Kraͤhen: ein niedliches
Gleichniß!


Sprache.

Das Wort Sprache wird fuͤr eine Mey-
nung, fuͤr ein Bekenntniß genommen. Z. E. er
will mit der Sprache nicht heraus. Jch will auch
hierbey eine getreue Anleitung geben, das Feld
der geiſtlichen Beredſamkeit anzubauen.
Es
traͤgt ſich zu, daß wir unſere Gedanken von der Lei-
besbeſchaffenheit des erſten Menſchen entdecken ſol-
len. Fehlet es uns an Gedanken und Beweiſen,
ſo ſey man reich an Woͤrtern. Ohne mein Erin-
nern verſteht mans,
daß die Sachen ſchon in
den Woͤrtern liegen.
Will man ferner in ſeiner
heiligen Rede den Zuhoͤrern hoͤflich zu verſtehen ge-
ben, daß man kein Alltagsthema erwaͤhlet habe,
ſo ſage man:


Die Gelehrten machen aus dem Leibe
Adams eine Gebaͤude, uͤber deſſen Bau
ſich die Sprachen verwirren.


Man halte einen andern Ausdruck dagegen. Z. E.
Die Ausleger ſind nicht einig, von was fuͤr einer
Beſchaffenheit der Leib Adams geweſen ſey. Wer
den letztern Ausdruck dem erſtern vorziehen wollte,
der waͤre nicht wehrt, daß er eine Seele haͤtte, die
C cſchoͤn
[402]Sp Sq
ſchoͤn denken koͤnnte. Was fuͤr Gedachtes liegt
nicht in dem erſten Satze?


Der Leib Adams, ein Gebaͤude, ein Bau,
der babyloniſche Thurm, die Verwirrung
der Sprachen, und die Zerſtreuung der Voͤl-
ker.
Wenn man bey einem jeden dieſer Stuͤcke
ſich nur zehn Minuten aufhalten wollte, ſo haͤtte
man eine ganze Stunde geprediget. Und wer
kann mehr verlangen? Findet man aber dieſen
Vortheil in den Anweiſungen zur geiſtlichen Bered-
ſamkeit? Nein! ſo offenherzig ſind ſie nicht gegen
die Anfaͤnger. Die arme Jugend!


Sproß.

Wir haben die Ehre, unſerm Leſer einen
Sproß von einem Stamme zu uͤberreichen, deſ-
ſen Wurzeln, des Stammes naͤmlich, in der
Tiefe eingewurzelt ſind.


“Verdirbt bey ſtillem Reiz, vom Laſter, das er
flieht,
“Kein unbemerkter Sproß ihm dort ſein groß
Gemuͤth. Zernitz, 84 S.


Bey lautem Reize wollten wir rathen, dieſen
Sproß abzuſchneiden.


Squadron.

Sowohl die Rechtſchreibung, als
die Anwendung dieſes Wortes, iſt viel zu bewun-
dernswuͤrdig, als mein Buͤchelein dieſer Zierde zu
berauben. Verachtet doch die vollkommenſte
Schoͤne auch ein Schminkpflaͤſterchen nicht.


“Auf dieß Verſprechen kuͤhn bewegten die wil-
den Giganten

“Jhre
[403]St
“Jhre ſtarke Squadron; (NB.Dieſe
Squadron war zu Fuße.) und
wollten den Buſch itzt betreten ꝛc.

“Unter dem Fuß erbebte der Grund; u. dum-
pfichte Stimmen

“Wurden gehoͤrt, die bruͤllten im Bauche
des Berges; —


Dieſe dumpfichte Stimmen werden auch bey uns
gehoͤrt; und bruͤllen ſonderlich im Bauche,
wann wir Merettich geſchmauſet haben.


— — “Bald ſtachen
“Lebende Flammen aus allen Zweigen u. Ran-
ken; ſie leckten
“Mit geſchlaͤngelten Zungen die Voͤderſten
von den Giganten.


Ein feines Lecken! Alles aus dem Virgil im
Noah, 140 S. geſchleppte
Redensarten.
Noch eins! Haͤtten doch der Herr Rath dieſe
Squadron zu Pferde gelaſſen! Die Giganten
wuͤrden auf die Saͤttel geſtiegen ſeyn; und von ih-
ren gigantiſchen Roſſen das Paradieß uͤberho-
let
haben.


Stadien;

einen Stadien hinunter trennen.
Dieſes heißt den Schneider und den Ariſtotel zu-
ſammen geflickt.


“Die (Unendlichkeiten) ſtoßen in ein ſchrecklich
Meer zuſammen,
“Und trennen dich in Stadien hinunter.
Brem. Ged. 18 S.


Stapfen, a. St. Fußſtapfen;

denn man koͤnnte
auch Handſtapfen ſagen. Bey der itzigen Um-
C c 2ſchmel-
[404]St
ſchmelzung der Sprache iſt man fuͤr nichts ſicher,
es ſey ſo wunderſam, als es wolle.


“Doch uͤberall wirſt du die Stapfen finden.
Brem. Ged. 24 S.


Wir finden ſie freylich vom H. J. H. Oeſt breit,
ſehr breit!


Stationen.

Dieſes war nur ein Kunſtwort der
Herren Hofmeiſter, wann ſie von freyer Station
ſprachen. Frey Licht, frey Zucker, Caffee
und Thee
war darunter begriffen. Was gehoͤ-
ret aber zu folgender?


“Nun auf! erinnere dich der Stationen,
“Worinnen Schoͤpfer u. Geſchoͤpfe ſtehen.
Brem. Ged. 14 S.


Noch eine Station!


“Noch unterſchiedner ſind die Stationen!
Wir wollen ſie ganz herſetzen.
“Wie? oder wenn du aſtronomiſch irrteſt,
(narrenhaͤuſiſch)
“Und ſchloͤſſeſt: itzund ſteht die volle Sonne;
“Bald haben wir der Sonne letztes Viertheil.
“Jch meyne:
jeder Kluge wuͤrde lachen,
“Und auch die Kinder wuͤrden dich belehren:
“Ein anders ſey der Mond u. unſre Sonne;
“Noch unterſchiedner ſind die Stationen!


Jch meyne: der Kerl waͤre aus dem Tollhauſe
entwiſchet, wenn er nicht gerade ſo klug, als Hr.
Oeſt
waͤre. Jſt das nicht narrenhaͤuſiſch?


Stralen.

So gar die Stralen pinſeln; oder be-
malen
unſere Leiber und Steiße. Warum brau-
che ich aber ſo oft das garſtige Wort Steiß? Dar-
um!
[405]St
um! 1. iſt mein Steiß ſo gut, als Hn. Bod-
mers Gebuhrtsglied;
2. giebt es Leſer, die
nicht eine Meſſerſpitze; ſondern eine ganze Hand
voll Salz der Spoͤttereyen haben wollen: und
mein Buch iſt nicht allein fuͤr Leute von feinem Ge-
ſchmacke; ſondern auch fuͤr eine etwas groͤbere Art
geſchrieben: z. E. fuͤr Bodmerianer!


“Jch ſehe ſchon den Glanz der Stralen,
“Die unſre Leiber dann bemalen,
“Wann Gottes Macht im Donner ſpricht.
Samml. Nicol. 114 S.


Doch vieleicht werden die Stralen von unſern Lei-
bern bemalet. Was fuͤr eine angenehme Verwir-
rung von Stralen, Glanz, Leiber, Donner:
heilige Woͤrter!
Weil wir einmal zu ſtraͤlen ha-
ben, wollen wir folgendes Stralen auch her-
ſtralen.


Stralen vor Freude;

da haben wirs, daß wir vor
Angſt
koͤnnen dunkel werden.


“Kaum vernahm dieß der Seraph: ſo ſtralt
er vor wallender Freude.


Jm ſtralenden Seher Klopſtock 142 S.


Stechen in die Luft ſind nicht Luftſtiche;

man brau-
chet es a. St. ſich in die Luft erheben.


“Laͤngen von Obelisken mit ſchlankem coni-
ſchen Koͤrper
Stechen hinauf in die Luft, und ſuchen den
Himmel der Wolken. Noah, 77 S.


So giebts noch viele Himmel, und iſt der Singer
ein Ptolomaͤer? Kann etwas ſchlank und zu-
gleich coniſch ſeyn?


C c 3Stim-
[406]St

Stimme klopfet.

“Und klopfteſt mit war-
nender Stimme
“An die Thuͤre der Bruſt. Noah, 169 S.


So klopfet ein ſtrafender Schulmeiſter mit war-
nender Stimme an die Thuͤre des Hintern.


Stimme eine ſprechen.

Eine ſchoͤne Stimme
ſprechen;
und eine boͤſe in donnernden Wet-
tern:


“Denn es war nicht mehr die Stimme des
Fluchs, die Stimme von Stuͤrmen
“Furchtbar verkuͤndigt, und in donnernden
Wettern geſprochen.
Offenb. St. Kl. 6 S.


Eine feine Sprache! eine ſaubere Stimme!
Dieſes war mit etwas Propheten verdicket.


Staub.

Wir haben erſtlich einen vornehmen und
geringen, und alsdann folgenden Staub zu be-
wundern. Sind dieſe Verſe nicht zwey Kanini-
chen!
die Naͤrrchen! wie ſie auf einander hu-
cken!


— “Die ſollen von mir ſich in Staub hin
“Niederlegen, ohnmaͤchtig ſich kruͤmmen, und
winden, und jammern;
“Wenn ſie ſich winden, u. kruͤmmen u. jam-
mern: ſo ſollen ſie ſterben.
Offenb. St. Klopſt. 41 S.


Gelehrte pflegen oft nach bloßen Empfindungen zu
urtheilen. Sie haben ein großes Vorbild geſe-
hen; ſie ſehen ein Nachbild; ſie vergleichen es mit
dem erſten; und nachdem ſie nun Aehnlichkeit da-
zwiſchen finden: ſo billigen, oder verwerfen ſie es.
Der
[407]St
Der Satz iſt richtig; nur mit den Folgen ſiehet es
unſicher aus. Denn, wie ein Maler, der nur
den Geſchmack des Vatto hat, wohl Alexan-
dern
nach vattoiſchem Geſchmacke malen wird;
ſo ziehet auch ein Dichter dem Meßias ein Gewand
von miltoniſchen Lappen geflicket an.


Strecken.

“Die Gegend ruͤhrt ein heilig Schroͤcken,
“Man ſieht die Haͤupter wartend ſtre-
cken. Samml. Nicol. 110 S.


Wir ſtellen uns hierbey Gaͤnſe vor, die die Haͤlſe
wegſtrecken,
wenn ſie durch ein Thor gehen.
Denn die Juͤnger ſtreckten die Haͤlſe ſo, als der
Heyland dem Sturme geboth. Fallen wir dabey
mit unſern Gedanken auf die langen Baͤrte der
Apoſteln: ſo bekommen wir von dieſem Strecken
der Koͤpfe mit hinunter hangenden Baͤrten

ein gar angenehmes Bild.


Strauchroß.

Herr Magiſter, Herr Pferde-
baͤndiger!
Was iſt das fuͤr ein Roß?


“Da —
“Rannte der geſchaͤftige Ludim auf ſeinem
Strauchroß darzwiſchen. Nimr. 510 S.


Zwo Seiten weiter hin treffen wir ein recht home-
riſches
Stuͤckchen an. Chapelain war auch ſehr
ſtark in der Beſchreibung der Wunden.


“Der Stich traf uͤbers Bruſtbein die ſchwam-
michten Lappen der Lunge.
Nimr. 512 S.


Etwas von der Anatomie in einem Heldengedichte
kann nicht ſchaden; es dienet vielmehr zur Erhe-
bung. Man glaubet, der Dichter ſey ein Mann
C c 4in
[408]St
in omniſcibili bewandert: hat er gleich nur
zween Froͤſche und ein paar Katzen zerſchnitten.


Strom;

ein bruͤderlicher Strom: was iſt das?
Wir machen uns manchmal das Vergnuͤgen, ein
Raͤthſelchen zu ſuchen. Folgendes haben wir die-
ſen Morgen gefunden, und bewundert.


“Ein anders Chor der Menſchen ſchwimmt im
Ehrgeiz. (wie Enten.)
“Der iſt der Gegenpart vom Trieb zu Schaͤtzen.
“Ein bruͤderlicher Strom von gleichem
Waſſer. Brem. Ged. 27 S.


Verſteheſt du auch, was du lieſeſt? Jn der That,
Herr Oeſt verdienet einen Platz untern philoſophi-
ſchen
Dichtern; ſo bald man Jacob Boͤhmen
zun Philoſophen zaͤhlen wird.


Strauch.

Wir ſind uͤber der Bewunderung des
wilden Schmuckes dieſes Strauches ganz wil-
de
geworden.


“Und den wohlriechenden Strauch des wil-
den Schmucks zu entlaſten.
Noah, 116 S.


Noch wilder wurden wir, als wir e. d. ein Fraͤu-
lein
ohne Maͤnnlein folgendes erzaͤhlen hoͤrten:


“Der ſie, (Engel) durch ſeinen Hauch, in ihr er-
ſteres Nichts blaͤſt;
“Aber ſie lieber der Ewigkeit giebt; der hieſch
mich dem Dunkel;
“Hieſch mich der Nacht, die nicht zeugt ꝛc.


Mit Erlaubniß, mein Fraͤulein! Das Dunkel
der Frau Mama wollen wir nicht antaſten; da
Sie aber doch ſo viel von Eheſachen einſehen: wer
hat
[409]St Su
hat ſie doch uͤberreden koͤnnen, daß die Nacht nicht
zeuge?
Werden die meiſten Kinder nicht in der
Nacht gemacht? Die folgenden Geiſter des gol-
denen Tages
bewundern wir herzlich.


Stumpf Ohr,

weil wir ja auch ſagen, ein ſcharfes
Ohr. Rath Bodmer
hat kein ſtumpfes;
denn er hoͤret Gras wachſen und Floͤhe huſten.


“O! ſo iſt nicht ſein Ohr ſo ſtumpf, daß er ſie
nicht hoͤre. Noah, 169 S.


Stock.

Jſt das nicht hoch, wenn der Herr Rath
die Tugend in den Stock werfen laͤßt?


‘“Auch ſie winſelt im Stock. —
Noah, 284 S.
()

Sturm beſegeln.

Ey! dieſen Sturm muͤſſen
wir beſegeln: es koſte Wams und Hoſen.


“Geh! ich halte dich nicht, und weine nicht
eitele Thraͤnen,
“Daß du am Porte ſchon ſtehſt, indem ich den
Sturm noch beſegle. Noah, 224 S.


Dazu werden wir uns des Herrn Rathes Luft-
ſchiff
ausbitten: denn auf einen groben Aſt gehoͤrt
ein grober Quaſt. Unſere Dichter ſitzen wie Ad-
diſons Cherub
auf den Wolken, und es koſtet ih-
nen gar nichts, Blitze zu ſtreuen, und Stuͤrme
zu hauchen:
es ſind recht ſtuͤrmende Maͤnner.


Suͤnde ſuͤndigen.

Es iſt nicht genug zu ſuͤndi-
gen;
man muß auch ſagen, was man ſuͤndi-
get; Suͤnden ſuͤndigen;
denn man koͤnnte auch
wohl Tugenden ſuͤndigen.


C c 5— “Vor
[410]Su

— “Vor ſeinem Geſichte
“Sah er die Suͤnden der Menſchen —
— ſo die ſchlimmere Nachwelt
Suͤndigen wird. —
Offenb. St. Klopſt. 72 S.


Jm Vorbeygehen moͤchte ich wohl wiſſen, wie man
das beweiſen kann; daß die Nachwelt ſchlimmer
ſey. Unſere Voraͤltern waren Menſchen; wir
ſind es auch; meines Wiſſens werden es unſere
Kinder auch ſeyn. Da ſind nun Menſchen viel zu
ehrgeizig, als daß ſie andern den Vorzug ſo gar im
Boͤſen laſſen wuͤrden. Nein! Nein! die Welt
war, wie ein Menſch, immer einerley.


Suͤndfluth.

Wir bewundern folgende Nachah-
mung
der Suͤndfluth: zum wenigſten ſchwim-
met darinnen alles eben ſo ordentlich, als im
Noah unter einander.


— — “wohl hat man in dem Kleinen
“Eine Nachahmung geſehen; als Veſuvens
Mauern von Rauche,
“Undurchſichtigen Dampf mit Waſſerkruͤ-
gen umwunden,

“Ueber den Tempeln der marmornen Hera-
clea gewoͤlbet.
“Eine Nacht hing uͤber der andern an eher-
nen Ketten. Noah, 251 S.


Das iſt recht koͤrperlich und unkoͤrperlich Zeug
ſinnreich durch einander gewebet; und mit Miſch-
maſch und Wirrwarre durchſtuͤcket. Die Waſ-
ſerkruͤge
unter andern, wo haben Sie die her,
Herr
[411]Sy
Herr Rath? Fuͤrchten Sie ſich nicht vor den
Scherbeln?


Symphonie.

Hier iſt eine ganz vortreffliche!


— “Das ganze Gebirge
“Ward muſikaliſch; die Symphonie ſaß
den flaternden Weſten
Auf die Schultern, und hutſchte ſich zum
Weihrauch der Bluͤthe. Noah, 132 S.


Das war wohl etwas unhoͤflich fuͤr ein ſo artiges
Ding, als die Symphonie iſt; allein der Weſt
kanns ihr auch nicht uͤbel nehmen: denn ſie muß
riechen.


Syſtematiſcher Geſang;

folglich auch ein proble-
matiſcher
und verworrener Geſang.


“Ein Heer verworrener Jdeen, die das be-
draͤngte Haupt kaum faßt,
“Von keiner Kunſt noch klug vereint,
“Erheben ſich aus meiner Seele, zum ſyſtema-
tiſchen Geſang:

“Wie aus dem dunkeln wuͤſten Chaos der Ele-
menten Heer entſprang.
Brem. Ged. 93 S.


Das iſt wahr! das iſt wahr! Wir frohlocken im-
mer, wenn wir eine ſo leichte Art des Lobes an-
bringen koͤnnen. Denn die ſchoͤnſten Redensarten
unſerer heiligen Neologiſten gleichen einem Buͤn-
del Diſteln, das man von keiner Seite, ohne ſich
zu verletzen, angreifen kann. Und da ſie ſo liſtig
geweſen ſind, lauter heilige Materien zu ihrem
Stoffe genommen zu haben: ſo muͤſſen wir gar oft
das dem Stoffe ſchenken, was wir am Zuſchnitte
zu
[412]Ta
zu erheben finden; oder das dem Manne verge-
ben, was ſein Kleid verſehen hat. So halten
Schmaͤuchler, nur umgekehrt! das einem ver-
braͤmten Kleide zu gut, was ſie dem nackenden
Spoͤtter hoch wuͤrden angerechnet haben.


T.


Tage,

die ſich in Monathe faͤdeln, oder reihen.


“Mengen unwuͤnſchbarer Tage, die ſich in
Monathe reihten,

“Jmmerfort auf der Fluth in enge Kaſten ge-
fangen. Noah, 337 S.


Wir nennen dieſes den Meiſekaſten; worinnen
man die Tage faͤngt. Tage mit Bley am Fuße
ſind langſame Tage. Das iſt natuͤrlich! Wer
Bley am Fuße hat, kann nicht ſehnell laufen.
Der Herr Rath haben daher wohl gethan, den
Tagen Bley anzuhaͤngen.


‘“Tage mit Bley am Fuß, in lange Reyhen
verknuͤpfet. Noah, 390 S.
()

Tanz.

Ach! was fuͤr ein trefflicher Tanzmeiſter
der Herr Magiſter nicht iſt! Nun neune man mir
noch einmal die gelehrten Pedanten!


“Sie ſchlaͤngelten; ſchwankten und rungen;
ſie hinkten, huͤpften und ſpielten
“Mit Koͤpfen, Augen und Haͤnden, mit den
gelenkſamen Fuͤßen. Nimr. 52 S.


Waͤre noch mehr wackelnd an ihrem Leibe gewe-
ſen: es haͤtte auch gewackelt! Wie die ſtarklei-
bichten Damen
nicht wackeln! Warum zogen
ſie
[413]Ta
ſie nicht Schnuͤrleiber an? Wer ſich etwas leb-
haft vorſtellen kann: der denke ſich einmal einen
ſolchen Tanz! So wie ſich Harlekin dennoch am
Segen in der biſchoͤflichen Tracht verrieth: ſo
verraͤth ſich der Hr. Magiſter auch am Wackeln.
Wir moͤchten den Hn. wohl einmal tanzen ſehen.
Gehen die Verſe auch nicht recht zu Tanze? Hier-
auf folget ein ſchoͤn Soldaten- und Jaͤgerballet.
Jm obigen Tanze trug Tirza ein Lamm unterm
Arme. Wo das nun in der Angſt was verlohren
hat? Wie werden dann die Damen nicht auf
Schaafmiſte getanzet haben!


Taub.

Jn den alten Poſtillen leſen wir, daß der
Heyland einen Tauben geheilet habe. Unſere hei-
ligen Redner, die eben ſo zahlreich, als die Poſtil-
lenſchreiber, werden, unterſcheiden ſich in ihrer
Schreibart himmelweit von der Einfalt der Alten.
Es iſt ihre Schuldigkeit, und die gelehrte Welt hat
den groͤßten Nutzen davon. Man nehme die Re-
densart: der Heyland hat einen Tauben geheilet,
und halte folgendes Bluͤmchen dagegen:


“Der Heyland heilete einen Menſchen,
“deſſen beyde an dem Haupte ſonſt
“kuͤnſtlich geoͤffnete Gaͤnge, deren wir uns
“bedienen, den uns von der Luft zugetra-
“genen Schall zu ſammlen, zu verneh-
“men, und zu unterſcheiden, von ſeiner
“Gebuhrt an verſtopfet waren.”
()

Jch bekenne es, daß ich nicht eben taͤglich ſo gluͤck-
lich bin, ſolche herrliche Beſchreibungen auszuſpaͤ-
hen. Das Kerniche, Volle, Schoͤne, und das
Uner-
[414]Ta
Unerwartete wird man leicht ohne meine Anwei-
ſung entdecken. Nach ſolchen vollen, maleriſchen
und aͤſthetiſchen Muſtern muß ein junger Redner
ſeine Geſchicklichkeit auszubilden ſuchen. Die
Schriften des Herrn B = = von A = =, S = =,
und H = =
werden ihm Gelegenheit zur Nachah-
mung geben. Die Dichter der bibliſchen Epo-
poͤen
ſind auch nicht zu verachten. Jch empfehle
allen meinen Leſern die Gedichte des Herrn Bod-
mers,
fuͤrnehmlich ſeinen unvergleichlichen Noah.
Man kann ſeine Schriften
ohne Schmaͤucheley
den beſten Ausſpruͤchen der heydniſchen Orakel
an die Seite ſetzen.
Ein neuangehender Kanzel-
redner muß ſie etlichemal geleſen haben. Noah
erinnert mich einer Parallelſtelle, ſie handelt von
einem Menſchen,
Dem der Erkenntniß Thor von ſeiner Ge-
buhrt an geſperrt ſtand. Noah, Bl. 96.


Ein allerliebſter Hexameter! der weiter nichts
ſagen will, als dieſes: Er war blind gebohren
worden. Man verſuche es, und leſe auch den
Hermann; man wird keine Seltenheiten von die-
ſem Gepraͤge darinne antreffen. Es leben die
Hexameter!


Tauſendſtimmichter Sturmwind.

Ein Sturm-
wind
hat alſo 1000 Stimmen; ein Zephir
kaum ein Stimmchen. Allein macht denn eine
Stimme Wind? Was nun eine nicht macht,
koͤnnen auch nicht tauſend machen; da jede der
tauſend eine Stimme iſt.


— — “Jhm kam in ſein Antlitz
“Durch
[415]Te Th
“Durch die Himmel —
“Ein tauſendſtimmichter Sturmwind ent-
gegen. Off. St. Kl. 160 S.


Temperamente.

Hat man je von Temperamen-
ten in der Religion
gehoͤret?


Laß, ehrwuͤrdiger Gott! mich itzund ein Herze
Voll der tiefeſten Demuth vor dir ausſchuͤtten:
Aber auch unerſchrockene Gedanken eroͤffnen
Mit einem die Natur beſiegenden Gemuͤthe,
Welches dich, Vater! nennt.
Das von dir in die irdiſche Form mit Groß-
muth herabkam,
Nun auf der Bahn erhabner Religion dir wie-
der zueilt,
Großmuͤthig, wie die unumſchraͤnkteren Seelen
Scheu und zitternd ſich zu dir nahn.
Das macht Temperamente in der Reli-
gion. Brem. Ged. 119 S.


Dieſe irdiſche Form iſt Oeſt.


That;

eine laute That; alſo eine ſtumme That.


— — “Er ſelber hat das Verderben
“Ueber ſein Haupt gerufen! durch laute Tha-
ten des Schickſals. Off. St. Kl. 140 S.


Thaten.

Es ſind erhabne Thaten an der Ge-
buhrt:
Wir dachten ſchon an der Gebaͤhrmutter.


“Noahs Soͤhne, die damals im mittlern Pa-
radieß gingen,
“Sahn das fliegende Schiff, und erriethen
nicht, was es ſeyn koͤnnte.
“Jtzt ſtands hoch an dem Rand’ des Bergs;
erhabne Thaten
Waren
[416]Tr Th
Waren ſchon an der Gebuhrt. —
Noah, 159 S.


Der Baumeiſter dieſes Luftſchiffes war der Teu-
fel
und Bodmer.


Traubengebirg,

a. St. Weinberg; folglich
Pflaumengebirg.


‘Und dich, o Herbſt! auf Traubengebir-
gen. — Meßiade, 27 S.
()

Traͤublicher,

oder apfelichter Herbſt: alles einer-
ley! ein Herbſt naͤmlich, wo Wein und Obſt gut
geraͤth.

— “Da glaͤnzend
“Felder mit goldener Ernt’ einladen, und
traͤublichem Herbſte. Noah, 53 S.


Wann eine goldene Ernte bey Jhnen ſeyn wird:
ſo wollen wir auch hinkommen; und unſer Woͤr-
terbuch
vor Dero Augen vermehren.


Traubengelaͤnder ſind nicht Gelaͤnder von Trau-
ben; ſondern Gelaͤnder, woran Wein gezogen iſt.


“Jene mit hohen Traubengelaͤndern umhan-
gene Huͤgel. Off. St. Kl. 95 S.


Traͤufeln; ein Boden traͤufelt.

Von unten her-
auf? Das iſt fein! ſehr fein!


“Unter den Ferſen ſtieg aus dem traͤufelnden
Boden ein Nebel. Noah, 33 S.


Thraͤnen haben Geſchlechter;

weibliche und
maͤnnliche.


“Und entkuͤßten die maͤnnliche Thraͤne dem
Auge der Vaͤter. Off. St. Kl. 164 S.


So kuͤſſen unſere Bruͤder, die vollkommenen
Menſchen,
die nicht ſterben. Allein, mit Erlaub-
niß! wird ihnen ihre Erde nicht zu enge?


Thau-
[417]Th

Thauend.

Jſt das nicht eine ſchoͤne Kniebeugung
von einer Scene?


“Anmuthsvoll buͤckte ſich vor dem Geſicht die
thauende Scene,
“Und zerfloß auf die untengelegne Felder ſanft-
ſchmelzend. Noah, 410 S.


Thronen Erſtgebohrner iſt freylich Eloa:

allein
ſchlafen denn die Thronen bey einander? Die
Thronen ſind vornehme Engel; das weis ich:
Erſtgebohrne ſind Kinder; das wiſſen wir auch:
wo alſo Eloa der Thronen Erſtgebohrner iſt:
ſo ſchlafen ſie bey einander?


— “Drauf kamen ihm der Thronen
Erſtgebohrner, ihn feyrlich vor Gott zu fuͤh-
ren, entgegen.
“Gott nennet ihn ſeinen Geliebten; der Him-
mel: Eloa. — Off. St. Kl. 14 S.


Dieſe Thronen ſteigen von ihren Stuͤhlen. Ey!
Ey! Rath Bodmer! und Prophet Klopſtock!
haben Sie eine neue Logik? Das iſt ja ein Wider-
ſpruch! Ein Thron iſt ja ein Stuhl: wie kann
doch ein Stuhl vom Stuhle ſteigen?


‘“Unterdeß waren die Thronen von ihren Si-
tzen geſtiegen. e.d. 21 S.
()

Thuͤrme

erſchuͤttern das Prieſterthum. Sonſt
wurden Thuͤrme erſchuͤttert; aber alles veraͤn-
dert ſich.


— “Ja! dieß Prieſterthum
“Das in der langen Gefangenſchaft ſelbſt ba-
byloniſche Thuͤrme,

D d“Das
[418]Th To
“Das im Sturme der Waffen die ſchreckli-
chen ſieben Huͤgel
“Nicht zu erſchuͤttern vermocht.
Offenb. St. Kl. 104 S.


Man ſollte glauben, der Tempel habe in Rom
geſtanden. So ſtuͤrmen auch Waffen?


Noch ein ſonderbarer Thurm, der da vom maͤnn-
lichen Tritte beſtiegen
wird.


— “er ging mit dem maͤnnlichen Tritte,
“Welcher nur juͤngſt den Thurm der Mit-
tagshoͤhe beſtiegen. Noah, 12 S.


So hat die Mittagshoͤhe einen Thurm? Wie
alt iſt man da, wenn unſer maͤnnlicher Tritt ihn
beſtiegen hat? Alt genug; nur nicht klug genug!


Tod.

Lieber Leſer! biſt du gleich noch ſo liſtig: ſo
ſollſt du doch nicht errathen, was der Tod nach
der klopſtockiſchen Theologie iſt.
Jener Stuͤm-
per antwortete bey der Pruͤfung dem Superinten-
denten
auf die Frage: quid eſt mors?E. H.
ſo weit habe ich es noch nicht gebracht! Es
koͤnnte leicht ſeyn, daß du es auch nicht ſo weit
gebracht haͤtteſt, wenn du auch gleich Profeſſor
waͤreſt. Quid eſt mors? - Des muͤden
Wanderers Schlaf!
Recht! denn alle Wan-
derer ſterben, wann ſie muͤde ſind.


— “Komm! Ruhe vom Elend!
Tod! des muͤden Wanderers Schlaf!
und erbarme dich meiner!
Off. St. Kl. 145 S.


Der Tod iſt ein allerliebſtes Ding; niemals aber
gefaͤllt er mir beſſer; als wenn er eine Maske vor-
nimmt
[419]To
nimmt und einen Domino anziehet; denn als-
dann wird er ein gar angenehmer Geſellſchafter.


“Balſamiere mich nicht! es fodern dich andre
Geſchaͤfte;
“Laͤnger nur traͤgt balſamiert der Leib die
Maske des Todes. Noah, 227 S.


Wir haben ſchon oben einen Tod von den Waf-
fen Abirams gerochen;
unſere Naſe iſt fein,
und ſpuͤret folgenden Geruch des Todes noch
aus. Denn dieſer Tod, oder der Geruch des
Todes, wehet liebliche Duͤfte zun Naſen der
Lebendigen, die, ich weis nicht: ſinds die
Naſen, oder die Lebendigen? mit Gott ein-
herwandeln.


“Ob ihr der Schmerz gleich vorher verkuͤndigt
war, und verkuͤndigt
“Schon das Herz ihr geklemmt: ſo ergriff ſie
itzt nicht ſanfter,
“Als waͤr’ er unverwarnt dem zaͤrtlichen Her-
zen gekommen.
“Alle gehn dann den Leichnam zum letzten male
zu gruͤßen,
“Und den Geruch des Todes zu riechen, der
liebliche Duͤfte
“Zu den Naſen der Lebenden weht, die mit
Gott einherwandeln. Noah, 233 S.


Die Leichen vor der Suͤndfluth muͤſſen ſehr ſchoͤn
geſtunken
haben. Wie er nicht greifet, der
Tod!
Und welch ein Gruß! Unverwarnt:
Wie das ſo ſchoͤn iſt!
Ja noch mehr! Die heili-
gen Maͤnner
lehren uns im Leben ſterben, da ſie
D d 2uns
[420]To
uns mit dem Tode ſo bekannt machen. Wir ler-
nen weiter: daß der Leib eine Baßgeige iſt, de-
ren Saiten die Nerven ſind. Dann und wann
ſpielet der Tod darauf; man kann leicht denken,
was das fuͤr ein trefflicher Geigeniſt iſt. Er iſt
der Capellmeiſter, und die Krankheiten ſind die
Spielleute.


“Noch erſchien in Siphas Geſtalt kein Herold
des Todes,
“Keine Krankheit; nicht einer von ſeinen
warnenden Bothen,
“Die an den Nerven reißen, den zarten Sai-
ten des Lebens. Noah, 228 S.


Die Krankheiten ſind noch duͤmmer; ſie ſehen uns
fuͤr eine Stahlharfe an. Gelt, mein Leſer! du
jaͤhneſt? Noch eine Meſſerſpitze Tod!


Tod, das entſetzliche Wort, zog mit ſieben-
faͤltgen Schatten
“Ueber mir auf. Noah.


Lieber dreyzehnfaͤltig!


Tod — — —
Pfoͤrtner, der uns das Thor des ewigen Lich-
tes entfaltet. Noah, 120 S.


Ein feiner Thorwaͤrter! Wie die Schluͤſſel nicht
an ſeinen Knochen klappern! Noch eins! Der
Tod macht uns zu Sommervoͤgeln und Zwey-
faltern.


“Denn der Tod ſchlaͤgt uns von den Ferſen
das irdiſche Bley ab,
“Daß wir die Fluͤgel daran entfalten und
Himmel auf fliegen,
“Ge-
[421]To
“Gegen welchen die Auen des Paradieſes nur
Nacht ſind. Noah, 121 S.


Da ſchwaͤrmen wir denn auf den aͤtheriſchen
Auen
herum; ſetzen uns mit den aͤtheriſchen
Maykaͤfern
auf die Blumen und aͤtheriſche Graͤ-
ſelein;
und flatern und huͤpfen.


“Sipha verehrte die Macht, die ſo ſanft ſein
Liebſtes gepfluͤckt.


Denn ſie war eine hundertjaͤhrige Roſe; und
gehoͤrte zum himmliſchen Strauße. Wir muͤſ-
ſen den Artikel beſchlieſſen, wie wir ihn angefan-
gen, und unſern Stuͤmper nun fragen: quid
eſt mors?


‘“Gottes unſterblich Werk verthun; wo-
ferne das Tod heißt? Noah, 180 S.
()

Wenn ich alſo mein Geld verthan habe: ſo iſt mein
Beutel geſtorben.


Ton.

Klang und Laut haben wir beſonders be-
wundert: Ton wuͤrde boͤſe werden, wenn wir ihm
nicht auch Gerechtigkeit wiederfahren lieſſen.


— — “ein goldner feſtlicher Ton floß
“Laut
mit langgedaͤhnetem Zug aus dem hoh-
len Metalle. Noah, 241 S.
“Da den Goldklang die Frau und Kinder
Noahs vernahmen,
“Fuͤhlten ſie ihre Seelen ſich auf den ſchwel-
lenden Toͤnen

“Hoch gen Himmel erheben mit heiligen Flam-
men befluͤgelt. e. d.


Die Seelen huͤpften auf die ſchwellenden Toͤne
und flaterten weiter. Wir muͤſſen auch ein
D d 3Soͤhn-
[422]To Tr
Soͤhnchen von dem lieben Tone haben, und finden
den Augenblick


Tonreiche Namen, a. St. wohlklingende:

ein
Namen giebt alſo Toͤne.


— — “dann wuͤrde der tonreiche Namen,
“Mutter des Menſchengeſchlechts, und Mutter
der lebenden Weſen — e. d. 184 S.


Traͤufelnder Staub.

Wie oben geſagt: Waſſer
ſtaͤubt,
und Staub ſpruͤtzt. Jſt das der Regen-
bogen?


“Oder ſind ihre Farben (der Maͤgdchen) ver-
ſchiedner und feiner vertheilet,
“Als der traͤufelnde Staub, der die Sonnen-
ſtralen gebrochen? Noah, 91 S.


Freylich! Ein Maͤgdchen daͤucht uns immer ſchoͤ-
ner, als ein Regenbogen; erſtlich hat es oft ei-
nen Regenbogen auf ſich, wann ſie bunt gekleidet
iſt; und dann iſt ſie auch ohne den Bogen etwas
Wirkliches. Auch im Meßias triefet ein Thal.
95 S.


Traͤnken.

So traͤnket Zernitz die Zuͤnfte:


‘“Hier wird man oft mit Schimpf nothwend-
ge Zuͤnfte traͤnken. Zernitz, 81 S.
()

D. h. einen Schneider einen Bock nennen.


Traum.

Unſere lieben Alten hatten ein gut Mittel
zu traͤumen:


“Und nicht vom ſuͤßen Traum verdruͤßlich zu
erwachen:
Glaubt’ unſre Vorderwelt Geſpenſter,
Alp und Drachen. Zernitz, 12 S.


Wir hielten das Gegentheil bisher fuͤr beſſer;
haben
[423]Tr
haben aber doch noch ein bequemer Mittel gut
zu traͤumen: Lies die Epopoͤendichter und unſer
Woͤrterbuch!


Trenſcheen.

Dieſe eroͤffnet der Herr Magiſter
im Nimrod, 403 S.


“Laufgraben macht’ ich gedoppelt; Tren-
ſcheen von innen und auſſen.


Treſore, oder Schenktiſche.


— “vorm Speiſeſaal ſtunden Threſore,
“Credenztiſche,
Tafelgeraͤthe —
Nimrod, 103 S.


Credenztiſche zu Nimrods Zeiten! Ha! Ha! Ha!
Jn der laͤcherlichen Schreibart ſind der Herr Ma-
giſter
ſehr ſtark. Der Herr Hofnarr, Haba-
cuc,
purzelt auch hier. Und wir wundern uns,
daß die Narren aus Nimrods Zeiten mit un-
ſern ſo viel Aehnlichkeit haben. Auch Porcellan
iſt hier, und Nimrod ſpeiſet, wie Ludwig der
XIV. Unſere Hauptſorge muß demnach ſeyn, auch
die Hofnarren unſerer Helden zu beſchreiben; kein
Zotchen zu vergeſſen; ja durch dergleichen Male-
reyen eine loͤbliche Weitlaͤuftigkeit zu erhalten.
Wir muͤſſen nicht allein das Geſicht einer Schoͤ-
nen; ſondern auch ihren Steiß malen; d. i. alle
moͤgliche Bilder von allen moͤglichen Seiten zu zei-
gen. Denn die Wahl, und eine aͤngſtliche Unter-
ſcheidung iſt pedantiſch; ſie martern nicht allein
den Witz; ſie ſchraͤnken nicht allein die poetiſche
Wuth ein, wodurch ſo manche ſchoͤne Beſchreibung
verlohren gehet; ſondern machen auch noch die Buͤ-
cher kleiner, welches fuͤr einen Dichter oft von ge-
D d 4faͤhrli-
[424]Tr Tu
faͤhrlicher Folge iſt. Ja, wir trauten uns auf
unſere Kapelle die 24 Buͤcher des Nimrods auf
ein halbes, ja noch weniger zu bringen.


Tritt druͤcken, a. St. ſtehen.


Seit dem die Arche den feſten Tritt auf Ararat
druͤckte. Noah, 371 S.


Denn die Arche hatte Beine.


Tropfen, a. St. traͤufen; folglich, ich tropfe,
du tropfteſt, er tropfte.


“Mit dem Arme, der von dem Blute der Un-
ſchuld noch tropfte. Noah, 57 S.


Truͤmmer modernde der Vorwelt beſingen.
Seher Klopſtock
thut zwar den alten Helden
viel Ehre an, daß er ſie fuͤr die Truͤmmer der
Welt
haͤlt; er aber haͤlt ſich fuͤr einen Freund
Eloas:


“O! ſo hoͤr’ ihn, Eloa! wenn er, wie die
himmliſche Jugend,
“Kuͤhn u. erhaben, nicht modernde Truͤm-
mer der Vorwelt beſinget. Meß. 25 S.


So ſinget er denn, wie die Engelchen.


Tuͤmpfel des Krieges.

Ey! Ey! Das iſt ein
Tuͤmpfel des Verſtandes.


“So fraß in dem Tuͤmpfel des Kriegs der wuͤ-
thende Spieß des Aradi. Nimr. 652 S.


Tumm.

Vor dieſem glaubte man: das Ungluͤck
mache klug. Allein Se. Gnaden ſind vom Un-
gluͤck tumm getroffen worden. Denn ſo ſagen
Sie: erſtlich ſind Sie taub, und dann tumm.


“Mein Sinn zur Freude taub, von Ungluͤck
tumm getroffen. Haller, 143 S.


Ein
[425]Ue Um

Ein ſeltenes Geſtaͤndniß, welches ein Dichter ſo ſel-
ten, als ein Maͤgdchen, daß ſie nicht ſchoͤn ſey,
oͤffentlich abzulegen pfleget. Wir verwundern
uns daruͤber; und wuͤrden glauben, dieſer Vers
ſey in der Hoͤhle des Trophonius geſchrieben
worden; wuͤßten wir nicht gewiß, daß wir Se.
Gn.
erſt itzt hineingeſperret haͤtten.


U.


Ue.

Dieſe Sylbe iſt eigentlich ordentlich abgedanket;
der ſtolze Herr von Y hat ſie verdrungen. Nir-
gends haben wir dieſen jungen Herrn und Stutzer
verwegener gefunden, als hier. Ein keuſches
Maͤgdchen beſchreibet die Gefahr des Umganges
mit Mannsbildern.


‘“O! ein wildes verheerendes Ybel mit
ſturme bewaffnet
Sitzet in ſeinem arm! u. iſt zum verder-
ben geryſtet. Jac. u. Joſ. 10 S.
()

Ein Schalk ſprach: es ſaͤße gar anderswo, das
Ybel, als im Arme; allein, man kehre ſich an
die Spoͤtter nicht: verſpotten ſie nicht die Offenb.
St. Klopſtocks?


Ueberlieferung, a. St. Sage;

auch dieſes Wort
haͤtte im neologiſchen Fache bleiben ſollen.


Umfließen.

Das Sylbelein um mit einem Zeit-
worte,
iſt wie eine rothe Tinctur, die auch Waſ-
ſer faͤrbet.


D d 5— “Ge-
[426]Um

— — “Gelindre Luͤfte,
“Gleich dem Saͤuſeln der Gegenwart Got-
tes, umfloſſen ſein Antlitz. Offenb. 5 S.


Wir wollen ſo gleich ſagen, was dieſes umflieſſen
ſey: ſo bald wir das Saͤuſeln der Gegenwart
Gottes werden auf unſerm Geſichte empfunden
haben.


Umformen.

Hier haben wir ein ſicheres Mittel,
das Ganze zu umformen.


“Und wenn es ſich nicht zu dem Ganzen paſſet:
“So nimmſt du Meiſel, Hobel, Beil u. Sage,
“Machſt Fugen, Ecken, Ebnen, Loͤcher, Riſſe,
“Und formſt das Ganze um nach ſeinem Theile.


So gehts an! So machet ein jeder Dichter ſein
Weltchen, wie ein Metaphiſiker: Chacqu’un à
ſa Guiſe.


“Erſt Thaͤler, Huͤgel, Damm, u. endlich Berge;
“Erſt Wurzel, ferner Stamm, u. endlich Zweige.
Brem. Ged. 4 u. 5 S.


Man leſe das ganze Kunſtſtuͤck; und will ſichs nicht
paſſen:


‘“So nimmſt du Meiſel, Hobel, Beil u. Sage ꝛc.’ ()

Umgang.

Sonſt hielten Pfaffen und Geſpenſter
nur Umgaͤnge: nun aber auch die Jahre.


‘“Aber zuvor wird der Umgang von man-
chem Jahrhundert ſich ſchlieſſen.
Jac. u. Joſ. 60 S.
()

Umglaͤnzen.

Wir wußten nicht, daß uns Freu-
den umglaͤnzten,
wenn wir freudig wurden.


‘“Jhrer Kinder Gemuͤth ward von denen Freu-
den umglaͤnzet. Noah, 187 S.
()

Umhau-
[427]Um Un

Umhauben den Kopf mit Eiſen, a. St. den Helm
aufſetzen.


— “Er legte ſein ſchuppichtes Erz an;
Umhaubte mit Eiſen den Kopf. —
Nimrod, 492 S.


So umledern wir die Hand, wann wir uns
Handſchuh anziehen. Ahme nach, lieber Leſer!
Ahme nach! Durch fleißiges Nachahmen uͤbertrifft
man ſein Vorbild.


“Kannſt du kein Klopſtock ſeyn; kein wuͤſter
Bodmer werden:
“O! es iſt Raum genug vom Wieland bis
zur Erden.


Umgegoßner Geiſt.

Wir bewundern den Schmelz-
tiegel,
in dem Se. Unſterblichkeit die Geiſter
umgießen.
Mit Erlaubniß! Was brauchen
Sie fuͤr Kohlen?


“Vieleicht, daß dermaleinſt, die Wahrheit, die
ihn peinigt,
“Den umgegoßnen Geiſt, durch lange Qualen
reinigt. Haller, 114 S.


Wir nennen dieſes das dichteriſche Fegefeuer.


Unbill:

ein allerliebſtes Wort! Wir ſind noch nicht
ſo weit, es zu verſtehen; mit Verſchuß gehet es
uns auch ſo.


“Noch Unbill, noch Verſchuß, kann vom All-
weiſen kommen; Haller 116 S.


Nein! von Gott nicht! Vom Herrn Amman
wohl!


Und

ſetzte ſonſt Hans Sachs vor den Abſchnitt;
nun thun es Se. Gnaden:


“Gerech-
[428]Un

“Gerechtigkeit, Gnad’ und
“Der Arm der Gottheit ruht. Haller 102 S.


Nicht anders als:

Der Jaͤger und ſein Hund,

Die jagten beyde: und

Sie hatten ihn faſt; aber

Der Haſ’ lief in den Haber.

Unding.

Rath Bodmer malt die Teufel ſchon
oben ſo dumm, daß ſie ein Ewignothwendiges
uͤber Gott
verehren. Seher Klopſtock ſchil-
dert ſie noch duͤmmer: indem ſie bey ihm gar ein
Unding verehren.


— “Hier ehret die Hoͤlle,
“Die dich, Jehovah! verwarf, ein ewiges un-
endliches Unding.
Off. St. Klopſt. 47 S.


Waren die Maͤler denn ſchon ausgeheilet, die ih-
nen nach Miltonen der Donner auf die Stirne ge-
zeichnet hatte? Es iſt ein Wunder, denn ſonſt ſind
ſie bey Klopſtocken immer kluͤger, als die En-
gel.


Unempfindbar.

Ein maͤchtig neologiſches Wort!
Sprechet es aus: ſo ſtehet ein Gedank dar.


Unerſchaffen.

Jtzt ſingen die Dichter ſchon, wenn
ſie noch nicht erſchaffen ſind.


“Dann ſingt die heilige Bruſt im unerſchaff-
nen Chor
“Des ewgen Schoͤpfers Ruhm in ewgen Liedern vor.
Samml. Nicol. 149 S.


Unhold:

das klingt hexenmaͤßig! Der Tag iſt
nach dem Hn. Magiſter der Nacht unhold.


“Die
[429]Un

“Die Nacht, die Traͤumerin, war von der guͤl-
denhaarichten Sonne,
“Vor ihrem Unhold, dem Tage, ins Reich der
Schatten entwichen. Nimrod, 488 S.


Gelt! Hr. Magiſter! das iſt homeriſch!
Schimpfen ſie doch den armen Tag nicht ſo, dem
wir beyde ſo viel zu danken haben; Sie, den
Nimrod; ich, das Woͤrterbuch, das Sie
und mich verewiget. Oder haben Sie etwan den
Nimrod nur bey Nachte gemacht? Es koͤnnte
wohl ſeyn: denn es iſt finſter genug darinnen.
Noch eins von guͤldenhaaricht: koͤmmt das nicht
von den meißniſchen Guͤlden?


Unruhe.

Wir haben ſchon oben die Furcht des Hn.
Magiſters
betrachtet; hier iſt ſeine Unruhe, die
wir im Jaͤger Nimrod Beute gemacht haben.


— “Da ward die tiefaͤugichte Unruh
“Mit todtfarbnen, ſchwarzblauen Lippen, mit
eingekrochnen Wangen
“Seine vertraute Gefaͤhrtin. Dieß ſchlimm-
haͤlſicht, kahlkoͤpfichte Weibsbild
Umgab Nimrods runzlichte Stirn im
Schwarm herzfreſſender Sorgen.
Nimrod, 11 S.


Sollte uns jemals ein ſolches Unthier unſere
Stirne umgeben: ſo wuͤrde uns gewiß uͤbel wer-
den; und ich zweifle, ob ſich der Herr Magiſter
nicht wuͤrde brechen muͤſſen.


Unnatuͤrliches.

Hier iſt davon ein ſehr natuͤrlicher
Ausdruck.


“Doch
[430]Un

“Doch Unnatuͤrliches, wie ſchwer mans oft
erkennt:
“Weit ſchwerer wird dennoch Natur von Kunſt
getrennt. Zernitz, 7 S.


Sind die Woͤrter nur deutſch: ſo darf die Fuͤgung
nicht deutſch ſeyn.


Unmuͤndig Kind der Ewigkeiten.

Hat die Ewig-
keit auch Kinder? Das iſt ja eine Luſt! mit allen
Kindern!


Unmuͤndig Kind der Ewigkeiten! Noch un-
muͤndig! Was faͤngſt du an?
Brem. Ged. 48 S.


Untermengt.


Allein iſt Witz u. Kunſt vertheilet und vermengt,
Daß mancherley Geſchmack an manchen Fuͤhrer
haͤngt:


So richtet ſich der Zweck des Meiſters nach den
Kunden. Brem. Ged. Vorr.


Um dieſes zu verſtehen, maͤnge man Haͤckerling und
Haber unter einander; der Haͤckerling wird haͤn-
gen bleiben. Kunden wuͤrde Swift zur Poͤbel-
figur
rechnen; allein das war ein Spoͤtter: und
wir ſchreiben nicht, um verſpottet zu werden.


Unverkürztes geſicht

iſt nicht ein Geſicht, dem das
Kinn oder die Stirne nicht fehlet. Was denn?
Was folget!


‘— und ſchaute
“Benjamin nach mit unverkürztem ge-
ſichte. Jac. u. Joſ. 37 S.
()

Unterfreſſen.

Wir ſind ein Lexicograph; ein ſol-
ches Geſchoͤpf iſt ſchuldig, die ſchoͤnſten Redensar-
ten
[431]Un
ten auszuſuchen; wir thun es; und finden zugleich
das Maul des Geſtelles zu bewundern.


‘“Pfeiler — glitſchen
“Unterfreſſen von ihrem Geſtell. —
Noah, 293 S.
()

Unwirthbar.

Wohlan! Wieder ein Diebſtahl!
Ey! wie wird doch Lohenſtein nicht gepluͤndert:
Hier ein Bluͤmchen; dort ein Steinchen: bis er
ganz ins Schweizeriſche wird uͤberſetzet ſeyn.
Denn ſo ſagt Thamar:


“Mir iſt kein Ort unwirthbar
Noah, 194 S.


Wer bewirthet hier? das Fraͤulein den Ort?
oder der Ort das Fraͤulein? Und ſo ſagt Lohen-
ſtein im Jbrahim:


“Fuͤr des unwirthbarn Meeres Mund
“Der Donau ſuͤße Lipp’, u. gruͤne Fluth zu
kuͤſſen.


Pfuy! das ſchmecket garſtig. Das gruͤne Zeug
zu kuͤſſen! Das nennen wir Lohenſteiniſiren;
und es geſchiehet oft, daß das, was man in der
Jugend verworfen, im Alter geliebt wird. Denn
z. E. ſo lobten wir nichts weniger, als den Herrn
von Lohenſtein,
als wir die Sitten maleten;
nun aber ahmen wir ihm nach, da wir den Noah
verheutigen.


Umſetzung.

Man ſagt: in der Welt gehen taͤglich
Veraͤnderungen vor. Schlecht gegeben! Male-
riſcher:


Jn
[432]Va Ve

Jn der Welt ereignen ſich taͤglich tauſend
Umſetzungen der Dinge.


Buttſt. vernuͤnft. Ged. 6. Band, 20 Bl.


V.


Vaterhoffnungen.

Wir haben bereits oben die
Quelle der Vaterhoffnungen bewundert; hier
bewundern wir die Vaterhoffnungen an ſich
ſelbſt.


“Ehemals waren die Vaterhoffnungen mei-
nem Gemuͤthe
“Auch nicht fremde. Noah, 100 S.


D. h. vormals ſchlief ich noch bey meiner Frau.


“Dieſe Hoffnung, der Hoffnungen ſchoͤnſt’
iſt dir nicht verſchloſſen. e. d. 101 S.


Jſt das nicht ſchoͤn? Das Beywort hinten!


Vaͤter

erloͤſten des Mittlers. Klinget das nicht,
als haͤtte Jeſus mehr, als einen Vater? Das
ſchieben wir dem Hrn. Klopſtock ins Gewiſſen; und
haben damit nichts weiter zu thun, als daß wir die
Stelle herſetzen. Ja! was das wunderbarſte iſt:
ſo ſagt es Gott ſelbſt.


“Seraphim, und ihr Seelen, erloͤſte Vaͤter
des Mittlers!
“Fangt ihr die Feſte der Ewigkeit an!
Offenb. St. Klopſt. 19 S.


Denn wir ſchreiben nicht fuͤr uns, die wir den
Sinn wiſſen; ſondern fuͤr den Leſer.


Verbluͤhlich, a. St. hinfaͤllig.


“Kran-
[433]Ve

“Kranke, verbluͤhliche Luſt! die du dir, ge-
blendet,
Kurzſichtiger Juͤngling gewaͤhlt;
“Reitzt nicht. — —
Ode an Steinbruͤck.


Man vermenge ja kein Strichelein.


Verbrennen

ein jaͤhriges Stierkalb ſeinem Na-
men:
heißt das, dem Namen opfern? Noah.


Vergaͤllen

das Geſicht; folglich die Zunge auf-
klaͤren.
Was Se. Gn. nicht fuͤr ein wunderli-
cher Arzt ſind!


‘“Kurzſichtiger! dein Gram hat dein Ge-
ſicht vergaͤllt. Haller, 144 S.
Alſo!

“Langſichtiger!
Dein Scherz hat dein Ge-
ſicht verſuͤßt.
()

Vergeſſen;

ſich zum Schuͤler vergeſſen: warum
nicht zum Narren?


‘“Wie konnteſt du zum Schuͤler dich ver-
geſſen? Brem. Ged. 12 S.
()

Vergleichender Leſer:

was iſt das? “Und um das
“Gegengift gleich bey dem Gifte zu haben: ſo iſt
“folgende Anmerkung — allerorts, wo ein phi-
“loſophiſch, oder theologiſch vergleichender Leſer
“anſtoſſen, oder ſtolpern will, einzuruͤcken:”
“Das Schoͤne und Erhabene der Dichtkunſt,
“nebſt der edlen Kuͤhnheit, der ſie ſich bey Aus-
“druͤckung ihrer Lehren bedienet; ermuͤdet oͤf-
“ters die Vernunft und Aufmerkſamkeit eines
“Leſers, (ja wohl!) daß er glaubt, in ſol-
“chen Saͤtzen Fehler bemerket zu haben, die
E e“doch
[434]Ve
“doch leidlich wuͤrden geweſen ſeyn, wenn ſie in
“ungebundener Rede waͤren vorgetragen wor-
“den.”


Wir danken fuͤr den Rath, und wollen ihn allent-
halben einruͤcken, wo Sie ſich uͤber die Vernunft
ſchwingen.


Verjuͤngen mit einer Nachricht den Lebensodem.


Das nennen wir ungemein; das war noch nie ge-
ſagt worden; und das ſagen der Herr Rath.
Sie verjuͤngen Odem; und veraͤltern - -
Aber es iſt auch ein Lebensodem: dem freylich
das Leben hauchet. Unſer Odem iſt dadurch
verjuͤnget worden, und wir wuͤnſchen dem Hrn.
Rathe
eine gleiche Verjuͤngung, noch mehr Li-
nien der Lenden, oder Fruͤchte des Verſtandes

von Jhnen zu ſehen.


“Wahrlich! Heut iſt Seths Gott mit deinen
Tritten geweſen,
“Daß du den Lebensodem mir mit der Nach-
richt verjuͤngeſt. Noah, 19 S.


Mit deinen Tritten geweſen klinget auch beſſer,
als mit dir ſeyn.


Verkannt.

Vor dieſem ſagte man: ich habe Sie
verkannt; es hieß noch nicht: ich kenne Sie
nicht:
unſer Seher aber nennet einen Mann,
der in der Eingezogenheit lebet, einen verkann-
tern Mann. Jeſus


“trat itzt in die ſtillere Wohnung
“Eines verkannten u. redlichen Mannes. —
Off. 142 S


Darne-
[435]Ve

Darneben waren Bierhaͤuſer, welche ſehr laut
waren.


Verlangen.

Die mehrere Zahl von Woͤrtern, die
keine haben, iſt, wie bekannt, das Schiboleth.
Es wird an dem kleinen Tiſchchen, Pfeifer-
tiſchchen,
gedrechſelt, das in dem oben beſchriebe-
nen Dichterſaale ſtehet. Es ſind die Spielwer-
ke, die die heiligen Maͤnner ihren Juͤngern vor-
werfen: da indeſſen die groͤßeren Schnitzer bloß
fuͤr die Propheten bleiben; denn man muß auch
mit Verſtande ſtolpern.


Deine Verlangen will ich, du Erſtling
der Auserwaͤhlten!
“Sprach der Seraph mit freundlicher Stimme,
dem Mittler erzaͤhlen. Off. St. Kl. 22 S.


Erſtling pflegte man ſonſt von der erſten Frucht
zu ſagen; nun aber heißt es uͤberhaupt der Erſte;
denn unſers Wiſſen haben die Auserwaͤhlten nicht
Adam, den Opferprieſter, gezeuget; ſondern
es iſt vielmehr umgekehrt! Wir bewundern anbey
die neue Wuͤrde Adams; ſtellen uns daher ſchon
im Geiſte vor, daß Herr Klopſtock gewiß zum we-
nigſten ein himmliſcher Chorjunge ſeyn wird.


— “Doch dann erſt; dieß hoff’ ich zu
meinem Erloͤſer,
“Wenn von ihm mein heiliges Lied zu Ende ge-
bracht iſt.
“Alsdann ſollen die Lippen ſich erſt, die den Men-
ſchenfreund ſangen;
“Dann erſt ſollen die Augen, die ſeinetwegen
vor Freuden
E e 2“Oft-
[436]Ve
“Oftmals weinten, ſich ſchließen; dann erſt
ſollen meine Freunde,
“Und die Engel mein Grab mit Lorbeern u.
Palmen umpflanzen. e. d. 71 S.


Das werden die Engel fein bleiben laſſen! Sie
werden dieſe Ehre den Teufeln uͤberlaſſen, die dem
Seher mehr, als die Engel, zu danken haben.
Wo ihn dieſe in der himmliſchen Werkſtaͤte,
oder Schneiderherberge, zum Gewandſchnei-
der
machen: ſo iſt es viel. Ueberhaupt iſt die
Demuth zu loben, die aus dieſer lucaniſchen und
miltoniſchen Ausſchweifung hervorleuchtet.


Vermaͤhlen.

‘“Voͤlker in Suͤden kennen kein Ver-
maͤhlen. Zernitz, 101 S.
()

Was, Henker! Heyrathen ſie nicht? Wo bekom-
men ſie denn die Kinder her? Aus den Waden,
wie Lucians Volk?


Verrathen.

Nichts iſt ſchoͤner, als einen Satir
und eine Nymphe zuſammen zu koppeln: ein Wort,
vor dem man laufen moͤchte; und eines, das uns
an ſich locket. Es entſtehet daraus etwas Anzie-
hendes, daß man der Verbindung nachzuforſchen
genoͤthiget wird. Wir werden dieſes in folgendem
Bluͤmelein gewahr. Denn ſo ſaget der breite
Vorredner der Brem. Ged.
“So habe ich
“noch nie einſehen koͤnnen, daß die Freundſchaft
“zum Lobe verrathen werden koͤnne.” Gelt!
der Leſer auch nicht? So wenig, wie folgendes:
“Es iſt auch kein ſolches Lob, bey dem einer von
“dieſen Namen beſchaͤmt huſten muß.” Hier
lernen wir, daß ein Name huſten kann; und daß
wir
[437]Ve
wir huſten, wann wir roth werden, und uns
ſchaͤmen.


Verſcheucht ſitzen.

Wenn man ſitzet, ſo ſitzet
man; und wann man verſcheuchet wird: ſo laͤu-
fet man. Herr Oeſt aber ſitzet, wann er ver-
ſcheuchet
wird.


“Er ſitzt verſcheucht; u. da er denket: Gott
ſey nicht weiſe, noch gut;
“So ſchlaͤgt ſein Blut.
Brem. Ged. 50 S.


Wenn Gott weiſe iſt: ſo wird er auch gut ſeyn;
noch iſt alſo ein Anticlimax. Siehe Antilon-
gin, 98 S.


Verſchwiſtert.

Der Leſer merke!


“Und merke dir die Einigkeit u. Zwietracht
“Der Koͤrper u. erlerne deinen Urſprung:
Denn halb iſt dir das Sichtbare verſchwi-
ſtert. Brem. Ged. 10 S.


Jſt das nicht ein wohl angebrachtes denn? Das
Sichtbare iſt demnach meine Halbſchweſter,
und ich und Herr Oeſt ihr Halbbruder; und
Einigkeit und Zwietracht unſer Stiefpapa.


Verſtand.

Dem Verſtande die noͤthige Waͤr-
me verleihen;
das heißt, Gedanken bruͤten.


“Wem ich unverſtaͤndlich bin: (wahrhaftig der
“ganzen Welt!
) der wird fortleſen muͤſſen,
“bis er aus der neunten Ode, S. 77. eine Ge-
“ſellſchaft hat kennen lernen vereinter Muſen:
“An Deutſchlands Graͤnzen gegen Norden,
wo ſie der Bataver erblickt,
E e 3“Faſt
[438]Ve
“Faſt kuͤhn beſchaͤftigt dem Verſtande die
noͤthge Waͤrme zu verleyhn,

“Jhn lebhaft, munter, hold zu machen, mit
Wangen, gleich Aurorens Schein.
Vorr. der Brem. Ged.


So iſt Hr. Oeſt auch eine Muſe? Daß uns
Apollo vor ihrem Einfluſſe behuͤte! Den Ver-
ſtand mit Wangen munter machen,
gleich
Aurorens Schein! So hat der Verſtand Wan-
gen? So macht man ihn mit den Wangen munter?
Wo bringen wir gleich Aurorens Schein hin?
Welch eine Tiefe des Ausdruckes! Das gehoͤret
zum Breiten.


Verſtecken den Dolch in deine Bruſt.

Ein
huͤbſches Verſtecken! a. St.


“Den Dolch will ich dir in die Bruſt ſtoßen!
Welches iſt beſſer?
“Jede den Dolch in der Bruſt des Bettgenoſ-
ſen verſtecken. Noah, 29 S.


Vor wem denn verſtecken?


Verſtummen die lauten Thraͤnen im ſehenden
Auge.

Daß die Thraͤnen reden: das wiſſen al-
le Verliebten; ob ihre Sprache laut, oder ſtumm
ſey: das entſcheidet der Seher. Wir wuͤrden
mit ihrer ſtummen Redekunſt zufrieden geweſen
ſeyn. Allein der Prophet wird dann und wann,
wie die Juden in der Synagoge, laut. Ein ſe-
hendes Auge,
und ein hoͤrendes Auge ſind in der
itzigen Zeit der klopſtockiſchen Verwandelun-
gen
ſehr noͤthige Ausdruͤcke. Denn es koͤnnte
leicht
[439]Ve
leicht kommen, daß ein Ohr ſaͤhe, und ein Aug
hoͤrte.


‘“Da die lauten Thraͤnen im ſehenden Auge
verſtummten. Offenb. 142 S.
()

Hier ſehen wir Thraͤnen, die im Auge laut ſind,
oder ſchreyen.


Verthaͤtigung, a. St. Vertheidigung:

ein
Niederſaxonismus; hier aber ein Oeſtmus.
Brem. Ged. Vorr.


Vertuſchen.

Freylich! der Herr Rath haben
Recht; die Suͤndfluth iſt eine feine Tuſche.
Und es iſt, leider! wahr: Gott hat die erſte Erde
mit ihr ſehr vertuſchet.


— — Gefilde,


“Die die Verwuͤſtung der Fluth mit dem ſchoͤn-
ſten Lenzen vertuſchte. Noah, 399 S.


Hier iſt ſie gar ein Maler; wir glauben aber, daß
es beſſer ſey, ſie zur Tuſche zu machen. Denn et-
was Naſſes kann wohl nicht malen; ob man
gleich damit malen kann.


Verwaltung der Neigung verlieret der Geiſt.
Das iſt ein Ungluͤck; allein der Geiſt iſt auch ein
ſchlechter Verwalter.


“Der ſchwache Geiſt verlohr der Neigungen
Verwaltung;

“Wir wendeten in Gift die Mittel der Erhal-
tung. Haller, 109 S.


Wenn ein Verwalter vergiften will: ſo muß er
abgeſetzet werden: Se. Unſterblichkeit haben
wohl gethan. Aber merkeſt du wohl, mein Leſer!
daß dieſes weibliche Reime ſeyn ſollen?


E e 4Ver-
[440]Ve

Verwehen.

Wir lernen nur dieſen Morgen, daß
die Winde die Furcht verwehen. O! verwe-
heten
ſie doch unſere Furcht, die wir vor dem
großen Rathe haben!


— “Das leichte Gemuͤthe
Ueberliefert die Furcht vor Leid den verwe-
henden Winden. Noah, 28 S.


So! So! So iſt das Gemuͤth der Lieferant!


Verwelkendes Licht

ſiehet man im Noah, 215 S.
Wir werden alſo eine verloͤſchende Roſe ſagen.
Der große Rath redet von der Quelle der vollen
Ergießung der Seligkeit,


“Gegen die ſelbſt die helleſte Luſt des irdiſchen
Lebens,
“Die aus ihr fernher fleußt, ein blaſſes ver-
welkendes Licht iſt.


Hierauf accentuiren Sie von einem Orte, wo


Nectar funkelt, die Engel zu uns freund-
ſchaftlich ſich halten,
“Und die Stroͤme des Lichts mit uns empfin-
licher hauchen;


nicht ſpuken. So verwehen wir auch die Staͤr-
ke des Armes:


“Zorn u. Reu uͤberfiel die wilden hochbeinich-
ten Maͤnner,
“Daß ſie die Staͤrke des Arms, worauf ſie
trauten, verweht ſahn. Noah, 156 S.


Verwuͤſtung reden,

ſo wie Gluͤckſeligkeit ſtam-
meln,
an vielen Orten aller heiligen Epopoͤen.


Verzetelt.

Die Pfeile des Todes um ſich her
liegen ſehen:
das waͤre niedrig. Der Tod muß
ſie,
[441]Vi
ſie, wie ein altes Weib das Werk, um uns her ver-
zeteln;
und dann wird es tief. Beym Worte
tief iſt zu bemerken, daß unſere Dichter es mit
Recht von ihren Verſen brauchen. Denn, weil
doch ihre Gedanken in der That ſehr moraſtig ſind;
der Moraſt aber tief und oft unergruͤndlich iſt:
ſo ſind ihre Verſe tief und unergruͤndlich. Was
Wunder! daß man den Sinn nicht ſiehet? Der ar-
me Schelm kann ja wohl einſinken.


‘“Damals ſah ich um mich die Pfeile des To-
des verzetelt. Noah, 32 S.
()

Vierſchreitige Sallum.

Dieſer vierſchreitige
Vers
ſtehet im Nimr. 506 S.


“Der langhaͤndichte Koͤnig
“— Fuhr voll Grimmſuͤchtigkeit mit ſeinem
flammichten Reißſpieß
“Unter die geſchilderten u. gepanzerten Helle-
partirer. ꝛc.

“Die Spießknechte wichen zuruͤck; die Lanzen-
traͤger der Feinde
“Wehrten ihn nicht von ſich ab. Er ſchlug un-
ter die Kinder von Eber
Ono, Realja, Stebai, u. den vierſchreiti-
gen Sallum. - -

“So wie ein Blackfiſch im Waſſer ſich ſelbſt
mit Dinte beſpeyet;
“So roͤhrte hier dem Caphthorim das
ſchwarze Blut aus.


Nicht wahr? mein Leſer! Hier hat ſich unſer Hr.
Magiſter
ſelbſt uͤbertroffen. Das graue aſch-
E e 5farbe-
[442]Vl Vo
farbene Mark, den doppelten Ballen, und die
Zirbeldruͤſe wollen wir ein andermal bewundern.


‘“Seine Ruͤſtung wurde vergarſtigt ꝛc. e. d. ()

Vließ.

Hier haben wir ein vortreffliches Vließ
erobert.


Heerden mit weiſsem vließe beglænzt
umirrten die auen.Jac. u. Rachel, 5 S.


Das muͤſſen Schafe oder weiße Kuͤhe geweſen
ſeyn; aber nein! ſie waren nur beglaͤnzt davon.
Wo kam alſo der Glanz her?


Volk.

Jſt das nicht ein fuͤrchterliches Volk?
Voͤlker,
deren Namen ſich in im endigen, ſind
ſchroͤcklich.


“Groß’ u. maͤchtige Staͤmme, die Nephitim,
Rephaim, Zuzim,

“Mit der Gibbarim Staͤrk’ u. mit Zamzum-
mim u. Emim. Noah.


Das ſind nicht zwey; ſondern ein ganzes halbes
Dutzend Kaninichen.


Vollendete Vaͤter,

und angefangene Kinder.
Wann faͤngt man alſo Vaͤter an?


‘“Euch erwarten vollendete Vaͤter.
Offenb. St. Klopſt. 29 S.
()

Vorgrund.

Jſt das etwas anders, als Grund?
Doch, wir ſind nicht Maler, und der große Rath
hat einen Pinſel!


“Keine Vertiefung, kein Vorgrund, das Feld
ein flaches Stuͤck Leinwand.
Noah, 204 S.


So malten ſie vor der Suͤndfluth.


“Ueber
[443]Vo Wa

“Ueber dem Anblick mit ſanft durchfahren-
dem Wunder betreten,
Flatern ſie uͤber den Glanz der Tafeln mit
ſchweigenden Augen. e. d.


So flatern die Menſchen? Wir fuͤrchten; ſie
werden im Flatern purzeln, und Hals und Bein
brechen.


Vorwurf;

welches gar zierlich a. St. Gegenſtand
gebrauchet wird. Man ſollte ſich ſchaͤmen, es den
Neologiſten zu entwenden.


W.


Waare.

Von nichts redet man mehr, als vom
Witze, und nichts iſt ſo unbekannt, als der Witz.
Welcher Menſch, welcher Dichter wuͤrde nicht boͤſe
werden, wenn man ihm ſagte: er waͤre nicht wi-
tzig; ob es gleich ausgemacht iſt, daß wir mehr
Narren, als Dichter haben? Es iſt wohl wahr,
daß kein Menſch klug iſt, wenn er nicht ein bischen
ein Narr iſt. Allein, auch dieſe Regel hat ihre
Ausnahmen. Denn iſt Rath Bodmer nicht
klug? Und dennoch kein Narr! Demjenigen, der
ſich ſo vergehen wollte, ihn dafuͤr zu halten, woll-
ten wir nur folgenden Vers vorlegen. Denn wel-
cher Dichter, und welcher Witzling hat einen
Wald eine Waare genennet?


“Wild, von der Kunſt nicht bezaͤhmt, beſetzten
die Ebnen u. Neigen,
“Hayne von Caus, u. Straͤuche mit Cinna-
momus u. Myrrhen:
“Eine
[444]Wa
“Eine Wildniß wohlriechender Waare!
Noah, 7 S.


Wir rochen hier ſchon ladan u. ſtorax. Dieſe
Wildniß koͤnnen der Herr Rath behalten; Co-
cus, Cinnamomus
und Myrrhen muͤſſen Sie
dem Hrn. Wuͤrzkraͤmer Lohenſtein wiedergeben.
Es iſt naͤmlich nicht fein, ſich mit fremden Federn
zu ſchmuͤcken.


Waffen, die das Bluten verlernen.

So bluten
die Wunden nicht mehr? Nein! nach Herrn
Bodmern die Waffen!
Sie koͤnnen es folglich
auch lernen.


“An ein Pfoͤſtchen von Jaspis, wo in friedfer-
tiger Ordnung
“Seine Waffen bey Gartengeraͤth das Blu-
ten verlernten. Noah, 14 S.


Wagen.

Was Teufel! Sitzet der Nordwind
auf Wagen? Das iſt ein fauler Wind!


— “wenn brauſend auf ehernen Wa-
gen der Nordwind

“Ueber ſie faͤhrt — Off. St. Kl. 49 S.


Ha! Ha! So brauſet das Erz; und ſo wird ſich
der ſanfte Zephir auf einen goldenen Wagen
ſetzen.


Waͤhnen, a. St. denken.

Denn auch veraltete
Woͤrter erheben die Schreibart. Sie gleichen dem
Pfeffer in einer Waſſerſuppe; und gehoͤren zur
fremden Schreibart, mit der man ein Gedicht, ſo
gar nach Ariſtoteln, erheben kann.


— “wir waͤhnten, er truͤge die Laſten
“Seiner Schuld — Off. St. Kl. 143 S.


Auch
[445]Wa

Auch a. St. Wahn, wie der deutliche Zernitz
ſagt:


“Nach Regeln wirk’t (die) Natur; der Men-
ſchen Kreuz iſt Waͤhnen,
“Und man verklaget Gott; und meiſtert ihn
durch Thraͤnen. 79 S.


So rechtfertigen wir ihn mit Lachen.


Waͤlzen;

ein Lieblingswort der Hrnn. Neologiſten
und Wurmſaamianer; zwey gefaͤhrliche Voͤl-
ker!


‘“Multa fero, ut placem genus irritabile
vatum
“Cum ſcribo. Horat.
()

Nirgends aber haben wir ein ſo ſchoͤnes Gewaͤlz
als hier gefunden:


“Wenn das hindernde Fleiſch von meiner Seele
gewaͤlzt wird. Noah, 309 S.


Erſtlich aber bitte ichs von den Knochen zu waͤlzen
oder zu winden. Oder


“Jch will dem Sohn befehlen, das Schwert im
Vater zu waͤlzen. e. d. 354 S.


Jſt das nicht ein Gewaͤlz?


Wachſen;

mit ſtrebenden Schritten wachſen.


— — “er ſahe
“Ihn mit ſtrebenden ſchritten zu Joſephs

tugenden wachſen.Jac. u. Joſ. 4 S.


Waldichter Hang;

ſonſt: haͤngender Wald.
Hier ſehen wir Verliebte, als Eichhoͤrner,
klettern.


— “Die
[446]Wa

— “Die liebenden Frauen
“Giengen — —
“Durch den waldichten Hang mit zoͤgernden
Schritten hinaufwaͤrts. Noah, 176 S.


So haben auch der Herr Seher einen waldichten
Gipfel,
wo wir vieleicht einen gipfelichten
Wald
gebrauchet haͤtten.


— “Die hoch und erhaben
“Stand, u. mit leiſem Geraͤuſch vom ſtillen
waldichten Gipfel
“Schlummer und Thau auf die Ruhenden
traͤufte — in Dero Geſ. 92 S.


Wallfiſch ein gebirgichter;

ſo, wie ein gewall-
fiſchtes Gebirg;
der Wallfiſch naͤmlich hat ei-
nen hohen Ruͤcken.


“Damals errettete nicht den ſtarken gebirgi-
gen Wallfiſch ꝛc.
“Wenn er die Fluthen peitſchte; noch ſein ge-
pfluͤgeltes Schwimmen. Noah, 299 S.


Das half dem Xerxes auch nicht. Das gepfluͤ-
gelte Schwimmen
gefaͤllt uns gerade ſo, als ein
gehufeiſtes Reiten.


Wandelnde Himmel umfließen ein Antlitz.


Dieſes wollen wir uns naͤchſtens malen.


‘— “als ſein erhabeners Antlitz
“Wandelnde Himmel umfloſſen —
Offenb. St. Klopſt. 162 S.
()

Waſſerprovinz.

Unſere Waſſerdichter haben al-
lerliebſte Waſſerſachen. 1. eine Waſſerpro-
vinz;
da man ja ſonſt des Neptunus Waſſer-
reich
[447]Wa
reich ſagte. Wo nun ein Reich iſt: da ſind auch
Provinzen.


“Dieſe Waſſerprovinzen, die nur der Himmel
begraͤnzte. Noah, 282 S.


2. Waſſervieh;

und das ſind nicht nur Fiſche:


“Thier und Voͤgel, und Menſchen mit einem
Schlag zu verknuͤpfen,
Stopfte (a. St. fuͤllte) nicht den Rachen des
Tods; er ſtieg in die Tiefen,
“Auch an dem Waſſervieh den ewigen Hun-
ger zu ſpeiſen. e. d. 298 S.


So verknuͤpfen dann Schlaͤge; ſo ſpeiſet man
den Hunger, und traͤnket den Durſt. 3. Ha-
ben wir auch Waſſerſpiele; z. E. die gruͤnen
Kinder des Utanotangs


— — “begiengen
“Seltſame Spiel’ um die Arche mit Waſſer-
treten u. Plaͤtſchern. e. d.


Wir moͤchten den Hrn. Rath gern Waſſer treten
und plaͤtſchern ſehen. Das Plaͤtſchern ſonder-
lich gefaͤllt uns. 4. bauen wir auch Mauern
von Waſſer.


“Stuͤrzen die waſſernen Mauern von beyden
Seiten zuſammen,
“Und begraben den Krieg in die See.
e. d. 333 S.


5. haben wir Waſſergebirge, Waſſerurnen
u. d. gl.


“Aber nun thaten die Wolkengezelte ſich auf,
und man ſahe
“Umge-
[448]We
Umgewendete Waſſerurnen zur Erde ge-
neiget,
“Jn unzaͤhlicher Zahl mit vollen ſtrotzenden
Baͤuchen. e.d. 326 S.


Ach! welche ſtrotzende Baͤuche! und gießende
Steiße!
6. heißt alſo dieſes eine Waſſerwelt.
e. d. 110 S.


“Welches der Fluth widerſteh, und uͤber die
Waſſerwelt ſchwebe.


Auch ein waͤſſern Bett! da ſchlafe ein Schwei-
zer:
und ich nicht!


“Weiter hin, unter dem ſuͤdlichen Ende des
waͤſſernen Bettes. e.d. 174 S.


Wechſel.

Jſt folgendes nicht eine feine Vermaͤh-
lung?


“Eh’ noch der Wechſel ſich mit ihrem (der Jah-
re) Lauf vermaͤhlte.
Samml. Nicol. 87 S.


a. S. ehe noch Jahre auf einander folgten; al-
lein wann war das? Ueberhaupt merken wir an,
daß das Wort vermaͤhlen, und alle ſeine Sproͤß-
linge, wunderlichen Fuͤgungen in der deutſchen
Sprache
unterworfen iſt; Fuͤgungen, die allein
das Alterthum rechtfertiget: denn dieſes rechtfer-
tiget auch Thorheiten.


Weg.

Lieber Leſer! Du haſt mit uns ſchon einen
Sehraff bewundert, der da Weiten ver-
ſchlang:
bewundere doch folgenden Weg!


‘“Aber ſein Weg iſt von einer die Zahl ver-
ſchlingenden Laͤnge. Noah, 310 S.
()

Der
[449]We

Der Schlund dieſer Laͤnge zeiget das Feine des
Witzes an, der ihn erfunden.


Wegfallen.

Man irret, wenn man glaubet, daß
dieß wegfallen heiße; es heißt vergeſſen.


Jm zehnten Geſange beym 545 Verſe
“ſind folgende Zeilen weggefallen.” Noah,
413 S.

Wir ſchlugen nach; wir glaubten, ſie
ſollten wegbleiben; aber ſiehe! wir irrten uns,
und ſie ſollten eingeſchaltet werden. Da ſiehet man,
daß man mit den deutlichſten Worten oft undeutlich
werden kann. Woͤrter ſind Zeichen der Gedan-
ken; das iſt wahr! Wenn aber meine Gedanken
nun anarchiſch ſind: koͤnnen wohl ihre Zeichen
dieſe Anarchie verlaͤugnen? Z. E. Wenn ich ſagte:
Bodmern iſt die geſunde Vernunft in der Dicht-
kunſt weggefallen: wuͤrde das nicht durch halb
Deutſchland
heißen, ſie ſehlet ihm? Jn der
Schweiz hingegen: ſie iſt ihm einzuſchalten.
So wahr beydes in einem gewiſſen Verſtande nun
ſeyn kann: ſo viel durchnebelter bild- und wort-
reicher Witz
iſt ihm dagegen zugefallen, daß er
der geſunden Vernunft gar wohl entuͤbrigt ſeyn
kann. Denn wird nicht jeder lieber witzig, als
vernuͤnftig ſeyn wollen? Rath Bodmer hat da-
her, mit Huͤlfe ſeines Pinſels, die alte und neue
Dichtkunſt dermaßen vertuſchet, daß man jene vor
dieſer nicht ſiehet.


Wegſchrecken einen,

oder wegſcheuchen. Wir
denken hierbey an einen Popanz, mit dem man
die Kinder jaget. Se. Gn. brauchen ihn, die
Armuth zu verjagen.


F f“Die
[450]We
‘“Die Pracht u. Ueppigkeit hat Armuth wegge-
ſchreckt. Haller, 94 S.
()

Es kann auch das Gegentheil heiſſen.


Weinende Wolken.

Die armen Wolken!
Was mag ihnen doch wiederfahren ſeyn?


‘“Auf ihm ruhet die Nacht mit kalten weinen-
den Wolken.
Offenb. St. Klopſt. 95 S.
()

Wir werden ſo bald von Weinen nicht loskom-
men. Boni viri lacrimabiles, und unſere
heilige Maͤnner ſind ſehr zaͤrtlich.


‘— “Hier weinten die Seelen mit Thraͤ-
nen der Engel. e. d. 21 S.
()

Haͤtten ſie nicht beſſer gethan, ſie haͤtten mit ihren
eigenen Thraͤnen geweinet? Denn wie weinen
die Engel?
Solls heißen, ſehr weinen? Wenn
ein Mann alſo weinet: ſo weinet er mit Thraͤ-
nen der Weiber.
Wer aber wie Klopſtock
weinet,
der weinet wie Eloa. Wir ſagen auch,
Thraͤnen weinen; wir weinen naͤmlich auch
Blut; wir koͤnnten leicht vor Freuden uͤber unſere
Erfindungen ein gar ander Waſſer weinen.
Das gen Himmel auf- und herunter weinen iſt
weit uͤber unſere Lobſpruͤche.


Weitſcheinig flimmernde Waffen.

Der Herr
Magiſter
ſind immer zu bewundern; Sie ſitzen
am großen oder kleinen Tiſchchen; Sie zim-
mern ein Weltchen, oder ein Woͤrtchen.


‘“Sie zogen truppweiſe her mit weitſcheinig
flimmernden Waffen. Nimr. 428 S.
()

Welten von Sclaven

hat ein Koͤnig; Welten
voll
[451]We Wi
voll Narren aber giebts auf dem Pindus. Oft
hat ein Koͤnig nicht das Tauſendtheilchen der
Welt
zu beherrſchen; und ein Dichter nicht ein
Graͤſelein auf dem Parnaſſe gepfluͤcket.
Noah, 48 S.


Wellen ſind Wellen;

nicht wahr? Wer Henker
hat je Wellen zuſammen gerollet? Der Herr
Rath!
Sie rollen eine Welle von Papyrus;
weil Rolle zu niedrig klinget.


“Aber Debora trug von den Blaͤttern des
Baumes Papyrus
“Unter dem Arm zwo ſanft zuſammen gerol-
lete Wellen. Noah, 238 S.


Da war alſo das Papier ſchon vor der Suͤndfluth
erfunden.


Welt.

Hier lernen wir, daß die große Welt
Schaͤfergedichte mache:


“Der ſtille Schaͤferſtand wird von der großen
Welt

“Auf ein gewiſſes Ziel entfernet vorgeſtellt.
Zernitz, 2 S.


Man ſiehet wohl, daß der Dichter in der großen
Welt
gelebet hat.


Wiehern donnerndes der Pferde.

Kein
Dichter hat Pferde donnern laſſen; Virgil laͤßt
ſie nur mit feurigen Athem den Morgen anhau-
chen.
Wo nun Feuer iſt, da kann es auch kna-
ſtern
oder donnern.


— “itzt warens verſchiedliche
Stimmen:
F f 2“Sum-
[452]Wi
Sumſen der zarten Jnſect’ ein pfeifendes
Schlagen der Voͤgel,
“Oder ein wirbelndes Lied, der Pferde don-
nerndes Wiehern. Noah, 401 S.


Windichter Sturmwind.

Das iſt neu! das
wußten wir vorher nicht, daß ein Sturmwind
windicht
ſey. Dieſe Entdeckung ſind wir dem
Hrn. Rathe ſchuldig.


“Nach der Veraͤndrung am Erdball, dem
Werk der reiſſenden Fluthen,
“Mag die Luft und das Meer der windichten
Stuͤrme beduͤrfen. Noah, 368 S.


Das Werk der Fluthen hat etwas lockendes;
man weis nicht, ob der Erdball oder die Veraͤn-
derung
ihr Werk ſind.


Winſeln ein ſterbendes;

das arme Winſeln!
Es ſtirbt alſo?


“Aber bald wird ſich der furchtbare Tod am Ta-
ge des Jammers
“Ueber ſie breiten, am Tage der Qual und des
ſterbenden Winſelns. Off. 93 S.


Noch ein ſterbendes Winſeln! des heil. Win-
ſelers.


“Jn ihr muͤſſe man auf den Gebirgen ein ſter-
bendes Winſeln

“Hoͤren! Ein ſterbendes Winſeln in tiefen
verfallenen Graͤbern
“Muͤſſe man hoͤren! e. d. 190 S.


Zwey allerliebſte Kaninichen! wie ſie nicht hucken!


Wiehernd.

Noch etwas wieherndes! Wie-
hernde Blicke
und verliebte Pferde! Ey! Herr
Rath!
[453]Wi
Rath! Wiehern Sie einmal mit ihrem
Blicke!


“Jn die (in Muſchelgrotten) entſchluͤpften mit
gluͤhender Stirn wolluͤſtige Maͤgdchen;
Juͤnglinge folgten nach mit wiehernden
Blicken der Wolluſt. Noah, 60 S.


Virgil ſaget:


‘“Speluncam Dido, dux et Trojanus eandem
“Devenient. \&c.
()

Winke.

Cidli ſpielet um des armen Lazarus
Winke;
allein was iſt das? Wir wollten auch
gerne ſpielen.


‘“Wie ein jugendlich Lamm um deine Winke
zu ſpielen. Off. 131 S.
()

Dieſes lispelt, wie noch zwanzig Zeilen das Herz
der ſchoͤnen Cidli: ein allerliebſtes Geliſpel!
Spielen
die Laͤmmer ſo? Man kann leicht glau-
ben, daß von dieſem Worte viele Zweige entſprin-
gen; als z. E. Beyfall winken, Haß winken,
u. d. gl.


Winter ein belebender.

Dieſes iſt eine Schmaͤu-
cheley, die der Prophet dem Winter machet.
Es war dem toͤdtenden Winter noch nie nachgeſa-
get worden, daß er belebe.


“Wie zur Zeit des belebenden Winters ein
heiliger Feſttag hervorgeht. Offenb. 26 S.


Winterhuͤgel;

auch Huͤgel von Winter, und
Berge von Sommer.


Winterhuͤgel von Eis bedeckten die weiten
Provinzen. Noah, 328 S.


F f 3Ein
[454]Wi Wo

Ein Eishuͤgel oder Eisberg waͤre nicht kalt, oder
grymſelbergiſch genug geweſen.


Wirbeln.

Alles wirbolt bey wirbelſuͤchtigen
Dichtern; die Spuren ſo gar.


“Und Freude floß in wirbelndkrauſe Spuren
“Durch wolluſtſchwangre Fluren.
Samml. Nicol. 6 S.


Wirth.

Der Maden Speiſe und Wirth iſt der
Menſch.
Sind das nicht undankbare Gaͤſte?
Erſt bewirthen wir ſie, und dann freſſen ſie uns.
Es ſollte alſo heiſſen: der Maden Wirth und
Speiſ’.


“Soll Gott, der dieſen Leib, der Maden
Speiſ’ u. Wirth,

“So vaͤterlich verſorgt; ſo praͤchtig ausge-
ziert,
“Soll Gott den Menſchen ſelbſt, die Seele nicht
mehr ſchaͤtzen? Haller, 116 S.


Se. Gn. die uns bis zum Ende unſers Woͤrter-
buchs
huldreich begleiten, machen ſich die Freude,
uns errathen zu laſſen: ob etwan Gott der Ma-
den Speiſ’ und Wirth ſey?
variantes le-
ctiones!


Wolken.

Die Wehmuth muß eine entſetzliche
Hand haben: ſie ſtreuet Wolken aus dieſer
Hand.


Wehmuth ſtreut auf das Grau der haare

mir wolken von aſche. Jac. u. Joſ. 85 S.

An einer Handvoll waͤre es auch genug?


Wolkenlos.

Einem ſo heiligen und vielſagenden
Worte, als Wolke iſt, dorfte nicht ein Beywoͤr-
telein
[455]Wu
telein ſchwer fallen. Der Seher ſagt wolken-
los;
wir bergelos.


“Jtzo ſtand auf einmal, bey des Allerheiligſten
Eingang,
“Wie ein Berg Gottes, der Altar des Mitt-
lers, vor Gabriels Auge
Wolkenlos da — Off. 16 S.


Denn im Himmel hat, wie in der roͤmiſchen
Kirche,
jeder Heilige einen Altar.


Wuͤrzen.

Lohenſtein beambriret alles, bis auf
den Koth; Rath Bodmer durchwuͤrzet gar
die Luft; ja wohl die Suͤndfluth. Wuͤrze ſau-
gen;
und Suppen riechen: das iſt ſchoͤn!


‘“Und ſie ſogen die Wuͤrze der Luft mit geizi-
gern Zuͤgen. Noah, 195 S.
()

D. h. ſie rochen! So trinken wir den Cham-
pagnerwein.


Wundmaͤler;

das ſind hohe Tropheen; d. h.
Wunden ſind ruͤhmlich. Aber noch nicht ge-
nug! Dieſe Tropheen wiſchen auch; denn man
muß alles perſonniſiren.


“Furcht kennet ein Geiſt ſo wenig auf Erden,
als im Himmel,
“Wo er die hohen Trophaͤen erfocht, die tiefen
Wundmaͤler,

“Die von dem vorigen Glanz’ ein wenig zu
wiſchen vermochten. Noah, 157 S.


Freylich ſind die gefallenen Engel etwas dunkel;
und ihre himmliſche Kleidung iſt etwas ver-
ſenget.


F f 4Wurm-
[456]Wu Y

Wurmſtichichte Anlage.

Sind das nicht die
neuen Epopoͤen?


“Wenn die Lieblinge Gottes im finſtern Reiche
des Orchus
“Jhrer wurmſtichichten Anlag’ u. ihrer ver-
welkten Wonne,
“Allzu ſchnelle verwelkten,
mit ihnen fluch-
ten. — Noah, 147 S.


Sind unſere Seelen wurmſtichicht? So haben der
Herr Rath gewiß einen großen Wurm!
Denn ihre Seele iſt ſehr groß, und folglich ſehr
wurmſticht. Wieder ein Kaninichen!


Y.


Jndem wir auf ein Mittel dachten, dieſen ſtolzen
Junker
zu demuͤthigen; und auf ein Wort in der
deutſchen Sprache ſannen: ſo erſchien uns das
Kraͤutchen Yſop in einer edelmaͤnniſchen Ge-
ſtalt. Die zween Spitzen, aus denen es gebildet
iſt, glichen den Sonnenſtralen, auf denen die
Engel herauf und herab glitſchen. Sein Ruͤcken
war ſo ſtolz, daß, ungeachtet in dem Lande, wo es
herkam, die Kraͤuter und Blumen, alle Glied-
maßen, z. E. Gebuhrtsglieder ꝛc. annehmen,
und den Menſchen nachaͤffen; es doch vor uns nicht
die geringſte Bewegung, oder Beugung machen
konnte. Wir ſaßen, als ein Richter, greiß-
grimmig,
und mit uͤber einander geſchlagenen
Beinen, und befahlen dem Ankoͤmmlinge, zu ac-
centuiren;
denn wir merkten wohl, daß man mit
dieſem
[457]Y
dieſem Herrn in ſeiner Sprache reden muͤſſe; ſo
wie ein jeder Dichter nach ſeinem Apollo beur-
theilet ſeyn will.
Allein der Herr von Y war
ſtumm; ob er gleich gar wohl ohne Huͤlfe eines an-
dern Buchſtabs reden konnte. Aber wir rochen
den Braten. Seine Stimme naͤmlich hatte mit
den Stimmen der Zoͤglinge Anas und Zibeons
gar zu viel Aehnlichkeit, als ſich, wie ein Eſel auf
der Gaſſe, hoͤren zu laſſen. Es war aber dieſer
ſtolze Junker ſinnreich, und trug ſeine Bitt-
ſchrift,
denn er liebete das Auslaͤndiſche, wie die
Perſianer, auf dem Kopfe. Wir nahmen und
laſen:


Bittſchrift:
An die Herren Wortrichter und Buchſtaben-
henker.


Welchergeſtalt und wasmaßen die ſinnreichen Her-
ren Bodmer und Wieland unſere Geſtalt und
den Wohlklang unſerer Glieder vorzuͤglich ge-
funden haben, erhellet aus Beylage ꝛc.Synd-
fluth \&c.
und alle, die mit hetruskiſchen Lettern
gar weislich gedrucket worden.
Das zuſam-
men geflickte uͤ hat uns weichen muͤſſen; unſer
Buchſtabenehrgeiz aber ſtrebet auch nach dem Platze
des kleinen Herrchens i. Allein hier werden wir
gedemuͤthiget; und zwar, was am betruͤbteſten iſt,
von den Goͤnnern unſerer Goͤnner. Jene werfen
uns einen Eſelsklang vor, ohne zu bedenken, daß
unſer Vater ein hitziger Mann ſey, und gewiß
nicht, wie ein Eſel, ſpreche. Unſere Vaterſtadt
F f 5Zy-
[458]Y
Zyrich iſt ſonſt ſo einig mit Halle; unſere Wei-
ſen ſo weiſe, als jene: und doch empoͤret man
ſich wider unſere Univerſal-Buchſtabenmo-
narchie.
Ja, wie eine Verwegenheit immer
ſtoͤlzer um ſich greift, je geduldiger man bey der
erſten iſt: ſo unterſtehet man ſich ſo gar uns von
den Plaͤtzen zu verdringen, die wir doch Jahr-
hunderte durch
auch in Leipzig erhalten hat-
ten; in Leipzig, das wie Tag und Nacht von
Zyrich unterſchieden iſt. Da nun unſer Thron
auf ſo unerhoͤrte Art erſchuͤttert wird; da man
uns dieſſeits der Alpen vergoͤttert, und jenſeits
der Alpen gar an unſerm Daſeyn zweifelt; un-
ſern Tempel entheiliget; es mit unſern Goͤn-
nern haͤlt; und ihre Lieblinge verachtet: ſo
muͤßten wir den Wohlklang unſerer Glieder
nie gehoͤret haben, wenn wir nicht merkten, daß
uns hier zu viel Ehre; dort zu viel Schimpf wie-
derfahre. Denn der ſtoͤlzeſte Menſch iſt, bey zu-
geſchloſſenen Thuͤren, ſein ſchaͤrfſter Richter;
folglich auch wir, die wir ſo viel menſchliches an
uns haben; ja, wir muͤßten nicht mehr unſern
Klang, durch die ſchimpfenden Stimmen der
Sacktraͤger,
entweihen hoͤren: wollten wir
nicht in uns gehen.


Wir gehen alſo euer Wort- und Sylben-
gericht
flehend an: uns entweder das kleine
Herrchen i
bey Seite zu ſchaffen, oder Wider-
ſachern V. R. W. aufzulegen, ſeine Rechte
und Auſpruͤche zur Einſicht einzuſchicken.


Nach
[459]Y

Nach Durchleſung dieſes, und Klaͤgers Ab-
tritte, fiel unſer richterlicher Beſcheid, wie
folget:


Urtheil;
welches zwiſchen Junker y, Herrn von uͤ,
und dem kleinen i gefaͤllet
worden.


Nach Berathſchlagung mit der geſunden Ver-
nunft
und dem gebiethenden Gebrauche erken-
nen wir
Schoͤppen und Beyſitzer des Wortge-
richtes:

daß, nachdem deducenda nicht deduciret wor-
den; Herr von uͤ und das kleine i aber ein
wohlhergebrachtes Recht haben; eigenſinnige Leu-
te auch nicht zu bekehren ſind: daß


Junker y ſeine Herrſchaft hintern Alpen:
“das kleine i allein an der Sale ſein Haͤus-
“chen,
behalten ſolle; mit ausdruͤcklicher
“Verwarnung; daß, wer ſich ſollte geluͤſten
“laſſen, ſeine Graͤnzen zu uͤberſchreiten, der
“ſoll alſofort vor unſer Gericht gezogen,
“und den Satyren uͤbergeben werden. U.
“d. V. R. W.


Gegeben in unſerer neologiſchen
Kanzeley, d. 6 Mart. als der bod-
meriſchen fatalen Epocha. Wir,
die Richter.

Rationes decidendi ſind zu leſen: Gottſcheds
gr. Sprachl. 675 S.


Zaͤh-
[460]Za

Z.


Zaͤhlen.

Endlich, lieber Leſer! ſtehen wir mit ein-
ander am Rande der Tiefe. Freue dich!
bald wirſt du ſo gut, wie wir, auf- und nieder-
ſteigen, und die Perlen fiſchen koͤnnen. Denn
wie unſer Dryden ſagt:


“Die Fehler ſiehet man, wie Stoppeln, oben
flieſſen.
“Wer Perlen ſuchen will, wird in die Tiefe
muͤſſen.


Wir haben ſie geſucht, dieſe Perlen, und gefun-
den; ja wir finden noch ein niedliches Perlchen.


“O! Fuͤrſten! unter Millionen
“Kieſt Gott ſich einen aus zu Kronen,
“Und zaͤhlt ihm aller Schickſal ein.
Haller, 131 S.


Dieſes Zaͤhlen hat zwar ſonſt keinen Sinn; es be-
koͤmmt aber einen, wenn man ſich einen Beutel
vorſtellet, den ein Fuͤrſt haͤlt, um ſich von Gott
die Schickſale ſeiner Unterthanen hineinzaͤhlen
zu laſſen.
Zu dieſem Beutel zaͤhlen wir auch fol-
genden, aus dem die Weisheit gezaͤhlt wird:


‘“Und Wolf, dem die Natur die Weis-
heit vorgezaͤhlt.
Bodmer.
()

Zaͤrtlichkeit

gewinnt in einem neuen Munde ein
vortheilhaftes Kleid.
Denn die Hoſen waren
ihr in dem alten Munde zerriſſen worden.
Herr Zernitz iſt ein trefflicher Schneider.


“Die
[461]Za Ze
‘“Die in dem dunkeln Trieb verborgne Zaͤrt-
lichkeit
“Gewann im neuern Mund ein vortheil-
hafter Kleid.
Zernitz, 6 S.
()

Hier iſt auch das Muſter des Kleides!


“Des Kleides Muſter war nichts als der
Menſchen Leib.
e. d.


So gingen unſere Schaͤfer, wie die Heydu-
cken?
Wir zweifeln! Die erſten Kleider waren
wohl immer etwas weit, bis Narren daran kuͤn-
ſtelten, und der Gebrauch hinzukam, und Mo-
den heiligte.


Zangen.

Folgende Zangen hat kein Grob-
ſchmidt
gemacht, ſind ſie gleich von Eiſen.
Rath Bodmer
hat ſie geſchmiedet, und Adam
gebrauchet:


“Alſo ſagt er, das Herz mit eiſernen Zan-
gen beklemmet.
Noah, 180 S.


Wir glauben, die Seele hielt dieſe Zangen.


Zechen.

Fleiſch zechen und Blut freſſen: Sie-
he Knochen.


Zerzanken,

zerſchelten, und vielerley Zeitwoͤrter
mit der Sylbe zer.


“Sie zerzankten ſich in Synodalverſamm-
lungen lange.
Noah, 55 S.


Denn
[462]Ze Zi

Denn lange vor Noahn waren Reformirte
und Synodalverſammlungen, wie die Dor-
drechtiſche.


Zerquetſcher.

Lange, lange haben wir nicht einen
ſo vortrefflichen Fund gethan; und kann unſer
Lob ihn nicht erheben: ſo erhebet er es zum we-
nigſten. Denn weißt du, wer die Schaͤcher
ſind? Des Satans Zerquetſcher!
Du ar-
mer Satan!


“Sie ertranken im Kerker an ihre Feſſel (nicht
mit ihren Feſſeln) geſchloſſen;
“Lobeten Gott, und lehrten die Schaͤcher
des Satans Zerquetſcher.
Noah, 30[7] S.


Zeugungsſchooß; d. i. Erde.

Es wird folglich
auch einen Zernichtungſchooß geben.


“Der alte Tempel bricht in halb bemooßten
Steinen,
“Die mit dem Zeugungſchooß ſich wiederum
vereinen.
Zernitz, 96 S.


Zimmer;

in gleichem Zimmer mit einem ſeyn.
Wir ſehen wohl das Zimmer; koͤnnen aber den
Schluͤſſel dazu nicht finden. Vieleicht aber ha-
ben ihn Se. Gnaden: Doͤrften wir ihn uns
ausbitten? Wir wollten gern mit Jhnen in ei-
nem Zimmer ſeyn.


“Und gleichwohl machſt du dich zum Mittel-
punct der Dinge;
“Da
[463]Zi
“Da deine Welt doch kaum ein Haus der
Kleinſten iſt,
“Und du mit Bodmern noch in gleichem
Zimmer biſt.
Haller, 145 S.


Unſere Welt iſt nur ein Haͤuschen, und unſer
Zimmer ein Kaͤmmerchen.


Zieperkatze.

Hat man Homern wegen ſeiner
langgeſchwaͤnzeten Gleichniſſe gelobet; ſo darf
der Herr Magiſter auch nicht ſchaamroth ſte-
hen. Denn eine Zieperkatze iſt gewiß ein lang-
geſchwaͤnztes Gleichniß.
So ſchlagen die Hel-
den! Die Katzen aber ſprudeln noch bey ver-
liebten
Zufaͤllen. Der Herr Magiſter auch?


“Wie Zieperkatzen ſich friſch zur Gegen-
wehr ſtellen.
Nimrod.


Vergleicht Homer nicht Ulyſſen mit einem
Eſel? Denn ein Gleichniß in der Dichtkunſt wird
nicht eben gebrauchet, die Sache deutlicher zu
machen. Es iſt genug, wenn nur eine Aehn-
lichkeit dazwiſchen ſtecket, und uns Bilder giebt,
damit zu ſpielen. So ſpielen gern der Hr. Ma-
giſter mit Katzen;
wie z. E.


“Da ſpruͤhte die Sehne des Bogens, ſo wie
das Sprudeln der Katzen.
e. d. 518 S.


Unter uns geſagt! Gleichet wohl das Sprudeln
und Spruͤhen einander? Allein der Wohlſtand
iſt eine Erfindung kalter Critikaſter.


Zone.
[464]Zo Zw

Zone.

Hier iſt eine Zone, die viel unmoͤgliche
Sachen uͤber ſich nimmt; ſie ermuͤdet; ſie ſchi-
cket zuruͤck;
u. dergl.! — Zonen,


“Die die Schneide des Augs ermuͤden, und
ſtumpf zuruͤck ſchicken.
Noah, 5 S.


Da lernen wir, daß ein Aug eine Schneide
hat;
und daß ſie nicht nur ſtumpf wird; ſondern
auch ermuͤdet.


Zungenurtheil.

Was iſt das? So kann eine
Zunge denken? Man ſetze nicht a. St. Zunge
ein ander Glied.


“Aber man lehrt uns, nach entzogenen Bruͤ-
ſten,
“Jm Zungenurtheil, Ekeln und Geluͤſten;
“Ja! wir ſind endlich mit verkehrten Trie-
ben
“Halbe Kariben.
Zernitz, 104 S.


Wir zechen, doch nie Menſchenfleiſch!


Zwecken,

von Zweck: ein neologiſches allerlieb-
ſtes Zeitwoͤrtelein, das ſehr viel ſagen will.
Se. Gn. brauchen es ſehr weiſe und philoſo-
phiſch.


“Der Art Vollkommenheit ward als zum
Ziel geſteckt,
“Wo aller Geiſter Wunſch aus eignem Zuge
zweckt.
Haller.


Wir
[465]Zw

Wir bewundern dieſes Zwecken; weil wir ver-
pflichtet ſind, alles zu bewundern, was wir nicht
verſtehen.


Zweydeutig.

Jn der zierlichen und neuen
Schreibart
darf man nicht ſagen: die Sache
iſt zweydeutig.
Dieß waͤre matt, kalt, tro-
cken, leer u. ſ. w.


Die Sache liegt unter einer Zweydeutig-
keit.


So ſpricht ein Redner, der lebhaft, feurig,
naß und voll
ſprechen will.
Buttſt. Gedank. 7 Band, Blatt 10.


Zweyhaͤngichtes Dach, iſt das ein doppeltes;


ein Dachà la Manſarde? Dieſes hatte die
Arche, welches wir noch nicht gewußt haben.


“Mit zweyhaͤngigem Dach und flachem
Boden; die Ende
Jn ein Viereck gebaut; die Laͤnge maß
ſechsmal die Breite.
Noah, 197 S.


Eine ſchoͤne Baukunſt! eine treffliche Meß-
kunſt!


Zwielinge.

Finis coronat opus! Und Rath
Bodmer
das Unſerige mit einem allerliebſten
Paare Zwillinge.


‘“Zwielinge, die um die erſtgeburt in
mutterleib rangen.
Jac. u. Joſ.
25 S.
()

G gJſt
[466]Beſchluß.

Jſt dieſer Kampfplatz fuͤr ein Paar ſo ruͤſtige
Kaͤmpfer
nicht zu finſter, und zu enge? Sie
koͤnnten ſich leicht ein Auge ausſtoſſen, und die
Frau Mama entzwey ſprengen.


Beſchluß.


Wir haben alſo unſern heiligen Maͤnnern treu-
lich, ſtatt eines Schildtraͤgers, gedienet; und
ihnen recht demuͤthig das Schild nachgetragen.
Da nun kein Autor ſchreibet, um nur ein ge-
ſchriebener Autor
zu ſeyn; da nun kein Ding
ſo ſchlecht iſt, das nicht gelobt wird; und keines
ſo gut, das nicht getadelt werden kann: ſo koͤn-
nen wir nicht leugnen, daß uns einige Aufwal-
lungen autoriſcher Duͤnſte auf uns ſelbſt auf-
merkſam machten. Ja! waͤren wir auch ſo un-
fuͤhlbar,
als die Pfuͤlbe des barmherzigen Teu-
fels, Abdielabbaddonna: ſo iſt doch ein Ver-
leger
ein gar zu großer Theil der ſchreibenden
Maſchine,
die man einen Schriftſteller nen-
net, als daß wir bey ſeinem Verluſte gleichguͤl-
tig bleiben koͤnnten. Wir waren daher ſo unru-
hig, als dergleichen Leute nur zu ſeyn pflegen,
deren Leben und Tod von einem Zuge der Feder
abhaͤngt. Und kann man es denn einem Dinge
verdenken, das in ſein Daſeyn ein bischen ver-
liebt iſt? Wir ſtellten uns die verſchiedenen Ur-
theile vor, die oft nach der Strenge; aber auch
oft nach der Groͤße der Gebuͤhren gefaͤllet werden.


Die Nacht kam heran; wir ſuchten die Ru-
he;
[467]Beſchluß.
he; und es ging uns wie Leuten, die des Nachts
kluͤger, als bey Tage, ſind. Wir ſahen Geſichter
und Offenbarungen; und nach einigen unor-
dentlichen Vorſtellungen befanden wir uns, ſo
lang, als wir waren, in Raphaels himmliſch
geſtricketem Netze.
Wir hatten uns in eben
der Schleife verwickelt, aus der der Engel
Abdieln
in die Anden des Monden aus
Großmuth hatte fliegen laſſen. Uns ward es ſo
gut nicht! Ob wir uns gleich in einen Punct,
wie unſer Vorgaͤnger, zuſammen gezogen; ſo
empfang unſer Puͤnctchen dennoch das Knar-
ren
und die Donner wandelnder Orionen,
und die Geſaͤnge der Sphaͤren. Es klingelte
alles im Himmel wie ein Morgenſtern; wir
wollten die Melodie auswendig lernen, als uns
ein tauſendſtimmichter Sturmwind aus den
klebrichten Faden des Netzes in einen Planeten
warf. Wir erkannten ihn gar bald fuͤr das Pa-
radieß der Amerikaner;
zum wenigſten glich
er ihm an ſeinem Weſen: denn alles war Geiſt!
Wir begriffen uns kaum: ſo ſahen wir Addode
wackeln,
und Hyaͤnen Amphisbaͤnen winken.
Ja! eine grinſete uns ſo graͤßlich an, daß wir,
aus Furcht von ihr genothzuͤchtiget zu werden,
einen Stein ergriffen, und nach ihr warfen:
aber auch der Stein war Geiſt. Wir entſchul-
digten die Amerikaner, eine ſolche Welt zu
glauben: denn wir waren gerade auf einer, die
ihrer vollkommen glich. Wir ſahen Waͤlder
G g 2voll
[468]Beſchluß.
voll Fiſche, und Stroͤme voll Wildbraͤt;
(Noah, 51 S.)


‘“Fernerhin aufgehangene Tapeten von
Ranken geflochten,
“Die ein fruchtbarer Schmelz von golde-
nem Obſte bemalte.
Noah, 7 S.
()

Wir glaubtens; uns hungerte; wir liefen zu;
wir griffen; und es war nichts. Der Boden
triefte; die Luft floß;
die Voͤgel machten ihre
Kniebeugung, ſo oft wir auf dem Luftpfade
ihnen begegneten; ſie waren eben ſo hoͤflich, wie
ſie vorm Vater Noah waren, als ſie in die
Arche gingen.
Wir fanden oͤlbaͤumene
Schatten,
ganze Gewoͤlber von Schatten,
von Taxus und Roſinenſchatten, und ſoffen
die Luft mit geizigen Zuͤgen.
Hier ſchwaͤrm-
ten cytherklingende Lippen; dort goldene Toͤ-
ne;
hier tanzeten Accente; dort wieherten und
gaukelnden Blicke: (Noah, 60 S.) kurz,
wir merkten, daß wir in einer Dichterwelt, in ei-
ner bodmeriſchen Welt, angekommen waren.
Jndem wir uns nun darinn umſahen: ſo kam
auf einem Pfeile der Sonne, von denen die
Gegend ganz bedecket war, eben der Engel ge-
glitſchet, der
im Norden uns in der Klop-
ſtockiſchen Welt die goͤttlichen Lieder geleh-
ret.
Er erkannte uns; ergriff, und fuͤhrte
uns zu ſeinem Schoͤpfer, um mich dort pruͤfen
zu laſſen. Aber leider! ich hatte alles vergeſſen;
ich lief Gefahr, einen Schilling zu bekommen;
als
[469]Beſchluß.
als eben Mylius vor mir vorbey glitſchte;
(denn auch ich glitſchte;) der aber eben ſo we-
nig die Probe beſtand. Er kam aus der koͤrper-
lichen Welt;
und dem kleinen Maͤnnchen wars
leichter gefallen, eine Reiſe nach dem unkoͤrper-
lichen,
als koͤrperlichen Amerika anzutreten.
Er war noch auf engliſch gekleidet; faßte mich
bey der Krauſe, und fragte: biſt du auch un-
ter den Propheten?
Kaum erholte ich mich:
ſo ſah ich, es ſey alles nur Zauberwerk. Den
Augenblick ſchwebte eine Wolke uͤber mich; Sie
war von Kruͤgen durchflochten, und ihre ſtro-
tzende Baͤuche
platzten. Jch fuͤrchtete ſchon
die Scherbel: und ſiehe! es war auch nichts;
in der Ferne ſah ich Gemaͤlde mit Fleiſche be-
worfen;
und es war auch nichts; ich ſah eine
Hochzeit der Blumen;
und es war auch nichts;
es war alles, alles nichts! Schatten mit Federn
hintern Ohren, Geiſſeln in der linken, leere Klin-
gebeutel in der rechten fielen mich an; und ich
merkte an ihrem ungeſtuͤmen Betragen, daß es
Kunſtrichter waren. Allein ihre Macht, die oft
kaum morgen erlebet, erlebet noch weniger uͤber-
morgen;
am allermindeſten wirket ſie dann,
wann ſie nicht mehr ſind. Jch lachte ihrer alſo,
wie der Philoſoph ſeines Tyrannen lachte, der
ihn ſtampfen ließ. Ein Haͤfft meines Woͤrter-
buchs
nur entglitſchte mir; ich ſah graͤßliche
Verzuͤckungen der Gebehrden, als man mir, zu
meinem groͤßten Erſtaunen, mein Buch wieder-
gab. Jch ward faſt genoͤthiget, dieſe Großmuth
G g 3zu
[470]Beſchluß.
zu bewundern, als ein Accent erklang: “So
“wenig die Sonne verſchwaͤrzet wird,
“wenn man ſie als Sonne vorſtellet: ſo
“wenig koͤnnen unſere Soͤnnchen verfinſtert
“werden, wann man ſie nur malet.

Damit ich aber dieſes Land nicht laͤnger entweih-
te: ſo ward es meinem guten Freunde, dem
Mylius, aufgetragen, mich in eine andere Ab-
theilung dieſer Welt zu ſtuͤrzen. Jch that mei-
nen Dichterſprung ſo behende, als moͤglich;
und ſiehe! ich ſtand auf meinen Beinen, in einer
koͤrperlichen Welt. Bald haͤtte ich mir Bod-
mers Luftſchiff
wuͤnſchen moͤgen: denn ich merk-
te, ich wuͤrde hier ſo leichtes Kaufes nicht davon
kommen. Die Geiſſeln der Satiren platzten;
und die Faunen banden die Verurtheilten.
Hin und her ſah ich Dichter ihre Gedichte mit
den Zungen ablecken, und ſchmaͤuchelnd die un-
barmherzige Hand der Richter anflehen. Das
Maul waͤſſerte mir ſchon; als ich mich unter ei-
ner Menge runzelichter Maͤnner befand, die mir
das Lexicographenroͤckchen auszogen. Einer
kam, und nahm mir die Erfindung; der ande-
re
kam, und dingte ſich Hallern aus; der drit-
te
kam, und zog mir Swiften weg; der vier-
te
kam, und zog Klopſtocken aus; der fuͤnf-
te
kam, und nahm mir meine Ausſchweifun-
gen;
der 6. die Wortſpiele; der 7. die leicht-
fertigen Redensarten;
ein jeder nahm etwas,
daß ich endlich kaum das Geripp eines Lexico-
graphen,
eine arme, duͤrre Woͤrterliſte, be-
hielt.
[471]Beſchluß.
hielt. Jch trampelte mit den Beinen vor Zorn,
daß ich endlich an die Bettpfoſte ſtieß, aufſprang,
wie der Teufel bey Even, und ſah: es ſey al-
les ein Traum!


He quoi? lors qu’ autrefois Horace après

Lucile,

Exhaloit en bons Mots les Vapeurs de ſa

Bile,

Et vangeant la vertu par des Traits ecla-

tants,

Alloit ôter le Masque aux vices de ſon

Temps:

Ou bien, quand Juvenal, de ſa mordante

Plume,

Faiſant couler des Flots de Fiel et d’A-

mertume,

Gourmandoit en Courroux tout le Peuple

Latin:

L’un, ou l’autre fit - il une tragique

Fin? \&c.

Mais, c’eſtaſſez parlé! Prenons un peu

d’Haleine;

Ma Main, pour cette Fois, commence à

ſe laſſer.

Finiſſons! Mais demain, Muſe! à recom-

mencer.

Boileau Sat. 7.


[[472]][[473]][[474]]
Notes
*
Siehe den 55ſten der critiſchen Briefe.
*
Siehe Cramers Fortſetzung Boſſuets.
**
Zu Gotha und Wolfenbuͤttel, imgleichen zu Altenburg.
***
Leibſchimpfwoͤrter der Herren Zuͤrcher.
*
Siehe Bodmers ungereimte Gedichte.
**
Siehe Meßias an vielen Orten.
*
Siehe Noahn an vielen Orten.
*
Siehe Noahn an vielen Orten.
**
Siehe alle ſchweizeriſche Schriften und Bun-
desgenoſſen.
*
Siehe alle heilige Dichter.
*
Siehe das Gedicht Jacob und Joſeph, und
Jacob und Rachel.
*
Siehe Nicolai Sammlung Hrn. Patzke.
**
Ein Lieblingswort der Herren Maler.
***
Siehe Hallern.
*
Siehe Hallern.
*
Siehe den Vorbericht zur neuen Ausgabe des
Meßias.
*
Siehe den Jacob und Joſeph.
*
Siehe Hallers Ode auf die Ewigkeit.
**
Ein Lieblingswort der Herren Schweizer.
*
Siehe Vorrede zur Syndfluth.
**
Siehe den kurzen Vorbericht zum Meßias.

Lizenz
CC-BY-4.0
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Schönaich, Christoph Otto von. Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bj1j.0