[]
Andaͤchtige
Betrachtungen
aus dem Buche der
Natur und Schrift
Zum Preiſe
des herrlichen Schoͤpfers
Beſtehend
in erbaulichen Gedichten.

Dritter Theil.
[figure]


Hildesheim,: 1747.
Gedrukt und verlegt durch C. J. H. Hartz, E. H. Edl. Rahts priv. Buchdr.
[][]

Dem
Hochehrwuͤrdigen und Hochgelahrten Herrn
HERRN
M. Ludolph Anton
Hanſen
des Evangeliſchen Miniſterii Se-

nior, Beiſizzern des Conſiſtorii der Stadt
Hildesheim, und hoͤchſtverdienter
Paſtor zu St. Georg.
Seinem Geneigten Goͤnner
widmet
dieſe Poeſien
zum Zeugnis einer wahren Hochachtung
[]mit dem herzlichen Wunſch
daß der GOtt der Jhn in ſein Haus ge-
pflanzet noch lange Jahr in ſeinen Vorhoͤffen bei
dem Ehrwuͤrdigen Alter bluͤhend fruchtbahr und
friſch ſeyn laſſe
und bis auf die ſpaͤteſten Jahre des
menſchlichen Lebens zum Seegen
ſezzen moͤge.


Der Verfaſſer.


[]
Geprießner Aelteſter

Mann der du am Ver-
dienſt,

Als wie ein Mandelbaum im Kirchengarten
gruͤnſt!

Vergoͤnne daß ich darf der Welt den Trieb
erklaͤren,

Den in mir Hochachtung und Lieb und Dank
gebaͤhren.

Seitdem ich Dich gekannt, und Hildesheim
mich naͤhrt,

Seitdem hat Dich mein Herz mit innren
Trieb verehrt;

Die Billigkeit befiehlt, Vernunft und Schrift
erfordern,

Daß in der Seele muß der Liebe Feuer lo-
dern,

Wenn man dergleichen ſieht, die an der Wiſ-
ſenſchaft,

Die Zeit und Fleis erwirbt, die an der Ur-
theilskraft,

Die
[]
Die durch Erfahrung waͤchſt, in einem Leh-
ren Orden,

Zu einem Muſterbild ſind aufgeſtellet wor-
den.

Das iſt Dein Conterfait, ich finde das an
Dir,

Ein Wiſſen ohne Stolz, iſt Deine wahre
Zier;

Die Klugheit iſt dein Schmuck, ein gruͤndli-
liches Erfahren,

Der beſte Ehrenkranz an Deinen grauen
Jahren.

Jch nehme Theil daran; der Alten klugen
Rath

Jſt ein erwuͤnſchtes Gluͤk das ein noch iuͤn-
grer hat;

Das Vorbild dienet ihm zum reizenden
Exempel,

Vornemlich wenn er dient als Lehrer in dem
Tempel.

Die GOtt geweihte Zahl, die die Reli-
gion,

Und ihre Warheit zeigt; wodurch wir zu
der Kron

Der ſelgen Ewigkeit, als einen Weg ge-
langen,

Die kan in dieſer Stadt, durch deinen Ab-
ſtrahl prangen.

Du biſt der Diamant, der an dem Kranze
ſcheint,

Den
[]
Den unſer Orden pflicht; wir ſind mit Dir
vereint;

Und Dein Glanz ziert auch uns; Du giebſt
uns Deinen Soͤhnen,

Als unſer Aelteſter, den Schmuk uns zu be-
kroͤnen,

Und ich erkenne auch; Es kan Dein heller
Schein,

Auch mir zum groͤßren Licht, zum hellern
Glanze ſeyn.

Jch kan gleich einen Stern, mich auch mit
deinen Strahlen,

Die von Dir auf mich falln, zu GOttes
Preis bemahlen.

Der Nuzze treibt mich an, daß ich mit Dank-
barkeit,

Dir dieſes kleine Buch zum Denkmal ein-
geweiht,

Damit die Welt erſeh, wie man der Ehr-
furcht Pflichten,

Dem Alter ſchuldig ſey gebuͤhrend zu ent-
richten.

Jch fuͤge meinen Wunſch aus reinen Trieb
dabei;

Jch fleh den Schoͤpfer an, daß ſtets Dein
Alter ſey

Der gruͤnen Jugend gleich; er gebe zu dem
Jahren,

Stets neue Adlers Kraft, mit Fluͤgeln auf-
zufahren,

Auf
[]
Auf Zions heilge Hoͤh. Es bluͤh dein Wohl-
ergehn,

Damit wir durch Dein Wohl, das Wohl der
Kirche ſehn!

Der Hoͤchſte laſſe Dich gleich denen Mandel-
baͤumen,

Gleich Aarons gruͤnen Stab, im Heiligthu-
me keimen;

Dies wuͤnſcht aus regen Trieb, der Dich von
Herzen ehrt,

Weil Du als Aelteſter zwiefacher Ehren
werth;

Nim dies zum Zeichen an, Dn Krone
werther Alten!

Daß ich dich werde ehren, bis Herz und
Blut erkalten.

Johann Juſt Ebeling.


[]

Vorrede.


Geneigter Leſer!

Jch wuͤrde dich bei dieſem
dritten Theile meiner
Gedichte, mit keiner neu-
en Vorrede aufhalten,
wenn ich nicht einige Er-
rinnerungen bei denſel-
ben hinzu zu fuͤgen haͤt-
te, die in den vorigen
wegen der Eilfertigkeit vergeſſen. Jch habe
dir im Anfang Gedichte verſprochen die die
mannig-
[]Vorrede.
mannigfaltigen Vorwuͤrffe des Reiches der
Natur und Gnade zum Jnhalt haben ſolten.
Du findeſt aber viele in dieſen eilfertigen
Sammlungen, welche die Tugenden und La-
ſter der Menſchen vorſtellen. Jch habe die-
ſes einigen Freunden zu gefallen thun muͤſ-
ſen, welche ſolche Vorſtellungen begehret.
Jch bin vielmehr willig geweſen, ihren
Verlangen ein Gnuͤge zu leiſten, weil ſie
nicht gaͤnzlich wider den Zwek ſtreiten, den ich
mir vorgeſezzet. Der Menſch kan auf eine
zwifache Weiſe: nach ſeiner natuͤrlichen und
ſittlichen Beſchaffenheit betrachtet werden.
Jn den erſten Verſtande iſt er das Hauptge-
ſchoͤpfe unter denen ſichtbahren Kreaturen;
der ſich auf dem Schauplaz der erſchaffnen
Dinge auch ſelbſt nicht vergeſſen muß. Es
iſt leider die Gewohnheit der verdorbnen
Menſchen, daß ſie mehr und lieber auf das
was auſer ihnen iſt; als auf ſich ſelbſt ſehen.
Siehet man denſelben nach ſeiner ſittlichen
Beſch[affen]heit an; ſo kan man ihn, als ei-
nen ſolchen betrachten, der entweder ein
rechtſchaffner Buͤrger in den Reiche JEſu
iſt, oder der nur den Nahmen hat, daß er
dazu gehoͤre. Und daher habe ich gar fuͤg-
lich dasjenige erfuͤllen koͤnnen, was die Freun-
de zur Verbeſſerung der Sitten von mir
verlanget haben. Die heilge Schrifft, auf
welche ich mein Augenmerk mit gerichtet, ſtel-
let
[]Vorrede.
let uns die Tugenden und Laſter vor, die
wir zu erwaͤhlen und abzulegen haben.
Und die Abhandelungen koͤnnen alſo in dieſe
Claſſe geſezzet werden. Nur bitte bei der
Leſung derſelben zu erwegen, daß ich bei der
Beſchreibung einiger Laſter den Vorſaz nicht
gehabt, dieſelbe mit einen ſcharfbeiſſenden
Salz einer ſatyriſchen Schreibart zu beſtreu-
en. Solten einige empfindliche Ausdruͤkke
darin ſeyn; ſo glaube daß ſie aus keiner ſpiz-
zigen Feder gefloſſen. Jch bin ſo gleichguͤl-
tig bei den Fehlern der verdorbenen Welt
nicht, daß ich dieſelbe mit einem Hohngelaͤch-
ter anſehen koͤnte. Es jammert mir viel-
mehr, wenn ich Menſchen ſehe, welche Ver-
nunfft und Schrifft aus den Augen ſezzen,
und die ſtarken Riegel der natuͤrlichen Zucht
und der heiligen Religion zerbrechen, und
nach den Trieben der wilden Reigungen le-
ben. Daher kan ich dieſelbe auch auf keine
andre Weiſe beſtraffen, als durch eine beweg-
liche und mitleidende Vorſtellung ihrer Ab-
wege. Daher muß keiner dieſe Gedichte,
nach den Regeln einer beißigen Satire beur-
theilen, die ich mir nicht zur Einrichtung mei-
ner Gedanken vorgeſtellet. Jch will kein
ſcharfer Sittenrichter, ſondern nur ein lieb-
reicher Menſchenfreund ſeyn, der durch Leh-
ren und Ermahnen zu beſſern ſuchet. Der
lezte Theil wird nach zwei Monathen erfol-
gen
[]Vorrede.
gen, wenn der HErr Leben und Geſundheit
verleihet. Wir werden darin ſonderlich die
Wunder die wir an den menſchlichen Koͤrper
finden, zum Augenmerk unſrer Betrach-
tungen machen. Die Einfalt brauchet auch
davon ein Erkenntnis, ob ſie dadurch moͤch-
te bewogen werden, daran fleißiger zugeden-
ken, wie ſie ſchuldig ihrem Schoͤpfer davor zu
danken, daß er ſie mit ſolchen Wunderns-
wuͤrdigen Gliedmaſſen begnadiget. Der
HErr deſſen Ehre wir zum Zwek haben, be-
foͤrdere das Werk unſrer Haͤnde, und brin-
ge uns, wenn wir hienieden ihn in ſeinem
Werk und Wort recht kennen gelernt, zu
dem anſchauenden Erkenntnis ſeiner Herr-
lichkeit!


Hildesheim
1747. an Cornelius Tage.


Der
[[1]]

Der Herbſt.


Der Sonnen heiſſes Wunder-Feuer ver-
minderte den ſchwuͤlen Brand

Sie aͤnderte, wie es uns duͤnkte, im
Zirkel-Lauffe ihren Stand,

Als der vergnuͤgte Herbſt ankam, der
was der Sommer meiſt gereiffet,

Nun voͤllig in die Kuͤche bringt, und in die Vor-
rahts-Keller haͤuffet.

Das was der Sommer auf dem Felde, bei ſpaͤten
Wachsthum noch genaͤhrt,

Ward nun zum menſchlichen Vergnuͤgen, vom
Seegens-ſchwangren Herbſt beſchert,

Des zarten Flachſes duͤnner Halm, der uns die er-
ſten Kleider ſchenket,

Verdorrete und wurde weiß, und zu der Erde ſchon
geſenket,

Als ſich das Landvolk aus den Huͤtten, ſo bald die
laͤngre Nacht verſchwand,

Von neuen mit begiergen Haͤnden, in dem faſt lee-
ren Feld einfand.

Dritter Theil. AEs
[2]Der Herbſt.
Es riß mit reger Sorgfalt aus, es ſammlete in
ſeine Haͤuſer

Die Fadenreiche ſchlanke Meng, mit Knoten aus-
gezierten Reiſer.

Es ward die Erndte vor dem Winter, in freien
Felde kaum vollbracht

Da ſchon der Landmann auf das Pfluͤgen der Win-
terfelder ſich bedacht,

Er zog bei guter Witterung hinaus den Akker um-
zuwuͤhlen,

Sich aus der Erden leeren Schoos aufs Jahr das
wieder zu erzielen,

Was er vor diesmahl eingeſammlet. Sein Fleis der
nimmer ruhen kan,

Fing abermahl nach kurzen Raſten die Hofnungs-
volle Arbeit an,

Das Stoppelreiche Akkerfeld ward durch den Pflug-
ſchaar umgebrochen,

Da ſich die Fuͤſſe vorger Frucht ins Erdreich wiede-
rum verkrochen

Und ihre Mutter fruchtbahr machten. Das Feld
das vorher weislich gruͤn

Von aufgekeimmten Graſes-Spizzen, von hinter-
bliebnen Stoppeln ſchien,

Verkehrte ſich in Dunkelbraun, ſo weit der Pflug
es durchgeſchnitten,

Mit ſeinen breit geſchaͤrften Fuß in den vom Pferd
gezognen Schritten.

Das Feld war leer von ſeinen Fruͤchten, und den-
noch angenehm und ſchoͤn,

Als eine kuͤnſtliche Tapete in heller Ferne anzu-
ſehn,

Da ein von Gras bewachſner Strich, an dem was
nunmehr umgepfluͤget,

An
[3]Der Herbſt.
An einem dunkelbraunen Streif in ausgeſpannter
Ebne lieget.

Es ſah dies mein gereitztes Auge, das Herz gedach-
te gleich, dabei,

Wie auch zu allen Jahres-Zeiten, das Feld der
Anmuth Schauplatz ſey:

Man wird davon noch mehr geruͤhrt, wenn man
im Strahl der warmen Sonnen,

Das floͤckigte Gewebe ſieht, womit der Herbſt das
Land beſponnen.

Das Auge wird durch zarte Faden vergnuͤgt, die
durch den hellen Schein

Der Sonnen bald ein Goldgeſpinſte, bald wie ein
Draht von Silber ſeyn,

Bald blaulicht und bald wieder gruͤn, gleich den ge-
faͤrbten Regenbogen,

Die in den wandelbahren Strahl, geflammt und
gleichſam durchgezogen.

Kommt etwan in ein ſolch Geſpinſte, ein Pfluͤger
der daſſelbe trennt:

So ſieht man wie daſſelbe flieget, und bei dem
Pferde Trab fortrennt,

Sich ſchwenkend in die Hoͤhe hebt und wie ein heller
Dunſt ſich drehet,

Mit Anmuth das Geſicht vergnuͤgt, bis es der
Luftbraus weiter wehet.

Jſt dies Ergoͤtzen uns verflogen; ſo iſt ein neu Ver-
gnuͤgen da,

Der Akker iſt kaum umgebrochen; ſo iſt der Sae-
man ihm ſchon nah,

Der um ſich einen Sack geſpannt, und in gewiſſen
Schritten gehet,

Und draus die Saamenkoͤrner faßt, die er ins fri-
ſche Aekker ſaͤet.

A 2Er
[4]Der Herbſt.
Er ſtreut der Koͤrner trocknen Regen mit einer flei-
ßig milden Hand,

Jn Hofnung reichlich einzuerndten, in das vorher
umwuͤhlte Land:

Er gehet immer Schritt vor Schritt; und in den
abgemeßnen Wandern,

Folgt aus der angefuͤllten Hand, ein ausgedehnter
Wurf dem andern,

Bis daß der Akker voll geſaͤet. Dann kommen
wieder andre her,

Die treiben die geſpannten Pferde mit einem zakkig-
ten Gewehr

Mit Eggen durch das weiche Land: damit im of-
nen Schoos der Erde

Der Saame der darauf geſtreut, recht tief hinein
geſenket werde.

Wer kan dies Akkerwerk anſehen, ohn das man
den regen Blik

Werffe auf den weiſen Schoͤpfer, von dem dies
entſteht, zuruͤk.

Wir ſehn hier die weiſe Guͤt, die wenn ſie uns
die Frucht beſcheret,

Schon wiederum aufs andre Jahr, mit einer neu-
en Hofnung naͤhret.

Wir muͤſſen hier mit Luſt bekennen, daß alles an-
einander haͤngt,

Und daß die Vorſicht auch die Zeiten nach einer wei-
ſen Ordnung lenkt,

Daß alles in des Jahres Kreis den Menſchen zu
erkennen gebe,

Wie er durch ſeines Schoͤpfers Huld in fetten Ue-
berfluſſe lebe.

Des Sommers warme Sonnen-Tage vergnuͤgen uns
mit ihrer Koſt,

Die
[5]Der Herbſt.
Die Herbſtszeit als ein kalter Bote von eines ſtren-
gen Winters-Froſt,

Die zinſet uns in der Natur auch wiederum ſo
viele Gaben

Damit wir uns zur Winterszeit in ſtiller Ruh und
Freude laben.

Auf! mein Herz das zu erzaͤhlen, was der Schoͤpfer
der uns liebt,

Als die Proben ſeiner Guͤte in des Herbſtes Mon-
den giebt:

Doch wer kan die Gaben zaͤhln, die wir zu der
Zeit empfangen,

Die im Gaͤrten in dem Wald, allenthalben herr-
lich prangen.

Laſſet uns das uͤberrechnen, was uns in die Sin-
ne faͤllt.

Und was ſich im Herbſt den Augen in der Reiffe
dargeſtellt;

So erkennen wir ſo gleich, daß wir durch ein wei-
ſes Walten,

Was der Fruͤhling uns verhies, nunmehr in der
Frucht erhalten.

Damahls bluͤheten die Baͤume und der Bluͤten bun-
ter Schein,

Goß in das erfreute Herze, ſchon die ſuͤſſe Hofnung
ein;

Damahls war der Silber-Glanz unſre ſchoͤnſte Au-
genweide,

Nunmehr iſt der Fruͤchte Gold zu der Herbſtzeit un-
ſre Freude.

Oefnet euch ihr holden Gaͤrten, daß wir eure Fruͤch-
te ſehn,

Um daran den reichen Geber aller Gaben zu er-
hoͤhn!

A 3Welch
[6]Der Herbſt.
Welch ein Anblik voller Luſt! welch ein herrliches
Gepraͤnge!

Giebet uns ein jeder Baum, durch der Fruͤchte
reiffe Menge,

Die mit ihrer Laſt Gewichte, Aſt und Zweige nie-
derdruͤkt,

Und durch ihre ſchoͤnen Farben ſchon das Herz durchs
Aug erquikt.

Hie ſcheint durch das falbe Gruͤn eine Menge gelber
Beeren,

Die uns daß ſie muͤrb und reif, durch den aͤuſern
Anſchein lehren;

Da reitzt unſer luͤſternd Auge ſchoͤner Aepfel holde
Pracht,

Die den Baum gleichſam verguͤldet, und zu einer
Krone macht:

Dort ſieht man in blauen Strahl, reiffe Pflaumen
lieblich funkeln,

Die ſich durch den Sonnenbrand immer mehr und
mehr verdunkeln.

O! was ſind vor viele Arten, von dem Obſt, die
an Geſtalt,

Und nach ihrer innren Guͤte am Geſchmakke man-
nigfalt,

Die der Herbſt uns muͤrbe ſchenkt und zur Win-
terskoſt beſcheret,

Damit uns die weiſe Guͤt unſers Schoͤpfers labt
und naͤhret.

Welch ein Anmuths-voll Ergoͤtzen bringt uns dieſer
Ueberflus,

Wenn die Zeit nunmehr erſchienen zu dem wuͤrkli-
chen Genus;

Da die Frucht von Baͤumen faͤllt, die von ſuͤſſen
Saͤften quillet,

Da
[7]Der Herbſt.
Da ſie uns in Vorſchmak labt, und zum Nuz den
Keller fuͤllet.

Alt und Junge gehn zum Garten, und beſchaun
die Lieblichkeit,

Des weis gelblich grauen Obſtes, das uns im
Genus erfreut;

Sehet wie der Kinder Fleis emſig untern Baume
wuͤhlet,

Bis ſie eine muͤrbe Frucht in dem dichten Gras er-
zielet:

Es trift auch ihr wuͤhlend Suchen hie und da die-
ſelbe an,

Da ein jeder gleich genieſſet, was er naſcht und ha-
ben kan:

Und die ſaftig ſuͤſſe Frucht, die der Kehlen lieblich
ſchmekket,

Macht, das die Begierde nur bei denſelben wird
erwekket,

Jhre Sehnſucht lauſcht in Garten; ob etwas her-
unter fiel

Darnach geht das Herz der Kinder, das iſt ihr er-
wuͤnſchtes Ziel,

Faͤllt etwan von Wind bewegt eine Frucht von ſei-
nen Aeſten,

So iſt alſobald auch da, eine Schaar von kleinen
Gaͤſten,

Die dieſelbige auffangen. Doch der Wirthſchaft
Sparſamkeit,

Merket daß die Baumgerichte nur vergeudet und zer-
ſtreut,

Und das eine jede Frucht, wenn ſie zu der Reiffe
kommen,

Wird verſchleudert, aufgeraft, oder ſonſt hinweg
genommen:

A 4Dar-
[8]Der Herbſt.
Darum wird die Zeit beſtimmet, daß man ſie zu-
ſammen ließt,

Und gekocht als ein Gemuͤſe, zu der Saͤtigung ge-
nießt,

Bis man ſie zuletzt gemach, als in einer Erndte
haͤuffet,

Und von Baume gaͤnzlich bricht, wie ſie zeitig und
gereiffet.

Alsdenn wird mit ſtarken Armen jeder Baum in
Schwung erregt,

So daß in geſchwinden Schuͤtteln ein Zweig an den
andern ſchlaͤgt,

Da den Stamm und Zweig und Aſt zu dem ſtillen
Winterleben,

Jn gehaͤufter Mildigkeit manche ſuͤſſe Nahrung ge-
ben.

Welche reiche Wunderguͤte wird in reiffen Obſt ge-
ſchmekt!

Das uns unſers Schoͤpfers Weisheit und die ewge
Kraft entdekt!

Da er Fruͤchte mancher Art ſuͤß und ſauer laͤſt ent-
ſtehen,

Die ſo wunderbahr aus Holz, als aus zarten Roͤh-
ren gehen,

Zuerſt zeiget ſich die Bluͤte, die zu jeder Fruͤchten
Art

Einen Anſaz in ſich ſchlieſſet, und mit Dekken wohl
verwahrt,

Bis hernach die Treibekraft durch den Sonnenſchein
und Regen,

Unvermerkt dieſelbe dehnt und vermehret ihren See-
gen.

Der Natur verborgner Finger zeigt auf GOttes
Macht-Geheis,

An
[9]Der Herbſt.
An den Fruͤchten ſchlanker Baͤume weiſe Kunſt und
regen Fleis,

Da der Saft der daraus quillt, durch ſo kleine Gaͤn-
ge flieſſet,

Bis das Obſt zu ſeiner Groͤs, bis zur Zeitigung fort-
ſprieſſet.

Doch des Himmels milde Gaben, die der Gaͤrten
Erdreich naͤhrt,

Die an ſich nicht auszurechnen, wenn ſie uns der
Herbſt beſchert,

Sind vornemlich koſtbar ſchoͤn in Luſtgarten anzu-
ſchauen,

Die man pflegt mit mancher Art fremder Fruͤchte
auszubauen.

Hie haͤngt an gedehnten Zweigen, die an Pfaͤlen
ausgeſtrekt.

Ein ſaftig ſanft bewollete Pfirſich die erquiklich
ſchmekt;

Da ſind wieder andre noch die von auſſen herrlich
ſcheinen,

Und dabei die innre Guͤt, mit den aͤuſren Schmuk
vereinen.

Dieſe und noch mehr Gewaͤchſe, die ſuͤß-ſaͤurlich,
ſaftig, friſch,

Liefert der mit edlen Fruͤchten reich begabte Herbſt
zu Tiſch,

Wo man den gefuͤllten Bauch, und den ſatten Mund
von neuen,

Sucht mit einem ſaftgen Obſt durch die Kuͤhlung
zu erfreuen.

Auf den gelben Haſelſtauden dran das Laub ſchon
welkend fliegt,

Wird das Auge durch die Trauben voller Nuͤſſe
auch vergnuͤgt,

A 5Die
[10]Der Herbſt.
Die den Oelicht-fetten Kern in den gelb gefaͤrbt
Gehaͤuſen

Und bei ihrer Zeitigung in den braunen Schalen
weiſen.

Von den hocherhabnen Baͤumen giebt der Herbſt die
welſche Nuß,

Die in gruͤnen Capſeln ſtekket, und der Schoͤnheit
zum Verdruß,

Oft die Haͤnde braunlicht faͤrbt, da ſie nach den
Kern recht ſchmachtet,

Und in heiſſer Fresbegier nicht der Schalen Schmuz
betrachtet.

Wenn die Baͤume Fruͤchte zinſen; ſo giebt das
umgrabne Land,

Ebenfals auch ſeine Nahrung, wie dem Landman
iſt bekand,

Der den Kohl darnieder haut, das ſehr Blaͤtter-
reich Geſchoͤpfe,

Das ſich durch einander ſchlingt, und in feſt ge-
ſchloßne Koͤpfe

Um den harten Stengel drehet. Dieſe Winter-Nah-
rung giebt,

Uns der hocherhabne Schoͤpfer, der die Menſchen-
Kinder liebt,

Mit den Wurzeln und was mehr noch gehoͤret zu
den Ruͤben,

Welche aus der Sommers-Zeit auf den Herbſt ſind
uͤbrig blieben.

Das ſind die bekandten Gaben, die in dieſer Jah-
res-Zeit,

Uns des Schoͤpfers holde Guͤte zu der Luſt, zum
Nuz anbeut,

Und da ſie nicht ſind zu zaͤhln, muͤſſen wir von
GOttes Werken,

Nur
[11]Der Herbſt.
Nur was unſre Sinne ruͤhrt, zu der Vorſicht Preis
bemerken.

Wenn man das aus Andachtstriebe voll Verwun-
drung uͤberdenkt,

Was der Herbſt in andrer Gegend reichlich denen
Menſchen ſchenkt:

So wird ein von Luſt erfuͤllt und dadurch erregt
Gemuͤthe,

Gleichſam in Bewunderung erſtaunt uͤber GOt-
tes Guͤte,

Die zu jeden Jahres Zeiten jeden Lande Fruͤchte
reicht,

Da doch keines nach den Fruͤchten, einen andern
voͤllig gleicht.

Dieſes hat was jenem fehlt, jenes kan mit Gaben
prangen,

Die dies Land aus GOttes Huld nicht nach ſolcher
Art empfangen.

Das kan man im Herbſt auch ſehen, da das Feld
die Koͤrner zollt,

Und die Frucht von denen Baͤumen reichlich in den
Gaͤrten rollt:

Unſre Ebne giebt uns Brodt in dem groͤſten Ueber-
fluſſe,

Und noch andre Speiſen auch zum erquiklichen Ge-
nuſſe.

Da wo ſteile Huͤgel, Berge, ſchenkt des Schoͤp-
fers Allmachtskraft,

Aus dem duͤrren Weinſtock Trauben voll von ſuͤſſen
Nectarſaft,

Die der Herbſt zur Leſe reift; da komt man mit
hellen Hauffen,

Von der Freude faſt berauſcht zu den Weinberg
hin gelauffen,

Reiſ-
[12]Der Herbſt.
Reiſſet von geſchlungnen Ranken dieſen ſaftigen Ge-
win,

Der in Purpurbeeren ſchwimmet, bringt ihn zu
der Kelter hin,

Wo er ſchaͤumend ausgepreßt, als ein Blut aus
Adern quillet,

Und mit einen ſuͤſſen Moſt, Zuber, Faß und Keller
fuͤllet.

Daraus wird beim kalten Winter, bei den frohen
Luſtgeſang

Nachher mancher Freudenbecher zu des Hoͤchſten
Preis und Dank

Schlurfend wiederum geſchoͤpft. Moͤchte dieſer Saft
der Reben,

Den der Herbſt aus Trauben ſprizt uns zu dem ver-
gnuͤgten Leben,

Nicht zum Misvergnuͤgen dienen, wie doch leider
oft geſchieht,

Wenn man dieſe heiſſe Nahrung uͤbermaͤßig in ſich
zieht!

Hat der Berg die Frucht gezollt; ſo eroͤfnen ſich
die Waͤlder,

Da der Herbſt von neuen zeigt, daß auch allhie
Seegens-Felder

Von dem Schoͤpfer aufgebauet. Hier geht auf der
dichten Bahn,

Der nach Wild begierge Jaͤger hinter Hirſch und
Rehen an,

Die in einer ſtillen Raſt unter den Gebuͤſche lie-
gen,

Und ſich an der heiſſen Koſt, die von oben faͤllt, ver-
gnuͤgen:

Da geht der entglomne Donner aus den Schies-
Gewehren loß,

Und
[13]Der Herbſt.
Und die fortgetriebne Kugel fliegt mit den entbrant-
nen Stoß

Durch das anfgeſcheuchte Wild, und zertrennt die
dikken Haͤute,

Und bringt auf begluͤkten Schuß eine woll genaͤhr-
te Beute.

Da erthoͤnet in den Waͤldern, der durchs Horn ge-
blaſne Schall

Der mit fortgetriebnen Luͤften, in dem nah geleg-
nen Thal

Ein recht luſtig Echo macht: darauf ſucht man in
den Nezzen,

Das dadurch erwekte Schwein auf das ſchlanke
Spieß zu hezzen,

Das in wilder Wuth erhizzet ſchnaubend ſeinen
Ruͤſſel hebt,

Und mit aufgeſtreubten Borſten grimmig nach den
Weidman ſtrebt,

Da es an den Stachel lekt, und ſo lang am Spieſ-
ſe wuͤhlet,

Bis es den erſtarrten Todt, kraftlos in den Adern
fuͤhlet.

Wenn man hie das Wild aufjaget; ſo zinßt auch
das Meer den Fiſch,

Womit noch der Herbſt bereichert unſern vollen
Speiſe-Tiſch,

Und die Luft iſt auch nicht leer von den Seegensrei-
chen Gaben,

Da wir Schnepfen zu der Zeit, fette Lerchen,
Wachteln haben,

Die man in geſpannte Nezze auf den leeren Feldern
jaͤgt,

Wenn man ihre ſtillen Triften in der Demmerung
erregt.

Denk
[14]Der Herbſt.
Denk O! Menſch den Gaben nach, die des Herb-
ſtes Liefrung bringet,

Eh des Winters kalter Schnee durch die dikken Luͤf-
te dringet,

Und dich in die Huͤtten treibet: Sind ſie nicht ſo
mancherlei?

Lerne dran geruͤhrt erkennen, daß dein Schoͤpfer
guͤtig ſei,

Boden, Keller, Kad und Faß iſt mit Seegen an-
gefuͤllet,

Der doch all aus einer Quell, aus des Hoͤchſten
Guͤte quillet.

Lerne wie des Jahres Krone die die Weisheit aus-
gedacht,

Aus ſo mancherlei Gewaͤchſen die zur Luſt, zum
Nuz gemacht,

Du haſt auch dein Theil daran, das dich labt, ver-
gnuͤgt und naͤhret,

Denke immer im Genus: dies hat GOttes Huld
beſcheret.

Wer die Wollthat nicht erkennet, die vom hoͤch-
ſten Gute fließt

Jſt nicht werth daß er ſie ſchmekket, und mit Freu-
digkeit genießt:

Auch die Seegenreiche Frucht, die der Herbſt ſo
vielfach ſchenket,

Fordert ein dankbahres Herz, das an ſeinen Geber
denket.

Ewiges allguͤtig Weſen! deine groſſe Guͤtig-
keit,

Offenbahret ſich uns taͤglich in des Herbſtes frohen
Zeit

Unſer Herz empfindet es, moͤchten wir vor ſo viel
Fruͤchte

Vor
[15]Der Herbſt.
Vor ſo mannigfaltige lieblich ſchmekkende Gerich-
te

Dir ſtets Andachts-Opfer bringen: Unſer Herze
brennet ſchon

Nim dreieinig ewger Vater! unſrer Zungen Jubel-
Thon,

Den die Freude jauchzend ſtimmt, an bis wir in hoͤ-
hern Choͤren,

Deine groſſe Majeſtaͤt, in der Ewigkeit vereh-
ren.


Die
[16]
Die angenehmen und lehrrei-
chen Herbſt-Verwandelungen an
den Baͤumen.

Nunmehr iſt im Reich der Floren,

Der ſmaragdne Schmuk, das Gruͤn,

Als der Hofnung Bild verlohren,

Das an denen Baͤumen ſchien;

Da der Herbſt die welken Blaͤtter

Jn ein ſchimmernd Gold verkehrt,

Sind ſie nur verſchoͤnert, netter

Und in ihren Glanz vermehrt,

Da die heitren Sonnenſtrahlen,

Sie wie die Rubinen mahlen.

Aller Dinge Aenderungen

Jn dem Reiche der Natur,

Sind nur blos Verwandelungen

Wechſelreicher Kreatur:

Was uns ſcheint als wie verlohren,

Wird im Kreislauf dieſer Zeit,

Anders wiederum gebohren,

Und als unzerſtoͤhrt verneut:

Dieſes kan man klaͤrlich zeigen,

An dem Schmuk der Aeſt und Zweigen.

Wel-
[17]Verwandelungen an den Baͤumen.
Welche ſchoͤne Augenweide,

Wenn man in die Gaͤrten blikt,

Wo zuvor im gruͤnen Kleide,

Uns der Baͤume Pracht entzuͤkt:

Nunmehr iſt das Gruͤn entflogen

Und das Laub im hellen Glanz

Als mit Goldblech uͤberzogen,

Und der Gipfel runder Kranz,

Scheinet in der heitren Ferne,

Als wenn er voll guͤldner Sterne.

Sieh O! Menſch die weiſe Weiſe

Unſers Schoͤpfers hierin an,

Und erwege ihm zum Preiſe,

Was ſein Allmachts-Finger kan!

Da der Fruͤhling iſt verſchwunden,

Und die Sommerszeit vorbei

Und der Herbſt ſich eingefunden:

Wird der Hofnung Liverei,

Da nun die Erfuͤllung kommen,

Weislich wieder abgenommen.

Dieſe Welt das Schaugeruͤſte

Jſt ſtets herrlich ausgeziert,

Da ein Vorwurf ſuͤſſer Luͤſte,

Die begiergen Sinnen ruͤhrt;

Wenn wir etwas gnug beſehen,

Muß es, ehe man es meint,

Sich verwandeln, nicht vergehen,

Da ein andrer Schmuk erſcheint,

Den das Aug mit Luſt erblikket,

Wenn er wieder vorgeruͤkket.

Dritter Theil. BGaͤr-
[18]Die angenehmen und lehrreichen Herbſt-
Gaͤrten ſind im Erdenkreiſe

Als ein Schauplatz anzuſehn;

Als ein ſchoͤnes Luſt-Gehaͤuſe:

Und die Baͤume die da ſtehn,

Sind in ihrem holden Gruͤnen

Uns zur Augenluſt gemacht,

Und als ſchoͤne Kunſt-Maſchinen

Mit der nett belaubten Pracht,

Die ſich oft gleichſam verdrehen,

Und in neuer Farb aufgehen.

Wenn beim hellen Sonnenlichte

Uns der Herbſt die Baͤume zeigt,

Und ein aufmerkſam Geſichte

Seine Blikke darauf neigt:

So kan man bei ſtillen Freuden,

An der bunten Zierlichkeit

Aug und Herze reichlich weiden,

Da zu dieſer Jahres-Zeit

Das, was uns zuvor ergoͤtzet,

Noch in die Verwundrung ſezzet.

Wenn der Nord faͤngt an zu raſen,

Fliegt die bunte Herrlichkeit,

Und wird durch ſein hauchend Blaſen,

Auf den falben Grund geſtreut,

Da muß dieſes ſchimmernd Prangen,

Noch mit Gold die Erde ziern,

Bis es in den Staub vergangen

Da wir es gar bald verliern;

Da es in gar wenig Stunden,

Wie ein ſcheinend Nichts verſchwunden.

Schoͤ-
[19]Verwandelungen an den Baͤumen.
Schoͤnes Bild von unſern Leben!

Daß uns oͤfters herrlich ſcheint,

Und auch viele Luſt kan geben,

Das doch aber eh mans meint,

Mit der Jahre Lauf vergehet:

Da die Schoͤnheit, Pracht, und Geld

Wie ein welkend Laub verwehet,

Und zulezt noch in der Welt,

Wenn ſie ſich von uns entfernen,

Laſſen, daß ſie eitel lernen.

Jn der Jugend holden Lenzen,

Bluͤhen wir mit Anmuht ſchoͤn,

Da wir in den gruͤnen Kraͤnzen,

Hofnungs-voll dem Gluͤk nachgehn.

Wenn die Gluͤkkes-Sonn uns ſcheinet,

Sind wir einem Baume gleich,

Davon man im Sommer meinet,

Daß er praͤchtig, fruchtbahr, reich,

Der zulezt hoͤrt auf zu prangen,

Wenn der Blaͤtter Schmuk vergangen.

Wenn die Jahre endlich kommen,

Da die Schoͤnheit ſich verliert,

Der Natur-Kraft abgenommen,

Faͤllt der Glanz der uns geziert.

Alsdenn ſoll das Kleid uns ſchmuͤkken,

Oder auch des Reichthums Gold:

Das doch bei dem rauhen Blikken

Jn dem Ungluͤks-Sturm fort rollt,

Und gar oft wie Laub verflieget,

Wenn ihr Schein uns kaum vergnuͤget.

B 2Bei
[20]Die angenehme Herbſt-Verwandelung.
Bei des Herbſtes rauhen Wettern,

Scheint das Laub uns herrlich an,

Da man ſich an welken Blaͤttern,

Wie am Gold ergoͤtzen kan:

Aber ſie verwehn, verfliegen,

So iſt auch des Reichthums Nichts,

Bei den Alten ein Vergnuͤgen,

Eine Luſt des Angeſichts;

Aber beim geſchwinden Scheiden,

Macht es nur ein ſehnend Leiden.


Die
[21]

Die
betrachtenswuͤrdigen Baͤume.


Wer ſich um GOttes Preis, in die-
ſer Welt bemuͤht,

Und die erhabne Pracht der ſchlan-
ken Baͤume ſieht,

Wird viel bewunderndes an ihren
Wurzeln finden,

An ihren harten Stamm, an ih-
ren aͤuſren Rinden,

An ihren inren Mark, an ihren
Faͤſerlein,

Die langen Roͤhren gleich, und gleichſam Adern
ſeyn,

Wodurch die Saͤfte gehn und in dem Circuliren,

Sich zu der Hoͤh hinan zu Aſt und Zweigen fuͤh-
ren.

Die Wurzeln ſchlingen ſich auf ihrer finſtren Bahn

Und klammern ſich recht feſt im Schoos der Erden
an,

Wenn ſie aus dem Saamen gehn; der Stamm der
aufwerts dringet,

Geht immer hoͤher auf, der ſich recht ſteil aufſchlin-
get.

Wenn man des Wachsthums Kraft an Baͤumen
uͤberdenkt,

Das Auge des Gemuͤths dabei zum Schoͤpfer
lenkt;

So ſpuͤrt man ſeine Macht, und ſein allweiſes Fuͤ-
gen

B 3Mit
[22]Die betrachtenswuͤrdigen Baͤume.
Mit ſonderbahrer Luſt, mit innigen Vergnuͤgen.

Ein kleines Saamenkorn bluͤht aus der Erd her-
vor,

Und treibt ein gros Gewaͤchs in ſchlanker Hoͤh em-
por.

Wer ſieht die Wuͤrkung nicht von maͤchtigen Re-
gieren,

Die das, was klein ſich zeigt, kan zu der Groͤſſe
fuͤhren?

Man merkt die Weisheit hier, die alles mit Be-
dacht,

Zum vorgeſezten Ziel recht kuͤnſtlich herrlich macht;

Es iſt kein Theil am Baum, der nicht zugleich muß
dienen,

Zu ſeiner Feſtigkeit, zu ſeinem Wuchs und Gruͤ-
nen.

Wie wunderbar ſind nicht die Wurzeln anzuſehn,

Die in geſchlunguer Kraft ſich durcheinander drehn,

Und nach der Baͤume Hoͤh ſich unten weit ausbreiten

Auf daß ſie feſte ſtehn und nicht leicht auszureuten?

Sonſt riſſe gleich ein Wind, mit ſeinem ſtarken
Braus,

Jn Gaͤrten, in dem Wald, die groſſen Baͤume
aus,

Wenn er mit Ungeſtuͤm in truͤben Luͤften wittert,

Und durch gepreßten Hauch Zweig, Aſt und Stamm
erſchuͤttert.

Der Baͤume Wurzeln ſind von unten zugeſpizt,

Und oben breit und rund, weil dieſes dazu nuͤzt,

Daß ſie den Pfrimmen gleich die harte Erde tren-
nen,

Und ohne Wiederſtand ſtets weiter dringen koͤn-
nen.

Sie ſind auch ausgeholt; ob ſie zwar holzig hart,

So
[23]Die betrachtenswuͤrdigen Baͤume.
So ſind ſie ſchwammigt doch mit Rinden woll ver-
wahrt,

Und ſind Canaͤlen gleich, die ſolche Saͤfte ſaugen,

Die zu des Stammes Wuchs und ſeiner Nahrung
taugen.

Sie ſind auch hie und da mit Oefnungen verſehn,

Wodurch die Luͤfte ſich als wie durch Roͤhren
drehn,

Die dienen theils, den Saft, der klebricht fort zu
treiben,

Theils in den inren Stamm ſich mit ein zu verlei-
ben.

Sieht man den Baum ſelbſt an, wie er ſich aus-
werts zeigt,

So findet ſich der Stamm, der in die Hoͤhe ſteigt,

Sein holzig Weſen iſt, wenn man es recht be-
ſchauet,

Aus hohlen Faͤſerchen mit Saft erfuͤllt, erbauet.

Man trift drin Blaͤsgens an, darin der Saft ein-
quillt,

Gekocht, gereinigt wird, und ſind gleichſam ein
Bild,

Von Druͤſſen die der Menſch in ſeinem Leibe traͤget.

Wenn man das Auſſenwerk des Stammes Rind
erweget,

Und ſeine ſchrofne Haut, ſo ſieht man abermahl,

Die Wunder weiſer Macht, die ohne alle Zahl,

Denn alles iſt daran ſo herrlich eingefaſſet,

Daß alles ordentlich zu ſeinem Zwekke paſſet.

Es laͤuft der Saft im Stamm, als wie im Adern
fort,

Und ſezt ſich allemahl an den beſtimmten Ort,

Und mehret ſeine Groͤß, da ſich die Feuchtigkei-
ten,

B 4Zu
[24]Die betrachtenswuͤrdigen Baͤume.
Zu Aeſten, Zweigen, Frucht im Zirkel-Lauffe
leiten,

Wie die verborgne Kraft ſie wunderbahrlich treibt,

Da hier ein ſalzig Theil, dort das was ſchweflicht
bleibt,

Und hier was Oelicht ſezt, und zu dem Wachs-
thum bringet,

Was als ein Nahrungsſaft aus tieffer Erde drin-
get.

Der Rinden Feſtigkeit, iſt um den Stamm ge-
ſpannt,

Die Haͤute ſind gleichſam des Baumes Bettge-
wand,

Die ihn vor Hiz und Froſt, vor mancherlei Ge-
fahren,

Vor einem ſcharfen Zahn der Thiere woll bewah-
ren.

Die Aeſte breiten ſich verwundernswuͤrdig aus,

Die Zweige die daran, ſind wie an einem Haus,

Den hohen Sparen gleich, die alle das beſtaͤrken,

Was wir zu GOttes Ruhm an einem Stamm be-
merken.

Die weiſe Einrichtung, die daran iſt zu ſehn,

Jſt wunderbahr gemacht, zur Luſt und Nuzzen
ſchoͤn;

Die Knospen lehren uns, wenn ſie im Herbſt ſich
zeigen,

Wie drin die Urbildung, von Bluͤthen, Frucht
und Zweigen,

Und wie die Vorſehung dieſelbige gebiehrt,

Wenn ſich die Frucht, das Laub in rauhen Herbſt
verliehrt.

Recht angenehm iſt es, wenn wir das weiſe Weſen,

Und deſſen Vorſehung an dieſen Augen leſen,

Die
[25]Die betrachtenswuͤrdigen Baͤume.
Die wenn uns der Verluſt der gruͤnen Pracht be-
truͤbt,

Jn neuen Knospen ſchon die frohe Hofnung giebt,

Daß in dem kuͤnftgen Lenz, wie dieſe vorher ſa-
gen,

Die Baͤume wiederum in gruͤner Zierd ausſchla-
gen,

Und kommt im Jahres Kreis, die angenehme Zeit,

So wuͤrket die Natur der Baͤume Feierkleid,

Die gruͤne Liverei, die durch ihr herrlich Pran-
gen,

Der Augen ſtarren Blik zu unſrer Luſt auffangen.

Da ſiehet man vergnuͤgt der Baͤume hohen Thron,

Jn gruͤnlicher Geſtalt, worauf die Fruͤhlingskron,

Das Laub den Gipfel dekt: die mannigfaltge Bluͤ-
the,

Die roͤthlich gluͤht und weis lehrt uns die weiſe
Guͤte

Des Schoͤpfers, der den Baum mit ſolchen Glanz
und Pracht,

Zu unſrer Augenluſt vor andern herrlich macht.

Es ſtuzt darob der Blik der nur betrachtend ſiehet,

Jn was vor Herrlichkeit der Baͤume Gipfel bluͤhet.

Jedoch der Puz verfliegt, der Bluͤthen Herrlich-
keit,

Faͤllt von den Zweigen ab, und wird herum zer-
ſtreut,

Da werden wir gewahr, wie als an kleinen Stan-
gen,

Der Fruͤchte zart Gewaͤchs, die gruͤnen Beerlein
hangen,

Die durch der Sonnen Strahl und ihrem guͤldnen
Schein,

Gleich einer ſchoͤnen Reih von Edelſteinen ſeyn.

B 5Die
[26]Die betrachtenswuͤrdigen Baͤume.
Die wachſen immerfort bedekt mit ihren Laube,

Das zu der Sommerszeit gleicht einer Sonnen-
Haube.

O! ewge Majeſtaͤt! das Herze wird geruͤhrt

Wenn es die Pracht erwegt, womit der Baum
geziert,

Und dabei unterſucht, wie alles dran entſproſſen,

Und aus der Seegens-Quell der ewgen Macht ge-
floſſen!

Der Blaͤttter Mannigfalt ergoͤtzet das Geſicht,

Und ſtaͤrkt den Augenſtrahl. Wenn man beim Son-
nenlicht

Jhr Kunſt-Gewirk beſchaut, und aufmerkſam er-
weget:

So iſt in jedem Blat ein Abris vorgeleget

Von einem ganzen Baum. Wenn man mit Kunſt
ein Blatt,

So von einander nimmt, wie es die Theile hat;

So lernet man es recht mit ſeiner Pracht erkennen,

So wird man erſt gewahr, daß es gar woll zu nen-
nen

Der Allmacht Meiſterſtuͤk. Die Adern die geſtrikt,

Die machen einen Baum, daran man erſt erblikt

Den Stamm der ſich darauf in manchen Aſt aus-
breitet,

Woraus ſich wiederum der Zweige Meng herleitet.

Wenn man ein Blat beſchaut, wie es im Haͤuten
liegt,

So ſcheint es als ein Nez, das zierlich iſt gefuͤgt

Und wunderbahr geſtrikt, als waͤre es geſponnen,

Da es doch wie ein Saft, aus ſeinem Zweig ge-
ronnen.

Die innre Zierlichkeit iſt recht bewunderns werth,

Doch wenn man nur das Aug aufs Auſſenwerk
hinkehrt:

So
[27]Die betrachtenswuͤrdigen Baͤume.
So findet man ſo viel Verwundrungs-volle Spu-
ren,

Der ewig weiſen Macht, an Farben und Figuren.

Erwegt man ihren Nuz; ſo ſieht man alſobald,

Daß ſie wie Faͤcher ſind, die brennende Gewalt

Der Sonnen, von der Frucht in etwas abzulen-
ken

Und ſie des Morgens fruͤh mit friſchen Thau zu
traͤnken.

Sie ſind ein Schuz und Schirm, beim kalten Win-
de Braus,

So lang die Frucht noch zart, ſie theilen Nah-
rung aus,

Jn eine zarte Bluͤt durch die ſehr kleinen Roͤhren,

Wodurch aus Aſt und Zweig die duͤnnen Saͤfte
kehren.

Das Laub iſt auch ſehr ſchoͤn zum Schirmdach vor
das Thier,

Das in dem Walde laͤuft; Es iſt dem Baum zur
Zier

Es dient den Voͤgeln auch, die ſich in ſtillen Schat-
ten,

Wo ſie das Laub bedekt, mit Luſt zuſammen gat-
ten.

Es dekt ihr kuͤnſtlich Neſt: damit nicht jederman,

Die jung und matte Frucht ſo ſichtbahr finden kan,

Es giebt den Menſchen ſelbſt manch inniges Ver-
gnuͤgen,

Wenn ſie zur Sommerszeit in ſeinem Schatten
liegen.

Wenn man den Baum nur ſo nach jedem Theil
erwegt,

Die Fruͤchte auch beſieht, die er zur Reiffe hegt:

So muß man alles das, bewundernswuͤrdig nennen

Was
[28]Die betrachtenswuͤrdigen Baͤume.
Was wir bei ihrer Bluͤth und Wachsthum ſehen
koͤnnen.

Und wie vergnuͤgt iſt es, wenn man den Baum
anſieht,

Wenn er zur Fruͤhlings-Zeit in ſchoͤnen Schimmer
bluͤht,

Da ein durchſichtig roth mit weiſſer Pracht verei-
net,

Recht funkelnd in das Aug uns zum Ergoͤtzen ſchei-
net.

Der Fruͤchte Lieblichkeit, die aus der Bluͤt ent-
ſteht,

Daran des Schmukkes Zier verwehet und vergeht

Dient uns hernach zur Luſt; und wenn wir ſie erſt
ſchmekken,

So kan ſie uns dabei auch im Geſchmak entdekken,

Wie ſchoͤn die Baum-Frucht ſei, wovon der Aſt
und Zweig,

Zur ſpaͤten Herbſtes Zeit, als wie am Seegen
reich.

Das Auge wird daran vergnuͤgt, die Zunge fuͤhlet,

Wie guͤtig unſer GOtt der dieſe Koſt erzielet:

Drum Menſchen ſehet doch der Baͤume Wunder-
pracht,

Die unſers Schoͤpfers Kraft zu unſern Nuz ge-
macht:

Ruͤhmt ſeine Vorſehung und ihr allmaͤchtig Wal-
ten,

Die drauf in dieſem Jahr uns viele Frucht erhal-
ten.

Seht ihr die Baͤume an; ſo lernt auch dies da-
bei

Daß jeder von uns auch den Baͤumen aͤhnlich ſei:

Ein umgekehrter Baum giebt uns das aͤuſre Weſen,

Und
[29]Die betrachtenswuͤrdigen Baͤume.
Und unſer Ebenbild im Abdrnk klar zu leſen.

Die Wurzeln ſtellen uns, mit ihrer Faſern Zier,

Das Haupt mit ſeinem Haar am Menſchen-Koͤrper
fuͤr;

Der Stamm gleicht unſerm Leib, und an den Aſt
und Zweigen,

Kan man ein aͤhnlich Bild von Bein und Armen
zeigen.

Durch Faſern ihres Stamms, die voller Roͤhren
ſeyn,

Dringt der gequollne Saft in Aſt und Zweige ein,

Und ſind den Adern gleich, dadurch das Blut fort-
gehet,

Das ſich recht wunderbar durch alle Glieder dre-
het.

Ein Baum iſt angefuͤllt mit Blaͤsgen, drin der
Saft,

Gleichſam [...]ochet wird. Der Druͤſen Eigenſchaft

Jn eines Menſchen Leib iſt dieſem zu vergleichen,

Weil ſie die Nahrung auch recht ſaͤubern und erwei-
chen.

Die Roͤhren voller Luft, die durch die Staͤmme
gehn,

Die geben uns ein Bild von unſrer Lung zu ſehn:

Anſtat der Haut ſind ſie mit Rinden uͤberzogen,

Wodurch die Feuchtigkeit die ſie zu viel geſogen,

Als durch Schweisloͤcher geht. Ein Baum ſtammt
aus der Erden,

Und muß auch wiederum zu Staub und Aſche wer-
den:

Wir ſind ihm darin auch, als Menſchen alle gleich,

Der Todt der liefert uns ins unterirdſche Reich,

Wo ſich der Koͤrper trennt, da faulen alle Glieder,

Und loͤſen ſich in Staub, daraus ſie ſtammen wieder.

Des
[30]Die betrachtenswuͤrdigen Baͤume.
Des Menſchen Koͤrper wird durch Krankheit un-
terdruͤkt,

An Baͤumen wird auch oft der Seuchen Art er-
blikt;

Ein Roſt, ein ſcharfer Krebs, ein Wurm der ſie
zernaget,

Stellt uns das Elend vor, daß unſern Koͤrper pla-
get.

Der Zeiten ſcharfer Zahn der ihre Staͤmm anfaßt,

Der Jahre druͤkkende und uͤberſchwere Laſt,

Befoͤrdert endlich noch der Baͤume ihr Verderben,

Das Alter zehrt uns aus, und macht daß wir er-
ſterben.

O! waͤre jederman den Baͤumen darin gleich,

Wie ſie an Fruͤchten ſind, ſo auch an Werken
reich,

Die aus dem Glauben gehn, ſo wuͤrden wir was
taugen,

Und nicht dem Dornſtrauch gleich, die Nahrung
in uns ſaugen,

Der keine Fruͤchte bringt; ſo wuͤrde Nuz und
Frucht

Wie an dem (*) Feigenbaum vergeblich nicht ge-
ſucht.

Wie viele finden ſich, die wie die Cedern prangen,

Woran doch keine Frucht nur ſchoͤne Blaͤtter han-
gen;

Die einen groſſen Schein der aͤuſren Heiligkeit,

Der doch nur blos ein Saum vom Phariſaͤer-Kleid,

Darin ein Teuffel ſtekt. Der Werke Schau-Ge-
richte.

Sind oftmahls nur gemahlt, und nicht gewachſne
Fruͤchte.

Ein
[31]Die betrachtenswuͤrdigen Baͤume.
Ein jeder denke nach, und ſehe ſich recht an;

Weil ſich ein jeder ſelbſt am beſten kennen kan:

Wer einem Baum gleich iſt, der keine Fruͤchte
bringet,

Der denke wie viel Jahr ihn GOtt ſchon hat ge-
duͤnget

Der ſehe an die Zeit, als ſeine Gnadenfriſt,

Wie bald dieſelbige verfliegt, voruͤber iſt.

Der denke an den Spruch, und deſſen weiſe Leh-
ren,

Die der mit Nachdruk ſpricht die Juden zu be-
kehren,

Der als ein Herold kam, und in der Finſternis,

Das Licht verkuͤndigte und zu der Buſſe wies:

Der Spruch heiſt ſo: die Axt iſt nunmehr ſchon
gewezzet,

Und an des Baumes Stamm, und Wurzel ange-
ſezzet,

Wer keine Fruͤchte bringt die gut, wird umgehaut,

So gehts den Menſchen auch die GOtt unfrucht-
bar ſchaut:

Ein faul Holz, fauler Menſch, ſind beide zu ver-
dammen,

Weil ſie zu Nichts ſind nuͤz, nur Braͤnde, zu den
Flammen.(*)


Der
[32]

Der
Teuffel, GOttes Affe.
bei
Betrachtung der Egyptiſchen Zaube-
rer, die die Wunder Moſis nachah-
men wollen.


Von Anfang her hat ſich die Liſt

Des Teuffels, der ein Arger iſt,

Bemuͤht durch ſeinen boͤſen Saamen

Den Guten immer nachzuahmen.

So bald der Hoͤchſte was befiehlt,

Das auf der Seelen Wollfahrt zielt,

So bald ſucht er in gleichen Sachen,

Jn Boͤſen es auch nach zu machen.

Was man im Sprichwort ſonſten lehrt;

Wo man GOtt in den Tempel ehrt,

Da wird der Satan auch geſchauet,

Der ſich Capellen auferbauet.

Dieß Sprichwort iſt klar und gewiß,

Dieweil der Fuͤrſt der Finſternis,

Jn vielen Dingen es gezeiget,

Daß er zur Nachahmung geneiget.

Des Hoͤchſten weiſe Guͤtigkeit,

Die uns zu unſerm Nuz gebeut,

Be-
[33]Der Teufel, GOttes Affe.
Befahl die Opfer ihm zu ſchlachten,

Und dran im Glauben zu betrachen,

Des Weibes-Saamens Loͤſe-Geld,

Daß er fuͤr die verlohrne Welt,

Jn Blut und Todt fuͤr unſer Leben,

Zur Buͤſſung unſrer Schuld gegeben.

Die Vaͤter in der erſten Zeit,

Die waren zu dem Dienſt bereit,

Sie opferten des Hoͤchſten Willen,

Mit wahrer Andacht zu erfuͤllen.

Sie ſahn dabei im Schatten an,

Was der Erloͤſer nun gethan,

Der uns durch Opfer GOtt verſuͤhnet,

Dem man durch ihm im Glauben dienet.

Die Finſternis, des Satans Reich,

Die wurden denen Frommen gleich;

Der Aberglaub, ein Kind der Hoͤllen,

Bemuͤhte ſich dem gleich zuſtellen.

Die Voͤlker die GOtt nie erkandt,

Die haben Opfer angebrandt,

Sie fingen an die Thier zu wuͤrgen,

Und wuſten nichts von einem Buͤrgen,

Den uns der Rath der Seligkeit,

Zum Suͤnden-Tilger hat bereit;

Die Tempel muſten immer brennen,

Zur Luſt der Goͤtzen die ſie nennen,

Die doch niemahls geweſen ſind.

Die Heiden, die verſtockt und blind,

Die hat der Satan ſo betrogen,

Dadurch zu ſeinem Dienſt gezogen.

Des Teuffels Liſt hat das erdacht,

Sich Opfertempel auch gemacht:

Darinnen ſie das Blutvergieſſen

Des Judenthums, nachahmen muͤſſen.

Dritter Theil. CDas
[34]Der Teufel, GOttes Affe.
Das iſt ein Beiſpiel welches weißt,

Wie der des Hoͤchſten Affe heiſt,

Der als ein GOtt der eitlen Erden,

Dem Schoͤpfer gern will aͤhnlich werden.

Die heilge Schrift zeigt mehrers an,

Damit man das beweiſen kan.

Als GOttes Volk, Jacobs Geſchlechte

Das ſeine Sitten, ſeine Rechte

Bewahret, in Egyptenland,

Gerieth zu einem Knechtſchaffts-ſtand,

Da wolte GOtt ſie aus den Ketten

Der Knechtſchaft, wiederum erretten.

Sein Wink befahl heraus zu gehn,

Das wolt ihr Koͤnig nicht verſtehn:

Drum ſuchte er durch Wunderzeichen,

Das harte Herze zu erweichen.

Der Hoͤchſte ſandte ſeinen Knecht,

Und Aaron der das Licht und Recht

Hernach im Heilgen muſte tragen,

Den Pharao das anzuſagen:

Laß mein Volk mir zum Dienſte gehn,

Sonſt wirſt du Wunderzeichen ſehn,

Die maͤchtig deinen Willen zwingen,

Der Allmacht muß es ſtets gelingen.

Der ſtolze Koͤnig hoͤrte nicht,

Es muſte erſt das Machtgericht

Des Hoͤchſten, ſich in Wunder zeigen,

Und das verſtockte Herze beugen.

Die Wunderzeichen gingen an,

Die GOtt durch Aarons Hand gethan:

Zuerſt warf er den Stab zur Erden,

Der muſte gleich zur Schlangen werden.

Das Waſſer ward in Blut verkehrt,

(Wie uns die heilge Schrift gelehrt)

So bald nur Moſes mit den Stekken,

An-
[35]Der Teufel, GOttes Affe.
Anfing die Haͤnde auszuſtrekken.

Der Stab ward wieder ausgeſtrekt,

Da ward ein Froͤſche Heer erwekt,

Das aufeinmahl im Teich erwachte,

Und ganz Egypten wimmelnd machte.

Dergleichen Wunderwerke mehr,

Ließ GOtt zu ſeiner Allmacht Ehr

Und ſeinen Nahmen zu erhoͤhen,

Durch Moſes Hand und Stab geſchehen.

Die Wunderwerke zeigen an,

Wie GOtt ein HErr, der alles kan,

Wie er ſo gleich das kan erfuͤllen,

Was ihm gefaͤlt nach ſeinem Willen.

Die Wunder koͤnnen nur allein,

Der Gottheit wahre Zeugen ſein,

Wodurch ſie ihre Macht beweiſet,

Und ſich vor allen Goͤttern preiſet.

Jedoch der Teufel zeigt hier auch,

Es ſey ſein liſtiger Gebrauch,

Dem Hoͤchſten immer nach zu affen,

Dem GOtt der doch kan alles ſchaffen.

Er laͤſſet um ſich zu erhoͤhn,

Auch Wunderwerke oft geſchehn,

Allein nur Zeichen drin die Blinden,

Der Gottheit herrlich Siegel finden.

Als Moſes nach des Hoͤchſten Rath,

Vor Pharao die Wunder that,

Da waren Zauberer zu haben,

Die prahlten auch mit Wundergaben,

Sie machten Schlangen, Blut im Meer,

Es kam ein quakſend Froͤſche Heer

Die Albern mit den Gaukelſtuͤkken,

Als Poſſenwerken zu beruͤkken.

Es war Betrug was da geſchehn

C 2Und
[36]Der Teufel, GOttes Affe.
Und aus dem Ende kan man ſehn,

Daß alle groſſen Teufelskuͤnſte,

Nur leere Wolken blauer Duͤnſte,

Die augenbliklich untergehn,

Wie Rauch verſchwinden und verwehn,

So bald der Warheit helles Blikken,

Anfaͤnget ſich hervor zuruͤkken.

Die Wunder die der Zaubrer wies,

Die waren in der Finſterniß

Als groſſe Werke voller Grauen,

Beim Lichte, wie ein Nichts zu ſchauen.

Das iſt des Teuffels Wunderwerk,

Es iſt ſein ſtetes Augenmerk

Was GOtt nach ſeiner Macht verrichtet,

Daß er von ſich auch das erdichtet.

Des Afterglaubens blinder Wahn,

Sieht Schatten vor dem Koͤrper an,

Und laͤſſet ſich nur zuvergnuͤgen,

Gar gerne durch den Dunſt betriegen.

Der Hoͤllen-Fuͤrſt ſpricht gerne Hohn,

Der goͤttlichen Religion,

Die zeiget ihre Wundergaben:

Drum muß er auch dergleichen haben.

Er macht die Weltbetrieger auf

Die gleichſam Wunderwerk zum Kauf,

Jn blinden Heidenthum getragen,

Dadurch die Warheit zu veriagen.

So wil durch falſchen Heuchelſchein,

Das Boͤſe Guten aehnlich ſeyn,

Die Menſchen die recht boͤſe Suͤnder,

Und eingefleiſchte Teuffels-Kinder

Die huͤllen ſich oft in das Kleid,

Der ungeſchminkten Froͤmmigkeit;

Auch dran kan man den Teufel kennen,

Wie er ſey GOttes Aff zu nennen.



[37]

Wie
die weiſe Guͤte GOttes an den
mannigfaltigen Baumfruͤchten
zu ſehen und zu ſchmeken.


Gros iſt Schoͤpfer! deine Guͤte, die uns
reichlich hat beſchenkt,

Dieſes kan man ſehn und ſchmeken
wenn man reiflich uͤberdenkt,

Was uns blos der Garten giebt,
in den lieblichen Gerichten,

Jn dem ſaur und ſuͤſſen Obſt, aus den Baum ge-
quollnen Fruͤchten.

Dieſe Gaben ſind unzaͤhlig, wenn man nur die Art
erwegt,

Die ein Garten voller Baͤume, hie und da im Um-
kreis hegt,

Da ſind Aepfel welche ſuͤß, andre welche ſaͤurlich
ſchmekken:

Beide aber koͤnnen uns, deine weiſe Guͤt entdekken.

Und von dieſen beiden Arten, zeiget ſich ein Man-
nigfalt,

Wenn man auf die Groͤſſe ſiehet, auf die Farbe und
Geſtalt.

Einige ſind dik und rund, andere ſind laͤnglicht kleine,

Einige von ſchroffer Haut, andere ſind glatt und
reine.

C 3Die-
[38]Wie die weiſe Guͤte GOttes an den
Dieſe ſcheinen gruͤnlicht gelbe; jene aber gelblicht
grau,

Und die andren ſind dagegen nach dem aͤuſerlichen
Schau,

Bei der Reiffe wie ein Wachs, als wenn ſie zu ſol-
cher Glaͤtte

Eines weiſen Kuͤnſtlers Hand, wie mit Wachs po-
liret haͤtte.

Andre ſind geſtricht, geſtreiffet; jene ſind recht ſpreng-
licht ſchoͤn,

Wiederum ſind neue Sorten, die halb roth, halb
gelb ausſehn

Und wie Roſen in der Bluͤt, wenn ſie an den Zwei-
gen haͤngen,

Sich in holder Liebligkeit mit dem gruͤnen Laub ver-
mengen.

Unſer Herze wallt vor Freuden, wenn es dieſe Ga-
ben ſieht,

Die des weiſen Schoͤpfers Liebe aus den ſchlanken
Aeſten zieht,

Daraus ſie im regen Saft nach des Schoͤpfers wei-
ſen Willen,

Jede nach beſtimmter Art, in gemeßne Formen
quillen:

Welche Anzahl von Gewaͤchſen, die man ſonſten
Birnen heiſt,

Findet man in denen Gaͤrten, womit uns der Hoͤch-
ſte ſpeiſt!

Auch an dieſen ſind zu ſehn eines weiſen Vaters
Gaben,

Und zu ſchmekken, wenn ſie uns beim Genus erquik-
lich laben.

Wiederum wird unſer Herze durch das Stein-Obſt
recht erquikt,

Welches
[39]mannigfaltigen Baumfruͤchten zu ſehen.
Welches in den holden Funkeln unſer Aug im Herbſt
erblikt.

Da iſt eine Kirſchen Meng, die gleich denen Edel-
ſteinen,

An des gruͤnen Gipfels Kron, herrlich in die Augen
ſcheinen.

Und wenn ſie die Kehle ſchmekket, ſo genieſt ſie einen
Saft,

Der den dorren Gaum erquikket, und dem Herz Er-
friſchung ſchaft.

Jhre Saͤure iſt uns ſuͤß, und kan denen giergen Keh-
len,

Jm Geſchmack die Guͤtigkeit ihres Gebers ſtets er-
zaͤhlen.

Hie ſind Baͤume voller Pflaumen, die ſehr lieblich
anzuſehn,

Und mit ihren ſafftgen Fruͤchten GOttes ewge
Macht erhoͤhn.

Einige ſind wie ein Gras, andre bunt, und die hin-
gegen

Sind vom Nebel blau gefaͤrbt, wenn wir ſie genau
erwegen.

Dieſe ſuͤſſe Naſchereien giebet auch die milde Hand,

Die durchs rege Feur der Sonnen, und durch den
entflammten Brand

Jhre Saͤffte kochen laͤßt: damit wir mit Luſt ge-
nieſſen,

Was die ewge Vaterguͤt laͤſt fuͤr uns aus Holz ent-
ſprieſſen.

Dort ſind Baͤume, ſchlanke Stauden, da die
Traubenfoͤrmge Nuß,

Uns von neuen uͤberzeuget von der Guͤte Ueberflus,

Die durch ſuͤſſen Saft uns naͤhrt, und auch weil
ſie uns recht liebet,

C 4Ein
[40]Wie die weiſe Guͤte GOttes an den
Ein erfriſchend Nahrungs-Oel in den welſchen Nuͤſ-
ſen giebet,

Da durch die erfundnen Preſſen, ihre fette Feuch-
tigkeit

Ausgedruͤkt, die bei der Speiſe mannigfaltig uns
erfreut.

Und wie herrlich iſt der Nuz, und wie weiſe ſind die
Gaben,

Die wir in den Sommer, Herbſt und auch in den
Winter haben.

Laſſet uns die innre Guͤte dieſer Arten nur beſehn,

So muß alſo bald ein jeder, daß GOtt weiſe, gut
geſtehn.

Es hat ſeine Weisheit uns zur Erhaltung und zum
Leben,

Auch der Baͤume ſchoͤne Frucht, zu der rechten Zeit
gegeben.

Fruͤchte die zur Zeit des Sommers, uns in der Na-
tur geſchenkt,

Sind voll eines kuͤhlen Saftes, damit uns die Guͤ-
te traͤnkt,

Wenn die ſchwuͤle Sonnenhiz uns auf unſre Schei-
tel brennet,

Und der Flammen heiſſer Strahl unſrer Luͤfte Kreis
durchrennet.

Wenn der Gaum denn ausgedorret, und ein Brand
im Koͤrper wuͤhlt,

Werden wir durch ſaftge Fruͤchte recht erquiklich ab-
gekuͤhlt,

Wenn wir von den Laub beſchirmt, uns in ſtillen
Schatten ſezen,

Und an ſaftig ſchoͤnen Obſt unſren troknen Gaum
ergoͤzen.

Als-
[41]mannigfaltigen Baumfruͤchten zu ſehen.
Alsdenn deucht mir kan man ſchmekken, wie der
Hoͤchſte guͤtig heiſt,

Wenn der Saft der reiffen Fruͤchte ſanfte durch die
Kehlen fleußt;

Alsdenn kan man klaͤrlich ſehn, wie die Weisheit
nach den Zeiten,

Jhr Geſchenke eingericht, alles ſo weis zu bereiten

Als es ihren Kindern nuͤzet. Bricht der kalte Herbſt
herein,

Da die Fruͤchte auf den Baͤumen alle in der Reiffe ſeyn;

So entdekt ein achtſam Herz, bei dem forſchenden
Erwegen,

Lauter Mannigfaltigkeit an den zugetheilten Seegen.

Da ſind viele Arten Fruͤchte dem Geſchmakke angenehm,

Die auch gleich ſo roh zu eſſen, ſo bald als ſie reif,
bequem.

Andre ſind zu herb und hart, die wenn ſie ein Zeit-
lang liegen,

Hernach erſt erquiklich ſeyn, und recht herrlich uns
vergnuͤgen.

Dieſe ſind ſo hart wie Steine, taugen gar zum Eſ-
ſen nicht,

Wenn man ſie von ihren Baͤumen; ob ſie gleich ganz
reif, abbricht:

Aber wenn man ſolche kocht, koͤnnen ſie beim er-
ſten Schmekken,

Einen lekkerhaften Mund giergen Appetit erwekken.

Viele von der Frucht der Baͤume ſind bei einem
kalten Froſt,

Des darauf erfolgten Winters, fuͤr uns eine ſchoͤne Koſt,

Wenn man ſie am Feuer dorrt, und auf dieſe Zei-
ten heget,

Und damit an warmen Heerd ſeinen Koͤrper naͤhrt
und pfleget.

C 5Wel-
[42]Wie die weiſe Guͤte GOttes an den
Welche wunderbahre Guͤte zeigt der Schoͤpfer da-
durch an,

Daß man ſeiner Liebe Gaben, ſo vielfaͤltig nuͤzen kan!

Daraus ſieht ein jeder Menſch, daß GOtt ſey ein
weiſer Vater,

Ein Allmaͤchtiger und auch ein recht guͤtiger Be-
rather,

Der fuͤr ſeien Kinder ſorget, ihnen reichlich Nahrung
reicht,

Und indem er reichlich giebet, uns dabei auch uͤber-
zeugt,

Daß die holde Mildigkeit uns bei ihren vielen Gaben,

Auch noch wolle uͤberdem, durch ein ſuͤß Vermoͤgen
laben.

Der geneußt des Himmels-Guͤte, der darin erkennt-
lich ſieht,

Und auch in dem Obſte ſchmekket, wie der Hoͤchſte ſey
bemuͤht,

Seiner Kinder zeitlich Woll, durch der Vorſicht
weiſes Walten,

Das ſo manche Gaben bringt, zu befoͤrdern, zu er-
halten.

Wer die Baumfrucht nur genieſſet, und dabei gar
nicht gedenkt,

Wer dieſelbe uns aus Liebe zur vergnuͤgten Luſt ge-
ſchenkt,

Der iſt einem Thiere gleich, das wenn es vor Hun-
ger ſchmachtet,

Nicht den groſſen Baum anſieht, nur allein die
Frucht betrachtet

Womit es den Magen fuͤllet. Viele ſind dem Vie-
he gleich,

Naͤhren ſich mit ſchoͤnen Fruͤchten, aus den Baum
und Pflanzen reich

Sehen
[43]mannigfaltigen Baumfruͤchten zu ſehen.
Sehen aber weiter nicht, von Gewohnheits-Schlaf
beſtrikket,

Wer damit den gruͤnen Baum wundernswuͤrdig
ausgeſchmuͤkket:

Viele die nur Fleiſch dem Fleiſche zu der Nahrung
auserſehn,

Und das Zugemuͤſſe fliehen, nur an ſolche Tafeln gehn,

Die mit Thieren ſind beſezt, achten ſolche Wunder-
dinge,

Als die Speiſen die nur gut, fuͤr die Armen die geringe

Und an niedren Staube kleben: Und ihr ausgeſpik-
ter Bauch,

Jſt ein Goͤze der nichts liebet, als die Opfer da im
Rauch,

Das gebratne Fett aufquillt, der nichts zu der Nah-
rung fodert,

Als was an dem Feur gedorrt, und auf denen Heer-
den lodert,

Die er ſich zu Brandaltaͤren auserſehn, wo Fettigkeit,

Treufelt in die heiſſen Pfannen, und ihn in Genus
erfreut!

O! vergnuͤgte Lebensart, da in denen guͤldnen Zeiten,

Menſchen aus geſunden Obſt ſich die meiſte Speis be-
reiten!

Damahls lebte man zufrieden, da man noch die Gar-
ten Frucht,

Und das ſchoͤne Kraut vom Felde ſich zur Nahrung
ausgeſucht,

Wo man was die Eiter ſchaͤumt, was der Baum
im Garten giebet,

Als die allerbeſte Koſt zu dem Nahrungsbrod ge-
liebet.

Da noch keine groſſe Taffeln von der Schuͤſſeln Laſt
beſchwert,

Noch
[44]Wie die weiſe Guͤte GOttes an den mannigf. ꝛc.
Noch auf einmahl viele Thiere, aus der Luft, und
See verzehrt,

Lebte die Zufriedenheit, meiſtens von den Garten
Fruͤchten,

Die die Einfalt gar gekocht, als den niedligſten Ge-
richten.

Dieſes waren Suͤßigkeiten, die der Kehle lekkerhaft,

Dieſe gaben gute Nahrung und dem Leibe ihre Kraft,

Kam der Honig noch dazu, den ein Heer der ſuͤſſen
Bienen,

Aus den Thimian gemacht, aus dem Kraͤutern die da
gruͤnen

Als die Quint-Eſſenz geſogen; ſo ward mit beſon-
derer Pracht,

Eine Mahlzeit zu bereitet, und zum Feſtgelag gemacht.

Dieſes war die beſte Koſt zu dem recht vergnuͤgten
Leben,

Da ein jeder den erhob, der ihm ſolche Koſt gegeben.

Liebten, wir in unſern Tagen, dieſe ſuͤſſe Luſtbarkeit,

Waͤren wir von vielen Seuchen, die der Magen zeugt
befreit!

Drum ihr Menſchen eßt das Obſt; ſeht dabei mit
dem Gemuͤthe

Eines weiſen Schoͤpfers Macht, ſchmekket ſeine rei-
che Guͤte!


Be-
[45]
Betrachtung uͤber die verwelk-
ten und abgefallnen Blaͤtter.

Da liegen die durch Sturm und Wetter,

Von Baͤumen abgeſtreiften Blaͤtter

Die ihrer Gipfel runden Kranz

Geſchmuͤkt mit einem guͤldnen Glanz;

Sie liegen nun zu deren Fuͤſſen,

Die ſie vorhero zieren muͤſſen.

Vorgeſtern ſahe man mit Prangen,

Sie noch auf ihrem Gipfel hangen

Da ihr in gelb verwandelt Gruͤn,

Wie ein bemahltes Goldblech ſchien;

Sie ſind zerſtreuet von den Winden,

Und auf bemoosten Grund zu finden.

Sie liegen in verworfner Menge,

Noch als ein guͤldenes Gepraͤnge,

Und ſcheinen bei dem Sonnenſtrahl,

Als eine groſſe Muͤnzen Zahl:

Jedoch in wenig Tages-Stunden,

Sind ſie aus dem Geſicht verſchwunden.

Die Naͤſſe ſchmelzt ſie in der Eile,

Und bringt ſie zur geſchwinden Faͤule,

Daraus wenn ſie in Miſt verkehrt,

Sich kuͤnftig das Geſtraͤuche naͤhrt,
Da
[46]Betrachtung uͤber die verwelkten Blaͤtter.

Da ſie in Lenz aus andern Baͤumen,

Mit ſchoͤnen Flor von neuen keimen.

Da ſehet ihr! ihr ſtolzen Reichen,

Die ihr den Baͤumen zu vergleichen,

Das Schikſal eurer Guͤter an,

Und wie es euch ergehen kan,

Wenn euch der Winter ſpaͤter Jahre,

Zulezt bringt zu der Todten-Baare.

Jhr prangt jezo mit euren Schaͤzen,

Jhr koͤnnt am Mammon euch ergoͤzen,

Allein was iſt das eitle Geld,

Das euer Herze an ſich haͤlt,

Was iſt das Gold, das euch ſo zieret?

Ein Schmuk der ſich gar bald verlieret.

Des Sommers warme Sonnenblikke,

Und euer ſcheinendes Geluͤkke:

Die dauren eine kurze Zeit,

Es folgen auf die Heiterkeit

Des Sommers, kalte Witterungen,

Und auf das Gluͤk ſtets Aenderungen.

Der Zeiten Wechſel ſind geſchwinde,

Des Schikſahls ſtuͤrmeriſche Winde,

Erheben ſich als wie ein Nord,

Und treiben von uns wieder fort,

Was wir vorher mit Luſt beſeſſen,

Wird ſchmerzhaft wiederum vergeſſen.

Die Kraͤfte der Natur vergehen,

Jhr plaget euch mit kranken Wehen,
Die
[47]Betrachtung uͤber die verwelkten Blaͤtter.

Die eur erſtarrter Koͤrper fuͤhlt,

Den Krankheit, wie ein Pfeil durchwuͤhlt,

Jhr ſeht, wenn ihr ſo aͤngſtlich keichet,

Wie Gold und Reichthum von euch weichet.

Da liegt es noch zu euren Fuͤſſen,

Jhr muͤßt die ſtarren Augen ſchlieſſen,

Jhr werft noch einen matten Blik,

Auf euren gelben Schaz zuruͤk:

Und ſeht bei eurem kranken Sterben,

Wie ihn zertheilen frohe Erben.

Jhr fuͤhlt, daß euch der Geiz gereuet,

Da ihr den Reichthum ſchon zerſtreuet

Als wie von Wind, zertheilt, verweht,

Und in der Welt verfliegen ſeht.

Was ihr ſo aͤngſtlich aufgehoben,

Jſt luſtig wiederum zerſtoben.

Der eine iaͤgt es durch die Kehlen,

Und macht ſich von den ſauren Quaͤlen,

Von eurer Kummervollen Plag,

Nun einen luſtig guten Tag:

Er laͤſt eur Gold in Wein zerflieſſen,

Was ihr erſpart, wil er genieſſen.

Der andre traͤgt auf andre Weiſe,

Durch eine weit entfernte Reiſe

Den Mammon, euer Gut und Geld,

Jn alle Laͤnder dieſer Welt:

Es ſchmelzt der Abgott den ihr ehret,

Der euch durch ſeinen Schein bethoͤret.

Und der den ihr gar oft nicht kennet,

Den ihr auch euer Gut misgoͤnnet,
Er-
[48]Betrachtung uͤber die verwelkten Blaͤtter.

Erlangt es, und er ſteigt empor,

Und koͤmmt dadurch in ſchoͤnen Flor:

So wunderbahr gehts mit den Dingen,

Die wir mit Muͤh zuſammen bringen.

Und wolt ihr das im Beiſpiel ſehen,

So merket nur der Blaͤtter Wehen:

Und ſchaut im Herbſt es an, und glaubt,

So wie der Baum da wird entlaubt:

So wird dereinſten eur Vergnuͤgen,

Von euch fort, auseinander fliegen.


Der
[49]

Der Schatten.


Der Schatten folget allgemach,

Jm Sonnenſchein den Koͤrper nach:

Er kan uns Menſchen von dem Leben

Manch lehrreich Bild zu leſen geben.

So lang die Gluͤkkesſonne ſtrahlt,

Sind wir mit Ehr und Ruhm be-
mahlt:

Und kaum iſt dieſe untergangen;

So endigt ſich auch unſer Prangen.

Der Schatten der vom Leib entſteht,

Und ſeinem Koͤrper ſtets nachgeht,

Scheint bei dem ſchraͤgen Stand vom Lichte,

Oft groͤſſer uns ins Angeſichte,

Als wie der Koͤrper ſelbſten iſt:

Wenn man von Wundern, Thaten lieſt,

Die dieſer oder der verrichtet;

So iſt es oͤfters nur erdichtet,

Jſt gros des Menſchen Ehrenſtand,

So wird die That auch gros genannt,

Der Ohnmacht werden groſſe Staͤrke,

Und kleinen Geiſtern, Wunderwerke

Zu ihrem Ruhme beigelegt:

Doch wenn mans in der Naͤh erwegt

So ſind es oft nur Heldenthaten,

Die nicht zu ſonderbar gerathen.

Verdienſt und Ruhm ſind zwar vereint,

Doch wenn das Licht verkehret ſcheint,

So kan ſich ein recht groſſer Schatten

Mit einem kleinen Koͤrper gatten:

Und das geſchiehet in der Welt,

Dritter Theil. DNach-
[50]Der Schatten.
Nachdem das blind Geruͤchte faͤllt;

So werden ofte kleine Proben,

Weit uͤber das Verdienſt erhoben.

Man merket auch beim Schatten-Schein,

Daß ſolche Theile dunkler ſeyn,

Die an den Koͤrpern nahe ſtehen;

Daran iſt dieſe Lehr zu ſehen:

Der Schein der Ehre iſt ſehr ſchwach,

Den einer in der Naͤhe hat,

Ja! mancher iſt an einem Orte,

Da man oft kaum mit einem Worte,

Das Lob, das ihm gebuͤhrt, erhebt,

Man ſieht ihn nicht, weil er da lebt.

Der Schatten iſt am aͤuſren Rande

Viel heller als in nahen Stande:

Das iſt ein Bild von Kunſt und Fleis,

Die haben da mehr Ruhm und Preis,

Von ihren fleißigen Beſtreben,

Wo ſie ganz weit entfernet, leben.

So bald der Koͤrper ſich verkriecht,

Sieht man wie auch der Schatten fliegt,

Der ſich im Augenblik zertrennet,

So bald der Menſch iſt weggerennt.

Die Ehre Pracht und aͤuſre Zier

Kommt mir wie Dunſt und Schatten fuͤr,

Kaum ſterben wir, bei dem Erbleichen,

Sicht man die Ehre von uns weichen.

Da unſer Thun der ganzen Welt,

So lang wir leben woll gefaͤllt;

So iſt doch in die duͤſtren Bogen

Des Grabes, aller Ruhm gezogen:

Wer jetzo nichts als loben kan,

Der faͤnget denn zu tadeln an.

Wer muß nun nicht mir eingeſtehen,

Das
[51]Der Schatten.
Daß Ehr und Ruhm mit uns vergehen,

Mit Recht ein leerer Schatten ſei,

Der jetzo ſcheint, und gleich vorbei.

Die ſich um eitle Ehr abmatten,

Die ſtreben alſo blos nach Schatten.


Eine andaͤchtige Bewunderung
der Groͤſſe GOttes bei dem Heer
ſeiner Kreaturen.

Wenn ich auf Fluͤgeln der Gedanken

Mich ſchwinge durch die ganze Welt,

Erwege ihre breite Schranken,

Was dieſer Umkreis in ſich haͤlt,

Bedenke was vor groſſe Heere

Jm Himmel, Luͤften, Erd und Meere

Die GOtt gemacht, ſo faͤllt mir ein:
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Mein Geiſt erſtaunt und wird entzuͤkket,

Wenn er die Himmels Veſte ſieht,

Und durch ein Ferne-Glas erblikket,

Was in der blauen Tieffe gluͤht,

Da ſchau ich Millionen Sonnen,

Darum ein Wolken-Flor geſponnen

Und denke bei der Lichter Schein,
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

D 2Kaum
[52]Eine andaͤchtige Bewunderung
Kaum merk ich, daß der Luftkreis ſchwim-
met,

Dadurch der Sonnen Feuer-Strahl,

Das Sternen Heer, zur Nachtzeit glimmet;

So frag ich dabei allemahl,

Ob dieſe regen Himmels-Laſten

Auf ſtarken Pfeilern etwan raſten?

Der Schoͤpfer traͤget ſie allein,
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Jch denke nach, wie unſre Erde,

Der kleine Ball, den GOtt erhaͤlt,

Nebſt allen durch ein wuͤrkend Werde,

Aus ihren Nichts ſich dargeſtellt,

Und was vor viele Kreaturen,

Auf Bergen, Ebnen, Thaͤlern, Fluren,

Es ſagt mir beides gros und klein,
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Der Berge ſchroͤkliche Geruͤſte,

Der ſchroffen Felſen ſteile Hoͤhn,

Die wie der Erden Saͤugebruͤſte,

Jm Reiche der Natur zu ſehn,

Und ihre majeſtaͤtſchen Huͤgel

Sind alle lauter Wunder Spiegel,

Sie ſtimmen darin uͤberein:
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Will ich die Augen zu den Meeren,

Woraus die Fluͤſſe ſich herdrehn,

Jn der Betrachtung weiter kehren

So ſeh ich Wunderfluthen gehn,
Die
[53]der Groͤſſe GOttes.

Die in den Uffern brauſend wallen,

Auf GOttes Wink zuruͤkke prallen

Und murmeln an der Klippen Stein,
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Was vor ein ruderndes Gewimmel,

Von Fiſchen hegt See, Flus und Teich,

Und was vor webende Getuͤmmel,

Von Thieren ſind im trocknen Reich

Der Erde, in den tieffen Gruͤnden,

Jn Wieſen, Feldern, Wald zu finden!

Sie ſchnattern, ſingen, bruͤllen, ſchrein,
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Er iſt es der viel tauſend Fruͤchte,

Jn Reiche der Natur gemacht,

Und manche niedliche Gerichte,

Fuͤr Vieh und Menſchen ausgedacht:

Er kroͤnt die Felder mit den Seegen,

Was Wieſen, Gaͤrten in ſich hegen,

Muß alles blos durch ihm gedein,
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Er ſchaft zu jeden Jahreszeiten,

Den Menſchen Kindern alles an,

Was ſie mit frohen Liebligkeiten

Ergoͤtzen und erquikken kan:

Er laͤßt der Guͤte Wunderquellen,

Jm groͤßten Ueberfluſſe ſchwellen,

Der Menſchen Herze zu erfreun,
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

D 3Er
[54]Eine andaͤchtige Betrachtung
Er iſt es, der das auferbauet,

Was man in Luft, auf Erd, im Meer

Jn Hoͤhen, in der Tieffe ſchauet,

Das ſind die Spiegel ſeiner Ehr,

Die Meiſterſtuͤkke ſeiner Staͤrke,

Der weiſen Guͤte Wunderwerke,

Jhr Zeugnis heiſt auch allgemein:
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Und wenn wir uns nur ſelbſt anſehen,

Mit einem aufmerkſamen Blik;

So muß ein jeder eingeſtehen,

Sein Koͤrper ſey ein Meiſterſtuͤk.

Ein jedes Theil, Glied und Gelenke,

Das ſagt mir, wenn ich nur bedenke,

Wie kuͤnſtlich das, was gros und fein,
GOt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Erweg ich, wie im Leib, die Seele,

Ein denkend geiſtig Weſen wohnt;

Betracht ich wie ſie in der Hoͤle

Des Koͤrpers, als unſichtbahr thront,

Bemerk ich was vor Eigenſchaften,

Jn den Verſtand und Willen haften;

So muß ich GOtt den Lobſpruch weihn:
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Bedenk ich, wie durch unſre Sinnen,

Die Dinge die von auſſen ſind,

Als wie durch zarte Roͤhren rinnen,

Und wie wir ſie ſo bald, geſchwind,
Wenn
[55]der Groͤſſe GOttes.

Wenn ſie derſelben Kunſtwerk ruͤhren,

Mit ihrem Bild im Geiſte ſpuͤren:

So fuͤhlen wir, bey Luſt und Pein:
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Ja! du biſt gros in allen Werken,

Die deine weiſe Hand gemacht,

Wir koͤnnen deine Groͤſſe merken

An allen was du ausgedacht.

Es ſtrahlt daraus die Macht und Guͤte

Und Weisheit ins geruͤhrt Gemuͤte,

Man ſieht an allen klar und rein:
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.

Drum auf o! Seele! GOttes Groͤſſen

Mit Ehrfurchts-voller Dankbarkeit

Jn Kreaturen zu ermeſſen,

Die er uns hat zum Nuz bereit:

Auf, auf! und ſinge ihm zum Ruhme,

Wenn du auch wirſt im Heiligthume,

Jhm Opfer bringen, Weihrauch ſtreun,
GOtt muß ein groſſer HErre ſeyn.


Die
[56]
Die Groͤſſe GOttes in dem
Licht der goͤttlichen Offenbahrung
erblikket.

Groſſer GOtt! in deinem Lichte

Sehn wir deine Herrlichkeit,

Dein verborgnes Angeſichte

Das mit Glanz und Pracht beſtreut,

Dein unendlich groſſes Weſen,

Jſt am deutlichſten zu leſen,

Jn der Schrift, die uns das zeigt,

Was uns die Natur verſchweigt.

Darin haſt du uns beſchrieben,

Deiner GOttheit Majeſtaͤt,

Die der Menſch durch Furcht und Lieben,

Ueber alle Ding erhoͤht;

Darin haſt du uns geſaget,

Wornach ſonſt vergeblich fraget

Unſer Wiz, der das nicht trift,

Was uns lehrt die heilge Schrift.

Leß ich nach wie du die Erde,

Und den Himmel haſt formirt,

Und wie dein allmaͤchtig Werde,

Aus dem Nichts das hergefuͤhrt,

Was wir in der Welt erblikken,

So kan uns das gleich eindruͤkken:
GOtt
[57]der goͤttlichen Offenbahrung erblikket.
GOtt iſt gros, der dieſe Welt,

Durch ein Wort hat dargeſtellt.

Leß ich dieſe Welt-Geſchichte,

Die uns Moſes hat erzaͤhlt,

Wie nach deines Geiſts Berichte,

Alles weislich auserwaͤhlt,

Was in dieſem Kreis zu finden:

So kan ich gar bald ergruͤnden,

Daß du ſeiſt ein groſſer GOtt,

Und ein weiſer Zebaoth.

Als der Urſtof aller Dinge,

Aus des Nichtes Dunkelheit,
(Wie ich davon lallend ſinge,)

Aus dem Reich der Moͤglichkeit

Wuͤrklich war hervor gekommen,

Haſt du jegliches genommen,

Jn die Ordnung eingebracht,

Die die Welt uns herrlich macht.

Jn den aufgeſchriebnen Werken

Deiner Schoͤpfung, koͤnnen wir,

Deine Groͤſſe auch bemerken,

Deine Herrlichkeit und Zier;

Wenn ich die Beſchreibung ſehe,

Find ich auch von deiner Hoͤhe

Ein recht majeſtaͤtiſch Bild,

Das mein Herz mit Ehrfurcht fuͤllt.

Dadurch lerne ich erkennen,

Daß du ſeiſt ein Jehovah,
D 5Der
[58]Die Groͤſſe GOttes in dem Licht

Der nur etwas darf benennen,

So iſt es zugleich auch da;

Auf den Wink muß das geſchehen,

Was du wilt, das iſt zu ſehen.

Leß ich das; ſo faͤllt mir ein,

Deine Macht muß herrlich ſeyn.

Dein Wort hat uns das entdekket,

Was der menſchlichen Vernunft,

Ganz verborgen, ganz verſtekket,

Und was aller Weiſen Zunft

Durch den Wiz nicht kan ausfinden,

Wenn ſie ſich auch unterwinden,

Jn die Tieffen einzugehn,

Da wir dich im Dunklen ſehn.

Aber alles was wir leſen

Das geoffenbahret iſt,

Lehret uns das du ein Weſen,

Groſſer Herrlichkeiten biſt,

Das Unendlich, guͤtig, weiſe,

Das in keine Schranken, Kreiſe

Einer Zeit wird eingeruͤkt,

Noch an einem Ort umſtrikt.

Jn dem Lichte das uns ſcheinet,

Sehn wir dich auf deinem Thron

Anders als Vernunft es meinet,

Da wir dich als Vater, Sohn

Und als heilgen Geiſt verehren,

Weil uns heilge Maͤnner lehren,

Daß GOtt der dreieinig heiſt

Vater, Sohn und heilger Geiſt.

Dies
[59]der goͤttlichen Offenbahrung erblikket.
Dies Geheimnis kan uns lehren,

Daß der groͤſſeſte Verſtand,

Den nicht faſſet, den wir ehren,

Du bleibſt ihn doch unbekant;

Kein Wiz kan dich recht ermeſſen,

Dieſes zeugt von deinen Groͤſſen,

Die auch keiner faßlich kennt,

Da des Wortes Leuchte brennt.

Auch die tieffen Dunkelheiten,

Die der Offenbahrung Licht,

Uns noch laͤßt ohn Wiederſtreiten,

Zeigen uns wie im Geſicht,

Daß du ſeiſt ein GOtt zu nennen,

Den wir nicht vollkommen kennen,

Und warum? weil wir zu klein,

Gegen deine Groͤſſe ſeyn.

Leſen wir wie du regiereſt,

Wie das Licht gleichſam dein Kleid,

Und der Herrſchaft Scepter fuͤhreſt,

Mit Guͤt und Gerechtigkeit:

So muß man zugleich geſtehen,

Man kan dieſes nicht anſehen,

Ohne daß man deutlich ſpuͤrt,

Wie du herrlich biſt geziert.

Gros iſt deine Wunderguͤte,

Wenn man drauf das Herze lenkt,

Und mit forſchenden Gemuͤte

Nach dem Wort der Schrift bedenkt,
Wie
[60]Die Groͤſſe GOttes in dem Licht

Wie du trachteſt vor die Suͤnden,

Heilungs-Mittel zu erfinden,

Da du die, die dich betruͤbt,

Als ein Vater doch geliebt.

Wenn wir deinen Rathſchlus hoͤren,

Von der Menſchen Seeligkeit,

Und die ſuͤſſen Warheits-Lehren

Von der frohen Gnadenzeit:

Und die Ordnung drin betrachten,

Wornach ſich der Menſch muß achten:

So erkennt man mehr und mehr,

Daß GOtt ſei ein groſſer Herr.

Gros iſt er, dieweil er heilig,

Und der Suͤnde ewig feind;

Die vor ihm als was abſcheulich,

Gros weil er der Suͤnder Freund

Die in ſeinen Gnaden-Armen,

Einzig finden ihr Erbarmen,

Wenn ſie glaͤubig in der Buß

Jhren Schoͤpfer falln zu Fuß.

Sein gerechter Eifer lodert,

Wider das, was boͤſe heiſt,

Der ſtets die Vergeltung fodert,

Die er im Gericht beſchleuſt;

Auch hieraus kan man ermeſſen,

Seiner Eigenſchaften Groͤſſen,

Die unendlich und nach Recht,

Straffen einen Suͤnden Knecht.

Sieht
[61]der goͤttlichen Offenbahrung erblikket.
Sieht man aber dahingegen,

Seine weiſe Guͤte an,

Die den Fluch in einen Seegen,

Wunderbar verwandeln kan,

Daß das Recht nicht wird verlezzet,

So wird unſer Herz ergoͤzzet,

Daß GOtt Mittel auserſehn,

Seine Liebe zu erhoͤhn.

Jn den weiſen Bund der Gnaden,

Den die Schrift uns kund gemacht,

Jſt das Mittel vor den Schaden

Unſrer Seel woll ausgedacht,

Wenn ich GOttes gros Geſchenke,

Zu der Suͤnder Heil bedenke:

So wird auch die Majeſtaͤt,

Unſers GOttes drin erhoͤht.

Daß uns Chriſtus von den Boͤſen,

Nach des Vaters Gnaden-Raht

Muͤſſen durch den Tod erloͤſen,

Welches er bewieſen hat;

Zeigt uns einmahl ſeine Guͤte,

Ferner druͤkts uns ins Gemuͤte,

Es ſei die Gerechtigkeit

Zebaoths Vollkommenheit.

Dieſe groſſen Eigenſchaften,

Die das hoͤchſte Weſen ziern,

Die in GOtt nothwendig haften

Koͤnnen uns leicht dahin fuͤhrn
Daß
[62]Die Groͤſſe GOttes in dem Licht

Daß wir GOttes Herrlichkeiten,

Seine Groͤſſe daher leiten,

Welche ſich der ganzen Welt,

Darin deutlich dargeſtellt.

Sehen wir die groſſen Wunder,

Jn dem neuen Teſtament

Wie des Glaubens reger Zunder,

Durch ein goͤttlich Licht entbrennt;

Wie durch der Apoſtel Zungen,

Chriſti Lehre durchgedrungen:

So ſehn wir erſtaunend an,

Was die Macht des Hoͤchſten kan.

Auch aus denen Gnadenwerken,

Kan ein achtſames Gemuͤth,

Unſers GOttes Groͤß bemerken,

Seine Weisheit, ſeine Guͤt.

Da in denen Finſterniſſen,

Seine Lichter leuchten muͤſſen,

Wird die Blindheit ſelbſt verklaͤrt,

Welche GOtt im Lichte ehrt.

Alles was die Schrift uns lehret,

Wie ſein Geiſt die Menſchen fuͤhrt,

Und zum ewgen Heil bekehret,

Wie er ihre Seelen ziert:

Alles das giebt zu erkennen,
GOtt ſei billig gros zu nennen,

Weil er durch des Wortes Kraft,

Uns ein neues Herze ſchaft.

Le-
[63]der goͤttlichen Offenbahrung erblikket.
Leſen wir von kuͤnftgen Dingen,

Wie uns GOtt zur Seeligkeit

Durch den Glauben werde bringen,

Wie er uns nach dieſer Zeit

Werde als die Gnaden-Sonne,

Dort erfreun mit Himmels-Wonne:

So zeigt auch die Ewigkeit,
GOttes Groͤs, Vollkommenheit.

Kan der Frommen ewigs Leben,

Uns von GOttes Majeſtaͤt

Einen groſſen Abdruk geben,

So wird er auch drin erhoͤht,

Wenn wir uns die Qual der Hoͤllen,

Als der boͤſen Straf vorſtellen,

Weil er als ein Zebaoth,

Damit die Verkehrten droht.

Alles was wir alſo leſen,

Was ſein Wort als wahr ausſpricht,

Zeiget uns von ſeinem Weſen,

Ein recht herrlich Angeſicht.

Moͤchten dieſe Warheits-Lehren,

Darauf unſer Herze kehren,

Daß wir daͤchten: GOtt iſt gros,

Wir ſind elend, blind und blos!

Alsdenn wuͤrden wir erkennen,

Daß er alles und wir nur

Erdenwuͤrmer zu benennen,

Die des Schoͤpfers breite Spur,
Jn
[64]Die Torheit derer Menſchen,

Jn der Demuth hier anſehen,

Deren Groͤß wir nicht verſtehen;

So wuͤrd unſer Wallſpruch ſeyn:
GOtt iſt gros und wir ſind klein.


Die
Torheit derer Menſchen,

die ſich
uͤber die Witterung beſchweren.


Die Klag iſt faſt allgemein, wenn die
Sommerluſt vergeht,

Und im Herbſt der rauhe Nord durch
die leeren Felder weht,

Jetzo taugt die Wittrung nichts, da das Sonnen-
rad ſich ſenket,

Und bei einer truͤben Luft ſich zum kalten Steinbok
lenket.

Nunmehr iſt die ſchoͤne Zeit, die den Menſchen an-
genehm,

Die zur Reiſe und zur Luſt, zur Geſundheit recht
bequem,

Jn den froſtgen Herbſt vorbei: Nunmehr gehet an
die Plage,

Der von ſchweren Nebel-Dunſt truͤbgemachter
Winter-Tage.

So ſpricht faſt ein jeder jezt, der aus Gram Ca-
lender macht,

Und
[65]die ſich uͤber die Witterung beſchweren.
Und die weiſen Ordnungen, die der Schoͤpfer aus-
gedacht,

Als ein Thore meiſtern will. GOtt der dieſe Welt
regieret,

Und im Lauffe der Natur, herrlich das zum Zwek-
ke fuͤhret,

Was er angeordnet hat, weis am beſten wenn der
Guß

Einer naſſen Witterung auf die Erde fallen muß.

Alsdenn wenn des Sommersbrand, unſern Erd-
ball ausgeſogen.

Kommt bei einem kalten Nord, Regen und der
Schnee geflogen,

Der den dorren Erdenſchoos wiederum mit Saft
erfuͤllt,

Daraus in dem kuͤnftgen Jahr, ein verneuter
Seegen quillt.

Und iſt das nicht woll gemacht? Soll der Schoͤp-
fer ſich ſtets richten

Nach der Menſchen Eigenſin, da ihr Denken und
ihr Tichten,

Allemahl veraͤndert iſt; ſo muͤſt dieſe Welt vergehn:

Dieſer der da reiſen will, wuͤnſcht das Sonnen-
licht zu ſehn,

Da der Akkersman ihn fleht doch mit einen feuch-
ten Regen,

Seine ausgedorrte Frucht auf dem Felde zu bele-
gen.

Wenn die Sonne heitrer ſcheint und den Wanders-
mann anbrennt,

Wuͤnſchet er ganz muͤd und matt, daß der Luftkreis
wuͤrd zertrennt:

Und kaum iſt er abgekuͤhlt, ſoll die Sonne wieder
ſcheinen,

Dritter Theil. EJe-
[66]Die Torheit derer Menſchen.
Jener will gar Waͤrm und Froſt faſt zu gleicher Zeit
vereinen.

Jſt es warm, ſo wuͤnſcht ers kalt, iſt es kalt ſo
wuͤnſcht ers heiß,

Weil er wie ers haben will, nicht recht einmahl
ſelber weiß;

Er beſchwert ſich uͤber das, was er, wie es kommt
muß nehmen,

GOtt kann nicht die Witterung blos nach unſern
Sinn bequemen:

Sondern es iſt unſre Pflicht, daß wir unſre Seegel
drehn,

Wie im Reiche der Natur, Wind und Witterungen
gehn;

Daß wir unſre Arbeit ſtets, nach der Witterung
anſtellen,

Und von deren Einrichtung kein unbillig Urtheil
faͤllen.

Wer ſich aber drob beſchwert, der giebt dadurch
klaͤrlich vor,

Daß er, warlich uͤberklug, und alſo ein albern
Thor,

Der den Schoͤpfer meiſtern will, da nach ſeinen
blinden Wollen,

Sich die Zeiten, Wetter, Luft, wunderbahrlich
aͤndern ſollen.


Be-
[67]
Betrachtung uͤber eine mit gel-
ben und ſaftigen Obſt angefuͤlle-
te Schuͤſſel.

O! mein Schoͤpfer wie erquikkend,

Und wie lieblich ja entzuͤkkend

Jſt die Baumfrucht anzuſehn,

Die ſo roth und ſprenglicht ſchoͤn,

Als wenn, wie in ſilbern Schaalen,

Guͤldne Aepfel herrlich ſtrahlen!

Solche Schoͤnheit laͤſt du ſteigen;

Aus den troknen Stamm und Zweigen,

Wie biſt du den Menſchen hold,

Denen du ein esbar Gold

Wundernswuͤrdig zubereiteſt,

Und durch zarte Roͤhren leiteſt.

Weil daraus die giergen Augen,

So viel ſuͤſſe Anmuth ſaugen:

So zieht der vergnuͤgte Blik,

Gleichſam meinen Mund zuruͤk,

Und behindert im Verzehren,

Dieſe Schoͤnheit zu zerſtoͤhren.

Doch was lieblich anzuſehen,

Bringt nicht allzeit ſolche Wehen,
E 2Als
[68]Betrachtung uͤber eine

Als die Frucht im Paradies,

Die der Probe-Baum dort wies:

Dieſe ſoll man ja genieſſen,

Weil du ſie uns laͤſſeſt ſprieſſen.

Zwiefach ſchoͤn ſind dieſe Fruͤchte,

Wie ſie laben das Geſichte;

So labt auch bei jedem Bis,

Jhr Saft welcher Honig ſuͤß,

Da wir in begiergen Schmekken,

Schoͤpfer! deine Guͤt entdekken.

Ach! wie reitzend, friſch und kuͤhle,

Schmeichelt uns des Gaums Gefuͤhle,

Wenn dadurch der Saft ſich gießt,

Der aus dieſer Baumfrucht flieſt,

Durch die Kehle lieblich quillet,

Wenn ſie unſern Mund gefuͤllet.

Dieſe die uns aufgetiſchet,

Sind wie Saur und Suͤß vermiſchet,

Jhre herbe Saͤurlichkeit

Jſt mit Zukker uͤberſtreut:

Damit wir an deinen Gaben,

Nach Gefalln uns koͤnnen laben.

Wenn ich an der Herbſtgeſchenke

Urſprung, recht zuruͤkke denke,

Wie ſie zu der Reif gedein,

Muß ich mich von neuen freun,

Da wir warlich Wunder eſſen,

Die nicht gnugſam zu ermeſſen.

Was
[69]mit Obſt angefuͤllete Schuͤſſel.
Was der Saft der Erde bringet,

Der durch Baum und Zweige dringet,

Sezt ſich in den Bluͤthen an

Draus dies Obſt entſtehen kan,

Wenn durch GOttes weiſes Walten,

Es zur Zeitigung erhalten.

Was ſo durch den Stamm gebrochen,

Muß die Sonne gleichſam kochen,

Bis der Saft ſo durchgeruͤhrt,

Sich die Bitterkeit verliehrt,

Die verduftet durch das Brennen

Da wir ſie denn eſſen koͤnnen.

Druͤkket uns dies GOttes Guͤte

Nicht ſo gleich in das Gemuͤthe,

Die ſo wunderbahrlich macht,

Was uns in die Augen lacht

Was uns unſre Zung erfreuet,

Was im Magen uns gedeiet?

Menſchen! wenn ihr dieſe Fruͤchte,

Dieſe lieblichen Gerichte,

Die der Schoͤpfer euch beſchert,

Bei vergnuͤgter Luſt verzehrt:

So erkennt zu ſeinem Preiſe,

Wie er maͤchtig, guͤtig, weiſe.

Dieſes koͤnt ihr achtſam ſchmekken,

Und dadurch den Trieb erwekken,

Einer regen Dankbarkeit,

Die ihr dafuͤr ſchuldig ſeid,
E 3Dem,
[70]Betracht. uͤber eine mit Obſt angefuͤllete Schuͤſſel.

Dem, der zum vergnuͤgten Leben,

Euch ſo manche Frucht gegeben.

Wer das Obſt vergnuͤgt genieſſet,

Daß der Mund von Safte flieſſet,

Aber nicht dabei gedenkt,

Wer daſſelbe ihm geſchenkt,

Jſt nicht werth die ſuͤſſen Gaben

Die der Schoͤpfer giebt, zu haben.

Wer an Fruͤchten ſich ergoͤzzet,

Und GOtt aus den Augen ſezzet,

Und damit den Magen fuͤllt,

Des Geſchmakkes Reizung ſtillt,

Jſſet wie die Thiere pflegen,

Die den Geber nicht erwegen.


Die
[71]

Die herrliche Verbindung der
Guͤte und Gerechtigkeit in dem
Werke der Erloͤſung.


GOtt iſt das hoͤchſte Gut, das iſt gewis-
lich wahr,

Jm Buche der Natur und Offenbah-
rung, klar,

Wir ſehen, was wir ſehn, es druͤkt
ſich ſeine Guͤte,

Ja allenthalben ab, in ein geruͤhrt Gemuͤte.

Er hat ja alles woll, zu unſern Gluͤk bedacht,

Und herrlich uns zur Luſt, in dieſer Welt gemacht,

Und in dem Gnadenreich bemerken wir die Triebe,

Daß unſer Schoͤpfer ſey die weſentliche Liebe.

Die Menſchen ſehen dies, wie die Barmherzigkeit,

Aus reiner Lieb geruͤhrt, uns ihre Huld anbeut,

Sich nur darum bemuͤht uns aus den Elends-
Ketten,

Worin die Suͤnd uns ſchlieſt, uns wieder zu er-
retten.

Der Suͤnder denkt daran, und macht daher den
Schlus,

Weil GOtt erretten kan, er auch erretten muß,

Misbraucht die Guͤtigkeit, die ihn der Schoͤpfer
zeiget,

Und meint die Liebe ſey, auch dem was Boͤß ge-
neiget,

Das iſt ein falſcher Schlus, der ſeiner Sicherheit,

E 4Nur
[72]Die herrliche Verbindung,
Nur falſche Hofnung giebt, und ſanfte Polſter
ſtreut,

Worauf er ganz getroſt, ohn ſein Bemuͤhn und
Schaffen,

Wird blos durch eigne Schuld, die Seeligkeit ver-
ſchlafen.

Der Jrthum flieſt daher, dieweil er faͤlſchlich meint,

Daß GOttes Lieb und Huld, die allenthalben
ſcheint,

Ohnmoͤglich ihn noch koͤnn, zum ewgen Feuers-
flammen,

Da er die Liebe ſey, ob er gleich Boͤß, verdammen.

Er denkt der Heiland ſei, ja fuͤr die ganze Welt,

Als ein Erloͤſer auch fuͤr ihm mit dargeſtellt;

Und darum ſey er frei von ſeiner Schuld der Suͤn-
den,

Weil in deſſelben Blut Bezahlung gnug zu finden.

Doch dieſe Meinung faͤllt, ſo bald man nur erwegt,

Was GOtt vor Eigenſchaft in ſeinen Weſen hegt;

So bald man nur bedenkt, daß die Vollkommen-
heiten,

Gleich herrlich und alſo nicht mit einander ſtreiten.

Barmherzig iſt er ſtets, doch auch dabei gerecht,

Er liebt den Menſchen woll, doch keinen Suͤnden-
knecht,

Der ſeine Guͤt misbraucht. Die Liebe iſt bemuͤhet,

Wie ſie die boͤſe Welt, aus dem Verderben ziehet:

Doch die Gerechtigkeit zeigt ſich auch bei der Huld,

Und fordert allemahl das Opfer vor die Schuld.

Die Liebe iſt bereit, die Suͤnden zu vergeben,

Doch kan ſie dadurch nicht der Rache widerſtre-
ben,

Die auf das Boͤſe zuͤrnt; bei GOttes Strafge-
richt,

Steht
[73]der Guͤte und Gerechtigkeit.
Steht die Gerechtigkeit und Lieb im Gleichgewicht.

Der ewge Gnadenbund kan uns dies klaͤrlich wei-
ſen,

Darin wir ſeine Guͤt, die uͤberſchwenglich preiſen:

Es leuchtet aber auch, wenn uns die Huld erfreut,

Dabei der ſtrenge Bliz von der Gerechtigkeit.

Die Liebe ſahe an, mit gnaͤdigen Erbarmen,

Die Suͤnder und ſchloß ſie in ihrer Guͤte Armen;

Jedoch mit dem Beding, daß vor die ganze Welt,

Des Hoͤchſten eigner Sohn, der GOtt und Ja-
cobs Held,

Sich ſelbſt verbuͤrgete, der hat als Mittler muͤſſen,

An aller Suͤnder ſtatt, fuͤr uns die Straffe buͤſſen.

Hieraus erhellet klar, daß GOtt die Liebe ſei,

Der ſeinen Sohn geſtraft, damit wir wuͤrden frei,

Doch auch dabei gerecht, weil er ein Opfer fodert,

Da die Gerechtigkeit in Eiferflammen lodert,

Die nicht zu tilgen ſind, als durchs vergoßne
Blut

Des Mittlers, der dem Zorn vollkommen Gnuͤge
thut.

Wie weislich hat ſich hier, da die Erloͤſung funden,

Lieb und Gerechtigkeit vereiniget, verbunden!

Der Heiland hat erfuͤllt den ganzen Gnadenrath,

Er ſtillt des Hoͤchſten Zorn, und daß an unſrer
Stat,

Er leidet was wir ſonſt auf ewig ſolten leiden,

Und ſezzet uns dadurch in einen Stand der Freu-
den,

Er haͤlt auch das Geſez, was die Gerechtigkeit,

Von uns mit Recht verlangt, als eine Pflicht ge-
beut.

Drum muß ein Suͤnder hier auf GOttes Guͤte
ſehen,

E 5Doch
[74]Die herrliche Verbindung,
Doch auch ſein Augenmerk beſtaͤndig dabei drehen

Auf die Gerechtigkeit, die GOttes Weſen ſchmuͤkt,

Die man als unzertrennt, bey ſeiner Guͤt erblikt.

Die ſchoͤne Harmonie der Vollenkommenheiten,

Jſt im Erloͤſungswerk auch daraus herzuleiten,

Wenn wir noch ferner ſehn, was GOtt von dem
verlangt,

Der als ein Suͤndenknecht, mit ſeiner Freiheit
prangt.

Er fodert, daß die Welt, wie ſeine Boten ſchreiben,

Soll an des Heilands Lehr und ſein Verdienſt recht
glaͤuben.

Die Ordnung unſers Heils zeigt uns recht deutlich
an,

Daß man ohn Glauben nicht Vergebung finden
kan,

Daß wer die Gnade will, zu ſeinen Schuzze neh-
men,

Der muͤſſe ſich zur Buß nach Chriſti Lehr beque-
men.

Wer die Vergebung ſucht vor ſeine Suͤndenſchuld,

Jn Chriſto nur allein hoft GOttes Gnad und
Huld,

Der kan beim hoͤchſten Gut dieſelbige erlangen,

Als ein gerechter Menſch, mit Chriſti Blute pran-
gen.

Allein der Glaube iſt hier nicht ein bloſſer Schein,

Er muß auch wuͤrkend nun im neuen Wandel ſeyn,

Sonſt macht er nicht gerecht. Ein bloſſes HErre
ſagen,

Macht keinen Suͤnder frei von den Gewiſſenspla-
gen.

Jhr Suͤnder denkt daran, die ihr vom Glauben
prahlt,

Daß
[75]der Guͤte und Gerechtigkeit.
Daß ihr durch Chriſtum habt, die Suͤndenſchuld
bezahlt,

Habt ihr den Heiland recht im Glauben angenom-
men

So ſeid ihr auch durch ihn zum neuen Leben kom-
men.

Jhr wuͤnſcht gerecht zu ſeyn, ihr ziehet Chriſtum
an,

Und habt das Suͤndenkleid doch noch nicht abge-
than.

Jhr denket zwar ganz recht, da er fuͤr euch geſtor-
ben,

So habe er euch auch das ewge Heil erworben.

Allein ihr ſchlieſſet falſch, indem ihrs nicht annehmt,

Euch nicht in Chriſti Joch das ſanft und leicht, be-
quemt,

Daß ihr des Mittlers Gunſt und die erworbnen
Gaben,

Die ihr doch nur verwerft, koͤnt im Genuſſe ha-
ben.

Die Guͤte iſt niemahls ohn die Gerechtigkeit,

Und weil ihr das nicht nehmt, was euch die Liebe
beut,

Muß die Gerechtigkeit euch nach dem Thun und Tich-
ten,

Nach dem Geſezzes Spruch, wie ihrs verdienet,
richten.

Und ſo ſeid ihr verdammt, wenn ihr gleich ſtets ge-
denkt,

Daß GOtt euch ſeinen Sohn zum Heiland hat ge-
ſchenkt:

Drum lernet daß GOtt gut, und auch gerecht zu
nennen;

So werdet ihr euch leicht von dieſer Meinung
trennen,

Die
[76]Gedanken
Die euch ſo ſicher macht. Nehmt ſeine Gnade an,

So wie ſie euch von GOtt iſt deutlich kund gethan:

So koͤnnet ihr ſie auch dereinſten dort genieſſen,

Denkt daß der Lebenslauf, die Gnadenzeit verflieſſen.


Gedanken
uͤber einen redenden Raben.


Jch ging zu einem Freund, der einen Ra-
ben naͤhrt,

Den ich ſonſt nie vorher mit Achtſam-
keit gehoͤrt,

Was ſeine Zunge ſchnarrt, weil er nicht
angefangen

Zu reden, wenn ich ſonſt vor ihm vorbei gegan-
gen.

Doch juͤngſt erfuhr ich es, da ich den Kefich nah,

Und er mich in das Haus von ferne kommen ſah,

Er fing in ſeiner Sprach ganz grob mich anzu-
ſchnarren,

Und ſprach das, was er kan, er ſprach von nichts
als Narren.

Jch merkte dieſes Thier in ſeinem Kefig nicht,

Jch drehte hie und da, verwundernt mein Geſicht,

Jch dachte welcher Feind ſucht dich allhie zu ſchmaͤh-
len,

Und
[77]uͤber einen redenden Raben.
Und durch den groben Schimpf ſo unverdient zu
quaͤlen.

Er ſchimpfte noch einmahl du Narr, da ſah ich an,

Daß es der alte Schalk, der grobe Hans gethan,

Mein Zorn verkehrte ſich in ein ergoͤzzend Lachen,

Und dachte wer kan was aus einen Schimpfwort
machen,

Das ein ſo dummes Thier, durch deine Gegen-
wart,

Gleichſam erzuͤrnet, ſpricht, mit vollen Eifer
ſchnarrt.

Es hat ſonſt nichts gelernt; ich will es ihm verge-
ben,

Jch wuͤnſchte meinen Freund ſo lange nur zu leben,

Als er noch ſchelten kan. Jch ging hinein ins Haus

Und kam hinwiederum, durch ſolche Thuͤr heraus,

Wo er durchs Gitter gukt, ich dachte was wirds
gelten,

Er wird dich wiederum, vor einen Narren ſchelten.

Allein er ließ mich gehn, mit ſtummer Hoͤflichkeit,

Vielleicht nur blos darum, weil ſeine Ruhezeit

Schon da war, weil er muͤd, und nicht mehr
ſchimpfen wolte,

Als er mir zu Gefalln, ſo grobe reden ſolte.

So bald ich nur zu Haus fiel mir beim Raben ein,

Ach! moͤchten wir doch ſtets auch ſo geſinnet ſeyn,

Wenn uns ein Laͤſtrer ſchimpft, die Zaͤhne an uns
wezzet,

Und nur die eigne Ehr, nicht anderen verlezzet!

Ach! daͤchten wir auch ſtets wer iſts? der uns anklagt,

Was hat der Laͤſterer uns denn zum Schimpf geſagt,

Der Rabe ſpricht du Narr, wir lachen noch daruͤ-
ber,

Und hoͤren wenn er ſchilt, als wenn er lobet lieber,

War-
[78]Gedanken uͤber einen redenden Raben.
Warum? wir denken ſo, er hat ſonſt nichts ge-
lernt,

Er hoͤret wieder auf, wenn man ſich nur entfernt.

Wie koͤnten wir nicht auch ſo von den Menſchen denken

Die uns mit Laͤſterung bei reiner Unſchuld kraͤnken?

Allein ſo bald ein Menſch, der warlich Raben-Art

Uns durch ein Schimpfwort ſchilt in unſrer Gegen-
wart,

So werden wir ergrimmt, wir ſuchen ihm ſein
Schelten,

Mit einer gleichen Muͤnz gedoppelt zu vergelten.

Und wird uns nur geſagt, daß eine Laͤſterzung

Mit Geiffer uns beſpruͤzt, ſo folgt Erbitterung

Die gleich auf Rache denkt, wir ſuchen den zu
ſchaden,

Der uns zur Ungebuͤhr, mit Laͤſterung beladen.

So lieblos iſt der Menſch, er zieht ein albern
Thier,

Das ihn mit Grobheit ſchimpft, ſelbſt einem Men-
ſchen fuͤr.

Er pflegt den Raben gern von Schimpfe frei zu
ſprechen,

Und will dagegen ſich doch an den Menſchen raͤchen.

Ja! ſagſt du das iſt recht das Thier verſteht es
nicht,

Ein Rabe ſchimpft uns nicht, weil er als Rabe
ſpricht,

Allein ein Menſche muß auch als ein Menſche ſpre-
chen,

Sonſt muß man wenn er ſchimpft, ihm das Ge-
nikke brechen.

O! uͤbereil dich nicht, in deiner blinden Wuth,

Jch zweifle noch daran, ob ers als Menſche thut.

Ein Laͤſtrer iſt ein Menſch, nach den Geſichtes Zuͤ-
gen,

Jn
[79]Die Tadelſucht.
Jn ſeiner Seele wohnt der Geiſt der ſchwarzen Luͤ-
gen,

Er iſt auch Raben-Art, weil er nichts anders kan,

Als daß er ſolche ſchimpft, die ihn nur ſehen an:

Schweig ſtill, entferne dich und laß ihn immer to-
ben,

Der Laͤſtrer Tadelſucht iſt gut bei Schmeichlers Lo-
ben.


Die Tadelſucht.


[figure]
Die falſche Tadelſucht iſt eine
Peſt der Zeiten,

Sie ſucht nach blinden Wahn
das Gute zu beſtreiten,

Und weil ſie ſich nicht gros um
das was wahr bemuͤht,

Nur durch der Einbildung, be-
triegriſch Blendglas ſieht,

So muß ihr oft was ſchoͤn, als
was verdorbnes ſcheinen,

Es iſt ihr Grundgeſez, ein ungegruͤndet Meinen.

Sie geifert immer fort, und greift daſſelbe an,

Was ihr drum misgefaͤllt, weil ſie nicht leiſten
kan,

Was andre in der Welt, als Tugenden beweiſen,

Das was ſie an ſich hat iſt nur allein zu preiſen.

Doch nur in dieſem Fall ſind ihre Thaten ſchoͤn,

So
[80]Die Tadelſucht.
So lange ſie an ihr, an andern nicht zu ſehn.

Was bei ihr Tugend heiſt, das heiſt bei andern
Laſter,

Die Schoͤnheits Muſchen ſind, bei andern Nar-
ben-Pflaſter;

Was ihr Geſicht bemahlt, mit Artigkeit ausziert,

Sind Flekken dadurch ſich bei anderen verliert,

Was man annehmlich heiſt. Man kan daraus er-
ſehen,

Daß aus der Eigenlieb, Neid, Tadelſucht entſte-
hen,

Die ſtets den ſchielen Blik auf andre Menſchen
drehn,

Sie zu erniedrigen, ſich ſelbſten zu erhoͤhn.

Drum iſt die Tadelſucht ein ſchnoͤdes Kind der
Hoͤllen,

Die ſonſt nichts weis und kan, als andre anzubel-
len.

Jhr Lohn dafuͤr iſt nur, das weil ſie immer beiſt,

Sie ſich aus eignen Grimm, zulezt nur ſelbſt zer-
reiſt.


Die
[81]

Die Nachlaͤßigkeit der Menſchen
die wunderbahre und weiſe Einrich-
tung ihres Koͤrpers zu erkennen.


(Pſ. CXXXIX. 14.)

Jch danke dir daruͤber, daß ich wunder-
bahrlich gemacht bin; wunderbahr-
lich ſind deine Werke das erkennet
meine Seele wol.


[figure]
Der Menſch iſt mehr bemuͤht, was auſer
ihm zu ſehn,

Als das was an ihm iſt, recht gruͤnd-
lich zu verſtehn;

Er will aus Neubegier die ganze Welt ergruͤnden,

Und denket kaum daran, was an ihm ſelbſt zu fin-
den.

Er iſt die kleine Welt, der Allmacht Meiſterſtuͤk,

Und dennoch ſieht er nicht, auf ſeinem Leib zuruͤk,

Daran kein Glied zu ſehn, kein Theilgen zu er-
wegen,

Die nicht von weiſer Macht des Schoͤpfers Zei-
chen hegen.

Die Eitelkeit ſchaut zwar in glatte Spiegel ein,

Aus Eigenlieb entzuͤkt, ihr Bild im Gegenſchein,

Wie es gepuzzet iſt, bemerkend anzublikken,

Um ihre Schoͤnheit ſich darinnen abzudruͤkken:

Dritter Theil. FAl-
[82]Die Nachlaͤßigkeit der Menſchen.
Allein man ſiehet nicht mit Andacht, welche Pracht,

Den Bau des Koͤrpers ſchmuͤkt, den GOttes
Hand gemacht,

Wie wir doch ſchuldig ſind, den Schoͤpfer zu er-
heben,

Der uns ſo wunderbar die Glieder hat gegeben.

Der Leib iſt wie ein Haus, darin die Seele wohnt,

Darin der rege Geiſt, als im Verborgnen thront,

Die Glieder ſind recht feſt und kuͤnſtlich dran ver-
ſchraͤnket,

Daß man erſtaunen muß, ſo bald man das beden-
ket.

Sehn wir ein Raͤderwerk, daß ſich bewegen kan,

Und eine Kunſtmaſchin in ihrem Gange an;

So werden wir entzuͤkt, wir wuͤnſchen gleich zu
wiſſen,

Wie dieſe Theilgen ſich feſt in einander ſchlieſſen;

Die kuͤnſtlichſte Maſchin, die ſich bewegt und dreht,

Durch Raͤder die geſpannt, in ihren Lauffe geht,

Wird nur ein ſchlechtes Werk, wenn wir uns un-
terwinden,

Den Wunder-vollen Gang des Koͤrpers zu er-
gruͤnden.

O! Menſchen! richtet doch eur luͤſternd Augen-
merk,

Auf eurem Koͤrper ſelbſt, betrachtet welch ein Werk

Der Bau des Leibes iſt, wie kuͤnſtlich er ſich len-
ket,

Und wie das Glied ſich regt, nachdem die Seele
denket.

Wer dieſe Wunder kennt, die GOtt in uns ge-
legt,

Den weiſeſten Entzwek des Schoͤpfers, dran
erwegt,

Der
[83]Die Geheimniſſe der Natur.
Der wird ſo ſuͤndlich nicht des Hoͤchſten Werk be-
ſtuͤrmen,

Vielmehr ſich drauf bemuͤhn, wie es ſey zu beſchir-
men.


Die
Geheimniſſe der Natur.

[figure]
Wer denket alles zu ergruͤnden,

Wird noch vieles dunkel finden

Jn dem Reiche der Natur,

Wo in der verſtekten Spur

Vieles uͤberal zu ſehen

Deſſen Grund wir nicht verſtehen.

Tohren die daruͤber lachen,

Wenn man will Geheimnis machen,

Zeiget uns erſt deutlich an,

Wo des Windes ſchnelle Bahn,

Jhren Urſprung klaͤrlich weiſet,

Wie er durch den Luftkreis reiſet.

Wiſſet ihr, wo er entſtehet,

Wie er braußt, wohin er gehet,

Wie er wiederum verfliegt,

Jn verborgne Hoͤlen kriecht?
F 2Nein!
[84]Die Geheimniſſe der Natur.

Nein! ihr hoͤrt der Winde Sauſen,

Wiſſet nicht woher ſie brauſen.

Wer kan deutlich uns erklaͤren,

Wie in denen Fluͤſſen, Meeren

Ebbe und die Flut entſpringt,

Wie das Waſſer abwerts dringt,

Und in den beſtimmten Stunden,

Wiederum ſich eingefunden?

Wer kan uns den Grund angeben,

Von dem lenkenden Beſtreben,

Daß die Nadel von Magnet,

Sich nach ihrem Nordpol dreht,

Daß ſie Eiſen an ſich fuͤget,

Deſſen ſchwere Laſt aufwieget?

Keiner von der Zahl der Weiſen,

Deren Wiz wir billig preiſen,

Hat uns klaͤrlich uͤberfuͤhrt,

Wie dies alles wird regiert;

Keiner, obs gleich viele wagen,

Kan davon den Grund anſagen.

Dennoch muͤſſen wir geſtehen,

Es ſey wahr, was man geſehen,

Ob man gleich den Grund nicht ſieht,

Wie ſich dieſes alles zieht:

Darum muß man ſich bequemen,

Auch Geheimnis anzunehmen.

War-
[85]Die Geheimniſſe der Natur.
Warum will man ſich beſchweren,

Ueber die Geheimnis-Lehren,

Die das Gnadenreich uns zeigt,

Da man hiezu ſtille ſchweigt,

Daß auf unſrer Erden-Scheiben,

So viel Dinge dunkel bleiben?

Warum will man das nicht glaͤuben,

Was die heilgen Maͤnner ſchreiben:

Die des Geiſtes Trieb belebt?

Darum, weil man ſich beſtrebt,

Durch ein uͤbereiltes Spotten,
GOttes Warheit auszurotten.

Tohren! lernet anders denken,

Lernt den Wiz recht einzuſchraͤnken,

Zaͤumet euren Frevel-Geiſt,

Der ein flatternd Jrrlicht heiſt,

Das Naturreich giebt zu leſen,
GOtt ſei ein verborgnes Weſen.


Die
[86]

Die Klugheit.


(Sprichw. Sal. XVI. 22.)

Klugheit iſt ein lebendiger Brunnen dem
der ſie hat.


[figure]
Man muß ſtets in ſeinem Leben,

Darauf fleißig Achtung geben,

Ob auch alles was man thut,

Vortheilhaft und nuͤzlich gut.

Wer der Klugheit Leitſtern waͤhlet,

Hat das Ziel noch nie verfehlet;

Wer bemerkt die rechte Bahn,

Trift den Gluͤksport endlich an.

Wer dagegen blindlings rennet,

Nicht die wahren Mittel kennet,

Jſt von leerer Hofnung voll,

Wagts auf ein Gerathewoll,

Rennet nur nach eitlen Dingen,

Und es muß ihn doch mislingen

Jſt der Lauf zulezt vorbei,

Sieht er daß er thoͤrigt ſey.

Wer ein kluger Mann will heiſſen,

Muß vor allen ſich befleiſſen,

Daß ihm werd der Gluͤkkes-ſtand,

Den er ſuchet recht bekannt.
Din-
[87]Die Klugheit.

Dinge die da herrlich ſcheinen,

Sind nicht allzeit, wie wir meinen,

Nach den innren Weſen ſchoͤn,

Als wir ſie von auſſen ſehn.

Oefters iſt es blos ein Schatten,

Dabei Licht und Schein ſich gatten,

Der der Einbildung gefaͤllt,

Wer darnach den Lauf anſtellt,

Greiffet nur nach Wolken-Duͤnſte,

Die wie ein gemahlt Geſpinſte,

Koſtbar in den Augen ſind,

Und doch in der That nur Wind.

Klugheit merket auf das Beſte,

Traut nicht einem Gluͤkkes-Weſte,

Der hernach nur Regen bringt,

Und den Sonnenſchein verdringt;

Sie ſieht, eh ſie wornach trachtet,

Ob das auch ſo wie man achtet,

Jn der That und Warheit nuͤzt,

Was uns in die Augen blizt.

Wenn ſie ſich ein Ziel erleſen,

Daran ſie kein ſcheinend Weſen,

Sondern wuͤrklich Gut erblikt,

Wird ſie nicht davon geruͤkt.

Sie ſucht durch ein recht Bemuͤhen

Hinderniſſen zu entfliehen;

Trachtet wie ſie das erhaͤlt,

Was ihr wuͤrklich woll gefaͤllt.

F 4All
[88]Die Klugheit.
All ihr Denken und ihr Tichten,

Geht dahin das zu verrichten,

Woraus ihre Wollfahrt fließt,

Und was der entgegen iſt,

Suchet ſie ſtets zu vermeiden,

Sie ſcheut kein bedorntes Leiden,

Wenn ſie auf der rauhen Bahn,

Nur dreinſt Roſen brechen kan.

Die verwirrten Leidenſchaften,

Die in unſrer Seele haften,

Machen oft den Menſchen blind,

Gleichen einem Wirbelwind

Der uns ploͤzlich nieder ſchmeiſſet,

Wie in einem Strom fortreiſſet,

Der uns bringt mit Angſt und Weh,

Jn die Kummer-volle See.

Wenn die Leidenſchaften raſen,

Jn uns einen Sturm aufblaſen,

Wallen wir wie auf dem Meer,

Ein Schif wankend hin und her,

Klugheit ſieht, ſich bei den Stuͤrmen,

Vor den Klippen zu beſchirmen;

Und ſchaut als ein Steuerman,

Wie man ſich erhalten kan.

Klugheit braucht die Seelenkraͤfte,

Den Verſtand zu dem Geſchaͤfte,

Handelt nichts in blinder Wuth,

Wie ein albern Thore thut;
Man
[89]Die Klugheit.

Man muß vorher uͤberlegen,

Und die Folgen auch erwegen

Die aus einer Sach entſtehn,

Eh ſie wuͤrklich iſt geſchehn.

Wer zu hurtig im Urtheilen,

Kan ſich leichtlich uͤbereilen,

Und wenn man erſt hat gewaͤhlt,

Und dabei das Ziel verfehlt:

So iſt das was nun geſchehen,

Nicht zu aͤndern, zu verdrehen;

Weil der Schade und Verdrus,

Mit der Neue kommen muß.

Klugheit ſucht durch ihr Bemuͤhen,

Dieſem Uebel zu entfliehen,

Daher nimt ſie eine That,

Erſt in einem weiſen Naht.

Was aus dies und jenen Dingen,

Kann als eine Folg entſpringen.

Wird vorher erſt uͤberdacht,

Eh von ihr der Schlus gemacht.

Seinem Koͤrper folgt der Schatten,

Die ſich ſtets zuſammen gatten:

So folgt nun und allemahl

Auf die That, Vergnuͤgen, Qual,

Nachdem ſie an ſich beſchaffen,

Wer ſich nicht will ſelbſt beſtraffen,

Muß bedenken, was entſteht,

Wenn dies oder das vorgeht.

F 5Es
[90]Die Klugheit.
Es kan uns der Lauf der Zeiten,

Leichtlich von den Weg ableiten,

Der zum Port des Gluͤkkes fuͤhrt:

Unſre Welt iſt ſo verwirrt,

Daß man oft das Woll der Seelen,

Nicht zugleich vermag zu waͤhlen,

Mit dem Gluͤk, das uns die Welt,

Lokkend vor die Augen ſtellt.

Wahre Klugheit zieht das Gluͤkke

Seiner Seel, dem Zauberblikke

Dieſer eitlen Erden vor;

Anders handelt hier ein Thor,

Der ſein geiſtlich Woll verachtet,

Nur das Jrdiſche betrachtet,

Das oft wenn mans recht beſchaut,

Nur auf leichter Spreu gebaut.

Klugheit ſiehet ſtets aufs Ende,

Und ſtrekt die begiergen Haͤnde,

Nach der Lebens-Krone aus,

Zeigt ſich ihr ein Roſen-Straus

Der vergnuͤgten Luſt der Erden,

Der nicht kan erhalten werden,

So verachtet ihr Gemuͤt

Eitler Roſen welke Bluͤth.

Klugheit ſiehet die Umſtaͤnde,

Dieſer Welt und ihr Gebaͤude,

Allemahl mit Sorgfalt an,

Wenn ſie was erhalten kan,
Pfle-
[91]Die Klugheit.

Pfleget ſie nicht lang zu traͤumen,

Und das Gluͤkke zu verſaͤumen,

Sie erkennet daß das Heut,

Allemahl die beſte Zeit.

Wer ſich von ihr laͤſt regieren,

Suchet ſich ſo aufzufuͤhren,

Wie es GOtt, der klugen Welt,

Angenehm und wollgefaͤllt.

Wer in dem Geſellſchafts-Bande,

Lebt nach ſeiner Wuͤrd und Stande

Handelt wie ein jeder ſoll,

Als ein Menſch, vernuͤnftig, woll.

Klugheit muß ſich da auch zeigen,

Wenn wir reden, wenn wir ſchweigen,

Weil die Zung uns leichtlich ſtuͤrzt;

Wenn die Rede nicht gewuͤrzt,

Mit den Salz, das Klugheit giebet,

So wird man auch nicht geliebet,

Darum heift ein kluger Mann

Der die Zung regieren kan.

Klugheit iſt der Zungen Zuͤgel,

Und druͤkt oft ein feſtes Siegel,

Auf den Mund, der reden will,

Daß er wieder ſchweige ſtill:

Weil ein Wort, das uns entfaͤhret,

Wie oft die Erfahrung lehret,

Wenn es uͤbel angebracht,

Nachher vielen Kummer macht.

Klug-
[92]Die Klugheit.
Klugheit iſt ein Leitungs-Faden,

Wer den hat kommt ohne Schaden,

Aus des Schikſals Labirinth,

Wo viel Dornen-Hekken ſind,

Darin man ſonſt aͤngſtlich irret,

Und im Lauffe ſich verwirret,

Und in Stacheln die geſpizt

Eh mans meint, ſich ſchmerzend rizt.

Klugheit kan zum frohen Leben,

Tauſendfache Mittel geben,

Und verſuͤßt mit Zukkerkand,

Den ſonſt ſauren Kummerſtand,

Wenn die uns auf Erden leitet,

Als Gefaͤhrtin ſtets begleitet,

Komt man ſicher durch die Welt,

Jn des Himmels Freuden-Zelt.

Darum muß man ſich befleiſſen,

Nicht alleine klug zu heiſſen,

Sondern auch recht klug zu ſeyn.

Viele lieben blos den Schein,

Meinen bei des Wizzes Gaben,

Wahre Klugheit auch zu haben:

Aber wenn mans recht bedenkt,

Werden ſie doch blind gelenkt.

Die wir oft als Kluge loben,

Zeigen oft ſehr ſchlechte Proben,

Machen zwar ein liſtig Strik,

Doch ſich nur zum Ungeluͤk:
Sie
[93]Die Klugheit.

Sie ſind gleich den giftgen Spinnen,

Die ein liſtig Nez ausſinnen,

Welches ſie nur drum aufſtelln,

Bloͤde Einfalt zu beſchnelln.

Wahre Klugheit kommt vom Himmel,

Und fuͤhrt uns aus dem Getuͤmmel,

Dieſer Eitelkeit heraus,

Jn das dauerhafte Haus

Jener Welt, recht zu gelangen,

Wo die Seelgen ewig prangen.
GOtt durch deinen Gnaden-Schein,

Floͤß mir dieſe Klugheit ein!


Die
[94]

Die Argliſtigkeit.


(Sirach c. XIX. 19.)

Argliſtigkeit iſt keine Weisheit, und der
Gottloſen Tuͤkke ſind keine Klugheit.


[figure]
Die Laſter huͤllen ſich oft in den Tu-
gend-Schein,

Als wie ein gierger Wolf in Scha-
fes Kleider ein.

Der Menſche pflegt den Glanz der
Tugenden zu lieben,

Allein er will nicht gern ſich in derſelben uͤben,

Drum nimmt er ihren Schmuk und zieht denſelben
an,

Auf das er ungeſcheut die Welt beruͤkken kan,

Will das nicht mehr angehn, ſo ſpannt er ihren
Nahmen,

Als einen ſchimmernden mit Gold beſezten Nah-
men

Um ſeine Thaten her; ſo iſt des Laſters Bild,

Jns ſchoͤne Auſſenwerk der Tugend eingehuͤllt.

Die Mode iſt jezt ſo, man will von auſſen gleiſſen,

Was Boͤſe iſt ſoll gut, das Laſter Tugend heiſſen.

Ein Beiſpiel giebet uns der Menſchen arge Liſt,

Die in der jezgen Welt die weiſe Klugheit iſt.

Wer
[95]Die Argliſtigkeit.
Wer ſeinen Wiz gebraucht zu eines andern Scha-
den,

Wer ſeine eigne Schuld kan anderen aufladen,

Der heiſt ein kluger Mann, den lobt die Mode-
welt,

Weil ihr das Laſter nur, die Klugheit nicht gefaͤllt,

Es iſt zu unſrer Zeit, die Secte der Ophiten, (*)

Die ſonſt durchaus verdammt, bei vielen woll ge-
litten.

Man nimt den Lehrſaz an, daß der ein Kluger heiſt,

Des Herze voll Betrug, von Gifte uͤberfleußt;

Wenn man dadurch zum Ziel, das man gewuͤnſcht,
kan kommen,

So wird die boͤſe That zum Meiſterſtuͤk genommen,

Das kluger Wiz erdacht. Und raͤumt man dieſes
ein,

So kan die Schlang die glaͤnzt, ein Seraphine ſeyn,

So koͤnnen die, die nur als falſche Schlangen
beiſſen,

Jnskuͤnftige nicht mehr des Teuffels Kinder heiſſen,

Sie ſind im Gegentheil als ſolche anzuſehn,

Die ſich mit klugen Wiz, nach ihrem Ziele drehn,

Darnach ein jeder ſtrebt, und nach der Vorſicht
Schluͤſſen,

Als ein Vernuͤnftiger wird billig ſtreben muͤſſen.

Verdammte Sittenlehr! die dieſen Grundſaz hegt,

Den hat die alte Schlang, der Teuffel eingepraͤgt,

Daß man als Menſch verpflicht, nach ſeinen Gluͤk
zu trachten,

Daß andre neben uns in heiſſen Kummer ſchmachten.

Wir
[96]Die Argliſtigkeit.
Wir leben auf der Welt, wir muͤſſen uns bemuͤhn,

Durch Klugheit uns den Schlam des Elends zu
entziehn,

Wir muͤſſen uns mit Luſt, die Kummer Tage wuͤr-
zen,

Doch dadurch andre nicht in bittres Elend ſtuͤrzen.

Das denken viele nicht, drum uͤben ſie Betrug,

Und meinen wer das koͤnn, der ſey nur wizzig, klug,

Die treue Redlichkeit die keinen Menſch betruͤbet,

Und nach der Tauben Art, in reiner Einfalt lie-
bet,

Die keinen Unrecht thut, wird Thorheit, Unver-
ſtand,

Zum Schimpfe und zum Spott ein Aberwiz ge-
nannt.

Wer das nicht glauben will, der mag die Welt
durchgehen,

Der wird an jedem Ort davon Exempel ſehen.

Wer das was gleich iſt krum, was krum gerade
macht,

Der heiſt ein kluger Kopf, es wird da nicht be-
dacht:

Ob er das Recht gebeugt, den Richterſtuhl belogen,

Mit einem blauen Dunſt des Richters Aug betro-
gen.

Hingegen wer das Recht in keinem Stuͤkke beugt,

Mit Vorſaz nicht ein Wort zu ſeinem Vortheil
leugt,

Der iſt ein ſchlechter Mann, er hat zu viel Gewiſ-
ſen

Drum hat er nicht das Recht dem andern abgebiſ-
ſen.

Wer einen Handel treibt, die Einfalt oft beruͤkt,

Mit einem leichten Schwur ein falſches Siegel druͤkt,

Sich
[97]Die Argliſtigkeit.
Sich drehn und wenden kan, wie wir es gerne ha-
ben,

Das iſt ein weiſer Mann von ſonderbahren Gaben.

Wer eines andern Blut, und ſauren Schweis ver-
zehrt,

Und ſich mit dem Betrug aufs reicheſte ernaͤhrt,

Der iſt ein kluger Dieb, er weis die Welt zu zwin-
gen,

Daß man ihm ſeinen Raub, muß gar ins Haus hin-
bringen.

Wer ſich durch andrer Fall, mit Liſt erhoͤhen kan,

Den nennt die blinde Welt, offt einen klugen
Mann,

Der doch ein Boͤſewicht, der dieſe Welt zerſtoͤh-
ret,

Ob ihn ein jeder gleich, als einen GOtt verehret.

Jhr Chriſten! fliehet doch die falſche Schlangen
Art,

Die nicht mit Redligkeit der Tauben iſt verpaart;

Die Kinder dieſer Welt die ſpannen doch nur Schlin-
gen,

Dadurch ſie endlich ſich ſelbſt ins Verderben brin-
gen.

Die Argliſt ſiehet zwar, die andre leicht beruͤkt,

Doch eh ſie ſichs verſieht; ſo iſt ſie ſelbſt beſtrikt.

Die Weltgeſchichte lehrt, daß die doch ſind gefan-
gen,

Die mit dem ſtolzen Wiz, zu andrer Schaden
prangen.

Die wahre Klugheit liebt auch die Gerechtigkeit,

Sie merket ſorgſam an, der Welt Begebenheit,

Doch aber huͤtet ſie ſich boͤſen gleich zu ſtellen,

Die wie die Schlangen laurn, die Einfalt zu be-
ſchnellen.

Dritter Theil. GDie
[98]Die Argliſtigkeit.
Die Klugheit ſtammt von GOtt, die Liſt vom Teu-
fel her,

Die Klugheit nur allein verdienet Ruhm und
Ehr,

Die Argliſt fuͤhrt mit Recht den laͤngſt verdienten
Nahmen,

Sie ſey ein Ueberreſt von falſchen Schlangen-Saa-
men.


Die
[99]
Die Furcht.
[figure]
Die Furcht iſt unſer Plage-Geiſt,

Drum ſie des Lebens Kobold heiſt,

Sie ſuchet uns mit eitlen Schatten,

Jn dieſer Welt ſtets abzumatten.

Sie plagt von auſſen unſre Sinnen,

Sie quaͤlt das Herze ſtets von innen.

Sie truͤget uns mit leeren Schein,

Wo nichts iſt, ſoll doch etwas ſeyn.

Sie zeigt uns durch der Augen-Fenſter,

Offt viele ſchwarze Nachtgeſpenſter,

Doch wenn man es beim Licht beſchauet,

So ſchwindet das, wofuͤr uns grauet.

Die Furcht betaͤubet das Gehoͤr,

Es duͤnkt uns offt ein groſſes Heer,

Sei hinter uns auf dunklen Wegen,

Wenn ſich nur Laubesblaͤtter regen.

Sie macht bei einer ſchwarzen Stille,

Ein klein Gethoͤn zum gros Gebruͤlle.

Bei einem angeſtekten Licht,

Verſchwindet gleich ein Schrekgeſicht,

Die Poltergeiſter, die uns plagen,

Kan Sonn und Tag gar bald verjagen,

Mir deucht es wird die Furcht verrauchen,

Wenn wir das Licht der Warheit brauchen.



[100]

Anrede
an die ſpaͤten Herbſtblumen.


[figure]
Jhr Kinder der Natur, die ihr ſo ſpaͤt
erſcheint,

Da man den Untergang des Pflan-
zenreichs beweint,

Warum laſt ihr euch noch bei ſtuͤr-
meriſchen Wehen,

Des rauhend kalten Nords, beim
Regenwetter ſehen?

Jhr kommet kaum hervor, ſo ſeid ihr ſchon geplagt,

Jhr bluͤht ſeid geſtern erſt, und ſtehet ſchon verzagt,

Und laſt das ſchlaffe Haupt der matten Blaͤtter
ſinken,

Mir deucht als wolt ihr uns mit euren Kopfe win-
ken,

Daß wir eur Elend ſehn. Jhr alle kommet mir,

Als zarte Kinderchen, die kaum gebohren fuͤr,

Und da ihr kaum aufbluͤht, ſo muͤſt ihr euch in
Thraͤnen,

Nach euren Untergang ſchon wieder ruͤkwerts ſehnen.

Jhr ſeid ein ſchoͤnes Bild von unſrer Eitelkeit,

Gebuhrt und Leben, Todt ſind auch bei uns nicht
weit.

Der Anfang iſt kaum da; ſo folget auch das Ende,

Da faulet wiederum des Leibes Kunſtgebaͤnde.

Der feuchte Herbſt macht euch mit vielen Regen naß,

Der Wind der ſaugt euch aus, und macht euch bleich
und blaß,

Und euer Anfang iſt, der Anfang zu den Sterben,

Jhr
[101]Anrede an die ſpaͤten Herbſtblumen.
Jhr bluͤhet ſpaͤte auf, und muͤſſet fruͤh verderben,

Wir Menſchen ſehn euch an, nicht ohn Bewunde-
rung,

Wir klagen daß ihr ſeid ſo voller Aenderung,

Allein ihr rufft uns zu: beklaget euch nur ſelber,

Eur erſter Lebens-Schritt geht in die Sterbgewoͤl-
ber.

Eur erſter Lebenshauch den ihr ſo ſeufzend zieht,

Zeigt wie eur Athem dreinſt mit Schmerzen aus euch
flieht,

Jhr weinet wenn ihr komt, ihr weinet bei dem Schei-
den,

Bei eures Lebens-Luſt habt ihr auch vieles Leiden.

Jm Reiche der Natur ſind wir der lezte Reſt,

Der vor der Winterszeit ſich bluͤhend ſehen laͤſt,

Der Herbſt raft uns hinweg, da wir erſt ſind ge-
bohren,

Jhr alle ſeid ja auch wie wir zum Tod erkohren.

Der Fruͤhling liefert euch in eurem erſten Jahr

Auch ofte wenn ihr lebt, zur ſchwarzen Todten-
Baar;

Jch dachte noch dabei, ſo kan man allzeit ſehen,

Wie wir den Blumen gleich, im Bluͤhen und Ver-
gehen.



[102]

Die
Weisheit GOttes an den man-
nigfaltigen Geſichtsbildungen und
Sprachen der Menſchen.


[figure]
Die Weiſen welche ſich mit allem Ernſt
bemuͤht,

Die Mannigfaltigkeit, die man
auf Erden ſieht,

Jm Reiche der Natur zu GOttes Preis zu kennen,

Die haben dieſen Saz: Es ſey nichts zu benennen

Das einem andern gleich; auch bei der Aehnligkeit,

Sey dennoch allemahl, ein groſſer Unterſcheid,

Man ſieht an einem Ding noch immer ſolche Zeichen,

Daß es mit andern nicht ſey voͤllig zu vergleichen.

Die Blaͤtter eines Baums, ſind in dem Pflanzen-
reich,

Aus einem Stamm erzielt, dem andern voͤllig gleich,

Doch nur nach aͤuſren Schein, wenn wir ſie recht
betrachten,

So ſind ſie dennoch nicht ſich voͤllig gleich zu ach-
ten.

An einem findet man, was nicht an andern iſt,

Ob es gleich aus dem Stam, woraus das andre
ſprieſt,

Wer daran zweiffeln will, darf ſich nur recht be-
quemen,

Durch
[103]an den mannigfaltigen Geſichtsbildungen.
Durch ein Vergroͤßrungs-Glas ſie im Betracht zu-
nehmen.

Daraus erhellet klar, daß GOtt hoͤchſt weiſe ſey,

Das ſieht man ſichtbarlich an dieſem Mancherlei,

Das in der Welt entſteht, da ſich bei dem Ver-
binden,

An allen was man ſieht, ſtets andre Zeichen finden,

Zu ihren Unterſcheid. Wie gros iſt der Verſtand,

Der dieſes ausgewaͤhlt, wie maͤchtig deſſen Hand,

Aus deſſen Werkſtat iſt ſo vieles, vieles kommen,

Und das doch allemahl ein Zeichen angenommen,

Wodurch es ſich beweißt das es zwar gleicher Art,

Doch ein beſondres Ding bei ſeiner Gegenwart.

Mein GOtt! wir koͤnnen dies ohnmoͤglich recht be-
trachten,

Wir muͤſſen auch dabei dich als Allweiſe achten.

Das Kreaturen Heer, das in der ganzen Welt,

Jn ungezaͤhlter Zahl von dir iſt aufgeſtellt,

Kan keines Menſchen Herz vollkommen uͤberden-
ken,

Wir muͤſſen nur den Sinn auf einge Arten lenken,

Aus deren Mannigfalt ſchon ſichtbahrlich erſcheint,

Daß nichts dem andern gleich, wie man aus Einfalt
meint.

Der Menſch das Hauptgeſchoͤpf, die Buͤrger dieſer
Erden,

Wir koͤnnen hier uns ſelbſt ſchon unſre Zeugen wer-
den.

Man ſehe nur den Menſch nach dem Geſichte an,

Wodurch man ſie gar leicht von andern trennen
kan,

Wie gros iſt hierin nicht das Mannigfalt zu nen-
nen,

Nur an denjenigen, die wir vornemlich kennen?

G 4Ein
[104]Die Weisheit GOttes
Ein jegliches Geſicht, hat Augen, Naſen, Mund,

Doch aus den Zuͤgen wird der Unterſcheid gleich
kund,

Die Theile ſind zwar da, und auch in dem Ver-
binden,

Dem aͤuſren Anſehn nach, in gleicher Lag zufinden,

Und dennoch findet man in der Geſichtsbildung,

Daß auch bei tauſenden ſtets eine Aenderung

Und koͤnten wir die Zahl vernuͤnftiger Geſchoͤpfe,

Die auf dem Erdball ſind, und alle Menſchen-
Koͤpfe,

Jn gleiche Reihe ſtelln, ſo machte dieſe Schaar,

Bei dieſer Muſterung den Saz doch allmahl klar:

Es iſt kein Angeſicht, das einem andern gleichet,

Wenn dieſer, jener gleich die Aehnlichkeit errei-
chet

Von dieſem oder dem, es bleibt doch allemahl,

Ein groſſer Unterſcheid, auch bei der groͤſten Zahl.

Exempel (*) ſind zwar da, daß dieſer, dem gegli-
chen,

An der Geſichtsbildung; ob in dem Zuͤgen, Stri-
chen,

Sie auch ſich gleich geweſt, ſo das kein Unterſcheid,

Jſt noch nicht ausgemacht; ohn allen Wiederſtreit,

Jſt bei dem Aehnligſehn, noch vieles da geweſen,

Woraus man ſichtbahrlich und deutlich koͤnnen leſen,

Daß ſie nicht voͤllig gleich. Wer alſo uͤberdenkt,

Wie
[105]an den mannigfaltigen Geſichtsbildungen.
Wie mannigfaltiglich die Zuͤge ſind gelenkt,

Der muß Verwundrungsvoll dabei gleich eingeſte-
hen,

Daß daran, daß ein GOtt der Weiſe, zu erſe-
hen.

Jhr Thoren die ihr euch mit falſchen Grillen plagt

Die ihr, es ſey kein GOtt, aus blinden Frevel
ſagt,

Die ihr die Welt erbaut, aus Staͤubgen die ver-
flogen,

Jn den verwirten Drang zuſammen ſich gezogen,

Sagt mir wie geht das zu, wenn nur ein Ohngefehr,

Die Mutter aller Ding, das Schickſal Vater waͤr,

Daß unter Menſchen nicht, da doch viel Millio-
nen,

Jn einem jeden Land des Erdenkreiſes wohnen,

Ein gleiches Paar zu ſehn? Es muß doch einer ſeyn,

Der dieſes ſo gewollt, ſonſt traͤf es woll mahl ein,

Daß Kinder die jezt doch natuͤrlich ja entſtehen,

Dem Vater der ſie zeugt, vollkommen gleiche ſehen;

Sonſt traͤf es woll mahl ein, daß ſie der Mutter
Bild,

Jm Abdruk der Natur vollkommentlich erfuͤllt,

Jhr wollet oder nicht, ihr muͤſſet doch bekennen,

Daß dieſer Unterſcheid ſehr weislich ſey zu nennen.

Jhr ſprecht daß die Natur, ſo uͤberkunſtreich ſey,

Sie liebe in der Welt ein ungleich Mancherlei:

Jhr wißt nicht was ihr ſagt, was kan Natur for-
miren,

Ohn einem Oberherrn, der alles muß regieren?

Wir ſehen keinen Grund, das etwas von ſich ſey,

Vielweniger falln wir, der blinden Meinung bei,

Daß dieſes Mannigfalt, in den Geſichtes-Zuͤgen,

Ohn eine weiſe Macht, ſich koͤnn von ſelbſten fuͤgen.

G 5O!
[106]Die Weisheit GOttes
O! weiſe Majeſtaͤt, du haſt das aͤuſre Bild,

Der Menſchen wunderbahr, mit deinem Glanz er-
fuͤllt;

Wir die wir dich als GOtt, als unſern Vater
kennen,

Wir muͤſſen dich auch drum Allweiſ und maͤchtig
nennen,

Daß du ſo herrlich haſt der Menſchen ihr Geſicht,

Mit einem Unterſcheid fuͤrtreflich eingericht.

Die Vortheil die daraus zu unſern Gluͤk entſtehen,

Sind in den Voͤlker-Staat mehr als zu klar zu ſe-
hen.

Waͤr jeder am Geſicht dem andern gaͤnzlich gleich,

So waͤre unſre Welt, ein recht Verwirrungs-
reich,

Der Boͤſe waͤr alsdenn vom Guten nicht zu ſchei-
den,

Der Fromme muͤſte oft die harte Straffe leiden,

Die auf die Bosheit folgt: ein ſolcher der ein Freund,

Saͤh eben alſo aus, als der ein falſcher Feind,

Da koͤnte man Betrug nach ſeinen boͤſen Willen,

Jn fremden Nahmen ſpieln, man duͤrfte ſich nur
huͤllen,

Jn eines andren Kleid, ſo waͤr es gleich der Mann.

Ein jeder denke nach, was draus entſtehen kann;

So wird die Weisheit klar, die zum vergnuͤgten
Leben,

Ein ſonderlich Geſicht, aus klugen Rath gegeben.

So weislich iſt es auch, zum guten Zwek gericht,

Daß nie kein Menſch alſo, als wie der andre ſpricht,

Der Stimme klarer Thon der aus der Kehle drin-
get,

Jſt mannigfaltiglich, wenn er ins Ohr erklinget.

Der Sprache Unterſcheid zertheilet Volk und Land,

Es
[107]an den mannigfaltigen Geſichtsbildungen.
Es wird am Schibboleth im Augenblik erkannt (*)

Wer zum Stamm Ephraim, als ſeinem Volk ge-
hoͤret,

Und wenn man ſein Gehoͤr, auf eines Rede keh-
ret:

So merkt man alſobald, daß es derſelbe ſey,

Es faͤlt uns Augenbliks am Thon der Menſche bey,

Der uns vorher bekannt. Auch hierin iſt zu ſpuͤ-
ren,

Des Allerweiſeſten recht herrliches Regieren,

Er hat das ſo gemacht, das jegliche Perſohn,

So gleich uns kenntbar ſey, an ihrer Sprache
Thon,

Damit in einem Haus, wo viele ſind zu finden,

Die in Geſellſchaft ſind, an Ordnungen ſich bin-
den,

Man gleich vernehmen kan, wer da ſey, oder nicht,

Wenn man denſelben ruft, und er die Antwort
ſpricht.

Und ſieht man uͤberal, wie Sprachen, Mundart,
Zungen,

Die jemahls in der Welt geredet und erklungen,

Und noch zu hoͤren ſind, und wie des Gaums Ge-
thoͤn,

Der Voͤlker mancherlei; ſo muß man eingeſtehn,

Es ſey der hoͤchſte GOtt ein unbegreiflich Weſen,

Der alles wunderbar zu ſeinen Zwek erleſen

Hier ruft man billig aus: Welch Tieffen ſiehet man,

Von goͤttlichen Verſtand in ſeinen Werken an,

Welch Menſchen Wiz darf ſich in Kuͤhnheit unter-
winden,

Der Weisheit tieffes Meer im Schoͤpfer zu ergruͤn-
den!

Wir
[108]Die Weisheit GOttes.
Wir wenden Ehrfurchts-voll dahin des Geiſtes
Blik,

So oft als wir das thun, ſo bringen wir zuruͤk,

Den praͤchtigen Begrif von den erhabnen Groͤſſen,

Die in den Werken nicht vollkommen zu ermeſſen,

Vielweniger wird man die groſſe Majeſtaͤt,

Des Schoͤpfers aller Ding, die ſich vor uns er-
hoͤht,

Und ſeiner Weisheit Licht allhie vollkommen faſſen,

Drum will ichs auch diesmahl bei dem Bewundern
laſſen.


Die
[109]
Die Demuth gegen GOtt und
Menſchen.

[figure]
Wer ſich wird recht kennen lernen,

Kan ſich von dem Stolz entfernen,

Der den eitlen Sinn betriegt,

Und mit leeren Wind vergnuͤgt.

Die ſich gros und herrlich achten,

Durchs Vergroͤßrungs-Glas betrachten,

Lieben nur den bloſſen Schein,

Weil ſie Selbſtbetrieger ſeyn,

Sie ſind gros in ihren Augen,

Wenn ſie oft nichts werth, nichts taugen.

Menſchen die die Warheit lieben,

Werden ſich auch fleißig uͤben,

Jn der Demuth, auf der Welt,

Da man ſich nicht hoͤher haͤlt,

Als man iſt, und was wir haben,

Sind ja alles GOttes Gaben,

Wer nun blos von Gnade lebt,

Und doch ſein Verdienſt erhebt,

Der giebt gnugſam zu verſtehen,

Daß er ſich noch nicht beſehen.

Demuth iſt die ſchoͤne Tugend,

Die das Alter und die Jugend,

Alle Menſchen herrlich ſchmuͤkt:

Wer nur auf ſich ſelbſten blikt,
Und
[110]Die Demuth

Und den Urſprung recht erweget,

Von dem was er an ſich heget,

Und was ſich ihm herrlich zeigt,

Sich mit GOttes Groͤs vergleicht:

Der wird alſo bald erkennen,

Daß er Staub, ja nichts zu nennen.

Demuth muͤſſen wir beweiſen,

Dem, den wir als Schoͤpfer preiſen,

Wenn man GOttes Hoͤh bedenkt,

Und auf ſich ſein Auge lenkt;

So wird unſer Herz gleich finden,

Man darf ſich nicht unterwinden,

Vor dem Hoͤchſten zu erhoͤhn,

Weil wir blos durch ihn beſtehn,

Dies Erkenntnis muß uns lehren,

Jhn allein, nicht uns zu ehren.

Wenn wir GOttes Groͤs empfinden,

Wird uns ſolche gleich verbinden,

Daß wir in der Niedrigkeit,

Ehren die Vollkommenheit.

Wir ſind klein, wir ſind geringe,

Er iſt HErre aller Dinge,

Wer die Warheit recht erkennt,

Wird demuͤtig nur genennt:

Wer dies alles wird erwegen,

Muß vor GOtt im Staub ſich legen.

Merket dies ihr ſtolzen Seelen,

Wenn ihr wolt die Demuth waͤhlen:

Drehet euren eitlen Sinn,

Nur auf GOttes Hoheit hin;
Hal-
[111]gegen GOtt und Menſchen.

Haltet, was ihr ſeid dagegen,

Merkt wie viel ihr koͤnnet waͤgen,

Wenn ihr ſeine Majeſtaͤt,

Und euch nur dagegen ſeht,

Da muͤßt ihr dies ſelbſt bekennen,
GOtt ſey groß, ihr nichts zu nennen.

Menſchen ſind wie nichts zu achten,

Wenn wir uns nur recht betrachten;

Wenn uns GOttes ewge Macht,

Nicht aus Guͤt herfuͤrgebracht,

Waͤren wir auch nicht vorhanden,

Durch ihn ſind wir nur entſtanden.

Menſchen haben gleichfals nichts,

Ohne ihm den Brun des Lichts,

Und womit ſie herrlich prangen,

Haben ſie von ihm empfangen.

Wenn man nach der Warheit denket,

So ſind wir, was GOtt uns ſchenket,

Auch ſo gar nicht einmahl werth,

Weil uns die Erfahrung lehrt,

Daß wir nach dem eitlen Trachten,

Unſers Schoͤpfers Huld verachten,

Und uns nicht mit Ernſt bemuͤhn,

Suͤnd und Laſtern zu entfliehn,

Sondern ihn bei ſeinem Lieben,

Nur um ſo viel mehr betruͤben.

Wenn ihr dieſes uͤberleget,

Was vor Greul ihr in euch heget,

Stolze Kinder der Natur;

So bringt euch das auf die Spur,
Wie
[112]Die Demuth

Wie ihr ſolt in Demuth handeln,

Ehrerb[i]etig vor GOtt wandeln,

Weil ihr ſelbſt muͤßt eingeſtehn,

Das nichts an euch, welches ſchoͤn:

Was wolt ihr euch doch erheben,

Bei dem ſchnoͤden Suͤnden Leben?

Menſchen die ſich elend nennen,

Und aus Herzensgrund bekennen,

Daß ihr Thun nur boͤſe ſey,

Und ihr Gutes Heuchelei

Die da ſehn daß ſie beladen,

Mit ſo ſchweren Suͤnden-Schaden,

Finden bei des Hoͤchſten Gnad

Fuͤr die arme Seele Rath,

Da der Herr ein Herz anſiehet,

Das des Geiſtes Hochmut fliehet.

Gegen GOtt demuͤtig heiſſen,

Und ſich nicht dabei befleiſſen,

Dieſer Tugend, vor der Welt,

Jſt was ihm auch misgefaͤllt;

Wer den Schoͤpfer ehrt und liebet,

Und die Kreatur betruͤbet,

Durch Verachtung und durch Stolz,

Gleichet einem faulen Holz

Das zwar ſcheint und doch nicht brennet,

Schein und Seyn in ſich zertrennet.

Wo das Selbſterkenntnis wohnet,

Und im Herzen Tugend thronet,

Aeuſert ſich Leutſeeligkeit,

Demuth und Beſcheidenheit;
Wenn
[113]gegen GOtt und Menſchen.

Wenn wir uns als Menſchen kennen,

Sind wir alle gleich zu nennen;

Von Gebuhrt iſt keiner mehr,

Jeder ſtammt von Adam her,

Alle muͤſſen auch zur Erden,

Jn dem Tode wieder werden.

Wer dies nach Vernunfft erweget,

Nach der Schrifft auch uͤberleget,

Auf des Heilands Beiſpiel ſchaut,

Und deſſelben Lehre traut,

Muß den ſtolzen Sin bequemen,

Demuth herzlich anzunehmen;

Da wir, wenn mans recht bedacht,

Von GOtt alle gleich gemacht;

Ob wir gleich dabei hienieden,

Nach den Staͤnden unterſchieden.

Jn der Welt ſind viele Seelen,

Die ſich Demuth auserwaͤhlen,

Aber doch nur insgemein,

Dieſer Tugend aͤuſren Schein:

Das ſind die, die ſich tief buͤkken,

Jn dem Lauf der Zeiten ſchikken

Die im Herzen ſehr aufſchwelln,

Und in Mienen ſich verſtelln,

Die ſich nur demuͤthig zeigen

Daß ſie deſto hoͤher ſteigen.

Andre die am Staube kleben,

Und ſtets niedertraͤchtig leben,

Meinen daß der Demuth Art,

Sich mit ihren Sinn verpaart,
Dritter Theil. HDa
[114]Die Demuth

Da ſie doch ſich blos befleiſſen,

Niedertraͤchtig nur zu heiſſen:

Dieſe Niedertraͤchtigkeit,

Jſt ohn allen Wiederſtreit,

Von der Demut weit entfernet,

Die man von dem Heiland lernet.

Demuth gegen andre zeigen,

Heiſt alſo nicht blos ſich neigen,

Wie die Hoͤfligkeit verlangt,

Die mit leeren Scheine prangt,

Es heiſt nicht ſich ſelbſt verachten,

Nur nach Schmuz und Einfalt trachten

Nein! ein tugendhaffter Mann

Sieht den Werth von andern an,

Trachtet ohn ſich zu verletzen,

Jedem nach Verdienſt zuſchaͤtzen.

Er kennt ſich nach ſeinem Stande,

Lebet im Geſellſchaffts-Bande

Wie die Vorſehung es fuͤgt,

Und iſt mit dem Stand vergnuͤgt,

Den dieſelbe ihm gegeben,

Und dahin geht ſein Beſtreben,

Daß er in der Demuth treu,

Und der Welt recht nuͤzlich ſey:

Er wuͤnſcht auch nicht mehr zu haben,

Und ſein Pfund nicht zu vergraben.

Hat die Vorſicht ihn erhoben,

Daß ihn alle Menſchen loben,

Mit Ehrfurcht gebuͤkt anſehn,

Laͤſſet er das zwar geſchehn:
Aber
[115]gegen GOtt und Menſchen.

Aber es geht ſein Bemuͤhen,

Auch dahin den Stolz zu fliehen,

Der die ſonſten ſchwindelnd macht,

Die ſich in die Hoͤh gebracht

Demut zeigt mit gleichen Mienen,

Hoch und Niedrige zu dienen.

Demut liebt der Ordnung Sitten,

Und wird um den Rang geſtritten,

Nimmt ſie keine Stelle ein,

Der ſie nicht kan wuͤrdig ſeyn,

Soll ſie ja dem Stolze weichen,

Thut ſie dieſes ohn Erbleichen,

Ohn Verdrus der ſolche plagt,

Die ein hoher Siz behagt,

Sie erkennt daß Ehre Schatten,

Damit ſich die Koͤrper gatten.

Demut pflegt die nicht zu ſchelten,

Die vielmehr als ſie ſelbſt gelten,

Goͤnnet andern ihre Zier,

Und ſtellt ſich im Herzen fuͤr,

Daß oft andre auf der Erden,

Koͤnnen nuͤzlich, heilſam werden,

Und daß Ehre, Wuͤrde, Stand

Nicht allzeit dem zu erkannt,

Der mit groͤſſern Gaben pranget,

Als man ſelbſt von GOtt erlanget.

Demut aber kan nicht ſchmeicheln,

Noch als die Schmaruzzer heucheln,

Sie giebt jedem nach Gebuͤhr

Seine Ehre, ſeine Zier
H 2Da
[116]Die Demuth

Da ſie ſich nicht ſelbſt erhebet,

Noch nach hoͤhern Stuffen ſtrebet,

So legt ſie aus Schmeichelei,

Auch nicht einem andern bei,

Was ihm nicht mit Recht gehoͤret,

Wenn ſie ſein Verdienſt verehret.

Wer dem Schoͤpfer will gefallen

Fuͤhre ſich in ſeinem Wallen,

Jn dem ganzen Lebenslauf

Nach der Demut Vorſchrift, auf,

Weil der Himmel den erhebet,

Der in wahrer Demut lebet:

Denn die ſchoͤne Ehrenkron,

Jſt der aͤchten Demut Lohn

Welche GOtt demſelben ſchenket

Der ſein Nichts ſtets wol gedenket.

Ein demuͤtiges Betragen,

Macht uns frei von vielen Plagen,

Womit ſich der Menſch beſchwert,

Der ſein Herz zum Hochmut kehrt,

Wer da will vergnuͤget leben,

Muß der Demut ſich ergeben,

Weil die Tugend GOtt, der Welt,

Jn dem aͤchten Glanz gefaͤllt,

Weil ſie vielen Vortheil bringet,

Und ihr Thun auch woll gelinget.

Demut kommt in Gluͤkkes-Spiele

Viel geſchwinder auch zum Ziele,

Als der Stolz der ſich nicht kennt,

Und durch krumme Wege rennt.
Wer
[117]gegen GOtt und Menſchen.

Wer nach Ehre keichend jaget,

Blindlings waͤhlet, alles waget,

Koͤmmt oft, wenn der Othem kurz,

Ubereilt zum Fall und Sturz,

Da die Demut langſam eilet,

Der man Kron und Preis zutheilet.

Menſchen! die ihr Staub und Erden,

Lernet doch demuͤtig werden:

Chriſten! auf der Tugend Bahn,

Sehet euren Herzog an,

Folget als des Geiſtes Tempel

Nach, dem reizenden Exempel,

Der getreue Seelen Hirt,

Der als Hoͤchſter niedrig wird,

Lehret euch ihm nachzugehen,

Wenn ihr ihn wolt herrlich ſehen.


Der
[118]

Der thoͤrigte Hochmuth.


(Spruͤchw. Sal. XXX. 13.)

Es iſt eine Art die ihre Augen hoch traͤgt,
und ihre Augenlieder empor haͤlt.


[figure]
Der Menſch, der arme Menſch der
Staub und Aſche iſt,

Und ſeine Nichtigkeit an ſich, an
andern ließt,

Der Wurm, der Madenſak iſt
oft ſo aufgeblaſen,

Daß er nichts als nur Wind haucht
aus den hohlen Naſen.

Der ungeſtuͤme Stolz wird billig
ausgelacht,

Der ſeine Nichtigkeit zu einer Gottheit macht,

Er iſt den Voͤgeln gleich, die in dem Pfuͤzen leben,

Und mit verwegnen Flug ſich in die Hoͤhe heben.

So bald ein ſolches Thier, aus ſeinem Schlamme
fleugt,

Wird es doch wiederum in ſeinem Koth gebeugt,

Jndem es ſich erhebt, mit ſchwingenden Gefieder,

Faͤllt es nur tieffer drauf in ſeine Pfuͤze wieder:

So gehts dem Stolzen auch mit ſeiner Einbildung,

Sein aufgeblaſner Schwung macht keine Aen-
derung

Von ſeinem Element, er bleibt was er geweſen,

Und laͤſt der klugen Welt, nur ſeine Thorheit le-
ſen.

Die allgemeine Quell, woraus der Hochmut fleuſt,

Wor-
[119]Der thoͤrigte Hochmuth.
Woraus der Laſter Schaum der uns beſchmizt, ſich
geuſt,

Jſt unſre Eigenlieb, die uns mit Wind aufſchwel-
let,

Und vor der Einbildung Vergroͤßrungs-Spiegel
ſtellet.

Ein Menſche der ihr folgt, und ihrer Stimme hoͤrt,

Wird durch dem Selbſtbetrug in blinden Wahn be-
thoͤrt,

Er ſieht ſich darum an, daß er will gros erſcheinen,

Und darum ſind wir gros, weil wir es albern mei-
nen.

Der Eigenliebe Brut, der Stolz der uns erhebt,

Zeigt ſich auf manche Art, nachdem der Menſche
lebt,

Jn Gluͤk und Ungeluͤk. Wenn er im Gluͤkke gruͤnet,

Will er ein Abgott ſeyn, dem alle Welt bedienet.

Lebt er im Gegentheil durchs Schikſal in dem
Staub,

So ſchmeichelt ihn der Wahn, des Herzens blinder
Glaub,

Er muͤſte herrlich ſeyn, wenn in der Welt die Eh-
re,

Jedweden nach Verdienſt, nur ausgetheilet waͤre.

Das Gute was er hat, iſt es gleich nur ſehr klein,

Muß doch viel groͤſſer noch, als bei dem andern
ſeyn.

Und die Geſchiklichkeit, die Vollenkommenheiten,

Die koͤnnen gegen das, was er hat nichts bedeuten.

Jſt mit den Hochmuths-Sinn der Unverſtand ver-
paart,

So bruͤſtet ſich ein Menſch nach ſtolzer Pfauen
Art,

Er ſiehet ſich nur an, er pocht auf ſeine Gaben,

H 4Und
[120]Der thoͤrigte Hochmuth.
Und denkt daß keine mehr, die ſolche gleichfals ha-
ben.

Er iſt allein nur gros, und einen klugen Mann,

Sieht er mit ſeinem Aug, als einen Thoren an.

Er ſuchet deſſen Glanz und Anſehn zu verdunkeln,

Warum? denn ſeine Sonn, ſoll nur alleine fun-
keln.

Ein eingebildter Thor, ein albern Gernegros,

Giebt ſeinen Hochmuths-Sinn in ſeinen Reden
blos,

Er prahlet ſtets von ſich, und ſeinen Heldenthaten,

Was andre ja gethan, iſt allmahl ſchlecht gera-
then,

Er goͤnnet keinem Ehr, dieweil er albern glaubt,

Der Ruhm, das Lob, die Ehr, die wuͤrde ihm ge-
raubt,

Die Fremden zugetheilt. Er ſucht ihr Thun zu ta-
deln,

Damit er ſein Verdienſt koͤnn deſto hoͤher adeln.

Er glaubet daß er koͤnn, durch tadelndes Bemuͤhn,

Den andren ihren Ruhm, mit ſeiner Zung entziehn,

Und was er klein gemacht, das muͤſte ihn vergroͤſ-
ſern,

Des andern Flekkenmahl, das muͤſte ihn verbeſ-
ſern.

Der ſeinen eitlen Stolz auf dieſe Art verraͤth,

Und unverſchaͤmter Weiß ſein eignes Thun erhoͤht,

Will ſich vor aller Welt, anſehnlich, herrlich ma-
chen,

Und macht, daß alle Welt muß ſeinen Stolz be-
lachen.

Wer noch ein Quentlein Wiz, bei ſeinem Hochmut
hegt,

Und was ſich ſchikt, bedenkt, was ungereimt erwegt,

Prahlt
[121]Der thoͤrigte Hochmuth.
Prahlt in den Worten nicht, laͤſt aber ſeine Hoͤhen,

Die in dem Herzen ſind, an ſeiner Stirne ſehen.

Er ſieht mit Sproͤdigkeit, recht ſchnoͤde iederman,

Und andrer Werth, wie nichts bei ſeiner Hoheit an;

Er rede was er woll er zeigt ein hoͤniſch Weſen

Jn allen ſeinen Thun, und daraus iſt zu leſen,

Daß ihm ein eitler Dunſt, die Schedel angefuͤllt,

Und aufgeblaſner Stolz das Augenlicht verhuͤllt.

Ein andrer der da gros, und dem der Schmeichler
Loben,

Bis an das Fixgeſtirn der Himmels-Buͤhn erhoben,

Duͤnkt ſich nunmehr gewis, bei dem erlognen Schein,

Er muͤſte andrer Art, als andre Menſchen ſeyn,

Er glaubet daß er zwar, als wie ein Menſch ge-
bohren,

Doch auf der Erde ſchon, zum Engel auserkohren.

Der dritte dem Gebuhrt in hohen Stand verſezt,

Meint daß der Ahnen Schild dadurch auch wuͤrd
verlezt,

Wenn er die Niedrigen, als ſeines gleichen achte,

Und Menſchen das ſie ſind, als Menſchen nur be-
trachte.

Was ihm das Gluͤk gegoͤnnt, und die Gebuhrt ge-
bracht,

Wird von ihm nicht erwegt, und als ein Gluͤk be-
dacht,

Er meint das ſey ein Gut, das er durch ſich erlan-
get

Ob er gleich in der That mit einem Glanze pran-
get,

Der nur erborget iſt, und ſeiner Anherrn Ruhm,

Macht er aus ſtolzen Sinn zu ſeinem Eigenthum.

Was durch das Herz erlangt der Heldenmuͤtgen Ah-
nen,

H 5Sieht
[122]Der thoͤrigte Hochmuth.
Sieht er aus Hochmuth an, als ſeine Ehrenfah-
nen.

Wer viele Thaler zaͤhlt, die ihm das Gluͤk be-
ſchert,

Wird durch die Einbildung gar oͤfters auch be-
thoͤrt,

Daß er drum beſſer ſey, als andre dem das fehlet,

Was ihm nicht nuzbar iſt, womit der Geiz ſich
quaͤlet.

Er bruͤſtet ſich damit, und glaubet daß das Geld,

Der wahre Adel ſey in dieſer Unterwelt,

Wenn er von andern hoͤrt, der reich an Tugend
glaͤnzet,

So iſt ſein Werth ihm Nichts, wenn ihm kein
Silber kraͤnzet.

Es iſt ein ſchlechter Menſch, wenn er auch noch ſo
gros,

Warum? er hat kein Geld, iſt duͤrftig, Arm und
blos,

Das blinzende Metal, die Gold und Silbermi-
nen,

Die muͤſſen ihm allein, zu einem Anſehn dienen,

Dieweil er ſolche hat, damit ſtolziret er;

So viele Kaſten voll, ſo viel gilt auch die Ehr,

Die einer haben kan, und der iſt eingebildet,

Wer nicht alſo wie er, mit Schaͤzen uͤberguͤldet.

Und jener bildet ſich auf ſeinen Schmuk was ein,

Er glaubet daß er koͤnn vor andern herrlich ſeyn,

Wenn er den Taugenicht in ſchoͤne Kleider huͤllet,

Und ſeinen leeren Kopf mit Hochmuts-Winde fuͤl-
let.

Ein koͤſtliches Gewand, das nett am Leibe ſizt,

Mit Golde ausgebraͤmmt, und das von Perlen
blizt,

Ver-
[123]Der thoͤrigte Hochmuth.
Vergnuͤget ſeinen Sinn; ſo bald er auf den Gaſſen,

Die Narheit durch das Kleid ſo prahlend ſchim-
mern laſſen,

Traͤumt ihm er ſey nun gros, obgleich die Niedrig-
keit,

Jhm als der Schatten folgt, bei ſeinem guͤldnen
Kleid.

Er bruͤſtet ſich damit, und denket nicht darneben,

Daß Kleider, Geld und Gut noch keinen Vorzug
geben.

Die Tugend nur allein, und deren innrer Werth,

Verdient den Vorzug nur, wie die Vernunft uns
lehrt.

Die Nullen gelten nicht, wenn wir davor nicht Zahlen,

Mit ihrer Guͤltigkeit, in gleicher Reihe mahlen;

Jhr Tohren! merket dies, und daͤmpft das ſtolze
Blut,

Das alles was ihr habt, iſt nur erborgtes Gut.

Ein jeder wer er iſt, iſt darnach nur zu ſchaͤzzen,

Was ihm vor andern kan, im wahren Vorzug
ſezzen.

Die Tugend, der Verſtand und die Geſchiklichkeit,

Die machen uns nur gros, ohn allen Wiederſtreit,

Und wer dieſelbe hat, der hat des Hoͤchſten Gaben,

Die wir doch nicht zum Stolz, von ihm empfangen
haben.

Bedenket euer Nichts und nehmt den Spruch in acht:

Der Schoͤpfer hat uns hier ja alle gleich gemacht,

Der Schein der uns hier folgt, in unvollkomnen
Leben,

Wird uns in jener Welt gar keinen Vorzug geben.

Jhr die ihr euch aus Stolz, mit leeren Wind auf-
blaͤht,

Bedenkt, wie es dem Froſch dort beym Aeſopus
geht,

Er
[124]Der thoͤrigte Hochmuth.
Er pauſtet, macht ſich gros, es plazzet ſeine Lunge;

Wie gings dem Jcarus (*) der ſich zur Sonnen
ſchwunge,

Und da der heiſſe Brand der Fluͤgel-Wachs zer-
ſchmelzt,

Sich in dem tieffen Meer mit Schimpf und Spot-
te welzt:

So gehts dem Stolzen auch, die durch das Stei-
gen ſinken,

Und vor der Welt zum Spot als Gluͤkkes-Kruͤppel
hinken.

Der Hochmut kommt zum Fall, das ſagt die heil-
ge Schrift,

Und die Erfahrung lehrt, daß ſolches gnug eintrift,

Wer wie ein Lucifer im Hochmut ſich verſteiget,

Wird in die tieffe Hoͤll wie er verdient, gebeuget.


Ein
[125]

Ein um ein Licht flatterndes
Nacht-Eulchen.


[figure]
Jch ſaß bei ſpaͤter Abends-Zeit, und dach-
te nach was ich geleſen,

Von einer loſen Spoͤtter Zahl, die ſich
bemuͤht das hoͤchſte Weſen,

Das unergruͤndlich, zu ergruͤnden. Jch
dachte was iſt doch der Wiz,

Den dieſe ſpizzen Koͤpfe haben, den ſie misbrau-
chen, ihnen nuͤz?

Die Dreiſtigkeit iſt gar zu gros, wie werden ſie
dereinſt verſtummen,

Beim hellen Licht der Ewigkeit. So dacht ich da
ein ſchnarrend Summen

Ein Thiergen mich im Denken ſtoͤhrte. Jch ſah in
einer ſtillen Ruh,

Es um das Licht ſo emßig flattern, und ſeinen luſt-
gen Spruͤngen zu,

Es flog bald hin, bald wieder her, als wolt es mit
dem Lichte ſtreiten,

Jch dachte du wirſt dir gar bald zur Straf ein bren-
nend Bad bereiten,

Es kam auch, wie ich eben dachte, es kam dem Lich-
te viel zu nah,

Und da es ſich daran verbrennet, und ſeine Fluͤgel
ſchmelzen ſah,

Fiel es als todt mir auf das Buch, das Aberwiz
hat ausgehekket,

Das
[126]Ein um ein Licht flatterndes Nacht-Eulchen.
Das flatterhafte Thier lag da mit ſeinen Fuͤſſe aus-
geſtrekket.

Du haſt den rechten Ort erwaͤhlet, ſprach ich, denn
dieſer Flatter Geiſt,

Jſt ſchoͤn mit dir drin zu vergleichen, du wareſt
bei dem Licht zu dreiſt

Und dieſer blinde Aberwiz will GOttes Licht voll-
kommen kennen

Er waget auch wie du zu viel, er wird die Fluͤgel
auch verbrennen

Ein Spoͤtter der im Finſtern tappet, will GOttes
Licht zu nah beſehn,

Er brummet um der Warheit Kerze und will den
Wiz zu ſehr erhoͤhn.

Er will das helle Wort der Schrift mit ſeiner Un-
vernunft bekriegen,

Doch wenn er lang genug geſumßt, gehts ihm wie
ſolchen Flatter-Fliegen,

Die Dreiſtigkeit wird ihm vergolten, und ſeine
Blindheit wird beſtraft,

Wenn ihn ein ſchroͤkliches Gerichte ins ewge Feur
der Hoͤllen raft.


Dank-
[127]
Dankſagung fuͤr die goͤttlichen
Wollthaten in einer freien Ueberſezung
des hundert und fuͤnf und
dreißigſten Pſalms.

v. 1.
[figure]
Lobt des Hoͤchſten Herrligkeit, ſeiner Gott-
heit ewge Macht,

Seine wunderbahre Guͤt, ſeiner Weis-
heit lichte Pracht,

Lobt ihr Knechte euren GOtt, preiſet die ihr ſeid
ſein Saamen,

Seinen hocherhabnen Ruhm, ſeinen majeſtaͤtſchen
Nahmen.

2.
Lobt den HErrn alle Zeit, die ihr ſteht im Hei-
ligthum,

Und verkuͤndigt ihm der Welt, die ihr ſeid ſein Ei-
genthum,

Laßt durch eurer Lieder-Thon, Tempel und des Vor-
hoffs Hallen,

Von des Hoͤchſten Herrligkeit, immer freudig wie-
derſchallen.

3.
Lobt ihn weil er freundlich iſt, und uns ſeine
Guͤtigkeit,

Jn dem Reiche der Natur, in dem Gnadenreich an-
beut,
Sin-
[128]Dankſagung fuͤr die goͤttlichen Wolthaten.

Singet ihm zu ſeiner Ehr, immer ſuͤſſe Andachts-
lieder,

Denn er laͤſt ſich ja mit Luſt wiederum zu uns her-
nieder.

4.
Er hat Jacob auserwaͤhlt, der da war ſein treu-
er Knecht,

Er erkießt zum Eigenthum Jſrael und ſein Ge-
ſchlecht,

Alle die den Jacob gleich, ob ſie ſchon nicht ſind
gebohren,

Aus dem Stamm des frommen Knechts, hat er
ſich zum Volk erkohren.

5.
Daß der Hoͤchſte warlich gros, weis man aus
Natur und Schrift,

Wo man Zeugen ſeiner Macht allenthalben gnug
antrift,

Er iſt einzig unſer HErr, und der Heiden blinde
Goͤzen,

Die ein eingebildtes Nichts, ſind daher wie Nichts
zu ſchaͤzen.

6.
Was ſein Wille nur gebeut, was und wie er
etwas ſpricht,

Steht im Augenblikke da, alles was er will ge-
ſchicht,

Jn dem Himmel auf der Erd, in den regen Meeres-
Wellen

Jn der Tieffen duͤſtren Schlund, muß ſich alles gleich
darſtellen.

7.
[129]Dankſagung fuͤr die goͤttlichen Wolthaten.
7.
Er erregt der Wolken Dunſt, der aus jeder
Gegend zieht,

Und durch ſeinen Wink bewegt, wo er will, ſo gleich
hinflieht,

Er ſchaft den entglomnen Bliz, und den Tropfen-
reichen Regen,

Aus der tief verborgnen Klufft, kan ſein Wink den
Wind bewegen.

8.
Als ein ſtarker Zebaoth macht er ſich Egypten-
land,

Durch die Wundervolle That in dem Untergang be-
kand:

Da ſich alle Erſtgebuhrt von den Menſchen, von den
Thieren,

Muſte gleich in einer Nacht, auf der Allmacht
Wink verliehren.

9.
Seine Macht Egyptenland! daͤmpfte deine Ra-
ſerei,

Und brach Pharao Genik und der Knechte Hals
entzwei,

Wolteſt du in deinem Stolz, nicht vor ihm gehorſamſt
weichen,

So erſchrakſt du vor die Krafft ſeiner groſſen Wun-
derzeichen.

10.
Gros iſt ſeine Majeſtaͤt, die die maͤchtgen Hel-
den ſchlaͤgt,
Dritter Theil. JUnd
[130]Dankſagung fuͤr die goͤttlichen Wolthaten.

Und der Voͤlker groſſe Macht, in dem Staub zu
Boden legt,

Die der Koͤnige zertritt, daß ſie gleich zu ſeinen Fuͤſ-
ſen,

Jn der blaſſen Ohnmacht todt, und entſeelet liegen
muͤſſen.

11.
Sihon der die Amoriter, als ein Koͤnig hat re-
giert,

Och der uͤber Baſan herſcht, haben ſeine Macht ver-
ſpuͤrt,

Was in Lande Canaan ſonſt vor Koͤnige zu le-
ſen,

Alle ſind verheert, vertilgt, durch ſein Allmachtsvolles
Weſen.

12.
Er iſt der dies Seegensland, wo die Milch der
Nahrung fleußt,

Wo der ſuͤſſe Honig-Strom zur Ergoͤzung ſich er-
geuſt,

Seinem Volke ausgetheilt, als ein Erbtheil einge-
geben,

Denen die von Jſrael, als des Hoͤchſten Kinder le-
ben.

13.
HErre! deines Nahmens Ruhm daurt in alle
Ewigkeit,

Das Gedaͤchtnis deiner That das vergeht, zu keiner
Zeit

Wenn die Welt gleich untergeht, ſo wird das doch
nicht vergehen,
Es
[131]Dankſagung fuͤr die goͤttlichen Wolthaten.

Es bleibt HErre fuͤr und fuͤr! ſo wie du ohn Ende
ſtehen.

14.
Du beherrſcheſt HErr! dein Volk, du regierſt
mit Licht und Recht,

Ueber dieſe groſſe Welt, uͤber deines Knechts Ge-
ſchlecht;

Du laͤßt deine Gnaden-Sonn, wenn wir in den
Finſtern weinen

Deinen Knechten wiederum, in verklaͤrten Glanze
ſcheinen.

15.
Was ſind die, der Heiden Volk, von den fal-
ſchen Wahn bethoͤrt,

Anſtat eines wahren GOtts, als die blinden Goͤzen
ehrt?

Bilder die aus Silber, Gold von der Menſchen Hand
gegoſſen,

Und ein blinzendes Metal in dem Schmelztopf ſo
gefloſſen.

16.
Dieſe Bilder von Metal ſind mit einem Maul
verſehn,

Aber man vernimmt doch nie in denſelben ein Ge-
thoͤn,

Das der Rede gleichen kan, und die eingegoßnen
Augen,

Sind zwar da, die aber blind, und gar nichts zu ſe-
hen taugen.

J 2Ohren
[132]Dankſagung fuͤr die goͤttlichen Wolthaten.
17.
Ohren ſind daran geſchnizt, aber was man zu
ſie ſpricht,

Wenn man gleich recht hefftig ſchreit, hoͤren ſie doch
gleichfals nicht.

Sie ſind Bilder ohne Geiſt, ohne Othem, ohne Le-
ben,

Denn ihr aufgeſpeertes Maul, kan auch keinen Hauch
ausweben.

18.
So blind und ſo taub und toll ſind die, die ſich
unterſtehn,

Ein ſolch nichtig Goͤzenbild aus Metal, Holz, Thon
zu drehn,

Und die auf ein todtes Werk ihre Huͤlf und Hoff-
nung ſezen,

Sind nicht hoͤher als Metal, als ein dummer Kloz
zu ſchaͤzen.

19.
Lobe du den rechten HErrn, preiſe ihn von gan-
zer Seel,

Du erleuchtetes Geſchlecht aus dem Hauſe Jſrael!

Lobet ihr den wahren GOtt, die ihr ihm in Heil-
gen dienet,

Und aus Aarons Stamme ſeid, der mit Seegens
Mandeln gruͤnet.

20.
Lobet doch den groſſen HErrn, die ihr euch Levi-
ten nennt

Singet ihn mit euer Stimme, da ihr ſeine Hoheit
kennt,
Jhr
[133]Dankſagung fuͤr die goͤttlichen Wolthaten.

Jhr die ihn mit Furchten liebt, lobet ihn aus Her-
zensgrunde,

Preiſet ſeine Herrligkeit, in den Werken, mit dem
Munde.

21.
GOtt der uͤber Zion wacht, ſey von allen hoch-
gepreißt,

Der uns an der Seel, am Leib, taͤglich ſo viel guts
erweißt,

Halleluja ſey der Thon der in Salems ewgen Mau-
ren,

Wo der Hoͤchſte ſichtbahr wohnt, muͤſſe unaufhoͤr-
lich dauren.


Die
[134]

Die
Weisheit GOttes bei denen un-
terſchiedenen Neigungen und Geſchik-
lichkeiten der menſchlichen Ge-
muͤther.


[figure]
O! ewge Weisheit Quel! o Vater al-
les Lichts,

Ohn welchen Niemand was, ohn
welchen wir ſind nichts,

Von welcher wir auch das, als

lauter Gnaden-Gaben,

Was an uns gutes iſt, allein empfangen haben!

Du haſt durch deine Macht, den groſſen Bau der
Welt,

Voll deiner Guͤtigkeit, uns Menſchen dargeſtellt;

Du haſt durch dein Regiern, zu dem Geſellſchaffts-
Leben,

Zu dieſem Staat der Welt, die Mittel hergegeben.

Und dies Geſellſchafftsband iſt hier im irdſchen
Reich,

Dein weiſeſtes Regiern faſt unſern Koͤrper gleich,

Der eine iſt das Haupt, die ſind die andren Glie-
der,

Das Haupt das nuͤzt der Hand, die Hand dem
Haupte wieder,

Die in der Niedrigkeit, die gleichen einen Fuß,

Der
[135]bei denen unterſchiedenen Neigungen.
Der Haupt und Haͤnden auch, viel Nuzen bringen
muß,

Wenn wir die Einrichtung, die von dir kommt be-
denken

So muß das Auge ſich auf deine Weisheit lenken,

Weil jeder Menſch der iſt, von dir als Vater
ſtammt;

So haſt du auch den Trieb, der in ihm brennt,
entflammt.

Der eine fuͤhlet Luſt zu denen Wiſſenſchafften,

Er ſpuͤrt Gedaͤchtnis, Wiz, die in der Seele haf-
ten,

Es wohnt in ihm ein Licht, ein goͤttlicher Ver-
ſtand,

Bei andern eine Kraft, die Urtheils-Kraft ge-
nannt.

Der eine fuͤhlet Luſt, zu einem frommen Wiſſen

Der Gottsgelehrſamkeit, der andre iſt beflieſſen,

Die Rechte zu verſtehn, da die verdorbne Welt,

Das nur als Recht annimmt, was ihren Sinn ge-
faͤllt:

Der dritte ſpuͤrt den Trieb in der entflammten See-
len,

Den Menſchen beizuſtehn, die ſich mit Krankheit
quaͤlen.

Der iſt begierig nur nach der Gelehrſamkeit,

Die uns durch die Vernunfft, der Erdenbau an-
beut,

Der andre findet nur ſein inniges Vergnuͤgen,

Wenn er mit ſeinen Wiz kan zu den Sternen flie-
gen.

Den treibet die Natur das Feld zu meſſen an,

Und jenen leitet ſie auf eine andre Bahn,

J 4Jn
[136]Die Weisheit GOttes
Jn der verborgnen Kluft, in tief verſtekten Schluͤn-
den,

Die Wunder der Natur zu forſchen, zu erfinden.

Der forſchet in dem Staub, und wuͤnſchet einen
Ruhm,

Wenn er die graue Zeit, das finſtre Alterthum,

Und ihre Lebensart, mit innigen Ergoͤzzen,

Aus ihrer Finſternis kan in ein Licht verſezzen.

Und jener merkt den Trieb, und will ſich nur er-
waͤhln,

Zu ſeiner Wiſſenſchaft, was die Geſchicht erzaͤhln,

Er findet ſeine Luſt, wenn er nur kan erfahren,

Was merkenswuͤrdig iſt, in dem verfloßnen Jah-
ren.

Ein andrer wiederum ſind ſein Vergnuͤgen dran,

Wenn er die Zung und Sprach der Voͤlker lernen
kan,

Die Sprachen drin der Geiſt, die Warheit aufge-
ſchrieben,

Davon die heilge Schrift zum Denkmal uͤbrig blie-
ben.

Ein faſt verborgner Zug lenkt dieſes, jenes Sinn,

Jm Reich der Wiſſenſchaft, bald hie und bald da-
hin:

Denn keiner kan es nicht, zugleich in allen Din-
gen,

Zu der Vollkommenheit in ſeinen Wiſſen bringen.

Der Dinge Mannigfalt, wird ſo recht ausgeuͤbt,

Jn dem der eine dies, der andre jenes liebt,

Wie der Naturtrieb zeigt, woraus auch zu erken-
nen,

Wie weiſe unſer GOtt auch hierin ſey zu nennen.

Er theilt die Gaben aus, wie es ihm wollgefaͤllt,

Giebt einem Faͤhigkeit, wozu er ihm beſtellt,

Des
[137]bei denen unterſchiedenen Neigungen.
Des einen Wiz zeigt ſich in einem ſcharfen Denken;

Der kan des Geiſtes Aug auf kleine Puncte lenken,

Der andre ſieht das nicht, und kan doch, ob er
klein,

Zu einem andern Stuͤk, der Welt ſehr nuzbar ſeyn.

Der hat des Geiſtes Kraft die Warheit zu erfinden,

Ein andrer das Geſchik ſie kuͤnſtlich zu verbinden,

Der dritte Faͤhigkeit daß er ſie mache kund,

Mit einem flieſſenden und woll beredte[n] Mund.

Und wer ſich darin uͤbt, was ihm zum Pfund ge-
geben,

Der kan der Welt zum Nuz, und ſich zum Vortheil
leben,

Ach! folgte jederman dem Triebe der Natur,

Als einer ſichtbahren und ihm gezeigten Spur;

So waͤren in der Welt, ſo viele nicht zu ſehen,

Die ihrem Stande nicht, wie ſichs gebuͤhrt, vor-
ſtehen

Die Welt der groſſe Staat, erfordert manchen
Stand,

Wie jedem der ſie kennt, von ſelbſten iſt bekant;

Der Laͤnder Wollfahrt ruht auf unterſchiednen
Saͤulen,

Der Flor des Staats beſteht, aus gar verſchiednen
Theilen:

Soll ſteter Ueberflus in einem Reiche bluͤhn;

So muß der eine ſich, der andre ſo bemuͤhn.

Es wird die Handelſchaft mit Tuͤchern und Geſpin-
ſte

Erfodert, und darzu gehoͤrt der Fleis der Kuͤnſte,

Und der Handthierungen, und die ſind mannigfalt

Nach ihrer inren Art, Beſchaffenheit, Geſtalt.

Wer kan die Kuͤnſte all, und die Gewerbe zaͤhlen

Die dieſe ſich erkohrn, die jene ſich erwaͤhlen?

J 5Die
[138]Die Weisheit GOttes
Die Mannigfaltigkeit entſteht doch blos daher

Aus unterſchiedner Luſt; wenn gleiche Neigung waͤr,

Zu einem einzgen Zwek ſo muͤſt der Staat verge-
hen,

Dieweil kein Koͤrper kan aus einem Glied beſtehen.

Es muͤſſen Augen, Ohr und Haͤnde, Leib und Bein,

Gelenke, Nerven, Blut und Sehnen daran
ſeyn:

So wird zu einem Staat, auch mancherlei gehoͤ-
ren,

Wenn ſich deſſelben Flor, ſoll immerhin vermehren.

Was waͤre unſer Leib, wenn alle Glieder, Hand,

Wie ſtuͤnd es um die Welt, wenn darin nur ein
Stand,

Wie weislich hat alſo der Hoͤchſte es gefuͤget,

Daß einem dieſe Kunſt, dem andern das vergnuͤ-
get?

Die Triebe der Natur ſind alſo mancherlei,

Das zeiget uns genug, wie er Allweiſe ſey,

Und wie er unſre Welt durch menſchliche Anſtal-
ten,

Durch ein Geſellſchafts-Band woll unverruͤkt er-
halten.

Und dieſes Mannigfalt verſchiedner Lebens-Art,

Wird zum gemeinen Nuz aufs herrlichſte verpaart:

Wer ſein Geſchaͤfte treibt, es ſey auch was es
wolle,

Wenn es nur nuͤzlich iſt, der ſpielet ſeine Rolle,

Und iſt ein brauchbar Glied in dieſem groſſen Staat,

Den eine weiſe Macht ſo eingerichtet hat.

Es muß das Mannigfalt ſeyn in dem Staat der
Erden,

Der eine kan hiezu, der da gebrauchet werden,

Wie ers Geſchikke hat, und wie er ſolches uͤbt,

Was
[139]bei denen unterſchiedenen Neigungen.
Was ihm die Vorſehung zum Pfunde uͤbergiebt.

O Menſchen! lernet doch, das weiſeſte Regieren,

Wie es bald hie bald da, aufs deutlichſte zu ſpuͤren.

Folgt euren Triebe nach, der im Gemuͤte glimmt,

Und denkt daß GOtt euch hat zu dieſem Ziel be-
ſtimmt,

Dazu ihr Luſt, Geſchik um, in und an euch mer-
ket,

Wer dieſem Triebe folgt, ihn durch die Uebung
ſtaͤrket,

Der wird zulezt erſehn, wie das vom ſtatten geht,

Dahin ſich das Gemuͤt mit ſeiner Neigung dreht.

Wer etwas unternimmt, dazu er nicht gebohren,

Und etwas blindlings wagt, dazu er nicht erkoh-
ren,

Der gleichet einem der, dem Strom entgegen
ſchwimmt,

Und das, was er nicht kan, beſchwerlich unter-
nimmt.

Die Weisheit will allhie, auch manche Staͤnde
haben,

Und darnach theilt ſie aus, auch mannigfaltge Ga-
ben.

Wer wozu ungeſchikt, verrichtet die Arbeit,

Mit einer ſteten Plag, und mit Beſchwerlichkeit,

Und kommt doch nie recht fort, weil wahre Luſt
und Liebe,

Zu einem Dinge fehlt, wo keine innre Triebe,

Von der Natur da ſind. Wer ſich dazu gewoͤhnt,

Wozu uns die Natur mit Gaben hat belehnt,

Der bringt es darin weit. Wer Herze, Muth
und Staͤrke,

Der iſt ſehr wol geſchikt zu einem ſolchen Werke,

Das dieſes haben will. Und das iſt unſre Pflicht

Die
[140]Die Weisheit GOttes
Die Kraͤfte zu probirn. Der Schoͤpfer will das
Nicht,

Das wir mit Dingen uns, zu dem Verdrus der
Seelen,

Die uns unangenehm Zeitlebens aͤngſtlich quaͤlen.

Wo ſeine Weisheit ſich vor andern ſehen laͤſt,

Da ſieht man oͤfters an, wie man die Menſchen
preßt,

Zu einer Lebens-Art, die wieder ihren Willen.

Wie manche laͤſt ſich nicht in eine Kappe huͤllen,

Wie manche zwingt man nicht aus falſcher Heiligkeit,

Wird aus der Welt gebannt, der Keuſchheit ein-
geweiht,

Da ſie geſchikter waͤr, zu einem freien Leben,

Daß ſie dem Manne wuͤrd zur Helferin gegeben?

Wozu man keine Luſt, das ſolte man nicht waͤhln,

Sonſt wird man allemahl, das beſte Ziel verfehln,

Das der uns hat beſtimmt, der es zuvor geſehen,

Ob wir dazu geſchikt, daß er uns koͤnne erhoͤhen.

Kein Stand der iſt veracht, wenn er nur ehrlich
heiſt,

Darin man ſich mit Treu, der Welt zum Nuz be-
fleißt,

Es koͤnnen alle nicht der Hoheit Scepter fuͤhren,

Die Laͤnder dieſer Welt mit ihren Wink regieren,

Es muͤſſen auch dabei die Unterthanen ſeyn,

Der HErr macht reich und arm, er ſchaffet gros,
und klein;

Er macht die Wizzigen, er ſchaffet auch die Wei-
ſen,

Auch die den Akker baun, darum iſt er zu preiſen,

Als ein allweiſer GOtt. Ach! ſehe jederman

Der Staͤnde Ordnung recht, wie ſichs gebuͤhrte an,

So wuͤrden wir die nicht, mit Sproͤdigkeit verach-
ten,

Die
[141]bei denen unterſchiedenen Neigungen.
Die wir als Niedrige nach ihren Stand betrachten,

Es muͤſſen ſolche ſeyn die Wiſſenſchaften lehrn,

Es muͤſſen ſolche ſeyn, die Weisheits Lehren hoͤrn;

Es muͤſſen ſolche ſeyn, die feine Kuͤnſte treiben,

Es muͤſſen ſolche ſeyn, die bei dem groben bleiben.

Es fraͤgt ſich noch dabei, wer mehrern Nuzzen
ſchaft,

Der mit des Geiſtes Wiz, der mit der Glieder Kraft:

Ob der den Vorzug hat, den man als Kunſtreich ehret,

Vor dem der mit dem Pflug das Akkerfeld umkehret

Drum wozu uns die Luſt, die innre Neigung fuͤhrt,

Den Stand erwaͤhle man, weil er uns gnugſam
ziert.

Der Schoͤpfer aller Ding hat das uns eingedruͤkket,

Wer dieſen Trieben folgt, der wird dadurch be-
gluͤkket.

Die Weisheit aͤuſert ſich in dem verborgnen Zug,

Und wer derſelben folgt, der handelt weiſ und klug.

Die Welt braucht manchen Stand, die Weisheit die
regieret,

Macht das der Sin hiezu, der dazu Luſt verſpuͤret.



[142]

Der eitle Gottesdienſt.


[figure]
Menſch! wilt du GOttes Diener heiſſen,

Der ſich bemuͤhet ihn zu ehren;

So muſt du dich im Ernſt befleiſſen,

Dein Herz zu ihm hinauf zu kehren.

Der Lippen aͤuſerlich Bewegen,

Der Zungen lallendes Gethoͤn,

Geſtimmet nach den Glokken-Schlaͤgen,

Laͤßt nur die aͤuſre Andacht ſehn.

Wilt du ein rechtes Opfer bringen,

Das durch die Andacht angegluͤht,

So ſey dabei vor allen Dingen,

Um ein gereinigt Herz bemuͤht.

Wo Weirauch des Gebetes glimmet,

Dabei das Herz vor Kaͤlte friert,

Und wo der Mund ein Lied anſtimmet,

Das nicht des Glaubens Kraft gebiehrt,

Da kanſt du deinen GOtt nicht dienen.

Du ſuͤndigeſt dadurch vielmehr

Und ſchaͤndeſt durch verſtellte Mienen,

Des groſſen Schoͤpfers heilge Ehr.

Des Hoͤchſten ewge Gnade ſuchen,

Um ſeine Huld erbaͤrmlich ſchrein,

Den Naͤchſten wie ein Greul verfluchen,

Stimmt nicht mit dem Verlangen ein.

Den Hoͤchſten mit dem Lippen ehren,

Wenn man in ſeinem Hauſe ſteht,

Und ihm hernach den Ruͤkken kehren,

Wenn man aus ſeinem Tempel geht,

Das
[143]Der eitle Gottesdienſt.
Das heiſt ihn ehren mit den Haͤnden,

Hingegen mit dem Herz, der That

Jn ſeiner eignen Huͤtte ſchaͤnden.

Wer ſeinem GOtt nur dient zum Staat,

Weil es die Mode mit ſich bringet,

Und wer in ſeinem Heiligthum,

Mit Seufzen blutge Haͤnde ringet,

Verdienet auch ſehr ſchlechten Ruhm.

Die Einfalt meint ein bloſſes Lallen,

Das ſeufzend geht, und klaͤglich klingt,

Das koͤnn dem Hoͤchſten wollgefallen,

Das ſey ein Dienſt der Seegen bringt.

Sie glaubt wer in dem Tempel gehet,

Jm heilgen Schlummer ſich darſtellt,

Vom Anfang bis zum Ende ſtehet,

Das ſey ein Dienſt der GOtt gefaͤllt:

Betrogne Menſchen! lernt erkennen,

Das alles ſey nur eitler Tand,

Und noch kein Gottesdienſt zu nennen,

Wenn man ſizt an der heilgen Wand.

Wenn unbeweglich ſtille ſizen,

Ein Gottesdienſt zu nennen waͤr,

Wenns aͤuſre ohne Herz koͤnn nuͤzen,

Und daß des Allerhoͤchſten Ehr,

Befoͤrdert wuͤrde, durch das Eilen

Zu ſeines heilgen Nahmens Haus;

So wuͤrden todte Bilderſaͤulen

(Denn dieſe kommen nie heraus)

Mit ihren wollgeſchnizten Mienen,

Den Hoͤchſten mehr, als ihr verehrn,

Und ihm vielmehr als Menſchen dienen,

Weil die dem Schein nach auch zuhoͤrn;

Ob ſie gleich nichts davon empfinden,

Was
[144]Der eitle Gottesdienſt.
Was in dem Tempel wird gethan.

Was hilft es wenn wir immer ſtuͤnden,

Und hoͤrten einen Lehrer an?

Wenn wir nicht in dem heilgen Leben

Des Wortes Wirkung, deſſen Kraft,

Die Fruͤchte unſers Glaubens geben;

So hat es keine Frucht geſchaft.

Und diente man GOtt durch das Singen,

Durch einen aͤuſerlichen Thon.

So haͤtt der Orgeln helles Klingen,

Jm Dienſt euch uͤberwunden ſchon.

Die uͤberſtimmt mit ihren Roͤhren,

Mit ihren Baß, Poſaunen-Klang,

Wenn wir ſie in der Kirche hoͤren,

Der Kehlen helleſten Geſang.

Drum Menſchen lernet beſſer denken,

Den Schoͤpfer ſeine Zunge leihn,

Das Herze auf das Eitle lenken,

Jſt nichts, als nur ein heilger Schein.

Jacobus ſagt wer GOtt verehret,

Mit ſeinen Lippen blos allein,

Und ſich nicht von der Welt abkehret,

Des Gottesdienſt muß eitel ſeyn.

Wer ſeinen Schoͤpfer will gefallen,

Der diene ihm vom Herzengrund,

Und mache durch der Zungen Lallen,

Die Regung ſeines Herzens kund;

Der lebe nach des Hoͤchſten Willen,

Und ſuche ſeine Chriſtenpflicht,

Jn wahren Glauben zu erfuͤllen,

Sonſt achtet GOtt die Andacht nicht;

Der bringe ſeine heilge Flammen,

Nach loͤblich chriſtlichen Gebrauch,

Wenn ſie aus wahren Herzen ſtammen,

Jn
[145]Der eitle Gottesdienſt.
Jn einen heilgen Tempel auch,

Der diene GOtt ja nicht zum Scheine,

Weil er der Seelen Jnnres ſieht,

Der bete oͤffentlich, alleine

Und ſey in ſeinem Dienſt bemuͤht;

Der ſuche auch der Liebe Pflichten,

Dem Naͤchſten, das iſt jederman,

Mit Redligkeit ſtets zu entrichten,

Wie, wo und wenn er immer kan.

Wer alſo lebt, und GOtt verehret,

Jn Mienen, Worten und der That,

Der iſt, wie uns die Schrift ſelbſt lehret,

Ein Menſch der GOtt gedienet hat.


Dritter Theil.
[146]

Das Geſetz ein Spiegel des
Selbſterkenntniſſes.


[figure]
Menſch! wilt du dich recht kennen lernen,

So muß das Blendglas ſich entfernen,

Daß deine Eigenliebe ehrt,

Dahin ſie ſtets die Augen kehrt.

Du ſucheſt dich gern zu vergroͤſſern,

Allein du wilt dich doch nicht beſſern,

Wer ſich bemuͤht recht ſchoͤn zu ſeyn,

Der muß nicht ſeine Flekken ſcheun.

Wer ſeine eigne Fehler fliehet,

Dieſelbe blindlings uͤberſiehet,

Behaͤlt ein flekkigt Angeſicht,

Und ſaͤubert ſich vom Schmuzze nicht:

Wer aber ſolche recht erweget,

Bemerkt was er vor Maͤhler traͤget:

Der bringt ſich durch die Reinigung,

Zu einer ſchoͤnen Aenderung.

Wer ſich zum Spiegel der da blendet,

Mit ſeinem Angeſichte wendet,

Der bildet ſich im Gegenſchein,

Wenn er gleich heßlich, ſchoͤne ein.

Hingegen wer den Spiegel waͤhlet,

Der nicht in ſeiner Bildung fehlet,

Der ſiehet ſich in der Geſtaͤlt,

Wie ſie hinein, zuruͤkke prallt.

Ein Spiegel der uns nicht flattiret,

Was heslich iſt, nicht herrlich zieret,

Jſt
[147]des Selbſterkenntniſſes.
Jſt das Geſez, wer darauf blikt,

Sieht ſein Gemuͤthe abgedruͤkt.

Drum kan es woll ein Spiegel heiſſen,

Und wer ſich dabei wird befleiſſen,

Mit Achtſamkeit hinein zu ſehn,

Der ſieht ſein Bild darinnen ſtehn.

Da koͤnnen wir die ſchwarzen Flekken

Der Suͤnde, klaͤrlich gnug entdekken.

Jhr Menſchen! ſpiegelt euren Sin,

Und die Geſtalt der Seelen drin;

So werdet ihr geruͤhrt erkennen,

Daß ihr ſehr elend ſeid zu nennen.

Beſchaut ein jegliches Gebot,

Das macht euch warlich blas und roth,

Weil es euch ſolche Runzeln zeiget,

Davon ein andrer Spiegel ſchweiget.

Wie koͤnnt ihr ohne innres Graun,

Jn den Geſezzes Spiegel ſchaun?

O! nein! ihr lernet nun geſtehen,

Jhr haͤttet nie den Greul geſehen,

Als nunmehr, da ihr euch erkennt,

Eur Tichten, Trachten boͤſe nennt.

Was ſeid ihr nun, betrogne Seelen!

Koͤnnt ihr der Flekken Menge zaͤhlen,

Die bei des Spiegels Gegenſchein,

Jn dem Gewiſſen ſichtbahr ſeyn?

Jhr habt gemeint bei andrer Tadel,

Jhr waͤrt mit einen wahren Adel,

An eurer Seele ausgeziert,

Doch dieſe Einbildung verliert

Das Herz, das ſich nur recht betrachet,

Nicht beſſer, als die andern achtet.

Wer dieſen Spiegel fleißig nuͤzt,

Woraus das wahre Bildnis blizt,

K 2Wenn
[148]Das Geſez ein Spiegel des Selbſterkenntniſſes.
Von unſrer Seelen rechten Weſen,

Der wird, wie er geſtaltet, leſen.

Drum Menſchen! die ihr, wie ihr ſolt,

Euch recht im Herzen kennen wolt,

Beſchauet darin eure Seelen,

Der wird euch nichts vom Fehl verhelen:

Wiſcht durch des Heilands heiligs Blut,

Die Maͤhler ab; ſo ſeid ihr gut.


Die
[149]

Die kuͤnſtlichen Fliegen.


[figure]
Die Fliegen, welche wir nur mit Verdrus
anſehn,

Darauf wir keinen Blik, mit Achtſam-
keit hindrehn,

Sind GOttes Kunſtgeſchoͤpf, und nicht
ſo zu verachten,

Als wie wir leider thun. Wir muͤſſen ſie betrachten,

Zu ihres Schoͤpfers Ruhm. Auf! ſeht dies Thier-
lein an,

Das, ob es noch ſo klein, uns dennoch zeigen kan,

Es ſey ein groſſer GOtt, der uns auch wil in Klei-
nen,

Als herrlich, wunderbar, als wuͤrklich gros erſchei-
nen.

Seht durchs Vergroͤßrungs Glas, o! was vor
Glanz und Zier,

Ein Schimmerreiches Gold ſtrahlt an dem Kopf
herfuͤr,

Die Augen die daran als halbe Monden ſtehen,

Sind kunſtreich angeſezt, und werth ſie zu beſehen.

Der Puͤnctgen kleine Meng, wie Linſen ausgeſaͤt,

Sind zarte Spiegelchen, worin der Lichtſtrahl geht,

Man ſieht der Augen Zahl mit innigen Vergnuͤgen,

Jn Reihen ordentlich als an einander liegen.

Die Reihen ſind zertheilt und wie ins Kreuz ge-
dreht,

Wie ein Gegitterwerk, das durcheinander geht,

K 3So
[150]Die kuͤnſtlichen Fliegen.
So viele Augen ſind; ſo viele Spiegelflaͤchen,

Wird man zugleich gewahr, worin die Strahlen
brechen,

Von einem aͤuſrem Licht, von einem aͤuſren Schein:

Und dieſe Einrichtung kan ſchon ein Zeuge ſeyn,

Das eine weiſe Macht, die Fliegen hat gebildet,

Mit einer groſſen Meng von Augen uͤberguͤldet.

Bei Thieren andrer Art, woran das Aug ſich regt,

Vermehret ſich der Strahl, der in daſſelbe ſchlaͤgt:

Allein bei Fliegen nicht, die keine Dinge ſehen,

Als die vor ihnen ſind, gerade uͤber ſtehen.

Drum hat die Weisheit auch der Augen Zahl ver-
mehrt,

Das ſie von jeder Seit, was vorgeht, gleich er-
faͤhrt.

Die Fliege iſt ein Raub von vielen andern Thieren,

Bei ihrer Augen Meng kan ſie nun leichtlich ſpuͤren,

Was hie, was da herfleugt. Die drohende Gefahr

Von vorn und hinten zu, wird ſie ſo gleich gewahr,

Auch was von oben komt, und was zu beiden Sei-
ten,

Merkt ſie im Gegenſchein, und kan dawider ſtreiten.

Wie kuͤnſtlich iſt das nicht vom Schoͤpfer ausge-
dacht,

Wie weislich iſt nur nicht der Fliegen Kopf ge-
macht?

Daran man noch bemerkt, daß dieſe vielen Augen,

Die Bilder nicht verwirrn, die ſie zu ſehen taugen,

Sie ſehen einerlei mit vielen Augen an,

Doch ſo daß dieſer Schein ſie nicht verwirren kan.

Die Fluͤgel zeigen uns ein Spiegelglat Geſpinſte,

Sie ſind ein Jnbegriff voll wunderbahrer Kuͤnſte,

Mit Nerven durchgewirkt, und zotig an dem Rand,

Ein fluͤchtiges Geweb; wenn ſie die Seegel ſpannt,

So
[151]Die kuͤnſtlichen Fliege.
So flieget ſie geſchwind, von einem Ort zum an-
dern,

So kann ſie unvermerkt durch freie Luͤffte wandern.

Die Fuͤſſe ebenfals ſind weislich auserſehn,

Womit ſie auf und ab, an glatten Flaͤchen gehn,

Gelenkigt eingericht; an dem Gelenk der Krallen,

Jſt ein gedoppelter, ein ſchwammigt ſanffter Ballen.

Die Fuͤſſe haben auch ſehr ſpize Naͤgelein,

Die auf der Rennebahn denſelben nuͤzlich ſeyn.

Die ſchlagen ſie geſchwind als Haͤkgen ſich zu hal-
ten:

Dies alles zeuget uns von einer Vorſicht Walten,

Die auch ein nichtig Thier, zum Lauffen und zum
Gehn,

Mit Gliedern, wie ſie nuͤz, recht wunderbar ver-
ſehn.

Die Fuͤſſe ſind ganz rauch von den gewachſnen Haa-
ren,

Womit ſie ihr Geſicht, die Fluͤgel auch bewahren.

Der Fuͤſſe Haare ſind, bei ihrer Steiffe weich,

Und wenn man ſie beſieht, dem Kleider-Buͤrſten
gleich,

Die ſchuͤtteln, ſtraͤuben ſie, um damit abzukeh-
ren,

Die Staͤubgen welche ſonſt die Fluͤgel leicht beſchwe-
ren.

Sie wiſcht damit gar offt der Augen Spiegel aus,

Wenn etwa in der Lufft, bei einem Windebraus;

Ein Staub ſich drauf geſezt, auf daß ſie nicht ver-
dunkeln,

Vielmehr zu ihren Nuz, in hellen Glanze funkeln.

Die Fliegen welche GOtt ſo weislich hat formirt,

Sind auch daneben noch mit Ruͤſſeln ausgeziert,

Die wunderbahr gemacht, wenn wir ſie nur erwegen,

K 4Wie
[152]Die kuͤnſtlichen Fliegen.
Wie ſie die Theile dran, ſo ſchoͤn zuſammen legen.

Am Ruͤſſel iſt zu ſehn faſt eine Meſſerſpiz,

Die einer Fliege ſehr bei ihrer Speiſe nuͤz,

Damit zerſchneidet ſie als wie mit einem Schwerdte,

Die Speiſe die ſie nimmt, der Kruͤmgens duͤrre Haͤrte.

Wenn ſie den Ruͤſſel drauf, mit Macht zuſammen
druͤkt;

So iſt er Lippen gleich, zur Faſſung ſehr geſchikt:

Die Fliege ſaugt damit auch wie mit einer Roͤhre,

Die fluͤßge Lufft in ſich. Wie wird nun nicht die
Ehre,

Des weiſen Schoͤpfers auch durch dieſes Thier ver-
mehrt,

Wenn man mit Andacht drauf achtſam die Au-
gen kehrt?

Jhr Menſchen! lernet doch, daß nicht die kleinen
Dinge,

Nach unſre Einbildung, veraͤchtlich und geringe.

Die Wunder der Natur die heslich, ſind auch ſchoͤn,

Wenn wir ſie nur mit Luſt zu GOttes Ruhm be-
ſehn,

Die Fliege die man ſcheucht, die uns im Sommer
plaget,

Die unſre Haut zerſticht, und ſich an uns auch wa-
get,

Jſt eine Kreatur, die nicht von ſelbſt entſteht,

Drum wird der Hoͤchſte auch, dadurch von uns er-
hoͤht.

Die Mannigfaltigkeit der vielen Kreaturen,

Die zeiget uns ganz klar des Schoͤpfers weiſe Spu-
ren.

Die Fliege lehret uns, daß GOtt im Kleinen gros,

So weiſe er gemacht ein ſtarkes trabend Roß;

So weiſe iſt gewis die Fliege auch gebildet,

Und
[153]Die kuͤnſtlichen Fliegen.
Und was die Weisheit hat nach ihrer Kunſt geſchil-
det,

Jſt warlich ſehends werth. Darum verachtet nichts,

Was ein Geſchoͤpfe iſt des Vaters alles Lichts,

Und nuͤzen ſie uns nicht, ſo koͤnnen ſie auf Erden,

Den Thieren die uns nuͤz zur Speiſe nuͤzbar werden.

Sein weiſer Rath hat ſtets auf andere gedacht,

Warum er dieſes ſchafft, und jenes hat gemacht,

Die Fliegen ſind gemacht um andrer Voͤgel wil-
len,

Und dieſe wiederum, mit Luſt uns zu erfuͤllen:

So haͤnget in der Welt, zu GOttes Ruhm und
Preiß,

Eins an das andere, und gleichſam Ketten weis,

Wer dieſes uͤberlegt, wird nichts geringe ſchaͤzen,

Vielmehr zu GOttes Ehr ſich dran mit Luſt er-
goͤzen.


Das
[154]
Das Jrrlicht.
[figure]
Ein flatternd Feur ſah ich von Ferne,

Es ſpruͤzte oͤffters lichte Sterne,

Auf einer naſſen Wieſe aus:

Jch dachte teutſcht mich ein Geſichte:

Es uͤberfiel mich bei dem Lichte,

Ein von der Furcht entſtandner Graus.

Allein ſo bald ich mich beſonnen,

Daß es ein Jrrlicht, wards zerronnen,

Der Dunſt verging im Augenblik,

Doch gleich wars wieder in dem Glanze,

Es ſprung als, wie bei einem Tanze,

Doch ging es immer mehr zuruͤk.

Jch ſah es nur beim ſchwarzen Dunkeln,

Und nicht am lichten Tage funkeln,

Das gab mir dieſe Lehre ein:

Die Lichter die uns nur verwirren,

Jn ſumpfigten Moraſten irren,

Die haben einen falſchen Schein.

So geht es auch den Jrrelehrern,

Denjenigen Gemuͤths Verkehrern,

Die da verruͤkken das Gehirn,

Sie ſcheinen als wie groſſe Lichter,

Und ſind doch falſche Boͤſewichter,

Sie gleichen einem Jrrgeſtirn.

Sie
[155]Das Jrrlicht.
Sie ſind wie Lichter anzuſehen,

Die flatterhafft aus Dunſt entſtehen,

Sie leuchten nur bei dunkler Nacht

So bald die ſchwarzen Schatten weichen,

So muß ihr Glanz geſchwaͤcht erbleichen,

Wenn Warheit alles helle macht.

So wie im Sumpf ein Jrrlicht brennet,

Und an den feuchten Oertern rennet;

So iſt wo falſche Lehr ſich zeigt,

Ein Schwindelgeiſt in ſeinem Leben,

Den Laſtern auch gar ſehr ergeben,

Die machen ihm zum Wahn geneigt.

Wie viele ſcheinen in die Augen,

Dieweil ſie nicht in Herzen taugen,

Mit einem falſchen Licht erfuͤllt,

Die, weil ſie gern in Laſtern wuͤhlen,

Die Rolle eines Spoͤtters ſpielen,

Sie ſind des Jrrlichts Gegenbild.


Ge-
[156]

Gedanken bei den Obſtfruͤch-
ten, welche unanſehnlich ſind, und
doch ſchoͤn ſchmekken.


[figure]
Der Dinge aͤuſerlicher Schein,

Die Schalen ſind es nicht allein,

Die bei den nuzbarlichen Sachen,

Die Guͤte und den Werth aus-
machen,

Die Fruͤchte die von auſſen ſchoͤn,

Und herrlich, lieblich anzuſehn,

Die koͤnnen oͤfters, bei dem Schmekken,

Als herbe, Ekkel gnug erwekken.

Hingegen die ſo ſchroffig hart,

Sind oͤfters von recht muͤrber Art,

Mit einem ſolchen Safft erfuͤllet,

Der lieblich auf der Zunge quillet.

Jch merke hiebei dieſes an,

Daß man dem Schein nicht trauen kan,

Beim Glanz der aͤuſerlichen Schalen,

Fehlt ja der Kern zu vielenmahlen.

Die Menſchen deren Angeſicht,

Offt
[157]Gedanken bei dem Obſtfruͤchten.
Offt ausſieht als ein truͤbes Licht,

Die offt ganz ſaur und muͤrriſch ſcheinen,

Sind lieblicher, als wie wir meinen.

Hingegen wo die Freundligkeit,

Vergnuͤgte Blikke von ſich ſtreut,

Wo Anmut im Geſicht zu leſen,

Jſt offt ein muͤrriſch ſaures Weſen.

Wer alſo nach den Schein urtheilt,

Der ſchlieſſet oͤfters uͤbereilt:

Man muß erſt eine Prob anſtellen,

So kan man recht ein Urtheil faͤllen.


Der
[158]

Der kaltſinnige Beter.


[figure]
Die Menſchen beten offt mit einem
kalten Herzen,

Und dieſe gleichen mir den ſuͤſſen
Raͤucher-Kerzen;

Wenn ſie nicht in dem Brand, wie
heiſſe Kohlen gluͤhn,

So kan man den Geruch davon
nicht in ſich ziehn.

Wer im Gebete GOtt ein ſuͤſſes
Opfer bringet,

Und keine Jnbrunſt hat, die in die Hoͤhe dringet:

So iſts nicht angenehm, dem es gefallen ſoll,

Der Andacht ihr Gebet, gefaͤllt dem Hoͤchſten
woll:

Wenn es dem Kerzen gleich, die von dem Feur ent-
zuͤndet:

Doch wie man ohne Brand nicht dem Geruch em-
pfindet:

So iſt ohn Andachtsfeur, auch keine Liebligkeit,

Die GOtt allein vergnuͤgt, und beim Gebet er-
freut.

Ach! moͤchten dieſes doch die Menſchen ſtets be-
denken;

So wuͤrden ſie ihr Herz nicht zu dem Schoͤpfer len-
ken,

Wenn
[159]Der kaltſinnige Beter.
Wenn es ſo kalt wie Eiß, wenn erſt das Herz ent-
brant,

Durchs heilgen Geiſtes Trieb, und die gefaltn[e]
Hand

Des Glaubens Chriſtum faßt, ſo kan man ernſtlich
beten,

Und vor das Angeſicht des heilgen Schoͤpfers tre-
ten:

O! GOtt verleihe mir zum Beten deinen Geiſt,

Denn der Erloͤſer uns durch ſein Verdienſt ver-
heißt.


Die
[160]

Die Geſundheit eine unerkand-
te Wollthat GOttes.


(Sir. c. XXX. 15.)

Geſund und friſch ſeyn iſt beſſer denn Gold,
und ein geſunder Leib iſt beſſer denn
groſſes Gut.


[figure]
Wir wiſſen oͤfters nicht, wie gros des
Hoͤchſten Gaben,

So lange wir ſie noch in dem Ge-
nuſſe haben;

Allein wenn ſie verſcherzt, ſo wird es erſt bedacht,

Wie gros das Kleinod ſey, das man vorher ver-
lacht.

Wir koͤnnen den Beweis gleich auſer Zweifel ſezzen,

Wenn man nur uͤberdenkt, wie wir geringe ſchaͤz-
zen,

Das allerbeſte Gut, das man Geſundheit nennt,

Das keiner eher nicht, als wenn er krank erkennt.

Wie viele finden ſich, die auf den Leib los ſtuͤrmen,

Wie wuͤrden dieſe nicht mit Sorgfalt ihn beſchir-
men?

Wenn ſie erkenneten, daß in der Zeitlichkeit,

Kein groͤßres Gut, was uns mit dem Genus er-
freut

Als die Geſundheit ſey? Der HErr hat uns das Le-
ben

Durch
[161]eine unerkandte Wollthat GOttes.
Durch ſeine Huld geſchenkt, den Leib den er gege-
ben,

Erhaͤlt ſein Odem nur, ſonſt wuͤrden wir zu Staub,

Jn der Vergaͤnglichkeit, ein nichtger Todes Raub.

Wie viele finden ſich, die wenn ſie nicht erkranken,

Fuͤr den geſunden Leib, der hoͤchſten Vorſicht dan-
ken?

Wie viele wenden ſo des Leibes Kraͤfte an,

Wie ein Geſunder ſoll, durch GOttes Gnade kan?

Dies iſt Beweis genug, daß viele nicht erkennen,

Daß die Geſundheit ſey, ein groſſer Schaz zu nen-
nen.

Allein ſo bald der Leib der Krankheit Uebel fuͤhlt,

Des Fiebers ſtrenge Wuth durch Mark und Adern
wuͤhlt:

Da lernet man zuerſt, was wir gehabt, was feh-
let,

Und wenn die bange Noth die Glieder laͤhmt und
quaͤlet,

Der Pulsſchlag hizzig geht; ſo ruft und flehet man,

Mit heiſſeſter Andacht den beſten Helfer an:

Der Kranke der gelobt, vor allen ſich zu huͤten,

Was in dem Leibe koͤnn ihm ſolche Qual aus-
bruͤten.

Die Hizze mindert ſich, und beim gedaͤmpften Lauf,

Des ungeſtuͤmen Bluts, hoͤrts Herzeklopfen auf,

Die Puls ſchlaͤgt langſamer, das Blut iſt abgekuͤh-
let,

Die Andacht nimmt auch ab, die man vorher ge-
fuͤhlet.

Kaum iſt der Leib geſtaͤrkt; ſo fliegt der heilge Sinn,

Denn blos die Angſt erregt, mit ſeiner Urſach hin:

Die Krankheit iſt vorbei, der Schwelger ſaͤuft von
neuen,

Dritter Theil. LEr
[162]Die Geſundheit
Er handelt wieder ſo, daß es ihm muß gereuen.

Wer dieſes nur bedenkt, der faͤllt dem Sazze bei,

Daß ein geſunder Leib des Hoͤchſten Wollthat ſey,

Die nicht erkennet wird, bis daß ſie iſt verlezzet;

Bei einer Krankheits Qual wird ſie erſt recht ge-
ſchaͤzzet.

Wie thoͤricht iſt der Menſch, der das nicht ehr ge-
wuſt

Was er vor Schaͤzze hat, als nur bei dem Verluſt!


Der
[163]

Der
merkwuͤrdige Baum Moos.


[figure]
Den Moos der an den Baͤumen waͤchſt
der Sammt womit ſie ſind umwunden,

Hab ich von mannigfaltger Art, an
Staͤmmen mancher Art gefunden.

Und wie im Reiche der Natur nichts
iſt, das nicht erweklich ſchoͤn:

So wollen wir auch dieſes Moos zu unſers Schoͤp-
fers Ruhm beſehn.

Der aͤuſre Anblik ruͤhrt uns nicht, es ſieht von
auſſen nicht gut aus,

Es ſcheint uns wie ein dikker Zwirn, der Lokken
foͤrmig, haaricht kraus:

Allein durch ein Vergroͤßrungs-Glas kan uns des
Baumes Moos vergnuͤgen,

Wir ſehen in den Moos ein Sammt, von wun-
derbahr gewirkten Zuͤgen.

Er waͤchſet aus den Baum hervor, bedekket deſſen
dikken Stamm,

Jſt unterſchiedlich anzuſehn, die eine Art gleicht ei-
nem Schwam,

Die andre waͤchſet, wie ein Filz, die dritte glei-
chet den Geweben,

Als wenn der Baum mit duͤnner Haut, als einer
Dekke waͤr umgeben.

Hier waͤchſet er als wie ein Filz, da wird man an-
deren gewahr,

L 2Der
[164]Der merkwuͤrdige Baum Moos.
Der wie ein Fenchel ausgekeimmt, mit einem art-
gen langen Haar.

Die Farben ſind auch mannigfalt, braungruͤnlich,
Aſchenfarbig, weis,

Gruͤn weislich-Aſch-grau und was mehr, zu un-
ſers weiſen Schoͤpfers Preis,

Vor Farben noch am Moos zu ſehn. Fuͤrnemlich
kan man an den Buchen,

Den Moos der gleichſam Kohlenſchwarz in denen
dichten Waͤldern ſuchen:

Der wenn man auch von ferne ſteht, uns in die
Augen lieblich ſtrahlt,

Als waͤr der Baum mit ſchwarzer Farb von zarten
Pinſeln uͤbermahlt.

Will man auf ihren Urſprung ſehn; ſo waͤchſet ein-
ges aus dem Baume,

Jn einen duͤrr und ſteinigten, das andre in den
feuchten Raume,

Allwo die fette Feuchtigkeit, als wie ein Oel im
Baum aufzieht,

Da aus den groͤbſten Erden-Saft hernach der Moos
herkeimmt und bluͤht.

Ob zwar derſelbe ſchaͤdlich iſt den Baͤumen die in
Gaͤrten ſtehn,

Weil wir ſo viele hie und da, die durch den Moos
erſtikket ſehn;

So iſt er doch nicht minder nuͤz, dieweil der Vor-
ſicht ſorgend Walten,

Dadurch auch manche Pflanz und Baum vor ihren
Untergang erhalten.

Der Moos bedekt den Stamm beim Froſt, vorm
Nordwind, vor das kalte Eis,

Beſchuͤzt ihn vor der kalten Luft, wie man aus der
Erfahrung weis,

Er
[165]Der merkwuͤrdige Baum Moos.
Er waͤchſt am meiſten an der Seit die zeiget nach
dem rauhen Norden,

Und iſt dadurch dem Wandersmann, wenn er ver-
irret, nuz geworden.

Er dient zum Compas in dem Wald, weil er meiſt
Nordenwerts ſich zeigt,

Am meiſten an der Seite waͤchſt, wo ſich der Baum
nach Norden neigt.

Wer dieſes Zeichen nur bemerkt der kan an eines
Baumes Rinden,

Jn einem unbekandten Wald, gar leicht die rech-
ten Bahn ausfinden.

Der Moos haͤlt manchen Schaden ab, er mindert
manchen herbe Noth,

Die einen nahen Untergang den Baͤumen in den
Walde droht.

Er haͤlt den Bis der Schweine auf, daß ſie den
Stamm nicht ganz verlezzen,

Woran ſie in der wilden Wuth die ſcharfen Zaͤhne
wuͤtend ſezzen.

Er ſtaͤrkt die jungen Pflanzen noch; wie manche
Blume, Kraut und Beer,

Stammt nicht aus den gewachſnen Moos zum rei-
chen Nuz der Menſchen her?

Wie nuzbar iſt er oͤfters nicht bei dem Gebrauch
der Arzeneien?

Man pfleget ihn zur Linderung in aͤuſre Wunden
einzuſtreuen:

Und wie der Landmann ihn ſonſt braucht. Daraus
erhellet abermahl,

Das Nichts in weiten Raum der Welt, auf Bergen,
in dem tieffen Thal

Es ſey auch noch ſo klein, gering, daß uns der Schoͤp-
fer nicht im Leben,

L 3Zum
[166]Der merkwuͤrdige Baum Moos.
Zum Nuzzen, zur Bequemlichkeit aus weiſer Ab-
ſicht dargegeben.

Drum iſt das weſentliche All, auch in den zart und
dichten Moos,

Als ſeiner Allmacht Kunſtgewirk, in denen Waͤldern
herrlich, gros.

Auch dieſer dienet zum Beweis in derer Waͤlder
Heiligthume,

Von einer ewgen Vorſehung; auch dies gereicht zu
ihren Ruhme,

Daß ſie auch vor die Baͤume ſorgt. mit Moos ſie
dekket und beſchuͤzt,

Wenn dran der wilden Thiere Zahn, mit einem
giftgen Biſſe rizt.

Jhr Menſchen! preiſet doch den GOtt, der uͤber
alle Dinge wachet

Der Erde, Meer, der Berg und Thal mit ſeinen
Seegen fruchtbar machet.



[167]
Ermunterung des Gemuͤths bei
einem nebelichten und truͤben
Wetter.

[figure]
Auf! ermuntert euch ihr Sinnen!

Ob die truͤben Himmels-Zinnen

Gleich mit Nebel ſind umhuͤllt:

Wer will gleich in Kummer weinen,

Wenn die truͤben Tag erſcheinen

Da die Lufft von Regen quillt:

Weil wir durch Erfahrung wiſſen,

Licht komt nach den Finſterniſſen.

Sonnenſchein und milder Regen,

Beide bringen uns den Seegen,

Aus des guͤtgen Gebers Hand:

Aus des Herbſtes neblicht Trauffen,

Waͤchſt hernach noch mancher Hauffen

Frucht, auf dem beſaamten Land:

Darum muß man in Vergnuͤgen,

Truͤber Tage Noth beſiegen.

Was iſt ein betruͤbtes Leben,

Das mit Wolken ſtets umgeben

Das mit Kummer, banger Noth,

Wie mit einem Dunſt umſponnen,

Das ohn alles Licht der Sonnen?

Aerger als der bittre Todt,
L 4Drum
[168]Ermunt. des Gemuͤts bei einem nebelichten Wetter.

Drum verfliegt ihr truͤben Schatten,

Jch will mich mit Freude gatten.

GOtt muß man mit frohen Mienen,

Mit zufriedner Seele dienen;

Jhm gefaͤllt ohn allen Streit,

Ein ſolch Herze das nicht zaget,

Das ſich nicht mit Grillen plaget.

Ruhige Gelaſſenheit

Du ſolt auch auf truͤber Erden,

Lindern der Natur Beſchwerden.


Die
[169]

Die
wunderbahre Flucht unter-
ſchiedner Voͤgel.


(Jer. VIII. 7.)
Ein Storch unter den Himmel weis ſeine
Zeit; eine Turteltaube, Kranich und
Schwalbe merken ihre Zeit, wenn ſie
wieder kommen ſollen; aber mein
Volk will das Recht des HErrn nicht
wiſſen.

Das wundernswuͤrdigſte, das ſich an Thie-
ren zeigt,

Das uͤber dem Begriff der weiſen Men-
ſchen ſteigt,

Jſt der verborgne Trieb, der in der Bruſt
entglimmet,

Der ihre Handelung zum weiſen Zwek beſtimmet.

Man ſeh die Schwalben Flucht, der Wachteln Bei-
ſpiel an,

Und auch den Krannichs Zug, woran man leſen
kan,

Daß jede ſeine Zeit, wie uns die Schrifft gelehret,

Jm Herbſt und Fruͤhling hat, da ſie hin, wieder
kehret.

Wenn der beſtimmte Tag, im rauhen Herbſt erſcheint,

Sind dieſe Voͤgelein zu ihrer Flucht vereint.

L 5Sie
[170]Die wunderbahre Flucht unterſchiedner Voͤgel.
Sie ſammlen ſich zu Hauff und ziehn mit groſſen
Heere,

Jm Fluge durch die Lufft, und uͤber Erd und Meere,

Jn andre Gegend hin. Sie ziehen ſchleunig fort,

Jn andre Laͤnder hin, an einem warmen Ort;

Sie kommen bei dem Schein der warmen Fruͤhlings
Blikke,

Aus ihren Auffenthalt der Winterszeit zuruͤkke.

Zwar einge finden ſich, die das in Zweiffel ziehn,

Daß Schwalben ganz hinweg in fremde Gegend
fliehn,

Sie meinen, daß ſie ſich in tieffen Grund verſtek-
ten,

Bis ſie ſich durch den Strahl der Sonnen aufer-
wekten.

Dem ſey nun, wie ihm ſey; gnug zu der Herbſtes
Zeit,

Sind ſie wie Kraniche zu ihrer Flucht bereit;

Sie werden durch den Reiz in der Natur bewogen,

Sie ſind uns dem Geſicht im truͤben Herbſt entflo-
gen.

Bei Wachteln, Kranichen iſts gaͤnzlich ausgemacht,

Daß wenn der Jahreskreis, die Herbſtzeit herge-
bracht,

Sie nach dem warmen Strich, zu denen Suͤdens
Theilen,

Gleichſam, als Truppenweis mit ſchnellen Fluͤgeln
eilen.

Der Fuͤhrer fliegt vorher, durchſtreicht die duͤnne
Bahn,

Und zeigt den rechten Weg in fremde Laͤnder an,

Die andern folgen nach, in wollgeorndten Zuͤgen,

Da ſie wie Linien, als leichte Heere fliegen.

Ob ihnen gleich die Welt im Abris nicht bekannt;

So
[171]Die wunderbahre Flucht unterſchiedner Voͤgel.
So finden ſie doch ſtets, das ausgeſuchte Land,

Kein Compas leitet ſie, wenn ſie bei Sturm und
Regen,

Bei truͤber Finſternis etwan von ihren Wegen,

Von rechter Straſſe irrn. Und dennoch koͤnnen ſie,

Ohn eine Kuͤmmernis, ohn eine ſaure Muͤh,

Jn einer freien Lufft, in den geraden Gleiſen,

Wohin ſie immer wolln, ohn eine Charte reiſen.

Jſt das nicht wunderbahr, iſts nicht betrachtens
werth?

Wer hat das Federvolk, das ohn Vernunfft, be-
lehrt,

Daß in dem Kreis der Welt, auch heiſſe Laͤnder
ſchweben,

Allwo ſie ohne Froſt im Winter koͤnnen leben?

Wer hat die Zeit beſtimmt, da ſie von dannen gehn?

Sie koͤnnen nicht wie wir, in den Calender ſehn:

Und dennoch wiſſen ſie der Zeiten Aenderungen

Und auch die mit der Zeit verknuͤften Witterungen.

Der Aufbruch der geſchicht, nicht einzeln, allge-
mach,

Nein, ſie vergleichen ſich, ſie waͤhlen einen Tag

Da ſie aus unſern Kreis, mit groſſer Heeresſcharen,

Zu einer andern Welt, auf einmahl uͤberfahren.

Wer ſagt den Aufbruch an, wer ſtellt die Ordre
aus?

Jhr Zug wird anberamt, ſie gehn mit ſtarken Braus,

Sie reiſen durch die Lufft zum warmen Erdenkreiſe,

Durchziehn die leichte Bahn, und wandern Trup-
penweiſe.

O! ewge Vorſehung! du lenkſt ſie nur allein,

Dein weiſeſtes Regiern, das muß ihr Leitſtern ſeyn,

Der eingepflanzte Trieb, der muß von dir entſtehen,

Du haſt das auch beſtimmt, wie, wenn es ſol ge-
ſchehen.

Du
[172]Die wunderbahre Flucht unterſchiedner Voͤgel.
Du haſt zwar die Vernunfft, die weiſe Fuͤhrerin,

Die unſre Thaten lenkt, und einem klugen Sinn,

Den Thieren nicht geſchenkt; doch aber dahingegen,

Mit ſolchen Trieb verſehn, den wir mit Luſt erwe-
gen.

Es handelt nach dem Trieb, den du ihm einge-
druͤkt,

Und daher kommt es auch, das man ſo viel erblikt,

Was weiſe, klug und wohl. Man ſieht dein weiſes
Walten,

Anbetenswuͤrdger GOtt! in allen den Anſtalten

Die in dem Thierreich ſind. Es fehlt dem Thier
Verſtand;

Wenn man ſein Thun anſieht; ſo merkt man deine
Hand,

Die alles weislich lenkt, ſo daß ohn eignes Tichten,

Sie alles wunderbahr zum guten Zwekke richten.

Und weil der Handlung Grund nicht in denſelben
iſt;

So lernen wir daran die Warheit: GOtt du
biſt,

Ein groſſer Zebaoth, der uͤber alles wachet,

Sich in der Kreatur vor Menſchen herrlich machet.

Laß uns allweiſer GOtt! darauf das Herze drehn,

Wenn wir, was wunderbahr, an denen Voͤgeln
ſehn!

Der Schoͤpfer zeiget uns, bei ihren weiſen Werken,

Daß unſre Schuldigkeit die Weisheit zu bemerken,

Die ſie geſchikt gemacht. Wer ſich nur dran ver-
gnuͤgt,

Wenn eine Schwalben Schaar, in ſchoͤnſter Ord-
nung fliegt;

Und weiter nicht gedenkt, der ſieht die Kreaturen,

Und ſieht dabei doch nicht des weiſen Schoͤpfers
Spuren:

Wer
[173]Die wunderbahre Flucht unterſchiedner Voͤgel
Wer aber dabei recht was wunderbahr bedenkt,

Das Auge des Gemuͤts auf ihren Schoͤpfer lenkt:

Der fuͤhlt ein doppeltes, ein inniges Vergnuͤgen,

Wenn ſie zur truͤben Zeit, aus unſrer Gegend flie-
gen.

Wir merken daß ein Thier, ob es gleich nichts ver-
ſteht,

Den Triebe der Natur ganz ordentlich nachgeht;

Sein Thun das richtet ſich nach der Natur Geſe-
zen,

Es kan aus innren Zwang dieſelbe nicht verlezzen.

Die Freiheit fehlet ihm, und kommt die rauhe Zeit,

So iſt der Kranich gleich zu ſeiner Flucht bereit;

Er geht zur andren Welt, ſich daſelbſt zu erhalten,

Wenn in dem ſtarren Froſt die Luͤffte hier erkal-
ten.

Wir Menſchen ſind von GOtt viel herlicher ge-
macht,

Er hat in uns ein Licht des Geiſtes angefacht,

Das heiſſet der Verſtand, das Auge unſrer See-
len,

Der Wille muß darnach in rechter Freiheit waͤhlen,

Was uns als nuͤzlich ſcheint. Allein wir folgen
nicht,

Dem Urtheil allemahl, das der Verſtand ausſpricht,

Verſaͤumen oft die Zeit; wir wollen nicht entflie-
hen,

Wenn truͤbe Wolken ſich auf uns zuſammen ziehen.

Ein Kranich nimmt die Zeit zu ſeiner Flucht in Acht,

Und wir, die wir doch ſind nach GOttes Bild ge-
macht:

Wir liegen leider ſo, als Sclaven in den Ketten,

Und ſind ganz unbeſorgt uns aus der Noth zu ret-
ten.

O!
[174]Die wunderbahre Flucht unterſchiedner Voͤgel.
O! Menſchen! lernet doch an dieſen Voͤgelein,

Man muß zur rechter Zeit, beim Gluͤkkes Sonnen-
ſchein,

Worauf offt Ungluͤk folgt, mit Klugheit ſich bemuͤ-
hen,

Den rauhen Ungemach der Zeiten zu entfliehen.

Jm eitlen Kreis der Welt regiert der Unbeſtand,

Das iſt uns allen ja aus der Natur bekannt,

Wir koͤnnen auf der Welt nicht unaufhoͤrlich le-
ben,

Drum laſſet uns mit Fleis nach ewgen Huͤtten ſtre-
ben!


Gedan-
[175]
Gedanken uͤber einem Weinſtok
mit gereifften Trauben zur
Herbſtszeit.

Was ſeh ich da an Garten Waͤnden

Vor ſtrahlende Tapecerei?

Mir deucht, daß ſie von denen Haͤn-
den,

Des Schoͤpfers, auch gewebet ſey.

Ein duͤrrer Stock voll ſchlanker Reben,

Kan ſolche Augenweide geben,

Wie iſt das nicht erquiklich ſchoͤn?

Ach! laß mich HErr zu deinem Ruhme,

Auch in der Gaͤrten Heiligthume,

Des Weinſtocks Luſt und Schmuck beſehn.

Der Anblik zeuget die Gedanken:

Ein duͤrrer Stamm bringt ſolche Pracht,

Wenn er mit den geſchlungnen Ranken,

Die Gaͤrtenwaͤnde gruͤnend macht.

Die Kunſt muß ſie in Ordnung binden,

Wie ſie ſich in die Hoͤhe winden,

So ſinds Tapeten der Natur

Die mit den durchgeflochtnen Zweigen,

Jn Blaͤtterreicher Anmuth zeigen,

Manch Herzerfreuliche Figur.

Jhr
[176]Gedanken uͤber einem Weinſtok.
Jhr die ihr eurer Wohnung Zimmer,

Mit ſolchen Dekken ausgelegt,

Woraus ein Strahlenreicher Schimmer,

Jn unſrer Augen Spiegel ſchlaͤgt.

Jhr moͤgt mit Stikwerk, Mahlereien,

Den Anblik ſuchen zu erfreuen,

Die Waͤnde mit den Bildern ziern,

Es muß doch das, was kuͤnſtlich glaͤnzet,

Vor dem, was die Natur bekraͤnzet,

Die Pracht der Farben bald verliehrn.

Seht an, den Weinſtok mit dem Laube,

Wie er ſich um die Pfaͤle ſchlingt,

Und wie dadurch die Purpurtraube

Jn ſanfftgemiſchten Glanze dringt.

Hier ſind lebendige Figuren,

Und ſchlankigte gezogne Spuren:

Ein Rankenwerk natuͤrlich ſchoͤn,

Da eines ſich durchs andre bieget,

Ein Blat gleichſam auf andren lieget,

Wie ſich der Reben Gabeln drehn.

Jhr ſchmuͤkket mit gemahlten Kraͤnzen,

Die Majeſtaͤtſchen Haͤuſer an,

Wo man ein ſchimmernd guͤldnes Glaͤnzen,

Was herrliches bewundern kan:

Jedoch die Pracht muß ſich verdunkeln,

Bei der erhabnen Trauben Funkeln,

Die gruͤnlich, roth und Purpurbraun,

Jn ſchoͤn geformter Ordnung hangen,

Da aller Edelſteine Prangen,

Jn ihren Beerleins anzuſchaun.

Wie
[177]Gedanken uͤber einem Weinſtock.
Wie herrlich ſind ſie ausgezieret,

Wenn man die Trauben recht erblikt,

Die wie Criſtallen klar poliret,

Gefuͤllten Perlen gleich geſchmuͤkt;

Der Nectarſafft der darin ſchwimmet,

Darin als hellen Bechern glimmet,

Erregt des Gaumes Luͤſternheit,

Man ſaugt den Safft, den Trank der Reben,

Der bei den Kummer-vollen Leben,

Der Menſchen banges Herz erfreut.

O! lieblich wachſendes Vergnuͤgen,

Womit der Schoͤpfer uns begabt,

Womit ſein waltend weiſes Fuͤgen,

Das Aug ergoͤzt, die Zunge labt!

Die Sinnen ſtarren bei dem Seegen,

Wenn wir mit ſtiller Luſt erwegen,

Wie wunderbar der Weinſtok ſprießt;

Das Herze wallt, wenn wir bedenken,

Wie guͤtig GOtt in den Geſchenken,

Woraus ein ſuͤß Erquikken fließt.

Der Allmacht wundervolle Gaͤnge,

Sind an dem Weinſtok gnug zu ſehn,

Und in der Trauben ſuͤſſe Menge,

An jeder Beere zu erhoͤhn.

Ein duͤrrer Stok wird zu Canaͤlen

Wodurch zur Lindrung bei dem Quaͤlen

Der Kummerwelt, ein Labſal laͤufft;

Ein Labſal das recht feurreich quillet,

Das Blut mit Lebens-Geiſtern fuͤllet;

Die matt gewordnen Glieder ſteift.

Dritter Theil. MWie
[178]Gedanken uͤber einem Weinſtok.
Wie wunderbar wird durch die Sonnen,

Der Trauben Safft zu Wein gemacht,

Der als ein Waſſer erſt geronnen,

Und in die Reben eingebracht.

Der Lichtes Born, das Hoͤchſte Weſen

Laͤßt uns darinnen deutlich leſen,

Was es vor groſſe Wunder thut;

Es ſchafft zum Zeugnis ſeiner Groͤſſe,

Den Wein, verwandelt Waſſer-Naͤſſe

Jns feuerreiche Trauben-Blut.

Wie manigfalt ſind die Getraͤnke,

Die durch die ſchlanken Reben gehn

Wenn ich dies Ehrfurchts-voll bedenke

So kan ich GOttes Allmacht ſehn.

Die Stoͤkke, die an aͤuſren Zeichen,

Sich faſt in allen Laͤndern gleichen,

Sind doch an Fruͤchten mannigfalt;

Der Weine Arten die wir haben,

Sind mannigfaltge Wunder-Gaben,

Dies lehrt Geſchmak, die Krafft, Geſtalt.

Die Art ſchmekt ſaͤurlich, jene ſuͤſſe,

Die bitter wie der Alicant,

Und ſind doch alle bloſſe Fluͤſſe

Der ſafftgen Erde, wie bekandt:

Wenn wir dies achtſam uͤberdenken,

Dabei das Herz zum Schoͤpfer lenken,

Der dieſen Unterſcheid formirt;

So muͤſſen wir geruͤhrt bekennen,
GOtt ſey ein weiſer GOtt zu nennen,

Davon uns alles uͤberfuͤhrt.

Die
[179]Gedanken uͤber einem Weinſtok.
Die Guͤte ſucht uns zu erquikken,

Dazu muß auch der kraͤfftge Wein,

Den wir aus zarten Beeren druͤkken,

Ein heilſam ſtaͤrkend Mittel ſeyn.

Ach moͤchten wir dieſelbe ſchmekken,

Wenn wir der Trauben Nectar lekken:

So wuͤrde dieſes Tranks Genus,

Bei vielen nicht, wie oft geſchiehet,

Wenn er durch helle Glaͤſer gluͤhet,

Gebraucht zum ſchnoͤden Ueberflus!

Man ſingt und jauchzet bei Pocalen,

Worin des Herzens Freude ſchwimmt:

Allein wird woll bei vollen Schalen

Ein klingend Danklied angeſtimmt,

Dem Geber, der den Wein beſcheret,

Und uns mit ſuͤſſen Tropfen naͤhret?

Ach! leider hoͤrt man bei dem Klang

Der Glaͤſer die mit Wein gefuͤllet,

Wie dieſer ſchreit, der andre bruͤllet,

Der Geilheit uͤppigen Geſang.

Du weiſer GOtt! haſt uns gegeben,

Dis Weinſtocks ſchoͤnen Nectertrank:

Damit wir bei vergnuͤgten Leben,

Dir opferten Lob, Preis und Dank:

Jch ſehe jezt bei welken Laube,

Die durch die Sonn gereiffte Traube,

Jch ſchmekke ihre Suͤſſigkeit,

Und drin mit nuͤchternen Gemuͤthe,

Auch deine groſſe Wunderguͤte,

Die uns den Lebensſafft anbeut.

M 2Der
[180]Gedanken uͤber einem Weinſtok.
Der Weinbau iſt wie man erfahren,

An denen Bergen wol gedeit,

Du haſt dadurch zu vielen Jahren,

Den Menſchen reiche Luſt verleiht.

Die Kelter ſchaͤumen voller Saͤffte,

Die Winzer ſehen ihr Geſchaͤffte

Mit Seegen, Ueberflus bekroͤnnt:

O! woll dem, der das kan genieſſen

Was GOttes Guͤte laͤſt erſprieſſen,

Ohn daß man ſchnoͤder Wolluſt froͤhnt!


Die
[181]

Die kurze Lebens-Zeit.


Das Leben iſt ſehr kurz, wenn man
die Jahre zaͤhlt,

Die unſers Schoͤpfers Schlus,
zum weiſen Ziel erwaͤhlt,

Wie bald verſchwinden nicht, die

Schatten-gleichen Stunden,

Die wenn man ſie ermißt nur fluͤchtige Secunden!

Noch kuͤrzer aber wird die Zeit, wenn man erwegt,

Wie ſie in Lebenslauf mit uns zu gehen pflegt:

Der Kindheit Jahre fliehn, da man im Traume
lieget,

Die Unempfindlichkeit uns ſtets zum Schlaf ein-
wieget.

Ein Theil geht alſo ab, da man nicht einmahl
weiß,

Warum man Odem ſchoͤpft, was unſers GOtts
Geheis.

Die Jugend kommt heran, da wir zuerſt aufwa-
chen,

Jn etwas uns bemuͤhn ein kuͤnfftig Gluͤk zu machen,

Die Zeit wird abgekuͤrzt, durch Muͤßigkeit und
Spiel,

Durch kindiſches Gewaͤſch, durch nichtiges Ge-
wuͤhl.

Die Jahre kommen an, wo der Verſtand gereiffet,

Da man noch nichts gethan, und ſie doch ſchon ge-
haͤuffet,

M 3Da
[182]Die kurze Lebens-Zeit.
Da reget ſich der Fleis, ſo lange man noch bluͤht

Doch wenn man abermahl die Schlaffeszeit ab-
zieht;

So geht die Helffte ab, und was vor Arbeits-
Stunden,

Sind nicht in Muͤßigkeit, in fauler Ruh ver-
ſchwunden?

Zieht man die wieder ab; ſo iſt die Lebenszeit,

Schon wiederum verkuͤrzt, die GOtt zum Dienſt
geweiht.

Des Alters Mattigkeit untauglich zum Gewerben,

Lehrt daß die Alten ſchon, eh ſie noch wuͤrklich ſter-
ben,

Schon wie erſtorben ſind: Darum iſt ſonder Streit,

Noch kuͤrzer als man meint, die kurze Lebens-Zeit:

Wenn man dies recht bedenkt, muß man die Zeit
recht brauchen

Weil Jahre, Monath, Tag und Stunden bald ver-
rauchen.


Der
[183]

Der Bienen und Wespenſtreit
eine Fabel.


Ein Bienenſchwarm und Wespen
Hauffen,

Kam einſt zum Wettſtreit herge-
lauffen:

Es ſprach der Wespen Nation,

Dem Bienen-Volke trozzig Hohn.

Jhr Bienen ſprachen ſie, ihr tadelt,

Die Wespen die euch gleich geadelt,

Was habt ihr woll zu eurer Ehr

Voraus, fuͤr einem Wespen-Heer?

Jhr ſeid bemuͤht herum zu fliegen,

Und darin finden wir vergnuͤgen.

Jhr ſauget eure Nahrung ein,

Aus wunderſchoͤnen Bluͤmelein:

Und wir durchloͤchern ſchoͤne Fruͤchte,

Genieſſen manches ſuͤß Gerichte.

Jhr habet Stacheln, die gewezt,

Womit ihr manche Haut verlezt:

Wir ſind damit auch ausgeruͤſtet,

Dies fuͤhlen die, den es geluͤſtet,

Uns unſre Neſter zu zerſtoͤhrn,

Uns zu erſtikken, zu verheern.

Sagt an, was koͤnnt ihr mehr aufweiſen

Warum ihr ſeid vielmehr zu preiſen?

M 4Die
[184]Der Bienen und Wespenſtreit.
Die Bienen ſprachen: O! wie weit,

Jſt zwiſchen uns der Unterſcheid,

Jhr muͤſſet uns drum billig weichen,

Ob wir in aͤuſern ſchon zu gleichen.

Es ſchadet zwar der Stachel Spiz

Den Menſchen, doch wir ſind auch nuͤz:

Wir ſchenken ihnen Suͤßigkeiten,

Da wir den Honig zubereiten;

Und was der Stachel Gifft verlezt,

Wird durch dem Honig-Bau erſezt:

Wir ſchwaͤrmen in den holden Gruͤnen,

Nicht uns, wie ihr, allein zu dienen.

Die Haͤuſer, die ihr auferbaut,

Sind kuͤnſtlich, wenn man ſie anſchaut:

Doch lange nicht mit unſern Zellen

Nach dem Verhaͤltnis gleich zu ſtellen:

Das Wachs woraus wir ſie formirt,

Gebildet, wunderbar geziert,

Jſt brauchbar zu ſo vielen Sachen,

Die Menſchen aus denſelben machen.

Darum erlanget unſer Fleis,

Fuͤr euch den wollverdienten Preis.


Leh-
[185]

Lehre.


Die Wespen ſind ein Bild, von
den unnuͤzen Leuten,

Die mit der Laͤſterzung, als
wie mit Stacheln, ſtreiten:

Die Bienen aber ſind, den Sittenlehrern
gleich,

Die zwar empfindlich ſind, doch auch am
Honig reich;

Die Laͤſtrer ſtechen nur, das andern muß ver-
drieſſen.

Ein Sittenlehrer weis die Stiche zu verſuͤſſen.



[186]

Gedanken
bei einem bebruͤtetem Ey.


Wo GOtt das Leben giebt, da giebt
er Nahrung auch,

Verſorgt die Kreatur; wenn ſie
noch in dem Schlauch

Der ſie gebiehrt, verſtekt: Wie ſolt er uns das
Leben,

Da er der Vater iſt, ohn Lebens Nahrung geben?

Das thut der Schoͤpfer nicht, der maͤchtig, guͤtig,
treu;

Wo er das Leben giebt, legt er die Nahrung bei.

Wir koͤnnen dieſes klar an denen Eyern ſehen,

Woraus die junge Brut der Kuͤchelein entſtehen.

Seh ich ein Ey recht an, und was darinnen ſtekt,

So wird in meiner Seel Bewunderung erwekt:

Man kan nicht ohne Luſt die Theile all erwegen,

Die ſich in einem Ey, uns vor die Augen legen.

Ein gelber Dotter der recht in der Mitte liegt,

Jſt an den Enden feſt ins Weiſſe angefuͤgt

Durch Baͤnder welche man, die Hagelknoͤtchen
heiſſet,

Und die verlieren ſich, wo ſich das Weiß ergeuſſet.

Ein doppelt Eyerweiß fuͤllt denn die Schalen an,

Wie man im Augenblik mit Luſt anſehen kan,

Wenn man ſie nur zerbricht. Das eine iſt verduͤn-
net,

Das
[187]Gedanken bei eiuem bebbruͤtetem Ey.
Das wenn die Schale bricht, wie milchicht Waſſer
rinnet;

Das andre Weiß iſt ſteif, am Dotter angeklebt,

Und durch die Knoͤtchens feſt und gleichſam durch-
gewebt.

Der Dotter und das Weiß ſind zwiefach ganz um-
geben

Von doppelt zarter Haut, worin ſie ſanfte ſchwe-
ben:

Und dieſe wiederum ſind ſicher, wohl verwahrt,

Durch eine dichte Schal, die rundlicht, feſt und
hart,

Die harte Schale haͤngt an denen duͤnnen Haͤuten

Nur an dem Ende nicht, wo ſich die Eyr ausbrei-
ten,

Woſelbſt ein kleines Loch mit Luft gefuͤllet bleibt,

Die Schale und die Haut ein wenig abwerts treibt.

Der Dotter faßt in ſich der Fruͤchte erſten Saa-
men

Den wir den Urſtof ſonſt, die Urbildung benah-
men,

Der wie ein weiſſer Ring an ſeiner Flaͤche fließt,

So lang das Ey noch friſch und unbebruͤtet iſt.

Wenn es bebruͤtet wird; und ſich der Ring aus-
breitet,

So wird daraus die Frucht recht wunderbahr ge-
leitet.

Das duͤnne Eyerweiß naͤhrt ſolche Kuͤchelein,

So lange ſie annoch in denen Schalen ſeyn,

Es fließt die Roͤhren durch, die in dem Ey zu fin-
den,

Und durch die Nabelſchnur ſich mit der Frucht
verbinden.

Die Luftgefuͤllte Hoͤh wird durch die Waͤrm erregt,

Die
[188]Gedanken bei einem bebruͤtetem Ey.
Die denn den Nahrungsſaft zur Fluͤßigkeit bewegt

Die Roͤhren offen haͤlt, wodurch derſelbe flieſſet,

Wodurch er ſich hernach ſelbſt in die Frucht ergieſ-
ſet.

Die Frucht waͤchſt taͤglich mehr in ihrem Aufent-
halt,

Bis daß ſie endlich kommt zur voͤlligen Geſtalt:

Dann bricht die Schal entzwei, und kaum iſt ſie
zerbrochen,

So kommt recht wunderbahr, die Frucht hervor ge-
krochen,

Die ins Gedaͤrme ſchließt, was von dem Dotter
bleibt,

Wie uns Malpighius (*) aufs herrlichſte be-
ſchreibt.

So weislich ſorget GOtt auch vor der Thiere Le-
ben,

Daß er den Kuͤchelein die Nahrung mitgegeben,

Damit ſie ſich zuerſt nach der Gebuhrt ernaͤhrn,

Wenn ſie die Welt erblikt, die mehrers kan beſchern.

Bedenket Menſchen doch wie GOtt ein weiſes
Weſen,

Es giebt euch dies ſo gar ein kleines Ey zu leſen!

Wie wunderbahr iſt nicht der Allmacht Haͤndewerk,

Nehmt dies an einem Ey zu euren Augenmerk,

Und lernet auch hieran: wer ſolche wird betrachten

Der muß ſie herrlich, ſchoͤn, der muß ſie koſtbar
achten.

Lernt ſeine Vorſehung die auf die Thiere ſieht,

Die wunderbahr ſie ſchaft, aus ihrem Kerker zieht,

Die wird euch nimmermehr ſo ganz verlaſſen koͤn-
nen,

So lang er Vater iſt, wir Kinder ſind zu nennen.



[189]

Gedanken uͤber ein Kupfer-Blat,
darauf der Moloch ein heidniſcher
Abgott abgebildet.


Ein ſcheußlich Goͤtzenbild faͤllt mir jetzt
ins Geſicht,

Davon das Alterthum, als Am-
mons Abgott ſpricht,

Daß es aus Ertz gemacht, und doch
als GOtt verehret,

Von denen die der Wahn des Teu-
fels Kind bethoͤret.

Dies ausgehoͤhlte Bild das wie ein Ochs ausſieht,

Und von dem innren Feur der heiſſen Flammen
gluͤht,

Spannt ſeine Arme aus, die Kinder zu umfaſſen,

Die, Eltern ihm zu ehrn, darin verbrennen laſſen.

Mir ſchauderte die Haut bei dem gemahlten Bild,

Das wie ein Ochſe ſieht, obsgleich nicht lebt und
bruͤllt.

Jch dachte nimmermehr wird man dergleichen Goͤz-
zen,

Die Kinder, als ſein Blut, in ſeine Arme ſetzen.

Doch hat der Aberglaub die Zaͤrtlichkeit beſiegt,

Ein Kind darin gelegt, wies im Gemaͤhlde liegt,

Den Flammen eingeweiht, die Kinder laſſen quaͤ-
len.

Jch ſchalt die Grauſamkeit der Alten in der Seelen

Die ſolche Wuth veruͤbt: Jedoch es fiel mir bei,

Daß ſolche boͤſe Art auch noch anjetzo ſey:

Wie
[190]Gedanken uͤber ein Kupfer Blat.
Wie viele Eltern ſind, die untern Chriſten leben,

Die ihre Kinder auch zum Molochs-Opfer geben:

Wie viele geben ſie aus ſchaͤndlichen Gewinn,

Zum Wolluſt Feur verbannt, in Buhler Arme hin,

Die jenem Moloch gleich, darinnen ſie verderben,

Nicht an dem Leib allein, woll an der Seel erſter-
ben.

Wie viele Kinder ſind, die ſich der Wolluſt weihn,

Und uͤber ihren Tod und Untergang noch freun.

Ach! wuͤrde dieſer Dienſt der Wolluſt auch zer-
ſtoͤhret,

Wie Moloch und ſein Dienſt, den Froͤmmigkeit, ver-
heeret!


War-
[191]
Warhaffte Mittel die Leiden
dieſer Zeit zu beſiegen.

Ein tauſendfaches Misvergnuͤgen,

Das quaͤlt die Menſchen in der
Welt,

Und wer daſſelbe kan beſiegen,

Heiſt warlich ein recht groſſer Held:

Jhr Weiſen gebet Mittel an,

Wie man die Noth bezwingen kan.

Jhr denket nach es zu ergtuͤnden,

Jhr ſuchet die Zufriedenheit,

Ein Kleinod das ſehr ſchwer zu finden,

Jn dieſer unvollkommen Zeit:

Was lehret ein geſchaͤrfter Wiz?

Nur Mittel die fuͤr uns unnuͤz.

Der eine ſagt bei Angſt und Schmerze,

Bei folternden Verdrus und Pein,

Kan ein von Grosmuth ſtarkes Herze,

Ein herrlich Lindrungs-Mittel ſeyn:

Allein er lehret nicht dabei,

Wo dieſer Muth zu haben ſey.

Die Noth zerbricht auch hartes Eiſen,

Wer iſt in Leiden ſo geſinnt,
Wo
[192]Warhaffte Mittel

Wo bleibt der Rath der klugen Weiſen,

Wenn Herz und Muth wie Wachs zerrinnt?

Der Rathſchlag der gelinget nicht,

Wenn man bei Angſt von Grosmuth ſpricht.

Der andre ſagt mit ſtolzen Mienen,

Daß einem gut und weiſen Mann,

Wenn ihm ein Ungluͤksſtern erſchienen,

Kein Ungluͤk doch begegnen kan,

Es ſey nur alles Einbildung;

Die Welt ein Land voll Aenderung.

Man muß, ſpricht er, nur weiſe denken,

Daß Truͤbſal Unbequemlichkeit;

Alsdenn wird uns der Schmerz nicht kraͤnken,

Nicht plagen ein ſonſt quaͤlend Leid:

Jedoch was feurig iſt, das brennt,

Wenn man es gleich ſchon Waſſer nennt.

Die Menſchen die im Elend weinen,

Die klagen darum nicht ſo ſehr,

Weil ſie aus falſchen Grunde meinen,

Daß ihre Noth ein Uebel waͤr,

Sie klagen weil das Herze fuͤhlt,

Das Leiden das im Gliedern wuͤhlt.

Der dritte giebt ſtat Arzeneien,

Man ſoll die Einbildung erhoͤhn,

Und ſich darob vorhero freuen

Was man ins kuͤnftig werde ſehn:

Allein wird woll die Angſt erſtikt,

Wenn man im Traum ein Gluͤk erblikt?

Der
[193]die Leiden dieſer Zeit zu beſiegen.
Die alten Weiſen dieſer Erden,

Die geben Mittel an die Hand

Zu lindern der Natur Beſchwerden,

Jedoch es wird nicht weggebannt,

Wenn man kein andres Mittel hat,

Als dieſen blos vernuͤnftgen Rath.

Wer eine Noth denkt zu bezwingen,

Der muß zuerſt die Urſach ſehn,

Woher die Plagen recht entſpringen,

Woher die Leiden all entſtehn.

Wer nicht den Grund des Uebels ſieht,

Der iſt zur Huͤlf umſonſt bemuͤht.

Die Quelle aller Leidenſchaften

Jſt, weil die Menſchen mit den Sin

An Dingen dieſer Erden hafften,

Und ſuchen zeitlichen Gewinn.

Was Sichtbahr iſt, das muß vergehn,

Daraus entſtehen alle Wehn.

Wer das was irdiſch iſt ſehr liebet,

Der graͤmet ſich ob dem Verluſt,

Die Furcht die plaget und betruͤbet,

Die wohnet ſtets in einer Bruſt,

Die nichts mehr wuͤnſchet und verlangt,

Als Guͤter, dran ein Scheingold prangt.

Wer ſeine Leiden will beſiegen,

Jn dieſer Kummervollen Welt,

Der maͤſige ſtets ſein Vergnuͤgen,

Das ihm die Erde vorgeſtellt,
Dritter Theil. NDer
[194]Warhafte Mittel

Der druͤke ſich die Warheit ein,

Was Sichtbar kan vergaͤnglich ſeyn.

Wer nicht im Kummer will verzagen,

Der glaube eine Vorſehung,

Die weiß und kennet unſte Plagen,

Die ſchaffet uns auch Linderung,

Und ſchenket uns den Freuden-Wein,

Jn einem Thraͤnen-Becher ein.

Was uns auf dieſer Welt begegnet,

Das nuͤzzet in der Ewigkeit;

Was ſchadts dem Akker wens drauf regnet?

Es dient zur guten Erndte-Zeit:

So auch wer freudig erndten will,

Der bleibe hier in Thraͤnen ſtill.

Man muß in Leiden dieſer Zeiten,

Jm Glauben auf das Kuͤnfftge ſehn,

Was GOtt uns wird vor Luſt bereiten,

Jn Salems hellgeſtirnten Hoͤhn;

So wird das bange Herz verklaͤrt,

Wenn es von Kummer wird beſchwert.

Man muß was Zeitlich iſt bedenken,

Wie bald daſſelbige vergeht,

Das Herze auf das Ewge lenken,

Das ohne Aenderung beſteht:

Es ſchwindet alle Kuͤmmerniß,

So bald man glaͤubt daß dies gewis.

Darum ihr traurigen Gemuͤther,

Die ihr im Gram und Schwermuth liegt,
Be-
[195]die Leiden dieſer Zeit zu beſiegen.

Beſchaut das Reich der ewgen Guͤter;

So wird das Herz in GOtt vergnuͤgt:

Ruft ſeine Wunder-Guͤte an,

Die alle Plagen mindern kan.

Braucht dieſe Mittel die wir preiſen,

Es ſtekt darin der gute Rath,

Den uns der Lehrer aller Weiſen

Jn ſeinem Wort gegeben hat:

Und JEſus Zeugen zeigen klar,

Jm Beiſpiel (*) daß ſie guͤltig, wahr.

Die Mittel haben ſie geſtaͤrket,

Dagegen ſie die Hoͤll erboßt,

Sie ſind im Leiden, wie man merket

Zufriednes Herzens und getroſt:

Wer nimmt die Arzenei nicht ein,

Da viele durch geholffen ſeyn?


Der
[196]
Der
wunderbahre Bienenſtatt.

Auf mein Herz zu GOttes Preiſe

Der allmaͤchtig, guͤtig, weiſe!

Und beſinge nun den Staat

Den das Heer der Bienen hat,

Weil aus dieſer Thiere Werken,

Ueberzeugend zu beſtaͤrken,

Daß der Schoͤpfer aller Welt,

Sie zum Wunder dargeſtelt.

Siehet man auf die Anſtalten,

Auf das kluͤgliche Verhalten,

Wie ſie ihren Staat formirn,

Jhrer Zellen Bau auffuͤhrn:

So muß man mit Luſt geſtehen,

Daß er weislich auserſehen,

Und daß jedes Fach und Schicht

Schoͤn und kuͤnſtlich eingericht.

Sehen wir die Nationen,

Die vereint zuſammen wohnen,

Nach dem Staatsgeſetzen an,

So ſind alle unterthan

Einem Koͤnig der ſie fuͤhret,

Der in jedem Stok regieret,
Unbe-
[197]Die wunderbahre Bienenſtatt.

Unbekand Geſetze giebt,

Die das Bienen Volk ausuͤbt.

Dieſe kleinen Kreaturen

Zeigen uns viel klare Spuren

Daß der Schoͤpfer ſie gemacht,

Und recht weislich ausgedacht

Zu dem Zwek den man erſiehet,

Wenn man in Betrachtung ziehet,

Wie der Bienen groſſe Scharn,

Honig machen, Wachs erſparn.

Es ſind unterſchiedne Arten,

Einge die der Arbeit warten,

Die mit Ruͤſſeln ſich zu naͤhrn,

Und mit Stacheln ſich zu wehrn

Wunderbahrlich ſind verſehen;

An den Fuͤſſen drauf ſie gehen,

Haͤngen Haͤckgen welche klein,

Und wie krumme Siecheln ſeyn.

Andre die wir Hummeln heiſſen,

Sich der Arbeit nicht befleiſſen,

Sind, nach unſern Augenſchein

Dunkler Farbe, Maͤnnelein,

Die nur das Geſchlecht vermehren,

Wie uns die einſtimmig lehren,

Die der Bienen Staat, Bau, Flucht,

Jm Naturreich unterſucht.

Weil die Hummeln nicht ausfliegen

Sondern meiſt zu Hauſe liegen,

Jſt es auch warſcheinlich klar,
N 3Daß
[198]Die wunderbahre Bienenſtatt.

Daß derſelben muͤßge Schaar,

Sonſt dem Bienen Staate nuͤze,

Weil ſie im verborgnen Size,

Wo der Koͤnig (*) Hofſtaat haͤlt,

Als Aufwaͤrter ſind beſtellt.

Dieſe Hummeln ſind gelitten,

So lang Schwaͤrme auszubruͤten:

Aber zu des Herbſtes Zeit,

Werden ſie verjagt, zerſtreut;

Weil ſie nur den Honig ſaugen,

Und zur Winterszeit nichts taugen;

Stoſſen ſie aus ihrem Haus,

Meiſtentheils dieſelben aus.

Dieſe Hummeln, dieſe Bienen,

Die den Koͤnigen bedienen

Die formiren einen Staat

Der viel tauſend Glieder hat

Wohnen in der Koͤrbe Schichten,

Die ſie ſich von Wachs aufrichten

Oder wo etwan ein Raum,

Jn der Felsklufft, hohlen Baum.

Wenn die Landſchafft wird zu enge

Bei der jungen groſſen Menge:

So muß ſich davon ein Theil,

Ohngeſaͤumet in der Eil,
An-
[199]Die wunderbahre Bienenſtatt.

Anders wieder niederlaſſen

Wie die den Befehl abfaſſen,

Die als Alte drin regiern,

Und den Herſchafts-Scepter fuͤhrn.

Alsdenn wird ein groſſer Lermen,

Und ſie fangen an zu ſchwaͤrmen,

Fliegen wenn ihr Koͤnig rufft,

Sumſend in die weite Lufft;

Flattern darin hin und wieder,

Endlich ſezen ſie ſich nieder

Bis ſie ſich auf ihrer Flucht,

Einen Wohnplaz ausgeſucht.

Wenn der Korb iſt zu bereitet,

Werden ſie dahin geleitet,

Durch ein klingendes Gethoͤn,

Welches ſie bewegt zum gehn:

Da ſie ihren Siz einnehmen,

Welchen ſie hernach bequemen

Und zur Wohnung auferbaun,

Wie wir mit Verwundrung ſchaun.

Alsdenn pflegen die Partheien,

Sich im Felde zu zerſtreuen

Dieſe ſammlen Bauwachs ein,

Von den Wieſen Bluͤmelein,

Welche jene ausarbeiten

Und als Kleiſter zu bereiten

Bauen Haͤuſer, Waͤnde, Thuͤrn,

Die die andren denn polirn.

Wunderbahrlich ſind die Werke,

Wenn man ſich zum Augenmerke,
N 4Die-
[200]Die wunderbahre Bienenſtatt.

Dieſer Bienen Baukunſt nimmt,

Da ein jedes gnau beſtimmt,

Als wenn ſie der Winkel Groͤſſen,

Nach dem Cirkel abgemeſſen;

Als wenn jede Zell und Schicht

Nach dem Maasſtab aufgericht.

Wunderbarlich, wenn wir ſehen

Wie ſie ihren Kleiſter drehen,

Mit dem Kiefern (*) ſtreichen plat,

Dehnen, ſchneiden, beugen glat:

Da, wenn dieſe muͤde worden,

Kommen von dem Bienen-Orden,

Andre die das Werk vollfuͤhrn,

Und was grob gemacht, ausziern.

Dieſe die da glaͤtten, reiben,

Ungeſaͤumt die Arbeit treiben,

Koͤnnen nicht nach Speiß ausgehn,

Darum muͤſſen andre ſehn,

Wie ſie Nahrung denen bringen,

Die bei ſaurer Arbeit ringen:

Und dieſelben ſorgen auch,

Wie ſie fuͤllen ihren Bauch.

Wunderbar iſt das Beginnen,

Wenn den ſuͤſſen Naͤhrerinnen,
Von
[201]Die wundorbahre Bienenſtatt.

Von den andern wird geſagt,

Daß ſie jezt der Hunger plagt:

Alsdenn pflegen ſie zu neigen

Jhren Ruͤſſel, anzuzeigen

Daß ſie von der Arbeit matt,

Und jezt Luſt zu eſſen hat.

Wenn ſie dieſes Zeichen haben,

Theilen ſie aus ihre Gaben,

Und die Speiſemeiſterin

Giebt den andern Honig hin,

Der aus ihrer Blaſſe flieſſet,

Und die Hungrige genieſſet

Durch den Ruͤſſel, da der Safft

Jhr verneute Kraͤffte ſchaͤfft.

Haben ſie verneute Kraͤffte

Eilen ſie gleich zum Geſchaͤffte,

Bis die Wohnſtadt iſt formirt,

Regelmaͤßig aufgefuͤhrt,

Da ſie immer Zell auf Zellen,

Jn geformter Ordnung ſtellen,

Bis daß in der ſchoͤnſten Pracht,

Jhre Stadt zum Stand gebracht.

Auf laßt uns zur Augenweide

Dieſes wunderbar Gebaͤude

Daß die Bienen kuͤnſtlich drehn,

Wie es fertig auch beſehn!

O! wie merklich ſind die Spuren,

An den Werk der Kreaturen,

Von des Schoͤpfers weiſer Macht,

Die daſſelbe ausgedacht!

N 5Denn
[202]Die wunderbahre Bienenſtatt.
Denn wie kan ein Thier erfinden,

Wie das alles zu verbinden,

Was man an dem Bauwerk ſieht,

Dran die Biene ſich bemuͤht.

Der hat ihnen das gelehret,

Den die Welt als Schoͤpfer ehret,

Der hat, wenn mans recht erwegt,

Dieſe Kunſt in ſie gelegt.

Wenn man einen Stok beſchauet,

Der aus Wachſe auferbauet,

Sind die Taffeln anzuſehn,

Da die Wohnungen ſo ſtehn

Wie in denen engen Gaſſen,

Haͤuſer an ein ander paſſen;

Da ſie in zwiefachen Reihn,

Kuͤnſtlich aufgerichtet ſeyn.

Wenn wir uns die kleinen Zellen,

Zur Bewunderung vorſtellen:

So ſind ſie nicht minder ſchoͤn,

Weil ſie ſich recht kuͤnſtlich drehn,

Und mit denen ſpizzen Ekken,

An die andren ſich erſtrekken,

Da ſich immer Feld auf Feld,

Wollgeformmt zuſammen haͤlt.

Wunderbahr ſind auch die Gaͤnge

Dieſer Taffeln, die ſehr enge,

Doch die kleine Kreatur

Drengt ſich gerne durch die Spur

Damit ſtets in jeder Scheibe,

Eine ſanffte Waͤrme bleibe
Die
[203]Die wunderbahre Bienenſtatt.

Die vor einer jungen Brut

Heilſam, die in Faͤchern ruht.

Man ſieht auch vor jeder Zelle

Gleichſam eine hohe Schwelle

Die den Eingang kleiner macht:

Dies iſt weislich ausgedacht:

Weil die Schwellen dazu nuͤzen,

Daß ſie ihren Bau beſchuͤzen,

Der wenn er nicht feſt verſchraͤnkt,

Leichtlich wankt, und ſich verrenkt.

Obgleich ohne Beil und Hammern

Ohne Nagel, ohne Klammern

Dieſer Bau zu Stand gebracht,

Jſt er doch ſo feſt gemacht,

Und mit Kleiſter ſo verkittet,

Daß er bleibet unzerruͤttet;

Und auf viele Jahre ſteht,

Weil kein Wind an ſolchen weht.

Denn ſich vor den Wind zu ſchuͤzen,

Kleiben ſie in allen Rizzen

Eines Korbes, Kleiſter ein:

Wo die Waͤnde duͤnne ſeyn

Werden ſie mit Leim beſchmiret,

Der wie dikkes Pech formiret:

Und wenn man denſelben lekt,

Garſtig und ſehr bitter ſchmekt.

O! wie klug ſind die Anſtalten,

O! wie weiſe das Verhalten,

Das der Bienen Volk uns zeigt,

Deren Wiz kein Thier erreicht!
Wenn
[204]Die wunderbahre Bienenſtatt.

Wenn ein Thier ſich etwan waget,

Zu dem Korb und daran naget,

Suchet ſuͤſſen Honigſeim.

Schmekt es dieſen bittren Leim.

Dadurch wird es abgeſchrekket,

Wenn es kaum den Hals geſtrekket,

Daß es ſich zuruͤkke zieht,

Und nicht weiter ſich bemuͤht

Jn den Bienenſtok zu dringen,

Welches ihm ſonſt koͤnt gelingen:

Alſo bringet Bitterkeit,

Dieſem Staate Sicherheit.

Es iſt alles woll gebauet,

Wenn man dieſe Stadt beſchauet,

Und die aͤuſre Einrichtung

Zeugt bei uns Verwunderung:

Aber wenn wir noch nach ſpuͤren,

Wie ſie ihren Haushalt fuͤhren,

So muß man erſtaunt geſtehn,

Daß auch dieſes Wunderſchoͤn.

Jhre Wohnung hat nur Faͤcher,

Die bequemlichen Gemaͤcher

Sind zur Haushaltung formirt,

Nicht zur eitlen Pracht geziert.

Dieſe Taffeln die geſchichtet,

Sind darnach auch eingerichtet,

Daß ſie theils zum Wohnungsſiz,

Theils zu Vorrathskammern nuͤz.

Ein Theil iſt zum Plaz gegeben,

Worin junge Bienen leben,
Jn
[205]Die wunderbahre Bienenſtatt.

Jn den andren legen ſie

Was mit einer ſauren Muͤh

Als ein Wachs wird aufbewahret;

Jn die dritten wird geſparet,

Auf des Winters rauhen Froſt,

Jhre ſuͤſſe Honig-Koſt.

Wenn wir in die erſten ſehen,

Drin die Jungen all entſtehen

So liegt darin erſt ein Ey;

Bricht daſſelbige entzwei

Kommt ein Wuͤrmgen draus gekrochen,

Das die Mutter faſt zwei Wochen

Mit den ſuͤſſen Honig ſpeiſt

Da ſie denn die Zell zuſchleuſt.

Sie nimmt Wachs und klebt die Loͤcher,

Als den Eingang der Gemaͤcher,

Wie mit einem Dekkel zu,

Und laͤſt ihren Wurm in Ruh.

Der vertroknet, dahingegen,

Ein klein Puͤpgen ohn Bewegen

Daß vorher im Wurm geſtekt,

Daraus ſich hernach entdekt.

Wenn es vierzehn Tag gelegen,

Faͤngt es an ſich zu bewegen,

Und zerbricht des Dekkels Klufft,

Gehet aus der dunklen Grufft,

Troknet ſeine zarten Fluͤgel

Flieget aus auf gruͤne Huͤgel,

Saugt bei warmen Sonnenſchein,

Seine ſuͤſſe Beute ein.

Nun
[206]Die wunderbahre Bienenſtatt.
Nun wir laſſen dieſe fliegen,

Wollen uns nun weiter fuͤgen,

Mit den Wisbegiergen Sinn,

Zu den Vorrathskammern hin,

Wo das Wachs verwahret lieget,

Das die Biene ſammlet, bieget

Knettet, von den Blumen traͤgt,

Und in dieſe Hoͤlen legt.

Wundernswuͤrdig iſts zu ſchauen,

Wenn ſie auf den Blumen Auen

Sammlen dieſen Vorrath ein:

Da ſie ganz beſtaͤubet ſeyn,

Von den gelben Blumen Puder:

Nimmt ein jegliches ſein Fuder

Von den Saamenſtengel fort,

Schleppt es zum beſtimmten Ort.

Wenn ſie nach der Beut ausflieget,

Und der Staub nicht dikke lieget

Den die Blume in ſich haͤlt,

Und in ihren Becher faͤllt,

Sammlet ſie bei ihren Wandern,

Ein gelb Koͤrngen nach dem andern,

Faßt ſie in geſchwinden Lauf

Mit den Voͤrderfuͤſſen auf.

Darauf pflegt ſie es zu ſchlieſſen,

Jn die Hoͤl am Hinterfuͤſſen,

Wo die waͤchſern Kuͤgelein,

Die noch rohe und unrein,

Als in einem Loͤffel liegen:

Wenn ſie ſich nach Hauſe fuͤgen
Wird
[207]Die wunderbahre Bienenſtatt.

Wird der Vorrath abgeſchwenkt,

Der an ihren Fuͤſſen haͤngt.

Wenn die fleißgen Sammler kommen,

Wird die Laſt gleich abgenommen,

Da an ihren Wohnungs-Zelt,

Andre Bienen ſind beſtellt

Die ſie an die Fuͤſſe faſſen,

Damit ſie es fallen laſſen,

Was ſie von der gelben Laſt,

Wie in Ballen aufgefaßt.

Da denn andre kommen muͤſſen,

Die mit ihren fleißgen Fuͤſſen

Es durchknetten bis es glat

Bringen es zur Lagerſtatt,

Da ſie in geordnten Schichten,

Lag auf Lage kuͤnſtlich richten,

Da denn dieſe Lagerſtat

Noch Wachs mancher Farben hat.

Wenn ſie es hernach gebleichet,

Und gereiniget, erweichet,

Durchgemiſcht und klar gemacht:

Wirds zum Vorrath hingebracht,

Damit wenn ein Riß entſtanden.

Gleich Materie vorhanden.

Damit man das ſtets erſezt,

Was an ihrem Haus verlezt.

Wenn ihr Staat ſich auch ausbreitet,

Wird damit ihr Haus erweitet

Er wird vor die Thuͤr geklebt,

Bis ein Puͤpgen drin auf lebt:
Man
[208]Die wunderbahre Bienenſtatt.

Man braucht Wachs die Honigkammern,

Zu verſchlieſſen, zu verklammern:

Jſt das nicht ein ſchoͤner Staat,

Da man nuzbarn Vorrath hat?

Und wenn wir dabei erwegen,

Wie ſie es zu Rathe hegen;

So muß man mit Luſt geſtehn,

Mann koͤnn an den Bienen ſehn,

Wie man ſparſam alle Dinge,

Wenn ſie auch noch ſo geringe

Brauchen muß; weils oft gereut,

Wenn man etwas hat zerſtreut.

Wenn die Puͤpgen ausgebrochen,

Und die waͤchſern Thuͤr durchkrochen

Kommen gleich zwei Bienen her,

Die da, weil das Loch nun leer

An denſelben, an den Schwellen,

Alles gleich in Ordnung ſtellen,

Und das uͤberbliebne Stuͤk

Tragen ſie ſo gleich zuruͤk.

Ebenfals wird das bewahret,

Und auf andre Zeit verſparet,

Was vor Honigkammern kleibt.

Wenn die Nothdurfft ſie antreibt

Daß ſie ſolche oͤffnen muͤſſen,

Um den Vorrath zu genieſſen:

So wird alſo nichts verſchwendt,

Alles nuzbar angewendt.

Welche Klugheit iſt an Thieren,

Mit Bewunderung zu ſpuͤren,
Die
[209]Die wunderbahre Bienenſtaat.

Die oft einem Menſchen fehlt,

Der ſich unaufhoͤrlich quaͤlt;

Was er brauchet zu gewinnen,

Denn wir laſſen viel zerrinnen:

Waͤren wir wie Bienen klug,

Haͤtten wir auch leicht genug.

Da die Bienen es nicht leiden,

Unnuͤz etwas zu vergeuden

Von dem Wachs, iſt vortheilhafft:

Denn indem das wird geſchafft

Koͤnnen ſie ſich nicht bemuͤhen

Jhren Honig einzuziehen,

Der doch zu der Sommers-Zeit,

Auf den Blumen ausgeſtreut.

Sammlen ſuͤſſe Nahrungs-Saͤffte

Jſt das wichtigſte Geſchaͤffte

Weil der Bienen klare Koſt,

Nicht zu finden bei dem Froſt:

Darum muͤſſen ſie bei Zeiten,

Einen Vorrath zu bereiten,

Wenn die Sonne feurig gluͤht,

Und das Pflanzenreich noch bluͤht.

Wenn das Pflanzenreich in Bluͤte,

Dufftet durch des Schoͤpfers Guͤte,

Ein Gewaͤchs, ein Blumen-Strauß,

Viele zarte Saͤffte aus;

Dieſe klebricht naſſen Saͤffte,

Dieſer Mark und Pflanzen Kraͤffte,

Flieſſen durch die Lufftroͤhrlein

Stark, bei warmen Sonnenſchein.

Dritter Theil. OAls-
[210]Die wunderbahre Bienenſtaat.
Alsdenn ſind die fleißgen Bienen,

Hurtig im bebluͤmten Gruͤnen,

Sezzen ſich auf Thimian,

Auf Lavendeln, Majoran;

Saugen durch des Ruͤſſels Roͤhren

Bei dem Hin und Wiederkehren,

Dieſen ſuͤſſen Safft heraus,

Bringen ihn darauf nach Haus.

Was ſie haͤufig eingeſogen,

Wird wenn ſie zum Korb geflogen,

Bis auf kuͤnfftge Winterszeit,

Jn die Hoͤlen ausgeſpeit.

Sind die Loͤcher angefuͤllet,

Werden ſie mit Wachs verhuͤllet,

Als ein Vorrath woll bedekt,

Daß er nicht werd aufgelekt.

Einige von dieſen Loͤchern,

Von nicht ganz gefuͤllten Faͤchern,

Kan man unverſchloſſen ſehn,

Bleiben darum offen ſtehn:

Weil ſie in dem Staat der Bienen,

Stat der Speiſekammern dienen,

Woraus taͤglich jederman,

Seine Nahrung nehmen kan.

Groſſer GOtt! o! was vor Spuren,

Sind von dir an Kreaturen,

Zu bewundern, zu verehrn!

Du kanſt uns an Bienen lehrn

Deiner Vorſicht weiſes Walten,

Das zu allen den Anſtalten,
Darob
[211]Die wunderbahre Bienenſtatt.

Darob ſich der Menſch erfreut,

Den verborgnen Trieb verleiht.

Dieſe kleinen Alchimiſten,

Die ſo wunderbahrlich niſten,

Deren Bauch von Saͤfften ſchwillt,

Woraus ſuͤſſer Honig quillt,

Zeigen uns in ihren Werken,

Was uns alle Ding beſtaͤrken,

Daß du ſeiſt ein Zebaoth,

Der auch ein verborgner GOtt.

Welcher Wiz kan es ergruͤnden,

Wie die Bienen das erfinden,

Was uns ihre Anſtalt zeigt,

Wie du ihren Trieb geneigt,

Daß ſie mit vereinten Kraͤfften,

Sich gewidmet den Geſchaͤfften,

Daraus uns theils Luſt entſpringt,

Das uns theils auch Nuzen bringt?

Menſchen! lernet doch erkennen,

Daß GOtt weiſe, gut zu nennen,

Der die Thiere ſo begabt,

Daß wir wuͤrden ſtets gelabt:

Laßt euch durch das ſuͤſſe Schmekken,

Durch den Honigſeim erwekken,

Den zu ruͤhmen der uns liebt,

Und ſo manche Nahrung giebt.

Wolt ihr euch an den Geſezen,

Eines Bienenſtaats ergoͤzen;

So ſeht ihn Vernuͤnfftig an,

Weil uns ſolcher lehren kan:
O 2Auch
[212]Die wunderbahre Bienenſtaat.

Auch der Bienen thieriſch Leben,

Kan uns ſchoͤne Regeln geben,

Was zur Wollfahrt in dem Staat,

Jeder zu verrichten hat.

Soll das Band niemahls zerbrechen,

Muß man nie im Zanke ſprechen,

Der Geſellſchaft Einigkeit,

Ruht auf der Beſcheidenheit.

Und das Gluͤck von einem Bunde,

Steht auf einem ſichren Grunde,

Wo man gleiche Neigung hegt,

Alles kluͤglich uͤberlegt.

Wenn die Bienen ſumſend ſchwaͤrmen,

Durch einander fliegen, lermen

Findet man doch keinen Truz,
Alles zum gemeinen Nuz,

Jſt das Wappenſchild zu nennen,

Daran Bienen zu erkennen,

All ihr Fleis geht nur blos hin,

Zum gemeinen Nuz, Gewinn.

Was ihr Staat zur Ordnung ſezzet,

Bleibet feſte, unverlezzet

Arbeit iſt ihr Loſungs-Wort;

Jede Biene gehet fort:

Und ihr abgezielt Bemuͤhen

Jſt Wachs, Honig einzuziehen,

Jede bringt ihr Theil daher,

Keine will als andre mehr.

Eigennuz die Peſt der Leute,

Machet vor ſich keine Beute:
Wo-
[213]Die wunderbahre Bienenſtaat.

Womit ſich ein jeder naͤhrt,

Wird ihm williglich gewaͤhrt:

Und das Theil das ihm beſchieden

Nimmt man, iſt damit zufrieden;

Jn der Bienen Koͤnigreich,

Sind die Unterthanen gleich.

Sie ſind alle reich zu ſchaͤzzen,

Weil ſie ſich gar nicht ergoͤzzen,

Am beſondern Eigenthum:

Das bringt ihren Staate Ruhm

Daß ſie nichts vor ſich begehren,

Und ſich reichlich doch ernaͤhren;

Jhr beſcheidener Genus

Bringet allen Ueberflus.

Wenn wir dies vor Augen nehmen,

Muͤſſen wir uns warlich ſchaͤmen,

Daß die Menſchen leider blind,

Schlimmer als die Thiere ſind.

Jeder ſucht vor ſich zu handeln,

Was gemein heiſt zu verwandeln,

Jn das was man eigen heiſt,

Ob es gleich den Staat zerreiſt.

Was gemeinſchaftlich erworben

Wird durch Eigennuz verdorben,

Da ein jeder gierig frißt,

Was doch eines andern iſt:

Dadurch werden alle Baͤnder,

Die die Staͤdte, Voͤlker, Laͤnder

Jn Vereinigung gebracht,

Theilbar und zunicht gemacht.

O 3Wenn
[214]Die wunderbahre Bienenſtaat.
Wenn die Menſchen ſich verbinden,

Ein gemeines Wohl zu gruͤnden,

Haͤlt man ſelten aͤchte Treu:

Da iſt gleich das Band entzwei.

Eigennutz die Peſt der Staaten

Macht daß eines jedes Thaten

Nur vornemlich dahin zieln,

Sein beſondres Gluͤk zu ſpieln.

Dieſes freßge Ungeheuer,

Hauchet Gift und blaͤfet Feuer

Sauget in des andern Haus,

Allen Mark und Vorrath aus:

Hat der Eigennuz die Biſſen,

Einem andern weggeriſſen,

Macht er ſich mit Reichthum gros,

Wenn die andren nakt und blos.

Daher ſind die Unordnungen,

Jn die Staͤnde eingedrungen,

Die der Menſchen Staat verwirrn:

Jene lachen, dieſe girrn

Jene leben in Vergnuͤgen,

Dieſe die im Staube liegen,

Schwizzen in der bangen Noth,

Seufzen nur nach trokken Brodt.

Dieſes wuͤrde nicht geſchehen,

Wenn wir alle kluͤglich ſehen,

Wie ein jeder Menſche ſoll,

Auch auf eines andern Wohl:
Men-
[215]Der Krieg.

Menſchen lernet von den Bienen,

Die uns zum Exempel dienen,

Daß ein Staat im Flore bluͤht,

Wo man auch auf andre ſieht.


Der Krieg.
Das Hoͤllen-Kind, der Menſchen-Freſſer,

Der Krieg verdirbt die ganze Welt,

Zerſtoͤhrt das Land, tobt im Gewaͤſſer,

Das von dem Menſchen Blut auf-
ſchwellt,

Durch ſein Verheern, ergrimmtes Morden,

Sind Menſchen wilde Thiere worden.

Der Krieg entſpringt aus falſchen Meinen,

Aus Hochmuth oder Eigennuz:

Man will vor andern herrlich ſcheinen,

Drum beut man einem andern Truz;

Man denkt durch ein recht wuͤtend Schnauben,

Des andern Anſehn zu berauben.

So bald der erſte Menſch verlohren,

Was ihm zum Kleinod ward geſchenkt,

Da war der ſtolze Muth gebohren,

Der immer auf den Vorzug denkt.

Die wahre Liebe war gewichen:

Drum muſte ſich die Ruh verkriechen.

O 4Ein
[216]Der Krieg.
Ein Bruder wurde in den Tagen,

Da noch die Welt von Menſchen leer,

Von einen Bruder todt geſchlagen,

Warum? er meinte, daß er mehr;

Und weil der Vorzug ihm genommen;

So war dadurch der Has entglommen.

Der Has erhitzte das Gebluͤte,

Den ſchon mit Gift gefuͤllten Born,

Hieraus entſprung in dem Gemuͤte,

Ein hitzig Ungeheur, der Zorn:

Der Zorn ob der verlohrnen Ehre,

Grif eiligſt nach dem Mordgewehre.

Als ſich der Menſchen Zahl vermehrte,

Ward ein Geſellſchafts-Staat erricht,

Da man, was Klugheit ſprach, anhoͤrte,

Darnach man uͤbte ſeine Pflicht:

Allein wie lang blieb ohne Streiten,

Das Morgenroth der guͤldnen Zeiten?

Der Eigennutz fing anzuwuͤten

Das Mein und Dein kam in die Welt,

Fing an die Kriege auszubruͤten,

Zu ſtoͤhren eines andern Zelt:

Man dachte durch ein ſiegreich Kaͤmpfen,

Der andern Voͤlker Macht zu daͤmpfen.

Das was der Hochmut angeblaſen,

Ward durch den Eigennutz vermehrt:

Der Einbildung verkehrtes Raſen,

Das ſolche Moͤrderthaten ehrt,
Ver-
[217]Der Krieg.

Vergoͤtterte die tapfren Helden,

Wie uns die Zeitgeſchichte melden.

Da wurde ungeheures Kriegen,

Und der Begierden wilder Brand,

Ein tapfres Heldenmaͤßig Siegen,

Die Laſter, Tugenden genannt;

Ein jeder muſte ſich befleiſſen,

Ein Loͤwengleicher Held zu heiſſen.

Wer Ehre dachte zu erlangen,

Der wagte ſich ins weite Feld:

Den Bogen, Pfeil und Schwerd und Stangen,

Die machen einen groſſen Held:

Wer ſolche wuͤteriſch regieret,

Wird mit dem Lorbeer ausgezieret.

Die Ruhe kroch nun hintern Mauren,

Verſchanzte ihre Schuͤchternheit,

Sie ſchien das Blut noch zu bedauren,

Aus Eingebung der Menſchligkeit:

Jedoch die Furien der Hoͤllen,

Die hoͤrten noch nicht auf zu bellen.

Wer ſich aus Vorſicht ſo beſchirmet,

Jn ſeinen engen Grenzen blieb,

Der ward mit Raſerei beſtuͤrmet,

Aus einen Heldenmuͤtgen Trieb:

Man ſuchte Thore zu zerbrechen,

Die leimern Mauren zu zerſtechen.

Der Krieg zerriß die feſten Baͤnder,

Die Treu und Redlichkeit geſchuͤrzt,
O 5Die
[218]Der Krieg.

Die Wuth verſchlang die Reich und Laͤnder:

Wenn dieſer, jenen Held geſtuͤrzt:

So kam ein maͤchtger Alexander,

Und ſtuͤrzte ſie drauf miteinander.

So bald ein Volk nur was verbrochen,

Den Grenzſtein Fingerlang verruͤkt,

So ward die That durch Krieg gerochen,

Ein Heer mit Waffen ausgeſchikt;

Um einem Fusbreit von der Erden,

Mußt Menſchen Blut vergoſſen werden.

O! was vor Blut iſt nicht vergoſſen

So lang die Erde auferbaut:

Wie viele Stroͤme ſind gefloſſen,

Vor deren Anblik man auch graut,

Wenn wir in den Geſchichten leſen,

Wo Schlachtungs-Felder ſind geweſen!

Was vor ein Anblik wenn die Spizzen

Von Schwerdtern durch einander gehn,

Wenn Schlag auf Schlag, wenn Bliz auf Blizen,

Sich ſchwirrend durch einander drehn,

Und wenn die ſchaͤumenden Schwadronen,

Sich ſchlagen um die Sieges-Kronen.

Wie kan man bei dem Anblik glauben,

Daß dieſes edle Menſchen ſeyn,

Die ſich das theure Leben rauben,

Um einen eingebildten Schein?

Man glaubte leichter daß es Baͤren,

Als daß es wahre Menſchen waͤren.

O! welch ein jaͤmmerlich Gehaͤule,
Ent-
[219]Der Krieg.

Entſtehet auf der Lagerſtat,

Wenn ſo viel tauſend durch die Beile,

Der Krieg zerfezt, verſtuͤmmelt hat:

Wenn dieſe todt, und jene wimmeln,

Wie Wuͤrmer in dem Blute krimmeln!

Wenn dieſer rufft, das GOtt erbarme!

Es hat mich die erfochtne Schlacht,

Um meine ausgeſtrekten Arme

Um mein geſundes Bein gebracht:

So kan man was der Krieg vor Wehen

Zu weg bringt, nicht ohn Thraͤnen ſehen.

Wie iſt es muͤglich koͤnt man denken,

Daß man die Menſchligkeit vergißt,

Daß man ſich ſucht in Blut zu traͤnken,

Darin des Bruders Leben fließt:

Wo bleiben da, die reinen Triebe

Der eingepflanzten Menſchenliebe?

Vielleicht hat nur in alten Zeiten,

Der Haß die Wilden angeflammt,

Das unvernuͤnfftig zu beſtreiten,

Was ihre Wuth zum Todt verdammt,

Es ſind woll keine Krieges-Schaaren,

Als bei den grauſamſten Barbaren?

O! nein! die groſſen Erden-Goͤtter,

Die Thronen in der Chriſtenheit,

Vergnuͤgen ſich beim Krieges-Wetter,

Auch noch in einer neuen Zeit,

Wo wir im hellen Lichte ſehen,

Wie man mit Menſchen muß umgehen.

Seid
[220]Der Krieg.
Seid dem aus denen Hoͤllen Schlunden,

Der Schweffeldonner kund gemacht;

Das Pulver und Geſchuͤz erfunden,

Das grauſam ſchmettert, blizend kracht

Jſt dieſes kriegeriſche Morden,

Noch ſchreklicher geuͤbet worden.

Der Zwietracht und des Hochmuts Geiſter,

Des Eigennuzes Furie,

Spielt allenthalben annoch Meiſter

Erregt den Krieg zu Land, zur See;

Die Ehrſucht der erhabnen Thronen,

Erwuͤrgt noch viele Millionen.

Die Herſchſucht will durch Heldenthaten,

Den Ruhm und auch ihr Reich vermehrn;

Sie dringt mit Macht in fremde Staaten

Und laͤßt die Feldpoſaune hoͤrn:

Da kommt die Heldenſchaar zuſammen,

Und zuͤnden an die Krieges-Flammen.

Das Feuer brennt, bleibt ungeloͤſchet,

Bis daß man mit der Krieger Blut

Erſt wiederum abkuͤhlt und waͤſchet,

Der Herſchſucht aufgeglomne Wuth;

Bis das die Laͤnder ganz verheeret,

Die Staͤdt und Thuͤrmer umgekehret.

Und O! du blutge Augenweide

O! Kampfplaz wo das Paukenſpiel,

Die recht erbaͤrmlich bange Freude

Erregt zum moͤrdriſchen Gewuͤhl,
Du
[221]Der Krieg.

Du lehrſt uns in den grauſen Lermen,

Wie graͤslich ſey des Krieges Schwaͤrmen.

Es bruͤllen los die Schrekcarthaunen,

Davon das Herz der Helden bebt,

Da Trommeln, Pfeiffen und Poſaunen,

Es zu der Tapferkeit erregt;

Es naͤhert ſich des Feinds Gewimmel,

Es kommt ein ſtreitendes Getuͤmmel.

Da oͤffnen ſich die truͤben Scenen,

Mit einem donnernden Geſchuͤz,

Der Schauplaz faͤnget an zu droͤhnen,

Es folget immer Bliz auf Bliz,

Es folget immer Knall auf Knallen,

Da hie und da ſchon Streiter fallen.

Ein brennend Blei durchſtreifft die Glieder

Die in gepreßter Ordnung ſtehn,

Es ſtuͤrzen Pferd und Menſchen nieder,

Die kaum im Dampf und Schwall zu ſehn:

Und das heiſt erſt ſich freundlich gruͤſſen,

Und noch Willkommens Salve ſchieſſen.

Verfluchter Grus! wo ſolche Stimmen

Wie Donner in die Ohren ſchalln,

Und wo auf ſchrekliches Entglimmen

Der Flinten, viele niederfalln;

Verdammter Grus! wo ſtat der Kuͤſſe,

Man brauchet die Canonen-Schuͤſſe.

Ein Grus davon die Erde ſchuͤttert,

Preßt eine gleiche Antwort aus,
Die
[222]Der Krieg.

Die gleichfals bruͤllt und toͤßt und wittert,

Wie bei dem Sturm ein Hagelbraus:

Nach ſolchen ſchreklichen Willkommen,

Wird denn der Kampf recht vorgenommen.

Die Menſchlichkeit wird ausgezogen,

Die Loͤwenhant wird angelegt,

Das Herz das ſonſt durch Furcht bewogen

Wird nun zur Grauſamkeit bewegt,

Die zu dem Tod gedungnen Seelen,

Die fangen ſich drauf an zu quaͤlen.

Da gehen wie bei Ungewittern,

Die ſchreklichen Gewehre loß,

Die Schedeln fangen an zu ſplittern,

Geruͤhrt von bleiernen Geſchoß,

Es ſinken ganze Reihen, Glieder,

Getroffen auf einmahl darnieder.

Die Loͤwen die von Feuer funkeln,

Und die von Blut und Eiffer roth,

Die ſchwindeln in dem grauſen Dunkeln,

Die Kugel macht ſie blaß und todt;

Hie ſind die Tyger ohne Klauen,

Da lahme Woͤlfe anzuſchauen.

Dort ſind Verwundete zu ſehen,

Die theils von Noth, theils Wuth erhizt,

Jm matten Grim die Augen drehen

Da ſchon des Lebens Blut verſprizt,

Sie ſchreien in den lezten Zuͤgen,

Da ſie im Blut bedekket liegen.

Sie
[223]Der Krieg.
Sie flehen um ein Freundſchafts-Zeichen,

Den halb entſeelten Nachbahr an,

Und dieſer bittet ſie imgleichen,

Da keiner andern helfen kan,

Sie wuͤnſchen bei dem heiſſen Schmerze,

Und was denn? Einen Stich ins Herze.

Erbaͤrmlich Schauſpiel! der da lechzet,

Nach einem kuͤhlen Labetrank,

Wird durch den Pferdetrap zerquetſchet,

Bei des Getuͤmmels wilden Drang:

Er will ein kaltes Waſſer haben,

Muß ſich in heiſſen Blute laben.

Jedoch noch nicht genug geſtritten,

Obgleich der Wahlvlaz uͤberſchwimmt,

Und ſchon viel tauſende gelitten

Den ein recht klaͤglich End beſtimmt,

Kaum iſt das Donnern erſt zum Ende,

So blizzen ſchon die ſtarken Haͤnde.

Kaum iſt der ſchwarze Staub verſtoben,

Das Pulver und der Schuß vorbei,

Sind Bajonetter aufgeſchroben,

Und was noch lebt, vom Tod nicht frei;

Die Saͤbel werden auch gezuͤkket,

Es wird noch naͤher angeruͤkket.

Da geht es an ein Mezzeln, Stechen,

Als wenn das Vieh zur Schlachtbank geht,

An Wuͤrgen, Hauen, Haͤlſebrechen,

Als wenn man reiffes Korn abmaͤht,
Da
[224]Der Krieg.

Da ſieht man, wie von ſcharffen Hieben,

Kopf, Naſe, Arme, Bein wegſtieben.

Der Krieger Mund der ſchaͤumt von Geiffer,

Der Kopf von Blut, die Hand vom Schweiß,

Sie ringen alle noch mit Eiffer

Nach einen blutgen Sieges Preiß.

Es will noch keiner fluͤchtig weichen,

Bei den geſchaͤrften Schlaͤgen, Streichen.

Der eine Schwarm will hie eindringen,

Der andre wagt ſich dort hinein,

Da geht es wieder an ein Ringen,

Ob ſie ſchon matt und kraftlos ſeyn;

Da muß noch mancher durch das Eiſen

Verwundet nach dem Grabe reiſen.

Doch endlich nach den langen Wuͤrgen,

Bedekket ſie der Flor der Nacht,

Da ſich die Sonne im Gebuͤrgen,

Verkriechet und unſichtbahr macht,

Und da entſteht ein blind Gefechte,

Der zu dem Mord gedungnen Knechte.

Die Vorſicht die das Wuͤten ſiehet,

Den Krieg zu einer Ruthe braucht,

Erſchrekt das Theil, das endlich fliehet

Von Kampfplaz, der von Blute raucht,

Sie theilet aus nach langen Streiten,

Wer ſiegend ſoll den Kranz erbeuten.

Der fliehet und wird nachgejaget,

Die Sieger hauen immer nach
Ein
[225]Der Krieg.

Ein Theil das ganz und gar verzaget,

Entflieht nach der gedrohten Rach,

Es ſtrekt vor ſeines Siegers Heere,

Vor Schrekken bebend ſein Gewehre.

Es ſucht das Leben zu erretten,

Und kommt dadurch zum Knechtſchafftsſtand,

So lange in des Kerkers Ketten

Bis daß des Krieges grimmger Brand

Geloͤſcht; bis daß ſich Boten zeigen,

Mit Friedenszeichen, mit Oelzweigen.

Ein Theil das in die Flucht entweichet,

Flieht ins Gebuͤrge, in dem Wald,

Und wird in banger Angſt geſcheuͤchet,

Sucht einen ſichren Auffenthalt,

Da denn noch viele, die noch leben

Den Geiſt auf ſchneller Flucht aufgeben.

Der eine ſinket in die Pfuͤzen,

Der andre ſtuͤrzt von Pferd herab,

Und rennt ſein Leben zu beſchuͤzen,

Und faͤllt doch in des Todes Grab;

Der dritte will noch Beute machen,

Und laͤufft dadurch den Todt im Rachen.

Auf laſt uns nun zuruͤkke gehen

Die Krieges-Saat, das Leichen-Feld,

Und die erſchlagnen Helden ſehen

Die Mord und Raub zum Scheuſal ſtellt!

Da liegen ſie in Blut beflekket

Wie bleiches Heu blaß ausgeſtrekket.

Dritter Theil. PDa
[226]Der Krieg.
Da liegen ſie die Schrekgeſichter,

Davor die Raſerei erſchrikt;

Daß Herz der aͤrgſten Boͤſewichter,

Wird weich, wenn es daſelbſt erblikt,

Wie ſcheußlich durch das grimge Morden,

Die jezt entſeelten Krieger worden.

Verfluchter Ort! wo ſie geſunken,

Und wo die Erde ſo viel Blut,

Von Menſchen haͤuffig eingetrunken,

Und wo die wilde Krieges Wuth,

Da wo die Koͤrner ausgeſaͤet,

Stat Aehren, Koͤpfe abgemaͤhet.

Du muſt zum Denkmal ſpaͤter Tage,

Ein Auffenthalt der Pardel ſeyn,

Ein oͤder Ort voll Jammerklage

Der Zihim und der Kauͤzelein;

Ein Kirchhoff wo die wilden Eulen,

Wie Schrekgeſpenſter immer heulen.

Beſehet hier gewaltge Fuͤrſten!

Was Eigennuz darniederſchlaͤgt,

Was euer Herſchſucht lechzend Duͤrſten,

Vor Jammer und vor Noth erregt:

Beſchaut die Opfer eurer Staaten

Wie klaͤglich ſind die Heldenthaten?

Wie koͤnnt ihr auf den Menſchenknochen,

Der Herrſchafft feſte Thronen baun,

Gebeine die das Schwerd zerſtochen,

Als Saͤulen eures Reichs anſchaun,
Wie
[227]Der Krieg.

Wie theur iſt nicht der Sieg gegeben,

Es koſtet vieler Menſchen Leben?

Seht der erſchlagnen Helden Hauffen,

Berechnet wie viel ſolcher gilt;

Seht hier die rothen Stroͤme lauffen,

Wovon die Wallſtat annoch ſchwillt;

Bedenket die ſind euch genommen,

Was habet ihr dafuͤr bekommen?

Ein Land, ein Raum zerſtoͤhrter Erde,

Wo Kuͤmmerniß und Elend wohnt;

Woruͤber ihr nicht ohn Beſchwerde

Bei kummervollen Naͤchten thront,

Wofuͤr ihr muͤßt an jeden Morgen,

Bei neuerwachter Unruh ſorgen.

O! Krieg du moͤrdriſches Geſchikke,

Was bringeſt du vor Noth der Welt,

O! was vor banges Ungeluͤkke

Dringt durch dein aufgeſchlagnes Zelt,

Bei deinen ausgegoſſnen Flammen,

Kommt alles Elend recht zuſammen.

Du reiſſeſt durch dein herbes Streiten,

Der Wollfahrt feſte Saͤulen ein,

Du nimmſt den Weibern von der Seiten,

Die ihre Schuͤzer, Naͤhrer ſeyn,

Du machſt daß viele arme Waiſen,

Mit Winſeln hin und wieder reiſen.

Du machſt durch Sengen und durch Brennen,

Die Staͤdte zu den Wuͤſtenein,
P 2Du
[228]Der Krieg.

Du hemmeſt durch dein wuͤtend Rennen,

Der Felder Seegensvoll Gedein,

Du jaͤgſt aus ihren vollen Huͤtten,

Die klaͤglich um ihr Leben bitten.

Du macheſt rauberiſche Leute,

Verwandelſt Lieb in Grauſamkeit,

Du giebſt zu der Soldaten Beute

Der Armen Brodt, der Nakten Kleid:

Es muß wo deine Fahnen fliegen,

Geſez und Recht darnieder liegen.

Die Laͤnder die von Milch und Weine

Wie Canaan begluͤkket warn,

Und wo bei Thau und Sonnenſcheine,

Sich Ueberflus und Seegen paarn,

Die werden durch dein Schwerd zerſtoͤhret,

Wie duͤrre Wuͤſten ausgeleeret.

Die Felder die von Fruͤchten ſchwanger,

Die werden mit den Fluch belegt,

Wo Akker, Garten, gruͤner Anger,

Stat Korns und Krauts nur Dieſteln traͤgt:

So bald du deine Schwerdter wezzeſt,

Und dein Panier daſelbſt aufſezeſt.

Du macheſt die ſonſt ſittſam waren,

Und keuſch durch deine rege Glut,

Zu Canibalen und Barbaren,

Verſuͤhreſt manches junges Blut

Jn ſolche Laſtervolle Schlingen,

Die ewiges Verderben bringen.

Und
[229]Der Krieg.
Und wo dein (*) rothes Pferd erſcheinet,

Als deines Feuers Sinnenbild,

Da iſt der Hunger eh mans meinet,

Woraus die Peſtilenz herquillt;

Da folgen lauter Schrekkensplagen,

Auf einmahl deinen Heeres-Wagen.

O Krieg! du hartes Strafgerichte,

Du Peitſche, vor die boͤſe Welt,

So machſt du ploͤzlich das zunichte,

Was Ruh und Friede ſicher haͤlt,

Wenn werden wir ſtatt deiner Heeren,

Jn Teutſchland Friedens-Lieder hoͤren?

Du wuͤteſt noch in dieſen Jahren,

Mit deinen ungehemmten Lauf,

Und ſchlaͤgeſt vor ſo viele Schaaren,

Noch hie und da die Lager auf;

Du laͤſſeſt noch auf Land und Seen,

Die rothen Zwietrachts-Fahnen wehen.

Ach! ach! du wuͤhleſt zu dem Herzen,

Wo Teutſchlands Wollfahrts Quelle flieſt,

Durchbohrſt mit deinen wilden Scherzen,

Daſſelbe bis die Kraft verſchießt;

Du wilt durch wuͤtendes Empoͤren,

Den Chriſtenſtaat durch ſich verheeren.

Halt ein! mit den ergrimmten Wuͤrgen,

Zerbrich das ſtuͤrmeriſche Zelt,
P 3Und
[230]Der Krieg.

Und pflanze nicht auf den Gebuͤrgen

Jm teutſchen Land ein Lilljen Feld:

Laß hier des Friedens Oel-Zweig bluͤhen,

Und Adler bei der Sonne gluͤhen.

Du HErr! der du ein GOtt der Goͤtter,

Und uͤber Erd und Himmel ſizſt,

Der du mit Macht im Krieges-Wetter,

Die Suͤnder zu erſchrekken, blizſt,

Ach! laß wenn wir zu Fuſſe fallen,

Doch eine Friedenspoſt erſchallen!

Ach! Friedeſuͤrſt! regier die Fuͤrſten,

Die wilder Hochmut aufgeblaͤht,

Daß ſie nicht mehr nach Blute duͤrſten:

Dein Allmachts-Wink der alles dreht,

Der kan im Augenblik verleihen,

Daß wir uns bald in Frieden freuen.

Ach! wehre allen Blutvergieſſen,

Und laß ſtatt dieſer rothen Flut

Die Stroͤme deines Seegens flieſſen;

Laß ſtatt der heiſſen Zwietrachtsglut,

Daraus ſich feurge Kugeln welzen,

Das Herz in Liebes-Kohlen ſchmelzen.

Ach laß die Staͤdte die zerruͤttet,

Die Laͤnder die beraubt, zerſtoͤhrt

Die man mit Aſch und Salz beſchuͤttet,

Die ganz verbannt, geſchleift, verheert

Jn denen guͤldnen Friedens Zeiten,

Sich wieder Seegens-voll ausbreiten!

Die
[231]Der Krieg.
Die Schwerdter die von Blute trunken,

Und die ſo manches Feld verderbt,

Dadurch ſo mancher Held geſunken,

Der nichts als eitlen Ruhm ererbt,

Die laß in ihrer Scheide roſten,

Daß ſie kein Menſchen-Blut mehr koſten!

Zerbrich der Zwietracht ſtarke Bogen,

Und ſteure allen Hochmuts Truz,

Die Saͤbel die die Wuth gezogen,

Die Herſchſucht oder Eigennuz,

Die laß mit ihren blutgen Klingen,

Jnskuͤnftige in Stuͤkken ſpringen.

Verwandle dieſe Moͤrder-Eiſen

Jn Senſen die der Landman nuͤzt,

So wollen wir dich Hoͤchſter! preiſen,

Dich Zebaoth der uns beſchuͤzt;

So nehmen wir die Friedens-Palmen,

Und jauchzen Sieg- und Freuden-Pſalmen.


Die
[232]

Die Geilheit.


(Syrach c. XIX.)

Die ſich an Huren hangen werden wild, und
kriegen Motten und Wuͤrmer zum
Lohn, und verdorren den andern zum
merklichen Exempel.


Siren! die du eitle Jugend,

Von der Bahn der reinen Tugend

Auf den Weg der Laſter ziehſt,

Um die falſchen Zauberinnen,

Die Lokvoͤgel ihrer Sinnen,

Schmeichelhaft dich ſtets bemuͤhſt,

Dich will ich den Junggeſellen,

Und den Dirnen jezt vorſtellen.

Jeder wird dich leichtlich kennen,

Wenn wir dich mit Nahmen nennen,

Wolluſt, Geilheit, Uppigkeit,

Dich beſingen die Poeten,

Mit den eitlen Zauber-Floͤten,

Die der Venus eingeweiht:

Aber ich will dich beſingen,

Deine Laſter zu verdringen.

Du verfuͤhrſt die eitlen Seelen,

Die den glatten Pfad erwaͤhlen,
Und
[233]Die Geilheit.

Und berauſchſt mit deinen Gift,

Alle die auf falſches Winken,

Deinen Taumelkelch austrinken,

Wie uns die Vernunft und Schrift;

Wie uns die Erfahrung zeigen,

Der die aͤchte Wahrheit eigen.

GOtt hat die Geſchlechtes-Liebe,

Als der Keuſchheit reine Triebe

Menſchen weislich eingepraͤgt;

Dieſe reinen Leidenſchaften,

Die in Blut und Koͤrper haften,

Sind wenn man ſie jezt erwegt

Leider! wie die andren alle,

Ganz verdorben bei dem Falle.

Sie ſind gleich dem wilden Feuer,

Gleich auch einem Ungeheuer,

Das ganz wuͤtend um ſich brennt;

Das mit kollernden Gebluͤte

Mit verblendeten Gemuͤte

Ungeſaͤumet dahin rennt,

Wo die Pfuͤzen voller Wehen,

Jhrer Neigung offen ſtehen.

Wer es nicht beizeiten ſtillet,

Wenn es nach der Kuͤhlung bruͤllet,

Wird von Wolluſt leicht beſtrikt;

Wer des Fleiſches Luͤſte heget,

Nicht in Zaum und Zuͤgel leget

Wird gar leichtlich fortgeruͤkt,

Durch die unſichtbahren Schlingen,

Die zulezt zum Abgrund bringen.

P 5Ach!
[234]Die Geilheit.
Ach! wie viele ſind betrogen,

Jn der Wolluſt Garn gezogen

Die die Triebe nicht regiert,

Die als Opfer zwar bekraͤnzet,

Durch das Strik das herrlich glaͤnzet,

Zu der Schlachtbank fortgefuͤhrt,

Wo ſie lachend Geiſt und Leben

Dem Verderben uͤbergeben.

Ach! wie viele ſind vorhanden,

Die an dieſen Klippen ſtranden,

Und ihr Wollfahrts Schiff zerſtoͤhrt,

Da ſie zu den Zauber Toͤnen,

Dieſer ſeufzenden Sirenen

Ein verfuͤhrend Ohr gekehrt,

Da ſie meinten in den Gruͤnden,

Jenes Paradies zufinden.

Seht ihr Jungen! die Exempel

Derer, die im Wolluſt-Tempel

Die verbotne Frucht geſucht,

Die wie Honig ſuͤſſe ſchmeket:

Aber Bitterkeit erwekket,

Den ſie drauf zu ſpaͤt verflucht;

Weil darinnen Stachel ſchwimmen,

Die im Bauch hernachmahls grimmen.

Geilheit lokket zum Verderben,

Macht daß Leib und Seel erſterben,

Sie zerruͤttet das Gemuͤt,

Macht die Sinnen ſtumpf und bloͤde,

Machts Gehirn auch wuͤſt und oͤde,

Sie verdirbet das Gebluͤt
Wie
[235]Die Geilheit.

Wie uns viele Alten ſagen,

Die mit Zittern es beklagen.

Geilheit zehrt die Lebens-Geiſter,

Und wo ſie iſt Obermeiſter,

Nimmt ſie alle Krafft dahin,

Und zerfriſt den Mark in Beinen,

Obgleich vielo thoͤrigt meinen,

Daß ſie ſchaͤrfte Wiz und Sinn;

Sie iſt wie ein Gifft gefaͤrlich,

Geiſt und Koͤrper ſehr beſchwerlich.

Geilheit ſchoͤpft die Lebens-Saͤffte,

Und verkuͤrzt die Leibes-Kraͤffe,

Und ihr Schlam verdirbts Gebluͤt,

Das in denen Adern ſchleichet,

Wenn ſie uns das Herz erweichet;

Sie verkehret das Gemuͤth,

Das auch auf das Wollergehen,

Jhres Koͤrpers hat zu ſehen.

Geilheit laͤhmt die Spannungs-Sehnen,

Wie mit einen Mund erwehnen,

Die des Leibes-Bau verſtehn;

Wenn die Nerven ſind geſchwaͤchet,

Wird die boͤſe Luſt geraͤchet,

Durch die mannigfaltgen Wehn,

Die des Fleiſches Uppigkeiten,

Selbſten ſich zur Straff bereiten.

Krampf und Schwindel ſind die Fruͤchte,

Der verbotenen Gerichte,

Die daraus hernach entſtehn;
Auf
[236]Die Geilheit.

Auf der Wolluſt ſchandbahr Scherzen

Folgen Laͤhmung, Gicht und Schmerzen

Wie im Beiſpiel offt zu ſehn:

Und was noch vor Wolluſtplagen,

Die recht ſchandbahr ſind zu ſagen.

Die dem liederlichen Leben

Schnoͤder Wolluſt, ſich ergeben

Fuͤhlen oͤffters viel zu ſpaͤt,

Daß die Keuſchheit ſtark erhalte,

Geilheit das Gebluͤt erkalte;

Deſſen Feuerkrafft vergeht,

Wenn die Maden ſich ausbruͤten,

Und im faulen Fleiſche wuͤten.

Wo die Geilheit erſt regieret,

Das Gedeien ſich verliehret,

Und bei Venus, Bachus iſt,

Wird das Erbtheil bald verſchlungen,

Das ganz ſuͤſſe auf der Zungen

Jn verwoͤhnten Magen fließt:

Da die Armut eh mans meinet,

Nakt und elend hier erſcheinet.

Die in wilder Brunſt auslauffen,

Pflegen alles zuverkauffen,

Um die Luſt die Fleiſch und Blut

Durchs verkehrte Blendglas ſiehet,

Das denn auch die Luſt angluͤhet,

Die als eine rege Glut

Heiß ja brennend zu benennen,

Wie man ſieht am geilen Rennen.

Geilheit bringet zum Verderben,
Und
[237]Die Geilheit.

Und laͤſt denen Elend erben,

Die den Sinn der Uppigkeit

Und den ſchnoͤden Wolluſt-Suͤnden,

Die ſich noch damit verbinden,

Bei der Luſtſeuch eingeweiht.

Aller Gluͤksſtand geht verlohren,

Wenn derſelben Bahn erkohren.

Wer will ſolche Frucht genieſſen,

Woraus Todt und Hoͤlle ſprieſſen,

Die den Sodoms Aepfeln gleich,

Die von auſſen herrlich prahlen,

Und nur an den gelben Schalen

Von der falſchen Anmuth reich!

Die von auſſen lieblich laben,

Doch inwendig Aſche haben?

Die dieſelben ſich erwaͤhlen,

Schaden ihrer armen Seelen,

Stuͤrzen ſie in bange Noth,

Und verlezzen das Gewiſſen,

Werden dadurch weggeriſſen,

Von den allerheilgen GOtt,

Der die Geilen muß verdammen,

Zu dem ewigen Feuers-Flammen.

Sclaven die der Wolluſt froͤhnen,

Die verachten und verhoͤhnen,
GOtt das allerhoͤchſte Gut,

Der die Keuſchheit uns befohlen

Der da will das wir die Kohlen

Einer geilen Liebes-Gut,

Durch Gebet, durch Wachen, Kaͤmpfen

Unermuͤdet ſollen daͤmpfen.

Sie
[238]Die Geilheit.
Sie beflekken das Gewiſſen,

Das mit Schmerzensvollen Biſſen,

Tag und Nacht die Geilen plagt,

Daß mit banger Angſt den ſcheuchet,

Der nach ſchnoͤder Wolluſt krichet,

Die das boͤſe Fleiſch behagt;

Das auch mitten im Ergoͤzen,

Kan das Herz in Unruh ſezen.

Folgen die erſchreklich quaͤlen!

Furcht und Unruh kann nicht fehlen,

Wo das Herz die Wolluſt liebt;

Wo die Furcht der Kerkermeiſter,

Der verdammten Hoͤllen-Geiſter,

Seine ſtrenge Herrſchafft uͤbt,

Sind die Furien zugegen,

Die den Geiſt auf Foltern legen.

Dieſes Heer von Schrekkens-Teuffeln

Bringet ofte zum Verzweiffeln,

Als der Bosheit hoͤchſten Grad;

Da ſehn die in Wolluſt ſchmauchen,

Jhre Marter-Hoͤlle rauchen,

Und gedenken, daß zu ſpat,

Sich aus den verfluchten Ketten

Schnoͤder Geilheit zu erretten.

Wer in Wolluſts-Flammen brennet,

Auf den Hoͤllenſchlund zu rennet,

Faͤllet auch zulezt hinein;

Wo des Teuffels Rottgeſellen,

Jn dem Marterloch der Hoͤllen

Fuͤhlen eine ewge Pein,
Da
[239]Die Geilheit.

Da ein Feuer das ewig glimmet,

Vor dem Wolluſt-Brand beſtimmet.

Seht! ihr geilen Wolluſt-Kinder

Sehet ihr verruchten Suͤnder

Mit des Geiſtes regen Blik,

Wo euch wenn die Zeit ſich endet,

Eure Uppigkeit hinſendet:

Eilet, kehret gleich zuruͤk,

Auf der Wolluſt Bahn ſind Schlingen,

Die euch in die Hoͤlle bringen.

Lernet das die eitlen Roſen

Die euch auf den Pfad liebkoſen

Den die Geilheit hat beſtreut,

Einen Abgrund nur bedekken

Und den Hoͤllenweg verſtekken,

Der, da ihr euch blindlings freut,

Zu den Finſterniſſen leitet,

Wo euch ewge Qual bereitet.

Kehret um in Gnaden Zeiten,

Hoͤret die Bußglokken leuten

Und verfluchet eure Luſt,

Da ihr bei den geilen Poſſen,

Sodomsfruͤchte habt genoſſen;

Schlagt mit Reue an die Bruſt,

Waſchet euch von euren Suͤnden,

So koͤnt ihr noch Gnade finden.

Seelen! die die Unſchuld ſchuͤzzet,

Die nicht durch den Trieb erhizzet,

Der die Herzen feurig macht,

Nehmt die reine Lilijen-Krone,
Die
[240]Die Geilheit.

Die die Keuſchheit traͤgt zum Lohne,

Als den beſten Schmuk in acht;

Jhr ſteht auf den Scheidewege,

Meidet alle Laſterſtege.

Tugend will euch lieblich kroͤnen,

Flieht das Lokſpiel der Sirenen

Das mit falſchen Klang betriegt.

Da iſt nur ein ſchoͤn Gemuͤthe,

Wo der Jugend friſchen Bluͤte,

Unbeflekt und unbefiegt;

Wer den ſchnoͤden Laſtern froͤhnet,

Kaͤmpft nicht, und wird nicht gekroͤnet.

Tugend winkt, die Laſter lokken,

Stellen viele eitle Tokken

Jm gepuzten Glanze vor;

Wer der Tugend Reitzung fliehet,

Sich um falſchen Schein bemuͤhet,

Handelt blindlings als ein Thor,

Sieht, daß er zulezt betrogen,

Wenn der eitle Schein entflogen.

Tugend-Weg bringt wahre Freude,

Laſterpfad zeigt eine Weide,

Wo ein wilder Honig fleußt:

Wer auf Tugend-Wegen ringet,

Sieht das es ihm wohl gelinget;

Wer dagegen das geneuſt,

Was die Geilheit aufgetiſchet,

Schmekt daß es mit Gift vermiſchet.

Alle dieſe Lokkungsſpeiſen,

Die die Laſter euch anpreiſen,
Naͤh-
[141[241]]Die Geilheit.

Naͤhren nur die Sinnligkeit,

Was ſie als ein Eden ruͤhmen,

Lieblich ſchmuͤkken und bebluͤhmen,

Mit Lokbeeren uͤberſtreut,

Jſt wenn wir es recht beſehen

Eine Au wo Thiere gehen.

Wolt ihr dieſe Auen fliehen,

So muͤßt ihr euch ſtets bemuͤhen

Auf dem rechten Pfad zu gehn;

Wer ſich nicht will darauf weiden,

Muß von dieſen falſchen Freuden,

Sein ſonſt luͤſternd Aug abdrehn,

Und dagegen ſtets erwegen,

Was die Keuſchheit bringt vor Seegen.

Augen ſind die offnen Thuͤren,

Jhre Blikke die verfuͤhren,

Einem, der dem Simſon gleicht,

Wer da meinet feſt zu ſtehen,

Will den Weg der ſchluͤpfrich gehen,

Wird gar bald zum Fall gebeugt;

Da er gleich darnieder lieget,

Und im Falle ſchon beſieget.

Welcher ſich nicht will verbrennen,

Muß nicht nah zum Feuer rennen:

Meide die Gelegenheit,

Juͤngling! die du zu bedenken;

Wirſt du dich zu ſolcher lenken,

Biſt du von dem Fall nicht weit:
Dritter Theil. QDenn
[142[242]]Die Geilheit.

Denn wo Stroh und Feuer zuſammen,

Da entſtehen leichtlich Flammen.

Muͤßigang in Ueberfluſſe,

Der verfuͤhrt auch zum Genuſſe,

Den die Wolluſt ſich erzielt,

Wer alſo in Faulheit lieget,

Sich an Speiß und Trank vergnuͤget,

Seinen Durſt mit Wein abkuͤhlt,

Wird gar leicht dazu verfuͤhret,

Daß er ſeinen Kranz verliehret.

Boͤſe Luſt die wohnt im Herzen,

Die leicht zum verbotnen Scherzen,

Den verdorbnen Sinn bewegt:

Darum muß man beten, ringen,

Jhre Reizungen bezwingen,

Wenn ſie ſich im Fleiſche regt,

Und wie die Apoſtel ſagen,

Fleiſch und Blut ans Kreuze ſchlagen.

Schauet auf des Heilands Leiden,

Wenn das Fleiſch ſich denkt zu weiden,

Jn verſagter Uppigkeit:

Wenn die Andacht ſich vergnuͤget,

An dem, der in Blute lieget,

Wird das Herze bald befreit,

Bei Betrachtung ſeiner Dornen,

Von der Wolluſt ſcharffen Spornen.

Denket endlich auf das Ende,

Da man die entfaͤrbten Haͤnde,
Jn
[143[243]]Die Geilheit.

Jn dem Todes-Schweiſſe ringt;

Was alsdenn ein geiles Leben,

Wenn wir unſern Geiſt aufgeben,

Vor betruͤbte Folgen bringt:

So werd ihr der Geilheit Straſſen,

Die zur Hoͤlle fuͤhrn, verlaſſen.


Die
[144[244]]
Die Keuſchheit.
Wer iſt die, die im weiſen Kleide

Von ungefaͤrbter heller Seide

Und in dem reinen Silberglanz

Mit einem frohen Angeſichte

Und das umſtrahlt von Himmelslichte

Geſchmuͤkt im unverwelkten Kranz,

Und die mit einem Ehren-Bogen

Jſt uͤber ihren Haupt bezogen?

Jch leſe es an deiner Stirne,

Du biſt es Keuſchheit, holde Dirne

Die ſo in ungeſchminkter Pracht,

Als eine Braut ſich herrlich kraͤnzet;

Du biſt es, die ſo lieblich glaͤnzet

Und mit beſcheidner Demut lacht:

O! moͤchte ſich du Schmuk der Seelen,

Die Jugend doch mit dir vermaͤhlen!

O! Keuſchheit auserwaͤhlte Tugend,

Du Kron der Alten, Schmuk der Jugend!

Wie reinlich biſt du anzuſehn!

Es iſt an dir kein Schmuz, noch Flekken

Mit ſcharffen Augen zu entdekken,

Du biſt in allen herrlich ſchoͤn;

Man kann dein ungeſchminktes Weſen,

An Mienen, Kleidern deutlich leſen.

Wer
[145[245]]Die Keuſchheit.
Wer dich anſieht der wird geruͤhret,

Du biſt mit keinen Schmuk gezieret,

Der mit erborgten Firnis prahlt;

Kein Flittergold mit falſchen Scheine,

Nur aͤchte Farb iſt es alleine,

Die aus den reinen Kleidern ſtrahlt;

Dein Licht blizt nicht aus Diamanten,

Noch von den wollgewuͤrkten Kandten.

Dein Glanz entſteht aus eigner Helle,

Du ſelbſten biſt die wahre Quelle,

Woraus das Angenehm entſpringt,

Das alle die dich recht beſchauen,

Jn die Enzuͤkkungs-ſuͤſſe Auen,

Des innigen Vergnuͤgens bringt;

Natuͤrlich ſchoͤn iſt deine Farbe,

Ohn alle uͤberſchminkte Narbe.

Es geht aus deinem Augenlichte,

Kein Strahl der deinem Angeſichte:

Ein Frechheits-Zeichen angebrandt:

Man ſieht dieſelben lieblich funkeln,

Nicht durch Truͤbſinnigkeit verdunkeln,

Sie haben einen freien Stand,

Doch fliegen daraus keine Blizze,

Von einer wilden Jugend Hizze.

Dein Antliz gleicht der Morgenroͤthe,

Worinnen ſich ein Licht erhoͤhte

Als wenn der fruͤhe Sonnenſchein,

Den Dunſt der ſich als Silber bildet,

Mit einen rothen Strahl verguͤldet:
Q 3Es
[146[246]]Die Keuſchheit.

Es fiel mir bei dem Anblik ein,

Jch ſehe eine Roͤth aufſteigen,

Die einer wahren Keuſchheit eigen.

O! ich bewundre deine Mienen,

Die lieblich im Geſichte ſchienen,

Mit einer ſanfften Sittſamkeit,

Dein Buſen und die Schwanen-Bruͤſte,

Der Zunder vieler geilen Luͤſte,

Die waren gaͤnzlich uͤberſtreut;

Der Buſen war bedekt, verriegelt,

Woran ſich ſonſt die Wolluſt ſpiegelt.

Man ſiehet dich an allen Orten,

Stets einerlei in Werk und Worten;

Es iſt kein eitler Uebelſtand

An dir, an deiner Tracht zu finden,

Und wenn wir ſelbſt dein Herz ergruͤnden,

So iſt daſelbſt auch ganz verbannt,

Was wahrer Reinigkeit entgegen:

Du haſſeſt auch ein ſuͤndlich Regen.

So wie von auſſen, als von innen,

Entflieheſt du die Luſt der Sinnen,

Dein Vorſaz bleibet ewig feſt

Die aͤchte Keuſchheit auszuuͤben,

Die reine Froͤmmigkeit zu lieben;

Beim Ungluͤks-Sturm, beim Gluͤkkes-Weſt;

Du bleibſt in den geſezten Schranken,

Jn Wort und Werken und Gedanken,

Das iſt die Keuſchheit nach dem Leben,

Davon wir euch das Bild gegeben,
Das
[147[247]]Die Keuſchheit.

Das in der Tugend Tempel ſteht;

So wird die Reinligkeit gemahlet,

Die herrlich in die Augen ſtrahlet,

Und ihren wahren Werth erhoͤht,

Jhr Menſchen! ſo muͤſſt ihr euch weiſen,

Wenn man euch ſoll als Keuſche preiſen.

O! nicht genug Suſanna heiſſen,

Und ſich aus Bloͤdigkeit befleiſſen,

Der Keuſchheit Bilde gleich zu ſeyn:

Wer nur dem Joſeph gleich im Fliehen,

Wen Geile ſich um ihm bemuͤhen,

Der zeigt nur einen falſchen Schein,

Wenn nicht Gedanken und die Sinnen,

Zugleich auch fliehen mit von hinnen.

Die Tugend die man Keuſchheit nennet,

Die daͤmpft das Fleiſch das wilde brennet,

Und greift die wilde Regung an;

Sie ſieht in den Geſezes Spiegel,

Bemerket die geſezten Riegel,

Und weicht nicht von der rechten Bahn;

Sie kaͤmpfet immer mit den Sinnen,

Der Menſchligkeit Verfuͤhrerinnen.

Sie huͤtet ſich in freien Stande,

Vor dem entglomnen Geilheits Brande,

Und laͤſſet ſich niemahls verfuͤhrn,

Den Kranz der Ehren zu verſcherzen,

Den viele heimlich eitle Herzen,

Beim aͤuſren Schmuk doch ſchon verliern:

Die Keuſchheit meidet alle Schlingen,

Die auch verdekt die Zucht umringen.

Q 4Auch
[148[248]]Die Keuſchheit.
Auch in dem Bund geſchloſſner Ehen,

Jſt ihre Reinligkeit zu ſehen,

Sie ſieht den Zwek des Schoͤpfers an,

Warum der Ehebund geſchloſſen;

Wie man nach GOttes Ordnung Sproſſen,

Der wahren Liebe zeugen kan:

Sie folgt dem eingepflanzten Triebe,

Und ihre Luſt bleibt keuſche Liebe.

O! Tugend wo biſt du zu finden,

Wo ſind die die ſich ſo verbinden,

Auf GOttes Zwek allein zu ſehn;

Wo ſind die keuſchen Seltenheiten,

Die Fleiſch und Blute widerſtreiten

Jn der umſchraͤnkten Ordnung gehn;

Die durch ein unermuͤdet Kaͤmpfen,

Die Regung boͤſer Luͤſte daͤmpfen?

Wie viele die mit reinen Wangen,

Wie Lilljen ohne Flekken prangen,

Sind auch im Herzen alſo rein;

Die ihr euch keuſche Seelen nennet,

Und dieſe Tugend nicht recht kennet,

Jhr liebet nur den aͤuſren Schein;

Hingegen iſt das wahre Weſen,

Jn eurer Seele nicht zu leſen.

Jhr ruͤhmt euch dieſer Himmels Gaben,

Und wuͤnſcht doch gerne das zu haben,

Was GOttes Recht euch hat verſagt;

Jhr ziehet die entbrandtnen Blikke,

Nie von den Vorwurff gern zuruͤkke,

Der eure innre Luſt behagt;
Wie
[149[249]]Die Keuſchheit.

Wie koͤnnt ihr keuſche Seelen heiſſen,

Und euch der Keuſchheit nicht befleiſſen?

Von auſſen kalt, von innen glimmen

Das ſoll bei euch zuſammen ſtimmen;

Jhr wollet bei dem aͤuſren Schein,

Wo alle Wolluſts Blikke fliegen,

Euch an dem geilen Scherz vergnuͤgen,

Doch keuſch und reines Herzens ſeyn;

Bei Beiden herrſchet ein Verſtellen,

Da die Begierden uͤberſchwellen.

Bedenket dies ihr eitlen Seelen!

Die ſich mit reiner Zucht vermaͤhlen,

Die lieben ſie von Herzengrund;

Die trachten ſtets die Luſt zu ſteuren,

Die ſie zur Geilheit will anfeuren;

Die machen auch in Worten kund

Jn allen ihren Thun und Handeln,

Daß ſie nicht boͤſe Wege wandeln.

Die lieben ein ſittſames Weſen,

Geſpielinnen die ſie erleſen

Sind Erbarkeit, Beſcheidenheit;

Gefaͤhrten die ſie ſtets begleiten,

Daß ſie nicht aus den Spuren ſchreiten,

Sind Arbeit und die Maͤßigkeit;

Die dieſe zur Geſellſchafft lieben,

Die koͤnnen wahre Keuſchheit uͤben.

Die ſich ſo ſelbſt mit Ernſt bekriegen,

Und uͤber die Begierden ſiegen,

Verdienen einen Ehren-Kranz,
Q 5Die
[150[250]]Die Keuſchheit.

Die koͤnnen unverwelkte Myrten

Um ihre reine Schlaͤffe guͤrten;

Die koͤnnen ſich, bei Perlen-Glanz

Jn weiſſen Attlas, heller Seiden,

Als ihren rechten Brautſchmuk kleiden.

O! Keuſchheit du biſt hoch zuſchaͤzen,

Und wer ſich wird an dir ergoͤzen,

Jſt eines wahren Ruhmes werth.

Die Keuſchen ſind viel groͤſſre Helden,

Als die davon Geſchichte melden,

Daß ſie die halbe Welt verheert;

Die Keuſchen haben mehr errungen,

Als die die Volk und Land bezwungen.

Wo ſind die Helden, Alexander,

Die groſſen Krieger mit einander?

Man ſehe ihre Thaten an,

Sie haben bis aufs Blut gefochten,

Sich manchen Lorbeer-Kranz geflochten,

Auf der zum Kampf beſtimmten Bahn;

Sie haben Oſt und Weſt beſieget,

Das unter ihren Fuͤſſen lieget.

Allein ſie ſind doch uͤberwunden,

Und offte in gar wenig Stunden,

Von einer geilen Ueppigkeit;

Die Helden in den blutgen Morden,

Sind dennoch arme Sclaven worden,

Und ganz beſiegt in Wolluſt-Streit;

Drum muͤſſen in den Helden Saalen,

Die Keuſchen uͤber alle ſtrahlen.

Es iſt auch eine ewge Krone,
Den
[151[251]]Die Keuſchheit.

Den keuſchen Seelen dort zum Lohne

Als unverwelket beigelegt:

Wer dieſes Kleinod nicht verlieret,

Der wird mit Palmen-Laub gezieret,

Das nur ein Ueberwinder traͤgt;

Der wird in den beſtirrnten Hoͤhen,

Zur Rechten bei dem Lamme ſtehen.

Begluͤkte Seelen, die im Glauben,

Den Wein von Sodoms fetten Trauben

Und ihren Taumel Kelch veracht!

Das bleibet euch zum ewgen Ruhme

Jn dem beſtirnten Heiligthume

Daß ihr im Kampf, Gebet, gewacht

Und in den rechten Kreuzes-Orden,

Dadurch warhaffte Ritter worden.

O! woll dem der ſich ſelbſt beſieget,

Und wenn das Fleiſch den Geiſt bekrieget,

Der Geiſt durch GOttes Gnade kaͤmpft;

Und in des Hoͤchſten Macht und Staͤrke

Des Fleiſches Neigung, Willen, Werke

Als eine gifftge Schlange daͤmpft;

Das ſind die Helden die bekroͤnet,

Weil ſie den Laſtern nicht gefroͤhnet.

Die Tugend die gewinnt am Ende,

Und klopfet freudig in die Haͤnde,

Sie ruft alsdenn Victoria:

Die Engel ſind die Sieges-Wagen,

Die keuſche Seelen dahin tragen,

Wo ſie dem Hoͤchſten Sieger nah;

Der ihr als Braͤutigam gewogen,

Und ſie aus Luſt zu ſich gezogen.

Wer
[152[252]]Die Keuſchheit.
Wer wuͤnſcht in den beſtirnten Hoͤhen,

Jn dieſer heilgen Schaar zu ſtehen,

Jn weiſer Seide angethan;

Der ziehe ſeine eitlen Blikke

Sein Herz von Ueppigkeit zuruͤkke,

Und wandle auf der Tugendbahn,

Der Weg der fuͤhrt zu einem Leben,

Da jene ſeelgen Geiſter ſchweben.

O! ſeht dahin ihr eitlen Tokken,

Wenn euch die Welt ſucht anzulokken,

O! Juͤnglinge! bedenkt das Looß

Das keuſche Seelen dort zu hoffen

Und das ſchon viele da betroffen

Die ſchon in Abrams ſanfften Schooß:

Darum zerreiſt in Augenblike,

Der Wolluſt guͤldnes Nez und Strikke!



[253]

Gedanken bei Erwegung der
Streitigkeiten uͤber den Urſprung
des Boͤſen.


Das Boͤſe iſt ein Gifft, dadurch
der Menſch verderbt

Und einer Seuche gleich, die uns
iſt angeerbt!

Woher das Uebel ſich in Geiſt
und Fleiſch entſponnen,

Aus welcher Quelle es, in un-
ſer Herz geronnen?

Daruͤber ſtreitet man in der gelehrten Welt,

Die ſich als wie in Krieg, Partheienweis geſtellt;

Und dieſer Federkrieg von Urſprung alles Boͤſen,

Wird darum nur gefuͤhrt, die Knoten aufzuloͤſen,

Die ſcharffer Aberwiz aus Spoͤtterei geknuͤpft,

Der wie ein Dieſtelfink von dies auf jenes huͤpft.

Allein wie thoͤrigt iſts um ſolche Dinge ſtreiten,

Die nicht aus der Vernunfft alleine herzuleiten?

Wir ſind dem Kranken gleich, die matt und elend
ſind,

Der Wille iſt verkehrt, und der Verſtand iſt blind,

Das boͤſe Suͤnden-Gifft hat unſer Fleiſch durch-
drungen,

Und der Begierden Heer hat den Verſtand bezwun-
gen:

Dies muß ein jeglicher, wer ſich wird ſelbſt beſehn,

Als einen Saz der klar, unleugbar, eingeſtehn:

Es
[254]Gedanken bei Erwegung der Streitigkeiten.
Es iſt den Aerzten gleich, ſie brauchens nicht zu
wiſſen,

Wenn einer der da krank, von einer Schlang ge-
biſſen:

Ob dieſe Schlagen-Art die jenes Leib entflammt,

Etwan aus Aſien, aus Africa herſtammt:

Wenn ſie im Streit erhizt; ſo wird im Diſputiren,

Der Kranke druͤber nur das Leben gar verliehren:

Viel beſſer aber iſt, daß ſie darauf bedacht,

Wie dieſes heiſſe Gifft werd aus dem Leib gebracht;

Und was der Kranke muß bei der Entzuͤndung
brauchen,

Damit der gifftge Dunſt ohn Schaden koͤnn ver-
rauchen.

Die Weiſen dieſer Welt ſind denen Aerzten gleich,

Aus eitler Wisbegier an vielen Fragen reich:

O! moͤchten ſie ſich nur mit allen Ernſt bemuͤhen,

Um Mittel, dadurch wir der Suͤnden Qual ent-
fliehen;

O! waͤren ſie nur drauf mit allen Ernſt bedacht,

Wie was verdorben iſt, wuͤrd wieder gut gemacht;

Was hilft es nur allein die Dinge wiſſen wollen,

Die wir nach GOttes Rath, durch Aendrung beſ-
ſern ſollen.

So thoͤrigt iſt der Wiz der armen Menſchligkeit,

Die eitle Wisbegier erreget manchen Streit:

Die ſich ums Wiſſen blos, nicht um das Thun
bekuͤmmern,

Die beſſern warlich nicht, ſie wollen nur verſchlim-
mern.



[255]

Gedanken bei Betrachtung ei-
nes Wetterhahns.


Der Wetterhahn wird ſtets vom Wind
herum gedrehet,

Er richtet ſich darnach; ſo wie der-
ſelbe wehet

Sich aͤndert, hie herfaͤhrt, aus Oſt
und Weſten braußt,

Aus Suͤden oder Nord mit ſeinen Fluͤgeln ſaußt;

So ſchwinget er ſich auch; die Fahne wird be-
wogen,

Nachdem der Windebraus kommt in der Lufft ge-
flogen:

Das iſt ein rechtes Bild der Unbeſtaͤndigkeit,

Von einer Wechſelhaft- und Aendrungs-vollen Zeit.

Die Menſchen gleichen auch mit ihren Sin, Ge-
danken

Den Haͤhnen auf dem Thurm die hin und wieder-
wanken.

Blaͤſſt ſie ein Gluͤkkeswind auf dieſer Erden an,

So ſieht man wie gar leicht ſie ſolcher aͤndern kan,

Und kommt ein rauher Nord des Schikſahls herge-
zogen,

So wird auch ihr Gemuͤt von ſolchen gleich bewo-
gen.

Der
[256]Gedanken bei Betrachtung eines Wetterhahns.
Der Vorſaz aͤndert ſich, und ihr erwaͤhltes Ziel,

Was ihnen kurz vorher, als richtig woll gefiel

Wird Augenbliks verruͤkt. So wie ſich dreht die
Fahne,

Nach jedem Zug der Luft, an einen Wetterhahne;

So aͤndert ſich der Menſch. Die Meinungen der
Welt,

Beſtimmen was ihm woll, und was ihn mis-
gefaͤllt:

Und das ſoll Klugheit ſeyn ſich nach der Welt be-
quemen,

Und nach dem Lauf der Zeit den Gegenſtand an-
nehmen:

Allein wenn dieſes wahr; ſo waͤr der Wetterhan,

Viel kluͤger anzuſehn, als ſelbſt der kluͤgſte Mann.


Die
[157[257]]

Die Maͤßigkeit.


Der Menſch braucht Speiß und Trank
den Koͤrper zu ernaͤhrn,

Die Vorſicht muß dies auch zur
Nahrung ihm beſchern;

Die Guͤte ſchenket uns im weiten
Kreis der Erden,

Die Mittel, dadurch wir geſund erhalten werden.

Der Koͤrper aͤndert ſich bei jedem Augenblik,

Es fliegt ein Theilgen weg, als unſers Leibes Stuͤk;

Er dunſtet immer aus, und was er hat verlohren,

Wird durch die Speiß, den Trank auch wieder neu-
gebohren.

Was die Natur verliehrt das wuͤnſchet ſie erſezt,

Darum verlanget ſie was unſern Leib ergoͤzt,

Die Speiſe und den Trank; die dieſe Triebe
kennen,

Die pflegen ſolchen Durſt und Hunger zu benennen.

Und wenn der Menſch genug, von Speiß und
Tranke ſatt,

So iſt das ein Beweis, daß das der Koͤrper hat,

Was er zur Nahrung braucht, und daß er das
empfangen,

Was durch die Ausduͤnſtung vorhero weggegangen.

Wer nun nicht mehr begehrt, als vorher iſt ver-
raucht;

Als das, was die Natur ſich zu erhalten braucht,

Dritter Theil. RDer
[158[258]]Die Maͤßigkeit.
Der lebet maͤßiglich: und wer ein Menſch will heiſſen,

Muß ſich der Maͤßigkeit in Speiß und Trank be-
fleiſſen.

Die Maͤßigkeit ernaͤhrt, die Uebermaß verdirbt,

Zeugt einen ſiechen Leib, bis das er gar erſtirbt;

Ein Lampe brennet gut ſo lang er Oel genieſſet,

Erſtikket und verliſcht, wenn er ganz uͤberflieſſet.

Soll die Geſundheit bluͤhn; ſo braucht man Speiß
und Trank,

Genieſt man das zu viel; ſo wird der Koͤrper krank,

Zur Arbeit ungeſchikt, wird ſchlaͤfrich und verdroſſen,

Weil er mit Uebermaß die Nahrung hat genoſſen.

Es iſt des Menſchen Pflicht ſein Leben zu erſparn,

Jn dem geſunden Stand den Koͤrper zu bewahrn,

Mit der Bedingung hat der Schoͤpfer uns das
Leben,

Dem Geiſt, des Koͤrpersbau zur Wohnung eingege-
ben.

Und das geſchiehet auch ohn allen Wiederſtreit,

Durch rechte Ausuͤbung der wahren Maͤßigkeit;

Die eine Panacee wodurch man ſich verwahret

Und wer dieſelbe braucht, der hat viel Geld erſparet.

Wer wahre Tugend liebt, und auch ſein eignes
Wohl,

Wie jeder Menſche muß, und wie ein Chriſte ſoll;

Der faſſet den Entſchlus die Feinde zu verdringen,

Die Neigungen die uns zur Uebermaaſſe zwingen.

Die Grenzen die uns ſind von der Natur geſezt,

Die werden eh mans denkt, bei unſern Thun verlezt.

Wie leicht geſchieht es nicht bei Trinken oder Eſſen,

Wenn wir dieſelbigen nach dem Geſchmak ausmeſ-
ſen?

Des Schoͤpfers Weisheit hat uns den Geſchmak
verliehn,

Daß
[259]Die Maͤßigkeit.
Daß wir was uns nicht nuͤzt, zu unſerer Nahrung,
fliehn;

Daß wir mit Wollgefalln die Koſt, den Trank ge-
noͤſſen

Die ſeine Guͤtigkeit uns ſuchet einzufloͤſſen.

Allein wenn der Geſchmak ſoll einzig Richter ſeyn;

So gieſſen wir zu viel in unſern Magen ein;

So koͤnnen wir gar leicht zu unſern eignen Schaden,

Den innerlichen Bell, den Magen uͤberladen.

Wo aber die Vernunfft das Maas dabei beſtimmt,

So wird der Menſch gewohnt, daß er nicht weiter
nimmt

Als das was die Natur muß zur Erhaltung haben,

Die Kraͤffte zu vermehrn, ſich wiederum zu laben.

Wer ſeiner Nahrung Zwek aus blinden Trieb ver-
giſſt,

Und blos aus Ueppigkeit, was ſchmekket, trinkt und
iſſt,

Der wuͤnſchet wie ein Vieh zu der Begierden Freude,

Die unerſaͤtlich ſind, die uͤberfluͤßge Weide.

Ein Maͤßiger bedenkt bei fetten Ueberflus,

Wenn ihn die Kehle reizt, auch allmahl den Ver-
druß,

Den der empfinden wird, der alles in ſich ſchlinget,

Und ſeines Koͤrpers Bau, dadurch nur Schaden brin-
get:

Und dies beweget ihn ſich kluͤglich vorzuſehn,

Er ißt nicht was ihm ſchmekt; er ſieht die bangen
Wehn,

Die aus der Uebermaaß, als boͤſe Fruͤchte keimen,

Er ſcheut ſich vor der Laſt, vor Unruh, ſchweren
Traͤumen

Vor Grimmen ſeines Bauchs, vor Angſt und
Krankheits Noth,

R 2Vor
[260]Die Maͤßigkeit.
Vor dem erfolgenden und ploͤzlich ſchnellen Todt.

Vor alles Ungemach, das daraus dreinſt entſpringet,

Wenn man der Kehle folgt, und alles in ſich ſchlinget.

Er ſieht den Schaden ein, den von dem Ueberflus,

Die edle Seele ſelbſt alsdenn erleiden muß,

Die in des Koͤrpers Dunſt, als wie in Pfuͤzen lieget,

Und einen Vogel gleich der wenn er aufwerts flieget,

Stets wieder nieder ſinkt; weil wenn er ſich erhebt,

Die klebricht ſchwere Laſt an ſeinen Fluͤgeln klebt.

Da wo die Maͤßigkeit den giergen Gaum regieret,

Wird nicht ſo ſtarker Trieb zur Laſterbahn verſpuͤret.

Wo Bachus Becher fehln, da herrſcht die Venus nicht;

Die wie ein Wirbelbraus durch alle Riegel bricht,

Und ſchaͤumend uͤberſchwemmt was Keuſchheit, Zucht
und Ehre,

Derſelben aufgeſtellt zu einer Gegenwehre.

Da hat die Laſterbrut die in dem Herzen ſtekt

Die geile Nahrung nicht, die ihren Keim erwekt;

Da kan der Satan auch durch liſtiges Bemuͤhen,

Die Seele nicht ſo leicht in ſeine Nezze ziehen,

So vielen Vortheil bringt die reine Maͤßigkeit,

Die ſo geprieſene, belobte Nuͤchternheit;

Sie kan im Chriſtenthum zu einem heilgen Leben,

Bei himmliſchen Gedein auch Luſt und Nuzzen geben.

Jhr Menſchen! jaget nach der Tugend die euch
kroͤnnt,

Entziehet euch der Bahn wo man den Laſtern froͤhnt;

Wolt ihr den Schoͤpfer recht, wie ſichs gebuͤhrt,
verehren,

So duͤrffet ihr euch nicht mit Speiß und Trank
beſchweren.

Ein nuͤchternes Gemuͤt, die maͤſige Natur,

Gefaͤllt der Gottheit wohl; der Teuffel liebet nur

Die Seelen die bedekt im Ueberfluße ſchwemmen,

Und
[261]Die Maͤßigkeit.
Und der Begierden Reiz durch kein Geſez umdaͤmmen.

Soll aber euer Trieb nicht auf die Wolluſt gehn,

So muͤßt ihr jederzeit auf ſolche Mittel ſehn,

Wodurch der rege Geiſt der gern derſelben froͤhnet,

Wird von der Fleiſcheskoſt der Sinnen abgewoͤh-
net.

Die Weiſen geben uns auch ſchoͤne Regeln an,

Davon die eine heiſt: Mach dir ſtets unter-
than

Die Fleiſchliche Begier, die aus Egyptens
Toͤpfen,

Stat ſuͤſſen Himmelbrodts, will Fleiſch und Knob-
lauch ſchoͤpfen.

Wo der Verſtand regiert, Vernunfft das Scepter
haͤlt,

Da iſt die Reſidenz wo ihren Hofſtaat haͤlt,

Die keuſche Maͤſigkeit. Die Seele iſt verdorben,

Wenn die Begierden ſich das Regiment erworben;

Weil ſie mit Ungeſtuͤm, mit rauſchender Gewalt

Als eine Wirbelfluht, ohn allen Auffenthalt

Den Willen dahin ziehn, wohin ihr Trieb ſich neiget

Der als ein Sclave ſich ins Joch geduldig beuget.

Drum iſt die Regel gut: Man zaͤhme den Affect,

Eh er die rege Wuth in unſern Fleiſch voll-
ſtrekt:

Man zaͤume ihm recht feſt; ſonſt wird er ſich erregen,

Und ehe man es meint den Zuͤgel uns anlegen.

Die Weiſen welche ſich mit rechten Ernſt bemuͤhn,

Das menſchliche Geſchlecht den Laſtern zu entziehn,

Die geben auch den Rath: Man muß den Geiſt
vergnuͤgen,

Durch eine reine Luſt, wenn ihn nicht ſoll
beſiegen,

Die ſchnoͤde Voͤllerei. Der Rath iſt warlich gut,

R 3Weil
[262]Die Maͤßigkeit.
Weil unſre Seele nie in ſtiller Muͤſſe ruht,

Sie denket, ſie verlangt, und muß auch etwas ha-
ben,

Womit ſie ihren Trieb, die Sehnſucht koͤnne laben.

Gibt man den Geiſte nicht die Nahrung die ihm
nuͤz,

So ſchweiffet leichtlich aus der ſchon verdorbne Wiz;

So ſucht er eine Luſt, ein ſinnliches Ergoͤzen;

Er pflegt das als ein Gut das herrlich iſt, zu ſchaͤ-
zen,

Weil er nichts beſſers kennt. Da kan es leicht ge-
ſchehn,

Daß die Begierden ihn auf einem Abweg drehn,

Darauf er nichts verlangt, als ſolche Koſt zu ſchmek-
ken

Die billig einem Geiſt nur Ekkel muß erwekken.

Man ſieht die Warheit gleich bei jedem Kinde ein,

Wenn es ſonſt nichts zu thun; ſo muß gegeſſen ſeyn;

Es denket ſtets darauf; weil es ſonſt nicht zu den-
ken,

Wird man ein Puppenwerk zum Zeitvertreib ihm
ſchenken

Jſt es ſo gierig nicht. Warum? weil es was hat,

Daran ſein Herze klebt. Man folge dieſen Rath,

Beſchaͤfftige die Seel mit Nahrung die ſich ſchikket;

So wird der rege Trieb allmaͤhlig unterdruͤkket,

Der ſonſt zur Voͤllerei und Ueppigkeit verfuͤhrt,

Dadurch der Geiſt die Krafft zum Guten bald ver-
liehrt:

Denn wer nichts gutes thut, der muß was boͤſes
handeln;

Wer ſich zum Fleis gewoͤhnt, der wird auch maͤßig
wandeln.



[263]

Die Voͤllerei.


(Luc. XXI. v. 34.)
Huͤtet euch daß eur Herz nicht beſchweret
werde, mit Freſſen und Sauffen.

[figure]
Ein Laſter das den Menſch gar leicht zum
Schwein verkehrt,

Das iſt die Voͤllerei, die Herz und
Sinn beſchwert;

Ein Laſter welches ſonſt den teutſchen Voͤlkern ei-
gen,

Wie Schreiber alter Zeit zu ihrem Schimpfe zei-
gen.

O! GOtt! gieb deinen Geiſt dies Laſter zu ver-
heern,

Wodurch ſo viel noch die Seel, den Leib verſehrn!

Ach! ſchaͤrfte ich dies ein, daß wir nicht darum le-
ben,

Daß wir den Magen-Sak nur Trank und Speiſe
geben!

Wir eſſen blos allein, wir trinken darum nur,

Damit des Leibesbau, Geſundheit, die Natur

Jn feſten Stande ſey: damit wir unſre Pflichten,

Die uns ſind auferlegt, gebuͤhrend nur entrichten.

Der Menſch lebt auf der Welt, die einem Schau-
plaz gleicht,

Daß auch durch ihm der Zwek derſelben werd er-
reicht;

R 4Wir
[264]Die Voͤllerei.
Wir muͤſſen die Perſon nach unſers Schoͤpfers
Willen,

Wie uns die Rolle trifft mit aller Sorgfalt ſpielen.

Der Menſch lebt auf der Welt, als GOttes Un-
terthan,

Drum muß er dahin ſehn, wie er GOtt dienen
kan,

Das menſchliche Geſchlecht, das bei einander wohnet,

Daruͤber als ein HErr des Himmels Herrſcher thronet,

Jſt einem Koͤrper gleich, da Glied an Gliedern
hengt,

Und durch der Liebe-Band in der Natur ver-
ſchrenkt;

Und da ein jedes Glied dem andern immer nuͤzet;

Damit der ganze Bau des Staates ſey beſchuͤzet.

Der Menſch lebt auf der Welt, als einem fremden
Land

Wie die Erfahrung lehrt, wie aus der Schrifft be-
kandt;

Er ſoll ſich darum auch mit allem Ernſt bemuͤhen,

Durch dieſes eitle Land nach Canaan zu ziehen,

Wo denen Glaͤubigen des Schoͤpfers weiſer Rath,

Ein herrlich Paradies, und eine feſte Stadt

Zur ewgen Wohnung ſchenkt, wenn ſie in dieſen
Leben,

Das treulich ausgericht, was ihnen aufgegeben.

Ein Menſch der auf der Welt in Voͤllerei hinlebt,

Und ſeinen Geiſt im Leib, mit Speiß und Trank be-
graͤbt,

Der macht ſich ungeſchikt dem Schoͤpfer ſeine Pflich-
ten,

Dem Naͤchſten und ſich ſelbſt gebuͤhrend zu entrich-
ten.

Er thut das Gegentheil von allen was er foll,

Ver-
[265]Die Voͤllerei.
Vrrſaͤumet ſeine Pflicht, ſein geiſtlich, leiblich Wohl,

Zerruͤttet ſeinen Geiſt, die Kraͤfte ſeiner Seelen,

Er wird ein Peiniger, um ſich nur ſelbſt zu quaͤlen.

Wer Uebermaaſſe liebt, verdirbet den Verſtand,

Dadurch die Warheit wird in jedem Ding erkannt;

Die Duͤnſte von der Laſt, die ſeinen Magen fuͤllen,

Benebeln den Verſtand, betaͤuben auch den Wil-
len.

Der Seelen rege Kraft die ſo gedruͤkket liegt,

Und die die Voͤllerei mit ſchweren Traͤumen wiegt,

Verliehrt der Freiheit Stand, da die Begierden ſtrei-
ten,

Und uͤber die Vernunft ſtets neuen Sieg erbeuten;

Der Wille der die Luſt zur guten Handlung zeugt,

Wird durch den Ueberflus, als in ein Joch gebeugt,

Die Laſt die druͤkket ihn, er kan ſich nicht erheben,

Und muß im Element der Sinnligkeiten leben;

Wo des Verſtandes Licht, mit ſchwarzen Dunſt
gefuͤllt,

Von Dunkelheit bedekt, von Nebel ganz umhuͤlt;

Und wo der Wille liegt von der Begier bezwungen,

Da wird das Gute leicht aus unſern Geiſt verdrun-
gen.

Wie iſt man da geſchikt, wenn man im Pfuͤzen
liegt,

Und ſich an Speiß und Trank, als hoͤchſten Gut
vergnuͤgt,

Den Geiſt zu GOtt hinauf in Andacht zu erhe-
ben,

Und ſo wie ſichs gebuͤhrt, in Heiligkeit zu leben?

Ein Schlemmer der ſein Herz zur Voͤllerei gewoͤhnt,

Und als ein eitler Knecht den Sinnligkeiten froͤhnt,

Macht ſeinen Bauch zum GOtt den ſucht er zu er-
goͤzen,

R 5Wer
[266]Die Voͤllerei.
Wer zu den wahren GOtt will einen Mammon
ſezen,

Der will zwei Herrn verehrn: und das geht nim-
mer an,

Weil kein berauſchtes Herz den Schoͤpfer dienen
kan;

Der ein Gemuͤth verlangt, das heilig ſich erhebet,

Und nach der Fuͤrſchrifft ſich, die er uns giebt, be-
ſtrebet.

Ein Herz das ſich zum Tiſch, der woll beſezt, ſtets
lenkt

Jſt dem Magnete gleich der ſich zum Eiſen ſchwenkt;

Ein Herz das ſich zum Trunk zu uͤbermaͤßig neiget,

Das ſieht ſein hoͤchſtes Gut, wenn man ein Wein-
glas zeiget.

So wie ein Waſſerhuhn ſein Elemente liebt,

Und ſich gar offte nicht aus ſeinem Schlam begiebt;

So machts ein Trunkenbold er bleibt in ſeinen
Pfuͤzen,

Bei einem vollen Glas, ganz ohngeſtoͤret ſizen,

Und fraget nichts nach GOtt, der unſer Herſcher
iſt;

Weil er bei den Geſoͤff denſelben gar vergißt;

Sein taumelnder Verſtand, und die berauſchten
Sinnen,

Die koͤnnen keinen GOtt, den geiſtiſch lieb ge-
winnen.

Und wacht der Schwelger auf, denkt er an einen
GOtt,

Der alles Boͤſe ſtrafft, und der ein Zebaoth;

So iſt ſein Gottesdienſt ein unbedachtſam Plappern,

Ein eiteles Geraͤuſch, als wenn die Stoͤrche klappern.

Jndem ein Trunkenbold den groſſen Schoͤpfer ehrt,

Der ſeinen Leib betaͤubt, und ſein Gemuͤth be-
ſchwert;

So
[267]Die Voͤllerei.
So ſchaͤndet er vielmehr das allerhoͤchſte Weſen,

Das ſich zum Eigenthum ein reines Herz erleſen.

Sein Andachtsfeur iſt kalt, weil ihn der Wein
erhizt

Die Opfer taugen nicht, weil ſie beflekt, beſchmizt;

Sie ſind ein Greul vor GOtt, mit fremden Feur
entzuͤndet,

Das keinen Wollgefalln im Allerheilgen findet.

Wer ſich der Uebermaaß und Voͤllerei ergiebt,

Der liebt nicht ſeinen GOtt, weil er den Bachus
liebt,

Der kan kein Chriſte ſeyn: denn mit beſchwerten
Seelen,

Kan ſich der Heiland nicht als einer Braut ver-
maͤhlen:

O! moͤchte doch die Welt, die Warheit nur ein-
ſehn,

Und von der Zungenluſt, die ſchaͤdlich, gleich ab-
ſtehn;

Weil ſie uns unnuͤz macht, die heilgen Lebens-
Pflichten,

Die die Religion gebeut, recht zu entrichten!

Ein Schwelger, Trunkenbold, ein Vielfras ſcheinet
mir,

Wenn ich ihn recht beſeh, er ſey ein wuͤrklich Thier.

Von menſchlicher Geſtalt: dieweil er alſo handelt

Als wie ein ſaͤuiſch Thier; dieweil er alſo wandelt,

Als wie ein bloſſes Schwein, das ſich erquikt, ver-
gnuͤgt,

Wenn es in ſtiller Ruh bei ſeinem Troge liegt

Ganz ſorglos dabei bleibt, nicht an den Tag ge-
denket,

Da man es ſchlachtet, kocht, und in den Schorn-
ſtein henket.

Ein
[268]Die Voͤllerei.
Ein ſolches Laſterthier, ein Menſch der immer
ſchwimmt

Jm naſſen Element, das er ſtets zu ſich nimmt;

Gedenkt nicht an die Pflicht, die andre Menſchen
fodern,

Noch an das ewge Feur, darin er dreinſt wird
lodern.

Er lebet ganz verſtokt, als wie der reiche Mann,

Sieht keinen Lazarus in ſeinen Jammer an,

Der Anblik ſtoͤrt die Luſt, erwekt ein Misvergnuͤ-
gen,

Drum laͤſt er ihn gekruͤmmt vor ſeiner Thuͤre lie-
gen;

Er liebt nur die Muſic, ein muntres Saitenſpiel,

Kein klaͤgliches Gethoͤn, und wenn er opfern will,

Dem Bachus, ſeinen Bauch, laͤſt er Poſaunen blaſen,

Um bei dem Klang und Lerm nur feuriger zu raſen,

Wie die Bachanten thun. Wenn er ein Jubelfeſt,

Dem Abgott ſeinem Bauch mit Freuden feiren laͤſt,

Wie taͤglich faſt geſchieht; ſo iſt nur ſein Bemuͤhen,

Durch heiſſen Wein und Bier den Weirauch an-
zugluͤhen,

Den er zum Opfer bringt. Das Opfer wird ge-
ſchlacht,

Den Prieſter den er braucht, der es zu rechte macht,

Jſt ein erfahrner Koch, der alles kan bereiten,

Mit Fett es woll begieſt, damit es muͤſſe gleiten

Durch einen engen Schlund, da es den dahin dringt,

Wo es der Abgott Bell, der Magen gleich ver-
ſchlingt,

Der ſich ſo weit ausſpannt, als jener Hals des
Drachen,

Den ſie in Babilon zu einen Goͤzen machen.

So geht es taͤglich fort; kaum iſt der Schlauch
geleert;

So
[269]Die Voͤllerei
So brennt ſein Altar ſchon, ich mein den Feuer-
Heerd:

Der Abgott, dieſer Bauch, will wieder opfern laſ-
ſen,

Er ſpeert den Rachen auf das gierig aufzufaſſen,

Was man als Speiß und Trank, es ſey fruͤh oder
ſpat,

So wie ers gerne wuͤnſcht, gewuͤrzt bereitet hat:

Und das daurt immer fort, bis das er Mangel lei-
det,

Bis das er ſeinen Schaz im Ueberflus vergeudet,

Da er den Faſttag haͤlt, an Hunger-Tuche nagt,

Mit dem verlohrnen Sohn, die Luſt in Noth be-
klagt;

Und ſtat der Fettigkeit ein duͤrres Brod verzehret,

Und ſich bei theurer Zeit, woll gar mit Trebern naͤh-
ret.

Verſchlinget er das nicht, was er im Vorrath hegt,

Weil ſein Vermoͤgen ihm genugſam Zinſe traͤgt,

Wovon er leben kan; ſo kan es leicht geſchehen,

Daß er muß vor der Zeit zu ſeinem Grabe gehen.

Ein Menſch der die Natur mit Ueberflus beſtuͤrmt,

Des Leibes morſchen Bau mit Sorgfalt nicht be-
ſchirmt,

Zerſtoͤhrt dieſelbe leicht, Geſundheit geht verlohren,

Und aus der Uebermaaß wird banges Weh geboh-
ren;

Das Uebel folget nach, das mit ſo mancher Noth,

Des Leibes Sturz und Fall mit Pein und Schrek-
ken droht:

Wenn man den Rebenſafft, durch ſeine Gurgel ja-
get,

Wird er ein inrer Feind, der ſeine Freunde plaget,

So lange das Gedaͤrm, die Lunge beiſſend zehrt,

Bis
[270]Die Voͤllerei.
Bis er des Koͤrpers Bau zulezt noch ganz zerſtoͤhrt:

Da wird die Luſt in Weh, wenn man ſo thoͤrigt
handelt,

Bei einem Trunkenbold der gierig ſchlingt, verwan-
delt.

Vernunft, Verſtand und Wiz, der Seelen beſte
Zier

Verſchwindet auch dabei, er wird ein albern Thier:

Man ſeh nur ſolche an die ihren Wiz verſoffen,

Was kan man kluges noch von ſolchen Viehe hoffen?

Sie taumeln hin und her, als wie ein Jrrelicht,

Wie albern klingt es nicht, wenn ein Beſoffner
ſpricht?

Es iſt der Klugheit Salz von ſeiner Red entfernet,

Er ſtamlet wie ein Kind, das erſt das Sprechen ler-
net;

Wenn er noch reden kan; ſo iſts doch ungereimt,

Als wenn ein Kranker was bei albern Wahnwiz
traͤumt,

Das Herz das in der Bruſt vom Schoͤpfer einge-
ſchloſſen,

Das iſt bei dem Geſoͤff in ſeinen Mund gefloſſen,

Er plaudert alles aus, was insgeheim geſchehn

Und laͤſt bei vollen Leib geheime Schande ſehn;

Was ihm ein Freund vertraut, das wird ganz laut
beſungen,

Wenn ſeine Voͤllerei ihn ganz und gar bezwungen;

Ein Schlemmer iſt daher, auch gegen ſeinen Freund,

Wenn ſein Gehirn berauſcht, der allergroͤſte Feind,

Er iſt ſein eigner Feind, ſein trunkenes Geſchwaͤze,

Zieht ihn oft eh ers meint, in viele Ungluͤks-Neze.

Die Uebermaß zerbricht der Keuſchheit feſten Dam,

Der Mund wirft immer aus den boͤſen Laſter-
Schlam

Da-
[271]Die Voͤllerei.
Davon das Herze voll; ſie wirft aus dieſer Pfuͤze,

Wie das Gemuͤthe iſt, bald Scherz, bald Stank,
bald Blize

Mit ſtarken Sprudel aus: und wenn der Mund ſo
flieſſt,

So iſt leicht einzuſehn, was da vor Thun entſprieſſt:

Ein Schwelger iſt ein Menſch bei den die geilen Suͤn-
den,

Stets einen freien Paß, und ofnen Eingang finden.

Mit einem Wort: ein Menſch in ſeiner Voͤllerei,

Bricht Riegel, Thuͤr und Thor der Ehrbarkeit ent-
zwei:

Das was der Wollſtand will, was GOttes Wort
geſezet,

Wird durch die Trunkenheit in Raſerei verlezet;

Die Laſter finden da in einer Seele ſtat,

Wenn man den Leib erhizt, zu ſtark beladen hat;

Wo die Gelegenheit nur einen Antrieb giebet,

Da werden Greuel, Schand und Bosheit ausgeuͤbet.

Wie mancher findet ſich der ſich mit Wein begießt,

Der ſeiner Keuſchheit Kranz in Trunkenheit einbuͤßt?

Wie viele die berauſcht ſind zum Gezaͤnk entflammet

Zur Wuth und Schlaͤgerei, die aus dem Zorn her-
ſtammet?

Wie viele ſind dadurch in ihren Wahn verruͤkt,

Daß ſie dem beſten Freund den Lebensdrat zerſtuͤkt?

Wie viele ſind beim Trunk ums theure Leben kom-
men,

Da ihre Zechgeſelln in Blut und Bier geſchwommen?

Und wenn das nicht geſchicht, und ein berauſchter
Held,

Vor ſolchen Ungeluͤk ſich unverlezt erhaͤlt;

Wenn alles Ungemach das ſonſt die Saͤuffer quaͤ-
let,

Mit
[272]Die Voͤllerei.
Mit ihrer Voͤllerei, ſo wie wir es erzaͤhlet,

Gar nicht verbunden iſt; ſo bleibt es doch dabei,

Das ein beſofner Menſch ein Elends Sclave ſey;

Weil er die Menſchlichkeit beim Ueberflus einbuͤſſet,

Und ſeine arme Seel daruͤber ganz vergiſſet.

Der andre Laſter hegt, wird leichter noch bekehrt,

Als der wer ſeinen Geiſt mit Uebermaaß beſchwert;

Die Gnade kan ſie noch aus ihren Laſter-Schlin-
gen,

Viel leichter wiederum zur wahren Buſſe bringen;

Die Laſter andrer Art, die nehmen eher ab,

Allein die Trunkenheit die folget bis ins Grab;

Ein Menſch der unkeuſch lebt, der kan ſich noch be-
ſinnen,

Er kan die Folgen ſehn vom thoͤrigten Beginnen:

Allein ein Trunkenbold, wird wenn er immer vol,

Des Unverſtandes Knecht und endlich albern, tol

Sein Herze wird ganz hart, und die verſchlungnen
Guͤſſe,

Benehmen das Gefuͤhl von dem Gewiſſens-Biſſe.

Wie elend iſt ein Menſch der ſeine Seel verdirbt,

Jn Uempfindligkeit bei ſeinem Taumeln ſtirbt,

Was kan man woll von ihm vor einem Wechſel
hoffen?

Ach! keinen anderen, als den der Mann getroffen,

Der in dem Hoͤllen-Schlund um eine Kuͤhlung
ſchreit,

Und der vergeblich ſeufzt nach einer Gnaden Zeit.

Wer dieſe Folgen nur wie ſichs gebuͤhrt, bedenket,

Der ſieht daß Voͤllerei uns ins Verderben ſenket.



[273]

Gedanken bei einem Wetter-
glaſe.


[figure]
Der Menſch iſt offtermahls dem Wetter-
glaſe gleich,

Darinnen der Mercur bald aufwerts
ſteigt, bald ſinket,

Nachdem die Witterung ihn in der Luͤf-
te Reich,

Zum Steigen und zum Fall durch ihre Aendrung
winket.

Das menſchliche Gemuͤth, pflegt bei dem Gluͤkkes-
Schein

Sich in geblaͤhten Stolz gewaltig zu erheben.

Und als das Gluͤkke waͤchſt, wie trifts nicht oftmahls
ein?

Nach einer Hoͤh vom Dunſt, mit aller Macht zu
ſtreben;

Allein wie aͤndert ſich die arme Kreatur,

Wenn eine rauhe Zeit von Truͤbſal angekommen

Da faͤllet gleich der Muth wird aͤhnlich dem Mer-
cur

Der in des Glaſes Roͤhr den niedren Stand ge-
nommen.

Dritter Theil. SEin
[274]Gedanken bei einem Wetterglaſe.
Ein wollgeſezt Gemuͤth bleibt immer einerlei,

Jm Gluͤk und Ungeluͤk in hell und truͤben Ta-
gen,

Es bleibt in Sanftmuth ſtill, in wahrer Demuth
treu,

Und ſchwinget ſich empor bei allen Leid und Pla-
gen.


Ein
[275]

Ein Schnekken-Haus.


[figure]
Dies run dgewoͤlbte Haus gefoͤrmt von der
Natur,

Jſt ſehr bequem gemacht vor ſeine Krea-
tur,

Die darin wohnt und lebt; weil ſie den
Schuz drin findet

Und ſich mit ſolchen ſtets genau und feſt verbindet.

Es iſt ein ſchoͤnes Bild an Schnekken zu beſehn,

Von ſolchen die niemahls aus ihren Haͤuſern
gehn,

Mit Sorgfalt das bewahrn, was ſie mit Schweis
errungen,

Und was aus ihnen ſelbſt gleichſam hervor gedrun-
gen (*)

Die Schnekke iſt ein Bild der nuͤzen Haͤuslig-
keit,

Die nie ihr Haus verlaͤſt, die allemahl bereit

Wenn etwas dran zerbricht es wieder zu verbeſ-
ſern,

S 2Und
[276]Ein Schnekken Haus.
Und die ſich ſtets bemuͤht die Wohnung zu ver-
groͤſſern:

Wie woll ſteht es um dem, der nach der Schnek-
ken Art,

Sein Eigenthum beſchuͤzt, und der ſein Haus be-
wahrt;

Lernt an den Schnekken dies, wer allenthalben
ſizet,

Verliehrt ſein Eigenthum, in dem ers nicht be-
ſchuͤzet.


Das
[277]

Das Salz.


[figure]
Nichts iſt auf dem Kreis der Erden,

Jn dem Reiche der Natur;

Da man ſieht die Kreatur,

Bei viel Millionen Heerden,

Das nicht einen Schoͤpfer zeiget,

Der den Menſchen iſt geneiget;

Der die Dinge in der Welt,

Uns zum Nuzen dargeſtellt.

Auch das Salz das in den Gruͤnden

Jm Gewaͤſſer, in der See

Jn der Tieffe, in der Hoͤh

Allenthalben iſt zu finden,

Zeuget von des Schoͤpfers Walten,

Der die Dinge zu erhalten,

Mit den fluͤchtgen Salz erfuͤllt,

Welches allenthalben quillt.

Salz erhaͤlt die Meer und Seen,

Vor der Faͤulnis, welche leicht

Aus den lauen Suͤmpfen kreucht,

Wenn ſie unbeweget ſtehen;

Welche leicht daſelbſt entſpringet,

Wo der Sonnenſtrahl hindringet.

Und was waͤrd ein jedes Meer,

Wenn kein Salz darinnen waͤr?

S 3War-
[278]Das Salz.
Warlich eine faule Pfuͤze,

Und ein rechtes Todten-Meer,

Das von allen Fiſchen leer,

Und ein Pfuhl der ganz unnuͤze.

Was drin lebte muͤſte ſterben

Jn Geſtank und Dunſt verderben;

Alles muͤſte untergehn,

Wenn darin kein Salz zu ſehn.

Aus den Meeren, Seen, Fluͤſſen,

Aus der ſumpfig lauen Grufft,

Steigen Theilgen in die Lufft,

Wie wir durch Erfahrung wiſſen:

Waͤr das Waſſer ganz beflekket,

Wuͤrd die Lufft auch angeſtekket;

Und ſo machte der Geſtank,

Was geſund auf Erden krank.

Alsdenn wuͤrden alle Seuchen,

Die aus boͤſer Lufft entſtehn,

Nimmer wieder uͤbergehn,

Und es muͤſte das erbleichen,

Was im Erden-Kreiſe lebet,

Weil die Lufft die um uns webet

Durch die mitgetheilte Krafft,

Uns ſtets friſchen Odem ſchafft.

GOtt der dies zuvor geſehen,

Und nach dem allweiſen Rath,

Alles eingerichtet hat;

Lies daher ein Salz entſtehen,

Das den faulen Dunſt vertreibet,

Macht, das Waſſer friſch verbleibet
Und
[279]Das Salz.

Und den Lebens Hauch der Welt,

Lufft und alles Friſch erhaͤlt.

Auch die Kunſterfahrnen Weiſen

Die das kluͤglich unterſucht,

Was zu finden in der Flucht

Von den duͤnn gewebten Kreiſen;

Die behaupten das die Luͤffte,

Eben ſo wie dunkle Kluͤffte

Mit der Art von Salz vermengt,

Das durch alle Ding ſich drengt.

Weil die Lufft von Duͤnſten quillet

Darin ein Salpeter ſtekt

Der vom Sonnenſtrahl erwekt,

Dehnend ihren Kreis erfuͤllet;

So iſt daraus leicht zu ſchlieſſen,

Daß wenn Regenſtroͤme flieſſen,

Der Salpeter abwerts faͤllt,

Der in denen Wolken ſchwellt.

Alſo muß das Salz das Leben,

Wachsthum, in dem Pflanzenreich,

Gras, und Kraͤutern, Baum und Zweig

Durch den Schoos der Erden geben;

Wenn wir dieſes nur bemerken:

So kan es den Saz beſtaͤrken;

Daß das Salz von GOtt allein,

Koͤnn ein groſſer Zeuge ſeyn.

Es kan uns daſſelbe lehren,

Wie der alles woll gemacht,

Alles weislich ausgedacht

Den wir als den Schoͤpfer ehren:
S 4Wenn
[280]Das Salz.

Wenn wir dabei uͤber denken,

Wie er alles koͤnne lenken:

So muß unſer Herz geſtehn,

Daß GOtt herrlich zu erhoͤhn.

Auch in einem jeden Dinge,

Zeiget er ſich warlich gros,

Und ein kleiner Erdenklos,

Scheinet er uns gleich geringe

Muß zu vielen andern nuͤzen,

Theils zu naͤhren, theils zu ſchuͤzen;

Dieſes iſt im Salz ſo gar,

Zu des Schoͤpfers Ruhme klar.

Es hat das allweiſe Weſen,

Der Geſchoͤpfe jede Art

Faſt mit einem Salz bewahrt,

Wie wir in den Schrifften leſen,

Darin uns das aufgedekket,

Was in der Natur verſtekket:

Auch der Menſch die kleine Welt,

Fuͤhrt ein Salz, das ihn erhaͤlt.

Doch dies moͤgen andre lehren,

Bei dem Chimiſchen Verſuch;

Uns iſt es anjezt genug

Unſern Schoͤpfer zu verehren;

Wenn wir nur den Nuzen wiſſen,

Von dem Salz das wir genieſſen;

Weil daraus ſich klaͤrlich zeigt,

Wie uns GOttes Huld geneigt.

Dadurch koͤnnen wir bewahren.

Fleiſch das eingeſchlachtet iſt,
Wel-
[281]Das Salz.

Welches ſonſt die Faͤulung frißt,

Wenn wir es zum Winter ſparen;

Dadurch werden viele Fiſche

Auch auf fremder Laͤnder Tiſche

Als geſunde Koſt gebracht,

Die mit Salz ſind eingemacht.

Salz das wuͤrzet die Gerichte,

Die im Eſſen uns erfreun,

Sonſten ganz unſchmakhafft ſeyn:

Es macht lieblich ſolche Fruͤchte,

Die uns ſonſt zu weichlich ſchmekken,

Einen Ekel nur erwekken;

Macht es daher nicht dem Mund,

Unſers Schoͤpfers Guͤte kund?

Es iſt ein ſolch Lebens-Mittel

Das in jeder Kuͤch beliebt

Das der Schoͤpfer allen giebt:

Das der der in groben Kittel

Und der in dem Purpur lebet,

Als ein ſchoͤn Gewuͤrz erhebet,

Ohne welchen ihm nichts ſchmekt,

Was die Zunge gerne lekt.

Wer in bittrer Armuth lieget

Wird bei ſeiner bangen Noth,

Wenn er nur hat Salz und Brodt,

Und den Waſſertrank, vergnuͤget;

Dadurch kan des Schoͤpfers Walten,

Jhn geſund und friſch erhalten:

Denn das harte Brodt gedeit,

Wenn darauf nur Salz geſtreut.

S 5Salz
[282]Das Salz.
Salz erfriſchet das Gebluͤte,

Reiniget durch ſeine Krafft,

Den verdorbnen Adern-Safft;

Salz erfreuet das Gemuͤthe,

Wenn ein Wort damit verſuͤſſet;

Das von unſrer Zunge flieſſet:

Und ein wollgeſalzner Scherz

Machet auch ein muntres Herz.

Darum wird das Salz gewaͤhlet,

Als ein ſchoͤnes Sinnenbild,

Wenn die Rede lieblich quillt

Und mit Klugheit iſt vermaͤhlet.

Wenn hingegen Worte ſchallen,

Die dem Hoͤrer misgefallen;

So heiſt es: das tauget nicht,

Weil der Rede Salz gebricht.

Schoͤpfer! gieb uns zu erkennen

Daß uns deine Gnaden Hand

Auch das Salz hat zugewandt,

Das wir eine Wollthat nennen;

Die uns kan in unſern Leben

Mannigfaltgen Nuzen geben:

Denn ſcheint es gleich ſehr gering,

Jſt es doch ein nuzbar Ding.

Gib daß wir bei unſern Eſſen,

Das vom Salze lieblich ſchmekt,
Und
[283]Das Salz.

Und uns deine Guͤt entdekt,

Auch den Dank niemahls vergeſſen

Fuͤr daſſelbe, fuͤr die Gaben,

Die den Koͤrper ſtaͤrkend laben;

So wirſt du uns mehr beſchern

Womit wir uns ferner naͤhrn.



[284]

Das vergebliche Wuͤnſchen.


(Spruͤchw. Sal. XXI. v. 25.)
Der Faule ſtirbt uͤber ſeinen Wuͤnſchen.

[figure]
Der Menſchen Torheit wird man offter-
mahls gewahr,

Wenn man ihr Wuͤnſchen hoͤrt: denn
daraus zeigt ſich klar,

Daß wir in Eitelkeit daſſelbige verlangen,

Woran der Seelen Trieb und inre Neigung han-
gen.

Der eine wuͤnſchet ſich den Abgott dieſer Welt,

Das blizende Metal, den guͤldnen Staub, nur
Geld;

Jhm deucht daß er begluͤkt wenn er ſich an den Schaͤ-
zen

Des klingenden Geſpiels nur koͤnte ſtets ergoͤzen;

Der andre ſieht das Geld, als einen Drekklump
an,

Der keinen Menſch begluͤkt, vergnuͤget machen
kan;

Er lacht den Geizhals aus, und denkt auf ein Ver-
gnuͤgen,

Ach! ſpricht ſein ſehnend Herz koͤnt ich daſſelbe krie-
gen:

So waͤr ich recht begluͤkt; was wuͤnſchet die Be-
gier

Der
[285]Das vergebliche Wuͤnſchen.
Den Himmel auf der Welt, den zieht er allen
fuͤr;

Der Wunſch der chriſtlich klingt, iſt nicht ſo zu
verſtehen,

Er wuͤnſcht das Paradies der Tuͤrken nur zu ſe-
hen.

Er liebt die faule Ruh, und eine Lagerſtatt,

Wo ſein Geſchmak nur das, was er verlanget
hat,

Der andre wuͤnſchet ſich noch ein viel anders Gluͤk-
ke,

Und was denn? Bei dem Brodt nur eitle Liebes
Blikke,

Von der die ihm gefaͤllt. Der dritte ſchnappt nach
Dunſt,

Nach einer eitlen Ehr, nach des Gemuͤhtes
Gunſt;

Er glaubt das waͤr ſein Ziel, koͤnt er es nur erlan-
gen:

So koͤnt er in der Welt in hellen Glanze pran-
gen.

Der vierte hat ein Gut darnach die Sehnſucht
ſtrebt,

Er wuͤnſcht, dieweil ſein Herz auch an der Erde
klebt,

Nach blinder Maulwurfs Art, nur ſtets herum zu
wuͤhlen

Und auf den Erdenball mit leeren Nichts zu ſpie-
len,

Der bloſſe Grillen liebt, und ſich daran behagt,

Wenn er gleich einen Wurm, an alten Buͤchern
nagt,

Der wuͤnſchet nichtes mehr, als nur den Schaz zu
haben,

Den
[286]Das vergebliche Wuͤnſchen.
Den jene graue Welt in ihren Schut vergraben.

Dem Wiſſenſchafft gefaͤllt, der ſtrebet nur allein,

Daß er Beſizer koͤnn von allen Buͤchern ſeyn,

Die jemahls ausgehekt; Er meint er ſey geneſen,

Wenn er mehr Vorrath hat, als er wird koͤnnen
leſen.

Der Menſchen Wunſch alſo und ſein begierger
Sinn,

Der richtet ſich auch ſtets nach ſolchen Ziele hin,

Wohin die Neigung geht: und wenn man eitel denket;

So wird die Neigung auch zum eitlen Zwek gelenket.

Wer das erhalten hat, wornach er ſich geſehnt,

Der findet allemahl, wie ſich ſein Wunſch aus-
dehnt:

Wer hundert Thaler nur vorhero haben wollen,

Darin ſich die Begier und Neigung ſtillen ſollen,

Der wuͤnſcht nunmehro zwei, er ſezt ſich das zum
Ziel

Und wenn er die erlangt, wuͤnſcht er noch eins ſo
viel,

Und das geht immer fort; So iſts mit andern Dingen,

Wornach die Menſchen ſtets, in heiſſen Wuͤnſchen
ringen.

So bald ſie es erlangt; ſo iſt bei dem Genus

Auch jederzeit verknuͤpft der Sache Ueberdruß;

Wer die Zufriedenheit in Wuͤnſchen will erjagen,

Der wird ſich wie im Traum mit falſchen Bildern
plagen:

Was Koͤnig Salomo mit klugen Wiz erkant,

Daß dieſe Unterwelt der Eitelkeiten Land,

Beſtaͤtigen die auch die nur in Wuͤnſchen traͤumen,

Und bei der Einbildung das wahre Heil verſaͤumen.



[287]
Lobgeſang Moſis und der Kin-
der Jſrael.

Aus dem 2 B. Moſ. c. XV.
Jn einer poetiſchen Ueberſezung.
v. 1.
[figure]
Wir beſingen deine That, groſſer Herr-
ſcher aller Welt,

Da durch dich dein Jſrael Leben
und den Sieg behaͤlt,

Unſre Feinde ſind geſtuͤrzt, und die groſſen Krieges-
Heere,

Roß und Wagen flieſſen dort, todt zerbrochen in dem
Meere.

2.
Du biſt unſre Staͤrke HErr! unſer Heil, der
Lieder Klang

Bringet dir mit Herz und Mund einen frohen Lob-
geſang;

Du biſt unſer Schuz und GOtt! laß uns dir zum
Ruhme leben,

Du biſt unſrer Vaͤter GOtt darum wolln wir dich
erheben.

3.
[288]Lobgeſang Moſis und der Kinder Jſrael.
3.
GOtt der iſt ein groſſer Held, zieht er in den
Krieg und Streit,

So wird gleich im Augenblik, ſeiner Feinde Macht
zerſtreut;

Er iſt ein gewaltger HErr, laͤſt er ſeinen Donner
ſchallen;

So muß alles durch den Grim ſeiner Blizen ploͤzlich
fallen.

4.
O! die Wagen Pharao und ſein groſſes Krie-
ges Heer

Warf er ploͤzlich durch den Sturz in das aufgeſchwol-
ne Meer,

Seine Helden ſind dahin, die Hauptleute ſind ver-
trunken

Und in den beſchilften Schlund, in den tieffen Schlam
verſunken.

5.
Dieſer Tieffen weiter Bauch hat ſie fuͤrchterlich
verſtekt,

Da ſie durch den naſſen Schaum des Gewaͤſſers uͤ-
berdekt;

Ploͤzlich fielen ſie zur Grund, wie die Steine die mit
knallen,

Wenn man ſie ins Waſſer ſchmeiſt durch die Fluth
zum Boden fallen.

6.
[289]Lobgeſang Moſis und der Kinder Jſrael.
6.
HErre! deine rechte Hand, die uns deine All-
macht zeigt,

Die ſo groſſe Wunder thut, und die ſtolzen Feinde
beugt;

HErre! deine Wundermacht hat die Feinde, Roß
und Wagen,

Alles was ſich wiederſezt in den ſchnellen Grim zer-
ſchlagen.

7.
Deine groſſe Herrlichkeit bringt den Widerſtand
zum Fall,

Wenn du deinen Grim ausſchießt; ſo entſteht ein
Donnerknal,

So entſteht ein ſtrenger Bliz, der die Feinde gleich
verheeret,

Und durch ein entglomnes Feur wie die Stoppeln,
ganz verzehret.

8.
Durch dein Blaſen thaͤten ſich die Gewaͤſſer ſchleu-
nig auf,

Und die Fluthen ſtunden ſtill als wie Mauren, in
dem Lauf,

Mitten in dem tieffen Meer ſahe man das rege Wal-
len,

Von einander gleichſam gehn, in den Sprudel ruͤk-
werts prallen.

Dritter Theil. T9.
[290]Lobgeſang Moſis und der Kinder Jſrael.
9.
Da gedachte unſer Feind, daß er uns mit ſeiner
Jagd,

Auf der ſchnellen Flucht erhaſcht, und bereits zu Nicht
gemacht;

Er gedachte ſeinen Muth noch zulezt an uns zu kuͤh-
len,

Und wir ſolten Hand und Schwerd ploͤzlich zum Ver-
derben fuͤhlen.

10.
Aber HErr du Zebaoth! dem die Fluthen,
Meer und Wind,

Wie es nur dein Wink gebeut, alſobald gehorſam
ſind,

Du bedekteſt ſie im Meer, daß ſie wie das Blei ver-
ſchlungen,

Jn der ſtarken Wirbelfluth bis zum Abgrund ſind
gedrungen.

11.
HErr! wer iſt dir von der Zahl eingebildter
Goͤtter gleich,

Wer iſt an Vollkommenheit, in dem weiten Erden
reich,

Der dir gleich an Heiligkeit, an gerechter Macht zu
ſchaͤzen,

Wer iſt Dir an Ruhm und That noch woll an die
Seit zu ſezen?

12.
[291]Lobgeſang Moſis und der Kinder Jſrael.
12.
Keiner iſt in aller Welt, der wie du allmaͤchtig
heiſt,

Deſſen Arm ſo wunderbahr alle Macht zu Boden
ſchmeiſt;

Rekkeſt du die Hand nur aus, ſo verſchlingt der Er-
den Rachen,

Alle die ſich unterſtehn, deine Wunder zu verlachen.

13.
Du geleiteſt HErr! dein Volk daß du nun erloͤſet
haſt,

Und giebſt aus Barmherzigkeit ſuͤſſe Luſt nach ſaurer
Laſt;

Du haſt uns durch deine Krafft zu dem Lande heim-
gefuͤhret,

Das uns als ein heilges Land, als der Vaͤter Erb
gebuͤhret.

14.
Da der Auszug ruchtbar ward, der durch deine
Hand geſchehn,

Bebete der Voͤlker Herz dahin wir nun ſolten gehn,

Die Philiſter zitterten, ihr Gemuͤthe ward beklom-
men:

Denn ſie ſahen zum voraus daß ihr Land ſchon weg-
genommen.

T 215.
[292]Lobgeſang Moſis und der Kinder Jſrael.
15.
Edoms Fuͤrſten wurden Angſt, als ſie hoͤrten
das Geruͤcht,

Da die ganze Gegend HErr! jezt von deinen Wun-
dern ſpricht

Und ein Zittern uͤberfiel alle die in Moab thronen:

Alle Voͤlker wurden feig, die in Canans Grenzen
wohnen.

16.
Laß das Schrekken auf ſie falln HErr! durch
deinen groſſen Arm,

Und betaͤube mit der Furcht dieſer Voͤlker wilden
Schwarm,

Daß ſie wie ein Stein erſtarrn, bis dein Volk hin-
durch gekommen,

Bis es das geſchenkte Land, durch Dich voͤllig einge-
nommen!

17.
Bringe ſie, o! HErr hinein; pflanze deine Kin-
der da,

Auf des Erbtheils heilgen Berg, den du groſſer Je-
hovah!

Dir, zur Wohnung auserſehn; bringe uns zum Hei-
ligthume,

Das da deine Hand gebaut, HErr! zu deines Nah-
mens Ruhme.

18.
[293]Lobgeſang Moſis und der Kinder Jſrael.
18.
Unſer HErr wird Koͤnig ſeyn der ſein Volk mit
Macht regiert,

Und auf Zions heilgen Berg ſeiner Herſchaft Scepter
fuͤhrt;

Er wird immer ewiglich, durch ſein Allmachts-volles
Walten,

Sein erwaͤhltes Jſrael, als ſein Eigenthum erhalten.

19.
Pharao der zog hinein mit den Roſſen, Wa-
gen, Heer,

Unſer GOtt der daͤmpfte ihn durch die ſtrenge Fluth
im Meer:

Jſrael ging trokken durch. Jſt das nicht ein Wunder-
zeichen,

Muß es nicht zu Gottes Ruhm, zu des Volkes
Troſt gereichen?



[294]

Die mannigfaltigen Wolltha-
ten GOttes, die der Menſch in ſei-
nem Leben genieſſet.


[figure]
Es uͤberzaͤhlt kein Menſch das Gute was
GOtt giebt,

Der ſeine Kreatur mit ewger Guͤte
liebt;

Denn alles was wir in, und an, und
um uns haben,

Sind von der hoͤchſten Huld ge-
ſchenkte Gnaden-Gaben.

Die erſte Wollthat iſt, daß er uns hat gemacht,

Und aus der Moͤglichkeit zur Wuͤrklichkeit gebracht,

Das Leben hat geſchenkt, und durch ſein guͤtig
Walten,

Jn einer Dunkelheit des Kerkers auch erhalten;

Und an das Licht gebracht durch ſeine Wunderhand,

Und das er uns geſezt in dieſes ſichtbahr Land

Der aufgebauten Welt, wo wir als Menſchen woh-
nen,

Die uͤber das Geſchoͤpf mit edler Herrſchafft thro-
nen.

Der Menſch hat Seel und Leib die wunderbahr
verſchraͤnkt,

Und was vor Wollthat iſts, daß man vernuͤnſtig
denkt?

Wie viele Gaben ſind mit unſern Geiſt verbunden?

Die
[295]Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Die wir als Kraͤfte drin in reger Wuͤrkung funden?

Es zeigt ſich der Verſtand die edle Eigenſchaft,

Das Auge unſrer Seel das mit geſchaͤrfter Kraft,

So viele Dinge ſieht, das weislich uͤberdenket,

Und durch ſein helles Licht des Willens Triebe lenket.

Da aͤuſert ſich der Wiz die ſcharfe Faͤhigkeit,

Die vieles uͤberſieht in einer kurzen Zeit;

Und die Erhalterin der eingedrukten Lehren,

Die wir mit Augen ſehn, und mit den Ohren hoͤren.

Jſt das Gedaͤchtnis nicht ein Kleinodt das ergoͤzt

Und das uns in den Stand des wahren Gluͤks ver-
ſezt,

Dadurch was laͤngſt geſchehn, uns gegenwaͤrtig
bleibet,

Wenn man was wichtig iſt, demſelben einverleibet?

Die Kraft der Einbildung, womit der Geiſt ge-
ziert,

Jſt GOttes Gabe auch, die uns durch Bilder ruͤhrt;

Man ſeh den Willen an, was GOtt darin ge-
gepraͤget,

Und welche Triebe er zu unſern Wollſein heget:

So ſehen wir daraus, daß unſre Seel ein Geiſt,

Der billig unſer Schaz und groͤſtes Kleinodt heiſt.

Durch den Verſtand ſind wir vom Schoͤpfer aus-
zieret;

Und weil uns die Vernunft mit unſern Thun regie-
ret;

So iſt der Vorzug klar der uns vor dem was lebt,

Ja! uͤber jedes Thier in aller Welt erhebt;

Den Geiſt hat GOttes Macht mit einen Leib ver-
bunden,

Woran ſo manches Glied; ſo manches wird gefunden,

Das eine Wollthat heiſt, die keiner ſchaͤzen kan,

Als wer bei dem Gebrauch ſieht deren Nuzen an.

T 4Laſt
[296]Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Laſt uns zu erſt nur ſehn der Sinnen aͤuſre Roͤhren,

Der Augen Wunderglas, das Ohr damit wir hoͤ-
ren,

Die Zunge die da ſchmekt was uns vor Suͤßigkeit,

Jn jeder Kreatur des Schoͤpfers Huld anbeut;

Der Naſen Wunderbau dadurch die Duͤnſte fliegen,

Die auch durch das Gehirn die Seele ſelbſt vergnuͤgen

Mit lieblichen Geruch, den unſer Geiſt ſelbſt ſchmekt,

Als eine Suͤßigkeit ganz unbegreiflich lekt.

Wie wunderbahr iſt es, daß das Gefuͤhl, Empfinden,

Sich kan mit jedem Glied, das es bemerkt verbinden.

O! welche groſſe Zahl von Gaben wird gezaͤhlt;

Die draus in uns entſtehn das GOtt den Geiſt ver-
maͤhlt,

Mit einem Leibes-Bau, der auf dem Erdenkreiſe,

Das herrlichſte Geſchoͤpf, das kuͤnſtlichſte Gehaͤuſe!

Obgleich ſo mancher Theil an unſern Koͤrper haͤngt,

Wodurch der ganze Bau ſo wunderbahr verſchraͤnkt;

So iſt doch gar kein Glied, das uns nicht deutlich zei-
get,

Wie ſehr der Schoͤpfer uns durch ſeine Huld genei-
get.

Des Hauptes Theile ſind vor allen wunderbahr,

Die Schedel iſt bedekt mit wollgewachſnen Haar,

Und was ſtekt uͤberdem in dieſen Wunderhoͤlen,

Wie herrlich iſts Gehirn, der edle Siz der Seelen?

Der Augen hell Criſtal, der Ohren tieffer Gang,

Des Mundes ofner Paß, des Gaums, der Zun-
gen Klang,

Der Zaͤhne Elffenbein, das knoͤrplicht Theil der
Naſen,

Dadurch wir Othem ziehn, dadurch wir Lufft aus-
blaſen,

Der
[297]Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Der Lippen Fluͤgel-Thor, der Augenlieder
Schuz,

Der Nerven zartes Band, der Wangen glat-
ter Puz,

Des Kinnes Auſſenwerk, die uͤberzognen Bak-
ken

Der ausgeſtrekte Hals, der feſtgeſteifte Nakken;

Und was am Haupt noch mehr vor Stuͤkke zu be-
ſehn,

Die koͤnnen GOttes Guͤt, des Schoͤpfers Preis
erhoͤhn.

Und was ſind nicht noch mehr vor groſſe Wunder-
Gaben,

Die wir am Leibe ſelbſt, von ihm empfangen ha-
ben?

Der Arme Kunſtgelenk, der Finger rege Kraft,

Der Adern ſchlanke Roͤhrn, des Blutes rother
Safft,

Und der Gedaͤrme Band, der Lungen ihr Be-
wegen,

Des Herzens Lebensquell und zappelndes Erregen,

Der Bruſt gewoͤlbter Bau, die Milz, der Ma-
genſchlauch

Der Eingeweide Garn, der ausgedehnte Bauch,

Der Schultern breites Blatt, der Rippen knoͤch-
richt Weſen:

Und was der Schoͤpfer mehr zum Leibe auserleſen,

Sind Gaben deren Nuz man alle Stunden ſieht,

Wenn man bei dem Geſchaͤft der Erden ſich be-
muͤht.

Die Nerven und Gelenk, mit mancherlei Ca-
naͤlen

Jn Haut und Fleiſch verdekt, die wir nicht all
erzaͤhlen;

T 5Der
[298]Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Der Knochen feſtes Band, was die Natur
verdekt,

Und in der keuſchen Seel Verwunderung erwekt,

Der Knie lenkigt Band, die hart und zaͤhen Seh-
nen,

Die ſich bewundernswerth an unſern Koͤrper deh-
nen,

Der Beine ſtarker Bau worauf der Koͤrper ſteht

Der Fuͤſſe platter Grund worauf derſelbe geht:

Von Kopfe bis zum Fuß, und was wir nur beſizen,

Womit wir unſern Leib erhalten und beſchuͤzen,

Gehoͤret alles mit in das Regiſter ein,

Worin der Gaben Meng mit Recht gezeichnet ſeyn;

Die GOtt uns hat geſchenkt, durch ſein allmaͤchtig
Walten,

Geſund und unverlezt zu unſern Nuz erhalten.

Welch eine groſſe Zahl, wenn man es uͤberdenkt

Wird zur Erhaltung uns im Reich der Welt ge-
ſchenkt!

Jn dieſem Wohnhaus naͤhrt uns Luft und heitre
Sonne,

Die uns vergnuͤgt, erquikt durch ihre helle Wonne,

Welch Gutes findet ſich im Reiche der Natur?

Welch mancherlei Geſchenk, da auf der Luͤfte Spur,

So mancher Vogel fliegt; was ſehn wir auf der
Erden

Vor mannigfaltge Art von Vieh in denen Heer-
den?

Was wimmelt in den Meer, in Fluͤſſen uͤberall

Nicht vor ein ſchuppigt Heer vor eine Fiſche Zahl?

Wohin das Auge ſieht auf Bergen, in den Gtuͤn-
den

Kan es des Schoͤpfers Guͤt in lauter Gaben fin-
den.

Ge-
[299]Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Geſunde Witterung, auch Regen, Schein
und Thau,

Der Gaͤrten, Wieſen Gruͤn, der Aeker rei-
cher Bau,

Der Waͤlder Wild und Holz, der Erden Korn
und Fruͤchte

Das Brodt, die Milch, das Fleiſch, des Ho-
nigs ſuͤß Gerichte

Der Schaafe ſanffte Woll und auch der Bienen
Wachs,

Der Seidenwuͤrmer Garn, der Fadenreiche Flachs,

Der Thiere ſtarke Haut, die Federn zu den
Dekken

Worauf wir uns in Ruh bei ſtiller Nacht ausſtrek-
ken;

Der Brunnen friſcher Trank, des Feuers war-
mer Schein,

Der Baͤume ſafftig Obſt, der Trauben ſuͤſſer
Wein,

Und was die Nothdurfft braucht, was zum be-
quemen Leben:

Dies alles hat uns GOtt zur Wollthat hergege-
ben.

Wir haben Zahm und Wild, was Lufft und
Waſſer bringt

Was aus der Erde gruͤnt, was aus den Baͤumen
dringt;

Wir haben auch dabei in allen Jahres Zeiten,

Was uns vergnuͤgte Luſt der Sinnen kan bereiten.

Der Fruͤhling bringet uns ſo mancher Blumen
Art,

Und was hat die Natur zur Sommers Zeit ver-
ſpart?

Der Herbſt erquikket uns mit Obſt gereiften Fruͤch-
ten,

Und
[300]Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Und fuͤllt die Kammern an, mit Kohl und Fleiſch
gerichten.

Der Erden finſtrer Bauch giebt mancherlei
Metall
Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Blei, Eiſen,
Stein, Criſtall,

Das Meer wirfft Perlen aus, und was in denen
Gruͤnden,

Von Edelſteinen noch, vor Seltenheit zu fin-
den.

Die Schiffarth bringet uns aus einem fremden
Land,

Noch manches Kleinod mit, als hellen Diamant

Und andre Steine mehr, ſie bringet uns Ge-
wuͤrze,

Damit ich vieles nenn in angenehmer Kuͤrze.

Der Schoͤpfer ſchenket uns bei ſolchen Ueberflus,

Auch Mittel, Arzenei, wodurch wir den Verdrus,

Der unſer Herz beſchwert mit allen Krankheits
Plagen,

Mit ihrer bangen Noth aus unſern Gliedern jagen.

Er giebet uns den Schlaf und eine ſuͤſſe Raſt,

Nach einer ſauren Muͤh, und ſchweren Tageslaſt;

Er ſchenket uns auch noch durch die erfundnen
Kuͤnſte,

Ein tauſendfaches Gut, Tuch, Hausrath und
Geſpinſte,

Und was man ſonſten braucht bei ſeiner Lebens-
Zeit,

Zur Nothdurfft vor dem Leib, und zur Bequem-
ligkeit.

Er ſchenket uns zur Luſt bei denen Ruhe-Stun-
den,

Was ſcharfer Wiz erdacht, was Kunſt und Fleis
erfunden.

Er
[301]Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Er giebet in dem Staat, die Ordnung die die
Welt,

Durch die Regierungs-Form in Ruh und Fried
erhaͤlt

Und andre Guͤter mehr; Er giebet Wiſſen-
ſchafften,

Die durch den Fleis erzeugt, und in der Seele
hafften.

Er theilet Ehr und Ruhm, er theilt den
Reichthum aus,

Er ſegnet durch die Eh Geſchlechter, Stamm
und Haus;

Schenkt Kinder die da ſind der Eltern Augen-
Weide:

Mit einem Wort er giebt, Geſundheit, Nah-
rung, Freude;

Er ſegnet Seel und Leib; vergnuͤgt uns auf der
Welt,

Da er ſo vielerlei, als Gaben dargeſtellt;

Die wir mit einen mahl gleich uͤberſehen koͤnnen,

Wenn wir ſie Leibes-Gluͤks- und Seelen-
guͤter nennen.

Wenn wir von der Natur zum Reich der Gnaden
gehn,

Was er uns da geſchenkt, mit Andacht uͤber-
ſehn;

So kriegen wir auch da im Offenbahrungs-
Lichte,

Der Guͤte Wunderzahl erſtaunend ins Geſichte.

Der Schoͤpfer hat uns auch den eingebohrnen
Sohn

Als ein Geſchenk geſand, von ſeinem Himmels-
Thron

Die Suͤnder, wie wir ſind, vom Elend, von den
Boͤſen

Durch
[302]Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Durch ſein vergoßnes Blut im Sterben zu erloͤ-
ſen.

Er ſchenket uns ſein Wort, das alle deutlich
lehrt,

Wie unſer Herze wird zum hoͤchſten Gut bekehrt;

Er giebt durch ſeinen Geiſt uns ſeine Gnaden-Trie-
be,

Zum Glauben, zur Gedult, zur Hofnung, zu
der Liebe,

Er ſendet Lehres aus, es wird durch ihren Mund,

Der Warheit Licht und Recht im heilgen Tempel
kund,

Und die Religion, die oftermahls beſtuͤrmet

Hat er aus Gnaden uns vor den Verfall beſchirmet.

Er reicht die Mittel dar zu unſrer Heiligung,

Und bringet unſer Herz zur ſeelgen Aenderung;

Verſiegelt es dabei mit denen Gnadenſchaͤzzen,

Die uns in jener Welt in dem Genus ergoͤzzen,

Er macht die Menſchen hier in dieſer Probezeit,

Durch ſeinen Gnadenzug geſchikt zur Seeligkeit.

Berechnet nun hieraus was wir vor viele Gaben

Auch in dem Gnadenreich von GOtt empfangen
haben?

Wie gros iſt nicht die Zahl, die wir jezt vorgeſtellt,

Was uns von GOttes Guͤt anjezo nur einfaͤlt,

Wie vieles iſt nicht noch, wie leichtlich zu ermeſ-
ſen,

Was wir bei ſolcher Meng zu zaͤhlen jezt vergeſ-
ſen.

Des Hoͤchſten Guͤt iſt gros, kein einzger Tag ver-
geht,

Da ſeine milde Hand nicht immer offen ſteht;

Ein jeder wer er iſt, der muß hier eingeſtehen,

Daß ihm viel Gutes ſey an Leib und Seel geſchehen;

Ein
[303]Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Ein jeder der nur noch etwas Empfindung hat,

Erkennt die reiche Guͤt, Barmherzigkeit und Gnad,

Und ſagt Verwundrungs-voll mit dankbahren Ge-
muͤthe;

O! GOtt wie gros biſt du, und deine
Wunderguͤte.

Allein beſchaͤmter Menſch voll Unempfindligkeit!

Da GOtt im Ueberflus die Wollthat ausgeſtreut,

So rechne einmahl nach wie klein der Dank zu nen-
nen,

Denn wir dem HErrn der Welt vor ſo viel Gutes
goͤnnen?

Je mehr der Schoͤpfer giebt, je mehr verlangen wir,

Der Menſch iſt undankbahr ein unerſaͤtlich Thier.

Er pflegt die Gaben nicht, die Dinge nur zu zaͤh-
len,

Die ſeiner Gierigkeit beim Ueberfluſſe fehlen.

Er hat niemahls genug, die Unvergnuͤgſamkeit,

Die zeugt den Plagegeiſt die Unzufriedenheit,

Die macht ihn undankbar, und ſcheucht ihn alle
Morgen,

Mit einem ſchwarzen Heer verbotner Nahrungsſor-
gen.

Geſezt daß einem dies, dem andern jenes ſehlt,

Wie thoͤrigt iſt es nicht wenn man ſich druͤber quaͤlt,

Mit Gram daruͤber murrt; die Weisheit weis was
nuͤze,

Der Vorſicht Auge ſchaut vom hohen Himmels
Sizze;

Wie ſieht der Menſch ſo ſcheel das GOtt ſo guͤtig
iſt,

Daß er die Nichtigkeit daruͤber gar vergißt:

Ach laßt uns allemahl des Hoͤchſten Gnadenzei-
chen,

Das
[304]Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Das menſchliche Verdienſt im Richtigkeit verglei-
chen;

So werden wir gewahr das jene herrlich ſeyn,

Und dieſes ſehr gering, verwerflich, arm und klein:

So werden wir daraus in Deutligkeit erkennen,

Daß wir aus Gnaden nur, mit Recht nichts fordern
koͤnnen.



[305]
Poetiſche Ueberſezung des ein
und neunzigſten Pſalms.

v. 1. 2.
[figure]
Wer unter GOttes Schirm und ſei-
nen Fluͤgeln ſizt,

Und ſich in Schatten legt, wo ihn
die Allmacht ſchuͤzt;

Der ſaget zu dem HErrn: Dir
GOtt kan ich vertrauen,

Auf deinen Fels kan ich, der Hoffnung Ruhplaz
bauen.

3.
Denn er errettet uns aus allen Ungeluͤk,

Auch von des Boͤſewichts, des ſchlauen Jaͤgers
Strik,

Und von der Peſtilenz, und allen andern Seuchen

Die von dem nahen Todt gewiſſe Vorbots-Zeichen.

4.
Trau GOtt im Ungeluͤk, dieweil er dich bedekt,

Mit ſeinen Fittigen vor aller Noth verſtekt;

Denn ſeine Warheit muß bei allen Schrekkensſtuͤr-
men,

Mit einem ſichren Schild uns in der Noth beſchir-
men.

Dritter Theil. U5.
[306]Poetiſche Ueberſezung des 91. Pſalms.
5.
Und wenn der HErr dein Schild; ſo muß des
Schrekkens Pein,

Das Grauen duͤſtrer Nacht gar bald voruͤber ſeyn;

So koͤnnen dich auch nicht die Pfeile die da fliegen,

An einem lichten Tag mit ihrer Kraft beſiegen.

6.
So darfſt du auch gar nicht des Schrekkens Kum-
mer fuͤhln,

Wenn etwan in der Naͤh des Todes Boten wuͤhln;

Die gifftig ſtrenge Peſt mit allen andern Seuchen,

Die in der Finſternis, am hellen Mittag ſchleichen.

7.
Und fallen tauſend da zu deiner Seite hin,

Die ploͤzlich worden ſind des blaſſen Todts Gewin,

Zehn tauſend rechter Hand; ſo kanſt du dennoch hof-
fen,

Du bleibſt bei deinem Schuz ganz ſicher, ungetrof-
fen.

8.
Ja du wirſt deine Luſt, an deinem Wollergehn,

Mit deinen Augen noch an denen Boͤſen ſehn

Wie es vergolten wird, was ſie auf Erden handeln,

Und wie es ihnen geht, nachdem ſie vorher wandeln.

9.
Der Herrſcher aller Welt iſt deine Zuverſicht,

Drum fehlet ſeine Huͤlf in banger Noth dir nicht,
Der
[307]Poetiſche Ueberſezung des 91. Pſalms.

Der allerhoͤchſte GOtt kan deine Zuflucht heiſſen,

Wenn Krankheit und der Todt die Menſchen nie-
derreiſſen.

10.
Kein Uebel ruͤhret dich, bei deines GOttes
Huld,

Drum bleibe nur getroſt in Hofnung und Gedult;

Es wird ſich keine Plag zu deiner Huͤtten nahen:

Vielmehr wird dich der Arm des Hoͤchſten Guͤt um-
pfahen.

11.
Denn GOttes Macht befiehlt die Engel jener
Welt,

Die um die Frommen her, als Waͤchter ſind ge-
ſtellt;

Die werden ſich um dich auf allen deinen Wegen,

Als feurger Mauren her mit ihrer Staͤrke legen.

12.
Sie werden dich gleichſam, als wie ein kleines
Kind,

Da ſie des Zebaoths beſtellte Diener ſind,

Auf Armen ihrer Macht, mit Liebes Haͤnden tra-
gen,

Sie werden dich bewahrn vor Anſtoß, allen Pla-
gen.

13.
Auf Loͤwen wirſt du gehn und auf den Ottern
auch,

Ob ſie gleich wuͤtend ſeyn; du wirſt der Jungen
Bauch
U 2Ohn
[308]Poetiſche Ueberſezung des 91. Pſalms.

Ohn alle Noth, Gefahr durch ſeine Huͤlf zertreten,

GOtt wird dich von dem Grim des Drachens auch
erretten.

14.
Es ſagt des Hoͤchſten Huld: Weil er die Huͤlf
begehrt;

So ſoll ſie ihm auch ſeyn in ſeiner Bitt gewaͤhrt;

Er kennet meinen Nahm, darum will ich ihn ſchuͤzen,

Bei allen Wetter Sturm, bei allen Schrekkens
Blizen.

15.
Er rufft mich an in Noth, drum will ich ihn
erhoͤrn,

Jch bin bei ihn in Noth, es kan ihn nichts verſehrn,

Jch ziehe ihn heraus, ich bringe ihn zu Ehren,

Es ſoll noch alle Welt von meinen Thaten hoͤren.

16.
Jch mach, ſo ſpricht der HErr, den Frommen
Lebens ſatt,

Daß er bei ſeiner Ehr auch graue Haare hat;

Jch will ihn auch mein Heil in dies, und jenen Le-
ben,

Als Brunquell alles Guts mit reichen Stroͤmen ge-
ben.



[309]
Der Lehrreiche Kirchhoff.
[figure]
Jhr Menſchen! die ein toller Wahn

Der falſchen Einbildung betrogen,

Als wenn kein Todt euch treffen kan,

Da ihr in Eitelkeit erzogen,

Kommt ſeht und lernet was ihr ſeid,

Nach einer kurzen Daur der Zeit,

Da euch die kalte Hand geruͤhret,

Zu dieſen Sammelplaz gefuͤhret.

Kommt her an dieſen ſtillen Ort,

Verbannet nur das bange Grauen;

Jhr werdet nichts als hier und dort

Nur aufgeworffne Huͤgel ſchauen;

Das Schrekgeſpenſte ſtiller Nacht,

Das euch den Kirchhof graͤulich macht,

Wird bei den wollgefaßten Sinnen,

Gleich als ein leerer Dunſt zerrinnen.

Hier iſt ein Tempel kommt herein,

Darinnen ihr das koͤnnet lernen

Daß Menſchen dennoch ſterblich ſeyn,

Ob ſie ſich gleich vom Todt entſernen;

Die Zahl die hier begraben liegt,

Und ihren lezten Feind beſiegt,

Die lehret euch mit ſtummen Munde,

Es komm auch eure lezte Stunde.

U 3Was
[310]Der Lehrreiche Kirchhoff.
Was iſt der Vorwurf des Geſichts?

Beſchriebne Steine, hohe Huͤgel;

Und dieſe ſind von euren Nichts

Von euren Eitelkeiten Spiegel;

Blikt nur dieſelben fleißig an,

Weil draus ein jeder leſen kan,

Was wir ſo ſchwerlich ſonſten faſſen,

Daß all ohn Unterſcheid erblaſſen.

Leßt was auf denen Steinen ſteht:
Mein Wandrer ſteh um zu bedenken,

Wie bald auch deine Zeit vergeht,

Da man auch dich wird hie verſenken.

Wir haben auch gelebt, gebluͤht,

Uns in der Eitelkeit bemuͤht,

Nun aber ſind wir durch die Bogen

Jns Land der Todten heimgezogen.

Hier ſeht ihr Huͤgel, gros und klein,

Das ſind die aufgeworffnen Zeichen,

Daß die die hier begraben ſeyn,

Theils groſſe, theils auch kleine Leichen:

Sie lehren euch daß alt und iung,

Daß Saͤuglinge auch reif genug,

Wenn ſie kaum in der Welt aufbluͤhen.

Jm Tode wieder weg zufliehen.

Wie mancher iſt hier hingelegt,

Der ſich ſein Ziel noch weit geſezzet,

Wenn er den Lebenslauf erwegt,

Den er vor ſich ſehr lang geſchaͤzzet;
Wie
[311]Der Lehrreiche Kirchhoff.

Wie viele ſind des Todes-Raub

Und nunmehr Knochen, Moder, Staub

Die damahls als ſie noch vorhanden,

Kaum daß ſie ſterblich eingeſtanden.

Jhr Zeugen unſrer Eitelkeit!

O! lieſſet ihr uns deutlich leſen,

Was ihr in eurer Lebens-Zeit,

Gedacht, in euren Sinn geweſen;

Und machte eures Herzensgrund,

Das aufgeſtellte Denkmal kund;

So wuͤrden wir dadurch belehret,

Wie mancher Anſchlag ſey zerſtoͤhret.

Da ruht der Schoͤnheit Ebenbild,

Wie uns des Grabes-Stein berichtet,

Von Luſt und Hofnung angefuͤllt:

Allein wie iſt ſie nun zernichtet?

Der Purpurwangen Morgenroth,

Jſt laͤngſt durch einen blaſſen Todt,

Entfaͤrbt und in die Haut verkehret,

Die ſcheußlich Ungezieffer naͤhret.

Da hat der Todt den weggeraubt,

Wie uns die Ueberſchrifften melden,

Der als er lebte feſt geglaubt,

Er waͤr ein Held vor allen Helden;

Sein Koͤrper waͤre von Metal;

Und dennoch hat ein Sturz und Fall,

Bei ſeines Stolzes wilden Pochen

Jhm Hals und Bein entzwei gebrochen.

Dort iſt die feſtvermaurte Kluft,

Geziert mit einem Ehrenbogen,
U 4Wor-
[312]Der Lehrreiche Kirchhoff.

Woraus die Fama thoͤnend ruft:
Hier ruht der den die Welt betrogen:

Ein jeder ſahe dieſen Mann

Als einen GOtt auf Erden an:

Er glaubte immerfort zu leben,

Und muſte doch den Geiſt aufgeben.

Hie iſt ein Grab: wer liegt darin?
Ein Menſch den ſonſt die Welt zu enge,

Und ſich abmaß nach ſeinen Sinn,

Und nicht nach ſeiner Leibes Laͤnge:

Er war nur blos ein Erden-Gaſt,

Sein Wohnhaus war wie ein Pallaſt,

Und doch zu klein: Nun muß er liegen,

Und ſich mit engen Sarg begnuͤgen.

O Eitelkeit! wer ruhet da?
Ein Menſch der immer unzufrieden;

Wenn er in ſeinem Leben ſah,

Daß GOtt dem andern mehr beſchieden:

Die Unruh trieb ihm Tag und Nacht,

Der Gram hat ihn auch umgebracht;

Nun iſt ſein ſehnend Herz geſtillet,

Da er der Erden Bauch gefuͤllet.

Wer iſt ſein Nachbahr des Gebein,

Mit keinen Denkmal uͤberdekket?

Was mag das vor ein Herze ſeyn,

Daß hier in dieſe Grufft verſtekket?

Vermutlich iſt es Gernegros,

Der ob er gleich ſehr arm und blos,

Dennoch ſich wuͤnſchte das Vergnuͤgen

Bei einem reichen Mann zu liegen.

Denn
[313]Der Lehrreiche Kirchhoff.
Denn der dabei ſein Grabmahl hat,

Heiſt Croͤſus deſſen ganzes Leben

Des Morgens fruͤh, des Abends ſpat,

Ob er gleich reich mit Noth umgeben.

Er lebte immer kuͤmmerlich,

Und ſparte aber nicht vor ſich

Er lebte arm bei dem Erwerben,

Nur als ein reicher Mann zu ſterben.

Ein Thraſo lieget dort im Ruh

Der keine Ruh und Frieden liebte,

Der Todt druͤkt ihm die Augen zu

Da er nichts als nur Rach ausuͤbte.

Die Zankſucht liegt ihm an der Seit,

Seht Menſchen hier die Eitelkeit,

Die ſich wie Feur und Waſſer mieden,

Vereinigt oft der Todt zum Frieden.

Was find ich da vor Ueberſchrifft:

Sie heiſt: Hie unter dieſen Steine

Liegt einer den kein Moder trift,

O! Wunder! was ſinds vor Gebeine

Woran kein Wurm noch Fauͤlnis nagt?

Jch hatte kaum darnach gefragt;

So hoͤrt ich daß ein Mann von Gaben

An dieſen Orte waͤr begraben.

Ein Mann von Fleis, von Kunſt und Wiz,

Des Nahme nimmer wird erſterben,

Muß doch wo ihren Wohnungs Siz

Die Eitelkeit erwaͤhlt, verderben;
U 5Die
[314]Der Lehrreiche Kirchhoff.

Die freien Kuͤnſte ſind nicht frei,

Es iſt dem Tode einerlei,

Ob einer vieles uͤberleſen,

Genug! wenn er ein Menſch geweſen.

Die Ehre, Wuͤrde, Stand und Ruhm,

Die Schoͤnheit, Reichthum, Klugheit Tietel,

Der hohen Seelen Eigenthum:

Verachtung, Armut, Baurenkittel;

Die man im Leben, auf der Welt,

Jn unterſchiednen Reihen ſtellt;

Die ſind im Sterben gleich geachtet,

Wenn man des Todes Recht betrachtet.

Da iſt ein Beinhaus! ſeht nur an,

Die duͤrren aufbewahrten Knochen,

Die durch der Zeiten ſcharffen Zahn,

Schon meiſt zermalmmet und zerbrochen,

Wer ſagt uns welcher Herr und Knecht,

Jhr eitlen Menſchen! komt und ſprecht,

Und lehrt uns welcher Kopf und Schedel,

Nunmehr vor andern, herrlich, edel.

Der Todt hat alles gleich gemacht,

Und der der alle Welt beſtuͤrmet,

Wird welches er woll nicht gedacht,

Nebſt andern Koͤrpern aufgethuͤrmet;

Der Vorzug iſt nur Einbildung,

Dies lehret die Vernichtigung;

Weil ſich im Todesreich die Schatten,

Mit ihren Koͤrper nicht mehr gatten.

Da
[315]Der Lehrreiche Kirchhoff.
Da fliegt die Ehre gleich zuruͤk,

Das Grab verduͤſtert alles Glaͤnzen,

Und deſſen Rand ſezt Stand und Gluͤk,

Und Vorzug, die gemeßnen Grenzen;

Da wo des Todes Reich und Land,

Zerbricht die eitle Scheidewand,

Dadurch auf Erden ſo viel Orden,

Nach ihren Rang zertheilet worden.

Die Knochen die da aufbewahrt,

Die ſind die Huͤlſen aller Staͤnde,

Da ſind was alt und jung verpaart;

Jhr Eitlen! lernt hier euer Ende;

Wenn euch der Stand hat aufgeblaͤht,

So komt zum Kirchhoff und beſeht,

Wie euer Anſehn von euch weichet.

So bald ihr kalt und todt erbleichet.

Bedenkt welch eine groſſe Zahl

Auf dieſen Sammelplaz geſaͤet;

Und wie der Reſt dreinſt uͤberall,

Mit ſeinen Sarg und Grab verwehet;

Viel friſche Graͤber ſind noch hier,

Vielleicht wird bald vor unſrer Thuͤr,

Wenn wir noch ſicher, eh wirs meinen,

Der Todt mit ſeiner Bahr erſcheinen.

Was iſt die Schoͤnheit die uns ſchmuͤkt,

Alsdenn nichts als verblichne Roſen,

Die wenn ſie in der Bluͤt erblikt

Ein jeder wuͤnſchet liebzukoſen,

Wie leicht verfleugt ein Roſenblatt,

Das keine lange Dauer hat?
So
[316]Der Lehrreiche Kirchhoff.

So leicht vergehen auch die Schoͤnen

Die ſich mit Roſenſchmuk bekroͤnen.

Wie viele ſind in langer Zeit,

Als Roſen hier im Staub vergangen,

Ein gleiches Schikſahl wird gedraͤut

Den, die in ihrer Bluͤte prangen:

Bedenket dieſes die ihr meint,

Daß euer Antliz herlich ſcheint;

Wie leicht iſt es nicht auch geſchehen,

Daß ihr hier muͤſt erblaßt verwehen.

Drum lernet eure Eitelkeit,

Auf dieſen Sammelplaz erkennen;

Der Raum iſt kaum ein Spannebreit,

Die Todt und Leben bei uns trennen;

Wie mannigfaltig iſt die Noth,

Die uns mit der Verweſung droht;

Die uns auf denen Sterbgefilden,

Die Graͤber vor die Augen bilden.

Seht was da ſey die Leidenſchaft

Die uns hat Lebenslang gequaͤlet,

Wenn uns der Todt von hinnen raft

Wo bleibt das Ziel das wir erwaͤhlet?

O! moͤchte alſo jederman,

Der den Affect nicht zwingen kan,

Nur auf dem Kirchhof das an hoͤren,

Was uns die ſtummen Todten lehren!

Sie machen mit verſchloſſnen Mund,

Das was ein jeder zu bedenken

An ihrer eignen Beiſpiel kund:

Daß Sterbliche ſich nur verſenken
Jn
[317]Der Lehrreiche Kirchhoff.

Jn eine eitle Kuͤmernis,

Dieweil doch allemahl gewis

Daß wir nach denen eitlen Dingen,

Als Thoren nicht als Kluge ringen.

Sie zeigen uns was ſie gethan,

Aus eingebildeten Vergnuͤgen;

Und wie die Menſchen auf der Bahn

Des Lebens, oft nach Schatten fliegen,

Was nuͤzt den Reichen Gut und Geld?

Was nuͤzt es den erſtorbnen Held

Daß er ſo moͤrderlich gerungen,

Wenn ihn des Todes-Macht bezwungen?

Was hilft dem aller Zank und Streit,

Der auf dem GOttes-Akker lieget,

Wo ihm im Land der Sterbligkeit

Der Wuͤrmer Heer ſo gar beſieget?

Was nuͤzt es wenn man durch die Macht,

Den andern hat zu Fall gebracht,

Der ſich wenn Seel und Leib ſich trennen

Nicht wieder Maden wehren koͤnnen?

Was hilft uns alle eitle Luſt?

Der Honig worin Stachel ſtekken,

Wie lange ſind wir es bewuſt,

Was wir vor Suͤßigkeiten lekken;

So bald wir werden weggeraft,

Komt unſre Zeit zur Rechenſchaft

Da wir die bittre Straf der Suͤnden,

Jn einer andern Welt empfinden.

Was hilft es daß wir uns der Welt

Und ihren Goͤzen uͤbergeben?
Daß
[318]Der Lehrreiche Kirchhoff.

Daß wir uns nur, was ihr gefaͤllt

Zu thun mit ſaurer Muͤh beſtreben?

Es iſt doch alles Eitelkeit,

Und unſer Ziel iſt nicht mehr weit,

Da wir zu denen kommen muͤſſen,

Die hier in Graͤbern ſich verſchlieſſen.

Wir Menſchen wuͤhlen immerfort,

Und folgen unſern blinden Triebe,

Warum? wir meinen daß der Ort,

Stets unſre ewge Wohnung bliebe;

Wir kleben an dem Erdenklos,

Und denken nicht an jenes Schloß

Der Ewigkeit, bei dieſen Ballen,

Darauf wir nur als Fremde wallen.

Der Torheit werden wir entfliehn,

Uns aller Eitelkeit entfernen,

Wenn wir bei Graͤbern uns bemuͤhn

Daß wir auch ſterblich, zu erlernen:

O! woll dem! der das Leichen-Feld

Vor ſeine beſte Lehrſchul haͤlt,

Den Tand der Welt als Nichts verfluchet,

Und Klugheit bei den Todten ſuchet.

Ach! GOtt! vertreib den dikken Dunſt,

Damit die Welt uns nur betrieget,

Und gieb daß das ſey meine Kunſt

Zu ſehen was in Graͤbern lieget!

Da lerne ich, das was ich bin,

Das fuͤhrt mich zur Betrachtung hin,

Jm Geiſte auch voraus zu ſehen,

Wie es mir nachmahls werde gehen.

Und
[319]Der Lehrreiche Kirchhoff.
Und ruͤhrt mich manches Schrekkenbild

Auf dieſen fuͤrchterlichen Auen;

So laß mich was vor Vortheil quillt;

Aus der Betrachtung, wieder ſchauen;

So wird das Schrekken der Natur,

Auf dieſer Saamenreichen Flur,

Bei der Betrachtung ſtiller Leichen,

Durch die Bekandſchaft endlich weichen.

Laß mich kein todt Gerippe ſcheun,

Es ſind verdorrte Menſchen Knochen,

Die durch den fuͤrchterlichen Schein,

Woll manchen Vorſaz unterbrochen

Der auf das Boͤſe abgezielt:

Und wird der Schauder gleich gefuͤhlt;

So wird hernach des Grabes Hoͤhle,

Die Ruhekammer meiner Seele. (*)

Laß mich bedenken daß der Todt,

Der Fuͤrſt des Schrekkens, einen Chriſten,

Nicht wie die blinden Heiden droht,

Mit ſeinen ſchwarzen Schaugeruͤſten:

Jch weis daß mein Erloͤſer lebt,

Der das was ſchrekhafft ihm anklebt,
Jn
[320]Der Lehrreiche Kirchhoff.

Jn ſeinen Todeskampf verſchlungen,

Da er uns ewgen Sieg errungen.

Der Schauplaz unſer Eitelkeit,

Der Kirchhof hat mit ſeinen Knochen,

Die Luſt und Laſt, die Freud das Leid

Bei vielen heilſam unterbrochen:

Er zeigt uns wie die Welt ein Land,

Darin des Wechſels Unbeſtand;

Wie bald die Luſt und Leidensſtunden

Der Fluͤgelſchnellen Zeit, verſchwunden.

Wie viele liegen hier verdekt,

Die manchen guten Tag genoſſen;

Wie viele ſind hier auch verſtekt,

Aus deren Augen Thraͤnen floſſen:

Und dieſes fuͤhret meinen Sinn,

Auf meines Lebens Vorwurf hin:

Es wechſelt darin Leid und Freude:

Jm Todt verſchwinden alle beide.

Und daraus ziehe ich den Schlus:

Es ſoll kein irdiſches Vergnuͤgen,

Und auch kein zeitlicher Verdrus,

Mich ganz betaͤuben und beſiegen.

Der Kirchhoff zeigt mir deutlich an,

Wie Freud und Leid ſich aͤndern kan;

Wenn mich der Todt wird in die Zellen

Zu der erblichnen Schaar geſellen.

Mein GOtt! gib das ein jeder Blik,

Der hie durch Aug das Herze ruͤhret,

Und auf das traurige Geſchik,

Das innre Angedenken fuͤhret,
Zu-
[321]Der Lehrreiche Kirchhoff.

Zugleich ein heilſam Denkbild ſey:

Der Todt kommt unvermerkt herbei,

Drum muß man ſich in Gnaden-Zeiten,

Aufs Ende das da kommt, bereiten.

Gib wenn ich auf den Kirchhof geh,

Daß ich mein Sterblichſeyn erwege;

Wenn ich die weiſſen Graͤber ſeh,

Jm Herzen mir vor Augen lege:

Ob ich an Graͤbern die da ſchoͤn,

Mit ihrer Tuͤnche anzuſehn,

Ein Ebenbild von meinen Weſen,

Jm Chriſtenthum noch koͤnne leſen.

Was iſt es wenn das Grab geſchmuͤkt,

Darin doch fauler Moder lieget?

Was iſt das Thun das man erblikt

Wenn uns die Heuchelei betrieget?

Drum floͤs mir bei der Graͤber Schein:

Auch dieſe Lehr-Gedanken ein:

Daß ich mich moͤge ſtets befleiſſen:

Ein Chriſt zu ſeyn, nicht nur zu heiſſen.

Verklaͤre auch mein Glaubenslicht,

Allhie wo Menſchen ausgeſaͤet,

Daß ich erkenn, was dein Mund ſpricht:

Wie endlich alles auferſtehet:

Befriedige den ſcheuchen Geiſt,

Der mir des Lebens Ende weißt,

Mit dieſer Hofnung: daß zum Leben,

Die Todten dreinſt ihr Haupt erheben.

Dritter Theil. XJch
[322]Der Leherreiche Kirchhoff.
Jch ſeh in Glauben noch einmahl

Nach dieſen dunkeln Todes-Gruͤfften;

Der Anblik kan die Furcht und Qual,

Die man beim Tode ſpuͤret, luͤfften;

Jch ſehe eine gruͤne Zier,

Die ſtellet mir ein Sinbild fuͤr,

Wie dreinſt aus dieſem Schoos der Erden,

Die welken Leiber gruͤnen werden.

Der Kirchhoff bluͤht in Fruͤhling ſchoͤn,

Der Graͤber Huͤgel ſtehn in Gruͤnen;

Jch kan daran die Hofnung ſehn,

Die mir ſtets muß zum Troſte dienen:

Mir deucht, es ſagt uns Blum und Kraut,

Die man auf GOttesaͤkkern ſchaut:

Der Lenz komt an da auferſtehet,

Was hier verweslich ausgeſaͤet.

O Kirchhoff! ſtilles Leichenfeld,

Jch will dich ohne Furcht und Grauen,

Nicht als ein Angſtgebuͤrg der Welt

Nein! als ein Paradies beſchauen

Jhr Graͤber, Zellen ſtiller Ruh!

Jhr ſchlieſt uns vor den Kummer zu,

Bis das aus euren duͤſtren Bogen,

Die lange Dunkelheit verflogen.

Da ſchlieſſet ihr euch wieder auf,

Wenn die Poſaunen dreinſt erſchallen,

Wenn Sonn und Mond aus ihren Lauf,

Die Sterne aus den Kreiſen fallen:

Da wenn der Heiland aller Welt,

Das groͤſſeſte Gerichte haͤlt;
Da
[323]Der Leherreiche Kirchhoff.

Da wird er, was in euren Huͤgeln

Verſtekt, in Augenblik entriegeln.

O Kirchhof! angenehmer Ort,

Jch will in deinen Luſt-Alleen,

Nun fleißig meinen Ruhe-Port,

Mit heiliger Betrachtung ſehen

Die Schrekgeſpenſter ſind verjagt,

Womit die Einbildung uns plagt;

Du ſolt mir kuͤnfftig in den Gruͤnen,

Zum luſtigen Spazziergang dienen.



[324]

Ueberſchrift an einen Kirch-
hoff.


[figure]
Mein Wandrer ſtehe ſtill! es ſind hier heil-
ge Schwellen

Beſchaue erſt das Bild ſieh dies Ge-
maͤhlde an:

Hier ſteht ein Todtenkopf, und
Sanduhr, vorzuſtellen:

Wie bald ein jeder Menſch der ſterblich, ſterben
kan:

Tritt naͤher nur herbei auf dieſe Leichen-Auen

Wo Hoh und Niedrige, wo Jung und Alte ruhn;

Du kanſt in ihrem Grab dein eigen Grabmahl ſchau-
en,

Die Klugheit denkt daran bei allen ihren Thun.

Bedenk wie mancher liegt hier unter deinen Fuͤſ-
ſen,

Der an ſein Sterblichſeyn nie ohn Verdrus ge-
dacht;

Der aber zu der Zeit, dennoch hat ſterben muͤſ-
ſen,

Da ihn das Lebensziel zum Todes Port gebracht;

Stirb deinen Suͤnden ab; ſo kanſt du ruhig ſter-
ben

Ver-
[325]Ueberſchrift an einen Kirchhoff.
Verlaſſe dich auf dem, der unſer Lebens-Fuͤrſt;

So kanſt du dort die Kron des ewgen Lebens er-
ben;

Wenn du, wer weis wie bald, allhie zur Leiche
wirſt:

Nim dieſe Lehr in Acht und geh auf guten Ste-
gen,

Geh Wandrer nur getroſt bei dieſen Graͤbern fort:

Bedenke daß das Ziel von allen deinen Wegen,

Dich endlich wieder fuͤhrt zur Ruh an ſolchen Ort.



[326]
Die
Groͤſſe GOttes in Steinen
gebildet.

[figure]
Groſſer Schoͤpfer! in den Steinen

Laͤſſeſt du die Herrlichkeit

Deines Weſens auch erſcheinen,

Darum iſt mein Trieb bereit,

Sie mit Andacht zu beſehen,

Deinen Nahmen zu erhoͤhen:

Denn es kan ein jeder Stein,

Deiner Groͤſſe Denkmal ſeyn.

Steine ſind auch Kreaturen

Dran der Schoͤpfer wird erblikt;

Darin du ſichtbahre Spuren

Deiner Allmacht eingedruͤkt;

Es giebt uns ihr hartes Weſen

Weisheits-Proben gnug zu leſen,

Deiner Guͤt Vollkommenheit,

Zeigt die Mannigfaltigkeit.

Da du HErr! die Welt gegruͤndet,

Worin ſich der Koͤrper-Heer,

Als durch eine Schnur verbindet,

Haſt du auf der Erd, im Meer,
Gleich-
[327]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.

Gleichſam Steine ausgeſaͤet,

Wodurch auch der Bau beſtehet,

Den die Allmacht aufgethuͤrmt,

Und die Vorſicht noch beſchirmt.

Wenn wir auf den Urſprung ſinnen,

Wie aus Schweffel, Erde, Salz

Durch die Waͤrme Steine rinnen;

Wie ein zaͤher Leim als Schmalz

Aus der Fluͤßigkeit entſpringet,

Der ſich durcheinander dringet;

So macht uns der Urſprung klar,

Daß dein Schaffen wunderbar.

Es iſt unſerm Aug verdekket,

Wie des Steins Materie,

Die da allenthalben ſtekket;

Die da in der Erd und See,

Jn der Hoͤhe, in den Schluͤnden

Jn der Berge Grufft zu finden,

Sich erzeuget und vereint,

Daß ſie werde hart verſteint.

Dies Geheimnis kan uns lehren,

Daß du groſſer Zebaoth

Auch in Steinen zu verehren,

Als ein uns verborgner GOtt:

Keiner kan dein Thun ergruͤnden;

Und wer wird ſich unterwinden

Zu erzaͤhln wie Fels und Stein,

Eigentlich entſtanden ſeyn?

Die ſich in die Tieffen wagen,

Die verborgenen Natur,
X 4Koͤn-
[328]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.

Koͤnnen uns nicht weiter ſagen,

Als daß dieſe Kreatur

Durch die Waͤrm und Naͤß vereinet,

Wie ein zaͤher Leim verſteinet,

Und durch unſers Schoͤpfers Macht,

Wunderbahr herfuͤr gebracht.

Dieſe harten Allmachts Zeichen,

Die kein ſtarker Hammerſchlag,

Zur Ausdehnung kan erweichen,

Die kein Feur auch allgemach

Jſt vermoͤgend ganz zu zwingen;

Weil ſie nur in Stuͤkken ſpringen,

Wachſen annoch in der Welt,

Die die Vorſehung erhaͤlt.

Man theilt ſie in manche Sorten,

Nach den Schein, theils nach den Werth,

Nach Figur, nach Farb und Orten,

Wie man uns in Buͤchern lehrt.

Die uns vor den andern allen,

Wegen ihres Werths gefallen

Heiſt man edel, koſtbar, ſchoͤn,

Die doch ungleich zu erhoͤhn.

Einige von Edelſteinen

Sind durchſichtig, glaͤnzend klar,

Einge ſind die halb durch ſcheinen

Andre ſind die ganz und gar,

Wenn ſie gleich ein Licht auffaſſen,

Keine Strahlen durch ſich laſſen:

Jede Art wird ſo geſchaͤzt,

Wie uns ihre Farb ergoͤzt.

Wenn
[329]Die Groͤſſe GOttes in Steinen geblidet.
Wenn wir dieſe Stein erwegen

Jhre mannigfaltge Art,

Und dabei vor Augen legen,

Was vor Farben drin verpaart

Wie ſie wunderbahre Strahlen

Lieblich vors Geſichte mahlen:

So ſieht jeder darin an,

Was des Schoͤpfers Allmacht kan.

Dieſe theure Seltenheiten,

Sind der Berge reiner Saft,

Die ſich aus Criſtal herleiten,

Da hernach die Schweffel-Kraft,

Mit den zarten Ausduͤnſtungen,

Jhren Koͤrper durchgedrungen:

Daraus ſich der Stein formirt

Der ſo glaͤnzend ausgeziert.

Sieht man wie dieſelben ſpielen

Die durchſichtig, hell und klar;

So ſcheints daß die Sinnen fuͤhlen,

Wie die Steine wunderbahr;

Es wird unſer Aug entzuͤkket,

Wenn es ihren Glanz erblikket,

Der ſo lieblich, reizend ſtrahlt,

Wunderſchoͤne Farben mahlt.

Unter dieſen edlen Steinen,

Jſt der helle Diamant

Wo ſich Haͤrt und Glanz vereinen

Als der edelſte bekandt:
X 5Er
[330]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.

Er kan durch ſein ſtrahlend Funkeln,

Gleichſam andrer Schein verdunkeln,

Wenn er in den Kronen blizt,

Und ſo helle Farben ſprizt.

Dieſe ſchoͤnen Koſtbarkeiten,

Kan des Schoͤpfers weiſe Hand,

Jn der Berge Bauch bereiten,

Jn der Meere tieffen Sand,

Wo ſie als in Muͤttern ſtekken,

Schimmernd ihre Spiz ausſtrekken,

Wenn ſie aus den dunkeln Schacht,

An des Tages Licht gebracht.

Nachdem ſind woll die Rubinen,

Die in Sandſtein eingeſenkt,

Die von feurig rothen Mienen,

Wenn man ihre Haut zerſprengt:

Einge ſind die bleicher ſpielen,

Und nur von der Roͤthe ſchielen:

Andre heiſſet man Granat,

Weil er dunkle Roͤthe hat.

Der Stein welcher gelbroth brennet

Wird der feurge Hiacinth

Wegen ſeiner Farb genennet,

Deren mancher Arten ſind.

Die im blauen Glanze ſtrahlen

Und ſich wie der Himmel mahlen,

Nennt man wegen ihrer Zier,

Thalaßiten und Sapphir.

Ander heißt man Amethiſten,

Die Viol und Purpur Blau;
Die
[331]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.

Die in gruͤnen Schmuk ſich bruͤſten,

Als wie eine ſchoͤne Au

Pfleget man Smaragd zu heiſſen,

Die von auſſen bleichgruͤn gleiſſen,

Sind Topaſer die ganz weich,

Und oft den Criſtallen gleich.

Die wie Milch ganz weislich ſtrahlen,

Sind nicht minder lieblich ſchoͤn,

Und man nennt ſie die Opalen;

Die ſich wie ein Gold erhoͤhn,

Und wie rothgeld ſind entglommen,

Haben ihren Nahm bekommen,
(Wie die andren) von den Schein,
Chriſolith, ein guͤldner Stein.

Es ſind auch in denen Gruͤnden

Der verborgenen Natur,

Edelſteine gnug zu finden,

Die des Lichtes Strahlen nur

Halb und nicht recht ganz durchlaſſen,

Die in dieſe Reih zu faſſen;

Zeigen uns nicht minder an,

Was der Schoͤpfer bilden kan.

Wenn wir dieſer Werth auch ſchaͤzzen

So iſt in der Ordnung wohl,

Billig oben an zu ſezzen,

Der Fleiſchfarbne Carniol

Der mit Adern, Linien, Bogen,

Die da dunkel durchgezogen;

Wenn er Blutroth anzuſehn,

Heiſt er Sarder und iſt ſchoͤn.

Der
[332]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.
Der mit Himmelblau gezieret

Das mit Milchfarb uͤberwiſcht,

Und Licht-Himmelblau gebiehret,

Das mit Purpuroth vermiſcht;

Der wenn ihn die Sonn beſtrahlet

Um ſich Regenbogen mahlet,

Der koͤmt von Chalcedon her,

Heißet Chalcedonier,

Wenn er anders ſich formiret,

Durch ein rothes Aderlein,

Jſt der Nahm der ihm gebuͤhret,

Nunmehr der Sardonix ſtein,

Wenn die Ader ſchwarz ausſiehet,

Die ihn wie ein Strich durchziehet,

Wird wie Kennern iſt bekand,

Er nur Onixſtein genannt.

Der Achat iſt bunt vermenget,

Und mit Linien geziert;

Oft mit Flekken durch geſprenget

Das das Auge lieblich ruͤhrt.

Er iſt mannigfalt gereiffet,

Bald mit Blutfarb durch geſtreiffet,

Und vor Zeiten ſehr genuͤzt,

Daß man Bilder draus geſchnizt.

Die den Durchbruch nicht vergoͤnnen,

Von dem Strahlenreichen Schein

Sind doch werth ſie zu benennen,

Weil ſie gleichfals edel ſeyn
Und
[333]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.

Und mit ſchoͤnen Farben prangen,

Auch an Fuͤrſtenkronen hangen,

Weil durch ſie die Majeſtaͤt,

Jhrer Hoheit Glanz erhoͤht.

Wenn wir auch der Art gedenken,

Muͤſſen wir das Angeſicht,

Auf des Tuͤrkis Schimmer lenken,

Auf ſein Himmel blaues Licht;

Man ſieht ihn auch oftermahlen,

Dunkelblau und gruͤnlich ſtrahlen,

Weil er leicht ſein Blau verliert,

Wenn ihn freie Lufft beruͤhrt.

Solche die den Gruͤnen gleichen,

Sind doch nur an Farben mat

Daß ſie nicht das Gras erreichen.

Sie ſind wie ein Pappeln Blat:

Dieſe heiſſen Malachiten,

Die die Berge auch ausbruͤten;

Sie ſind gleichfals mancher Art,

Wie die Farben drin verpaart.

Es ſtekt in der Berge Rinden

Der ſo edle Jaspisſtein;

Der von mancher Art zu finden,

Wegen ſeiner Farben Schein;

Der im Morgenland gegraben,

Soll blutrothe Adern haben,

Seyn von dunkelgruͤner Pracht,

Die ihn ſchoͤn und herrlich macht.

Endlich ſind von dieſen Seegen

Edler Steine, der Laſur,
Der
[334]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.

Der da blau, noch zu erwegen,

Welchen meiſtens die Natur,

Jn dem Kupferberg formiret,

Und mit Puͤnctgen ausgezieret,

Die in lichten Golde ſtrahln,

Den Laſurſtein uͤbermahln.

Es ſind noch viel andre Sorten,

Von der Edelſteine Art,

Die an dies und jenen Orten

Jn der Berge Schacht verwahrt,

Die nebſt dieſen deutlich lehren,

Wie GOtt als ein GOtt zu ehren,

Der uns auch viel Wunder zeigt,

Wenn man in die Berge ſteigt.

Muͤſſen wir es nicht bekennen,

Daß der Schoͤpfer der Natur,

Wunderbar und gros zu nennen,

Der ſo manche Farb, Figur

Jn die Steine eingedruͤkket,

Womit ſich der Menſch ausſchmuͤkket,

Der ſich durch der Steine Pracht,

Recht verherrligt, edel macht.

Es ſind ſeiner Guͤte Gaben,

Die dergleichen Koſtbarkeit,

Die wir aus dem Bergen graben

Uns zum Zierath ausgeſtreut:

Die dieſelbigen empfangen,

Damit als mit Puppen prangen,

Muͤſſen billig vor dem Schein,

Dieſer Steine dankbar ſeyn.

GOtt
[335]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.
GOtt der ſchenket ſeinen Kindern

Wie ein weiſer Vater thut,

Jhre Lebenslaſt zu mindern,

Auch bald dies, bald jenes Gut,

Daß ſie daran ſich ergoͤzen,

Und vor ihre Tokken ſchaͤzen,

Die der Vater denen giebt,

Welche er als Kinder liebt.

Wenn wir auch den Nuz erwegen,

Den der Handel damit macht;

Wie durch dieſen edlen Seegen

Wird ſo vielen Brodt gebracht;

So kan man die Weisheit ſehen,

Die, da dieſe Stein entſtehen,

So viel tauſend damit naͤhrt,

Steine in ihr Brod verkehrt.

Welche Vorſicht, welche Guͤte,

Spuͤret hier der rege Sin,

Wenn ein achtſames Gemuͤte

Denket was vor Nuz, Gewin,

Dieſer reiche Handel bringet,

Der doch aus den Stein entſpringet,

Welcher in der ganzen Welt,

Einen groſſen Preis erhaͤlt.

Wenn wir ferner noch betrachten,

Andrer Steine mancher Art,

Die unedel ſind zu achten,

Die der Berge Bauch bewahrt;
Wie
[336]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.

Wie dieſelben aufgethuͤrmet,

Wie dadurch die Erd beſchirmet;

So muß Berg und Fels und Stein,

Uns der Vorſicht Denkmal ſeyn.

Sehet an die ſchroffen Spizzen,

Und der Berge ſchwere Laſt,

Sie ſind Mauren die uns ſchuͤzzen,

Riegel die da eingefaßt

Jn den groſſen Bau der Erden,

Dadurch wir erhalten werden;

Weil ſich an der Berge Fuß,

Wind und Wetter legen muß.

Wenn die Wellen uͤberſchwemmen,

Jn den Meere, in der See,

Kan des Waſſerslauf umdaͤmmen

Die verſteinert ſteile Hoͤh;

Es muß ſeine Wuth zerſpringen,

Die da will ins Land eindringen;

Fels und Klippen in dem Meer,

Sind der Fluthen Gegenwehr.

Sieht man auf dem Nuz alleine,

Den man ſichtbahrlich verſpuͤrt,

Auf der Erde von den Steine,

Damit man Gebaͤud auffuͤhrt;

Die man braucht zu andern Dingen;

So muß man den Ruhm beſingen,

Des, der ſie herfuͤr gebracht,

Und noch jezo wachſend macht.

Jhr
[337]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.
Jhr erhabnen Erden-Gaͤſte,

Die ihr eurer Herrlichkeit,

Bauet Schloͤſſer und Pallaͤſte,

Troz! des ſcharffen Zahns der Zeit,

Jhr muͤßt in den Huͤtten wohnen

Und auf hoͤlzern Stuͤhlen thronen,

Wenn nicht GOtt zu eurer Pracht

Bunten Marmor ausgedacht.

Andre Steine zu erwehnen,

So ſind ohne Widerſtreit
Kieſel nuͤz den Weg zu baͤhnen

Sonderlich zur Winters Zeit,

Da wir in den Schlam ertruͤnken,

Auf der Reiſ in Koth verſuͤnken,

Wenn mit dieſer Feſtigkeit

Nicht die Wege uͤberſtreut.

Wie lang wuͤrden ohne Mauren,

Auf den feuchten Erdengrund,

Unſre hoͤlzern Haͤuſer dauren?

Wird daraus nicht wieder kund,

Daß wie wir auf ſteinern Fuͤſſen,

Unſre Wohnung gruͤnden muͤſſen,

Wenn ſie ſollen feſte ſtehn,

Und nicht leichtlich untergehn.

Dazu hat GOtt manche Steine,

Die da feſt und dauerhafft,

Groſſe Werkſtuͤk und auch kleine,

Uns zum Vorrath angeſchafft,
Dritter Theil. YWenn
[338]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.

Wenn wir alſo bauen wollen,

Kan man ſie aus Bergen rollen,

Wo man immer Schicht vor Schicht,

Sie aus ihren Loͤchern bricht.

Es ſind auch an vielen Orten,

Jn der Vorſicht weiten Reich,

Von dem Steinen ſolche Sorten,

Die zerbrechlich, duͤn und weich

Die zu dem bequemen Leben,

Mannigfaltgen Nuzen geben

Und die deutlich uns auch lehrn,
GOttes Groͤſſe zu verehrn.

Da ſind Schieffer die zu ſchneiden,

Weil ſie blaͤttricht aufgepaßt,

Damit Daͤcher zubekleiden,

Weil es an den andern faßt,

Und bei Regen, naſſen Stuͤrmen

Unſre Wohnungen beſchirmen,

Daß wir doch bei naſſen Braus,

Haben ein recht troknes Haus!

Da ſind andre die man trennet,

Durch des Feuers Element,

Die man Kalk und Gypsſtein nennet,

Weil man Kalk und Gyps draus brennt,

Die an unſern Wohnungs Sizze,

Zu der glatten Tuͤnche nuͤzze,

Oder wie man ſonſt ſie braucht,

Wenn die Hiz geloͤſcht, verraucht.

Andre ſind die leicht zu reiben,

Womit man was ſchwarz polirt,
Wo-
[339]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.

Womit man die glatten Scheiben,

Der beſchmuzten Teller ziert;

Die auch woll wie Milch zerrinnen,

Zu der Bleichung zarter Linnen,
Bimſtein, Milchſtein und was mehr

Hoͤrt zu dieſer Claſſe her.

Andre haben andren Nuzen

Die da ſcharf und ſandigt ſind,

Das zu wezzen und zu puzzen,

Was da ſtumpf, verroſtet, blind;

Da ſind Steine die uns weiſen,

Was als aͤchtes Erz zu preiſen;

Steine draus man Feuer jaͤgt,

Wenn man hartes Stahl dran ſchlaͤgt.

O! wie zeigt uns der Allweiſe,

Seiner Guͤte Mannigfalt,

Das zu ſeinen Ruhm und Preiſe,

Aus den Stein ins Auge prallt.

Moͤchten wir ſein herrlich Weſen,

Auch aus denen Steinen leſen,

Darin er gleichſam geaͤzt:
GOtt wird billig hochgeſchaͤzt.

Doch bei dieſen Wunderwerken,

Jſt der nuͤzliche Magnet

Sonderbarlich zu bemerken,

Der die Nadel Nordwerts dreht,

Der die andre Gegend fliehet,

Und ſich ſtets nach Norden ziehet,

Der des Eiſens ſchwere Laſt,

Wunderbahrlich an ſich faßt.

Y 2Die-
[340]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.
Dieſer iſt darum zu preiſen,

Weil er ſich nach Norden ſehnt,

Und durch Nadeln pflegt zu weiſen,

Die ihn ſeine Krafft entlehnt,

Wie auf denen Meeres Hoͤhen,

Schiffer ihren Maſt zu drehen,

Da zeigt auf der glatten Bahn,

Der Magnet die Straſſe an.

Ebenfals iſt hoch zu ſchaͤzzen,

Der ſehr ſeltene Asbeſt,

Der ſich von uns mit Ergoͤzzen,

Als wie Seide winden laͤſt:

Dieſer Stein der kan uns geben,

Wenn wir ſeine Faden weben,

Ein ſolch koͤſtlich Leinewand,

Das im Feur bleibt unverbrandt.

Was vor wunderbahre Sachen,

Kan die Kunſt mit ihren Fleis,

Nicht noch ſonſt aus Steinen machen,

Die zu unſers Schoͤpfers Preis,

Abermahl uns uͤberfuͤhren,

Daß in Steinen klar zu ſpuͤren,

Wie die ewig weiſe Macht,

Weislich ſie herfuͤrgebracht.

Was vor ſchoͤne Seltenheiten,

Was vor Wunder der Natur,

Kan nicht GOtt aus Stein bereiten,

Da ſo mancherlei Figur,
Da
[341]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.

Da ſo wunderbahre Schilder,

Da ſo viel geſchnizte Bilder

Jn dem Steinreich ſind zu ſehn,

Die des Schoͤpfers Ruhm erhoͤhn.

Hie ſieht man ein Bild von Baͤumen,

Da von Pflanzen andrer Art

Gleichſam in den Steinen keimen

Die in tieffen Schacht verwahrt;

Man kan in den dunklen Gruͤnden,

Thier und Menſchen Bilder finden,

Ja! von jeder Kreatur,

Eine ſteinerne Figur.

Dieſe ſind ſo nett gebildet,

So bewundernt ausgeziert,

Als wenn ſie die Kunſt geſchildet,

Die doch die Natur formirt;

Jn den figurirten Steinen,

Muß auch GOttes groͤs erſcheinen,

Die ſo manches in der Welt

Uns zum Wunder vorgeſtellt.

Und wenn wir noch das beſehen,

Was in Steine iſt verkehrt,

Daß viel Dinge auf den Hoͤhen
(Wie der Augenſchein uns lehrt,)

Die in Waſſerreich zu finden;

So iſt es nicht zu ergruͤnden,

Wie daſſelbige verſteint,

Auf der Berge Spiz erſcheint.

Y 3Es
[342]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.
Es ſind Fiſch und Baum verwandelt,

Wie man hin und wieder ſieht,

Und die dieſes abgehandelt,

Haben ſich mit Fleis bemuͤht,

Dieſes aus den erſten Zeiten,

Von der Suͤndfluth herzuleiten,

Da das damahls fortgeſchwemmt,

Und mit Felſen uͤberſchlemmt.

Man ſieht von den Kreaturen

Uebereſte die verſteint,

Davon man jezt keine Spuren

Jn der Welt zu ſehn vermeint;

Man kan noch in denen Gruͤnden,

Fiſche, Schuppen, Hoͤrner finden

Von dem das in fremder Welt,

Sich von uns entfernt aufhaͤlt.

Dieſe und dergleichen Sachen

Koͤnnen uns von jener Flut

Ein verſteinert Denkmal machen,

Dran zu ſehen was GOtt thut,

Wenn die Suͤnder von ihn kehren,

Seine Warnung nicht mehr hoͤren;

Alsdenn kommt ein Strafgericht,

Das die boͤſe Welt zerbricht.

Sehet! ſolche Wunderdinge,

Lehren uns Berg, Fels und Stein,

Solte dieſes woll geringe,

Jn der Menſchen Augen ſeyn?
Sol-
[343]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.

Solten wir nicht darauf ſchauen,

Und aus Stein ein Denkmal bauen,

Daß der ewgen Majeſtaͤt,

Bei uns auch den Ruhm erhoͤht?

Ehrfurcht pflegt uns anzutreiben,

Tapfre Helden zu erhoͤhn,

Und in Marmor ein zuſchreiben,

Was von ihnen iſt geſchehn;

Man baut feſte Ehrenſaͤulen

Spaͤten Zeiten mit zu theilen,

Was vor Menſchen jezt gelebt,

Die ein ewger Ruhm erhebt.

Ehrenmaͤhler alter Zeiten

Darin Lettern eingeaͤzt,

Sucht man muͤhſam auszudeuten,

Da die Zeit die Schrifft verlezt;

Wir bemuͤhen uns zuleſen,

Was vor Helden ſonſt geweſen,

Deren Ruhm die Vorderwelt,

Uns in Steinen dargeſtellt.

GOtt giebt uns ſein hohes Weſen

Seiner Gottheit Majeſtaͤt,

Jn den Fels und Stein zu leſen,

Der ihn herrlich macht, erhoͤht.

Solten wir voruͤber gehen,

Und dieſelben nicht anſehen,

Da ſich GOtt nach weiſen Rath,

Jn dem Stein gebildet hat?

Y 4Auf
[344]Die Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet.
Auf! die ihr euch aͤngſtlich plaget,

Die Denkmaͤler alter Zeit,

Die der Jahre Zahn benaget,

Die mit Schimmel uͤberſtreut,

Euch zum Ruhme zu beſchreiben;

Dieſes kan woll unterbleiben,

Leſet nur mit regen Fleis,

Darin GOttes Ruhm und Preis.

Jhr ſucht in verborgnen Gruͤfften,

Treffet ſolche Steine an,

Deren dunkle Ueberſchrifften,

Keiner recht mehr leſen kan;

Was der Schoͤpfer drin gedruͤkket,

Wird ganz deutlich drauf erblikket,

Dieſes ſeht mit Andacht ein,

Es wird dieſer Jnhalt ſeyn:

Steine geben euch ein Weſen,

Zu erkennen, zu verehrn,

Mit Verwunderung zu leſen

Das da ewig ohn aufhoͤrn;

Das allmaͤchtig, guͤtig, Weiſe,

Und zu ſeines Nahmens Preiſe,

So viel Ehrenmaͤler baut,

Als man Kreaturen ſchaut.



[345]

Die
mannigfaltige Weisheit GOt-
tes welche aus der heiligen
Schrift hervorleuchtet.


[figure]
Es denkt der Spoͤtter Zunfft mit ihren
Albern Wiz,

Es ſey in GOttes Wort ſehr vie-
les das unnuͤz;

Sie ſchlieſt draus uͤbereilt das Men-
ſchen nach Belieben,

Dieſelbe nur erdacht, und vor ſich aufgeſchrie-
ben.

Allein wer dieſes Buch ohn Vorurtheile lieſt,

Den Hauptzwek drauf es geht, im Leſen nicht ver-
gißt.

Der wird in jeden Stuͤk das nie iſt zu ergruͤn-
den,

Von GOttes Weiſen Rath ſtets neue Spuren
finden.

Geſchichte die uns ſind in dieſem Buch erzaͤhlt,

Die hat die Weisheit woll zu ihren Zwek er-
waͤhlt,

Y 3Sie
[346]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Sie lehren das was wir bei unſers Glaubens Wiſ-
ſen,

Zur Lebensbeſſerung als noͤthig faſſen muͤſſen.

Man denkt was hilfft es uns, zu unſerm Gluͤklich
ſeyn,

Daß uns drin angezeigt ſo viel Geſchlechter
Reihn;

Was fragen wir darnach daß wir die Nahmen le-
ſen,

Was in der Vorderwelt vor Voͤlker ſind gewe-
ſen?

O! blinder Unbedacht! wie nuͤzlich braucht der
Chriſt,

Zu wiſſen daß das Heil aus Davids Samen
iſt,

Der JEſus den uns GOtt zum Heiland auser-
waͤhlet:

Denn dieſes Merkmahl hat uns ja die Schrifft er-
zaͤhlet.

Waͤr kein Regiſter da; ſo koͤnte man nicht ſehn,

Wie aus des Davids Stamm die Zweig hernach
entſtehn,

Woraus das Reis gebluͤht dadurch geſegnet wer-
den,

Als durch ein einzig Heil, die Voͤlker dieſer Er-
den.

Da die Geſchlechter Roll nun in der heilgen
Schrift;

So ſieht man wie genau bei JEſu das ein-
trifft;

Was von dem Stamm geſagt, den GOtt dazu er-
kohren,

Daraus auch JEſus iſt zur rechten Zeit geboh-
ren.

Wer
[347]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Wer die Geſchichte merkt, und nach der Urſach
fraͤgt,

Warum der heilge Geiſt ſie in der Schrifft vor-
traͤgt:

Der wird auch allemahl das weiſeſte Verbinden,

Mit unſrer Glaubens-Lehr, und Lebenspflichten
finden.

Was Moſes uns erzaͤhlt, wie GOtt die ganze
Welt,

Den Menſchen als zum Schau auf dieſe Buͤhn
geſtellt,

Wie herlich er gemacht, wie er hernach gefallen;

Wie GOtt die Glaͤubigen als Pilgrim lies hier
wallen:

Dies zeiget uns zum Theil das Werk der Schoͤp-
fung an,

Wie GOttes weiſe Guͤt uns ſolches kund ge-
than;

Dies lehret ferner uns wie ſein allmaͤchtig Wal-
ten,

Die Menſchen auf der Welt kan wunderbar er-
halten.

Sind dieſe Lehren nicht als wichtig anzuſehn?

Und wenn wir weiter hin in ſeinen Buͤchern gehn,

Wie er den Opferdienſt durchs Geiſtes Trieb ab-
mahlet;

So ſieht man daß hieraus auch GOttes Weisheit
ſtrahlet.

Wer dieſe Bilder Schul, wie ſichs gebuͤhrt er-
wegt,

Wie des Erloͤſers Amt darinnen vorgelegt;

Und wie der Glaube dran im Schatten angeſe-
hen,

Wie
[348]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Wie die Erloͤſung muͤſt durch Chriſti Blut geſche-
hen:

Der ſieht Bewundernsvoll der hoͤchſten Weisheit
Rath,

Die das Erloͤſungswerk ſo abgeſchattet hat,

Daß auch das Schattenbild wenn man es achtſam
merket

Der Glaube bei dem Licht des neuen Bundes ſtaͤr-
ket.

Wie herrlich iſt es nicht daß man das leſen kan,

Ein jeder ſieht darin des Heilands Opfer an;

Und was auch ſonſten noch in Moſe iſt zufinden,

Daß muß ſich alles hier mit Chriſti Lehr verbin-
den.

Die Spoͤtter ſagen auch, daß viele Dunkelheit,

Jn dieſen Lebensbuch ſey hie und da geſtreut;

Sie wollen daraus auch die falſche Folge ſchlieſ-
ſen

Da es dem Lichte gleich das helle leuchten muͤſ-
ſen:

Allein der Einwurf macht uns GOttes Weisheit
klar,

Daß ſie recht deutlich ſey, das iſt gewislich wahr;

Man denke nur recht nach, wann wie und wo geſchrie-
ben,

Die Maͤnner die von GOtt durch ſeinem Geiſt ge-
trieben;

So iſt es wunderbar daß es nicht dunkler iſt,

Was man zum Unterricht in GOttes Worte
ließt.

Es iſt das alles klar was dieſe Maͤnner ſchrei-
ben,

Jn ſo fern als wir ſehn, was wir allhie zu glaͤu-
ben;

Wer
[349]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Wer den Verſtand recht braucht, und was er lieſt
erwaͤgt,

Der weis den Jnhalt gleich, wenn man ihm dar-
um fraͤgt;

Die Einfalt ſelbſten kan die Worte klar verſte-
hen,

Und was den Grund betrifft den Weg zum Leben ſe-
hen.

Es iſt zwar hie und da noch dunkel in der
Schrifft,

Das aber nicht den Grund der Seligkeit be-
trifft,

Was etwas in ſich haͤlt von unbeſtimmten Zei-
ten,

Und wo ſie propheceit von den Begebenheiten

Die noch nicht ſind erfuͤllt; da iſt noch Demme-
rung,

Die die Gelehrten fuͤhrt zu der Bewunderung.

Wie weislich iſt die Schrifft mit Stellen ausgezie-
ret,

Die aus dem Alterthum, die Dunkelheit gebieh-
ret,

Die ſonſt verborgen ſind, damit ſie ſich be-
muͤhn,

Durch den gelehrten Fleis ſie in das Licht zu
ziehn,

Drum iſt die Schrifft ein Buch darin die Einfalt
findet,

Worauf der Menſchen Heil und Seligkeit gegruͤn-
det;

Darin die Weiſen auch ſo viele Stellen ſehn,

Die ſie nach weiſer Art nicht deutlich gnug ver-
ſtehn;

Das
[350]Die mannigfaltige Weisheit GOttes.
Das iſt der Weisheit Preis, die immer Licht und
Schatten,

Die Feur und Wolkenſeul weis wunderbahr zu gat-
ten.


Die
[351]

Die
thoͤrigte Religion der eingebil-
deten Klugen.


[figure]
Die da freie Geiſter ſind, wollen ſich mit
Macht befleiſſen,

Durch den albern Aberwiz klug, ſcharf-
ſichtige zu heiſſen;

Darum ſind auch jezt bekandt die nun die Religi-
on,

Durch die Klugheit ganz verſtelln und ihr bringen
Schimpf und Hohn.

Dieſe baun des Glaubensgrund auf ſo leicht und
muͤrbe Stuͤzen,

Daß ſie ihn vielmehr zerſtoͤhrn, wenn ſie ſcheinen ihn
zu ſchuͤzzen.

Eine wahre Gottesfurcht wird von ihnen nicht er-
kandt,

Sondern unter heilgen Schein gar aus aller Welt
verbannt,

Was dem Fleiſche nicht gefaͤllt und die wilde Nei-
gung zaͤumet,

Heiſſet heilge Einfalt nur die der Aberglaube traͤu-
met.

Dieſe Klugen glauben nichts, nehmen nichts als
Warheit an,

Als
[352]Die thoͤrigte Religion der eingebildeten Klugen
Als was ihnen wollgefaͤlt, und das jeder glauben
kan,

Der nur die Religion als ein Spoͤtter will ver-
lachen;

Der den Nahmen nur behaͤlt, um ſich nicht zum
Greul zu machen.

Dieſes ſoll vernuͤnfftig ſeyn; und der iſt ein ſtar-
ker Geiſt,

Wer ſich, wie ihr Ausdruk heiſt einen blinden Wahn
entreißt.

Tolle Klugheit dieſer Welt! die auch die Vernunft
verlachet,

Wenn man die Religion zu der Bosheit Dekkel
machet,

Wer das nicht annehmen will, was der Schoͤpfer
uns gelehrt,

Weil die Einfalt ſolches thut, der hat ſich genug
bethoͤrt;

Der wird ein verkehrter Thor um nur wizzig, klug
zu heiſſen,

Der will ſeine Wollfahrt baun, doch die Gruͤnde
niederreiſſen;

Der prahlt von Religion, die er als warhafftig,
glaubt,

Da er ſich den Grund davon, ein recht wahr Erkennt-
nis raubt.


Regi-[[353]]

Appendix A Regiſter
der in dem dritten Theile befindlichen
Poeſien.


  • Der Herbſt pag. 1
  • Die angenehmen und lehrreich Herbſtverwan-
    delungen an den Baͤumen  16
  • Die betrachtenswuͤrdigen Baͤume  21
  • Der Teuffel, GOttes Affe. Bei Betrachtung
    der Egyptiſchen Zauberer, die die Wunder
    Moſis nachahmen wollen  32
  • Wie die weiſe Guͤte GOttes an den mannigfal-
    tigen Baumfruͤchten zu ſehen und zu ſchme-
    ken  37
  • Betrachtung uͤber die verwelkten und abgefall-
    nen Blaͤtter  45
  • Der Schatten  49
  • Eine andaͤchtige Bewunderung der Groͤſſe
    GOttes bei dem Heer ſeiner Kreaturen  51
  • Die Groͤſſe GOttes in dem Licht der goͤttlichen
    Offenbahrung erblikket  56

Dritter Theil. ZDie
[[354]]Regiſter.
  • Die Thorheit derer Menſchen, die ſich uͤber die
    Witterung beſchweren  64
  • Die Nachlaͤßigkeit der Menſchen, die wunder-
    bahre und weiſe Einrichtung ihres Koͤrpers
    zu erkennen  81
  • Die Geheimniſſe der Natur  83
  • Die Klugheit  86
  • Die Argliſtigkeit  94
  • Die Furcht  99
  • Anrede an die ſpaͤten Herbſtblumen  100
  • Die Weisheit GOttes an den mannigfaltigen
    Geſichtsbildungen und Sprachen der Men-
    ſchen  102
  • Die Demuth gegen GOtt und Menſchen  109
  • Der thoͤrigte Hochmuth  118
  • Ein um ein Licht flatterndes Nacht-Eulchen  125
  • Dankſagung fuͤr die goͤttlichen Wohlthaten,
    in einer freien Ueberſezzung des hundert
    und fuͤnf und dreißigſten Pſalms  127
  • Die Weißheit GOttes bei denen unterſchie-
    denen Neigungen und Geſchiklichkeiten der
    Menſchlichen Gemuͤther  134
  • Der eitle Gottesdienſt  142
  • Daß Geſez ein Spiegel des Selbſterkennt-
    niſſes  146
  • Die kuͤnſtlichen Fliegen  149
  • Das Jrrlicht  154
  • Gedanken bei den Obſtfruͤchten, welche unan-
    ſehnlich ſind, und doch ſchoͤn ſchmekken  156
  • Der kaltſinnige Beter  158
  • Die Geſundheit eine unerkandte Wolthat GOt-
    tes  160
  • Der merkwuͤrdige Baummoos  163

Er-
[[355]]Regiſter.
  • Ermunterung des Gemuͤths bei einem nebe-
    lichten und truͤben Wetter  167
  • Die wunderbahre Flucht unterſchiedner Voͤ-
    gel  169
  • Gedanken uͤber einen Weinſtok mit gereifften
    Trauben zur Herbſtszeit  175
  • Die kurze Lebens-Zeit  181
  • Der Bienen und Wespenſtreit eine Fabel  183
  • Gedanken bei einem bebruͤtetem Ey  186
  • Gedanken uͤber ein Kupffer-Blat, darauf der
    Moloch ein heidniſcher Abgott abgebildet
     189
  • Warhafte Mittel die Leiden dieſer Zeit zu beſie-
    gen  191
  • Der wunderbahre Bienenſtaat  196
  • Der Krieg  215
  • Die Geilheit  232
  • Die Keuſchheit  244
  • Gedanken bei Erwegung der Streitigkeiten uͤ-
    ber den Urſprung des Boͤſen  253
  • Gedanken bei Betrachtung eines Wetter-
    hahns  255
  • Die Maͤßigkeit  257
  • Die Voͤllerei  263
  • Gedanken bei einem Wetterglaſe  273
  • Ein Schnekkenhaus  275
  • Das Salz  277
  • Das vergebliche Wuͤnſchen  284
  • Lobgeſang Moſis und der Kinder Jſrael aus
    den 2. B. Moſ. 15. in einer poetiſchen Ue-
    berſezzung  287
  • Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes, die
    der Menſch in ſeinem Leben genieſſet  294

Z 2Poe-
[[356]]Regiſter.
  • Poetiſche Ueberſezzung des ein und neunzigſten
    Pſalms  305
  • Der Lehrreiche Kirchhoff  309
  • Ueberſchrifft an einen Kirchhoff  324
  • Der Groͤſſe GOttes in Steinen gebildet  326
  • Die mannigfaltige Weisheit GOttes, welche
    aus der heiligen Schrift hervor leuchtet  345
  • Die thoͤrigte Religion der eingebildeten Klugen
     351

[[357]]
Notes
(*)
Matth. XXI. 19.
(*)
Matth. III. 10.
(*)
Ophiten oder Schlangenbruͤder verehrten die Schlan-
gen, und verthaͤdigten ihre Liſt in Paradieſe, weil ſie
die Anſchlaͤge des Schoͤpfers der Welt zernichtet, wel-
chen ſie vor einem boͤſen GOtt anſahen.
(*)
Valerius Maximus L. IX. c. XIV. erzaͤhlet einige
Exempel, die einander vollkommen gleich geweſen: aber
man haͤtte ſie nur recht anſehen und durch die Brille be-
trachten ſollen, ſo wuͤrde der Unterſcheid ſich bald ge-
funden haben.
(*)
B. der Richter c. XII. 6.
(*)
Die Fabelgeſchichte der Heiden meldet von dem J-
carus, daß er ſich auf die waͤchſernen Fluͤgel, die ihm
ſein Vater Dedalus gemacht, verlaſſen, und damit zu
hoch geflogen, daß dieſelben zerſchmolzen, und daß er in das
Meer gefallen, welches nachdem das Jcariſche Meer
genennet worden.
(*)
Jn dem Buche de formatione pulli in ovo.
(*)
2 Corinth. 4. v. 17. 18.
(*)
Man muͤſte dieſe Biene die gleichſam regiert, viel-
mehr genau zu reden eine Koͤnigin nennen, wie der Herr
Plüche im Speclacle de la Nature im erſten Theile im
VI. Geſpraͤch erinnert, da er dem Bienen ſtaat artig be-
ſchrieben.
(*)
Kieſer oder Kinnbacken haben die Bienen ſtat der
Haͤnde, damit ſie das Wachs auffaſſen, knetten, und
was nichts tauget, wegwerffen, ſiehe von den Glied-
maſſen der Bienen den Herrn Plüche deſſen Spectacle
de la Nature
davon Nachricht giebt.
(*)
Offenbahr. Joh. e. VI. v. 5. 6.
(*)
Es iſt aus der Natur-Geſchichte bekand, daß die
Materie zu ihren Haͤuſern in ihnen ſelbſt ſtekket, und
durch ihre Schweisloͤcher dringet welche ſich bei dem
Wachsthum dieſes Thieres als ein klebrichter Saft zu
der Bedekkung der Schnekke immer anſezet. Es hat
davon Herr Plüche in Spectacle de la Nature Ton. I.
Entretien. IX.
gehandelt.
(*)
Die erſten Chriſten pflegten die Kirchhoͤffe
Ruhekammern oder Schlafzellen zu nennen, und
waren gewohnt dieſelben fleißig zu beſuchen, und
daſelbſt bei ſo vielen ſichtbahren Zeugen der men-
ſchlichen Nichtigkeit ſich ihrer Sterbligkeit zuer-
innern, wie der ſeel. D. Hildebrand in ſeinen
Tractat: De arte bene moriendi, welcher auch
teutſch uͤberſezzet, ſonderlich in II. Capitel ge-
zeiget.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Ebeling, Johann Justus. Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bj0r.0