Des
Chriſtlich: Teu͗tſchen
Königes
Heꝛkules
und der
Teuͤtſchen Königin
Valiska
Wuͤndeꝛ-Geſchicht.
Andeꝛ Teil.

Unteꝛ Römiſcheꝛ Kayſeꝛlicheꝛ Maytt.
ſondeꝛbahrem ſchutz freyheit
uͤnd Begnadigung.
Brauͤnſchweig: .
Getru͗ckt duͤꝛch Chriſtoff
Friedeꝛich Zilligeꝛ
.
Anno M.DC.LX.
[[2]][[3]]

An die Allergroßmåchtigſte/ Unuͤberwindlichſte
und Preißwirdigſte
Roͤmiſche Käyſerliche Najeſtaͤt
Alleruntertaͤhnigſte Dankbezeigung

Vor die
Dem Teutſchen Herkules und ſeiner Boͤhmiſchen
Valiſken allergnaͤdigſt erteilete
Freyheit/ Schutz und Begnadigung.



DIe hoͤchſte Majeſtaͤt der ganzen Chriſten-Welt

Hat Herkuleſſen Wunſch und der Valiſken Sinnen/

Mehr als ihr Hoffen wahr/ in Fried und Ruh geſtelt/

Sie fuͤrchten ſich nicht mehr voꝛ feindlichem begiñen/

Noch vor Verleumders Gifft. Des bittern Haſſers Schuß

Geht ſchadloß neben hin; weil ſie des Adlers Fluͤgel

In freyen Raum geſezt. Des Neiders draͤuen muß

Ihm ſelbſt nur ſchaͤdlich ſeyn. Sie ſitzen auff dem Huͤgel

Der feſten Sicherheit. Der Dieb’ und Raͤuber Schaar

Zeucht ihre Klauen ein. Wer hier wil Frevel uͤben/

Hat ſeine Straffe ſchon ohn unſere Gefahr;

Der Adler haͤltuns Schuz/ drumb kan uns nichts betruͤben

Im ſichern Loberkranz. O hoͤchſte Majeſtaͤt!

Was ſol Eur Herkules/ was ſol Valiſka ſtellen

An guͤltign Dankes ſtat? Die Woltaht uͤbergeht

Ihr Unvermoͤgen weit. Gleich wie die hohen Wellen

a ijHerfal-
[[4]]
Herfallen uͤber Grund und Tieffen. Wie der Schein

Der Sonnen/ unſer Lichtlaͤſt keinen Schatten bringen;

So faͤlt Valiſken ihr Vermoͤgen gaͤnzlich ein/

Und laͤſt ihr Herkules nichts als nur Wort’ erklingen/

Doch Worte/ die hervor aus tieffſtem Herzen gehn/

Und ſeufftzen/ daß ſie nicht ſo lautbar koͤnnen ſchallen/

Als wol ihr wuͤnſchen iſt. Nun wol! vor Gott beſtehn

Am beſten/ die vor ihm demuͤhtig niderfallen/

Und ſagen willig an/ daß ihr Vermoͤgen bloß

Ein reiner Wille ſey. Die pflegt Gott zuerheben/

Und ſchaͤtzet ſie vor gnug. Bleht man ſich ſelber groß

Nach Pfau- und Kroͤten Art/ das iſt ein wiederſtreben

Und ſchaͤndlicher Betrug. Ein ſolcher ſchlimmer Wuhl

Muß/ wann er gleich vermeint/ er ſteh’ auff hoher Zinnen/

Eh’ als ers ſelber weiß/ hinunter in den Pfuel/

Dann wird er ſeines Nichts mit Schand und Schaden innen.

Valiſk’ und Herkules erkennen/ daß ſie ſchwach

Und allerunwerd ſind. Durch Kaͤyſerliche Guͤte

Stehn ſie/ und ſonſten nicht. Es rinnet ihre Bach

Aus Kaͤyſers Gnaden-Meer. Sie ſtehen in der Bluͤte/

Dann deſſen Woltaht-Schein beut Krafft und Waͤrme dar.

Deß bringen ſie den Dank demuͤhtigſt/ und ergeben

Sich deffen Majeſtaͤt zu eigen ganz und gar/

Von welcher ſie ihr’ Ehr erlanget und ihr Leben.

Drumb ſtimmen ſie mit Mund und Herzen uͤberein/

Des Kaͤyſers wollen wir Gehorſamſt-eigne ſeyn.

Des[5]

Des Chriſtlichen
Teutſchen Herkules
Ander Theil.


Das Fuͤnfte Buch.


HErkules und Ladiſla ſetzeten nach erhaltenem Siege ihre
Reiſe auff Perſepolis ſchleunig fort/ ſo viel der Verwundeten Gelegen-
heit zulaſſen wolte; und als ſie die Stad von ferne liegen ſahen/ ſagte Her-
kules zu ſeinem Freunde: Unſere Valiſka wird mit Verlangen nach uns
auß fehen/ weil wir unſern durch Gott bekraͤftigten Sieg ihnen nicht zu wiſ-
ſen gemacht haben. Gleich in dem ſahen ſie eine zimliche Geſchwade
Reuter von der rechten Seiten auff ſie zurennen/ von denen ſie bey ihren Fahnen bald er-
kennet wurden; dann es wahr Groß Fuͤrſt Artaxerxes/ welcher nach angeſtelleter guter
Ordnung bey ſeinem Haͤupt Heer wiederumb zuruͤcke kahm/ und ritte ein Mediſcher Abge-
ſanter hinter ihm her. Sie empfingen einander uͤberaus freundlich/ und wahr wegen
der treflichen Uberwindung ſehr hohe Freude; daher Artaxerxes zu unſern Helden ſagete:
Nun ihr meine ſehr werte Herren/ und vertrauete Bruͤderliche Freunde; freilich wird eu-
er Ruhm und Ehre in dieſen Morgenlaͤndern tauren/ als lange die Erden Kugel von dem
Meer unuͤberſchwemmet bleibet/ und iſt die Fuͤrſtl. Verbuͤndniß ſchuldig/ eure hochan-
ſehnliche Dienſte nach allem Vermoͤgen zuerkennen. Hernach begab er ſich hin zu den
Saͤnfften/ in welchen Pharnabazus/ Arbianes/ Bubazes/ Tyriotes und Gallus getragen
wurden/ zeigete ſein Mitleiden wegen ihrer Verwundung an/ und verſprach es mit Ver-
geltung/ Gnade/ und Freundſchaft zuerſetzen. Endlich ruͤhmete er das ganze Heer wegen
ihres wolverhaltens/ und verhieß ihnen ſamtlich drey Monat Sold zur Verehrung; woꝛ-
auff er von unſern Helden in die Mitte genommen/ und aller Umſtaͤnde ihres Sieges be-
richtet ward/ da er ſich nicht gnug verwundern kunte/ wie ſie den hocherfahrnen und vor-
ſichtigen Feld Herrn Vologeſes haͤtten moͤgen beruͤcken und aus dem Felde ſchlagen. Er
hingegen meldete ihnen des Haͤupt Heers Menge und Zuſtand an/ und wie ſie der Stad
Perſepolis naheten/ ſagte er: Mich wundert nicht ein geringes/ wo Fuͤrſt Gobares Voͤl-
ker mogen blieben ſeyn/ weil ich keinen davon auff meinem Ruͤkwege angetroffen/ da ſie
doch dieſen Streich her auf meine Anordnung eingelegt wahren; und hat er ja keine Vol-
macht/ ſeines gefallens ſie an andere oͤrter zufuͤhren; biß daher habe ich gewaͤhnet/ meine
Herren wuͤrden ſie zum Entſaz abgefodert haben. Ladiſla erſchrak der Rede hoͤchlich/
und ſagte; laſſet uns der Stad zueilen/ dann dieſes gehet nimmermehr recht zu/ und wen-
de Gott gnaͤdig ab/ daß Gobares nicht gar zum Schelm und Verraͤhter worden ſey/ wie
ſeine Voͤlker/ die wir mit uns gefuͤhret/ in dem ſie teils nicht fechten wollen/ teils auff uns
a iijzuge-
[6]Fuͤnftes Buch.
zugeſchlagen/ und umb ein Haar uns den Sieg auß den Haͤnden geriſſen haͤtten. Herku-
les ſahe ihn an/ entſetzete ſich vor ſeinen Scheltworten/ und redete ihm alſo ein: Wie mein
Bruder? warumb ſchilteſtu dieſen Fuͤrſten/ ehe er der Untaht uͤberzeuget iſt? vielleicht iſt
er unſchuldig an dem verraͤhteriſchen Vornehmen ſeiner Leute. O Bruder/ antworte-
te er/ des vergangenen bin ich gewiß genug/ helffe nur Gott/ daß nicht wol ein ſchlimmers
in unſerm abweſen von ihm begangen ſey deſſen ich ſehr ſtarke Muhtmaſſungen habe. Ich
verſtehe nicht/ ſagte Artaxerxes/ worauff mein H. Bruder zihlet; ſolte aber Gobares zum
Schelme worden ſeyn/ wollen wir uns daruͤber wenig bekum̃ern/ worauff aber ſehr ſchwe-
re Rache erfolgen wird. Gott verhuͤte es/ antwortete Ladiſla/ daß meine Furcht nicht
eintreffe/ ſo ſol das ergangene mich nicht großirren. Als ſie zur Stad einritten/ fragten
ſie/ wo Gobares Voͤlker waͤhren. Der Haͤuptman gab zur Antwort; ſie koͤnten nichts ei-
gentliches davon wiſſen/ ohn daß er geſtern Abend alle ſeine Voͤlker vor dem Weſtentohr
in moͤglicher Stille verſamlet/ und umb Mitternacht davon gezogen/ auch etliche Saͤnf-
ten/ wie man ſagte bey ſich gehabt/ und darinnen ſeine liebſten Schaͤtze hinweg tragen laſ-
ſen. Seine Schaͤtze? ſagte Artaxerxes/ hat der Verraͤhter Schaͤtze auff meinem Schloſ-
ſe? vielleicht hat er meine Schaz Kammer beraubet? Ladiſla zweifelte nicht mehr an der
Warheit/ und ſagte zu Herkules: Mein Bruder/ erſchrik nicht; ich fuͤrchte er habe nicht
ſeinen/ aber wol deinen Schaz entfuͤhret/ welchen wir mit Gottes Huͤlffe bald wiederhoh-
len wollen/ weil er erſt dieſe Nacht davon gezogen iſt. O mein Bruder/ antwortete er; ſo
hoch wird mich mein Gott verhoffentlich nicht ſtraffen. Ihm ward aber ſo unſachte auf
dem Pferde/ daß er ſich nicht mehr halten kunte/ welches Artaxerxes erſehend/ ihn in das
naͤheſte Haus geleitete/ da ihm ſein Herz dergeſtalt belieff/ daß ihm alle Sinne entgingen.
Ladiſla rante in Geſelſchafft etlicher Reuter nach dem Schloſſe/ ſprang vom Pferde/ und
ohn wortſprechen lieff er nach der Fraͤulein Gemache/ welches er offen fand/ und Herku-
les Leib Knaben ſamt Timokles in voller Ohmacht auff der Erde liegen; der Fraͤulein/
und drey andere Weibliche Kleider aber mitten im Gemache auff einem Tiſche/ und eine
außgeloͤſchete Kerze auff der Tuͤhr Schwelle. O mein Gott/ ſagte er/ wie werde ich doch
meinem lieben Herkules diß berichten koͤnnen? Er ruͤttelte Timokles ſo lange/ daß er zu
ſich ſelber kam/ und ſagte zu ihm: Hoͤre mein Getraͤuer; wie iſt dieſes zugangen? Ach Gn.
Fuͤrſt/ antwortete er; mir iſt hievon nicht das allergeringſte bewuſt/ nur wie ich komme/
auffzuwarten/ finde ich leider wie es ſtehet. Ladiſla wolte alhier nicht viel Zeit verlieren/
ging nach der Schloß Haͤuptwache/ und fragete; wo Fuͤrſt Gobares waͤhre; aber da wahr
niemand/ der hievon einige Nachricht zu geben wuſte; nur daß etliche davor hielten/ er
wuͤrde auff ſeinem Gemache/ und wol noch in der Ruhe ſeyn. Wie/ ſagte Ladiſla/ habt
ihr dann hinte alle nur des Schlaffs gewartet? Er wird ja nicht mit allen den ſeinen uͤber
die Maur geflogen ſeyn. Der Haͤuptman antwortete: Durchl. Fuͤrſt/ es iſt ja dieſe Nacht
ein wunderliches weſen auf dem Schloſſe geweſen; aber unſer keiner hat bey Leib uñ Lebens-
ſtraffe ſich duͤrffen ſehen laſſen; reiten/ fahren/ lauffen und beſtellen hat man eine gute wei-
le gehoͤret; wer es aber geweſen/ und was es bedeutet hat/ iſt uns allerdinge verborgen. Es
ſtund ein Kriegsknecht auf der Schildwache/ der berichtete: Er haͤtte ein klaͤgliches geheu-
le etlicher Weib es bilder gehoͤret/ welches ſich doch bald geſtillet/ und darauff waͤhre der Ab-
zug
[7]Fuͤnftes Buch.
zug geſchehen. Deſſen muß ich ſichere Gewißheit haben/ ſagte Ladiſla; ließ Timokles nach
Gobares Gemache lauffen/ um zuvernehmẽ/ was vor Zeichen ſich daſelbſt wuͤrden findẽ
laſſen. Aber da war eine gleichmaͤſſige Einſamkeit/ ohn dz er etliche rohte Seidene Stricke
liegen ſahe/ die er auffhub/ und mit ſich nahm. Alſo wolte Ladiſla hieſelbſt nicht laͤnger ver-
weilen/ ritte ſtraks nach Herkules und traf ihn in jaͤmmerlicher Klage an. Artaxerxes troͤ-
ſtete ihn auffs beſte: es waͤhre ja noch ungewiß; und ob gleich die Entfuͤhrung geſchehen/
wolte er ſein Haͤupt nicht ſanffte legen/ biß es grauſam geſtraffet waͤhre. Ach ach/ ſagte
Herkules/ hiedurch bekomt mein Fraͤulein ihre Ehre nicht wieder/ wann ihr ſolte Schande
zugeſtoſſen ſeyn. Ja wer weiß/ ob ſie nicht bereit Todes verblichen; dann lebendig hat ſie
ſich in ſeinen boßhafften Willen nicht ergeben/ deſſen ich wol verſichert bin. Ladiſla kam
gleich darzu/ und ſagte: Herzlieber Bruder/ ſtaͤrke dein Gemuͤht/ und laß dich Unfal nicht
erdruͤcken; klagen hilfft nicht/ und ſcumen nutzet nicht; laß uns den Almaͤchtigen Gott zu
huͤlffe nehmen/ und unverzoͤglich folgen/ ſo koͤnnen wir ihn noch voꝛ Abends ereilen/ weil er
mit Fußvolk und Reutern zugleich fortgehet. Auf dem Schloſſe iſt nichts ungebuͤhrliches
vorgangen/ ſondern man hat nur zum Abzuge geeilet/ und das Fraͤulein neben dem Frau-
enzimmer aus den Betten geraubet/ und in den Saͤnfften davon gefuͤhret. Herkules be-
dachte ſich nicht lange/ ſprang auf ſein Pferd/ und in Geſelſchafft Artaxerxes und Ladiſla
ſetzete er dem Huefſchlage nach/ da alle anweſende Perſiſche und Mediſche Reuterey fol-
geten/ und was in Perſepolis kunte beritten gemacht werden.


Fabius hatte den gefangenen Gobares vor ſich bringen laſſen/ ſahe ihn mit grim̃igen
Augen an/ und ſagte zu ihm: Du ſchaͤndlicher Verraͤhter und meinaͤidiger Raͤuber der
Koͤniglichen Fraͤulein; kenneſtu auch Kleon noch/ welchen du umb falſches verdachts
willen haſt wollen ſchelmiſcher weiſe ermorden laſſen? Dieſer ſahe ihn an/ und erſchrak
daß er als ein Laub zitterte/ auch kein Wort reden kunte. Wie biſtu nun ſo verzagt? fuhr
Fabius fort; iſt diß der tapfere Gobares/ der nicht gnug hat/ ſeiner Untertahnen Weiber
zu ſchaͤnden/ er mus auch Koͤnigen und Fuͤrſten ihre Fraͤulein durch gewaltſame Diebe-
rey entfuͤhren? doch werden die Goͤtter mit dir lange gnug durch die Finger geſehen ha-
ben/ wann du nur mit einem Halſe alle deine Bubenſtük bezahlen koͤnteſt. Er wolte in ſei-
nem Zorn fortfahren/ aber Leches rieff uͤberlaut: Bald zu Pferde/ bald zu Pferde! dort
vor uns erhebet ſich ein dicker Staub/ welcher uns eines neuen Heeres ankunfft verſtaͤn-
diget. Die Gefangenen/ inſonderheit Gobares und die man auff der Gutſche bekommen/
wurden fleiſſig verwahret; Fabius aber ſtellete die Voͤlker in ſchoͤne Ordnung/ des Vor-
ſatzes/ einen redlichen Stand zu halten/ was ſich auch begeben wuͤrde. Das Fraͤulein fo-
derte alsbald Pferd und Gewehr/ und ſagte mit ſonderlicher Anmuht: Ich wil meine al-
lerliebſte Teutſchen ſelbſt fuͤhren/ ob ich vielleicht noch dereins ihre Groß Fürſtin wuͤrde;
woruͤber dieſe Voͤlker ſich ſo inniglich freueten/ daß ſie einmuͤhtig rieffen; Unſere Groß-
Fuͤrſtin lebe/ unſere Groß Fuͤrſtin lebe! wolte auch ein jeder der naͤheſte zu ihrem Schutze
ſeyn/ und halff nichts/ daß Libuſſa und Euphroſyne nebeſt dem andern Frauenzimmer ſie
mit Traͤhen bahten/ ſich des gefaͤhrlichen Wagſtuͤckes zubegeben. Leches und die Boͤhmen
ingeſamt ſetzeten ſich zu ihrer Rechten; Fabius und die Roͤmer zur Linken/ und tahten
einen Wich in etwas hinter ſich/ damit ſie auff allen Fal Plaz und Raum zum Gefechte
haben
[8]Fuͤnftes Buch.
haben koͤnten; dann die nidergehauene Suſianer wuͤrden ihnen ſehr hinderlich daran ge-
weſen ſeyn. Herkules mit den ſeinen eilete dermaſſen fort/ daß die Pferde kaum mehr fort-
ſchreiten kunten/ biß ſie endlich an die leeren Saͤnften kahmen/ und mit ſchmerzen ſahen/
daß die Eyer ausgenommen/ und die ledigen Neſter blieben wahren; woruͤber Herkules
einen tieffen Seuffzer ließ/ und zu Ladiſla ſagte: Ach GOtt/ wer weis nun/ wohin mein
Fraͤulein des ſchaͤndlichen Boͤſewichts mutwillen zuerfaͤttigen/ gefuͤhret iſt? ritten gleich-
wolfort/ und ſahen von ferne eine groſſe menge erſchlagener Kriegsleute liegen/ auch in
der naͤhe einen Verwundeten aus dem Puſche hervor kriechen/ welcher auff ihre Nach-
frage zur Antwort gab: Es waͤhren eine groſſe menge wilder erſchrecklicher Leute uͤber ſie
kommen/ deren Sprache kein Menſch verſtehen koͤnnen/ und haͤtten ihre Voͤlker nicht an-
ders als Schaffe abgeſchlachtet/ auch die ſchoͤnen Weibsbilder (mit ihrem guten Willen/
wie ſichs anſehen laſſen) aus den Saͤnfften hinweg gefuͤhret; koͤnten noch nicht gar weit
ſeyn/ weil dieſer Jammer vor wenig Stunden ſich zugetragen/ und ſie noch vor gar kur-
zem ſich mit einem ſonderlichen Freudengeſchrey haͤtten vernehmen laſſen. Ey ſo moͤgen
ſie ſo wilde ſeyn als die ehmahligen Himmelſtuͤrmer/ laſſe ich ihnen doch dieſe Beute nicht/
ſagte Herkules/ es ſey dann/ daß ſie mich auch niderhauen; ſahe zugleich eine Schaar von
300 Reutern gegen ſie daher traben/ welche die groſſen ſchimmernden Schlachtſchwerter
umb ihre Haͤupter kommen lieſſen. Leches wahr ihr Fuͤhrer/ ſetzete auff Herkules freudig
an/ und da er nahe zu ihm kam/ redete er mit auffgeſchlagenem Helme alſo: Ihr Ritter;
das Durchl. Koͤnigl. Fraͤulein aus Boͤhmen/ Fraͤulein Valiſka/ und ihre Kriegs Ober-
ſten/ begehren von euch zu wiſſen/ weſſen ſie ſich zu euch zuverſehen/ und ob ihr geſinnet ſeid/
dem ſchelmiſchen Gobares beyſtand zu leiſten/ alsdann ſaget man euch ab auff Leib und
Leben. Herkules wahr hieruͤber ſo voller freuden/ daß er ſein ſelbſt vergaß/ ſetzte ſeinen
Helm ab/ dann er kennete Leches/ und ſagete: Wie nun mein geliebter Freund/ hat unſer
GOtt euch zu ſo gluͤkſeliger Stunde hergeſand/ mir meiner Seelen Luſt zu retten? trauen
ich werde ſatſame Urſach haben/ eure Traͤue zuerkennen. Leches ſprang alsbald vom Pfer-
de/ warff Helm und Schwert hinweg/ kuͤſſete ihm die Hand/ und weinete vor freuden/ ſen-
dete auch alsbald einen Reuter zuruͤk/ dieſer Freunde gegenwart anzumelden; deſſen Fa-
bius hoch erfreuet ward/ ſchikte ſeiner geworbenen Reuter einen an Ladiſla/ und ließ ihm
ſagen. Es hielte dort bey dem ſieghaften Heer ein Ritter/ der naͤhſt demühtiger begruͤſſung
bey ihrer Durchl. umb verzeihung bitten lieſſe/ daß er ehmahls ungetraͤue Geſelſchaft gelei-
ſtet/ und ſie verlaſſen haͤtte. Ladiſla kunte ſolcher geſchichte ſich nicht erinnern/ und antwor-
tete: Ritter/ mit meinem wiſſen habe ich nie dergleichen untraͤuen Geſellen gehabt; da ich
aber ſeinen Nahmẽ wiſſen ſolte/ moͤchte ich mich deſſen beſiñen. Dieſeꝛ ſagte/ wie wolte eure
Durchl. den Nahmen eines ſo bekanten Freundes nicht wiſſen/ welcher dort herreñet/ eure
Durchl. ſelbſt zu ſprechen. Ladiſla erwartete ſein/ wuſte nicht wovor er ihn halten ſolte/ weil
er mit verſchloſſenem Helme daher kam/ uñ mit verenderter Stim̃e ihn auff Perſiſch alſo
anredete: Durchl. Fuͤrſt/ ein ehmahls abgeſtrichener Landsknecht/ hat ſeinen fehler erkeñet/
uñ ſich wieder finden wollẽ/ nachdem er ſich keiner Gefahr mehr zubeſorgẽ hat/ uñ forthin in
ſicherheit reiten kan; zweifelt nit/ es werde der veꝛlohrne Fabius wiederum koͤñen angenom-
men werden. O mein herzgeliebter Bruder/ antwortete Ladiſla/ lebet ihr noch? ey Gottlob
Gott
[9]Fuͤnftes Buch.
Gott Lob! nun bin ich mit allem wol zufrieden/ und werde mit froͤlichem Angeſicht dereins
wieder vor euren und meinen H. Vater treten koͤnnen; Aber wie hat mein Bruder ſich ſo
lange koͤnnen verborgen halten? Fabius antwortete/ ich bin nicht allerdinge verborgen ge-
weſen/ ſondern habe meinen Wandel gefuͤhret in Ketten und Banden/ unter Schlaͤgen uñ
Streichen/ in Muͤhe und unflaͤtiger Arbeit/ bald Leibeigen bald frey/ und zum andernmahl
mit meinem eigenen Gelde von mir ſelbſt verkauft/ womit wir uns vordißmahl nicht wei-
ter betruͤben wollen; nur freue ich mich/ daß mein abgeſagter Feind Gobares/ der mich un-
terſchiedlichemahl zuermorden geſucht/ unter meine Haͤnde gerahten iſt. So hat der
Schelm unſer aller Feind und Moͤrder ſeyn wollen/ ſagte Ladiſla; O wann er nur mit ei-
nem Halſe bezahlen koͤnte! Das Fraͤulein wolte ihren lieben Herkules auch erfreuen/ ſetze-
te ſich mit Euphroſynen und Libuſſen in eine Gutſche/ und fuhr geſchwinde hin zu ihm.
Er gedachte bald/ was vor ein Schaz auff dem verdekten Wagen ſeyn wuͤrde/ und rante
ihr auff ſeinem Blaͤnken friſch entgegen/ welches ſie erſehend/ vom Wagen ſprang/ und
ſeine Naͤherung mit liebſcheinenden Auglein erwartete/ da er auch vom Pferde ſtieg/ und
ihr mit offenen Armen entgegen trat/ ſie einander auch nicht anders empfingen/ ob waͤhrẽ
ſie etliche Jahr lang geſchieden geweſen/ und ſagte ſie mit trauriger Stim̃e zu ihm: Herz-
geliebter Schaz/ darff auch die geraubete Valiſka ſich kuͤhnlich wie der zu ihrem Fuͤrſten
hinbegeben? Ach mein Herz/ ſagete er/ warumb fraget ſie ſolches? iſt euch etwa wieder eu-
ren Willẽ Schmach angeleget/ ſo ſchlaget es/ bitte ich/ aus dem Siñe/ nachdem der grund-
guͤtige Gott uns wieder zuſammen gefuͤget hat. Ja freilich iſt mir Schmach angetahn/
ſagte ſie/ aber Gott Lob/ ohn alle verletzung meiner Ehren/ welches ich bloß nur der barm-
herzigkeit Gottes zu danken habe/ welcher des Frevelers Muht und Macht gebrochen/ uñ
ihm alle Gelegenheit gehindert hat; wiewol er dannoch die Straffe außſtehen ſol/ weil ich
ihn in meiner Gewalt habe. Als Herkules dieſe angenehme Zeitung hoͤrete/ kuͤſſete er ſie
herzlich/ und ſagete: Ey ſo bin mit meines lieben Gottes vaͤterlicher Zuͤchtigung ich wol
zu friedẽ/ nachdem Ehre uñ Keuſcheit erhalten iſt. Aber was treten dort vor ſchoͤne Frauẽ
her? die gewißlich dieſer Landes Art nicht ſind. Das Fraͤulein lachete/ wolte ſie doch nicht
nennen/ ſondern winkete ihnen/ fortzugehen. Fr. Euphroſyne und Libuſſa traten voran/
Brela und Agatha folgeten/ kehreten ſich an das Fraͤulein nicht/ ſondern ſtelleten ſich mit
tieffer Neigung vor Herkules/ da die erſte ihm die Hand kuͤſſen wolte/ welches er doch nicht
zugab/ ſondern im umbfahen ſie freundlich kuͤſſete/ und mit groſſer Verwunderung zu ihr
ſagete: O ihr meine getraͤue und werte Freundin/ was bewaͤget ſie immermehr/ dieſe fer-
ne Reiſe zutuhn? Durchl. Groß Fuͤrſt/ antwortete ſie/ die haͤupt Urſach unſer aller ankunft
iſt das Verlangen/ das aller volkommenſte Menſchen-Par dieſer Welt zu ſehen/ und uns
ihnen zu Dienſte zuergeben. Meine neben Urſach iſt/ daß ich das mir in verwarung gege-
bene Ringelein/ wieder einliefern moͤge/ ehe ichs verliere/ welches ich hiemit untertaͤhnig
einreiche. Frl. Valiſka keñete ſolches alsbald/ nam es ungeheiſſen zu ſich/ und ſagete: Ge-
liebte Freundin/ dieſes ſtehet eigentlich mir zu/ drumb habe ich beydes vor gute Verwah-
rung und vor eure uͤberkunft zu danken. Meine geliebte Waſe Agatha/ fuhr jene fort/ nach
dem ſie berichtet iſt/ daß ein ſo teurer Fürſt ſie von dem kalten liebes Feur des alten Man-
nes/ und gar zu heiſſen Flammen der unverdientẽ Straffen erloͤſet/ hat ſie ihre Schuldig-
bkeit
[10]Fuͤnftes Buch.
keit nach vermoͤgen abzulegen/ mit mir reiſen wollen. Meine Schweſter Libuſſa kan durch
beredſamkeit ihre Notturft ſelber wol vortragen/ würde ſie ſich deſſen etwa ſchaͤmen/ erken
ne ich mich ſchuldig/ ihr Wort zu reden; kurz zu melden; ſie koͤmt/ untertaͤhnigſt zu dan-
ken/ daß ihre Gn. den bewehrten Arzt ihrer Krankheit hat ſenden wollen/ der das geaͤngſtete
Herz gar ſanft und gluͤklich geheilet hat; waͤhre er aber fünff Stunden laͤnger auſſen blie-
ben/ hatte man ſich ſchon erklaͤret/ ihn aus der vermeinten Gefaͤngnis loß zu machen. Fr.
Brela/ halte ich/ ſey meiner Gn. Fraͤulein halben mit uͤberkommen/ umb zufragen/ was
vor einen Ruͤkweg deren Durchl. zuhalten willens/ weil ſie zu Tyrus durch freihiſche Ge-
danken verhindert worden/ ſolches zuerforſchen; und nachdem ſie etwas furchtſam iſt/ uñ
nicht gerne allein ſchlaͤfft/ hat ſie ihren liebſten/ ihres liebſten Schweſter wolt ich ſagen/ mit
auff geſprochen. Das Frl. hatte groſſes gefallen an dieſer beredſamen Frauen Kurzweil/
da Libuſſa ſich ſchon fertig hielt/ ihr eins wieder anzubringen/ durffte aber Herkules nicht
in die Rede fallen/ welcher Euphroſynen zur Antwort gab: Geliebte Freundin; ihr freund-
williges Herz gegen mich/ hat ſie mir ſchon gnugſam zuerkennen gegeben/ da ich als ein U-
beltaͤhter vor ihren Augen ſtund/ wovor ich ihr Zeit meines Lebens werde ſchuldig bleiben;
und nun folget ſie meinem hochgeliebten Fraͤulein und mir/ einen ſo beſchwerlichen fernen
Weg uͤber Meer und Land; duͤrfte auch ſchier errahten/ daß die uͤbrigen meine ſaͤmptlich
geliebte Freundinnen durch ihr Auffmahnen hierzu beredet ſind/ und alſo auch deren ge-
wuͤnſchte Gegenwart wir ihrer guten befoderung zu danken haben; empfing hierauff die
andern ebenmaͤſſig/ und bedankete ſich ihrer Ankunft. Noch haͤtte Libuſſa ſich gerne an Eu-
phroſynen gerochen/ ward aber durch Klodius dran verhindert/ welcher ſich vor Herku-
les in die Knie ſetzete/ und bey dieſer Rede ihm die Hand kuͤſſete; Durchleuchtigſter Fuͤrſt/
Gn. Herr; euer Durchl. ich unwirdiger Knecht habe nicht umbhin gekunt/ dieſes gute
Gluͤk zuergreiffen/ und deroſelben untertaͤhnigſt zu folgen/ nachdem euer Durchl. ich alle
meine Wolfahrt naͤhſt Gott zu danken habe; bitte demnach untertaͤhnigſt/ dieſelbe wollen
mich in den ehmahls bedieneten Plaz gnaͤdigſt wieder auffnehmen/ welches mir ungleich
angenehmer als meine Paduaniſche Oberhaͤuptmanſchaft ſeyn ſol. Herkules richtete ihn
auff und antwortete: Mein getraͤuer und lieber Freund Klodius/ eure ankunft iſt mir ſehr
lieb/ werde mich auch bemuͤhen ſolche Traͤue zuerkennen; daß ihr aber euch verringern/ uñ
in einen nidrigern Stand treten ſoltet/ wuͤrde ohn meine Undankbarkeit nicht geſchehen
koͤnnen; muß alſo dahin trachten/ daß ihr mit groͤſſern Ehren und Nahmen aus dieſen
Laͤndern ſcheidet/ als ihr hinein kom̃en ſeid; und nicht allein ihr/ ſondern alle/ die aus gleich-
maͤſſiger zuneigung uns gefolget ſind. Nach dieſem ſtelleten ſich Markus/ Neda uñ Prinſ-
la bey Herkules ein/ und wurden ſehr freundlich empfangen. Zu allerlezt trat auch Neklam
herzu/ der eine Feldwebelſchaft unter den Boͤhmen bedienete/ hatte ſich aber von dem Fraͤu-
lein noch nicht ſehen laſſen/ kniete dißmahl vor Herkules und ihr nider/ und ſagte: O gnaͤ-
digſtes Fraͤulein/ daß ich nun von den Goͤttern Flügel erbitten koͤnte/ umb nach Prage zu
fliegen/ und meiner allergnaͤdigſten Koͤnigin ihrer Durchl. Wolergehen anzumeldẽ. Si-
he da Neklam/ ſagte ſie/ haſtu in dem ungluͤkſeligen Flecken nicht Wunden gnug empfan-
gen/ du muſt ſie auch hier ſuchen gehen? Ja/ antwortete er; ich bin heut durch dieſen Arm/
den linken zeigend/ geſchoſſen/ aber ſanftere Wunde iſt mir nie geſchlagen. Gib dich zufrie-
den/
[11]Fuͤnftes Buch.
den/ ſagte ſie/ ich wil ſie dir verbinden/ daß du dichs erfreuen ſolt. Er meldete darauff des
alten Wenzeſla untertaͤhnigſten Gruß an/ und daß derſelbe gerne dieſen Zug mit getahn
haͤtte/ wann ſeine Koͤnigin es nur haͤtte erlauben wollen. Das Fraͤulein nam den Gruß
mit guter freundligkeit an/ und uͤbergab Neklam ihrem Herkules zum geheimen Diener an
Gallus ſtat/ weil ohndaß derſelbe wegen der Kriegsgeſchaͤffte ihm nicht auffwarten kun-
te. Die andern wahren unterdeſſen nach Ladiſla gangen und hatten die Gebuͤhr abgelegt/
der ſich uͤber ihrer Ankunft nit wenig freuete. Damahls ritte Artaxerxes hin zu dem Fraͤu-
lein/ ſtieg vom Pferde/ und redete ſie alſo an: Durchl. Fraͤulein; ich erfreue mich von Heꝛ-
zen/ wegen euer Liebe geſchehenen wunderbahren Rettung/ neben angehaͤngter Bitte/ keine
ungleiche Gedanken von den Morgenlaͤndiſchen Fuͤrſten in gemein zufaſſen/ ob gleich ein
Schand-Bube ſich unter ihnen hat wollen finden laſſen. Durchl. Fuͤrſt und Herr/ antwoꝛ-
tete ſie; Ihrer Liebe Auffrichtigkeit werde weder ich noch jemand in zweifel zihen/ nachdem
dieſelbe viel zu aͤdel iſt/ Untugend zu ſchuͤtzen/ vielweniger zubegehren; baht ihn nachge-
hends/ er moͤchte neben Herkules/ Ladiſla und Fabius einen geringen Abtrit mit ihr neh-
men/ weil ſie etwas vorzutragen haͤtte; und als ihr dieſes gerne verwilliget ward/ neigete
ſie ſich tieff/ und ſagte mit ernſthaften Geberden: Großmaͤchtiger Groß Fuͤrſt und Herr;
wann die Hoch Fuͤrſtliche Verbuͤndnis einen ihres mittels gewuſt haͤtten/ der ein ſo loͤbli-
ches hochwichtiges Werk zu handhaben duͤchtiger waͤhre/ wuͤrden ſie ohnzweifel denſelben
darzu haben erkohren; aber freilich iſt das einhellige Loß billich auff eure Durchl. gefallen/
weil Gott ſelbſt deren Seele mit klugem/ tapferen und gerechten Muht weit vor andere
begabet/ damit durch ihre Verſehung und Weißheit/ dem boͤſen geſteuret/ gewaltſamkeit
auffgehoben/ Schande getilget/ uñ Gerechtigkeit erhalten werden moͤge. Dieſes gibt mir
ungezweifelte Verſicherung/ eure Durchl. werde mir gnaͤdig goͤnnen/ mit dem boßhaften
Raͤuber nach Recht zuverfahren/ auff daß andere ein Beyſpiel nehmen/ ſich ſolches Bu-
benſtuͤks zuenthalten/ welches in keines Menſchen Herzen auffſteigen kan/ er habe dañ alle
Ehr und Redligkeit verſchworen uñ aus ſeiner Seele verbannet. Artaxerxes neigete ſich
hinwie der gegen ſie/ und antwortete: Durleuchtigſtes unvergleichliches Fraͤulein; das
hohe Lob/ von euer Liebe mir geſprochen/ reichet noch lange an mein unvermoͤgen nicht/
wiewol die Begierde Fuͤrſtlich zuhandeln/ ich bey mir gerne wolte ſpuͤren laſſen; wann ich
nun dieſes unredlichen Raͤubers mich einiger Weiſe zum Schuz annehmen wolte/ was
taͤhte ich anders/ als daß ich mich in gleichmaͤſſige Schuld und Boßheit ſtuͤrzete/ in wel-
cher dieſer Unflaht oͤffentlich ergriffen iſt? So hat nun eure Liebe voͤlligen Gewalt dieſen
verwaͤgenen Buben an Leib und Leben zuſtraffen/ welches Herr Fabius ſchon vor meineꝛ
Ankunft erſtritten/ und zu leiſten gute Macht gehabt hat. Das Fraͤulein bedankete ſich des
erbietens/ und hielt weiter an/ daß der Raͤuber moͤchte vorgefodert werden/ damit er nicht
allein ihrer durch Gottes Gnade erhaltenen Ehre Zeugnis gaͤbe/ ſondern auch Urſach ſei-
nes frevelhaften Vornehmens anzeigen/ und davor antworten moͤchte. Solches ward
ungeſeumet ins Werk gerichtet/ uñ er gebunden herzu gefuͤhret/ da er mit erſchrockenem
Gewiſſen daher trat/ und von Artaxerxes mit dieſen Worten zu Rede geſtellet ward: Du
boßhafter Dieb und Raͤuber/ ſagte er/ was vor teufliſcher Getrieb hat dein verhuhrtes
Herz gereitzet und kuͤhn gemacht/ eine ſo ſchaͤndliche Taht zubegehen/ welche nie von kei-
b ijnem
[12]Fuͤnftes Buch.
nem Fuͤrſten erhoͤret iſt? hatte dieſer trefliche Fuͤrſt (auff Herkules zeigend) ſein geliebtes
Fraͤulein zu dem Ende von des einen Raͤubers Hand frey gemacht/ daß ſie in die deine wie-
der gerahten ſolte? ja hatten dieſe Helden umb unſere Hoch Fuͤrſtl. Verbuͤndnis verdie-
net/ daß man ihnen die ihrigen ſo diebiſcher Weiſe von der Seite hinreiſſe/ da ſie inzwi-
ſchen ihr Fuͤrſtl. Blut vor unſere Wolfahrt vergoſſen/ und den Feind niderlegten/ und du
nicht düchtig wahreſt/ mit einem einzigen Schwert Schlage dem gemeinen Weſen huͤlffe
zuleiſten? und findeſt dich nun ſo geherzt/ deine Verſchlagenheit in Schelmſtuͤcken auß-
zuuͤben? Gobares merkete/ das ſeines Lebens nicht viel mehr ſeyn wuͤrde/ wolte aber noch
zulezt ſeiner Zungen freyheit gebrauchen/ und antwortete ganz verwaͤgen: Artaxerxes/ ich
bin ſo wol ein Fuͤrſt als du/ und weiß mein Fuͤrſtliches Geblüt ungleich weiter herzuhohlẽ
als du; ſo habe ich meines tuhns und laſſens dir durchaus keine Rechenſchaft zugeben/
warumb ſetzeſtu dich dann ſelbſt vor einen Richter ein/ und darfſt einem herſchenden freien
Fuͤrſten deine Urtel anbieten? Artaxerxes wolte ſich hieruͤber eifern; welches Herkules
merkend/ dem Raͤuber dieſe Antwort gab: Ihr ganz unvernuͤnftiger/ und aller Fuͤrſtlichẽ
benennung unwirdiger; wie ſeid ihr dann ſo gar verblendet/ daß ihr nicht erkeñen moͤget/
das ihr als durchs Schwert uͤberwundener beſſer taͤhtet/ wann ihr umb Gnade anhalten
würdet/ als daß ihr laͤſtert und trotzet? Er aber wolte hierauff nichts antworten/ ſondern
fuhr alſo fort: Hoͤre Artaxerxes was bildeſtu dir ein? verdreuſt dichs etwa/ daß durch ent-
fuͤhrung dieſer unvergleichlich-ſchoͤnen Fraͤulein (welche zurauben ein recht Fuͤrſtlich
liebes Werk iſt) ich dich in deiner Nieſſung ſtoͤren wuͤrde? oder ſchaͤtzeſtu dich allein vor ei-
nen Erkenner der wahren Schoͤnheit? O Artaxerxes du betreugeſt dich ſelber; ich habe
beſſere Augen als du/ und mag ich ja ſo gerne genieſſen als du. Artaxerxes kunte ſich weiteꝛ
nicht enthalten/ und brach alſo loß: Was laͤſterſtu Schand Schelm? legeſtu dieſem zuͤch-
tigen Fraͤulein Unzucht zu/ welche ſie mit mir pflegen ſolte? Ich halte es vor keine Unzucht/
ſagte dieſer/ wans aus inniglicher Liebe geſchihet. Artaxerxes wieder antwortete: So wil-
tu mich gleichwol bey dieſen Helden in Verdacht bringen/ als ſtuͤnde ich nach unzimlichen
Sachen? [und] rechneſt es vor keine Unzucht/ da man einer verlobeten Braut nach ihrer
Ehre ſtehet? du oder ich muͤſſen hierüber zuſchanden werden/ und muſt deiner Verleum-
dung Urſachen anzeigen. Hiemit rieff er/ man ſolte etliche Stecken Knechte und Henkers-
Buben herzu fodern/ welche alsbald kahmen/ und Befehl empfingen/ daß ſie ſtuͤndlich ein
Werkzeug zurichten/ und dieſen Verleumder foltern ſolten/ biß er bekennen wuͤrde/ von
wem/ oder durch weſſen anzeige er ſolches haͤtte. Der Bube erſchrak dieſer Urtel hoͤchlich/
und fing an ſich zubedingen/ man ſolte mit ihm als mit einem Fuͤrſten verfahren/ der keinẽ
Menſchen wirklich beleidiget haͤtte. Aber die Schergen kehreten ſich an nichts/ ſchlugen
zween ſtarke Pfaͤle in die Erde/ legten ihn auff ein gemachtes Stel/ und fuͤhreten die naͤhe-
ſte Gutſche herzu/ befeſtigten ihm die Haͤnde uͤber Haͤuptwerz an den Pfaͤlen/ und den an-
dern Strik umb die Fuͤſſe geſchlagen/ krecketen ſie mit dem Gutſch Rade umb/ und zogen
ihm alle Glieder aus den Gelenken/ dz er vor unſaͤglichen Schmerzen ein elendes Geſchrey
trieb/ und Herkules ſelbſt zu Mitleiden bewaͤgt ward/ auch anhielt/ man moͤchte ihn ohn
fernere Peinigung abtuhn. Aber Artaxerxes antwortete: Mein hochwerter Herr uñ Bru-
der; es muß der boßhafte Verleumder mir die auffgebuͤrdete Unbilligkeit beweiſen/ oder
ſeine
[13]Fuͤnftes Buch.
ſeine ſchaͤndliche Luͤgen bekennen; wo nicht/ ſol er dieſe Schmerzen biß an ſein Ende leiden;
dann wie dürfte eure Liebe ich kuͤhnlich anſchauen/ wann in deren Herzen ein ſolcher Sta-
chel bleiben ſolte? Gobares wahr durch die Pein ſchon ganz muͤrbe gemacht/ baht umb
Gnade/ wolte gerne alles aus beichten/ da man nur mit der Peinigung inne hielte. Alſo
richtete man ihm die Glieder wieder ein/ und hieß ihn niederſitzen/ weil er Schmerzen hal-
ben nicht ſtehen kunte; worauff er alſo anfing: Ich kan nicht glaͤuben/ daß einiges Man-
nes-bilde ſich ſolcher uͤbertreflichen Schoͤnheit enthalten koͤnne/ mit welcher dieſes Fraͤu-
lein/ ob allen Menſchen dieſer Welt begabet iſt/ wann ihm nur einige Gelegenheit darzu
offen ſtehet; weil du nun/ Artaxerxes/ ſo gute Freundſchaft mit dieſen beyden Fremdlingẽ
haͤlteſt/ bildete ich mir ein/ ſie wuͤrden dir ihre Schweſter und Waſe nicht verſagen/ und
du der niedlichen Koſt ſchon genoſſen haben/ deren ich auch ſchon allernaͤheſt wahr/ und
bloß nur dieſer falſche Kleon mich daran verhindert hat/ der mir ſchon anderwaͤrz im
Graſe gehuͤtet/ deſſen ihn die helliſchen Goͤtter lohnen wollen. Biſtu nun hieran unſchul-
dig/ ſchreibe ich ſolches nicht deinem Ungluͤk/ ſondern unverſtande und Bloͤdigkeit zu. O
du unkeuſcher Bube/ antwortete er; alſo urteileſtu von andern nach deinem viehiſchen
Sinne; zwar mich wird vor erſt mein Gewiſſen/ hernach dieſes Durchl. keuſche Fraͤulein/
von deinem falſchen Argwohn leicht loßſprechen; dir aber ſol nach deiner Beichte die
Straffe geſprochen werden. Als jener dieſe Urtel hoͤrete/ baht er um einen ſchleunigẽ Tod/
und bekennete/ ſein Bagoas und der Fraͤulein Magd haͤtten den Anſchlag gemacht uñ ins
Werk gerichtet/ ohn deren zuſchuͤrung er das Herz nimmermehr gehabt haͤtte/ ſolches vor-
zunehmen. So bedenket nun mein Fraͤulein/ ſagte er weiter/ das alles mein beginnen aus
uͤbermaͤſſiger Liebe/ und nicht aus Feindſeligkeit entſtanden; ja bedenket/ daß euch meinet-
wegen nicht die geringſte Ehrenkraͤnkung begegnet iſt/ und helffet bitten/ daß mir der Tod
ohn ſonderliche Pein angetahn werde/ nach dem ich deſſen ſchon gnug/ uñ mehr als einem
Fuͤrſten je begegnet/ außgeſtanden habe. O du zernichteter Boͤſewicht/ antwortete ſie/ nen-
neſtu deine vihiſche Unkeuſcheit eine Liebe? wahre Liebe hat mit der Untugend durchaus
keine Gemeinſchaft/ und haͤtteſtu mich geliebet/ würdeſtu ſolches zu meinem beſten/ nicht zu
meinem Verderben getahn haben. Daß mir aber meine Ehr und Keuſcheit unverſehret
blieben iſt/ danke ich bloß und allein Gottes Barmherzigkeit/ welche deinen Vorſaz verhin-
dert/ dein Vermoͤgen gebrochen/ und die Gelegenheit dir benommen hat; jedoch/ daß du
oder deine Verwanten mich keiner Grauſamkeit beſchuldigen moͤgen/ kan ich wol leiden/
daß dir das Leben geſchenket/ und du mit einem Stabe und Zehrpfennige abgewieſen wer-
deſt. Ladiſla redete ihn hierauff an/ und ſagete: Gobares/ bekenne mir doch/ warumb du ei-
ne ſolche Verraͤhterey angerichtet/ daß du mich und meinen Bruder haſt wollen durch dei-
ne Leute in der Schlacht hinrichten laſſen/ wodurch du ja dem algemeinen Feind den Sieg
wuͤrdeſt in die Hand geſpielet haben? und leugne mir nicht; dann dein verraͤhteriſcher
Mithrazenes/ welchen ich in Ketten und Banden habe/ hat ſchon voͤllige Bekaͤntnis abge-
legt. Dieſer antwortete; die Liebe waͤhre Augen- und Sinnen blind/ welche ihm ſolches al-
les an die Hand gegeben/ weil er wol gewuſt/ daß ſo ſie leben wuͤrden/ er das Fraͤulein nicht
lange haͤtte behalten moͤgen/ und waͤhre ihm bey jezt geſtalten Sachen herzlich lieb/ dz der
Anſchlag nicht gerahtẽ waͤhre. Artaxerxes fing hierauff zu dem Fraͤulein an: So kan ihre
b iijLiebe
[14]Fuͤnftes Buch.
Liebe noch ihꝛe Simme geben/ daß ein ſolcher ſchaͤndlicher Verraͤhter/ welcher auff ein-
mahl ihrer eigenen Ehre/ ihres Herrn Braͤutigams und Herrn Bruders Leben/ und der
Fuͤrſtl. Verbuͤndnis Wolfahrt nachgeſtellet hat/ das Leben behalten ſolle? Doch wolan/
damit eure Liebe ſehe/ wie hoch ihr Wort bey mir gelte/ ſol der Diebiſche Menſchen Raub
ihm in der Urtel nicht zugerechnet werden/ aber daß er dem algemeinen Feinde hat wollen
den Sieg in die Hand ſpielen/ und unſere hochverdiente Feld Herren ermorden/ da durch
hat er verdienet/ das er lebendig geſpieſſet/ oder ans Kreuz geheftet werde. Herkules aber
redete ihm ein/ er moͤchte ihm zugefallen ſich ſeiner Gnade erinnern/ und dem verbrecher
das Schwert wiederfahren laſſen; welches er auch erhielt/ weil Gobares ſelbſt deßwegen
einen Fußfal taht/ und auff erlangung ſagete: Nun wil ich mit meinem Blute gerne be-
zahlen/ was ich verſchuldet habe/ wuͤnſche auch/ dz alle Fuͤrſten und Gewaltigen ſich an mir
ſpiegeln/ ſich vor Schmeichler und Fuchsſchwaͤnzer huͤten/ uñ ihren Begierden den Zaum
nicht weiter/ als Erbarkeit goͤnnet/ ſchieſſen laſſen moͤgen; in der Jugend hatte ich mir
vorgenommen eine ſolche Lebens Art zu waͤhlen/ welche bey ehrliebenden Ruhm und Lob
verdienet/ aber durch gegebene aͤrgernis meines Vaters/ und reizung deren/ die aus mei-
ner Freyheit ihren Vortel ſucheten/ bin ich von ſolchem Vorſaz abgeleitet worden; alſo
geſchihet miꝛ nun endlich/ wie ichs verdienet habe/ bitte auch alle und jede ſo ich beleidiget/
umb vergebung/ allein den falſchen Kleon nicht. Ey ſo habe ich umb ſo vielmehr Urſach/
ſagte Fabius/ deine boßhaffte Schelmſtuͤcken auszutragen. Artaxerxes kunte ihn laͤnger
nicht vor ſich ſehen/ deßwegen ihm der Kopff herunter geſchlagen ward. Es wahren noch
9000 zu Fuß und 10000 Reuter von Gobares Kriegs Heer uͤbrig und gefangen verwah-
ret/ dieſelben wurden auffs neue in Pflicht und aͤide genommen/ wozu ſie ſehr willig wah-
ren/ verfluchten auch ihren geweſenen Fuͤrſten/ der ſie bey ſolchen Schelmſtuͤcken haͤtte
gebrauchen wollen. Drey ihrer vornehmſten Obriſten/ und acht andere Ritter wurden an
Ketten gelegt/ auff welche die Magd bekennete/ daß ſie dieſe Taht ins Werk gerichtet haͤt-
ten. Nun hatten unſere Helden biß daher nicht muß gehabt/ nachzufragen/ woher ihnen
dieſes wolgeruͤſtete Volk kaͤhme/ wiewol ſie die Teutſchen an ihrer Farbe und kraͤftigen
Gliedern leicht kenneten/ ruffeten Leches zu ſich/ der ſein Vorhaben ſchon angeordnet hat-
te/ daß alle Faͤhndriche/ ſo wol Roͤmiſche/ als Teutſche und Boͤhmen herzutreten/ und dem
Fraͤulein ihre Fahnen zun Fuͤſſen niderlegen ſolten/ mit bitte/ dieſelben vor die ihren zuer-
kennen und anzunehmen/ weil ſie ihrer Durchl. zu Dienſte und ehren von der Großmaͤch-
tigen Koͤnigin in Boͤhmen/ Fr. Sophien gerichtet waͤhren. Das Fraͤulein bedankete ſich
der Ehren/ welche ſie billich erkennen muͤſte/ ſchaͤtzete ſich aber derſelben ganz unwirdig/
inſonderheit/ weil ihr Herr Bruder Koͤnig Ladiſla/ und ihr verſprochener Braͤutigamb
Groß Fuͤrſt Herkules gegenwaͤrtig waͤhren; muſten alſo Herkuleſſen die Teutſchen/ Ladiſ-
la die Boͤhmen/ und Fabius die Roͤmer zugewieſen werden/ ohn Klodius und Markus
brachten ihre eigene ſelbſt herzu/ und redete jener in ihrer beyder Nahmen alſo: Durch-
leuchtigſte gnaͤdigſte Fuͤrſten und Herren; nachdem dieſe beide Faͤhnlein uͤber tauſend
Reuter wir vor uns ſelbſt/ zu untertaͤhnigſtem Dienſt und Gehorſam/ euren Durchleuch-
tigkeiten gerichtet/ als iſt unſere demuͤhtigſte Bitte/ dieſelben als ein geringes iedoch be-
gieriges Zeichen unſerer dankwilligen Herzen/ gnaͤdigſt anzunehmen; dann mit dieſer un-
ſer
[15]Fuͤnftes Buch.
ſer Mannſchaft ſind wir außdruͤklich außgezogen/ vor unſere gnaͤdigſte Herren entweder
froͤlich zu ſterben/ oder mit und bey ihnen gluͤklich zu leben. Unſere Helden verwunderten
ſich der groſſen Traͤue dieſer beyder/ angeſehen ſie ihnen weder untertahn/ oder ſonſt ver-
pflichtet wahren; uñ gab ihnen Ladiſla zur Antwort: Eure redliche Gemuͤhter haben wir
ſchon vor dieſem gnugſam erkennet/ aber anjezt laſſet ihr ſie Sonnen klar leuchten; doch
ſeid verſichert/ es ſol/ da wir leben/ zu eurem Glük und Ehren außſchlagen; wir nehmen die
angebohtene Voͤlker gerne an/ wollen ihnen auch redlichen Sold verſchaffen/ und ſie auff
Plaͤtze fuͤhren/ da Ehr und Gut kan erſtritten werden. Nach dieſem taht Leches ſeine Rede
an Herkules mit dieſem Vorbringen; Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ gnaͤdigſter Herr/
der Großmaͤchtigſte unuͤberwindlichſte Groß Fuͤrſt und Beherſcher der Teutſchen/ Groß-
Fuͤrſt Henrich/ euer Durchl. Herr Vater/ hat mir 6000 Mann von ihrer Hocheit Leib-
Reuterey zugeſtellet/ und zu mir geſprochen; zeug hin Leches/ und ſage meinem Sohn Heꝛ-
kules/ daß er den Zweg aller ſeiner handelungen laſſe die Tugend ſeyn; alsdann wird er
Teutſch handeln; Hier ſchicke ich ihm eine geringe Schaar Reuter/ ja ſo willig zum Tode
als zum Leben; ſolte ihm aber ein maͤchtiger Feind zuwachſen/ deſſen Land und Leute zuge-
winnen er vorhabens waͤhre/ ſol er mir ſolches ſchleunig zuwiſſen machen/ alsdañ wil ich
ihn mit 150000 ſtreitbahren Teutſchen verehren/ und biß zur Stelle mit zehrungs Koſten
ſie frey halten. Herkules fragete ihn/ ob er dann in Teutſchland bey ſeinem H. Vater ge-
weſen; Nein/ antwortete er/ ſondern ihre Hocheit neben dero Gemahl und Frl. Tochter
kahmen in einer Stunde mit mir zu Prage an/ nicht ohn ſonderbahre ſchickung Gottes.
Neda hatte unterdeſſen die 300 Boͤmiſche aͤdelknaben ſich mit ihren zu Padua empfange-
nen Kleidern außputzen laſſen/ traten mit ihrem Fuͤhrer Prinſla daher/ und wendeten alleꝛ
anweſenden Augen auff ſich hin. Sie neigeten ſich gegen die Fuͤrſtliche Geſelſchaft/ und
hielt Prinſla dieſe Rede zu Ladiſla: Großmaͤchtigſter Koͤnig/ gnaͤdigſter Herr; dieſe 300
Boͤhmiſche aͤdelknaben/ ſtellen ſich auff meiner gnaͤdigſten Fr. Koͤnigin/ und ihrer ſelbſt
eigenen Eltern Befehl hieſelbſt ein/ auff ihrer Durchl. Leib zu warten/ und aus dero Tuhn
und Weſen zu lernen/ was geſtalt ſie dereins ihrem Koͤnige und dem Vaterlande koͤnnen
erſprißlich ſeyn. Wer hat ſie dann ſo ſchleunig außgeputzet? fragete er. Ihrer Durchl. Ge-
mahl zu Padua/ gab er zur Antwort/ deren Durchl. mir dann gnaͤdigſt befohlen/ bey ihrem
Herzaller liebſten Gemahl dieſes zu werben/ daß ſo offt ihre Durchl. dieſe ihre aͤdelknaben
anſehen würde/ dieſelbe ihres herzlichen Verlangens ſich dabey erinnern/ und die Ruͤkrei-
ſe beſchleunigen moͤchte. Artaxerxes ſahe nunmehr/ was vor Gaͤſte/ er bey ſich hatte/ und
gab ſeine freude durch mannicherley bezeugung an den Tag; welches Herkules merkend
zu ihm ſagte; Durchl. Fuͤrſt/ ich meine/ wir haben noch ſo viel Tageszeit uͤbrig/ daß wir
unſere wenige Leute muſtern koͤnnen/ welche alle in ihrer Liebe Dienſten leben und ſterben
ſollen. Er bedankete ſich des Erbietens/ und verſprach ihnen hohen Sold. Anfangs beſa-
hen ſie die Roͤmiſchen Voͤlker/ an denen ſie ſarſames Genuͤgen hatten; nachgehends zo-
gen Klodius und Markus mit den ihren auff/ unter denen man keinen unduͤchtigen Mañ
fand. Darauff folgeten die Boͤhmen/ und endlich die Teutſchen/ welche Artaxerxes nicht
gnug beſchauen kunte; dann er hatte auff der Wahlſtat mit verwunderung angeſehen/
wie etliche Suſianer in der mitte des Leibes als eine Stekruͤbe abgehauen wahren; nahm
ihm
[16]Fuͤnftes Buch,
ihm deßwegen vor/ da ers bey Herkules erhalten koͤnte/ ſie nimmermehr zuverlaſſen. Nach
gehaltener Heeres Beſchauung redete Artaxerxes unſere Helden alſo an: Hochwerte
Herren und Freunde/ ich erinnere mich/ daß unſer keiner heut dieſen Tag weder Speiſe
noch Trank genoſſen hat; iſt demnach noͤhtig daß wir uns nach dem naͤheſten Flecken ma-
chen/ auff daß dem Leibe auch die Notturft gereichet werde/ nachdem die Gemühter befrie-
diget ſind. Leches zeigete an/ ihre Feldkoͤche und Schenken haͤtten zur Notturft bey ſich/
womit alle anweſende Voͤlker koͤnten geſpeiſet werden; uñ da die Hoch Fürſtl. Geſelſchaft
mit einem Zeltlager vor gut nehmen wolten/ koͤnte man darzu auch gelangen. Der Vor-
ſchlag wahr ihnen allen angenehm/ daher ein groſſes Feldlager von drey unterſchiedlichen
Plaͤtzen abgeſtochen ward; einer vor die Perſen/ der ander vor die Suſianer/ der dritte
vor die Fremden/ welche wegen gemachter Beute von dem ganzen Suſianiſchen Heer er-
obert/ guter Dinge wahren. Herkules und das Fraͤulein gingen vor der Mahlzeit auſſer
dem Lager umbher/ tahten ihr Gebeht zu Gott/ wegen geſchehener gnaͤdigen Rettung/ und
beredeten ſich nachgehends/ wie ſie inkuͤnftig ihre Sachen anzuſtellen haͤtten; ihre Stim-
me ging dahin/ man moͤcht die Ruͤkreiſe nach Padua erſtes Tages fortſetzen/ auff daß ihre
hochbekuͤmmerte Fr. Mutter getroͤſtet/ und Ladiſla Gemahl erfreuet wuͤrde. Aber Herku-
les fuͤhrete ihr zu Gemuͤht/ es wuͤrde ein Zeichen groſſer Undankbarkeit ſeyn/ duͤrfte ihnen
auch zur verzagter Kleinmuͤhtigkeit gerechnet werden/ wann ſie nicht zuvor der Haͤupt-
Schlacht beywohneten; welches ſie ihr gefallen ließ/ wiewol mit dem außdruͤklichen vor-
behalt/ daß ſie nicht von ihm bleiben/ ſondern mit fortgehen wolte. Welches er ihr dañ be-
willigte/ jedoch nach verſprechung/ ſich in kein Gefechte mit einzulaſſen. Die fuͤnff junge
Frauen/ inſonderheit Euphroſyne und Libuſſa/ wahren ſehr bemuͤhet/ die Mahlzeit anzu-
richten/ ſchaffeten auch ſo viel/ an herlichem Zuckergebak/ daß Herkules fragte/ ob ſolches
von ihrer Hochzeit übrig waͤhre; welches Fr. Agatha/ bejahete. Artaxerxes vernam aus
Fr. Euphroſynen Rede/ daß ſie eine Griechin wahr/ fragete ſie demnach/ ob ſie der beyden
Herren/ Parmenions und Perdickas keine Kundſchaft haͤtte/ deren langwiriges auſſen-
bleiben ihn wundernaͤhme/ maſſen er dem erſten zimliche Wechſel als ſeinem beſtalten O-
briſten uͤbergemacht haͤtte/ eine Anzahl Voͤlker davor zu werben; der andere waͤhre vor
dieſem ſein Spießgeſelle geweſen/ dem er ſeine Anverwantin gefreiet. Euphroſyne ward
dieſer Rede etwas beſtürzt/ erhohlete ſich aber bald/ uñ antwortete: Großmaͤchtiger Groß-
Fuͤrſt/ eure Durchl. ſuchen die Todten bey den lebendigen/ wie ich wol berichten kan/ und
deſſen gute Wiſſenſchaft habe; maſſen Parmenions Bruder mein erſter Ehegemahl ge-
weſen/ und Perdickas meiner Waſen Fr. Agathen naͤheſter Anverwanter; ob nun etwa
dieſe beyde euer Durchl. lieb moͤgen geweſen ſeyn/ zweifele ich doch nicht/ dieſe beyde Für-
ſten gegenwaͤrtig/ werden bey deroſelben etwas mehr gelten/ welches ich nicht ohn Urſach
rede. Vielleicht/ ſagte Artaxerxes/ haben ſie ihren bekanten Hochmuht an meinen hoch-
werten Herrn Brüdern wollen ſehen laſſen/ und haben drüber den verdienten Lohn bekom-
men? Es verhaͤlt ſich alſo/ antwortete Herkules/ und kan eure Liebe ich wol verſichern/
dz mein Bruder Ladiſla und ich dieſer beyder wegen in die groͤſte Noht/ uñ gar unter Heu-
kers Haͤnde gerahten/ aber durch Gottes ſonderliche Gnade/ und dieſer beyden Tugend-
liebenden Frauen Vorſchub dem ſchaͤndlichẽ Tode entriſſen; erzaͤhlete hierauff umſtaͤnd-
lich/
[17]Fuͤnftes Buch.
lich/ was ſich zwiſchen ihnen zugetragen hatte. Worauff Artaxerxes dieſe beyde Frauen
hochruͤhmete/ und ihnen ein ſonderliches Gnadengeſchenk verſprach/ welches er ihnen
auff Herkules Hochzeit Feſt lieferte/ als etliche Kleinot/ die ingeſamt auff eine Tonne Gol-
des geſchaͤtzet wurden; inſonderheit wahr ihm liebe/ daß ſeine Waſe ſich gegen Ladiſla ſo
freundlich bezeiget hatte. Frl. Valiſken wahr ihres Herkules Gefahr nie ſo außfuͤhrlich
erzaͤhlet/ ſchlug Euphroſynen auff die Schulder/ und ſagte: Meine geliebte Freundin/ ihr
habt eigentlich mir zum beſten dieſen Fürſten beim Leben erhalten/ dz wil ich euch Zeit mei-
nes Lebens genieſſen laſſen/ ſo viel ich leiſten/ uñ euer Stand annehmen kan. Sie aber ant-
wortete in untertaͤhnigkeit/ es moͤchte ihre Durchl. ſie nicht zu bloͤde machen mit gar zu
hohem erbieten/ nachdem ihre geringe Gewogenheit (dann auſſer dem Willen haͤtte ſie
nichts vermocht) ſchon tauſendfach erſetzet waͤhre. Der Abend wahr uͤber der lanwierigen
Erzaͤhlung hingelauffen/ ſo hatten unſere Helden in etlichen Nachten wenig geruhet/ da-
her wurden ihnen die Schlaffſtaͤte bereitet/ da Artaxerxes ein ſonderliches Gezelt hatte;
Fabius/ Leches und Klodius beyeinander blieben; und Markus/ wie untertaͤhnig er ſich
entſchuldigte/ unſerer Helden Schlaffgeſelle ſeyn muſte/ welches ihn eine groͤſſere Ehre
ſeyn dauchte/ als haͤtte man ihn auff des Roͤmiſchen Kaͤyſers Stuel geſetzet. Das Fraͤu-
lein waͤhlete Euphroſynen und Libuſſen zu Beyſchlaͤfferiñen/ wie ſie wuͤnſcheten/ nahmen
ſie zwiſchen ſich/ und entkleideten ſie miteinander/ hatten auch ihr Geſpraͤch auff dem Lageꝛ
etliche Stunden/ und befahl das Fraͤulein/ es ſolte Libuſſa ja ſo vertraulich mit ihr reden/
als wan ſie allein waͤhren. Weil auch derſelben unmoͤglich wahr/ ihrer Libuſſen etwas zu-
verbergen/ offenbahrete ſie ihnen beyden ihre Heimligkeit/ daß ſie ihres Herkules Gemahl
ſchon von 20 Wochen waͤhre/ und von der Zeit her ſich von Gott merkete geſegnet ſeyn;
welches Euphroſyne alſo beantwortete: O mein Gn. Fraͤulein/ wie habe ich dieſes ſchon
ſo bald gemutmaſſet/ als ich ihr empfangen ſahe; dann Eheliche Liebe laͤſſet ſich nicht ber-
gen/ man wickele es gleich ſo kraus und bund als man wil; bald verrahten uns die Augen/
bald die Haͤnde/ und iſt leicht geſchehen/ daß in Gedanken uns ein Wort entfaͤhret/ welches
der Warheit wieder unſern Willen Zeugnis geben muß; ich wil aber eure Durchl. von
der noͤhtigen Ruhe nicht auffhalten; wuͤnſchete ihr hiemit eine geruhige Nacht/ uñ ſchlief-
fen biß an den lichten Morgen/ da Brela zu ihnen kam/ und dem Fraͤulein ihre beſten Klei-
der anzulegen brachte/ weil ihr Euphroſynen Roͤcke zu weit wahren. Der Unter Rok wahr
Violen-Braun/ mit einer Silbern Grund und koͤſtlichem Perlen Gebreme; das Ober-
Kleid/ hoher Pomeranzen Farbe/ mit Gold und Indianiſchen Perlen reichlich geſticket/
wobey ſie allerhand noͤhtiges leinen Geraͤhte gelegt hatte. Euphroſyne nam es alles zu
ſich/ legte es dem Fraͤulein an/ und betrachtete inzwiſchen ihre uͤbermaͤſſige Schoͤnheit/ da
ſie ſagte: Es waͤhre nicht moͤglich einem Menſchen zu glaͤuben/ dz die Welt ein ſo volkom-
menes Meiſterſtuͤk hervorbringen koͤnte/ wann mans mit Augen nicht beſaͤhe; doch muſte
billich/ ſagte ſie/ euer Durchl. unvergleichliche Seele in ſolcher treflich außgeziereten Her-
berge wohnen/ da ihr nicht unguͤtlich geſchehen ſolte. Das Fraͤulein ſahe wol/ daß die Lie-
be ſie zu ſolcher Rede antrieb/ und antwortete ihr: Geliebte Freundin; ich halte/ ihr wollet
mich gegen mich ſelbſt verliebt machen; oder ſehen eure Augen ſchaͤrffer als die meinen?
Zwar dz ſie mir nicht ungewogen ſind/ gibt eure Zunge gnug zuverſtehen/ da ich doch wol
cweiß/
[18]Fuͤnftes Buch.
weiß/ daß meines gleichen viel in der Welt ſind; und wer wolte mir in dieſem Stuͤk rah-
ten/ euren Worten zu glaͤuben/ weil ſie ausgewogenheit herflieſſen/ welche das Urtel der
Warheit leicht uͤberſchreiten kan. Wie? ſagte Euphroſyne/ redet dann der trefliche Fuͤrſt
Herkules anders als ich? Mein Herkules/ antwortete ſie/ ſpielet mit mir als mit einem
Kinde/ und ſaget mirs vor/ wie er meinet ichs gerne hoͤre/ deßwegen habe ich ihm in dieſer
Sache gleich ſo wenig zutrauen. Ey mein Fraͤulein/ ſagte ſie/ ſo trauet doch euren ſelbſtei-
genen Auͤgelein/ die mit ihren durchbrechenden Strahlen aller ehrliebenden Herzen zu ih-
rem Dienſte zwingen; und wolte Gott/ daß ihrer Gn. meine geringfuͤgige Auffwartung
gefallen koͤnte/ und ich ſo bitſelig waͤhre/ daß dieſelbe mich nimmermehr von der Zahl ih-
rer Leibdieneriñen außſchlieſſen wolte/ dann wuͤrde ihre Durchl. mich in meine hoͤchſtge-
wuͤnſchte Glükſeligkeit verſetzen. Meine werte Freundin/ antwortete ſie/ ich merke wol/
daß ihr in erkaͤntnis meineꝛ Gedanken und Begierden/ als meines Leibes/ viel ein ſchaͤffer
Geſicht habet/ weil ich gleich mit dem Vorſatze umbgehe/ wie ich euch in meineꝛ ſtets weh-
renden Geſelſchaft haben und behalten koͤnne; welches aber euch anzumuhten mich nur
abgeſchrecket hat/ daß euch und euren Liebſten die Liebe zum Vaterlande zu ſehr moͤchte
eingenommen haben; weil ich nun euren guten Willen vernehme/ wo ſonſt euer Markus
einwilligen wird/ ſollet ihr meine Oberkammer Frau/ und Libuſſa meine Ober Hoffmeiſte-
rin ſeyn/ welches ich ihr ſchon vor drey Jahren verheiſſen habe. Euphroſyne ward deſſen
uͤberaus froh/ und antwortete: O meine Durchleuchtigſte Fuͤrſtin; wie kan dieſe hohe
Gnade ich immermehr erkennen/ die weder mein Verſtand begreiffen/ noch mein Wille
vergnuͤgen kan/ nachdem meiner Unwirdigkeit ich mich ſehr wol zuerinnern weiß; doch
gelebe ich der Hoffnung/ eure Durchl. werden meine innigſte Begierden gelten laſſen/ da
mein Vermoͤgen an gebührliche Verrichtung dieſes hohen Amts nicht reichen kan. Mei-
nen Liebſten betreffend/ werde ich ihm die allerangenehmſte Zeitung bringen/ weil ohndaß
ſein einziger Wunſch iſt/ die Gelegenheit zu finden/ welche ihn in ſtetswehrenden Dienſtẽ
ſeiner Gun. Fuͤrſten erhalten moͤchte. Libuſſa wahr hingangẽ etliche trefliche Haͤupt-Bruſt
und Armkleinot herzuhohlen/ womit ſie das Fraͤulein außſchmücken wolte/ uñ als ſie wie-
derkam/ ſagte Euphroſyne zu ihr: Herzliebe Schweſter/ euer und mein Wunſch iſt nun er-
fuͤllet. Was? ſagte ſie/ bleibẽ wir miteinander bey unſer Gn. Fuͤrſtin? ich vor mein Haͤupt/
antwortete ſie/ habe mir einen guten Dienſt außgebehten. Libuſſa ſtund und ſahe die Fuͤr-
ſtin an/ etwas zweifelnd/ ob ſie der ehemahligen Zuſage wuͤrde eingedenke ſeyn/ welche zu
ihr ſagete: Seid ihr beyde dann eins worden bey mir zu bleiben/ muß mir ſolches ſehr lieb
ſeyn/ und iſt unnoͤhtig/ daß ich dich deiner Hoffmeiſterſchaft eriñere/ worzu ich dich ſchon
vorlaͤngſt beſtellet habe. O Gn. Fuͤrſtin/ antwortete ſie/ Iſt eure Gn. der ehemahligen Ver-
heiſſung noch eingedenke/ die ich fuͤrchtete laͤngſt vergeſſen ſeyn? Nun; ſagte ſie/ ſo haſtu
an mir wol zweifeln koͤnnen/ da du wol weiſt/ daß dir allein ich mein ganzes Herz vertrauet
habe? Durchl. Fuͤrſtin/ antwortete ſie; Zu jenerzeit hatten ihre Gn. noch nicht was ſie an-
ſezt haben/ und kunte mein Troſt in etwas angenehm ſeyn/ der nunmehr unnoͤhtig iſt; ſo
pfleget auch kindliche und erwachſene Gnade ſelten uͤberein zuſtimmen. Gut Libuſſa/ gut/
ſagte ſie/ jezt gibſtu an den Tag/ wovor du mich haͤlteſt/ ungeachtet du ſo manniche Beweh-
rung von mir eingenommen haſt; erinnere dich/ wie oft haſtu mein ſchwermuͤhtiges Herz
und
[19]Fuͤnftes Buch.
und hoͤchſtbetrübte Sinnen durch deine Troſt Reden ergetzet/ da ich ſonſt wegen verluſtes
meines Herkules ohn zweifel untergangen waͤhre/ deſſen du bey uns beyden genieſſen ſolt/
weil die Seele in uns iſt; dann du naͤhſt Gott/ haſt mich ihm erhalten/ uñ mich mir ſelbſt.
Als Libuſſa dieſes hoͤrete/ fiel ſie ihrer vorigen Gewohnheit nach ihr umb den Hals/ kuͤſſete
und herzete ſie/ neben erinnerung der verlauffenen Dinge; zohe ſie nachgehends auff ihre
Schoß/ und legte ihr die Kleinot an ſprechend: Ey wie ſol meine außerwaͤhlte Fuͤrſtin ih-
rem Fuͤrſten noch heut ſo wol gefallen/ dem treflichen Fuͤrſten/ deßgleichen in der Welt nit
lebet/ und ihm deßwegen dieſe billich vorbehalten iſt/ vor deren Schoͤnheit alle andere er-
bleichen/ und ſich verkriechen muß. Die Fuͤrſtin lachete ihrer/ uñ ſagte: Da hoͤre ich recht
meiner Libuſſen alte Geige/ auff welcher ſie mir in der Jugend (iſt noch nicht gar lange)
pflag vorzuſpielen; aber du betreugſt mich forthin nicht mehr alſo/ ſondern zeug hin nach
Padua und ſinge der vortreflichſten Fraͤulen von Rom/ Frl. Sibyllen dieſes Liedlein vor.
Fraͤul. Sibyllen? ſagte Libuſſa/ ja wol Frl. Sibyllen; ich verachte den Mond nicht/ aber
weit gefehlet/ daß er der Sonnen angewinnen ſolte/ deſſen er ſich auch nicht unterfaͤhet/
ſondern es verlanget ihn vielmehr/ daß dieſer ihre unvergleichliche Strahlen ihn anſchei-
nen moͤgen. Du redeſt etwa aus Irtuhm/ ſagte das Fraͤulein/ in dem du meine Strahlen
nenneſt/ und Fuͤrſt Herkules ſeine verſteheſt/ welche dieſen Monde/ wie ich erfahꝛen/ recht-
ſchaffen ſollen beſchienen haben. Wie verſtehe ich daß? fragete Libuſſa. Wie anders/ ſagte
das Fraͤulein/ als daß Phæbus mit der wunderſchoͤnẽ Sibyllen (Dianen wolte ich ſagen)
friſch gebuhlet? Ey ey/ Gn. Fuͤrſtin/ antwortete ſie/ dieſer Eifer hat keinen Grund/ und ſo
bald ſie nur dieſes Blut fromme Fraͤulein ſehen wird/ ſol ſie dieſen Verdacht bald aus den
Ermeln auff die Erde ſchuͤtten. Ich weiß nicht/ antwortete ſie/ was geſchehen wird/ aber
daß weiß ich wol/ daß ſie nicht viel geringer als Braut und Braͤutigam geſpielet haben/
welches ich meinem Herkules verzeihen muß/ als durch uͤbermaͤſſige Schonheit darzu
genoͤhtiget. Verzeihe es euch Gott/ ſagte ſie/ daß ihr unſchuldigen Leuten ſolches auffbuͤr-
det/ obs gleich euer Gn. Scherz iſt; und redet mir nur weiters nicht ein/ dann Frl. Sibyl-
len Schoͤnheit gleichet der euren noch lange nicht/ welche ſich uͤberdaß in dieſer Zeit uͤber
die helfte gemehret hat. Nun gewißlich/ ſagte die Fuͤrſtin/ du weiſt deines Hoffmeiſterin-
Amts dich redlich zugebrauchẽ/ maſſẽ mein liebſter Schaz Fuͤrſt Heꝛkules ſelbſt/ mich kein-
mahl hat ſchweigen heiſſen. Da lieget nichts an/ antwortete Libuſſa/ ich wil euer Gn. es nit
anhoͤren/ noch zu gute halten/ wann ſie ihre eigene Schoͤnheit beſchimpfet/ in welche ich
mich dergeſtalt verliebt habe/ daß wann ſo viel bewehrter Voͤlker nicht umb uns hielten/
wuͤrde ich bald der andere Gobares werden. Die Fuͤrſtin und Euphroſyne lacheten der re-
de uͤberlaut/ und fragete dieſe: Schweſter Libuſſa/ was wolte ſie dann mit unſer gnaͤdig-
ſten Fuͤrſtin anfangen/ wann ſie dieſen koͤſtlichen Raub erhalten haͤtte. Ey ja/ antwortete
jene; ſo faͤhet man die jungen Fuͤchſe; daß wuͤrde ich ſo uͤberlaut herſagen; raunete hier-
auff der Fuͤrſtin etliche Wort ins Ohr/ und ſagte hernach; Gnug von dieſem; aber wil
eure Gn. mir auch verſprechen/ daß ſie hernaͤhſt ihrer außbuͤndigen Schoͤnheit keine ver-
achtung mehr zulegen wolle/ die ich rühmen uñ vertaͤhtigẽ wil ſo lange ein warmer Bluts-
tropffe in mir iſt/ dann ich gebe mich vor ihrer Durchl. Ritter an. Einen ſolchen Ritter
muͤſte ich nicht außſchlagen/ antwortete die Fuͤrſtin; ihr muͤſt mich aber/ Herr Ritter/
c ijnicht
[20]Fuͤnftes Buch.
nicht zu viel ruͤhmen/ noch mit unwarheit mich vertaͤhtigen. Mit unwarheit? ſagte Libuſ-
ſa; ja wans die Noht erfoderte taͤhte ichs auſſer zweiffel/ und redete auff einandermahl die
Warheit gedoppelt. Gleich trat Herkules zum Zolte hinein/ und ſchaͤmete ſich Libuſſa/ dz
in ſeiner Gegenwart ſie die Fürſtin auff der Schoß hielt; welche aber deßwegen nicht auf-
ſtund/ ſondern ehe ſie ihn zu Worten kommen ließ/ ſagte ſie zu ihm: Mein trauten Schaz/
jezt ſitze ich auff meiner Troͤſterinnen Schoſſe/ die mir auff ſolche Weiſe manniche Traͤh-
nen abgewiſchet/ auch wol ein innigliches Lachen heraus getrieben hat. O der unnuͤtzen
Troͤſterin/ ſagte Libuſſa; Gott Lob und Dank/ daß der Troͤſter ſelbſt zu gegen iſt. Herkules
umbfing ſein liebſtes Gemahl/ fragte wie ſie unter den Zelten zwiſchen ſo lieben und an-
muhtigen Freundinnen geruhet haͤtte/ und ſagte zu den beyden Frauen; Ihr habt mein
liebſtes Engelchen treflich außgeputzet/ gedenke/ ihr ſeid geſonnen/ ſie mir noch kuͤnftige
Nacht zuzufuͤhren/ es waͤhre dañ/ daß meine Freundin Libuſſa zum Gobares wuͤrde. Hier-
aus vernahmen ſie/ daß er ihre Reden drauſſen angehoͤret hatte/ woruͤber dieſe ſich ſchaͤme-
te/ daß ſie unter dem ganzen Angeſicht roht ward/ wolte auch davon lauffen/ wann nicht
Euphroſyne ihr den Außgang verwaͤhret haͤtte; deſſen aber die Fuͤrſtin von Herzen lache-
te/ und zu ihr ſagte: Sihe da du Plaudermaz/ da biſtu einmahl redlich angelauffen; doch/
ungeachtet Gott Lob meine Ehr unverlezt blieben iſt/ wolte ich dannoch ein dutzet Tonnen
Goldes drumb geben/ daß ein ſolcher Gobares/ wie du biſt/ mein Rauber geweſt waͤhre.
Ein ſo angenehmer Gobares zu ſeyn/ habe ich auch nur gewuͤnſchet/ ſagte Libuſſa/ hoffe
demnach mein Gn. Fuͤrſt werde mir meine Unvernunft gnaͤdig verzeihen; ich erbiete mich
aber/ daß neben meiner Schweſter Euphroſynen/ euer Gn. wir das allerſchoͤnſte Fraͤulein
der Welt dieſen Abend zuführen wollen. Daß ſoltu wol laſſen/ ſagte die Fuͤrſtin/ oder ich
wuͤrde mich an demſelben Fraͤulein heßlich vergreiffen. Gut gut antwortete ſie/ iſts dann
kein Fraͤulein/ ſo ſols doch die allerſchoͤnſte Fuͤrſtin der ganzen Welt ſeyn; und hat ſchon
dieſe Nacht mich nichts ſo ſehr geirret/ als daß mein Gn. Fuͤrſt nicht hat ſollen meine ſtelle
bekleiden. Daß ſageſtu ſonſt nirgends umb/ antwortete die Fürſtin/ als daß ich dich wiedeꝛ
deinen Willen dieſe Nacht/ von deinem Leches abgehaltẽ habe. Hat eure Gn. dieſen Weiſ-
ſager-Geiſt zu Ekbatana/ oder zu Charas empfangen? ſagte Libuſſa; weil ich aber mit mei-
ner Schweſter Euphroſynen/ wegen des Auffbruchs allerhand zubeſtellen habe/ wollen ih-
re Durchll. beyderſeits unſern Abtrit nicht verargen; womit ſie davon gingen. Herkules
erkennete ihre Hoͤfligkeit/ naͤherte ſich zu ſeinem Schaz/ und baht inniglich/ das ergange-
ne aus dem Sinne zu ſchlagen/ nachdem der boßhafte Menſch ſeine Straffe empfang en
haͤtte. Sie verſprach ein ſolches zu tuhn/ klagete doch mit Traͤhnẽ/ wie der gottloſe Menſch
ſeine ehebrecheriſche Augen an ihr geweidet/ da er ſtets neben ihr hergeritten/ und mit vie-
len bewaͤglichen Worten ſie zu ſeiner Liebe bereden wollen/ biß er endlich den Puſch/ da die
Saͤnfte ſtehen blieben/ erreichet/ und ſchon etlichen befohlen hatte/ ſie loß zumachen/ uñ ge-
bunden hinter die Hecke zu tragen; aber Gottes Barmherzigkeit/ ſagte ſie/ kam mir dazu-
mahl augenſcheinlich zu huͤlffe; dann es erhub ſich ein Geſchrey/ es lieſſe ſich ein Krigs-
Volk ſehen/ von denen man nicht wuͤſte/ ob ſie Freund oder Feind waͤhren. Ich ſahe dem
Buben es eigen an/ daß ihm das Gewiſſen geruͤhret ward/ weil vor ſchrecken alle lebendige
Farbe ihm unter dem Geſichte verging; Er ließ auch meine Saͤnfte alsbald rings umb-
her
[21]Fuͤnftes Buch.
her zumachen/ und eine ſtarke Schaar mich verwachen/ da ich Zeit wehrender Schlacht
mit tauſend aͤngſten beladen wahr/ biß Herr Fabius bey mir anlangete/ und meine bloͤſſe
vernehmend/ mich mit ſeinem Reit Rocke bedeckete/ da ich von dem Frauenzimmer beklei-
det ward. Herkules hoͤrete es mit naſſen Augẽ an/ weil bey der Erzaͤhlung es ihr an Traͤh-
nen auch nicht mangelte; troͤſtete ſie hernach mit den allerfreundlichſten Worten/ uñ dan-
keten ſie Gott ingeſamt herzlich vor dieſe milde und vaͤterliche Barmhertzigkeit/ verſpra-
chen auch einander/ dieſes Ungluͤks nicht mehr zu gedenken/ ſondern ergetzeten ſich ein
Stuͤndichẽ durch ihr gewoͤhnliches Liebe-geſprãch/ biß Euphroſyne wieder kam/ uñ deꝛ an-
deren Fuͤrſten Ankunft vermeldete; denen ſie entgegen traten/ und Artaxerxes nach em-
pfahung das Fraͤulein alſo anredete: Wann ein Fuͤrſt/ ja auch ein geringer Betler einer
Untaht beſchuldiget wird/ iſt ihm erlaͤubet ſeine Zeugen zufuͤhren/ welche/ da es moͤglich iſt/
ſeine Unſchuld darſtellen/ und der Beklagte dadurch in ſeiner guten Sache nicht allein der
Schuld/ ſondern auch dem Verdacht entzogen werde; wo nicht; muß der Klaͤger ſeine
Zeugen/ oder andern Beweißtuhm beybringen/ und den Beklageten der Untaht uͤberfüh-
ren. Nun hat aber/ Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ mein ſchaͤndlicher Verleumder in meineꝛ
Anklage nur ſeine luͤgenhafte Zunge/ und ungegruͤndeten Argwohn wieder mich darge-
ſtellet/ welche er nachgehends nicht allein ſelbſt zu Lügenern gemacht/ ſondern auch uͤberdz
noch verzeihung ſeines verbrechens gebehten/ daher ich hoffe/ nicht allein vor ihrem/
ſondern auch vor meiner Herren Bruͤder Gerichte/ von ſolcher Boßheit loßgeſprochen zu
ſeyn. Sol ich aber uͤberdaß noch meiner Unſchuld Zeugen heran ruffen; ſo ſtelle ich vor
erſt mein rein-lauteres Gewiſſen/ welches/ wann es von ihren Liebten ingeſamt ſo wol als
von meinen inwendigen Augen koͤnte geſehen werden/ wuͤrde ich allerdinge frey und loß
ſeyn. Ich ruffe uͤberdaß eure Liebe ſelbſt zum Zeugen/ durchleuchtigſtes Fraͤulein/ uñ zwei-
fele nicht/ ſie werde in einer ſo heiligen Sache ſich nicht wegern/ der goͤttlichen Warheit
und himliſchen Gerechtigkeit zu fleur/ daſſelbe anzuzeigen/ was ihre Wiſſenſchaft erkeñet/
und ihr Herz gedenket. Schließlich werden auch meine Herren Bruͤder ſich gutwillig
vernehmen laſſen/ ob ich ihnen einige Urſach gegeben habe/ daſſelbe von mir zu muhtmaſ-
ſen/ deſſen der Buͤbiſche Verleumder mich bezichtiget hat. Die Fuͤrſtin wolte ſeiner ent-
ſchuldigung laͤnger nicht zuhoͤren/ die er mit ſehr ernſthaften Geberden vorbrachte/ uñ gab
ihm zur Antwort: Großmaͤchtiger Groß Fürſt; der Gott/ dem nichts verborgen ſeyn kan/
ſtehet an meiner Seite als ein unfehlbahrer Zeuge/ daß wie eure Durchl. mir nicht die
geringſte Urſach gegeben/ dieſelbe in Verdacht zuzihen/ alſo iſt mir auch ein ſolcher gedan-
ke nicht ins Herz kommen/ daß bey euer Durchl. ich mich deſſen zubefahren haͤtte; ſo ſtehe
ich in gleicher Hoffnung mein Herr Bruder/ und mein Herr Oheim Herkules/ als mein
verſprochener Braͤutigam/ werden ihnen daſſelbe/ meiner Zucht und ehrliebenden Wil-
lens laſſen Beweißtuhms gnug ſeyn/ daß der groſſe Koͤnig Artabanus weder durch Ge-
ſchenk noch liebkoſen daſſelbe von mir hat koͤnnen erhalten/ daß ich auch meine Hand von
ihm haͤtte beruͤhren laſſen/ nachdem ich einmahl von ihm abgeſondert wahr; zweifele dem-
nach eure Durchl. gar nicht/ dz dieſelbe nicht eben ſo unſchuldig von meinem Herrn Bru-
der und Oheim ſolte gehalten werden/ als von mir ſelbſt. Ladiſla ſagte mit wenigen: Wañ
er wiſſen ſolte/ daß ſeine Liebe der Groß Fuͤrſt ihn des Verdachts nicht erlaſſen koͤnte/ ob
c iijſolte
[22]Fuͤnftes Buch,
ſolte er dem verraͤhteriſchen Buben mehr glaͤuben/ als ſeinem bloſſen Nein/ wuͤrde er in
ſeiner Geſelſchaft ſich nimmermehr froͤlich koͤnnen finden laſſen. Herkules ſtellete ſich da-
bey amtraurigſten/ und zeigete an; er hielte bey dieſer ungluͤklichen Begebnis dieſes vor
das ungluͤklichſte/ daß er ſolte in Verdacht gezogen werden/ als zweifelte er an ihrer beydeꝛ
Zucht und ehrliebenden Gemuͤhtern; und beſchloßhiemit: Es waͤhre alle Gedaͤchnis die-
ſes Erzboͤſewichts ganz uͤberfluͤſſig/ welcher nirgend beſſer/ als in dz Buch der Vergeſſen-
heit eingeſchrieben wuͤrde; mahnete ſie ingeſamt zum Auffbruche auff/ und zogen in ſchoͤ-
ner Ordnung fort/ da das Fraͤulein ſich mit ihrem Frauenzimmer in eine groſſe Gutſche
ſetzete/ und allerhand unterredung pflogen. Der elende Orſillos ſahe jezt/ was vor einen
groſſen Herrn er an Kleon ehmahls zum Leibeigenen gehabt/ und wahr ihm ſein Verbre-
chen gegen denſelben ſehr leid/ welches zuerweiſen/ er zu ihm ging/ und untertaͤhnigſt an-
meldete/ daß er die vier Raͤuber/ ſo ihn anfangs verkauft/ unter den Suſianiſchen Voͤl-
kern geſehen/ denen er ihre Straffe wol goͤnnen moͤchte/ weil ſie leider ſeine Gnaden in ihr
ehmahliges/ und ihn ſelbſt in diß gegenwaͤrtige Elend geſtuͤrtzet haͤtten. Fabius zeigete es
Ladiſla an/ uñ wie unbarmherzig ſie mit ihm verfahren/ deßwegen ſie alsbald vorgefodert/
uͤberzeuget/ und nach erſchreklicher pruͤgelung/ welche Orſillos verrichten muſte/ an Baͤu-
me auffgeknuͤpft wurden.


So bald die Fuͤrſtliche Geſelſchaft zu Perſepolis anlangete/ gingen ſie hin/ Arbianes
und Pharnabazus in ihrer Schwacheit zubeſuchen/ uñ erfreueten ſich dieſe wegen Fabius
Ankunft. Nun wolte Artaxerxes ſeine Dankbarkeit unſern Helden gerne in der Taht ſehen
laſſen/ und erklaͤrete Frl. Valiſken zu einer Fuͤrſtin des ganzen Landes Suſiana/ welches
ſie erblich beſitzen/ und ihrem kuͤnftigen Gemahl als ein Heiraht Gut zubringen ſolte. Und
zwar hiedurch ſuchte er Heꝛkules in dieſen Landſchaften zubehalten/ nicht zweifelnd/ er wuͤꝛ-
de durch ſeine gluͤklichen Anſchlaͤge des Parthen Macht und Hochmuht bald brechen/ uñ
die Perſiſche Freiheit befeſtigen. Valiſka bedankete ſich ſehr der gar zu groſſen Koͤnigli-
chen Schenkung/ welche von ihr ja nicht verdienet/ ſie auch weder zuerſetzen noch zubeant-
worten wuͤſte/ und deßwegen einen kurzen Abtrit mit ihrem Braͤutigam uñ Bruder nam/
denen ſie dieſen Vorſchlag taht; weil ihr wol bewuſt/ daß ihr Liebſter nicht willens waͤh-
re/ in dieſen Laͤndern ſeinen Siz auffzurichten/ und aber nach ihrem Abzuge des Fuͤrſten-
tuhms Suſiana Einkünfte ſie ſchwerlich heben wuͤrden/ als waͤhre ihre Meynung/ es H.
Pharnabazus auff dieſe Weiſe zuzuwenden/ daß ers mit Frl. Barſenen als eine Heimſteuꝛ
empfinge; alſo koͤnte ſie nicht allein dieſes Herrn Traͤue/ ſondern auch dieſer Fraͤulein Liebe/
welche ſie ihr als ehmahligem Herkuliſkus angebohten/ auff einmahl vergelten. Dieſer
Vorſchlag gefiel ihnen ſehr wol/ gingen wieder ins Gemach/ und gab ſie dem Groß Fuͤrſtẽ
dieſe Antwort: Durchl. Groß Fürſt/ die mehr als Koͤnigliche Schenkung/ aus welcher
ihrer Liebe hohe Zuneigung gegen mich und die meinen Sonnenklar erhellet/ nehme ich
mit gebuͤhrlicher Dankbarkeit an; befinde mich auch neben meinen Herrn Bruder und
Oheim/ ihrer Liebe davor hoch verbunden; demnach wir aber nicht willens ſind/ in dieſen
Laͤndern zuwohnen/ ſondern groſſes Verlangen tragen/ nach unſern Eltern und Vater-
lande; als bitte ich demuͤhtig/ ihre Durchl. wolle ihr meinen Vorſchlag gn. gefallen laſſen/
daß ich dem wolgebohrnen und mit allen Tugenden außgezierten Fraͤulein Barſenen die-
ſes
[23]Fuͤnftes Buch.
ſes Fürſtentuhm erblich aufftrage/ mit dem bedinge daß ſie es Herrn Pharnabazus als
ein Heiraht Gut und wirdige Außſteurzubringen moͤge/ da ſonſt derſelbe zu dieſem Fraͤu-
lein liebe tragen kan/ welches ich gerne ſehen moͤchte. Artaxerxes haͤtte nim̃ermehr gemei-
net/ daß Herkules und Valiſka ſich der Beſitzung dieſes treflichen Fuͤrſtentuhms entſchla-
gen wuͤrden; und gab zur Antwort: Trefliches Fraͤulein/ ich merke wol/ daß mein weiteres
noͤhtigen vergeblich ſeyn/ auch dadurch meines geliebten Oheims gedoppeltes Gluͤk ver-
hindert wuͤrde; laſſe mir deßwegen ſolches gefallen/ und zweifele nicht/ mein Oheim wer-
de ſolches wirklich zuerkeñen gefliſſen ſeyn/ auch dieſes wirdige Fraͤulein mit ſolcher Fuͤrſt-
lichen Außſteur nicht außſchlagen. Pharnabazus wuſte nicht/ was er vor freuden antwor-
ten ſolte/ richtete ſich im Bette auff/ und mit gebogenem Haͤupte bedankete er ſich unter-
taͤhnig/ nahm auch den Vorſchlag an/ doch mit dem bedinge/ dafern Frl. Valiſka zur an-
zeige eines dankbahren Gemuͤhtes dreiſſig Tonnen Schaz/ und jaͤhrlich/ ſo lange ſie und
Groß Fuͤrſt Herkules lebeten/ drey Tonnen Goldes von ihm annehmen/ auch beyderſeits
den Nahmen eines Fuͤrſten und Fuͤrſtin zu Suſa fuͤhren wolten. Hieran handelt mein O-
heim Fuͤrſtlich/ ſagte Artaxerxes/ hoffe auch/ das Durchl. Fraͤulein werde auff meine vor-
bitte ſich nicht wegern/ dieſes einzuwilligen. Sie wolte ſolches nicht beantwoꝛten/ ſondeꝛn
baht Herkules/ ihre Stelle zuvertreten; welcher alſo anfing: Durchl. Groß Fuͤrſt; es iſt
das angebohtene gar zu viel; maſſen auff ſolche Weiſe dieſes Fuͤrſtentuhm nicht verſchen-
ket/ ſonder teur verkauft iſt; weil ich aber Herꝛn Pharnabazus Willen fehe/ welchem zu wie-
derſprechen ich nur vergebliche Mühe anwenden wuͤrde/ inſonderheit/ da eure Liebe es
ſelbſt rühmet/ nehme ich ſolches im Nahmen meiner verſprochenen Fraͤulein an/ wuͤnſche
euch/ Durchleuchtiger Fuͤrſt/ Herr Pharnabazus/ zu dieſer Fuͤrſtlichen Hocheit/ und zu deꝛ
wolwuͤrdigen Fraͤulein Braut/ Glük und Gottes Segen/ wie eure Tugend und Mañheit
es wol verdienet/ und wird nichts mehr uͤbrig ſeyn/ als daß die ſchnelleſte Botſchaft an H.
Mazeus und bevorab an Groß Fürſt Phraortes abgefertiget werde/ damit ungemeldet
unſers vorhabens ſie eiligſt heruͤber kommen/ und dieſes Beylager Feſt/ mit meinem zu-
gleich moͤge gehalten werden/ wie ich dann nicht zweifele/ es werden die Verwundeten al-
lerſeits gegen die Zeit geneſen. Stuͤndlich ward dieſes ins Werk gerichtet/ und auff dem-
ſelben Gemache Mahlzeit gehalten/ da die Fuͤrſtin erzaͤhlete wie es mit ihrer entführung
eigentlich ergangen waͤhre; nehmlich/ es haͤtte Gobares des dritten Tages nach unſer
Helden abzug gegen den Feind/ ein mit lauter liebes Waaren angefuͤlletes Schreiben/ an
ſie abgeſchicket/ welches nach verleſung ſie ihm zu ruͤcke geſand/ und durch ihre Jungfer A-
meſtris anmelden laſſen/ dafern er dergleichen anſuchen ſich nicht enthalten wuͤrde/ wolte
ſie ſeiner Unkeuſcheit mit blutiger Rache zubegegnen wiſſen; ob er ſchon vergeſſen haͤtte
was geſtalt ſie ihn bey dem Tanze abgewieſen? er/ noch kein ander Menſch ſolte ſie bereden/
ihre teur verſprochene Traͤue zu faͤlſchen; ſaͤhe auch ihn Gobares/ viel zu unwirdig ihrer
Liebe an. Hierauff haͤtte er ſich außdrüklich vernehmen laſſen/ er wolte deſſen hinfort aller-
dinge müſſig gehen/ ſie moͤchte nur ſein Anſuchen/ Ungluͤk zuvermeiden/ niemand offen-
bahren. Des Abends vor ihrer naͤchtlichen entfuͤhrung waͤhre ſein Schmarotzer Bagoas
zu ihr kommen/ und angehalten ihm ihre Leibdienerin Apame ehelich abfolgen zulaſſen/
weil vor vier Monaten ſchon er ſich mit ihr verſprochen; welches ſie ihm nicht abſchlagen
wol-
[24]Fuͤnftes Buch.
wollen/ ſondern biß auff Groß Fuͤrſt Artaxerxes Wiederkunft außgeſetzet; womit ſie auch
beyderſeits friedlich geweſen. Ich ließ aber/ fuhr ſie fort/ mein Gemach des Nachtes in-
wendig feſt verriegeln/ und muſte dieſe loſe Haut es ja dißmahl in aller ſtille geoͤffnet haben;
dann umb Mitternacht traten ſechs gewapnete mit brennenden Fackeln hinein/ deren ge-
raͤuſche mich bald erweckete/ und mag wol ſagen/ daß zeit meines Lebens ich niemahls hoͤ-
her erſchrecket bin. Dann ſie hielten die Schwerter in den Faͤuſten/ und draͤueten uns al-
len den Tod/ da wir einiges Geſchrey machen wuͤrden; wiewol meine Kleofis/ wie auch
Ameſtris und Andia ſich wenig dran kehreten/ und ſich ihrer Kehle weidlich gebraucheten/
biß ihnen die Zunge mit einem Knebel gehemmet ward/ welches mir gleichmaͤſſig geſcha-
he/ und wurden wir an Haͤnden und Fuͤſſen zuſammen gebunden/ und in die verordente
Saͤnften getragen; doch ließ Gobares ſich nicht bey mir finden/ biß wir ſchon einen zim-
lichen Weg fortgetragen wahren/ und die lichte Sonne auffging/ da kam er herzugeritten
an meine Saͤnfte/ und baht hoͤchlich umb verzeihung wegen angelegter Gewaltaͤhtigkeit/
wozu ihn nichts als die uͤbermaͤſſige Liebe gezwungen; hoffete/ ich würde ſein ergebenes
Herz erkennen/ und ihn zum Liebeſten willig auff und annehmen/ weil es ja durchaus nicht
anders ſeyn koͤnte. Es iſt ein dumkuͤhnes Stük von einem verzageten Menſchen/ ſagete
Artaxerxes/ und hat der Unflat vor unkeuſchen Begierden ncht abſehen koͤnnen/ wie es ab-
lauffen wuͤrde.


Leches und Libuſſa lieſſen ſich anmelden/ ſie haͤtten etliche Schreiben einzureichen/
wurden auch alsbald vorgelaſſen/ und uͤbergab Leches vorerſt H. Ladiſla ſeiner Fr. Mut-
ter/ Schwaͤhers/ und Gemahls Briefe; hernach H. Herkules von ſeiner Fr. Mutter/
auch von der Koͤnigin in Boͤhmen/ von H. Fabius dem Stathalter zu Padua/ und von
Fr. Sophien. Endlich Herrn Fabius von ſeiner Fr. Urſulen; welche alle miteinander
begierig gebrochen und froͤlich geleſen wurden/ da Ladiſla und Fabius wegen ihrer jungen
Herrlein; Herkules und Valiſka wegen der Eltern freude uͤber ihrer Heyraht bericht em-
pfingen/ uñ ſich daran herzlich ergetzeten. Libuſſa wolte ihre empfangene Brieffe von Frl.
Klaren an Herkules und Frl. Valiſken auch einliefern/ und zugleich das uͤberſchikte Haa-
ren Armband/ welches Herkules alsbald umb den linken Arm legte/ demnach er das von
ſeinem Fraͤulein zu Padua empfangene am rechten trug. Nach dieſem taht Herkules we-
gen der erhaltenen Schlacht wieder Vologeſes volligen bericht/ und ließ Artaxerxes die
15 Tonnen Goldes eroberter Beute einreichen/ welche er aber durchaus nicht annehmen
wolte/ ſondern unſern Helden wieder zuſtellete/ einwendend/ er wuͤrde gar zum undankbah-
ren/ wann er ihnen daß mit ihrem Blute erſtrittene abnehmen ſolte. Der gefangene Su-
fianer Mithrazenes ward neben Bagoas und der Verraͤhterin Apame vor Gericht ge-
ſtellet/ und nachdem ſie ihre Boßheit geſtunden/ anfangs erſchreklich gegeiſſelt/ uñ hernach
an Kreuze geheftet. Sonſten ward Herkules Hochzeit Feſt ganz Koͤniglich/ und alles nach
Artaxerxes Willen angeordnet/ da inzwiſchen der betruͤbte und verliebte Artabanus we-
gen des entflogenen Taͤubeleins ſich zu hermen nicht auffhoͤren kunte/ uñ vermehrete ihm
der außgeriſſene Vologeſes ſeinen Kummer umb ein groſſes/ als derſelbe des Tages vor
ſeiner ankunft ihm ſeine Niederlage durch einen Reuter zu wiſſen taht/ gleich als Bago-
phanes bey ihm ſaß/ und die trefliche Schoͤnheit der Fraͤulein ihm oft wiederhohlen muſte.
Er
[25]Fuͤnftes Buch.
Er fuͤhrete ſonſt gar ein einſames Leben/ und durfte faſt niemand als dieſer Fuchsſchwaͤn-
zer vor ihn kommen/ weil er durch Schmeichelreden ihm noch allemahl Hoffnung zur wie-
dererlangung machete. Nun ging ihm gleichwol dieſe Niederlage ſehr zu Herzen/ inſon-
derheit/ da Vologeſes des folgenden Tages ſelbſt vor ihn trat/ allen Verlauff umbſtaͤndlich
erzaͤhlete/ und Herkules Tapfferkeit/ nebeſt auffweiſung ſeiner ſchriftlichen hoͤflichen Auß-
foderung dermaſſen ruͤhmete/ daß er ungeſcheuhet bekennete/ er allein waͤhre des Perſen
Schuz; und wo einiger Menſch der Parthiſchen Macht eintrag oder abbruch tuhn koͤn-
te/ waͤhre es niemand als dieſer unvergleichliche Held/ welchen er mehr als 200000 Per-
ſen fürchtete. An meinen dreyen Dienern ſagte er: Ließ er mir auff dieſem Schloſſe ſehen
wie er fechten koͤnte; In dieſer Schlacht hat er ſolch Wunder getrieben mit ſeiner Fauſt/
ob wolte er mein ganzes Heer allein nidermachen. O wie übel haben wir gehandelt/ dz wir
ihn und ſeinen ihm faſt gleichen Geſellen mit ſo hoher beſchimpfung der angedraͤuetẽ Ruh-
ten zur Rache gereitzet/ welche von den Feinden an unſere Seite zuzihen ich weder Mühe
noch Koſten ſparen wolte; dann ihre Huͤlffe ſolte unſer Gluͤk und des Perſen gewiſſer Fal
ſeyn. Ich halte ſie faſt nicht vor bloſſe Menſchen/ und ſind ſie es/ ſo ſind ſie die allervolkom-
menſten. Ihre Schwerter erſchrecken ihre Feinde/ und machen ihre unerfahrne Kriegs-
leute muhtig. Ihre Anſchlaͤge dringen durch/ deren man ſich verwundern muß/ und ihre
Freundligkeit ſtihlet Freunden und Feinden das Herz ab. Ihr Parthiſchen Schuzgoͤt-
ter/ befeſtiget unſers Koͤniges Artabanus Stuel/ und vereiniget ſeine Hocheit mit dieſen
beyden fremden; oder da ſolches nicht geſchehen kan/ ſo erwecket ihnen in ihren Laͤndern
ſo viel Feinde/ daß ſie unſer vergeſſen/ und Perſen verlaſſen moͤgen; ſolte aber auch dieſes
den Goͤttern nicht gefallen/ muͤſſen wir trauen hernaͤhſt mit keinem fliegenden Heer mehr
angeſtochen kommen/ ſondern die aller groͤſſeſte Macht zuſammen zihen/ und in guter Vor-
ſichtigkeit ohn unzeitigen Eifer oder Feindes-verachtung/ die Haͤuptſchlacht wagen/ da dañ
ihre Hocheit ſelbſt durch ihre Gegenwart dem Heer einen Muht einblaſen/ und ſich der an-
genommenen Schwermühtigkeit entſchlagen werden/ auff daß des Reichs algemeine wol-
fahrt hiedurch nicht verabſeumet/ oder wol gar in unwiederbringliches Verderben geſtuͤr-
zet werde; dann die Feinde muͤſſen ſo ſchlecht nicht beſponnen ſeyn/ maſſen mir heut ein
ſchnelreitender Bohte bericht getahn/ dz der ungetraͤue Mede Phraortes allein mit 50000
Mann in vollem anzuge nach Perſen begriffen ſey/ deſſen einiger Sohn Arbianes ſich bey
neulicher Schlacht finden laſſen/ und die beſten Voͤlker gefuͤhret. Eile aber wil uns noͤh-
tig ſeyn/ ſonſt moͤchten die Roͤmer wol gar ſich mit hinein flechten/ die vielleicht mit den
fremden Herren in verbuͤndnis ſtehen. Dieſes allergnaͤdigſter Koͤnig/ iſt mein Raht in un-
terſchiedlichen Vorſchlaͤgen/ welche allerſeits koͤnnen verſucht/ und inzwiſchen die ganze
Macht zuſammen gefuͤhret werden; ich verpflichte mich/ mein Leib und Leben geringe zu-
achten/ nur dz ihreꝛ Hocheit ich angenehme Dienſte erzeigẽ/ uñ den empfangenẽ Schimpf/
welchen weder aus unvorſichtigkeit noch Frevel ich einnehmen muͤſſen/ raͤchen moͤge. Ar-
tabanus wuſte wol/ daß er dieſes Mannes gleichen in ſeinem Koͤnigreiche nicht hatte; ſeine
Traͤue und feſtes Herz wahr ihm bekant/ und wie mannichen herlichen Sieg er ohn ſonder-
lichen Verluſt von den Reichsfeinden erhalten; wunderte ſich demnach ſehr/ daß er diß-
mahl eine ſo ſchaͤndliche Niederlage erlitten hatte/ uñ ſetzete ihm vor/ alle Macht anzuwen-
dden/
[26]Fuͤnftes Buch.
den/ daß in kurzer Zeit ganz Perſenland mit ſeinem Kriegs Heer uͤberſchwemmet wuͤrde.
Es kam ihm zu gutem Gluͤk/ daß die Skythen ſich ſelbſt anerbohten hatten gegen erlegung
acht Tonnen Goldes/ ihm mit 80000 Mann zuzuzihen/ welches er willig annam/ und die
Gelder alsbald uͤbermachte; jedoch wolte er den gegebenen Raht nicht aus der Acht laſ-
ſen/ ob er/ wo moͤglich/ nicht allein unſere Helden auff ſeine Seite bringen/ ſondern zugleich
auch ſein eingebildetes hoͤchſtes Gut durch eben diß mittel uͤberkommen koͤnte, ſchikte dem-
nach einen anſehnlichen Parthiſchen Herrn/ nahmens Syſimithres mit 500 Reutern ab/
dem er drey unterſchiedliche Schreiben zuſtellete/ eines an Herkules und Ladiſla zugleich/
das andere an das Fraͤulein; das dritte an Herkules abſonderlich/ im falle das erſte wol
angenommen würde. Hiebey wurden dem Fraͤulein alle ihre hinterlaſſene Kleider und
Kleinot/ und dabey noch ein neues/ ſo auff zwo Tonnen Schaz außtrug/ zugeſchicket. Nicht
deſtoweniger fuͤhrete man die Voͤlker fleiſſig zuſammen und uͤbete ſie taͤglich in den Waf-
fen/ wobey Vologeſes und Madates ſich weidlich gebraucheten; dann dieſer inſonderheit
hoffete ſeinen Schimpf wieder einzubringen.


Des neunden Tages nach Frl. Valiſken Erloͤſung uͤberfielen Euphroſynen die Ge-
burts wehe/ und bald hernach Fr. Agathen; da jene einer Tochter; dieſe zween Zwillings-
Soͤhne genaß/ wurdẽ auch nach kurzer Zeit durch die H. Tauffe der Kirchẽ Gottes einver-
leibet/ da die Tochter Valiſka/ die Soͤhne/ Herkules und Ladiſla genennet wurden. Nach
Euphroſynen entbindung zween Tage/ kam Phraortes mit einem ſchoͤnen Kriegs Heer zu
Perſepolis an. Mazeus fuͤhrete die Reuterey 30000 ſtark; das Fußvolk 20000 Phraor-
tes Bruder-Sohn/ Herr Artobarzanes/ der ſein Gemahl/ die ſchoͤne Atoſſa bey ſich hatte;
und weil Arbianes der Fraͤulein ankunft von Charas ſchon hinuͤber entbohten/ kam Groß-
Fuͤrſtin Saptina mit Fr. Roxanen und Frl. Barſenen mit heruͤber/ daß ſie ihr eine Zeit-
lang Geſelſchaft leiſten moͤchten. Sie wurden von den unſern wol empfangen/ und ſchaͤ-
meten ſich faſt/ daß ſie der Fraͤulein Verſtellung nicht haͤtten merken moͤgen; inſonderheit
uͤberging Frl. Barſenen eine heftige Schamroͤhte/ da ſie von der Fuͤrſtin empfangen ward/
und ihr die Liebes-anmuhtungen/ welche ſie vor dieſem merken laſſen/ ins Gedaͤchtnis kah-
men. Sie beſucheten den verwundeten Pharnabazus und Arbianes/ die ſich ſchon zimlich
erhohlet hatten/ und in ihren Schlaf Roͤcken ſitzen kunten/ und wolte die Fuͤrſtin mit ihrer
Heyrahtſache nicht lange zuruͤk halten/ daher ſie zu Frau Roxanen alſo anfing: Geliebte
Freundin/ ich habe mich fleiſſig bemühet/ wie ich die groſſe Freundſchaft/ mir von euch uñ
euer Frl. Schweſter/ meiner auch geliebten Freundin erzeiget/ in etwas erſetzen moͤge/ da
dann dieſes gute Gluͤk/ wie ich gaͤnzlich meine/ mir zugeſtoſſen/ daß ich Gelegenheit bekom-
men/ jezt wolgedachte Fraͤulein dem Durchleuchtigen Fuͤrſten zu Suſa ehelich zuverſpre-
chen/ nachdem ſolches dem Großmaͤchtigen Groß Fuͤrſten H. Artaxerxes wolgefallen/ uñ
mein geliebter H. Bruder und H. Oheim es vor ſehr gut befunden; zweifele demnach nit/
ſie ihres Orts werden gerne darein gehelen/ und ihnen ſolche gewuͤnſchte Heyraht laſſen
angenehm ſeyn. Fr. Roxane uñ ihre Frl. Schweſter erroͤhteten wegen dieſes unvermuht-
lichen vorbringens/ als davor ſie heftig erſchraken/ wie nicht weniger Groß Fuͤrſtin Sap-
tina ſelbſt/ als welche die Heyraht ihres Bruders ſchon mit ihr abgeredet und geſchloſſen
hatte; begehreten daher einen kurzen Abtrit/ welcher ihnen gerne gegoͤnnet wahr/ und Zeit
ihres
[27]Fuͤnftes Buch.
ihres abweſens die Fuͤrſtin zu den Anweſenden ſagete: Ich werde dieſen meinen geliebten
Freundinnen wunderliche Gedanken gemacht haben/ weil ich ihnen den jetzigen Fuͤrſten
von Suſa nicht genennet; wie dann in Warheit geſchahe/ maſſen dieſe drey ſich keines
Schluſſes zuerklaͤren wuſten. Zwar das Fuͤrſtentuhm Suſiana wahr ihnen angenehm/
aber Gobares/ welchen ſie vor einen Witwer hielten/ gar zuverhaſſet/ und wahr das Fraͤu-
lein nicht bedacht denſelben vor Pharnabazus zuwaͤhlen; beſchloſſen demnach/ bey der Fuͤr-
ſtin anzuhalten/ daß ſie von ſolchem Vorhaben abſtehen moͤchte; gingen zu ihr hinein/ und
fing Fr. Roxane alſo an: Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ daß eure Durchl. ihr gnaͤdigſt wol-
len gefallen laſſen/ vor meiner Frl. Schweſter Wolfahrt zu ſorgen/ unter dem gn. Vorſaz/
ſie gar in den Fuͤrſtenſtand zuerheben/ davor bedanken wir uns untertaͤhnigſt; weil aber
meine Frl. Schweſter ſich nicht kan bereden laſſen/ eine ſo ungleiche Heyraht einzugehen/
da ſie ohnzweifel von demſelben Fuͤrſten ſchier heut oder Morgen zu unwert ſeines Ehebet-
tes moͤchte geſchaͤtzet/ und nach kurzer Zeit wol gar verſtoſſen werden/ inſonderheit/ wañ eu-
re Durchl. dieſe Laͤnder bald verlaſſen ſolte; ſo iſt unſere untertaͤhnigſte Bitte/ uns dieſer
Heyraht gnaͤdigſt zuerlaſſen/ uñ dieſen Fuͤrſten einer Standesmaͤſſigen wirdigeren Braut
zuzuführẽ; zumahl daß meine gnaͤdigſte Groß Fuͤrſtin meiner Frl. Schweſter wol ſchon
einen andern Gemahl moͤchte auserſehen haben. Herzgeliebete Freundinnen/ antwortete
die Fuͤrſtin/ ich haͤtte nimmermehr gedacht/ daß ſie mir dieſes mein ſo wolgemeintes An-
ſuchen würden ſo kurz vor der Fauſt abgeſchlagen haben/ welches doch meines ermaͤſſens
nicht zu endern ſtehet/ ich mich auch deſſen verpflichten wil/ daß meine hoͤchſtwerte Eltern/
Groß Fuͤrſt Phraortes und deſſen Gemahl in dieſen meinen Vortrag noch wol gehehlen
werden; hoffe alſo/ von ihnen eine genehmere Erklaͤrung zu hoͤren/ uñ wollen ſie beyde ſich
kuͤrzlich bereden/ und ihre endliche Meynung mich wiſſen laſſen/ wornach ich mich alsdañ
gerne richten und ſchicken wil/ muß euch doch eine Geheimnis offenbahren/ was geſtalt der
Fuͤrſt zu Suſa und mein Freund Pharnabazus nunmehr in ſolchem Bunde ſtehen/ das
dieſes ſein Gemahl jenem/ uñ jenes ſeine/ hinwiederumb dieſem gemein ſeyn ſolle. Die bey-
de Schweſtern aͤngſteten ſich dergeſtalt/ daß ihnen der Schweiß außbrach/ traten ab/ und
wahr ihnen die lezte Zeitung ſo unangenehm/ daß ſie ſo wol Pharnabazus als den Suſia-
ner anfeindeten; endlich machten ſie den Schluß/ daß das Fraͤulein durch einen Fußfal/
umb die Ehe auffzuruffen/ anhalten ſolte; welche darzu fertig wahr und mit traͤnenden Au-
gen ſich vor der Fuͤrſtin in die Knie niderſetzete/ willens nicht auffzuſtehen/ biß ſie gnaͤdige
Antwort erlanget haͤtte. Aber die Fuͤrſtin ſprang geſchwinde auff/ richtete ſie kuͤſſend in die
hoͤhe/ und ſagte: Herzen Freundin als Schweſter/ beſchimpfet mich nicht mit dieſem Voꝛ-
nehmen/ und bringet mir euren endlichen Willen ſtehend vor. Ja/ nach meiner gnaͤdigſten
Fraͤulein Befehl/ antwortete ſie/ und fuhr alſo fort: Nach dem ich das feſte Vertrauen zu
euer Durchl. gefaſſet habe/ dieſelbe werde mir keine andere Gnade wiederfahren laſſen/ als
welche meinem Herzen angenehm/ und ich aber meine Seele deſſen durchaus nicht zubere-
den weiß/ daß ich dem Fuͤrſten zu Suſa mich ehelich ergeben ſolte/ vielweniger mich miß-
brauchen zulaſſen willens bin/ als bitte ihre Durchl. ich untertaͤhnigſt/ dieſelbe wolle mich
dieſer Unangenehmen gnaͤdigſt erlaſſen. Ey meine allerliebſte Freundin/ ſagte die Fuͤrſtin/
ich kan in dieſe eure Bitte durchaus nicht willigen/ ſondern mein Wille und Vorſchlag
d ijmuß
[28]Fuͤnftes Buch.
muß richtig erfuͤllet werden/ inſonderheit weil der Durchl. Fuͤrſt von Suſa ſich hierin
gaͤnzlich ergeben/ ja durch euch ein Fürſt zu Suſa werden ſol. Aber kennet ihr auch/ herzen
Freundin/ kennet ihr auch denſelben Fuͤrſten recht/ welchen ich durch euch zum Fürſten in
Suſa zu machen bedacht bin? oder gedenket ihr/ ich werde euch den gottloſen ehrvergeſſe-
nen Schelm/ Boͤſewicht und Verraͤhter Gobares zufreien/ welcher vor weniger Zeit an
mir zum Raͤuber worden/ und durch rechtmaͤſſige Urtel des Großmaͤchtigen Groß Fuͤr-
ſten enthaͤuptet iſt? Ey habt doch nit ſolche ungenehme Gedanken von mir; ſehet jezt hoch-
gedachter Groß Fuͤrſt hat mir das ganze Fuͤrſtentuhm Suſiana erblich geſchenket/ uñ daſ-
ſelbe ſol euch/ Durchleuchtiges Fraͤulein/ anjetzo von mir hinwiederumb geſchenket/ auch
ihr kraft dieſes zu einer herſchenden Fuͤrſtin zu Suſa erklaͤret ſeyn/ doch mit dieſem bedinge/
daß ihr ſolches dem Braͤutigamb/ welchen ich euer Liebe zugedacht/ als eine wirdige Heim-
ſteur zubringet/ uñ ihn dadurch zum Fuͤrſten uͤber Suſiana machet; dieſer aber iſt der ſchon
darzu erwaͤhlte und erklaͤrete Durchleuchtige Fuͤrſt/ Herr Pharnabazus/ alhie gegenwaͤr-
tig. So erklaͤre ſich nun euꝛe Liebe/ ob ſie ſich eines andern bedenken koͤnne/ und nehme mit
ihrer Fr. Schweſter zur beredung einen kurzen Abtrit; ich halte gaͤnzlich davor/ meine herz-
geliebete Eltern/ Groß Fürſt Phraortes und die Groß Fuͤrſtin Fr. Saptina/ werden ihnen
ſolches wol koͤñen gefallen laſſen. Da wahr nun lauter verwunderung und freude bey den
Unwiſſenden. Phraortes fragete/ ob ſichs dann mit Gobares alſo verhielte/ und was vor
ein ſchaͤndlich Bubenſtuͤk er begangen haͤtte. Welches die Fuͤrſtin mit wenigen beantwor-
tete: Es verhielte ſich alſo/ und wuͤrde alles zu ſeiner Zeit weitlaͤuftiger erzaͤhlet werden/
nur moͤchte die Groß Fuͤrſtin ſich mit Fr. Roxanen und dem Fraͤulein gnaͤdigſt bereden/
ob dieſe Heyraht/ wie ſie gar nicht zweifelte/ koͤnte gefaͤllig ſeyn. Aber Fr. Roxane fing alſo
an: Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ es bedarfs meines eꝛachtens nicht/ meine gnaͤdigſte Groß-
Fuͤrſtin zu fragen/ ob ſie ihren allerliebſten Herr Bruder gerne zu Fuͤrſtlicher H[o]cheit be-
fodert ſehe; aber wie ſollen ich und mein Frl. Schweſter doch in ewigkeit dieſe übermaͤſſi-
ge Gnade erſetzen/ welche unſere Erkaͤntnis uͤberwieget? geſtaltſam eure Durchl. uns viel
ein groͤſſeres leiſtet/ als wir von allen Goͤttern nim̃ermehr haͤtten duͤrffen bitten. Wir un-
tergeben uns allerdinge euer Durchl. und unſer gnaͤdigſten Groß Fuͤrſtin gehorſam/ alles
nach gnaͤdigſtem gefallen zuordnen und zu ſchlieſſen/ deren untertaͤhnigſte Dieneriñen wir
Zeit unſers Lebens verbleiben wollen. Es darff ſolcher nidertraͤchtigen erbietungen nicht
bey vertraueten freunden/ ſagte die Fuͤrſtin; Nur erklaͤret euch mein Fraͤulein Barſene/
ob mit eurer Fr. Schweſter einwilligen/ ihr auch friedlich ſeid. Gnaͤdigſtes Fraͤulein/ ant-
wortete ſie/ mir iſt unmoͤglich/ euer Durchl. vor Scham ein anders zu antworten/ als daß
ihrer Durchl. gehorſamſte Dienerin ich zu leben und ſterben begehre; uñ ob mir zwar die-
ſe Heyraht billich angenehm iſt und ſeyn muß/ worden mir doch die Goͤtter Zeugnis geben/
daß wañ ich meines künftigẽ Leben-Standes freie Wahl haͤtte/ ich lieber bey ihrer Durchl.
ſtaͤte Kammerdienerin/ als ohn deren Geſelſchaft eine maͤchtige Fürſtin zu ſeyn begehre.
Und weil bey ſolcher Rede ihr die Traͤhnen hervordrungen/ erkennete daher die Fuͤrſtin
ihre heftige Liebe gegen ſie; umbſing ſie deßwegen mit beyden Armen/ kuͤſſete ſie auff die
Stirn/ Mund und Wangen/ und ſagte: Verſichert euch mein trauten Schweſterchen/
daß ich euch unter meine allerliebſten und beſten Freundiñen geſezt habe/ achte daher dieſes
ihr
[29]Fuͤnftes Buch.
ihr auffgetragenes Fürſten tuhm viel geringer/ als daß ich eure Gewogenheit ſolte mey-
nen dadurch erſetzet zu habẽ. Ob wir dañ gleich nit moͤchten ſtets beyeinandeꝛ leben koͤñen/
ſollen unſere Herzen doch untrenlich beyſammen bleiben. Darauff fuͤhrete ſie dieſelbe vor
Pharnabazus Bette/ und mit gegebenen Ringen beſtaͤtigte ſie dieſe Ehe/ da Phraortes
und andere gegenwaͤrtige der Fuͤrſtin vor ſolches geſchenkte Fuͤrſtentuhm ſehr danketen/
und den Verlobeten Gluͤk und Heyl wuͤnſcheten. Ladiſla ſetzete das gedoppelte Hochzeitfeſt
auff den ſiebenden nach dieſem Tage an/ weil die Aerzte den Verwundeten auff ſolche Zeit
voͤllige Geſundheit verſprachen; und ob gleich Fr. Roxane ihre Entſchuldigung einwen-
dete/ ſie wuͤrde mit gebuͤhrlicher Kleidung ſo bald nicht fertig werden/ mochte es doch nit
helffen/ weil Frl. Valiſka mit zuſtimmete/ ſie wolte dem Parthiſchen Wuͤterich nicht laͤn-
ger zugefallen warten/ damit ſeine annoch übrige Hoffnung er moͤchte ſinken laſſen/ und
ſich ihrer Liebe begeben; ſo koͤnten die noͤhtigſten Kleider nochwol verfertiget werden; und
wer weiß/ ſagte ſie/ woher uns noch Kleider von Gott beſcheret werden/ welcher uns un-
ſere Braͤutigam zugefuͤhret hat. Bey der Mahlzeit ward Gobares Boßheit erzaͤhlet/ nach-
gehends fragte die Fuͤrſtin Herrn Mazeus/ ob ſein alter Kriegsknecht Boges/ und ſein
Schuͤtze Batis noch im leben waͤhren/ moͤchte ſie dieſelben gerne ſprechen. Fr. Roxane
gab zur Antwort; der Schuͤtze haͤtte gar untertaͤhnig bey ihr umb eine Vorbitte bey ihreꝛ
Durchl. angehalten/ das ihm ſein Verbrechen gnaͤdigſt moͤchte vergeben werden/ wie
dann Groß Fuͤrſt Herkules deſſen gnaͤdigſte Verheiſſung getahn haͤtte. Warumb aber
der alte Boges ſo inſtaͤndig umb die mitreiſe nach Perſepolis angeſuchet/ koͤnte ſie nicht
wiſſen weil ſie nicht gedacht/ daß ihre Durchl. des unachtſamen Menſchen einige Kund-
ſchaft gehabt haͤtte/ und koͤnten dieſelben wol ſtuͤndlich vorgefodert werden. Der Fuͤrſtin
wahr hiezu ſonderlich liebe/ hieß den Alten zu erſt herhohlen/ welcher ſich von ſeinem ver-
dienten Solde zimlich gekleidet hatte. Als nun derſelbe in den Saal trat/ kennete ſie ihn
alsbald/ und ſagte zu ihm: Guter Freund Boges/ eriñert ihr euch noch des mir ehemahls
erteilten troſtes/ da ich den Adler fellete? Ja Durchl. Fraͤulein antwortete er/ wann nur
eure Durchl. ihrer damahligen Zuſage ſich annoch eriñern moͤchte. Warumb nicht? ſag-
te ſie/ ich wil/ wo ich kan/ euch deſſen ergetzen/ dann ihr habt dazumahl meine tꝛaurige See-
le auffgerichtet; darumb bittet nur von mir kühnlich/ wie ihrs gerne haben woltet. Dieſer
fiel auff die Knie/ und hielt an/ ihre Gn. moͤchten bey ſeinem Herrn Mazeus ihm dz Tohr-
hüter Ampt auff ſeinem Schloſſe loßbitten/ welches ein ruhiger Dienſt waͤhre/ der ihm als
einem alten abgelebeten Knechte wol anſtuͤnde. Ach du fromme Einfalt/ ſagte ſie mit ver-
wunderung; gab ihm aber zur Antwort: Sie wuͤrde ihm hier in ſchwerlich dienen koͤñen/
weil ſie den jetzigen Tohrhuͤter nicht außſtoſſen/ noch deſſen Seufzen wieder ſich ſelbſt rei-
zen moͤchte; demnach wuͤrde er andeuten/ ob nicht etwas beſſers vor ihm waͤhre; als wañ
etwa ein ſtatlicher Meierhoff/ oder wolgelegene Bauren Schenke unter H. Mazeus loß-
fiele/ wolte ſie ihm darzu gerne behuͤlflich ſeyn. Boges gab vor/ er duͤrfte ſich ſo weit nicht
erkuͤhnen; ſo gehoͤrete auch eine Anlage darzu/ die er nicht haͤtte/ doch ſtellete ihrer Durchl.
er alles heimb. Die Anweſende zulacheten ſich ſeiner wol/ aber Fr. Roxane/ die ſeine Art
wol wuſte/ ſchlug ihm vor/ ſie wolte ihn zum Oberſten Auffſeher uͤber ihren Luſtgarten ſet-
zeu/ und daß er den Arbeitern darinnẽ ſolte zubefehlen haben; wolte er dann einen jungen
d iijLoͤuen
[30]Fuͤnftes Buch.
Loͤun daneben zaͤhmen (womit er wol umbzugehen wuſte) ſolte zu ſeinem belieben ſtehen.
Das ihr aber wegen gar zu groſſer Muͤhe euch nicht zubefuͤrchtẽ habt/ ſagte ſie/ ſo ſol mein
Gaͤrtner alles vor euch verrichten/ daß ihr nur des Abends zuſehet/ was im Garten gear-
beitet ſey; vielleicht vermacht euch dann dieſes Koͤnigliche Fraͤulein noch wol einen Hand-
pfennig über euren Jahrslohn den ich euch geben werde/ uñ hiemit euch jaͤhrlich 100 Kro-
nen verſpreche nebeſt freier Speiſe und Trank vor euch und alle die euren/ ſo gut es mei-
nes Gemahls aͤdle Leibdiener bekommen/ denen ihr auch in Kleidern ſollet gleich gehalten
werden. Dieſer fiel vor ihr nider/ bedankete ſich untertaͤhnig/ und gab vor/ er bedürfte da-
bey weder Jahrgeld noch einen Handpfennig/ weil ſein Weib und ſechs Kinder die Gar-
ten Arbeit koͤnten helffen verrichten. Frl. Valiſka hieß ihn auffſtehen und befahl ihrem
Timokles/ er ſolte ihm eine Gutſche mit vier ſtarken Pferden anſpannen/ und in zwo La-
den 8000 Kronẽ darauff ſetzen laſſen/ nebeſt noͤhtigen zehrungs Koſten/ vor ihn/ ſeine Fuhꝛ-
leute und ſechs Reuter zur begleitung; darnach ſagte ſie zu Boges; zihet nun hin und tre-
tet euer Ampt an/ die jeztgenanten Kronen aber bringet euer Frauen und Kindern zur ver-
ehrung mit/ und da ihr ſchier heut oder Morgen zu deren ehrlichen aufferzihung und auß-
ſteur ein mehres werdet benoͤhtiget ſeyn/ wil ich das Fuͤrſtl. Fraͤulein Barſenen bitten/ dz
ſie euch mit einem Ehrenpfennige zu huͤlffe komme. Ja mein Boges/ ſagte dieſelbe/ ich wil
einem jeden von euren Kindern hiemit 1000 Kronen zu Heyrahtgeldern vermacht haben.
Gar zu viel/ gar zu viel/ gnaͤdiges Fꝛaͤulein/ antwortete eꝛ/ ich habe ſchon mehr als mir nuͤt-
ze iſt/ uñ muß man aus einen Betler nicht einen Freiherrn machẽ/ er moͤchte ſonſt hernach
kein gut tuhn/ welches mir und meinen Kindern leicht wiederfahren koͤnte. Aber wie wer-
de ich meinem Weibe ſo angenehm ſeyn; ſie hat mir ſonſt allemahl vorgeworffen/ daß ſie
mich ernaͤhren muͤſte; bedankete ſich nachgehends untertaͤhnig und fuhr froͤlich davon.
Der Schuͤtze Batis ging mit groſſer furcht hinein/ aber Frl. Valiſka hieß ihn gutes muhts
ſeyn; ſie wolte ihm hernaͤhſt kein Geld mehr abgewinnen/ und waͤhre ihr lieb/ daß ihr O-
heim ihm alles wieder zu geſtellet haͤtte; nur daß er zuſaͤhe/ und ers nicht zum andernmahl
verwettete; ſchenkete ihm auch 5000 Kronen/ worzu ihm Pharnabazus ein Landgut ver-
ſprach/ dz er hernaͤhſt ruhige Tage haben ſolte. Es hatte aber Mazeus ſeinen zahmen Loͤuẽ
ihr mitgebracht/ aber ihn noch nicht ſehen laſſen/ den muſte Batis herzufuͤhren; welcher
alsbald ſich zu ihr hinbegab/ und wie ein Hund ſich an ihren Kleidern ſtreichelte/ deſſen ſie
ſich alle verwunderten. Sie kante ihn auch alſobald/ und ſagte zu Mazeus: Mein geliebteꝛ
Herr und Freund; ich werde die Kuͤhnheit nehmen/ und euch um dieſen Loͤuen begruͤſſen/
wann ichs nur zuerſetzen wuͤſte. Er aber antwortete: Gn. Fraͤulein/ ich habe ihn zu dem
ende mit gebracht/ wann ihrer Durchl. ich ihn bieten duͤrfte/ meine ſonſt ja/ es ſey vielhun-
dert tauſendfach ſchon vergolten. Phraortes erinnerte Herrn Herkules ſeiner ehmaligẽ
Zuſage/ und baht/ die Aſſyriſchen Voͤlker/ die ſich auff 30000 zu Roß und 35000 zu Fuß
erſtrecketen/ nebeſt ſeinem Mediſchen Heer 30000 Reuter und 20000 Fußknechte unter
ſeine ungemaͤſſigte Feld Herſchaft zunehmen. Artaxerxes trug imgleichen Herrn Ladiſla
die geſamten Hirkaniſchen Baktrianiſchen/ Margianiſchen/ Ariſchen und Drangiani-
ſchen Voͤlker auff/ 58000 zu Pferde und 40000 zu Fuſſe; welches Ampt ſie dergeſtalt auf
ſich nahmen/ deß Herkules ſich vor Groß Fuͤrſt Phraortes; Ladiſla vor Fuͤrſt Menapis in
Hir-
[31]Fuͤnftes Buch.
Hirkanien Feldmarſchalk halten wolten. Artaxerxes hatte ſonſt noch 18000 hin und wie-
der geworbene Reuter/ welche er Fabius untergab; ſeine Perſen aber 14000 zu Roß/ uñ
46000 zu Fuß wolte er ſelbſt fuͤhren. Pharnabazus ergaͤnzete das Suſianiſche Heer/ das
es 40000 Mann/ halb Reuter/ und halb Fußknechte/ ſtark wahr. Arbianes fliegende Heeꝛ
wahr auff 14000 Mann wieder erſetzet/ und Leches zum Feldmarſchalk druͤber verordnet.
Hierzu die Teutſchen Boͤhmen/ Roͤmer und Fabius ſelbſt geworbene gerechnet/ erſtreckete
dieſes geſamte Volk ſich auff 204000 Reuter/ uñ 161000 Fußknechte/ von welchen 6000
Schuͤtzen auff die 300 wol abgerichtete Elefanten geſetzet wurdẽ/ deren Gebrauch in kuͤnf-
tiger groſſen Feldſchlacht Herkules gerne abgewendet haͤtte/ und doch damit nicht loß-
brach/ weil er ſahe daß die Morgenlaͤndiſche Fuͤrſten ſo viel darauff hielten. Nun hatte
Artaxerxes bey einem reitenden Bohten nach Suſa allen Verlauff wegen Gobares ge-
ſchrieben/ und daß Pharnabazus ihnen wiederumb zum Fuͤrſten angewieſen waͤhre/ wo-
durch die Landſtaͤnde hoch erfreuet wurden; dann ſie wahren mit Gobares uͤbel zufrieden/
daß er ſo gar nicht auff des Landes Wolfahrt achtete/ ſondern nur den Leibesluͤſten uñ dem
ſchaͤndlichẽ Geize nachhing; ſanten vor dißmahl zwanzig ihres mittels/ anſehnliche Herꝛn
nach Perſepolis/ ihrem neuen Fuͤrſten Gluͤk zu wuͤnſchẽ/ welche auch einen groſſen Schaz/
aus eigenwilliger freigebigkeit zuſammen gelegt/ mit uͤbernahmen. Fuͤrſtin Rhodogune
Gobares Gemahl/ die ihm wegen ſeiner Unkeuſcheit nicht ſonderlich gewogen wahr/ ſage-
te oͤffentlich; die Goͤtter haͤtten ſeinem Unweſen laͤnger nicht zuſehen koͤnnen; ließ durch
getreue Leute die Fuͤrſtliche Schazkammer beſichtigen/ zog nach Perſepolis/ lieferte Phaꝛ-
nabazus die Schluͤſſel und Rechnung des Kammer Schatzes 170 Tonnen Goldes hoch/
und baht umb ein Fuͤrſtliches Leibgedinge/ weil ſie an ihres Gemahls Verbrechen unſchul-
dig waͤhre. Fuͤrſtin Valiſka legete ihr wegen ihrer froͤmmigkeit groſſe Gewogenheit zu/
nam ſich ihrer ſehr an/ und erhielt leicht/ daß ſie biß auff Pharnabazus Einzug zu Suſa
auff dem Fuͤrſtlichen Schloſſe daſelbſt bleiben/ nachgehends jaͤhrlich 25000 Kronen Un-
terhalt haben/ uñ entweder nach belieben zu Suſa verbleiben/ oder ihr einen Ort zum Leib-
gedinge waͤhlen ſolte. Frl. Barſene trug auff ihres Liebſten Begehren Frl. Valiſken ob-
gedachten Suſianiſchen Kam̃er Schaz auff; bekam aber zur Antwort; es haͤtte die Mey-
nung nicht/ daß ſie die Vogel außnehmen/ und das ledige Neſt ihr laſſen wolte/ es waͤhre
ſchon mehr als zuviel/ daß ſie Herrn Pharnabazus Erbieten wieder ihren Willen haͤtte
muͤſſen gelten laſſen.


Artabanus Geſanter/ H. Syſimithres eilete mit ſeiner Geſelſchaft auff abgewechfel-
ten Pferden zimlich fort/ da er des Tages vor dem Hochzeit Feſt zu Perſepolis anlangete.
Auff den Grenzen geriet er einer Perſiſchen Schaar von 1000 Reutern in die Haͤnde/ die
ihn ſicher durchbrachten/ da er alsbald bey unſern Helden und dem Fraͤulein ohn der Moꝛ-
genlaͤndiſchen Fuͤrſten Gegenwahrt gehoͤr begehrete. Ladiſla Meynung wahr/ man ſolte
ihn unverrichteter Sache abzihen laſſen/ aber Artaxerxes und Phraortes bahten/ die Weꝛ-
bung anzunehmen/ und den Geſanten bey dem Hochzeit Feſte zubehalten/ daß er davon be-
richt tuhn/ und des verliebeten Koͤnigs Gedanken abwenden koͤnte/ wann er ſehen wuͤrde/
daß er durch den Korb gefallen/ und ein ander ſchon in voller nieſſung ſaͤſſe. Die unſern
lieſſen ihnen ſolches gefallen und machten ſich ſamt dem Fraͤulein nach dem groſſen Saal/
da
[32]Fuͤnftes Buch.
da die 300 Boͤmiſche aͤdelknaben auffwarten/ und 500 Teutſche mit Schlachtſchwertern
hauſſen die Wache halten muſten. Kleofis und das Boͤmiſche Frauenzimmer ſtunden in
praͤchtiger Kleidung hinter dem Fraͤulein; Leches mit ſeinen vier Gefaͤrten/ auch Tyriotes
und Gallus/ hatten ihre glaͤnzende Ruͤſtung angelegt/ die Helme auffgeſchlagen/ und die
bloſſen Schwerter in Haͤnden. Ladiſla ſaß zur Rechten; Herkules zur Linken/ uñ das Frl.
in treflicher Zierde und groſſer freundligkeit in der mitte. Als Syſimithres auff erfodern
hinein trat/ entſetzete er ſich vor ſolchem Pracht/ ließ der Fraͤulein Kleider/ an der Zahl 43
mit allem zubehoͤr/ von Indianiſcher reiner Linnewad/ geſticketen Schuhen und derglei-
chen ſachen/ in groſſen mit Silber beſchlagenen Laden nachtragen/ und die Kleinot in einer
weiſſen Helffenbeinen/ mit Golde umblegeten groſſen Schachtel/ auff welcher eine kleinere
ſtund/ darinnen das neue Kleinot verſiegelt wahr. Nach gebuͤhrlicher Begrüſſung aller
dreyen/ wendete er ſich zu dem Fraͤulein/ neigete ſich tieff vor ihr/ und redete ſie alſo an:
Durchleuchtigſtes/ Großmaͤchtigſtes Koͤnigliches Fraͤulein; der groſſe Koͤnig Artabanus/
Beherſcher aller Morgenlaͤnder von dem Meer biß an den Ganges/ entbeut euer Durchl.
Koͤniglichen Gruß und ergebene Liebe/ ſendet deroſelben dieſes eigenhaͤndige Schreiben/
nebeſt ihren hinterlaſſenẽ Kleidern/ Kleinotẽ/ uñ einem neuen Kleinot; bittet/ ihre Durchl.
ſolches alles mit guter Gewogenheit annehmen/ und ſeiner Koͤnigl. Hocheit ſchrifftliche
genehme Antwort wiederfahren laſſen wolle. Das Fraͤulein bedankete ſich ſehr/ fragete
nach ſeiner Hocheit wolergehen/ und zeigete daruͤber ihre Genuͤgenheit an; wendete ſich
hernach gegen Ladiſla und Herkules/ umb zuvernehmen/ ob ihr erlaͤubet waͤhre/ dz Schrei-
ben mit beygefuͤgten Sachen anzunehmen; und auff bewilligung brach ſie es/ und laſe vor
ſich allein folgende Worte.


Der groſſe Koͤnig Artabanus erbeut dem Durchleuchtigſten Fraͤulein/ Frl. Herkuliſka/ ſei-
ner Koͤniglichen verlobeten Braut herzlichen Gruß und alle Gewogenheit/ und verwundert ſich hoͤch-
lich/ warumb dieſelbe ihr groſſes Verlangen nach ihrem Herr Bruder und Oheim/ ihm nicht ange-
deutet/ daß er ſie mit einer ſicheren Begleitung von 200000 Mann hingeſendet/ [und] ihr dieſe gebuͤhr-
liche Ehre bezeiget haͤtte; jedoch weil ihrer Liebe gefaͤllig geweſen/ in ſchlechter ſtiller Geſelſchaft nur
mit ihrem getraͤuen Diener Valikules (dem wir/ wie er weis/ mit Koͤniglichen Gnaden gewogen ſind)
dieſe Reiſe auff ſich zunehmen/ haben wir ſolches keines weges tadeln wollen; nur tuht uns wehe/ dz
ſie in gar zu unwirdiger Kleidung/ wie geſagt wird/ ſol hingereiſet ſeyn; welches/ da wirs in erfah-
rung gebracht/ haben wir nicht unterlaſſen ſollen/ ihr durch unſern Hoffmeiſter Bagophanes nachzu-
fragen/ welcher uns aber zur betruͤbten Zeitung gebracht/ daß er eure Liebe nicht habe antreffen koͤn-
nen/ ſondern von Feinden verraͤhterlich uͤberfallen und geſchlagen ſey. Daher wir Zeigern dieſes/ un-
ſern lieben getraͤuen Syſimithres abfertigen/ ihre Kleider und Kleinot/ auch daneben noch ein abſon-
derliches/ alles zur bezeugung ungefaͤrbeter Liebe/ nachſenden/ und dabey ſie freundlich erſuchen wol-
len/ auff das ehiſte mit ihrem freundlichen lieben H. Bruder und Oheim/ ſich bey uns unwaͤgerlich ein-
zuſtellen/ damit unſer beſchloſſenes/ und ſo muͤnd als ſchriftlich beſtaͤtigtes Beylager (auff deſſen Feyr
Koͤniglich zubereitet wird) koͤnne gehalten/ und euer Liebe die Groß Koͤnigliche Kron auffgeſetzet
werden; und wie wir uns hierzu gaͤnzlich verlaſſen/ alſo verbleiben wir derſelben zu ehelicher Liebe uñ
Traͤue ſtets ergebener. Artabanus.


So bald der Geſante die ganze Verleſung des Schreibens merkete/ ließ er alle Sa-
chen zu ihren Fuͤſſen niederſetzen/ nur das einzelne Kleinot reichte er verſchloſſen uͤber.
Sie hingegen baht ihn/ einen geringen Abtrit zunehmen/ damit ſie ſich einer beſtaͤndigen
Ant-
[33]Fuͤnftes Buch.
Antwort erklaͤren koͤnte; ließ die ihrigen den Brief leſen/ und kunten ſich des kindiſchen
Vornehmens nicht gnug verwundern. Sie lieſſen den Geſanten balt wieder fodern/ wel-
chen ſie fragete/ ob er etwan auch an ihren Herrn Bruder und Oheim einige Werbung
haͤtte/ koͤnte er ſolche ablegen/ und auff einmahl fuͤgliche Antwort bekommen. Worauff er
zu ihnen alſo anfing: Durchleuchtigſte Fuͤrſten/ Hochberuͤmte Helden; der unuͤberwind-
lichſte Koͤnig Artabanus entbeut euren Durchll. ſeinen Grus und Liebe/ überſendet denen
zugleich dieſes Schreiben/ und zweifelt nicht/ ſie als ſeine hochgeliebte Freunde/ welche zu
beleidigen er nie willens geweſen/ auch nicht ſeyn wird/ werden ſolches als ein unfehlba-
res Zeichen ſeiner guten Gewogenheit vermerken und auffnehmen. Seiner guten Ge-
wogenheit? ſagte Ladiſla; gewißlich/ Herr Geſanter/ werdet ihr euch an uns irren; maſ-
ſen Artabanus euer Koͤnig uns bißher nicht vor Freunde/ ſondern vor Leibeigene uñ Bet-
telbuben gehalten/ die er als Hundejungen ſtreichen zu laſſen ſich unterfahen duͤrfen dahin
es aber wils Gott nimmermehr kommen ſol. Dieſer Rede nun wuſte Syſimithres ſich ſo
verwundernd fremde zuſtellen/ daß unſere Helden ſchier nicht wuſten/ wie ſie mit ihm
dran wahren. Ey ihr Durchil. Fuͤrſten/ ſagte er/ wie ſolte mein Allergnaͤdigſter Koͤnig ei-
ne ſolche Untaht in den Sinn nehmen koͤnnen/ angeſehen ſeiner hohen Vernunfft/ und dz
er mit euer Durchll. ſich ſo nahe zuverſchwaͤgern gedenket? Meine gnaͤdigſte Herren wol-
len doch ſo ungleichen Argwohn von ſeiner Koͤnigl. Hocheit nicht ſchoͤpffen/ ob gleich
deſſen Wiederwertige etwa falſche Brieffe oder ertichtete verleumdungen außſprengen
würden/ umb/ eure Durchll. meinem groſſen Koͤnige abgeneigt zumachen/ welcher trauen
von euer vortrefligkeit viel zu hoch haͤlt/ wie ohn zweifel dieſes Gnadenſchreiben außfuͤhrẽ
wird. Herkules antwortete; Es muͤſte uns ſehr lieb ſeyn/ wañ euer Koͤnig ſolcher Schuld
ſich entbrechen/ oder einiges Zeichen der Gewogenheit uns darlegen koͤnte/ da wir des
wiedrigen ſeiner Leute Blut darſtellen wollen/ als unfehlbahre Zeichen. Zwar unter dem
nahmen Valikules/ nach welchem ich euch/ Herꝛ Syſimithres nicht werde unbekant ſeyn/
habe ich mich uͤber euren Koͤnig nicht in allem zubeklagen; aber Herkules weis ſeiner gu-
ten zuneigung nichts ruͤhmliches nachzuſagen. Hier wuſte nun dieſer Fuchs abermahl
ſeine Verwunderung darzuſtellen/ ob Herkules und Valikules unter ſo ungleicher Geſtalt
ein einiger Menſch ſeyn ſolte; er aber wolte ſich daruͤber mit ihm nicht zanken/ ſondern fra-
gete/ was Madates und andere Feldfluͤchtige ihm nachſageten. Welches er beantworte-
te; ihm waͤre zwar vorkommen/ daß etliche Parthiſche und Perſiſche geringe Schaaren
ſich etwas gezauſet/ und beyderſeits zimliche Schlappen davon getragen/ daß aber ihre
Durchll. ſolten mit eingemenget ſeyn/ obs gleich von etlichen geſagt wuͤrde/ koͤnte mans
doch nicht glaͤuben; und wuͤſte er gewiß/ daß wann ſeinem Koͤnige vorkommen würde/ dz
etliche ſeiner Voͤlker ſich gegen ſie feindlich bezeiget/ muͤſten ſie ohn alle Gnade es mit dem
Halſe bezahlen/ weil des groſſen Koͤniges Gewogenheit gegen ihre Durchll. viel zu groß/
und allen bekant waͤhre. Gut Herꝛ/ ſagte Ladiſla/ euch zugefallen wil ich etwas davon glaͤu-
ben/ aber gleichwol ſonſt nicht; nachdem meine Leute aus Charas mich weit ein anders
berichten. Hieß ihn darauff ein wenig abtreten/ ſo wolten ſie das Schreiben verleſen/ und
ſich auff eine Antwort bedenken. Sie funden aber dieſen Inhalt.


Der groſſe Koͤnig Artabanus/ entbeut dem gewaltigen Koͤnige der Boͤhmen/ Herrn Ladiſla/
eund
[34]Fuͤnftes Buch.
und dem maͤchtigen Groß Fuͤrſten der Teutſchen/ Herrn Herkules/ ſeinen geliebten Freunden/ Soͤhne
und Schwaͤgern Gluͤk und Heyl. O der elenden Schwaͤgerſchaft/ ſagte Herkules mit einem
Gelaͤchter/ welche nur im einbilden beſtehet/ und nimmermehr zuwerke kan gerichtet wer-
den. Sie laſen aber weiter: Wir koͤnnen uns nicht gnug verwundern/ aus was Urſachen meine
Freunde ihre Fraͤulein Schweſter und Waſe/ unſere verſprochene Groß Koͤnigl. Braut/ lieber durch
hohe Gefahr zu ſich fodern laſſen/ als ſie auff ihrem Koͤniglichem Schloſſe beſuchen wollen/ angeſehẽ
der hohen Begierde/ die wir gegen euch tragen/ nicht allein in eure Kundſchaft zukommen/ ſondern eu-
er wirdigkeit nach euch zu ehren. Laſſet ja unſere Wiederwertigen euch von uns nicht einbilden/ was
in unſern Sinn niemahls geſtiegen iſt; ſtellet euch nur ungeſeumet ein/ auffdaß wir unſere Begierden
an euch erſaͤttigen moͤgen (daß moͤchte uns wol zu ſcharff fallen/ ſagte Herkules/) ſintemahl un-
ſer feſter unbewaͤglicher Schluß iſt/ daß unſer geliebten Fraͤulein Herrn Bruder der Nahme eines
großmaͤchtigen Koͤniges in Perſen/ Aſſyrien und Suſiana; ihrem Herrn Oheim aber der Nahme ei-
nes Koͤniges in Meden/ Hirkanien und Baktriana erblich ſol erteilet und beſtaͤtiget werden/ da ſie
nicht als unſere Schwaͤger oder Soͤhne/ ſondern wie Bruͤder in gleichmaͤſſiger Gewalt/ Macht und
Ehre/ mit uns herſchen ſollen; wollen auch nicht ruhen/ biß ihnen ſolche Koͤnigreiche durch unſer
Schwert gewonnen und eingeraͤumet/ die Wiederſpenſtigen und unrechtmaͤſſigen Beſitzer aber er-
ſchlagen und abgeſtraffet ſind. Deſſen verſichert ſie ihr ganz geneigter und ſteter Freund Artabanus.


Nach verleſung reichten ſie es dem Fraͤulein hin/ welche es durchſehend/ mit einem
hoͤflichen Gelaͤchter ſagte: die Worte ſind gut/ ſagte der Wolff/ aber ich komme den Bau-
ren nicht ins Dorff; merke gleichwol/ wann mein Herkules mich/ uñ ich ihn abtreten koͤn-
te/ duͤrften wir des ergangenen endlich noch verzeihung erhalten. Aber mein Herr Bru-
der Ladiſla hat ſich wegen dieſer unmoͤgligkeit am meiſten zubeſchwerẽ/ weil ihm hiedurch
der Nahme (freilich der Nahme und nichts mehr) eines maͤchtigen Koͤniges in Perſen
entruͤcket wird; den er aber/ wie ich weiß/ lieber entrahten/ als mit ſeiner lieben Freunde/
Groß Fuͤrſt Artaxerxes und anderer Schaden annehmen wil. Sie traten enge zuſam̃en/
und verglichen ſich einer Antwort; und als Syſimithres wieder eingefodert wahr/ gab
ihm das Fraͤulein dieſen Beſcheid: Daß der groſſe Koͤnig Artabanus nicht allein freund-
lich an mich geſchrieben/ ſondern mir auch meine Kleider und angehoͤrige Sachen/ nebeſt
einem neuen Geſchenk zugeſand/ daraus verſpuͤre ich ſeine hohe Gewogenheit/ werde es
auch Zeit meines Lebens hochzuruͤhmen wiſſen/ und mich bemuͤhen/ daß ſeiner Koͤnigl.
Hocheit Ungluͤk und Gefahr ich abwenden helffe/ und ihm alle Freundſchaft/ die ohn ab-
bruch meiner Ehren kan geleiſtet werden erzeige; ein mehres wird mein gnaͤdigſter Koͤ-
nig/ ſo lange er redlich iſt/ von mir nicht begehren/ vielweniger fodern koͤnnen. Weil aber
Morgen alhie zwo Fuͤrſtliche Heyrahten ſollen volzogen werden/ dafern Gott wil/ und mei-
ne Herrn Bruͤder dabey ſeyn muͤſſen/ wird der Herr Geſanter eines Tages auffſchub zur
gebuͤhrlichen Antwort uns nicht verdenken/ ſondern als ein lieber und werter Gaſt ſich mit
dabey finden laſſen/ da ihm dann alle gebuͤhrliche Ehre geleiſtet werden ſol. Syſimithres
ließ ſich dazu willig bereden/ hoffend es wuͤrde alles nach ſeines Koͤniges Willen gehen;
baht aber ſehr/ es moͤchte dem Perſiſchen und Mediſchen Groß Fuͤrſten der gelieferten
Schreiben Inhalt vor ſeinem Abzuge nicht zu wiſſen getahn werden; welches ihm ver-
heiſſen ward/ und muſten Tyriotes und Gallus ihm in ſeiner Herberge Geſelſchaft leiſten/
welche ihm allen Verlauff der geſchehenen Entfuͤhrung erzaͤhleten. Sie aber gingen hin
nach
[35]Fuͤnftes Buch.
nach der Fuͤrſtlichen Geſelſchaft/ gaben den beyden Groß Fuͤrſten die Schreiben zu verle-
ſen/ welche ſich deren gnug zulacheten; doch/ ſagte Artaxerxes/ iſt mirs lieb/ daß er durch
Schadenklug wird/ und Tugend beſſer achten lernet; hoffe daher/ er werde forthin ſeine
Kinder Ruhten ins Feur werffen/ und nach einem Saͤbel ſich umbtuhn. Nach gehaltener
Mahlzeit baht Frl. Valiſka die Groß Fürſtin Saptina/ ſamt Fr. Roxanen und Frl. Baꝛ-
ſenen/ mit ihr zugehen/ und ihre Kleider helffen außzulegen/ da ſie zu Fr. Roxanen ſagte:
Geliebte Freundin/ ihr beſchweretet euch neulich wegẽ mangel der Kleidung zur Hochzeit/
die uns Gott in gutem uͤberfluſſe beſcheret hat; und haͤtte mein Braͤutigamb Artabanus
mir dieſelben zu mehr gelegener Zeit nicht ſchicken koͤnnen; bekomme alſo mittel/ meiner
Freundin vor den Rok/ welchen ſie mir nach Charas vertraulich mit gab/ einen andern
zuzuſtellen. Des folgenden Tages putzeten die Hochzeiterinnen ſich treflich aus; Frl. Va-
liſka legte ihr ſchneweiſſes Kleid an/ neben darzugehoͤrigen Kleinoten/ welches Artabanus
ihr auff ihren Geburtstag verehret hatte; das neue uͤberſchikte Kleinot wahr ein Bruſt-
ſtuͤk in geſtalt einer Sonnen/ die groſſe Strahlen von ſich warff/ wann die rechte Sonne
darauff ſchien; nnd dieſes ſagte ſie/ wolte ſie an ihrem hoͤchſten Ehrentage dem Koͤnige
Artabanus zugefallen tragen. Herkules bekleidete ſich auch ganz weiß/ und wolte Ladiſla
ſeiner Gewohnheit nach/ ihm nicht ungleich ſeyn. Frl. Barſene muſte von den Parthiſchẽ
Kleidern ein gruͤn Guͤldenſtuͤk/ mit den ſchoͤnſten Rubinen ſtark beſetzet/ anlegen/ weil ihr
Braͤutigamb ſich in ſolche Farbe gekleidet hatte. Als ſie miteinander nach dem groſſen
Saal gingen/ lieſſen ſie den Parthiſchen Geſanten/ aller Urſach ungemeldet/ fodern/ wel-
cher/ da er alle Anweſende ſo treflich gekleidet/ und Frl. Valiſken neben Herkules in ſol-
cher Pracht ſahe/ ſich deſſen nicht wenig verwunderte; hatte doch niemand den er fragen
durfte/ ſondern ſahe/ daß unſere Helden/ und alle/ ſo des Chriſtlichen Glaubens wahren/ in
ein Nebengemach traten/ biß Pharnabazus mit ſeinem Fraͤulein nach Heidniſchem Ge-
brauch getrauet wahr; hernach ſich in voriger Ordnung einſtelleten/ und Herkules die An-
weſenden alſo anredete: Großmaͤchtige/ Durchleuchtige/ Wolgebohrne/ auch aͤdle/ hoch-
werte Herren/ Freunde und Freundinnen; nachdem der groſſe Gott Himmels und Er-
den mir unwirdigen mit ſo groſſer Gnade erſchienen/ daß ich das Durchleuchtigſte Fraͤu-
lein/ Frl. Valiſken/ gebohrnes Koͤnigliches Fraͤulein aus Boͤhmen/ aus dem feſt verwah-
reten Schloſſe ihrer Gefaͤngnis zu Charas erloͤſet/ und aber ſchon uͤber drey Jahr mit der-
ſelben ehelich verſprochen bin/ als iſt mein jetziger Vorſaz und Wille/ auff teils eingehoh-
lete/ teils gegenwaͤrtige Bewilligung ihrer Fr. Mutter/ der Großmaͤchtigſten Koͤnigin
in Boͤhmen/ und ihres Herrn Bruders/ des auch Großmaͤchtigſten Koͤniges daſelbſt/
heut dieſen Tag mein hochzeitliches Ehren Feſt anzuſtellen/ und ſolche unſere Ehe nach
Gebrauch unſers Glaubens durch einen Lehrer oder geiſtlichen Vater einſegnen zu laſſen/
damit ich dem Parther Koͤnige Artabanus in der Taht zeigen moͤge/ daß er unbilliger wei-
ſe daſſelbe beſitzen wolle/ welches keinem Menſchen in dieſer Welt/ als allein mir/ mit rech-
te zuſtehet; und er alſo dereins ablaſſen moͤge einem Gemahl nachzutrachten/ die einem an-
dern ſchon vermaͤhlet iſt. Wann ich aber dieſes alte Recht zu meiner laͤngſt verſprochenẽ
Frl. Braut nicht haͤtte/ und Koͤnig Artabanus nicht als ein Gewaltaͤhtiger/ ſondern als
ein hoͤflicher Koͤnig ſie vor erſt wuͤrde in freien Stand eingeſetzet/ und nachgehends ihrer
e ijFrau
[36]Fuͤnftes Buch.
Frau Mutter und anderer Blutverwanten Bewilligung gebührlich geſucht haben/ ſolte
er von mir unverdrungen blieben ſeyn. Weil er aber mit Gewalt verfuhr/ das Fraͤulein
in eine Gefaͤngnis verſperrete/ und uns durch Schreiben gebieten wolte/ ſeine Heyraht
gutzuheiſſen/ ja ihn noch wol mit einem Fußfalle zu bitten/ daß er ſie ehelichen moͤchte/ auch
überdaß/ wie geſagt/ mein Anſpruch zu dieſem Schatze viel zu groß wahr/ hat man ſich an
dieſer Seite billich bemuͤhet/ eine unſchuldig Gefangene loßzuwirken/ damit ſie nicht in
Laſter und Ehebruch gerahten/ ſondern ihrem verlobeten Braͤutigamb ungekraͤnket zuge-
fuͤhret werden moͤchte. Dieſes/ Herr Geſanter/ werdet ihr eurem Koͤnige zur Antwort
uͤberbringen/ und ihm die lautere Unmoͤgligkeit ſeines anſuchens darlegen/ deſſen er nach
dieſem muͤſſig zugehen/ ſich wol beſinnen wird/ wo er ſonſt nicht ſeinen Wiz und Verſtand
gefreſſen hat. Was ſeine entſchuldigung betrift/ daß er meinem Bruder/ Koͤnige Ladiſla
und mir/ ſtets wil gewogen geweſt ſeyn/ und nie keinen Schimpf zugelegt haben/ moͤchten
wir vielleicht vor ein Zeichen ſeiner bereuung außlegen/ wans ihm ernſtlich waͤhre/ aber
aus dem Sinne wird er uns nicht ſchwetzen/ was durch ſo vieler außſage mitten in der
Geiſſelung beſtaͤndig bejahet iſt/ ja mit ſo viel vergoſſenem Blute verſiegelt. Wir wollen
aber/ wann wir eures Koͤniges beſtaͤndige Freundſchaft weiter erfahren/ alles Schimpfs
und Hohns vergeſſen/ und zwiſchen ihm und feinen Fuͤrſten uns als Mitler gebrauchen
laſſen/ daß er derſelben Freundſchaft weiter genieſſen koͤnne/ und nicht Urſach habe/ neue
Perſiſche und Mediſche Koͤnige zuwaͤhlen/ worauff er vielleicht ſchon moͤchte bedacht
ſeyn. Als er zu reden auffgehoͤret/ fing Frl. Valiſka an: Ja Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt
Herkules; ich geſtehe vor dieſer Hoch Fuͤrſtlichen/ auch ſonſt anſehnlichen Geſelſchafft/
daß euer Liebe ich von ſolcher zeither verbunden bin/ auch nie kein mahl anders geſinnet ge-
weſen/ als euer Liebe meine ſchuldigkeit zu liefern/ oder einer andern gezwungenen Heyraht
(die nicht anders als ein Ehebruch ſeyn koͤnnen) durch einen ehrlichen Tod vorzukom̃en.
Zwar Koͤnig Artabanus hat mich genoͤhtiget/ ihm die Ehe zuverſprechen/ aber weil es
wieder Recht und billigkeit/ auch wieder meinen Willen und aus Zwang geſchehen/ wird
ein jeder redlicher Menſch mich davon loß und frey ſprechen; ja Koͤnig Artabanus ſelbſt
kan mir nichts anhaben/ in betrachtung/ daß er wieder Hand und Siegel gehandelt/ und
vor außgang der beſtimmeten Wochen bey mir angeſuchet hat. So danke ich nun billich
dem allerhoͤchſten Gott/ daß er meinem verſprochenen Braͤutigam das Gluͤk verlihen hat/
mich loß zu machen/ welches nicht weniger Koͤnige Artabanus als mir ſelbſt lieb ſein ſol;
geſtaltſam mein ganzes vornehmen/ im fall ich ihm haͤtte zugefuͤhret werden ſollen/ auf ſei-
nem/ oder ja unſer beyder Tode beſtund/ ſo das mit einem Meſſer/ welches ich in meinem
Luftweher verborgen trug/ ich ihm das Herz im Leibe wolte geſucht haben/ wann er mich
haͤtte beruͤhren wollen/ was mir gleich druͤber begegnet waͤhre. So ſaget nun/ Herr Sy-
ſimithres/ dieſes alles eurem Koͤnige/ und daß ich einen Abſcheuh und Greuel an ihm ha-
be/ als lange er mich zu ſeinem unkeuſchen Willen ſuchet; ſaget ihm/ er moͤge ſich an ſei-
nes Sohns Gotarzes Unfal ſpiegeln/ dem ich mich/ waͤhre ich unverſaget geweſen/ viel
lieber als dem Vater gegoͤnnet haͤtte; aber er muſte durch dieſe Hand am Leben geſtraffe
werden/ als er mir ungebuͤhrliche Sachen anmuhtete/ wie Koͤnig Artabanus wol weiß/
ob ers gleich keinen Menſchen wiſſen laͤſſet. Kurz davon zu reden/ ihr ſehet/ Herr Geſanteꝛ/
daß
[37]Fuͤnftes Buch.
daß eures Koͤniges Heyraht mit Valiſken oder Herkuliſken nur in bloſſer Einbildung be-
ſtehe/ weil ich ihrer zween nicht auff einmahl freien kan. Dieſer hatte bißher als ein Ver-
wirreter zugehoͤret/ ſahe daß er recht genarret wahr/ da man ihn/ andere zunarren außge-
ſchikt hatte; auch daß ſeines Koͤniges Hoffnung gar im Brunnen lag/ und wuſte nicht/
wie ers beſt angreiffen ſolte. Er hatte den an Fürſt Herkules abſonderlichen Brieff noch
bey ſich/ ſahe aber wol/ daß er ihn wieder muſte zuruͤk tragen; endlich faſſete er ein Herz/
und ſtellete eine Frage an: Ob nicht zuerhalten ſtünde/ daß die Vermaͤhlung biß dahin auf-
geſchoben wuͤrde/ und er mit ſchnellen Pferden feinem Koͤnigeſolches hinterbraͤchte; deſ-
ſen Herkules lachete/ und zur Antwort gab: Guter Freund; hiemit wuͤrde ſo wenig eurem
Koͤnige als mir gedienet ſeyn; dann vor erſt hoͤret ihr ja/ daß das Fraͤulein lieber ſterben
als ihn ehelichen wolle; hernach verſichere ich euch/ wañ euer Koͤnig mir gleich ſeine Her-
ſchaft abtreten/ und Indien darzu ſchaffen koͤnte/ gaͤbe ich ihm doch dieſen Schaz nicht
drumb. Ladiſla kunte ſich nicht wol maͤſſigen/ und fing an: Hoͤret Syſimithres; wañ ich
wiſſen ſolte/ oder einige furcht haͤtte/ dz Artabanus (der durch ſein falſches auf Schrauben
geſetzetes Schreiben mich ja ſo hoch/ als durch den Ruhten-Schimpff beleidiget) mei-
ner Frl. Schweſter teilhaftig werden ſolte/ wolte ich gleich dieſe Stunde mein Schwert
durch ihr Herz ſtoſſen/ umb daß ſie nicht ſelbſt Moͤrderin an ihrem Leibe werden duͤrffte;
dieſem meinem Bruder/ dem Groß Fuͤrſten aus Teutſchland wolte ich ſie lieber zur Leib-
eigenen/ als eurem Wuͤterich zum herſchenden Gemahl geben; dann wir unſers Orts ſe-
hen im Heyrahten nicht auff aͤuſſerliche Macht/ ſondern auff Tugend/ deren euer Koͤnig
ſo nottuͤrfftig iſt/ daß andere Fuͤrſten ſich ſchaͤmẽ/ von ihm einigen Befehl mehr anzuneh-
men. Iſt er dann mit dieſer Heyraht nicht zufrieden/ ungeachtet er ja nicht die allergering-
ſte befugete Urſach der Einſprache hat/ ſo laſſe er uns nur wiſſen/ was er dagegen vorzuneh-
men willens ſey/ als dann ſol er uns ohn Antwort nicht finden/ er begehre ſie gleich Muͤnd-
oder Schrift- oder Ritterlich. Foderte hiemit den Chriſtlichen Lehrer herzu/ welcher die
Vermaͤhlung in Syſimithres beyweſen verrichtete. Bey dem Hochzeitmahl ward der-
ſelbe als ein Koͤniglicher Geſanter gar oben angeſetzet/ und beyde Fuͤrſtliche Braͤute ihm
zur Seiten; da unſere Helden und Pharnabazus ſich gnug freundlich gegen ihn ſtelleten/
aber Artaxerxes und Phraortes tahten/ als ob ſie ihn nicht ſaͤhen; lieſſen ſich doch keines
unwillens merken/ und hatten allerhand unterredungen von außlaͤndiſchen Sachen. Den
Tanz fing Ladiſla mit ſeiner Frl. Schweſter an/ fuͤhrete ſie hernach ſeinem Herkules zu/
der ſie dem Geſanten brachte/ zu welchem ſie ſagete: Jezt wil ich mir einbilden/ als tanzete
ich mit meinem allergnaͤdigſten Koͤnige/ als deſſen Hocheit ich/ auſſerhalb ehelicher Liebe/
von Herzen gewogen bin/ weil er dannoch auff mein heftiges anſuchen ſich zur Zucht und
maͤſſigkeit hat anweiſen laſſen/ daß ich Gott Lob/ meine juͤngfraͤuliche Ehre vor ihm erhal-
ten; moͤchte wuͤnſchen/ daß er ſich meiner begeben koͤnte/ wie er dann nunmehr wol tuhn
wird. Ihr ſeid des verſtandes/ mein Herr/ daß ihr ihm ſein blindes Vornehmen wol auß-
reden werdet/ damit er durch dieſe Unbedachtſamkeit ſich nicht gar ins Verderben ſtuͤrze/
welches ich ihm nicht goͤnnen wolte. Syſimithres wuͤnſchete dieſes ſelbſt/ ſagete/ er wolte
hoffen/ ſein Koͤnig wuͤrde ſich finden/ wann ihn nur der Spot nicht zu ſehr hoͤhnete/ daß
ſeine vermeinete Braut bey ſeinen aͤrgſten Feinden dem Perſen und Meden auffgehalten
e iijund
[38]Fuͤnftes Buch,
und verehelichet wuͤrde/ die hernaͤhſt ohn zweifel deſſen ſchwere Straffe zugewarten haͤttẽ;
ſein Koͤnig Artabanus waͤhre von ſolcher Macht/ daß der Roͤmiſche Kaͤyſer ſich vor ihm
fürchten muͤſte/ daher er ſeinen Lehntraͤgern ſolche beſpottung nicht zu gute halten wuͤrde.
Das Fraͤulein antwortete ihm: Sie haͤtte der Fuͤrſten Sache wieder den Koͤnig nicht zu
verfechten/ nur dieſes moͤchte er wol wiſſen/ daß die Parthen finden wuͤrden was ſie wol
nicht ſucheten; und wañ dieſen Fuͤrſten wegen ihrer Heiraht ſolte zugeſetzet werden/ dürf-
ten wol ihr Braͤutigam und Bruder ſo bald noch nicht raͤumen/ die ſonſt ehiſten Abſcheid
zunehmen geſinnet waͤhren. Der Geſante wolte ſich weiter nicht einlaſſen/ ſondern hielt
an umb Morgenden Abſchied uñ ſchriftliche Antwort/ welches ſie ihm zu werben verhieß.
Am ſpaͤten Abend wurden beyde Fuͤrſtliche Braͤute ihren Gemahlen zugefuͤhret/ ungeach-
tet die Boͤhmiſche wol der kuͤhnheit geweſen waͤhre/ ohn begleitung zu ihrem Herkules zu-
gehen; wie dann ihr Bruder ſie damit auffzohe/ und ſie es mit dem wunſche beantwortete/
daß ſie nur bald zu Padua anlangen moͤchten. Libuſſa hatte Frl. Klaren aus Teutſchland
Bruſtbildichen/ eines guten Tahlers breit/ ſehr wol gemahlet/ und mit dero untergezeich-
netem Nahmen/ von ihr zum Gedaͤchtnis empfangen/ welches ſie dieſen Abend ohn gefehꝛ
fallen ließ/ und von Arbianes gefunden ward/ der aus dem Nahmen ſahe/ weſſen Bilde es
wahr/ und verliebete ſich dergeſtalt daran/ daß man ihn nachdem eine zeitlang nicht froͤ-
lich ſahe. Des folgenden Morgens gab man Syſimithres abſcheid/ und keine fernere Ant-
wort/ als einen ſchriftlichen Beweiß/ daß er zwey Schreiben an gehoͤrigen Ort wol ein-
geliefert/ und darauff muͤndliche Antwort empfangen haͤtte/ welche er ſeinem Koͤnige/ ver-
moͤge ſeiner Pflicht wol anzeigen wuͤrde. Fuͤrſtin Valiſka aber ſchikte dem Geſanten bey
Kleofis eine trefliche guͤldene Kette zur verehrung/ die er mit dank añam/ uñ ihreꝛ Durchl.
dabey zugedenken ſich erboht. Tyriotes hatte ſich in Fr. Valiſken Kammerjungfer Ame-
ſtris verliebet/ welches er Leches zuverſtehen gab/ der ihm ſo wol zu huͤlffe kam/ daß ſie ihm
des dritten Tages hernach beygelegt ward; und weil er ſich ſchon etlichemahl im gefechte
wieder die Feinde ruͤhmlich verhalten hatte/ ſchenkete ihm Pharnabazus eine freie Herr-
ſchaft in Suſiana/ und gab ihm 6000 Reuter zufuͤhren/ die er ſo wol abrichtete/ daß unter
allen Sufianern ihres gleichen nicht wahr. Alſo lebeten ſie alle miteinander/ Herr und
Knecht/ in taͤglicher froͤligkeit/ ohn der elende Orſillos muſte ſich immerfort mit ſchweren
Ketten ſchleppen/ und die unflaͤtigſte Arbeit bey ſehr geringer Speiſe verrichtẽ/ wobey ihm
taͤglich die Peitſche gegeben ward/ und ihm noch das unertraͤglichſte wahr/ daß er nicht
eins um erleichterung anhalten durfte/ biß endlich des dritten Tages in dem Hochzeitfeſte/
als er den Koͤchen Holz ſpaltete/ Libuſſa ihn erſahe/ und durch Timokles forſchete/ was vor
ein Menſch er waͤhre; welchem er ſein Ungluͤk zuerkennen gab/ und ſehr klaͤglich baht/ ihm
ein untertaͤhnigſtes Bitte-Schreiben an die junge Groß Fuͤrſtin Valiſka auffzuſetzen/ daß
ſie vor ihn bey ſeinem Herrn Fabius umb linderung der Straffe/ oder da es moͤglich/ umb
vorige Freyheit gnaͤdigſte Vorbitte tuhn moͤchte. Libuſſa wahr ohndaß mitleidig/ uͤber-
gab ſolches Schreiben ihrer Gn. Frauen bey der Mahlzeit/ welche es oͤffnete/ und folgen-
den Inhalt laſe:


Ich der ehmahls verwaͤgene/ nun eine Zeit her hart buͤſſende/ und mit Ketten ſchwer beladene
Orſillos/ falle vor der hoͤchſtberuͤhmeten Barmherzigkeit der Durchleuchtigſten Groß Fuͤrſtin Frau
Va-
[39]Fuͤnftes Buch.
Valiſka in tieffeſter reue meiner groben Suͤnden nider/ und bitte alleruntertaͤhnigſt/ dieſelbe wolle lau-
ter umb Gottes willen mein Elend allergnaͤdigſt anſehen/ und bey meinem ungnaͤdigen hocher zuͤrne-
ten Herrn/ Herrn Fabius/ durch ihre kraͤftige Vorbitte mir allerelendeſten Menſchen zu huͤlffe kom-
men/ damit deſſen harter Zorn moͤge gelindert/ und ich der ſchweren Ketten erlaſſen werden/ weil ſei-
ner Gnaden ja mit meinen unnuͤtzen Dienſten nicht gedienet iſt/ und ich meine begangene Boßheit
nicht/ als durch anzeigung eines herzlichen wehleidens buͤſſen oder erſetzen kan. Dieſes wird der Him-
mel ſelbſt eurer Durchl. vergelten/ und ich wil ſolche Hochfuͤrſtliche Woltaht Zeit meines Lebens zu
ruͤhmen unvergeſſen ſeyn.


Die Groß Fürſtin wuſte nicht/ was dieſer arme Suͤnder verbrochen hatte/ wolte
auch gegen Fabius deſſen ehe nicht gedenken/ biß ſie von Timokles voͤlligen bericht einnam;
worauff ſie zu Fabius ſagete: Hochwerter Herr Bruder/ wann ichs wagen duͤrfte/ etwas
an ſeine Liebe zubegehren/ daß vielleicht ein ander nicht erhalten wuͤrde/ wolte ich derſelben
meine Kuͤhnheit/ deren in ſolchen faͤllen ich mich zugebrauchen weiß/ wol ſehen laſſen. Er
gab ihr zur Antwort: Durchl. Groß Fuͤrſtin; ihre Gn. wollẽ/ bitte ich ſehr/ ihrem Knechte
befehlen/ alles was in ſeinem geringen Vermoͤgen ſeyn wird. Hier iſt kein befehlen/ ſagte
ſie/ nur allein verſuche ich bey meinem H. Bruder/ einige Vorbitte vor einen bußfertigen
armen Suͤnder einzulegen/ dem ſein Verbrechen herzlich leid iſt/ und ſich zur beſſerung
anerbeut. O Bube Bube! ſagte Fabius/ ſo biſtu mir gleichwol noch zu ſchlauh/ und wer
hat dir dieſen Raht gegeben? Zwar Durchl. Groß Fuͤrſtin/ wann ich der Schelmen eine
Welt vol haͤtte/ muͤſten ſie ihrer Durchl. alle geſchenket ſeyn/ ungeachtet ich von ihm daſ-
ſelbe erlitten/ was zuerzaͤhlen ich mich ſchaͤmen mus/ und vor dieſem mir wol nie einbilden
koͤnnen/ daß mir ſolches zuerdulden moͤglich waͤhre; jedoch bitte ich dienſtlich/ ihre Durchl.
wolle ihn in ſeiner jetzigen Geſtalt herruffen laſſen. Timokles hohlete ihn/ mit vertroͤſtung/
er ſolte gutes Muhts ſeyn/ ſeine Sache koͤnte noch wol gut werden/ und beſſer als er je ge-
meinet. Als er in den herlichen Saal mit ſeinen Ketten trat/ taht er einen demuͤhtigen
Fußfall/ daß ihm die Augen uͤbergingen/ und er vor herzleid kein Wort ſprechen kunte;
dann es wahr ihm der begangene frevel von Herzen leid. Fr. Valiſka mochte ſein Elend
kaum anſehen/ und Fabius ſelbſt hielt davor/ er haͤtte vor die ihm fuͤnff Wochen lang an-
gelegte Unbarmherzigkeit/ nunmehr faſt außgebüſſet; rieff ihm zu/ vor den Tiſch zutreten/
und ſagete: Orſillos/ gedenkeſtu einige Gnade zuerhalten/ ſo erzaͤhle alles groß und klein/
was vor Arbeit/ Schmach und Streiche du mir auffgelegt haſt. Dieſer baht umb gnaͤdig-
ſte Erlaſſung; es waͤhre ihm unmoͤglich/ ohn Traͤhnen an ſeine Suͤnde zugedenken/ und
würde ihm das Herz zerſpringen/ wann ers noch erzaͤhlen/ und ſeinen Gn. Herrn ſo hoch
beſchimpfen ſolte. Groß Fürſtin Valiſka ließ ihm ein zimliches Glaß mit Wein reichen/
wodurch er etwas kuͤhner ward/ und er alles von Anfang biß zum Ende erzaͤhlete/ je doch
von Kleon als von einem dritten und abweſenden redete. Als nun Fabius darauff den An-
weſenden zuvernehmen gab/ daß er ſelbſt der Kleon waͤhre; ſagte Artaxerxes; ſo viel deine
Beichte meldet/ Orfillos/ haͤtteſtu vorlaͤngſt am Kreuze buͤſſen ſollen/ und hat dein ehmah-
liger Fuͤrſt nie keine loͤblichere Taht verrichtet/ als daß er dich zum Leibeigenen gemacht
hat. Ja/ ſagte Groß Fuͤrſtin Valiſka/ er hats grob genug gehechelt; jedoch wann er mir ei-
nen gnugſamen Buͤrgen ſchaffen kan/ daß er hernaͤhſt from werden/ und ſolcher Boßheit
feind ſeyn und bleiben wolle/ hoffe ich ihm noch wol Gnade zuerwerben. Der arme Tropf
begun-
[40]Fuͤnftes Buch.
begunte ein Herz zufaſſen/ ſahe wol daß der Buͤrge aus ſcherz begehret ward/ und gab zur
Antwort: Allervortreflichſte Groß Fuͤrſtin; ich bin viel zu unwirdig/ daß ihre Durchl. vor
mich unwirdigen Suͤnder ein Woͤrtlein verlieren/ oder anwenden ſol; wuͤrde mich deſſen
auch nim̃ermehr unterſtanden haben/ dieſelbe darumb zuerſuchen/ wañ nicht die aͤuſſerſte
Noht mich gedraͤnget haͤtte; nachdem ich aber mich nicht erkuͤhnen darff/ ſolche Herren
der Welt/ alhie verſamlet/ umb Buͤrgſchaft zubegruͤſſen/ und geringere Leute/ inbetrach-
tung ihrer Hocheit/ es ſchwerlich verrichten koͤnnen; als wil vor erſt dieſe Ketten euer
Durchl. ich verbuͤrgen/ mit dem freien erbieten/ dafern mich hernaͤhſt einiger Menſch
neuer uͤbeltaht wird uͤberzeugen koͤnnen/ ich nicht allein aller Menſchen/ ſondern auch deꝛ
Goͤtter Gunſt und Gnade mich auff ewig verzeihen wil; und wann mein Gn. Herr Fabi-
us/ des gehorſamſter und ergebenſter Knecht ich die uͤbrige Zeit meines Lebens ſeyn und
verbleiben wil/ dieſe Buͤrgſchaft uͤber ſich nehmen wolte/ haͤtte deſſen Gn. ſich ja keiner
Gefahr zubeſorgen/ inbetrachtung/ dz mir der Kitzel dergeſtalt/ wiewol recht nach meinem
Verdienſt vertrieben iſt/ daß ich mich davor nach dieſem wol huͤten werde; worauff er
bitterlich anfing zu Weinen/ daß die Traͤhnen von ihm auff die Erde fielen/ und Fabius
dadurch dergeſtalt geruͤhret ward/ daß er zu ihm ſagete: Stehe auff Orſillos/ ich wil aller
Schmach vergeſſen/ und den Zorn wegwerffen/ kan demnach wol leiden/ daß die Durchl.
Groß Fuͤrſtin dich deiner Ketten benehme/ und dich in vorige Freyheit ſetze. Der Groß-
Fuͤrſtin ſtunden vor mitleiden die Traͤhnen in den Augen/ uñſagte zu dieſem elenden Men-
ſchen; guter Mann/ euer Ungluͤk iſt euch ſehr heilſam geweſen/ und eine kraͤftige Arzney/
die Boßheit von euch außzutreiben/ derẽ ihr vor dieſem ſeid ergeben geweſt; ſo denket nun
ſtets an dieſe Gnade/ welche euer Gn. Herr/ H. Fabius euch jetzo erzeiget/ in dem er alle eu-
re grobe Beleidigung euch vergeben/ und in vorige Freyheit euch wieder hingeſtellet hat.
Alſo hatte dieſer Ungluͤkſelige hiemit ſein Elend uͤberſtanden/ uñ erteilete ihm Fuͤrſt Phaꝛ-
nabazus einen Freybrieff/ wurden ihm auch von den Anweſenden Fuͤrſten und Kriegs O-
berſten in die 800 Kronen geſchenket/ da ihm Fabius uͤberdaß ein Pferd und gutes Kleid
gab/ und ihn nach ſeinem Geburts Flecken auff ſein voriges Erbgut hinzihen ließ. Als er
daſelbſt wolgeputzet ankam/ hatte er ſich doch in dieſer kurzen Zeit ſo verendert/ daß ihn we-
der die Nachbarn noch ſein eigen Weib kennete; und wie er ſich kund gab/ wahren als-
bald etliche/ die ſich nach Frau Statiren macheten/ ihr ſeine Ankunft anzumelden/ wie ſie
kurz nach ſeiner Flucht hatte beſtellet; da ſie alsbald neun Reuter nach ihm ſchickete ihn
zu fahen/ aber er trat vor die Obrigkeit des Flecken/ zeigete ſeinen Freybrieff/ und begehre-
te Schuz wieder Gewalt/ welcher ihm auch geleiſtet ward/ da er ſich gegen die Abgeſchick-
ten erboht/ freywillig mit ihnen zureiten. So bald er auff Nabarzanes Schloß kam/ und
die Frau ihn ins Geſicht faſſete/ befahl ſie ihrem Geſinde/ ihn vom Pferde zureiſſen und
am Pranger zu tode zuſtreichen. Er aber gab ihr dieſe beherzte Antwort: Gn. Frau/ hal-
tet ein/ ich geſtehe euch durchaus keiner Oberbotmaͤſſigkeit/ nachdem ich nie euer Gn. Leib-
eigener geweſen/ und nun mehr von meinem Gn. Herrn Kleon allerdinge frey geſprochen
bin. Was? rieff ſie mit froͤlicher Stimme/ lebet dann mein Kleon noch? Er aber blieb in
ſeiner Erzaͤhlung/ und ſagte: Ja von dem Durchleuchtigen Roͤmiſchen Herrn/ welcher
den unkeuſchen verfluchten Verraͤhter und Fraͤulein-Raͤuber/ den unſeligen Fürſten Go-
bares
[41]Fuͤnftes Buch.
bares mit ſeiner Hand gefangen genommen/ und nebeſt anderen groſſen Herren zum To-
de verdammet hat/ wie ich ſolches mit meinen Augen angeſehen/ und in meinen damahli-
gen Ketten nicht zehn Schritte davon geſtanden bin/ da ihm der Diebshenker anfangs
ſeinen ſchnoͤden Leib auff der Folter zerrete/ uñ ihm hernach den Schedel herunter ſchlug/
welches ihm noch zur ſonderlichen Gnade wiederfuhr/ weil er das Kreuz billicher haͤtte
bekleiden ſollen. So begeben ſich demnach eure Gn. dieſes vorhabens/ und ehren dieſen
Freybrieff/ welchen euer und mein jetziger gnaͤdigſter Lands Fuͤrſt/ Herr Pharnabazus
mir erteilet/ als welcher meines gnaͤdigen Herrn Kleons vertraueter bruͤderlicher Freund
iſt. Statira laſe den Brieff/ und gab ihm zur Antwort: Nachdem euer Herr Kleon euch
das Verbrechen verzihen/ habe ich mit euch im unguten nicht zu tuhn/ ſondern wuͤnſche
euch Glük zu eurem Wolſtande. Nabarzanes ſtund dabey als ein traͤumender/ und ſagte
zu ſeinem Gemahl: Wie/ lebet dann Kleon gleichwol noch/ und ihr habt mir ihn ſo gewiß
Tod geſagt? ſo wird ja niemand als er ſelbſt mich im Bette ſo elendig zugerichtet haben?
Was weis ichs ſo eigen? antwortete ſie; und wie haͤtte er bey ſchlaffender Nacht auff un-
ſere verſperrete Kammer kommen koͤnnen? es wird etwa ſein Engel geweſen ſeyn/ welcher
den Frevel an euch nicht hat wollen ungerochen laſſen. Iſt er aber ein ſo gewaltiger Herr/
und unſers neuen Fuͤrſten gleimaͤſſiger Freund/ ſo ſeid ja bald darauff bedacht/ wie ihr
Gnade und verzeihung eures verbrechens bey ihm erlanget; Ich vor mich habe ein gutes
Gewiſſen/ daß ich ihn nicht beleidiget/ ſondern mehr als keinen Menſchen in dieſer Welt
geliebet habe/ wie dann ſeine Tugend ein ſolches wolverdienet. Ihr aber Orſillos/ komt/
ihr ſolt zur anzeige meiner guten Gewogenheit mit uns zu Tiſche gehen; gedenket des ge-
ſchehenen nicht weiter und verſichert euch/ daß eure damahlige Geiſſelung von eurem H.
Kleon ſelbſt beſtellet/ [und] durch jenes Fenſter angeſehen ward. Alles Geſinde verwunder-
te ſich dieſer Verenderung/ und daß Orſillos mit ihrer Frauen Mahlzeit hielt/ welcher
nach auffgehobenen Speiſen den ganzen Verlauff mit Gobares erzaͤhlen muſte/ und kunte
ſie nicht unterlaſſen den Unfall zubeweinen/ wovon ſie doch bald abbrach/ und nach Kleons
Weſen fragete; Welches er alles meldete/ und daß er mit ſeinem rechten Nahmen nicht
Kleon/ ſondern Fabius hieſſe/ waͤhre ein Hochaͤdler Herr aus Rom/ und des Roͤmiſchen
Stathalters zu Padua einiger Sohn/ ein Roͤmiſcher Rahts Herr/ und Obriſter uͤber ei-
ne Legion Roͤmiſches Kriegs Volk/ dem ſein H. Vater neulich 6000 Roͤmiſche Reuter
zugeſchikt/ die ihm auffwarten muͤſten; haͤtte auch Gobares Heer geſchlagen/ ihn ſelbſt ge-
fangen/ und das geraubete Koͤnigl. Fraͤulein/ deren an Schoͤnheit/ Waffenserfahrenheit/
freudlichkeit/ Tugend und froͤmmigkeit in der ganzen Welt kein Menſch gleichete/ erloͤſet;
und eben dieſe Groß Fuͤrſtin/ ſagte er/ hat durch ihre kraͤfftige Vorbitte mir Gnade und
freyheit erworben/ da ich ſonſt Zeit meines Lebens in ſchweren Ketten haͤtte muͤſſen zubrin-
gen. Iſt dann dieſes Fraͤulein etwa ſeine Liebſte? fragte Statira. O nein/ antwortete er:
Sie ehret ihn zwar hoch/ aber er wartet ihr auff als ein Diener. Es iſt aber ein ander Hꝛ.
Groß Fuͤrſt Herkules/ deßgleichen durchaus nicht zufinden iſt; alle Fuͤrſten ehren ihn; un-
ſer Fuͤrſt Pharnabazus ſtehet ihm zudienſte/ uñ iſt faſt gleicheꝛ Schoͤnheit mit dem hoͤchſt-
gedachten Fraͤulein/ ein Herr/ dem die erſten Haar des Barts kaum anzumerken ſind/ uñ
hat doch den Preiß/ das ſein Schwert unüberwindlich ſey; dieſer hat vor wenig Tagen
fBeyla-
[42]Fuͤnftes Buch.
Beylager mit dieſem Koͤnigl. Fraͤulein gehalten; deren Herr Bruder iſt auch daſelbſt/
ein herſchender Koͤnig in Boͤhmen/ dem 300 aͤdelknaben auffwarten; derſelbe ſol Herrn
Fabius meines Gn. Herrn einige Schweſter zum Koͤniglichen Gemahl haben/ woraus
leicht abzunehmen/ was vor ein vornehmer Herr der ertichtete Kleon ſeyn muͤſſe. Pfui ihꝛ
blinder unverſtaͤndiger Menſch/ ſagte Statira hierauff zu Nabarzanes; kuntet ihr euch
daß von mir nicht einbilden laſſen/ daß Kleon mehr als ihr und eures gleichen waͤhre? alle
ſeine Geberden gabens an den Tag; und was haͤtte ich ſonſt vor Urſach gehabt/ ihn zu eh-
ren und zulieben? Dieſer wuſte nicht/ wo er vor Furcht und Angſt bleiben ſolte/ dann er
meynete/ Kleon waͤhre ſchon vor dem Tohr/ ihn zuerwürgen/ und ſein Gemahl zu Heirah-
ten; baht ſie demnach inſtaͤndig/ ihm Gnade bey Kleon zuerwerben/ dem er herzlich gerne
abtrag machen/ und ihm alles abtreten wolte/ wañ er nur das bloſſe Leben davon braͤchte.
Aber zu ſeinem ſonderlichen Troſte hoͤrete er/ daß Fabius ſchon geheyrahtet/ und neulich
von ſeinem Gemahl Schreiben gehabt haͤtte. Statira ſtellete ſich gleichwol/ als wuͤſte ſie
wenig Raht/ und taht den Vorſchlag/ er ſolte 12 Reit Roſſe/ die Kleon ſelbſt abgerichtet/
mit dem allerbeſten Zeuge belegen/ ihm dabey vor etliche tauſend Kronen Kleinot ſchickẽ/
und ſelbſt mitzihen/ ob er verzeihung erhalten/ und in ruhiger beſitzung ſeiner Herſchaft uñ
geſchenketen Guͤter bleiben koͤnte; welches alles er gerne einwilligte/ ohn daß er baht/ ſie
moͤchte an ſeine ſtat die Reiſe auff ſich nehmen/ weil ſie alles viel leichter erhalten wuͤrde;
wozu ſie ſich dann nicht lange haͤtte bitten laſſen/ wann nicht ihr Gewiſſen der begangenen
Leichtfertigkeit ſie bezichtiget/ daß ſie durch die aͤuſſerſte bedraͤuung ihn zu ihrer Liebe ge-
zwungen haͤtte. Hierzu kam/ daß er weder muͤnd-noch ſchrifftlich ſie grūſſen ließ/ welches
aber Fabius gereuete/ und ihm erſt des andern tages nach Orſillos Abzuge einfiel; Sie hielt
demnach vors beſte/ es dißmahl mit einem Schreiben zuverrichten; ſchenkete Orſillos 80
Kronen/ und baht ihn/ ihretwegen nach Perſepolis zureiſen/ uñ ihren Dienern Geſelſchaft
zuleiſten; als er ſich nun darzu willig finden ließ/ ſetzete ſie folgenden Brieff auff.


Dem Durchleuchtigen Roͤmiſchen Herrn/ Herrn Fabius/ entbeut Statira herzlichen Gruß/
und bereitwilligſten Gehorſam; Durchleuchtiger Herr; es beklaget mein Gemahl mir mir/ die gro-
be Blindheit unſer Vernunft an/ daß ihrer Gn. Vortrefligkeit wir unter dem ertichteten Nahmen/
oder vielmehr unter dem durch Ungluͤk auffgelegten Deckel der Knechtſchaft/ nicht haben erkennen
koͤnnen/ da dieſelbe doch ſo klar hervor leuchtete/ daß die unverſtaͤndigſten ſie mit Haͤnden haͤtte greif-
fen moͤgen. Ader ungleich tieffer gehet uns zu Herzen/ die groſſe Unbilligkeit/ euer Durchl. von uns/
wiewol aus unterſchiedlichen bewaͤgungen angelegt/ welche zu buͤſſen wir ſo willig als ſchuldig ſind/
wann nur einiges Vermoͤgen da waͤhre. Mein Herr/ bitte ich demuͤhtig/ wolle meinem Gemahl ſeinẽ
Unverſtand/ und mir die hefftigkeit aus ergebener Seele entſproſſen/ gnaͤdig uͤberſehen/ und dieſe gro-
ben Fehler mit dem Mantel ſeiner hohen Vernunft und Guͤte zudecken/ da ſonſt ihre Durchl. einige
Begierde/ die Errettung ihres Lebens betreffend/ an mir geſpuͤret. Wir ſtellen unſere Wolfahrt zu
euer Durchl. gnaͤdiger anordnung/ und bitten untertaͤhnig/ dieſelbe wolle bey unſerm Gn. Fuͤrſten uñ
Herrn/ Herrn Pharnabazus uns in Gnade und Gewogenheit bringen/ daß wir in Beſitz- und Nieſ-
ſung unſer Guͤter ohn verunruhet moͤgen geſchuͤtzet werden; uͤberſenden euer Gn die von ihr ſelbſt
abgerichteten Pferde/ und etliche geringe Sachen dabey/ mit bitte/ ſolches von uns anzunehmen; er-
kennen uns zwar ſchuldig/ unſer Verbrechen ſelbſt muͤndlich abzubitten; weil aber wir nicht wiſſen/
ob ihre Gn. unſere Gegenwart erleiden koͤnne/ ſind wir biß dahin alle Stunden bereit und willig der-
ſelben untertaͤhnig auffzuwarten/ und deſſen gnaͤdige verzeihung zuſuchen/ weſſen Mund und Feder
zuge-
[43]Fuͤnftes Buch.
zugedenken ſich ſcheuet; befehle eure Durchl. dem Schuz aller Goͤtter/ verbleibend/ als lange ich lebe/
deroſelben zu dienſt ergebene/ und gehorſame Statira.


Die Botſchaft ward auffs ſchleunigſte fortgeſand/ und erwartete Statira mit hoͤch-
ſtem verlangen/ was vor Antwort ſie von ihrem lieben Kleon bekommen wuͤrde. Es trug
ſich aber des folgenden Tages ein klaͤglicher Fall zu/ dz der gute Nabarzanes auff der Hirſch-
jagt von einem grimmigen Loͤuen unvermuhtlich uͤberfallen/ und in ſtuͤcken zuriſſen ward/
woruͤber ſein Gemahl ſich anfangs zwar entſetzete/ aber weil ſie ſchlechte Liebe zu ihm trug/
ſich bald zufrieden gab/ und ihm eine ehrliche Leichbegaͤngnis mit zimlichen Koſten auß-
richtete.


Zu Perſepolis hatte man acht Tage in freuden gelebet/ nach deren Endung man ſich
des Krieges nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen annam/ und wurden die Voͤlker ihren Feld Her-
ren/ wie oben gemeldet/ angewieſen/ denen ſie gleich ſo wol/ als der Fuͤrſtlichen Verbünd-
nis ſchwoͤren muſten. Herkules ſahe vor gut an/ daß man mit dem Feldzuge eilete/ damit
der Feind nicht auff Perſiſchem Boden feſten Fuß ſetzete/ welches ohn gaͤnzliche verder-
bung des Landes nicht geſchehen wuͤrde/ und waͤhre nicht beſſer Kriegen/ als wann man
die Pferde an Feindes Krippen buͤnde; dann ob ſie gleich daſelbſt ungeladen kaͤhmen/ hülf-
fe ihnen doch dz Futter ungleich beſſer/ als da mans ihnen kaͤrglich muͤſte zumaͤſſen. Her-
nach hielten ſie Kriegsraht/ ob ſie gar abſonderliche Heere fuͤhren/ oder alle Voͤlker zuſam-
men floſſen wolten/ und bekahmen von Charas durch ihre heimliche Kundſchaffer Zei-
tung/ daß Artabanus auff Syſimithres Wiederkunft loßbrechen/ und ſelbſt mit zufelde
gehen wuͤrde; Woraus Artaxerxes muhtmaſſete/ daß er ſeine ganze Macht in ein Heer zu-
faſſen geſinnet waͤhre/ weil er ſolcher Art ſich ſtets gebrauchete/ und ſie daher zurahte wur-
den/ ſich auff eben die Weiſe zuſetzen; wurden alſo alle Fuß Voͤlker zuſammen gefuͤhret/
welchen Artaxerxes ſelbſt vorſtehen wolte/ nebeſt dem Mediſchen Groß Fürſten. Herku-
les und Pharnabazus nahmen die Mediſchen/ Aſſyriſchen und Suſtaniſchen Reuter ſamt
den Teutſchen und 6000 geworbenen/ das ihr Heer in 92000 Mann beſtund. Ladiſla hat-
te die Perſiſchen/ Hirkaniſchen/ Baktrianiſchen/ Margianiſchen/ Ariſchen und Drangia-
niſchen nebeſt ſeinen Boͤhmen und 2000 Geworbenen/ die ingeſamt 80000 Mann auß-
trugen. Fabius hatte den Vorzug mit allen Roͤmiſchen/ deren 7000/ nebeſt ſeinen eigenẽ
Geworbenen 1000/ und noch 10000 anderen Geworbenen/ ingeſamt 18000 Reuter. Ar-
bianes mit ſeinem fliegenden Heer/ 14000 ſtark/ begleitete das Frauenzimmer/ und wur-
den die Elefanten zwiſchen das Fuß Volk gefaſſet/ welches mit den Elefanten-Schuͤtzen
161000 außtrug. Artabanus feirete auch nicht an ſeinem Orte/ weil ihm ſeiner Feinde
Macht von unterſchiedlichen Laͤndern und Staͤdten zugeſchrieben ward/ daher er ſich um
Mannſchafft ſehr bewarb/ auff daß er den unſern mit der Menge moͤchte uͤberlegen ſeyn/
bekam deren auch eine groſſe Anzahl/ weil die wenigſten der Fürſtlichen Verbuͤndnis ſich
des Abfals durfften merken laſſen/ ſondern ihm freie Werbung geſtatten muſten. Seinen
Auffbruch hinderte nichts als des Skytiſchen Heeres anzug/ und ſeines Geſanten Syſi-
mithres Wiederkunft/ deren er zuvor erwarten uñ die Antwort wiſſen wolte/ weil er durch
Bagophanes Einbildungen ſich einer gewuͤnſcheten Verrichtung vermuhten wahr/ daß
er ſich ſchon gegen denſelben vernehmen ließ/ wie mit harten Straffreden er das Fraͤulein
f ijanfah-
[44]Fuͤnftes Buch.
anfahren/ und ihren Bruder und Oheim die eine Stunde vor Koͤnige in Perſen und Me-
den erklaͤren/ und die andere Stunde ſie lebendig ſchinden laſſen wolte. Aber O wie ging
ihm dieſer Anſchlag ſo gar zu nichte/ als der Geſante ſich wieder einſtellete/ welcher ſich der
lauteren Warheit gebrauchen wolte/ und mit duͤrren Worten andeutete/ mit was ſchlech-
ter ehrerbietung die Koͤniglichen Brieffe waͤhren angenommen/ und hoͤniſch verlachet
worden; und ob gleich das Fraͤulein zimliche Hoͤfligkeit gebrauchet/ waͤhre es doch nur
bloß zum ſcheine geſchehen; maſſen ſie in Gegenwart nicht allein der Fuͤrſten/ ſondern al-
ler vornehmen Herren und Kriegs Obriſten ſich oͤffentlich verlauten laſſen; ſie haͤtte den
Koͤnig zuentleiben den fleifen Vorſaz gehabt/ dafern die Rettung dem falſchen Valikules
ſolte gefe[hle]t haben; ihr Bruder aber hinzugetahn/ daß er ſeine Schweſter lieber erwuͤrgẽ/
als ſie Artabanus/ (ſo ſchlecht hin haͤtte er ſeine Koͤnigl. Hocheit genennet) zum Gemahl
goͤnnen wolte; und waͤhre endlich das ganze Weſen dahinaus geſchlagen/ daß er ſelbſt haͤt-
te muͤſſen anſehen/ wie Herkules ſich mit ihr ehelich vertrauet/ und des Abends ſie mit ſich
nach Bette gefuͤhret/ da ſie bey dem Hochzeit Feſte in den übergeſchikten Kleidern uñ Klei-
noten nicht anders gepranget/ als ob ſie dieſelben dem Koͤnige als eine Beute abgenom̃en
haͤtte. Nach welcher erzaͤhlung er mit einer bewaͤglichen Rede anfing den Koͤnig von die-
ſer Liebe/ die nunmehr unmoͤglich waͤhre/ abzurahten. Es hoͤrete aber Artabanus dieſe
Zeitung mit groſſer Ungeduld und eiferiger Bewaͤgung an/ daß er meynete vor unmuht
zuberſten/ ſchwuhr auch bey ſeinem Haͤupte und Reichsſtabe/ dieſe Schmach und belei-
digung dergeſtalt zuraͤchen/ daß alle Welt ein Beyſpiel daran nehmen ſolte; und kunte
dañoch die Liebe nicht daͤmpffen/ ſondern wie unmoͤglicher man ihm die eingebildete nieſ-
ſung machete/ je heftiger er darnach ſich ſehnete/ daß er nicht umbhin kunte/ ſeinem Bago-
phanes zuvertrauen/ er wolte nicht deſtoweniger Herkuliſken zum Gemahl haben/ ſo bald
er den Erzverraͤhter Valikules hingerichtet haͤtte. Daß nun ſolches zeitig gnug ins Werk
gerichtet wuͤrde/ befahl er alle Voͤlker vor Charas zuverſamlen/ deren algemeiner Heer-
ſchauung er ſelbſt beywohnen wolte. Der gebohrnen Parther wahren 120000 zu Roß/ uñ
60000 zu Fuſſe. Das Skytiſche Heer beſtund in 70000 Reutern und 20000 Lands-
knechten/ unter welchen 10000 freywillige wahren. Die Geworbenen auß allen Landſchaf-
ten erſtrecketen ſich auff 80000 zu Pferde/ und 100000 zu Fuſſe; und hatten ſich noch viel
Indianer/ als 26000 Reuter und 14000 Fußgaͤnger von ihm beſtellen laſſen/ daß alſo ſei-
ne Reuterey 296000; dz Fuß Volk aber 194000 Mañ ſtark wahr; ein Heer von 490000
Koͤpffen. Sie wahren ſchon alle mit Gewehr wol verſehen/ und durch taͤgliche Ubung
zum Schimpff und Ernſt abgerichtet/ beydes in Feldſchlachten uñ beſtuͤrmung der Staͤd-
te und feindlichen Lagers ſich gebuͤhrlich zubezeigen/ dann Artabanus wahr nicht willens
lange zuſpielẽ/ ſondern in einem Ruk alles zuuͤberwaͤltigẽ/ damit ja die fremdẽ aus Teutſch-
land mit der ſchoͤnen jungen Frauen ihm nicht über Meer entgehen moͤchten. 500 Elefan-
ten hatten 12000 Schuͤtzen auffgeladen/ bey denen Artabanus ſich ſelbſt wolte finden laſ-
ſen/ und wurden zwiſchen das Fuß Volk eingeſchloſſen/ uͤber welches ein gewaltiger Par-
thiſcher Fuͤrſt/ Herr Pakorus geſetzet wahr/ ein Held/ ſonderlich zu Fuſſe zuſtreiten/ deß-
gleichen in allen Morgenlaͤndern nicht zu finden wahr/ weil er nicht allein guter Faͤuſte/
und treflicher Kraͤfte und erfahrenheit/ ſondern dabey vorſichtig/ verſtaͤndig und Tugend-
haft/
[45]Fuͤnftes Buch.
haft/ auch eine Schlacht zu ordnen geſchikt wahr. Die Partiſche Reuterey ward in drey
Teile geſetzet; den erſten fuͤhrete Dorylaus zum vortrabe/ ein verwaͤgener Menſch/ und be-
ſtund in 40000 Reutern/ als 26000 geworbenen/ 10000 Parthen/ und 4000 Skythen.
Den linken Fluͤgel befehlichte Fuͤrſt Oſazes/ ein Ritter von groſſer Leibeskraft/ der in rit-
terlichen uͤbungen nie unten gelegen wahr. Sein Heer begrief in ſich 55000 Parthen/
66000 Skythen/ und 7000 geworbenen/ ingeſamt 128000 Koͤpffe. Den rechten Fluͤgel
hatte Fuͤrſt Vonones des Koͤniges naher anverwanter/ uñ ein außbund eines guten Feld-
Obriſten; er fuͤhrete 55000 Parthen/ 26000 Indier/ und 47000 geworbene/ wahr alſo
gleich ſo ſtark als Oſazes. Ein Sogdianiſcher Herr/ nahmens Arimazes/ wahr uͤber die
1200 Eiſerne Streitwagen geordnet. Der geſtrichene Madates uͤber die 12000 Elefan-
ten-Schuͤtzen; und Fuͤrſt Vologeſes wahr algemeiner Feldmarſchalk uͤber das ganze Koͤ-
nigliche Heer. Als dieſe erſchrekliche Macht gemuſtert ward/ ſaß Artabanus auff einem
hohen Turm/ von dannen er alles eigentlich wahrnehmen/ und das ganze Heer uͤberſehen
kunte; ſein Fuchsſtreicher Bagophanes ſtund neben ihm/ und fuͤllete ihn mit Hoffnung
von oben an biß unten aus/ wie es moͤglich waͤhre/ daß die abtruͤñigen Auffruͤhrer ſo groſ-
ſer Macht wiederſtehen ſolten/ unter welchen kein unduͤchtiger Mann waͤhre. O wie hef-
tige Reue wird dem Koͤniglichen Fraͤulein in wenig Tagen kommen/ ſagte er/ daß ſie eure
Hocheit verlaſſen/ uñ an den unbaͤrtigen Laffen ſich gehenket hat/ welcher die erſten Fruͤch-
te ihres ſchoͤnen Leibes gebrochen/ zu deren nieſſung niemand/ als ihre Hocheit berechtiget
iſt; jedoch kan eine ſchoͤne junge Witwe auch noch wol ihren Mann erfreuen/ die ich dann
in kurzen gedenke eurer Hocheit zuzuführen. Artabanus ward hiedurch ſo enttzuͤndet/ daß
er vor ungeduld nicht zu bleiben wuſte; die Seufzer brachen ihm loß/ uñ fing an zu ruffen;
O du außbund der ungefaͤrbeten Schoͤnheit/ du allerholdſeligſte Herkuliſka; wie haſtu
doch aus getrieb einer toͤhrichten Liebe die hoͤchſte Ehr dieſer Welt verlaſſen/ und mit Leib
und Lebensgefahr dich von hinnen machen koͤnnen/ da dir doch alles/ was dein Herz wuͤn-
ſchete/ gegoͤnnet/ und willig eingereichet ward; dir ſtund frey/ mein Blut in meinen Anveꝛ-
wanten und liebſtem Sohne zuvergieſſen; mehr Verehrungen haſtu meinetwegen em-
pfangen/ als niemahls einige Koͤnigin vor dir; und mochte doch dieſes alles deine Dank-
barkeit nicht heraus locken. O du nichtiger boßhafter Valikules/ haͤtteſtu dir nicht irgend-
wo ein Weib uñ Beyſchlaͤfferin ſuchen koͤnnen/ du muſteſt uns dañ den treflichſten Schaz
unſer Seelen diebiſcher Weiſe entführen? Nun nun! wir muͤſſen/ wiewol ungern/ dir die
erſten Blumen und Liebesnieſſung goͤnnen/ aber wuͤſteſtu/ wie teur ſie dir ſtehen wird/ du
ſolteſt dich nicht ſo bald daran vergriffen haben; dañ wir wollen dich an allen deinẽ Glied-
maſſen/ ſonderlich/ die uns am meiſten beleidiget/ dergeſtalt peinigen und quaͤlen/ daß du
ein Beyſpiel ſeyn ſolt der ganzen Welt; damit hinfuͤro niemand ſich geluͤſten laſſe/ derglei-
chen frevel und muhtwillen an Koͤniglichen verlobeten Fraͤulein zubegehen. Aber ruffe
mir Syſimithres her/ ſagte er zu Bagophanes/ daß er uns außfuͤhrlich erzaͤhle/ in was
Schoͤnheit er ſie leztmahl geſehen. Dieſer merkete/ daß den Koͤnig ſolches zuhoͤren/ die un-
nuͤtzen Begierden antrieben/ gedachte deßwegen/ alle ſeine Reden dahin zurichten/ daß ihm
die vergebliche Liebe moͤchte benommen werden/ und ſagte: Allergnaͤdigſter Koͤnig; die
Schoͤnheit/ ſo ich leztmahl an der Groß Fürſtin Valiſka geſehen/ kam alle von ihrer Groß-
f iijKoͤnig-
[46]Fuͤnftes Buch.
Koͤnigl. Hocheit her; ſie hatte nicht ein Faͤdemchen an ihrem Leibe/ den ſie nicht aus den
mit uͤberbrachten Laden entlihen haͤtte/ und ob gleich dieſe Außreiſſerin ſich damit ein groſ-
ſes duͤnken laͤſſet/ ſo iſt es ihrer Koͤnigl. Hocheit doch ein geringer Verluſt/ als welche noch
wol ihr ganzes Frauenzimmer auff ſolche Weiſe außputzen koͤnte/ ohn einigen Abbruch ih-
res unermaͤßlichen Schatzes. Ey du einfaͤltiger/ ſagte Artabanus; beſtehet dir die Schoͤn-
heit dañ in den Kleidern/ ſo laß dir ein wolgepuztes Leibes-heßliche Baurenſtuͤk oder Dir-
ne herzufuͤhren/ alsdañ wird ſie dir ſchoͤn genug ſeyn. Wir fragen nicht/ was vor Kleider
unſer Fraͤulein am Leibe getragen/ ſondern wie ihr dieſelben angeſtanden; ja vielmehr was
vor Schoͤnheit an dem entbloͤſſeten teile ihres unvergleichlichen Leibes ſich ſehen laſſen.
Eure Koͤnigl. Hocheit/ antwortete er/ fodern von mir etwas/ deſſen ich entweder keinen
Verſtand habe/ oder doch mit euer Hocheit ungleicher Meynung bin. Doch vor erſt hat
ſie einen menſchlichen Leib/ wie andere Weibesbilder/ nur daß die zarte Haut und weiſſe
Farbe/ ſie bey uns Morgenlaͤndern ſelzam machet/ welches aber den Mitternaͤchtigẽ nichts
neues iſt/ als die von der Sonnen nicht gefaͤrbet werden/ wie wir dieſes Orts. Solte ich
nun meines Herzen Meynung von mir ſagen/ ſo halte ich dieſe Farbe an ihr vielmehr vor
eine Unvolkommenheit/ als vor eine Zierde/ dann ſie ruͤhret anders nirgendher/ als von der
Ungluͤkſeligkeit ihres Vaterlandes/ da die Sonne/ als gar zu weit entfernet/ den Menſchen
die gebuͤhrliche Farbe nicht anſtreichen kan/ ſondern ſie erbleichẽ laͤſſet. Man betrachte nur
einen Kirſch- oder Pflaumen-Baum/ deſſen eine Seite durch ſtaͤter beſchattung des zu
nahe ſtehenden Gebaͤues/ von der Sonnen abgekehret iſt; ob nit daſelbſt die Fruͤchte bleich
und ungefaͤrbet blieben/ ſo daß man ſie nicht eins genieſſen kan. Ich halte davor/ es ſey mit
den Menſchen unterſchiedlicher Landes Arten gleich alſo; aber die der Sonnen und ihrer
Wirkung genieſſen/ ſind ohnzweifel die volkom̃enſten; uñ wird demnach mir kein Menſch
nicht einbilden/ daß mein Gemahl/ die fein braͤunlich/ und an allen Gliedern geſetzt/ nicht
ſolte ungleich ſchoͤner/ als dieſe junge Groß Fuͤrſtin ſeyn. Ich werde aber auch ihre Sitten
und Geberden etwas beruͤhren muͤſſen; dieſe nun ſtraff ich nicht/ nach dem aͤuſſerlichen An-
ſehen/ und kan wol ſein/ daß ſie von ihrem wol unterwieſenen Frauenzimmer hieſelbſt/ ſol-
che Hoͤfligkeit gefaſſet; aber andere weibliche Tugenden finde ich in zimlicher ſparſamkeit
bey ihr. Dann vor erſt iſt ſie blutgierig; durfte nicht allein in ihrer Koͤnigl. Hocheit anwe-
ſenheit/ den beruͤmten Fuͤrſten/ Herꝛn Vologeſes den jüngeꝛn erſchieſſen/ ſondern ſie beruͤm-
te ſich offentlich/ in aller andern Gegenwart/ daß ſie den treflichen Koͤniglichen jungen H.
Herrn Gotarzes mit ihrem Brodmeſſer entleibet; ja wie ſie ihre Koͤnigl. Hocheit ſelbſt
im Braut Bette haͤtte auffopffern wollen/ wie ſolches ehmahls einem Aſſyriſchen Feld-
Herrn Holofernes von einem Judiſchen Weibe/ nahmens Judith ſolte begegnet ſeyn.
Nun ſind ja die erſten beyden Mordtahten ihr gegluͤcket/ und grauet mir nicht wenig/ wañ
ich an das dritte gedenke/ daß vielleicht haͤtte koͤnnen ins Werk gerichtet werden; daher wir
den Parthiſchen Schuz Goͤttern billich danken/ daß ſie dieſes unaußſprechliche Ubel gnaͤ-
dig abgewendet/ und ein ſolches moͤrderiſches Fraͤulein aus unſerm Lande verbannet ha-
ben. Mag demnach der weißmaͤulichte Herkules ſich eine Zeitlang mit ihr ſchleppen/ biß
ſie ſeiner muͤde wird/ wie ſie mir dañ ſehr unbeſtaͤndig vorkomt; hernach wird ſie ihn ſchon
abſchlachten/ und einen friſchen Reuter ſuchen. Bagophanes ſahe/ daß dieſes lauter toͤdli-
che
[47]Fuͤnftes Buch.
che Dornen/ ja Schwerter-Stiche in Artabanus Herzen wahren; gedachte deßwegen
ſich durch eine verantwortung beliebet zu machen/ und fing alſo an: Ich weiß nicht/ Herr
Syſimithres/ ob ihr nicht allein der Vernunfft abgedanket/ ſondern gar bloͤder Augen und
unſinlicher Sinnen worden ſeid/ in dem ihr laͤſtern und ſtraffen duͤrffet/ was alle Menſchẽ
ruͤhmen/ und Groß Koͤnigl. Hocheit ſelbſt vor ihren unvergleichlichen Schaz haͤlt. Drey-
erley habt ihr an dem vortreflichſten Fraͤulein der Welt (ja ich halte ſie noch vor ein unbe-
ruͤhrtes Fraͤulein; maſſen die Parthiſchen Goͤtter dem Diebiſchen Raͤuber Herkules das
Vermoͤgen nicht goͤnnen werden/ ihr den genies abzurauben/ welcher ihrer Groß Koͤnigl.
Hocheit einig und allein zuſtehet/ ſondern ſie werden ihn laͤhmen und ſchaͤnden/ als der des
guten unwirdig iſt) ſo ſage ich nun; dreyerley habt ihr an dieſem unvergleichlichen Fraͤu-
lein getadelt und beſchimpffet/ wo nicht gar geſchaͤndet; vor erſt/ ihres Leibes allerzarteſte
Schoͤnheit; hernach ihrer Sitten und Geberden hoͤchſtwolgeſtalte bildung; und endlich
ihre Liebesneigungen gegen unſern groſſen und hoͤchſtherſchenden Koͤnig. Das lezte muß
ich im aufange wiederlegen/ dañ es deucht mich das wichtigſte ſeyn. Hier ſprechet ihꝛ nun;
das Fraͤulein habe ſich eines vorgehabten Mordes gegen unſern hoͤchſtgedachten Koͤnig
vernehmen laſſen. Ja wer hats gehoͤret? Herr Syſimithres. Hat ſie es ihm dann in ver-
trauen gebeichtet/ und da ſie mit ihm allein wahr/ daß ſie nach ihrem Willen reden durfte?
Nein; in gegenware ihres Bruders und Oheims/ der beyden Wuͤteriche/ welche ſie hier-
zu gezwungen. Ey daß waͤhre wol ein ſtatlicher Beweißtuhm/ daher man der Fraͤulein ei-
gentlichen Willen urteilen ſolte? Sie hat Bagophanes ihres Herzen Meynung wol auf
andere Weiſe entdecket/ mein Herr Syſimithres; da ſie mit mir einen Abtrit in ein Ne-
bengemach nam/ und ſich beklagete/ was geſtalt der Zaͤuberer Valikules/ der ja ſein Antliz
verendern kan/ wie oft/ und auff was Art er wil/ ſie durch ſeine Schwarzkunſt Wizloß ge-
macht/ uñ als im tieffen Schlaffe entfuͤhret/ daß ſie noch nicht wiſſen koͤnne/ wie ihr geſche-
hen ſey; welches ich dann umb ſo viel gewiſſer ſeyn halte/ weil auch ihr Angeſicht allerdin-
ge iſt verendert geweſen/ und ihr Wirt/ da ſie geherberget/ ſolches bezeugen kan/ wie er auch
ſchon aͤidlich daruͤber iſt befraget worden. O wie beklagete ſie gegen mich/ daß ſie dem Al-
lergroßmaͤchtigſten Koͤnige entfuͤhret/ ſich ohnzweifel rechtſchaffen würde muͤſſen ſtreichen
und ſtaͤupen laſſen/ weil ſie nicht unterlaſſen koͤnte/ nach ihm zu ſeufzen; und waͤhre ihr noch
dieſe Hoffnung uͤbrig/ ihr allergnaͤdigſter Koͤnig/ der einige Schaz ihrer Seelen/ wuͤrde
ſich ihrer erbarmen/ und mit dem Schwerte ſie loßmachen. Sehet Herr Syſimithres/
diß iſt ihr vorgenommener Mord; diß iſt ihr verborgenes Meſſer im Luftweher; ja freilich
im Luftweher/ das iſt/ in der tichtung/ die in der Luft verwehet wird. Aber ſie ſol ja den trefli-
chen Fuͤrſten Gotarzes entleibet haben. O ein neues Gedichte! zu welcher Zeit? an was
Orte? etwan auff ihrem Schloſſe? ey fraget ihr Frauenzimmer/ ob ſie deſſen einige Wiſ-
ſenſchaft habe; oder anderswo? warumb weiß dann Koͤnigl. Hocheit nichts drumb? Es
iſt wahr/ daß der junge Fuͤrſt verlohren worden/ aber weit von hinnen; nicht auff dem We-
ge Perſenwerz/ ſondern nach Indien zu/ woher er ein Kriegs Heer ſeinem Herr Vater uñ
Koͤnige zufuͤhren wollen. Vologeſes niederſchuß haben weder ihr noch ich zu rechtfertigẽ/
welchen Groß Koͤnigl. Hocheit ſelbſt gebillichet/ dabey es ſeyn verbleiben hat. Alſo werdet
ihr nun lernen/ Herr Syſimithres/ daß ihr nur durch ein blindes ſchrecken auffgezogen
ſeid/
[48]Fuͤnftes Buch.
ſeid/ und das Fraͤulein nicht anders hat reden oder ſich anſtellen duͤrffen. Nun muͤſte ich
mich bemühen/ der Fraͤulein Sitten und Geberden zubeartigen; ja wann einiger Gebrech
der Volkom̃enheit daran erſchiene; wer hat jemahls etwas volſtaͤndigers an einem Fraͤu-
lein geſehen/ als wann dieſe unvergleichliche gehet/ ſtehet/ ſitzet/ tantzet/ und nach Standes
unterſcheid ſo mañiche Art im empfahen/ anreden/ handbieten abzuwechſeln weis/ dz mans
nur mit entzücketer verwunderung anſehen muß. Aber Herr Syſimithres wil Groß Koͤ-
nigl. Hocheit bereden/ ihr Frauenzimmer zu Charas habe ſie ſolches gelehret. Ey gehet
hin mein Herr/ und fraget/ die meiſten ſind annoch verhanden/ welche unter ihnen Meiſte-
rin geweſen; und wann ihr in dieſem Stuͤk die Warheit an euer Seiten habet/ wil ich al-
les gelogen haben/ ſonſten richte ich euch uñ euer übriges nach dieſem. Ich muß mich aber
faſt zum Schiefer lachen uͤber der Vergleichung zwiſchen dem allerſchoͤnſten Fraͤulein uñ
eurem Gemahl/ deren Ehre ich durchaus nicht ſchaͤnde/ weil nie keiner gehoͤret/ daß derſel-
ben einiger ſolte nachgeſtellet haben; Aber mein Herꝛ/ die reizungen/ verzeihet mir/ ſind auch
nicht darnach/ from iſt ſie/ auch einfaͤltig und bloͤde gnug/ aber ſchoͤnheit halben habt ihr ſie
nicht geheyrahtet/ und gedenke ich noch wol/ daß ihre Fr. Mutter zu ſagen pflag; Wie ha-
ben doch zween gnug ſchoͤne Ehegatten eine ſo ungeſchaffene Tochter zeugen koͤnnen? und
wie werde ich dereins meiner Odatis loß werden? ich muß ihr verſtelletes Angeſicht mit
Kleinoten bedecken/ und ihren ſchwarzgelben Leib mit dickem Silberſchaum und Perlen
vermahlen; gehet ſie dann gleich etwas krum/ wil ich ſie mit guͤldenen Stuͤtzen gerade ſtel-
len/ und ihre Ungeſtalt mit klingenden Pfeñigen noch wol beliebet machen. Ich ruͤcke euch
dieſes nicht auff/ Herr Syſimithres/ nur allein beweiſe ich/ das eure Urtel/ die Schoͤnheit
betreffend/ ja ſo vernuͤnfftig ſey/ als dieſer Stab. Dann lieber ſaget mir; hat auch wol ei-
niger Menſch ein Fraͤulein von ſo uͤberaus wolgeſtalten Gliedmaſſen geſehen/ als dieſe iſt;
betrachtet/ bitte ich/ ihr Haͤupt uñ Angeſicht; das guͤldene Haar/ die glatte erhabene Stirn/
die gleichgezogenen Augenbrahnen/ die lachenden Auͤgelein/ wahrlich zwo reitzende Son-
nen an dieſem Liebes-Himmel. Was ſol ich von den weder geſchwollenen noch eingeſenke-
ten Waͤngelein ſagen? deren rohtes dem weiſſen einen unbeſchreiblichen Glanz erteilet/
und dannoch ſich anders nit anſehen laͤſſet/ als ob dieſe Farben einẽ ſtetswehrenden Streit
untereinander fuͤhren/ welche unter ihnen dem Fraͤulein die anmuhtigſte behaͤgligkeit er-
teile. Die Naſe iſt nach allem Wunſch gerade/ und durchaus nicht brackig; die Lippen
trotzen den Rubinen/ die Zaͤhne dem Helffenbein/ der Odem den allerwolrichenſten Kraͤu-
tern. Aber O des Honigſuͤſſen Zuͤngeleins/ daß kraͤftig gnug iſt/ die todten zum Leben zu er-
wecken. Und wer hat jemahls ein anmuhtiger Kin geſehen? verzeihet mir/ ihr pflaumen-
weiche Alabaſter Haͤndichen/ daß ich weder euch noch eure Fingerlein/ die zehn ſchmeidi-
ge Liebes-pfeilichen/ ſo das Herz durchboren/ zubeſchreiben weis/ ſondern nur erſtumme/
wann ich die lebendigen Demant Naͤgel an ihnen betrachte. Gewißlich/ ihr Haͤndichen/
da ich/ euch zuküſſen und zuberuͤhren gewirdiget wahr/ dauchte mich/ es waͤhre ein goͤttlich
Fleiſch. Das voͤllig geſezte/ uñ laͤnglicht geſtreckete Haͤlſelein wird weder Praxiteles durch
alle ſeine Kunſt aus einem Marmel nachbilden/ noch Apelles mit ſo hoher Farbe anſtrei-
chen koͤnnen. O der gleichmaͤſſigen wolgefügten Schuldern! weiter gehenicht Bagopha-
nes/ mit deiner kuͤhnheit/ ob du gleich die Apfel-rund-erhobenen Bruͤſtlein mit einer zarten
Linne
[49]Fuͤnftes Buch.
Linnewad eingehuͤllet/ aber nie etwas wolſtaͤndigers oder anmuhtigers geſehen haſt/ und
deine Augen nicht den allergeringſten Unterſcheid der Zierligkeit und groͤſſe an dieſen ein-
traͤchtigen Zwilling-Rehen merken kunten. Wer nun mir nicht glaͤuben wil/ der frage
ihr hieſelbſt anweſendes Frauenzimmer/ ob ſie ſich unterſtehen duͤrffen/ ihres Buſems vol-
kommenheit außzureden. Das uͤbrige ihres Leibes bleibet noch zur Zeit allen Mannesbil-
dern verborgen/ biß ihre Groß Koͤnigl. Hocheit ſie wieder bekommen wird; dañ ich weiß/
daß ſie dem Laffen Herkules ſolches nimmermehr ſehen laͤſſet. Dieſes alles nun darf Herꝛ
Syſimithres nicht allein geringe ſchaͤtzen/ ſondern es gar als eine Gebrechligkeit verwerf-
fen. Aber er ſage mir/ bitte ich/ aus was Urſachen er die zarte Haut und ſchneweiſſe Farbe
ein Haͤupſtük der Schoͤnheit ſeyn/ leugnet? kan er etwa die ſchaͤrffe der Haut/ und ſchwaͤrze
der Farbe ohn anhang der heßligkeit ihm wol einbilden? ja/ ſpricht er; die ſchwarzen Kir-
ſchen und Pflaumen ſind beſſer dann die weiſſen. Ey der ungereimten Vergleichung! H.
Syſimithres/ wiſſet ihr nicht/ daß dieſer gewaͤchſe Schoͤnheit in der ſchwaͤrze beſtehet? iſts
aber mit den Weibsbildern auch alſo beſchaffen/ ey ſo iſt trauen eure Odatis noch lange nit
ſchoͤn genug/ ſondern ihr muͤſſet ſie in die Schwarzfaͤrbe ſchicken; oder fürchtet ihr was
ungenehmes von den Faͤrberknechten/ ſo fahret mit der Schwarzbuͤrſte uͤber ihren Leib/
wie euer Junge uͤber die Stieffeln/ ſtellet ſie an die Heerſtraſſe/ und fraget/ ob ſie dann nun
nicht ſchier hübſch und ſchoͤne gnug ſey. Ja ja Herr Syſimithres/ wir müſſen nunmehr
die Weiber nach euer Urtel aus Morenland hohlen/ da es ihnen an der Sonne nicht ge-
bricht/ ſondern ſie ſchwarz genug gefaͤrbet werden. Deucht euch aber dieſes ungereimet/ ſo
beſchuldiget hinfuͤro die liebe Sonne nicht/ umb das ſie dieſes allerſchoͤnſte Fraͤulein nicht
ſchwarz faͤrben wollen/ und lernet die Unguͤltigkeit euer gleichnis von den Pflaumen Baͤu-
men/ aus meiner vielbeſſern erkennen. Wann ihr grobe und zarte Linnewad an die Sonne
außleget/ welche machet ſie doch am weiſſeſten? die grobe/ oder die zarte? Es iſt hie keiner
Nachfrage von noͤhten/ die Bauren Maͤgdlein wiſſens wol. Nur dieſes einige hat etwas
Schein/ daß ihr ſaget/ die weiſſe Farbe ſey bey den mitternaͤchtigen Voͤlkern gemein. Ge-
ſetzet; ſind aber die Weibsbilder alle bey ihnen ſo zart/ ſo wolgeſtalt/ ſo artig gegliedert? und
laſt es ſeyn/ daß die Farbe von ihrer Landesart/ und gemein ſey; ſo iſt ſie uns aber ſelzam uñ
fremde. Das ſelzame aber wird immer am hoͤchſten geſchaͤtzet/ wo es deſſen ſonſten wert iſt.
Was machet den Tyriſchen Purpur in andern Laͤndern teur? je weil man ihn daſelbſt
nicht zurichten kan. Nun Herr Syſimithres/ ſo laſſet doch die Schoͤnheit dieſer unver-
gleichlichen Fꝛaͤulein unangefochten uñ ungeſchaͤndet/ wovon euch abzuhalten dieſes gnug
ſeyn ſolte/ daß ſie unſerm allergnaͤdigſten Koͤnige gefaͤllet/ deſſen Urtel und Wille ja den eu-
ren billich zum gehorſamen Untertahnẽ haben ſol; wiewol bey deſſen Groß Koͤnigl. Hoch-
heit euch zuverunglimpfen ich durchaus nicht geſonnen bin/ ſondern vielmehr darlege uñ
erweiſe/ daß euer I[r]tuhm nicht aus Vorſaz oder wiederſpenſt[i]gkeit/ ſondern bloß aus un-
bedachtſamen unverſtande/ in dieſer Sache zu urteilen/ herruͤhret/ und ihre Groß Koͤnigl.
Hocheit euch deßwegen allergnaͤdigſt verzeihen wird. Artabanus wahr durch dieſe Be-
ſchreibung der Schoͤnheit und Wiederlegung der Syſimithriſchen gruͤnde in allen ſeinen
bewaͤgungen zugleich auffgemuntert; er kunte weder den Liebesreizungen/ noch dem über
Syſimithres gefaſſeten Eifer ſteuren/ daher er mit raſender Stim̃e alſo loßbrach: Dem-
gnach
[50]Fuͤnftes Buch.
nach du ungehorſamer wiederſpenſtiger Bube dich unterſtehen darfft/ daſſelbe ſchimpflich
zuverachten/ welches wir uns ſonderlich außerſehen/ und es zuerlangen/ Leib und Gut wa-
gen wollen/ haſtu dich forthin keiner Koͤniglichen Gnade mehr zugetroͤſten; uñ ob du zwaꝛ
dein Leben verwirket haſt/ wollen wir doch nach der ſchaͤrffe nicht verfahren/ ſondern du
ſolt in das Untergemach dieſes Turms gehen/ biß wir uns einer gewiſſen Straffe erklaͤret
haben. Der erſchrockene Menſch fiel vor ihm nider/ und baht ſehr klaͤglich/ ihm ſeine un-
bedachtſame Reden allergnaͤdigſt zuverzeihen/ weil er ſie boͤſer Meynung nit vorgebracht/
ſondern in den Gedanken geſtanden/ ihre Hocheit haͤtten einen ungnaͤdigen Willen auff
das Durchl. Fraͤulein geworffen/ wolte ſich hinfuͤro wiſſen zuhuͤten/ auch ſonſt in allen be-
gebenheiten ſein Blut und Leben vor ihrer Hocheit Wolfahrt willigſt anwenden. Weil
dann Bagophanes auch ſehr vor ihn baht/ uͤberkam er endlich verzeihung/ jedoch mit dem
bedinge/ daß da eꝛ dieſes Geſpraͤch einigem Menſchen offenbahꝛen wuͤrde/ er eines ſchaͤnd-
lichen todes ſterben ſolte. Hiedurch ward Syſimithres gewitziget/ ſeiner Zungen Frey-
heit zu maͤſſigen/ und in dem er ſeines Koͤniges beſtes ſuchete/ zugleich auch ſeiner eigenen
Wolfahrt wahr zunehmen; dann groſſe Herrn koͤnnen von ihren Untertahnen die Un-
terweiſung zum guten nicht wol annehmen/ inſonderheit wann ſie einer wuͤteriſchen Art
ſind/ und ihren Willen zur Richtſchnur der Erbarkeit ſetzen; aber den Ohrenblaͤſern und
laſterhaften/ und die alle Tugend/ ſo wieder des Koͤnigs Willen ſtrebet/ unterdrücken/ de-
nen ſtehet gemeinlich der Fuͤrſtliche Saal offen/ welche man doch billich mit verfluchung
und inſtendigem Gebeht der unmuͤndigen Kinder toͤdten ſolte/ weil von ihnen alle Landes
verderbung herruͤhret/ und umb ihretwillen die frommen ſolche Straffe uͤber ſich nehmen
muͤſſen/ welche ſie nicht verſchuldet haben. O des gluͤkſeligen Landes/ deſſen Fuͤrſt oder
Koͤnig nicht gedenket/ er koͤnne allein rahten/ ſondern hoͤret auch die/ ſo bey redlichen Leutẽ
wol geachtet ſind/ inſonderheit/ wann ſie nicht ſo ſehr auff die bereicheꝛung ihrer ſelbſt oder
der Fuͤrſtlichen Schazkammer/ ſondern auff des Fürſtlichen Hauſes und des Landes wol-
fahrt ſehen. Wie leicht iſt es geſchehen/ daß ein boßhafter Menſch unter dem Schatten
einer ſonderlichen Froͤmmigkeit und untertaͤhnigen gehorſams ſich bey dem Fuͤrſten be-
liebt machet/ und wann er erſt freien Zutrit hat/ gibt er genaue achtung/ wohin deſſen Ge-
muͤht am meiſten ſich lenket; findet er ihn dem Trunk zugetahn/ ſo iſt er mit Bechern und
Glaͤſern bereit und fertig; iſt er liebſuͤchtig/ ſo ruͤhmet er ihm fleiſches Wolluſt/ und weiß
das Laſter der Unzucht ſo artig zuentſchuldigen/ als waͤhre es eine halbe Tugend/ durch un-
ſere Eltern ſelbſt uns eingepflanzet/ deſſen laͤſſet ſich dann ein ohndaß freier Herr leicht be-
reden/ und da er vorhin den Begierden kaum das Schwankruͤtlein erteilete/ haͤuet er ſie
mit beyden Sporen an/ daß er alle ſo ihm im Wege ſtehen/ uͤbern hauffen rennet/ und von
allem guten reine Bahn machet/ biß ihm niemand einreden darff. O ihr Fuͤrſten/ O leidet
ja dieſe Schmeichler an euren Hoͤfen nicht/ die euch nur nach dem Maule reden; ihr ſeid
ja in euer Jugend zum guten und loͤblichen angefuͤhret/ und wiſſet/ was an ſich ſelbſt ſtraff-
bar und lobwirdig iſt; drumb leihet denen eure Ohren nicht/ welche vorgeben dürffen/ ei-
nem Fuͤrſten ſtehe dieſes oft wol an/ was andere mit dem Kopfe bezahlen muͤſſen. Haͤtte
Artabanus auffrichtige Raͤhte hoͤren wollen/ die ſein und ſeines Reichs beſtes ſucheten/
und dagegen den Fuchsſchwaͤnzern/ Bagophanes und andern ſeines gleichen nicht ins
Maul
[51]Fuͤnftes Buch.
Maul geſehen/ vielleicht herſcheten die Arſazier noch uͤber die groſſen Morgenlaͤnder; weil
er aber den leidigen falſchen einbildungen folgete/ muſte er Leben und Reich mit einander
verlieren/ wie wol unſere Geſchichte bißdahin ſich nicht erſtrecken wird. Als Syſimithres
von ihm gangen wahr/ trat Bagophanes Gemahl wieder hinein; ſie hatte ſich uͤberaus
praͤchtig/ aber ſehr leichtfertig gekleidet/ und hielt bey dem Koͤnige an/ ihr allergnaͤdigſt zu-
erlauben/ daß ſie mit dem Koͤnigl. Frauenzimmer reiſen moͤchte/ damit ſie ſeiner Feinde
und Auffruͤhrer Niderlage anſehen/ und dem Koͤnigl. Fraͤulein/ ſo bald ſie erloͤſet waͤhre/
untertaͤhnigſt auffwarten moͤchte; welches ihr gerne gewilliget ward/ weil durch ihre ſuͤſ-
ſe Reden und blinzende Augen/ die ihr ſonderlich wol anſtunden/ ſie den Koͤnig ſchon in
Liebesſtricken gefangen hielt/ und ſeiner mehr als einige andere genoß; worzu Bagopha-
nes nicht allein durch die Finger ſahe/ ſondern ſich groß dauchte/ daß er in ſolchen Gnadẽ
lebete. Inzwiſchen erhoben die unſern ſich von Perſepolis/ und fuͤhreten ihre muhtigen
Voͤlker/ denen Herkules und Ladiſla nichts als von groſſer Beute vorſchwatzeten/ nach den
Parthiſchen Grenzen in obgemeldeter Ordnung hin/ ſo daß das ganze Heer ſich in die bꝛei-
te faſt einer Viertelmeile außdehnete. Des vierden Tages nach ihrem Auffbruche/ kam
Orſillos mit Fr. Statiren Dienern an/ lieferte alles/ ſamt dem Schreiben/ Herrn Fabius
ein/ und zeigete an/ wie ſehr ſie umb ſchriftliche Antwort bitten lieſſe. Dieſer erinnerte ſich
zwar ſeiner Suͤnde/ wozu ſie ihn faſt genoͤhtiget/ betrachtete doch daneben die empfangene
Woltaht/ deßwegen er alles annam/ und im naͤheſten Flecken dieſes Antwortſchreiben
auffſetzete.


Wolgebohrne Frau/ hochwerte Freundin; billich muͤſte ich der Undankbarkeit beſchuldiget
werden/ wann meines Lebens erhaltung derſelben ich nicht zulegete/ und die vielfaͤltigen Woltahten
nicht erkennete; und ob zwar unſere gar zu frey gebrauchete Kundſchaft mir nicht gebuͤhren wollen/
weil ich zu Padua mein liebes Gemahl habe/ ſo ſind doch geſchehene Dinge nicht zuendern/ daher wir
des verlauffenen vergeſſen/ und hinfuͤro einer anderen zulaͤſſigen Freundſchaft uns befleiſſigen wol-
len. Gegen ihren Gemahl/ Herrn Nabarzanes/ den ich freundlich gruͤſſe/ haͤtte ſich meine Seele viel-
mehr zuentſchuldigen/ werde mich auch bemuͤhen/ ſolchen ungebuͤhrlichen Frevel in andere Wege zu-
erſetzen. Bedanke mich ſonſt wegen der uͤbermachten Geſchenke dienſtlich/ und bitte ſehr/ nach gehal-
tener Schlacht/ dafern ich lebe/ mich neben Herrn Nabarzanes zu Perſepolis zubeſuchen/ weil ich
zweiffeln muß/ ob meine Ruͤkreiſe/ ſie zuſprechen/ erleiden werde. Im uͤbrigen hat meine Freundin ſich
zuverſichern/ daß bey meinem Herr Bruder Fuͤrſt Pharnabazus ich nicht allein ihr guten Schuz und
verſicherung aller ihrer jetzigen Guͤter/ ſondern derſelben vermehrung leicht erhalten werde. Vor diß-
mahl fodert mich der Trometenſchal zu Pferde/ daher ich abbrechen muß. Empfele meine Freundin
ſamt ihrem Gemahl der Goͤtter obacht/ verbleibend/ weil ich lebe/ derſelben bereitwilliger Diener
Kajus Fabius/ ehmahls Kleon.


Bey dieſem Schreiben verſiegelte er ein Paͤklein Kleinot/ viel hoͤheres werts/ als
ihm zugeſchikt wahren/ ſtellete Orſillos alles zu/ uñ daß ers auffs ſchleunigſte uͤberbraͤchte/
ſchenkete ihm dabey 200 Kronen/ und hieß ihn mit nach Perſepolis kommen/ dann wolte
er ihn der empfangenen Streiche ergetzen. Nach ſeinem Abſcheide brach Fabius auff/ dañ
er hatte den Vorzug mit ſeinen Voͤlkern/ die ſchon vorhin wahren/ und nichts als des
Feindes ſchleunige Ankunft wuͤnſcheten; ſo nam auch Artaxerxes ein unfehlbares Zeichen
des kuͤnftigen Sieges daher/ daß alle Kriegs Oberſten mutig und des Streits begierig
wahren; ohn der einige Arbianes kunte durch nichts zur Froͤligkeit bewaͤget werden/ wo
g ijer
[52]Fuͤnftes Buch.
er reiſete oder ruhete/ wahr er ſtets ſchwermuͤhtig und mit tieffen Gedanken beladen/ daß
ihm nicht allein die lebhafte Farbe/ ſondern auch das Fleiſch entging/ deſſen niemand fleiſ-
ſiger als ſein Feldmarſchalk Leches/ und Groß Fuͤrſtin Valiſka wahrnahmen; und dieſe
zwar merkete aus allen umbſtaͤnden/ daß er mit heimlicher Liebe angefochten ward; daher
ſie ſich/ inbetrachtung ſeiner ehmahligen Neigungen einer ungebuͤhrlichen Luſt bey ihm
ihretwegen befahrete/ welche ihm zubenehmen/ ſie ſchon auff allerhand Mittel bedacht
wahr; dann ſie zweifelte nicht/ ſein Gemuͤht koͤnte durch angezeigete wichtige Urſachen/
von dem Irwege zur Tugend wiedergebracht werden; weil er ſich aber durchaus nichts
gegen ſie vernehmen ließ/ argwohnete ſie daneben/ ob er irgend an Libuſſen ſich vergaffet
haͤtte/ dann er ſuchete oft Gelegenheit/ mit ihr allein zureden/ dabey er viel und mancherley
Verenderung ſehen ließ. In dieſen ungewiſſen Gedanken verblieb ſie biß an den dritten
Tag nach ihrem Auffbruch/ da Leches ihr zuverſtehen gab/ er haͤtte ihn des vorigen tages
in ſeinem Zelte auff den Knien ſitzen/ und ein kleines Bruſtbildichen in beyden Haͤnden als
einen Spiegel halten ſehen/ welches er bald gekuͤſſet/ bald mit Traͤnen befeuchtet/ bald als
eine Goͤttin angebehtet; und da er nit irrete/ waͤhre es des Durchl. Fraͤulein aus Teuſch-
land/ Frl. Klaren Bildnis/ welches ſeine Libuſſa verlohren/ und er etwa muͤſte gefunden
haben. Die Groß Fuͤrſtin ſchlug vor freuden in die Haͤnde/ und antwortete ihm: O wie
tuht ihr ſo wol/ daß ihr mir ſolches offenbahret; dann ich habe mir in Warheit ſehr ge-
faͤhrliche Gedanken wegen dieſes Fuͤrſten Traurigkeit gemacht/ daß ich ſelber ſchwermuͤh-
tig druͤber worden bin; ich bitte aber/ ihr wollet dieſes alles in hoͤchſter geheim halten/ und
keinem einigen Menſchen offenbahren/ auch gegen Arbianes ſelbſt euch nichts merken laſ-
ſen. Ließ ihn von ſich/ foderte ein Pferd/ uñ ritte hin nach ihrem Herkules/ dem ſie mit freu-
den entdeckete/ ſie haͤtte Arbianes anliegen erfahren; erzaͤhlete ihm alles/ und fragete/ ob
er nicht meinete/ daß ihm in dieſer Liebe koͤnte geholffen werden; zum wenigſten muͤſte man
ihm voͤllige Hoffnung machen/ daß der unluſt Brunnen bey ihm gedaͤmpfet wuͤrde/ und er
ſich nicht ſelbſt durch graͤmnis verzehrete. Herkules gab ſeine Antwort; wann es in ſeiner
Macht ſtuͤnde/ wolte er ihm ſeine Frl. Schweſter nicht verſagen; weil er aber weder ſeineꝛ
Eltern noch Schweſter Meynung wuͤſte/ ob ſie in ſo weit abgelegene Heyraht einwilligen
würden/ koͤnte er nichts beſtaͤndiges rahten. Zwar ihm gute Hoffnung zu machen hielte er
vor noͤhtig/ doch daß man gleichwol nichts mehr verſpraͤche/ als man halten koͤnte/ und
der junge Fuͤrſt ſamt ſeinen Eltern nicht Urſach haͤtte/ ſich deſſen hernaͤhſt zubeſchweren.
Mein Schaz/ ſagte ſie/ ich wil ſchon wiſſen die Mittelbahn zutreffen/ gelebe auch der Hof-
nung/ die Heyraht mit Gottes huͤlffe zu ſchlieſſen/ da er ſonſt mit uns nach Teutſchland zu-
zihen Herzens gnug hat/ welches ich ihm doch nicht anbieten werde/ ſondern ſeiner frey-
willigen Erklaͤrung erwarten; kehrete wiederumb nach ihrer Gutſche/ und foderte Libuſ-
ſen zu ſich/ fragete nach der Fraͤulein Art und Sinnen/ und befand aus allen umbſtaͤnden/
daß ſie ſitſam/ ohn falſch/ und wol zubereden waͤhre/ offenbahrete ihr hernach ihr Vorha-
ben/ und ließ ſie wieder von ſich. Und als Arbianes bald darauff vor ihrer Gutſche her rit-
te/ baht ſie ihn/ ſich zu ihr zuſetzen/ da ſie ihn alſo anredete: Fuͤrſt Arbianes/ in ehren hochge-
liebter Herr Bruder; wie ich anfangs in euer Liebe Kundſchaft gerahten bin/ habe ich viel
eine froͤlichere Weiſe bey ihm gemerket/ als er jetzund ſpuͤren laͤſſet; ja wañ dazumahl mein
Herz
[53]Fuͤnftes Buch.
Herz mit tauſenderley Angſt und Sorge umbſpannet wahr/ machte ſeine anmuhtigkeit
mich derſelben zum oftern vergeſſen. Wohin iſt doch nun das freie Gemuͤhte gereiſet? wo-
her komt dieſer unliebliche Wechſel/ der das allergeringſte Zeichen einer Froͤligkeit an ihm
nicht mehr wil ſcheinen laſſen? Iſt euer Liebe etwa einige Unbilligkeit begegnet/ ſo gebe ſie
mirs zuverſtehen; oder findet ſich einiger Menſch in dieſer Geſelſchaft/ deſſen Gegenwart
er nicht ertragen kan/ ſo mache er mir denſelben nahmhaftig; oder empfindet er Leibes
Schwacheit/ welche der Arzney beduͤrffte/ wird er ſich ja ſelber nicht verſeumen; oder wel-
ches ich am erſten glaͤube; liebet mein Herr Bruder an einem Orte/ da er ohn Ehren- ab-
bruch zugelaſſen werden kan (dann ich halte ihn viel zu Fuͤrſtlich/ daß er ungebuͤhrlich lie-
ben ſolte) ſo laſſe er michs kuͤhnlich wiſſen; ich weiß wie verliebten umbs Herz iſt/ uñ weiß
daher auch/ wie man in dieſem falle Raht ſchaffen kan. Arbianes/ der ohndz bey Frauen-
zimmer bloͤde wahr/ und die Groß Fuͤrſtin hochehrete/ ward wegen dieſes Anſpruchs mit
einer groſſen Schamroͤhte uͤbergoſſen/ und weil ihm unmoͤglich wahr zu antworten/ auch
nicht wuſte/ was er antworten ſolte/ ließ er an ſtat der Rede einen ſchweren Seufzen/ dañ
die Zunge wegerte ſich ihres Amtes/ und die Vernunft in der Begierde zu kraus verwirꝛet/
hatte nicht Zeit zubedenken/ womit dieſe tief forſchende Frage ſolte erſetzet werdẽ; welches
die Groß Fürſtin merkend/ alſo fort fuhr: In ehren hochgeliebter Herr Bruder; ob eure
Liebe gleich auff meine Frage ſchweiget/ gibt doch der einige Seufzer vollige Nachricht/
und verſtaͤndiget mich/ daß ihr liebet; ja ihr liebet mein werter Fuͤrſt/ welches ihr ſo wenig
zuverbergẽ wiſſet/ als ich zu jener Zeit/ da Fürſt Pharnabazus mir meines Schatzes Bruſt-
bilde zeigete/ wie euch unvergeſſen iſt; rechnet ihr mich dann unter die Zahl eurer guten
Freunde/ ſo gebet mir euer Anligen zuverſtehen/ und pruͤfet mich in dieſem Stuͤcke/ wie ich
gegen euch geſinnet ſey. Arbianes empfing hiedurch ein Herz/ kuͤſſete ihr die Hand mit
groſſer Hoͤfligkeit und ehrerbietung und ſagte nachgehends: Durchleuchtigſte Groß Fuͤr-
ſtin; ihrer Durchl. ich unwirdiger Knecht bin viel zugeringe/ ſo hohes erbieten anzuhoͤrẽ;
dann es übertrift nicht allein mein Vermoͤgen/ ſondern alle erkaͤntnis/ daß ich daher mich
keiner Antwort zuerſinnen weiß; wann aber vor dieſe erzeigete hohe Gnade mein unguͤl-
tiges Blut gnug waͤhre/ daß in ihrem Dienſte es vergoſſen wuͤrde/ wolte ohn einiges we-
gern ich mich zum Opfer darſtellen; faſſete ihre zarte Haͤnde zum andernmahle/ und kuͤſſe-
te ſie ganz inniglich/ daß ſie von neuen fuͤrchtete/ er wuͤrde gegen ſie entzuͤndet ſeyn; welches
unbillige Feur zu daͤmpffen/ ſie zu ihm ſagete: Mein Herr Bruder erzeiget mir in War-
heit gar zu groſſe Ehr/ die mir allerdinge unangenehm iſt/ nachdem wir nunmehr in ſolche
Kundſchaft gerahten ſind/ daß viel beſſer waͤhre/ wir ſetzeten dieſe Hoͤfligkeit bey ſeite/ als
die nur den Fremden zuſtehet; ich erkenne ohndaß ſein gewogenes Herz/ welches ich auff
allen Wegen/ die Zucht und Geſetze nicht verſchlieſſen/ nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen zuer-
ſetzen mich willig erbiete/ und mein Herr Bruder hieran nicht zuzweiffeln hat; aber er ant-
worte mir/ bitte ich/ auff meine Frage; iſt dann dieſelbe/ ſo er liebet (dann ich weiß gewiß
daß er liebet) ein unverſagtes Fraͤulein/ ſo verlaſſe er ſich nur kuͤhnlich auff meinen Bey-
ſtand; ſolten aber uͤber alles verhoffen/ ſeine Siñen durch einer verheirahteten Zierligkeit
beruͤcket ſeyn/ wie dann ein Menſch wol verleitet werden kan/ ey ſo wolle mein Herr Bru-
der ſich ja beyzeiten begreiffen/ und mit ſolcher Unbilligkeit ſeine Seele nicht beladen; wie
g iijich
[54]Fuͤnftes Buch.
ich dann wol weiß/ daß er ſolches tuhn/ und ſich einem ſo unverantwortlichen Laſter nicht
ergeben wird. Ich bin kuͤhn mein Herr Bruder/ daß ich ſolches reden darff; aber ſein veꝛ-
daͤchtiges zuruͤk halten erwecket dieſe Sorge in meinem Herzen/ die ich vergeblich ſeyn hof-
fe/ und dannoch an ſeiner willigen verzeihung nicht zweifele. Arbianes erſchrak deſſen nit
wenig/ dann er merkete/ daß wegen ſeines verhaltens ſie dieſen Verdacht faſſete; deßwegẽ
er/ ſolchen gaͤnzlich außzureuten vor noͤhtig hielt/ und ihr alſo begegnete: Durchl. Groß-
Fürſtin; wañ ihrer Durchl. ergebener Knecht Arbianes mit unzimlichen Gedanken um-
ginge/ muͤſte er billicher in Schmach und Schande/ als bey ihrer Liebe auff der Gutſche
ſitzen; wolle demnach dieſelbe mir hoͤchſt verzeihen/ wañ etwa meine ſtumme unverſtaͤnd-
liche Reden/ ſich nicht gnug haben erklaͤren koͤnnen/ denen die Zunge jezt zu huͤlffe koͤmt/ uñ
ihre Liebe verſichert/ dz dergleichen ungebuͤhrligkeiten mir bißher ja ſo ferne/ als deren ſtraf-
fen ſelbſt geblieben ſind. Daß aber ihre Liebe ſich uͤber meine gebührliche Ehrerbietung be-
beſchweret/ und ſelbe mir verbeut/ dadurch leget ſie mir eine ſchlechterdinge unertraͤgliche
Laſt auff/ welche uͤber mich zunehmen/ ich mich ungeſcheuhet wegere; dann ich wil lieber
tauſendmahl ſterbẽ/ als euer Liebe unvergleichliche Wirdigkeit zu ehren unterlaſſen. Son-
ſten daß eure Liebe auff die Frage zu antworten mir ernſtlich gebeut/ mus ich meinen Vor-
ſaz brechen/ und ihr unverhalten ſeyn laſſen/ daß ich bißher nur eine Sonne am Himmel
erkennet; aber jezt deucht mich/ breche eine Neben. Sonne hervor/ wiewol unter dicken
Wolken verhüllet/ welche anzubehten ich dermaſſen gezwungen werde/ daß ich aller jrdi-
ſchen ſachen druͤber vergeſſe; ihre blicke/ die nicht mich/ aber ich ſie durch die Wolken ſehe/
ſpeiſen mich/ traͤnken mich/ leiten mich; ſie ſind mein ſchlaffen/ mein wachen; mein denken
und ſinnen/ ſo daß inbetrachtung dieſer Volkommenheit mich zu uͤben/ mir ſo lange wer-
de laſſen angelegen ſeyn/ biß die Seele ſich wegert dem Leibe ſolche mitleiſtung laͤnger zu-
goͤnnen; alsdann wil ich (ſpricht meine Seele) bey der Haͤupt Sonnen mich unvermer-
ket halten/ ob vielleicht in dero Geſelſchaft angenom̃en/ ich dahin gelangen koͤnte/ woſelbſt
mir vergoͤnnet ſeyn wird/ auſſer dem Leibe zubeſichtigen/ was ich mit den Augen meines
Haͤuptes anzuſchauen unwirdig bin/ auch vielleicht dieſes garzuſchwache Geſicht nicht
ertragen wuͤrde. Die Groß Fuͤrſtin antwortete ihm mit einem freundlichen Lachen: Hoch-
werter Herr Bruder; meines unbeſonnenen Argwohns halben erkenne ich mich in euer
Liebe Straffe verfallen ſeyn/ deſſen ich mich auch nicht entbrechen wil/ da ichs ſonſt mit
beſſeren dienſten nicht erſetzen/ und mich loßarbeiten kan; betreffend euer Liebe verdeckete
Reden/ wolte ich ſie zum teil errahten/ aber alle ſind ſie mir nicht behaͤglich/ wil doch an-
fangs mich in kein unnoͤhtiges Gezaͤnke einlaſſen/ ſo viel mich ſelbſt betrift/ weil ich ſchon
anhoͤren muͤſſen/ daß ihr mir in dieſem ſtuͤcke allen Gehorſam abſchlaget. Wie aber/ mein
Herr Bruder/ darff ich dann dieſer Neben-Sonne (wie ihr ſie nennet) nicht beſſere Kund-
ſchaft haben? vielleicht moͤchte die vermeinete andere Sonne/ (aber O der elende Soñe!)
bey dieſer Neben-Sonne wirken koͤnnen/ daß ihr zu liebe ſie euch ihre Strahlen nicht allein
mitteilete/ ſondern niemand anders als nur euch/ damit beſchiene. Ich rede ernſtlich mit
euch/ mein Herr Bruder/ uñ wollet ihr euren Zweg erreichen/ muͤſſet ihr trauen euch ſelbſt
nicht feſſeln; deßwegen laſſet mich eure Heimligkeit wiſſen/ und gedenket nur ſicher/ daß
ihr mit derſelben redet/ die eure Liebe als viel und ſorgfaͤltig ſie kan/ zubefodern willens iſt.
Aber
[55]Fuͤnftes Buch.
Aber ich ſehe/ das euer Herz mein Anſuchen nicht faſſen/ vielweniger der Zungen gebieten
wil/ daß ſie den Nahmen außſpreche/ den die Seele ſo wirdig haͤlt. Wann ichs aber von
mir ſelbſt errahten würde/ wovor wollet ihr ſolches rechnen? Gewißlich/ antwortete er/
vor ein Zeichen eines gluͤklichen außſchlages. Der Hoffnung gelebe ich auch/ ſagte ſie/ uñ
wil nicht laͤnger warten/ euch meine Zunge zuleihen; hoͤret nur zu. Ihr liebet/ Fuͤrſt Arbi-
anes/ ein Groß Fürſtliches eurem Stande gemaͤſſes Fraͤulein/ und zwar/ die ihr Zeit eures
Lebens nicht geſehen/ nehmlich meine Frl. Waſe/ und meines lieben Herkules Schweſter
Frl. Klaren; gewißlich ein Fraͤulein/ die liebens wert iſt/ und wol eine Sonne moͤchte ge-
nennet werden/ dafern mir ſolcher Nahme zuſtuͤnde/ dem ich aber wiederſpreche. Mein
Herr Bruder Arbianes; er erblaſſe nicht ſo uͤber meiner Rede; ich ſage noch mehr: Die-
ſe Sonne/ wie ihr ſprechet/ iſt mit dicken Wolken bedecket; ja mit ſo viel Wolken/ als zwi-
ſchen hier und Teutſchland ſchweben; und dannoch ſehet ihr deren blicke; iſts nicht alſo?
aus dem gefundenen Bruſtbildichen/ welches ungeachtet aller fleiſſigen Nachfrage/ ihr
ſo heimlich haltet/ und als einen Diebſtahl bey euch verwahret/ da es euch doch ſehr wol
gegoͤnnet iſt. Verberget euch forthin mehr vor euer Schweſter Valiſken/ deren Geiſt al-
le eure Heimligkeiten außforſchen kan; ja auch ſihet/ wann ihr auff den Knien/ oder wol im
Bette dieſes liebſte Bildichen bald beſehet/ bald kuͤſſet/ bald mit Traͤhnen befeuchtet/ bald
ſaͤuberlich abwiſchet/ bald gar anbehtet. Da habt ihr nun Fuͤrſt Arbianes/ was ihr ſchon
ſelber wiſſet/ und dannoch zu wiſſen begehret. Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ antwortete
er; von Herzen wuͤnſche ich zu wiſſen/ wer doch immer und ewig mein Verraͤhter/ ja wer
meiner heimlichſten Gedanken und handelungen anmerker und außſchreier ſeyn mag; in-
betrachtung ich keinem Menſchen dieſer ganzen Welt das allergeringſte von meiner Liebe
geoffenbahret/ auch niemand das gefundene Bildichen ſehen laſſen; demnach ich aber al-
les/ was eure Liebe mir vorgehalten/ geſtehen mus/ wil ich nichts in abrede ſeyn; nur bitte
ich in demuͤhtiger zuverſicht/ eure Liebe wolle niemand hievon ichtwas melden/ maſſen ich
mich viel zu unwirdig weiß/ an ſolche Sonne hinzureichen/ die ich mehr anbehte als liebe.
Ich aber gebiete euch/ ſagte ſie/ daß ihr einen Muht ergreiffet/ und eures Groß Fuͤrſtlichen
Standes euch erinnert/ der billich nicht unter ſich gedenket; nur leget die bißher gefuͤhre-
te Traurigkeit abe/ und erzeiget euch als ein wirdiger Liebhaber; inſonderheit bedenket/
was vor ein Schreiben ihr an das Fraͤulein abgehen laſſen wollet/ welches neben dem mei-
nen ich ſtraks Morgen fortſchicken wil/ euch den Weg zu dieſer Sonne zu bahnen. Aber
ihr muͤſſet mir goͤnnen/ daß ichs mit euer Fr. Mutter rede/ und ſie es eurem H. Vater voꝛ-
trage/ damit ich ſchier heut oder Morgen nicht vor eine heimliche Kuplerin gehalten wer-
de. Arbianes wuſte nicht/ was er vor freuden antworten ſolte/ ſtellete ihr alles heim/ und
ließ ihr auff begehren das Bruſt Bilde; foderte ſeine Fr. Mutter hin/ und daß Groß Fuͤr-
ſtin Valiſka ſie ingeheim gerne ſprechen wolte; baht daneben ſehr/ da etwa ſeiner gedacht
wuͤrde/ ihm Mütterliche Liebe und Traͤue zuerzeigen/ welches er Zeit ſeines Lebens Kind-
lich erkennen wolte. So bald Groß Fuͤrſtin Saptina zu ihr kam/ fing dieſe an: Geliebete
Fr. Mutter; des lieben Fuͤrſten Arbianes Anliegen/ welches ihn dermaſſen von ihm ſelbeꝛ
bringet/ habe ich nunmehr gluͤklich erfahren/ bin auch ſchon in verfaſſung/ wie man ihm
Raht ſchaffen koͤnne. Was ich nun ſtets gemuhtmaſſet/ finde ich mehr als alzu wahr/ und
mag
[56]Fuͤnftes Buch.
mag euer Liebe nicht bergen/ daß ſeine bleiche Farbe und fleiſches Verſchwindung nichts
als ein Liebesleiden iſt; doch liebet er an ſolchem Orte/ deſſen er/ meiner Meynung nach/
nicht kan ſchande haben. Ob ich nun gleich mich ſeiner gerne und billich annehme/ werde
ich doch durchaus nichts anfahen/ es geſchehe dann mit euer Liebe und ihres Gemahls
wiſſen und einwilligung/ ungeachtet der Fuͤrſt anfangs ſehr angehalten hat/ ſeinen Eltern
davon nichts zumelden. Die Groß Fuͤrſtin bedankete ſich des geneigten willens/ koͤnte a-
ber nicht erſinnen/ ſagte ſie/ wie ihr Sohn in Liebe eines wirdigen Fraͤuleins gerahten moͤ-
gen/ weil er biß daher bey ſeinem H. Vater ſtets daheim geweſen/ und dieſer oͤrter derglei-
chen Frauenzimmer ſich nicht haͤtte ſehen laſſen/ inbetrachtung/ daß Artaxerxes ſein Ge-
mahl und Kinder von ſich hinweg in der Roͤmer gebiet geſchicket haͤtte/ welches ihm et-
liche Weiſſager und Sternſeher als ein hochnoͤhtiges Ding gerahten. Es iſt alles wahr/
antwortete ſie/ aber er liebet/ was er noch nicht lebendig/ ſondern nur bildnisweiſe geſehen
hat; reichete ihr hiemit Frl. Klaren Gemaͤhlde und ſagete: Sehet/ geliebte Fr. Mutter/
dieſer Abriß iſt aller ſeiner Traurigkeit Urſach/ welches meine Hoffmeiſterin Libuſſa ver-
lehren/ und von ihm iſt gefunden worden. Groß Fuͤrſtin Saptina ſahe es mit verwunde-
rung an/ uñ befand es Fuͤrſtin Valiſken ſehr aͤhnlich ſeyn/ daher ſie ſagte: O lieber Sohn/
du haſt nicht allein gar zu hohe/ ſondern auch unbilliche Gedanken gefaſſet/ nachdem ich
nicht anders gedenkẽ kan/ als dieſes ſey euer Liebe Bildnis. Ja/ antwortete ſie/ dieſes Fraͤu-
lein iſt mir nicht ungleich/ weder an Geſtalt/ noch Stande/ und heiſſet Frl. Klara/ meines
Herkules leibliche und einige Schweſter; dafern nun ſeinen Eltern dieſe ihres Sohns
Liebe nicht zuwieder iſt/ welches ich vor allen dingen wiſſen muß; und hernach dieſes Frl.
inwendig Vierteljahrs friſt nicht verlobet/ wil ich mich gerne bemuͤhẽ/ ihm in dieſer Hey-
raht bedienet zu ſeyn; wiewol andere als vertrauete Freunde aus meinem erbieten muht-
maſſen koͤnten/ ob boͤhte ich meine Frl. Schweſter feile; deſſen in dieſem falle ich mich nicht
fuͤrchte. Fr. Saptina fiel ihr umb den Hals/ herzete und kuͤſſete ſie/ und gab zur Antwort:
Ach daß mein Groß Fuͤrſt dieſes erbieten anhoͤren ſolte/ welcher in dieſer Welt hoͤhers nit
wuͤnſchet/ als daß ſein Sohn wirdig waͤhre/ mit dem Hoch Fuͤrſtl. Teutſchem Gebluͤte
ſich zuvermengen; deßwegen wird eure Liebe uns allerſeits zu ihren Dienſten verbinden/
wann ſie dieſem Vorhaben beſtaͤndig nachſetzen wird. Woldann/ ſagte Fr. Valiſka/ iſt eu-
re Liebe deſſen gewiß/ ſo wollen wir dem Vater es noch ſo bald nicht offenbahren/ ſondern
eine eilige Botſchaft nach Teutſchland abfertigen/ und dieſem Fraͤulein in des jungen Fuͤr-
ſten Nahmen etliche Kleinot ſchicken/ nicht zweifelnd/ ich werde auff mein Schreiben
ſchleunige Antwort bekommen. Saptina machte ſich geſchwinde nach ihrer Kleinot Lade/
nahm achte der beſten uñ koſtbahreſten hervor/ auff 80000 Kronen geſchaͤtzet/ wozu Va-
liſka eben ſo viel/ gleiches preiſes legete/ redete alles mit Herkules ab/ der ihr Schreiben
verfertigen halff/ und empfing ſie von Arbianes einen koͤſtlichen Ring/ daneben ein Latei-
niſch Schreiben/ in welches ſie den Ring hinein legete/ und einen Umbſchlag darumb an
das Fraͤulein. Inzwiſchen hatte ſie nach Ladiſla geſchicket/ daß er Neklam in den Boͤmi-
ſchen Adelſtand auffnehmen/ und ihm Urlaub geben moͤchte/ weil ſie ihn nach Teutſchland
zuverſchicken haͤtte. Azores ein Dolmetſcher ward von Herkules mit gleicher Ehre ange-
ſehen/ wie auch ein Teutſcher/ nahmens Ruprecht/ welcher aus denen wahr/ die Herkules
zu
[57]Fuͤnftes Buch.
zu Padua loßgegeben hatte. Dieſe drey empfingen die Brieffe ſamt den Kleinoten und
Geleits Brieffen/ daß man ſie allenthalben frey zihen laſſen/ uñ allen moͤglichen Vorſchub
zu ihrer Reiſe tuhn ſolte. Fr. Valiſka unterrichtete ſie alles deſſen/ was ſie wolte beſtelles
haben/ mit ernſtlichem Befehl/ Tag und Nacht/ ſo viel moͤglich/ zu eilen/ daß ſie bald wie-
derkommen/ und in der Ruͤkreiſe auff Jeruſalem und Damaſkus zuzihen ſolten/ wann ſie
verhoffentlich ſchon wuͤrden abgezogen ſeyn; gab ihnen auch 30 Reuter/ welche ſie biß an
den Eufrat begleiten ſolten; und muſte von der Stunde an Arbianes auff Fr. Valiſken
Vermahnung ſich alle Tage von Leches in der teutſchen Sprache unterrichten laſſen/
welche ihm zimlich ſchwer ankam.


Dieſen Abend empfing Artaxerxes aus Charas Brife; der Koͤnig waͤhre mit einer
unglaͤublichen Menge Volks/ ſchon vor etlichen Tagen auffgebrochen/ und ginge der ge-
meine Ruff/ er wolte ganz Perfen zur Wüſteney/ und alle In wohner zu Leibeigene ma-
chen. Artaxerxes hielt hierauff Kriegsraht/ und begehrete anfangs Herkules Mey-
nung zuvernehmen/ welcher alſo anfing: Es erfreuet mich ſehr/ daß Artabanus es
auff die Spitze wagen wil/ und den ganzen Kern ſeiner Mannſchafft uns darſtellen. Wir
haben GOtt Lob/ eine ſolche Menge wolgeübeter Voͤlker/ daß ich mit der helffte ihm
das Haͤupt bieten/ und ſeinen uͤberfluß durch GOttes Hülffe dergeſtalt verwickeln wol-
te/ daß ſie mit ihren eigenen Schwertern ſich niderſchlagen/ und den Weg zur Flucht
durch ihre Herzen oͤffnen ſolten. Damit wir aber deſto behutſamer und in mehrer ſi-
cherheit gehen/ waͤhre mein unvorgreiflicher Raht/ wir ſetzeten in guter Vorſichtigkeit
gerade auff des Feindes Land/ lieſſen die Inwohner frey ruhig bey dem ihrigen/ daß ſie
nur nach vermoͤgen Futter und Mahl ſchaffeten/ und legeten uns an einen vortelhaften
Ort mit einer angenommenen aͤuſſerlichen Furcht/ wodurch der Feind in unvorſichti-
ge Verwaͤgenheit geſtuͤrzet/ und alsdann mit geringem Verluſt der unſern gedaͤmpfet
werden kan. Ob wir uns dann gleich nicht gar weit in Feindes Land zihen/ ſchadet nicht/
weil wir aus allen umbliegenden Freundes oͤrtern alle Notturft uͤberfluͤſſig haben/ und
dem Feinde ſeinen Troz und Grim gar wol außharren koͤnnen/ wie ich mich dann keiner
zeitigen Schlacht vermuhten bin/ wo ſonſt Fuͤrſt Vologeſes das Haͤuptwerk fuͤhret.
Dieſer Vorſchlag ward von allen gut geheiſſen und angenommen/ und der Weg mit
zimlichen Tagereiſen fortgeſetzet/ weil alle engen Durchzüge erweitert wurden/ und legten
ſich auff Feindes Grund und Bodem/ an einen Ort/ da ſie Waſſer und Raum vor Men-
ſchen und Pferde hatten/ auch keines Hinterhalts ſich befūrchten durfften. Fabius ging
hieſelbſt mit ſeinen Voͤlkern vor dem Haͤupt Heer/ beſſer in Feindes Land/ nachdem man
ihm 5000 Roͤmer abgenommen/ und an deren ſtat 2000 Teutſchen/ 2000 Boͤhmen und
7000 von Arbianes fliegendem Heer zugegeben hatte/ daß ſeine Voͤlker auff 24000 Mañ
beſtunden. Herkules und Ladiſla erinnerten ihn Bruͤderlich der guten Vorſichtigkeit/ das
er ja richtige Kundſchaft halten/ und ſich in kein Treffen einlaſſen moͤchte/ es waͤhre dañ/
daß er ſicher wuͤſte/ dz nur ein fliegendes Heer auff ihn ſtieſſe/ welches von dem Haͤupt Heer
nicht koͤnte entſetzet werden. Artaxerxes gab ihm einen wolverſuchten aber etwas furcht-
ſamen Perſiſchen Herrn/ nahmens Phrataphernes zum Groß Oberwachtmeiſter zu/ und
wünſchete ihnen gluͤk zum guten anfange. Artabanus wahr nicht weniger bemühet/ ſeiner
hSchan-
[58]Fuͤnftes Buch.
Schanze acht zu haben/ ließ nach gehaltener algemeiner Heersbeſchauung ſeinen Voͤlkern
durch die Bank einen Monat-Sold erlegen/ welches uͤber 40 Tonnen Goldes außtrug/
mit der Verheiſſung/ dafern ſie friſch fechten und das Feld erſtreiten würden/ ſolte ihnen
abermahl ſo viel außgezaͤhlet/ und doch am gebuͤhrlichen Solde nichts abgekuͤrzet werdẽ;
wodurch ſie ſehr willig und muhtig gemacht wurden; brachen auch bald auff/ und hielten
ihren Zug eine halbe Meile breit. Vologeſes verſahe alles durch gewiſſe vor ſichtige Leu-
te/ und wolte nichts unbedachtſames vornehmen/ weil er der unſern wachſame Vorſich-
tigkeit gar zu wol erfahren hatte; taht auch ſo viel bey dieſem Feldzuge/ daß wann ſeine
Gegenwart nicht geweſen waͤhre/ alle Voͤlker wuͤrden auf die Schlachtbank geliefert ſeyn;
dann Artabanus verließ ſich auff die groſſe Menge/ meynete es koͤnte ihm nicht fehlen/
ſondern muͤſte eilen/ damit das Fraͤulein nicht vor ſeiner ankunft entfuͤhret wuͤrde; ja er
ſtund feſt auff der meynung/ die Reuterey ſolte voraus zihen/ und das Fußvolk algemach
folgen; aber Vologeſes zeigete die Gefahr/ und brachte alle Feld Obriſten auff ſeine Sei-
te/ daß der Koͤnig ſeinen Vorſaz endern muſte. Er bekam aber auch Zeitung/ daß der Perſe
mit allermacht fortruͤckete/ und nicht weit von den Parthiſchen Grenzen waͤhre/ ginge gar
behutſam/ und wuͤrde die Reuterey in die 200000 ſtark von den beyden fremden Fuͤrſten;
das Fußvolk/ etwa des vierdenteils geringer/ von Artaxerxes und Phraortes geführet.
Artabanus ließ ſich darauff vernehmen/ es waͤhre unmoͤglich/ daß die Auffruͤhrer ſo ſtark
ſeyn koͤnten/ doch es ſey wie ihm wolle/ ſagte er/ ſo iſt doch der Sieg unſer/ wañ wir ihn nur
hohlen duͤrffen; unſere Macht iſt uͤber den vierdenteil groͤſſer/ die Voͤlker alle geuͤbet und
mit waffen wol verſehen; geſchwinde laſſet uns auff ſie angehen/ daß die Fremdlinge uns
nicht entlauffen/ wann ſie unſers anzuges gewahr werden; dann wir muͤſten uns immer
und ewig ſchaͤmen/ daß die frechen Buben lebendig davon kommen/ und des uns zugefuͤg-
ten Schimpfs ſich anderweit beruͤmen ſolten. Vologeſes ſahe vor Augen/ daß auff ſolche
Weiſe die Niederlage gewißlich erfolgen wuͤrde/ welches nach moͤgligkeit zuverhuͤten/ er in
aller Feld Obriſten Gegenwart den Koͤnig alſo anredete: Ich bin zu wenig/ ihrer Koͤnigl.
Hocheit und gegenwaͤrtigen hochverſtaͤndigen Fuͤrſten/ einigen Raht vorzutragen/ und
zwinget mich dannoch mein Gewiſſen/ und der ſchwer geleiſtete Aid/ das ich mein gutdün-
ken unangezeiget nicht laſſen kan. Vor erſt bleibe ich noch bey meinem feſtgelegeten Grun-
de/ daß wir vorſichtig ſpielen muͤſſen/ wann wir nicht verſpielen wollen; und wann wir die
Taͤg- und ſtuͤndliche Kundſchaft nicht fortſetzen/ werden wir dieſe tapffere Voͤlker ins ver-
derben ſtuͤrzen/ ehe ſie es ſelbſt inne werden. Es iſt nicht der Perſe Artaxerxes/ noch der
Mede Phraortes/ noch der Hirkaner Menapis/ die an jener Seite alles verſehen; dann
dieſe/ wie frech und verwaͤgen ihrer etliche ſeye moͤgen/ achte ich ſie doch nicht eines Pfiffer-
linges wert; ſondern es ſind Herkules und Ladiſla/ zween Strahlen und Donnerkeile/ die
ihre Staͤrke mit Wiz anwenden/ und ihren Wiz durch Voꝛſichtigkeit ſtaͤrken. O laſſet uns
ihre Jugend nicht verachten/ wie vor zeiten der großmaͤchtige Darius den Mazedoniſchẽ
jungen Alexander verachtete/ und daruͤber Reich uñ Leben verlohr. Fraget Spitamenes/
Madates/ Bagophanes und mich/ wie ſie fechten und zugleich befehlen. Haben ſie ſo viel
Voͤlker/ als geſagt wird/ und ich ſchwerlich glaͤuben kan/ ja haben ſie gleich den drittenteil
weniger/ ſo wil ihrer Koͤnigl. Hocheit ich mein Leben zu pfande geben/ daß ſie es nicht aufs
lauf-
[59]Fuͤnftes Buch.
lauffen/ ſondern ſtreiten ſetzen werden/ und wir daher nicht Urſach haben/ das Heer durch
groſſe Tagereiſen abzumatten. Habe ich nit allemahl erinnert/ man muͤſte den Auffbruch
nicht verweilen/ damit die Feinde uns nicht in unſer Feldmark begegneten? Aber wer hat
mich hoͤren wollen? ja wer hat mich nicht verlachet? verſichere ſich ihre Koͤnigl. Hocheit/
daß Herkules und Ladiſla ihre Leute in Charas haben/ und von ihnen taͤgliche Zeitung ein-
nehmen/ was zu Hofe und bey dem Heer vorgehet; meynet eure Hocheit/ dz ſie unſern Auf-
bruch nicht gewuſt haben/ ehe wir zu Pferde blaſen laſſen/ und einen Schrit fortgeſetzet?
wer hatte ihnen Madates und ſeine Ritter verrahten? ſie wuſtens ja/ und wuſten ihre Ab-
zeichen nach den alleꝛgeringſten umbſtaͤnden. Oſo laſſet uns doch auch Vorſichtigkeit ge-
brauchen/ welche/ ob ſie uns gleich nicht noͤhtig waͤhre/ ſie uns doch nicht ſchaͤdlich ſeyn
kan. Nicht rede ich ſolches/ ob wolte ich am kuͤnfftigen Siege zweifel tragen; welchen wir
gleichwol noch nicht in den Haͤnden haben/ nur wuͤnſche ich/ die Auffſicht im Spiel/ deren
hindanſetzung uns duͤrfte ſchaͤdlicher ſeyn/ als der Feinde Schwerter; dann wir hoͤren ja/
das ein wolgeſeztes Heer es mit uns aufnehmen wil/ und wir nicht ſo gar ohn Blut die
Wahlſtat behaͤupten werden. Ihre Koͤnigl. Hocheit gedenke meiner/ wo nicht der Feind
ihm ſchon einen bequemen Ort außerſehen hat/ da er mit Vortel ſtreiten/ uñ unſerer Men-
ge die freie Außdehnung benehmen kan; was hilfts uns dann/ ob wir mehr oder weniger
haben? Als vor acht Jahren ich 60000 Indier mit 20000 Parther erlegete/ halff mir
der Ort/ ſonſt waͤhre ich gefreſſen worden; dieſem nach müſſen wir nicht allein des Fein-
des Voͤlker zaͤhlen/ ſondern ihrer Fuͤhrer Wiz und des Octs Gelegenheit beherzigen/ als
dann wollen wir mit ihnen das Spiel friſch angehen/ und umb den Stich mit ihnen die
Haar zauſen. Der Koͤnig hoͤrete faſt unwillig zu/ meynete/ es ſtuͤnde ſeiner Macht
ſchimpflich an/ durch dergleichen Vorſichtigkeit einiges Zeichen der Furchtſamkeit ſehen
zulaſſen; Weil aber alle Feld Herren Vologeſes beypflichteten/ und nicht allein durch ein-
fuͤhrung unterſchiedlicher begebenheiten erhaͤrteten/ daß durch geringe Verwarloſung
oft die groͤſſeſten Kriegs Heere in aͤuſſerſtes verderben gefuͤhret waͤhren/ und daß die kluge
Vorſichtigkeit keinem zur furcht außgelegt werden moͤchte; ließ er ſich bereden/ nur daß
er mit einem Hohnlachen fragete/ ob dann die beyden jungen Laffen eiſern oder ſtaͤhlern
waͤhren/ daß man ſie dergeſtalt fuͤrchtete; ja ob nicht eine kleine Schaar nach der andern
an ſie ſetzen koͤnte/ biß ſie entweder lebendig gegriffen/ oder nidergeſaͤbelt waͤhren. Worauf
Vologeſes mit wenigem antwortete: Es waͤhre ihrer Koͤnigl. Hocheit ohn ſein erinnern/
wol bewuſt/ daß im Felde eine jede Schaar ihre beſtreiter fuͤnde/ daß wann ſie meyneten
ein abgemattetes Haͤuflein anzugreiffen/ wuͤrden ſolche alsbald von andern entſetzet; wie-
wol er ſelbſt hoffen wolte/ man wuͤrde dieſen beyden unverzagten und tapferen Helden auf
ſolche oder dergleichen Art beykommen koͤnnen. Ein ſehr verwaͤgener Parthiſcher Herr/
nahmens Dorylaus/ dem der Vortrab anbefohlen wahr/ ließ ſich vernehmen/ er vor ſein
Haͤupt koͤnte nicht abſehen/ was vor ſonderliche Gefahr bey dieſem Zuge zubefuͤrchten
waͤhre; je naͤher ihnen der Feind ſtuͤnde/ je zeitiger koͤnte man mit ihnen fertig werden.
Welches dem Koͤnige ſo wol gefiel/ daß er zu ihm ſagete: Du erzeigeſt dich auff gut Par-
thiſch/ mein Dorylaus/ deßwegen brich auff mit deinem Heer/ und hohle die erſte Ehre
von den Perſiſchen weichlingen. Dieſer nicht faul/ hieß ſeinen Voͤlkern das Zeichen gebẽ/
h ijund
[60]Fuͤnftes Buch.
und erklaͤrete ſich/ nicht zu ruhen/ biß er ſo manniches Perſen Zunge dem Koͤnige liefern
koͤnte/ als er Reuter unter ſeinem befehl haͤtte. Vologeſes wolte ihm nicht bald anfangs
einreden/ aber da er im Auffbruch begriffen wahr/ trat er mit Pakorus und Vonones hin
zu ihm/ und band ihm hart ein/ ſich ja in keine Feldſchacht einzulaſſen/ er ſaͤhe dann/ daß er
beydes an Macht uñ Orts Gelegenheit den Feinden uͤberlegen waͤhre. Dieſer aber rech-
nete ſolches vor eine Beſchimpfung/ und gab zur Antwort: Sein Koͤnig haͤtte ihm Frey-
heit anzugreiffen erteilet/ und koͤnte man allemahl weder den Ort maͤſſen/ noch der Fein-
de Koͤpffe zaͤhlen; wuͤnſchete demnach/ daß inwendig 24 Stunden ihm etwa 60 oder 70
tauſend Perſen auffſtoſſen moͤchten/ umb Gelegenheit zu haben/ ſein Verſprechen bald zu
leiſten/ und truͤge er groſſes verlangen/ zuerfahren/ ob die luſtergebene Weichlinge die
Perſen in ſo kurzer Zeit ein Mannes Herz und Eiſern Fleiſch bekommen haͤtten. Wor-
auff Vologeſes die Anweſendẽ zu Zeugen rieff/ und ſagete: Hoͤret Dorylaus/ ich verſtehe
eure ſchimpfliche Spotreden ſehr wol/ deren zu gelegener Zeit ihr mir rechenſchaft geben
ſollet; aber umb euer guten Voͤlker willen warne ich euch noch einmahl als ein Freund;
werdet ihr bey dieſem Vorſatze verharren/ ſo iſt dieſes redliche Heer ſchon ein Opffer der
Feinde; es ſey dann/ daß ihr etwa einen ruchloſen Perſen antreffet; ich bin auch ehmahls
verwaͤgen geweſen/ aber es wil ſich nicht allemahl ſo tuhn laſſen; fahret nur wol/ geſund
ſprechen wir uns wieder. Dorylaus entſchuldigte ſich mit wenigem/ er haͤtte niemand be-
ſchimpfet/ aber er baͤhte die Goͤtter nochmahls/ daß ſein Wunſch bald erfuͤllet wuͤrde/ ob
gleich zehn Herkules und zwanzig Ladiſla unter den Feinden waͤhren; wuͤſte auch ſchon/
daß getraͤue Diener eines Koͤniges/ einer dem andern ſein beſſer Gluͤk nicht goͤñeten. Pa-
korus kunte ſolche Freyheit nicht laͤnger dulden/ und gab ihm zur Antwort: Mein Kerl/
du ſolt gleichwol wiſſen/ daß du mit dem algemeinen Feldmarſchalk redeſt/ welcher dich zu
vermahnen/ ja dir zubefehlen hat/ und dafern du lebendig wiederkommen wirſt/ werde ich
dich auch zubeſprechen haben. Dieſer wuſte daß Pakorus ſeines gleichen an Kraft und
Kampfs-erfahrenheit unter allen Parthen nicht hatte/ deßwegen wolte er ſeinen Zorn nit
reizen/ ſondern ſagte: Gn. Fuͤrſt/ ich verbleibe euer Durchl. gehorſamer Diener/ und ge-
he fort auff unſers Koͤniges Befehl. Nun ſchikte ſichs gar bald/ daß dieſem frechen Men-
ſchen ſein Wunſch in die Hand fiel/ wiewol zu ſeinem ſchweren Ungluͤk; dañ Fabius hat-
te deſſelben morgens ſehr fruͤh Kundſchaft eingezogen/ daß des Feindes Heer nicht ſo gar
weit waͤhre/ wehrete auch nicht lange/ daß ein reitender Bohte in dem Flecken/ darin ſich
Fabius gelegt hatte/ von dieſes Dorylaus Anzug Zeittung brachte; dann Fabius gab ſich
mit ſeinen Voͤlkern vor Parthiſch an/ die im Koͤnigreiche Armuzia geworben waͤhren/ uñ
nach dem Haͤuptlager eileten/ welches ihm ſicher geglaͤubet ward. Er fand hieſelbſt Futter
und Mahl vor Pferde und Menſchen/ daß ſie ſich wol labeten und drey Stunden ruheten;
gab inzwiſchen Phrataphernes zuverſtehen/ daß er geſonnen waͤhre/ dieſem Feinde auff
gute begebenheit Fuß zuhalten/ ob ſie ihnen gleich an der Zahl in etwas moͤchten uͤberlegen
ſeyn; dann ſie zoͤgen in aller ſicher heit daher/ und wuͤrden kaum Zeit gewinnen/ ſich in
Ordnung zuſtellen. Dieſer wiederriet ſolches heftig/ weil ihnen ohn Vortel zuſchlagen
verbohten/ und der Feind an Mannſchaft viel zu ſtark waͤhre; ſo wuͤrde auch viel darauff
geſehen/ wie das erſte Treffen ablieffe; waͤhre demnach ſeine Meynung/ daß man ſich zu-
ruͤk
[61]Fuͤnftes Buch.
ruͤk zoͤge/ und mehr Huͤlffe foderte. Aber Fabius wuſte ihm dieſes beſtaͤndig zu wiederle-
gen; den Vortel muͤſte man ſuchen/ und fleiſſig darnach aus ſeyn/ alsdann fünde er ſich
wol ſelbſt; er achtete den geringen uͤberſchuß an feindes Seite nicht; wann der groͤſte teil
geſchlagen waͤhre/ ſolten die übrigen nicht viel weſens machen; hoffete auch die Schlacht
alſo zufuͤhren/ daß ihm der Sieg nicht entſtehen ſolte. Weil nun Phrataphernes noch im-
mer das Wiederſpiel hielt/ rieff er H. Herman und H. Marobod/ welche die Teutſchen
und Boͤhmen fuͤhreten/ mit in den Raht/ welche nach ihrer Herzhaftigkeit ſageten/ es wuͤr-
de ihnen eine ewige Schande ſeyn/ wann ſie mit ſo ſtatlichen Voͤlkern ſich ſcheuhen ſolten/
den Feind zuverſuchen; wer nicht wagete/ der gewuͤnne nicht; koͤnte man das Feld nicht
erſtreiten/ muͤſte man doch den Muht ſehen laſſen/ und da man uͤbermannet waͤhre/ ſtuͤnde
ihnen der Abzug offen/ da ihnen die Feinde aus furcht eines Hinterhalts nicht eilig folgen
würden; waͤhre demnach ihre bitte/ dieſe Gelegenheit/ Ehre und Beute zuerlangen/ nicht
unter den Haͤnden zerrinnen zulaſſen/ und wuͤrde man ihren Teutſchen und Boͤhmiſchen
Voͤlkern/ wie wenig ihr auch waͤhren/ die Freyheit goͤnnen/ ſich an den Feind zureiben/
wann auff den unverhoffeten Fall die uͤbrigen ſich nicht wagen wolten. Hiemit wahr der
Perſe uͤberſtimmet daß er einwilligte/ brachen in allerſtille auff/ und lieſſen unterſchiedliche
einzelne Reuter hin und wieder außgehen/ welche drey Bauren auf fingen/ uñ dieſe Kund-
ſchaft einzogen/ Dorylaus Vortrab haͤtte ſich eine gute Meile von dannen ins offene Feld
nider gelaſſen/ und laͤge in aller ſicherheit. Fabius ordente ſeine Voͤlker/ und gab Phrata-
phernes 10000 Mann/ die Teutſchen/ Boͤhmen/ Roͤmer/ ſamt ſeinen 1000 geworbenen/
und die 7000 Meden behielt er bey ſich/ und gingen in zween Fluͤgeln eilig fort. Auff hal-
ben Wege fingen ſie noch drey einzelne Reuter und ſechs Bauren/ gegen welche ſie ſich
Parthiſch erklaͤreten/ und von ihnen Bericht empfingen/ ihr Heer waͤhre 40000 ſtark/ die
helffte ſtuͤnde in guter bereitſchaft/ die andern haͤtten ihre Pferde in die Graßweide gejagt.
Wolan/ ſagte Fabius/ unſere Zeit iſt kommen; hieß Phrataphernes nach der Linken zihen/
umb zuverhuͤten/ daß die Abgeſattelten nicht zu Pferde kaͤhmen/ die er leicht uͤberfallen/
oder doch nur aufhalten koͤnte; den ſeinen aber redete er friſch zu; jezt waͤhre Zeit/ ein man-
lich Herz ſehen zulaſſen; ruhm wuͤrde nicht durch Furcht und Faulheit/ ſondern durch un-
erſchrockenen Muht erworben; es waͤhre der erſte Angriff/ welchen das Gluͤk ihnen in die
Hand geſpielet haͤtte/ der muͤſte friſch gewaget ſeyn/ alsdann wuͤrden die Goͤtter ſich mit
einmiſchen/ und den Sieg zu wege bringen. Dieſes trug er ihnen Perſiſch und Lateiniſch
vor/ welches ein Teutſcher/ der Latein kunte/ ſeinen Landsleuten und Boͤhmen verdolmet-
ſchete/ die ſich alle freudig erzeigeten/ und auff den Feind loßgingen. Fabius hatte an ſeiner
Seiten drey hauffen geſezt; der erſte wahren 4000 Meden/ der andere die Teutſchen (un-
ter denen 250 Schlachtſchwerter) und Boͤhmen/ ingeſamt auch 4000/ den dritten/ als
2000 Roͤmer/ ſeine 1000 geworbene/ und 3000 Meden behielt er vor ſich ſelbſt. Als ſie
des Feindes Schildwache erſahen/ gingen ſie eiferig auff dieſelben loß/ und zerhieben ſie
in Stuͤcken/ wiewol deren zween hart verwundet davon kahmen/ und doch/ weil ihnen der
gerade Weg abgeſchnitten wahr/ bey den ihren nicht ſo bald anlangen kunten/ daß ſie die
Gefahr haͤtten andeuten moͤgen; dann Fabius ſetzete friſch fort; ward gleichwol von Do-
rylaus ſo zeittig erſehen/ daß er ihm 6000 geworbene entgegen ſchickete/ die ihn weichend
h iijfech-
[62]Fuͤnftes Buch.
fechtend auffhalten ſolten/ biß er ſeine Ordnung etwas beſſer gerichtet haͤtte. Fabius wolte
dieſen/ ſeinen Mediſchen hauffen entgegen ſchicken/ aber die 2000 Teutſchen hielten an
umb den erſten Angriff/ und ſtuͤrmeten mit ſolcher Wuht auff dieſe Feinde/ daß deren in
einer viertelſtunde uͤber 4000 nidergehauen wahren/ deſſen Freunde und Feinde ſich ent-
ſetzeten. Dorylaus wuſte nicht was er gedenken ſolte/ daß die ſeinen wie Muͤcken zur erde
ſtuͤrzeten/ und ſchickete ihnen 3000 Parther und 1000 Skythen zum entſaz; aber die Boͤh-
men gingen dieſen unerſchrocken entgegen/ und hielten ſie ritterlich auff/ biß die Teutſchen
mit den ihren fertig wahren/ da wolten ſie den Boͤhmen die huͤlfliche Hand bieten; welches
Dorylaus erſehend/ ihnen 3000 geworbene entgegen gehen ließ/ denen ſich 1500 Teutſchen
wiederſetzeten/ die uͤbrigen gingen den Boͤhmen zuhuͤlffe/ und tahten ihnen ſolchen Bey-
ſtand/ daß ſie den Feind auff die Weichſeite brachten/ nachdem an dieſem Orte 600 Sky-
then und 1000 Parther geſtrekt lagen. Ihr Feld Herr ſahe daß dieſes endlich kein gut tuhn
wuͤrde/ ſchickete deßwegen nach den Ruhenden/ die eine Viertelmeile von ihm in den Wie-
ſen lagen/ und ließ ſie auffs ſchnelleſte zu ſich fodern/ mit anzeige/ daß die Noht groſſe Eile
beduͤrffte. Er aber brach mit ſeinen uͤbrigen 7000 loß/ in Meynung/ die 1500 Teuſchen
einzuſchliſſen; aber Fabius griff ſie von einer Seite mit den 4000 Meden/ von der andern
mit ſeinem eigenen hauffen an/ da die Roͤmer ſich ſehr wol hielten/ und mit ihren Speeren
800 Feinde zu Bodem wurffen/ aber doch dieſelben auff die Weichſeite nicht bringen kun-
teu; den Meden ging es ſehr hart/ dann 3000 wolgeuͤbete Skythen und Parther traffen
auff ſie/ denen ſie bey weitem nicht gewachſen wahren/ ſondern zeitig zuruͤk wichen/ nach-
dem ihrer 800 erſchlagen/ und 1500 hart verwundet wahren. Fabius befuͤrchtete ſich aus
dieſer ſchlechten bezeigung ſeiner Meden/ es moͤchte Phrataphernes an ſeinem Orte nicht
wolgehen/ wolte deßwegen alhie nicht lange ſeumen/ und die obgedachten nohtleidenden
Meden vor erſt entſetzen/ welches ihm ſo wol gluͤckete/ daß er ſie wieder in Ordnung und
zum Stande brachte. Doch wolte ihm Dorylaus nicht lange Zeit goͤnnen/ ſondern ſetzete
ſo grimmig auff ihn hinein/ daß wo die Roͤmer ihre Glieder nicht ſo feſt gehalten dieſe ohn-
zweiffel durch gebrochen/ und ein groſſes Blutbad angerichtet haͤtten. Die 1500 Teutſchẽ
richteten in kurzer Zeit 1800 von den 3000 geworbenen zu grunde/ weil ſie nicht ſonderlich
erfahren wahren/ daher die uͤbrigen ſich auff Dorylaus hauffen zogen/ und hingegen die
Teutſchen ſich mit Fabius zuſam̃en ſetzeten. Da gab es nun einen uͤberaus harten Streit/
und bemuͤheten die Meden ſich aͤuſſerſt/ den genommenen Schimpff zuerſetzen. Die beydẽ
Feld Obriſten gerieten in abſonderlichen Streit aneinander/ und weil ſie beyderſeits guter
Faͤuſte und unverzagtes Herzens wahren/ wolte keiner dem andern nachgeben/ biß endlich
dieſer Kampff durch etliche Parther und Roͤmer getrennet ward. Die Boͤhmen mit ih-
rein Teutſchen Entſaz/ hatten ihren Feind auch ſo weit ſchon gebracht/ daß ſie ſich nach Do-
rylaus hauffen hinzogen/ der noch einen ſtarken hauffen machte/ in Hoffnung/ die unſern
ſo lange auffzuhalten/ biß ihr Entſaz ankaͤhme. Aber ſo bald Fabius die ſeinen auch zuſam-
men geſezt hatte/ hieß er die Teutſchen und Boͤhmen ruhen; mit den uͤbrigen traff er auff
den Feind mit ſolchem Ernſt/ daß er nicht ſtand halten kunte/ wiewol er als ein raſichter
Hund umb ſich hieb. In dem ſahe H. Herman einen friſchen hauffen/ 8000 ſtark/ mit ver-
hengetem Zaume daher rennen/ und fuͤrchteten ſich die unſern ſehr/ Phrataphernes wuͤrde
den
[63]Fuͤnftes Buch.
den kuͤrzern gezogen haben; an deſſen Seite es alſo erging. Als er muhtig gnug mit ſeinen
10000 Reutern anſetzete/ traff er zu ſeinem Ungluͤk auff einen Graben/ welcher zwa[r] nicht
breit/ aber zimlich tieff wahr/ das die Pferde uͤberzuſpringen ſcheuh trugen; daher der Feind
ſo viel Zeit gewan/ daß 1000 Skythen und 2000 Parthen ſich zu fuſſe in Ordnung ſetzeten/
und die unſern/ ſo etwas furchtſam angingen/ auffhielten biß etliche tauſend zu ihren Pfer-
den kahmen; und weil es ohndaß ein zimlich enger Plaz wahr/ kunten ſie die unſern zur
Noht beſtehen; haͤtten auch/ da ſie alle zu Pferde ſaſſen (dann ehe ſie zun beinen kahmen/
wurden ihrer kaum 2500 erſchlagen) die Perſen leicht abtreiben und gar auffreiben koͤñen/
nachdem ſie ihnen beydes an Mañheit uñ Menge uͤberlegen wahren; aber es geriet Phra-
taphernes zum guten Glük/ daß eine Botſchaft uͤber die andere von Dorylaus ankam uñ
beyſtand foderte/ daher ſie 4000 Parther und gleich ſo viel geworbene ihm zuſchicketen;
die uͤbrigen hielten ſo feſt Wiederſtand/ daß die Perſen ihnen nicht allein nichts angewin-
nen kunten/ ſondern etlichemahl zu weichen gedrungen wurden. H. Herman empfing die
geruheten mit ſolchem einbruche/ daß ihrer bald anfangs 3000 ſtuͤrzeten/ dañ ſie hatten ih-
re Glieder nicht feſt geſchloſſen/ und wurden von den Schlachtſchwertern immer niderge-
matzet/ denen ſie nicht zubegegnen wuſten; wiewol 2000 Parther von dieſem hauffen eine
beſondere Schaar macheten/ und damit den Teutſchen zur Seite eingehen wolten/ worauf
ſich dieſe wenden und eine andere Ordnung machen muſten. Das Gluͤk fügete die beyden
Feld Herren abermahl aneinander/ da Fabius ſeinem Feinde im dritten Hiebe den rech-
ten Arm laͤhmete/ daß er das Schwert fallen lies/ und als er außreiſſen wolte/ ſtieß er ihm
das Schwert in die Gurgel/ daß er zu bodem ſtuͤrzete; die Roͤmer umb ihn her trieben die
Feinde ab/ und machten ihm Raum/ daß er abſteigen und dem erſtochenen das Haͤupt ab-
ſchlagen kunte/ welches ein Ritter auff ſein Speer ſtecken/ in die hoͤhe richten/ und dabey
auff Perſiſch Gewonnen Gewonnen ruffen muſte; Worauff den Feinden dieſes Orts das
Herz entfiel/ daß ſie wie das Vieh nidergeſaͤbelt wurden/ wobey die Meden ſich vor andern
wol gebraucheten/ ſo daß von dieſer Schaar etwa 290 verwundete davon flohen. So bald
dieſer Sieg behaͤuptet wahr/ ging Fabius mit 800 Teutſchen/ 1500 Boͤhmen und ſo viel
Roͤmern nach Phrataphernes/ welcher von den Parthen dergeſtalt geaͤngſtet ward/ daß
er die ſeinen kaum von der Flucht abhalten kunte. Er vor ſein Haͤupt hatte ritterliche Ge-
genwehr getahn/ und einen beruͤmten Parthiſchen Obriſten/ nahmens Pampazius erle-
get; aber die ſeinen wuſten ſich in die ſchweren Streiche nicht zuſchicken/ alſo daß ihrer
ſchon 3000 erſchlagen und 2000 verwundet wahren/ da Fabius bey ihnen ankam/ und mit
ſeinem hauffen dergeſtalt einbrach/ daß die Perſen Lufft bekahmen/ und ſich des entſatzes
hoͤchlich freueten. Hier ging es nun dergeſtalt uͤber die Feinde/ daß ſie zuruͤk getrieben wur-
den/ wobey die Roͤmer ſich ſehr wol hielten. Das andere Heer/ welches Fabius zuruͤk ge-
laſſen hatte/ umbringete die uͤbrigen Feinde/ mit welchen die Teutſchen und Boͤhmen ihr
Handgemenge hatten/ und lieſſen nicht abe/ biß ſie alle miteinander erſchlagen wahren.
Nur hatte ſich gegen Fabius ein Haͤuflein von 500 Skythen und 2500 Parthen geſetzet/
die ſich uͤber die maſſe wol hielten/ uñ ungerochen nicht ſterben wolten/ daher er ihnen Frey-
heit und Leben verſprach/ welches ſie annahmen und das Gewehr von ſich wurffen. Hie-
mit wahr der herliche Sieg erſtritten/ wiewol nicht ſo gar ohn Verluſt; dann 6500 Me-
den
[64]Fuͤnftes Buch.
den und geworbene wahren erſchlagen und 5400 hart verwundet. Von den Roͤmern la-
gen 28 Mann; von den Boͤhmen 12/ und von den Teutſchen/ daß zu verwundern/ nur 14/
von Fabius geworbenen aber 150 auff der Wahlſtat; wiewol 200 Roͤmer/ 120 Boͤhmen/
und 90 Teutſche/ auch 160 geworbene Fabiſche dergeſtalt verwundet wahren/ daß ihrer
faſt die helffte im folgenden Haͤupttreffen nicht kunten gebraucht werden. Funden ſich al-
ſo alles in allen an unſer Seite 6704 erſchlagene/ und 5970 verwundete. Hingegen lagen
36700 Feinde auff der Wahlſtat geſtrecket. Zeit des treffens hatten ſich zehen geworbene
Hirkanier und Aſſyriſche von dem Feind an unſere Seite begeben/ weil ſie zu dienen von
den Feinden gezwungen wahren; hielten ſich auch ſo tapffer in der Schlacht/ daß ſie 23 von
den Feinden erlegeten/ und ihrer fünffe dagegen das Leben einbuͤſſeten; die uͤbrigen wurden
biß auff einen/ zimlich verwundet/ und zeigeten nach erhaltenem Siege Fabius an/ was ge-
ſtalt Dorylaus ſeinem Koͤnige 40000 Zungen von Perſiſchen Kriegsleuten verſprochen
haͤtte; woruͤber das Heer ſich dergeſtalt eiferte/ daß ſie allen erſchlagenen Feinden die Zun-
gen außſchnitten/ und ſie den gefangenen zutragen auffbuͤrdeten; Fabius aber des Dory-
laus Zunge ſelbſt zu ſich nam/ und das Haͤupt einem Roͤmer zu tragen gab. Die Plunde-
rung der Erſchlagenen ward den Voͤlkern gegoͤnnet/ da ſie uͤberaus groſſe Beute mache-
ten/ maſſen keiner an Feindes Seiten gefunden ward/ der nicht 20 und mehr Kronen bey
ſich gehabt haͤtte. Phrataphernes erinnerte die Perſiſchen Reuter/ ſie moͤchten bedenken/
daß die Fremden das meiſte bey dem Treffen verrichtet/ und allenthalben kraͤfftigen Ent-
ſaz geleiſtet haͤtten; waͤhre demnach billich/ dz man ihnen von der Beute etwas vorab goͤn-
nete; wodurch er erhielt daß alle geraubeten Gelder und Geſchmeide herbey gebracht wur-
den/ da ſich 889000 Kronen an Baarſchafft/ 3000 Ringe/ durch die Bank auff 120000
Kronen/ 230 par Armbaͤnder auff 112000 Kronen am wert befunden/ welches ingeſamt
1121000 Kronen außtrug/ und in zween gleiche Teile gelegt ward/ ſo daß die Perſiſchen
Voͤlcker (deren noch 11350 lebendig wahren) die eine helffte; die Teutſchen/ Boͤhmen und
Roͤmer aber (deren Zahl in 5964 beſtund) die andere helffte bekahmen/ da einem jeden ge-
meinen Reuter 48 Kronen; jedem unterbefehlichs haber (deren 120) 235 Kronen; jedem
Faͤhndrich und Unterritmeiſter (deren 60) 1800 Kronen; jedem Rittmeiſter (deren 30)
3000 Kronen; und jedem Obriſten (deren 3) 18000 Kronen außgeteilet wurden; den uͤ-
berſchuß gab man den Troßbuben. Die Pferde der erſchlagenen wūrden auffgefangen/
deren ſie 44000 bekahmen/ und nach obiger gleicheit außteileten/ ſo viel ſichs leiden wolte.
Was aber auſſer den Reitpferden im Lager gefunden ward/ als 120 Wagen mit Speiſe/
Trank/ Kleidern/ Gezelten und Gelde (welche Baarſchaft auff acht Tonnen Goldes ſich
erſtreckete) ſolches alles nam Fabius zu ſich in verwahrung/ ſpeiſete die Voͤlker eilig/ und
kehrete noch denſelben Abend umb nach dem Haͤuptlager/ woſelbſt er des folgenden Tages
bey ſpaͤtem Abend anlangete/ und von ferne mit groſſem Freudengeſchrey empfangẽ ward.
Die geſamte Fuͤrſten ritten ihm froͤlich entgegen/ und ſahen bey den vielen geſattelten ledi-
gen Pferden/ daß eine ſehr groſſe Menge der Feinde muſte erſchlagen ſeyn/ woruͤber unſere
Helden inſonderheit ſich hoͤchlich erfreueten/ daß ihrem lieben Freunde es ſo wol gelungen
wahr/ welcher den Helm abtaht und mit dieſen Worten Artaxerxes anredete: Durch-
leuchtigſter Groß Fuͤrſt/ gnaͤdiger Herr; hier liefere ich euer Durchl. des verwaͤgenen
Par-
[65]Fuͤnftes Buch.
Parthiſchen Feld Herrn Dorylaus ſein Haͤupt/ welches mir das Gluͤk gegoͤnnet/ und da-
bey 3000 gefangene Skythen und Parthen/ (denen ich/ weil ſie ihrer Haut ſich redlich ge-
wehret/ Leben und Freyheit verſprochen) nebeſt 36000 Zungen der erſchlagenen Feinde/
welche ihnen zur Rache billich abgeſchnitten ſind/ weil Dorylaus ſeinem Koͤnige 40000
Perſiſche Zungen verſprochen hatte. Ich habe dieſen Sieg von dem Himmel umb 6704
Koͤpffe meines Heers erhalten; die uͤbrigen haben die Beute auff der Wahlſtat bruͤderlich
geteilet/ und was ich im Lager angetroffen/ uͤberlieffere ich hiemit euer Durchl. als dem al-
gemeinen Ober Feld Herrn untertaͤhnig ein; das Gluͤk goͤnne uns/ daß die kuͤnftige Haupt-
Schlacht mit gleichmaͤſſigen/ oder wie ich hoffe/ beſſeꝛem verfolg ablauffen moͤge. Artaxeꝛ-
xes umbfing ihn mit beyden Armen/ ruͤhmete ſeine Tugend und Mannheit vor dem gan-
zen Heer/ und nachdem er ihm die mitgebrachte Beute eigentuhmlich zugeſprochen hatte/
warff er ihm eine Demant Kette/ am wert uͤber 80000 Kronẽ an den Hals/ womit er ihm
Dorylaus Haͤupt erſetzete. Es entſtund aber eine ſolche Freude bey dem Haͤupt Heer/ als
ob des Feindes ganze Macht ſchon gebrochen waͤhre; nur die Teutſchen/ ſo zuruͤk blieben
wahren/ lieſſen ſich traurig merken/ dz ſie haͤtten feiren müſſen/ als ſie ihrer Landsleute wol-
beſpikte Beutel und trefliche Pferde ſahen. Doch verſicherte ſie Herkules/ daß ſie inwen-
dig fuͤnff oder ſechs Tagen ſich deſſen nicht mehr betruͤben ſolten. Auch Artaxerxes wie er
von den Perſen berichtet wahr/ was vor Tahten die Teutſchen begangen/ wunderte ſich
deſſen ſo gar/ daß er ſie vor ſich foderte/ ihr Wolverhalten ruͤhmete/ und jedem durch die
Bank 12 Kronen außteilen ließ; hernach ward allen Teutſchen/ Boͤhmen und Roͤmern
des ganzen Heers gleich ſo viel gegeben/ umb daß ſie zur bevorſtehenden Schlacht ſolten
auffgemuntert werden. Sie hatten alle erſchlagenen unſers Heers mit ſich auff Pferden
und Wagen uͤbergebracht/ welche ehrlich begraben/ den Teutſchen/ Boͤhmen und Roͤmern
aber groſſe Mahlſteine auffgerichtet wurden. Die obgedachte von den Feinden uͤberge-
lauffene wurden wegen des feindlichen Lagers befraget/ wovon ſie aber wenig Nachricht
zugeben wuſten/ weil ſie erſt neulich auffgefangen/ und zu dienen gezwungen wahren. Aus
den Gefangenen aber kunte man nichts kriegen/ ſondern gaben zur Antwort: Sie waͤhren
entſchloſſen geweſen auff der Wahlſtat ritterlich zu ſterben/ da ihnen der Feld Herr Leben
und Freyheit angebohten haͤtte/ welches ſie auch angenommen/ und auff ſolche maſſe ſich
ergeben; nun waͤhren ſie nicht gemeinet/ ſich als Verraͤhter gebrauchen zulaſſen/ ſondern
viel lieber zu ſterben/ da dañ ihr Blut ũber Fabius Rache ſchreihen ſolte. Artaxerxes wie-
derantwortete: Hiedurch wuͤrde das verſprochene durchaus nicht gebrochen/ ſondern
Kriegsgebrauch waͤhre/ das gefangene auff die Befragung richtigen beſcheid geben muͤ-
ſten; drang doch weiter nicht in ſie/ ſondern ſonderte die Skythen ab von den Parthen/ uñ
ſagte zu ihnen: Euer Feld Herr Karthaſis iſt mein ehmaliger Spießgeſelle/ und haͤtte mich
zu ihm nicht verſehen/ das er ſein beruͤmtes Schwert wieder mich auffheben wuͤrde; jedoch
ſtehet einem Ritter frey/ zu dienen wo er wil/ wans nicht wieder ſein Vaterland gilt. Ich
wil aber umb unſer alten Kundſchaft willen euch wieder zu ihm hinſchicken/ und ſolt ihr
naͤhſt anmeldung meines Gruſſes ihm hinterbringen; ich haͤtte ſo wol friſche Gelder als
der Parthiſche Wuͤterich/ die ich ihm lieber als einem andern goͤnnen moͤchte/ aber weil
ihm die Parthiſchen beſſer gefallen/ wolle ich ehiſt mit ihm ſpielen/ wer ſie miteinander ha-
iben
[66]Fuͤnftes Buch.
ben ſolle. Hernach deutet Vologeſes und Pakorus an/ ſie ſollen ſich auff geruhete Arme
ſchicken/ ich wolle ihnen zu dreſchen gnug ſchaffen; doch daß ſie als redliche Fuͤrſten ihrem
unredlichen Wuͤterich zureden/ der Perſen Zungen hinfüro zu ſchonen/ wie ich dann nim-
mermehr glaͤuben kan/ daß ſie ihrer ſelbſt ſo gar vergeſſen/ und des Dorylaus Vornehmen/
welches Artabanus eingewilliget/ ihnen haben gefallen laſſen; Im wiedrigen wil ich alle
Parthiſche Inwohner und Kriegsleute/ hoch und niedrig/ die mir unterhanden kommen/
ohn Zungen/ Ohren und Naſen lauffen laſſen. Hierauff ſchenkete er einem jeden ein geſat-
teltes Pferd und drey Kronen/ und daß er ſie des folgenden Morgens unter ſicherer Be-
gleitung wolte nach ihrem Lager bringen laſſen; deſſen ſie ſich hoͤchlich bedanketen/ uñ doch
nicht das geringſte von ihrer Voͤlker zuſtande melden wolten. Nachgehends wurden die
Parther von einander gefuͤhret/ und mit bedraͤuung befraget/ da ſich ihrer fuͤnffe ſchrecken
lieſſen/ und was ſie wuſten anzeigeten/ mit bitte/ es ihren Spießgeſellen nicht kund zutuhn/
ſie muͤſten ſonſt ohn alle Gnade ſterben. Die Fuͤrſten gingen zuraht/ wie ſie es mit den übri-
gen Parthen halten wolten/ von denen Groß Fürſtin Valiſka ihr etliche zu ſchenken baht/
welche ſie Artabanus zur Verehrung uͤberſenden wolte; worauff ihr Artaxerxes den gan-
zen hauffen/ nach belieben damit zu ſchalten/ uͤbergab; welche des folgenden Morgens zu
Fuß mit den berittenen Skythen unter der Begleitung 600 Reuter fortgeſchikt wurden/
ſo daß jedem ein mit Parthiſchen Zungen gefülleter Beutel auff den Ruͤcken gebunden
ward; einer aber des Dorylaus Kopff und Zunge abſonderlich tragen muſte; deſſen ſie
ſich zwar anfangs wegerten/ aber/ auff geſprochene Urtel/ daß ihnen allẽ die Zunge ſolte aus
dem Halſe geſchnitten werden/ ſolche ungenehme Buͤrde gerne uͤber ſich nahmen/ nebeſt
geleiſtetem Aeidſchwur/ ſie ihrem Koͤnige bloß zu lieffern; da dann ein Geſanter voraus
nach dem Lager ritte/ umb zu fragen/ ob der Perſiſchen begleitung freyheit koͤnte gegeben
werden/ ihnen etliche gefangene zuzufuͤhren.


Die außgeriſſene Parthiſche Reuter durfften nicht alsbald nach dem Haͤupt Heer
kehren/ weil ſie uͤber daß alle verwundet wahren/ und deßwegen die naͤheſten Flecken und
Doͤrffer ſuchten/ ihren Wunden Raht zuſchaffen. Etliche Kundſchaffer/ die von Vologe-
ſes außgeſchikt wahren/ und etwa eine Stunde nach Fabius abzug an die Wahlſtat gerie-
ten/ ritten ſchleunig wieder zuruͤk/ jageten die ganze Nacht/ biß ſie umb den Morgen im La-
ger anlangeten/ und in allerſtille nach Vologeſes Zelt gingen/ mit bericht/ Dorylaus gan-
zes Heer laͤge auff der Wahlſtat erſchlagen/ ſchiene faſt/ als haͤtten ſie ſich ſelbſt untereinan-
der ermordet/ und waͤhren in ihrem eigenen Blute erſoffen/ weil man nichts als lauter
Parthiſche Voͤlker liegen ſaͤhe. O des Jammers! ſagte Vologeſes; O wie bin ich leider
ſein gar zu wahrhafter Wahrſager geweſen! foderte Pakorus und Vonones zu ſich/ und
klagete ihnen den ſchweren Unfall. Der verwaͤgene Menſch/ ſagte er/ hat zwar den Lohn
ſeines frevels eingenommen/ aber mich dauret der guten Voͤlker; ohn zweifel wird ihm
Herkules oder Ladiſla das Fel alſo gegerbet haben/ ehe ers recht inne worden/ welches mir
zwar leid iſt/ aber doch wegen unſers Koͤniges mich in etwas erfreuet; dann es kan ihm zur
Warnung Dienen/ daß man den Feind unverachtet laſſe/ welchen er viel zugeringe ſchaͤt-
zet. Der Bube iſt meinem Schwerte entgangen/ ſagte Pakorus/ deſſen er vielleicht un-
wirdig geweſen; halte aber vor beſt/ daß wir dem Koͤnige es noch zur Zeit verſchweigen/
und
[67]Fuͤnftes Buch.
und auff eigentlichern Bericht warten/ welcher uns ohndaß mehr als zu fruͤh kom̃en wiꝛd;
wie ſolches auch geſchahe; maſſen nach verlauff fuͤnff Stunden die Verſchlagene ankah-
men/ welche Vologeſes auſſer dem Lager aufffangen uñ vor ſich allein fodern ließ/ die ihm
dann den Verlauff/ ohn was mit denen in den Wieſen ſich begeben hatte/ erzaͤhleten. Er
machete ſich darauff mit obgedachten beyden Feld Herrn nach dem Koͤnige/ ließ auch Oſa-
zes und Karthaſis herzu ruffen/ und fing alſo an: Allergnaͤdigſter Koͤnig; hier ſtehen die
teuren Fuͤrſten/ Herr Pakorus und Herr Vonones/ die mit Ohren angehoͤret/ wie getraͤu-
und bruͤderlich Dorylaus von mir gewarnet worden/ er ſolte ſich ja nicht erkuͤhnen/ noch
den Feind verachten/ damit er das ihm anvertrauete Heer wieder liefern koͤnte; aber an
ſtat ſeines mir ſchuldigen gehorſams/ hat er mich mit ſolchen ſchimpflichẽ Spotreden auf-
gezogen/ daß Fürſt Pakorus verurſachet worden/ ihn deßwegen zu rede zuſtellen/ wozu ich
mich zu gut hielt; worauff aber dieſes erfolget/ daß er als ein Unbeſonnener fortgezogen/
ſich ins offene Feld unbeſchanzet nidergeſchlagen/ und die halbſcheid ſeiner Pferde ins
Graß gejaget/ als ob gute Sicherheit waͤhre; worauff ihn der Feind mit geringer Mann-
ſchafft angegriffen/ und nach kurzem Gefechte/ neben allen den ſeinen/ wie man nit anders
weiß/ nidergehauen hat; iſt es aber nicht eine uͤberaus groſſe Schande/ in ſolcher Unvor-
ſichtigkeit zu gehen/ da man einen ſolchen muhtigen Feind in der naͤhe hat? und von ihm
nichts zuwiſſen/ che man das Schwert im Eingeweide empfindet? zwar ich bin gnug ent-
ſchuldiget/ dann an meiner Warnung hats nicht gemangelt/ und moͤchte wünſchen/ daß
durch euer Koͤnigl. Hocheit anmahnung er nicht waͤhre ſicher gemacht/ die ſolchen Frevel
ihm eingegoſſen hatte/ daß er wuͤnſchete/ nicht unter 60 oder 70 tauſend Feinde auff ein-
mahl anzutreffen. Eines ſetze ich nur hinzu; haͤtte Dorylaus mich hoͤren wollen/ ſo lebete
er noch mit den ſeinen; und geben die Goͤtter/ daß nicht ſeines gleichen hochmuͤhtige Fre-
veler uns die Sache noch viel ſchlimmer machen. Artabanus erſchrak der Zeitung/ und
fragete nach/ wie ſtark die Feinde geweſen; und als er deren geringe Mannſchaft vernam/
waͤhre er vor Eifer ſchier aus der Haut gefahren. Aber Vologeſes troͤſtete ihn; es koͤnte
ihnen ſaͤmptlich dieſer Unfall zur warnung dienen/ daß man deſto vorſichtiger ſpielen ler-
nete/ damit nicht durch frecheit verlohren wuͤrde/ was die Vorfahrẽ durch herzhafte Vor-
ſichtigkeit des Arſazes vor vierhundert und etliche ſiebenzig Jahren ritterlich erſtritten/
und ſeine Nachkommen bißdaher kraͤftig erhalten haͤtten; vielleicht wuͤrden die Feinde
hiedurch ſicher und verwaͤgen/ dz in der Haͤupt Schlacht alles zehnfach koͤnte eingebracht
werden.


Des folgenden Tages gar fruͤh gab ſich der Perſiſche Heer Hold an/ und auff ſein be-
gehren erlangete er vor die Begleitung freien Abzug; jedoch daß ihnen 1000 Reuter un-
ter Vologeſes und Pakorus anfuͤhrung ſolten entgegen zihen/ und die Gefangenen anneh-
men; welches alsbald geſchahe/ da der Perſiſche Fuͤhrer dieſe Rede vortrug: Hochan-
ſehnliche Herren; nach dem von der Durchleuchtigſten Groß Fuͤrſtin uñ Frauen/ Frauen
Valiſka/ ich gnaͤdigſt befehlichet bin/ niemand anders als dem groſſen Koͤnige Artabanus
meine Werbung vorzut: agen/ als erſuche ich die Herren/ daß ſie mich bißdahin geleiten.
Vologeſes und Pakorus beredeten ſich deſſen/ lieſſen die Perſiſche begleitungs Reuter
zuruͤk zihen/ und mit den gefangenen Parthen kehreten ſie umb nach ihrem Lager/ da die
i ijfrey-
[68]Fuͤnftes Buch.
freygegebene Skythen in einem abſonderlichẽ hauffen ritten. Vologeſes fragete die Par-
then/ was ſie in ihren Beuteln truͤgen/ und bekam zur Antwort; es waͤhre des Dorylaus
ſtraffe; wobey ers auch vordiſmahl bewenden ließ. Der Geſante ward bald vorgefodert/
maſſen der Koͤnig ſehr begierig wahr/ ihre Werbung zuvernehmen; und brachte dieſer
voꝛ: Er waͤhre von der Durchl. Groß Fuͤrſtin Valiſka/ ehmahls Herkuliſka genennet/ an
ihre Koͤnigl. Hocheit abgefertiget/ umb dieſes vorzutragẽ: Es haͤtte hoͤchſtgedachte Groß-
Fuͤrſtin in erfahrung gebracht/ daß gegenwaͤrtige 2500 Gefangene ihrer Hocheit ange-
hoͤreten/ uñ ſie deßwegen alsbald von deꝛ Dorylaiſchen ſtraffe loßgebehten/ um ihreꝛ Hoch-
heit dieſelben ungeſtuͤmmelt wieder zu geben/ nach dem ſie wol erkennete/ derſelben ſehr veꝛ-
ſchuldet ſeyn/ wegen vielfaͤltiger empfangenen Woltahten; taͤhte ihr demnach leid/ daß
wegen laͤngſt zuvor geſchloſſener Heyraht mit Gꝛoß Fuͤrſt Herkules/ ſie in dieſem Stuͤk
ihrer Koͤnigl. Hocheit nicht wilfahren koͤnnen/ deren ſie in allem uͤbrigen/ Zeit ihres Le-
bens gehorſam und bereitwilligſte Dienſte erzeigen/ ſich auch derſelben zu aller vaͤterlichẽ
Gewogenheit wolte anbefohlen haben. Artabanus hatte ihm viel eine andere Urſach der
Geſandſchafft eingebildet; nachdem er aber alle abdankung der ehelichen Liebe hoͤrete/ ſa-
he er den Redener mit grimmigen Augen an/ und fragete; wer ihn ſo verwaͤgen gemacht
haͤtte/ mit ſolcher Werbung vor ſeinem Stuel zuerſcheinen; meynet der abtruͤnnige Bube
Artaxerxes/ ſagte er/ daß es uns umb ein Haͤndichen vol nichtwerter gefangenen zu tuhn
ſey/ welche wir ihres unverhaltens ſelbſt am Leben ſtraffen werden. Der Geſante antwor-
tete unerſchrocken: Dieſe Kuͤhnheit vor eure Koͤnigl. Hocheit zutreten/ hat die Verſiche-
rung meiner Gn. Groß Fuͤrſtin mir gemacht/ nebeſt dem gemeinen Voͤlker Recht/ welches
allen Geſanten freyheit verſpricht. Vologeſes hieß den Geſanten einen Abtrit nehmen/
und die gefangenen Parthen vorfodern/ die mit klaͤglichen Gebaͤrden und flieſſenden Au-
gen alle mitgebrachte Zungen nebeſt Dorylaus Haͤupt vor des Koͤniges Fuͤſſen außſchuͤt-
teten/ und der vornehmſte unter ihnen alſo anfing: Allergroßmaͤchtigſter Koͤnig; die Goͤt-
ter müſſe es erbarmen/ daß ihrer Groß Koͤnigl. Hocheit wir dieſes elende Schauſpiel an-
zurichten/ durch einen ſchweren aͤidſchwuꝛ gezwungen ſind/ wo wir ſonſt nicht alle mitein-
ander auch unſerer Zungen haͤtten wollen verluſtig ſeyn. Sehet/ allergnaͤdigſter Koͤnig/
ſehet alhier mehr als 36000 Zungẽ/ von unſerm Feld Herrn Dorylaus uñ ſeinem Kriegs-
Heer/ welche die Feinde ihnen nach ihrem tode außgeſchnitten/ weil ſie in erfahrung ge-
bracht/ daß Dorylaus euer Hocheit eine anzahl Perſiſcher Zungen ſol verſprochen haben;
ich ſcheuhe mich zuerzaͤhlen/ was vor hoͤniſche reden von dem Perſiſchen und Mediſchen
Fuͤrſten uͤber dieſe Zungen ſind außgeſchuͤttet worden; ob die Parther Luſt bekom̃en haͤt-
ten/ Zungen zufreſſen. Allergnaͤdigſter Koͤnig; haben wir armen gefangenen daran geſuͤn-
diget/ daß wir aus furcht unſere Zungen zuverlieren/ uns zu dieſer Verrichtung aͤidlich ha-
ben verbinden laſſen ſo ſtehen wir hie/ es mit unſern Koͤpffen zubuͤſſen/ als welche wir tau-
ſendmahl lieber/ dañ nur die Zunge/ verlieren wollen. Artabanus ſtellete ſich nicht anders/
als ob er raſend waͤhre; befahl die Zungen hinweg zutragen/ und die Gefangenen allein
zufuͤhren; und weil er vor Zorn nicht reden kunte/ ließ er alle hohe Befehlichshaber zuſam-
men kommen/ und hierüber Raht halten; welche einen Abtrit begehreten/ uñ auff gemach-
ten Schlus durch Vologeſes dieſes vortrugen: Allergroßmaͤchtigſter Koͤnig/ wir inge-
ſamt
[69]Fuͤnftes Buch.
ſamt euer Koͤnigl. Hocheit allergehorſamſte Untertahnen und Diener/ zweiffeln gar nicht/
uns werde unſer wolgemeineter Vortrag nicht ungleich außgelegt werden. Eure Koͤnigl.
Hocheit werden ſich allergnaͤdigſt erinnern/ wie der freche Dorylaus ſich vernehmen ließ/
ſo viel Zungen der Perſen einzulieffern/ als er Reuter unter ſeinem befehl haͤtte. Dieſes
wird zweifels ohn den Feinden verrahten ſeyn/ daher ſie an unſern Leuten ſolches volſtrec-
ken/ und uns verweißlich vorhalten wollen/ man ſolle dergleichen unerbarkeiten muͤſſig ge-
hen/ und nicht zu hoch trotzen/ weil das Gluͤk Kugelrund iſt/ und bey niemand ſich beſtaͤn-
dig erzeiget. Wolte Gott/ daß wir durch uns ſelbſt uns deſſen erinnerten/ und der Feinde
unterweiſung es nicht beduͤrffte/ ſo duͤrfften wir dieſes elende Schauſpiel nicht vor unſeꝛn
Augen dulden. Unſer aller Meynung iſt/ Dorylaus habe durch ſein frevelmuhtiges Vor-
nehmen und erbieten/ der Goͤtter Zorn auff ſich geladen/ uñ durch deren wunderſchickung
den Spot einnehmen muͤſſen/ welchen er andern zugedacht hatte. Nicht ſage ich dieſes/
den Todten anzuklagen/ welcher ſeine Straffe ſchon außgeſtanden hat/ ſondern die Leben-
digen zu warnen/ daß ſie ſich an dieſem Unfalle ſpiegeln; wiewol ich dieſe Taht der Feinde
nicht gut heiſſe/ ſondern vielmehr der Rache wirdig ſchaͤtze; jedoch nicht durch gleichmaͤſ-
ſiege Zungen-abſchneidung/ fondern durch niderſchlagung der Taͤhter/ und aller deren/
welche ein gefallen daran tragen. Herrn Karthaſis haben ſeine wiedergeſchikte Skythen
des abtruͤnnigen Artaxerxes draͤuung angemeldet/ dafern uns die Begierde nach der Per-
ſen Zungen nicht vergehen werde/ wolle er ohn unterſcheid allen Parthen/ deren er maͤch-
tig wird/ Naſen und Ohren darzu abſchneiden; und wer kans ihm als einem Feinde ver-
denken? Nun begeben ſich die Faͤlle wunderlich/ und kan ein tapfferer Mann leicht in Fein-
des gewalt gerahten; aber wuͤrde derſelbe nicht tauſendmahl lieber ſterben/ als ſolcher
dreyfachen noͤhtigen und wolſtaͤndigen Haͤupt-Glieder beraubet ſeyn? Laſſet uns deßwegẽ
Freunden und Feinden kund machen/ daß des Dorylaus Zungen-hunger (ſo muß ichs mit
dem Feinde nennen) unſer keinem je gefallen habe; und doch der Durſt der Rache in uns
ſo groß ſey/ daß er weder mit Waſſer noch Wein/ ſondern bloß nur mit der Feinde Blut
koͤnne geloͤſchet werden. Vor dißmahl folge eure Koͤnigl. Hocheit unſerm getraͤuen Raht/
und ſtelle ſich/ als wuͤſte ſie nichts umb dieſen Zungenſchnit/ daß wird den Feind mehr
kraͤnken/ als wañ man ſich darüber ungeberdigſtellen/ oder groß eifern wolte. Artabanus
erhohlete ſich hierauff/ und ſtellete ſeinen Fuͤrſten anheim/ mit dem Geſ [...]en nach gut ach-
ten zu handeln/ dem er ſonſt die Straffe zugedacht haͤtte/ daß man ihm die Zunge/ ſamt
Ohren und Naſe abſchneiden/ und ſie dem abtruͤnnigen Buben zuſchicken ſolte. Welche
Rede aber mit ſtilſchweigen beantwortet ward/ und foderte bald hernach Vologeſes den
Geſanten vor ſich/ da er zu ihm ſagete: Hat Artaxerxes ſonſt nicht gewuſt Kundſchaffer
außzuſenden/ als unter dem nahmen eines Weibsbildes/ und einlieferung etlicher wenig
gefangenen/ die man nicht begehret hat? Zwar man koͤnte dir nach Recht verraͤhters Lohn
außfolgen laſſen; aber weil dem großmaͤchtigſten Beherſcher der Morgenlaͤnder mit ſo
ſchlimmen Blute nicht gedienet iſt/ wird man dir deine Tohrheit zu gute halten/ und ſchon
wiſſen/ wie man die unredliche abſcheuligkeit/ durch abſchneidung der Zungen denen an-
gelegt/ die keiner verleumdung noch verraͤhterey koͤnnen beſchuldiget weꝛden/ ernſtlich raͤ-
chen ſol/ nachdem man dieſes Orts verſichert iſt/ daß man zu ſolcher Untaht/ an ehrlich ge-
i iijſtor-
[70]Fuͤnftes Buch.
ſtorbenen begangen/ keine Urſach gegeben hat/ ſondern dergleichen vornehmen verfluchet/
daher man verſichert iſt/ die Goͤtter werden ſolche grauſamkeit ſtraffen/ worzu alle redliche
Parther und Parthers-verwanten ſich wollen gebrauchen laſſen. Hierauff muſte er als-
bald fort/ und ſeinen Leuten folgen/ welche er auch zeitig erreichete. Die Parthiſchen Feld-
Herrn aber verfuͤgeten ſich hin nach den freygelaſſenen Skythen/ nnd nahmen voͤlligen
bericht ein von allem verlauff/ und daß weder Herkules noch Ladiſla dem Treffen beyge-
wohnet/ ſondern ein Roͤmſcher junger Herr/ nahmens Fabius/ der bey Artaxerxes in groſ-
ſem anſehen waͤhre/ und mit den beyden fremden als ein Bruder umbginge; die Perſiſchẽ
und Mediſchen Voͤlker haͤtten ſich in der Schlacht zimlich ſchlecht gehalten/ denen man
mit leichter muͤhe wuͤrde abgeholffen haben/ aber es waͤhren dreyerley fremde Voͤlker da-
bey/ als Teutſchen/ Boͤhmen und Roͤmer/ deren geringe Mañſchaft allen ſchaden getahn;
wuͤſten auch nicht/ daß ſie Zeit ihres Lebens ſolche Kriegsleute geſehen; maſſen ſie weder
Speer noch Schwert ſcheuheten/ und alles was ſie traͤffen/ zu grunde gehen muͤſte. Die
Teutſchen/ welche den groͤſten Schaden getahn/ fuͤhreten zierliche Faͤhnlein/ uñ die nahmẽ
HERCVLES und VALISCA daran geſchrieben. Artaxerxes Heerlager haͤtten ſie geſehen/
aber nie kein wolgeſtalters; waͤhre einer gewaltigen Stad aͤhnlicher als einem Feldlager;
mit Graben und Waͤllen umbfaſſet/ hinter welchen ſie vor allem anfall ganz ſicher laͤgen;
der Voͤlker waͤhre eine ſehr groſſe Menge/ man ſagte von 400000 Mann/ alle wol beweh-
ret; Speiſe und Trank fuͤhrete man ihnen haͤuffig zu/ und mangelte nichts an allem was
zu einem wolbeſtalten Feldzuge erfodert wuͤrde; inſonderheit aber haͤtten ſie ſich verwun-
dern muͤſſen uͤber der groſſen freudigkeit/ welche alle Voͤlker erzeigeten/ da ſie nichts als die
Haͤupt Schlacht wünſcheten/ welche zu gewinnen/ oder willig zu ſterben ſich hoch und ni-
drig verbunden haͤtten. Sie wiederhohleten auch/ was ſie mit Karthaſis/ Vologeſes und
Pakorus zu reden/ von Artaxerxes abſonderlich befehlichet wahren. Welches alles nie-
mand beſſer als Vologeſes anmerkete/ und daraus erkennete/ wie ſchwer es ihm fallen
wuͤrde/ den Sieg dergeſtalt zubehaͤuptẽ; verwunderte ſich auch uͤber Artaxerxes freymuͤh-
tigkeit/ daß er den Koͤnig offentlich ſchmaͤhen/ und deſſen Feld Herren gruͤſſen und warnen
laſſen duͤrffte. O/ ſagte er/ wie eine ſchlechte Morgenſuppe ſolten uns die Perſen und Me-
den ſeyn/ wann die fremden von ihm abgeſondert waͤhren; dieſe/ dieſe ſind ſeine Seele uñ
ſein Muht/ ſonſt haͤtte er das Land ſchon verlauffen müſſen. Und O ihr Fuͤrſten uñ Herꝛn/
helffet/ bitte ich/ ſinnen und tichten/ wie wir dieſe zween Helden von ihm abreiſſen/ oder ſie
fellen moͤgen/ daß wird uns eben ſo viel/ als die voͤllige uͤberwindung ſeyn. Sie gingẽ hier-
auff wieder nach dem Koͤnige/ und fuͤhrete Vologeſes daſelbſt eine bewaͤgliche Rede/ wie
groſſe vorſichtigkeit man in einer Sache anzuwenden haͤtte/ auff deren Gewin und Ver-
luſt unſer Heyl und Verderben beruhete; auch wie ein gefaͤhrliches Ding es waͤhre/ einen
ſtarken/ ſieghafften und muhtigen Feind in ſeinem Vortel anzugreiffen/ der an allen noͤh-
tigen ſachen uͤberfluß haͤtte; und ſchloß endlich dahin; er hielte vor das beſte und ſicherſte/
man ſpielete den Krieg anfangs etwas in die Harre/ des Feindes gefaſſeten Muht zu bre-
chen; zum wenigſten/ biß man durch eine abſonderliche kleine Schlacht den genommenen
Schimpff (der nicht ſo gar ohn Schaden waͤhre) wieder einbraͤchte/ oder/ wo moͤglich/
die Teutſchen von ihm zuruͤk nach ihrer Heimat zoͤgen/ welche ohn zweiffel nicht lange in
der
[71]Fuͤnftes Buch.
der Fremde bleiben wuͤrden/ nachdem ſie ihren Vorſaz erhalten/ und das Fraͤulein/ wel-
ches ſchiene dem Parthiſchen Stuele zum ſchaden gebohren ſeyn/ wieder bekommen haͤt-
ten/ welches wieder zugewinnen/ der Koͤnig nicht begehren würde/ nachdem ſie ſich verhei-
rahtet haͤtte/ und wol ein kleines Meer Parthiſches Blutes koſten wuͤrde/ da man ſichs un-
terfahen wolte. Zwar er zweifelte nicht/ ein und ander duͤrffte ihm dieſen Vorſchlag zur
kleinmuͤhtigkeit außlegen/ aber ſolches wolte er gerne uͤber ſich gehen laſſen/ weil ihm ſein
Gewiſſen Zeugnis gaͤbe/ daß er auff nichts/ als auff des Parthiſchen Reichs erhaltung/
ſeines Koͤniges wolfahrt/ und des Heeres moͤgliche verſchonung ſein ganzes abſehen haͤt-
te. Dem Koͤnige dauchten dieſe Reden lauter ſtachlichte/ Dornen/ ja Schwerter und Spieſ-
ſe in ſeinem Herzen ſeyn/ deßwegen er im Zorn alſo loß brach: Iſt euch das Herz ſchon ent-
fallen/ Vologeſes/ und habt den Feind noch nicht geſehen? oder ſind wir zu dem Ende mit
dieſem faſt unzaͤhlbahren/ unuͤberwindlichen Heer außgezogen/ daß wir in unſern Zelten
ſtille ſitzen/ und etwa Eyer außbruͤten wollen? Auff dieſe Weiſe haben unſere Vorfahren
das Reich weder erſtritten noch geſchuͤtzet/ ſondern wann Feinde entſtunden/ griffen ſie
friſch an/ und legten ſie zu bodem; und wir ſolten den Auffruͤhrern/ unſern Untertahnen
zuſehen/ wie ſie unſer Land und Leute verderben/ unſern Kriegsleuten die Zungen außreiſ-
ſen/ ja auff unſerm Parthiſchen Grund und Bodem liegen/ und ihres willens ſpielen?
Nein Vologeſes/ hier zu bringet ihr uns noch nicht/ noch einiger Menſch. Und was haͤt-
ten wir deſſen doch vor Urſach? ein tapfferer Mann/ wann ihm ſchimpff und ſchaden an-
gefüget wird/ ſuchet er ſchleunige Rache; und wir ſollen nach deſſen einnehmung geduldig
ruhen/ damit wir nicht etwa ein ſchlimmers empfinden? Ey ey/ welch eine Tapfferkeit
iſt daß! Sollen wir aber auff zweer/ ja bloß nur auff zweer verlauffener Buben abzug lau-
ren/ damit ſie nicht unſer ganzes Heer (dann die uͤbrigen werden ja nichts geachtet) auff-
reiben? Ey mein Vologeſes/ wir moͤchten wuͤnſchen/ daß einem andern als euch/ dieſe re-
de entfahren waͤhre. Doch daß ihr euren Irtuhm erkennet/ ſo wiſſet/ daß eine groſſe Urſach
unſers Zuges eben dieſes ſey/ daß wir dieſe beyden veraͤchter unſer Hocheit haͤrtiglich zu
beſtraffen/ und unſere verlobete Braut wieder zugewinnen/ uns gaͤnzlich vorgenommen
haben. Waͤhre es aber nicht ein ſchoͤnes freſſen vor unſere Abtruͤnnigen/ wann ſie durch
bedraͤuung/ uns Zungen/ Ohren und Naſen abzuſchneiden/ uns dz Herz gar hinweg rau-
ben/ und nach unſer Haͤuptſtab zuruͤke treiben koͤnten? Dieſen Spot zu meiden/ entſchlage
ſich nur ein jeder der Gedanken/ daß wir bedacht ſeyn ſolten/ unſere und des Reichs abge-
ſagte Feinde ohn angefochten zu laſſen. Nein nein! wir wollen ſie/ ehe die Soñe dreymahl
auff und untergehen wird/ getroſt angreiffen/ uñ wo ſonſt kein ander verhanden iſt/ unſern
Leib an die Teutſchẽ Laffen ſetzen; oder da ſie uns Streits verſagen/ ganz Perſen mit Feuꝛ
und Schwert durchaͤchten. Wer nun dieſer unſer meynung zuwieder iſt/ der melde ſich
bey zeiten/ auff daß wir uns vor demſelben zu huͤhten wiſſen. Allergnaͤdigſter Koͤnig/ ant-
wortete Vologeſes/ euer Koͤnigl. Hocheit Wille iſt mir befehls gnug/ dem ich und ein je-
der billich folgen ſol und wil; jedoch habe ich meine meynung weder aus furcht meiner Na-
ſen und Ohren/ noch aus verraͤhteriſchem Herzen vorgetragen/ nachdem mir mein Ge-
wiſſen Zeugnis gibt/ das mein Gut/ Blut/ Ehr/ und Leben meinem Konige ohn alle bedin-
gung ganz eigen iſt; und gebe der Himmel daß euer Hocheit niemahls gereue meinen Raht
ver-
[72]Fuͤnftes Buch.
verachtet zuhaben; ja daß klein und groß Urſach haben moͤge/ nach dieſem zuſprechen:
Vologeſes Raht hat nichts getaucht. Weil dann der unwiederrufliche Schluß gemacht
iſt/ dz die Schlacht ehiſtes ſol gewaget ſeyn/ wil ich alles mein vorige in die Erde verſchar-
ren; aber auff dieſem meinem Haͤuptgrunde ſtehe ich feſte/ wir muͤſſen behutſam verfahrẽ/
wann wir nicht fallen wollen; dann wir haben Maͤnnervor uns; wir haben mit vorſich-
tigen/ herzhaften und gluͤkſeligen zu fechten; aber den Goͤttern ſey dank/ nicht mit unuͤber-
windlichen; ſo ſtehet die Gerechtigkeit auff unſer Seite/ deren der Himmel allezeit wol
wil/ da jene nur auff den Frevel bauen; wir ſtreiten vor unſern Koͤnig/ von dem jene abge-
fallen; ſuchen Friede zuſtiften/ welchen jene gebrochen; und gedenken die Boßheit zuſtraf-
fen/ deren jene ergeben ſind; wil nicht ſagen/ daß wir an geuͤbeter und verſuchter Mann-
ſchafft dem Feinde es zuvor tuhn. Deßwegen beſtimme eure Koͤnigl. Hocheit den Tag uñ
die Stunde/ ich bin fertig und bereit/ mit gleichem Herzen zum tode und zum Siege. Nun
hoͤre ich den ehmahligen Vologeſes/ ſagte der Koͤnig/ welcher nicht waͤhnen darff/ als ob
wir ihn einiger traͤuloſigkeit zeiheten. Aber mein Karthaſis/ was gebt ihr vor einen Raht?
ihr pfleget ja nicht gerne lange zu feiren. Allergroßmaͤchtigſter Koͤnig/ antwortete dieſer:
Ich habe nie mit ſtille ſitzen etwas gewinnen koͤnnen/ ohn beim Würffel- und Kartenſpiel;
wiewol ich nit zweifeln wil/ Herrn Vologeſes Vorſchlag ſey der ſicherſte Weg/ den Feind
zu ſchwaͤchen; jedoch halte ichs mit euer Koͤnigl. Hocheit/ unter der Hoffnung/ je friſcher
man an den Feind gehen wird/ je geherzter werden unſere Voͤlker gemacht/ und die Wie-
derwaͤrtigen erſchrecket; achte ſonſt vor dienlich/ daß man in unſerm Lager durch die uͤber-
geſchikten gefangenen außſprenge/ Dorylaus ſey der ganzen Feindesmacht in die Haͤnde
gerahten/ und mit den ſeinen wieder gegebene Traͤu und Glauben ermordet; welches nit
allein die unſern aller furcht entheben/ ſondern auch einen Eifer und Rachgier bey ihnen
erwecken wird/ wodurch man den Sieg gewaltig befodern kan. Ich vor mein Haͤupt wil
nichts lieber wuͤnſchen/ als eben an dem Orte zufechten/ woſelbſt der hochberuͤmte junge
Fuͤrſt Herkules ſich wird findẽ laſſen/ nachdem ich ſondeꝛliche gute Luſt habe/ ſein Schweꝛt
zupruͤffen. Dieſer Vortag gefiel Artabanus/ ermahnete ihn zur beſtaͤndigkeit/ und ver-
ſprach ihm/ dafern er ihm Herkules lebendig oder Tod liefern wuͤrde/ ſolte es ihm mit ei-
nem Fuͤrſtentuhm und ſechs Tonnen Schaz vergolten werden; welches das rechte Waſ-
ſer auff Karthaſis Muͤhle wahr/ als der umb genieſſes willen keine moͤgligkeit unterließ.
Vologeſes ließ die an Dorylaus ertichtete Verraͤhterey offentlich außruffen/ und zugleich
andeuten daß ein jeder ſich gegen Morgen fcuͤh zum Auffbruch fertig halten ſolte/ da man
ſie zur Rache und Beute anfuͤhren wolte.


Der Perſiſche Geſanter eilete ſehr/ die empfangene Antwort ſeinem Groß Fuͤrſten
zu hinterbringen/ deren ſie wenig achteten/ und wol ſahen/ daß Vologeſes des Dory-
laus vornehmens ſich ſchaͤmete/ erfreueten ſich aber hoͤchlich da in folgender Nacht ſie
Zeitung bekahmen/ daß die Feinde auffgebrochen waͤhren/ und gerade auff ſie angingen;
woruͤber Herkules vor freuden auffſprang; dann weil er vexnam/ daß alles von Vologe-
ſes geordnet würde/ deſſen Art ihm wol bekant wahr/ befahrete er ſich einer lang wierigen
Verzoͤgerung/ wodurch ſie von ihrer hochgewuͤnſchten Ruͤkreiſe duͤrfften abgehaltẽ wer-
den; welchem vorzubauen/ er ſeine Stimme im Kriegsraht allemahl dahin richtete/ man
ſolte
[73]Fuͤnftes Buch,
ſolte des Feindes nicht erwarten/ ſondern/ umb ihn zur Schlacht zubringen/ etliche Mei-
len ins Land ruͤcken/ welche er durch Gottes huͤlffe gedaͤchte zuerhalten. Dieſem ſetzeten
ſie umb ſo viel eiferiger nach/ da ihnen des Feindes Auffbruch kund getahn ward; und er-
hielt Valiſka bey ihrem Herkules/ daß ſie mit zu Felde ging/ weil Artaxerxes ihr einen
treflichen Elefanten mit einem niedrigen feſten Turm zurichten ließ/ der von 2000 Schuͤt-
zen begleitet ward; wiewol ſie/ umb Argwohn zuverhuͤten/ ſich ſtets bey den andern Elefan-
ten hielt. Als nun ein jeder Feld Herr ſich nach ſeinen Voͤlkern hin begeben wolte/ redete
Artaxerxes unſere Helden an/ bedankete ſich der ſchon geleiſteten Dienſte/ und baht/ die be-
vorſtehende Schlacht ihnen befohlen ſeyn zu laſſen/ welches die geſamte Hoch Fürſtl. ver-
buͤndnis/ und jedes Glied derſelben vor ſich erkennen wuͤrde. Sie hingegen verſprachen
alle moͤgligkeit/ ſich zubemuͤhen/ daß ſie in Artabanus Gegenwart moͤchten ſehen laſſen/ wie
ſie ſich ſo wenig vor ſeinem Saͤbel als vor ſeinen Ruhten fuͤrchteten; verfügeten ſich zu
ihren anvertraueten Voͤlkern/ und gingen in gevierter Schlachtordnung freudig fort/ da
Leches und Arbianes (welcher jezt ſchon alle traurigkeit abgelegt hatte) mit 14000 Pfer-
den den Vortrab hielten/ und außdruͤklich befehlichet wahren/ nicht zu ſchlagen/ ſondern
nur/ wo moͤglich/ etliche gefangene einzubringen/ und auff erblickung eines ſtarken Heers/
hinter ſich zugehen. Artabanus zohe in gleicher behutſamkeit etwas langſam fort/ wegen
etlicher engen Wege/ und bekam gegen Abend Kundſchafft der Perſe waͤhre aus ſeinem
feſten Lager loßgebrochen/ und ginge gerade auff ihn zu mit aller ſeiner Macht. Daher Vo-
logeſes vor rahtſam hielt/ man ſolte nicht weiter zihen/ weil hieſelbſt ein weites ebenes Feld
zur Schlacht ſehr bequemlich waͤhre; verſicherte auch den Koͤnig und die andern Haͤup-
ter/ daß Herkules nicht weichen/ ſondern alle Gelegenheit zur ſchleunigen Schlacht ſuchẽ
wuͤrde. Die unſern traffen nichts denkwirdiges an/ ohn dz die außgeſchikten Kundſchaf-
fer einbrachten/ an was Ort Artabanus ſich nider gelaſſen haͤtte; deßwegen ſie dieſe Tage-
reiſe endigten/ und nur eine halbe Meile ſich von dem Feinde lagerten/ da ihre Voͤlker zur
gnũge geſpeiſet/ und zur ruhe gelaſſen wurden. Umb Mitternacht bekahmen ſie eigentliche
Kundſchaft/ wie nahe ihnen der Feind waͤhre/ woruͤber ſich Herkules erfreuete/ und zu Ar-
taxerxes/ der mit ihm in einem Reuterzelte lag/ ſagte: Nun hat gewißlich der verſtaͤndige
Vologeſes mit ſeinem nuͤzlichen Raht nicht moͤgen gehoͤret werden; dann ich weis/ wañ
es bey ihm ſtuͤnde/ wuͤrde er ſo eilig nicht fortgangen ſeyn/ und duͤrfte ich ſchier wetten/ der
Wuͤterich fuͤrchte ſich/ ich werde ihm mit meiner Valiſken entlauffen. Beiderſeits ſtelle-
ten ſie ihre Schildwachen gar weit und bey ganzen Schaaren aus/ und weil der Angriff
an beiden ſeiten verbohten wahr/ hielten ſie gegen einander mit bloſſem Gewehr/ und fingẽ
nichts taͤhtliches an/ ohn daß ſie einander mit Worten und Geſchrey umbtrieben/ da die
unſern von jenen vor Zungendiebe; jene aber von den unſern vor Zungenfreſſer geſchol-
ten wurden. Vor Tage muſten beyde Heere ſich mit Speiſe und Trank laben/ und ward
an Perſiſcher ſeite ernſtlich befohlen/ daß ein jeder ein ſtuͤk Brod und etwas Gewuͤrz bey
ſich ſtecken ſolte/ damit wann die Schlacht etwas lange anhalten wuͤrde/ ſie ſich laben und
erfriſchen koͤnten. Herkules mit ſeinen Chriſten hielt ein andaͤchtiges Gebeht zu Gott/ uñ
ließ das 14 Kapittel des erſten Buchs Moſe von einem Chriſtlichen Lehrer außlegen; nach
deſſen endigung zum Auffbruch geblaſen ward. Nun hatte Artabanus dieſe Nacht weder
tSchlaff
[74]Fuͤnftes Buch.
Schlaff noch ruhe haben koͤnnen/ ohn gegen Morgen kam ihm vor/ als haͤtte Artaxerxes
der Perſe einen dreypfuͤndigen Stein auff ſein Schloßdach zu Charas geworffen/ wovon
es gar zerſchmettert worden. Er erſchrak deſſen nicht wenig/ zeigete es anfangs Bagopha-
nes/ und auf deſſen Raht Vologeſes an/ welche beyderſeits ſich munter bezeigeten/ als waͤh-
re ſolches nicht zu achten; wiewol ſie viel ein anders im Herzen befürchteten/ uñ dieſer dem
Koͤnige riet/ es wuͤrde ſeiner Koͤnigl. Hocheit nicht ungleich koͤnnen außgedeutet werden/
wañ dieſelbe die beyden abtruͤnnigẽ Fürſten vor der Schlacht durch ein gnaͤdiges Schrei-
ben ihres ſchuldigen Gehorſams erinnerte/ und auff deſſen bezeigung ihnen Gnade und ih-
res verbrechens vergebung anboͤhte. Die Furcht machete/ daß er ſich hierzu leicht bereden
ließ/ ſetzete es mit eigener Hand auff/ zeigete aber niemand den Inhalt/ ſondern verſiegelte
es/ und ſchikte es durch einen Heerhold uͤber; welcher gleich im anfange des Auffbruchs
ſich bey Artaxerxes melden ließ/ und ihm den Brieff dieſes Inhalts einlieferte:


Der groſſe Koͤnig Artabanus wil nicht unterlaſſen/ ſein liebreiches Vaterherz/ auch den Ab-
truͤnnigen Soͤhnen Artaxerxes und Phraortes/ und allen denen/ die ihnen mit verbunden ſind/ darzu-
legen; erbeut ſich allergnaͤdigſt/ das Verbrechen zu uͤberſehen/ die Straffe abzuſtellen/ und ſie nach
wie vor als getraͤut Fuͤrſten und Reichs Seulen zu halten/ dafern ſie nur ihre Miſſetaht erkennen/
umb Gnade anhalten/ auffs neue ſich dem Reich und ihrem Koͤnige verbinden/ und ihm die beyden
Fremdlinge aus Teutſchland und Boͤhmen/ nebeſt dem entfuͤhrten Fraͤulein alsbald lebendig uͤber-
geben und einlieffern. Solten ſie aber wieder vermuhten ſich deſſen wegern/ und dieſe vaͤterliche Gna-
de verachten/ wil er an dem erſchreklichen Blutbade/ und der gaͤnzlichen verhehrung der Perſen- und
Meden laͤnder allerdinge entſchuldiget ſeyn/ und an den Uhrhebern es hernaͤhſt ernſtlich zu ſtraffen
wiſſen.


Artaxerxes trug bedenken/ es einigem Menſchen ſehen zu laſſen/ deſſen er ſich gegen
unſere Helden alſo entſchuldigte: Hochwerte Herren Brüder; ſie wollen mir vergeben/
daß vor gehaltener Schlacht ich ihnen dieſen Narren-Brieff nicht zeige/ weil er abſonder-
lich mich betrift/ uñ ich ihn mit wenigen beantwortẽ wil; ſetzete auch alsbald folgendes auf:
Artaxerxes und Phraortes/ auch andere loͤbliche Fuͤrſten dieſer Morgenlaͤnder/ haben Artabanus den
Parther nie zum Vater/ aber wol zum Wuͤterich und Henker gehabt/ deſſen uͤbermuhtigen frevels
ſie lebendig oder Tod abſeyn wollen/ und daher ſeiner Gnade durchaus nicht begehren/ erkennen ſich
auch vor keine Verbrecher/ ſondern beſchuͤtzer ihrer Freyheit/ inſonderheit vor getraͤue Freunde Koͤ-
niges Ladiſla und Groß Fuͤrſt Herkules/ die ihnen ja ſo lieb ſind als ihr eigen Leben; und wer die
Durchl Groß Fuͤrſtin Valiſka ihnen entzihen wil/ muß zuvor aller unſer Mannſchafft die Haͤlſe ge-
brochen haben. Der uͤbrigen draͤuungen wil man gewaͤrtig ſeyn/ aber mit dieſem bedinge/ daß man
umb die Meiſterſchaft ſpielen wird.


Dieſe Antwort reichete er in unſerer Helden und anderer Fürſten und Herren Ge-
genwart dem Heerhold mit dieſen Worten ein: Sihe da/ mein Kerl/ einmahl Antwort
vor allemahl; und wer mir dergleichen anmuhtung nach dieſem/ ſchrift- oder muͤndlich
bringen wird/ ſol an ſtat Trinkgeldes den Galgen beſcheiſſen. Die Anweſende merketen
aus ſeiner verenderung/ daß es ein wichtiges betraf; aber niemand/ ohn allein Herkules
kunte es aus finnen/ wiewol er ſichs gar nicht annam. Sie ordenten ihre Voͤlker alsbald
zur Schlacht/ ſo daß Artaxerxes/ Phraortes/ Fabius und Artobarzanes das Fuß Volk uñ
die Elefanten fuͤhreten; Herkules aber mit Pharnabazus/ Arbianes/ Leches/ Klodius und
Markus den rechten Fluͤgel der Reuterey/ welcher alſo abgeteilet wahr. Pharnabazus
ging
[75]Fuͤnftes Buch.
ging voran mit ſeinen 20000 Suſianern/ uñ hatte 500 Teutſchen um ſich zum Leibſchutze.
Arbianes zohe hinter ihm her mit 20000 Meden/ und hatte gleichergeſtalt 500 Teutſchen
bey ſich. Den dritten Hauffen fuͤhrete Leches/ 20000 Aſſyrer und 500 Teutſchen/ deren
hundert die groſſen Schlacht Schwerter fuͤhreten. Den vierden und lezten behielt Her-
kules vor ſich ſelbſt/ 10000 Aſſyrer/ 10417 geworbene/ 4441 Teutſchen/ 5872 Roͤmer/ und
770 Fabius geworbene; und ſahe Herkules vor gut an/ daß Markus ſeine und Klodius
1000 Roͤmer Arbianes zufuͤhrete/ daß alſo dieſer Flügel 94000 Reuter ſtark wahr. Her-
kules ritte ſtets neben Pha[r]nabazus vor dem erſten hauffen her/ uñ ließ Klodius zum Stat-
verweſer bey ſeinem eigenen/ da er dann auff ſeinem wolverwahrten Blaͤnken ſich ſo freu-
dig erzeigete/ auch den Voͤlkern ſo geherzt und freundlich zu redete/ daß ſie alle entſchloſſen
wahren/ mit ihm zu ſiegen oder zu ſterben. Den linken Fluͤgel befehlichte Ladiſla/ welcher
eine gleichmaͤſſige abteilung mit Herkules abgeredet hatte. Unter ihm ging Prinſla vor an
mit 12000 geworbenen/ 8000 Hirkanen und 500 Boͤhmen. Dieſen folgete Neda mit
10000 Baktrianern/ 10000 Ariſchen/ und 500 Boͤhmen. Den dritten hatte Mazeus
14100 Meden/ 6900 Drangianer/ und 500 Boͤhmen. Den vierden behielt er vor ſich/ als
4428 Boͤhmen/ 14000 Perſen uñ 13072 Margianer/ wobey er ſeinen Tyriotes zum Stat-
verweſer beſtellete/ weil er ſich vor dem ganzen Fluͤgel ſehen ließ/ welcher in gleicher anzahl
mit dem linken wahr. Das Fuß Volk ward in vier hauffen geſetzet; den erſten fuͤhrete Ar-
tobarzanes (Phraortes Bruder-Sohn) und Gallus/ 20000 Suſianer/ 8000 Drangia-
ner/ und 6000 Aſſyrer. Den andern Fabius/ 12000 Hirkaner/ 15000 Ariſche/ und 7000
Margianer; Den dritten Phraortes/ 20000 Meden 13000 Baktrianer/ und die Elefan-
ten/ auff welchen ſich 7000 Schuͤtzen hielten. Den vierden und lezten Artaxerxes ſelbſt/
48000 Perſen; und blieben 6000 Fuß Knechte zur beſatzung des Lagers; daß alſo die gan-
ze Reuterey in 188000; und das Fuß Volk/ welches ſich in der Schlachtordnung befand/
in 156000 Mann beſtund/ ein Kriegs Heer von 344000 bewehrten Kerlen.


Artabanus lies durch Vologeſes ſeine Voͤlker auch in Ordnung ſtellen/ welcher von
den geworbenen Fußknechten den abgang der Reuterey unter Dorylaus/ erſetzet hatte/
wie imgleichen auch dz Skytiſche Heer von ihren Fußgaͤngern; anderen ſtat 37000 Par-
ther dem Fuß Volk wieder zugegeben/ und deren anzahl auff 196000 ergaͤnzet ward/ uͤber
welches Fuͤrſt Pakorus Obriſter Feld Herr wahr/ der ſich in vier ſtarke hauffen ſetzete. Den
erſten gab er einem kuͤhnen und verſtaͤndigen Parthiſchen Herrn/ nahmens Surinas/
42000 geworbene Knechte. Den andern/ Fuͤrſten Orodes/ 16500 Skyten/ 14000 Indier/
und 11500 geworbene. Den dritten/ Herrn Archelaus/ 20500 geworbene und 21500 Par-
ther. Den vierden behielt er bey ſich/ 50000 Parther. Naͤhſt ihm hielt Madates mit den
Elefanten/ auff welchen 12000 Schützen wahren/ wobey Artabanus ſich ſelbſt befand; uñ
wahren 6000 Parther im Lager zur beſatzung blieben. Den linken Fluͤgel der Reuterey
fuͤhrete Fuͤrſt Oſazes/ 146500 Mann ſtark/ welchen er gleichmaͤſſig in vier groſſe Geſchwa-
de verteilete. Bey dem erſten wahr Fuͤrſt Mithridates 25500 allerhand zuſammen geleſene
Voͤlker/ und 5000 verſuchte Parther. Bey dem andern/ Herr Argunthis Groß Ober-
wachtmeiſter von Karthaſis/ 31000 Skythen. Bey dem dritten Karthaſis ſelbſt/ 35000
Skythen. Bey dem vierden der Feld Herr Oſazes/ 50000 Parther. Der rechte Fluͤgel
k ijunter
[76]Fuͤnftes Buch.
unter Fuͤrſt Vonones wahr gleich ſo ſtark an Mannſchaft/ auch in gleich ſo viel Heere ab-
geteilet; das erſte bekam Herr Oxatres 32000 geworbene/ zum angriff. Das andere Par-
dion/ ein Handfeſter Indianiſcher Herr/ von 26000 ſeiner Landsleute und 5000 allerhand
geſamleten. Das dritte Herr Dataphernes/ 15000 geworbene/ 13500 auß dem Fuß Volk
geſamlete/ und 5000 verſuchte Parther zum Leibſchutze. Das vierde hatte Vonones ſelbſt
zum Stichblade dieſes rechten Fluͤgels; 50000 Parther/ den Kern der Ritterſchaft.


Als dieſe beyde Heere gegen einander hielten 845000 Mann zuſammen gerechnet/
(ſo hatten ſich die Voͤlker beiderſeits auff dem Zuge und im Lager geſtaͤrket) wahr niemand
der nicht uͤberlegete/ was vor eine erſchrekliche Blutſtuͤrzung in wenig Stunden ſich zu-
tragen wuͤrde; nur der einige Artabanus wahr blind vor Eifer und Liebe/ daß er weder fei-
nes Heils noch ſchadens wahr nam. Arimazes wahr befehlichet/ mit den 1200 Streitwa-
gen den erſten Angriff zu tuhn; und weil die unſern davon gute wiſſenſchaft hatten/ folge-
ten ſie Herkules Raht/ in dem ſie 4000 zu Fuſſe mit langen Spiſſen/ und zwiſchen ihnen
4000 der allerbeſten Schuͤtzen deſſelben Weges in die laͤnge herſtelleten/ da ſich 50 Wage-
haͤlſe mit 5000 Kronen willig erkaͤuffen lieſſen/ daß ſie mit angezündeten Fackeln/ Stroh
und Flachs/ welches ſie auff Knaͤbelſpieſſe ſtecketen/ den Wagen entgegen treten/ und die
Pferde damit verſchuͤchtern wolten; welches auch ſehr gluͤklich von ſtatten ging/ und ihrer
nur zehn druͤber ums Leben kahmen; dann als dieſer Wagen anfangs 50 loßbrachen/ wur-
den ſie durchs Feur erſchrecket/ daß ſie umbkehreten und ſich in einander wickelten/ da die
beſtelleten Schuͤtzen nicht feireten/ ſondern die Pferde niderſchoſſen. Nach dieſem gingen
300 andere loß/ deren Roſſe gleichergeſtalt das Feur ſcheuheten/ und zur ſeite außlieffen/
daß ſie von unſerm Heer mit Pfeilen alsbald unduͤchtig gemacht wurden. Artabanus ſa-
he/ daß dieſer Anſchlag/ auff welchen er faſt getrotzet hatte/ von Freunden und Feinden als
ein Kinderſpiel verlachet ward/ deßwegen er befahl/ daß die uͤbrigen auff gelegenere Zeit
verſparet wuͤrden/ und der linke Reuter Fluͤgel den Angriff taͤhte. Alſo ging Mithridates
friſch loß mit den ſeinen/ die alle Schwerter und Bogen fuͤhreten. Den erſten angriff tah-
ten ſie mit ſchieſſen/ aber Pharnabazus/ welcher ihm begegnete ſchonete ſein auch nicht; uñ
weil die unſern den Wind zum vortel hatten/ wirketen ihre Pfeile weit beſſer als der Fein-
de/ und erlegeten deren 3000/ da von den unſern etwa 50 erſchoſſen wurden. Hierauf wol-
te Pharnabazus mit dem Schwert anſetzen/ aber der Feind weich ſeiner Art nach zuruͤk/
und ſchoß die Pfeile hinterwerz/ daß wo die unſern nicht ſo behutſam gangen waͤhren/ wuͤr-
den ſie groſſen Schaden genommen haben; weil ſie aber ſich bey zeiten zuruͤk zogen/ ging
es noch gnaͤdig ab/ wiewol ſie 165 dabey einbuͤſſetẽ/ uñ 300 zum gefecht undüchtig gemacht
wurden. Oſazes brach darauff mit ſeinem hauffen ſelber loß/ die eine ſolche Menge Pfeile
von ſich ſchicketen/ daß ſie als Hagel niderfielen; aber Herkules/ der ſich mit Arbianes zu-
ſammen geſezt hatte/ wichen zuruͤk/ daß die Pfeile zu kurz fielen/ und etwa 100 Mann ver-
wundeten und 36 erſchoſſen/ die von Arbianes Heer wahren. Die unſern zuͤcketen hieſelbſt
noch keine Bogen/ ſtelleten ſich gleichwol als wolten ſie eiferig anſetzen/ wodurch Oſazes
muhtig ward/ und gedachte ſie nahe gnug kommen zulaſſen/ und alsdann im weichen ihnẽ
groſſen Schaden zu tuhn; aber Herkules wiche zugleich mit/ daß jener abermahl ſeine Pfei-
le umbſonſt verſchoß. Bald darauff wendete ſich Herkules/ hieß die ſeinen fꝛeudig loßdruͤc-
ken/
[77]Fuͤnftes Buch.
ken/ und traffen ſo wol/ daß 5000 Parther ſitzen blieben/ und 3000 hart verwundet wurdẽ/
da hingegen der unſern etwa 200 von Arbianes Heer verletzet und 80 zu bodem geſtuͤrzet
wurden; daher dieſem Feindes hauffen nicht mehr geluͤſtete/ ſich unter die Pfeile zuwagẽ.
Herkules ſendete unter dieſem Schieſſen ſeinen Klodius an Ladiſla/ und ließ ihm anſagen/
daß er aus der erfahrung gelernet/ wie man ſich bey dieſem Pfeil-Treffen zuverhalten haͤt-
te/ welche unterrichtung ihm wol zu ſtatten kam. Artabanus ſahe/ daß der Bogen Streit/
welcher der Parther beſtes wahr/ und er darauff ſeine groͤſte Hoffnung geſezt hatte/ ihm
den Sieg nicht bringen wuͤrde/ wie ihm ſolches auch Vologeſes ſchon hatte zuvor geſagt/
daß Herkules viel zu behuhtſam waͤhre/ und die fliehenden ſo blindlings nicht wuͤrde ver-
folgen laſſen/ welches er zwar dazumahl verlachete/ aber es in der Taht mit groſſem unluſt
und verluſt erfuhr; befahl demnach/ es mit dem Schwerte auffs tapferſte zu wagen/ und
den erſten Feinden nur getroſt entgegen zugehen/ alsdann wuͤrde das Feld leicht zuerhal-
ten ſeyn. Es wahren hierzu ſeine Leute willig/ und die unſern ſehr froh/ daher ſie/ als haͤtten
ſie ſich deſſen verglichen/ zu ihren Schwertern griffen. Mithridates ſetzete abermahl vor-
aus/ welches Pharnabazus erſehend/ den ſeinen geherzt zuredete: Sie ſolten gedenken/ dz
ſie Maͤnner waͤhren/ und die veruͤbte traͤuloſigkeit ihrer Landsleute unter Gobares/ mit
einer ruhmwirdigen Taht abwiſcheten/ damit die Suſianer/ ſo vor dieſem die aͤdleſten ge-
ach (et/ ihren Ruhm und Preiß nicht verlieren moͤchten. Fuͤhrete ſie damit an den Feind/
und griff mit ganzer Wuht an/ da ſeine Leute/ die ſich alle zum Tode bereitet hatten/ nichts
mehr begehreten/ als ihr ſterben noch lebendig zuraͤchen; und wann einer ſeinen Feind er-
legt hatte/ meinete er daß ſeine getahn haben/ wiewol ihrer viel den dritten/ vierden und
mehr hinrichteten/ und gleichwol ohn ſonderliche Wunden blieben; und tahten die 500
Teutſchen hieſelbſt ein groſſes durch ihr tapfferes vorgehen/ denẽ die Suſianer rechtſchaf-
fen folgeten. Mithridates wahꝛ dieſes verzweiffelten fechtens an den Peꝛſen nicht gewoh-
net/ bemuͤhete ſich ſehr/ ihren dolkuͤhnen Einbruch auffzuhalten/ aber vergebens; dañ da
wahr kein weichen/ biß Mann oder Pferd ſtuͤrzete; und gab ein luſtiges anſehen/ daß des
Feindes hauffe/ welcher drey gegen zween hatte/ in kurzer Zeit geringer ward als dieſe.
Niemand freuete ſich deſſen mehr/ als ihr Fuͤhrer/ welcher nur ſuchete Mithridates anzu-
packẽ/ der ſonſt ſein vertraueter bruͤderlicher Freund wahr; ſamlete deßwegẽ eine Schaaꝛ
von 150 Teutſchen umb ſich/ brach mit ihnen durch/ und traff ſeinen Mann zeitig an/ wel-
chen er mit aller Macht uͤberfiel/ aber gute gegenwehre fand; doch halff ihm das Glük/ dz
ſeines Feindes Pferd uͤber eines ertoͤdteten Harniſch ſtrauchelte/ und mit ſamt ſeinem
Reuter zu bodem fiel. Da haͤtte man moͤgen ein verwirretes ſchlagen ſehen; jene wolten
ihren Feld Herrn retten/ und dieſe den ſo gut als gefangenen nit verlaſſen. Aber der Teut-
ſchen Schwert drang durch/ daß Pharnabazus gelegenheit bekam abzuſteigen und ihm
auffzuhelffen/ da er zu ihm ſagte: Bruder gib dich/ daß du leben bleibeſt/ du weiſt daß ich
allemahl dein Freund geweſen bin. Ich muß mit des Gluͤckes Unfal zu frieden ſeyn/ ant-
wortete dieſer/ gab das Schwert von ſich/ und ward von 20 Suſtanern nach Arbianes ge-
fuͤhret/ der ihn Artaxerxes zuſendete. Vologeſes ſahe dieſem Treffen mit groſſem Unluſt
zu/ hielt neben Oſazes/ und ſagte: Jedes Ding hat ſeine Zeit und verenderung; wie haben
doch die Perſen in ſo kurzer Zeit ſolchen beſtaͤndigen Muht gefaſſet/ dz da ihrer drey vorhin
k iijkaum
[78]Fuͤnftes Buch.
kaum einen Parther beſtreiten durfften/ jetzo einer dreien ſcheinet gewachſen ſeyn. Machte
ſich nach Argunthis/ und redete ihn alſo an: Geehrter Spieſgeſelle/ auff! und laſſet jezt ſe-
hen/ daß Skytiſche Funken heiſſer als Perſiſche Flammen brennen; mich deucht Mithri-
dates werde eures entſatzes ſchier benoͤhtiget ſeyn. Dieſer brach bald loß/ in meynung/
Pharnabazus abgematteten hauffen/ wie eine Fluht zu uͤberfallen; Aber Herkules ſeinen
Auffbruch erſehend/ munterte Leches alſo auff: Sehet/ dort iſt Ehre zubekraͤfftigen; haltet
euch friſch/ daß Pharnabazus guter anfang beſſer fortgeſetzet/ und er mit ſeinem hauffen
vor des ein brechenden friſchen Feindes Wuht erhalten werde; taht ihm zuſage guter veꝛ-
geltung/ und ließ ihn damit fortgehen/ da er zu gewuͤnſchter Zeit ankam; maſſen Argun-
this ſich mit ſolchen kraͤfften an die Suſianiſchen Voͤlker henkete/ daß ſie als ermuͤdete
bald wuͤrden hingerichtet ſeyn; aber Leches einbruch zog ihn ab/ und ließ Herkules Phar-
nabazus anſagen; dafern die Mithridatifchen nicht ſtark auff ihn druͤngen/ moͤchte er ſet-
ne Voͤlker abfuͤhren/ aber jene wichen ohndaß/ daher leiſtete er folge/ weil er 5000 einge-
buͤſſet/ und 4000 verwundete hatte/ da an Feindes ſeiten 13000 ins Graß gebiſſen/ und
9000 verwundet wahren. Leches ging anfangs mit den Skythen gar behutſam/ und er-
mahnete die ſeinen/ ſich vor des Feindes draͤuen nicht zu entſetzen/ ſondern von ihm uñ den
Teutſchen ein Beyſpiel zunehmen. Von den Teutſchen behielt er 100 Schlachtſchwerteꝛ
bey ſich/ die andern hatte er unter ſeine Aſſyrer verteilet/ daß jede zwot auſichte Schaar/ 40
Teutſchen bey ſich hatte/ welche die erſten Glieder macheten. Dieſer fund wahr ihnen ſehꝛ
nützlich/ dann die Teutſchen brachten dieſen Wahn in die Skythen/ ihre folger waͤhren
eben ihrer Art/ wie ſie dann in warheit alle moͤgligkeit anwendeten/ und ihren Vorgaͤngern
kek nachſetzeten/ kunten aber den Feind durchaus nicht auff die Weichſeite bringen. Die
Blutſtuͤrzung wahr anfangs an beyden ſeiten faſt gleich/ aber in die harre wuͤrden die Aſſy-
rer es nicht geſpielet haben; deßwegen ließ Herkules 2000 Roͤmer und 4000 friſche ge-
worbene unter Klodius anfuͤhrung ihnen zu huͤlffe gehen/ welche dann rechtſchaffen er-
wieſen/ daß ſie wol ehmals es mit ihren Feinden haͤtten zu tuhn gehabt; wiewol die 100
Schlachtſchwerter die allerbeſte Wirkung verrichteten/ vor denen Vologeſes auch von
ferne ſich entſetzete/ und meynete anfangs/ dieſe wenige nur wuͤrden bey dem ganzen Heere
ſeyn/ ließ demnach Argunthis erinnern/ dieſelben abſonderlich anzugreiffen; aber es wol-
te niemand gerne hinan/ biß Argunthis 600 beherzete Ritter umb ſich ſamlete/ und mit
blinder Wuht auff ſie hinein ging; wodurch aber Leches ſich nicht ſchrecken ließ/ ſondern
dreyfachete ſie auch mit friſchen Roͤmern/ und ging dieſe kleine Schlacht mit ihnen ein;
Haͤrterer Saz wahr bißdaher nicht geſchehen; die beyden Fuͤhrer traffen aneinander/ uñ
zuwetzeten ſich rechtſchaffen/ biß etliche Skythen ihrem Feld Herrn beyſtand leiſteten; wor-
uͤber ein teutſcher Ritmeiſter/ nahmens Schwerting/ ergrimmete/ und Argunthis Pferd
mit ſeinem Schlachtſchwerte niderhieb/ daß er drunter zu liegen kam. Leches haͤtte ihn
gerne gerettet/ aber das Gedraͤnge umb ihn von ſeinen eigenen Leuten/ wahr zu groß/ die
mit ihren Pferden ihn zutraten/ da er einezeitlang unter den Pferdefuͤſſen einjaͤmmerli-
ches Geſchrey trieb/ welches ſeine Skythen zu toͤdlichem grimme auffmachte/ daß ſie wie
blinde anfielen/ und mit ihrem Fuͤhrer zuſterben ſich erklaͤreten. Die Aſſyriſchen kunten
ſolcher Macht nicht wiederſtehen/ und begunten hinterſich zu weichen/ uñ waͤhre Klodius
Bey-
[79]Fuͤnftes Buch.
Beyſtand nicht geweſen/ haͤtten die Teutſchen/ als die zu flihen ungewohnt wahren alle
Haar laſſen muͤſſen. Herkules kunte bey ſeinen Voͤlkern nicht lange ſtille halten/ umbrit-
te ſelb ſechs hin und her/ uñ machte die ſeinen durch herzhafte Worte ſehr freudig. Sein
Pferd ging als ein Pfeil in der Luft/ welches Vologeſes von ferne ſehend/ ſich nach Kar-
thaſis wendete/ und zu ihm ſagte: Sehet dort mein Freund; jenes aͤdle Pferd/ daß ſeines
gleichen nicht haben ſol/ gibt ſeinen Reuter den muhtigen Herkules zuerkeñen/ da ich doch
gemeinet/ er haͤtte vor laͤngſt ſchon gefochten. Iſt der Reuter wie das Pferd/ antwortete
dieſer/ ſo duͤrfte er den Parthiſchen Stuel zubehaͤupten kek gnug ſeyn. Inzwiſchen ſahe
Herkules der Aſſyrer außweichen/ und ſchikte ihnen 2000 geworbene zum entſaz/ welche
nicht allein alles wieder gut macheten/ ſondern mit der Teutſchen und Roͤmer huͤlffe der
Skythen Vorſaz brachen; dann ihre Zahl hatte ſehr abgenommen/ uñ wahren von 31000
kaum 15000 uͤbrig/ welche aber 9000 Aſſyrer/ und 40 Teutſchen mit ſich in den Tod ge-
nommen hatten. Karthaſis ſahe der Skythen geringen uͤberſchuß/ und begehrete von O-
ſazes/ daß er ſie mit etlichen Parthen entſetzen moͤchte/ wozu er ſich ungerne verſtund; dañ
er wolte ſeine Mannſchaft nicht ſchwaͤchen/ mit denen er bedacht wahr/ den Sieg zuge-
winnen; weil aber Vologeſes ſelbſt es vor rahtſam hielt/ muſte er 8000 unter Phraates
fortgehen laſſen/ die aber wegen der Verzoͤgerung zu ſpaͤte kahmen; dañ als die Teutſchẽ
und Roͤmer ein Loch in die Skythen gebrochen hatten/ gingen die andern mit zu/ und hie-
ben ſie wie Muͤcken nider/ daß bey der Parther ankunfft etwa noch 6000 übrig wahren.
Herkules ſahe Phraates daher traben/ und ſendete ihm Arbianes und Markus mit 10500
Meden und 500 Roͤmern entgegen/ denen er alsbald noch 500 Teutſchen uñ gleich ſo viel
von Fabius geworbenen nachſchickete; Klodius aber und Leches foderte er zurük; dann
er merkete/ daß ſie ſchon zu weit gangen/ und dem Parthiſchen Fuß Volk unter die Pfeile
gerahten wahren/ weil die uͤbrigen Skythen dahin ihre Zuflucht nahmen/ auch endlich
bey Karthaſis ſchnaubend ankahmen/ und Argunthis elenden Tod mit ſeuffzen beklageten;
welcher ihnen zur Antwort gab: Seine Zeit iſt kommen/ und ſein Wunſch erfuͤllet/ daß er
das Schwert in der Fauſt haltend ſterben moͤchte; ihm iſt nirgend beſſer mit geholffen/
als dz wir ſeinen Tod zu raͤchen/ uns laſſen angelegen ſeyn. Vologeſes hatte ſeinen Oheim
Phraates vermahnet/ des Parthiſchen nahmens eingedenk zu ſeyn/ mit der Verheiſſung/
da ihm der Feind zu ſchwehr wuͤrde/ wolte er ihn zeitig gnug entſetzẽ; ging deßwegẽ wolbe-
dacht hinan/ in willens Leches anzugreiffen; aber Arbianes begegnete ihm tapffer/ deſſen
Menge er doch nicht ſcheuhete/ ſondern mit einem heftigen Angriff ſie auffhielt. Markus
ſahe/ daß die Meden im vorzuge ſich trennen lieſſen/ ſetzete ſich deßwegen mit 500 Roͤmern
vorne an/ und brachte damit den ganzen hauffen zum ſtande/ daß die Parther als die we-
nigſten wieder weichen muſten/ welches ihm aber 25 Roͤmer koſtete. Nun wahr Phraates
ſehr verſchmizt/ daher er ſich einer Furcht añ am/ und ſich zuruͤcke zog/ daß er die unſern un-
vermerket unter des Fußvolks Pfeile lockete/ ließ hernach ſeine Voͤlker vonander gehen/
daß die unſern kunten getroffen werden/ da dann jene eine ſolche menge Pfeile unter ſie
ſchicketen/ daß jederman meynete/ ihres Gebeins wuͤrde nicht davon kommen. Arbianes
ermahnete ſeine Leute zur Flucht/ wodurch der mehrerteil gerettet ward/ verlohr doch
in dieſem unfalle 3000 Meden und 25 Roͤmer/ und wahren im Gefechte ſchon 1400 Me-
den
[80]Fuͤnftes Buch.
den nidergehauen/ aber dagegen auch 2300 Parther ſitzen blieben. Arbianes ſelbſt ward
von zween Pfeilen an der linken Hand und rechten Beine beſchaͤdiget; Markus Pferd
ward erſchoſſen/ und kam mit Noht auff ein anders. Auch wurden 900 Meden/ 40
Roͤmer/ und 15 Teutſche hart getroffen/ daß ſie der Schlacht ferner nicht beywohnen kun-
ten. Herkules betruͤbete ſich des unfals; weil aber Arbianes ohn toͤdliche Wunde blieb/
ward er froh/ und ſetzete ſich mit ſeiner ritterlichen Schaar dem Feinde naͤher; befahl doch
zuvor Leches und Klodius/ die uͤbrigen Voͤlker/ ſo noch nicht getroffen hatten/ nicht anzu-
fuͤhren/ biß ers geboͤhte/ oder ſie ſehen wuͤrden ein friſches feindliches Heer loßbrechẽ/ dem
ſie alsdann begegnen ſolten. Pharnabazus und Markus gab er die annoch vermoͤgenden
Voͤlker/ die ſchon getroffen hatten/ welche 37760 ſtark wahren/ ſie auff allen fall fertig zu-
halten. Er aber nam 22500/ ſo von ſeinem hauffen noch bey ihm hielten/ als 10000 Aſſy-
rer/ 4417 geworbene/ 270 Fabius eigene/ 3872 Roͤmer/ 3941 Teutſchen/ und redete ſie auf
Teutſch/ Roͤmiſch und Perſiſch an; Sie ſolten ſich nach ihm richten/ und ihrer Ehr und
Mannheit eingedenke ſeyn; Gott teilete den Menſchen nichts mit ohn mühe; ſo waͤhre dz
Feld an ihrer ſeiten ſchon faſt erſtritten; ein kleiner Schweißwaͤhre umb ſo groſſe Beute/
die ihnen bevorſtuͤnde/ noch wol anzuwenden; ſie ſolten nur behutſam fahren/ keinen moͤg-
lichen Schlag verſeumen/ und ihrer eigenen beſchuͤtzung unvergeſſen ſeyn/ auch fleiß an-
wenden/ daß ſie ungetrennet blieben/ und ſich nicht im erſten anfall aus dem Athem arbei-
teten. Hernach ſagte er zu ſeinen Teutſchen abſonderlich: Ihr meine lieben Teutſchen/ die
ich ſo herzlich als Soͤhne und Brüder liebe; laſſet uns einer dem andern biß in den Tod
traͤulich beyſtehen/ und zweiffelt nicht/ Gott werde uns gnaͤdig hindurch helffen. Hiermit
munterte er ſeinen aͤdlen Blaͤnken auff/ ließ ſein nohtfeſtes Schwert dreymahl umb den
Kopff gehen/ und ſetzete fort in feſt geſchloſſener Ordnung/ erwartend/ was vor ein Feind
ihm begegnen wuͤrde. Vologeſes ſahe ihn daher prangen/ und ſagte zu Karthaſis; Mein
Freund erinnere ſich ſeines geſtrigen Wunſches/ welchen Koͤnigl. Hocheit als ein Ver-
ſprechen auffnahm/ und mit groſſer mildigkeit zuerſetzen ſich erboht; dort koͤmt Herkules
her/ die ſtarke Seele der ohmaͤchtigen Perſen/ der gleichwol ein Menſch/ ja noch ein lauter
Juͤngling iſt/ und demnach durch maͤnliche Kraft wol kan gezaͤhmet und gelaͤhmet werdẽ.
Ich erfreue mich ſeiner ankunft/ antwortete er/ habe mich auch eigentlich auff dieſen mei-
nen Mann geſparet/ ſonſt wuͤrde ich meinen Argunthis unentſetzet nicht gelaſſen haben.
Redete nachgehends ſeine Voͤlker an; Jezt waͤhre Zeit/ die Skythiſche unuͤberwindliche
Mannheit ſehen zulaſſen/ und der Brüder Tod/ die dort geſtrecket laͤgen/ eiferig zuraͤchen/
nicht durch bloſſen Zorn/ ſonder mit der Taht. Der Sieg waͤhre ihr/ wann ſie ihn nur be-
haͤupten duͤrfſten; brach damit loß/ und fuͤhrete alle übrige Mannſchaft in vorſichtiger
Ordnung an. Herkules hatte ſeine 1000 Schlachtſchwerter in die mitte geſetzet/ die Roͤ-
mer aber vorne an/ weil ſie Speere fuͤhreten/ damit ſie auch den Angriff tuhn muſten/ und
geriet ihnen derſelbe ſo wol/ daß uͤber 2000 nider gerennet/ und von ihrer Geſellen Pferdẽ
mehrenteils zutreten/ auch ſonſt noch 1000 zum gefechte unduͤchtig gemacht wurdẽ. Kar-
thaſis hatte auch Speer Reuter/ aber ſie wahren dieſes Streits ungeübet/ und fuͤhreten
zu kurze Spieſſe/ welche zwar/ wañ ſie traffen/ den Gegener maͤchtig außhoben; aber kaum
80 Roͤmer wurden geſellet/ deren 56 durch huͤlffe der ihren wieder zu Pferde kahmen/ die
uͤbri-
[81]Fuͤnftes Buch.
uͤbrigen aber das Leben zuſetzeten. Als dieſes Treffen gluͤklich geendiget wahr/ griffen die
Roͤmer zu den Schwertern/ hatten ſich doch wegen des Speer rennens zimlich getrennet/
welches ihnen uͤbel wuͤrde bekommen ſeyn/ wann nicht auch die Feinde ihre Glieder zu-
fuͤllen/ etwas Zeit haͤtten anwenden muͤſſen. Als ſie auffs neue traffen/ gingen die Skythen
ihrer Art nach/ ſehr feurig loß/ aber der Teutſche Wedekind und der Roͤmer K. Autronius/
nahmen ihres Feld Herrn warnung in acht/ brauchten ſamt den ihren das Schwert mit
vortel/ und den Schild zur fleiſſigen beſchirmung daher der heftige Sturm der Skythen/
mehr getoͤß als Wunden gab/ und hingegen der Feind mannichen abgeſattelten miſſen mu-
ſte. Herkules rühmete der ſeinen wolverhalten/ und ſagte zu den Schlachtſchwertern/ ge-
het nun hin/ und arbeitet ſo lange es die Arme erleiden moͤgen/ auff daß ihr ſehen laſſet/ wie
erſchreklich ihr den Roͤmern ſelbſten ſeid; aber vertieffet euch nicht zu weit in den Feind
hinein. Sie ritten hierauff fuß vor fuß/ dehneten ſich in die breite aus/ und fielen mit ſol-
chen hieben zur rechten Seite in den Feind/ daß ohn verluſt einiges Mannes ſie 3000 Sky-
then im erſten angriff zu grunde richteten. Herkules entſetzete die Roͤmer und erſten Teut-
ſchen mit 6000 Aſſyrern; da haͤtte man ein Gemaͤtſche ſehen ſollen; dann als dieſe Aſſy-
rer der Teutſchen und Roͤmer tahten ſahen/ uñ Herkules ſie zu gleicher tapferkeit vermah-
nete/ hielten ſie ſich ſo ritterlich/ daß keiner unter ihnen zu tadeln wahr. Karthaſis muſte
nohtwendig ſeine Voͤlker teilen/ und den Schlachtſchwertern 6000 Skythen entgegen
ordnen/ mit den uͤbrigen ging er unerſchrocken auff Herkules macht/ deſſen Pfeed nie kein
mahl ſeine Tugend hatte ſehen laſſen wie anjezt. Er hatte dieſem aͤdlen Blaͤnken eine leich-
te Ruͤſtung angelegt/ welche nur von Linnewad/ und mit ſtaͤhlenem Draht durchzogen/ a-
ber ſo hart durchnaͤhet wahr/ daß weder Pfeil noch Schwert drauff hafften kunte/ es zu
beſchaͤdigen; dieſe ſeine ſicherheit merkete es gleichſam/ ſchlug und biß von ſich/ daß ihm
niemand nahen durffte; ſo ſchlieff trauen ſein Reuter auch nicht/ ſondern was er traf mu-
ſte zu grunde gehen. Karthaſis ſahe ihn ſolch wunder treiben/ machte ſich an ihn/ uñ ſag-
te: Fuͤrſt Herkules/ es beut euch Karthaſis der Skythe ſeinen Gruß an; ſchlug auch mit
dem Worte ihn uͤber die Schulder/ daß ihm die linke Hand davon ſchmerzete/ und er den
Schild kaum halten kunte/ welches ſich doch bald wieder verzog; und antwortete er nur
dieſes wenige: Des muß Karthaſis dank haben; aber das Schwert ließ er ihm dergeſtalt
umb die Ohren ſauſen/ daß er muͤhe hatte ſich zu ſchuͤtzen.


Wir muͤſſen aber des andern Fluͤgels nicht gar vergeſſen/ woſelbſt die unſern zum
Treffen nicht gelangen kunten/ biß an der andern ſeite der Bogenſtreit geendet wahr/ wel-
ches Artabanus alſo ordente/ damit er an dieſem Orte deſto eigentlicher ſehen moͤchte/ wie
die Perſen von den ſeinen (alſo hatte er ſichs eingebildet) hauffenweiſe nidergeſchoſſen
wuͤrden. Weil es abeꝛ hieſelbſt ſich nicht nach Wunſch fuͤgete/ muſte Vonones mit ſeinem
Fluͤgel ſich eben zu ſolchem Treffen fertig machen/ ritte auch auff Ladiſla weidlich loß/ in
meynung/ er ſolte deßgleichen tuhn. Aber er wahr von Herkules gewarnet/ deßwegen er
auff ſtillem Fuſſe jenen die Pfeile entgegen ſchickete/ ſo bald er den Feind damit ablangen
kunte/ welches dem guten Vonones den Seiger gar verrückete/ daß nach hinterlaſſung
3000 todten er unverrichteter ſache abzog/ uñ kaum 200 von den unſern beſchaͤdiget hat-
te. Dataphernes/ welcher biß daher geruhet/ wolte es beſſer machen/ taht auch unter Ma-
lzeus
[82]Fuͤnftes Buch.
zeus Voͤlkern zimlichen ſchaden/ deren er 1200 erſchoß; aber er geriet dagegen dem Per-
ſiſchen Fuß Volk unter die Pfeile/ die ihm ſeine Voͤlker/ worzu Neda ſeine Baktrianer
weidlich hulffen/ dergeſtalt zurichteten/ daß ihrer 13000 geſtrekt lagen/ und 10500 hart
verwundet wurden/ daß wañ die uͤbrigen nicht die ſchleunige Flucht ergriffen haͤtten/ waͤh-
re ihrer keiner davon kommen. Alſo lieſſen die uͤbrigen unter Oxatres und Pandion ſich
witzigen/ daß ſie ihre Pfeile zwar verſchoſſen/ aber wegen der andern behutſamkeit nichts
ſonderliches verrichten kunten; doch felleten ſie von Prinſla 600; von Neda Voͤlkern 450
und verlohren dagegen der Parther 1700; der Indier 1450 Reuter. Vonones wahr ſehꝛ
ungehalten/ daß Dataphernes die herlichen Voͤlker auff die Fleiſchbank gefuͤhret/ und
dagegen dem Feind keinen abbruch getahn hatte; rieff Herrn Oxatres zu ſich/ und befahl
ihm/ auff Prinſla Geſchwade anzugehen; der ihm dann freudig mit den ſeinẽ begegnete/
und ob er gleich im anfange harten Wiederſtand ſpürete/ brach er doch endlich durch/ ver-
wundete den Fuͤhrer ſelbſt ſchwerlich/ und reiß ihn mit gewalt vom Pferde/ daß ihm wedeꝛ
ſeine eigene/ noch der ſeinen gegenwehr helffen mochte/ ſondern ward von 30 Hirkanern
nach Artaxerxes gefuͤhret/ bald nach Mithridates ankunfft/ da ſie einer dem andern geſel-
ſchaft leiſteten/ und einander erzaͤhleten/ wie ſie in voriger Nacht einerley Traum gehabt/
und ſie gedaucht haͤtte/ als gingen ſie vor dem Parthiſchen Kriegsvolk her durch ein groſ-
ſes Waſſer/ da die anderen ihnen nach folgeten; woraus ſie der ihrigen gaͤnzliche Nieder-
lage muhtmaſſeten. Nach Oxatres gefaͤngnis ging das Blutvergieſſen erſt recht an; ge-
ſtaltſam die unſern den erſtrittenen Vortel nicht aus den Haͤnden laſſen/ und jene ihres
Fuͤhrers Gefaͤngnis raͤchen wolten/ daher an Feindes ſeiten 15000 ins Graß ſitzen gingen/
6000 hart verwundet wurden/ und die uͤbrigen ſich nach Entſaz umbſahen/ da von Prinſ-
la ſeinen geworbenen nur 1800 von den Hirkanern 400/ und von den Boͤhmen 4 umkah-
men/ nebeſt welchen ſich 300 verwundet befunden. Pandion der Indier ſchickete Oxatres
hauffen ſeine 5000 geſamleten und 1000 Indier zum Entſaz/ die ſich zwar an Prinſla ma-
cheten/ aber dergeſtalt empfangen wurden/ daß ihnen arbeit genug geſchaffet ward. Da-
taphernes ſahe dieſen Entſaz noht leiden/ und ſchickte ihnen von ſeinen annoch uͤbrigen
10000 geſunden/ 6000 zu huͤlffe; aber Mazeus ging ihnen entgegen mit ſeiner ganzen
Macht/ daß Prinſla freien Abzug bekam/ nach dem er noch 2500 von den Feinden nider
gelegt/ und die uͤbrigen zuruͤk gingen/ wobey er gleichwol auch noch 600 eingebuͤſſet hatte/
und 200 verwundet wahren/ und ward er wegen ſeines wolverhaltens von Ladiſla ſehr ge-
ruͤhmet. Obgedachte/ ſo gegen Mazeus angingen/ gebrauchtẽ ſich ihrer Faͤuſte rechtſchaf-
fen/ aber ſie wahren mehr als dreyfach uͤbermannet/ daher ſie mehr Beyſtand von ihrem
Feld Herrn begehreten/ welcher ſeine annoch uͤbrige 4000/ und 5000 Indier von Pandi-
on zu ſich nam/ damit er hoffete die verlohrne Ehre wieder einzuhohlen. Sein erſtes haͤuf-
lein zog ſich enge zuſammen/ und drungen mit gewalt hinein/ da ihnen Mazeus gerne freiẽ
eintrit gab/ in meynung/ ſie einzuſchlieſſen/ und in der enge nider zu machen; aber der An-
ſchlag mißriet ihm; maſſen er mit den ſeinen ſelbſt umbzingelt ward/ als Dataphernes
ihn angriff/ gegen welchen ſein halbes Heer ſich wenden muſte/ uñ die eingeſchloſſene Fein-
de daher Luft bekahmen/ die ſich ihrer Haut redlich wehreten. Ladiſla ſahe/ daß dieſes kein
gut tuhn wuͤrde/ und gab Tyriotes von Neda hauffen 6000 Baktrianer/ damit er auff
Data-
[83]Fuͤnftes Buch.
Dataphernes traff. So bald Mazeus hieſelbſt loßgelauffen wahr/ taht er den erſten ein-
gewickelten ſo gedrange/ daß ſie alle den Tod kieſen muſten. Worauff er ſich mit Tyriotes
zuſammen ſetzete; wiewol er in dieſem ſehr herben Treffen 6500 Mann eingebuͤſſet hatte/
und 3400 hart verwundet wahren; da ſie dann dem Feind ſo hart zuſetzeten/ daß er ſich auf
Pandion zuruͤke zihen muſte. Derſelbe wolte nun ſeinen guten Freund nicht im ſtiche laſ-
ſen/ ſondern ging loß mit ſeinen annoch uͤbrigen 20000 Indiern/ vorhabens/ mit Mazeus
und Tyriotes (welcher 800 Baktrianer zugeſezt hatte) das garaus zuſpielen; aber Ladiſla/
dem die Zeit ohn daß ſchon zu lange wehrete/ ging auff ihn mit 14000 Perſen und 7000
Margianern/ und muſte Neda ſeine 6072 übrige Margianer/ ſamt allen Boͤhmen (deren
er nur 150 zu ſich foderte) zu ſeinem Heer nehmen; er aber/ in dem er loßbrach/ befahl Ma-
zeus und Tyriotes/ alle annoch geſunde Mannſchaft/ die ſchon getroffen hatten/ in einen
hauffen zuſetzen/ und ſeiner verordnung gewaͤrtig zu ſeyn; und ſtuͤrmete darauff dergeſtalt
zu Pandion ein/ als haͤtte er ihn gleich anfangs mit ſeinem ganzen Heer uͤbern hauffen ren-
nen wollen. Weil dann dieſer auch bisher gewohnet wahr zu ſiegen/ wolte er ſo bald ſich
nicht treiben laſſen/ daß alſo dieſes der allerheftigſten Treffen eines wahr/ davon je mag
gehoͤret ſeyn. Beyde Heerfuͤhrer gaben durch ihrer Schwerter wirkung den ihren ein
Beyſpiel/ weſſen ſie ſich verhalten ſolten; Verluſt und Gewin blieb in gleicher Wage/ ſo
lange Pandion Freyheit hatte ſich hin und her zuwenden/ aber weil ihn Ladiſla mit ſeinen
wenigen/ doch außerleſenen ſuchete/ traff er ihn endlich an/ ſchlug ihn umb den Kopff daß
ihm beyde Ohren gelleten/ und ſagte: Mein/ du muſt nicht gedenken/ ob ſey dir das Feld
allein eingeraͤumet. Dieſer fuͤhlete die ſchweren ſtreiche/ und bezahlete baaꝛ/ ſo viel er kun-
te/ daß Ladiſla am linken Beine etwas verwundet ward/ welches zuvergelten er ſeine Hie-
be verdoppelte/ dz dem Indier der Helm auffſprang/ und zugleich einen geringen Schram-
hieb uͤber die Backe bekam. Ladiſla meynete/ er waͤhre ſehr verwundet/ und ermahnete ihn/
ſich zu ergeben; aber dieſer bekam hiedurch nur Zeit/ ſeinen Helm gleich zuruͤcken; worauf
er alsbald die Rache vornam/ und Ladiſlaen mit aller Krafft zuſetzete/ deſſen Pferd er in
den Hals verwundete/ das es ſtrauchelte/ und er ſich deßwegen auff die Fuͤſſe begeben mu-
ſte/ nam doch ſeiner Schanze wol wahr/ und hieb ſeines Feindes Pferde die Vorderfuͤſſe
entzwey das es auff den Kopff ſtuͤrzete/ und Pandion herunter fiel/ auff welchen Ladiſla
ſich ſetzete/ und ſeinen Leuten zurieff/ ſie ſolten niemand herzu dringen laſſen; reiß ihm her-
nach den Helm ab/ und ſtellete ſich/ als wolte er ihm das Haͤupt abſchlagen; dieſer aber
fragete; wer ſein Obſieger waͤhre. Der heiſſet Ladiſla/ gab er zur Antwort; und koͤnnet ihr
euch gefangen geben wil ich euer Mannheit wegen euch nicht weiter beſchaͤdigen. Ja/ ſag-
te dieſer/ einem ſolchen preißwirdigen Koͤnige ergebe ich mich willig/ dem zu dienen ich ohn
daß geneigt bin. Alſo nam er das Schwert von ihm/ und ließ ihn aus dem gedraͤnge nach
Artaxerxes fuͤhren/ der ſeiner Gefaͤngnis froh wahr. Die uͤbrigen Indieꝛ/ als ſie ihr Haͤupt
derlohren hatten/ wurden wie das Vieh abgeſchlachtet/ daß ihrer kaum 6000 uͤbrig wah-
ren/ als Vonones ihnen 12000 Parther zum Entſaz ſchickete/ welche den Perſen eine har-
te Nuß zu beiſſen wahren/ weil deren ſchon 3500 geſtrekt lagen/ und 1500 ſich hefftig ver-
wundet befunden/ auch durch dieſer ankunft noch 2000 fielen/ daß wo Ladiſla mit 2000
herzhaften Rittern nicht gegenſtand gehalten/ waͤhren ſie alle nidergefaͤbelt worden; Neda
l ijbrach
[84]Fuͤnftes Buch.
brach aber mit ſeiner Mannſchafft (ohn daß er die Boͤhmen auſſer 300/ alle zuruͤk ließ) zu
rechter Zeit auff und entſetzete ſeinen Koͤnig/ erſchlug auch einen vornehmen Parthiſchen
Obriſten bey ſeiner ankunft/ und druͤcketen ſeine Leute ihm dergeſtalt nach/ daß Ladiſla Zeit
hatte/ die abgemattenen Perſen und Margianer abzufuͤhren/ und alle feine annoch geſun-
den Voͤlker auff den lezten Saz zuordnen. Und ob wol Neda gefechte nicht lange waͤhrete/
erſchlug er doch der Parther 4500/ und verwundete ihrer 2300/ dagegen er 1500 zuſetzete/
und 600 verwundet wurden.


Im rechten Fluͤgel haben wir bißdaher Herkules und Karthaſis ſich zauſen laſſen/
die ein langwieriges Gefechte trieben; dann Herkules eilete nicht mit ihm/ weil er ſahe/ daß
die ſeinen hiedurch Lufft bekahmen/ die Skythen niderzuhauen/ denen ſie uͤbrig gewachſen
wahren/ weil Leches und Klodius mit ihren 9500 friſchen Meden und 500 Roͤmern/ ſo von
Arbianes Heer noch nicht gefochten hatten/ ſie ſtaͤrkete; und merkete Karthaſis wol/ daß
ſein abſonderlicher Streit den ſeinen ſehr ſchaͤdlich wahr/ deßwegen er alle kraͤffte ſamlete/
und entweder gewinnen oder verſpielen wolte/ auch Herkules ſelbſt geſtund/ er machte ihm
gnug zuſchaffen; aber mit dieſer lezten abmattung wahr es geſchehen; dann Herkules/ der
ſich gewaltig geſparet hatte/ verwundete ihn an etlichen orten/ daß er kraftloß ward/ uñ ſich
kaum auff dem Pferde halten kunte/ daher er ihn ferner nicht beleidigen wolte/ ſondern ſag-
te zu ihm; Herr Karthaſis/ ich meyne/ wir haben beyderſeits unſern Ehren gnug getahn;
ſeid demnach mein Freund biß auff eure gute Erloͤſung/ die euch nicht ſol gehindert werdẽ.
Woldañ/ Durchleuchtigſter Groß Fürſt/ antwortete er; ob mir gleich der Tod ertraͤglicher
als die ergebung waͤhre/ wil ich doch eurem befehl gehorchẽ; reichte ihm auch dz Schwerꝛ/
welches er doch nicht annehmen wolte/ und ward von 30 Meden hingefuͤhret/ denen Her-
kules befahl/ daß er redlich und alsbald verbunden wuͤrde. Es iſt nicht zubeſchreiben/ was
vor Jammer bey den Skythen uͤber ſeiner Gefaͤngnis entſtund/ die als verzweiffelte un-
ſinnige Leute ihren Feinden in die Schwerter fielen/ und doch ungerochen nicht ſturben/
welches meiſt über die Meden ging/ die ſolchen Anfall abzuhalten nicht beſtand wahren.
Nun wolte gleichwol Herkules ſeiner Teutſchen kraͤfte biß auff Oſazes ſparen/ deßwegen
er Pharnabazus mit 8000 ſo ſchon gefochten/ herzu foderte/ die Teutſchen und Roͤmer ab-
zuloͤſen; dann ungeachtet von dieſen Skythen nicht uͤber 12000 mehr uͤbrig wahren/ wol-
ten ſie doch nicht weichen/ ſondern ihres Feld Herrn Gefaͤngnis raͤchen/ daher von den Me-
den und Aſſyrern 8500 erſchlagen wurden. Der Roͤmer lagen an dieſem orte 300/ der
Teutſchen 85/ und 70 von Fabius geworbenen/ im Sande und Blute. Fuͤrſt Oſazes mach-
te ſich fertig zum lezten angrif/ uñ Vologeſes hielt es ſchon ſo gut als verſpielet; wahr auch
bedacht/ ſeinen Koͤnig zum abzuge zubereden/ und dem zornigen Glük zuweichen. Leches uñ
Klodius tahten vor ihr Haͤupt alle moͤgligkeit/ die Skythen abzutreiben; aber ihre Leute
mehrenteils/ wahren ſo harter puͤffe nicht gewohnet/ daher ſie ſich trennen/ und dieſe ihre
beyden Fuͤhrer nebeſt etlichen wenig Teutſchen und Roͤmern im ſtiche lieſſen/ daß ſie bey-
de nicht allein verwundet ſondern auch gefangen wurden; waͤhre auch umb die übrigen
getahn geweſen/ wann nicht Herkules mit ſeinen Teutſchen und Roͤmern/ die ſchon abge-
fuͤhret wahren/ ſie entſetzet haͤtte/ da es von neuen anging/ daß noch 3000 Skythen nider-
gehacket wurden. Oſazes brach hieſelbſt loß/ und wahr entſchloſſen zu ſiegen oder zu ſterbẽ/
dem
[85]Fuͤnftes Buch.
dem Herkules mit aller unverwundeten Reuterey großmuhtig begegnete/ und ſich ſtark
genug befand dieſen lezten Saz zuerhalten; aber es entſtund ploͤzlich ein ſo heftiges Unge-
witter mit Donner Bliz und Schlagregen/ daß weder Menſchen noch Vieh ſich behelf-
fen kunten/ und wahr erſchreklich zu ſehen/ daß das Regenwaſſer mit dem Blute vermi-
ſchet daher lieff/ woruͤber die Haar allen zuberge ſtunden/ weil ſie bedachten/ daß noch wol
etwas graͤulichers erfolgen moͤchte. Vologeſes hielt es vor ein ſonderliches Gluͤk/ weil er
keine Hoffnung zum Siege hatte; befahl auch/ daß nach geſchehenem abzuge ein jeder Feld-
Herr ihm die Zahl ſeiner erſchlagenen und hart verwundeten einreichen ſolte; da ſichs
fand/ daß der linke Fluͤgel/ welcher vor der Schlacht 146500 Reuter hatte/ dergeſtalt ge-
ſchwaͤchet wahr/ daß nur noch 53200 geſunde davon übrig wahren; dann 80300 wahren
gefellet/ und 13000 hart verwundet; und welches am meiſten betrauret ward/ lebeten von
66000 Skythen nur noch 9000/ deren 1000 zum gefechte nicht kunten gebrauchet wer-
den. Im andern wahr es nicht viel gnaͤdiger zugangẽ; maſſen von demſelben 64700 tod/
und 18800 hart wund/ alſo noch 63000 vermoͤgende uͤbrig wahren/ daß Vologeſes ſich
hoͤchlich verwunderte/ wie in ſo kurzer Zeit eine ſo groſſe Mannſchaft/ als 145000 haͤtte
koͤnnen erſchlagen/ und uͤberdaß noch 31800 verwundet werden. Gleichwol hatte es an
Perſiſcher Seiteu auch Seelen gekoſtet; dann Herkules miſſete 27800 Mann; und fun-
den ſich 5555 beſchaͤdigte/ daß ſein geſunder uͤberſchus noch in 60645 Koͤpffen beſtund. Un-
ter den erſchlagenen wahren 125 Teutſchen und 374 Roͤmer; unter den verwundeten aber
40 Roͤmer und nur 15 Teutſche. Ladiſla hatte noch weniger eingebuͤſſet; maſſen er nur
19354 todten und 6200 verwundete hatte; da unter den Todten 25 Boͤhmen/ und deren 160
unter den beſchaͤdigten wahren/ ſeine geſunde Mannſchaft aber noch in 68446 Koͤpffen
beſtund; kunten demnach noch 129091 Reuter an den Feind fuͤhren/ welcher ſich nur noch
116200 Reuter ſtark befand. Vologeſes machte ſich mit der auffgeſetzten anzahl ſeiner ver-
lohrnen nach dem Koͤnige/ welcher weder mit ſich ſelber/ noch mit dem Heer/ noch mit den
Goͤttern zufrieden wahr. Mit ſich nicht/ dann es reuete ihn/ daß er Artaxerxes ſo viel Ehr
und Gnade angetragen; mit dem Heer nicht/ weil es ſeiner meynung nach viel zu verzagt
gefochten; mit den Goͤttern nicht; weil ſie zu gut Perſiſch wahren/ und das ungeſtuͤme
Wetter/ wie er vorgab/ zur unzeit daheꝛ ſtürmen laſſen/ daß er die Fremden ſamt dem Fꝛaͤu-
lein nicht in ſeine Gewalt bekommen moͤgen. Als ſein Feldmarſchalk zu ihm trat/ und die
menge der erſchlagenen hoch betraurete; gab er zur Antwort: Feige Memmen liegen beſ-
ſer im Sande/ als dz man ſie mit ſchwerem Solde unterhaͤlt; wir haben gemeynet/ Kriegs-
leute gehabt zuhaben/ und ſind kaum Schatten von Kerlen geweſen. Iſts nicht eine ſchan-
de/ daß man den weibiſchen Perſen ſo viel Blut gegeben/ und dannoch der beyden jungen
Laffen noch keinen/ weder erſchlagen noch gefangen haben mag? Vologeſes befand ſich
hiedurch ſehr beleidiget/ und ſagte darauff: Dafern ihre Koͤnigl. Hocheit dem Kriegsvolk
einige furchtſamkeit beymiſſet/ tuht ſie ihnen ſehr unguͤtlich/ und kan ich dieſelbe wol verſi-
chern daß nicht die ungeuͤbeten/ ſondern die allerbeſten Voͤlker uns leider abgeſchlagẽ ſind;
drum laſſe eure Hocheit ja bey Leib und Leben ſich dieſer beſchuldigung gegen keinen Men-
ſchen merken/ wo ſie ſonſt der Voͤlker Herz nicht gar von ſich abwenden wil. Ich bin vor
dieſem auch in Schlachten mit geweſen/ aber haͤrter Stand iſt mir Zeit meines Lebens
l iijnicht
[86]Fuͤnftes Buch.
nicht vorkommen/ und traue eure Hocheit nur ungezweifelt/ daß die beyden Fremden/ den
Jahren wol/ aber nicht dem verſtande/ noch der Fauſt nach/ vor Juͤnglinge zuſchelten ſind/
wo wir nicht unſere vornehmſte Obriſten gar zu Kinder machen uñ außſchreihen wollen;
jedoch/ haͤtten ſie die Schlacht ſchwerter/ welche uns den groͤſten ſchaden getahn/ nicht bey
ſich gehabt/ ſolten die Feinde ſich unſers Bluts nicht groß ruͤhmen. Artabanus begehrete
zuwiſſen/ was dieſe dann vor ungeheure waͤhren; deßwegen Vologeſes drey gefangene
Suſianer herein fuͤhren ließ/ welche darauff antworteten: Es waͤhren vor wenig Wochẽ
7000 Roͤmer/ 6000 Boͤhmen/ und 6000 Teutſchen den beyden Helden und H. Fabius
auffzuwarten kom̃en/ unter denen 2000 Teutſchen die Schlachtſchwerter (daher ſie ſelbſt
auch Schlacht ſchwerter genennet wuͤrden) wie leichte Spizruhten führeten/ und ſich nit
ſcheuheten/ daß ihrer hundert auff tauſend und mehr angingen; Artaxerxes gaͤbe ihnen
dreyfachen Sold und groſſe verehrungen/ und haͤtte der Koͤnig aus Teutſchland ſeinem
Sohn Herkules 150000 Mann zuſenden angebohten/ aber allem anſehen nach/ begehrete
Artaxerxes deren in ſo groſſer menge nicht/ ob ſie ihnen etwa dieſe Laͤnder moͤchten beſſer
als ihr Vaterland gefallen laſſen/ und ſich unterſtehen/ die Freunde mit ſamt den Feinden
auffzureiben. Vologeſes hoͤrete dieſes mit leidigen Ohren an/ und trug ihm der Sinn
wenig gutes zu/ inſonderheit/ wann er dem grauſamen Wetter nachdachte/ welches von
Perſen entſtanden wahr/ und ſich nach Charas hinzog/ woſelbſt es auch groſſen ſchaden an
den vornehmſten Gebaͤuen getahn/ uñ den herlichſten Saal auff dem Koͤniglichen Schloſ-
ſe ſehr heßlich zugerichtet hatte/ wie man hernach erfuhr. Nach abtrit der befrageten Ge-
fangenen/ ließ Vologeſes den Koͤnig wiſſen/ man haͤtte zween vornehme Herrn von den
Feinden gefangen/ als einen Boͤmiſchen/ und einen Roͤmiſchen/ die man wegen ihrer tap-
ferkeit hoch ruͤhmete. Wol wol/ antwortete Artabanus/ man gebe ihnen den Lohn/ und
laſſe ſie durch des Schwerts Spitze lauffen/ damit die Auffruͤhrer daher unſern Zorn und
Eifer erkennen/ uñ zu gleicher ſtraffe ſich gefaſſet machen. Einen ſolchen Lohn? ſagte Vo-
logeſes; Sie ſind ja weder Verraͤhter noch meinaͤidige/ ſondern in der Schlacht gefangẽ;
und was man mit dieſen vornehmẽ wird/ muͤſſen unſere Feld Herꝛn/ Karthaſis/ Pandion/
Mithridates und Oxatres auch erwarten. Der Koͤnig entſetzete ſich uͤber deren Gefaͤng-
nis/ und fragete/ welches ſo maͤchtige Schwert dieſe Helden haͤtte demuͤhtigen koͤnnen;
der teutſche Bliz Herkules/ antwortete Vologeſes/ hat den Skythen; und der Bomiſche
Donner Ladiſla den Indier nidergelegt/ und mit einzelner Fauſt gefangen/ welche wir voꝛ
junge Laffen ſchelten. Hat dann das Ungluͤk dieſe Unholden uns zur beleidigung außge-
hecket? ſagte Artabanus; befahl die beyden gefangenen/ Leches und Klodius ihm vorzu-
ſtellen/ welche dann mit guter freidigkeit und zimlicher ehrerbietung zu ihm in ſein Gezelt
traten/ und von ihm alſo angefahren wurden; Wer hat euch Landſtreicher ſo verwaͤgen
gemaͤcht/ daß ihr an unſern Voͤlkern euch vergreiffen/ und wieder uns fechten dürffet? wie
wann wir ſolchen frevel an euch nach verdienſt abſtraffeten/ wer wuͤrde uns ſolches weh-
ren? Leches gab unerſchrocken zur Antwort: Koͤnig der Parther; mein Geſelle und ich ſind
keine Landſtreicher/ ſondern ehrliche Ritter/ und dienen unſern allerliebſten Herren/ den
beyden großmaͤchtigſten/ Koͤnige Ladiſla uñ Groß Fuͤrſten Herkules. Ob nun dero Koͤnigl.
Hocheit und Groß Fuͤrſtl. Durchl. Urſach haben/ euer Heer anzugreiffen/ haben wir nicht
zu
[87]Fuͤnftes Buch.
zuverantworten; ſo viel aber wiſſen wir wol/ daß wo man wieder Kriegsgebuͤhr mit uns
umbgehen wird/ unſere Herren maͤchtig genug ſeyn/ unſer Blut zuraͤchen. Weil er dieſes
vorbrachte/ ward Vologeſes angemeldet/ es waͤhre ein Trometer von Fuͤrſt Herkules mit
einem Schreiben ankommen/ welches an den Feldmarſchalk hielte. Er befahl das mans
ihm alsbald braͤchte/ hieß die Gefangenen abtreten/ und laſe in Artabanus gegenwart fol-
genden Inhalt:


Dem Durchleuchtigen Fuͤrſten/ und Hochberuͤmten Parthiſchen Feldmarſchalk/ Herrn Vo-
logeſes/ entbeut Herkules/ beſtalter Perſiſcher Feldmarſchalk/ gebohrner Groß Fuͤrſt der unuͤberwind-
lichen Teutſchen/ ſeinen Gruß und Dienſt/ und erſuchet deſſen Liebe hiemit freundlich/ daß den beyden
Gefangenen ſeinen lieben getraͤuen Leches und Klodius/ ihre Wunden redlich verbunden/ ſie auch
ſonſt als freie wolgebohrne Herrn in ihrem Gefaͤngnis gehalten werden/ welches mit gebuͤhr erſtat-
tet werden ſol/ und ich das Vertrauen zu euer Liebe auffrichtigkeit trage; ſolte ihnen aber ichtwas un-
gebuͤhrliches begegnen/ welches abzuwenden eure Liebe nicht vermoͤchte/ ſol es an meinen vier anſehn-
lichen Gefangenen grauſamlich gerochen werden/ denen ich biß auff dieſen unverhoffeten Fall allen
bruͤderlichen Willen zuerzeigen/ nicht unterlaſſen werde/ und hiemit Fürſt- und ritterlich verſpreche;
gelebe auch der Hoffnung/ es werde der zornige Himmel uns Morgen guͤtiger ſeyn/ und mir fernere
Kundſchafft mit Fuͤrſt Vonones/ oder Oſazes/ oder auch wol Pakorus goͤnnen/ denen ich meine bereit-
willige Dienſte als redlichen Fuͤrſten und auffrichtigen ehrliebenden Rittersleuten und tapfferen
Helden entbiete/ verbleibe auch euer Liebe in abſonderlicher Freundſchafft willigſter Diener Herkules.


Vologeſes wolte nach verleſung kein Wort hinzu tuhn/ ſondeꝛn erwaꝛtete des Koͤnigs
Erklaͤrung; welcher in ſich ſelbſt grießgramete/ dz ſeiner ſo gar mit keinem Worte gedacht
ward/ als ob er nicht eins dazu gehoͤrete. Zu gutem Gluͤk kam Pakorus in das Zelt getre-
ten/ zu dem Vologeſes ſagte: Bruder/ ich habe einen Gruß an dich von dem Perſiſchen
Feldmarſchalk/ Groß Fuͤrſt Herkules. Ich bedanke mich des ritterlichen Helden/ antwor-
tete er/ welcher mich heut von ferne ein ſolches Gefecht hat ſehen laſſen/ deßgleichen Zeit
meines Lebens mir nicht vorkommen iſt; aber vielleicht iſt es ein Schwert Gruß. Man
kan es deuten wie man wil/ ſagte Vologeſes/ und gab ihm den Brieff zu leſen; welcher dar-
auff anfing: Sihet dann Groß Fuͤrſt Herkules uns Parther vor ſolche Leute an/ die kein
Kriegsrecht gelernet haben? man hat mir nicht geſagt/ dz die beyden Gefangene verwun-
det ſind/ ſonſt wolte ich ſie ſchon haben verbinden laſſen. Aber ihre Koͤnigl. Hocheit taͤhte
ſehr wol/ ſagte er/ wañ ſie dieſelben entweder gar nicht vor ſich lieſſe/ oder ihnen mit freund-
ligkeit freien abſchied gaͤbe. Das erſte iſt ſchon zuſpaͤt/ ſagte Vologeſes/ maſſen unſer Koͤnig
ihnen ſchon bedraͤulich zugeredet hat. Das iſt mir leid/ antwortete er/ inbetrachtung des
groſſen verluſtes/ welchen wir heut eingenommen; und ich ihn doch mit nichten unſern
Voͤlkern/ welche ſich in warheit tapffer gnug bezeiget/ zulegen kan/ ſondern dem Unglük/
welches uns dieſer beyder fremden Fuͤrſten feindſchaft auffgebuͤrdet hat. Und O wolte der
Himmel/ daß wir mit denen moͤchten verglichen ſeyn/ der Perſe und Mede ſolten ihren
Hochmuht bald ſinken laſſen. Kan aber ſolches nicht geſchehen/ moͤchte ich wünſchen/ wir
haͤtten dieſe Stunde einen ehrlichen Vergleich mit den Auffruͤhrern; dann wo unſer ver-
folg nicht glüklicher ablauffen wird als der Anfang/ wird die Erhaltung des Parthiſchen
Stuels nicht Menſchen/ ſondern den Goͤttern zuzuſchreiben ſeyn. Doch wird man hievon
zur andern Zeit zu rahtſchlagen haben/ da Koͤnigl. Hocheit Wille und Befehl die einige
Richt-
[88]Fuͤnftes Buch.
Richtſchnur meines verhaltens (ſo viel in meiner Kraft iſt) ſeyn ſol; vor dißmahl werden
wir des Gebohts erwarten/ wie es mit dieſen Gefangenen ſolle gehalten werden. Es ver-
droß zwar Artabanus dieſe Rede nicht wenig/ als welche zur wiedererlangung der Fraͤu-
lein gar nicht vortraͤglich wahr/ durfte ſich doch deſſen nicht merken laſſen/ weil Pakorus
im ganzen Reich ein ſehr groſſes anſehen hatte; gab auch vor dißmahl ihnen beyden die
Freyheit/ mit dieſen beyden Gefangenen (denen ſonſt billich die Zunge ſolte außgeſchnitten
werden) nach willen zuhandeln. Da ſetzete ſich nun Vologeſes nider in ſeinem Zelt/ ſchrieb
eine Antwort an Herkules/ und ſchenkete dem Trometer 100 Kronen; ſendete doch den
Brieff bey ſeinem Leib Trometer in dieſes Geſelſchaft fort/ welche/ fehlete nicht viel/ auff
dieſem kurzen Wege von den Scheltworten zun Schlaͤgen geſchritten waͤhren. Pakorus
ließ inzwiſchen Leches und Klodius Wunden beſichtigen/ welche wenig zubedeuten hatten.
Artaxerxes/ [e]npfing nach gehaltener Schlacht unſere Helden uͤberaus freundlich/ dañ er
ha[tte] [...]em hohen Elefanten ihr wolverhalten gutenteils geſehen/ wuſte auch daß die
bey [...]ſte Feld Herrn Karthaſis und Pandion durch ihre Hand erleget und ge-
fangen wahren. Sie wolten als Obſieger von der Wahlſtat nicht weichen/ ſondern ſchlu-
gen daſelbſt ihr Lager/ lieſſen die Zelten auffrichten/ und alsbald mit einem Graben umbge-
ben/ welches in zwo Stunden faſt geſchehen wahr/ uñ die Gefangene mit hoͤchſter verwun-
derung anſahen/ denen aller guter wille als Freunden/ ſo wol von Artaxerxes und Phra-
ortes/ als von unſern Helden erwieſen ward. Ihre Wunden wahren bald anfangs auffs
fleiſſigſte verſehen; inſonderheit ſtellete Artaxerxes ſich hoͤflich gegen den Skythen/ uñ In-
dier/ dann ſie wahren vor dem in der Jugend mit ihm unter einem Oberſten/ Ritmeiſter
geweſen. Karthaſis aber ſteckete es ihm nicht unter die Bank/ ſondern ſagte duͤrre heraus;
Verſichere dich Herr Bruder/ daß deine Menge den endlichen Untergang von dir nicht
wuͤrde abgekehret haben/ wann der kleine teutſche Hauffe mit ihrem Groß Fuͤrſten nur ein
halbviertelmeilichen von dir ſolte geweſen ſeyn. Gut Herr Bruder/ antwortete er/ ſtinken
dieſelben deinen Skythen ſo gewaltig zu/ muß ich mit meinem H. Bruder Groß Fuͤrſt
Herkules handeln/ daß er ſie dir nicht laſſe nachhauen/ wann du nun Morgen nach Charas
wol gar zu fuſſe wirſt neben dem Wüterich hertraben muͤſſen/ dem du nit ohn beleidigung
unſer Freundſchaft deine Dienſte wieder mich angebohten haſt. Pandion/ der etwas fre-
cher wahr/ erſetzete dieſes alſo: Ja Herr Bruder/ wann nun dieſes geſchehen ſolte/ wem
wuͤrde dann die Ehre des Sieges ſeyn? wuͤrde man alsdañ nicht ſagen; Groß Fuͤrſt Ar-
taxerxes aus Perſen iſt kek durch andere Leute? wie er dann freilich iſt. Aber wie wirds fal-
len/ wann dieſe Schuz Goͤtter abzihen werden? Ich ruͤhme mich des beyſtandes meiner ge-
traͤuen Freunde/ antwortete er/ und ihre Ehre zubefodern/ ſol mein Gut und Blut mir nit
zu lieb ſeyn; wir wollen aber dieſe Schuz Goͤtter bey uns behalten/ und dem einen den Par-
thiſchen; dem andern den Indiſchen Reichsſtuel erſtreiten helffen; dann der Hoch Fuͤrſtl.
verbundnis Vorſaz gehet nicht weiter/ als den Parthiſchen Hochmuht zu daͤmpffen/ und
an deſſen ſtat einen Koͤnig zuſetzen/ der ſeine Fuͤrſten nicht als Leibeigene/ ſondern als freun-
de haͤlt. Herkules trug unwillen an dieſem Geſpraͤch/ und gab er Karthaſis zur Antwort:
Meine Herrn; ſie nach ihrer alten bruͤderlichen Kundſchaft haben dieſer Scherzreden gu-
te Freyheit/ ſonſten wann es zur ernſtlichen verantwortung kommen ſolte/ muͤſte ich trauen
zeu-
[89]Fuͤnftes Buch.
zeugen/ daß nit allein meine wenige Leute/ ſondern auch andere ſich redlich gehalten; zwei-
fele auch nicht/ es haͤtte Groß Fuͤrſt Artaxerxes durch ſeine Voͤlker eben daſſelbe verrich-
tet/ was durch anderer zuzihung geſchehen. Es wahr von Artaxerxes befohlen/ daß alle die
bey Leches ſo ſchaͤndlich gehalten/ ſolten Wehrloß gemacht/ und hingeführet werden/ daß
ſie in der Gefangenen gegenwart der zehndeteil gehenket/ die andern aber alle zur ewigen
Knechtſchafft verſtoſſen wuͤrden. Aber Groß Fuͤrſtin Valiſka brachte es mit ihrer Vor-
bitte dahin/ daß aus dem verurteileten zehndenteil der zehnde ſolten zur ſtraffe gezogen/ uñ
die andern ihr geſchenket werden; welche ſie alſo anredete: Freylich habt ihr alle mit ein-
ander den Tod wol verdienet/ weil ihr eure Fuͤhrer verlaſſen/ und aus furcht davon geruͤc-
ket ſeid; aber ich wil euch vor meine Fuß Schuͤtzen beſtellen/ und da in kuͤnfftiger Schlacht
ihr euch redlich halten/ und den heutigen Schandflek abwiſchen werdet/ ſol alles gebuͤſſet
ſeyn. Vor welche Gnade ſie einen demuͤhtigen Fußfall tahten/ und nach dem ſie auffs neue
in aͤid genommen wahren/ ſich verbunden/ entweder ehrlich zuſterben/ oder das Verbre-
chen einzuhohlen; da endlich Valiſka auch die andern verzehndeten biß auff drey Koͤpffe
verbaht. Vologeſes und Pakorus tahten Leches und Klodius guͤtlich/ ſtelleten ihnen ihr
Gewehr/ Waffen und Pferde zu/ und lieſſen ſie in begleitung 50 Parthiſcher Reuter nach
Artaxerxes Lager zihen; machten ſich hernach wieder nach Artabanus/ und frageten/ wie
ihre Koͤnigl. Hocheit es nach dieſem wolte gehalten haben; Weil er aber ihre meynung
zuvor hoͤren wolte/ ließ Vologeſes alle Feld Herrn hinzu fodern/ da er alſo anfing: Es iſt
das Gluͤk uns heut ſehr zuwieder geweſen/ da des feindes Schwert uͤber den halben teil
unſer Reuterey nidergehauen und hart verwundet/ inſonderheit/ welches zubeklagen/ faſt
das ganze Skythiſche Heer/ und das Indiſche zugrunde gerichtet hat/ da wir doch meine-
ten/ ſie allein waͤhren gnugſam/ des feindes Macht zubrechen. Ich weiß nicht/ wie ſo gar
alle dinge der veraͤnderung unterworffen ſind/ und ein jeder ſeinen Meiſter findet; dañ wo
vor hat Karthaſis mit ſeinen verſuchten Reutern ſich bißher gedemuͤhtiget? oder wo iſt
er nit durchgebrochen/ wo er ernſtlich angeſetzet? Und vor dißmahl hat eine geringe hand-
vol Volks ihm faſt den Garaus gemacht. Ich ſchreibe den Perſen nichts haͤuptſachliches
zu/ ob ſie gleich umb ein groſſes ſich gebeſſert haben; ihres Gebeins ſolte nicht uͤbrig ſeyn/
wann Herkules und Ladiſla mit ihren wenigen Teutſchen und Roͤmern (dann die Boͤh-
men haben nicht eins getroffen) ihre Vormaur und Schuz nicht geweſen waͤhren. Nun
iſt gleichwol die Parthiſche Macht hiedurch noch nicht gebrochen/ aber doch zimlich ge-
ſchwaͤchet/ welches ich freylich der himliſchen Verordnung zuſchreibe/ die uns ſehen laͤſ-
ſet/ das alles Irdiſche der Verwandlung unterworffen ſey. Vor dißmahl werden wir al-
len unſern Wiz/ Krafft uñ vermoͤgen anzuwenden habẽ/ wie die empfangene groſſe Wun-
de zuverbin den und zuheilen ſey/ da wir unter zweien Wegen gewißlich einen zuwaͤhlen ha-
ben; nehmlich den Streit Morgendes Tages fortzuſetzen/ oder einen kurzen anſtand der
Waffen zu machen; dann ein voͤlliger Vertrag ſcheinet noch zur Zeit allerdinge unmoͤg-
lich. Sol ich nun mein Herz außſchuͤtten/ und vor meinem großgebietendem Koͤnige und
dieſen verſtaͤndigen Feld Herren/ als unſers Reichs Seulen/ meine unverfaͤngliche Mey-
nung ſagen; ſo iſt gewiß/ daß der Sieg an unſer ſeiten nicht allein mißlich/ ſondern faſt un-
moͤglich ſeyn wird/ inbetrachtung daß unſere Feinde uns nunmehr ohn zweiffel an Reute-
mrey
[90]Fuͤnftes Buch.
rey uͤberlegen ſind/ und wir bloß allein auff unſere uͤbrige Parther uns zuverlaſſen haben.
Wolte aber jemand einwenden/ wir koͤnten von unſerm Fußvolke ein halbhundert tauſend
Mann beritten machen; gebe ich ſolches zwar nach/ halte aber davor/ es ſey vor dißmahl
dem Parthiſchen Stuel nichts heilſamers/ als daß wir uns zuruͤcke zihen/ und uns an eine
Enge legen/ das Heer gewaltig ſtaͤrken/ und den muhtigen Feind etliche Wochen auffhal-
ten; alsdann werden wir des ſicherſten ſpielen/ und nicht durch unzeitigen Eifer verwar-
loſen/ was Kindes Kinder wuͤrden beklagen muͤſſen. Jedoch/ ſolte Koͤnigl. Hocheit ein an-
ders geſinnet ſeyn/ und die anweſende Fuͤrſten meinen Vorſchlag aus einigem grunde zu
tadeln haben/ wil ich folgen wohin man mich haben wil/ nur allein/ daß meine Reden wol
erwogen/ und als redlich und traͤuherzig auffgenommen werden moͤgen. Artabanus mer-
kete/ daß die uͤbrigen ihnen dieſen Vorſchlag nicht uͤbel gefallen lieſſen/ wuſte auch aus Pa-
korus vorigen Reden/ daß derſelbe einer gleichen Meynug wahr/ daher er niemand mehr
wolte laſſen zun Worten kommen/ ſondern fuhr alſo fort: Wann die Auffrührer umb an-
ſtand anhalten wolten/ wuͤrden wir ihnen denſelben nicht umb hundert Tonnen Goldes
verkaͤuffen; aber Vologeſes duͤrffte ihnen denſelben faſt anbieten. Sind wir dann irgend
ſchon aus dem Felde geſchlagen? oder ſind wir ſo gar bloß von Kriegsleuten/ daß wir aus
Noht dem Feinde weichen muͤſten? wir haben ja noch mehr als 300000 bewehrter Mañ
umb uns/ und wiſſen/ daß wir den Feind an der menge uͤbertreffen/ welcher uns ja ſeines
Bluts auch wird gegeben haben. So ſind unſere Parther/ der Kern und außbund unſers
Heers noch zum Treffen nicht kommen/ und wolten am Siege verzagen? Ey mein Vo-
logeſes/ laſts ſeyn/ daß wir eine Handvol Knechte mehr verlohren haben/ als der Feind/ ſol-
te daß unſern Muht brechen? ja laſts ſeyn/ daß die ganze Reuterey geſchlagen waͤhre; muͤ-
ſten wir deßwegen uns vor den abtruͤnnigen Buben in einen Winkel verſtecken? der Re-
gen beuget die Kraͤuter nach der Erden/ und drücket ihnen den Kopff nider/ aber er teilet
ihnen zugleich die Krafft mit/ ſich wieder auffzurichten. Ein unverzagtes Herz muß auch
wol einen Schimpff uͤber ſich nehmẽ/ aber es ſuchet ſein Schart außzuwetzen. So iſt dem-
nach unſer Vorſaz und Schluß/ mit dem Lager eine gute halbe Meile hinter uns zuruͤcken/
umb ſo viel beſſern Raum zur morgenden Schlacht zugewinnen/ und daran zuſetzen/ was
in unſerm vermoͤgen iſt/ was gilts/ es werden Morgen die himliſchen Zeichen anders ſtehẽ
als heut. Daß wir aber von anordnung der kuͤnftigen Schlacht unſere Meynung ſagen/
ſo halten wir von dergleichen Treffen nicht/ da man mit zerteileten Voͤlkern fechtet. Mañ
laſſe Morgen den hellen Hauffen treffen/ dann ſo dringet die Macht beſſer durch/ inſonder-
heit beim Bogenſtreit/ in welchem die teutſchen Woͤlffe ja ſo bald und leicht als die andern
koͤnnen gefellet werden. Aber auch das geſamte Schwert dringet beſſer durch/ und ob dañ
gleich an Feindes Seiten ein Faͤhnlein oder etliche guter Knechte ſind/ koͤnnen doch dieſel-
ben nicht allenthalben zugegen ſeyn/ und muͤſſen endlich mit daran/ wann die uͤbrigen ge-
trennet ſind. Iſt alſo noͤhtig/ unſere Voͤlker auffzumuntern und zu ſtaͤrken. Zwar es hat
ein teil der Reuterey abgeſattelt/ aber die Pferde haben ſich mehrenteils wieder nach un-
ſerm Lager gewendet (wer wolte daß nicht vor ein gluͤckes Zeichen rechnen) welche man
mit friſchen Reutern von unſerm Fußvolk freilich beſetzen kan/ ob wir gleich nicht abſehen
koͤnnen/ warumb unſer Feldmarſchalk ſolches vor ungereimt haͤlt. Die Schlachtordnung
zu
[91]Fuͤnftes Buch.
zu Roß ſol vor den Elefanten hergezogen werden/ daß wann der Feind ſich nahet/ man von
oben her mit Pfeilen in ſie ſchieſſen koͤnne. Unſere Parther ſtelle man die halbſcheid vorne
an/ die werden vor andern ihrer Mannheit und Pflicht eingedenke ſeyn/ und den Ohmaͤch-
tigen Weichlingen den Sold ihrer Auffruhr geben. Nun wird hiemit unſerm lieben ge-
traͤuen Vologeſes befohlen/ anzuſagen/ wie ihm dieſer Vorſchlag gefalle. Dieſer wegerte
ſich zu antworten/ ehe Pakorus nebeſt Vonones und Oſazes ihre Meynung angezeigt haͤt-
ten. Artabanus muſte damit zufrieden ſeyn/ und erlaͤubete Pakorus zu reden/ welcher un-
geſcheuhet ſagete: Er merkete wol/ daß wer ſichere uñ heilſame Rahtſchlaͤge vortrüge/ duͤrf-
te faſt daruͤber in verdacht der kleinmuͤhtigkeit fallen; koͤnte aber dannoch nicht umbhin/
zubekennen/ daß Fuͤrſt Vologeſes daſſelbe eingefuͤhret/ worauff ſonder zweiffel des Par-
thiſchen Reichs Wolſtand beruhete. Ihre Koͤnigl. Hocheit moͤchte ſich allergnaͤdigſt er-
innern/ was neben Fuͤrſt Vologeſes er bey erſter zubereitung zu dieſem Kriege als noht-
wendigkeiten eingefuͤhret haͤtte; man muͤſte ſich nicht nur auff eine Schlacht/ ſondern auff
einen Krieg ſchicken; man muͤſte ein Heer ins Feld fuͤhren/ und das andere zum Nohtfall
fertig haben; man muͤſte einen gelegenen ſichern Ort kieſen/ dahin man/ wans die aͤrgeſte
Hand gewinnen ſolte/ ſich zihen und von neuen ſtaͤrken koͤnte; daß alles waͤhre verworffen
und verachtet. Nun ſtuͤnde zwar der Parthiſche Stuel bißher feſte/ aber er ſtuͤnde gleich-
wol nicht im Himmel/ ſondern auff der Erden/ da er durch Ungluͤk (welches die Goͤtter ja
verhuͤten wolten) koͤnte umgeſtoſſen werden; moͤchte demnach gerne wiſſen/ daß wann die
morgende Schlacht unmahl fallen ſolte/ welches in der Goͤtter Haͤnden ſtuͤnde/ wie mans
doch alsdann weiter anſchlagen wolte; ja wie man des Koͤniges einzigen Leib in ſicherheit
bringen/ und aus der Feinde Klauen erretten wolte. Hierauff wuͤrde man noch wol koͤn-
nen bedacht ſeyn/ wann man etwas Zeit haͤtte/ weil mans bißher nicht haͤtte achten wollen/
aber die beſtimte und ſchon geſchloſſene morgende Schlacht verhinderte ſolches alles/ daß
man auff nichts koͤnte gedenken/ als wie die Voͤlker in hoͤchſter Eile ohn Nachtruhe moͤch-
ten verſtaͤrket werden; ſolte demnach/ zur gewinnung der teuren Zeit ſein Schluß dieſer
ſeyn/ daß wann ſein Koͤnig bey voriger Meynung verbliebe/ wolte er ſich redlich erklaͤret
haben/ bey demſelben zu leben und zu ſterben. Die andern erbohten ſich eben deſſen/ welches
auch Vologeſes wieder hohlete/ und mit dieſem Wunſche beſchloß/ daß die Goͤtter es ſchic-
ken moͤchten/ daß nach verlauff 24 Stunden er mit fuge und warheit vor den ſchlim̃eſten
Rahtgeber und unverſtaͤndigſten Kriegsmann koͤnte geſcholten werden. Artabanus wahr
ſehr froh/ daß der Schluß alſo fiel/ und ſeinen blinden Begierden ein genügen geſchahe/
dann er wahr ſchier Sinnloß vor Liebe/ und hatte ihm ſteiff eingebildet/ es muͤſte ihm ſeine
Herkuliſka wieder werden/ und der Feind untenliegen. Er wolte alsbald anordnung tuhn/
woher das Fußvolk ſolte verſtaͤrket werden; aber es erhub ſich im Vorlager ein groſſes
freuden Geſchrey/ und als man nach der Urſach fragete/ kam Karthaſis daher geritten/ dem
ſeine uͤberbliebene Leuthe dieſe Ehre antahten. Der Koͤnig ließ ihn alsbald zu ſich fodern/
erfreuete ſich ſeiner ankunfft/ und fragete/ wie es ihm vorſtuͤnde/ und ob er auch von den
Abtruͤnnigen und Fremden waͤhre beſchimpffet worden. Worauff er dieſe Antwort gab:
Großmaͤchtigſter Koͤnig; ich ſcheuhe und ſchaͤme mich nicht zubekennen/ daß ich des aller-
vortreflichſten und unvergleichlichen Helden/ des teutſchen Herkules Gefangener gewe-
m ijſen/
[92]Fuͤnftes Buch.
ſen/ und von ihm in einem auffrichtigen abſonderlichen Kampffe ritterlich überwunden
und Krafftloß gemacht bin/ dann ich habe an ihm meinen Meiſter funden/ den allerbeſten
Kaͤmpffer/ verſtaͤndigſten Feld Herrn und leutſeligſten Fuͤrſten/ deſſen Tugend und Froͤm-
migkeit der Welt beherſchung gnug faͤhig iſt. Er hat mich nicht als einen Gefangenen/
ſondern als einen Freund und Bruder gehalten. Das erſte Geboht an ſeine Leute/ da er
mich gefangen fortſchikte/ wahr/ daß man mich ehrlich halten und redlich verbinden ſolte.
Nach geendigter Schlacht/ hat er mir die Perſiſche Kriegsmacht gezeiget/ die trauen nit
zuverachten/ ja ſchwerlich zuverbeſſern/ aber viel anders als auff Perſiſch angeſtellet iſt;
und hat eure Koͤnigl. Hocheit ſich zuverſichern/ daß ob ſie gleich auch gute Voͤlker einge-
buͤſſet/ dannoch ihr Kriegs Heer ſich auff die 300000 Koͤpffe wehrhafter guter Mann-
ſchaft erſtrecket. Sonſten ſchwoͤre ich/ das kein veraͤchtliches Wort aus dieſes Helden
Munde gangen/ dadurch eure Koͤnigl. Hocheit/ oder deren Leute moͤchten beſchimpffet
ſeyn; Ruhmretigkeit hoͤrete ich ja ſo wenig von ihm/ ſondern er ſtellete ſich/ ob wuͤſte er von
dem Treffen nicht daß allergeringſte. Alles ſihet auff ihn/ alles hoͤret ihn/ alles fraget ihn/
als waͤhre er alles. Koͤnig Ladiſla hanget ihm an als eine Klette/ und wahr uͤberal vergnuͤ-
get/ da er ſeinen Herkules friſch und geſund ans der Schlacht kommen ſahe/ welcher ſich
gleichwol etwas unwilliger uͤber eure Koͤnigl. Hocheit vernehmẽn ließ/ weiß nicht/ wegen
weß empfangenen Schimpffes/ wiewol mit wenigen und unſchimpflichen Worten. Darf
ich meine Meynung ſagen/ ſo geduͤnket mich/ es ſtreiten dieſe beyde Helden wieder uns ohn
feindſeligkeit/ und wir reizen ſie ohn gnug wichtige Urſachen zu unſerm verderbẽ/ welches
uns wenig Vortel bringen duͤrffte. Ich rede dieſes nicht/ als waͤhre ich Perſiſch/ das iſt/
traͤuloß worden/ dann an Parthiſcher ſeiten habe ich mich verbunden zu leben und zu ſter-
ben. Daß ich aber die Tugend auch an den Feinden ruͤhme/ wird mir niemand verargen;
aber ich weiß nicht/ ob ich dieſe beyden Helden vor unſere Feinde halten ſol. Sie geſtehen/
ich habe ihnen den groͤſten Schaden getahn/ noch bin ich von ihnen als ein Freund geeh-
ret/ ungeachtet eureꝛ Koͤnigl. Hocheit ſache ich ungeſcheuhet behaͤuptet/ und des Perſen ab-
fall geſcholten/ wobey ſie ſich geſtellet ob ginge ſie das Haͤuptweſen gar nicht an. Der Per-
ſe hat ſchon viel Hoͤfligkeit von ihnen gelernet/ welches er ſehen ließ/ in dem er mein Vor-
bringen teils großmuͤhtig/ teils ſcherzhafft beantwortete/ auch teils mit ſtille ſchweigen voꝛ-
bey gehen ließ; nur dieſes meldete er außdruͤklich/ er moͤchte Groß Fürſt Herkules den Par-
thiſchen/ und Koͤnige Ladiſla den Indiſchen Reichs Stuel wol goͤñen und gewinnen helf-
fen/ welches ſie doch/ dem aͤuſſerlichen anſehen nach/ beyde nicht achteten. Als wir in Ge-
ſelſchafft redeten/ trat die Goͤttliche Valiſka/ Groß Fuͤrſt Herkules Gemahl in das Zelt/
eine Fuͤrſtin/ deren gleichen der Erdbodem ſchwerlich gezeuget hat; ihr gang wahr zuͤchtig/
ihr anſehen uͤber menſchlich/ ihre ſchoͤne himliſch/ ihre Rede mit der allerlieblichſten De-
muht vermiſchet/ doch ſo kraͤftig/ daß kein Pfeil ſo ſcharff durchs Fleiſch dringet/ als ihre
Honigſuͤſſe Worte durch die Seele der Anweſenden. Artaxerxes ehrete ſie als ſeine ge-
bietende Koͤnigin; Phraortes/ den ſie ihren Vater nennete/ hielt ſich vor ihren Diener;
der junge Arbianes in dem ein guter Landsknecht ſtecket/ wartete ihr auff; der Roͤmer Fa-
bius/ der ſeinen Feind wol ſehen mag/ ſetzete ihr den Stuel; ſie aber ſagte zu ihm: Mein
Herr Bruder/ ich habe viel einen ſanfteren Siz auff meines teuren Herkules Schoſſe;
taht
[93]Fuͤnftes Buch.
taht ſich auch zu ihm nicht anders/ als ein Kind zu ſeiner Mutter; So ließ hingegen er
nicht weniger ſpuͤren/ wie hoch er dieſes Kleinot der Welt hielte/ in dem er beyde Haͤnde
in ihre Schoß legete/ und mit ihren allerzarteſten Fingern lieblich ſpielete; deſſen er von
ihr einen anmuhtigen Kuß zur vergeltung bekam. Sie hatte bey ihrer ankunft uns Ge-
fangene ſchon mit dargebohtener Hand ſehr freundlich empfangen/ und jezt fragete ſie mit
gebehtener verzeihung nach unſern Nahmen/ welcher von Artaxerxes genennet/ und ihr
zugleich freie anordnung uͤber unſere erlaſſung gegeben ward; da ſie mir ſagete; Beruͤhm-
ter Herr Karthaſis/ euer Unfall iſt mir leid/ ſo wol der Verwundung als Gefaͤngnis hal-
ben/ und wann es in meinem Vermoͤgen waͤhre/ wolte ich allen Parthiſchen Voͤlkern auff
der Wahlſtat das Leben wieder einblaſen/ ſo geneigt bin ich eurem und meinem Koͤnige/
vor die vielfaͤltige mir erzeigete Woltahten/ und muͤſte mir leid ſeyn/ wann ihm an ſeiner
Geſundheit etwas wiedriges zuſtoſſen ſolte. So ſeid nun gebehten/ Herr Karthaſis/ und
nehmet von mir eure vorige Freyheit an; ich begehre zur wiederkehr dieſes gutẽ Willens
von euch nur diß/ daß ihr den Koͤnig meinetwegen Freund- und Kindlich gruͤſſet/ und dz
ſeine Hocheit ich ſehr bitten laſſe/ dieſelbe wolle forthin ſich weiters nicht bemuͤhen/ mei-
nen allerteureſten Schaz Herkules und mich/ in unſer ehelichen Liebe zuſtoͤren/ dann alles
ſein tichtẽ/ welches eꝛ hierauf wendet/ iſt vergebens uñ umſonſt. Und ſo wahr dieſes Fleiſch
uñ Blut iſt (die Haͤnde zuſam̃en druͤckend) ſol kein einiges Mañesbilde mich zu ſeiner Lie-
be bringen/ als dieſer mein Gemahl/ Groß Fürſt Herkules; derſelbe iſt der erſte/ dem ich
mein Herz ergeben/ und ſol auch der einige und der lezte ſeyn/ daß mag Koͤnig Artabanus
mir wol trauen. Mich tauret von Herzen/ fuhr ſie fort/ dz euer Koͤnig mit ſeinen Fuͤrſten ſo
hart uͤber den Fuß geſpannet iſt/ und ich kein Mittel weiß/ dieſe Feindſchafft beyzulegen/
ruht mir auch leid/ daß er noch nicht ablaſſen kan/ meinen H. Bruder und meinen Gemahl
zubeleidigen/ die er noch dieſen Morgen (welches ſie ſelber noch nicht wiſſen) durch einen
Brieff von Groß Fuͤrſt Artaxerxes hat duͤrffen zur ſtraffe abfodern laſſen. Jedoch wuͤrden
ſie ihm auch dieſe und andere unbilligkeiten verzeihen/ wann er ſich im Haͤuptwerk koͤnte
finden laſſen/ und meinen guten Raht' annehmen/ daß er ſich mit ſeinen Fuͤrſten verglie-
che/ und uns andern unſern freien Willen goͤnnete; welches ich doch nur vor mich rede/
dann ich menge mich in ſo hohe ſachen nicht ein. Als ſie dieſes geſagt; warff ſie mir dieſe
guͤldene Kette umb den Hals/ ſteckete mir dieſen Ring an den Finger/ und nachdem ein-
wolgeſatteltes Pferd herzugefuͤhret wahr/ ſetzete ſie dieſes hinzu; ihr werdet/ Herr Kar-
thaſis dieſes geringe/ als ein Pfand meines guten willens zum gedaͤchtnis behalten/ und
ſtehet euch frey/ bey uns euer Geſundheit zupflegen/ als bey wahren Freunden/ oder nach
eurem Lager zureiten/ da ihr dem Koͤnige meinen Ehrengruß veꝛmenden wollet/ und daß
in gebuͤhrlicher Zucht ihrer Koͤnigl. Hocheit Dienerin ich allemahl verbleibe. Aus dieſer
Erzaͤhlung/ ſagte Karthaſis/ ſihet eure Koͤnigl. Hocheit/ wie mirs in meiner Gefaͤngnis
ergangen/ und weſſen die Fremde gegen ſie geſinnet ſind. Artabanus/ der durch dieſes vor-
bringen die Eitelkeit ſeiner Begierden billich haͤtte ſollen erkennen/ ward durch das Lob
der Groß Fuͤrſtin nur in ſeiner naͤrriſchen Liebe geſtaͤrket/ bildete ihm auch eine lautere un-
moͤgligkeit ein/ zu leben koͤnnen/ wo er ihrer Schoͤnheit nicht genieſſen ſolte; daher er in
ſeinem Vorhaben die Schlacht fortzuſetzen/ nur ſteiffer verblieb/ unter der Hoffnung/ ſie
m iijin
[94]Fuͤnftes Buch.
in ſeine Gewalt zubringen; meynete auch/ es waͤhre eine ſonderliche ſchickung der Goͤtter/
daß ſie bey dem Zuge ſich finden ließ. Dieſem nach befahl er Vologeſes/ die Voͤlker fertig
zuhalten/ dann er wolte ohn Haͤuptſtreit nicht weichen. Aber auff Karthaſis Vorbringen
gab er zur Antwort: Es nehme ihn groß wunder/ daß er an derer feindſeligen willen zwei-
feln koͤnte/ die nicht allein bey den Auffrührern ſich auffhielten/ ſondern mit Raht und taht
ihnen behuͤlfflich/ und in allen Schlachten die foͤderſten waͤhren/ denen er doch die allerge-
ringſte Urſach zum Wiederwillen nicht gegeben/ ſondern das Fraͤulein zum Koͤniglichen
Gemahl begehret/ ihnen aber die groͤſten Fuͤrſtentuͤhmer auffgetragen/ und ſchrifftlich ver-
ſprochen; welches alles von ihnen hoͤniſch veꝛſpottet uñ außgeſchlagen waͤhre. Das Fraͤu-
lein/ welche er des diebiſchen Raͤubers Gemahl nennen duͤrffte/ haͤtte ihm eheliche Traͤue
gelobet/ und ſich nie keinmahl verlauten laſſen/ daß ſie ſich mit einem andern verbunden/
aber wol/ daß ſie der Goͤttin Veſta verlobet waͤhre; wolte deßwegen ſolchen Raub und ehe-
bruch an dem Boͤſewicht raͤchen/ obs ihm gleich ſein halbes Koͤnigreich koſten ſolte. Hier-
auff fing er an ſich nicht anders zugeberden/ als ob er beſeſſen waͤhre; dann die Begierde
nach der ſo hochgeruͤhmten Schoͤnheit machte ihn ſchier zum Narrẽ; bald erfolgete drauf
eine hefftige Wuht/ daß er allen ſeinen Goͤttern es verweißlich vorhielt/ daß ſie eine ſolche
diebiſche Taht an dem Raͤuber koͤnten ungeſtrafft laſſen. Endlich brach er auch loß wiedeꝛ
Artaxerxes/ darumb/ daß er dem Raͤuber Unterſchleiff gaͤbe/ und ermahnete die Anweſen-
den/ ſie moͤchten doch nicht goͤnnen/ daß Parthiſche Ehr und Hocheit ſo liederlich geſchaͤn-
det wuͤrde/ und zwar von denen/ die ihnen weder an Macht noch Adel/ noch verſtande im
geringſten gleicheten; er vor ſein Haͤupt wolte lieber tauſend Leben dran ſetzen/ wann er ſie
haͤtte/ als eine Stunde Perſiſchẽ uͤbermuht dulden. Ob ſie nicht ſo wol Faͤuſte uñ Gewehr
haͤtten/ als die Feinde; warumb ſie doch dañ den Muht ſo leicht ſinken lieſſen? Als ſeine
Kriegs Fuͤrſten dieſe Erklaͤrung hoͤreten/ und ſahen/ daß ihm die Traͤhnen nicht ferne wah-
ren/ verbunden ſie ſich untereinander zu Siegen oder zu ſterben. Inſonderheit erbohten
ſich zehn trefliche Ritter hohes Standes/ vor der Schlacht ſich in abſonderlichen Kampff
einzulaſſen/ ob an Feindes Seiten ſich etliche hierzu finden wuͤrden; welches der Koͤnig
mit ſonderlicher Freude vernam/ und auff Herkules und Ladiſla zehn tonnen Goldes und
ein Fuͤrſtentuhm ſetzete; wiewol Vologeſes nicht unterlaſſen kunte/ den Koͤnig zu bitten/ es
dieſe Nacht reiflich zuerwaͤgen/ ob er ſolches einzelne Gefechte zulaſſen wolte/ er vor ſein
Haͤupt zweiffelte nicht/ man wuͤrde damit nur Schimpff und Spot einlegen; welches
aber dem Koͤnige ſo übel gefiel/ daß er ihn mit hoͤhniſchen Worten angriff: Ob er dañ mei-
nete/ daß allen ſeinen Helden das Herz in die Fuͤſſe geſchoſſen waͤhre. Worauff er kuͤrzlich
antwortete: Des Koͤniges Wille geſchehe/ und die Goͤtter geben daß er gut und heilſam
ſey/ ich aber zum toͤrichten Luͤgener werde. Pakoꝛus baht zugleich mit/ es moͤchte der Koͤnig
nichts aus unzeitigen oder erhitzeten bewaͤgungen vornehmen/ als welche ſelten wol aus-
ſchluͤgen; aber da wahr alles den Tauben geprediget.


So bald der Parthiſche Trometer im Perſiſchen Lager ankam/ lieferte er Herkules
das uͤberſchikte Schreiben ein/ der ſolches in der andern gegenwart erbrach/ und es ſeiner
Gemahl laut zuleſen reichete/ welches dann alſo lautete:


Dem Durchleuchtigſten Groß Fuͤrſten/ und hochberuͤmten Perſiſchen Feldmarſchalk/ Herrn
Her-
[95]Fuͤnftes Buch.
Herkules/ erwiedert Vologeſes freundlichen Gruß/ welcher nicht gemeinet/ daß die Unwiſſenheit
mit Gefangenen umbzugehen/ ihm haͤtte ſollen zugelegt werden. Meine Feindſchafft erſtrecket ſich
auſſer dem Fechtplatze nicht/ deßwegen befinden ſich die Gefangenen nach ihrem Willen; und wann
ihre Wunden und Mattigkeit nicht Pflaſter und Laabſaal erfoderten/ ſolten ſie bey euer Liebe ſchon
angelanget ſeyn/ deſſen ſie ſich zu mir wol verſehen moͤgen. Unſere Leute zuerloͤſen wird man ſich nit
wegern/ ſo bald man der Anfoderung berichtet iſt/ an deren guter Verpflegung mir zuzweifeln nicht
gebuͤhren wil. Was der morgende Himmel gibt/ wil ich mit annehmen. Ich/ nebeſt Fuͤrſt Pakorus/
Vonones und Oſazes gruͤſſen eure Liebe dienſtlich hinwiederumb/ und werden wir Gelegenheit ſu-
chen/ Morgen in meinem/ oder euer Liebe Zelt das Abendmahl mit einander zuhalten. Inzwiſchen
erbieten wir jeztgenante euer Liebe/ auſſer dieſer Fehde/ uns zu allen bereitwilligen Dienſten/ welches
auff begehren und vor ſich ſelbſt meldet und ſchreibet/ Vologeſes


Valiſka lachete der Hoͤfligkeit und ſagte: Wolte Gott/ daß dieſe Fuͤrſten ihren über-
flus dem Koͤnige mitteilen koͤnten/ ſolte weiterer Feindſeligkeit es nicht beduͤrffen; aber als
viel ſie zu verſtehen geben/ wollen ſie mit der heutigen Schlappe nicht friedlich ſeyn. Leches
und Klodius kahmen auch an/ erzaͤhleten des Koͤniges Grobheit und ruͤhmeten Pakorus
Leutſeligkeit; auch wie traͤulich er neben Vologeſes ſich ihrer angenommen/ und ſie end-
lich gar auff freien Fuß geſtellet; welches Artaxerxes ſo wol gefiel/ daß er die Groß Fuͤrſtin
baht/ Herrn Pandion/ Oxatres und Mithridates in begleitung 200 Perſen zihen zulaſ-
ſen; wie dann geſchahe/ und der Trometer 200 Kronen von Herkules bekam. Als dieſe
Begleitung ſich wieder einſtellete/ zeigeten ſie an/ man haͤtte ſie nicht nahe an deß Feindes
Lager wollen kommen laſſen/ ſondern die Gefangenen etliche Steinwuͤrffe vom Lager ein-
gehohlet/ und ſie geheiſſen in gutem friede zuruͤk reiten; ſie haͤtten aber einen gewaltigen
Aufflauff im Lager gemerket/ als waͤhre man zum Auffbruch geſchaͤfftig geweſen. Tyriotes
ward deßwegen mit 1200 Reutern außgeſchikt/ auff der Parther Vorhaben zu achten/
welcher bey ſpaͤtem Abend wieder kam/ und berichtete/ der Feind haͤtte ſich eine halbe Mei-
le zuruͤk gezogen/ und einen bequemen Ort zum Lager genommen/ ohn zweiffel/ daß man
auff Morgen Raum zur Schlacht haben koͤnte. Daher man an dieſer Seite die Voͤlker
ſpeiſete und zur Ruhe hinließ/ auch die das hinterſte Lager beſezt hielten/ abfoderte/ und die
geſchwaͤchete Reuterey von den Fußknechten erſetzete/ ſo daß Pharnabazus 8000 ſeines
Fußvolks; Phraortes 6000 beritten machte. Hierzu wurden noch 3000 Drangianer/
2000 Aſſyrer/ 3850 Hirkaner/ 11000 Ariſche/ 2000 Margianer/ 5000 Baktrianer/ 10000
Perſen/ Fußvolks/ und 240 von den verſuchteſten Wagenknechten beritten gemacht mit
welchen die Reuterey erſetzet/ 180000 Mann außtrug; dahingegen das Fußvolk mit 11150
Troßbuben vermehret ward/ welches in 120000 Koͤpffen beſtund; ein wolgeſeztes Heer
von 300000 Mann. An Parthiſcher Seite ſtaͤrkete man die Reuterey ebenmaͤſſig/ und
wurden vor erſt die Skytiſchen Fußknechte 16500 auff Pferde geſetzt/ und mit den annoch
uͤbrigen 8000 geſunden vereiniget/ die 14000 Indier zu fuſſe nahmen auch Pferde/ und
gingen zu ihren uͤbrigen 6000 Landsleuten. Von den Parthiſchen und geworbenen Fuß-
knechten wurden uͤber daß noch 68300 Mann außgeleſen/ die wol ehmahls zu Pferde ge-
dienet hattẽ/ oder ſich in der Schlacht darauff zubehelffen wuſten/ dz die Reuterey 210000
Mann ſtark wahr; und weil aller umbliegenden Doͤrffer Flecken und Staͤdte Inwohneꝛ
außgewichen wahren/ und ſich bey dem Parthiſchen Heer auffhielten/ wurden daraus
44800
[96]Fuͤnftes Buch.
44800 Kriegsduͤchtige genommen/ und unter das Fußvolk verteilet/ das ſolches auff
140000 Mann außtrug/ ein Heer von 350000 Kriegsleuten. Artaxerxes hatte viel über-
lauffs von ſeiner Reuterey/ daß ihnen die Plunderung moͤchte gegoͤnnet werden; aber ſie
wurden biß auff folgenden Tag nach geendigter Schlacht hin gewieſen/ mit dem Ver-
ſprechen/ daß weil ſie heut allein ohn das Fußvolk gefochten/ ſolte ihnen allein auch dieſe
Beute vorbehalten werden; womit ſie ſich gerne befriedigen lieſſen/ und die Oberſten da-
her ein gutes Zeichen nahmen des kuͤnfftigen Sieges. Des folgenden Morgens machten
ſie beyderſeits ihre Ordnung gar fruͤh; die Perſiſche Reuterey ward in zween Hauffen
geſezt; den Linken nahmen Ladiſla und Fabius/ weil ſeine Roͤmer ihn entweder bey ſich ha-
ben/ oder mit ihm zu fuſſe ſtreiten wolten/ daher man ihnen das erſte gerne einwilligte.
Bey ihnen wahren Markus/ Neda und Tyriotes/ mit 6458 Roͤmern/ 5743 Boͤhmen/
29891 allerhand zuſammen geleſenen aus dem Fußvolk/ und 47908 von den vorigen ge-
ſunden/ allerley Landes art. Den rechten Fluͤgel fuͤhrete Herkules/ und hatte bey ſich/ Rit-
ter Wedekind/ Bubazes/ Leches und Klodius; wiewol dieſe beyde wegen ihrer Wunden
nicht fechten kunten. Seine Voͤlker die er anfuͤhrete/ wahren alle geſunde Teutſchen 5801
hiebey 21200 aus dem Fußvolk geſamlete/ und 63000 von der geſtrigen Reuterey; daß
alſo ein jeder Flügel 90000 Koͤpffe ſtarck wahr. Das Fußvolk ward in drey Hauffen ge-
ſezt; den erſten hatten Artobarzanes und Gallus/ 34000 Mann; den andern Pharnaba-
zus und Prinſla/ 36000; den dritten Artaxerxes und Arbazes 43000. Phraortes blieb
bey den Elefanten mit 5000 Schuͤtzen/ und ward Fr. Valiſken ihr abſonderlicher mit
2000 Perſen umbgeben. Das Lager muſten die Verwundeten Reuter verwahren.


Vologeſes wahr nicht minder geſchaͤfftig/ das Koͤnigliche Heer ins Feld zuſetzen.
Die Reuterey teilete er unter Vonones und Oſazes gleich; dieſer bekam 24500 Skythẽ/
48000 verſuchte Parther/ und 32500 vom Fußvolk außgeleſene. Vonones wurden
20000 Indier/ 39900 ſeiner geſtrigen Parther/ 9300 altgeworbene Reuter und 35800
aus dem Fußvolk geſamlete zugeſtellet. Das Fußvolk ordente Pakorus in drey Hauffen;
den erſten fuͤhrete Surinas/ 28250 verſuchte/ und 11750 ungeuͤbete; den andern Orodes/
18000 verſuche/ und 22000 ungeuͤbete; den dritten Pakorus ſelbſt/ 40000 geuͤbete und
8000 unverſuchte. Die 12000 Elefanten Schuͤtzen blieben auff den Eleſanten bey dem
Koͤnige/ uͤber welche Madates geſetzt wahr. Artabanus ritte vor der Schlacht bey ſeinen
Voͤlkern umbher/ ruͤhmete ihr geſtriges wolverhalten/ und reizete ſie mit groſſen verheiſ-
ſungen zur weiteren Tapfferkeit an; inſonderheit hielt er den Parthen vor/ ob ſie bey ſo
geſtalten Sachen die Faͤuſte ſinken laſſen/ und den Perſen goͤnnen wolten/ ihren Stuel
uͤber ſie zuſetzen? Alles was er in ſeinen Kleidern truͤge/ wolte er dran wagen/ daß ſolcher
Schimpff den aͤdlen Arſaziern nicht begegnete; ließ ſich endlich vernehmen/ wie er auff
eines jeden verhalten ſelbſt und durch andere acht geben/ und die Tapfferen reichlich be-
lohnen wolte. Nachgehends rieff er die zehn Ritter vor ſich/ die den Kampff anzutreten
ſich erbohten hatten/ und nach wiederhohltem Verſprechen ermahnete er ſie der Parthi-
ſchen Mannheit. Dieſe ſchikten alsbald einen Heerhold an die unſern ab/ welche in dieſer
Fruͤhe ſchon in vollem anzuge wahren/ und weil Fabius den Vortrab hatte/ ward ihm fol-
gender abſags Brieff unverſiegelt zugeſtellet:


Fürſt
[97]Fuͤnftes Buch.

Fuͤrſt Intaphernes/ Obriſter Befehlichshaber uͤber die Beſatzung des Groß Koͤniglichen Par-
thiſchen Haͤupt Schloſſes zu Charas. Fuͤrſt Tiribazus/ Obriſter uͤber 6000 Parthiſche Reuter. Herꝛ
Ariarates/ Obriſter zu Roß und Fuß. Herr Maſiſtes Obriſter zu Roß. Herr Oretes/ Obriſter zu
Roß. Herr Ochus/ Obriſter zn Roß. Herr Koſroes/ Obriſter zu Roß Herr Xerxes Obriſter zu Roß.
Herr Oribazus Obriſter uͤber 50 Elefanten; und Herr Kantibaris/ Obriſter uͤber 40 Elefanten; alle
und jede gebohrne Parther und geſchlagene Ritter/ verſprechen hiemit/ auſſerhalb Bogenſchuſſes des
Haͤuptheers ohn arge Liſt und gefaͤhrde/ auff der wahlſtat mit gebuͤhrlichem Ritter-Gewehr/ Speer
und Saͤbel zuerſcheinen/ und einen abſonderlichen Beweißtuhm ihrer Mannheit abzulegen/ dafern
an gegenſeiten jn- oder außlaͤndiſche Ritter/ Fuͤrſten und Herren Standes ſich werden finden laſſen/
einen ritterlichen Kampff mit gleichmaͤſſigem Gewehr einzugehen/ unter dieſer Bedingung/ daß der
uͤberwundene/ welcher ſich gefangen gibt/ mit gewoͤhnlichem Loͤſegelde ſich frey machen ſol/ es waͤhre
dann/ daß die hohe Obrigkeit auff ihn zu ſprechen haͤtte. Und werden die Kaͤmpffer ſich nicht wegern/
ihren Nahmen hin wieder zu melden.


Fabius brachte dieſen Brieff ſelbſt an Herkules uͤber/ und baht/ ſeinen Nahmen un-
ter den Kaͤmpffern mit anzugeben/ da der Streit vor ſich gehen wuͤrde; aber Herkules re-
dete ihm ein/ es waͤhre kein Feld Herr an Parthiſcher Seite geneñet/ und er ſchiene gleich-
wol/ daß ſie Hoffnung haͤtten/ er und ſein Ladiſla wuͤrden ſich finden laſſen; wozu er ſich
aber/ angeſehen ſeines tragenden Amtes/ zu hoch hielte; welches Fabius auch bedenken
moͤchte. Ritte darauf alsbald nach Artaxerxes uñ Ladiſla/ wurden wegen der Gegenkaͤmp-
fer/ die ſich ſelbſt anbohten/ bald einig/ und ſetzeten dieſes Antwortſchreiben auff.


Herr Wedekind/ Teutſcher Ritter/ Groß Fuͤrſtlicher Erb-Kammer Herr/ Obriſter uͤber 2000
Teutſche Reuter. Herr Herman/ Teutſcher Ritter/ und Obriſter uͤber 1500 Schlachtſchwerter; H.
Reda/ Ritter und Obriſter uͤber 3000 Boͤmiſche Reuter. H. Siegfried Teutſcher Ritter und Obri-
ſter uͤber 1000 Teutſche Reuter. H. Prinſla Boͤmiſcher Ritter und Obriſter. H. Marx Roͤmiſcher
Ritter/ Obriſter uͤber 500 Roͤmiſche aͤdle Freyreuter. H. Kajus Autronius Roͤmiſcher Ritter und
Obriſter Statverweſer uͤber 6000 Roͤmiſche Reuter. H. Tyriotes/ Ritter/ Obriſter uͤber 6000 Su-
ſianiſche Reuter. H. Arbazes Ritter/ Obriſter Statveꝛweſer und Unterfeldmarſchalk eines Perſiſchẽ
Fuß Heers. Und H. Bubazes Ritter/ Obriſter zu Roß und Fuß/ und Befehlichshaber uͤber die Be-
ſatzung des Groß F. Perſiſches Haͤuptſchloſſes zu Perſepolis/ fuͤgen den Parthiſchen Außfoderern
zu wiſſen/ daß der Kampff von uns wieder ſie unter vorgeſchriebenen bedingungen angenom̃en ſey/
jedoch/ daß das Loͤſegeld eines jedweden nicht unter 4000 Kronen geſetzet werde; auch allemahl nur
zween ſich ſchlagen/ und dem Uberwinder frey ſtehe/ den andern/ dritten/ und ſo lange ihm gefaͤllig/
außzufodern; alles redlich und auff guten Glauben.


Als der Heerhold dieſes uͤberbrachte/ uñ weder Herkules noch Ladiſla ſich im Schꝛei-
ben meldete/ verdroß es die Außfoderer nicht wenig. Aber Ariarates ſagte: Fuͤrſt Volo-
geſes und Pakorus haben dieſes unſerm Koͤnige ſchon gnug zuvor geſagt/ daß ſo groſſe
Feld Herrn ſich gegen niemand als ihres gleichen Beampten ſetzen wuͤrden; ſo duͤrffen
wir auch die genenneten Ritter ohn angezeigete Urſach nicht verwerffen; weiß auch nicht
ob wir ihren bedingungen uns entbrechen koͤnnen/ nach dem ſie unſere angenommen. Es
wuſte niemand zu wiederſprechen/ nur daß Intaphernes ſagete: Ich gedenke/ die Teut-
ſchen werden mit den ungeheuren Schlachtſchwertern ankommen/ welches man ihnen/
als unritterlich und dieſes Orts unſitlich nicht goͤnnen wird; im uͤbrigen bin ich mit allem
wol zu frieden/ und da mirs mißlingen ſolte/ wil ich unter 8000 Kronen meinem Anſieger
nicht erlegen/ weil ich merke/ daß jene nicht allein umb die Ehre ſondern auch umb den Ge-
nwin
[98]Fuͤnftes Buch.
win ſpielen wollen. Tiribazus hielt vor rahtſam/ daß dem Feldmarſchalk Vologeſes der
Antworts-Brieff ſchleunigſt zugeſchikt wũrde/ ob etwan der Feld Herꝛen einer oder ander/
an Herkules oder Ladiſla die Außfoderung legen wolte; dann man ſaͤhe den Feind ſchon
heran rũcken. Vologeſes machte ſich mit dem Schreiben nach dem Koͤnige/ welcher we-
nig freude daraus ſchoͤpffete/ und den Vorſchlag taht/ daß Pakorus und Oſazes es wieder
unſere Helden wageten. Aber Vologeſes legte ihm vor Augen/ was vor Gefahr drauff
ſtünde; weil vor erſt die Uberwindung ſehr zweiffelhaftig; hernach auffs wenigſte nicht ohn
hefftige Verwundung wuͤrde erhalten werden; wann nun dieſe ihre beyde Handfeſteſte
Feld Herrn vor der Schlacht zum Gefechte ſolten undüchtig gemacht werden/ koͤnte ſol-
ches ohn des ganzen Heers merklichen Schaden nicht geſchehen; es waͤhre viel ſicherer/
dieſe fremde Fuͤrſten im Treffen zufahen oder niderzulegen/ als durch einzelne Ritter. Alſo
muſte Artabanus ſich hiemit befriedigẽ laſſen/ unter der Hoffnũg/ er wolte in der Schlacht
ihrer maͤchtig werden. Inzwiſchen zohe das Perſiſche Heer foꝛt/ uñ hatten die zehn Kaͤmp-
fer ſich mit guten Speeren uñ Schwertern verſehen; Weil dañ ihre Außfoderer die Bahn
ſchon eingenommen hatten/ ritten ſie auch hinzu/ und hielten die drey Teutſchen an/ daß ih-
nen der Angriff moͤchte gegoͤnnet werden; ſolte es ihnen dann gluͤcken/ daß ſie mehren als
dreyen anſiegeten/ wolten ſie des Loͤſegeldes nicht mehr als auff einen Mann genieſſen;
worin man ihnen nicht wiederſprechen wolte. Als nun Kantibaris die erſte Außfoderung
taht/ welches er mit dem Speerwinken zuverſtehen gab/ ritte ihm Wedekind friſch entge-
gen/ und warff ihn im erſten Treffen herunter/ ſprang ihm nach/ und ehe er ſich auffrichten
kunte/ faſſete er ihn bey den Fuͤſſen/ ſchleppete ihn von der Bahn/ riß ihm den Helm ab/ uñ
fragete/ ob er ſterben oder 4000 Kronen geben wolte; welches ihm Mardus als Dolmet-
ſcher vortrug; dieſer aber zur Antwort gab; er lieſſe es bey der ſchrifftlichen Bedingung/
und ward von Neda nach dem Heer gefuͤhret. Wedekind ſetzete ſich wieder auff/ und be-
gegnete Oribazus/ der ihm vorgenommen hatte ſich beſſer zuhalten/ aber nur in Gedanken/
dann der Teutſche wolte ihn nicht vom Pferde ſtoſſen/ ſondern im vorbey rennen ergrieff
er ihn beim Arme/ und ſchleppete ihn bey dem Pferde her/ da er ihn alſo huͤbſch davon
brachte; ſeumete ſich weiters nicht/ ſondern weil Xerxes ſich ſchon geſtellet hatte/ rante er
ihm entgegen/ warff dz Speer hinweg und ließ friſch auff ſich ſtoſſen/ faſſete das Schwert/
welches nicht laͤnger/ aber dicker und breiter als die gewoͤhnlichen wahr/ und ſchlug ihn da-
mit flaͤchling uͤber den Kopff/ daß ihm ſchwinden ward/ deßwegen er ihn mit ſampt dem
Pferde hinweg fuͤhrete. Artabanus mit ſeinen Leuten ſahe dieſen ſpoͤtlichen Handel an/ uñ
taht ihm der Schimpff ſo weh/ daß ihm die Augen uͤbergingen. Vologeſes aber ſagte: Al-
les was aus unzeitigem Eifer vorgenommen wũrde/ pflegete ſolchen und keinen beſſern
Außgang zugewinnen/ und da ihre Koͤnigl. Hocheit wuͤrde fortfahren/ des Zorns ſich an
ſtat der Vernunfft zugebrauchen/ wuͤrde das Spiel ſehr bald zum Ende lauffen. Es wuͤr-
de ſich der Koͤnig erinnern/ wie traͤulich er dieſen Kampff wiederrahten haͤtte; aber er
waͤhre nunmehr faſt abgeſchrecket/ weiter zu rahten/ weil niemand beſſer und lieber/ als
ſchaͤdliche Schmeichler und unbeſonnene Großſprecher gehoͤret würden. Mann ſolte ja
billich der Teutſchen geſtrige Tahten betrachtet haben; und wolte er ſeines teils gerne eine
Tonne Schatz drumb geben/ daß das Spiel nicht angefangen waͤhre/ welches ihr ganzes
Heer
[99]Fuͤnftes Buch.
Heer verzagt/ und die Feinde muhtig machete. Endlich erklaͤrete er ſich mit duͤrren Wor-
ten/ dafern ihre Koͤnigl. Hecheit ihrer angenommenen jetzigen Art nach/ weiters verfahrẽ
wuͤrde/ wolte er ſeines Dienſtes erlaſſen ſeyn/ oder in Gegenwart des ganzen Heers ſein
Ampt ablegen/ und ſich ſelbſt darauff entleiben/ damit er nicht der Feinde Spot werden
moͤchte. Der Koͤnig durffte ihm nicht einreden/ und wahr ſo betruͤbt/ als ſtuͤnde der ganze
Sieg auff dieſem Kampffe. Hingegen lachete Artaxerxes das Herz vor freuden/ und ſag-
te zu unſern beyden Helden/ zwiſchen denen er zu Pferde hielt: Nun habe ich mein lebelang
ſolche Krafft und ſtaͤrke an keinem Ritter geſehen/ und moͤchte nicht mehr wuͤnſchen/ als
daß unſer einer unvermerkt bey Artabanus ſtuͤnde/ umb ſeine Raſerey anzuhoͤren. Der-
ſelbe wuſte nun nicht/ wie ers beſtangreiffen ſolte; den annoch uͤbrigen den Kampff zuver-
bieten wolte ſich nicht ſchicken/ und ſahe doch vor Augen/ daß ſie alle an den elenden Tanz
muͤſten; dann Koſroes wahr ſchon der vierde von Wedekind uͤberwunden/ welcher im er-
ſten Stoſſe zwar herunter geſtochen wahr/ aber doch auff die Fuͤſſe kam/ und den Schwert-
ſtreit anfing/ wiewol er nach wenig Hieben mit dem Leben bezahlen muſte; dann er ſchlug
ihm das rechte Bein oberhalb dem Knie rein hinweg/ daß er zur Erden ſtuͤrzete/ wolte ihn
aber doch nicht liegen laſſen/ ſondern bey dem andern Beine ſchleppete er ihn davon/ loͤſete
ihm den Helm auff/ und ſahe daß er ſchon mit dem Tode rang/ gleich da auff Vonones
Raht Mithridates mit 12000 Parthiſchen Reutern loßbrach/ und ein groſſes Feldge-
ſchrey machete/ daß die Kaͤmpffer beyderſeits ſich etwas zuruͤk zogen; aber Wedekind er-
mahnete ſeine beyden Spießgeſellen/ ihm zu folgen/ ſetzeten unter die ſechs Parthiſchen
Außfoderer mit ihren Schwertern tapffer hinein/ deſſen ſich dieſe nicht verſehen hatten/
und doch nicht außreiſſen durfften/ ſtelleten ſich demnach zur gegenwehr als gut ſie kunten/
inſonderheit Intaphernes und Tiribazus ſamt Orodes hielten ſich wol/ aber Ariarates uñ
Maſiſtes wurden im erſten anfal verwundet und von den Pferden geſtuͤrtzet. Ochus waͤh-
re gerne außgeriſſen und fuͤrchtete ſich doch des Schimpffs/ bedachte ſich eines andern/
und fiel als ein Raſender an/ daß er auch Hermans Pferd niderhieb; aber es ward ihm
nicht uͤberſehen; dann Wedekind ſchlug ihm die rechte Hand reine hinweg/ ſo wahr auch
Herman ſchon zun Beinen/ gab ihm vollends den Lohn/ und ſties ihm das Schwert in den
Leib daß er vom Pferde fiel/ auff welches dieſer ſich gerade ſetzete/ und mit ſeinen gehuͤlffen
es ſo weit brachte/ daß die uͤbrigen fünffe alle hart verwundet ſich ergeben und mit ihnen
reiten muſten; hatten alſo acht lebendige und zween todte gefangene/ welche ſie doch mit ſich
fuͤhreten. Artabanus waͤhre des handels ſchier tolle worden/ auch die uͤbrigen wahren des
leidigen falles ſehr betruͤbet; aber endlich verwandelte ſich die Traurigkeit in einen wuͤti-
gen Eifer/ daß ſie alle ſchwuren/ den Schimpff zu raͤchen/ oder darüber zu ſterben. Ey ſagte
Vologeſes/ dieſer Vorſaz gefaͤllet mir wol/ daß ich am Siege ſo groß nicht zweiffeln wil/
wann wir nur die Vorſichtigkeit nicht bey ſeit ſetzen; und iſt mir lieb/ daß Mithridates nit
uͤber befehl gehandelt ſondern der Pfeile geſchonet hat; wie er auch nur einen blinden Ler-
men zu machen außgeſchicket wahr. Nun hatten ſich aber die unſern dadurch nicht ſchrec-
ken laſſen/ ſondern da er naͤher kommen waͤhre würde er ſchon ſeine Beſtreiter angetroffen
haben. Als er aber mit den ſeinen ſo ſchleunig umbkehrete/ erkenneten die unſer daher/ daß
er nur/ einen blinden Aufflauff zu machen loßgebrochen wahr/ umb den elenden Kampff
n ijauff-
[100]Fuͤnftes Buch.
auffzuheben. Bald hernach ward Herkules gewahr/ daß die Reuterey an Feindes ſeiten
ſich zuhinterſt weit von einander taht/ deßwegen er zu Artaxerxes ſagte: Gewißlich hat
der Feind ein Stuͤkchen mit den uͤbrigen Streitwagen vor. So muͤſſen wir ihm begegnẽ/
antwortet er: Ließ die Reuter/ welche vor dem Fußvolk her ſich außgebreitet hatten/ von
einander gehen/ und foderte die beſtelleten Wagehaͤlſe mit den langen Spieſſen/ und mit
dem Feur herzu/ welche den Wagen/ ſo Gliedsweiſe zwanzig ſtark gingen/ muhtig entge-
gen traten. Nun hatte aber der Feind einen Rank erdacht/ dieſem Unheil vorzubauen/ und
geblendete Pferde fornen an geſpannet/ welche der Fuhrman/ ſo fornen auff dem Wagen
ſaß/ und mit einem breiten Schilde bedecket wahr/ gewaltig zerpeitſchete/ ſo bald die mit
dem Feur ſich naheten/ welches an etlichen verfing/ daß ſie durchbrachen; deßwegen Ar-
taxerxes 500 gute Fußſchuͤtzen ihnen an die Seite ſtellete/ und gegen ſie ũber 600/ welche
den Wagen ſo viel Pfeile entgegen ſchicketen/ daß von den 100 voͤrderſten und aͤuſſerſten
Wagen keiner wahr/ an welchem nich gelaͤhmete oder erſchoſſene Pferde ſolten geweſt
ſeyn/ die Vermoͤgen den aber durch ihr ruͤk und auer lauffen eine ſolche Verwickelung ma-
cheten/ daß es abſcheuhlich zu ſehen wahr; dann weil die hinterſten und mittelſten fort ge-
trieben wurden/ und doch von den voͤrderen eingeſchloſſen wahren/ verwundeten ſie ſich
ſelbſt an den ſcharffen Senſen/ biß ſie endlich in einem Klumpffen ſtecketen/ und weder vor
noch hinter ſich kunten; doch wahren im anfange 25 von den Perſiſchen Feurtraͤgern teils
beſchaͤdiget/ teils gar umbgebracht/ und macheten des Feindes Schuͤtzen ſich auch herbey/
daß von den 500 der unſrigen/ ſo zu den Seiten der Wagen hergeſtellet wahren/ nur 200
zurük kahmen/ wiewol auch die Feinde 250 im ſtiche lieſſen. Weil dann die Wagen nichts
wirken wolten/ taht Vologeſes befehl/ daß ſo wol Oſazes an der linken/ als Vonones an
der rechten Seiten den Angriff mit Pfeilen tuhn folten/ alſo/ daß wann ſich der Feind ih-
nen wuͤrde eiferig entgegen ſtellen/ ſie ſich nicht zu weit vertuhn; da ſie aber an ihrer ſtelle
halten blieben/ ſich ihnen naͤhern ſolten/ ſo daß ſie ſich dabey nach moͤgligkeit ſchuͤtzeten.
Dieſe brachen loß und gingen getroſt hinan/ weil wegen der zimlich weiten abweſenheit
des Fußheers ſie vor ihrem Geſchoß ſich nicht fuͤrchten durfften; als ſie nun ſich den un-
ſern nahe gnug ſeyn merketen/ druͤcketen ſie hefftig loß/ daß die Pfeile in groſſer menge her-
zu flogen. Aber Herkules und Ladiſla hatten die Anzahl der durchnaͤheten Pferdedecken
dieſe Zeit her auff 18000 gemehret/ welche vor den Voͤlkern mit breiten Schilden hielten/
und von den Pfeilen aufffingen was nicht überhin ging. Die aber hinter dieſen hielten/
wirketen mit ihrem Geſchoß ungleich beſſer/ weil die Feinde mit dergleichen beſchuͤtzung
ſich nicht verwahret hatten. Noch hielten ſie in dieſem unauffhoͤrlichen Schieſſen eine
halbe Stunde an/ biß ſie endlich ſahen/ daß der Verluſt gar zu groß wahr/ und deßwegen
den Abzug nahmen/ nachdem an Seiten Oſazes 4600 von ſeinem neuen Zuſaz erſchoſ-
fen/ und 5400 eben derſelben hart verwundet/ auch 12000 Pferde/ teils Tod/ teils hart be-
ſchaͤdigt wahren. Vonones verlohr 3560 ſeiner neuen Voͤlker; 7040 wurden davon
zum Gefechte unduͤchtig gemacht/ und uͤber 8000 Pferde gefellet; dahingegen Herkules
nur 530 verlohr/ und 1100 verwundet wurden/ mehrenteils Meden und Suſianer. Bey
Ladiſla ſtuͤrzeten etwa 1300/ und 980 wurden ſehr ſchadhaft/ mehrenteils Hirkaner und
Ariſche. Aber die breiten Schilde ſtecketen ſo voller Pfeile/ daß die Reuter ſie ſchwere hal-
ben
[101]Fuͤnftes Buch.
ben kaum halten kunten. Oſazes ließ an ſeiner Seiten 10000 Neugeruͤſtete und 8000 alte
Reuter unter Mithridates ungeſtuͤm gnug loßgehen; neben ihnen her ſtuͤrmeten die Sky-
then ingeſamt auch auff Herkules an/ unter ihrem Groß Obriſtwachtmeiſter Sargapiſes/
der an des erſchlagenen Argunthis ſtelle geſetzet wahr/ dann Karthaſis kunte wegen ſeineꝛ
Wunden keinen Harniſch fuͤhren. Herkules ſchikte Bubazes mit 12000 alten und 4000
neugeſamleten jenem entgegen; den Skythen muſte Wedekind mit 2000 Teutſchen/ un-
ter welchen 600 Schlachtſchwerter wahren/ und 15000 alten Reutern begegnen. Vo-
nones ließ ſeinen Archelaus mit 9000 neuen und 10000 alten Reutern auff Ladiſla ange-
hen; denen Neda mit 6000 neuen/ 10000 alten/ und 1500 Boͤhmen ſich wiederſetzete. Ne-
ben Archelaus ging Paras Feldwachtmeiſter loß mit 12000 neuen und 8000 alten Voͤl-
kern; gegen welchen ſich Markus ſetzete mit 1000 Roͤmern/ 9000 neuen/ und 6000 alten
Reutern. Anfangs gab es an allen Seiten faſt gleichmaͤſſige Blutſtuͤrzung; Mithrida-
tes wahr ein verwaͤgener Ritter/ der ſeiner Leute wenig ſchonete/ wann er den Feinden ſcha-
den kunte/ deßwegen er auff Bubazes ſehr hefftig anging/ welcher dagegẽ behutſam fuhr/
und zu erſt ſich begnuͤgen ließ/ daß er die ſeinen vom hinterweichen abhielt; hernach mah-
nete er ſein Haͤuflein/ daß umb ihn hielt/ und 800 ſtark wahr/ mit wenigen auff/ friſch durch
zubrechen/ welchen die andern blindlings folgeten; dann die geſtrige/ den 8000 außgeriſ-
ſenen angedraͤuete ſtraffe/ warnete ſie/ daß vor dem Feinde ſterben ehrlicher waͤhre/ als
durch Buͤttels Hand auffgeknüpffet werden. Und eben dieſer Vorſaz verzweifachete ihre
Kraft/ daß ſie mit ganzer Wuht anfielen/ und den Feind endlich hinter ſich trieben. Weil
ader Bubazes mit ſeiner Leibſchaar gar zu eifrig nachſetzete/ ward er nach zimlicher Ver-
wundung gefangen/ und Vologeſes zugefuͤhret/ der ihn alsbald verbinden ließ. Seine ũ-
brige Voͤlker erfuhren ſolches etwas ſpaͤte/ hoffeten ihn noch wieder loß zu machen/ und
ſetzeten in den Feind mit ſolcher Krafft/ daß ſie nicht mehr beſtehen kunten/ und Mithrida-
tes von einem tapfferen Mediſchen Obriſten/ nahmens Agabazus vom Pferde geſchlagen
und hart verwundet nach Herkules gebracht ward/ der ihn Artaxerxes zuſendete/ und zu-
gleich von Ladiſla begehrete/ daß er ihm Tyriotes ſchicken moͤchte/ nachdem es ihm an
Heerfuͤhrern mangelte. So bald derſelbe ankam/ muſte er mit 2000 alten Reutern Bu-
bazes hauffen zum Entſaz gehen/ welche nach Mithridates Gefaͤngnis hefftig gedraͤnget
wurden; maſſen die Parthiſchen als verzweiffelte Leute fochten/ ihren Fuͤhrer zu raͤchen.
Aber Tyriotes ankunfft brach ihr Wuͤten/ und ſetzete alles wieder in guten Stand. Zwi-
ſchen Wedekind und Sargapiſes ging es ſehr ſcharff zu; dann dieſe wolten ihrer Lands-
leute Niderlage raͤchen/ und jene ihr Leben nicht wolfeil verkaͤuffen/ daher die Blutſtuͤr-
zung dieſes Orts am hefftigſten wahr. Die Teutſchen muſten anfangs ſich ſchonen/ und
mit den andern Voͤlkern die Skythen ſich abarbeiten laſſen/ welches den Perſen ſchier zu
ſchwer gefallen waͤhre; aber ſie wurden zu rechter Zeit entſetzet/ da Skyles ein ſehr ver-
waͤgener uͤber aus armſtarker Obriſter unter den Skythen ſich an Wedekind machte/ ihm
das Pferd unter dem Leibe erſchlug/ und ihn ſelbſt zu fahen/ alle bemuͤhung anwendete; a-
ber. Wedekind kam zun Beinen und weil ſeine Teutſchen ſich der eindringenden Skythen
redlich erwehreten/ und mit den Schlachtſchwertern ſie abhielten/ machte er ſich an ſeinen
Feind/ der ſich fuͤrchtete/ er moͤchte ihm das Pferd gleichmaͤſſig erſchlagen/ deßwegen er
n iijabſtieg/
[102]Fuͤnftes Buch.
abſtieg/ und weil er ohndaß lieber zu Fuſſe ſtritte/ ging er auff dieſen zu/ als haͤtte er ihn gaꝛ
freſſen wollen/ rieff auch mit erſchreklicher Stimme/ dieſes ſolte ſein lezter Tag ſeyn. Aber
weil Wedekind die Sprache nicht verſtund/ hielt er die Antwort vor unnoͤhtig/ und em-
pfing ihn dagegen mit ſeinem Schwerte dergeſtalt/ daß dieſer ſchon merkete/ er haͤtte ſei-
nes gleichen antroffen. Gleichwol hatte Skyles den Vortel/ daß er ein laͤnger Schwert
fuͤhrete/ auch des Schildes ſich beſſer zugebrauchen wuſte. Sie zudroͤſcheten ſich dermaſ-
ſen/ daß weder Schild noch Waffen gegenhalten kunten; aber in dieſem verſahe es der
Skythe/ daß er bald im anfange ſich zu ſehr abmattete; dann als Wedekind ſeine gelinde-
re Streiche fuͤhlete/ drang er mit aller Gewalt zu ihm ein/ unterlieff ihm den Streich/ uñ
hieb ihm den Wirbel am rechten Ellebogen hinweg/ daß er das Schwert fallen ließ/ aber
zugleich ſeinen Feind mit dem Schilde wieder die Bruſt warff/ daß er ſtrauchelte; weil er
auch mit bey den Faͤuſten gleiche gerade wahr/ huhb er das Schwert mit der Linken auff/
und ſetzete von neuen an/ welches aber kurzen beſtand hatte; dann die Wunde ſchmerzete
ihn uͤberaus ſehr; ſo wahr ihm Wedekinds Schild an allen Hiebẽ hinderlich/ als der ihm
zu nahe trat/ daß er ſein langes Schwert nicht brauchen kunte; daher er endlich außreiſſen
wolte; aber dieſer verſezte ihm eins uͤber den ſchon verwundeten Arm/ daß er in Ohmacht
niderſtuͤrzete; riß ihm hernach den Helm ab/ und legte ihm den Kopff zun Fuͤſſen; ſetzete
ſich auff des erſchlagenen Pferd/ und miſchete ſich unter die ſtreitende Schaaren. Hier
ging es nun ſehr hart uͤber die Skythen; dann ihrer ein guter teil wuſten das Gewehr zu
Pferde nicht zugebrauchen/ und wahr ihnen ſehr leid/ daß ſie nicht zu fuſſe blieben wahren.
Herkules ließ noch 400 Teutſche und 3000 alte Reuter auff ſie treffen/ folgete mit 100
Schlachtſchwertern ſelbſt nach/ und draͤngete Sargapiſes ſo hart/ daß er ihm die Glie-
der brach/ und alles vor ſich niderſchlug. Nun hatte jeztgedachter noch 2000 feſte Sky-
then bey ſich/ die ſich ungetrennet zuſammen hielten/ deßwegen Herkules mit allen anwe-
ſenden Teutſchen auff ſie loßging/ traff Sargapiſes ſelbſt an und nach ritterlichem Kamp-
fe/ wozu ihm die Teutſchen Raum gnug macheten/ zwang er ihn/ ſich auff Gnade zuerge-
ben/ ließ ihn auch alsbald nach dem Lager bringen/ woſelbſt Mithridates verwahret ward.
Neda hatte nicht ſo harten wiederſtand/ weil Archelaus neue Reuter ſehr ungeuͤbet wah-
ren/ welche als die Schaffe hingemaͤtſchet wurden; und ob gleich ihr Fuͤhrer allen moͤgli-
chen fleiß anwendete/ ſeines Feindes einbruch auffzuhalten/ wuſten doch die ſeinen nicht/
wie ſie die Glieder feſt ſchlieſſen und mit geſamter Hand wieder Schlaͤge außteilen ſolten/
daher er endlich gezwungen ward/ dem Indier Pandion ſeiner Leute unerfahrenheit kla-
gen zu laſſen/ und daß er ihm etwa 6000 geuͤbete zum Entſaz ſchickete/ damit er die ſeinen
wieder zum Stande braͤchte. Aber der Indier wendete ein/ daß er ſeine geuͤbete Mann-
ſchafft von ſeinen ungeuͤbeten gar nicht entrahten koͤnte/ wo er ſich ſonſt nicht ins gewiſſe
Verderben ſtuͤrzen wolte; ſo wolten die Indier ſich auch nicht trennen laſſen/ und muſte
daher Vonones hierzu 6000 verſuchete Parther unter Obriſten Apreteus abſchicken/
welche zimlich ſpaͤte ankahmen/ und doch dem erfahrnen Archelaus Raum machten/ ſein
uͤbriges Heer zuſamlen/ von denen ſchon 4000 neue uñ 2500 alte Reuter abgeſattelt/ auch
5000 ſchwerlich verwundet wahren/ da hingegen Neda nur 2000 verlohren und 1800
verwundete hatte; ſcheuhete ſich deßwegen nicht/ auff die ankommende Parther anzuge-
hen/
[103]Fuͤnftes Buch.
hen/ und hielt ihren hefftigſten Anfall redlich aus/ in welchem er 32 Boͤhmen und 840
Morgenlaͤnder einbuͤſſete; worauff er ihr meiſter ward/ und ſie faſt gar umbkreiſſete. Ar-
chelaus hatte ſich wieder geſezt und wolte ſeine Helffer nicht im ſtiche laſſen/ denen Neda
500 Boͤhmen und 6500 Perfiſche entgegen ſtellete/ welche ſie auch gluͤklich auffhielten/ biß
er mit den Parthen fertig wahr/ deren er 4000 erſchlug/ und 1500 nebeſt ihren Fuͤhrer/
mehrenteils verwundet/ gefangen hinweg fuͤhren ließ. Paras der Parther/ und Markus
lieſſen in ihrem Gefechte erſcheinen/ daß ſie beyderſeits willens wahren/ an ihrer Seiten
getraͤulich zu dienen; da im erſten anſatze jedweder in die 600 Mann einbuͤſſete; aber her-
nach ließ ſichs augenſcheinlich merken/ daß die unſern uͤberwogen/ und hielten ſich Mar-
kus neue Voͤlker ſo wol/ daß ſie vor allen anderen neuen Schaarẽ den Ruhm davon brach-
ten; dann die Roͤmer wuͤrgeten Fuß vor Fuß/ denen dieſe ſo eiferig nach ſetzeten/ daß ſie den
Feind gar auff die Flucht brachten/ nachdem derſelbe 2800 alte und 6300 neue Reuter
eingebuͤſſet hatte/ uñ von den übrigen noch 5000 unverwundet wahren/ da hingegen Mar-
kus uͤberal 3600 verlohren/ und 700 verwundete hatte; nach dem er aber ſeines Gluͤks ſich
mißbrauchete/ und den weichenden Feinden mit ſeinen Roͤmern zu hefftig nach draͤngete/
wendete ſich Paras/ und ward Markus von einem Obriſten und zween Ritmeiſtern der-
geſtalt uͤber fallen/ daß ſie ihn vom Pferde riſſen/ und ihn in der Flucht mit ſich davon füh-
reten/ nachdem ſie 53 Roͤmer erſchlagen/ und dagegen noch 250 Reuter eingebuͤſſet hatten.
Bubazes Voͤlker fochten unter Tyriotes anführung noch ritterlich wieder des gefange-
nen Mithridates hauffen; welche keinen Fuͤhrer mehr hatten/ und deßwegen faſt ohn ge-
genwehr erſchlagen wurden/ biß ihrer 5000 außriſſen/ 4000 gefangen wurden und die uͤ-
brigen auff der Wahlſtat blieben. Doch wahren hieſelbſt auch 3200 von den unſern er-
ſchlagen/ und 2300 verwundet. Nicht geringern Sieg hatten Wedekind und Herkules;
dann ſie hoͤreten nach Sargapiſes Gefaͤngnis nicht auff/ die Skythen hinzurichten/ biß
ihrer 12000 geſtrekt lagen/ 6500 ſich gefangen gaben/ und 6000 ſich durch die Flucht er-
retteten. Da hingegen an unſer Seite 21 Teutſchen und 6000 Morgenlaͤndiſche drauff
gangen wahren/ uñ befunden ſich 16 Teutſche uñ 2800 Perſiſche hart verwundet. Gleich
dazumahl ward Neda mit Archelaus uͤberſchuſſe auch fertig/ von denen nur 3000 durch
die Flucht erhalten wurden; 1600 nebeſt ihrem Feld Herrn (welchen drey Boͤmiſche Reu-
ter anpacketen) gefangen/ die uͤbrigen alle in ihrem Blute lagen. Vologeſes ſahe daß es
den ſeinen ſchlechter als des vorigen tages ging/ und wuſte des guten Rahts nicht viel-
mehr. Er hatte zwar annoch faſt alle ſeine Parthiſche Reuter/ die noch keinen Schwert-
ſchlag getahn/ und andere/ teils geworbene/ teils geſamlete; aber dagegen ſahe er/ daß des
Feindes Reuterey ihnen nunmehr an Mannſchafft moͤchte überlegen ſeyn (wie ſie dann
noch 156675 geſunde; hingegen die Parthiſche nur 138250 ſtark) zugeſchweigen daß ſie
viel muhtiger und geherzter zu fechten wahren als die Parthiſchen. Artabanus verfluchte
ſein Ungluͤk/ und begunte am Siege zu zweiffeln; wahr ihm demnach leid/ daß er ſeines
Feldmarſchalks Vorſchlag/ die Schlacht auffzuſchieben/ ſo liederlich geſchaͤtzet hatte/ ließ
denſelben zu ſich fodern/ und trug ihm anfangs vor/ wie er bedacht waͤhre/ das Fußvolk
treffen zu laſſen/ damit die uͤbrige Ritterſchaft auff den lezten Satz geſparet wuͤrde; her-
nach/ daß Bagophanes ihn berichtet/ wie der Perſiſche Tropff Bubazes/ welcher dem
Fraͤu-
[104]Fuͤnftes Buch.
Fraͤulein Raͤuber Schuz gehalten/ auff ſeine Hocheit ſchimpflich geredet/ und ſeine Zim-
mer-Jungfer Kleofis wieder ſeinen Willen geheirahtet/ gefangen waͤhre; denſelben ſolte
er laſſen in die Eiſen ſchlagen/ dann er muͤſte lebendig geſchunden werden. Er aber gab zur
Antwort: Er ſaͤhe des Himmels ungewogenheit über Parthenland vor Augen/ welches
einig nur von dem fremden Fraͤulein herrührete; moͤchte wuͤnſchen/ daß Phraortes mit
ihr den Hals gebrochen/ da er in den Koͤniglichen Saal den erſten Fuß geſetzet; und wolte
Gott/ ſagte er/ wir koͤnten die Schlacht mit halber Ehr auffruffen/ und der Fremden/ ach
ach der Fremden loß werden/ ich verſichere ihre Koͤnigl. Hocheit/ daß den ſchon erlittenen
Verluſt ich vor nichts achten wolte/ und ſolten der Perſe und Mede mit ihrem uͤbrigen
ganzen anhange uns in kurzen zun Füſſen liegen. Ich begebe mich des Fraͤuleins nicht/
fiel ihm Artabanus in die Rede/ ſolten wir gleich unſer ganzes all dran ſtrecken. Mein
Gott/ antwortete er/ wie kan doch der Koͤnig in dieſem gefaͤhrlichen Stande noch mit ſol-
chen Gedanken umbgehen? ſihet dann ihre Hocheit noch nicht/ daß zwiſchen uns und dem
Verderben ſo wenig Raum iſt/ daß wirs mit einem Pferdelauff abmaͤſſen koͤnnen? gewiß-
lich wann ich wiſſen ſolte/ daß zu dieſem Ende der Krieg gefuͤhret wuͤrde/ muͤſte ich vor
truͤbnis in die Erde ſinken/ daß man ſo viel tapfferes Menſchen Blut vergoſſen haͤtte. Aber
hievon zu reden wil Zeit und Gefahr nicht leiden/ nur die beiden Vortraͤge ihrer Koͤnigl.
Hocheit muͤſſen von mir beantwortet werden. Bagophanes der faule Fetwanſt hat der-
ſelben gerahten/ einen unzeitigen Eifer wieder einen Gefengenen (der ohnzweiffel redlicher
als er iſt) ſehen zu laſſen. O ihre Koͤnigl. Hocheit bedenke ſich ja bald eines andern! dann
wer weiß/ was vor Helden gegen dieſen noch heut wol muͤſſen außgetauſchet werden? wil
demnach mich dieſes Gefangenen dergeſtalt annehmen/ als einem redlichen Feldmarſchalk
gebuͤhret; und wil eure Hocheit einen in die Eiſen ſchlagen/ ſo ſchlage ſie den Rahtgeber
hinein; dieſem Gefangenen wird gewißlich ſolche Unbilligkeit nicht angelegt werden/ es
ſey dann/ daß ich zu gleicher Straffe verdammet werde. Schließlich/ daß das Treffen zu
fuſſe ſol gehalten werden/ waͤhre wol mein Raht/ daß wir dieſe Voͤlker zu unſers Landes
Schuz erhielten/ im Fall der Reuterſtreit/ wie ſichs anſehẽ laͤſſet/ ſolte verlohren gehen; dañ
alſo koͤnten und wolten wir dem Feinde mit dieſer Mannſchaft noch ſolche haͤndel machen/
daß ſie ungejagt hinter ſich zihen ſolten; weil ich aber weiß/ daß mein Raht vor eine klein-
muͤhtigkeit geſcholten werden muß/ ſol des Koͤniges Befehl alsbald ins werk gerichtet wer-
den; der Himmel gebe/ daß es zum Siege diene/ welches aber Farbe koſten wird. Ritte
hiemit fort/ dañ er wolte ſich mit dem Koͤnige weiters nicht zanken/ taht auch beyden Feld-
Herrn von der Reuterey zu wiſſen/ daß ſie ihre geſunden Voͤlker/ jeder an ſeinem Ort in
ein Heer zuſammen zihen/ und etliche kleine Hauffen Schaarsweiſe ins Feld ſetzen ſolten/
wann etwa der Feind auff ſie zudringen wuͤrde. Als dieſes ins werk gerichtet ward/ wuſtẽ
die unſern nicht/ was es bedeuten ſolte. Herkules muhtmaſſete/ es wuͤrden die Elefanten
anſetzen; aber Ladiſla ward gewahr/ daß des Feindes Fußvolk herzu nahete/ vor welchen
16000 Reuter in die quehre ausgedehnet/ vorher zogen; taht ſolches Artaxerxes zu wiſſen/
der nichts mehr als dieſes wuͤnſchete/ uñ den ſeinen gleicher geſtalt die Loſe zum auffbruche
gab. Inzwiſchen ließ des Feindes Reuterey ſich anſehen/ ob wolten ſie mit ganzer Macht
den Angriff wagen/ aber bald zerteileten ſich 6000 Mann/ welche hier und dar 60 Schaa-
ren/
[105]Fuͤnftes Buch.
ren/ jede von 100 Koͤpffen/ ins Feld ſetzeten/ da ihre Fußvoͤlker ſich in eine breite Ordnung
begaben/ und mit ihren Pfeilen und Bogen Stand faſſeten; worauff ſie groſſe Hoffnung
geſetzet hatten. Herkules fürchtete/ es wuͤrde Ladiſla deſſen nicht wahr nehmen/ und ließ
ihn warnen/ ſich vorzuſehen; welcher gleich willens wahr/ etliche Reuter auff des Feindes
kleine Reuterhauffen angehen zulaſſen/ wodurch er ſie wuͤrde auff die Fleiſchbank geop-
fert haben. Artaxerxes zog mit ſeinen Landsknechten auch fort/ denen er geherzt zuredete/
und daß ſie alle Krafft ihrer Arme an die Bogen legen ſolten; worauff es dann an ein ſo
unerhoͤrtes ſchieſſen ging/ daß die Pfeile in der Lufft knacketen/ und ſo dicke durch einander
flogen/ daß ſie ſich ſelbſt verhinderten und laͤhmeten. Sie trieben dieſes abſcheuliche We-
ſen uͤber eine halbe Stunde/ da inzwiſchen unſere Helden mannichen Verſuch tahten/
wie ſie den Parthiſchen Reutern beykommen/ und ohn ſonderlichen Verluſt ihnen unter-
lauffen moͤchten/ damit auch ſie nicht wieder zu den Bogen griffen; aber es wolte ſich nir-
gends ſchicken; dann ſo offt ſie etliche tauſend auff ſie anſetzen lieſſen/ druͤcketen jene (die
ſich auffs neue mit Geſchoß verſehen hatten) eiferig loß/ daß dieſe bald weichen/ und alle-
mahl mit Verluſt abzihen muſten/ auch in unterſchiedlichen anfaͤllen 800 Mann einbuͤſ-
ſeten/ und bey die 2000 verwundet wurden. Herkules wolte dieſem Unweſen abhelffen/
hieß 10000 Reuter ihre Pfeile und Bogen wieder ergreiffen/ ſtellete die bedecketen Pfer-
de und breitgeſchildeten Reuter 3000 ſtark vor ihnen her/ welches ihm Ladiſla nachtaht/
und gingen unter dieſer beſchuͤtzung freudig auf die Parther loß/ doch alſo/ dz ihre Pferde
einen langſamen Schrit halten muſten. Jene ſahen ſolches/ erwarteten ihrer Ankunfft
vorſichtig/ biß die Perſen zu erſt ihrer Bogen gebraucheten/ worauff ſie auch loßſchoſſen/
und der Pfeile nicht ſchoneten; wiewol ſie ſtets hinter ſich wichen/ und ehe dieſe
ſichs verſahen/ wieder anſetzeten; daher ihre Pfeile beſſer als der Perſen wirketen/ nur daß
die breiten/ wiewol ſehr durloͤcherten Schilde dannoch eine groſſe menge auffſingen/ die
ſonſt maͤchtigen ſchaden wuͤrden getahn haben. So lange das Schieſſen bey dem Fußvolk
wehrete/ gedachte Herkules nicht weiter als an die Reuterey; aber wie er die Parthiſchen
Elefanten hervor brechen ſahe/ trieb ihn die Furcht/ an ſeine Valiſken zugedenken/ ob viel-
leicht dieſelbe auch mit dem ihren fortgehen/ und ſich unter die Feinde miſchen wuͤrde/
nam deßwegen 1000 Schlachtſchwerter und 4000 tapffere Morgenlaͤndiſche zu ſich/ be-
fahl Wedekind und Tyriotes nebeſt Leches und Klodius die Auffſicht/ und ging mit ſeiner
ritterlichen Geſelſchafft nach dem Fußvolke/ gleich da die Parthiſche Elefanten antraten/
in das Perſiſche Fuß Heer einzubrechen. Er ſahe/ daß Artabanus mit zehn Elefanten zu-
ruͤk blieben wahr/ deßwegen er ſeinem Gemahl andeuten ließ/ daß ſie ſich mit vier wolbe-
ſezten Elefanten nach der Seite hinter Ladiſla Reuter Heer begaͤbe/ ſchickete ihr auch 40
Teutſche Schlachtſchwerter uñ 1500 tapffere Morgenlaͤnder zur vermehrung ihres Leib-
ſchutzes/ dann er argwohnete/ Artabanus wuͤrde einen blinden Fall auff ſie wagen/ ob er
ſie ertappen koͤnte; deſſen Elefanten Schützen ſchon ihre Pfeile und Wurffſpießlein un-
ter das Perſiſche Volk abgehen lieſſen/ die nicht geringen Schaden tahten/ in dem ſie bey
die 4000 Perſen erſchoſſen. Phraortes feirete mit ſeinen Elefanten eben wenig/ ging auff
das Parthiſche Heer/ und weil er den Wind zum Vortel hatte/ drungen ſeine Pfeile beſ-
ſer durch/ daß ſie eine zimliche Menge erſchoſſen/ und viel verwundeten. Herkules hatte zu
oPerſe-
[106]Fuͤnftes Buch.
Perſepolis etliche mahl einen blinden Elefanten Streit anſtellen laſſen/ umb zu erfinnen/
wie man dieſen groſſen ungeheuren Tihren am fuͤglichſten beykommen moͤchte. Er wuſte
dieſes an ihnen wol/ daß wie grimmig ſie waͤhren/ ſo leicht lieſſen ſie ſich verſchuͤchtern/ in-
ſonderheit/ wann ſie ſchmerzen empfunden; deßwegen er 2000 verwaͤgene Perſen/ wel-
che Artaxerxes ſchon vor fuͤnff Wochen mit dreyfachem Solde darzu beſtellet hatte/ vor
ſich foderte/ welche ſtarke Spieſſe mit ſehr ſcharffen krummen Siecheln iu der Hand/ und
ein kurzes breites Schwert/ vornen zugeſpizt an der Seite fuͤhreten; gab ihnen 200 mit
Schlacht ſchwertern zu/ [u]nd taht ihnen ſeine Meynung zuwiſſen/ ſie ſolten ſich nur huͤten/
daß ihnen die ſtarken T[ih]re nicht zu nahe kaͤhmen/ und ſie mit dem langen Ruͤſſel/ welchen
ſie an ſtat einer Hand gebraucheten/ nicht zu ſich riſſen/ ſondern wann ſie denſelben von ſich
ſtrecketen/ ſolten ihrer drey oder viere ſich zugleich an einen machen/ und ſie am Ruͤſſel ver-
wunden/ auch des Bauchs nicht ſchonen/ da man ſie mit ſtarken Stichen und Hieben be-
ſchaͤdigen koͤnte. Dieſes wahr ein guter Anſchlag/ aber es bedurffte Muͤhe und Vorſich-
tigkeit/ ihn ins Werk zurichten. Dann Madates wahr ihm deſſen vermuhten/ daher er
den Elefanten Meiſtern/ welche die Tihre (vorne auff dem Halſe ſitzend) leiteten und an-
fuͤhreten/ befehl erteilet hatte/ da etwan ein ſonderlicher hauffe Volkes auff ſie angehen
wuͤrde/ ſolten ſie ihnen entweichen/ und nach der Seiten ſich wenden/ damit ſie in das ge-
ſamte Heer einbrechen koͤnten; deſſen dieſe wol eingedenke wahren/ auch das vorder Heer/
welches Artobarzanes und Gallus fuͤhreten/ erreicheten/ deren ſie in 3000 zntraten und
erdruͤcketen/ ehe die verordente Schaar bey ihnen anlangete. Gallus geriet in aͤuſſerſte Le-
bens gefahr; dann der Tihre eines griff mit dem Ruͤſſel nach ihm/ aber Gott taht ihm au-
genſcheinliche Huͤlffe/ daß er mit dem Schwerte fertig ward/ und ihm den Ruͤſſel hart
verwundete; wodurch es vor ſchmerzen ſich nicht mehr wolte leiten laſſen/ ſondern weich
zur Seiten aus/ deſſen die/ ſo es nidertrat/ wol empfunden. Bald hernach kahmen die ob-
gedachten Elefanten Beſtreiter an/ teileten ſich/ und mit verzweifeltem Wuht machten ſie
ſich an die Tihre/ denen ſie doch wenig angewinnen kunten/ nur daß die Teutſchen mit ih-
ren Schlachtſchwertern 15 ertoͤdteten/ und 25 hart verwundeten; woruͤber ihrer 20 das
Leben ritterlich einbuͤſſeten. Unter den Verwundeten Elefanten wahr ein Junger/ welcheꝛ
wegen der ſchmerzlichen empfindnis nicht allein ein lautes Geblaͤrre machte/ ſondern zu-
gleich ſeinen Meiſter uͤber den Kopff herunter warff/ und nach dem ihm bekanten Lager
umbkehrete. Die alte Elefantin/ ſeine Mutter/ die ihn an der Stimme kennete/ und ihn da-
von lauffen ſahe/ wolte ihn nicht verlaſſen/ ſondern gab ihm durch ihr Wiedergeblaͤrre
Antwort/ und folgete wieder des Meiſters Willen hernach. Andere verwundete nahmen
eben den Weg vor ſich/ und wegen des hefftigen Geruffes/ welches das Fußvolk/ ſie zu er-
ſchrecken anſtellete/ wurden die uͤbrigen alle mit einander irre gemacht/ daß ſie den gerade-
ſten Weg vor ſich nahmen/ und an einem Orte durch ihr eigen Fußvolk ſetzeten/ deren ſie
uͤber 5000 zu nichte machten; hatten aber doch vor ihrem abwich uͤber die gedachte Teut-
ſchen/ noch 500 der beſtelleten Perſen auffgerieben/ nach dem ihre auffgeladete Schuͤtzen
in die 4600 von dem Perſiſchen Heer erſchoſſen/ und auff 3800 hart verwundet hatten.
Den Perſiſchen Elefanten gieng es nicht viel beſſer/ wiewol ſie anfangs groſſen Schaden
unter Artabanus Heer anrichteten/ und nach dem ihre 5000 Schützen von ferne in die
5800
[107]Fuͤnftes Buch.
5800 Parther erſchoſſen und 4700 verwundet/ naͤher hinzu gingen/ und noch 2500 in den
Tod ſchicketen/ glückete es ihnen wol/ biß Pakorus ihnen 1500 darzu beſtellete Wagehaͤlſe
entgegen gehen ließ die ſich teils unter die Tihre macheten/ und ihnen den Bauch oͤffneten/
daß ſie niderfielen/ und ihre Moͤrder mit erdruͤcketen. Die andern wurden mit Geſchrey
und Wunden hinter ſich getrieben/ daß ſie gleich den Parthiſchen/ ihrem Lager zulieffen/
aber zwiſchen ihren Reutern und Fußvolke ohn einigen Schaden davon zogen/ und der
Parther/ welche ſie verſchuͤchtert hatten/ nicht über 400 das Leben behielten. Nach die-
ſem Elefanten Streite begunten die Fußvoͤlker beyderſeits nach ihren Schwertern und
Spieſſen zu greiffen. Herkules aber begab ſich mit 780 Teutſcheu wieder zu Pferde/ und
dankete Gott/ daß er dieſe Tihre ſo gnaͤdig abgelenket hatte/ vor denen er ſich am meiſten
fuͤrchtete. Als er bey ſeiner Reuterey anlangete/ fand er Wedekind mit 500 Teutſchen uñ
20000 Perſen in voller Arbeit; dann ſo bald die Elefanten ihre Verrichtung getahn/ ließ
Vologeſes ſo wol Reutern als Fußknechten andeuten/ jezt waͤhre Zeit/ das Parthiſche
bißher unuͤberwindliche Schwert hervorzulangen/ und damit die geſchworne Traͤue zu
beweiſen; ſie ſaͤhen ja aller ſeits/ daß es muͤſte gewonnen oder geſtorben ſeyn; ein furchtſa-
mer/ der ſeine Haͤnde ruhen oder zittern lieſſe/ haͤtte nichts gewiſſers/ als einen unruͤhmli-
chen verfluchten Tod; die aber ohn auffhoͤren auff den Feind zuſchluͤgen/ haͤtten den Sieg/
oder ja unſterblichen Ruhm ihres ritterlichen wolverhaltens; ſolte demnach ein jeder da-
hin trachten/ daß er des Feindes Machtbrechen moͤchte/ alsdann waͤhre an der uͤberwin-
dung nicht zuzweiffeln. Doch gab er den beyden Feld Herrn bey der Reuterey heimlichen
Befehl/ da uͤber verhoffen das Meſſer unmahl fallen ſolte/ an jeder Seite 8000 der aller
wehrhaffteſten vom Treffen abzuhalten/ und in Ruhe zulaſſen/ daß ſie auff ſolchen Fall des
Koͤniges Schuz und Sicherheit ſeyn koͤnten. Sieder Herkules Abweſenheit wahr durch
das Schieſſen nicht ſonderliches verrichtet; dann als die Parther der Perſiſchen Pfeile
empfunden/ von denen ihrer 2000 erſchoſſen/ und dagegen der Perſen hinter den Schil-
den nur 520 gefellet wahren/ gab man das Schieſſen an/ weil die Parther nicht wolten/
und die Perſen wegen Herkules Befehl (wornach ſich auch Ladiſla richtete) nicht durften.
So bald aber jene von Vologeſes Befehl empfingen/ lies Oſazes 18000 gegen Wedekind
angehen/ denen er/ wie oben ſtehet/ begegnete. Sie gingen anfangs beiderſeits behutſam/
und wolten ſich aus ihrem Vortel nicht begeben. Herkules ſahe ihnen zu/ wie er kam/ und
weil ſie einer dem andern gewachſen wahren/ ließ er ſie jmmerhin fechten. An Ladiſla Sei-
ten ſtund es faſt im gleichen ſtande. Die Schützen verrichteten nichts ſonderliches/ weil
die Parther keinen Muht hatten anzubeiſſen; biß Vonones 17000 Parther unter An-
dragoras anfuͤhrung mit entbloͤſſeten Schwertern loßbrechen lies/ denen Fabius mit
18000 entgegen traff/ und ſich weidlich mit ihm umb[t]rieb. Surinas gab ſich an Parthi-
ſcher Seite mit ſeinen Fußknechten auch loß/ und begegnete ihm Artobarzanes uñ Gallus/
deren Voͤlker/ weil ſie ſchon zimlichen Abbruch gelitten/ mit 3000 Mann von Artaxerxes
geſtaͤrket wahren. Die Doppelſoͤldner mit ihren langen Spieſſen gingen voran/ aber die
mit den Schwertern kunten ihnen nicht lange zuſehen/ ſondern traten an beyden Seiten
aus/ und griffen ſo grimmig an/ daß von den erſten Gliedern niemand leben dig blieb; und
ob gleich Artobarzanes uñ Gallus alle Macht anwendeten/ ſo drang doch Surinas durch/
o ijdann
[108]Fuͤnftes Buch.
dañ die von Artabanus ihnen getahne Zuſage des dreyfachen Soldes hatte ſie kuͤhn und
muhtig gemacht/ daß ſie keine Gefahr ſcheuheten/ und immer vor ſich hin matzeten. Gallus
ſamlete 1000 Mann umb ſich/ mit denen er Surinas entgegen trat/ weil er den groͤſten
Schaden taht/ machte ihn auch durch ſeine Ankunfft ſtutzen/ daß er weiter nit durch drang;
aber als dieſe beyde einander auffſtieſſen/ und einen harten Straus hielten/ zohe Gallus den
kuͤrzern/ und ward nach empfangenen fuͤnff Wunden gefangen hinweg geſchleppet. Arte-
barzanes gedachte ihn zuentſetzen/ fiel auch ſo grim̃ig an/ daß Surinas mit ſeiner Schaar
hinter ſich weichen muſte/ dem aber ſeiner Obriſten einer mit 3000 Mann zu huͤlffe kam/
mit dem er auffs neue anfiel/ daß die Perſen hinter ſich gingen/ und in groſſer Menge ni-
dergeſchlagen wurden; auch Artobarzanes ſelbſt ging zu grunde im abſonderlichen Strei-
te gegen Surinas/ mit dem er ohndas in toͤdlicher Feindſchaft lebete/ welches daher ent-
ſtund. Ein vornehmer Mediſcher Herr/ nahmens Tigranes/ hatte gar ein ſchoͤnes Fraͤu-
lein/ nahmens Atoſſa/ mit welcher Surinas ſich ehelich hinter der Eltern Willen verſpro-
chen hatte/ der Hoffnung/ nachgehends deren Einwilligung leicht zuerhalten; als er aber
umb ſie werben ließ/ bekam er abſchlaͤgige Antwort/ unter dieſer Einwendung/ ſie waͤhre
einem andern ſchon zugeſagt. Wie dann Groß Fũrſt Phraortes umb ſie bey den Eltern
angehalten/ daß ſeines Bruders Sohn Artobarzanes ſie ehelichen moͤchte/ welches alſo
bald bewilliget/ und dem Groß Fuͤrſten mit groſſem Dank nach ſeinem gnaͤdigen gefallen
zuſchaffen/ uͤbergeben ward. Ein ander Parthiſcher Herr/ nahmens Ariarates hatte kurz
vor dieſem nach ihr gefreiet/ und einen Korb erhalten/ deſſen er von Surinas etlichemahl
durch ſchimpfliche reden geſtochen wahr; daher er ihm dieſes Gluͤk mißgoͤnnete; und als
er in geheim erfuhr/ daß Surinas willens wahr/ mit 600 Reutern auffzubrechen/ und das
Fraͤulein mit ihrer guten bewilligung heimlich zuentfuͤhren/ machete er ſolches ihren El-
tern durch einen dritten vertraulichen zu wiſſen; ſie haͤtten ſich fleiſſig vorzuſehen/ daß ih-
nen Frl. Atoſſa nicht in kurzen durch gewaltſamkeit geraubet würde. Nun hatten die El-
tern an ihr gemerket/ daß ſie verliebet wahr; dann ihre Leibdienerin (deren ſie nicht gut heiſ-
ſen wolte/ daß ſie mit ihres Herrn Vaters Leibdiener Leichtfertigkeit trieb) machte ihnen
aus Rachgier kund/ daß ſie offters geheime Brieffe ſchriebe/ welche/ wo ſie nicht irrete/ an
Herrn Surinas hielten; deßwegen ſie die gute Tochter alsbald vornahmen/ ihr heimli-
ches Laͤdichen oͤffneten/ und darin von Surinas zwoͤlff Schreiben funden/ aus derem lez-
ten ſie den gemachten Anſchlag richtig erfuhren/ dem ſie ſonſten nicht haͤtten vorkommen
moͤgen. Das Fraͤulein meinete nicht anders/ dann ihr Vater wolte ſie erwürgen/ ſo grim-
mig ſtellete er ſich; daher ſie aus furcht des todes ſich erklaͤrete/ ſeinem Willen folge zu lei-
ſten/ der ſie ſtuͤndlich nach Ekbatana bringen ließ/ nachdem ſie ihm durch einen aͤid verſich-
ert hatte/ daß von Surinas ſie annoch unberuͤhret waͤhre. Er hatte aber noch ein ſchoͤnes
Fraͤulein bey ſich/ nahmens Anutis/ ſeiner Stieffſchweſter Tochter/ die von ſchlechten mit-
reln wahr; dieſelbe ſtellete er nach gemachtem Schluſſe an den Raubeplaz/ putzete ſie tref-
lich aus/ und unterrichtete ſie/ weſſen ſie ſich verhalten ſolte. Surinas fand ſich dahin/ der
Hoffnung/ ſeine geliebte Frl. Atoſſen anzutreffen/ da Frl. Anutis ihn alſo anredete: Wol-
gebohrner Herr/ meine herzgeliebte hochvertrauete Waſe Frl. Atoſſa/ meldet euer Liebe
ihren Gruß/ und laͤſſet ihn durch mich ſchmerzlich wiſſen/ daß ein boßhaftiger Verraͤhter
euer
[109]Fuͤnftes Buch.
euer beyder heimliche Liebe ihren Eltern kund gemacht/ darauff ſie unter der Bedraͤuung
des todes denen gehorchen/ und ſich nach Ekbatana führen laſſen muͤſſen/ umb Herrn Ar-
tobarzanes/ dem ſie vorm halben Jahre ſchon von ihren Eltern verſprochen iſt/ beygelegt
zu werden/ welches dann vor ſechs Tagen ſchon vollnzogen worden. Vor ihrem Ab-
ſcheide foderte ſie mich allein vor ſich/ und ſagte: Hertzgeliebte Schweſter; unſere
nahe Verwandſchafft und innigliche Vertrauligkeit bewaͤget mich/ dir meines Hertzen
Geheimniß zu offenbahren/ was geſtalt ich mit Herrn Surinas mich verſprochen/ aber
wegen meiner Eltern und unſers Groß Fuͤrſten Gegenſtand es nicht halten kan; damit er
aber wiſſe/ woran er ſey/ ſo melde ihm nur dieſes wenige: Atoſſa bleibt Surinas Schwe-
ſter/ weil ſie nicht kan ſein Gemahl ſeyn; haͤtte ſie aber eine Schweſter odeꝛ Anverwandtin/
wolte ſie ihm dieſelbe gerne zufreyen/ nur daß ſie ihm erwieſe/ wie hoch ſie auff ihn haͤlt;
Warne ihn aber zum fleiſſigſten/ daß er Ekbatana meide/ wo er leben wolle/ und ſich huͤte/
an mich zuſchreiben/ da er mich ſonſt nicht in den Tod ſtuͤrzen wil; ich wolle ſchon Gelegen-
heit ſuchen ihn dereins zuſprechen. Dieſes/ ſagte Anutis/ hat meine Waſe Frl. Atoſſa mir
befohlen/ und zwar zum Wahrzeichen alle dieſe zuſammen gebundene Brieffe mir zugeſtel-
let/ dem Herrn ſolche/ zur bekraͤftlgung der Warheit einzulieffern/ weil zu ſchreiben ſie kei-
ne Gelegenheit haben koͤnnen. Dieſer Zeitung wahr Surinas ſo leidig/ daß er meynete/ in
die Erde zu ſinken/ und ſchwur bey allen Goͤttern/ nicht zu ruhen/ biß er Artobarzanes ent-
leibet haͤtte/ ob er gleich wieder ſterben ſolte; nam die Brieffe zu ſich/ und wolte von Anutis
hinweg ſcheiden/ welche zu ihm ſagete: Wie mein Herr/ zuͤrnet er auff meine Schweſter
Frl. Atoſſen/ die doch durch aͤuſſerſten Gewalt gezwungen/ ihre Verheiſſung nicht halten
kan? Davor behüten mich die Goͤtter/ antwortete er: Ey ſo wird er mir ja eine Antwort
geben/ ſagte ſie/ welche ich hinterbringen kan; ich ſehe daß mein Herr ſehr betruͤbt iſt; aber
hiedurch tuht er ſeiner getraͤuen Freundin keinen gefallen/ die mit keinen andern Gedan-
ken umbgehet/ als ihn durch ein ander Fraͤulein zubefriedigen/ nach dem die Goͤtter es mit
ihr nicht verſehen haben. Dieſer wuſte vor Herzleid nicht/ was er ihr ſolte zuentbieten/ nur
daß er ihr Knecht und Diener bliebe/ als lange er lebete; Nam hiemit kurzen Abſchied/ uñ
wolte davon reiten; ſie hingegen ſtellete ſich gegen ihn uͤber aus hoͤflich/ mit dem erbieten/
alles wol zu werben/ und baht ihn/ weil ſie ihrem Vetter vorgetragen/ ob wolte ſie nach ih-
rer Fr. Mutter Schweſter zihen/ und erſt Morgen wieder kommen/ moͤchte er ihr ſeine le-
dige Gutſche leihen/ daß ſie nach dem naͤheſten Flecken fahren koͤnte/ weil ſie ſo zeitig nicht
zu Hauſe kommen duͤrffte. Und als er hierzu nicht allein willig wahr/ ſondern ſie noͤhtigte/
mit ihm zuzihen/ weil er ohndas daſelbſt ſein Ablager halten wuͤrde/ ließ ſie ſich gerne bere-
den/ wuſte ihm auch dergeſtalt freundlich und mit Liebaͤugeln zubegegnen/ daß er eine ſon-
derliche Gunſt ihr zulegte/ und ſich erboht/ ſie wegen der Vertrauligkeit/ welche ſie mit ſei-
ner Liebſten haͤtte/ Zeit ſeines Lebens zu lieben. Auff dem Wege/ da er bey ihr in der Gut-
ſche alleine ſaß/ beklagte ſie ihrer Waſen Ungluͤk mit wolgeſtalten Traͤhnen/ und unterlies
deſſen nichts/ dadurch ein Mannes Herz zur Liebe kan gezogen werden. Sie kehreten in
einem offenen Flecken ein/ da ſie gute Herberge hatten/ und ſinnete der gute Surinas den
Worten fleiſſig nach/ wie Atoſſa ihm gerne ihrer Verwanten eine zufreien wolte/ daher er
gedachte/ ſie wuͤrde zu dem Ende ihm dieſe geſchikt haben; daß alſo die gute Gewogenheit
o iijſich
[110]Fuͤnftes Buch.
ſich in eine bruͤnſtige Liebe verwandelte/ und er ſie endlich umb die Ehe anredete/ weil er
hoffete/ ſagte er/ ſeiner geweſenen Braut Willen dadurch zuerfuͤllen. Sie hingegen ſtellete
ſich deſſen ſehr fremde/ und weil ſie merkete daß er gefangen wahr/ wolte ſie zwar keine ab-
ſchlaͤgige Antwort erteilen/ aber doch ihres Dinges gewiß ſeyn/ ließ ſich auch ganz ſcham-
haftig vernehmen/ ſie duͤrffte wegen ſolcher angehoͤrten Rede kein Auge vor ihm auffſchla-
gen/ und ob ſie gleich das Herz ergreiffen wolte/ ihm zu antworten/ waͤhre ſie doch ihrer
ſelbſt nicht maͤchtig/ maſſen ihr Herꝛ Vetter ſie an Kindes ſtat angenommen/ und verſpro-
chen/ ſie außzuſteuren/ wann ſie nach ſeinem Willen heyrahten wuͤrde; ſolte ſie nun ohn
deſſen Vorwiſſen ſich einlaſſen/ welcher vielleicht ſchon etwas anders mit ihr Vorhaben
moͤchte/ wuͤrde ſie ihn erzuͤrnen/ und (inbetrachtung/ wie er mit ſeiner leiblichen Tochter
geberdet) von ihm gar verſtoſſen ſeyn. Je mehr aber ſich dieſe wegerte/ je mehr er ſich ver-
liebet befand/ erboht ſich endlich bey ſeinen ritterlichen Ehren/ ſie ohn allen Brautſchatz zu
heyrahten; Ließ zween Ritter/ im Flecken wohnend/ zu ſich bitten/ und in derer Gegenwart
verſprach er ſich mit ihr. Worauf ſie ſich willig ergab/ uñ dieſe Nacht ſein Ehgemahl ward.
Des folgenden Morgens machte ſie ſich wieder auff nach ihrem Vetter/ unter dem ſchein/
ihren Schmuk und Kleider nachzuhohlen/ und ſich gegen ihn des ergangenen nichts mer-
ken zulaſſen/ da ſie ihm doch alles offenbahrete/ und auffs ſchnelleſte mit ihm nach Ekbatana
fuhr/ welches nur anderhalb Meilen davon abgelegen wahr. Sie machte ſich alsbald zu
ihrer Waſen/ die in groſſer Liebesquahl gegen Surinas lebete/ und zu Artobarzanes gar
keinen Willen trug; derſelben brachte ſie vor; Herr Surinas haͤtte ſie vom Schloſſe in
ſtiller geheim fodern laſſen/ und nachdem er ſich uͤber Atoſſen Traͤuloſigkeit mit lachendem
Munde beſchweret/ ſie mit Gewalt hinweg gefuͤhret/ ehelich Beilager mit ihr gehalten/ uñ
ihr dieſes Haaren Armband (welches ſie ihm heimlich vom Arme geſtohlen hatte) mit
dieſen Worten zugeſtellet: Ich habe der Atoſſen Haar getragen/ aber forthin nicht laͤnger/
wollet ihr demnach dieſes als meiner vergeſſenen wieder zuſtellen/ und daß ich ihr zuent-
bieten laſſe/ wir wollen beyderſeits der gemachtẽ Kundſchafft veꝛgeſſen/ als ob ſie niemahls
geweſen waͤhre. Atoſſa empfing hieruͤber ſolchen Eifer/ daß ſie das Armband ins Feur
warff/ und den guten Surinas dergeſtalt ſchmaͤhete/ als ob er der geringſte Stalbube ge-
weſen waͤhre; legte auch alle getragene Hulde ab/ und wendete ſie ihrem Artobarzanes zu/
inſonderheit/ als Anutis hinzu ſetzete/ wie hoch er ihre Schoͤnheit uͤber jener erhoben haͤtte.
Alſo blieb dieſe durch ſolchen Betrug und Verleumdung in ruhiger und ungeſtoͤreter Ehe
mit ihrem Surinas/ deren ſie doch wegen des Todes Neid kurze Zeit zugenieſſen hatte;
wiewol die Liebe gegen Atoſſen in Surinas Herzen ſich nicht allerdinge wolte daͤmpfen
laſſen/ und der Eifer gegen Artobarzanes ganz unverſoͤhnlich wahr/ welchen er vor diß-
mahl mit ſeinem Blute daͤmpfete/ auch/ da er ihm den lezten Stoß anbꝛachte/ zu ihm ſagete:
Dieſen ſchenke ich dir wegen meiner Atoſſen/ deren Gunſt du unwirdiger mir geſtohlen/
und anderthalb Jahr als ein Raͤuber und Ehebrecher genoſſen haſt; wuͤtete auch nach ſei-
ner Niderlage immerfort/ biß ihm Prinſla mit 6000 friſchen Voͤlkern entgegen ging/ uñ
den Abgematteten Luft machte/ auch zeitig auff Surinas traff/ welchen er nach hartem
Kampffe uͤberwand und gefangen nam; ſamlete hernach die Voͤlker/ und durch ſein un-
nachlaͤſſiges Gefechte brachte er den Feind auff die Flucht/ nachdem derſelben 9600 ver-
wun-
[111]Fuͤnftes Buch.
wundet/ 8800 erſchlagen wahren; dagegen aber 6400 Perſiſche auff der Wahlſtat lagẽ/
und 5800 beſchaͤdigte ſich funden. Orodes entſetzete den verwundeten Parthiſchen uͤbeꝛ-
ſchuß mit ſeiner ganzen Macht und fiel als eine Fluht auff Prinſla an/ welches Pharna-
bazus erſehend/ ihm ſchleunig zu huͤlffe trat/ aber doch zu ſpaͤte kam; dann als Prinſla die
ſeinen von ſo groſſer Menge uͤbermannet ſahe/ gedachte er ſein Leben teur gnug zuverkaͤuf-
fen/ und taht mit ſeinen 6000 Knechten ſolche Gegenwehr/ daß Orodes ſich daruͤber ent-
ſetzete; dann ungeachtet ſeiner Wunden/ deren er neune empfangen hatte/ ſchlug uñ ſtach
er von ſich/ daß ihm niemand nahen durffte/ biß ſeine jeztgedachte Leute faſt alle erſchlagen
wahren/ welche doch 9000 mit ſich in den Tod nahmen/ und 4000 hart verwundeten/ da
er endlich vor Mattigkeit niderfiel/ und von Orodes nach Vologeſes geſchicket ward/ der
ihn ſtuͤndlich verbinden ließ. Pharnabazus nahm ihm gaͤnzlich vor/ Prinſla Unfal zuraͤ-
chen/ aber er empfand ſo heftigen Wiederſtand/ daß er nicht einbrechen kunte/ daher an
beyden Seiten das Schwert faſt eine gleiche Anzahl fraß.


Bey der Reuterey ging es nicht weniger ſcharff daher. Dann ungeachtet der groſ-
ſen Niderlage/ welche das Parthiſche Volk anfangs litte/ hielten ſie doch nunmehr hart
gegen/ als Vologeſes die 11000 uͤbrigen Elefanten Schützen (dann 1000 wahren im
Gefechte drauff gangen) zu Pferde brachte/ welche alle verſuchte Reuter wahren/ und ſie
mit dem annoch ubrigen 5500 geſunden Skythen zuſammen ſetzete/ welche zur ſtaͤrkung
wieder Ladiſla fortgeſchicket/ und hingegen Pandion mit ſeinen Indiern von dannen ab
gegen Herkules gefodert ward. Der Parthen/ welche wieder Wedekind fochten/ wurden
ja ſo viel als der Perſen erſchlagen/ dieſer aber mehr verwundet; daher Herkules noch
300 Schlachtſchwerter und 700 andere Teutſchen den ſeinen zu huͤlffe gehen ließ/ deren
Ankunft die Parther alsbald ſtutzen machete/ weil ſie ſich treflich abgearbeitet hatten/ wel-
ches Oſazes merkend/ den Pandion mit dieſen Worten auffmahnete. Es wird ſchier
Zeit ſeyn/ unſere Leute zuentſetzen/ welche ſich wieder die menge der Feinde ritterlich ge-
halten haben/ und iſt nicht rahtſam/ daß man ſie laͤnger ſchwitzen laſſe; dann nachdem ſie
ſich erhohlet/ koͤnnen ſie von neuen wie der angehen; wolle demnach er ſich gefallen laſſen/
ſeiner Gewohnheit nach friſch anzuſetzen/ ich wil/ ſo bald es Zeit ſeyn wird/ ihn ohn huͤlffe
nicht laſſen. Dieſer erklaͤrete ſich ſein beſtes zu tuhn/ brach gemehlig loß/ und ſtellete ſich in
der Parther Plaz/ denen er geboht abzuzihen/ und ſie deſſen wol zufrieden wahren/ dann
5000 wahren von ihnen nidergemacht/ und 4000 verwundet. Dagegen hatte Wedekind
4800 Morgenlaͤndiſche und 20 Teutſche verlohren/ und wahren 6000 Perſiſche und 60
Teutſche gequetſchet. Als Pandion zum Treffen kam/ ſetzete er geherzt an/ und gab den
unſern ſo viel zuſchaffen/ daß Herkules noch 5000 Perſiſche und 500 Teutſche Wedekind
zu huͤlffe ſchicken muſte/ die durch ihre ankunfft der anderen Herz wieder erfriſcheten. Fa-
bius fand an ſeiner Seiten mehr Wiederſtand als er meynete; maſſen Andragoras Vo-
nones Unterfeld Herr ſich tapffer hielt/ und ſein aͤuſſerſtes Vermoͤgen dran ſetzete/ der Roͤ-
mer Gewalt zuhintertreiben/ die ihm den groͤſten Schaden zufuͤgeten; und als dieſes nach
Willen ſich nicht ſchicken wolte/ machte er ſich an die Perſiſchen Voͤlker/ und ſchlug de-
ren 5000 nider/ da er kaum 3000 dagegen verlohr/ wiewol die Roͤmer über 2000 an ihrem
Orte niderhieben/ und 2000 hart beſchaͤdigten/ aber auch 300 einbüſſeten/ und ihrer uͤber
250
[112]Fuͤnftes Buch.
250 verwundet wurden. Noch wolte kein Teil gewonnen geben/ ſondern trieben ſich auff
dem weiten Felde unerſchrocken hin und wieder/ biß endlich die beyden Heerfuͤhrer auff-
einander traffen/ aber mehr von den Beyſtehern ihres Gegeners als von ihren Schwer-
tern getroffen wurden/ biß der Parther Haͤupt Tod zur Etden ſtuͤrtzete/ und Fabius hart
verwundet/ von den ſeinen aus dem Gedraͤnge gefuͤhret und verbunden ward. Ladiſla
lieff hieruͤber vol Zorn/ und ſchickete 2000 Boͤhmen nebeſt 8000 Perſiſchen den ſeinen
zu huͤlffe/ denen die Elefanten Schuͤtzen und Skythen entgegen gingen/ und ſich mit ihnen
rechtſchaffen zerhacketen. Orodes bemũhete ſich noch immerhin/ wie er Pharnabazus ab-
treiben moͤchte; weil aber die ſeinen ſich ſchon hefftig abgearbeitet hatten/ wurden ſie hart
gedraͤnget/ daher er mit 6000 zur Seiten einbrach/ und daſelbſt nicht geringen Schaden
taht/ biß ihm Pharnabazus auffſties/ von welchem er auff den Tod verwundet ward/ daß
ihn ſeine Leute mit genauer Noht retteten/ und nach Pakorus trugen/ der ihn hefftig lie-
bete/ und ihm verſprach/ ſeine Wunden an dem Taͤhter zuraͤchen. Nach Orodes abſcheide
ging es hart uͤber ſeine Voͤlker; dann ſeine geuͤbeten wahren ſchon der mehrerteil erſchla-
gen und die uͤbrigen verwundet/ daß nur ſeine ungeuͤbeten/ welche noch etwa in 13000 ge-
ſunder Mannſchaft beſtund/ Wiederſtand halten muſten; die aber ſo ſchwerer Streiche
nicht gewohnet wahren/ und ſich daher ſchon nach der Flucht umbſahen. Pakorus ließ
ihnen unter Partamaſiris 10000 zu huͤlffe gehen/ welche den Abbruch er ſetzeten/ und den
Perſen mehr als zu viel zuſchaffen gaben. An ſeiner Seite trug Herkules groſſe Vorſor-
ge wegen des Fußvolkes/ maſſen ihm Pakorus Vorſichtigkeit und erfahrne Kraft nicht
allein ſehr geruͤhmet wahr/ ſondern er hatte ihn bey Artabanus etliche mahl geſehen/ und
aus allen ſeinen Geberden und Reden eine ſonderliche Großmuͤhtigkeit geſpuͤret; ſo wu-
ſte er uͤber das/ daß weder Teutſche/ noch Boͤhmen noch Roͤmer bey Artaxerxes hielten/ ſie
auch dem Feinde an Mannſchaft nicht gleicheten; deßwegen er ihm ſehr angelegen ſeyn
ließ/ das Treffen an ſeiner Seite ſo weit zubringen/ daß er mit einem Entſaz dem Fußvolk
zu huͤlffe gehen moͤchte. Er merkete/ daß der Indier Gefechte nicht groß auff ſich hatte/
ohn da Pandion ſich finden ließ; deßwegen nam er 50 Teutſchen zu ſich/ ging damit den
ſeinen zu huͤlffe/ und fetzete mit an. Der Indier kennete ihn bald/ hoffete/ es ſolte ihm beſſeꝛ
wieder ihn als wieder Ladiſla gelingen/ und fiel mit 300 Mann auff ihn zu; aber die Teut-
ſchen empfingen ſie dergeſtalt/ daß einer nach dem andern ſtürzete/ und Herkules Gelegen-
heit bekam/ ſeinen Wiederſtreiter nach gefallen zu haben/ zu welchem er ſagete: Herr Pan-
dion/ ich haͤtte gemeynet/ ihr haͤttet geſtern ſchon euren ſachen gnug getahn. Dieſen ver-
droß der Schimpff/ und foderte ihn zum freien Kampffe daß niemand daran moͤchte hin-
derlich ſeyn; welches ihm nicht gewegert ward/ da Herkules mit etwas Eifer auff ihn
draͤngete/ und ihm eines in die Rippen gab/ daß er ſchwankete. Zwar es legte dieſer hin-
wiedeꝛumb alle moͤgligkeit an/ mochte abeꝛ wenig ſchaffen/ welches ihn faſt raſend machte/
daß er ſeiner eigenen Beſchuͤtzung wenig acht hatte/ und ſich dergeſtalt entbloͤſſete/ daß ihn
Herkules wol haͤtte koͤnnen durchſtechen/ wolte aber ſeines Lebens ſchonen/ und zu ham̃er-
te ihm den Helm dergeſtat/ daß ihm vor den Augen funkeln ward/ und wenig fehlete/ er
waͤhre gar vom Pferde geſtuͤrzet. Herkules ſahe ſeyn unvermoͤgen und fagte: Mein/ ihr
ſehet/ daß euch das Gluͤk wieder mich keinen Beyſtand leiſten wil/ deßwegen ergebet euch/
dann
[113]Fuͤnftes Buch.
dann ich moͤchte euch ungerne hinrichten. Er aber hielt ſolche Reden vor gar zu ſchimpf-
lich/ und gab zur Antwort: Man muͤſte vor ſtreiten als ſiegen; Pandion koͤnte ſolcher ge-
ſtalt nicht alle Tage der Gefaͤngnis gewaͤrtig ſeyn. Welcher Troz Herkules verdroß/ daß
er zu ihm ſagte: Weil ers dann nicht beſſer haben wolte/ muͤſte ers nehmen/ wie es fallen
wuͤrde; griff ihn mit allem Ernſt an/ und ſchlug ihn in kurzer Zeit zu bodem/ da ihm ſein
Blaͤnke vollends das Genicke abtrat/ welches ihm aber ſehr leid wahr/ und ihm das Leben
gerne erhaltẽ haͤtte. Seine Voͤlker lieſſen auf dieſen Unfall ihre Zagheit alsbald merkẽ/ daher
Herkules ſeine verwundeten und abgematteten gemehlig abzihen ließ/ und oꝛdnete geruhete
an ihre ſtelle. Oſazes wolte nicht/ dz dieſe aufs Haupt erleget wuͤrden/ uñ ſendete ihnẽ 12000
ſtreitbare Parther zu/ mit deren zutuhn ſie wieder anfallen/ und ihres Fuͤhrers Tod raͤchen
foltẽ. Die Elefanten Schuͤtzen hielten ſich gegen Ladiſla Voͤlker ſehr wol/ dañ Madates ihr
Fuͤhrer wolte die empfangene Ruhten-Streiche raͤchen/ ſo daß er ſich gegen Artabanus
erklaͤrete/ nicht anders als ein Sieger vor ſeine Augen zu treten. Er hatte ſich mit ſehr guteꝛ
Mannſchafft/ 4000 ſtark verwahret/ mit denen traf er auf die Boͤhmen/ daß ihrer 150 ſtuͤr-
zeten/ und 300 hart verwundet wurden. Neda wahr hieſelbſt uͤb[el] auff die ſeinen zuſprechẽ/
daß ſie den Parthern nicht beſſern Widerſtand tahten/ da ſie es doch an keiner Moͤgligkeit
erwinden lieſſen/ nur daß Madates und der ſeinen Raſerey gar zu hefftig wahr; ſo tahten
die Perſen nicht/ wie ſie billich geſolt haͤtten/ ſondern wichen bald hie/ bald da/ und entbloͤſſe-
ten der Boͤhmen Seiten zu unterſchiedlichen mahlen/ daß er endlich gezwungen ward/ bey
Ladiſla umb Huͤlffe anzuhalten/ gleich da Fabius uͤberbliebene ihre Feinde ganz zuruͤk ge-
ſchlagen hatten/ deren nur 4000 geſunde und 1000 verwundete davon kahmen; aber auch
noch 2800 an unſer ſeite uͤber vorgedachte erlegt/ und 1600 verwundet wurden. Als Ladiſla
dieſen Sieg vernam/ hieß er die ermuͤdeten Roͤmer uñ Perſiſchen ruhen/ nam 1000 Boͤh-
men und 3000 Perſiſche zu ſich/ und ging Neda zuhelffen/ der von neun Parthern umrin-
get wahr/ die weidlich auff ihn zuſchlugen/ maſſen Madates befohlen hatte/ niemand gefan-
gen zunehmen/ ſondern alles niderzumachen; nun tahten gleichwol ſeine Leute allen moͤgli-
chen fleiß/ zu ihm durchzubrechen/ aber Madates ſtund ihnen zu hart entgegen/ biß Ladiſla
hinzu drang/ vor deſſen Ankunft die Feinde Raum gaben/ und Neda verlieſſen/ der ſich ſei-
nes Lebens ſchon getroͤſtet hatte/ und durch Niderlegung der Feinde einen ruͤhmlichen Tod
ſuchete; aber ſo bald er Lufft vernam/ legte er die Verzweiffelung hinter ſich/ und ließ ſich
aus dem Gedraͤnge fuͤhren/ weil er hart verwundet wahr. Madates wahr nicht willens voꝛ
Ladiſla Einbruch zuweichen/ traff auch bald auff ihn/ und wie er ſahe/ daß er (den er gleich-
wol nicht kennete) den ſeinen ſo groſſen Schaden zufuͤgete/ ſetzete er ihm hefftig zu/ fand abeꝛ
gar zu weite Schuch vor ſeine Fuͤſſe; dann nach anderthalb viertelſtuͤndigem Gefechte
wahr der groͤſte Teil ſeines Bluts vergoſſen. Die ſeinen rieffen hin und wieder nach Ma-
dates/ daher Ladiſla erſt vernam/ mit wem ers zu tuhn hatte/ und ſagte zu ihm; Wie iſt ihm
nun/ Madates? wollen wir uns abereins vor die Ruten fuͤhren? Dieſer erkennete ſeine
Stimme/ und wie ſchwach er wahr/ ſamlete er doch das uͤbrige ſeines Vermoͤgens/ uñ ant-
wortete nichts/ ohn daß er ihn vor einen Ritterſchaͤnder ausſchalt; welches ihm ſo ſehr zu
herzen ging/ daß er ihn ſtraks angeſichts niderhieb. Herkules ſahe/ daß die ſeinen den Fein-
den gnug gewachſen wahren/ gab Leches Vollmacht/ nach Befindung die Voͤlcker unter
pSieg-
[114]Fuͤnftes Buch.
Siegfried und Herman loßgehẽ zulaſſen/ dafern Oſazes einbrechen/ oder den ſeinen Entſa[z]
zuſchicken wuͤrde. Er aber nam 150 Schlacht Schwerter nebeſt 300 andern Teutſchen uñ
3500 Perſiſchen zu ſich/ damit ging er zum andern mahle hin nach dem Fußvolke. Phar-
nabazus tummelte ſich mit ſeinen Feinden rechtſchaffen/ bekam auch die 4600 Elefanten-
Schützen (dann 400 wahren davon umkommen) zur Erfriſchung/ die in kurzer Eile nicht
geringen Schaden tahten. Pakorus ſahe die ſeinen weichen/ und ging ihnen mit 9000 zu
Huͤlffe/ deſſen Ankunfft eine gewaltige Verenderung verurſachete; dann weil er den Kern
ſeiner Voͤlker umb ſich hatte/ brach er der Perſen Ordnung/ und hieb vor ſich nider/ was er
antraff. Artaxerxes merkete bald/ daß er und kein ander dieſe Niderlage wirkete/ und ſchic-
kete Pharnabazus noch 6000 geruhete Voͤlker zu/ die mit den Elefanten Schuͤtzen ſich veꝛ-
einigten/ und dem Feinde zur Seite einbrachen/ daher er gezwungen ward/ ſich gegen die-
ſe zukehren/ daß Pharnabazus Lufft bekam/ ſeine Voͤlker aufs neue zuordnen/ welche er veꝛ-
mahnete/ ſie ſolten des Feindes Schwert/ nicht ſeine Augen in acht nehmen/ als dann wür-
de ſich das Spiel bald wenden; Aber Pakorus matzete an ſeinem Orte dergeſtalt/ daß die
unſern begunten den Fuß zurũck zuſetzen/ deswegen ihnen Pharnabazus an dieſem noht-
leidenden Orte mit 5000 zu Huͤlffe gieng/ und ihnen zurief/ ob ſie einſchlaffen wolten/ daß ſie
die Faͤuſte ſo ſinken lieſſen; trat alsbald neben ſie ein/ hieb den erſten und andern Parther
nieder/ und machte hiemit den ſeinigen einen friſchen Muht/ daß das Spiel wiederumb in
gleicher Wage hing/ aber auff die Weichſeite kunte er die Parther nicht bringen/ dann Pa-
korus ſtund feſt wie eine Maur/ und ſagte zu den ſeinen: Sehet ihr nicht/ daß der Sieg faſt
in unſern Haͤnden iſt/ und wollet ihn nicht helffen ergreiffen? ſchlug auch mit ſolchem Ei-
fer und kraͤfftigen Streichen umb ſich/ daß ihm keiner nahen durffte. Da haͤtte man ſollen
ein Elend und Jammer ſehen; wann jemand fiel/ ſahe ſich niemand nach ihm umb/ ſondeꝛn
ward von den nachfolgenden gar ertreten/ und ſchien nicht anders/ als haͤtten ſie alle einer
dem andern den Tod geſchworen. Pharnabazus wolte dieſem Unheil abhelffen/ oder ſein
Leben dran ſetzen; nam 800 feſte Knechte zu ſich/ und brach mit aller Gewalt hindurch/ daß
er ein ziemliches Loch in des Feindes Ordnung machete/ und folgeten ihm 6000 mit allem
Eifer nach/ wodurch die Parther zuweichen gezwungen wurden. Pakorus wahr nicht an
dieſem Orte/ ſahe doch bald/ wie es den ſeinen ging/ und ſamlete 1500 Mann umb ſich/ da-
mit hielt er dieſen Einbruch auff/ daß der Perſen Fuß nicht weiter ging/ meynete auch nit
anders/ als Herkules oder Ladiſla foͤchte an dieſem Orte/ des wegen er nach kurzer Ruhe ſich
an Pharnabazus machete/ und einen abſonderlichen Kampff mit ihm anfing/ der ſich auch
redlich wehrete/ wiewol ihm jener umb ein groſſes an Krafft und Geſchikligkeit uͤberlegen
wahr; ſtund demnach nicht lange an/ dz an unterſchiedlichen Orten ſeines Leibes das Blut
von ihm ran/ da er doch ſeinem Beſtreiter noch keine Wunde beygebracht hatte; endlich
hohlete er einen ſtarken Hieb aus/ ihm eines uͤber die Schulder zuverſetzen/ geriet aber auff
den Schild/ und brach ihm das Schwert vor der Fauſt ab/ worauff er eine ſtarke Wunde
in die rechte Seite bekam/ daß er ohmaͤchtig ward; Pakorus ließ ihn auffheben/ und nach
Vologeſes bringen/ der ihm von der Spile ſeiten her nahe verwand wahr/ und ihn fleiſſig
verbinden ließ. Er wahr biß daher die Seele ſeiner Voͤlker und der Parther ſchrecken ge-
weſen/ ſo daß nach ſeiner Gefaͤngnis den Perſen der Muht gar entfiel/ daß ſie begunten hin-
ter ſich
[115]Fuͤnftes Buch.
ter ſich zuweichen/ welches Vologeſes mit ſonderlichen Freuden anſahe/ und ſchon ſo viel
ſpuͤrete/ daß da er ja das Feld raͤumen muͤſte/ der uͤberwinder das ſeine auch empfinden ſol-
te. Es lief einer hin nach Artaxerxes/ und berichtete beydes ihres Feld Herrn Gefaͤngniß/
und der Voͤlker ſchlechten Zuſtand/ deſſen er nicht wenig erſchrak/ und ſich fertig machete/
ihn wo moͤglich zu raͤchen; Aber Herkules kam gleich darzu/ wolte durchaus nicht goͤñen/
daß er ſelbſt treffen und fechten ſolten/ ſondern nam noch 5000 des beſten Volcks zu ſich/ uñ
uͤber dieſelben Valiſken 3500 Perſiſche und 40 Teutſche Schlacht Schwerter/ welche er
mit ſeinen herzugefuͤhreten in eine feſte Ordnung ſetzete/ ging mit dieſem auserleſenen Heer
12490 Mann ſtark (die alle geruhet und geſpeiſet hatten) dem herzudringenden Feinde
friſch entgegen/ nachdem er die Sporn und das Bein Harniſch abgelegt hatte/ und ſein
Gemahl ihm ihr andaͤchtiges Gebeht nachſchickete. Pakorus ſchlug die Perſen wie Scha-
fe nider/ daß wo Herkules nicht gleich waͤhre ankommen/ ſie einer ſchaͤndlichen Flucht ſich
nicht haͤtten entbrechen koͤnnen/ dann ihre Ordnung wahr dermaſſen zuriſſen/ daß die Er-
ſetzung unmoͤglich ſchien/ auch Pakorus meynete/ dieſen Sieg ſolte ihm kein Fuß Heer aus
den Haͤnden reiſſen. Als Herkules bey den Perſen anlangete/ fragete er ſie/ ob man auf ſol-
che weiſe den Feind abtreiben koͤnte; ſie ſolten ſich geſchwinde ſamlen/ und hinter ihn ange-
hen; faſſete den Schild und das Schwert/ und trat vor ſeinen Schlacht Schwertern her/
die ihn wider ſeinen Willen zwiſchen ſich nahmen. Pakorus ſahe dieſen daher ſtuͤrmen/ uñ
erkennete an den groſſen Schlachtſchwertern/ daß Herkules verhanden wahr; vermahne-
te demnach die ſeinen/ nur noch dieſen Stand herzhafftig auszuhalten/ alsdann wuͤrde der
vollkommene Sieg ihnen unbenommen bleiben. Die Teutſchen fingen ſchon an mit den
ungeheuren Schwertern drein zumatzen/ und machten in kurzer Zeit ſolchen Raum/ daß
niemand herzu nahen durffte/ deswegen Pakorus noch 14000 geruhete herzu hohlen ließ/
umb durch die Menge das ſchier erſtrittene zu erhalten/ ſtellete die tapfferſten mit ihren
Schilden den Teutſchen entgegen/ und unterrichtete ſie/ welcher geſtalt man ſich gegen ſie
verhalten muͤſte/ nehmlich/ nur dahin trachten/ daß man mit dem Schilde einen Hieb aus-
nehme/ und zugleich mit einem langen Stoſſe unter die Achſel/ einzutreten geſchwinde waͤ-
re/ dann koͤnten ſie wol gedaͤmpffet werden; Und zwar ward hiedurch ihr Einbruch in et-
was auffgehalten; aber die andere Teutſchen traten an ihre ſtelle/ und mit der Hirkaner
Huͤlffe brachen ſie von neuen ein/ daß eine groſſe Menge der Feinde erſchlagen ward. Her-
kules gieng als ein erzuͤrneter Loͤue drauff/ dann Pharnabazus unfall taht ihm wehe/ zwei-
felte auch nicht/ dafern nur Pakorus erlegt waͤhre/ ſolten die uͤbrigen den Ruͤckeweg wol
finden; hoͤrete auch nicht auff zuſuchen/ biß er ihn antraff/ und in ſeiner Gegenwart einen
ſtarken Parther/ der einen Teutſchen verwundete/ mit einem Hiebe zu grunde richtete/ deſ-
ſen er ſich doch nicht entſetzete/ ſondern trat zu ihm mit guter Frendigkeit/ und ſagte: Rit-
terlicher Held/ wo ich nicht irre/ ſeyd ihr eben der/ welchen ich ſuche. Und ihr/ antwortete
er/ von dem ich mich gerne finden laſſe. Hierauff gebohten ſie ihren Voͤlkern beyderſeits/
daß kein Menſch ihren Kampff ſtoͤren ſolte; gingen mit behuhtſamer Vorſichtigkeit und
hefftigen Schlaͤgen auff einander/ aber nach wenig Streichen bekam Pakorus einen ſtar-
ken Hieb uͤber den Kopff/ daß es doͤhnete/ meynete doch baar zubezahlen/ und verhieb ſich
wegen Herkules geradem ausweichen/ daß er durch den Nachhieb eine Beinwunde be-
p ijkam/
[116]Fuͤnftes #Buch.
kam/ daher er das zierliche Fechten angab/ und ſich ſeiner groſſen ſtaͤrke gebrauchete/ damit
er Herkules uͤberlegen wahr; der ſich aber mit ſeiner Geſchikligkeit entgegen ſtellete/ und
ein langwieriges Treffen mit ihm hielt/ dann er wahr der beſte Kaͤmpffer zu fuß unter allen
Parthern. Sie wurden beyderſeits an unterſchiedenen Orten ihres Leibes verwundet/ uñ
taht Pakorus nichts ſo wehe/ als daß er ſehen muſte/ wie jaͤmmerlich die ſeinen von den
Teutſchen zugerichtet wurden; dann als die Schlachtſchwerter des Feindes Anſchlag in-
ne wurden/ fuͤhreten ſie keine Ober-ſondern Unter- und Seitenhiebe/ denen jene nicht zu
begegnen wuſten. Herkules verwunderte ſich über ſeines Feindes Krafft/ weil ihm am
Nachdruk der Schlaͤge nichts abging/ und nichts deſto weniger ſich wol vorfahe; ſo wahr
ihm aber doch der Verzug dieſes Streits nicht zuwider/ weil es den ſeinen ſo treflich gluͤc-
kete; aber Pakorus dauchte die Zeit zu lange/ und wagete einen Fall/ daß ihm Herkules
ausweichen muſte/ der gleichwol ſeines Vortels acht hatte/ und ihm die rechte Hand mit
ſeines Schwerts Spitze zimlich verwundete/ daß er das Schwert nach Willen nicht ge-
brauchen kunte; gab ihm auch alsbald darauff einen Stoß durch den rechten Arm/ und
ſchlug ihn uͤber den Kopff/ daß ihm die Ohren davon gelleten. Als er nu wegen der Hand-
und Armwunde das Schwert nicht mehr gebrauchen kunte/ auch die Krafft wegen des
hefftigen blutens ihm entgieng wolte Herkules weiter auff ihn nicht ſchlagen/ ſondern ſag-
te zu ihm: Ritter/ ich habe dieſen Kampff nicht aus Feind ſchafft/ ſondern aus Pflicht mit
euch gehalten/ und demnach ich euch durch Gluͤckesfall zimlich verwundet ſehe/ wil ich un-
ſern Streit auffruffen/ nicht zweifelnd/ er werde ſich gefallen laſſen/ mit mir nach unſerm
Lager zu kehren damit unſere Wunden verbunden werden; an meiner ſeiten habt ihr euch
nichts als alle Freundſchafft und Auffrichtigkeit zuverſehen. Pakorus kunte ſich dieſer
Hoͤfligkeit nicht gnug verwundern/ und antwortete: Treflicher Ritter/ ich goͤnne euch viel
lieber die Volſtreckung eures Sieges/ und daß ihr das wenige uͤbrige meines Bluts vol-
lends hinweg nehmet/ nach dem die Goͤtter euch ſolches goͤnnen. Das muͤſte mich ewig ge-
reuen/ ſagte Herkules/ daß ein ſo teurer Held von meiner Hand ſterben ſolte; faſſete ihn bey
dem Arme/ und ſagte: Kommet mein Freund/ wir wollen unſern Wunden raht ſchaffen/
welche wir uns umb anderer Leute Feindſchafft geſchlagen haben. Ja ich folge willig/ ant-
wortete er/ wann ich keines andern als des unuͤberwindlichen Helden Groß Fürſt Herku-
les Gefangener bin/ ſonſt werde ich lebendig dieſen Ort nicht verlaſſen; wie ich mir dann
die Hoffnung mache/ eben dieſer ſey mein Uberwinder. Mein Freund mache ihm keine wi-
drige Gedanken/ ſagte Herkules; dann ſo wenig ich mich vor ſeinen Uberwinder halte/ ſo
wenig ſol er mein oder einiges andern Menſchen Gefangener ſeyn/ nur wolle er ſeine Ver-
bindung nicht verſeumen/ und nach deren Empfahung zihen wohin er ſelbſt wil. Nun ihr
Goͤtter/ ſing dieſer darauff an; beſtaͤtiget den Parthiſchen Stuel/ und ſetzet dieſes Helden
ſeinen zu allernaͤheſt; faſſeten ſich hiemit einander bey den Haͤnden/ und gingen aus dem
Gedraͤnge hinweg/ da alsbald zwey Pferde hergebracht wurden/ auff welchen ſie mit ein-
ander nach den naͤheſten Zelten ritten/ da ihre Wunden auffs fleiſſigſte verbunden wurdẽ;
uñ nahm darauf Herkules dieſen Abſcheid võ ihm: Fuͤrſt Pakorus/ ich weꝛde noch einẽ Rit
gegen Fürſt Oſazes wagen/ gluͤcket mir derſelbe/ alsdann hoffe ich/ ſol unſere Arbeit vor diß-
mahl geſchehen ſeyn; machte ſich damit nach ſeinen Leuten/ und fand einen ſolchen erſchrek-
lichen
[117]Fuͤnftes Buch.
lichen Zuſtand/ daß ihm die Haar zu berge ſtunden. Dann nach ſeinem Abſcheide hat-
ten die 12000 Parther nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen Widerſtand geleiſtet/ aber endlich
den kuͤrzern zihen muͤſſen; daher Oſazes mit ſeiner uͤbrigen Mannſchafft loßgebrochen
wahr. Er wolte zwar nach Vologeſes Anordnung/ acht tauſend der beſten zuruͤcke
laſſen/ und dagegen von denen ſo ſchon gefochten hatten/ ihre ſtelle erfuͤllen; aber dieſe we-
gerten ſich deſſen/ einwendend/ ſie haͤtten ihren Stand redlich gehalten/ warumb ſie dann
zweymahl anſetzen/ und dieſe nur zuſehen ſolten? haͤtte man ſie gerne Tod/ ſolte man ſie
unabgefodert gelaſſen haben; wann aber die Noht an den Mann treten wuͤrde/ wolten ſie
biß zum lezten zn/ bereit ſeyn. Alſo muſte er ingeſamt ſeine Voͤlker anfuͤhren/ da ihm Leches
ſeinen ganzen hauffen entgegen gehen ließ/ nur daß er 100 Teutſchen und 500 Perſen bey
ſich behielt. Siegfried und Herman trieben das Werk ſehr eiferig/ teileten die Voͤlker mit
einander/ und führeten ſie an in zwo Geſchwader/ denen Wedekind mit ſeiner Macht zu
huͤlffe ging/ und ſie den heftigen Anfall der Parther ritterlich beſtunden. Es wahr dieſer
Saz der allerernſtlichſte/ deßgleichen bey der ganzen Reuterey nicht vorgangen wahr/ ſo
daß das Wuͤrgen am eifrigſten anhielt/ wie Herkules darzu kam. Bey Ladiſla wolte ſich
der Sieg am erſten eraͤugen; dann als Madates hingerichtet wahr/ entfiel ſeinen Leuten
der Muht/ daß ſie in weniger Zeit zu ruͤcke wichen/ und ſich auff Vonones zohen/ welcher
deßwegen ge[z]wungen ward Ladiſla Einbruch zu hindern/ und ihm ſeine uͤbrige Mañſchaft
entgegen zuſtellen/ denen ſich Ladiſla mit ſeiner ganzen Macht erzeigete. Vologeſes wolte
nunmehr an ſeiner ſchierkuͤnfftigen gaͤnzlichen Niderlage nicht mehr zweiffeln/ dann ſein
Fußvolk ſahe er außweichen/ machte ihm deßwegen leicht die Rechnung/ Pakorus muͤſte
Tod oder gefangen ſeyn/ und begab ſich hin zu dem Koͤnige/ der kaum mit 6000 Fußſchuͤt-
zen umbgeben wahr/ daß wann Ladiſla ſolches gewuſt/ haͤtte er ihn leicht anpacken koͤnnen.
Als Artabanus ſeinen Feldmarſchalk kommen ſahe/ rieff er ihm mit betruͤbter Stimme
zu; wir fuͤrchten ſehr/ unſere Voͤlker werden dißmahl dem Feind wenig angewinnẽ. Was
angewinnen? ſagte Vologeſes/ haͤtte man nur einen ehrlichen und ſicheren Abzug; mit
dem Fußvolk iſts geſchehen/ wie es auch umb den guten Pakorus ſtehen mag; die Reu-
terey ſchwanket auch ſchon; aber was hilffts/ daß ich viel klage? da man mit dem Kopffe
hindurch wil/ kans nicht anders gehen. Mein heilſamer Raht iſt dißmahl verlachet wor-
den/ und hat wenig gefehlet/ etliche freche Buben/ die ihren Lohn ſchon bekommen/ haͤtten
mir gar die Narrenſchellen angehenkt; nun wird mans zu ſpaͤt beklagen/ daß man alle ver-
nuͤnftige Urſachen/ die man zum beſten angefuͤhret/ außgeziſchet und beſchimpfet hat. O
haͤtte man den Feind etliche wenig Wochen auffgehalten/ ihre Muhtigkeit und Kraft ſol-
te wie Waſſer zerronnen ſeyn. Ja haͤtte man noch heut nach meinem Raht eine Enge er-
griffen/ wolten wir in wenig Tagen Meiſter geſpielet haben. Aber geſchehene Dinge ſind
nicht zu wiederbringen. Eure Koͤnigl. Hocheit wolle ſich zu Pferde ſetzen; ich wil/ da mich
das Unglük nicht gar zu ſehr draͤnget/ noch heut ſehen laſſen/ wie leicht ich mich ihres an-
laufs haͤtte wollen entbrechen/ wann mirs nur frey geſtanden waͤhre. Eure Hocheit aber
nehme an dieſem Tage und heutigem ſchweren Verluſt zur Lehre/ wie ſchaͤdlich es ſey/
wañ man die vergeblichen Begieꝛden ſich blenden laͤſſet/ uñ den unverſtaͤndigẽ Schmeich-
lern lieber/ als getraͤuen Raͤhten die Ohren leihet. Einem andern wuͤrde dieſe ſcharffe Re-
p iijde nicht
[118]Fuͤnftes Buch.
de nicht ungeſtraffet außgangen ſeyn/ aber Vologeſes anſehen wahr zu groß/ daß der Koͤ-
nig es verſchmerzen muſte. So vergingen ihm auch zum teil die liebes Gedanken/ wegen
der inſtehenden Gefahr/ legte ſeinen Koͤniglichen Schmuk abe/ ſetzete ſich auff ein ſchnel-
lauffendes Pferd/ und hielt neben Vologeſes/ biß er ſahe daß die Fußvoͤlker ſich zuruͤk zo-
hen/ denen er die 6000 Schuͤtzen zu huͤlffe ſchickete. Dann als Pakorus gefangen wahr/
brach Artaxerxes mit ſeinem Heer auff/ und volſtreckete den Sieg zu fuſſe; weil er aber zu
eiferig ging/ und die Parther/ deren noch eine gute Anzahl/ zu umbringen meinete/ erwec-
kete er hiedurch bey ihnen eine Verzweiffelung/ daß ſie unmenſchlich umb ſich ſchlugen/
biß ſie der Gefahr entriſſen/ ſich mit zimlichen Vortel zuruͤk zihen kuntẽ/ da die jeztgedach-
ten Schuͤtzen ihnen guten Vorſchub tahten/ und mit ihren Pfeilen die unſern dergeſtalt
abwieſen/ daß auch Artaxerxes ſelbſt zween Schuͤſſe empfing uñ wegen der Verwundung
des rechten Fuſſes/ in welchen ihm hinten an die Verſe ein Pfeil fiel/ ſich muſte hinweg
tragen laſſen. Ladiſla nam ihres Fußvolks Wolergehen zeitiger wahr als Herkules/ und
weil Vonones dem Koͤnige 4000 ſchicken muſte/ gedachte unſer Held bald/ Artabanus
wuͤrde dem Haſenpanier folgen wollen/ befahl dem Roͤmer Autronius das Heer/ und ging
mit 3000 Boͤhmen und 2000 Roͤmern nach den zehn Elefanten/ in Meynung den Koͤ-
nig zuerhaſchen/ umbgab dieſe Tihre/ und rieff ihren Meiſtern zu/ dafern ſie nicht umbkeh-
ren und nach dem Perſiſchen Lager ſich begeben wuͤrden/ ſolten ſie ſtuͤndlich erſchoſſen weꝛ-
den. Dieſe wuſten daß der Koͤnig ſchon herunter wahr/ ſo hatten ſie keine Kriegsleute bey
ſich/ deßwegen lieſſen ſie ſich durch Furcht und Draͤuen ſchrecken/ und leiſteten Gehorſam.
Das Frauenzimmer aber welches auff dreyen Elefanten ſaß/ fuͤhrete ſo ein jaͤmmerliches
Geſchrey dz Ladiſla ſie ſchier aus erbarmung haͤtte abzihen laſſen; weil er ſich aber fuͤrch-
tete/ ſie moͤchten in der geilen Perſen Haͤnde gerahten und zu ſchanden gemacht werden/
rieff er ihnen zu/ ſie ſolten ſich zu frieden geben/ und dem Gluͤk danken/ daß ſie ihn zu ihrem
Ehren-ſchuͤtzer bekommen; worauff ſie ſich etlicher maſſen ſtillen lieſſen. Herkules ſahe
nicht/ auff was Weiſe er ſeine Voͤlker von der unordentlichen Schlacht abzihen/ und ſie
ſein wieder ſetzen koͤnte; ſamlete vor erſt 4000 Mann umb ſich/ und fing ein abſonderli-
ches Treffen wieder den Feind von der Seiten her an; als nun die ſeinen dieſen wolge-
ſezten hauffen ſahen/ machten ſie ſich in groſſer Menge dahin/ biß endlich ſein ganzes Heeꝛ
ſein wieder in Ordnung gebracht ward/ auch Oſazes an ſeinem Orte ein gleichmaͤſſiges
zu tuhn ſuchte/ eben da Vologeſes ihm zuentboht/ er ſolte dem Koͤnige 6000 handfeſte
Parther ſenden/ und alsbeſt er moͤchte/ die Voͤlker retten/ weil das Fußvolk ſchon geſchla-
gen/ und Vonones auff der Weichſeite waͤhre; deſſen dieſer nicht wenig erſchrak/ und
die begehrete Mannſchaft hingehen ließ/ fuͤhrete auch nach dem die Schlacht ſo behutſam/
daß die unſern ihm wenig angewinnen kunten. Es ward ihm aber die Zeitung gebracht/
daß die zehn Elefanten/ auff deten einem ſeine allerliebſte Panthea wahr/ die er kaum vor
ſechs Wochen wieder geheirahtet hatte/ nach der Feinde Lager gefuͤhret wuͤrden/ deßwe-
gen er ihm vornam/ ſie zu erloͤſen oder zu ſterben; ging alſo mit 5000 guter Mannſchaft
hin zu ihrem Entſatze. Ladiſla ſahe ihn kommen/ hies 100 Roͤmer mit den Tihren fortzihẽ/
er aber ſetzete ſich dieſem entgegen/ welcher doch nicht ehe zu ſchlagen meinete/ biß die Ele-
fanten in ſeiner Gewalt waͤhren; aber Ladiſla ſetzete ihm dergeſtalt zu daß er ſich nohtwen-
dig
[119]Fuͤnftes Buch.
dig wehren muſte/ traff auch ſelbſt auff ihn/ und merkete an ſeinem treflichen Getechte/ daß
er ein ſonderlicher groſſer Herr ſeyn muͤſte/ daher er mit guter behutſamkeit auff ihn ging/
und ihm doch ſehr wenig abgewinnen kunte; ja ungeachtet dieſes herben Streits/ zog er
ſich gleichwol ſtets nach den Elefanten hin/ weil er ſeinen Leitſtern drauff hatte/ daß Ladiſ-
la/ damit er ihn zum Stande braͤchte/ zu ihm ſagte: Ritter ſtellet das Weichen ein/ oder
ich werde mich an eurem Pferde vergreiffen. Woldann/ antwortete Oſazes/ weil es an-
ders nicht ſeyn kan/ muß ich euch zu willen werden; fiel damit ſo wuͤtig auff ihn zu/ daß er
muͤhe hatte ſich zu beſchuͤtzen; biß ihm noch ein Unterhieb geriet/ damit er ihm eine ſtarke
Wunde in den linken Arm gab/ weil er den Schild von ſich geworffen hatte/ da er nach
den Elefanten eilete. Alſo kunte Oſazes ſein Pferd nicht mehr mit der Linken leiten/ wel-
ches Ladiſla eine ſchnelle uͤberwindung gab/ da er ihm die rechte Hand darzu beſchaͤdigte/
und den Daumen halb hinweg hieb. Noch dannoch wolte dieſer ſich nicht ergeben/ ſon-
dern ſtellete einen ſeiner Obriſten an ſeine ſtelle/ in meynung alſo zu entgehen. Aber Ladiſla
wahr ihm zu ſteiff auff der Haube/ reiß ihm den Helm ab/ und als er ſahe wer es wahr/
dann er ihn zu Charas geſehen hatte/ ſagte er zu ihm: Furſt Oſazes/ koͤnnet ihr Ladiſla
Freundſchaft annehmen/ ſo trauet ſeiner Verſicherung/ und reitet mit/ daß man euren
Wunden raht ſchaffe. Dieſer antwortete ihm: Ja Großmaͤchtiger Koͤnig/ wann mein
lebendiger Schaz auff dem Elefanten dieſer Verſicherung mit genieſſen ſol/ wil ich die an-
gebohtene Koͤnigl. Gnade gerne annehmen/ und mich ſolchem ruhmwirdigen Helden er-
geben. Worauff er von neuen alle Zuſage bekam. Seine Leute aber/ als der Feld Herr
verlohren ging/ zogen die Feldhoſen an/ und kahmen ohn ſonderlichen Verluſt davon. So
bald Vologeſes ſeinen Koͤnig (der vor angſt ſich kaum auff dem Pferde halten kunte) in
Sicherheit gebracht hatte/ ſamlete er die annoch uͤbrigen Reuter und Fußvoͤlker umb ſich/
ließ ihnen Pfeile gnug außteilen/ ſtellete ſie durch einander/ und ging damit gegen Herku-
les/ ließ die Trometer zum Abzuge blaſen/ und daß alle ſich bey ihm finden ſolten; daher er
in kurzer Zeit ein ſtarkes anſehnliches Heer umb ſich hatte/ mit welchem er den Sieg haͤt-
te zweifelhaftig gnug machen koͤnnen/ wañ ſie nicht zu heftig waͤhren abgemattet geweſen;
nam aber den ſicherſten Weg vor ſich/ ging algemach zuruͤcke/ und ſchikte ſich in die Zeit;
doch ſendete er den unſern die Pfeile in ſolcher Menge zu/ daß ſie ihn weiters nicht ver-
folgen durften/ und er alſo dieſe Voͤlker/ welche ſich von den Fluͤchtigen alle Augenblik
mehreten/ ſicher ins Lager brachte/ welches er die vorige Nacht (ungeachtet des Koͤnigs
Verſpottung) mit weiten Graben und hohen Bruſtwehren hatte umbzihen laſſen; beſet-
zete ſolches auch mit Schuͤtzen/ und ſchaffete/ daß die Verwundete verbunden/ und die
Matten gelabet wurden. Muſten alſo die unſern/ weil ſie mit Geſchoß auff der Eile nicht
verſehen wahren/ ihnen den Abzug goͤnnen/ und ſich noch vorſehen/ daß ſie unbeſchaͤdiget
davon kahmen; da ſie ohn einige Plunderung nach ihrem Lager kehreten/ auch Herkules/
Ladiſla/ Artaxerxes und Phraortes auff dem Wege zuſammen ſtieſſen und ſich ihres wol-
ergehens hoͤchlich freueten/ ob ſie gleich alle viere etwas verwundet wahren. Valiſka ſahe
von ihrem Elefanten ſie daher kommen/ und empfand deſſen unſaͤgliche Freude in ihrem
Herzen/ daß ſie nicht unterlaſſen kunte/ herunter zuſteigen/ und auff ihrem Reitpferde ih-
nen entgegen zuzihen. An allen Orten hatte der lezte Saz viel Blut gekoſtet. Artaxerxes/
Her-
[120]Fuͤnftes Buch.
Herkules und Pharnabazus hatten von Pakorus eigenem Heere 14000 erſchlagen/ und
12000 verwundet/ deren bald hernach 9000 ſturben weil ſie nicht ſo ſchleunig kunten ver-
bunden werden/ und etliche Verleumder daher urſach nahmen/ die Perſiſchen zu beſchul-
digen/ als haͤtten ſie mit vergiftetem Gewehr gefochten. Partamaſiris war ſchon mit 5000
gefangen worden/ wie auch von Surinas Voͤlkern 4000/ von deſſen Verwundeten 7100
den Tod empfingen. Von Orodes Hauffen wurden 3000 gefangen; der Verwundeten
kahmen 4000 um/ und blieb der überſchuß gar geringe/ nach dem von dem ganzen Fußheer
nur 31350 geſunder und 14200 beſchaͤdigter davon kahmen/ ingeſamt 45550 Mann. 12000
wahren gefangen/ und 82450 erſchlagen. Es hatte aber unſer Fußvolk auch groſſen Ab-
bruch gelitten; dann uͤber die zuvorgedachte wurden noch 9000 erſchoſſen/ und Pakorus
mit ſeinem Hauffen hatte in die 24000 Mann erſchlagen/ und 10675 verwundet/ daß an
Perſiſcher Seite ſich 58225 todte/ 20275 verwundete/ und 41500 geſunde funden. An ſei-
nem Reuterheer miſſete Herkules über vorgedachte noch 11619; wahren ihm alſo 27000
abgeſchlagen; Unter den uͤbrigen wahren 23000 beſchaͤdigte/ und 40000 geſunde; und
fand man unter den todten 81 Teutſchen/ und 76 unter den verwundeten. Ladiſla hatte uͤ-
berall 26850 beſchaͤdigte/ aber 16150 wahren drauff gangen/ und der geſunden uͤberſchuß
beſtund in 47000 Koͤpffen; da unter den erſchlagenen 182 Boͤhmen/ und 353 Roͤmer; un-
ter den verwundeten aber 300 Boͤhmen/ und 350 Roͤmer wahren. Des Feindes Reuterey
hatte ein mehres eingebuͤſſet; Von Oſazes Fluͤgel wahren 59000 erſchlagen/ 7000 hart
verwundet/ und 16500 in Gefaͤngnis gerahten. Unter den Todten wahren 12000 Skythen
und gleich ſo viel Indier; Unter den verwundeten 3000 Indier/ und unter den gefangenẽ
6500 Skythen/ alſo daß von dieſem Fluͤgel/ welcher mit zutuhn deꝛ Indier anfangs 125500
Mann hatte/ nach der Schlacht nur 43500 geſunde/ wiewol allerdinge abgemattete Reu-
ter uͤbrig wahren. Vonones/ als ihm an ſtat der Indier die Elefanten Schuͤtzen und uͤber-
bliebene Skythen zugeſchikt wahren/ hatte ein Heer von 102000 Reutern/ aber die wahren
ihm dergeſtalt geſtenzet/ dz nur 30500 geſunde davon bey ihm ſtunden; maſſen deren 5000
gefangen/ 8000 hart verletzet/ und die uͤbrigen 58500 erſchlagen wurden/ dz von aller Sky-
tiſchen Manſchafft nur 3000 bey dem Heer übrig wahren/ welches uͤberall noch in 105350
geſunden und 29200 verwundeten beſtund. Hingegen wahr das Perſiſche Heer noch
128500 geſunde Koͤpffe ſtark/ und unter ihren 70125 beſchaͤdigten funden ſich 30000/ wel-
che nach empfangener Verbind- und Labung noch düchtig wahren das Gewehr zu fuͤhrẽ.
Von den Parthiſchen Feldherren wahren gefangen/ Fürſt Pakorus/ Fuͤrſt Oſazes/ Suri-
nas/ Mithridates/ Archelaus/ Sargapiſes der Skythe/ Partamaſiris/ und Apreteus.
Skyles der Skythe Pandion der Indier und Andragoras der Parther wahren erſchla-
gen. Von unſern Kriegs Obriſten wahren gefangen/ Fuͤrſt Pharnabazus/ Prinſla/ Mar-
kus/ Bubazes und Gallus. Unter den verwundeten Gefangenen wahren Mithridates und
Oſazes die ſchwaͤcheſten/ aber kein Menſch froͤlicher/ als Groß Fuͤrſtin Valiſka; ſie herzete
ihren Gemahl und Bruder vor Freuden/ als ſie vernam/ daß ihre Wunden ſo geringe wa-
ren/ wolte ihnen auch alsbald die Harniſche helffen abziehen; aber Herkules hatte was an-
ders im Sinne/ und ſagte zu den anweſenden Fuͤrſten: Vologeſes hat jezt ſehen laſſen/ wie
geſcheid er iſt/ die Voͤlker durch vorſichtige und halb-furchtſame Abfuͤhrung zuretten; aber
ich
[121]Fuͤnftes Buch.
ich hoffe ihm die Karte dergeſtalt zuverſtecken/ daß er inwendig 24 Stunden ungejagt da-
von lauffen/ oder Morgen mit allen den ſeinen ſich belagert finden ſol; befahl auch daß die
geſunde Mannſchaft ſich alsbald laben muſte/ deren Haͤuptleute er alſo anredete: GOtt
Lob ihr redliche Perſen/ Meden/ und andere Bundgenoſſen; das Parthiſche Joch iſt nun
ſchier gebrochen; der groſſe Wuͤterich Artabanus hat euch muͤſſen den Ruͤcken zukehren/
und mag vielleicht wol ſchon mit fluͤchtigen Gedanken umbgehen. Lieber goͤnnet ihm die
Ehre nicht/ daß er ſich beruͤhmen ſolte/ wir haͤtten ſein Lageꝛ nicht angeſchriehen. Zeiget eu-
ren Kriegsleuten an/ daß wer geſund iſt/ und ein unverzagtes Herz hat/ ſolle ſich geſchwin-
de mit Speiſe und Trank laben/ und mir folgen; die Pluͤnderung ſol ohndas vor Morgen
früh nicht geſchehen. Wer weis was vor Gluͤk der milde Gott uns zuweiſet/ daß uns die-
ſer Rit nicht gereue? ich verſichere euch/ daß der Feind der Kuͤhnheit nicht iſt/ uns ein
bloſſes Schwert zuzeigen/ und ihr deßwegen vor neue Wunden euch nicht zubefuͤrchten
habt. Er hatte nunmehr bey hohen und niedrigen ein ſolches Anſehen erlanget/ daß ſie ihn
nicht anders als einen irdiſchen Gott ſchaͤtzeten/ deßwegen die Haͤuptleute willig wahren/
und die Voͤlker begierig/ ihm zu folgen/ in ſolcher Freudigkeit/ daß ſie mit jauchzen erſchie-
nen/ und uͤber die 20000 beſchaͤdigte mit fort ritten/ ſo daß nur 6000 geſunde die Gefan-
genen/ deren 33500 wahren/ bewacheten/ und 10000 zimlich verwundete das Lager beſet-
zeten; dagegen ſtelleten ſich 140500 Mann zum Zuge/ und wahren 2000 Reuter außge-
ſchikt die verſchüchterten Pferde zuſammen zutreiben. Valiſka betruͤbete ſich dieſes vor-
nehmens ſehr/ daß ſie willens wahꝛ/ ihn davon abzumahnen/ einwendend/ man ſolte einem
fliehenden Feinde eine guͤldene Bruͤcke machen; aber Herkules ſagte mit einem leichten
Lachen: Wie mein Schaz/ ſeid ihr in ſo kurzer Zeit ſo verzagt worden? geliebt es euch/ ſo
leget eure Waffen an/ uñ reitet mit/ weil keine Gefahr zu fuͤrchten iſt. Sie nicht faul/ mach-
te ſich fertig/ und ſetzte ſich auff ihren Blaͤnken/ welchen ihr Fuͤrſt Menapis aus Hirkanien
vor wenig Tagen geſchikt hatte. 2500 Teutſche und Boͤhmen/ nebeſt 5500 Perſen und
Meden wurden geordnet/ ihr auff allen Fall Schuz zu halten/ und wolte Ladiſla durchaus
nicht zurücke bleiben/ ſondern weil ſeinen geringen Wunden ſchon raht geſchaffet wahr/
ging er mit Herkules fort. Der Feind hatte ſeine Schildwachten zimlich weit anßgeſetzet/
welche nach empfangenen Befehl geſchwinde außriſſen/ und im Lager ein groſſes Schrec-
ken verurſacheten/ vorgebend/ es waͤhre der Feind wol mit 150000 Mann verhanden und
im vollen anzuge/ das Lager zu ſtuͤrmen; denen Vologeſes anfangs keinen Glauben zuſtel-
len wolte/ aber nachdem er die unſern ſahe/ die in weit außgebreueten Fluͤgeln fort zogen/
und 800 Teutſche Schlachtſchwerter voran gingen/ beſetzete er die Poſten mit kranken
und geſunden durcheinander/ dann er verlies ſich auff ſeine tieffe Graben und hohe Bruſt-
wehren/ hinter denen er vor Reuter anfal gnug geſichert wahr. Herkules wuſte vorhin
wol/ daß er durch Sturm nichts ſchaffen kunte/ wahr auch dieſer Urſachen halber nicht
außgezogen/ ſendern hatte bey den Gefangenen ſich genaue erkuͤndiget/ was vor eine be-
ſchaffenheit es mit des Feindes Lager hatte/ und daß die Elefanten ſampt den Speiſewagẽ
im abſonderlichen Lager gehalten wurden; dahin ließ er Ladiſla mit 20000 Mann gehen/
er aber beſetzete das Haͤuptlager rings umbher/ daß ſie nicht außfallen kunten/ wie ſie dann
ohndas darzu keinen Willen hatten; und ob gleich Vologeſes 20000 aufbieten lies/ einen
qritter-
[122]Fuͤnftes Buch.
ritterlichen Verſuch zu tuhn/ wolte doch Artabanus es nicht goͤñen/ ſondern ſagte: Laſſet
die hungerigen Teutſchen Woͤlffe nur machen/ wir hoffen/ ſie werden ſich endlich durch
ihren eigenen Grim noch ſelber freſſen. Valiſka ſendete einen Trometer nach des Fein-
des Lager/ und ließ Bagophanes anmelden/ wo er ſeiner Gemahl Fr. Paraſitis etwas zu
entbieten haͤtte (dann ſie wahr mit unter dem gefangenen Frauenzimmer) wolte ſie es ger-
ne werben/ gaͤbe ihm auch hiemit frey ſicher geleit/ zu ihr heraus zukommen. Als Artaba-
nus hoͤrete/ daß ſie mit unter den Voͤlkern wahr/ merkete er leicht/ daß Herkules ihm ſol-
ches nur zum Schimpff und auffzuge anſtellete/ und ward durch Liebe uñ Eifer dergeſtalt
eingenommen/ daß er begehren durfte/ man ſolte ihm ſeine Ruſtung bringen/ er wolte hin-
aus/ und mit dem Raͤuber Herkules einen abſonderlichen Kampff halten/ der gewiſſen
Hoffnung/ ihm obzuſiegen. Aber ſeine Obriſten haͤtten des lieber gelachet; und kunte Vo-
logeſes nicht umbhin/ ihn zuerinnern/ er moͤchte doch in ſich gehen/ und bedenken/ daß we-
der Karthaſis noch Pakorus vor Herkules Schwert haͤtten beſtehen koͤnnen/ und daß wol
eben zu dem Ende Artaxerxes ihn bewaͤget haͤtte/ ſein Gemahl herzufuͤhren/ daß ſeine Koͤ-
nigl. Hocheit dadurch ins Nez gelocket wuͤrde; zwar er koͤnte wol leiden/ daß Bagopha-
nes hinaus ritte/ aber dem außzuge ſeines Koͤniges wolte er ſich wiederſetzen/ und lieber
ſterben als einwilligen. Nun nun Bagophanes ſagte Artabanus/ ſo reite hinaus/ nach-
dem unſere Fürſten und Kriegs Obriſten unſer Vorhaben dißmahl nicht vor rahtſam
halten; ſagte ihm etwas heimliches ins Ohr/ und ließ ihn fort zihen. Herkules ſahe ihn
kommen/ und ritte von ſeinem Gemahl hinweg/ weil dieſer vielleicht ſich ſcheuhen moͤchte/
in ſeiner Gegenwart mit ihr zu reden. Die Groß Fuͤrſtin hatte zwar ihren Reitharniſch
angelegt/ auch einen koͤſtlichen Degen an der Seiten/ und den Koͤcher vol Pfeile/ aber den
Helm hatte ſie abgetahn/ und einen ſchwarzen Huet mit einer weiſſen Feder auffgeſetzet/
darunter ſie ihr ſchoͤnes Haar bey den Ohren herunter hangen ließ. So bald Bagopha-
nes ſich ihr nahete/ rieff ſie ihm zu: Wie ſtehets mein Freund? habt ihr auch Wunden mit
aus der Schlacht zubeweiſen? Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ antwortet er/ ich erfreue mich
ihrer Gn. wolergehens/ und habe derſelben meines allergnaͤdigſten Groß Koͤniges Gruß
anzumelden/ deſſen Hocheit ſie freundlich erſuchen laͤſſet/ auff guten Glauben in ſein Lager
zureiten. Ach nein/ ſagte ſie mit einem Gelaͤchter/ vor dißmahl werde ſeiner Hocheit ich nit
gehorſamen koͤnnen/ weil von meinem allerliebſten Gemahl ich deſſen kein erlaͤubnis ha-
be; bedanke mich aber des uͤberbrachten Gruſſes/ und werdet mich wol entſchuldigen/
auch daneben euren Koͤnig verſichern/ daß der gefangenen Herren ich mich traͤulichſt an-
nehmen wolle; wie ich dann hoffe/ daß man mit den unſern auch alſo verfahren werde; ſol-
tet ihr aber Herrn Bubazes wegen ſeiner Kleofis wollen zuſetzen/ wuͤrde euer Gemahl uñ
andere/ deſſen ſchwer zu empfinden haben. Es iſt mir ſonſt lieb daß mein gnaͤdigſter Koͤ-
nig aus dieſem harten Ungewitter noch unbeſchaͤdigt entrunnen iſt. Aber verlanget euch
nicht mein Freund/ euer ſchoͤnes Gemahl bald wieder zuſehen? an welcher ſich wol junge
Herrn vergaffen duͤrften/ und iſt ſie ohndas meines Herrn Bruders gefangene/ welcher
vielleicht ohn [empfangenen] Kuß ſie nicht loß geben moͤchte. Dieſer meynete/ es waͤhre ihr
lauter ernſt/ und baht ſehr/ ihrer Ehren getraͤue Schuͤtzerin zu ſeyn. Deſſen ſie lachete/ und
ihm verſprach/ er ſolte ſie noch vor Morgen fruͤh wieder haben; wovor er ſich untertaͤhnig
bedan-
[123]Fuͤnftes Buch.
bedankete/ und ihr ungeſcheuhet zuverſtehen gab/ wie der Koͤnig an ihrer Liebe ſo ſehr hin-
ge/ daß er ſich eines aͤrgern befuͤrchtete/ wann er ſeinen Vorſaz nicht erlangen wūrde.
Welches ſie aber mit einem ernſtlichen Geſichte alſo beantwortete: Bey Leib und Leben ſa-
get mir davon nicht/ Bagophanes; was wolte oder koͤnte er ſeinen Vorſaz an mir erlan-
gen? wiſſet ihr oder er dan nicht/ daß ich mich verehlichet habe? ich werde ja nicht von mei-
nem allerliebſten Ehegemahl Groß Fuͤrſt Herkules hinweg lauffen/ und eurem Koͤnige
als eine Ehebrecherin auffwarten; haͤtte euch auch nimmermehr ſo unverſtaͤndig angeſe-
hen/ daß ihr einem redlichen Weibesbilde ein ſolches anmuhten wuͤrdet; und warumb
ſcheltet ihr mich vor ein Fraͤulein? wiſſet ihr doch wol daß der Nahme mir nicht zuſtehet.
Saget demnach eurem Koͤnige/ daß er die Augen ſeines verſtandes auffthue/ und beydes
ſein thoraͤchtiges Vornehmen mich zuerſtreiten/ und ſein bevorſtehendes Ungluͤk betrach-
te. Er ſihet ja wie hefftig ihm heutiges Tages ſein Stuel geruͤcket iſt/ und duͤrffte ihm/ ehe
ers meinet noch wol naͤher getreten werden. Waͤhre demnach mein getraͤuer Raht/ er lieſ-
ſe ſich etwas gnaͤdiger und gutwilliger gegen die Fuͤrſten heraus/ als bißher geſchehen;
alsdann wolte ich als eine getraͤue Unterhaͤndlerin ihm in der Taht beweiſen/ wie gut ichs
mit ſeiner Hocheit meyne. Zwiſchen dieſem Geſpraͤch hatte Artabanus hinter der Bruſt-
wehr durch ein klares Durch ſicht ihr Ange ſicht und Gebaͤrden eigentlich beſehen/ und
dauchte ihn/ ſie waͤhre ihm in ſo volkommener Schoͤnheit noch nie vorkommen; kunte da-
her durch Liebe gereizet/ nicht unterlaſſen/ in ſich ſelber zuſagen. O du unverſtaͤndiger bloͤ-
der Artabanus/ kunteſtu dieſes unvergleichlichẽ gutes nicht genieſſen/ da du es in deinem
Beſiz hatteſt? und lieſſeſt durch ihr leichtes Draͤuen dich davon abſchrecken! Nun ihr
Goͤtter/ liefert ſie noch einmahl wieder in meine Gewalt/ oder ſchicket es/ daß der Erzraͤu-
ber dieſe Laͤnder ſo geſchwinde nicht verlaſſe/ damit ich Gelegenheit habe/ mich ihrer zube-
maͤchtigen. Inzwiſchen hielt Valiſka ihr Geſpraͤch mit Bagophanes/ und vermahnete
ihn gar ernſtlich/ ſeinen Koͤnig von den naͤtriſchen gedanken abzuzihen; da gleich Ladiſla
ſich mit ſeiner Beute ſehen ließ. Er hatte vor erſt die Elefanten Meiſter gezwungen/ ihre
Tihre alle miteinander heraus zufuͤhren/ die er mit 4000 Reutern nach dem Perſiſchen
Lager begleiten ließ; hiebey wahren 10000 Kameltiehre/ 20000 Maul Eſel und 16000
Wagen/ die alle mit fort muſten/ nachdem die Pferde ſchon davor geſpannet wahren/ weil
Vologeſes wieder Artabanus Willen befohlen hatte/ ſie nach dem befeſtigten Lager in
ſicherheit zu bringen/ und ſie alſo zum vollen und ſchleunigen auffbruche fertig ſtunden.
Als die Parther dieſe Beute ſahen hinweg ſuͤhren/ waͤhre ihr Koͤnig ſchier unſinnig wor-
den; Vologeſes aber geriet in Eifer/ und ſagte: Ich halte es vor ein unfehlbahres Zeichen
unſers unterganges/ daß eure Koͤnigl. Hocheit mir in allen guten anſchlaͤgen ſo gar zuwie-
der iſt; haͤtte man nach meinem befehl die Wagen und Tihre alsbald hereingebracht/ ſol-
ten ſie uns wol blieben ſeyn/ und fürchte ich nur/ daß zugleich Freunde und Feinde alles
meinem unverſtande und unvorſichtigkeit zulegen werden. Artabanus taht als hoͤrete ers
nicht/ und ſing an zu ruffen: Pfui uns an/ wir ſind nicht eines faulen Apffels wert; iſt es
ſo weit mit uns kommen/ daß wir ſolchen Schimpff und Schaden mit geduldigen Augen
anſehen muͤſſen? hinaus/ und hauet Kamehl und Pferde nider/ ſo bleibet uns ja noch wol/
was wir geladen haben. Vologeſes ſeufzete uͤber dieſer Tohrheit/ wolte nicht antworten/
q ijund
[124]Fuͤnftes Buch.
und achtete ſelbſt vor noͤhtig/ daß man zum wenigſten nur zum ſcheine ſich ins Gewehr
ſtellete/ daher befahl er den geſunden Reutern auffzuſitzen; aber es ging alles ſo ſchlaͤfferig
zu/ daß er leicht merkete ſie wuͤrden wenig verrichten; weil auch Herkules mit auffbrach
und ſich hinter die Wagen ſetzete/ ließ kein Parther ſich auſſerhalb Lagers finden. Bago-
phanes machte ſich wieder hin zu ſeinem Koͤnige/ brachte ihm der Groß Fuͤrſtin freundli-
chen Gruß an/ und daß des Koͤniges Geſundheit ihr ſehr lieb waͤhre; gab vor/ ſie haͤtte
durch Geberden gnug zuerkennen gegeben daß ſie im Herzen ihm ſehr hold waͤhre/ aber
wegen der anweſenden Auffmerker ſich nichts duͤrffen vernehmen laſſen/ ohn daß ſie ihm
(welches er aus furcht tichtete) vertraulich angezeiget/ daß eine ſehr groſſe Macht nicht
ferne waͤhre/ dem Koͤniglichen Lager zuzuſetzen; dann er haͤtte den ſchleunigen Auffbruch/
umb der Gefahr zuentgehen/ gerne befodert. Phraortes hatte Artaxerxes im beyweſen der
gefangenen Parthiſchen Herren angemeldet/ daß nicht allein alle Parthiſche Elefanten
eingebracht waͤhren/ ſondern Groß Fuͤrſt Herkules mit einer unglaͤublichen Menge Ka-
mehle/ Maul Eſel und Wagen angetrieben kaͤhme. Deſſen er ſich hoch freuete/ und zur
antwort gab; er koͤnte anders nicht glaͤuben/ als daß Herkules von irgend einem Gott muͤ-
ſte gezeuget ſeyn; zweiffelte auch nicht/ da ers nicht umb ſeines Gemahls willen unterlaſ-
ſen wuͤrde er gewißlich einen Verſuch auff des Feindes Lager gethan haben. Nun hatten
Pakorus und Oſazes eben dieſes gefuͤrchtet; aber da ſie hoͤreten/ daß es ihm umb dieſe
Beute wahr zutuhn geweſen/ gaben ſie ſich in etwas zu frieden/ ungeachtet ſie wol
ſahen/ daß dem Parthiſchen Kriegs Heer hiedurch alle Mittel benommen wahren ſich im
Felde laͤnger auffzuhalten. Die erſten Elefanten ſo Ladiſla im Felde mit dem Frauenzim-
mer ertappet/ wurden annoch ſteiff bewahret/ und hatte ſich deren niemand angenom̃en/
daher das betruͤbte Frauenzimmer in ſchweren ſorgen wahr/ wie mans endlich mit ihnen
anſchlagen würde; aber ſo bald Ladiſla wieder kam/ machte er ſich herzu/ uñ baht/ ſie moͤch-
ten die vornehmſten unter ihnen melden; welches ſie willig tahten/ und gaben ſich Volo-
geſes/ Pakorus/ Oſazes/ Vonones und Archelaus Gemahlen alsbald an. So bald Va-
liſka ihre weiblichen Kleider wieder angelegt hatte/ ging ſie zu ihnen hin/ und ward von
ihnen (deren anzahl ſich auff 52 Fuͤrſten- und Herren Standes erſtreckete) ſehr demuͤhtig
geehret; ſie fand drey Jungfern ihres geweſenen Zimmers dabey/ welche ſie freundlich
umbfing und kuͤſſete; und weil es ſich ſchon begunte auff den Abend zu neigen/ noͤhtigte ſie
alle mit einander in die Zelte/ mit verſprechung/ daß ihren ehren nicht die allergeringſte be-
ſchimpfung ſolte angelegt werden; worauff ſie ein gutes Herz faſſeten/ und ſich zu ihrem
Dienſt und Gehorſam erbohten. Sie wahr aber bey den gefangenen Fürſten noch nicht
geweſen/ auch wuſte das gefangene Frauenzimmer nicht/ daß ihrer Ehegemahlen etliche
ſo nahe waͤhren. Als ſie nun in das Groß Fuͤrſtl. Perſiſche Gezelt trat/ und die Gefange-
nen daſelbſt antraff/ gruͤſſete ſie dieſelben gar freundlich/ erzeigete ihr mitleiden wegen der
empfangenen Wunden/ und ſing hernach an: Durchleuchtige Fuͤrſten/ Herr Pakorus
und Oſazas/ auch H. Archelaus; hie führe ich ihnen ihre allerliebſte Gemahlen zu/ die noch
von keinem Menſchen als bloß von mir ſind angeſprochen und geſehen worden/ zweiffele
nicht/ ſie werden eure Liebden in ihrer Traurigkeit etwas troſtes mitteilen. Pakorus ant-
wortete ihr: Unvergleichliche Groß Fuͤrſtin/ der Himmel iſt mein Zeuge/ daß ich ſo we-
nig
[125]Fuͤnftes Buch.
nig wegen meiner Wunden als Gefaͤngnis traurig bin/ ſondern mir vielmehr vor ein Glük
rechne/ daß hiedurch (weil auff andere weiſe es nicht geſchehen koͤnnen) ich die Gelegen-
heit funden/ des treflichen Helden/ ihres geliebten wirdigen Gemahls Kundſchafft zuer-
langen. Und eben dieſes beklaget mein Gemahl/ ſagte ſie/ daß mit euer Liebe er keinen hoͤf-
lichern anfang der Freundſchaft hat machen koͤnnen. Die guten Frauen machten ſich zu
ihren Gemahlen/ und bezeugeten ihr herzleid mit Traͤhnen/ deſſen ſie mit Worten ſich nit
durfften merken laſſen. Herkules hatte ſich mit Artaxerxes ſchon beredet/ wie mans mit
den Gefangenen halten wolte; trat hin zu Pakorus/ der in einer Saͤnffte lag/ und ſagte zu
ihm: Eure Liebe werden mir verzeihen/ daß ich die Urſach ſeiner Schwachheit ſeyn muͤſ-
ſen/ und ſich verſichern/ daß ſo lange ich lebe/ ſeyn und bleiben wil/ auſſer dieſer jetzigen Feh-
de/ Fuͤrſt Pakorus Diener und getraͤuer bruͤderlicher Freund/ uñ daß dieſes verſprechens
euer Liebe ich ein geringes Denkzeichen hinterlaſſen moͤge/ bitte ich dienſtlich/ dieſen
ſchlechten Ring von mir anzunehmen/ und zum Gedaͤchtnis unſer gemachten Freund-
ſchafft zu tragen/ auch nebeſt ſeinem lieben Gemahl alle Stunde und Augenblik zuzihen/
wohin ihm gelieben kan und mag/ nach dem ſeine Liebe ſtets frey/ und keines Menſchen ge-
fangener iſt; ſolte mir aber das Gluͤk ſo guͤnſtig erſcheinen/ meinen Herrn und geliebten
Freund dereins auff andere Geſtalt in meine Geſelſchafft zubekommen/ werde ich denſel-
ben ſo ſchleunig nicht von mir hinweg weichen laſſen. Wañ nun eure Liebe bey dem Herꝛn
Feldmarſchalk dieſes zubefodern unbeſchweret ſeyn wolte/ dz mein geliebter Bruder Fuͤrſt
Pharnabazus/ und meine uͤbrigen Leute alsbald loßgegeben werden moͤchten/ ſollen dage-
gen Fuͤrſt Oſazes/ und die andere Herren ohn argeliſt abgefolget werden. Pakorus/ nach-
dem er den Ring mit begierigen Haͤnden angenommen hatte/ antwortete ihm: Durchl.
Groß Fuͤrſt/ unvergleichlicher Held/ als Wunderſpiegel aller Tugend; ich bedanke mich
der hehen Ehren ganz dienſtlich/ daß eure Durchl. mir ein ſo wertes Gedaͤchtnis hinter-
laſſen wollen/ welches mit noch mehr Wunden/ als ich ſchon empfangen/ zuerkaͤuffen/
mich nicht wegern wolte. Wegen meiner und meines Gemahls Freyheit bin ich eben-
maͤſſig dank zuſagẽ ſchuldig/ werde nicht unterlaſſen/ daß mir anbefohlne fleiſſig ins Werk
zu richten/ mit angehaͤngter Bitte/ eure Durchl. wolle mich hinfuͤro unter die Zahl ihrer
Diener ſetzen/ wil mich auch bemuͤhen/ dereins ein Gemuͤht ſehen zulaſſen/ welches gut-
taht auffs minſte erkennen kan. Artaxerxes ließ alsbald zwo trefliche Bu[r]ſchen herbringẽ/
auff deren eine Vologeſes und Pakorus Gemahlen/ auff die andere Vonones und Ba-
gophanes ihre geſetzet wurden/ und Freyheit bekahmen mit fortzuzihen. In des Koͤniges
Lager aber wahr gar ein elender und verwirreter Zuſtand; erſelbſt hermete ſich uͤber alle
maſſe/ daß ihm dieſer Zug ſo gar mißlungen/ und alle Hoffnung der ſo hoch begehrten Hei-
raht abgeſchnitten wahr/ verboht auch/ daß niemand ohn allein Bagophanes zu ihm in
ſein Zelt kaͤhme/ der ihm von dem Fraͤulein (wie er ſie ſtets nennete) ihren Geberden und
Antwort etwas vorſchwaͤtzen ſolte. Aber Vologeſes achtete des Verbots wenig/ nahm
Vonones und Karthaſis zu ſich/ ging hin zu ihm/ und ließ ſich anmelden; da er zur Ant-
wort bekam; Koͤnigl. Hocheit waͤhre jetzo unmuͤſſig. Unmuͤſſig? ſagte er; trat mit ſeiner
Geſelſchaft ungefodert hinein/ und fing alſo an: Weß zeihen ſich eure Koͤnigl. Hocheit/
oder was gedenken ſie/ daß ſie in dieſem gefaͤhrlichen Stande niemand lieber/ als einen un-
q iijnuͤtzen
[126]Fuͤnftes Buch.
nuͤtzen Schmeichler umb ſich leiden moͤgen? meinen ſie etwa/ ſie ſitzen auff ihrem unuͤber-
windlichem Schloſſe? wir haben ja den durchdringenden Bliz/ Herkules/ kaum abzihen
ſehen/ [und] iſt wunder/ daß er ohn Sturm gewichen iſt; eure Hocheit werden gewißlich ei-
nen andern Sinn ergreiffen/ ſonſt gebe ich ſie reine gar auff. So betrachten nun dieſelbe/
daß der Feind nicht allein unſere Voͤlker geſchlagen/ ſondern unſern Vorraht an Speiſe
und anderen nohtwendigen ſachen hinweg genommen hat/ daß wo wir noch 24 Stunden
harren/ uns der Hunger den Weg zeigen wird/ wo er uns ſonſt nur offen bleibet; und wir
ſtellen uns nicht anders an/ als ob wir in aller Sicherheit/ oder doch in aller Huͤlle und Fuͤl-
le ſaͤſſen? Ob eure Koͤnigl. Hochheit zu eſſen haben/ darumb bekuͤmmert ſich der Lands-
knecht nicht/ wann er nicht mit nieſſen darff. Wolle demnach eure Koͤnigl. Hocheit das
algemeine Weſen und ihre eigene Wolfahrt zu Herzen zihen/ und durch unnoͤhtige/ oder
wol gar unmoͤgliche betrachtungen ſich nit ſelber ins Verderben ſtuͤrzen. Iſt alſo anfangs
noͤhtig zubedenken/ wie wir unſere Feld Herrn aus Feindes Hand loßwirken/ und wie wirs
mit unſern Gefangenen halten wollen; hernach/ obs beſſer ſey/ ſtũndlich auffzubrechen/
oder liegen zubleiben; wovon eure Koͤnigl. Hocheit ihre Meynung allergnaͤdigſt anzeigen
wolle. Bagophanes haͤtte ſich gerne verantwortet/ fing auch ſchon an ſein Wort zureden;
Aber Vologeſes hies ihn das Maul halten/ und ſeines Amts warten/ welches im Felde ja
ſo unnoͤhtig waͤhre/ als wenig er des Kriegs verſtaͤndig. Artabanus taht/ als hoͤrete er die-
ſen Zank nicht/ ſondern ſeuffzete/ und gab zur Antwort: Es iſt zubetauren/ daß unſere Par-
ther/ die bißher weder dem Gluͤk noch der Macht nachgeben wollen/ ſich ſo ſchaͤndlich ha-
ben laſſen aus dem Felde ſchlagen/ und zwar von den ohmaͤchtigen Perſen und Meden.
Man muß mit dem gluͤckes lauffe zu frieden ſeyn/ antwortete Vologeſes; die Fremden die
Fremden haben uns allen ſchaden getahn/ ſonſt wolten wir die uͤbrigen mit der helffte un-
ſers Volks gefreſſen haben. Vonones und Karthaſis ſtimmeten hiemit uͤberein; welches
doch Artabanus nicht hoͤren wolte/ ſondern ſagte: Es waͤhre eine Schande/ daß die elende
Handvol Fremde neben ihren beyden unbaͤrtigen Fuͤrſtlein von ſo groſſen Feld Herrn nit
koͤnten gezaͤhmet werden/ da doch die viel groͤſſere Macht des Roͤmiſchen Kaͤyſers von ei-
nem geringern Heer offt abgehalten und geſchwaͤchet waͤhre; fing darauff an/ Herkules
als einen Raͤuber außzuſchelten/ der ihm die Krohn ſeines Herzen geraubet und entfuͤhret
haͤtte/ ohn welche er nicht leben koͤnte/ noch zu leben begehrete. Hier gedachte Vologeſes es
waͤhre jezt Zeit/ es zubeantworten und fing alſo an: Allergnaͤdigſter Koͤnig; eure Hocheit
wolle dieſe Liebe ja aus dem Sinne ſchlagen/ und bedenken/ dz dieſe Groß Fürſtin niemahls
willen gehabt/ ſie zu lieben/ da ſie noch im ledigen Stande wahr; wie viel weniger/ nun ſie
einem andern ehelich beygelegt iſt/ und zwar einem/ ihrer Schoͤnheit gleichmaͤſſigem Fuͤr-
ſten/ auff welches die jungen Fraͤulein pflegen am meiſten zu ſehen; und wann ich eigent-
lich wiſſen ſolte/ welcher gottloſe Schelm eure Koͤnigl. Hocheit zu dieſen unbilligen Ge-
danken reizet/ wolte ich ihm den Kopff in ſtuͤcken zerhauen. Ich verſichere eure Hocheit bey
meinem aͤid und Glauben/ werden ſie in dieſem Unweſen alſo fortfahren/ wird inwendig
Monat friſt ſich kein redlicher Parther des Koͤniglichen Stuels annehmen; dann wer
wolte ſein Leben darzu hergeben/ einem andern ſein Weib zuentfremden? ich meine/ unſer
Krieg waͤhre/ die Abtrünnigẽ zum Gehorſam zu bringen/ deſſen doch eure Koͤnigl. Hocheit
mit
[127]Fuͤnftes Buch.
mit keinem Worte gedenket; und jene unbilligkeit iſt eben die Urſach/ wann ichs ja ſagen
ſol/ daß unſere Schwerter nicht durchdringen/ unſere Pfeile nicht treffen/ und unſere
Faͤuſte nicht ſiegen koͤnnen. Eure Hocheit gibt vor/ Herkules habe ihr das Fraͤulein ge-
raubet. Er hingegen beteuret nebeſt ihr zugleich/ ſie ſeyn vor drey Jahren ſchon ehelich veꝛ-
ſprochen. Wer ſol hie Scheidesmann ſeyn? eure Koͤnigl. Hocheit hat keinen Ober Herꝛn;
Herkules erwartet auch keinen andern als Gott und das Schwert/ welches ihm in dieſer
Sache noch nicht abgefallen iſt. Ey ſo begeben ſich doch dann eure Koͤnigl. Hocheit eines
dinges/ daß kein Menſch moͤglich machen kan/ und kein Gott wil/ uñ gedenke/ daß die Welt
auff einen Menſchen nicht ſtehet. Was wolte man tuhn/ wann der Tod dieſe Groß Fuͤr-
ſtin hinwegriſſe? koͤnte man mit ihm daruͤber ſtreiten? laſſet uns dieſe vor Tod rechnen/
weil ihre Neigungen nie keinmahl/ ohn zu ihrem verderben gelebet haben; dann ſollen die
Abtruͤnnigen ſich nicht lange des heutiges Sieges zuerfreuen haben. Aber was meinet
dann nun eure Hocheit/ wie mans mit den Gefangenen halten ſolle? Artabanus durffte
ihm in dieſer Sache nicht wiederſprechen/ und gab vor/ er wolte es ein halbviertelſtuͤndi-
chen in bedenken nehmen; womit Vologeſes zufrieden wahr. Als Pakorus ſeinen Abzug
nahm/ und Herkules ihm das Geleite zu Pferde biß auff halben Weg gab/ wolte er ſeines
Koͤniges Wolfahrt nicht hindan ſetzen/ dann er befuͤrchtete ſich dieſe Nacht eines aͤrgern
und fing weitlaͤuftig an/ wie glükſelig er ſeinen Koͤnig halten wolte/ wann derſelbe mit ihm
moͤchte vergliechen ſeyn/ und da er nur wiſſen koͤnte/ was vor abtrag er vor die erwieſene
unbilligkeit foderte/ wolte er neben Vologeſes und anderen ſich bemuͤhen/ daß er vergnuͤ-
get wuͤrde. Herkules merkete wol wohin er zielete/ und gab zur Antwort: Er fuͤhrete das
Schwert wieder Artabanus eben nicht zur Rache/ ſondern daß er ihm nur ſehen lieſſe/ wie
wenig er nach ſeinem draͤuen fragete/ und ſich nicht ſcheuhete/ wans Gott alſo verſehen
haͤtte/ ſein Leben dran zuſetzen; der allmaͤchtige Gott waͤhre ſein Zeuge/ daß er recht zu ſei-
nem Gemahl gehabt/ ehe ſie in dieſe Landſchaft durch Menſchen Raͤuber gefuͤhret waͤhre/
haͤtte auch dem Koͤnige anfangs dz gebuͤhrliche Loͤſegeld vor ſie gebohten/ wovon er durch-
aus nicht hoͤren wollen/ deßwegen er ſich der Liſt gebrauchen muͤſſen/ weil ſein Arm zu Cha-
ras nicht wirken koͤnnen. Zwar er bedankete ſich des guten erbietens/ aber es wuͤrde bey
Artabanus in dieſem falle weder Traͤue noch Glaube ſeyn/ angeſehen er jezt dieſe Stunde
durch Bagophanes ſeinem Gemahl anzeigen laſſen/ wie er ſeinen Zweg der Liebe zuerrei-
chen/ noch immerhin bemuͤhet waͤhre/ welches ja nicht als duꝛch ſeinen Tod geſchehen koͤn-
te/ und doch nach ſeinem Tode nicht geſchehen würde; haͤtte alſo gnug Urſach/ ihm nach
vermoͤgen wieder mit dem Schwerte auffzuwarten/ als ſeinem abgeſagten Todfeinde;
welches alles Pakorus mit groſſer betaurung anhoͤrete. Vologeſes ſtellete ſich auff die be-
ſtimmete Zeit wieder ein/ des Koͤniges Erklaͤrung zuvernehmen/ welcher ſich mit zimli-
chem Eiffer hoͤren ließ/ er koͤnte einwilligen/ daß die fremde Gefangene gegen andere aus-
gewechſelt wuͤrden/ aber den verwaͤgenen Bubazes und den meinaͤidigen Pharnabazus
wolte er durch aus zur abſcheulichen Straffe behalten/ daß man ihm nicht mehr vorzu-
werffen haͤtte/ er gedaͤchte der Abtruͤnnigen nicht/ deren dieſer der groͤſte waͤhre/ indem er
ohn Koͤnigliche verleih- oder belehnung ein vornehmes Fuͤrſtentuhm anſprengen und in
beſiz nehmen duͤrffen. Dieſer Antwort wahr ihm Vologeſes nicht vermuhten/ und erſet-
zete
[128]Fuͤnftes Buch.
zete es ſolcher geſtalt: Es fehlet wenig/ daß wir gar des Feindes Gnade leben muͤſſen/ und
wollen ihn durch draͤuung noch ferner reizen? Aber dieſes ungemeldet; ſol Fuͤrſt Pako-
rus/ ſol Fuͤrſt Oſazes/ die beyden Reichs Seulen nicht geloͤſet werden? wolan/ man haue
Pharnabazus den Schedel herunter/ und ſchlage zugleich Pakorus das Haͤupt abe; man
toͤdte Bubazes/ und ermorde zugleich Oſazes; aber auffs wenigſte/ daß mein Kopff dabey
gelegt werde/ dann ich muß doch endlich eben den Lohn zugewarten haben; und bleibet eu-
re Koͤnigl. Hocheit auff dieſer beharlichen Meynung/ ſo begehre ich hiemit untertaͤhnigſt
meinen Abſcheid und Erlaſſung/ auff das nicht hernaͤhſt jemand ſage; Vologeſes habe al-
ſo gerahten/ und der gefangenen Fuͤrſten Tod befodert/ damit er allein moͤchte gewaltig
werden. Ehe dann der Koͤnig dieſes beantwortete/ ward ihm angemeldet/ Pakorus waͤh-
re in einer Saͤnfte mit etlichen Frauenzimmer angelanget/ daher ihm Vologeſes entge-
gen ging/ ſeiner Gemahl Wiederkunft ſich von Herzen erfreuete/ uͤber Pakorus verwun-
dung ſeyn mitleiden erzeigete/ nnd ihm hernach klagete/ mit was Gedanken der Koͤnig
umbginge/ Pharnabazus und Bubazes abzuſtraffen; deſſen er nicht wenig erſchrak/ und
ſich erklaͤrete viel lieber zuſterben/ als dieſes einzuwilligen; ließ ſich auch auff einem Stuel
ins Koͤnigs Zelt tragen/ und fing alſo an; Allergnaͤdigſter Koͤnig/ vor euer Hocheit Wol-
fahrt habe ich heut den groͤſten teil meines Bluts vergoſſen/ welches das unuͤberwindli-
che Schwert des auffrichtigen Groß Fuͤrſten der Teutſchen aus meinem Leibe gezapfet/
welcher mich hernach mit groͤſſerem ernſte beim Leben erhaltẽ/ als vorhin verwundet hat;
geſtaltſam er mich ſelbſt auffs Pferd gehoben/ nach den Zelten gefuͤhret/ und meine Wun-
den ehe als ſeine verbinden laſſen/ worzu er die Binden ſelbſt von ander riſſe; jezt hat er
mich ſamt Fuͤrſt Vologeſes/ Fürſt Vonones und Herrn Bagophanes Gemahlen auff
freien Fuß geſtellet/ mit dem außdruͤklichen bedinge/ daß ich Fuͤrſt Pharnabazus uñ Herꝛn
Bubazes ihm wieder unbeſchimpfet abfolgen lieſſe/ welches bey euer Hocheit ich leicht zu-
erhalten gedenke/ in betrachtung/ daß nicht allein Fuͤꝛſtliche Zuſage gehalten/ ſondern auch
den ũbrigen gefangenen Feld Herrn gute verpflegung hiedurch muß erhalten werden.
So moͤgen die meinaͤidigen Auffrührer dißmahl hinlauffen/ antwortete Artabanus/ weil
wir unſerer Bedienten Wolfahrt mehr als jener Verbrechen beobachten muͤſſen; ſtellete
ihnen hierauff Freyheit zu/ mit den Gefangenen nach gutduͤnken zuſchalten. Worauff ſie
beyde alsbald mit einander ſich nach Vonones Zelt verfuͤgeten/ und die Gefangenen da-
hin auff Gutſchen hohlen lieſſen/ der dreyen (als Prinſla/ Markus und Gallus) Stand
von Pharnabazus erfragend; welcher ihrer tapfferen redligkeit gute Zeugnis gab/ und
daß Gallus Groß Fuͤrſt Herkules geheimſter Diener waͤhre. Vologeſes ſtellete ihnen al-
len gaͤnzliche Freyheit zu/ wegen erlaſſung ſeiner Gemahl neben Vonones ſich bedankend/
mit dem Wunſch/ Gelegenheit zuhaben/ daß ſie Herkules in abſonderlicher Freundſchaft
einſolches erwiedern koͤnten. Die drey Fuͤrſtinnen aber lieferten Pharnabazus zwoͤlff
trefliche Kleinot und ſo viel Ringe/ der Groß Fuͤrſtin zum Geſchenke ein/ und bahten ihn/
daß das uͤbrige Fauenzimmer vor unehr weiter geſchuͤtzet werden moͤchte. Dieſe erbohten
ſich/ alles wol zu werben/ und macheten ſich in guter Begleitung fort.


Es wahr aber im Mediſchen Frauenzimmer groſſe Traurigkeit wegen Artobarza-
nes Tode/ uͤber welchen ſeine ſchoͤne Atoſſa ſich nicht wolte troͤſten laſſen/ inſonderheit/ da
ſie
[129]Fuͤnftes Buch.
ſie hoͤrete/ daß Surinas der Taͤhter waͤhre/ hielt auch bey der Groß Fuͤrſtin Saptina und
Fuͤrſtin Barſene an/ ihr bitten zu helffen/ daß der Moͤrder (wie ſie ihn nennete) wieder hin-
gerichtet würde; die ihr aber hart zuredeten; ſie muͤſte ſich zufrieden geben/ das Ungluͤk
haͤtte ſich im offenen Treffen zugetragen; ſo waͤhre ihr Gemahl im Kampffe vor das Va-
terland ritterlich geſtorben/ und Surinas haͤtte ſich ja billich des feindlichen angriffs er-
wehren muͤſſen; viel beſſer taͤhte ſie/ daß ſie mit ihnen hinginge/ das gefangene Frauenzim-
mer zubeſuchen/ damit ſie nicht vor unhoͤflich gehalten wuͤrde; Madates und Andrago-
ras Gemahlen haͤtten eben dieſen Unfal erlebet/ und waͤhren überdaß noch in Feindes Haͤn-
den; ja ſie alle miteinander haͤtten dieſe Gefahr ſtehen muͤſſen/ und waͤhre bloß dem Gluͤk
zuzuſchreiben/ daß ihre Gemahlen das Leben davon gebracht. Hiedurch ward ſie in etwas
getroͤſtet/ und ließ ſich auffſprechen mit hinzugehen nach dem Zelte/ woſelbſt die Parthi-
ſchen Frauen ſich bey den Gefangenen auffhielten. Atoſſa meidete den Ort mit fleiß/ wo
Surinas ſaß/ wolte ihn auch weder grüſſen noch anſehen/ da hingegen er die ehmahligen
Flammen in ſeinem Herzen viel hefftiger als die Wunden am Leibe empfand/ und ſahen
ſeine Augen auff nichts/ als dieſer ihre Schoͤnheit; dann ſein Gemahl Anutis wahr ihm
vor 16 Wochen in der Geburtsweh mit Tode abgangen/ weil ſie einen ſehr ſchweren Fall
getahn/ daß die Frucht bey ihr umbkommen/ und ſie des dritten Tages hernach auch fort
muſte. Valiſka hatte ihr abſonderliches Geſpraͤch mit der ſchoͤnen Pantheen/ und ihrem
Gemahl Fürſt Oſazes/ erzaͤhlete ihnen ihr Ungluͤk/ und was geſtalt ſie von dreien Parthi-
ſchen Raͤubern aus Italien hinweg gefuͤhret waͤhre; baht auch/ ſie moͤchten an ihrem Or-
te dem Koͤnige die unbefugte Liebe aus dem Sinne reden/ deren Bagophanes noch
heut meldung tuhn/ und ſie in das Lager einfodern duͤrffen. Pharabazus ließ ſeine ankunft
durch einen Trometer von ferne melden/ daher ihm eine zimliche Schaar entgegen ge-
ſchikt ward/ mit denen er ankam/ und von den unſern froͤlich empfangen ward. Er liefer-
te der Groß Fuͤrſtin in gegenwart des gefangenen Frauenzim̃ers die uͤbergeſchikten Klei-
not und Ringe/ und ruͤhmete/ daß Vologeſes ihrer Wunden ſich getraͤulich angenom̃en
haͤtte. Gallus inſonderheit meldete Herkules den Gruß von Pakorus an/ der ihn warnen
ließ/ ſich nicht allen zuvertrauen/ die aus Parthen ſich gegen ihn freundlich ſtelletẽ; Welt-
betrieger ſucheten verdienſt/ und Boßheit lieſſe ſich durch Geld erkaͤuffen. Woraus er
dann ſein ehrliebendes Gemuͤht ſatſam ſpuͤrete. Unſere Helden hatten ſich ſchon vergli-
chen/ weſſen ſie mit den Gefangenen auff der unſern freiſtellung ſich verhalten wolten/ und
redete anfangs Valiſka das Frauenzimmer alſo an: Durchleuchtige Fuͤrſtin Panthea/
und allerſeits geliebte anweſende Frauen/ Jungfrauen und Freundinnen; Es iſt meines
hochgeliebten Herrn Bruders Koͤniges Ladiſla meynung nicht geweſen/ ſie als Gefange-
ne abzulangen/ ſondern weil ſeine Liebe merkete/ daß es uͤber und uͤbergehen wuͤrde/ hat er
eures Schutzes ſich annehmen wollen/ damit ſie nicht in etlicher frevelmuͤhtigen Haͤnde
fallen und einigen Schimpff oder Schande einnehmen moͤchten/ welches in der Taht zu-
erweiſen/ er euch allen und jeden ungemaͤſſene Freiheit zuſtellet/ zu reiſen wohin ſie geluͤſtet/
worzu ihnen Elefanten/ welche wieder eingeſchicket werden muͤſſen/ ſollen gegeben werden.
Ich erfreue mich/ daß ich in ihre Kundſchafft gerahten bin/ und bitte ſie alle miteinander/
dahin arbeiten zuhelffen/ daß euer Koͤnig ſich verheirahte/ und auff mich nicht weiter ge-
rdenke/
[130]Fuͤnftes Buch.
denke/ weil alle ſeine Anſchlaͤge/ mich zuerlangen/ vergebens und umbſonſt ſind; nur dieſes
haͤnge ich hinan/ daß allen von Artabanus Frauenzimmer ich Freyheit gebe/ hinweg zuzi-
hen/ oder bey mir zuverbleiben/ welche ich nach ſtandes gebuͤhr unterhalten/ und ſie den ih-
ren/ wo ſie es begehren/ wieder zuſtellen wil. Fuͤrſtin Panthea bedankete ſich in ihrer aller
Nahmen/ und gab dieſe Antwort: Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin; wir haben bißher den
Ruhm ihrer unvergleichlichen wunder-Schoͤne hin und wieder gehoͤret/ davon unſere
Augen tauſendfach mehr/ als vorhin die Ohren eingenommen; aber ihre hohe Tugend
und Freundligkeit iſt uns vor dieſem nicht recht vorgetragen/ welche zu preiſen/ wir die
Zeit unſers Lebens wollen eingedenke ſeyn. Wir bedanken uns der recht Koͤnigl. Vorſor-
ge/ welche der Großmaͤchtige Koͤnig/ ihrer Durchl. Herꝛ Bruder vor uns und unſere Ehr
getragen/ welches zuerkeñen wir ſchuldig ſind/ und wird das anweſende Parthiſche Frau-
enzimmer die angebohtene Gnade nit verabſeumen; ich aber vor mein Haͤupt bitte dienſt-
lich/ mir zuverſtatten/ daß meinem Gemahl ich in ſeiner Schwacheit Geſelſchafft und auf-
wartung leiſten moͤge. Herkules trat auch auff/ und hielt folgende Rede an die gefangene
Herren: Durchleuchtiger Fuͤrſt und wolgebohrne Herren und Freunde; demnach der
Großmaͤchtige Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſt/ Herr Artaxerxes/ wieder ihrer keinen abſon-
derliche Feindſchaft traͤget/ auch keinen beleidigungs/ ſondern Schuzkrieg fuͤhret/ ſich vor
unbillicher Gewalt des Parther Koͤniges Artabanus zu handhaben; als iſt ſeine Durchl.
nicht geſonnen/ ihnen einigen mißfallen zuerzeigen; wie er ſie dann nicht als Gefangene/
ſondern als Freunde angenommen hat/ wovor er ſie auch Zeit ſeines Lebens/ da ſie es nur
zulaſſen koͤnnen/ halten und ehren wil. Vor dißmahl ſtellet er ihnen frey/ zu bleiben oder hin
zuzihen/ wie es ihnen am liebſten ſein wird; erklaͤret ſich daneben/ den Parthiſchen Reichs-
Fuͤrſten allen moͤglichen guten willen zuerzeigen/ uñ ihre Landſchafften keines weges durch
uͤberzuͤge zubeleidigen/ da ſie nur einen Schuzbrieff von ihm begehren/ welcher ihnen we-
der an ihren Rechten noch Freyheiten keines weges ſchaͤdlich ſeyn ſol. Mein Bruder/ Koͤ-
nig Ladiſla/ und ich vor meine wenigkeit/ ſtellen uns im gleichen allen auffrichtigen Parthi-
ſchen Fuͤrſten und Herren zu Dienſte und Freundſchaft/ als welche wir viel zu redlich hal-
ten/ daß ſie ihres Koͤniges Vorhaben/ mir mein herzgeliebtes Gemahl zu rauben/ billichen
ſolten. Oſazes gab hier auff zur Antwort: Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ unuͤberwindli-
cher Held; wir bedanken uns ſamt und ſonders vor die uns zugeſtellete Freyheit und an-
gebohtene gnaͤdige und guͤnſtige Freundſchaft/ moͤchten wuͤnſchen/ daß mein geliebter bruͤ-
derlicher Freund/ Groß Fuͤrſt Artaxerxes mit meinem allergnaͤdigſten Koͤnige moͤchte
verglichen/ und dieſer hoͤchſtſchaͤdliche innerliche Zwieſpalt (welcher den aͤuſſerlichen Fein-
den Tuͤhr und Tohr zu unſerm Verderben auffſperren wird) auffgehoben ſeyn/ worbey
ich dz meine nach moͤgligkeit gerne leiſten wil. Sonſten wird wol unſer keiner rahten noch
gutheiſſen/ daß eurer Durchl. ihr herzgeliebtes Gemahl ſolte abgeſpenſtiget werden; muͤ-
ſte mir auch von grund meiner Seele leid ſeyn/ daß zu dem Ende ich und andere redliche
Parther ein Schwert ſolten entbloͤſſet haben/ vielmehr werde ich nebeſt andern dahin ſe-
hen/ daß eure Durchl. deßwegen unangefochten bleibe. Herkules bedankete ſich des erbie-
tens/ baht neben Ladiſla/ Fuͤrſt Vologeſes/ Pakorus/ Vonones und Karthaſis zu gruͤſſen;
und nam Valiſka drey koͤſtliche Ringe und Kleinot/ ſtellete ſie Fuͤrſtin Panthea zu/ mit
bitte/
[131]Fuͤnftes Buch.
bitte/ dieſelben den dreyen weggeſchiedenen Fuͤrſtinnen nebeſt anmeldung ihres Schweſ-
terlichen Gruſſes einzuhaͤndigen/ und daß ſie dabey ihrer Freundſchaft allemahl eingeden-
ke ſeyn wolten; gab ihr hernach ein gleichmaͤſſiges/ umbfing ſie mit einem freundlichen
Kuſſe/ und ließ ſie mit ihrem Gemahl und dem Frauenzimmer hinzihen/ deren aber 25 des
Koͤniglichen Zimmers bey ihr blieben/ ſo annoch mehrenteils unberuͤhret wahren/ und
nicht wieder nach Artabanus begehreten. Mithridates wahr ſo ſchwach/ daß die Aerzte
vor gut anſahen/ daß er bliebe/ damit die gefaͤhrliche Ruͤckenwunde ſich nicht loßgaͤbe/ wel-
ches ihm den Tod verurſachen wuͤrde/ deßwegen blieb ſeine verlobete Braut/ Frl. Tari-
nea/ Surinas Schweſter bey ihm/ und nahm Surinas daher Gelegenheit und Urſach
bey ihm zuverharren/ wie er dann gar ſchwach wahr/ wegen vieles vergoſſenen Blutes; er
ging aber eigentlich mit den Gedanken umb/ ſeine alte Liebe auffs neue fortzuſetzen. Die
Gefangene wahren im Parthiſchen Lager ſehr wilkommen/ und meldeten an/ Herkules
und Ladiſla haͤtten befohlen/ daß alle Voͤlker ſich fruͤhzeitig zur Ruhe begeben ſolten/ wel-
ches auſſer zweiffel nicht umbſonſt geſchaͤhe; waͤhre demnach ihr Raht/ daß man dieſe
Nacht davon ginge/ biß man den engen Durchzug hinter ſich gelegt und beſezt haͤtte/ da-
mit nicht Morgen fruͤh das Lager mit Perſiſchen Bauren und Soldaten belagert/ zur al-
gemeinen uͤbergabe aus mangel der Speiſe/ gezwungen wuͤrde. Vologeſes taht ihnen zu
wiſſen/ er haͤtte an die naͤhſt gelegenen oͤrter umb Volk und Speiſe geſchicket/ fürchtete a-
ber/ daß wegen erlittener Niderlage ſie nicht ſo gar eilig ſeyn wuͤrden/ ſich einzuſtellen. Es
kam ihnen zu gute/ daß ſechs Parthiſche Reuter ſich von den Perſen heimlich loßgemacht
hatten/ und im Lager ankahmen/ deren einen Vologeſes zu ſich foderte/ und ihm einſtecke-
te/ weſſen er ſich gegen den Koͤnig verhalten ſolte; ging wieder von ihm/ und ließ den Reu-
ter in des Koͤnigs Zelt gehen/ der alſo anfing: Allergnaͤdigſter Koͤnig; nachdem mir das
Gluͤk meine Bande zureiſſen helffen/ und ich aus meiner Huͤter Geſpraͤch vernommen/
daß Artaxerxes alle nahe angrenzende Perſen mit Sturmzeug und Gewehr zuerſcheinen/
gleich nach der Schlacht auffgefodert/ daneben im ganzen Heer/ welches ſich faſt an die
200000 Mann erſtrecket/ außruffen laſſen/ daß ein jeder eine Stunde vor Tage gefaſſet
ſeyn ſolte; als hat meine Schuldigkeit erfodert/ ihrer Koͤnigl. Hocheit ſolches untertaͤh-
nigſt zuberichten/ inſonderheit/ wann des Feindes Vorgeben/ daß die unſern keine Mahl-
zeit Brod mehr haͤtten/ wahr ſeyn ſolte. Artabanus entſetzete ſich hierüber ungleich mehr/
als wann Vologeſes ihm ſolches angezeigt haͤtte/ welchen er alsbald fodern ließ/ und mit
ihm verabſcheidete/ dz man die annoch uͤbrigen Wagen und ledigen Pferde mit den beſten
Sachen beladen/ und den Auffbruch nach verlauff einer Stunde vornehmen ſolte; wel-
ches im Lager mit ſanffter Stimme außgeruffen ward; damit aber die unſern ſolches nit
merketen/ ließ er außwendig des Lagers viel Feuer machen/ und eine zimliche Menge zu
Roſſe dabey halten; welches Herkules bald erfuhr/ und mit den andern in die Gedanken
geriet/ es wuͤrde ein Parthiſcher Entſaz verhanden ſeyn/ dem ſolches Feur zum Zeichen
ihres richtigen Weges dienen ſolte. So bald die gefangene Feld Herrn von Herkules ab-
ſcheid genommen hatten/ ging er mit den uͤbrigen Chriſten in ein abſonderliches Zelt/ wo-
ſelbſt ſie eine herzliche Dankſagung zu Gott hieltẽ/ uñ aus dem 15 Cap. des andern Buchs
Moſe dieſe Wort von dem Chriſtlichen Lehrer/ den ſie von Ekbatana gefodert hatten/ auß-
legen lieſſen.


r ijHErꝛ
[132]Fuͤnftes Buch.

HErr deine rechte Hand tuht groß Wunder. HErr deine rechte Hand hat die Feinde zuſchla-
gen/ und mit deiner groſſen Herrligkeit haſtu deine Widerwertigen geſtuͤrzet; Dann da du deinen
Grim auslieſſeſt/ verzehrete er ſie wie Stoppeln.


Sie ſungen auch ihre gewoͤhnliche Danklieder/ und unter denen/ welches Valiſka nach
geſchehener ihrer Erloͤſung des vorigen Abends gemacht hatte/ als Bagophanes Voͤlker
geſchlagen wurden/ und lautet alſo:


1. OGroſſer Gott/ du Schuz der kleinẽ Schaar/

Du Troſt in Angſt/ du Retter aus Gefahr!

Wie haſtu mich ſo gnaͤdig ausgefuͤhret?

Den Feind gedaͤmpfft/ die Wiederwertigkeit

Gebrochen/ daß die ganze Lebenszeit

Ich deine Huͤlff’ und ſuͤſſes Heil geſpuͤret.

2. Kein Menſch kan dein Erbarmen recht verſtehn/

Den Gnaden Strohm ſiht man hoch uͤbergehn/

Kein Ufer mag ihn faſſen noch einſchlieſſen;

Dein Vaterherz blizt in der Liebesbrunſt/

Die helle Flamm iſt gar ohn Rauch und Dunſt/

Viel mehr noch als wir meynen oder wiſſen.

3. Ihr Frommen hoͤrt/ ich wil aus tieffſter Bruſt/

Als viel mir in der Schwacheit iſt bewuſt/

Die Gottes-Gunſt/ mir angelegt/ erzaͤhlen.

Ich war ohn Gott/ ohn Troſt/ verwaͤgen/ blind/

Unglaubens voll/ der Hellen Erb’ und Kind;

So gar wil ich mein ſchlimmes nicht verhehlen.

4. Ich fiel in Noht/ in Angſt/ in Raͤubers-Hand/

Das Unglük ſelbſt wahr uͤber mich entbrant/

Muſt uͤber Land und Meer mich ſchleppen laſſen;

Der Wuͤter ich ſtund meiner Ehre nach/

Da duldet’ ich viel Leid und ungemach/

Und fing ſchon an mein Leben felbſt zu haſſen.

5. Aus dieſer Angſt reiß mich ein Augenblik;

Jezt bin ich frey und ſpuͤre lauter Gluͤk/

So gar muß mir in allem Tuhn gelingen;

Gott hat mir ſein Erkaͤntnis beygebracht;

Jezt bin ich Licht/ vor wahr ich finſtre Nacht/

Solt’ ich dann nicht dich/ O mein Gott/ beſingẽ?

6. Nun hilff mein Hort/ und fuͤhre gluͤklich aus

Dein Gnaden Werk/ geleite mich nach Haus/

Laß mich nicht mehr in gleiche Noht gerahten;

Laß meinen Mund zu deinem Preiß und Ruhm

Stets offen ſeyn/ und daß mein Chriſtentuhm

Sich uͤben moͤg’ in Zucht und Liebes Tahten.

Vor des Tages Anbruch ward Phraortes und Klodius mit 8000 wolberittenen aus-
geſchikt/ des Feindes Vorhaben zu erkuͤndigen/ und wo moͤglich/ etliche Gefangene einzu-
bringen. Unterdeſſen machte ſich Herkules mit dem Heer gefaſſet/ das Lager zuſtuͤrmen/
und wo moͤglich/ Artabanus zufahen/ deſſen Artaxerxes ſich hoch freuete/ und nur dieſes
beklagete/ daß er wegen ſeiner Fußwunde nicht mit anlauffen koͤnte; Aber ihnen ward die-
ſer Anſchlag bald benommen/ maſſen Phraortes einen geſchwinden Reuter zuruͤk ſendete/
mit Bericht/ er haͤtte nur etliche groſſe Zelten vol hart verwundete im Lager funden/ wel-
che berichteten/ Artabanus haͤtte bey ſpaͤtem Abend den algemeinen Auffbruch ankuͤndigẽ
laſſen/ welcher ſich wegen Verhinderung uͤber die angeſezte Stunde verweilet/ biß von et-
lichen Schildwachten die Zeitung gebracht worden/ der Feind kaͤhme nicht allein von for-
nen her/ ſondern auch von beyden Seiten mit einer unglaͤublichen Menge Voͤlker und al-
lerhand Sturmzeuge. Worauff man alles haͤtte liegen laſſen/ die Pferde von den belade-
nen Wagen abgeſtrikt/ und damit fortgejaget; und fuͤnde man in etlichen Zelten die Spei-
ſen und Silbergeſchir auff den Tiſchen/ und die Meſſer im Brod ſtecken/ woraus ihre Eile
und Schrecken zuerkennen. Phraortes erhielte das Lager ungeplündert/ und begehrete zu
wiſſen/ weſſen er ſich weiter zu bezeigen. Herkules ſagte hierauff: Er hoffete/ daß ſichs alſo
verhalten wuͤrde/ angeſehen der groſſen Furcht/ welche Gott auff die Feinde fallen laſſen;
jedoch/ damit nichts verwarloſet wuͤrde/ ſolte Phraortes 3000 Reuter uͤberall zuſtreuet
ausrennen laſſen/ umb zuforſchen/ ob etwa der Feind ſich an einem Orte verborgen hielte/
aus
[133]Fuͤnftes Buch.
aus Hoffnung/ die unſern unter der algemeinen Plünderung zu uͤberfallen. Aber nach
Verlauff zwo Stunden kam einhellige Zeitung/ es waͤhre ganz ſicher/ und der Feind in ſol-
cher Angſt und Eile davon gelauffen/ daß er ſchon über ſechs Meilen wuͤrde fortgangen
ſeyn. Als dieſes bey dem Heer ausgeruffen ward/ entſtund eine ſolche Freude bey jeder-
man/ daß ſie alle ihrer Wunden vergaſſen/ die Pferde an den Füſſen ſeileten/ und uͤberall
rieffen/ man muͤſte nun die Pluͤnderung laͤnger nicht auffſchieben; welche ihnen dann ger-
ne gegoͤnnet ward/ doch alſo/ daß ſie ſchwoͤren muſten/ alle gefundene Baarſchafften und
Geſchmeide getraͤulich herbey zubringen/ welches unter geſunde und ungeſunde ſolte ge-
buͤhrlich verteilet werden. Hierauff gingen die Voͤlker loß/ und zwar anfangs die Reuter/
welche von der erſten Tages-Schlacht uͤbrig wahren/ hinter ſich nach der erſten Wahlſtat/
da ſie mit Entwapnung der Erſchlagenen etliche Stunden zubrachten/ deren viel ſehr koͤſt-
liche Kleider anhatten/ die aber durch die groſſe Menge Bluts faſt verderbet wahren/ wel-
ches an etlichen Orten/ ungeachtet des ergangenen Regens/ einer guten quehr Hand hoch
uͤber der Erden ſtund. Da ward Freund und Feind gleich gehalten; nur daß die erſchla-
gene Teutſchen/ Boͤhmen und Roͤmer nebeſt anderen vornehmen Befehlichshabern/ in ih-
rem Harniſche/ und ungepluͤndert/ aus geſucht und hingelegt wurden. Auf den Elefanten/
welche Ladiſla bey dem Frauenzimmer ertappete/ funden ſich 30 Toñen Goldes an Baar-
ſchafft/ welche in Artaxerxes Zelt nidergelegt wurden. Auff den Kamelen wahren lauter
Pfeile und Gewehr; auff den Wagen und Maul Eſeln mehrenteils Speiſen und Kleideꝛ/
dabey etliche tauſend Fuder Wein. Im Parthiſchen Lager aber war ein unſaͤgliches Gut
verhanden/ von Zelten/ Kleidern/ Speiſen/ Waffen/ Tiſchgeſchir/ Pferdeſchmuk und Ele-
fanten Zierraht/ auch 120 Tonnen Goldes an gemuͤnzetem Golde und Kleinoten/ welches
alles nach dem Perſiſchen Lager gefuͤhret ward. Die Waffen von der Wahlſtat wurden
gleicher weiſe Artaxerxes geliefert. Aus der erſten Tages Schlacht hattẽ ſie 120000 Pfer-
de von erſchlagenen Feinden und Freunden; aus der andern aber 156000 Pferde/ alle mit
guten Satteln und Zeuge wol verſehen/ und ob deren gleich 35000 verwundet wahren/
wurden ſie doch faſt alle geheilet. Nachdem die Beute von der erſten Wahlſtat zuſammen
gelegt wahr/ machte das ganze Heer ſich nach der anderen/ und trugen alles getraͤulich zu-
ſammen/ da ſie von Feinden und Freunden an Baarſchafft in die 80. Tonnen Goldes; und
an Ringen/ Ketten/ Armbaͤndern und anderen Kleinoten in die 40 Tonnen Goldes fun-
den. Da machte nun Artaxerxes ſolche Teilung/ daß die Teutſchen/ Roͤmer und Boͤhmen
den vierden Teil aller dieſer Beute empfingen/ auch aus den gemeinen Reitpferden 69000
vor ſich auszuſuchen die Wahl hatten/ deren keines mit ſeinem Zubehoͤr unter 100 Kronẽ
geſchaͤtzet ward/ und durch die Bank hin 70 Tonnen Goldes und druͤber wert wahren.
Wedekind und ſeine beyde Geſellen hatten ihre abſonderliche acht Gefangene (die von den
unſern nicht ſonderlich geehret wurden) kurz nach Pakorus Abzug frey gegeben/ weil die-
ſer 60000 Kronen vor ſie ausſagete/ und bekahmen dieſe drey Teutſchen von der gemeinen
Beute vorab 36000 Kronen und 36 koͤſtliche Pferde/ worzu Artaxerxes ihnen wegen ih-
res wolverhaltens noch 60000 Kronen ſchenkete. Leches/ Neda/ Klodius und Markus
wolten nicht teil haben an der gemeinen Beute/ ohn daß ein jeder eine Kette/ ein par Arm-
baͤnder/ einen Ring/ und eine Hand voll Kronen davon zum Gedaͤchtniß nam/ wiewol ſie
r iijdie
[134]Fuͤnftes Buch.
die ihnen angebohtenen 200 Pferde nicht ausſchlugen/ ſondern gleich unter ſich teileten.
Prinſla aber und Gallus/ wie auch der Roͤmer Autronius bekahmen jeder 30 Handpfer-
de/ 20 Ringe/ vier par Armbaͤnder/ zwo güldene Ketten/ uñ 50000 Kronen an Baarſchaft.
Die Beute aus dem Parthiſchen Lager an Geld/ Kleinoten/ Elefanten/ Kamelen/ Maul-
Eſeln/ Wagen und Wagenpferden/ Wein/ Speiſen/ Korn/ Kleidern/ Zelten und Waffen
von der Wahlſtat/ und die auff den Kamelen geladen wahren/ trug uͤber 400 Tonnen
Schatz aus/ und machte Artaxerxes die Teilung/ daß Herkules und Ladiſla die eine; Er/
Phraortes/ Fabius und Pharnabazus die andere Halbſcheid haben ſolten/ weil aber unſe-
re Helden davon nichts hoͤren wolten/ nam ers alles mit einem Lachen zu ſich/ und ſagte:
Ich merke wol/ daß Euren Liebden ichs in Verwahrung biß auff ihren gluͤklichen Abzug
nehmen ſol. Nach gehaltener Pluͤnderung trat Phraortes unter dem ganzen Heer auff/
und hielt eine treffliche Lobrede unſern Helden zu ehren/ denen er den Sieg ausdruͤklich zu-
legte/ und nicht ſcheuhete zu bekennen/ die Goͤtter haͤtten ſie zu ihrer Wolfahrt hergeſand/
ſonſt waͤhre ihnen unmoͤglich geweſen/ die groſſe Gewalt der Feinde zu daͤmpffen. Wede-
kinds ruͤhmliche Taht und anderer Wolverhalten ward auch nicht vergeſſen. Endlich
rühmete er des ganzen Heers Tapfferkeit/ und preiſete dieſelben gluͤkſelig/ welche vor das
Vaterland ihr Leben willig auffgeopffert hatten. Den erſchlagenen Teutſchen/ Boͤhmen
und Roͤmern hielt man eine ſonderliche Leichbegaͤngniß/ und wurden ſie in ihrem Harniſch
auff der Wahlſtat begraben. Den vier Roͤmiſchen/ dreyen Boͤhmiſchen und zween Teut-
ſchen erſchlagenen Ritmeiſtern aber richteten ſie ſtatliche Gedaͤchtniß-Steine auff. Vor
ihrem Abzuge hielten ſie Kriegsraht/ wie mans anſchlagen ſolte; aber ungeachtet etliche
davor hielten/ man muͤſte etliche Tagereiſen in Feindes Land ſtreiffen/ und mit Feuer und
Schwert Rache uͤben/ ſo ward doch Herkules Meynung vor beſt gehaltẽ/ der aus wichtigẽ
Gruͤnden anzeigete/ man wuͤrde in der naͤhe weder Menſchẽ noch Vieh antreffen/ uñ waͤre
Artaxerxes nichts damit gedienet/ daß man das Land verwuͤſtete/ uͤber welches er in kurzem
ſelbſt gedaͤchte ein Herr zuſeyn/ und es faſt ſchon erſtritten haͤtte; macheten ſich deswegen
zum Auffbruch fertig/ und gingen des vierden Tages nach gehaltener Schlacht wieder
nach Perſepolis.


Der verliebete Surinas empfand unter den Zelten wenig troſtes/ dann er betrach-
tete vor erſt/ daß er Fr. Atoſſen Ehegemahl ſelbſt erſchlagen/ und ihre Wunde noch ſehr
friſch waͤhre; aber das aͤrgeſte/ daß ſeyn voriges Gemahl ihn ſo unwerd und verhaſſet bey
ihr gemacht hatte/ wahr ihm noch verborgen. Frl. Tarinea ſeine Schweſter/ ein uͤberaus
verſchlagenes Taußes/ merkete/ daß er mehr leiden im Gemuͤht als an der Leibes-Wunde
befand. Er wahr zwar ihres Braͤutigams Mithridates guter Freund/ aber ſolche nahe
vertrauligkeit hatte er nicht mit ihm/ daß er ſeinetwegen unter Feindes Hand gefangen
bleiben ſolte/ da er ihm ja nichts helffen kunte; ſchloß deßwegen/ ihn muͤſte gewißlich eine
andere Urſach auffhalten/ welches heraus zulocken/ ſie ihn alſo anredete: Herzgeliebeter
Bruder/ warumb biſtu nicht mit der Geſelſchaft nach dem Koͤnige gereiſet/ da dirs frey
geſtellet ward? Ich ſehe zwar/ daß du an deinen Wunden hart darnider liegeſt/ aber behuͤ-
ten dich die Goͤtter/ daß du nicht eine groͤſſere gemuͤhtes Krankheit habeſt/ als dieſe iſt.
Zwar daß mit deinem Herzen es nicht recht beſchaffen ſey/ habe ich dir eigentlich abge-
merket/
[135]Fuͤnftes Buch.
merket/ daß ich daran im geringſten nicht zweiffele/ es druͤcke dich ein heftiges Anliegen;
dann was wuͤrde die ſtarken Seufzer ſonſt aus deiner Seele hervor zihen? Nur allein ver-
birge dich nicht vor mir/ und biß verſichert/ daß ich alle moͤgligkeit anwenden werde/ dir zu
dienen/ und deinen Wunſch ins Werk zu richten/ wann nur deine Augen ſich nicht an dem
vergaffet haben was allerdinge unmoͤglich iſt/ und der groſſe Artabanus ſelbſt nicht er-
ſtreiten kan/ wie ich dann ſolcher Tohrheit mich bey dir nicht vermuhten wil. Geliebte
Schweſter/ antwortete er/ ich geſtehe dir gerne/ daß mich ein hefftiges Anliegen drücket/
und ich ungleich zuſchlagener bin im Gemuͤt als am Leibe; aber deine Gedanken lege nur
von dir/ daß du meineſt mir koͤnne geholffen werden; wiewol du ſehr irreſt/ daß ich gegen
eine mich ſolte verliebet befinden/ die in der Ehe lebet. Irre ich in dem/ ſagte ſie/ ſo wil ich
dir noch wol huͤlffe zuſagen/ wie ſchwer dichs gleich duͤnken mag/ wañ du mir nur deines
Herzen Laſt ungeſcheuhet offenbahreſt. Ach meine Herzen Schweſter/ wiederantwortete
er/ weiſtu meine alte Liebe noch wol/ damit du mich pflegteſt auffzuzihen/ ich haͤtte nach der
Jungfer gefreiet/ und die Auffwaͤrterin bekommen? Fehlet dir ſonſt nichts als dieſes/ ſag-
te ſie/ ſo ſtelle es in meine Hand; iſt ſie dir dann nicht Jungfer beſcheret geweſen/ ſol ſie
Wittib dir nicht entſtehen. O wann du mich ſo hoch beſeligen koͤnteſt/ ſagte er/ wuͤſte ichs
nimmermehr zuvergelten; aber bedenkeſtu nicht/ daß ich Artobarzanes erſchlagen/ und
der morgende Tag zum Auffbruche beſtimmet iſt? Was dann mehr? ſagte ſie/ der ſtaͤrke-
ſte iſt der beſte; ſo jaget dich auch kein Menſch von Mithridates hinweg/ der ſich in einer
Saͤnfte in die naͤheſte Perſiſche Grenzeſtat/ oder wol gar biß gen Perſepolis mit tragen
laſſen ſol; tuht ers aber nicht/ ſo laß ihn zihen/ ich wil bey dir bleiben/ biß ich dich vergnuͤ-
get habe. Sie ging darauff hin nach dem Frauenzimmer/ weil ſie mit Fuͤrſtin Barſene
gute Kundſchafft gemacht hatte/ und ſuchte Gelegenheit/ mit Fr. Atoſſen allein zureden/
die in ihrer Traurigkeit noch immer fort fuhr. Als ihr nun das Glük alles nach Wunſch
fuͤgete/ grüſſete ſie dieſelbe von ihrem Braͤutigam Mithridates/ der ihr befohlen haͤtte/ ſie in
ihrem ſchweren Ungluk zutroͤſten; Hernach beklagete ſie ihren Bruder Surinas/ daß der-
ſelbe weder Speiſe genieſſen/ noch ſeine Wunden verbinden laſſen wolte/ ſo hefftig graͤme-
te er ſich/ daß er ihren Liebſten ganz unwiſſend erlegt haͤtte/ vor welchen er doch wegen der
nahen Schwaͤgerſchafft zuſterben/ ſich nicht haͤtte wegern wollen; aber am unertraͤglich-
ſten waͤhre es ihm/ daß er vernehmen muͤſte/ wie ſie uͤber ihres Gemahls Tod ſich ſo gar nit
wolte troͤſten laſſen; Dieſes/ dieſes/ ſagte ſie/ wird ihm die Seele verzehren/ dz er Euer Liebe
Traurigkeit urſach ſeyn ſol/ die er von erſter Kundſchaft her noch ſtets uñ ungeendert gelie-
bet/ und vor ſeines Hertzen Schoͤnſte gehalten hat. Atoſſa hoͤrete ihrẽ Reden zu biß an dieſe
Worte/ über welche ſie ungeduldig ward/ und alſo antwortete: Ich haͤtte es zwar endlich
der guten Geduld befohlen/ Frl. Tarinca/ daß eures Bruders Schwert mich deſſen be-
raubet hat/ der mich/ ſo lange er mich gekennet/ von herzen hat geliebet und gemeynet; aber
daß euer Bruder mich noch darzu auffzeuhet/ als haͤtte er mich ſtets und unverruͤkt geeh-
ret/ und vor ſeines Herzens Freundin/ ja ſchoͤnſte gehalten/ ſolches ſchneidet mir das Herz
durch/ und gibt eures Bruders boßhafftige und ſchnoͤde Falſcheit gnug an den Tag. Ta-
rinea erſeuffzete der Reden/ welche ſie aus dem innerſten ihrer Seele ſahe hervor brechen/
wuſte nicht/ worauff ſie gerichtet wahren/ und was Surinas ihr moͤchte leides zugefuͤget
haben;
[136]Fuͤnftes Buch.
haben; gab doch darauff dieſe Antwort: Die Goͤtter waͤhren ihre Zeugen/ daß ſie auf ſol-
che Meynung nicht ausgangen/ Ihre Liebe auffzuziehen/ ſo wenig als ihr Bruder ſelbſt/
der vielleicht unſchuldig bey ihr koͤnte angegoſſen ſeyn/ darumb er doch nicht das geringſte
wuͤſte; wolte auch nicht unterlaſſen/ ihm ſolches vorzutragen/ nicht zweifelnd/ er wuͤrde ſei-
ne Unſchuld wol darzulegen haben. Er mag ſie darlegen/ wem er wil/ ſagte ſie/ ich habe ſei-
ner Falſcheit Zeugniß gnug; zwar ſo viel geſtehe ich/ daß ich mein Verſprechen ihm nicht
gehalten/ aber auch nicht gekunt habe/ ſondern durch aͤuſſerſten Zwang von ihm geriſſen
bin; ſolte er aber mir deswegen ſo groſſen Schimpff bewieſen haben? O ihr Goͤtter/ ſtraf-
fet den leichtfertigen Veraͤchter/ und laſſet ſo unbillichen Hochmuht nicht frey durchlauf-
fen. Hiemit wolte ſie hinweg gehen/ aber Frl. Tarinea baht/ ſie nur noch eins unbeſchwe-
ret zu hoͤren. Ja/ ſagte ſie/ ſo lange es euch gefaͤllet/ leiſte ich euch gerne Geſelſchafft/ wann
ihr mir nur von eurem ſtolzen Bruder nicht ſaget. Was Eure Liebe mir gebeut/ antwor-
tete ſie/ wil ich gerne gehorſamen/ aber ich bitte nur allein/ mir zumelden/ wodurch mein
Bruder/ das neulichſte Ungluͤk ausgeſchloſſen/ verdienet/ daß er vor einen boßhafften fal-
ſchen Veraͤchter geſcholten wird. Geliebte Freundin/ ſagte ſie/ dieſe Erzaͤhlung wuͤrde mir
viel zu ſchmerzlich/ und euch vielleicht ſelbſt verdrießlich ſeyn; Er kans Euer Liebe ſelbſt wol
ſagen/ was er bey meiner ſeel. Waſen mir zuentbohten und wieder eingeſchicket/ ja nit goͤn-
nen wollen/ daß dieſelbe mich ein einziges mahl nach ihrer Heyraht beſuchen duͤrffen. Ach
ihr Goͤtter/ gab jene zur Antwort/ erbarmet euch dieſes Mißverſtandes/ und meines armen
unſchuldigẽ Bruders! Atoſſa fiel ihr in die Rede: ja laſſet uns nu die aͤuſſerſte Beſchimp-
fung/ und veraͤchtlichſten Hohn einen Mißverſtand taͤuffen. Nein Frl. Tarinea/ ſo einfaͤl-
tig bin ich dannoch nicht/ daß ich geſchehene Dinge mir zu Waſſer machen laſſe. Aber wir
ſtehen gar zu lange hier allein/ und wird das beſte ſeyn/ dz wir der Geſelſchafft naͤhern. Das
Fraͤulein nam von ihr Abſcheid/ mit flehlicher Bitte/ ihren Bruder des ſtarken Verdachts
zuerlaſſen/ und ſich zuverſichern/ daß er dieſer Auflage ſich wol und redlich würde entbre-
chen koͤnnen/ dafern ſie nur ſeine Entſchuldigung anzuhoͤren wolte unbeſchweret ſeyn. O
ja/ ſagte ſie/ vielleicht iſt er umb meiner Liebe willen krank. Ja bey dem reineſten Himmel/
fiel ihr das Fraͤulein in die Rede/ iſt er nirgend kraͤnker umb/ als umb euer Liebe. Behuͤte
Gott/ ſagte Atoſſa/ wie koͤnt ihr ſo falſch ſchweren; hat er mir doch alle Kund- und Freund-
ſchafft vor der Fauſt ganz verwaͤgen auffgekündiget/ und dieſes iſt doch noch nicht der groͤ-
ſte Schimpff. Ließ ſie damit hingehen/ und machte ſich zur Fuͤrſtin Barſene/ welche ſie fra-
gete/ was jene mit ihr ſo ernſtlich geredet haͤtte. Sie wolte aber nicht rund aus bekennen/
ſondern gab vor/ Herr Mithridates lieſſe ſie troͤſten/ und zugleich den Taͤhter entſchuldigẽ/
daß er ihren Liebſten ganz unwiſſend erſchlagen haͤtte. Nun wartete Surinas mit ſchmer-
zen auff ſeiner Schweſter Wiederkunft/ bekam aber ſchlechten Troſt von ihr/ da ſie ihn fra-
gete/ was er ehemahls Fr. Atoſſen zuwider gehandelt; ſie waͤhre ſehr ungehalten auff ihn/
umb einer Sache und Beleidigung/ die ihr ungleich weher taͤhte/ als ihres Gemahls Er-
toͤdtung/ gaͤbe auch vor/ er haͤtte ihr vorlaͤngſt alle Freundſchafft auffgekuͤndiget/ und nicht
eins goͤnnen wollen/ daß ſein Gemahl Anutis ſie eins beſuchen duͤrffen/ bey welcher er ihr/
weiß nicht was/ zuentbohten/ und wieder eingeſchicket haͤtte. Ihr Goͤtter/ gab er zur Ant-
wort; ihr wiſſet meine Unſchuld/ und merke ich wol/ meines Lebens werde nicht viel mehr
uͤbrig
[137]Fuͤnftes Buch.
uͤbrig ſeyn. Sie hingegen troͤſtete ihn/ er ſolte ein gut Herz faſſen; waͤhre er ihm nichts un-
gebuͤhrliches bewuſt/ koͤnte noch wol alles gut werden; nach ihrer Meynung aber muͤſte
ſein verſtorbenes Gemahl ihn heftig bey ihr angetragen haben/ ohn zweiffel/ ihn bey ihr
verhaſſet zu machen/ welches zuerfahren/ ſehr noͤhtig ſeyn wuͤrde daß er ſich ſo viel ſtaͤrkete
und ihr ein kleines Brieflein ſchriebe/ in welchem er baͤhte/ ihm die Urſach ihres Zorns an-
zumelden/ uñ des unverdienten Argwohns ihn guͤnſtig zuerlaſſen/ ſie hoffete ihr den Brieff
wol bey zubringen. Surinas wahr hierzu willig und fertig/ und ſetzete folgendes auff.


Hochgebohrne Frau; die willigkeit ihrem Befehl zugehorſamen/ hat bißher meiner Feder
nicht goͤnnen wollen/ ihrer Liebe einigen Buchſtaben zuzuſchreiben/ unter der Hoffnung/ ſie wuͤrde
ihrer guͤnſtigen Zuſage nach/ Gelegenheit machen/ ihre Waſe nunmehr Seel. zubeſuchen/ weil mei-
ne Reiſe zu ihr nach Ekbatana von ihrer Liebe mir ſo hart und ernſtlich verbohten worden; daß ſio
aber ſolches bißdaher nicht geleiſtet/ habe ich dem mißguͤnſtigen Gluͤk zugeſchrieben/ und mich dan-
noch allemahl ihrer Schweſterlichen Hulde/ welche ſie mir/ bey zuruͤkſendung der Schreiben durch
ihre Waſe mein geweſenes Gemahl hoͤchſterfreulich zuentbohten/ getroͤſtet. Ach der ungluͤkſeligen
Stunde/ die mein Schwert wieder den gewendet hat/ welcher eurer Liebe angenehm wahr/ und ich
umb der Urſach willen ihn nicht haſſen kunte/ ungeachtet er mich meines allerwerdeſten Schatzes be-
raubet hat. Dieſer einige Niderſchlag iſt es/ wodurch an eure Liebe ich mich verſuͤndiget. Im uͤbri-
gen ruͤhmet ſich mein Gewiſſen/ das es allemahl und unverruͤcket dahin getrachtet/ euer Liebe zuge-
horſamen/ ſo daß auff ihren Befehl ich mich ſelbſt uͤberwunden/ und ihre Waſe Seel. welche ſie mir
zugeſchikt/ geheirahtet habe. Bitte demnach dienſtlich/ mich des Argwohns einiger Traͤuloſigkeit hoch-
guͤnſtig zuentnehmen/ oder auffs minſte mir anzuzeigen/ was die Urſach ſey/ welche dieſen ſchlimmen
Verdacht in ihrer auffrichtigen Seele zeugen koͤnnen. Bin ich ſchuldig/ ſo laſſen die Goͤtter allen ih-
ren Zorn uͤber mich aus/ und machen mich vor der erbaren Welt zuſchanden; oder auch/ da ich nicht
von Anfang unſer Kundſchafft biß auff dieſe Stunde ſtets geweſen und blieben bin/ auch noch bin
und bleibe/ und biß an mein leztes vielleicht ſchier kuͤnftiges Ende ſeyn und bleiben werde; meiner
hoͤchſt geehrten Freundin Fr. Atoſſen getraͤueſter/ auffrichtigſter und bereitwilligſter Knecht Suri-
nas.


Frl. Tarinea nam das Schreiben zu ſich/ und nach verlauff zwo Stunden ging ſie
wieder hin nach dem Frauenzimmer/ entſchuldigte ſich ihres vielen uͤberlauffens/ und
fragete/ ob der Auffbruch auff beſtimmete Zeit noch vor ſich gehen wuͤrde; und als ſie deſ-
ſen berichtet ward/ klagete ſie/ daß ihr Liebſter ſo gar ſchwach waͤhre/ und alle Aerzte vor un-
moͤglich hielten/ daß er das bewaͤgen ſolte koͤnnen erdulden; weil dann der Weg nach Par-
then ohn zweiffel ſehr unſicher ſeyn duͤrfte/ waͤhre ſie willens bey dem Groß Fuͤrſten unter-
taͤhnigſt anzuhalten/ daß ihrem Liebſten moͤchte vergoͤnnet ſeyn/ bey dem Heer zu bleiben/
und etwa in einer Perſiſchen Stad ſich heilen zu laſſen; baͤhte ſehr/ die Groß Fuͤrſtin Fr.
Saptina moͤchte ihr dieſe erlaͤubnis gnaͤdig zuwege bringen helffen. Dieſe ſagte ihr ſol-
ches willig zu/ wolte auch nicht zweiffeln/ ihr Oheim GFuͤrſt Artaxerxes wuͤrde ſich hierin
keines weges beſchweret befinden. Nachgehends wendete ſich Frl. Tarinea hin zu Fr. A-
toſſen/ und fragete/ ob ihr nicht belieben koͤnte/ ein wenig in die Abend-kuͤhle Lufft zugehen/
und die lange Zeit zuverkuͤrzen; welches ſie ihr nicht abſchlagen wolte/ weil ſie ihr vorge-
nommen hatte/ dem Surinas ſeinen begangenen Frevel rechtſchaffen unter die Naſe rei-
ben zulaſſen/ ehe ſie von hinnen ſchiede. Jene wuſte nicht wol/ wie ſie ihrer Werbung den
Anfang geben ſolte/ klagete ihres Bruders Schwacheit/ und daß ſein einiger Wunſch
ſwaͤhre/
[138]Fuͤnftes Buch.
waͤhre/ er moͤchte von Artobarzanes erſchlagen ſeyn/ weil er leider den Tag erleben muͤſſen/
daß man ihn unerhoͤrter ſache vor traͤuloß und hochmuhtig verdammete/ uñ zwar in dem
Gerichte/ da er allen moͤglichen und untertaͤhnigen Gehorſam erzeiget/ und Sonnen klar
dargeleget haͤtte. Mein Fraͤulein kan ihres frechen Bruders ſache gar artig ſchmuͤcken/
antwortete Atoſſa/ daß wann ich ſo guten Beweißtuhm und Wahrzeichen nicht haͤtte/
duͤrffte ſie ſich unterſtehen/ die ſchwarzen Raben in ſchneweiſſe Schwanen zuverwandeln.
Hochwerte Fr. Schwaͤgerin/ ſagte ſie; wil ſie meinen Worten nicht tranen/ welche doch
redlich und auffrichtig ſind/ ſo laſſe ſie ſich doch gefallen/ dieſes meines Bruders Schrei-
ben zuleſen/ darinnen ſie ohn zweiffel ſeine Unſchuld erſehen wird. Je/ antwortete ſie/ wie
wolte der unbeſcheidene Surinas darzu kommen/ an eine zuſchreiben/ deren er alle Kund-
ſchaft auffgekuͤndiget/ und ſie bißher nicht anders als ſeine vergeſſene geheiſſen/ gerade als
ob ich ihm jemahls Boten geſchicket? oder meinet er etwa/ nach ſeines Gemahls abſter-
ben/ mich zum andernmahle aufs Eiß zu leiten? O nein Frl. Tarinea/ O nein! als er daſ-
ſelbe zubehalten nicht wirdigte/ was er mit vielfaͤltiger Bitte von mir erlanget hatte/ wer-
de ich viel weniger ſeine Schreiben wirdigen/ in die Hand zu nehmen. Und wer wolte
mir rahten/ deſſen Brieffe zu leſen/ der mich noch mit auffruͤckung meiner geringẽ Schoͤn-
heit beſchimpffet; ja der mit ſeinem unbarmherzigen Schwerte mich achzehnjaͤhrige in
den leidigen Witwenſtand geſetzet hat? O du barmherziger Himmel/ fing Tarinea mit
auffgehobenen Haͤnden an/ wie haſtu in einen ſo ſchoͤnen fraͤulichen Leib/ ſo groſſe und heß-
liche unbarmherzigkeit eingieſſen koͤnnen? iſt wol einiger Richter ſo grauſam/ der eines
armen Suͤnders Bitte und Fleheſchrifft mit Fuͤſſen hinweg ſtoſſen ſolte? uñ meine hoch-
werte Fr. Schwegerin tuht ſolches bey dem/ der nur umb bloſſen unerweißlichen Ver-
dachts willen ſich muß vor ſchuldig außſchreihen laſſen? Sie tuhe/ bitte ich/ dem ganzen
weiblichen Geſchlecht ſo groſſen Schimpff nicht an/ daß man ſchier heut oder Morgen
ſagen ſolte; Frau Atoſſa iſt ein Vorbild und Spiegel der weiblichen Unbarmherzigkeit/
welche einen unſchuldigen hat ſterben laſſen/ uñ ſeinen wahrhafftẽ entſchuldigungs Brief
nicht eins anſehen wollen. Dieſes brachte ſie mit ſolcher bewaͤgligkeit vor/ daß Atoſſa ſich
endlich bereden ließ/ das Schreiben anzunehmen; und als ſie es biß an dieſe Worte/ Ach
der ungluͤkſeligen Stunde/ geleſen hatte/ ſagte ſie: wie iſt eurem Bruder/ mein Fraͤulein? ich
gedenke/ das Gehirn werde ihm verruͤcket ſeyn; dann was er hie ſchreibet/ iſt alles mit ein-
ander ein lauteres geticht. Habe ich ihm verbohten/ mir zu ſchreiben? habe ich ihm oder
meiner Seel. Fr. Waſe die Reiſe nach Ekbatana unterſaget? habe ich ihm ſchweſterliche
Liebe laſſen anmelden? ja/ nennet er denn unverſoͤhnlichen Haß alſo/ wil ichs mit glaͤuben.
Aber was vor Schreiben mag ich ihm doch immermehr durch meine Waſe geſendet ha-
ben? dieſelben zeige er mir; die bringe er hervor/ ſo wil ich glaͤuben daß ich lebendig Tod/
und ſehend blind bin. Jene kehrete ſich hieran gar nicht/ ſondern baht/ den Brieff biß zum
Ende durchzuleſen; welches ſie taht/ und das uͤbrige alſo beantwortete: Ich wil ihm vor-
dißmahl ſein Blutgieriges Schwert nicht auffruͤcken; nur dieſes moͤchte ich von Herzen
gerne wiſſen/ wie ein Menſch ſo verwaͤgen ſeyn/ und ſich einer oͤffentlichen Lügen ſo gar nit
ſchaͤmen kan; habe ich ihm meine Waſe zugeſchicket? habe ich ihm befohlen/ ſie zu heirah-
ten? da ich doch mein Pferd ſchon hatte ſatteln laſſen/ von Ekbatana heimlich außzureiſ-
ſen/
[139]Fuͤnftes Buch.
ſen/ und ihm zu folgen/ wann nicht meine Waſe gleich zu mir kommen waͤhre/ und mir an-
gedeutet/ was geſtalt er ſie mit liſtigen Worten von meines Seel. Vaters Schloſſe geloc-
ket/ mit Gewalt zu ſeinem Willen genoͤhtiget/ und mir zu trotze ſie geheirahtet haͤtte. Iſt
daß nicht traͤuloſigkeit genug? weis er noch die Urſach nicht meines billichen Zorns? und
habe noch wol eine wichtigere als eben dieſes. Und wie ſolte ich ihm hievor nicht alles uͤ-
bels goͤnnen? wuͤnſchet er ihm doch aller Goͤtter Zorn und uͤbergehung der Schande an
den Halß/ wozu er vielleicht nicht meynet reiffe gnug zu ſeyn/ biß er etwa mich zum andeꝛn-
mahle moͤchte betrogen haben. Hier ließ nun Tarinea ihre Traͤhnen haͤuffig ſchieſſen/ uñ
gab mit Seufzen und Weinen zur Antwort: Nun nun mein herzlieber Bruder/ ich be-
klage nicht ſo ſehr deinen Tod/ der bald folgen wird/ als daß du in deiner reinen Unſchuld
als ein tauſendſchuldiger ſterben muſt. Aber Fr. Atoſſa/ ihr unbarmherzige/ ihr grauſame;
beluͤſtiget euch nur nicht zu hoch uͤber ſein Verderben; ich hoffe den Tag noch zuerleben/
daß ihr eure Grauſamkeit/ haͤtte ſchier geſagt/ Boßheit noch beweinen werdet; dann wie
kan ichs anders nennen/ weil ihr ſeine beteurungen vor ertichtete Luͤgen/ und ſeine wahre
lautere Beichte/ damit er vor der Goͤtter Stuel zutreten ſich erbeut/ vor eine gehirns Ver-
ruͤckung ſchelten und verlachen duͤrffet. Und was vor Urſachen habt ihr doch/ ihm ſo viel
unwarheiten anzutichten? als habe er eure Waſe vom Schloſſe gelocket/ und/ weiß nicht/
was vor Gewaltſamkeit angelegt. Da ich doch wol weiß/ daß mein Bruder eurer Waſen
keinen Bohten geſchicket/ ſondern als er nach gemachtem Schluſſe euer Liebe Gegenwart
vermuhten wahr/ hat die verſtorbene Anutis ſich eingeſtellet/ und ihm dieſes vorgetragen.
Frl. Atoſſa ihre Waſe/ waͤhre durch Elterlichen Zwang vor ſechs Tagen ſchon/ mit Hn.
Artobarzanes beygelegt/ wolte hinfuro Surinas Schweſter ſeyn und leben/ mit der Be-
dingung/ daß er weder ihr ſchriebe/ noch zu Ekbatana ſich ſehen lieſſe; ſie wolte ſchon Ge-
legenheit finden/ ihn zubeſuchen; inzwiſchen wuͤnſchete ſie/ daß ſie eine Schweſter oder An-
verwantin haͤtte/ welche ſie ihm zufreien koͤnte. Dieſes alles hat ſie mit dem Wahrzeichen
bekraͤfftiget/ daß ſie meinem Bruder ein Buͤndlein von zwoͤlff Brieffen/ die er ehmahls eu-
rer Liebe zugeſchrieben/ eingehaͤndiget/ mit Bitte ſie zu ſich zunehmen/ weil ſie dieſelben nit
laͤnger vor andern zuverbergen wuͤſte; und dafern dieſes anders iſt/ Fr. Atoſſa/ ſo wolle
der Himmel mir alles das Ungluͤk von dieſer Stunde an auffbürden/ welches mein Bru-
der/ auff dem Fall ſeines verbrechens ihm ſelbſt in dieſem Schreiben wuͤnſchet. Aber was
hilfft mir dieſe beteurung? vielleicht werde ich auch hoͤren muͤſſen/ das Gehirn ſey mir veꝛ-
ruͤkt/ und ich ſchaͤme mich keiner Luͤgen. Atoſſa ſtund als eine Gedankenvoͤllige/ und wuſte
nicht/ was ſie antworten ſolte. Surinas ehemahlige Schreiben hatte ſie nach ihres Va-
ters Tode von ihrer Mutter etlichemahl gefodert/ aber keine Nachricht davon erlangen
moͤgen. Anutis Verſchlagenheit und Liſt wahr ihr nicht unbekand/ und je mehr ſie ſinnete/
je zweiffelhaftiger ſie ward; endlich ſagete ſie: Geliebtes Fraͤulein; wo ſichs nach eurer er-
zaͤhlung verhaͤlt/ iſt man mit eurem Bruder und mir ſehr traͤuloß umbgangen; wiewol
meine Eltern deſſen zubeſchuldigen mir nit gebühren wil; kan aber euer Bruder mir die
jeztgemeldete Schreiben aufflegen/ werde ich mich weiter zuerklaͤren/ und gegen eure Liebe
mich ſehr zuentſchuldigen haben. Dieſe Schreiben? ſagte Tarinea; ich wil mich ihr zur
Leibeigenen geben/ wann er ſie nicht alle in verwahrung haͤlt/ als einen koͤſtlichen Schaz/
ſ ijweil
[140]Fuͤnftes Buch.
weil ſie ihn ſeiner Liebe ſtets erinnert haben; und hat er ſich faſt taͤglich mit den Zeichen er-
luſtiget/ welche eure Liebe auff dieſelben mit ihrer ſchoͤnen Hand gemahlet hat; und wolte
Gott/ eure Liebe koͤnte zu meines Bruders erhaltung nur ſo viel Gunſt ſehen laſſen/ ſeine
mündliche endſchuldigung anzuhoͤren/ damit die Falſcheit zwiſchen ihnen getrieben/ recht
moͤchte an Tageslicht kommen. Wann mirs keinen Verdacht gaͤbe/ antwortete ſie/ daß
ich den Todſchlaͤger meines Gemahls beſuchete/ moͤchte ich mich aus dieſem zweiffel ger-
ne geriſſen ſehen. Tarinea wahr liſtig/ und gab den Anſchlag/ als ob ſie Mithridates/ der
ihr etwas verwand/ in ſeiner Schwacheit troͤſten wolte; und weil die vergrabene alte Lie-
besflammen in ihr ſich ſchon gewaltig entzuͤndeten/ ließ ſie ſich darzu vermoͤgen. Mithri-
dates lag abſonderlich hinter einer Abſcherung/ und Surinas erwartete mit verlangen/
was ſein Schreiben wirken moͤchte. Als nun die ſo hoch begehrete in das Zelt trat/ uͤber-
ging ihn eine kleine Roͤhte/ ſo viel ſein weniges Blut erwecken kunte/ richtete ſich im Bet-
te auff/ und hieß ſie alſo wilkommen ſeyn: Hoͤchſtwerte Freundin/ komt ſie zu mir/ mich
wegen begangenen unwiſſentlichen Niederſchlages abzuſtraffen/ wil ich ihr das Schwert
ſelbſt zuſtellen/ und als ein williges Opffer euer ſchoͤnheit ſterben; iſt aber die ehmahlige
Gunſt in ihrem liebreichen Herzen nicht gar verbliechen/ dann wolle ſie ihrem Knechte
durch ihre Gewogenheit den Balſam mitteilen/ der ihn bald wieder auff die Fuͤſſe ſetzen
wird. Tarinea fiel ihm in die Rede: Mein Bruder/ du wirſt zuvor deiner herzgeliebten
Meiſterin deine Unſchuld darlegen muͤſſen/ ehe du einige Gunſt von ihr zu hoffen haſt; wol-
leſt demnach bey deinen ritterlichen ehren/ und als wahr du gedenkeſt dereins voꝛ den Goͤt-
tern angenehm zuerſcheinen/ alles umbſtaͤndlich erzaͤhlen/ wie es mit deiner vorigen Hey-
raht ergangen; ſintemahl ich merke/ daß ein groſſer Betrug dahinten ſtecket. Ja/ ſagte er/
deſſen trage ich keinen ſcheuh; erzaͤhlete alles/ kurz und lang/ und daß ſeine wilfaͤhrigkeit
gegen Atoſſen zuerzeigen/ er ſeine Anutis alsbald geheirahtet haͤtte. Atoſſa fragte ihn/ ob
er dann die von Anutis wiederempfangene Schreiben noch auffzeigen koͤnte. Ja ſagte er/
ſie ſind noch in guter verwahrung/ und erinnere ſich nur meine Freundin/ daß ſie auff das
erſte ein par Wuͤrffel gemahlet/ mit der lieben Unterſchrift: Der Wurff iſt gewaget. Auff
das ander/ die Gluͤks-Goͤttin auff ihrem Gluͤksrade/ und dieſe Worte dabey. Biß mir ja be-
ſtaͤndig O Goͤttin! Auff das dritte/ einen Loͤuen/ mit dieſem warhaftigen Spruche; Die Liebe
erfodert auch einen Muht. Und fortan biß auff den lezten und zwoͤlfften/ auff welches ſie ein
Schiff auff dem Meer mit fuͤnff Schiffshaken feſt geleget/ gemahlet hat. Zwar es hat
mein Gemahl/ weis nicht warumb/ mir offters angelegen/ ihr dieſe Schreiben wieder ab-
folgen zulaſſen; welches ſie aber bey mir nicht erhalten moͤgen. Was hinterbrachte euch
aber euer Gemahl/ fragte ſie/ da ſie von Ekbatana des andern Tages nach eurem Beyla-
ger wieder zu euch kam? Er antwortete: Anutis iſt ja meines wiſſens weder dazumahl
noch jemahls hernach zu Ekbatana geweſen/ ſonde[r]n wie herzlich ich allemahl bey ihr an-
gehalten/ mit mir dahin zureiſen/ habe ichs doch nie koͤnnen erhalten/ weil mir Lebensge-
fahr drauff ſtuͤnde/ nach dem Artobarzanes unſer ehmahligen Liebe inne worden/ und nicht
allein mir mit Gifft draͤuete/ ſondern auch ſeinem Gemahl es offt verweißlich gnug vor-
hielte. O du falſche Anutis/ fing Atoſſa an/ habe ich umb dich verdienet/ daß du ſo verraͤh-
teriſch und luͤgenhaftig mit mir umbgehen ſolteſt? erzaͤhlete damit/ was geſtalt ſie zu ihr
nach
[141]Fuͤnftes Buch.
nach Ekbatana kommen/ von wegen Surinas ihr alle Freundſchaft auffgekuͤndiget/ und
was ſonſt dabey vorgefallen wahr; auch das Haaren-Armband ihr wieder eingeliefert haͤt-
te/ als welches Surinas laͤnger weder ſehen noch tragen moͤchte; daher ich dañ/ ſagte ſie/
aus groſſem Zorn nicht allein daſſelbe ins Feur geworffen/ ſondern auch viel ſchmaͤhe- und
ſcheltworte auff euch außgeſtoſſen. Hierob entſetzete er ſich hefftig/ inſondeꝛheit/ da er hoͤre-
te/ daß ſie umb Anutis darſtellung an ihre ſtat gar keine wiſſenſchaft trug. Das allerliebſte
Armband/ ſagte er/ iſt wahr/ das ichs die erſte Nacht meines Beylagers verlohren/ aber
wo es blieben/ nie habe erfahren koͤnnen/ wiewol ich im Wirtshauſe dem Finder 500 Kro-
nen außlobete. Doch danke ich den Goͤttern/ daß ich dieſe Falſcheit nicht vor meines Ge-
mahls abſterben erfahrẽ/ ſie haͤtte ſonſt ohn alle barmherzigkeit von meinen Haͤnden ſterbẽ
muͤſſen/ wie lieb ich ſie auch umb euret willen gehabt habe. Tarinea ließ dieſe beyden allein
reden/ und ging nach ihres liebſten Bette/ welchen ſie in der Ruhe liegen meynete/ da er
doch ſchon ver ſchieden wahr/ deſſen ſie zimlich ſpaͤte gewahr ward/ da ſie ihm ſanfte an die
Hand grieff/ deßwegen ſie mit einem Geſchrey uͤber ihn her in Ohmacht fiel. Atoſſa er-
ſchrak deſſen/ lieff hinzu/ und fand ſie in dem klaͤglichen ſtande; nam das Krafftwaſſer/ daß
vor dem Bette ſtund/ und rieb ſie damit/ biß ſie wieder zu ſich ſelbſt kam. Da ging es nun
an ein winſeln und klagen; wiewol Atoſſa ſie mit ihrem Beyſpiel wol zu troͤſten wuſte/ ver-
ſprach ihr auch alle ſchweſterliche Liebe und Traͤue/ nebeſt anzeigung/ daß die Aerzte ſich
außdruͤklich haͤtten vernehmen laſſen/ im falle er ja das Leben behalten ſolte/ wuͤrde er biß
an ſein Ende ein gebrechlicher unduͤchtiger Menſch ſeyn/ wodurch ſie ſich in etwas begriff.
Ihr Bruder wahr wegen dieſes falles auch betruͤbt/ aber Atoſſen gegenwart wolte ihm ei-
ne ſonderliche Traurigkeit nicht goͤnnen/ welche er noͤhtigte/ vor ſein Bette niderzuſitzen/
fuͤhrete ihr ſeine beſtaͤndige Liebe zu Gemuͤhte/ und baht ſehr fleiſſig/ ihn in die vorige ſtelle
wieder anzunehmen; worzu ihr Herz allerdinge geneigt und willig wahr/ ihm auch dieſe
antwort gab: Herr Surinas/ ihr und ich ſind beyde durch meines Vaters getrieb/ als viel
ich merke und meiner Waſen volſtreckung betrogen und von ander geriſſen worden. Nun
gibt mir aber der Himmel Zeugnis/ daß/ wie wichtige Urſachen ich gleich zuhaben ver-
meinet/ euch zu haſſen/ hat doch mein Herz den rechten Ernſt dabey nicht legen koͤnnen.
Was wollen wir aber tuhn? das geſchehene iſt vorbey/ und kan durch aus nicht geendert
werden. Mein Vater und euer Gemahl ſind in der Ruhe/ denen wir verzeihen muͤſſen.
Mein Gemahl hat ohn zweiffel aus des Himmels Verſehung von euch den Tod anneh-
men ſollen/ weil er euch eure verſprochene Braut genommen. Vor die abermahlige an-
gebohtene Liebe bedanke ich mich von herzen/ welches zu gebührlicher Zeit eurem gefallen
nach zubeantworten ich mich ſchuldig erkenne/ und unſer voriges Band noch vor guͤltig
halten muß; hermet euch nur weiters nicht/ daß ihr bald geſund werdet/ uñ beſuchet mich
auff meiner Mutter Schloſſe/ dahin ich in wenig Tagen zu reiſen entſchloſſen bin. Ja iſts
moͤglich/ ſo bildet euch ein/ als ob ihr ohn geſchehenẽ eingriff noch mein erſter Braͤutigam
waͤhret; ich wil mich gleich alſo vor eure erſte halten; welches ſie mit einem lieblichen La-
chen uñ ſchamrohter Farbe beſchloß. Surinas umfing ſie ganz lieblich/ beklagete nichts/
als daß ſeine Wunden ihm an vielerley gluͤkſeligkeit hinderlich waͤhren/ und ſteckete ihr
einen koͤſtlichen Ring an den Finger. Sie gab ihm wieder einen zur beſtaͤtigung/ beantwoꝛ-
ſ iijtete
[142]Fuͤnftes Buch.
tete ſeine Klage mit einem ſuͤſſen gelaͤchter/ und daß er inwendig Jahrsfriſt nicht zufreie
Gedanken faſſen müſte; goͤnnete ihm doch die ehmaligen Kuͤſſe/ und weil ſie der Arzney
wol erfahren wahr/ beſahe ſie ſeine Wunden/ und befand/ daß ſie fleiſſiger auffſicht wol be-
noͤhtiget wahren/ nahm hernach abſcheid von ihm/ und ging hin dem Frauen zim̃er Mi-
thridates Tod und Frl. Tarineen Leid anzumelden/ welche hingingen ſie zu troͤſten/ dann
ſie hatte ſich von ihrem Bruder ab in ein Nebenzelt gemacht. Groß Fuͤrſtin Saptina
noͤhtigte ſie mit ihnen zugehen/ und die Abend Speiſe einzunehmen/ welches ſie gerne be-
willigte/ in Hoffnung/ mit Atoſſen richtigen Abſcheid zu machen/ wie auch geſchahe/ daß
nehmlich Surinas/ ſo bald ſeine Wunden heile/ ſie beſuchen/ und von Artaxerxes einen
freien Geleitsbrieff/ nach belieben zureiſen/ bitten ſolte/ weil er ſich des Kriegs abtuhn/ uñ
ſeine Mediſchen Lehnguͤter bezihen wolte; dañ ſein Vater wahr ein gebohrner Mediſcher
Landſaſſe/ und hatte ſich in Parthen verheirahtet/ auch daſelbſt ſeine durch Erbſchaft ſei-
nes Gemahls angefallene herliche Güter beherſchet. Es lies aber Tarinea bey der Mahl-
zeit eine flehliche Bitte an das geſamte hohe Frauenzimmer ergehen/ ſie moͤchten Fr. A-
toſſen helffen bewaͤgen/ daß ſie ihren Zorn und Unwillen gegen ihren Bruder allerdinge
moͤchte fallen laſſen/ nach dem der Unfall ſich ganz unwiſſend zugetragen haͤtte; da dann
alle Anweſende/ inſonderheit Groß Fuͤrſtin Saptina ihr ſo viel und hefftig zuredeten/ daß/
wie ungeneigt ſie anfangs ſich zu ſtellen wuſte/ ſich doch endlich erklaͤrete/ in dieſem Stücke
ſehen zulaſſen/ wie gehorſam ſie der Groß Fuͤrſtin waͤhre. Welche ihr ſolches wolgefallen
ließ/ und auff Tarineen weiteres anhalten/ daß ſie doch ihren Bruder folgenden Morgens
vor dem Auffbruche beſuchen moͤchte/ damit er ſeine Abbitte und Entſchuldigung bey ihr
ablegen koͤnte/ befahl die Groß Fuͤrſtin/ zum Zeichen voͤlligen Gehorſams auch dieſes zu-
leiſten; worauff ſie zur Antwort gab; ſie wolte dieſe Nacht es in bedenken nehmen/ ob ſie
ein ſolches über ihr Herz bringen koͤnte. Des Morgens ſtellete Tarinea ſich gar fruͤh bey
ihr ein/ und ward mit dieſen Worten von ihr gewilkommet; Herzgeliebte Frl. Schweſteꝛ;
ihr ſeid eine uͤberal volkommene Taͤuſcher in/ der gleichen in der Welt kaum zu finden; dañ
anfangs habt ihr mich ganz umbgewendet; und hernach dem ganzen Frauenzimmer ein
artiges Naͤſichen angedrehet/ welches aber auſſer zweiffel mir ſchier heut oder Morgen
zum ſonderlichen Behelff dienen kan/ und verſichert euch/ daß die ganze Zeit meines Le-
bens ihr an mir eine ganz ergebene Schweſter haben ſollet/ weil ohn eure hohe Klugheit
die ganze uͤbrige Zeit meiner bevorſtehenden Jahre/ ich ein ungluͤkſeliges Menſch blieben
waͤhre. Meine herzgeliebte Fr. Schweſter/ antwortete ſie/ die Freude/ welche wegen ih-
rer Gewogenheit ich in meinem Herzẽ empfinde/ machet mich des verluſtes meines Braͤu-
tigams (der mir ohndas faſt auffgedrungen iſt) ſchier gar vergeſſen/ und iſt mein einiger
Wunſch/ daß wir die Zeit unſers Lebens moͤgen bey einander wohnen; Aber herzen Frau
Schweſter hat ſie dieſe Nacht ihr Herz angeſprochen/ der Groß Fuͤrſtin Willen zuerfuͤllẽ.
Dieſe lachete des auffzuges/ faſſete ſie bey der Hand/ und ſagte: Ja kompt meine Freun-
din/ ich muß der Groß Fuͤrſtin gehorſamen/ oder ich verliere ihre Hulde gar. Da wahr ſie
nun ihrem Liebſten ſehr wilkommen/ mit dem ſichs begunte zimlich zubeſſern/ hatten ihr
freundliches Geſpraͤch in die zwo Stunden mit einander/ und trug Fr. Atoſſa dem Fraͤu-
lein ihren nahen Anverwanten Herr Arbazes zur Heyraht auff/ der ein reicher vornehmer
Herr
[143]Fuͤnftes Buch.
Herr wahr/ und ward dieſe Heyraht nach verlauff eines halben Jahrs fortgeſtellet. Unſer
ſieghaftes Heer/ nach dem alle Beute auff Elefanten/ Wagen/ und andere Laſt Tihre gela-
den wahren/ gingen froͤlich und wolgemuht fort nach Perſepolis/ nachdem die Fuͤrſten H.
Surinas beſuchet/ und Artaxerxes ihm auff ſein begehren einen ſicheren Schein willig
erteilet hatte/ daneben ihm 50 Reuter zugegeben die ihn mit ſeiner Schweſter und Mithrt-
dates Leiche/ wohin es ihm geliebete/ geleiten ſolten.


Dieſe zwiſchen eingefallene Liebes Haͤndel/ deren kein Menſch wahrnam/ hat uns/ Ar-
tabanus Flucht zubeſchreiben/ verhindert. Demſelben wahr neben allen ſeinen Voͤlkern
nicht anders zu muhte/ als haͤtte er zur Stunde ſollen nidergehauen werden/ da die falſche
Zeitung kam/ der Feind waͤhre ſchon verhanden/ das Lager zuſtuͤrmen. Er fiel auff ſeinen
Laͤuffer/ und hatte kaum 3000 Reuter/ die ihn folgeten/ weil ihre Pferde ſeinem nicht gleich
rennen kunten. Das Frauenzimmer fiel eine uͤber die andere auff Gutſchen/ und hatten
nicht Raum gnug aus dem Lager zukommen/ daß Vologefes daher die Graben an vielen
Orten muſte ausfuͤllen laſſen/ umb ihnen einen breiten Weg zumachen. Die verwundeten
empfingen durch die Furcht und eingenommene Speiſe Krafft genug mit zureiten/ und
die ſchwaͤcheſten legten ſich auff Wagen. Als der Koͤnig voraus gehauen wahr/ ordnete
Vologeſes das Fußvolck und die Reuter alles zu Pferde/ weil ſie ohn ſeinen Befehlſchon
alle Pferde von den Laſtwagen hinweg genommen hatten. Ehe die unſern dieſer Flucht in-
ne wurden/ wahr Artabanus ſchon acht Meilen/ das Heer drey/ die fluͤchtigẽ Weiber fuͤnff
Meilen fort geſprungen/ und als ſie einen engen Durchzug antraffen/ ſtellete Vologeſes da-
ſelbſt die Schlachtordnung auff allen fall/ und ließ ſeinen Voͤlkern aus einer unweit gele-
genen Stadt Brod und Waſſer bringen/ da unterdeſſen alles unnuͤtze Geſinde vor hin-
durch muſte. Aus den Flecken und Doͤrffern geſchahe groſſe Zufuhre/ und muſten etliche
Bauren mit friſchen Pferden zuruͤk reiten/ wegen des Feindes Folge Zeitung einzubrin-
gen und als dieſe nichts als gute Sicherheit vernamen/ ſchaͤmete ſich Vologeſes und an-
dere Kriegs Fürſten dieſer ſchaͤndlichen Flucht uͤber alle maſſe/ ſetzeten doch den Weg mit
dem Heer fort nach Charas/ daherumb die Voͤlker verlegt/ und die Kranken in die Stadt
gebracht wurden. Karthaſis ward von dem Koͤnige wol gehalten/ und mit trefflichen Ge-
ſchenken begabet/ und ſtellete er ihm vier Tonnen Goldes zu/ ſeinem Koͤnige Skolothus zuꝛ
Verehrung/ und ſechs Tonnen/ Voͤlcker davor zuwerben. Nach Indien ward gleich ſo
viel zu Aureizgeldern übergemacht/ und in der Roͤmer Gebiet acht Tonnen Goldes. Doch
kunte Artabanus ſeine wuͤtige Liebt gegen Groß Fuͤrſtin Valiſken nicht ablegen/ und hof-
fete noch immer zu/ ihrer Schoͤnheit zugenieſſen. Sein meiſtes ſinnen aber wahr/ wie eꝛ un-
ſere Helden aus dem Wege raͤumen moͤchte/ dann wolte er ihr bey ihrem Abzuge nach
Teutſchland zu Waſſer und Lande auffwarten laſſen/ ob er ſie erhafchen uñ in ſeine Gewalt
bringen moͤchte. Artaxerxes hatte alsbald nach erhaltenem Siege an alle Bundsverwan-
ten geſchrieben/ und ihnen den Verlauff durch ſchnelle reitende Bohten zuwiſſen getahn/
was geſtalt unſere Helden den Sieg erſtritten/ ohn deren Gegenwart die Feinde wuͤrden
Oberhand behalten haben/ daher man ihnen billich ein dankbahres Gemuͤht erzeigen muͤ-
ſte. Er vor ſein Haupt wolte 30 Tonnen Goldes zuſchieſſen; Phraortes und Pharnaba-
zus wuͤrden das ihre auch willig tuhn; ſo hoffete man des Feindes Lager zuerobern/ welche
Beute
[144]Fuͤnftes Buch.
Beute hernach zuſchichten waͤhre nach gebuͤhr; Inzwiſchen ſolte ein jeder Bundsgenoſſe
ſeine Grentzfeſtungen mit guter Mannſchafft beſetzen/ und ſich oͤffentlich Feind erklaͤren/
damit nicht einer nach dem andern verderbet wuͤrde; machte hiebey einen ungefehren U-
berſchlag der Erſchlagenen beyderſeits/ und verſicherte ſie/ daß die Parthiſche Macht der-
geſtalt gebrochen waͤhre/ daß ſie das Haupt nicht wieder auffrichten ſolte.


Das Gluͤk ließ ſich dannoch merken/ als wolte es Artabanus nicht allerdinge verlaſ-
ſen/ dann ſeine Buͤrger zu Charas und in andern Staͤdten brachten eine freywillige Steur
von 120 Tonnen Goldes auff/ dabey die Ritterſchafft ein gleiches legte/ und erbohten ſich
allerſeits/ auff des Feindes Einbruch Mann bey Mann zufechten. Das angenehmſte
wahr ihm/ daß des andern Tages nach ſeiner Ankunfft/ ein groſſer Indianiſcher Kaͤmpf-
fer/ nahmens Gamaxus/ von Bauren erzeuget/ zu Charas ankam/ der faſt Rieſen Geſtalt
und von unmenſchlicher Krafft wahr/ von Art und Geberden grob/ hochmuͤhtig/ ruhmraͤh-
tig und uͤberaus verwaͤgen/ daher er ſich bald bekant machte/ daß noch deſſelben erſten Ta-
ges Bagophanes von ihm reden hoͤrete/ und es dem Koͤnige zuwiſſen taht; welcher ohndz
ſchon mit boͤſen Raͤnken umging/ unſere Helden entweder durch Gifft oder Schwert aus
dem Mittel zuraͤumen. Intaphernes und Tiribazus/ weil ſie auff dieſe weidlich ſchmaͤhe-
ten/ wahren bey ihm wol daran/ daß er ſie in ihrer Schwachheit beſuchete/ und ihnen ver-
traulich entdeckete/ er haͤtte vier Hirkaniſche aͤdelknaben mit groſſen Verheiſſungen ſchon
darzu vermocht/ daß ſie in der Frembden Dienſte ſich begeben/ und ihnen einen ſtarken Gift
beybringen wolten; dann er waͤhre aͤuſſerſt geſinnet/ ihnen den Abzug nicht zugoͤnnen/ da-
mit ſie nicht bey dem Roͤmiſchen Kaͤyſer ſich dereins beruͤhmeten/ wie ſie den groſſen Koͤ-
nig getummelt/ ſeine verſprochene Braut aus ſeinem wolverwahrten Schloſſe entfuͤhret/
ſein maͤchtiges Heer erleget/ und ihn ſelbſt aus dem Felde gejaget haͤtten. Dieſes Feuer
wuſte Bagophanes weidlich zuſchuͤren/ taht des groſſen Indiers abermahl Erwaͤhnung/
und mit ziemlichen Scheingründen beſtaͤtigte er/ daß man dieſe von den Goͤttern ſelbſt an-
gebohtene Gelegenheit nicht verabſeumen oder verachten muͤſte; wodurch er den Koͤnig
bewaͤgete/ daß er ihn alsbald abfertigte/ das Ungeheur auff Intaphernes Gemach zu hoh-
len; welches er dann willig verrichtete/ ihm des Koͤnigs Gnade anmeldete/ und daß ſeine
Hocheit willens waͤhre/ ihn in Dienſte zunehmen/ und vor ſeinen Kaͤmpfer zubeſtellen/ auch
mit anſehnlichem Solde zuverſehen. Dieſer ließ ſich deſſen keine Sau duͤnken/ daß der Koͤ-
nig ſeinen anſehnlichen Hoffmeiſter an ihn ſchickete; fing an ſeine eigene Tahten zuruͤh-
men/ und ſagte: Er dienete umbs Geld/ und wer ihm am meiſten gaͤbe/ waͤhre ihm der lieb-
ſte Herr/ vor deſſen Wolfahrt er ſeinen Saͤbel auff Feindes Waffen wetzen/ und auff der
Widerwertigen Knochen ſtumpff hauen wolte. Als Bagophanes dieſen Toͤlpel vor den
Koͤnig brachte/ fing er ohn alle Hoͤfligkeit an alſo zureden: Groſſer Koͤnig; gegenwaͤrtiger
Herr hat mich berichtet/ daß Ihre Hocheit mich begehren zuſprechen/ und in Dienſte an-
zunehmen; ſo erbiete ich mich nun/ Euer Hocheit zum beſten/ dieſen wichtigen Saͤbel (wel-
chen er uͤber die Helffte bloͤſſete) zugebrauchen/ dem noch keiner entgangen iſt/ auff welchen
ich ihn gezuͤkt habe. In den Indiſchen Landſchafften/ diſſeit uñ jenſeit des Ganges Fluſſes/
habe ich von dem funffzehnden Jahre meines Alters an/ mich nunmehr achtzehn Jahr in
kaͤmpffen und ſtreiten gebraucht/ und manchen Skythen und andere Feinde erleget/ daß ich
offt
[145]Fuͤnftes Buch.
offt biß an die Enkel in ihrem Blute gangen bin. Ich habe 598 Kaͤmpffer in abſonderlichẽ
Streiten ertoͤdtet/ und deren bißweilen fuͤnff oder ſechs zugleich auff einen Biſſen genom-
men. Der mich kennet/ huͤtet ſich wol vor meinen Streichen/ die zu grunde richten/ was ſie
treffen; und wann Eure Hocheit mir den Sold vergnüget/ ſollen ihre Feinde wie Aſche
von dem Winde verſtaͤuben. Artabanus beſahe ihn von unten an biß oben aus/ und ver-
wunderte ſich ſeiner Groͤſſe und ſtarcken Gliedmaſſen; dann in ganz Parthen wahr nie-
mand/ der ihm mit dem Haͤupte die Unter ſchulder beruͤhren moͤgen; ſonſt wahr er dabey
nicht ungeſchikt oder toͤlpiſch von Leibe/ wuſte ſich auch des Vortels im Streit wol zu ge-
brauchen. Er wolte aber dem Koͤnige einen Beweißtuhm ſeiner Staͤrke ſehen laſſen/ leg-
te ſeine flache Hand auff den Tiſch/ und hieß Bagophanes mit beyden Fuͤſſen drauff tretẽ/
welchen er mit ſteiffem Arme in die Hoͤhe huhb; foderte hernach zwey neugeſchmiedete
Huefeiſen/ die er von den anweſenden beſehen ließ/ daß ſie ſehr feſt wahren/ und beugete ſie
zugleich auff einmahl mit freyen Haͤnden gerade/ als waͤhren ſie von Horn oder Wachs
geweſen. Er kunte einen Ochſen mit einem Hiebe im Leibe mitten von ander hauen; auch
mit der Fauſt ihn mit einem Schlage vor den Kopff/ zur Erden ſtuͤrzen machen. Der Koͤ-
nig hielt eben dieſen vor den rechten Mann/ der ſeinen Feinden ſolte gewachſen ſeyn/ und
verſprach ihm ein ganzes Jahr hindurch/ monatlich 10000. Kronen/ auch acht Pferde uñ
ſechs Leibſchützen zuhalten; dagegen ſolte er zween Juͤnglinge beſtreiten/ und ſie ihm ent-
weder tod oder lebendig liefern/ die ſeine abgeſagte Feinde waͤhren/ und ihm mannichen
Schimpff erwieſen haͤtten. Ihre Leibeskrafft waͤhre nicht beſonders/ aber in uͤbung der
Waffen vortrefflich/ daß er nach ihrer uͤberwindung ſich wol ruͤhmen duͤrffte/ er haͤtte den
trefflichſten Helden der Welt angeſieget; ſolte ſie aber ja nicht beyde zugleich/ ſondern einẽ
nach dem andern vornehmen/ und über ſeinen Sold vor jedes geliefertes Haupt 50000.
Kronen; da er ſie aber lebendig fahen und uͤberſchicken koͤnte/ vierdoppelt ſo viel haben. Ga-
maxus gab zur Antwort: Ihm genuͤgete an dem verſprechen und vermachtem Solde/
weil auch dem Koͤnige mit den lebendigen Gefangenen mehr als mit den todten gedienet
waͤhre/ denen er ſonſt ohn einigen Schwertſchlag das Genick brechen wolte/ ſolten ſie ihm
erſter Zeit eingehaͤndiget werden; nam von Artabanus baͤuriſchen Abſcheid/ und begehre-
te/ daß man ihm alsbald des folgenden Tages an die Grenzen geleitete/ damit er das Geld
ehiſt verdienen und den Koͤnig befriedigen koͤnte. Als der Koͤnig von den Verwundeten
hinweg gangen wahr/ beſuchte Vologeſes ſeinen Oheim Tiribazus/ der ihm nicht allein
den beſtelleten Kaͤmpffer/ ſondern auch des Koͤniges Vorhaben wegen der Vergifftung
offenbahrete; uͤber welches lezte er ſich hefftig entſetzete/ und an ſolcher Boßheit ein abſcheu
trug/ unterließ auch nicht/ ſeinem Oheim Pakorus es zuvermelden/ der ihn hoͤchſt ermah-
nete/ daruͤber zuarbeiten/ daß eine ſo unverantwortliche Taht abgewendet wuͤrde; Wie er
aber vernam/ daß der Koͤnig es mit ihm nicht berahtſchlaget hatte/ ſagte er: Der ſchaͤndli-
che Fuchsſtreicher Bagophanes ſtaͤrcket ihn in ſolchem Unweſen/ und wird der Bube nit
auffhoͤren ihn zureizen/ biß ihm der Hals gebrochen iſt. Sie beklageten beyde den elenden
Zuſtand des Reichs/ und daß eine groſſe Enderung ſich merken lieſſe/ welche den Perſen
erheben/ und Artabanus unterdruͤcken dürffte; bezeigeten ſich auch uͤberaus betruͤbt/ dann
ihr Herz wahr ihnen uͤber dieſer Boßheit faſt erſtorben; endlich nam Vologeſes auff ſich
tden
[146]Fuͤnftes Buch.
den Koͤnig zubeſuchen/ ob er ſich vielleicht deſſen etwas wuͤrde vernehmen laſſen. Aber er
gedachte ſeiner Hirkaner mit keinem Worte/ nur den groſſen Gamaxus ruͤhmete er/ und
daß er ein Fuͤrſtentuhm drumb geben wolte/ daß ihm dieſer unerſchrockene Held vor der
Schlacht zugezogen waͤhre/ als welcher nicht allein die Perſiſchen Weichlinge ſolte ge-
daͤmpffet/ ſondern auch die Teutſchen Wagehaͤlſe als die Muͤcken nidergeſchlagen haben;
jedoch wolte er noch zufrieden ſeyn/ wann er ihm nur die beyden Buben Herkules und La-
diſla lebendig einbraͤchte/ an denen er ſich dergeſtalt zu raͤchen vorhabens waͤhre/ daß ande-
re ſich an ihnen ſpiegeln ſolten. Vologeſes gab zur Antwort: Was durch einen oͤffentlichẽ
Kampff geſchaͤhe/ wolte er mit ruͤhmen; meynete auch/ es waͤhren noch wol Ritter zufin-
den/ ſo den beyden gewachſen waͤhren; hielte doch davor/ ſie würden ſich ſchwerlich leben-
dig greiffen laſſen/ ſondern viel lieber von Feindes Hand ſterben; Daß aber Ihre Koͤnigl.
Hocheit ihnen ſo abſcheuhliche Straffen draͤuete/ da ſie doch freye Koͤnige und Groß Fuͤr-
ſten waͤhren/ die in ihren Laͤndern groſſe Gewalt haͤtten/ ſchriebe er ſeinem Zorne zu/ nach
deſſen Linderung ſeine Hocheit ſich wol eines andern bedenken wuͤrde; welche Erinnerung
er aber mit groſſem Unwillen aufnam/ uñ ihn fragete/ ob er Perſiche oder Teutſche Jahrs-
beſtallung haͤtte/ daß er ſo fleiſſig vor ſeine Feinde ſtrebete; denen wir/ ſagte er/ das Herz wol-
len aus dem Leibe reiſſen/ und den Hunden zufreſſen vorwerffen laſſen/ und Troz gebohten/
der uns ein ſolches wehren ſol/ da er ſonſt nicht in gleiche Straffe fallon wil. Ihre Koͤnigl.
Hocheit machen alles nach belieben/ ſagte er; jedoch wann ich wiſſen ſolte/ daß dieſelbe den
allergeringſten Verdacht auff mich geworffen haͤtte/ ob ſ[o]lte ich mit den Reichsfeinden ei-
nige Verſtaͤndniß haben/ und durch das verfluchte Geld/ deſſen ich zeit meines Lebens eben
ſo wenig als des ſchlimmen Kohts geachtet/ mich beſtechen und zur Verraͤhterey bewaͤgen
laſſen/ muͤſte mir leid ſeyn/ daß ich je gebohren waͤhre; bitte demnach/ zum untertaͤhnigſten/
Ihre Koͤnigl. Hocheit wolle mich alsbald meines Ampts allergnaͤdigſt erlaſſen/ und mir
den Ort benennen/ woſelbſt ich mein uͤbriges Lebẽ in aller Einſamkeit/ als in einem Gefaͤng-
niß zubringen ſolle/ wil ich ſolches vor eine gnugſame Vergeltung aller meiner bißher ge-
leiſteten traͤuen Dienſte halten. Wir haben euch in keinem Verdacht/ antwortete er/ koͤnnet
auch eures Ampts durchaus nicht erlaſſen werden; nur vor unſere Erzfeinde allemahl ſo
frey zu reden koͤnnen und wollen wir von niemande gewaͤtig ſeyn. Fragete hernach/ wie es
mit den Werbungen beſchaffen waͤhre/ daß man ſolche alsbald fortſetzete/ und befahl/ daß
die Grenze Staͤdte wol verſehen/ und der tapffere Gamaxus mit 40000 Reutern dahin
begleitet wuͤrde; welches zubefodern Vologeſes verſprach/ und doch nicht unangezeiget
ließ/ wo nicht ein vorſichtiger Feld Herr daruͤber geſetzet würde/ duͤrffte das ganze Heer
verlohren gehen; dann der Feind wuͤrde keines weges unterlaſſen/ ihnẽ mit ganzer Macht
auff den Leib zufallen; welches er zu dem Ende anzeigete/ daß ihm ſchier heut oder morgen
nichts ungleiches zugemaͤſſen würde. Worauff der Koͤnig nur ſagte: Er wüſte ſchon/ daß
die Ungluͤks Weiſſagungen zum Ende gelauffen waͤhren. Das verleihen uns die guͤtigen
Goͤtter/ und daß ich doch auch einmahl zum Luͤgener werden moͤge/ wornach mich bißher
immer verlanget hat/ antwortete Vologeſes; ging hin/ und zeigete Pakorus alles an/ der
groſſen Verdruß dran hatte/ daß der Koͤnig keinen heilſamen Raht mehr annehmen/ und
uͤberdas die wichtigſten Reichsgeſchaͤffte mit ſeinen hoͤchſten Bedieneten nicht mehr be-
reden
[147]Fuͤnftes Buch.
reden wolte; hielt es vor ein Zeichen groſſen Verblendung/ und ſo bald er allein wahr/ ſetze-
te er folgenden Brieff auff:


Ein auffrichtiger Freund/ welcher vor dieſem den Durchleuchtigſten Groß Fuͤrſten aus Teutſch-
land/ Hn. Herkules gewarnet/ ſich denen nicht zuvertrauen/ die aus Parthen ſich gegen ihn freundlich
ſtellen/ kan vor dißmahl nicht umhin/ vertraulichſt anzudeuten/ daß man ſich vor Gifftmiſcher huͤte/
die redlichen Helden den Tod in die Handſchuch und Kleider/ oder an Meſſer und Degen Gefaͤß an-
ſchmieren werden. So laͤſſet fich auch ein wildes Ungeheur finden/ die beyden fremden Fuͤrſten zum
Kampff auszufodern/ unter was Schein/ kan man nicht erforſchen. Der Schreiber dieſes Brieffes
ſcheuhet ſich ſeinen Nahmen zunennen/ und mit gewoͤhnlicher Hand die Buchſtaben zu zihen; ſendet
aber dem Durchl. Groß Fuͤrſten zur Wieder geltung einen Ring/ welcher am Finger getragen/ allen
gegenwertigen Gifft durch ſeine waſſerbleiche Verenderung anzeiget/ und verbleibet er Zeit ſeines Le-
bens deſſen Durchl. ergebener getraͤuer Diener/ Der Auffrichtige.


Hiebey wahr ein ander Brief zum uͤmſchlage/ von ihm an Pharnabazus geſchriebẽ/
nebeſt den 60000 Kronen/ welche die drey Teutſchen wegen Intaphernes und ſeiner Ge-
ſellen zuheben hatten; vermachete die Gelder in 120 Beutel/ und ſtellete ſie ſo viel Reutern
zu/ welche Tag und Nacht reiten/ und ſie biß nach Perſepolis an Fuͤrſt Pharnabazus uͤ-
berbringen muſten; doch wolte er den Brief an Herkules niemand vertrauen/ ſondern
verſteckete ihn in einen ſchoͤnen Sattel/ welchen er auff ſeiner Handpferde eines legete/ und
einem Reuter befahl/ es Fuͤrſt Pharnabazus zuzuſtellen/ mit dem ers verſpielet haͤtte. So
bald dieſe in der Perſichen Haupt Stadt anlangeten/ ward das Pferd mit dem Neben-
Schreiben alſobald Pharnabazus eingehaͤndiget/ welcher dieſe Worte drinnen fand:


Meiner Buͤrgſchafft/ mein Herr und Freund/ waͤhre ich gerne loß/ deßwegen die wolgewon-
nenen Gelder in 120 Beuteln verſiegelt uͤbergeſchikt werden/ und eia Pferd/ welches Euer Liebe zuge-
ſtellet werden ſol; der Sattel aber iſt vor Groß Fuͤrſt Herkules/ denſelben durchzublaͤttern/ und das
gefundene in hoͤchſter geheim zuhalten. Uns alle in den Schuz des Himmels befehlend/ verbleibend
ſein williger F. P.


Pharnabazus ſeumete ſich nicht/ nahm den Sattel mit ſich nach Herkules/ und gab
ihn Libuſſen und Brelen auffzuſchneiden/ welche den Brieff ſamt eingelegten Ring bald
funden/ und verwunderten ſich unſere Helden uͤber dieſes Fuͤrſten Redligkeit/ maſſen das
geſchriebene Merkzeichen den Uhrſchreiber bald kund machete. Zween Tage hernach mel-
deten ſich vier Hirkaniſche aͤdelknaben an/ ihres alters von 18 Jahren/ und erbohten ſich/
ſeiner Durchl. Groß Fuͤrſt Herkules als Leibdiener auffzuwarten; ſie waͤhren bißher drey
Jahr in Koͤnigl. Parthiſchen dienſten geweſen/ und von ihren Eltern ſchrifftlich vermah-
net/ ingeheim davon zureiten/ damit ſie nicht als Feinde des Vaterlandes dermahleins
moͤchten geſtraffet werden; denen ſie billich gehorſamet/ und ſich hieher begeben haͤtten/
ihrer Durchl. vor andern zu dienen; legten auch ihrer Eltern warhafte Schreiben auff
zum Zeugnis. Valiſken trug der Sinn nicht viel gutes zu/ daher ſagte ſie auff Teutſch zu
Herkules: Vielleicht haben die Gifftmiſcher ſich ſchon eingeſtellet/ und duͤrfte der Kaͤmp-
fer auch nicht lange verweilen. Ey nicht ſo argwoͤhniſch/ mein Schaz/ antwortete er:
Dieſe Juͤnglinge ſind eines adelichen freimuͤhtigen Geſichtes/ haben auch ihrer Eltern
ſchrifftliches Zeugnis/ daß man von ihnen ſolche Untaht nicht muhtmaſſen kan/ und wird
Artabanus nicht wenig ſchmerzen/ wann er hoͤren muß/ daß ſeine Auffwarter in unſere
Dienſte treten. Wendete ſich hierauff zu ihnen/ und ließ ſie durch einen Handſchlag an-
t ijgeloben/
[148]Fuͤnftes Buch.
geloben/ daß ſie from und getraͤu ſeyn wolten. Noch wolte die Groß Fuͤrſtin nicht trauen/
ſondern befahl etlichen Boͤmiſchen Knaben/ auff dieſer Hirkaner tuhn und laſſen gute acht
zu haben; welche ſich aber ſo ſcheinbar verhielten/ daß Valiſka ſelbſt allen argwohn fallen
ließ/ weil ſie nichts ungeheiſſen anruͤhreten. Gamaxus eilete nicht minder/ ſein Vorhaben
ins werk zurichten/ wuſte nicht/ wie er vor hochmuht gehen oder reiten wolte/ weil ein Paꝛ-
thiſcher Feld Herr/ nahmens Katenes mit 40000 Reutern ihm zur begleitung zugege-
ben wahr. Nun hatte Artabanus gleichwol dieſen Voͤlkern ernſtlich eingebunden/ ſich in
kein Handgemenge zu wagen/ es waͤhre dann/ daß Gamaxus nach erhaltenem abſonder-
lichen Kampfe von Feinden ſolte uͤber fallen werden. Nach der Hirkaner ankunfft/ etwa
fünff Stunden/ ließ ſich ein Parthiſcher Heerhold anmelden/ er haͤtte bey Herkules und
Ladiſla eine Werbung abzulegen; und als er vorgelaſſen ward/ fing er nach gebehtener
verzeihung alſo an: Des groſſen Koͤniges Artabanus beſtalter Kaͤmpfer/ Herr Gamaxus/
der Sieghafte (dieſen Nahmen hatte er in Indien erworben) uͤberſendet den Durchleuch-
tigſten Fuͤrſten Herrn Herkules uñ H. Ladiſla dieſen Abſagsbrieff/ welchen ihre Durchll.
zu leſen unbeſchweret ſeyn werden. Wer iſt dann der beſtalte ſieghafte Kaͤmpfer/ H. Ga-
maxus? fragete Herkules/ daß ich gleichwol ſeines tuhns und weſens etwas wiſſenſchafft
habe/ ehe ich mich weiter einlaſſe. Der Heerhold ruͤhmete ihn gewaltig; er waͤhre zwar
der ankunfft eines Bauren Sohn aus Indien/ aber durch ſeine Tapfferkeit haͤtte er einen
unſterblichen Nahmen uͤberkommen/ und mit dem Saͤbel den hoͤchſten Adel erſtritten.
Ein Baur? ein Indianiſcher Baur? ſagte Herkules; ſol ich mich nun mit Bauren zu-
droͤſchen? bald packet euch hinweg/ mit eurem Baͤuriſchen Abſags-Brieffe/ und ſaget eu-
rem Koͤnige/ wann er ſelbſt/ oder irgend ein ritterlicher Fũrſt meines Bruders Ladiſla oder
meiner Haar begehret/ ſollen ſie ihnen ungewegert ſeyn; aber einen unflaͤtigen Bauren zu
kaͤmmen oder zu lauſſen/ halte ich mich viel zu gut. Wiſſet ihr aber nicht/ wer den Bauren
die Abſags-Brieffe an Koͤnige uñ Fuͤrſten zu ſtellen mag gelehret haben? ich moͤchte wuͤn-
ſchen/ dz ich einen groben Sachſen Bauren bey mir haͤtte/ der ſolte ihm etliche gute Strei-
che mit dem Flegel zeigen/ daß ihm ſehen und hoͤren verginge. Und ihr/ Heerhold ſollet
wiſſen/ dafern hernaͤhſt ein ander mir von Bauren Abſags-Brieffe anbieten wird/ ſol er
Streiche zu lohn tragen. Dieſer muſte mit ſolcher Antwort zu frieden ſeyn/ und mit ſei-
nem Brieffe abzihen/ da Valiſka zu ihm ſagte: Mein Freund/ hat der Baurknecht auch
eine feine ſtarke Baurdirne bey ſich/ die ihm den Flegel oder die Miſtgabel nachtraͤget?
Dieſer muſte des auffzuges ſelber mit lachen/ und gab zur Antwort: Er wuͤſte wol/ daß
Gamaxus nicht viel waͤhlens machte unter dem Frauenzimmer/ dann beydes in Staͤdten
und Doͤrffern waͤhren ſie ihm alle gerecht/ wann ſie nur frey ſtark waͤhren. Wie er dañ der
Unzucht uͤberal ergeben wahr/ daß er ſo wenig der Eheweiber als der unverheirahteten
ſich enthielt/ deſſen er bey Bagophanes ein Beweißtuhm ablegete; dann als derſelbe ihn
des Abends vor ſeinem abreiſen auff des Koͤnigs befehl in ſeinem Hauſe zugaſte bitten/
und allerhand ſachen mit ihm abreden muſte/ merkete er an deſſen Gemahl Paraſitis die
buhleriſchen Blicke/ machte den guten Hoffmeiſter trunken/ und erhielt ſein Begehren
leicht bey ihr/ redeten auch miteinander ab/ daß er nach ſeiner Wiederkunft Urſach zu Ba-
gophanes ſuchen/ ihn er ſchlagen/ und ſie wieder heirahten ſolte; wie ſie auch von ihm mit
einem
[149]Fuͤnftes Buch.
einem Sohn ſol befruchtet worden ſeyn/ bey welchem ſie in der Geburt geſtoꝛben/ der Sohn
aber zum beſchrihenen Moͤrder worden und auffs Rad geleget iſt. Als Gamaxus ſein
Schreiben wieder bekam/ und die Spotreden/ welche ihm rund aus vorgetragen wurden/
anhoͤren muſte/ meinete er vor herzenspraſt zu berſten/ biß die Zaͤhne im Kopffe/ verwen-
dete die Augen/ und ſtellete ſich als ein Unſinniger. Katenes gab den Raht/ daß der Heer-
hold mit abgewechſelten Pferden auffs geſchwindeſte nach dem Koͤnige ritte/ umb zuver-
nehmen/ weſſen man ſich weiters zuverhalten haͤtte; hingegen meynete Gamaxus mit ſei-
nem Frevel durchzubrechen/ und noch einen Außfoderer abzuſchicken; doch als er Herku-
les draͤuungen vernam/ ließ er ſich bereden/ daß dem Koͤnige es heimgeſtellet wuͤrde. Vo-
logeſes und Pakorus (der ſchon wieder gehen kunte) wahren gleich bey Artabanus/ da der
Heerhold die Sache vortrug/ und zu lacheten ſich deſſen rechtſchaffen. Ihre Koͤnigl. Hoch-
heit verzeihe mir gnaͤdigſt/ ſagete Pakorus/ daß ich Groß Fuͤrſt Herkules hierin nicht ver-
denken kan/ ſintemahl ich einem Baurenflegel nicht anders begegnen wuͤrde; waͤhre dem-
nach mein Raht/ man lieſſe dieſe Außfoderung anſtehen/ dann eure Hocheit wird mit die-
ſem Untihr nur Schimpff und Spott einlegen; ich meyne ja/ man rede davon/ wie der
Unflaht hin und wieder die unzuͤchtigen Hurenwinkel durchlauffe; mag auch wol deren
Weiber mißbrauchet haben/ denen mans nicht zutrauet; ſolte aber ein ſolcher Gewiſſen-
loſer wol rechtſchaffene Tugend und Tapfferkeit an ſich haben? Zwar den Bericht nach/
ſol er groß und ſchwer genug ſeyn; aber ich wette/ daß Groß Fuͤrſt Herkules ihm durch
ſeine vorſichtige Ringfertigkeit werde überlegen ſeyn/ und ihn vom Brodte tuhn. Er ſey
Tugendhafft oder nicht/ antwortete der Koͤnig; wann er nur leiſtet/ was unſere Tugend-
hafte nicht geleiſtet haben; iſt er dann gleich ein Baur von geburt/ ſolches kan ihn nichts
hindern/ und wollen wir ihn ſchon zum Fuͤrſten in Ober Meden erklaͤren/ daß die Teutſchẽ
nicht Uꝛſach haben/ dieſen Kampff abzulehnen. Die Schimpfrede ging ihnen beyden ſehr
zu Herzen/ gaben auch dem Koͤnige zuverſtehen/ daß ihre Traͤue und untertaͤhnigkeit ge-
gen ihren Koͤnig viel groͤſſer waͤhre/ als daß ſie durch ſolche Worte ſich wolten geſchmaͤ-
het halten/ wolten aber nicht deſto weniger ihre Koͤnigl. Hocheit getraͤulich warnen/ daß
ſie gegen andere ſich deſſen maͤſſigen wolte/ es moͤchte ſonſt deren Herz dadurch von ihrer
Hocheit abgewendet werden. Uberdas wuͤrde der Koͤnig es reiflich uͤberlegen/ ehe er den
Kaͤmpffer zum Fuͤrſten machete/ daß nicht die Auffruͤhrer und andere anlaß bekaͤhmen
außzuſchreihen/ der Koͤnig verſchenkete die Fürſtentuͤhmer den verlauffenen Indianiſchẽ
Bauren/ und die getraͤue Reichsſaſſen nicht zugleich unwillig wuͤrden/ daß der grobe Fle-
gel ihen ſolte vorgezogen werden. Ich vor mein Haͤupt/ ſagete er/ begehre nichts mehr/ als
ich ſchon habe und beſitze/ aber wie lange hat Oxatres deſſen Koͤnigl. Zuſage gehabt/ und
iſt doch ſein nie gedacht worden/ als wann er wegen des Vaterlandes hat muͤhe und arbeit
uͤber ſich nehmen muͤſſen. Ey ſo ſind wir gleichwol noch Koͤnig/ ſagte Artabanus/ und weꝛ-
den trauen unſern Worten Kraft geben koͤnnen/ wo wir ſonſt nicht nur bitsweiſe und als
ein Afterkoͤniglein herſchen; deßwegen halte nach dieſem ein jeder ein mit dergleichen un-
erheblichen einwuͤrffen/ damit wir nicht gezwungen tuhn und vornehmen muͤſſen/ was
uns ſelbſt leid ſeyn wuͤrde. Eure Koͤnigl. Hocheit fahre nach belieben/ ſagte Pakorus/ aber
ſie werden erfahren/ daß Pakorus ein redliches Herz gegen den Parthiſchen Stuel traͤ-
t iijget;
[150]Fuͤnftes Buch.
get; ſolte er aber druͤber in Ungnade und Gefahr fallen/ ſo muß ihm endlich gleich gelten/
ob ſein Blut durch Feindes oder ſeines Koͤniges Hand vergoſſen wird; er wird doch nit
nachlaſſen/ ſo lange er lebet/ eurer Hocheit beſtes zu rahten. Solches ſol ihm mit allen gna-
den vergolten werden/ ſagte Artabanus; Aber in dieſem Stuͤk/ welches dem Reiche nicht
ſchaͤdlich/ ader wol erſprießlich ſeyn kan/ wollen wir unſern Willen haben; ließ auch ein
Koͤnigliches Schreiben unter ſeiner Hand und Pitſchaft auffſetzen/ in welchem er Ga-
maxus vor einen Fuͤrſten in Ober Meden erklaͤrete/ nebeſt der Verheiſſung/ daß ihm nach
erhaltenem Siege ein Heer von 60000 Mann ſolte untergeben werden/ damit er das
Fuͤrſtentuhm einnehmen koͤnte. So bald der grobe Droͤſcher dieſes Schreiben empfing/
ließ ers vielmahl abſchreiben/ und hin und wieder anſchlagen/ legte auch eine Abſchrifft bey
ſeinen andermahligen Außfoderungs Brieff/ welchen er unſern Helden zuſchickete.


In Perſepolis ſtund ihnen ein ander Ungluͤk bevor/ welches bloß allein Gottes baꝛm-
herzigkeit von ihnen abwendete; dann es hatten die vier Hirkaner in erfahrung bracht/ daß
ihre Herren den Kampff wieder Gamaxus abgeſchlagen hatten/ auff welchen Fall ſie be-
fehlichet wahren/ ihr Vorhaben mit erſter gelegenheit ins Werk zurichten/ wurden auch
eines gewiſſen Tages eins/ an welchem ſie ihrer Herren Stieffeln oder Handſchuch der-
geſtalt inwendig ſalben wolten/ daß nach verflieſſung 48 Stunden ſie keine mehr anlegen
ſolten. Einer unter ihnen/ nahmens Bazaentes/ hatte an Herkules Freundligkeit ſich ſo
ſehr verliebet/ daß ihn unmoͤglich dauchte/ dieſe Mordtaht zu volbringen/ waͤhre auch ewig
ſchade/ daß ein ſolcher lieber Herr ſo jaͤmmerlich umbkommen ſolte; beſchloß deßwegen
die lezte Nacht feſtiglich/ es zuoffenbahren/ und ſeinem Herꝛn das Leben zuretten/ was hart
verbindliche Verheiſſung er gleich dem Koͤnige getahn hatte; machte ſich zu Tyriotes/ und
baht ihn/ die Groß Fuͤrſtin zubewaͤgen/ daß ſie ihn abſonderlich/ ohn ſeiner dreyen Geſellen
vorwiſſen zu ſich fodern lieſſe/ nachdem ihrer Durchl. er etwas vorzutragen haͤtte/ welches
keinen Verzug leiden wolte. Dieſer wahr willig ihn anzumelden/ und kam bald hernach
ein Perſiſcher Knabe/ welcher ihn zu der Groß Fuͤrſtin foderte/ gleich da die andern aus-
gangen wahren/ alles noͤhtige zu ihrer Flucht fertig zu machen. Als er zu ihr ins Gemach
trat/ ſchoſſen ihm die Traͤhnen in die Augen/ baht untertaͤhnigſt/ ſie moͤchte die Anweſen-
den abweichen heiſſen/ ſetzete ſich hernach auff die Knie/ und fing mit weinender Stimme
alſo an: Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ ich armer Suͤnder/ der ich aus unbedachtſamen
Frevel ein abſcheuhliches Bubenſtuͤk zuverrichten/ auff mich genommen/ komme/ deſſen
gnaͤdigſte verzeihung zu bitten/ und das uͤbel abzuwenden/ ehe und bevor es von andern
volfuͤhret werde/ die ſich deſſen nicht bereden koͤnnen/ daß es boͤßlich gehandelt ſey. Alsbald
gedachte ſie/ es wuͤrde die Vergifftung antreffen/ welche ſie ſchon aus dem Sinne geſchla-
gen hatte/ und antwortete ihm gnaͤdig alſo: Mein Bazaentes/ du tuhſt ſehr wol/ daß du
das boͤſe bereueſt/ ehe es vollendet wird/ und erzeigeſt hiedurch dein auffrichtiges Herz/ wel-
ches von untugend zwar kan angeſprenget/ aber nicht überwunden werden; daher du dich
nicht allein gaͤnzlicher verzeihung/ ſondern groſſer uͤberwichtiger Gnade wol verſichern
magſt/ wann du nur redliche anzeige tuhſt/ damit das boͤſe/ ehe es volbracht wird/ abge-
wendet/ und gleichwol kein unſchuldiger verleumdet werde. So ſtehe nun auff/ und offen-
bahre mir kuͤhnlich/ was du auff dem Herzen haſt. Hierauff fing er an zuerzaͤhlen/ was ge-
ſtalt
[151]Fuͤnftes Buch.
ſtalt Artabanus ihn und ſeine drey Geſellen mit herben Gifft ausgeruͤſtet haͤtte/ Koͤnig La-
diſla und Groß Fuͤrſt Herkules damit hinzurichten/ wovor jedem eine freye Herrſchaft zu-
geſaget und verbriefet/ auch aus dem Koͤnigl. Frauenzimmer die Wahl der ſchoͤnſten
Jungfrauen verſprochen waͤhre/ die Bagophanes ihnen ſchon gezeiget haͤtte. Nun wolte
er aber/ nachdem ers recht erwogen/ lieber ſeine ganze Lebenszeit im Elende zubringen/ als
dieſes Bubenſtuͤk begehen; meldete hernach/ daß ſie verabſcheidet haͤtten/ da ſie der Stie-
feln heut nicht koͤnten bemaͤchtiget ſeyn/ die Handſchuch heut uͤber der Mahlzeit inwendig
zu vergifften/ und waͤhre die Salbe der Wirkung/ daß wann ſie die Haut nur beruͤhrete/
der Menſch ohn alle Huͤlffe nach Verlauff 48 Stunden des Todes ſeyn/ und inzwiſchen
unſaͤgliche Schmerzen ausſtehen muͤſte. Valiſka ſtellete ſich/ als haͤtte ſie deſſen nie keinen
Argwohn gehabt/ hieß ihn ſchweigen/ und aller Gnade gewaͤꝛtig ſeyn/ ging nach ihres Bru-
ders Gemach/ woſelbſt ſie auch Herkules und Fabius fand/ und redete ſie mit naſſen Augẽ
alſo an: Meine allerliebſte Herzen; billich fallen wir auff die Knie/ und danken unſerm
GOtt und Erloͤſer vor ſeine unausſprechliche Barmherzigkeit/ daß er mir gleich dieſe
Stunde die teufliſche Vergifftung kund werden laſſen/ welche heut dieſen Tag an meinem
Bruder und Gemahl hat ſollen erfuͤllet werden/ und man ſie menſchlicher Vernunfft nach
nicht haͤtte meiden noch verhuͤten koͤnnen. Sie entſetzeten ſich alle/ hoͤreten der Erzaͤhlung
fleiſſig zu/ und rahtſchlageten/ wie den Sachen ferner zu tuhn waͤhre; wurden endlich eins/
die vier Hirkaner neben vier Boͤhmiſchen bey der Mahlzeit auffwarten zulaſſen/ und ihnẽ
vorſezlich/ doch als ohngefehr die Handſchuch hinzureichen/ daß ſie auff ſcheinbahrer Taht
ergriffen/ deſto beſſer uͤberzeuget/ und hernach abſonderlich wegen des Anſtiffters befraget
werden koͤnten/ welches dem Parthiſchen Wuͤterich unabwiſchlichen Schimpff geben
wuͤrde. Fabius ward von ihnen nach Pharnabzus geſendet/ er moͤchte unbeſchweret zur
Mahlzeit kommen/ weil etwas wichtiges wuͤrde zubereden ſeyn. Sie aber ſetzeten ſich auff
die Knie/ hielten ihr andaͤchtiges Gebeht zu Gott/ und danketen ihm vor dieſe unausſprech-
liche Gnade/ daß er des einen Herz gelenket/ und zur Bekaͤntniß angetrieben haͤtte/ bahten
auch ihren Heyland/ er wolte ſich ihrer ferner annehmen/ und ſie friſch und geſund in ihr
Vaterland fuͤhren. Hernach verwieß Valiſka ihrem Herkules ſeine Leichtglaͤubigkeit/ und
daß er ihre erſte Warnung ſo gar in den Wind geſchlagẽ; man muͤſte nicht alles vor Gold
halten/ was da ſchimmert; die Boßheit koͤnte ja ſo wol/ und viel beſſer unter auffrichtiger
aͤuſſerlicher Geſtalt/ als niedergeſchlagenen Augen verborgen liegen. Als ſie zur Mahlzeit
gingen/ machten ſie Artaxerxes und andern anweſenden Fuͤrſten den ſchaͤndlichen Meu-
chelmord zuwiſſen/ der mit ſeinem Anſtiffter aͤuſſerſt verfluchet ward. Die Hirkaner ſtelle-
ten ſich hinter ihre Herren zur Auffwartung/ an denen man die geringſten Zeichen einer
Verenderung nicht merken kunte/ und da ſie die Handſchuch nebeſt den Schwertern em-
pfingen/ trugen ſie alles in ein Neben Gemach; Weil ſie ſich nun dafelbſt allein befunden/
und Bazaentes auff die Schildwache ſtelleten/ ſtrichen ſie den Gifft unvermerket hinein/
da Fabius in Geſelſchafft ſeinen Teil auch bekam. Bey wehrender Verrichtung ſagte ei-
ner zu dem andern: Heut wollen wir unſer Gluͤk verdienen/ und ein mehres leiſtẽ/ als Fuͤrſt
Vologeſes mit 500000 Mann nicht vermocht hat; Du aber/ ſagte einer zu Bazaentes/
ſolt dieſes Ruhms nur halb genieſſen/ weil du nicht Hand mit angeleget haſt. Dieſer gab
lachend
[152]Fuͤnftes Buch.
lachend zur Antwort: Ich hoffe noch den beſten Preiß davon zutragen/ weil ich ihnen den
Gifft zuſtellen wil. Nach verrichtetem Bubenſtuͤk traten ſie mit ernſtlichem Angeſicht vor
den Tiſch/ und gingen mit flüchtigen Gedanken umb/ des Vorſatzes/ ſo bald ſie ſehen wuͤr-
den/ daß ſie ihre Handſchuch wuͤrden angezogen haben/ zu ihren Pferden zulauffen/ welche
ſie nicht weit vom Oſten Tohre in ein Hauß gezogen hatten/ vorgebend/ ſie ſolten mit etli-
chen Herren auff die Jagt reiten. Unter der Mahlzeit befahl Artaxerxes alle Diener abzu-
treten/ weil man geheime Sachen zu bereden haͤtte/ welches niemand argwoͤhniſch machte/
weil es offt zugeſchehen pflag. Weil ſie nun nicht wiſſen kunten/ ob die Beſchmierung ge-
ſchehen waͤhre/ ſtund Valiſka auff/ ging nach ihrem Gemache/ und hieß Bazaentes und
zween Boͤhmiſche Knaben mit ihr gehen/ deren jedem ſie eine Schachtel zu tragen gab/ als
wolte man etliche Sachen heraus nehmen/ und ſagte ſie zu dem Hirkaner: Mein Sohn/
iſt der Anſchlag zu werke gerichtet/ ſo ſage mir die Warheit. Ja Durchl. Groß Fuͤrſtin/
antwortete er; ſie haben den Tod in meiner gnaͤdigſtẽ Herren/ und Herrn Fabius Hand-
ſchuch geſchmieret. Gab ihr hernach ſein Gifftbuͤchslein/ und deutete an/ man wuͤrde ein
gleichmaͤſſiges bey aͤllen dreyen finden; uͤberdas ſtuͤnden ihre Pferde geſattelt/ allernaͤheſt
beym Tohr in der Herberge zum guͤlden Loͤuen. Beweißtums gnug/ ſagte ſie/ ſchweige nur
ſtille/ und verrahte dich ſelber nicht; ging hinter dieſen dreyen her/ nam ihnen die Schach-
teln ab vor der Saal Tuͤhr/ und nachdem ſie der Geſelſchafft bericht getahn hatte/ ließ ſie
durch die drey Hirkaner die Schachteln in Libuſſen Begleitung wieder nach ihrem Ge-
mache tragen. Bald darauff wurden die Diener ſaͤmtlich wieder herein geruffen/ uñ taht
ihnen Valiſka Befehl/ ſo bald man mit den Hirkanern reden würde/ ſolten ſie acht auff ihre
Haͤnde geben/ damit ſie weder ſich ſelbſt noch andere zu verletzen Gelegenheit haͤtten; doch
hielt man ein/ biß die Speiſen abgetragen wahren/ und Phraortes die drey Hirkaner (den
vierden hatte man vorſezlich weggeſchikt) vor ſich foderte/ welche er fragte/ ob ſie den Bau-
ren Gamaxus bey Artabanus nicht geſehen haͤtten; auch was ſonſten neues nach verlohꝛ-
ner Schlacht vorgangen waͤhre. Der fuͤrnehmſte unter ihnen/ nahmens Trountes/ ant-
wortete: Sie wuͤſten von keinem Gamaxus zuſagen/ und haͤtte der Koͤnig ſich gar freudig
geſtellet/ als ob er die Schlacht gewonnen/ zweifelte auch nicht/ er wuͤrde ſich mit ſehr groſ-
ſer Macht bald wieder zu Felde begeben. Du redeſt ſehr gut Parthiſch/ ſagte Phraortes/
und ſolte mich dieſes faſt bewaͤgen/ einem vertraulichen Schreiben Glauben beyzumeſſen/
in welchem ich von Charas aus berichtet werde/ Artabanus habe etliche verwaͤgene Bu-
ben durch groſſe Verheiſſungen auffgemacht/ die ſich eines unglaͤublichen Bubenſtüks un-
terfangen wuͤrden; ſeyd ihr nun dieſelben/ ſo bekennet es/ weil die Gnaden Tuͤhr offen ſtehet/
alsdann wird man den gelindeſten Weg mit euch gehen; im widrigen duͤrffte es hernach
ſcharffe Abſtraffung geben; iſt aber die Unſchuld auf eurer Seite/ ſol euch meine War-
nung an euren Ehren hernaͤhſt unſchaͤdlich ſeyn. Vorerſt aber koͤmt mir ſehr verdaͤchtig
vor/ daß ihr alle vier es ſo zugleich ſoltet eins worden ſeyn; Vors ander/ ſehe ich keine wich-
tige Urſachen/ warumb ihr eben euch hieher begeben/ deſſen ihr ja in eurer Eltern Schrei-
ben keinen Befehl habet/ wiſſet auch keine Beleidigung anzuzeigen/ damit euch Artabanus
zur Flucht bewaͤget haͤtte; und welches das vornehmſte iſt/ redet ihr ſein beſtes nach Ver-
moͤgen/ da ich das Widerſpiel viel beſſer weiß. Die Juͤnglinge ſtelleten ſich freidig; ſie waͤ-
ren
[153]Fuͤnftes Buch.
ren Hirkaniſches Adels/ und nicht der Meynung/ ihrem ehrlichen Geſchlechte einigen
Schandflek anzuwerffen/ baͤhten untertaͤhnigſt/ Ihre Groß Fuͤrſtl. Durchl. wolte ſie des
ungleichen Verdachts gnaͤdigſt entheben/ oder zum wenigſten bey ihrem gnaͤdigſten Herꝛn
ihnen Erlaͤubniß erwerben/ in ihr Vaterland zuzihen. So wiſſet ihr euch alles boͤſen Vor-
nehmens ſo gar frey und unſchuldig? ſagte Phraortes. Ja/ gnaͤdigſter Herr/ antworteten
ſie/ wolten auch lieber ſterben/ als unzimliche Sachen vornehmen. Phraortes lachete ihreꝛ
Ernſthafftigkeit/ und ſagte: O wer ſich warnen lieſſe/ ehe er uͤberzeuget würde; dann her-
nach wird es viel zu lange geharret ſeyn. Dieſe drey ſahen ſich untereinander an/ und miß-
dauchte ſie Bazaentes Abweſenheit/ wolten ſich doch ſelbſt nicht verrahten/ ſondern bahten/
ihr vierder Geſelle moͤchte zur Verantwortung dieſer ſchweren Auflage auch gefodert
werden. Aber Phraortes gab zur Antwort: Seyd ihr drey from/ ſo wird der vierde wol
mit from ſeyn; oder iſt er ſchlimmer als ihr/ dann haben wir an euch dreyen ſchon mehꝛ als
gnug; wiewol euer Geſelle nach befindung eben ſo wenig als ein ander frey ausgehen ſol.
Machet euch aber hin/ und hohlet die drey par Handſchuch her/ daß ſie euer geruͤhmeten
Unſchuld Zeuge ſeyn. Was vor Handſchuch/ gnaͤdigſter Groß Fuͤrſt? fragete Trountes/
der gewoͤhnliche Worthalter. Du ſtelleſt dich ſehr fremde/ ſagte Phraortes; Ich fodere
dieſelben/ welche ihr ins Neben Gemach getragen/ und ſie daſelbſt mit einem wolriechenden
Saͤlbelein beſtrichen habt. Der eine wahr willens zubekennen/ und umb Gnade zu bitten/
weil er hoͤrete/ daß die Sache verrahten wahr; aber Trountes ſing ſeiner Verwaͤgenheit
nach an: Hat etwa Bazaentes/ der dabey niſtelte/ etwas daran geſchmieret/ wovon mir
gleichwol nichts bewuſt iſt/ ſo ſtraffe man ihn; ich und meine Geſellen wollen gern ſelbſt
mit Hand anlegen. Biſtu da zuriſſen/ ſagte Phraortes/ ſo muß Meiſter Haͤmmerlein uͤ-
ber dich kommen; und meyneſtu Bube/ dieſe Hoch Fuͤrſtl. Geſelſchafft werde ſich durch
deine ſchlauhe Verſtellung hintergehen laſſen? Hierauff wurden die anweſende Diener
befehlichet/ ihnen die Kleider zubeſuchen. Worauf der eine/ nahmens Orontes/ alsbald einẽ
Fußfall taht/ legte ſich auff die Erde/ und rief immerzu/ Gnade/ Gnade! die anderen beyde
aber ſtraͤubeten ſich/ zuͤcketen ihr Brodmeſſer/ und traten dem Tiſche naͤher/ des willens/ un-
ſere beyde Helden zuerſtechen; aber die anweſende Diener begriffen ſie/ brachen ihnen die
Meſſer aus den Faͤuſten/ und wurden drey Boͤhmiſche darüber verwundet. Die Fuͤrſtli-
che Geſelſchafft kehrete ſich nicht groß dran/ und wurden etliche Trabanten hinein geruf-
fen/ welche die Buben mit Stricken bunden/ und Herkules ihnen nochmahl zu reden er-
laubete; Worauff der vorige zu ſeinem Mit Schelme/ nahmens Mazezes ſagte: Mein
redlicher Geſelle und lieber Bruder/ du ſiheſt und hoͤreſt/ daß der meinaͤidige Bazaentes
zum Verraͤhter worden iſt/ wie ich allemahl gefuͤrchtet/ und der furchtſame Orontes das
Herz verlohren hat; Laß uns aber geherzt ſterben/ nachdem wir nicht laͤnger gluͤklich leben/
noch unſerm allerliebeſten Koͤnige weiter dienen koͤnnen; wir wollen trauen weder Aufruͤh-
rer noch Abtruͤnnige werden/ ſondern deren Boßheit vielmehr verfluchen. Den Fürſten
ging ſolche Schmach durchs Herz/ und befahl Artaxerxes/ daß ſie drunten im Vorhofe am
ganzen Leibe mit Ruhten biß auffs milde Blut geſtrichen/ hernach in abſonderliche Ge-
faͤngniß gelegt/ und auff der Folter ſtraͤnge ſolten gezogen werden; da man die Gifftbuͤchs-
lein bey ihnen fand/ und ihre Uhrgicht mit Bazaentes Bekaͤntniß ganz uͤberein ſtimmete.
uOron-
[154]Fuͤnftes Buch.
Orontes geſtund alles gutwillig/ und erlangete durch Herkules Vorbitte die Gnade/ daß
er auff vier Jahr in einen Thurm gefangen geleget ward/ ſeine Sünde aldabey geringer
Speiſe zubuͤſſen/ und nachgehends milderer Gnade gewaͤrtig zuſeyn. Ihre geſamte Be-
kaͤntniß ging dahin/ daß ob zwar der Koͤnig ſelbſt ſie zu ſolcher Taht vermocht/ haͤtte doch
Bagophanes und ſein Weib durch Reiz- und Verheiſſung ſie immer hefftiger getrieben/
biß ſie ihre Traͤue mit hohen Beteurungen angelobet/ und ſich behaͤglich erklaͤret haͤtten.
Artaxerxes ſprach den beyden boßhafften die Urtel/ der Gifft ſolte ihnen angeſchmieret/ und
ſie hernach/ weil ſie noch lebeten/ auffs Feuer geſetzet/ und zu Aſchen verbreñet werden; wel-
ches des folgenden Tages den Anfang nam; da ſie alle drey auff eine Stellung gefuͤhret/
und ihnen die Uhrgicht vorgeleſen ward/ welche ſie beſtaͤndig bejaheten; worauff Orontes
oͤffentlich um Gnade bitten/ und vor die ſchon erlangete danken muſte/ ward auch darnach
hingebracht/ ſeine bereitete Herberge zubewohnen. Den andern beyden wurden Haͤnde uñ
Fuͤſſe mit ihrem Gifft geſalbet/ welcher ſie dieſen und folgenden Tag erbaͤmlich peinigte.
Bazaentes ward hernach vor die geſamte Fuͤrſten gefuͤhret/ und von Valiſken alſo ange-
redet: Mein Sohn/ du ſolt dich erinnern der Verheiſſung/ ſo ich dir wegen deiner Anzeige
getahn habe/ und demnach an meinen Gemahl eine Vergeltung untertaͤhnig begehren/
welche dir geleiſtet werden ſol. Dieſer fiel auff die Knie/ fing an bitterlich zuweinen/ und
baht durch alle Goͤtter/ ihm vorerſt ſeine vorgenommene Miſſetaht gnaͤdigſt zuverzeihen;
hernach vor Artabanus ihn Verfolgung zuſchützen; und endlich/ daß GFuͤrſt Herkules
ihn entweder Zeit ſeines Lebens in Dienſt behalten/ oder in abgelegenen unbekanten Land-
ſchafften Lebensmittel verſchaffen wolte/ damit er nicht wieder vor ſeines Vaters Augen
kaͤhme/ als welcher ihn wegen der vorgenommenen Ubeltaht ungezweifelt ſelbſt erwuͤrgen
wuͤrde/ weil er Fuͤrſt Menapis geheimter Raht/ und dem Parthiſchen Wuͤterich biß auff
den Tod gehaͤſſig waͤhre; Dafern er nun dieſe dreyfache hohe Gnade erlangen koͤnte/ ſchaͤt-
zete er ſich gluͤkſelig gnug/ und wolte Zeit ſeines Lebens es in untertaͤhnigſtem Gehorſam er-
kennen. Die Fuͤrſten hieſſen ihn einen Abtrit nehmen/ ruͤhmeten hernach ſeine rechtſchaffe-
ne Erkaͤntniß/ und nam ihn Herkules an vor ſeinen Hof Junker/ hielt ihm auch einen Leib-
knaben und zween reiſige Knechte ſampt vier Reitpferden und ſo viel Gutſchpferden/ und
vermachte ihm monatliche Beſtallung 1000 Kronen; ſo ſchoſſen der Mediſche/ Perſiſche
und Suſianiſche Fuͤrſt 80000 Kronen zuſam̃en/ und Gallus brachte ihm bey den Kriegs-
Obriſten auch ſo viel zuwege/ welches alles er wider ſeinen Willen zu ſich nehmen muſte;
Weil dann Libuſſa gemerket hatte/ daß er der Groß Fürſtin Valiſka neu angenommene
aͤdle Kammer Jungfer/ die ſchoͤne Laudize geneñet/ gerne ſahe/ welche ein Jungfraͤulein von
15 Jahren wahr/ befoderte ſie es/ daß ſie ihm zur Ehe verſprochen ward. Sechs Stunden
vor der verurteileten Verbrennung kam abermahl ein Heerhold von Gamaxus an/ wel-
cher vor des Gerichts Volſtreckung/ dem er ſelbſt beywohnen muſte/ nicht gehoͤret ward;
da er dann anhoͤrete/ was geſtalt nach wiedergehohlter Uhrgicht Artabanus der Parthi-
ſche Wuͤterich vor einen unredlichen Gifftmiſcher dreymahl ausgeruffen ward; nach wel-
cher Verrichtung man ihn vortreten ließ/ da er dieſes anbrachte: Der Durchleuchtige
Fuͤrſt in Ober Meden/ Herr Gamaxus der Sieghaffte/ hat an die Durchl. Fuͤrſten/ Herꝛn
Herkules und Herrn Ladiſla mich abgefertiget/ und ihnen dieſes Schreiben einzureichen/
mir
[155]Fuͤnftes Buch.
mir gnaͤdig anbefohlen. Wie nun zum Henker/ ſagte Ladiſla/ iſt der Baur ſo ſchleunig zum
Fuͤrſten/ und zwar zum Fũrſten in Meden worden? O ihr aͤdlen Meden/ iſt euch von dem
Gifftmiſcher Artabanus ſo ſchwere Straffe zugemaͤſſen/ daß ein fremder Baur uͤber euch
herrſchen ſol/ ſo wird euch hart genug gefluchet ſeyn; aber ſaget mir doch/ Heerhold/ wie
komt ihr darzu/ daß ihr dieſen Bauren vor einen Fuͤrſten in Meden ſcheltet? ſehet ihr den
wahrhafften Groß Fuͤrſten in Meden nicht hie gegenwaͤrtig ſitzen/ und ſeinen Erben nicht
weit davon? Ich habe dieſes nicht zurechtfertigen/ antwortete er/ nachdem mein allergnaͤ-
digſter Koͤnig ihm den Nahmen aufgetragen hat/ und mir anbefohlen iſt/ ihn alſo zuneñen.
Phraortes ſagte mit einem Gelaͤchter: Artabanus der Giftmiſcher verſchenket mein
Groß Fuͤrſtentuhm/ und weiß nicht/ wie lange er ſeinen Stuel beſitzen ſol; waͤhre ich aber
mit ihm allein im freyen Felde/ muͤſte er mir deswegen Rechenſchaft geben. Weil nun die-
ſer hierauff nicht antworten wolte/ nam Herkules das Schreiben/ hieß den Abgeſanten ab-
treten/ und verlaſe dieſen Inhalt oͤffentlich:


Gamaxus der Steghaffte/ erhobener und beſtetigter Fuͤrſt in Ober Meden/ der bißher 18 Jahr
lang ſeinen Saͤbel gebraucht und denſelben nunmehr unuͤberwindlich gemacht/ nachdem er ihn nie-
mahls/ als nach erhaltener uͤberwindung in die Scheide geſtecket; hat die ſchimpfliche Antwort des
raſenden Teutſchen Fraͤulein Diebes abweſend vernommen/ die er gegenwaͤrtig von ſeiner zwanzigen
nicht ohn ihrer Zermalmung wuͤrde angehoͤret haben. Damit er nun ſolchen Frevel gebuͤhrlich ab-
ſtraffe/ und die verwaͤgene Laͤſterzunge hemme/ fodert er denſelben nebeſt ſeinem Geſellen Ladiſla/ der
nicht umb ein Haar beſſer als er ſelbſt iſt; auch Artaxerxes den abtruͤnnigen Perſen/ und Phraortes
den vermeynten Mediſchen Fuͤrſten ritterlich aus/ daß ſie alle vier zugleich auff dem Platze/ welchen
mein Abgeſanter benennen wird/ erſcheinen/ die ich alleſamt in einem Kampffe beſtehen/ und ſie mit
vier Streichen mitten von einander ſpalten wil. Solte ihnen aber vor meinem durchdringenden Saͤ-
bel grauen/ daß ſie mir zuentlauffen meyneten/ wil ich nicht allein ſie vor verzagete Buben durch alle
Morgenlaͤnder ausruffen und oͤffentlich anſchlagen/ ſondern ſie zuverfolgen nicht ruhen/ biß ich ſie
ertappen/ und mein Herz durch billiche Rache befriedigen werde/ wann gleich biß in den unachtſamen
Winkel Teutſchlandes ich ihnen nachreiten muͤſte/ maſſen der Weg dahin/ ſo wol den herzhafften als
verzagten offen ſtehet. Solches draͤuet/ uñ wird unfehlbar vollenden Fuͤrſt Gamaxus der Sieghafte.


Dieſer iſt ohn zweiffel noch einer von den Himmel-Stürmern/ ſagte Herkules nach
verleſung/ und haͤtte ich nie gemeinet/ daß in einem Menſchen ein ſo unbeſonnener Fre-
vel ſtecken koͤnte; ſehe aber/ daß er ſein Maß erfuͤllet/ und der Almaͤchtige Gott dieſen uͤber-
muht laͤnger nicht dulden wil; wollen demnach meine Herren mir volmacht geben/ ihm
eine Antwort zuerteilen/ die ich mit der huͤlffe meines GOttes zubehaͤupten willens bin/
hoffe auch nicht/ daß mich Gott deßwegen aus ſo mannicher Gefahr errettet habe/ daß ich
von dieſem Bauren ſolte erſchlagen werden. Als ihm nun deſſen vollige Gewalt einge-
raͤumet ward/ nachdem man dem Abgeſanten auff Herkules begehren die Straffe gelin-
dert hatte/ war derſelbe hinein geruffen/ zu welchem Herkules ſagete: Heerhold/ des un-
geſchlieffenen Bauren Gamaxus Feder iſt gewaltig grob geſchnitten/ und ſihet man wol/
daß ihm der Flegel oder die Miſtgabel beſſer als an Fuͤrſten zu ſchreiben/ anſtehe. Wann
dieſe Hoch Fuͤrſtliche Geſelſchaft meine Vorbitte nicht haͤtte wollen gelten laſſen/ haͤtten
ſie Urſach gnug/ euch an den Galgen zu henken/ daß andere eures gleichen abſcheuh bekaͤh-
men/ ſich vor ſolche Brieffetraͤger beſtellen zu laſſen. Aber der baͤuriſche Garſthammel iſt
unſers Zorns nicht wirdig/ welches euch zur Lebensfriſtung dienen muß/ jedoch/ dafern ihr
u ijeuch
[156]Fuͤnftes Buch.
euch gleich alsbald ohnwegerlich durch einen aͤid verbinden werdet/ daß ihr auff der Ruͤt-
reiſe nichts durchaus/ als Waſſer und grob Bauren-Brod/ welches man euch zuſtellen
wird/ genieſſen/ und ſo bald ihr vor dem Stadtohr ankomt/ da der Baur ſich auffhaͤlt/ ihr
euch auff einen Eſel ruͤklings ſetzen/ gleich alſo biß zu dieſem Bauren reiten/ und ihm dieſe
Miſtgabel und Droͤſche Flegel im nahmen unſer aller zuſtellen/ auch dieſe Antwort ihm
ſagen wollet: Ob der Bauren Unflaht zwar billiger durch Henkers-als eines Fuͤrſten
Schwert ſolte abgeſtraffet werden/ wil ich doch am fuͤnfften Tage von dieſem an zu rech-
nen/ auff beſtimmetem Platze erſcheinen/ und verſuchen/ ob ich ſeine ungeſpitzete Bauren
Feder mit meinem Schwerte nicht beſchneiden/ und ihm die ruhmraͤtige Ochſenzunge
ſpannen koͤnne. Werdet ihr aber euch deſſen zu verbinden nicht willig ſeyn/ ſo ſtehet der
Buͤttelknecht hauſſen vor dem Schloſſe/ welcher euch an den Galgen knuͤpffen ſol. Die-
ſer entſetzete ſich vor der Straffe/ wahr willig den aͤid zu leiſten/ und alles getraͤulich zu ver-
richten; nur allein baht er/ ob die Antwort ihm nicht ſchriftlich koͤnte gegebẽ werden. Aber
Herkules gab ihm zum abſcheide dieſes: Bald packe dich/ und bilde dir nicht ein/ daß eini-
ger Fuͤrſt mit einem bengelichten Baurwocken werde Schreiben wechſeln. Alſo muſte
dieſer abzihen/ und auff der Reiſe ſich küm̃erlich gnug behelffen/ da ihm ein lahm geſchoſ-
ſener Parthiſcher Gefangener zugegeben ward/ welcher ihm den Flegel tragen/ er aber
ſelbſt die Miſtgabel zu ſich nehmen muſte.


Frau Atoſſa hatte nunmehr ſich zur Reiſe nach Meden fertig gemacht/ und mit Ar-
bazes die Eheteidung mit Frl. Tarinea geſchloſſen/ wolte auch des folgenden morgens in
Geſelſchaft etlicher Mediſchen Herrn fortzihen; aber durch neue Wiederwertigkeit ward
ſie noch vier Tage auffgehalten; dann Herr Pharnazes/ des Aſſyriſchen Fuͤrſten Arma-
methres Bruder Sohn/ der von groſſen mitteln/ und in lezter Schlacht ſich wolgehalten
hatte/ auch nach ſeines Vettern tode der naͤheſte Erbe dieſes Fuͤrſtentuhms wahr/ verlie-
bete ſich hefftig in ſie/ uñ als er ſahe/ daß ſie hinweg wolte/ brach die Begierde ſeine Furcht/
daß er ſich an Groß Fürſtin Saptina machete/ ihr ſeine Liebe zuwiſſen taht/ und fleiſſig an-
hielt/ ihm dieſe Heyraht zu werben; es ſtuͤnde ihm auff der eile zwar nicht/ wann nur nach
abgelegter trauer ihm kein ander vorkommen moͤchte. Weil dieſe ihm nun gute vertroͤ-
ſtung gab/ und allen ihren fleiß verſprach/ zweiffelte er am guten verfolg weiter nicht ſtelle-
te ihr auch ein koͤſtliches Kleinot zu/ es Fr Atoſſen ſeinetwegen einzureichen. Die Groß-
Fuͤrſtin wolte dieſe Gelegenheit nicht verabſeumen/ ſetzete nach gehaltenem Abendmahle
ſich zu ihr/ und meldete an/ es fielen wichtige Urſachen ein/ daß man ihr abreiſen noch nicht
ein willigen koͤnte; ſie ſolte den Unfal ihres Seel. Gemahls bey ſeit ſetzen/ die Goͤtter wol-
ten ihren Willen haben/ und koͤnte geſchehen/ daß ſie nach dieſer truͤbſaal ein hoͤher Gluͤk
als vorhin zugewarten haͤtte. Fr. Atoſſa fuͤrchtete ſich alsbald/ ſie ginge mit neuen Hey-
rahtsgedanken umb/ wovor ſie den Tod zuwaͤhlen bedacht wahr/ und antwortete: Der
Himmel haͤtte den groͤſten teil ihrer Froͤligkeit hinweg genommen/ und waͤhre billich/ daß
ſie den Tod ihres Seel. Gemahls betraurete/ welcher ja von dem Taͤhter ſelbſt betraures
wuͤrde; baͤhte demnach untertaͤhnig/ ſie nicht auffzuhalten/ weil ihr nach ihrer betruͤbten
Fr. Mutter hoͤchlich verlangete/ und dieſer froͤlichen Geſelſchaft mit ihrer wehmuͤhtigen
gegenwart nicht gedienet waͤhre. Euer Mutter/ ſagte die Groß Fuͤrſtin/ gehets noch wol/
und
[157]Fuͤnftes Buch.
und wann gleich dieſelbe nicht waͤhre/ ſo wil ich bey euch ohndas Mutterſtelle vertreten/
weil ich ſchon weis/ daß ich eine geherſame Tochter an euch habe/ gehe auch ſchon damit
umb/ wie ich euch zu hoͤheꝛem Gluͤcke verhelffen moͤge/ als eure leibliche Mutter nicht tuhn
kan; wollet demnach auff mein begehren euch foͤrder nicht wegern/ bey mir zuverharren/
weil es einig nur zu euer wolfahrt angeſehen iſt; und was duͤnket euch? haͤttet ihr mir nit
zu danken/ wann ichs fuͤgete/ daß ihr dereins auff einem Fuͤrſten Stuel ſaͤſſet. Dieſer Ehre
ſchaͤtze ich mich allerdinge unwirdig/ antwortete ſie/ und weil es nicht anders als durch
heiraht geſchehen würde/ gebühret mir nicht darauff zu antworten/ nachdem ich meinen
lieben Ehegatten/ des Groß Fuͤrſten ſo nahen Anverwanten erſt vor weniger Zeit verloh-
ren habe; bedanke mich nicht deſtoweniger gegen eure Durchl. untertaͤhnig/ der gaͤnzli-
chen zuverſicht gelebend/ ſie werde meine Antwort vielmehr gut heiſſen als tadeln/ und
wiſſen die Goͤtter/ daß ich zu ſolcher Hocheit weder Sinn noch willen trage/ wann ichs
gleich erlangen koͤnte. Fr. Saptina wolte nicht ablaſſen/ und durfte gleichwol ehrenhal-
ben ſo ſtark nicht in ſie dringen/ doch als dieſe in ſteter wegerung blieb/ und ſie ihr gleichwol
das Kleinot gerne beygebracht haͤtte/ ſagte ſie endlich: Geliebte Tochter/ ihr ſollet mit mir
nicht als mit einer fremden umbgehen; euer redliches Gemuͤht iſt mir gnug bekant/ und
daß ihr meinen Oheim Seel. auffrichtig geliebet; weil ihr aber noch ſehr jung ſeid/ und
unmoͤglich/ eure uͤbrigen Tage einſam zuzubringen/ muß man trauen des Gluͤckes anbieten
nicht außſchlagen; ich gehe damit nicht umb/ daß ich eure gebuͤhrliche trauerzeit ſtoͤren o-
der kuͤrzen wolte/ nur allein/ daß nach verfloſſenen Wochen ihr wieder mit einem wirdigen
Gemahl moͤget verſchen ſeyn; derwegen laſſet euch rahten/ und gebet eine andere Erklaͤ-
rung von euch/ wie ich mich deſſen zu euch verſehe; da iſt Pharnazes naͤheſter Erbe des
Fuͤrſtentuhms Aſſyrien/ welcher euch ſein Herz zugewendet/ und umb eheliche Heyraht an-
ſuchet/ dem kein Fuͤrſt in dieſen Morgenlaͤndern ſein Fraͤulein verſagen wuͤrde. Sehet da/
beweißtuhms gnug/ daß er euch in ehren meinet/ weil er keine falſche Kuplerin/ ſondern
mich/ eure nahe Anverwantin gebrauchet/ und mir dieſes Kleinot eingehaͤndiget hat/ euch
zum Zeichen inbruͤnſtiger gewogenheit zu liefern; nicht dz er gleich dieſe Stunde mit dem
Beylager gedenket fortzufahren/ ſondern nur verſichert ſeyn mag/ daß nach abgelegter
trauer ihr die ſeine ſeyn wollet. Fr. Atoſſa wuſte vor angſt nicht zubleiben; ſie durfte die
Groß Fuͤrſtin nicht erzuͤrnen/ und wolte doch vielweniger das Kleinot nehmen; endlich
faſſete ſie einen Muht und antwortete: Durchleuchtigſte Groß Fürſtin; hat Pharnazes
auff Artobarzanes Tod gehoffet/ als dann ſol er nun und nimmermehr an meine Seite
kommen; treibet ihn aber ſonſt eine ehrliebende Gewogenheit/ ſo weiß ich ihm deſſen fleiſ-
ſigen dank; aber daß ich mich ihm verſprechen/ oder einiges Geſchenke jetziger Zeit ſchon
von ihm annehmen ſolte/ bin ich keines weges geſinnet/ in betrachtung er hernach ſelbſt
mirs vor eine groſſe Leichtfertigkeit außdeuten wuͤrde. Haben die Goͤtter es veꝛſehen/ wird
es wol geſchehen muͤſſen/ wiewol ich wieder zu heirahten nicht willens bin. Valiſka ver-
ſtoͤrete dieſes Geſpraͤch durch ihre ankunft/ welches Atoſſen ſehr lieb wahr/ aber des fol-
genden morgens/ da Herkules mit ſeiner groſſen Geſelſchaft nach den Parthiſchen Gren-
zen auffbrach/ kunte ihr die Reiſe nicht zugelaſſen werden/ wiewol es ihr Gluͤk wahr/ daß
Pharnazes mit fort muſte; und ob gleich die Groß Fuͤrſtin ſich ſehr bemuͤhete/ ſie biß auff
u iijdeſſen
[158]Fuͤnftes Buch.
deſſen Wiederkunft auffzuhalten/ muſte ſie doch endlich nachgebẽ/ daß ſie nach ihrer Mut-
ter fuhr/ und gleichwol weder durch gelinde noch harte Reden es dahin bringen kunte/ daß
ſie ihr das Jawort hinterlaſſen/ oder das Kleinot angenom̃en haͤtte. Surinas wahr nun-
mehr an ſeinen Wunden geneſen/ wuſte auch den Weg den ſie zihen wuͤrde/ und wartete
ihr mit 30 Reutern auff den Dienſt; es dauchte ihn ihr verweilen einige Gefahr auff ſich
haben/ weil die Abrede anders lieff/ und als ſie mit ihrer begleitung 200 Pferde ſtark in
den Mediſchen Grenzen anlangete/ ſchikte ſie ihre Voͤlker biß auff 12 Mann alle wieder
zuruͤcke; traff des andern Tages hernach ihren Liebſten in einer Abendherberge unver-
mutlich an/ deſſen ſie halb er ſchrocken halb froͤlich wahr. Sie erzaͤhleten einer dem andern
ihre begebnis/ und auff ſein unablaͤſſiges anhalten/ veꝛehelichte ſie ſich mit ihm voͤllig/ doch
in groſſer ſtille und geheim/ da er ſie unter dem Schein ihrer nahen verwantnis biß an ih-
rer Mutter Schloß begleitete/ und ſich in der naͤhe bey ihrer nahen veꝛarmeten Anverwan-
tin auffhielt/ welche wegen der ſtatlichen verehrungen/ die ihꝛ von beyden teilen zukahmen/
ihnen zu dienſte wahr/ daß ſie faſt taͤglich beyein ander wahren.


Dem auffgeblaſenen Gamaxus ward in der Parthiſchen Grenzeſtad angemeldet/
was geſtalt ſein Abgeſanter vorm Tohr ſein Pferd umb einen unflaͤtigen Eſel verwechſelt
haͤtte/ und auff demſelben ruͤklings daher ritte/ ſo daß er auff einer Schulder eine Miſtga-
bel/ auff der andern einen Droͤſcheflegel hielte; welches er hiemit beantwortete; er wuͤrde
etwa ſeine Sinne gefreſſen haben. Derſelbe aber wolte ſeinem getahnen aͤide nachkom̃en/
deßwegen ließ er ihm anzeigen/ er koͤnte Kraft geſchwornen ſtarken aͤides/ darzu er durch
bedraͤuung des Todes gezwungen waͤhre/ nicht anders/ als entweder ſterben/ oder auff
ſolche weiſe erſcheinen. Dieſer unverſtaͤndiger kunte es noch nicht außrechnẽ/ was vor ei-
ne bedeutung ſolches mit ſich fuͤhrete/ und gab zur Antwort; ſo wird Fuͤrſt Gamaxus hin-
aus treten/ umb zuvernehmẽ/ was dieſes vor ein Auffzug ſey. Sein Abgeſanter/ nahmens
Siſenes/ ritte zu ihm hinan/ und redete alſo: Gnaͤdiger Fuͤrſt/ ich bin einmahl euer Gn.
Heerhold geweſen/ aber nach dieſem nimmermehr wieder; euer Gn. Brieff muß harte
ſchmaͤhungen in ſich gehabt haben/ daher mir zum Bohtenlohn der Galgen ſchon bereitet
wahr/ wovon Groß Fuͤrſt Herkules mich loßgebehten/ mit dieſer bedingung/ daß ich auff
der ganzen Ruͤkreiſe mit Waſſer und groben Bauren-Brod vor liebnehmen/ und die ant-
wort/ wie ſie mir gegeben iſt vortragen zuwollen/ aͤidlich angeloben muſte; wil nun eure
Gn. dieſelbe anhoͤren/ wil ich ſie vorbringen. Gamaxus begunte die Baͤuriſchen Werk-
zeuge und deren deutung zuerkennen/ lief auch ſo vol Zorn/ daß er ſchiene von Siñen kom-
men ſeyn/ und da Siſenes nicht reißaus genommen/ wuͤrde er ihn er ſchlagen haben. Ka-
tenes aber trat zu ihm/ und ſagte: Ein Fuͤrſt muͤſte ſich über Feindes Schimpff uñ Spot
nicht zu hefftig eifern/ ſondern es großmuͤhtig verlachen/ und es an dem rechtſchuldigen
zu raͤchen/ Gelegenheit ſuchen. Weil er dann dieſen Herrn ohndas gerne hoͤrete/ ließ er
Siſenes vor ſich kommen/ und befahl ihm alles/ klein und groß zu ſagen; welcher ſeines
aͤides ſich erinnernd/ klaren Wein einſchenkete. Da haͤtte man nun auffs neue ein graͤuli-
ches Wuͤten ſehen moͤgen; er verkehrete die Augen im Kopffe/ und bruͤllete/ daß alle An-
weſende ſich davor entſetzeten; endlich ſchwuhr er bey allen hoͤlliſchen Goͤttern/ ſo bald er
nur den Laͤſterer anſichtig wuͤrde/ wolte er ihn mit ſeinen Helffern in kleine Stuͤcke zerhau-
en/ und
[159]Fuͤnftes Buch.
en/ und ihr Fleiſch ſamt dem Ingeweide den Hunden und Raben vorwerffen/ dann es
waͤhre ihm unmoͤglich/ des Koͤniges Willen nach/ ſie leben dig anzunehmen/ weil ihm nit
anders zu Sinne waͤhre/ als ob der Schimpff ihm das Herz abſtoſſen wolte. Nun wuſte
Artaxerxes wol/ daß der Feind die Grenzeſtaͤdte nicht allein mit gnugſamer Mannſchafft
verſehen/ ſondern auch mit obgedachter Reuterey verwahret hatte/ deßwegen er die auß-
erleſenſten Meden und Perſen 30000 ſtark zu ſich nam/ denen Herkules Ladiſla und Fa-
bius alle Teutſchen/ Boͤhmen und Roͤmer zu gaben/ und zogen mit dieſem wolbewehrten
Heer fort/ des gaͤnzlichen vorhabens/ den Feind zur Schlacht außzulocken. Groß Fuͤrſtin
Valiſka wolte nicht dahinden bleiben/ und hielt mit ihrem Gemahl und Bruder taͤglich
dreymahl Behtſtunde/ daß Gott dieſen trotzigen Rieſen daͤmpffen/ und ſeine Almacht an
ihm beweiſen wolte. An dem ſpaͤten Abend nach des Heerholds Wiederkunft langeten ſie
nahe bey der Stad an/ woſelbſt Gamaxus mit groſſem verlangen wartete/ laͤgerten ſich ins
freie Feld unter ihre Zelten gar enge/ ruheten wol aus/ und lieſſen durch einen auffgefan-
genen Parthiſchen Einwohner den Feind ihre ankunft wiſſen/ und fragen/ ob ein redlicher
Feld Herr bey dem Heer waͤhre/ der Kriegs- und Fuͤrſten gebrauch wuͤſte und hielte/ wol-
te man durch einen Geſanten handeln/ ſo bald man etliche Geiſel von ihnen haͤtte/ weil
man vernaͤhme/ daß der Baur ſich in ſolche Handlungen gar nicht zuſchicken wuͤſte. Ka-
tenes ließ ſolches an Gamaxus gelangen/ und unterrichtete ihn/ weſſen er ſich zuverhalten
haͤtte; welcher ſich endlich weiſen ließ/ uñ drey vornehme Parthiſche Obriſten vor Geiſel
einſendete. Darauf ward Tyriotes zum Heerhold erwaͤhlet/ welcher/ da er zu Gamaxus
gebracht ward/ ihn alſo anredete: Die Großmaͤchtigſten Fuͤrſten und Herꝛen/ Groß Fuͤrſt
Artaxerxes in Perſen; Groß Fuͤrſt Phraortes/ einiger wahrer Groß Fuͤrſt über Meden/
Koͤnig Ladiſla aus Boͤhmen/ und Groß Fuͤrſt Herkules aus Teutſchland; alle uhraltes
Koͤnigliches geblüts/ und keine Bauren (hier fing Gamaxus ſchon an/ ſich ſelbſt zuzerren
und inwendig zu brummen/ daran aber Tyriotes ſich nicht kehrete/ ſondern fortfuhr) ha-
ben ſich der unbeſcheidenen außfoderung des Indiers Gamaxus/ welcher des erſten Boh-
ten außſage nach/ aus einem Baurenhuͤtlein ſol entſproſſen ſeyn/ nicht gnug verwundern
koͤnnen/ daß ein ſolcher unwerter ihm in den Sinn nehmen darff/ ob wolten ſie ihr hoch-
fürſtliches Blut ihm darſtellen/ da ſie etliche tauſend hochaͤdle Ritter haben/ deren jeder
dem Gamaxus nicht allein am adel/ ſondern auch herzhaffter Kuͤhnheit und ritterlicher
Erfahrung es weit b[e]vor tuht/ und ihm die Stange wol halten ſol/ auch der geringſte un-
ter ihnen bereit iſt/ den Kampff wieder ihn anzutreten. So hat auch Koͤnig Artabanus/
und alle ſeine tapffere redliche Feld Herrn es ja erfahren/ daß Groß Fuͤrſt Herkules und
Koͤnig Ladiſla ritterliche Kriegs Helden ſind/ und viel zu gut/ ſich mit einem Bauren her-
um zu droͤſchen. Jedoch daß der Indier ſich nicht ruͤhme man habe ſich vor ſeinem draͤu-
en und Moͤrderſaͤbel gefuͤrchtet/ iſt der Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſt/ Herr Herkules bewo-
gen/ ſeine Hocheit an die ſeite zulegen/ und dem Gamaxus Streits ſat zugeben/ ſo bald ihm
zuerſcheinen nur belieben wird/ doch daß er mit Ritter-gebraͤuchlichem Gewehr uñ Har-
niſch ſich ſtelle/ oder aber ſeiner Durchl. erleubet und unnachteilig ſey/ ſich nach ſeinem
Willen zuwapnen/ und ſolches Gewehr zubrauchen/ wie es ihm gefaͤllig; und hierauff be-
gehre ich Antwort und erklaͤrung. Gamaxus kunte ſich nicht laͤnger uͤberwinden/ uñ fing
mit
[160]Fuͤnftes Buch.
mit greßlicher Stimme an; Warumb gibſtu mir meine Fürſtliche benahmung nicht/ du
unbeſcheidener Bohte? Darumb/ antwortete er/ weil du kein Fuͤrſt/ ja nicht eins ein Ritter
biſt; und ſchilt mich ein unbeſcheidener. Du biſt ein verwaͤgener Bohte/ ſagte jener/ und
moͤchteſt mich leicht auff andere wege finden. Wans redlich geſchihet/ ſagte er/ bin ich vor
dich und deines gleichen unerſchrocken; aber die Verwaͤgenheit/ deren du mich zeiheſt/
ſchlaͤgt dir gar uͤber dem Kopffe zu; ſonſten ſtehe ich hier/ nit als ein Bohte/ der den Bau-
ren umbs Geld laͤufft/ ſondern als ein Geſanter eines groſſen Herrn. Katanes/ der ihm
allernaͤheſt ſaß/ raunete ihm ins Ohr/ es waͤhre keines Fuͤrſten Brauch/ ſich uͤber eines
Geſanten rede zu eifern/ ſondern was zur ſache dienete/ zubeantworten/ und das übrige
veraͤchtlich vorbey gehen zulaſſen; inſonderheit moͤchte er ſich ja nicht an dieſem vergreif-
fen/ damit es nicht an ihren Geiſeln haͤrtiglich gerochen wuͤrde. Aber Gamaxus gab uͤber
laut zur Antwort: Was? ſolte ich mich von einem liederlichen Bohten beſchimpffen laſ-
ſen? doch/ ſagte er/ ſich uͤber macht erhohlend ich wil dich der Freyheit eines Geſanten ge-
nieſſen laſſen/ ſonſt wolte ich dich mit dieſem Saͤbel (welchen er faſt zur helffte außzog) von
oben an biß unten aus/ in einem Streiche vonander hauen. Groß und ſchwer genug ſehe
ich dich davor an/ ſagte Tyriotes; aber es wuͤrde wol ein ſchoͤnes Fuͤrſtenſtuͤk ſeyn/ wann
du Hand an einen Geſanten legteſt; warte aber/ biß wir drauſſen mit einander ſind/ und
draͤue alsdann weiter; jezt gib mir beſcheid/ oder laß keinen beſcheid auch einen ſeyn; dañ
meinem gnaͤdigſten Groß Fuͤrſten iſts ungelegen/ auff dich vergeblich zu warten. Was?
rieff Gamaxus/ wolteſtu Bube einen Fürſten rechtfertigen. Du Baurenflegel kanſt kei-
nen redlichen Ritter ſchelten/ dañ ein Bube ſt[i]rbeſtu wol/ antwortete Tyriotes. Da ſprang
nun das groſſe Ungeheur auff und wolte uͤber ihn herwiſchen mit ſeinem ſchon entbloͤſſe-
ten Saͤbel; aber die Anweſende ſtelleten ſich darzwiſchen; ſo trat auch Tyriotes zur Tuͤhr
hinaus/ ſetzete ſich auff ſein Pferd/ und ritte eilends davon/ weil er ſich vor gewalt befah [...]e-
te; Aber Katenes ſchickete ihm ſchleunig etliche nach/ ließ ſich auffs freundlichſte bey ihm
entſchuldigen/ und daß an ſeinen Geiſeln es nicht gerochen wuͤrde/ weil er gar keinen Ge-
fallen an ſolchem Unweſen trüge. Gamaxus wuſte vor eifer nicht zubleiben/ foderte end-
lich ſeiner Diener einen/ und befahl ihm/ was er Herkules vortragen ſolte. Die unſern ſa-
hen Tyriotes daher rennen/ und vor Zorn brennen/ gedachten wol/ es wuͤrden Bauren-
ſtreiche vorgangen ſeyn/ und als ſie ſeine Erzaͤhlung angehoͤret/ ruͤhmeten ſie ſeine Herz-
haftigkeit/ und verſprach ihm Phraortes davor ein Landgut in Meden. Er beſchrieb ihnẽ
des ungeheurs groͤſſe und ſtaͤrke/ und zeigete ſeinem Herrn Ladiſla an/ daß der ehmahlige
Hages gegen dieſen gar nicht zu rechnen waͤhre. Der abgeſchikte Knecht folgete bald her-
nach/ wahr mit ſo hohen Leuten nie umbgangen/ und erſchrak vor ihrem heꝛlichen anſehen;
fragete auch anfangs/ ob er ſeines Herrn/ Fürſt Gamaxus befehl anzeigen duͤrffte; und als
ihm ſolches erleubet wahr/ fing er an: Mein gnaͤdiger Herr/ Fuͤrſt Gamaxus hieß mich
dieſes ſagen; Der junge Bettel Fuͤrſt Herkules/ waͤhre nicht werd/ allein vorſeinem Groß-
maͤchtigſten Saͤbel zuerſcheinen/ ſondern ſolte ſelb ſechſe kom̃en/ doch daß der frevelmuh-
tige Schelm der abgeſante mit unter dieſer Zahl waͤhre/ alsdann wolte er ſie alle in ſtuͤc-
ken zerhauen; es kaͤhme ihm aber naͤrriſch vor/ daß man ihm wolte vorſchreiben/ was vor
Gewehr und Harniſch er ſolte mit bringen; die Außgefoderten moͤchten ja wol jeder ſechs
Har-
[161]Fuͤnftes Buch.
Harniſche/ uͤbereinander anlegen/ und in jede Hand zehn Schwerter und zehn Sch[i]lde
nehmen/ und ſolte ihnen doch nichts helffen/ wann gleich auch ein Gott an ihrer ſeiten mit
foͤchte; ſeine eigene Kraft waͤhre ſein Gott/ die ſolte ihnen bald fuͤhlen laſſen/ was ſeine Ar-
me vermoͤchten. Herkules gab ihm zur Antwort; guter Geſelle/ reite wieder hin/ uñ brin-
ge deinem Herrn zur Antwort: Groß Fuͤrſt Herkules/ den er vor einen Betrel-Fuͤrſten
ſchilt/ habe ſeines wiſſens noch keinen Pfennig vor ſeiner Baurhuͤtte geſucht; er merke
aber wol/ daß dem Bauren Gamax die Haut jucke/ die wolle er ihm/ nicht ſelb ſechſe/ ſon-
dern unter dem Schuz Gottes/ den er laͤſterlich ſchmaͤhet/ einzig und allein dergeſtalt krau-
en/ daß ers hefftiger nicht begehren ſol; und moͤge er mit ſeinen Waffen ankommen/ wie
es ihm beliebet/ ich wil auch nach meinem Willen erſcheinen/ uñ ihm arbeit ſchaffen. Ach
mein ſchoͤner Herr/ ſagte dieſer mit naſſen Augen/ wie wollet ihr doch dieſem ſtarken Rie-
ſen Wiederſtand leiſten? ſein Saͤbel iſt ſo ſchwer/ daß ich dran zu heben habe/ und ſein
Harniſch iſt ſo dicke/ daß nichts hindurch dringen kan; tuht mir demnach von herzen leid/
daß ihr unter ſeine Haͤnde gerahten ſollet. Du biſt beſcheidener als dein Herr/ ſagte Her-
kules/ aber fūrchte dich nicht meinetwegen ſondern nachdem ich Gamaxus werde beſtrit-
ten haben/ ſoltu bey mir alles guten gewaͤrtig ſeyn; gab ihm auch eine Handvol Kronen
zum Trinkgelde. Die Goͤtter ſeyn euer beyſtand/ ſagte dieſer; Zog hin und vermeldete al-
les duͤrre hin/ was ihm befohlen wahr/ wodurch der Unhold noch mehr in eifer geriet; leg-
te ſeinen Harniſch an/ ſetzete ſich auff ſeinen ſehr groſſen ſchwarzen Hengſt/ und ging fort
unter der Begleitung 6000 Reuter/ denen er vorſchwatzete/ wie er mit ſeinen Feinden ge-
berden wolte. Sein Pferd hatte gnug an ihm zutragen/ ſo ſchwer wahr er mit Waffen
behaͤnget/ hatte den Harniſch/ ſeinen Fuͤrſtenſtand zuzeigen/ ganz verguͤlden laſſen; auf dem
Helm führete er einen Feurſpeien den Drachen/ an deſſen Bruſt dieſe hochmuͤhtige Wor-
te ſtunden: Was ich beruͤhre/ daß verzehre ich. Sein Schild wahr wie ein kleiner Tiſch mit
ſtaͤhlen reiffen uͤberlegt/ nur daß in der mitte eine eiſerne Plate wahr/ auff welchem ein ge-
mahlter Loͤue einen Haſen zureiß/ mit dieſer umbſchrifft: Alſo zureiſſet Fuͤrſt Gamaxus ſei-
ne Feinde. Den Schild/ weil er lieber links fochte/ fuͤhrete er am rechten Arme/ hatte in der
Linken ein Speer/ nicht viel uͤber die gewoͤhnliche Laͤnge/ aber ſo dicke/ daß ein zimlicher
Mann es mit beyden Haͤnden kaum umbfangen mochte/ deſſen Eiſen etliche Pfund wog.
Die unſern veꝛwunderten ſich des uͤberaus groſſen Ungeheuers/ und wahr Herkules wol
der rechte David gegen dieſen Goliath. Ladiſla ſagte zu ihm; Herzen Bruder/ unſer HErr
JEſus wird dieſen graͤulichen fellen/ ſonſt kan eines Menſchen Kraft wieder ihn nicht be-
ſtehen. Auff deſſen huͤlffe verlaſſe ich mich auch/ antwortete er/ und werde mich huͤten/ daß
mich weder ſein Speer noch Saͤbel beruͤhre. Doch ſendete er ihm ſeinen Gallus entgegẽ/
und ließ ihm ſagen; wann er ſtreiten wolte/ dann ſolte er die groſſen Baͤume im Walde
ſtehen laſſen/ und mit gebraͤuchlichem Speer rennen/ oder er wuͤrde ihn nicht anders als
ein unvernuͤnftiges Tihr angreiffen; dem er zur Antwort gab; Grauet dem unnuͤtzen Jun-
gen ſchon/ und ſihet mich nur von ferne/ wie wird ihm dann die Haut ſchauren/ wann ich
ihn treffen werde/ daß er wie Spreu verſtieben muß? Dieſes mein ringfertiges Speer/
welches er vor einen Baum anſihet/ ſol ihm das Herz in ſeinem zarten Leibe zubrechen/
und mit dieſem Saͤbel wil ich ihn ſo klein hacken/ daß tauſend Hunde/ und tauſend Raben
xein
[162]Fuͤnftes Buch.
ein bißlein bekommen ſollen. O antwortete Gallus/ du pocheſt auff deine viehiſche Kraft/
aber der dir begegnen wird/ hat denſelben zum Vorfechter und Schuͤtzer/ der dich und
deines gleichen zubendigen weiß. So laß ihn dann mit ſeinem Schützer und Vorfechter
ankom̃en/ ſagte Gamaxus/ ich wil ihnen beyden nach verdienſt lohnen. Du verſteheſt mich
nicht/ antwortete er; Meines Herrn Beyſtand hat ſeinen Siz dort oben/ den wirſtu wol
ungetrotzet laſſen. Was trotzeſtu dann mit ihm/ ſagte jener/ wann er dort oben ſitzet? maſ-
ſen er alsdan weder mich treffen/ noch jenen ſchuͤtzen wird. Wolan/ ſagte Gallus/ deine
Zeit iſt kommen/ und dein Frevel laͤuft zum Ende. Kehrete wieder umb/ erzaͤhlete Herku-
les die Gotteslaͤſterung/ und ſagte: Eure Gn. werden in dieſem Kampffe Gottes augen-
ſcheinliche Huͤlffe empfinden/ bin auch des herlichen Sieges ſo gewiß/ als waͤhre er ſchon
erſtritten; aber der Unhold wil ſein Gewehr durchaus nicht endern. So viel lieber
iſt mirs/ antwortete er. Valiſka lag mit Libuſſen und Brelen auff den Knien unter dem
freien Himmel/ und behtete die Groß Fürſtin alſo zu ihrem Heylande:


Almaͤchtiger Gottes Sohn/ du HErr der Heerſcharen; wende dein Antliz nach dem Sche-
mel deiner Fuͤſſe/ von dem Koͤnigs Stuel/ auff welchem du zu der Rechten deines Vaters ſitzeſt/ und
lege dieſen Feind nider/ der deine Huͤlffe laͤſt erlicher weiſe ſchaͤnden und ſchmaͤhen darff. Er iſt nur ein
Staͤublein vor deinen Augen/ wie hoch er ſich erhebet und ſtraͤubet. Brich ſeine Macht/ uͤberhaͤuffe
ihn mit Furcht und Schrecken/ und laß auch den Unglaͤubigen ſehen HErr/ daß du wahrer Gott biſt/
und ein Helffer aller die dir vertrauen.


Herkules hoͤrete ihr Gebeht/ welches ſie in teutſcher Sprache verrichtete/ und ſagte
zu ihr: Fuͤrchtet euch nicht/ mein Schatz/ ich empfinde meines Heylandes Beyſtand in
meinem Herzen/ und mehr als nie vor dieſem; der zur Rechten ſeines Vaters erhabene
JEſus wird ſeine Herligkeit ungezweifelt ſehen laſſen/ und dieſen Laͤſterer zum Schemel
ſeiner Füſſe legen. Hierauff nam er den Bogen und nur zween Pfeile zu ſich/ und muſte
ihm Gallus das Speer und den Schild nachfuͤhren. Gamaxus ſahe ihn freidig auff ſeinẽ
Blaͤnken daher rennen/ und trabete ihm mit eingelegtem Speer entgegen; aber Herkules/
da er ihn uͤberall ſo feſt gewapnet ſahe/ legte den Pfeil auff/ und durchborete ſeines Fein-
des Hengſte die Kaͤhle/ daß er alsbald anfing zuſchwanken/ und er ihm ohn Gefahr naͤher
reiten kunte/ da er mit dem andern Pfeile auff Gamaxus linkes Auge zielete/ und ein we-
nig zu hoch traff/ daß er zwar das Auge ihm nicht verletzete/ aber doch gerade uͤber dem Au-
ge ihm ein ziemliches Loch bohrete; Inzwiſchen nun Gamaxus den Pfeil heraus zihen
wolte/ muſte er nohtwendig das Speer von ſich werffen/ welche Gelegenheit Herkules nit
verabſeumen wolte/ ſondern nam ſein Speer/ ſetzete mit allen Kraͤfften auff ihn an/ uñ traff
ihn recht an die linke Schulder/ daß er mit ſamt dem Pfe[r]de uͤbern hauffen fiel/ und jeder-
man meynete/ das Ungeheur haͤtte den Hals zubrochen; daher die unſern ein groſſes Freu-
den Geſchrey erſchallen lieſſen; wiewol er von dem Falle keinen ſonderlichen Schaden ge-
nommen/ ſich auch bald unter dem Pferde hervor machete. Aber Herkules wahr ihm ge-
ſchwinde auff der Hauben/ und ſo offt er ſich auffzurichten bemuͤhe[t]e/ rante er ihn danider/
und ließ ſeinen Blaͤnken weidlich uͤber ihn her tanzen/ welcher ihm Arme und Beine der-
maſſen zerſchlug/ daß er vor Schmerzen ein uͤberlautes Geſchrey ausließ/ und allen Goͤt-
tern hefftig fluchete. Die Zuſeher verwunderten ſich des Pferdes/ welches ſolch Wunder
trieb/ ob waͤhre es witzig geweſen; dann es faſſete ihn beym Helme/ und zog ihm denſelben
vom
[163]Fuͤnftes Buch.
vom Kopffe/ daß er ihm ganz bloß wahr. Als Herkules dieſen Vortel ſahe/ ſprang er vom
Pferde/ in Meynung/ ihn lebendig zufahen/ weil er ſeiner Haͤnde nicht wuͤrde gebr auchen
koͤnnen. Aber Gamaxus hatte ſich ſchon auff die Knie geſetzet/ da er zu ihm trat/ und ob er
gleich den Saͤbel noch nicht gebloͤſſet/ beſchuͤtzete er doch das Haͤupt mit dem Schilde/ daß
er ihn nicht beſchaͤdigen kunte; wie zerknirſchet er auch wahr/ kam er doch endlich auff die
Fuͤſſe/ achtete Herkules Hiebe nicht/ welche den harten Stahl nicht durchdringen moch-
ten/ griff auch mit der linken nach ihm/ die mit einem eiſern Handſchuch verwahret wahr/
in Meynung ihn zufahen; aber er entweich ihm/ und traff ihm die Fauſt/ daß es ihn ſehr
ſchmerzete/ und ein wenig wund ward/ daher er den Schild von ſich werffen muſte/ damit
er die rechte gebrauchen koͤnte/ mit welcher er auch endlich ſeines bloſſen Saͤbels maͤchtig
ward. Valiſka ſahe dieſes/ fiel nider auf die Knie/ und fing ihr Gebeht wieder an. Da mey-
nete nun Gamaxus/ er haͤtte ſchon gewonnen/ und ſagte mit grauſamer Stimme: O du
Schand Bube/ wie wird Fuͤrſt Gamaxus ſich gnug an dir raͤchen koͤnnen? moͤchteſtu nun
zehn Haͤlſe haben/ ich wolte ſie dir alle brechen; fuͤhrete auch einen ſolchen Hieb auff ihn/
welchen kein Stahl haͤtte abhalten moͤgen; aber Herkules ſprang ihm behende aus dem
Schlage/ daß dieſer in dem grimmigen Eifer ſich verhieb/ und den Saͤbel etliche Spannen
tief in die Erde ſchlug/ deſſen ſich Herkules zu nuͤtze machete/ und ihm eine ſtarke Wunde
uͤber das Hinter Haupt gab/ daß der rohte Saft ihm an beyden Ohren herunter lief. Der
Rieſe gewan ſeinen Saͤbel wieder/ und trat auff ihn zu/ in Meynung/ durch einen Quehr-
ſchlag ihn in der mitte vonander zuhauen; aber der Blaͤnke rante herzu/ und ſchlug ihn
wider den Arm/ daß ihm der Saͤbel aus der Fauſt fiel/ und er den Arm nicht mehr brau-
chen kunte/ ſprang ihm hernach mit den voͤrder Füſſen von hinten zu auf beyde Schulteꝛn/
und zerbiß ihm das Haupt/ daß ihm das Blut beyde Augen fuͤllete; noch ſtaͤrkete er ſich/
daß er ſich gegen das Pferd wendete/ mit demſelben zuringen begunte/ und wenig fehlete/ eꝛ
haͤtte es gar nider geworffen/ unge achtet er nur den linken Arm recht zugebrauchen hatte.
Dieſe Zeit uͤber wolte Herkules ihn nicht verwunden/ ſondern erluſtigte ſich an dieſer au-
genſcheinlichen Huͤlffe Gottes/ nam ihm auch gaͤnzlich vor/ wo moͤglich/ ihn lebendig zufa-
hen; legte deswegen ſein Schwert nider/ faſſete den groſſen ſchweren Saͤbel in beyde Haͤn-
de/ und gleich da ſein Pferd Abtrit nehmen wolte/ ſchlug er ihn ſo kraͤfftig wider den Bein-
harniſch/ daß ihm der linke Beinknoche davon zubrach/ und er mit einem ſchweren Fall zuꝛ
Erden ſtürzete. Er aber trieb ſein Pferd ab/ nam ſein eigen Schwert wieder zur Hand/ uñ
trat zu ihm mit dieſen Worten: Wie duͤnket dich nun Gamaxus/ ſol ich dir noch ſelb ſech-
ſe kommen? Ich meyne/ du werdeſt ſchier umb Gnade bitten/ wo ſonſt Vernunfft bey dir
iſt. O du Bettel Bube/ antwortete dieſer; ſolte ich bey dir umb Gnade anhalten? Du haſt
mich nicht redlicher weiſe angegriffen/ ſondern mit deinem Pferde mich bezaͤubert; rich-
tete ſich mit dem Worte auf/ und mit dem linken Ellebogen warff er ihn wol vier Schritte
von der Seiten/ daß er auf die Erde zuliegen kam; doch machete er ſich bald wieder auff/
ſchaͤmete ſich des verſehens nicht wenig/ und ſchnitte den Zuͤgel von dem todten Pferde ab/
mit welchem er ihn meynete anzufeſſeln; ſendete auch Gallus hin/ etliche Teutſche zuhoh-
len/ die ihn gefangen hinweg tragen ſolten/ dann er wolte ihn gerne lebendig behalten. Ga-
maxus merkete dieſes wol/ hatte noch keine toͤdliche Wunde bekommen/ und wahr ihm das
x ijHerz/
[164]Fuͤnftes Buch.
Herz/ der linke Arm und das rechte Bein noch vermoͤgen gnug/ haͤtte auch nach dem uͤbri-
gen nicht gefraget/ wann er nur haͤtte ſtehen koͤnnen; Er wolte aber viel lieber ſterben/ als
gefangen ſeyn/ deswegen fing er an unſere Helden ſchaͤndlich zuſchmaͤhen/ daß ja Herkules
ihn erſchlagen ſolte; welcher aber alles nicht achtete/ ſondern gleich gegen ihn über trat/ uñ
zu ihm ſagete: Gebrauche dich nur rechtſchaffen deiner ſchandſuͤchtigen Zunge/ du unge-
ſchliffener Baur/ ich werde ſchon Mittel finden/ ſie dir zahm zumachen/ und waͤhreſtu wit-
zig/ wuͤrdeſtu vielmehr in die flehe fallen. Ladiſla rante mit fuͤnf Teutſchen ſelber herzu/ wel-
ches die feindliche Reuter erſehend/ 25 Mann gegen ſie angehen lieſſen/ dann ſie wahren
willens/ Gamaxus zuretten. Fabius begegnete ihnen mit 300. Reutern/ und bekahmen die
Feinde auch 500 zum Entſaz/ daher ſich das Spiel fein anzettelte. Pharnabazus und Le-
ches ermahneten die Meden und Perſen/ unverzagt zuſeyn. Neda und Prinſla machten
ſich fertig mit den Teutſchen und Boͤhmen/ und bereiteten ſich ingeſamt zum inſtehenden
Treffen. So bald die fuͤnf Teutſchen bey Gamaxus ankahmen/ und ihres Groß Fuͤrſten
befehl hatten/ traten ſie zu ihm hin/ und faſſeten ihn bey dem linken Arm uñ rechten Schen-
kel/ hatten doch Muͤhe gnug/ daß ſie ihn zwungen/ dann er ſtieß den einen mit dem Fuſſe wi-
der das Bein/ daß er ſich ſelbſt muſte hinweg ſchleppen laſſen; endlich bunden ſie ihm bey-
de Arme und beyde Beine zuſammen/ da muſte er ſich geben/ dann wann er das ſtarke loß-
reiſſen wolte/ ſchmerzete ihn das beſchaͤdigte zu hefftig. Sie nahmen ihm den Harniſch a-
be/ auch den doppelten Panzer/ bunden ihm den Kopff auf ſein Sattelkuͤſſen/ und ſchleppe-
ten ihn auf der Erden nach ihren Zelten/ da Tyriotes ihn mit 50 Meden bewachete/ und
aufs fleiſſigſte verbinden ließ/ welches er doch nicht geſtatten wolte/ ſondern biſſe von ſich
wie ein gefangener Wolff; aber Tyriotes gab ihm mit dem blechen Handſchuch ſo man-
nichen Backenſtreich/ daß er endlich gebendiget ward. Herkules lag aufſeinen Knien/ und
dankete Gott vor die herliche uͤberwindung/ ſetzete ſich auf ſein Pferd/ uñ ritte mit Ladiſla hin
nach Valiſken/ die ihn als einen neugebohrnen empfing/ und zu ihmſagete: Dieſer Kampf
ſol mit Gott der lezte in dieſen Morgenlaͤndern ſeyn; welches er ſelber mit wuͤnſchete. Fa-
bius hielt ſich im Treffen ſehr wol mit ſeinen Roͤmern/ und weil die Feinde ſich immer ſtaͤꝛ-
keten/ riet Herkules/ man ſolte mit der halben Macht auf ſie gehen/ daß man ſie in Unord-
nung und auf die Flucht braͤchte; nam auch die Teutſchen/ Boͤhmen und Roͤmer/ und
ſtuͤrmete mit ihnen dergeſtalt zu ihnen ein/ daß ſie alsbald weichen muſten; dann ob ſich ih-
re Manſchaft zwar biß auf 12000 geſtaͤrket hatte/ wahren doch die uͤbrigen 28000 ihnen zu
ferne/ daß ſie ſo ſchleunig nicht herzu kunten/ daher ſie nach kurzem Gefechte in die Flucht
getrieben wurden/ daß ſie ihrer Stad zuflohen/ woſelbſt ſie vermeyneten ſicher zuſeyn. Aber
Herkules und Ladiſla wahren ihnen zu geſchwinde auf dem Ruͤcken/ und kahmen zugleich
mit ihnen in die Stad/ beſezten das Tohr mit 500 Boͤhmen/ daß ihre Voͤlker einen freyen
Einzug hatten/ und nahmen alle Gaſſen ein; Und ob gleich Katenes ſich auf dem Markte
geſamlet hatte/ und gute Gegenwehre taht/ wahr er doch uͤbermannet/ und ſchlug ihn Her-
kules vom Pferde/ ließ ihn hinweg fuͤhren/ und nam alle Voͤlker in der Stad gefangen/
weil ſie das Gewehr hinweg wurffen/ und umb Lebensfriſtung bahten. Artaxerxes be-
ſetzete die Stad mit ſeinen Voͤlkern/ und hielt mit unſern Helden Kriegs Raht/ wie mans
weiter halten wolte; da Herkules den Vorſchlag taht/ man ſolte die eroberten Parthi-
ſchen
[165]Fuͤnftes Buch.
ſchen Reuter Faͤhnlein nehmen/ und mit 10000 guten Voͤlkern nach der andern naͤhſt-
gelegenen Grenze-Stad als ein Parthiſches Heer zihen/ alsdann wuͤrde man ſie leicht
uͤberrumpeln koͤnnen; mit der uͤbrigen Macht wolte er auff das annoch uͤbrige Reu-
ter Heer gehen/ unter der Hoffnung/ ſie bald zur ergebung zubringen. Welches ſie alle
vor gut hielten/ und wurden Pharnabazus und Fabius die Faͤhnlein zugeſtellet/ da-
mit ſie alsbald fortgingen/ ſich nahe bey der Stad niderlieſſen/ daß man von den Mauren
ihre Fahnen kennen kunte/ und alsbald eine kleine Schar von 12 Reutern hinein ſchicke-
ten/ als wolten ſie ihre Pferde beſchlagen laſſen. So bald dieſe auff der Bruͤcken hielten/
folgeten ihnen 30 zu fuſſe nach/ unter ihren Reitroͤcken wol geharniſcht/ die man zwar ehe
man ſie einlieſſe/ rechtfertigen/ und zuvor bey dem Obriſten des Staͤdleins/ welches uͤber-
aus feſte/ und mit 4500 guten Kriegsknechten beſetzet wahr/ anmelden wolte/ aber dieſe
drengeten ſich hinein daß ſie des Tohrs ſich bemaͤchtigten/ zogen von Leder/ und fingen den
Streit unerſchrocken an/ wurden auch anfangs hart gedrenget/ daß ihrer neun erſchlagen
wurden/ aber eine Saar von 60 Mann entſetzete ſie zu fuſſe ritterlich/ denen noch 500 zu
fuſſe folgeten/ welche die Parthiſche Wache niderſchlugen/ und das Tohr beſetzeten/ daß
3000 zu fuſſe in guter Ordnung hinein zogen/ welche doch in der Stad nichts taͤhtliches
anfangen/ ſondern nur auff Parthiſch ruffen muſten/ man ſolte alsbald den Obriſten der
Beſatzung nebeſt ſeinen vornehmſten Befehlichshabern unbewehret herzu fuͤhren/ auff
welche Koͤnigl. Hocheit wegen beſchuldigter verraͤhterey mit dem Feinde/ zu ſprechen haͤt-
te. So bald dieſes vor den Obriſten kam/ der mit ſeinen vornehmſten auff dem Markte ſich
zum Streite fertig machte/ hies er ſeine Leute dz Gewehr niderlegen/ ging mit den Haͤupt-
leuten nach unſern Voͤlkern/ die in der Stad in guter Ordnung hielten/ und redete Buba-
zes/ der die unſern fuͤhrete/ alſo an: Mein Herr/ ob bey Koͤniglicher Hocheit/ ich und mei-
ne Haͤuptleute moͤgen verunglimpffet ſeyn/ kan ich nicht wiſſen/ getroͤſte mich aber meiner
herlichen Unſchuld/ und ſtelle mich ohn alle Furcht zu meines lieben Koͤniges erkaͤntnis/
und nach befindung/ zur Straffe. Bubazes ließ ſie alsbald gefangen hinaus fuͤhren nach
dem Lager/ und hielten noch 2000 Reuter ihren Einzug in die Stad zu Pferde/ die ſich
durch alle Gaſſen verteileten/ und außrieffen/ es ſolten alle Inwohner ſich in ihren Haͤu-
ſern ſtille halt[e]n/ die Koͤnigl. Parthiſchen Kriegsknechte aber ohn Gewehr ſich ſamlen/
als dann ſolte ihnen Lebensfriſtung zuteile werden. Weil nun dieſelben weder ein Haͤupt
noch andre anfuͤhrung hatten/ ergaben ſie ſich/ und wurden gefangen angenommen/ hin-
gegen die Stad mit 2000 Perſen beſetzet/ ūber welche Bubazes Obriſter blieb biß auff
weitere Anordnung. Inzwiſchen gingen Herkules und Ladiſla mit der ganzen uͤbrigen
Macht auff das Parthiſche Heer loß/ welches ſich zwar zur Gegenwehr ſtellete uñ anfangs
tapffer gnug fochte/ aber es hatte keinen langen beſtand/ weil ſie nach verlauff einer halben
Stunde von den unſern umbgeben wurden/ daß/ weil ihnen die Gegenwehr benommen
wahr/ ſie ſich auff angebohtene Lebensfriſtung ergaben/ da ſie von ihren Pferden ſteigen/
und das Gewehr ſamt ihren Harniſchen von ſich legen muſten. Die unſern erfreueten ſich
deſſen ſehr/ weil ſie kaum 600 Mann in dieſer Schlacht eingebuͤſſet hatten/ lieſſen die Ge-
fangenen mit 8000 Reutern bewahren/ und gingen nach Pharnabazus/ der ihnen zeitig
auffſties/ und den gluͤklichen Verlauff anzeigete. Sie ruͤcketen ingeſamt fort nach der drit-
x iijten
[166]Fuͤnftes Buch.
ten Grenzeſtad/ welche die groͤſſeſte/ aber die ſchwaͤcheſte/ doch mit 6000 guter Mañſchaft
beſetzet wahr. So bald ſie davor anlangeten/ funden ſie die Parther in voller bereitſchaft/
dann ein Buͤrger aus der erſten Stad/ wahr hinuͤber gelauffen/ und hatte ihnen Katenes
Gefaͤngnis kund gemacht. Artaxerxes ließ den Ort alsbald aufffodern/ mit der Bedraͤu-
ung/ dafern er ſtuͤrmend uͤbergehen wuͤrde/ ſolte keines Menſchen drinnen verſchonet wer-
den; aber er bekam zur Antwort: Sein Koͤnig haͤtte ihm und ſeinen Voͤlkern die Stad
anvertrauet/ dieſelbe niemand/ als der Koͤniglichen Schein braͤchte/ zulieffern/ wuͤrde dem-
nach der Perſiſche Groß Fuͤrſt es ihm als einem redlichen Kriegsmanne nicht verdenken/
daß er ſeines Koͤniges Befehl/ welchen er aͤidlich beſchworen/ getraͤulich nachzuſetzen/ ent-
ſchloſſen waͤhre. Herkules ſagte hierauff zu der Fuͤrſtlichen Verſamlung; ſo werden wir
gleichwol den Verſuch tuhn muͤſſen/ ob wir mit ſo groſſer Mannſchaft nicht koͤnnen die-
ſen geringen Ort behaͤupten; hies 16000 Perſen und Meden/ nebeſt 2000 Teutſchen/ auch
ſo viel Boͤhmen und Roͤmer abſteigen/ und mit zuſammen geſchloſſenenen Schilden uͤber
dem Haͤupte der Stad naͤhern/ denen es ſo wol geriet/ daß ſie an zwey Tohren die Bruͤcken
einbekahmen/ ehe ſie von den Feinden kunten abgeworffen werden; bald legten ſie Feur an
dieſe zwey Tohre/ und viel duͤrres Reiſich darauff/ daß in kurzer Zeit dieſelben verbranten.
Zwar die Feinde tahten ein hefftiges Schieſſen von der Maur/ aber weil die unſern ge-
harniſcht wahren/ kunten ſie ihnen keinen Schaden tuhn. So bald die Tohre nidergefal-
len wahren/ trug man Waſſer und Erde zu/ das Feur zu loͤſchen/ welches alles wol von
ſtatten ging. Die Feinde ſtelleten ſich inwendig der Stad gegen die geoͤffneten Tohre mit
ihren Pfeilen/ aber die unſern drungen hinter ihren Schilden friſch hinein/ lieſſen die Pfei-
le umb ſich her ſauſen/ wovon auch ihrer etliche beſchaͤdigt wurden/ und ſetzeten doch deſſen
ungeachtet fort/ biß ſie den Feind mit ihren Schwertern erreichen kunten/ da die Teutſchẽ
40 ſtark voran gingen/ und gar zeitig einen zimlichen Plaz in der Stad gewonnen/ ſo daß
in kurzer Zeit uͤber 2000 Mann driñen wahren/ und ganze Gaſſen einnahmen. Die Fein-
de mit ihrem Obriſten/ nahmens Aſtrazes/ wahren mehrenteils auff der Maur/ daß ſie
den unſern in der Stad keinen Wiederſtand leiſten kunten/ als deren Zahl in einer Stun-
de uͤber 8000 Mann beſtund/ welche gutenteils ſich nach der Maur zogen/ und die Abtritte
davon beſetzeten. Herkules nahete ſich mit der Reuterey auch/ und brachte ſolchen ſchrec-
ken in den Feind/ daß ſie umb Gnade und Lebensſ[t]iftung bahten; worauff ſie alle mit ein-
ander gefangen genommen wurden/ nach dem ihrer 800/ der unſern 200 erſchlagen wah-
ren. Herkules foderte den Obriſten der Feinde vor ſich/ und ſagte zu ihm: Mein Kerl/ wer
hat dich ſo frech gemacht/ daß du einen ſo liederlichen Ort wieder ein ſolches groſſes Heer
zubeſchirmen wollen/ dich verlauten laſſen darfſt. Dieſer gab unerſchrocken zur Antwort:
Durchl. Groß Fuͤrſt/ ein Knecht iſt ſchuldig in viel einer liederlicheren Sache vor ſeinen
Herrn zuſterben; weil ich nun mein Leben nicht allein meinem Koͤnige verkauft hatte/ ſon-
dern es dem Vaterlande uͤberdas ſchuldig wahr/ habe ich an meiner Seite nicht zu frech
handeln koͤnnen. Du haſt recht geredet/ ſagte Herkules/ und weil du ſo redliches Herzens
biſt/ magſtu nach verlauff dreier Tage frey zihen wohin dichs geluͤſtet. Vor welche Gnade
er dan untertaͤhnig dankete. Es muſten aber dieſe drey Staͤdte dem Perſiſchen Groß Für-
ſten den aͤid der Traͤue und untertaͤhnigkeit ablegen/ und alle eingefloͤhete Guͤter bey Le-
bens-
[167]Fuͤnftes Buch.
bensſtraffe angeben/ ſich auch mit drey Tonnen Schaz von der Plunderung loßkaͤuffen/
da dann ein groſſes Gut zuſammen geliefert/ und unter das Heer außgeteilet ward. Die
unſern hatten uͤberal etwa 1500 Mann eingebuͤſſet/ und dagegen uͤber die 13000 erſchla-
gen; der gefangenen Reuter wahren an die 32000; des Fußvolks aus den dreyen Gren-
zeſtaͤdten uͤber 11000; und kahmen nur 140 Reuter mit Gamaxus leztem Heerhold da-
von/ welche auffs ſchnelleſte nach Charas zugingen. Katenes ward wegen ſeiner Hoͤflig-
keit/ dem Tyriotes erzeiget/ ſehr wol gehalten/ daß er zihen moͤchte wohin er wolte; weil er
aber das Spiel ſo liederlich verſehen hatte/ grauete ihn vor Artabanus/ ließ ſeine Baar-
ſchaften/ die ſehr groß wahren/ heimlich von Charas hinweg hohlen/ und ſetzete ſich in Me-
ſopotamien/ da er eine kleine Herrſchaft kaufte/ und in guter Ruhe ſein Leben zubrachte;
jedoch zuvor an Vologeſes/ der ihm ſehr gewogen wahr/ ſeine entſchuldigung ſchrieb/ daß
alles durch die Reuter/ welche Gamaxus erledigen wollen/ verſehen/ und durch ihre Flucht
die Feinde in die Stad gebracht waͤhren/ woſelbſt ihn Herkules uͤberwunden und gefan-
gen angenommen haͤtte. Zween Tage ruheten unſere Voͤlker hieſelbſt aus/ und ward Ty-
riotes zu Gamaxus Auffſeher beſtellet/ der ihn auff befehl alſo verbinden ließ/ daß ihm zu-
vor beyde Arme muſten entzweigebrochen/ und nachgehend krum und lahm (wie auch dz
linke Bein) geheilet werden. Er ſuchte zwar alle Mittel/ ſich ſelbſt umbs Leben zubringen/
aber die Macht wahr ihm benommen/ daß er endlich geduldig ſeyn muſte/ wie hefftig er
auch von den Stalbuben genarret ward/ die ihn nicht anders als den Baur Flegel und
Droͤſcher-Fuͤrſten hieſſen. Als ſie nun auffbrechen wolten nach Perſepolis/ gingen alle
Fuͤrſten zuvor hin den elenden Gamaxus zuſehen/ deſſen ſie ihn bißdaher nicht gewirdiget
hatten. Wie ſie zu ihm hinein traten/ ſtunden ſie ein wenig ſtille/ umb zuvernehmen/ ob er
auch umb Gnade anhalten wolte; weil er aber ſie weder anredete noch anſahe/ fing Herku-
les alſo an: Kanſtu bauriſcher Toͤlpel noch nicht erkennen/ daß deine viehiſche Staͤrke/
darauff du bißher getrotzet/ dir zu nichts/ als zum Ungluͤk gedienet hat? ſihe alſo gehets al-
len Gotteslaͤſterern/ die ſich auff ſich ſelbſt verlaſſen/ uñ die Almacht/ welche alles meiſtert/
verachten; daß du nun gleichwol deine gebuͤhrliche Straffe wiſſeſt/ ſo habe ich dich dem
Durchleuchtigſten Mediſchen Groß Fuͤrſten Herꝛn Phraortes zum Leibeigenen geſchen-
ket/ biß dich Artabanus loßmachen/ und als einen Fuͤrſten in Ober Meden einſetzen wird;
weil ich mich aber berichten laſſen/ daß/ demnach dirs wieder mich geſehlet/ er dein nicht
achte/ ſo mache dir keine andere rechnung/ als daß du Zeit deines Lebens ein Kroͤppel und
lahmer ſeyn/ und als ein gebohrner Baur/ Steine/ Holz und Waſſer tragen ſolt; von wel-
cher Urtel dich nichts als der Tod erloͤſen wird; drumb ſchicke dich in die Zeit/ und lerne
dich demuͤhtigen/ damit du der taͤglichen Peitſche enthoben bleibeſt. Gamaxus hatte ihn
noch nicht ungewaffnet geſehen/ wunderte ſich/ daß er ſo viel Herzens gehabt/ ihm zube-
gegnen/ und hoͤrete ſeine Reden mit groſſem Herzenspraſt an. Er kunte noch zur Zeit we-
der Arm noch Bein regen (dann das Rechte wahr ihm auch zubrochen;) aber das Maul
wahr ihm noch geſund/ und fing er an/ alle anweſende Fuͤrſten ſo heftig außzuſchelten/ daß
wenig fehlete/ Artaxerxes haͤtte ſich an ihm vergriffen/ welches er nur einig ſuchete. Aber
Phraortes redete ihm mit lachen ein; was wolte mein Bruder ſich uͤber meinen Erben
des Ober Mediſchen Reichs eifern? ſagte er; ich wil verſuchen/ ob ich ihm die Indian[i]-
ſche
[168]Fuͤnftes Buch.
ſche Bauren-Grobheit nicht austreiben kan. Ließ ihn darauff ganz entkleiden/ und auf den
Bauch geſtrekt legen/ hernach vier Buͤttelknechte mit Ruhten kommen/ die ihm anfangs
die/ groſſen Lenden/ hernach den Ruͤcken/ und endlich die Beine biß an die Knie ganz wund
ſtreichen muſten; kehreten ihn hernach umb/ auf den Ruͤcken/ und frageten/ ob er from ſeyn
wolte; Weil er nun keine Antwort gab/ fingen ſie von neuen an/ ihm den Bauch zugeiſſeln/
daß er endlich durch Schmerzen uͤberwunden/ umb Gnade anhielt/ und Phraortes zu ihm
ſagete: Wuſte ichs nicht/ man koͤnte die kleinen Kinderchen mit der Zucht Ruhte from
machen? Trotz und laß noch ein Schmaͤhewort aus deinem Maule gehen/ dann wil ich diꝛ
noch viel eine ſchaͤrffere Zucht beyzubringen wiſſen; Die Elefanten ſind auch groß und
ſchwer/ aber man kan ſie doch zaͤhmen; warumb ſolte man dann einen buͤbiſchen Bauren
nicht ſittiger machen? Fuͤnff gefangene Parther muſten dieſes anſehen/ denen Herkules
die Freyheit ſchenkete/ und ſie nach Charas reiten hieß/ Fürſt Pakorus d[i]enſtlich zugruͤſſen/
und alles was ſie geſehen haͤtten/ zuerzaͤhlen. Dieſe eileten ſo geſchwinde/ daß ſie wenig
Stunden nach der flüchtigen Reuter Ankunfft daſelbſt anlangeten/ machten ſich hin nach
Pakorus/ den Befehl abzulegen/ welcher gleich dazumahl Vologeſes/ Oſazes und Vono-
nes bey ſich hatte/ und in deren Gegenwart von Siſenes/ Gamaxus geweſenen Heerhold
berichtet ward/ wie er haͤtte zween aͤdle Hirkaniſche Juͤnglinge zu Perſepolis lebendig ver-
brennen ſehen/ und ihre beſtaͤndige Uhrgicht angehoͤret/ daß der Koͤnig ſie abgefertiget die
beyden fremden Fuͤrſten mit Gift hinzurichten/ deren Handſchuch ſie auch ſchon vergifftet/
aber von ihrer Geſellen einem verrahten/ und auffriſcher Taht ergriffen waͤhren. Hernach
meldete er den Verlauff des Kampfs zwiſchen Herkules und Gamaxus/ und daß ihr gan-
zes Heer/ teils geſchlagen/ teils gefangen/ auch die drey Grenze-Staͤdte faſt ohn Verluſt
eingenommen/ und mit Perſiſchen Voͤlkern beſetzet waͤhren. Sie erſchraken dieſer Zeitung
uͤber alle maſſe/ und wahr ihnen zumuhte/ als waͤhre die Hauptſtat ſelbſt eingenommen/ be-
rahtſchlageten auch/ wie man dem Unweſen abhelffen/ und des Koͤnigs Sinn/ wo nit mit
guten/ doch mit ſcharffen Worten auf einen beſſern Weg bringen moͤchte. Auf dem Wege
nach dem Schloſſe begegneten ihnen obgedachte fünf Parther/ und berichteten eigentlich/
wie viel ihrer geblieben und gefangen waͤhren/ und wie Gamaxus gebendiget wuͤrde; wel-
ches lezte ihnen ſehr wol gefiel; dann es hatte der Großſprecher auf die Parthiſchen Feld-
Herren/ nicht allein gegen Bagophanes/ ſondern den Koͤnig ſelbſt heftig loßgezogen; es
waͤhre Schande/ daß man mit ſo groſſem Volke das Feld verſpielet/ und die Feldherren
aus Furcht des Todes teils davon gelauffen/ teils ſich des Feindes Gnade ergeben haͤtten;
welches Pakorus und Oſazes dergeſtalt empfunden/ daß ſie ſich verſchworen/ im fall Ga-
maxus wuͤrde wieder kommen/ ſie ihn niderſchlagen laſſen wolten. Als ſie vor den Koͤnig
gelaſſen zuwerden begehreten/ der eben mit Bagophanes von ſeinem Gamaxus ſprachete/
wie er nunmehr den Kampf ſchier angehen wuͤrde/ durfte er ihnẽ den Zutrit nicht wegern;
doch muſte Bagophanes als geheimer Raht (worzu er ihn vor fuͤnf Tagen erklaͤret hatte)
bey ihm bleiben. Die Fuͤrſten hatten Pakorus das Wort aufgetragen/ weil er nicht allein
wol bered/ ſondern von dem Koͤnige mehr als einiger ander gefuͤrchtet ward/ und fing er
nach gebuͤhrlicher Begruͤſſung alſo an: Großmaͤchtigſter Koͤnig/ allergnaͤdigſter Herr;
Demnach uns ſehr traurige Zeitungen von Perſenwerz zukommen ſind/ welche nicht al-
lein die
[169]Fuͤnftes Buch.
lein die Parthiſche Macht/ ſondern auch Ehr und guten Leumut ſchwaͤchen/ ſo haben wir
gegenwaͤrtige/ als Ihrer Koͤnigl. Hocheit getraͤue Untertahnen und Reichsſaſſen nicht
umhin gekunt/ derſelben ſolches redlicher und aufrichtiger Meynung vorzutragen/ mit un-
tertaͤhnigſter Bitte/ alles was von uns vorgebracht wird/ mit gnaͤdigſtem Willen an zuhoͤ-
ren. Ihre Koͤnigl. Hocheit hat neulicher Zeit ohn/ ja wider unſern Raht/ denen ſie doch die
Kriegs Laſt aufgebuͤrdet/ ein herliches Volk/ unter Katenes befehl/ an die Perſiſchen Gren-
zen abgeſchikt/ einen unbekanten Landſtreicher und gebohrnen Baurflegel dahin zubeglei-
ten/ vielleicht daß derſelbe Schindhund/ welchen ich nicht wirdige zunennen/ wieder gut
machen ſolte/ was die verzagete Parthiſche Feld Herren (wie der Unflaht ſie geſcholten)
verderbet haben; dero behuef er auch zum Fürſten in Ober Meden ſol gemacht worden
ſeyn. Aber wie reiflich es bedacht iſt/ ſo wol iſt es auch gelungen; Dann Ihre Hocheit wol-
le ſich nicht entſetzen/ daß ich ihr die leidige Zeitung bringen muß/ was geſtalt nicht allein
von 40000 Mañ nur 140 ſich durch die Flucht gerettet/ ſondern die herlichſtẽ drey Gren-
ze Staͤdte in Feindes Haͤnde gerahten/ gebrandſchatzet/ und mit Perſiſchen Voͤlkern beſetzet
ſind. Ein ſolches Unglük/ ſagte der Koͤnig/ wollen wir nimmermehr hoffen. Ja wolte Gott/
antwortete Pakorus/ daß dieſes das ſchlimmeſte waͤhre. Man hat zu Perſepolis ein offent-
liches Gerichte gehaͤget/ und etliche Hirkaniſche aͤdelknaben lebendig verbꝛant/ wobey man
ausgeruffen: Koͤnig Artabanus zu Charas ſey der Gifftmiſcher ſelbſt/ der gehe mit ſolchen
unredlichen Stuͤcken umb/ welche man an einem jeden Menſchen verflucht. Den Goͤttern
ſey es geklaget/ daß man ſolche ſchmerzliche Zeitungen vernehmen muß! Ich vor mein
Haͤupt moͤchte wuͤnſchen/ daß Groß Fürſt Herkules mir im neulichen Treffen den Sche-
del herunter geſchlagen haͤtte/ ſo duͤrffte ich mich mit ſolchen verweißlichen Dingen nicht
mehr betruͤben. O du elender Parthiſcher Stuel/ iſt es ſchon umb dich ſo bewand/ dz man
zu deiner Beſchuͤtzung Giffttraͤger ausſenden muß/ dann ſo iſt uns nichts beſſers/ als daß
wir den Perſen und Meden die Haͤlſe nur hinſtrecken. Lieber wes zeihen ſich Eure Koͤnigl.
Hocheit/ daß ſie zu ſolchen unverantwortlichen Dingen ſich verleiten laſſen? Hat Arſazes
auf ſolche weiſe den Reichs Stuel erworben und befeſtiget; haben deſſen ruhmwirdigſte
Nachfolger die Arſazier/ Gift Schmierer [ausgeſchikt]? Eure Hocheit wolle allergnaͤdigſt
erwaͤgen/ wie es muß geklungen haben/ als der Buͤttel oͤffentlich ausgeruffen hat: Arta-
banus zu Charas iſt ein Gifftmiſcher/ und hat vier Diener ausgeſand/ Koͤnig Ladiſla und
Groß Fuͤrſt Herkules durch dieſen Meuchelmord hinzurichten. O des Jammers/ dz man
ſolches hoͤren muß! Aber ſo gehets allemahl/ wann man getraͤuen Reichs Raͤhten nicht
folgen wil/ ſondern nur denen die Ohren leihet/ die uns nach dem Maul reden/ und durch
ihre Schmeichelworte uns umb Ehr und guten Nahmen bringen. Eure Koͤnigl. Hocheit
erinnern ſich unſerer aller viere bißher gegebenen Rahts/ man ſolte die fremden Fuͤrſten
mit ihrem Gemahl und Schweſter zihen laſſen/ und ſie nicht weiter zu unſerm Schaden
reizen; aber was hats geholffen? Wir ſehen ja/ daß ſie die Goͤtter auf ihrer Seite haben/
wo ſie nicht ſelbſt Goͤtter ſind/ oder doch Goͤtterkinder. Sie wahren ja anfangs nicht geſin-
net/ unß des unſern zuberauben/ ſondern das ihre gebuͤhrlich zuloͤſen; das ſolte man ihnen
gegoͤnnet/ oder da mans zu ehelicher Liebe begehret/ beſſer bewahret haben; dann wie koͤnte
ich mich doch bereden/ einem Landsmann zu meinem Gefangenen freyen Zutritt zugoͤnnẽ/
yund
[170]Fuͤnftes Buch.
und allen andern den Eingang zu verſperren? Man ſihet ja/ daß die Goͤtter ſelbſt es alſo
gefuͤget haben/ wie es ergangen iſt; koͤnten wirs nur noch erkennen/ ſo ſtuͤnde uns leicht zu
helffen; wo nicht/ gehet der Parthiſche Stuel inwendig Jahrsfriſt/ das der Himmel ja ab-
wende/ ganz verlohren; dann was kan Menſchen Gewalt wider der Goͤtter Doñerſchlag?
Was hilfft alles unſer tichten und uͤberlegen/ wann der Himmel uns ſeinen Beyfall ent-
zeuhet? Eure Koͤnigl. Hocheit frage nur den Bauren Gamaxus aus Indien/ Groß Fuͤrſt
Phraortes in Meden leibeigenen Knecht; verwundert ſich Eure Hocheit meiner Rede?
Ich verſichere dieſelbe/ daß Groß Fuͤrſt Herkules unuͤberwindlicher Arm ihn im abſonder-
lichen Kampffe Mann an Mann angegriffen/ und den frechen Großpraler dergeſtalt ge-
zaͤhmet/ daß er ihm mit ſeinem eigenen ſchweren Saͤbel das eine Bein gar entzwey geſchla-
gen/ lebendig gefangen genommen/ und ihn obgedachten Mediſchen Groß Fuͤrſten vor leib-
eigen geſchenket hat/ welcher ihn lahm und kruͤppel an Armen und Beinen heilen/ und taͤg-
lich als einen kleinen Knaben mit Ruhten zuͤchtigen laͤſſet/ darff ihn auch niemand anders
als den kleinen Gamaxus und das zarte Wiegen Kalb nennen. Iſt es aber Euer Koͤnigl.
Hocheit nicht zuvor geſagt/ daß ſie mit ihm Schimpf einlegen wuͤrden? noch muſte er zum
Fürſten in Ober Meden erklaͤret ſeyn; und wolte ſich freylich geziemen/ daß ihre Hocheit
dieſen ihren Fuͤrſten mit einer Heersmacht errettete. Aber verflucht ſey der Parthiſche
Ritter/ der ſeinetwegen ein Pferd zaͤumet/ oder einen Sporn umguͤrtet. Dem Baur Och-
ſen iſt recht geſchehen/ ja ihm iſt recht geſchehen; nur iſt mir von grund meines Herzen
leid/ daß Eure Koͤnigl. Hocheit mit muß eingewickelt ſeyn. Ich rede frey/ allergnaͤdigſter
Koͤnig/ und haͤtte wol vielmehr zureden/ wann ich nicht ſeines betruͤbten Herzens ſchonete;
breche demnach hieſelbſt ab/ und melde nur die Urſach/ alles bißher erlittenen Jammers/
nehmlich/ daß Eure Koͤnigl. Hocheit ſich nicht wil bereden laſſen/ die vergebliche Liebe zu
einer verheyrahteten aus dem Sinne zuſchlagen/ welche zuerlangen unmoͤglich iſt. Es hat
der groſſe Koͤnig ſo manniche ſchoͤne Jungfrau in ſeinem Zimmer/ mit denen er ſich zur
gnuͤge erluſtigen moͤchte; deren gebrauche ſich Ihre Hocheit/ und ſuche eines andern Ehe-
weib wider ihren Willen nicht; dann ich weiß/ daß kein Parthiſcher Fuͤrſt oder Herr umb
dieſer Sache willen ein Pferd beſchreiten wird. Bagophanes merkete/ daß er mit unter-
ſchiedlichen Stichen getroffen wahr/ und hatte Intaphernes ihm ſchon gemeldet daß Pa-
korus ungehalten auff ihn waͤhre; wolte deswegen dieſe Gelegenheit/ ſich zuverantwortẽ/
in acht nehmen/ und fing an/ ſeine Entſchuldigung zutuhn. Aber Pakorus fragete ihn/ was
er bey Berahtſchlagung der Reichs- und Kriegshaͤndel zuſchaffen haͤtte/ oder ſein Gewaͤ-
ſche mit einzumengen; Er ſolte zuſehen/ daß wann der Baur Flegel etwa ausriſſe/ er ihm
von ſeinem Weibe bliebe/ die vor dieſem des unzuͤchtigen Handels gewohnet/ an dieſem
ſtarken Bauren den rechten Habnen oder vielmehr Ochſen bekommen haͤtte; wie ſein Ge-
ſinde ſolches gnug ausbreitete/ daß vor deren Augen er ſie mißbrauchet haͤtte; wuͤſte er dañ
guten Raht/ koͤnte er ihn alhie anwenden. Dieſer gab der guten Worte wieder nicht viel/
daß er den Fuͤrſten endlich an ſeinem ehrlichen Nahmen griff/ und ihm vorlegte/ er ſuchte
ein Herr uͤber den Koͤnig ſelbſt zu ſeyn/ und wer wuͤſte/ warumb er die Reichsfeinde allemal
ſo hoch erhoͤbe. Aber Pakorus wolte ſich nicht lange mit ihm zanken/ ſondern ſagte zum
Koͤnige: Haͤlt Eure Koͤnigl. Hocheit mich in dem Verdacht/ deſſen dieſer Verleumder
mich
[171]Fuͤnftes Buch.
mich zeihet/ ſo nehme dieſelbe dieſes Schwert/ und haue mich ſtuͤndlich nider. Wir
wiſſen von euch nichts boͤſes/ antwortete er/ ſondern haben euch allemahl einen Beſchuͤtzer
unſer Koͤnigl. Hocheit erkennet; nur eure milde Zunge mag vielleicht unſern geheimen
Raht zum Verdacht leiten. So wil ich nach dieſem mich aller Rede gerne enthalten/ ſagte
Pakorus/ nur wolle Eure Koͤnigl. Hocheit mir allergnaͤdigſt erlaͤuben/ daß ich gegen dieſen
ſchaͤndlichen Verleumder und Ehrendieb meinen Fürſtl. Nahmen retten moͤge; faſſete daꝛ-
auf das Schwert/ und zerſpillete ihm damit das Haͤupt biß an beyde Ohren/ da er zugleich
alſo redete: Fahre hin/ du ſchaͤndlicher Fuchs ſchwaͤnzer/ der du bißher ſo mannichen guten
Raht verhindert haſt; Du und deines gleichen ſind das allerbeſte Opfer/ welches den Paꝛ-
thiſchen Schutz Goͤttern kan abgeſchlachtet werden. Artabanus haͤtte ſich deſſen zu Pako-
rus nicht verſehen/ uund da ſichs ein ander unterſtanden/ wuͤrde er ohn abſcheuhliche ſtraf-
fe nicht davon kommen ſeyn; aber ihm muſte ers nicht allein uͤberſehen/ ſondern uͤberdas
noch gut heiſſen/ wiewol er dem entleibeten das Leben gerne mit 20 und mehr T[o]nnen Gol-
des gerettet haͤtte; Weil ihn dann ſein Gewiſſen druͤckete/ legte er alle Schuld der Vergif-
tung und des Kampffes auff Bagophanes/ erkennete/ daß es unkluͤglich gehandelt waͤhre/
wolte ſich hernaͤhſt beſſer vorſehen/ und begehrete freundlich/ daß ſie viere als die vornehm-
ſten Reichs Seulen ihnen das Hauptweꝛk wolten laſſen angelegen ſeyn/ damit das verſpie-
lete wieder gebracht wuͤrde. Mit welcher Erklaͤrung ſie dann ſehr wol zufrieden wahren/
ihn beſter maſſen troͤſteten/ und allen moͤglichen Fleiß verſprachen.


Zu Perſepolis ſtelleten ſich alle Fürſten der Verbuͤndniß ein/ daß ſie unſere Helden
vor ihrem Abzuge ſprechen/ und beſſere Kundſchafft mit ihnen machen moͤchten; und hatte
Artaxerxes Schreiben bey ihnen ſo wol gewirket/ daß die ſechs Fürſten aus Aſſyrien/ Hir-
kanien/ Baktriana/ Margiana/ Arien und Drangiana 100 Tonnen Goldes an Gold/ Peꝛ-
len/ aͤdlen Steinen/ Kleinoten/ guͤldenen und ſilbern Stuͤcken/ Indianiſcher koͤſtlicher Sei-
de und Tuͤchern mit ſich gebracht hatten. Herr Mazeus/ der nach gehaltener Schlacht
nach Ekbatana verſchicket wahr/ kam auch wieder an/ nachdem er auf ſeines Groß Fuͤrſten
Befehl von den Landſtaͤnden 30 Tonnen Schaz zuſammen getrieben hatte/ worzu noch 10
Tonnen aus der Schazkammer geleget wurden. Pharnabazus ließ aus ſeinem Schaz zu
Suſa 30 Tonnen Goldes hohlen/ und hatte von den Staͤnden 20 Tonnen darzu gelihen.
Artaxerxes legte 30 Tonnen dabey/ und die Stadt Suſa 10 Tonnen Goldes. So muſten
die angrenzenden Parthiſchen Staͤdte und Landſchafften/ unter Bedraͤuung der gaͤnzli-
chen Verwuͤſtung ihm 20 Tonnen auffbringen. Die geſamte Morgenlaͤndiſche Kriegs-
Heere ſchoſſen 20 Tonnen zuſammen/ und bahten Fuͤrſt Arbianes/ ſie unſern Helden ihret-
wegen untertaͤhnig einzuliefern. Die eroberte Beute aus der Schlacht mit Dorylaus/
wahren 10 Tonnen; die Helfte der Beute aus der Haͤupt Schlacht/ wahren 200 Tonnen
Goldes/ welche Artaxerxes zuſammen gelegt/ und unſern Helden zum beſtẽ verwahret hat-
te/ machte alles ingeſamt 480 Tonnen Goldes. Als die Fuͤrſten beyſammen wahren ward
ein ſehr groſſes Freudenfeſt/ auf welches alle Kriegs Obriſten gebehten wurden/ angeſtellet/
welche die groſſe Koſten betrachtend/ dem Perſiſchen Groß Fuͤrſten eine eigenwillige Zu-
ſteur auf 10 Tonnen Goldes tahten. Groß Fuͤrſtin Valiſka brachte alles Parthiſche Frau-
enzimmer/ ſo bey ihr blieben wahr/ nach ihrem Stande zu Ehemaͤnnern/ deren Hochzeit
y ijbey
[172]Fuͤnftes Buch.
bey dieſem fuͤnfftaͤgigen Feſt mit gehalten ward/ wobey etliche tauſend Menſchen geſpeiſet
wurden. Des andern Tages baht Valiſka ihren Bruder/ Gemahl und Fabius zu ſich auf
ihr abſonderliches Zimmer/ und redete ſie alſo an: Meine allerliebſte Herzen; wie hefftig
Artabanus ſich bemuͤhet/ uns zubeſchaͤdigen/ und aus dem Mittel zuraͤumen/ hat er in we-
nig Tagen uͤberfluͤſſig erwieſen/ wird auch zweifels ohn nicht nachlaſſen/ unſern Untergang
zu ſuchen/ ſo lange er unſer kan maͤchtig ſeyn. Inzwiſchen ſitzen unſere herzliebe Eltern uñ
Anverwanten unſertwegen in ſteter Bekuͤmmerniß/ und hundert tauſend Soꝛgen/ als wel-
che ſich taͤglich neue Gefahr von uns einbilden/ und von herzen niemahls koͤnnen froͤlich
ſeyn; die Urſach ſolches ihres Kummers iſt keine andere als wir ſelbſt; dann ob uns der
barmherzige Gott gleich in Freyheit geſetzet/ wovor wir ihm nimmermehr gnug danken
koͤnnen/ ſo halten wir uns doch ſelbſt von unſer Reiſe auff/ und rennen aus einer Gefahr in
die andere. Bißher haben wir in unſerm Beruff vielleicht gewandelt/ vielleicht auch wol
mehr Gefahr uͤber uns genommen/ als wir bedurfft haͤtten/ und Gottes Guͤtigkeit hat uns
dannoch allemahl augenſcheinlich loßgeriſſen; Laſſet uns/ bitte ich/ der himliſchen Gnade
nicht mißbrauchen/ daß Gott nicht urſach bekomme/ uͤber uns zuzuͤrnen; ja laſſet uns be-
denken/ daß wir alle Muͤhe ausgeſtanden/ damit wir in unſer geliebtes Vaterland wieder
kommen moͤchten/ woran uns nichts/ als unſer ſelbſt eigener Wille hinderlich iſt. Wolte
Gott/ ihr moͤchtet mit mir einig ſeyn/ ſo wolten wir morgen/ oder ja uͤbermorgen umb dieſe
Zeit ſchon auff der Reiſe ſeyn; und iſt einige Begierde bey meinem H. Bruder/ nach ſei-
nem Gemahl/ Soͤhnlein/ Mutter und Schwieger Eltern/ ja nach ſeinem Koͤnigreiche/
welches mit Schmerzen nach ihm ausſihet/ ſo wird er mir mein Gemahl erbitten helffen/
daß er ſich durch gute Wort laͤnger nicht auffhalten laſſe. An H. Fabius guten Willen
gebuͤhret mir nicht zuzweifeln/ und muͤſte mir heꝛzlich leid ſeyn/ wann mein Schatz Heꝛkules
allein gegẽ halten wuͤrde/ welchen ich vorerſt nirgends lieber als zu Jeruſalem/ hernach zu
Padua/ und dann zu Prage ſehen moͤchte. Mein allerwerdeſter Schaz/ antwortete Her-
kules/ warumb beſchuldiget ſie mich einer Sache/ deren ich gar unſchuldig bin? GOtt iſt
mein Zeuge/ daß ſint Gamaxus Erlegung ich taͤglich mit den Gedanken umbgangen bin/
aber mich nicht habe loßwirken koͤnnen; nunmehr aber werde ich meinen Schluß/ wann
es ihnen ſaͤmtlich alſo gefaͤllet/ nicht brechen/ und von heut an zurechen/ uͤber drey Tage
(dann das Feſt muͤſſen wir Ehrenhalben mit aushalten) die Reiſe in Gottes Namen an-
treten/ auch auff dem Wege nicht ſeumen/ biß wir Jeruſalem erreichet haben/ woſelbſt ich
durch Verheiſſung verbunden/ einſprechen muß. Sie wahren deſſen ingeſamt von
Herzen froh/ und foderten Leches neben Libuſſen zu ſich/ denen ſie ihren Schluß zuwiſſen
macheten/ und daß ſie den uͤbrigen anzeigeten/ ſich gefaſſet zuhalten/ damit man ſich laͤn-
ger nicht auffhalten duͤrffte. Herkules ließ den Obriſten Wedekind ruffen/ und gab ihm
zuvernehmen/ daß ſeine Reiſe nunmehr erſtes Tages vor ſich gehen wuͤrde; Weil aber
Artaxerxes bey ihm angehalten/ daß die Teutſchen/ Boͤhmen und Roͤmer bey ihm auf ei-
ne gewiſſe Zeit bleiben moͤchten/ koͤnte man/ wie er ſaͤhe/ ihm ſolches nicht wegern; zweifel-
te nicht/ ſie wuͤrden ſich deſſen nicht entbrechen/ ſondern dieſe gute Gelegenheit/ Ehre und
Ruhm zuerwerben/ in acht nehmen; waͤhren aber etliche unter ihnen/ zum hoͤchſten/ auff
300 Koͤpffe/ Teutſche/ Boͤhmen und Roͤmer/ (mit den 300 aͤdelknaben haͤtte es ſeine we-
ge)
[173]Fuͤnftes Buch.
ge) die nach ihrem Vaterlande verlangen truͤgen/ ſolten dieſelben ſich angeben/ dañ ſo viel
waͤhren ſie willens mit ſich zufuͤhren; und wer ſeine erworbene Gelder mit uͤberſchicken
wolte/ koͤnte ſie fein zuſammen gepacket/ und auff Wagen oder Laſt Tihre geladen/ herbey
bringen/ welches alles den ihren unverruͤcket ſolte eingeliefert werden. Wedekind gab zur
Antwort; die Voͤlker haͤtten ihn ſchon vermocht/ ihretwegen untertaͤhnigſt anzuhalten/
daß ſie dieſer oͤrter noch etwas verbleiben moͤchten. Ihre Baarſchaften erſtrecketen ſich
ſehr hoch/ welche ſie taͤglich nach ihrem Vaterlande wuͤnſcheten; wolten deßwegen Pfer-
de und Wagen verſchaffen/ daß ſie mit koͤnten fortkommen; ſo waͤhren auch etliche/ die
nach ihrem Vaterlande verlangen truͤgen/ deren Nahmen er ehiſt eingeben wolte. Fabius
redete eben dieſes mit den Roͤmern ab/ wie auch Klodius und Markus/ und funden/ daß
ſie Luſt hatten/ noch laͤnger zu dienen/ und ihre Guͤter mit uͤberzumachen; welches ſie ihnen
gerne zulieſſen. Bey der Mittagsmahlzeit/ ſo bald die Speiſen abgetragen wahren/ ſtund
Groß Fuͤrſtin Valiſka auff/ neigete ſich tieff gegen die anweſende Fuͤrſten/ und hielt zu ih-
nen dieſe Rede: Großmaͤchtige Durchleuchtigſte Fuͤrſten/ Hochgebohrne Herren und
Freunde; was maſſen mein Herr Bruder und mein Gemahl/ in dieſe/ von unſerm Vater-
lande weit abgelegene Landſchaften/ nur zu dem Ende ſich begeben/ daß ſie mich geraubete
wiederumb in freien Stand ſetzen moͤchten/ iſt unnoͤhtig/ nach der laͤnge vorzutragen/ weil
euren Liebden es ſamt und ſonders gnug wiſſend iſt. Wann dañ der grundguͤtige GOtt
nach ſeiner vaͤterlichen barmherzigkeit es alſo [geſchicket]/ daß ich aus der leidigen Gefaͤng-
nis entriſſen bin/ und unſere eigene Notturft/ in ſonderheit meines Herrn Bruders Koͤnig-
reich durchaus erfodert/ daß wir die Reiſe nach unſerm Vaterlande ehiſt vor uns nehmẽ/
und uͤberdas mir unmoͤglich iſt meine herzgeliebte Fr. Mutter in ihrem taͤglichen Herz-
leide laͤnger ungetroͤſtet zu laſſen; als gelanget an eure Durchll. und Liebden meine ſehr
inſtaͤndige Bitte/ dieſelbe wollen/ in erwaͤgung obangezogener wichtigen Urſachen/ dem
jeztfolgenden anſuchen meines H. Bruders und Gemahls nicht entgegen ſtehen/ ſondern
mir als einer betrũbeten Tochter gnaͤdig und willig zulaſſen/ daß ich meine Herzallerliebſte
Fr. Mutter ehiſt wieder umbfahen moͤge/ deren angenehmen gegenwart ich ſo lange Zeit
entbehren muͤſſen. Solches erbiete ich mich Zeit meines Lebens/ nach aͤuſſerſtem vermoͤgẽ
zuerkennen/ und bedanke mich zugleich untertaͤhnig/ daß eure Durchll. und Liebden/ meine
Erloͤſung durch allerhand Vorſchub befodern/ mich in ihren kraͤftigen Schuz nehmen/
und wieder die groſſe Macht des graͤulichen Wüterichs Artabanus beſchirmen wollen;
welche hohe erbarmung mir elenden erzeiget/ die ganze erbare Welt zuruͤhmen/ und der
Himmel zuvergelten unvergeſſen ſeyn wird. Nach dieſem ſtunden Ladiſla und Herkules
auff/ und fing dieſer alſo an: Großmaͤchtige Unuͤberwindliche Groß Fuͤrſten/ auch Durch-
leuchtige Fuͤrſten/ Hochwerte Herren: Mein geliebter Bruder und ich/ bedanken uns bil-
lich und von Herzen wegen der uͤbermilden Guͤte und Huͤlffe/ die von ihren Durchll. uns
in unſern noͤhten ſo reichlich erwieſen iſt/ daß wir viel zu geringe ſeyn werden/ es bey den
unſern nach gebühr zu preiſen. Nun muͤſſen wir ſonder ſparung der Warheit geſtehen/
daß uns ſchwer fallen wird/ folche gewogene Herꝛn und Freunde zuverlaſſen/ mit denen
unſer ganzes Leben zuzubringen/ auch Lieb und Leid mit ihnen außzuſtehen wir begehren/
und billich wuͤnſchen ſolten/ wuͤrden auch an unſer Vaterland wenig gedenken/ wañ ni[cht]
y iijdie
[174]Fuͤnftes Buch.
die eingepflanzete Neigung/ und der Untertahnen erheiſchende Notturft uns unſer Schul-
digkeit erinnerten/ und uns gleich ſam antrieben/ bey ihren Liebden ſehr dienſtfleiſſig anzu-
halten/ daß uns hochguͤnſtig moͤge erlaͤubet ſeyn/ morgendes Tages ohn einige Sperrung
Abſcheid zu nehmen; ſolten wir dañ ſchier heut oder Morgen von ihren Liebden um Teut-
ſche und Boͤmiſche Voͤlker erſucht werden/ wollen wir ihnen biß auff 150000 Reuter ger-
ne zu dienſte ſeyn/ auch/ da ſie es begehren unſere annoch Anweſende/ auſſer einer geringen
Begleitung/ willig hinterlaſſen; zweiffeln nicht/ dieſelben werden nit weniger in unſerm
abweſen/ als vorhin/ ſich redlich und geherzt finden laſſen. Die Fürſtliche Geſelſchaft haͤt-
te nicht gemeinet/ daß unſere Helden ſo gar ſchleunigen Abſcheid begehren ſolten/ uñ freue-
te ſich Artaxerxes ſehr/ daß die Schenkungen alle richtig beyſammen wahren; wolte doch
vor ſich hierauff keine Antwort geben/ ſondern trat mit ſeinen Bundsgenoſſen in ein Ne-
bengemach/ unter welcher Zeit Valiſka den jungen Mediſchen Fürſten Arbianes zu ſich
foderte/ und ihn/ weſſen er ſich verhalten ſolte/ unterrichtete. Nach verlauff einer halben
Stunde ſtelleten die Fuͤrſten ſich wieder ein/ und brachte Phraortes dieſe Antwort vor:
Großmaͤchtige Durchleuchtigſte Herrn/ Koͤnig Ladiſla/ und GFürſt Herkules/ hochwer-
te Herrn und Bruͤderl iche Freunde: Wie gluͤkſelig dieſe Landſchafften ſeyn muͤſſen/ denen
eure Liebden Zeit ihres Lebens mit Raht und Schuz vorſtehen werden/ kan aus dieſem ich
und ein jeder unſchwer ermaͤſſen/ was unſer Vaterland dieſe kurze Zeit durch euren trefli-
chen Beyſtand genoſſen/ ſo daß auch die kleinen Kinder die lieben Nahmen Herkules und
Ladiſla allenthalben ſchon im Munde führen/ und mit gebrochener Außrede preiſen. O
wie wuͤrden ſich hohe und nidꝛige/ ſtreitende und ruhende/ Land und Leute freuen/ wann ſie
hoͤren ſolten/ daß die fremden Freunde noch manniche Zeit in Perſen leben/ uñ nur durch
ihres Nahmens laut/ der Feinde ſtolz brechen und in Haſenfurcht verwandeln wuͤrden/
wie ſchon mehr als einmahl geſchehen. Aber leider! Perſen iſt des Gluͤks unwirdig; der
Himmel hat den Morgenlaͤndern dieſe Ebenbilder der Volkommenheit/ dieſe Kleinoter
der Welt nicht zu eigen geben/ ſondern nur leihen wollen/ umb uns ſehen zulaſſen/ was vor
ein gewuͤnſchtes Gut er der Teutſchen und Boͤmiſchen Welt mitgeteilet/ welches wir ihr
zwar nicht mißgoͤnnen muͤſſen/ und doch/ wans moͤglich waͤhre/ gerne mit ihnen gemein
haben wolten; weil es aber ſchwerlich wird geſchehen koͤñen/ ſtehet uns gleichwol als dank-
willigen zu/ daß wir den bißher empfangenen nutzen erkennen/ wie dañ unſere Fuͤrſtl. Ver-
buͤndnis ſolches gerne erkennet/ und euren Liebden ſich mit Land und Leuten/ mit Gut und
Blut verpflichtet halten/ weil ſie ihr Leben vor unſere Wolfahrt gewaget/ ihr Blut vor
uns und unſere Leute vergoſſen/ und keiner Muͤhe/ Gefahr und arbeit ſich verdrieſſen laſ-
ſen; ja angebohtene Koͤnigreiche außgeſchlagen/ nur daß ſie unſere Herrſchaft befeſtigen/
und des Wuͤtrichs Ungerechtigkeit abwenden moͤchten. Blind iſt/ der dieſes nicht ſihet;
unachiſam/ der es nicht beſihet; undankbar/ der es unvergolten laͤſſet/ ſo weit nur ſein ver-
moͤgen reichen kan. Alſo werden wir uns bemuͤhen/ uns ſelbſt zu durch ſuchen/ ob wir der
ſchuldigen Dankbarkeit einiges Zeichen finden und leiſten koͤnnen. Den Ernſt ihres vor-
genommenen abzuges haben wir nit ohn betruͤbnis verſtanden/ aber unſern Ohren duͤrfen
wir nicht trauen/ daß hierzu der allernaͤhſtfolgende Tag ſolte berahmet ſeyn. Nein hochge-
[...]bte Freunde/ ſo werden ſie ja ihren verbundenen/ die ſich der Zahlung ſchuldig wiſſen/
die
[175]Fuͤnftes Buch.
die Zeit zur Dankbarkeit nicht entreiſſen. Wann die Noht ſie triebe/ wolten wir noch heut
einwilligen; aber auſſer dieſen Fall/ der Gott Lob ſich nicht findet/ iſt uns der morgende
Tag gar zu unertraͤglich/ und hoffen zum wenigſten/ bey ihnen zuerhalten/ daß ſie nuꝛ ſo lan-
ge in ruhe und friede ihre angenehme Gegenwart uns goͤnnen/ als ſie der Fehde und dem
Streit unſertwegen beygewohnet/ damit wir nicht angeſehen werden/ als gebrauchten
wir uns der Freunde in der Noht und Gefahr/ und jageten ſie hernach von uns; welchen
Verdacht von uns abzuwenden/ ſie nach ihrer hohen Vernunft und Gewogenheit ſelbſt
werden geflieſſen ſeyn. Herkules gab zur Antwort: Großmaͤchtige Fuͤrſten/ Hochwerte
Herrn; wann ein leichter Kindiſcher Pfeil von einem ſtaͤhlenen Armbruſt abgeſchoſſen
wird/ flattert er nur/ oder zubricht gar in ſtuͤcken; gleich alſo treibet ein unverdientes Lob
mehr nider als in die hoͤhe. Wir ſind im wenigſten nicht beſtand/ nur mit Gedanken zuer-
greiffen/ was man uns als taͤhtlich zulegen wil. O nein! Ladiſla und Herkules wiſſen ſich
ihres unvermoͤgens wol zuerinnern; aber an euer Liebe Reden finden ſie ein lebendiges
Beyſpiel/ wie leicht freundes Gemuͤht duꝛch gewogenheit verleitet/ zu weit gehen kan; wel-
che eriñerung eure Liebe uns nit vor uͤbel halten wolle. Wir haben bey neulicher Schlacht
etwa eine Handvol Voͤlker gehabt/ die neben eurem wolgeruͤſteten Heer daß ihre mit zu
tuhn/ ſich beflieſſen/ aber ohn derer und unſerer huͤlffe/ die ſehr klein/ und des gedenkens nit
wert iſt/ haͤtten der hochloͤblichen Verbuͤndnis Heerfuͤhrer und Kriegsleute eben ſolches
verrichten koͤnnen was in unſer Gegenwart geſchehen iſt; zweiffeln auch nicht/ Gott wer-
de ihnen in kurzen voͤlligen Sieg uͤber ihre Feinde verleihen/ deſſen treflichen anfang wir
mit Augen angeſehen/ und uns hoͤchſt freuen daß wir einen geringen Teil mit hinzugetahn/
und vor ihren uns geleiſteten Schuz/ eine dankbare Seele zuerzeigen/ Gelegenheit gehabt;
der Durchleuchtigſten Groß Fuͤrſten/ Fuͤrſten und Herrn hohe Gewogenheit gegen uns/
iſt ſo reichlich und überfluͤſſig ſchon erwieſen/ daß ſie keines Augenbliks mehr bedarff/ und
daher unſere hochnoͤhtige Reiſe keine Stunde auffzuſchiebẽ iſt/ wuͤrde uns auch leid ſeyn/
wann ihre Liebden noch ein mehres zuerzeigen/ ſich unternehmen wolten. Wir haben uns
bißher dieſer Wegerung nicht verſehen koͤnnen/ ſonſten wuͤrden wir zeitiger umb Urlaub
angeſuchet haben; dann die Zuverſicht zu dem Durchl. Groß Fürſten/ Herrn Phraortes/
deſſen Liebe uns die Verſprechung getahn/ daß wir uͤber Gelegenheit keinen Tag ſolten
auffgehalten werden/ hat uns beredet/ es wuͤrde ein ſchleuniger Abzug/ uns vor keine Un-
hoͤfligkeit oder undankbahres Abſtreichen außgedeutet werden; hoffen auch feſtiglich/ ihre
Liebden werdẽ nicht allein die beſchehene Zufage/ ſondern auch meines Gemahls angeleg-
te Bitte gelten laſſen/ uñ unſern Abſcheid/ den wir faſt ungerne nehmen/ weiter nicht hem-
men; wie wir dann an ihrer Hoch Fuͤrſtl. Gewogenheit durchaus nicht zweiffeln duͤrffen/
alſo erbieten wir uns hinwiederumb/ ihren Durchll. und Liebden/ nach unſerm wenigen
vermoͤgen allemahl bereit und auffwaͤrtig zu ſeyn. Phraortes kunte ſeines verſprechens
nicht in Abrede ſeyn/ und gab dieſe Wiederantwort: Ich erinnere mich billich/ was eure
Liebe allemahl in Vorbehalt geſetzet/ daß ſie unverbunden ſeyn/ und zu jederzeit Freiheit
hinweg zu ſcheiden/ haben wolten/ welches ihnen auch von unſer Fuͤrſtl. Verbuͤndnis nie-
mahln gewegert werden ſol; haben auch ihre groſſe Gewogenheit daher verſpuͤret/ daß
da ſie gar zeitig/ und ohn einige Wagnis gegen den Feind haͤtten koͤnnen ihren Abzug neh-
men/
[176]Fuͤnftes Buch.
men/ ſie dannoch der Hauptſchlacht zuvor beywohnen/ und ihre eigene Sachen biß dahin
außſetzen wollen/ wozu ſie weder durch Pflicht noch Schuld verbunden wahren; in Er-
kaͤntnis deſſen/ erkuͤhnen wir uns durchaus nicht/ ihre Liebden laͤnger aufzuhalten/ unge-
achtet wir nichts liebers ſehen moͤchten/ als daß ſie gar bey uns bleiben/ und der Feinde
Landſchaft zum eigenen Beſiztuhm annehmen wolten. Weil aber die Liebe zu ihrem Va-
terlande und angebohrnen Unterthanen (welche wir billich mit unter ihre hoͤchſte Tu-
genden rechnen) ſie deſſen nicht bereden laſſen kan/ und die Verſchenkung des Fürſten-
tuhms Suſtana uns ihre Gemuͤhter gar zu kundbar gemacht hat/ wollen wir nicht allein
hievon gar keine Meldung tuhn/ ſondein ihren Liebden auch die verſprochene Freiheit ab-
zuziehen/ gerne goͤnnen; jedoch daß ſie gleichwol die Zeit ſo gar kurz nicht beſtimmen/ und
wir zuvor wiſſen moͤgen/ daß ſie reiſen wollen/ ehe wir ihre Gemaͤcher und Staͤlle ledig ſe-
hen. Ihr Erbieten wegen beharlicher Freundſchaft iſt uns lieber/ als mit Worten auß-
geſprochen werden kan/ geleben auch der troͤſtlichen Zuverſicht/ ſie werden an unſer Seite
einigen Zweifel nicht tragen/ daß wir ſeyn und bleiben wollen dieſelben/ welche ihren hoch-
verdienten Ruhm außzubreiten/ und ihrer lieben Gedaͤchtnis ſich ſtets zu erinnern/ auch
allen moͤglichen Willen zu bezeigen/ werden unvergeſſen ſeyn. Durchleuchtigſte Groß-
Fuͤrſten und Fuͤrſten/ gab Herkules zur abermaligen Antwort: Die bloſſe Schuldigkeit
vor empfangene Woltaht/ und die Begierde ſolchen lieben Freunden noch laͤnger beyzu-
wohnen/ hat uns ſo lange alhie aufgehalten/ weil wir die nahe Gelegenheit/ ein dankwilli-
ges Herz zu erzeigen/ vor der Tuͤhr ſahen; hat nun ſolch es ihren Liebden gefallen koͤnnen/
iſt uns dadurch alles tauſendfach ſchon erſetzet. Billich ſolten wir zwar unſere gegenwaͤr-
tige wirkliche Dienſte laͤnger leiſten; weil ihnen aber nunmehr damit wenig kan gedienet
ſeyn/ und unſere eigene Geſchaͤfte uns die Ohren Tag und Nacht vol ſchreien/ ja auch mei-
nem lieben Herrn Bruder/ Koͤnig Ladiſla und Herrn Fabius herzgeliebte Gemahlin dieſe
Erinnerung vergeſelſchaften/ dereins an ſie zu gedenken/ als iſt unſere emſige Bitte/ uns
uͤber heut/ morgen und uͤbermorgen nicht aufzuhalten. Ihr hohes Erbieten koͤnnen wir
weder er wiedern noch außſchlagen/ erkennen es mit dankſchuͤldigem Herzen/ und ver-
bleiben zeit unſers Lebens Ihrer Liebden bereitwilligſte Knechte. Ladiſla redete mit ein;
Ihre Liebden moͤchten inſonderheit bedenken/ daß er eine ſo lange zeit her aus ſeinem Koͤ-
nigreich waͤhre/ und keinen Anverwanten/ als ſeine Frau Mutter haͤtte/ der dem Reiche
vorſtuͤnde; ſo duͤrften auch ſeine ungetꝛaͤue Nachbarn/ inſonderheit die frechen Pannoniet/
ſeines Abweſens ſich zu nuͤtze machen/ und in einem Monat ihm mehr Schaden zufuͤgen/
als in Jahres friſt koͤnte wie der gebracht werden; wolte dieſem nach/ der gaͤnzlichen Zu-
verſicht leben/ man würde ihren Abzug weiter außzuſetzen/ nicht anhalten/ und wiederho-
lete ſchließlich das vorige Erbieten. Hierauf gab nun Artaxerxes zur Antwort; Sie muͤ-
ſten geſtehen/ daß jedem ſein eigenes billich am meiſten an gelegen waͤre/ koͤnten demnach
Ihre Liebden wider ihre ſelbſt eigene Wolfahrt nicht aufhalten/ wie ſchwehr ihnen gleich
ein ſo gar ſchleuniger Abweich fallen wuͤrde/ damit ihre Liebes- und Freundſchaft-Begier-
de nicht in eine Unbilligkeit verwandelt/ mehr ſtrafbar als lobwirdig waͤre. Aber eine Bit-
te haͤtte die Fuͤrſtl. Verbündnis an die Durchl. Groß Fuͤrſtin Fr. Valiſka vor ihrem Ab-
zuge abzulegen/ deren Wegerung ſie ſich nicht verſehen wolten/ und zu ſeiner Zeit ſolte
vor-
[177]Fuͤnftes Buch.
vorgetragen werden. Dieſer Erlaſſung freueten ſich die unſern hoͤchlich/ und erklaͤrete ſich
die Groß Fuͤrſtin/ denen/ die ihr zubefehlen haͤtten/ wuͤrde ſie keine Bitte verſagen/ dafern
die Leiſtung nur in ihrer Gewalt ſtuͤnde. Jederman meynete/ es wuͤrde nunmehr alles ge-
endet ſeyn; aber hie trat Arbianes auf/ und wie Valiſka ihm eingegeben hatte/ ſing er zu ſei-
nen Eltern alſo an: Gnaͤdiger Herr Vater und Fr. Mutter; wie hoͤchlich dieſelben mir
allemahl dieſer Fuͤrſten Gemuͤhter zuruͤhmen pflegen/ welche auf ihr Fuͤrſtliches Erbe nit
verbacken ſind/ ſondern in der Jugend/ durch lobwirdige uͤbungen/ Beſichtigung fremder
Laͤnder und Sitten/ und andere loͤbliche Tahten/ die tugendliche Volkommenheit und Eh-
re ſuchen/ werden ſie ſich gnaͤdig erinnern koͤnnen. Wann nun zeit meines Lebens mir hieꝛ-
zu beſſere Gelegenheit nicht werden kan/ als das Gluͤk mir jetzo anbent; ſo gelanget dem-
nach an dieſelbe mein kindlich-untertaͤhniges erſuchen/ mir vaͤter- und muͤtterlich zugoͤn-
nen/ daß mit dem teuren Groß Fuͤrſten/ Herrn Herkules/ ich nach Italien/ und ſo weiter
nach Boͤhmen und Teutſchland reiſen moͤge/ damit ich die Landſchafften und Schloͤſſer
ſehe/ auf welchen dieſe volkommene Fuͤrſten gezeuget ſind; und daß ich dieſes bey meinen
Eltern deſto leichter erhalten koͤnne/ bitte den Großmaͤchtigen Groß Fuͤrſten/ Herrn Arta-
rerxes/ und die ſaͤmtliche anweſende Fuͤrſten/ meine hochgebietende Herren Oheimbe ich
untertaͤhnig/ mit ihrer kraͤfftigen Vorbitte mir behuͤlflich zuſeyn/ und dieſes mein inſtaͤndi-
ges anſuchen zubefodern. Sein Vater antwortete: Lieber Sohn/ du haſt an meiner ſeiten
keines Vorbitters vonnoͤhten/ ſondern ſihe dich nach denen umb/ welche bey Groß Fuͤrſt
Herkules dir ſolches zuwege bringen; Ich vor mein Haͤupt ſehe viel lieber/ daß dein Ge-
muͤht nach Erfahrung als Wolluſt; nach reiſen als ſuͤſſer Ruhe ſtehet. Zwar ich halte es
keinem jungen Fuͤrſten vor uͤbel/ daß er daheim bleibet/ wann er wegen fruͤhzeitigen Abfalls
ſeiner Eltern/ die Landesbeherſchung anzutreten gezwungen wird/ oder ſonſt wichtige Ur-
ſachen hat/ in ſeinem Lande zubleiben; oder die Beſichtigung fremder Landſchafften ihm
ſchaͤdlicher als zutraͤglich oder nuͤzlich ſind; oder wann er daheim eben das ſehen und er-
fahren kan/ was in andern Reichen hochgehalten wird; oder wann ihn Leibesſchwacheit
abhaͤlt; oder endlich/ wann die Gefahr ſolcher Reiſe groß/ und der Vortel klein oder nicht
guͤltig iſt; aber die/ ſo aus bloſſer Faulheit und Luſt dem Fleiſche ſanfte zutuhn/ auf ihren
Land Schloͤſſern bey ſtetem freſſen und ſauffen veralten/ ſo daß ſie kaum wiſſen/ ob die ganze
Welt zehn Meile breit und lang ſey; Dieſe/ ſage ich/ ſind unwirdig/ daß ſie eines Fuͤrſten
Namen fuͤhren. Ich kenne einen preißwirdigen Fuͤrſten/ welchen ich nicht nennen wil/ der
in ſeiner Jugend genoͤhtiget ward/ die Landesbeherſchung wider ſeinen Willen anzuneh-
men/ gleich da er ſich geſchicket hatte/ nach einer ſchon zimlich fernen Reiſe/ eine viel weite-
re über Meer und Land zutuhn. Aber ſeines hochgeprieſenen Herr Vaters unvermuhtli-
cher Todesfall riß ihn zuruͤk/ wie hefftig er auch umb Erlaſſung etlicher Jahre anhielt. O
wehe mir/ pflag er zuſagen/ daß ich meine Jugend mit dieſem ſchweren Joche muß laſſen
überladen; da er doch in dieſem Jünglings Alter Wiz und Verſtand gnug hatte/ nicht al-
lein ſeine Herſchafft/ ſondern viel eine groͤſſere zuverwalten. Solche Nohtwendigkeit/ mein
Sohn/ bindet dich an Ekbatana nicht/ ſondern du haſt Freyheit/ dich zuverſuchen/ und ſa-
geſt recht daran/ daß du beſſere Gelegenheit/ etwas zufaſſen/ nimmermehr finden werdeſt/
dafern dir nur dieſe werden kan. Groß Fuͤrſtin Saptina merkete ſchon/ daß Valiſka mit
zdahin-
[178]Fuͤnftes Buch.
dahinter ſteckete/ deswegen ſtund ſie auff/ und hielt ſehr fleiſſig bey ihr an/ ſie moͤchte bey ih-
rem Gemahl helffen loßwirken/ daß ſeine Liebe ihren herzgeliebten Herr Sohn/ zu ſeiner
Geſelſchafft und ferneren Unterweiſung ihm wolte laſſen anbefohlen ſeyn. Aber Herkules
antwortete ſelbſt hierauf: Ihm koͤnte liebers nichts wiederfahren/ als wann er ſeinen hoch-
geliebten Herr Bruder/ Fuͤrſt Arbianes zum Reiſe-Geſellen haben/ und deſſen angenehme
gegenwaͤrtige Freundſchafft noch laͤnger genieſſen ſolte; weil ihm dann ſolches angeboh-
ten wuͤrde/ welches er vor ein ſonderliches Zeichen der Gewogenheit erkennete/ wolte er
hiemit Fuͤrſtlich verſprechen/ ſich dieſes Tugendergebenen Fürſten nicht weniger als eines
leiblichen Bruders anzunehmen/ und allen Fleiß anzuwenden/ daß er geſund und friſch bey
den lieben ſeinigen wieder anlangen moͤchte; welches von allen anweſenden Morgenlaͤn-
diſchen Fuͤrſten/ mit hohem erbieten angenommen ward.


Nach Endigung dieſes Geſpraͤchs/ meldete Gallus Herrn Fabius an/ es waͤhre eine
anſehnliche junge F[r]au in Trauerkleidern vor dem Schloß Thor/ die nach ſeinem Nahmẽ
fragete/ und ihrem vorgeben nach/ aus dem Fuͤrſtentuhm Suſiana kaͤhme. Er gedachte
alsbald/ es wuͤrde Statira ſeyn/ ging zu ihr/ und hieß ſie freundlich wilkommen. Die ver-
lauffenen unzimlichen Liebesſachen machten ſie ſehr ſchamroht/ baht auch demuͤhtig umb
Vergebung/ da ihm ichtwas widriges von ihr begegnet waͤhre; die Goͤtter wüſten/ daß ſie
nicht als durch aͤuſſerſten Liebes-zwang ſich an ihm verſuͤndiget haͤtte/ hoffete deſſen Ver-
gebung/ und wünſchete/ daß ſein hoher Stand ihr haͤtte moͤgen wiſſend ſeyn; dann wolte ſie
ſchon ſo viel Macht geh abt haben/ ihn der billigen Knechtſchafft zubenehmen. Er gab zur
Antwort: Sie moͤchte ihr gefallen laſſen/ alles geſchehene zuvergeſſen; Ihr getraͤues Herz
gegen ihn haͤtte verdienet/ daß er ſich ihrer Wolfahrt als ſeiner eigenen annaͤhme/ welches
zuleiſten er ziemliches Vermoͤgens waͤhre. Aber/ ſagte er/ iſt auch der gute Nabarzanes un-
gehalten/ daß meine Seele ſo unbarmherzig mit ihm verfahren? Ach/ ſagte ſie/ ich kan be-
teuren/ daß ers mit keinem Worte geahnet hat/ ſo lange er im Leben geweſen/ welches aber
nur wenig Stunden nach erfahrner Zeitung wehrete; dann er ritte des folgenden Tages
auf die Jagt/ da ihn ein hungeriger Loͤue in ſtuͤcken zuriſſen/ und er mir von den Jaͤgern ſo
elendig zu Hauſe gebracht iſt/ daß ich gleichwol ihm noch eine Standeswirdige Begraͤb-
niß ausrichten koͤnnen; Und ob ich zwar meinem Herrn geſtehen muß/ daß ich ſchlechte
Liebe zu ihm getragen/ ſo iſt mir dannoch der Unfall ſo ſehr zu herzen gangen/ daß ichs biß
an dieſen Tag nicht vergeſſen moͤgen. Fabius troͤſtete ſie mit freundlichen Worten/ ſie ſolte
ſich zufrieden ſtellen/ es waͤhren unter den Suſianiſchen Voͤlkern unterſchiedliche treffliche
Rit: er Herren Standes/ deren einen er ihr zufreyen wolte/ welches auszuſchlagen er nicht
rahten koͤnte. Sie zwar wolte ſich deſſen viel entſchuldigen aber er ſetzete ſich zu ihr auff die
Gutſche ließ ihm ſein Pferd nachführen/ und brachte ſie in eine vornehme Herberge/ mit
Verſprechung/ wo nicht heut/ doch gewiß morgen ſie zubeſuchen; kehrete wieder nach dem
Schloſſe/ und zeigete Groß Fürſtin Valiſka an/ daß die Suſianiſche Frey Frau/ die in ſei-
ner Dienſtbarkeit ihm ſo manniche Guttaht erzeiget/ und aus Gobares Haͤnden ſein Le-
ben entriſſen/ Ihrer Durchl. untertaͤhnigſt auffzuwarten/ ankommen waͤhre. Ey ſo haͤtte
der H. Bruder ſie herauff noͤhtigen ſollen/ antwortete ſie; rief alsbald ihrer Hofmeiſterin
Libuſſen neben Kleofis/ daß ſie ihre Leib Gutſche anſpannen laſſen/ und die fremde Frau her-
zu
[179]Fuͤnftes Buch.
zu hohlen ſolten; welches alsbald geſchahe/ und Statira der hohen Ehre nicht wenig er-
ſchrak. Sie ward vou dem Fuͤrſtl. Frauenzimmer wol empfangen/ dann ihre getriebene
Buhlerey wahr allen unbewuſt/ kunte ſich auch ſo hoͤflich bezeigen/ daß ſie aller anweſenden
gute Gunſt bekam/ auch dem Fuͤrſtlichen Frauenzimmer allernaͤheſt bey ihrer Landes Fuͤr-
ſtin Barſenen geſetzet ward/ deren ſonderliche Hulde ſie erwarb. Nach geendigtem Abend-
mahl ward ein zierlicher Tanz gehalten/ wiewol mehrentheils von den jungen Eheleuten/
da Valiſka gelegenheit ſuchete/ mit Statiren zureden/ bedankte ſich ſehr/ daß ſie ihrem bruͤ-
derlichen Freunde Herrn Fabius in ſeinem Elende ſo groſſe Freundſchafft und maͤchtigẽ
Schuz erwieſen/ und baht Fürſtin Barſenen/ ihr ſolches genieſſen zulaſſen. Dieſe wolte
nun alsbald/ wie ſie ſagte/ ihren Gehorſam erzeigen/ hohlete ihren Gemahl herzu/ und ſagte:
Sie haͤtte die Ehre eines Befehls von ihrer gebietenden Groß Fuͤrſtin erhalten/ daß bey
ihrem Gemahl ſie dieſer anweſenden aͤdlen Frauen gute Gunſt und Gewogenheit erwer-
ben ſolte/ der nicht weniger als ſie ſelbſt Ihrer Durchl. Gehorſam zuleiſten/ bereit ſeyn wuͤꝛ-
de. Ja antwortete er/ ſolches erfodert unſere Schuldigkeit/ und was dieſe aͤdle Frau von
euch und mir begehren wird/ ſol ihr unwegerlich und Fuͤrſtlich geleiſtet werden/ deſſen gebe
ich ihr dieſen Ring zum Pfande; zog denſelben von ſeinem Finger/ und ſtekte ihn Statiren
an/ welches alsbald Barſene ihm nachtaht. Jene aber/ die ihr ſo gar hohe Gnade nit ver-
muhten wahr/ und wol gedachte/ daß alles von Fabius herruͤhrete/ antwortete ſehr demuͤ-
tig: Sie waͤhre ſo groſſer Ehre unwirdig/ muͤſte ihren Landes Fuͤrſten ja billich zu unter-
taͤhnigem Gehorſam aufwarten; wuͤſte auch nicht/ ob ſie die Gnaden Ringe behalten dürf-
te; Sie untergaͤbe ſich Ihrer Durchll. beyderſeits zueigen/ und waͤhre erboͤtig/ alles ihr
Vermoͤgen in deren Haͤnde einzuliefern. Fabius trat mit hinzu/ ruͤhmete auffs neue ihre
vielfaͤltige Guttaht/ die er zuvergelten nicht gnug waͤhre; Daher Pharnabazus ihr nicht
allein das von Gobares geſchenkte Land Gut beſtaͤtigte/ ſondern noch ein dabey gelegenes
verehrete/ nam auch Nabarzanes Soͤhne erſter Ehe vor aͤdle Leibknaben an/ und verſahe
ſie nachgehends mit hohen Ehrenaͤmptern und groſſen Landguͤtern/ weil ſie ihrem Vater
nicht in der Furchtſamkeit nacharteten/ ſondern tapffere Ritter wurden.


Kein ernſtlicher Geſpraͤch ging auff dem Saale vor/ als zwiſchen Artaxerxes und
Ladiſla; dieſelben redeten von allerhand Geſchichten Teutſchlandes/ inſonderheit von den
ſchweren Kriegen/ welche Herkules Vorfahren mit den Roͤmern gefuͤhret/ und ihnen ſo
mannichen Sieg abgedrungen haͤtten; daher Artaxerxes Gelegenheit nam/ bey Ladiſla an-
zuhalten/ daß er ihm Herkules Lebenslauff weiter erzaͤhlen moͤchte/ weil er vor dieſem durch
des verfluchten ungenanten Ankunfft daran verſtoͤret worden. Er wahr ihm hierin gerne
zu willen/ und huhb an: Iſt mir recht/ ſo habe ich zulezt gemeldet/ was geſtalt wir beyde aus
Schweden von meinen Eltern nach Boͤhmen abgefodert wurden/ woſelbſt wir ſehr wil-
kommen/ und des ganzen Landes Augen auff uns hingerichtet wahren/ maſſen hohe und
geringe uͤber unſere Eintraͤchtigkeit/ beydes an Willen und Kleidern ſich verwunderten/
und erzeigeten meine Eltern uns gleiche Liebe und Gewogenheit/ daß mein Herkules nicht
anders als ein Sohn gehalten ward/ inſonderheit von meiner Fr. Mutter/ die ihn zum of-
tern kuͤſſete/ und einsmahls in meiner Gegenwart zu ihm ſagete: Herzlieber Sohn Her-
kules/ die Goͤtter wiſſen/ wie inbruͤnſtig ich euch liebe/ hoffe auch Gelegenheit zufinden/ es
z ijdereins
[180]Fuͤnftes Buch.
der eins in der Taht zuerweiſen; aber ihr ſollet mir verſprechen/ daß wann ihr zu den Jah-
ren komt/ ihr ohn mein Vorwiſſen nicht heyrahten wollet. Welches er ihr willig verhieß/
und durch dunkele Reden ſo viel Anzeige gab/ ihm wuͤrde kein lieber Menſch/ als ſie/ ein
angenehmes Gemahl zuführen koͤnnen; worauff wir dazumahl wenig acht gaben/ und der
Ausgang mirs wieder zu Gedaͤchtniß ruffet. Wir wahren wenig Wochen zu Prag gewe-
ſen/ da uns Zeitung kam/ die Groß Fuͤrſtin/ meines Herkules Fr. Mutter laͤge ſchwer da-
nider an einem hitzigen Fieber/ und truͤge groſſes Verlangen/ ihren Sohn zu ſehen; deswe-
gen wir uns zur Hinreiſe fertig macheten/ daran wir doch durch eine Begebniß verhindeꝛt
wurden/ die meinem Herkules zu ſonderlichen Ehren ausſchlug. Ein ſehr groſſer ſtarker
Pañonier/ nahmens Bato/ kam zu Prag an/ meinem H. Vater in ſeines Koͤniges Mnata
Nahmen eine Schatzung abzufodern/ welche man ihm weder geſtaͤndig noch ſchuldig war.
Das Ungeheur brachte ſeine Werbung in unſer beyden Gegenwart mit groben Troz und
baͤuriſcher Unhoͤfligkeit vor/ welches ihm mein H. Vater uͤberſahe/ weil dieſer Leute plum-
pe Sitten ihm wol bekant waren; aber mein Herkules beiß daruͤber die Zaͤhne im Kopfe zu-
ſammen/ und fragte den Geſanten/ ob die Pannonier mit freyen Koͤnigen umzugehen nicht
beſſer gelehret waͤhren? Trauen/ ſagte er/ wann ich ein Koͤnig waͤhre/ und man wuͤrde mir
ſolchen Troz beweiſen/ duͤrffte ich einen Geſanten zuvor etliche Jahr in die Schuele der Eꝛ-
barkeit abfertigen/ ehe ich ihn vor meinen Stuel treten lieſſe. Solche Rede ging dem Un-
flaht ſehr nahe/ er ſprang und draͤuete/ kni [...]rete mit den Zaͤhnen/ und hielt ſich ſo unbendig
als ein beſeſſener; deſſen doch Herkules nur lachete/ und ihn ſanftmuͤhtig erinnerte/ zube-
denken/ daß er vor einem herſchenden Koͤnige ſtuͤnde. Dagegen fing dieſer an: Was haſtu
ſpitziger Lecker des unuͤberwindlichſten Pannoniſchen Koͤniges Geſanten und beſtelleten
Feldherrn zu rechtfertigen? Trauen wann ich dich am andern Ort haͤtte/ wuͤrde ich dir
den zarten Arſch ſo weidlich abſtreichen laſſen/ daß du in vier Wochen des ſitzens nicht froh
werden ſolteſt. Ich moͤchte wuͤnſchen/ Eure Liebe haͤtten dazumahl meinen Herkules ſehen
ſollen; das kan ich mit hoͤchſter Warheit bezeugen/ daß weder vor noch nach der Zeit ich
ihn ſo eiferig geſehen habe; es ſchien/ als haͤtten ſich die Haare auff ſeinem Haͤupte auffge-
richtet/ und ſpruͤtzete ihm das Blut aus Naſe und Lippen; welches er bald abwiſchte/ ſich
vor meinem H. Vater in die Knie ſetzete/ und in Kindlicher Demuht untertaͤhnigſt baht/
ihm Freyheit zu goͤnnen/ ſich an dieſem wilden Ochſen gebuͤhrlich zuraͤchnen. Niemand
wuſte/ was vor eine Rache er vor hatte/ und gab ihm mein H. Vater zur Antwort: Lieber
Sohn Herkules/ du weiſſeſt/ daß ich dich eben ſo lieb habe als mein eigen Kind; aber du
hoͤreſt/ daß dieſer ein Geſanter iſt/ der nach aller Voͤlker Recht groſſe Freyheit hat/ und ſe-
he nicht/ was vor Rache du gegen ihn anſtellen koͤnteſt/ ſonſten wolte ich dir gerne zugefal-
len ſeyn. Dieſe Antwort deutete er vor ſich aus/ bedankete ſich der gnaͤdigſten Erlaͤubniß/
und kehrete ſich gegen den Pannonier/ ihn fragend/ ob er ſo viel Herzeus haͤtte/ daß er ſich
ſeines Geſanten Rechts auff wenige Zeit verzeihen/ und wegen angelegten Schimpfs ihm
zu Ritters Recht ſtehen duͤrfte. Dieſer/ wie auch mein H. Vater ſelbſt/ meineten nicht
anders/ er wuͤrde etwa einen Boͤmiſchen Ritter vermoͤgen/ ſich gegen ihn gebrauchen zu
laſſen; und als jener mit einem hoͤniſchen Gelaͤchter zur Antwort gab/ er ſolte nur ein Par
ſtellen/ wann er an einem nicht gnug haͤtte; warff ihm Herkules ſeinen Handſchuch mit
dieſen
[181]Fuͤnftes Buch.
dieſen Worten zu; So nim dieſes Pfand auff/ du verwaͤgener Hund/ daß noch heut du
oder ich vor freier Fauſt erſchlagen werden muß. Mein H. Vater erſchrak der Außfode-
rung hoͤchlich/ ſtellete ſich zwiſchen ſie/ in meynung/ den ungleichen Streit auffzuheben/
dann wie duͤrfie ich vor deinem Vater erſcheinen/ ſagte er/ wann ich dir ſolches zulieſſe?
Er aber gab zur Antwort: Tauſendmahl ehrlicher/ alsbald geſtorben/ als dieſen Schimpff
auff mich erſitzen zulaſſen/ der von allen redlichen Rittern mir koͤnte Zeit meines Lebens
vorgeworffen werden; wil auch meinen Eltern nicht unter die Augen kommen/ ehe und
bevor ich mich an dieſem Schaͤnder gerochen habe/ und ſolte ich ihn uͤber tauſend Meile
verfolgen. Bato verwunderte ſich uͤber der Kuͤhnheit eines ſo jungen Menſchen/ und
mochte ihn vielleicht der vorigen Rede gereuen/ erboht ſich auch gegen den Koͤnig/ die
Tohrheit der Außfoderung dem Buben zuverzeihen; welchen Schimpff aber Herkules
nicht verſchmerzen wolte/ ſondern trat hinzu/ und ſchlug ihn ins Geſichte/ daß ihm das
Manl an der Seite ganz erroͤhtete/ da er zugleich ſagete: Solteſtu ungeſchliffener Schelm
einen gebohrnen freien Fuͤrſten vor einen Buben ſchelten/ der ſchon Waffen getragen hat?
Der Pannonier taht/ ob wolte er von ſinnen kommen/ fiel auff Herkules mit ſeinem Dol-
che ein/ der ſein bloſſes Schwert in der Fauſt hielt/ in welches jener ſchier raſend gelauffen
waͤhre; aber die Trabanten wahren bald darzwiſchen mit ihrem Gewehr/ und redete mein
H. Vater dem Pannonier hart zu/ er wuͤrde von ſeinem Koͤnige nicht befehlichet ſeyn/ die-
ſen gebohrnen Groß Fuͤrſten und naͤheſten Erben Teutſchlandes vor einen Buben außzu-
ſchelten/ und ihm mit Staͤnpruhten zu draͤuen. Nicht deſtoweniger wuͤtete er doch im̃er-
fort/ und vermaß ſich mit hoher Verfluchung/ dieſen unabloͤſchlichen Schimpff zu eifern;
rieff auch meinem Herkules zu; du buͤbiſcher Tropff/ erinnere dich deiner Ausfoderung/
und bleibe nicht auſſen/ ich wil mich dir ſplitternacket/ nur mit meinem Schwerte darftel-
len und dir Schild und Harniſch goͤnnen; lieff die Steige hinunter in den Plaz/ zog ſich
nacket aus/ und band ein kleines Schuͤrztuch umb ſich. Mein H. Vater wahr uͤber die
maſſe betruͤbet/ redete Herkules hart ein/ man muͤſte Koͤnigliche Geſanten nicht beſchimp-
fen/ ob ſie gleich grob und ungeſchikt waͤhren/ und wolte gerne eine Herrſchaft drum geben/
daß er noch in Schweden ſaͤſſe. Was geſchehen iſt/ antwortete er/ habe ich zur erhaltung
euer Koͤnigl. Hocheit getahn/ und taͤhte es noch/ wans ungetahn waͤhre; ſein Koͤnig wird
ihm nicht befohlen haben/ eure Hocheit zubeſchimpffen; oder hat ers befohlen/ muß an
dieſem Orte es gebuͤhrlich beantwortet werden; was fraget mein H. Vater nach dem
Pannonier Koͤnige? und was hoͤret eure Hocheit die ſchimpfliche Anfoderung der begeh-
reten Schatzung ſo geduldig an? iſt dieſelbe willens/ es einzugehen/ moͤchte mein Bruder
Ladiſla lieber eines Bauren Sohn ſeyn/ als dereins ein zinsbahres Koͤnigreich erben; wil
ſie es aber nicht eingehen/ ſo iſt ohn zweiffel der Krieg ſchon ſo gewiß als angekuͤndiget.
Jedoch habe ich hiervon nicht zureden; ich wil und muß meine Ehre wieder dieſen Hund
handhaben/ oder mein Schwert wieder mich ſelbſt brauchen; mein H. Vater bedenke ſich
kurz/ welches unter dieſen beyden er am beſten zuverantworten habe. Meine Fr. Mutter
kam geſchwinde mit meiner Frl. Schweſter darzu gelauffen/ weil das Unweſen ihr kund
getahn wahr; ſie fiel Herkules umb den Hals/ und mit vielem Weinen fragete ſie/ ob er
ſie ſo un ſelig/ und bey ſeinen Eltern ſo verhaſſet machen wolte? aber ſein jetziges Gemahl/
z iijwie
[182]Fuͤnftes Buch.
wie jung und Kindiſch ſie wahr/ ſagte hingegen: Herzen Fr. Mutter/ die Goͤtter werden
meinem Herkules Schuz halten; aber viel beſſer iſts/ ehrlich geſtorben/ als ſchaͤndlich ge-
lebet; Kehrete ſich hernach zu Herkules/ und ſagete zu ihm: Herzgeliebeter Oheim/ raͤcher
den Schimpff/ oder ich wil ihn mit meinem Bogen an dem Pannonier raͤchen. Ja mein
Frl. Waſe/ antwortete er/ es ſol gerochen/ oder geſtorben ſeyn/ ehe ich dieſes Schwert von
mir lege. Ich ging hin/ meine Waſfen anzulegen/ dann meine Meynung wahr/ im falle
Herkules den kuͤrzern zihen wuͤrde/ mich an ſeine Stelle zu ſetzen. Meine Eltern ſahen/ dz
es durchaus nicht wolte anders ſeyn/ goͤnneten ihm derwegen ſeine Freyheit/ mit der Be-
dingung/ ſie wolten vor ſeinen Eltern entſchuldiget ſeyn. Ich folgete ihm gewapnet/ und
ließ ſeinen Harniſch nachtragen; aber er hatte ſich in ein Untergemach verſperret/ uñ wie
ich ſeinen Nahmen rieff/ antwortete er mir/ jezt wolte er auffmachen/ ſprang auch Mut-
terleibes nacket mit dem Schwerte heraus/ hatte ſein Hembde entzweigeriſſen/ und ein
Stuͤcke davon umb den Unterleib gebunden/ deſſen ich trauen nicht wenig erſchrak/ und
ihn fragete/ ob er unwitzig waͤhre. Nein mein Bruder/ ſagte er: Aber ſiheſtu nicht/ daß der
Hund auch entkleidet iſt? was haͤtte ich vor Ehre/ wann ich geharniſcht einen Nacketen
erſchluͤge? ſagte kein Wort mehr/ als daß er die Augen gen Himmel kehrete/ und dieſen
kurzen Wunſch hinzu taht: Ihr Goͤtter/ ſtraffet Hochmuht und Frevel/ der euch nie ge-
fallen hat. Damit ſprang er als ein Hirſch in den Plaz. Meine Eltern ſahen ihn kommen/
dann ſie hatten nebeſt dem Fraͤulein ſich an ein Fenſter gelegt/ und wie ſie ihn ſo nacket da-
her lauffen ſahen/ fiel meine Fr. Mutter in tiefſe Ohmacht. Der Pannonier hatte mit
ſchmerzen auff ihn gewartet/ in meynung/ er wuͤrde ſich entweder fürchten/ oder die Zeit
mit bewapnung zubringen; wie er ihn nun mit ſo zartem Leibe uñ freien Augen daher ren-
nen ſahe/ merkete ich eine Verenderung an ihm/ ging doch eiferig auff ihn loß/ und ſagte:
Komſtu zarter Lecker mit entbloͤſſetem Leibe/ ſo muß ich dir deine Verwaͤgenheit zuerken-
nen geben; hieb auch ſo erſchreklich zu ihm ein/ als wolte er mitten durch ihn her ſchlagen;
aber Herkules ging ſehr behutſam/ welche Tugend ich allemahl am meiſten an ihm gelo-
bet habe/ und weich ihm dieſen Hieb artig aus; und als ſein Feind ihm nachtrat/ und den-
ſelben Sreich wiederhohlete/ zog er den Leib tieff gekruͤmmet ein/ und ſchlug ihm mit dem
Nachhiebe eine tieffe Wunde in die linke Schulder/ wiewol er oberhalb des Nabels von
dem Pannonier ein wenig mit der Spitze geritzet ward/ daß etliche troͤpflein Blut heraus
fielen. Jener hub ſein Schwert auff/ ihm den Kopff zuſpalten/ aber Herkules wahr mit
einem Unterhiebe geſchwinde fertig/ und traff ihm den rechten Ellebogen/ daß er ſein Ge-
wehr fallen ließ/ welches Herkules mit der Linken gerade auffhub/ und zu ihm ſagete: Wie
nun du wuͤtiger Hund/ bin ich noch dein ruhtenmaͤſſiger Bube? bald ergib dich meiner
Gnade/ ſo wil ich mich bedenken ob ich dir das Leben ſchenke. Dieſes kunte derſtolze Narr
uͤber ſein Herz nicht bringen/ ſondern winkete ſeinen anweſenden Leuten/ ihm ein Schwert
zu reichen; denen ich aber zurieff; dafern einiger ſich unterſtehen wuͤrde/ in dieſen Kampff
ſich zu miſchen/ ſolten ſie alle in ſtuͤcken zerhauen werden; jedoch wahren dieſelben ſo red-
lich/ daß keiner ſich ichtwas unterſtund. Herkules vermahnete ſeinen Feind nochmahls/
ſich heraus zulaſſen/ ob er Gnade begehrete/ aber jener lieff unbewehrt zu ihm ein/ und zuͤc-
kete den Fuß/ ihn damit nider zuſtoſſen; worauff Herkules zween Schritte zurücke trat/
und
[183]Fuͤnftes Buch.
und zu ihm ſagte: Weil dich dann der hochmuhts Teuffel gar beſeſſen hat/ muſtu billiche
Straffe annehmen; gab ihm darauff mit dem erworbenen Schwerte einen Querhieb in
den dicken Wanſt/ daß ihm das Gedaͤrm umb die Fuͤſſe fiel/ fuͤhrete alsbald mit der Rech-
ten einen kraͤfftigen Streich/ und ſchlug ihm den Schedel bey der Schulder glat hinweg/
daß er mit des niderſtuͤrzen den Blute uͤber den ganzen Leib begoſſen ward/ da ich meine
Frl. Schweſter ruffen hoͤrete: Herzen Fr. Mutter/ erhebet euch/ der Pannonier iſt ſchon
erſchlagen/ ſein Gedaͤrm und Haͤupt liegen auff der Erde. Herkules in meiner und andrer
Ritter begleitung trat hin zu der Pannoniſchen Schaar/ welche 30 Mann ſtark wahr/ und
den Kampff angeſehen hatten/ und redete ſie alſo an: Dieſer euer ſtolzer Herr/ da er von
ſeinem Koͤnige außgeſchicket wahr/ in deſſen Nahmen bey meinem H. Vetter und Vater
dem Boͤmiſchen freien Koͤnige etwas zuwerben/ hat mich/ einen gebohrnen Groß Fuͤrſten
der Teutſchen/ mit ſchmaͤhe Worten angetaſtet/ und da ich ſolches gebuͤhrlich beantwor-
tet/ meiner zween im vollen Harniſche gegen ſeinen nacketen Leib außgefodert/ deſſen ich
ihn/ wie ihr geſehen/ im auffrichtigen Kampff gelohnet habe; ſo nehmet nun eures ſchon
nicht mehr ſo ſtolzen noch verwaͤgenen Herrn Kopf/ Rumpf/ Gedaͤrm/ Kleider/ Harniſch
und Pferd zu euch/ nur ſein Schwert behalte ich mir zum Gedaͤchtnis/ weil ichs ihm/ da
er noch lebete/ aus der Fauſt gebracht/ und redlich erobert habe. Damit kehrete er mit
beyden Schwertern umb nach dem Gemache/ ſeine Kleider anzulegen. Aber meine El-
tern und Fraͤulein Schweſter kahmen gleich mit groſſen freuden herunter gelauffen/ und
erſchraken nicht wenig/ da ſie ihn ſo blutig ſahen; doch halff ich ihnen bald aus dem zwei-
fel/ und befahl Waſſer zubringen/ damit wuſch meine Fr. Mutter ſelbſt und meine Fraͤu-
lein Schweſter ihm das unſaubere Blut allenthalben ab/ deſſen er ſich zwar hefftig ſchaͤ-
mete/ und ſichs doch nicht entbrechen kunte. Die Pannonier wahren ſehr betruͤbt und er-
klaͤreten ſich/ ihrem Koͤnige alles auffrichtig zuhinterbringen/ und iſt derſelbe des unfals ſo
hart erſchrecken/ daß er von der Zeit an/ ſo viel mir bewuſt iſt/ ſich nicht unternehmen duͤr-
fen/ einige Schatzung zufodern/ wiewol ich mich eines gewiſſen Krieges mit ihm vermuh-
ten bin/ welcher nicht wenig Blut koſten duͤrfte. Auff mein Vorhaben wieder zu kom̃en/
ſo entſtund bey den meinigen ein ſolches Frolocken/ als nur die geringe Schramwunde
ſich an Herkules zeigete/ daß ſichs ſchwerlich erzaͤhlen laͤſſet. Mein Herr Va[t]er trat zu
ihm/ da er noch nacket wahr/ uͤmfieng ihn freundlich/ und ſagete: Mein teurer Sohn Her-
kules/ goͤnnen die Goͤtter euch Geſundheit und Leben/ werdet ihr die Siege uñ den Ruhm
turer ritterlichen Voreltern/ durch die eure verdunckeln/ und bey allen Menſchen in ver-
geß bringen; ſo befinde ich mich auch gehalten/ bey euch umb Verzeihung zu bitten/ daß
dieſe eure Ehre zu hindern/ ich ſo emſig geweſen bin. Aber verzeihet mir mein Herr Bru-
der/ ſagte Ladiſla zu Ataxerxes/ daß in Erzehlung dieſes Streits ich mich ſo lange aufhal-
te. Mein Herr Bruder/ antwortete er; nicht weniger hat mich die Erzehlung dieſes
Kampfes beluͤſtiget/ als der neuliche/ welchen ich zwiſchen dieſem teuren Held und dem
Bauren Gamaxus mit Augen anſahe/ wil ihn auch erſtes Tages in dieſem groſſen Gaſt-
Saal auff ſechs groſſe Tuͤcher zu ſtetswaͤrendem Gedaͤchtnis abmahlen laſſen/ ſo daß
auff dem erſten Tuche des Pannoniers fehlhieb/ und Herkules gerader außwich; auff
dem andern Herkules Bauch ſchram hieb/ und des Pannoniers linke verwundete Schul-
der;
[184]Fuͤnftes Buch.
der; auff dem dritten des Pannoniers rechte Ellebogen Wunde; auff dem vierdten/
deſſen zum Stoſſe aufgehobener linke Fuß/ und außgeſchuͤttetes Gedaͤ[r]me; auff dem fuͤnf-
ten/ die Abſchlagung ſeines Haupts; und auff dem ſechſten und letzten/ euer liebe Frau
Mutter und Frl. Schweſter Abwaſchung ſol geſetzet werden. Aber ich moͤchte gerne wiſ-
ſen/ mit was Siegesgepraͤnge der Groß-Fuͤrſt ſein Herr Vater dieſen ſeinen tapfern
Sohn uͤmb ſolcher herrlichen Taht willen empfangen habe. Ach er hat ihn ſieder dem/
und ſchon zwey Jahr vorher nicht geſehen/ antwortete Ladiſla/ denn ob wir gleich ſechs
Tage heꝛnach dahin zu reiſen willens wahren/ umritten wir doch zuvor mit meinem Herꝛn
Vater die Boͤhmiſchen Grenzen Suͤdwertz/ die mit 6000. Mann ſolten beſezt werden/
und als mein Koͤnigreich mit einem groſſen Walde uͤmſchloſſen iſt/ ritte ich mit Herku-
les und fuͤnf Jungen vom Adel in dem Walde auf die Jagt/ ſtiegen ab/ und ſchliechen
durch das Geſtaͤnde den Haſen nach/ deren wir auch etliche fingen; wehrete aber nicht
lange/ da ſahen wir 12. Raͤuber von der Seiten herzuſchleichen/ und hatten wir nichts
als ein leichtes Seitengewehr und Jaͤgerſpießlein zur Hand/ da hingegen jene mit guter
Rüſtung verſehen wahren. Auf/ ſagte Herkules zu mir/ uñ geſchwinde nach unſern Pfer-
den zu; und half das Ungluͤk mir ſo wol/ daß ich gerade auf meines kam/ und hinweg ran-
te/ nicht anders gedenkend/ Herkules jagete hinter mir her/ weil ich unterſchiedliche rei-
ten hoͤrete; aber da ich einen guten Weg hatte fortgeſpraͤnget/ und mich umſahe/ folgeten
mir nur vier Leibjunckern/ der fuͤnfte und Herkules wahren nicht zu ſpuͤren; und blieb
ich doch guter Hofnung/ er wuͤrde ſich bald finden/ oder einen andern Weg genommen
haben. Endlich mißdauchte michs/ und ſchickete an meinen Herrn Vater daß er mir et-
wa 50. Reuter ſenden moͤchte/ weil ich befuͤrchtete/ Herkules waͤhre unter Raͤuber Haͤnde
gerahten. Es ſtund wol anderthalb Stunde an/ da kam mein Herr Vater ſelbſt mit 200
Reuteꝛn/ wahr unmuhtig/ daß wir ohn Geſelſchaft uns ſo weit vertahn hatten/ uñ ritte mit
mir nach der ungluͤklichen Stelle/ funden vor erſt der unſern Pferde/ und bald hernach
den Hofjunkern mit 15 Wunden erbaͤrmlich zugerichtet/ den wir aufs beſte labeten/ uñ aus
ſeiner ſchwachen Erzaͤhlung vernahmen/ Herkules und er haͤtten ihre Pferde nicht fan-
gen koͤnnen/ waͤhren von 12 gepanzerten Pannoniſchen Raͤubern uͤberfallen/ da Herkules
ſich zur Wehr geſtellet/ und er nach vermoͤgen ihm Beiſtand geleiſtet/ auch daruͤber alſo
zugerichtet waͤhre; Es haͤtten aber die Raͤuber Herkules wegen ſeiner Schoͤnheit nicht
wollen verwunden/ ſondern ihn ermahnet/ ſich zu ergeben/ ſonſt wolten ſie ein abſcheuli-
ches Spiel mit ihm halten. Worauf er ſich erklaͤret/ dafern ihm Lebens- und Ehren-Si-
cherheit wuͤrde verheiſſen und gehalten werden/ wolte er ſich gefangen geben/ und vor er-
legtem Loͤſegelde von ihnen nicht abweichen/ welches ſie ihm zugeſagt/ uñ ihn zwiſchen ſich
hinweg gefuͤhret. Er ſelbſt hatte zwar/ unangeſehen ſeiner vielen Wunden/ mitgehen ſol-
len/ aber Herkules hette gebehten/ ihn liegen zu laſſen/ weil ihm das gehen unmoͤglich waͤh-
re/ er wolte/ weil er ſein leiblicher Bruder waͤhre/ vor ihn mit bezahlen. Welches ſie dann
angenommen/ ſich ins Geſtraͤuche nach ihren Pferden begeben/ und mit vollem rennen
ſich davon gemacht. Mein Vater fragete mich/ wie lange es wol waͤhre; und als er ver-
nam/ daß ſchon drey Stunden vergangen/ ſeufzete er tief/ ſchikte 192 Reuter in zwoͤlf glei-
che Abteilung/ auf ſo vielen unterſchiedlichen Wegen fort/ dem Huefſchlag/ wo moͤglich/
zu
[185]Fuͤnftes Buch.
zu folgen; er aber kehrete mit mir und den uͤbrigen uͤmb nach Prag/ und wie herzlich ger-
ne ich gleich mit den Nachſuchern gezogen waͤhre/ muſte ich doch gehorſamen/ uñ mit ihm
reiten. Was vor Schmerzen ich nun wegen ſeines Verluſts in meiner Seel empfand/
iſt unnoͤhtig zu erzaͤhlen/ und nahmen dieſelben erſt recht zu/ da die Außreiter nach einan-
der wieder kahmen/ und alle nichts gewiſſers mitbrachten/ als daß ſie nichts wuſten. Der
Groß Fuͤrſt aus Teutſchland ſchickete auch die andere Bohtſchafft nach Prag/ daß ſichs
zwar mit ſeinem Gemahl ziemlich beſſerte/ aber ſie nicht weniger ihres lieben Sohns Ge-
genwart heftig begehrete/ weil die Pfaffen aus den Opfern und anderen glaubwirdigen
Zeichen andeuteten/ Herkules müſte dieſes und folgende Jahr aus Teutſchland nicht ge-
laſſen werden/ oder er wuͤrde in gotloſe Geſelſchafft gerahten/ und zu einem neuen Aber-
glauben verleitet werden/ wodurch er aller Teutſchen Goͤtter Feindſchaft und Straffen
uͤber ſich ziehen wuͤrde. Da wahr nun guter Raht bey meinen Eltern ſehr teur; man kun-
te ſeinen Verluſt nicht verbergen/ und durffte ihn doch niemand offenbahren; Ich hinge-
gen empfing gute Hoffnung aus des Schreibens Inhalt/ und ſagte zu meinen Eltern; ſol
dann mein Herkules ſeine Goͤtter beleidigen/ wird ers nit tod/ ſondern lebendig tuhn muͤſ-
ſen; deswegen getraue ich mich/ ihn bald wieder zufinden/ wann mein Herꝛ Vater mir nur
Urlaub gibt/ ihn zuſuchen. Ich wolte mehr reden/ aber er fiel mir ins Wort/ und ſagete:
Schweige/ und laß dich das nicht vernehmen/ wo du ſonſt mein Sohn ſeyn wilt; Iſts noch
nicht gnug/ daß ich einen verlohren habe/ und ſolte dich darzu in die Rappuſe geben? Zwar
ich muſte ſchweigen/ aber mein Schluß wahr ſchon gemacht/ darumb ging ich hin zu dem
Teutſchen Geſanten/ und ſagte: Er ſolte Herkules Eltern meinen kindlichen Gruß ver-
melden/ und ſie beſter maſſen troͤſten/ ich wolte nicht auffhoͤren zureiten/ biß ich ihn wieder
gefunden haͤtte; machte mich hernach zu meiner Fr. Mutter/ und führete ihr zu gemuͤhte/
was Herkules Eltern wol gedenken wuͤrden/ daß ich ihn zuſuchen mich ſo gar nicht bemuͤ-
hete/ da er doch meinetwegen gefangen waͤhre/ und ich ihn zu der Jagt verleitet haͤtte; gab
ihr nachgehends meines Herrn Vaters Hartnaͤckigkeit zuvernehmen/ und baht inſtaͤndig/
es mir nicht zuverargen/ daß ich heimlichen Abſcheid nehmen wuͤrde/ nachdemmahl mir
eine lautere Unmoͤgligkeit waͤhre/ ihn lebendig zuverlaſſen. Da mein Frl. Schweſter/ die
ſider ſeinen Verluſt kein froͤlich Auge auffgeſchlagen/ mir zu huͤlffe kam; es waͤhre billich/
daß getraͤue Bruͤder einander in der Noht nicht verlieſſen/ und koͤnte ich ja mit ſo ſtarker
Begleitung gehen/ daß ich vor Raͤuber Anfall geſichert waͤhre. Meine Fr. Mutter aber
hieß mich ſchweigen/ und wolte/ aus urſach/ daß ich einiger Sohn/ und der Vater zimlich
ſchwach waͤhre/ mich von dieſem vornehmen abſchrecken; doch wie ſie merkete/ daß alles
umſonſt wahr/ ſtellete ſie mir koͤſtliche Kleinot/ und ein ziemlich Stuͤk Geldes zu/ bewehrete
heimlich 12 Ritter/ und vermahnete mich/ einen fremden Nahmen anzunehmen/ und mich
vor einen vom Adel auszugeben/ als ob ich ein Teutſcher waͤhre. Naͤhſt kindlicher Dank-
ſagung/ verſprach ich/ alles fleiſſig zubeobachten; hinterließ einen Brief an meinen H.
Vater/ in welchem ich wegen meines heimlichen abreiſens mich beſter maſſen entſchuldig-
te/ und machte folgenden Morgens/ des neunden Tages nach ſeinem Verluſt mit meiner
Geſelſchafft mich zeitig auff/ nennete mich Winnibald/ und bin ſider dem in mein Vater-
land nicht wieder kommen. Nun ging meine Reiſe eben des Weges zu gutem Gluͤk/ dahin
a aHerku-
[186]Fuͤnftes Buch.
Herkules gefuͤhret wahr/ biß ich in den Pannoniſchen Grenzen anlangete/ da ich auff 11
Raͤuber traff/ welche fuͤnff Weibesbilder gefangen hatten/ und ſie gleich ſchaͤnden wolten;
Ich ſetzete mit meinen Leuten an ſie/ und biß auff drey wurden ſie nidergehauen/ von denen
ich allerhand neues fragete/ und ob ſie mir nicht Nachricht von einem wolgeſtalten Juͤng-
linge geben koͤnten/ der umb die und die Zeit im Boͤhmer Walde von 12 Pannoniſchen
Raͤubern gefangen waͤhre. Einer von ihnẽ bezeichnete mir alsbald den Ort/ und bekenne-
te/ er waͤhre ſelber in der Geſelſchafft geweſen/ und haͤtte der ſchoͤne Juͤngling ſich dermaſ-
ſen tapffer bezeiget/ daß ſie ihn mehr vor einen Gott als Menſchen ſchaͤtzen muͤſſen/ daher ſie
ſein nach Moͤgligkeit geſchonet/ ihn auch endlich gefangen angenommen/ und durch lauter
Abwege und Kruͤmme mit ſich gefuͤhret/ des vorhabens/ ihn dem Pannoniſchen Koͤnige zu
ſchenken; Aber vor vier Tagen waͤhre eine Roͤmiſche Schaar auff ſie geſtoſſen/ haͤtten den
meiſten Teil ihrer Leute nidergemacht/ und den Juͤngling mit ſich gefuͤhret; mehr wuͤſte er
davon nicht zuberichtẽ. Ich ward dieſer Zeitung uͤber die maſſe froh/ vorerſt/ weil ich hoͤre-
te/ daß er noch im Leben/ und vor dem Pannoniſchen Koͤnige ſicher waͤhre; hernach/ daß ich
Anleitung hatte/ an was Ort und Enden ich ihn ſuchen muͤſte; begehrete demnach von die-
ſem/ er ſolte mich des Weges nach dem Roͤmiſchen Heerlager fuͤhren/ und guter Beloh-
nung gewaͤrtig ſeyn. Hier gab ich mich bey einem Roͤmiſchen Ritmeiſter an/ mit meinen
Leuten frey und ohn Sold unter ihm zudienen/ da mir vergoͤnnet ſeyn koͤnte/ allemahl nach
getahner Auffkündigung abzuzihen; welches ich bey ihm leicht erhielt; dann wir gaben
uns vor Teutſche vom Reinſtrohm aus/ mit denen die Roͤmer Friede hatten. Meinem
Ritmeiſter ſchenkete ich einen Ring von ungefehr 300 Kronen/ umb nachzuforſchen/ ob nit
eine Roͤmiſche Schaar/ 20 Reuter ſtark/ einen ſchoͤnen Teutſchen Juͤngling von ehnge-
fehr 19 Jahren/ zwoͤlff Pannoniſchen Raͤubern abgenommen; verſprach ihm auch 2000
Kronen/ da er wieder gefunden/ oder ich nur Gewißheit erhalten würde/ wo er anzutreffen
waͤhre/ ſintemahl ſeine Mutter eine wolvermoͤgende Witwe ihn zu dem Ende in Lateini-
ſcher und Griechiſcher Sprache haͤtte unterrichten laſſen/ daß er dereins bey den Roͤmern
ſich in Dienſte begeben ſolte. Dieſer wahr ein geitziger Menſch/ der in ſeiner Jugend ſeine
Guͤter verſchwendet hatte/ und wieder etwas zuverdienen bemuͤhet wahr; aber er kunte
durchaus nichts ausſpüren; Urſach/ weil er nicht von Roͤmern dieſes Heers/ ſondern von
einem zuſammen gelauffenen Hauffen wahr gefangen/ die ihn/ weil er den Feinden abge-
nommen wahr/ vor leibeigen gehalten/ und nach Rom an einen vornehmen Herrn/ nah-
mens Zinna/ umb 4000 Kronen verkaufft/ der ihn nicht ſo ſehr wegen ſeiner Schoͤnheit
und gutten Sitten/ als daß er vor einen Bereiter und Schuͤtzen ſich ausgegeben/ und ihm
darin guten Beweißtuhm ſehen laſſen/ gekaufft hatte. Anfangs wahr dieſer bitter-ſaure
Menſch meinem Herkules ſehr hart mit gefahren/ und ſeine Geduld zupruͤfen/ ihm manni-
chen Schimpf bewieſen/ ihn mit Holtzhacken/ Waſſertragen uñ grober Hausarbeit ſchweꝛ
uͤberladen/ und nachdem er alles willig erduldet/ ihm etwas mehr Gnade erzeiget/ ſo daß er
auſſer der Pferde Abrichtung/ und Anweiſung ſeiner Soͤhne im Schieſſen und auff der
Laute/ keine andere Arbeit verrichten duͤrffen. Dieſer ſein Herr Zinna hatte eine ſchoͤne
Tochter/ ihres Alters im 15 Jahre/ die bald anfangs meinem Herkules gute Gewogenheit
erzeiget/ und durch Vorbitte mannichen Unwillen von ihm abgewendet hatte; Nachdem
ſie
[187]Fuͤnftes Buch.
ſie aber je mehr und mehr Gunſt gegen ihn gefaſſet/ hatte dieſelbe ſich in eine inbruͤnſtige
Liebe verkehret/ ſo gar/ daß ſie nur immerdar Gelegenheit geſuchet/ ſeiner Gegenwart zuge-
nieſſen/ woraus er zwar ihr Anliegen leicht gemerket/ aber ſich allerdinge tumb geſtellet/ und
nach Moͤgligkeit die Gelegenheit geflohen/ mit ihr allein zuſeyn/ oder weitlaͤufftige Spra-
che zuhalten; Welches alles ſie ſeiner Bloͤdigkeit/ Einfalt und Ehrerbietung zugeſchrie-
ben/ doch endlich beſchloſſen/ ihm ihre Liebe zuoffenbahren; worzu ſich gute Bequemligkeit
finden laſſen; nehmlich H. Zinna wahr mit ſeiner jungen Frauen/ die er vor drey Jahren
geheirahtet/ auff ſein Landgut gefahren/ und hatte auff ſeiner Tochter Zezilien Bitte Her-
kules befohlen/ ſie zeit ſeines abweſens im Bretſpiel zuunterrichtẽ/ welches er nicht abſchla-
gen duͤrffen. Es wahr aber der guten Jungfer umb dieſes Bretſpiel nicht zutuhn geweſen/
ſondern da er zu ihr ins Gemach getreten/ wahr ſie ihm/ ungeachtet es im Winter geweſen/
in duͤnner Sommerkleidung uñ reizender Bloͤſſe entgegen gangen/ ihn auch nicht anders
als einen Buhlen empfangen/ hatte anfangs aus Scham kein Wort reden koͤnnen/ biß ſie
ſich erhohlet/ und alſo loßgebrochen: Mein geliebter Oedemeier (dieſen Nahmen hatte er
an ſich genommen) haltet mir/ bitte ich/ nicht voruͤbel/ daß ich euch fragen darff/ von was
Gebluͤt und Eltern ihr eigentlich entſproſſen ſeyd/ dann ich kan nimmermehr glaͤuben/ daß
euer Stand geringer als der meine ſey/ angeſehen der treflichen Schoͤnheit/ Sitten und
Tugend/ die euch beywohnen/ und verſichert euch/ daß ich dieſe Frage/ umb eure Gluͤkſelig-
keit zubefodern/ an euch gelangen laſſe. Herkules hatte ihr zur Antwort gegeben: Er bedan-
kote ſich unterdienſtlich der hohen Gunſt/ damit ihre Hoch aͤdle Tugend ihm/ wiewol unwiꝛ-
digem ſtets zugetahn geweſen/ und er nimmermehr zuverſchulden wuͤſte; Jn Betrachtung
nun ſolcher Gewogenheit wolte er ihr begehren willig erfuͤllen/ wiewol er ihm ſonſt gaͤnzlich
vorgenommen gehabt/ es keinem Menſchen dieſes Orts zuvertrauen/ weil er ſeiner Eltern
Schande niemand gerne offenbahrete; Ich Oedemeier/ hatte er geſagt/ kan mich nicht er-
innern/ daß ich jemahls Eltern gehabt/ maſſen ein Teutſcher Pfaff/ da ich 29 Wochen alt
geweſen/ mich aus Barmherzigkeit angenommen und aufferzogen; meine Ankunfft habe
ich lange nicht erfahren koͤnnen/ biß etwa vor neun Jahren/ da ich mich mit einem Knaben
in der Nachbarſchafft zankete/ deſſen Mutter darzu gelauffen kam/ gleich da ich denſelben
in den Koht niderſtieß/ und ſie aus Zorn mich eines erhenketen Diebes/ und ausgeſtriche-
ner Mutter Sohn ſchalt/ welches ich meinem Pflege Vater zwar klagete/ aber er mir den
geringen Troſt gab/ ich ſolte mich daran nicht kehren/ das Weib waͤhre eine boͤſe Haut/ die
keines Menſchen ſchonete/ der ſie beleidigte; nach welcher Zeit ich mich ſchaͤmete/ nach mei-
nen Eltern zufragen; Nun unterrichtete mich dieſer Pfaffe im reiten/ ſchieſſen/ und andern
guten Kuͤnſten/ biß ich das 17de Jahr erreichete/ und darauff unter dem freyen Him̃el mich
den Teutſchen Goͤttern zur ewigen Muͤncherey und Jungfrauſchafft durch erſchrekliche
Fluͤche verloben muͤſſen/ uͤber welches Geluͤbde dieſe Goͤtter ſo feſt halten/ daß wann ein ſol-
cher ein Weibesbild beruͤhret/ werden ſie beyderſeits entweder ausſaͤtzig oder raſend/ wie
man deſſen unterſchiedliche Begebniſſen hat. Ich wundere mich der trefflichen Einfaͤlle/
ſagte Artaxerxes/ in welchen dieſer Fuͤrſt ſich ſo artig zufinden weiß; aber mit was unge-
nehmen Ohren muß das verliebete Menſch ſolches angehoͤret haben. Wegen ſeiner unehꝛ-
lichen Eltern/ ſagte Ladiſla/ hatte ſie ſich entfaͤrbet/ und daher ohn zweifel die Heyrahts Ge-
a a ijdanken
[188]Fuͤnftes Buch.
danken fallen laſſen; daß aber die Liebesbrunſt hiedurch nicht geloͤſchet worden/ hat ihꝛe wei-
tere Nachfrage an den Tag gelegt/ da ſie von ihm zuwiſſen begehret/ ob die Teutſchẽ Goͤt-
ter auch wol ſaͤhen und ſtraffeten/ was zu Rom oder ſonſt auſſer Teutſchland geſchaͤhe?
worauff er geantwortet: Die Goͤtter/ denen er gewidmet/ waͤhren die Sonne und die Er-
de; und ſoweit deren Gegenwart reichete/ ſo weit ſtraffeten ſie; deſſen ſie noch vor vier Jah-
ren ein abſcheuhliches Beyſpiel haͤtten ſehen laſſen/ da ein ſolcher Verlobeter aus Veꝛdruß
ſeines Geluͤbdes/ Teutſchland verlaſſen/ und zu Schiffe nach Engeland ſich begeben haͤtte/
der Meynung/ weil dieſes eine andere Erde waͤhre/ durch das Meer von Teutſchland abge-
ſchieden/ wuͤrde er daſelbſt ungeſtraffet bleiben/ ob er ſich gleich zu Weibesbildern halten
wuͤrde; aber dieſe Einbildung haͤtte ihn ſehr betrogen/ maſſen/ wie er ſich das erſte mahl ihr
genaͤhert/ und nur ihre Brüſte beruͤhret/ waͤhre ſeine Hand/ und des Weibes Buſem von
dem allerſcheußlichſten Ausſaz eingenommen/ auch ſie alle beyde des Witzes beraubet/ dz ſie
als tolle Hunde auf deꝛ Gaſſen nacket umheꝛ gelauffen/ biß man ſieaus geheiß eines Pfaffen
haͤtte verbrennen muͤſſen. Dieſer Rede wahr die gute Jungfer hefftig erſchrockẽ/ hatte ihrẽ
Buſem verhüllet/ und alle unbilliche Gedanken fallen laſſen/ jedoch hoͤchlich beklaget/ dz die
Goͤtter ihm ſeiner faſt übermenſchlichen Schoͤnheit Anwendung mißgoͤnneten/ damit ſie
ihn vor allen andern ausgezieret und volkommen gemacht haͤtten. Er aber darauf geſagt:
Er wuͤſte nicht/ was vor ſonderliche Schoͤnheit an ihm waͤhre/ aber eben umb dieſer Urſach
willen/ daß auch die Pfaffheit ihn voꝛ ſchoͤn geſchaͤtzet/ haͤtte er dieſes Geluͤbde uͤber ſich neh-
mẽ muͤſſen; dañ es wuͤrden nur die ſchoͤnſten/ und zwar aus den geringſten Leuten darzu er-
waͤhlet/ weil die Reichen und Vornehmen ſich deſſen mit Gewalt entbrochen haͤttẽ. Wor-
auff ſie ſich mit ihm zuſpielen geſetzet/ und auff ſein bitliches anſuchen ihm nicht allein ſeinẽ
Stand zuverſchweigen/ ſondern ihm ferner nach wie vor alle Gunſt und Freundſchafft zu
erzeigen/ angelobet. Dieſes uͤbel wahr kaum vor zween Tagen abgewendet/ da hatte ſich viel
ein aͤrgers angeſponnen/ alſo dz die Liebe/ ſo die junge Tochter verlaſſen/ ſich in ihrer Stief-
Mutter Bruſt geſetzet/ weil ſie ohngefehr ſeines ſchoͤnen Leibes gewahr worden. So viel
aͤlter nun dieſe wahr (eine Frau von 24 Jahren) ſo viel ſtaͤrker hatten die Begierden ſie ge-
reizet/ daß wie des folgenden Tages H. Zinna ausgereiſet/ ſie Herkules vor ſich gefodert/
und mit allerhand freundlichem Geſpraͤch umher gehauen; endlich ihn umfangen/ und ſol-
cher geſtalt angeredet: Du mein allerliebſter Oedemeier/ nim wahr der hoͤchſten Gunſt/
welche ich dir zulege/ und geneuß meiner Schoͤnheit nach unſer beyder Luſt/ dann du kanſt
dich in deinem Herzen ruͤhmen/ daß die Hochaͤdle/ darff auch wol ſagen/ ſchoͤne Frau Sul-
pizia/ dich in ihrem Herzen hoͤher haͤlt/ als den vornehmſten Herrn in ganz Rom. Herku-
les hat mir beteuret/ er habe ſich nie in ſo groſſer Angſt/ als dazumahl befunden; haͤtte auch
nicht gewuſt/ was er antworten ſollen/ biß er endlich ſich begriffen/ vor ihr [in] die Knie gefal-
len/ und dieſe Antwort gegeben: Gnaͤdige Frau/ ich demuͤhtige vor Ihrer Gn. mich bil-
lich/ als ein gehorſamer untertaͤhniger Knecht/ demnach des Gluͤckes Widerwaͤrtigkeit
mich zum andern mahl in den leibeigenen Stand geſetzet/ dem ich durch ſonderliches Glük
ſchon entriſſen wahr; habe dannoch Gott hoch zudanken/ daß ich eine ſo gnaͤdige Frau uñ
guͤtigen Herrn angetroffen/ bey denen ich wol gelitten und gehalten bin. Nun erzeiget Eu-
re Gn. mir unwirdigẽ eine ſonderliche Gunſt und Liebe/ welche der Roͤmiſche Kaͤyſer ſelbſt
nicht
[189]Fuͤnftes Buch.
nicht ausſchlagen wuͤrde/ da ſie ihm nur werden koͤnte/ und ich daher mich derſelben aller-
dinge unwirdig erkenne; wiewol deren zugenieſſen mein hoͤchſter Wunſch iſt/ wann nicht
im ſiebenden Jahre meines Alters ich durch einen Ungluͤksfall meine Geſundheit verloh-
ren/ und der Manheit beraubet waͤhre. Ich bitte aber lauter um Gottes willen/ dieſen mei-
nen Mangel keinem Menſchen zuoffenbahren/ weil ich bißher aller Unbilligkeit frey bliebẽ/
auch lieber tauſendmahl ſterben/ als in einige Schande gehehlen wil; zweifele nicht/ Ihre
Gn. werden mir ihrem gehorſamſten Knechte nicht minder nach wie vor gnaͤdig gewogen
bleiben/ und ſich verſichern/ daß weder Pein noch einiges ander Mittel/ von mir bringen
oder erzwingen ſol/ weſſen Eure Gn. ſich anjezt gegen mich vernehmen laſſen. Das un-
barmherzige Ungluͤk ſey verflucht/ hatte ſie geantwortet/ das einen ſo volkommenen ſchoͤnẽ
Leib geſchaͤndet/ und der Manheit beraubet hat. Du aber haſt ſehr wol getahn/ daß du ſol-
ches bißher in geheim gehalten/ deſſen doch mein H. Zinna von dir ſtark muhtmaſſet/ und
wann ers wuͤſte/ dich vor ein groſſes Geld loßſchlagen koͤnte. So behalte nun meine Redẽ
in deinem Herzen/ ich wil deine Heimligkeit hinwiederumb vertuſchen/ und dir allen guten
Willen erzeigen. Dieſe Zuſage hatte ſie auch redlich gehalten/ daß er nach der Zeit
faſt Kindes gleich mit Kleidern und Speiſen verſehen worden. Doch hatte er ſtets beſor-
get/ ſie wuͤrde nach der Warheit fleiſſiger Kundſchaft legen/ und deßwegen ihm vergenom-
men/ ein gut ſtük Geldes (welches er hernach reichlich erſtatten wolte) ſeinem Herrn zu-
entwenden/ und bey erſter guten Gelegenheit davon zuſtreichen. Mich betreffend/ kunte
ich in anderthalb Jahren nicht das geringſte von ihm erfahren/ und wahr wol zuverwun-
dern/ daß er ſein Ungluͤk zuertragen/ ſich ſelbſt alſo halßſtarrigte/ und es weder mir noch
ſeinen Eltern zuwiſſen taht/ wiewol eure Liebe deſſen Urſach hernach vernehmen wird.
Die bloſſe Hoffnung/ ſeinen Zuſtand zuerforſchen/ hielt mich die ganze Zeit in Roͤmiſchen
Dienſten/ und ſchrieb ich zwar etlichemahl an meine Fr. Mutter/ aber an was Ort ich mich
auffhielte/ ließ ich ſie nicht wiſſen/ ſondern die Gelder muſte ſie mir auff Aquileja uͤberma-
chen/ von dannen ich ſie abhohlen ließ; was vor bekümmernis ſeine liebe Eltern erlitten/
daß ſie ſo lange nichts von ihm in erfahrung bringen kunten/ iſt leicht zuerachten/ weil er
ihnen ſo ein lieber Sohn wahr. Doch wolte die Goͤttliche Verſehung ihn der Welt end-
lich wieder goͤnnen/ damit er das von dem Himmel ihm verlihene koͤſtliche Pfund nicht in
die Erde vergraben/ noch ſein tugendergebenes Herz unter den Ketten der Leibeigenſchaft
erſticken moͤgte; dann nach verlauff 16 Monat/ nam mein Rittmeiſter einen Freireuter
an/ der mich ohngefehr klagen hoͤrete/ daß ich einen Verwanten verlohren/ und zwar durch
raͤuberiſche entfuͤhrung/ beſchrieb ihn auch nach ſeiner Geſtalt und Kleidung/ und erboht
mich abermahl/ 2000 Kronen zugeben/ der mir ſeinetwegen nur etwas nachricht zuertei-
len wuͤſte; worauff dieſer Reuter/ nahmens Minutius alsbald ſagete: Er haͤtte vor fuͤnf-
viertel Jahren den allerſchoͤnſten und herzhaffteſten Jungling der Welt/ 12 Pannoniſchẽ
Raͤubern helffen abnehmen/ welchen ſie nach Rom gebracht/ und daſelbſt umb 4000 Kro-
nen verkauft hatten. Ich wuſte nicht/ was ich vor freuden antworten ſolte/ hoͤrete alsbald/
daß es kein ander als mein Herkules ſeyn muͤſte/ fragete alles fleiſſig nach/ uñ ließ die 2000
Kronen herlangen/ welche von mir anzunehmen ich ihn faſt noͤhtigen muſte. Das ſchlim-
meſte wahr/ daß er mir den Roͤmiſchen Kaͤuffer nicht zu nennen wuſte/ wiewol ich der
a a iijHoff-
[190]Fuͤnftes Buch.
Hoffnung lebete/ ſeinen ertichteten Nahmen zu Rom wol außzufragen/ und daß ſeiner
Schoͤnheit und Tugend halben er wol bekant ſeyn wuͤrde; bald aber fiel mir ein/ er würde
gewißlich ſchon Tod ſeyn/ weil er von Rom aus gute Gelegenheit gehabt haͤtte an mich zu
ſchreiben nach Prag/ uñ doch deſſen ſich nichts fuͤnde; endlich ſpeiſete mich die Hofnung/
der Himmel wuͤrde ihm Schuz halten; ging zu meinem Ritmeiſter/ gab ihm zuverneh-
men/ wie ſeine fleiſſige Nachforſchung ſo viel gewirket/ daß ich meines verlohrnen Freun-
des Zuſtand erfahren haͤtte/ ſchenkete ihm die verſprochenen 2000 Kronen/ und wirkete
damit Minutius loß/ welchen ich mit meines Herkules ehmahligen aͤdlen Leib diener Ek-
hard (der ſich ſtets bey mir auffhielt/ uñ unter der Zahl meiner 12 Reuter wahr) nach Rom
ſchickete/ allen moͤglichen fleiß anzuwenden/ daß ſie ihn nur außkundſchaffen/ und mir ge-
wiſſe Zeitung von ihm bringen koͤnten; welches ihnen des vierden Tages nach ihrer an-
kunfft daſelbſt/ gelungen wahr. Dann Ekhard hatte ihn des morgens ſehr fruͤh vor ſeiner
Herberge ſehen hergehen/ und in ein groſſes anſehnliches Gebaͤu einkehren/ woſelbſt der
Chriſten Gottesdienſt in ſtiller geheim wahr gehalten worden. Er wahr ihm gefolget/ hat-
te ihn aber unter der Verſamlung nicht ſehen koͤnnen/ biß die andern alle hinaus gangen/
und er faſt allein auff den Knien ſitzen blieben wahr/ auch mit auffgehobenen Haͤnden und
flieſſenden Augen ſein Gebeht ſo inbruͤnſtig verrichtet/ daß das Waſſer ihm uͤber die Wan-
gen auff die Erde gefallen/ deßwegen er nicht zu ihm gehen duͤrffen/ und vor mitleiden ge-
weinet hatte/ weil ihm dergleichen anſtellung niemahls zugeſichte kommen wahr; endlich
wahr ein alter anſehnlicher Lehrer zu ihm getreten/ der mit ſonderlichem troſte ihm zuge-
redet; er ſolte in ſeinem ſchmerzlichen anliegen ſich mit Geduld wapnen/ und im Gebeht
nicht laß noch zweiffelhaftig werden/ ſondern mit feſter zuverſicht ſich auff Gottes Huͤlffe
gruͤnden/ und verſichert ſeyn/ das deſſen alwiſſen des Auge ſeine Traͤhnen anſehen/ ſie zaͤh-
len/ in ſeinen Sak aufffaſſen/ und in gar kurzer Zeit ſie in Luſt und Freude verkehren wür-
de. Worauff Herkules ſich gegen dieſen Alten ſehr ehrerbietig erzeiget/ und mit froͤlichem
Angeſicht und lach enden Augẽ aus dem Hauſe hinweg gangen war/ da Ekhard mit dieſen
Worten zu ihm getreten: O Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ wes zeihen eure Durchl. ſich
an dieſem Orte? koͤnnen die ihres lieben Ladiſla ſo gar vergeſſen/ daß ſie demſelben ihr Le-
ben und Zuſtand nicht eins kund machen? Ja koͤnnen die ſich ihrer Eltern und Geſchwi-
ſteren ſo gar begeben/ als ob ſie nicht mehr in der Welt waͤhren? eure Durchl. kan nim-
mermehr glaͤuben/ was vor Angſt Fuͤrſt Ladiſla ſider ihren Verluſt erlitten/ und von der
Zeit her biß auff dieſe Stunde ſich unter einem ſchlechten Ritmeiſter in Roͤmiſchen dien-
ſten bey dem Roͤmiſchen Grenz Heer auffgehalten/ nur daß er einige Kundſchaft von euer
Gn. einzihen moͤge/ zu welchem Ende dann er mich außdruͤklich hieher geſand hat. Herku-
les wahr ihm um den Hals gefallen/ und hatte geantwortet: O du mein getraͤuer Ekhard/
wie treffe ich dich alhie zu ſo gluͤklicher Stunde an? meineſtu aber/ daß du mit Fuͤrſt Her-
kules aus Teutſchland redeſt? O nein! ſondern mit Oedemeier/ einem verkaufften Knecht
und Leibeigenen Sklaven/ (wie dieſe Kette es außweiſet) welcher mañichen herben Trunk
der Knechtiſchen Bitterkeit eingeſoffen/ und ihm Gott Lob eine zeitlang ſo gut worden
iſt/ daß er ſein Brod/ wiewol als ein Knecht mit abrichtung der Pferde verdienen koͤnnen.
Hier auff hatte Ekhard angefangen uͤberlaut zuweinen/ und gefraget/ warumb er doch an
ſeine
[191]Fuͤnftes Buch.
ſeine Eltern/ oder an Fuͤrſt Ladiſla in ſo geraumer Zeit nicht geſchrieben/ daß man ihn aus
dieſem elenden Stande der dienſtbarkeit heraus geriſſen haͤtte/ welches ja leicht geſchehen
koͤnnen/ inbetrachtung/ daß beydes ſein H. Vater und der Boͤmiſche Koͤnig mit dem Roͤ-
miſchen Reiche frieden haͤtten. Da er ihm zur Antwort gegeben; Ich haͤtte es gerne/ und
mit leichter muͤhe tuhn koͤnnen/ waͤhren nicht zweierley im wege geſtanden; als erſtlich ha-
be ich gezweifelt ob ich auch noch Eltern/ und einen Ladiſla haͤtte; hernach und vors an-
der iſt dieſe jetzige Knechtſchaft meiner Seele viel ertraͤglicher und behaͤglicher als mein
ehemahliger Fuͤrſtenſtand/ geſtaltſam ich hiedurch zur ſeligen Erkaͤntnis des einigen wah-
ren Gottes kommen bin/ und mein ehemahliges unruhiges Gewiſſen dermaſſen feſt ge-
ankert habe/ daß die ganze Welt mir ſo hefftigen Sturm nicht erwecken ſol/ welchen mit
hülffe meines Gottes zuhintertreiben und zu uͤberwinden ich nicht ſolte beſtand ſeyn. Ek-
hard hatte dieſe Rede teils nicht verſtanden/ teils vor groſſen freuden nicht beobachtet/
ſondern ihn gebehten/ mit nach ſeiner Herberge zu gehen/ und nach eingenom̃enem Fruͤh-
ſtuͤcke/ heimlich davon zu reiten; welches er ihm vor der Fauſt abgeſchlagen/ einwendend/
er wuͤrde vielleicht nicht allein ſeinen Eltern/ ſondern auch ſeinem Ladiſla ſelbſt ein unge-
nehmer Gaſt ſeyn/ wann ſie erfahren ſolten/ daß er die Teufliſchen Abgoͤtter der Teutſchen
und Boͤhmen verleugnet/ und dagegen den Chriſtlichen Glauben angenommen haͤtte; er
liebete zwar ſeine Eltern und Ladiſla von Herzen/ koͤnte aber zu ihnen nicht hinüber reiſen/
ehe und bevor er verſichert waͤhre/ daß ſie ihn wegen ſeines neuen Glaubens nicht zuhaſ-
ſen/ ſondern ihm denſelben frey zu laſſen ſich redlich und auffrichtig erklaͤren wuͤrden. Je-
doch wahr er mit ihm in die Herberge gangen woſelbſt er zwey Schreiben/ eines an mich/
das ander an ſeine Eltern auffgeſetzet/ und mit ihm Abſcheid genommen/ er wolte ſein er
ehiſt wieder gewaͤrtig ſeyn/ und aus Ladiſla Antwortſchreiben ſchon ſehen/ weſſen er ſich zu
verhalten haͤtte. Auch wahr er des Minutius gewahr worden/ den er alsbald gekant/ uñ
zu ihm geſaget: O der gluͤkſeligen Stunde/ in welcher ihr mich zu Rom verkauſt habet;
weil ich dadurch zu der einig/ wahren Glükſeligkeit gerahten bin. Nun hatte Ekhard ger-
ne von ihm wiſſen wollen/ auf was Gaſſe ſein Herr wohnete/ und wie deſſen Nahme waͤhre;
welches er ihm aber abgeſchlagen/ mit dem verſprechẽ/ er wolte ihn in dieſem Hauſe ſchon
finden/ wann er wieder kommen wuͤrde/ und koͤnte er alsdann ſeinen Nahmen mit Roͤhtel-
ſtein an die Haußtuͤhr ſchreiben. So bald dieſe beyden wieder bey mir anlangeten/ wahr
meine erſte Frage/ ob mein Herkules annoch im Leben waͤhre; worauff mir Ekhard zur
Antwort gab: Das aͤuſſerliche an ihm lebet ja noch/ aber das Gemuͤht iſt gar verſchlim-
mert/ daß ich ihn kaum vor Fuͤrſt Herkules halten kan; maſſen es ſcheinet/ als habe die
Knechtiſche Dienſtbarkeit ſeinen Fuͤrſten-muht gefeſſelt/ und ihm ein Sklaven Herz ein-
gegoſſen. Ich ward dieſer Rede ſo unwillig/ daß ich mich an dem Zeitungs-bringer ſchier
vergriffen haͤtte/ welcher doch auff ſein Wort beſtund/ ich wuͤrde es ſelbſt alſo befinden/ wo
ſonſt das Schreiben mit ſeinen Reden uͤberein ſtimmete. Die Auffſchrifft hatte er auff
Ekhards Raht nach meinem willen gemacht/ aber da ichs brach/ wunderte ich mich nicht
wenig des befremdlichen Inhalts. Ich fing an zu leſen/ legte es bald hinweg/ und nam es
bald wieder zu mir/ dann ich kunte vor Herzenpraſt es weder durchbringen noch zureiſſen.
Die Hand wahr mir gnug bekant/ aber der Begriff weder nach meinem/ noch nach ſeinem
ehmah-
[192]Fuͤnftes Buch.
ehmahligen Sinne; uñ weil ichs nachdem wol hundertmahl geleſen/ habe ichs von Wort
zu Wort behalten/ daß ichs muͤndlich erzaͤhlen kan.


Dem Durchleuchtigſten Fuͤrſten und Herrn/ etc wuͤnſchet der von Gott erleuchtete Herkules
Gottes Barmherzigkeit/ zur heilbringenden Erkaͤntniß des Chriſtlichen Glaubens. Ich ehmahls
unſeliger ewig-verdammeter Fuͤrſt Herkules/ jezo angenehmes Kind Gottes/ wiewol vor der Welt
verachteter leibeigener Knecht Oedemeier/ habe/ GOtt Lob! GOtt Lob! dereins funden/ was mein
Herz von Jugend auff zum hoͤchſten gewuͤnſchet; die Erkaͤntniß des einigen wahren Gottes/ und das
erquikliche Seelenliecht/ welches meinen blinden Verſtand erleuchtet/ und mir den ſchmalen Weg
nach dem Himmel gezeiget hat. O Gluͤk! O Seligkeit! O du angenehmes Rom! O du ſuͤſſe Knecht-
ſchafft! die mich zum freyen Himmels Fuͤrſten gemacht/ und aus dem Rachen des Teuffels und des
helliſchen Feuers loßgeriſſen hat. Verzethet mir/ Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ daß ich verſtoſſener Knecht
dieſe meine hohe Vergnuͤgung vor eurem annoch unverſtaͤndigem Herzen ausſchuͤtte. O JEſus/ wie
erquiklich biſtu! O Welt/ wie verfuͤhriſch biſtu! O Suͤnde/ wie graͤulich biſtu! O Verdamniß/ wie er-
ſchreklich biſtu! Das verfuͤhriſche lerne ich Gott Lob meiden; das graͤuliche/ ſo ich neben euch vor die-
ſem geliebet/ haſſen; des erſchreklichen bin ich gar loß worden/ durch die Erkaͤntniß des allerkraͤfftigſt-
ſuͤſſen Nahmen JEſus. Die Liebe dieſes Nahmens/ hat alle Ehrenpracht und Herligkeit der Welt/ zu
meinen Fuͤſſen geworffen; dann ich ſehe und empfinde/ daß auſſer dieſem JEſus/ ſolches alles ein
Dunſt und Rauch/ ja eine Rennebahn iſt zur helliſchen Verdamniß; daher dann mit meinem JEſus
ich viel lieber ein leibeigener Knecht/ als ohn ihn ein Kaͤyſer des ganzen Erdbodems ſeyn wil. Zwar
ich waͤhre annoch herzlich gerne des Groß Fuͤrſten aus Teutſchland lieber Sohn; des Boͤhmiſchen
Fuͤrſten vertraueter Bruder/ wann ſie meinen JEſus leiden/ und mich deswegen nicht haſſen wolten/
daß ich das teufliſche Geſchmeiß aller Teutſchen und anderer falſchen Goͤtzen verfluche/ und dagegen
den einigen Gott/ welchen ſie nicht kennen/ anbehte und ehre; aber koͤnnen ſie mir ſolches nicht goͤn-
nen/ ſo verleugne und haſſe ich Vater und Mutter/ Bruder und Schweſter/ auch meinen Ladiſla/ und
begebe mich meines vaͤterlichen Erbes in Ewigkeit/ ob gleich meine leibliche Augen ihre Traͤhnen taͤg-
lich vergieſſen/ daß ich ſie meiden muß. Dieſes einzige zuwiſſen veꝛlanget mich herzlich/ ob Ladiſla den
jeztbeſchriebenen Herkules leiden und lieben/ und die alte Vertrauligkeit mit ihm weiter bauen; ja
ob er nicht allein einen Chriſten umb ſich leiden/ ſondern deſſen getraͤuem Raht zur Seligkeit auch fol-
gen koͤnne/ damit ich ihn als einen/ O weh/ O weh! ewig verdamten nicht beweinen muͤſſe. Nichts ſu-
chen meine Traͤhnen ſo hefftig/ als bey Gott zuwirken/ daß der teure Fuͤrſt Ladiſla/ der weltliche Tu-
gend/ daran er wol tuht/ ſo hoch liebet/ auch das himliſche Liecht ergreiffen/ und den Chriſtlichen Glau-
ben annehmen moͤge/ welches dann wuͤnſchet und flehet deſſelben ehmaliger getraͤuer Welt-Bruder/
anjetzo inbruͤnſtiger Vorbitter zu Gott/ Odemeier der Leibeigene.


Nach verleſung muſte ich ſelbſt Ekhard fragen/ ob er auch der warhaffte Herkules
waͤhre/ und wann ers waͤhre/ ob er dann ſeinen Verſtand und Wiz noch haͤtte. O ja/ ant-
wortete er; freillch iſt ers/ aber nicht der vorige; ſo hat auch ſeine angebohrne Leutſeligkeit
nich abe/ ſondern treflich zugenommen/ aber ſeine Reden ſind nur von himliſchen Dingen/
die ſeinem vorgeben nach er zu Rom gelernet/ und dadurch in die allerhoͤchſte Gluͤkſelig-
keit verſetzet ſey; wann er hierauff zu reden komt/ ſtehet er/ als ob ſein Geiſt verzuͤcket wer-
de; die Augen wiſſen nicht/ wie ſie des Herzen Freude gnug wollen zuerkennen geben/ und
trieffen ihm mit lauter Freuden-Traͤhnen. Einen fremden Nahmen/ JEſus/ fuͤhret er
viel im Munde/ und wann er ihn nennet/ bewaͤget ſich ſein innerſtes. Er beuget die Knie/
er falzet die Haͤnde/ er ſchlaͤget die Augen auff gen Himmel/ und meinete ich in der War-
heit nicht anders/ als daß ich einen Engel vor mir ſtehen ſaͤhe. Es muß ja eine ſonderliche
Kraft in dieſem Nahmen ſeyn; dann wañ er ihn nennete/ klang er mir in den Ohren ſo
lieblich
[193]Fuͤnftes Buch.
lieblich/ und mein Herz bewaͤgete ſich in meinem Leibe/ daß ich ſchier willens wahr/ ihn zu
bitten/ daß er mir ſagen moͤchte/ was diß vor ein ſüſſer Nahme waͤhre. Aber dieſe Erzaͤh-
lung wolte bey mir nicht wirken/ ſondern meinete gaͤnzlich/ Herkules muͤſte durch Zaube-
rey auff dieſen Weg gebracht ſeyn; machete mich demnach zu einem gelehrten Roͤmer/
meinem guten bekanten/ und gab ihm zuverſtehen/ ich wuͤrde berichtet/ daß zu Rom ein
neuer Glaube ſeyn/ und die ſich darzu bekenneten/ Chriſten ſolten genennet werden/ welche
einen fremden Nahmen/ JEſus/ viel im Munde fuͤhreten. Aber dieſer mahlete mir die
Chriſten (wiewol mit hoͤchſter Unwarheit) ſolcher geſtalt ab/ daß ich mich davor entſetzete;
nehmlich/ es waͤhre derſelbe JEſus ein verfuͤhriſcher Jude geweſen/ haͤ[t]te durch teufliſche
Kuͤnſte (Gott verzeihe mir die luͤgenhaffte Erzaͤhlung) viel Wunderzeichen ſehen laſſen;
noch haͤtten die verfuͤhrete ſo feſt an ihm gehalten/ daß nach ſeinem Tode ſie ſich durch alle
Laͤnder ausgebreitet/ und vorgeben duͤrffen/ der erhenkete JEſus waͤhre wieder lebendig
worden/ und gen Himmel gefahren; Ja/ ſagte er/ ſie duͤrffen zu Rom ſelbſt ſich finden laſ-
ſen/ da ſie frühzeitig eingeneſtet/ und verfuͤhren daſelbſt mañichen Menſchen/ Adel und Un-
adel; und ob man gleich viel Mühe anwendet/ ſie abzuſchaffen/ iſt es doch bißher vergeblich
geweſen. Man ſaget ſonſten von dieſen Leuten ſehr abſcheuhliche Dinge/ und unerhoͤrete
Schande/ welche ſie in ihren Verſamlungen in groſſer geheim begehen ſollen/ daß auch die
Goͤtter/ die von ihnen nur verſpottet und geſchaͤndet weꝛden/ ihreth alben manniche ſtraffen
uͤber Rom und ihre Laͤnder ausgegoſſen haben/ und die Obrigkeit nicht umhin koͤnnen/ das
Schwert uͤber ſie zuzücken/ und als das allerſchaͤdlichſte Unkraut ſie auszurotten. Wie?
fragete ich; hat man ſie dann nicht daͤmpffen/ und im erſten Graſe abhauen koͤnnen/ ehe ſie
den reiffen Unkrauts Samen uͤberal ſtreueten? Man hat es offt verſuchet/ gab er zur Ant-
wort/ und ſie bey hundert und tauſenden hingerichtet daß die Menge faſt unzaͤhlig iſt; aber
nichts hats gewirket; dann dieſer Gifft iſt viel zuſtraͤnge. Hoͤret mein Herr/ ich habe es mit
meinen Augen nicht ein/ ſondern wol hundert mal angeſehen/ fuhr er fort/ daß wann ein
Chriſt zu der allergrauſamſten Pein hingefuͤhret wird/ er nicht allein freudig als zum Tan-
ze dahin ging/ ſondern ſeine Glaubensgenoſſen/ die umb ihn wahren/ vermahneten ihn zur
Beſtendigkeit/ er ſolte den kurzen Tod und Fleiſches Leiden nicht fuͤrchten/ ſondern um des
Nahmen JEſus willen alles gerne ausſtehen; und wann dieſe Troͤſter mit angegriffen
wurden/ wegerten ſie ſich deſſen nicht/ ſondern wahren alsbald fertig/ ſungen und behteten
mit/ nicht allein erwachſene Mannesbilder/ ſondern auch Weiber/ Jungfrauen/ Knaben/
Maͤgdlein/ Herr und Knecht durcheinander/ erzeigen hie gleichen Muht/ und laſſen ſich
immerhin henken/ koͤpfen/ brennen/ kreuzigen/ geiſſeln/ und auff der Folter recken/ biß ihnen
die Seele ausfaͤhret dann hiedurch/ ſprechen ſie/ werde ihnen eine unvergaͤngliche Krone
aufgeſetzet/ daß ſie mit ihrem Gott ewig herſchen ſollen. Verwundert mein Herr ſich deſ-
ſen? ich ſage ihm mehr/ welches viel tauſend mit mir bezeugen muͤſſen; offt wann dieſe an
ihrem Leibe dergeſtalt zugerichtet werden/ daß man abſcheuh daran traͤget/ bitten ſie GOtt
vor die/ ſo ihnen ſolches antuhn/ und werden offt unter den Zuſehern etliche durch ihre be-
ſtaͤndigkeit bewogen/ alsbald zu ihnen zutreten. Iſts nicht zuverwundern? wann der Rich-
ter auf dem Stuel ſitzet/ die Henkersknechte neben ſich hat/ und die Urtel uͤber die Chriſten
ausſpricht/ kom̃en andere mit hauffen herzugelauffen/ uñ meldẽ ſich an/ ſie ſeyn auch Chri-
b bſten;
[194]Fuͤnftes Buch.
ſten; Dann ſie halten die Verleugnung ihres Glaubens vor die allerſchreklichſte Suͤnde/
die ein Menſch begehen koͤnne. Daher iſts offt kommen/ daß der Richter hat muͤſſen auff-
hoͤren die Urtel zuvolſtrecken/ damit die Landſchafften von Leuten und Inwohnern nicht
gar oͤde wuͤrden. Was der Kaͤyſer und ſeine Groſſen offt vor Muͤhe hiemit gehabt/ ſtehet
nicht auszuſagen/ aber endlich hat man befunden/ daß der Chriſtenhauffe durch Verfol-
gung nur zunehme; dann auch der Roͤmiſche Raht ſelbſt hat unter ſich/ die dieſem Glau-
ben zug tahn ſind; der jetzige Kaͤyſer Alexander goͤnnet ihnen Ruhe/ und haͤlt ihren JE-
ſus mit vor einen Gott; aber weil er andere Neben-Goͤtter hat/ wird er nicht vor einẽ Chri-
ſten gehalten/ wiewol ſeine Mutter Fr. Mammea eine Chriſtin ſeyn ſol. Ich erſchrak die-
ſer Erzaͤhlung ſehr hart/ und hielt meiner damahligen Meynung nach/ das Chriſtentuhm
vor eine lautere Bezauberung/ welche des Menſchen Wiz und Verſtand hinweg naͤhme/
fragete auch/ ob man dañ kein einiges Mittel wuͤſte/ ihrer etliche von dieſer Verführung ab-
zubringen. Ja/ ſagte er/ es begibt ſich offt/ daß man etliche/ die in dem Irtuhm nicht ſo gar
tieff erſoffen/ mit harter Bedraͤuung und angelegter Pein auch Unterweiſung der Gelehr-
ten/ wieder zurechte bringet; aber die ſind mehrenteils die ganze Zeit ihres Lebens traurig/
und gehen/ als waͤhren ſie erſchlagen; komt ein Chriſt zu ihnen/ der ihnen Hoffnung ma-
chet/ ihr JEſus wolle ſie wieder annehmen/ da gehet es dann tauſendmahl heftiger als voꝛ-
hin/ lauffen ungefodert nach dem Richter/ und bekeñen/ daß ſie durch vorige Verlaͤugnung
ſich hoch verſuͤndiget haben; Zeuhet man ſie dann zur Straffe/ ſo gehen ſie mit groͤſſerer
Freude zum Tode/ als eine Jungfer zum Tanze; Jedoch haben wir etliche/ die nicht allein
v[o]m Chriſtentuhm wieder abgetreten ſind/ ſondern auch beſtaͤndig bey uns verharret/ und
den Chriſten viel Schimpffs angelegt haben. Ich kunte der Erzaͤhlung laͤnger nicht zuhoͤ-
ren/ ſondern ſtellete ein Schreiben an Herkules/ in welchem ich ihm hart verwieß/ dz er mir
den Bruder Nahmen entzogen haͤtte; ſeine Knechtſchafft irrete mich nicht/ nur truͤge ich
ein herzliches Mitleiden mit ihm/ daß er durch den neuen Aberglauben bezaͤubert/ und ſei-
nes unvergleichlichen Fuͤrſtenmuhts beraubet waͤhre/ hoffete/ er wuͤrde davon abſtehen/
der Pfafferey ſich entſchlagen/ und aller Ungebuͤhrligkeit/ die den Chriſten einhellig nach-
geſagt wuͤrde/ muͤſſig gehen/ damit er nicht als ein Ubeltaͤhter dürffte hingerichtet werden.
Seiner angenehmen Antwort hierauff wolte ich erwarten/ in welcher er des weitlaͤufftigẽ
Predigens ſich enthalten/ und mir ſchreiben moͤchte/ ob er Ritterlichen uͤbungen den Kauf
noch nicht gar aufgeſagt/ dann wolte ich bald bey ihm ſeyn/ ihn der Leibeigenſchafft beneh-
men/ und was weiter anzufangen waͤhre/ mit ihm abreden. Das Schreiben/ ſo er an ſeinẽ
Herr Vater getahn/ ließ ich nach Aquileia bringen/ von dannen es nach Teutſchland kam/
woran ich doch unweißlich handelte; dann ſo bald der Groß Fuͤrſt es geleſen/ und ſeines
Sohns Chriſtentuhm/ auch daß er die Teutſchen Goͤtter ſo heftig ſchalt/ vernommen/ hat
ers mit ſeinen Pfaffen und aͤdlen in Raht gezogen/ ſich heftig darüber geeifert/ und meinen
Herkules des Erbes entſetzet/ biß dahin er ſich eines andern bedenken/ und den Goͤttern vor
erwieſenen Schimpff Abtrag machen wuͤrde. Solches hat er ihm nach Rom zugeſchrie-
ben/ welches er auch vor meiner Ankunfft daſelbſt/ empfangen hat. Mein Antwort Schrei-
ben ſendete ich ihm bey Ekhard ſchleunig zu/ und ſtieß mir folgenden Tages ein Gluͤk zur
hand/ welches zu ſeiner Befreyung mir hernach wol dienete. Es gab ſich ein gewaltiger
Pan-
[195]Fuͤnftes Buch.
Pannonier in unſerm Lager an/ der nach abgelegter Werbung/ wozu er ausgeſchikt wahr/
mit ſchimpfflichen Worten fragete/ ob nicht etwa ein ſtreitbahrer Roͤmer Luſt haͤtte/ einen
Gang mit ihm zu Roß oder zu Fuß zuwagen/ moͤchte er deſſen Manheit gerne empfinden;
Bald ließ ſich ein Haͤuptman angeben/ welcher den Schwertſtreit zufuſſe mit ihm antrat/
aber den kuͤrzern zog/ ſo daß dieſer unverletzet blieb; deſſen er ſich nicht wenig ruͤhmete. Sol-
ches verdroß einen Roͤmiſchen Ritmeiſter heftig/ ſetzete ſich zu Pferde/ und foderte ihn aus;
hatte aber ſchlechter Gluͤk als der vorige/ maſſen er mit dem Speer durch den Unterleib ge-
rennet ward/ daß er des andern Tages verſchied. Unſer Feldherr Dio ward deſſen ſehr be-
truͤbet/ daß die ſeinen ſolchen Schimpf einlegeten/ da hingegen des Pannoniers Troz nur
zunam/ weil er ſeine Streiche ſehr ungeheur fuͤhrete. Der verwundete wahr mein ſonder-
licher Freund/ welcher/ als ich ihm auffhalff/ fragete/ ob niemand ihn raͤchen wolte. Dio
ſelbſt trat hinzu/ und taht Verheiſſung/ der Uberwinder an dieſem Pannonier ſolte einer
ſonderlichen Roͤmiſchen Gnade gewaͤrtig ſeyn; daher ich mich erboht einen Ver[ſ]uch mit
ihm zutuhn; wovor er mich nicht duͤchtig anſahe; welches mir nit wenig zu Haͤupte ſtieg/
und mich daher erklaͤrete/ weil ich nur ein Frey Reuter waͤhre/ und keine Roͤmiſche Gelder
hoͤbe/ dem Pannonier vor mich ſelbſt nachzufolgen/ und mein Heil an ihm zuverſuchen/ de-
ro behuef ich von meinem Ritmeiſter Erlaſſung begehrete; worauf mir der Kampf gerne
erlaͤubet ward; ging hin zu dem Trotzer/ und ſagete: Nicht deine Manheit/ ſondern der
bloſſe Unfall hat deine Gegener erleget/ und wann mirs nichtſchimpflich waͤhre/ einen aus-
zufodern/ der ſchon mit zween gekaͤmpffet/ muͤſteſtu oder ich der dritte erleget ſeyn. Ja/ ant-
wortete er mir/ wann du dich ſelb ander ſtellen wilt/ wil ich diꝛ zugefallen ſeyn/ weil du in dei-
ner Jugend ſo viel herzens haſt/ dich mit einem Manne zuſchlagen. Nun hoͤre ich/ ſagte ich
hinwieder/ daß in dir weder Tugend noch ſcham iſt/ weil du die Ruhmraͤtigkeit zum Schil-
de braucheſt/ darumb mache dir die gewiſſe Rechnung/ daß du mit mir an den Tanz muſt;
haſtu dich aber heut abgemattet/ ſo ruhe aus biß morgen fruͤh/ laͤnger gebe ich dir keine friſt.
Dio ſelbſt ließ mir treffliche Waffen/ und ein feſtes Pferd bringen/ und ſagte zu mir: Teut-
ſcher Ritter/ dafern euer Nahme Winnibald mit der Taht einſtimmen ſol/ werdet ihr den
ſchoͤnen Sieg bald gewinnen/ wozu ich euch Gluͤk wil gewünſchet haben. Der Pannonier
aber hielt meine Rede vor gar zu trotzig/ und fing an/ ſich bedraulich vernehmen zulaſſen/
wie er mich zurichten wolte; deſſen ich wenig achtete/ die Waffen anlegete/ und ihn mit die-
ſen Worten anredete: Laß nun ſehen/ ob dein Speer und Saͤbel ſo wol ſtoſſen und ſchnei-
den kan/ als dein Maul groß ſprechen; Wir begegneten einander zum drittenmahl/ ohn ei-
nigen Sattelwank/ aber im vierden Satze half mir das Gluͤk/ daß er ſtuͤrzete/ und ſich doch
wieder zu Pferde ſetzete/ ehe ich bey ihm anlangete. Da muſten nun die Schwerter nicht
feyren/ und trieben wir uns eine halbe Stunde umb/ daß das Blut beyderſeits ſich ſehen
ließ/ biß endlich ich ihm den Helm loͤſete/ und mit einem Schnitte ihm die Gurgel oͤffnete/
daß er ruhig ward/ wiewol ich zwo zimliche Fleiſchwunden davon brachte. Nach erhalte-
ner uͤberwindung warff Dio mir eine trefliche Kette umb den Hals/ und nante mich den
Teutſchen Sieger/ verſprach mir das Roͤmiſche Buͤrger Recht/ und machte mich zum
Ritmeiſter an des toͤdlich verwundeten Plaz/ der ſeinen Feind noch vor ſeinem Ende ſtuͤr-
zen ſahe/ und aus Dankbarkeit mir ſein Leibpferd/ welches uͤberaus wol gewand wahr/ veꝛ-
b b ijmachete.
[196]Fuͤnftes Buch.
machete. So bald ich verbunden wahr/ nam ich meines Herkules Erloͤſung in acht/ und
ſetzete ein Schreiben auff an Herrn Dio/ in welchem ich untertaͤhnig baht/ mir mit einer
Vorſchrifft behuͤlflich zuſeyn/ daß mein zu Rom verkauffter naher Anverwanter mir gegẽ
Erlegung eines gnugſamen Loͤſegeldes/ unwegerlich moͤchte abgefolget werden/ weil er nit
im Streite gefangen/ ſondern durch Raͤuberhand entfuͤhret waͤre/ gleich da er mit mir auf
der Reiſe geweſen/ ſich in Roͤmiſche Dienſte zubegeben. Worauff er mir einen offenen
Brie[f] an Kaͤyſerl. Hocheit zuſtellete/ dieſes Inhalts:


Demnach [zeiget] dieſes/ Winnibald/ Teutſcher aͤdler Ritter einen verwaͤgenen Pannonier im
abſonderlichen Kampff ritterlich erleget/ und dadurch verdienet hat/ daß er nicht allein mit dem Roͤ-
miſchen Buͤrgerrecht/ ſondern auch andern Kaͤyſerlichen Gnaden angeſehen werde/ und aber zur Er-
ſtattung ſeiner Dienſte/ nur ſeines ohn urſach gefangenen und verkaufften Freundes Oedemeiers Er-
loͤſ- und Befreyung bittet/ als wird Kaͤyſerl. Hocheit hiemit von mir untergezeichnetem allerunter-
taͤhnigſt erſuchet/ ihm darin allergnaͤdigſte Huͤlffe zuleiſten/ welche ich wol verſichere/ daß Zeit meiner
Feld Herrſchafft ein ſo groſſer Trotzer [und] verwaͤgener Pannonier ſich nicht finden laſſen/ als der
durch dieſes aͤdlen Ritters ſieghaffte Fauſt gebendiget und erſchlagen iſt; ſolte aber Kaͤyſerl. Hoch-
heit nicht belieben/ das Loͤſegeld aus gemeinem Seckel zuerlegen/ erbiete ich mich/ es von dem meinen
als eine ſchuldige Dankbarkeit auszuzahlen. Dio.


Als ich an meinen Wunden geneſen wahr/ ſtellete Ekhard ſich wieder ein/ berichtete/
wie hoͤchlich Herkules uͤber meiner unverruͤkten Liebe ſich erfreuete/ und lieferte mir ſein
Schreiben/ ohngefehr dieſes Inhalts: Seine Seele haͤtte die hoͤchſte Erquickung aus mei-
ner beharlichen bruͤderlichen Gewogenheit eingenommen/ weil ihm doch unmoͤglich waͤh-
re/ ſeinen Ladiſla nicht zulieben. Daß ich ſeinen hellſamen Chriſtlichen Glauben vor eine
Zauberey hielte/ legte er nicht meiner Bosheit/ ſondern Unwiſſenheit zu/ welche ſein HErr
JEſus mir gnaͤdig verzeihen wuͤrde; dz er aber davon abzuſtehen/ von mir angeſucht waͤh-
re/ koͤnte er nach meinem Willen nicht beantworten/ haͤtte doch ſeines Muhts und herzens
noch das allergeringſte nicht verlohren/ ſondern waͤhre willens/ der Ritterſchafft nachzu-
ziehen/ ſo bald ihm nur Antwort von ſeinem Herr Vater zukaͤhme/ und moͤchte ich die Ge-
danken ja nicht faſſen/ als ob ein Chriſt mit einem Un Chriſten nicht koͤnte weltliche Ver-
trauligkeit haben; Ich ſolte nach belieben nur kommen/ dann wuͤrde ich ſpuͤren/ daß er kei-
ner Ungebuͤhrligkeit anhinge/ deren ich ihn beſchuldigte/ und wuͤrde Ekhard mir eine Her-
berge/ gerade gegenſeiner Wohnung uͤber/ zeigen/ dahinein ich mich legenkoͤnte. Ich bilde-
te mir ein/ mein Schreiben haͤtte ihn ſchon weicher gemacht/ daß er vom Chriſtentuhm
koͤnte abgebracht werden/ inſonderheit/ weil Ekhard mich berichtete/ er haͤtte ihn etwas
milder als vorhin befunden; welches mich hoffen machete/ ich wuͤrde vor meiner
Ankunft zu Rom/ ihn gar davon abſchrecken koͤnnen/ und ſchickete ihm ein bedrauliches
Schreiben zu/ dieſes Inhalts: Ich muͤſte leider mit Schmerzen vernehmen/ wie er añoch
mit der neuen Tohrheit (ach ſo ſchrieb ich ja) behafftet/ ſeine vorige Liebe zu ſeinen Land-
Goͤttern nicht hervor ſuchen koͤnte/ deſſen ich mich zu ihm nicht verſehen; ſeines Herrn
Vaters Antwort/ dafern er demſelben ſeinen Glauben haͤtte kund getahn/ wolte ich ihm
wol vorher ſagen/ nehmlich/ er würde ihn als einen Abtruͤnnigen und Verleugner ſeiner
Goͤtter verfolgen/ und vor ſeiner Bekehrung ihn vor keinen Sohn erkennen/ ſo wenig ich
mich zu ihm einiger beſtendigen vertrauligkeit verſehen koͤnte; wolte demnach hoffen/ er
würde
[197]Fuͤnftes Buch.
wuͤrde angeſichts dieſes/ ſeinen Sinn endern/ die verzauberte Neuerung ganz ablegen/ und
mir nicht Urſach geben/ ihn bey der Roͤmiſchen darzu verordneten Obrigkeit anzumelden/
daß er durch Zwangmittel gehalten wuͤrde/ dem guten zu folgen/ und die verfluchte Geſel-
ſchafft der Veraͤchter aller alten Goͤtter zu meiden. Ekhard muſte hiemit ſchleunig fort/
dem ich des folgenden Tages mit Minutius folgete. Aber O wunder! dieſes mein Schrei-
ben war Herkules gleich ſo angenehm geweſen/ als haͤtte ich ihm die freundlichſte Antwoꝛt
zuentbohten. Nun nun/ mein lieber Ekhard/ hatte er geſagt/ ich habe nicht unterlaſſen
wollen/ meiner Eltern und geliebten Bruders Ladiſla Seligkeit zu ſuchen; kan ichs dañ
nicht erhalten/ O ſo ſchicke du es/ mein Heyland/ nach meinem Tode/ daß ich ſie nur nicht
in der Helle moͤge verderben ſehen. Damit wahren ihm die Traͤhnen haͤuffig aus den Au-
gen hervorgeſchoſſen/ hatte ſich endlich wieder erhohlet/ und zur ſchließlichen Antwort ge-
geben: Ich ſehe aus meines Ladiſla Schreiben/ daß er geſonnen ſey/ wegen meines Chri-
ſtentuhms mich bey der Obrigkeit anzuklagen; ja ja/ wie es meinem Gott gefaͤllet/ bin ich
zu frieden; und O wie mit freudigem Herzen wil ich zu der Hochzeit des Lammes mich
einſtellen/ und mitten in der Feuersglut nicht unterlaſſen/ vor ihn zu bitten/ daß eꝛ von Gott
moͤge bekehret werden. Reitet ihr nur hin/ mein Ekhard/ und ſaget/ daß mein Herzlieber
Bruder Ladiſla nicht ſeume/ ſondern ſich bald herzu mache/ und daß ich duꝛch meines Got-
tes Beyſtand geſchikt ſey/ umb des nahmens JEſus willen/ gehenkt/ verſenkt/ ertraͤnkt/ ge-
ſchunden/ gebraten/ und durch alle Pein hingerichtet zu werden; dann hiedurch wird mir
auffgeſezt/ nicht eine jrdiſche und vergaͤngliche/ ſondern eine himliſche ewige Krone/ da
ich in der Zahl aller außerwaͤhlten/ mit hoͤchſtem Schmuk angetahn/ uͤber Welt/ Suͤnde/
Tod und Helle den ewigen Sieges-dank erhalten und davon bringen werde. So kom nur
bald mein Bruder Ladiſla/ daß ich durch dein angeben die geiſtliche Ritterſchaft ehiſt vol-
lenden moͤge. Dieſes alles hatte er mit ſolcher freudigkeit vorgebracht/ dz Ekhard anders
nicht gemeinet/ dann es redete ein Engel Gottes mit ihm/ hatte ihm auch wegen Herzens
bewaͤgung in guter Zeit nicht antworten koͤnnen/ doch endlich zu ihm geſagt: Durchleuch-
tigſter Fuͤrſt; wer wolte eure Gn. zu ſolchem erſchreklichen Tode befodern? meinet die/
daß Fuͤrſt Ladiſla zum Wolfe oder Baͤhren worden ſey? Nein/ er iſt ſchon auff der Reiſe/
ſeinen herzlieben Bruder Fuͤrſt Herkules zubeſuchen/ nach welchem in das Verlangen
nunmehr anderhalb Jahr faſt zu Tode gequaͤlet hat. Kein Menſch iſt mir mehr wllkom̃en/
als mein Ladiſla/ hatte er geantwortet/ aber reitet ihm entgegen/ und meldet ihm an/ ich
laſſe ihn durch unſere ehmalige inbruͤnſtige Liebe bitlich eriñern/ er wolle auff ſeine ankunft
alles nach belieben anſtellen/ aber dafern er durch ſchimpfliche Reden oder laͤſterungẽ wie-
der meinen Gott mich zubeleidigen willens iſt/ ſolle er ſich meines Angeſichts enthalten/
damit ich nicht gezwungen werde/ ihm taͤhtlich ſehen zulaſſen/ wie viel mehr und hoͤher ich
Gottes Ehr als Menſchen Liebe achte; dann weder er noch kein ander Menſch bilde ſich ja
nicht ein/ daß ich ſolches mit geduldigen Ohren anhoͤren werde. Als Ekhard mir dieſes
alles erzaͤhlete/ ward ich durch Liebe und erbarmung dergeſtalt eingenommen/ daß mein
Herz im Leibe auffwallete/ daher ich ſagete; der Brieff muͤſſe verflucht ſeyn/ welcher mei-
nem Herkules den Willen zuſterben/ und mir zu draͤuen Urſach gegeben hat. Nam mir
[a]uch gaͤnzlich vor/ ihm des Glaubens wegen weiters nicht einzureden/ und wahr nur dar-
b b iijauff
[198]Fuͤnftes Buch
auff bedacht/ wie ich von ihm die Freyheit meines Heidentuhms/ unſer Freundſchaft un-
getrennet/ erhalten moͤchte; ritte ohn auffhoͤren fort/ daß ich des andern Tages nach Ek-
hards wiederkunft zu Rom anlangete/ uñ in die bezeichnete Heꝛberge mich einlegete. Nach
einer Stunde ſahe ich ihn aus dem Hauſe gegen uͤber/ in adelicher Kleidung reiten/ dann
er muſte ein Pferd tummeln/ welches er treflich abgerichtet/ und ſein Herr meinem Feld-
Herrn Dio zum Geſchenke ſenden wolte. Ekhard muſte ſich auf der Gaſſe zeigen/ daher er
ſich meiner Ankunft alsbald vermuhten wahr/ ritte auch kurz darauff das Pferd wieder
hinein/ und trat in ſeine Hauß Tuͤhr mit uͤberaus freidigem gemuͤhte. Ich ging gleich mit
meinem Haußwirt unten im Hauſe umbher/ welcher zu mir ſagete: Mein Herr/ ſehet dor-
ten meines Nachbars Leibeigenen/ des gleichen in ganz Rom nicht zu finden iſt; jederman
verwundert ſich ſeiner Schoͤnheit/ Geſchikligkeit/ uñ unvergleichlichẽ Art/ uñ haben groſ-
ſe Herrn umb ihn/ mit darbietung anſehnlicher Gelder angehalten/ aber Zinna ſein Herr/
wil ihn durchaus nicht folgen laſſen. Ihr ſaget recht/ antwortete ich/ daß ſeines gleichen/
Kaͤyſers Hocheit außgenommen/ in ganz Rom nicht iſt/ es wird aber Herr Zinna mir ihn
ſchon außfolgen laſſen müſſen/ als der ich ohn zweiffel das naͤheſte Recht zu ihm habe/ der
dann trauen des Gebluͤts nicht iſt/ daß er Zinna oder einigem Menſchen vor Leibeigen auf-
warten ſolte/ nachdem er mannich tauſend freie Leute zu Untertahnen hat. Ich habe den
Juͤngling/ ſagte der Wirt/ allemahl vor Hochaͤdel angeſehen aber von Zinna wird er übel
zu bringen ſeyn. So getraue ich aber/ ſagte ich/ er werde ſich nichtlange wiederſetzen/ dann
ich habe Kaͤyſerl. Hocheit ſelbſt an der Hand; kunte auch mein Herz laͤnger nicht abhalten/
ſondern lieff zu ihm hinuͤber; und als er mich kommen ſahe/ trat er zu ſeines He[r]rn Tuͤhr
mit traͤhnenden Augen hinein da wir uns herzlich umbfingen/ und vor inniglichſter bewaͤ-
gung kein Wort ſprechen kunten/ biß er endlich ſagete; Herzallerliebſter Bruder/ biſtu
kommen/ deine Draͤuung zuerfullen/ ſo handele nach deinem belieben; nur ſchilt mir ja
meinen Gott nicht in meiner Gegenwart/ daß ich nicht Urſach haben moͤge/ dich zu haſſen;
kanſtu deſſen dich enthalten/ ſo goͤnne mir nur drey Tage/ mich an dir zuergetzen/ dañ ſoltu
erfahren/ wie freidig und getroſt ich ſein werde/ umb meines Gottes/ umb meines allerguͤ-
tigſten Gottes und ſeines Sohns JEſus willen zuſterben. Ich gab ihm mit gebrochener
Rede zur Antwort: Herzlieber Bruder kraͤnke doch deinen ergebenen mit ſolcher herzens
Angſt nicht; mein unbedachtſames Schreiben habe ich aͤuſſerſt verfluchet/ dann wer dich
toͤdten wolte muͤſte mir den Hals zugleich mit brechen/ ob ich gleich in deinen neuen Glau-
ben nicht gehehlen kan; hoffe aber/ du werdeſt mir meine alten Goͤtter frey goͤnnen/ alsdañ
ſoltu eben wenig von mir in deinem Gottesdienſte gehindert werden/ nur daß unſere Her-
zen moͤgen verbunden bleiben/ wie ſie von anfang her geweſen ſind/ und du ſehr wol weiſt/
daß deine Seele meines Lebens einige Ergezligkeit und auffenthalt iſt. Hiedurch ward nun
mein Herkules deꝛgeſtalt erfreuet/ daß er nicht wuſte/ wie freundlich er ſich gegen mich hal-
ten ſolte/ und kunten wir des kuͤſſens und umbfahens nicht muͤde werden. Hierzu kam die
Hauß Jungfer Zezilia/ und als ſie ſolches unſer unnachlaͤſſiges kuͤſſen ſahe/ ſagte ſie: Mein
Oedemeier/ was habt ihr da voꝛ einen lieben Freund angetroffen/ deſſen beginnen mich faſt
in meiner meynung ſtaͤrken doͤrfte/ daß ihr nicht ein Mann/ ſondern Weibesbild waͤhret.
Ich trat alsbald zu ihꝛ hin/ uñ nach geleiſtetem Handkuſſe antwortete ich; Hochaͤdle Jung-
fer/
[199]Fuͤnftes Buch.
fer/ daß ich Oedemeier lieber Freund bin/ koͤnnen weder er noch ich in abrede ſeyn; weil
ich dann ſeinen jetzigen knechtiſchen Zuſtand nach langer forſchung endlich erfahren/ ha-
be in anſehung unſer nahen Btutfreundſchaft ich nicht umbhin gekunt/ mich hieher zu
machen/ damit er ſeiner Leibeigenſchaft enthoben/ in ſeinen angebohrnen freien und Hoch-
aͤdlen Stand wieder geſezt werde. Sie antwortete mir kein Wort/ nur daß ſie ſagete: O
Oedemeier Oedemeier/ wie habt ihr mir eine Naſe gemacht! muß man gute Freunde ſo
aͤffen? ging hiemit hin zu ihrem Vater/ und brachte vor/ es waͤhre ein fremder Ritter an-
kommen/ welcher vorgeben duͤrſte/ Oedemeier waͤhre ein freigebohrner Herr von hohem
Adel/ den er wieder loß haben wolte kam auch bald wieder mit ihm her/ und fing Zinna mit
ſauren Geberden an zu fragen/ wer ſo kuͤhn waͤhre/ ſeines Leibeigenen halben Einſprache
zu tuhn. Derſelbe bin ich/ gab ich zur Antwort/ und hoffe leicht zuerhalten/ daß er mir ge-
gen darlegung ſeiner verſchloſſenen Gelder meinen geliebten Hochfreigebohrnen/ uñ durch
Raͤuber Haͤnde entfuͤhreten Oheim folgen laſſe. Er hingegen ſchnarchete immerfort/ ich
ſolte mich ja bey zeiten packen; er wuͤſte ſchon mittel/ ſeine Diener vor dergleichẽ Anſpren-
ger zu ſchuͤtzen; und da ſein Oedemeier die guten Tage laͤnger nicht ertragen koͤnte/ ſolten
ihm ſchlimmeꝛe gnug folgen. Ich gab hierauf der freundlichen Worte auch nicht viel von
mir; Was? ſagte ich/ bin ich ein Anſprenger? und dürffet meinem Oheim noch draͤuen?
habt ihr ihn etwa gnaͤdig gehalten/ ſeid ihr ſolches/ in anſehung ſeiner Tugend und hohen
Standes ſchuldig geweſen; und mache mein Herr mir nur nicht viel pochens; ich frage
ihn nur/ ob er von mir die außgelegeten Gelder wieder empfangen/ oder meinen Oheim
lieber durch Roͤmiſche Kaͤyſerl. macht wil loßgeſprochen haben? dieſe Wahl gebe ich ihm
aus bloſſer freig[e]bigkeit/ deſſen er dieſen Brieff/ von meinem Gn. Feld Herrn Dio ſelbſt
geſchrieben und unterſiegelt/ zum Zeugnis leſen mag; reichete ihm denſelben/ welchen er
mit groſſer betruͤbnis laſe/ auch alsbald naͤhern kauff gab und mir antwortete: Ich erken-
ne billich des Roͤmiſchen Feld Herrn Vorſchrifft/ bin auch nicht der Meynung/ mich euch/
als einem wolver dienten meines Vaterlandes/ zu wiederſetzen; weil ich aber gleich jetzo
einen auff der Gaſſe geſehen/ der mir dieſen Juͤngling vor leibeigen verkauft hat/ wil ich
ſchon wiſſen/ mich an ihm zuerhohlen. An dieſem/ ſagte ich/ werdet ihr wenig gewinnen/
als welcher in Roͤmiſchen dienſten/ und mein beſtalter Reuter-Faͤhndrich iſt/ ſehe auch
nicht/ wie ihr deſſen Urſach habt/ in dem ich mich ſchon erbohten die Gelder von dem mei-
nen willig zuerlegen/ und daß ihr euch nicht zubeſchweren habt/ wil ich alles/ was er an
Kleidern und Zehrung euch gekoſteſt/ vierdoppelt bezahlen/ damit ihr ſehen moͤget/ ihr habt
keinen Betler an ihm gehabt/ ſondern der euch mit allen euren Guͤtern von dem minſten-
teil ſeiner Auffkuͤnfte leicht eigen kauffen ſolte; werdet ihr euch nun willig finden laſſen/
koͤnnet ihr die Gelder ſtuͤndlich empfangen/ auff welchen fall ich nicht willens bin/ Kaͤyſerl.
Hocheit einigerley weiſe zubemuͤhen. Als er dieſes hoͤrete/ gab er zur Antwort; Ihr ſeid
ungezweiffelt ein redlicher Ritter/ und gebet eure Liebe zu eurem Oheim gnugſam an den
Tag; wie gerne ich nun gleich meinen Oedemeier behielte/ muͤſte mir doch von herzen leid
ſeyn/ daß ein ſo aͤdles Herz mit leibeigenſchaft weiteꝛs ſolte belegt werden/ wuꝛde mich auch
viel anders gegen ihn bezeiget haben/ wann ſeyn Hochaͤdler Stand/ an welchem ich gar
nicht zweiffele/ mir waͤhre bekant geweſen. Zwar was vor einen guten Willen ihm zube-
zeigen/
[200]Fuͤnftes Buch.
zeigen/ ich etliche Tage vorgehabt/ iſt unnoͤhtig/ und zu ſpaͤht zuerzaͤhlen; damit aber ich in
der Taht ſehen laſſe/ wie gewogen ich ihm bin/ ſo ſchenke ich ihm nicht allein ſeine Freyheit
ohn entgelt wieder/ ſondern er ſol von mir 8000 Kronen zur verehrung gewaͤrtig ſeyn;
damit ich verhoffe zuerſetzen/ was ich ehmahls verbrochen habe. Ich bedankete mich des
guten Willen/ und angebohtenen Geſchenks/ mit anzeige/ daß ich wol wuͤſte/ mein Freund/
deſſen ertichteter Nahme Oedemeier waͤhre/ ſolches nicht annehmen wuͤrde. Und weil
Ekhard mit 5000 Kronen ſich einſtellete/ ließ ich dieſelben Herkules zun fuͤſſen ſetzen/ und
ſagete zu ihm; Mein wirdigſter Bruder/ ſchaffe du hiemit deinen Willen. Fr. Sulpizia/
Herrn Zinna Gemahl kam auch hinzu gegangen/ und verwunderte ſich ſehr über dieſer
begebnis/ da Herkules dieſe Rede anfing: Hochgeehrter Herr Zinna/ auch tugendreiche
Fr. Sulpizia und Jungfer Zezilia; daß dieſe Zeit uͤber ich den Unfall meiner Knechtſchaft
geduldig ertragen/ iſt unter andern auch dieſe Urſach/ daß ihrer ſaͤmtlichen gewogenheit
ich wol genoſſen/ und faſt wie ein leiblich Kind gehalten bin; wovor ich mich dienſtlich be-
danke/ nebeſt dem erbieten/ ſchier dereins gelegenheit zu ſuchen/ was geſtalt ſolche woltah-
ten vergolten werden. Wann dann der allerhoͤchſte Gott es vor dißmahl alſo fuͤget/ daß
ich meine vorige Ritter- und adeliche Freyheit wieder antreten ſol/ und mein werter Herr
Zinna nicht allein darein williget/ ſondern mir dieſelbe ohn entgelt zuſtellet/ ſo erkenne ich
daher ſeine Gewogenheit umb ſo viel klaͤrer/ unter der Hoffnung/ mein Herr werde mir
verguͤnſtigen/ daß ich dieſes gegenwaͤrtige/ meinen hochwerten Freundinnen Fr. Sulpi-
zien/ und Jungfer Zezilien zum Gedaͤchtnis meiner geleiſteteten Dienſtbarkeit/ und nun-
mehr angebohtenen Freundſchaft einliefern moͤge. Reichete hiemit eineꝛ jeden einen Beu-
tel von 2500 Kronen mit dieſen Worten: Ich ihr bereitwilliger Diener/ bitte ſehr/ mir
dieſes geringe nicht außzuſchlagen/ auch da deren Willen ich wegen unvermoͤgens alle-
mahl nicht erfuͤllen koͤnnen/ großguͤnſtig zuuͤberſehen. Sie wegerten ſich deſſen aber/ biß
ich mit hinzutrat/ und Herrn Zinna freundlich erſuchete/ eine Vorbitte bey den lieben ſei-
nigen zutuhn/ daß ſie meinem Freunde die erſte Bitte in ſeiner wieder erlangeten Freyheit
nicht abſchlagen moͤchten; worauff ers gerne zuließ/ und die Frau alſo antwortete; Herr
Oedemeier; eure hoͤfliche Tugend hat nichts als gewogenheit verdienen koͤnnen; aber ſehꝛ
unguͤtlich hat er bey uns gehandelt/ daß er ſeinen Stand und Weſen ſo gar ungemeldet
gelaſſen. Es iſt geſchehen/ ſagte Herr Zinna/ und wuͤnſche ich nur/ daß das ergangene al-
lerdinge moͤge beyderſeits koͤnnen vergeſſen werden/ damit die folgende Freundſchaft deſto
gewiſſer beſtehe. Inzwiſchen reichete ich der Frauen und Jungfer zwey zimliche Kleinot
ein/ da Zinna/ ſeinen guten Willen ſehen zulaſſen/ der Tochter befahl/ ihres verſtorbenen
aͤlteſten Bruders beſtes Kleid Oedemeiern zu hohlen; welches ſie ihm mit dieſen Worten
einreichete: Sehet da Herr Oedemeier/ kleidet euch nun eurem Stande in etwas gemaͤß/
und erinnert euch eurer Schuld/ mit euch ſelbſt/ und zugleich mit mir abtrag zumachen/
daß ihr euch ſelbſt geſchmaͤhet/ und mich gehoͤhnet/ dann ich ſpuͤre wol/ daß ihr der Verlo-
bete nicht ſeid. Er aber empfing es mit hoher ehrerbietung/ welches wir etwas abgefernet
ſahen/ aber ihre Reden nicht hoͤren kunten; da er ihr geantwortet hatte: Er haͤtte ſich be-
fahret/ die Erkaͤntnis ſeines Standes moͤchte ihm ſchaͤdlich ſeyn/ und weil er ein ertichte-
ter Oedemeier geweſen/ haͤtte er ihm auch ſeines knechtiſchen Standes wirdige Eltern
tichten
[201]Fuͤnftes Buch.
tichten müſſen; ſonſt waͤhre er gewißlich ein Verlobeter; ging hierauff in eine Kammer/
und legete ſich daſelbſt an. Die Frau nahm ihren Abtrit/ die Mahlzeit anrichten zulaſſen;
und fragete Zinna nach unſers Kriegsheers Beſchaffenheit/ biß Herkules wieder kam/ uñ
nach ſeiner ehmaligen Fuͤrſtlichen Art daher trat; worüber die gute Jungfer ſich dermaſ-
ſen in ihn verliebete/ daß ſie die Flammen nicht bergen kunte/ und ihr Vater ſelbſt merkete/
daß des Herzen Feur ihr durch die Augen leuchtete; welcher mich ſehr baht/ ihm Oede-
meiers Stand etwas eigentlicher zuberichten/ weil er ſich allemahl vor einen Unaͤdlen aus-
geben; Worauff ich kuͤrzlich antwortete: Er wuͤrde ſeinem treflichen Verſtande nach/ ſol-
ches aus hochwichtigen Urſachen getahn haben; ſonſt moͤchte er mir glaͤuben/ daß er ein
ſehr vornehmer Teutſcher Herr waͤhre/ der in wenig Stunden viel tauſend Reuter ins
Feld ſühren koͤnte/ die ſeine angebohrne Untertahnen waͤhren; haͤtte auch ſchon eine Feld-
Herſchafft uͤber 40000 Mann bedienet/ wie jung er anzuſehen waͤhre. Ich haͤtte mich des
erſten billich vermuhten ſollen/ ſagte er/ dann alles ſein tuhn und vornehmen/ ſonderlich zu
Pferde/ ſtehet ihm ungleich anders/ als einem Bereiter an. Jungfer Zezilia hoͤrete meiner
Erzaͤhlung fleiſſig zu/ und meynete/ den Fiſch ſchon gefangen haben/ der groͤſſer als ihr gan-
zes Meer wahr. Bey der Mahlzeit wurden wir treflich bedienet/ inſonderheit von dem
Frauenzimmer/ ohn zweifel ihre Dankbarkeit an den Tag zugeben. Hernach noͤhtigte mich
Herkules/ ſeine Pferdezucht zubeſehen/ die er eine zeit her abgerichtet/ da ich im Mahrſtalle
alles dermaſſen ordentlich fand/ daß es nicht zuverbeſſern wahr; Es ſtunden 24 Reitpferde
allerhand Farben in der Ordnung/ welche/ wann er ihnen zurief/ zuwrinſchen/ und mit den
Fuͤſſen zukratzen anfingen/ und wahren Zinna vor 34000 Kronen nicht feile/ welcher ge-
ſtund/ daß er uͤber 40000 Kronen aus Pferden geloͤſet/ die ihm Oedemeier abgerichtet. Er
hatte es aber mit ſeiner Frauen und Tochter abgeredet/ daß ſie uns die drey beſten mit al-
lem Zubehoͤr ſchenketen/ welche wir auch zu dank annamen. Herkules kunte der guten Ze-
zilien nicht nach ihrem Willen ſtete Unterredung goͤnnen/ weil ich meinen Anteil auch an
ihm haben wolte/ und wahr uns nicht wenig verdrießlich/ daß man unſertwegen eine groſ-
ſe Gaͤſterey auf folgenden Tag anſtellen wolte/ welches abzuwehren/ wir vorgaben/ morgen
ſehr fruͤh nach dem Heer zureiſen/ weil ich nicht laͤnger Urlaub haͤtte. Bey dem Abend-
mahle ging das noͤhtigen wieder an/ und ſchenkete das Frauenzimmer uns ſchoͤne guͤldene
Ringe zum Gedaͤchtniß/ welches wir mit gleichmaͤſſigem vergolten. Hernach wolte man
uns in abſonderliche Schlafkammern legen/ und kunten wir kaum erhalten/ daß man uns
beyſammen ſchlaffen ließ. Ich erfuhr dieſe Nacht/ worinnen meines Herkules ſein Chri-
ſtentuhm beſtund/ da er etliche Stunden auff bloſſer Erde in ſeinem Gebeht verharrete/ und
vor die Erloͤſung von dem knechtiſchen Joche ſeinem Heyland dankete. Fruͤh morgens
machete Ekhard unſere Pferde fertig/ und ob man uns gleich auff das Fruͤhſtuͤk noͤhtigte/
wolten wir doch nicht einwilligen/ ſondern ritten weit zur Stadt hinein/ und legeten uns
bey einem Wirt/ Sabihn genand/ dz ſie von uns nichts erfahren ſolten. Ekhard muſte als-
bald nach Teutſchland/ und Herkules Eltern die Zeitung bringen/ daß er wieder frey/ und
mit mir von Rom ſchon hinweg waͤhre/ den ritterlichen uͤbungen nachzuſetzen. Er begehre-
te an ſeine Fr. Mutter abſonderlich/ ihm zuſchreiben/ wie ſein Herr Vater geſinnet/ und dz
auff den fall ſeines beharlichen Zorns/ ſie ihn mit jaͤhrlichem rittermaͤſſigem Unterhalt veꝛ-
c cſehen
[202]Fuͤnftes Buch.
ſehen moͤchte. Ich aber zog alsbald wieder nach dem Roͤmiſchen Lager/ und erhielt willige
Erlaſſung/ inſonderheit/ da ich aus freyen ſtuͤcken angelobete/ wider die Roͤmer nicht zudie-
nen; meine Leute aber muſten noch ein Jahr lang ſich verpflichten/ hernach ſolte ihnen der
Abzug frey ſtehen. Ich ſchrieb auch nach Prag/ man ſolte mir keine Gelder mehr nach A-
quileja uͤbermachen/ weil ich meinen Herkules wiedergefunden/ und mit ihm der Ritter-
ſchafft nachzoͤge/ wolte ſchon ſchreiben/ da ich etwas wuͤrde benoͤhtiget ſeyn; dieſes taht ich
zu dem Ende/ daß man mir nicht nachfragen ſolte/ weil ich uͤber eine Tonne Baarſchafft
und Kleinot bey hatte/ und eine zeitlang damit wol auskommen kunte. Ich bekam aber bey
Ekhard (deſſen Wiederkunfft ich im Lager erwartete) ein Schreiben an Herkules von ſei-
ner Fr. Mutter/ darin ſie ihm ſeines Herr Vaters beharlichen Zorn wegen ſeines neuen
Glaubens anzeigete/ und daß er von ihm erbloß gemacht waͤhre/ auf den fall er nicht wie-
derkehren/ und mit den Teutſchen Goͤttern ſich ausſoͤhnen wuͤrde; jedoch verſprach ſie ihm
alle Notturfft zur Reiſe nachzuſenden; und begab ich mich ſchleunig wieder nach Rom zu
meinem Herkules/ der mein ſchmerzlich wartete/ und lebeten wir wenig Tage in ſtiller ein-
gezogener Ruhe beyeinander/ biß wir nach Heilung unſer Wunden/ die uns von 16 verwaͤ-
genen Raͤub[e]rn in Rom geſchlagen wurden/ endlich Italien zubeſichtigen/ uns auſmache-
ten/ und nach Padua ritten/ woſelbſt ich durch Abenteur an mein jetziges Gemahl geriet/
und meine Frl. Schweſter auff der Reiſe nach meinem Beylager/ gefangen ward/ wel-
ches dieſe Laͤnder zubeſuchen uns hat veranlaſſet. Aber mein H. Bruder wolle miꝛ verzeihẽ/
ſagte er zu Artaxerxes/ daß ſeiner Liebe ich mit meiner ungeſtalten Erzaͤhlung ſo lange ver-
drießlich geweſen bin. Artaxerxes bedankete ſich des erzeigeten Willens der angenehmen
Erzaͤhlung/ und ordnete an/ daß ein zierlicher Tanz von dem Perſiſchen Frauenzimmer
muſte gehalten werden. Des folgenden Tages ward die Fuͤrſtliche Gaͤſterey viel koͤſtlicher
gehalten/ weil es zum Abzuge galt/ und fand ſich ein vornehmer Suſianiſcher Freyherr/
nahmens Phraatazes dabey/ der ſeinem Fuͤrſten 800 Reuter auf eigene Koſten zugeführet
hatte; derſelbe verliebete ſich in Fr. Statiren/ und weil Obriſter Bubazes ſein ſonderli-
cher Freund wahr/ machete er ſich an deſſen Liebſte Kleofis/ und baht/ ihm hierin behuͤlflich
zuſeyn; die es bald an die Groß Fuͤrſtin Valiſka brachte/ und dieſe an Fabius/ welcher nach
vermoͤgen bemuͤhet wahr/ ihre Ehre zubefodern/ uñ ihr traͤulich riet/ dieſes Gluͤk nicht aus-
zuſchlagen/ weil dergleichen Heyrahten nicht alle Tage vorfielen; und ob ſie zwar einwen-
dete/ daß ihr unmoͤglich waͤhre/ ihr Herz einem andern zuergeben/ welches den aͤdlen Kleon
in ſich gefaſſet haͤtte; redete er ihr doch ernſtlich zu/ ſie moͤchte ſich eines andern bedenken/
weil er vermaͤhlet waͤhre; Worauff ſie dann ſich erklaͤrete/ ſie wolte ihm Gewalt geben/ mit
ihr nach ſeinem Willen zuſchaffen/ doch daß der Freyer umb der Leute willen/ biß auf geen-
dete Trauer ſich mit der heimlichen Zuſage begnuͤgen lieſſe/ inſonderheit/ weil ſie von ihrem
Kleon ſich ſchwanger befuͤnde; worzu Fabius nicht ſonderlich liebe wahr/ und doch begeh-
rete/ daß ſie ihm die Frucht/ wann ſie etwas wuͤrde erwachſen ſeyn/ zuſchicken ſolte/ welches
ſie nach Verlauff zehn Jahr getraͤulich leiſtete/ da ſie ihm einen wolgeſchaffenen Sohn
uͤberſendete/ welcher nachgehends bey Herkuladiſla/ Herkules Sohn groſſe Traͤue ſehen
ließ/ und durch einen willigen Tod deſſen Leben rettete. Der verliebete Phraatazes ließ ſich
mit der Zuſage befriedigen/ und muß ihr hieſelbſt zum Ruhm nachgeſagt werden/ daß ſie
nicht
[203]Fuͤnftes Buch.
nicht allein ſich nachgehends in dieſer Ehe ehrlich und wol verhalten/ ſondern auch auf der
Groß Fuͤrſtin Fr. Klaren Raht/ den Chriſtlichen Glauben angenommen/ und in demſel-
ben gottſelig geſtorben iſt.


Am lezten Tage lieſſen die Morgenlaͤndiſche Fuͤrſten 200 ſtarke Pakwagen mit ge-
muͤnzetem Golde/ Kleinoten/ Perlen/ aͤdlen Steinen und allerhand koͤſtlichen ſeidenen Tuͤ-
chern beladen/ deren ſolten Leches ſechs; Neda/ Prinſla/ Klodius und Markus/ jedem 4/
ingeſamt 16/ geliefert werden; welche alle mit rohtem Tuch uͤberzogen wahren/ und die er-
ſten ſechſe vier Tonnen Schatz; die anderen ſechszehn/ acht Tonnen Schatz geladen hattẽ;
dabey fuͤnff Maul Eſel wahren/ deren jeder vor 4000 Kronen/ guͤldene und ſilberne Tuͤ-
cher; und vor 12000 Kronen Kleinot trugen. Die uͤbrigen Wagen wahren viel ſchoͤner
und anſehnlicher/ deren anfangs 24/ einerley Gattung/ mit braunem Sammet überzogen/
an denen der Nahme VRSVLA mit gruͤner Seide geſticket wahr/ und funden ſich gleich ſo
viel Maul Eſel dabey; hatten funffzig Tonnen an gemuͤnzetem Golde/ drey Tonnen Schaz
an guͤlden und ſilbern Tuͤchern/ und ſieben Tonnen an Kleinoten auff. Dieſen folgeten 70
Wagẽ mit rohtem Sam̃et uñ ſilbern Schnüren verbremet/ an welchẽ der Name SOPHIA
mit ſilbern Faͤden geſticket wahr/ und daruͤber ein guͤldenes Kroͤnichen. Hierauff wahren
160 Tonnen gepregtes Goldes/ 10 Tonnen an ſilbern und guͤldenen Tuͤchern/ und 20 Ton-
nen an Kleinoten/ jedoch daß 30 Kamehle davon auch ihren Teil zutragen hatten. Endlich
folgeten 84 Wagen mit gruͤnem Sammet bekleidet/ an welchen der Nahme VALISCA
mit einer guͤldenen Krohn von Goldfaͤden geſticket/ geſehen ward/ und dabey 40 Kameh-
le/ welche mit den vorgedachten gleichmaͤſſige Ladung hatten/ nur daß 30 Tonnen Baar-
ſchafft mehr darauff wahren/ welche Pharnabazus wegen des Fuͤrſtentuhms Suſiana
hinzu getahn hatte. Jeder Wage wahr mit ſechs Pferden beſpannet; die erſten 22 mit 132
Rappen; die andern 24 mit 144 Braunen; die dritten 70 mit 420 Apfelgrauen; die leztẽ
84 mit 504 Blaͤnken; da die erſten mit ſchwarzen Sam̃eten; die andern mit rohten Sam-
meten; die dritten mit ſilbernen; und die lezten mit guͤldenem Zeuge ausgeputzet wahren;
und hatten die Kamehl und Maul Eſel gleichen Zeug mit den Wagenpferden/ zu welchen
ſie gehoͤreten. Vor Gallus wurden keine Wagen beſtellet/ ſondern die Fuͤrſten lieſſen ihm
212000 Kronen einhaͤndigen/ wozu er ſchon 10 Tennen an Gold und Kleinoten beyeinan-
der hatte; dann weil er faſt mit allen Obriſten in bruͤderlicher Freundſchafft ſtund/ und die-
ſelben wuſten/ wie viel Herkules auf ihn hielt/ hatten ſie ihm ſehr groſſe Verehrungen ge-
tahn/ welches alles er auff 10 Wagen packete. Die beyden Sprachmeiſter Mardus und
Timokles bekahmen jeder eine Tonne Goldes/ und ſolches umb ihrer traͤuen Dienſte wil-
len/ da vorhin ſchon Timokles von Artaxerxes/ Phraortes und Pharnabazus ſtatlich be-
ſchenket wahr. Nach dem Mittagsmahl hielt Artaxerxes eine trefliche Dankrede an un-
ſere Helden/ daß ſie ihre Feld Herſchafft ſo wol verwaltet/ und ihnen den Sieg erſtritten/ ſo
daß in unterſchiedlichen Schlachten der Feinde uͤber 100000 gefangen/ uñ in die 500000
erſchlagen waͤhren/ welche Schlappe der Parthiſche Wuͤterich nicht leicht erſetzen wuͤrde/
weil ihre verſuchte Manſchafft mehrenteils drauf gangen. Hernach erzaͤhlete er/ was ge-
ſtalt er unſerer Helden erſte Kundſchafft erhalten/ da er unbekanter weiſe mit ihnen zu Ek-
batana geſtochen/ und von ihnen die Freundſchafft-Ringe gegen die ſeinen bekommen.
c c ijWeiters
[204]Fuͤnftes Buch.
Weiters bedankete er ſich wegen Hinterlaſſung der Teutſchen/ Boͤhmiſchen und Roͤmi-
ſchen Voͤlker/ und hielt zugleich an/ daß Arbianes moͤchte vergoͤnnet ſeyn/ 16000 Teutſche
und 4000 Boͤhmen zuwerben/ von denen 6000 die Schlacht Schwerter zu fuͤhren duͤch-
tig waͤhren/ wozu ihm gnugſame Werbungs Gelder ſolten mitgegeben werden. Schließ-
lich erinnerte er die Groß Fuͤrſtin Valiſka ihrer getahnen Zuſage/ die Fuͤrſtl. Geſelſchafft
einer Bitte zugewehren/ deſſen ſie/ dafern ſonſt ihre Liebe einige Gewogenheit zu ihnen
truͤge/ ungewegert ſeyn wolten/ und alle abſchlaͤgige Antwort vor einen Widerwillen hal-
ten; nehmlich/ es waͤhre eine Anzahl beladener Wagen/ und auff denſelben ein Zeichen
dankwilliges Gemuͤhts beygelegt/ deren ein Teil Ihrer Liebe ſelbſt; der ander/ Koͤnigin
Sophia; der dritte Fr. Urſulen/ Herrn Fabius Gemahl von den ſaͤmtlichen Fuͤrſten dar-
gebohten wuͤrden/ mit Bitte/ nicht allein ihren Anteil willig und geneigt anzunehmen/ ſon-
dern auch das uͤbrige/ hochgedachten Frauen unbeſchweret einzuhaͤndigen. Herkules gab
ihm eine leutſelige Antwort/ darinnen er das hohe Lob hoͤflich ablehnete/ ſich im Nahmen
ihrer aller vor empfangene Guttaht und Ehre bedankete/ und umb fernere Gewogenheit
baht/ nebeſt dem verſprechen/ daß die begehrten Voͤlker gern und willig ſolten ausgefolget
werden. Vor die ihren Gemahlen beigelegete Schenkungen bedankete er ſich hoch/ und
baht/ daß es bey einem ziemlichen gelaſſen werden moͤchte/ damit ſie nit uͤber zu groſſe an-
gewendete Koſten ſich zubeſchweren haͤttẽ; welches Valiſka mit einer zierlichen Rede wie-
derhohlete. Dieſen Abend teileten Tyriotes und Bubazes unter Ladiſla 300 Aedelknaben
vier Tonnen Goldes aus/ an Baarſchafft/ Ringen/ und ſchoͤnem ſeidenen Gewande zur
Kleidung mit ſilbern Verbreme/ welches auff drey Wagen gepacket ward/ weil mans
wegen der Eile nicht kunte verfertigen laſſen; und bekahmen die vier adeliche Frauen/ Li-
buſſa/ Euphroſyne/ Brela und Agatha von der Fuͤrſtin Barſene/ im Nahmen der Fuͤrſtli-
chen Verbuͤndnis/ jede 25000 Kronen zu Zehrgeld/ und etliche koͤſtliche Kleinot/ eins ſo
hoch geſchaͤtzet. Frau Statira haͤtte der Groß Fuͤrſtin und Herrn Fabius gerne ein wirdi-
ges Gedaͤchtniß gelaſſen/ und baht Kleofis/ ihr bey einem Kleinot Haͤndler auff eine Ton-
ne Goldes Glauben zumachen/ welche in wendig acht Wochen ſolte bezahlet werden; da-
vor nam ſie zwey Kleinot aus/ wickelte jedes abſonderlich in ein weiſſes ſeidenes Tuͤchlein/
und ſtellete es obgedachten beyden zu/ mit untertaͤhnigſter demuͤhtiger Bitte/ ſolches von
ihr gnaͤdigſt und willig anzunehmen; bedingete daneben/ wann durch Wiederſtattung es
ſolte vergolten werden/ müſte ſie es vor eine Verſchmaͤhung rechnen. Der groſſe Gama-
xus wahr nunmehr ſo weit geneſen/ daß er keines Arztes mehr bedurfſte/ aber die zubro-
chenen Glieder/ ſo ihm krum geheilet wurden/ damit er hinfuͤro zu den Waffen unduͤchtig
waͤhre/ wahren noch ſehr ſchwach. Sie lieſſen ihn auff den Saal bringen/ umb zuverneh-
men/ ob er ſich in ſeinen jetzigen Stand ſchicken koͤnte. Als er gefodert ward/ wegerte er
ſich zuerſcheinen/ biß man ihm die Ruhten zeigete/ die er ſchon ſechs mahl gekoſtet hatte;
da ging er endlich ſehr traurig mit. Er wahr als ein Narr gekleidet/ ganz bund von aller-
hand Farben; an der Seite hing ihm ein groſſer lederner Saͤbel/ und die Muͤtze ſahe einem
Helme gleich/ auff welcher ein Haſe einen lahmen Loͤuen peitſchete. Er ging Schwacheit
halber auff einer Kruͤcke/ die ihm unter dem Arme feſt gemachet wahr. Als er in den Saal
trat/ und die Fuͤrſten ſamt dem Frauenzimmer ſo koͤſtlich gekleidet ſahe/ erſchrak er nicht
wenig/
[205]Fuͤnftes Buch.
wenig/ und wuͤnſchete nichts als den Tod. Die Geſellſchafft hatte angelegt/ daß niemand
ſich an ihn kehren wolte/ nur etliche Knaben muſten ihr Affenwerk mit ihm treiben/ wel-
ches alles er gehen ließ/ als ſaͤhe ers nicht. Er ſahe im̃erzu gleiche ſaur vor ſich nider/ hatte
in einem offenen Winkel ſich angelehnet/ und ließ anfangs etliche Seuffzer gehen/ die uͤbeꝛ
den ganzen Saal gehoͤret wurden; endlich als die Knaben des Kinderſpiels zuviel mache-
ten/ und er ſich doch weder durffte noch kunte raͤchen/ fing er mit erſchreklicher Stimme
an zu heulen/ und ſagete: O du verteufelter Tod/ kanſt du dann Gamaxus nicht das
Herz abſtoſſen/ daß er dieſem unleidlichen Spot und Hohn entriſſen werde? Herku-
les und Valiſka traten ihm naͤher/ ſahen ihn an/ und hoffeten/ er wuͤrde umb Gna-
de bitten; aber er taht/ als ſaͤhe er ſie nicht; biß Valiſka zu ihm anfing: Du unbarm-
herziger graͤulicher Bluthund; womit hatte ich dich jemahls beleidiget/ daß du mei-
nen Liebſten Gemahl zuerwuͤrgen/ und mit ſeinem unſchuldigen Leichnam die Hunde und
Vogel ſpeiſen wolteſt? hat man auch deſſen einige Begebnis/ daß mit Fuͤrſtlichen Haͤup-
tern alſo verfahren waͤhre? oder wahreſtu ſo hoch beleidiget/ daß du hierzu gnugſame Ur-
ſach hatteſt? Gamaxus blickete ſie an/ betrachtete ihre volkommene Schonheit/ und gab
zur Antwort: O Koͤnig Artabanus/ ich halte euch nicht vor uͤbel/ daß ihr umb beſitzung
dieſer Schoͤnſten das aͤuſſerſte waget. Meineſtu das? antwortete ſie; aber ſage mir ja
hiervon kein Wort mehr/ wiltu ſonſt nicht geſtriechen ſeyn/ und gib mir Antwort auff mei-
ne Frage. Ich wahr bißher nicht anders gewohnet/ ſagte er/ als nach meinem Willen zu
handeln/ hatte auch dergleichen beſchimpfung/ ſo mir damahls begegnete/ noch nie auff
mich erſitzen laſſen. O du grobes Vieh/ antwortete Herkules/ kunteſtu dañ deinen Zuſtand
nicht erkennen daß du aus einer Baurhuͤtte hervor gekrochen wahreſt/ und bißdaher nach
Gottes verhaͤngnis durch deine Vihiſche Staͤrke nur gewuͤtet hatteſt/ welche ſich ja vor
Gott billich haͤtte fuͤrchten ſollen/ als du keinen Menſchen ſcheuheteſt. Seid ihr dañ Gott?
fragete er/ ſo ſoltet ihr mich mit Donner und Bliz/ und nicht mit dem tollen Pferde uͤber-
fallen haben/ des haͤttet ihr und ich Ehre gehabt. Jederman verwunderte ſich der Hal-
ſtarrigkeit/ und ſagte Herkules weiter; Nei[n]/ ich bin nicht Gott; aber Gott hat mich als
ſein Werkzeug gebrauchet/ daß du gezaͤhmet wuͤrdeſt. Doch ſage mir/ was wolteſtu mich
wol ſehen laſſen/ wann du meiner ſo maͤchtig waͤhreſt/ als ich deiner bin? Ich wolte dich in
hundert tauſend Stuͤcken zerhauen/ bruͤllete er überlaut; und biſtu ein redlicher Ritters-
mañ/ ſo tuhe mir deßgleichen. Du kanſt mich weder ſchelten noch zornig machen/ antwor-
tete Herkules/ und weil du ſo ungelernig biſt/ uñ durchaus keine Demuht faſſen kanſt/ muſtu
ſo lange geſtaͤupet werden/ biß dir der Baurenſtolz vergehet. Darauff ward er hinunter
geführet/ und ſo heftig geſtriechen/ daß er am ganzen Leibe rohe Fleiſch wahr/ da er endlich
umb Gnade baht/ und demuͤhtig zu werden angelobete.


Dieſen Abend kam Syſigambis Valiſken ehemahlige Parthiſche Hoffweiſterin
mit ihrem Sohn an/ fiel vor der Groß Fuͤrſtin nider/ und baht untertaͤhnigſt/ ihr gnaͤdig-
ſten Schuz bey Artaxerxes zuerwerben/ daß ſie ſicherheit vor Artabanus haͤtte. Valiſka
hub ſie von der Erden auff/ ließ ihr 12000 Kronen zaͤhlen/ und erhiel[t b]ey Pharnabazus/
daß er ihr Zeit ihres Lebens in ſeinem Frauenzimmer unterhaltung gab; ihr Sohn aber
nam bey Arbianes Dienſte/ und reiſete mit ihm nach Teutſchland. Auch offenbahrete Fr.
c c iijSapti-
[206]Fuͤnftes Buch.
Saptina ihrem Gemahl Phraortes/ was geſtalt Valiſka mit Arbianes eine Heyraht vor
haͤtte/ und wie er durch dz Bruſtbilde in Liebe gerahten waͤhre/ auch ohn zweifel ſich ſelbſt
darin wuͤrde verzehret haben/ dafern die Groß Fuͤrſtin ſein anliegen nicht ausgeforſchet/
welche ſchon ihre Geſanten nach Teutſchland geſchicket/ die Anwerbung zu tuhn; woruͤ-
ber Phraortes ſich hoͤchlich verwunderte/ und ſeinen Sohn gluͤkſelig pretſete/ dafern er in
ſolche trefliche Schwaͤgerſchafft gerahten ſolte; aber ihr habt uͤbel getahn/ ſagte er/ daß ihr
mir ſolches nicht zeitiger angemeldet/ damit man ihn mit wirdigen Geſchenken verſehen
moͤgen/ und er ſeine Macht uñ Herligkeit bey fremden koͤnte ſehen laſſen/ worzu dañ koſten
gehoͤren. Ja/ antwortete ſie meinet dann mein Groß Fuͤrſt/ daß Groß Fuͤrſtin Valiſka ihn
werde laſſen Mangel leiden? und wañ ſolches gleich nicht waͤhre/ ſo habe ich ihn mit Per-
len/ aͤdlen Steinen und Kleinoten dergeſtalt beſpicket/ daß er wol beſtehen ſol/ auch von
meinem Bruder zehn Tonnen Goldes gelihen/ und auff ſechs Wagen beygelegt. Phra-
ortes ruͤhmete ihre Vorſorge/ welche ſein Sohn nach ſeinem Tode unvergolten nicht laſ-
ſen wuͤrde. Des folgenden morgens wahren die unſern fruͤhzeitig wache/ lieſſen alle ihre
Wagen anſpannen/ und hinaus vor das Tohr bringen. Herkules und Ladiſla hatten 60
Wagen/ darauff ſie ihre Gelder/ Kleider und Sachen fuͤhreten/ nebeſt 30 Maul Eſeln und
12 Kamehlen. Fabius 12 Wagen/ neun Maul Eſel und vier Kamehle. Arbianes 12 Wa-
gen/ 12 Maul Eſel und ſechs Kamehle. Gallus 12 Wagen 10 Maul Eſel/ und zwey Ka-
mehle. Leches/ Neda und Prinſia ingeſamt 18 Wagen/ 20 Maul Eſel/ und ſechs Kamehle.
Klodius und Markus 12 Wagen 18 Maul Eſel und vier Kamehle. Die Teutſchen Voͤl-
ker 100 Wagen; die Boͤhmen gleich ſo viel/ wie auch die Roͤmer/ alle mit ſechs Pſerden
beſpañen. Hieruͤber wahren 26 Gutſchen welche den unſer zuſtunden/ auch jede mit ſechs
Pferden. Der Reitpferde wahren eine gute Anzahl. Herkules und Ladiſla hatten 280.
Fabius 34. Arbianes 30. Leches 20. Neda/ Prinſla/ Klodius/ Markus und Gallus/ jeder
16. Wahren ingeſamt 444 Reitpferde; 2712 Wagen- und Gutſchpferde; 34 Kamehle;
99 Maul Eſel. Bey jedem Wagen funden ſich zween Fuhrleute; bey jedem Kamehl zween
Leiter/ und bey jedem Maul Eſel einer; aber je zwey und zwey Reitpferde wurden von ei-
nem Diener gewartet/ die eines ritten und das andere an der Hand fuͤhreten; alle dieſe
Diener uñ Fuhrleute wahren gefangene Parthiſche Kriegsleute/ zu Leibeigenen gemacht/
und ihre anzahl 1293 Mann. Die 203 Pakwagen auff welchen der Morgenlaͤndiſchen
Fuͤrſten trefliche Geſchenke geladen wahren/ hielten hauſſen vor dem Groß Fuͤrſtlichen
Schloſſe/ ſamt den 29 Maul Eſeln und 70 Kamehlen/ denen nach obgedachter art Fuhr-
leute und Leiter zugegeben wahren/ an der Zahl 575 gefangene Parther/ welche alle dieſes
Zeichen  auff der linken Bruſt fuͤhreten. Es wahren die unſern der Meynung/ un-
geſſen auffzubrechen/ aber ſie muſten zuvor wieder ihren Willen das Fruͤhſtuͤk einnehmen/
ungeachtet noch 40 Wagen mit allerhand Speiſen/ und 16 mit koͤſtlichen Weinen ihnen
mit gegeben wurden. Bey der Mahlzeit trat ein Perſiſcher Magus oder Gelehrter vor
den Tiſch/ bedankete ſich gegen unſere Helden im Nahmen aller Gelehrten untertaͤhnigſt/
das durch ihr kraͤftiges Schwert ſie den kuͤnſten ſicheren Siz erworben/ und den endlichen
Untergang von ihnen abgewendet; wuͤnſchete ihnen Gluͤk und alle wolfahrt zur Reiſe/ uñ
reichte ihnen ein Lobgeticht ein/ in welchem er ruͤhmete/ daß eine neue Zuſammenkunfft
der
[207]Fuͤnftes Buch.
der dreyen Irreſternen oder Planeten/ als des Jupiter/ Mars/ und der Venus ihre Laͤn-
der beſchirmet/ und die Draͤuungen des grimmigen blutgierigen Saturn abgewen det
haͤtten/ und lautete alſo:


1 GLuͤkſeligs Land/ dem ſelbſt der Him̃el dienet/

Und floͤſſet ihm den reichen Stegen ein!

Was ſolcher Art nicht freudig iſt und gruͤnet/

Muß an ſich ſelbſt nicht Hellers-duͤchtig ſein.

O groſſer Gott/ du alles wunders vol/

Was haſtu doch an Perſenland erblicket/

Dz es nach wunſch mit deineꝛ Gunſt verſtricket/

Beſeliget und voller Luſt ſeyn ſol.

2 Es draͤuet uns Saturn der Menſchen-Wuͤrger/

Brand/ Raub uñ Mord/ verwuͤſtũg/ untergang.

Es galt ihm gleich/ Fuͤrſt aͤdler/ Bauer/ Buͤrgeꝛ/

Alt/ jung/ reich/ arm; wir fuͤhltẽ ſchon den zwãg/

Der wie ein Bliz auff uns hernieder ſchoß;

Der Henker wahr zu wuͤrgen ſchon geflieſſen/

Ganz Perſen mit Blutſtroͤhmen zubegieſſen;

So ging Saturn auff ihr’ Einwohner loß.

3 Sein groſſer Stolz wolt’ auch den Him̃el brechẽ;

Die Venus ſelbſt/ die Troz nicht leiden kan/

Hielt er in haft; den Jupiter zu ſchwaͤchen/

Und Mars darzu/ greiff er die Ruhten an.

O ſtolzer Tropf! darfſtu mit Goͤttern noch

Den ſchweren Streit vermaͤſſentlich aufnehmẽ/

Als wolteſtu ſie bendigen und zaͤhmen?

Iſt Narrenwerk/ ſie ſitzen viel zu hoch.

4 Ihꝛ Heldẽmuht empfand den Schimpf zu ſchweꝛ/

Deßwegen ſie zuſammenkunfft verſchrieben.

Bald griffen ſie ihn an mit ihrem Heer;

Des ward ſein Volk bey tauſend auffgerieben.

Er ſelber lieff/ (wie hinkend auch) davon/

Nicht anders als der Schuͤler vor der Ruhten/

Daß auch ſein Volk nicht kunte recht verbluten/

Das wahr Saturn des tollen Wuͤters Lohn.

5 O Perſenland/ jezt kanſtu froͤlich ruͤhmen/

Daß Venus ſelbſt/ daß Mars und Jupiter

Dich ſicher macht. So wil dir nun geziemen/

Daß du (es ſey jung/ alt/ Knecht oder Herr)

Den ſchoͤnen Dank anſtim̃eſt; ſprich nur frey/

Daß Noht und Tod/ durch huͤlffe dieſer Goͤtter/

In dem Saturn/ der Wuͤterige Spoͤtter

Gedaͤmpf et iſt/ von dir genommen ſey.

6 Ihr Kinder ihr/ ſpielt ihnen ſtets zu ehr en;

Ihr Muſen ſingt/ das Echo Wiederſchal

Vernehmlich ſey/ laſt keine Furcht euch wehren;

Trometer gebt auch euren ſtarken Hal.

Ihr Waͤlder/ wolt ihr dann die lezten ſeyn?

Riſch auf/ friſch auf! laſt euer Laub frey rauſchẽ

Die Fluͤſſe ſtehn vor freuden ſchon und lauſchẽ/

Umb/ ihren Klang zu ſtimmen mit darein.

7 Als lange Laub und Graß in Perſen grünet/

Die Sonne laͤufft/ der Monde waͤchſt und faͤlt/

Sol unſer Dank (der ſich jezt hat erkuͤhnet)

Ohn fehlen gehn biß an des Himmels Zelt.

O Venus/ Mars/ O Jupiter/ fahrt fort/

Den graͤulichen Saturn zu unterdruͤcken/

Daß Perſen er nicht moͤge gar erſticken/

Und in das Me er hinwerffen uͤber Bort.

8 Eur heller Glanz hat uns bißher beſchienen/

Jezt draͤuet ihr/ O weh! den Untergang.

Ach laſſet uns euch ferner noch auffdienen/

Volfuͤhret den wol angelegten Fang.

Zu ſtaͤubert/ was Saturn uns zum verdruß

Anſtifftet; bloß eur Nahme kan ihn daͤmpffen/

So dz ſein Schwert nit ſiegen mag noch kaͤmpfẽ/

Beſondern in der Scheide ſtecken muß.

Nach geendeter kurzen Mahlzeit ging es an den Auffbruch/ welches dem Frauen-
zimmer/ fonderlich Frr. Saptinen und Barſenen manniche Traͤhnen aus den Augen
drückete. Herkules hatte 50 Teutſchen; Ladiſla ſo viel Boͤhmen; Fabius 100 Roͤmer/ und
Arbianes 200 Meden/ welche mit ihnen biß in Teutſchland ſolten; uͤber dieſe muſten noch
6000/ gleichenteils Teutſche/ Boͤhmen und Roͤmer/ neben 8000 Meden und Perſen/ ſie
biß an die Roͤmiſchen Grenzen begleiten. Als ſie aus dem Saal in den innerſten Plaz kah-
men/ ſtund Artabanus Leib Elefante/ der in der Schlacht gefangen wahr/ in ſeiner beſten
Zier/ uͤber drey Tonnen Schaz am wert/ daſelbſt fertig/ und wahr ein Haͤußlein auff ihn
geſetzet/ von treflicher Arbeit/ in welchem 12 Menſchen ſich wol behelffen kunten. Naͤ-
heſt dabey eine Gutſche/ außwendig mit ſchwartzem Sammet uͤberzogen/ aber wann man
ſolches
[208]Fuͤnftes Buch.
ſolches hinweg nam/ glaͤnzete ſie aus- und inwendig von aͤdlen Steinen; der ganze be-
ſchlag wahr klammer Silber/ ſehr ſtark verguͤldet/ und gingen acht artige Schecken
einerley Geſtalt davor/ deren Schwaͤnze und Maͤhne biß an die Erde herunter hingen;
vier Gutſcher dabey/ wahren in guͤlden Stuͤk bekleidet/ und hatten trefliche Saͤbel an
der Seite/ dann ſie wahren Parthiſche gefangene von hohem Adel. Dieſes beydes
ward Frau Valiſken von Artaxerxes abſonderlich verehret. Im voͤrderen groſſen
Platze wahren neun ſchoͤne Gutſchen und 400 Handpferde mit allem Zubehoͤr/ davon La-
diſla/ Herkules und Valiſka 300; Fabius 30; Leches 20; die uͤbrigen fuͤnffe offtgenante
jeder 10 bekahmen; wie auch jeder eine Gutſche mit ſechs Pferden/ alles nach Unterſcheid
Standes nnd Gebuͤhr. Bey den Gutſchen wahren 18 Fuhrleute/ wie auch 200 bey den
Handpferden/ alle gefangene Parther. Auſſerhalb des Schloſſes traffen ſie die obgedach-
ten Wagen/ Kamehle und Maul Eſel an/ woruͤber ſie ſich hoͤchlich entſetzeten/ und ganz
ungehalten wahren/ ſo daß ſie ſchwuhren/ wann ſie ſolches ſolten gewuſt haben/ wolten ſie
heimlich davon gezogen ſeyn/ weil ſie ſich durch Woltaht gar zu heftig uͤberladen befuͤndẽ;
wiewol ſie nicht meineten/ daß ſo uͤbergroſſe Schaͤtze darauff waͤhren. Hier ging es nun
an ein Pauken/ Trometen und Freudengeſchrey/ daß keiner ſein eigen Wort vernehmen
kunte/ biß unſere drey Helden ſamt Fr. Valiſken und Arbianes auff den Elefanten ſteigen
wolten/ da Phraortes zu ihnen trat/ und einem jeden abſonderlich ſeinen Sohn vaͤterlich
anbefahl/ bey Fr. Valiſken aber zugleich anhielt/ ihm ein Fraͤulein ihres Gebluͤts/ da ers
wirdig/ zuzuſchanzen/ ob ſie gleich nur Herren Standes waͤhre; dann er wolte es vor ſeine
hoͤchſte Glükſeligkeit rechnen/ wann er mit dieſen trefflichen Fuͤrſten in Schwiegerſchafft
leben ſolte. Worauff ſie zur Antwort gab: Seine Liebe moͤchte des Sohns wegen unbe-
kuͤmmert ſeyn/ ſie haͤtte das Eiſen ſchon unter dem Hammer/ wie ſein Gemahl berichten
wuͤrde/ und ſolten ſie am gluͤklichen Fortgang nicht zweifeln. Die Morgenlaͤndiſche Fuͤr-
ſten hatten auch einen Elefanten bereiten laſſen/ auff welchen ſie mit Saptinen und Bar-
ſenen ſtiegen; dann ſie wolten die unſern auff drey Meilen begleiten/ und zogen in ſchoͤner
Ordnung daher/ biß ſie an die erſten Wagen (ſo voraus gangen wahren) anlangeten/ da
ſie ſich alle vergeſelſchaffteten/ daß ſie 629 Pakwagen/ 36 Gutſchen/ 104 Kamehle/ 128
Maul Eſel/ und 2290 Reitpferde bey ſich hatten; dann die geſamte Perſiſche Reuterey
hatten 400 von den beſten erbeuteten Pferden zuſammen bracht/ und ſie gleich wie Arta-
xerxes die vorigen/ ausgeteilet/ auch mit Parthiſchen Leitern verſehen. Vor obgedachten
Pakwagen und Gutſchen gingen 4000 Pferde (dann fuͤnff unter den Gutſchen wahren
mit achten beſpannet/ welche 16 Gutſcher hatten)/ und wahr die geſamte Anzahl der ge-
fangenen Parther 2500 Mann. Doch wurden unter die obgedachten Pakwagen die
Speiſe- und Weinwagen nicht mit gerechnet/ weil die unſern ſolche von den Roͤmiſchen
Grenzen wieder zuruͤcke ſendeten. Der groſſe Gamaxus/ wie wund er von den geſtrigen
Ruhten an ſeinem Leibe wahr/ muſte er doch in ſeinen bunten Narrenkleidern vor dem E-
lefanten her reiten/ da man ihm an jeden Arm eine groſſe Henkers Ruhte gebunden hatte/
auff daß er ſehen ſolte/ was vor Helden er vor Bettel Fuͤrſten geſcholten. Als ſie in dieſer
groſſen Herligkeit daher zogen/ gingen Fr. Valiſken die Augen uͤber/ und ſagete in Teut-
ſcher Sprache; O du Almaͤchtiger Gott/ was vor Gnade und Barmherzigkeit haſtu mir unwirdi-
gen
[209]Fuͤnftes Buch.
gen erzeiget! Ich ward von vier Raͤubern in dieſe Laͤnder gefuͤhret/ und ſo viel Fuͤrſten muͤſſen mich
wieder hinaus begleiten; Ich nahm Geld von einem Raͤuber auff Borg/ daß ich einen Nohtpfennig
haben moͤchte/ und nun fuͤhre ich des Landes Mark mit mir fort. Nun mein Heyland/ du haſt uns laſ-
ſen groß werden/ dein Segen hat uns reich gemacht/ deine Hand hat uns geſchuͤtzet/ dein Schutz hat
uns erhalten/ deine Huͤlffe hat alles allein getahn; unſere Ohmacht gekraͤfftiget/ unſere Gefaͤngniß
eroͤffnet/ unſere Bande zuriſſen/ unſere Feinde gedaͤmpffet/ und uns mit Guͤtern uͤberſchuͤttet. O ſo
fahre fort/ du kraͤfftiger Gott/ gutes zutuhn denen/ die dir vertrauen; gib daß wir in dieſem Gluͤcke
uns ja nicht uͤberheben/ ſondern in der Demuht verbleiben/ damit wir nicht von deiner Hand geſtuͤr-
zet werden; geleite und fuͤhre uns auff unſern Wegen/ daß ich und andere ungetauffte Chriſten/ die
bey uns ſind/ das gnadenreiche Bad der Suͤnden-Abwaſchung an dem Orte empfahen moͤgen/ da du
wegen unſer Suͤnde dich ſelbſt haſt wollen taͤuffen laſſen/ und gib uns deinen Heligen Geiſt/ daß wir
nach dieſer Abwaſchung uns ja nicht mit groben Suͤnden/ die wider dich und unſer Gewiſſen ſtreiten/
auffs neue beſudeln/ ſondern einen Chriſtlichen Wandel fuͤhren moͤgen/ in aller Gottſeligkeit und
Erbarkeit/ Amen; mein Heyland/ Amen.


Billich danken wir dem allerhoͤchſten Gott/ ſagete darauff Herkules/ und iſt unmoͤg-
lich/ daß wir deſſen unausſprechliche Gnade/ Schuz/ und Woltaht recht erkennen koͤnnen/
maſſen es unſern Verſtand uͤbertrifft/ und unſere Wirdigkeit weit uͤbergehet; doch wird
der grundguͤtige Gott mit uns ſchwachen Geduld tragen/ und wann wir nur den ſteiffen
Vorſaz/ ihm zudienen/ behalten/ und den Sünden taͤglich abſterben/ wird er uns ſeine Gna-
de nicht entzihen. In ſolchem Chriſtlichen Geſpraͤch gingen ſie fort/ biß ſie bey einer Stad
anlangeten/ woſelbſt ſie das Mittagsmahl ſchon des vorigen Tages hatten beſtellen laſſen;
blieben daſelbſt drey Stunden beyeinander/ namen hernach Abſcheid/ und zogen die Mor-
genlaͤndiſche wieder zuruͤk/ welche 4000 Reuter auf Herkules begehren mit ſich nach Per-
ſepolis nahmen. Ladiſla ordnete das Heer/ daß die Perſen den Vorzug haben/ die Roͤmer
bey den Wagen bleiben/ die Teutſchen und Boͤhmen aber von hinten zu und an beyden ſei-
ten ſchlieſſen muſten. Valiſka nam ihr Frauenzimmer zu ſich auff den Elefanten/ und tah-
ten unſere Helden ihr zwar bißweilen Geſelſchafft/ aber die meiſte Zeit ritten ſie. Fr. Sta-
tira reiſete mit ihnen fort/ biß an die Suſianiſchen Grenzen/ woſelbſt ſie Abſcheid nam/ und
ſich nach ihren Guͤtern hinmachete/ da ſie drey Wochen nach ihrer Heimkunfft eines un-
ehelichen Kindes genaß/ welches ſie Statikleon nennete/ und ſeinem Vater ſehr aͤhnlich
wahr/ ſo daß er ſeinen begangenen Fehler den ſeinen nicht verbergen kunte/ da er dieſen ſei-
nen Sohn von Statiren bekam; woruͤber zwar Fr. Urſul dieſes Weibes Unzucht verflu-
chete/ ihn aber ruͤhmete/ daß zur Rettung ſeines Lebens er eingewilliget/ weil er ohn das noch
ein Unglaͤubiger geweſen waͤhre. Orſillos erboht ſich biß ans Meer mit zureiten/ aber Fa-
bius ließ ihm ſolches nicht zu/ ſondern erhielt bey Statiren/ daß ſie ihn zum Verwalter und
Auffſeher über ihre Landguͤter annam. Als ſie bey dem Tigerfluſſe anlangeten/ und ihre
Manſchafft auſſer ihrer abſonderlichen Begleitung unter Wedekind/ Tyriotes und Bu-
bazes wieder zuruͤkſenden wolten/ erfuhren ſie/ daß Syſimithres 8000 Mann Fußvolk/
nicht weit von dannen/ beyſammen haͤtte/ und ſie nach Parthen fuͤhren wolte/ wurden der-
halben zu raht/ dieſem noch eine Mummen Schanze zubringen/ nahmen 5000 Reuter zu
ſich/ und traffen ſie des andeꝛn Tages im offenen Felde an/ gleich da ihnen das Gewehr ſolte
ausgeteilet werden; Sie umgaben dieſelben alsbald/ daß ſie nicht entfliehen kunten/ und
d dſich
[210]Fuͤnftes Buch.
ſich gefangen geben muſten/ da ſie alsbald in Perſiſchen aͤid genom̃en/ und von 2000 Reu-
tern nach Perſepolis begleitet wurden. Syſimithres wahr mit angepacket neben 50 Wer-
bern/ welche 20 Tonnen Schaz bey ſich fuͤhreten/ 12000 Reuter damit im Roͤmiſchen Ge-
biete zubeſtellen. Dieſe nam Herkules alle vor Leibeigene an/ und wurden von den Geldern
jedem Reuter durch die Bank 115 Kronen gegeben/ auch 33000 Kronen unter die Fuhr-
leute und Pferdeleiter/ ſie luſtig zumachen/ ausgeteilet/ und Syſimithres 1000 Kronen
zum Zehrgelde; die uͤbrige Halbſcheid/ als 10 Tonnen Goldes nam Valiſka zu ſich/ vor aꝛ-
me Chriſten/ da ſie welche antreffen wuͤrden. Sie foderte auch Syſimithres vor ſich/ rede-
te freundlich mit ihm/ und erteilete ihm einen Scheinbrief biß nach Parthen; befahl ihm
auch/ Koͤnig Artabanus ihretwegen zugruͤſſen/ und dz ſie numehr ihren Zug nach Teutſch-
land vorgenommen haͤtte. Ich bin eurem Koͤnige/ ſagte ſie/ allemahl in Ehren gewogen ge-
weſen/ aber nachdem er ſich unredlicher Stücke unterwunden/ und Gifftmiſcher ausge-
ſchicket hat/ habe ich nichts von ihm halten koͤnnen/ und moͤget euch wol verſichern/ daß er
ſich hiedurch bey ſeinen Feinden verhaſſeter/ als durch keine andere Beleidigung/ gemacht
hat; jedoch/ wil ich noch nicht unterlaſſen/ ihm das beſte zurahten/ nehmlich/ daß er in ſich
gehe/ ſeine geſchwaͤchete Macht erkenne/ von der vielfaͤltigen Unkeuſcheit abſtehe/ uñ in glei-
chem Stande mit andern Morgenlaͤndiſchen Fuͤrſten ſich halte/ ſonſt wird er nicht lange
mehr Koͤnig ſeyn. Koͤnte er nun ſeine Begierden einzwingen/ und umb Heyraht mit dem
Baktrianiſchen Fraͤulein anhalten/ wuͤrde er ſchier heut oder morgen erfahren/ wie traͤu-
lich mein Raht gemeynet ſey. Syſimithres bedankete ſich untertaͤhnigſt/ aller erzeigeten
Gnade/ und hielt inſtaͤndig an/ die Werbung an ſeinen Koͤnig/ ſchrifftlich aufzuſetzen; wel-
ches ſie ihr gefallen ließ/ doch daß er bey Ritterlichen Ehren verſprechen muſte/ nicht allein
dem Koͤnige ſolches getraͤulich einzuhaͤndigen/ ſondern den Inhalt auch den beyden Fuͤr-
ſten/ Vologeſes und Pakorus wiſſen zulaſſen/ denen Herkules ſehr freundlich ſchrieb/ und
ihnen koſtbahre Demant Ketten zum Gedaͤchtniß ſeiner Freundſchafſt uͤberſendete; ließ
alle Voͤlker mit Syſimithres zuruͤk nach Perſepolis gehen/ und behielt nur die obgedachten
400 Teutſchen/ Boͤhmen/ Roͤmer und Meden/ neben den 300 Boͤhmiſchen aͤdelknaben
bey ſich. Es unterſtunden ſich zu unterſchiedlichen mahlen etliche Parthiſche Fuhrleute
und Pferdeleiter auszureiſſen/ welche aber alle wieder ertappet/ erſchreklich gepruͤgelt/ und
an die Baͤume aufgeknuͤpffet wurden/ an der Zahl 29/ deren Stelle von den gefangenen
Parthiſchen Werbern wieder erſetzet ward. Weil ſich aber Herkules wegen ſeiner gerin-
gen Manſchaft eines algemeinen Aufſtandes von ihnen befahrete/ taht er ihnen die Ver-
heiſſung/ daß wann ſie ſich beſtaͤndig und traͤu bezeigeten/ wolte er ihnen eine viel groͤſſere
Gnade beweiſen/ als ſie ihnen nicht einbilden moͤchten; wuͤrde aber einer oder ander ſich
geluͤſten laſſen auszureiſſen/ ſolte derſelbe/ da er ertappet wuͤrde/ lebendig geſpieſſet/ und ſei-
ne ſechs naͤheſte Gefaͤrten/ darumb/ daß ſie ſeine Flucht nicht gehindert haͤtten/ ohn Gnade
aufgeknuͤpfet werden. Die lezte Draͤuung waͤhre gnug geweſen/ ſie inne zuhalten/ aber die
angebohtene Gnade machte ſie ſo freudig/ daß ſie bey geleiſtetem Fußfalle ſich erklaͤreten/
der Gnade abzuwarten/ und bey ihm zuleben und zuſterben. Sie ſetzeten ihre Reiſe ſtraͤnge
fort/ biß ſie uͤber den Eufrat kamen/ und Damaſkus in Syrien erreicheten/ dahin wir ſie in
guter Sicherheit und aller ehrliebendẽ Ergetzung wollen zihen laſſen/ uñ uns nach Teutſch-
land
[211]Fuͤnftes Buch.
land wenden/ umb nachzufragen/ wie es Groß Fuͤrſtin Valiſken ihren Geſanten/ Ruprecht
und Neklam ergangen.


Dieſelben ſeumeten auf ihrer Reiſe nicht/ ſegelten auch mit gutem Winde auff Bi-
ſanz/ jezo Konſtantinopel genennet/ und gingen von darab den naͤheſten Weg nach Teutſch-
land zu Pferde/ biß ſie Magdeburg/ Groß Fürſt Henrichs Schloß erreicheten/ welcher auf
die Jagt ausgeritten wahr; wurden doch von der Groß Fuͤrſtin und dem Fraͤulein wol
empfangen/ die ſich ſehr verwunderten/ daß dieſe von Valiſken/ welche ſie eine Groß Fuͤr-
ſtin der Teutſchen nenneten/ und von niemand anders mehr/ den Gruß uͤberbrachten; fra-
geten deswegen alsbald nach/ wie es Herkules und Ladiſla ginge/ und ob das Fraͤulein aus
ihrem Gefaͤngniß loßgemacht waͤhre. Worauff Neklam alles berichtete/ auch in was ho-
hen Ehren die unſern bey den Morgenlaͤndiſchen Fürſten waͤhren/ und man der Groß Fuͤꝛ-
ſtin ein treffliches Geld- und Volkreiches Fuͤrſtentuhm erbeigen geſchenket/ ſie aber daſſel-
be nicht behalten wollen/ ſondern es einem Perſiſchen Herrn wieder verehret/ weil Ihre
Durchl. bedacht waͤhre/ mit ihrem Gemahl ihr Lebẽ in Teutſchland zuſchlieſſen. Der groſ-
ſen Reichtuͤmer/ welche ſie zu Padua haͤtten/ und bey ſich fuͤhreten/ waͤhre keine Zahl. Daß
er aber ſeines gnaͤdigſten Koͤniges Ladiſla/ und Groß Fuͤrſten Herkules Gruß nicht mit-
braͤchte/ waͤhre die Urſach/ daß die Groß Fuͤrſtin ohn deren Vorbewuſt/ und auf dem Zuge
wider den Hauptfeind/ ſie abgeſchicket/ uñ ihnen etliche Schreiben überzubringen/ gnaͤdigſt
anbefohlen haͤtte; reichete auch der Groß Fürſtin das an ſie haltende/ gebuͤhrlich ein/ die es
begierig brach/ und folgende Worte laſe:


Der Durchleuchtigſten/ Großmaͤchtigſten Fuͤrſtin und Frauen/ Fr. Gertrud/ Groß Fuͤrſtin in
Teutſchland/ wuͤnſchet deroſelbten gehorſamſte Tochter Valiſka/ GOttes Barmherzigkeit und alle
Wolfahrt. Hoͤchſtgeliebete gnaͤdigſte Fr. Mutter; aus erfreulichem Herzen kan derſelben anzumel-
den ich nicht unterlaſſen/ wie daß nach unſers Almaͤchtigen Gottes ſonderbahre Wunderſchickung/ mit
dem Durchleuchtigſten Fuͤrſten und unvergleichlichen Helde/ Ihrem herzgeliebeten Sohn/ meinem
herzallerteureſten Schatze Herkules/ auff Anfoderung und begehren meines herzlieben Herrn Bru-
ders/ Koͤniges Ladiſla/ ich mich ehelich eingelaſſen/ und wir unſer Hochzeitfeſt auff dem Koͤniglichen
Perſiſchen Schloſſe mit Hoch Fuͤrſtlichem Pracht gehalten. Ob nun zwar ſolches hohen Gluͤckes ich
mich ſelbſt unwirdig ſchaͤtze/ und gerne geſtehe/ daß weder ich noch einige andere dieſes Ehegemahls
werr iſt/ ſo ehret und liebet er mich dannoch dermaſſen/ daß mir alle Vergeltungs-Mittel benommen
werden. Seine herrliche Tahten/ denen andere nicht zuvergleichen ſind/ und meine durch ihn gluͤklich-
verrichtete Erloͤſung wird Zeiger Neklam/ und ſein Gefaͤrte Ruprecht (denen wir den Adel-Stand
mitgeteilet) ausfuͤhrlich berichten koͤnnen. Mir zweifelt nicht/ euer muͤtterliches Herz werde unſere
ſelige Ehe gut heiſſen/ und vor ihre liebe Tochter mich annehmen/ als welche zeit meines Lebens kind-
lich zuehren und lieben ich nicht auffhoͤren wil. Die bewaͤgende Urſach/ die Botſchafft abgehen zulaſ-
ſen/ iſt meine herzallerliebſte Fraͤulein Schweſter/ Frl. Klara/ deren Wolfahrt mir nicht weniger als
meine ſelbſt eigene anlieget/ deſſen ich Gott zum Zeugen ruffe. Ach wie hat der treffliche junge Herr
Arbianes/ gebohrner Groß Fuͤrſt und einiger Erbe des groſſen Mediſchen Reichs/ ein Fuͤrſt von etwa
20 Jahren/ ſeines Lebens ein Held; wie hat derſelbe in meiner Frl. Schweſter Bruſtbildichen/ wel-
ches er ohngefehr von meiner Libuſſen kommen/ ſich ſo hefftig verliebet/ daß er weder Tag noch Nacht
ruhen kan/ und deswegen bey mir inbruͤnſtige Anſuchung getahn/ ihm dieſe hochgewuͤnſchte Heyraht
zuwerben Ich verſichere meine Fr. Mutter/ daß er an Tugend/ Herzhafft- und Froͤmmigkeit/ keinem
einigen Morgenlaͤndiſchen Fuͤrſten im geringſten bevor gibt/ und maͤchtig gnug waͤhre/ mit 2 oder
300000 Mann/ ihm ein Gemahl einzuhohlen. Iſt es nun/ daß dieſe meine erſte Bitte bey ihrem muͤt-
d d ijterli-
[212]Fuͤnftes Buch.
terlichen Herzen ſtat finden kan/ wil ich mich ſelbſt zu Pfande ſetzen/ daß meiner Frl. Schweſter dieſe
Heyraht ſehr wolſtaͤndig ſeyn wird. Meine Meynung iſt eben nicht/ daß das Beylager ſo ſchleunig
erfolgen ſolte/ nur daß der verliebete Fuͤrſt/ ſeiner auffrichtigen Liebe feſten Fuß ſetzen moͤge/ welcher
zu rechter Zeit ſich nach Groß Fuͤrſtlicher Wirdigkeit ſchon einſtellen/ und ſeinen Schatz/ den er tau-
ſend mahl hoͤher als ſich ſelbſt liebet/ gebuͤhrlich abhohlen wird Wegen der Ausſteur hat meine Fr.
Mutter ſich nicht zubekuͤmmern/ maſſen mein Gemahl und ich dergeſtalt von unſern groſſen Schaͤtzen
ſie verſehen wollen/ daß nie kein Teutſches Fraͤulein den zehnden Teil je einem Gemahl zugebracht
haben ſol. So wird auch hochgedachter Groß Fuͤrſtlicher junge Herr gegen meine Gnn. Eltern und
hochgeliebete Frl. Schweſter ſich alſo einzuſtellen und zubezeigen wiſſen/ daß verhoffentlich ſie alle-
ſamt daran gutes genuͤgen haben werden. Ich erwarte meiner Fr. Mutter gewierige Antwort/ und
empfehle dieſelbe der ſtarken Obhuet Gottes/ verbleibend/ weil ich lebe/ Euer Groß Fuͤrſtl. Hocheit
ganz ergebene gehorſame Tochter und Dienerin Valiſka.


Unter dem leſen lieffen ihr die Freuden Traͤhnen uͤber die Wangen/ und nachdem ſie
den Inhalt zum Ende gebracht/ fing ſie an: O du mein gewuͤnſchter Sohn! O meine aus-
erkohrne Fr. Tochter! Wann werde ich an euer hoͤchſtbegehreten Gegenwart mich erge-
tzen? Das Fraͤulein haͤtte des Schreibens Inhalt gerne gewuſt/ und wie ſie ihrer Frau
Mutter einige und liebe Tochter wahr/ die nicht bald ſündigen kunte/ baht ſie um Verguͤn-
ſtigung den Brief zuleſen/ welches ihr aber mit einem freundlichen lachen abgeſchlagen
ward/ unter dem einwenden/ ihr Herr Vater muͤſte ihn zuvor ſehen. Weil dann deſſen An-
kunfft ihr vermeldet ward/ ging ſie ihm entgegen/ und befahl dem Fraͤulein/ mit den Abge-
ſanten zuſprachen; Welche Gelegenheit Neklam nicht verabſeumen wolte/ und ſie alſo an-
redete: Durchleuchtigſtes Fraͤulein; die auch Durchteuchtigſte Groß Fuͤrſtin Fr. Va-
liſka laͤſſet Ihrer Gn. Schweſterlichen Gruß und Liebe durch mich unwirdigen entbieten/
hat mir auch ein hochvertrauliches Schreiben zugeſtellet/ Euer Gn. untertaͤhnigſt und in
groͤſter Geheim einzureichen/ dafern dieſelbe/ wie ſie gaͤnzlich hoffet/ es verborgen zuhalten
ſich verſprechen würde. Das Fraͤulein fragete/ vom wem dann der Brief aufgeſetzet waͤh-
re; und als er antwortete/ die Groß Fuͤrſtin ſelbſt haͤtte ihn geſchrieben/ auch dabey ange-
deutet/ er hielte eine Heimligkeit in ſich/ welche ihren Herr Bruder/ Groß Fuͤrſt Herkules
anginge; erklaͤrete ſie ſich; Ihre gebietende Fr. Schweſter moͤchte wol verſichert ſeyn/ daß
ihrem Herr Bruder Herkules zudienen/ ſie weder Muͤhe noch Gefahr ſcheuhen wolte/ da-
her er ihr den Brief kuͤhnlich moͤchte anvertrauen/ nachdem Ihrer Fr. Schweſter Willen
und Befehl zugeleben/ ſie bereit und ſchuldig waͤhre; nam auch das Schreiben ohn weite-
res bedenken zu ſich/ und ſteckete es biß auff bequeme Gelegenheit zuleſen/ in ihren Buſem.
Als die Groß Fuͤrſtin ihren Gemahl auff dem Obergange antraf/ und das offene Schrei-
ben in der Hand trug/ fragete er ſie/ was neuer Zeitung ſeine Fr. Schweſter aus Boͤhmẽ/
oder ihr Herr Bruder aus Schweden ihr zugeſchrieben haͤtte? aber ſie antwortete: Mei-
net mein Gemahl/ daß ich nirgend anders her Schreiben zugewarten habe? Nein trauen;
meine herzallerliebſte Fr. Tochter Valiſka/ meines teureſten Sohns Herkules Gemahl/
laͤſſet mich alhie ihre eigene Hand leſen/ und durch dieſelbe ihr ergebenes Tochterherz. Deꝛ
Groß Fuͤrſt verwunderte ſich dieſer Rede/ und fragete; was neues ſie dann ſchriebe. Wel-
ches er aber aus dem Briefe ſelbſt leſen muſte/ da er nach deſſen Endigung ſagete. Verzei-
het mir/ ihr Land Goͤtter/ daß ich eine lautere Unmoͤgligkeit bey mir befinde/ einen ſolchen
Sohn
[213]Fuͤnftes Buch.
Sohn dergeſtalt zuhaſſen/ wie ihrs durch die Pfaffen von mir fodert; O des groſſen Un-
gluͤks/ daß du der ganzen Welt ein Wunder wegen deiner Tugend und Manheit/ und dei-
nem Vaterlande/ ja das abſcheuhlich zuſagen/ deinen leiblichen Eltern ein Fluch uñ Gꝛaͤuel
ſeyn muſt! die doch ihr Leben vor deine Wolfahrt gerne zuſetzeten. Davor behuͤten ihn die
Goͤtter/ ſagte ſie; Er iſt mir trauẽ bißher noch in unverruͤcketer Liebe ein angenehmer Sohn
und kein Graͤuel geweſen. Und warumb ſolte ich mein Fleiſch und Blut haſſen/ welches
uͤber alle der meinen und ſeinen Ehre ſteiget/ und von aller Welt vor den vollkommenſten
und froͤmmeſten geprieſen wird? Meynet mein Gemahl/ daß ich den loſen Pfaffen aller-
dinge Glauben gebe? Wer weiß/ ob ſie ihre ſchaͤndliche Weiſſagungen nicht tichten/ umb
daß ſie fuͤrchten/ der ehrliebende Herkules werde ihnen den Muhtwillen beſalzen/ wann er
ſchier heut oder morgen wieder kommen ſolte; es hat ja noch kein Gott ſich bey uns ange-
meldet/ uñ einẽ ſolchen Fluch aus unſerm Sohn gemacht; ſo findet ſich auch kein Menſch/
der Zeitung von ihm einbringet/ daß er in abſcheulichen Sunden leben ſolte. Ein verdaͤch-
tiges werk iſt es/ dz die heilloſẽ Pfaffẽ von nichts als der Goͤtter Zorn plaudern; mein Sohn
mus ja deſſen warnehmẽ/ wie er ſich auch davor nit dz alleꝛgeringſte fuͤrchtet; uñ waͤre mein
Raht/ man goͤnnete ihm freien zutrit; haben dann die Goͤtter auff ihn zuſprechen/ werden
ſie ja ſo maͤchtig ſeyn/ und einem Juͤnglinge den Muht legen/ wann nur wir ſelbſt nicht
durch boßhaffte verleitung uns an unferm Sohn verſuͤndigen/ deſſen Lob und Preiß ſchon
in erſter Blüte allen Ruhm ſeiner Vorfahren veraͤchtlich machet; mein geliebter Gemahl
wird von den Geſanten hoͤren/ wie man ihn in der Fremde ehret/ und ihm groͤſſere uñ rei-
chere Fuͤrſtentuͤmer anbeut und ſchenket als ſein ganzes vaͤterliches Erbe/ nur daß ſie die-
ſes Ebenbilde der Tugend bey ſich behalten moͤchten; und wir grimmigen Woͤlffe verban-
nen ihn von uns/ ehe wir ihn als beklageten gehoͤret! mich wundert/ wie er noch an ſeine
Eltern und Vaterland/ ja an das undankbare Vaterland gedenken und es lieben kan.
Solte auch wol meine Furcht nicht vergeblich ſeyn/ daß etwa die Pfaffen und aͤdlen ſich
wieder ihn zuſam̃en verſchwoꝛen/ aus furcht/ eꝛ moͤchte den ehmahs empfangenẽ Schimpf
dereins raͤchen? Einmahl iſt gewiß/ daß ſie die Koͤpffe vielfaͤltig zuſammen ſtecken/ und
ihre groͤſte bemuͤhung iſt/ den einfaͤltigen Untertahnen einzubilden/ daß ſie ja bey ihren alten
Goͤttern bleiben/ und keine neue ſich auffdringen laſſen ſollen; welches unſer Sohn wol
nicht willens iſt. Zwar ich habe nicht luſt zu Krieg und Unfrieden; aber unterlieſſe ichs eu-
retwegen nicht/ ganz Schweden und Boͤhmen muͤſten ihm den Weg in Teutſchland oͤfnẽ/
und ihm den Groß Fuͤrſtlichen Stuel befeſtigen/ welchen er doch vor ſeines lieben Vaters
abſterbẽ nicht begehret. Schweiget O ſchweiget mein geliebtes Gemahl/ ſagte der Groß-
Fuͤrſt/ und laſſet ja ſolche Gedanken in eurem Herzen nimmermehr auffſteigen; ich werde
nach dieſem ſchon hierauff bedacht ſeyn/ wie mein Herkules ohn Krieg und Auffruhr ſein
Erbe behalte; vordißmahl muͤſſen wir uns wegen der vorgetragenen Heyraht beſinnen/
dann ich ſehe/ daß unſere liebe Tochter Valiſka zum hefftigſten darauf dringet. Wir haben
Zeit gnug/ antwortete ſie/ eine Erklaͤrung zu faſſen/ nachdem wir der Geſanten anbringen
außfuͤhrlicher werden vernommen haben. Gingen alſo miteinander auff das Gemach/
woſelbſt das Fraͤulein mit Neklam ſprachete. Ruprecht ſahe ihn hinein treten/ kuͤſſete ihm
die Hand/ und meldete Valiſken Gruß an/ da ihm der Groß Fuͤrſt fragete: Wie gehets/
d d iijmein
[214]Fuͤnftes Buch
mein Ruprecht uͤber Meer zu? gibts auch friſche Stoͤſſe? Ja etwas gnaͤdigſter Herr/ ant-
wortete er/ aber ungleich friſcher Geld; wiewol unſere Voͤlker dem Feinde/ der ſich uͤber
450000 Mann ſtark ſchrieb/ nebeſt andern Morgenlaͤndiſchen entgegen gingen/ da aus be-
fehl meiner gnaͤdigſten Groß Fuͤrſtin ich mit dieſer Geſelſchaft ſo eilig fort muſte/ daß mein
gnaͤdigſter Herr/ Groß Fuͤrſt Herkules deſſen nicht eins berichtet ward. Darauff fing er
an zuerzaͤhlen/ wie bey ihrer ankunfft ſie Frl. Valiſken aus Gobares Haͤnden loßgemacht/
den Raͤuber gefangen/ enthaͤuptet/ und ſein Fuͤrſtentuhm ihr geſchenket waͤhre/ welches
er mit ſonderlicher freude hoͤrete. Neklam brachte her nach eben denſelben Gruß an/ und
lieferte dem Groß Fuͤrſten auch ein Schreiben/ alſo lautend:


Großmaͤchtiger Herr und Vater; wegen unſers zuſtandes/ beruffe ich mich/ teils auff mein
an meine Gn. Fr. Mutter getahnes Schreiben/ teils auff meiner Abgeſanten muͤndliche Erzaͤhlung;
hoffe ihrer Hocheit wolergehen zuerfahren/ und die angenehme Antwort zuerhalten/ daß mein Vor-
trag wegen der Heyraht zwiſchen meiner Herzgeliebeten Frl. Schweſter/ Frl. Klaren/ und dem
Durchleuchtigſten Mediſchen Fuͤrſten Arbianes nicht unangenehm ſeyn werde/ wie ich dann von
grund meiner Seele nicht anders als darzu rahten kan; nicht allein/ daß hochgedachtes Fuͤrſten H.
Vater/ Groß Fuͤrſt Phraortes/ meines Herkules und meine eigene Wolfahrt nach hoͤchſtem vermoͤ-
gen geſucht und befodert/ ſondern der junge Fuͤrſt vor ſich ſelbſt wirdig gnug iſt/ des maͤchtigſten Koͤ-
niges Fraͤulein zu heyrahten; der dann meiner Frl. Schweſter zur erſten anzeige ſeines dienſterge-
benen Herzen etliche Kleinot uͤberſendet/ welche Zeiger dieſes Neklam einliefern wird. Vor die uns
zugeſchickete tapffere Voͤlker bedanke ich mich untertaͤhnig/ welches auch euer Gu. ergebener Sohn
Herkules nicht wuͤrde unterlaſſen haben/ wann nicht meiner Abgeſanten Reiſe ohn ſein Vorwiſſen
von mir angeſtellet waͤhre. Schließlich empfele meinen gnaͤdigſten Herr Vater dem getraͤuen Schuz
Gottes zu allem Groß Fuͤrſtlichen wolergehen/ als untertaͤhnigſt-gehorſamſte Tochter Valiſka.


Fraͤulein Klara merkete daß nichts ungenehmes in den Brieffen wahr/ daher ver-
langete ihr immer heftiger/ ſolches zu wiſſen/ und erſchrak nicht wenig/ als Neklam/ nach-
dem der Groß Fuͤrſt ſein Schreiben geleſen/ zu ihr trat/ und wie ihm befohlen wahr/ die
16 koͤſtliche Kleinot in einem zuſammen gelegeten ſeidenen/ mit den teureſten groſſen Per-
len reichlich beſticketen Tüchlein/ ihr alſo einreichete: Durchleuchtigſtes Fraͤulein; eure
Durchleuchtigkeit laͤſſet der auch Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtliche junge Herr/ Herr
Arbianes/ einiger Erbe des Mediſchen Reichs durch mich unwirdigen freundlichſt gruͤſ-
ſen/ und in anſehung der brüderlichen Vertrauligkeit/ welche er mit Groß Fuͤrſt Herkules
hat/ uͤberſendet er euer Durchl. dieſe Kleinet/ befihlet ſich und ſein Groß Fuͤrſtentuhm de-
roſelben guter Gewogenheit/ bittet/ das uͤbergeſchikte mit geneigetem Herzen und Haͤn-
den anzunehmen/ und ſich zu verſichern/ daß/ als lange er lebet/ ſeyn und bleiben wolle euer
Durchl. dienſtergebener gehorſamſter Knecht Arbianes; ſchlug hierauff das Tuͤchlein
vonander/ und ließ ihr die Kleinot ſehen. Das liebe fromme Fraͤulein wahr nicht allein
wegen des ihr bißher ungewoͤhnlichen anbringens/ ſondern auch des treflichen Glanzes
der wichtigen Demanten faſt nicht bey ihr ſelber/ durffte auch das angebohtene nicht be-
rühren/ ſondern gab zur Antwort: Guter Freund/ ich kenne ja dieſen gewaltigen Fuͤrſten
nicht/ der ſo demuͤhtige Worte und ſtolze Schenkungen mir vorbringen laͤſſet/ daß ich nit
weiß/ ob die Rede auff mich ziele/ und mir/ die fuͤnkelnde Kleinot anzunehmen/ geziemen
wolle/ ehe und bevor von meinen herzgeliebeten Eltern ich deſſen erlaͤubnis habe. Du haſt
wol
[215]Fuͤnftes Buch.
wol geredet/ ſagte ihr Herr Vater; weil es aber dir zur Unhoͤfligkeit koͤnte außgeleget weꝛ-
den/ wann du dieſem maͤchtigen Fürſten ſeine Schenkungen zuruͤk ſendeteſt/ ſoltu ſie mit
gebuͤhrlicher Ehrerbietigkeit annehmen; vielleicht eraͤuget ſich Gelegenheit/ es in andere
Wege zuerſetzen. Alſo wegerte ſie ſich ferner nicht/ nam die Kleinot zu ſich/ und ging hin/
ſie in ihr Laͤdichen einzuſchlieſſen/ woſelbſt ſie die von Herkules ehmahl geſchikte in eigener
verwahrung hatte. Der Schein dieſer koſtbahren Sachen hielt ſie eine gute weile auff in
der Beſchauung/ biß ſie des Schreibens in ihrem Buſem ſich erinnerte/ welches ſie ohn
ferneres Nachdenken brach/ und als ſie noch eines darinnen beſchloſſen fand/ auch mit den
Fingern leicht fuͤhlete/ daß etwas in demſelben verborgen wahr/ oͤffnete ſie auch dieſes/ ſa-
he den koͤſtlichen Ring/ und ſteckete ihn an den Finger/ des vorhabens/ alsbald hinzugehen/
und ihrer Fr. Mutter denſelben zuzeigen/ doch als ſie auff dem umbkehren wahr/ ſagete ſie
zu ſich ſelber; bin ich nicht einfaͤltig/ das geſchikte zu zeigen/ ehe ich den Brieff leſe? fing
alſo an/ Valiſken umbſchlag durchzuſehen/ und nach verleſung etlicher Zeilen ſagte ſie;
Ach ich armes Kind/ daß ich mich von dem Abgeſanten ſo liſtig habe hintergehen/ und die-
ſe Brieffe mir beybringen laſſen; Ach haͤtte ich ſie nur nicht erbrochen/ alsdann koͤnte ich
ſie meinen Eltern ohn einigen Verdacht zuſtellen. Hierauff wahr ſie willens/ alle beyde un-
geleſen zuzerreiſſen; bald bedachte ſie ſich/ es waͤhre beſſer/ ſie den Eltern einzuhaͤndigen;
Und als ihr Valiſken harte Vermahnung einfiel/ daß alles in geheim ſolte gehalten wer-
den/ wolte ihr dieſes auch nicht gefallen/ damit ſie ihre Fr. Schwaͤgerin nicht erzuͤrnete;
doch muſte ſich Neklam abermahl rechtſchaffen außſchelten laſſen. O du betrieglicher
Fuchs/ ſagte ſie/ iſt dirs ſo groſſe Ehre/ daß du mich dergeſtalt geaͤffet und hinter das Licht
gefuͤhret haſt? Aber/ ſagte ſie bald darauff/ vielleicht iſt ihm des Brieffes Inhalt verbor-
gen/ uñ zuͤrne unbillich auff ihn. In ſolchem zweiffelmuht wahr ſie bey einer Viertelſtun-
de begriffen/ ehe ſie ſich erklaͤren kunte/ was ſie tuhn wolte/ biß ihꝛ endlich der Muht wuchs/
daß ſie ſich alſo auredete; vor wem fuͤrchteſtu dich mein Herz/ daß du zweiffels nicht ab-
kommen kanſt? iſt doch weder der Fuͤrſt ſelbſten noch meine Fr. Schweſter gegenwaͤrtig.
Wendete damit die augen auff den Ring/ und dauchte ſie/ nie ſo treflichen Stein geſehen
haben/ maſſen er nicht anders funkelte als ein klarer Stern/ und doch zugleich an ſtat eines
reinen Spiegels dienete. Ey ſo wil ich meiner Fr. Schweſter Schreiben zu Ende leſen/
ſagte ſie/ demnach ich nicht glaͤuben kan/ daß ſie mir ichtwas unbilliches zumuhten ſolte;
durchſahe alles mit guter bedachtſamkeit/ und fand folgende Worte:


Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ herzgeliebtes Schweſterchen; vor erſt zweiffelt mir nicht/ eure
Liebe werde die Zuver ſicht zu mir tragen/ daß derſelben ich von ganzem Herzen wie mir ſelbſt gewo-
gen bin/ wozu mich die gedoppelte nahe Anverwandſchafft treibet/ und ſie daher ferner leicht ſchlieſ-
ſen kan/ das ihr Gluͤk und Wolfahrt zubefodern/ ich mir aͤuſſerſt werde laſſen augelegen ſeyn. Wann
dann nun der Durchleuchtigſte Fuͤrſt Arbianes/ Groß Fuͤrſt und einiger Erbe des gewaltigen Medi-
ſchen Reichs/ ein Fuͤrſt von 20 Jahren/ durch den bloſſen Anblik euer Liebe Bruſtbildichens (welches
ſie meiner Libuſſen geſchenket) ſich dermaſſen in ihre Schoͤnheit verliebet hat. (Hier hielt ſie ein/
ſich vor folgendes gar zu hart fuͤrchtend/ wagete es doch endlich/ und laſe weiter) daß er ſei-
ne einige Luſt und Freude auff die Beſchauung ihres holdſeligen abgemahleten Angeſichtes geſetzet/
und ſolches nicht anders als eine Goͤttin ehret/ auch nichts mehr wuͤnſchet/ als in ihrer Liebe Dienſtẽ
zuſterben Als habe zu Abwendung ſeines aͤuſſerſten Verderbens nicht umhin koͤnnen/ an Eure Liebe/
und
[216]Fuͤnftes Buch.
und dero herzgeliebete Eltern zuſchreiben/ umb zuvernehmen/ ob Euer Liebe Herr Vater und Frau
Mutter in ſolche Heyraht gehehlen/ auch ſie ſelbſt einem ſolchen wirdigen Fuͤrſten ihr Herz goͤnnen/
und in demſelbẽ ihm die Wohnung einraͤumen koͤñen. Ich ruffe Gott zu Zeugen/ dz ich nicht das aller-
geringſte meines Eigennutzes hierunter ſuche/ ohn was Euer Liebe Wolfahrt halber mir zuſtoſſen
kan. Bitte demnach/ mir unter Schweſterlicher Traͤue in geheim anzudeuten/ ob Eure Liebe dieſem
herzinbruͤnſtigen Anſuchen ſtat zugeben/ und dem hochverliebeten Fuͤrſten durch genehme Antwort
ſeine bißher gefuͤhrete Schwermuͤhtigkeit zulindern ſich bereden koͤnne/ wie deſſen ich ungezweifelt[e]
Hoffnung trage/ und ſie dem gewaltigen Gott in ſeinem Schutz empfehlen wil/ als die ich zeit mei-
nes Lebens verbleibe/ Euer Liebe getraͤueſte und ergebene Schweſter Valiſka.


Ach ihr Goͤtter/ ſagte ſie bey ſich ſelber; ſol ich dann lieben/ ehe ich unterrichtet bin/
was lieben heiſſe? Libuſſa/ Libuſſa! ich haͤtte mich deſſen zu euch nicht verſehen/ daß ihr mit
meinem unachtſamen Bildniß mir ſo groſſen Kummer machen wuͤrdet. Jezt gedachte ſie
auff den andern Brief/ aus welchem ſie den Ring genommen/ und ſagte: Ey lieber/ wer
muß doch dieſes geſchrieben haben? Etwa mein herzallerliebſter Herr Bruder/ Herkules;
oder mein geliebter Oheim und Bruder Koͤnig Ladiſla? deren einer mir ohn zweifel den
koͤſtlichen Ring wird zugeſchicket haben. Dann des fremden Fuͤrſten wegen ſind mir ſchon
ſo teurbare Sachen zugeſtellet. Sie kuckete zuunterſt in den Brief/ den untergezeichneten
Namen zuſehen/ da ſie dieſe Worte fand: Euer Durchl unwirdigem/ doch biß in den Tod bereit-
willigſtem Knechte Arbianes. O weh mir/ ſagte ſie/ daß dieſer Brief geoͤffnet iſt/ welchen ich ja
meiner Fr. Schweſter unverſehret haͤtte koͤnnen zuruͤk ſenden; woꝛaus meine Jungfraͤuli-
che Zucht ihr waͤre kund getahn. Aber du unbedachtſame Hand/ ſagete ſie zu ihreꝛ Rechten/
haſt mir dieſe Angſt zugerichtet. Wie hefftig ſie nun mit ſich ſelbſten ſchalt/ begunte doch dz
auffrichtige Herz verlangen zutragen/ ob er auch in ſeinem ſelbſteigenen Schreiben ſo ver-
liebet waͤhre/ als Valiſka ihn machete; begab ſich in einen Winkel/ um/ ſich vor ſich ſelbſt zu
verbergen/ und verſuchete/ ob ihre Schahm zugeben koͤnte/ eines Verliebeten Brief zuleſen/
deſſen Inhalt in Lateiniſcher Sprache dieſer wahr: Der/ welcher die Vollkommenheit der
trefflichſten Fraͤulein dieſer Unterwelt anbehtet/ ſtraffet ſich ſelbſt der dumkuͤhnen Verwaͤgenheit/ wel-
che er durch Anſetzung ſeiner frevelmuͤhtigen Feder begehet; wuͤrde auch nimmermehr ſo viel herzens
haben/ nur deren Bildniß anzuſchauen/ die faſt hoͤher ſcheinet/ als daß ſie unter das irdiſche ſolte ge-
rechnet werden; wann er ſich nicht gruͤndete auff das Mitleiden/ welches die volkommene Tugend al-
lemahl mit den Unverſtaͤndigen traͤget. Sonne der Teutſchen Welt/ wie hefftig brennen eure Strah-
len die jenigen/ die ſich duͤrffen geluͤſten laſſen/ mit ihren gar zu bloͤden Augen in dieſes flam̃ichte Licht
hinein zuſchauen; welches der geblendete Arbianes zwar bekennen muß/ aber das wenige uͤbrige ſei-
nes faſt erloſchenen Geſichtes lieber zuſetzen/ als von dieſem gar zu angenehmen Luſt-Himmel ab-
kehren wil. Verzeihet Durchleuchtigſtes Fraͤulein Klara/ eurem Knechte/ (O wehe mir/ ſagte
ſie bey Verleſung ihres Nahmens/ woher kommen mir Unwirdigen ſolche gar zu hohe Eh-
renbenennungen/ daß ich mich der Sonnen vergleichen laſſen muß/ und dem allerdunkel-
ſten Sterne die Wage nicht halten kan; und was zeihet ſich dieſer groſſe Fuͤrſt/ daß er ſich
ſo unzimlich vor mir demuͤhtiget? Doch laſe ſie dieſe Worte noch einmahl/ umb den rech-
ten Verſtand zufaſſen) Verzeihet/ Durchleuchtigſtes Fraͤulein Klara/ eurem Knechte/ welcher
durch alle Liebesangſt gepeiniget/ und auff der Folter der hunderttauſendfachen Begierden ausgedeh-
net/ vor der grauſamen Anſtraͤngerin und Peinigerin (die Verzweifelung meyneter) ſeine Miſſetaht
auszubeichten gedrungen wird/ und durchaus keinen andern Richter leiden kan/ als den Ausſpruch
Euer
[217]Fuͤnftes Buch.
Euer Durchleuchtigkeit/ welche/ da ſie ihrer Wirdigkeit den Stab reichen wird/ muß er freylich uͤber
meine Seele gebrochen werden; ſolte aber (O Gluͤk!) das Hoch Fuͤrſtliche Mitleiden ſich auff den
Richterſtuel ſetzen wollen/ wuͤrde mir verhoffentlich/ ſo viel Gnade begegnen/ daß einige Hoffnung
annoch uͤberbleiben koͤnte/ Euer Durchl. unwirdigem/ doch biß in den Tod bereitwilligſtem Knechte
Arbianes.


O daß dich ja kein Menſch mehr ſehe/ ſagte ſie zu dem Briefe/ ich doͤrffte ſonſt meine
Augen foͤrder vor niemand auffſchlagen; legte ihn wieder zuſammen/ und ging hin/ ihn in
das naͤheſte Feur zuwerffen; aber da ſie hinzu trat dauchte ſie/ es haͤtte ſie jemand zuruͤcke
gezogen; ja ſie meynete nicht anders/ als laͤge ein kleines Bildichen (wie etwa dieſer Fuͤrſt
ausſehen moͤchte) in der Gluht/ welches mit betruͤbten Augen umb Huͤlffe anſuchete; zuͤc-
kete demnach/ und wolte ihn in den Buſem ſtecken/ aber ſie fuͤrchtete ſich/ der klagende Ar-
bianes ſaͤſſe leibhafftig drinnen/ und wuͤrde zugleich mit hinein fahren. O ſagte ſie/ in was
Angſt bin ich! wo laſſe ich doch dieſes Schreiben/ welches ich weder verbergen noch hin-
weg werffen kan? Als ſie aber ihren Herꝛ Vater von ferne daher kommen ſahe/ fuhr ſie ohn
weiteres bedenken damit zum Buſem hinein/ und nam ſich durchaus keines Dinges an.
Der Groß Fuͤrſt hatte inzwiſchen ſeinem Marſchalk befohlen/ den Geſantẽ guͤtlich zutuhn/
und wahr mit ſeinem Gemahl hingangen/ ſich mit ihr zubereden/ da er ihr offenbahrete/ wz
geſtalt der Wendiſche Fuͤrſt vor dreyen Wochen an ihn geſchrieben/ und ſeines Sohns
wegen umb eine Heyraht mit ſeiner Tochter angehalten; dem er zwar keine ausdruͤkliche
Zuſage/ aber auch keine gar abſchlaͤgige Antwort erteilet/ ſondern ſeines lieben Kindes Ju-
gend eingewand/ und daß er mit ſeiner Fr. Schweſter der Koͤnigin in Boͤhmen es zuvor
bereden wolte. Das wil ich ja nimmermehr hoffen/ antwortete ſie/ daß mein geliebtes Kind
dem Erz Raͤuber zuteile werden ſolte; dann was hoͤret man von Krito dem Wenden/ und
ſeinem Sohn Gotſchalk anders/ als daß ſie zu Waſſer und Lande die Wege unſicher ma-
chen/ und die Kauffleute uͤberfallen/ ſo daß faſt alle Handlung nidergeleget iſt; Ich wil nit
ſagen/ wie ſchaͤndlich dieſer junge Raͤuber ſol zugerichtet ſeyn/ daß er nicht allein am linken
Arme lahm/ und am rechten Beine hinkend/ ſondern darzu auch einaͤugig iſt. Solches iſt
ihm nicht ſchimpflich vorzuwerffen/ ſagte der Groß Fuͤrſt/ dann er hats im Gefechte von
ſeinen Feinden bekommen. Ja auf dem Straſſenraube antwortete ſie/ da ihn die Kaufleu-
te ertappet/ und gebuͤhrlich abgeſtraffet haben; Wil demnach nimmetmehr hoffen/ dz mein
Gemahl dergeſtalt unſer Kind verrahten/ und in die tiefſte Ungluͤkspfuͤtze ſtuͤrzen wolle/ wel-
che/ ungeachtet ihrer frommen Einfalt/ hierin nimmermehr gehehlen wird. Es iſt noch we-
der ja noch nein geſprochen/ ſagte er; aber meynet ihr/ daß der jetzige Vorſchlag beſſer ſeyn
werde/ da wir unſere Tochter einen ſo fernen Weg uͤber Meer in fremde Landſchafften ſchi-
cken muͤſſen? Warumb nicht/ antwortete ſie; es iſt beſſer tauſend Meilenüber Feld nach
Ehren auszihen/ als vor der Tuͤhr in Schande leben; ſo wiſſen wir ohndas/ daß wir unſere
liebe Tochter nicht ſtets bey uns behalten koͤnnen/ und wuͤrde unſere Fr. Tochter Valiſka
uns hierzu nicht rahten/ wann es uns irgend verweißlich ſeyn koͤnte. Ich wil euch hierin e-
ben ſo hart nicht zuwider ſeyn/ ſagte er/ aber voͤllige Verheiſſung von mir zugeben/ bin ich
nicht willens; Iſt es ihm dann Ernſt/ wird er auff eine ziemliche Hoffnung ſchon weiter
anhalten; Sie iſt noch jung/ und etwa von 15 Jahren/ auch der Freyer in dem Alter/ da er
e ebillich
[218]Fuͤnftes Buch.
billich noch nicht auff Heyraht gedenken ſolte; aber es iſt ja leider jezt die Zeit/ daß Kinder
freyen/ wie uns deſſen unſer Herkules und ſein Gemahl Beyſpiels gnug ſind. Jung ge-
freyet/ antwortete ſie/ hat niemand gereuet/ wann es nur wol getroffen iſt; doch koͤnnen ſie
es beyderſeits noch eine zeitlang anſehen/ weil weder dem jungen Herrn der Bart ſo bald
ausfallen/ noch unſer Tochter das Haͤupt grauen wird. Auf dieſen gemachten Schluß
gingen ſie vonander/ dann es wahr ſchier Zeit/ die Abendſpeiſe einzunehmen; doch ſolte die
Mutter ihrer Tochter Sinn ein wenig erforſchen/ welche ſie zu ſich fodern ließ/ und zu ihr
ſagete: Allerliebſtes Kind/ wie gefallen dir die Kleinot/ welche der treffliche Groß Fuͤrſt aus
Meden dir geſchenket; ich halte gaͤnzlich davor/ er ſtehe in den Gedanken einer kuͤnfftigen
Heyraht. Das liebe Fraͤulein erroͤhtete hieruͤber/ und antwortete: Herzen Fr. Mutter;
wie ſolte dieſer Fuͤrſt deſſen geſinnet ſeyn/ nachdem er mich ſo gar nicht kennet/ auch der
Brauch nicht iſt/ daß die Fuͤrſten aus den weitabgelegenen reichen Morgenlaͤndern ihre
Gemahlen aus Teutſchland hohlen; doch wie dem allen/ ſo bin ich noch ein Kind/ und habe
etliche Jahr dahin/ ehe ich auff ſolche Sachen gedenken muß. Es iſt nichts neues/ antwor-
tete die Mutter/ daß Fuͤrſt- und Koͤnigliche Fraͤulein in kindlichen Jahren/ und wol in den
Windeln verlobet werden/ welcher Kindheit du ſchon entgangen biſt; Wann aber dieſer
Fuͤrſt nach dir wuͤrbe/ und deine Eltern und Bruͤder/ auch Fr. Schweſter Valiſka es vor
gut anſaͤhen/ wuͤrdeſtu ja mit ſolchem Gluͤk koͤnnen friedlich ſeyn/ nachdemmahl Fuͤrſtliche
Fraͤulein nicht allemahl ihren Eltern in der naͤhe bleiben koͤnnen. Die Tochter hoͤrete ſie
wol gehen/ ſcheuhete ſich aber zubekennen/ dz ſie zimliche Neigung in ihrer Seele empfand/
und gab zur Antwort: Sie verſtuͤnde dieſes nicht/ und lieſſe billich ihre liebe Eltern ſorgen/
was denen dermahleins gefallen wuͤrde/ muͤſte ſie ſich mit belieben laſſen; doch haͤtte es ja
keine Eile hiemit. Es moͤchte auch wol Eile haben/ ſagte ſie; dann ich gebe dir in hohem
Vertrauen zuwiſſen/ daß der hinkende/ lahme/ einaͤugige/ Wendiſche Gotſchalk Anſchlaͤge
auf dich machen darff. Davor behuͤten mich die Goͤtter/ antwortete ſie/ viel lieber wolte ich
mich durch Raͤuberhaͤnde/ wie meine Fr. Schweſter/ ans Ende der Welt ſchleppen/ als
dieſem mich ehelich zufuͤhren laſſen. Der Meynung bin ich auch/ antwortete die Mutter;
und iſt demnach am ſicherſten/ daß du beyzeiten verſprochen werdeſt/ auf daß dieſeꝛ und an-
dere ſeines gleichen dich unbemuͤhet laſſen. Ich hoffe ja nicht/ ſagte das Fraͤulein/ daß mich
einiger Menſch wider meiner lieben Eltern Willen zum Gemahl fodern koͤnte; ſo bin ich
auch der Schoͤnheit nicht/ daß die jungen Fuͤrſten ſich um mich rauffen und ſchlagen wer-
den/ wiewol ich mich dannoch dieſem Raͤuber Gotſchalk viel zu ſchoͤn und aͤdel ſchaͤtze. Voꝛ
dem ſoltu nunmehr wol geſichert bleiben/ ſagte die Mutter/ aber dem Mediſchen Fuͤrſten
muß billich etwas gewiſſes zur Antwort werden; dann aus des Abgeſanten Rede erſchei-
net gnug/ mit was Vorſaz er umgehe/ welches auch Frau Valiſka ausdrüklich ſchreibet.
Hier ſchwieg das Fraͤulein ſtok ſtille/ kunte kein Ja/ und wolte kein Nein ſagen/ ſondern blieb
dabey/ ſie waͤhre noch jung; wiewol ſie endlich ſich ſo weit heraus ließ/ daß ſie ihren Eltern
allen Gehorſam ſchuldig waͤhre. Bey der Abendmahlzeit (wobey der Groß Fuͤrſt vorſezlich
nicht erſchien) fragete die Groß Fuͤrſtin nach allerhand Begebniſſen/ und auff was weiſe
Ihre Fr. Tochter von ihrem Sohn Herkules erloͤſet waͤhre/ biß ſie auff die uͤbergeſchikten
Kleinot zureden kam/ da ſie ſagete: Es muͤſte der Mediſche junge Fuͤrſt mit den ihren groſ-
ſe Ver-
[219]Fuͤnftes Buch.
ſe Vertrauligkeit pflegen/ daß er einem unbekanten Fraͤulein ſo koͤſtliche Sachen uͤberſchie-
kete. Neklam bekam alhier Gelegenheit/ Fürſt Arbianes zurühmen/ wie ihm von der Groß-
Fuͤrſtin Valiſka befohlen war/ zeigete an/ wie freundlich und kuͤhn er in dieſer Jugend waͤh-
re/ daß er ſchon ein fliegendes Heeꝛ fuͤhrete/ und Leches zum Feldmarſchalk haͤtte; ſeine Laͤn-
der waͤhren ſo groß/ und mit Staͤdten erfuͤllet/ daß drey Fuͤrſten ſich damit zum groſſen uͤ-
berfluß behelffen koͤnten; und machete des ruͤhmens/ dar an er gleichwol die Warheit nicht
ſparete/ ſo viel/ daß das Fraͤulein groſſe Luſt bekam/ ihn ſchier zuſehen/ redete aber doch kein
Wort darzu/ ſondern wuſte ſich zuſtellen/ als ob ſie die Sache nicht anginge; woraus die
Mutter ihre Verſchlagenheit wahrnam/ deren ſie ſich zu ihr nicht verſehen. Nach dieſem
fragete die Groß Fuͤrſtin/ ob ihr Sohn in den Laͤndern wegen ſeines neuen Glaubens ange-
fochten wuͤrde/ weil man vor gewiß ſagete/ es waͤhre derſelbe alſo beſchaffen/ daß eꝛ keine an-
dere Goͤtter neben ſich leiden koͤnte; welches Neklam beantwortete: Ihre Groß Fuͤrſtliche
Durchl. moͤchte wol verſichert glaͤuben/ daß der teure Fuͤrſt Herkules wegen ſeiner Gottes-
furcht und Froͤmmigkeit dermaſſen von hohen und nidrigen geruͤhmet und geliebet wuͤrde/
als einiger Menſch in der Welt. Von ſeinem Glauben wüſte er keinen Bericht zugeben/
aber einmahl waͤhre gewiß/ daß ſeine Glaubensgenoſſen anjezt hin und wieder geduldet
wuͤrden/ da man ſie vorhin auffs aͤuſſerſte verfolget haͤtte. Es fuͤnde ſich ein anſehnlicher
alter Lehrer bey ihm/ den er als einen Vater ehrete/ und neben anderen Chriſten ſich von
ihm taͤglich unterrichten lieſſe; und haͤtte er mit Augen angeſehen/ daß derſelbe Groß Fuͤr-
ſten Herkules und das Koͤnigliche Fraͤulein (die man billich das Weltwunder nennete)
nach Chriſtlicher Art zuſammen gegeben und vertrauet haͤtte. Es waͤhre unleugbar/ daß
Groß Fuͤrſt Herkules dieſer Lehre feſtiglich anhinge/ und ob gleich Koͤnig Ladiſla lange nit
haͤtte koͤnnen darzu gebracht werden/ waͤhre er doch anjezt faſt eiferiger als Herkules ſelbſt;
die Groß Fuͤrſtin Valiſka aber freuete ſich uͤber nichts in der ganzen Welt ſo hoch/ als daß
ſie zu dieſes Glaubens Erkaͤntniß kommen; und haͤtte er angehoͤret/ daß ſie mit ſonderlichẽ
Eifer geſprochen: Sie wolte ſich ehe tauſendmahl ſchinden/ und hundert tauſendmahl bra-
ten laſſen/ als dieſen ihꝛen jetzigen Gott verleugnen/ oder neben denſelben einen andern Gott
ehren/ weil in hoͤchſter Warheit kein ander wahrer Gott waͤhre/ als bloß dieſer nur allein/
welcher Himmel/ Erde/ Meer/ und alles was drinnen iſt/ durch ſeine Almacht erſchaffen
habe/ und es in ſeinem Weſen erhalte; Was man aber von andern Goͤttern vorbringe/ ſey
nichts als Menſchengeticht und teufliſche Luͤgen/ dadurch die Menſchen von der Seligkeit
abgefuͤhret/ und in das ewige Verderben geſtuͤrzet werden. Ihr ſingen/ damit ſie Gott lo-
ben/ fuhr Neklam fort/ dringet durch Mark und Bein/ dem der es anhoͤret/ und wann ſie
behten/ ſehen ſie als Engel Gottes aus/ dann es ſcheinet/ ob habe die Seele des Leibes ver-
geſſen/ und ſteige hinauff durch die Wolken/ mit Gott Sprache zuhalten. Ich vor mein
Haͤupt ſchreibe ihnen alle ihꝛe Gluͤkſeligkeit wegen dieſes Glaubens zu/ dañ es daͤucht mich
unmoͤglich ſeyn/ daß andere Leute ihnen im unſtraͤflichen Wandel es nachtuhn koͤnnen.
Kein unnuͤtzes Wort gehet aus ihrem Munde; Unzucht/ Mord/ Dieberey/ Freſſen/ Sauf-
fen/ Verleumdung/ und dergleichen Laſter darff vor ihnen nicht auffblicken/ und wer ihr
Diener ſeyn wil/ muß der Mißhandelungen ſich allerdinge enthalten. Mich verlanget/ daß
ich bald wieder bey ihnen anlangen moͤge/ damit ich dieſen koͤſtlichen Glauben/ welchen ſie
e e ijden
[220]Fuͤnftes Buch.
den Seligmachenden nennen/ auch ſaſſe; dann ob ſie gleich niemand/ auch ihre Diener
nicht/ darzu noͤhtigen/ ſo nehmen ſie doch ohn Unterſcheid einen jeden an/ der es nur begeh-
ret/ mit der Verwarnung/ man muͤſſe nicht waͤhnen/ ob wolte man bey dieſem Glauben gu-
te Tage in der Welt haben/ ſondern vielmehr muͤſſe man ſich ſchicken/ ein Ungluͤk uͤber das
ander anzunehmen/ weil ihr Gott den Glauben und die Froͤmmigkeit nicht in dieſem Lebẽ/
ſondern in dem zukuͤnfftigen ewigen/ mit unausſprechlicher Freude/ Wolluſt und Herlig-
keit erſetzen wolle. O das muß wol ein maͤchtiger Gott ſeyn/ ſagte das Fraͤulein/ welcher
meineꝛ Fr. Waſen und Schweſter eine ſolche Kraft ins Herz drücken kan/ daß weder durch
Tod noch Pein ſie ſich von ihm gedenket ſcheiden zulaſſen. Sage dieſes nit/ mein Kind/ ant-
wortete ihre Fr. Mutter/ daß es dein Herr Vater hoͤre/ ſonſt wuͤrdeſtu ſeiner Gnade wenig
übrig behalten; viel weniger rede es/ wann Pfaffen zugegen ſind/ dann ſie wuͤrden dir ohn
zweifel ein ſchlimmes Bad zurichten. Solten ſie an meinem lieben Herr Bruder ihren
Muht noch nicht gnug gekuͤhlet haben? ſagte das Fraͤulein; jedoch/ wer weiß/ wie ers ih-
nen dereins wieder eintraͤnket/ wañ er/ geliebts Gott/ friſch und geſund ſeinen eigenẽ Grund
und Bodem wieder betreten wird; einmahl iſt gewiß/ daß der Herr Abgeſanter mir nicht
geringen Luſt gemacht/ dieſen ſeinen herlichen Gott anzunehmen. Mit ſolchen Geſpraͤchen
brachten ſie den Abend zu/ biß die Zeit der Ruhe kam/ da Neklam ſich zu dem Fraͤulein ma-
chete/ und ſehr inſtaͤndig anhielt/ ihr Antwort-Schreiben frühzeitig auffzuſetzen/ auch eben
daſſelbe bey ihren Eltern zu befodern/ weil ihre Reiſe ſehr eilig waͤhre. Sie erboht ſich/ bey
den Eltern ſolches zubeſtellen/ ihre Antwort aber wuͤrde verhoffentlich wol muͤndlich koͤn-
nen verrichtet werden. Nach Ihrer Gn. Willen/ ſagte er; aber das habe ich wol verſtan-
den/ daß meine Gnaͤdigſte Groß Fuͤrſtin von Ihrer Durchl. gar unfehlbar der ſchrifftlichẽ
Antwort gewaͤrtig iſt; maſſen/ da von derſelben ich hinweg ritte/ ſie mir nachrief: Eriñert
meine Frl. Schweſter meines begehrens/ daß ſie mir/ was wegen ihres Bruders meines
Gemahls/ ich an ſie gelangen laſſen/ ſchrifftliche Antwort/ und dieſe unter eigener Hand/ zu-
ſende/ dafern ſie mich vor eine Schweſter erkennet. Das iſt eine hohe Erinnerung/ antwoꝛ-
tete ſie/ nach welcher ich mich billich richten/ und meinen begierigen Gehorſam ſehen laſſen
muß; ſtund auch des morgens fruͤh auff/ und ſchrieb folgende Antwort/ auff welche ſie dieſe
Nacht uͤber ſich fleiſſig bedacht hatte:


Großmaͤchtige Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ gnaͤdige Frau Waſe/ Schwaͤgerin und Schweſter;
Euer Liebe Schreiben iſt mir von Ruͤkbringern dieſes wol eingehaͤndiget; weil aber durch Leſung
wenig unvermuhtlicher Zeilen (deren Inhalts ich keinen Verſtand habe) in gar zu groſſe Scham
geſtuͤrzet/ ich das Herz nicht ergreiffen koͤnnen/ es ganz durchzuleſen/ vielweniger/ das andere aus
kindiſcher Unvorſichtigkeit erbrochene/ weiter zu oͤfnen/ die Kuͤhnheit gehabt/ ohn daß ein koͤſtlicher
Ring daraus gefallen/ welchen ohn zweifel mein Herꝛ Bruder Herkules mir geſchenket; als gelebe
ich der troͤſtlichen Zuverſicht/ Eure Liebe werden mir freundlichſt verzeihen/ das zu fernerer Antwort
ich nicht gehorſame. Dem Groß Fuͤrſtlichen Herrn Arbianes bitte ich/ vor uͤbergeſchikte unverdienete
Kleinot hoͤchlich zudanken/ welches zuverrichten ich unvergeſſen ſeyn muͤſte/ wann deſſen Liebde Ange-
ſicht dermahleins zuſehen ſich zutragen wuͤrde; Und wie ich nicht zweifele/ Eure Liebe mir von herzen
zugetahn ſeyn/ alſo iſt mein einiges Anſuchen/ in ſolcher Gewogenheit unverruͤkt zuverharren; Da-
gegen ich mich erbie[te]/ Zeit meines Lebens zu ſeyn und bleiben/ Eurer Liebe gehorſamſte und auff-
waͤrtigſte Dienerin Klara.


Dieſes
[221]Fuͤnftes Buch.

Dieſes ſalzete ſie artig zuſammen/ vermachte es mit einem durchzogenen Goldfadem/
und verſiegelte es mit feſtem Lak/ ſtellete es Neklam in geheim zu/ und befahl ihm/ nie-
mand/ als der Groß Fuͤrſtin ſelbſt/ es einzuliefern. Es wahr ſchon des vorigen Abends
ein Roͤmiſcher Abgeſandter von Koͤln ankommen/ mit Bericht/ Herr Julius Lupus/
Kaͤyſerl. Stadthalter daſelbſt/ haͤtte ſich nach dem benanten Orte ſchon hinbegeben/
und wuͤrde der Groß Fürſt nicht ſeumen/ ſich einzuſtellen/ damit die ſchwebende Streitig-
keiten in guͤte moͤchten beygelegt und verglichen werden. Aus dieſen Urſachen hatte er
ſich geſtriges Abends bey der Mahlzeit nicht finden laſſen/ ſondern mit den vornehmſten
verſchriebenen Staͤnden ſeines Landes ſich beredet/ auff was maſſe/ und wie weit man ſich
in Handelung mit den Roͤmern einlaſſen wolte. Er brach dieſen Morgen mit dem Ta-
ges-Liechte auff/ und befahl ſeinem Gemahl das Antwort-Schreiben auffzuſetzen/ und ſei-
ner Nicht-Antwort Urſach zu melden. Neklam aber muſte mit ſeiner Geſelſchaft das
Früſtuͤk mit der Groß-Fuͤrſtin und dem Fraͤulein einnehmen/ da die Mutter jhre Toch-
ter fragete; was ſie dem Mediſchen Fuͤrſten zur Vergeltung ſchicken wolte; worauff ſie
antwortete; Ihr als einem Fraͤulein würde nicht anſtehen/ jungen/ und zwar fremden
Herren einige Verehrung uͤberzumachen/ hoffete/ die Abgeſandten wuͤrden die Muͤhe
uͤber ſich nehmen/ und jhre freundliche Danckſagung an gebuͤhrenden Orten verrichten;
deſſen Neklam/ welcher den Brief ſchon von jhr empfangen/ ſich untertaͤhnigſt anerboht/
und doch dabey meldete/ wie angenehm ſeiner Gn. Groß Fürſtin jhrer Frl. Schweſter ei-
genhaͤndige Antwort ſeyn wuͤrde. Die Mutter antwortete/ Sie wolte nicht allein vor
ſich ſchreiben/ ſondern dir wil gebuͤhren/ ſagte ſie zu dem Fraͤulein/ daß du deiner Frau
Schweſter und Waſen die ſchuldige Ehr durch einen Brief erzeigeſt/ in welchem du
naͤhſt gebührlicher Danckſagung wegen des überſchikten/ dich deroſelben zu allem Ge-
horſam anerbieten/ und das vor ſechs Wochen dir von mir geſchenkete Halsketchen jhr
zuſenden ſolt/ mit Bitte/ daß ſie es in deinem Nahmen dem Mediſchen jungen Groß-
Fürſten/ als ein Zeichen gebuͤhrlicher Ehrerbietung und Dankes/ einhaͤndigen wolle. Die-
ſes Ketchen war nun ſehr zierlich gemacht/ an welchem 28. Demant als Gloͤcklein hin-
gen/ und zu unterſt ihr in Gold abgegoſſenes Bruſtbildichen/ ganz eigen getroffen/ und
mit aͤhnlichen Farben gemahlet/ an welchem ein groſſer Rubin hing/ in dem ein Stern ge-
ſtochen wahr; die Umſchrifft hieß: Klara/ Frl. aus Teutſchland Sie erroͤhtete ganz über
ihrer Fr. Mutter Rede/ und wahr ihr leid/ daß ſie den erſten Brief ſchon von ſich gege-
ben hatte/ hoffete ihn doch wieder zu bekom̃en/ und als ein gehorſames Kind/ taht ſie nach
ihrer Fr. Mutter Befehl/ da ihr dann recht liebe wahr/ daß ſie dem jungen Fuͤrſten eini-
ges Zeichen der Gewogenheit ſenden ſolte/ weil ſie in ihrem keuſchen Herzen befand/ daß
die Furcht und Abſcheu wegen des Wendiſchen Freiers die Liebe zu dem Mediſchen alle
Stunden vermehrete; deſſen ſie ſich in ihrem Schreiben gerne unter verdecketen Worten
haͤtte vernehmen laſſen/ wann ſie der Mutter Augen/ die es zuvor leſen wolte/ nicht ge-
ſcheuet haͤtte; daher ſie es dieſer geſtalt abfaſſete:


Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ Gn. Fr. Waſe/ Schwaͤgerin und Schweſtek; wegen ange-
bohtener groſſer unverdieneter Hulde/ auch uͤbergeſchikten Kleinoten von dem Durchl. Mediſchen
Groß Fuͤrſten/ Herrn Arbianes/ bedanke mich untertaͤhnig und freundligſt; und auff außdruͤklichen
Befehl meiner Gn. Fr. Mutter uͤberſende deſſen Liebde zur anzeige eines dankwilligen Gemuͤhts/
e e iijbeyge-
[222]Fuͤnftes Buch.
beygefuͤgtes Halßkatchen/ unter der Hoffnung/ hochgedachter Fuͤrſt werde das geringe aus gutem
Horzen herruͤhrend/ von meiner Fr. Schweſter Hand/ meinetwegen anzunehmen ſich nicht wegern;
Uns hiemit allerſeits dem Schuz des Himmels empfelend/ bin und verbleibe euer Liebe gehorſamſte
und ergebene Dienerin Klara.


Die Mutter erinnerte ſie bey der Verleſung/ es haͤtte wol etwas zierlicher und auß-
fuͤhrlicher koͤnnen geſtellet werden/ doch würde die eilfaͤrtigkeit ſie entſchuldigen; vermach-
te das Ketchen in einem guͤldenen Schaͤchtelchen/ und gab dadurch dem Fraͤulein Gele-
genheit/ mit Neklam zu reden/ welchen ſie erſuchete/ ihr das vorige Schreiben wieder zu-
zuſtellen/ weil an dem jezt auffgeſetzeten es gnug ſeyn koͤnte. Er aber gab demuͤhtig zur Ant-
wort: Nachdem von ihrer Gn. er bereit einen ernſtlichen befehl erhalten/ ſolches niemand/
als ihrer Fr. Schweſter einzulieffern/ hoffete er untertaͤhnigſt/ es wuͤrde dabey ſein ver-
bleiben haben/ weil er mit zehn als einem Schreiben viel angenehmer ſeyn wuͤrde. Deſſen
das Fraͤulein lachete/ und es geſchehen ließ. Als die Mutter wieder kam/ ſtellete ſie Neklam
alles zu/ ſchenkete ihm und Ruprecht jedem eine güldene Kette/ dem Dolmetſcher aber 150
Kronen zur Verehrung zu/ nebeſt 800 Kronen zum Zehrgelde ingeſamt auf den Ruͤkweg/
da ſie dann nicht auffhoͤreten zu eilen/ unter der Hoffnung in Perſenland ſchier wieder
anzulangen.


Fuͤrſt Baldrich/ Herkules einiger Bruder/ der nunmehr von 19 Jahren/ wahr nicht
einheimiſch/ dann ſein Herr Vater hatte ihn mit 20000 Mann ſeinem Schwager dem
Koͤnige in Schweden/ wider die Reuſſen zu huͤlffe geſand/ woſelbſt er die erſte bewehrung
ſeiner Ritterſchafft ablegen ſolte. Dazumahl herſchete in Schweden Koͤnig Haron/ Koͤ-
nig Ragwalds Enkel/ Koͤnig Amunds Sohn/ deſſen Sohn Fuͤrſt Siegward/ ein Herr
von 21 Jahren/ mit nicht geringerer Liebe an Baldrichen hing/ als Ladiſla an Herkules/
hatten ſich auch vereiniget/ nach geendigtem Kriege der Ritterſchafft/ wie ihr Bruder uñ
Oheim/ nachzuſetzen/ daher ſie Koͤnig Haron embſig bahten/ mit der ganzen Macht auff
den Feind loßzugehen/ auff daß man den gewuͤnſcheten Frieden deſto ſchleuniger wieder-
bringen koͤnte; welches ſie auch erhielten/ und durch eine herbe Feldſchlacht den Sieg er-
ſtritten/ daß die Reuſſen gezwungen wurden/ den Frieden mit ſchweren bedingungen ein-
zugehen; worauff Baldrich und Siegward von dem Koͤnige abſcheid nahmen/ vorge-
bend/ nach Teutſchland zu reiſen; ſetzeten ſich mit zwoͤlff aͤdlen Rittern/ teils Teutſchen/
teils Gothen zu Schiffe/ und fuhren zu Lande/ wo jezt die Stad Wißmar belegen/ ritten
auch mit ihrer Geſelſchafft durch Teutſchland/ des naͤheſten auff Italien zu/ da ihnen un-
terſchiedliche Abenteur zuſtieſſen/ wodurch ſie ſich doch nicht auff halten lieſſen. Unter an-
dern traff an den Italiaͤniſchen Grenzen eine Pannoniſche Schaar von 20 Reutern auff
ſie/ mit welchen ſie ein herbes Treffen hielten/ daß ſie faſt allemiteinander verwundet wur-
den/ und doch keiner das Leben zuſetzete/ da hingegen ihre Feinde biß auff acht/ ins Graß
biſſen/ und dieſe durch die Flucht ihr Leben retteten. Den unſern kam es zu ſtatten/ daß ſie
eine anſehnliche Baarſchaft und viel Kleinot bey den Erſchlagenen funden/ auch deren
Pferde mit ſich fortnahmen/ weil ſie ſtark und wol abgerichtet wahren.


Herkules und ſeine Geſelſchaft ſpareten ihren Weg auch nicht/ biß ſie die Stad
Damaſkus erreicheten/ da Fabius mit 20 Roͤmern voraus ſetzete/ dem Stathalter/ ſeinem
nahen
[223]Fuͤnftes Buch.
nahen Anverwanten/ Herrn Sulpitius ihre Gegenwart zu melden/ welcher ſich deren
Ankunft hoch erfreuete/ und ihnen auff eine Viertelmeile entgegen zog. Herkules kennete
ihn von ferne/ eilete auf ihn zu/ und bedankete ſich der vormahls erzeigetẽ Ehre uñ Freund-
ſchaft/ haͤtte zwar ſeine Ruͤkreiſe etwas richtiger nehmen koͤnnen/ aber ſein Verſprechen
zu halten/ ihn wiederumb beſuchen wollen. Sulpitius hieß ihn freundlich wilkommen/
verwunderte ſich des Koͤniglichen Prachtes/ der vielen Wagen/ und koͤſtlichen Pferde/
und da die Groß Fuͤrſtin mit dem Frauenzimmer ihm zu ehren von dem Elefanten ſtieg/
entſetzete er ſich faſt über ihrem herlichen anfehen/ und volkommener Schoͤnheit/ erzeigete
ſich ganz hoͤflich gegen ſie/ und geleitete ſie biß an ihre Gutſche/ auff welche ſie ſich ſetzete/
und ingeſamt den Einzug in die Stad hielten/ woſelbſt ſchon das Geſchrey aus des Stat-
halters Hofe erſchollen wahr/ was vor groſſe Fuͤrſten verhanden waͤhren/ daher die Gaſ-
ſen allenthalben vol Menſchen wahren/ daß man kaum zwiſchen her kommen kunte. Sie
wurden von dem Stathalter Fürſtlich bewirtet/ der ſie/ ungeachtet alles einwendens/ des
andern Tages noch nicht zihen laſſen wolte; Herkules ließ den Biſchoffdaſelbſt/ mit dem
er auff der Hinreiſe Kundſchafft gemacht/ zu ſich fodern/ ihm und ſeinen Leuten eine Pre-
digt uͤber den 9 und 10 vers des 32 Cap. des erſten Buchs Moſe zu halten/ welche Fabius
mit anhoͤrete/ der bißher des Chriſtlichen Glauben ſich wenig angenommen/ wiewol ihm
Ladiſla ſchon offenbahret hatte/ daß ſein Gemahl Fr. Sophia/ ſo bald ſie ſeiner Bekehrung
von Leches verſtaͤndiget/ ſich zum Chriſtlichen Glauben begeben/ und dadurch ihre Frau
Mutter auffs hoͤchſte erfreuet haͤtte; In dieſer Predigt aber begunte der heilige Geiſt in
ihm zu wirken/ welches Herkules merkend/ bey dem Biſchoff anhielt/ auff den Mittag ei-
ne Rede zum Beweißtuhm der Warheit unſers Chriſtlichen Glaubens zu tuhn; welches
er gerne bewilligte/ und anfangs aus weltkuͤndigen und vernunftmaͤſſigen Urſachen be-
haͤuptete/ daß nohtwendig ein GOtt ſeyn muͤſte/ nach dem ja kein Menſch ſagen duͤrffte/
das dieſes groſſe Weltgebaͤu keinen Auffſeher haͤtte/ ſondeꝛn ſeine zierliche Ordnung und
unwandelbahre Abwechſelung der Zeiten/ von einer unendlichen Almacht herflieſſen und
eꝛhalten werden muͤſte; dann daß etliche vorgaͤben/ die innerliche Kraft dieſer Welt waͤh-
re GOtt/ ſolches koͤnte mit der geſunden Vernunft nicht zuſtimmen/ weil mann offt ſolche
Begebniſſen ſaͤhe/ welche von dieſer innerlichen Kraft nicht herruͤhreten/ ſondern derſel-
ben ganz entgegen lieffen/ oder doch anzeigeten/ daß dieſelbe mit deren Art/ zeugung/ und
fortſetzung gar nichts zu ſchaffen haͤttẽ; bliebe alſo dieſes feſt das ein ſolches Almaͤchtiges
Weſen ſeyn muͤſte/ welches der Welt Herr und Erhalter waͤhre. Hernach bewehrete er
unſer Seelen unſterbligkeit/ und daß nach dieſem zeitlichen Leben nohtwendig ein ander
folgen muͤſte/ nachdem ja alhie die Gottloſen gemeiniglich das beſte Gluͤk haͤtten/ und hin-
gegen die frommen mannichem Elende unter worffen waͤhren/ welches die Gerechtigkeit
Gottes nicht wuͤrde nachgeben koͤnnen/ dafern nicht inkuͤnftig eine andere Zeit oder E-
wigkeit verhanden waͤhre/ da die Boͤſen ihre gebuͤhrliche Straffe/ die frommen aber/ ſo
nach Gottes Willen einhergingen/ die Belohnung empfahen ſolten. Hierauff fuͤhrete er
ſtarcken Beweißtuhm/ daß Gott inbetrachtung ſeiner Guͤte/ ſich des Menſchlichen Ge-
ſchlechts/ als ſeines alleraͤdleſten leiblichen Geſchoͤpffes nicht entſchlagen koͤnte/ ſondern
ſtete Sorge vor ihnen truͤge/ weil er ja der allergeringſten Dinge ſich annaͤhme/ daß ſie mü-
ſten
[224]Fuͤnftes Buch.
ſten erhalten werden/ und keine Art der Tihre unterginge. Sorgete nun GOtt vor die
Menſchen/ wie nicht anders ſeyn koͤnte/ ſo wuͤrde er ja vor ihren aͤdleſten Teil/ welches die
Seele waͤhre/ nit weniger/ als vor ihren Leib ſorgen/ inſonderheit/ weil dieſe unſterblich/
und nach dieſem Leben ungetoͤdtet bliebe. Als er dieſen feſten unbewaͤglichen Grund gelegt
hatte/ fuhr er fort/ uñ erzwang daher/ Gott muͤſte dem Menſchen nohtwendig geoffenbah-
ret haben/ durch was mittel/ und auff was Weiſe er in der Gnade Gottes verbleiben/ und
nach dieſem zeitlichen Leben die Wolfahrt ſeiner Seele erlangen koͤnte. Nun ſolte man
alle Heidniſche Buͤcher durchſuchen/ da wuͤrde man vergebliche Arbeit anlegen/ und hie-
von auſſer etlichen wenigen eingepflanzeten Fuͤnklein nichts gewiſſes antreffen/ ſondern
mehrenteils kindiſche/ ungoͤttliche/ und wieder ſich ſelbſt ſtreitende meynungen/ die mit
leichter muͤhe/ auch aus der Vernunft koͤnten wiederlegt werden. Beſaͤhe man der Heiden
Gottesdienſte unter dem ganzen Himmel/ waͤhren ja die naͤrriſche Poſſen handgreiflich/
welche ſie von den Goͤttern getichtet haͤtten; daß man alſo alle muͤhe vergeblich anwende-
te/ wañ man bey ihnen nachfragete/ wie der ewigen Scligkeit nachzuſtreben waͤhre. Keh-
rete man ſich aber zu dem Judiſchen Volk/ ſo fuͤnde ſich vor erſt dieſe Gewißheit/ daß ihre
Buͤcher die alleraͤlteſten/ und ihre Schrifften den Heidniſchen weit vorgingen/ ſo daß
Moſes vor dem Caſtor, Æſculapius, Bacchus, Mercurius, Apollo, und vielen andern/ die man
nachgehends vor Goͤtter außruffen duͤrffen/ gelebet. In dieſes Moſe Buͤchern aber waͤh-
re der Chriſtliche Glaube feſt gegruͤndet/ dann es haͤtte Moſe von dem HErrn Chriſtus
geweiſſaget/ anderhalb tauſend Jahr zuvor/ ehe er an dieſe Welt als ein Menſch geboh-
ren worden. Alſo ſchloß nun dieſer Lehrer/ daß entweder der Judiſche heutige/ oder aber
der Chriſtliche Glaube der Seligmachende ſeyn muͤſte/ oder es waͤhre gar kein wahrer
Glaube in der Welt. Nun waͤhre aber dieſes lezte ſchon vor unmoͤglich erwieſen/ und koͤn-
te gleichfals den Juden leicht dargelegt werden/ daß ob ſie zwar die Schrifften Moſe uñ
der Propheten annoch haͤtten/ ſo mangelte ihnen doch der rechte Verſtand/ weil ſie den
darin verſprochenen Heyland nicht erkeñen noch des Geiſtes deutung annehmen wolten/
ſondern alles auff das Irdiſche außlegeten/ und ihnen eine weltliche Gluͤkſeligkeit trau-
men lieſſen/ die ihnen nun und nimmermehr wiederfahren wuͤrde/ angeſehen/ ſie den ge-
rechten Zorn Gottes durch hinrichtung des ihnen zugeſchikten Heylands/ ſich uͤber den
Hals gezogen haͤtten/ daß ſie nunmehr kein geliebtes außerwaͤhltes/ ſondern verſtoſſenes
Volk waͤhren; müſte demnach endlich nohtwendig folgen/ daß die Chriſtliche Lehre die
wahre und Seligmachende waͤhre. Nach dieſem außfuͤhrlichen Beweißtuhm erklaͤrete er
des Chriſtlichen Glaubens heilige Volkommenheit/ als welche uͤberaus nichts ungoͤttli-
ches in ſich begriffe/ viel weniger billichte/ ſondern die Menſchen nur auff Gottes und des
naͤheſten Liebe hinfuͤhrete/ auch wie man im Kreuz und Leiden geduldig ſeyn/ und der von
Gott geſetzeten Obrigkeit Gehorſam leiſten muͤſte/ in alle dem/ was nicht wieder Gottes
Ehre und der Erbarkeit fleiſſige bewahrung ſtritte. Schließlich fuͤhrete er des Menſchen
dreyſchiedlichen Stand ein/ wie er nehmlich anfangs von Gott gerecht/ volkommen und
heilig erſchaffen/ abtr bald darauff durch den leidigen Satan verfuͤhret/ ſich und alle ſeine
Nachkommen des treflichen Ebenbildes Gottes in geiſtlichen Sachen allerdinge berau-
bet/ und ins zeitliche und ewige Verderben geſtuͤrzet/ Gott aber ſich ihrer wieder erbar-
met/
[225]Fuͤnftes Buch.
met/ und ſeinen Sohn vor ſie in den Tod dahin gegeben/ auff das durch deſſen Leiden und
büſſung die Gerechtigkeit Gottes vergnuͤget/ und ſeiner Barmherzigkeit der freie Lauff ge-
oͤffnet wuͤrde/ deren alle dieſe zugenieſſen haͤtten/ die ſich auff das verdienſt des Sohns
Gottes verlaſſend/ in allen Chriſtlichen Tugenden ſich uͤbeten/ und da ſie durch fleiſches
ſchwachheit in eine oder andere Suͤnde gerieten/ ſich bald wieder erhohleten/ und durch
wahre Buſſe zu Gott umbkehreten. Hiemit wolte der Chriſtliche Lehrer ſeine Rede ſchlieſ-
ſen; aber Ladiſla/ welcher ihm den Beweißtuhm/ daß die Chriſtliche Lehre allein die wah-
re ſeligmachende Lehr waͤhre/ ſehr wol gefallen ließ/ hielt bey ihm freundlich an/ er moͤchte
ihm und anderen Anweſenden Chriſten zum beſten/ noch dieſen Knoten auffloͤſen/ und ſie
ingeſamt unterrichten/ wodurch man eigentlich und unſtreitig behaͤupten koͤnte/ daß die-
ſelben Chriſten allein die wahre Kirche Gottes waͤhren/ und die rechtglaͤubigen/ die alſo
lehreten und glaͤubeten/ wie die Chriſten zu Rom/ zu Padua/ zu Korinth/ zu Damaſkus/
und andere/ ſo ſich zu ihres Glaubens einigkeit bekenneten; hingegen aber dieſelben den
unrechten und falſchen Glauben haͤtten/ welche nicht mit ihnen uͤbereinſtim̃eten/ ſondern
in vielen oder doch etlichen Stuͤcken eine andere Meynung behaͤupteten. Der Lehrer lo-
bete an Ladiſla/ daß er ſo geflieſſen waͤhre/ den feſten Grund der Warheit zuerkennen/ und
das Zeichen/ durch welches alle Ketzer und falſche Lehrer ſich ſelbſt verrieten/ daß ſie irre-
ten/ und eine nichtige Lehre fuͤhreten; und fing darauff an dieſen Unterricht vorzutragen:
Es iſt wol zubeklagen/ daß der abgeſagte Feind der Warheit der leidige Teuffel/ ſo groſſe
Macht und Gewalt hat/ daß er auch in der Kirchen Gottes ſich darf finden laſſen/ das
ſchaͤdliche Unkraut der verdamlichen Lehre daſelbſt außzuſtreuen; wiewol auch durch ſol-
ches ſchaͤdliche uͤbel unſer Gott etwas gutes wirket/ nehmlich/ daß die rechtſchaffenẽ Chri-
ſten offenbahr werden/ in dem ſie ſolchen Irtuhmen ſich eiferig wiederſetzen/ und die reine
Warheit zubehaͤupten/ alle moͤgligkeit anwenden. Ich wil hieſelbſt nicht anfuͤhren/ was
geſtalt die Phariſeer und Sadduzeer unſerm Heylande und dem Worte Gottes haben
wiederſprechen duͤrffen; ſondern meinen jetzigen Zuhoͤrern und ihrem Chriſtlichen begeh-
ren zufolge/ nach vermoͤgen einfaͤltig melden/ daß bald nach unſers lieben Erloͤſers Him-
melfahrt/ die falſchen Bruͤder ſich haben hervorgetahn/ und ihre menſchlichen Getichte
unter dem Nahmen der Chriſtlichen Lehre/ hin und wieder außgebreitet/ wodurch manni-
che glaͤubige Seele iſt geaͤrgert und in zweiffel und Irtuhm geſtuͤrzet worden. Halte auch
gaͤnzlich davor/ es ſey die obangefuͤhrte Frage mir bloß zu dem Ende zubeantworten auff-
erlegt/ umb den eigentlichen Grund darzuſtellen/ auff welchen ein glaͤubiger Menſch ſicher
bauen und trauen mag/ ſo daß er kraͤftig bewehret ſey und bleibe/ die Lehre/ welche er hat
angenommen/ ſey die rechte auffrichtige und unbetriegliche Warheit. Dieſes feſt zuſtellen/
muͤſſen wir uns verſichern/ daß die Apoſtel und Juͤnger des HErrn den Menſchen alle die-
ſelbe Lehre haben vorgetragen und mitgeteilet/ welche ihnen zur Seeligkeit zu wiſſen noͤh-
tig iſt/ und Gott nach dieſer erſten Lehrer abſcheid/ uns keine neue offenbahrungen wieder-
fahren laſſen wolle/ ſolche glaubens Stuͤcke uns beyzubringen/ von denen obgedachte Jün-
ger des HErrn nichts geſchrieben noch gelehret haben; wie ſolches der heilige Maͤrterer
Irenæus/ des heiligen Polycarpus Schuͤeler in ſeinem vierdten Buche wieder die Ketze-
reien beſtetiget/ da er dieſe Worte fuͤhret: Der Juͤnger des HErrn ihre Lehre/ welche biß
f fauff
[226]Fuͤnftes Buch.
auff uns gekommen/ vor allen menſchlichen Getichten behuͤtet/ und in der ganz vollen Ab-
handelung der Heilgen Schrifft verfaſſet iſt/ kan durchaus nicht leiden/ daß man etwz hin-
zu tuhe oder davon nehme. Woraus dann dieſes folget/ daß alles/ was ein Stuͤk des wah-
ren Chriſtlichen Glaubens ſeyn ſol/ müſſe richtig und klar erwieſen werden/ daß es von des
HErrn Juͤngern gelehret ſey. Welchem nach die reinen Lehrer aller ihrer Lehre Beweiß-
tuhm aus der H. Schrifft Altes und Neuen Bundes nehmen/ und daſſelbe alles verwerf-
fen/ was darinnen nicht zufinden iſt. Und zwar nicht allein dieſes halten wir vor falſch/ was
gerade wider das Wort Gottes ſtreitet/ ſondern auch/ was auſſer demſelben Worte Gottes
wil vorgebracht und ertichtet werden/ als zur Seligkeit noͤhtig. Nun findet ſich aber ins-
gemein dieſes beydes bey den Ketzern und falſchen Lehrern/ daß ſie neue Glaubens Stuͤcke
ſchmieden/ und daß ſie der uhralten Lehre widerſprechen. Wiewol ſie dieſes lezten nicht ger-
ne ſich wollen laſſen beſchuldigen/ weil dadurch ihres Vorbringens Nichtigkeit auffgedec-
ket wird. Aber gleich wie der Wolff ſich nicht verbergen kan/ ob er gleich einen Schafspeltz
anleget; noch die Schlange/ ob ſie gleich den Kopff unterm Steine verſtecket; alſo verraͤht
ſich ein jeder Ketzer und falſcher Lehrer durch ſein Vorbringen/ wie ſcheinbar er gleich ſei-
nen Irtuhm vorbringen mag; welches wir bald finden/ wann wir ihn nur nach und aus
dem Worte Gottes richten. Weil aber einem einfaͤltigen Chriſten es nicht gegeben iſt/ daß
er die Geiſter allemahl ſolte prüfen koͤnnen/ ob ſie aus Gott ſind; ſo haben zu deren Unter-
weiſung ein und ander Lehrer/ des Chriſtlichen Glaubens noͤhtige Stuͤcke in kurze Auszuͤ-
ge verfaſſet/ welche die Einfaͤltigen mit leichter Muͤhe begreiffen/ und ſich deren als einer
Richtſchnuhr der Lehre gebrauchen/ daß wann ihnen etwas neues vorgetragen wird/ ſie
alsbald zumutmaſſen haben/ es muͤſſe ſolches zuvor wol uͤberlegt werden/ ehe mans añimt.
Und dieſes iſt das beſte Mittel/ wodurch die Unwiſſenden vor Ketzereyen und falſche Lehren
koͤnnen bewahret werden. Ladiſla fragete weiter; ob dann die Ketzereyen und falſchen Leh-
ren unter den Chriſten ſo mannigfaltig waͤhren. Welches der Lehrer beantwortete: Es
wehren ſchon unterſchiedliche Arten der Ketzereyen/ und lieſſe ſich anſehen/ der liſtige Men-
ſchenfeind würde nicht ruhen/ deren je laͤnger je mehr auszuhecken. Der erſte Ketzer zeit des
Neuen Bundes/ ſagte er/ von welchem die andern alle als aus der allergifftigſten Wurzel
ſcheinen entſprungen ſeyn/ wahr Simon der Erz Zaͤuberer/ ſeines Herkommens ein Sa-
mariter/ deſſen in den Geſchichten der Apoſtel/ von Lucas auffgezeichnet/ Meldung getahn
wird/ welcher auch endlich den Lohn der Boßheit empfing/ als die beyden teuren Knechte
Gottes/ der Heilige Peter und Paul ihn zu Rom vor aller Welt zuſchanden macheten;
maſſen als derſelbe vorgab/ er wolte ſichtbarer weiſe gen Himmel fahren/ da behteten dieſe
zu ihrem Gott und Heylande/ welcher dieſen Erz Ketzer aus der Lufft herunter ſtuͤrzete/ daß
er an ſeinen Gliedmaſſen zerſchmettert ward. Dieſer verwaͤgene Bube durffte ſich ſelbſt
vor den wahren Gott/ ja vor Vater/ Sohn/ und Heiligen Geiſt zugleich ausgeben/ und ſein
unzuͤchtiges Weib die Selenen oder Helenen vor eine Mutter aller Geſchoͤpffe/ von wel-
cher auch die Engel gemacht waͤhren/ von denen nachgehends dieſe Welt erſchaffen wor-
den. Er verſprach allen das ewige Leben/ die an ihn und ſein Weib wuͤrden glaͤuben/ uñ gab
ihnen Freyheit/ nach allem Muhtwillen zuleben/ welches ihnen an der Seligkeit durchaus
nicht ſolte ſchaͤdlich/ ſondern vielmehr befoderlich ſeyn. Nach ſeinem erſchreklichen Tode
warff
[227]Fuͤnftes Buch.
warff ſein Landsman der ſchnoͤde Menander ſich vor das Haupt dieſer ſchaͤndlichen Rot-
te auff/ und wahr ja ſo ein groſſer Zaͤuberer/ als ſein Lehrmeiſter Simon. Wenige Zeit nach
dieſem Leutebeſcheiſſer entſtunden die unflaͤtigen Nicolaiten/ deren in Johannes heimlicher
Offenbahrung gedacht wird. Dieſe durfften ſich auch vor Chriſten ausgeben/ und waren
doch ein abgeſchaͤumeter Unflaht aller unverſchaͤmten Buben/ weil ſie allerhand Schan-
de und Unflaͤterey betrieben/ und ihre Weiber unter ſich gemein hatten. Aus dieſer frechen
Geſelſchafft entſtunden die alten Gnoſtici oder die Wiſſende und Erleuchtete genennet/
welche in den Fleiſches unzimlichen Werken noch mehr erſoffen wahren als die vorigen;
dann ſie gaben vor/ daß durch ſolche Schandenbetreibung man eigentlich zur Seligkeit
gelangete. Und damit auch dieſe moͤchten die reine Lehre von unſerm Heylande zerruͤtten/
gaben ſie vor/ derſelbe waͤhre nicht von Marien der Heilig hochgelobeten Jungfrauen
gezeuget/ ſondern ſie haͤtte denſelben uns nur gezeiget oder gewieſen; es haͤtte derſel-
be auch nicht die wahre Menſcheit angenommen/ ſondern nur eine Geſtalt/ derſelben aͤhn-
lich. Der Nazareer/ wie auch des Korinthus und Ebions Ketzerey trat auff die Bahn/ ohn
gefehr/ da Jeruſalem von Veſpaſian zerſtoͤret ward. Dieſe lebeten zwar nit ſo gar unrein/
aber die Heilige Lehre verfaͤlſcheten ſie gewaltig; gaben vor/ nicht Gott ſelbſt haͤtte die Welt
erſchaffen/ ſondern eine andere Nebenkrafft/ die nicht Gott ſey. So waͤhre auch der HErr
JEſus nicht wahrer Gott/ noch Gottes Sohn/ ſondern von Joſeph und Marien gezeu-
get; doch waͤhre er kluͤger und heiliger geweſen als andere Menſchen. Ihr erſter Ketzer-
Meiſter Cerinthus tichtete; es waͤhre JEſus von Marien gebohren/ Chriſtus aber waͤh-
re in denſelben JEſus kommẽ/ als er die Tauffe empfangen/ und zwar in geſtalt einer Tau-
be/ und durch dieſen empfangenen Chriſt haͤtte JEſus Zeichen und Wunder getahn. Als
nun JEſus gelitten/ waͤhre Chriſtus wieder von ihm gewichen und gen Himmel geflogẽ/
als welcher nicht haͤtte leiden koͤnnen. Ebion aber hielt es in dieſen Stuͤcken nicht mit dem
Cerinth/ ſondern geſtund beydes/ daß Gott ſelbſt die Welt gemacht/ und daß Jeſus und
Chriſt ein einziges Weſen oder eine Perſon wehre/ nur ſteckete er in dem Irtuhm/ daß der-
ſelbe nicht Gott/ ſondern ein bloſſer Menſch wehre; und eben dieſes meyneten auch die Na-
zareer/ welche nebeſt den beyden jeztgedachten vorgaben/ es muͤſten die Chriſten ſo wol die
Beſchneidung und andere Judiſche Geſetz halten/ als nach dem Evangelion leben. Es hat
aber der Evangeliſt Johannes die wahre Gottheit unſers Heylandes wider dieſe Ketzer/
in ſeinen Schrifften gewaltig verteidiget. Nachgehends/ etwa vor hundert Jahren/ iſt des
Simons und Menanders Schule groß worden/ durch die teufliſchen Ketzer/ den Satuꝛ-
ninus/ Baſilides und Karpokrates/ welche zwar unter ſich ſelbſt nicht allerdinge einig wa-
ren/ aber doch dergeſtalt mit einander leicheten/ daß ſie die Schoͤpfung der Welt nicht Gott
ſelbſten/ ſondern den Engeln zulegten/ und zugleich unſers Heylandes wahre Gottheit un-
verſchaͤmt leugneten; uͤberdas auch die ſchaͤndlichen Werke des Fleiſches vor gut und wol
zugelaſſen hielten/ und hingegen den Heiligen Eheſtand ſchaͤndeten. Inſonderheit enthielt
ſich des Saturninus Anhang alles Fleiſcheſſens/ und betrogen durch ſolchen aͤuſſerlichen
Schein viel einfaͤltige Herzen. Dieſe miteinander verneuerten den ehmahls von andern
gebrauchten Nahmen/ und nenneten ſich Gnoſticos, die Erfahrnen und Hochverſtaͤndigen/
da ſie doch von dem Satan am Verſtande allerdinge verblendet wahren/ daß ſie das boͤſe
f f ijgut/
[228]Fuͤnftes Buch
gut/ uñ das gute boͤſe neñeten. (Es hat der Leſer von dieſen Teufelskindern ſchon Nachricht
im Andern Buche dieſer Geſchichte am 387 Blade.) Nach der Zeit erweckete der Satan
zween ſchaͤdliche Ketzer/ den Valentin und Marcion. Des Valentihns Anhang gehoͤretẽ
mit unter die Zunfft der Gnoſticorum oder vermeyneten Hochweiſen/ welche ſolche wun-
derliche Traͤume von Gott/ von der Welt Schoͤpfung und andern Lehrſtuͤcken fuͤhren/ daß
ſie des ausziſchens mehr wert ſind/ als Heſiodus mit ſeiner Goͤtter Geburt/ und Ovidius
mit ſeinen Verwandelungen. Aus unſerm Heylande machen ſie weder einen GOtt noch
einen Menſchen/ ſondern einen geiſtlichen Leib/ der vom Himmel kommen/ und durch der
Jungfrauen Marien Leib hindurch gelauffen ſey/ wie das Waſſer durch eine Roͤhre/ deſ-
ſen Weſen es nicht an ſich nimt; geben auch nicht zu/ daß unſere Leiber die Aufferſtehung
von den Todten zuhoffen haben. Das menſchliche Geſchlecht teilen ſie in dreyerley Arten
aus/ als die Irdiſche/ Seelenmaͤſſige/ und Geiſtliche. Die Irdiſche ſollen ganz vergehen.
Die Seelenmaͤſſige/ da ſie gutes tuhn/ ſollen an einem Mittelorte zur Ruhe kommen; Die
Geiſtlichen aber (vor welche ſie keine als ſich ſelbſt halten) bleiben ewig/ kommen an den Ort
der volkommenen Seligkeit/ und werden mit den Engeln verheirahtet; Welchen Geiſtli-
chen dann frey ſtehe/ nach allem Willen ihr Leben zufuͤhren/ ſo daß kein Laſter/ Unzucht noch
Frecheit ihnen an der Seligkeit koͤnne ſchaͤdlich oder hinderlich ſeyn. Marcion aber nam
des ehmahligen Zerdons Fantaſtereyen vor Warheit an; Es waͤhren zween Goͤtter/ ein
guter und boͤſer. Der boͤſe hette die Welt gemacht/ und die Geſetzes Lehr gegeben/ daher er
das Alte Teſtament der Heiligen Schrifft verwarff; gab vor/ der Menſchen Leiber ver-
gingen ewig. Den Eheſtand verboht er/ und hielt unſern Heyland vor einen ſolchen/ der
weder ein wahrer Menſch/ noch jemahls gebohren/ ſondern nur ein Geſpenſt waͤre/ oder ei-
ne Erſcheinung ohn Leib/ daher er auch nicht gelitten haͤtte/ noch leiden koͤnnen. Den Bru-
der Moͤrder Kain/ die Leute zu Sodom/ und andere unglaͤubige Heyden preiſete er vor ſe-
lige; Den Abel/ Enoch/ Noah und andere Gottſelige Altvaͤter aber vor verdamt; Dann
jene waͤhren dem H. JEſus/ da er hinunter zur Helle geſtiegen/ entgegen gangen/ uñ haͤtten
ſeiner Lehre geglaͤubet; Dieſe aber haͤtten ihm nicht geglaͤubet/ daher ſie in der Helle bliebẽ.
Und ob gleich dieſe Ketzerey ſehr ungereimt iſt/ und nirgends Grund hat/ ſo findet ſie doch
hin und wieder Anhang/ in der naͤhe und ferne. Bald nach dieſen Schwaͤrmern kahmen
Hermogenes/ Montanus und Tatianus angeſtiegen/ und hatten ihre abſonderliche falſche
Lehren. Hermogenes gab vor/ nicht allein Gott waͤhre von Ewigkeit her/ ſondern auch das
Zeug/ aus welchem alle Dinge gemacht ſind. Daß nun etliche Dinge boͤſe ſind/ ſolches ha-
ben ſie nicht von Gott (welches dann wahr iſt) ſondern von des Zeuges oder der Matery
Mangel/ daraus ſie gemacht ſind (welches falſch iſt/ weil ganz kein Ding ſeinem weſen nach
boͤſe iſt). Der Montanus iſt ein ſehr ſchaͤdlicher Ketzer geweſen/ uñ hat auch gelehrte Chꝛi-
ſten verfuͤhret; Seine Glaubensgenoſſen werden ſonſt Cataphryges genennet. Sich ſelbſt
hielt er vor den von unſerm Heylande verſprochenen Paracletum oder Vorſprach und Troͤ-
ſter. Zwey Weiber/ die Priſcilla und Maximilla hatte er bey ſich/ gab ſie an vor ſonderli-
che Weiſſagerinnen/ deren Schrifften er die heiligen Buͤcher nennete. Den Eheſtand veꝛ-
warff er gar; welches auch der Tatian taht/ und nam dieſer groſſen teils des Valentins
Lehre an; Wein trinken und Fleiſch eſſen hielt er vor eine groſſe Suͤnde; Und hat auch die-
ſer
[229]Fuͤnftes Buch.
ſer bey vielen unbe dachtſamen Menſchen Beyfall gefunden. Endlich hat vor etwa dreyſſig
Jahren ſich ein neuer Schwaͤrmer auffgeworffen/ nahmens Praxeas/ welcher getichtet/
Gott der Vater ſelbſt waͤhre JEſus Chriſt/ welcher geſtorben/ gen Himmel gefahren/ und
zu ſeiner ſelbſt eigenen Rechten ſich geſetzet habe; Seine Glaubensgenoſſen werden Patro-
pasſiani
genennet/ weil ſie/ wie geſagt/ vorgeben duͤrffen/ GOtt der Vater ſelbſt habe am
Kreuz gelitten. Dieſe angefuͤhrete ſind die vornehmſten Ketzer/ welche inwendig dieſen
193 Jahren nach unſers Heylandes Him̃elfahrt entſtanden ſind; und ob deren zwar mehr
erzaͤhlet werden/ ſo ſind doch die uͤbrigen der jeztgemeldeten ihre Schuͤler/ und haben nach
belieben einen Irtuhm von dieſem/ einen andern von jenem entlehnet und angenommen/
und alſo vermiſchte Ketzereyen angerichtet. Daß ich aber nach dieſer Erzaͤhlung zur Sa-
che ſchreite/ und die mir auffgetragene Frage aus dem Grunde beantworte/ nehmlich/ wo-
her es zuerweiſen ſey/ daß alle dieſelben genanten Chriſten/ falſche und nicht-recht-glaͤubi-
ge Chriſten ſind/ welche mit uns/ die wir die algemeine oder Catholiſche Kirche ſind und
genennet werden/ nicht uͤbereinſtimmen; ſo iſt dieſes der klare und grundfeſte Beweiß-
tuhm; weil ſolche Menſchen/ teils neue Lehre vorbringen/ welche wir von den Juͤngern o-
der Bohten des HErrn nicht empfangen haben; teils auch ſich unterſtehen duͤrffen/ das
Heilige uhr alte Wort Gottes/ in des Moſe und der Propheten Schrifften verfaſſet/ zu
leugnen/ auffzuheben/ und eine ganz widerwertige Lehre vorzuiragen/ durch welche jenes
Wort Gottes Luͤgen geſtraffet und verworffen wird. Da wird nun kein verſtaͤndiger/ und
aus Gottes Wort unterrichteter Menſch ſo unbedachtſam verfahren/ daß er ſolchem bloſ-
ſen vorbringen der falſchen Lehrer alsbald wolte Glauben beymaͤſſen/ ſondern da wird er
nachfragen/ woher er ſein Vorbringen zubehaupten bedacht ſey. Berufſt er ſich auf goͤtt-
liche Offenbahrungen/ ſo hat man ihm entgegen zuſtellen/ daß der warhaffte Gott/ welcher
beſtaͤndig iſt in ſeinen Worten und Tahten/ ſich ja ſelbſt nicht werde zum Luͤgner machen/
noch ſeine eigene Warheit auffheben. Und wolte dann gleich ein ſolcher Schwaͤrmer ſich
erbieten/ ſein Vorgeben durch Zeichen und Wunder zubeſtetigen/ ſo muͤſſen wir ihm doch
nicht glaͤuben/ ſondern ſolche Wunder vor des Sataus Werke halten/ weil nicht allein
unſer Gott Zeit des Alten Bundes uns ſchon gewarſchauet hat/ daß wir auch den Wun-
dertaͤhtern nicht ſollen glaͤuben/ die wider Gottes Wort etwas vorbringen/ ſondern unſer
Heyland hat ſolche Warnung wiederhohlet/ und uns angezeiget/ daß viel falſche Prophe-
ten und Schwaͤrmer werden auffſtehen/ und viel Zeichen und Wunder tuhn/ durch des
Satans Huͤlffe/ ihre falſche Lehre damit zubekraͤfftigen/ ſo daß nicht allein die einfaͤltige ſi-
chere Herzen/ ſondern wol gar die auserwehlten Kinder Gottes/ wanns moͤglich waͤhre/
dadurch moͤchten verführet werden. Derwegen ſo haben wir kein ſicherer Mittel/ die Gei-
ſter zupruͤfen/ ob ſie aus Gott ſind/ als wann wir ihre Lehre aus Gottes Wort richten/ uñ
zugleich nachfragen/ ob dann die algemeine Kirche Gottes von Anfang her alſo gelehret
habe; finden wir dann eines von dieſen beyden nicht bey dieſer Pruͤfung/ ſo ſollen wir ge-
troſt ſagen: Teuffel du leugeſt/ du bringeſt nicht die wahre Lehre GOttes/ ſondern deine
ſchaͤndliche Luͤgen hervor/ die Menſchen dadurch von Gott abzuſuͤhren/ und ſie durch Ir-
tuhm ins Verderben zuſtuͤrzen/ derwegen ſo traue ich dir nicht/ ob du dich gleich in einen
Engel des Lichts verſtellen/ und von aͤuſſerlicher Scheinheiligkeit/ wie die Sonne gleiſſen
f f iijmoͤchteſt.
[230]Fuͤnftes Buch.
moͤchteſt. Als nun der Lehrer hiemit ſeiner Rede die Endſchafft gab/ dankete ihm Ladiſla
vor ſolche Unterweiſung/ und ſagte zu den anweſenden: Ich wundere mich nicht ein ge-
ringes/ daß ſolche Rotten und Irrgeiſter von einigem Menſchen beyfall erlangen koͤnnen/
da ſie ihre eigene Tichtereyen vortragen/ welche nohtwendig muͤſſen Luͤgen ſeyn; Und wuͤꝛ-
de ich trauen dem Heſiodus/ Ovidius und andern viel ehe Glauben zuſtellen/ als welche
nicht ihre eigene Erfindungen vorbringen/ ſondern was ſie von ihren Vorfahren gehoͤret
haben. Deſſen bin ich mit meinem Bruder eins/ antwortete Valiſka/ moͤchte nur wuͤn-
ſchen/ einen ſolchen falſchen Lehrer ſelbſt zuſprechen/ umb zuvernehmen/ wie er doch auff
die unhintertreiblichen Gegenwuͤrffe der Rechtglaͤubigen antworten wolte/ deren einen
einzigen umzuſtoſſen oder zweiffelhafftig zumachen ihm ja allerdinge unmoͤglich iſt. Her-
nach hielt ſie bey dem Lehrer freundlich an/ er moͤchte ſein jetziges vorbrigen etwas weit-
laͤufftiger auffſetzen/ und ihr ſolches bey erſter Botſchafft auff Jeruſalem nachſchicken;
Welches er dañ nit aus der acht ließ/ und vor ſolche Muͤhe eine reiche Vergeltung bekam.


Fabius hatte dieſem Lehrer und alle ſeinem Vorbringen mit ſonderlichem fleiſſe zu-
gehoͤret/ worauff unſere Helden gute acht gaben/ und die Hoffnung faſſeten/ er würde ſich
zum Chriſtentuhm begeben. Dem Biſchoff ſtellete Valiſka ſonſten vor dißmahl 100000
Kronen zu/ unter den armen Chriſten in den Syriſchen Staͤdten außzuteilen. Fabius gab
ihm derobehuef abſonderlich/ ohn der unſern wiſſen/ 5000 Kronen/ mit begehrẽ/ er moͤch-
te Gott vor ihn bitten/ daß er in ſeinem angehenden Glauben zur Seligkeit geſtaͤrket wuͤr-
de; welches er ihm getraͤulich verſprach/ auch einen Catechißmus oder Glaubens-Buͤch-
lein verehrete/ in welchem er fleiſſig leſen/ und vor ſich ſelbſt Gott im Himmel anruffen
ſolte/ daß er ihn ferner erleuchtete. Herrn Sulpizius Gemahl/ Fr. Juſtinen ſchenketen ſie
etliche koſtbahre Kleinot/ und begabeten alles ſein Geſinde reichlich/ nahmen auch den jun-
gen Sulpizius ſeinen Sohn gerne mit ſich in ihrer Geſelſchaft fort/ der ein guter Ritter/
ſeines alters von 24 Jahren wahr/ und zu Rom ſeine verſprochene Braut Frl. Benig-
nen hatte/ Herrn Klaudius Kriſpinus Tochter/ die er beſuchen wolte. Als ſie nun des an-
dern Tages nach ihrer ankunft von Damaſkus hinweg zogen/ und unſere Helden inge-
ſamt mit dem Frauenzimmer auff dem Elefanten ſaſſen/ redete Ladiſla ſeine Schweſter
alſo an; Ich erfreue mich von Herzen/ daß ich den Jordan ſchier erreichen/ und zu abwa-
ſchung meiner Suͤnde die heilige Tauffe empfangen werde/ deßwegen ich dann geſonnen
bin/ mich durch wahre Buſſe und faſten darauff zuſchicken/ daß ich dieſes ſelige Bad wir-
dig empfahen moͤge; zweifele auch nicht/ die ſo eben daſſelbe mit mir zunehmen willens
ſind/ werden ſich gleicher geſtalt darzu bereiten. Valiſka bedankete ſich der bruͤderlichen
Erinnerung/ gab es Leches und ſeiner Geſelſchaft zuverſtehen/ und ordneten von dem Tage
biß an ihre Tauffe eine Faſten unter ſich/ da ſie des Tages nur einmahl gegen Abend Spei-
ſe nahmen/ und dabey nichts als Waſſer trunken/ hielten auch taͤglich dreymahl Beht-
ſtunde/ des morgens wañ ſie auffbrachen/ des Mittages wañ ſie ruheten/ und des Abends
wann ſie ſich niderlieſſen; wobey Fabius ſich immer mit finden ließ/ der doch ſein Vorha-
ben noch keinem Menſchen offenbahret hatte. Wie ſie an die Galileiſchen Grenzen kah-
men/ beſuchten ſie alle nahmhaffte oͤrter/ deren in heiliger Schrifft meldung geſchihet/ dañ
dieſe hatte Valiſka mit ſonderlichem fleiſſe ausgezeichnet/ und in ein Buͤchlein geſchriebẽ.
Erſtlich
[231]Fuͤnftes Buch.
Erſtlich beſahen ſie Kana/ im Galileiſchen Lande belegen/ und lieſſen ſich das Haus zeigen/
in welchem der HErr Chriſtus Waſſer hatte zu Wein gemacht. Von darab zogen ſie gen
Nazareth/ beſahen den Ort/ wo der Erz Engel Gabriel der keuſchen Jungfrauen Marien
die froͤliche Botſchaft gebracht/ daß ſie den Heyland zur Welt gebehren ſolte/ und zeigeten
ihnen die Chriſten einen Brunnen/ aus welchem das Kindlein JEſus ſeiner Mutter
hatte pflegen Waſſer zu hohlen/ daher unſere andaͤchtige Pilgrim Luſt bekahmen/ anfangs
aus dieſem Brunnen zu trinken/ und nachgehends ſich daraus zu waſchen. Von dannen
reiſeten ſie nach Kapernaum/ da der HErr Chriſtus ſein meiſtes Weſen und Wohnung
gehabt/ und ward ihnen daſelbſt mannicher Ort gezeiget/ an welchen er ſeine Wunder-
werke verrichtet. Von dannen zogen ſie uͤber den Jordan/ und beſahen Chorazin; kehre-
ten wieder zuruͤk nach Bethſaida/ und von darab nach den Bergen Tabor und Hermon/
auch nach der luſtigen Stad Naim/ woſelbſt unſer Heyland den Todten Juͤngling im
Sarge zum Leben aufferwecket hatte. Ferner reiſeten ſie nach Tyberias/ und wieder Weſt-
werz nach Sichem. Von Sichem nach Samaria/ und endlich nach dem gewünſcheten
Ort Bethabara/ da ſie die heilige Tauffe empfangen wolten. In allen dieſen Staͤdten tei-
lete Valiſka unter den Chriſten ſo reichlich aus/ daß ſie damit uͤber eine Tonne Schaz ver-
taht/ und wo Chriſtliche Schuelen wahren/ gab ſie auff 10 Jahr lang den Lehrern und
Schuͤlern reichen Unterhalt/ worzu ſie drey Tonnen Schaz anwendete. Fabius meldete
erſt zu Bethabara den unſern ſein Vorhaben an/ daß er von Damaſkus her die Chriſtli-
che Lehre zimlich gefaſſet haͤtte/ auch willens waͤhre/ die heilige Tauffe anzunehmen; deſſen
ſie hoͤchlich erfreuet wurden/ uñ Valiſka ihm etliche Stunden lang die ſchwereſten Glau-
bens Stuͤcke einfaͤltig erklaͤrete. Herkules ſendete ſeinen Gallus mit verſtelletem Ange-
ſicht nach Jeruſalem zu dem Biſchoff/ ließ ihn ſeine Ankunft vertraulich wiſſen/ und daß
etliche hohes Standes mit ihm kommen waͤhren/ die heilige Tauffe zu empfahen; moͤchte
demnach die Mühe auff ſich nehmen/ und mit dem alten Lehrer/ der ihn getauft haͤtte/ auff
dem geſchikten Wagen hinaus kommen/ daß der Stathalter deſſen nicht inne wuͤrde/ dem
er ſich zu rechter Zeit ſchon wolte zuerkennen geben. Der Biſchoff freuete ſich über Herku-
les ankunft/ und daß ihm Gott gluͤklichen fortgang ſeines vor habens verlihen/ zog des fol-
genden morgens mit Gallus in aller fruͤhe fort/ uñ ward von den unſern ſehr wol empfan-
gen/ denen er eine herliche erklaͤrungs Predigt von der Einſetzung und nuzbarkeit der H.
Tauffe hielt; hernach vor erſt das Frauenzimmer/ nachgehends die Mannesbilder ver-
hoͤrete/ und ſie dermaſſen gegruͤndet befand/ daß weitere unterweiſung unnoͤhtig wahr;
inſonderheit verwunderte er ſich des Chriſtlichen Eifers/ welchen er bey der Groß Fuͤrſtin
und ihrem Bruder/ wie auch bey Leches ſpuͤrete/ vermahnete ſie zur beharligkeit/ und blie-
ben faſt den ganzen Tag im Geſpraͤch vom Chriſtlichen Glauben/ dan die unſern nahmen
den Tag gar keine Speiſe zu ſich/ und die ganze Nacht uͤber blieben ſie im Gebeht. Des
folgenden morgens gingen anfangs das Frauenzimmer mit dem Biſchoff an den Jordan/
und empfingen die heilige Tauffe/ hielten ihr Dankſagungsgebeht am Ufer eine Stunde
lang/ und wurden inzwiſchen Ladiſla und Fabius; und nach ihnen Leches/ Klodius/ Mar-
kus Neda und Prinſla; endlich Timokles und Mardus getauft. Nach verrich[t]etem an-
daͤchtigen Gebeht/ ſetzeten ſie ſich zu Tiſche/ und hielten Mahlzeit in aller Gottesfurcht;
da
[232]Fuͤnftes Buch.
da die Groß Fuͤrſtin mit dem Biſchoffe allerhand Chriſtliche Geſpraͤch fuͤhrete/ der ihr
allernaͤheſt ſitzen muſte. Nun hatte aber Herr Pompejus die Zeitung zu Jeruſalem ſchon
bekommen/ daß etliche vornehme Herrn mit einer groſſen Anzahl Reuter und Wagen/
auch einem ſehr ſtatlichen Elefanten zu Samarien (dann hieſelbſt muſten ihre Leute liegen
bleiben) ankommen waͤhren/ deßwegen er einen Reuter dahin ſchickete/ um nachzufragen/
was vor Leute ſie waͤhren/ und von wannen ſie kaͤhmen. Herkules hatte ſich deſſen ſchon
beſorget/ und dem jungen Sulpitius auffgetragen/ was auff dieſen Fall ſolte geantwortet
werden/ welcher demnach den Abgeſchikten berichtete/ es waͤhren etliche vornehme Roͤ-
miſche Herrn mit ſtatlichen Kaͤyſerl. Geleitsbrieffen ankommen/ dieſe Landſchaft zubeſe-
hen/ weil ſie Chriſten waͤhren/ und fuͤnden ſich etliche des Herrn Stathalters nahe Anver-
wanten mit unter ihnen; waͤhren ein wenig außgeritten/ und wuͤrden ihren Weg (wohin/
wuͤſte er nicht) erſtes Tages weiter fortſetzen. Unſere getauffete machten ſich deßſelben Ta-
ges wieder zuruͤk nach Samarien/ wurden dieſer Nachfrage berichtet/ brachen alsbald
mit allen Voͤlkern und Wagen auff nach Jeruſalem/ und nahmen die Nacht zu huͤlffe/ daß
ſie des andern Tages fruͤh morgens vor dem Tohr wahren/ meineten auch ohn ſonderbah-
re Nachfrage in die Stad gelaſſen zu werden/ welches ihnẽ doch fehlete/ maſſen der Wacht-
meiſter ihnen etliche entgegen lauffen ließ/ und geboht/ der Stad nicht zu nahen/ biß ihnen
ſolches vergoͤnnet wuͤrde; ſie aber zogen algemaͤhlig fort/ einwendend/ daß ſie Roͤmer/ und
des Stathalters Freunde waͤhren/ die ihn zubeſuchen kaͤhmen. Pompejus ſendete ihnen
bald darauff zehn Reuter entgegen/ und ließ nachfragen/ was vor Leute ſie waͤhren. Plau-
tus wahr mit unter ihnen uñ erſahe Gallus/ deſſen er ſich hoͤchſt erfreuete/ nicht zweifelnd/
Herr Herkules wuͤrde mit dabey ſeyn; aber Gallus redete ihn alsbald auff Mediſch an/
daß er ſich keiner Kundſchaft merken lieſſe/ weil ſein Herr unerkennet ſeyn wolte/ biß er ſich
dem Stathalter ſelbſt meldete. Dieſe außgeſchikte bahten Herrn Fabius/ (dann unſere
Helden lieſſen ſich nicht ſehen) er moͤchte mit den ſeinen ſtille halten/ biß einer hinritte/ dem
Stathalter ſeine Antwort zu melden; dann Fabius hatte geſagt/ er kaͤhme von Padua/
ſeinen Herrn Vetter auff der Reiſe zu gruͤſſen. Die unſern ſahen/ daß ſie mit ihrem gan-
zen hauffen nicht würden ungemeldet eingelaſſen werden/ daher Herkules/ Ladiſla und Ar-
bianes ſich in eine Gutſche; Valiſka mit Libuſſen und Euphroſynen ſich in eine andere ſet-
zeten/ und Fabius mit Sulpitius/ Leches und Gallus zu Roſſe folgeten/ denen dann der
Einzug nicht gewegert ward/ da ein Reuter kurz vor ihnen her ritte/ uñ ſeinem Herrn dem
Stathalter anzeigete/ daß ſeine Verwanten/ die ſich durchaus nicht melden wolten/ mit
geringer Geſelſchaft ſeinem Hofe naheten/ daher er ſeinem Gemahl und Tochter befahl/
ſich in Eile zuſchmuͤcken. Als ſie noch einen zimlichen Weg von des Stathalters Woh-
nung wahren/ ſtiegen ſie ab/ und gingen zu fuſſe hin. Herkules und Ladiſla traten voraus/
Arbianes und Fabius folgeten auff dem fuſſe/ Leches und Gallus/ welche Sulpizius be-
gleiteten/ traten hinten nach/ alleſamt in treflicher Kleidung nach ſtandes Unterſcheid/
ohn einige Waffen/ nur mit leichtem Seitengewehr. Die drey Fuͤrſten und Fabius hat-
ten ſich auff eine Weiſe gekleidet/ in einem glaͤnzenden Silbern Stuͤcke mit Demanten
beſezt/ und auff den Huͤten groſſe weiſſe Federbuͤſche. Kurz nach ihnen folgete Groß Fuͤr-
ſtin Valiſka in gleicher Kleidung/ und ihre genante Begleiteriñen hinter ihr. Das Burg-
Tohr
[233]Fuͤnftes Buch.
Tohr wahr verriegelt/ und ehe dann es geoͤffnet ward/ meldete ſie zuvor ein Diener an/ es
begehreten etliche trefliche Herrn/ eingelaſſen zu werden. Der Stathalter befahl alsbald
auffzutuhn/ ging ihnen entgegen/ und ward im Vorplatze Herkules gewahr/ dem er umb
den Hals fiel/ und ihn mit dieſen Worten empfing: Ich rechne dieſen Tag vor einen mei-
ner gluͤkſeligſten/ nach dem mein GOtt an demſelben meinen hochgeliebten Herr Sohn
mich friſch und geſund ſehen laͤſſet/ und zwar/ wie ich merke/ nach glüklicher verrichtung
ſeines vorhabens. Herkules bedankete ſich der hohen Ehrerbietung/ und antwortete: Ja
mein hochgeliebter Herr Vater; der Almaͤchtige Gott hat das geraubete Koͤnigl. Fraͤu-
lein durch mich erloͤſet/ und ſie mir zum Gemahl beſcheret/ welche dort her komt/ ſich mei-
nem Herr Vater als eine gehorſame Tochter darzuſtellen/ auch groſſes verlangen traͤgt/
mit meiner Frl. Schweſter Frl. Lukrezien Kundſchaft zu machen. Meiner Zuſage mich
eriñernd habe ich auff der Ruͤkreiſe nicht vorbey zihen/ ſondern meinem Herr Vater zu-
ſprechen ſollen/ da ich dann meine geliebte bruͤderlichen Freunde/ Ladiſla/ Boͤhmiſchen
Koͤnig/ Arbianes Mediſchen Groß Fuͤrſten/ auch Herꝛn Fabius und Sulpizius mit mir
fuͤhren wollen. Pompejus empfing dieſelben nach Standes Wirdigkeit/ ſehr freundlich/
und erzeigete Ladiſlaen ſo hohe Ehre/ daß dieſer ſich deſſen endlich beſchwerete; Weil aber
die Groß Fuͤrſtin ſchon ſtund/ und auf ihn wartete/ hieß er ſie ſehr ehrerbietig wilkommen/
und ſagete: Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin; meine ſchlechte Wohnung hat ſich/ als lan-
ge ſie ſtehen wird/ zu ruͤhmen/ daß ihre Vortreffligkeit nicht vorbey zihen/ ſondern bey ih-
rem bereitwilligſten Herberge nehmen wollen; und weil mein Gemahl und Tochter vor-
laͤngſt gewuͤnſchet/ Ihrer Durchl. auffzudienen/ wolle dieſelbe freundlichſt gebehten ſeyn/
unſere Geſelſchafft ihr gefallen zulaſſen/ und mit einem bereit ſtehenden Willen vorlieb zu
nehmen. Valiſka neigete ſich tieff gegen ihn bedankete ſich der hohen unverdieneten Eh-
re/ waͤhre vor ſich ſo kuͤhn nicht geweſen/ dem Hochmoͤgenden Herrn Stathalter Ungele-
genheit zumachen/ ſondern vorerſt ihrem Gemahl zugehorſamen/ dann auch Gelegenheit
zuſuchen/ ſeiner Liebe vor die ihrem Gemahl erzeigete groſſe Freundſchafft zudanken/ und
mit dem trefflichen Fraͤulein ſchweſterliche Freund- und Kundſchafft zumachen/ deren
hohe Tugend ihr Gemahl nicht gnug haͤtte ruͤhmen koͤnnen; baͤhte demnach ſehr dienſt-
fleiſſig/ ihrer Kuͤhnheit zuverzeihen/ und mit uͤberfluͤſſiger Ehre ſie hochguͤnſtig zuverſcho-
nen. Pompejus wuſte/ daß die ſeinen verlangen trugen/ die fremden Gaͤſte zuerkennen/ trat
mit den Mannesbildern unter den gewoͤlbeten Bogen/ und ſendete hin/ ſie ohn anmeldung
der fremden herzufodern/ denen die Groß Fuͤrſtin mit ihren beyden Nachfolgerinnen ent-
gegen trat/ und jene ſich wegen ihrer ausbündigẽ Schoͤnheit nicht gnug verwundern kun-
ten/ biß nach freundlicher umfahung Valiſka alſo anfing: Durchl. Fr. Stathalterin/ auch
Hochgebohrnes vorteffliches Fraͤulein; meine Verwaͤgenheit/ dieſelben unangemeldet zu
uͤberlauffen/ habe ich durch nichts zuentſchuldigen/ nur daß auff die hohe Gunſt ich mich
verlaſſe/ mit welcher ſie meinem Gemahl Muͤtter- und Schweſterlich verwand und zuge-
tahn ſind/ deſſen kind- und bruͤderlichen Gruß anzumeldẽ/ ich unvergeſſen ſeyn wolte/ wañ
er ſolches nicht ſelbſt zuverrichten willens waͤhre. Ach Gott/ antwortete das Fraͤulein/ iſt
dann Eure Hocheit etwa meines hoͤchſtwerten Herrn Bruders/ des Durchleuchtigſten
Groß Fuͤrſten/ Herrn Herkules Gemahl? welches ich daher muhtmaſſen muß/ weil ſonſt
g gkeiner
[234]Fuͤnftes Buch.
keiner in der Welt ſich meiner ſchweſterlichen Liebe ruͤhmen kan. Valiſka umfing ſie mit
einem inniglichen Kuſſe/ und ſagete: Eben dieſer iſt mein Gemahl/ hochgeliebtes Fraͤulein/
[und] bin ich ſo erboͤhtig als ſchuldig/ Ihrer Liebe wegen der ihm geleiſteten ſchweſterlichen
Dienſte/ nach aller Moͤgligkeit dankbar zuſeyn. Wann auch meine Hochwerte Freundin-
nen belieben tragen/ ihren Sohn und Bruder zuſprechen/ ſehen ſie ihn dort her kommen.
Das Fraͤulein erwartete ihrer Fr. Mutter Begleitung nicht/ ſondern ging ihm entgegen/
und ward von ihm mit einem bruͤderlichen Kuſſe empfangen/ da er zu ihr ſagete: Hoch-
werte Frl. Schweſter; wegen vertraulicher Freundſchafft habe ich nicht unterlaſſen koͤn-
nen/ ihre Liebe zubegruͤſſen/ und ihr mein Gemahl ſehen zulaſſen/ welche nichts hoͤhers wuͤn-
ſchet/ als in ihre vertrauliche ſchweſterliche Freundſchafft auffgenommen zuſeyn. Ach wie
angenehm/ ſagte ſie/ iſt mir meines Durchl. Herrn Bruders Geſundheit und gluͤkliches
Wolergehen/ moͤchte von herzen wünſchen/ daß ſeinem Koͤniglichẽ Gemahl ich der gebuͤhr
nach auffwarten koͤnte/ deren gleichen an Schoͤnheit und anderen Volkommenheiten/ ohn
Zweifel in dieſer Welt nicht iſt. Meine Frl. Schweſter/ antwortete er/ wird an ihr ein er-
gebenes Herz finden/ und bitte ſehr/ ſie wolle alle Gedanken ſolcher unzimlichen Demuht
ablegen/ dafern ſie ſonſt mein Herz nicht betruͤben wil. Sie haͤtte gerne geantwortet/ aber
wie ſie berichtet ward/ was vor welche die mit ihrem Vater herzunahende waͤhren/ ging ſie
ihnen entgegen/ und empfing ſie mit ſonderlicher Hoͤfligkeit/ da ſie gegen Ladiſla ſich des
Wunſches gebrauchete/ daß ſein geliebtes Gemahl moͤchte zugegen ſeyn; Welches ihm kei-
ne ſchlechte Begierde nach ihr in ſeinem Herzen erweckete/ inſonderheit/ weil das Fraͤulein
ihr ſehr aͤhnlich wahr. Inzwiſchen hatte Herkules ſich zu der Stathalterin gemacht/ von
welcher er muͤtterlich gewilkommet ward. Valiſka aber nahete ſich wieder zu dem Fraͤu-
lein/ deren froͤliche Bezeigungen ihr ſehr wol gefielen/ hielt manniche holdſelige Unterre-
dung mit ihr/ und legten mit einander eine vertrauliche Liebe an/ deren doch das Fraͤulein
ſich unwirdig ſchaͤtzete/ und ſich zu allen dienſt- und Auffwartungen erboht. Herr Pompe-
jus ließ die Wagen auff einen groſſen Plaz zuſammen fuͤhren/ da ſie Tag und Nacht fleiſ-
ſig bewachet wurden; die Reit- und Wagenpferde aber auf die Doͤrffer verlegt/ die 400
Reuter blieben in der Stad/ und der Elefant ward auf die Burg gefuͤhret/ da er gute Stal-
lung fand. Es wahr allerſeits groſſe Freude/ nicht anders/ als waͤhren Kinder und Eltern/
Schweſter und Bruͤder zuſammen kommen/ daß niemand wuſte/ mit wem er am liebſten
teden wolte; welches allermeiſt an dem Fraͤulein erſchien/ maſſen ſie bald mit Herkules ein
Geſpraͤch anfing/ und mitten in demſelben abbrechend/ mit der Groß Fuͤrſtin anlegete; bald
ihren Oheim Fabius ſeines ergehens fragete. Das Mittagsmahl ward auf dem gewoͤhn-
lichẽ Saal angerichtet/ wobey Geminus der Biſchoff ſich einſtellete/ zu welchem der Stat-
halter ſagete: Ihr habt ſehr wol getahn/ Ehrwuͤrdiger Vater/ daß ihr dieſer Fürſten und
Herren Ankunfft mir verhehlet/ damit ich wegen ſchlechter Bewirtung mich deſto beſſer
zuentſchuldigen haͤtte. Er merkete dieſen Stich wol/ gab zur Antwort/ daß er zwar ſchuldig
geweſen/ Ihrer Gn. alles zeitig anzumelden; weil er aber ſelbſt nicht gewuſt/ was vor Her-
ren ihn hinaus gefodert/ er auch gleich jezt von Bethabara zu Hauſe angelanget waͤhre/
hoffete er/ Ihre Gn. wuͤrden ihn wol entſchuldiget halten. Es ward niemand als die Fuͤr-
ſten/ nebeſt Fabius und Sulpizius an dieſen Tiſch geſezt/ und muſte Frl. Lukrezie mit Ge-
walt ſich zwiſchen Herkules und Valiſken ſetzen/ der Biſchoff aber blieb vornen an bey dem
Stat-
[253[235]]Fuͤnftes Buch.
Stathalter. Nach geendigter Mahlzeit haͤtten ſie die heiligen oͤrter der Stad gerne beſich-
tiget/ aber dieſen Tag kunte es ihnen nicht gegoͤnnet werden/ und wahr der Stathalter be-
dacht/ auff den Abend einen Tanz anzuſtellen/ welches Herkules hiemit abwendete/ daß ſie
ingeſamt willens waͤhren/ des folgenden Tages das Heilige Abendmahl zugebrauchen/ uñ
zugleich ein Dankfeſt zuhalten/ daß ihr Heyland ſie bißher ſo vaͤterlich bewahret/ und an
dieſen gewuͤnſchten Ort ſicher gebracht haͤtte; welches er ihm wol gefallen ließ/ und ſich er-
boht/ des wahren Leibes und Blutes des Sohns Gottes mit zugenieſſen; dann er hatte mit
ſeinem Gemahl und Tochter ſchon vorm halben Jahre ſich taͤuffen laſſen. Als nunſolches
des naͤheſten Tages von fruͤh Morgens an biß auff den hohen Mittag verrichtet wahr/
hielten ſie das Mahl in Froͤligkeit mit einander; nach deſſen Endigung der Biſchoff etli-
che mit Seitenſpiel herzu foderte/ die allerhand Chriſtliche Geſaͤnge erklingen lieſſen/ und
mit der Stimme darein ſungen; da endlich Valiſka die Laute foderte/ etliche ſchoͤne Vor-
laͤufchen ſpielete/ und bald darauff folgendes Lied/ welches ſie dieſe Nacht getichtet hatte/
darein ſang:


1 NUn der Winter iſt dahin/

Ja der Winter meiner Schmerzen/

Dem ich jezt entriſſen bin/

Liegt mir nicht mehr auff dem Herzen;

Der mich vor ſo hart geplagt/

Und durch tieffen Schlam getrieben/

Iſt/ wie Artaban jezt klagt/

Hinter mir in Parthen blieben.

2 Du mein Heyland/ du mein Schuz/

JEſus/ hier vor mich gelitten/

Haſt des wilden Parthers Truz

Vor der Fauſt rein abgeſchnitten;

So daß O HErr deine Gunſt/

Mitten unter Ungluͤks wuͤten

Vor des frechen Tigers Brunſt

Meiner gnaͤdig wollen huͤten.

3 Du mein JEſus biſt mein Schild/

Der Verderben abgekehret/

O du Gottes Ebenbild/

Uber alles hochgeehret;

Was vor Dank ſol deiner Macht

Ich Unwirdige doch ſingen?

Die mir Heil und Leben bracht/

Wie man ging/ mich zuverſchlingen.

4 HErr/ ich trat daher ohn Licht/

Lag im finſtern Todes-Grabe/

Kante deinen Namen nicht/

Den ich jezt im Herzen habe;

Darumb ſtieß des Unfals Wuht

Meine Seele leicht danider/

Weil ich nichts/ als Fleiſch und Blut

Suchte/ das mir huͤlffe wieder.

5 Aber nun des Vaters Wort/

JEſus/ ſich mir offenbahret/

Hab ich einen ſtarken Hort/

Der mir Leib und Seel bewahret/

Der in mir des Glaubens Feur/

Und der Liebe Brunſt entzuͤndet/

Daß kein Helliſches Geheur

Raum und Stelle bey mir findet.

6 O du Himmels-Gnade du!

O du Troſt der ſchwachen Seelen!

O du hochgewuͤnſchte Ruh!

Nimmer kan es denen fehlen/

Die in deinem Schutze ſeyn.

Nun ſo hilff HErr/ und vollende/

Daß ja deiner Guͤte Schein

Nimmermehr ſich von uns wend[e]

7 Laß im Glauben uns beſtehn/

Biß wir dieſen Leib der Erden

Durch des Todes uͤbergehn

Abzutuhn gezwungen werden/

Dann fuͤhr unſre Seele hin

Zu der Ruhe deiner Gnaden/

Wie dein Bruder-Herz und Sin[n]

Uns dahin hat eingeladen.

8 O wie werd ich mich alsdann/

Hoͤchſtes Heil/ an dich ergetzen!

Hier leid ich/ ſo viel ich kan;

Dort wirſtu die Pein erſetzen

Mit der Unausſprechligkeit.

JEſus/ wann wird es geſchehen/

Daß dein arme Chriſtenheit

In das Paradeiß ſol gehen?

g g ijAlle
[236]Fuͤnftes Buch.

Alle anweſende hoͤreten ihrer geiſtlichen Andacht fleiſſig zu/ und verwunderten ſich uͤber
die Inbrunſt/ welche ſie durch aͤuſſerliche Geberden ſcheinen ließ/ daß auch die Freuden-
Thraͤnen ihnen ſaͤmtlich aus den Augen drungen/ weil ſie die ihren flieſſen ſahen; daher der
Biſchoff Gelegenheit nam/ durch ein Chriſtliches Geſpraͤch ſie zu ſtaͤrcken/ und ſagte zu
ihr: Durchleuchtigſte Groß-Fuͤrſtin; das iſt die durchdringendeſte Hertzens-Freude/ zu
welcher wir von Gott erſchaffen ſind/ wann wir an unſerm Heylande alle unſere Seelen-
beluſtigung haben; dann hiedurch empfinden wir auch noch in dieſem Lebẽ den ſuͤſſen Voꝛ-
ſchmak jener unſaͤglichen Wolluſt/ die unſer Heyland durch ſein Leiden und Tod uns in
dieſer Stad erworben hat. Ja Ehrwuͤrdiger Vater/ gab ſie zur Antwort: Wolte GOtt/
daß unſer muhtwilliges Fleiſch ſich nur ſtets koͤnte oder wolte zwingen laſſen/ dem irdiſchen
abzuſterben/ und dem Geiſte die himliſche Betrachtung zugoͤnnen; aber leider! ich empfin-
de mit dem teuren Apoſtel Paulus auch das Geſez der Suͤnden in meinen Gliedern/ das
da widerſtreitet dem Geſez in meinem Gemühte/ und nimt mich taͤglich gefangen/ indem es
mir bald dieſes/ bald jenes einwirfft/ und offt mitten in der Andachts Gluht meine Gedan-
ken mit der Angieſſung des Weltwaſſers ſtoͤret/ daß ſie der Betrachtung nicht gebuͤhrlich
nachſetzen/ ſondern in dem ich mein bekantes Gebeht mit den Munde ſpreche/ der Siñ wol
auff ein anders hingezogen wird/ und die Zunge das ihre volfuͤhren laͤſſet; Und wann ich
mich bißweilen von dieſer mir ſelbſt widrigen Schwebung loßreiſſe/ wil ſie doch immer
anhalten/ und der Andacht den Lauff verhindern. Nichts neues/ Durchl. Groß Fuͤrſtin/
nichts neues/ ſagete der Biſchoff/ ſondern diß iſt eben der Streit und Kampff/ welchen die
Glaͤubigen in dieſer Irdiſcheit taͤglich erfahren muͤſſen; dann wir duͤrffen unſern Feind
nicht weit ſuchen/ ſondern tragen ihn in unſerm Buſem mit uns umher. Aber daruͤber
ſollen wir keinen Zweifelmuht an uns nehmen/ ſondern uns troͤſten/ daß unſer Alkraͤfftiger
Verfechter JEſus/ uns in dieſem Kampfe nicht ohn huͤlffe laſſen/ ſonďn mit ſeiner Gnug-
tuhung beyſpringen wil/ auff daß/ wo unſer ſchwaches Vermoͤgen zukehret/ ſeine Almacht
gelten/ und unſern Abgang reichlich erſetzen ſol; fehlen wir dann bißweilen aus Fleiſches
Schwacheit/ und ſehen/ daß der faule Eſel nicht folgen wil/ wie der Geiſt treibet/ ſondern
durch Gegenwuͤrffe des Geſichtes oder Gehoͤrs/ oder anderer Beglerden abgeleitet wird/
muͤſſen wir uns doch an der Gnade Gottes genuͤgenlaſſen/ wann wir nur unſer Gewiſſen
rein behalten/ oder da wir geſtrauchelt/ uns in der Zeit wieder auffrichten. Wer dann alſo
ſtreitet/ dem wird der gerechte Richter an jenem Tage die Ehren Kron nicht verſagen. A-
ber wie ſchwer dieſer Kampff zugehet/ und wie wenig denſelben recht antreten duͤrffen/ ſi-
het man an den Welt-ergebenen/ die nicht allein den Irrungen der Andacht ſich nicht ent-
gegen ſetzen/ ſondern des unbendigen Fleiſchesbegierden nit eins wiederſtehen wollen/ weil
ſie nach ihrer Zaͤrtligkeit dem Fleiſche nicht verſagen koͤnnen/ was ihm ſanffte tuht. Es iſt
wahr/ antwortete die Groß Fuͤrſtin/ daß der ungezaͤumete Welthauffe den uͤppigkeiten ſpo-
renſtreichs nachhaͤnget/ welches zwar die innerliche Boßheit in ihnen bruͤtet/ aber die Ge-
wohnheit leget deſſen bey ihnen noch den allerfeſteſten Fuß/ daß man ſie weder durch Ver-
mahnung noch Zwang abhalten kan; daher muß der Geiſt bey ihnen nohtwendig erliegẽ/
wie ſtark man gleich/ ihn loßzureiſſen/ bemuͤhet iſt; und tuht hierzu der Unglaube nicht we-
nig/ welcher der blinden Vernunfft die Gewißheit des zukuͤnfftigen Gutes überal zweiffel-
hafftig
[237]Fuͤnftes Buch.
hafftig machet/ da ſie den gegenwaͤrtigẽ Schatten waͤhlet/ damit ſie nit um beydes betrogẽ
werde/ weil ſie doch das verborgene vor nichts haͤlt. Ich bekeñe/ dz vor meiner Bekehrung
ich mañichen unnuͤtzen Gedankẽ angewendet habe; ob die anreizung zur Tugend/ nit nur al-
lein um des gemeinen nutzen willẽ angeſehẽ/ denen aber/ die dariñen ſich uͤbẽ/ nur ein einge-
bildeter Wahn waͤhre. Ja/ gedachte ich/ wz hat jener davon/ dz er um eines anderen willen
ſich ſchlagen/ verwunden und erwuͤrgen laͤſſet/ und koͤnte von ſeinem uͤberfluſſe alle erdenk-
liche Wolluſt einnehmen? Bald fiel mir ein; was man mir von Goͤttern ſagete/ koͤnte nit
allerdinge ertichtet ſeyn/ und muͤſte man denen zum ſchuldigen gehorſam die Tugend uͤben;
aber der Zweifel wolte ſich hiedurch noch nicht daͤmpfen laſſen/ ſondern der verworrene
Sinn rennete der vorigen Bahn wieder nach; wer hat jemahls einen Gott geſehen? viel-
leicht werden ſie uns zum Schrecken eingebildet/ auff daß wir durch ſolche Furcht einge-
halten werden/ unſerer Wolluſt nachzuhaͤngen/ gleich wie man eine Klapper auff den
Baum ſtellet/ die Vogel abzuſchuͤchtern/ daß ſie den Kirſchen keinen Einfall tuhn; oder
wie man einem Knechte den rauchen Pelz umbhaͤnget/ die ſchreien den Kinder damit zu
ſtillen. Alſo wahr mein Herz in ſtetem Wankelmuht/ welcher vielleicht wol andere mehr
einnimt/ und zur Frecheit antreibet/ als lange ihnen das Licht der Warheit nicht ſcheinet/
und ich daher uͤber der Heiden Gottloſigkeit eben ſo hoch mich nicht verwundere; aber
wann ich erleuchtete Chriſten ſich in Suͤnden und Schanden waͤlzen ſehe/ ſolches gibt mir
uͤberaus groſſe aͤrgernis/ und verfluche dieſe unmenſchliche Boßheit/ daß ſie wieder Wiſ-
ſen und Gewiſſen ſtreben/ nicht anders/ als lieffe ein Verurteileter mutwillig ins Feur/ da
ihm doch der Richter Gnade und Lebensfriſtung anbeut/ wann er nur ſeinem Frevel ſteu-
ren/ und des Feurs ſich enthalten koͤnte. Der Biſchoff wolte ihr dieſes beantworten; aber
Libuſſa meldete ihr an/ daß ihr eingeſperretes Hündichen ſieder geſtern morgen ſtets ge-
trauret/ und keinen Biſſen haͤtte eſſen wollen. Sie meinete aber ihren zahmen Loͤuen/ den
ſie in einen Kaſten geſezt hatte/ welcher keinen Tag von ihr bleiben wolte/ ſo heftig liebete er
ſie/ und ſie daher ihn ihr Schoßhuͤndichen zu nennen pflegete. Sie hoͤrete Libuſſen anbrin-
gen nicht gerne/ und ging hin/ ihn zubeſehen. Als ſie nun zu ihm trat/ und die Tuͤhr am
Kaſten oͤffnete/ daß er hervor gehen kunte/ ſprang er froͤlich um ſie her/ daß die Diener ſich
verwunderten; ſie aber ihn ſpeiſen ließ/ und ihn mit ſich auff den Saal fuͤhrete/ welches
dem anheimiſchen Frauenzimmer und anderen mehr/ nicht geringen Schrecken brachte/
deſſen ſie doch bald benommen wurden/ als ſie ſahen/ wie gehorſam er ſich gegen die Groß-
Fuͤrſtin erzeigete/ dann er ſtellete ſich hinter ihr/ und wartete nicht anders auff als ein Die-
ner. Nach mittages gingen ſie hin/ alles denkwirdige zubeſichtigen/ an was Orte Pilatus
Richthaus geſtanden; auff welcher ſtaͤte der HErr JEſus gegeiſſelt/ gekreuziget/ und be-
graben worden; hernach fuhren ſie ingeſamt hin nach dem Oelberge/ wo der Garte Geth-
ſemane gelegen wahr/ an welchem Platze Herkules den Juden beſtritten/ und die andern
gekreuziget wahren/ und brachten hiemit die Zeit zu biß an den Abend. Die damahl gebrau-
cheten Kreuze ſtunden noch alleſamt auffgerichtet/ und ſolches den Juden zur Warnung
und ſchrecken/ doch ſahe man an denſelben/ daß ſie viel alte und neue Hiebe zeigeten/ wel-
che ihnen die Juden taͤglich gaben/ damit ſie bald niderfallen moͤchten. Gallus beſahe die
Kreuze gar genaue/ und ward an denſelben gewahr/ daß viel Ebreiſches daran gekritzelt
g g iijſtund/
[238]Fuͤnftes Buch.
ſtund/ welches Plautus leſen und verdolmetſchen muſte/ da ſich dann befand/ das erſchrek-
liche grauſame Verfluchungen über Herkules und den Stathalter von den Juden daran
geſchnitten wahren/ wiewol mit ſehꝛ kleiner und uͤbel leſerlicher Schrifft/ welches Herr
Pompejus gerne alsbald geeifert haͤtte/ aber auff Herkules Raht unterdruͤckete er ſeinen
Zorn/ und ſtellete etliche heimliche Schildwachten aus/ welche zu Tag und Nachte fleiſſi-
ge acht geben ſolten/ ob ein oder ander Jude bey ſolchen Kreuzen ſich wuͤrde finden laſſen;
welches kaum vier Stunde anſtund/ maſſen 16 junge verwaͤgene Juden hinzugingen und
nicht allein unterſchiedliche neue Hiebe daran tahten/ ſondern noch ſchlimmere Fluͤche
über Herkules/ den Stathalter/ und den Roͤmiſchen Kaͤyſer ſelbſt hinein ſchni[t]ten. Die
beſtelleten Huͤter nahmen deſſen wahr/ ſendeten einen ihres mittels nach dem Stathalter
und lieſſen ihm ſolches anmelden/ welcher unter Gallus anführung 30 bewehrte Mann
hinaus ſchickete/ denen obgedachte Juden begegneten und von ihnen gefangen angenom-
men wurden; auch beſichtigte Plautus die Kreuze fleiſſig/ ſchrieb die neuen Buchſtaben
ab/ und brachte ſie dem Stathalter; welcher ſolches nicht unbillich empfand/ die Taͤhter
befragete/ auch auff ihr freimuhtiges Bekaͤntnis ſie geiſſeln/ und als Auffruͤhrer wieder die
hoͤchſte Obrigkeit kreuzigen ließ; welches die geſamte Judiſcheit hoch empfand/ und doch
dawider nichts vornehmen durfte. Bey ſpaͤtem Abend/ da ſie über Tiſche ſaſſen/ und die
Stadthor ſchon verſchloſſen waren/ kam der Wachtmeiſter und meldete an/ es hielten
drey Reuter hauſſen vorm Thore/ begehreten eingelaſſen zu werden/ uñ gaͤben vor/ ſie kaͤh-
men aus Teutſchland/ und waͤhren von der Groß Fuͤrſtin Valiſka auff ihre Wiederkunft
hieher beſcheiden. Die Groß Fürſtin bejahete/ daß es ihre Leute waͤhren/ daher ſie alsbald
eingelaſſen/ und zu ihr auff ein abſonderliches Gemach gefuͤhret wurden/ da Neklam alle
begebniſſen erzaͤhlete/ und nach gemeldetem Gruſſe die Schreiben einlieferte/ welche ſie
brach/ und der alten Groß Fuͤrſtin Fr. Gertrud zu erſt laſe/ alſo lautend:


Herzallerliebſte Fr. Tochter; deren gewuͤnſchete Erloͤſung und Heyraht mit meinem lieben
Sohn Herkules/ hat meine Seele hoͤchlich ergetzet/ inſonderheit/ weil euer Liebe gute Gewogenheit zu
meiner Fr. Tochter ich aus ihrem beliebten Schreiben uͤberfluͤſſig geſehen/ welches mit Elter- und
Schweſterlichem Herzen an unſer Seite nach moͤgligkeit ſol erſetzet werden; dafern auch der Durchl.
Fuͤrſt aus Meden das vorgetragene weiter gebuͤhrlich ſuchen wird/ wil ich aͤuſſerſt mich bemuͤhen/
euer Liebe zu gefallen/ es alſo zubefodern/ daß andern Freiern ſie verſaget/ und da es den Goͤttern alſo
gefallen ſolte/ dieſem gefolget werde/ weil unſere Zuverſicht nicht zweiffeln kan/ eure Liebe werde uns
keinen unwirdigen vorſchlagen. Vor uͤbergeſchikte Kleinot wird freundlich gedanket/ und die Vergel-
tung verſprochen; daß aber mein Gemahl ſelbſt nicht geantwortet/ wird Einbringer dieſes/ berichten
koͤnnen. Lebet wol herzgeliebete Fr. Tochter mit eurem Gemahl meinem allerliebſten Sohn/ uñ naͤhſt
Muͤtterlicher begruͤſſung deſſen/ und eures Herrn Bruders/ meines auch herzgeliebten Sohns Koͤni-
ges Ladiſla/ ſeid goͤttlicher Obhuet unter der Vermahnung befohlen/ daß ihr ingeſamt mit eurer hoch-
gewuͤnſchten Gegenwart bald erfreuet/ eure getraͤueſte Mutter Gertrud.


Bald hier auff durchſahe ſie auch der Fraͤulein beyde Antwort Schreiben/ und ward
der uͤbergeſchikten Halskette an Arbianes ſehr froh/ welche ſie zu ſich nam/ wieder zur Ge-
ſelſchafft ging/ und den dreyfachen Gruß an Herkules und Ladiſla ablegete/ welches Arbia-
nes mit ſonderlicher begierde anhoͤrete/ aber wol gedachte/ daß ſie ihm ſeyn Gluͤk oder Un-
glük in geheim melden wolte; wie ſie dann/ da ſie zu Bette gingen/ zu ihm ſagete: Gelieb-
ter
[239]Fuͤnftes Buch.
ter Herr Bruder/ morgen wil ich eure Liebe auch erfreuen/ weil ſichs hinte nicht hat ſchickẽ
wollen; welches er mit groſſer Hoffnung annam/ und daß er dieſe kurze Zeit gerne abwar-
ten wolte. Dieſe Nacht begehrete die Groß Fuͤrſtin Frl. Lukrezien zur Schlaffgeſellin/ wel-
ches ihr uͤberaus lieb wahr/ dann ſie hatte ſich dermaſſen in ſie verliebet/ daß ihr dauchte
unmoͤglich ſeyn/ ſich wieder von ihr trennen zu laſſen. Des morgens fruͤh wartete Arbia-
nes mit verlangen/ was vor Zeitung ihn erfreuen oder betruͤben wuͤrde/ da die Groß Fuͤr-
ſtin ihn ſpaͤter als er wuͤnſchete/ fodern ließ/ und mit dieſen Worten ihn empfing: Mein
Herr Bruder/ welcher geſtalt eure Liebe ich allemahl zur beſtaͤndigen Hoffnung angeſpor-
net/ iſt ihm nicht unwiſſend/ und mag er ſich wol verſichern/ daß ich nicht zweiffele/ wir
werden unſer Vorhaben zum gewuͤnſcheten Ende ausfuͤhren/ deſſen ich dann in dem em-
pfangenem Schreiben gnugſame Zeugnis habe. Es laͤſſet aber der Groß Fuͤrſt und ſein
Gemahl eure Liebe freundlich grüſſen/ und bedanket ſich nicht allein meine Frl. Waſe vor
uͤbergeſchikte Kleinot/ ſondern überſendet zugleich euer Liebe dieſes Halsketchen mit ih-
rem Bruſtbildichen/ unter der Zuverſicht/ mein Herr Bruder werde es willig annehmen/
und als ein Zeichen ihres dankwilligen Gemuͤhts ihr zum ſteten Gedaͤchtnis tragen. Ar-
bianes wuſte nicht/ mit was Ehrerbietigkeit er dieſes annehmen und beantworten ſolte/ be-
dankete ſich zum hoͤchſten/ daß ſie ſeinen Wunſch ſchon ſo weit fortgeſetzet/ und erbot ſich/
nach jhren willen alles zurichten. Nachgehends taht Valiſka jhrem Herkules alles kund/
und daß ſein Herr Vater ſich keines Unwillen gegen die Abgeſanten wieder jhn haͤtte ver-
merken laſſen; ſie begehrete auch von ihm/ daß der Morgenlaͤndiſchen Fuͤrſten Geſchenke
moͤchten abgeladen und beſichtiget werden/ damit dieſelben es nicht vor eine Verachtung
außlegeten/ wann ſie dereins von Arbianes ſolche Unterlaſſung vernehmen ſolten. Alſo
wurden den ganzen Tag uͤber alle Sachen von den 200 Wagen auff die Burg getragen/
da ſie eine ſo uͤberaus groſſe Menge an gemuͤnzetem Golde/ Kleinoten/ aͤdlen Steinen/
Perlen/ und koͤſtlichen Tuͤchern ſahen/ daß ſie ſich daruͤber entſetzeten und ganz unwillig
wurden/ daß ſie ſich gegen Arbianes vernehmen lieſſen/ wann ſie nicht fuͤrchteten daß die
vereinigte Fuͤrſten es vor eine Beſchimpfung auffnehmen wuͤrden/ wolten ſie ihnen alles
wieder zuruͤk ſenden/ dann ſie muͤſten ſich ſchaͤmen/ ſo uͤbermachte Schaͤtze vor ihre geringe
Dienſte anzunehmen; welches aber Arbianes hoͤchlich verbaht/ und daneben beteurete/ dz/
da es geſchehen wuͤrde/ er ſeinem Herr Vater nicht duͤrffte unter die Augen kom̃en. Weil
auch angezeiget ward/ daß etliche Juden die vergangene Nacht ſich zwiſchen die Wagen
verſtecket und dieſelben zubeſtehlen vorgehabt/ wurden auch die uͤbrigen Wagen abgela-
den/ und die Taͤhter nach empfangenem Staupbeſem des Landes auff 20 Meile von Je-
ruſalem/ verwieſen. Des folgenden Tages zogen die unſern ſamt dem Stathalter und den
ſeinen auff dem geputzeten Elefanten aus nach Bethlehem und andere oͤrter/ allerhand
denkwirdiges in Augenſchein zu nehmen/ und gelangeten des andern Tages umb den ſpaͤ-
ten Abend wieder zu Jeruſalem an/ dann ſie durfften nicht weiter gehen/ weil die Groß-
Fuͤrſtin ihrem Herkules zu wiſſen taht/ daß ſie die Geburtzeit heran nahen merkete; wie ſie
dann von Gott des folgenden morgens umb ſechs Uhr ihrer weiblichen Buͤrden entbun-
den ward/ und ſie eines ſehr wolgeſtalten Herrleins ohn ſonderliche Schmerzen genaſe/
wuſte auch die Geburtswehe dergeſtalt zuverbergen/ daß man gar geringe verenderungen
an
[240]Fuͤnftes Buch.
an ihr ſpuͤrete. Was nun vor groſſe Freude nicht allein bey den lieben Eltern/ ſondern allen
Anweſenden hieruͤber entſtund/ gaben ſie alle an den Tag; und ließ Herkules dem Biſchof
behueff der Armen Chriſten im Judiſchen Lande/ eine Tonne Goldes einreichen/ auch vor
die gnaͤdige Entbindung eine oͤffentliche Dankſagung in ihren Verſamlungen anſtellen.
Es wahr der achte Tag des Wintermonats/ des 226ſten Jahrs/ heutiger gemeinen Rech-
nung/ nach der Geburt unſers Heylandes/ da das Herrlein zur Welt gebohren ward/ uñ
hatte die liebe Mutter in wehrenden ſechs Wochen allerhand bedienung von Fr. Teren-
zia/ Frl. Lukrezien und ihrem eigenen Frauenzimmer/ unter welcher Zeit unſere Helden
dem Gejaͤgte und andern Fuͤrſtlichen uͤbungen oblagen/ inſonderheit aber den Loͤuen und
andern grimmigen Tihren nachſtelleten. So bald die ſechs Wochen zum Ende gelauffen/
ließ Herkules ſein liebes Soͤhnlein durch die heilige Tauffe dem HErrn Chriſtus zufuͤh-
ren; wobey als Gezeugen erbehten wahren Ladiſla/ Pompejus und Fabius/ die ihn Her-
kuliſkus nenneten/ und hiemit der lieben Eltern Wunſch unvermuhtlich erfuͤlleten. Nach
verrichteter Tauffe ſtellete Herkules ein Fuͤrſtliches Mahl drey Tage lang an/ wobey ein
Ringelrennen gehalten ward; wor auff das Gedaͤchtniß Feſt der Geburt unſers Heylan-
des einfiel/ welches die unſern mit groſſer Andacht hielten. Die Groß Fuͤrſtin hatte zeit
ihrer Sechs Wochen ein Reim Geticht auffgeſetzet uͤber die Rede des groſſen Engels an
die Hirten/ und uͤber den Lobgeſang der himliſchen Heeꝛſcharen/ welches ſie dem Biſchoff
zuverleſen gegeben/ weil es in Lateiniſcher Sprache auff Pindariſche art geſchrieben war;
derſelbe ließ es von etlichen Chriſtlichen Schuͤlern auswendig lernen/ welche es an dieſem
Feſte auff des Stathalters groſſem Saal/ mit maͤnnigliches Vergnuͤgung ſungen/ und
allemahl das Seitenſpiel mit einſtimmete/ ſo daß in den erſten fuͤnff Satzen der groſſe En-
gel/ in den dreyen lezten aber die himliſchen Heerſchaaren den Anfang macheten/ denen
immerzu die Hirten antworteten/ und darauff ein Haͤuflein an ſtat der Chriſtlichen Kirchẽ
die andere Antwort gab/ gleich wie die Groß Fuͤrſtin es eingerichtet hatte/ und hieſelbſt voꝛ-
geſtellet wird.


Weihnacht-Lied
Nach Pindariſcher Weiſe eingerichtet.
Der Erſte Saz.
Des groſſen Engels Rede.

Luc. II. v.
10, 11.
Fuͤrchtet
euch nicht.
IHr Hirten ſollet Furcht und zagen

Hinweg aus euren Hertzen jagen;

Den Schrecken leget von euch hin/

Der eure Seel hat uͤberwogen;

Ich komme nicht mit Schwert und Bogen/

Ich der ich Gottes Botſchaft bin/

Euch groſſes Wunder anzumelden

Nach welchem Vaͤter und die Helden

So manches Seufzen und Geſchrey

Zu Gott gen Himmel hingeſchicket/

Damit ſie wuͤrden frank und frey

Vom Tode der ſie hart beſtricket.

Das klare Licht/ der helle Schein/

Damit ich gaͤnzlich bin uͤmbgeben/

Sol euren Augen/ eurem Leben

Zu dieſem mahl unſchaͤdlich ſeyn.

DerI.Gegen Saz.
Der Hirten Antwort.

O heller Glanz! der Seraphinen/

Die unſerm Himmels-Fuͤrſten dienen/

Biſtu gewißlich erſter Man.

Dein klarer Bliz hat uns erſchrecket/

Der

[241]Fuͤnftes Buch.

Der alle Wolken auffgedecket/

So daß man durchhin ſehen kan.

Es zittern unſer Herz und Glieder/

Doch ſtaͤrkt dein Troſt ſie etwas wieder/

Nach dem du uns verſichert haſt/

Es ſol uns keinen Schaden bringen.

So ſez uns nun in Ruh und Raſt/

Und mache kund vor allen dingen

Was Wunder du erzaͤhlen wilt.

Wir wollen unſern Sin herneigen/

Und uns dir dankbarlich erzeigen/

Wo unſer Dank ſonſt bey dir gilt.

DerINach Saz.
Chriſtlicher Weynacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung.

SOllen wir andere Voͤlker der Erden

Unſeren Schrecken nicht legen beyſeit/

Welcher in dieſer truͤbſeligen Zeit

Taͤglich ſich mehret durch Kriegesbeſchwerden?

Sollen wir nimmer erlediget werden/

Klagen und ſagen nur immer von Streit?

Leget ſich einig derſelbigen Leid/

Welche mit ihren bewolleten Heerden

Hecken und Waͤlder und Felder durchzihn?

Unſer ſo lange geplageter Sinn/

Bleibet der immer in Furchten und Zagen?

Glaͤnzender Engel die groſſe Gefahr

Ruͤcket und druͤcket die glaͤubige Schaar/

Welche den Schmerzen nicht laͤnger kan tragen.

DerIISaz.
Des Engels Rede.

Sihe ich
verkuͤndige
euch groſſe
Freude.
ICh bringe nach ſo ſchwerem Leide

Euch Freud uñ Luſt; nach Hunger/ weide;

Nach harten Schlaͤgen ſanfte Ruh.

Die Schlange hat euch vor betrogen/

Und Gottes Gnaden-gunſt entzogen/

Die fuͤhr ich euch jezt wieder zu.

Mein predigen iſt Himmels-freude/

Wie Gott euch mit dem Ehren-Kleide

Nach dieſem ſelber zieren wil.

Vernehmet doch das Wort der Gnaden/

Das allerbeſte Lebensziel/

Worauff ich euch jezt muß einladen,

Hier iſt der Satzen Donner nicht/

Der nichts als Schrecken kan erregen;

Mein Wort iſt lauter Gluͤk und Segen/

Das euch den Himmel ſelbſt verſpricht.

DerIIGegen Saz.
Der Hirten Antwort.

WAs ſind dann das vor groſſe Gaben/

Die wir aus deiner Predigt haben?

O ſchoͤner Engel mach’ es kund!

Sol etwa gute Zeit entſtehen/

Da unſre Schaffe weiden gehen/

Daß weder Schaͤffer noch ſein Hund

Die Dieb’ und Woͤlfe darf abtreiben/

Die ſelten von den Huͤrden bleiben?

Wird etwan ein gewuͤnſchtes Jahr

Den Staͤll- und Auen Segen bringen?

O reicher Gott/ wird dieſes wahr/

So wollen wir den Reihen ſingen;

Wir wollen den Schalmeien-Klang

Dir Gottes Engel zugefallen

Auf Berg- und Tahlen laſſen ſchallen/

Und opfern dir ein Lamb zu Dank.

DerIINach Saz
Chriſtlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung.

Laͤſſet der Himmel uns Freude vortragen?

Predigt der Engel noch ſelber von ihr?

Lieber was leiden und fuͤhlen dann wir

Immer und immer die blutigen Plagen?

Wiſſen Betruͤbte von Freude zu ſagen?

Herꝛſcher der Erden/ ach hoͤre doch ſchier!

Deine Geaͤngſteten winſeln vor dir/

Bitten du wolleſt auffhoͤren zu ſchlagen.

Goͤnne nach langer erlittener Pein

Deinen Geliebten eins froͤlich zu ſein.

Sollen die Straffen uns gaͤnzlich auffreiben?

Wuͤrge den Wuͤrger/ ertoͤdte den Tod;

Treibe den Treiber/ und zwinge die Noht/

Ferner aus deiner Behauſung zu bleiben.

h hDer
[242]Fuͤnftes Buch.
DerIIISaz.
Des Engels Rede.

Die allem
Volk wie-
derfahren
wird.
VErnehmets/ O ihr bloͤde Hirten/

Die ihr euch bey den gruͤnen Myrthen

Den langen Tag zu halten pflegt.

Die Luſt und Freude/ die ich bringe/

Iſt nicht ſo kindiſch und geringe/

Als ſie von euch wird außgelegt.

Es ſol der ganze Kreiß der Erden

Der groſſen Freude faͤhig werden;

Da wo die Sonne fruͤh aufſteht;

Da wo ſie alles ſchwarz anſtreichet;

Da wo ſie Abends untergeht/

Und da der Winter nimmer weichet/

Sol dieſe Freude lautbar ſeyn;

Der Menſchen Seel und Herz erquicken/

Sie mit des Himmels Gunſt anblicken/

Und nehmen ihre Sinnen ein.

DerIIIGegen-Saz.
Der Hirten Antwort.

DAs mag wol Freude ſeyn und heiſſen/

Die alle Welt ſol zu ſich reiſſen!

O lieber Engel/ werden dann

Wir/ die wir durch die Felder ziehen/

Und groſſer Staͤdte Wolluſt fliehen/

Auch dieſer Luſt ſeyn zugetahn?

Vielleicht wird ſie nur denen bleiben/

Die Wunder mit dem Degen treiben?

Vielleicht wird der Gelehrten Schaar

Uns dieſe Freud’ und Luſt nicht goͤnnen?

Vielleicht wird/ der die Gelder baar

Außzaͤhlt/ ſie an ſich kaͤuffen koͤnnen?

Wo bleibet dann mein Korydon?

Was ſol Menalkas dann beginnen/

Und Mops/ der ohn das grober Sinnen?

Dann muͤſſen wir ohn Troſt davon.

DerIIINach Saz.
Chriſtlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung.

HImliſcher Bohte/ du Froͤligkeit-Bringer/

Deine Zeitungen ſind Zucker und Wein;

Fuͤhren die groͤſſeſten Guͤter herein/

Welche durch Gottes Allmaͤchtigen Finger

Leides- und Neides- und Hellen-Bezwinger

Immer und ewig geordenet ſeyn.

Weiche von dannen du freſſende Pein/

Mache das quaͤlen nach dieſem geringer;

Himliſche Freude geht ſtaͤrcker als du;

Macheſt du Schmerzen ſo machet ſie Ruh.

Sollen die Grenzen der Erden beſchmecken

Dieſe verkuͤndigte Freude; ſo muß

(Welches ich hoffe) mein einiger Fuß

Ewig im Leide nicht bleiben beſtecken.

DerIVSaz.
Des Engels Rede.

Dann euch
iſt heut der
Heyland
gebohren.
IHr Hirten fuͤrchtet euch vergebens;

Der Fuͤrſt und Herzog eures Lebens/

Das Heil der Menſchen iſt gebohrn.

Euch armen Welt-geringen Leuten

Koͤmt Er/ den Himmel zu erſtreiten/

Den jhr aus Frevel habt verlohrn.

Des Degens Macht/ das tieffe wiſſen/

Das blanke Geld trit er mit Fuͤſſen/

Es iſt vor ihm nur Staub und Koht.

Er iſt ein Heiland aller Armen/

Die ihr’ Unwirdigkeit und Noht

Erkennen/ laͤſt er ſich erbarmen.

So friſchet nun Herz/ Sinn und Muht/

Geht/ euren Heiland zu empfangen/

Zu Bethlehem ſolt ihr erlangen

Das allergroͤſte Himmels Gut.

DerIVGegen Saz.
Der Hirten Antwort.

O Werter Engel/ dein erzaͤhlen

Vertreibet unſer Sinnen quaͤlen.

Iſt unſer Heiland in der Welt?

Iſt Er zu Bethlehem zu finden?

So wollen wir den leichten Winden

Gleich lauffen uͤber Puͤſch’ und Feld/

Des Lebens Hertzog zu beſchauen/

Auf/ auf ihr Hirten/ muͤſt euch zauen/

Ver-

[243]Fuͤnftes Buch.

Verſeumet dieſes Gluͤcke nicht.

Wir wollen die Sakpfeiffen ſtimmen/

Und ſpielen ihm ein Lobgeticht/

Das ſol biß an die Wolken klimmen.

O ſollen wir zum Fuͤrſten gehn/

Vor welchem ſich die Engel neigen/

Und alle Sklaven-Dienſt erzeigen?

O Freude! ſollen wir den ſehn?

DerIVNach Saz.
Chriſtlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung.

Guͤtiger Heiland/ ſo biſt du verhanden/

Welchen die Vaͤter ſo heftig begehrt?

Werden wir heute des Gluͤckes gewehrt/

Welches wir froͤlich vom Engel verſtanden?

Loͤſeſt du heute die Ketten und Banden?

Werden uns himliſche Guͤter beſchehrt?

Werden die helliſche Flammen verheert?

Macheſt du Teufel und Suͤnde zu ſchanden?

Guͤtiger Heiland/ wir freuen uns dein.

Kehre bey deinen Geliebten ein/

Welche kein Bleiben auf Erden mehr finden.

Wende den Jammer und ſtille das Blut;

Sende den Frieden und daͤmpfe die Glut/

Ehe wir unter den Straffen verſchwinden.

DerVSaz.
Des Engels Rede.

Welcher
iſt Chriſtus
der HErr.
DEr Heiland/ welcher euch vom Boͤſen

Durch Kreuz und Marter wil erloͤſen/

Koͤmt nicht aus Mannes Samen her.

Er iſt der groſſe Schlangen-Treter/

Der groſſe Gott und Wunder-Taͤhter/

Emanuel von hoher Ehr

Und ſtarker Macht; Er iſt bekleidet

Mit Fleiſch und Blut/ darin Er leidet/

Und iſt doch Gott von Ewigkeit/

Der ſelbſt den Himmel hat geruͤndet/

Wird Menſch zu dieſer letzten Zeit;

Der Meer und Erden hat gegruͤndet;

Der mit dem hellen Blitze ſpielt;

Der Berge mit dem Donner ſplittert;

Vor welchem Hell’ und Tod erzittert/

Wird von Marten heut gezielt.

DerVGegen Saz.
Der Hirten Antwort.

O Seht den wunder-ſchoͤnen Knaben/

An dem wir unſre Wolluſt haben/

Der hier in dieſer Krippen liegt!

Biſt du das ſehnliche Verlangen/

An dem die Vaͤter ſtets gehangen?

Biſt du/ der uns das Heil zufuͤgt?

O groſſer GOtt und HErr der Erden/

Wie muſt du dann ſo elend werden?

Wo iſt dein Reichs Stab/ Schwert und Krohn?

Wo iſt die Koͤnigliche Wiegen?

O Himmels-Kind; O Jungfern Sohn!

Muſt du alhie ſo nacket liegen?

Was iſt das vor Tapezerey?

Ein altes Tuch/ ein duͤnnes Kuͤſſen/

Das dir kaum reichet biß zun Fuͤſſen;

Ein Buͤndlein Stroh/ ein wenig Heu’!

DerVNach Saz.
Chriſtlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung.

Maͤchtiger Schoͤpfer! was ſol es bedeuten?

Sage/ was treibet zu ſolchem dich an?

Welcher den Himmel uͤmkeuſelen kan/

Monden und Sternen hat koͤnnen bereiten;

Meeres Ziel ſetzen und Waſſer ableiten/

Koͤmmet als waͤhre ſchier uͤbel getahn/

Maͤchtig zu bleiben. Was treibet dich dann/

Unter den Tihren dein Bette zu ſpreiten?

Herſcher der Erden/ wo bleibet dein Schein?

Wickelt man dieſen in Windelen ein/

Welcher durch ſeine Macht alles muß tragen?

Wunder O Wunder/ der ewige Gott

Leidet Gebrechen/ Froſt/ Hunger und Noht;

Welches ich naͤhrlich vor Wunder darf ſagen.

DerVISaz.
Der himliſchen Heerſcharen Lobgeſang.

Ehre ſey
Gott in
Hoͤhe.
NUn gebet Lob dem groſſen HErren/

Was Odem ſchoͤpfet nah und ferren/

Beſinget dieſen euren Hort/

Der ſeine Macht im Himmel fuͤhret/

h h ijUnd
[244]Fuͤnftes Buch.
Und weißlich alle Welt außzieret/

Weil Er euch das ſelbſtaͤndge Wort

Zum Heiland runter hat geſchicket.

Steht vor ihm hurtig und gebuͤcket/

Beſinget ſeine hohe Macht.

Ihr ſeyd nun unſerm Heilgen Orden/

Der euretwegen ſtetes wacht/

Von neuen einverleibet worden.

Drum preiſet Gottes Gnaden-Raht/

Und laſt die Dankbarkeiten ſpuͤren/

Wie ſich von rechte wil gebuͤhren/

Weil er euch ſo geliebet hat.

DerVIGegen Saz.
Der Hirten Antwort.

O Groſſer Gott/ du HErr der Staͤrke;

Wie wunderlich ſind deine Werke;

Wie praͤchtig gehet deine Macht.

Der du die Sonne fruͤh anſteckeſt/

Und Abends ſpaͤt den Monde weckeſt/

Machſt Sommer/ Winter/ Tag und Nacht.

Und (das zum hoͤchſten iſt zu preiſen)

Pflegſt immer Gnade zu erweiſen/

Uns die wir doch nur boͤſe ſeyn.

Laß unſer Opfer dir gefallen/

Und ſchau in unſer Herz hinein/

Ob wir gleich wie die Kinder lallen/

Iſt doch der Sinn und Wille gut.

O laß das baͤueriſche ſingen

Biß hin zu deinen Ohren dringen/

Und halt uns ſtets in Schuz und Huht.

DerVINach Saz
Chriſtlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung.

Guͤtiger Vater/ was koͤnnen wir geben?

Lieber/ wie koͤnnen wir danken der Gunſt/

Welche nach deiner unmaͤßlichen Brunſt/

Unſere Guͤter/ Gemuͤhter und Leben

Haͤget und pfleget. Wie heftig wir ſtreben/

Finden wir leider nur Nebel und Dunſt;

Wolten zwar gerne mit hoͤheſter Kunſt

Deine hochruͤhmliche Tahten erheben.

Aber O Vater/ das himliſche Licht

Ruͤhmet vor deinem Geſichte ſich nicht/

Solte dann Erde dir koͤnnen gefallen?

Vater erſetze/ was mangelt annoch/

Tilge der Suͤnden beſchwerliches Joch/

Froͤlich ſol unſer Getichte dann ſchallen.

DerVIISaz
Der himliſchen Heerſchaaren Lobeſang.

Friede auf
Erden.
NAch dieſem bleibt der groſſe Frieden

Von eurer Seelen ungeſchieden/

Der Frieden welcher Gott gefaͤlt/

Der Herzens-Quahl und Unmuht ſtillet/

Der das Gewiſſen ſtets anbruͤllet

Und wegen Schuld zu rede ſtellt.

Der Frieden/ welcher Gottes Straffen

Durch Chriſtus Wunden abzuſchaffen

Ihm laͤſſet angelegen ſeyn.

Wer dieſen Frieden bey ſich traͤget/

Bleibt ewig frey von Hellen-Pein/

Die durch den Teufel wird erreget.

Er bleibet ſtets in Gottes Schuz.

Und ob ihm gleich der Hellen Rachen/

Und eigne Schuld angſt wolten machen/

Beut er doch ihnen allen Truz.

DerVIIGegen Saz.
Der Hirten Antwort.

Iſt nun die liebe Zeit erſchienen/

Da Fried in unſerm Lande gruͤnen/

Und allen Krieg vertreiben ſol?

Eſa. XI. v.
6, 7, 8.
Da Woͤlffe bey den Laͤmmern liegen/

Da Pardel ſich zun Boͤcken fuͤgen/

Und bleibet doch die Heerde vol?

Da Raͤuberiſche freche Loͤuen

Dem Kalb uñ Maſtvieh nicht mehr draͤuen;

Da Kuͤh’ und Baͤren friedlich gehn/

Und eine Weid in Ruh befreſſen/

Die Jungen bey einander ſtehn/

Und Loͤuen Ochſen-Futter eſſen.

Da Kinder an der Mutter Bruſt

Beim Otter-Loche werden ſpielen/

Des Baſiliſken Neſt durchwuͤhlen

Und haben an den Schlangen Luſt.

Der
[245]Fuͤnftes Buch.
DerVIINach Saz.
Chriſtlicher Weinacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung.

SElig O ſelig/ die Frieden bewohnen!

Selig O ſelig/ des Acker und Land

Werden mit Pferden ohn Sattel berant!

Selig die ihrem Geſinde nur lohnen/

Duͤrffen nicht unter der Kriegeslaſt frohnen/

Sehen nie keine Feurſpeiende Hand/

Keine Feld-Schlachten/ kein Lager noch Brand/

Eſſen ſie gleich nur geſalzene Bohnen.

Himliſcher Vater; die die geiſtliche Ruh/

Sendeſtu heute den Deinigen zu.

Weltlicher Frieden/ wann koͤmmeſtu wieder?

Schwerter und Spieſſe die wuͤrgen noch fort/

Rauben und Stehlen/ Verheerung und Mord

Schlaͤget noch immer die Frommen darnider.

DerIIXSaz.
Der himliſchen Heer Schaaren Lobgeſang.

IHr Menſchen Kinder laſt euch rahten/

Vnd den
Menſchen
ein Wolge-
fallen.
Und nehmet Gottes Wundertahten

Mit hochgeneigtem willen an.

Ihr habet ſeine Gunſt nun wieder/

Die laͤſſet ſich zu euch hernider/

Woldem der ſie recht faſſen kan!

Vor dieſem ſeid ihr abgewichen/

Und falſchen Goͤttern nachgeſchlichen/

Der rechte Gott wahr unbekant/

Der hat ſich klaͤrlich offenbahret/

In dem er ſeinen Sohn geſand/

Der euch vor Hellen-Gluht bewahret.

Erwecket euren Sinn und Muht/

Eur Herz und ganzes Wolgefallen/

Und lobt denſelben mit uns allen/

Der euch ſo viel zu gute tuht.

DerIIXGegen Saz
Der Hirten Antwort.

O gꝛoſſer GOtt/ richt’ unſern Willen/

Den deinen gerne zuerfuͤllen.

Die boͤſe Wurzel ſtecket feſt

In unſern innerſten Gedanken/

Die uns im guten machet wanken/

So gar ſind wir der Suͤnden Neſt.

Dein guter Geiſt muß unſer Tichten

Nach deinem heilgen Willen richten/

Sonſt iſt es lauter Ubeltaht.

Wir ſtraucheln ſtets auff unſern Wegen

Und wiſſen weder Troſt noch Raht/

Weil Suͤnd’ und Tod uns Stricke legen.

O milder Heyland ſpring’ uns bey/

Daß wir au deinen Himmels-Gaben

Von Herzen Wolgefallen haben/

Und unſer Wille deiner ſey.

DerIIXNach Saz.
Chriſtlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung.

FLeiſchliche Kraͤffte ſind ledige Baͤume/

Zeigen viel ſchoͤnes und geben es nicht.

Unſer Vermoͤgen/ wie viel es verſpricht/

Bleibet doch lauter vergebliche Traͤume.

Unſere Sinnen ſind nimmer daheime/

Welche dem HErren die ſchuldige Pflicht

Sollen abtragen; das Geiſtliche Licht

Lieget im Brunnen erloſchen. Ich zaͤume

Meine Gedanken/ ſo rennen ſie doch.

Hetliger Vater/ das ſuͤndige Joch

Druͤcket zu ſtraͤnge; du ſchaffe den Willen;

Schaffe die Kraͤffte/ mein tichten iſt ſchlim/

Sollen wir lieben/ ſo ſteiget der Grim;

Deine Gunſt aber kan alles erfuͤllen.

Nach Endigung dieſes Liedes hielten unſere Chriſten allerhand Unterredung von
geiſtlichen Sachen/ da endlich Herkules im Nahmen der ganzẽ Geſelſchaft bey dem Stat-
halter fleiſſige Anſuchung taht/ umb ſchleunigen Abſcheid/ wobey er dieſes vorbrachte:
Hochmoͤgender Herr Stathalter/ Hochgebohrne Fr. Stathalterin/ als Vater und Mut-
ter zuehren; Was vor hohe Gewogenheit Eure Liebden mir und meinen Gefaͤrten dieſe
Zeit uͤber ſehen laſſen/ leuchtet heller zu Tage/ als daß es meiner weitlaͤufftigen Erzaͤhlung
beduͤrfte; Vor ungefehr fuͤnf Viertel Jahren bin ich/ ein Wildfremder/ vor der boßhaften
h h iijJuden
[246]Fuͤnftes Buch.
Juden Gewalt beſchuͤtzet; bald darauff als ein Sohn angenommen/ und mit allem uͤber-
fluſſe zur Reiſe verſehen; Ja es ſind alle mir erzeigete Woltahten dermaſſen vielfaͤltig und
wichtig/ daß ich ſie zuerkennen/ meine ganze Lebenszeit darauf wenden muß. O wolte Gott/
daß meine Landſchafften alſo belegen waͤhren/ daß aufs wenigſte ich alle Jahr meine hoch-
werte Eltern beſuchen/ und an ihrer gewuͤnſchten Gegenwart mich ergetzen koͤnte; wiewol
ich hoffe/ Gott werde es ſchicken/ daß wir zuzeiten uns noch beſuchen koͤnnen. Vor dißmahl
erinnert uns unſerſeits die hohe Nohtwendigkeit/ dereins aufzubrechen/ und die unſern zu
erfreuen/ welche ohn allen zweifel mit groſſer Furcht und ſehnlichem veꝛlangen taͤglich nach
uns ausſehen werden/ wo ſie uns wol nicht gar als ermordete beweinen/ weil in ſo langer
Zeit ihnen keine Schreiben oder andere Zeitung von uns zukommen iſt/ welche wir zu dem
Ende hinterhalten wollen/ dz wir unſere Wolfahrt ihnen ſelbſt uͤberbringen/ und ihre freu-
de umb ſo viel groͤſſer machen moͤchten; Gelanget demnach unſer bitliches erſuchen/ daß
mit ihrer guten Bewilligung Abſcheid zunehmen/ uñ erſtes Tages zu Schiffe zugehen uns
moͤge erlaͤubet ſeyn/ damit wir das ungewoͤhnliche Wetter und guten Wind nicht verab-
ſeumen/ und hernach die unfreundlichen Stuͤrme ausſtehen duͤrffen/ welche inſonderheit
den Schwangern und Saͤuglingen/ ſo bey uns ſind/ ſehr gefaͤhrlich ſeyn wuͤrden. So ge-
wiß wir nun unſers Herrn Vaters guteꝛ Gewogenheit verſichert ſind/ ſo ungezweifelt veꝛ-
ſprechen wir uns auch von deſſen Liebe eine freundwillige und ſchleunige Erlaſſung/ dem-
nach wir nunmehr eine geraume Zeit hieſelbſt ausgehalten/ und nit wenig Ungelegenheit
gemacht haben. Pompejus gab zur Antwort: Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ Hochgelieb-
ter Herr Sohn; Eure Liebe rechnet das wenige ſo hoch/ was etwa ich und die meinigẽ aus
Pflicht geleiſtet haben/ und verſchweiget daneben das unermaͤßliche/ welches von derſelbẽ
durch Gottes gnaͤdige Schickung uns zukommen iſt/ nehmlich die heilſame Erkaͤntniß des
wahren Gottes/ ohn welche wir ewig haͤtten muͤſſen verlohren ſeyn; Jedoch/ wann Eure
Liebe ſich der neulich uͤberſchikten Kleinot nur erinnert/ wird ſie befinden/ daß auch dz zeit-
liche ſchon mit Zinſen erſetzet iſt/ und ich das geringe auf teuren Borg wider meinen Wil-
len habe austuhn muͤſſen. Ob ich nun zwar liebers nicht wuͤnſche/ als dz ſolche liebe Freun-
de biß an mein Ende von mir nicht moͤchten getrennet werden/ und aber wegen ihrer Wol-
fahrt ſolches nicht geſchehen kan/ ſo ſchaͤtze ich mich nicht allein gluͤkſelig/ daß ein ſo tꝛeflicheꝛ
Fuͤrſt/ von deſſen Ruhm alle Welt erfuͤllet iſt/ mir den Nahmen eines Vaters zugeben ſich
nicht wegert/ ſondern zugleich mir auch die Hoffnung machet/ gelegenheit zuſuchen/ dz wir
uns zuzeiten gegenwaͤrtig erluſtigen moͤgen. Den begehreten Abſcheid/ in anſehung meines
Durchl. Herrn Schwagers/ Koͤniges Ladiſla/ muß ich billich nicht hemmen/ zweifele doch
nicht/ meine Herren werden unbeſchweret ſeyn/ noch etwa 9/ oder 10 Tage bey mir zuver-
harren/ damit eine gnugſame Anzahl Schiffe herbey gebracht/ und die Guͤter eingeladen
werden moͤgen/ alsdann dieſelben laͤnger aufzuhalten mir nicht gebuͤhren wil. Die Groß-
Fuͤrſtin beantwortete ihm ſolches alſo: Durchl. Herr und Vater/ auch herzgeliebete Fr.
Mutter; wir erkennen uns ſchuldig/ Ihrer Liebe hierinnen gerne zugehorſamen/ und die
zur Bereitung nohtwendigen Tage auszuhalten/ auf daß wir zur gebuͤhrlichen Dankſa-
gung Zeit und Gedanken gewinnen; Ich habe aber zugleich eine kindliche Bitte an die-
ſelbe abzulegen/ ob mir koͤnte gegoͤnnet ſeyn/ meine herzgeliebete Frl. Schweſter/ Frl. Lukre-
zien
[247]Fuͤnftes Buch.
zien mit mir nach Padua zufuͤhren/ deren Heil und Wolfahrt mein Herr Bruder und
mein Gemahl neben mir/ als unſer ſelbſteigenen uns werden laſſen angelegen ſeyn. Herr
Pompejus hatte ſich dieſes begehrens ſchon zeitig verſehen/ wolte ihr auch ſolches nicht ab-
ſchlagen/ und gab dieſe Antwort: Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ hochwirdige Fr. Toch-
ter; in was Geſelſchafft koͤnte mein geliebtes Kind Lukrezie mehr Zucht und Gottesfurcht
faſſen/ als bey Ihrer Durchl. die ich ſonder Schmeicheley wol einen Spiegel der volkom-
menen Tugend nennen und preiſen kan/ daher Ihre Liebe ein ſolches bey mir ſuchet/ war-
umb ich vielmehr zubitten haͤtte/ und gezwungen bin/ vor dieſe hohe Zuneigung gegen mein
Fleiſch und Blut mich dienſtlich zubedanken/ nicht zweifelnd/ dieſelbe werde mit der Un-
volkommenheit meiner Tochter geduld tragen/ und ſie vor ihre Dienerin annehmen/ ſie
auch biß zu meiner Abfoderung/ oder ihren weiteren Abzug/ ihrer Unterweiſung teilhaftig
machen/ ob ich gleich keine Mittel es zuvergelten weiß. Das liebe Fraͤulein hatte bißher
gezweifelt/ ob die Eltern ihr dieſe Reiſe goͤnnen wuͤrdẽ/ erfreuete ſich ſolcher Einwilligung/
und nach geleiſtetem Handkuſſe ſagte ſie: Gnn. Herr Vater und Fr. Mutter; ich bedanke
mich kindlich dieſer willigen Verguͤnſtigung/ mit dem verſprechen/ allen moͤglichen Fleiß
anzuwenden/ daß in meiner Aufwartung ich der Durchleuchtigſten Groß Fürſtin/ die mich
unwerte des Schweſter Nahmens wirdiget/ gebuͤhrlich an die Hand gehe/ und mit willen
ſie nicht erzuͤrne. Die Groß Fuͤrſtin ſagte gleichmaͤſſig Dank/ und wiederhohlete ihr vori-
ges verſprechen. Ward demnach alles zum Aufbruche fertig gemacht/ und noch deſſelben
Tages 50 treffliche Schiffe verſchrieben/ in den naͤheſten Hafen einzulauffen/ weil ſie von
allem mitgebrachten nichts hinterlaſſen wolten/ da die Parthiſche Leibeigene/ umb ihre
Freyheit zubefodern/ ſich vor Ruderknechte anerbohten. Neklam und Ruprecht/ nebeſt ih-
rem Dolmetſcher Azores/ hatten ſich angegeben/ daß ſie den Chriſtlichen Glauben anzu-
nehmen groſſen Willen truͤgen/ deßwegen ſie nach fleiſſiger Unterrichtung/ ſo von Leches
geſchahe/ die Heilige Tauffe empfingen/ da inzwiſchen Arbianes alle Tage zwo Stunden
ſich mit Fr. Valiſken und Brelen in der Teutſchen Sprache uͤbete/ wozu er ſchon zu Per-
ſe polis den Anfang gemacht hatte. Als nun am achten Tage nach Herkules Anſuchung/
alle Sachen zu Schiffe gebracht wahren/ lieferte Fr. Valiſka dem Stathalter ſehr koͤſtli-
che Kleinot und Gewand/ ließ auch dem Fraͤulein drey Tonnen Schaz auszaͤhlen/ Kleino-
te aber und andere Sachen ſolten ihr zu Padua geliefert werden. Arbianes bezeigete ſich
auch gar freygebig/ weil ihm viel gutes geſchehen war/ uñ bezahleten die unſern alles reich-
lich/ was ihre Leute und Pferde verzehret hatten. Des folgenden Tages brachen ſie auff/
und geleitete ſie Herr Pompejus und ſein Gemahl biß nach Joppen/ woſelbſt die Schiffe
im Hafen lagen. Es trug ſich aber mit dem Elefanten ein ſonderliches zu; nehmlich ſein
Meiſter ein Indianer wahr unwillig/ mit nach Padua zureiſen/ dann er hatte ſich zu Per-
ſepolis mit eines Buͤrgers Tochter ehelich verſprochen; Nun wuſte er/ daß ihm Lebensge-
fahr drauff ſtünde/ wann er heimlich davon lauffen wuͤrde/ darumb legete ers mit dem Ele-
fanten an/ daß er ſich wegern ſolte/ weiter zuzihen/ welches er alſo verꝛichtete: Eꝛ hatte ſchon
etliche Tage her dem Elefanten vorgeſaget/ man wolte ihn uͤber Meer in ein fremdes rau-
hes Land fuͤhren/ woſelbſt ihm ſchlimmes Futter ſolte gereichet/ auch aller Zieraht entwen-
det werden/ wuͤrde nur Holz/ Steine und Waſſer tragen muͤſſen/ und das veraͤchtlichſte
Tihr
[248]Fuͤnftes Buch.
Tihr unter allen ſeyn; derhalben wolte er ihn getraͤulich warnen/ daß er ſich nicht ſolte
laſſen zu Schiffe bringen/ damit er dieſes uͤbels entfreyet bliebe. Man hat ſich uͤber dieſes
Tihrs Art billich zuverwundern/ geſtaltſam daſſelbe von den gemeinen Leutẽ vor vernuͤnf-
tig gehalten wird/ weil es des Menſchen/ inſonderheit ſeines Meiſters Reden verſtehet/ uñ
darnach ſich zuhalten weiß/ welches an dieſem gnugſam erſchien; dann vorerſt hatte man
viel Muͤhe/ ehe man ihn zu Jeruſalem aus dem Stalle bringen kunte; ging auch den gan-
zen Weg nach Joppen ſo traurig/ daß jederman meynete/ er waͤhre mit einer Krankheit
behafſtet/ welches ſein Meiſter ihnen artig wuſte einzubilden/ biß man ihn aus Schiff
brachte/ und uͤber eine darzu gemachte Bruͤcke hinein leiten wolte; dann da ſtund das Tihr
am Unfer ganz ſtille und unbewaͤglich/ daß mans weder mit Schlaͤgen noch harten Wor-
ten aus der Stelle bringen kunte. Ein Mede aber war unter Arbianes Reuterey/ welcher
dieſes Tihrs Eigenſchafft wuſte/ und ſahe/ daß die Schuld an dem Indianerlag/ welches
er Herkules offenbahrete/ es wuͤrde gewißlich der Meiſter dem Elefanten etwas widriges
eingebildet haben/ zweifelte nicht/ da man ihn mit harten Straffen draͤuete/ wuͤrde das
Tihr ſchier folgendes Tages mit froͤlichem willen hinein gehen. Herkules kam dieſes zwar
ungereimet vor/ doch wolte ers verſuchen/ und draͤuete den Indianer mit Ruhten ſtreichẽ
und kreuzigen zulaſſen/ wo er das Tihr nicht willig machete/ welches er abgeſchrecket haͤt-
te. Dieſer wolte die Taht zwar nicht geſtehen/ und furchte ſich doch vor der Straffe/ daher
er allen moͤglichen Fleiß verſprach/ ob er das Tihr auff beſſere Meynung bringen koͤnte;
nam es im Stalle abſonderlich vor/ und redete ihm ſehr freundlich zu: Er haͤtte zwar biß-
her gemeynet/ ſie wuͤrden in ein unfreundliches wildes Land gefuͤhret werden/ aber nun-
mehr vernaͤhme er gar das Widerſpiel/ daß nehmlich ihre Reiſe nach dem aͤdleſten Ort
der Welt gerichtet waͤhre/ woſelbſt das allerniedlichſte Futter anzu[t]reffen/ und er uͤberdas
mit dem koͤſtlichſten Zeuge ſolte beleget werden; muͤſte deßwegen einen friſchen Muht ha-
ben/ und ſich ferner nicht wegern/ zu Schiffe zugehen/ gab ihm auch ein ſehr gutes Futter/
und ſagete/ dieſes waͤhre aus demſelben Lande/ und nur das geringſte/ dorten aber wuͤrde
es viel beſſer fallen. Nun hatte ſich Herkules im Stalle heimlich verſtecket/ dz er alles hoͤ-
rete/ und mit Verlangen erwartete/ was hieraufferfolgen wuͤrde; da er des andern Mor-
gens mit Verwunderung ſahe/ wie freudig das Tihr nicht allein nach dem Meer ging/ ſon-
dern ſelbſt uͤber die gemachte Bruͤcke in das Schiff eilete. Hieſelbſt nam nun Herr Pom-
pejus und ſein Gemahl freundlichen Abſcheid von unſer Geſelſchafft/ und befahl ſie der
Gnade Gottes zu allem Wolergehen; vermahnete auch ſeine Tochter/ ſich gegen Herrn
Fabius zu Padua nicht anders zuhalten/ als ob er ihr leiblicher Vater waͤhre/ an welchen
er ihr auch einen Brief mitgab. Die unſern wuͤnſcheten ihm hinwiederumb allen leiblichẽ
und Geiſtlichen Segen/ da die Groß Fuͤrſtin im ſcherze ſagete: Wann etwa zu Padua ſich
ein wirdiger Freyer angeben wuͤrde/ baͤhte ſie umb Volmacht/ neben Herrn Fabius dar-
in zuſchaffen/ hoffete auch/ ſie wuͤrden alsdann auff das Hochzeit Feſt gerne erſcheinen.
Worauff der Vater ebenmaͤſſig im ſcherze antwortete/ es ſolte ihr alles heimgeſtellet ſeyn.
Darauf gingen ſie froͤlich zu Schiffe/ und ſaͤgelten mit gutem Winde ohn Sturm und
Gefahr den geraden Weg auff das Eiland Kreta zu.


Die in Meſopotamien Gefangene/ wahren ſchon bey guter Zeit zu Perſepolis an-
gelan-
[249]Fuͤnftes Buch.
gelanget/ und wurden durch deren Ankunft die vereinigten Fuͤrſten hoͤchlich erfreuet/ ga-
ben ihnen allen Gewehr/ und lieſſen ſie den Faͤhnlein ſchwoͤren/ da dieſe Knechte hernach
ſich offt glükſelig preiſeten/ daß ſie in Artaxerxes Dienſte gerahten wahren. Syſimithres
kam auch daſelbſt an/ zeigete ſeinen Geleits-Brieff/ und ward darauff wolgehalten/ und
als ein Freund zur Mahlzeit geladen/ da er ſich nicht ſcheuhete der Groß Fürſtin Wer-
bung an Artabanus/ dem Perſiſchen Groß Fuͤrſten anzumelden/ welcher aber wol ſahe/
daß es vergeblich ſeyn wuͤrde/ wie es dann nicht anders erging; maſſen/ als dieſer zu Cha-
ras anlangete/ reichete er zum erſten Vologeſes und Pakorus ihre Schreiben von Her-
kules ein/ auch die treflichen Demant Ketten/ die er ihnen zum Gedaͤchtnis ſendete/ welche
ſie willig annahmen/ und nur beklageten/ daß ſie nicht Gelegenheit haͤtten/ es zuvergelten.
Sie gingen aber mit Syſimithres zu dem Koͤnige/ umb zuvernehmen/ weſſen er ſich auff
der Groß Fuͤrſtin Schreiben erklaͤren würde/ weil ſie wol wuſten/ daß ſolcher Raht umb-
ſonſt wahr/ ſie auch ſelbſt ihn nicht gut heiſſen kunten. Als ſie nun vor den Koͤnig traten/
ſing Pakorus alſo an: Großmaͤchtigſter Koͤnig/ allergnaͤdigſter Herr; mein bruͤderlicher
Freund/ Fuͤrſt Vologeſes/ und ich/ treten mit hoch erfreuetem Herzen vor eure Koͤnigl.
Hocheit/ nachdem gegenwaͤrtiger Herr Syſimithres gleich jetzo die laͤngſt gewuͤnſchete
Zeitung wegen geſchehenen Abzuges Groß Fuͤrſt Herkules und Koͤniges Ladiſla mit ſich
übergebracht/ und hiedurch den erlittenen Schaden wol erſtattet hat. Parthen mag ſich
billich dieſes Tages freuen/ nach welchem mich einig und allein verlanget; dann es wird
derſelbe unſers Glüks wiederbringung und des Perſen Untergang und verderben ſeyn/
ſo daß ich nicht zweiffele/ den Abtruͤnnigen ſolle die bißher eingenom̃ene Freude eh iſt ver-
ſalzen werden/ deren ſie durch andere Leute wolverhalten genoſſen. Eure Koͤnigl. Hocheit
faſſe nur ein gutes Herz/ und freue ſich mit uns/ daß die Goͤtter das Gewitter aus Teutſch-
land dereins von uns abgekehret haben; wir unſers teils verſprechen allen moͤglichen fleiß
anzuwenden/ damit der bißher erlittene Schade nicht allein wiederbracht/ ſondern die Paꝛ-
thiſche Gewalt noch eins ſo weit außgebreitet werde. Wir haben zwar mannichen guten
Kriegsmann verlohren/ aber alle ſind ſie gleichwol noch nicht drauff gangen. Ich habe
dieſe Tage bey der Landesbeſichtigung mehr Mannſchaft funden/ als ich nicht gemeinet;
nur iſt noͤhtig/ daß ſie im Gewehr wol geuͤbet werden/ und wird ihre Koͤnigl. Hocheit ih-
ren Kriegs Obriſten etwas freundlicher begegnen/ als neulich dem redlichen Surinas ge-
ſchehen; dann ſolte ein ehrlicher Ritter ſich aus bloſſem Argwohn vor einen Verraͤhter
ſchelten laſſen/ moͤchte er lieber wünſchen/ daß er nie kein Schwert an die Seite gegürtet
haͤtte/ ſondern in ſtiller Ruhe auff ſeinen Guͤtern ſitzen blieben waͤhre; dann was ſol dieſer
Ritter machen? wolte er ſich wieder in Parthiſche Dienſte begeben/ wuͤrden andere ſeines
gleichen von ihm begehren/ ſich des Argwohns gebührlich zuentſchuͤtten; ob er aber ſol-
ches durch leugnen taͤhte/ würde ihm ſolches wenig nutzen/ ſondern ſich alle Tage herumb
ſchlagen muͤſſen; und geben nur die Goͤtter/ daß andere ſich hieran nicht ſtoſſen/ und ge-
denken/ es ſey beſſer/ bey Zeit der Gefahr entgangen/ als mit ſolchem Dank gelohnet wer-
den. Artabanus achtete dieſer Vermahnung wenig/ daß er ſie gar unbeantwortet ließ/ uñ
ſich doch heimlich daruͤber entruͤſtete/ aber das erſte machte ihn uͤberaus beſtuͤrzt/ daß er
Pakorus nicht wolte weiter reden laſſen/ fondern Syſimithres fragete/ woher er dieſe Zei-
tung braͤchte/ und was vor Schaden er dann gelitten haͤtte. Welcher darauff erzaͤhlete/
i iwas
[250]Fuͤnftes Buch
was geſtalt ihn Herkules bey ſeinem Abzuge in Meſopotamien uͤberfallen/ ſeine Knechte
gefangen/ den Reuterwe[i]bern alle Gelder abgenommen/ und ſie ſelbſt vor Leibeigene mit
gefuͤhret. Die Groß Fuͤrſtin haͤtte ihm eine muͤndliche Werbung an ihre Koͤnigl. Hocheit
anbefohlen/ hernach ſelbige ſchrifftlich auffgeſetzet; welche er hiemit uͤberreichte. Der ver-
liebete Menſch durfte ihm noch Hoffnung machen/ daß etwas Troſtes in dem Brieffe ent-
halten waͤhre/ dann ſein Verlangen nach ihr/ wahr ihm noch nicht verſchwunden/ zuͤrnete
auch heimlich auff Pakorus/ daß er Bagophanes entleibet/ und ihn dieſes Troͤſters berau-
bet hatte/ wiewol deſſen hinterbliebene Wittib ſeine Stelle in der Schmeichelung wol zu-
vertreten wuſte/ die er gleich dieſesmahl bey ſich hatte/ und ihr doch verbohten/ einigen Un-
willen gegen Pakorus merken zulaſſen/ mit dem Verſprechen/ daß er den Mord ſchier
heut oder morgen an ihm ſchon raͤchen wolte. Damit er aber das Schreiben unverſtoͤret
leſen koͤnte/ ging er in ein Nebengemach/ und fand folgenden Inhalt:


Von Gottes Gnaden Valiſka/ gebohrne aus Koͤniglichem Stamme Boͤhmen/ verheirahtete
Groß Fuͤrſtin in Teutſchland/ wuͤnſchet Koͤnige Artabanus alle Wolfahrt/ und hat nicht unterlaſſen
wollen/ auch auff ihrer Heimreiſe/ ſeiner Liebe kuͤnftiges beſte zubeobachten/ und dieſelbe zuermahnẽ/
daß ſie nach dieſem ihren Koͤniglichen Nahmen durch ſo abſcheuhliche Gifftmiſchung weiter nicht
beſchmitze/ welches ihre eigene Untertahnen/ da ſie redlich ſind/ nicht gut heiſſen werden, Mein einig-
geliebter Gemahl Groß Fuͤrſt Herkules (dem zu ehren und Gedaͤchtnis ich mich ehmahls Herkuliſka
genennet) hat nunmehr mit mir und meinem Herr Bruder Koͤnig Ladiſla/ die Perſiſchen Laͤnder veꝛ-
laſſen/ werden auch auff der Reiſe nicht ruhen/ biß wir bey den unſern (die gleiches Standes mit euer
Liebe ſind) uns wieder finden; und hieraus eure Liebe gnug zuermaͤſſen hat/ daß ſie mein Angeſicht
nimmermehr wieder ſehen/ oder einige Hoffnung zu meiner Heyraht haben koͤnne/ deren ſie auch ohn
zweiffel (wo ſie ſonſt geſundes verſtandes iſt) ſich allerdinge werden begeben haben; ſolte nun mein
wolgemeinter getraͤuer Raht bey euer Liebe hafften koͤnnen/ bitte ich ſehr/ mir zu folgen/ alſo/ daß ſie
das Baktrianiſche Fraͤulein eheliche/ und eine billiche Rachtung mit den vereinigten Fuͤrſten zutref-
fen ſich bemuͤhe/ damit ihr Stuel nicht gar umbgekehret werden moͤge. Wird ſie aber dieſen Vorſchlag
verachten/ duͤrffte ſie ſolches zu ſpaͤt beklagen/ welches zuvernehmen mir unlieb ſeyn wuͤrde/ dann vor
erzeigete Guttaht bin und verbleibe ohn nachteil meiner Ehren/ euer Liebe ich allemahl bereitwillig-
ſte und getraͤue Freundin Valiſka.


Nach verleſung dieſes/ da niemand als Paraſitis bey ihm wahr/ fing er an/ ſich ſo
traurig zugeberden/ daß ſie nicht anders meinete/ ob wuͤrde ihm die Seele außgehen. Ach
du Schoͤnheit der Welt/ ſagete er: Wie ſol und kan mein Herz daſſelbe außbannen/ wel-
ches darinnen mit Demanten Ketten befeſtiget iſt? Ach ihr Goͤtter! warumb habt ihr eu-
rem Artabanus das Meiſterſtuͤk eures volkommenen Kunſtwerks gezeiget/ daß er durch
deſſen [anſchauung] der ungluͤkſeligſte dieſes ganzen Erdbodems werden ſolte? Hat dann
der maͤchtigſte Koͤnig der Welt nicht koͤnnen ein Fraͤulein vor einem einzigen Raͤuber be-
ſchuͤtzen/ noch die geraubete wieder erſtreiten/ welcher ſein ganzes Reich vor der maͤchtigen
Roͤmer Gewalt ſo leicht verteidiget hat? Paraſitis redete ihm mit groſſer freundligkeit zu;
Ihre Koͤnigl. Hocheit moͤchten doch nicht ſoviel die Schoͤnheit dieſer Ungetraͤuen/ als ih-
re Falſcheit und leichtfertiges Gottloſes Herz betrachten/ welche ihren aͤidſchwuhr nicht
allein dem Koͤnige/ ſondern auch der Goͤttin Veſta gefaͤlſchet/ und ſich dadurch beydes bey
Menſchen und Goͤttern unwert und verhaſſet gemacht haͤtte; und wer wuͤſte/ mit was
Straffe ſie der Himmel ſchier heimſuchen duͤrfte. Dieſesbrachte ſie nicht allein daßmahl
vor/ ſondern drey Wochen hernach beſtellete ſie etliche unbekanten/ welche als durchreiſen-
de Kauff-
[251]Fuͤnftes Buch.
de Kauffleute nach Indien/ außſprengen muſten/ es waͤhre zu Tyrus die gewiſſe Zeitung
eingebracht/ daß als der Teutſche Groß Fuͤrſt Herkules und ſein Gemahl Valiſka oben
auff dem Schiffe/ da ſie nach Italien gefahren/ ſich umbſchauend erluſtigen wollen/ haͤtte
ein ſtarker Wirbelwind ſie gefaſſet/ und uͤber Bort in das Meer geworffen/ da ſie alsbald
von einem ungeheuren Fiſche verſchlucket worden; ihr Bruder Koͤnig Ladiſla mit etlichẽ
tapfferen Rittern/ haͤtte ſich in ein Boht geſetzet/ umb ſie aus dem Waſſer zuzihen/ waͤhren
aber ingeſampt von demſelben Meerwunder verzehret/ wie ſolches uͤber 40 Kauffleute uñ
Schiffknechte zu Tyrus aͤidlich außgeſagt/ welche nahe bey ihnen hergefahren/ und es mit
leiblichen Augen angeſehen haͤtten. Dieſer Luͤgen ward nun ſo feſt geglaͤubet/ daß ſie auch
nach Perſepolis erſcholle/ und nicht wenig betruͤbnis daſelbſt vtrurſachete; wiewol Phra-
ortes und ſein Gemahl immerzu wieder ſprachen. Auff unſer vorhaben wieder zukom̃en/
als Paraſitis dem Koͤnige obgedachter maſſen zuredete/ begriff er ſich in etwas/ und brach
endlich in groſſem Eifer alſo loß: Nun ſo fahre hin du leichtſertiges/ traͤuloſes Weib/ du
ſolt uns ein Beyſpiel weiblicher Untraͤue und falſcheit ſeyn/ und wollen wir die gebuͤhrli-
che Rache gegen dich uñ den Erz Raͤuber/ auch alle deine Helffershelffer vorzunehmen wiſ-
ſen/ ſolten wir gleich ein unzaͤhliges Heer biß in Teutſchland fuͤhren/ und die Landſtreicher
daſelbſt heimſuchen; machte ſich darauff wieder in das groſſe Gemach/ und wolte Syſi-
mithres viel zu Rede ſtellen/ warumb er ſich nicht beſſer vorgeſehen/ und den Raͤubern ent-
gangen waͤhre. Welches aber Vologeſes beantwortete: Dafern ihre Koͤnigl. Hocheit den
Sachen gebuͤhrlich nachdenken wuͤrde/ zweifelte er nicht/ es würde Syſimithres bey dero-
ſelben ſchon voͤllig entſchuldiget ſeyn; nachdem ja kein Menſch dergleichen Ungluͤksfaͤlle
vorherſehen oder vermeiden moͤchte; uͤberdas haͤtten neugeworbene Fußvoͤlker/ ſo annoch
unbewehret/ einer ſolchen Macht der allergeuͤbteſten Reuter nicht wiederſtehen koͤnnen.
Worauff er naͤhern kauff gab/ uñ nach anderen Unterredungen fragete/ ob Gamaxus von
den Raͤubern mit fort geſchleppet waͤhre. Er aber antwortete: Elender Menſch iſt nie ge-
bohren/ als dieſer unſelige/ deſſen Jammer mich zum Weinen bewogen hat; er lebet an-
noch zu Perſepolis/ da habe ich ihn geſehen/ als er bey der Mahlzeit in bunter Narrenklei-
dung dem Perſen/ Meden und Suſianer auffwartete/ und von den Knaben ſich tummeln
laſſen muſte/ welche ihn den Groß-Narren aus Meden nenneten. So oft er ſich mit einem
Worte verlieff/ wurden ihm die lahmen Faͤuſte mit Ruhten geſtriechen/ daß das Blut heꝛ-
unter tropffete. Er ſuchte Gelegenheit mit mir zu reden/ und als er endlich ſo viel Raum
hatte/ ſagte er mit klaͤglicher Stimme; Seid gebehten/ mein Herr/ und nehmet mir mein
elendes Leben/ damit ich dieſes unleidlichen Spottes abkom̃en moͤge; oder gebet mir nur
ein wenig Gift/ den ich einnehme/ dañ ich ſuche nichts mehr als den Tod. Wañ aber mein
Koͤnig einiges mittel wuͤſte/ mich loßzumachen/ weil ich ja in ſeinen Dienſten in dieſes E-
lend gerahten bin/ wuͤrden die Goͤtter ihm ſolches tauſendfach belohnen/ und koͤnten her-
nach meine Arme und Beine mir wieder zu brochen/ und gerade geheilet werden/ da ich
dann mich dergeſtalt erzeigen/ und meinen Schimpff einbringen wolte/ daß des Koͤniges
Feinde ſich deſſen nicht ſolten zuerfreuen haben. Wir wolten ihn gerne loßmachen/ ſagte
Artabanus/ wañ es nur moͤglich waͤhre/ aber ſein aͤrgeſtes iſt/ daß er die Parthiſchen Fuͤr-
ſten ſo hoch erzuͤrnet hat. Ich werde den Ehren-Schaͤnder wol vor meinen Augen nicht
leiden/ ſagte Pakorus/ ſondern da er ſeyn wird/ wil ich weg bleiben. Paraſitis kunte ihre
i i ijTraͤh-
[252]Fuͤnftes Buch.
Traͤhnen nicht bergen/ und ungeachtet das ungeheur lahm und ein Kroͤpel wahr/ haͤtte ſie
ihn doch gerne loßgemacht/ und zur Ehe genommen/ oder zum wenigſten die ſtete Buhle-
rey mit ihm getrieben/ daher ſie nicht unterlaſſen kunte/ den Koͤnig nachgehends/ da ſie mit
ihm allein wahr/ heftig zu bitten/ daß er ihn ohn der Fürſten wiſſen erloͤſen/ uñ ihn an einem
Orte auffhalten moͤchte/ daß die Fuͤrſten nichts von ihm erfahren koͤnten; worzu aber Ar-
tabanus weder gelegenheit noch mittel ſahe. Vordißmahl aber fing er an/ wie er den Per-
ſen und Meden ſtraffen wolte; wahr doch ein vergeblicher Stolz; dann Artaxerxes nahm
ihm nach anderthalb Jahren das ganze Koͤnigreich Parthen/ und bald hernach erwuͤrge-
te er ihn mit eigener Fauſt/ wie ſolches von einem andern Geſchicht Schreiber gemeldet
wird/ da dañ Vologeſes und Pakorus heftig verwundet/ gefangen/ aber wegen ihrer red-
ligkeit von dem Perſen hoch erhaben wurden. Die Urſach daß Pakorus in vorigem Ge-
ſpraͤch des Surinas erwaͤhnung taht/ wahr dieſe: Es hielt derſelbe ſich mehrenteils in
Meden auff/ damit er mit ſeiner geliebeten Atoſſen heimliche Fꝛeude haben koͤnte waꝛd deß-
wegen bey Artabanus von ſeinen gehaͤſſigen verunglimpfet/ er haͤtte einen heimlichen ver-
ſtand mit den Auffruͤhrern/ und waͤhre willens ſich bey ihnen in Dienſte zubegeben. Wor-
auff ihn der Koͤnig vor ſich fodern ließ/ uñ als er vor ihn trat/ ſchalt er ihn vor einen Land-
kündigen Verraͤhter/ und meinaͤ[i]digen Tropfen; welches er beſter maſſen entſchuldigte/
und ſich erboht/ wieder ſeine Verleumder ſolches gebuͤhrlich außzufechten; weil er aber
kein gehoͤr erlaugen kunte/ klagete er ſolches Pakorus wehmuͤhtig/ vertrauete ihm ſeine a-
bermahlige Liebe mit Atoſſen/ ging wieder zu dem Koͤnige/ und erboht ſich/ ſeine Unſchuld
durch einen Kampf außzufuͤhren; vermochte es aber nicht zuerhalten; deßwegen er umb
gnaͤdigſte erlaſſung ſeiner Kriegsdienſte anhielt/ nebeſt ritterlicheꝛ beteuꝛung/ daß/ wie un-
gnaͤdig ihm auch ſeine Koͤnigl. Hocheit ſeyn moͤchte/ er doch nimmermehr an Perſiſcher
Seite gegen dieſelbe dienen wolte. Worauff er endlich erlaſſen ward/ da er alle ſeine Guͤteꝛ
in Parthen und Meden verkauffte/ die Gelder nach Antiochia in Syrien uͤbermachte/ uñ
nach Damaſkus reiſete/ da er bey H. Sulpizins Freyheit im Lande zu wohnen erhielt/ auch
ein ſchoͤnes Landgut kaufte/ und ſeine vertrauete Atoſſen heimlich und in guter ſicherheit
davon brachte/ gleich umb die Zeit/ als unſere Helden auff dem groſſen Mittel Meer froͤlich
und mit gutem Winde fortſaͤgelten/ biß ſie Kreta erreicheten/ und in eben den Hafen ein-
liefen/ woſelbſt Valiſka/ uñ hernach Herkules vor dieſem außgeſtiegen wahren/ deſſen doch
ihrer keiner wahrnam/ biß ſie ihr ehmaliges Elend betrachtend/ aus Ufer traten/ und Va-
liſka der Baͤume gewahr ward; woruͤber ihr die Freuden Traͤhnen aus den Augen hervor-
drungen. Sie faſſete ihren Gemahl bey der Hand und ging mit ihm hin/ tꝛaff ihren Baum
bald an/ an welchem ſie ihre und Herkules Schrift fein außgewachſen und unverletzet ſahe/
nahm ihr Meſſerchen hervor/ und ſchnitte dieſe Worte darunter: VALISCA per DEI gra-
tiam liberata, patriam repetit cum ſuo HERCVLE.
Das iſt: Valiſka durch Gottes Gnade erloͤ-
ſet/ kehret wieder in ihr Vaterland mit ihrem Herkules. Sie zogen von dannen nach der Stad
Gnoſſus/ woſelbſt ſie drey Tage ſtille lagen/ und den Ort beſahen/ da Herkules den falſchen
Ladiſla erſchlagen hatte. Als nun des Landes Inwohner in erfahrung brachten/ daß die
warhafften Helden bey ihnen angelanget waͤhren/ kahmen viel tauſend Menſchen herzu/
dieſelbigen zu ſehen/ von denen ſie hoͤchlich geehret wurden. Auff Euphroſynen und Aga-
then fleiſſiges anhalten fuhren ſie ingeſamt nach Korinth/ blieben auch in Griechenland
wegen
[253]Fuͤnftes Buch.
wegen des Ungewitters etliche Wochen/ und beſahen daſelbſt die oͤrter/ wo Herkules und
Ladiſla gefangen/ und zum ſchnoͤden Gericht außgefuͤhret wahren/ auff welche Stellen die
Landes Obrigkeit ihnen herliche Ehrenſeulen auffrichten ließ wovor ihnen Herkules nach-
gehends von dem Roͤmiſchen Kaͤyſer ſonderliche Freiheiten erhielt. Sonſt lieſſen unſere
Helden zu Korinth 50000 Kronen unter die armen Chriſten außteilen/ und belegten eine
Tonne Goldes/ davon die jaͤhrlichen Rente zu behueff der Lehrer Unterhalt ſolten ange-
wendet/ auch Schreiber davon beſtellet werden/ welche der Chriſtlichen Lehrer ihre Buͤ-
cher abſchrieben/ damit dieſelben nit untergingen. Am fuͤnfften Tage nach ihrer Ankunft
zu Korinth/ ſtellete ſich Fr. Artonis/ des Perdickas nachgelaſſene Wittib/ bey den unſern
ein/ von denen ſie ganz freundlich empfangen und mit vielen Kleinoten beſchenket ward/
weil ſie dem Perſiſchen Groß Fuͤrſten Artaxerxes und Fuͤrſten Pharnabazus nahe ver-
wand wahr. Sie hinwiederumb ließ ſolche Huld und Ehre den unſern/ inſonderheit der
Groß Fuͤrſtin ſpuͤren/ daß ſie ihr von Herzen gewogen wurden. Ihrem Oheim Fuͤrſt Ar-
bianes verſprach ſie/ daß auff ſeine gluͤkliche Ruͤkreiſe ſie ſich gefaſſet halten/ und mit ihm/
nach verkaͤuffung ihrer Guͤter/ in Meden zihen wolte/ da ſie dañ nicht allein der Groß Fuͤr-
ſtin Klaren geheime Kammer Frau worden (maſſen ſie nicht wieder heirahten/ noch eigene
Guͤter beſitzen wolte) ſondern auch zum Chriſtlichen Glauben ſich bekehret hat. Klodius
und Markus ſamt ihren Eheliebeſten wahren nicht willens/ in Griechenland zu wohnen/
und verkauften alle ihre liegende Gruͤnde und Guͤter/ der Stad Korinth/ wovon Herku-
les ſie zwaꝛ anfangs gedachte abzuhalten/ und mit dem Kauffe nicht zu eilen/ ob ihnen viel-
leicht dermahleins gefallen moͤchte in Griechenland zu wohnen; bekam aber von ihnen
zur Antwort/ daß da ſie nur koͤnten gelitten werden/ ſie nicht bedacht waͤhren/ ihre Herren
Zeit ihres Lebens zuverlaſſen/ ſondern mit ihnen in Teutſchland zuzihen/ und daſelbſt ihre
ungeenderte Wohnung zu nehmen; welche traͤue unſern Helden ſo wol gefiel/ daß/ weil
Euphroſyne von Fr. Valiſken ſchon beſtallung hatte/ machte Herkules ihren Markus zu
ſeinen Hoffmarſchalk; Ladiſla aber nam Klodius zum Landdroſten/ Hoff- und Kriegs-
Raht an/ neben verſprechung/ daß Fr. Agatha neben Brelen/ ſeiner Gemahlin Fr. So-
phien Hoffmeiſterin und Kam̃er Frau ſeyn ſolten; welches dieſen vieren lieber wahr/ als
haͤtte man ihnen ganz Griechenland zu eigen gegeben. Der gute Attalus/ der ſich umb ein
groſſes gebeſſert hatte/ kam mit ſeiner hurtigen Eurydize auch/ unſere Helden zu ſprechen/
[und] ſeiner ehmaligen Tohrheit verzeihung zu bitten/ und wurden wol begabet weg gelaſ-
ſen. Sie brachten ſonſt ihre Zeit zu Korinth in aller Gottesfurcht zu/ und lieſſen ihnen
taͤglich Gottes Wort erklaͤren/ biß ein ſehr fuͤglicher Wind enſtund/ da ſie wieder zu Schif-
fe gingen/ und mit groſſem verlangen nach dem Adriatiſchen Meer Nordweſt ſaͤgelten/ in
Hoffnung/ den naͤheſten Hafen bey Padua bald zuerreichen/ da dann die Parthiſche Leib-
eigene/ welche als freie Leute gehalten wurden/ dergeſtalt die Faͤuſte an die Ruder legeten/
daß man ſie von der garzuhefftigen Arbeit abmahnen muſte.


Ende des Fuͤnften Buchs.


i i iijDes
[254]

Des Chriſtlichen Teutſchen
Herkules
Sechſtes Buch.


BLeich umb dieſelbe Zeit/ da Herkules mit ſeiner froͤlichen Geſelſchaft ſeine Schif-
fart von Korinth nach Italien fortſetzete/ kahmen die beyden jungen Fuͤrſten/
Baldrich aus Teutſchland/ und Siegward aus Schweden in den Italiaͤniſchẽ
Grenzen an/ woſelbſt ſie mit ihren zwoͤlff Ritterlichen Dienern ſich auf Roͤmiſch
kleideten und ausruͤſteten/ des Vorſatzes/ ihrem Bruder und Oheim/ Herkules und Ladiſ-
la in die abgelegenen Morgenlaͤnger zufolgen/ weil ſie in Erfahrung brachten/ daß ſie da-
ſelbſt ſich annoch auffhieten/ und den Krieg wider den Parthiſchen Kaͤyſer hefftig fortſetze-
ten/ dem ſie/ wie das verlogene Geſchrey ging/ ſeine Reiche entwenden/ und unter ihre Ge-
walt bringen wolten; ja es durfften etliche ausſtraͤuen/ ſie haͤtten anfangs mit dem Roͤmi-
ſchen Reich eben daſſelbige vorgehabt/ und waͤhren bloß durch Ladiſlaen Heyraht davon
abwendig gemacht. Es uͤberlegeten aber hochgedachte beyde junge Fuͤrſten/ ob ſie des naͤ-
heſten bey Aquileja zu Schiffe treten/ oder zuvor unter unbekanten Nahmen die Stad Pa-
dua beſehen/ und daſelbſt Herkules Zuſtandes ſich eigentlicher erkuͤndigen wolten/ welches
ihnen endlich am beſten dauchte/ und daher ſich auffmacheten/ des Orts bald anzulangen.
Hieſelbſt wahren Fr. Sophia und ihre Eltern uͤber die maſſe ſehr betruͤbt/ weil ihnen ſint
Leches Abſcheid/ und alſo nunmehr inwendig Jahresfriſt keine Zeitung zukommen wahr;
wiewol der Stathalter ſeinen Leuten allemahl den Troſt vorhielt/ es waͤhre nicht moͤglich/
daß/ wann es den ihren ungluͤklich ginge/ ein ſolches lange ſtille und verſchwiegen bleiben
koͤnte; das Geſchrey/ wie wenig er demſelben gleich trauete/ braͤchte dannoch lauter gute Zei-
tung ein/ und waͤhre vor weniger Zeit ein Egyptiſcher Kauffmann zu Rom geweſen/ wel-
cher daſelbſt beſtaͤndig ausgeſagt/ was geſtalt der Perſen Fuͤrſt durch Hülffe und Beyſtand
der Teutſchen Fuͤrſten/ den groſſen Koͤnig der Parther/ und deſſen faſt unzaͤhlige Macht
aus dem Felde geſchlagen/ und biß in ſeine Haupt Stad Charas getrieben haͤtte/ womit des
Stathalters zu Damaſkus Schreiben an Kaͤyſerl. Hocheit allerdinge uͤbereinſtimmeten;
waͤhre demnach nicht zuzweifeln/ ſie wuͤrden ehiſtes froͤliche Zeitung und Briefe von ihnẽ
zugewarten haben. Fr. Sophia vertrieb ihre Zeit viel mit Luſtfahren/ und beſuchete die ih-
rem Ladiſla und Herkules geſchenketen Landgüter zun oftern/ da Fr. Urſula und Frl. Si-
bylla ihre untrenliche Gefaͤrtinnen wahren. Drey Tage vor Herkules Ankunft zu Padua/
wolte ſie ihren neu-angelegeten Garten auf ihrem Landgute beſichtigen/ welchen ſie mit al-
lerhand fremden Gewaͤchſen und ſchoͤnen Blumen beſetzen ließ/ weil es numehr gegen den
Fruͤhling ging/ und es der 19 Tag des Hornungs wahr/ da ſie obgemeldete ihre beyde Wa-
ſen/ ihre Leibdienerin Beaten/ und einen aͤdelknaben mit ſich nam/ und des morgens fruͤh
mit dem Tage davon fuhr/ weil es ſich zu einem ſchoͤnen Wetter anſehen ließ/ welches ſie
doch betrog/ maſſen der Wind aus dem Weſten einen hefftigen Plazregen zuſam̃en trieb/
daß ſie die Gutſche umher zumachen/ und vor dem Regen ſich verbergen muſten. Ihr
Gutſcher hatte auf dieſe Gelegenheit ſchon etliche Wochen gehoffet/ gebrauchte ſich dem-
nach
[255]Sechſtes Buch.
nach der jetzigen/ und fuͤhrete ſie von der Landſtraſſen auf einen ungebahneten Weg/ hoͤrete
auch zwo ganzer Stunden nicht auf zurennen/ biß ſich der Regen gelegt hatte/ da endlich
das Fraͤulein ſagete: Wie koͤmt es doch/ daß mir der Weg ungleich laͤnger vorkomt/ als
vor nie/ und gleichwol die Pferde immerzu in Fluͤchten gangen ſind? gewißlich hat der
Gutſcher des Weges verfehlet. Fr. Sophien mißdauchte es gleich ſo wol/ oͤfnete den Wa-
gen/ und als ſie ſich umſahe/ merkete ſie alsbald/ daß ſie auf dem rechten Wege nicht wah-
ren/ deswegen ſchalt ſie den Gutſcher aus/ wie er darzu kaͤhme/ und ohn ihr Geheiß einen
andern Weg vor ſich nehmen duͤrffte. Dieſer entſchuldigte ſich auffs beſte/ er haͤtte aus gu-
ter Wolmeynung ſolches getahn/ der gemeine Weg waͤhre gar zu kotig in dieſem Regen-
wetter/ daher haͤtte er einen andern geſuchet/ welcher zwar etwas umb/ aber nun ſchier ge-
endiget waͤhre. Das Frauenzimmer empfand groſſe Angſt im Herzen/ und rieffen einhel-
lig/ er ſolte wieder umkehren/ und nach Padua fahren; aber der Bube taht/ als hoͤrete ers
nicht/ und wie er merkete/ daß ſie abſteigen wolten/ jagete er mit verhaͤngeten Zügeln nach
einem dicken Gepuͤſche zu; Worauf Frl. Sibylla ſagete: Ach ihr Goͤtter/ wir ſind gewiß-
lich verrahten/ oder wol gar verkaufft; woruͤber Fr. Urſul ſich dergeſtalt entſetzete/ daß ihr
eine Ohmacht zuſtieß; doch weil Fr. Sophia ihr hart zuredete/ ſie ſolte ſich feſt halten/ und
das Ungluͤk nicht haͤuffen/ fand ſie ſich bald wieder/ gleich da 20 Raͤuber aus dem naͤheſten
Gepuͤſche hervor ſprungen/ die Gutſche umgaben/ und ihr Führer das Frauenzimmer al-
ſo anredete: Ihr ſchoͤnen Bilderchen ſeyd uns dieſes ungewoͤhnlichen Orts ſehr wilkom-
men/ als deren wir ſchon unterſchiedliche mahl/ aber bißher vergeblich erwartet haben; weil
dann nun das heutige Gluͤk uns ſo guͤnſtig iſt/ werdet ihr euch nicht wegern/ mit uns zuge-
hen/ dann wir ſind nicht willens/ euch einiges Leid oder Betruͤbniß anzufuͤgen; nur allein
werde ich mich bemuͤhen/ durch euren Vorſchub und Befoderung meine Gelder wieder
zuerlangen/ die mir vor zwey Jahren ungefehr entwendet ſind/ und eurer etliche darumb
gute Wiſſenſchafft tragen. Ich habe zu dem mahle Muͤhe gehabt/ mich zuerretten/ da die
wolerbauete Hoͤhle unvermuhtlich geſtuͤrmet ward/ aber nunmehr bin ich willens/ die Zin-
ſen ſamt dem Hauptſtuel einzuhohlen. Das Frauenzimmer erſchrak der Rede heftig/ doch
erhohlete ſich Fr. Sophia mitten in der Augſt/ faſſete ein Herz/ und gab ihm dieſe Antwort:
Mein Freund/ ich vermerke aus allen euren Reden/ daß wir euch nicht unbekant ſind/ wil
euch daher erinnert haben/ daß ihr beſcheidentlich mit uns umgehet/ und euer keineꝛ ſich ge-
luͤſten laſſe/ ichtwas wider unſere weibliche Ehre und Zucht vorzunehmen; Hat man euch
dann/ wie ihr vorgebet/ und wol ſeyn kan/ eure Gelder entwendet/ ſo verſichert euch/ daß ſie
annoch unverzehret und in guter Gewarſam ſind/ auch mit leichter Muͤh wieder koͤnnen
beygebracht werden. So laſſet mich nun wiſſen/ wie hoch eure Anfoderung ſey/ und trauet
meinem verſprechen/ welches ich aͤidlich leiſten wil/ daß euch noch heut dieſen Tag ſolche
Gelder ſollen eingehaͤndiget werden/ und kein andeꝛ Menſch als wir deſſen jemahl ichtwz in
Erfahrung bringen/ viel weniger einiger/ ſolches an euch zueifern ſich unterſtehen ſol; laſſet
mich nur mit meiner Geſelſchaft unbeſchimpfet nach Padua wieder umkehrẽ; oder deucht
euch ein ſolches einige Gefahr auf ſich zuhaben/ welche doch ferne iſt/ ſo behaltet unſer eine
in redlicher Verwahrung/ biß die Auszahlung und eure gaͤnzliche ſicherheit euch vergnuͤ-
get iſt; ein mehr es werdet ihr ja weder fodern noch begehren koͤnnen. Dieſer Vortrag wol-
te faſt
[256]Sechſtes Buch.
te faſt der ganzen Raͤuber Geſelſchafft gefallen/ aber ihr Fuͤhrer Furius wolte durchaus nit
einwilligen/ und redete ſeine Leute alſo an: Wie nun dann ihr Bruͤder/ iſt euch dann der
Weiber Liſt und Boßheit ſo gar unbekant/ daß ihr dieſen geſchmiereten Worten glaͤuben
duͤrffet? Sie ſuchet uns nur zuentwiſchen/ das iſt ihr vorhaben; iſt ſie einmahl wieder zu
Padua/ dann wird ſie uns viel ehe ſo viel Kreuze aufrichten/ als die Gelder uns zuſtellen
laſſen; bedenket wie heut das Gluͤk über alles verhoffen den Regen hergeſchicket hat/ ohn
welches Mittel unſer getraͤuer Bruder dieſe Gutſche ſchwerlich ſo weit wuͤrde gebracht
haben; wollen wir nun ſo toͤhrich ſeyn/ und den Vogel aus deꝛ Hand fliegen laſſen/ ſo wird
uns das Gluͤk ſelbſt verfolgen/ weil wirs nicht haben erkennen wollen. Iſt demnach mein
feſter und unbewaͤglicher Schluß/ ſie alleſamt mit uns zunehmen/ und bey uns in Verwah-
rung zubehalten/ biß uns die Gelder geliefert werden. Die Raͤuber durfften ihrem Haupt-
man nicht widerſprechen/ und gaben durch ihr ſtilleſchweigen an den Tag/ daß ſie mit ihm
einig waͤhren; Furius aber ermahnete das Frauenzimmer/ ohn weitere Sperrung einen
kurzen Weg mit ihnen zugehen/ an ihren Ehren ſolte ihnen durchaus nichts wiedriges be-
gegnen. Fr. Sophia fragete ihn/ auf was weiſe ſie ihnen dann die Gelder liefern koͤnten/
wann er ſie alleſamt mit ſich nehmen wolte? Der kleine Bube/ antwortete er/ ſol uns dieſes
zu Padua ſchon verrichten. Befahl ihnen darauf/ abzuſteigẽ/ oder da ſie deſſen ſich wegern/
und ein Geruffe anrichten wuͤrden/ wolte man ſie bey Hals und Beinen fortſchleppen/ und
ſich ihrer nach allem willen gebrauchen; ja ſie ſolten ohn Hoffnung der Erloͤſung als Bey-
ſchlaͤfferinnen ſtets bey ihnen ſeyn und behalten werden. Hiedurch wurden ſie bewogen/
gute Worte zugeben/ und ſagte Fr. Sophia: ja ſie wolten folgen/ wann man zuvor ihren
Ehren ſicherheit zugeſaget haͤtte; welches dann die Raͤuber/ inſonderheit der Gutſcher/ mit
heftigen Schwuͤren verrichtetẽ/ und ſie bey einer Stunde durch Puͤſche und Hecken mit
ſich fuͤhreten/ biß ſie bey einem Felſen anlangeten/ in welchem eine zimliche Hoͤhle wahr/ ſo
daß in die 60 Mann ſich darinnen haͤtten aufhalten moͤgen. Es wahr zwar renlich/ aber
wüſte in dieſem Moͤrderloche; uͤmher wahren die Schlafſtaͤten mit ſchlechtem Gitterwerk
von dem Mittelplatze abgeſondert/ und zu den Speiſen hatten ſie eine Neben Hoͤhle. Nun
empfand Furius eine heftige Begierde in ſeinem Herzen gegen Frl. Sibyllen/ und nam
ihm gaͤnzlich vor/ ſeinen unkeuſchen Willen an ihr zubuͤſſen; ſtellete ſich deswegen inſon-
derheit gegen ſie freundlich/ deſſen ſie wegen groſſer Betruͤbniß nicht wahr nahm/ wiewol
Fr. Sophia es bald merkete/ und auf alle Mittel bedacht wahr/ dieſes Unheil abzuwenden.
So bald ſie in die Hoͤhle ankahmen/ begehrete das Frauenzimmer/ man ſolte ihnen einen
abſonderlichen Ort eingeben; welches ihnen nicht gewegert ward/ da dann Fr. Sophia
ihre Waſe Frl. Sibyllen getraͤulich warnete/ ſich wol vorzuſehen/ weil Furius ſie buleriſch
anblickete/ und zubefuͤrchten waͤhre/ er duͤrffte ſich eines mehren unterwinden; wurdẽ dem-
nach eins/ ihre Brodmeſſer fertig zuhalten/ und ſich damit aufs aͤuſſerſte zuſchuͤtzen. Der
mutwillige Raͤuber kunte die ungeſtuͤme Glut nicht lange daͤmpfen/ durfte doch wegẽ ſeiner
Geſellen keine Gewalt anlegen/ ſondern machete ſich mit angenommener Gleiſnerey und
Sanftmuht zu ihnen hin/ und ließ ihnen etliche Speiſen und einen Trunk Wein aufftra-
gen/ ſo gut ers hatte/ ſetzete ſich zu ihnen nider/ und noͤhtigte ſie zum eſſen/ deſſen ſie ſich nicht
ſonderlich wegern wolten/ damit ſie nicht durch Hunger zur Mattigkeit gebracht/ und zu
ihrer
[257]Sechſtes Buch.
ihrer ſelbſt eigenen Beſchuͤtzung unvermoͤgen wuͤrden; nur wendeten ſie ein/ dz ſie gar ohn
Meſſer waͤhren. Furius ſchnitte ihnen vor/ und ſuchete alle ſeine Hoͤfligkeit hervor/ ſich be-
liebet zu machen/ und ihnen die Furcht und das Mißtrauen zubenehmen. Nach gehaltener
kurzen Mahlzeit ſetzete er ſich zu dem Fraͤulein/ und hielt an/ ihm ihre gute Gunſt mitzutei-
len/ gab ihr ſeine heftige Liebe zuverſtehen/ uñ wie hoch er geneiget waͤre/ ihr zudienen; Zwar
die Geſelſchafft haͤtte auf ihr Haͤupt auch 250000 Kronen geſchlagen/ dieſelben aber wolte
er ihr als eigen wieder zuſtellen/ da ſie ihrer treflichen Schoͤnheit genieß ihm nur geringe
Zeit goͤnnen wuͤrde. Er wolte ſie hierauf kuͤſſen/ und umfahend zu ſich druͤcken; aber Frau
Sophia ſtellete ſich zwiſchen ſie/ und ſagete: Nicht alſo ihr verwaͤgener/ dieſes euer begin-
nen iſt trauen dem aͤidlichen Verſprechen nicht gemaͤß/ und moͤget wol wiſſen/ daß wir lie-
ber alle mit einander ſterben/ als in euer Vornehmen gehehlen wollen. Das Fraͤulein faſ-
ſete auch ein Herz/ und gab ihm duͤrre zuverſtehen; Er ſolte ſich der Gedanken nur entſchla-
gen/ daß er meynete/ ſie lebendig zu ſeinem unzuͤchtigen Willen zuhaben/ dann ſie waͤhre ei-
ne verſprochene Braut/ und geſinnet/ lieber den Tod als Ehrenverluſt anzugehen; die Gel-
der/ ſo auf ihr Haupt geſetzet waͤhren/ wuͤrden ſchon entrichtet werden/ und begehrete dieſel-
ben von ihm nicht wieder; welches ſie dann mit ſo harter Stimme redete/ daß die anderen
es wol hoͤreten/ und deswegen naͤher hinzu traten/ umb zuvernehmen/ was vorginge. Frau
Sophia ſahe an ihren Geberden/ daß ſie nicht willens wahren/ Gewalt zuüben/ und redete
ſie alſo an: Guͤnſtige gute Freunde/ erinnert euch/ bitte ich/ der teuren Verheiſſung/ welche
ihr uns ingeſamt getahn habet/ und gebet nicht zu/ daß einige unter uns an ihren Ehren be-
leidiget werde; die Gelder/ ſo ihr fodert/ wie viel deſſen gleich iſt/ und auf acht Tonnen Gol-
des ſich erſtrecket/ ſollen euch ohnfehlbar/ wie ich weiß/ geliefert werden/ und wil ich euch uͤ-
ber das verſprechen/ daß euer keinem das geringſte Leid unſer Entfuͤhrung halben wieder-
fahren ſol/ ob man gleich ſchier heut oder morgen eurer koͤnte bemaͤchtiget ſeyn; nur allein
beredet dieſen euren Haͤuptman/ daß er ſeine unzimliche Begierden maͤſſige/ und uns un-
angefochten laſſe/ damit wir nit verurſachet werden/ uns des Lebens ſelbſt zuberauben/ wel-
ches euch zu keinem guten erſprieſſen wuͤrde; dann ihr koͤnnet leicht gedenken/ daß wañ wiꝛ
nicht ſolten wieder bey den unſern anlangen/ man durch alle Hecken und Schlupffloͤcher
uns zum fleiſſigſten nachſpuͤren werde; Was vor abſcheuhliche Straffen aber ihr alsdañ
muͤſtet zugewarten haben/ iſt leicht zuvermuhten. Bald trat Genutius ihr Gutſcher her-
vor/ und ſagte: Ihr Herren und gute Freunde; es iſt euch ingeſamt/ und einem jeden in-
ſonderheit wol bewuſt/ daß/ wie ich uͤber mich nam/ dieſe Geſelſchafft eine zeitlang zumeidẽ/
und mich vor einen Gutſcher beſtellen zulaſſen/ ob mir moͤglich ſeyn wuͤrde/ eine oder ande-
re dieſes Hochaͤdlen Frauenzimmers in eure Gewalt zuliefern/ ihr mir hinwiederumb die
aufrichtige Verheiſſung getahn/ daß auf ſolchen Glückesfal ihnen weder am Leben noch an
der Ehre ichtwas ſolte gekraͤnket werden/ wann ihr nur die begehreten Gelder erhaltẽ wuͤꝛ-
det; und beteure ich bey meinem aͤide/ daß/ wo ich das geringſte an dieſem euren verſprechen
gezweifelt haͤtte/ wolte ich lieber mein Leben ſelbſt aufgeopffert/ als dieſes keuſche hochaͤdle
Frauenzimmer in eure Haͤnde uͤbergeben haben; iſt demnach billich/ dz wir unſerm Haͤupt-
man einreden/ deſſen eingedenke zuſeyn/ und von ſeinem Vorhaben abzutreten; dann was
meine gnaͤdigſte Frau euch anjetzo vorgehalten/ wird in der Warheit nicht auſſen bleiben/
k kda
[258]Sechſtes Buch.
da ich dann wuͤnſchen moͤchte/ eure Geſelſchaft/ die mir ſonſt ſo angenehm iſt/ nimmermehr
geſehen zuhaben. Hierauff gingen ſie mit einander hinzu/ und bahten Furius mit bewaͤgli-
chen Worten/ er moͤchte durch blinde und Vernunfftloſe Begierden ſich nicht verleiten
laſſen/ ein ſolches zuwagen/ was ihm und der ganzen Geſelſchaft das unvermeidliche Ver-
derben uͤber den Hals zihen wuͤrde. Furius entſetzete ſich der unvermuhtlichen Einrede/
kehrete ſich mit freundlichen Worten zu dem Frauenzimmer/ einwendend/ ſie beſchwereten
ſich unbillich und ohn urſach uͤber ihn/ weil er ja nichts ungebuͤhrlichs angefangen/ ſondeꝛn
bey dem Fraͤulein nur durch untertaͤhnige Bezeigung umb eine geringe Gunſt angehaltẽ/
und naͤhme ihn wunder/ daß ſie ſich dergeſtalt hochmuͤhtig erzeigen und ihn anklagen duͤrf-
ten/ ſo daß ſie nicht eins bedaͤchten/ daß ſie gefangene Leute/ und in ſeiner Gewalt waͤhren.
was er ihnen verſprochen haͤtte/ und wie weit ihn ſolches verbünde/ wuͤſte er gar wol/ ſolte
auch von ihm nicht gebrochen werden/ aber ſie dagegen ſolten auch wiſſen/ daß ihnen ein
ſolcher Hochmuht nicht zuſtuͤnde/ und ſie gar uͤber ihn herſchen wolten. Hernach trat er
mit ſeiner Geſelſchafft zuſammen/ und beklagete ſich anfangs/ daß Genutius wider aͤid uñ
gebuͤhr ſich ihm widerſetzet/ und ſeinem Anſehen unleidlichen Eintrag getahn haͤtte/ indem
er die Geſelſchafft auf eines gefangenen Weibes falſche Anklage wider ihn auffmahnen
duͤrffen/ woruͤber dann billich Urtel und Recht ergehen müſte; Daß nun die eine draͤuete/
ſich ſelbſt zuentleiben/ waͤhre gar liederlich/ und wuͤrde ſie ehe alles eꝛdulden/ als zu dieſeꝛ veꝛ-
zweiffelten Taht greiffen; jedoch dieſes alles vor dißmahl beyſeit geſetzet/ ſo ginge die Ver-
heiſſung nur bloß auf die beyden verheyrahteten Frauen/ das Fraͤulein und die adeliche
Leib Jungfer waͤhren nicht mit eingeſchloſſen/ ſo daß/ wann einer oder ander zu dieſer etwa
Anmuht haͤtte/ koͤnte er ſeinem Willen wol ein genuͤgen tuhn. Aber auch dieſes ungeachtet/
ſo ſuchte er durchaus nicht/ der Fraͤulein unzuͤchtig zumißbrauchen/ ſondern er haͤtte ſich
in dieſelbe hoͤchſt verliebet/ und waͤhre des gaͤnzlichen vorhabens/ ſie zuehlichen/ daher er ei-
niger Ungebuͤhr nicht koͤnte beſchuldiget werden/ weil ja in ehelicher Liebe keine Schande
ſteckete; hoffete demnach/ ſeine ehrliche Geſellen und Bruͤder wuͤrden ihm hierin nicht zu-
wider ſeyn/ ſondern vielmehr befodern/ daß er ſeine inbruͤnſtige Liebe zum gewuͤnſchten En-
de ausfuͤhren moͤchte; dagegen wolte er ihnen 100000 Kronen von ſeinem Anteil (er be-
kam aber den dritten Teil aller Beute) zuwenden/ und vor ſein Haͤupt aus dieſer Hoͤhle mit
ſeiner Liebſten nicht weichen/ biß ſie alle mit ihren Geldern ſich in ſicherheit gebracht haͤttẽ.
Genutius hielt bitlich an umb Erlaubniß/ vor ſich zureden/ aber Fannius ihr Unterhaupt-
man fing an: Es muͤſte durchaus die Uneinigkeit zwiſchen ihm und ihrem Hauptmann
beygeleget und in deꝛ Aſche gedaͤmpfet werden/ weil daraus nichts anders als ihr aller ver-
derben entſtehen wuͤrde; baht darauf den Hauptman/ daß er Genutius die gefuͤhrte Rede
guͤnſtig verzeihen moͤchte/ weil er ſolche vorzutragen/ gleichwol ein und andere Schein-
gruͤnde gehabt haͤtte; Hingegen ſolte jener von aller weiteren Einrede abſtehen/ und der
ganzen Geſelſchafft Ausſpruch billichen; welches ſie beyderſeits eingingen. Hernach ward
Furius Vortrag in bedacht gezogen/ welchen ſie vor billig hielten/ und die verſprochenen
Gelder mit groſſer Dankſagung annahmen/ als ob ſie ſchon gezaͤhlet waͤhren; doch eriñer-
ten ſie ihn/ daß er aufs glimpflichſte verfahren/ und alle Mittel verſuchen moͤchte/ der Fraͤu-
lein Willen zuerlangen; wañ aber keine Freundligkeit zulangen wolte/ wuͤrde er ſchon wiſ-
ſen/
[259]Sechſtes Buch.
ſen/ ſie ihm verbindlich zumachen. Bald ſetzete Furius zehn Schildwachten aus; hieß auch
die uͤbrigen einen Abtrit nehmen/ und verfuͤgete ſich wieder nach dem Frauenzimmer/ des
gaͤnzlichen Vorhabens/ entweder durch Zulaſſung oder Gewalt ſeinen boßhaften Willen
zuvergnügen. Dieſe hatten ihres Gutſchers vorbringen angehoͤret/ und verwunderten ſich
der unerhoͤreten Verraͤhterey/ entſchuldigten ihn gleichwol in etwas/ und hielten ihn noch
vor den redlichſten unter allen; Als ſie nun alle andere ſahen einen Abtrit nehmen/ und den
Hauptman allein bleiben/ ſagete Fr. Sophia zu ihren Geſpielen; Dieſer Schelm wird nit
unterlaſſen/ Gewalt zugebrauchen/ ihr aber mein Schweſterchen haltet euch ſo feſt ihr im-
mer koͤnnet/ ſolte er euch dann uͤberwaͤltigen wollen/ hoffe ich ihn durch die Huͤlffe meines
einigen wahren Gottes dergeſtalt anzugreiffen/ daß er keinem ehrlichen Weibesbilde mehꝛ
ſol Schande anmuhten. Dieſer nun ſtellete ſich mit angenommener Freundligkeit bey ih-
nen ein/ und verwieß es Fr. Sophien als im ſcherze/ dz ſie ſich dergeſtalt über ihn beſchwe-
rete; entſchuldigte ſie bald darauff/ weil ſie ſeines Standes und Weſens keine Kundſchaft
haͤtte/ koͤnte er ihr ſolches nicht allerdinge verargen; taͤhte ihnen demnach ingeſamt zuwiſ-
ſen/ daß er hohes Roͤmiſchen Adels/ und wegen Verfolgung ſeiner unbefugten maͤchtigen
Feinde aus Rom gewichen waͤhre/ haͤtte ſich in Pannonien nidergelaſſen/ und daſelbſt eine
gewaltige freye Herſchafft an ſich gebracht; ſo mangelte es ihm weder an Baarſchafften
noch anderem Reichtuhm/ daß er als ein Fuͤrſt zuleben Mittel gnug haͤtte; allein es fehlete
ihm ein wirdiges Gemahl/ die er biß daher nicht antreffen koͤnnen/ als heut dieſen morgen/
da er am wenigſten daran gedacht/ haͤtte ihn das hochgeneigete Gluͤk dieſes überaus ſchoͤ-
ne/ und ſeinem Stande gemaͤſſe Fraͤulein/ ja ſeine hochgeliebte Frl. Landmaͤnnin zugefuͤh-
ret/ deren er ſich ganz zueigen ergeben/ und in ehelicher Liebe uñ Traͤue mit ihr zuleben/ auch
ſie zur gebietenden Frauen uͤber ſich ſelbſt zumachen/ ſein endlicher Vorſaz waͤhre; koͤnte
demnach ihn niemand anklagen/ als ſuchete er ihre Ehre und Zucht zuſchwaͤchen/ weil ſeine
Liebe auff eheliche Traͤue gegruͤndet waͤhre/ die er hiemit aͤidlich wolte verſprochen haben/
nicht zweifelnd/ ſie wuͤrde ſich in die Zeit ſchicken/ und ſolches erbieten annehmen/ dann ob
ſie gleich vorſchützete/ daß ſie mit einem andern ſchon verlobet waͤhre/ koͤnte ihn ſolches nicht
hindern/ dann wer die Braut haͤtte/ ginge billich mit ihr zu Bette. Das liebe Fraͤulein waꝛ
nicht anders als eine Todten Leiche/ daß ſie auch in ſtarrende Ohmacht niderfiel/ und wedeꝛ
Hand noch Fuß regete/ welches Fr. Urſul erſehend/ zu ihr nahete/ und ſie beſter maſſen er-
quickete/ biß ſie endlich zu ſich ſelber kam/ und zu Fr. Urſulen ſagete: Liebe Fr. Schweſter/
warumb verbeut ſie mir zuſterben/ da ich ehrlich zuleben nicht mehr bemaͤchtiget bin? Un-
terdeſſen hatte Fr. Sophia ihre Unterredung mit dem wuͤtigen Furius/ und vermahnete
ihn durch allerhand bewaͤgliche Uꝛſachen/ ſich eines beſſern zubedenken/ ſintemal er ja weder
leichtfertige Metzẽ noch gemeiner Leute Toͤchter/ ſonďn hochgeborne Roͤmiſche Frauen uñ
Fraͤulein vor ſich haͤtte/ welche lieber den Tod als Schande waͤhlen wuͤrden; ſein eheliches
vorgeben waͤhre umſonſt/ dann hierzu würden beyderſeits Gemuͤhter erfodert; waͤhre er a-
ber ein ſo groſſer Herr/ als er vorgaͤbe/ und dergeſtalt beguͤtert/ muͤſte er umb ihre Waſe nit
in der Raͤuber Hoͤhle/ ſondern bey ihren Eltern werben/ und vor allen dingen ſie zuvor frey
laſſen/ damit es nicht ein Zwang waͤhre; haͤtte es dann GOtt alſo verſehen/ wuͤrde ſolche
Heyraht wol vor ſich gehen. Aber der wuͤtige Menſch lachete des vorbringens/ und gab
k k ijzur
[260]Sechſtes Buch.
zur Antwort: Sie moͤchte ihn doch nicht gar vor einen Narren halten; auff ſolche art fin-
ge man die jungen Fũchſe; wolte ſie demnach warnen/ mit dergleichen Reden und kindi-
ſchen Anmuhtungen ſein zuverſchonen. Er waͤhre freylich ein vornehmer Herr/ und ein
Kriegs Obriſter von der Zahl der ehemaligen tapfferen Verbuͤndniß aus der verſtoͤreten
Hoͤhle/ auch bey dem Gefechte mit geweſen/ uñ durch ſonderlichen Schuz der Goͤtter dem
Tode entrunnen/ wovon dismahl zureden unnoͤhtig/ weil er mit ehr- und ehelichen Liebes-
gedanken umginge/ und ſeinen Willen alsbald mit dem Fraͤulein zuvergnuͤgen bedacht
waͤhre; wolten nun die uͤbrigen ihre gebuͤhrliche Schamhafftigkeit ſehen laſſen/ ſolten ſie
einen Abtrit nehmen/ daß er mit ſeiner Braut allein waͤhre; wo nit/ waͤhre diß ihre ſtraf-
fe/ daß ſie alle mit einander ſolten geſchaͤndet werdẽ; machte ſich hiemit zu dem Fraͤulein/
welche auf der Erden ſaß/ und ließ ſich dergeſtalt unzuͤchtig in Worten und Geberden veꝛ-
nehmen/ daß Fr. Sophia augenſcheinlich ſahe/ ihre Waſe wuͤrde ihre Ehre laͤnger vor
ihm nicht erhalten koͤnnen/ ſtellete ſich gleichwol nochmahls zwiſchen ſie/ und fing an: Herꝛ
Furius/ ich erinnere euch nochmahls eures geſchwornen aͤides/ dz ihr dieſer Fraͤulein Eh-
re ungekraͤnket laſſet/ dann ihr werdet im widrigen befinden/ daß wir alle lieber ſterben/ als
in dieſe Schande gehehlen wollen. Er aber ſtieß ſie mit ungeſtuͤm zur ſeiten hinweg/ daß ſie
auf die Erde zuliegen kam/ und nahete mit ſolchem raſen zu dem Fraͤulein/ als einer der al-
len Wiz und Scham ausgezogen hat. Aber Fr. Sophia wahr bald wieder auff den Bei-
nen/ erwog ſich ihres Lebens fiel uͤber Furius her/ und ſtach ihm ihr Meſſerlein in die Keh-
le/ dz an ſtat der Rede er alsbald anfing das Blut auszugurgeln; Ihre Leibdienerin Bea-
ta wolte ſie nicht verlaſſen/ gab ihm ſechs Stiche in den Leib/ daß er alsbald niderfiel/ mit
Haͤnden und Fuͤſſen zappelte/ und bald darauff ſeinen unflaͤtigen Geiſt auffgab. Fr. So-
phia befand durch Gottes Gnade eine ſonderliche Kekheit in ihrem Herzen/ lief geſchwin-
de hin nach dem andern Ende der Hoͤhle/ da etliche Schwerter lagen/ nam deren viere zu
ſich/ ging zu ihrer Geſelſchafft/ uñ teilete ihnen das Gewehr mit dieſen Worten aus: Habt
nun gute Hoffnung ihr meine Schweſtern/ der groͤſte Feind iſt erleget/ welcher ſo wenig
des Loͤſe-geldes als der eingebildeten Heyraht ſich erfreuen wird; nehmet nur ein friſches
Angeſicht an euch/ haltet die Schwerter auffrecht in den Haͤnden/ und laſſet mich allein re-
den/ wann die Raͤuber ſich wieder einſtellen werden. Deren kamen nun mit Fannius ſech-
ſe wieder/ nach Verlauff einer halben Stunde/ und zweifelten nicht/ ihr Hauptman wuͤr-
de mit ſeinem erwaͤhleten Gemahl gute Rachtung getroffen haben; als ſie aber das Frau-
enzimmer mit den bloſſen Schwertern ſahen/ entſetzeten ſie ſich/ und frageten/ was ſolches
vor eine Bedeutung haͤtte. Fr. Sophia antwortete ihnen mit dieſen ſitſamen Worten:
Ihr gute Herren und Freunde; dieſe Schwerter haben wir nicht ergriffen/ einigen Men-
ſchen zubeleidigen/ wozu wir ohn das viel zu ſchwach ſind/ ſondern da uns weiter an unſern
Ehren ſolte zugeſetzet werdẽ/ wollen wir den Anſprengern die Spitze bieten/ oder uns ſelbſt
den Lebensfadem abſchneiden/ weil wir ungezweifelt ſterben/ oder unſere Ehre behalten
wollen. Ihr wiſſet/ was vor teure Verheiſſungen ihr mir und meinen Geſpielen geleiſtet/
welches aber von eurem Haͤuptman nicht gehalten worden/ ſondern er hat ſich unterſtan-
den/ meine Waſe in meiner Gegenwart zuſchaͤnden/ davor hat er von meiner Hand den
Lohn empfangen/ und lieget zu meinen Fuͤſſen geſtrecket; deſſen ihr euch dann nicht bekuͤm-
mern
[261]Sechſtes Buch.
mern ſollet/ geſtaltſam alle ſeine Gelder unter euch als rechtmaͤſſigen Erben koͤnnen aus-
geteilet werden. So haltet ihr nun redlich/ was ihr uns verſprochen habt/ und zweifelt nit
an unſerm verheiſſen/ daß nehmlich nicht allein die begehreten Loͤſegelder ſollen ausgezaͤh-
let werden/ ſondern auch keinem unter euch wegen dieſes vornehmens leid geſchehen ſol.
Die Raͤuber erſchraken hieruͤber/ daß ſie anfangs kein Wort ſprechen kunten/ ſchleppeten
den Leichnam bey den Fuͤſſen hervor/ und als ſie kein Lebenszeichen mehr an ihm ſahen/
ſeuffzeten ſie daruͤber/ lieffen zur Hoͤhle hinaus/ und meldeten den uͤbrigen dieſen unfall an/
auch wie das Frauenzimmer alles auffs aͤuſſerſte geſezt haͤtte. Genutius hoͤrete ſolches nit
ungerne/ dann er zweifelte nicht/ es wuͤrde ihm Furius meuchliſcher weiſe das Leben ge-
nommen haben; Weil er dann unter allen der verſtaͤndigſte wahr/ hub er alſo an: Ihr
meine Herren und Freunde; da ſehet ihr/ was geſtalt die Goͤtter uͤber ihre Ehr und furcht
halten/ und keinen Meinaͤid ungeſtraffet laſſen. Unſer geweſener Hauptman wahr von ſol-
cher Staͤrke und Waffen-erfahrenheit/ daß nicht leicht jemand ihm darinnen etwas be-
vor tuhn wird/ uñ nun hat ein ſchwaches Weibesbild ihn müſſen abſchlachten als ein ver-
bannetes Opffer zu der Goͤtter Verſoͤhnung. Laſſet uns ſolches dienen zur Warnung/ dz
wir keine Goͤtter verſpotten/ damit wir nicht auff gleiche/ oder noch wol ſchaͤndlichere wei-
ſe umkommen. Vorerſt wird noͤhtig ſeyn/ daß unter uns ein Hauptman geſetzet werde/
dem wir allen Gehorſam angeloben/ welcher nachgehends das Frauenzimmer beguͤtigen
wird; Und weil ich nicht zweifele/ es werde Herr Fannius uns allen zum Hauptmann ge-
fallen/ werden wir demſelben unſere Schuldigkeit abzulegen keine Bedenkzeit vonnoͤhten
haben. Sie lieſſen ihnen ingeſamt dieſen Vorſchlag gefallen/ leiſteten ihrem neuen Haupt-
man den aͤid/ und wurden eins/ daß dem Frauenzimmer auffs freundlichſte ſolte zugeſpro-
chen/ und alle Verſicherung ihrer Ehren getahn werden; gingen auch unbewaffnet in die
Hoͤhle/ und fing Fannius alſo an: Verſichert euch/ ihr ſchoͤnen Frauen und Jungfern/ dz
unſer geweſener Haͤuptman dieſe Untaht wider unſer wiſſen und willen veruͤbet hat/ und
wir daher nicht geſinnet ſind/ ſeinen Tod zuunbillichen/ vielweniger zuraͤchen/ ſondern
wann uns die verſprochene Gelder zugeſtellet werden/ wollen wir euch ſamt und ſonders
auff freyen Fußſtellen/ auch euch keinerley weiſe an euren Ehren kraͤnken/ welches wir hie-
mit aufs neue aͤidlich angeloben. Unſer Frauenzimmer ward hiedurch hoͤchlich erquicket/
bedanketen ſich des verſprechens/ und bahten/ daß ihnen ein reiner Winkel zu ihrem Auff-
enthalt eingeraͤumet/ und mit allerhand Sachen umleget wuͤrde/ damit niemand unver-
merket koͤnte zu ihnen kommen; alsdann wolten ſie gerne beyeinander bleiben/ biß ihnen
die Gelder vergnuͤget waͤhren; welches begehren dann von den Raͤubern alsbald verrich-
tet ward/ und vor allen andern Genutius dabey ſehr geflieſſen wahr/ ſo daß nur ein Loch
offen blieb/ durch welches ihnen Speife und Trank kunte gereichet werden.


Anfangs/ da dieſes Frauenzimmer gefaͤnglich angenommen ward/ muſten vier Raͤu-
ber die Gutſche ſamt dem aͤdelknaben ins Geſtraͤuche fuͤhren/ daß ſie von niemand ausge-
ſpuͤret wuͤrde/ woſelbſt ſie auch den ganzẽ Tag verblieben/ biß der Abend einbrach/ da brach-
ten ſie dieſelbe des naͤheſten Weges an das Meer/ und lag der Knabe drinnen mit verbun-
denen Augen; drey Raͤuber aber ſaſſen bey ihm/ welche demſelben einẽ blauẽ Dunſt vorzu-
mahlen/ ertichteter weiſe mit einander überlegeten/ wie zeitig ſie ihre Geſelſchafft wuͤrden
k k iijerreichen
[262]Sechſtes Buch.
erreichen koͤnnen/ die mit ihren ſchnellen Rolwagen ſchon nach dem Meer ſich fortgema-
chet/ und das Frauenzimmer uͤbergefuͤhret haͤtten; wodurch ſie den Knaben ſo irre mache-
ten/ daß er nichts als Ungewißheit nach Padua zubringen wuſte. Endlich/ als ſie kurz vor
Tage bey des Meeres Ufer anlangeten/ unterrichteten ſie den Knabẽ/ wie mit Einlieferung
der Gelder ſie es wolten gehalten habẽ/ unter der bedrauung/ dafern man ihnen zu Waſſer
oder Lande nachfragen wuͤrde/ ſoltẽ die gefangene Weibsbilder ohn alle gnade geſchaͤndet
und getoͤdtet werdẽ. Die Pferde kehreten ſie im Fahrwege nach Padua hin/ traten an des
Meeres Ufer/ uñ machtẽ ein groſſes Geraͤuſche im Waſſer/ als ob ſie auf einẽ Schiffe davõ
fuhren/ uñ kehretẽ des naͤheſtẽ Weges wieder umb nach ihrer Hoͤhle. Fuͤrſt Baldrich und
Siegward begegneten ihnen mit ihrẽ Dienern/ hielten aber keine Unterredung mit ihnen/
ſondern ritten ihres weges fort und ſahen die Gutſche von ferne ſtehen/ hoͤreten auch bald
darauff/ daß ein Menſch ſich mit jaͤmmerlichem Geſchrey vernehmen ließ/ daher ſie hinzu
ritten/ ihm die Bande auffloͤſeten/ und frageten/ was ihm wiederliches begegnet waͤhre.
Ach meine Herrn/ antwortete der Knabe mit weinender Stimme/ ſeid durch Gott gebeh-
ten/ und laſſet mich auffs allerſchnelleſte nach Padua bringẽ/ damit durch meine verſeum-
nis/ nicht die vortreflichſten Frauen derſelben Stad/ umb Ehr und Leben kommen. Fuͤrſt
Baldrich wolte hievon mehr wiſſen/ und befahl dem Knaben alles in moͤglicher kuͤrze zuer-
zaͤhlen/ welcher andeutete/ daß des Boͤmiſchen Koͤniges Herrn Ladiſla Gemahl ſamt zwo
ihren Waſen von etwa 20 Raͤubern geſtriges Tages von dieſer Gutſche geraubet/ uñ viel-
leicht gar uͤber Meer hinweg geführet/ er aber hieher gebracht waͤhre/ mit dem bedinge/ dz
er in eben dieſer Kleidung heut uͤber zween Tage acht Tonnen Goldes an einem gewiſſen
Ort im offenen freien Felde ohn beyſeyn einiges Menſchen als zweer Fuhrleute einliefern
ſolte; im wiedrigen wuͤrde hochgedachtes Frauenzimmer umb Ehr und Leben kommen.
Die Fuͤrſten erſchraken dieſer Zeitung/ und frageten/ ob dann Koͤnig Ladiſla/ der ihnen un-
bekant/ nicht bey ſeinem Gemahl geweſen waͤhre. Ach nein/ antwortete er/ es iſt dieſer Koͤ-
nig mit ſeinem Geſellen Groß Fuͤrſt Herkules aus Teutſchland/ annoch in den weit abge-
legenen Morgenlaͤndern/ und weiß niemand eigentlich zu ſagen/ ob ſie lebendig oder Tod
ſind/ weil man in geraumer Zeit keine gewiſſe Zeitung von ihnẽ gehabt hat. Baldrich fra-
gete/ an was ende das Frauenzim̃er gefangen/ wohin ſie gefuͤhret/ und wie er mit der Gut-
ſche hieſelbſt angelanget waͤhre. Worauff er antwortete: Der Ort ihrer raubung waͤhre
ohn zweiffel etliche Meilen von hinnen/ haͤtte von vier Raͤubern/ die ihn hieher gebracht/
verſtanden/ daß ſie ſchon uͤber Meer gefuͤhret/ welche auch ſelbſt vor ungefehr einer Vier-
telſtunde zu Schiffe gangen waͤhren/ wie er aus dem Geraͤuſche im Waſſer gemerket.
Baldrich fragete weiter/ wie dieſe vier Raͤuber waͤhren bekleidet geweſen; und als der
Knabe anzeigete/ daß ſie auff Kauffmans Art gingen/ auch einer von ihnen einen langen
ſchwarzen Knaͤbelbart/ tieffe Augen/ und eine zimliche ſchmarre uͤber der rechten Wangen
haͤtte; ein ander aber feurrohte Haar und nur ein Auge; ſagte Siegward; es ſind eben die
ſo uns dort nach der rechten Hand begegneten; drum raht mein Bruder/ was tuhn wir/
daß wir ſie erhaſchen. O nein/ ihr meine Herrn/ ſagte der Knabe; dann wo dieſe auffge-
halten wuͤrden/ daß ſie bey ihrer Geſelſchaft nach genommener abrede nicht wieder ankaͤh-
men/ haͤtte meine Gn. Frau ſamt ihren Geſpielen/ nichts gewiſſers als Schande und den
Tod
[263]Sechſtes Buch.
Tod zugewarten/ und ſolches noch vor Abends; iſt auch denen nichts heilſamers als daß
ich bald nach Padua komme/ und ſie durch das Loͤſegeld frey gemacht werden. Die Fuͤrſten
hielten hierauff kurzen Raht/ befahlen ihren zwoͤlff Dienern/ ſich auffs ſchnelleſte mit die-
ſem Knaben nach Padua zu machen/ mit vorgeben/ ſie waͤhren Teutſche Reuter/ und ſie
beyde ihre Herrn/ Teutſche von Adel/ von dem GFuͤrſten außgeſchikt/ nach ſeines Sohns
Fuͤrſt Herkules Zuſtand zu fragen; ſolten ſich doch alsbald aus der Stad weg begeben/
und im naͤheſten Dorffe oder Flecken diſſeit/ herberge nehmen/ fuͤnff oder ſechs Tagelang
die Straſſen da umbher bereiten/ und zu Padua unter dem Tohr verlaſſen/ wo ſie ſich auf-
hielten. Sie aber legeten ihre Harniſche ab/ wapneten ſich mit verdecketen Panzern und
ihrem Seitengewehr/ ſetzeten ſich auff ungeſattelte Pferde/ und hoͤreten nicht auff zu ren-
nen/ biß ſie die vier Raͤuber nahe bey einem Dorffe erblicketen/ folgeten ihnen von ferne/
kehreten mit ihnen in eine Schenke ein/ und ſtelleten ſich gar furchtſam; heiſcheten auch
von dem Wirte Speiſe und Trank/ und genoſſen deſſen ſo geizig/ als haͤtten ſie etliche Tage
her hunger gelitten. Die Raͤuber ſahen ihnen fleiſſig zu/ urteileten aus ihren Kleidern und
Pferden/ daß ſie nicht ſchlechte Leute ſeyn muͤſten/ und frageten endlich/ nach gebehtenem
Urlaub/ woher ſie kaͤhmen/ und wohin ſie gedaͤchten. Baldrich gab zur Antwort/ ſie waͤh-
ren Bruͤder/ Herrn Standes/ nicht weit von Aquileja/ haͤtten aus Zorn und rachgier ei-
nen vornehmen Herrn ihren Vormund erſchlagen/ und ſich aus dem Staube gemacht/
das Leben zuretten/ ſucheten irgend einen Ort zu ihrer Sicherheit/ wo ſie den auch antref-
fen moͤchten/ weil man ſie ohn zweiffel bald verfolgen wuͤrde; weil er ſie nun vor redliche
Leute anſaͤhe/ die mit ihnen mitleiden tragen würden/ haͤtte er ihnen ihr Ungluͤk erzaͤhlen
wollen/ unter der Hoffnung/ ſie würden von ihnen nicht verrahten/ noch in groͤſſer Ungluͤk
geſtuͤrzet werden. Der vornehmſte unter den Raͤubern ſagte hinwieder; ihr jungen Herꝛn
mich dauret eurer ſehr/ und wann ich wuͤſte/ daß euch mit einer Geſelſchaft koͤnte gedienet
ſeyn/ die nicht allein in guter ſicherheit ſich auffhaͤlt/ ſondern uͤberdas mit leichter muͤhe
ohn ſonderliche Gefahr/ Reichtuhm und Schaͤtze erwirbet/ ſollet ihr in dieſelbe wol auff-
genommen werden; welches ich euch auff eben den Glauben wiſſen laſſe/ den ich euch
durch verſchwiegenheit leiſten wil. O daß waͤhre uns ein gewuͤnſchtes Gluͤk/ ſagte Bal-
drich/ und wann ihr uns hierzu werdet befoderlich ſeyn/ ſol es von uns dankbarlich erken-
net werden/ ſind auch erboͤhtig/ unſere Pferde alsbald zuverkaͤuffen/ und alles Geld neben
den Kleinoten/ ſo wir bey uns haben/ dieſer loͤblichen Geſelſchafft einzulieffern/ deren wir
uns mit Leib und Leben verbinden wollen/ nur daß wir bey ihnen ſicherheit und auffenthalt
haben moͤgen. Der Raͤuber nam dieſes erbieten an/ hieß ſie ihre Pferde bald verkaͤuffen/
weil ihr Weg ſehr eilig waͤhre/ und ſie noch dieſen Abend bey den ihren anlangen muͤſten.
Alſo machten ſie ſich miteinander auff/ und gingen eine Zeitlang im gebahneten Wege/ da
ihnen zween Reuter begegneten/ auff welche die beyde Fuͤrſten einen Anſchlag macheten/
ihnen unverſehens in den Zaum fielen/ ſie vom Pferde warffen/ und etliche hundert Kro-
nen baarſchaft bey ihnen funden/ welche ſie zu ſich nahmen/ den beraubeten Haͤnde und
Fuͤſſe bunden/ und ſie ohn weitere beſchaͤdigung liegen lieſſen/ entzaͤumeten doch ihre Pfeꝛ-
de und jageten ſie in das weite Feld. Die Raͤuber verwunderten ſich ihrer Kuͤhnheit/ und
daß ſie dieſe Heldentaht ihrem Haupman wolten zu ruͤhmen wiſſen. Gegen Abend kah-
men
[264]Sechſtes Buch.
men ſie bey der Hoͤhle an/ vernahmen anfangs mit ſchmerzen/ daß Furius entleibet wahr/
und berichteten nachgehends/ dz ſie dieſe beyden ohngefehr angetroffen/ welche um Moꝛds
willen außgeriſſen waͤhren/ und bey ihnen ſicher heit und unterhalt ſucheten/ braͤchten auch
auff 3000 Kronen baarſchaft und Kleinot mit ſich/ alles der Geſelſchaft zuzuſtellen/ und
ſich damit einzukaͤuffen; zweiffelten nicht/ ſie wuͤrden mit der Zeit guten nutzen ſchaffen/
wie ſie ihrer Kuͤhnheit ſchon eine ſtatliche bewehrung abgelegt haͤtten. Der neue Haupt-
man Fannius gab den beyden Fuͤrſten darauff Urlaub/ ihr begehren ſelbſt vorzutragen/ da
Baldrich alſo anfing: Wol aͤdle Mannhafte und veſte/ hochwerte Herrn und Freunde;
nachdem mein Bruder Veturius und ich/ nahmens Anton/ in das Ungluͤk leider gerah-
ten ſind/ daß wir unſern nahen Anverwanten und Vormund erſchlagen/ weil er uns unſe-
re Guͤter nicht einraͤumen/ ſondern ſie wie vorhin/ noch etliche Jahr unter ſeiner Verwal-
tung/ aus antrieb des ſchaͤndlichen eigennutzes behalten wollen/ hat das gute Gluͤk uns zu
dieſen unſeren Gefaͤrten gebracht/ die unſern Unfall mitleidig beklagend/ von wegen die-
ſer loͤblichen tapfferen Geſelſchaft uns ſicherheit und auffenthalt verſprochen/ und wir
hingegen angelobet/ mit ihnen ſamt und ſonders Leib und Leben zu wagen; bitten demnach/
ſie wollen dieſes mit ihrem gutheiſſen bekraͤfftigen/ damit wir von unſern Verfolgern nit
moͤgen ertappet werdẽ. Wir erbieten uns/ vor erſt mit bloſſem Unterhalt friedlich zu ſeyn/
und keinen teil an ihren Guͤtern zu haben/ biß wir zuvor ihren Schaz mit einer anſehnlichẽ
Beute vermehret und uns ſo verdienet gemacht/ daß ſie ſamt und ſonders uns wirdig er-
klaͤren/ ihres Gutes mit zugenieſſen. Fannius hieß ſie in aller Nahmen wilkommen ſeyn/
und wuͤnſchete daß ihre Geſelſchaft mit dergleichen tapfferen Leuten taͤglich moͤchte ver-
mehret werden; die uͤbergebrachten Gelder und ſachen naͤhme er an/ doch daß ſie davon/
wie auch von aller kuͤnftigen Beute/ ihrer gemachten Ordnung nach/ ihren anteil haben
ſolten. Das Frauenzimmer hoͤrete ihr anbringen/ ſahen ſie in ſo ſchoͤner junger Geſtalt/
und jammerte ſie ſehr/ daß ſie in diß ſchaͤndliche Leben gerahten ſolten. Ach Gott/ ſagte Fr.
Sophia/ iſts nicht immer und ewig ſchade/ daß dieſe junge Maͤnner zu Raͤubern gedeien
muͤſſen/ die ohn zweiffel der Welt in vielen ſachen koͤnten nuͤzlich ſeyn. Wir muͤſſen ſehen/
ſagte Fr. Urſul/ daß bey unſerm abzuge wir ihnen Hofnung machen der vergebung ihres
begangenen frevels/ damit ſie die loͤbliche Tugend fortzuſetzen angelocket werden. Bey der
Abendmahlzeit ward gefraget/ wer dem Frauenzimmer die Speiſe zutragen ſolte/ uñ weil
die alten Raͤuber von geringer Hoͤfligkeit wahren/ und ſich darzu gebrauchen zu laſſen we-
nig belieben hatten/ ward Baldrich darzu befehlichet/ welcher ſich anfangs entſchuldigte/
er waͤhre die wenige Jahr ſeines Mannbahren alters mehr mit Gewehr und Waffen als
mit hohem Frauenzimmer umbgangen/ aber bloß ſeinen Gehorſam zuerzeigen/ wolte er
ſich deſſen nicht wegern. Er hatte ſchon vernommen/ welcher geſtalt wegen vorſorge ihrer
Ehren ſie die bloſſen Schwerter bey ſich haͤtten/ und mit allerhand gezeug umbſchanzet
waͤhren; ging zu ihnen mit entbloͤſſetem Haͤupte/ ſtellete ſich gar hoͤflich/ und in dem er ih-
nen die Speiſe reichete/ ſagte er: Den Tag meiner hoͤchſten gluͤkſeligkeit/ wil ich den heu-
tigen halten/ an welchem der Himmel mir die Gelegenheit verleihet/ ſo treflichen Frauen
und Fraͤulein auffzudienen. Fr. Sophia wolte ihm antworten/ aber verdacht zu meiden/
ging er alsbald von ihnen hinweg; wodurch ſie in groſſe furcht gerieten/ als ob dieſe beyde
junge
[265]Sechſtes Buch.
junge Herꝛen ihnen aufs neue zuſetzen/ oder aufs wenigſte ihre ſchleunige Loßlaſſung ver-
hindern würden. Siegward muſte bald hernach ihnen den Trank reichen/ welchen er alſo
uͤberantwortete: Hochgebohrne Frauen und Fraͤulein/ wirdiget/ bitte ich/ euren ergebenen
Knecht der Ehren/ dieſes unwirdige Trinkgeſchir von ihm anzunehmen/ als welcher zu ih-
rem Dienſte ſich allemahl bereitwilligſt finden laſſen wird; nam auch/ wie zuvor Baldrich/
ohn Erwartung einiger Antwort/ ſeinen Abtrit/ und verließ ſie in groſſer Furcht/ ſo daß ſie
die ganze Nacht uͤber umb einander wacheten/ ob einer oder ander ſich ihnen nahen wuͤr-
de. Den beyden Fuͤrſten ward vor Mitternacht die Ruhe gegoͤnnet/ aber hernach muſten
ſie auf/ und die Schildwache beſtehen/ wahr ihnen doch ſonderlich liebe/ dz ſie nicht getren-
net wurden/ und beredeten ſich/ welcher geſtalt ſie ihren Anſchlag vornehmen/ und dz Frau-
enzimmer erloͤſen wolten. So bald der Tag anbrach/ baten ſie umb Urlaub auszugehen/
und nach Beute ſich umbzuſehen/ welches ihnen ſelbdritte gegoͤnnet ward/ doch daß ſie be-
hutſam fahren/ und durch Vermaͤſſenheit ſich nicht in Gefahr ſtuͤrzen ſolten. Es gluͤckete
ihnen/ daß ſie vier Kauffleute antraffen/ denen ſie ohn des dritten Huͤlffe die Knaͤbelſpieſſe
aus den Faͤuſten riſſen/ und mit bloſſem Gewehr ſie zwungen/ ihre Baarſchafften herzuge-
ben/ wo ſie ſonſt ihr Leben retten wolten/ erhielten ſolches leicht/ und empfingen auff 6000
Kronen Gold und aͤdelgeſteine von ihnen/ ſtieſſen bald in der Kaufleute Gegenwart ihren
Geſellen mit dem Knebelſpieſſe durch/ und bahten die beraubete/ ſich drey Tage in der naͤhe
aufzuhalten/ uñ nach deren Verlauff bey dem Stathalter zu Padua ſich zumelden/ woſelbſt
ihnen alles gedoppelt ſolte bezahlet werden/ muſten ihnen aber einen aͤid ſchwoͤren/ vor En-
digung ſolcher Tage keinem Menſchen ichtwas von ihnen zu melden/ und verehreten ihnen
hernach 20 Kronen Zehrgeld. Gingen darauff wieder hinter ſich nach der Hoͤhle/ und
ſchleppeten den ertoͤdteten mit ſich. Bey Einlieferung eines teils der Beute (dann etwas
hielten ſie zuruͤcke) gaben ſie an/ was geſtalt ſie die Kaufleute beraubet haͤtten/ weil aber ihr
Geſelle Nachpluͤnderung halten/ und ſich nicht wollen abwehren laſſen/ haͤtte ihn ein Kauf-
man erſtochen/ ehe ſie ihm zu huͤlffe kommen moͤgen/ weil ſie von ferne eine ſtaͤrkere Geſel-
ſchafft gemerket/ daß ſie abzihen müſſen/ da ſie doch den todten Leichnam nicht im Stiche
laſſen wollen. Fannius empfing den Raub/ ruͤhmete ihr wolverhalten/ und warnete die Ge-
ſelſchafft/ ein Beyſpiel an dem erſchlagenen zunehmen/ und ſich nicht zuweit zuwagen. Auf
den Mittag lieffen ſie beyde abermahl aus/ doch ohn andere Geſelſchafft/ umb/ wie ſie vor-
gaben/ friſcher Beute nachzuſtellen/ machten ſich aber aufs geſchwindeſte nach dem Dorf-
fe/ woſelbſt ſie ihre Pferde verkaufft hatten/ beſprachen dieſelben mit hoͤherem Gelde zuloͤ-
ſen/ gaben auch dem Kaͤuffer 12 Kronen auf die Hand/ und beſtelleten zween Wagen/ die
auff allen fall ſtets ſolten fertig ſtehen; eileten wieder nach der Hoͤhle/ und haͤndigten Fan-
nius das uͤbrige vom heutigen ein/ vorgebend/ es waͤhren ihnen zween Kaufleute begegnet/
denen ſie dieſes abgenommen/ and auf Bedraͤuung erfahren haͤtten/ daß morgen zu fruͤher
Tageszeit/ 6 Kleinothaͤndler mit zween Karren ſehr groſſes Werts vorbey gehen wuͤrden;
daher ihnen nicht rahtſam gedaucht/ dieſe beyden leben zulaſſen/ ſondern nach derẽ Ermor-
dung und Fortſchleppung in einen Buſch/ waͤhren ſie umgekehret/ damit der Anſchlag auf
morgen koͤnte gemacht/ und glüklich vollendet werden/ wann es ihnen alſo gefiele; der Ort
waͤhre ſo gar bequehm/ daß ihnen niemand entgehen ſolte/ wann er nur an dreyen ſtellen nit
l lweit
[266]Sechſtes Buch.
weit von einander/ beſetzet wuͤrde/ welches mit 14 Mannen ſehr wol geſchehen koͤnte. Das
Maul begunte den Raͤubern ſchon nach dieſer Beute zuſchmecken/ lobeten der unſern fleiß
uͤber alle maſſe/ und verhieſſen ihnen einen Anteil von des Frauenzimmers Loͤſegeldern/ deſ-
ſen ſie ſich doch eiferig weigerten; nur erinnerte ſie Siegward/ es wuͤrde ſich gebuͤhren/ daß
etliche ihres Mittels dem Frauenzimmer Troſt einredeten/ damit ſie nicht [i]n gar zu groſſer
Traurigkeit/ ihnen ſelbſten Leid antaͤhten. Dieſe ungeſchlieffene wahren mit dergleichen
Hoͤfligkeiten nie umgangen/ hielten demnach an/ daß die beyde Fuͤrſten ſolches auf ſich neh-
men/ und beſter geſtalt verrichten moͤchten/ denen dann nichts angenehmers wahr/ wiewol
ſie ſich deſſen nicht wolten merken laſſen/ lieſſen ſich auch dazu noͤhtigen/ und auf har tes an-
halten gingen ſie hin/ da Siegward das Frauenzimmer alſo anredete: Wann der Him̃el
uns Menſchen den Gnadenſchein allemahl nach Wirdigkeit mitteilete/ wuͤrde Tugend der
Gewalt niemahls kniebeugen/ ſondern uͤber alle Widerwertigkeit herſchen; aber die Goͤt-
ter handeln zum offtern nach ihrem freyen Willen/ indem ſie unſere Standhafftigkeit auf
die Bewehrung ſtellen/ und dem Ungluͤk goͤnnen/ der Unſchuld Eingriff zutuhn/ damit der
ſchoͤnen Tugend helle Strahlen auch im finſtern leuchten/ oder da es ihnen noch an der
Volkommenheit mangelt/ ſie von aller truͤben Unſauberkeit entleeret/ immerzu beſſer her-
vor brechen/ und der Welt gezeiget werden. Laſſet euch deswegen/ Hochgebohrne Frauen
und Fraͤulein/ laſſet euch nicht befremden/ daß ſie in dieſe ſchaͤndliche Raͤuberhoͤhle ſich ha-
ben muͤſſen fuͤhren laſſen/ woſelbſt das helle Licht ihrer Tugend ſchon anfaͤhet die finſteren
Winkel der Boßheit zuerleuchten/ ſo gar/ daß aller gegenwaͤrtigen Raͤuber Frevel durch
den Glanz ihrer Volkommenheit gebrochen/ und wie Schnee zerſchmolzen/ von aller Ge-
walttaͤhtigkeit ſich enthalten muß. Ich und mein Geſelle werden uns aͤuſſerſt bemuͤhen/ ih-
nen angenehme und behaͤgliche Ehrendienſte zuleiſten/ und nicht ruhen/ biß ſie dieſer Ge-
faͤngniß entnommen/ ihrer ehmahligen Frey- und Sicherheit voͤllig genieſſen; Gelanget
demnach an Ihre Durchll. unſer untertaͤhniges bitten/ ſich aller Sorge und Befahrung
zuentſchlagen/ damit die Furcht ſie nicht in Ungelegenheit ſtuͤrze/ und ihrer Geſundheit
ſchaͤdlich ſey. Das Frauenzimmer hielt ſchon hoch auf dieſe junge Raͤuber/ haͤtten ſich abeꝛ
ſolcher Hoͤfligkeit bey ihnen nicht verſehen/ ſondern fuͤrchteten ſich mehr vor ihnen/ als vor
den uͤbrigen allen; hoͤreten demnach dieſes Erbieten mit lachenden Herzen und Augen an/
und antwortete Fr. Sophia alſo: Ihr tapffere junge Herren; ich weiß nicht/ ob wir unſer
oder euer Ungluͤk mehr beklagen ſollen/ angeſehen den veraͤchtlichen Stand/ in welchẽ ihr/
ohn zweifel aus hoͤchſtdringender Noht gerahten ſeyd/ und laſſet es ein Zeichen ſeyn unſer
guten ehrliebenden Gewogenheit/ daß wir erboͤtig ſind/ euren Unfall mit eben ſo groſſen Loͤ-
ſegeldern abzulehnen/ als unſere Gefaͤngniß; wir bedanken uns ſehr eurer Gutwilligkeit/
wodurch wir ungleich mehr erquicket ſind/ als der Zungen Schall vorzubringen weiß; bit-
ten auch/ ihr wollet in dieſem ruͤhmlichen Vorſatze beſtaͤndig verbleiben/ und verſpre-
chen euch hinwiederumb/ daß ſo bald wir uns in Freyheit befinden werden/ ihr einen offe-
nen Zutrit zu meinem Herr Vater haben ſollet/ welcher nach ſeinem zimlichen Wolver-
moͤgen bey Roͤmiſcher Kaͤyſerl. Hocheit euch voͤllige Vergebung eures ehmahligen verſe-
hens erhaltẽ wird. Großmaͤchtigſte Koͤnigin/ allergnaͤdigſte Frau/ antwortete Siegward/
wie koͤnte meinem lieben Geſellen und mir ein hoͤheres Gluͤk zuſtoſſen/ als daß Eure Vor-
trefflig-
[267]Sechſtes Buch.
treffligkeit nebeſt dero Durchll. Geſpielen gegen uns unwirdige ein ſo mitleidiges Herz
traͤget/ welches allein tauſendmahl gnug iſt zu unſers unkraͤfftigen willens gnugſamer ver-
geltung; unſer Ungluͤk moͤchte vielleicht durch ihre befreyung ſich endigen/ und ob es gleich
nicht erfolgete/ wuͤrden wir dannoch ſatſame Vergnuͤgung haben/ wann nur ihre Trau-
rigkeit wird beyſeit geleget ſeyn. Nachdem aber uns ein langweiliges Geſpråch koͤnte ver-
dacht werden/ wollen Eure Durchll. ſamt und ſonders wir dem guten Glük befehlen/ und
ſie daneben verſichern/ daß mein Geſelle und ich/ als lange wir leben/ ſeyn und bleiben wer-
den allergetraͤueſte Diener Ihrer Durchleuchtigkeit/ und unſerer allerbeſten Freunde der
unvergleichlichen Helden/ welche ſind und genennet werden Ladiſla und Herkules. Hiemit
neigeten ſie ſich tieff/ und gingen davon/ dem geſamten Frauenzimmer eine herzliche Be-
gierde hinterlaſſend zuwiſſen/ wer doch immermehr dieſe beyde ſeyn moͤchten/ aus deren re-
den ſie ſchon ſo viel abnahmen/ daß ſie Fuͤrſten Standes/ auch Ladiſla und Herkules wolbe-
kante/ und ohn zweifel nahe Anverwanten waͤhren/ die ſich bloß umb ihrer Rettung willen
in dieſe Raͤuberzunfft begeben haͤtten. Ach mein Heyland/ ſagte Frau Sophia/ wie ſo ein
herzlicher Troſt iſt uns doch in dieſe Angſthoͤhle zugeſchicket/ weil ja unmoͤglich iſt/ daß wir
bey meines Ladiſla und Herkules beſten Freunden/ uns einiger Unbilligkeit befuͤrchten ſol-
ten. Das Fraͤulein inſonderheit erfreuete ſich dieſes Troſtes hoͤchlich/ und ruͤhmete/ daß ihꝛ
Herzſchon einer hundertpfuͤndigen Laſt leichter waͤhre als vorhin; da Fr. Sophia ihr zur
Antwort gab: Ich habe euch ja heut und geſtern ohn unterlaß damit getroͤſtet/ mein Gott
und mein JEſus dem ich andaͤchtig diene/ wuͤrde uns unfehlbare Huͤlffe und Rettung ſen-
den; dann dieſer almaͤchtiger Helffer verlaͤſſet die ſeinen nicht/ deswegen haltet ihr nur mit
eurem Gebeht zu den ohmaͤchtigen ertichteten Goͤtzen zuruͤcke/ und laſſet mich allein ſolches
verrichten/ was gilts/ mein HErr JEſus wird euch in meiner Geſelſchafft zugleich mit
gnaͤdig ſeyn/ und O wann ihr ſolches nur erkennen koͤntet! Nun wahr Frl. Sibylla ſchon
zum offtern von ihr vermahnet/ den heydniſchen Aberglaubẽ abzulegen/ aber biß daher ohn
alle Furcht und Verfolg/ dann der Veſta Dienſt/ und der Dianen Gottheit wahr ihr ſo
tief eingebildet/ daß ſie davon nicht abſtehen kunte; in dieſer Stunde aber ward ſie durch
ſolche Rede dermaſſen bewaͤget/ daß ihr dauchte/ ihr Herz wuͤrde durch den genenneten
ſuͤſſen Nahmen JEſus/ mit ſonderlicher Freude erfuͤllet/ daß ſie ſich erklaͤrete/ ſie wolte fort-
hin eine Chriſtin leben/ und hiemit ihren vorigen heydniſchen Unglauben ablegen und ver-
leugnen; welches Fr. Sophien eine groſſe Freude zuhoͤren wahr/ vermahnete auch Frau
Urſulen ein gleiches zutuhn; welche aber auf ihrer alten Leir verblieb/ ſie wolte und müſte
zuvor wiſſen/ ob ihr Liebſter Fabius ein ſolches zugeben koͤnte/ alsdann ſolte die erſte Stun-
de ihr die liebſte ſeyn. Als unſer Frauenzimmer ſich in dieſer Vergnuͤgung befand/ wahr zu
Padua nichts als Leid und Klage durch des aͤdelknaben Ankunfft erwecket; dañ der Stat-
halter furchte ſich/ es wuͤrden die Raͤuber mehr der Rache/ als dem Gelde nachtrachten/
weil er vernam/ daß einer und ander von den ehmals beſtrittenen ſich dabey funden; doch
wie er hoͤrete/ was vor aͤidliche Zuſage ſie dem Frauenzimmer zu ihrer Ehren- und Lebens-
verſicherung geleiſtet hatten/ fiel ihm der ſchwerſte Stein vom Herzen. Er uͤberlegete zwaꝛ
alles gar fleiſſig/ wie die ſeinen koͤnten gerettet werden/ aber aus des Knaben Erzaͤhlung be-
fand er/ daß gewaltſame Hand ehe ſchaͤdlich als vortraͤglich ſeyn wuͤrde/ weil auſſer zweifel
l l ijdie
[268]Sechſtes Buch
die Raͤuber ihre heimlichen und verkleideten Kundſchaffer und Schildwachten haͤtten/
welche/ da ſie einigen Anzug gewafneter Leute merken ſolten/ den ſeinen an Ehr und Leben
ſchaͤndlich ſeyn duͤrffte. Dannoch verlangete ihn unter dieſer Bekuͤmmerniß zuwiſſen/ w[-]
vor fremde Ritter ſich ſo einſam unterſtanden haͤtten/ den Raͤubern nachzureiten/ ließ derẽ
Reuter etliche vor ſich fodern/ und taht fleiſſige Nachfrage; kunte aber doch auſſer dem ge-
gebenen Befehl nichts erfahren/ womit er ſich vor dißmahl muſte begnuͤgen laſſen. Die
Erloͤſung der ſeinen betreffend/ hielt er am rahtſamſten/ der Raͤuber Geiz mit den begehrtẽ
Geldern zuerſaͤttigen/ nachgehends aber ihnen aͤuſſerſten Vermoͤgens nachzutrachten;
deswegen die Gelder noch dieſen Abend abgezaͤhlet/ und auf ſechs Karren geladen wurden/
damit ſie fruͤh morgens zeitig gnug auf den beſtimten Plaz/ zwo Meilen von der Stad/ ge-
gen Norden zu/ koͤnten geliefert werden. Das gefangene Frauenzimmer lag dieſe Nacht
wol in tauſenderley Gedanken/ wer doch dieſe junge Herren ſeyn moͤchten; Ihre Geſtalt
traff mit Ladiſla und Herkules in vielen Stuͤcken uͤberein/ vielmehr aber ihre Sitten und
Geberden; doch weil ſie nichts gewiſſes erſinnen kunten/ fielen ſie auf andere Sorge/ wie
dieſe tapffere Herren es immer und ewig anſchlagen wolten/ daß ſie aus der Raͤuber Haͤn-
den errettet wuͤrden/ biß ſie endlich aus groſſer Muͤdigkeit einſchlieffen. Die beyde Fürſten
nahmen auch die Ruhe biß eine Stunde nach Mitternacht/ da wecketen ſie ihre Geſellen/
es waͤhre Zeit/ den Anſchlag ins Werk zuſtellen; waͤhleten fuͤnfe aus den Raͤubern/ welche
ſie ihrem vorgeben nach auf den engen Weg verlegen wolten/ ſchwaͤtzeten ihnen auff dem
Wege viel ſchoͤnes dinges vor/ und unterrichteten ſie/ weſſen ſie ſich verhalten/ den ankom-
menden ſich nicht zeigen/ ſondern wann ſie durch den engen Weg waͤhren/ unvermerket
nachfolgen muͤſten/ biß ſie den Anfal vernehmen wuͤrden/ als dann ſolten ſie mit anſetzen/ uñ
die Kauffleute erſchlagen helffen. Dieſe gedachten an nichts anders/ als wie ſie dieſer Un-
terrichtung ſich gemaͤß verhalten wolten/ und ſagte der eine zu den beyden Fürſten: Gelieb-
te Bruͤder/ ich halte davor/ es haben euch die Goͤtter uns zum ſonderlichen Gluͤk zugeſchi-
cket/ daß wir durch eure Anſchlaͤge zu ſchleunigem Reichtuhm gelangen ſollen/ daher die
ganze Geſelſchafft ſchuldig iſt/ euch ſolches zuvergelten. Ja freylich halte ichs mit davor/
ſagte Baldrich/ daß nicht ohn der Goͤtter ſonderbahre Schickung wir eure Geſelſchaft an-
getroffen haben/ und zwar zu dem Ende/ daß deren Gerechtigkeit durch unſere Hand an
euch volſtrecket werde; Mit welchem Worte ſie beyde ihre Schwerter entbloͤſſeten/ uñ alle
fünffe/ einen nach dem andern in ſolcher Eile niderſtieſſen/ daß keiner das Gewehr zuent-
bloͤſſen Zeit hatte/ ſchnitten ihnen hernach/ ehe ſie gar verſchieden/ die Koͤpfe abe/ nahmen ſie
mit ſich/ und legten ſie nicht weit von der Hoͤhle hinter einen groſſen Stein. Bey der Ge-
ſelſchafft gaben ſie vor/ es koͤnte der Ort von fuͤnfen nit zur gnuͤge beſetzet werden/ und wuͤr-
de noͤhtig ſeyn/ daß noch fuͤnfe mit ihnen gingen/ welches Fannius gerne einwilligte/ und
ihnen Gluͤk wuͤnſchete zu ihrem vorhaben. Sie gingẽ in zimlicheꝛ Eile fort/ uñ begunte der
Tag anzubrechen/ da ſie nit weit mehr von den erſchlagenen wahren/ deswegen die beyden
Fuͤrſten einander winketen/ den Angriff vorzunehmen; Der Raͤuber einer/ welcher ſich al-
lenthalben fleiſſig umbſahe/ ward gleich dazumahl der enthaͤupteten Leichnam gewahr/ uñ
fing an zuruffen/ Verꝛaͤhterey/ Verꝛaͤhterey! aber Baldrich ſtieß ihm dz Schwerd durchs
Herz/ daß er ruhig ward/ und traff Siegward den andern/ daß er ohn Geſchrey ſtuͤrzete.
Die
[269]Sechſtes Buch.
Die uͤbrigen drey wurden ihrer Schwerter maͤchtig/ und traten zuſammen/ den Fuͤrſten
Widerſtand zutuhn/ wehreten ſich auch ihrer Haut dergeſtalt/ daß ſie gnug ſehen lieſſen/
wie lieb ihnen das Leben waͤhre/ ſo dz auch Siegward daruͤber am linken Arm eine Fleiſch-
wunde bekam/ die doch nicht viel auff ſich hatte; wehrete aber auch nicht lange/ daß die
Raͤuber gleich den vorigen ihre Koͤpffe hergeben muſten. Baldrich verband Siegwarden
die Wunde auffs beſte/ ließ ihn aber/ weil er ſo blutig wahr/ nicht mit in die Hoͤhle gehen/
ſondern ſtellete ihn nicht weit davon hinter einen dicken Baum/ und uͤbeꝛlegtẽ kuͤrzlich/ wie
es ferner anzuſtellen waͤhre. Die Raͤuber Schaar wahr anfangs mit Furius 22 Mann
ſtark/ davon wahren noch 10 im Leben; In der Hoͤhle wahren ihrer neun beyeinander/ uñ
der zehnde nicht weit davon in der Neben Hoͤhle/ die Speiſe zubereiten. Baldrich trat frey-
muͤhtig hinein/ und meldete an/ es waͤhre nunmehr der Weg ſolcher maſſen beſezt/ daß ihm
die Beute nicht entgehen ſolte; der Hauptmann moͤchte nur ſelbſechſe in der Hoͤhle bey
dem Frauenzimmer bleiben/ ſo wolte er mit den uͤbrigen dreyen ſich fortmachen/ weil an
der Eile alles gelegen waͤhre/ und die Karren wol nicht weit mehr ſeyn duͤrfften. Drey veꝛ-
waͤgene Buben/ die handfeſteſten unter allen gingen mit ihm hatten ſich mit Panzern wol
verwahret/ uñ eiletẽ friſch mit ihm fort. Der eine ſahe/ dz er an den Kleid’n mit Blute etwz
beſpruͤtzet war/ welches ihm widrige gedankẽ uñ ein grauſen verurſachete/ fragete auch mit
ungeſtuͤm/ woher ihm dieſe verdaͤchtige Zeichen kaͤhmen? Er aber antwortete freimühtig/
er haͤtte ſolches in der Hoͤhle nicht melden wollen/ daß ſeyn Geſelle mit einem andern Mit-
geſellen auff dem Wege in uneinigkeit gerahten waͤhre/ und ſich miteinander geſchmiſſen/
und weil ſie beiderſeits Wunden davon getragen/ er aber ſich zwiſchen ihnen geſtellet/ und
die Sache endlich beygelegt/ haͤtte er dieſe Blutzeichen davon auffzuweiſen. Dieſes brach-
te er vor/ weil ſie der Hoͤhle noch zu nahe/ und dem Baume/ hinter welchem Siegward
auflaurete/ zu ferne wahren. Die Raͤuber aber blieben in der Furcht/ wolten ihm nicht
trauen/ ſondern lieſſen ihn voraus gehen/ und folgeten ſie mit entbloͤſſeten Schwertern
nach/ welches er aber nicht achtete/ und ſie hieß gutes muhts ſeyn/ weil es heut an reicher
Beute ihrer keinem fehlen wuͤrde; endlich da er ſich nahe bey Siegwarden befand/ zog er
auch von Leder/ und ſagte: Wiltu nun wiſſen was vor Blut an meinen Kleidern haftet/
ſo verſichere dich/ daß deine zehn Geſellen das Loͤſegeld wegen des gefangenen Frauenzim-
mers ſchon empfangen/ und euch dreien euer anteil gleich jetzt auch werden ſol. Siegward
hoͤrete ihn reden/ ſahe auch/ daß er von den dreien grauſam uͤberfallen ward/ aber er trat
geherzt mit ein/ und ſchlug tapffer auff die Raͤuber/ daß einer gar zeitig ſtuͤrzete/ und der an-
deram rechten Arme hart verwundet ward; den dritten machten ſie wehrloß/ bunden ihm
und dem verwundeten Haͤnde und Fuͤſſe/ und ſchleppeten ſie hinter einen Dornpuſch/ die
umb nichts bahten/ als daß ſie moͤchten erſchlagen werden; aber Baldrich gab zur Ant-
wort: Sie ſolten nur ſo hohes verlangen nach dem Tode nicht tragen/ er wuͤrde ihnen ſchon
mehr als zu fruͤh kommen; ſchnitten dem erlegeten das Haͤupt ab/ und gingen nach der
Hoͤhle zu/ des vorſatzes/ alle uͤbrigen auff einmahl ritterlich zubeſtehen. Genutius der ver-
raͤhteriſche Gutſcher begegnete ihnen auff halben Wege/ erſchrak ſo heftig/ da er das ab-
geſchnittene Haͤupt/ welches ſeines nahen anverwanten wahr/ in Baldrichs Hand ſahe/
daß er keinen Schrit/ weder hinter noch vor ſich tuhn kunte; Siegward griff in an/ warff
l l iijihn
[270]Sechſtes Buch.
ihn zur Erden/ band ihm alle viere/ und fragete/ warumb er aus der Hoͤhle gangen waͤhre;
er aber baht an fangs umb einen ſchleunigen Tod/ zeigete hernach an/ Fannius haͤtte ſelb
viere ein heimliches Geſpraͤch gehalten/ und ihn heiſſen zuſehen/ wie es drauſſen ſtuͤnde/
auch den ſechſten/ nahmens Appius auff die Schildwache inwendig der Hoͤhle geſtellet/
daß gaͤnzlich zubefuͤrchten waͤhre/ dem Frauenzimmer duͤrfte Gewalt angelegt werden;
deßwegen ſie mit vollem lauffe herzueileten/ nahmen zween feſte Schilde/ die ſie des vorigẽ
Abends zu rechte geſezt hatten/ zu ſich/ und gingen hinein vol eifers und rachgier/ weil ſie
ein klaͤgliches Geſchrey drinnen vernahmen; dann Genutius argwohn wahr nicht falſch/
maſſen Fannius dreien ſeinen vertrauteſten/ ſeine Liebe zu Fr. Sophien angezeiget und
mit ihnen abrede genom̃en hatte/ daß jeder eine unverſehens/ und weil ſie im feſten Schlaf-
fe laͤgen/ uͤberfallen/ und ihrer leicht genieſſen wolten/ in Hoffnung/ ſie wuͤrden nach began-
gener taht wol ſchweigen/ und ſich ſelbſt nicht in ein boͤſes Geſchrey bringen. Weil ſie aber
wuſten/ daß Genutius nicht einwilligen/ ſondern alle verhinderungen hervorſuchen wuͤr-
de/ ſchicketen ſie denſelben hinweg/ und muſte der uͤbrige den Eingang verwahren; ſie aber
gingen in aller ſtille hinzu/ ſchliechen einer nach dem andern durch das Tuͤhrlein/ welches
ſie unvermerket oͤffneten/ namen die Schwerter hinweg/ und legten ſich ganz unverſchaͤmt
zu ihnen nider. Das Frauenzimmer lag als im tieffen Schlaffe begraben/ weil die Furcht
ſie biß daher ſtets munter gehalten hatte; doch ward das Fraͤulein ihres unkeuſchen Buh-
lers am erſten gewahr/ und ließ ein hartes Geſchrey gehen/ wovon die uͤbrigen eꝛwacheten/
und ein elendes Geheule anfingen/ ſtieſſen mit den Fuͤſſen/ kratzeten mit den Haͤnden/ und
tahten alle moͤgliche Gegenwehr/ wodurch doch dieſe Unflaͤter nur mehr und mehr in ihren
begierden entzuͤndet wurden/ und wahr gleich an dem/ daß Fr. Sophia haͤtte Gewalt er-
leiden muͤſſen/ fehlete auch den uͤbrigen wenig/ da die beyde Fuͤrſten in die Hoͤhle traten/
dem Geſchrey eilig zulieffen/ und die Gewalttaͤhter anſchriehen/ ſie ſolten das Frauenzim-
mer erlaſſen/ oder eines abſchenhlichen Todes ſterben. O ihr Herrn/ rieff Fr. Sophia ret-
tet unſere Ehre/ die wir ſonſt nicht laͤnger beſchuͤtzen moͤgen. Die drey Raͤuber entſetzeten
ſich vor der angehoͤreten Draͤuung/ und tahten gemach/ aber Fannius ließ ſich nichts ir-
ren/ ſondern rieff uͤberlaut/ dafern ihm jemand einredẽ würde/ ſolte er ſchaͤndlich erwuͤꝛget
werdẽ. O du frecher Schelm/ ſagte Baldrich/ darfſtu auch noch trotzẽ? riſſe ihn mit gewalt
hinweg/ uñ ſties ihn mit dem Fuß in die Seite/ dz er ohmaͤchtig ward; den andern draͤuetẽ
ſie den Tod/ dafern ſie ſich der Geſelſchaft Straffe nicht unterwerffen wuͤrden. Appius
der mit dieſer Schande nicht zu tuhn hatte/ trat mit hinzu/ und eꝛmahnete ſie/ dieſe anmuh-
tung einzugehen/ welches ſie aus furcht des Todes tahten/ und wurden mit ſtarken Riemen
hart gebunden. Der Speiſe bereiter hatte den Lermen gehoͤret/ und kam gelauffen/ umb
zuvernehmen was vorginge/ aber Baldrich packete ihn alsbald an/ und ſagte: Kom her
Bruder/ du muſt die Feſſel auch annehmen/ biß du deine Unſchuld wirſt dargetahn haben;
Siegward nam ein gleiches mit Appius vor/ welcher ſich deſſen anfangs verwunderte/
aber der erſte merkete daß die Sache nicht richtig wahr. Fannius kam wieder zu ſich ſelbſt
und ſahe ſich nach ſeinem Schwert umb/ aber Baldrich warff ihn gleich wieder zur erden/
trat ihn mit Fuͤſſen/ und band ihn gleich den andern da er zu ihm ſagete: Siehe du unver-
ſchaͤmter Bube/ auff dieſe Weiſe gehe ich mit allen denen umb/ die durch Raub und Mord
geden-
[271]Sechſtes Buch.
gedenken groß zu werden; deßwegen muſt du nicht waͤhnen/ daß du annoch mein Haupt-
man/ ſondern mein Gefangener ſeiſt; ging hernach hinaus mit Siegward/ hohleten die
abgehauene Koͤpfe alle herein/ [und] ſagten: Sehet da ihr diebiſche Raͤuber/ dieſe eilffe ha-
ben den Lohn ihres verdienſtes von unſern Haͤnden ſchon empfangen/ der eure wird auch
ſchon folgen/ dafern ihr nur der Zeit erwarten koͤnnet. Iſt daß redlich gefochten/ antwor-
tete Fannius/ ſolches kan ich noch nicht abſehen/ doch ein Gefangener muß geduldig ſeyn/
und bitte ich nur umb einen ſchleunigen Tod. Was ſageſtu vom redlichen fechten/ ſagte
Baldrich/ haſtu wol je mahls redliche tahten getahn? dieſes hohe Frauenzimmer ſol dir
die Urtel ſprechen/ haſtu dann redlich gefochten/ darfſtu dich keiner wiedrigen beſorgen.
Inzwiſchen hatten Fr. Sophia und Fr. Urſul ſich hervor gemacht/ ihren Erloͤſern zu dan-
ken/ denen die Fuͤrſten entgegen traten/ und ihnen die Haͤnde demuͤhtig küſſeten/ Fr. So-
phta aber alſo anfing: Ihr hochgepreiſete Helden habt in warheit euch umb uns ſo ver-
dient gemacht/ daß alles unſer vermoͤgen viel zu wenig ſeyn wird/ das geringſte von dem
unzaͤhligen zuerſetzen; goͤnnet uns aber/ bitte ich ſehr/ den Anfang mit worten zu machen/
ſo lange kein wirkliches vermoͤgen ſich bey uns findet uñ nehmet eine recht herzliche Dank-
ſagung von uns an/ daß ihr durch eure kraͤftige Fauſt unſere Ehre gerettet/ und die aller-
naͤheſte Schande von uns abgekehret habet; und glaͤubet uns/ daß wir nicht ruhen/ noch
uns vor gluͤkſelig halten werden/ ehe und bevor wir unſer Schuldigkeit moͤgliche leiſtung
haben ſehen laſſen/ welches in dieſer ſchanden Hoͤhle nicht geſchehen kan/ da wir zu nichts
als woltahten zu empfahen/ duͤchtig ſind/ deren ich hieſelbſt noch eine einzige von euch mei-
nen Herrn bitte/ daß mir vergoͤnnet ſeyn moͤgen/ zu fragen/ wer doch unſere Erloͤſeꝛ eigent-
lich ſeyn/ und welcher geſtalt ſie meines Gemahls Koͤniges Ladiſla/ und meines Herrn
Bruders Groß Fuͤrſt Herkules kund- und freundſchaft haben. Baldrich ſetzete ſich wie-
der ihre verwilligung vor ihr nider auff ein Knie/ kuͤſſete ihren Rockes Saum/ und gab
dieſe Antwort: Großmaͤchtige Durchleuchtigſte Koͤnigin/ gnaͤdige Fr. Waſe: Ich dan-
ke dem Himmel und meinem Gluͤcke/ daß mir die Ehr zugeſtanden/ euer Durchl. einige
Dienſte zuerweiſen; ſehr leid aber iſt mirs/ daß ich mich drauſſen ſo lange geſeumet/ und
durch meine abweſenheit verurſachet/ daß die verzweifelten Buben wieder aͤidliches ver-
ſprechen euer Durchl. und deren wirdigſten Geſpielen einige Unbilligkeit haben anmuh-
ten duͤrfſen/ und dannoch die guͤtigen Goͤtter alles ſchaͤdliche gnaͤdig abgewendet haben.
Euer Durchl. meines liebſten Geſellen und meinen Nahmen anzumelden/ ſind wir ſo wil-
lig als ſchuldig/ ungeachtet dieſelben in der Welt ſo unbekant und geringe ſind/ daß ſie ſich
ſchaͤmen vor ihrer vortrefligkeit genennet zu werden; doch/ wie geſagt/ ich gehorſame/ uñ
zeige an/ daß dieſer mein Freund iſt und heiſſet Siegward/ meiner Fr. Mutter Bruder
Sohn/ ein gebohrner Koͤniglicher Fuͤrſt und naͤheſter Erbe des Koͤnigreichs Schweden;
ich aber bin des Teutſchen Groß Fuͤrſten Herkules leiblicher und einiger Bruder/ genen-
net Baldrich; daß wir alſo in anſehung der nahen Blutfreundſchaft gehalten wahren/
euer Durchl. uns zu dienſte darzuſtellen/ ſo bald wir durch ſonderliche ſchickung ihr Un-
gluͤk in erfahrung gebracht. Fr. Sophia kunte ihm laͤnger nicht zuhoͤren/ ſondern umfing
ihn mit herzfreundlichem Kuſſe/ richtete ihn auff/ und ſagte: Ach ihr Durchleuchtigſte
Fuͤrſten/ muß ich unwirdige dann allemahl urſache ſeyn/ daß gebohrne Koͤnige und Groß-
Fuͤrſten
[272]Sechſtes Buch.
Fuͤrſten ſich in Lebensgefahr ſetzen? Nun nun/ der gnaͤdige Gott hat ſie ohn allen zweifel
hieher zu unſer errettung geleitet/ der uns inkuͤnftig beſſere und erfreulichere Kundſchaft
goͤnnen wird/ und wollen meine in ehren hoͤchſtgeliebte Fuͤrſten und Schwaͤgerliche Freun-
de nicht gedenken/ daß ihre hochberühmte Nahmen mir ſo unbekant ſeyn ſolten/ maſſen de-
ren mein Gemahl/ und Herr Bruder Groß Fuͤrſt Herkules zum offtern gedacht haben.
Hernach ward Siegward auch ſehr freundlich von ihr empfangen/ und lieff Baldrich
ungeſeumet hin/ die beſtelleten Wagen zuhohlen/ nam auch auff dem Wege einem Reuter
ſein Pferd/ umb deſto geſchwinder fortzukommen/ und verſprach ihm/ ſolches bald wieder
an dieſer ſtelle einzuliefern. Siegward fragete den gebundenen Koch/ ob auch Schaͤtze und
koſtbahre ſachen in der Hoͤhle verhanden waͤhren; worauff Fannius zur Antwort gab/
Mein Herr/ ſchenket mir Leben und Freyheit/ ſo ſol euch alles vor eigen geliefert werden.
Du Schelm/ ſagte Siegward/ meineſtu dann noch teil daran zu haben? Alles was hie-
ſelbſt vorhanden iſt/ gehoͤret dem Durchl. Frauenzimmer zu/ und du muſt billich deiner
boßheit erkaͤntnis durch ſchwere Straffe einnehmen. Fr. Sophia ſtund nicht weit von
Appius/ welcher mit klaͤglicher bitte bey ihr umb Gnade anhielt/ andeutend/ wie er kaum
vor dreyen Wochen in dieſe Raͤuberzunfft gerahten waͤhre/ und noch keine einzige Boß-
heit haͤtte begehen helffen. Welches ſie ihr dann zu herzen gehen ließ/ und ihm das Leben
ſchenkete/ da ihn Siegward die Bande loß ſchnitte/ und er darauff alle Gelegenheit und
Reichtuhm der Hoͤhle anzeigete. Es ſtunden etliche Kaſten neben einander her/ welche ſie
oͤfneten/ und 400000 Kronen an Baarſchafft und Kleinoten funden/ wie auch allerhand
Mannes- und Weibeskleider zimlich koſtbar/ deren eines Frau Urſul zu ſich nam/ und es
dem Fraͤulein brachte/ welche biß daher von ihrem Lager nicht auffgeſtanden wahr/ dann
die Kleider wahren ihr ſo gar zuriſſen/ daß ſie ihren Leib nicht bedecken kunte. So bald ſie
dieſes angelegt hatte/ rief Fr. Sophia ihr zu: Herzgeliebete Frl. Waſe und Schweſter/
kommet uns/ bitte ich/ naͤher/ und bedanket euch gegen dieſen Koͤniglichen Fuͤrſten euren
Erloͤſer. Sie trat geſchwinde zu ihm hin/ neigete ſich tief/ und ſagte mit anmuhtiger ſtim-
me: Verzeihet mir/ bitte ich/ Durchleuchtigſter Fürſt/ daß ich bißdaher nohtwegen unhoͤf-
lich ſeyn/ und die wolgebuͤhrliche Dankſagung auffſchieben muͤſſen/ wie wol ich ſchon weiß/
daß in meinem gar zu ſchlechten Vermoͤgen/ einige Erſetzung weder ſtat noch Raum fin-
det/ jedoch ſol ob Gott wil/ die Betrachtung der geſchehenen Huͤlffe nim̃ermehr aus mei-
nem Gedaͤchtniß verſchwinden/ und was von mir nicht erſetzet werden kan/ wil ich dereins
meinen Herrn Bruder Groß Fuͤrſt Herkules durch Bitte dahin vermoͤgen/ daß deſſen
Durchl. meiner Armuht zuſteuer lege/ und meinen lieben Eltern dieſe Woltaht vergelten
helffe. Siegward ſahe das Fraͤulein ſteiff an/ verliebete ſich an ihrer Schoͤnheit und hold-
ſeligen Hoͤfligkeit im Augenblicke/ küſſete ihr die Hand ſehr ehrerbietig/ und gab zur Ant-
wort: Hochgebohrnes Fraͤulein/ ich bitte die Goͤtter/ ſie wollen Eure Liebe bey ihrer Vol-
kommenheit ſtets erhalten/ deren Vermehrung ich nicht wuͤnſchen kan/ weil dieſelbe ſchon
auff der hoͤchſten Staffel ruhet/ moͤchte von ganzem Herzen wuͤnſchen des Vermoͤgens
zu ſeyn/ ihrer Vortreffligkeit gebuͤhr- und behaͤglich aufzuwarten; Vor erwieſene ſchlech-
te Dienſte zudanken/ iſt ein bloſſer uͤberfluß/ ſind auch ſchon tauſendfach mit dem guten
Willen vergolten. Fr. Sophia gab an der Fraͤulein ſtat zur antwort: Durchleuchtigſter
Fuͤrſt/
[273]Sechſtes Buch.
Fuͤrſt/ es wuͤrde meiner Frl. Schweſter zur groben Unhoͤfligkeit billich ausgelegt/ wann ſie
einen ſolchen Fuͤrſten/ von deſſen Durchl. ſie uͤberdas ſo hohe Woltaht empfangen/ nit
vielmehr vor ihren Gebieter als Diener erkennen und halten wuͤrde. Sonſten iſt unſere
geſamte Bitte an Eure Liebe und den Durchl. Fuͤrſt Baldrich/ ſie wollen mit uns nach
Padua reiſen/ und alda unſers dankbegierigen Herzen einigen Beweißtuhm uns goͤñen;
wir wollen uns nicht wegern/ den Weg mit unſern Fuͤſſen zumaͤſſen/ nachdem unſere Er-
retter uns begleiten werden. Siegward antwortete mit wenigem/ er waͤhre ſchuldig Ihrer
Durchl. zugehorſamen; aber kein Auge kunte er von dem Fraͤulein wenden/ deſſen ſie ſich
faſt ſchaͤmete/ und doch keinen Unwillen faſſen durffte; ſo wolte Fr. Sophia ihm in ſeinen
Liebesgedanken keine Verſtoͤrung einſtreuen/ ſondern trat mit Fr. Urſulen zuruͤk/ da der un-
gebundene Raͤuber Appius etliche Speiſen herzuſchaffen bemuͤhet wahr. Als ſie bey Fan-
nius herging/ trat ſie denſelben mit Fuͤſſen/ und draͤuete ihm alle Pein und Straffen. Un-
terdeſſen wolte Siegward die gute Gelegenheit mit dem Fraͤulein zureden/ nicht verab-
ſeumen/ kuͤſſete ihre zarten Haͤnde/ und ſagte: Er wuͤrde ſein Gluͤk/ welches ihn zu dieſer
Hoͤhle getragen/ zeit ſeines Lebens nicht gnug rühmen koͤnnen/ dafern er bitlich erhalten
koͤnte/ daß in ihre gute Gnade er moͤchte aufgenommen werden; Zwar ſeine Unwirdigkeit
waͤhre nicht zuleugnen/ aber vielweniger das Feur zuverbergen/ welches ihre Vortrefflig-
keit in ſeiner Seele angezuͤndet haͤtte/ ſo daß ſolches entweder durch einen ſchleunigen Tod
muͤſte erloͤſchet/ oder durch ihr ehrliebendes Mitleiden ertraͤglich gemacht und abgekuͤhlet
werden. Durch dieſes unvermuhtliche anſtraͤngen ward das ſchon ohn das ſchamhaffte
Fraͤulein dermaſſen angeroͤhtet/ daß ſie ſolches zuverbergen/ mit ihrem Wiſchtuͤchlein etli-
che mahl uͤber ihr Angeſicht herfuhr/ und ſich endlich alſo erklaͤrete: Durchleuchtigſter
Fuͤrſt/ wie unbeſtand ich bin/ dieſe Reden zubeantworten/ welche aus ihrer Durchl. Mun-
de ich anjezt angehoͤret/ iſt denen bewuſt/ die meiner Bloͤdigkeit Kundſchafft haben; ſo be-
finde uͤber das ich an meiner Unvolkommenheit nicht das allergeringſte/ daß einen ſo groſ-
ſen Fuͤrſten und vortrefflichen Helden einiger weiſe befriedigen koͤnte. Wie hoch Euer
Durchl. ich wegen geſchehener Erloͤſung verbunden bin/ iſt mir nicht unwiſſend/ daß aber
wegen Unverſtand ich deren anmuhten nicht zubeantworten weiß/ bitte ich demuͤhtig umb
Vergebung/ wil auch an deren ehrliebenden keuſchen Herzen nicht zweifeln/ weil ein ſolcher
Tugendreicher Fürſt daſſelbe nicht erſticken wird/ was er mit Vergieſſung ſeines Blutes
und Wagniß ſeines Lebens errettet/ und von dem inſtehenden Veꝛderben befreyet hat. Hie-
mit ſchauete ſie ſich umb/ und gab ihrer Waſen einen Wink/ herbey zutreten; die ihr gerne
zugefallen ſeyn wolte/ und durch geſuchte Unterredung ihn von ihr abzihen/ da ſie zu ihm
ſagte: Durchl. Fuͤrſt/ ich ſehe ja nicht/ wo Fuͤrſt Baldrich muß geblieben ſeyn/ wie fleiſſig
ich mich gleich nach ihm umtuhe. Durchl. Fr. Waſe/ antwortete er/ mein lieber Bruder
iſt hingangen/ die Wagen herzuhohlen/ welche wir ſchon geſtern auff dieſen fall beſtellet ha-
ben; Es faͤllet mir aber ein/ daß wir drauſſen noch drey Gefangene gefeſſelt/ deren ich mich
etwas beſſer werde verſichern muͤſſen; nam den begnadeten Appius mit ſich/ und hohlete
Genutius herzu/ der ſich ſchier loßgearbeitet hatte/ ſtriegelte ihn zimlich abe/ und ſchleppete
ihn in die Hoͤhle/ welchen Fr. Sophia mit Fuͤſſen trat/ und zu ihm ſagete: Du Henkermaͤſ-
ſiger Bube/ was habe ich dir jemahls zu leide getahn/ daß du mich in dieſe groſſe Noht und
m maͤuſſer-
[274]Sechſtes Buch.
aͤuſſerſte gefahr meiner Ehren geſtuͤrtzet haſt? Dieſer bereuete ſeine uͤbeltaht ſehr/ und gab
zur Antwort: Allergnaͤdigſte Frau; ich bin ein groſſer Sünder/ und unwirdig von ihr an-
geredet zuwerden/ weil ich ſolche fromme Gottfuͤrchtige Frauen und Fraͤulein verrahten/
und in der Raͤuber Haͤnde geliefert habe/ wil mich auch der Todesſtraffe gerne und willig
unterwerffen; Aber dem Himmel ſey Dank/ daß weder Furius noch Fannius gottloſes
und unkeuſches Vornehmen zu Werk gerichtet/ ſondern ihrer aller Ehre erhalten iſt; dañ
der wahre Gott/ den ich ehmahls ſchaͤndlich verleugnet habe/ iſt mein Zeuge/ daß ich viel lie-
ber haͤtte ſterben/ als ihren Nohtzwang erleben wollen; in betrachtung deſſen bitte ich fle-
hentlich und lauter umb Gottes willen/ Eure Gn. wollen mir meine Suͤnde vergeben/ und
mir eine Todesſtraffe ohn ſonderliche Pein aufflegen/ die ich willig ausſtehen/ und zugleich
den wahren Gott/ welchen ich ehemahls verleugnet habe/ inbruͤnſtig anruffen wil/ daß er
meiner armen Seele wolle gnaͤdig ſeyn. Fr. Sophia ward durch dieſe wahre Reue zum
Mitleiden bewaͤget/ inſonderheit/ da ſie hoͤrete/ daß er ehmahls ein Chriſt geweſen/ und als
ein Chriſt ſterben wolte/ und ſagte zu ihm: Du tuhſt wol bey deiner Seele/ daß du deine
Suͤnde erkenneſt/ und bedacht biſt/ wie dir zur Seligkeit moͤge geholffen werden; bleibe in
ſolcher Buß Andacht/ ſo werde ich dich mit der peinlichen Straffe verſchonen/ die du wol
verdienet haſt. Der Almaͤchtige Gott/ antwortete er/ wolle Euer Gn. dieſes erbieten hier
zeitlich und dort ewig vergelten. Sie wolte ſich bey ihm laͤnger nit auf halten/ ſondern weil
Siegward hingangen wahr/ die beyden uͤbrigen auch herzuholen/ trat ſie zu dem Fraͤulein/
und ſagte im Scherze: Lieber ſaget mir mein Schweſterchen/ wie gefaͤlt euch dieſer Fuͤrſt?
mir zweifelt nicht/ er ſey eben ſo ſtark geſchoſſen/ als vor dieſem mein Ladiſla/ da er mich un-
ter den Baͤumen fand; ſeyd aber hoͤchlich gebehten/ und ſtoſſet ihn mit abſchlaͤgiger Ant-
wort nicht vor den Kopff/ dann ſein Stand und Weſen iſt wert/ daß er von euch geliebet
werde. Das Fraͤulein kunte vor Scham nicht antworten/ ſahe ſie eine zeitlang an/ und ſag-
te nachgehends: Herzgeliebte Fr. Schweſter/ ich bitte ſehr/ wollet mit dieſen Reden mich
nicht gar zu ſchamroht machen/ der Fürſt iſt mir in dieſem Stuͤk allein Mannes gnug/ wel-
cher ſolche verliebete Reden gegen mich fuͤhret/ daß denen wegen meiner Geringfuͤgigkeit
ich weder trauen noch antworten darff. Hernach hielt ſie bitlich an/ ſie moͤchte nicht mehr
von ihr hinweg treten/ auf daß/ wann ihr an Worten gebraͤche/ ſie ſich auf ihren Beyſtand
zihen koͤnte. O du falſcher Mund/ ſagte Fr. Sophia/ wer wolte dir glaͤuben/ daß du in Lie-
besberedungen meine Gegenwart leiden koͤnteſt? Nein/ nein/ ich bin in dieſer Seuche auch
krank gelegen/ und weiß/ wie hoch die Liebe begehret ohn Aufmerker zu ſeyn. Herzen Frau
Schweſter/ antwortete ſie/ ich bitte durch Gott/ mich deſſen nicht zuzeihen/ ſondeꝛn ſich mei-
ner ernſtlichen Meynung zuverſichern/ deßwegen ſo tretet mir/ bitte ich/ zu huͤlffe/ und lauf-
fet mich mit Reden loß. Ja/ ſagte Fr. Sophia/ wer lehrete mich reden/ als mein Ladiſla miꝛ
in etlichen Stunden kein Augenblik Ruhe goͤnnete? daß ihrs nun nicht beſſer habt/ als ich
jens mahl/ wil ich weit gnug von euch bleiben/ damit ihr erfahret/ wie einer gejagten Hin-
din zumuhte ſey/ welche den blutgierigen Woͤlffen entſprungen/ ſich unter Jaͤgers Hand
befindet. Das Fraͤulein fiel ihr umb den Hals/ und baht umb aller Freundſchafft willen/ ſie
nicht zuverlaſſen/ nur aufs wenigſte/ biß ſie zu Padua wuͤrden angelanget ſeyn/ wolte auch
von ihr nicht ablaſſen/ biß ſie deſſen Zuſage hatte/ welche ihr Fr. Sophia mit dieſer Bedin-
gung
[275]Sechſtes Buch.
gung gab/ daß ſie nach Moͤgligkeit ſich gegen den Fuͤrſten freundlich erzeigen/ und ihres
Herzen Meynung ihr offenbahren ſolte/ ob ſie ihm ihr Herz zuwenden wolte oder nicht/ da-
fern er/ wie ſie nicht zweifelte/ ernſtlich darumb anſuchen wuͤrde. Das Fraͤulein meynete
dieſes mit ſtilleſchweigen zubeantworten/ aber als ſie ihre Beteurung hoͤrete/ daß ſie den
Fuͤrſten ſelbſt zur Anſtraͤngung reizen wolte/ erklaͤrete ſie ſich/ zu Padua ihres willens zuge-
leben. Siegward brachte die beyden Raͤuber auch herzu/ die er mit pruͤgeln vor ſich her
trieb/ und Appius ihm traͤulich halff; Sie verwunderten ſich ſehr/ als ſie Fannius ſelb ſech-
ſe gebunden antraffen/ durfften doch einer dem andern kein Wort zureden/ nur daß ſie auſ-
ſer Genutius/ alle umb einen geſchwinden Tod anhielten/ welches aber die hochbeleidigten
Frauen nicht willigen wolten; Als ſie nun merketen/ daß alles anſuchen umbſonſt wahr/
fingen ſie an/ die beyden Fuͤrſten vor falſche meinaͤidige Verraͤhter auszuſchelten/ deſſen a-
ber Siegward lachete/ und ihnen zur Antwort gab/ es ſolte ihnen frey ſtehen/ alles zuſagen/
weil ſie in dem Stande waͤhren/ daß ſie keinem redlichen Menſchen mit ſchaͤnden koͤnten
ſchaͤdlich ſeyn. Genutius kehrete ſich an nichts/ lag in ſeinen heiſſen Traͤhnen/ und rief Got-
tes Barmherzigkeit an/ daß er ihm die Sünde der Verleugnung/ und andere begangene
Untahten gnaͤdig vergeben/ und ſeine arme Seele mit dem Schecher am Kreuz in dz Pa-
radeiß aufnehmen wolte; welches das Fraͤulein hoͤrend/ zu Fr. Sophien ſagete: Wolte
Gott/ daß dieſer Menſch vor drey Tagen ſolche gute Gedanken gehabt haͤtte/ waͤhren wedeꝛ
er noch wir in diß Ungluͤk gerahten. Ich habe ihm ſchier verzihen/ antwortete ſie/ zweifele
auch nicht/ wo ich ihm das Leben ſchenke/ werde ich die Zeit ſeines Lebens einen getraͤuen
Knecht an ihm haben; doch muß er noch nicht wiſſen/ weſſen ich gegen ihn geſinnet bin.
Siegward machte ſich wieder nach dem Frauenzimmer/ und ſuchte Gelegenheit/ mit dem
Fraͤulein allein zureden/ wovor ſie ſich aber mit allem Fleiß huͤtete/ uñ ihm daher einen Arg-
wohn verurſachete/ ob waͤhre ſie ihm ungewogen/ trat deswegen mit Fr. Sophien an einẽ
abſonderlichen Ort/ und redete ſie alſo an: Großmaͤchtigſte Koͤnigin; hat Eure Hocheit
einige Vergnuͤgung aus meinen untertaͤhnigen Dienſten empfangen/ ſo bitte dieſelbe ich
zum hoͤchſten/ mir Gewogenheit und Gunſt bey dem vortreflichen Fraͤulein zuerwerben/
deren liebreiche Augelein mein Herz dermaſſen durchſcheinen/ daß ohn ſie zuleben mir fort-
hin unmoͤglich ſeyn wird; mein Anſuchen iſt auf Ehre gebauet/ dieſelbe dereins zur gewal-
tigen Koͤnigin in Schweden zuerheben/ und wil ſolche Befoderung zuerkennen/ zeit mei-
nes Lebens aͤuſſerſt gefliſſen ſeyn. Fr. Sophia entſchuldigte ſich anfangs des Koͤniglichen
Nahmens/ welchẽ vor Betretung des Boͤhmiſchen Reichs ſie zufuͤhren oder anzunehmen
nicht willens waͤhre; bedankete ſich nachgehends der hohen Gewogenheit gegen ihre Frl.
Waſe/ welche zwar des hoͤchſten Roͤmiſchen Adels/ und Kaͤyſerlichen Gebluͤts waͤhre/ aber
doch ihrem kuͤnftigen Gemahl kein Land und Leute zum Heyrahtgut bringen koͤnte/ ob ſie
gleich mit Baarſchafften und Kleinoten von ihren Eltern Koͤniglich koͤnte verſehen wer-
den/ nachdem ſie ein einiges Kind/ und uͤber 40 Tonnen Goldes in gewiſſer Erbſchafft al-
lein von ihren Eltern zugewarten haͤtte. Sie baht ihn aber freundlich/ ſeine Begierden/ ſo
viel moͤglich/ zumaͤſſigen/ und da es ſein Ernſt waͤhre/ einer kurzen Zeit abzuwarten/ alsdañ
wolte ſie ihm hiemit aufrichtig verſprechen/ es nach ſeinem begehren dergeſtalt zubefodern/
daß er ihr bereitwilliges Gemuͤht ihm zudienen/ mehr in der Taht als ſchoͤnẽ Worten ſpuͤ-
m m ijren
[276]Sechſtes Buch.
ren ſolte/ deſſen/ ſagte ſie/ gebe Euer Liebe ich dieſes Ringelein zum Pfande; welches ſie aus
ihren Kleidern hervor zog/ und ihm auf den kleinen Finger ſteckete. Dieſe Verheiſſung
brachte den Fürſten zu einer ſonderlichen Froͤligkeit/ verſprach auch nach allem Vermoͤgẽ
ſich einzuhalten/ und in ungezweifelter Hofnung der angenehmen Zeit geduldig zuerwar-
ten; jedoch würde ihm verguͤnſtiget ſeyn/ mit dem Fraͤulein zureden. Welches Fr. Sophia
beantwortete: Es koͤnte ihre Frl. Schweſter eines ſolchen treflichen Fuͤrſten geneigten
Willen und Unterredung nicht anders als vor ein ſonderliches Gluͤk halten; machte ſich
auch zu ihr hin/ weil Fr. Urſul mit ihr redete/ und ſagete zu ihr: Seyd ihr meine Schwe-
ſter/ ſo ſcheuhet euch nicht/ dieſem Fuͤrſten Hofnung ſeines begehreus zumachen/ deſſen ehr-
liebendes Gemuͤht ich ſchon erforſchet habe. Die Liebe begunte dieſes Fraͤulein ſchon zim-
lich zubeſchleichen/ nam dieſe Erinnerung nicht allein mit gutem Willen auf/ ſondern da
Siegward ſich wieder zu ihr fand/ und die herzliche Inbrunſt ſeiner ehrlicher Liebe ihr mit
bewaͤglichen Worten abermahl vortrug/ auch auffs hoͤchſte beteurete/ daß ſeine Seele an
nichts als ihrer volkommenen Schoͤnheit und Tugend Raſt und Ruhe fünde/ gab ſie die-
ſe Antwort: Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ ich bedanke mich dieſer Gewogenheit von ganzem
Herzen/ welche dankbarlich zuerſetzen ich mich ſchuldig weiß/ wil mich auch befleiſſigen/ ih-
rer Durchl. darzutuhn/ daß deren hohe Woltaht zuerkennen/ ich unvergeſſen ſeyn werde;
allein gelanget an dieſelbe mein ehrendienſtliches Erſuchen/ mit uns nach Padua zukehrẽ/
woſelbſt mich weiter zuerklaͤren ich beſſere Kuͤhnheit haben werde/ ſo bald nur mein Herr
Vetter der Stathalter/ welcher nicht mindere Gewalt als mein leiblicher Herꝛ Vater uͤ-
ber mich hat/ von ſeiner Tochter Fr. Sophien/ des Anſuchens Euer Durchl. wird berich-
tet ſeyn; Inzwiſchen wolle dieſelbe ſich zu mir alles deſſen verſchen/ wz ein zuͤchtiges Fraͤu-
lein einem hoͤchſtverdienten Freunde ohn Abbruch Jungfraͤulicher Zucht leiſten kan; mit
welchem Erbieten mein Fuͤrſt/ wie ich weiß/ wol wird friedlich ſeyn. Siegward hatte hier-
an zimliche Vergnuͤgung/ und hielt ſein freundliches Geſpraͤch in zwo Stunden noch mit
ihr/ biß Baldrich mit den Wagen und ihren ungeſattelten Pferden ankam/ die er wieder
eingeloͤſet hatte. Er berichtete/ wie es ihm auff dem Wege ergangen waͤhre/ daß der Reu-
ter/ dem er das Pferd/ umb ſchneller fortzukommen/ wiewol wider ſeinen Willen/ abgebor-
get/ ihn biß an das Dorff verfolget/ und daſelbſt vor dem Schultheiß ihn als einen Straſ-
ſenraͤuber angeklaget/ auch die Hafft über ihn begehret haͤtte/ ſo daß er Muͤhe gehabt/ ſich
der Bande zuentbrechen/ und durch Bedraͤuung mit dem Stathalteꝛ/ ſeines Weges Frei-
heit zuerhalten; Zwar den Reuter/ welcher ein verzagter Hudler/ haͤtte er ausgefodert/ ſich
mit ihm zuſchmeiſſen/ welcher aber den Ernſt ſehend/ ſein Pferd beym Zuͤgel genommen/
ſich darauff geſetzet/ und ſtilſchweigens davon geritten waͤhre; worauf endlich der Schult-
heiß dieſe gewierige Urtel gefunden: Wo kein Klaͤger iſt/ da iſt auch kein Richter; doch
haͤtte er ihm dieſen Spruch mit fuͤnf Kronen/ die er ihm heimlich zugeſtekt/ abgekauft. Sie
lacheten dieſer Rechtfertigung/ und nach eingenommenem Inbiß machten ſie ſich fertig
zum Aufbruch. Die Gefangenen wurden an die Wagen gebunden/ daß ſie beyher mit fort-
lauffen muſten; die abgehauene Koͤpffe aber nebeſt Furius Leichnam und Genutius (wel-
che Gnade ihm Fr. Sophia taht) auf die Wagen gelegt ſamt den Schaͤtzen und Kleidern/
und muſte das Frauenzimmer mit ſchlechten Sitzen/ von Kleidern gemacht/ auff dem einẽ
Wagen
[277]Sechſtes Buch.
Wagen vorlieb nehmen/ damit ſie auch ſehr wol zufrieden wahren. Die Fuͤrſten ritten
auff ihren ungeſattelten Pferden neben dem Frauenzim̃er ſo zierlich daher/ machten auch
allerhand Spruͤnge und Ringelaͤufchen mit ihnen/ als haͤtten ſie die bequemſten Sattel
auffgehabt. Ihren Weg ſetzeten ſie fort/ ſo viel ihre ſchwer beladene Wagen uñ angebun-
dene Gefangene folgen kunten/ und weil die Pferde davor ermuͤden wolten/ ließ Fr. So-
phia ſich von Baldrich/ und Frl. Sibylla ſich von Siegward vor ſich auff dem Pferde
führen/ da ihnen Kleider untergelegt wurden/ daß hiedurch das Fraͤulein mit ihrem lieben
Fuͤrſten in zimliche Kundſchafft geriet/ dem ſie etliche Kuͤſſe goͤnnen muſte/ weil ſie deſſen
auff dem Pferde ſich nicht entbrechen kunte/ da ſie ihn gleichwol ſeiner zugeſagten Maͤſſig-
keit erinnerte/ und auff der Zuchtbahn ſtets erhielt. Es wahr ihr Gluͤk/ daß ihre Reuter
ſich in das naͤhſtgelegene Dorff eingelegt hatten/ deren etliche auff ſie ſtieſſen/ mit welchen
ſie daſelbſt einkehreten/ ihre koͤſtliche Harniſche anlegeten/ und groſſe rohte Federbuͤſche
auff den Helm ſtecketen/ namen auch ihre ſchneeweiſſe wolgeputzete/ und mit ſchoͤnen De-
cken gezierete Handpferde/ auff welchen ſie den Einrit halten wolten. Fr. Sophia leihete
daſelbſt von einer reichen adelichẽ Witwen eine ſchoͤne Gutſche/ ſetzete ſich mit dem Frau-
enzimmer drauff/ und zogen mit wolbefriedigtem froͤlichen Herzen des geradeſten Weges
nach Padua zu. Der Stathalter hatte dieſen Morgen ſehr fruͤh die Loͤſegelder durch die-
ſes Dorff fortgeſchikt/ welches Fr. Sophien angezeiget ward/ welche ihnen zween Teut-
ſche Reuter nebeſt Appius nachſchickete/ ihnen das wiederkehren anzudeuten. Die El-
tern zu Padua erwarteten ihrer Kinder Ankunfft mit Schmerzen/ unter der herznagen-
den Furcht/ es moͤchten die Raͤuber nach empfangenen Geldern nicht Glauben halten/
ſondern durch Unkeuſcheit und ihrer Toͤchter Schoͤnheit gereitzet/ ihren Ehren Abbruch
tuhn/ gedachten deßwegen hin und her/ wie es am fügligſten anzugreiffen waͤhre/ kunten
aber kein ander mittel finden/ wie klug ſie ſonſt wahren/ und ſagte der Stathalter zu Herr
Kornelius; wir muͤſſen der himliſchen Veſehung alles befehlen/ welche ſie bißher gnaͤdig
bewahret hat/ ſie auch ferner erhalten/ und vor unehr ſchuͤtzen kan. Er hatte dieſes kaum
außgeredet/ da hoͤrete er von allen Tuͤrmen lermen blaſen/ und als er nachfragen ließ/ ward
ihm zur Antwort gebracht/ daß etliche tauſend Reuter mit ſehr vielen Wagen/ Gutſchen/
und einem getuͤrmeten Elefanten ſich im offenen felde ſehen lieſſen/ und der Stad gerade
zu zoͤgen. Der Stathalter hielt vor gewiß/ es wuͤrde der Roͤmiſche Kaͤyſer ſelber ſeyn/ und
machte ſich fertig ihm entgegen zu reiten/ und in aller untertaͤhnigkeit ihn zu empfahen. A-
ber eben dieſes befuͤrchteten ſich Herkules und Ladiſla/ deßwegen ritten ſie mit dem jungen
Fabius ſpornſtreichs vorhin/ wurden auch vor dem Tohr alsbald erkennet/ und unweger-
lich eingelaſſen/ und als auff ihre frage nach des Stathalteꝛs geſundheit/ ihnen deſſen wol-
ergehen vermeldet ward/ ritten ſie gleich nach ſeinem Hofe zu/ ſtiegen im vorderplatze ab/
und gingen miteinander ohn einiges anmelden die Stiege hinauff in den groſſen Gaſtſaal/
woſelbſt der Stathalter auff einem Stuel ſaß/ und ihm die Sporn umbguͤrten ließ. Da
er nun ſeinen geliebten ſchwieger Sohn in einem treflichen Tyriſchen Purpur mit den koſt-
bahreſten Demanten beſetzet hinein treten ſahe/ ſtieß ihm beydes vor freuden und betruͤb-
nis eine geringe Ohmacht zu/ daß ihm unmoͤglich wahr/ ſo ſchleunig auffzuſtehen/ und ih-
nen entgegen zu treten/ erhohlete ſich doch/ in dem ſie ſich vor ihm ſtelleten/ fiel anfangs La-
m m iijdiſla
[278]Sechſtes Buch.
diſla umb den Hals und kuͤſſete ihn aus vaͤterlicher neigung; hernach empfing er Herkules
und ſeinen Sohn/ und ſagte: O ſeid mir wilkom̃en ihr meine hochwerte allerliebſte Herꝛn/
Freunde und Soͤhne/ deren ankunft ich mir dieſe Stunde nicht vermuhten wahr/ und
weiß nicht/ warumb mir der Himmel allemahl zwiſchen der Vergnuͤgung den bittern
Wermutſafft einmiſchet/ deſſen ihr nicht erſchrecken ſollet/ uñ ich euch doch nicht verber-
gen kan/ wie daß nehmlich vorgeſtern meine herzliebe Toͤchter Sophia/ Urſul und Sibylla/
auff eins ihrer Landguͤter außgefahren/ und von etlichen Raͤubern angehalten ſind/ biß ih-
nen ein gewiſſes Loͤſegeld eingeh aͤndiget werde/ worauff ſie alsbald und ohn alle ſchmaͤle-
rung ihrer ehren wieder ſollen loßgelaſſen werden; habe demnach ſolche Gelder ſchon an
den mir benenneten Ort fortgeſchicket/ und werden die geraubete noch heut/ oder gewiß
morgen fruͤh ſich wieder einſtellen. Dieſer Rede erſchraken ſie ſehr/ inſonderheit Ladiſla/
welcher von Korinth biß hieheꝛ groͤſſer verlangẽ/ als die ganze Zeit uͤber nach ſeinem herz-
geliebeten Gemahl getragen hatte/ und gab zur Antwort: Hochgeneigter Herr Vater/
es iſt mir diſes eine ſehr traurige Zeittung/ werde auch nicht ruhen/ biß ich mein Gemahl
angetroffen/ und den Raͤuberiſchen boͤſewichten den verdienten Lohn erteilet habe. Der
Stathalter baht ihn/ er moͤchte ſich nicht uͤberſchnellen/ damit er nicht groͤſſer Ungluͤk ver-
urſachete/ wann ihre gegenwart von den Raͤubern gemerket wuͤrde; zwar in gar weniger
Geſelſchaft hin nach dem Platze zu reiten/ da die Gelder außgezaͤhlet wuͤrden/ wolte er ih-
nen nicht verbieten/ aber daß vor des Frauenzim̃ers ankunft daſelbſt/ ſie ſich ja nicht ſehen
lieſſen/ damit die Raͤuber ſich nicht einer gefaͤhrlichen Nachſtellung befahreten. Ach Gott/
ſagete Ladiſla/ ſo vernehme ich leider/ daß es umb mein Gemahl gefaͤhrlicheꝛ ſtehet/ als voꝛ
nie/ muß demnach mich der Geduld ergeben; aber unmoͤglich iſt mirs/ daß ich ſie ungeſu-
chet laſſen ſolte/ ob mir gleich der gewiſſe Tod daruͤber zuſtoſſen wuͤrde/ und hoffe noch mit-
tel zu finden/ den Raͤubern beyzukommen da mir Gott das Leben friſtet. Herkules befand
rahtſam daß man eilete/ lieſſen deßwegen etliche ihrer ehmahls hinterlaſſenen Ritterlichen
Kleider und Waffen herzubringen/ legten ſie an/ und macheten ſich mit vier Reitknechten
des Stathalters auff/ noch ehe Fr. Valiſka mit ihrer Geſelſchaft ankam. Im hinreiten
uͤberlegten ſie alles fleiſſig/ und machten den Schluß/ daß Herkules allein nach dem liefe-
rungs Platze ſich hinmachen/ und die andern weit genug zuruͤk bleiben wolten/ biß eꝛ etwas
Zeitung erfahren/ und durch den mitgeſchikten aͤdelknaben ihnen ſeine meynung uͤber bie-
ten koͤnte. Sie wahren kaum eine gute halbe Meile geritten/ da ſahen ſie zween anſehnli-
che Ritter mit zwoͤlff bewapneten Dienern gegẽ ſie anzihen/ denen eine ſchoͤne Gutſche mit
Frauenzimmer/ und zween beladene Wagen ſamt etlichen gefangenen nachfolgeten. Je-
ne wurden dieſer auch zeitig gewahr/ und weil Siegward ſeinem lieben Fraͤulein ſein gutes
Herz/ und daß er nicht allein mit Raͤubern/ ſondern auch mit ehrlichen Rittern kaͤmpffen
koͤnte/ gerne wolte ſehen laſſen/ auch Baldrich nit dawieder redete/ ſendeten ſie ihren Ita-
liaͤniſchen Leibknaben ihnen entgegen/ und lieſſen ihrer zween auff ein ritterliches Speer-
brechen erſuchen; welches ihnen zum erſtenmahle hoͤflich abgeſchlagen ward/ mit vorge-
ben/ ſie haͤtten anjezt noͤhtigen geſchaͤften nachzureiten/ wodurch ſie gehindert wuͤrden/ in
ihr begehren einzuwilligen/ auff eine andere und bequemere Zeit aber ſolte ihnen gerne ge-
wilfahret werden. Jene kunten damit nicht friedlich ſeyn/ wuſten nicht/ ob ſie es vor eine
Verach-
[279]Sechſtes Buch.
Verachtung oder Zagheit außdeuten ſolten/ und bohten ihnen hinwieder zu; ob zwar ihr
gebrauch nicht waͤhre/ andere als ihre und der Tugendfeinde zum Streit zu noͤhtigen/ auch
ihnen ihren Weg gerne goͤnneten/ wolten ſie ihnen dannoch zubedenken geben/ obs ihrem
herlichen anſehen nicht wol anſtuͤnde/ etwa durch einen Rit allen ungleichen Verdacht
von ſich abzulehnen. Worauff Herkules antwortete: Feiner Knabe/ ſage deinen Herren/
ihre Hoͤfligkeit mache/ daß wir viel von ihnen halten/ und weil ſie unſer eilfertigkeit unbe-
richtet ſind/ ich ſie deſſen nicht verdenke/ wann ſie ungleiche gedanken von uns ſchoͤpffen;
wir wollen ihnen aber ſolche benehmen/ und ihnen den Rit zu willen ſeyn/ daß ſie nur bald
loßdruͤcken. Jene lieſſen ihnen dieſe Antwort wolgefallen/ und machten ſich an beyden ſei-
ten fertig/ da Siegward auff Ladiſla/ Baldrich auff Herkules ſeinen Bruder loßging/ und
traffen beyderſeits dergeſtalt/ daß die Splitter in die Luft fuhren/ doch ward keiner gefel-
let/ wiewol Siegward und Baldrich im Sattel ſchwanketen/ aber doch feſt ſitzen blieben/
deſſen unſere Helden ſich nicht wenig wunderten/ und ſagte Herkules zu Ladiſla/ ich haͤtte
nicht gemeinet/ daß mir ein Ritter dieſen Stoß ungefellet außhalten ſollen. Sie nahmen
beyderſeits neue Speer/ wageten den andern Rit heftiger als zuvor/ und empfunden der
Stoͤſſe alle viere/ aber Baldrich und Siegward wurden Stegreiff loß/ daß ſie des falles
ſich mit noht enthielten/ welches ſie heftig verdroß. Herkules und Ladiſla/ ſahen ſich umb/
der Meynung/ ihre Beſtreiter ſolten erleget ſeyn/ welche ſich aber geſchwinde wieder ein-
gerichtet hatten/ daß jene ihrer Gefahr nicht eins inne wurden/ daher Ladiſla zu Herkules
ſagete; Dieſes ſind trauen zween handfeſte Ritter/ aber als viel ich merke/ trauen ſie dem
Speer weiter nicht/ ſondern gedenken es auch mit dem Schwerte zuverſuchen/ welche ſie
ſchon entbloͤſſet haben. Ey ſo werde ich ihnen auch ſo geſchwinde noch nicht entlauffen/
ſagte Herkules/ ſondern verſuchen/ ob dem Hochmuht nicht zu ſteuren ſey/ nachdem wir
keine Feindſchaft wiedereinander haben; damit ging der Schwertſtreit an/ und trieben
ein ſolches gehacke/ daß die Stuͤcke von den Schilden flogen/ und ſie in kurzer Zeit davon
wenig uͤbrig hatten; weil ſie dann des Feindes Streiche nicht außnehmen kunten/ wur-
den ihre Harniſche hin und wieder ſehr zuſchlagen/ wiewol die beyden jungen Fuͤrſten em-
pfunden/ daß ſie ihre Meiſter angetroffen hatten. Frau Sophia kunte dem gefaͤhrlichen
Kampfe laͤnger nicht zuſehen/ ſprang von der Gutſche/ und rieff Baldrichen als dem naͤ-
heſten zu: Groß Fuͤrſt Baldrich/ ich ermahne euch bey der Liebe/ damit ihr euren Eltern
verbunden ſeid/ daß ihr dieſem unnoͤhtigen Streite die Endſchaft gebt. Dieſer taht als
hoͤrete ers nicht/ und ſtuͤrmete immer hefftiger auff ſeinen Gegenkaͤmpfer zu/ welcher aber/
da er ſeines lieben Bruders nahmen hoͤrete/ auch Fr. Sophien erkennete/ keinen Schlag
mehr fuͤhrete/ ſondern auff Teutſch zu ihm ſagete: Liebſter Bruder Baldrich/ du haſt dich
mit deinem Bruder Herkules gnug verſuchet/ und ſatſam an den Tag gegeben/ daß du dei-
nem Manne wol ſtehen darfſt. Auff welche Rede Baldrich ſein Schwert hinweg warff/
den Helm auffſchlug/ und ſagte; So muͤſſe dieſes Schwert verfluchet ſeyn/ deſſen ich ſo
groͤblich mißbrauchet habe; ſprang vom Pferde/ und wolte ſeinem Bruder die Hand kuͤſ-
ſen; der aber ja ſo bald auff der Erden ſtund/ und ihn freundlich umbfing/ legten die Hel-
me ab/ und kuͤſſeten ſich vor groſſen freuden ohn einiges Wort ſprechen/ dann es gab Her-
kules die hoͤchſte vergnuͤgung da er ſeinen Bruder ihm ſo gewogen ſahe/ weil er wol wuſte/
wie
[280]Sechſtes Buch.
wie verhaſſet ihn die Teuffelspfaffen bey ſeinen Anverwanten gemacht hatten. Zwiſchen
Ladiſla und Siegward ging es etwas ſchaͤrffer zu/ dann weil ſie ſich weiter ins Feld gezo-
gen hatten/ kunten ſie nicht ſo bald von Fr. Sophien geſcheiden werden/ wiewol ſie ſchleu-
nig hinzu lieff/ auch dieſen Streit auffzuheben/ ſo daß ſie nicht acht gehabt/ daß Herkules
verhanden wahr. Ladiſla ſahe ohngefehr daß jene beyden ſich mit entbloͤſſeten Haͤuptern
ſo freundlich umbfingen/ daher ſagte er zu Siegward; Ritter/ was mag jenes bedeuten/
daß euer und mein Geſelle dort ſo groſſe freundſchaft machen/ und die Helme ſamt den
Schwertern hinweg getahn haben? Siegward rante eilig dahin/ biß er Herkules Ange-
ſicht erkennete und doch etwas zweiffelte/ kehrete wieder umb nach Ladiſla uñ ſagete: Mein
Herr/ iſt jener nicht mein Oheim der unvergleichliche Held Groß Fuͤrſt Herkules? ja/ ant-
wortete er/ Herkules iſt ſein Nahme/ und iſt er euer Oheim/ ſo muͤſſet ihr mir ſeinem Ladiſ-
la ohn zweifel auch verwand ſeyn. Als Siegward ſolches hoͤrete/ ſprang er vom Pferde/
und ſagte: Durchleuchtigſter Oheim/ verzeihet/ bitte ich/ eurem Diener dem Schwedi-
ſchen Siegward/ ſeinen unbeſonnenen Frevel/ deſſen die Unwiſſenheit einzige Urſach iſt;
Herzlieber Bruder/ gab er zur Antwort/ empfahen wir einander ſo unwürſch in der Frem-
de/ wuͤrde ſolches unſer ſo feſt beſchwornen Freund/ uñ Bruͤderſchaft ſehr nachteilig ſeyn/
wann es vorſetzlich geſchaͤhe/ weil aber der bloſſe Irtuhm hieran ſchuld traͤget/ ſind wir
beyderſeits wol entſchuldiget. Aber Omein herzgeliebtes Gemahl komt ja dorther gelauf-
fen! Hiemit warfer den Helm hinweg/ und rante ihr eilends entgegen. Sie erkennete ſein
Angeſicht alsbald/ und kunte vor freuden keinen Schrit weiter tuhn/ dann die Ohmacht
wahr ihr ſehr nahe; welches er merkend vom Pferde ſprang/ und zu rechter Zeit bey ihr
anlangete/ gleich da ſie niderſinken wolte/ umbfing ſie inbruͤnſtig und ſagte: Wie mein al-
lerliebſter Schaz/ wollet ihr euren Ladiſla nicht freundlicher als mit ſterbenden Augen em-
pfangen/ welcher ſider ſeinem abſcheide niemahls von herzen froͤlich geweſen iſt? Sie in
ihres Liebſten Armen ſich befindend/ erhohlete ſich bald/ ſchlug die Augelein auff/ und mit
einem lieblichen Anſchauen ſagte ſie zu ihm: O ihr meiner Seelen Luſt und einige Freude
in dieſer Welt; welches hohe Gluͤk erfuͤllet heut meinen Wunſch/ und laͤſſet mich meinen
Gemahl und Koͤnig wieder ſehen und umbfahen? wie ſo gar unvermuhtlich und doch uͤ-
berreichlich erſetzet Gott meine zweitaͤgige außgeſtandene Ungluͤkſeligkeit durch die An-
kunſt meines herzgeliebten Gemahls. Mit dieſen Worten umbfing ſie ihn aus inbruͤnſti-
ger Liebe/ und hing als eine Klette an ihm/ daß ſie ihrer ſelbſt drüber vergaß; biß Ladiſla ſie
fragete/ ob ſie ſeinen Herkules uñ ihren Bruder Fabius nicht geſprochen haͤtte; Ach nein/
ſagte ſie/ wo ſind ſie dann? Ihr habt ja/ antwortete er/ den Streit zwiſchen Herkules und
Baldrich auffgehoben. Ich habe ſeine Erkaͤntnis nicht abwarten koͤnnen/ ſagte ſie/ damit
ich auch euer Gefechte beylegen moͤchte/ als ich ſahe/ daß jener Feindſchaft ſo bald geendi-
get wahr. Aber O mein Schaz/ iſt dann unſere Frl. Schweſter Frl. Valiſka auch erloͤſet?
Ja Gott lob/ ſagte er/ ſie wird mit ihrem Soͤhnlein Herkuliſkus und Frl. Lukrezien Pom-
peien ſchon zu Padua angelanget ſeyn. Hievor ſey dem almaͤchtigen Gott lob und preiß
geſaget/ antwortete ſie; aber verſichert euch mein Schaz/ dafern dieſe beyde trefliche Fuͤr-
ſten uns nicht durch ſonderliche wunder-ſchickung Gottes zu huͤlffe kommen waͤhren/ wuͤr-
det ihr mich lebendig nicht wieder geſehen haben/ dann nach verluſt meiner ehren (die mir
niemahls/
[281]Sechſtes Buch.
niemahls/ auch vor zwey Jahren unter den Baumen nicht naͤher/ als heut dieſen Morgen
geweſen) wuͤrde vor euren keuſchen Augen ich mich lebendig nicht haben finden laſſen.
Herkules und Baldrich hatten ihr umbfahen auch zum Ende gebracht; Beata aber/ Fr.
Sophien Leibdienerin ward von dem Fraͤulein befehlichet/ von der Gutſche zu ſteigen/ um
zuvernehmen/ was vor fremde Ritter nach beygelegtem Gefechte mit den beyden Fuͤrſten
ſolche Freundſchaft pfloͤgen/ welche bald wieder umbkehrete/ ſchlug in die Haͤnde/ und rief
ihnen zu: O Gott lob/ Gott lob/ Koͤnig Ladiſla und Groß Fuͤrſt Herkules; Koͤnig Ladiſla
und Groß Fuͤrſt Herkules! Fr. Urſul kunte auff diß Wort nicht laͤnger verzihen/ lieff Her-
kules entgegen/ und rieff ihm von ferne zu/ ob ihr Fabius nicht mit uͤberkommen waͤhre;
welcher aber mit entbloͤſſeten Haͤupte ſchon daher ſprengete/ machte ſich herunter/ und em-
pfing ſie mit froͤlichem Herzen. Das Fraͤulein ſtieg auch ab/ und nahete ſich zu Herkules/
welcher ſie umfahend bruͤderlich kuͤſſete/ und zu ihr ſagete: In Ehren herzgeliebete Frl.
Schweſter/ ich erfreue mich von herzen ihrer Erloͤſung und guten Geſundheit/ und bitte
Gott/ daß er ſie in ſtetem Auffnehmen ihrer Ehren und Vergnuͤgung erhalten wolle. Das
liebe Fraͤulein bedankete ſich ſehr freundlich/ erfreuete ſich ſeiner gluͤklichen Wiederkunſt/
und fragete nach ſeines hochwirdigẽ Gemahls wolergehen/ deſſen ſie bald berichtet ward.
Dieſe lieben Freunde kunten des wilkommens nicht zum Ende gelangen; Ladiſla und Bal-
drich/ Herkules und Siegward lieſſen alle bruͤderliche Bezeigung ſehen/ und ob gleich La-
diſla und Siegward etwas verwundet wahren/ achteten ſie deſſen doch nicht/ biß Fr. So-
phia das Blut an ihnen ſpuͤrete/ und ſie die Waffen abzulegen erinnerte/ welches doch nit
geſchahe/ ſondern weil es ſchon zimlich ſpaͤte auff den Nachmittag wahr/ ſetzeten ſie ſich
auff/ und zogen nach der Stad. Die Stathalterin hatte ihren Sohn und Schwieger-
Sohn noch nicht geſehen/ ſondern da ſie wieder hinaus geritten wahren/ meldete ihr Ge-
mahl ihr deren Ankunfft an/ und troͤſtete ſie in ihrer Betruͤbniß; dann ſider ihrer Tochter
Verluſt hatten ihre Traͤhnen ſich nicht geſtillet. So bald aber deren Erloͤſung ihnen durch
einen Reuter zuwiſſen getahn ward/ da erhuhb ſich Froͤligkeit/ und wuſten nicht/ was ſie
vor Freuden anfahen wolten; legten ſchoͤne Feirkleider an/ und putzete inſonderheit die
Großmutter die beyden jungen Herrlein auffs koͤſtlichſte/ welche ſchon anfingen das Abba
zuſprechen; dann der kleine Fabius wahr ein Jahr und 16 Wochen alt; Herkuladiſla eilſ
Wochen und drey Tage juͤnger/ nach dem jener am 28 des Weinmonats/ dieſer am 18 des
Jenners im folgenden Jahr/ zur Welt gebohren wahr/ und man heut dieſen Tag den 22
des Hornungs ſchrieb. Als unſere Geſelſchafft zur Stad einritten/ kehreten Baldrich uñ
Siegward in eine Herberge/ woſelbſt dieſer ſeine Wunden verbindẽ ließ/ deren die ſchlim-
meſte wahr/ welche er von dem Raͤuber empfangen hatte/ daß er den Arm in einer Binde
tragen muſte/ weil er ſchon ein wenig entzuͤndet wahr. Sie legeten beyde einerley Kleider
an/ von Graßgruͤnem Atlaß mit Golde reichlich geſticket; auff dem Hute hatten ſie eine
Schnuhr von Demanten/ und eine lange weiſſe Feder/ die ihnen auff dem Ruͤcken herun-
ter hing; die Stiefeln wahren von weiſſem zarten Leder/ und die Sporn guͤlden/ und fuͤh-
reten in der rechten Hand einen weiſſen Elfenbeinen Stab mit guͤldenem Beſchlage. La-
diſla mit ſeinen Gefaͤrten machten ſich hin zu den ihren/ und erwartete der Stathalter uñ
ſein Gemahl im Mittelplatze ihrer lieben Kinder/ da die jungen Herlein nachgetragen
n nwurden.
[282]Sechſtes Buch.
wurden. Sie empfingen die drey Helden mit froͤlichen Geberden/ hielten den beyden Vaͤ-
tern ihre Soͤhnlein zu/ und ſagte die Großmutter: Da ſehet ihr eure wolgeſtalte liebe Kin-
derchen zum erſten mahle/ welche euch der mildreiche Gott in eurem abweſen beſcheret hat.
Ladiſla trat mit groſſer Herzensfreude hinzu/ da ſein Herkuladiſla ihn lieblich anlachete/ uñ
das Abba dreymahl lallete/ noch ehe er ihn anruͤhrete/ woruͤber ihm die Freudentraͤhnẽ aus
den Augen hervor drungen/ daß wie feſte er ſich hielt/ dieſelben doch nicht hinterbleibẽ wol-
ten/ nam deswegen das liebe Kindichen auf ſeine geharniſchtẽ Arme/ herzete es etliche mahl
und ſagte: Der Almaͤchtige Gott und Schoͤpffer Himmels und der Erden verleihe dir
ſeine Gnade/ und laſſe dich in Erkaͤntniß der Himliſchen Warheit auffwachſen/ daß du ein
Erbe bleibeſt des ewigen Lebens. Fr. Sophia und Urſul kahmen aus der Gutſche darzu
gangen/ und da ſie ihre Gemahlen ſich dergeſtalt mit den Kindern ergetzen ſahen/ wurden
ſie vor Freuden laut weinen/ daß es im ganzen Platze gehoͤret ward/ und fing Fr. Sophia
zu ihrem Soͤhnlein an: Du mein herzallerliebſtes Schaͤzchen/ an dem ich dieſe Zeit uͤber
alle meines Kummers Vertreibung gehabt/ jezt ſiheſtu deinen Herr Vater zum erſten
mahle; aber der barmherzige Gott verleihe mir und dir/ daß er uns ja nimmermehr ſolcher
geſtalt entwanderen moͤge. Der Stathalter trat mit hinzu/ und ſagte zu ſeiner Tochter:
Geliebtes Kind/ du haſt mir nun zum andern mahle durch dein gar zu kuͤhnes ausfahren
groſſes Herzleid gemacht/ welches du leicht haͤtteſt verhuͤten koͤnnen/ wann du nur etliche
wenig Reuter zu dir genommen; doch weil der heutige Tag uns zur ſonderlichen Freude
gemacht iſt/ wil ich mit ſcharffen Reden dir dein Verbrechen nicht aufruͤcken/ haͤtteſt aber
bey deinem Gemahl wol verdienet/ daß an ſtat freundlicher Begruͤſſung er dir einen guten
Auswiſcher erteilete/ damit du hernaͤhſt dir ſolches lieſſeſt zur Warnung dienẽ. Ladiſla ant-
wortete an ihrer ſtat. Es kan ſeyn/ mein Herr Vater/ daß mein allerliebſtes Gemahl in die-
ſem falle gefuͤndiget hat/ und ihren Eltern groſſe Bekuͤmmerniß erwecket/ aber ich bitte/ dz
ihr auch vor dißmahl noch dieſer Fehler moͤge verzihen werden/ dañ wil ich mich in Buͤrg-
ſchafft ſtellen/ daß ſie nach dieſem vorſichtiger gehen wird. Ja/ Gott weiß/ ſagte Frau So-
phia/ daß mir in dieſem Unfal meiner lieben Eltern Kummer ja ſo ſehr als meine eigene ge-
fahr zu herzen gangen iſt/ und weiß nicht/ durch was Hinderniß ich vergeſſen/ etlichen Reu-
tern zubefehlen/ daß ſie mir folgen ſolten/ wie ich mir feſtiglich vorgenommen hatte. Ich ha-
be es ja angehoͤret/ ſagte das Fraͤulein/ daß ihr des Abends zuvor es bey dem Gutſcher alſo
beſtelletet/ der ohn zweifel aus Vorſaz es unterlaſſen hat. Was ſol ich dann weiter machen?
fuhr Fr. Sophia fort/ Gott ſchicket den lieben ſeinen auch zuzeiten wegen ihrer Suͤnde ein
Ungluͤk zu/ in welchem er doch am kraͤfftigſten bey ihnen ſtehet/ und hieduꝛch viel gutes wiꝛ-
ket/ erſtlich/ daß wir unſere Bosheit erkennen/ und/ daß wir noch viel haͤrtere Straffen mit
unſern Suͤnden bey Gott verdienen/ wann er nach ſeinem ſtrengen Rechte mit uns verfah-
ren wolte; dann auch/ daß wir in unferm Gebeht zu Gott ange friſchet werden/ deſſen wir
in Gluͤckes Zeiten viel in vergeß ſtellen; endlich auch/ daß wir Gottes almaͤchtige Huͤlffe
erfahren/ und ihm davor von herzen danken. Ja wer weiß/ ob nicht zum ſonderlichen Gluͤ-
cke meiner Frl. Schweſter es alſo hat ergehen muͤſſen? Sibylla erroͤhtete hierob im gan-
zen Angeſichte/ und wahr ihr unmoͤglich/ es zubeantworten. Ladiſla hoͤrete ſeines Gemahls
gottfuͤrchtige Reden mit groſſer Herzensfreude an/ und wunderte ſich/ daß ſie in Erkaͤnt-
niß
[283]Sechſtes Buch.
niß des heiligen Willen Gottes ſchon ſo weit kommen wahr/ hielt ſich auch fertig/ ihr eine
Chriſtliche Antwort zugeben; aber ſie faſſete ihn beym Arme/ und ſagte: Kommet mein
geliebtes Herz/ der Wund Arzt wartet ſchon auff euch/ und werde ich nicht froͤlich ſeyn/ ehe
ich weiß/ ob eure Wunden ohn gefahr ſind. Er folgete ihr mit lachendem Munde/ und
verſicherte ſie/ daß er nicht eins der Verletzung empfuͤnde; wie dann nach der Entwafnung
erſchien/ daß er nur am rechten Arme einen Schramhieb bekommen/ welcher kaum ein
Troͤpflein Blut geben moͤgen/ wann nicht ein Blutaͤderchen waͤhre getroffen wordẽ. Her-
kules ward an ſeine Valiſken gedenken/ nam von Fr. Sophien Abſcheid/ und wolte hin aus
reiten/ ſie einzuhohlen; Sie aber erboht ſich/ neben Frl. Sibyllen mit zufahren/ fragete ih-
ren Bruder/ in was Farbe die Groß Fuͤrſtin ſich gekleidet haͤtte/ legte gleichmaͤſſige Kleideꝛ
an/ und zog mit Herkules und Ladiſla/ welche ihre vorigen Kleider wieder angetahn/ ihr
entgegen. Der Stathalter hatte inzwiſchen von ſeinem Sohn verſtanden/ was geſtalt die
beyden jungen Fuͤrſten das Frauenzimmer erloͤſet/ und in eine Herberge/ ſich auszukleiden/
eingekehret waͤhren/ denen er alsbald ſeine Leib Gutſche entgegen ſante/ und ritte der junge
Fabius mit dahin/ mit dem ſie ohn Verzug auf ihren weiſſen Pferden fortgingen; Weil
dann Fr. Sophia ihnen auf der Gaſſe begegnete/ die Groß Fuͤrſtin einzuholen/ zogen ſie in
Geſelſchafft mit fort/ und traffen Klodius und Prinſla nahe vorm Tohre an/ die von der
Groß Fuͤrſtin abgeſchikt wahren/ umb zuvernehmen/ aus was Urſachen ihr von Herkules/
genommener Abrede nach/ kein Beſcheid zuentbohten würde. Prinſla kennete alsbald die
beyden Fuͤrſten/ ſprang vom Pferde/ und kuͤſſete ihnen die Haͤnde/ muſte aber alsbald wie-
der auffſitzen/ dann ſie ranten ſo wol zu Wagen als Pferde aufs ſchnelleſte fort/ kahmẽ auch
inwendig einer geringen halben Stunde bey den Voͤlkern und Wagen an. Fr. Valiſka
ſaß mit Frl. Lukrezien und dem uͤbrigen Frauenzimmer auf dem Elefanten/ hatte allerhand
Gedanken wegen des langen auſſenbleibens ihres Gemahls/ und zeigete an/ daß ſie ſehr be-
fuͤrchtete/ es müſte zu Padua nicht recht zugehen. Sie ſahe etliche gemeine Leute aus der
Stad gegen ſie daher gehen/ welche ſie fragen ließ/ was neues man daſelbſt haͤtte/ und obs
dem Herrn Stathalter und den ſeinen wolginge? Worauf dieſe antworteten: Es ginge
dem Stathalter wol/ nur lieffe ein ungewiſſes Geruͤchte/ ob ſolte deſſen Fr. Tochter neben
andern hohen Frauenzimmer von etlichen Raͤubern auf freyer Heerſtraſſe angegriff[e]n uñ
entfuͤhret worden ſey. Die Groß Fuͤrſtin erſchrak deſſen von ganzem Herzen/ und fing an:
Ach du almaͤchtiger grundgütiger Gott/ wende doch dermahleins nach deinem vaͤterlichen
Willen und gnaͤdigem Wolgefallen dieſes Ungluͤk von uns deinen ergebenen Kindern/ uñ
goͤnne nicht/ daß mein lieber Herr und Gemahl nebeſt meinem Bruder ihre beſte Lebens-
zeit in Ausſpuͤrung der gottloſen Raͤuber zubringen muͤſſen. Sie ſtieg mit ihrem Frauen-
zimmer von dem Elefanten auf die Erde/ legten ſich unter dem freyen Him̃el auf ihre Knie/
und tahten ihr andaͤchtiges mit Traͤhnen vermiſchetes Gebeht zu Gott/ dz er ſeine Barm-
herzigkeit uͤber ſie großmachen/ auch dieſes Ungluͤk bald enden und in Freude verkehren
wolte. Nach geendetem Gebeht ſtiegen ſie wieder auff den Elefanten/ und muſte Klodius
ſamt Prinſla nach der Stad zureiten/ deſſen Wiederkunfft und eigentliche Zeitung ſie mit
Schmerzen erwarteten. Frl. Lukrezie ſagte zu der Groß Fuͤrſtin: Es naͤhme ſie wunder/ dz
man den Raͤubern dieſes Orts ſo viel uͤberſaͤhe/ daß dieſelben ſich auch nicht ſcheuheten/ deꝛ
n n ijObrig-
[284]Sechſtes Buch.
Obrigkeit ihre Kinder hinweg zufuͤhren/ da doch in dieſer Landſchafft Leute wohneten/ wel-
che dem Roͤmiſchen Reiche als eigene Glieder einverleibet waͤhren. Daß vor dieſem
im Judiſchen Lande die Raͤuberhoͤhlen dergeſtalt zugenommen/ daß faſt das ganze Land
hin und wieder waͤhre untergraben/ und vol unzaͤhliger Raͤuberhoͤhlen geweſen/ waͤhre ſo
hoch nicht zuverwundern/ weil die Juden/ der Roͤmer groͤſſeſte Feinde/ ſolches alſo getrie-
ben haͤtten/ denen gleichwol nunmehr ziemlich geſteuret waͤhre; aber in Italien ſolchen
Muhtwillen zudulden/ duͤrffte faſt ein Zeichen ſeyn/ daß die Obrigkeit ihr Amt nachlaͤſſig
verwaltete. Ich weiß ſelbſt nicht/ ſagte die Groß Fuͤrſtin/ wohin ichs deuten ſol/ halte wol
davor/ wann den Raͤubern etwas eiferiger nachgetrachtet/ und ihre Schlupfloͤcher fleiſſig
geſucht wuͤrden/ ſolte man ihnen das Handwerk bald legen; Aber es finden ſich unter den
Inwohnern in Doͤrffern und Flecken offt ſo gottloſe Leute/ die ſolche Raͤuber hauſen und
haͤgen/ ja ihnen wol Anleitung geben/ weil ſie Nahrung von ihnen haben/ und der Beute
offt am meiſten geniſſen. Da waͤhre nun hochnoͤhtig/ daß wann ſolche ertappet wuͤrden/
man ſie gleich ſo hart als die Raͤuber ſelbſt beſtraffete/ was gilts/ wo nicht hundert ſich an
einem ſpiegeln ſolten/ und ſich ſcheuhen/ mit ſolchen Buben Gemeinſchafft zuhaben. Das
iſt meines Herrn Vaters Gebrauch/ antwortete das Fraͤulein; der pfleget allemahl nach
dieſem Spruche zuurteilen/ daß weil Hehler und Stehler gleiche gut ſeyn/ muͤſſen ſie nicht
allein in einer Geſelſchafft genieſſen/ ſondern auch leiden/ und hats in kurzer Zeit dahin ge-
bracht/ daß mehr Raͤuber von des Landes Inwohnern angegeben/ als durch ſchaꝛffe Nach-
forſchung betroffen werden. Als die Groß Fuͤrſtin dieſes ſo bald nicht beantwortete/ baht
Fr. Euphroſyne umb gn. Vergebung/ und ſagte: Wolte dann Gott/ gnaͤdiges Fraͤulein/
daß Euer Gn. Herr Vater nur ein Jahr Roͤmiſcher Stathalter in Griechenland ſeyn/
und ſolchen Ernſt wider die Raͤuber und Moͤrder gebrauchen moͤchte/ dann ſolte dem un-
menſchlichen Weſen/ welches leider daſelbſt eingeriſſen iſt/ endlich noch abgeholffen werdẽ.
Ich habe etwas davon gehoͤret/ ſagte die Groß Fuͤrſtin/ und daß der freye Adel viel Unbil-
ligkeit begehen ſol. Ja gnaͤdigſte Groß Fuͤrſtin/ anrwortete ſie/ weil Griechenland von den
Roͤmern ihre eigene Herſchafft und uhralten Freyheiten und Gebraͤuche erhalten/ wil deꝛ
Adel/ welcher im Lande faſt alles allein iſt/ ihre Freyheit auch wider die Geſetze der Ver-
nunfft ungeſtoͤret wiſſen; daher/ wann einer ihres Mittels durch uͤbermaͤſſiges Wolleben
das ſeine vertahn hat/ klopffet er auff den Puſch/ und fuchet durch Beraubung der Kauff-
leute ſich wieder zubereichẽ; Ob auch von ihnen eine und andere Mordtaht begangẽ wird/
ſolches wollen ſie durchaus nicht am Leben geſtrafft haben/ ſondern erlegen ein geringes
Geld/ damit ſol das unſchuldige Blut bezahlet ſeyn. Die Groß Fuͤrſtin antwortete: Sol-
che Aedelleute ſolte man umb ihrer Untaht willen wieder in den niedrigſten Stand herun-
ter ſtoſſen/ gleich wie ihre Voꝛaͤltern umb ihrer Tugend willen in den Adelſtand erhoben
ſind; dann ſolte es erſt dahin kommen/ daß ein aͤdelman ihm groͤſſere freiheit/ boͤſes zutuhn/
nehmen wolte/ als ein Unaͤdler/ duͤrffte in kurzem das gemeine Weſen noht leiden. Von
adelichen Eltern gebohren ſeyn/ iſt ein groſſes Gluͤk/ aber es machet ſolches niemand weiter
aͤdel/ als nur nach dem Nahmen; die Tugend aber/ die er hernach ſelber hinzu tuht/ giebt
ihm die wahre adeliche Hocheit/ ohn welche das bloſſe Herkommen in meinen Augen kein
Haͤrlein mehr gilt/ als ein Eſel/ den man in eine Pferdehaut naͤhet. Libuſſa ſahe ſtets nach
der
[285]Sechſtes Buch.
der Stad/ und daͤuchte ihr/ daß Klodius laͤnger auſſen bliebe/ als ſich in ſolchem Zuſtande
gebuͤhren wolte/ biß ſie der Fuͤrſtlichen Geſelſchafft von ferne gewahr ward/ auch die Gut-
ſche dabey ſahe/ deßwegen ſie voller freude anfing zuruffen: Gluͤk/ lauter Gluͤk! die unſern
ſind Gott Lob ver handen/ und mein Sin traͤgt mirs eigentlich zu/ meines gnaͤdigſten Koͤ-
niges Gemahl Fr. Sophia finde ſich bey ihnen in der Gutſche. Gott gebe/ antwortete die
Groß Fuͤrſtin/ daß du vor dißmahl eine wahrhaffte Weiſſagerin ſeyſt/ ſo wil ich dir auf ein
andermahl eine groſſe Luͤgen gerne zugute halten. Sie ſtiegen aber miteinander von dem
Elefanten/ was vor Frauenzimmer auch in der Gutſche ſeyn moͤchte/ ſie freundlich zuem-
pfahen. Als Fr. Sophia ſolches erſahe/ hieß ſie ihren Gutſcher eilen/ und als/ ſie auff 100
Schrit nahe hinzu kam/ ſtieg ſie mit Frl. Sibyllen ab. Libuſſa ſtund hinter der Groß Fuͤr-
ſtin/ erkennete die abgeſtiegenen alsbald/ und ſagte zu der Groß Fuͤrſtin: Ich bin eine gluͤk-
ſelige Wahrſagerin/ dann dorten koͤmt Fr. Sophia mit Frl. Sibyllen her. Frl. Lukrezie
beſtaͤtigte ſolches/ drumb faſſete die Groß Fuͤrſtin dieſelbe bey der Hand/ und trat ihnẽ frei-
muͤhtig und mit einem laͤchelnden Angeſicht entgegen. Dieſe aber verwunderten ſich der-
maſſen über ihrer volkommenen Schoͤnheit/ daß ſie meyneten/ mehr ein himliſches als ir-
diſches Bilde zuſehen/ wolten ſich zwar viel gegen ſie neigen/ aber Valiſka eilete ihnen ent-
gegen/ umfing Fr. Sophien mit einem inbruͤnſtigen Kuſſe/ und redete ſie alſo an: Verzei-
het mir/ meine herzallerliebſte Fr. Schweſter/ daß ich des ſo langwierigen abweſens ihres
Gemahls leider urſach ſeyn muͤſſen; mein Gott weiß/ wie offt und viel mir ſolches unru-
hige Gedanken gemacht/ und ich gewuͤnſchet habe/ mein herzlieber Herr Bruder waͤhre
bey ſeinem allerliebſten Gemahl daheim geblieben/ welches ihm ja nicht gefallen/ ſondern
noch dißmahl ſeinem Herkules folgen wollen; ich wil mich aber aͤuſſerſt bemuͤhen/ dieſe
Schuld auffs wenigſte zuerkennen/ erfreue mich von ganzem Herzen ihrer Liebe guten ge-
ſundheit und Wolergehens/ der gaͤnzlichen Zuverſicht zu unſerm Gott gelebend/ er werde
uns nach dieſem goͤnnen/ in friedlicher Ruhe und fchweſterlichem Vertrauen manniche
Zeit mit einander zuleben. Frau Sophia antwortete ihr mit zuͤchtiger Ehrerbietung:
Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin; es klaget Eure Durchl. ſich gar unbillich einer ſache an/
dieweder in ihrer Macht noch Willen geſtanden; mein Gemahl hat wegen bruͤderlicher
Schuldigkeit nicht anders gekunt/ als derſelben Raubung zueifern/ weil ſie umb ſeinet uñ
meinet willen in dieſes Ungluͤk gerahten wahr. Die Abweſenheit meines teuren Gemahls
beklage ich durchaus nicht/ nachdem Eure Durchl. gluͤklich erloͤſet iſt/ daher mich daͤucht/
als waͤhre er kaum geſtern von mir gezogen/ und danke dem allerhoͤchſten Gott/ daß er ſie
alle miteinander nach uͤberſtandener Gefahr/ gluͤklich und geſund alhie hat anlangen laſ-
ſen; bitte ſehr/ Eure Durchl. wolle ihr gn. gefallen laſſen/ auff meines H. Vaters Hof mit
uns einzukehren/ wofelbſt deroſelben nach meinem wenigen Vermoͤgen gehorſam auffzu-
warten mich befleiſſigen wil. Die Groß Fuͤrſtin ward uͤber ſolcher Demuht ſehr unwillig/
und fing an: Ey meine herzgeliebete Fr. Schweſter/ ich bitte durch Gott/ mit dergleichen
nidertraͤchtigen/ und in mir Schahm und Unmuht wirkenden Reden mich hinfuͤro zuver-
ſchonen; dann was ſolte mich mehr betruͤben oder kraͤnken/ als wann eine Großmaͤchtige
Koͤnigin/ und meines leiblichen Herrn Bruders Gemahl/ mit mir anders als ſchweſter-
lich umgehen wolte; ſihet aber Eure Liebe mich vor ſo ſtolz an/ muͤſte mir leid ſeyn/ daß ich
n n iijmich
[286]Sechſtes Buch.
mich vor deren Augen habe finden laſſen; wo nit/ wird ſie/ wann ſie mich liebet/ mich nim-
mermehr ſo hoch wieder betruͤben. Fr. Sophia entſchuldigte ſich beſter maſſen/ und erklaͤ-
rete ſich/ weil ihrer Liebe es alſo gefiele/ ihrem Willen genuͤge zutuhn. Inzwiſchen hatten
die beyden Fraͤulein ſich herzlich/ und wol mit hundert Kuͤſſen empfangen/ hernach ſagte
Frl. Lukrezie zu der Groß Fuͤrſtin: Durchl. Fr. Schweſter/ alhie ſihet Eure Gn. unſere
geliebte Freundin Frl. Sibyllen/ derẽ wir in unſerm Geſpraͤch ſo oft Erwaͤhnung getahn/
und ſtehet ſie bereit/ Euer Gn. die Haͤnde zu kuͤſſen. Sie iſt mir eine ſehr geliebte Freun-
din/ antwortete ſie/ umfing ſie lieblich/ und verſprach ihr alle Schweſterliche Liebe und
Traͤue zuerweiſen. Hingegen bezeigete ſich das Fraͤulein ſehr untertaͤhnig/ und baht/ dz ſie
ihre ſchlechtguͤltige Auffwartung ihr gn. moͤchte gefallen laſſen. Es ſtunden aber die beydẽ
jungen Fürſten eine geraume Zeit mit entbloͤſſetem Haͤupte/ ehe ſie ihr wilkommen verꝛich-
ten kunten/ haͤtten auch weiters noch warten muͤſſen/ wann nicht Herkules ſein Gemahl
erinnert haͤtte/ da er zu ihr ſagte: Geliebter Schaz/ ſehet da eure beyden Oheimbe/ den Koͤ-
niglichen Fuͤrſten aus Schweden/ und meinen geliebten Bruder Fuͤrſt Baldrich/ welche
Gott aus ſonderlicher Verſehung biß hieher geleitet hat/ und bereit ſtehen/ eure Liebe zu
gruͤſſen. Die Groß Fuͤrſtin erroͤhtete gar wegen ihrer unvermuhtlichen Gegenwart: und
antwortete: Ach mein Gott/ ſol dann der heutige Tag ſo voller Gluͤkſeligkeiten ſeyn/ und
mir die laͤngſtgewuͤnſchete Kundſchafft dieſer ſo angenehmen Oheimben und Freunde eꝛ-
teilen? neigete ſich zugleich ſehr ehrerbietig gegen dieſelben/ da Siegward zu ihr trat/ und
auff ein Knie ſich niederſetzend/ ihr die Hand kuͤſſete/ nachgehend alſo anfing: Nachdem
der guͤnſtige Himmel mir den langgewuͤnſcheten Tag ſcheinen laͤſſet/ an welchem mir Ge-
legenheit faͤllet/ Ihrer Gn. unvergleichlicher Vortrefligkeit aufzudienen/ habe ich den ge-
wuͤnſchten Zweg meiner Gluͤkſeligkeit ſchon erreichet/ vor dißmahl demuͤhtig bittend/ daß
in die Zahl ihrer bereitwilligſten Knechte ich moͤge untergenommen werden. Valiſka
beſchwerete ſich der Ehrerbietung gar zu ſchwerer auffgeladener Bürde/ welche zuer-
tragen ſie allerdinge ſich unbeſtand befuͤnde/ baht deswegen den Fuͤrſten/ auffzuſtehen/
damit ſie nicht gezwungen unhoͤflich ſeyn muͤſte. Sie gward kuͤſſete ihr die Hand zum an-
dernmahle/ hub ſich ſittig auff/ und nach berührung des Saumes ihres Ober Roks gab er
vor/ es waͤhre alle Welt ſchuldig/ vor ihrer hoͤchſtruͤhmlichen Tugend ſich zu demuͤhtigen/
und des Himmels volkommenes Meiſterſtuͤk gebührlich zuverehren/ baͤhte demnach/ ihre
Gn. ihm ſein unvermoͤgen in ablegung der ſchuldigen Ehre gnaͤdig zu gute halten/ und
ſich verſichern moͤchte/ daß mit Gedanken er leiſten wolte/ was in aͤuſſerlicher volbringung
ihm unmoͤglich waͤhre. Herkules ſelbſt gedauchte dieſe Hoͤfligkeit zu groß ſeyn/ ſetzete deß-
wegen ſeine Reden ins mittel und ſagete: Geliebter Bruder und Oheim/ eure Liebe duͤrf-
ten mein Gemahl wol gar zu einer Stummen machen/ nach dem ihr ſchwer fallen wird/
dergleichen uͤber-ruhm zubeantworten. Dem iſt freilich alſo/ ſagte ſie/ und behalte ich mir
dieſer unbilligkeit Rache billich bevor/ wo mir ſonſt nicht abtrag gemacht wird; neigete ſich
abermahl gegen ihn/ und trat hin zu Baldꝛich/ welcheꝛ gleichergeſtalt niderkniete/ und nach
geleiſtetem Handkuſſe mit anmuhtiger Rede ſagete: Durchl. Frau Schweſter und Waſe/
zu meines Herrn Bruders und eurer Durchl. Heyraht wuͤnſche ich den himliſchen Se-
gen/ erfreue mich ihrer gluͤklichen erloͤſung/ und moͤchte wůnſchen/ daß unſere liebe Eltern
deſſen
[287]Sechſtes Buch.
deſſen wiſſenſchaft haben ſolten; im uͤbrigen wird meine Fr. Schweſter an meiner wenig-
keit einen ſtets bereitwilligen Diener haben. Die Fuͤrſtin umbfing ihn freundlich/ bedan-
kete ſich der geſchehenen Gluͤkwuͤnſchung/ und erboht ſich hinwieder zu aller ſchweſterli-
chen Freundſchaft. Nachgehends ward Frl. Lukrezie von ihnen auch hoch geehret/ da un-
tedeſſen Fr. Sophia mit dem andern ankommen den Frauenzimmer ein freundliches Ge-
ſpraͤche hielt; weil aber die Sonne ihren Untergang draͤuete/ und Libuſſen nach der Stad
verlangete/ ſagte ſie aus ſcherz zu der Groß Fuͤrſtin; Gnaͤdigſte Frau/ ſol ich beſtellen/ daß
die Zelten hervorgeſucht und auffgeſchlagen werden/ alsdann wird meine Schweſter Eu-
phroſyne umſuchen was vor eine kalte Kuͤche uns uͤbrig ſey/ damit dieſe Fuͤrſtl. Geſelſchaft
den Hunger ſtille. Der Groß Fuͤrſtin wahren ihre ſchwaͤnke bekant/ und gab ihr zur Ant-
wort: Fuͤrchteſtu dich ſchon/ daß du mit deinem Leches nicht gut geſchir gnug haben/
und noch eine Nacht unſanft liegen werdeſt? noͤhtigte darauff alles Frauenzimmer auff
den Elefanten/ uñ hielten auff demſelben den Einzug. Es wahr ſchon gar fruͤh durch ganz
Padua erſchollen/ daß ihre Erretter wieder zu lande geſchlagen/ und dieſen Abend ankom-
men wuͤrden; weil dann die ihnen erbauete trefliche Burg aller dinge fertig/ und mit aller
Haußnohtturft uͤberfluͤſſig verſehen wahr/ ſendete der Paduaniſche Raht/ Herꝛn Zezilius
Antenor und eilf andere Herrn ihres mittels mit allen Stadſpielleuten vor das Tohr/ ſie
zuempfahen/ und auff ihre Burg zu fuͤhren. Unſere Helden kanten ſie alle/ ſtiegen deßwe-
gen von ihren Pferden/ weil auch dieſe zu fuſſe gingen/ und wurden von wolgemeldetem
Herrn alſo angeredet: Großmaͤchtigſter Koͤnig Herr Ladiſla/ uñ Durchleuchtigſter Groß-
Fuͤrſt Herr Herkules; es erfreuen ſich alle Einwohner dieſer Stad uͤber der gluͤklichen
Wiederkunft ihrer Erloͤſer/ inſonderheit der Raht und die Stad Obrigkeit hieſelbſt/ als
welche mich und gegenwaͤrtige meine Amtsgeſellen abgefertiget/ eure Durchll. und dero
Geſelſchaft/ untertaͤhnig und gebuͤhrlich zuempfahen/ und auff ihre ſchon vor 12 Wochen
verfertigte Burg zu fuͤhren/ mit untertaͤhniger und dienſtfreundlicher bitte/ ſolches Ge-
baͤu als ihr ewiges Erbe gnaͤdig und guͤnſtig anzunehmen/ es nach ihrem belieben zube-
wohnen/ und was daran noch gebauet zu werden/ ihnen gnaͤdig gefallen moͤchte/ kuͤhnlich
anzuzeigen/ auch mit den ſchlechten Speiſen/ die in ſolcher Eile haben koͤnnen zuwege ge-
bracht werden/ freundlich voꝛ lieb zunehmen/ und unſer aller gnaͤdige und gewogene Herꝛn
ſtets zuverbleiben. Herkules bedankete ſich in ihrer beyder Nahmẽ/ der hohen Ehre/ moͤch-
te wuͤnſchen/ daß die Stad der groſſen Koſten des Gebaͤues haͤtten ſparen wollen/ weil es
ihnen aber alſo gefallen/ erkenneten ſie daraus ihre hohe gewogenheit/ und ob ſie gleich dem
Herrn Stathalter ihre Geſelſchaft dieſen Abend ſchon verſprochen/ wolten ſie dannoch
ihnen gerne folgen/ auch ſonſt alle moͤgliche gelegenheit ſuchen/ ein dankbahres Herz ſehen
zu laſſen/ verpflichteten ſich der Stad zu dienſte/ und bahten umb beſtaͤndige gewogene
freundſchaft/ auch/ daß die Herrn Abgeordenten dieſen Abend bey ihnen in Geſelſchaf[t] veꝛ-
bleiben wolten. Hierauff ging Blaß-Trommel- und Seitenſpiel durch einander/ daß man
ſein eigen Wort nicht hoͤren kunte. Die Abgeordenten ſtiegen auff ihre Gutſchen/ uñ fuh-
ren vorhin/ Herkules und Ladiſla folgeten nach/ lieſſen Leches und Klodius alsbald nach
des Stathalters Hoff reiten/ und ihn nebeſt ſeinem Gemahl nach ihrer neuen Burg hoh-
len. Markus und Neda muſten Herr Kornelius und Emilius mit den ihren herbitten/
ſie
[288]Sechſtes Buch.
ſie aber zogen mit ihrer Geſelſchaft fort/ biß ſie auff den Markplaz kahmen/ da ihre gegoſſe-
ne Bildniſſen ſtunden/ und mit den erſten Merzenblümlein außgezieret wahren. Die klei-
nen Kinder ſtunden umb denſelben her/ ſungen ihr gewoͤhnliches Liedlein (im erſten Bu-
che am 211 Blade gemeldet) mit voller Stimme/ und drungen damit der Groß Fuͤrſtin
die Traͤhnen aus den Augen/ welche hieſelbſt mit dem Frauenzimmer von dem Elefanten
ſtieg/ und nach beſichtigung der auffgerichteten Bilder von den Abgeordenten treflich em-
pfangen/ hernach mit Ladiſla und Herkules in den Vorderplaz der neuen Burg gefuͤhret
ward/ denen die andern alle folgeten. Der Abend verhinderte es/ daß alle denkwirdige ſa-
chen von ihnen nicht kunten beſichtiget werden/ gingen durch einen treflichen Schwiebo-
gen in den innern Plaz/ der mit Marmel uͤberſetzet und mit Blumen beſtreuet wahr. Der
groſſe Gaſtſaal wahr gegen Mitternacht gebauet/ auff welchem 60 Tiſche kunten ange-
richtet werden. An einer Seite ſtund die Stad Padua/ auff der andern die beſtuͤrmung
des Raubneſtes ſo artig abgemahlt/ daß Herkules ſich daruͤber zum hoͤchſten verwunderte.
Der Stathalter und andere erbehtene Gaͤſte kahmen bald herzu/ und nach bezeugung ih-
res groſſen mitleidens wegen der Groß Fuͤrſtin muͤheſeliger/ nunmehr geendeter Unruhe/
empfingen ſie dieſelbe ſehr freundlich/ wurden auch dergeſtalt von ihr hinwiederumb ge-
ehret/ daß ſie daher ſchon ihren hohen Verſtand und Tugend erkenneten. Nicht weniger
bedankete ſich der Stathalter und ſein Gemahl gegen Fürſt Baldrich und Siegwa[r]d/
wegen geſchehener erloͤſung/ und erbohten ſich zu aller Freundſchaft und Liebedienſten.
Bey anrichtung der Abendmahlzeit nahm Herr Antenor die W[i]rtſchaft auff ſich/ hatte
drey lange Tiſche auff dieſem Saal decken laſſen/ und wurden an dem erſten/ der Stathal-
ter nebeſt allen Fuͤrſten/ auch ſeinem Sohn und dem jungen Sulpizius geſetzet/ da dañ H.
Antenor wieder ſeinen willen hieſelbſt die Stelle nehmen muſte. Ein jeder hatte ſein Ge-
mahl neben ſich ſitzen/ und ward Baldrichen Frl. Lukrezie/ Stegwarden Frl. S[i]bylla/ Ar-
bianes Frl. Helena/ und Sulpizius Frl. Luzilla Antenoria/ Herrn Antenors Tochter bey-
gefuͤget. Die übrigen Anweſenden nahmen die andern Tiſche mit ihren Ehegemahlen
ein. Die Trachten wahren ſehr koͤſtlich/ daß jeden wunder nam/ wie man in ſo kurzer Zeit
darzu haͤtte raht ſchaffen koͤnnen; ſo griffen auch die unſern friſch zu/ weil ihrer etliche die-
ſen Tag groſſe muͤhe und wenig Speiſe genoſſen hatten. Nach geendeter Mahlzeit hiel-
ten ſie ein freundliches Geſpraͤch/ und gab der Stathalter allemahl der Groß Fürſtin an-
laß zu reden/ weil jederman ihrer anmuhtigen vernuͤnftigen Erzaͤhlung gerne zuhoͤrete/ dz
auch Frl. Helena in ihrem Herzen bekennen muſte/ Herkules haͤtte inbetrachtung ihrer
volkom̃enheit wenig Urſach gehabt/ ſich einer andern zuergeben. Siegward hielt mit Frl.
Sibyllen mancherley unterredung und miſchete/ ſo oft ſichs ſchicken wolte/ ſein anſuchen/
umb geliebet zu werden/ mit ein/ worauff er zwar keine abſchlaͤgige/ aber doch ſo genuͤgli-
che Antwort nicht bekam/ als er wuͤnſchete. So empfand auch Baldrich nicht geringe nei-
gung gegen Frl. Lukrezien/ deſſen er ſich doch nicht merken ließ/ weil er weder mit ihr be-
kant wahr/ noch ihr einzige Dienſte geleiſtet hatte; verdienete aber nicht deſto weniger gu-
te Gunſt bey ihr durch ſein ehrliebendes zuͤchtiges Geſpraͤch/ daß ſie ihm dieſen Abend ſehr
wol gewogen ward. Herkules uñ Ladiſla redeten gar wenig mit der Geſelſchaft/ aber mehꝛ
mit ihrem Gott im herzen/ und danketen ihm vor ſeine gnaͤdige huͤlffe/ die er ihnen bißher
ſo
[289]Sechſtes Buch.
ſo reichlich erzeiget hatte. Der Stathalter meinete/ die muͤdigkeit und unluſt der außge-
ſtandenen Meer-reiſe/ waͤhre ihres ſtillſchweigens Urſach/ deßwegen ſtellete er ihnen frey/
nach belieben ſich zur Ruhe zubegeben/ welches ihnen nicht unangenehm wahr/ nicht/ daß
ſie alsbald ſchlaffen gehen/ ſondern ihrer gewohnheit nach/ ihr Dankgebeht zu Gott halten
wolten/ weil ſie vor dem Eſſen darzu keine Gelegenheit gehabt/ nahmen demnach freund-
lichen abſcheid von der ganzen Geſelſchaft/ da ihnen der junge Fabius und die andere Chri-
ſten Mannes und Weibesbilder auff dem Fuſſe nachfolgeten/ weil ſie durcheinen Wink
verſtaͤndiget wurden/ daß der Gottesdienſt ſolte gehalten werden. Als ſie nun in einem ab-
gelegenen Gemache ſich allein befunden/ ſchicketen ſie ſich zur Andacht/ ſetzeten ſich mitein-
ander auff die Knie/ uñ nam die Groß Fürſkin ihr Buch zur Hand/ aus welchem ſie unter-
ſchiedliche Dankgebehte mit heller Stimme laſe/ auch hernach aus Koͤnig Davids Ge-
behtbuche/ der Pſalter genennet/ den 9/ 11/ 16/ 18/ 23/ 30/ 34/ 40/ 46/ 92/ 96/ 103/ 111/ 118/ uñ
145/ Pſalm; danketen alſo ihrem Gott zwo Stunden von ganzem herzen vor ſeinen au-
genſcheinlichen/ ihnen in allen noͤhten geleiſteten beyſtand; ſtimmeten auch miteinander
den 107 Dankpſalm Davids/ geſangsweiſe an/ welchen Herkules auff der Meers-Reiſe
in Lateiniſche verſe eingerichtet hatte/ und ſein Gemahl ſie hernach alſo überſetzete:


DerCVIIPſalm.
1 PReiſt unſern Gott von wegen ſeiner Guͤte/

Dann ſein barmherziges Gemuͤhte

Beſtehet biß in Ewigkeit.

Diß ſagen/ die der HErr hat frey geſprochen/

Und in der hochbetruͤbten Zeit

Die ſchwere Laſt der herben Noht gebrochen.

2 Die Er von den weit abgelegnen enden

Hat laſſen wiederumb anlaͤnden

Von dannen da die Sonn’ auffſteht/

Und da ſie ſich zu Abendzeit verſtecket/

Da wo die Norden Kaͤlte geht/

Und wo das Meer den Boden gar bedecket.

3 Sie gingen in der Wuͤſteney verirret/

Der Weg wahr einſam und verwirret/

Und traffen nirgend keine Stad

Zur Wohnung an. Sie wahren aus der maſſen

Von durſt und hunger muͤd’ und mat/

Daß ſie auch ſchier die Seele muſten laſſen.

4 Da traten ſie zum Herrn mit ihrem behten/

Der brachte ſie aus Angſt und noͤhten/

Und fuͤhrete ſie richtig an/

Daß ſie den Weg gebuͤhrlich vor ſich nahmen/

Und wandelten die ebne Bahn/

Zur Stad/ da ſie zur freyen Wohnung kahmen.

5 Die ſollen nun dem HErren Dank beweiſen

Vor ſeine Gunſt/ und hoͤchlich preiſen

Die groſſen Wunder die Er tuh[t]

Hier unter uns; daß er die Seel[/]erfuͤllet

Mit ſeinem allerhoͤchſten Gut/

Und ihren Durſt und Hunger fein geſtillet.

6 Die welche da in todes Schatten lagen

Und in die Eiſen eingeſchlagen/

Weil ſie des HErren Lehr und Wort/

Des hoͤchſten Raht ſo durften untertreten;

Drumb plaget’ Er ſie fort und fort/

Sie fielen hin/ und durfte keiner retten.

7 Da traten ſie zum HErrn mit ihrem behten/

Der brachte ſie aus Angſt und noͤhten/

Und fuͤhrete ſie her ans Licht/

Aus dunkelheit und aus des todes Schatten/

Die ſchweren Ketten blieben nicht/

Die ſie vorhin ſo hatt gebunden hatten.

8 Die ſollen nun dem HErren Dank beweiſen

Vor ſeine Gunſt/ und hoͤchlich preiſen

Die groſſen Wunder die Er tuht

Hier unter uns/ daß Er die Ehrnen Tuͤhren

Durch hin zu bricht/ und macht die Huht

Der Riegel gar zu Waſſer/ wie wir ſpuͤren.

9 Die Narren die von ihrer Suͤnde wegen

Und uͤbeltaht/ mit harten ſchlaͤgen

Sind heimgeſucht von ihrem Gott;

Daß ihre Seel’auch ekelt vor den Speiſen/

Die muſten nunter in den Tod

Durch Krankheit und viel ungemach hinreiſen.

o o10 Da
[290]Sechſtes Buch.
10 Da traten ſie zum HErrn mit ihrem behten/

Der brachte ſie aus Angſt und noͤhten/

Und ſendete ſein Wort herzu/

Er machte ſie geſund von allen Seuchen/

Schafft ihnen Fried und ſuͤſſe Ruh/

Daß Noht und Tod von ihnen muſte weichen.

11 Die ſollen nun dem HErren Dank beweiſen

Vor ſeine Gunſt/ und hoͤchlich preiſen

Die groſſen Wunder die Er tuht

Hier unter uns; ſie ſollen Gott dankſagen/

Und alle ſaͤmtlich wolgemuht

Des HErren Werk mit freuden weit außtragẽ.

12 Die auff dem Meer mit vollem Saͤgel fahren/

Und hohlen ihre friſche Waaren

Von fern auff groſſen Waſſern her/

Die haben recht des HErren Werk geſehen

Und ſeine Wunder in dem Meer/

Dz wañ er ſpricht/ wind uñ ſturm muß loßgehẽ.

13 Da fuhren ſie gen Himmel auff den Wellen/

Die muſten ſie gleich wieder fellen

Biß in den allertiefſten Sand.

Deß wolt ihr Geiſt vor bangigkeit verzagen/

Weil ihnen ſaͤmtlichen geſchwand

Wie Trunkenen und wuſten nichts zu ſagen.

14 Da traten ſie zum HErrn mit ihrem behten/

Der brachte ſie aus Angſt und noͤhten;

Da ward der truͤbe Himmel klar;

Das Wetter brach/ darob ſie freude nahmen/

Daß es ſo ſchoͤn und ſtille wahr/

Und ſie durch ihn zum lieben Hafen kahmen.

15 Die ſollen nun dem HErren Dank beweiſen

Vor ſeine Gunſt/ und hoͤchlich preiſen

Die groſſen Wunder die Er tuht

Hier unter uns. Sie ſollen bey den Leuten

Aus Herzenbrunſt und Andachtgluht

Ihn ruͤhmen/ und bey alten ſtets ausbreiten.

16 Der Fluͤſſe macht zu duͤrren Wuͤſteneyen/

Und Brunnen/ die ſonſt Waſſer ſpeyen/

Laͤſt uͤberal verſieget ſeyn.

Der alle Frucht des Ackers laͤſt verſchwinden/

Daß er ſaur wird/ und traͤgt nichts ein/

Von wegen der Einwohner groben Suͤnden.

17 Der trocken Land mit Waſſer reichlich fuͤllet/

Daß duͤrrer Sand viel Guͤſſe bringet/

Gleich einer aufgelauffnen Bach;

Und macht/ das die dem Hunger muſten frohnẽ/

Nunmehr da bleiben vor und nach

In Staͤdten/ die ſie bauen zubewohnen.

18 Auff daß ſie da dem Acker Samen geben/

Und den Weinbergen ſchoͤne Reben/

Daß ſie zu recht-gelegner Zeit

Die reiffe Frucht mit voller Erndte kriegen/

Da geht ſein Segen weit und breit/

Sie nehmen zu/ ihr Vieh muß nicht erliegen.

19 Doch werden ſie gemindert und verſtoſſen/

Wann uͤber ſie wird ausgegoſſen

Angſt und beſchwere Grauſamkeit.

Wann er den Spot auff ihre Fuͤrſten ſchuͤttet/

So gehen ſie ohn Unterſcheid

Auff falſcher Bahn/ und werden gar verruͤttet.

20 Noch ſchuͤtzet er die Armen vor gefaͤhrde/

Und mehret ſie gleich einer Heerde.

Das ſiht ein jeder frommer Mann

Mit Luſt; da muß das Maul die Bosheit haltẽ/

Wer iſt klug und merkt dieſes an?

Der kan verſtehn/ wie Gottes gunſt wird waltẽ.

Nach Endigung dieſes Geſanges laſe die Groß Fuͤrſtin dieſen ihren gewoͤhnlichen Abend-
ſegen:


Das walte Gott Vater/ Sohn/ und Heiliger Geiſt/ Amen. Gnaͤdiger und barmherziger
Gott und Vater/ ich danke dir durch deinen lieben Sohn JEſus Chriſt/ meinen Heyland und Erloͤſer/
daß du mich heut dieſen Tag und die ganze Zeit meines Lebens ſo gnaͤdig- und vaͤterlich behuͤtet und
bewahret haſt vor Schaden und Gefahr/ vor des Teuffels Trug und Liſt/ vor der Welt verfuͤhriſchem
Graͤuel/ vor Leibes und Seelen unfall/ vor unvermuhtlichen ſchnellen Tod/ und vor alle dem/ was
mich von deiner Liebe haͤtte abzihen koͤnnen. Ich bitte dich von ganzer Seele/ verzeihe mir alle meine
Suͤnde und Miſſetaht/ damit ich dich jemahls erzuͤrnet/ und nicht allein zeitliche Straffen/ ſondern
auch den ewigen Tod wol verſchuldet habe. Nim dich hinte und die ganze folgende Zeit meines Lebens
meiner getraͤulich an/ und faſſe mich unter die Beſchtrmung deiner Gnaden Fluͤgel/ damit weder mein
Fleiſch/ noch der leidige Teuffel/ noch boͤſe gottloſe Menſchen mich beruͤcken und in unfal ſtuͤrzen. Die
Obhuet der lieben heiligen Engel laß uͤber mich walten/ daß ich ſicher ruhen/ und geſund wieder auff-
ſtehen
[291]Sechſtes Buch.
ſtehen moͤge. In deine Haͤnde/ mein Gott und Erloͤſer/ befehle ich mein Leib und Seele/ mein Ge-
mahl/ Eltern/ Soͤhnlein/ und alle Anverwanten; bekehre HErr GOtt/ die noch in der heydniſchen
Blindheit ſtecken/ und die ſchon erleuchtet ſind/ beſtaͤtige in deiner Warheit und Liebe/ daß weder Troz
noch Gewalt/ weder Ehre noch Schande/ weder Gluͤk noch Unfal/ weder Leben noch Tod ſie von dei-
ner Liebe und Beſtaͤndigkeit abſchrecke. Laß mein uͤbriges Leben nach deinem Wolgefallen angeſtellet
ſeyn/ zu Lobe deinem hochheiligen Nahmen/ und zu meiner Seelen Heil und Seligkeit/ Amen/ Amen.


Hierauff behteten ſie das heilige Vater Unſer/ den Chriſtlichen Apoſtoliſchen alge-
meinen Glauben/ und beſchloſſen mit dieſem Spruͤchlein des 33ſten Pſalmes: Unſere Seele
harret auff den HErrn/ er iſt unſer Huͤlffe und Schild; dann unſer Herz freuet ſich ſein/ und wir trauẽ
auf ſeinen heiligen Nahmen; Deine Guͤte/ HErr/ ſey uͤber uns/ wie wir auff dich hoffen.


Hernach verfuͤgeten ſie ſich/ ein jeder auf ſein zubereitetes Schlafzimmer/ ohn daß Fr.
Sophia und Frl. Lukrezie wieder nach den Gaͤſten gingen. Sie gward hatte unter deſſen
beſſere Gelegenheit gefunden/ mit ſeinem geliebten Fraͤulein zureden/ uñ bemuͤhete ſich ſehꝛ/
eine unbedingete Antwort bey ihr zu erhalten/ welches ihr aber die Jungfraͤuliche Zucht
nicht goͤnnen noch zulaſſen wolte/ ob ſie gleich ihr Herz ſchon darzu geſchicket hatte; Zwar
ſie geſtund/ daß wegen beſchehener Rettung ſie ihm hoch verpflichtet waͤhre/ weil ſie aber
über ſich ſelbſt keine Gewalt haͤtte/ ſondern ihren Eltern und Anverwanten billich muͤſte
untergeben ſeyn/ würde er nach ſeiner Fürſtlichen Vernunfft leicht ermaͤſſen/ wie in ſolchen
ſachen ihr nicht geziemen wolte/ ſchließliche Antwort zugeben/ zweifelte auch nicht/ er wuͤr-
de ſolches vielmehr an ihr loben/ als tadeln oder haſſen. Er aber kunte ſich hiemit nicht be-
friedigen laſſen/ ſondern erwiederte/ daß in dergleichen Teidungen deren Wille eigentlich
der vornehmſte waͤhꝛe/ denen es zum naͤheſten anginge; wolte gleichwol dieſes nicht zu dem
Ende geredet haben/ als ob er ihre hochanſehnliche Eltern und Anverwanten vorbey zuge-
hen oder zuverachten willens waͤhre/ nur allein baͤhte er umb ſo viel Verſicherung/ dz wañ
er an ſolchen Orten ein ſolches ſuchen wuͤrde/ ſie ihm nicht verhinderlich oder zuwider ſeyn
wolte. Hieſelbſt befand ſich das Fraͤulein gefangen/ durffte es doch unbeantwortet nicht
laſſen/ und gab ihr gleichwol die gewoͤhnliche Scham nicht zu/ eine richtige Erklaͤrung von
ſich zugeben/ ungeachtet Fr. Sophia ſie deſſen ſchon gnug verſichert hatte/ dz ihren Eltern
angenehmers nicht wuͤrde begegnen koͤnnen/ ſondern ſagte zu ihm: Durchl. Fuͤrſt/ Eure
Liebe halten bey mir umb ein ſolches an/ wovor ich billich hoͤchlich Dank ſage/ mich auch
wol erinnere/ daß demſelben meiner Ehren heutige Rettung naͤheſt Gott zudanken habe/
und daher ihm nach Moͤgligkeit zubegegnen ſchuldig bin; Ich bitte aber ſehr/ Eure Liebe
wollen mir in dieſem Stuͤcke bedenkenszeit goͤnnen/ und inzwiſchen ſich verſichern/ dz mei-
ner herzgeliebeten Eltern und Anverwanten Wille/ des meinigen die unfehlbahre Richt-
ſchnur ſeyn und bleiben muß; wobey dieſes anzuhaͤngen ich mich ſelbſt uͤberwinden wil/ dz
meine Eltern und Freunde wol erkennen werden/ wie viel Euer Liebe ſie ſchuldig ſind. Fr.
Sophia ſetzete ſich zu Siegward nider/ und fragete ihn/ wie er ſich an der von dem Raͤu-
ber empfangenen Wunde befuͤnde; Worauf er zur Antwort gab: Dieſer Verletzung
waͤhre leicht raht zuſchaffen/ wann das Fraͤulein nur zuerbitten ſeyn moͤchte/ daß ſie ihm
feine Herzenswunde/ welche ſie ihm geſchlagen/ wieder heilen wolte/ koͤnte aber weder huͤlf-
fe noch Verwerffung bey ihr erlangen/ indem ſie mit zweifelhafter/ und auf Schrauben ge-
ſtelleter Antwort je mehr und mehr ſich vernehmen lieſſe; wann aber Ihre Liebe der heut
o o ijfruͤh
[292]Sechſtes Buch.
fruͤh getahnen Verheiſſung gnaͤdig eingedenke ſeyn/ und ihm ſeinen Wunſch erhalten wol-
te/ wuͤrde ſie ihn ſich dergeſtalt verbunden machen/ daß zeit ſeines Lebens er ſich vor ihren
verſchuldeten halten und erkennen muͤſte; dafern aber dieſe ſeine Bitte nicht ſtat haben koͤn-
te/ würde die Unertraͤgligkeit ihm die lezte Urtel bald ſprechen/ deren zuunterwerffen er ſich
ſchon gefaſſet hielte. Wie meynet Eure Liebe/ antwortete Fr. Sophia/ daß meine Fraͤulein
Schweſter zu ſolcher Undankbarkeit angewieſen iſt/ daß ſie deſſen Verderben ſuchen ſolte/
der ihre Ehr und Leben von dem ſchaͤndlichen Verderben/ mit Darſtreckung ſeines Koͤ-
niglichen Blutes errettet hat? Eure Liebe wollen ſie des Verdachts freundwillig erlaſſen/
und von mir die Verſicherung nehmen/ daß ihre Vernunfft deſſen viel anders unterwie-
ſen iſt. Zwar ihre Zucht und Scham iſt mir wol bekant/ und muß ſie billich in dieſer Sa-
che bedachtſam fahren/ damit Eure Liebe nicht ſchier heut oder morgen ſelbſt daher Urſach
nehme/ ihre gebuͤhrliche Zucht in Argwohn zuzihen. Wolle demnach dieſelbe ſich ein wenig
gedulden/ biß ich Gelegenheit habe/ meiner Frl. Schweſter Eltern es zuhinterbringen/
welches keinen Tag ſol auffgezogen werden/ da dann Eure Liebe an billicher Dankbarkeit
nicht zweifeln ſol. Siegward ging hierauf in ſich/ und befand/ daß ſeine Anwerbung viel
zu hefftig getrieben wahr/ bedankete ſich anfangs gegen Fr. Sophien/ und ſagete nachge-
hends zu dem Fraͤulein: Verzeihet mir/ Hochgebohrnes Fraͤulein/ daß meine Kuͤhnheit
durch gar zu hefftige Liebesregungen ſich hat aufftreiben laſſen/ die lohbrennenden Flam-
men meiner Begierden ohn Zumengung einiger Hoͤfligkeit heraus zuſtoſſen; ich bekenne
meinen gar zu groben Fehler/ und wil mich aͤuſſerſt bemuͤhen/ denfelben zuerſetzen/ dafern
nur bey euer Vortrefligkeit ich des ergangenen Vergebung erhalten kan. Sie antwortete
ihm mit holdſeliger Stimme: Durchl. Fürſt/ ich vernehme ganz gerne/ daß Eure Liebe ſich
in ihrer Anſtraͤngung maͤſſigen wollen/ denen zubegegnen ich mich unbeſtand befinde/ wil
demnach hernaͤhſt mit Euer Liebe deſto kuͤhner reden/ und ſtets nachfinnen/ wie vor beſche-
hene Rettung mit deren guten Vergnuͤgung ich mich dankbarlich einſtellen koͤnne. Aber/
ſagte ſie zu Fr. Sophien/ warumb bleibet ſie nicht bey ihrem liebſten Gemahl/ und laͤſſet
denſelben allein ſchlaffen? Ich danke Gott von herzen/ gab ſie zuꝛ Antwort/ daß ich ihn wie-
der habe/ werde mich auch nach Trennung diefer Geſelſchaft bald hey ihm finden; wie dañ
ſolches nicht lange anſtund/ weil der Stathalter aufbrach/ und die Gaͤſte alle folgeten/ die
beyden Fuͤrſten auch auff ein ſchoͤnes Schlaf Gemach gefuͤhret wurden/ und die beyden
Fraͤulein allernaͤheft bey Herkules Zimmer ihre Kammer hatten. Die beyden Fuͤrſten/ ſo
bald ſie allein wahren/ offenbahreten einander ihre Liebe/ und troͤſteten ſich/ daß vermittels
Frr. Valiſken und Sophien ſie ihren Zweg noch wol erreichen koͤnten. Es hatte aber Frl.
Lukrezie Siegwarden gute Zuneigung zu Frl. Sibyllen fleiſſig angemerket/ kunte daher
nicht unterlaſſen/ ſie nach ihrer Entkleidung damit zuſtechen/ und fing an: Herzgeliebtes
Schweſterchen/ was ſchenkete mir Fuͤrſt Siegward drumb/ wann ich ihm hinte meine
Schlaffſtelle uͤberlieſſe? Sibylla bezahlete ſie baar mit dieſer Antwort: Hierzu wuͤrde
dich/ geliebte Schweſter/ nichts bewaͤgen/ als daß du mit ihm einen angenehmen Tauſch
halten moͤchteſt; aber gib dich zufrieden/ ich wil Fuͤrſt Baldrichen deine gute Gunſt und
Gewogenheit mit eheſtem zuerkennen geben/ und deinen ſchrifftlichen Aufzug mit Silvan
zuvergelten wiſſen/ welcher mir zwar uͤberaus groſſen Schrecken verurſachete/ aber gegen
den
[293]Sechſtes Buch.
den heutigen wahr es kaum zurechnen; erzaͤhlete hiemit/ wie nahe ihr die Gewaltſamkeit
geweſen/ welche einig dieſer Fuͤrſt abgekehret haͤtte. So biſtu ihm billich verpflichtet/ ſagte
Lukrezie; aber dein Einwurff hat weder Schmak noch Klang; dann vorerſt weiſtu/ daß ich
Fuͤrſt Siegwards ſtelle nicht einnehmen wuͤrde/ da er ſie mir gleich anboͤhte/ wuͤſte auch
nicht/ daß du unſer beyder wegen einigen Verdacht faſſen koͤnteſt/ ohn daß er bey mir geſeſ-
ſen. Haſtu dann mehr urſach zuargwohnen? fragte Frl. Sibilla/ oder hat er dich/ mir ſeine
Liebe vorzutragen/ irgend begruͤſſet? betriegen mich meine Augen nicht/ ſo haben die deine
dich ſchon zimlich verrahten/ welche Fuͤrſt Baldrichen viel fleiſſiger beſchaueten/ als einigẽ
andern anweſenden. Ach nein/ antwortete die verſchlagene Lukrezie/ meine Augen muſten
wol ruhen/ dann die Ohren hatten viel zuviel zufchaffen/ euer beyder verliebete Reden ein-
zunehmen/ daß deiner Kuͤhnheit mich nicht wenig wunder nam. Das from̃e Sibyllichen
meynete nicht anders/ ſie haͤtte alles gehoͤret/ welches jene doch nur tichtete/ gab deswegen
zur Antwort: Herzen Schweſteꝛchen/ ich habe ihm ja die Rede nit veꝛbieten koͤnnen/ vielwe-
niger mich ihm unwuͤrſch erzeigẽ/ wolte ich nicht vor unhoͤflich angeſehen ſeyn. Ich weiß ja
wol/ wie viel ich ihm ſchuldig bin/ und dafern er ein Chriſt waͤhre/ wuͤrde ich ihn auf meiner
lieben Eltern geheiß nicht ausſchlagen/ aber einem Heyden vermaͤhle ich mich nun nicht/
ſondern ſterbe viel lieber im Jungfern Stande; und wie froh wolte ich feyn/ wann du dich
auch finden/ und den allein ſeligmachenden Chriſtlichen Glauben annehmen koͤnteſt/ wel-
cher von meiner Schweſter Fr. Sophien mir ſchon lange ausgelegt und vorgetragen iſt/
ich ihn aber erſt geſtern Abend angenommen habe/ und daher/ Gott Lob/ einen ſonderlichen
Troſt emfinde. Frl. Lukrezie umfing ſie auff dieſe Rede/ und ſagete: O wie angenehm iſt
mir diß zu hoͤren/ daß du dich zu unſerm heiligen Glauben gegeben haſt! dein Wunſch iſt
an mir ſchon lange erfuͤllet/ maſſen ich ſchon albereit eine getauffte Chriſtin bin/ und habe
naͤhſt Gott meine Bekehrung bloß allein Groß Fuͤrſt Herkules zudanken/ dem ich bißher
mit keuſcher ſchweſterlicher Liebe zugetahn bin/ daß ich umb Heyrahtſachen mich nicht be-
kümmert/ oder davon hoͤren moͤgen/ ungeachtet meine Eltern nicht allein von dem naͤrri-
ſchen Prokulus/ ſondern auch von Herrn Karvilius und andern vornehmen Roͤmifchen
Rittern eine zeither Anſprache gnug gehabt; dann ſo wenig ſie als ich/ haben Luſt/ mich ei-
nem Heyden zuvermaͤhlen/ und weil Fuͤrſt Baldrich eben ſo wenig als Siegward dem
Chriſtentuhm zugetahn iſt/ wuͤrde er umſonſt hoffen/ wann er in den Gedanken ſtehen ſolte.
Wie aber/ antwortete Frl. Sibylla/ wann deinetwegen ich mich bemuͤhete/ ihn zum Chriſt-
lichen Glauben zubringen/ wolteſtu dich dann weiters noch wegern/ mit Fuͤrſt Siegward
die Schlafſtelle zuvertauſchen? Aber ich vernehme ganz gerne/ daß du und ich einen Freier
an Prokulus gehabt/ der/ wie ich berichtet bin/ bey meinen Eltern neulicher Zeit einen ſtat-
lichen bodem-loſen Korb bekommen; Da nun deine Meynung/ welche du von Fuͤrſt Sieg-
ward gefaſſet haſt/ vor ſich gehen ſolte/ koͤnte in dieſer Heiraht mit Prokulus ich dir gute
Dienſte leiſten. Frl. Lukrezie lachete des erbietens/ und antwortete: Unſer Gott wird uns
ſchon beſcherẽ/ wz er uns gnaͤdig auserſehen hat; Und vielleicht gibt es die gelegenheit/ ſchieꝛ
morgen oder uͤbermorgẽ beſſere Kundſchaft mit den liebẽ Fuͤrſten zumachen/ nur bleibe dem
deinen getraͤu/ und mache mir den meinẽ durch deine veꝛloͤffelte Augẽ nit abſpenſtig. Fuꝛcht
iſt allem ahl bey den verliebeten/ ſagte Frl. Sibylla/ drum wird es an dir nit fehlen; nam ſie
o o iijbey
[294]Sechſtes Buch.
bey der Hand/ uñ fuͤhrte ſie mit ſich nach Bette. Der junge Fabius war fruͤzeitiger mit ſei-
ner liebſten Urſulen ſchlaffen gangẽ hatte ihr alsbald ſein Chriſtentuhm offenbaret/ uñ ſie
ernſtlich erinnert/ ihrer Seligkeit wahrzunehmen/ und nach dem Beyſpiel ſeiner Schwe-
ſtet/ ihr den Chriſtlichen Glaubẽ gefallen zu laſſen/ welches ſie zu ſeiner vollen vergnuͤgung
beantwortete: Es haͤtte ſeine Schweſter ſie darzu oft und viel/ auch noch geſtern Abend in
der Raͤuber Hoͤhle ganz fleiſſig vermahnet/ ſo waͤhre ſie auch davon nicht abgeneigt gewe-
ſen/ nach dem ſie ihr dieſen Glauben fleiſſig vorgetragen und erklaͤret/ nur weil ſie an ſeiner
einwilligung gezweifelt/ haͤtte ſie es auffgeſchoben/ und wolte ſie von nun an mit Gottes
huͤlffe eine Chriſtin leben und ſterben/ worauff ſie beyderſeits ihr andaͤchtiges Gebeht zu
Gott verrichteten/ und daruͤber von herzen erfreuet wahren. Siegward und Baldrich
wahren des folgenden morgens am erſten munter/ und ſo bald jener ſich hatte verbinden
laſſen/ legten ſie himmelblaue Kleider an/ mit Silber reichlich geſticket; die Bein Kleidung
und darzu gehoͤriger Schmuk wahr alles von ſchneweiſſer Seide mit Silber durch webet
und beſetzet/ welches ihnen zierlich anſtund. Die Fraͤulein erwacheten auch mit der Son-
nen auffbruch/ umbfingen ſich herzlich/ und tahten ihr Chriſtliches Morgengebeht/ und als
ſie etwas waches im innerſten Platze vernahmen/ ſahen ſie aus dem Fenſter/ und wurden
der beyden Fürſten gewahr/ die ein langes Bret hatten ſetzen/ und die eilf Haͤupter der er-
ſchlagenen Raͤuber darauff ſtellen laſſen. Das unvermuhtliche anſchauen dieſer bey den
faͤrbete die Fraͤulein feurroht unter dem Angeſicht/ daß je eine die andere fragete/ was die-
ſe ſtarke verenderung bedeutete/ uñ weil keine trauen wolte/ gingen ſie bey de vor den Spie-
gel/ da Lukrezie ſagete: Was verbirgeſtu mir deine zuͤchtige flammen/ mein Schweſterchẽ?
ſihe da/ dieſen Kuß gebe ich dir im nahmen und von wegen Fuͤrſt Siegwards. Ich bedan-
ke mich/ antwortete ſie/ und werde ihn hernach fragen/ ob du deſſen von ihm befehl habeſt;
abeꝛ dieſen Kuß ſchicket dir Prokulus von Rom uͤbeꝛ. Das Fꝛaͤulein haͤtte ſich deſſen ſchieꝛ
geeifert/ und ſagte: Pfui des ungenehmen garſtigen Kuſſes! nimmer mehr werde ich den-
ſelben an meinen Lippen ſitzen laſſen; faſſete alsbald ein Tuch/ und rieb damit ihren ſchoͤnen
Mund/ gleich als waͤhre er beſchmitzet. Aber Fraͤulein Sibylla ſagte: Nun nun Schwe-
ſter/ wegere dich nicht zu hart; das alte Sprichwort iſt wol ehe wahr worden/ die ſich gra-
men/ die ſich nahmen. O weh! antwortete ſie/ davor wolte ich mir den bittern Tod kieſen.
Und wie kanſtu mir ſo ſchlechten dank erzeigen/ da ich dir deinen beſten Schaz zugewuͤn-
ſchet habe? Ich weiß noch von keinem Schatze/ ſagte ſie/ doch ſo viel ich merke/ muß ich
mein verbrechen wol verbeſſern/ kuͤſſete ſie zum andernmahle viel freundlicher und ſagete:
Dieſen Kuß gibt dir der Durchl. Groß Fuͤrſt Baldrich/ uñ bittet deſſen vergeltung. Nun
faͤhreſtu ja noch etwas beſcheidener/ antwortete Frl. Lukrezie/ und wann ich gleich dieſen
auch abwiſchen wolte/ darff ich doch nicht wegen meines Herr Brudern Groß Fürſt Her-
kules/ welchen ich dadurch erzuͤrnen moͤchte; Alſo trieben dieſe keuſche Fraͤulein ihre ehr-
liebende Kurzweil miteinander/ und wurden eins/ ſich den beyden Fuͤrſten gleich zu kleiden/
als ob es ohngefehr geſchehen waͤhre/ putzeten ſich auch ohn zutuhn ihrer Leibdienerinnen
dermaſſen koͤſtlich aus/ daß der Stathalter ſelbſt und ſein Gemahl deſſen Urſach merketen.
Sie hatten ſich kaum angetahn/ da kam die Groß Fuͤrſtin und Fr. Sophia zu ihnen/ und
brachten eine groſſe menge treflicher Kleinot mit ſich/ welche ſie den beyden Fraͤulein im
nahmen
[295]Sechſtes Buch.
nahmen Herkules und Ladiſla zum Beutpfennige einhaͤndigten/ und wie faſt Sibylla ſich
wegerte/ muſte ſie doch dieſelben annehmen/ weil die Groß Fuͤrſtin ihr ſolche ſelbſt anlegete/
da ſie zu ihr ſagete: Gott gebe/ daß ich meine geliebte Frl. Schweſter bald als eine wirdige
Braut moͤge helffen außkleiden/ worauff an meinem Orte ich wil bedacht ſeyn. Lukrezie
kunte das ſchmuzerlachen nicht einhalten/ und ſagte: Durchl. Groß Fürſtin/ meiner Frl.
Schweſter hat hinte ſchon von einem Braͤutigam getraͤumet. Schweig du Plaudermaz/
antwortete Frl. Sibylla/ ich weiß nicht/ wer dich zu Jeruſalem das Tichten (haͤtte ſchier
was groͤbers geſagt) ſo artig gelehret hat. Es iſt kein Tichten/ ſagte Fr. Sophla dañ mich
duͤnket/ das Eiſen liege ſchon in der Schmide/ welches ihr das Frauenzeichen brennen ſol.
Ach wie gehets allemahl uͤber die froͤmmeſten und einfaͤltigſten/ wann ſich die Spoͤtter rot-
ten/ klagete das Fraͤulein; doch litte ichs alles gerne/ wann nur die Durchl. Groß Fuͤrſtin
daher mich nicht in vergeblichen argwohn zihen moͤchte. Valiſka getranete Sophien/ hoͤ-
rete es doch mit innerlichem unwillen/ dann ſie hatte ihr ſchon einen Braͤutigam im her-
zen außerſehen/ deßwegẽ ſagte ſie: Mir zweiffelt nicht/ meine geliebte Frl. Schweſter wer-
de mit keinem unwirdigen ſich in verloͤbnis einlaſſen/ wiewol hievon zu reden mir nicht
gebuͤhren wil; Frl. Lukrezien betreffend/ bin ich ſchon verſichert/ daß ſie mich umb ſolche
ſachen werde mit wiſſen laſſen/ wann ſie dergleichen vornehmen ſolte. Sibylla wolte ſich
viel entſchuldigen/ aber die Gelegenheit ward ihr benommen/ maſſen Herkules und Ladiſ-
la zu ihnen hinein traten/ da nach geſchehener empfahung Frl. Lukrezie in ihrer Rede fort-
fuhr/ und zu der Groß Fuͤrſtin ſagete: Ich habe meiner geliebten Schweſter/ Frl. Sibyllen
geſtern Abend und heut früh einen gefreiet/ und von ihr ſchon volkommene Zuſage erhal-
ten/ daß ihrer Eltern willen und unwillen ungeachtet/ ſie dieſem Braͤutigam ſich ergeben/
und ſeine Gedaͤchtnis aus ihrem Herzen nimmermehr kommen laſſen wolle/ nachdem ich
ſie deſſen traͤue und ungefaͤrbeter Liebe verſichert habe. So wil ich der erſte ſeyn/ ſagte Her-
kules/ der hierzu von herzen Gluͤk wuͤnſchet. Ladiſla folgete/ und die uͤbrigen Anweſenden/
daher das gute Fraͤulein ſo bald zu keiner Antwort kommen kunte; endlich gegen Frl. Lu-
krezien ſich kehrend/ alſo anfing: Geliebte Schweſter/ warumb erkuͤhneſtu dich/ dieſe Hoch-
Fuͤrſtl. Geſelſchaft mit ungleichem bericht auffzuzihen/ deſſen zu dir ich mich nim̃ermehr
verſehen haͤtte? bitte demnach eure Liebden ingeſamt/ mir zuverzeihen/ daß deren vergebli-
che Gluͤkwuͤnſchung zubeantworten ich vor überfluͤſſig ſchaͤtze; hat aber meine Frl. Schwe-
ſter etwa ein Scherzwort geredet/ muͤſte ſie ja billich verſchwiegen halten. Schweige lie-
bes Kind/ ſagte Frl. Lukrezie/ und verrahte dich ſelber nicht/ ich rede von dem himliſchen
Braͤutigam unſerm Heylande/ zu dem du Gott lob getreten/ und dadurch ein Gliedmaß
der Kirchen Gottes worden biſt; im uͤbrigen weiß ich mich keiner andern Rede zuerin-
neꝛn/ es waͤhre dann ſache/ daß meinen Scherz mit Prokulus du in ernſt verſtehen wolteſt.
Dieſes iſt ohn zweiffel die beſte Heyraht/ fagte Herkules/ und wird dieſer Seelen-Braͤuti-
gam[b] meiner Frl. Schweſter ihren Leiblichen ſchon außerſehen haben. Alſo gab ſich das
Fraͤulei[n] zu frieden/ und wahr ihr leid/ daß ſie ſich ſo weit ſchon bloß gegeben hatte/ welches
dann zuv[er]beſſern ſie zu Lukrezien ſagte: Ob ich gleich deine aufftreiberey mit dem elenden
Prokulus vo[r e]ine kurzweil gehalten habe/ muſte ich mich doch befahren/ andere/ denen
ſolches unwiſſe[n]/ moͤchten es anders außdeuten; weil du aber ſelbſt ihnen allen mißver-
ſtand
[296]Sechſtes Buch.
ſtand benommen haſt/ muß ich dir deinen willen zu gute halten. Fr. Sophia noͤhtigte die
Geſelſchafft mit nach dem Saale zu gehen/ woſelbſt ihre Eltern ſich ſchon eingeſtellet haͤt-
ten/ und ihrer warteten; Als ſie nun auff dem Obergange fortgingen/ begegneten ihnen
Baldrich und Siegward/ welche frenndlich empfangen wurden/ und ſagte Fr. Valiſka
zu ihnen: Geliebte Herrn Oheimbe und Bruͤder/ wann ſie vor einer guten Stunde kom-
men waͤhren/ haͤtten ſie gelegenheit fundẽ/ mit dieſen beydẽ lieben Engelchen allein zuſpra-
chen/ welches nun verabſeumet iſt; dann weil ich zu gegen bin/ wil mein Vorwiz allemahl
mit im Spiele ſeyn. Aber Fuͤrſt Siegward/ wie ſtehets umb enre Wunden? Dieſer ant-
wortete; Seines gluͤckes verſeumnis waͤhre ihm ſehr leid; die im Raͤuberſtreite empfan-
gene Wunde haͤtte ſich in etwas entzuͤndet/ wuͤrde aber des Arztes außſage nach/ bald ge-
heilet ſeyn. Fr. Sophia ſtoͤrete ihr Geſpraͤch/ einwendend/ es würde Zeit gehens ſeyn/ weil
die boßhaften Raͤuber den Lohn ihres verbrechens noch vor der Mahlzeit einnehmen ſol-
ten; hernach wuͤrden die vornehmſten des Rahts auff ihrer Eltern Hofe zur Gaͤſterey er-
ſcheinen; damit wir aber/ ſagte ſie/ nicht ohn ordnung gehen/ wolle der Durchl. Fuͤrſt Bal-
drich meine Frl. Schweſter Lukrezien hinzufuͤhren unbeſchweret ſeyn; gab ſie ihm damit
an die Hand/ welches er mit hohem Dank annam/ und nach gebohtenem Handkuſſe das
Fraͤulein baht/ einen ſo unwirdigen Geleiter nicht zuverſtoſſen; ſie hingegẽ bedankete ſich
der hohen Ehre/ wuͤſte wol/ daß ſie unwirdig waͤhre von Groß Fuͤrſtlichen Herren beglei-
tet zu werden/ und ſie daher ſein erbieten bloß vor eine ſonderliche Gunſt und Gewogen-
heit rechnen muͤſte/ deren erſetzung annoch in ihrem vermoͤgen nicht waͤhre. Ach mein
Fraͤulein antwortete er; Warumb tuht eure Liebe ihrer eigenen Wirdigkeit ſolchen un-
verantwortlichen Schimpf an/ welchen einer anderen Zungen ich nimmer mehr zu gute
halten wuͤrde; ich vor meine wenigkeit moͤchte wuͤnſchen der Ehren uñ Gluͤkſeligkeit wert
zu ſeyn/ daß vor ihrer vortrefligkeit Ritter uñ Diener ich mich halten/ und von ihrer Liebe
davor angenom̃en wuͤrde/ alsdañ wuͤrde unter der beſcheinung ihrer guten Gunſt und ge-
wogenheit ich in Streit-uñ kaͤmpfen deſto mehr beſtand ſeyn/ und mich ruͤhmen koͤnnen/
daß mein bleicher Monde von der treflichſten Sonnen einigen Strahlen zu empfahen
gewuͤrdiget worden/ wie unwirdig ich mich gleich ſolches hohen gluͤckes halten und er-
kennen muß. Das Fraͤulein wahr willens ihm ſolches mit guter Vergnuͤgung zuerſet-
zen/ weil aber Siegward mit Frl. Sibyllen zu ihnen naheten/ ſagte ſie: Mein Durchleuch-
tigſter Fuͤrſt wolle nach ſeiner Gewogenheit mir verzeihen/ daß ſeinem gar zu hohen er-
bieten Antwort zu geben/ ich durch anderer ankunft abgehalten werde; doch gab ſie ihm
ihren guten Willen durch einen ſanfften Handdruk zu verſtehen. Siegward kunte
ſeine Liebesſchmertzen weniger als Baldrich verbergen/ und baht Frau Sophien/ wie ſie
ihm das Fraͤulein an die Hand lieferte/ ſie moͤchte bey dieſem allerliebſten Engelchen durch
ihre volguͤltige Vorbitte ihm das Gluͤk erhalten/ daß ſie ſeiner Seele durch genehme Eꝛ-
klaͤrung die hochgewuͤnſchte Ruhe erteilen wolte; welches ſie mit lachen der Rede brant-
wortete: Ihre Frl. Schweſter waͤhre noch bißher mit allen hochverdienten F[re]unden
dankbarlich uͤmgangen/ und haͤtte ſeine Liebe gar nicht zu zweifeln/ ſie wuͤrde dem Aller-
hoͤchſtverdienetẽ auch den hoͤchſten Dank in allem tugendhafften Wolſta[nd]e mitteilen.
Das Fraͤulein ſelbſt antwortete ihm: Sie befuͤnde ſich dieſer des Fuͤrſt[en] Auflage wegen
hart
[297]Sechſtes Buch.
hart beleidiget/ durch welche er ſie bey ihrer Fr. Schweſter in verdacht bringen wolte/ als
ob ſie ihm zu einiger Unruhe Urſache zu geben/ ſich geluͤſten lieſſe/ welches von ihr ſo ferne/
als der Himmel von der Erden waͤhre/ daher ſie deſſen Erſtattung zu fodern unvergeſſen
ſeyn wuͤrde. Worauff Siegward ſagete: Hochgebornes Fraͤulein/ ich ſuche durchaus
nicht/ mit euer Liebe zu rechten/ dann alsdann muͤſte ich auch in der allerſicherſten Sache
unten liegen/ nur allein geſchiehet alles bitsweiſe/ in dem ich nichts als Mitleiden ſuche/
welches ſie mit ihrem Gefangenen tragen moͤge/ welcher in dem grauſamſten Gefaͤngnis
der Verzweifelung ſich befindend/ auff keine andere Weiſe/ als durch ihre Huͤlffe/ das iſt/
angenehme Erklaͤrung/ kan heraußgezogen werden. Das Gluͤk goͤnnete ihm die Antwort
nicht/ damit ſie vor dißmahl ihn ziemlich zu befriedigen willens wahr/ dañ wegen der an-
deren herzunahung muſte er mit ihr fortgehen/ und Baldrichen folgen. Auff dem Saale
wurden ſie von dem Stathalter freundlich empfangen/ und verwunderte ſich derſelbe der
vielen unbekanten Kleinot/ damit die Fraͤulein außgezieret wahren. Er ſuchte Gelegen-
heit mit Baldrichen zu reden/ und ſagte zu ihm: Eure Liebe verzeihe mir/ daß geſtern duꝛch
uͤberfluͤſſige hohe Gluͤkſeligkeiten verhindert/ nach euer Liebe Eltern und deren Wolerge-
hen zu fragen ich unterlaſſen habe. Baldrich antwortete: Hochmoͤgender Herꝛ Stathal-
ter/ wegen ſolcher freudlichen Nachfrage bedanke ich mich hoͤchlich/ hoffe nicht anders/
meine Eltern werden annoch in guter Geſundheit ſeyn; die ich aber in Jahres friſt und
laͤnger/ weder geſehen noch einige Zeitung von ihnen gehabt/ maſſen von meinem Herꝛn
Vater mit einem Teutſchen Kriegs Heer von 20000 Mann ich meinem Herꝛn Oheim
dem Schwediſchen Koͤnige wider ſeine raͤuberiſche Nachbarn die Reuſſen zu Huͤlffe ge-
ſand bin/ von dannen ich nach gluͤklich geendigtem Kriege/ ohn meiner Eltern Vorwiſſen
mit meinem Oheim und Bruder/ gegenwaͤrtig/ in dieſe Landſchaft mich begeben/ den rit-
terllchen uͤbungen nachzuſetzen/ und meinem geliebten Bruder Herkules in den Morgen-
laͤndern zu folgen/ daß alſo den Gruß von meinen lieben Eltern ich niemand anmelden
koͤnnen. Nach ſolcher Erzaͤhlung trat Fr. Sophia hervor/ und hielt dieſe Rede an ihren
Vater. Hochgeliebter Herꝛ Vater; nach dem geſtriges Tages ich ſchon erzaͤhlet/ mit was
treflicher Kuͤhnheit gegenwaͤrtige tapffere Helden/ die Durchleuchtigſten Fuͤrſten/ Herr
Siegward und Herꝛ Baldrich mich uñ meine Geſpielen aus den Haͤnden ſo vieler Raͤu-
ber loßgeriſſen/ und unſere Entehrung abgewendet/ bitte ich kindlich/ daß ohn laͤngeres
verweilen/ den annoch uͤbrigen Raͤubern ihre Boßheit vergolten werde/ jedoch daß Ap-
pius Leben und Freiheit nach meinem getahnen verſprechen erhalte/ auch mein ungetreueꝛ
Genutius nebeſt dem Koche unter meiner freien Anordnung verbleibe; den uͤbrigen ſech-
ſen aber die Straffe nach Recht wiederfahre. Der Stathalter zeigete an/ es ſolten ihr die
drey nach ihrem Willen geſchenket ſeyn/ wiewol ſie alle/ als Raͤuber/ den Tod verſchuldet;
im uͤbrigen/ damit er nicht aus vaͤterlichem Eifer die maſſe im Urteilen uͤberſchritte/ haͤtte
er die Vornehmſten des Rahts darzu verordnet/ welche ſchon an der Gerichtsſtelle ſaͤſ-
ſen/ und der Miſſethaͤter Gegenwart erwarteten. Es wurden dieſelben alle mit einander
vor die Richter geſtellet/ welche folgende Urtel uͤber ſie ſprachen: Appius/ ob er zwar nach
einhelliger Zeugnis der anderen/ noch keine Boßheit haͤtte verrichten helffen/ muͤſte er
doch von Rechtswegen mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gebracht wer-
p pden/
[298]Sechſtes Buch.
den/ darumb/ daß er ſich in die hoͤchſtverbohtene Raͤuber-Geſelſchaft begeben/ und ſich de-
nen zum Gehorſam verbunden haͤtte; jedoch wuͤrde ihm Krafft von Fr. Sophien getah-
ner Verſprechung/ Leben und Freiheit geſchenket/ ſolte aber zwey Jahr lang auff der neu-
erbaueten Burg Holz hacken/ und die Vorplaͤtze ſauber halten. Der Koch welcher gleich-
wol ſchon eine und andere Untaht begangen/ ſolte mit dem Strange am Galgen getoͤdtet
werden. Der verraͤhteriſche Gutſcher Genutius/ ob er zwar haͤrtere Straffe verdienet
haͤtte/ ſolte als ein Meinaͤidiger zween Finger/ und durchs Schwert den Kopf verlieren/
und ſolches auff Fr. Sophien Begnadigung. Die eilf Koͤpffe der erſchlagenen Raͤuber
ſolten auf Stangen geſtekt; des ertoͤdteten Furius Leichnam ans Kreuz geheftet; die bey-
den im Steit gefangene Raͤuber geraͤdert/ und Fannius ſamt den andern dreyen Gewalt-
taͤhtern/ gegeiſſelt und lebendig gekreuziget werden. Als die Verurteileten hinaus gefuͤh-
ret wurden/ wolte die Fürſtliche Geſelſchaft der Volſtreckung beywohnen/ und ließ Frau
Sophia unterſchiedliche kleine Reit Gutſchen mit zwey Pferden anſpannen/ auff deren
jedweder zween ſitzen ſolten/ und muſten auff ihre Anordnung Siegward Sibyllen/ Bal-
drich aber Lukrezien Geſelſchaft leiſten/ welches ihnen allerſeits angenehme wahr. Auf der
Gerichtsſtat/ ſo bald die Koͤpffe aufgeſtekt/ uñ Furius Leichnam ans Kreuz geheftet wahr/
muſte Appius hervortreten/ welcher durch einen demuͤtigen Fußfal vor die ihm erteilete
Gnade dankete/ und ſich erboht/ die ganze Zeit ſeines Lebens in Fr. Sophien Dienſten als
ein Leibeigener zu verbleiben/ weil ohn das die Armut ihn in die Raͤuber-Hoͤhle getrieben
haͤtte. Der Koch und Genutius/ wurden von einem Richters Mann (dann ſo wahr es an-
geleget) angemahnet/ ob ihnen irgend etwas Gnade begegnen koͤnte/ ſolten ſie es durch ei-
nen Fußfal vor Fr. Sophien/ verſuchen. Da dann der Koch der erſte wahr/ und mit hef-
tigen Traͤhnen umb Lebensfriſtung anhielt/ worauf ſie durch Markus den Richtern an-
ſagen ließ/ was vor Gnade ſie ihm zuerzeigen willens waͤhre; welche ihn wieder vor ſich
treten lieſſen/ und anmeldeten/ es ſolte ihm das Leben geſchenket ſeyn/ muͤſte aber zwoͤlff
Ruhtenſtreiche von dem Buͤttel über den Ruͤcken annehmen/ und darauf Appius als ein
Mitarbeiter zugegeben werdẽ/ die Straffe aber ſolte eꝛ auf eine andere Zeit ausſtehen. Deꝛ
ernſtlich buͤſſende Genutius hatte alle ſeine Gedanken/ Herz und Sinne nach Gott hinge-
richtet/ und hielt bey demſelben umb die aller erſprießlichſte Gnade an/ daß ihm ſeine eh-
mahlige Verleugnung und andere begangene Ubeltahten moͤchten vergeben/ und die Se-
ligkeit mitgeteilet werden/ ſo gar/ daß er nicht acht drauff gab/ als er von dem Richter zum
Fußfall ermahnet ward. Herkules und Valiſka ſahẽ aus ſeinen Geberden/ daß er mit ſol-
chen Gedanken umginge/ und wurden dadurch zum mitleiden bewaͤget. Der Richter er-
innerte ihn zum andern mal/ durch einen Fußfall umb Linderung der Straffe anzuhalten;
worauff er vor Fr. Sophen Wagen niderfiel/ und dieſe Rede vorbrachte: Hochgebohrne
Gnaͤdigſte Frau; die zwo ſchwereſten uͤbeltahten/ ſo unter allen meinen Sünden ich die
ganze Zeit meines Lebens begangen habe/ ſind dieſe/ daß vor drey Jahren ich meinen Gott
und Heyland aus furcht des zeitlichen Todes verleugnet/ und vor vier Tagen Eure Gn. ſo
ſchaͤndlich verrahten/ und in der Raͤuber Haͤnde eingeliefert. Die erſtgedachte iſt ohn zwei-
fel eine urſach geweſen aller nachfolgenden/ weil ich dadurch des Heiligen Geiſtes Ein-
wohnung verſcherzet/ und der Gnade Gottes mich unwirdig gemacht habe. Ich danke
aber
[299]Sechſtes Buch.
aber dem grundguͤtigen Gott/ daß er mich durch dieſe Gefaͤngniß zur Erkaͤntniß gebracht/
und mir ein bußfertiges Herz verliehen/ welches (meinem Heylande ſey Dank geſaget)
ſchon den Troſt empfindet/ dz er meine Bußtraͤhnen anſehen/ und mit dem glaͤubigen Sche-
cher am Kreuz mich wieder zu Gnaden annehmẽ wolle. So ſeyd nun gebehten/ Gn. Frau/
und vergebet mir auch meine Suͤnde/ die ich wider euch begangen/ und einen ſchmaͤhlichen
Tod wol verdienet habe/ wil auch die mir geſprochene Urtel nicht allein gerne und willig uͤ-
ber mich nehmen/ ſondern bedanke mich auch vor die hohe Gnade und der Straffe Linde-
rung unter dieſem Wunſche/ daß der Allerhoͤchſte Gott Eure Gn. und alle die ihrigen hin-
fuͤro vor ſolche und dergleichen gefahr gnaͤdiglich bewahren wolle/ in welche ſie durch mei-
ne Untraͤue gerahten iſt; auch wolle Ihre Gn. neben andern anweſenden Chriſten mich
bey unſerm Heylande helffen verbitten/ daß er meiner armen Seele wolle gnaͤdig ſeyn. La-
diſla/ der bey ſeinem Gemahl in der Gutſche ſaß/ ſagte zu ihm: Du tuhſt ſehr wol/ daß du
uͤber alle deine Suͤnde Reu und Leid traͤgeſt/ und ob du zwar den Tod freylich verſchuldet
haſt/ wil ich doch ſehen/ [...]ob bey meinem Gemahl ich dir noch eine beſſere Gnade erlangen
koͤnne; moͤchte aber auff ſolchen fall wol wiſſen/ weſſen ich mich zu dir nach dieſem zuverſe-
hen haͤtte. Solcher Barmherzigkeit/ Gnaͤdigſter Herr/ bin ich allerdinge unfaͤhig/ antwor-
tete er/ habe mir deren auch nit die geringſte Hofnung gemacht/ und wann meine Gn. Frau
nicht aus ungezwungenem Willen mir das Leben ſchenken kan/ wil ich lieber ſterben als in
ihrer Ungnade leben. Herkules und Valiſka hatten ſich nahe herzu fuͤhren laſſen/ daß ſie
alles Geſpraͤch eigentlich hoͤren kunten; Und weil die Groß Fürſtin ſehr mitleidiger art
wahr/ ging ihr dieſes armen Suͤnders Buſſe ſehr zu herzen/ daher ſie Fr. Sophien zurief:
Meine Fr. Schweſter ſey gebehten/ und ſchenke mir dieſen verurteileten armen Suͤnder.
Er iſt ohndas Euer Liebe eigen/ antwortete ſie; Drumb gehe hin Genutius/ ſagte ſie zu dem
verurteileten/ ich habe dir alle dein Verbrechen von herzen vergeben/ und die zeitliche ſtraf-
fe von dir abgekehret; Sihe aber zu/ daß deine Buſſe keine Heucheley ſey/ und vernim/ was
dieſe Durchl. Groß Fuͤrſtin dir befehlen wird. Dieſer nach geleiſteter traͤhnender Dankſa-
gung und angelobeter Beſſerung/ ging hin/ ſetzete ſich vor Fr. Valiſken auff die Knie/ und
ſagete: Daß Gottes Barmherzigkeit ſich zu mir gewendet habe/ uñ meine Buſſe mit Gna-
den Augen angeſehen/ erkenne unter andern ich daher/ dz ihr/ Durchleuchtigſte Frau/ mich/
einen ſo ſchaͤndlichen Ubeltaͤhter loßzubitten bemuͤhet ſeyd; Ich weiß mich unwirdig ſol-
cher Gnade/ und ſtelle mich in untertaͤhnigſtem Gehorſam dar/ nach Euer Gn. Ausſpruch
zuleben oder zuſterben/ wann ich nur einen gnaͤdigen Gott im Himmel behalten mag. Va-
liſka ließ ihm die Ketten und Bande abnehmen/ und befahl/ daß er biß auf weitern beſcheid/
hinter ihrer Gutſche hergehen ſolte. Als die uͤbrigen ſechs Raͤuber dieſes ſahen/ meyneten
ſie/ die Gnadenordnung wuͤrde nunmehr an ihnen ſeyn/ bezeigeten ſich aber uͤber alle maſſe
ungeduldig/ da ſie des Richters Befehl an den Buͤttel hoͤreten/ daß er die Urtel an ihnen
volſtrecken ſolte; Weil ſie dann alle Hoffnung hiemit verlohren/ fingen ſie an/ die beyden
Fuͤrſten hefftig auszuſchelten/ daß ſie von ihnen zu dieſem ſchmerzhafften Tode behalten
wahren. Die Geiſſelung ward an allen ſechſen zugleich vorgenommen/ und hernach die
Raͤderung an den zween verrichtet/ da ihnen alle Glieder von unten auff zuſtoſſen wurden/
biß ihnen endlich das Genicke getroffen ward. Die Kreuzigung wahr erbaͤrmlich anzuſe-
p p ijhen/
[300]Sechſtes Buch.
hen/ und trieben die Ubeltaͤhter ein ſolches Zetergeſchrey/ daß das Frauenzimmer Augen
und Ohren zuhielten/ und Frl. Sibylla inſonderheit ſo groſſes Mitleiden er[z]eigete/ daß ſie
von ihrer Gutſche ſtieg/ und die Groß Fürſtin untertaͤhnig baht/ die Richter dahin zuver-
moͤgen/ daß ſie durch einen ſchleunigen Tod der hefftigen Pein moͤchten entnommen wer-
den; welches ſie ihr dann nicht verſagen wolte; und ward dem Büttel der Befehl erteilet/
mit einem Speer ihnen das Herz durchzuſtechen. Als das Fraͤulein ſich wieder zu Sieg-
warden auffſetzete/ fing er dieſe Rede zu ihr an: Ach wie wunderlich ſpielet doch das Gluͤk
mit uns Menſchen auff dieſer Unterwelt! dieſen frechen Buben kan ſo hefftige Pein nicht
angeleget werden/ daß durch ihre Ubeltaht ſie nicht viel ein ſchaͤrfferes verdienet haͤtten/ uñ
gleichwol kan deren Leiden das Gemuͤht meiner hochwerten Fraͤulein dermaſſen zuꝛ barm-
herzigkeit bewaͤgen/ daß ſie ihnen den Jammer zukuͤrzen alle zulangende Mittel angewen-
det hat/ da hingegen ein ander/ der nur durch Gedanken und auffrichtige Liebe an ihrer voꝛ-
treffligkeit ſich vergriffen/ dieſelbe zu keinem Mitleiden reizen/ vielweniger einigen gegrün-
deten Troſt erlangen kan/ wie andaͤchtig und herzlich er gleich darumb anſuchet. Mein
Fraͤulein faſſet die Pein und Schmerzen dieſer gottloſen Raͤuber ſo hefftig zu Gemuͤht/
welche doch ertraͤglicher als die meinen ſind; dann ihr Leiden wird in kurzer Zeit durch den
Tod geendet/ da hingegen der erſchrekliche Peiniger meine Seele dergeſtalt ohn unterlaß
geiſſelt/ raͤdert und kreuziget/ daß ſie kein Augenblik Ruhe nehmẽ kan/ ſo lange mein hoͤchſt-
geliebtes Fraͤulein die Barmherzigkeit mir verſaget. Das Fraͤulein wuſte ihm hierauf nit
ſo ſchleunig zuantworten/ ſondern ſchwieg ein wenig ſtille/ deswegen eꝛ alſo fortfuhr: O ich
ungluͤkſeliger/ der ich weder Erlaſſung noch Urtel/ weder Gnade noch Straffe/ ja weder Zu-
ſage noch Abdankung erhalten kan! Erkuͤhnet euch doch/ mein Fraͤulein/ durch Brechung
des Stabes/ das iſt/ durch ausdruͤkliche Verwegerung eurer Liebe und Gunſt/ mir meines
Lebens Ende anzudeuten/ wann ja wegen meiner gar zu verwerflichen Unvolkommenhei-
ten deren Hulde und Begünſtigung ich zu unwirdig bin; Ich wil die Urtel meiner gar zu
kuͤhnen Liebe beſtaͤndig anhoͤren/ und deren Volſtreckung auch mit dieſer meiner Hand zu
verrichten nicht unwillig ſeyn/ umb zubezeugen/ daß wann ich lebendig nicht gehorſamen
kan/ ich dannoch durch Leiſtung ihres begehrens andeuten wil/ und ein unfehlbahres Zeug-
niß hinter mir verlaſſen/ daß mein Herz und Seele ſich ihrem Befehl allerdinge unterworf-
fen habe. Dieſe Rede brachte der Fuͤrſt aus halb verzweifeltem Herzen vor/ weil ihm dieſe
Nacht unterſchiedliche Einbildungen vorkommen wahren/ er wuͤrde von dem Fraͤulein
und ihren Anverwanten mit guten Worten hingehalten/ und am Ende ſchimpflich abge-
wieſen werden/ welches ihm ſo ſteiff im Sinne lag/ daß er der Fraͤulein ſtilleſchweigen vor
eine Ungunſt/ ihre Reden vor eine Auftreiberey/ und ihre Freundligkeit vor eine Falſcheit
ausdeutete; Weil er dann ſeinen Begierden nicht mehr zugebieten wuſte/ ließ er ſich vor
dißmahl mit ſolcher Heftigkeit heraus/ daß nach geendeter Rede er in Ohmacht fiel/ mit ſei-
nem Haͤupte in ihre Schos niderſank/ und die Leidenstraͤhnen ihm aus den Augen hervor
brachen; deſſen das Fraͤulein/ weil es ihr ganz unvermuhtlich kam/ zum hoͤchſten erſchrak/
und ſeine inbruͤnſtige Liebe daher gnug abnehmen kunte/ wuſte auch nicht/ wie ſie ſich hier-
in verhalten ſolte; doch ruͤttelte ſie ihn ſo viel/ daß er als aus einem tieffen Schlaffe auff-
fuhr/ und mit ſchweren ſeuffzen ſagete: O einzige Urſach meines Todes/ warumb goͤnnet
ſie
[301]Sechſtes Buch.
ſie ihrem ergebenen Knechte vor alle ſeine Neigungen/ und da ichs ſagen darff/ vor alle
ſeine Dienſte nicht ſo viel Gnade/ daß weil er ja ſterben muß/ er unter ihren Haͤnden ſterben
moͤge; gebet nit zu/ mein Fraͤulein/ dz ich euch ſo barmherzig ſpuͤre/ weil einer groͤſſerẽ Ver-
gnuͤgung ich nicht wirdig bin. Nam hiemit ihre Hand/ und kuͤſſete dieſelbe ohn auffhoͤren;
daher ſie ſich des ſchreckens in etwas erhohlete/ und ihm dieſe Antwort gab: Durchleuch-
tigſter Fuͤrſt und Retter meiner Ehren; warumb leget Eure Liebe mir ein ſolches zu/ das
mir nimmermehr zu Sinne kommen wird? oder was urſach hat dieſelbe/ mich einer Haͤr-
tigkeit zubeſchuldigen/ die ganz ferne von mir iſt? der Almaͤchtige Gott gibt meinem Gewiſ-
ſen Zeugniß/ daß ich mich nicht erinnern kan/ Eure Liebe mit einem Worte oder Gedanken
beleidiget zuhaben/ ſondern vielmehr/ wie ich mich ſchuldig weiß/ alſo auch willens bin/ die-
ſelbe nach aller ehrenbillicher Moͤgligkeit zuvergnuͤgen; dann ſolte ich die hohe Woltaht
nicht erkennen/ welche mein hochwerter Fuͤrſt in Rettung meiner Ehre und Lebens erzei-
get hat/ ſo waͤhre ich des Lebens unwirdig. Ich bitte aber von grund meiner Seele/ ſo hart
und hefftig in mich nicht zudringen/ noch mir zuverargen/ daß ſeinen Begierden ich mich
nicht gleich ſtellen kan; dann wuͤrde Eure Liebe nicht dermahleins mirs zu einer Leichtſin-
nigkeit auslegen/ wann in ſo wichtigen Sachen ich unbedachtſam verfahren wolte? Es
muß ja ein züchtiges Fraͤulein billich ihrer lieben Eltern und Anverwanten Raht und be-
willigung zuvor einhohlen/ ehe ſie ihre Erklaͤrung von ſich giebet/ dz ich mich auch befuͤrch-
te/ ſchon uͤber Jungfraͤuliche gebuͤhr gehandelt zuhaben/ indem ich mich bereit ſo viel ver-
nehmen laſſen/ daß an meinem guten Willen zuzweifeln/ er nicht die allergeringſte Urſach
hat. Aber wer weiß/ Durchl. Fuͤrſt/ ob nicht etwas an mir haffte/ welches da Eure Liebe es
erfuͤhre/ dieſelbe wol alle Neigung und Liebe von mir abwenden moͤchte/ und zu deren Nach-
richt und beſten ich nicht laͤnger verhehlen wil/ daß ich nehmlich eben des Chriſtlichẽ Glau-
bens bin/ umb des willen der teure Groß Fuͤrſt Herkules von ſeinem Herꝛn Vater und Va-
terlande gehaſſet wird; dieſen aber abzulegen/ ſol kein Ding in der Welt mich bewaͤgen/
auch meine eigene Eltern nicht/ ſondern wolte mich viel lieber/ wie dieſen Raͤubern geſchi-
het/ geiſſeln/ raͤdern und kreuzigen laſſen/ angeſehen/ dieſe Leibespein in wenig Stunden ih-
re Endſchafft gewinnet/ die Verleugnung der Warheit aber/ die unablaͤſſige ewige Hellen-
quahl gebieret/ deren keine Weltangſt zuvergleichen iſt; mag demnach Eure Liebe wol be-
denken/ was ſie bey mir ſuchet; dann gleich wie er das Chriſtentuhm vielleicht haſſet/ ſo ha-
be ich hingegen meinem Gott angelobet/ entweder in meinem Jungfraͤulichen Stande zu
ſterben/ oder nur einen Chriſten zuheyrahten. Siegward hoͤrete dieſe Rede an/ nit anders/
als ob ihm waͤhre ein Schwert durchs Herz geſtoſſen; dann nachdem Herkules den Chriſt-
lichen Glauben angenommen/ hatten die Pfaffen in Teutſchland/ Schweden und Boͤh-
men denſelben ſo gar ſcheußlich abgemahlet und beſchrieben/ daß jederman ihn vor einen
Greuel und abſcheuh hielt/ welches inſonder heit dieſen beyden Fuͤrſten feſt eingebildet war/
daher Siegward dem Fraͤulein dieſe Antwort gab: O ihr Goͤtter/ warumb gebet ihr zu/ dz
die vortreflichſten Blumen der Welt in ſolche Unvernunfft gerahten koͤnnen? Und ihr
zuͤchtiges keuſches Fraͤulein/ wie hat Eure Liebe doch in einen ſo boshafften Glauben ge-
hehlen moͤgen/ welcher nicht allein die alten Goͤtter alle uͤbernhauffen ſchaͤndet/ ſondern ein
abgeſagter Feind aller Ehr und Tugend ſeyn ſol; daß man auch/ wo man ſolche Leute an-
p p iijtrifft/
[302]Sechſtes Buch.
trifft/ mit allerley Straffen hinter ihnen her iſt/ auff daß ſo ein verfluchtes Unweſen gaͤnz-
lich moͤge abgetahn/ und aus der Welt geraͤumet werden/ weil die Goͤtter ſelbſt hiedurch ſo
hoch beleidiget werden/ daß ſie die Welt umb ſolcher Boßheit willen/ mit Verwuͤſtung/
Auffruhr/ Peſtilenz/ ſchaͤdlichem Ungewitter/ und anderen Landſtraffen heimſuchen und
uͤberſchwemmen. Sibylla/ ungeachtet ſie kaum vor zween Tagen zum Chriſtentuhm ge-
treten wahr/ hatte ſie doch deſſen eine zeit her gute Unterrichtung von ihrer Waſen einge-
nommen/ hoͤrete deswegen dieſen Einwurff mit geduldigen Ohren an/ und antwortete mit
einem ſanfften Gelaͤchter: Wie nun dann/ Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ haͤlt Eure Liebe die
unvergleichlichen Welt Muſter/ Herren Ladiſla und Herkules/ ja auch die in allen Tugen-
den volkommenſte Fuͤrſtin dieſer Welt/ Groß Fuͤrſtin Valiſken/ ſamt meinen Waſen Fr.
Sophien und Frl. Lukrezien vor ſolche nichtige und ſchaͤndliche Leute/ und ehret nicht de-
ſtoweniger dieſelben aͤuſſerlich ſo hoch? ſo kan ich ja daher nicht anders ſchlieſſen/ als daß
Eure Liebe durchaus kein Freundesherz zu ihnen traͤget/ ſondern ſie inniglich haſſen muß/
weil mein Fuͤrſt keine boßhaffte Feinde der Tugend und Erbarkeit lieben kan. Siegward
beſtuͤrzete hieruͤber/ und ſagete: Wie ſo? haben dann die jeztgenennete denſelben Glau-
ben auch angenommen? Ja freilich/ antwortete ſie; und zwar eifern ſie uͤber dieſer Er-
kaͤntniß der Himliſchen Warheit ja ſo hefftig/ als Fuͤrſt Herkules ſelbſt; aber dieſes al-
les beyſeit geſetzet; Haͤlt dann Eure Liebe den frommen Tugendergebenen Fuͤrſten Herrn
Herkules vor einen Ehr- und Tugendloſen/ ſo entaͤuſſere die ſich ſeiner Freundſchafft/
und uͤberweiſe ihn ſolcher Laſter/ alsdann wil ich ſeiner auch muͤſſig gehen; kan aber eure
Liebe ſolches nicht leiſten/ wie ſie es in Ewigkeit nicht leiſten wird/ und gleichwol den unbil-
lichen argwohn nicht ablegen/ ſonder der Meynung bleiben wil/ daß der Chriſten Nahme
dieſer beſchuldigung unterworffen ſey/ ſo wende ſie ja zugleich alle bißher vorgegebene nei-
gungen von mir abe/ und beſchmitze ſich nicht mit einer ſolchen vermeineten laſterhaften/
umb deretwillen ſeine vermeineten (aber O der elenden!) Goͤtter ſein kuͤnftiges Erb Reich
mit verwüſtung/ Auffruhr/ Peſtilenz und dergleichen Straffen heimſuchen moͤchten; ich
werde trauen ſo wenig zugeben/ daß man mich vor ſolchen Fluch außtrage/ als wenig ich
denſelben lieben kan/ der mich ohn beweißtuhm/ der Schande und Laſter zeihen darff. Hie
wahr Siegward mit einem zweyſchneidigen Schwert geſchlagen; er durffte ſeine beſchul-
digung nicht rechtfertigen/ uñ gleichwol wahrẽ die Worte aus goͤtzeneiferiger unbedacht-
ſamkeit geredet/ bemuͤhete ſich deßwegen/ ſeinen fehler zuverbeſſern/ in dem er vorgab/ er
wolte dieſes nicht von allen Chriſten insgemein/ ſondern nur von den vornehmſten und
verfuͤhrern verſtanden haben/ welche die einfaͤltigen und unwiſſenden zu ſolcher neuerung
antrieben/ und dem gemeinen vorgeben nach/ durch Zaͤuberey ihr Gemuͤht blendeten/ wel-
che dañ ohn zweiſel ihre boßheit artig wuͤrden zuverbergen wiſſen/ daß ſie von den wenig-
ſten kaum erkennet wuͤrde/ mit denen ſie ihre Schande und Boßheit begingen; in dieſer
meinung waͤhre er allemahl ſteiff geweſen/ was gleich ſeine Pfaffen ihm von allen Chri-
ſten durch die Bank hin vorſchwaͤtzeten. Aber ſie antwortete ihm: O nein Durchl. Fuͤrſt/
ſo leicht entwiſchet man hier nicht; dann laſt ſeyn/ daß er die ein faͤltigen außnehme/ uñ die
Gelehrten/ welche er verfuͤhrer nennet/ allein wolle verſtanden haben/ wird doch ſolches
ſeinen Markt nich verbeſſern/ maſſen Groß Fuͤrſt Herkules ein außbuͤndig gelehrter Chriſt/
und
[303]Sechſtes Buch.
uñ unſer aller bekehrung naͤhſt Gott die einige Urſach iſt. So glaͤube eure Liebe nur kuͤhn-
lich daß nichts uͤberal ſo heimlich in den Chriſtlichen verſamlungen vorgehet/ da bey Koͤ-
nig Ladiſla/ Groß Fuͤrſt Herkules und ſein Gemahl Fr. Valiſka ſich nicht haͤtten finden
laſſen/ weil wegen empfangener Tauffe ihnen ſolches alles frey gegoͤnnet iſt. Bleibet alſo
nach wie vor/ daß eure Liebe/ als lange ſie ihre beſchuldigung handhabet/ auffs wenigſte
dieſe Hochgedachte drey Fuͤrſten ver Feinde der Tugend haltẽ muß; wiewol ich die ſchuld
dieſer unverantwortlichen bezichtigung nit auff euer Liebe/ ſondern vielmehr auff die gott-
loſen Pfaffen lege/ als welche den unſchuldigen Chriſten ſolche Laſter auffbuͤrden/ deren ſie
nicht allein muͤſſig gehen/ ſondern ihnen auch von herzen/ wie dem Teuffel ſelbſt abhold
ſind. Ich werde mir aber vorbehalten/ daß eure Liebe mich mit unter die Zahl der Ehrloſen
rechnet/ und deſſen ſehr ſchweren abtrag fodern; uͤberdaß ſchicke die ſich nuꝛ gar wol dꝛauf/
was vor vergnuͤgung der Groß Fuͤrſtin wegen dieſer allerdinge unleidlichen beſchuldi-
gung koͤnne geleiſtet werden. Davor behuͤte mich der Himmel/ und der hoͤchſte GOtt/ der
drinnen herſchet/ gab Siegward mit einem demuͤhtigen Handkuſſe zur antwort/ daß ſol-
che und dergleichen volkommene Spiegel aller Ehr und Tugend ich vor feinde und fein-
din derſelben ſchelten oder halten ſolte/ ehe muͤſten alle meine Pſaffen geſchaͤndet und ver-
fluchet ſeyn/ wil mich auch nicht wegern/ dem Chriſtlichen Glauben beyfall zu geben/ wañ
mir nur kan dargetahn werden/ daß alle Chriſten insgemein der Tugend ergeben ſind und
den Laſtern zu wieder. Eure Liebe ſodern gar zu viel/ ſagte das Fraͤulein/ maſſen ja unter
Juden/ Heyden und Chriſten ſich Laſterhafte und Tugendergebene finden; aber dieſes wil
ich gar leicht darſtellen/ das unſer Chriſtentuhm durchaus keine Boßheit billichet/ ſondeꝛn
von uns erfodert/ daß wir I den wahren Gott uͤber alle dinge ehren/ fuͤrchten und lieben/ II
dem Naͤheſten getraͤulich beiſtehen/ ihn herzlich meinen/ und ihm nach vermoͤgen helſſen.
III Und endlich uns vor allen Sünden/ als da ſind/ Geiz/ Hoffart/ Unzucht/ Haß/ Neid/
Mord/ Voͤllerey/ Raub/ Dieberey/ Verleumdung/ Ungerechtigkeit/ Betrug/ Lügen/ und
dergleichen huͤten/ hingegen aber aller Tugend/ Erbarkeit/ Demuht/ Geduld/ Genuͤglig-
keit und Heiligkeit in gedanken/ worten und werken uns die ganze Zeit unſers Lebens be-
fleiſſigen ſollen. Sehet Durchl. Fürſt/ diß iſt die Lehre/ welche eure Liebe vor ſo abſchenh-
lich haͤlt/ aber wie ich davor achte/ aus bloſſer unwiſſenheit/ und verleitung eurer boßhaff-
ten Pfaffen/ die unſers Glaubens gar keine Erkaͤntnis haben/ und dieſe Luͤgen von uns
tichten/ deren uns bißher kein Menſch hat uͤberzeugen koͤnnen/ wil auch euer Liebe mein
Leib und Seele zum Pfande ſetzen/ daß nichts unbilliges in unſer Lehre verfaſſet iſt/ als
wie ich kuͤrzlich eingefuͤhret habe. Siegward ſahe ſie an/ verwunderte ſich ihrer eiſervoͤlli-
gen worte/ baht hoͤchlich umb verzeihung ſeiner durch unverſtand außgeſtoſſenen Reden/
verfluchte der Heidniſchen Pfaffen Boßheit/ daß ſie ſo ſchaͤndliche Luͤgen auff die Beine
ſetzen/ uñ redliche Leute ohn allen Grund verleumden duͤrfften/ uñ erklaͤrete ſich endlich/ in
dieſem Stuͤk/ das Chriſtentuhm betreffend/ dergeſtalt ſich finden zu laſſen/ daß ſie deßwegẽ
ſich uͤber ihn nicht ſolte zubeſchweren haben; beſtuͤnde dann der Chriſtliche Glaube in ob-
gedachter Lehre/ wie er ſolches ihrer Liebe zutrauete/ ſo lehrete ihn ja die Vernunfft ſelbſt/
daß ſolches alles gut und heilig waͤhre/ und haͤtte er bißher der erkaͤntnis des wahren Got-
tes gemangelt/ wolte er ſich gerne unterrichten laſſen/ und der ewigen Seligkeit nachzu-
ſtreben
[304]Sechſtes Buch.
ſtreben gefliſſen ſeyn. Uber welches erbieten ſie ſich hoͤchlich erfreuete/ und daher gewiſſe
muhtmaſſung nam/ Gott wuͤrde ihre Ehe verſehen haben. Er aber fuhr fort/ und baht in-
ſtaͤndig/ ihm durch klare Antwort ſein Leyden zu ringern/ oder wo moͤglich gar auffzuhe-
ben. Worauff ſie zu ihm ſagete: Es iſt mir von herzen angenehm/ daß eure Liebe ſich zu
unſerm Chriſtentuhm zubegeben erboͤtig iſt/ woruͤber Groß Fuͤrſt Herkules neben andern
ſich zum hoͤchſten erfreuen wird; anlangend die ehrliebende Anwerbung/ und daß eure Lie-
be mich vor ihr kuͤnftiges Gemahl wirdiget/ bedanke ich mich demuͤhtig/ werde es auch
nach moͤgligkeit zuerkennen gefliſſen ſeyn; voͤllige Erklaͤrung aber darauff zu geben/ ſtreit-
tet wieder Jungfraͤuliche Zucht und wieder mein Chriſtentuhm/ welches mich heiſſet
Vater und Mutter ehren/ und alle die an deren ſtat mir von Gott geſetzet ſind; daher muß
ich zuvor derſelben bewilligung einhohlen/ ehe und bevor eure Liebe ich mit voͤlliger Mun-
des erklaͤrung vergnuͤge; hat dann Gott eure Liebe mir verſehen/ wil ich mich derſelben
nicht wiederſetzen/ und wird mein Durchl. Fuͤrſt mit dieſer Antwort wol koͤnnen friedlich
ſeyn/ angeſehen ich mich ſchon weiter heraus gelaſſen/ als Jungfraͤuliche Zucht leiden kan.
Siegward nach Art aller verliebeten/ hielt dieſe Rede noch auff Schrauben geſetzet ſeyn/
dann ſeine Nacht einfaͤlle wolten ihm nicht aus dem Kopffe/ wolte deßwegen alle hindernis
aus dem Wege raͤumen/ und antwortete ihr. Ach wie furchtſam iſt doch des Menſchen
Herz bey der Hoffnung deſſen/ daß er ſo hoch begehret/ und doch wegen der Vortrefligkeit
eines ſo koͤſtlichen Schatzes in ſtetem zweifel ſtehen muß; welcher auch vor dißmahl mich
ereibet/ von meinem Fraͤulein inſtendig zu bitten/ mir nur in ſo weit ſicherheit zu geben/ daß
wegen meines Anſuchens und deſſen erlangung/ ſie bey ihren Eltern und Anverwanten
mir nicht wolle hinderlich ſeyn/ noch nach deren bewilligung fernere auffſchiebung ein-
ſtraͤuen; ja wo moͤglich/ mich ihres beſtendigen willens zuverſichern. Das Fraͤulein ſagte
hierauff mit einem freundlichen Lachen; Bey meiner traͤue/ eure Liebe haͤtte einen guten
und vorſichtigen Baumeiſter geben/ nachdem ſie weder zimmern noch richten wollen/ biß
der unbewaͤgliche feſte Grund geleget ſey; ich weiß aber nicht ob einer jungen Tochter die-
ſes zubeantworten anſtehe/ es waͤhre dann/ daß ich betrachten muͤſte/ wie weit eure Liebe
den Koͤniglichen Stand uͤberſchritten/ und meinetwegen ſich als einen Sklaven der nichti-
gen Raͤuber gehalten/ wodurch ſie mich ihr dermaſſen verpflichtet/ daß ich vielleicht mehr
meiner ſchuldigkeit als Jungfraͤulicher Scham nachſetzen muß; in anſehung deſſen wil
ich nun euer Liebe mich in ſo weit verſprechen/ dafern dieſelbe meiner Eltern Willen erhal-
ten wird/ welches ſie durch meine Fr. Schweſter Fr. Sophien am fuͤglichſten ſuchen kan;
jedoch mit vorbehalt meines Geluͤb des/ daß ſie zuvor ihr Heydentuhm ablegen/ und zu der
Chriſtlichen Kirchen ſich begeben wolle/ ehe und bevor die verheirahtung vor ſich gehet.
Solten aber uͤber vermuhten meine Eltern nicht einwilligen koͤnnen/ muß dieſes alles un-
geredet ſeyn; und da mein Fuͤrſt weiter in mich dringen wolte/ wuͤrde er meine neigung
gar von ſich wenden; dann ich kan und wil nicht vorſezlich wieder meines Gottes Befehl
handeln. Der Fuͤrſt nam bloß nur die Worte der verſprechung in acht/ wuſte nicht/ mit
was aͤuſſerlichen Geberden er ſeine vergnuͤgung ſolte ſehen laſſen; er kuͤſſete ihr die Haͤn-
de/ umbfing ſie nachgehends ehrerbietig/ und redete ſie alſo an: Dieſen Tag/ Hochgebohr
nes herzallerliebſtes Fraͤulein/ wil ich zum anfange aller meiner kuͤnftigen Gluͤkſeligkeiten
ſetzen/
[305]Sechſtes Buch.
ſegẽ/ als an welchem von Euer Liebe mir die allerhoͤchſte Woltaht begegnet/ die meine Zun-
ge auszureden nicht beſtand iſt/ ſintemahl mein Fraͤulein zugleich und auff einmahl mei-
ner Seelen ewige Wolfahrt ſuchet/ und der Liebe die vergnuͤgliche Folge zuleiſten mir veꝛ-
ſpricht. So wil ich nun von dieſer Stunde an/ unter der Begierde des Chriſtentuhms
mich vor Euer Liebe verſprochenen Braͤutigam halten/ und zugleich mich verpflichten/
daß weil meine Seele in mir wallet/ ich meiner vertraueten alle moͤgliche Ehre und Liebe
zuerzeigen/ und nach keinem andern Weibesbilde/ ihr zubegehren/ mich umſehen wil; ſtec-
kete ihr hiemit ein koͤſtliches Ringelein an den Finger/ und ſagte: So vermaͤhle nun mei-
nem herzgeliebten Fraͤulein ich mich in dieſer Stunde/ als ein des Chriſtentuhms begie-
riger/ biß an ihrer lieben Eltern voͤllige Bewilligung. O nein/ Durchl. Fuͤrſt/ antwortete
das Fraͤulein/ dieſe Meynung hat es nicht/ und nimt Eure Liebe mein verſprechen gar zu
raum auf/ kan demnach/ eine ſolche Vermaͤhlung einzugehen/ mich nicht erklaͤren/ es waͤh-
re dann/ daß Eure Liebe nicht eine eheliche/ ſondern bruͤderliche verſtehen wolte/ zu welcher/
angeſehen ihres hohen Verdienſtes/ ich mich gerne wil finden laſſen/ und dieſelbe Schwe-
ſter-getraͤulich halten/ biß meine Eltern mir eine naͤhere gebieten werden; auff dieſe weiſe/
uñ nicht anders nehme ich dieſen Ring von Euer Liebe an. Und ich/ Hochgebohrnes Fraͤu-
lein/ ſagte er/ laſſe an dieſem erbieten biß dahin mich herzlich genuͤgẽ/ da dañ meine hoͤchſt-
geliebte Frl. Schweſter mir goͤnnen wird/ ihr den bruͤderlichen Kuß zuerteilen; deſſen ſie
ſich zwar mit Worten und Haͤnden erwehrete/ aber doch zulaſſen muſte/ weil auf der Gut-
ſche die Gelegenheit nicht wahr/ ſich aͤuſſerſt zuſtraͤuben; und ob er gleich wegen ſolcher
Kuͤhnheit einen ſcharffen Verweiß hoͤren muſte/ kunte er doch ſeine Entſchuldigung ſo
wol anbringen/ und der guten Gelegenheit wahr nehmen/ daß er ſolche Gunſt/ ehe ſie von
der Gutſche ſtiegen/ noch mannichmahl erhielt/ und das unbetrogene Fraͤulein deſſen zim-
lich gewohnet ward/ ſo daß auch auff ſein bitliches anhalten ſie ihm ein Ringelein zur Be-
kraͤfftigung gemachter Freundſchafft folgen ließ/ wiewol mit dem bedinge/ daß noch zur
Zeit er ſolches keinen Menſchen ſolte ſehen laſſen/ damit ihr verſprechen nicht offenbahr
wuͤrde. Nun wuſte aber das Fraͤulein ſchon zuvor/ daß ihren Eltern dieſe Heyraht nicht
unangenehm ſeyn wuͤrde/ wie ſie deſſen von Fr. Sophien verſichert/ auch hoͤchlich gebeh-
ten und vermahnet wahr/ dem Fuͤrſten auff ſein ernſtliches anſuchen behaͤgliche Antwort
zuerteilen/ ſonſten wuͤrde ſie ſich deſſen nimmermehr unterſtanden haben. Der gute
Baldrich/ ob er gleich nicht weniger als Siegward ſich verliebet befand/ wahr doch nicht
ſo kuͤhn und zutaͤppiſch/ daher ihm gleiche Vergnügung nicht wiederfahren kunte; jedoch
befand er ſich ſehr wol bey ſeinem geliebten Fraͤulein in der zugemachten Gutſche/ aber die
Ehrerbietung/ welche er ihr trug/ wahr groͤſſer/ als daß er ſich haͤtte erkuͤhnen duͤrffen/ ihr
ſein Leiden recht vorzulegen; und durch ſolche Zucht erhielt er gleichwol mehr Gunſt bey
ihr/ als wann er gar zu harten Sturm auf dieſes Schloß gewaget haͤtte/ weil ihr Siñ al-
ſo beſchaffen wahr/ daß/ wohin ſie von ihr ſelbſt ſich nicht lenkete/ ſie weder durch Zwang
noch liebkoſen kunte gezogen werden. Ihr Geſpraͤch wahr mannicherley; dann ſie fragete
bald nach Herkules/ bald nach Ladiſlaen Verhaltung in ihrer Jugend; welches alles er
mit kurzer Antwort erſetzete/ weil er alle Gelegenheit ſuchete/ ihr ſeine Liebe zuentdecken/
worzu er gute Anleitung bekam/ da ſie den Vorhang an der Gutſche zumachte/ weil vor
q qder
[306]Sechſtes Buch.
der abſcheuhlichen Kreuzigung ſie ſich entſetzete; daher er ſo viel Kuͤhnheit nam/ daß er
anfangs ihre zarte Haͤndichen ergriff/ und ſie bald hernach zu unterſchiedlichen mahlen
kuͤſſete/ ruͤhmete hernach deren Volkommenheit/ und nach etlichen tief ausgelaſſenen ſeuf-
zen/ wiederhohlete er ſeine heut f[r]uͤh angelegte Bitte/ daß er vor ihren Ritter moͤchte ange-
nommen werdẽ; welches ſie nur vor einen Scherz ausdeutete/ einwendend/ die ſo der Rit-
terſchafft nachzoͤgen/ ſuchten faſt allenthalben dergleichen Teidung; deſſen ſie an einem
Roͤmiſchen Ritter/ nahmens M. Anizius einen unbetrieglichen Spiegel haͤtte/ und einen
ſolchen falſchen Hund darſtellen koͤnte/ der inwendig halben Jahꝛesfriſt/ 63 Roͤmiſchen aͤd-
len Jungfern und hochaͤdlen Fraͤulein ſich zum Ritter verpflichtet/ ſo daß er einer jeden
teur verſprochen/ auſſer ihr keiner andern aufzuwarten/ woduꝛch ihrer 18 verleitet/ auf ſein
ſtraͤnges anhalten ihm eheliche Liebe verſprochen/ und deren 6 gar von ihm zu unfall ge-
bracht waͤhren. Sehet Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ ſagte ſie/ dieſer traͤuloſe Bube/ der es end-
lich gar mit einem Schelmen verlauffen muͤſſen/ hat dannoch durch ſeine Bosheit ſo viel
gutes geſtifftet/ daß wir jungen einfaͤltigen Fraͤulein uns fein lernen vorſehen/ und nicht
einer jeden ſuͤſſen Pfeiffe gehoͤr geben. Zwar Eure Liebe ſehe ich nicht vor einen ſolchen an/
dann wie koͤnte der allergetraͤueſte Liebhaber Groß Fuͤrſt Herkules einen ſo ungleichen be-
trieglichen Bruder haben? aber obgedachtes Roͤmiſche Frauenzimmer haben den Boͤ-
ſewicht Anizius auch nicht vor einen ſolchen gehalten/ und daruͤber ihre Leichtglaͤubigkeit
gar zu ſpaͤt bereuen und beweinẽ muͤſſen. Der Erz Schelm hat ver dienet/ ſagte Baldrich/
daß ein jeder redlicher Ritter Rache an ihm uͤben ſolte/ weil durch ſolche Buͤberey der
loͤblichen Ritterſchaffter dieſen Schandflek angehaͤnget/ daß eines auffrichtigen ritterli-
chen Herzen ſtandhaffte Traͤue in zweifel muß gezogen werden; ich vor mein Haupt gelo-
be hiemit an/ wann ich wuͤſte/ an was Ort und Ende er ſich auf hielte/ ich nicht ruhen wol-
te/ biß er durch Büttels Hand die verdiente Straffe empfangen haͤtte/ und wanns moͤg-
lich waͤhre/ 63 mahl gekreuziget wuͤrde; verſichere auch Eure Liebe beſtaͤndig/ daß wann
ein ſolcher Bube in meinem Vaterlande ſich wuͤrde finden laſſen/ der nur einer einigẽ Her-
ren-Standes-Fraͤulein ſolche Untraͤue beweiſen duͤrffte/ muͤſte er allenthalben durchaͤch-
tet/ und da er nicht zufin den waͤhre/ als ein verlauffener Schelm an den Galgen geſchlagẽ
werden; baht hierauff inſtaͤndig/ ihre Vortrefligkeit moͤchte doch dergleichen Argwohn
von ihm nicht faſſen/ nachdem er lieber ungebohren/ als ſeinem Herr Bruder ſo ungleich
ſeyn wolte; faſſete endlich ihre Haͤnde/ kuͤſſete ſie abermahl inbruͤnſtig/ und ſagete: Ihr
Goͤtter/ die ihr den Ritterſtand zur Beſchuͤtzung weibliches Geſchlechts ohn zweifel in-
ſonderheit eingeſezt habet/ ſtraffet ja bitte ich alle dieſelben/ welche ein ehrliebendes Fraͤu-
lein oder ander Weibesbild zubetriegen die Gedanken faſſen duͤrffen/ abſonderlich aber ſu-
chet mich mit eurem Donnerſtrahl heim/ wann ich jemahl einem andern Fraͤulein mich
vor ihrem Ritter anbiete/ als dieſer Hochgebornen Fraͤulein Lukrezien Pompejen. Be-
huͤte Gott/ Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ antwortete ſie/ warum verwuͤnſchet er ſich dergeſtalt?
Mein Gott und Schoͤpffer weiß/ daß mir ſolches von herzen zuwider iſt; nicht daß Eure
Liebe ich zu ſolchem Freunde ausſchlagen wolte/ deſſen Wirdigkeit ich ja nicht eins gleich
legen kan/ ſondern derſelben anderwerz viel hoͤhere Gluͤkſeligkeiten zubefodern/ wil ich
meinen Gott bitten/ daß er Euer Liebe jeztgefuͤhrete Reden/ als ungeſprochen rechnen und
vorbey
[307]Sechſtes Buch.
vorbey gehen laſſen wolle. Er hingegen brachte vor: Was ein bedachtſames Gemuͤt aus
ſteiffem Vorſaz redete/ koͤnte den Goͤttern nicht verborgen bleiben; waͤhre auch nicht wil-
lens/ dieſes Geluͤbde Zeit ſeines Lebens zuwiderruffen; haͤtte er aber ihre Vortrefligkeit
dadurch beleidiget/ baͤhte er ganz demuͤhtig um Verzeihung. Der anderen von ihr gedach-
ten Gluͤkſeligkeiten wolte er ſich herzlich gerne begeben/ wann er nur der jeztgewuͤnſcheten
koͤnte faͤhig ſeyn; woran ihm ohn zweifel nichts als ſeine gar zu groſſe Unwirdigkeit ver-
hinderlich waͤhre; Hielt nochmahls an/ das Fraͤulein moͤchte ihm die groſſe Ehre uñ gna-
de erzeigen/ und goͤnnen/ daß er in ſeinem Herzen und gegẽ ihr allein/ ſich ihren Ritter hal-
ten und nennen duͤrffte. Warumb nicht/ Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ antwortete ſie/ das ſol
Euer Liebe frey ſtehen/ mich ſo hoch zuehren/ und zwar ſolcher geſtalt/ daß ihr die freyheit
ſol unbenommen ſeyn/ ſich ſchier heut oder morgen einer wirdigern Fuͤrſt- oder Koͤnigli-
chen Fraͤulein im rechten Ernſt darzuſtellen/ jedoch mit dieſem ausdruͤklichen bedinge/ daß
gleichwol meiner alsdann nicht ſpoͤtlich gedacht werden moͤge/ als haͤtte ich mir andere
als Scherzgedanken hieruͤber gemacht. Ach mein Hochgebohrnes Fraͤulein/ gab er zur
Antwort/ welche toͤdliche Seelenſtiche ſind das; wolte Gott/ ich koͤnte meines ergebenen
Herzen auffrichtige Gedanken derſelben augenſcheinlich darlegen/ umb zubekraͤfftigen/ dz
in dieſer Welt meine Geiſter durch nichts anders/ als Euer Liebe Volkommenheit koͤnnẽ
vergnüget werden; doch der beguͤnſtigten Gnade mich zugebrauchen/ nehme ich mit in-
brünſtigem Willen an/ daß mein Fraͤulein mir goͤnnet/ ihr Ritter zuſeyn/ gelebe auch der
troͤſtlichen Zuverſicht/ ſie werde mir die Kuͤhnheit verzeihen/ daß ich einen Ring von ihren
allerſchoͤnſten Fingern raube/ damit dieſes hochgeneigten verſprechens ich einiges War-
zeichen haben moͤge. Dieſes wolte ſie ihm nicht verſagen/ ſondern goͤnnete ihm die Wahl
unter allen/ ausgenommen/ den ſie am linken kleineſten Finger trug/ weil Groß Fuͤrſt Her-
kules ihr denſelben auff bruͤderliche Traͤue geſchenket hatte. Baldrich rechnete ſich ſchon
auff der hoͤchſten Stuhffe der Gluͤkſeligkeit/ zog einen ſchoͤnen Demant Ring von ihrem
Goldfinger/ kuͤſſete ihn/ und band ihn unten in die Goldfaͤdem/ mit welchen ſein linker Zopf
eingeflochten wahr/ mit Beteurung/ er wolte lieber ſein Leben als dieſen Ring verlieren.
Bald darauf zohe er viel einen koͤſtlichern aus ſeinem Schieb Sak/ ſteckete ihn an den ent-
bloͤſſeten Finger/ und baht ſehr/ ihn ſo hoch zuwirdigen/ und umb ſeinet willen an ihrem
Finger zudulden; welches ſie mit anmuhtiger Dankſagung annam. Sie hielt ſonſten mit
ihm ein freies Geſpraͤch/ da ſie unter andern zu ihm ſagte: Durchl. Fuͤrſt/ wann mirs nit
verarget wuͤrde/ eine vorwitzige Frage zutuhn/ und ihre Liebe ſolche bey ſich behalten wol-
te/ moͤchte ich von derſelben wol berichtet ſeyn/ durch was gelegenheit meine Frl. Schwe-
ſter Frl. Sibylla mit dem Durchl. Fuͤrſten Herrn Siegward in ſo kurzer Zeit ſo gute
Kundſchafft gemacht habe/ dann/ aͤuſſerlichem anſehen nach/ duͤrfften dieſelben wol eine
ſolche Handlung treffen/ daß uns daher ein oder etliche froͤliche Tanz Tage gemacht wür-
den. Hochgebohrnes Fraͤulein/ antwortete er mit einem lachen/ ob gleich Fuͤrſt Siegward
mein getraͤueſter bruͤderlicher Freund iſt/ wuͤrde ich doch nicht unterlaſſen/ Euer Liebe dieſe
Heimligkeit zuoffenbahren/ wann ſie mir eigentlich kund waͤhre; aber auſſer zimlicher
Muhtmaſſung habe ich nichts gewiſſes. Darff ich aber ſolche Muhtmaſſung mit wiſſen/
ſagte ſie/ hat Eure Liebe ſich bey mir alle Verſchwiegenheit zuverſichern. Warumb nicht/
q q ijmein
[308]Sechſtes Buch.
mein Fraͤulein? antwortete er/ weil das Herz ganz ihr eigen iſt/ findet ſich nichts in dem-
ſelben/ welches vor ihrer Liebe begehret verborgen zu ſeyn. Meine Muhtmaſſung aber iſt
dieſe: Als wir der Raͤuber ingeſamt waren maͤchtig worden/ machte ich mich alsbald hin-
weg/ umb etliche Wagen aus der naͤhe zuhohlen/ noch ehe ich das Fraͤulein geſehen oder
geſprochen hatte/ dann ich merkete/ daß wegen ihrer zuriſſenen Kleider ſie ſich in einem
Winkel verborgen hielt; Als ich nun nach Verlauff zwo Stunden wieder kam/ traf ich
meinen Freund an/ daß er mit dem Fraͤulein gar ein ernſtes Geſpraͤch hielt/ welches ich
merkete von Liebeshaͤndeln ſeyn; worin ich ſie dann nicht ſtoͤren wolte/ ſondern Raum ge-
nug goͤnnete; Auſſer zweifel aber iſt es/ daß mein Freund durch Liebe zu dieſem Fraͤulein
ſehr gepeiniget wird/ und wann ich mich erkuͤhnen dürfte/ Eure Liebe ſeinet wegen unter-
taͤhnig zubitten/ daß dieſelbe bey dem Fraͤulein ihm mit einer kraͤfftigen Vorbitte wolte zu
huͤlffe kommen/ haͤtte ich nicht zuzweifeln/ er wuͤrde zu dem Zweg ſeiner ehrlichen begier-
den leicht gelangen. Mein Freund/ antwortete ſie/ gedenket Eure Liebe/ daß dieſer Fuͤrſt
meiner Vorbitte bey dem Fraͤulein in dieſer Sache beduͤrffe? hat er ihr doch ihren teureſtẽ
Schaz/ die Keuſcheit-Ehre gerettet und erhalten/ wie ſolte ſie dann ſich ihm in ehelicher
Liebe nicht wollen ergeben/ angeſehen des hohen Fuͤrſtlichen Standes/ in welchem dieſer
ihr Liebhaber lebet/ wann gleich der hohe Verdienſt nicht dar waͤhre? reize derwegen mein
Durchl. Fuͤrſt ſeinen Freund nur an zur beharlichen Anſuchung/ alsdann wird er ſeinen
Zweg ſchon ohn meine huͤlffe erhalten/ wiewol Eure Liebe ſpuͤren ſol/ daß dero Vorbitte
bey mir guͤltig geweſen iſt. Baldrich wuſte ſich in dieſer Fraͤulein art nit zuſchicken/ durfte
ihm auch die Gedanken machen/ er ſelbſt würde hierunter zur eiferigen Nachſtellung ange-
friſchet/ welches ihn auch ſo muhtig machete/ daß er willens wahr/ umb ehelich Liebe aus-
druͤklich anzuhalten/ deren er biß daher noch keine Erwaͤhnung getahn hatte/ aber ſie wah-
ren ſchon bey des Stathalters Hofe angelanget/ und traten die Diener herzu/ ihnen die
Gutſche auffzumachen. Die ganze Geſelſchafft ging hinauff in den Gaſt Saal/ woſelbſt
der Stathalter nebeſt den vornehmeſten Herren der Stad ſie empfingen/ und zehn lange
Tiſche mehrenteils in bunter Reihe beſetzet wurden. Nach gehaltener Mahlzeit teileten
Herkules und Ladiſla die aus Perſen übergebrachtẽ groſſen Schaͤtze aus/ uͤber deren groſ-
ſe Menge ſich jederman zum hoͤchſten verwunderte/ inſonderheit aber entſchuldigten ſich
Fr. Sophia und Fr. Urſul/ daß ſie ſolches annehmen ſolten/ da ſie doch ihren Gemahlen
nicht haͤtten koͤnnen in der fremde Geſelſchafft leiſten. Leches und die uͤbrigen empfingen
auch neben ihren Eheliebſten die beygelegten Gelder und andere Sachen; nur vor Gallus
fand ſich nichts/ deſſen Ladiſla ſich verwunderte/ und nicht anders meynete/ es wuͤrde von
den Morgenlaͤndiſchen Fuͤrſten wegen der Eile vergeſſen ſeyn/ deßwegen er zu ihm ſage-
te: Machet euch keine Gedanken Gallus/ finde ich gleich euren Anteil hier nicht/ ſoler euch
doch unverruͤcket bleiben/ wie ihr ſolches mit euren getraͤuen Dienſten wol verdienet ha-
bet. Ach Gnaͤdigſter Herr/ antwortete er/ was koͤnte ich doch vor einige Gnade verdienet
haben? wolte Eure Durchl. mit mir nach Verdienſt handeln/ ſo muͤſte ich heut dem Raͤu-
ber Fannius Geſelſchafft geleiſtet haben. Auff welche Rede/ die er kaum endigen kunte/
drungen ihm die Traͤhnen ſo haͤuffig aus den Augen/ daß er einen Abtrit nehmen muſte/
auch Ladiſla ſelbſt vor Mitleiden ihm keine Antwort geben kunte. Er ſtellete ſich aber bald
wieder
[309]Sechſtes Buch.
wieder ein/ und zeigete an/ daß er die Schenkungen von den Fuͤrſten zu Perſepolis und an-
dern Kriegs Obriſten in ſo groſſer menge empfangen haͤtte/ daß er des nehmens uͤberdruͤſ-
ſig worden/ und es auf viel Wagen fortſchleppen muͤſſen/ wovon er ſeinem Geluͤb de nach/
der armen Chriſtenheit hin und wieder den zehenden traͤulich entrichtet/ welcher uͤber an-
derthalb Tonnen Goldes ſich erſtrecket. Es iſt mir lieb/ ſagte Ladiſla/ daß ihr dieſe Reiſe
nicht umſonſt getahn/ und iſt unſer aller ernſtlicher Befehl und Wille/ daß hinfort ihr eu-
res ehmahligen Verbrechens keine Erwaͤhnung/ als etwa bey euch ſelbſt und vor GOtt
tuht/ weil eure folgende Traͤue alles vorige bey uns gaͤnzlich ausgeloͤſchet uñ vertilget hat.
Sonſt werde ich mich unterſtehen/ mein liebſtes Gemahl zuerſuchen/ daß ſie euch zur Hey-
raht verhelffe/ nachdem es euch noch an dieſer zeitlichen Gluͤkſeligkeit mangelt. Er bedan-
kete ſich deſſen untertaͤhnigſt/ und bekennete/ daß er ſeinem Gott angelobet haͤtte/ da es ihm
ſo gut werden koͤnte/ eines verarmeten aͤdelmans Tochter/ die ehrlich und eine Chriſtin
waͤhre/ oder zuwerden gedaͤchte/ zuheirahten/ deren Eltern und Geſchwiſtern ſich ſeines
groſſen Gutes mit ſolten zuerfreuen haben. Er hatte ſich aber in Fr. Sophien Leibdiene-
rin/ Jungfer Beaten hefftig verliebet/ und ihres Standes Kundſchaft eingezogen/ daß ſie
von gutem Paduaniſchen Adel/ aber ihre Eltern durch alte Schulden in tieffe Armuht
gerahten waͤhren. Sie wahr ohngefehr von 24 Jahren/ from/ ſchoͤn und eine Chriſtin/ und
hatte Fr. Sophien von ihrer Jugend her auffgewartet. Weil dann dieſelbe ihres Ge-
mahls erbieten hoͤrete/ faſſete ſie alsbald die Gedanken/ ihre getraͤue Dienerin zubefodern/
gab vor/ ſie haͤtte etwas zubeſtellen/ und wolte ſich bald wieder herzu machen/ hieß Beaten
ihr nach folgen/ und da ſie mit ihr allein wahr/ ſagte ſie: Ohn zweifel gedenket der liebe Gott
auch an dich wegẽ deines Chriſtlichen Wandels; dafern du nun dein Gluͤk erkeñen kanſt/
wird dir leicht geholffen ſeyn; Du hoͤreſt/ weſſen Gallus ſich erbeut/ welcher/ ob er gleich
kein gebohrner aͤdelman iſt/ ſo wird er doch von Koͤnigen und Fuͤrſten dergeſtalt geliebet/
daß ihm ein mehres als der gemeine Adelſtand erfolgen kan; drumb erklaͤre dich bald/ weſ-
ſen du geſinnet biſt/ alsdann wil ich eure Heyraht ohn verweilen befodern/ und kanſt duꝛch
dieſes Mittel deine Eltern und Geſchwiſter alle mit einander aus ihrer Armuht loßreiſſen.
Dieſe gab zur Antwort: Sie haͤtte ihr vorgenommen/ Ihrer Gn. Frauen Leib-bedienung
nimmermehr zuverlaſſen/ wolte ihr aber gerne gehorſamen und ihres Willens leben/
hoffete auch/ es würde Gallus ſo übermuͤhtig nicht ſeyn/ und hernaͤhſt ihre Armuht ihr
ſchimpflich vorwerffen. Ey was wolte er dir vorwerffen/ ſagte ſie/ ich wil dir vor alles
Buͤrge ſeyn; ging wieder mit ihr hin/ da Gallus mit verlangen wartete/ und nicht wenig
fuͤrchtete/ man wuͤrde ihm eine ungenehme zu freien wollen/ hoͤrete aber mit freuden/ daß
ihn Fr. Sophia alſo anredete: Guter Freund Gallus/ ich habe meines Herrn Koͤniges uñ
Gemahls begehren an mich wol verſtandẽ/ in dem deſſen Liebe von mir gewaͤrtig iſt/ euch ei-
nen Ehegatten zuzufreien; weil ihr dann euer Chriſtliches Gemuͤht gnugſam habt erklaͤ-
ret/ daß euchs weder umbs Geld noch andere uͤppigkeit zu tuhn iſt/ ſondern bloß allein umb
Ehr und Tugend/ wil ich euch einen Vorſchlag tuhn/ aus welchem ihr mein gutes Gemuͤht
gegen euch ſpuͤren ſollet; nam einen Abtrit mit ihm/ und ſagte: Ich kan meiner Leibdiene-
rin Jungfer Beaten das Zeugnis geben/ daß ſie nicht allein von adelichen Eltern gezeuget/
ſondern vor ſich ſelbſt from und tugendreich iſt; ihre gute Geſtalt hat ſchon unterſchiedli-
q q iijche
[310]Sechſtes Buch.
che aͤdle Anwerber erwecket/ denen ich ſie bißher verſaget/ ohn zweiffel/ weil ſie ihrer keinem
von Gott verſehen geweſen/ und ob ſie gleich zeitliche Guͤter von ihren Eltern nicht zu hof-
fen hat/ bin ich doch des vorhabens ſie ehrlich und ihrem Stande gemaͤß außzuſteuren. A-
ber ich muß zuvor wiſſen/ ob ſie euch zum Ehegattẽ freiwillig gefallen kan/ weil ich durchaus
nicht willens bin/ euch wieder euren Willen eine auffzudringen. Gallus bedankete ſich un-
tertaͤhnigſt/ und zeigete an; er truͤge keinen zweifel der Allerhoͤchſte wuͤrde ihm dieſe aͤdle
Jungfer gnaͤdig außerſehen haben/ weil eben auff dieſelbe/ und auff keine andere er ſein ab-
ſehen gehabt; dafern nun die Jungfer ihm ihr Herz zuwenden/ und ſein Gn. Herr Groß-
Fuͤrſt Herkules gnaͤdigſt einwilligen koͤnte/ wuͤrde ihm angenehmers in dieſer Welt nicht
begegnen. Vor dieſes laſſet mich ſorgen/ antwortete ſie/ und iſt mir lieb daß ich die rechte
getroffen habe; ging zu Herkules und taht ihm alles zu wiſſen; welcher Jungfer Beaten
ihm bey der Hand zufuͤhrete/ und zu ihm ſagete: Mein Gallus/ ich habe ſchon unterſchied-
lichemahl darauff gedacht/ euch zu einer loͤblichen Heyraht zuverhelffen/ aber eine andere
als Italiaͤniſche/ ja daß ichs recht ſage/ als eben dieſe Jungfer meine Freundin euch zuzu-
fuͤhren/ bin ich niemahls willens geweſen/ ſonſt ſolte euch die Wahl unter Artabanus ge-
fangenen unberuͤhrten Frauenzimmer frey geſtanden ſeyn; weil dann meine Fr. Schwe-
ſter mir zuvorkommen iſt in der Verſprechung/ merke ich daher Gottes ſonderbahre ſchie-
kung/ wil aber anfangs/ damit ihr ein wirdiger Braͤutigam ſeyn koͤnnet/ euch in den aͤdlen
Teutſchen Ritterſtand auffnehmen/ und bey Roͤmiſcher Kaͤyſerl. Hocheit befodern/ daß
ihr unter die Roͤmiſche und Paduaniſche Geſchlechter geſetzet werdet; hernach wil bey
dieſer Jungfer ich Vatersſtelle vertreten/ und wegen eures wolverhaltens ihr 50000 Kro-
nen zur Heimſteur einreichen laſſen/ damit weder ſie ſich wegen eures unadels/ noch ihr
wegen ihrer Armut euch zubeſchweren haben ſollet. Sie bedanketen ſich beyderſeits mit
einem Fußfalle/ und baht Gallus untertaͤhnigſt/ ihre Durchl. wolten die verſprochenen
Gelder zuruͤk behalten/ weil er ſchon ein mehres haͤtte als ſeine wirdigkeit ſich erſtreckete.
Fr. Sophia aber fuͤhrete ſie zuſammen/ daß ſie mit ihrem Jaworte ihre eheliche traͤue be-
ſtaͤtigten/ und ſolte die Verloͤbniß alsbald gehalten worden ſeyn/ wann nicht die Braut bey
ihrer Frauen untertaͤhnigſt angehalten haͤtte/ daß ihren lieben Eltern es zuvor moͤchte kund
getahn werden/ welches/ da ihrer Gn. es nicht zu wieder/ ſie ſelbſt gerne verrichten wolte.
Es ward ihr ſolches leicht verwilliget/ und gab ihr Gallus ſechs Gutſchpferde ſamt einer
ſtatlichen Gutſche/ fuͤnff Perſiſche Reitpferde vor ihren Vater und vier Brüder/ noch ei-
ne Gutſche mit vier Pferden vor ihre Mutter und vier Schweſtern/ einen Pakwagen mit
allerhand Seidenen Tüchern und 20000 Kronen baarſchaft beladen/ auch Kleinot und
Ringe auff 9000 Kronen wert/ davon ihre Eltern ſamt allen ihren Kindern ſich adelich
außputzen ſolten/ welches ſie mit groſſer Dankſagung zu ſich nam/ und nach ihres Vaters
armſeligen Meierhof fuhr/ nam auch zehn Schneider mit ſich und auff einem andern Wa-
gen allerhand Speiſe und Trank. Inzwiſchen fuhren Herkules und Ladiſla mit ihrer auß-
teilung fort/ ſtelleten Frl. Lukrezien und Sibyllen trefliche Kleinot zu/ jeder auff 80000
Kronen/ neben allerhand guͤldenen und ſilbern Stuͤcken/ und von allem was ſie ſonſt koͤſt-
[l]iches mit uͤbergebracht hatten; Frl. Helene bekam halb ſo viel/ aber Fr. Pompeja alles
gedoppelt/ daß ſie gar unwillig drüber ward. Ihre beyde aͤdelknaben von Rom/ Publius
und
[311]Sechſtes Buch.
und Tullius hatten ſich bißdaher ſtets zu Padua bey Fr. Sophien auffgehalten/ deren je-
dem 12000 Kronen geſchenket/ und damit ihren Eltern zugeſchikt wurden. Der getraͤue
Timokles und Mardus wurden von ihnen anfangs in den Adelſtand auffgenommen/ her-
nach jeder mit 60000 Kronen/ Gutſchen/ Reitpfer den und Leibdienern verehret/ und daß
jeder/ ſo lange er lebete/ jaͤhrlich 2000 Kronen beſoldung haben ſolte; weil ſie dann beyder-
ſeits ſich erbohten/ in ihrer Herren Dienſte zuverbleiben/ wurden ſie vor Zeugmeiſter von
ihnen beſtellet. Timokles hatte ſchon zu Jeruſalem mit Frl. Lukrezien Leibdienerin/ einer
Roͤmerin/ ſich verliebet/ offenbahrete ſolches ſeiner Gn. Fuͤrſtin Valiſka/ und bekam als-
bald Zuſage der Heyraht. So gab Mardus ſich bey Frl. Sibyllen Leibdienerin an/ wel-
che Herkules ſamt dem Fraͤulein aus Silvans Haͤnden erloͤſet hatte/ und erhielt gleicher-
geſtalt ſein anſuchen.


Unter dieſem Verlauff/ ward dem jungen Fabius angemeldet/ es waͤhre ein feiner
junger Geſelle im Vorhofe/ welcher untertaͤhnig anhielte/ ob ihre Gn. ihn ein Wort hoͤren
moͤchten. Er ließ denſelben alsbald vor ſich fodern/ umb ſein Vorbringen zuvernehmen/
welcher ihm eine in Lateiniſchen zierlichen Verſen auffgeſetzete Glükwuͤnſchung wegen ſei-
ner gluͤklicher Wiederkunft einreichete/ die er ſelber gemacht hatte/ und baht untertaͤhnig/
weil er Luſt zu den freien Kuͤnſten truͤge/ und geringe Mittel haͤtte/ ſein Vorhaben außzu-
fuͤhren/ moͤchten ihre Gn. ihn mit einer Beyſteur gnaͤdig anſehen/ deß wolte er den wah-
ren Gott herzlich bitten/ daß es ihrer Gn. tauſendfaͤltig hier zeitlich und dort ewig moͤchte
vergolten werden. Fabius vernam aus ſeinen reden/ dz er ein Chriſt wahr/ lieff das Brief-
lein gerade durch/ und gefiel ihm der Inhalt ſehr wol/ deßwegen er ſich gegen ihn freund-
lich bedankete/ und daß er Morgen vor der Mittagsmahlzeit ſich wieder einſtellen ſolte/ da
er ihm ſeinen guten willen ſchon wolte vergelten. Der Schuelknabe/ ſeines alters von 14
Jahren/ nahmens Vibius Mela/ ward der Zuſage ſehr froh/ und ſtellete ſich zu rechter Zeit
ein. Es hatte aber Fabius ſeinem Buchhalter befohlen/ ſo bald er wieder kaͤhme/ ihm 100
Kronen zur verehrung zu geben/ welcher aber nach gebrauch ſeines ſchon mehr getriebenen
Handwerkes ihm nur 20 Kronen zuſtellete/ und die uͤbrigen 80 in ſeinen Sekel ſteckete/
der Hoffnung/ weil ihm dergleichen Diebesgriffe ſchon manniche angangen waͤhren/ ſolte
ihm dieſer auch gelingen. Fabius ließ das Verßgeticht Herkules und Ladiſla ſehen/ denen
es wolgefiel/ und ſich erbohten/ wann ſie den Knaben außfragen koͤnten/ ſolte ihrethalben
ihm auch eine Verehrung zugeſtellet werden/ weil ohndas ſie mit darinnen benennet wah-
ren. Nun wolte dieſer Knabe ſein dankbahres Gemuͤht ſehen laſſen/ und brachte abermahl
ſein Brleflein ein/ in welchem er ruͤhmete/ daß er vor jeden Verß (deren zwanzig wahren)
eine Goldkrone bekommen/ und das unwirdige Geticht mit gutem recht aureum Carmen,
oder ein güldenes Geticht nennen koͤnte; welches da es Fabius von ſeinem Leibknaben ein-
gehaͤndiget ward/ erkennete derſelbe daraus ſeines Buchhalters oder Zahlmeiſters Diebe-
rey/ ließ ſich doch deſſen nicht merken/ wie ſaur es ihm gleich ward zuver beiſſen/ ſondern fo-
derte ihn vor ſich/ und mit ſanftmuht ſagte er zu ihm; iſt der geſtrige Knabe heut wieder da
gewefen/ und haſtu ihn nach meinem Befehl beſchenket? Ja/ Gn. Herr/ antwortete er/ es
iſt alles nach ihrer Gn. anordnung ergangen/ und zu richtiger Rechnung gebracht. Der
Knabe/ welches dieſer nicht wuſte/ wartete annoch im Vorhofe auff/ und muſte der Zahl-
meiſter
[312]Sechſtes Buch.
meiſter einen Abtrit nehmen/ dieſer aber auff das Gemach kommen/ welcher eine kurze/ a-
ber zierliche und ſchamhafte Rede hielt/ durch welche er ſeine Unhoͤfligkeit entſchuldigte/
und nochmahls vor das anſehnliche Geſchenk in Griechiſcher Sprache dankete. Der jun-
ge Fabius redete ihn an und ſagte: Lieber Knabe/ ſage mir die Warheit/ wie viel dir mei-
net[we]gen zur Verehrung zugeſtellet ſey. Gn. Herr/ antwortete er/ zwanzig Kronen/ und
mehr als ich gehoffet hatte. Der Zahlmeiſter muſte alsbald wieder hervor treten/ welchen
er mit ernſter Stim̃e fragete; Haſtu dieſem Knaben die 100 außgezaͤhlet? dieſer verſtum-
mete hierauff/ und verriet ſich durch ſeine anroͤhtung/ fing ſchon an umb Gnade zu bitten/
weil er ſich erinnerte/ daß er nicht alles geleiſtet haͤtte. Er ward aber alsbald ins Gefaͤng-
nis gelegt/ und auff fleiſſige nachfrage befand ſichs/ daß er allen Dienern und Arbeitsleuten
abgeknappet/ und doch alles vol zur Rechnung gebracht hatte/ ſo daß er eines halbjaͤhrigen
Diebſtals/ auff der Reiſe begangen/ uͤber 9000 Kronen uͤberwieſen ward/ und er andern
zum Beyſpiel den Galgen bekleiden muſte. Es ging dieſe Untraͤue der Groß Fuͤrſtin ſehr
zu herzen/ deßwegen fing ſie alſo an: Wie ein groſſes Ungluͤk iſt es den von Gott ihn hohen
Stand geſetzeten/ daß ſie nicht alles ſelbſt verwalten koͤnnen/ ſondern ihren Bedieneten viel
wichtige Sachen anvertrauen müſſen; ſind dann unſere Leute untraͤu und dem Geiz erge-
ben/ alsdann kan es nicht anders ergehen als dieſes Beyſpiel zeiget/ welches uns vor Augen
ſtehet; was vor groſſen und ſchimpflichen nachteil aber uns ſolches gebieret/ bedarff keines
weitlaͤuftigen beweißtuhms; es entſtehet uns daher boͤſe Nachrede/ Mißgunſt/ und der Leu-
te ungewogenheit; niemand wil Fuͤrſten und Herrn arbeiten/ dann/ ſprechen ſie/ es wird
uns unſere Muͤhe und Waare nicht bezahlet; niemand wil uns zu ehren ein oder ander
Lobgedichte auffſetzen; dann es wird nicht vergolten. Sehet ein ſolches Ubel verurſachen
unſere ungetraͤue Rentmeiſter/ welche man viel haͤrter als andere Diebe abſtraffen muß/
weil ſie die aller groͤſſeſten Diebe der Welt ſind/ in dem ſie nicht allein denen daß ihre ſteh-
len/ welchen ſie nicht redlich lohnen/ ſondern ihren Herrn ſtehlen ſie den guten Namen/ uñ
der Leute gewogenheit/ welchen Verluſt ich viel ſchaͤdlicher achte/ als wann man uns umb
viel Tonnen Goldes betreuget. Herkules gab ihr zur Antwort: Wie aber mein Schaz/
wie kan man dieſem weit eingeriſſenen Ubel ſteuren? es hat der jetzige Dieb/ wie geſagt
wird/ ſich ſchon verlauten laſſen/ daß wann man ernſtliche unterſuchung tuhn wolte/ wuͤr-
de ſeine Geſelſchaft bald vermehret werden; man ſolte nur eine Fuͤrſtliche Außgabe durch
viel Haͤnde gehen laſſen/ wuͤrde man ſehen/ daß an allen Haͤnden etwas wuͤrde kleben blei-
ben/ und waͤhre nichts neues/ daß aus des Herrn Hand eine Krone dem armen Betler zu-
gedacht/ in des Dieners Hand in einẽ Groſchen verwandelt wuͤrde/ ja wol gar verſchwün-
de/ und der Betler mit Schimpff- und Scheltworten abgeſpeiſet/ GOtt darzu dankete/ dz
er ohn Schlaͤge davon kaͤhme. Es iſt zubeklagen/ ſagte Valiſka/ daß der Geiz die Menſchẽ
dergeſtalt untraͤu machet/ welche ihren Herren durch leiblichen aͤid ſich zu aller Traͤue ver-
bunden haben; Ich halte aber davor/ man koͤnte dem Unweſen durch zweyerley Mittel ab-
helffen; Erſtlich/ daß man den Bedienten ehrlichen Sold gaͤbe/ davon ſie ſich und die ih-
ren zur gnuͤge erhalten koͤnten; Hernach/ daß man bey ihrer Beſtallung ihnen zugleich den
Strik vorlegete/ unter der Bedraͤuung und unbegnadeten Volſtreckung/ daß wo man ſie
auff einer einzigen Dieberey/ ſie waͤhre gleich nur einer Kronen wert/ ertappen wuͤrde/ ih-
nen
[313]Sechſtes Buch.
nen die Ablohnung von dem Buͤttel ſolte erteilet werden; Ich bin deſſen gewiß/ es ſolten
nicht zwanzig gehenket werden/ daß nicht etliche hundert ſich daran ſpiegeln ſolten. Und ob
mir jemand einwerffen wolte/ es würde dieſes gar zu ſtraͤnge geſtraffet ſeyn/ dem gebe ich
zur Antwort/ daß weil man keinen gelindern Weg ſihet/ muͤſſe Fuͤrſten und Herren Anſe-
hen und redlicher Nahme durch ſolche Schaͤrffe erhalten werden. Der Stathalter gab
der Groß Fuͤrſtin recht/ und ließ allen ſeinen Bedieneten anſagen/ daß wo jemand/ wer der
auch waͤhre/ ſich mit dergleichen Diebsnaͤgeln kratzen wuͤrde/ ſolte dem erhenketen ohn al-
le Gnade Geſelſchafft leiſten. Dem frommen Schuelknaben aber ſchenkete der junge Fa-
bius noch 100 Kronen/ Herkules vermachte ihm jaͤhrlich gleich ſo viel/ als lange ervon
noͤhten haͤtte von andern unterrichtet zuwerden/ und des erhenketen geſtohlene 9000
Kronen wurden zur Unter haltung der Armen angewendet.


Jungfer Beata kam noch bey guter Tageszeit in ihres Vaters Huͤtchen an/ welches
zwo Meile von der Stad gelegen wahr; ſie fand ihre Eltern im Kuͤchen Garten arbeiten/
und zwo Schweſtern neben zween Brüdern das graben verrichten/ woruͤber ihr die Traͤh-
nen aus den Augen drungen/ ging zu ihnen hin in ihrer ſtatlichen Kleidung/ womit Frau
Sophia ſie ausgeſchmuͤcket hatte/ und ſagte zu ihnen: Herzliebe Eltern/ Schweſtere und
Bruͤdere/ leget ſolche Bauren Arbeit ab/ und nehmet euren Adelichen Stand an/ nachdem
der barmherzige Gott mir einen Braͤutigam beſcheret hat/ der uns aller ſchmaͤhlichen Ar-
mut benehmen wil. Die Eltern ſahen die trefflichen Kleinot an ihr blaͤnken/ und frageten/
wer dann dieſer Braͤutigam waͤhre; inſonderheit durffte die Mutter/ ungeachtet ihrer
kuͤmmerlichen Armuht nachforſchen/ ob er auch aͤdel gebohren/ dañ ſie gedaͤchte ihre Toch-
ter nicht in den ſchlechten Buͤrgerſtand zuverheyrahten. Aber die Jungfer wahr viel kluͤ-
ger/ und antwortete: Liebe Mutter/ leget doch ſolchen eitelen Hochmuht ab/ was pochet ihr
auff das eingebildete Blut/ und verachtet den Buͤrgerſtand/ da ihr doch Armuhtswegen
euch bißher als eine Bauerin habt ernaͤhren/ den Flachs ſpinnen/ und aus Oepffel/ Bir-
nen/ Kraut und Nuͤſſen/ etliche Groſchlein kaͤuffen muͤſſen/ wovon ihr das liebe taͤgliche
Brod haben moͤget/ noch duͤrffet ihr auff euren Adel trotzen/ der euch keinen Heller eintraͤ-
get/ und von den vermoͤgenden ſchlimmen Bauren verachtet wird. Iſt mein Liebſter dann
gleich kein gebohrner aͤdelman/ ſo iſt er doch an Tugend aͤdel gnug/ und hat durch ſeine ge-
traͤuen Dienſte den Adel- und Ritterſtand von Koͤnigen und Fürſten erlanget/ neben der
Zuſage/ daß er auch in den Roͤmiſchen Adel ſol auffgenommen werden/ welchen Stand
auszufuͤhren er reich genug iſt/ und uͤber 15 Tonnen Goldes vermag. Als ſolches ihr Va-
ter hoͤrete/ welcher auch ein Chriſt wahr/ ſagete er: Ach du mildreicher Gott/ du verlaͤſſeſt
ja die deinen nicht/ wann ſie nur im feſten Vertrauen auf dich bleiben/ wie ich anjezt in der
Taht erfahre. Jungfer Beata erinnerte ſie/ daß alsbald an ihre uͤbrigen zwo Schweſtern
und zween Bruͤder (welche bey andern vom Adel ſich in der naͤhe auffhielten/ und ihnen
zu dienſte wahren) ein Bohte abgefertiget würde/ ſich ohn verweilen einzuſtellen/ gingen
mit einander in das Haͤußlein/ und ließ ſie daſelbſt alle Sachen abladen; dem Vater ſtel-
lete ſie die uͤbergebrachten Gelder zu/ als ein Geſchenk von ihrem Braͤutigam/ welche er
des folgenden Tages an etliche benachbarte vom Adel einſchickete/ uñ damit ſeine verpfaͤn-
dete Guͤter einloͤſete/ die ſo bald nicht ausſinnen kunten/ was vor einen gluͤklichen Fund
r rdieſer
[314]Sechſtes Buch.
dieſer alte verarmete Opimius (diß wahr ſein Nahme) getahn haͤtte. Die Schneider
muſten Tag und Nacht an den Kleidern arbeiten/ damit ſie zu Padua bald anlangen koͤn-
ten/ und ſtelleten die Schweſter uñ Bruͤder ſich gar zeitig ein. Zu Padua ward des abends/
da Beata weg gereiſet wahr/ ein zierlicher Tanz gehalten/ und wahren aller anweſenden
Augen auff Herkules und Fr. Valiſken hingekehret/ da ſie auf Fr. Sophien Anfoderung
einen Tanz mit einander verrichteten/ in ſolcher kuͤnſtlichen Zierligkeit/ als jemahls moch-
te geſehen ſeyn/ daß auch der Stathalter zu Kornelius ſagete: Ich glaͤube nicht/ daß ſo lan-
ge die Welt geſtanden ein volkommener paar Eheleute gelebet haben/ und erſcheinet aus
allen ihren Geberden/ mit was herzlicher Neigung ſie einander meynen; in welchen Ge-
danken er dann nicht irrete/ maſſen ihre Liebe ſich von Tage zu Tage ſtets mehrete/ daß ſie
kaum eine Stunde mit Herzensruhe von einander ſeyn kunten. Ja es wahr ſo ein ein-
traͤchtiger Wille zwiſchen ihnen/ daß nicht anders zuurteilen ſtund/ ſie haͤtten beyde nur ei-
ne Seele gehabt; gingen ſie mit einander/ ſo faſſeten ſie ſich bey den Haͤnden/ welche man-
nichen Kuß einnehmen muſten; ſaſſen ſie beyeinander/ ſo ſchaueten ſie ſich mit freundlichem
lachen an/ und bemuͤhete ſich ein jeder/ wie er dem andern Vergnuͤgung ſchaffen/ und ehꝛ-
liche Ergezligkeit geben moͤchte. Wie offt klagete er ihr/ daß ſein Herz viel zu voll waͤhre/
und als ein angeſtecketes Faß/ dem keine Lufft gegeben wird/ deſſen nichts von ſich auslaſ-
ſen koͤnte/ was drinnen verſchloſſen waͤhre. Wann ihm dann ſein Gemahl antworten wol-
te/ ging es ihr gleich alſo/ und muſte das ſtumme umfahen die beſte Rede ſeyn/ weil die Zun-
ge als gelaͤhmet/ ihr Amt nicht verrichten kunte. Zu zeiten kam es/ daß die Vernunfft in
ihnen ſich loßwirkete von der Liebesklammer/ und alsdann fingen ſie an einen ſo haͤuffigen
Strohm der verliebeten Reden auszugieſſen/ daß man haͤtte meynen ſollen/ das Herz waͤh-
re gar ausgeleeret/ und ihre inbruͤnſtige Liebe biß an das innerſte ausgedruͤcket/ da hinge-
gen ſie vermeyneten/ kaum die aͤuſſerſten Borken gezeiget zuhaben. Zu verwundern aber
wahr es/ daß dieſe ſtraͤngſt-geſpannete Liebe die Ehrerbietigkeit des einen gegen den an-
dern im allergeringeſten nicht minderte/ ſo wenig/ wann ſie allein/ als in Geſelſchafft wah-
ren/ und geſchahe gar ſelten/ daß ſie ihre Unterredungen nicht mit Geiſtlichen Sachen ſol-
ten vermiſchet haben. Als ſie vor dißmahl den Tanz zum Ende gebracht hatten/ ſo derte die
Groß Fürſtin Frl. Lukrezien und Sibyllen auff/ und fuͤhrete ſie den beyden jungen Fuͤrſten
mit dieſen Worten zu: Geliebete Herren Oheime; hie bringe Euren Liebden ich meine
herzgeliebeten Fraͤulein Schweſtere zu/ welche dort nicht anders als zwey verlaſſene Tur-
tel Taͤubelein ſaſſen/ und vielleicht eine der anderen ihre ungluͤkſelige Einſamkeit klageten/
welches mir nicht wenig zu herzen gehet; bitte demnach hoͤchlich/ ſie wollen dieſelben zum
Tanze fuͤhren/ und nach deſſen Endigung ſie in ihrer guten Geſelſchafft behalten. Die
Fraͤulein wurden hier uͤber etwas ſchamroht/ weil ihnen einfiel/ wie weit ſie heut auff den
Gutſchen ſich mit ihnen eingelaſſen hatten/ und antwortete Frl. Lukrezie alſo: Durchl.
Groß Fuͤrſtin/ was ſolte uns und unſers gleichen angenehmer als die Einſamkeit ſeyn?
inſonderheit die wir als vertrauete Schweſtern eine gute Zeit nicht beyſammen geweſen/
und die uns begegnete Abenteur einander zuerzaͤhlen groſſe Begierde tragen; wie dann
gleich jezt meine Frl. Schweſter zum Ende gebracht/ in was Furcht und Gefahr ſie neu-
lich in der Raͤuberhoͤhle geweſen/ wovon ſie durch dieſer Fuͤrſten Heldentaht errettet/ und
bey
[315]Sechſtes Buch.
bey ihren Jungfraͤulichen Ehren erhalten ſey; und wahr ich gleich bemuͤhet/ ihr zu gemuͤht
zufuͤhren/ wie viel ſie den Durchleuchtigſten Fuͤrſten ſchuldig waͤhre/ habe ihr auch in et-
was an die Hand gegeben/ wie ſie ihr dankbares Herz gegen dieſelben koͤnte ſehen laſſen/
wozu ich ſie doch nicht bereden kan/ nicht/ dz Undankbarkeit ſie davon abhaͤlt/ ſondern weil
ſie/ wie ſie ſelbſt bekennet/ ihren Durchll. gar zu viel ſchuldig ſey. Nun habe ich dagegen ein-
gewand/ es ſey beſſer/ einen moͤglichen Anfang zur Bezahlung zumachen/ als gar nicht zah-
len wollen/ inſonderheit/ weil Hoch Fuͤrſtliche Gemuͤhter groͤſſere Beliebung an dem guten
Willen/ als an unwilliger Ablegung der Schuld tragen; Hierauff/ Durchleuchtigſte
Groß Fuͤrſtin habe ich ihre Antwort noch nicht erhalten/ welche ich vor dem Tanze gerne
wiſſen/ oder zum weniſten von Euer Durchl. hoͤren moͤchte/ ob ich ihr nicht recht gerahten
habe. Ey geliebte Schweſter/ antwortete Frl. Sibylla/ du biſt gar zu ausſchlaͤgern/ und
breiteſt alles aus/ was man mit dir ingeheim redet/ welches mich warnet/ daß ich dir nach
dieſem nichts mehr vertrauen/ vielweniger auff dein anbringen Antwort geben/ ſondern
meine Durchl. Groß Fürſtin/ dir einzureden/ bitten/ und zugleich bey derſelben mich rahts
erhohlen werde/ wie ich mein dankbahres tiefverſchuldetes Gemuͤht dieſen beyden Fuͤr-
ſten am fuͤglich- und annehmlichſten koͤnne ſehen laſſen. Wol zufrieden/ ſagte Frl. Lukre-
zie/ daß du mir ſo wenig traueſt/ vielleicht koͤmt der Tag/ daß dichs gereuen duͤrffte/ alsdañ
wil ich deiner ſo wenig achten/ als du anjezt meiner tuhſt. Du gibſt groſſe Sachen von dir
aus/ antwortete jene/ muß aber dein draͤuen laſſen dahin geſtellet ſeyn/ und auff ſolchen fal
tuhn/ als wann du noch zu Elia jenſeit des Meers bey deinen Juden ſaͤſſeſt. Groß Fürſtin
Valiſka lachete dieſes ertichteten Zankes/ und wolte ihn laͤnger unterhalten/ daher ſagete
ſie zu Lukrezien: Geliebete Frl. Schweſter/ ich wil unſerer auch geliebten Schweſter Frl.
Sibyllen gnugſames Vermoͤgen zur Dankbarkeit durchaus nicht in Zweifel zihen/ aber
allem anſehen nach/ duͤnket mich/ Eure Liebe leiſten bey ihr nicht das Werk einer getraͤuen
Schweſter/ dann weil dieſelbe/ eurem eigenen vorbringen nach/ ihrer Unvermoͤgſamkeit/
den Dank beyden zuleiſten/ gegen Eure Liebe ſich beklaget/ ſtuͤnde derſelben/ meines erach-
tens/ als einer vertraueten Schweſter ſehr wol an/ wann ſie in dieſer Bemuͤhung ſich ihr
zur Huͤlffe anerboͤhte/ und die Helffte der Laſt von ihr uͤber ſich naͤhme. Frl. Sibylla be-
dankete ſich der gnaͤdigen Urtel; jene aber/ wie ſie gar erfindſam wahr/ ſagete: Es hat
aber meine Frl. Schweſter mich hierumb nicht eins begruͤſſet/ und weiß man wol/ daß an-
gebohtene Dienſte in ſchlechtem Wert und geringer Achtung ſtehen. So bitte ich dich
noch darumb/ antwortete jene/ du wolleſt dieſe Muͤheverwaltung auff dich nehmen; und
zwar eben dieſe Bitte an dich zulegen/ wahr ich bedacht/ da unſere Gn. Groß Fuͤrſtin uns
aufffoderte. Das laſſe ich auff ſeinen Wert und Unwert beruhen/ ſagte Frl. Lukrezie/ aber
was wuͤrden dieſe verſtaͤndige Fuͤrſten von mir vor Gedanken faſſen/ wann ich mich zu et-
was erbieten wolte/ worzu mein Vermoͤgen nicht beſtand iſt/ daher dero Lieb den ſich von
mir ſehr wenig oder wol gar nichts zuverſprechen haben/ ich ihnen auch getraͤulich rahten
wil/ daß ſie ſich an den Selb-ſchuldigen halten/ welcher ungleich beſſer als ich/ zuzahlen
hat; zugeſchweigen/ wie frech und vermaͤſſen ich muͤſte geſchaͤtzet ſeyn/ wann zwiſchen ihre
Heimligkeiten ich mich einſtecken wolte. Nicht alſo/ ſagte die Groß Fuͤrſtin/ ſondern es
werden eurer zwo der Schuld beſſer/ als nur eine einzige abhelffen koͤnnen/ inſonderheit/
r r ijweil
[316]Sechſtes Buch.
weil ſich zween Glaͤubiger finden/ die ohn zweifel die Schuldfoderung nicht auffs hoͤchſte
treiben werden/ deßwegen nehme Frl. Lukrezie die Schuld mit auff ſich/ nebeſt der Erklaͤ-
rung/ daß ſie Selb-ſchuldige wolle mit ſeyn/ alsdann wil ich vernehmen/ ob nicht einer von
dieſen Fuͤrſten ja ſo gerne auff ſie/ als auff Frl. Sibyllen ſehen wolle. Der muͤſte gerne in
Schulden ſtecken/ antwortete ſie/ der ſich ſelbſt eines hoͤheren verpflichtete/ als ſein Ver-
moͤgen ſich erſtrecket. Fuͤrſt Siegward gab ſich mit ins Geſpraͤch/ baht anfangs umb ver-
zeihung/ daß neben ſeinen Freund und Geſellen/ er in des Durchleuchtigen Frauenzim̃ers
Erloͤſung/ ſich ſo faul und nachlaͤſſig erzeiget/ und nicht bald der erſten Stunde ihrer An-
tunfft ſie der Angſt benommen haͤtte/ daher ihnen mehr die Zuͤchtigung und Straffe/ als
einige Vergeltung nachſtuͤnde; hielt hernach bey der Groß Fuͤrſtin an/ ſie moͤchte ihren
Unvolkommenheiten zu huͤlffe kommen/ und bey dieſen vortreflichen Fraͤulein ihnen dieſe
Gunſt erwerben/ daß ſie ihre begierigen Dienſte nicht nach dem Vermoͤgen/ ſondern Wil-
len urteilen wolten. Worauff die Groß Fuͤrſtin zur Antwort gab: Als viel ich merke/ waͤh-
re dieſer Streit bald geſchlichtet/ weil meine Durchll. Oheimbe nur alles vor eine unver-
dienete Gunſt rechnen wollen/ was von meinen Frll. Schweſtern ihnen etwa gutes begeg-
nen moͤchte. So erklaͤren nun dieſelbe ſich ohnbeſchweret/ ob ſie dieſe Bedingung einge-
hen koͤnnen/ alsdann werden ſie ihre Schuld voͤllig bezahlen/ und dannoch vor ſolche ge-
halten werden/ die zubezahlen nicht ſchuldig ſind. Die Fraͤulein merketen wol/ wohin dieſer
Vortrag zielete/ tahten doch nicht deßgleichen/ ſtunden unter deß und ſahen eine die ande-
re an/ weil keine gerne hierauff antworten wolte; biß endlich Frl. Sibylla anfing: Durch-
leuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ ob gleich dieſer Durchll. Fuͤrſten Hoͤfligkeit ſo groß iſt/ daß ſie ih-
re mir erzeigete Woltahten ſo geringe ſchaͤtzen/ muß doch ich ſo vergeſſen nicht ſeyn/ dieſel-
be in den Wind zuſchlagen/ es waͤhre dann/ daß ich etwas uͤber meine Ehre liebete/ welche
naͤheſt Gott Ihren Durchll. ich einig zudanken habe; erkenne mich deßwegen ſchuldig/ al-
les mein ehrenwilliges Vermoͤgen/ in Erzeigung der hoͤchſtſchuldigen Dankbarkeit ger-
ne anzuwenden/ nicht zweifelnd/ weil dieſer Laſt ich nicht allein beſtand bin/ meine herzge-
liebete Frl. Schweſter werde einen Teil auff ſich nehmen/ welches in allen Begebenheiten
zuerkennen/ ich mich willig erbiete; daß ſie aber dieſer Durchll. Fuͤrſten Anfoderung hier-
zu erwarten wil/ iſt nichts als eine ſtilſchweigende Wegerung; maſſen ſie hoͤret und ver-
nimt/ daß unſere Rechnung ſo weit vonander ſtimmet/ daß dieſelben meine Schuld nicht
eins wiſſen noch erkennen wollen. Geliebte Frl. Schweſter/ ſagte Frl. Lukrezie/ du legeſt es
über in die laͤnge oder quere/ muß ich doch zuvor wiſſen/ ob ich gnugſam bin/ dir deine Laſt
tragen zuhelffen/ damit mirs nicht gehe/ wie jenem ſtolzen Rehe/ welches dem Hengſte die
Buͤrde ab- und uͤber ſich zunehmen wagen durffte/ und unter ſolcher Laſt erdrücket ward.
Du wilt gar zu vorſichtig ſpielen/ antwortete Sibylla/ welches allemahl eben ſo hoch nicht
zu loben iſt; verſprich mir nur auff den fall der gnugſamen Duͤchtigkeit deinen Beyſtand/
ſo wird ſich das übrige algemach ſchicken. Du ſpanneſt die Pferde hinter den Wagen/
antwortete jene; ich muß ja nicht ehe verſprechen etwas zuleiſten/ ſondern vorher mich
pruͤfen/ obs in meinem Vermoͤgen ſey oder nicht; und hoͤre doch deines Anſchlages Un-
guͤltigkeit aus einer gleichen Anfoderung: verſprich mir nur/ daß du mich wolleſt zur Koͤ-
nigin in Parthen machen/ ſo wird ſich das übrige algemach fein ſchickẽ. Du biſt eine Ver-
drehe-
[317]Sechſtes Buch.
dreherin meiner Reben/ ſagte Frl. Sibylla/ und reimet ſich dein Einwurff gleich als eine
Bradwurſt auff dein Naͤhekuͤſſen. Sie wolte weiter reden/ aber Fr. Sophia/ welche ih-
rem Geſpraͤch eine zeitlang von ferne zugeſehen hatte/ und nicht wiſſen kunte/ was deſſen
Urſach oder Inhalt wahr/ trat gleich hin zu ihnen/ und ward dieſelbe von der Groß Fuͤr-
ſtin alſo angeredet: Herzen Fr. Schweſter/ Eure Liebe/ bitte ich ſehr/ helffen mir den ſtreit
dieſer beyden allerliebſten Fraͤulein glüklich beyzulegen/ welcher daher entſtanden iſt/ daß
Frl. Sibylla an ihrer Frl. Schweſter begehret/ in Abtragung der Dankbarkeit/ womit ſie
dieſen beyden Durchll. Fuͤrſten ſich meynet verſchuldet ſeyn/ ihr moͤglichen Beyſtand zu
leiſten/ deſſen ſie ſich zugleich erbeut und wegert. Daran tuht meine geliebte Frl. Schwe-
ſter Lukrezie recht und wol/ antwortete ſie/ wann ſie dieſer Anmuhtung ſich beſtaͤndig ent-
ſchlaͤget/ dann bey meiner Frl. Schweſter Sibyllen iſt das Vermoͤgen/ ſich vor ihr Haͤupt
dankbarlich zuerzeigen/ inſonderheit gegen den Durchl. Fuͤrſten Herrn Siegward/ deſſen
Liebe vornehmlich ihrer Ehren Retter geweſen iſt; Weil aber der Durchl. Fuͤrſt H. Bald-
rich ſich gleich ſo hoch umb mich verdienet gemacht/ und unter ſeine ſchuld mich gebracht/
aber ſolches zubezahlen weder Gelegenheit noch Krafft habe/ iſt mein gaͤnzlich tichten/ mei-
ne herzgeliebete Frl. Schweſter Lukrezien an meinen Plaz hinzuſtellen/ der gewiſſen Zu-
verſicht/ ſie werde mir dieſe Bitte nicht verſagen/ die nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen ohn eini-
ge Bedingung zuerſetzen/ ich mich hiemit wil verpflichtet haben. O wie klungen die erſten
Worte ſo wol vor mich/ antwortete Frl. Lukrezie/ und hielt ich mich ſchon gar vor eine loß-
geſprochene/ befinde aber/ daß durch die folgenden ich aus der Bach ins Meer gejaget wer-
de/ weil ich dorten ſelb andere/ hier aber ganz allein zahlen ſol. Nun muß zwar meiner Frau
Schweſter ich billich zu gehorſam ſtehen/ und ihꝛ gebieten uͤbeꝛ mich nehmen/ ob ich gleich
darunter gar erliegen ſolte/ nur werde ich gezwungen/ bey hochgedachtem Fuͤrſten demüh-
tige Anſuchung zutuhn/ daß er mein Unvermoͤgen uͤberſehen/ und nit groͤſſere Erſtattung
von mir fodern wolle/ als meine ſchwachen Kraͤffte zulaſſen. Nicht iſt meine Frl. Schwe-
ſter mir ſchuldig/ ſagte Fr. Sophia/ aber mir genuͤget an dieſem erbieten/ und bitte ſehr/ ſie
wollen ihren Tanz laͤnger nicht auffſchieben/ nach dem ich verhoffe/ die wichtige Streitig-
keit ſey nunmehr beygelegt. Noch eines nur/ Fr. Schweſter/ ſagte Frl. Lukrezie/ daß ich
wiſſen moͤge/ wie hoch dem Durchl. Fuͤrſten ihretwegen ich muͤſſe verpflichtet ſeyn. Sie
lachete der Frage/ und gab zur Antwort: Weil meine Frl. Schweſter mir ſolches abfo-
dert/ iſt ſie dem Fuͤrſten ſo hoch verſchuldet/ daß ſie ihm volkommene Gewalt zuſtelle/ von
ihr nach belieben zufodern/ und ſie ihm keine Bitte verſage/ weil deſſen Liebe weder unge-
buͤhrliche noch unmoͤgliche Dinge von ihr begehren wird. Meine Fr. Schweſter beden-
ket es kaum halb/ ſagte ſie/ was ſie iezt redet/ welches ich ihr nach dieſem weitlaͤuftiger aus-
legen werde. Alſo ſetzeten ſie ihren Tanz in guter Zierligkeit fort/ nachgehends lieſſen die
Fuͤrſten ſich bey dem Fraͤulein ſitzend nider/ und wageten ſich/ allerhand verliebete Reden
vorzutragen/ inſonderheit Siegward/ als welcher in guter Hoffnung ſtund/ noch dieſen
Abend von ſeinem Fraͤulein das unbedingete Jawort zuerhalten; weil aber ſolches von ihr
nicht zuerzwingen wahr/ ſondern ſie auff ihrer heutigen Antwort feſt beſtund/ und ihn zu-
gleich freundlich erinnerte/ er moͤchte alle unſtaͤndige Eile aus ſeinem Herzen verbannen/
damit alles ſein erbar zugehen moͤchte; machte er ſich zu Fr. Sophien/ erinnerte ſie des in
r r iijder
[318]Sechſtes Buch.
der Hoͤhle getahnen verſprechens/ daß nach anlangung zu Padua/ ſie ihr ſeine Sache be-
ſtes vermoͤgens wolte laſſen angelegen ſeyn; deſſen moͤchte ſie ſich gnaͤdig erinnern/ nnd
die Befoderung tuhn/ daß die langwierige Brunſt ihm das Blut nicht gar austroknete;
zwar er befuͤnde das allerliebſte Fraͤulein ihm nicht allerdinge abhold/ nur daß ſie alles auf
ihrer Eltern und Anverwanten Bewilligung ausſetzete/ welches den Zweifel in ſeiner
Seele immerzu vermehrete; Weil ihm dann nicht unwiſſend waͤhre/ daß Ihre Liebe ihm
ſein ſuchen bey hochgedachten Eltern hernaͤhſt wol wuͤrde erhalten koͤnnen/ welches er
aus der ihm gemacheten Hoffnung ſchlieſſen muͤſte/ baͤhte er inſtendig/ ihm zufoderſt der
Fraͤulein volſtaͤndige Einwilligung zuerwerbẽ/ damit er aller furchtſamen Angſt entnom-
men/ ſeinen Geiſtern ruhe und ſicherheit erteilen koͤnte. Sie antwortete ihm; daß ſie nicht
allein ihrer Zuſage/ ſondern auch ihrer ſchuldigkeit ſich wol erinnerte/ daher ſie ſchon heut
fruͤh mit ihrem Herr Vater alles verabſcheidet haͤtte/ deſſen gutwilligkeit ſie in der Taht
verſpuͤret/ in dem derſelbe alsbald einen reitenden Bohten nach Rom an der Fraͤulein El-
tern/ ihren Willen einzuhohlen/ abgefaͤrtiget/ der mit abgewechſelten Pferdẽ Tag uñ Nacht
eilen wuͤrde; weil aber das meiſte bey dem Fꝛaͤulein ſelbſt ſtuͤnde/ wolte ſie hinte ihr Schlaſ-
geſelle ſeyn/ und verſuchen/ wie weit ſie es gegen Morgen fruͤh fortſetzen koͤnte/ und er ſich
eine kurze Zeit gerne gedulden wuͤrde. Aber ſaget mir/ bitte ich/ (taht ſie hinzu)/ weſſen mag
der liebe Fürſt Baldrich geſinnet ſeyn? ich hoffe ja nicht/ daß er willen trage/ uns ſo bald
zuverlaſſen/ und genehmere oͤrter zu ſuchen/ welches ich aus ſeiner angenommenen ſchwer-
muht argwohnen muß. Siegward verſtund dieſen Poſſen nicht/ welcher nur angeleget
wahr/ Baldrichs Liebe gegen Fraͤulein Lukrezien außzuforſchen/ antwortete deßwegen in
aller einfalt: Er waͤhre verſichert/ daß ſein lieber Freund die allergroͤſte Vergnuͤgung an
dieſem Orte haͤtte/ und nichts ſo ſehr befuͤrchtete/ als daß er denſelben gar zu zeitig wuͤrde
verlaſſen müſſen/ ſintemahl er in Frl. Lukrezien ſich dergeſtalt verliebet befuͤnde/ daß er ſein
ſelbſt daruͤber vergaͤſſe/ uñ doch wegen ihrer ernſthaftigkeit/ deren ſie ſich gegen ihn gebrau-
chete/ und daß er ihr keine Dienſte geleiſtet/ ſein heftiges anliegen nicht loßdruͤcken duͤrfte;
gaͤbe vor/ er merkete in ihren Augelein einen ſcharffen Nebenblik/ den ſie auff ihn ſchoͤſſe/
wann von ſeiner verliebung er zu reden anfinge/ und weil er denſelben nicht ertragen koͤnte/
wuͤrde er aus furcht/ ſie zubeleidigen/ in ſeinen begierden lieber vergehen/ als einer ſo groſ-
ſen Wagniß ſich unternehmen; und iſt dieſes/ ſagte er/ nicht der geringſten Urſachen eine/
daß ich mein Vorhaben ſo eilends fort treibe/ damit ich meinem Liebſten Freunde deſto beſ-
ſer zu huͤlffe treten moͤge. Iſt dieſes die Urſach ſeiner Traurigkeit/ antwortete ſie/ ſo wird
euer Liebe gebuͤhren/ ihn zu troͤſten/ und ihn auff meine traͤue zuverſichern/ daß den Stoß/
welchen er dem Raͤuber Fannius gab/ ich zuvergelten/ und dieſer Fraͤulein gewogenheit
ihm zuerwerben/ mich aͤuſſerſt bemuͤhen wil; nur reize eure Liebe ihn an/ daß er ſich etwas
freier gegen ſie gebrauche/ und nicht unterlaſſe/ auff gute gelegenheit ihr ſeine Liebe zu offen-
bahren/ auch ungeachtet aller wiedrigen Antwort/ nicht ablaſſe/ dann ihre Art und eigen-
ſchaften ſind mit Frl. Sibyllen nicht einer ley/ ſondern gehen viel friſcher/ bewaͤglicher und
ſpizfindiger; und ob ſie gleich ſich weit werffen wolte/ wird der liebe Fuͤrſt doch allemahl et-
liche eingemiſchete Reden hoͤren/ die ihr ertichtetes wegern und wiederſprechen ſelbſt gnug
wiederlegen werden. Siegward ward ihres erbietens ſehr froh/ verließ ſich zwar auff ihr
verſpre-
[319]Sechſtes Buch.
verſprechen/ und wolte doch ſelbſt verſuchen/ wie weit ers bringen koͤnte. Vor erſt aber
machte er ſich zu Baldrichen ließ ihn alles wiſſen/ und ſtaͤrkete ihn/ ſeine Anwerbung unge-
ſcheuhet anzubringen. Die Groß Fuͤrſtin hatte unterdeſſen mit Arbianes einen Tanz ge-
halten/ und ihn erinnert/ mit Baldrichen gute Kundſchaft zu machen/ welches ihm zu ſei-
nem Vorhaben ſehr dienlich ſeyn wuͤrde; gab ihm auch an die Hand/ ſein Vermoͤgen an
den Tag zu legen/ und ein Frei-rennen auff ſeine Koſten anzuſtellen/ auch nichts zu ſparen/
ob gleich alle ſeine Schaͤtze (welches doch unmoͤglich) drauff gehen ſolten/ damit er ihm
einen Nahmen erwuͤrbe. Er bedankete ſich wegen des getraͤuen Rahts/ trat vor den Stat-
halter/ und redete ihn alſo an: Hochmoͤgender Herr Stathalter/ nachdem der guͤtige Him-
mel meine Gnn. Herrn und Bruͤderliche Freunde/ Koͤnig Ladiſla/ Groß Fuͤrſt Herkules
und Herrn Kajus Fabius glüklich und geſund wieder hieſelbſt angelangen laſſen/ bin ich
willens/ hieruͤber etliche Freuden Tage anzuſtellen/ und dabey ein Freiſtechen zu halten/ da
alle ankommende Ritter von mir ſollen aus den Herbergen frey außgeloͤſet werden/ ſo viel
deren ſich bey dieſer ritterlichen Ubung wirklich gebrauchen/ bitte demnach eure Gn. wol-
len hierin gnaͤdig gehehlen/ und mir zu dieſem Vorhaben den Plaz goͤnnen/ auff welchem
Koͤnig Ladiſla ſein allerliebſtes Gemahlaus Raͤuber Haͤnden erloͤſet hat. Dem Stathal-
ter wahr nicht unbewuſt/ daß er groſſe baarſchaften bey ſich fuͤhrete/ willigte deßwegen nit
allein gerne ein/ ſondern bedankete ſich zugleich/ daß er ſeiner gegenwart eine ſo wiꝛdige und
ritterliche Gedaͤchtnis hinterlaſſen wolte. Baldrich hatte durch ſeines Geſellen einrahten
ſich nicht wenig geſtaͤrket/ nam ihm vor alle moͤgligkeit anzuwenden/ ob er ſeinem Vorha-
ben einen beſtaͤndigen Fuß ſetzen moͤchte/ und weil er ſein liebes Fraͤulein allein ſitzen fand/
nam er nach gebehtener erlaͤubniß den naͤheſten Siz bey ihr/ und bedankete ſich/ in nider-
traͤchtiger Demuht/ daß auff der Durchl. Fr. Koͤnigin in Boͤhmen anmuhten/ ſie ſich er-
bohten haͤtte/ derſelben Stelle zuvertreten. Nun haͤtte er aber von hoͤchſtgedachter ſeiner
Fr. Schwaͤgerin ſo hohe woltahten empfangen/ daß er ſolches nicht anders/ als mit dar-
bietung ſeiner ſelbſt zuerſetzen wuͤſte/ wuͤrde demnach das hochgebohrne Fraͤulein an ihrer
Fr. Waſen ſtat ihn vor einen Knecht und Diener annehmen/ und ſich der Gewalt uͤber
ihn gebrauchen/ daß ſie ihm voͤllig und ohn einige bedingung befoͤhle/ alsdann wolte er mit
darſtreckung ſeines Blutes und aͤuſſerſten vermoͤgens ſich bereit halten/ ihren gebohten
entweder genuͤge zu tuhn/ oder einen willigen Tod anzutreten. Worauff ſie alſo antworte-
te: Ich getraue nicht/ Durchl. Fuͤrſt/ es vor meiner Fr. Schweſter verantworten zu koͤn-
nen/ wann ſein gar zu hohes erbieten ich annehmen wuͤrde/ maſſen von derſelben ich außge-
fodert bin/ nicht in noch tieffere Schulden mich zuſetzen/ ſondern die ihre nach vermoͤgen
abzutragen; wiewol ſein getahnes hohes erbieten ich billich erkenne/ und wie daraus ſeine
gute gewogenheit ich zur genuͤge verſpuͤre/ alſo werde ich gelegenheit ſuchen/ mich dankbar
finden zu laſſen/ als gegen einen/ der mich ſchon gewirdiget hat/ ſich mir ritterlicher Weiſe
zuverbinden/ welcher ehren ich mich doch/ wie ſchon heut erwaͤhnet/ unwirdig halte/ und
dürfte ohn zweifel ſchier heut oder morgen euer Liebe Gemahl mirs zum Hochmuht ausle-
gen/ daß ich einen ſolchen hohen Fuͤrſten vor meinen Ritter anzunehmen/ mich nicht ge-
ſcheuhet. Baldrich merkete aus dieſer Antwort/ daß ſie ſein anſuchen nicht veꝛſtehen wolte/
daher er auff Siegwards anmahnung ſich ſteurend/ ſeine runde meynung dergeſtalt vor-
brachte.
[320]Sechſtes Buch.
brachte. Hochgebohrnes Fraͤulein/ wie kan doch eure vortrefligkeit von ihrem dienſterge-
benen Knechte dieſe Gedanken faſſen/ ob wuͤrde er irgend einer andern als ihr/ ſein
Herz zuwenden/ oder auſſer ſie ein Gemahl ſuchen? eine ſolche unteutſche Seele hat mir
der Himmel nicht eingegoſſen/ muͤſte auch billich verfluchet ſeyn/ wañ gegen ihres gleichen
ich anders reden als gedenken wuͤrde. Wolle demnach ihre Liebe bey meinen Ritter- und
Fuͤrſtlichen ehren/ die ich nimmermehr zu ſchaͤnden bedacht bin/ ſich verſichern laſſen/ daß
meine Seele nichts anders ſuchet noch ſehnet/ als von deroſelben vor einen kuͤnftigen Ge-
mahl angenommen zu werden/ welches da ichs erhalten kan/ mir die allerhoͤchſte Vergnuͤ-
gung geben wird/ im widrigẽ/ werde ich nichts ſo emſig ſuchen/ als meinem Fraͤulein durch
die allerkraͤftigſte bewaͤhrung darzutuhn/ daß mein Herz niemand anders als ihrer vortref-
ligkeit koͤnne ergeben ſeyn. Das Fraͤulein hielt dieſe Anwerbung vor gar zu duͤrre uñ kuͤhn/
ſtellete ſich etwas erſchrocken/ und gab zur Antwort: Durchl. Fuͤrſt/ dieſes euer Liebe Ziel
habe aus dero vorigen reden wegen meiner einfalt ich nicht abſehen noch mir vorſtellẽ koͤn-
nen/ als die ich dergleichen anmuhtungen bißdaher allerdinge ungewohnet bin; bedanke
mich zwar der hohen gewogenheit gebuͤhrlich/ aber weil einem Roͤmiſchen Fraͤulein/ die ih-
ren lieben Eltern und Anverwanden unterworffen und zum gehorſam verbunden iſt/ in
dergleichen teidungen ſich einzulaſſen/ keines weges geziemen wil/ wird eure Liebe fernere
erklaͤrung von mir nicht gewaͤrtig ſeyn/ deren ſonſten getraͤue freundſchaft biß an mein En-
de zuerzeigen ich mich nicht wegern wil/ uñ da ich mich ſelbſt ruͤhmen darff/ leiſte eben hie-
durch euer Liebe ich ſchon eine wirkliche Freundſchaft/ wann dieſelbe ich von ſolchem vor-
nehmen und ihr ſelbſt gar zu ſchaͤdlichen Gedanken abrahte/ weil ich weiß/ daß da ihre Liebe
dieſes fortſetzen und erhalten würde/ dieſelbe ſich ihrer lieben Eltern und aller Fürſtlichen
Erbſchaft ewig verzeihen muͤſte. Baldrich gedachte nicht anders/ als das Fraͤulein ſuche-
te nur ertichtete außfluͤchte/ ſich ſeiner zuentbrechen/ ließ deßwegen einen tieffen Seuffzer
aus dem innerſten ſeines Herzen/ und ſagte mit gebrochener Stimme: Nun meine Seele/
ſo bitte dieſes mehr als irdiſche Fraͤulein demuͤhtig umb verzeihung/ wegen deines unbe-
ſonnenen frevels/ nim auch/ ob gleich peinlich/ dannoch willig an/ was durch dieſe Frecheit
du dir ſelbſt auffgebuͤrdet haſt; ihr aber/ trefliches Fraͤulein/ gedenket ja nicht/ daß ich deren
außdrükliche wegerung unter einer ertichteten Furcht mir vorgehalten/ vor unrecht auß-
geben oder anklagen wolle; nein/ der Gehorſam euer Liebe verſprochen/ erfodert viel ein
anders; ſondern weil ich mir unternehmen duͤrffen/ ihre Ohren durch meine verwaͤgene
Anwerbung zubeleidigen/ wil ich der Straffe mich willig unterwerffen/ nur allein wuͤn-
ſche ich/ daß dieſe allerliebſte Hand (die ihre druͤckend) die volſtreckung der billichen Rache
uͤber ſich nehmen/ und mein gar zu freches Herz abſtoſſen wolte. O du gluͤkſeliger Baldrich/
daß du dieſe ſo trefliche volkommenheit geſehen haſt! aber O du unglüklich-verwaͤgener/
daß du derſelben dich haſt duͤrffen faͤhig ſchaͤtzen! So beſtaͤtiget nun/ hochgebohrnes Fꝛaͤu-
lein/ meine ge[t]ahne verpflichtung/ wodurch ich mich verbunden/ niemand als nur ihr zu le-
ben und zu ſterben; und weil ich des erſten unwerd bin/ mich auch nunmehr ſelbſt vor einen
ſolchen halten muß/ weil ihre Urtel ſo gehet/ wil ich das andere ja ſo beſtendig volſtrecken/
als ich die Schuld des Todes uͤber mich mutwillig gezogen habe; nur laſſet dieſe meine
willigkeit ein Zeichen meiner geſchwornen traͤue ſeyn. Hiemit ſtund er auff/ und wolte ab-
ſcheid
[321]Sechſtes Buch.
ſch eid von ihr nehmen/ des gaͤnzlichen vorhabens/ noch dieſen Abend hinaus in einen Wald
zu reiten/ und daſelbſt ſein Leben durch Hunger zuendigen. Aber das Fraͤulein befuͤrchtete
noch ein ſchwerers/ faſſete ihn bey der Hand/ und da er auffſtund weg zugehen/ ſagte ſie mit
ganz verworrenem Gemühte zu ihm: Durchl. Fuͤrſt/ und mein Ritter/ wohin gedenket
eure Liebe ſo eilig? Nach dem Ende meines Ungluͤks/ antwortete er: Wo meinet aber eu-
re Liebe ſolches anzutreffen? fuhr ſie fort; iſt es in der naͤhe/ ſo nehmet mich mit/ dann ich
wolte des Ungluͤks auch gerne entladen ſeyn. Dieſen Wunſch/ ſagte er/ wird eure vortref-
ligkeit alsbald nach meinem Abwich erhalten/ wann die Urſach ihres Ungluͤks wird aus
dem Wege geraͤumet ſeyn. Daß ſind dunkele Reden/ antwortete ſie/ deren Verſtand ich
nicht begreiffen kan/ bitte demnach/ mich deſſen klaͤrern bericht zu tuhn/ oder ich muß billich
an ſeiner mir ſo teur verſprochenen gewogenheit zweiffeln. Eben dieſe Gewogenheit/ ſagte
er/ weil ſie mich gar zu verwaͤgen gemacht/ ſol davor moͤgliche Buſſe angehen/ und bitte die
Goͤtter/ eure vortrefligkeit in ſtetem Schuz zu halten/ mir aber zuverzeihen/ daß ich habe lie-
ben duͤrffen/ welches ich nur ſolte angebehtet habẽ. Eure Duꝛchl. leget mir groſſe beſchimp-
fung an/ ſagte ſie/ in dem ſie mich uͤber gebuͤhr erhebet/ deſſen ich dann zu ſeiner Zeit gebuͤhr-
lichen abtrag fodern werde; nur bitte ich dißmahl/ mich eigentlich zuberichten/ wo des Un-
gluͤks endſchaft anzutreffen ſey/ auff daß ich zugleich mit ihm dahin gelangen koͤnne. Da
werde ichs finden/ antwortete er/ da es keine Gewalt mehr uͤber mich hat; ihre Liebe aber
hat hieran keinen teil/ weil ſie keines verbrechens kan beſchuldiget werden; bitte demnach
mein Fraͤulein wolle ihren unwirdigen Knecht gnaͤdig beurlauben/ einen kurzen abtrit zu-
nehmen. Ich habe uͤber eure Durchl. mich hoͤchſt zubeſchweren/ antwortete ſie/ daß dieſel-
be ſich vor unwirdig ſchelten/ und mir einige Gnade uͤber ihre Fuͤrſtliche Hocheit zulegen
darff/ und ſol trauen alles auff ein Klaͤuel gewunden werden; ſonſten willige in euer Liebe
abtrit ich gar gerne/ dafern dieſelbe mir angeloben wird/ auffs ſchleunigſte ſich wieder ein-
zuſtellen. Dafern die Goͤtter mir ſolches goͤnnen/ ſagte er/ gehorſame ich auch in dieſem/ wie
in allen andern; aber was iſt euer Liebe mit deſſen Wiederkunft gedienet/ der wegen began-
genen frevels ſeine Augen nicht auffſchlagen darf/ uñ daher ſich unwirdig achtet/ den Him-
mel anzuſchauen/ weil er deſſen allervortreflichſtes Geſchoͤpff zu hart beleidiget hat? Das
Fraͤulein zweiffelte an ſeinem wütigen Vorhaben nicht mehr/ wuſte aber vor Angſt nicht/
weſſen ſie ſich erklaͤren ſolte; dann ſie merkete/ daß er auch ohn ihre Bewilligung aufſtehen
wolte/ davon zugehen/ welches zuverhindern ſie ihr gaͤnzlich vornam/ und zu ihm ſagete:
Durchl. Fuͤrſt/ ich trage ſehr hohe begierde/ mit euer Liebe Frl. Schweſter/ Frl. Klaren in
Kundſchaft zugerathen/ und derſelben gehorſamlich aufzuwarten/ nach dem deren vortref-
liche Schoͤnheit und Tugend mir von Fr. Libuſſen hoch geruͤhmet iſt; da ich dann von de-
ren Durchl. auch einen gedaͤchtnis Ring zu uͤberkommen hoffe. Alsdann wolle eure Liebe/
antwortete Baldrich/ meiner Frl. Schweſter meinen Gruß anmelden/ und zum Wahr-
zeichen unbeſchweret andeuten/ ich habe ihr begehren in Schweden getraͤulich verrichtet/
aber die erhaltung ſey mir erſt uͤber ein Jahr verſprochen/ alsdann ſie alles nach belieben
werde abfodern koͤnnen. Wie? ſagte ſie/ wil dann eure Liebe nicht mit uns in ihr Vater-
land reiſen? daß waͤhre trauen ein ſchlechter Ritterdienſt/ deſſen zu euer Liebe ich mich nit
verſehen haͤtte. O eure Liebe kraͤnke doch meine Seele weiter nicht mehr/ antwortete er/
ſ ſweil
[322]Sechſtes Buch.
weil dieſelbe ja willig und bereit iſt/ den Sold/ welchen ſie verdienet/ zuempfahen; man ge-
brauchet ſich ja gegen arme Suͤnder wol der Folter/ aber nicht/ wann ſie gutwillig alle
Schuld bekennen/ und ja ſo fertig ſind/ die Straffen auszuſtehen/ als der Richter iſt/ ſie
anzulegen. Das Fraͤulein kunte ſo Herztreffende Reden nicht laͤnger anhoͤren/ ſagte des-
wegen zu ihm: Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ iſt einige ungetichtete Liebe in ſeiner Seele gegen
meine Wenigkeit/ ſo wolle er ſich in dergleichen vorbringen maͤſſigen/ damit ich nicht ur-
ſach habe/ mich ſeiner Unbilligkeit zubeklagen. Daß Eure Liebe ich vor meinen wahren
Freund halte/ habe ich ſchon heute nicht ſchlechten Beweißtuhm dargelegt/ es waͤre dañ/
daß man uͤber zuͤchtiger Fraͤulein gebuͤhr von mir fodern wolte/ welches/ wie ich weiß/ eu-
re Redligkeit nicht begehren kan. Mein Freund vernimt ja von mir/ wie traͤulich ich es mit
ihm meyne/ indem ich ihm ſo auffrichtig vorſtelle/ was vor Ungluͤk ihn wegen meiner Hey-
raht zuſtoſſen wuͤrde; nennet er dann ſolches eine Folter? haͤlt er das vor eine Peinigung?
Baldrich ergriff ſich in etwas durch dieſe Reden/ wuſte doch nicht/ wie ers verſtehen ſolte/
daß ihm dieſe hoͤchſtgewuͤnſchete Heyraht ſo ſchweres Unheil erwecken koͤnte/ und antwor-
tete ihr: Durchl. Fraͤulein/ was koͤnte mir doch ein ſo glükſeliges Engelchen vor Ungluͤk
bringen? oder meynet Eure Liebe/ daß meine liebe Eltern uñ mein Teutſches Vaterland/
ſolche Tugend und Schoͤnheit haſſen/ die an ihr in ſolcher Volkommenheit hervor leuch-
ten? Wolte der Himmel/ daß ich ſonſt kein widerwaͤrtiges in dieſer Welt zugewarten haͤt-
te/ wuͤrde ich dieſes mit gutem Willen ertragen. Ja mein Durchl. Fuͤrſt/ fagte ſie/ eben
durch dieſe Reden gibt er an den Tag/ daß er die meinen nicht recht verſtehe/ erachte mich
demnach ſchuldig/ ihm ſolche zuerklaͤren; Anfangs aber erſuche ich Eure Liebe/ meine Ge-
ringfuͤgigkeit nicht uͤber ihren Wert zuloben/ damit vor derſelben ich nicht ſchamroht ſte-
hen dürffe; Hernach erinnere ich dieſelbe/ daß ihr nicht unbewuſt iſt/ was geſtalt ſein Herr
Bruder/ Groß Fuͤrſt Herkules/ unangeſehen ſeines gleichen an Ehre/ Froͤmmigkeit und
Tugend in der Welt ſchwerlich zufinden/ dannoch von ſeinem Herr Vater und dem gan-
ten Vaterlande/ bloß wegen ſeines Chriſtentuhms und gottſeligen Lebens angefeindet
wird/ daß man auch damit umgehet/ ihn des Reichs nicht allein zuenterben/ ſondern noch
darzu als einen Feind der Teutſchen Goͤtter in die ewige Acht zuerklaͤren. Nun kan Euer
Liebe aus auffrichtigem Herzen ich nicht verhehlen/ daß nicht alle in ich und meine liebe El-
tern Chriſten ſind/ ſondern uͤber das ich meinen Leib lieber zu Aſchen verbrennen laſſen/ als
denſelben allein ſeligmachenden Glauben verleugnen/ oder einen Un Chriſten an meiner
Seite warm werden laſſen wolte; und weil dieſer mein Vorſaz weder durch Macht noch
Guͤte/ ja weder durch Pein noch Tod kan gebrochen werden/ ſo ſihet und verſtehet Eure
Liebe/ wie groſſe Urſach ich gehabt/ dieſelbe von ihren verliebeten Gedanken abzuzihen/ die
mir ſonſten nicht unangenehm ſeyn koͤnten/ angeſehen deren hohẽ Fuͤrſtlichen Stand/ doch
vielmehr deren Tugend und Froͤmmigkeit/ und daß dieſelbe mit meinem groͤſten Freunde
Groß Fuͤrſt Herkules in ſo naher Blutfreundſchafft ſtehet. Au weh! antwortete Baldrich;
nehmen dann ſo vor trefliche Fraͤulein auch dieſen neuen Glauben an/ welcher von aller
weltlichen Obrigkeit mit hoͤchſter Straffe verfolget wird? Je warumb nicht? ſagte ſie/
warum ſolten nicht ſo wol Weibes-als Mannesbilder ihrer ewigen Seligkeit acht haben?
und zweifelt eure Liebe hieran? oder meynet ſie/ daß die Groß Fuͤrſtin Fr. Valiſka/ und Fr.
Sophia/
[323]Sechſtes Buch.
Sophia/ ja auch meine Waſe und Schweſter Frl. Sibylla/ neben Koͤnig Ladiſla und vie-
len anderen unſer Geſelſchafft eines anderen Glaubensleben? Ey mein Fraͤulein/ antwor-
tete er/ ſo kan ich/ was ſie mir auch ſagen mag/ weder ſie noch jeztge dachte Tugendergebene
Herzen vor unkeuſch und viehiſch halten/ und daher ſie des unzuͤchtigen Chriſtentuhms
mit nichten beſchuldigen; und ob der uͤbrigen Art und Sitten mir gleich unbekant ſind/
weiß ich doch ungezweifelt/ daß weder Koͤnig Ladiſla/ noch mein Bruder Herkules mit
unzuͤchtigen Gemahlen ſich ſchleppen koͤnnen/ noch meine Waſe Frau Valiſka einigem
Menſchen in ungebuͤhr zuwillen ſeyn. Das Fraͤulein entſetzete ſich vor dieſer Rede/ und
gab ihm mit zimlicher Ungeſtuͤm zur Antwort: So haͤlt Eure Liebe unſer Chriſtentuhm
und die viehiſche Unzucht vor ein Ding? O der grundguͤtige GOtt verzeihe euch ja dieſe
ſchwere Gotteslaͤſterung/ weil ſie verhoffentlich nicht aus Boßheit/ ſondern bloſſer Unwiſ-
ſenheit entſpringet; Aber was muß doch vor ein abgefeimeter Bube ſeyn/ der ſolche Ab-
ſcheuhligkeiten von den unſchuldigen Chriſten ausſprengen darff/ da keine heiligere noch
keuſchere Geſetze/ als eben der Chriſten/ koͤnnen gefunden werden/ nachdem dieſelben nicht
allein aͤuſſerliche Unreinigkeit/ ſondern auch die innerliche unzimliche Gedanken und Be-
waͤgungen vor Suͤnde halten/ und davon abmahnen. Baldrich antwortete hierauf: Wird
mein erzaͤhletes von den Chriſten mit Unwarheit ausgegeben/ ſo muͤſſen alle unſere Pfaf-
fen die gottloſeſten Schelmen unter der Sonne ſeyn; dann ein ſolches bilden ſie taͤglich
groſſen und kleinen/ hohen und nidrigen ein/ und erwecken dadurch einen ſolchen unver-
ſoͤhnlichen Haß in aller Menſchen Herzen/ daß wann ein einziger ſich in meinem Vater-
lande ſolte finden laſſen/ der ſich vor einen Chriſten angaͤbe/ oder nur ihren Glauben/ wañ
deſſen gedacht wird/ ungeſchaͤn det lieſſe/ wuͤrde er ohn einige Gnade unſern Goͤttern/ als
das angenehmeſte Opffer abgeſchlachtet. So gebet ihr nun/ Durchl. Fuͤrſt/ ſelber zuver-
ſtehen/ ſagte ſie/ was groſſe Gefahr Euer Liebe auff meiner Heiraht ſtehen wuͤrde/ und er
daher meiner auffrichtigen Traͤue ſich wol verſichern kan/ weil ich ihn von dieſem Vorſa-
tze ſo herzlich abrahte/ maſſen eine lautere Unmoͤgligkeit iſt/ daß umb ſeinet/ oder einiges
Menſchen willen/ wer der immer ſeyn mag/ ich meinen Glauben verlaſſen/ und einem an-
dern zugefallen zum Teuffel fahren wolte/ ſondern vielmehr willig und bereit bin/ umb mei-
nes Gottes willen mein zeitliches Leben herzlich gerne einzubuͤſſen/ wans von mir ſolte ge-
fodert werden/ worzu auch ein jeder rechtſchaffener Chriſt ſich gefaſſet haͤlt und haltẽ muß;
Und ob zwar zwiſchen Heyden und Chriſten die Heiraht zugelaſſen iſt/ wie dann Euer Lie-
be ich vertraulich offenbahre/ daß die Frau Stathalterin meine Fr. Waſe/ den Chriſtlichẽ
Glauben mit ihres Gemahls Zulaſſung ſtets bekennet hat/ ſo habe ich doch in meinem
Herzen es meinem Gott aͤidlich angelobet/ daß nimmer mehr kein Un Chriſt mein Braͤu-
tigam oder Gemahl ſeyn ſol; Wolle demnach mein Fuͤrſt und Ritter erkennen und erwaͤ-
gen/ daß unſere Ehe durch ſeine garzu groſſe Gefahr und durch meine lautere Unmoͤglig-
keit gehindert wird/ maſſen ich gar nicht zweifele/ er werde dieſes bey ihm gelten laſſen/ daß
ich ſchuldig bin/ mehr meinen Gott/ als einigen Menſchen zulieben. Ach mein außerwaͤhl-
tes Fraͤulein/ antwortete er/ ich bitte ſie durch ihren Gott/ dem ſie ſo feſt anhanget/ ſie wolle
ihre Liebe mir nicht ſo gar vor der Fauſt abſchlagen/ und mir dieſe Frage beantworten; daß
wann ich ihrem Gott mich auch ergeben/ und denſelben unter die meinen auffnehmen
ſ ſ ijwuͤrde/
[324]Sechſtes Buch.
wuͤrde/ ob dann nicht die Unmoͤgligkeit an ihrer ſeiten zerginge. Nein/ Durchl. Fuͤrſt/ ant-
wortete ſie; eine ſolche Beſchaffenheit hat es gar nicht mit unſerm Glauben/ daß man zu-
gleich unſern Gott/ welcher der einige wahre Gott iſt/ bekennen/ und nebeſt demſelben an-
dere Goͤtter/ die alle uͤbern hauffen falſch und ertichtet ſind/ verehren koͤnte; ſondern der
allererſte Grund unſer Chriſtlicher Lehre iſt dieſer/ daß wir allein allein unſern einigẽ wah-
ren GOtt/ als einen Gott fuͤrchten/ lieben/ ehren/ und alle andere falſche/ betriegliche/ oh-
maͤchtige und nichtige Goͤtter verachten/ verwerffen/ und aus unſerm Herzen verbannen
muͤſſen; und weil wir krafft unſer Lehre/ und bey Verluſt der ewigen Seligkeit/ nicht an-
ders koͤnnen/ ſo iſt diß die vornehmſte Urſach/ daß die Heyden uns ſo hart verfolgen/ und
mit groſſen Hauffen toͤdten. Es iſt ein hartes/ ſagte Baldrich/ das in dieſemſtuͤk euer Gott
von euch erfodert. Ach nein/ ſagte das Fraͤulein laͤchelnd/ es iſt nichts als die hoͤchſte Bil-
ligkeit; dann ſehet/ mein Fuͤrſt/ wann jemand von euch erfodern wolte/ ihr ſoltet nicht al-
lein die Tapfferkeit/ ſondern auch die Furchtſamkeit; nicht allein die Gerechtigkeit/ ſondern
auch die Ungerechtigkeit; nicht allein die Keuſcheit/ ſondern auch die Unzucht und Ehe-
bruch; nicht allein die Warheit/ ſondern auch die Luͤgen vor herliche Tugenden und vor
gut halten; woltet ihr ihm auch folge leiſten? So waͤhre ich nicht wert/ daß mich der Erd-
bodem truͤge/ antwortete er/ wañ ich nicht lieber tauſend Toͤdte uͤber mich naͤhme/ als dieſes
einwilligte. Und ſo muͤſte ich/ ſagte das Fraͤulein/ lieber tauſendmahl tauſend Toͤde uͤber
mich nehmen/ als daſſelbe vor meinen Gott halten/ was falſch/ ertichtet/ nichtig und teuf-
liſch iſt; dann Gott iſt mehr als Tugend. Mein Fraͤulein redet recht und wol/ ſagte er/ a-
ber woher wil man erweiſen/ daß euer einiger Gott nur der wahre/ und alle andere falſch
und nichtig ſind? Deſſen bin ich ſo gewiß und verſichert/ antwortete ſie/ daß ich allen uͤbri-
gen Goͤttern/ meinen einigen ausgenommen/ Troz biete/ ob einer ſo maͤchtig ſey/ dz er mir
ein einziges Haͤaͤrlein kraͤnke; und wann wir dieſe ganz unfehlbahre Gewißheit nicht haͤt-
ten/ ſo waͤhren wir die allerelendeſten und unwitzigſten Menſchen; und was koͤnte uns doch
ſo beſtaͤndig im Glauben/ und ſo willig zum Tode machen/ wann wir dieſe Gewißheit nicht
haͤtten: O nein mein Fuͤrſt/ wir ſind Gott Lob unſerer Sinnen nicht beraubet/ noch der
Vernunfft entlauffen/ ſondern unſer Glaube iſt das allergewiſſeſte Vertrauen/ welches
durch keinen Teuffel noch Menſchen kan gebrochen werden/ wann wirs nicht ſelbſt boß-
haffter weiſe tuhn; Und dafern Euer Liebe dereins gefallen koͤnte/ ſich deſſen berichten zu
laſſen/ wird ſein Herr Bruder/ oder deſſen Gemahl (die eine ausbündig-gelehrte Chriſtin
iſt) ihm ein ſolches nicht verſagen. Gnaͤdiges Fraͤulein/ ſagte er hierauff/ darf ich noch um
einer einzigen Frage Beantwortung anhalten? Nicht nur um eine/ antwortete ſie/ ſondeꝛn
umb alle. Ich traue ihrem verſprechen/ ſagte er/ ſonſt wuͤrde ich mich nimmermehr ſo weit
erkuͤhnen; moͤchte demnach herzlich gerne wiſſen/ ob dann/ im falle ich ein Chriſt wuͤrde/
mein voriges anſuchen ſtat finden koͤnne; und damit Ihre Liebe deſto gewiſſern fuß habe/
verſpreche ich hiemit und kraft dieſes feſtiglich/ daß wann nichts ſchaͤndliches in ihrer
Chriſtlichen Lehre enthalten wird/ wie ich ſolches nunmehr ſchon vor gewiß halte/ ich mor-
gen umb dieſe Zeit ſchon verhoffe ihres Glaubens zuſeyn. Das Fraͤulein/ weil ſie ihn herz-
lich liebete/ ward dieſes erbietens uͤberaus froh/ ließ ſich doch nichts ſonderliches merken/
und gab zur Antwort: Durchl. Fuͤrſt/ waͤhre ich bedachtſam verfahren/ haͤtte unter allen
Fragen/
[325]Sechſtes Buch.
Fragen/ die mir koͤnnen vorgeſtellet werden/ ich dieſe einzige billich ſollen außnehmen/ weil
einem Fraͤulein nicht geziemet/ ein ſolches zubeantworten/ ehe und bevor ſie deſſen von ih-
ren Eltern/ oder die ihnen an Eltern ſtat geſetzet ſind/ außdruͤklichen Befehl hat/ wie dann
ſolches unſere Chriſtliche Lehre im Munde fuͤhret; Weil ich aber durch mein Verſprechẽ
zu einer Antwort mich habe verbindlich gemacht/ wil ich leiſten/ ſo viel mir der Wolſtand
goͤnnet/ und Ihrer Durchl. verheiſſen/ daß derſelben ich frey ſtelle/ bey meiner Gn. Groß-
Fuͤrſtin hierumb zuwerben/ welche von meinen lieben Eltern Volmacht hat/ mich zuver-
heirahten/ ſo hoch halten ſie dieſelbe; inzwiſchen gebet/ bitte ich/ eurem inſtaͤndigen anſu-
chen bey mir ſelbſt/ einen geringen Auffſchub/ und laſſet/ als ein vernuͤnfftiger Fuͤrſt und
Tugendhaffter Ritter die guͤldene Maͤſſigkeit in eurem Herzen nicht erſterben; Ich lauffe
ja dieſen Abend nicht hinweg/ habe auch Euer Liebe ſchon mehr anlaß gegeben/ als mir ge-
ziemet; doch ehe etwas weiters geſucht und vorgenommen wird/ muß Eure Liebe zuvor
beſſern Unterricht wegen des Chriſtentuhms einnehmen/ welches aber vor morgen fruͤh
nicht geſchehen kan; Wolle demnach dieſelbe alle Schwermuͤhtigkeit beyſeite legen/ und
ſich froͤlich erzeigen/ dafern ich dieſelbe vor meinen Ritter und wahren Freund halten ſol;
Vor allen dingen aber muß ſie noch zur zeit unſere Unterredung keinen Menſchen wiſſen
laſſen/ es waͤhre dann/ daß ſein lieber Geſelle ſeiner innigſten Heimligkeiten in wahrer ver-
ſchwiegenheit duͤrffte teilhafftig ſeyn/ als welcher/ wie mich duͤnket/ mit meiner herzlieben
und vertraueten Schweſter Frl. Sibyllen gleiche Handlung fortzuſetzen bemuͤhet iſt/ daß
ich faſt argwohnen muß/ ſie ſeyn deſſen beyde eins worden/ uns unwitzige ſchwache Toͤch-
ter mit ſolchem hefftigen Liebesſturm zuuͤberwaͤltigen; welches ſie mit einem freundlichen
lachen beſchloß. Baldrich richtete hierdurch ſeine faſt nidergeſchlagene Geiſter wieder
auf/ hatte aber keine gelegenheit es zubeantworten/ weil er von Fr. Urſulen zum Tanze auf-
gefordert ward. Siegward fand unterdeſſen viel eine volkommenere Vergnuͤgung; dañ
wie er ſeine harte Anſprengungen abermahl ergehen/ und ſeiner groſſen Liebesangſt ſich
vernehmen ließ/ nebeſt dem hochbeteureten erbieten/ wie inbruͤnſtig er zeit ſeines Lebens
ihr dienen wolte/ gab ſein Fraͤulein ihm dieſes zur Antwort: Vor dieſes hohe Verſprechẽ
bedanke ich mich billich und von herzen/ ſol auch zu ſeiner Zeit/ da ich deſſen groͤſſere freiheit
haben werde/ unvergolten nicht bleiben; daß aber Eure Liebe ſich uͤber mich noch beklagen/
und ein mehres/ als ihm ſchon heut verſprochen und gewilfahret/ ſuchen darff/ befremdet
mich nicht wenig. Kan ich mehr/ als ſchon geſchehen iſt? oder begehret mein Herr Bru-
der/ daß ſeine Schweſter die Zuchtbahn uͤberſchreiten ſol/ deſſen ſie von ihm dereins hohẽ
Verweiß einnehmen muͤſte? Welches Fraͤulein hat einem Mannesbilde mehr freihet ge-
goͤnnet/ als Euer Liebe ich heut uͤberſehen muͤſſen? deſſen ich mich mehr als keines Dinges
ſchaͤme/ und die Augen vor ihm kaum auffſchlagen darff. Alſo gelebe zu meinem vertraue-
ten Freunde ich der feſten Zuverſicht/ er werde ſich am geſchehenen biß dahin vergnuͤgen
laſſen/ und das uͤbrige bey meiner Fr. Schweſter ſuchen/ damit ich nicht urſach habe/ ihn
einiger Unbeſcheidenheit anzuklagen/ deſſen ich von herzen gerne moͤchte geuͤbriget ſeyn/
wuͤrde mich auch ſehr ſchmerzen/ wann mein Erloͤſer ſich geringer Maͤſſigkeit in dieſer
Stad/ und in meines H. Vettern Behauſung/ als in der Wuͤſteney und Raͤuberhoͤhle ge-
brauchen wolte/ und er/ wann ichs ſagen ſol/ meine Fr. Schweſter dergeſtalt an ſeiner ſei-
ſ ſ iijten
[326]Sechſtes Buch.
ten hat/ daß er wenig urſach hat/ ſich groß zufuͤrchten. Es kunte Siegward in ſeinem her-
zen nicht lengnen/ daß er dem Fraͤulein durch etliche gar zu kuͤhne Reden/ gnug urſach ge-
geben hatte/ ihm den eingemiſcheten Verweiß zupredigen/ baht deßwegen demuͤhtig umb
Verzeihung/ und erboht ſich/ hinfuͤro der gebuͤhrlichen Beſcheidenheit zugebrauchen. Es
machte ſich aber Frl. Lukrezie hin zu der Groß Fuͤrſtin/ und erzaͤhlete ihr/ was vor abſcheu-
liche Meynungen Fuͤrſt Baldrich von dem Chriſtentuhm führete/ und nach dem ſie ihn ei-
nes andern berichtet haͤtte/ er außfuͤhrlichere Erklaͤrung alles deſſen begehrete/ worin ei-
gentlich ſolcher Glaube beſtuͤnde/ auch was Geſetze zuhalten den Chriſten vorgeſchrieben
waͤhren/ damit er ſeinen Herrn Bruder bey ſeinen Eltern entſchul digen/ und ihm [freyen]
Zutrit zu ſein Erb Fuͤrſtentuhm machen koͤnte. Die Groß Fuͤrſtin ließ ſolches alsbald an
Herkules und Ladiſla gelangen/ denen hierzu ſo liebe wahr/ daß ſie ihre freude nicht kunten
verbergen/ inſonderheit/ da Frl. Sibylla ihnen daneben anzeigete/ daß Fuͤrſt Siegward ihꝛ
ſchon verheiſſen/ den Chriſtlichen Glauben anzunehmen; welche doch nur Schamroͤhte
davon zum Botenlohne trug/ dann Herkules ſagte zu ihr: Ich duͤrffte aus dieſer Schic-
kung faſt vor gewiß ſchlieſſen/ meine Frl. Schweſter habe den Fuͤrſten durch ihre Schoͤn-
heit darzu anlaß gegeben; und dafern dem alſo; wuͤnſche ich meiner Frl. Schweſter zu
dieſer Heiraht Gottes Segen/ und alles gedeiliche Fuͤrſtliche Wolergehẽ/ dieſelbe zugleich
verſichernd/ dz in der Welt ich ihr keinen zum Gemahl lieber/ als eben dieſen Fuͤrſten wuͤn-
ſche. Ach mein Durchl. Groß Fuͤrſt/ antwortete ſie/ verdiene ich dann durch meine Einfalt
dermaſſen beſchimpffet zu werden? gewißlich/ da ich ſolches haͤtte wiſſen ſollen/ wuͤrde ich
einen andern außgeſchicket haben/ euer Liebe dieſes zuvermelden. Vertrauete Frl. Schwe-
ſter/ ſagete er/ habe ich dann nicht macht/ ihr meines herzen Wunſch und Meynung zu of-
fenbahren/ nachdem ſie ja meine ihr zugetahne Seele wol erkennet? nam hiemit ihre Hand/
küſſete ihr dieſelbe/ und fuhr alſo fort: Eure Liebe wolle mich dann berichten/ ob ſie ſo groſ-
ſen Wiederwillen gegen meinen Oheim und naͤheſten Anverwanten traͤget/ daß ſie meinet/
durch deſſen ahnung beſchimpfet zu werden/ alsdañ wil ich mich ſchon hüten/ daß ich nicht
allein ſeinen Nahmẽ nicht mehr nenne/ ſondern werde allen fleiß anwenden/ ihn zubereden/
daß er gleich Morgen alſofort davon reite/ umb durch ſeine gegenwart eure Liebe keine wie-
derwertigkeit zuverurſachen. Frl. Sibylla wuſte nicht/ ob ſie dieſes vor Schimpf oder
Ernſt annehmen ſolte/ biß Ladiſla mit darzu redete/ und alſo anfing: Hochgebohrne Frl.
Waſe und Schweſter/ ſie wolle ſich/ bitte ich ſehr/ an meines lieben Bruders Reden nicht
aͤrgern/ maſſen derſelbe allemahl im brauche hat/ die verliebeten Herzen umzutreiben. Ach
nein/ antwortete ſie/ hohe Zeit iſt es/ daß ich gehe/ damit ich nicht gar zum Spotte werde;
jedoch verſichert euch/ Koͤnig Ladiſla/ daß ich mich an euch beyden raͤchen wil/ dafern mir
nicht dieſen Abend abtrag geſchiehet; kehrete ſich hiemit umb/ und ging hin zu Fr. Sophi-
en/ ihr dieſen Spott zu klagen/ von welcher ſie noch kurzweiliger empfangen ward/ maſſen
dieſelbe fragete/ auff welchen Tag ſie dann das Beylager beſtimmet haͤtten; worauff ſie
zur Antwort gab: Nun erfahre ich des alten Sprichworts unleugbahre Warheit; Gute
Freunde in der Noht/ gehen wol hundert auff ein Loht; Ich habe eures rahts nie mehr/ als eben
jezt von noͤhten/ und muß nur euren Spott in mich freſſen; ich bitte euch aber von herzen/
machet daß vor ſchlaffen gehens ich mit euch allein reden moͤge; wo nicht/ und ihr mich
ferner
[327]Sechſtes Buch.
ferner umbzutreiben geſonnen ſeid/ ſchwoͤre ich/ daß ich morgen nach Rom fahren/ uñ mich
meiner Eltern Rahts gebrauchen wil. Gebet euch zu frieden/ mein Schweſterchen/ ſagte
ſie/ Ihr und Frl. Lukrezie ſollet hinte meine Schlaffgeſellen ſeyn/ da wir uns Schweſterlich
zubereden Zeit genug haben werden. Unter die/ em Liebes-getrieb (den faſt alle Anwe-
ſende merketen/ und ſchon ein mehres als wahr/ urteileten) hatte Arbianes ſein Geſpraͤch
mit Frl. Helenen/ die in ihrem Herzen den beyden Fraͤulein ſehr neidig wahr/ daß ihnen
von den Teutſchen Fuͤrſten ſo wol auffgedienet ward/ und ſie bey dem Meden ſitzen muſte/
welcher ihr von keiner Liebe ſchwaͤtzete/ ſuchete auch gelegenheit/ abſcheid zu nehmen/ wie ſie
dann unbegruͤſſet alles Frauenzimmers davon ging/ nur daß ſie bey Fr. Sophien ſich ei-
ner Unpaͤßligkeit annam/ und mit einem bitteren Lachen ſie erinnerte/ bald darzu zutuhn/
daß den Verliebeten zu ihrem Zwegk verholffen wuͤrde. Welche aber ſich mit ihr einzulaſ-
ſen nicht gemeinet wahr/ ſondern ſie auff ihr begehren willig erließ; und bekam hiedurch
Arbianes gelegenheit/ hin zu Baldrich und Siegward zu ruͤcken/ mit denen er dieſen Abend
vertrauliche Bruͤderſchaft machete/ welche biß an ihr Ende ſteiff und feſt wehrete. Als die
Zeit wahr/ ſchlaffen zu gehen/ meldete Fr. Sophia ihrem Ladiſla an/ ſie haͤtte ſich dieſe
Nacht einem andern Schlaffgeſellen verſprochen/ wuͤrde deßwegen nit ungeduldig ſeyn/
maſſen die beyden Fraͤulein ihres rahts und troſtes begehreten/ koͤnte leicht muhtmaſſen/
daß ſie von den beyden Fuͤrſten zimliche anfechtung erleiden muͤſſen. Ladiſla ermahnete ſie/
allen fleiß anzuwenden/ daß ſolche Heyrahten vor ſich gingen/ woraus viel gutes entſtehen
koͤnte/ er wolte dieſe Nacht bey Herkules bleiben/ und moͤchten ſie ſeine Fr. Schweſter mit
ſich nehmen; deſſen ſie hoch erfreuet ward/ weil ſie nur immerzu ſuchete/ bey und umb ihr
zu ſeyn/ welche auch nicht minder freundlich ſich gegen ſie anſtellete/ ward dieſes vorhabens
von ihrem Herkules bald berichtet/ deßwegen ſie ſich zu Frl. Lukrezien machete/ und zu ihr
ſagete: Herzen Schweſterchen/ ihr werdet hinte mein Schlaffgeſelle ſeyn/ weil mein Ge-
mahl und Bruder beyſammen bleiben werden/ und haͤtten wir ſo ein raumes Lager/ wolten
wir unſere beyden Schweſtern zu uns nehmen. Fr. Sophia kam gleich darzu gangen/ und
ſagete: Daran ſols nicht fehlen/ wann nur ihre Liebe uns bey ſich dulden kan. Geſchahe
auch kurz hernach ein algemeiner Auffbruch/ und wurden die beyden Fraͤulein von den
verliebeten Fuͤrſten biß vor ihre Schlaffkammer begleitet/ woſelbſt auff bitliches anſuchen
ihnen ein ehrliebender Kuß gegoͤnnet ward/ doch mit dem bedinge/ wie Frl. Lukrezie vorgab/
daß deſſen Morgen nicht gedacht/ viel weniger es wiederhohlet wuͤrde/ welches Baldrich
mit anwuͤnſchung einer ſeligen Nachtruhe beantwortete; Fr. Sophia aber Siegwarden
erinnerte/ daß wann ſie ihrer Liebe gluͤklichen fortgang haben wolten/ muͤſte es durchaus zu
vor wegen des Chriſtentuhms ſeine richtigkeit haben/ ſonſt waͤhre alles vergebens und um-
ſonſt; wuͤrde demnach er mit ſeinem Geſellen abrede nehmen/ und Morgen fruͤh gar zeitig
vor dieſem Gemache ſich finden laſſen/ alsdann wolten die Fuͤrſten und ſie deßwegen mit
ihnen fernere unterredung pflegen/ und nachgehends das übrige zuverrichten ihnen laſſen
angelegen ſeyn. Siegward verſprach demſelben nachzukommen/ und ſchied mit ſeinem
Geſellen wolvergnuͤget davon/ wie auch das Frauenzimmer nach abgelegter Kleidung ſich
zur Ruhe legeten; jedoch nam Fr. Sophia zuvor Frl. Sibyllen abſonderlich vor/ mit bit-
te/ ihre Liebesheimligkeit ihr nicht zuverſchweigen/ damit man den Sachen einen gewuͤn-
ſcheten
[328]Sechſtes Buch.
ſcheten außſchlag geben koͤnte/ nach dem ja billich waͤhre/ und die Dankbarkeit wegen gelei-
ſteter ſehr hohen verdienſte erfoderte/ daß man einen ſolchen Koͤniglichen Fürſten nicht mit
vergeblichen Worten hinhielte/ ihm eine ſolche Hoffnung zu machen/ und wann es an den
Schluß gehẽ ſolte/ ihn ſchimpflich abzuweiſen worzu ich doch euer Gemuͤt/ ſagte ſie/ viel zu
redlich weiß; zwar mir iſt wol bekant/ ſetzete ſie hinzu/ wie ſchwer es einem Fraͤulein einge-
het/ daſſelbe andern zu offenbahren/ was von einem Mannesbilde mit ihr in Heyrahtſachẽ
gehandelt wird/ weil ihr aber mein Schweſter Herz kennet/ und daß eure Wolfahrt ja ſo
hoch als meine eigene mir anlieget/ werdet ihr kein bedenken tragen/ mir zu melden/ ob ihr
willens ſeid/ den lieben Fürſten zu ehelichen oder nicht. Das Fraͤulein antwortete hierauff:
Herzalleꝛliebſte Fr. Schweſter/ ich glaͤube nicht/ daß einiges Fraͤulein in ſo kurzer Zeit mehꝛ
beſtuͤrmung ausgeſtanden/ als ich geſtern und heut/ ſehe auch nicht/ wie ich mich ſein end-
lich erwehren ſol; zwar wann wegen beſchehener Rettung/ ich ihm nicht Ehren- und dank-
barkeit halben ſo viel uͤberſehen muͤſte/ haͤtte er wol etliche gute auswiſcher verdienet/ nicht
daß er mir ungebuͤhrliche ſachen angemuhtet haͤtte/ ſondern daß in den zulaͤſſigen er das
Ziel der maͤſſigkeit uͤberſchreitet. Mein geliebtes Kind/ ſagte ſie/ wann unſere Buhler/ die
uns herzlich und in ehren meinen/ nicht aus den Schranken der Erbarkeit weichen/ muͤſſen
wir ihnen einen kleinen muhtwillen uͤberſehen/ inſonderheit/ wann die erſte Liebe/ die am
hefftigſten faͤhret/ ſie antreibet/ dann ſie koͤnnen ihren willen nicht ſo wol hinterhalten/ als
die Fraͤulein/ ſintemahl alles ihr beginnen zu Schimpf und Ernſt feurig und begierig iſt/
ſo daß ſie mehr mit beſcheidenheit als hartem verweiß ſich lenken laſſen; aber ihr habt mir
meine Frage noch nicht beantwortet/ ob ihr des lieben Fuͤrſten anſuchen ſtat zugeben geſon-
nen ſeid. Ach ach! antwortete das Fraͤulein/ ich bin noch viel zu bloͤde/ dieſe erklaͤrung ab-
zuſtatten/ ſonſten da mir Gott dieſen Fuͤrſten zum Gemahl verſehen haͤtte/ und meinen lie-
ben Eltern es nicht zu wieder waͤhre/ koͤnte ich mit ihm ſehr wol friedlich ſeyn/ würde auch
nicht minder an ihm/ als eure Liebe an Koͤnig Ladiſla einen ergebenen Gemahl haben/ wo
ſonſt ſeinen reden einiger Glaube beyzumaͤſſen iſt. Wollet ihr dann/ ſagete Fr. Sophia/ es
in meine Hand ſtellen/ nach belieben zuverfahren/ wie vor euren Eltern ichs werde verant-
worten koͤnnen? ſo wil euer bloͤdigkeit ich dergeſtalt zu huͤlffe kommen/ daß ihr meine traͤue
daher ſpüren ſollet. Und weſſen ſolte ich mich hierin lieber gebrauchen/ antwortete ſie/ als
eben der ich meine himliſche gluͤkſeligkeit allein zu danken habe/ dann ich bin gewiß/ daß die-
ſelbe mir weder boͤſes rahten noch mich verrahten wird; aber wir muͤſſen von unſeꝛn El-
tern unskeine groͤſſere einwilligung einbilden/ als etwa erfolgen moͤchte/ daher michs noͤh-
tig daͤucht/ daß man deren Erklaͤrung erwarte. An deren bewilligung/ ſagte Fr. Sophia/
trage ich nicht den allergeringſten zweiffel/ und hat mein H. Vater volkom̃ene gewalt von
euren Eltern/ euch nach gutdünken außzuſteuren/ wie ihr dann wol wiſſet daß ſie euch als
einer verſtaͤndigen und zuͤchtigen Tochter den freien Willen gegeben/ und uͤber das euch be-
kant iſt/ daß ſie nicht willens ſind/ euch zu Rom zuverheyrahten/ weil an keinem Orte der
Welt redlicher Weiber Ehre mehr angefochten wird/ als eben daſelbſt/ inſonderheit/ wañ
die frechen neuen Kaͤyſer die Herſchaft antreten/ und ihren Lieblingen und andern Gewalt-
habern allen muhtwillen verſtatten. Woldann/ ſagte hierauff das Fraͤulein/ wann meiner
Fr. Schweſter es alſo gut und rahtſam deucht/ verfahre dieſelbe ihres gefallens/ jedoch daß
unſer
[329]Sechſtes Buch.
unſer Beylager nicht ſo ſchleunig fortgeſetzet werde/ wie ihrs jenesmahls mit Fr. Libuſſen
und Brelen triebet. Ich wil ihm ſchon wiſſen recht zu tuhn/ ſagte ſie/ deß ſolt ihr euch zu miꝛ
Schweſterlich verlaſſen; nam ſie damit bey der Hand/ und fuͤhrete ſie an den Ort/ wo die
Groß Fuͤrſtin mit Frl. Lukrezien von gleicher teidung ſchwaͤtzete/ die ſich aber ſehr weit zu
werffen wuſte; es haͤtte der Fuͤrſt zwar ſeine gute Gewogenheit mit nicht unzierlichen Re-
den ihr zuverſtehen gegeben/ daß ſie aber ſolche als unter dem ſchein einer Heyraht ſolte an-
genommen haben/ haͤtte gar keine Gefahr; ſo waͤhre ſie auch der Freyheit nicht/ in ſolchen
ſachen vor ſich ſelbſt zu handeln/ weil ſie ſich wol erinnerte/ daß ſie der Groß Fuͤrſtin ange-
lobet/ ohn ihr vorwiſſen und willen deſſen nichts zubeginnen/ maſſen ihr in ſtaͤtem Gedaͤcht-
nis laͤge/ daß ihr H. Vater/ ihr ernſtlich befohlen/ ihrer Liebe nicht anders als einer Mut-
ter zugehorſamen. Die Groß Fuͤrſtin haͤtte der Reden gerne gelachet/ hoͤrete aus ihren
Worten/ wie ſaur es ihr ward/ den eingeſchlucketen Angel zuverbergen/ ſtellete ſich doch al-
lerdinge einfaͤltig/ und ſagte: O du geliebter Bruder/ Fuͤrſt Baldrich/ an was unſeligen
Ort haſtu dein Herz gewendet/ nehmlich zu dieſer unbarmherzigen Fraͤulein/ die in der naͤ-
he deine bittere Seufzen nicht hat hoͤren koͤnnen/ die ich von ferne ſo klar erkennete/ als haͤt-
teſtu ſie mir in die Ohren geruffen; wie iſts aber moͤglich/ meine allerliebſte Frl. Schwe-
ſter/ daß eure Seele ſo rauch und hart ſeyn/ und die wachende auffmerkende Sinnen aller-
dinge unempfindlich machen kan? Ich wil anjezt nicht ſtreiten/ ob mein Bruder Baldrich
wirdigkeit halben ſich bey euer Liebe angeben dürffe/ nur fuͤhre ich ihr dieſes zugemuͤhte/
er iſt eures ergebenen Bruders Herkules leiblicher und einiger Bruder/ ihm weder am
verſtande noch Tugend ſo gar ungleich. Nun erinnert ſich eure Liebe gleichwol billich/ wie
hoch ſie ſich demſelben verbunden/ und moͤget ſein Fleiſch und Blut ſo veraͤchtlich halten.
Mir zweifelt nicht/ er muͤſſe dieſen Tag von euer Liebe mannichen herben Trunk eingenom-
men haben/ dann ich ſahe eigendlich/ wie ihm nach empfangener ſaurſichtigen Antwort/
die Augen vol Waſſers ſtunden/ daß ich etlichemahl willens wahr/ ihn von euer Seiten
hinweg zufuͤhren/ damit ihm die Augen wegen gar zu groſſer Angſt nicht brechen moͤch-
ten. Nun erkenne ich ja euer Liebe gewoͤhnliche Sanftmuht gar wol/ daher ich ſchlieſſen
muß/ er werde aus gar zu inbruͤnſtiger Liebe ſich gegen dieſelbe etwas verhauen haben; a-
ber/ mein Schweſterchen/ es koͤñen die jungen Maͤñer nicht eben die Worte auff der Gold-
wage fuͤhren/ inſonderheit/ wann ſie durch Schoͤnheit zur Liebe angedrungen werden/ dañ
koͤnnen ſie nicht umhin/ durch Worte an den Tag zugeben was ſie im Herzen wuͤnſchen.
Jedoch wil ich ihn eben nicht entſchuldigen/ nur eine Vorbitte vor ihn als meinen naͤheſtẽ
Anverwanten anzulegen/ bemuͤhe ich mich/ ob ich ſo gluͤkſelig ſeyn/ und ihm dieſes Fehlers
Verzeihung erhalten koͤnte. Das Fraͤulein wuſte hierauff nichts ertichtetes vorzubringẽ/
das einigen Schein der Warheit haͤtte/ wolte ſich doch ſelber nicht verrahten/ ſondern gab
zur Antwort; Ob der Fürſt ſo traurig und beſtuͤrzt ſolte geweſen ſeyn/ haͤtte ſie nicht mer-
ken koͤnnen viel weniger haͤtte ſie ihn einiger Unhoͤfligkeit oder ungebührlicher Reden zu
beſchuldigen; nachdem aber ihre Liebe ſo genaue acht auff ihre Unterredung gehabt/ muͤſte
ſie bekennen/ daß er ſehr inſtaͤndig auff eine ihr unmoͤgliche Erklaͤrung gedrungen/ waͤhre
aber von ihr beantwortet/ daß Jungfraͤuliche Zucht nicht wuͤſte/ ſolcher geſtalt ſich her-
aus zulaſſen/ welches er ihr nicht verargen wuͤrde/ nachdem ſie unter ihrer lieben Eltern
t tGewalt
[330]Sechſtes Buch.
Gewalt ſich befuͤnde; Daß aber Eure Liebe/ ſagte ſie ferner/ mir einigen Unwillen gegen
dieſen Fuͤrſten zuleget/ ſo antworte ich hierauff wol bedaͤchtlich/ daß ich ihn vielmehr ehre
und zuͤchtig liebe/ auch durchaus keine Urſach habe/ ihn anzufeinden; Wolle demnach mei-
ne Gn. Groß Fürſtin dieſes Verdachts mich gnaͤdig erlaſſen/ maſſen ich dieſelbe hoch und
teur verſichere/ daß ich lieber ſterben/ als einigem von den ihrigen widrige Gedanken zu-
wenden wolte. O wie hoch erfreuet mich dieſes/ antwortete die Groß Fuͤrſtin/ ja viel hoͤher
als ich ausreden kan/ und ſolches nicht allein meinet/ ſondern auch ihrer lieben Eltern we-
gen/ dann mein Schweſterchen weiß/ wie hoch dieſelben auff meinen Gemahl halten/ bin
auch verſichert/ daß ihnen die angenehmeſte Zeitung ſeyn wuͤrde/ wann ſie vernehmen ſol-
ten/ Eure Liebe waͤhre mit meines Herkules Bruder verheirahtet. So bitte ich nun ſchwe-
ſterlich/ ſie wolle mir den Grund ihres Herzen entdecken/ ob ſie mir volle Macht geben koͤn-
ne/ hierin zuhandeln/ damit eure Seele beyderſeits/ und hiedurch zugleich die meine ver-
gnuͤget werde. Das verliebete Fraͤulein kunte die ertichtete Stellung weiters nicht fort-
ſetzen/ kuͤſſete der Groß Fürſtin die Hand/ und gab dieſe Antwort: Durchleuchtigſte Groß-
Fuͤrſtin/ womit hat ihre unwirdige Dienerin doch verdienet/ dermaſſen inniglich von ihr
geliebet zuwerden/ da doch einige Wirdigkeit an ihr nicht iſt noch entſtehen kan; meine
Seele hat nie hefftigers in dieſer Sterbligkeit gewuͤnſchet/ als ungetrennet bey ihrer Liebe
zuſeyn/ und an dero Holdſeligkeit ſich zuergetzen/ und ſpuͤre anjezt/ daß meine Groß Fuͤrſtin
damit ſchon umgehet/ deſſen einen unbewaͤglichen Grund zulegen. Als mir nun unmoͤg-
lich iſt/ derſelben zuwiderſtreben/ auch neben meinen lieben Eltern die Gewißheit habe/
Eure Liebe werde auſſer meiner Wolfahrt durchaus nichts mit mir vornehmen/ ſo unter-
gebe derſelben ich mich in dieſer Sache/ wie in allen andern/ ganz und gar/ mit Bitte/ mei-
ner lieben Eltern ſtat neben Groß Fuͤrſt Herkules zuvertreten/ und nach ihrem gutachten
zuverfahren. Sie wolte weiter reden/ aber Valiſka umbfing ſie freundlich/ kuͤſſete ihren
Mund zu unterſchiedenen mahlen/ und ſagte zu ihr: Herzallerliebſtes Schweſterchen/ al-
ſo wird mein Wunſch erfuͤllet/ daß wir ungetrennet moͤgen bleiben; und O moͤchte ich die-
ſe Erklaͤrung vor einer halben Stunde gewuſt haben/ alsdann ſolte der liebe Fuͤrſt nit mit
ſolchem Unmut von uns geſchieden ſeyn; aber ſeyd gebehten/ uñ verleihet Fuͤrſt Siegwar-
den ein gut Wort bey Frl. Sibyllen/ damit er gleiche Erklaͤrung von ihrer Liebe erhalten
moͤge. Das würde ein lauter uͤberfluß ſeyn/ antwortete ſie/ maſſen ich ſchon weiß/ daß ih-
re Zuſage biß an der Eltern Bewilligung ſich heraus gelaſſen hat/ ſo ſind ſie auch einem
andern zimlich geheim/ daß mich wundert/ woher ſie dieſe Kuͤhnheit genommen/ angeſehen
der groſſen Scham/ deren ſie bißher ſich allemahl gebrauchet hat. Gleich traten Frau So-
phia und das Fraͤulein zu ihnen hin/ und nach Erzaͤhlung/ wz jedwede verrichtet/ entſtund
allerſeits groſſe freude; jedoch bahten die Fraͤulein/ daß den Fuͤrſten ihre Erklaͤrung nicht
alsbald moͤchte zuwiſſen gemacht werden/ hielten mit einander ihr andaͤchtiges Abendge-
beht/ und legten ſich alle viere auff ein Lager. Die Fuͤrſten erzaͤhleten gleicher geſtalt einan-
der/ wie es mit ihren liebſten Fraͤulein ihnen ergangẽ waͤhre/ inſonderheit hielt Siegward
ſeinem Geſellen vor/ daß ihrer Liebe Nieſſung keines weges erfolgen wuͤrde/ dafern ſie nit
den Chriſtlichen Glauben annaͤhmen/ den ſie biß daher ſo abſcheuhlich gehalten/ er aber
ſchon ſo viel von ſeinem Fraͤulein verſtanden/ daß nichts heiligers koͤnte erdacht noch ge-
funden
[331]Sechſtes Buch.
funden werden. Ja/ ſagte Baldrich/ unſere Pfaffen muͤſſen gewißlich ſelbſt von andern
hintergangen/ oder die abgefeimdeſten Buben ſeyn/ und in Ertichtung ſolcher Schand-
luͤgen nur ihren Nutzen ſuchen; Dann vorerſt geben ſie vor/ es trete niemand zu dieſer Leh-
re/ als offentliche uͤbeltaͤhter/ und die von allen Tugendergebenen gehaſſet werden; ja/ kei-
nerley art der Unzucht werde von ihnen/ ſo wol Weibes- als Mannesbildern unterlaſſen;
bey ihren Zuſammenkunfften werden ſo abſcheuhliche Laſter begangen/ wovor ich mich
entſetzet/ und es nicht anhoͤren moͤgen. Wer wolte aber von meinem Bruder und Oheim/
ja von ihren zuͤchtigen Gemahlen und den Tugendliebenden Fraͤulein ein ſolches gedenkẽ/
geſchweige glaͤuben koͤnnen? Dieſes alles/ antwortete Siegward/ iſt mir von meiner herz-
geliebten Fraͤulein heut früh auf der Gutſche zu voller gnuͤge benommen/ und dagegen an-
gezeiget/ alle ihre Geſetze beſtehen in der Ehre des wahren Gottes/ des naͤheſten Liebedien-
ſten/ und Enthaltung von allen Laſtern. Ja nicht allein boͤſe Tahten/ ſondern auch unzim-
liche Gedanken/ werden ihnen allerdinge verbohten; Sihe Bruder/ wer kan ſolches ta-
deln? koͤnnen auch die Goͤtter ſelbſt heiliger leben? Zwar dieſes geſtund mein Fraͤulein/ dz
ſie alle unſere Goͤtter vor nichts achten/ ſchalt ſie vor ertichtete und allerdinge ohmaͤchtige/
und beſtaͤtigte/ es waͤhre nur ein einziger wahrer Gott/ der Himmel und Erden erſchaffen/
und von Ewigkeit allemahl geweſen ſey. Hievon muͤſſen wir nun beſſern Bericht einneh-
men alsdann koͤnnen wir uns erklaͤren/ was wir tuhn oder laſſen wollen. Das allerhaͤrte-
ſte in dieſer Sache iſt dieſes/ ſagte Baldrich/ daß ihr Gott keinen andern neben ſich leiden
wil; ich wolte der Chriſten Gott gerne ehren/ wann ich nur auch die unſern nicht ſchaͤndẽ
duͤrffte/ denen ich mich gleichwol bey den Opfern ehemahl aͤidlich verbunden habe. Biſtu
der Meynung/ ſagte Siegward/ ſo muſtu dich fertig halten/ deiner Goͤtter Gottheit zube-
weiſen/ deßwegen ſuche hervor/ was du irgend weiſt oder gehoͤret haſt/ die Irmen Saͤul o-
der den Krodo oder deine Goͤttin Freia ausgerichtet zuhaben/ das der unfehlbaren Gott-
heit wert ſey. Deſſen koͤnte noch wol etwas auff die Bahn gebracht werden/ antwortete
er/ wann ichs alles genau uͤberlegen wolte; aber meyneſtu dann/ daß deine Schwediſche
uñ Gothiſche Goͤtter/ der Thorr/ Othin/ Methon/ Wagnoſt/ Haddig/ Wodan/ Fricko/ Ro-
ſtioff/ und Roſtar/ wie auch deine Goͤttin Frigga/ allerdinge nichtig und ertichtet ſeyn?
trauen was man ſo lange Zeit her vor Gott gehaltẽ uñ verehret hat/ muß gleichwol nit vor
gar nichts geachtet werden. Doch wir werden uns zur Ruhe legen/ und morgen zuverneh-
men haben/ was uns davon vorgetragen werden ſol. Dieſe Nacht brachten Herkules und
Ladiſla mehrenteils mit behten zu/ daß Gott dieſe beyden Fürſten erleuchten/ und zur Er-
kaͤntniß der Warheit moͤchte kommen laſſen/ und erwarteten des Morgens mit verlangẽ.
Baldrich aber und Siegward hatten wol eine rechte Angſt Nacht; dann kurz nach Mit-
ternacht/ da ſie im tieffen Schlaffe lagen/ kahmen ihnen zwoͤlff feurige Goͤtzenbilder vor/
unter denen die eine ſchien ein Weibesbild ſeyn; In ihren Haͤnden hielten ſie teils groſſe
Kriegsfahnen; andere/ blutige Schwerter; etliche Korn und Milch; etliche breñende Ker-
zen; die Goͤttin aber einen Liebes Bogen mit zierlichen Pfeilen/ und auff der Schulder ein
zartes Knaͤbelein. Sie ſahen alle mit einander anfangs ſehr grimmig aus/ und hinter ih-
nen wahr ein ſchwefelbrennendes Feur angezuͤndet. Die beyde Fuͤrſten empfunden daher
im Schlaffe ein groſſes grauſen/ und wahr ihnen nicht anders zumuhte/ als wolte ihnen
t t ijdas
[332]Sechſtes Buch.
das Herz aus dem Leibe ſteigen/ inſonderheit Baldrichen/ als welchen ſie am grimmigſten
anſahen/ und zwar anfangs ohn einiges Wortſprechen/ biß endlich Irmen Seul alſo zu
den andern Geſpenſten anfing: Was duͤnket euch ihr lieben Bruͤder und Mit-Goͤtter/ in-
ſonderheit Bruder Krodo und Schweſter Freia/ was duͤnket euch dieſelben verſchuldet zu
haben/ welche undank bahrer meinaͤidiger weiſe ſich unterſtehen duͤrffen/ nicht allein von
uns abzutreten/ ſondern unſere Gottheit als ein Geticht und nichtige Erfindung zuverach-
ten und zulaͤſtern? Uns dreyen haben es die Teutſchen zudanken/ daß ſie von der Roͤmer
Joch frey blieben/ daß ſie ihr altes Vaterland bewohnen/ und darinnen in gutem Friede
und Wolſtande leben; Wir haben das alte Koͤnigliche Geſchlecht bey ihnen erhalten/ uñ
alles Verderben von ihnen abgekehret. Ihr anderen Mit-Goͤtter habt das freye Schwe-
den- und Gothen-Volk unter eurem Schuz gehabt/ und ihnen gleiche Traͤue und Huͤlffe
erzeiget; und nun wlrd uns von ihren jungen frechen und Gottſchaͤndigten Fürſten der
Dank davor/ daß ſie unſere Gottheit gar zu nichte machen/ und in ein Getichte verkehren
wollen. Wollen wir aber ſolches gedulden/ und dieſen Frevel an ihnen ungeſtraffet laſſen?
ſe ſo waͤhren wir alle mit einander nicht eines Hellers wert. Krodo gab ihm zur Antwort:
Wañ ein Untertahn ſeinen Koͤnig oder Fuͤrſten beleidiget/ muß er die Straffe des Laſters
der beleidigten Hocheit ausſtehen; warumb ſolten dann dieſelben frey ausgehen/ welche
ihren Goͤttern alles gebrante Herzleid anfuͤgen/ und von deren Gehorſam ſich aushalſtern
wollen? Nein/ wir muͤſſen unſere Goͤttliche Macht und Anſehen vor ihrer Boßheit ſchuͤt-
zen/ folten ſie auch mit allen ihren Helffern und Helffers-Helffern zu grund und bodem
gehen; Und dieſer Meynung werden unſere Mit-Goͤtter die Schwediſchen und Gothi-
ſchen auch ſeyn. Ja/ warumb nicht/ fing das Geſpenſte Thorr an/ hat man uns doch eben
den Schimpff und Spot erwieſen/ welcher euch angelegt iſt/ darumb wollen wir alle vor
einen ſtehen/ und den neuen Gottes-Feinden und Himmels-Stuͤrmern ihren verdienten
Lohn geben. Hierauff gedauchte die beyde Fuͤrſten im Schlaff/ es haͤtten die Geſpenſter ei-
nen runden Kreiß geſchlagen/ und untereinander ein langes heimliches Geſpraͤch gehal-
ten/ biß Krodo dieſe Urtel außgeſprochen: Demnach es billich und noͤhtig iſt/ daß die hoͤch-
ſte Obrigkeit ihr Anſehen und von undenklicher Zeit hergebrachte Macht und Gewalt ge-
gen jeder maͤnniglich ſchuͤtze/ welcher ihnen Eintrag zutuhn/ ſich unterſtehen darff; und a-
ber dieſer unſinniger meinaͤidiger Teutſche Baldrich/ neben ſeinen frechen Geſellen den
Schwediſchen Siegward/ ſich nicht ſcheuhen/ ihre allerhoͤchſte und himliſche Obrigkeit/
von denen ſie und ihre Vorfahren alles gutes haben/ zuverachten/ zuſchaͤnden/ zuverleug-
nen/ und deren Gottheit zum Getichte zumachen/ als erkennen wir Teutſche und Schwe-
diſche Goͤtter vor Recht/ daß jeztgedachte beyde Freveler/ andern ihres gleichen zum Bey-
ſpiel/ mit harter und anſehnlicher Straffe beleget werden/ damit unſere goͤttliche Ehre ge-
rettet/ und ihr ganzes Vaterland vor unſerm verderblichen Zorn erhalten werde. Hier-
auff wolte er gleich den Stab uͤber die verurteileten brechen/ aber das weibliche Geſpenſt
die Freia trat hinzu/ und ſagte: Halt ein mein Bruder Krodo/ wir wollen ihnen zuvor den
Zweifel benehmen/ welcher ihnen wegen unſer Gottheit von den verfuͤhriſchen Roͤmerin-
nen beygebracht iſt. Ganz Teutſchland und Schweden hat ſeine Pfaffen/ unter denen ihrer
viel mit dem Geiſt der Weiſſagung begabet ſind/ zukuͤnfftige Dinge zuoffen bahren; Wo-
her
[333]Sechſtes Buch.
her haben ſie aber ſolches/ als durch Eingebung ihrer Goͤtter? oder kan ein ertichtetes/ das
da nichts iſt/ auch wol wirken/ und einem andern kuͤnfftige Dinge offenbahren? Da ver-
richten die Teutſchen und Schweden/ wie andere Voͤlker/ ihren Goͤttern die gebuͤhrliche
angenehme Opffer/ aus deren Eingeweide und anderen Zeichen ſie ihre kuͤnfftigen Gluͤc-
kes- und Ungluͤks-faͤlle erkennen. Woher kompt ſolches anders/ als aus ihrer Goͤtter
Schik- und Verſehung/ welche ihnen ſolche Opfer laſſen gefallen/ und dieſelben durch die-
ſe Gnade vergelten; maſſen ja die Tihre ſolche Zeichen von ſich ſelbſt nicht haben koͤnnen.
Kan aber ein ertichtetes/ das da nichts iſt/ auch wol wirken/ und den Tihren dieſe Gluͤckes-
Zeichen verleihen? Man weiß/ wie offt wir Goͤtter ingeſamt einen und anderen Laͤſterer
mit abſcheuhlicher Straffe haben beleget/ daß jederman hat erkennen muͤſſen/ unſere goͤtt-
liche Krafft habe ſich an ſolchen unſern Veraͤchtern gerochen; kan aber ein ertichtetes/ das
da nichts iſt/ ſolche Rache anſtellen? oder wird eine andere Krafft/ welche uns neben ſich
nicht leiden wil/ durch ſolche Straffen unſer anſehen bey den Menſchen erhalten? Daß ich
nicht ſage/ wie unſere Wachſamkeit es allein iſt/ welche Teutſchland und Schweden vor
ihren Fein den ſchuͤtzet/ ihren Kriegsvoͤlkern den Sieg verleihet/ ihnen Brod und Milch
giebet/ ihre Freiheit (O ein aͤdles Kleinot) erhaͤlt/ und der Inwohner Zahl vermehret; wel-
cher Vernuͤnfftiger wolte dann an unſer Gottheit zweifeln koͤnnen? Daß ich aber zu dem
Zwegk meines Vorhabens gelange/ ſo bin ich vor dißmahl bloß zu dem ende aufgetreten/
eurer aller goͤttlichen und gerechten Zorn zumiltern/ und die außgeſprochene Urtel von
dieſen beyden unbeſonnenen Fuͤrſten abzulehnen/ oder zum wenigſten ihnen Zeit zur Buſſe
und beſſeren Gedanken zuerhalten/ weil ſie nicht auß Boßheit/ ſondern durch Weiberliſt/
ſich zu dieſer Suͤnde haben verleiten laſſen. Hierauff kehrete ſie ſich zu den beyden Fuͤrſtẽ/
und redete ſie alſo an: Ihr meine lieben Soͤhne/ was haben ich und eure andere Goͤtter
euch doch zu leide getahn/ daß ihr unſer in ſo kurzer Zeit müde worden/ und andere unbe-
kante anzunehmen gewilliget ſeyd? treibet euch die Liebe gegen die beyden ſchoͤnen Roͤmi-
ſchen Fraͤulein darzu? O bleibet beſtaͤndig in meinem Dienſte/ ich wil euch wol andere zu-
fuͤhren/ denen dieſe das Waſſer nicht reichen; oder meinet ihr/ unſerer eurer alten Goͤtter
Vermoͤgen ſey nicht kraͤfftig genug/ euch weiter zuſchuͤtzen? Ich verſichere euch/ daß bey
unſerm Dienſte euch die allerhoͤchſte Gluͤkſeligkeit begegnen ſol. So gehet nun in euch/ be-
trachtet eure Pflicht/ damit ihr euren Land Goͤttern verbunden ſeyd/ und laſſet ab von eu-
rein jetzigen Vorhaben/ alsdann wil ich euch alle eure Goͤtter wieder zu Freunde ma-
chen; Werdet ihr aber auff eurem Unſinne verharren/ ſo ſchreibets eurem Muhtwillen
zu/ wann die von Gott Krodo jezt ausgeſprochene Urtel an euch erfuͤllet wird/ welche
euch jenes Feur vorſtellet/ und nichts anders bedeutet/ als Ungluͤk/ Verachtung/ Schan-
de und Verderben. Als ſie dieſes ausgeredet hatte/ fingen die teufliſchen Geſpenſte
ein unerhoͤrtes Gepoͤlter an/ als ob ſie alles uͤber einander geworffen haͤtten/ daß auch
die beyden Fuͤrſten daruͤber erwacheten/ und weil ſie ſchon im Angſtſchweiſſe lagen/
ſich die Furcht noch mehr einnehmen lieſſen/ daß ſie ſchier nicht zu bleiben wuſten. Es
hielt aber das Gepolter bey einer Stunde an/ biß die erſte Morgenroͤhte ſich ſehen ließ/ wel-
che zeit uͤber die Fuͤrſten ſtille hinlagen/ biß endlich Siegward ſich ermannete/ und ſeinen
Leibdiener/ welcher bey ihnen auff der Kam̃er ſchlieff/ auffzuwecken/ ihm mit harter Stim-
t t iijme
[334]Sechſtes Buch.
me rieff/ kunte ihn aber nicht ermuntern/ biß es zimlich helle wahr. Baldrich/ nachdem es
ſtille worden wahr/ redete ſeinen Geſellen an/ und ſagete zu ihm: Bruder was habe ich hin-
te eine elende Angſtnacht gehabt/ uñ wundert mich/ daß mir dz Herz vor furcht und ſchrec-
ken nicht gar zerſprungen iſt. So bin ichs nicht allein geweſen/ antwortete Siegward/ der
ſich von den erzoͤrneten Landgoͤttern hat muͤſſen rechtſchaffen aͤngſten laſſen. Daß waͤhre
wunder/ ſagte jener/ dañ eben diß hat mich ſo heftig gepeiniget. Sie macheten/ daß die bey-
den Leibdiener zuvor auffſtehen und einen Abtrit nehmen muſten/ hernach gabs ihre erzaͤh-
lung/ daß beyden ein gleichmaͤſſiges begegnet wahr/ und ſie es daher vor keine Traͤumerey/
ſondern warhafte begebniß hielten/ welches die Furcht in ihnen vermehrete/ daß ſie nicht
wuſten weſſen ſie ſich verhalten ſolten. Der abſcheid wahr/ daß ſie gar fruͤh ſich bey der
Groß Fuͤrſtin ſolten anfinden/ umb den Inhalt des Chriſtlichen Glaubens von ihr zuver-
nehmen; aber ſolches wolte die Furcht vor den erzuͤrneten Goͤttern ihnen nicht zulaſſen;
und gleichwol wolten ſie an ihrer verheiſſung nicht gerne fehlen; endlich wurden ſie eins/
ſich deſſen bey der Groß Fuͤrſtin durch ein Brieflein zu entſchuldigen/ welches Siegward
auffſetzete/ und ihr ſolches bey ſeinem Diener zuſendete. Dieſer begegnete Frl. Sibyllen
ihrer Leibmagd/ und baht/ die Groß Fuͤrſtin zuvermoͤgen/ daß ſie dieſes Schreiben nebeſt
Fr. Sophien in geheim leſen moͤchte; welches dieſe Dienerin wol beſtellete/ und die Groß-
Fuͤrſtin nicht ohn verwundern zu ſich nam/ trat mit Fr. Sophien in ein Nebengemach/
und laſen folgendes mit hoͤchſter beſtuͤrzung.


Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ Gn Fr. Waſe; ob zwar einem jeden redlichen Ritter/ die
Schuldigkeit/ ſein Verſprechen zu leiſten/ oblieget/ und wir beyde zu ends benante uns gleich jetzo
einſtellen ſolten/ den Inhalt des Chriſtlichen Glaubens zuvernehmen/ ſo faͤllet uns doch eine ſo wich-
tige Verhinderung darzwiſchen/ welche zu unſer entſchuldigung uns duͤnket gnug ſeyn; weil aber ſel-
biges der Feder zu weitlaͤufftig fallen wuͤrde/ es umbſtaͤndlich anzufuͤhren/ moͤchten wir wuͤnſchen/ die
Gelegenheit zu haben/ euren Liebden es muͤndlich zuerzaͤhlen/ und zugleich ihres rahts uns zugebrau-
chen/ als erſchrockene Leute/ welchen der Goͤtter draͤuung dieſe Nacht kaum das Leben uͤbrig gelaſſen
hat; wie ſolches anmelden werden/ euer Liebden untertaͤhnigſt-gehorſamſte; Siegward uñ Baldrich.


Da wird der loſe Teuffel ſein Spiel dieſe Nacht wol rechtſchaffen gehabt haben/ ſag-
te die Groß Fuͤrſtin; ließ den beyden Fuͤrſten muͤndlich ſagen/ ſie wolte nach ihrem begeh-
ren bald bey ihnen ſeyn/ ging doch zuvor hin zu ihrem Gemahl und Bruder/ und gab ihnen
den Brieff zuverleſen/ welche daruͤber nicht wenig erſchraken/ es mit ihr uͤberlegeten/ und
ihre meynung ihr zuverſtehen gaben; worauff ſie zu den beyden Fuͤrſten auff ihr Gemach
ſich verfuͤgete/ und Fr. Sophien mit ſich nam. Als ſie zu ihnen hinein traten/ entſetzeten ſie
ſich uͤber ihrer bleichen todten Farbe/ und traurigen Geſtalt/ und nach wuͤnſchung eines
gluͤkſeligen morgens/ fragete die Groß Fuͤrſtin/ was vor anfechtung ſie gehabt haͤtten. Es
hatten ſich die Fürſten in etwas erhohlet/ zweifelten doch/ ob durch erzaͤhlung der Begebnis
ſie ihre Goͤtter nicht beleidigen wuͤrden/ maſſen die begierde nach dem Chriſtentuhm ihnen
gar vergangen wahr; endlich fing Baldrich alſo an: Durchleuchtigſte Frr. Waſen; daß
nicht ohn wichtige Urſachen wir unſer Verſprechen zuleiſten unterlaſſen haben/ moͤgen ſie
uns wol ſicherlich trauen/ und ob wir uns zwar fuͤrchten/ durch die erzaͤhlung unſer Aben-
teur noch in eine ſchlimmere zu fallen/ koͤnnen wir doch nicht umbhin/ ihren Liebden es zu
offenbahren; ſagte alſo alles her was ſich begeben hatte/ uñ verwunderte ſich uͤber alle maſ-
ſe/
[335]Sechſtes Buch.
ſe/ daß die beyde Fuͤrſtinnen ſich daruͤber nicht allein gar nicht bewaͤgeten/ ſondern mit zim-
lichem Gelaͤchter es anhoͤreten/ ſo daß Siegward ſich nicht enthalten kunte/ ſie zuerinnern/
ſie moͤchten es nicht als ein Maͤhrlein annehmen/ ſondern ſich verſichern laſſen/ daß ſichs
in der Warheit alſo begeben haͤtte/ weil ihnen beyden zugleich ſolches begegnet waͤre. Wel-
ches die Groß Fuͤrſtin beantwortete: Durchll. Herren Oheime und Bruͤder; nehmet/ bitte
ich/ unſer beyden Gelaͤchter nicht alſo auff/ als ob wir euch Luͤgen zumaͤſſen wolten/ ſondern
vernehmet die wahre Urſach/ die uns hierzu bewaͤget; Es hat der leidige boͤſe Teuffel aus
der Hoͤlle/ ingeſtalt dieſer zwoͤlff ertichteten Goͤtter euch ein Blaͤrſpiel angerichtet/ bloß daß
er euch von dem Chriſtentuhm abſchrecken/ und in dem eitelen Heidniſchen Wahn ſtaͤrken
und erhalten moͤge/ und weil er kein fuͤglicher Mittel darzu gewuſt hat/ als eben dieſes/ ſo
hat er dieſen Schrek-pelz umbhaͤngen/ und unter dieſem ohmaͤchtigen Geſpenſt euch aͤng-
ſtigen wollen/ welches ihm dann leicht zu tuhn wahr/ weil ihr keinen Gott kennet/ an dem
man ſich in ſolchen faͤllen halten kan. Ich verſichere euch aber/ daß wie dieſes dz erſtemahl
iſt/ alſo ſol es auch das leztemahl ſeyn/ und wollen wir ihm durch beyſtand und hülffe mei-
nes Gottes/ dieſes Mittel/ euch ferner zuerſchrecken/ ſchon benehmen. Ihr muͤſſet aber zu-
vor ein Herz ergreiffen/ dieſen Auffzug verlachen/ und euer vertrauen auff den wahren
Gott ſetzen/ alsdann ſollet ihr ob Gott wil eben ſo leicht uͤber diß Geſpenſte lachen/ wie ich
getahn habe. Jedoch/ weil eure Gemuͤhter zimlich verwirret ſind/ wollen wir dieſen Tag
ſo hingehen laſſen/ uñ werdet ihr auff mein wolgemeintes gutduͤnken euch heut dieſen Tag
aller froͤlichen Geſelſchaft enthalten/ ſo wollen wir wils Gott/ morgen fruͤh vornehmẽ was
wir heut zu tuhn willens waren. Damit ihr gleichwol aber nicht allein ſeyd/ ſollen euch Le-
ches und Klodius auff dieſem Gemache geſelſchaft leiſten/ mit euch Speiſe nehmen/ und
allerhand heilige Geſpraͤche in euer gegenwart haltẽ/ ich wil eure abweſenheit bey der gan-
zen Geſelſchaft ſchon gebuͤhrlich zuentſchuldigen wiſſen. Sie lieſſen ſich dieſes nicht allein
wolgefallen/ ſondern auch den Schrecken algemach aus ihrem Herzen vergehen; da dann
die Groß Fuͤrſtin alles mit Leches abredete/ wie er nebeſt Klodius ſich bey den Fuͤrſten be-
zeigen ſolte; die ſolches auch wol in acht nahmen/ und den Fuͤrſten ein ſolches Herz mache-
ten/ daß ihnen nach der Nacht verlangete; Als der ſpaͤte Abend da wahr/ legten die beyden
Fuͤrſten ſich wieder zuſammen/ Leches und Klodius aber auff das Nebenbette/ hieſſen jene
in Gottes Nahmen ſicher ſchlaffen/ und blieben ſie inzwiſchen die ganze Nacht im andaͤch-
tigen Gebeht zu Gott. Den beyden Fraͤulein ward die rechte Urſach ihrer abweſenheit von
von der Groß Fuͤrſtin kund getahn/ denen ihre außgeſtandene Angſt ſehr zu Herzen ging/
und ſie in ihr andaͤchtiges Gebeht nahmen/ deſſen die vier nahe Anverwanten auch unver-
geſſen wahren. Die beyden Fuͤrſten ſchlieffen die ganze Nacht hindurch ſehr wol/ und ſo
bald die annoch hinter der Erden verſteckete Sonnenſtrahlen den Himmel begunten anzu-
roͤhten/ fing die Nachtigal unfern von ihrer Schlaffkammer auff einem luſtigen Baume
ihr angebohrnes Stimlein ſehr krauß und bund durcheinander zu zwitzern/ daß Siegward
da er erwachete/ eine ſonderliche Luſt darob empfand/ ſtieß auch ſeinen Geſellen an/ und fra-
gete/ ob er nicht ſchier außgeſchlaffen haͤtte. Leches/ als er ſie wache ſeyn vermerkete/ fragete
er nach getahnem Morgenwunſch/ wie ihre Durchll. geruhet haͤtten. Sehr wol und nach
allem Wunſche/ antwortete Siegward/ und ſo bald euchs geliebet/ wollet ihr der Durchl.
Groß-
[336]Sechſtes Buch.
Groß Fuͤrſtin andeuten/ daß wir verlangen tragen bey ihrer Liebe uns anzufinden/ und un-
ſer vorhaben unerſchrocken fortzuſetzen. Ja ſagte Baldrich/ eben diß iſt auch meine Mey-
nung/ und koͤnnet ſolches erſter moͤgligkeit beſtellen. Jene beyden nahmen hieraus ab/ daß
die Fuͤrſten gerne allein ſeyn wolten/ deßwegen ſie alsbald auffſtunden (dann ſie hatten ſich
in ihren Kleidern nidergelegt) und davon gingen. Bald darauff ſagte Baldrich zu Sieg-
warden; Mein Bruder/ nun habe ich Gott lob eigentlich erfahren/ daß das geſtrige Ge-
blaͤrre ein lauter Geſpenſt geweſen iſt des ſchwachen Teuffels/ welcher wieder der Chriſten
Gott weniger dann nichts vermag/ und ich demnach kein bedenken mehr trage/ alle deine
und meine teufliſche ertichtete Goͤtter zuverlaſſen und zuverachten; aber hoͤre doch/ wie
mirs gangen iſt; als ich in ſanfter Ruhe und tiefem Schlaffe lag/ ließ mein ehmaliger Gott
Krodo ſich abeꝛmahl vor mir findẽ/ aber mehr ſaurſichtig als erſchreklich/ taht doch ſo viel/
wie mich dauchte/ daß er meines Herzen maͤchtig ward/ und mir daſſelbe aus dem Leibe riſ-
ſe/ da dann kein Vermoͤgen bey mir wahr/ ihm ſolches zu wehren; als ers nun zu ſich ge-
riſſen hatte/ und es in eine ſchwarze Lade einſchlieſſen wolte/ trat die Groß Fuͤrſtin in beglei-
tung meiner geliebten Fraͤulein ihm unerſchrocken entgegen/ ſetzete mit einem helblitzenden
Schwerte auff ihn zu/ und aͤngſtete ihn dermaſſen/ daß wie ungeꝛne gleich/ er ihꝛ doch mein
Herz uͤberlaſſen muſte/ und lieff er heulend davon als einer dem kein herzhaftiges aͤderchen
mehr uͤbrig iſt/ daher ich ihm nachſchrihe; O du elender Tropff/ biſtu der ſtarke Gott/ und
kanſt dich eines ſchwachen Weibesbildes nicht erwehren? Inzwiſchen nam die Groß Fuͤr-
ſtin mein Herz mit lachendem Munde zu ſich/ und hielt es einer ſchneweiſſen Taͤubelein zu/
die mit ihrem güldenen Schnabel es hin uñ wieder fleiſſig reinigte/ auch viel Unflahts her-
aus zog; endlich wiſchete es die Groß Fuͤrſtin mit einer zarten Linnewand/ gab es Frl. Lu-
krezien hin/ und ſagete: Sehet da Frl. Schweſter/ von nun an laſſet euch dieſes Herz ſtets
anbefohlen ſeyn/ weil in ſeiner vorigen unreinigkeit es euch nicht gefallen kunte. Dieſe we-
gerte ſich deſſen gar nicht/ ſondern/ nachdem ſie es zu unterſchiedenenmahlẽ gekuͤſſet/ oͤffnete
ſie ihre Bruſt/ ſteckete es in ihre linke Seite/ zog ihr eigen Herz wieder heraus/ drückete es
in meinen Leib hinein/ und ſagte: Dieſer Tauſch wird unſer keinen gereuen. Zeit dieſer be-
gebnis aber ſahe ich Koͤnig Ladiſla und meinen Bruder Herkules von ferne ſtehen/ die mit
auffgehobenen Haͤnden vor unſer beyder Wolfahrt zu Gott im Himmel fleiſſig behteten/
und gedauchte mich/ als wann die vorige weiſſe Taube ſich oben auff ihre Finger ſetzete/ uñ
nachgehends gen Himmel floͤge. Geliebter Bruder antwortete Siegward/ hieraus ſchlieſ-
ſe ich/ daß nicht allein durch der Groß Fuͤrſtin bemühung/ die ich vor ſehr heilig halte/ wir
zum Chriſtentuhm gebracht werden ſollen/ ſondern du auch deiner Fraͤulein volkommene
hulde durch eben ihren vorſchub erhalten werdeſt/ Gott gebe/ wie es mit meiner Liebe koͤmt/
an welcher ich doch nicht verzweiffeln wil. Betreffend ſonſt meine Nachtruhe/ iſt dieſelbe
auch ungeſtoͤret blieben/ nur kurz zuvor ehe ich erwachete/ ſahe ich der Chriſten Gott mit ei-
nem rohten Kreuz/ welcher alle meine nichtigen Goͤtter mit einem einzigen Augenwink zur
Erden niderſchlug/ nicht anders/ als ob ſie durch den Donner waͤhren geruͤhret worden/ dz
ich demnach derſelben unveꝛmoͤgen ſchon ja ſo hoch verlache/ als geſtriges tages die Groß-
Fuͤrſtin. Sie macheten ſich mit dem Tage von dem Lager auff/ legeten Schneweiſſe ſeide-
ne Kleider an/ mit guͤldenen Blumen durchwirket/ und gingen hin/ vor dem bezeichneten
Gema-
[337]Sechſtes Buch.
Gemache auffzuwarten/ biß ihnen geruffen wuͤrde. Die Groß Fuͤrſtin wahr von Euphro-
ſynen des wolſtandes der beyden Fuͤrſten nach Leches begehren ſchon berichtet/ dann ſie
ſchlieff dieſe Nacht abermahl bey Fr. Sophien und den beyden Fraͤulein/ welche ſie in ih-
rer Ruhe liegen ließ/ und mit Fr. Sophien hinging in das naͤheſte Gemach/ fuͤhrete die bey-
den Fuͤrſten mit ſich/ und fragete kuͤrzlich nach ihrem zuſtande/ und als ſie den eigentlichen
bericht (ohn was Frl. Lukrezien betraff/ welches ihr verſchwigen ward) eingenommen hat-
te/ fing ſie dieſe Chriſtliche Rede an: Durchleuchtigſte Fuͤrſten/ hochgeliebte Herren Ohei-
me und Bruͤderliche Freunde; ich zweiffele durchaus nicht/ es muͤſſe Gottes ſonderbahre
ſchickung ſeyn/ welche uns an dieſen Ort zuſammen gefuͤhret hat/ umb/ eure Seligkeit/ wel-
che das hoͤchſte Gut iſt/ und zugleich eure zeitliche Vergnuͤgung/ durch gewuͤnſchete hey-
rahten zubefodern/ auch hiedurch uns andere/ eure naͤheſte Anverwanten hoͤchlich zuer-
freuen. Nun weiß ich zwar wol/ wie hart es unſerm Fleiſch und Blute eingehet/ wann wir
den Glauben/ in welchem wir gebohren und aufferzogen ſind/ fahren laſſen/ und dagegen
einen neuen/ entweder zuvor unbekanten/ oder doch bey den unſern verhaſſeten und verflu-
cheten annehmen ſollen. Wann wir aber dagegen bedenken/ wie eine hohe wichtigkeit die-
ſem oblieget/ daß man den wahren Almaͤchtigen Gott recht erkenne/ dann ſo pfleget ſich un-
ſer Sinn ſchon in etwas beſſer zihen zu laſſen/ inſonderheit/ wann wir vorerſt zu dieſer Er-
kaͤntnis gelangen/ daß nach dieſem zeitlichen kurzen Leben unſere Seele nicht verſchwindet/
ſondern entweder zur ewigen Straffe wegen begangener boßheit behalten/ oder mit unauf-
hoͤrlicher Himmels Luſt von Gott beſeliget werden ſol; alsdann wil unſer Verſtand gerne
nachſinnen/ wie mans anfahen muͤſſe/ daß man der Verdamnis entriſſen/ und der goͤttli-
chen Geſelſchaft einverleibet werde; aber ohn leit- und fuͤhrung der himliſchen Taube/
nehmlich Gottes des Heiligen Geiſtes/ arbeitet man alhie vergebens und umbſonſt; dann
nachdem der Menſch aus dem Stande der heiligen volkommenheit in die boßhafte Suͤn-
de gerahten iſt/ kan ihm der Weg zur Himmelstuͤhr ohn Gottes gnaͤdige offenbahrung
nicht gezeiget werden; maſſen bloß allein ſein heiliges Wort der Brunnen iſt/ aus dem wir
das ſeligmachende Waſſer der geiſtlichen erkaͤntnis ſchoͤpffen/ ſo dz unſere blinde vernunft
hieſelbſt nicht herſchen/ ſondern ſich demuͤhtig vor Gott erzeigen/ und demſelben ſich unter-
geben/ auch gewiß glaͤuben muß/ weſſen wir in ſeinem Worte unterrichtet werden. Wer
nun anfangs dieſe erſte Gnade von Gott dem Heiligen Geiſte uͤberkommen hat/ daß er ihm
vornimt/ den Chriſtlichen Glauben anzutreten/ derſelbe muß vorerſt ſolches nicht nur zum
ſchein/ oder andern zugefallen tuhn/ ſondern ſein Herz muß ſich bloß wegen der Ehre Got-
tes/ und umb ſeiner eigenen Seligkeit willen darzu ſchicken/ ſonſt iſts nur eine Heucheley/
und waͤhre tauſend mahl beſſer/ man lieſſe es gar bleiben; geſtaltſam ſolche vorfezliche Got-
tes Veraͤchter nach dieſem Leben hundert tauſendfach mehr und haͤrter/ als die aͤrgeſten
Moͤrder/ Raͤuber und Diebe geſtraffet werden. Vors ander muß ihm keiner durch Anneh-
mung des Chriſtentuhms Hoffnung zu zeitlicher Glükſeligkeit und Leibes Wolluſt machẽ/
daß er gedenken wolte/ Gott wuͤrde ihm wegen dieſes Glaubens in dieſem Leben allerhand
Luſt und Freude goͤnnen und geben/ oder er duͤrffte alsdann ſchalten und walten/ wie es ſei-
nem mutwilligen Fleiſche am beſten daͤuchte. O nein! Unſer Gott hat uns wiſſen laſſen/
und ſelbſt angedeutet/ je lieber ihm ein Kind in dieſer Welt ſey/ je mehr wolle ers unter ſei-
u uner
[338]Sechſtes Buch.
ner Straff Ruhte halten/ damit er ihn zaͤhme/ und von Suͤnden ableite/ in welche wir ge-
meiniglich durch zeitliches Gluͤk geſtuͤrzet werden. Uberdas iſt unſerm Chriſtentuhm die
uͤppigkeit dermaſſen zuwider/ daß ob gleich jemand die Erkaͤntniß unſers Gottes erlanget
hat/ und aber nicht daneben die Laſter und Untugend meidet/ ſihet Gott ſolche Erkaͤntniß
gar nicht an/ ſondern ſtraffet ihn nach dieſem Leben viel haͤrter/ als die unwiſſenden Hey-
den/ weil ihnen der Wille Gottes bekand iſt/ und ſie nur aus Vorſaz dagegen handeln.
Sehet ihr meine geliebete Herren Oheimbe und Bruͤder/ dieſes habe Euren Lieb den ich
anfangs vorhalten wollen/ worauff ſie ſich zubedenken haben/ ob unter dieſen Bedingun-
gen ihnen geliebe/ zu der allein ſeligmachenden Warheit unſers Chriſtlichen Glaubens zu
treten/ oder ihnen beſſer gefalle/ in ihrem vorigen Heydentuhm zuverbleiben/ auff welchen
fall ich mich weiter heraus laſſen werde; dann ob man zwar billich die Unwiſſenden zur
Erkaͤntniß der Warheit anmahnet/ ſo muß doch niemand zu dem Glauben gezwungen
werden/ ſondern man muß dem Allerhoͤchſten ein ungezwungenes freywilliges Herz auf-
opffern/ weil es unmoͤglich iſt/ daß bey dem Zwange ſolte koͤnnen ein Beyfal und Glaube
ſeyn. Baldrich gab hierauff zur Antwort: Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ gnaͤdige Fr.
Schweſter/ Euer Liebe andaͤchtige und gottfuͤrchtige Reden haben mein Herz dergeſtalt
durchdrungen und zur Begierde der Erkaͤntniß des wahren Gottes/ auch zur Nieſſung
der kuͤnfftigen ewigen Seligkeit hingeriſſen/ daß/ ungeachtet aller Widerwertigkeit/ Feind-
ſchafft/ Haſſes/ Verfolgung/ ja des zeitlichen Todes ſelbſt/ ich durch des wahren GOttes
Beyſtand bey mir entſchloſſen bin/ mein Haͤupt nicht ſanffte zulegen/ noch einiger Haͤndel
mich zuunterfangen/ biß ich darzu gelanget/ uñ den Namen eines Chriſten empfangen ha-
be; bitte demnach/ von wegen unſer nahen Blutfreundſchafft/ Eure Liebe wolle mir hier-
zu ungeſeumet behülflich ſeyn/ geſtaltſam auch mein geliebter Bruder Siegward eben den
gottſeligen Vorſaz hat; Dann nachdem wir unſere verführiſche Kroden- und Irmen-
Pſaffen auff dieſer oͤffentlichen luͤgenhafften Verleumdung ertappen/ ob ſolte der ganze
Chriſtliche Glaube auff lauter Schande/ Unzucht/ und viehiſche Vermiſchung hinleitẽ/
wie ſie ſolches ungeſcheuhet voꝛgeben dürffen/ und wir dagegen ein widriges handgreiflich
befinden/ koͤnnen wir nicht anders ſchlieſſen/ die Buben ertichten ſolche Abſcheuhligkeiten/
nur das Volk dadurch abzuſchrecken/ damit ihnen ihr Nuz und Vortel nicht entzogen
werde; Daß ich nicht einfuͤhre/ was geſtalt wir Gott Lob dieſe Nacht in Erfahrung ge-
bracht/ daß unſere falſche Teufliſche Goͤtter gegen der Chriſten Gott nichts vermoͤgen/
ſondern deſſen Almacht und Straffe unterworffen ſind. Alſo iſt nun unſer Herz geſchikt
und begierig/ von Euer Liebe zuvernehmen/ was ein Chriſt ſey und heiſſe/ was derſelbe wiſ-
ſen und glaͤuben/ und wie er ſich beydes gegen Gott und Menſchen verhalten muͤſſe. Sieg-
ward bezeugete auch mit wenigem/ dz eben dieſes ſein herzlicher Wunſch und ſteiffer Vor-
ſaz waͤhre/ und baht umb klare und einfaͤltige Unterrichtung. Worauff die Groß Fuͤrſtin
alſo fortfuhr: Nun wolan/ geliebte Herren Bruͤder/ ſo verleihe uns der grundguͤtige Gott
ſeine Gnade/ und erleuchte eure Herzen/ daß ihr mein folgendes Vorbringen nicht allein
verſtehen und faſſen/ ſondern mit uns euer ganzes Leben darnach richten/ und mit allen
Außerwaͤhlten Gottes nach dieſer Sterbligkeit/ Kinder und Erben der ewigen Seligkeit
werden moͤget; worzu Fr. Sophia mit traͤhnenden Augen aus wahrer Andacht ein herz-
liches
[339]Sechſtes Buch.
liches Amen ſprach. Die Groß Fuͤrſtin aber fuhr fort/ und wie ſie die Haͤupt Stuͤcke des
Chriſtlichen Glaubens ſehr wol gefaſſet hatte/ fing ſie an zuerzaͤhlen/ wie der wahre Gott
nur ein einiger Gott/ und auſſer dem kein ander Gott mehr waͤhre/ ſondern die uͤbrigen
Goͤtzen/ wie ſie immer Nahmen haben moͤchten/ waͤhren durch des Teuffels eingeben und
getrieb von vorwitzigen Menſchen ertichtet; da dann derſelbe Feind Gottes und der War-
heit/ ſolche Abgoͤtterey zuſtaͤrken/ durch Gottes Verhaͤngniß/ ſich zuzeiten in einer geſtalt
ſolcher Abgoͤtter haͤtte ſehen laſſen/ auch wol durch dieſelben geredet/ geweiſſaget/ uñ wun-
derbahre Dinge verrichtet/ ſo daß daher die ohndas unwiſſende Menſchen in ihrem Ir-
tuhm waͤhren geſtaͤrket worden. Der einige wahre Gott aber waͤhre von Ewigkeit her/
ohn Anfang/ ohn Ende/ unbegreiflich/ unermaͤßlich/ Almaͤchtig/ Gerecht/ ein Geiſt/ der al-
lenthalben/ im Himmel/ auff Erden und in allen Tieffen gegenwaͤrtig/ ſaͤhe und erkennete
aller Menſchen Tuhn/ Tichten/ und innerſte Gedanken/ und haͤtte er ohngefehr/ wie mans
rechnete/ vor 4175 Jahren/ Himmel/ Erde und Meer aus nichts erſchaffen/ da vor derſel-
ben Zeit nichts auſſer Gott geweſen. Auch haͤtte derſelbe Gott eine unzahlbare menge Gei-
ſter oder Engel erſchaffen/ alle zu ſeinem Dienſte und Gehorſam/ deren doch etliche viel
tauſend tauſend von Gott abgefallen/ zu Teuffel worden/ und deswegen in die ewige Ver-
damniß geſtuͤrzet waͤhren. Das allerlezte Geſchoͤpff Gottes waͤhren die erſten Menſchen/
Adam und Eva/ jener aus einem Erdenkloß/ dieſe aber aus Adams Rieben einer von Gott
gemacht/ welcher ihnen eine unſterbliche vernuͤnftige Seele eingeblaſen/ auch dieſelbe mit
ſeinem Geiſtlichen Ebenbilde/ nehmlich/ mit volkommenem Verſtande/ Krafft/ heiliger
folge Gottes und gerechtem Willen ausgeſchmuͤcket/ welches Ebenbilde ihnen von den
Teufeln mißgoͤnnet worden/ welche ſie zum Abfall gereizet/ und ſie durch ſolchen ihren un-
gehorſam des jeztgedachten treflichen Seelen Schatzes beraubet haͤtten. Hier erzaͤhlete
ſie allen Verlauff der erſten Menſchen im Paradeiß/ und daß GOtt wegen ſolcher uͤber-
tretung uͤber ſie erzuͤrnet/ auch willens geweſen waͤre/ ſie mit ſamt den Teuffeln zuverdam-
men; aber endlich durch Barmherzigkeit bewogen/ haͤtte er ſich ihrer erbarmet. Saget
mir nun/ geliebte Herren Brüder/ fing ſie darauff an/ ob ihr dieſes alles wol begriffen ha-
bet; Und als ſie es mit einem Ja geſtunden/ fuhr ſie fort: Nun muͤſſet ihr ferner wiſſen/ dz
zwar ſchlechter dinge nur ein einiges goͤttliches Weſen iſt/ aber nicht deſto weniger iſt in
dem einigen Weſen eine dreyfache Unterſchiedligkeit/ oder wie die Gelehrten reden/ ſind
drey unterſchiedene Perſonen in dem einigen goͤttlichen Weſen/ und heiſſen/ Vater/ Sohn/
und Heiliger Geiſt. Dieſe drey aber ſind nicht drey unterſchiedliche Goͤtter/ ſondern nur
ein einiger Gott in einem unzertrenneten Weſen/ und dannoch ſind dieſe drey unter ſich/
nicht nach dem Weſen/ ſondern nach dem Selbſtande/ oder nach der Perſoͤnligkeit/ wie
man redet/ warhafftig unter ſchieden/ ſo daß der Vater nicht der Sohn/ der Sohn nicht
der Heilige Geiſt/ der Heilige Geiſt nicht der Vater noch der Sohn/ ſondern eine Perſon
von der andern nach ihrer Perſoͤnligkeit/ auch inner- und aͤuſſerlichen Eigenſchafften un-
terſchieden/ und gleichwolein einiges/ nicht zuſammen geſetzetes/ ſondern ſchlechtes We-
ſen/ und der einige wahre Gott ſind. Eure Liebden ſollen ſich nicht verwundern/ daß ich ih-
nen ein ſolches vortrage/ welches das allerhoͤchſte Geheimniß unſers Glaubens iſt/ uñ von
keinem Menſchen recht mag verſtanden werdẽ; wir muͤſſen alhier unſere blinde Vernunft
u u ijgefan-
[340]Sechſtes Buch.
gefangen nehmen/ und was wir durch den Verſtand nicht ausgruͤblen koͤnnen/ muß ein
einfaͤltiger ſchlechter Glaube faſſen/ und durchaus nicht daran zweifeln/ weil unſer GOtt
ſich uns Menſchen alſo in ſeinem heiligen Worte/ welches nicht liegen kan/ offenbahret
hat. Eines muß ich nur hinzu fetzen/ das zu wiſſen noͤhtig iſt/ nehmlich/ daß Vater/ Sohn/
und Heiliger Geiſt in dem einigen goͤttlichen Weſen durchaus gleicher Ehre/ Krafft und
Herligkeit ſind/ keiner groͤſſer oder geringer/ keiner ehe oder ſpaͤter als der ander/ ſondern
ſchlechter dinge gleich. Die erſte Perſon wird darumb Vater genennet/ weil ſie den Sohn
von Ewigkeit her aus ihrem goͤttlichen Weſen gezeuget hat; und weil die andere alſo ohn
Anfang und ohn Ende gezeuget wird/ heiſſet ſie der Sohn. Der Heilige Geiſt aber/ die
dritte Perſon/ hat den Namen daher/ daß ſie von alle Ewigkeit her vom Vater und Sohn
als ein ausgeblaſener Geiſt/ weſentlich ausgehet. Und ob eure Vernunft hieſelbſt viel nach-
ſuchens machen wolte/ was vor eigentliche Beſchaffenheit es hiemit haͤtte/ ſo wehret ihr
ja/ und heiſſet ſie ruhen/ weil ſolches nicht allein alles vergeblich/ ſondern auch wider Got-
tes Willen iſt/ welcher dieſes von uns nur ſchlechter dinge wil geglaͤubet haben. Nach
Feſt-legung dieſes erſten Hauptgrundes der Chriſtlichen Lehre/ erzaͤhlete ſie vor dißmahl
nur Inhaltsweiſe/ was geſtalt Gott der Sohn ſich des zur Hellen-Straffe verurteileten
menſchlichen Geſchlechtes aus ſonderlicher Barmherzigkeit und Liebe angenommen/ in
der fuͤlle der Zeit Menſch worden/ und durch ſeine gnugtuhung/ Leiden und Sterben vor
unſere Suͤnde gebüſſet/ wodurch er den Zorn Gottes und die helliſchen Straffen von uns
abgewendet/ und die Seligkeit uns wieder verdienet und zuwegen bracht/ welche uns auch
dermahleins nach dieſem Leben wirklich wuͤrde zugelegt werdẽ/ wañ wir mit feſtem Glau-
ben uns auff ſolches Verdienſt unſers Heylandes verlaſſen/ uns von aller Boßheit ent-
halten/ und die Werke der Chriſtlichen Liebe und wahren Gottſeligkeit nach Erheiſchung
der Heiligen zehn Gebohten ernſtlich fortſetzen. Nachgehends ſagte ſie ihnen den algemei-
nen Chriſtlichen Glauben vor/ und erklaͤrete ihnen denſelben nach allen noͤhtigen Umſtaͤn-
den gar einfaͤltig/ welches alles ſie anderthalb Stunde lang in hoͤchſter Andacht anhoͤretẽ/
und ſich uͤber der holdſeligen Rede verwunderten/ die aus ihrem Munde ging/ dann ſie
wahr als verzukt anzuſehen/ die Augen ſtunden ihr gen Himmel/ und erſchien eine ſolche
Freudigkeit in ihrem Angeſichte/ als waͤhre ſie ein Engel Gottes geweſen. Auff ihre geen-
digte Reden aber fing Baldrich alſo an: Hocherleuchtete und in goͤttlicher Weißheit wol-
erfahrne Groß Fürſtin; billich halte ich dieſen Tag vor meinen Geburts Tag/ an dem mir
ſo uͤber hohe Gnade und Barmherzigkeit wiederfahren iſt/ daß davor dem guͤtigen Gott
und Euer Liebe ich nimmermehr gnug danken kan. Mein Herz iſt durch ihre Unterrich-
tung erleuchtet/ meine Seele getroͤſtet/ mein Muht geſtaͤrket/ mein Geiſt wider die Teufli-
ſchen Geſpenſter/ die mich geſtern verunruheten/ gewapnet/ und mein Wille unterwieſen/
daß er nunmehr tugendhafft und gottſelig fahren kan/ weil mir der Verſtand geoͤffnet iſt/
und ich/ Gott Lob/ nun mehr weiß/ woran ich mich in Anfechtung halten/ und wohin ich in
meinem anliegen mich wenden ſol; unmoͤglich aber iſt mirs/ meine iñigliche Vergnügung
auszuſprechen. Die Teufelin Freia/ der Teufel Krodo und Irmen Seul/ und wie ſie ſonſt
Nahmen haben moͤgen/ ſollen mich durch Gottes gnade nicht mehr ſchrecken/ weil ich den
wahren ewigen und einigen Gott/ ihm ſey Lob/ erkenne und im Herzen habe; derſelbe Gott/
der
[341]Sechſtes Buch.
der mich erſchaffen und erloͤſet hat/ wolle ſeine gnade in mir vermehren/ daß ich ohn wan-
ken mich an ihm ſteif halte/ und durch keine Wiederwertigkeit von ihm getrennet werde.
Siegward gab gleichmaͤſſige Erklaͤrung von ſich/ welches die Groß Fuͤrſtin mit ſonderli-
cher Freude vernam/ ſie zur Dankbarkeit gegen Gott vermahnete/ und mit ihnen nider-
kniend folgendes Gebeht ſprach: O du grundguͤtiger Gott/ wir danken dir von herzen/ daß du uns
nach deiner vaͤterlichen Guͤte aus dem verdamlichen Unglauben hervor geriſſen/ und zur heilſamen
Erkaͤntniß deines lieben Sohns/ auch zur Erbſchafft des ewigen Lebens gebracht haſt; Wir bitten
dich herzlich/ erhalte uns in ſolcher Gnade/ ſtaͤrke unſern neuen annoch ſchwachen Glauben/ vermeh-
re in uns die Hoffnung und Liebe/ und ſetze uns feſt in Chriſtlichen guten Werken und heiligem Wan-
del/ daß wir dir O Gott gefallen/ und nach dieſer Sterbligkeit mit dir ewig leben moͤgen/ Amen.


Hierauff behtete ſie mit ihnen abermahl den Chriſtlichen Glauben und das Vater Unſer
ſo offt/ biß ſie es ohn Anſtoß nach ſagen kunten/ erklaͤrete es auch gar einfaͤltig/ und erinner-
te ſie/ daß ſie etliche Tage aneinander fruͤh morgens ſich bey ihr einſtellen/ und den noͤhtigẽ
Unterricht ſo offt mit ihr wiederhohlen ſolten/ biß ſie denſelben zur gnuͤge wuͤrden gefaſſet
haben. Solte ſich aber/ ſagte ſie/ der Teuffel noch weiters wollen geluͤſten laſſen/ euch bey
Nachtzeiten (wie er dann nicht ein Geiſt des Lichtes/ ſondern der Finſterniß iſt) zuverun-
ruhen/ und mit ſeinem Gepoͤlter zuerſchrecken/ ſo verachtet ihn nur mit alle ſeinem Weſen/
und ſprechet in wahrer Andacht den Chriſtlichen Glauben und das Heilige Vater Unſer/ als-
dann werdet ihr ſehen/ wie ſchimpflich er abzihen/ und eurem Glauben den Sieg wird laſ-
ſen muͤſſen/ dann es wird in der Heiligen Schrifft unſer Glaube an den Sohn Gottes ein
Schild genennet/ nebeſt der Verſicherung/ daß wir damit alle feurigen Pfeile dieſes Boͤ-
ſewichts ausloͤſchen koͤnnen. Nach Endigung dieſer Rede umfing ſie beyde Fuͤrſten/ und
nach gebohtenẽ Kuſſe ſagte ſie: Nun werde ich mich erſt recht vor Eurer Liebden Schwe-
ſter/ und dieſelben vor meine Bruͤder halten/ nach dem wir an Gott einen Vater/ und an
der Chriſtlichen Kirche eine Mutter haben/ daß wir alſo nicht allein leibliche oder fleiſch-
liche/ ſondern auch geiſtliche Brüder und Schweſtern ſind. Sie nam aber Baldrichen/
und Fr. Sophia Siegwarden bey der Hand/ und gingen mit ihnen nach Herkules Ge-
mache/ der mit Ladiſla ſchon auffgeſtanden wahr/ und ihr Morgengebeht in einer Andacht
verrichteten/ kunten auch leicht gedenken/ was die urſach ihrer Ankunfft wahr/ wiewol ſie
deſſen ſich nichts merken lieſſen. Die Groß Fuͤrſtin aber ließ ſie nicht zu Worten kommen/
ſondern fing alſo an: Der gluͤkſeligſte Tag nach meiner Bekehrung iſt mir der heutige ge-
weſen/ an welchem durch Gottes gnade ich dieſe beyde Durchll. Fürſten/ meine geliebte
Herren Oheime und Bruͤder aus des leidigen Teuffels Rachen loßgeriſſen/ und zur Ge-
meinſchafft der Chriſtlichen Kirchen gebracht habe/ wovon ich zu gelegener Zeit ein meh-
res erzaͤhlen werde. O mein allerliebſtes Herz/ antwortete Herkules/ der Tag muͤſſe geſeg-
net ſeyn/ an welchem mein geliebter Bruder und Oheim zur Erkaͤntniß GOttes ſind ge-
bracht worden; iſt mir auch inſonderheit lieb/ daß ſolches ohn mein zutuhn und vorwiſſen
verrichtet iſt/ damit mein Herr Vater nicht dereins mir beymaͤſſe/ ich haͤtte meinen Bru-
der verleitet/ und die kuͤnfftige Beherſchung des Vaterlandes ihm mißgoͤnnet/ wovon er
dieſes Glaubens wegen mich zuenterben ſol geſinnet ſeyn; Im uͤbrigen wuͤnſche ich den
beyden neuen Chriſten Gottes beharliche gnade/ und des Heiligen Geiſtes Inwohnung/
u u iijder
[342]Sechſtes Buch.
der in ihnen den Glauben vermehre/ und ſie zugleich neben uns dereins in die ewige Her-
ligkeit auffnehme. Geliebter Herr Bruder/ antwortete Baldrich; wegen des Chriſtlichen
Wunſches bedanke ich mich herzlich; was aber meinen Herr Vater und deſſen Vorha-
ben wegen deiner Enterbung betrifft ſo iſt Gott mein Zeuge/ wie hart mir ſolches zuwider
geweſen iſt/ daß ich nicht allein unſerm Herr Vater geſchworen/ viel lieber zuſterben/ als
in deine Enterbung zugehehlen/ oder dir als dem aͤltern vorzugreiffen/ ſondeꝛn da mich ein
buͤbiſcher Pfaffe hierzu anmahnen wollen/ und ſich unternehmen durffte/ deiner in unglei-
chen zugedenken/ umb/ bey dem Vater dich noch weiters verhaſſet zumachen/ habe ich aus
bruͤderlichem Eifer ihn mit meinem Seitengewehr durchſtoſſen/ und hiedurch meinen H.
Vater ſo hoch erzuͤrnet/ daß wenig fehlete/ er haͤtte mich gefaͤnglich einziehen laſſen/ wann
meine Fr. Mutter mich nicht vor ſeinem Zorn etliche Tage verborgen gehalten haͤtte. Ge-
liebter Herr Bruder/ ſagte Herkules/ mir iſt dein Gemuͤt ſchon gnug bekant/ aber hiedurch
haſtu es ſo viel klaͤrer zuverſtehen geben/ und verheiſſe ich dir deswegen/ daß ich nicht laſſen
wil/ meines Herrn Vaters Groß Fuͤrſtentuhm entweder mit dir zuteilen/ oder dir helffen
ein Reich zngewinnen/ welches deinem Stande gnug ſey. Es wahr uͤberaus groſſe freude
unter ihnen/ welche auch Ladiſla mit vielfaͤltigem gluͤkwuͤnſchen und erbieten zuerkennen
gab biß endlich Siegward in ihrer beyder Namen alſo anfing: Großmaͤchtigſter Koͤnig/
auch Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ gnaͤdige Herren Oheime und Bruͤder; Nach dem
der Alguͤtige Gott meinem lieben Freunde und mir die allerhoͤchſte geiſtliche Gluͤkſeligkeit
zugewendet/ da wir am wenigſten darauff bedacht wahren/ haben wir das Vertrauen zu
ſeiner Barmherzigkeit/ er werde uns in derſelben biß an unſer Ende/ ja biß in alle Ewigkeit
erhalten; Wann wir dann hieneben wuͤnſchen/ daß auch die lieblichſte irdiſche Gluͤkſelig-
keit/ welche in Erhalt- und Beſitzung eines tugendreichen frommen und gottſeligen Ehe-
gemahls beſtehet/ uns von Gott moͤge mitgeteilet werden/ und wir dieſelben an den beyden
Hochgebohrnen Roͤmiſchen Fraͤulein/ Frl. Lukrezien Pompejen/ und Frl. Sibyllen Fa-
bun uns gaͤnzlich eingebildet haben/ und demnach willers ſind/ umb dieſelben gebuͤhrlich
zuwerben/ geleben wir der ungezweifelten Hoffnung und Zuverſicht/ Eure Liebden werden
uns hierin/ ihrem gutem Wolvermoͤgen nach/ alle befoderung leiſten/ welches mit unſerm
Blute zuerſetzen wir ſtets willig und bereit ſeyn wollen. Herkules fing ſchon an/ ſeine Ant-
wort zugeben/ aber die Groß Fuͤrſtin fiel ihm in das Wort/ und ſagte: Nicht alſo/ Durchl.
Fuͤrſt Siegward/ meine Fr. Schweſter und ich haben dieſes biß daher traͤufleiſſig unter-
bauet/ und da es ſolte ausgefuͤhret und gluͤklich geendiget werden/ wolten andere herzu
treten/ und den Dank verdienen? Wir wollen unſerer Gemahlen Mit Arbeit in die-
ſem Werke mit nichten zulaſſen/ ſondern Eure Liebden ſollen gleich jetzo mit uns gehen/ uñ
vernehmen/ wie weit durch unſere Bemuͤhung es ſchon fortgeſetzet ſey. In Gottes Nah-
men/ ſagte Herkules/ ich weiß ohn das wol/ daß ihr in Heirahtſachen nicht allein euch ger-
ne gebrauchen laſſet/ ſondern auch zuzeiten gut gluͤk damit habet; und weil ich meinem lie-
ben Herrn Oheim/ wie auch Bruder keine liebere Fraͤulein wuͤnſchen kan/ nach dem beyder
Zucht/ Tugend und Froͤmmigkeit mir inſonderheit wol bekant iſt/ ſo ſeyd erinnert/ mein
Schatz/ und leget allen moͤglichen Fleiß an/ daß ich deſſen bald genehme Zeitung erfah-
ren moͤge. Nun hatten dannoch dieſe beyde Fuͤrſtinnen des vorigen ganzen Tages
nicht
[343]Sechſtes Buch.
nicht unterlaſſen/ den beyden verliebeten Fraͤulein ihre Buhler noch immerzu angeneh-
mer zumachen/ welche/ weil ſie ihr Herz ſchon allerdinge darzu geneiget hatten/ ſo viel
deſto leichter konten eingenommen werden/ und dauchte ihnen der vorige Tag ſehr lang
und unluſtig/ weil ihrer Augen beſter gegenwurf ſich nicht wolte finden laſſen/ daß auch
Frl. Lukrezie ſich nicht einhalten kunte/ zu Frl. Sibyllen/ wiewol als im Scherze zu ſagen:
Herzen Schweſterchen/ mich deucht du fingeſt heut fruͤh eine Froͤligkeit an/ die da ſcheinet/
ſich bald geendet zu haben/ und wann ich meinem fragenden Herzen ſolte eigentliche Ant-
wort geben/ würde ich geſtehen muͤſſen/ daß ich gleiches anliegen habe welches/ wann ichs
recht taͤuffen ſol/ halte ichs vor ein Fieber/ weil mir bald heiß bald kalt iſt; nun habe ich ſol-
ches gleichwol nicht uͤber Meer mit mir gebracht/ deſſen mir mein Gewiſſen und meine
ganze Geſelſchaft Zeugnis gibt/ und ich demnach nicht anders ſchlieſſen kan/ ich muß die
erſte Nacht/ da ich bey dir geſchlaffen/ es von dir geerbet haben. Frl. Sibylla lachete der Re-
de/ und gab ihr zur Antwort: Gewißlich mein Schweſterchen/ du beichteſt fein heraus mit
deinem Liebes-Fieber/ aber die wahre Urſach deſſen triefſtu gar nicht. Ey ſagte jene/ biſtu
dann eine von denen/ welche der Dinge Urſachen zuerkennen wiſſen/ und daher die gluͤkſe-
lige genennet werden/ ſo laß mich doch deine Gedanken vernehmen/ aber trifſtu nicht recht/
werde ich dich uͤber laut außziſchen. Iſts dann wahr/ antwortete dieſe/ daß du ein ſolches
vor ſo ein groſſes Geheimnis haͤlteſt? ſo frage nur in dieſer ganzen Geſelſchaft/ welchen du
wilt/ auch allerdinge die geringeſten Auffwarter/ es wird keiner ſeyn/ der dieſes Ziel nicht
leicht treffenſolte. Bin ich dañ allein ſo but uñ unwiſſend/ ſagte jene/ daß ich den Urſprung
meines Fiebers nicht finden kan/ ſo benim mir doch ſolchen Unverſtand. Was man liebet/
antwortete ihre Freundin/ ob mans gleich nicht ſihet/ hoͤret man doch gerne davon reden/
daher werde ich dir kein mißfallen erzeigen/ wann ich vorbringe/ was du ſelbſt beſſer weiſſeſt
als ich; erinnere dich/ wer es wahr/ dem du des Abends deiner Ankunft bey der Mahlzeit
ſo nahe ruͤcketeſt/ derſelbe hatte das Fieber/ wie es ſeine veraͤnderung außwieß/ und iſt alſo
gar kein Wunder/ daß du von demſelben damit angeſtecket biſt; O Schweſter Schweſter
ſagte Frl. Lukrezie/ wie uͤbel und unſchweſterlich haſtu dann bey miꝛ gehandelt/ daß du mich
nicht bey zeiten gewarnet haſt; dann bey meiner traͤue/ haͤtte ich wiſſen ſollen/ daß ich bey ei-
nem Fieberkranken ſaͤſſe/ wuͤrde ich mich balde von ihm hinweg gemacht haben; aber dieſe
Reue und Klage duͤrffte nun ſchier zu ſpaͤte ſeyn/ deßwegen biß gebehten/ und gib mir guten
Raht und heilſame Arzney zu dieſer Krankheit vertreibung/ weil deiner Meynung nach/
du deren Urſach ſo wol und eigen erkenneſt. Verwaͤgen gnug vor ein junges Maͤdchen/
antwortete die andere; wiſſe aber/ daß ich keine Liebes-Arztin bin/ habe gleichwol heut fruͤh
ohngefehr aus unſerer Frr. Schweſteren Geſpraͤch verſtanden/ das dein Fieber deren Art
ſey/ welche durch eben daſſelbe müſſen vertrieben werden/ durch welches ſie entſtandẽ ſind.
O du Erzverſchlagene/ ſagte jene/ ich merke ſchon/ daß deine Arztin dir vor dein Fieber was
geordnet hat/ und wilt mir ſolches nicht offenbahren; doch wann ich ſehen werde/ daß du
dieſe Arzney einnimſt/ wil ichs auch wagen/ aber ohn einen Vorgaͤnger tuhe ichs nicht/ weil
die Arzney gar zu gefaͤhrlich iſt. Du ſolteſt dich vom Galgen loßſchwaͤtzen/ antwortete die-
ſe; aber daß du wiſſeſt/ wie weit du fehleſt/ ſo bezeuge ich diꝛ/ daß ich von keinem Fieber/ noch
von einiger anderen Krankheit getroffen bin. O Schweſter/ wiederantwortete jene/ daß
ſind
[344]Sechſtes Buch.
ſind ſchlimme Kranken/ welche ihre Krankheit verleugnen/ man haͤlt ſie vor unwitzig/ und
verzagen alle Arzte an deren wiederſtattung; lege deßwegen dieſen Unſin ab/ und laß dir
helffen; ſihe ich weiß daß dein Fieber ungleich gefaͤhrlicher iſt als meines/ dañ du haſt dich
eine geraume Zeit unter dem Gewoͤlbe der Raͤuberhoͤhle auffgehalten/ da du den erſten An-
ſtoß bekommen/ welches uber alle maſſe ſchaͤdlich ſeyn ſol; du biſt uͤber Waſſer gangen/ wel-
ches auch die heftigkeit des Fiebers vermehret/ ja ich merke daß es ein ſtetsanhalten des Fie-
ber iſt/ welches entweder kurze wendung machet/ oder gar zu beſchwerliches viertaͤgiges
verurſachet/ damit man ſich etliche Jahr ſchleppen muß; Nein nein/ ſo toͤricht wil ich nicht
ſeyn/ mich in ſolche Lebensgefahr zu ſtürzen/ ſondern ſo bald meine Arztin mir die Arzney
darbieten wird/ wil ich ſie begierig annehmen/ und mich hernach im Bette fein ſtille halten/
damit dem uͤbel bey zeiten gerahten werde; und wo ſonſt guter Raht bey dir haften kan/ ſo
tuhe du ihm auch alſo/ was gilts/ du wirſt deines beſchwerlichen und feurhitzigen Fiebers
alsdann auch entlediget werden. Ich ſchaͤtze es vor eine Kunſt und Woltaht/ ſagte Fraͤu-
lein Sibylla hierauff/ wann man kranke geſund machet/ aber daß du ſo bemühet biſt/ mich
geſunde krank zu machen/ muß ich zum wenigſten vor eine Tohrheit halten; iſt dir aber die
Arztney ſo noͤhtig/ wil ich aus getrieb unſer Freundſchaft die Groß Fuͤrſtin erbitten/ daß
ſie dir beyzeiten rahte/ damit nicht das ganze aͤdle Frauenzimmer durch dich beſchimpfet
werde. Mit ſolchen und dergleichen auffzuͤgen/ trieben dieſe Fraͤulein ſich dieſen Tag umb/
welches ſie des folgenden Morgens wieder anfingen/ als die Groß Fürſtin von ihnen auff-
geſtanden und mit den Fuͤrſten in dem Bekehrungswerke wahr/ daß ſie daruͤber zimlich
lange in den Federn blieben/ und ſie kaum die noͤhtigſten unter-Kleider angelegt hatten/ als
die beyden Fuͤrſten mit ihren Begleiterinnen zu ihnen hinein traten; deſſen dann die Fraͤu-
lein nicht wenig erſchracken/ kehreten ihnen den Ruͤcken zu/ und bahten die Groß Fuͤrſtin
ſehr/ einen gar geringen Abtrit zunehmen/ biß ſie ſich voͤllig wuͤrden bekleidet haben. Aber
ſie gab ihnen zur Antwort; nicht alſo meine herzgeliebete Schweſterchen/ ihr ſollet dieſen
beyden Fuͤrſten Gluͤk wünſchen/ wegen ihres angenommenen Chriſtentuhms/ und die un-
zeitige Scham bey ſeit legen/ nachdem ihr guten Freunden ſchon gnug bekleidet ſeid; jedoch
warff ſie ſelbſt ihnen kurze Nacht- oder Halsmaͤntelchen von klarer Linnewad uͤber die
Schultern/ und fuͤhrete Frl. Lukrezien hin zu Baldrich/ da inzwiſchen Fr. Sophia ſich mit
Siegwarden nach Frl. Sibyllen verfuͤgete/ welche ihn gar ſchamhaftig empfing/ weil ſie
wol wuſte/ daß es nunmehr zum voͤlligen Schluſſe angeſehen wahr. Die Groß Fuͤrſtin a-
ber/ da ſie ihre beyde verliebeten zuſammen fuͤhrete/ lies ſie ihnen nicht ſo viel Zeit/ ſich un-
tereinander zu gruͤſſen/ ſondern redete das Fraͤulein alſo an: Herzgeliebete Frl. Schweſteꝛ/
dafern das feſte Band unſerer verknuͤpfeten Freundſchaft in eurem Herzen nicht zubro-
chen iſt/ wird eure Liebe ſich erinnern/ wie offt wir gewuͤnſchet haben/ von Gott zuerlangen/
daß wir nimmermehr voneinander moͤchten getrennet werden/ weder in dieſer noch in je-
ner Welt. Dieſen Wunſch ins Werk zu richten/ habe ich taͤglich nachgeſonnen/ aber ver-
gebens/ biß dieſer Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ ein gebohrner Groß Fürſt und uhraltes Koͤnig-
liches Gebluͤts aus Teutſchland/ meines herzgeliebeten Gemahls einiger Bruder/ mir ver-
traulich zuverſtehen gegebẽ/ was geſtalt eueꝛ Liebe Zucht/ Tugend/ Gottesfuꝛcht uñ Schoͤn-
heit ihm ſein Herz dermaſſen eingenommen/ daß in dieſer Welt er nichts anders ſuchet/ als
euer
[345]Sechſtes Buch.
euer Liebe zu dienen/ und deren gegen-Liebe in unzertrenlicher Ehe gottſelig zugenieſſen/
wodurch er gezwungen ſey/ mir als ſeiner naͤheſten Blutsverwantin ſolches zu offenbah-
ren/ und meiner huͤlffe in erwerbung eurer Gunſt und guten willens zugebrauchen; wann
ich dann nicht zweiffele/ mein geliebter Oheim und Bruder ſuche dieſes von Herzen/ ſo hof-
fe ich zugleich/ eure Liebe werde ſein inbruͤnſtiges anſuchen nicht ausſchlagen/ ſondern auff
meine unterhandlung ihn vor ihren Schaz und kuͤnftigen Gemahl annehmen; hingegen
verſichere ich dieſelbe hinwiederumb/ daß eure Liebe er Zeit ſeines Lebens ehren/ lieben und
ſchuͤtzen/ auch dieſelbe auff ein ſolches Leibgedinge ſetzen ſol/ deſſen kein Fraͤulein ſich wird
ſchaͤmen duͤrffen; und ob etwa eure Liebe durch vorſchuͤtzung der Nohtwendigkeit eurer
Eltern gutheiſſen einzuhohlen/ die endliche Erklaͤrung auffſchieben wolte/ ſo erinnere ich
dieſelbe/ was maſſen ihre Eltern mir volkommene Gewalt/ ſie zuverheirahten/ auffgetragẽ/
und ſie daher an derſelben einwilligung nicht zweiffeln darff. Das Fraͤulein gab zur Ant-
wort: Durchleuchtigſte Groß Fürſtin/ daß dieſer auch Durchleuchtigſter Fuͤrſt und ge-
bohrner Groß Fuͤrſt aus Teutſchland zu mir unwirdigen ſo hohe Gunſt und Liebe gefaſſet/
und zu ſeinem Gemahl mich in ſeinem Herzen erkieſen wollen/ erkenne ich billich mit ge-
buͤhrlicher Dankbarkeit; nachdem aber euer Liebe Vortrag mir ſo ſchleunig und allerdin-
ge unvermuhtlich vorkomt/ als bitte untertaͤhnig/ mir etliche Monat bedenkfriſt zu goͤñen/
damit ich nicht durch unvorſichtige Antwort mich uͤbereile/ wie dann ein Fraͤulein in ſol-
chen teidungen bedachtſam fahren ſol und muß. Der Groß Fuͤrſtin wahren ihre Schwaͤn-
ke wol bekant/ lachete deswegen/ und fragete/ wie viel Monat ſie dann bedenkzeit foderte.
Ich ſtelle es in euer Liebe beſtimmung/ antwortete ſie/ wanns nur nicht unter ſieben oder
acht Monatſeyn wird/ wie dann gut Ding weile haben wil; bey welcher vorbringung ſie
ſelbſt das Lachen nicht allerdinge einbeiſſen kunte. Wolan/ ſagte die Groß Fuͤrſtin/ ich gebe
euer Liebe nicht allein acht/ ſondern achtzehn Monat meines Jahrbuchs/ in welchem jeder
Monat einen Augenblik haͤlt/ und laͤnger nicht; und ob ihr bedacht waͤhret/ weitere Aus-
flucht zuſuchen/ ſchlage ich dieſen Kreiß umb euch beyde/ bey Straffe meiner hoͤchſten Un-
gnade/ und Auffkündigung aller Freundſchafft und Hulde/ wo euer einer den Fuß druͤber
ſetzet/ biß ihr einer dem andern dieſe Ringe auff ſchierkuͤnftige Heiraht/ wechſelsweiſe ein-
geliefert habet; ſteckete hiemit ihnen beyden uͤberaus koͤſtliche Ringe auff die Finger/ gab
dem Fraͤulein einen herzlichen Kuß/ und trat damit aus dem Kreiſe. Das Fraͤulein ſtelle-
te ſich etwas ungeduldig/ und gab vor/ ſie haͤtte ſich über gewalt zubeklagen/ indem ſie in
dieſen Kreiß ungleich feſter/ als in das allerwolverwahreteſte Gefaͤngniß verſperret waͤh-
re/ auch keines weges daraus zubrechen wuͤſte/ als entweder durch ihre gnaͤdige Aufloͤſung/
welche ſie hoffete/ oder gaͤnzliche Erfuͤllung des Befehls/ welches ihr unmoͤglich daͤuchte;
worauff aber die Groß Fuͤrſtin kein Wort antworten wolte. Hingegen wuſte Fr. Sophia
ihrem Fraͤulein dergeſtalt zubegegnen/ daß dieſelbe ſich bald darauff mit dieſer Antwort
heraus ließ: Nach dem ihre Fr. Schweſter ſie verſicherte/ daß ihre herzgeliebete Eltern
mit dieſer Heiraht wuͤrden friedlich ſeyn/ und es ihr alſo gefiele/ daß dieſem Durchl. Fuͤr-
ſten ſie ſich zu ehelicher Traͤue verſprechen ſolte/ erinnerte ſie ſich billich/ daß anfangs ſie
gehalten waͤhre/ ihr hierinnen zugehorſamen/ dann auch/ daß ſie dieſem Fuͤrſten mehr als
niemand anders ſich verbunden ſeyn wuͤſte/ als ohn deſſen Huͤlffe und Rettung ihre Ehre
x xnicht
[346]Sechſtes Buch.
nicht haͤtte moͤgen erhalten werden; In Betrachtung deſſen/ wolte ſie hiemit demſelben
ſich in aller Demuht ergeben/ unter der feſten Zuverſicht/ was ihrer Unvolkommenheit ab-
ginge/ wuͤrde deſſen Durchl. geduldig uͤberſehen/ und mit ſeinem reichen uͤberfluſſe erſtat-
ten. Gleich am Ende dieſer Erklaͤrung/ da die Groß Fuͤrſtin ſich eben auch von Frl. Lukre-
zien hinweg wendete/ kam Euphroſyne geſchwinde herzu gelauffen/ und baht ſehr/ ob die
Groß Fuͤrſtin und Fr. Sophia nicht belieben moͤchten/ alsbald mit nach Libuſſen und Bre-
len zugehen/ denen zugleich die Kindesweh angeſtoſſen waͤhren. Dieſe beyden wurden
froh/ daß ſie gelegenheit bekahmen/ die Verliebeten allein zulaſſen; dagegen ſchaͤmeten ſich
die Fraͤulein nicht ein geringes/ mit ihren Fuͤrſten in ſo unvolkommener duͤnnen Kleidung
allein zuſeyn; bahten demnach Fr. Sophien/ die Befoderung zutuhn/ daß von ihren Leib-
dienerinnen ihnen ihre weiſſe Seidene Oberkleider herzugebracht wuͤrden; welches aber
unbeantwortet blieb/ nur daß die Groß Fuͤrſtin ihre beyden nochmahl erinnerte/ alles ein-
wendens (von dem Fraͤulein geſchehen) ungeachtet/ den Kreiß vor ihres begehrens Er-
fuͤllung nicht zuverlaſſen. Da dann nach ihrem Abſcheide Fuͤrſt Baldrich ſich erkuͤhnete/
und bitlich anhielt/ das Fraͤulein moͤchte an ſeiner bißher erlittenen Liebespein ein genuͤgẽ
tragen/ und ihn nicht weiter mit Verzweifelungsgedanken ringen laſſen; verſprach hin-
gegen/ ſie zeit ſeines Lebens dergeſtalt zubedienen/ daß ſie in der Taht ſpuͤren ſolte/ wie ihm
in der Welt nichts angenehmers ſeyn wuͤrde/ als in ihrer Auffwartung zuſterben. Wor-
auff ſie dann ihn nicht laͤnger auffhalten wolte/ ſondern ihm dieſe vergnuͤgliche Antwort
gab: Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ Euer Liebe bißher geſchehenes Erbieten gegen mich Unweꝛ-
te/ iſt viel zu hoch/ und kan mein Unvermoͤgen in Ewigkeit daran nicht reichen/ ob gleich
zeit meines Lebens ich mich hierzu bemuͤhen würde; Verſpreche demnach auf geheiß mei-
ner gebietenden Groß Fuͤrſtin/ die mir an Eltern ſtat zubefehlen hat/ daß Euer Durchl. ich
in aller gebuͤhrlichen Demuht ſchuldigen gehorſam/ und ſolche unbruͤchige Traͤue leiſten
wil/ die von einem kuͤnfftigen Gemahl erfodert wird/ zugleich bittend/ Ihre Liebe wollen nit
ſchier heut oder morgen mir verweißlich auffruͤcken/ daß deren nicht gleich anfangs mich
genehm erklaͤret/ nachdem ich ja billich der Jungfraͤulichen Scham und Zucht eingeden-
ke ſeyn muͤſſen. Der Alwaltige Gott aber ſtaͤrke Eure Liebe in dem wol angefangenen Chri-
ſtentuhm/ und laſſe Ihr an mir alle Luſt und geziemliche Freude finden/ die mein hochgelie-
beter Fuͤrſt ſich von mir je einbilden mag/ wiewol meiner Unvolkommenheit ich mir gar
wol bewuſt bin; je doch/ was an Taͤhtligkeit bey mir abgehet/ wolle Eure Liebe durch einen
inbruͤnſtigen Willen erſetzen laſſen. Baldrich hatte ſich ſolcher Erklaͤrung nicht verſehen/
daher ihm nicht anders als einem verzucketen zu muhte wahr/ ſtund und beſan ſich/ ob er
auch warhafftig ſolche Worte gehoͤret/ oder in einer Einbildung ſie ihm ſelber getichtet
haͤtte; welches das Fraͤulein merkend/ und daß ſein ſtilleſchweigen aus zu uͤbermaͤſſiger
Freude herruͤhrete/ faſſete ſie ihn bey der Hand/ und ſagte: Wie nun mein Durchl. Fuͤrſt/
kan er mit ſolcher Erklaͤrung noch nicht vergnuͤget werden? Ich meyne ja/ nachdem ich
mich ihm ergeben/ alles das geleiſtet zuhaben/ was ſein ehmahliges hefftiges anſuchen be-
gehret/ und meine gebietende Groß Fuͤrſtin mir ernſtlich aufferleget hat. Hiedurch begrif
er ſich/ ſetzete mit ihrem hoͤchſten Unwillen ſich vor ihr auff ein Knie/ faſſetete ihr die Hand/
und nach vielfaͤltigem kuͤſſen derſelben/ da er von ihr aufzuſtehen/ eiferig angefodert ward/
redete
[347]Sechſtes Buch.
redete er auf vorgeleiſteten gehorſam ſie alſo an: Ach mein auserwaͤhltes Fraͤulein woher
ſol ich immermehr wirdige Antwort nehmen/ ihrer hohen Gunſt gebuͤhrlich zudankẽ? Ich
erkenne mein Unvermoͤgen/ und bitte ſehr/ mir es nicht zur Grobheit auszudeuten daß ich
weder meine gedanken recht zufaſſen/ noch meine Schuldigkeit abzulegen beſtand bin; je-
doch verſpreche ich/ als lange ich leben werde/ dieſe mir erzeigete hoͤchſterquikliche und ge-
nuͤgliche gunſt in meiner Seele ſteiff und unverruͤcket zuverwahren. So nehmet nun/ O
mein teureſter Schaz/ mich euren Diener mit beharlicher gewogenheit an/ und uͤberſehet
freundlich/ was ich nicht aus Verachtung/ ſondern bloſſer Unmoͤgligkeit unterlaſſe; Ich
wil ſtets unter der Bemuͤhung mich bearbeiten/ daß mein ihr durchhin ergebenes Herz in
der Taht erzeige/ wie hoch eure Vortrefligkeit ich liebe und ehre. Nam hierauff den Ring
von ſeinem Finger/ ſteckete ihr denſelben an/ und ſagete: Hiemit uͤberliefere ich meiner
herzgeliebeten Fraͤulein mein Herz und alle meine Lebenskraͤffte zueigen/ ſo daß meine be-
gierden an keine andere als allein an ſie gedenken oder hangen ſollen/ und da mein Fraͤulein
(welches Gott gnaͤdig abwende) mir durch Todesfal fruͤhzeitig ſolte entriſſen werden/ daß
ich nimmermehr einer andern ſchuldig werden wil. Bey Leibe nicht/ Durchl. Fuͤrſt/ ſagte
ſie/ ſo hohe Verpflichtung nehme ich keines weges an/ daß Eure Liebe nach meinem Tode
nicht Macht haben ſolte/ eine neue Heyraht zuergreiffen/ ſondern es iſt mir gnug und uͤbrig
gnug/ daß bey Lebenszeit euer Traͤue und Schutzes ich verſichert bin; zaͤhle demnach Eu-
re Liebe von ſolchem Verſprechen loß und ledig/ und verbinde mich hingegen/ daß in Ewig-
keit kein ander Mannesbilde eheliche Verſprechung von mir haben oder bekommen ſol;
nam zugleich den von der Groß Fuͤrſtin ihr gelieferten Ring/ ſteckete ihm denſelben an/ uñ
ſagete weiter: Von nun an bin ich nicht mehr mein eigen/ ſondern dem ich dieſen Ring
mit gutem Wolbedacht uͤberliefere/ zum Zeichen/ dz mein Wille demſelben nach Prieſter-
licher Einſegnung in allem untergeben iſt. Baldrich umfing nach getahner Dankſagung
ſeine Braut/ wiewol mit etwas ihrer Wegerung/ und erteilete ihr mannichen Liebeskuß/
daß endlich das Fraͤulein ihn erinnerte/ die Maͤſſigkeit nicht zuuͤberſchreiten/ dann ſie waͤh-
re geſinnet/ biß an des Prieſters Hand ihre Freiheit zuhandhaben; werde auch/ ſagte ſie/
nunmehr ohn meiner Fr. Schweſter der Groß Fürſtin Ungnade aus dieſem Kreiſſe tretẽ
duͤrffen/ nachdem ihren Willen ich halte erfuͤllet ſeyn. Ja mein herzgeliebtes Fraͤulein/ ant-
wortete er/ nur daß ſie meiner inniglichen Freude nicht ſo gar zeitig abbrechen/ und mich
alsbald verlaſſen wolle; nam ſie bey der Hand/ und ſetzete ſich mit ihr auff die naͤheſte
Bank/ hoͤchlich wuͤnſchend/ daß ihr Beylager nicht lange moͤchte auffgeſchoben werden.
Das liebe Fraͤulein taht ihm auff ſein bitliches anſuchen gerne geſelſchafft/ und hatte mit
ihm manniche Unterredung/ wiewol er gemeiniglich gar ungereimet antwortete/ welches
ſie ihm nicht vor uͤbel hielt/ weil ſie ſahe und ſpuͤrete/ daß es aus hefftiger Liebe herruͤhrete.
Siegward genoß nicht mindere Gunſt von ſeinem Sibyllichen/ als die wegen Bloͤdig-uñ
Offenherzigkeit ſich weniger als Lukrezie zuwegern wuſte/ auch auff ihres liebſten Fuͤrſten
anhalten ihm frey ſtellete/ das Beylager nach belieben zubefodern/ ſo bald ihrer Eltern be-
willigung zur Heiraht einkommen wuͤrde. Nach zweyſtuͤndigem Geſpraͤch und ehrlieben-
der Buhlerey erinnerten die Fraͤulein ihre Liebſten/ es wuͤrde zeit ſeyn/ abzuweichen/ damit
ſie nicht von andern dergeſtalt beyeinander angetroffen wuͤrden/ dann ſie wuͤnſcheten/ daß
x x ijihre
[348]Sechſtes Buch.
ihre Verlobung noch etliche Tage in geheim verbleiben moͤchte. Ich werde mich aber/ ſag-
te Frl. Lukrezie/ an meiner Fr. Schweſter/ Fr. Sophien zuraͤchen wiſſen/ dann ich bin deſ-
ſen gewiß/ daß ſie uns zum Schimpff/ und unſern Fürſten zur Behaͤgligkeit uns die Klei-
der ſo lange hinterhaͤlt/ zweifele auch nicht/ da es nur in ihrem Vermoͤgen geweſen/ ſie haͤt-
te unſere Fuͤrſten uns gar vor das Bette zugefuͤhret/ welches ich ihr in Ewigkeit nicht haͤt-
te verzeihen koͤnnen. Die Fuͤrſten gedauchte ſelber Zeit zum Abſcheide ſeyn/ nahmen dem-
nach auff erhaltene Umfahungs-vergünſtigung von ihren Fraͤulein Abtrit/ und begaben
ſich hin auff ihr Gemach/ da kurz hernach Fr. Sophia mit den begehreten Kleidern an-
kam/ und die Zeitung brachte/ Libuſſa waͤhre zweer wolgeſtalter junger Soͤhne/ Brela abeꝛ
einer ſchoͤnen Tochter geneſen/ und wiewol die Muͤttere ſich beiderſeits zimlich ſchwach be-
fuͤnden/ hoffete man doch gute Beſſerung; Aber/ ſagte ſie/ habt ihr Herzen Kinderchen eu-
re Fuͤrſten dann ſo unwuͤrſch gehalten/ daß ſie euch gar entlauffen ſind? Ich hoffete als ge-
wiß/ euch zubeſchleichen/ umb zuerfahren/ welche ihrem Liebſten die gewogenſte Gunſt wuͤr-
de widerfahren laſſen. Sehr gut/ antwortete Frl. Lukrezie/ daß die Fr. Schweſter ſo un-
barmherzig mit uns verfaͤhret/ und unſere Kleider uns vorenthaͤlt/ dann die lieben Fuͤrſten
ſind einig nur deswegen von uns geſchieden/ daß ſie uns ſo dünne beſponnen nicht laͤnger
anſchauen mochten. Gebet euch zu frieden/ ihr lieben Herzchen/ ſagte ſie/ habe dieſen Mor-
gen ich mich etwas verſpaͤtet/ und ihre Liebſten ihnen nicht zeitig gnug zugefuͤhꝛet/ hat einig
nur die Unterweiſung im Chriſtentuhm verurſachet/ daher ich dieſes Verbrechens Ver-
zeihung von euch noch wol verhoffe/ inſonderheit/ da ich mich erbiete/ bey meinem H. Va-
ter zuverſchaffen/ daß ihr Beilager dieſen Tag gehalten werde. Daran trage ich keinen
Zweifel/ ſagte Frl. Lukrezie aus ſcherz/ weil ich mit meinem Liebſten deſſen ſchon einig bin/
und ein ſolches nicht laͤnger auffſchieben werde. Aber Frl. Sibilla/ die ſolches vor wahr
hielt/ erſchrak deſſen nicht wenig/ und bedingete ſich hefftig/ ob ihre Schweſter Frl. Lukre-
zie des Jung fern-Standes ſo muͤde waͤhre/ moͤchte ſie immerhin beyliegen/ welches ihr
doch wenig Ruhm nachtragen wuͤrde; ſie vor ihr Haͤupt wolte hiemit angelobet haben/
unter 14 Tagen keines weges in den Eheſtand zutreten/ dann ſie hoffete unterdeſſen Ant-
wort von ihren lieben Eltern. Hernach verwieß ſie es derſelben/ daß ſie ſo leichtſinnig waͤh-
re/ und ohn der Groß Fuͤrſtin Vorwiſſen das Beilager ſo fruͤhzeitig beſtimmen dürffte.
Welches ernſtes dieſe bey ſich ſelbſt lachete/ und aus begierde ſie etwas beſſer aufzutreibẽ/
ſagete ſie: Je Herzen Kind/ warum haſtu dich dann mit deinem Fuͤrſten verſprochen/ wañ
du nicht gedenkeſt mit ihm in den Eheſtand zutreten? Ich bitte dich ſehr/ beſchimpfe dich
und mich nicht ſo hoch/ daß ich auffs wenigſte 14 Tage vor dir her/ Beylager halten ſolte;
doch wil ich deinen Liebeſten noch wol dahin bereden/ daß er dich auf eine andere Meinung
bringen ſol. Je ſo waͤhreſtu das leichtfaͤrtigſte Tihr/ antwortete Frl. Sibylla/ wann du ſol-
ches vorzunehmen dich unterſtehen wuͤrdeſt. O du leichtglaͤubige Einfalt/ ſagte jene/ kanſt
du dann ſo gar keinen Scherz vom Ernſte unterſcheiden? oder gedenkeſtu/ ich werde ohn
genommene Unterredung mit dir und anderen deſſen meinen Fuͤrſten gewehren? O nein/
ſolche Eile hats noch trauen nicht; gelebe auch der gaͤnzlichen Zuverſicht zu meiner Frau
Schweſter Fr. Sophien/ ihre Reden ſeyn nur zum Scherze gemeynet/ dann ſonſt wuͤrde
ſie mir urſach geben/ ihr zum erſten mahle etwas zuverſagen/ weil ich eben ſo wenig als du
willens
[349]Sechſtes Buch.
willens bin/ nach art der gemeinen Knechte und Maͤgde nach dem Beilager zueilen/ da
weder meiner Eltern Befehl/ dem man billich gehorſamen muß/ noch einige inſtehende
Nohtwendigkeit mich darzu anſtraͤnget; werde es alſo mit dir rechtſchaffen zutuhn habẽ/
daß du mich ohn alle urſach der Leichtfertigkeit/ und zwar in unſer Fr. Schweſter Gegen-
wart zeihen darffſt. Ja wie ſchoͤn wirſtu mir kommen/ antwortete Sibylla/ fahe nur an/
was dich geluͤſtet/ ich wil dir zu rechte ſtehen/ vor was Richter du auch treten magſt/ und iſt
mir ſonderlich liebe/ daß ich ſo guͤltige Zeugen fuͤhren kan/ welche mit ihren Ohren es an-
gehoͤret/ wie du ohn einiges Schimpflachen es ſelbſt geſtanden und ungefꝛaget ausgebeich-
tet haſt; daß du aber/ nach dem du eine widrige Meynung an meiner Seiten vernimſt/ nu-
mehr einen Scherz daraus machen wilt/ ſol dir ohn Zweifel mißlingen/ ſondern ich wil un-
ſere Fr. Schweſter/ wie auch die Groß Fuͤrſtin ſelbſt und ihren Gemahl bitlich erſuchen/
und auffs haͤrteſte anliegen/ daß deinem ſo hohen begehren ein genuͤgen geſchehe. Billich
das/ ſagte Fr. Sophia/ umb ihren Streit zuunter halten/ dann wer wolte verliebete Herzen
von einander trennen/ die ohn Verletzung der Erbarkeit ehelich leben koͤnnen/ und deſſen
bereit eines ſind? Ihr werdet ja nicht uͤbern hauffen naͤrriſch ſeyn/ ſagte Frl. Lukrezie/ und
fangen etwas an/ da ihr alle miteinander nur mit Schimpf beſtehen muͤſtet/ maſſen mein
Vertraueter/ wie ich ſchon weiß/ wider meinen Willen ſich hierzu von keinem Menſchen
wird bereden laſſen; jedoch/ wanns ja geſchehen ſolte/ weiß ich in Warheit untriegliche
Mittel/ daß Fuͤrſt Siegward ſich nicht ſol abweiſen laſſen; deswegen ſo gib mir nur bald
auffrichtige Erklaͤrung/ weſſen du dich verhalten wilt/ alsdann weiß ich mich deſto beſſer
darnach zurichten; dann gehe ich unſer Fr. Schweſter Vortrag ein/ ſo geſchihets bloß/ dz
ich entweder dich befriedigen/ oder mich an dir raͤchen wil. Du ſolteſt fuͤnff Zungen-Droͤ-
ſcher uͤbertaͤuben/ antwortete ſie/ und inzwiſchen Zucht und Scham in die Rappuſe geben/
daher laſſe ich mich mit dir weiter nicht ein/ und magſtu immerhin nach deinem Fuͤrſten
ſenden/ und den Kirchen Lehrer herzu ruffen laſſen/ daß er euch zuſammen gebe/ noch ehe ei-
niger Menſch der Verlobung inne wird; Ich vor mein Haͤupt zweifele an meines Fuͤrſtẽ
ehrlieben dem Sinne gar nicht/ der mein begehren mir ſchon eingewilliget/ und ſein Ver-
ſprechen Fuͤrſtlich halten wird. Aber wie ſchoͤn wird es nun ſtehen/ wann Frl. Lukrezia
Pompejin hin zu dem Herrn Stathalter und anderen hohen Haͤuptern treten/ und die-
ſelben bitlich erſuchen wird/ ihren Braͤutigam dahin zubereden/ daß er das Beilager fer-
ner nicht auffſchieben/ ſondern noch vor angezuͤndeter Kerze mit ihr zu Bette zugehen un-
beſchweret ſeyn wolle. Ja warumb nicht? ſagte die luſtige Lukrezie/ wann ichs allein durch
meine Bitte nicht wuͤrde erhalten koͤnnen/ wirſtu/ in betrachtung unſer Freundſchafft/ mir
dein gültiges Wort verleihen/ dann ich habe mir vorgenommen/ nicht abzulaſſen/ biß ich
werde erhoͤret ſeyn; dich aber betreffend/ weiß ich ſchon wol/ daß du gerne wilt genoͤhtiget
ſeyn/ doch ſol dirs ſo gut nicht werden/ ſondern ich wil verſchaffen/ daß du deinen Liebſten
noch ſelbſt darumb bitten ſolt/ daß er das Beilager nicht auff die lange Bank ſchiebe. Leere
Baͤume ſind es/ da nichts drauff ſitzet/ antwortete Sibylla/ und moͤchte ſich noch wol zutra-
gen/ daß du vor Abends auff gelinderen Seiten ſpieleteſt/ und mich ſaͤuberlich gnug baͤh-
teſt/ dieſe deine Reden nicht weiter zubringen. Darumb iſts auch alhier unter der Roſe
geredet/ ſagete jene. Ja ja/ fiel Sophia ein/ ſo duͤrffte mein Anſchlag zu Waſſer werden;
x x iijWollen
[350]Sechſtes Buch.
Wollen ſich demnach meine Frll. Schweſtere ohn verweilen kleiden/ weil es ſchon hoher
Tag iſt/ und wir den heutigen im Garten zubringen/ morgen aber nach der Moͤrdergrube
fahren/ und ſie verſtoͤren wollen. Die Groß Fuͤrſtin kam darzu gangen/ hatte von den Fuͤr-
ſten alle Begebniß eingenommen/ und wuͤnſchete den Fraͤulein Gluͤk und Segen/ dabey
andeutend/ ſie haͤtte Schneider beſtellet/ die von den beſten guͤlden und ſilbern Stuͤcken ih-
rem Gemahl/ Bruder und beyden Oheimben eine zimliche Anzahl Kleider machen ſoltẽ/
und wolten ſie (das geſamte ihnen zubehoͤrige hohe Frauenzimmer) auf gleiche art mit je-
nen gekleidet ſeyn/ damit Zeit des Beylagers ihre Bruͤder- und Schweſterliche Einigkeit
etlicher maſſen daher geſpuͤret würde. So bald die Fraͤulein angelegt wahren/ gingen ſie
mit einander in den Garten/ da die Fuͤrſten und andere ihrer warteten/ nahmen allerhand
kurzweilige Spiele und Ergezligkeit vor/ wobey die Fraͤulein von Frau Sophien manni-
chen Stich ihrer Verliebung bekahmen/ und der Stathalter daher an ihrer Verlobung
nicht mehr zweifelte/ welches ihm von herzen angenehm wahr/ auch die Gleichheit der
Kleidung/ die vorgeſtern und heut ſich an ihnen ſehen ließ/ zum unfehlbaren Zeichen nam/
und zu den Fraͤulein ſagete: Herzliebe Kinder/ billich ſeyd ihr bedacht/ dieſe treffliche
Fuͤrſten gebuͤhrlich zuehren/ maſſen dieſelben in Rettung der einen/ ſich um alle beyde gnug
verdienet gemacht haben/ und gefaͤllet mir inſonderheit wol/ daß meine Toͤchtere ihnẽ ſich
in der Kleidung ſo aͤhnlich halten/ daher ich ihrer Gemuͤhter Einigkeit faſt urteilen duͤrff-
te/ wie ſie dann billich mit ihren Woltaͤhtern einig ſind. Frl. Lukrezie gab zur Antwort:
Gn. Herr Vater/ ich bekenne/ dieſen beyden Fuͤrſten/ wegen rettung meiner Waſen mich
mehr verſchuldet ſeyn/ als mit alle meinem vermoͤgen ich nicht werde bezahlen koͤnnen; bin
deswegen neben ihnen billich darauff bedacht/ wie hierzu ich meine Gutwilligkeit erzeige.
Die gleicheit aber unſer Kleidung traͤget entweder ſich ohngefehr zu/ oder meine Frau
Schweſter Fr. Sophia wird davor ſtehen/ welche uns beyden dieſe Roͤcke nach ihrem ge-
fallen hat zuſtellen laſſen. Dieſe wolte alhie eine Kurzweil machen/ und ſagete: Je mein Frl.
Schweſter/ wer hatte ihnen dann vorgeſtern die blauen Roͤcke angelegt? mus ich dann al-
lemahl die Schuld tragen/ wann etwas gutes geſchiehet? gewislich duͤnket mich/ meine
Frll. Schweſtere haben mit den beyden Fürſten eine gewiſſe Kleiderordnung gemacht.
Die ſchamhafte Sibylla erroͤhtete hieruͤber dergeſtalt/ dz jederman ihrer lachen muſte; aber
Lukrezie achtete deſſen wenig/ und fing alſo an: Gewislich Fr. Schweſter/ wer ſich/ wie un-
ſere Schweſter Frl. Sibylla/ leicht ſchrecken lieſſe/ muͤſte mit ihr kein Geſpraͤch oder Kurz-
weil antreten; weil ich aber ihrer luſtigen Schwaͤnke wol gewohnet bin/ und allen Anwe-
ſenden ſolche bekand ſind/ fuͤrchte ich mich vor keinem Verdacht; jedoch/ wann wir dieſen
Fürſten zugefallen etwas taͤhten/ daß wir einem andern nicht tuhn würden/ unſere Ehr uñ
Zucht gleichwol verwahret/ ſolte ein ſolches uns ſchimpflich in dieſer Geſelſchaft/ und der
Durchl. Fuͤrſten gegenwart auffgeruͤcket werden/ und zwar von ihr ſelbſt/ als deren es mit
zugefallen geſchehen wuͤrde? Ey daß wird ſich ſchwer verantworten laſſen; uñ ihr Durch-
leuchtigſter Groß Fuͤrſt/ ſagte ſie zu Herkules/ Eure Liebe waͤhle ich zum Richter/ ob nicht
unſere Fr. Schweſter wieder gebuͤhr und Freundſchaft gehandelt/ und deswegen mit ei-
ner harten Buſſe zubelegen ſey? So recht ſo recht/ ſagte der Stathalter zu ſeiner Tochter/
da haſtu dereins deinen Meiſter bekommen/ dann meine liebe Tochter Sibylla iſt dir zu
from;
[351]Sechſtes Buch.
from; und dafern meine Tochter Lukrezie mich nicht vorbey gangen waͤhre/ ſolte ſie eine
genehme Urtel angehoͤret haben/ die Groß Fürſt Herkules vielleicht ſo ſcharff nicht ſprechẽ
wird. Durchaus nicht/ Herr Vater/ ſagte Lukrezie/ daß ich denſelben ſolte vorbey gangen
ſeyn/ ſondern weil ich mich befahre/ noch eines Ober Richters zubeduͤrffen/ habe ich miꝛ den-
ſelben vorbehalten/ und ihm mit meiner Klage nicht verdrieslich ſeyn wollen/ dafern der
wichtige Streit durch Groß Fuͤrſt Herkules koͤnte beygelegt werden. Herr Fabius ver-
wunderte ſich ihrer leichtbeſinlichen ſchlauheit/ und ſagte zu ihr: Bey glauben/ geliebete
Tochter/ es iſt immer ſchade/ daß ſie zum Fraͤulein/ und nicht zum Sohn gedien iſt. Wie
ſo mein Herr Vater? antwortete ſie/ darff ich auch in dieſer Sache einen Richter waͤhlen?
Und als er nun ſeine bewilligung gab/ ſagte ſie zu Baldrich: Durchl. Fuͤrſt/ ich bitte eure
Liebe freundlich/ hierin zu urteilen/ ob ich beſſer ein Fraͤulein oder junger Herr bin. Nein
meine Tochter/ antwortete der Stathalter mit einem Gelaͤchter/ ich erwarte dieſer Urtel
nicht/ und wil lieber gewonnen geben/ dann dieſer Durchl. Fuͤrſt duͤrfte den Ausſpruch aus
einem andern Grunde hervor ſuchen/ daß ichs mit ihm wol muͤſte einig ſeyn; aber wie we-
nig ſich die Warheit bergen laͤſſet/ iſt hiedurch ſchon erwieſen/ und zweiffelt unſer keinem/
waͤhre dieſe Sache dem Durchl. Fürſten nicht in etwas bekant/ oder zum wenigſten der-
ſelben ungewogen/ meine Tochter wuͤrde deſſen Liebe nicht ſo kühnlich zum Richter erkieſet
haben. Das gute Fraͤulein hatte fich verhauen/ wolte ſich doch ſo offentlich nicht ſchuldig
geben/ ſondern antwortete alſo: Daß dieſen Durchl. Fuͤrſten ich zum Richter erwaͤhlet/
iſt die Urſach/ daß deſſen auffrichtiges Herz meine Fr. Schweſter Sophia mir dieſe Tage
ſo treflich geruͤhmet hat; und weil ich meiner guten Sache traue/ welche auff dieſem grun-
de beruhet/ daß ich weder bloſſe Schwerter/ noch vergoſſenes Menſchen- Blut ſehen mag/
deſſen dieſer Durchl. Fuͤrſt bey der Raͤuber abſtraffung inne worden/ habe deſſen Liebe ich
vor andern zum Richteramt erſuchet/ und ſolches umb ſo viel mehr/ weil er als ein mir un-
bekanter nicht kan in verdacht gezogen werden/ ob würde er wegen Kund- oder verwand-
ſchaft/ oder aber aus Unwiſſenheit eine ungerechte Urtel ſprechen. Es ſey aber dieſem/ wie
ihm wolle/ ſo habe nicht ich/ ſondern dieſer unſchuldige Fuͤrſt ſich deſſen zubeſchweren/ daß
man ihn ohn alle Urfach in Verdacht zihet. Der Stathalter wuſte nicht/ was er ihr vor
eine Antwort geben wolte/ trat hin zu ihr/ und nach einem vaͤterlichen Kuſſe ſagete er: Herz-
geliebte Tochter/ der Himmel gebe eurem guten verſtande ein gleichmaͤſſiges Gluͤk/ dann
werdet ihr uͤber Unfal euch nicht zubeſchweren haben. Ach mein hochwerter Herr Vater/
antwortete ſie/ ich bitte demuͤhtig/ meine gar zu baͤuriſche Kuͤhnheit mir zuverzeihen/ dem-
nach ich meine fehler willig erkenne/ und damit mein Herr Vater ſeiner ergebenen Toch-
ter gehorſames Herz deſto eigentlicher erfahre/ wolle er mit mir auff ein kurzes abſonder-
liches Geſpraͤch einen geringen Abtrit nehmen. Dieſes redete ſie mit ſanfter Stimme/ daß
kein Anweſender es verſtehen kunte. Er aber wahr ihr gerne zu willen/ und da ſie allein von
den andern abgeſondert ſtunden/ redete ſie ihn alſo an: Mein Herr Vater/ ich geſtehe ge-
gen ihn nunmehr gerne/ daß der Durchl. junge Fuͤrſt aus Teutſchland/ bey mir umb ehe-
liche Liebe ſehr inſtaͤndig angehalten/ und weil die Groß Fuͤrſtin es daneben treibet/ die von
meinen lieben Eltern ungemaͤſſene Volmacht hat/ mich wirdig zuverheirahten/ weil ſie
doch nicht willens ſind/ mich einem andern als Chriſten zuvermaͤhlen. Wie? verwundert
ſich
[352]Sechſtes Buch.
ſich mein Herr Vater hieruͤber? ich verſichere ihn als einen vertraueten ſo nahen Bluts-
verwanten zugleich/ daß nicht allein ich/ ſondern meine herzliebe Eltern getaufte Chriſten
ſind/ und viel lieber alles verlaſſen/ ja Leib und Leben verlieren/ als dieſen Glauben wieder
ablegen wollen. So ſihet nun mein Herr Vater/ ob mir/ dieſe Heyraht auszuſchlagen/
rahtſam ſey/ nachdem ich dieſen Fuͤrſten ſchon dahin beredet habe/ daß er neben ſeinen Ge-
ſellen unſern Glauben angenommen hat. Der Stathalter antwortete: Liebes Kind/ ihr
ſaget mir ſehr unvermuhtliche Zeitung/ die einem andern ich nicht glaͤuben wũrde/ nicht
ſage ich ſolches wegen eurer Heyraht/ die ich nicht zuverbeſſern wuͤſte/ ſondern daß mein
Oheim und Bruͤderlicher Freund euer Vater den Roͤmiſchen Glauben abgeleget hat/ wo-
von auff erſte zuſam̃enkunft ich mit ihm weiter reden werde. Aber berichtet mich/ wie Fuͤrſt
Siegward mit meiner Tochter Sibyllen ſtehe; Gleich alſo/ antwortete ſie/ als Fuͤrſt Bal-
drich mit mir/ und erwartet ſie nur ihrer lieben Eltern einwilligung/ wovon Fr. Sophia
dem Herr Vater ſchon berichten wird. Wie aber? fuhr er fort; wil dann dieſer Fuͤrſt eine
heirahten/ die nicht ſeines Glaubens iſt? O nein ſagte ſie/ dann eben durch ihr getrieb hat er
ſich zum Chriſtentuhm begeben. So hoͤre ich wol/ antwortete er/ mein Haus iſt voller Chri-
ſten. Ja Herr Vater/ ſagte ſie/ iſt euch ſolches unbewuſt? eure Tochter/ euer Sohn/ euer
Eiden/ eure Schnuhr/ Klodius/ Markus und die uͤbrigen mit ihren Eheliebſten ſind alle
aus freiem willen unſers Glaubens worden/ weil die himliſche Weisheit ſie uͤberſchattet
und erleuchtet hat/ daß ſie geſehen und erkennet/ wie bloß allein hierinnen ihre ewige Se-
ligkeit beſteht/ deren wir uͤber alle dinge nachtrachten muͤſſen; kan nun mein Herr Vater
ſolche Leute nicht bey ſich leiden/ wolan/ Teutſchland/ Schweden/ Boͤhmen ſtehen uns of-
fen/ wir begeben uns gerne unſers Vaterlandes/ nur daß uns der Himmel bleiben moͤge.
Nicht alſo geliebetes Kind/ antwortete er/ habe ich ſo lange Jahr eine Chriſtin im Ehebette
leiden/ und mit ihr mich wol begehen koͤnnen/ ſo werde ich umb des Glaubens willen meine
Kinder nicht verſtoſſen. Ich wil euch aber traͤulich rahten/ daß ihr dieſe Heyrahten ja nit
ausſchlaget/ und meine Tochter Sibylla ſich nicht wegere dem Schwediſchen Fuͤrſten dz
Jawort zugeben/ ihrer Eltern Wille wird da ſeyn/ inſonderheit/ wann ſie vernehmen wer-
den daß ſie eine Chriſtin iſt. Fr. Sophia trat zu ihnen hin/ und nach gebehtener verzeihung
meldete ſie an/ daß ihrer Beaten Eltern mit ihren Kindern ankommen waͤhren/ gingen
demnach miteinander nach dem groſſen Saal/ und ward der gute alte Opimius wol em-
pfangen/ welcher ſich gegen den Stathalter und Fr. Sophien alleꝛ geſchehenen befoderung
bedankete. Gallus und Leches wahren dieſen Morgen miteinander auff die Jagt geritten;
als er nun wieder heimkam/ uñ ſeines kuͤnftigen Schwiegervaters ankunft berichtet ward/
ging er in den Saal/ ihn zuempfangen/ wobey ſich nicht geringe verwirrung zutrug; dann
ſo bald ihn Opimius ſahe zu ſich nahen/ kennete er ihn/ ward auch von ihm wieder erkennet/
verwandelten ſich beyderſeits/ und fing jener mit ſonderlichem Eifer an: Hochmoͤgender
Herr Stathalter/ da ſehe ich einen ſchaͤndlichen Raͤuber/ meinen aͤrgeſten Feind/ der mich
leider in meinen bißher gefuͤhreten elenden Stand geſetzet hat/ und ich ſchon lange bemuͤ-
het bin/ ihn auszuſpehen/ damit ihm nach verdienſte gelohnet werden moͤchte/ weil dann der
gerechte Gott mir denſelben alhier ohngefehr in die Haͤnde liefert/ als deſſen Rache ohn
zweiffel hinter ihm her iſt/ und ſeinen ſchandboͤſen Muhtwillen laͤnger nicht dulden kan/ als
begeh-
[353]Sechſtes Buch.
begehre und bitte ich demuͤhtig/ und als ein Roͤmiſcher Untertahn/ daß der gottloſe Bube
feſt gemacht werde/ damit ihm nach ſeinem Verdienſt als einem ſchaͤndlichen Raͤuber und
Straſſendiebe gelohnet werde. Gallus beſtuͤrzete dergeſtalt uͤber dieſer Anklage/ daß er an-
fangs kein Wort machen kunte/ und bildete der junge Fabius ihm gaͤnzlich ein/ er wuͤrde an
ihm irren/ deswegen er zu ihm ſagete: Mein Herr/ er fuͤhret eine ſehr harte und ehrenruͤ-
rige Klage wieder dieſen Ritter/ der in groſſer Herren beſtallung und wirklichen dienſten
iſt/ wolle ſich demnach wol bedenken/ und zuvor ſich fleiſſig erkuͤndigen/ ob eꝛ auch den recht-
ſchuldigen angetroffen habe. Gnaͤdiger Herr/ antwortete Opimius/ ob gleich zuzeiten ein
Menſch dem andern ſehr aͤhnlich iſt/ erkenne ich doch an meinem unfehlbaren Abzeichen
daß ich meinen allerboßhaftigſten beleidiger angetroffen habe. Gallus hatte ſich inzwiſchen
etwas erhohlet/ trat naͤher zu Opimius/ und mit demühtiger neigung und traurigen geber-
den ſagte er zu ihm: Mein hochgeehrter Herr/ ich bekenne vor dieſen hohen Haͤuptern/ daß
er an mir den rechtſchuldigen angetroffen/ welcher vor dieſem ein ſolcher Ungenanter ge-
weſen iſt/ wie ihr mich genennet und ausgeſcholten habet/ erinnere mich auch des gottloſen
verbrechens wodurch ich mich an euch/ einen frommen unſchuldigen Herrn ſehr verſuͤn-
diget habe/ aber ich bitte denſelben durch Gott und durch ſeine eigene froͤmmigkeit/ mein
Herr wolle mir meine grobe Miſſetaht und veruͤbete Bosheit vergeben/ weil mir dieſelbe
von herzen leid iſt/ und ich davor abtrag zu machen/ mich ſolchergeſtalt anerbiete/ daß ich
vor jedwede abgenommene Krone/ hundert erſtatten/ und vor die angelegte Schmach eine
gleichmaͤſſige anzahl Gelder erlegen wil. Herkules kunte leicht ermaͤſſen/ was es antreffen
wuͤrde/ redete deßwegen ins mittel/ und ſagete: Herr Opimius/ hat dieſer mein lieber ge-
traͤuer etwa ſich ehmahls an euch vergriffen/ wollet ihr ſolches der Vergeb- und vergeſſung
anbefehlen/ nachdem er nicht allein ſeine vorige Untugend abgelegt/ und aller auffrichtigen
redligkeit ſich befleiſſiget/ ſondern/ welches euch etwa mag unwiſſend ſeyn/ mit eurer gelie-
beten Tochter ehelich verſprochen iſt. Er erblaſſete von neuen uͤber dieſer Zeitung/ und ant-
wortete: Durchl. Groß Fuͤrſt/ ich bin gar zu hart von dieſem euren Diener beleidiget/ und
ſehe nicht/ wie ich mich dergeſtalt uͤberwinden/ und ihm mein liebſtes Kind goͤnnen ſol; zwaꝛ
er hat mir vorgeſtern durch uͤberſchickung groſſer Gelder und anderer koſtbahren ſachen/
ein gutwilliges Herz ſehen laſſen/ welches ich auch mit gebuͤhrlichem dank angenommen/
unter dieſem Vorſaz/ ihn vor meinen lieben Schwiegerſohn auffzunehmen/ aber ſo wenig
ich gewuſt/ wer der Geber iſt/ ſo wenig iſts ihm kund geweſen wem er gutes getahn hat. Und
wann ihre Durchl. wiſſen ſolte/ nicht allein was vor Schaden und Spot er mir angefuͤ-
get/ ſondern auch/ was vor Elend/ Armut und Mangel mir dadurch verurſachet worden/
ſo daß ich in dieſem meinen unbehuͤlflichen Alter mich meiner Haͤnde Arbeit/ die deſſen nit
unterrichtet wahren/ kuͤmmerlich ernaͤhren uñ das Brod des truͤbſaals mit meinem Wei-
be und Kindern eſſen muͤſſen/ wuͤrden meine anweſende Gnn. Herren mir meinen unwil-
len nicht veruͤbeln. Ladiſla wolte des verlaufs gerne ausfuͤhrlichen bericht haben/ und ſage-
te zu Gallus: Lieber erzaͤhlet uns/ was vor Urſach ihr dieſem guten Herrn zu ſo hefftigem
Zorn gegeben habt/ alsdann werde ich mich bemuͤhen/ euren Span beyzulegen. Ja gnaͤ-
digſter Koͤnig/ antwortete er/ ich habe mich dermaſſen ſchwer an dieſem Herrn vergriffen/
daß er Urſach gnug hat/ nicht allein mich anzufeinden/ ſondern auch peinlich anzuklagen:
y ydann
[354]Sechſtes Buch.
dann ohngefehr vor drey Jahren und etwas druͤber/ da ich annoch unter der verfluchten
Raͤuber Rotte wahr/ bin ich ſelb ſechſe dieſem Herrn auffgeſtoſſen/ habe ihm drey Pferde
vor dem Wagen abgeſpannet/ 3000 Kronen Baarſchafft geraubet/ und ihn neben ſeinen
Sohn und Fuhrman in harter Kaͤlte faſt nacket an einen Baum gebunden/ damit ſie uns
nicht verfolgen und den Raub wieder abjagen moͤchten; erinnere mich uͤberdas/ wie etli-
che meiner Geſellen ihm und ſeinem Sohn groſſen Schimpff und Beleidigung angele-
get/ welches ich als ihr Haͤupt und Fuͤhrer wol haͤtte ablehnen koͤnnen/ da mirs Ernſt waͤ-
re geweſen. Unter dieſen Reden drungen dem alten Opimius die Traͤhnen aus den Augẽ/
und taht hinzu: Er haͤtte ſolche Gelder von etlichen guten Freunden/ auff alle ſeine uͤbrigẽ
Pfandeentlehnet/ einen ſehr harten und ungeſtuͤmen Glaͤubiger damit zubefriedigen/ auff
daß er von ſeinen Guͤtern nicht gar vertrieben würde/ und als er wegen dieſes Verluſtes
nicht haͤtte bezahlen koͤnnen/ waͤhren ihm alle ſeine Landguͤter/ ausgenommen ein einziges
Bauren Huͤtlein/ abgedrungen/ in welchem er ſider dem ſehr kuͤm̃erlich ſich behelffen muͤſ-
ſen; Die Anfeſſelung waͤhre nach ſeiner Erzaͤhlung ergangen/ da er mit den feinen biß in
den dritten Tag geſtanden/ und wegen Anlauffs der wilden Tihre ſich des Lebens erwogen
haͤtte/ biß endlich ein Betler ſich durch Gottes ſonderliche Schickung des Weges verir-
ret/ und ſie abgeloͤſet/ haͤtten aber vor Froſt/ Hunger und Durſt weder gehen noch ſtehen
koͤnnen/ endlich noch aus der Noht eine Tugend gemacht/ auff allen vieren davon gekro-
chen/ und zulezt bey einem bekanten/ geringe Kleider und Speiſe uͤberkommen. Die Groß-
Fuͤrſtin antwortete ihm hierauff: Mein Freund/ ich muß bekennen/ daß ers grob genug
gemacht/ und euch ſehr hart beleidiget hat/ aber zur unverſoͤhnlichen Feindſchaft iſt es viel
zu wenig. Dañ vernehmet; eben dieſer Gallus hat mich/ ein Koͤnigliches Fraͤulein mit ge-
waltſamer Hand und Vergieſſung vieles unſchuldigen Blutes geraubet/ und urſach ge-
geben/ daß ich uͤber Meer gefuͤhret/ verſchencket/ und in aͤuſſerſte Ehren- und Lebensgefahr
und Armut gerahten bin; Was unſaͤgliche Muͤhe und Gefahr hat deswegen mein Herr
Bruder/ mein Gemahl/ und andere Freunde angehen muͤſſen/ ſind unter Henkers Haͤnde
gerahten/ und in hoͤchſte Beſchimpffung und Schande; noch dannoch haben wir ihm
nicht allein gnaͤdig verzihen/ ſondern zum vertraueteſten Diener angenommen/ daß er un-
ſerer verborgenſten Heimligkeiten Wiſſenſchafft gehabt; haben ihn endlich zu groſſem
Reichtuhm verholffen/ in den Adel Stand geſezt/ und alle Gnade erzeiget/ nicht daß er ſol-
ches haͤtte verdienen koͤnnen/ ſondern bloß/ weil wir geſehen/ daß nach geſchehener Buſſe
er ſich gebeſſert/ und alle Boßheit abgeleget/ ſo daß er jezt billich unter die redlichſten und
froͤmmeſten gezaͤhlet/ und daher von Fuͤrſten und Herren geliebet wird; So laſſet nun/
mein Freund Opimius/ allen Zorn und Wiederwillen fahren/ und nehmet von mir ſeinet-
wegen zum Abtrag 10000 Kronen an/ die ich nach geendigter Mahlzeit euch baar auszaͤh-
len laſſen wil. Gallus ſelbſt hielt nochmahls ſehr umb Verzeihung an/ und verpflichtete
ſich/ die Beleidigung nach Moͤgligkeit zuverbeſſern/ auch ihm/ ſeiner Eheliebſten und acht
übrigen Kindern die verſprochenen 300000 Kronen redlich einzuliefern/ und in zehn glei-
che Teile auszuteilen. Worauff Opimius ſich erklaͤrete/ weil ſo gewaltige Fuͤrſten und
Herren ihm das Zeugniß ſeiner Beſſerung gaͤben/ er ſelbſt auch durch uͤbermildes erbieten
ſeine Reue gnugſam an den Tag legete/ wolte er das ergangene der Vergeſſenheit befehlẽ/
und
[355]Sechſtes Buch.
und ihn hinfuͤhro als einen lieben Freund und kuͤnfftigen Schwieger Sohn halten/ unter
der Hoffnung/ er wuͤrde ſich gegen ſein liebes Kind gebührlich/ und als ein getraͤuer Ehe-
gatte bezeigen. Herkules bedankete ſich ſeines Dieners wegen/ ſetzete Opimius zum Ver-
weſer aller ſeiner im Paduaniſchen Gebiet geſchenketen Landguͤter/ und daß er deren Auf-
kuͤnffte ein Jahr frey genieſſen/ auch die neugebauete Burg daſelbſt/ bewohnen ſolte. Die
Groß Fuͤrſtin erboht ſich/ alle ſeine verſetzeten Guͤter und Pfande ihm einzuloͤſen/ und La-
diſla ſagte zu Gallus: Ich wil euch die Mantuaniſchen Guͤter mit gleicher Bedingung
eintuhn/ daß ihr in der naͤhe bey euren Schwieger Eltern wohnen koͤnnet; welcher hohen
Gnade er ſich zwar untertaͤhnigſt bedankete/ wendete aber ein/ er haͤtte ſeinem gnaͤdigſten
Groß Fuͤrſten ſich zu untrenlichen Dienſten verbunden/ auch von deſſen Durchl. gnaͤdig-
ſte Zuſage erhalten/ ihn nimmermehr/ als lange er ſich redlich halten wuͤꝛde/ abzuſchaffen.
Es iſt alſo/ ſagte Herkules/ bin auch willens/ euch zu meinem Schaz- und Ober Waffen-
meiſter zuſetzen/ nach dem ich vernehme/ daß ihr bey mir zubleiben Luſt habet. Alſo wahr
nun dieſe Fehde geſchlichtet/ und beredete man ſich/ folgendes Tages das Raub Neſt zu
verſtoͤren/ zu deſſen Behuef 400 Bauren mit Hacken und anderm noͤhtigen Werkzeuge
auffgemahnet wurden. Die Verliebeten brachten dieſen Tag in aller Froͤligkeit zu/ und er-
hielten die beyden Fuͤrſten bey ihren Fraͤulein/ daß das Beylager auff Gallus Hochzeitfeſt
ſolte angeſtellet werden/ welches auff den 14den Tag beſtimmet ward. Des naͤhſtfolgen-
den Tages wahren ſie fruͤhzeitig auff/ ihr Vorhaben ins Werk zurichten. Das Fuͤrſtliche
Frauenzimmer ſetzete ſich zuſammen auff eine weite Gutſche/ die Fuͤrſten und Herren mit
ihrer Ritterſchafft legeten ihre Waffen an/ und ritten mit 100 Pferden hinaus/ kahmen
anfangs an die Stelle/ woſelbſt die Bruͤder und Oheimbe ihren Kampff mit einander ge-
halten/ da ſie ihrer zerhacketen Schilde noch etliche Stücke antraffen; nachgehends errei-
cheten ſie der erſchlagenen Raͤuber Leichnam/ die von den wilden Tihren ſchon zuriſſen/ uñ
biß auffs bloſſe Gerippe verzehret wahren; Von darab macheten ſie ſich durch das Ge-
ſtaͤude nach der Hoͤhle/ lieſſen die Bauren alles zuſchlagen und abbrechen/ und funden
noch zimlichen Vorraht an Speiſen und Gewehr; dann die Gelder und Kleider wahren
ſchon alles hinweg gefuͤhret/ und den beyden Fuͤrſten als ihr Eigentuhm eingehaͤndiget.
Weil nun keine Feindſeligkeit daſelbſt verſpuͤret ward/ legeten die Fuͤrſten ihre Waffen
ab/ fuͤhreten ihre Gemahlen und verſprochene Fraͤulein hie und da in dem luſtigen dicken
Gehoͤlz umher/ und ſuchete ein jedweder mit ſeiner Liebeſten allein zuſeyn. Baldrich mit ſei-
nem Fraͤulein wahr einen zimlichen Weg in ſeinen Liebes Gedanken zum Walde hinein
gangen/ und erſahen einen luſtigen dicken Baum/ unter welchen ſie ſich niderſetzeten/ etwz
Ruhe zunehmen. Als ſie nun in ihrem Liebes Geſpraͤch auff nichts anders bedacht wahrẽ/
als wie ſie einander in aller Zucht die anmuhtigſten Liebeszeichen erweiſen moͤchten/ da ſa-
he das Fraͤulein ohngefehr zween ſtarke Baͤhren zu ihnen heran eilen/ und mit erſchrekli-
chen Spruͤngen ihrer zubegehren/ daher ſie aus groſſem Schrecken rieff: O mein Schaz/
nun ſind wir beyde des Todes! Das wende Gott ab/ antwortete er/ ſprang auff/ entbloͤſ-
ſete ſein gutes Schwert/ und ſtellete das vor Angſt bebende Fraͤulein hinter ſich an den
Baum/ daß ſie Schuz und Sicherheit haͤtte. Die Baͤhren ſcheuheten ſich vor ihm nicht/
ſondern lieffen zugleich daher/ welches Baldrich erſehend/ und ſeines Gewehrs ſich troͤ-
y y ijſtend/
[356]Sechſtes Buch.
ſtend/ zu ihnen eintkat/ und in dem ſie zu ihm naheten/ dem einẽ ſtraks angeſichts das Maul
und die rechte Voͤrder Tatze in einem Hiebe dergeſtalt zurichtete/ daß er mit greulichem
Geheule ſich hinweg ſtahl. Der andere verließ ihn auch/ und lief gerade nach dem Baum
auff das Fraͤulein zu/ welche den gewiſſen Tod vor ſich zuſehen meynend/ ihrem Gott die
Seele ſchon befahl; und zwar/ haͤtte Baldrich ſich umb ein Augenblik geſeumet/ würde er
ihrer Liebe nimmermehr genoſſen haben; weil ſie ihm aber tauſendmahl lieber als ſein Lebẽ
wahr/ ſetzete er dem Baͤhren mit vollen Spruͤngen nach/ und gleich da derſelbe das Fraͤu-
lein mit der linken Tatze angriff/ und ihr den Rok an der Seite gar zuriß/ hieb er ihm die-
ſelbe Tatze reine hinweg/ jedoch mit einem ſo ungluͤklichen Streiche/ daß er zugleich ſeinem
Fraͤulein eine zimliche Wunde oben ins Bein ſchlug/ daß wann er einer guten Hand breit
hoͤher getroffen/ er ihr das Gedaͤrm im Leibe wuͤrde beſchaͤdiget haben; der Baͤhre aber
wolte nicht weichen/ ſondern ſetzete auff Baldrich an/ traff ihn auch mit der Rechten Tatze
an den linken Arm dermaſſen/ daß ihm das klare Blut heraus drang/ wiewol er ihm davor
geſchwinde lohnete/ und den Kopff vor die Fuͤſſe legete/ gleich da das Fraͤulein ſich nieder
auff die Erde ſetzete/ und zu ihm ſagete: Ach mein Herzen Schaz/ mich deucht/ ich bin hart
verwundet. Bald lief er hinzu/ den Schaden zubeſichtigen/ deſſen ſie anfangs ſich aus
Scham wegerte/ aber wegen Todesfurcht/ und weil ſie das Blut haͤuffig ſahe herablauf-
fen/ endlich zuließ; Da er nun ſahe/ daß er ſie mit dem Schwerte verwundet hatte/ fehlete
wenig/ er haͤtte ſich ſelbſt entleibet/ wo das Fraͤulein ihm nicht friſch zugeſprochen haͤtte/
da ſie zu ihm ſagete: Mein allerliebſtes Herz/ dafern ihr euch einiges Leid antuht/ ſollet ihr
aller meiner Hulde ewig entſetzet ſeyn. Ich danke meinem Gott/ daß er unſer Leben gefriſtet
hat/ und ihr wollet euch ſelbſt ſchaden? O du unbeſonnene Fauſt/ uñ ſchandloſes Schweꝛt/
ſagte er; faſſete es grimmig/ und ſchlug es wider den Baum/ in Meynung/ es zuzerbrechẽ/
welches ihm aber wegen ſeiner güte unmoͤglich wahr. Das Fraͤulein redete ihm freund-
lich zu/ ſtellete ſich/ als empfuͤnde ſie des Schmerzen wenig/ und baht/ er moͤchte ihr ſein
Schnupftuch reichen/ damit ſie die Wunde verbinden koͤnte; nahm ihren koͤſtlichen Blut-
ſtein hervor/ und ſtillete damit das Blut/ wiſchete das vergoſſene Blut rein abe/ und durch
Baldrichs Huͤlffe/ dem ſeine Trauer-Traͤhnen floſſen/ verband ſie die Wunde/ nicht ohn
groſſe Schahm/ daß ſie dergeſtalt ſich vor ihm entbloͤſſen muſte; Er aber legete ſich vor ihr
in die Knie/ und baht lauter umb Gottes willen/ ihm dieſen unvorſichtigen groben Fehler
hochguͤnſtig zuverzethen/ weil es ohn allen Vorſaz geſchehen/ und ihr Leben zuretten faſt
nicht anders haͤtte ſeyn koͤnnen. Das Fraͤulein umfing ihn freundlich/ mit Bitte/ ſich der
Verwundung halben keine Gedanken zumachen; es waͤhre Gott ihr Zeuge/ daß ihr ſeine
Angſt und Wehmuht tauſendmahl hefftiger/ als eben die Wunde ſchmerzete; Ihrer not-
wendigen Entbloͤſſung aber truͤge ſie die allergroͤſte Schahm/ welches ſie doch/ weil er ihr
verſprochener Gemahl waͤhre/ noch endlich verſchmerzen wolte; umfing ihn darauff zum
andern mahle/ und entſetzete ſich nicht ein geringes/ da ſie ſeines hartblutenden Armes ge-
wahr ward/ welchen er alsbald entbloͤſſen/ und von ihr verbinden laſſen muſte. Nun ſorge-
te er vor nichts ſo ſehr/ als wie er ſie ohn ſonderliche Bewaͤgung nach der Geſelſchaft brin-
gen koͤnte/ leitete ſie anfangs mit langſamen Tritten fort/ ſahe aber/ daß ihr weiter zugehen
unmoͤglich wahr/ hieb geſchwinde einen zimlichen Teil Straͤucher/ band dieſelben zuſam-
men/
[357]Sechſtes Buch.
men/ ſetzete ſie drauff/ und zog ſie als auff einem Schlitten daher/ wurden auch eins/ vorzu-
geben/ der Baͤhr haͤtte ihr das Bein verletzet. Der andern Geſelſchafft kam verdaͤchtig
vor/ daß dieſe ſo lange ausblieben/ und begunten ſich zuverteilen/ ihnen nachzuſuchen/ abeꝛ
die Groß Fuͤrſtin und Frl. Sibylla ſahen ſie endlich daher zihen und lacheten des vermei-
neten Auffzuges/ daß dieſe ſich von dem Fürſten alſo ſchleppen ließ; wiewol die Groß Fuͤr-
ſtin bald ein ſchlimmers muhtmaſſete/ und zu dem Fraͤulein ſagete: Ohn zweifel iſt unſer
Frl. Schweſter ein Unfal zugeſtoſſen; mit welchem Worte ſie von der rechten Seite her
noch zween grimmige Baͤhren herzu lauffen ſahe/ nam ihr Schwert zur Hand/ welches
ſie auff Reiſen ſelten von ſich legete/ und ſagte zu ihrer Gefaͤrtin: Stellet euch dort hinter
jenen Baum/ mein Fraͤulein/ biß dieſe Raͤuber werden gebendiget ſeyn; Sie aber lief ge-
ſchwinde Baldrichen zu/ welcher gleich der Un Tihre gewahr ward/ und ihnen/ weil er die
Groß Fuͤrſtin mit bloſſem Schwerte muhtig herzu eilen ſahe/ herzhafft entgegen ſprang/
das Fraͤulein bittend/ nur ein gutes Herz zuhaben. Sie gelangeten faſt zugleich bey den
wuͤtigen Baͤhren an/ welche ſich teileten/ und jeder ſeinen naͤheſten Raub ſuchete/ aber die
Groß Fuͤrſtin taht auff den ihren einen dreyfachen doppelten Hieb/ wodurch derſelbe zu
grunde gerichtet wahr. Baldrich verwunderte ſich deſſen zum hoͤchſten/ wolte ſeine Er-
fahrenheit auch ſehen laſſen/ und hieb den Baͤhren den Leib auff/ daß er das Ingeweide
ausſchuͤttete. Der Kampff iſt wol gerahten/ ſagte Valiſka/ aber ſo viel ich merke/ hat mein
Herr Bruder ſchon mit dergleichen Anſprengern zuſchaffen gehabt/ und gebe nur GOtt/
daß das Fraͤulein unbeſchaͤdiget blieben ſey. Ich wuͤnſchete ſolches von herzen/ antwortete
er/ aber ſie hat leider eine Wunde davon getragen/ welche doch mit Gottes Huͤlffe keine ge-
fahr haben ſol. Alſo gingen ſie alsbald dem Fraͤulein zu/ deren blutige Kleider der Groß-
Fuͤrſtin nicht geringen Schrecken macheten/ jedoch ſich zufrieden gab/ weil ihr die Farbe
in etwas wieder kommen/ und zimlich friſch redete. Ihre Leibdienerin Lektoria gehuhb ſich
ſehr uͤbel/ beſtellete alſobald/ daß etliche Reuter ſie fein ſanfft nach der Gutſche tragen/ und
ſie geſtrekt darauff legen muſten; Baldrich aber geleitete die Geſelſchafft nach dem Orte
des beſchehenen Anfalles/ traffen auff dem Wege den entlauffenen erſten Baͤhren an/ wel-
cher wegen ſchmerzens nicht weiter kommen kunte/ und von Baldrich vollend hingerich-
tet ward. Die anweſende verwunderten ſich der ungeheuren groſſen Tihre/ und bekennetẽ/
daß dieſe kuͤhne gluͤkliche Taht wol unter die vortreflichſten zurechnen waͤhre. Als ſie bey
der Gutſche wieder anlangeten/ und das Raubneſt gaͤnzlich verſtoͤret wahr/ machten ſie
ſich auff die Heimreiſe/ uñ ſetzete ſich Baldrich zu dem Fraͤulein/ deren verwundetes Bein
er ſtets auff ſeiner Schoß hielt/ biß ſie zu Padua anlangeten/ und eine vernuͤnftige Aerztin
ſie verband/ welche/ weil ihr Baldrich 500 Kronen verſprach/ allen fleiß anwendete/ daß ſie
am achten Tage ganz heile wahr. Dieſe Zeit uͤber/ weich Baldrich nicht weit von ihr/ und
nam Siegward daher Gelegenheit/ ſeinem Fraͤulein gleichmaͤſſige Beywohnung zulei-
ſten/ weil dieſe ihre geliebte Schweſter nicht verlaſſen wolte. Nach wieder erlangeter Ge-
ſundheit muſte das gute Fraͤulein zimliche Auffzuͤge uͤber ſich nehmen; dañ weil Frr. Va-
liſka und Sophia die Wunde zeit ihrer Schwacheit etliche mahl beſichtiget/ und befundẽ
hatten/ daß ſie mit dem Schwert geſchlagen wahr/ gab es Gelegenheit zu allerhand kurz-
weiliger Ausdeutung; woran ſie ſich doch wenig kehrete/ ſondern beteurete/ ſie haͤtte ſieder
y y iijdieſer
[358]Sechſtes Buch.
dieſer Verwundung zehnfache Liebe zu dem Fuͤrſten bekommen/ weil ſie wuͤſte/ daß es nicht
vorſezlich/ ſondern ohngefehr/ und zu ihres Lebens Erhaltung geſchehẽ waͤhre. Alſo ward
nun dieſe Zeit in aller ehrliebenden Kurzweil verzehret/ biß der angeſezte Tag zu Gallus
Hochzeit herzu nahete/ da ein Chriſtlicher Lehrer gefodert ward/ der anfangs die Fuͤrſten
mit ihren Fraͤulein/ hernach Gallus mit ſeiner Beaten nach damahligem Kirchen Ge-
brauche einſegnete; aber die Fuͤrſtliche Hochzeit ward auff etliche Wochen ausgeſetzet/
damit der Fraͤulein Eltern dabey erſcheinen koͤnten. Die Groß Fuͤrſtin richtete Gallus
Hochzeit auff ihrem neuerbaueten Hofe ſtatlich aus/ und wurden der ganze Raht und vor-
nehmſte Adel der Stad darauff geladen. Des ſpaͤten Abends fuͤhreten die Groß Fuͤrſtin
und Fr. Sophia den Fuͤrſten ihre geliebeten Fraͤulein zu/ und ſetzeren ſie ihnen auffs Bet-
te/ wiewol ſie nicht auff einem/ ſondern unterſchiedlichen Gemaͤchern ſchlieffen. Arbianes
hatte inzwiſchen alles zum Stechen auffs praͤchtigſte verſehen laſſen; da wahren groſſe
Huͤtten vor die Pferde/ und trefliche Zelten vor Ritter und Herren auffgeſchlagen; Gar-
Koͤche/ Weinſchenken und Kraͤmer hatten vor ſich ſelbſt herliche Buden auffgerichtet/
mit deren etlichen der Fuͤrſt ein Verding machete/ alle ankommende Ritter/ ſo mitſtechẽ/
und ihre Schilde auffhengen wuͤrden/ auch deren Leibdiener nach Standesgebuͤhr zuſpei-
ſen; Inſonderheit wahren unterſchiedliche Schaubuͤhnen auffgerichtet/ umb und umb
mit Gitterwerk verwahret/ daß man an denen/ die drauff ſaſſen/ nichts ſehen kunte/ es waͤ-
re dann/ daß ſie die Fenſter oͤfneten/ und wahren die Stiegen ſo artig gelegt/ daß man we-
der von oben her/ noch in den Schranken jemand auf oder abſteigen ſahe. Des morgens/
ehe die jungen Eheleute auffſtunden/ kam die Groß Fuͤrſtin und Fr. Sophia zu thuen aufs
Schlaffgemach/ und frageten/ ob nicht bald zeit waͤhre auffzuſtehen/ brachten auch beydes
den jungen Fuͤrſtinnen und ihren Gemahlen nengemachte Kleider/ einerley Gattung wie
ſie ſich mit ihren Gemahlen geputzet hatten/ und wahren an denen weder Demanten noch
Perlen geſparet. Die neuen Eheleute haͤttẽ lieber eine gedoppelte Nacht haben moͤgẽ/ muſtẽ
aber heraus/ und ſich anlegen/ damit ſie dem Ritterſpiel zeitig gnug beywohnen moͤchtẽ/
deſſen Vortrefligkeit daher leicht abzunehmen war/ weil ſie die Stad Padua mit fremden
Rittern angefuͤllet ſahen. Die ſo bey dem Stechen ſich gebrauchẽ wolten/ waren ſchon des
Abends zuvor in dẽ aufgeſchlagenẽ Zeltẽ angelanget/ woſelbſt ſie dieſen Abend um̄ ihr Geld
zehretẽ; Als deꝛ Stathalteꝛ mit deꝛ Füꝛſtlichẽ Geſelſchaft kam/ ſties man gewaltig in die Tro-
meten/ uñ begab ſich derſelbe mit Herrn Zezilius Antenor/ Kornelius uñ Emilius/ auch an-
deren Paduaniſchen Herren auff die ihnen zugeordnete Schaubuͤhne. Herkules/ Ladiſla
und der junge Fabius ſetzeten ſich mit ihren Gemahlen auff die allernaͤheſte dabey. Die drit-
te nahmen Baldrich/ Siegward und Arbianes/ mit den beyden jungen Fuͤrſtinnen ein.
Die vierde und groͤſſeſte ward mit dem Paduaniſchen aͤdlen Frauenzimmer und Rahts-
Herren angefuͤllet. Bald darauff klopffete ein alter Greiſer mit einem Stabe zum dritten-
mahle auff/ und redete ein ander folgende Worte: Nachdem auff bewilligung des Roͤmiſchen
Stathalters hieſelbſt/ Herrn Q. Fabius/ der Durchl. Groß Fuͤrſt aus Meden/ Herr Arbianes/ aus
Liebe zur Ritterſchaft/ dieſes anſehnliche Speerbrechen angeordnet/ ſind die gewoͤhnliche Satzungen
und Gebraͤuche dabey gefuͤget/ daß vor erſt niemand als volkom̃ene aͤdle Ritter/ denen keine Untaht
mit Warheit koͤnne nachgeſaget werden/ ſich auff der Bahn finden laſſen. Zum andern/ niemand aus
Feind-
[359]Sechſtes Buch.
Feindſchaft den andern ausfodern; Zum dritten/ niemand/ da er herabgeſtochen wuͤrde/ auf den uͤber-
winder einigen Neid oder Haß werffen/ oder ihn ferner umb einen Rit begruͤſſen und ſonſten alles dz
tuhn und laſſen ſol/ was Ritters brauch erfodert und bißhergeuͤbet hat. Darauff ward die Bahn
frey gelaſſen und die Schranken geoͤffnet/ zwiſchen denen etliche hundert Ritter ſich ſetzetẽ/
in mancherley anſehnlicher Ruſtung. Doch hatten alle Zuſeher auff drey/ welche in Geſel-
ſchaft ritten/ inſonderheit die Augen gerichtet/ als welche vor andern gar praͤchtig auffge-
zogen kahmen. Der in der mitte hatte einen ſchwarzglaͤnzenden Schild/ in welchem zu
oberſt eine helleuchtende guͤldene Sonne ſtund/ und in der mitte ein Silbernes V; naͤheſt
darunter wahr die bleich-roht-ſcheinende Morgenroͤhte ſehr artig entworffen/ und zu un-
terſt dieſe Worte geſetzet. CLARAm Solis Auroram ſpero. Das iſt: Zur hellen Morgenroͤhte
der Sonnen ſtehet mein hoffen. Auff dem Helme führete er ein Tiegertihr/ in deſſen linken
Tatze ein Schildlein hing mit dieſer Schrifft: Amor abſens gravis Entfernete Liebe iſt ſchwer
zuerdulden. Der zur rechten führete einen blauen Schild mit eben ſolcher Soñen und dem
Silbern V. naͤheſt darunter ſtund der ſchimmernde Morgenſtern/ mit dieſer Unterſchrift:
LVCIferum Solis gero. Der Sonnen Morgenſtern trage ich bey mir. Auff ſeinem Helme ſtund
eine nackete Jungfer/ welche in der Rechten ein Taͤflein hielt/ mit dieſer Auffſchrift: Amor
præſens ſuavis
. Nahe Liebe iſt ſuͤſſe. Der dritte hatte einen rohten Schild mit eben der vorigẽ
Sonnen und dem V. In der mitte den helleuchtenden Abendſtern mit dieſer bezeichnis:
SIderis Hesperum ſub Sole fero. Des Himmels Abendſtern trage ich unter der Soñen beſcheinung.
Auff dem Helm aber ein Schaͤflein/ an deſſen Bruſt dieſe ſchwarze Buchſtaben geetzet wah-
ren; Amor favet gnavis. Die Liebe beguͤnſtiget die Unverdroſſenen. Hinter ihnen her ritten drey
anſehnliche friſche Ritter in blanker Ruſtung mit guͤldenen Blumen ſehr artig beſtreuet/
jeder fuͤhrete einen rohten Loͤuen im Schilde mit dieſer umbſchrift: Pro Lege \& Rege. Alles
dem Geſez und Koͤnige zu dienſte Auff dem Helme hatten ſie lange weiſſe Federbuͤſche/ und
auf einem daran geheftetẽ Schildlein dieſe Worte: DEO DVCE. Durch Gottes anfuͤhrung.
Dieſe ſechſe nahmen die obriſte Stelle ein/ und foderten eine zimliche anzahl Speere/ daß
mann leicht urteilete/ ſie waͤhren nicht willens/ ohn ſtechen abzuzihen; wie dann die drey
erſten alsbald ſich auff die Bahn ſetzeten/ hatten einen zierlich geputzeten aͤdelknaben/ wel-
cher mit heller Stimme alſo anfing: Hochloͤbliche preißwirdige Ritterſchaft; demnach
gegenwaͤrtige dieſe drey Ritter Gebruͤder/ auff ihrer ſchleunigen Reiſe nach Griechenland
ohngefehr vernommen/ daß ein auslaͤndiſcher Fuͤrſt dieſes Ritterſpiel angeordnet/ haben
ſie etliche wenig Tage abgebrochen/ dieſem Stechen ein oder zwo Stunden beyzuwohnen/
dienſt- und freundlich geſinnend/ ihnen dieſe Bahn ein wenig zu goͤnnen/ biß ſie durch tap-
fere Speere/ denen ſie wolgewogen bleiben wollen/ herunter geworffen werden/ jedoch mit
dem bedinge/ daß ſie von niemand uͤber den dritten Rit angefodert werden; des erbieten ſie
ſich hinwiederumb/ einem jeden nach Standes gebuͤhr und hocheit ihre Freundſchaft und
Dienſte an. Hiemit nam der Knabe abſcheid/ und ritte aus den Schranken/ da ſeine Her-
ren ſich fertig hielten/ mit allen/ ſo es begehren wuͤrden/ ein Treffen zu tuhn; wie ſich dann
gar bald drey anſehnliche Ritter funden/ die ſich ihnen entgegen ſetzeten. Der erſte hatte ei-
nen Baͤhren im Schilde/ welchen eine ſchoͤne Jungfer an der Hand leitete/ mit dieſem
Merkworte: Feritas manſueſcit amore. Das Wild wird durch Liebe Zahm. Sein Helm wahꝛ
ganz
[360]Sechſtes Buch.
ganz verguͤldet/ worauff der Hoffnung ihr Bilde ſtund/ und in deren linken Hand ein Taͤf-
lein/ mit dieſen Worten: Spes non confundit; Hoffnung laͤſſet nicht zuſchanden werden. Die-
ſer hatte ſich gleich gegen den mit den Morgenſtern geſtellet. Der andere fuͤhrete ein Lamb
im Schilde/ welches einen Hund in den Schenkel biſſe/ mit dieſer umbſchrifft: Furor fit
læſa ſæpius patientia
. Die zu offt beleidigte Geduld wird endlich grimmig. Auff ſeinem Helme
ſtund ein halber Monde/ und naͤheſt darunter dieſe drey Buchſtaben S. L. S. welche dieſen
Inhalt hatten: Sors Lunæ Similis. Das Gluͤk endert ſich/ wie der Monde. Dieſer bekam den
mit der Morgenroͤhte zum Gegener. Des dritten Schild wahr ſehr künſtlich gemahlet;
als brennete er von hellen Flammen/ die mit einem Dampffe unterhalten wurden/ daß ſie
nicht kunten uͤber ſich ſchlagen/ und ſtunden dieſe Worte umbher: Flamma ſub fumo, Amor
adverſus
Ungluͤkliche Liebe iſt wie Feur unter dem Rauche. Sein Helm kam mit dem Schilde
nicht uͤber ein/ ſintemahl oben drauff ein nacketes Knaͤblein ſtund/ an deſſen Vorderleibe
dieſes Zeichen wahr; Aperta ſimplicitas fallere neſcia. Offenherzige Einfalt iſt ohn Betrug.
Dieſer hatte ſein Speer gegen den mit dem Abendſtern gerichtet. Sie ſeumeten ſich bey-
derſeits nicht lange/ ritten ſtraͤnge auff einander an/ und traffen zu allen ſeiten wol/ ſo daß
niemand wankete; den andern Rit tahten ſie mit heftigerm ungeſtuͤm/ in welchem der mit
dem Baͤhren ſich des falles mit muͤhe enthielt/ auch der mit dem Lamb ſchier die Erde haͤt-
te kuͤſſen muͤſſen/ da doch ihre Gegenſtecher nicht umb das geringſte ſich bewaͤgeten/ die bey-
den mittelſten aber auch noch dißmahl in gleicher wage blieben. Niemand zweiffelte/ es
wuͤrde im dritten Saz ſchaͤrffer daher gehen/ wie ſichs dañ bald fand/ maſſen die drey aus-
geforderte/ wie ungerne ſie auch wolten/ die Erde ſuchen muſten/ und hatte der mit dem
Baͤhren dieſen Vortel vor ſeinen Geſellen/ daß ihm ſein Pferd im falle Geſelſchaft leiſtete/
woruͤber er doch einen Arm verrenkete. Die Obſieger nahmen alsbald die Bahn wieder
ein/ und warteten/ ob ſich mehr an ſie machen würden/ die ſich bald funden; aber im erſten
Treffen den unwilligen Abſprung nahmen; ihnen folgeten drey andere/ deren zween glei-
cherſtalt durch ihrer Beſtreiter erſtes Speer gefellet wurden; aber des mit dem Morgen-
ſtern ſein wiederſtand wagete den andern Saz/ in welchen er ſtuͤrzend den Ruͤcken zubrach/
davon er in wenig Stunden verſchieden/ welches dem Sieger ſehr leid wahr. Jedoch kah-
men noch drey unterſchiedliche drey- par/ welche alle miteinander im erſten Treffen den
Sattel raͤumeten. Herkules und Ladiſla ruͤhmeten der Uberwinder Wolverhalten/ nicht
zweiffelnd/ da ſie alſo fortfahren wuͤrdẽ/ duͤrften ſie den Preiß davon tragen/ preiſeten auch
den Vater ſelig/ dem Gott ſo ritterliche Soͤhne beſcheret haͤtte. Es ſtund nicht lange an/ da
taht ſich ein gewaltiger Ritter hervor/ voller Hoffnung/ den hoͤchſten Gewin davon zutra-
gen/ welchen er in 16 Ritterſpielen behaͤuptet hatte. Sein Harniſch wahr blau angelauf-
fen mit guͤldenen Striemen; die Pferdedecke ſchneweis mit koͤſtlichen rohten Korallen be-
ſticket/ und unten herumb mit drey reihen Rubinen. Auff dem Helm ſteckete eine koͤſtliche
Siegesfahne/ mit dieſen worten: Virtus non latet. Tugend haͤlt ſich nicht in Winkeln. Im
Schilde ſchwebete ein Adler/ dabey dieſe Lobſchrift: Meruit Laurum. Er hat den Lorberkranz
erworben. Im Halſe hatte er eine groſſe guͤldene Kette/ an welcher zu unterſt Kaͤyſers Ale-
xander Severus Bilde hing. Dieſer ritte hin zu den dreyen Obſiegern/ und foderte den
mit
[361]Sechſtes Buch.
mit dem Morgenſtern mit dieſen Worten aus: Mannhafter Ritter/ eure Fauſt hat bißheꝛ
anzeige getahn/ daß es euch eben ſo wenig an Kraft als erfahrenheit mangelt/ welchẽ Preiß
ich euren Geſellen zugleich nachruͤhmen muß/ daß ich nicht zweiffele/ euer jeder ſey geſchikt
genug dieſes zuerwerben/ was viel hoffen und wenig erlangen moͤgen. Vordißmahl aber
iſt mein geſinnen an euer Speer/ das es auff meiner Bruſt/ oder wo es am beſten treffen
kan/ einen Verſuch tuhn wolle/ wo ſonſt das meine euch nicht zugeringe deucht; wil mich
bemuͤhen/ es auff begebenheit zuverſchulden ſo weit mein Vermoͤgen reichet. Es iſt ein un-
verdientes Lob/ mein Herr/ antwortete dieſer/ welches mir ſeine gewogene Zunge zuleget/
und mich ihm ſehr verbunden machet/ daß zu ſeinem Willen ich mich ſchuldig erkennen
muß/ werde auch unbetruͤbet meinen Sattel leeren/ wann ſein Speer ſolches wirken ſolte/
und haͤtte Urſach/ mich zu ruͤhmen/ wann der Unfal mich uͤberſehen wolte/ daher ich mich
auff allen Fall fertig halte. Mein Herr/ antwortete dieſer: Es muͤſte ein verwaͤgener Rit-
ter ſeyn/ der ihm ſelbſt vor treffens den Sieg zuſchreiben duͤrfte; laſſet uns aber den Spee-
ren anbefehlen/ daß ſie uns den Ausgang wiſſend machen; kehrete ſich hiemit um/ und ſtel-
lete ſich dermaſſen unerſchrocken/ daß alle Anweſende die Gedanken faſſeten/ es wuͤrde die-
ſes das gedenkwirdigſte Treffen ſeyn. Sie lieſſen beyderſeits ihr Herz und geſchikligkeit ſe-
hen/ traffen auch dergeſtalt/ daß die Zuſeher/ ſolche Puͤffe zuerdulden koͤnnen/ vor unmoͤg-
lich hielten; maſſen ſie dann nicht allein die Speere in kurze Stuͤcke zu ſplitterten/ ſondern
auch mit den Leibern einander dergeſtalt begegneten/ daß die Waffen knarreten/ und ſie bey-
de hinter ſich bogen; welches Herkules erſehend/ zu Ladiſla ſagete; er haͤtte dergleichen
Treffen wenig geſehen. Sie empfunden beyderſeits/ daß ſie es nicht mit Kindern zu tuhn
hatten/ hielten ſich demnach feſte auff den Pferden/ und ſchicketen ſich zum andern Satze/
welcher mit neuen ſtarken Speeren volfuͤhret ward/ und ihrer keiner nicht den allergering-
ſten Wank taht/ ob gleich die Splitter in die Luft fuhren. Im dritten gange aber legete der
mit dem Morgenſtern alle Macht und geſchikligkeit an/ empfing auch ſeinen Mann ſo tap-
fer/ daß er denſelben ſamt dem Pferde uͤbernhauffen warff/ wiewol ihm und ſeinem Roſſe
der Fall auch nicht weit wahr/ deſſen er ſich bloß durch ſeine geſchikligkeit entbrach/ und
ſich der Niderlage ſeines Gegeners hoͤchlich freuete/ der ſich kuͤmmerlich wieder erhub/ uñ
zu ſeinem Obſieger ſagete: Teurer Ritter/ ich goͤñe euch den Preiß/ den ihr an mir behaͤup-
tet/ wann ich nur euren Nahmen wiſſen moͤchte. Mein Herr/ antwortete jener/ wir werden
einer dem andern wenig angewonnen haben/ ohn daß mein Pferd ſich ein wenig feſter ge-
halten hat; daß ich aber meinen Nahmen verberge/ zwinget mich mein Geluͤbde/ welches
der morgende Tag enden/ und meinem Herrn mich zuerkennen geben wird. Hiemit muſte
der Abgeſtochene ſich begnuͤgen laſſen/ foderte von ſeinen Leuten ein Pferd/ und ritte aus
den Schranken hinweg/ gleich da ein ander ſich auff die Bahn ſtellete/ und des mit dem A-
bendſtern begehrete/ ward aber im andern Treffen auff die Erde gelegt. Der mit der Mor-
genroͤhte fand auch ſeinen Beſtreiter/ der ihm zween harte Stoͤſſe aushielt/ und im dritten
abſpringen muſte/ deſſen ſich nicht allein der Obſieger/ ſondern auch ſeine beyde Geſellen er-
freueten/ dann im andern gange haͤtte er ſchier den kuͤrzern gezogen. Nach erhaltung die-
ſes Sieges neigeten ſich dieſe drey Geſellen gegen die anweſende Ritterſchaft/ und mache-
ten ſich aus den Schranken ins Gehoͤlze hinein/ deren Plaz die drey/ ſo mit ihnen den Ein-
z zzug
[362]Sechſtes Buch.
zug gehalten/ einnahmen/ funden auch bald/ die ihrer begehreten/ ſo daß ein jeder fuͤnff Rit-
ter niderlegete/ und ihrer keiner gefellet ward; weil ſie aber nicht geſinnet wahren/ an dem
Gewin teil zu haben/ machten ſie ſich gleich den erſten hinweg. Hierauff ging das Stechen
unter den andern erſt recht an/ und verdienete mannicher ein gutes Lob/ deren wolverhal-
ten von den Richtern fleiſſig angezeichnet ward. Als nun der Stathalter das Stechen vor
dißmahl aufruffen wolte/ bließ man mit allen Trometen/ und traten die Richter/ H. Kor-
nelius/ Emilius/ und Antenor zuſammen/ ſchloſſen auch einhellig/ die beyden mit dem Mor-
gen- und Abendſtern haͤtten den erſten; der mit der guͤldenen Kette/ und der mit der Mor-
genroͤhte den andern; die drey ebengleiche aber den dritten Dank erworben. Die jungen
Fuͤrſtinnen beyde/ ſolten den erſten Preiß/ zwo ſchwere guͤldene Ketten mit angehaͤngeten
koͤſtlichen Kleinoten/ jede zu 5000 Kronen geſchaͤtzet/ den beyden obgedachten austeilen/
welche aber/ wie oft man ſie gleich durch den Ausſchreier foderte/ doch nicht erſchienen.
Die Groß Fuͤrſtin und Fr. Sophia hatten den andern Gewin/ zwey par Armbaͤnder/ jedes
par zu 3500 Kronen; aber auch dieſe Gewinner wahren nirgend anzutreffen/ daher aus-
geruffen ward/ dafern inwendig ſechs Stunden ſie ſich nicht ſtellen wuͤrden/ ſolte Morgen
umb dieſe vier Gewin auffs neue geſtochen werden. Die drey ebengleiche aber wurden
durch ungeſchichte vor Leches/ Neda und Prinſla erkennet/ daher ſie/ ungeachtet alles we-
gerns von der Stathalterin/ Fr. Urſulen/ und Frl. Helenen den dritten Preiß/ als jeder ei-
nen ſchoͤnen Demant Ring/ 2000 Kronen an wert/ zu ſich nehmen muſten. Bald darauff
trat Arbianes hervor/ und baht/ dafern der trefliche Ritter mit der Kette zu gegen waͤhre/
er ſich guͤnſtig anmelden moͤchte/ warumb der Groß Fuͤrſt aus Teutſchland H. Baldrich/
der mit ihm geſtochen/ und ſeine Mannheit uͤbrig empfunden haͤtte/ freund- und dienſtlich
bitten lieſſe. Dann die beyden nebeſt Siegward hatten ſich in aller ſtille von ihrer Schau-
buͤhne gemacht/ und ihre Waffen angelegt/ da Baldrich ſeine Lukrezien dem Morgenſtern;
Siegward ſeine Sibyllen dem Abendſtern; und Arbianes Frl. Klara aus Teutſchland
der Morgenroͤhte verglichen/ welche alle drey der Sonnen aller Schoͤnheit Groß Fuͤrſtin
Valiſken ſie untergeben hatten. Es wolte aber auff Arbianes anfodern der Ritter ſich nit
angeben/ daher man weitere nachforſchung unterließ/ und baht Arbianes alle Ritter/ die
ſich in den Schranken hatten finden laſſen/ ſie moͤchten an Speiſe und Trank/ die ihnen ſol-
ten vorgetragen werden/ neben ihren Leibdienern guͤnſt- und freundlich vor lieb nehmen/
wie dann alles auffs reichlichſte angeordnet wahr/ und Herr Fabius etliche Auffſeher be-
ſtellet hatte/ acht zu geben/ daß alles richtig herginge. Des folgenden Tages ward das Ste-
chen wieder zeitig angefangen/ wo bey unter andern ſich ein Ritter fand/ der in kurzer Zeit
15 den Sattel raͤumen machete/ und er nur einmahl auff die Weichſeite gebracht ward.
Herkules und die andern ſahen aus ſeinem verhalten/ dz er der geſtrige mit der Kette wahr/
wiewol er ſich gar anders ausgeputzet hatte/ dann ſeine Waffen wahren blank/ mit ſchwar-
zer gebluͤmeter Etzung. Im Schilde ſtund ein Schlaffender gemahlet/ dem das Bilde der
Tugend mit dem Fuſſe in die Seite ſties/ und dieſe Worte dabey: Evigila poſt ſomnum.
Haſtu ausgeſchlaffen/ ſo ermuntere dich wieder. Auff dem Helme führete er einen Falken/ der
uͤberſich nach der Sonnen ſahe/ und in der rechten Klaue ein Schildlein mit dieſen Wor-
ten hielt; Radiis impar. Den Sonnen-Strahlen bin ich nicht beſtand. Er tummelte ſich derge-
ſtalt
[363]Sechſtes Buch.
ſtalt auff dem Platze/ daß wenig mehr Luſt hatten/ ſich an ihm zu reiben; und als ihrer zween
ſeiner ohngefehr auff einmahl begehreten/ foderte er beyde zugleich/ ward auch von ihnen
wol getroffen/ welches er nicht allein ohn wank aushielt/ ſondern den einen vom Pferde
warff/ daß er ohmaͤchtig liegen blieb. Endlich da er ſich zimlich abgearbeitet hatte/ ritte er
an die Seite/ und verließ die Bahn/ auff welche ſich ein treflicher Ritter ſetzete/ der kaum
vor einer halben Stunde in Geſelſchafft ſechs anderer in den Schꝛanken ankommen war;
In ſeinem Schilde ließ ſich ein heller Strahl ſehen/ welchen ein Kranker auffzufahen ſich
vergeblich bemühete/ mit dieſer Umſchrifft: Aut fove, aut occide, Erquicke oder toͤdte mich.
Auff dem Helme hatte er eine gekroͤnete Schlange/ die ihre Zunge in Geſtalt eines Pfeils
heraus ſteckete; ſein Pferd wahr herlich ausgeputzet/ und ſehr wol abgerichtet/ wobey der
Ritter ſelbſt ſich gar hoͤflich erzeigete/ und der Zuſeher gute Gunſt erwarb/ hielt ſich auch
im Treffen nicht minder hurtig als kraͤfftig/ ſo daß Klodius/ der bißher groſſe Ehre einge-
legt hatte/ von ihm im dritten Ritte abgeſtochen ward; welchen Markus zuraͤchen mey-
nete/ aber im andern Satze ihm Geſelſchafft leiſten muſte. Baldrich waͤhnete alsbald/ es
wuͤrde eben der ſeyn/ mit welchem er voriges Tages zu allererſt geſtochen hatte/ ward auch
in ſeiner Meynung nicht betrogen. Nach dieſem kahmen zween in einerley Ruͤſtung auff-
gezogen/ und tahten ihren Ehren gutes genuͤgen/ daß ich der anderen/ die jeztgedachten nit
gleicheten/ geſchweige/ weil alles zuerzaͤhlen viel zuverdrießlich ſeyn wuͤꝛde/ maſſen das heu-
tige Spiel ſich viel laͤnger als das geſtrige auff den Tag verzog/ ungeachtet es wol andert-
halb Stunden zeitiger angangen wahr/ biß endlich die Richter ihm Anſtand gaben/ und
obgedachte beyde junge Fürſtiñen den mit der Tugend/ uñ den mit der gekroͤneten Schlan-
gen herzufodern lieſſen/ welche gehorſamlich erſchienen/ und von Fr. Sibyllen alsbald er-
kennet wurden; dann der erſte wahr Herr Q. Skaurus/ der ander Herꝛ Kajus Pupienus/
des damahligen Buͤrgemeiſters zu Rom leiblicher Bruder/ und beyde der jungen Fuͤrſtin-
nen nahe Anverwanten/ daher ſie ſich unter einander groſſe Hoͤfligkeit erwieſen/ und Si-
bylla zu Lukrezien ſagete: Sehet da/ geliebte Schweſter/ unſere Herꝛen Oheime haben mit
eurem Gemahl geſtriges Tages unwiſſend geſtochen/ und ihre Manheit gnug dargelegt/
dero behuef wir dann gevolmaͤchtiget ſind/ ſagte ſie zu den Rittern/ Euer Liebden das Zeug-
niß euer Tugend mitzuteilen; nehmet demnach dieſe Ketten im Nahmen des Durchl.
Fuͤrſten Arbianes von unſern Haͤnden/ und tuht unſern Fuͤrſtlichen Gemahlen/ inſonder-
heit dem unvergleichlichen Groß Fuͤrſten Herkules und ſeinem Koͤniglichen Gemahl/ der
Krone des ganzen weiblichen Geſchlechts/ dann auch ihrem Herr Bruder/ dem Groß-
maͤchtigen Koͤnige Ladiſla die Ehre eurer Geſelſchafft/ welches ſie mit aller moͤglichen
Freundſchafft erkennen werden. Dieſe beyde Ritter danketen ſehr wegen beſchehener Eh-
re/ hielten ſich unwert/ ſo hohen Preiß anzunehmen/ nachdem ſie des vorigen Tages von
dem ritterlichen Helden Groß Fuͤrſt Baldrich herunter geworffen waͤhren; jedoch ihnen/
als vortreflichen Fuͤrſtinnen zugehorſamen/ müſten ſie billich ihres Willens leben; wuͤn-
ſcheten ihnen nachgehends zu ihrer Heyraht G[l]uk/ und bahten/ ihrer bey der Hoch Fuͤrſtl.
Geſelſchafft im beſten zugedenken. Groß Fuͤrſtin Valiſka und Frau Sophia ſtelleten den
beyden gleichgewaffneten Rittern den andern Dank zu/ und wahren eben die/ ſo des vori-
gen Tages zu allererſt mit Siegward und Arbianes geſtochen hatten. Den dritten Preiß/
z z ijwelcher
[364]Sechſtes Buch.
welcher ein groſſer weiſſer Federbuſch mit einem angeheffteten Kleinot war/ bekamen Klo-
dius und Markus von Fr. Urſulen und Frl. Helenen/ deſſen ſie ſich hoͤchlich bedanketen.
Als nun Sibylla der ſaͤmtlichen Geſelſchafft zuwiſſen taht/ wie Herr Skaurus und Pu-
pienus ihre nahe Anverwanten waͤhren/ wurden dieſelben alsbald von Leches und Neda
in das Fuͤrſtliche Gezelt eingehohlet/ dahin ſie nach abgelegten Waffen mit ihnen gingen/
und anfangs von der Groß Fuͤrſtin ſehr hoͤflich empfangen wurden/ deren Volkommen-
heit ſie vor übermenſchlich ſchaͤtzeten/ tahten ihr demnach uͤber aus groſſe Ehr/ und nach
geleiſtetem Handkuſſe ſagte Skaurus: Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin; das Lob ihrer ho-
hen Volkommenheit/ nachdem es die weiten Morgenlaͤnder erfuͤllet/ und ganz Aſten duꝛch-
ſtrichen/ kan in dieſen Orten ſich ſo wenig als die Sonne ſelbſt verbergen; mein Geſelle
und ich ſchaͤtzen uns ſehr gluͤkſelig/ wegen der Ehre/ die wir haben/ ihre Haͤnde zukuͤſſen/
dienſtlich bittend/ Ihre Durchl. wolle durch ihr gebieten uns wirdigen/ in die Zahl ihrer
Diener auffzunehmen. Ihr meine hochwerte Herren/ antwortete ſie; das Lob meiner We-
nigkeit muß ſehr dunkel ſeyn/ nachdem der Nebel der Unvolkommenheit meine Kraͤfte al-
lerdinge uͤberzogen hat/ da hingegen Eurer Liebe tapffere Tahten ſich uͤberal hoͤren laſſen/
deren meine Fr. Schweſter/ Fuͤrſtin Sibylla mir ſchon etliche gnug denkwirdige erzaͤhlet
hat; werde demnach auff gebuͤhrliche Dankbarkeit bedacht ſeyn muͤſſen/ daß Ihre Liebden
mir ihre Kundſchafft goͤnnen. Der Stathalter kam mit den geſamten Fuͤrſten darzu/ da
es uͤberal viel Hoͤfligkeiten abgabe/ geſtaltſam den unſern nicht un bewuſt wahr/ in wz groſ-
ſem Anſehen dieſe beyde am Kaͤyſerl. Hofe wahren/ daher auch Skaurus bey der Mahlzeit
zwiſchen die Groß Fuͤrſtin und Fr. Sophien; Pupienus zwiſchen Frr. Lukrezien und Si-
byllen den Siz wider ihren Willen nehmen muſten/ da allerhand luſtige Geſpraͤche vor-
gingen/ und dieſe Roͤmer inſonderheit gute Kundſchafft mit ihrem Obſieger macheten/
der ſeiner überwindung urſach bloß nur dem Gluͤk zulegete/ und durch ſeine Hoͤfligkeit ſich
ihnen ſehr beliebt machete. Sonſt redete Pupienus die Mahlzeit uͤber gar wenig/ ſaß als
in tieffen Gedanken/ und betrachtete nach emſiger beſchauung der Groß Fuͤrſtin/ ihre vor-
trefliche Schoͤnheit; dann fing er zwar etwas an/ mit Fuͤrſtin Lukrezien zuſprachen/ hatte
aber ſo gar keinen Schmak/ daß ſie leicht merkete/ ſeine Gedanken waͤhren nicht bey dem
Geſpraͤch; und weil ſie ſeiner Blicke nach deꝛ Groß Fürſtin acht hatte/ geriet ſie in argwoͤh-
niſche Gedanken/ einer unzimlichen Begierde/ welches/ weil Herkules es ohngefehr ſahe/
ſelbſt beſorgete; wahr aber ein bloſſer Irtuhm; dann er befand ſich gegen ein treffliches
Roͤmiſches Fraͤulein hefftig verliebet/ und bildete ihm ein/ die Groß Fuͤrſtin waͤhre derſel-
ben faſt aͤhnlich/ deshalben er ſich ihres an ſchauens nicht enthalten kunte. Sibylla wuſte
etwas von ſeiner Liebe/ hatte auch dieſer Fraͤulein ſehr geheime Kundſchafft/ daher frage-
te ſie ihn/ wie es ihrer Waſe und Schweſter Frl. Virginien erginge; woruͤber er dermaſ-
ſen beſtuͤrzete/ daß ihm das Feur unter die Augen ſchoß/ und eine geraume Zeit es unbeant-
wortet ließ/ endlich zu ihr ſagete: Er wuͤſte nicht anders/ als daß ſie annoch in des Kaͤyſers
Mutter ihrem Frauenzimmer ſich faſt wider ihrer Eltern Willen auffhielte/ weil dieſelbe
ſo hohe Gunſt ihr zugelegt/ daß ſie ohn ihre Geſelſchafft nicht gerne ſeyn wolte; ginge ihr
ſonſt annoch wol/ verharrete aber ſteiff in ihrer Unbarmherzigkeit gegen ihn/ ſo daß er nit
zweifelte/ ſie wuͤrde in kurzem ſeines Untergangs urſach ſeyn. Fuͤrſtin Sibylla troͤſtete ihn
beſter
[365]Sechſtes Buch.
beſter maſſen/ mit dem verſprechen/ erſter Gelegenheit an ſie zuſchreiben/ und ihr ſolches
zum hoͤchſten auffzuruͤcken/ auch zugleich ſie eines beſſern zuunterrichten/ der guten Zuver-
ſicht/ dafern ſie annoch frey und unverſagt/ ihm ihre Gunſt zur foͤrderlichſten Heiraht zu
erwerben; auff welche Zuſage er ſich zimlich erhohlete/ und der angenommenen Schwer-
muͤhtigkeit Urlaub gab. Herkules ließ ſich auch mit ihm ein/ und fragete nach Keyſerl.
Hocheit Wolergehen; empfing darauff Bericht/ es waͤhre dieſelbe annoch wol auff/ wuͤr-
de auch erſter Gelegenheit hieſelbſt zu Padua anlangen/ und die Teutſchen und Pannoni-
ſchen Grenzen beſichtigen; welches er nicht ungerne hoͤrete/ und fing an/ dieſes Kaͤyſers
loͤbliche Beherſchung zupreiſen/ auch daß er zeit ſeiner Dienſtbarkeit zu Rom mit Ver-
wunderung geſehen/ wie ernſthafft und freundlich Kaͤyſerl. Hocheit/ ungeachtet ihrer Ju-
gend/ (maſſen er mit Herkules gleiches Alters wahr) ſich verhalten/ und allezeit anſehnli-
che alte Maͤnner umb ſich gehabt/ daß ſeine Herſchafft nicht andeꝛs als gluͤklich ausſchla-
gen koͤnte/ und wolte er vor ſein Haͤupt ſich gluͤkſelig ſchaͤtzen/ die Ehre zuhaben/ daß er ſei-
ner Hocheit auffwarten moͤchte; wuͤſte ſich auch wol zuerinnern/ daß er ſchuldig waͤhre/
vor ſeinem Abzuge dieſelbe zubeſuchen/ dafern Ihre Hocheit nicht alhier zu Padua erſchei-
nen ſolte. Nach auffgehobenen Speiſen ward ein zierlicher Tanz gehalten/ und nahete
Skaurus ſich ſehr zu Frl. Helenen/ welches Fr. Sophia nach Moͤgligkeit befoderte/ wie-
wol er ſich dieſen Abend nicht ſonderliches vernehmen ließ. Des folgenden Tages ging
das Stechen wieder an/ und ward manniches Speer gebrochen. Den erſten Preiß bekam
ein vornehmer Siziliſcher Herr; den andern ein Paduaniſcher Ritter; den dritten der
junge Ritter Neklam/ welche Fr. Euphroſyne/ Agatha und Therba austeileten/ und wahꝛ
Libuſſen und Brelen leid genug/ daß ſie des Wochen Bettes hüten muſten. Weil dann die
ſaͤmptliche Geſelſchafft nicht Luſt hatte/ laͤnger unter den Zelten zuſchlaffen/ macheten ſie
ſich nach dem neuerbaueten Hofe/ und ließ Arbianes auch noch dieſen Abend den anwe-
ſenden Rittern nach allem uͤberfluſſe aufftragen/ wobey ihrer etliche ſich friſcher als bey
dem Rennen bezeigeten. Frl. Helena hatte auf Fr. Sophien anhalten ſich dieſen Tag ſtat-
lich ausgeputzet/ und wahr ſie gleichwol ein ſehr wolgeſtaltes Bildichen/ die ſich adelich
gnug zuhalten wuſte/ hatte auch Skaurus gute Gewogenheit wolgemerket/ dem ſie durch
ihre anmuhtige Freundligkeit je mehr und mehr urſach zur Liebe gab/ welche dann dermaſ-
ſen bey ihm wuchs/ daß er ſich nicht enthalten kunte/ ihr dieſen Abend etwas naͤher zutretẽ/
und ſie umb Liebe zubegruͤſſen/ welches ſie aber anfangs mit einem hoͤflichen Scherz beant-
wortete; es begaͤbe ſich wunderſelten/ daß die Roͤmiſche Herren zu Padua Liebe ſucheten/
und koͤnte ſie nicht glaͤuben/ daß er nicht ſchon zu Rom/ oder daſelbſt in der naͤhe haben ſol-
te/ was ſein Herz befriedigte/ geſtaltſam deren ends ein überfluß an ſchoͤnen Fraͤulein ſich
befuͤnde/ deren gleichen man zu Padua nicht eins hoffen duͤrffte. Er hingegen beteurete/
daß er bißher an heirahten nicht gedacht haͤtte/ verſicherte ſie ſeines dienſtergebenen Her-
zen/ und baht umb behaͤgliche Antwort; deſſen ſie nicht geringe Scham empfing/ und es
widerſetzete; Sie bedankete ſich ſehr des guten Willen/ wüſte denſelben nicht anders als
mit ehrliebendem ſtilleſchweigen zubeantworten/ weil ſie nicht ihres eigenen willens/ ſon-
dern unter ihrer Eltern Gewalt lebete/ denen ſie nach eingepflanzetem und Roͤmiſchẽ Recht
hierin nicht vorgreiffen koͤnte; und wuͤrden dieſelben ſchon rahten und ſchaffen/ was ihnen
z z iijbelie-
[366]Sechſtes Buch.
beliebete/ und ihr muͤſte gefaͤllig ſeyn/ an welche ſie ihn auch freundlich wolte verwieſen ha-
ben. Fr. Sophia kam zu ihrem Geſpraͤch/ und fragete/ ob ſie nicht koͤnte mit in den heimli-
chen Raht auffgenommen werden; bekam auch alsbald von ihm zur Antwort: Seine
Seele haͤtte dieſes allerliebſte Fraͤulein erwaͤhlet/ dafern er ihrer Liebe wirdig koͤnte geſchaͤ-
tzet werden/ wuͤrde aber auff ſein inbruͤnſtiges Anſuchen ſchlecht auf ihre Eltern hingewie-
ſen/ und muͤſte die Gefahr ſtehen/ daß ob er gleich daſelbſt gute Erklaͤrung bekaͤhme/ er bey
ihr nichts behaͤgliches erhalten duͤrfte/ baͤhte demnach Fr. Sophien/ ihm hierin behuͤlflich
zuſeyn/ welches zuerkennen/ er zeit ſeines Lebens ſich bemuͤhen wolte. Herꝛ Oheim/ antwor-
tete ſie; meine Frl. Schweſter kan nach Roͤmiſchen Sitten ja nit anders/ als ihre Eltern
hierin ſchaffen laſſen; und weil derſelbe mich vor eine Anwerberin erwaͤhlet/ wolle er in-
zwiſchen/ weil ich ſolches verrichte/ mit dem Fraͤulein ihm die Zeit nicht lange wehren laſ-
ſen; Ich weiß ſchon ſehr wol/ daß kein Roͤmiſcher Herr/ wer der auch ſeyn mag/ meinem
Oheim ſein Fraͤulein verſagen wird. Ging damit hin/ und ließ Herrn Emilius mit
Fr. Julien ſeinem Gemahl eilig zu ſich fodern/ trug ihnẽ Skaurus ehrliebende Werbung
vor/ und bekam von ihnen ungemaͤſſene Volmacht/ mit ihm zuſchlieſſen/ weil ſie ſich dieſes
Gluͤks nicht wenig freuetẽ. Zeit wehrender dieſer Unterredung hatte Skaurus das Fraͤu-
lein ſo hart genoͤhtiget/ daß ſie ihm biß an der Eltern Bewilligung ihre Liebe und Traͤue
verhieß; dann ſie zweifelte nicht/ ſie würden hierin gerne gehehlen/ nahm auch den ange-
bohtenen Ring vor Fr. Sophien Wiederkunfft von ihm an/ und ließ gerne geſchehen/ daß
er von ihrem Finger wiederum einen zohe/ nur daß ſie gebuͤhrlich bedingete/ ſie wolte Un-
hoͤfligkeit zumeiden/ ſich ihm nicht widerſpenſtigen. Fr. Sophia eilete bald wieder zu ihnẽ
hin/ und redete Skaurus alſo an: Mein Herr Oheim/ begehret ihr meine Frl. Waſe und
Schweſter nach Roͤmiſcher Traͤue zum Ehegemahl/ ſo ſaget mir ſolches/ bitte ich/ im rech-
ten Ernſt/ auff daß ich alsdann nach eurem Willen ferner handeln koͤnne. Auf ſein innigli-
ches Ja und bitten/ fuhr ſie nun gegen das Fraͤulein alſo fort: Herzgeliebete Frl. Schwe-
ſter/ ſeyd ihr dann geſonnen/ dieſen vornehmen Roͤmiſchen Herrn vor euren liebſten Ge-
mahl anzunehmen/ ſo laſt michs wiſſen/ daß ich nach habender Volmacht weiter ſchreiten
moͤge. Dieſe aber wolte anfangs ein mehrers nicht antworten/ ohn daß es bey ihren lieben
Eltern ſtuͤnde/ ſie zuverſprechen/ und nicht bey ihr ſelbſt; und weil ſie mit denſelben noch
kein Wort davon geredet haͤtte/ wuͤrde ihr weitere Erklaͤrung uͤbel anſtehen. Wollet ihr
aber dann euren Eltern nicht gehorſamen/ ſagte Fr. Sophia/ wann ſie euch dieſem Herꝛn
zuſagen wuͤrden? Meine Fr. Schweſter fraget gar zuſcharff in dieſes Herꝛn Gegenwart/
antwortete ſie mit einer Schamroͤhte/ worauff ich weder ja noch nein ſagen darff. Wollet
ihr dann/ fuhr ſie fort/ wider eurer Eltern Willen wol nein ſagen? deſſen verſehe ich mich
trauen nicht zu euch. So wird auch der Himmel mich vor ſolchem Ungehorſam wol be-
wahren/ antwoꝛtete ſie/ dann ich habe ohn unzeitigen Ruhm zumelden/ noch allemahl mich
nach ihrem Willen gerichtet/ wie die Erbarkeit mir ſolches befihlet. Nun wolan/ ſagte ſie
hierauff/ ſo verſpreche ich euch/ Herr Skaurus/ dieſes Fraͤulein zu eurem Gemahl/ nebeſt
10 Tonnen Goldes Brautſchaz/ nach der mir von ihren Eltern erteileten Volmacht/ und
gefaͤllet es euch/ koͤnnet ihr die Zeit eures Beilagers mit einander abreden. Skaurus be-
dankete ſich der genehmen Antwort/ umfing das Fraͤulein mit hoͤflichem Kuſſe/ und ver-
ſprach
[367]Sechſtes Buch.
ſprach ſich ihr zu aller Liebe und Traͤue; welches nicht allein von ihr gebuͤhrlich angenom-
men ward/ ſondern ſie goͤnnete ihm auch auff ſein anhalten/ daß er ſie nach ihres Vaters
Hofe geleiten moͤchte; ließ ihren Eltern ſolches andeuten/ und ward er von denſelben nit
allein wol empfangen/ ſondern auffs neue mit ſeiner Liebſten verſprochen/ erhielt auch/ daß
bald des naͤhſtfolgenden Tages das Beilager eingewilliget ward.


Dieſen Abend kam die Groß Fuͤrſtin bey Sibyllen zu ſitzen/ von welcher ſie uͤberaus
herzlich geliebet ward/ und ſie hinwiederumb nicht geringe neigung zu ihr trug/ welches zu-
bezeugen/ ſie mit den Armen ſich umbſchraͤnket hielten/ und fing Sibylla alſo an: Durchl.
Fr. Schweſter/ ich bin ganz unwirdig der Ehren/ die von ihrer Liebe mir angetahn wird;
doch wie dem allen/ ſo beteure ich bey meinem teil des Himmels/ daß meine inbruͤnſtige
Liebe und neigung mich dergeſtalt gegen ſie entzuͤndet hat/ daß mich unmoͤglich daͤucht/ de-
ren trennung erdulden koͤnnen. Ach daß ich doch nicht uͤber Meer mit meinem liebſten Fuͤr-
ſten fahren duͤrfte/ damit ihrer Liebe gegenwart ich ſtets genieſſen moͤchte. Aber Durchl.
Fr. Schweſter/ ich habe ſchon erfahren/ daß man derſelben hat vorbringen duͤrffen/ als
waͤhren zwiſchen dem Durchl. Groß Fuͤrſten Herkules und meiner wenigkeit einige Hey-
rahtsgedanken vorgangen/ welches zwar in des Poͤfels/ und vielleicht auch wol anderer
Leute Wahn/ aber in mein Herz niemahls kommen iſt/ geſtaltſam ich mich deſſen allemahl
unfaͤhig erkennet habe/ ungeachtet von ihrer beyder Liebe mir durchaus nichts bewuſt ge-
weſen/ biß des allerliebſten Fuͤrſten Ohmacht und Klagereden/ wegen damahligen verlu-
ſtes eurer Liebe/ mich davon in etwas berichteten/ wiewol auch dazumahl noch/ Koͤnig La-
diſla davon nicht das geringſte weder geſtehen noch wiſſen wolte; wie ich auch davor hal-
te/ ihm ſolche Liebe verborgen geweſen ſey; moͤchten demnach meine Fr. Schweſter So-
phia und ich/ herzlich gerne wiſſen/ wie doch ihre Durchl. eine ſo volkommene Liebe in ſol-
cher Jugend dermaſſen bedachtſam fuͤhren und heimlich halten koͤnnen/ daß weder ihre
Eltern noch ihr Bruder deren inne worden; ſolten wir uͤberdas auch koͤnnen gewirdiget
ſeyn/ den Anfang und die beharligkeit ihrer beyder Liebe zuerfahren/ wuͤrde es uns die aller
angenehmſte Geſchichte ſeyn/ die uns koͤnte vorgetragen werden; jedoch wann wir hierin
zuviel wuͤnſchen/ hoffe ich bey meiner Fr. Schweſter deſſen noch wolvergebung zuerlangẽ.
Die Groß Fuͤrſtin laͤchelte hierauff/ kuͤſſete ſie inniglich/ und antwortete ihr alſo: Mein
auserwaͤhltes Schweſterchen/ ſie erinnert mich einer Sache/ daran ich lieber gedenke/ als
viel Worte davon mache/ wiewol in anſehung unſer vertrauligkeit ich euer Liebe ſolches
nicht verſchweigen kan/ und mag ſie demnach ſich wol verſichern/ daß ſie/ meine einige Li-
buſſen/ als meines Herzen erkennerin ausgenommen/ die erſte iſt/ die es aus meinem Mun-
de erfaͤhret. Ich bedinge mich aber hiebey anfangs/ daß eure Liebe mir es nicht zum Hoch-
muht auslege/ wann in erzaͤhlung etlicher von meinem allerliebſten Schatze gefuͤhreten re-
den/ ich mir unverdienete ſtolze Ehrennahmen gebe/ deren ich mich zwar allerdinge unwir-
dig weiß/ und doch die wahre begebenheit erfodert/ daß ichs hinan haͤnge. Sibylla wolte
hier mit vielen behaͤupten/ es waͤhre ihre unvergleichliche volkommenheit alſo beſchaffen/
daß ſie nicht wirdig gnug moͤchte benahmet werden; aber die Groß Fuͤrſtin verhinderte
ihre reden/ mit einem Kuſſe/ und fuhr alſo fort: Es ſind nunmehr vier Jahr und zween
Tage
[368]Sechſtes Buch.
Tage (ſo eigen weiß ichs) daß mein teurer Herkules mit meinem H. Bruder aus Schwe-
den zu Prag ankam/ da er gleich das neunzehnde Jahr auff wenig Wochen vollendet/ und
ich dz vierzehnde erſt vor ſieben Wochen angefangen hatte. Sie ſchicketen aber einen Reu-
ter voraus/ und lieſſen meinen Eltern ihre Ankunft anmelden/ denenſolches von herzen
lieb und angenehm wahr. Ich bekuͤmmerte mich zu der Zeit mehr umbs reiten/ ſchieſſen
und umb die Buͤcher/ als umb der Fraͤulein Zier und Schmuk/ welches meinem Herr
Vater nicht ſo gar zu wieder/ aber meiner Fr. Mutter faſt unertraͤglich war/ welche zu die-
ſemmahle mich erinnerte/ ich ſolte mich gebuͤhrlich putzen laſſen/ damit mein Bruder La-
diſla (welchen ich in neun Jahren nicht geſehen hatte) und mein Oheim Herkules (der mir
allerdinge unbekant wahr) gleichwol einigen gefallen an mir haben/ und zugleich erkennen
moͤchten/ daß ich dannoch nicht unter den groben Baurdirnen auffgewachſen waͤhre. Die
Schoͤnheit und Tugend meines Herkules wahr von meiner Fr. Mutter Leibdienerin
(die etlichemahl mit ihr nach Teutſchland geweſen/) mir oft erzaͤhlet/ wobey ſie/ mich zuer-
luſtigen/ gemeiniglich den Wunſch ergehen lies; O daß mein Fraͤulein dieſem Fuͤrſten veꝛ-
maͤhlet werden ſolte/ weil ohndas euer Gn. er ſo aͤhnlich iſt/ und ſeines gleichen in alleꝛ Welt
nicht lebet. Ja ich geſtehe gerne/ mein Schweſterchen/ daß mein zartes Herz/ welches von
der Liebe noch durchaus nichts wuſte/ dermaſſen in reinen keuſchen Flammen gegen dieſen
mir unbekanten Fuͤrſten enttzundet ward/ daß ich nichts ſo heftig ſuchete/ als ihn nur ein-
mahl zuſehen; daher ich mich uͤberaus hoch erfreuete/ als ich deſſen ankunft innen ward/
meinete auch/ da mir einige Schoͤnheit beywohnete/ muͤſte ich ſolche vor dißmahl nicht
durch unachtſamkeit verbergen/ damit deßwegen von den ankommenden ich nicht beſchaͤ-
met würde. Ich legte ein duͤnnes ſittichgrünes Kleid an/ mit Golde durch und durch ge-
wirket/ und ließ meinen Buſem/ mit einem zarten Flohr bedecken/ dann ich wahr viel Mañ-
bahrer anzuſehen/ als mein Alter mit ſich brachte. Meine Haar/ von ihnen ſelbſt zu aller-
gnuͤge gekraͤuſelt/ ließ ich an beyden ſeiten zopfsweiſe uͤber die Schuldern hangen/ die uͤbri-
gen wurden mir als ein erhabenes Kroͤnichen aufs Haͤupt gelegt/ auff welche ein Perlen
Kranz geſetzet ward; und ob gleich meine Libuſſa/ die ich etwa zwey Jahr in meinem Zim-
mer gehabt hatte/ mir einbilden wolte/ ſie haͤtte mich noch nie keinmahl ſo ſchoͤn geſehen/ ge-
fiel ich mir doch gar nicht/ daß ich auch mit ihr ſchalt/ warumb ſie mich eben zur unzeit ſo
unachtſam anlegete. Ich wahr willens/ mich gar von neuen auffbinden zulaſſen; ſie aber
rieff unterſchiedliche des Frauenzimmers herzu/ umb mir ſolche einbildung zubenehmen/
welche einhellig bejaheten/ es koͤnte nicht zierlicher gemacht werden/ daß ichs alſo muſte ſit-
zen laſſen/ wiewol je laͤnger je mehr ich mir ſelber mißfiel. Kaum wahr ich voͤllig angetahn/
da hoͤrete ich ſechs Trometen/ und zwo Heerpauken auffmachen/ deren Art und Weiſe mir
unbekant wahr/ und ich daher muhtmaſſete/ meine liebſten Freunde wuͤrden ſchon verhan-
den ſeyn/ wie dann in demſelben Augenblicke meine Fr. Mutter zu mir in mein Gemach
trat/ und mich auffmahnete/ mit ihr in den groſſen Saal zugehen/ und meine beyden Herꝛn
Bruͤder (ſo ſagte ſie) zuempfahen. Ich ging in guter kuͤnhnheit mit ihr hin/ dann es hatte
bißher keine furcht mein Herz eingenommen/ und wahr ſonderlich erfreuet/ weil meine Fr.
Mutter/ die mich zwar ohn unterlaß herzlich liebete/ doch zu dieſemmahle mir inſonderheit
ihre inbruͤnſtige Neigung ſehen ließ/ in dem ſie mich an ihre Bruſt druͤckete/ und nach et-
lichen
[369]Sechſtes Buch.
lichen erteileten kuͤſſen zu mir ſagete: O mein herzliebes Kind/ was groſſe vergnuͤgung ha-
be ich an dir/ wann ich nur den Tag erleben ſolte/ daß du mit einem wirdigen Gemahl fol-
teſt verſehen ſeyn. Es dauchte mich dieſe Rede gar ſelzam/ dergleichen ich nie von ihr gehoͤ-
ret hatte. Sie iſt/ ſagte alhie Fuͤrſtin Sibylla/ ohn zweiffel mit eurer Liebe und Groß Fuͤrſt
Herkules Heyraht ſchon ſchwanger gangen. Ich kan nicht wiſſen/ antwortete die Groß-
Fuͤrſtin/ mit einem ſuͤſſen Lachen/ aber wir wahren wenige Zeit im Saal geweſen/ da tra-
ten mein Bruder und Herkules zugleich zur Tühr hinein/ weil einer vor dem andern den
Vorzug nicht nehmen wolte. Aber O mein herzen Schweſterchen/ wann ich daran geden-
ke/ wie mir dazumahl zumuhte wahr/ dann gehet mir eine kitzelnde Schauderung uͤber den
ganzen Leib/ als wuͤrde ich mit kleinen haͤuffigen kuͤhlen Troͤpflein beſpruͤtzet. Ich ſahe den
allerfreundlichſten Juͤngling in ſeiner unvergleichlichen Bluͤte daher treten; Er hatte ein
graßgruͤn Seiden/ mit Gold durchwebetes Kleid an/ und einen langen ſchneweiſſen Feder-
buſch (deſſen Art ich von der Zeit her hoch gehalten) auf ſeinem ſchwarzen Huhte/ welchen
er unter dem linken Arme trug. Die Augen ſtunden ihm wie einem Falken/ klar und helle/
das Goldgelbe Haar hing ihm kraus umb die Achſeln/ und ſtund ihm alles ſo hoͤff-zuͤcht-
Fürſtlich an/ daß mein Herr Vater ſelbſt ſich uͤber ihn verwunderte/ und ihm die Freuden-
traͤhnen in die Augen ſtiegen. Er ſtund mitten im Saal (mich daͤucht/ es ſchwebe mir noch
vor Augen/ als waͤhre es geſtern geſchehen) und ließ ſeine Soͤhne gegen ſich daher treten/
welche ſich zugleich vor ihm in die Knie ſetzeten/ und jeder eine Hand faſſete/ welche ſie in-
niglich kuͤſſeten/ ſtunden auch ehe nicht auff/ biß mein Herr Vater zu ihnen ſagete: Seyd
mir wilkommen/ geliebte Soͤhne/ und erhebet euch/ daß eure Fr. Mutter euch empfahen
moͤge/ die ohndas mehr als ich/ teil an euch zuhaben vermeynet. Bald im Augenblik ſtun-
den ſie auffrecht/ gingen meiner Fr. Mutter entgegen/ ſetzeten ſich gleich maͤſſig vor ihr in
die Knie/ und kuͤſſeten ihr die Haͤnde; welche aber vor freuden ſchier in Ohmacht niderge-
ſunken waͤhre. Sie huhb beyde zugleich auff fiel ihnen zum offtern umb den Hals mit in-
niglichen Kuͤſſen/ und fing endlich an: Ach ihr meine herzallerliebſte Kinderchen/ ich er-
freue mich von Herzen/ daß ich euch friſch uñ geſund bey mir habe/ werde euch auch ſo bald
nicht von mir laſſen/ ſondern meinem Herr Bruder die Rechnung zumachen wiſſen/ wie
lange ich euch ihm habe muͤſſen goͤnnen. Sie beyde danketen ihr kindlich vor ſolche muͤt-
terliche Gewogenheit; und als mein Bruder mich ſtehen ſahe/ fragete er meine Fr. Mut-
ter in geheim/ was vor ein fremdes Fraͤulein ich waͤhre; auch/ warumb ſeine Frl. Schwe-
ſter ſich alhie nicht anfuͤnde; deſſen ſie lachete/ und ihm zur Antwort gab: Wie meyneſtu
dann/ geliebter Sohn/ daß dieſe eine andere/ als deine geliebte Frl. Schweſter ſey? Laß dich
nicht wundern/ daß ſie ſo zeitig auffgeſchoſſen iſt/ dann das Unkraut reiffet allemahl am er-
ſten. Ja Herzen Schweſterchen/ ich muß bekennen/ daß dieſe meiner Frau Mutter Reden
mir durchs Herz ſchnitten/ bloß nur/ weil ich mich fürchtete/ mein ſchoͤnſter Herkules/ der
ſchon voͤllig in meiner Seele wohnete/ haͤtte daher einigen Argwohn meines unverhaltens
faſſen moͤgen; fing deswegen an: Gnaͤdige Fr. Mutter/ ich erkenne meine Unvolkommen-
heit/ und daß wegen der Jugend Unverſtand ich nicht allemahl eurem Willen mich ge-
maͤß verhalte; nur allein bitte ich kindlich/ mich nicht ſo gar zeitig vor meinem Herr Bru-
der und H. Oheim anzuklagen/ noch ehe deren Liebde zuempfahen ich gewirdiget bin. Ach
a a amein
[370]Sechſtes Buch.
mein Herzchen/ antwortete ſie/ du haſt mich ja Zeit deines Lebens nie kein mahl erzuͤrnet/
warumb ſolte ich dich dann anklagen? Daß ich dich aber dem Unkraut vergleiche/ geſchi-
het nicht deines Unverhaltens wegen/ ſondern weil man dz weibliche Geſchlecht im ſcher-
ze alſo zunennen pfleget. Unter dieſer Antwort trat mein Bruder zu mir/ umfing mich bruͤ-
derlich/ und gab mir unterſchiedliche Kuͤſſe/ die wegen Herkules Gegenwart ich ihm aus
Schahm nicht vergelten durffte; endlich ſagete er zu mir: Herzgeliebtes Schweſterchen/
ich erfreue mich von Herzen deines guten wolergehens/ zweifele nicht/ du werdeſt allemahl
mit ſchweſterlicher Liebe mir gewogen bleiben/ wie ich dir ſolches hinwieder feſtiglich ver-
ſpreche; aber ſihe da meinen teuren Herkules/ das rechte Wunder dieſer Welt/ desgleichẽ
der Erdbodem noch nicht gezeuget hat/ demſelben wil ich dir beſter maſſen befehlen/ dz wie
du ſiheſt/ er von unſern Eltern kindlich/ und von mir mehr als bruͤderlich geliebet wird/ du
imgleichen ihn als einen wirdigen Bruder ehreſt. Ich wahr bedacht/ ihm darauff zu ſeiner
guten Vergnuͤgung zuantworten/ aber mein allerſchoͤnſter Herkules/ nachdem er mich ei-
ne zeitlang/ und als erſchrocken angeſehen hatte/ daß ihm auch der mehrerteil ſeines Roh-
tes in Milchweiß verkehret ward/ ſetzete ſich vor mir auff ein Knie/ kuͤſſete mir die Hand
ſehr ehrerbietig/ und mit zimlicher bloͤder Rede fing er alſo an: Verzeihet/ Durchleuchtig-
ſtes Fraͤulein/ eurem unwerten Knechte/ der ſich erkuͤhnen dürffen/ ihre Haͤnde zukuͤſſen/
deſſen er ſich doch unfaͤhig weiß/ und ſeyd/ bitte ich/ damit hochgünſtig zufrieden/ daß Eure
Koͤnigliche Eltern mich/ einen ſolchen unvolkommenen Menſchen des Sohns-Namens
gewirdiget haben/ der ich viel lieber als ein Diener aufwarten wuͤrde/ wann mirs nur koͤn-
te gegoͤnnet werden. Im uͤbrigen wil ich nicht unterlaſſen/ ihrer Vortrefligkeit hochver-
dienten Ruhm/ an was Ort und Enden ich auch ſeyn werde/ nach Vermoͤgen auszubrei-
ten/ als welche der Himmel ſelbſt mit allen mehr als menſchlichen (ach verzeihet mir dieſe
Erzaͤhlung/ Herzen Schweſter Sibylla) Volkommenheiten ausgezieret/ und der Welt
zum Beyſpiel ſeiner Wunderwirkung vorgeſtellet hat. Er hat hieran die lautere und ei-
gentliche Warheit geredet/ ſagte Sibylla. Worauff die Groß Fuͤrſtin ihr einen gelinden
Backenſtreich mit dieſen Worten gab: Ich kan meiner Frau Schweſter Beſchimpffung
nicht ungerochen hingehen laſſen/ werde es auch hernaͤhſt ſchaͤrffer zueifern wiſſen/ aber
laſſet mich/ bitte ich/ in meiner Erzaͤhlung fortfahren. Mein Herr Vater/ wie er meinen
Herkules alſo reden hoͤrete/ trat in ein Neben Gemach/ und ſahe ich eigentlich/ dz die Freu-
den Traͤhnen ihm aus den Augen hervor drungen. Meine Fr. Mutter aber lief herzu/ hub
ihn auff von der Erden/ und ſagete: Herkules mein Schaz/ warumb ſtehet ihr nicht auff?
oder meynet ihr/ daß ich meine Valiſken ſo hochmuͤhtig erzihe/ daß ſie eures gleichẽ/ Groß-
Fuͤrſtliche Herren/ deren Ruhm ſchon gewaltig auffſteiget/ ſol vor ſich niderknien laſſen?
Herzallerliebſte Fr. Mutter/ antwortete er/ nachdem er gleichwol auffgeſtanden wahr;
Eure Koͤnigl. Hocheit/ bitte ich/ vergoͤnnen mir/ daſſelbe in ihrer Frl. Tochter anzubehtẽ/
was die guͤnſtigen Goͤtter ihr vor allen andern mitgeteilet haben. Ich ſchaͤme mich Frau
Schweſter/ ſagte ſie zu Sibyllen/ daß ich ſolches ſelbſt erzaͤhlen ſol/ aber weil mein Gewiſ-
ſen mir Zeugniß gibt/ daß ich niemahls mich vor eine ſolche gehalten/ wie ich auch eine ſol-
che nimmermehr werden kan/ hoffe ich/ Eure Liebe werde mirs zu gute halten/ und keinen
Argwohn einiges Stolzes daher auff mich werffen/ inſonderheit/ weil ſchon jens mahl/
da
[371]Sechſtes Buch.
da ich noch eine blinde Heydin wahr/ es mir hoͤchlich mißfiel/ und michs doch nicht durffte
merken laſſen/ verſuchte gleichwol auff ſolches angehoͤrete uͤbermaͤſſige Lob zuantworten;
aber die Zunge blieb mir am Gaumen kleben/ daß ich mit hoͤchſtem Unwillen/ auff mich
ſelbſt/ ſchweigen muſte; endlich noch erhohlete ich mich auf meiner Fr. Mutter Geheiß/
umfing ihn/ wie ſie mir geboht (doch ohn einiges kuͤſſen/ weil die Schahm und Zucht mei-
ne Begierden hinterhielt) und redete ihn alſo an: Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ hochwerter
Oheim/ ich weiß nicht/ ob uͤber ſein niderknien/ oder uͤber ſeine mir gar zu ungenehme Re-
den ich mich mehr beſchweren ſol/ deren ich ſo wenig das eine/ als das andere zuertragen
weiß/ und haͤtte ich dieſer Beſchimpffung nur den allergeringſten Argwohn haben ſollen/
wuͤrde vor Ihrer Liebe Angeſicht ich mich nicht habẽ finden laſſen; jedoch wil ich mich deſ-
ſen nichts begeben/ ſondern ich fodere Eure Liebe vor den Recht Spruch der unbetriegli-
chen Billigkeit/ daß wegen angefuͤgten Schimpfs ſie mir volle Rede und Antwort gebe;
Mein geliebter Herr Bruder befihlet mir/ und zwar billich/ daß Eure Liebe ich gebuͤhrlich
ehren ſol; aber wie kan bey ſo geſtalten Sachen ich ihm ſchuldigen Gehorſam leiſten?
Mein Durchl. Fraͤulein/ gab er zur Wiederantwort; wie ſol dann ohn aͤuſſerſte Beleidi-
gung der Goͤtter ich dieſes ungeehret laſſen/ welches ſie als ein Wunder uns zur Verwun-
derung vorgeſtellet haben? meynet etwa eure Vortrefligkeit/ Herkules habe von ihrer un-
vergleichlichen Tugend ſo gar keine Wiſſenſchafft/ welche doch bereit uͤber Meer geſetzet/
und die weit abgelegenen Reiche erfuͤllet hat? Ach meine Fr. Schweſter/ ſagte ſie alhie a-
bermahl zu Fuͤrſtin Sibyllen/ hoͤret doch/ bitte ich/ mit geduldigen Ohren an/ was ich hie
vorbringe/ wie ichs dazumahl anhoͤren muͤſſen/ was mein Herkules aus gar zu uͤberfluͤſſiger
Hoͤfligkeit vorbrachte. Warum entſchuldiget ſich meine Fr. Schweſter ſo hoch/ antwor-
tete Sibylla; ich darff ihren Zorn wider mich zureizen/ mich nicht erkuͤhnen/ ſonſt wolte ich
leicht dartuhn/ wie groſſe Urſach Groß Fuͤrſt Herkules gehabt/ daſſelbe zuehren/ weſſen ſich
alle Welt verwundert; bitte aber ſehr/ Eure Liebe wolle ihre ſo angenehme Erzaͤhlung foͤr-
der nicht mit dergleichen unnoͤhtigen Entſchuldigungen ſtoͤren/ damit mir die Zeit/ das
Ende zuerfahren/ nicht geraubet werde; dañ mein Schlaf wuͤrde dieſe ganze Nacht nichts
ſeyn/ wann ich ohn volkommene Wiſſenſchafft von ihr ſcheiden ſolte. Ich ſolte meine Fr.
Schweſter wegen des uͤbermaͤſſigen Ruhms abermahl billich zuͤchtigen/ ſagte die Groß-
Fuͤrſtin/ aber mit Vorbehalt wil ich in meiner Erzaͤhlung fortfahrẽ. Ich war jensmahls
bereit/ meinem Herkules das ſo gar unverdiente Lob zubeantworten/ aber meine Fr. Mut-
ter redete ihm ernſtlich ein: Herzlieber Sohn/ ſagte ſie/ dafern ihr nicht wollet/ daß ich un-
willig auff euch werde/ und mein liebes Kind nicht gar von euch hinweg fuͤhren ſol/ muͤſſet
ihr dergleichen unnoͤhtige und unzimliche Hoͤfligkeiten beyſeit ſetzen; dann ihr ſeyd nicht
bey fremden/ ſondern bey naͤheſten Blutverwanten; ſehet/ dieſes mein Kind iſt eures Herꝛ
Vaters Schweſter Tochter/ darumb ſollet ihr ſie als eine Schweſter lieben/ und ihr nach
dieſem nimmermehr hoͤhere Ehre leiſten/ als welche unter Bruͤder und Schweſtern ſtat
finden kan; wegert ihr euch aber deſſen/ ſo handelt ihr meinem muͤtterlichen Geboht und
Willen ſchnurgleich zuwider. Was meine gnaͤdigſte Fr. Mutter mir befihlet/ antwortete
er/ dem muß ich aus Pflicht gehorſamſt nach ſetzen/ nur habe bey meiner Durchl. Frl. Wa-
ſen ich demuͤhtig anzuhalten/ ihre Liebe werde mir nicht zur Unhoͤfligkeit ausdeuten/ was
a a a ijaus
[372]Sechſtes Buch.
aus Kindlichem Gehorſam zuleiſten ich gezwungen werde. Hier kam mein Herr Vater
wieder zu uns/ und redete mit Herkules von allerley neues/ was in Schweden ſich zugetra-
gen/ biß die Mahlzeit angerichtet ward/ da ich gleich gegen meinen Herkules uͤberzuſitzen
kam/ auff welchen ich etlicher maſſen einen Unwillen/ wegẽ mir angelegter Beſchaͤmung/
geworffen hatte/ der ſich aber von ihm ſelber verlohr/ uñ hatte nach dem ich niemahls das
Herz/ ihm ſolches verweißlich vorzuhalten. Bey der Mahlzeit redeten wir beyderſeits gar
wenig/ ſondern weideten die Augen faſt immerzu einer an dem andern/ daß ich als blind
mich nicht begreiffen kunte/ was mir wol oder uͤbel [...]anſtuͤnde. Wie aber mein Herkules
ſich ſeiner Vernunfft allemahl ſo beſcheidentlich zugebrauchẽ weiß/ alſo beſan er ſich auch
bald/ nam eine andere Art und ſeine gewoͤhnliche Freidigkeit an/ und ergetzete mit ſeinem
holdſeligen Geſpraͤch meine Eltern/ daß ich mir einbildete/ er achtete meiner wenig/ oder
wol gar nicht; dann ſo offt ſichs begab/ daß er mit mir in Gegenwart anderer redete/ mach-
te er wenig Worte/ und ſahe mich faſt nicht an/ daß ich druͤber in die Gedanken geriet/ ob
ich ihn etwa unwiſſend beleidiget haͤtte/ oder er vielleicht etwas an mir ſaͤhe/ welches ſein
Gemüht von mir abwendete; aber wañ er allein mit mir zureden kam/ ward ich der furcht
bald entladen; dann nachdem (allen unvermerkt/ das wahr ſeine Gewohnheit) er mir die
Hand gekuͤſſet hatte/ baht er bald darauff umb Verzeihung/ maſſen ſeine Maͤſſigkeit und
Zucht/ deren er ſich noch dieſe Stunde gebrauchet/ ich uͤber alle ſeine andere Tugenden er-
hebe; wiewol er nicht unterließ mir taͤglich zubeteuren/ daß ſeine Seele mir allein verbun-
den waͤhre/ wann ſie nur deſſen koͤnte gewirdiget ſeyn. O wie offt nam ich mir vor/ ihm ſol-
ches mit behaͤglicher Antwort zuerſetzen; dann (warumb ſolte ichs meiner Fr. Schweſter
verſchweigen?) mein Herz wahr ihm ſo gar ergeben/ daß ich Tag und Nacht an nichts/
als nur an ſeine Holdſeligkeit gedenken kunte; und gleichwol verzohe ſichs etliche Tage/
ehe ich die Kuͤhnheit ergreiffen kunte/ ihm meine ehrenliebende Gutwilligkeit zubekennen/
biß ich endlich mich ſelbſt uͤberwand/ und da er ſehr inſtaͤndig umb Gewogenheit bey mir
anhielt/ ihm dieſes zur Antwort gab: Durchl. Fuͤrſt; warumb wolte Eure Liebe an mei-
nem guten Willen zweifeln/ da ſie/ meines wiſſens deſſen ja die allergeringſte Urſach nicht
haben? dann in Betrachtung unſers herkommens und Standes/ ſind wir allerdinge ein-
ander gleich/ und zwinget uns ja die nahe Verwandſchafft zur vertraulichen guten Ge-
wogenheit; bitte demnach/ mich hinfuͤro des Verdachts freundlich zuentheben/ als ob zu
Euer Liebe ich ein anders/ als in Ehren hochgewogenes Herz tragen ſolte/ nachdemmahl
ich dieſelbe wol verſichern kan/ daß ſie an mir keine andere Freundin/ als an meinem Herr
Bruder einen ergebenen Freund haben ſol; welches ſo kuͤhn auszureden ich mich nicht
ſcheuhe weil ſeine Tugend mich/ ſeine nahe Blutfreundin/ ihm umb ſo viel mehr verbind-
lich gemacht hat. Dieſer Erklaͤrung erfreuete ſich Herkules/ wie ich eigentlich ſahe/ von
Herzen mit vorgeben/ ſein Gemuͤht waͤhre nicht verſtaͤndig gnug/ eine Antwort abzufaſ-
ſen/ durch welche er ſeine Vergnuͤgung an den Tag legen koͤnte/ und als er ſahe/ daß meine
Fr. Mutter ſich zu uns nahete/ ſagte er zum Beſchluß; Sein Herz ſolte nun und nimmer-
mehr einer andern Fraͤulein/ als mir zur Liebe und Bewohnung offen ſtehen/ dafern es
nur wirdig waͤhre/ einen ſo treflichen Schaz in ſich zufaſſen/ wolte auch meinem hochguͤn-
ſtigen Erbieten gerne Glauben zumaͤſſen/ wann ich nur ſein geſchehenes anſuchen noch zuꝛ
zeit
[373]Sechſtes Buch.
zeit vor jedermaͤnniglich moͤchte verborgen halten; welche Erinnerung aber gar unnoͤtig
wahr; dann haͤtte einiger Menſch auſſer meiner getraͤuen Libuſſen dieſer meiner Liebe iñe
werden ſollen/ wuͤrde mirsunertraͤglicher als der Tod ſelbſt geweſen ſeyn. Jedoch halte
ich wol/ daß mein Bruder unſer Vorhaben in etwaß geſpuͤret/ weil er aber gemerket/ daß
deſſen Meldung zutuhn/ meinem Herkules zuwider wahr/ halte ichs gaͤnzlich davor/ er ha-
be ſeinem Herzen ſelbſt gebohten/ es nicht zuwiſſen/ damit er ihm ja nicht moͤchte zuwider
handeln. Ich wahr willens/ das obgeahnete ihm zubeantworten/ aber meine Fr. Mutter
trat zu uns/ und fragete/ wovon wir mit einander Unterredung hielten; da ich ihr zur Ant-
wort gab: Ich erkuͤndigte mich/ wie meine Frl. Waſe/ Frl. Schulda in Schweden lebe-
te/ und wie es beydes meinem Bruder und Oheim bißher daſelbſt ergangen waͤhre. Dei-
nem Bruder und deinem Oheim? ſagte ſie; warumb nenneſtu Fuͤrſt Herkules nicht auch
deinẽ Bruder? nachdemmahl du ja weiſt/ daß er und Ladiſla mir gleiche liebe Soͤhne ſind/
und ich zwiſchen ihnen durchaus keinen Unterſcheid mache; darumb ſoltu ihn forthin nit
anders als deinen Bruder halten/ auch gleich jetzo ſolches mit einem zuͤchtigen wolzugelaſ-
ſenen Kuſſe und ſchweſterlichen umfahen beſtaͤtigen. Auff welchen Befehl ich mich darzu
erkuͤhnete/ welches ohn ihre Gegenwart zutuhn/ ich das Herz nicht haͤtte haben koͤnnen; a-
ber hier kunte ich ehrenhalben nicht anders/ da ich meinen Herkules alſo anredete: Weil
die Erbarkeit mir gebeut/ meinen Eltern zugehorſamen/ als wird mein Herr Oheim mir
nach dieſem die Kuͤhnheit nicht verargen/ wann ich ihm den Bruder-Nahmen zulegen
werde/ da hinwiederumb ich von ihm des Schweſter Nahmens gewaͤrtig bin. Mein Her-
kules wahr faſt nicht bey ihm ſelber// ſo durchging ihn die Vergnuͤgung/ und weil ihm eh-
renhalben anders nicht gebuͤhren wolte/ nahm er mich wieder zur Vergeltung in ſeine Ar-
me/ da er dañ nach geliefertem zuͤchtigen Kuſſe zu mir ſagete: Vortrefliches Fraͤulein; O
wolte der Him̃el/ ich haͤtte einige Wirdigkeit an mir/ den ſuͤſſen Bruder Namen von ihrer
Liebe anzunehmẽ; nun weiß ich aber ſchon vorhin wol/ daß dieſer mein Wunſch weiter als
mein vermoͤgen reichet/ es waͤhre dañ/ dz dieſelbe den Abgang meiner Geringfuͤgigkeit mit
dem Reichtuhm ihres uͤberfluſſes eꝛſetzen wolte; jedoch werde ich mich nit ſcheuhẽ/ vor diß-
mahl unverſchaͤmt zuſeyn/ und die mir zugelegte Ehre ihrer ſchweſterlichen hohen Gewo-
genheit anzunehmen/ inſonderheit/ weil meine gnaͤdigſte Fr. Mutter deſſen die Gebieterin
iſt. Ihr bleibet der ihr ſeid/ ſagte ſie zu ihm/ ungeachtet ihr von mir gnug vernommen habt/
wie ſehr mir eure unmaͤſſige Ehrerbietigkeit gegen mein Kind zu wieder iſt/ werde auch nit
unterlaſſen/ euch erſter gelegenheit bey euren Eltern hieruͤber hart gnug anzuklagen. Ich
hoffe gaͤnzlich/ antwortete er/ meine geliebte Eltern werden mir vielmehr gebieten/ meine
wirdige Frl. Schweſter zu ehren/ als ſie mich darumb ſtraffen ſolten; habe aber an eure
Hocheit ich mich anderwerts verſuͤndiget/ wil ich ſelbſt lieber mein Anklaͤger ſeyn/ als duꝛch
verleugnen mich der gebuͤhrlichen Straffe entbrechen; wie ich dann nicht zweiffele/ ihre
Hocheit werde mich erſtes Tages gnaͤdigſt erlauben/ nach meinen Eltern zu reiten/ weil ſie
nach meiner gegenwart verlangen tragen/ uñ hoffe ich/ mein geliebter Bruder Ladiſla wer-
de nunmehr ſich nicht wegern/ hieſelbſt zuverbleiben/ biß wir etwa unſere Ritterſchaft fort-
ſetzen moͤchten. Je mein herzen Sohn/ ſagte ſie; wollet ihr dann ſchon umb abſcheid anhal-
ten/ da ihr kaum mich gegruͤſſet habet? was iſt euch alhie ſo hart entgegen/ daß laſſet mich
a a a iijwiſſen/
[374]Sechſtes Buch.
wiſſen/ auff daß es durch meine vorſorge verbeſſert werde; eure anweſenheit habe ich eu-
ren Eltern ſchon zuentbohten/ welche auch wol zufrieden ſeyn werden/ wann ſie eure Ge-
ſundheit/ und daß ihr wol überkommen ſeid/ vernehmen ſollen. Meiner Gn. Fr. Mutter
gehorſame ich billich/ antwortete er/ nur wolle dieſelbe ja von mir die Gedanken nicht faſ-
ſen/ als waͤhre mir an dieſem Orte ichtwas zu wieder/ da ich ſo wol/ als bey meinen leibli-
chen Eltern bin. Mein Bruder kam auch zu uns gangen/ und wurden wir eins/ hinunter
in den Luſtgarten zugehen/ da mein Herkules ſich abermahl ſo fremde gegen mich bezeigete/
daß ich/ muß bekennen/ mich in ſeine ſtellungen nit zu ſchicken wuſte. Des folgenden mor-
gens ſehr frühe/ befahl meine Fr[.] Mutter meiner Libuſſen/ daß ſie meinen Bruͤdern weiß
Leinengeraͤhte auff das Bette bringen/ und ich ihr ſolches aus meiner Lade geben ſolte; deſ-
ſen ich mich nicht wegerte; aber dieſe wolte es durchaus nicht hintragen/ es waͤhre dann/
daß ich mit ihr ginge; worzu ich mich endlich von ihr bereden ließ/ als die ohndas mein
Herz in ihren Haͤnden hatte. Im hingehen ſagte ſie zu mir: Ach mein allerliebſtes trauten
Fraͤulein/ was habe doch eurer Gn. ich einen allerſchoͤnſten Braͤutigam auserſehen/ wel-
cher allein/ und ſonſt niemand in der Welt eurer Schoͤnheit wirdig iſt. Meine wirdigkeit/
ſagte ich/ erſtrecket ſich nicht ſo gar weit; aber wie haſtu ſolches tuhn koͤñen/ weil du ja nicht
von dieſem Schloſſe kommen biſt? und meineſtu wol ſo viel gewalt uͤber mich zu haben/ dz
du mir nach deinem gutduͤnken/ einen mir vielleicht ungenehmen anfuͤgen wolteſt? O nein
Libuſſa/ ſo weit erſtrecket ſich deine Herſchaft nicht/ du muͤſteſt ſonſt hint dieſe Nacht eine
gar großmaͤchtige Frau und Koͤnigl. Gebieterin worden ſeyn; dieſes brachte ich mit ſol-
chem Scherzlachen vor/ daß ſie meine zufriedenheit daher erkennete/ und merkete ich ſchon/
wo ſie hinaus wolte/ lehnete mich auch meiner gewohnheit nach an ſie/ welches ihr ein Zei-
chen meines guten willens wahr/ daher ſie in ihrer Kühnheit alſo fortfuhr: Ach mein aus-
erwaͤhltes Fraͤulein/ ihr treflichſter Weltſchaz (ſo nennete michdie Schmeichlerin) wie
meinet dann eure Gn. ich werde derſelben etwa einen ſchlechten unbenahmeten Fuͤrſten zu
freien? O nein; er iſt der allerſchoͤnſte/ allertugendreichſte und allervolkommenſte/ der je-
mahl von Menſchen erzeuget iſt; eben derſelbe iſt es/ von dem alle ſo ihn kennen/ dieſe Urtel
fellen/ er werde in kurzem der ganzen Welt ein Wunder ſeyn; und was ſchenket ihr mir/
mein Fraͤulein/ daß ich ſeinen Nahmen/ ſeinen Helden-nahmen nenne? Sihe da/ ſagte ich/
was haſtu dann wol hinte vor einen wunderſtatlichen Menſchen im Traum gemahlet/ und
unter was vor einen Nahmen wiltu ihn ſpringen laſſen? Ja freilich iſts ein wunderſtat-
lich gemahltes/ aber lebendiges Bilde/ antwortete ſie/ aber der Himmel ſelbſt hat ihn an die
Welt geſtellet. Hierauff nahm ſie Kreide/ und ſchrieb dieſe Buchſtaben H. R. K. L. S. an
die Wand/ mit bitte/ ich moͤchte dieſe ſtum̃en durch etliche ſelbſtlautende lebendig machen;
Und als ich ſagete/ ich wuͤſte mich in ein ſo ſchweres Raͤtzel gar nicht zu findẽn/ brach ſie alſo
loß: Ach was iſt doch der Groß Fuͤrſtliche junge Herr und naͤheſter Erbe des allermaͤch-
tigſten Teutſchen Reiches ein vortreflicher erkenner/ eurer Durchl. Schoͤnheit/ welche ihm
ſein Herz dergeſtalt beſtricket/ daß er ſeine Begierden an nichts/ als an euren liebreicheſten
Augelein weidet. Schweige du Naͤrrin/ antwortete ich/ daß ja kein Menſch deine Reden
vernehme/ du muͤſteſt ſonſt aller meiner Hulde in ewigkeit entſetzet ſeyn/ und an mir deine
grauſamſte Feindin haben; und haſtu mich zu dem Ende mit auffgeſprochen/ werde ich dir
keinen
[375]Sechſtes Buch
keinen Fuß weiter folgen. Dieſes brachte ich mit ſolchem ertichteten Ernſte vor/ daß ſie
hoͤchlich erſchrak/ und mit wehemuͤhtigen Worten umb verzeihung baht/ vorwendend/ es
waͤhre ihr Scherz/ und haͤtte ſie nicht gemeinet/ daß ſie mich damit ſo hart erzuͤrnen koͤñen/
ſonſt wolte ſie es wol haben ſtecken laſſen/ da es niemand als die Goͤtter finden koͤnten; wo-
durch ich mich dann beguͤtigen lies/ ihr alle verzeihung verſprach/ als ob es nicht geſchehen
waͤhre/ und mit ihr/ biß an meiner Bruͤder Kammertuͤhr ging/ welche ſie ſo leiſe aufzuma-
chen wuſte/ daß niemand deſſen inne ward; und weil ſie beyde noch feſt ſchlieffen/ legte ſie
ihnen das Geraͤhte unvermerkt zu ihren Füſſen/ trat leiſe wieder zu mir heraus/ und berich-
tete/ daß ſie noch im harten Schlaffe laͤgen; daher ich auff ihr anhalten mich erkuͤhnete/ mit
ihr vor das Bette zu treten/ da mein Herkules vorne an ſchlieff/ hatte den linken/ biß uͤber
den Ellenbogen entbloͤſſeten Arm heraus gelegt/ und war nicht anders als ein Gemahleter
Engel in ſehr freundlicher Geſtalt anzuſehen. Ich bekenne euch/ meine Fr. Schweſter/ daß
ſeine dazumahl verſchloſſene Augen mein Herz mit ſpitzigeꝛn Stralen durchſchoſſen/ als ſei-
ne in liebe brennende noch nie getahn hatten/ und dauchte mir unmoͤglich ſeyn/ lange zu le-
ben/ wo ich ſeiner Liebe nicht bald vergewiſſert wuͤrde/ daher ich als in der Liebe entzücket voꝛ
ihm ſtehen blieb/ und mit unverwendetem Geſicht ihn anſchauete/ endlich wieder meinen
Willen einen tieffen Seufzer aus dem innerſten meiner Seele gehen ließ/ daß mir leide
wahr/ ſie wuͤrden davon erwachet ſeyn. Die verſchlagene Libuſſa merkete wol/ wo mich deꝛ
Schuch druͤckete/ wolte mich doch in meiner Betrachtung nicht ſtoͤren/ aber als ſie meinen
Seufzer hoͤrete/ winkete ſie mir/ und gingen wir ihnen unvermerket wieder davon/ zwar ich
meines teils/ nur mit dem Leibe/ dann die Seele blieb bey meinem Herkules. Auff dem ruͤk-
wege/ da Libuſſa meine vorige gewogenheit ſahe/ baht ſie mich ſehr bewaͤglich/ ihr zu offen-
bahren/ warumb ich mich doch uͤber ihre vorige Rede ſo ſehr geeiffert haͤtte; die Goͤtter
waͤhren ihre Zeugen/ daß es nicht aus boͤſer meynung geſchehen/ koͤnte auch mit ihrem ein-
faͤltigen verſtande nicht abſehen/ daß ſolches meiner Ehr und ſtandes Hocheit im gering-
ſten abbruͤchig waͤhre; verdroͤſſe michs aber vielleicht/ daß ſie den allerſchoͤnſten liebreichſtẽ
Fuͤrſten ſo hoch ruͤhmete/ moͤchte ich nur gnaͤdigſt bedenken/ daß er mein ſo naher Anver-
wanter waͤhre/ den ich uͤberdz/ nach eigenwilliger geheimer anvertrauung/ zum lieben Bru-
der auffgenommen haͤtte. Ich merkete ſehr wol/ was vor Raͤnke das verſchlagene Taußes
hatte/ und ſie hiedurch nur forſchete/ mir hinter die Kuͤnſte/ oder daß ichs eigentlich ſage/
hinter meine allerheimlichſte Heimligkeit zukommen/ deſſen ich mich aber nicht merken ließ/
ſondern ohn alle bewaͤgung zu ihr ſagete; Vielleicht erfaͤhreſtu die Urſach in kurzem/ wel-
che dir und allen Menſchen noch zur Zeit verborgen iſt und ſeyn muß; darumb huͤte dich/
daß du mir hievon nichts ſageſt/ biß ich ſelbſt anheben moͤchte/ dann wirſtu mir ſchon recht
geben mũſſen. Worauff ſie dieſes Faß wol zuzuſchlagen wuſte. Mein Herkules aber/ wie
fremde er ſich gleich in beyſeyn andrer ſtellete/ begunte doch etwas kühner zu werden/ und
ſchwaͤtzete mir unter allerhand verdecketen reden ſo viel vor/ daß ich daher ſeine verliebeten
Geiſter wol abnehmen kunte/ und mich doch als eine Unverſtaͤndige merken ließ/ biß er ſich
etwas deutlicher erklaͤrete/ da zohe ichs alles auff eine Bruͤderliche Gewogenheit/ und ver-
ſicherte ihn hinwieder meiner Schweſterlichen Traͤue/ wodurch er alsbald abgeſchrecket
ward/ mir ſein Gemuͤht weiter zueroͤffnen/ biß er einsmahls mit mir allein im Garten her-
umb
[376]Sechſtes Buch.
umb ging; O ich weiß noch den Ort/ den Tag und die Stunde ſo gar eben/ iſt mir auch
kein Woͤrtlein ſeines vorbringens entwiſchet. Er ſtund eine zeitlang in Gedanken/ und
als mit Furcht beladen/ ſeine Farbe enderte ſich zu unterſchiedlichen mahlen/ brach doch
endlich ſein ſchweigen/ und nachdem er mir die Hand nicht ohn Seuffzen ſehr inbruͤn-
ſtig gekuͤſſet hatte/ ließ er dieſe Reden an mich abgehen: Durchleuchtigſtes Fraͤulein/
verzeihet/ bitte ich/ eurem an Leib und Seel zueigen ergebenen Knechte/ daß er vor euch diß-
mahl ſein Herz auszuſchütten/ durch die allerhitzigſten/ jedoch nit minder keuſchen Flam-
men/ gezwungen wird; Meine Seele/ wie unwirdig ſie auch ſeyn mag/ hat dannoch in eu-
re unvergleichliche Schoͤnheit ſich dergeſtalt verliebet/ daß mir tauſendmahl ertraͤglicher
iſt/ den Tod und alle Pein anzugehen/ als die ſehnlichen Begierden in mir zudaͤmpffen; Ich
rede von nichts anders/ mein Fraͤulein/ als was Zucht und Ehre zum Grunde hat/ und
verfluchet ſey mein Herz vor aller Welt/ wann es etwz andersſuchet/ oder begehret. Dar-
umb/ O ihr meiner Seelen innigſte Wolluſt/ verzeihet doch eurem Knechte/ daß er in die-
ſer Jugend auff Liebe gedenken darff/ der ihm ſonſt vorgenommen hatte/ wann eure Vor-
treftigkeit in der Welt nicht waͤhre/ ſein ganzes Leben ohn eheliche Liebe zuverſchlieſſen/ und
ſeine Seele ohn Hinterlaſſung trauriger Waͤyſen und Wittib/ in den Waffen auffzuge-
ben; aber bloß nur die unvergleichliche Valiſka hat dieſen Muht in mir gebrochen/ vor
deren Trefligkeit alles weichen muß. Ich ſuche nicht/ mein Fraͤulein/ mich in kindlichen
Jahren ins Ehebette zuſetzẽ/ ſo wenig mir lieb ſeyn wuͤrde/ dz einiger Menſch in der Welt/
ohn allein ſie/ wiſſen oder nur argwohnen ſolte/ daß umb Liebe ich mich ſchon bemuͤhen
duͤrffte; dann haͤtte ich die gebuͤhrlichen Jahre erlanget/ wuͤrde ich mich unterſtehen/ bey
Ihrer Liebe Eltern und Bruder ſelbſt zuerhalten/ was ich vor mein hoͤchſtes Gut in die-
ſer Welt ſchaͤtze; aber meiner Jugend ſtehet ſolches nicht an. Ja mein Fraͤulein/ ich haͤtte
noch dieſe Gewalt uͤber mich ſelbſt erzwingen wollen/ auch ihrer Liebe meine Flammen zu
verbergen/ wann nicht die furcht mich antriebe/ da moͤglich/ vorzubauen/ daß nicht einan-
der vor meinen maͤnlichen Jahren daſſelbe erſtreitẽ moͤge/ welches ſchon die naͤheſte Ernd-
te aller Liebligkeit zeiget. Dieſes machet mich kuͤhn/ O mein Seelichen/ dieſes macht mich
verwaͤgen/ O meine Vergnuͤgung/ mich ſelbſt zuuͤberwinden/ und die bißher anhaltende
Schahm in ſo weit zuruͤk zulegen/ daß Ihre Liebe ich von Grund meiner Seele bitte/ mir
hochgeneiget anzudeuten/ ob meine Unwirdigkeit von ihr koͤnne verdecket/ und meine in-
bruͤnſtige Liebe/ als eines kuͤnfftigen Braͤutigams angenommen werden; alsdann verſpre-
che ich derſelben an aͤidesſtat/ und aus wolbedachtem Muht und Willen/ daß ihrer Vor-
trefligkeit ich Zeit meines Lebens als ergebenſter Knecht dienen und auffwarten wil. Sol-
te aber derſelben meine Wenigkeit nicht koͤnnen annehmlich ſeyn/ wolan/ ſo verpflichte ich
mich auch hiemit beſtaͤndigſt/ daß ihre Liebe ich mit ſolcher ungenehmen Anmuhtung wei-
ter nicht beſchwerlich ſeyn/ ſondern nach empfangener Urtel dieſer meiner Verwaͤgenheit/
mit ja ſo froͤlichem Herzen die Volſtreckung an mir ſelbſt verrichten wil/ als lieb und an-
genehm ihr die Hintertreibung eines ſo mutwilligen Frevelers ſeyn kan und mag. Hie-
mit ſchwieg er ſtille/ und erwartete meineꝛ Antwort/ die ich ſo ſchleunig bey mir nit einrich-
ten kunte; welches er vor ein boͤſes Zeichen annam/ und alſo fortfuhr: Warumb ſchwei-
get mein Fraͤulein ſo gar ſtille/ und laͤſſet mich ohn einige Antwort? Iſt die Urtel uͤber mein
Ver-
[377]Sechſtes Buch.
Verbrechen in ihrem hochvernuͤnfftigen Gemuͤhte ſchon abgefaſſet/ ſo wil ich die Stand-
hafftigkeit nehmen/ ſie nicht allein anzuhoͤren/ ſondern ihr ohn auffſchieben ein genuͤgen zu
leiſten/ es waͤhre dañ/ daß ſie von einem Menſchen nicht koͤnte verrichtet werden. Ich kun-
te mich noch nicht begreiffen/ weſſen ich mich erklaͤren ſolte/ wiewol meine Seele den unbe-
waͤglichen Schluß ſchon vor dieſer ſeiner Anmuhtung abgefaſſet hatte; endlich ſagete ich
zu ihm: Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ warumb dringet Eure Liebe in dieſer meiner kindlichen
Jugend ſo ſtark in mich/ und zwar auff ein Ding/ welches ihr nach dieſem leicht gereuhen
duͤrffte? geſtaltſam ich meine Unvolkommenheit in guter Erkaͤntniß habe/ und mir daher
nichts ſo hart zuwider ſeyn kan/ als das gar zu ungebuͤhrliche Lob/ welches Eure Liebe nicht
ohn meine Beſchaͤmung mir aufleget/ und ich zu mehr gelegener Zeit davor Abtrag fodern
werde. Vor dißmahl erinnere ich nur Eure Liebe/ wie leicht ſich es zutragen koͤnne/ dz ſein
Herz durch weit groͤſſere Schoͤne und Volkommenheit an einem andern Orte moͤchte ein-
genommen werden/ da mein Herr Bruder dann zugleich ſich und mich verfluchen wuͤr-
de/ daß meinetwegen er aus ſeiner eigenen Schuld/ ſeines willens nicht leben koͤnte. Je-
doch dieſen fall ausgeſetzet; wie kan in ſo weit ich mich ſelbſt verſprechen/ die ich doch nicht
mein ſelbſt eigen/ ſondern unter meiner Eltern Gewalt bin/ und es demnach bey ihnen muͤ-
ſte geſuchet werden. Aber auch dieſes beyſeite getahn/ weil Eure Liebe/ daß ſie es noch zur
Zeit daſelbſt nicht ſuchen koͤnne/ mit ihrer jetzigen Jugend zu aller gnüge entſchuldiget hat;
nur bedenke mein Fuͤrſt/ ob ein ſo junges unverſtaͤndiges Fraͤulein/ welche kaum das 13de
Jahr ihres Alters vor ſieben Wochen hinter ſich gelegt/ auf dergleichen anſuchen ſchahm
wegen antworten duͤrffe; inſonderheit/ die bißher weder von Liebe weiß/ noch von der Liebe
ichtwas gehoͤret hat. Ich erkenne ja Euer Liebe gutes Herz gegen mich; ſeine Auffrichtig-
keit zihe ich nit in zweifel; ſeine Wirdigkeit lieget noch heller am Tage. Nun ich ſetze dage-
gen/ was ich im innerſten meines Herzen/ als das allerverborgenſte trage/ und nicht gerne
wolte/ daß einiger Menſch auſſer uns beyden es hoͤren ſolte/ nehmlich/ ich liebe den Durch-
leuchtigſten Fuͤrſten Herkules mehr und inniglicher als meinen leiblichen Bruder/ und
ſcheinet faſt/ daß meine Fr. Mutter ein gleiches tuhe/ nicht ohn meines Bruders Vergnuͤ-
gung/ als der ſeinen Herkules uͤber ſich ſelbſt liebet. Ich erkuͤhne mich noch weiter zubeken-
nen/ daß mir unmoͤglich ſeyn wird/ des Durchl. Fuͤrſten Herkules Abſcheid erdulden zu
koͤnnen/ welcher mich vor ſeine Schweſter gewirdiget hat/ deſſen ich mich ſonſt unwirdig
weiß. Die Goͤtter ſind meine Zeugen/ daß wann der Himmel Eure Liebe mir zum leiblichẽ
Bruder gegeben haͤtte/ ich die ewige Jungfrauſchafft geloben/ und von meinem Bruder
nimmermehr/ auch nicht in offener Feldſchlacht weichen wolte; daher ſol kein Mannes-
bilde in Ewigkeit nicht bey mir erhalten/ daß auſſer Herkules ich ihn lieben ſolte. Ich ſahe
eigen/ daß er hiedurch auffs allermerklichſte in ſeiner Seele geruͤhret ward/ welches die
Froͤligkeit ſeines Angeſichts nicht verbergen kunte/ daher ich dieſe verwaͤgene Kuͤhnheit
gebrauchete/ daß nach Zulaſſung eines bruͤderlichen zuͤchtigẽ Kuſſes/ ich ihn bey der Hand
faſſete/ und dieſes Geluͤbde taht: Duklarer und keuſcher Himmel/ unter welchem wir in
reiner Liebe ſtehen/ hoͤre du ſelbſt meine Reden an/ und biß ein unbetrieglicher Zeuge deſ-
ſen/ was ich anjezt dieſem Durchl. Fuͤrſten auff ſein innigliches anſuchen/ umb ſeine Gei-
ſter zubefriedigen/ verſpreche: Kein Menſch in aller Welt/ iſt mir lieber/ als Herkules; kein
b b bMan-
[378]Sechſtes Buch.
Mannesbilde ſol meinen Willen beherſchen/ als dieſer geborne Groß Fürſt der Teutſchen.
Haſtu dann/ O du goͤttliche verſehung/ ihn mir dereins zum Gemahl zugeordnet/ und koͤn-
nen die meinen/ unter welchen ich bin/ darein gehehlen/ ſo wil ich dieſe himliſche Verord-
nung vor meine Vergnuͤgung ſchaͤtzen; ſolte ich ihm aber/ da er ungeendert auff meiner
Liebe beharren wuͤrde/ nicht zu teile werden koͤnnen/ wie dann die faͤlle ſich wunderlich zu-
tragen/ ſo gelobe ich doch auffs wenigſte hiemit an/ mich nimmermehr in den Eheſtand zu
begeben/ ſondern in dieſer heiligen Liebe/ und verſprochenen Traͤue beſtaͤndig zuverharren/
ſo daß weder Furcht noch Angſt; weder Zwang noch Geſchenke; weder Troz noch liebko-
ſen; weder Noht noch Tod mich davon abwenden ſol; und breche ich dieſes Geluͤbde/ ſo
ſtraffet mich ihr himliſchen und helliſchen Goͤtter als einen Fluch/ ohn alle Barmherzig-
keit; jedoch/ unter dieſem Bedinge/ daß ich dieſes zuleiſten ungehalten bin/ da etwan Fuͤrſt
Herkules/ welches ich ihm nit zugetraue/ ſich von mir ſolte laſſen abwendig machen/ wel-
ches die Goͤtteꝛ an ihm ungeſtraffet nit laſſen wuͤrdẽ. Mein Herkules ſtund vor mir als ent-
zuͤcket/ und wolte ſich in die Knie ſetzen/ ich aber wehrete ihm/ mit dieſer Bedraͤuung/ da-
fern er ſolches taͤhte/ wolte ich ohn Anhoͤrung ſeiner Antwort von ihm hinweg gehen/ und
ſeine Gegenwart auffs fleiſſigſte meiden; welches dann ſein Vornehmen brach/ und re-
dete er ſolcher geſtalt. Mein herzallerliebſtes Fraͤulein/ es ſol der heutige Tag zeit meines
Lebens von mir hochfeirlich begangen werden/ an welchem ich den groͤſſeſten Schaz dieſer
Welt in Hoffnung empfangen habe/ deſſen mich zubegeben/ keine menſchliche Gewalt/
Wiz noch Beredſamkeit bey mir erhalten ſol. O mein allerholdſeligſtes Engelchen/ wie
weit uͤber hoffen bin ich vergnuͤget; wie weit uͤber Verdienſt und Wirdigkeit wede ich ge-
liebet. O ihr guͤtigen Goͤtter/ gebet gebet/ bitte ich/ daß keine Schlange ſich zwiſchen unſere
Seelen eindringe/ ſondern erhaltet dieſes geknüpfte Band/ ſo daß zu rechter Zeit und nach
eurer Verſehung/ unſere Liebe zum wirklichen Genieß kommen und gelangen moͤge. Ich
wuͤnſchete dieſes mit in meinen Gedanken/ aber wer mir damahls geſagt haͤtte/ daß ſolches
zu Charas in Parthen haͤtte ſollen zum erſten mahle erfuͤllet werden/ wuͤrde mir ſehr trau-
rige Zeitung angemeldet haben. Es fuhr aber mein Herkules alſo fort in ſeiner Rede:
Mein Fraͤulein wolle ſich nunmehr erinnern/ was geſtalt ihre Fr. Mutter in unterſchied-
lichen verdecketen Reden ſich hat vernehmen laſſen/ wie angenehm ihr unſere ſchierkuͤnff-
tige Heyraht ſeyn wuͤrde. So gebuͤhret mir ja an meines lieben Bruders Ladiſla Bewilli-
gung nicht zuzweifeln; dann was koͤnte/ in Betrachtung unſer Freundſchafft/ ihm ange-
nehmer ſeyn? Unter dieſem Vorbringen gingen unſere zuͤchtigen Kuͤſſe zimlich durchein-
ander/ und wahr ich ſchon ſo kuͤhn/ daß ich mirs vor eine Unhoͤfligkeit auslegete/ wann ich
ihm einen einzigen ſolte haben unvergolten gelaſſen. Endlich loͤſete er mir ein ſchwarzes
ſeidenes mit Silber durchwirketes Band von meinem Leibe ab/ und als ich fragete/ aus
was Urſachen ſolches geſchaͤhe; antwortete er: Dieſes allerliebſte Band ſol mir/ als lan-
ge ich aufſer meiner Fraͤulein Ehe lebe/ ein taͤgliches Denkzeichen der jetzigen teuren Ver-
heiſſung ſeyn/ wil ihr auch ſolches nicht wieder einhaͤndigen/ biß ich die Hoffnung habe/
ſie erſtes Tages zuehelichen. Ich gab zur Wiederantwort: Das elende Band waͤhre viel
zu unwirdig/ den Nahmen ſolcher Gedaͤchtniß zutragen/ baht demnach/ mir es wieder zu-
zuſtellen/ vielleicht koͤnte vor ſeinem Abzuge ich ihm noch wol ein beſſeres einreichen. Ach
mein
[379]Sechſtes Buch.
mein Fraͤulein/ ſagte er/ laſſet mir/ bitte ich/ dieſes liebe Band/ weil es wirdig geweſen iſt/
ihren allerſchoͤnſten Leib zuumfaſſen/ und nehmet von mir dieſes Ringelein zum Gegenge-
daͤchtniß an/ welches meine geliebte Fr. Mutter mir angeſtecket/ da ich von ihr ſchiede; je-
doch bitte ich/ es hinzulegen/ daß es von meinem Ladiſla nicht geſehen werde/ dann ich habe
hoͤchſtwichtige Urſachen/ ihm unſere Liebe noch zur Zeit zuverbergen. Eben dieſe Ver-
ſchwiegenheit/ ſagete ich/ iſt mein einiger Wunſch; nam den Ring mit einer Schamroͤh-
te/ ließ ihm das Band ohn fernere Einrede/ und verhieß/ bey kuͤnfftiger gluͤklicher Einlie-
ferung es mit einer gewiſſen Anzahl Kuͤſſe einzuloͤſen/ ſteckete ihm auch einen Ring an/ uñ
ſagete: Dabey gedenke mein Fuͤrſt und Bruder ſeiner Valiſken/ ja der ſeinen/ ſage ich/ da-
fern es durch der Goͤtter Almacht und unſerer Eltern Widerſpenſtigkeit (deſſen ich keines
hoffen wil) nicht gehindert wird. Alſo wahr unſer Ehe Verloͤbniß feſter geſchloſſen/ als ich
mir ſelber einbilden kunte/ wiewol ich ſie viel feſter wuͤnſchete; und lebeten wir in ſolcher
keuſchen Zucht beyeinander/ ſonderlich wann wir allein wahren/ daß je laͤnger wir mit ein-
ander umgingen/ je mehr ſich einer vor dem andern ſchaͤmete. Fuͤrſtin Sibylla baht umb
Verzeihung/ und fragete/ ob dann Groß Fuͤrſt Herkules ihr das Leib Band auch wieder
zugeſtellet haͤtte. Ja/ ſagete ſie/ zu Charas auff meinem Schloſſe habe ichs von ſeinen Haͤn-
den empfangen/ ſo weit hat er mirs nachgeſchleppet/ bin daher auch/ vermoͤge meiner Zu-
ſage/ gehalten geweſen/ ihm bald darauff das eheliche Beylager zugoͤnnen/ deſſen ich an die-
ſem meinem allerliebſten Herkuliſkus (welchen ſie auff der Schoß hielt) Beweißtuhms
gnug habe; Ich haͤtte aber ſchier vergeſſen/ meiner Fr. Schweſter zumelden/ dz bald dar-
auff meine Libuſſa das Band an meinem Leibe vermiſſete/ ging ſtille ſchweigens hin/ holete
ein anders/ und ſagete nach ihrer Verſchlagen heit zu mir: Gnaͤdigſtes Fraͤulein/ ich bitte
untertaͤhnigſt/ mir zuvergeben/ daß ich heut vergeſſen habe/ Ihrer Gn. das Leibband umb-
zubinden; und ohn weiteres Wortſprechen legete ſie mir ein ſchneeweiſſes an/ mit guͤlde-
nen Faͤden durchzogen/ da ich vor freuden nicht unterlaſſen kunte/ mit einem lachen zu ihr
zuſagen: O du leichtfaͤrtiger Sak/ wiewol iſt dir bewuſt/ daß du mir ſchon eines umgebun-
den haſt; nur wolteſtu gerne wiſſen/ wohin es kommen ſey; aber ſo gut ſol dirs nicht wer-
den/ es fey dann/ daß du auff den Abend es in drey mahlen errahten wirſt. Ja/ antwortete
ſie/ wann ich nur die Freiheit haben mag/ nach Willen zurahten/ wil ich den Groß Fuͤrſtli-
chen jungen Herrn zuallererſt nennen/ ob derſelbe es etwa ohngefehr moͤchte abgeloͤſ-wol-
te ſagen/ gefunden haben. Ich gab ihr darauff einen gelinden Backenſchlag/ aus welchem
ſie meine Gewogenheit zuurteilen pflegete/ und fing ſie darauff an zubitten/ ob ich etwa ei-
ner getraͤuen und verſchwiegenen Dienerin benoͤhtiget waͤhre/ moͤchte ich keine andere als
ſie waͤhlen; redete mir auch den Abend (dann ſie muſte ſtets bey mir ſchlaffen) ſo bewaͤg-
lich zu/ daß ich meines Herkules anſuchen/ aber nicht mein getahnes Verſprechen ihr of-
fenbahrete/ da ſie dann durch allerhand kraͤfftige Urſachen ſuchete mich zubereden/ daß ich
ſolche Liebe ja nicht ausſchlagen vielweniger verachten ſolte/ in betrachtung/ daß kein andeꝛ
Fuͤrſt der Welt mit dieſem zuvergleichen waͤhre; welches ich zwar mit einem lachen an-
hoͤrete/ aber doch den Angel/ welchen ich ſchon eingeſchlukt hatte/ nicht verbergen kunte;
wie ſie dann des morgens mir vorhielt/ daß ich im Schlaffe allerhand Liebes Reden ge-
pflogen/ und unter andern geruffen haͤtte: O Herkules/ Herkules/ was vor ein Feur habt
b b b ijihr
[380]Sechſtes Buch.
ihr in meiner Seele angezuͤndet/ welches mich entweder beglükſeligen oder verbrennen
wird. Und erhielt ſie bey mir in kurzer Zeit/ daß ich ihr mein ganzes Herz in dieſer Liebesſa-
che ſehen ließ/ ſo gar/ daß ich manniches ehrliebendes Liebe-Geſpraͤch mit ihr hielt/ da ſie
Herkules ſtelle zimlich zuvertreten wuſte; muß auch bekennen/ daß nach deſſen Verluſt ſie
mein einiger Troſt und Auffenthalt meines Lebens geweſen iſt/ ſo daß naͤhſt Gott ich ihr zu
danken habe/ daß ich nicht durch Verzweifelung mir ſelbſt Gewalt angeleget; einmahl iſt
gewiß/ daß ohn ihre taͤgliche Troͤſtungen ich meines allerwerdeſten Schatzes Verluſt nicht
haͤtte ertragen koͤnnen. Es iſt aber nunmehr Zeit/ meinen unlieblichen Erzaͤhlungen die
Endſchafft zugeben/ und mit einander die Nachtruhe einzunehmen/ weil dieſe Zeither das
vielfaͤltige Getuͤmmel und die ſtaͤtige Gaͤſtereyen unſern Schlaff ſehr geſtoͤret haben; A-
ber dieſe Ruhegedanken vergingen ihr bald/ weil Euphroſyne ihr die Zeitung brachte/ Fr.
Therba empfuͤnde die Geburtswehe/ bey welcher ſie dann die ganze Nacht mit behten zu-
brachten/ weil es ihr ſchwer ankam/ biß ſie gegen Morgen eines jungen Soͤhnleins genaſe.
Deſſelben Tages ward die oͤffentliche Verloͤbniß mit Herr Skaurus und Frl. Helenen
gehalten/ wurden auch des Abends ehelich beygeleget/ da der Stathalter ein Schreiben
von ſeinem Bruder aus Rom/ dieſes Inhalts bekam:


Freundlicher geliebter Bruder; daß es dir ſamt den lieben deinen nicht allein wolgehet/ ſon-
dern auch dein teurer Schwieger Sohn mit ſeinem unvergleichlichen Geſellen Groß Fuͤrſt Herkules/
nach wolv errichteter Erloͤſung ihrer Schweſter und Gemahl friſch und geſund wiederumb bey dir
angelanget/ erfreuet mich ſehr. Die Gefahr und Befreyung meiner lieben Tochter/ hat mir Angſt uñ
Freude erwecket; erkenne dem ſtreitbahren Schwediſchen Fuͤrſten mich davor verbunden; da auch
hochgedachter Koͤniglicher Fuͤrſt eheliche Liebe bey meinem Kinde/ wie gemeldet wird/ ſuchet/ und du
es vor gut und rahtſam achteſt/ ſol ſie ihm zu ehren unverſaget ſeyn; wolleſt mir demnach weiter
ſchreiben/ was vorgehen wird/ damit ich der Vermaͤhlung/ wo moͤglich/ ſelbſt beywohnen/ und meine
Tochter nach Standesgebuͤhr ausſteuren moͤge. Kaͤyſerl. Hocheit duͤrffte ehiſt auffbrechen/ die Pan-
noniſchen Grenzen zubeſichtigen/ und ihren Weg auff Padua zu nehmen/ inſonderheit/ da Ihr der
hochgedachten Herren gluͤkliche Wiederkunfft vorkommen ſolte. Gehabe dich wol/ und melde der
Hoch Fuͤrſtlichen Geſelſchafft/ nebeſt [andern] Anverwanten und Freunden meinen Gruß und Dienſte
an. Ich bin und verbleibe dein getraͤuer Bruder Markus Fabius.


Nach Verleſung rief er ſeine Tochter und Fr. Sibyllen zu ſich/ und ſagete zu ihnen:
Lieben Kinder/ jezt wird guter Raht ſehr teur ſeyn/ und mag den beſten geben/ der ihn hat;
dann mein Bruder/ wie ich aus dieſem ſeinen Schreiben vernehme/ kan in Fuͤrſt Sieg-
wards Heyraht durchaus nicht einwilligen; nicht daß er ihn deſſen unwirdig achte/ ſon-
dern/ weil er ſchon einem andern ſein Kind verſprochen hat/ da Kaͤyſerl. Hocheit nicht al-
lein Freywerber geweſen/ ſondern durch ihn der Schluß geſchehen iſt/ welcher durch kein
Mittel kan auffgeruffen werden; und erfreuet mich noch in dieſem herben Ungluͤk/ daß
wenig Menſchen Wiſſenſchafft drumb haben/ daß meine Tochter Sibylla ſchon ins E-
hebette getreten/ kan auch wol vertuſchet werden/ und muß der Fuͤrſt mit der vier oder
fünfftaͤgigen Nieſſung zufrieden ſeyn/ nachdem er euch/ geliebtes Kind/ doch nicht behaltẽ
kan. Der frommen Fürſtin wahr nicht anders zumuhte/ als haͤtte man ihr die lezte Todes-
Urtel geſprochen/ ſagte daher zu Fr. Sophien: Ihr wiſſet/ herzliebe Fr. Schweſter/ wie
ſehr ich euch gebehten/ das Beylager biß auff meiner lieben Eltern Bewilligung auffzu-
ſchie-
[381]Sechſtes Buch.
ſchieben/ da hingegen ihr mich deren gutheiſſen ſtets verſichert habt; nicht rede ich ſolches/
euch etwas vorzuwerffen/ ſondern mich zuentſchuldigen/ daß meine Eltern vorbeyzugehen
ich nicht willens geweſen bin. Nachdem aber nun meinem werten Fuͤrſten ich durch Prie-
ſters Hand einmahl zugefuͤhret/ und die Ehe allerdinge volzogen iſt/ ſol mein Gott mich
ſchon davor bewahren/ daß ich in Ehebruch einwilligen wolte; ſondern weil man GOtt
mehr als Menſchen gehorchen muß/ wil ich entweder meinen Fuͤrſten behalten/ oder froͤ-
lich und wolgemuht ſterben. Kaͤyſer und Eltern moͤgen hierunter nach belieben waͤhlen/
wann nur mein herzgeliebeter Fuͤrſt auſſer Noht und Gefahr bleibet/ welchen ich gleich
jezt erinnern wil/ ſich ſtuͤndlich aus dem Staube zumachen; mit mir ſchicke es mein Gott
nach ſeinem Willen; eins weiß ich wol/ daß ein ander Mannesbilde mich nimmermehr
lebendig auff ſolche weiſe beruͤhren ſol. Unter dieſer Rede gab Fabius ſeiner Tochter durch
winken zuverſtehen/ daß es Scherz wahr/ deswegen nam ſie die Antwort auff ſich/ und ſa-
gete: Herzliebe Schweſter/ es iſt mir dieſes Unglük ſehr leid/ und weiß nit/ wie man dem-
ſelben begegnen ſol; Ich frage aber nur/ ob das Beylager ſchon biß heut waͤhre aufgeſcho-
ben/ wolte ſie auff dieſe ihres Herrn Vaters Erklaͤrung wol ruͤkfaͤllig werden/ und dem
Fuͤrſten die Zuſage auffruffen? nimmermehr bilde ich mir ſolches ein/ weiß auch ver-
ſichert/ der Fuͤrſt wuͤrde ſich damit nicht haben befriedigen laſſen. Iſt demnach das ergan-
gene nicht anzuklagen/ ſondern das kuͤnfftige zubetrachten/ worin ich doch wenig Raht
weiß; dann was wil man gegen den Kaͤyſer einwenden? Euer Herr Vater hat es dero
Hocheit in die Haͤnde übergeben/ und kans nicht wiederruffen; ſo mag auch ſolche Hey-
raht wol ehe als die unſere geſchloſſen ſeyn. Ey ſo laſt es immerhin ſo wichtig und gefaͤhr-
lich ſeyn/ antwortete Sibylla/ ich kan ja noch mit meinem Blute bezahlen/ ſeyd nur bemuͤ-
het/ meinen liebſten Gemahl in gute Sicherheit zubringen/ in Betrachtung/ daß vor we-
niger Zeit er nicht allein euer Leben/ ſondern auch eure Ehre gerettet hat. Ja meinet ihr/
ſagte Fr. Sophia/ euer Gemahl werde euch verlaſſen/ und ſeine Sicherheit ſuchen? das
ſind alles vergebliche Gedanken; dann was euch begegnet/ wird gewißlich ihm auch wie-
derfahren muͤſſen. Hiemit nam ſie das Schreiben aus ihres Vaters Haͤnden/ und laſe
daraus/ als waͤhre dieſes der Begriff: Geliebter Bruder; ich habe dein Schreiben geleſen/ und
zwar mit hoͤchſtbetruͤbtem Herzen; muß zwar geſtehen/ daß wann der Sachen Beſchaffenheit es lei-
den koͤnte/ ich dieſem wirdigen Fuͤrſten mein Kind faſt ſchuldig waͤhre; weil aber Kaͤyſerl. Hocheit
bey mir ſelbſt Anwerbung getahn/ ſie dem vornehmen Roͤmiſchen Herrn und tapfferen Helden/ Rit-
ter Prokulus zuverheirahten.


Als Fr. Sibylla den Nahmen Prokulus hoͤrete/ merkete ſie den Auffzug alsbald/ faſ-
ſete den Stathalter bey der Hand/ welche ſie ihm kuͤſſete/ und ſagte zu ihm: Komt Herr
Vater/ laſſet uns wieder nach der Geſelſchafft gehẽ/ daſelbſt wollen wir Kaͤyſerl. Hocheit/
und meines Herrn Vaters Geſundheit/ uñ des elenden Stuͤmpers Prokulus Ungeſund-
heit trinken; der Auffzug iſt ſchon verrahten/ und aller Angſtſchweiß mir abgewiſchet; dañ
Prokulus iſt noch lange der Mann nicht/ nach dem meine liebe Eltern ſich groß umſehen
ſolten. Aber Fr. Schweſter/ ich gelobe euch hiemit im rechten Ernſte/ daß ich mich in kur-
zem an euch raͤchen wil/ ſolte ich auch aller meiner guten Freunde Raht darzu gebrauchẽ.
Der Stathalter kuͤſſete ſie freundlich/ und ſagete: Geliebte Tochter; ich erfreue mich eu-
b b b iijres
[382]Sechſtes Buch.
res guten Verſtandes/ und gebe euch mit euer Schweſter zuſammen/ wann ich nur auſſer
Gefahr bleibe; reichete ihr damit das Schreiben zuleſen/ und erinnerte ſeine Tochter/ da-
hin zuſehen/ daß das Hochzeit Feſt gegen des Kaͤyſers Ankunfft angeſetzet wuͤrde/ weil H.
Pompejus ohn zweiffel inwendig ſolcher Zeit auch wuͤrde gegenwaͤrtig ſeyn; gingen her-
nach wieder zu der Geſelſchafft/ und brachten den Tag froͤlich zu/ weil es einem jeden nach
Wunſch erging.


Des folgenden morgens als die Fuͤrſtliche Geſelſchaft aus der Chriſtlichen Verſam-
lung wieder nach des Stathalters Hofe fuhren/ und Groß Fuͤrſtin Valiſka im rechten aus-
hange ſaß/ begegnete ihr ein fremder Ritter zu fuſſe/ hinter welchem zween aͤdle Juͤnglinge
als Diener hertraten/ der ſie ſehr ehrerbietig gruͤſſete/ und auff Teutſch zu ihr ſagete: Die
Goͤtter ſchuͤtzen euch/ O ſchoͤnſte der Welt/ und ſeyn einem from̃en Fuͤrſten gnaͤdig/ der eu-
retwegen im groͤſten Elende lebet. Es daͤuchte ſie/ dieſen Ritter ehmahls geſehen zu haben/
hieß ihren Gutſcher ſtille halten/ und gab ihm zur Antwort: Mein Freund/ ich bedanke
mich eures guten wunſches/ und bitte/ er wolle ſich kund geben/ dann wo ich nicht irre/ habe
ich ihn vor dieſem geſprochen/ weis aber nicht wo. Durchl. Groß Fuͤrſtin/ antwortete er;
Als Klogio der Sikambrer ihre Durchl. zu Prag begruͤſſete/ bin ich/ ſein Gefaͤrte Fara-
bert/ nicht weit davon geweſen/ und wuͤrde mir eine ſonderliche Gnade ſeyn/ wann bey der-
ſelben ich auff ein halb Stuͤndichen Gehoͤr erlangen koͤnte/ und zwar in geheim/ ohn aller
Menſchen vorwiſſen. Der Groß Fuͤrſtin kam ſolche Anmuhtung etwas fremde vor/ und
antwortete ihm: Mein Freund/ ich habe noch keinem Menſchen Gehoͤr verſaget/ wuͤrde
auch ihm ſolche nicht wegern/ wañ ich wuͤſte/ weſſen ich mich zu ihm zuverſehen haͤtte; aber
einem unbekanten und in etwas verdaͤchtigen ſo gar einſam zu hoͤren/ moͤchte ich leicht be-
denken tragen. Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ ſagte er/ ich bin ein ehrlicher auffrichtiger
Fraͤnkiſcher Ritter/ und waͤhre billich verflucht/ wann mit einiger unbilligkeit ich ſchwan-
ger ginge/ moͤchte auch wol leiden/ daß hundert Menſchen bey meiner verhoͤrung umb mich
waͤhren/ wann ſie nur unſere Teutſche Sprache nicht verſtuͤnden/ wiewol ich nicht bedacht
bin/ ichtwas vorzubringen/ daß eurer Durchl. im wenigſten koͤnte nachteilig ſeyn. Ich bin
willig/ antwortete ſie/ euch zu hoͤren/ und werdet ihr auff den Nachmittag umb zwey Uhr
auff jenem neuerbaueten Hofe euch anfinden/ da ich mich gleichergeſtalt werde einſtellen.
Er bedankete ſich mit wenigen/ und daß er unfehlbar erſcheinen wolte. Nun haben wir im
andern Buche dieſer Geſchichte vernommen/ was geſtalt der Franken- und Sikambrer
Koͤnig/ Herr Hilderich dieſen Ritter Farabert nach Padua geſendet/ ſich ingeheim daſelbſt
auffzuhalten/ ob er der geraubeten Fraͤulein Valiſken Zuſtand erfahren koͤnte; welcher
dann/ ſolches deſto beſſer zuverrichten/ ſich in einer Herberge gegen des Stathalters Hofe
uͤber auffhielt/ uñ ſich vor einen Teutſchen von Adel Roͤmiſches Gebiets ausgab/ umb deſto
ſicherer zu ſeyn. Ladiſla aͤdler Leibknabe Tullius hielt ſich ſtets zu Padua auff bey Fr. So-
phien/ mit welchem dieſes Ritters aͤdler Juͤngling Anther Kundſchaft machete/ ging viel
mit ihm umb/ und gerieten dadurch in vertrauliche Freundſchaft mit einander/ welches al-
les auff Faraberts getrieb zu dem Ende geſchahe/ daß er deſto beſſer der unſern Zuſtand in
der fremde erfahren koͤnte/ wie dann eben durch dieſes mittel er alles deſſen innen ward/ wz
Fr. Sophien von den unſern zukam/ ſo gar/ daß ihm die vermuhtliche Heyraht zwiſchen
Herku-
[383]Sechſtes Buch.
Herkules und Valiſken des andern Tages angemeldet ward/ als Leches die Schreiben von
den unſern nach Padua brachte/ und wie es ſonſt umb das zu Charas gefangene Fraͤulein
ſtund/ welches alles er ſeinem Koͤnige Hilderich getraͤulich zuſchrieb/ auch bald hernach/
was vor Voͤlker aus Teutſchland/ Boͤhmen und Italien den unſern in die Morgenlaͤn-
der zugeſchicket waͤhren; Aus welchen allen dieſer hochverſtaͤndige Koͤnig nichts anders/
als die gewiſſe Ehe zwiſchen Herkules und dem Fraͤulein ſchlieſſen kunte/ und es zwar be-
ſeufzete/ aber doch mit der himliſchẽ Verſehung friedlich wahr/ weil ohndz ſein lieber Sohn
Markomir noch im̃erzu als ein Wahnwitziger in Ketten und Gefaͤngnis verwahret ward.
So bald nun unſere Helden aus den Morgenlaͤndern zu Padua anlangeten/ hielt ſich Fa-
rabert ſtille und eingezogen in ſeiner Herberge/ aus furcht/ er moͤchte von Fr. Valiſken odeꝛ
von Libuſſen/ (welche ihn zu Prag geſehen hatten) erkennet werden/ ließ aber ſeinen Wal-
ther geſchwinde nach ſeinem Koͤnige reiten/ und demſelben allen Zuſtand der unſern an-
melden/ welcher zu ſeinem Gemahl ſagete: Wir muͤſſen mit der Goͤtter ſchickung zufrie-
den ſeyn/ und vor gewiß halten/ es ſey dieſes vortreflichſte Fraͤulein der Welt niemand an-
ders/ als dem loͤblichen Fuͤrſten Herkules beſcheret geweſen/ welches wir zum teil aus un-
ſers wahnwitzigen Sohns Reden zuerkennen haben; nur wollen wir die guͤtigen Goͤtter
anflehen/ daß ſie unſerm Sohn gnaͤdig ſeyn/ und ſeinen Verſtand ihm wieder zuwenden
wollen/ da er noch eine zeitlang leben ſol. Es hatte vor zehn Tagen ſich ein Galliſcher Arzt
bey dem Koͤnige anmelden laſſen/ welcher uͤber die 30 im Haͤupt verſtoͤrete Menſchen gluͤk-
lich geheilet/ und zu voͤlliger Vernunft wiedergebracht hatte/ begehrete auch den jungen
Fuͤrſten zu ſehen und ſeinen mangel recht zubetrachten/ welches ihm aber erſt vor zween
Tagen gegoͤnnet ward/ da er dann befand/ daß hochnoͤhtig waͤhre/ ihm vernuͤnftige Leute
zuzuordnen/ welche/ wann er etwas ruhig waͤhre/ gebührlich mit ihm zureden wuͤſten/ in-
ſonderheit ſolte man ihm vortragen/ daß Fuͤrſt Herkules todes verblichen/ und Fraͤulein
Valiſka nicht allein bey den ihren geſund wiedeꝛ angelanget/ ſondern ihm auch mit ſondeꝛ-
licher Hulde zugetahn waͤhre; Hierbey gebrauchte er ſeine Kunſt/ ließ ihm die Ader ſprin-
gen/ gab ihm innerliche Arzney ein/ und ſchmierete ihm eine kraͤftige Salbe an beyde ſeiten
des Haͤupts/ welches ſchon zimliche wirkung taht/ ſo daß die raſichte Wuht/ die ihn taͤglich
aufftrieb/ ſich legete/ wie wol er in ſeinen reden keine vernunft ſpuͤren ließ. Als nun Wal-
ther obgedachte Zeitung von Valiſken Heyraht und wiederkunft nach Padua dem Koͤni-
ge anmeldete/ kam dieſer Arzt gleich darzu/ und zeigete an/ es wuͤrde dem jungen Fuͤrſten zu
ſeines verſtandes wiederbringung ſehr dienlich [ſ]eyn/ wann man bey dieſer Groß Fuͤrſtin
erhalten koͤnte/ daß ungemeldet ihrer getahnen Heyraht/ ſie ihm ein freundliches Brief-
lein zuſchreiben moͤchte/ in welchem ſie ſich gegen ihn zu aller freundſchaft und Schweſter-
lichen Liebe erboͤhte. Sein Vater der Koͤnig ließ ſolches bey ſchleunigſter Eile an Farabert
gelangen/ welcher ſolches zu werben/ vor dißmahl bey der Groß Fuͤrſtin umb verhoͤrung
anhielt. Als er ſich nun zur ernenneten Zeit einſtellete/ empfing ihn Valiſka (welche ihrem
Gemahl und Bruder ſein begehren ſchon verſtaͤndiget hatte) gar freundlich/ und in Gal-
lus/ Klodius/ und Markus gegenwart/ welche die Teutſche Sprache nicht verſtunden/
hies ſie ihn ſeine Werbung ungeſcheuhet vortragen/ welche ſie anzuhoͤren bereit und willig
waͤhre. Worauff er alſo anfing: Durchleuchtigſte Hochgepreiſete Groß Fuͤrſtin/ gnaͤdig-
ſte
[384]Sechſtes Buch.
ſte Frau; unter andern hohen und lobwirdigen Tugenden/ welche eure Durchl. in dieſer
ihrer Jugend ſchon durch den groͤſten teil der Welt beruͤhmt gemacht haben/ iſt nicht die
geringſte/ daß ihren aͤrgeſten Feindẽ zuvergeben/ und der Elenden ſich anzunehmen/ aus
getrieb ihrer angebohrnen guͤtig- und barmherzigkeit/ ſie ſo gar willig und bereit iſt/ wo-
durch ſie dann ihren Stuel den himliſchen Goͤttern ſchon ſehr nahe geſetzet hat. Nun weis
ich nit/ ob ihrer Durchl. es mag kund getahn ſeyn/ was geſtalt meines allergnaͤdigſten Koͤ-
niges Herr Sohn/ der Durchleuchtigſte/ anjetzo leider! allerelendeſte Fuͤrſt Markomir/
bald nach eurer Durchl. gewaltaͤhtige entfuͤhrung/ umb dero Heyraht zum andernmahl
anwerbung getahn/ und durch die hochbetruͤbte Zeitung ihres verluſtes/ in ſo tieffe und
ſchwermuͤhtige traurigkeit und bekuͤmmernis gerahten/ daß er endlich ſeiner Vernunfft
beraubet iſt/ und in banden muß verwahret werden/ woran ſeine Koͤnigliche Eltern ein un-
ausſprechliches Herzleid ſehen/ und vor groſſer betruͤbnis kaum zubleiben wiſſen. Es hat
ſich aber vor weniger Zeit ein beruͤhmter Arzt bey ihnen angemeldet/ und zur wiederbrin-
gung des jungen Fuͤrſten Geſundheit den troſtloſen Eltern gute Hoffnung gemacht/ deſſen
Arzney die himliſchen Goͤtter geſegnen wollen; und iſt deſſelben wolmeintlicher Raht und
gutduͤnken/ es wuͤrde kein Ding in der Welt ſeinen Pflaſtern und anderen Arztneien ſtaͤr-
kere Kraft mitteilen/ als wann ihre Durchl. gnaͤdigſte Groß Fuͤrſtin/ ſich dieſes elenden
wizloſen jungen Fuͤrſten in ſo weit erbarmen/ und durch ein freundliches Brieflein ſeine
zuſchlagene uñ nidergedruͤckete Geiſter wolte helffen auffrichtẽ; welches wie ihrer Durchl.
es weder Schimpff noch Schaden bringen kan/ ſondern vielmehr zu groͤſſerer ausbreitung
ihres Lobes dienen wird/ alſo wird dieſelbe dadurch meinen Großmaͤchtigſten Koͤnig ſich
dergeſtalt verbunden machen/ daß er mit rechtſchaffener vaͤterlicher neigung derſelbẽ wird
zugetahn und ergeben ſeyn; daß ich geſchweige/ was vor Ruhm uñ Ehre derſelben zuwach-
ſen wird/ wann durch dieſes mittel/ ſie dem jammervollen Fuͤrſten ſeinen Verſtand; den
traurigen Eltern ihren Sohn; und dem Franken- und Sikambern Volke ihren kuͤnftigen
Beherſcher wieder geben wuͤrde. Dieſes/ Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ habe auff mei-
nes Koͤniges begehren/ kraft dieſes Befehl-brieffes (welchen er der Groß Fuͤrſtin ehrerbie-
tig einlieferte) vortragen ſollen/ nicht zweifelnd/ eure Durchl. werde ſolches gnaͤdigſt ver-
merken/ und ſich nicht wegern/ demſelben ſeine Geſundheit und menſchlichen Verſtand wie-
der zubefodern/ der bloß allein aus gar zuheftiger Liebesbegier nach eurer unvergleichlichen
vortrefligkeit/ ſolches aͤdle Kleinot verlohren/ und einem unvernuͤnftigen Vieh faſt aͤhn-
lich worden iſt. Womit er unter traurigen geberden ſeiner Rede die Endſchaft gab. Die
Groß Fuͤrſtin ließ nicht weniger bey ſeinem vorbringen ihr mitleiden ſehen/ und nach ver-
leſung des Brieffes antwortete ſie alſo: Mein Freund/ Herr Farabert; das unverdienete
Lob/ welches in ſeiner Rede er mir zulegen wollen/ muß ich billich von mir ablehnen/ uñ doch
ſeine gute gewogenheit daraus erkennen; ſonſt mag er ſich wol verſichern/ daß der leidige
Unfal/ welcher den Durchleuchtigſten Koͤniglichen Fuͤrſten/ Herrn Markomier getroffen/
mir nicht weniger zu herzen ſtoſſet/ als ſaͤhe ich denſelben gegenwaͤrtig an meinem leiblichẽ
Bruder/ inſonderheit aber ſchmerzet michs uͤber die maſſe/ daß ich deſſen eine Urſach ſol ge-
halten oder genennet werden/ daher ich weder Gefahr/ noch muͤhe und koſten ſparen wolte/
wann ich einiges ehrenbilliches Mittel zubedenken wuͤſte/ den lieben Fuͤrſten/ dem ich in
warheit
[385]Sechſtes Buch.
warheit Schweſterliche Hulde trage/ von ſeinem Ungluͤk zuerledigen; warumb ſolte ich
mich dann wegern/ deſſen Liebe mit einem Schreiben zubegruͤſſen. Ich habe aus ſeinem
vornehmen zur gnuͤge verſtanden/ daß dieſer euer Fuͤrſt mir von herzen gewogen geweſen/
wuͤrde mich auch nicht gewegert haben/ ſeinem ehrliebenden anſuchen ſtat zugeben/ wann
ich nicht ſchon vorhin mich an den Durchleuchtigſten Groß Fürſten/ Herrn Herkules/
meinen jetzigen Gemahl aͤid-ehelich verſpꝛochen gehabt/ welches doch dazumahl meine leib-
liche Fr. Mutter nicht wuſte/ ich auch lieber hundert tauſendmahl haͤtte ſterben/ als ſolches
Geluͤbde bꝛechen wollen/ deſſen verknuͤpfung ſo feſt geweſen/ daß michs auch/ unter der alleꝛ-
groͤſſeſten gefahr/ von dem groſſen Koͤnige Artabanus in Parthen loßgetrieben/ und mei-
nem verſprochenen Gemahl mich geliefert hat. Ich habe von eures Fuͤrſten/ meines groſ-
ſen und lieben Freundes Unfal etwas in Perſen erfahren/ und ſint der Zeit ſeine Liebe mei-
nem Almaͤchtigen wahren Gott in meinem taͤglichen Gebeht vorgetragen/ zweiffele auch
nicht/ derſelbe werde meine Seufzer erhoͤren/ und die Mittel zu des treflichen Fürſten Ge-
ſundheit gnaͤdig verleihen. Ihr ſolt euch aber/ mein Freund/ gar nicht ſcheuhen/ meinem
Gemahl dieſes euer Anſuchen zu offenbahren/ ſondern verſichert ſeyn/ daß derſelbe nicht
minder als ich/ oder als ſein getraͤueſter Bruder ihm zu helffen/ bemuͤhet ſeyn/ und ſich ganz
glükſelig ſchaͤtzen werde/ wann er darzu einige Gelegenheit haben mag. So werde ich mich
nun zu demſelben hin machen/ ihm euer billiches begehren anzumelden/ uñ da derſelbe euch
etwa zu ſich fodern wuͤrde/ habt ihr ihm zu trauen als eurem Koͤnige ſelbſt. Farabert hoͤrete
dieſe freundwilligkeit mit hoͤchſter verwunderung an/ kuͤſſete ihr die Hand/ welche ſie ihm
darboht/ und wolte ſeine Dankrede kniend verrichten/ welches ſie ihm doch keines weges
geſtatten wolte/ ſagete/ es gebuͤhrete ihr kein Dank/ ehe und bevor ſie etwas dankwirdiges
geleiſtet haͤtte; ging zu ihrem Gemahl und Bruder/ zeigete ihnen alles an/ und erhielt leicht
bey ihnen/ daß er zur Abendmahlzeit gebehten/ und an den Fuͤrſtlichen Tiſch/ als eines groſ-
ſen Koͤnigs vornehmer Raht uñ Diener geſetzet ward/ da dañ Herkules mit ſolcher freund-
ligkeit ihm begegnete/ daß er ſich daruͤber ſehr verwunderte/ demſelben alle elende begeben-
heit des jungen Frankiſchen Fuͤrſten erzaͤhlete/ und daß er willens waͤhre erſtes tages wie-
der nach ſeinem Koͤnige zu reiſen. Des folgenden Tages umb den Nachmittag ward er
von Herkules und ſeinem Gemahl wieder vorgefodert/ und von ihm alſo angeredet: Mein
Freund/ Herr Farabert; ich kan nit unterlaſſen/ ihm zubezeugen/ wie ſchmerzlich des hoch-
benahmten ritterlichen Fuͤrſten Herrn Markomirs Unfal mir zu herzen gehet/ inſonder-
heit/ daß mein liebſtes Gemahl/ wiewol ganz wieder ihren willen/ darzu Urſach geben muͤſ-
ſen; wolte Gott/ ich wuͤſte mittel und wege zuerdenken/ ſeiner Liebe Geſundheit wieder zu-
erhalten/ ob mirs gleich etliche viel Tonnen Goldes/ ja mein Blut koſten ſolte. Mein Ge-
mahl hat nicht unterlaſſen wollen/ an ſeine Liebe zuſchreiben/ Gott helffe/ daß es erſprießlich
ſey. Was ſonſten in dieſen Wetſchern vermacht iſt/ werdet ihr unbeſchweret ſeyn/ meiner
Gn. Fr. Mutter/ der Fr. Koͤnigin/ im nahmen meiner Gemahl einzuliefern/ und ſolches
als einen aus Aſien mitgebrachten Beutpfennig/ zum gedaͤchtnis und beweißtuhm alles
moͤglichen Kindlichen gehorſams; zu deſſen uͤberbringung euch zween Maul Eſel ſollen zu-
geſtellet werden. Dem Großmaͤchtigſten Koͤnige und Herrn/ Herrn Hilderich/ wollet ihr
meinen Kindlichen und bereitwilligſten gehorſam anmelden/ und daß in ſeinem ſchweren
c c cHauß-
[386]Sechſtes Buch.
Haußungluͤk deſſen Koͤnigl. Hocheit/ ihrem hochweiſen und tapfferen Helden-verſtande
nach/ einen muht faſſen/ dem Almaͤchtigen Gott ſtille halten/ und von demſelben unfehlbah-
re Huͤlffe gewertig ſeyn wolle; ich würde es unter meine hoͤchſten gluͤkſeligkeiten mit rech-
nen/ wann ihrer Hocheit Angeſicht zuſehen/ ich nach dieſem die Ehre haben ſolte/ als deren
hoher Nahme durch alle Welt berühmet iſt. Solte auch Gottes barmherzigkeit/ wie ich
hoffe/ über den Durchl. Gtoß Fuͤrſten/ Herrn Markomir zur Geſundheit walten/ bitte ich/
mir ſolches ehiſt zuzuſchreiben; endete hiemit ſeine Rede/ und ſchenkete dieſem Frankiſchen
Ritter eine ſchwere guͤldene Kette/ ein par Armbaͤnder und andere ritterliche Kleinot/ auf
8000 Kronen wert/ nebeſt 4000 Kronen baar/ uͤber welcher Freygebigkeit er ſich entſetze-
te. Die Groß Fuͤrſtin wiederhohlete ſchier ein gleichmaͤſſiges/ uñ [fragete] ihn/ als im ſcher-
ze/ ob er ein Liebſte haͤtte; woruͤber er erroͤhtete/ und gerade zu mit ja bekennete; da ſie alſo
fortfuhr: So muͤſſet ihr derſelben ein Zeichen meiner gutẽ gewogenheit uͤbrberingen; rei-
chete ihm auch allerhand Kleinot/ auff 6000 Kronen wert/ und ſagete: Wann ihr mir zuꝛ
guten Zeitung zuſchreiben werdet/ daß der liebe Fuͤrſt Herr Markomir geneſen ſey/ wil ich
euch ſolches mit 10000 Kronen baar erſetzen; ſtellete ihm endlich den Brief an den jun-
gen Fürſten zu/ wobey etliche eingewickelte Kleinot wahren/ und im Vorhofe ließ ſie ihm
ein trefflich geputzetes Schneeweiſſes Reitpferd zufuͤhren/ nebeſt einen mit guͤldenen Tuͤ-
chern beladenen Maul Eſel/ alles vor den jungen Fürſten/ daneben ſie anzeigete/ daß 2000
Kronen dabey befindlich waͤhren/ dem Galliſchen Arzt einzuhaͤndigen/ nebeſt dem Ver-
ſprechen/ daß auff kuͤnfftige Geſundheit des jungen Fuͤrſten ihm gedoppelt ſo viel ſolte ü-
bergemacht werden. Da dann Farabert hoͤflichen Abſcheid nam/ voller Hoffnung zu ſei-
nes Fuͤrſten Geſundheit.


Sonſt brachten die unſern die hinterſtelligen 20 Tage biß zu dem angeſezten Hoch-
zeit Feſte/ mit aller zulaͤſſigen Luſt hin/ da der junge Sulpitius/ nebeſt Klodius und Mar-
kus/ auch ihren Eheliebeſten nach Rom reiſeten/ die ihren zubeſuchen/ bey denen Herkules
und Ladiſla an Urban den Biſchoff daſelbſt/ 50000 Kronen/ behuef der armen Chriſten;
an ihren alten Wirt Sabihn 4000; an den Arzt Galehn 1000 Kronen/ und an Herrn
Zinna/ ſein Gemahl und Tochter/ viel Kleinot auff 12000 Kronen wert uͤbermacheten/
und unterließ Fuͤrſtin Sibylla nicht/ an ihre vertrauete Freundin Frl. Virginia/ Herrn
Aquilius Tochter zuſchreiben/ da ſie ihr dann ihre und Lukrezien Heyraht zuwiſſen mache-
te/ und ſie auff das Hochzeit Feſt einladeten/ ſendete ihr auch ſehr ſchoͤne Kleinot über. Heꝛ-
kules und Ladiſla unterlieſſen nicht/ an Kaͤyſerl. Hocheit zuſchreiben/ und entſchuldigten
ſich zum hoͤchſten/ daß ihrem Verſprechen nach/ ſie derſelben/ wegen eingefallener Entfuͤh-
rung ihrer Frl. Schweſter/ zu Rom nicht haͤtten auffwarten/ noch die ſchuldige Dankſa-
gung vor erzeigete hohe Kaͤyſerl. Gnade mündlich ablegen koͤnnen/ erbohten ſich danebẽ/
vor ihrem Abzuge ſolches zuleiſten/ und verpflichteten ſich zu ihrer Hocheit Dienſten/ uͤber-
ſendeten auch des Kaͤyſers Mutter Fr. Mammeen ſehr koͤſtliche Kleinot/ und allerhand
Perſiſche Seidene/ ſilberne und guͤldene Tuͤcher/ daneben vier Tonnen Schaz/ gemuͤnze-
tes Parthiſches Goldes. Dem Kaͤyſer aber 20 Parthiſche Handpferde mit koͤſtlichem
Zeuge geputzet/ welches uͤber 4 Tonnen Goldes austrug/ wahr auch bey jedem Pferde ein
Parthiſcher Leibeigener/ von den leztgefangenen Werbern/ in guͤlden Stuͤk gekleidet. Klo-
dius
[387]Sechſtes Buch.
dius und Markus nahmen alles zu ſich/ und unter der Begleitung von 300 Reutern zo-
gen ſie geſchwinde fort/ biß ſie zu Rom gluͤklich anlangeten/ da man ſie anfangs nicht ein-
laſſen wolte/ und gleichwol wahren ſie nicht willens/ ihre Herren zumelden/ darumb gaben
ſie ſich bey der Wache an/ ſie waͤhren von dem Stathalter zu Padua an deſſen Bruder
Herrn M. Fabius abgeſchicket/ kahmen auch unter dieſem Schein fein durch/ kehreten
bey T. Bellizius ein/ welcher Klodius Schweſter Mann wahr/ und wurden von den ihrẽ
ſehr wol und freundlich empfangen. Bey Herr Fabius gaben ſie ſich noch deſſelben Tages
an/ welcher mit ſeinem Gemahl ſich ſchon zu der Reiſe fertig gemacht hatte/ hoͤrete auch
mit Freuden die loͤblichen Tahten und Fuͤrſtlichen Tugenden ihres geliebten Schwieger-
Sohns. Er wahr einuͤberaus reicher Herr/ wolte auch ſolches vor dißmahl erſcheinen
laſſen/ indem er ſeiner Tochter Schmuk gegen kuͤnfftige Hochzeit auff Koͤniglich zurichtẽ
ließ/ der ſich auff 6 Tonnen Goldes belief. Er hielt aber vor dißmahl dienlich/ daß Klodius
und Markus ſich noch deſſelben Tages bey dem Kaͤyſer und ſeiner Fr. Mutter angeben
lieſſen/ weil das Geſchrey von der Helden Wiederkunfft vor wenig Tagen ausgebrochen
waͤhre/ machte ſich auch ſelbſt nach dem Kaͤyſerl. Hofe/ und gab an; es haͤtten die Teut-
ſchen Fuͤrſten/ Koͤnig Ladiſla und Groß Fuͤrſt Herkules ihre Leute von Padua hergeſand/
welche umb allergnaͤdigſtes Verhoͤr bey Ihrer Kaͤyſerl. Hocheit und dero Fr. Mutter/
alleruntertaͤhnigſt anhielten. Der Kaͤyſer vernam dieſes gerne/ ließ ſeine Mutter zu ſich
bitten/ und befahl/ daß die Geſanten alsbald vorgefuͤhret wuͤrden/ da Klodius dieſe Rede
hielt: Allergroßmaͤchtigſter Unüberwindlichſter Kaͤyſer/ Allergnaͤdigſter Herr; wie auch
Großmaͤchtige Durchleuchtigſte/ gnaͤdigſte Frau; Meine gnaͤdigſte Herren/ die Durch-
leuchtigſte Großmaͤchtige/ Herr Ladiſla/ Koͤnig in Boͤhmen/ und Herr Herkules/ Groß-
Fuͤrſt und naͤheſter Erbe Teutſchlandes/ auch erwaͤhleter Fuͤrſt des Landes Suſiana/ ent-
bieten Eurer Kaͤyſerl. Hocheit und Hoch Fuͤrſtl. Wuͤrde/ ihren untertaͤhnigen Gruß/ und
bereitwilligſte Dienſte; entſchuldigen ſich mit dem Unfal ihrer Fr. Schweſter und Ge-
mahls/ wegen ihrer ehmahligen Nicht-einſtellung/ wie ihre Schuldigkeit ſonſt haͤtte erfo-
dern wollen/ und uͤberſenden Ihrer Hocheit dieſes Schreiben. Der Kaͤyſer bedankete ſich
des geſchehenen Gruſſes und freundlicher Anerbietung ſeiner lieben und wirdigen Herrẽ
Bruͤder und Freunde/ hielte die getahne Entſchuldigung vor uͤberflüſſig/ erfreuete ſich ih-
rer gluͤklichen Wiederkunfft/ und hoffete ſie vor ihrem Abzuge zuſprechen/ und beſſere
Kund- und Freundſchafft mit ihnen zumachen; brach das Schreiben/ und nach Verle-
ſung ſagte er; Er moͤchte wuͤnſchen/ daß ſie die Muͤhe auff ſich genommen haͤtten/ uñ ſelbſt
uͤberkommen waͤhren/ alsdann wuͤrde er ihnen das Geleite von Rom ab/ biß an ihre Gren-
zen gegeben haben; nun aber moͤchte ſichs vielleicht zutragen/ daß er ſie vorher zu Padua
beſuchete. Klodius antwortete: es würde ihren Gnn. Herren ſolches zuvernehmen/ die
allergroͤſte Vergnuͤgung und Freude ſeyn. Nun hoͤrete der Kaͤyſer die auff den innern
Plaz geſtellete Handpferde/ und fragete ſeine anweſende Diener/ was ſolches bedeutete/ dz
man die Pferde daher gefuͤhret haͤtte? worauff Klodius zur Antwort gab: Unuͤberwind-
lichſter Kaͤyſer; meine obhochgedachte Gnaͤdigſte Herren uͤberſenden Ihrer Hocheit et-
liche aus Parthen/ Meden/ Perſen/ Hirkanien/ und andern Aſiatiſchen Fuͤrſtentuhmen
mitgebrachte Pferde/ und Parthiſche aͤdelgebohrne gefangene Leibeigene/ untertaͤhnig
c c c ijbittend/
[388]Sechſtes Buch.
bittend/ Ihre K. Hocheit wolle dieſelben als ein Zeichen ihrer durch Gottes Gnade daſelbſt
erlangeten Ehr und Beute/ mit hochgeneigetem Herzen von ihrer Hand annehmen/ und
allezeit ihr hochgewogener Kaͤyſer verbleiben. Es hat den teuren Helden nicht ſo wol er-
gehen koͤnnen/ antwortete der Kaͤyſer/ daß ichs ihnen nicht beſſer wuͤnſchen und goͤnnen ſol-
te/ und haben unſere Beamten in Syrien ſchon ſchrifftliche Meldung getahn/ was geſtalt
der Perſiſche Fuͤrſt Artaxerxes bloß durch dieſer Helden Raht uñ unuͤberwindliche Fauſt/
des Parthers Artabanus Macht gebrochen/ deſſen eigentlichen Verlauff wir von ihnen
in kurzem einzunehmen verhoffen. Ging hin/ und beſahe die koͤſtlich geputzeten muhtigen
Pferde/ unter denen inſonderheit zwey Skytiſche ſchneeweiſſe vorne an ſtunden/ mit
guͤldenen Huefeiſen und Gebiß/ auch ſo uͤberaus ſtatlichen Decken/ mit den außerleſenſten
Indiſchen Perlen reichlich beſticket/ an denen Sattel und Zeug von lauter Demanten
glaͤnzete/ daß der Kaͤyſer anfing: In Warheit/ dieſes iſt gar zu ein groſſer Beutpfennig/
deſſen Vergeltung wir noch nicht abſehen koͤnnen. Befahl den Leibeigenen auffzuſitzen/
und die Pferde zu tummeln/ an deren ſehr guter Abrichtung er ein groſſes Wolgefallen
hatte. Der Kaͤyſerlichen Mutter überſchikte Wagen/ deren Pferde mit koͤſtlichen guͤlde-
nen Zeuge beleget waren/ kamen auch herzu/ welche Markus alſo einlieferte: Großmaͤch-
tige/ Durchleuchtigſte/ Gnaͤdigſte Frau; Meine Gnaͤdigſte Frauen/ die Durchleuchtigſte
Groß Fuͤrſtin Fr. Valiſka/ Groß Fuͤrſt Herkules Gemahl/ und die auch Durchleuchtig-
ſte Fr. Sophia/ des Boͤhmiſchen Koͤniges/ Herrn Ladiſla Gemahl/ haben Ihrer Hoch-
Fuͤrſtl. Wuͤrde ein geringes Gedaͤchtniß ihres untertaͤhnigen/ gehorſamen und kindlich-
ergebenen Willens/ von der Parthiſchen eroberten Beute uͤberſenden wollen/ untertaͤhnig
bittend/ ſolches von ihren bereitwilligſten Haͤnden hochgeneigt und gnaͤdig anzunehmen/
und ihre hochgeneigete und gnaͤdige Frau und Mutter ſtets zubleiben. Es iſt des vereh-
rens ſchon zu viel an dem gemacht/ antwortete ſie/ daß nicht allein die teure Fuͤrſten kurz
nach Eroberung des Raubneſtes mir übergeſchicket/ ſondern auch meine herzgeliebete Fr.
Tochter/ Fr. Sophia mir unlaͤngſt ſelbſt eingeliefert hat/ und muß nun zum dritten mahl
durch Annehmung ſo groſſer Geſchenken mich wider meinen Willen unhoͤflich erzeigen [...]
jedoch/ weil die Wegerung meinen hochgeliebeten Freundinnen und Toͤchtern ungenehm
und widrig ſeyn wuͤrde/ wil ich ihnen gehorſamen; bedanke mich der Ehren freundlich/
und hoffe in meiner bißher unbekantẽ Fr. Tochter der treflichen Groß Fuͤrſtin Kundſchaft
ſchier zukommen. Als die Guͤter abgeladen wurden/ und ſie ſo groſſe Schaͤtze an Kleinotẽ/
Gold und Tuͤchern funden/ ward der Kaͤyſer faſt unwillig/ daß er auch zuſagen ſich nit ent-
halten kunte; Dieſe Fuͤrſten wollen uns mit Gewalt zum unhoͤflichen machen; dann wo-
mit ſollen ſo groſſe Schaͤtze doch vergolten werden? Nachdem aber er vernam/ was vor
groſſen Reichtuhm ſie mit ſich gebracht hatten/ gab er ſich zufrieden/ uñ befahl Anordnung
auff ſeine Reiſe zumachen/ dann er wolte am dritten Tage hernach auffbrechen. Herr M.
Fabius ſtund ihm zur ſeiten/ berichtete/ was geſtalt ſein Schwieger Sohn der Koͤnigliche
Schwediſche Fuͤrſt Siegward/ innerhalb 12 Tagen das Hochzeit Feſt mit ſeiner lieben
Tochter/ auch Groß Fuͤrſt Herkules einiger Bruder/ Fuͤrſt Baldrich/ mit Herꝛ K. Pom-
pejus Tochter/ zu Padua halten wuͤrden/ und baht untertaͤhnigſt/ Ihre Kaͤyſerl. Hocheit/
und dero Fr. Mutter moͤchten allergnaͤdigſt geruhen/ dieſem Ehrenwerke beyzuwohnen.
Dem
[389]Sechſtes Buch.
Dem der Kaͤyſer zur freundlichen Antwort gab: Ja mein lieber Getraͤuer/ es ſol euch ver-
ſprochen ſeyn; machet nur Anordnung/ daß alles zur Reiſe verfertiget werde/ wie es unſer
Hocheit gebuͤhret; Wir werden dieſen Fuͤrſten zuehren uns uͤber unſere Gewohnheit klei-
den (dann dieſer Kaͤyſer ſtets in ſchlechten Kleidern auffgezogen kam) zweifeln auch nit/
unſere Fr. Mutter werde die Muͤhe zur Reiſe gerne uͤber ſich nehmen. Wie ſie dann ſich
willig darzu erboht. Dieſen Abend muſten Klodius und Markus bey dem Kaͤyſer Mahl-
zeit nehmen/ die nicht unterlieſſen/ ihrer Herren Ruhm und Tahten zuerzaͤhlen/ inſonder-
heit was von ihnen in Schlachten und abſonderlichen Kaͤmpffen vorgangen wahr; da al-
le anweſende wuͤnſcheten/ Herkules moͤchte den ungeheuren Gamaxus zum ſchauen mit
uͤbergebracht haben. Des folgenden Morgens legten ſie ihre Werbungen und überge-
brachte Sachen/ anfangs bey dem damahligen Roͤmiſchen Biſchoff Urban ab/ nachge-
hends bey Sabihn und Galehn/ endlich auch bey Herrn Zinna/ welcher ſich zugleich freue-
te und ſchaͤmete/ daß der hochberuͤhmte Herkules ſein ehemaliger Oedemeier und Leibei-
gener waͤhre; wie nicht weniger ſein Gemahl und Tochter/ welche die uͤbergeſchikte koͤſtli-
che Sachen mit groſſem Dank annahmen/ wiewol die gute Frau ſich ſehr unmuhtig be-
fand/ daß Herkules geheirahtet/ und vor dieſem ſie mit Vorſchuͤtzung ſeiner Unmoͤgligkeit
abgeſpeiſet haͤtte/ daher ihr unmoͤglich wahr/ ſich bereden zulaſſen/ daß ſie mit ihrem Ge-
mahl und Stief Tochter nach Padua auff die Hochzeit gezogen waͤhre/ ſondern wendete
eine eꝛtichtete Leibesſchwacheit ein/ uñ blieb daheim. Nun haͤtte Klodius mit ſeinen Freun-
den und Anverwanten/ denen ſeine Eheliebſte groſſe Verehrungen taht/ ſich gerne noch
eine zeitlang ergetzet/ aber ſeinen Herren die gebuͤhrliche Traͤue zuerweiſen/ nam er des an-
dern Morgens nach ſeiner Ankunfft von ihnen Abſcheid/ und verließ/ daß ſie mit ſeiner Lie-
beſten und mit Markus nach Padua uͤberkommen ſolten; machte ſich mit 12 Reutern ge-
ſchwinde fort/ umb zuberichten/ daß Kaͤyſerl. Hocheit mit einer groſſen Geſelſchaft ſich bey
der Hochzeit wuͤrde finden laſſen. Gleich da er zu Padua in der Morgenſtunde ankam/
ward dem Stathalter daſelbſt die Zeitung gebracht/ Herr K. Pompejus Stathalter von
Elia oder Jeruſalem/ waͤhre ausgeſtiegen/ und kaͤhme mit Gutſchen und beladenen Wa-
gen an; deſſen Fr. Lukrezie ſich herzlich erfreuete/ erhielt auch leicht/ daß die geſamte Fuͤrſt-
liche Geſelſchafft ſich in einerley trefliche Kleidung ausputzeten/ und ihm entgegen zogen.
Herkules und Ladiſla macheten das erſte; Baldrich und Siegward das andere; Arbianes
und der junge Fabius (der ſchon abweſend in den Roͤmiſchen Raht erkohren wahr; das
dritte; Skaurus und Pupienus das vierdte Glied. Ihnen folgeten vier kleine ſtatliche
Reit Gutſchen; In der erſten wahr die Groß Fuͤrſtin und Lukrezie; In der andern Fr. So-
phia und Sibylla; In der dritten Fr. Urſul und Helehn; In der vierden Beata/ Gallus
Ehe Liebſte und Lektoria/ Lukrezie aͤdle Leib Jungfern/ mit den beyden jungen Herrlein/ Her-
kuliſkus und Herku Ladiſla. Ihnen folgeten 50 Teutſche und Boͤhmiſche Reuter in trefli-
cher Zierde/ welche von Leches und Neda gefuͤhret wurden. Da ſie eine groſſe Teutſche
Meile von Padua wahren/ ſahen ſie den Stathalter von ferne daher fahren/ ſtiegen von
ihren Pferden und Gutſchen/ und nahmen ihre Gemahlen bey der Hand/ mit denen ſie
ſanfftmuͤhtig fortgingen; welches Fr. Terenzia erſehend/ zu ihrem Gemahl ſagete: Ach
mein Gott/ dort kommen unſere Kinderchen her; ſtiegen auch herunter/ und begegneten
c c c iijihnen
[390]Sechſtes Buch.
ihnen zu fuſſe. Als ſie aneinander gerieten/ umfing Herr Pompejus zu anfangs Her-
kules und deſſen Gemahl; hernach Ladiſla und Frau Sophien/ ihres Wolergehens ſich
hoch erfreuend; als er aber an Baldrich und ſeine liebe einige Tochter kam/ ergriff ihm
ſein Schwieger Sohn die Hand/ kuͤſſete dieſelbe mit groſſer Ehrerbietung/ und ſagete:
Hochanſehnlicher Herr Stathalter/ Gn. Herr Vater; nachdem der Almaͤchtige
GOtt nach ſeiner gnaͤdigen Verſehung/ Euer Liebe wolerzogene Tochter/ mein gelieb-
tes Gemahl mir zugefuͤhret hat/ als bitte ich ſehr und kindlich/ Eure Liebe wollen vor
ihren Sohn mich annehmen/ und dabey ſich verſichern/ daß mit kindlichem Gehor-
ſam meinen hochwirdigen Schwieger Eltern/ und herzlicher Traͤue gegen meinen teure-
ſten Ehe Schaz/ ich Zeit meines Lebens mich werde finden laſſen. Herr Pompejus um-
fing ihn freundlich/ bedankete ſich des hohen erbietens/ und gab ihm ſeine Tochter an die
Hand mit dieſen Worten: Ich habe meiner Fr. Tochter/ der Durchl. Groß Fuͤrſtin die-
ſes mein liebes einiges Kind uͤber geben/ welche dann freilich ſie an keinen unwirdigen hat
verheyrahten wollen; und was vor einen angenehmern Schwieger Sohn koͤnte mir Gott
zuſchicken/ als eben den/ der mit dem teuren Groß Fuͤrſten Herrn Herkules unter einem
Herzen geruhet hat/ und daher nicht anders ſeyn kan/ er muß in anſehung deſſen/ nichts als
alles loͤbliches an ſich haben/ wie er dañ ſolches in errettung meiner geliebten Waſen uͤbeꝛ-
fluͤſſig erwieſen hat. Lukrezie ſetzete ſich vor ihrem Vater in die Knie/ bedankete ſich Kind-
lich dieſer vaͤterlichen einwilligung/ küſſete ihn hernach/ und ſagete: Gn. herzallerliebſter
Herr Vater; nachdem die Durchl. Groß Fürſtin von mir begehret hat/ dieſem werten Fuͤꝛ-
ſten vor meiner lieben Eltern ankunft mich ehelich zuergeben/ hoffe ich/ ſie werden keinen
unwillen deßwegen auff mich werffen. Meine Fr. Tochter/ die Durchl. Groß Fürſtin hat
es ſehr wol geordnet/ ſagte der Vater; weil nach der Gemuͤhter vereinigung nichts heilſa-
mers noch ſicherers/ als die Heyraht iſt/ und merke ich wol/ nachdem dirs mit Groß-
Fuͤrſt Herkules gefehlet/ hat es gleichwol niemand anders als deſſen Herr Bruder ſeyn
ſollen. Der barmherzige Gott verleihe dir ſeine Gnade/ daß du dich gebuͤhrlich gegen ihn
zu halten wiſſeſt/ und goͤnne mir den Tag/ an welchem ich meine hochgewuͤnſchete Kindes-
kinder ſehen moͤge. Hierauff empfing er die uͤbrigen auch/ da inzwiſchen Fr. Terenzia von
der Groß Fuͤrſtin und den andern ſehr freundlich gewilkommet ward/ welche/ da ſie an ihre
liebſte Tochter geriet/ die Traͤhnen haͤuffig vergoß/ ihr umb den Hals fiel/ und aus muͤtter-
licher neigung ſagete: Mein allerliebſtes Kind/ es gehet mir zwar ſehr nahe/ daß ich dich ſo
weit von mir hinweg ſchicken mus; jedoch iſt mirs eine ſondeꝛliche herzens freude/ daß du
in die Verwandſchaft deren auffgenommen biſt/ welche dir die allerliebſten in der Welt
ſind. Herzgeliebete Fr. Mutter/ antwortete ſie/ es iſt ebenwol auch meine groͤſſeſte beküm-
mernis/ daß ich euch ſo ferne ſeyn mus/ doch koͤnnen wir ja noch zu zeiten beyeinander ſeyn;
vordißmahl aber wollen wir ſolche traurige Gedanken bey ſeit legen/ und unſere Freude
durch die Traͤhnen nicht ſtoͤren/ ſondern zu meinem liebſten Fuͤrſten und Gemahl treten/
damit er euch ſeine Fr. Mutter auch kennen und ſprechen moͤge. Baldrich trat gleich her-
zu/ ſetzete ſich auff ein Knie vor ihr nieder/ welches aber weder ſie noch Lukrezie gedulden
wolte/ und ihn wieder auffhuben/ da die Mutter ihn in die Arme nam/ und aller muͤtterli-
chen Liebe und Traͤue ſich erboht. Er hingegen wuſte ihr dergeſtalt mit lieblichen reden zu
begeg-
[391]Sechſtes Buch.
begegnen/ daß ſie ihre Tochter wegen dieſer Heyraht gluͤkſelig ſchaͤtzete. Nach geendigtem
umbfangen/ ſetzeten ſie ſich wieder auff/ und muſte H. Pompejus zwiſchen Ladiſla und Her-
kules reiten/ Lukrezie aber vergeſelſchaftete ſich mit ihreꝛ Mutter/ und berichtete ſie alles deſ-
ſen/ was bißher vorgangen wahr/ zeigete ihr auch die Beinnarbe/ welche ich/ ſagte ſie/ zum
ſtetswehrenden Zeichen und unabloͤſchlichem Gedaͤchtnis meines herzliebſten Gemahls
und ſeiner ungefaͤrbeten Liebe tragen wil. Alſo zogen ſie auff Padua zu/ uñ wurden daſelbſt
von neuen wol empfangen/ woſelbſt ſie des Kaͤyſers ankunft erwarteten/ und alles Koͤnig-
lich anordnen lieſſen/ dann ſie wolten das Hochzeitfeſt in dem neuerbaueten Hofe halten/
deſſen Gemaͤcher mit den koſtbahreſten Perſiſchen Tüchern behaͤnget wurden/ und beſtelle-
te der Stathalter auff Herkules erſuchen/ daß in allen Flecken und Staͤdten eine Tagereiſe
nach Rom hin/ reitende Diener heimlich befehlichet wurden/ des Kaͤyſers ankunft mit
ſchnellen Pferden nach Padua zuberichten. Zween Tage vor der angeſezten Hochzeit kam
Zeitung/ der Kaͤyſer in Geſelſchaft 30 Gutſchen und 300 Pferde/ wuͤrde drey groſſer Mei-
len von Padua das Nachtlager halten/ daher macheten ſich Herkules und Ladiſla mit den
dreyen Fuͤrſten zu rechter Zeit auff/ ihm eine gute Meile von der Stad zubegegnen/ da ſie
eine Reuterey von 150 Mann mit ſich nahmen. Herkules und Ladiſla ritten vorne an/ ih-
nen folgeten die drey Fuͤrſten/ und zwar Arbianes in Mediſcher Kleidung/ denen Klodius
und Prinſla in vollem koͤſtlichen Reitharniſch nachritten; aller naͤheſt hinter denen/ 150
Boͤmiſche aͤdelknaben/ in ihren rohten Scharlaken Manteln mit Golde reichlich verbre-
met; zulezt wahren Leches und Neda/ welche obgedachte wolbewapnete Reuterey fuͤhre-
ten/ und auff ihren Helmen allemiteinander die allerſchoͤnſten langen ſchneweiſſen Feder-
buͤſche aufgeſtecket trugen. Die vier Fuͤrſten wahren gleich gekleidet in Perſiſchem Guͤl-
den Stuͤk/ mit herlichen aͤdelgeſteinen beſetzet/ die einen groſſen Schein von ſich gaben.
Auff ihren Huͤten hatten ſie weiſſe Federbuͤſche/ an welchen trefliche Kleinot geheftet wah-
ren. Der Kaͤyſer wahr der Hofnung/ ſeine ankunft wuͤrde zu Padua ungemeldet ſeyn/ doch
auff wiedrigen fall hatte er ſich uͤber ſeine Gewohnheit herlich angelegt/ und in eine verdec-
kete Gutſche ſich geſetzet/ vor welcher 50 Mann her ritten/ und 250 hinten nach folgeten.
Nun wurden die Vorreuter der unſern in ihreꝛ ſchim̃ernden Kleidung von ferne gewahꝛ/
jedoch unwiſſend/ wer ſie ſeyn moͤchten/ meldeten es dem Kaͤyſer an/ und fuͤhreten ihm ſei-
nen hochmuhtigen Hengſt zu/ auff welchen er ſich ſetzete/ und zween Hoffjungkern an die
unſern abſchickete/ mit freundlicher Frage/ ob ſie von Padua kaͤhmen; denen Herkules zuꝛ
Antwort gab; Ja/ ſie als fremde/ die ſich zu Padua eine Zeitlang auffgehalten/ waͤhren ih-
rer Kaͤyſerlichen Hocheit ankunft inne worden/ haͤtten demnach/ ihre Schuldigkeit abzu-
legen/ deroſelben auffwaͤrtig entgegen reiten wollen. Dieſe jageten ſchleunig zuruͤk/ und uͤ-
berbrachten ſolche Antwort/ daneben vermeldend/ es ſaͤhen die vier erſten den Goͤttern aͤhn-
licher als den Menſchen/ inſonderheit der/ ſo ihnen die Antwort gegeben. Alſo zweifelte der
Kaͤyſer nicht mehr an der Warheit/ ritte ſanftmuͤhtig f[o]rt/ und ſahe mit groſſer verwun-
derung an/ was geſtalt Herkules ſeinen Blaͤnken tummelte/ und wie artige Spruͤnge das
Pferd ſehen lies; biß ſie etwa auff 50 Schritte beyſam̃en wahren/ da ſprungen unſere Fuͤr-
ſten ab von ihren Pferden/ entbloͤſſeten die Haͤupter/ und erzeigeten dem Kaͤyſer ſehr groſſe
Ehrerbietung; und als ſie ſo nahe kamen/ faſſeten ſie ſeinen Stegrieff an/ welches er ihnen
doch
[392]Sechſtes Buch.
doch nicht zulaſſen wolte/ ſondern einem nach dem andern die Hand ſehr freundlich boht/
die von ihnen hoͤflich gekuͤſſet ward. Nach ſolcher verrichtung traten ſie etliche Schritte
zuruͤk/ und fing Herkules dieſe Rede an: Großmaͤchtigſter unuͤberwindligſter Kaͤyſer/ gnaͤ-
digſter Herr; niemahls iſt von meinem Geſellen Ladiſla und mir/ groͤſſere Undankbarkeit
begangen/ als die eurer Kaͤyſerl. Hocheit wir leider haben ſehen laſſen müſſen/ in dem vor
die hohe unverdienete Gnade und Ehre/ uns vor zweien Jahren angetahn/ eurer Hocheit
wir uns zu Rom nicht dargeſtellet/ umb/ den hoͤchſt ſchuldigen Dank in etwas blicken zu-
laſſen/ welchen gaͤnzlich abzulegen/ unſer vermoͤgen viel zu unvermoͤgen iſt. Wann wir dañ
dieſes unſer verbrechen billich und willig erkennen/ auch ihrer Hocheit hoͤchſtruhmwirdi-
ge Sanftmuht und Guͤtigkeit uns wol bewuſt iſt/ als bitten wir untertaͤhnigſt/ dieſen unſern
groben Fehler uns gnaͤdigſt zu uͤberſehen/ inſonderheit/ weil zwar unſer Herz hierzu ganz
willig und bereit wahr/ und nur durch den unvermuhtlichen Verluſt meiner Frl. Waſen/
jetzigem Gemahl hinterkrieben/ und biß auff dieſe unſere Wiederkunft auffgeſchoben ſeyn
müſſen. Da wir gleichwol nicht willens geweſen ſind/ dieſe eurer Kaͤyſerl. Hocheit eigen-
tuͤhmliche Laͤnder zuverlaſſen/ ehe und bevor wegen empfangener hohen Kaͤyſerl. Gnade/
vor eurer Hocheit/ wir uns zu Rom wuͤrden eingeſtellet/ uñ nach aͤuſſerſtem/ wiewol ſchwa-
chen vermoͤgen/ unſere untertaͤhnig-dankbegierige herzen ausgeſchüttet haben. Weil aber
ſolches anjezo hieſelbſt geſchehen kan; ſey eurer Kaͤyſerl. Hocheit vor die unerhoͤrte hoͤchſt
milde Kaͤyſerliche Gnade und Guͤte von uns untertaͤhnig Dank geſaget; und ob ſolche
wir gleich nimmermehr erſetzen koͤnnen/ wollen dannoch eurer Kaͤyſerl. Hocheit/ wir/ uñ
gegenwaͤrtige/ mein Oheim Siegward und Bruder Baldrich/ Fürſt- und traͤulich ange-
loben/ daß wir Zeit unſers Lebens ſeyn und bleiben wollen/ vor unſer Haͤupt/ eurer Kaͤyſerl.
Hocheit ergebene Knechte/ und in kuͤnftiger Herſchung/ Freunde des Roͤmiſchen Reichs/
dergeſtalt/ daß wir alles/ was Teutſche/ Boͤmiſche und Schwediſche Freiheit nicht bricht/
dem Roͤmiſchen Reich zugefallen tuhn/ gegen deren Feinde (die nicht unſere eigene Lands-
leute oder Bundgenoſſen ſeyn moͤchten) auff begehren hülffe leiſten/ und Zeit unſers Le-
bens alle Teutſchen/ Boͤhmen und Schweden/ von aller feindſeligkeit wieder den Roͤmi-
ſchen Nahmen/ nach vermoͤgen abhalten wollen; ſolten auch in unſern Koͤnigreichen/ Fuͤr-
ſtentuͤhmern und Herſchaften einige Roͤmiſche Leibeigene und Gefangene ſich befinden/
wollen wir dieſelben entweder ohn entgelt/ oder doch durch unſere Koſten loßmachen/ und
biß an die Roͤmiſchen Grenzen ſicher geleiten laſſen/ auch im uͤbrigen uns dergeſtalt bezei-
gen/ daß eure Kaͤyſerl. Hocheit unſere willige begierde zur dankbarkeit/ ob Gott wil/ ſpuͤren
wird. Nach geendeter Rede/ traten ſie wieder hin zu dem Kaͤyſer/ uñ kuͤſſeten ihm die Haͤn-
de demuͤhtig. Der Kaͤyſer ſaß als ein Verzuͤcketer auff ſeinem Roſſe; bald betrachtete er
Herkules Schoͤnheit/ bald ſeine ſuͤſſe beredſamkeit/ bald das hohe Lob ſeiner herlichen Tah-
ten in dieſer Jugend/ da ihm der Bart erſt zu wachſen anfing; bald erwog er ihreſaͤmtliche
Fuͤrſtliche Geberden/ friſche unerſchrockene Angeſichter/ und anmuhtige funkelnde Augẽ/
und antwortete endlich mit ſanftmuͤhtiger Stimme: Ihr Durchleuchtige Fuͤrſten und
hochgepreiſete Helden/ die ihr der ganzen Weltſcheinet zu dienſte gebohren ſeyn; was ge-
brauchen eure Liebdẽ vor entſchuldigung? ja was klagen ſie ſich einiger undankbarkeit an
mit Worten/ und erzeigen nicht deſto minder in der Taht viel groͤſſeren Dank/ da ſie gar
keinen
[393]Sechſtes Buch.
keinen ſchuldig ſind? Eure Dienſte und Woltahten/ durch preißwirdige tapfere beſtreit-
und vertilgung der verſchwornen Raͤuber/ dem Roͤmiſchen Reiche erzeiget/ deren auch
eurer Liebden Herrn Bruder und Oheim neulich teilhafftig worden ſind/ haben Ehre und
vergeltung verdienet/ und zwar ein mehres/ als bißher geſchehen iſt; und dannoch muͤſſen
wir uns noch durch ſchwere laſten/ eurer in Aſien erſtrittenen Schaͤtze uͤberladen laſſen/ deſ-
ſen unſere Fr. Mutter und wir/ uns nicht unbillich beſchweren; welches auff beſſere gele-
genheit ſol ausgeſetzet ſeyn. Die angebohtene Freundſchaft und Verbuͤndnis nimt dz Roͤ-
miſche Reich willig und mit auffrichtigem Heꝛzen an/ erklaͤret euch/ eure Koͤnigreiche/ Fuͤꝛ-
ſtentuͤmer und Herſchaften nochmahl vor freie Freunde/ und beut euch wieder eure Fein-
de/ die nicht unter Roͤmiſchen Schuz gehoͤren/ Huͤlffe und beyſtand an/ inſonderheit/ weil
eure Liebden durch Roͤmiſche heyrahten/ wozu wir Gluͤk/ Heyl und Segen wünſchẽ/ ihre
Freundes-Gemuͤhter gegen das Roͤmiſche Reich zur gnuͤge erſcheinen laſſen. Wir werdẽ
uns aber in dieſer unſer Beredung unter dem freien Himmel maͤſſigen/ und nach Padua
uns erheben/ das hinterſtellige daſelbſt zuverrichten. Begehrete hierauff/ daß unſere Fuͤr-
ſten ſich wieder zu Pferde ſetzen moͤchten/ mit Vorwendung/ es unvonnoͤhten geweſt waͤh-
re/ daß ſie davon abgeſtiegen. Ladiſla winkete ihren Pferdeknechten/ da zween ſtarke Teut-
ſchen Herkules Blaͤnken leiteten/ der ſich uͤberaus unbaͤndig ſtellete/ daß deꝛ Kaͤyſer fuͤrch-
tete/ er wuͤrde ſeinen Reuter nicht auffſteigen laſſen; welcher aber hinzu trat/ und ihm ei-
nen Streich mit der Geiſſel uͤber die Lenden gab/ welches das Pferd geduldig litte/ und ſich
wie ein Lamb oder Hund von ihm ſtreicheln ließ. Der Kaͤyſer fragete Ladiſla/ was art die-
ſes Pferd waͤhre; dem er zur Antwort gab: Der Groß Fuͤrſt aus Meden/ des gegenwaͤr-
tigen Fuͤrſt Arbianes Herr Vater haͤtte es eine zeitlang im Stalle gehabt/ aber wegen ſei-
ner halsſtarrigen Unbendigkeit nie gebrauchen koͤnnen/ biß ſeine Frl. Schweſter/ dazu-
mahl unter 16 Jahren ihres Alters/ es gebendiget und zuerſt beritten; nach deren Abſchied
es vorige Wildheit wieder angenommen/ biß ſein Bruder Herkules es zum ſonderlichen
Geſchenke von hochgedachtem Groß Fuͤrſten bekommen/ und es unter dẽ Sattel gebracht/
wiewol es noch dieſe Stunde keinen Menſchen/ als dieſe beyden ſeine erſten Reuter auff-
ſitzen lieſſe. Der Kaͤyſer hoͤrete ſolches mit Verwunderung an/ ſahe unterdeſſen fleiſſig zu/
wie artig Herkules hinauff ſprang; da das Pferd wegen ſeines aͤdlen Reuters mit ſolchẽ
Stolze die Fuͤſſe warff/ ſich richtete/ und zierliche Spruͤnge verrichtete/ an denen doch das
allergeringſte nicht zutadeln wahr. Es wolten zwar unſere Helden hinter dem Kaͤyſer her-
reiten/ aber ſie muſten ihm zur Seite bleiben/ und ihn zwiſchen ſich nehmen/ und folgeten
die drey Fuͤrſten allernaͤheſt nach/ da es allerhand freundliche Geſpraͤch unter ihnen gab/
und ihnen der Kaͤyſer ſein Verlangen nach ihrer Kundſchafft wiſſen ließ/ mit dem erbie-
ten/ er wolte ihnen aus ſeinen Landſchafften gerne ein Heer von 50000 und mehr/ in Per-
ſen zugeſchikt haben/ da er nur ihre Meynung haͤtte wiſſen moͤgen. Eine halbe Meile von
der Stad kahmen die beyden Stathalter/ Fabius und Pompejus mit dem treflichſten Pa-
duaniſchen Adel ihm entgegen/ und geleiteten ihn biß vor den neuen Hoff/ weil unſere Fuͤr-
ſten ihn umb ſolche Ehre ſehr hart anlagen/ und er viel lieber ſie alsbald mit ſich auff das
daſelbſt in der Stad belegene Kaͤyſerliche Schloß gefuͤhret haͤtte. Die Groß Fuͤꝛſtin Va-
liſka mit ihrer Fuͤrſtlichen Geſelſchafft/ ſtunden hauſſen vor des Hofes Tohr in praͤchtigeꝛ
d d dKlei-
[394]Sechſtes Buch.
Kleidung/ den Kaͤyſer daſelbſt zuempfahen/ welcher ſie erſehend/ zu Herkules ſagete: Ge-
liebter Herr Bruder/ die Goͤtter haben in Warheit Euer Liebe ein wirdiges Gemahl zu-
gefuͤhret; Und als er merkete/ daß ſie ihm entgegen trat/ ſtieg er vom Pferde/ ging zu ihr
hin/ und empfing ſie ſehr hoͤflich; Wir erfreuen uns/ ſagte er/ wegen Euer Liebe gluͤklichen
Errettung/ heiſſen ſie hieſelbſt freundlich wilkommen/ und erbieten uns zu aller angeneh-
men Freundſchafft. Die Groß Fuͤrſtin neigete ſich ſehr tieff vor ihm/ und antwortete: Eu-
re Kaͤyſerl. Hocheit ich unwirdige Dienerin/ bedanke mich dieſer gar zu hohen Gnade in
Untertaͤhnigkeit/ verbleibe derſelben in Ehren gehorſamſte/ demuͤtig bittend/ dieſelbe wol-
len meinem Bruder/ Gemahl und Oheimben mit Kaͤyſerl. Hulde allezeit gewogen ver-
bleiben. Der Kaͤyſer erboht ſich abermahl zu aller bruͤderlichen Freundſchafft/ und geleite-
te die Groß Fuͤrſtin in den Hoff auff den groſſen Gaſt Saal/ dem Herkules mit Frau So-
phien/ Ladiſla mit Fr. Lukrezien/ und Baldrich mit Fr. Sibyllen folgeten. Jedoch baht das
Fuͤrſtliche Frauenzimmer umb gnaͤdigſten Urlaub/ wieder hinunter zutreten/ und die Kaͤy-
ſerliche Fr. Mutter zuempfahen/ welches er auff vielfaͤltiges anhalten ihnen endlich erlaͤu-
bete. Dieſe anſehnliche Frau hatte ſich über Herkules hoͤchlich verwundert/ und in offenem
Felde ihn zu aller gnuͤge beſchauet; aber da ſie die Groß Fuͤrſtin ſahe/ fing ſie zu ihrem
Frauenzimmer an: Ich habe nimmermehr geglaͤubet/ daß ſolche Volkommenheit unter
der Sonnen anzutreffen waͤhre/ und iſt das groͤſte Wunder/ daß dieſer Schoͤnheit eine ſo
unglaͤubliche Herzhafftigkeit und Liebe zu den Waffen beywohnet. Sie ſtieg ab von ihrer
Gutſche/ und ging ihr entgegen/ da die Groß Fuͤrſtin ſie mit dieſer Rede empfing: Groß-
maͤchtige Frau/ gnaͤdigſte Fr. Mutter; Woher hat ihre unwirdige Dienerin dieſe hohe
Gnade verdienet/ daß von ihrer Vortrefligkeit ſie dieſes Orts beſuchet wird? viel billicher
haͤtte mir gebuͤhren wollen/ Ihrer Hocheit zu Rom auffzuwarten/ und daſelbſt zu ihrem
Dienſte mich einzuſtellen; weil aber meiner gnaͤdigſten Fr. Mutter es gefallen/ der ange-
ſezten Hochzeit mit ihrer hoͤchſtanſehnlichen Gegenwart/ die treflichſte Zierde zuerteilen/
bedanken wir anweſende uns davoꝛ untertaͤhnig/ mit demuͤhtiger Bitte/ dieſelbe wolle uns
kuͤhnlich anbefehlen/ worin unſere Dienſte koͤnnen angenehm und behaͤglich ſeyn. Durch-
leuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ antwortete Fr. Mammea/ ich habe nie laͤngere Zeit/ als auff die-
ſer Reiſe zwiſchen Rom und Padua gehabt/ wegen des groſſen verlangens/ welches nach
ihrer Liebe Kundſchafft mich hat ſehnen gemacht/ erfreue mich ſehr/ daß ich ihr Angeſicht
gegenwaͤrtig ſehe; bedanke mich wegen gar zu groſſer übermachten Geſchenken/ deren ich
mit gutem fuge mich zubeſchweren haͤtte/ und erbiete mich zu allen moͤglichen und muͤtteꝛ-
lichen Liebe Dienſten/ hoͤchlich bittend/ Ihre Liebe wollen hin fort mit dergleichen gar zu ni-
dertraͤchtigen Bezeigungen mich nicht mehr beſchimpffen/ dafern ſie mir ſonſt nicht ver-
argen wil/ daß ich ihr den lieben Tochter Nahmen gebe. Umfing ſie hierauff gar freund-
lich/ wie imgleichen die uͤbrigen drey Fuͤrſtinnen/ und ging mit ihnen auff den Saal/ wo-
ſelbſt der Kaͤyſer ihr Sohn ſich mit den Fuͤrſten beſprachete/ von denen ſie daſelbſt ſehr
hoͤflich empfangen ward. Fuͤrſt Siegward und der junge Fabius empfingen die uͤbrigen
Roͤmiſche Herren; der erſte wahr M. Klodius Pupienus Maximus/ dazumahl ſitzender
Buͤrgemeiſter zu Rom; der ander Herr Kaſſius Dio/ Roͤmiſcher Feld Herr. Ihm folgete
Herr M. Fabius/ welcher Siegwarden von dem jungen Fabius gezeiget ward; daher die-
ſe bey-
[395]Sechſtes Buch.
ſe beyden ſich vaͤter- und kindlich empfingen/ und einer an dem andern gutes genügen hat-
ten. Nach ihm kam Herr Aquilius/ Frl. Virginien Vater/ ein maͤchtiger Roͤmer/ und
nach ihm noch 16 andere Roͤmiſche Herren/ unter denen auch Zinna/ Herkules ehmahli-
ger Herr wahr. Zulezt kahmen Klodius Schwaͤger mit Markus/ und endlich Sabinus
mit Galehn/ welche beyde/ Herkules und Ladiſla Bildniſſen am Halſe trugen/ die ihnẽ neu-
lich geſchicket wahren. Hierauff folgete das Roͤmiſche Frauenzimmer; die Fraͤulein zu-
erſt/ unter denen Frl. Kordula/ des Roͤmiſchen Buͤrgemeiſters Pupienus Tochter/ und
Frl. Virginia/ H. Aquilius Tochter den Vorgang hatten; hernach Frl. Felizitas/ des
anweſenden Herrn Lollianus Tochter/ und Frl. Benigna/ des jungen Sulpitius Braut;
nach ihnen noch 14 hochaͤdle Roͤmiſche Fraͤulein/ unter denen auch Frl. Zezilia/ Herrn
Zinna Tochter wahr. Hinter ihnen her gingen die Roͤmiſche Frauen/ unter welchen die
dritte Fr. Plazida wahr/ Herr M. Fabius Gemahl/ die mit ihrem lieben Schwieger-
Sohn unter dem empfangen auch die erſte Kundſchafft machete. Sonſten ward dieſes
ſaͤmtliche Frauenzimmer auff dem Saal von unſern Fuͤrſtinnen auffs neue gewilkom̃et/
da Sibylla von ihrer Mutter mit Freuden Traͤhnen umfangen ward. Noch ehe man ſich
zum eſſen ſetzete/ begab ſichs/ dz Herr Dio mit Ladiſla zum abſonderlichen Geſpraͤche kam/
welcheꝛ zu ihm ſagete: Hochwerter Herr/ Euer Liebe Diener/ der ehmalige Winnibald/
erinnert ſich billich der hohen Befoderung/ ihm in Erloͤſung ſeines lieben Freundes des
Oedemeiers erzeiget/ und verpflichtet ſich zu ihrer Liebe angenehmen freundſchafft. Dio
ſahe ihn an/ erkennete auff ſolche Erinnerung ihn alsbald/ und fing an: Wie dann/ Groß-
maͤchtiger Koͤnig/ iſt dann Eure Hocheit ſelbſt der Manfeſte Ritter und Sieger Winni-
bald/ dem auch unter dieſem Nahmen das Roͤmiſche Reich/ wegen Erlegung des Panno-
niſchen Trotzers ſchuldig iſt? gewißlich hat Eure Durchl. ihr ſelbſt groß unrecht getahn/
daß dieſelbe ihren Koͤniglichẽ Stand uns allen verborgen gehalten/ uñ von einem ſchlech-
ten Reuter Haͤuptman ſich befehlichen laſſen. Ladiſla gab zur Antwort; ſeines liebſten
Freundes Oedemeiers/ gegenwaͤrtiges Groß Fuͤrſten Herkules damahliger knechtiſcher
Zuſtand haͤtte es nicht anders leiden wollen. Der Kaͤyſer hoͤrete dieſe Reden/ und gewan
Luſt/ es ausfuͤhrlich zuvernehmen; weil aber die Tiſche mit Speiſe ſchon beſetzet wahren/
machte man ſich hinzu/ ſo daß bey dem erſten niemand als Fr. Mammea/ Valiſka/ So-
phia/ der Kaͤyſer/ Herkules/ Ladiſla/ Buͤrgemeiſter Pupienus/ und der Feld Herr Dio ge-
ſetzet wurden. Den andern nahmen Lukrezie und ihre Mutter; Sibylla und ihre Mutter;
Baldrich und Siegward mit ihren Schwieger Vaͤtern ein. Bey dem dritten funden ſich
Arbianes und Kordula; Skaurus und Helena; Pupienus und Virginia; der junge Fa-
bius und Fr. Urſula. Darauff folgeten vier lange Tiſche/ deren zween mit Frauenzim̄er/
und zween mit Herren beſetzet wurden. Bey den uͤbrigen Tiſchen ward keine ſonderliche
Ordnung in acht genommen. Vor dem oberſten Tiſche warteten Klodius und Leches ne-
beſt Euphroſynen und Agathen auff/ und hatten Boͤhmiſche aͤdelknaben hinter ſich ſtehẽ/
welche das Geſchir von ihnen nahmen. Zeitwehrender Mahlzeit erſchallete allerhand
Seitenſpiel; da etliche wol abgerichtete Knaben mit drein ſungen. Nach abgetragenen
Speiſen hielt Herr Pompejus eine trefliche Rede an Kaͤyſerl. Hocheit/ und deren Frau
Mutter/ in welcher er ſich vor ihre allergnaͤdigſte Gegenwart im Nahmen der jungen E-
d d d ijheleu-
[396]Sechſtes Buch
heleute und ſaͤmtlichen Anverwanten untertaͤhnigſt bedankete; wie imgleichen hernach
M. Fabius an die Roͤmiſche und andere anweſende Herren und Frauenzimmer ein glei-
ches verrichtete; Nach deſſen Endigung die Groß Fuͤrſtin dem Kaͤyſer Fuͤrſtin Lukrezien
zuführete/ den erſten Ehren Tanz mit ihr zuhalten; wobey der Kaͤyſer ihr eine freye Bitte
gab; worzu nach geſchehener Dankſagung/ ſie 24 Stunden Bedenkzeit baht. Den an-
dern Tanz hielt Herkules mit Sibyllen; den dritten Ladiſla mit Helenen; den vierden
Baldrich mit Frl. Kordula; den fuͤnfften Siegward mit Frl. Virginia; den ſechſten
Skaurus mit Frl. Luzilla Antenoria; den ſiebenden der junge Pupienus mit Frl. Felizi-
tas; den achten Sulpitius mit ſeiner Benigna. Es wahr aber Kordula mit einem Roͤ-
miſchen Ritter/ nahmens M. Zelius Balbinus/ des Roͤmiſchen Buͤrgemeiſters/ D. Ze-
lius Balbinus Bruder ehelich verſprochen/ welcher erſt folgendes Tages ſich einſtellete/
und ritte Prokulus der Roͤmer in ſeiner Geſelſchafft unerbehten mit/ des Vorſatzes/ ſich
an Baldrich und Siegward zuraͤchen/ daß ſie ihm die beiden Fraͤulein ſo ſtilſchweigens
vor der Naſe/ wie er vorgab/ hinweg gefreiet haͤtten/ deren eine nach freier Wahl er geſin-
net geweſen zuheyrahten. Unter dem Tanzen ſaß der Kaͤyſer bey Ladiſla/ und hatten ihre
Unterredung von Herkules/ inſonderheit von ſeiner Knechtſchafft zu Rom/ da der Kaͤyſer
ſich nicht muͤde hoͤren kunte/ dann er wahr unſerm Herkules dermaſſen gewogen/ daß er
mit den Gedanken umging/ ihn vor einen Neben-Kaͤyſer zuerklaͤren/ welches er ihm noch
deſſelben Abends durch den Stathalter zu Padua antragen ließ; Er aber lehnete ſolches
demuͤtig ab/ vorgebend/ er befuͤnde ſolche Wirdigkeit und Vermoͤgen bey ihm gar nicht/
haͤtte auch kein belieben einige Herſchafft anzutreten/ ſondern/ wo moͤglich/ ſein Leben in
ſtiller Ruhe zuzubringen; deſſen der Kaͤyſer ſich zum hoͤchſten verwunderte. Fuͤrſtin Si-
bylla wahr dieſen Abend ſehr bemuͤhet/ wie ſie ihrem Oheim Pupienus Frl. Virginien gu-
ten Willen erwuͤrbe/ fuͤhrete ihr ſein trefliches Herkommen/ adeliche Sitten/ hochberuͤm-
te Tapfferkeit und groſſen Reichtuhm zu gemuͤhte/ beklagete ſein Elend/ in welchem er we-
gen ihreꝛ Haͤrtigkeit ſein Leben fuͤhrete/ ruͤhmete ſeine getraͤue Liebe gegen ſie/ uñ baht durch
ihre Schweſterliche Vertrauligkeit/ ihm die wolwirdige Gunſt mitzuteilen. Das Fraͤu-
lein gab ihr alles gerne nach/ ohn das lezte/ ſagte ſie/ waͤhre ihr unglaͤublich/ daß er einige
Liebe zu ihr tragen ſolte/ nachdem alle mahl/ wann er mit ihr redete/ ſeine Worte ſo kalt und
unzierlich ſich vermerken lieſſen/ als ob er mit einer unwertẽ ſprachete/ oder auf eine andeꝛe
gedaͤchte. Ach herzliebe Schweſter/ antwortete ſie/ wie faͤlſchlich urteileſtu von der Liebe;
maſſen eben dieſe ungereimete Reden vielmehr ſein verliebetes Herz als abgekehreten Siñ
anzeigen/ wie ich an meinem herzgeliebeten Gemahl mehr als einmahl erfahren habe; vor-
nehmlich/ ehe und bevor er meiner Gegenliebe voͤllig verſichert wahr. Erzaͤhlete hiemit/
wie ſchwermuͤhtig er dieſe Tage zugebracht/ und alle luſtige Kurzweile gemieden/ auch im
Baumgarten hin und wieder an die jungen Baͤume den Nahmen Virginia mit verdec-
keten Zuͤgen eingeſchnitten/ und manniches Geticht ihr zuehren und Liebe auffgeſetzet haͤt-
te; deſſen ich dir/ ſagte ſie/ einen guten Beweißtuhm auffzulegen habe/ weil ich deren un-
terſchiedliche ihm heimlich abgenommen/ und wo mir recht iſt/ noch eines bey mir habe/
welches ich geſtern Abend auff ſeinem Gemache fand; zohe hiemit daſſelbe hervor/ und
gabs ihr zuleſen/ deſſen Inhalt dieſer wahr:


Vir-
[397]Sechſtes Buch.
VIrginia! O maͤſſiget die Strahlen/

Den hellen Glanz/ dem keiner ſonſtẽ gleicht;

Vor welchem ſelbſt des Himmels Schein erbleicht/

Wie feurig ihn gleich Sonn und Sternen mahlẽ.

Ich muß ohndas den Frevel teur bezahlen/

Den Frevel/ der verwaͤgen nach euch ſtreicht/

Und dannoch als unwirdig ſich verkreucht/

Wie hoch er bey ſich ſelber auch mag pralen.

Ach aͤdles Bild/ wie offters nam ich mir

Die Kuͤhnheit/ euch mein Leid zuklagen/ fuͤr;

Und habe doch vor Furcht und ſcheuh nicht koͤnnen

Ein einzig Wort aus meines Herzen Schrein

Loßdruͤcken/ dann die klaren Augelein

Verblenden mir Vernunfft und alle Sinnen/ ꝛc.

Nach Veꝛleſung ſagte ſie: Ach meine Herzen Schweſter/ es iſt gewißlich eine andere Vir-
ginia als ich/ deren Augen er alhie ſo heftig anklagete; dann verſichere dich/ daß ich ihm die
meinen niemahls recht gegeben/ ſondern ſie allezeit niedergeſchlagen/ wann er mit mir ge-
ſprachet hat. Nicht alſo meine Schweſter/ antwortete Sibylla/ rede nicht ſo veraͤchtlich
von dieſem vornehmen Herꝛn; es verdienet ſolches weder ſein Adel/ nach welchem er dir
gleich iſt/ noch ſein aufrichtiges Gemuͤht/ welches ihn dir ganz unterwirffet; und kan ich
wol ſchwoͤren/ dz ſo ein hartverliebeter mir zeit meines lebens nit vorkommen iſt. Schaue
doch/ bitte ich/ wie er dorten ſitzet/ uñ ſich mit Grillen ſchlaͤget/ da er vor dieſem ein ſo freier
luſtiger Menſch wahr/ der ganze Geſelſchaften froͤlich machen kunte. Verzeihe mir Frau
Schweſter/ gab ſie zur Wiederantwort/ da meine Worte zu weit gangen ſind; die warheit
aber ohn Scherz zu reden/ kan ich die Einbildung nicht faſſen/ daß er auf mich ſolte ein ſon-
derliches abſehen haben; aber das weiß ich wol/ daß vor dieſem das gute Fraͤulein Perilla
ſeinet wegen manniche heiſſe Traͤhnen vergoſſen/ und ihn doch zu keiner Liebe hat bewaͤgen
koͤnnen/ biß ſie endlich des bittern Todes druͤber ſeyn muͤſſen. Hierumb habe ich gute Wiſ-
ſenſchaft/ ſagte Sibylla/ aber wie kanſtu/ geliebete Schweſter/ ihm ſolches ſo verkehrt aus-
legen/ da er bloß umb deiner Liebe willen dieſes Fraͤulein verachtet hat? Vielmehr ſolteſtu
daher ein unfehlbares Kennezeichen ſeiner aufrichtigen Traͤue nehmen/ und ihm ſolches
hinwiederumb genieſſen laſſen. Fr. Schweſter/ antwortete ſie/ es haͤtte Herr Pupienus einẽ
beſſern Voꝛſprach in ganz Rom nicht angetꝛoffen/ als eben dich/ ſo dz ich faſt zweifeln muß/
ob ich dir auch meines Herzen Gedanken offenbahren darf. Zweifelſtu an meiner Traͤue/
ſagte Sibylla/ ſo handelſtu wider Schweſterliche Aufrichtigkeit; Was bißher ich vorge-
bracht/ iſt nicht mehr ihm als dir zum beſten geſchehen; dann wer iſt in Rom deiner mehr
wirdig/ als eben Herr Pupienus? daher ich nicht abſehen kan/ auß was urſachen du ihm
ſo gar ungnaͤdig biſt. Die Urſach kan ich dir leicht ſagen/ antwortete ſie: Ich habe mich
berichten laſſen/ er habe anfangs das gute Frl. Perilla mit ſuͤſſen Worten zu ſeiner Liebe ge-
reizet/ und ſie hernach gehaſſet/ da ſie ſich nach ſeinen Willen nicht hat wollen auffs Eyß
leiten laſſen. Daß mirs nun nicht eben alſo wiederfahre/ habe ich vor ſicherer gehalten/ ihn
zu meiden/ als mich in Gefahr zu ſetzen/ dann du weiſt/ wie leicht zu Rom ein Fraͤulein an-
ruͤchtig werden kan. Wie aber? ſagte Sibylla/ wann ich meinen Glauben vor ihn ſetze/ nit
allein/ daß er dir nimmermehr untraͤu werden ſol/ ſondern auch/ daß er mit dergleichen ge-
danken niemahls umgangen iſt; Ja verſichere dich/ Herzen Schweſter/ daß ich ihn viel zu
ſcharf auf die bewehrung geſetzet habe/ in dem ich ihm zu unterſchiedenen mahlen die treff-
lichſten Fraͤulein vorgeſchlagen/ aber mit ſo groſſem ſeinen Unwillen/ daß er daher meines
Geſpraͤchs ſich zuentaͤuſſern angefangen; ſagte mir auch duͤrre in die Augen/ eine einzige
nur lebete in ſeinem Herzen/ die uͤbrigen waͤhren ihm alle tod. Solches betrachte doch/
d d d iijbitte
[398]Sechſtes Buch.
bitte ich freundlich/ uñ laſſe ihn meiner Vorbittegenieſſen. Das Fraͤulein laͤchelte hierauf/
und antwortete: Ich glaͤube ſchier/ Herzen Fr. Schweſter/ du duͤrffteſt mich gar bereden
wollen/ daß ich hin zu ihm lieffe/ und ihm meine Liebe und Hulde anboͤte; haſtu es dañ mit
deinem Fuͤrſten auch ſo gemacht/ ſo muß das Paduaniſche Brod dein Gemuͤht gar ver-
endert/ und auß einer ſchamhaften die allerverwaͤgenſte gemacht haben. Uber das kan ich
ja Herrn Pupienus nicht ins Herz ſehen/ oder aus ſeinem ſtilleſchweigen vernehmen/ wie
er mir gewogen ſey; befinde ich aber dereins ſeine Anwerbung alſo beſchaffen/ daß ich ver-
wahret bin/ werde ich wiſſen mich zu erklaͤren/ daß du mit mir guten Frieden haben ſolt;
dann meine Eltern haben mir freie Wahl gegeben/ einen Braͤutigam zukieſen/ und weiß
ſchon wol/ daß ihnen keiner ſo angenehm/ als eben dieſer ſein wuͤrde. Hieraus vernam Si-
bylla/ daß das Herz ſchon gewonnen wahr/ baht demnach/ ſie moͤchte bey dieſem Vorſaz be-
ſtendig bleiben; es würde Pupienus/ dafern er Ehrerbietung halben nur koͤnte/ ſein ganzes
Herz vor ihr außſchuͤtten. Sie ſuchete darauf gelegenheit/ mit ihm zureden/ und erinnerte
ihn/ wie ſehr er geirret haͤtte/ in dem er ihm ſo wiedrige Gedanken von dem Fraͤulein einge-
bildet; der ganze mangel laͤge an ihm ſelbſt/ weil er gar zu bloͤde mit ihr uͤmgangen/ und ſich
gar zu ſehr gedemuͤtiget haͤtte; ſolte demnach mit vernuͤnftiger und beſcheidener Herzhaf-
tigkeit ſich zu ihr machen/ und am gluͤklichen Fortgange nicht zweifen. Pupienus ging auf
ſolche Rede in ſich ſelber/ erkennete den Sachen zu wenig und zu viel getahn haben/ und be-
dachte ſich in kurzer friſt/ was geſtalt er forthin ſich verhalten wolte. Hierzu ward ihm nun
gute anlaß an die Hand gegeben/ dann Fr. Sophia foderte ihn auff/ mit dem Fraͤulein zu
tanzen/ welches er ſehr wol verrichtete/ nachgehends ſie wieder an ihren Ort fuͤhrete/ und
ſich/ weil Raum gnug da wahr/ zu ihr niederſetzete/ ſuchete auch gelegenheit/ auff ſeine Liebe
zukommen/ wozu ſie ſelbſt ihm gute Anleitung gab/ indem ſie ihn fragete/ wie ihm die Pa-
duaniſchen Fraͤulein gefielen/ welche ihrer Urtel nach/ den Roͤmerinnen in vielen ſtuͤcken es
zuvor taͤhten; und ob er ſeinem Oheim Herrn Skaurus nicht folgen wolte/ dem/ wie der
Ausgang bezeugete/ kein Roͤmiſches Fraͤulein gut gnug geweſen/ und daher ſeine Liebe bey
dem vortreflichen Fraͤulein/ Frl. Helenẽ nidergelaſſen haͤtte/ als welcher/ muͤſte ſie geſtehẽ/
nicht bald eine Roͤmerin an Schoͤnheit uñ hoͤflichen geberden gleich waͤre. Pupienus ant-
wortete ihr: Hochgebornes Fraͤulein/ ich habe mich wegen meines Oheims Skaurus umb
zweyerley hoch zuverwundern; als vor erſt um ſeine ſchleunige Eꝛklaͤrung/ dz/ da er nie der
Liebe ſich angenom̃en/ eꝛ ſo geſchwinde uñ in eines Tagesfꝛiſt ſich ſeinẽ Fꝛaͤulein eꝛgebẽ hat.
Virginia fiel ihm in die Rede/ und antwortete; Solches waͤhre hoͤchlich an ihm zu loben/
maſſen ihrer viel etliche Jahr lang mit deꝛ Wahl zubraͤchten/ und dannoch unter tauſenden
ihnen nicht eine gerecht waͤhre; dieſe/ ſagte ſie/ iſt ihnen zu lang; jene zu kurz; dieſe zu feiſt;
jene zu mager; dieſe zu roht/ jene zu bleich; dieſe zu freundlich/ jene zu ſaur; dieſe lachet zu
viel/ jene mutzet zu ſehr; ja es magsleicht ein Haͤrlein an ihr verſehen/ welches ſie der Liebe
unwert machet; aber dieſe Wahl-Hanſen trift doch zu lezt die bahꝛe bezahlung/ daß ſie dem
Gluͤke noch darzu danken/ wann ſich eine uͤber ſie erbarmet/ und die eheliche Liebe ihnen nit
verſaget. Seid aber gebehten/ Herr Pupienus/ ſagte ſie/ und laſſet mich das andere auch
wiſſen/ deſſen ihr euch wegen Herr Skaurus ſo hoch verwundert. Gar willig mein Fraͤu-
lein/ antwortete er; nur daß ich zuvor ihre Urtel beſtaͤtige/ und allen ſolchen Waͤhlern das
zeit-
[399]Sechſtes Buch.
zeitliche und ewige Ach und Weh wuͤnſche. Was ich nun weiter an meinem Oheim in veꝛ-
wunderung zihe/ iſt noch das vornehmſte/ nehmlich die unbegreifliche Gluͤkſeligkeit/ die in
dem heyrahten ihm zugeſtoſſen; geſtaltſam ſein anſuchen ſo ſchleunig ſtat gefunden/ daß
wie er des ſpaͤten Abends umb Liebe anhielt/ er des folgenden Tages des Beylagers geweh-
ret ward. Solches hat ſein getraͤues Herz verdienet/ antwortete ſie; dann wie haͤtte ſein
Fraͤulein ehrenhalben anders gekunt/ als einem ſolchen auffrichtigen Liebhaber ſich gerne
zu goͤnnen/ deren es in der Welt zu dieſer Zeit ſehr wenig gibt; ja ſie ſind ohn zweifel ſelza-
mer als die Feurrohte Schwanen und graßgruͤne Raben. Pupienus ließ uͤber ſolche Re-
den einen tieffen Seufzer aus/ und ſagete: O ihr Goͤtter! wie faͤhret das Gluͤk auff dieſer
Welt ſo gar wunderlich! Skaurus muß vor einen volkommenen Liebhaber ausgeruffen
werden/ und hat ſeinem Fraͤulein ſeine Liebe zu offenbahren kaum Zeit gehabt/ ehe er ins
Ehebette getreten iſt. Hingegen/ wie mannichen vergeblichen gang habe ich unſeliger tuhn
muͤſſen/ und nicht eins einen guͤtigen Anblik erhalten koͤnnen. Ich weiß nicht/ mein Fraͤu-
lein/ warumb dieſelbe ihres ergebenen Dieners bißher ſo wenig geachtet/ oder nur nicht
wahrgenommen hat/ welcher doch bereit und willig iſt/ ihretwegen den Tod mit froͤlichem
Herzen anzutreten. Zwar ſeine unwirdigkeit iſt ihm wol bewuſt/ aber wo wil dann mein
Fraͤulein noch endlich denſelben antreffen/ der ſich ihrer wirdig ſchaͤtzen darf? ich ſage noch
mehr/ und kan bey meinen ritterlichen ehren dartuhn/ daß nie keines Menſchen Liebe mein
Herz beruͤhret/ ich geſchweige/ beherſchet hat/ als deren ich mich einmahl ergeben. Kan
nun deren zuneigung von mir durchaus nicht gewonnen werden/ ſo wil und muß ich auch
zufrieden ſeyn; nur iſt auff ſolchen Fall mein einiger Wunſch/ daß ſie mir eine ſchleunige
Urtel ſprechen wolle/ damit ich wiſſe/ ob hinfuͤro das Leben oder der Tod mich beherſchen
ſol. Erhoͤret ſolches/ bitte ich/ mein Fraͤulein/ und gebet nicht zu/ daß ein Knecht deßwegen
ſterben muß/ daß er ſeinem Herrn gar zu traͤulich gedienet hat. Hiemit ſchwieg er/ und ſa-
he ſie inniglich an/ daß ſie ſeine Stralen nicht ertragen kunte/ daher ſie anfangs zu ihm ſa-
gete: Ich bitte euch/ Herr Pupienus/ maͤſſiget euch in anſchauung meines bloͤden Ange-
ſichts/ damit die Anweſenden nicht geꝛeizet weꝛden/ nur allein nach uns umzuſehen. Eure
beſchwerung betreffend/ weis ich ſolche nicht zubeantworten/ weil dieſelbe mir Boͤmiſche
Doͤrffer ſind/ und mir dieſes Fraͤulein ganz unbekant iſt/ deren unbarmherzigkeit ihr ſo hef-
tig anklaget. Solte ich aber meine meynung anzuzeigen Freyheit haben/ halte ich davor/
Frl. Perilla ſuche ihre billiche Rache/ als deren Liebe ihr ſo gar verſchmaͤhet/ daß ſie den
Tod druͤber leiden muͤſſen. Dafern nun dem alſo iſt/ ey ſo laſſet euch dieſes nicht befremdẽ/
daß es euch zu Hauſe gebracht wird; ſeid aber nicht ſo einfaͤltig/ wie dieſes gute Fraͤulein/
ſondern gebrauchet euch guter Freunde. Sehet da/ ich wil mich gerne bemuͤhen/ euren
Schaz zubereden/ daß ſie forthin nicht ſo ſtraͤnge mit euch verfahren/ noch Frl. Perillẽ Tod
raͤchen ſol. Der gute Pupienus meinete nicht anders/ als ſein Herz muͤſte ihm wegen ſol-
cher Rede zuſpringen/ lies etliche tieffe Seuffzer/ und ſagete: O ſo ſey es dem Himmel ge-
klaget/ daß wegen meiner auffrichtigen Traͤue ich heut muß gerechtfertiget werden. Glaͤu-
bet mir doch/ mein Fraͤulein/ daß kein Ding in der Welt meine Liebe zu Perillen gehindert
hat/ als daß mein Herz ich ſchon einer andern geſchenket/ und daruͤber durchaus nichts
mehr zubefehlen hatte/ ſo gar/ daß wann 100000 Perillen geweſen waͤhren/ und haͤtten
mich
[400]Sechſtes Buch.
mich in 1000000 Stuͤcke zerleget/ wuͤrde doch ihrer keine ein Sonnen Staͤublein davon
zu ihrer Liebe erhalten haben/ nachdem ich mit Leib und Seel einem Fraͤulein ergeben bin/
die ich ungleich hoͤher/ als hundert tauſend Perillen ſchaͤtze; ja bey der ich viellieber Tod als
bey jener lebendig zu ſeyn begehre. So verzeihet mir nun/ mein Fraͤulein/ daß ich der Pe-
rillen/ wann ſie neigung zu mir ſolte getragen haben/ nicht gehorſamen/ noch ein gleiches
darbieten koͤnnen/ weil einer viel groͤſſeren Gewalt ich mich ſchon unterworffen hatte/ und
derſelben zuwiederſtehen/ viel zu ſchwach und unvermoͤgen wahr/ die ich dannoch lieber/ als
einiges in der Welt uͤber mich genommen/ welches mich dann nit gereuen ſol/ ob ich gleich
gar darunter erſticken müſte. Ich weis dieſes nicht zubeantworten/ ſagte Virginia/ weil
ſolches/ dermaſſen bey euch guͤltige Fraͤulein mir gar unbekant iſt/ ich auch von ſolcher be-
gebenheit allerdinge unberichtet bin/ wie mir dann nicht geziemet nach der verliebeten Zu-
ſtande zu forſchen/ und daher nicht weis/ ob dieſes Fraͤulein euch troſt und vergnuͤgung ab-
oder zugeſaget habe. Pupienus/ auff Sibyllen Rede ſich ſteurend/ wolte nicht laͤnger un-
term Huͤtlein ſpielen/ und fuhr alſo fort: Hochwertes Fraͤulein; ich ihr getraͤueſter Die-
ner bitte von grund meiner Seele/ ſie wolle doch dereins die auffrichtigkeit ihres ganz erge-
benen Pupienus erkennen/ welche er zu ihrer vortrefligkeit bißher ohn einiges wanken ge-
tragen. Und warumb verſtellet ſie mir ihre wiſſenſchaft ſo gar/ als ob ſie davon biß an dieſe
Stunde keine nachricht haͤtte? glaͤubet doch/ auserwaͤhlete Seele/ daß ſie/ ja allein ſie/ in
mein Herz geheftet iſt/ deren allergeringſtes Haͤaͤrlein der jezgedachten Perillen kein einiges
ſtellichen hat einraͤumen koͤnnen oder wollen/ obs gleich ohn ihrer Liebe bewuſt oder einwil-
ligung ſolte geſchehen ſeyn. O viel zu ein ſtumpfer Stachel iſt Perilla/ daß derſelbe den teu-
ren und werten Nahmen Virginia aus meiner Seele kratzen ſolte. Iſt es nun moͤglich/
auserwaͤhltes Fraͤulein/ daß mit ihrem guten Willen dieſer ſuͤſſe Nahme in meinem her-
zen wohnen kan/ ey ſo erfreuet und vergnuͤget doch endlich euren ergebenen Diener mit ſo
angenehmer Zeittung. Wo nicht/ ſo laſſet ihn doch auffs wenigſte eure unuͤberwindliche
ungewogenheit anhoͤren/ auff daß er daraus das Werkzeug hervor ſuche/ welches den gar
zu groſſen Frevel abſtraffe/ der mein Herz ſo verwaͤgen gemacht hat/ ſich zur Wohnung de-
ren zubereiten/ die nach ihrer wirdigkeit zuurteilen/ viel ein wirdigers verdienet uñ heiſchet.
Scheuhet euch nur nicht/ mich alsdann die Urtel hoͤren zulaſſen/ die ich weder vor unrecht
erkennen/ noch ihr mich entzihen wil. Als er dieſe Rede geendiget/ und das Fraͤulein ſich in
ihrem Herzen ſchon erklaͤret hatte/ wie ſie dieſe Werbung beantworten wolte/ kam Sibylla
darzu/ und fragete/ was ihres langweiligen/ ihrem bedünken nach/ ſchwermuͤhtigen Ge-
ſpraͤchs Inhalt doch waͤhre. Worauff das Fraͤulein zur Antwort gab: Herzgeliebete Fr.
Schweſter; du weiſt/ wie vertraulich wir von Kindesbeinen auff miteinander umbgangẽ
ſind/ und ich nichts unter meinem Herzen haben koͤnnen/ daß dir haͤtte muͤſſen verſchwiegen
bleiben; warumb ſolte ich dann einiges Geſpraͤch mit dieſem oder jenem halten/ davon ich
dich ausſchlieſſen koͤnte? viel weniger werde ich unſer leichten beredung/ in welchem nur
kurzweilige Auffzuͤge enthalten ſind/ das allergeringſte verbergen? und weil dich geluͤſtet es
zu wiſſen/ ſo hat Herr Pupienus dein Oheim mich anjezt mit einem Roͤmiſchen Herrn ge-
ſchoſſen/ da ich ihm dann mit etwa einem Paduaniſchen Fraͤulein wieder zutreffen/ mich
unter-
[401]Sechſtes Buch.
unterſtehen wil; wuͤſte es aber nicht gewuͤnſchter auszufuͤhren/ als wann du mir dieſelbe
zeigen wolteſt/ mit welcher ſeine Liebe dieſe Zeit uͤber/ die langeweile hingebracht hat; und
wird ja dieſelbe ohn allen zweiffel hieſelbſt ihm zugefallen eingeladen und erſchienen ſeyn/
ob er gleich umb verdacht zu meiden/ ſich ihr nicht nahen wil. Die unbetriegliche Sibylla
hielt dieſes vor wahr/ und ſchickete ſich ſchon/ ihren Oheim zuentſchuldigen/ ward aber von
Fr. Sophien abgefodert/ nach ihrer Fr. Mutter zukommen/ die auff der Steige ohngefehr
einen Fuß verrenket hatte/ welcher ihr doch bald wieder eingerichtet ward/ wiewol ſie noch
groſſe ſchmerzen daran empfand. So wolte nun Virginia dem huͤlfbegierigen Pupienus
den Troſt laͤnger nicht verſagen/ uñ gab ihm dieſe Antwort: Mein Herr/ ſagte ſie/ ich ſchaͤtze
mich unwirdig der Ehren/ die in ſeiner/ wie ich hoffe/ ehrliebenden Anwerbung er mir zu-
geleget/ bin auch zu dieſem unverantwortlichen Stolze von meinen lieben Eltern nicht an-
gewieſen/ daß ich hohen Roͤmiſchen Herrn ohn einrede/ ſich vor meine Diener anzugeben/
goͤnnen oder zulaſſen ſolte. Eurer Liebe hoher Adel und beſchriehene Tugend iſt miꝛ ja nicht
unbekant/ und daß er in beyden/ keinem Roͤmer bevor gibt; ſo vernehme ich nun meines
Herrn begehren an mich/ wie auch ſein getahnes erbieten/ zu aller auffrichtigen getraͤuen
Liebe/ welchem mit hochmuͤhtigem Undank zubegegnen ich keine Urſach habe/ viel weniger
daß ich mich unterſtehen ſolte/ ihm eine oder andere eingefuͤhrete Urtel zuſprechen/ nach-
demmahl ich uͤber ihn nicht zugebieten habe. Hat nun die gute Perilla meinetwegen/ wie
ich anjezt vernehme/ umbſonſt lieben/ und daß mehr iſt/ ſterben muͤſſen/ iſt mir zwar von her-
zen leid/ jedoch eurer Liebe zuvergelten/ daß ſie mich unwirdige allen anderen vorzeuhet/
achte ich mich ſchuldig/ und gebe demnach eurer Liebe volkommene Gewalt/ mit meinen lie-
ben Eltern deßwegen zu handeln/ was vor mein Haͤupt ich biß an derſelben einwilligung
annehme/ unter der gebuͤhrlichen Dankſagung/ daß eure Liebe mich vor andere hat zu ſei-
nem kuͤnftigen Gemahl waͤhlen und erkieſen wollen; gelebe auch der Hoffnung/ dieſelbe
werde hinfort ſich uͤber meine haͤrtigkeit zubeklagen auffhoͤren/ auch ein weiteres an mich
nicht begehren/ inbetrachtung/ daß ich ein Fraͤulein/ und dem Willen und Geboht meiner
lieben Eltern unterworffen bin. O wie eine unverſehene Freude entſtund hiedurch
in dem Herzen dieſes Verliebeten. Er haͤtte ihr gerne die Haͤnde zur Dankbarkeit ge-
kuͤſſet/ aber wegen der Anweſenden muſte er einhalten/ entſchuldigte ſich demnach bey ihr/
daß ihm die Gelegenheit benommen waͤhre/ ſein dankbahres und mit freuden angefuͤlletes
Herz ſehen zu laſſen; verſprach ihr auffs neue alle auffrichtige Liebe biß an ſein Ende/ und
brachte ihr unvermerket ein Ringelein an ihren Finger/ welchen zubehalten ſie ſich doch
wegerte/ mit hoͤflicher Zucht einwendend/ ſie haͤtte faſt ſchon über Jungfraͤuliche Gebuͤhr
ſich heraus gelaſſen/ und muͤſte ihre Beruffung auf ihre Eltern nur ein lehrer Schein ſeyn/
wann ſie durch Ringe-nehmen ſich ihm ganz verpflichtet machete; wil aber mein Herr
ſein Vorhaben beſchleunigen/ ſagte ſie/ kan er leicht Gelegenheit finden/ meinen Herr Va-
ter deswegen anzureden/ deſſen Erklaͤrung mich dieſen Ring entweder zunehmen oder
auszuſchlagen heiſſen wird. Der gute Pupienus baht ſeiner Unbedachtſamkeit Verzei-
hung/ wolte in ſo gutem Anfange keine Zeit verſpillen/ und ſuchete Gelegenheit/ mit Herrn
Aquilius zureden. Sein guter vertraueter Freund Skaurus wuſte ſein anliegen ſehr wol/
und trug groß Mitleiden mit ihm/ weil er ſich befuͤrchtete/ es moͤchte endlich ſeine gar zu
e e eheffti-
[402]Sechſtes Buch.
hefftige Liebes-Einbildung zur Vernunfft-loſen Raſerey ausſchlagen; welchem uͤbel vor-
zubauen er gleich dieſe Stunde ihm vorgenommen hatte/ wo moͤglich/ die Heyraht bey der
Fraͤulein Eltern zubefodern/ redete damnach mit Herr Aquilius auff dieſe weiſe: Es fuͤn-
de ein vornehmer tapfferer Roͤmiſcher Herr/ ſehr hohes Adels und groſſer Guͤter/ ſich ge-
gen ſeine Frl. Tochter in allen Ehren auffs hefftigſte verliebet/ ſo gar/ daß/ wo ihm dieſe
Heyraht nicht gelingen wuͤrde/ derſelbe in Lebensgefahr ſtuͤnde/ wolte demnach vor ſein
Haͤupt Herrn Aquilius hiemit freund- und gebuͤhrlich erſucht haben/ daß wann derſelbe
verliebete ſich bey ihm angaͤbe/ er ihm gewierige Antwort wiederfahren laſſen moͤchte/ dañ
er wolte hieſelbſt ſeine Ehre und Redligkeit verbuͤrgen/ daß derſelbe ſolcher Gunſt und Hei-
raht wirdig waͤhre. Nun wahr zu Rom ein vornehmer junger Herr/ Nahmens Kajus
Julius Silanus/ dem Aquilius uͤber die maſſe gewogen wahr/ uñ ihn gerne zum Tochter-
Mann gehabt haͤtte/ und weil derſelbe mit Skaurus zimlich nahe befreundet/ ſtund dieſer
ganz in den Gedanken/ er redete von niemand anders/ als von dieſem; daher er Skaurus
dieſe Antwort gab: Mein Herr und wahrer Freund/ weil ich keines weges zweifele/ er ſu-
che nicht weniger meines lieben Kindes/ als ſeines guten Freundes beſte/ ſo wil ich ihm
hiemit die Verheiſſung getahn haben/ daß wann derſelbe/ wer es auch ſeyn mag/ ſich ge-
buͤhrlich melden wird/ ich mich dergeſtalt heraus laſſen werde/ daß er damit wird koͤnnen
friedlich ſeyn. Gingen hierauff von einander/ und wahr Skaurus bedacht/ ſeinem lieben
Freunde Pupienus folgenden Morgens die angenehme Zeitung vorzutragen. Derſelbe
nun geriet bald darauff an Herrn Aquilius/ und gab ihm mit ehrerbietigen Worten zu
vernehmen/ was geſtalt ſeine Seele ſich in ſeine herzgeliebete einzige Frl. Tochter ehren-
gebuͤhrlich verliebet haͤtte/ und ſein hoͤchſter Wunſch/ ja alle ſeine Gluͤkſeligkeit auff dieſer
Heiraht beſtuͤnde/ baͤhte demnach/ er wolle ihn wirdigen/ vor einen Schwieger Sohn an-
zunehmen/ des wolte er hinwiederumb ſich in allem moͤglichen Gehorſam finden laſſen.
Herr Aquilius entſetzete ſich der ganz unvermuhtlichen Anwerbung/ und ob ihm gleich deꝛ
eingebildete Silanus ſehr angenehm wahr/ ſchaͤtzete er doch Pupienus (wie ers auch waꝛ)
viel hoͤher/ ſo daß ihn der Zuſage ſchon gereuete/ welche er Skaurus getahn hatte/ und als
er ſo ſchleunig ſich nicht zubeſinnen wuſte/ gab er ihm zur Antwort/ er moͤchte von Herzen
wuͤnſchen/ daß vor einer halben Stunde er dieſen ſeinen Vorſaz gewuſt haͤtte/ damit er ihn
deswegen gebuͤhrlich haͤtte koͤnnen befriedigen/ welches nunmehr ſchwerlich wuͤrde geſche-
hen koͤnnen/ nachdem gleich jetzo Herr Skaurus vor einen andern Anwerbung getahn/ und
das Jawort von ihm erhalten haͤtte. Dieſer meinete ſolcher Antwort wegen/ teils vor be-
truͤbniß/ teils vor Eifer in die Erde zuſinken/ nam ihm auch vor/ ſich an Skaurus zuraͤchẽ/
oder daruͤber zuſterben; welches bald ins Werk zurichten/ er den jungen Fabius erſuchete/
ſeinet wegen mit Skaurus zureden/ und ihm anzumelden/ daß weil er ihm durch vorſezli-
che Abſpenſtigung deſſen/ das ihm am liebſten in der Welt waͤhre/ gar zu grob beleidiget
haͤtte/ muͤſte er ſolches alsbald durch einen Kampff auff Leib und Leben mit ihm austragẽ.
Fabius hoͤrete ſolches ungerne/ und baht/ ihm der Sachen etwas beſſern Bericht mitzu-
teilen; kunte aber ein mehres nicht aus ihm kriegen/ als daß Skaurus es am beſten wuͤrde
anzeigen koͤnnen; ging auch hiemit gleich hin zu dem Fraͤulein/ und ſagete: Mein allerteu-
reſter Lebens- und Seelen Schaz; nachdem das neidiſche Gluͤk gleich dieſe Stunde durch
Getrieb
[403]Sechſtes Buch.
Getrieb eines falſchen Freundes mich aller Hoffnung/ ſie von ihren Eltern zuerlangen/
entſetzet hat/ ſo wil durch Auffopfferung meines Blutes ich ein unfehlbahres Zeichen mei-
ner unbruͤchigen redlichen Traͤue hinter mir verlaſſen/ welches entweder durch des Ver-
raͤhters/ oder durch mein einiges Schwert muß verrichtet werden/ und quaͤlet dieſes mei-
ne Seele am allerheff[t]igſten/ daß nach meinem Tode ein ander eingeſchlichener deſſen ge-
nieſſen ſol/ weſſen er nicht wirdig iſt. Das Fraͤule in entſetzete ſich dieſer Rede/ erhohlete
ſich doch ſo beſt ſie kunte/ und gab ihm zur Antwort: Mein Herr; er uͤberſchnelle ſich nit/
ſondern ſtelle ſeine Geiſter in Ruhe/ und verſichere ſich/ daß meine ihm getahne Zuſage ich
ſo feſt halte/ als waͤhre die Heiraht ſchon volzogen; dafern er mich auch wiſſen laſſen kan/
was es eigentlich iſt/ daß ihn ſolcher geſtalt verwirret/ werde ich mich bemuͤhen/ ſein unge-
nehmes zuhintertreiben. Ach mein Fraͤulein/ antwortete er/ wie kan ich immermehr dieſes
erbieten und ihre Redligkeit vergelten/ deren ich nicht wirdig bin? Zeigete ihr hierauff ih-
res Vaters Rede an/ woruͤber ſie ſich dergeſtalt bewaͤgete/ daß ſie ſich nicht enthalten kun-
te alſo zuantworten. Ich hoffe ja nicht/ daß mein Vater durch Zauber Kunſt eingenom-
men ſey/ mich/ bloß auff Skaurus anſuchen/ wider meinen Willen zuverſprechen. Seyd
ihr aber getroſt mein Herr/ und zugleich verſichert/ daß ich eurer getraͤuen Liebe die ſchul-
dige Vergeltung leiſten wil/ ſolte gleich mein Herr Vater zu einem andern Vornehmen/
welches ich doch ſchwerlich glaͤuben kan/ verleitet ſeyn/ dann ich verlaſſe mich in dieſem
Stuͤk auff meiner gnaͤdigſten Frauen/ Fr. Mam̄een Hulde/ welche an mir keinen Zwang
wird veruͤben laſſen/ wann gleich 20 Skauruſſen darhinter ſtecketen. Werdet ihr mir nun
verſprechen/ ruhig zuſeyn/ und vor meiner Wiederkunfft nichts taͤhtliches vorzunehmen/
wil ich gleich hingehen/ und meines Vaters Vorhaben eigentlich ausforſchen. Der jun-
ge Fabius wolte die Ausfoderung an Skaurus ſo bald nicht gelangẽ laſſen/ ging aber doch
zu ihm/ und ſuchte Gelegenheit nachzufragen/ ob er mit Herr Pupienus in Unwillen ge-
rahten waͤhre/ wie man ihm ſolches gleich jezt haͤtte wollen einbilden. Welches er mit ei-
nem lachen beantwortete: Ihre Freundſchafft waͤhre feſter gegruͤndet/ als daß ſie koͤnte
getrennet werden. Wie aber/ ſagte Fabius/ wann etwa Luͤgen Maͤuler euch ſuchten anein-
ander zuhetzen? Die muͤſten druͤber zu ſchanden werden/ antwortete er. Wol wol/ mein
Bruder/ ſagte Fabius/ ſo vernehme ich ſchon/ daß er an aller Beleidigung ſeines Freun-
des unſchuldig iſt/ die ihm etwa mag eingebildet ſeyn/ und bitte ſehr/ er wolte ſich nichts
irren laſſen/ ob Herr Pupienus aus Unwiſſenheit einigẽ Zorn wuͤrde merken laſſen. Skau-
rus erſchrak deſſen/ und baht ihn/ ſich nach Gewißheit zubemuͤhen/ damit allerhand Unge-
legenheit vermieden wuͤrde. Als das Fraͤulein ihrem Vater durch ihre Leibdienerin ſagen
ließ/ ſie haͤtte nohtwendig mit ihm zureden/ kam er alsbald zu ihr in ein Neben Gemach/ da-
hin ſie Fuͤrſtin Sibyllen mit ſich gefuͤhret hatte/ und trug dem Vater ohn alle furchtſame
Bezeigung dieſes vor: Geliebter Herr und Vater/ ob ich gleich ſchuldig bin/ euch allen
kindlichen Gehorſam zuerzeigen/ ſo wil euch doch nicht geziemen/ meine Wolfahrt und
Freiheit in Skaurus Haͤnde zuſtellen/ worzu ich denſelben viel zu wenig ſchaͤtze; ſolte euch
aber einige Neigung darzu verleittet haben/ ſo beruffe ich mich auff meine gnaͤdigſte Frau
Mutter/ Fr. Mammeen; welche meine freiheit gebuͤhrlich ſchuͤtzen und handhaben wird.
Der Vater haͤtte ſie gerne mit harten Worten angegriffen/ aber der Kaͤyſerlichen Frau
e e e ijMut-
[404]Sechſtes Buch.
Mutter Gewalt und bekanter harte Zorn ſchreckete ihn abe/ daß er ſich eines andern be-
dachte/ und ihr zur Antwort gab: Mein Kind/ was ich getahn habe/ iſt zu deinem beſten ge-
ſchehen/ kanſtu nun ſolches nicht erkennen/ und wilt dich meiner vaͤterlichen Gewalt entzi-
hen/ muß ichs dahin laſſen geſtellet ſeyn/ wiewol ich ein ſolches umb dich nicht verſchuldet
habe. Herzlieber Herr und Vater/ antwortete ſie; ich unterwerffe mich eurem Gehorſam/
in aller Moͤgligkeit/ aber dem ſtolzen Skaurus meine freiheit zuuͤbergebẽ/ iſt mir ungleich
beſch werlicher als der Tod. Ich bitte aber kindlich/ mir zuoffenbahren/ was vor einen Ge-
mahl mir derſelbe zugedacht habe. Hier ſtutzete ihr Vater/ und antwortete: Die reine
Warheit zuſagen/ hat er mir denſelben nicht genennet/ jedoch mir denſelben alſo beſchrie-
ben/ dz ich gaͤnzlich muhtmaſſe/ er habe alles ſein abſehen auf den jungen Herrn Silanus.
Das Fraͤulein ſtund und ſahe Sibyllen ſtarre an/ welche gleich muhtmaſſete/ ſie wuͤrde mit
Pupienus ihres Dinges ſchon eins worden ſeyn; miſchete ſich deswegen mit in ihr Ge-
ſpraͤch/ und ſagte zu Aquilius: Mein Herr Vetter/ es iſt zumahl kuͤhn gehandelt (verzei-
het mir dieſe meine Kühnheit) eine Tochter/ ja ſeine eigene wolgerahtene zuverſprechen/
ehe der Freyer genennet wird. Das Fraͤulein fing hierauff an zuweinen/ und ſagte: Mein
Herr Vater/ ſeyd ihr meiner dann ſo müde und überdruͤſſig/ ſo haͤttet ihr michs billich wiſ-
ſen laſſen/ alsdann wolte ich dieſe Reiſe wol geſparet haben. Ey was koͤnte es ſchaden/ ſag-
te Sibylla/ wann ich mich mit einmengete/ und meinen Oheim Skaurus darzu hielte/ miꝛ
den Freyer zunennen/ und ſeiner empfangenen Volmacht ſich zubegeben. Es ſtehet dir ſol-
ches frey Herzen Fr. Schweſter/ ſagte das Fraͤulein/ und das erſte zu Skaurus gefallen/
das andere ſol ihm ſchon abgezwungen werden. Sibylla wolte nicht ſeumen/ ging hin zu
Skaurus/ gleich da der junge Fabius Abtrit von ihm nehmen wolte/ welchen ſie zubleiben
baht/ und jenen alſo anredete: Mein Herꝛ Oheim/ ihr habt (zweifels ohn aus Unwiſſenheit)
ein ſchlimmes und gefaͤhrliches Ungluͤk geſtifftet/ welches doch in eurer Macht ſtehet/ wie-
der gut zumachen. Dieſer erblaſſete hieruͤber/ nebeſt hochbeteureter Entſchuldigung/ daß
ihm ſolches allerdinge unbewuſt waͤhre/ wo es ihm wol nicht gar zur ungebuͤhr auffgele-
get wuͤrde/ und ſeine Fr. Waſe mit Unwarheit hintergangen waͤhre. Habt ihr nicht/ mein
Oheim/ fragete ſie/ dem jungen Silanus meine Frl. Schweſter/ Frl. Virginien zufreyen
wollen/ an welcher eures Freundes Pupienus Seele und Leben hanget/ wie euch gar wol
bewuſt iſt? Der muͤſte mir ein hartes Recht ſtehen/ antwortete er/ der mir deſſen wolte zei-
hen/ maſſen ich gleich dieſe Stunde bemuͤhet geweſen bin/ eben dieſes Fraͤulein meinem be-
ſten Freunde und Bruder Pupienus zuerhalten/ wiewol ich ſeinen Nahmen noch nicht
genennet/ und dannoch von ihrem Herr Vater ſchon ſo viel Zuſage habe/ daß ichs heut o-
der morgen hoffe zum gewuͤnſchten Ende auszufuͤhren/ ſolte ich mich auch meiner gnaͤ-
digſten Frauen/ Fr. Mammeen Beyſtandes gebrauchen. Sibylla umfing ihn mit einem
Kuſſe/ und ſagte: O ihr redlicher Freund/ wie haͤlt man euch in ſo ſchlimmen Verdacht/
welcher gar leicht zur Blutſtuͤrzung ausſchlagen folte. Ja mein Bruder/ ſagte Fabius/ es
hat ſich Pupienus ſchon erklaͤret/ du muͤſſeſt ihm/ oder er dir den Tod antuhn/ und zwar
aus dieſem Verdacht. Ich waͤhre auch eines ſchaͤndlichen Todes wert/ ſagte Skaurus/
wann ich ſo ſchelmiſch gehandelt haͤtte; mein Bruder aber wolle hingehen/ ihm den Arg-
wohn zubenehmen/ ich werde inzwiſchen nicht ſeumen/ ihn zubefriedigen. Machte ſich
mit
[405]Sechſtes Buch.
mit Sibyllen alsbald hin zu Aquilius/ da die Tochter noch bey ihm wahr/ und fing
alſo an: Mein Herr/ er wolle ſich/ bitte ich/ meiner heutigen Anwerbung erin-
nern/ in dem ich einem vornehmen Herrn und redlichen Freunde zum beſten/ umb das
hochgebohrne/ und mit allen Tugenden begabte Fraͤulein/ Frl. Virginien/ inſtaͤndig ange-
halten. Hieſelbſt wolte ihn das Fraͤulein in die Rede fallen/ aber Sibylla hielt ſie davon
mit Hand und Mund ab/ welches Skaurus zwar merkete/ aber ſich nichts dran kehrete/
ſondern alſo fort fuhr: Nun hat zwar mein Herr Vetter mir groſſe Macht und Freyheit
zugeſtellet/ in ſolcher Heyrahtſache nach willen zuverfahren/ weil ich aber deſſen mich nicht
faͤhig erkenne/ iſts von mir mit einem ſtilſchweigen beantwortet/ habe auch noch zur Zeit
meinen Freund nicht nahmhaftig gemacht/ welches ich aber nunmehr verrichten/ und mei-
nen Herrn verſichern werde/ dz ich keines andern Menſchen/ als meines herzlieben Freun-
des und Bruders/ Herrn Pupienus ſein Wort geredet habe/ da ich dann nicht ruhen wer-
de/ ich habe dann zuvor ſolches mein vorhaben auff gute und gewiſſe Wege gerichtet/ und
bin willens gleich ſtehendes fuſſes hinzugehen/ und meine gnaͤgigſte Fr. Mammea unter-
taͤhnigſt zuerſuchen/ daß ſie meiner Frl. Waſen guten willen zu dieſer wolgemeineten Hey-
raht erwerben helffe. Durch dieſe Rede ward das Fraͤulein ſo voller Scham/ daß ihr die
Sprache ſtehen blieb/ und Sibylla ſie alſo aufffriſchete: Geliebte Frl. Schweſter/ es iſt
kein Menſch alhie zugegen/ vor welchen du dich zuſchaͤmen Urſach habeſt/ deßwegen erklaͤꝛe
dich ohn ſcheuh. Der Vater fing darauff alſo an: Herr Skaurus/ ich hatte mir auff einen
andern Freier gedanken gemacht/ daher ich Herrn Pupienus/ der gleich nach eurem ab-
ſcheide umb eben dieſes bey mir angehalten/ abſchlaͤgige Antwort erteilet/ unter dieſem vor-
wenden/ daß Herr Skaurus vor einen andern das Jawort gleich dieſe Stunde erhalten
haͤtte. Es muß dem redlichen Pupienus dieſer Wahn benommen werden/ ſagte Skaurus/
und bitte ſehr/ meine Frl. Waſe wolle denſelben ihr zu aller ehrliebenden Gewogenheit laſ-
ſen anbefohlen ſeyn. Dieſe hatte ſich nunmehr erhohlet/ und allen unwillen gegen Skau-
rus fallen laſſen/ gab ihm auch dieſe Antwort: Ich kan euch nicht veruͤbeln/ mein Oheim/
daß ihr euch eures guten Freundes annehmet/ und bedanke mich zugleich/ daß ihr mich ſo
wol zuverſorgen bedacht ſeid; weil es mir aber nicht zuſtehet/ einen Ehegemahl zuwaͤhlen/
ſondern mein Herr Vater gewalt uͤber mir hat/ wird derſelbe ſich erklaͤren/ und mir befeh-
len was ich hierin tuhn oder laſſen ſol. Mein liebes Kind/ antwortete Aquilius; wiltu mei-
nem Willen folge leiſten/ ſo goͤnne ich dich niemand lieber als Herrn Pupienus zum Ge-
mahl. Ich gelebe meines Gn. Herrn Vaters Willen/ antwortete ſie/ und wann mein O-
heim Herr Skaurus/ feinem verſprechen nach/ meiner gnaͤdigſten Fr. Mutter/ Fr. Mam-
meen einwilligung erhalten wird/ wird nichts übrig ſeyn/ als daß man vernehme/ ob Herr
Pupienus auch guten Willen zu mir trage; welches lezte ſie mit einem Schmuzerlachen
vorbrachte. Nun hatte Pupienus ohngefehr geſehen/ daß Skaurus zu Aquilius in das
Nebengemach gangen wahr/ meinete nicht anders/ als daß er wuͤrde bemuͤhet ſeyn ſeine
Liebe zuhintertreiben; welches ihn als halb-wuͤtig auffmahnete/ ſich auch dahin zuverfuͤ-
gen/ oͤffnete die Tühr/ und trat mit einer ſolchen bleichen Zornfarbe hinein/ daß ſie ingeſamt
leicht urteileten/ er wuͤrde mit einem ſchlimmen Vorſatze kommen/ inſonderheit/ weil er die
Hand ſchon an das Seitengewehr gelegt hatte/ und das Fraͤulein meinete/ jezt würde er
e e e iijauff
[406]Sechſtes Buch.
auff Skaurus einſtuͤrmen/ wie dann ungezweifelt geſchehen waͤhre/ wann ſie/ durch furcht
getrieben/ nicht alſo angefangen haͤtte: Herr Pupienus/ verſuͤndiget euch nicht an euren
allerbeſten und getraͤueſten Freund Herrn Skaurus/ ihr und mein Herr Vater ſeid durch
einen bloſſen oder vielmehr ſtummen Irtuhm betrogen/ und hat Herr Skaurus nieman-
de anders als bloß allein euch das Wort geredet/ zu erlangung meiner Heyraht. Ja mein
Bruder/ ſagte Skaurus zu ihm; haͤtte ich bey dir gehandelt/ wie deine einbildung iſt/ als-
dann waͤhre ich nicht deines/ ſondern des Henkers Schwerts wirdig/ ich haͤtte aber gehof-
fet/ du wuͤrdeſt deinem Freunde ein beſſers zugetr auethaben. Habe ich geirret/ antwortete
Pupienus/ ſo verzeihe mir mein Bruder/ und fodere von mir abtrag biß an mein Blut; ihr
aber Herr Aquilius/ ſeid gebehten und laſſet euch dieſe meine Liebe nicht zuwieder ſeyn/ wel-
che mich eurer Frl. Tochter ſo gar eigen gemacht hat/ daß ohn ſie/ ich ohn allen zweifel ver-
derben muß. Ich bedanke mich gegen euch mein Oheim/ antwortete er/ daß ihr mein liebes
Kind zu ehren euch erwaͤhlet habt/ und damit ihr wiſſen moͤget/ wie ich darzu gewilliget
ſey/ ſo uͤbergebe ich euch alles Recht/ das ich an meiner Tochter habe/ und zur erſten aus-
ſteuer ihrer Seel. Frau Mutter ganze verlaſſenſchaft. Da wahr nun allenthalben groſſe
freude/ welche niemand beſſer/ als das Fraͤulein zu unterdruͤcken wuſte; welche alſo anfing;
Ich erkenne mich ſchuldig/ meinem Herr Vater zugehorſamen/ halte aber allerdinge noͤh-
tig ſeyn/ daß Herr Skaurus bey meiner Gn. Fr. Mutter Fr. Mammeen umb mich an-
werbung tuhe/ und zwar unter dem ſchein/ als wann deſſen zwiſchen uns nichts vorgangen
waͤhre/ damit wir in ihrer guten Gnade verbleiben moͤgen. Sie hielten ſolches alle vor gut/
ward auch alsbald ins werk gerichtet/ und bekam zur gnaͤdigen Antwort/ ſie waͤhre ſelbſt
ſchon etliche Zeit her auff dieſe Heyraht bedacht geweſen/ nur daß ſie Pupienus Willen
nicht gewuſt haͤtte. Fuͤrſtin Sibylla ging mit dem Fraͤulein wieder hin nach ihrer Geſel-
ſchaft/ und fragete ſie/ was vor eine gute Luft ſie angewaͤhet/ daß ſie dem guten Pupienus
ſich ſo bald ergeben. Worauff ſie antwortete: Es iſt ſehr gut mit dir Fr. Schweſter; aber
meineſtu/ daß ich nicht rieche/ wie dein Blaſebalg einen ſo heftigen Geiſt in Herr Pupie-
nus gebracht/ daß er ſeine meinung mir ſo gar ohn allen umſchweiff hat vortragen duͤrfen/
und haͤtte ich mich ja billich vor dir huͤten ſollen/ inbetrachtung/ daß die neulich verheirahte-
te/ ihren vertraueſten Schweſtern den allerlieblichſten Jungfernſtand allemahl mißgoͤn-
nen. Ey wie unrecht biſtu daran/ ſagte ſie: Gute Freunde goͤnnen einander ſo viel gutes
als ihnen ſelbſt/ welches mich auch bewaͤget hat/ deine Wolfahrt zubefodern/ deren dich ob
Gott wil nimmermehr gereuen wird; daß verleihe mir der Himmel/ antwortete ſie/ aber
ſchaue dort/ bitte ich/ wie eine ernſtliche Unterredung Herr Skaurus mit der Kaͤyſerlichen
Fr. Mutter haͤlt/ welche/ wie ich weis ihm vorweniger Zeit etwas ungnaͤdig worden iſt/
hoffe doch er werde durch dieſe Anwerbung wieder Gnade erlangen; zwar ich danke den
Goͤttern daß in ihrer ſteten Gewogenheit ich geblieben bin/ aber ich habe nicht anders gele-
bet/ als ein Menſch uͤber deſſen Haͤupt ein Schwert an einem duͤnnen Haͤaͤrlein hanget/
weil ihre Gnade ſehr unbeſtaͤndig/ und ihr Zorn ſchier unverſoͤhnlich iſt; und kan man in
ihrer Gnade nicht beſſer bleiben/ als wann man ſie offt beſchenket/ und ſelten ſihet. Es ſtund
nicht lange an/ daß Skaurus wieder nach dem Nebengemache ging/ und das Fraͤulein da-
hin fodern liß/ woſelbſt ihr Vater und Pupienus annoch bey einander wahren/ und einen
feſten
[407]Sechſtes Buch.
feſten Grund zur unbewaͤglichen Freundſchaft legeten. So bald das Fraͤulein mit Sibyl-
len ſich einſtellete/ trug Skaurus der Kaͤyſerlichen Mutter einwilligung vor/ und ließ ihre
Frl. Tochter vermahnen/ ſich ihrem Willen nicht zuwiederſetzen; welche aus Ehrerbietig-
keit hin zu ihr ging/ und ihr untertaͤhnigſt vor ihre hohe Mutterliche Vorſorge dankete/
auch von ihr einen koͤſtlichen Ring empfing/ welchen ſie ihrem Braͤutigam ſchenken ſolte.
Sie machte ſich bald wieder hin nach dem Nebengemache/ da die Gluͤkwünſchung von
den wenigen Anweſenden verrichtet ward/ und baht Sibylla umb volmacht/ das Beyla-
ger zubeſtimmen/ nach deren erhaltung ſie den verliebeten aufflegete/ daß naͤhſt folgenden
Tages damit fortzufahren; wo gegen das Fraͤulein ſich hefftig ſtraͤubete; ihr Vater aber
erklaͤrete ſich/ ſie moͤchten ſich deßwegen untereinander ſelbſt vergleichen; ging mit Skau-
rus und Sibyllen davon/ und ließ ſie beyde beyeinander/ da dann Pupienus bey ſeinem ge-
liebeten Fraͤulein ſich ſo zutaͤhtig machete/ auch mit allerhand koͤſtlichen verheiſſungen an-
hielt/ daß ſie endlich in die beſtimmete Zeit einwilligte/ und ward das uͤbrige dieſes Tages
in aller zulaͤſſigen Luſt verzehret. Des folgenden Morgens kam der aͤdle Roͤmer M. Ze-
lius Balbinus an/ vernam mit freuden/ daß ſein bruͤderlicher Freund Pupienus den Zweg
ſeiner muͤhſeligen Liebe erlanget/ und dieſen Abend das Beylager angeſetzet waͤhre/ mach-
te ſich zu ihm/ und nach abgelegter Gluͤkwuͤnſchung hielt er bey ihm an/ ſeinen Herr Bru-
der den Roͤmiſchen Buͤrgemeiſter zuerbitten/ daß in dieſer hochanſehnlichen Geſelſchafft
ihm mit ſeiner ſchon verſprochenen Kordula ein gleiches begegnen moͤchte. Der junge
Pupienus durffte ſeinem Bruder dieſes nicht vortragen/ weil wegen ſeines fruͤhzeitigen
Beylagers er etliche ſtacheireden hatte fliegen laſſen/ machete ſich deßwegen an Sibyllen/
und gab ihr den Einraht/ Groſ Fuͤrſt Herkules zubewaͤgen/ daß er ſolches nach ſeinem
Wolvermoͤgen zu werk richten moͤchte. Welcher dann dieſem Roͤmiſchen Herrn ſolchen
Dienſt gerne leiſten wolte/ wie er auch von dem Buͤrgemeiſter nicht allein deſſen herzlich
gewehret ward/ ſondern derſelbe ſich uͤberdas bedankete/ daß er ſeiner Tochter eingedencke
ſeyn/ und auff ſo Hoch Fuͤrſtlichem Hochzeit Feſte deren Beylager befodern wollen. Es hat-
te des vorigen Abends ein junger friſcher Aedelman von Mantua/ Namens K. Perpeña/
bey Frl. Zezilien ſich mit Liebe angetragen/ und durch Fr. Euphroſynen es fleiſſig getrie-
ben/ wozu er nicht allein durch ihre gute Geſtalt bewogen ward/ ſondern weil er ſahe/ daß
Herkules und die Groß Fuͤrſtin ſich ſo freundlich gegen ſie bezeigeten/ ſo gar/ daß ſie auch
deßwegen von den vornehmen Roͤmiſchen Fraͤulein geneidet ward; dann Valiſka hatte
ſie nicht allein ihrem Gemahl zum Tanze zugefuͤhret/ ſondern auch in des Frauenzimmers
Gegenwart/ nach beſchehener Dankſagung/ daß ſie ihrem Herkules ſo hohe freundſchafft
zeit ſeines Elendes erwieſen/ ihr ſehr koͤſtliche Kleinot eingereichet. Jedoch bekam dieſer
Buhler nicht die gewünſchete Erklaͤrung von ihr/ ſondern ward hiemit abgeſpeiſet: Ihr
wolte nicht gebuͤhren/ dergleichen Teidungen anzutreten; Ihr Herr Vater wuͤrde ſchon
bey ſich beſchlieſſen/ welchen vor einen Eidam anzunehmen er beliebung trüge/ unter deſ-
ſen Macht und Willen ſie noch allemahl ſich gehalten haͤtte. Perpenna ward dieſer Ant-
wort ſehr betruͤbet/ daß er kaum die Macht bey ſich befand bey ihr ſeines ungenehmen an-
ſuchens wegen umb Verzeihung anzuhalten/ klagete ſeiner Schweſter/ Jungfer Roſinen
ſein Ungluͤk/ und baht/ ihm mit getraͤuem Raht beyzuſpringẽ; welche ihn hieß gutes muhts
ſeyn/
[408]Sechſtes Buch.
ſeyn/ machte ſamt Euphroſynen ſich alsbald nach Fr. Sophien/ und hielt demuͤhtig an/
bey der Groß Fuͤrſtin es dahin zurichten/ daß Ihre Durchl. ihrem Bruder das Fraͤulein
gewogen machen wolte. Perpenna war ſehr hohes Adels von anſehnlicher Freundſchaft/
dem Fr. Sophia gerne einen Dienſt leiſten wolte/ nam es willig auff ſich/ und neben der
Groß Fuͤrſtin legete ſie es mit Herkules an/ daß Zinna ſich gerne finden ließ/ und dieſe alſo
das dritte Par macheten/ welche dieſen Abend ſolte Beylager halten.


Der raſende Prokulus hielt ſich in einer Herberge heimlich auff/ und lies bey Kaͤyſerl.
Hocheit durch Skaurus umb allergnaͤdigſtes gehoͤr anhalten/ erlangete ſein begehren/ und
gab dem Kaͤyſer untertaͤnigſt zu verſtehen/ Er waͤhre von einem und andern Ritter unver-
ſchuldet ſehr hart beleidiget/ welches in anſehung ſeines Ritterſtandes er nicht verſchmer-
zen koͤnte/ baht umb allergnaͤdigſte erlaubung/ ſich nach Ritters Brauch zu raͤchen/ und ſei-
ne Ehre zu handhaben. Der Kaͤyſer wahr ihm alſobald zuwillen/ ſonder einige nachfrage/
mit wem ers zutuhn haͤtte/ und ſtellete ihm frey/ ſich Ritterlich zuverantworten; wovor er
gebührlich dankete/ und nach ſeiner Herberge ſich verfuͤgete. Fuͤrſtin Sibylla ſahe ihn von
dem Kaͤyſer hinweg gehen/ und nam ſie wundeꝛ/ was dieſer Menſch hieſelbſt ſuchen moͤch-
te/ ging hin zu Fuͤrſtin Lukrezien/ und ſagte zu ihr; Herzen Kind/ ich habe gleich jezt deinen
alten Schatz geſehen/ und tuht mir leid/ daß ich ihn dir nicht zeigen koͤnnen. Was vor einen
Schaz/ mein Herzchen/ antwortete ſie; ich wuͤſte mich ja keines zuerſinnen/ wann es nicht
dein Schatz Prokulus waͤhre? Ja dein Schatz ſagte Sibylla/ du haſt es in warheit errah-
ten; aber was mag er bey Kaͤyſerl. Hocheit zu verrichten haben? Er ging neben mir hin/
und als ich mich zur neigung an die ſeite ſtellete/ trat er voruͤber/ als haͤtte er mich nicht ge-
ſehen. Er hat auch weinig Urſach/ dich zu gruͤſſen/ ſagte Lukrezia/ nachdem du ihm ſo einen
ungebodenten Korb gegeben/ deſſen er vielleicht bey dem Kaͤyſer ſich wird beklaget haben.
Alſo trieben dieſe ihren Schertz/ und haͤtten den Handel ſchier errahten ſollen. Vber eine
gute halbe ſtunde/ da der Kaͤyſer mit der Fürſtlichen Geſelſchaft im groſſen Saal freundli-
che Unterredung hielt/ ließ ſich ein Ritter bey Baldrich und Siegward angeben/ er haͤtte
wegen eines Roͤmiſchen Herren mit ihnen zu reden; worauff ſie antworteten/ dafern es
nicht heimliche Sachen waͤhren/ moͤchte er ſichs gefallen laſſen/ zu ihnen auff den Saal zu
kommen. Dieſer wahr darzu willig/ gruͤſſete alle anweſende gebuͤhrlich/ und uͤberreichete
beiden Fuͤrſten/ jedem ein Schreiben gleiches Inhalts:


Nachdem du Baldrich aus Teutſchland (Siegward aus Schweden) wider Recht und Billig-
keit mich hoͤchlich beleidiget und beſchimpffet/ und mein geliebtes Fraͤulein Lukrezien Pompejin (Si-
byllen Fabiin) mir und meiner herzinniglichen Liebe entzogen haſt/ wodurch an meinem Ritterlichen
Anſehen und Stande ich mich allerhoͤchſt beleidiget befinde/ und daher ſolcher Schimpf ohn Rache
nicht kan ausgetragen werden/ als fodere auff Erlaubniß meines allergnaͤdigſten Kaͤyſers ich dich
Baldrich aus Teutſchland (Siegward aus Schweden) nach Rittersbrauch/ daß du mit dem Speer
und Schwerte zu Roß/ an was Ort und Ende dichs geluͤſtet/ erſcheineſt/ und wegen obgedachtes
Schimpfs mir Rede und Antwort gebeſt/ wo du ſonſt des Ritterſtandes nicht unwirdig wilt geſchol-
ten ſeyn. Prokulus der Roͤmer.


Die Fuͤrſten beide erroͤhteten uͤber ſolcher unvermuhtlichen Ausfoderung/ und em-
pfundenshoch/ dz der Kaͤyſerlichen erlaubnis dabey gedacht wahr/ traten anfangs zuſam-
men/ und zeigeten einander das Schreiben; und als ſie ſahẽ/ daß einziger ſie beide foderte/
rechne-
[409]Sechſtes Buch.
rechneten ſie ſichs nit zum geringen Schimpf/ beredeten es auch mit Herkules und Ladiſla/
die ſich darüber beſtuͤrtzt befunden/ und ihnen/ was vor Erklaͤrung ſie voꝛ gut hielten/ anzei-
geten; traten darauff wieder an ihre ſtelle/ und als der Kaͤyſer und andere Anweſende mit
Schmerzen erwarteten/ was ihre Verenderung verurſachen moͤchte/ gab Baldrich dieſe
antwort: Mein Geſelle Siegward/ Koͤniglicher Fuͤrſt aus Schweden/ ein ehrlicher Rit-
ter; und ich/ geborner Fuͤrſt aus Teutſchland/ haben mit wiſſen niemahls wieder Recht uñ
Billigkeit gehandelt/ ſondern der bloſſe muhtwille treibet den Ausfodereꝛ/ uns ſolches auf-
zubürden; und weil er ſich auff allergnaͤdigſte Kaͤyſerliche Erlaͤubniß beruffet/ welche wir
untertaͤhnig ehren und billichen/ mag er uns die ſtelle zum Kampf ſtuͤndlich ernennen; obs
dann zu erſt mir wieder ihn mißlingen ſolte/ wird mein lieber Geſelle ſein beſtes hernach
auch tuhn; wiewol es uns beiden ſehr laͤcherlich vorkoͤmpt/ daß er umb unſere Gemahlin-
nen mit uns fechten wil/ die wir nicht allein mit ihrer Eltern guter Bewilligung geheirah-
tet/ ſondern auch mit ihrem belieben ſchon im Ehebette beſitzen. Den anweſenden kam
dieſe rede ſehr fremde vor/ inſonderheit dem Kaͤyſer/ welcher den Briefebringer mit zorni-
gen Geberden fragete/ wer ihn abgeſchikt haͤtte; und als dieſer den Prokulus nennete/ be-
gehrete der Kaͤyſer beide Schreiben zuſehen/ redete nachgehends Pompejus und M. Fa-
bius an/ ſie fragend/ ob ſie dem Prokulus ihre Toͤchter verſprochen haͤtten. Dieſe gaben
zur antwort: Er haͤtte zwar deswegen teils ſchrift-teils muͤndliche Anwerbung getahn/
aber gar keine antwort erhalten/ und waͤhre ihnen trauen zumahl ſelzam dabey/ daß ſie ih-
re einzige Toͤchter ihm haͤtten erzihen ſollen; ſtuͤnde auch faſt aberwitzig/ daß er ſich beider
zugleich anmaſſete/ da ihm/ Roͤmiſchen ſitten nach/ nur eine haͤtte zu teil werden koͤnnen.
Das Fuͤrſtliche und Roͤmiſche Frauenzimmer kam auch darzu/ und vernahmen Proku-
lus beginnen/ woruͤber Fuͤrſtin Sibylla ſich uͤber ihre gewohnheit eiferte/ und Kaͤyſerl.
Hocheit untertaͤnigſt baht/ ſolche unbilligkeit zuſtraffẽ/ nachdem wed’ ſie noch ihre Waſe/
nie kein wort/ ſo wenig muͤndlich als ſchriftlich/ oder durch einen andern mit ihm gewech-
ſelt haͤtten/ auch groſſes bedenken würden getragen haben/ nach Prokulus oder ſeines glei-
chen ſich umzuſehen. Wolan/ antwortete der Kaͤyſer/ ſie geben ſich allerſeits zufrieden/ wir
werden dem Prokulus ſeine Buhlerey (dann Proculus heiſſet zu teutſch ein Buhlerchen
oder kleiner Buhler) beſalzen. Befahl darauff/ ihn ſtraks angeſichts/ frey/ oder gebunden
herzuholen. Baldrich aber und Siegward bahten Kaͤyſerl. Hocheit demuͤhtig/ dieſem
Roͤmiſchen Ritter gnaͤdig zu erſcheinen/ damit man ſie nicht ſchier heut oder morgen be-
ſchuͤldigen moͤchte/ daß umb ihret willen einigem Roͤmer etwas hartes zugeſtanden waͤh-
re; und koͤnte vielleicht ſein/ daß er ſeines Gehirns Verruͤckung/ wegen heftiger eingebil-
deter Liebe empfuͤnde; ſie verzihen ihm von Herzen/ wolten auch im Kampfe dergeſtalt
mit ihm verfahren/ daß ihre gutwilligkeit daher ſolte zuſpuͤren ſein: Herkules und Ladiſla
halfen den Kaͤyſer erbitten; welcher endlich einwilligte/ der Tohrheit lachete/ und ihnen
erzaͤhlete/ was geſtalt Prokulus ohn einiges meldung/ ſich beſchimpfet zuſein beklaget/ und
des Kampfs freiheit begehret haͤtte/ weil ohn ſolchen der Streit nit koͤnte geſchlichtet wer-
den. Eure Kaͤyſerl. Hocheit wiſſen/ ſagte Herkules/ daß die Liebe oft zugleich der vernunft
und den Augen Sand einſtraͤuet/ daher dieſem Ritter meines erachtens zuverzeihen iſt;
gelebe auch der troͤſtlichen Zuverſicht/ Eure Kaͤyſerl. Hocheit werde ihm unſer aller vor-
f f fbitte
[410]Sechſtes Buch.
bitte gnaͤdigſt genieſſen laſſen. Prokulus wahr gleich bemuͤhet/ ſeine Ruͤſtung anzulegen/
als ein Kaͤyſerlicher Hellebarter ihn abfoderte/ und zu gleich warnete/ er moͤchte ſich wol
ſchicken/ des Kaͤyſers Ungnade abzulehnen. Er aber meynete ſein Vorhaben leicht und
aus gutem Grude zubehaupten/ und ging verwaͤgen gnug fort/ wie er dann ein feſter ſtark-
geſetzeter Rüter wahr/ der mir Skaurus und andern ſich ehemahls verſuchet/ und ihnen
gnug zuſchaffen gegeben hatte. Als er nun vor die ſaͤmtliche Geſelſchafft trat/ und ſich be-
dingete/ ſein Gruß und untertaͤhnige Dienſte wuͤrden allen/ ohn ſeinen beyden Wiederſa-
chern/ nach Standesgebuͤhr angebohten; redete der Kaͤyſer ihn alſo an: Wie iſt dir heut
geſchehen/ du Gehirnloſer Menſch? haſtu etwa von einer tollen Sau/ oder wol gar vom
Narren gefreſſen/ daß du ſo toͤlpiſche Sachen vornehmen darffſt? da ſtehen die beyde Fuͤr-
ſtinnen; da ſtehen ihre Vaͤter Pompejus und Fabius; ihre Muͤttere ſind auch nicht aus
der ferne zuhohlen. Darumb ſage geſchwinde an/ iſt dir dieſer Fraͤulein halber einige Zu-
ſage geſchehen? zwar zu beyden kanſtu ja keinen Anſpruch haben/ du moͤchteſt dann etwa
Roͤmiſche Satzungen und Sitten/ durch Verlierung deines Kopffes aufzuheben bedacht
ſeyn. Dieſer baht anfangs/ Ihre Kaͤyſerl. Hocheit moͤchten einige Ungnade auff ihn nicht
werffen; taht auch hinzu/ er haͤtte gebuͤhrliche Anwerbung an beyden Orten getahn/ un-
ter der ungezweifelten Hoffnung/ ihm wuͤrde ja an einem/ gewierige Antwort werden. In-
zwiſchen haͤtten der Teutſche und Schwede/ ſo bißher vor Feinde des Roͤmiſchen Reichs
gehalten worden/ ohn der Eltern wiſſen ſich an die Fraͤulein gewaget/ uñ durch liſtige Hin-
tergehung/ wo nicht wol gar durch Nohtzwang/ ſie ihm abſpenſtig gemacht/ maſſen ja be-
ſtaͤndig berichtet wuͤrde/ es waͤhre Frl. Lukrezie von dem Teutſchen durch Verwundung/
im Walde geſchehen/ ſich ihm zuergeben/ gezwungen worden. Was haſtu Luͤgener/ ſagte
der Kaͤyſer/ von Roͤmiſchen Feinden zuſchmaͤhen? doch ſetzẽ wir dieſes vor dißmahl aus.
Aber wie getraueſtu dir zubehaupten/ daß dieſe Heyrahten ohne der Eltern wiſſen geſche-
hen ſeyn? und wollen wir anjezt hoͤren/ was ihre Vaͤter darzu ſagen werden. Pompejus/
nach gebehtener verzeihung/ fing alſo an: Hoͤret Prokulus/ welcher Wahnwiz treibet euch/
mich meines tuhns und laſſens zubeſprechen/ und ſonderlich in dem/ was euch im gering-
ſten nicht angehet? Zwar ich weiß ſchon/ daß ich euch wegen keines einzigen Dinges Re-
chenſchafft zugeben habe/ dann ich unterwerffe mich bloß allein Gotte/ meinem allergnaͤ-
digſten Kaͤyſer/ und dem Vaterlande; doch hoͤchſtgedachter Kaͤyſerl. Hocheit zuunter-
taͤhnigſtem ſchuldigen Gehorſam/ rede ich mehr als mir noͤhtig iſt/ und beruffe mich auff
mein Gewiſſen/ daß gegen Fuͤrſt Baldrichs und meiner Tochter Heyraht ich nicht das
geringſte/ weder gedacht noch geredet habe/ welches ohndas wol wahr bleiben wird/ es
waͤhre dann/ daß ihr ein anders erweiſen wuͤrdet; euch Prokulus aber mein Kind zugebẽ/
iſt nie in mein Herz kommen. Haſtu aber/ ſagte er zu ſeiner Tochter/ ihm etwa einige Zu-
ſage aus Schimpff oder Ernſt getahn/ das zeige mir an/ weil ohn das wider meinen Wil-
len es nicht haͤtte moͤgen buͤndig ſeyn. Dieſe laͤchelte dem Vater zu/ und gab zur Antwort:
Ich habe dieſen Menſchen in vier Jahren nicht geſehen/ und bin heut etwa 16 Jahr alt;
ſo wird er vielweniger die Unterhaͤndler od’ Kupler zeigen koͤnnen/ die zwiſchen uns gangẽ
waͤhren/ und muͤſte mir von herzen leid ſeyn/ ja tauſend mahl unertraͤglicher als der Tod/
daß ich ihm zu gute leben ſolte/ nachdem ich Gott Lob/ den Unterſcheid zwiſchen Tugend
und
[411]Sechſtes Buch.
und Tohrheit gelernet habe/ womit ich gleichwol ſeinen Ehren nichts ungebuͤhrliches an-
werffen wil. Unter dieſem Vorbringen erroͤhtete Prokulus von Zorn/ ſuchte aus ſeinem
Schieb Sak zwey Brieflein hervor/ in rohtem Taffet eingewickelt/ und wolte darauff ſei-
ne Antwort tuhn; aber der Kaͤyſer hieß ihn ſchweigen/ und M. Fabius reden; Welcher
dieſes vorbrachte: Er erinnerte ſich etlicher maſſen/ daß Prokulus ihm mit ſeinem unge-
nehmen anſuchen beſchwerlich gnug geweſen/ haͤtte ihm doch/ Unhoͤfligkeit zumeiden/ m[i]t
duͤrrem Nein/ nicht wollen vor den Kopff ſtoſſen/ ſondern ihn ermahnet/ ſitſam zuverfah-
ren; ſein Kind waͤhre jung/ haͤtte keine Luſt ſchon zuheyrahten/ und waͤhre uͤber das nicht
einheimiſch/ daß er ihren Willen nicht wiſſen koͤnte. Hierauf zwar haͤtte Prokulus geruͤh-
met/ wann er nur ſeinen Willen haben wuͤrde/ ſolte es ihm an der Tochter Neigung nicht
ermangeln; welches er aber nicht ohn urſach vor eine nichtige Einbildung gehalten/ und
ihn ernſtlich ermahnet/ er ſolte ſich in Rom oder auſſerhalb beſſer umſehen/ alsdann wuͤr-
de er anderwerts ſein Gluͤk ſchon antreffen; welches ſein Kind auch tuhn ſolte. Woraus
dann dieſer Freyer leicht vernehmen moͤgen/ ſagte Fabius/ daß ich nicht gewilliget wahr/
ihm mein Kind zuverrahten/ wolte ſagen/ zuverheirahten; jedoch wil ich von meiner Toch-
ter auch vernehmen/ ob ſie etwa hinter meinem Ruͤcken mit ihm ſich eingelaſſen habe.
Hochgeliebter Herr Vater/ antwortete Sibylla; ich weiß nit/ ob ich mir ſo hohe Gedan-
ken/ als biß an Herrn Prokulus Heyraht haͤtte machen duͤrffen/ welches ich vor dißmahl
ausſetzen wil; kan er aber dartuhn/ daß zeit meines Lebens ich ein Woͤrtlein mit ihm ge-
wechſelt habe/ wil ich euer Straffe mich gerne unterwerffen. Wolan Prokulus/ ſagte der
Kaͤyſer/ ſo iſt nun die Ordnung an dir/ deinen guͤltigen Gegenbeweiß zufuͤhren/ nachdem al-
lemahl/ nach der geſunden Vernunft Ausſpruch/ dem Bejaher einer Taht/ ſolches oblie-
get; hernach ſol nach ſcharffem Recht geſprochen werden. Daß Eure Kaͤyſerl. Hocheit
mir Recht und Gerechtigkeit wiederfahren laſſen wil/ bedanke ich mich untertaͤhnigſt/ ant-
wortete er; da ich dann anfangs bey den beiden geweſenen Fraͤulein anzuhalten habe/ daß
meines/ bey Ritters Ehr und Glauben geſchehenen Verſprechens ſie mich erlaſſen moͤgẽ/
weil ich ſonſt mein gutes Recht nicht darſtellen darff. Die beiden Fuͤrſtinnen fingen an zu
lachen/ und ſagte Lukrezie: Mein guter Herr Prokulus/ ich habe ja niemahls einige Ver-
ſprechung/ weder mündlich noch ſchrifftlich von euch empfangen/ vielweniger begehret;
ſolte es aber eurer Einbildung nach geſchehen ſeyn/ wil ich dieſelbe hiemit auffgeruffen/
und ganz abgetahn haben. Und als Sibylla nicht ohn Gelaͤchter ſich ein gleichmaͤſſiges er-
boht fing Prokulus/ in beiden Haͤnden etliche Schreiben haltend/ alſo an: Allergnaͤdig-
ſter Kaͤyſer/ und andere anweſende Herren; was man im gemeinen Sprichwort ſaget:
Mannes Liſt iſt behende/ aber Weiber Liſt hat kein Ende/ davor habe ich mich ſtets wol vorgeſe-
hen/ und beſter maſſen verwahret/ daß ich deſſen Warheit nicht mit meinem Spot und
Schaden erfahren moͤchte/ und bin doch nicht deſto weniger in ihr Nez gefallen; wie aber/
und auf was weiſe/ werden ſie allerſeits aus meinem allerkraͤfftigſten Beweißtuhm zuver-
nehmen haben. Nachdem mir von einer guten Freundin iſt geſagt worden/ wie daß Herr
Pompejus/ und Herr Fabius/ jeder eine einzige/ ſehr ſchoͤne wolgezogene Tochter haͤtte/
und mir nicht bald fehlen wuͤrde/ eine oder andere zum Gemahl zuerhalten/ habe ich nach
Roͤmiſchen Sitten meine Anwerbung an Herr Pompejus ſchriftlich uͤber Meer an Herꝛ
f f f ijFabius
[412]Sechſtes Buch.
Fabius aber muͤndlich abgelegt/ und von jenem gaꝛ keine/ von dieſem aber zum eꝛſten mah-
le dieſe Antwort erhalten/ daß ſein Kind nicht einheimiſch/ darzu jung/ und vielleicht ſchon
einem andern zugedacht waͤhre. Worauff ich etwas in Ruhe geſtanden/ und nach Ver-
lauff etlicher Wochen von Frl. Lukrezien dieſes angenehme Brieflein (welches er loßwic-
kelte und zeigete) bekom̃en. Von mir ein Brieflein? ſagte Lukrezie mit einem Gelaͤch-
ter. Wollet ihr ſolches/ und eure eigene Hand leugnen? ſagte Prokulus. So muͤſte ichs
acht Tage vor meiner Geburt geſchrieben haben/ antwortete ſie/ biß dahin ich dann nicht
gedenken kan. Ihr Vater aber redete ihr ein/ ſie ſolte ihn zuvor ausreden laſſen. Alſo fuhr
jener weiter alſo fort: Fuͤnff Tage nach Empfahung dieſes/ iſt mir ein anders (welches er
auch zeigete) von Padua aus/ von Frl. Sibyllen zugeſchrieben worden. Ey behuͤte Gott/
ſagte dieſelbe/ was wil endlich aus dieſen Luͤgen werden? Ein freies Affenſpiel/ antwortete
Lukrezie mit einem untergedrukten Lachen; Jene aber fuhr fort: Schaͤmet ihr euch nicht/
Prokulus/ euren Kaͤyſer/ und andere anweſende groſſe Herren dergeſtalt umzutreiben?
Weil aber ihr Vater ſie ſchweigen hieß/ ſetzete jener ſein Vorbringen alſo fort; Es gebuͤh-
ret ſich nicht/ das geſchehene zuleugnen/ wo man ehrlich iſt/ inſonderheit/ wann es mit ei-
genhaͤndiger Schrifft kan erwieſen werden/ halte auch davor/ dafern der Teutſche und
Schwede nicht Zauber Kuͤnſte gebraucht haͤtten/ wuͤrden ſie dieſer beyder Fraͤulein guten
und ergebenen Willen gegen mich/ mit keinem Waſſer abgeſpuͤlet habet. Du vermiſſeſt
dich ein groſſes auff deine Briefe/ ſagte der Kaͤyſer zu ihm/ und wann es niemand von den
Anweſenden zuwider ſeyn wuͤrde/ muͤſten ſie oͤffentlich verleſen werdẽ. Alle gegenwaͤrtige/
inſonderheit die beyden Fuͤrſtinnen/ bahten ſehr/ daß es geſchehen moͤchte. Worauff der
Kaͤyſer den erſten von Prokulus nahm/ und es ſeinem geheimen Schreiber reichete/ da
Prokulus die Fuͤrſtinnen umb Verzeihung baht/ daß durch ihre Untraͤue er gezwungen
wuͤrde/ ihre Heimligkeiten zuoffenbahren; woruͤber dieſe beyde ſich ſchier zum Schiefer
gelachet haͤtten. Der Diener aber fing zuerſt an die ſtolze Auffſchrifft zuleſen/ welche auff
dieſe Art eingerichtet wahr:


Dem Wolgebohrnen Herrn und Ritterlichen Helden/ Herrn Sextus Marzius Prokulus/ Roͤ-
miſcher Kaͤyſerl. Hocheit gewirdigtem Ritter/ Hof- und Kriegs Naht/ ꝛc. meinem hochgeneigeten
Herrn/ und in Ehren herzangenehmen allerliebſten Freunde.


Wir laſſen dieſen Streich jetzo hingehen/ ſagte der Kaͤyſer/ nur moͤchten wir gerne be-
richtet ſeyn/ von welchem ehemahligen Kaͤyſer du magſt zu ſolchem Raht beſtellet ſeyn?
Allergnaͤdigſter Kaͤyſer/ antwortete er; ich habe niemahls mir unwirdigen dieſe Ehren-
benennung zugelegt/ und bin in den Gedanken geſtanden/ das liebe Fraͤulein wuͤrde durch
ein falſches Geruͤchte betrogen ſeyn. Ja mein/ ſagte Lukrezie/ wann ihr nur nicht ſelbſt gar
zu heßlich beſchmiſſen waͤhret. Der Diener falzete inzwiſchen den Brief von einander/ und
laſe folgenden Inhalt:


Wolgebohrner Herr/ und durch dieſen Weltkreiß hochgepreiſeter Ritterlicher Held. Was
geſtalt Eure Liebe mein Herr/ bey meinem Herr Vater umb meine Heyraht ganz ehrerbietige und
wolſtaͤndige Anſuchung getahn haben ſolle/ bin ich von meiner herzlieben Fr. Mutter in hoͤchſter ge-
heim berichtet worden/ auch daß mein harter Vater nicht willens ſey/ Eurer Liebe einige Antwort zu
erteilen/ unter der Hoffnung/ Euer Liebe gute Neigung gegen mich/ durch ſolches ſtilſchweigen in eu-
rem Herzen zuerſticken/ weil er willens ſeyn ſol/ mich mit einem Ravenniſchen reichen Witwer zuver-
heyrah-
[413]Sechſtes Buch.
heyrahten/ welcher auff ſeinem hoͤckerichten Puckel mehr dann 65 Jahr traͤget. Nachdem aber mei-
nem zarten Herzen allerdinge eine Unmoͤgligkeit iſt/ einen ſolchen ekelhafften unvermoͤgenden Greiſen
und Leiſen/ an der Seiten zuerdulden/ und meinen ſchoͤnen Leib den abgelebeten duͤrren Knochen un-
terwuͤrffig zumachen/ inſonderheit da ich einen ſolchen gewuͤnſcheten Buhler an Euer Liebe habe; Als
gelanget an dieſelbe mein ehrendienſt- und herzfreundliches erſuchen/ mich dieſes ausgedorreten Un-
gluͤks zubenehmen/ und durch ſeine bluͤhende gruͤne Krafft mich zuerfreuen; das iſt/ mit ſeiner Wer-
bung fleiſſig anzuhalten/ oder/ wo moͤglich/ mich gar aus meines Vaters Gewalt hinweg zuhohlen/
als ſeine ganz ergebene; jedoch mit dem ausdruͤklichen bedinge/ daß/ dafern ſeine Liebe dieſen Brief
und deſſen Inhalt einigem Menſchen der Welt offenbahren wird/ er von aller meiner Hulde in Ewig-
keit ſol entſetzet ſeyn/ werde auch auff ſolchen fall mir einen andern Buhlen und Retter erkieſen; ſon-
ſten aber bin und verbleibe ich meines herzgeltebeten Herrn und allerangenehmeſten Freundes/ weil
ich lebe/ ganz ergebene gehorſame Lukrezie Pompejin.


Fr. Lukrezia muſte Zeit des leſens ihren Mund mit einem Wiſchtuche zuhalten/ damit
ſie ſich des lachens erwehrete/ nachgehends ſagte ſie zu Prokulus: Tapfer Ritter/ wer
mag doch immermehr des Narren mit euch ſo ungeſcheuhet und handgreiflich geſpielet
haben? Mein Herr Vater aber wolle doch den Brief beſehen/ ob er die Hand kenne/ dann
daß es meine nicht ſein wird/ bin ich gnug verſichert. Aber der Kaͤyſer baht/ ein wenig/
iñe zu halten/ biß daß übrige auch verleſen waͤhre. Welches dann dem elenden Prokulus
ſehr angenehm wahr/ und zu Lukrezien ſagete: Ja eben dieſes komt mit eures Bohten rede
uͤberein/ welcher mir muͤndlich anzeigete/ dafern ich dieſen Brief lautbahr machen würde/
wolte ſie alles/ auch ihre eigene Hand verleugnen. Es iſt gut/ antwortete ſie; man pfleget
den geheimen Bohten wol ſo viel in den Mund zu legen; ſonſt zweifele ich nicht/ wann der
Schau-Spiel-Schreiber Plautus oder Terentius wieder aus der Aſche hervor kaͤhmen/
wuͤrden ſie an euch zeuges gnug haben/ woraus ſie ein gaukel- volles Spiel tichten koͤnten.
Er aber kehrete ſich daran wenig/ baht nur/ der hoͤniſchen zunge ein Gebiß anzulegen/ und
reichete den andern Brief hin/ welcher alſo verleſen ward/ daß vor erſt die Aufſchrift mit
dem erſten nach allen worten uͤberein kahm/ da doch der eine zu Jeruſalem/ der ander zu
Padua ſolte geſchrieben ſein; und alle anweſende daher die Auftreiberey leicht merketen;
darauf folgete nun dieſer Inhalt:


Wann die liebe Sonne durch ihre glaͤnzende Strahlen ſo wol meines Herzen Luſt und Freu-
de/ als den klaren Tag hervor bringen/ und dieſelbe euch mein Herr/ zeigen koͤnte/ wuͤrdet ihr/ hoͤchſt-
werther Schaz erkennen moͤgen die Herligkeit/ in welche ich durch Euer Liebe Anwerbung nach mei-
ner Heyraht geſetzet bin; hingegen muß ich mich dannoch plagen und graͤmen/ daß meine unbedacht-
ſame Eltern (wie ich aus deren Schreiben mit hoͤchſtem Unwillen vernehme) bedenken tragen/ Euer
Liebe mich alsbald zuverſprechen. Ach mein Seelen-Freund/ wie herzlich danke ich euch vor ſolche
Gunſt und Liebe/ kan auch nicht abſehen/ warumb meine Eltern dieſes Gluͤk nicht mit mir zugleich
mit beyden Haͤnden ergreiffen/ es waͤhre dann/ daß ſie dem hinkenden einaͤugigen Nummius Lelia-
nus noch weiters zuhoͤretẽ/ welcher ihnen groſſe guͤldene Berge von ſeiner Liebe gegen mich vorſchwaͤ-
tzen ſol/ von deſſen ungluͤklicher Ehe mich doch entweder Herrn Prokulus kundbare Tapfferkeit und
getraͤue Gegenliebe/ oder zum wenigſten mein eigenes Brodmeſſer frey ſprechen wird. Euer Liebe der
Verſchwiegenheit dieſes meines Schreibens zuerinnern/ achte ich vor unnoͤhtig/ maſſen deſſen hoher
Verſtand leicht zuermaͤſſen hat/ daß durch ein widriges er mich in das tieffſte Ungluͤk/ ja in den Tod
ſelbſt ſtuͤrzen wuͤrde; und zwar die ihm zu aller Liebe und Traͤue ganz ergeben iſt/ auch in alle Ewigkeit
eine ſolche verbleiben wird/ Sibylla Fabiin.


f f f iijGelieb-
[414]Sechſtes Buch.

Geliebete Fr. Schweſter/ ſagte Lukrezia zu dieſer; du kanſt anmuhtigere uñ zierlichere
Liebes Briefe tichten/ als ich/ welches ſie mit einem groſſen Gelaͤchter vorbrachte; dieſe
aber begunte Ernſt daraus zumachen/ und gab zur antwort: Herzen Fr. Schweſter/ du
und ich muͤſſen zuvoꝛ des ſchaͤndlichen verdachts allerdinge enthoben ſein/ ehe du ſchimpfen
wilt. Mein Gewiſſen/ ſagte jene/ hat mich ſchon loßgeſprochen/ und muͤſte mir leid ſein/ daß
meinen Allergnaͤdigſten Kaͤyſer und andere gegenwaͤrtige Fuͤrſten und Herren ich ſo
ſtumpf ſchaͤtzen ſolte/ daß ſie dieſe Auftreiberey und kurtzweiligen Aufzug/ wer ihn auch muß
angelegt haben nicht merken und erkennen ſolten. Niemand antwortete daꝛauf/ wiewol ſie
alle gnug ſehen lieſſen/ daß ſie ihrer meinung waͤhren. Der Kaͤyſer aber fragete Prokulus
ſchon mit gelindern worten/ was die Briefe in ſeiner andern Hand bedeuteten/ und ob ſie
zum weitern Beweißtuhm dienetẽ koͤnte er ſich deren gebrauchen. Ja allergnaͤdigſter Kaͤy-
ſer/ ſagte er/ dieſe Briefe/ ungeachtet dieſe junge Frauen ſich mit gnug hoͤniſchen worten
ſuchen auszuwickeln/ werden der Sache den endlichen außſchlag geben. Das wird nie-
mand lieber ſein/ als eben mir und meiner Fr. Schweſter/ ſagte Lukrezie/ drum ſo laſſet hoͤrẽ/
was ihr noch weiters vor aufgeſchriebene Getichte zur Ergaͤntzung dieſes Affenſpiels mit
euch gebracht habet/ hernach wollen wir mit einem Handklopfen und Freuden Geſchrey
Anzeige tuhn/ wie uns dieſe Handlung gefallen habe. Es wahren aber zwey Antwort-
Schreiben/ welche er auf der beyden Fraͤulein empfangene Briefe hatte auffgeſezt und
vermeintlich uͤbergeſchicket/ deren der erſte nach Jeruſalem alſo lautete:


Wolgebohrnes Fraͤulein/ herzgeliebete und einig-vertrauete. Euer Liebe angenehmes Brief-
lein iſt mir wol eingeliefert/ zweifele nicht/ ſie werde in der gefaſſeten Liebes Gunſt beſtandigſt ver-
harren/ und den alten Teuge-nicht-mehr in den bodemloſen Korb ſetzen/ dem ich/ da ich ihn kennen ſol-
te/ mit wenigem zuſchreiben wolte/ er moͤchte ſich mit weichem Brey ſpeiſen/ weil die Milchzaͤhne ihm
ausgefallen ſeyn. Euren Herr Vat er noch weiters mit Schreiben zuerſuchen/ achte ich vor einen uͤ-
berfluß/ werde inwendig Viertel Jahres Gelegenheit ſuchen/ mich ſelbſt zuſtellen/ und wann Briefe o-
der muͤndliche Anſuchung unſern Vorſaz nicht heben kan/ ihren getahnen Vorſchlag ins werk zurich-
ten beherzt gnug ſeyn. Inzwiſchen lebet wol mein Herz/ und verſichert euch aller Traͤue von eurem
ergebenen S. M. Prokulus/ dem Roͤmer.


Der Herr hat ſeine Sache nicht allein durch ſein ſelbſteigenes Schreiben ſehr wol
behauptet/ ſagte Lukrezie lachend/ ſondern über das ſich ſehr wol verantwortet. Aber was
vor Zaͤhne/ meynet er wol/ ihm mein alter Greiſer und Leiſer nunmehr zuſchreiben werde?
Wind Zaͤhne/ ſagte Sibylla. Es gab ein gemeines Gelaͤchter/ aber der Diener laſe den
andern Brief an Fr. Sibyllen/ wie folget:


Mich wundert ſehr/ mein Fraͤulein/ daß meine Geiſter mir ihre groſſe Liebe gegen mich/ nicht
vor ihrem Antwort Schreiben geoffenbahret haben; verſichere ſie hinwiederumb/ daß die Luſt/ Freude
und Herligkeit/ welche ſie noch zur Zeit nur in der Hoffnung hat/ gar bald in der Taht erfolgen ſolle;
und weil mir an der Nieſſung eurer vortreflichen Schoͤnheit ſonſten nichts/ als der elende Lelianus
hinderlich iſt/ wird ſeine Seele ſchier auf der Spitze meines Rauffdegens tanzẽ muͤſſen; werde gleich-
wol auff Gelegenheit bedacht ſeyn/ ihren Herrn Vater noch einmahl zubegruͤſſen/ und nachdem die
Antwort fallen wird/ mich weiters wiſſen zuverhalten/ deſſen ſie verſichert Ihrer Liebe ganz ergedeneꝛ
und beſtaͤndiger Liebhaber S. M. Prokulus.


Nach verleſung fürchtete ſich Prokulus/ man würde ihn nicht zu Worten kommen
laſſen/ daher er alsbald alſo anfing: Weil ich dann nun/ allergnaͤdigſter Kaͤyſer dieſer bey-
den
[415]Sechſtes Buch.
den Roͤmerinnen/ eigenhaͤndigen Beweißtuhm hervor gebracht habe/ in welchem ſie Son-
nenklar zuerkennen gegeben/ daß ich mehr von ihnen/ als ſie von mir zur ehelichen Liebe er-
ſuchet bin/ wird und kann nichts mehr uͤbrig ſeyn/ als daß mein gerechteſter Richter in die-
ſer Sache die Urtel felle/ welche/ angeſehen der beſtendigen Kaͤyſerlichen Gerechtigkeit/ nit
anders/ als vor mich und meine auffrichtige traͤue/ wieder die Falſcheit dieſer beyden Roͤ-
merinnen ſtehen mus. Allergerechteſter Kaͤyſer/ fing darauff Furſtin Sibylla an; daß ge-
genwaͤrtiger Prokulus von etwa einem Schalke oder einer Schaͤlkin frey auffgezogen/
und mit abgel[e]ſenen erſten Brieffen/ welche unſer keine nie geſehen/ tapffer bey der Naſe
umbgefuͤhret ſey/ liegt mehr als zu helle am Tage/ maſſen ſo wenig ich von dem Lelianus/
als meine Fr. Schweſter von dem alten Greiſen leiſen ungeneñeten Buhler ichtwas weis/
oder jemahls gehoͤret habe. Ob nun Prokulus die ertichteten Brieffe beantwortet habe
oder nicht/ kan uns weder Schaden noch Vortel geben/ und muͤſte er ja beſtaͤndig erweiſen/
daß ihm die Brieffe von uns zugeſchrieben und uͤbergeſchicket/ auch ſeine Antwort/ davon
wir nie etwas gehoͤret oder geſehen/ uns eingelieffert waͤhren. Er bringe die Brieffetraͤger
an den Tag/ und laſſe ſie ſcharff fragen/ dann wird ſichs finden/ wie weit ſein Beweißtuhm
reiche. Weil ihm aber vielleicht ſolches unmoͤglig ſeyn wird/ und durch dieſen poſſierlichen
Auffzug meiner Fr. Schweſter und mir durchaus keine boͤſe Nachrede erwachſen kan/
wiewol/ wann der Anſtifter uns kund waͤhre/ wir ihn aufs wenigſte daruͤber zurede ſtellen
wuͤrden/ uͤberdas auch Herr Prokulus durch ſeines Gehirns bloͤdigkeit mag uͤberſchnellet
und zur leichtglaͤubigkeit angetrieben ſeyn/ als gelanget an ihre Kaͤyſerl. Hocheit meiner
Fr. Schweſter und mein demuͤhtigſt-untertaͤhnigſtes bitten/ dieſelbe wollen allen ungnaͤ-
digen Willen gegen Herrn Prokulus fallen laſſen/ und von deſſen Wiz ein mehres nicht
fodern als der unguͤtige Himmel ihm verlihen hat. Daß waͤhre wol eine wunderliche Sa-
che/ ſagte Prokulus/ wann in dieſem Gerichte ich unterliegen und den kuͤrzern zihen ſolte;
und dafern dieſe Schreiben von irgend einem andern/ als von den beyden Fraͤulein her-
kommen waͤhre/ wuͤrde ich ſolches eifern biß an mein Ende. Der Kaͤyſer fiel ihm hieſelbſt
ein/ und ſagete: Ohn allen zweiffel haͤtteſtu verdienet/ das dein unbeſonnenes Vornehmen
nicht mit Waffen/ ſondern mit Hundepeitſchen geſtraffet wuͤrde/ und haͤtten wir ſolche gro-
be Narrey nimmermehr hinter dir geſuchet. Es mus aber dieſer teuren Fuͤrſten und Fuͤr-
ſtinnen vorbitte dir zum beſten kommen/ mit denen/ wegen angelegten Schimpffes abtrag
zu machen/ befleiſſige dich ja bald/ oder du duͤrffteſt nicht gar lange mehr Prokulus heiſſen.
Dieſer kam zur erkaͤntnis/ taht vor dem Kaͤyſer einen Fußfall/ und baht ſeiner unbeſonnen-
heit allergnaͤdigſte verzeihung; und weil er nicht wuſte/ wer Baldrich und Siegward wah-
ren/ ließ er ſich dieſelbe zeigen/ da ihm Baldrich naͤher trat/ und zu ihm ſagete: Ritter/ daß
ihr meinem geliebten Gemahl in ehren nicht abhold geweſen ſeid/ kan ich euch wol goͤnnen/
wie auch/ daß mit den ertichteten Liebes-Brieffen ihr euch bißher erluſtiget; aber nunmehꝛ
muͤſſet ihr ſolcher Gedanken muͤſſig gehen/ wuͤꝛde auch unritterlich gehandelt ſeyn/ wañ ihr
einem andern ſein Gemahl zuentwenden euch unterfangen woltet; ich vor mein Haͤupt
moͤchte euch noch viel eine ſchoͤnere goͤnnen; aber daß ihr gleichwol mich habt unter dem
Schein einer guten Sache/ nicht ohn meine Beſchimpfung ausfodern duͤrffen/ muͤſte euch
ſo leicht nicht geſchenket ſeyn/ wann es euch nicht leid waͤhre. Jedoch/ wie jung ich bin/ ha-
be ich
[416]Sechſtes Buch.
be ich doch meines wiſſens nie keine ausfoderung umbſonſt und ohn darſtellung angenom-
men/ und mus deßwegen der Kampf durchaus/ zum wenigſten mit dem Speer vor ſich ge-
hen/ um darzutuhn/ wer unteꝛ uns beyden meineꝛ Lukrezien gluͤklichſter Liebhaber ſey. Pro-
kulus ſahe ihn ſo ſchwank und jung in duͤnner Kleidung vor ſich ſtehen/ und wahr ihm ſehr
lieb/ daß der Streit ſeinen fortgang gewinnen ſolte/ nahm ihn gerne auff ſich/ und gab zur
Antwort: Ritter/ ob ich gleich/ mus bekennen/ der gluͤklichſte Liebhaber dieſer Fraͤulein nit
bin/ hoffe ich doch mit dem Speer leicht zuerhalten/ daß ich der erſte unter uns beyden/ und
nicht untraͤu geweſen bin. Nicht untraͤu? ſagte Baldrich; Je was iſt daß dann vor eine
Traͤue/ daß ihr zugleich umb meine Fr. Schweſter/ Fuͤrſtin Sibyllen habt anwerben dür-
fen? ſehet guter Freund/ was ihr redet/ und kaͤmpfet unter ſo augenſcheinlicher boͤſen Sa-
che nicht/ es duͤrfte ſonſt die Traͤue ſelbſt ſuchen/ ſich an euch zu raͤchen. Meine Traͤue iſt da-
durch nicht gebrochen/ antwortete er/ ſondern im fall dieſes Fraͤulein dieſelbe nicht haͤtte
erkennen wollen/ wahr mein Anſchlag auff Frl. Sibyllen hingerichket. Ey ſehet da/ ein ſchoͤ-
ner Anſchlag/ ſagte Sibylla/ und mus ich alhie noch ſchamroht ſtehen/ weil mir ins Ge-
ſichte geſaget wird/ daß ich habe Noht-bedarff ſeyn ſollen. Das Gelaͤchter hieruͤber wahr
nicht geringe/ da der Kaͤyſer den beyden Fuͤrſtinnen ihre vermeineten Liebes-Brieffe zum
laͤcherlichen angedenken einhaͤndigte/ auch auff Baldrichs anhalten den Kampf einwillig-
te/ welcher inwendig der Kaͤyſerlichen Burg/ da es eine gute Rennebahn gab/ ſolte gehal-
ten werden/ weil man ohndas daſelbſt ſpeiſen wolte; machten ſich alſo beyde Kaͤmpfer fer-
tig/ welches Baldrich bloß taht/ umb eine Kurzweil zu machen. Ihnen wurden gleichmaͤſ-
ſige/ aber auff des Kaͤyſers befehl/ ſtumpfe Speer gegeben/ da Lukrezie ihrem Gemahl ein
koͤſtliches Faͤhnlein dran heftete/ woruͤber ſein gutes Herz treflich zunam. So durfte Pro-
kulus nicht weniger ſich des Sieges getroͤſten/ und mangelte ihm weder an guten Waffen
noch ſtarkem wolgewanten Pferde. Sie ſchicketen ſich beyderſeits zum Treffen/ und ran-
ten aus allen kraͤften zuſammen; doch hielt Prokulus dieſen erſten Stoß aus/ wie wol er
dem falle ſehr nahe wahr/ und Baldrich hingegen unbewaͤget voruͤber ging/ da er ſagte;
Hiemit mag Prokulus erwieſen haben/ daß er der erſte Liebhaber unter uns beyden gewe-
ſen ſey. Der Kaͤyſer ſahe daß Prokulus gezwungen ward ſich an ſeines Pferdes Maͤhne
zu halten/ weil er Stegreiff-loß gemacht wahr/ und wunderte ſich nicht wenig/ weil ihm
deſſen Leibeskraͤfte nicht unbewuſt wahren; welcher dann des Stoſſes wol empfand/ auch
des Schimpfs zu berſten meinete/ verwandelte die Herzhaftigkeit in raſerey/ und ging zum
andernmahle loß/ unter der Hoffnung/ es wieder einzubringen/ nachdem ſie beyderſeits mit
neuen Speeren verſehen wahren; aber es ging ihm ungluͤklicher weder vorhin; dann ob
er gleich ſein Speer auff Baldrichen zum andernmahle brach/ vermochte er ihn doch nicht
wankend zu machen; da hingegen er nicht allein den Sattel raͤumen muſte/ ſondern es
fuhr ihm auch ein Splitter von ſeines Gegeners Speer unter dem Helm durch den Hals/
daß ihm das Blut uͤber den Harniſch herab lieff/ und er als Tod auff dem Platze liegen
blieb/ welches Baldrichen ſehr leid wahr/ ſprang vom Pferde/ loͤſete ihm den Helm ab/ und
zog ihm den Splitter aus der Wunde; und als er ſahe/ daß er ſich erhohlete/ troͤſtete er ihn/
er ſolte gutes muhts ſeyn/ die unvermuhtliche Ungluͤks-wunde waͤhre ihm leid/ moͤchte des
Arztes gebrauchen/ uñ ſich verſichern/ daß er bemuͤhet ſein wolte/ ihm einen gnaͤdigen Kaͤy-
ſer
[417]Sechſtes Buch.
ſer zu machen. Dieſer empfand der Schmerzen/ bedankete ſich gleichwol des guten willen/
und baht/ wegen des ergangenen umb guͤnſtige verzeihung/ lies ſich von der Burg leiten/
und verbinden/ wiewol er ſein lebelang einen ſchiefen Kopff tragen muſte/ weil ihm eine
Sehnader gelaͤhmet wahr. Der Kaͤyſer ſahe dieſes Treffen mit verwunderung an/ dann
er wuſte daß Prokulus nicht ſo leicht abzuſtechen wahr/ und weil H. Dio neben ihm ſtund/
ſagete er zu ihm: Was wird dieſer junge Fuͤrſt dereins vermoͤgen/ wann er die ſtehenden
Jahre erreichen ſol? Lukrezie freuete ſich des Sieges am meiſten/ ging ihrem Gemahl auff
dem Platze entgegen/ und halff ihm daſelbſt die Ruͤſtung abzihen/ welches dem Kaͤyſer der-
maſſen gefiel/ daß er ſie oͤffentlich die andere Roͤmiſche Lukrezie nennete/ und ſie vor ſich fo-
derte/ ſie fragend/ ob wegen ihrer anfoderung ſie ſich ſchier bedacht haͤtte. Worauff ſie ant-
wortete: Großmaͤchtigſter unuͤberwindlichſter Kaͤyſer/ allergnaͤdigſter Herr; Euer Kaͤy-
ſerl. Hocheit ich unwirdigſte Magd/ erkenne mich ſo hoher Kaͤyſerl. Gnade und Hulde un-
faͤhig/ würde auch ſo weit mich nicht erkuͤhnen duͤrffen/ wann die kindliche Begierde/ mei-
nen lieben Eltern nahe zu ſeyn/ mich nicht antriebe; unter welcher Zuverſicht an ihre Kaͤy-
ſerl. Hocheit ich mein untertaͤhnigſtes Anſuchen abgehen laſſe/ umb zuvernehmen/ ob mein
herzlieber Vater des Syriſchen Stathalter Amtes nicht koͤnne erlaſſen/ und etwa zu einer
Roͤmiſchen Bedienung in Teutſchland/ zu Koͤllen oder der Ends befodert werden/ woſelbſt
er vielleicht ſeinem allergnaͤdigſten Kaͤyſer und geliebten Vaterlande der Stad Rom zu
dienſte auch noch etwas gutes ſchaffen moͤchte. Der Kaͤyſer wunderte ſich dieſer Bitte/
meinete auch nicht/ daß ihr Vater damit friedlich ſeyn wuͤrde/ uñ antwortete ihr: Geliebte
Freundin; ſie bittet/ meinen wir/ mehr ihre kindliche Liebe ſehen zu laſſen/ als ihres nutzen
wahr zunehmen/ halten auch nicht/ daß ihr Vater darein gehehlen werde/ inbetrachtung/
er ſich aus der Sicherheit in Gefahr/ aus friedlichem Stande in Unruhe verſetzen wuͤrde;
wollen nicht ſagen/ daß die jaͤhrlichen Einkommen gegen einander nicht zu rechnen ſind.
Ihrer Kaͤyſerl. Hocheit zuwiederſprechen/ wil mir nicht gebuͤhren/ ſagte Lukrezie; wann
aber deroſelben allergnaͤdigſt gefallen koͤnte/ meinen Vater daruͤber ſelbſt zu hoͤren/ wuͤrde er
ſeine meinung anzeigen. Ja/ warumb nicht/ antwortete er; rieff ihn ſelbſt herzu/ und taht
ihm ſeiner Tochter Bitte zu wiſſen. Worauff er dieſe Antwort gab; Allergnaͤdigſter Kaͤy-
ſer; wann mirs umb meinen eigen nutzen zu tuhn waͤhre/ wuͤrde ich mein Kind dieſer bitte
wegen anfeinden; weil aber alles mein tichten und trachten dahin ſtehet/ wie euer Hocheit
und dem lieben Vaterlande ich nuͤzliche uñ erſprießliche dienſte leiſten moͤge/ habe ich mei-
ner Tochter dieſes ſelbſt an die Hand gegeben/ weil ich davor halte/ die Freundſchaft zwi-
ſchen dieſen Teutſchen Fürſten und mir/ ſey ſo feſt gelegt und unterbauet/ daß meine nahe
Anweſenheit/ ſie und die ihren in Roͤmiſcher Freundſchaft zu unterhalten/ mehr/ als etliche
tauſend Kriegsknechte wirken ſol; bitte dieſem nach untertaͤhnigſt/ ihre Kaͤyſerl. Hocheit
wolle meines Kindes anwerbung nicht ungnaͤdig vermerken/ und nach ihrer freien Wahl
und Macht darin ordnen und ſchaffen/ auch mir allergnaͤdigſt verzeihen/ wann ihrer Kaͤy-
ſerl. Hocheit dieſe Bitte ſolte zuwieder ſeyn. Woldann mein Pompejus/ ſagte der Kaͤyſer/
dieſer Redligkeit und auffrichtigen Traͤue muͤſſet ihr genieſſen. Foderte den Buͤrgemeiſter
Pupienus und andere Roͤmiſche Rahts Herren zu ſich/ gab ihnen dieſes bewaͤglich zuver-
ſtehen/ und ward der Schluß gemacht/ ihm hinfuͤro eine ſonderliche Mildigkeit zueꝛweiſen.
g g gWie
[418]Sechſtes Buch.
Wie ihm dann nicht allein das Stathalter Amt zu Koͤllen geliefert ward/ ſondern empfing
jaͤhrlich aus des Reichs Schazkammer 30000 Kronen uͤber das ordentliche vermachte
Einkommen/ und gab ihm der Kaͤyſer und die Stad Rom den Zunahmen PIVS, das iſt/
der Gottfuͤrchtige.


Nun ſuchete Groß Fuͤrſtin Valiſka alle Gelegenheit/ wie ſie dem Kaͤyſer eine Beluͤ-
ſtigung machen/ und ihre ritterliche Erfahrenheit ſehen laſſen moͤchte/ daher ſie mit Her-
kules redete/ ob ihr koͤnte zugelaſſen ſeyn/ etliche verdeckete Auffzüge anzulegen; und nach
guter bewilligung muſte Gallus mit etlichen Reutern ſchleunigſt nach dem Walde reiten/
in welchen ſie vor zwey Jahren gefuͤhret wahr/ auff daß er das uͤbrige des Kunſtpulvers
uͤberbraͤchte/ deſſen er noch uͤber verhoffen einen guten Anteil fand/ und neben Herkules
Schwert/ welches er jensmahl mit dem Stabe verwechſelt hatte/ zu ſich nam/ da er faſt den
ganzen Ruͤkweg/ ſich ſeiner vorigen Suͤnden erinnernd/ mit gebeht und flehen zubrachte.
Gegen den Abend ſtreich Valiſka einen Boͤmiſchen aͤdelknaben/ der mit ihr gleicher Leibes
groͤſſe wahr/ das Geſichte an/ machte ihm ein falſches Haar/ gab ihm ein Amazoniſch Kleid
anzuzihen/ und ordnete ihm Timokles mit verſtelletem Angeſicht vor einen Dolmetſcher
zu/ nebeſt voͤlligen unterricht/ weſſen ſie ſich verhalten ſolten. Dieſe/ wie ihnen befohlẽ wahr/
lieſſen ſich deſſelben Abends angeben/ dafern ſie von Kaͤyſerl. Hocheit und den anweſenden
Fuͤrſten und Herren/ gnaͤdigſt/ gnaͤdig und freundlich koͤnten gehoͤret werden; traten nach
Erlaubniß in den Saal/ neigeten ſich hoͤflich/ wiewol auff fremde Art/ und redete Timo-
kles alſo: Unuͤberwindlichſter Kaͤyſer/ Durchleuchtige Fuͤrſten und Herren/ Fuͤrſtinnen/
Frauen und Fraͤulein; gegenwaͤrtige mein gnaͤdigſtes Fraͤulein/ Frl. Minithea/ der Groß-
maͤchtigſten Fuͤrſtin Thaleſtris/ herſchender Koͤnigin der Amazonen leibliche Schweſter/
die nach Afrika zuſaͤgeln willens/ hieher verſchlagen iſt/ hat die hoͤchſtanſehnliche Verſam-
lung Kaͤyſerl. Hocheit mit ſo vielen Fürſten und Herren/ auch Fürſtinnen/ Frauen und
Fraͤulein/ ohngefehr in Erfahrung gebracht/ und der urſach halben ſich hieher begeben/
daß ſie moͤchte ſehen laſſen/ ob nicht auch ihre weibliche ritterliche uͤbungen ſich bey dieſer
Landesart Rittern angenehm/ und in etwas beliebt machen koͤnten; bittet demnach unter-
taͤhnigſt und freundlich/ daß ihr moͤge vergoͤnnet ſeyn/ morgen vor eſſens ein vierfaches
Ritterſpiel zur kurzweiligen Luſt anzuſtellen/ als nehmlich eine Reit Schuele/ ein Ringel-
rennen/ eine Fechtſchuele und ein Freyſchieſſen; ſtellet auch Ihrer Kaͤyſerl. Hocheit un-
tertaͤhnigſt anheim/ ob dieſelbe die Gewin ſetzen/ oder ihr ſolches daneben erlaͤuben wolle.
Da nun dieſes ihr Anſuchen ſtat finden wird/ wil ſie ſolches an ihrem orte dereins hoͤchſt zu
ruͤhmen haben. Der Kaͤyſer und alle anweſende verwunderten ſich dieſes vorbringens
zum hoͤchſten/ macheten anfangs ein Gelaͤchter druͤber/ weil allen und jeden gnug bewuſt
wahr/ daß die Amazoniſchen Weiber vorlaͤngſt ſchon gedaͤmpfet und ausgerottet waͤhren/
und kunte doch niemand/ ohn Ladiſla und Arbianes außſinnen/ wer dieſes Aufzugs Mei-
ſter ſein moͤchte. Nicht deſtoweiniger blieb die ertichtete Amazonin ſtehen/ und erwartete
der genehmen Antwort/ mit vorwendung/ ſie wolte nicht hoffen/ daß Kaͤyſerl. Hocheit und
den Anweſenden Fuͤrſten und Herren ihr ritterliches Anſuchen einiges mißfallen erweckẽ
ſolte; im widrigen baͤhte ſie umb gnaͤdigſte und freundliche Vergebung ihrer gebrauch-
ten Kuͤhnheit. Als nun der Kaͤyſer ihr beharliches Anſuchen ſahe/ gab er Dion Vol-
macht/
[419]Sechſtes Buch.
macht/ ihr als einer Amazoniſchen Fuͤrſtin zuantworten/ und alles nach ihrem begehren
einzuwilligen; daher dieſer alſo anfing: Durchleuchtiges ritterliches Fraͤulein/ tapffere
Amazonin; die ſonderliche Ehre/ welche Kaͤyſerl. Hocheit/ auch den anweſenden Durchll.
Fuͤrſten und Herren/ Fuͤrſtinnen/ Frauen und Fraͤulein durch dieſen Vortrag wiederfaͤh-
ret/ wird von allerhoͤchſtgedachter Ihrer Kaͤyſerl. Hocheit und anderen anweſenden gnaͤ-
digſt und freundlich auffgenommen/ und wie Euer Durchl. dieſes tapffere Vornehmen
zu allem Ruhm ausſchlagen muß/ alſo wird man nit unterlaſſen/ ihren ritterlichen uͤbun-
gen/ teils als Mituͤbende/ teils als Zuſeher beyzuwohnen/ da dann Kaͤyſerl. Hocheit gnaͤ-
digſt geruhen wird/ allen obgedachten uͤbungen dreifache gedoppelte Gewin zuſetzen/ ſo daß
je zween den erſten/ andern und dritten in allen vier Ritterſpielen zugewarten haben ſollen;
und wird endlich Ihre Durchl. gnaͤdigſt und freundlich erſuchet/ gegenwaͤrtige Geſel-
ſchafft mit ihrer Gegenwart dieſen Abend zuvermehrẽ. Die Amazonin bedanke ſich durch
ihren Dolmetſcher der gnaͤdigſt- und guͤnſtigen Wilfahrung/ haͤtte dieſen Abend annoch
noͤhtige Geſchaͤffte zuverrichten/ wolte aber morgen fruͤhzeitig gnug im Schloßplatze ſich
finden laſſen; nam hiermit Abſcheid/ und verließ die Geſelſchafft in wunderſamen nach-
denken/ was ſich morgen begeben wuͤrde. Es ſtund der Amazonin alles weiblich gnug an/
das Angeſicht wahr auch unbekant/ weder Teutſch noch Italiaͤniſch. Ihrer viel ſtunden
in den Gedanken/ der Kaͤyſer ſelbſt wuͤrde es alſo geordnet haben/ nur daß er unſerer Fuͤrſt-
lichen Helden ritterliche Erfahrenheit ſehen und pruͤfen moͤchte. Hingegen gab der Kaͤy-
ſer es auff Herkules oder Ladiſla/ oder Arbianes. Die Groß Fuͤrſtin/ welche zwiſchen Fr.
Mammeen und dem Kaͤyſer ſaß/ wuſte ſich ſo wol in die Poſſen zuſchicken/ daß kein Roͤmer
auff ſie argwohnete/ auch die unſern ſelbſt/ auſſer Herkules/ zweifelten; dann ſie fing mit
dem Kaͤyſer ein Geſpraͤch an von den Amazoniſchen Heldinnen/ ob man auch trauen duͤrf-
te/ daß dergleichen/ wie man ſchriebe/ je geweſen waͤhren; etliche gaͤben vor/ ſie waͤhren von
Herkules dem beruffenen Griechiſchen Heldẽ gedaͤmpft; andere dagegen hielten mit dem
Homerus/ ſie haͤtten ſich noch nach Herkules Tode mit vor Troja wider die Griechen ge-
brauchen laſſen; ja man duͤrffte bejahen/ daß ſie annoch zur Zeit des groſſen Alexanders
geweſen waͤhren. Worauff der Kaͤyſer zur Antwort gab: Weil nicht allein die Geſchicht-
Schreiber einhellig es bejaheten/ ſondern man auch noch auff dieſen Tag etliche trefliche
Gebaͤu zeigete/ die von ihnen ſolten gerichtet ſeyn; ja überdas ihrer vornehmſten Koͤnigin-
nen Nahmen und Nachfolge verhanden waͤhren/ haͤtte man ſeines erachtens nicht groß
dran zuzweifeln. Ward alſo dieſes Geſpraͤch auffgehoben/ und der Abend mit tanzen und
kurzweilen hingebracht. Des folgenden Morgens ſtellete der Amazonin Dolmetſcher ſich
wieder ein/ und ließ bey Kaͤyſerl. Hocheit und den Fuͤrſten anhalten/ eine gute Anzahl wol
abgerichteter muhtiger Pferde/ teils geſattelt/ teils nur ſchlecht gezaͤumet auff den Reit-
plaz fuͤhren zulaſſen; auch ein Geſtelle zum Ringelrennen auffzurichten/ und etliche ſtum-
pfe Schwerter nebeſt unterſchiedlichen Bogen und Pfeilen dabey zuordnen/ welches alles
zur gnuͤge verrichtet ward. Der Kaͤyſer und die alten Roͤmiſchen und Paduaniſchen
Herren ſtunden auf einem abſonderlichen Gemache Oſtenwerts. Das fremde/ Roͤmiſche
und Paduaniſche aͤdle Frauenzimmer/ hatten allernaͤheſt dabey ihren Stand. Gleich ge-
gen uͤber wahren die Fuͤrſtinnen alle mit einander/ nebeſt Fr. Kordula/ Virginia und He-
g g g ijlena.
[420]Sechſtes Buch.
lena. Die Groß Fuͤrſtin ließ ſich anfangs an ihrer ſtelle oͤffentlich ſehen/ gruͤſſete auch in-
ſonderheit den Kaͤyſer durch ihr Guk Fenſter/ umb allen Argwohn abzulehnen/ und muſtẽ
hernach alle ihre Geſelſchafft die Angeſichter mit ſchwarzem Flohr behaͤngen/ da ſie ihre
Euphroſynen an ihren Plaz ſtellete/ Haar/ Angeſicht/ Haͤnde und Arme braunſchwarz an-
ſtrich/ und ein Amazoniſch Kleid anlegete; hatte zween Boͤhmiſche mit gleicher Kleidung
verſtellete aͤdelknaben bey ſich/ welche ihr einen koͤſtlichen Bogen/ Elffenbeinen Koͤcher mit
Pfeilen/ und ein ſtumpffes Schwert nachtrugen. Als ſie in den Plaz trat/ erzeigete ſie allen
Zuſehern/ und die zur ritterlichen uͤbung ſich eingeſtellet hatten/ nach Standes Gebuͤhr/
hoͤfliche Ehr/ und ließ darauff durch ihren Dolmetſcher folgende Werbung vortragen:
Durchleuchtigſte Fuͤrſten/ Hochgebohrne Herren und hochaͤdle tapffere Ritter; gegen-
waͤrtige mein gnaͤdigſtes Fraͤulein bedinget ſich ausdruͤklich/ daß ſie weder aus hochmuͤh-
tiger Einbildung/ noch ſchaͤndlichem Ehrgeiz dieſe übung angeſtellet/ vielweniger ihr die
Gedanken machet/ ob ſolte ſie ſo treflichen Helden etwas angewinnen koͤnnen/ deren hoͤchſt:
ruͤhmliche Ritterſchafft ſo weit erſchollen/ daß ſie auch den Amazoniſchen Ritterinnen nit
verborgen bleiben moͤgen/ ſondern bloß nur die Ehre und das Gluͤk zuhaben/ ſich in ihrer
Geſelſchafft mit zuuͤben/ hat ſie dieſe Ritter Spiele mit antreten wollen/ unter der unge-
zweifelten Zuverſicht/ ſie werde hiedurch niemand einige Verdrießligkeit erzeigen oder
zum Widerwillen anreizen. Bittet daneben dienſt- und freundlich/ einer unter ihrer Hoch-
Fuͤrſtlichen Geſelſchafft wolle den Anfang mit dem Pferde bereiten machen. Ladiſla/ wel-
cher nunmehr ſeine Schweſter gar aus dem Verdacht gelaſſen/ weil er ſie niemahls mit
verſtelletem Angeſicht geſehen hatte/ gab ihr dieſe Antwort: Durchleuchtigſtes Fraͤulein/
tapffere Amazonin/ wie ſolte einiger Ritter an dieſem hochloͤblichen beginnen Verdruß
tragen/ oder deren ritterliches Vornehmen einiger Ungleicheit beſchuldigen? Vielmehr
erkennen wir ingeſamt und jeder inſonderheit/ Euer Liebe uns davor zu Dienſt verbundẽ/
nachdem ſie uns gewirdiget/ daß in ihren ritterlichen uͤbungen wir uns zugebrauchen ge-
legenheit haben koͤnnen; und weil ihre Liebe dieſes vierfachen Ritterſpiels Uhrheberin iſt/
wird ſie unbeſchweret ſeyn/ in allen nach ihrem guten belieben den Anfang zumachen/ da-
mit aus ihrem vorgehen wir lernen moͤgen/ wie wir folgen ſollen. Die Amazonin neigete
ſich abermahl/ ſahe friſch umher/ erblickete ein geſatteltes hohes und muhtiges Pferd un-
ter dem Hauffen/ und ließ die Diener/ die es hielten/ es auff die Bahn zihen. Der Kaͤyſer/
dem es zuſtund/ und es uͤber alle ſeine Leib Roſſe ſchaͤtzete/ wiewol ers ſelber zureiten nicht
getrauete/ und ſchon bedacht wahr/ Gelegenheit zuſuchen/ daß Herkules es tum̄eln moͤch-
te/ ſahe dieſes nicht ungerne/ dann er meinete/ ſie wuͤrde mit Schimpff beſtehen/ und das
uͤbermuͤhtige Tihr nicht zwingen koͤnnen; aber ſie lief mit vollem Sprunge darauff zu/
ſchwang ſich als im Augenblik in den Sattel/ faſſete den Zuͤgel/ und beritte es ſo artig/ daß
alle Zuſeher zweifelten/ ob ihr jemand ſolches nachtuhn wuͤrde; anfangs ſprengete ſie da-
mit hinter und vor ſich/ und zu beyden Seiten aus; hernach ließ ſie es im einfachen und ge-
doppelten Kreiſſe lauffen/ und trieb es zu ſo hohen gewaltigen. Sprüngen an/ daß jeder-
man meynete/ ſie würde den Hals zubrechen/ ſaß doch nicht deſtoweniger dermaſſen feſt im
Sattel/ als waͤhre ſie darauff geleimet/ daß auch der Kaͤyſer zu ſeinen Beyſtehern anfing:
Ich habe dieſer verſtelleten Amazonin in meinem Herzen ſehr unrecht getahn/ daß ich die-
ſes
[421]Sechſtes Buch.
ſes Pferd ihr nicht zugetrauet/ da ſie es doch ungleich tapfferer und witziger als alle meine
Bereiter/ getummelt hat. Gleich da ſahe er/ daß ſie im vollen rennen herunter ſprang/ und
ſich gegen die anweſende hoͤflich neigete. Herkules nam eben daſſelbe Pferd/ und machte
ihr alles genaue nach was ſie hatte ſehen laſſen/ ließ auch einsmahls ſeinen Huet mit gu-
tem Willen auff die Erde fallen/ und hueb ihn mit ſeinem Staͤblein in vollem rennen auff.
Ladiſla und die drey Fuͤrſten tahten auch ihr beſtes/ aber an die Amazonin und Herkules
kahmen ſie nicht. Die Roͤmiſchen Ritter verzageten alsbald/ hieſelbſt Ehre zugewinnen/
haͤtten viel lieber weit davon ſeyn moͤgen; aber ehrenhalben muſten ſie mit machen/ da der
junge Pupienus ſich vor andern wol hielt. Als der junge Sulpitius in ſeiner uͤbung war/
ſihet die Amazonin Herkules aͤdlen Blaͤnken ſtehen/ der von vier Dienern gehalten ward/
bedachte ſich/ ob Verdacht zumeiden/ ſie ihn unbeſchritten ſolte laſſen/ und ließ ſich endlich
durch Begierde reizen/ daß ſie hinzu trat/ den Zaum ergrif/ und ſehr gerade hinauf ſprang.
Das Pferd ſeinen erſten Reuter kennend/ hielt ſich zahm und gehorſam/ ließ ſich lenken uñ
kehren nach allem Wink/ und rante ſie wie ein Pfeil auff demſelben hin und wieder/ biß es
zimlich ermuͤdet war/ daher Ladiſla von neuen gedachte/ es muͤſte ohn zweifel ſeine Schwe-
ſter ſeyn/ Gott gaͤbe/ wie ſie auch unvermerket von der Schaubühne kommen waͤhre/ und
mit der ihm wolbekanten Farbe ſich verſtellet haͤtte. Arbianes wankete auch/ und haͤtte ſich
ſchier erkuͤhnet/ Groß Fuͤrſten Herkules ſeine Meinung zuentdecken/ hielt aber doch inne/
aus furcht/ ſie zubeleidigen/ da ſie es waͤhre. Endlich ergriff ſie ein ungeſatteltes doch ge-
zaͤumetes ſehr unbendiges Pferd/ ſprengete damit hin und her/ und tummelte ſich recht-
ſchaffen/ klemmete ſich auch mit den Beinen ſo feſte darauff/ daß ſie keinen Wank taht/ un-
geachtet das Pferd nur immer ſich bemuͤhete/ ſie abzuwerffen; welches dem Kaͤyſer und
andern Roͤmern/ als eine unbekante uͤbung fremd vorkam/ und ſehr zweifelten/ ob auch ih-
rer Leute einer ſolches wagen duͤrffte; wie ſie dann in Warheit ſich deſſen alle enthielten;
aber die Fuͤrſten ingeſamt braucheten ſich in dieſer ungeſattelten Renne Schule ſehr wol/
daß keiner dem andern nachgab. Nach Vollendung dieſer uͤbung/ welche anderthalb ſtun-
den wehrete/ nam die Amazonin ein Speer zum Ringelrennen/ taht den erſten Rit auff ih-
rem Schecken/ und nam den Ring artig hinweg. Herkules und Ladiſla tahten desgleichẽ;
Baldrich ſtach ein wenig zu hoch. Siegward traff. Arbianes und die uͤbrigen alle fehleten
zum erſten mahl/ ohn Skaurus brachte ihn davon. Nach dieſem ward noch 20 mahl um-
geſtochen/ da die Amazonin und Herkules kein mahl; Ladiſla einmahl; Baldrich und Ar-
bianes viermahl; Siegward dreymahl/ wie auch Skaurus; die uͤbrigen offter fehl ſtachẽ.
Sie haͤtten gerne noch etliche Ritte getahn/ aber weil die Sonne ſchon hoch ſtund ward
auch dieſe uͤbung aufgeruffen; daher nam die Amazonin ihr ſtumpfes Schwert zur hand/
und foderte anfangs Herrn Skaurus aus/ mit dem ſie drey zierliche Gaͤnge hielt/ ihm auch
eines über die linke Schulter und das rechte Bein anbrachte/ da er ſie doch nicht treffen
kunte. O nun verzweifele ich an allen uͤbrigen Roͤmern/ fing der Kaͤyſer an/ nachdem mein
Skaurus/ der ſeines gleichen in Rom nicht hat/ den kuͤrzern zihen muß; kan auch nimmer-
mehr nicht glaͤuben/ daß ſein Gegener ein Weibesbild ſey; aber was vor ein treflicher A-
chilles muß doch immermehr unter dieſem Amazoniſchen Kleide verborgen liegen? Der
Teutſchen Fuͤrſten iſt es ja keiner/ als die ich alle vor mir in der uͤbung ſehe; iſt demnach nit
g g g iijanders/
[422]Sechſtes Buch.
anders/ es muß etwa Groß Fürſt Herkules dieſen ſeinen lieben Diener alſo abgerichtet ha-
ben. Nach Skaurus Abtrit/ der ſich nicht wenig ſchaͤmete/ weil er ſeine groͤſte Hoffnung
auff die Fechter Kunſt geſetzet hatte/ trat des Kaͤyſers Ober Fechtmeiſter hervor/ und be-
gehrete der Amazonin; die ihm gerne zu willen wahr/ ſeinen erſten ungeſtuͤmen Doppel-
hieben und Stoͤſſen auswiche/ doch dabey ihren Vortel erſahe/ und ihm eins uͤbers Maul
verſetzete/ daß die rohte Suppe folgete/ und er mit Schimpff das Gewehr niderlegen mu-
ſte. Nachgehends uͤbeten ſich die ſaͤmtliche Fuͤrſten mit den Roͤmern/ und erlangeten ho-
hen Preiß wegen ihrer treflichen Erfahrenheit/ wiewol Skaurus und Pupienus ihnen
wenig nachgaben. Nun wahr ein groſſer Fechter unter den Umſtehern/ der ſeine Fecht-
terkunſt zuruͤhmen anfing/ und wie manniche Schuele er ohn einigen empfangenẽ Schlag
gehalten haͤtte/ moͤchte ſich auch gerne mit der Amazonin verſuchen/ wann er deſſen koͤnte
gewirdiget ſeyn. Der eine Boͤhmiſche aͤdelknabe hoͤrete ſolches/ hinterbrachte es der Ama-
zonin/ die ihm ein Schwert in die Hand gab/ welches er dem Fechter einreichen/ und ihn
herzu fuͤhren ſolte. Dieſer war hierzu willig/ uñ gedachte ſonderliche Ehre einzulegen; hielt
ſich nach ſeiner grobẽ Art zimlich/ machte ſein Aufheben/ mit neigẽ/ Handſtellung in die ſei-
te/ Schraͤnkung der Fuͤſſe uñ Beinſchnitten/ ſo gut ers gelernet hatte/ welches doch von der
Ritterſchafft als eine unnuͤtze Gaͤukeley verlachet ward/ uñ die Amazonin durch ihren Dol-
metſcher zu ihm ſagete: Guteꝛ Freund/ es iſt kramantſchens gnug/ und habt eure Auffhe-
be Kunſt durch Anbehtung eures Schwerts zur gnuͤge ſehen laſſen/ ſo kommet nun her/
dz ich der Streiche auch empfinden moͤge. Ja wol/ antwortete dieſer Ungeſchliffene/ gar zu
fruͤh werde ich euch kommen/ hoffe auch/ mir werde vergoͤnnet ſeyn/ meine Kunſtſtreiche
anzubringen. Darumb ſind wir hie/ ſagte ſie/ trat ihm entgegen/ und befand daß er in der
guͤldenen Kunſt ſehr gut wahr/ und ſich im geſtrekten Lager mit guter Vorſichtigkeit zu hal-
ten wuſte/ daß ihm ſo leicht nicht beyzukommen wahr; deswegen ſie anfangs ſich auch ei-
nes langen/ bald aber darauff eines kurzen Lagers gebrauchete/ ließ ihm ſein Spiegelfech-
ten ein wenig antreiben/ trat ihm endlich ein/ und verſetzete ihm eins uͤber die Stirn/ daß
ihm das Geſichte verging; wiederhohlete den Streich/ und ſchlug ihm die Voͤrderzaͤhne
aus dem Maule/ fuͤhrete alsbald darauff einen ſtarken Unterhieb/ und richtete ihm das lin-
ke Schienebein alſo zu/ daß er in die Knie niderſchoß/ und ein ſtarkes Geſchrey ausließ.
Da erhub ſich nun ein ſolches Gelaͤchter unter den Anweſenden/ daß niemand ſein eigen
Wort hoͤren kunte. Die Amazonin aber ließ ihm durch ihren Dolmetſcher eine Hand vol
Kronen zu ſeiner Schmerzen linderung einreichen/ welche er vor lieb nahm/ und als waͤh-
re alles wol verrichtet/ davon ging. Herkules waꝛ anfangs nicht willens mit ihr zu fechten/
endlich kam ihn eine Luſt an/ ſie zuverſuchen/ da dann ein ſo uͤberaus zierlicher und kuͤnſtli-
cher Kampff von ihnen gehalten ward/ daß alle Anweſende daruͤber Augen und Mund
auffſperreren; doch bekam die Amazonin im dritten gange einen ſanften Schlag uͤber den
Arm/ und ward damit auch das Gefechte geendiget. Das Schieſſen wahr noch uͤbrig/ wo-
rin Herkules ſich ſelbſt fuͤrchtete uͤberwunden zu werden. Die Amazonin ergriff ihren Bo-
gen/ und begehrete von der Geſelſchaft/ ſie moͤchten nach belieben das Ziel ſtecken und ord-
nen. Worauff Skaurus den Pfahl ſchlug; Pupienus aber einen ſchwarzen Flecken eines
Reichstahlers in der mitte deꝛ Scheibẽ mahlete/ welches der Amazonin gar zu gꝛoß dauch-
te;
[423]Sechſtes Buch.
te; daher ſie hinzu trat/ ein weiſſes Fleklein einer Haſelnus groß in das Schwarze mache-
te/ hernach einen ſchwarzen Quehrſtreich mitten uͤber die Scheibe zohe/ und durch den
Dolmetſcher anmelden ließ/ ſie wolte den gemahleten Strich von der Rechten nach der
Linken zu/ biß an das weiſſe Fleklein vor ſich nehmen/ und voller Pfeile ſchieſſen/ die andern
moͤchten von der Linken nach der Rechten zu/ ihren Schuß nehmen/ und den Strich mit
Pfeilen füllen/ hernach ſolte das Weiſſe den Meiſterſchuß geben. Die Anweſende hielten
ſolches vor eine Unmoͤgligkeit/ und ſahen ihrem beginnen fleiſſig zu/ da ſie einen Pfeil nach
dem andern/ dem geraden Zuge nach/ in die Scheibe ſchoß/ als waͤhrẽ ſie nach der Schnuhꝛ
hinein geſtecket; und da ſie den achten abdruͤcken wolte/ flog ein Geier hoch in luͤften uͤber
ihr her/ welchen ſie ohngefehr ſahe/ und ihn alsbald herunter ſchoß/ daß er Skaurus auff
die Achſel fiel; volfuͤhrete darauff ihr Vorhaben/ biß 19 Pfeile in der Reihe ſtecketen/ und
drey Daumen breit von dem weiſſen Flek uͤbrig wahr. Der Kaͤyſer ſahe dieſem mit hoͤch-
ſter verwunderung zu/ und ſagte zu Dio: Ich wahr ſchier halb willens/ das Schieſſen mit
zu halten (wie er dann ein guter Schuͤtze wahr) aber nun iſt mirs Lieb/ daß ich mich des
Bogen geaͤuſſert; dann dieſer vermummeten Amazonin gleichen lebet nicht. Es ließ ſich
niemand im Platze finden/ der luſt hatte dieſes Schieſſen mit anzutreten/ biß die Amazo-
nin ſie anreden ließ/ wer in vorigen uͤbungen ſich mit gewaget haͤtte/ wuͤrde ihr auch in der
lezten Geſelſchaft leiſten. Alſo trat Ladiſla zu erſt hin/ ſchoß ſeinen Pfeil ans aͤuſſerſte der
Linken in den Strich/ doch daß er nicht gar in die mitte kam/ ſondern ein wenig zu hoch ſtec-
kete/ weil er aber den Strich uͤber die Halbſcheid ruͤhrete/ ließ man ihn ſteckẽ. Herkules fol-
gete/ und ſchoß den ſeinen recht nach gebuͤhr. Baldrich kam etwas zu niedrig/ deßwegen
ward er ausgezogen. Siegward hoffete es beſſer zu machen/ aber er traff nicht allein zu
hoch/ ſondern auch zu weit nach der Rechten. Arbianes hatte das Gluͤk/ daß ſeyn Pfeil/
gleich Ladiſlaen ſtecken blieb. Pupienus ſchoß gar fein/ aber er beteurete daß es ein bloſſer
Gluͤckesſchuß waͤhre; die uͤbrigen alle ſchoſſen groͤblich fehl. Alſo kam die Ordnung wieder
an Ladiſla/ der traff dißmahl recht. Herkules im gleichen; die uͤbrigen fehleten alle. Zum
drittenmahl fehlete Ladiſla des Streichs/ auch alle anderen/ ohn Herkules/ und machte es
Pupienus am ſchlimmeſten/ daher ſich niemand mehr wolte gebrauchen laſſen/ ohn allein
Herkules fuͤllete die Zeile/ wiewol nicht ſo gar gleich als die Amazonin/ wolte doch nit deſto
weniger den Meiſterſchuß mit halten/ da ihm dann der Vorſchuß gegoͤnnet ward/ welcheꝛ
ſo wol geriet/ daß er mitten auff das Weiſſe zuſtecken kam; deſſen die Amazonin ſich herz-
lich erfreuete/ ließ das Loͤchlein nach ausgezogenem Pfeile zupfloͤcken/ legete an/ und ſchoß
in eben daſſelbe Loch/ welches Herkules gemacht hatte/ wie es dann von allen/ die ſich mit
übeten/ beſichtiget ward. Arbianes wolte nicht mehr zweiffeln/ es muͤſte die unvergleichli-
che Schuͤtzin Valiſka ſeyn/ trat zu ihr hin/ und ſagete auff Mediſch: Fr. Schweſter/ ſie iſt
es und keine andere; welche ihm dann lachend antwortete: Ein Freund verraͤht den an-
dern nicht; legte ihren Bogen nider/ ſetzete ſich auff ein gerades Pferd/ und ließ ihr das Ge-
ſchoß wieder reichen; bald kahmen nach ihrem geheiß etliche Haſen hergelauffen/ denen ſie
nachſetzete/ und alle/ die ſich nicht unter die Leute und Pferde verſtecketen/ im vollen rennen/
zu bodem ſchoß/ daß der Kaͤyſer uͤberlaut ſagete: O wunder der volkommenheit/ wiltu nicht
ſchier auffhoͤren zu wundern! ſie taht hierauff noch etliche zierliche ritte/ ſchoß einen Pfeil
gerade
[424]Sechſtes Buch.
gerade uͤberſich in die Hoͤhe/ daß es ziſchete/ ſchwang ſich ſehr artig vom Pferde/ und hielt
durch ihren Dolmetſcher folgende Rede: Großmaͤchtigſter unuͤberwindlichſter Kaͤyſer;
auch Durchleuchtigſte Hochgebohrne Fuͤrſten und Herren; Fuͤrſtinnen/ Frauen und
Fraͤulein; es bedanket ſich mein gnaͤdigſtes Fraͤulein/ Frl. Minithea untertaͤhnigſt/ dienſt-
und freundlich/ daß man ihr dieſe Ubung nicht allein goͤnnen/ ſondern auch ihren unvol-
kommenheiten gnaͤdig und guͤnſtig uͤberſehen wollen; den ritterlichen Mituͤbern erkennet
ſie ſich zu ehrliebender Freundſchaft ſchuldig/ wie ſie auch uhrboͤtig iſt/ allen Anweſenden
nach Standes gebuͤhr auffzuwarten/ und behaͤgliche angenehmligkeiten zuerweiſen. End-
lich muſte ihr Dolmetſcher anzeigen/ es moͤchte der unglükliche Fechter des folgenden Ta-
ges ſich bey ihr anmelden/ welchen ſie noch weiter ergetzen wolte/ nachdem ſie nicht gerne
einigen ungewogenen in dieſer Landſchaft verlaſſen moͤchte. Hiemit nam ſie einen Abtrit
in ein Untergemach/ ließ den Boͤmiſchen aͤdelknaben/ der des vorigen Tages ſich angege-
ben hatte/ unvermerket an ihre Stelle treten/ ſtieg duꝛch ein Nebentuͤhrlein auf ihre Schau-
bühne/ da Gallus ihr aufs ſchleunigſte die Farbe weg nam/ und legte ſie ihre Kleider an/
des verfolgs erwartend. Der Kaͤyſer ſendete hin nach dem Fuͤrſtlichen Frauenzim̃er/ mit
begehren/ es moͤchten ihrer ſechſe unbeſchwert herzu treten/ und die Gewin nach der Rich-
ter Urtel austeilen. Alſo gingen Valiſka/ Sophia/ Lukrezie/ Sibilla/ Urſula und Kordula
hin/ ſolches zuverrichten. Den hoͤchſten Preiß von allen vier Spielen empfing die Amazo-
nin von Sophien/ und Herkules von ſeinem Gemahl; als wegen des Bereitens ein par
guͤldener Pferde Stangen mit einem Gebiß von aͤdlen Steinen; wegen des Ringelren-
nens einen treflichen Kranz von den koſtbahꝛeſtẽ Perlen; wegen des Fechtens ein Schweꝛt/
deſſen Gefaͤß von Demanten ſchim̃erte; und wegen des Schieſſens ein Kleinot in geſtalt
eines Handbogen zugerichtet. Der ander Gewin ward Ladiſla und Skaurus eingereichet/
wegen des Fechtens; Ladiſla und Baldrich wegen des Reitens; Ladiſla und Siegward
wegen des Ringelrennens; Ladiſla und Arbianes wegen des Schieſſens; welches ihnen
Lukrezie uñ Sibylla lieferten; nehmlich jedem wegen des Reitens ein par guͤldener Spoꝛn
mit Rubinen ausgeſezt; wegen des Ringelrennens/ auch einen Perlen Kranz; wegen des
Fechtens ein Kleinot in geſtalt eines Adlers; und wegen des Schieſſens des Kaͤyſers Bil-
de umb und umb mit Saphiren verſetzet. Den dritten und lezten Preiß teileten Urſula uñ
Kordula aus; Siegwarden und Arbianes wegen des Reitens/ ein par guͤldener Sporn/
etwas geringer als die vorigen; Baldrich und Skaurus einen Perlen Kranz wegen des
Ringelrennens; Baldrich und Siegward ein par guͤldener Armbaͤnder wegen des Fech-
tens; wie auch eben dieſen beyden wegen des Schieſſens eine guͤldene Kette; und belieff ſich
der ſaͤmtliche erſte Gewin auff 100000 Kronen; der ander auff 60000; der dritte auff
35000 Kronen. Es hatte ſich der Tag zimlich ſchon auff die Spaͤte gezogen/ und wahren
ſo wol Zuſeher als Ubende noch nuͤchtern/ dz jeden nach der Spiſe verlangete. Die Groß-
Fuͤrſtin machete hieſelbſt noch einen blinden Auffzug/ in dem ſie die Amazonin baht/ mit ihr
zu Tiſche zu gehen/ welche ſich aber hoͤflich entſchuldigte/ mit einwendung/ ſie haͤtte annoch
ſehr noͤhtige Sachen zuverrichten/ baͤhte umb verzeihung/ und wolte nach verlauff wenig
Stunden ſich unfehlbar einſtellen/ Kaͤyſerl. Hocheit untertaͤhnigſt/ und der Hoch Fuͤrſtl.
Geſel-
[425]Sechſtes Buch.
Geſelſchaft dienſtlich auffzuwarten; mit welchem erbieten dann der Kaͤyſer und die ande-
ren alle/ zu frieden ſeyn muſten/ weil ſie ja noch das Gluͤk haben wuͤrden/ dieſen ſo treflich
fertigen Menſchen zuerkennen. Zeit wehrender Mahlzeit über/ wahr alles Geſpraͤch von
Herkules und dieſer Amazonin/ daß auch der Kaͤyſer ſagete: Ihn verlangete ſehr/ dieſen
wunder geuͤbeten Menſchen zukennen/ und wer er auch ſeyn moͤche/ koͤnte er ihn doch vor
kein Weibesbild halten. Fr. Sophia antwortete: Es lieſſe dieſe Amazonin ſich anmelden/
daß ihrer Kaͤyſerl. Hocheit ſie ſich gerne untertaͤhnig darſtellen wolte/ im falle ſie bey der-
ſelben eines Frevels gnaͤdigſte Vergebung erhaltẽ koͤnte/ welchen an ihrer Hocheit ſie eins-
mahls/ doch nicht aus boͤſem willen veruͤbethaͤtte/ und wolte ſie vor ihr Haupt ihre Hoch-
heit wol verſichern/ dz die verſtellete Amazonin/ ſo die ritterliche Ubung verrichtet/ ein wah-
res Weibsbild waͤhre. Iſt ſie eine ſolche/ ſagte der Kaͤyſer/ ſo iſt ſie die volkommenſte in rit-
terlichen Ubungen; jedoch beteuren wir/ daß wir uns durchaus nicht erinnern koͤnnen/
von einigem Weibsbilde einen Frevel eingenommen zuhaben/ und ob ſolches gleich ge-
ſchehen waͤhre/ muͤſte ihr doch willig verzihen ſeyn/ inſonderheit/ weil es nicht aus boßheit/
ſondern vielleicht aus bloſſem Irtuhm wird geſchehen ſeyn. Dieſer gnaͤdigen verzeihung/
antwortete Fr. Sophia/ bedanke wegen meiner Fr. Schweſter der Teutſchen Groß Fuͤr-
ſtin/ ich mich untertaͤhnigſt/ und wil ihrer Kaͤyſerl. Hocheit nicht laͤnger verſchweigen/ daß
die ritterliche Amazonin keine andere geweſen/ als die Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ Fr.
Valiſka/ die ihrer Hocheit an der Seite ſitzet. Der Kaͤyſer entſetzete ſich faſt/ wegen dieſes
vorbringens/ wuſte nicht/ wovor er ſie haltẽ ſolte/ wendete ihr ſein Angeſicht zu/ und ſagete:
Wie iſt es dann moͤglich/ daß eure Liebe auff einmahl und an einem Orte in zween durch
Angeſicht/ Leben und Kleidung unterſchiedliche Menſchen ſich verſtellen kan? Nun habe
ja ihre Liebe ich nicht allein auff der Schaubuͤhne geſehen/ ſondern ihr auch die Gewin aus-
zuteilen ſelbſt in die Hand gegeben; uͤberdas mit leiblichen Augen angeſehen/ daß Fr. So-
phia der Amazonin die wolgewonnenen Kleinot zugeſtellet. Die Groß Fuͤrſtin erroͤhtete
in etwas/ und gab zur Antwort: Unuͤberwindlichſter Kaͤyſer; nachdem allergnaͤdigſte ver-
zeihung dieſes meinen kuͤhnen Frevels ich ſchon erhalten/ wil ihrer Kaͤyſerl. Hochheit ich
untertaͤhnig berichten/ daß ich zwar die Amazonin in den Ritter Spielen/ aber weder die
geſtrige/ ſo ſich angab/ noch die heutige ſo den Gewin empfing/ geweſen bin. Dañ nachdem
ich nach vollendung der Spielen einen geſchwinden Abtrit nam/ habe ich jene zum betrug
in bereitſchaft gehabt/ und iſt mir ſolches ſo wol gelungen/ daß keiner/ ſo nicht zuvor es ge-
wuſt/ mich ungezweifelt erkennet/ ohn Fuͤrſt Arbianes haͤtte mir das Spiel ſchier verderbet/
als welcher mich beim Schieſſen/ deſſen er mehr von mir geſehen/ aushohlete/ und da mei-
ne warnung nicht geweſen/ mich vielleicht verrahten/ uñ in offentlichen Spot geſetzet haͤtte.
Alle anweſende Roͤmer und Roͤmerinnen kunten ſich der Groß Fuͤrſtin nicht gnug ver-
wundern/ ſo daß ihrer unterſchiedliche ſie vor eine himliſche Goͤttin zuhalten anfingen/ uñ
der gaͤnzlichen Meynung wurden/ ſie muͤſte entweder die algebietende Juno/ oder die ſtreit-
bare Pallas/ oder das Schoͤn-Muſter die Venus ſeyn. Ja man fand folgendes Tages un-
terſchiedliche Zettel ausgeſtraͤuet/ auff welchen dieſes Heidniſche Verßgeticht geſchrie-
ben ſtund.


h h hIhr
[426]Sechſtes Buch.
1 IHr Roͤmer nehmt des Gluͤckes wahr;

Jezt habt ihr das verſprochne Jahr/

Da euch die Goͤtter ſelbſt beſuchen;

Wie koͤnt ihr dann dem Gluͤcke fluchen?

Erkennet doch die Seligkeit/

Womit euch Jupiter erfreuet;

O der genehmen lieben Zeit/

Die uͤber uns diß Gluͤk ausſtreuet!

2 Hilff Juno! deine Himmelspracht/

Haſtu zu uns hernieder bracht.

Hilff Pallas! dein unglaͤublich reiten/

Dein Ringelrennen/ Schieſſen/ Streiten/

Hab ich mit Augen angeſehn.

Hilff Venus! deiner Schoͤnheit prangen/

In welchem deine Glieder ſtehn/

Kan nicht an Menſchen Schwacheit langen.

3 Vor dieſem wahr der Weiſen Schluß;

Die Juno/ Pallas und Venus

Beſtuͤnden nicht in einem Weſen.

Sie haben warlich falſch geleſen.

Hilff Juno! du biſt Pallas mit;

Du/ du biſt Venus gleicher maſſen;

Und fehl’ ich hie umb einen Trit/

Wil ich mich wol verbrennen laſſen.

4 O du dreyfacher Gottheit-Sin/

Biſtu nun ein’ Amazonin?

Und laͤſt dich faſt Barbariſch nennen?

Daß nicht die Welt dich moͤg’ erkennen.

Valiſka muß ſehr heilig ſeyn!

Ihr Roͤmer ſchreibt den hohen Nahmen

In die Stat-Buͤcher fleiſſig ein/

Zum guten Nachricht eurem Saamen.

5 Nicht weiß ich/ ob auch Phoͤbus ſich

Hier bey uns findet ſichtbarlich

In Herkules Geſtalt und Leibe.

Recht/ wann vor Ladiſla ich ſchreibe/

Gott Merkur/ oder Mars vielleicht.

Doch/ weil wir ſie nicht duͤrffen ehren/

Und mein Spruch ihrer Hocheit weicht/

Wil ich mich nur zur Goͤttin kehren.

6 Dreyfache Goͤttin! ich dein Knecht

Begehre keines Menſchen Recht/

Noch Gnade/ dich wil ich beſingen/

Und mein Lob Opffer willig bringen.

O ſchuͤtze du diß unſer Land;

Wend’ ab Krieg/ Seuchen/ teure Zeiten/

Durch deine Krafft und ſtarke Hand/

Und laß die Feind’ ungluͤklich ſtreiten.

Noch kunte der Kaͤyſer ſich in die Sache nicht ſchicken/ wie ſie dann ihr Angeſicht/ und
gleich als im Augenblicke haͤtte verſtellen koͤnnen/ und gar in eine als von der Sonnen an-
gebrante Farbe verendern; welches ſie nur mit einem ſittigen Lachen beantwortete/ und
umb verguͤnſtigung eines kurzen Abtrittes anhielt/ damit ſie ihrer K. Hochheit dieſen
zweifel benehmen moͤchte; machte ſich auff Bewilligung mit allen Fuͤrſtinnen und neu-
lich verheirahteten Roͤmiſchen Fraͤulein in den Garten/ und ſtrich ihnen ſaͤmtlich das
Geſicht/ Haar und Haͤnde an; kehreten hernach wieder miteinander nach dem Saal/ und
ſtelleten ſich in die Reihe vor dem Tiſche her/ da ſie ſo gar unkentlich wahren/ daß ihre El-
tern ſelbſt an der Warheit/ daß ſie ihre Kinder waͤhren/ zweifeln muſten/ meineten auch
nicht anders/ es muͤſte dieſe verenderung durch eine heimliche Zauber Kunſt verrichtet
werden. Aber Herkules benahm ihnen dieſen Wahn bald/ und berichtete ſie kuͤrzlich/ durch
was mittel dieſe Farbe angeſtrichen und wieder abgetahn wuͤrde; lies auch dem Kaͤyſer ein
weinig reichen und zeigete ihm/ wie mans damit machen müſte. Nun duͤrfte ich ſchweren/
ſagte der Kaͤyſer/ das Frauenzimmer anſchauend/ daß Prokulus ſich aller Anſprache wil-
lig begeben/ und keines ſtreits begehren wuͤrde/ wann er Fuͤrſtin Lukrezien und Sibyllen in
dieſer Geſtalt ſehen ſolte. Allergnaͤdigſter Kaͤyſer/ antwortete Lukrezia/ ſo muͤſte er mir dan-
noch zum Eheliebſten viel zu ſchlim ſein/ wann mir gleich eine zehnmahl heßlichere Ge-
ſtalt angebohren waͤhre; nicht daß ich ihn wegen ſeines Standes oder Herkommens ver-
achte/ ſondern weil die bloͤdigkeit ſeines Gehirns und ſein Tugend-mangel noch wol hun-
dert mahl heſlicher als mein jetziges Angeſicht erſcheinen wuͤrde/ wann mans ſehen koͤnte.
Ich
[427]Sechſtes Buch.
Ich gebe dieſem recht/ ſagte der Kaͤyſer; aber wiſſet ihr nicht/ fragete er Gallus/ wie dieſes
Kunſtpulver zugerichtet wird? Nein/ allergnaͤdigſter Kaͤyſer/ ſagte er; Mein Obriſter/ da
ich noch ein Raͤuber wahr/ hatte dieſe Kunſt vor ſich allein/ und gab vor/ es waͤhre ſeine
eigene erfindung/ die er noch keinem einigen Menſchen mitgeteilet haͤtte; erboht ſich gleich-
wol/ mich dieſelbe zulehren/ welches aber ſeine Niederlage im Walde/ und meine gluͤkliche
Bekehrung verhindert hat. Der Kaͤyſer hoͤrete ſolches ungerne/ lies ihm einen teil geben/
und verwahrete es fleiſſig/ im Nohtfalle zugebrauchen/ da ihm Valiſka an dem Frauenzim-
mer ſehen lies/ wie mans wieder abreiben koͤnte. Er richtete dieſen Abend eine vertrauliche
freundſchaft mit Herkules und ſeinem Gemahl auff/ ſo daß er ihn invictisſimum Heroa, o-
ptimumq́ue Imperatoris fratrem;
Einen unuͤberwindlichen Held/ und des Kaͤyſers allerbeſten Bru-
der. Sie aber/ Incomparabilem Heroinam, optimamq́ue Imperatoris ſororem; Eine unver-
gleichliche Heldin/ und des Kaͤyſers allerbeſte Schweſter nennete; ſich auch erboht/ mit ihnen al-
le ſeine Hocheit zuteilen und gemein zu haben; deſſen ſie doch beiderſeits ſich unwirdig ner-
neten/ und vor die hohe gewogenheit ſich untertaͤhnig bedanketen. Des folgenden Tages
kahmen der Groſfuͤrſtin die obgeſetzete Reimen zur Hand/ uͤber welche ſie ſehr unwillig
ward/ dem Tichter/ dafern ſie ihn ausforſchen koͤnte/ ſchwere Rache draͤuete/ zureiß
die ſchrift in kleine ſtuͤcken und ſagete; es muͤſte ihr ewig leid ſein/ die Stad Padua jemals
geſehen zuhaben/ wann zu ſolcher Abgoͤtterey ſie Urſach und Anlaß geben ſolte; ja ſie gelo-
bete 2000 Kronen aus/ wann man ihr den Uhrſchreiber anmelden wuͤrde. Ach du mein
Gott/ ſagte ſie uͤberlaut bey der Mahlzeit/ ſol man die wahre aller hoͤchſtheilige Gottheit ſo
ſchimpflich halten/ daß man ſie einem ſchwachen Menſchen Kinde/ um etwa eines Rittes
oder Schuſſes willen zuleget? ja ſolte ich elende vor eine Goͤttin angeſehen ſein/ die ich
doch ſo groſſem Vngluͤck unterworfen geweſen/ und uͤber Meer und Land mich habe muͤſſẽ
ſchleppen laſſen? Mein Gefaͤngnis iſt ja in ganz Aſten bekant; meine Unfaͤlle wiſſen die
kleinen Kinder daſelbſt zu erzaͤhlen. Owas vor unbeſonnenheit treibet doch die Menſchen
an/ daß wann Gott etwa einem eine geringe Leibes Zierligkeit verleihet/ ſolches alsbald vor
himliſch und goͤttlich ſol gehalten und ausgeruffen ſein. Narren ſind es/ und unverſtaͤn-
dige grobe Klozhoͤlzer/ die dem goͤtlichen weſen ſchwache menſchliche Leiber/ Fleiſch/ Blut
und Knochen zulegen. Die verſtaͤndige Weltgelehrte habens viel beſſer/ als die Wahnwitzi-
ge Tichter/ ſo man Poeten nennet gewuſt; dann ſie verſtehen und bekennen/ daß Gott ein
Geiſt/ nicht ein Menſch; eine Kraft und unbegreifliches Weſen/ nicht ein kleines ümſchrie-
benes Geſchoͤpf ſein muͤſſe; und waͤhre ſehr gut/ daß man auß deren ſchriften die jugend
etwas fleiſſiger in der Erkaͤntnis Gottes unterrichtete/ und der Tichter Luͤgen Buͤcher im
Feur gen Himmel ſchickete/ ſo lange ein Menſch dadurch geaͤrgert und verfuͤhret werden
kan. Ich moͤchte den jetzigen Tohren gerne fragen/ warumb er nicht mit einer Goͤttin fried-
lich iſt/ und auß mir eine dreifache/ als eine hochmuͤhtige/ blutgierige und Unzuͤchtige zu
machen gedenket/ und kan mir doch in alle Ewigkeit nicht beweiſen/ daß auch nur eine ein-
zige Goͤttin im Himmel oder auf Erden oder unter der Erden ſey. Dann worzu ſolte ſie
doch ſein? oder wie ſolte ich glaͤuben/ daß Gott ein Weib habe? dann lieber worzu hat er
ſie doch? ein Geiſt ſuchet ja keine fleiſchliche Wolluſt; ſo zeuget er auch ja keine Kinder oder
Geiſterlein mit ihr; dann wer lachet des Ovidianiſchen Mehrleins nicht/ daß er den Hoͤch-
h h h ijſten
[428]Sechſtes Buch.
ſten Gott/ welchen er Jupiter nennet/ zum Ochſen umb Frl. Europen willen machet? O
du blinde Vernunft/ lerne doch erkennen/ daß Gott ein reines keuſches unverendertes
ewiges Weſen ſey/ dem kein Abzug kein Zufal/ kein Muhtwille/ keine Frecheit/ aber auch
keine Schwach- und Unvolkommenheit kan noch muß zugeleget werden; dann wie koͤnte
Gott alle dingeordnen/ ſchaffen und erhalten/ wann einiger Gebrech an ihm waͤhre? wie
koͤnte er das hoͤchſte Gut ſein/ wann einige zuneigung zum Boͤſen bey ihm waͤhre? Ich re-
de kühnlich/ weil ich einen gnaͤdigſten Kaͤyſer habe/ und umb ſo viel kuͤhner/ weil ich dem
wahren Gott nichts unbilliches/ nichts vorwerfliches/ nichts gebrechliches antichte; weiß
auch/ daß die Groſmaͤchtige Kaͤyſerliche Fr. Mutter mit mir allerdinge einig iſt. Dann
warumb ſolte ich leugnen/ daß ich eine Chriſtin bin? ſo weiß ich ja auch/ daß mannicher
Chriſt bey meinem Gnaͤdigſten Kaͤyſer wol gelitten iſt/ und deſſen Hocheit meinem HErrn
und Heiland Jeſus Chriſt ſelbſt nicht verachtet (dieſes ſagte ſie/ weil der Kaͤyſer denſelbẽ
auch mit unter ſeine andere Hauſ Goͤtter rechnete). Weil dann die Chriſten/ fuhr ſie fort/
den Tichtungen von den falſchen Goͤttern und Goͤttinnen hertzlich feind ſind/ hat der heu-
tige ſchaͤndliche Luͤgen Tichter keine andere Belohnung bey mir zu hoffen/ als verachtung/
Feindſchaft/ Haß/ Schmach und Straffe/ dafern ich ſeiner nur maͤchtig werden kan. Alle
Anweſende hoͤreten ihr fleiſſig zu/ ſahen ihr die Augen im Kopfe vor Zorn fuͤnkeln/ und
ſprach der Kaͤyſer ſie zufrieden; ſie moͤchte dieſen Naͤrriſchen Tichter ihres aͤdlen Eifers
unwirdig halten; koͤnte er ihn in eꝛfahrung bꝛingen/ ſolte es ihm ungeſtꝛaffet nicht hingehẽ.
Worauf ſie ſich dann zufrieden gab/ und bey dem Kaͤyſer bitlich erhielt/ daß auſgeruffen
ward/ da iemand dergleichen Zettel gefunden/ ſolte er ſie ſtraks Angeſichts einliefern/ derẽ
25 eines Inhalts herzugebracht und mit Feur verbrennet wurden. Es wahr dieſes der
Sechſte Tag der Hochzeit/ an welchem Herkules und Ladiſla allen Roͤmiſchen Herren/
Frauen und Fraͤulein koͤſtliche Kleinot und Ringe/ teils aus der Raͤuber Hoͤhle/ teils aus
Aſten mitgebracht/ austeileten/ ihrer Freund- und Kundſchaft dabey zudenken; inſonder-
heit beſtelleten ſie bey Herr M. Fabius/ daß dem Kaͤyſer in der Stad Rom/ nicht weit von
ihren aufgerichteten Bildniſſen/ ein Siegesbogen/ und eine hohe Spitze ſolte aufgebauet
werden/ dero behuef ſie ihm dann 4 Tonnen Goldes einlieferten; Welches er dem Kaͤyſer
unangezeigt nicht laſſen durfte/ der ihre Gewogenheit daraus erkennend/ hinwiederum je-
dem einen guͤldenen Koͤnigs Stab/ als freien Bundgenoſſen/ und des Roͤmiſchen Reichs
Freunden/ ſchenkete.


Des naͤhſtfolgenden Tages zimlich fruͤh/ ward dem Kaͤyſer angemeldet; es hielte
ein ſehr groſſer ſtarker Ritter/ ſcheußliches Angeſichts mit 12 Gewapneten/ und 10 Leibdie-
nern vor dem Stad Tohr/ gaͤbe ſich an vor einen Pannoniſchen Herren und Geſanten ſei-
nes Koͤniges/ und begehrete vor den Roͤmiſchen Kaͤyſer gelaſſen zuwerden/ als welchen er
wegen ſeines Koͤniges und des Pañoniſchen Reichs etwas vorzutragen haͤtte. Vielleicht/
antwortete Dio/ wil Pañonien ſich dereins bequemen/ nachdem es uns etliche Jahr an-
einander manniche Ungelegenheit verurſachet hat/ und verlanget mich zuwiſſen/ was die-
ſer guts neues bringen wird. Der Kaͤyſer befahl/ man ſolte ihn neben den ſeinen in die
Stad laſſen/ und in eine gute Herberge legen/ biß er nach gehaltenem Fruͤhſtuͤcke (dann ſie
wahren willens auf die Jagt zureiten/ welches hiedurch auffgeſchoben ward) vorgefodert
wuͤrde;
[429]Sechſtes Buch.
wuͤrde; Wie dann nach verlauf einer guten Stunde geſchahe/ und der Kaͤyſer mit Herku-
les/ Ladiſla/ und den geſamten Roͤmiſchen Herren ſich in ein groſſes Gemach begab/ da
Herkules ihm zur Rechten/ Ladiſla zur Linken/ und die Roͤmer gegen uͤber ſitzen muſten.
Bald trat dieſes erſchroͤkliche Ungeheur/ welches einem wilden/ als vernuͤnfftigen Men-
ſchen aͤhnlicher ſahe/ mit ungewiſcheten Stiefeln und Sporen hinein/ und ohn einige Ehr-
erbietung hielt er dieſe Rede mit grauſamer Stimme: Es iſt durch die Welt bekant/ daß
der bißher zwiſchen euch Roͤmern und uns Pannoniern gefuͤhrte Krieg an beyden ſeiten
gute Stoͤſſe und wenig Nutzen abgeben hat/ uñ wir allerſeits lieber den Frieden als Krieg
haben moͤchten. Wer unter uns die wichtigſte urſach habe/ das Schwert zugebrauchen/
wird ein unverdaͤchtiger Richter leicht finden/ weil wir unſere Freiheit/ in welcher wir eh-
mahls gelebet/ wieder ſuchen/ ihr aber ein unbefugtes Joch uns anzuwerffen bemuͤhet ſeid.
Doch habe ich keinen Befehl/ mich hieruͤber zuzanken/ ſondern dem Roͤmiſchen Kaͤyſer o-
der ſeinen Gevolmaͤchtigten anzuſagen/ daß mein Koͤnig zum Frieden wol geneigt ſey;
weil er aber nicht abſihet/ was vor Mittel zum ſchleunigen Vergleich moͤchten vorgeſchla-
gen werden koͤnnen/ oder ablanglich ſeyn/ und dannoch durch Würffel oder Kartenſpiel
ſichs weder gewinnen noch verlieren laſſen wil/ als meynet ſeine Koͤnigl. Hocheit/ den ſa-
chen nicht beſſer abgeholffen werden moͤge/ als daß auff eines Mannes Spitze das ganze
Hauptwerk geſtellet werde/ da ſonſt eine ſolche tapffere Erklaͤrung von euch Roͤmern an-
genommen werden darff. Jedoch/ warumb woltet ihr euch deſſen wegern/ die ihr euch ja
vor die Ritterlichſten und Streitbahreſten der Welt haltet/ auch durch uͤberwindung vie-
ler Laͤnder und Staͤdte gnug erzeiget/ daß euch die Faͤuſte nicht ſchlaffen/ noch die Waffen
verroſten. So hoͤret dann nun meines Koͤniges Vortrag/ worin ſein ganzes Reich einge-
williget hat; Ich wil im Nahmen meines Koͤniges und des Pannoniſchen Reichs (deſ-
ſen ich ſatte ſchrifftliche Volmacht auffzulegen habe) euch einen Kaͤmpffer ſtellen/ mit
Schild/ Helm/ Speer und Schwert/ auch gnugſame Verſicherung tuhn/ daß/ dafern der-
ſelbe von eurem Gegenkaͤmpffer ſolte gefellet/ das iſt/ erſchlagen oder lebendig gefangen
werden/ der Pannonier Koͤnig und ſein Reich dem Roͤmiſchen Kaͤyſer jaͤhrlich die ange-
muhtete Schatzung/ zehn Jahr lang aneinander unwegerlich geben und entrichten ſollen
und wollen. Hingegen wann der unſere uͤber eurem Kaͤmpffer die Oberhand/ wie er hof-
fet/ erlangen wuͤrde/ wil der Pannoniſche Koͤnig und ſein Reich von euch zehn Jahr lang
aller Anſprache entlediget und benommen ſeyn/ auch wehrender Zeit uͤber ſich aller Taͤht-
ligkeit (da ihm ſonſt nicht Urſach gegeben wird) enthalten. Sehet da eine billiche Rach-
tung/ weder euch ſchimpflich noch uns verweißlich/ und kan vielleicht in einer Viertelſtun-
de aller Span geſchlichtet/ und der Krieg vertragen werden/ wann ein ſolches euch nur
anſtehet/ deſſen ich gerne bald moͤchte verſtaͤndiget ſeyn. Der Kaͤyſer hieß ihn nach geen-
digter Rede einen Abtrit nehmen/ und beredete ſich mit den anweſenden; da die Roͤmer
ingeſamt Herrn Dions Meinung beypflichteten/ man ſolte dieſen Vorſchlag nicht einge-
hen; maſſen die Pannonier in ſolchen abſonderlichen Streiten ſehr verwaͤgen und doch
glüklich waͤhren/ und mannichen ſtreitbahren Roͤmer auff ſolche weiſe oft ſchimpflich gnug
erlegt haͤtten. Wolte man ihnen die Schatzung erlaſſen/ koͤnte ſolches aus freier Mildig-
keit geſchehen/ ſo bliebe man auſſer furcht der Beſchimpffung. Es traͤffe ohn das nicht ſo
h h h iijgar
[430]Sechſtes Buch.
gar ein uͤbermaͤſſiges an/ und waͤhre zu dieſer Zeit nicht undienlich/ daß man einen Still-
ſtand mit ihnen machete/ damit das Reich in etwas ausruhen/ und ſich erhohlen koͤnte.
Ehre gnug/ daß ſie umb Friede anhielten/ und ſtuͤnde Roͤmiſcher Hocheit nicht unruͤhm-
lich an/ einem ſo maͤchtigen Feinde denſelben auff erſuchen mitzuteilen. Als die Roͤmer
dieſes Schluſſes faſt einig wahren/ baht der Kaͤyſer unſern Herkules/ ſeine meinung hier-
uͤber zuentdecken; welcher nun ihren Schluß nicht tadeln wolte/ und dieſe Antwort gab:
Ich bin zu geringe/ Unuͤberwindlichſter Kaͤyſer/ ſo vieler hochweiſer Herren Raht zuver-
werffen/ oder vor unduͤchtig zuhalten/ angeſehen mir uͤberdas des Roͤmiſchen Reichs Not-
turfft ganz unbewuſt iſt/ wuͤrde mir auch unbeſoñen anſtehen/ mich in fremde Haͤndel ein-
zumiſchen; nur/ da mirs nicht ſolte verarget werden/ gebe ich ihren vernuͤnftig zubetrach-
ten/ ob dieſe ohndas toͤlpiſche Pannonier es den Roͤmern nicht vor eine Zagheit auslegen
werden/ daß man ihnen die Schatzung erlaͤſſet/ und doch des angebohtenen Kampffs ſich
entbricht. Freilich werden ſie ſich ruͤhmen/ und in ihren Zechen davon fingen/ ein einiger
Ritter habe dem Roͤmiſchen Kaͤyſer dieſen Vertrag abgetrotzet/ und ganz Rom dermaſ-
ſen in Furcht geſetzet/ daß man wegen Erlaſſung des Kampffs Gott noch darzu gedanket
habe. Verſichert euch/ meine Herren/ es wird nicht anders ergehen; Ihr angebohrner
Stolz und eingeſenkte Ruhmraͤtigkeit pfleget nicht anders zuverfahren; Duͤrffte demnach
ich ſchier der unvorgreiflichen Meinung ſeyn/ im falle man den unnoͤhtigen Kampff nicht
annehmen wolte/ bey der Anfoderung der Schatzung zuverharren/ aufs wenigſte noch ei-
ne zeitlang/ als ihnen ſolche alsbald nachzulaſſen. Ich vor mein Haͤupt/ nachdem ich vor
einen Roͤmiſchen Buͤrger auffgenommen/ und in ihren hoͤchſten Adel eingeſchrieben bin/
habe Roͤmiſcher Kaͤyſerl. Hocheit noch kein Zeichen der tiefſchuldigen Dankbarkeit/ viel
weniger dem Roͤmiſchen Reich einigen Dienſt erweiſen koͤnnen; moͤchte wuͤnſchen/ daß
ich koͤnte gewirdiget werden/ dieſen Kampff auff mich zunehmen/ wolte ich durch Gottes
Huͤlffe und Beyſtand an der uͤberwindung nicht gar verzweifeln/ ungeachtet ich ſchon
merke/ daß dieſer Unhold ſelbſt der Kaͤmpffer ſeyn werde. Der Kaͤyſer umfing ihn hierauf
mit bruͤderlicher Gewogenheit/ und antwortete ihm: Mein allerliebſter Freund und beſter
Bruder; Euer Liebe erbieten iſt zu groß/ und kan von uns und dem Roͤmiſchen Reiche nit
erſetzet werden; muͤſte uns auch ewig leid ſeyn/ dafern Eure Liebe hiedurch in Lebensgefahr
gerahten ſolte; und dannoch deſſen Ehre und Ruhms Auffnahme zuhindern/ wil uns
gleichwol nicht gebühren; ſtellen demnach Eurer Liebe heim/ hierin nach gutduͤnken zuveꝛ-
fahren. Bürgemeiſter Pupienus bedankete ſich imgleichen gegen ihn/ wegen des Roͤmi-
ſchen Rahts/ vor ſolches erbieten/ welches nach Vermoͤgen zuerſetzen/ nebeſt Kaͤyſerlicher
Hocheit ſie alle wolten geflieſſen ſeyn. Dieſe Volmacht nahm Herkules mit Dankſagung
an; ward alſo der Pannonier wieder hinein gefodert/ welchen Herkules alſo anredete:
Hoͤret ihr Geſanter; nicht unbillich verwundert ſich unſer allerſeits gnaͤdigſter Kaͤyſer uñ
Herr/ eures unhoͤflichen/ Ehrerbietungs-loſen und frevelmuͤhtigen Vorbringens/ und dz
eure Anfoderung ihr vor Darlegung ſchrifftlicher Volmacht ſo duͤrre und verwaͤgen habt
vortragen duͤrffen; jedoch ſey dieſes verhalten eurer Unbedachtſamkeit zugeſchrieben/ wo-
durch ihr uns zuerkennen gebet/ daß mit hohen gewaltigẽ Fuͤrſten zuhandeln eures Hand-
werks nicht ſey. Meinet aber euer Koͤnig/ Roͤmiſcher Wiz und bedachtſame Vernunfft
fahre
[431]Sechſtes Buch.
fahre ſo unvernuͤnfftig/ und ſtelle des ganzen Reichs Wolfahrt auff eines Menſchen Fauſt/
oder wie ihr vielleicht gerne ſehen moͤchtet/ auff Wuͤ[r]ffel und Kartenſpiel/ wie die Hollun-
ken ihre Diebespfennige? Die Verzweifelung gibt ſolche Vorſchlaͤge an die Hand/ nicht
verſtaͤndige Herzhafftigkeit und Staͤrke; dann ſolte dieſes allemahl guͤltig ſeyn/ wie wolte
dann der Schwaͤchere ſein Recht behaͤupten? Es moͤchte ſich vielleicht ein verwaͤgener
Wagehalß unter euch finden/ welcher nit durch Tugend/ ſondern aus Raſerey und Wahn-
wiz angetrieben/ ſein viehiſches wuͤten ſuchte anzubringen/ wie ich deſſen vor vier Jahren
ein Beyſpiel in meiner blühenden Jugend am Boͤhmiſchen Hofe erlebet habe/ da ich eh-
renhalben nicht umhin kunte/ mich mit einem euch nicht unaͤhnlichen frechen Pannonier
nacket zuſchlagen/ worzu ihn bloß ſeine Unbeſcheidenheit brachte/ und daruͤber mir zur
Buſſe den Kopff laſſen muſte. Daß ich aber auff mein voriges komme/ haͤlt man nicht al-
lein unnoͤhtig/ ſondern auch unverantwortlich/ dergleichen Vortrag einzugehen/ es waͤhre
dann/ daß ein Ritter ſich von freien ſtuͤcken anmeldete/ Pannoniſchen Hochmuht abzu-
ſtraffen/ und euch mit ſeiner Fauſt erkennen zugeben/ wie wenig Roͤmiſche Tapfferkeit eu-
ren unvernuͤnfftigen Frevel achtet. Koͤnnet demnach euren ſo gutwilligen Kaͤmpfer mel-
den/ alsdann duͤrffte ſich etwa einer finden/ welcher Roͤmiſcher Kaͤyſerl. Hocheit zu unter-
taͤhnigen Ehren einen oder etliche Ritte mit wagete. Der Pannonier ſtund und biſſe die
Zaͤhne im Kopffe zuſammen/ daß es ein ſtarkes Geknirre gab/ ſagte auch bald darauff zu
Herkules: Seid ihr wol derſelbe/ der meinen Bruder den ritterlichen Bato ſol erſchlagẽ
haben? dem ich nun ſo manniche Zeit vergeblich nachgefraget/ uñ nicht anders gemeinet/
er waͤhre mir aus der Welt entlauffen. Ich hoffe/ die Goͤtter werden uns Gelegenheit ge-
ben/ dereins beſſere Kundſchafft mit einander zumachen/ wornach ich mich aͤuſſerſt bemuͤ-
hen wil. Vor dißmahl habe ich auff getahnẽ Verweiß zuantworten/ daß wir Pannonier
nicht abſehen koͤnnen/ warumb ein ritterliches ausfodern vor unbillich oder unvernuͤnftig
ſolte geachtet werden/ zumahl wann ſolches Mann an Mann/ Ritter an Ritter geſchihet;
ja wann hiedurch dem algemeinen lieben Vaterlande kan gedienet/ und groͤſſerem Unheil
und blutſtuͤrzen abgeholffen werden. Ob wir dann gleich ſo zaͤrtlich geſchikt nit ſind/ noch
weibiſch-hoͤfliche Spruͤche gelernet haben/ fuͤhren wir dannoch unſere Schwerter mit gu-
ter Vorſichtigkeit/ und geben wol acht/ daß wir uns an des Feindes ſeinem ſelber nit ſpieſ-
ſen. Daß aber mein Koͤnig dieſen Vorſchlag tuhn wollen/ ſtehet zu meiner Verantwor-
tung nicht; nur allein hoffe ich/ das lezte erbieten werde nicht nur zum ſchein geredet ſeyn/
und iſt mir gleich/ was der kuͤnftige Kaͤmpfer vor bedenken haben mag/ ſich in den Streit
zuwagen/ wann nur die Bedingung/ die Schatzung betreffend/ eingegangen wird/ ohn
welche an unſer Seiten der Kampf nicht kan angetreten werden. Die ſchrifftliche Vol-
macht aufzulegen/ hat mich noch Zeit genug gedaucht/ maſſen ich ja nicht entlauffen wil;
und wer ſie zuſehen begehret/ kan ſie hie von mir nehmen; werde mich ſchließlich nicht
ſcheuhen/ den Kaͤmpfer nahmhafft zumachen/ dann derſelbe bin ich/ wann nur der Gege-
ner ſich findet/ und meiner Geſelſchafft ſchrifftliche Verſicherung geſchihet/ daß auff ge-
tahnen Vorſchlag der Kampff angenommen ſey/ alsdann werden wir hernach umb den
Sieg fein zierlich zuſpielen haben. Herkules lachete des Hochmuhts/ und indem Dio ſei-
ne ſchrifftliche Volmacht durchlaſe/ ſagete er zu ihm: Mein Kerl/ ihr werdet nach dieſem
in
[432]Sechſtes Buch.
in Kaͤyſerl. Hocheit Gegenwart etwas beſcheidener verfahren/ oder uns darlegen/ ob ſol-
chen Hochmuht ſehen zulaſſen/ von eurem Koͤnige euch ausdruͤklich befohlen ſey; und wañ
es an dieſem ermangeln wuͤrde/ haͤtte man euch vor keinẽ Geſanten zuhaltẽ; ſolte ſichs aber
findẽ/ ſo muß euer Koͤnig wiſſen/ dz man nit urſach habe/ ſolchẽ Troz zudulden/ viel weniger
ſich davor zufuͤrchten/ maſſen ihr ja mit keinen uͤberwundenen handelt/ ſond’n als von denẽ
ihr den Frieden gerne habẽ wollet. Im uͤbrigẽ/ dz ihr euch eures Spiels ſo hoch ruͤhmet/ ſo
komt ihr mir ohndz als ein zierlicheꝛ Spieler vor/ welches ich auf ſeinẽ wert erſitzẽ laſſe; nuꝛ
moͤchte ich gerne wiſſen/ wie ihr ſo nach meiner beſſeren Kundſchaft trachtet/ und ihr doch
unberichtet ſeid/ ob ſie mir angenehm ſeyn wuͤrde; dañ iſt gleich jener von mir erlegte Pan-
nonier euer leiblicher Bruder geweſen/ werdet ihr ja deßwegen keine Rache uͤben wollen/
inbetrachtung/ er mir durch ſeine Unhoͤfligkeit/ deren er ſich beydes wieder den Boͤmiſchen
Koͤnig hoͤchſtſel. andenkens/ und wieder mich gebrauchete/ groſſe Urſach darzu gab. Ich
handele alhier auff Pannoniſch/ antwortete dieſer/ und bringe die Sache ritterlich vor/
habe auch ſchon angezeiget/ daß ich keine zierliche Spruͤche gelernet habe. Was ich aber
vor ein Spieler bin/ ſol ſich ausfuͤndig machen/ wann mirs nur gegoͤnnet wird/ wil auch
nicht zweiffeln/ da ich euch nur an Ort uñ Ende haben kan/ ihr mir eure beſſere Kundſchaft
wol goͤnnen ſollet/ es benehme mir dann ein ſolches euer ſchnellauffendes Pferd/ dem ich
etwa nicht wuͤrde folgen koͤnnen. Gut mein Pannonier/ ſagte Herkules/ daß ihr mich ſo
traͤulich warnet; werde mich demnach meiner Haut verſicheren muͤſſen/ wann mir vor
euch grauet; doch truͤge ich ſchier belieben/ dieſe Stunde ſolche Kundſchaft mit euch zu
machen. Weil aber das gemeine Weſen dem eigenen vorzuzihen iſt/ wird mein gnaͤdigſter
Kaͤyſer in eure ausfoderung/ nicht aus pflicht/ ſondern eurẽ muhtwillen zu daͤmpfen/ ſchon
gehehlen/ und die begehrete Verſicherung alſobald ausfertigen laſſen. Wann ich dann et-
was eigentlicher vernehmen werde/ mit was bedingung ihr den Streit zu fuͤhren geſoñen
ſeid/ wil ich einen meiner guten Freunde vermoͤgen/ daß er euch Fuß halten ſol- Der Pan-
nonier ward dieſer Erklaͤrung froh/ und erboht ſich/ zu Roß und Fuß in vollem Reithar-
niſche unter Schild und Helm mit Speer und Schwert nach ehrlichem Ritters brauch
zu kaͤmpfen/ mit bedingung/ daß ſein Beſtreiter Zeit ſeines lebens ſein Leibeigener ſeyn muͤ-
ſte/ da er ihn im Kampf lebendig fahen koͤnte/ und erboͤhte er ſich hinwiederumb zu gleich-
maͤſſigem. Herkules ließ hieruͤber ein Gelaͤchter aus/ und ſagete: Als viel ich hoͤre/ mein
Ponnonier/ ſuchet ihr auch euren eigenen nutzen hierunter/ ob ihr etwa die Zahl eurer leib-
eigenen Knechte vermehren moͤchtet. Wie aber/ wann ich euer Gegener waͤhre/ und ihr
mich griffet/ wuͤrdet ihr euch meiner wenig zuerfreuen haben/ dañ ich bin zimlich ſteiff von
ſinnen/ und laſſe mich nicht gerne peitſchen. Daß ich euch aber nicht zu lange auffhalte/ ſo
gehet hin und wapnet euch aufs beſte; ich nehme nicht allein den Kampf/ ſondern auch deſ-
ſen bedingung an/ meinem gnaͤdigſten Kaͤyſer zu ehren/ weil der Sinn mirs noch nicht zu-
traͤget/ daß ihr der erſte ſeyn werdet/ der einen gebohrnen Groß Fuͤrſten der Teutſchen aus
offentlichem Kampfe zum Leibeigenen hinweg fuͤhren ſolte/ ob gleich eure Landsleute als
Raͤuber mir ehmahls die Dienſtkette angeleget haben; doch wo ihr von der Reiſe noch
mūde ſeid/ ſo ruhet aus biß Morgen/ laͤnger werde ich euch nicht Zeit geben. Der Panno-
nier wahr voller freuden/ lachete uͤber laut und gab zur Antwort: Ich danke den Goͤttern/
daß
[433]Sechſtes Buch.
daß ſie mir heut einen gedoppelten Sieg in die Hand ſpielen wollen/ auff einmahl mein
Vaterland zubefreien/ und meinen Bruder zu raͤchen. Der Reiſe beſchwerligkeit hat mich
gar nicht muͤde gemacht/ wann ihr nur bald gnug erſcheinen moͤchtet; und wann ihr nun
mein Leibeigener ſeyn werdet/ dann habe ich ſchon mittel/ ſteiffe Siñen zu beugen/ und ver-
waͤhnete Gedanken einzurichten. Daß ich aber bey dem Roͤmiſchen Kaͤyſer einen gebohr-
nen Groß Fuͤrſten der Teutſchen zum Verfechter Roͤmiſcher Ehre antreffe/ iſt mir ſehr
fremde/ weil dieſelben bißdaher nicht gut Roͤmiſch geweſen ſind. Nahm hiemit ſeinen Ab-
ſcheid/ und verließ Herkules in groſſem Zorn/ welchen Ladiſla alſo anredete: Mein Bru-
der/ biß gebehten/ und laß mich deine ſtelle vertreten/ dañ dieſer Hund iſt deines Schwerts
unwirdig. So iſt er auch gewislich nimmermehr der Ehren/ antwortete Herkules/ das
eines herſchenden Koͤniges Gewehr uͤber ihn ſolte gezuͤcket werden; und weil ich weis/
daß du allemahl meiner ehren Befoderer biſt/ hoffe ich/ du werdeſt dich hierin nicht ſperren.
Alle Anweſende verwunderten ſich ihrer Herzhaftigkeit und getraͤuen Freundſchaft/ hat-
ten auch nebeſt dem Kaͤyſer gute Hoffnung zum Siege. Wie ſie nun nach der Geſelſchaft
gingen/ und ihnen den verhandelten Kampf zu wiſſen macheten/ verenderte die Groß Fuͤr-
ſtin in etwas ihre Farbe/ gab ſich doch bald zu frieden/ da ſie hoͤrete/ daß er ehrenhalben nicht
anders kunte/ ließ ſeine feſteſten Waffen herzubringen/ und halff ihm dieſelben auffs
fleiſſigſte anlegen/ neben der erinnerung/ ſeiner gewoͤhnlichen Vorſichtigkeit eingedenke
zu ſeyn/ und einen Vortel/ den ihm Gott zeigen wuͤrde/ nicht auszuſchlagen; dann ſagte ſie/
ich halte es vor eine Verwaͤgenheit/ wann man ſich des Feindes Unfal nicht gebrauchen
wil/ welchen Gott allemahl uns zum beſten ſchicket; ich wil Zeit wehrendes Kampfes euch
in meinem andaͤchtigen Gebeht der Barmherzigkeit und ſchuznehmung unſers Gottes
und Heylandes befehlen. Als er allerdinge gewapnet wahr/ ließ der Kaͤyſer einen koͤſtlichẽ
Helm von dem reineſten und feſteſten Stahl herbringen/ ſetzete ihm denſelben mit eigenen
Haͤnden auff/ und ſagete: Mein werter Herr Bruder; Gott verleihe euch Gluͤk uñ Sieg
zu ſteter aufnahme eures unſterblichen Preiſes. Beſahe hernach ſein Schwert/ und dauch-
te ihn ſolches nicht ſtark gnug ſeyn; ſtellete ihm ein anders zu/ deſſen Klinge der erſte Kaͤyſer
Julius/ ſeinem vorgeben nach/ ſolte gefuͤhret haben. Er beſan ſich/ was vor ein Pferd er
nehmen wolte; aber auff ſeines Gemahls und Ladiſla anhalten muſte er ſich ſeines aͤdlen
Blaͤnken gebrauchen. Die anweſende Fuͤrſten und Ritter wapneten ſich auch/ und hielt
inſonderheit Baldrich bey ſeinem Bruder inſtaͤndig an/ daß er an ſeine ſtat den Kampff
antreten moͤchte/ welches er ihm mit ſittigen Worten abſchlug. Die Streitbahn wahr be-
ſtimmet/ wo Ladiſla vor dieſem ſeinen Feind Fulvius erleget hatte/ dahin ſie ingeſamt rit-
ten/ und Herkules von dem Kaͤyſer und Buͤrgemeiſter Pupienus in der mitte begleitet
ward. Er ritte ſehr freudig/ fuͤhrete einen guͤldenen Roͤmiſchen Adler auff dem Helme/ der
eine Siegsfahne in der rechten Klauen führete; in ſeinem Schilde wahr ein ſtrahlender
Him̃el/ Gottes Reinigkeit zubedeuten/ angemahlet/ unter welchẽ ein Ritter in vollem Har-
niſche auff den Knien mit erhobenen Haͤnden ſein Gebeht verrichtete/ mit dieſer umſchrift:
Clypeus omnibus in te ſperantibus tu DEVS es. Du Gott biſt ein Schild allen die auf dich hoffen.
Das Frauenzim̃er ſetzete ſich mit der Groß Fuͤrſtin auff ihren Elefanten/ dem ſie ein neues
koſtbahres Zeug hatte machen laſſen/ und muſte Arbianes wieder ſeinen Willen ihr dar-
i i iauff
[434]Sechſtes Buch.
auff Geſelſchaft leiſten. Der ungeſchliffene Pannonier/ nahmens Pines/ hatte mit ſeinen
wolgewapneten handfeſten Rittern/ auch allen Dienern ſich ſchon hinaus gemacht; wel-
chen Ladiſla erſehend/ alsbald ſeinen Leches zu ihm abfertigte/ und ihn fragen ließ/ was er ſo
viel gewapneter mit ſich fuͤhrete; ſie ſolten ſich entweder erklaͤren/ ob ſie luſt zum Streit haͤt-
ten/ weil die Pannonier ſeine Feinde waͤhren/ oder da ſie ſich deſſen wegerten/ ſolten ſie ſich
von der Bahn packen/ oder auffs wenigſte alle Ruſtung/ gleich den andern ihren Dienern
ablegen. Dieſe verdroß ſolche Anmuhtung/ und gaben zur Antwort: So einer oder ander
auff ſie zu ſprechen haͤtte/ waͤhren ſie ja ſo willig als fertig/ einen ritterlichen Saz zu wagen;
ihre Waffen truͤgen ſie mit ehren/ und wolten ſie ſchuͤtzen als lange ſie warm dariñen waͤh-
ren. Ladiſla entboht ihnen darauff; ſo ſolten ſie ſich dann bereit halten/ unter der Bedin-
gung (das gemeine Weſen ausgeſezt) zu kaͤmpffen wie ihr Fuͤhrer/ es würden ſich Ritter
finden/ die ihnen zeigen ſolten/ wie man in Feindes Lande die Waffen zu rũcke laſſen muͤſte/
wann man umb Frieden anſuchete; und als die Pannonier ſich aber mahl erklaͤreten/ ſeines
willens/ ſo weit den Kampff betraͤffe/ unter der angemuhteten Bedingung zugeleben; ſag-
te Ladiſla zu ſeiner Geſelſchaft: Ey ſo wil uns das Gluͤk noch ſo wol/ daß wir uns neben un-
ſern Freund mit wagen koͤnnen. Foderte darauff Baldrich/ Siegward/ Leches/ Neda uñ
Prinſla zu ſich/ und ſagete: Komt ihr geliebte Bruͤder und Ritter/ das Gluͤk/ nach Got-
tes ſchickung/ ſuchet uns auch zu ehren. Der junge Fabius und Skaurus hoͤreten ſolches/
und fingen an: Wie dann? Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ wil dann eure Durchl. uns ihrer
Geſelſchaft nit auch wirdigen/ da wir doch noch zween Feinde vor uns uͤbrig ſehen? war-
umb nicht? antwortete er/ wir wollen ob Gott wil ritterlich gewinnen/ oder ruͤhmlich ſter-
ben. Setzeten ſich hiemit neben einander auff den Plaz/ uñ hoͤreten froͤlich an/ wie ſo freund-
lich ihnen der Kaͤyſer zuredete/ und ihre Tapferkeit ruͤhmete. Ladiſla/ Baldrich und Sieg-
ward erhielten durch viel bitten/ daß ihnen der Anfang zu ſtreiten gegoͤnnet ward/ lieſſen
auch die drey anſehnlichſten Pannonier alsbald fodern; aber deren Fuͤhren Pines wolte
es durchaus nicht geſtatten/ er haͤtte dann zuvor ſeinen Kampff geendiget. Ja ſagte er/
fuͤrchtet ſich etwa mein zarter Kaͤmpffer/ dem ich ſo unhoͤflich vorkom̃e/ und ſihet mich nur
von ferne; was wird es abgeben/ wann er das Gewicht meiner unhoͤflichen Arme empfin-
den mus? Du unbehoͤfelter Kloz antwoꝛtete Leches/ legeſtu dieſes meinem gnaͤdigſtẽ Herꝛn
zur Furcht aus/ biſtu in Warheit heßlich betrogen/ und gedenke ich noch heut dich deſſen
zuerinnern. Je du nichtwerter Tropf/ ſagte Pines/ was haſtu mich zu ſchelten? Siehe da/
ich ſchwere dir bey Pannoniſcher Ritterehre/ daß/ ſo bald dein Gnaͤdigſter Herr/ wie du
ihn nenneſt/ von mir wird gezaͤhmet ſeyn/ welches in einer viertelſtunde geſchehen ſol/ ich
dich ſchon finden/ und nach verdienſt abſtraffen werde. Grober Buͤffels Ochſe/ antwortete
Leches/ es gehoͤren ihrer zween zu einen Kauffe/ und duͤrfte ich meinem Gn. Herꝛn voꝛgreif-
fen/ muͤſteſtu mir zeigen/ wie fein du die Leute zuzaͤhmen weiſt; bin aber verſichert/ daß dir
ein ſolcher aufwarten wird/ nach deſſen Abtrit du des andern Beſtreiters nicht begehren
ſolt/ es waͤhre dann/ daß du als ein ungehorſamer Knecht mit Peitſchen und Ruhten muͤ-
ſteſt beſtritten werden. Rante hiemit zuruͤk/ und hinterbrachte das ergangene Geſpraͤch;
wodurch Herkules Zorn nicht umb ein geringes vermehret ward/ ſchikte auch den Pan-
noiern alsbald eine zimliche Anzahl feſter Speere/ darunter er ihnen die erſte Wahl gab/
nam
[435]Sechſtes Buch.
nam hernach die ihn gut dauchten/ befahl ſich ſeinem Gott/ und erwartete freudig/ wann
ſein Feind loßgehen wuͤrde. Sein Pferd hielt ſich ſo unbendig unter ihm/ daß dem Kaͤyſer
nicht wol dabey wahr/ und ſich fuͤrchtete/ es moͤchte ihm am Siege hinderlich ſeyn; da
hingegen ihm ſolches als ein gewiſſes Zeichen ſeines guten Muhts gar angenehm wahr.
Der Pannonier nam ihm vor/ alle Vorſichtigkeit anzuwenden/ dann er ſahe und vernam/
daß ſein Feind gutes Herzens wahr/ und als er innen ward/ daß Herkules nicht allein ſein
wartete/ ſondern durch Speerwinken und ſchwaͤnken zuverſtehen gab/ daß er ſein begehre-
te/ gab er ſeinem groſſen Hengſte die Sporen/ legte ein/ und rante mit grimmigem Eifer
auff ihn zu; aber ſein Pferd wahr kaum 10 Schritte gelauffen/ da fiel es im Augenblicke
tod unter ihm nieder/ daß ſeine Diener ihn loßreiſſen und auffheben muſten. Herkules
wahr ſchon auff dem Wege/ ihm zubegegnen/ ſahe dieſen Unfall/ kehrete wieder umb/ und
hielt es vor ein gewiſſes Zeichen ſeines künfftigen herlichen Sieges; wie dann alle anwe-
ſende darüber nicht wenig frohlocketen. Hingegen raſete der Pannonier ſo hefftig/ daß er
das ſchon todte Pferd mit einem Streiche faſt halb in der mitte von ander hieb/ und die
unſern ſich des ungeheuren Schlages entſetzeten. Doch muſte der vornehmſte Pannonieꝛ
abſteigen/ und ihm ſein Pferd uͤberlaſſen/ welches er beſchritte/ und zum andern mahl loß-
brach. Herkules ſeumete ſich auch nicht dann ſein Blaͤnke flog daher wie ein Pfeil/ da ſie
dann dermaſſen heftig traffen/ daß ſie beyderſeits hinter ſich bogen/ und doch keinen Steg-
reiff verlohren/ trabeten alſo dieſes mahl mit aller Zuſcher und ihrer ſelbſt eigenen Ver-
wunderung neben einander her/ da der Kaͤyſer hoch betenrete/ er haͤtte nicht allein zeit ſei-
nes Lebens ein ſolches Treffen nicht geſehen/ ſondern ihm desgleichen nie einbilden koͤñen.
Der Pannonier empfand des Puffes wol/ dann er wahr auff die Oberbruſt getroffen/ daß
ihm das Gerippe knackete/ und er deſſen nicht wenig erſchrak/ maſſen ihm nie kein Menſch
(auch ſein Bruder Bato nit/ mit dem er einsmals unwiſſend geſtochen) einen ſo ſchmerz-
lichen Stoß beygebracht hatte. Die Speere wahren zerſplittert/ und ſcheuheten ſie ſich
faſt beyde/ den andern Rit zutuhn/ haͤtten es lieber zum Schwertſtreit kommen laſſen; doch
gedachte Herkules zuverſuchen/ ob er ihn fellen koͤnte; ließ neue Speer austeilen/ und be-
gegnete dem Pannonier zum andern mahle/ da er ſich im Sattel drehete/ daß Pines neben
hin ſtechen muſte/ und hingegen er ſeinen Feind ſo kraͤfftig faſſete/ daß er auf ſeines Pferdes
Hals zuliegen kam/ und mit groſſer Muͤhe ſich des Falles enthielt. O du teurer Held/ ſag-
te der Kaͤyſer/ der du billich vor die außerleſenſte Kron aller Ritterſchafft gepreiſet wirſt!
Es gab Herkules ein groſſes Vergnuͤgen/ dz er dieſe Ehre eingelegt hatte/ warff ſein Pferd
ſchnelle umb/ ehe er den ganzẽ Lauff volbrachte/ und machte ſich mit entbloͤſſetem Schwer-
te an ſeinen Mann/ der ſich ſeiner nicht ſo bald vermuhten wahr/ ſich auch noch nicht recht
wieder eingerichtet hatte/ daher er etliche ſchwere Hiebe/ die doch ohne Wunden abgingẽ/
empfing/ ehe er zur Gegenwehr kam/ ward endlich ſeines Schwertes auch maͤchtig/ und
ging darauff ein uͤberaus herber Kampff an/ daß die Schilde in kurzer friſt ſehr ſchadhaft
wurden. Nun hatte Herkules einen groſſen Vortel wegen ſeines wolgewanten Pferdes/
welches mit ſchlagen und beiſſen dem Pannonier ſehr zuſetzete/ daß es auch endlich deſſen
Pferd die Naſe und Ober Lippen hinweg biſſe/ wodurch es in eine Wuht geriet/ und ſeinen
Auffſitzer wider ſeinen Willen davon trug. Dieſer erzuͤrnete ſich hieruͤber hefftig/ daß er
i i i ijvor
[436]Sechſtes Buch.
vor einen Feldfluͤchtigen ſolte angeſehen werden/ ſprang herunter/ und begegnete unſerm
Herkules zu fuſſe/ welcher zwar lieber den Pferdeſtreit fortgeſetzet haͤtte; aber weil er ſich
fuͤrchtete/ es moͤchte Pines ihm den Blaͤnken beſchaͤdigen/ ſtieg er ab/ und trat ihm freudig
entgegen/ da ſein Feind ihm ſchon die gewiſſe Rechnung des Sieges machete/ nachdem er
meinete/ es wuͤrde unſerm Herkules unmoͤglich ſeyn/ ihm zu fuſſe auszuhalten/ haͤtte auch
duͤrffen groſſe Gefahr abgeben/ wann Gottes Schuz nicht geweſen/ und Herkules durch
Ringfertigkeit nicht zuerſetzen gewuſt/ was ihm an Leibesſchwere abging; dann es tobete
der Pannonier mit ſeinen Hieben ſo kraͤfftig/ daß kein Stahl vor ihm hart genug wahr.
Der aͤdle Blaͤnke kunte ſeinen lieben Herrn nicht verlaſſen/ rante hinzu/ und ſchlug nicht
allein den Pannonier auff den linken Arm/ daß ihm der Schild entfiel/ ſondern zerrete ihm
den Helm auff dem Kopffe/ daß er ſich endlich aufloͤſete. Dieſer vermeynete des Unfals
raſend zuwerden/ faſſete das Schwert/ und gedachte ihm das Haͤupt herunter zuſchlagen/
traf aber zu kurz/ und gab ihm gleichwol eine zimliche Halßwunde/ daß es endlich wiche/
und auf Herkules Abtreibung ſich hinweg machete/ auch alsbald verbunden ward. Als
der Pannonier dieſes Unfals enthoben wahr/ ergreif er wieder friſchen Muht/ dann ihm
wahr noch wenig an Kraͤfften abgangen/ ohn daß ihm der linke Arm ſehr ſchmerzete/ uñ
verdroß ihn hefftig/ daß ihm der Schild entfallen wahr/ legete ſich deswegen in ein geſtrek-
tes Lager/ daß ihm nicht beyzukommen wahr/ ruͤckete vorerſt den Helm wieder gleich/ und
buͤckete ſich unter ſeines Schwertes Beſchirmung zur Erden/ den Schild auffzuheben.
Herkules verſchief dieſe Gelegenheit nicht/ ſondern trat ihm zur Seiten/ und gab ihm un-
ter dem Helm mit einem Schnitte eine zimliche Halßwunde/ mit dieſen Worten: Du
wuͤtiges Tihr/ hiemit bezahle ich dir an ſtat meines Pferdes. Der Pannonier achtete des
Schaden wenig/ nur der Spot taht ihm weh/ welcher ihm dieſe Schmachrede austrieb:
O du elender Wurm/ daß du annoch lebeſt/ haſtu deinem Pferde zudanken/ dann nachdem
du deſſen Huͤlffe beraubet biſt/ ſo ſchicke dich willig zum knechtiſchen Joche/ welches dich
hart gnug drücken ſol. Je du tum̄er Kloz/ antwortete er/ beſteheſtu dann noch auff dieſem
Vorſatze? Ich gelobe dir bey meiner Redligkeit/ dz du ſchwehr abtrag machen ſolt. Fingen
hiemit aufs neue einen grauſahmen Streit an/ daß die Funken auß ihren Helmen und
Waffen ſprungen/ auch Herkules nachgehends bekennete/ daß nach Gamaxus ſeines glei-
chen ihm nicht vorkommen waͤhre. Der Pannonier wahr am Halſe und in der Rechten
Seiten wund; Herkules hatte einen Hieb oben an das Rechte Bein bekommen/ und ver-
goſſen beiderſeits zimlich viel Blut/ wiewol Pines am meiſten/ welcher noch endlich ſei-
nes Schildes wieder maͤchtig ward/ da ſie ſich zum andernmale verpauſteten. Nun merke-
te der Pannonier gleichwol/ daß der Abgang ſeines Blutes ihm die Kraͤfte umb ein groſſes
verringerte/ wolte ſich deſwegen der annoch uͤbrigen recht und mit vortel gebrauchen/ und
ging zum drittenmahl grimmig loß/ fand aber ſolche gegenwehr/ daß er ſich verwunderte/
wie ihm dieſer junge Ritter aufhalten moͤchte; faſſete endlich den Schild/ und warf damit
Herkules wieder die Bruſt/ daß er drey Schritte zuruͤk prallete/ trat ihm nach/ und wahr
des ganzen vorhabens ihn zugreiffen/ und vor leibeigen anzunehmen/ hatte ihm auch den
Arm ſchon uͤmb den Hals geleget/ worüber Ladiſla/ die Groſ Fuͤrſtin/ und andere/ hoͤchlich
erſchraken: Er aber drehete ſich ringfertig loß/ und verſetzete ihm einen Schnitt uͤber die
Linke
[437]Sechſtes Buch.
Linke Hand/ daß drey Finger davon zur Erde fielen. Noch dannoch wolte der Unhold nicht
gewonnen geben/ hieb ihm den Schild mitten voneinander/ mit einem Streich/ daß er zur
Erde fiel/ und alſo ein jeder ſich mit dem Schwerte ſchuͤtzen/ und den Feind angreiffen mu-
ſte; worin aber Herkules dem Pannonier zu fertig und erfahren wahr/ hatte etlichemahl
Gelegenheit/ ihn niderzuſtoſſen/ ſuchte aber nur/ wie er ihn lebendig in ſeine Gewalt brin-
gen moͤchte/ welches ihm folgender Geſtalt gluͤckete: Er gebrauchete ſich eines kurzen La-
gers/ daß ihn Pines ſehr nahe treten muſte/ welcher einen ſtarkẽ Streich auff ihn fuͤhrend/
ſich verhieb/ daher Herkules ihm die Rechte Hand verwundete/ daß er ſein Schwert nicht
mehr fuͤhren kunte/ deſſen er uͤber die maſſe traurig ward/ und doch ſein ſchandſuͤchtiges
Maul nicht zu zaͤhmen wuſte/ ſondern zu Herkules ſagete: O du unwerder nichtiger Tropf/
du Verlaͤuffer deines Vaterlandes; haben die Goͤtter mich zu dem Ende durch meine
Kraft in ſo mannicher Gefahr geſchuͤtzet/ daß ich unter deinem kindiſchen Schwert erlie-
gen ſol? Sihe da/ du leichter Bube/ vollende an mir den Sieg/ deſſen du unwirdig biſt.
Warf hiemit das Schwert von ſich/ und erwartete unerſchrocken/ wann Herkules ihn
niderſtoſſen wuͤrde; der ſich aber durch dieſe Schmachrede nicht zu uͤbermaͤſſigem Zorn
bewaͤgen lies/ ſondern zu ihm hintrat/ den Helm herunter riſſe/ und mit dem Schwert-
knauffe ihm eins wieder die Stirn verſetzete/ daß er taumlich zur Erden ſtuͤrzete; alſo rief
Herkules ſeinen Gallus und Neklam herzu/ welche ihm Haͤnde und Fuͤſſe binden/ und wie
ein Vieh hinweg ſchleppen muſtẽ/ deſſen er ſich als ein Raſender gehuhb. Die Groſfuͤrſtin
und alle andere/ wurden dieſes Sieges hoͤchlich erfreuet/ dz ſie vor freudẽ jauchzeten; doch
ging Herkules mit groſſer Unmacht in das naͤheſte Luſthauß/ ließ ſich daſelbſt abzihen/ und
die Beinwunde verbinden/ uͤber welcher er noch drey andere/ wie wol geringere empfangen
hatte/ da ſein Gemahl mit Frr. Lukrezien und Sibyllen hin zulief/ uͤmb ſeine verwundung
zubeſichtigen; und nach dem ſich gar keine Todesgefahr noch Laͤhmung befand/ ſondern
Galehn ſie einer ſchleunigen Heilung verſicherte/ lacheten und weineten ſie zugleich vor
Freuden/ gingen hin/ uñ brachten den andern dieſe froͤliche Zeitung/ deren der Kaͤyſer ſich
nicht minder als Ladiſla und Baldrich erfreuete/ lies auch den gefangenen Pannonier la-
ben und das Blut ſtillen/ damit er von mattikeit nicht verginge. Die andern Pannonier
hatten ſich über ihres Fuͤhrers Gefaͤngnis ſo heftig entſetzet/ daß ihnen Herz und Muht
entfallen wahr/ und weinig Luſt hatten/ den Kampf anzutreten/ biß der vornehmeſte unter
ihnen ſie ermunterte/ und dieſe Rede hielt: Es iſt viel zuſpaͤt/ ihr redlichen Bruͤder/ den
Streit abzuſchlagen/ und viel zu fruͤh/ das Herz ſinken zulaſſen/ dann ſehet/ unſer Haͤupt
iſt uͤberwunden/ und mit ihm leider das ganze Koͤnigreich auff 10 Jahr lang/ welches aber
doch leidlicher iſt/ als daß wir ihn ſolten in der Noht und knechtſchaft ſtecken laſſen. Ich
halte die an uns getahne auſfoderung vor eine ſonderliche Schickung der guͤtigen Panno-
niſchen Goͤtter; laſſet uns nur zur gewoͤhnlichẽ Herzhaftigkeit greiffen/ und unſern Fein-
den die Spitze bieten/ alsdann zweifelt mir nicht/ wir wollen ihrer etliche lebendig fahen/
und unſern Fuͤhrer/ welcher dem Vaterlande noch trefliche Dienſte leiſten/ und uns groß-
machen kan/ gegen ſie auſwechſeln. Ladiſla eiferte ſich uͤber ihrem lange ſtille halten/ und
lies ſie fragen/ ob ſie ihr verſprechen aus Schrecken vergeſſen/ und allen Muht verlohren
haͤtten. Nein ſagte dieſer/ wir erwarten des Angrifs von den Auſfoderern. Alſo gieng das
i i i iijSpiel
[438]Sechſtes Buch.
Spiel von neuen an/ da Ladiſla/ Baldrich/ Siegward/ und Fabius ſich auff die Bahn
ſetzeten/ und ihrer Feinde wahrnahmen. Ladiſla traf mit ſeinem Manne ſehr gluͤklich/ dann
er rennete ihn im erſtenmahle daß er mit ſamt dem Pferde uͤbern Hauffen fiel/ und den
linken Schenkel ganz entzwey brach: Dieſer/ da er deß Schmerzen empfand/ und daß er
zum weitern Gefechte unduͤchtig wahr/ zog ſein Schwert aus/ in willens ſich damit zuent-
leiben; aber Ladiſla wahr ihm zugeſchwinde aufm dache/ riſſe ihm das Schwert aus der
Fauſt/ und ſagte; wie nun du frecher Hund/ wiltu wieder dich ſelbſt wuͤten/ nachdem dirs
wieder mich nicht hat wollen gelingen? zog ihm den Helm ab/ und lies ihn gebunden vom
Platze ſchleppen/ ſetzete ſich wieder auff/ und dankete Gott inniglich/ daß er ihm dieſen her-
lichen Sieg ohn alle muͤhe beſcheret hatte. Der Kaͤyſer ritte ihm froͤlich entgegen/ wuͤn-
ſchete ihm Gluͤck/ und umfing ihn als ſeinen geliebeten Bruder. Baldrichs Gegener hielt
feſteren Stand/ ward erſt im dritten Treffen zur Erden geworffen/ welches ſo ungeſtuͤm
zu gieng/ daß er auffs Genicke ſtuͤrzete/ und den Hals zubrach; da hingegen auch Baldrich
mit dem Speer am linken Beine verwundet ward. Siegward/ nach dem ſein Feind ihm
zween ſtoͤſſe auſgehalten/ wolte des dritten nicht abwarten/ ſondern machete ſich mit dem
Schwerte fertig/ und hielten dieſe gar ein ernſtliches Gefechte zu Roß/ in welchem dieſer
Schwediſche Held beides ſein tapfferes Herz/ und Erfahrenheit zu kaͤmpffen zur gnuͤge
ſehen lies/ und ein hohes Lob davon trug/ biß der Pannonier an mannichem Orte verwun-
det/ faſt alle Kraft verlohr/ und doch mit ſchaͤndlichen Schmaͤheworten den Fuͤrſten im-
merzu reizete/ ſchaͤrffer anzuſetzen/ damit er durch einen ſchleunigen Tod die ungenehme
Leibeigenſchafft abwenden moͤchte/ welches ihm aber fehlete/ maſſen Siegward endlich
Gelegenheit bekam/ daß er ihm das Schwert aus der Hand riſſe/ und ihn zu bodem warff/
auch bald darauff ihn von der Bahn in gewahrſam bringen lies; jedoch hatte er auch drey
zimliche Wunden davon getragen. Fabius brachte mit ſeinem Manne am laͤngſten zu/
welchen er zwar im dritten Treffen auff die Erde geworffen hatte/ fiel aber wegen groſſer
Bemühung mit ſeinem Pferde ſelbſt uͤber und uͤber; und weil der Pannonier zeitiger als
er/ auff die Fuͤſſe kam/ fehlete gar weinig/ er waͤhre von ihm erſchlagen worden/ ſo daß ers
bloß der Barmherzigkeit Gottes zudanken hatte/ daß er noch den Sieg erhielt; dann als
ſein Feind ohn unterlaß auff ihn zuſchlug/ und ihm keine zeit goͤnnete auff zuſtehen/ begab
ſichs/ daß derſelbe hinten aus glitſchete/ und ruͤklings einen ſchweren Fal taht/ da er mit
dem Haͤupte auff einen Stein ſchlug/ daß ihm eine Ohmacht zuſties. Fabius wahr ſchon
hart verwundet/ hatte ſich auch deß Lebens bereit erwogen/ aber wie er ſeinen Feind in die-
ſem Stande erſahe/ ermannete er ſich auffs beſte/ riß ihm Schwerd und Schild aus der
Hand/ und loͤſete ihm den Helm gar vom Haͤupte/ wodurch dieſer zu ſich ſelber kam/ und
in dieſer Noht ſich befindend/ nach Fabius griff/ ihm den linken Schenkel faſſete/ und bey
nahe ihn gar zur Erden geriſſen haͤtte/ weil er wegen verluſt ſeines Blutes gar machtloß
wahr; aber in dem der Pannonier ihn alſo nach ſich zohe/ laͤhmete er ihm den Arm mit ei-
nem Hiebe/ daß er ablaſſen muſte/ verwundete ihm auch den rechten Schenkel/ daß er dar-
auff nicht treten kunte/ und lies ihn hinweg tragen/ ſich aber von Galehn verbinden.
Wahren alſo dieſe vier erſten durch herliche Siege niedergelegt. Die vier uͤbrigen gerietẽ
hiedurch in eine grimmige Wuht/ und begehreten alsbald zu treffen/ welches ihnen von
Skau-
[439]Sechſtes Buch.
Skaurus und ſeinen dreien Boͤmiſchen Geſellen nicht verſaget ward. Es wahr ein kurzer
unanſehnlicher/ aber unterſezter Baumſtarker Mañ/ mit dem Leches es zutuhn hatte/ wel-
cher auch drey Ritte ohn enigen Wank auſhielt/ ſo daß im dritten der Unfal Leches ſchier
getroffen haͤtte/ welcher im vierden Gange es auff die Spitze ſetzete/ und einen ſo gewaltigẽ
Rit taht/ daß ſie beide uͤbern Hauffen purzelten; doch ſchikte es Gott/ daß Leches der erſte
wieder zu Beinen wahr/ und auff ſeinen Feind friſch angieng/ welcher ſich unter ſeinem
Pferde hefftig bemühete/ hervorzukriechen/ und vermehrete ihm Angſt und Zorn ſeine
ohn das ſtarken Kraͤfte dermaſſen/ daß er ſein gelaͤhmetes Pferd vom Leibe abwalzete;
durch welche Bemuͤhung ihm der Krebsriemen zubrach. Er hatte ſich gleich auff alle viere
geſetzet/ da Leches ihm nahete/ und ſich über ſeine ſtarke Gliedmaſſen ſehr verwunderte/
auch aͤuſſerſt darnach trachtete/ wie er ihm das aufſtehen verbieten moͤchte/ ſtieß ihn mit ei-
nem Fuſſe/ daß er auff den Ruͤcken zu liegen kam/ und nachdem er nicht geſinnet wahr/ die-
ſen Vortel aus den Haͤnden zugeben/ ſchlug und ſtach er gewaltig auff ihn zu/ woruͤber der
Pannonier meynete vor Eifer zuberſten/ lag und bruͤllete als ein wilder Ochſe/ daß ihm der
Dampff zum Helm Geſichte ausging; woraus Leches die unfehlbaren Zeichen nam/ mit
wem ers zutuhn haͤtte; und ob er gleich ſich ſtets bemuͤhete/ ihm das auffrichten zuverbietẽ/
kunte er doch endlich nicht verwehren/ daß er auff den Hindern zuſitzen kam/ und ſeines
Schwerts maͤchtig ward/ womit er ſo grauſam von ſich hieb und ſtach/ daß ihm Leches nit
zu nahe treten durffte/ der ſich dann gewaltig ſchaͤmete/ daß ihn ein ſitzendeꝛ ſo lange abhal-
ten ſolte; dann Neda und Prinſla wahren mit ihren Feinden ſchon fertig/ dergeſtalt/ daß
ſie ſie beyde im andern Treffen zu boden warffen/ und im Fußſtreite nach hefftiger Ver-
wundung lebendig gefangen nahmen; welches Leches erſehend/ zu ſeinem Gegener ſage-
te: Ey ſo muͤſte ich nicht eines faulen Apffels wert ſeyn/ wann ich deine viehiſche Verwaͤ-
genheit nicht endlich legen ſolte. O du nichtiger Tropf/ antwortete dieſer; haͤtte mich der
Unfal nicht getroffen/ du wuͤrdeſt ſchon laͤngſt in meiner Gewalt ſeyn/ dann ich getraue
mich/ deiner viere zubeſtehen/ und auf einmahl lebendig davon zutragen; und biſtu ein red-
licher Ritter/ ſo laß mich zun Beinen kommen/ dann wil ich es ohn Schild mit dir austra-
gen. Ich habe dich einmahl nidergeworffen/ ſagte Leches/ und ſol auch das lezte mahl ſeyn;
fing darauf an/ eiferiger als vorhin auf ihn zuſchlagen/ dann er fuͤrchtete ſich/ alles ſein An-
ſehen wuͤrde ihm verſchwinden/ gab auch gar genaue acht/ an was orten er ihn am beſten
verwunden moͤchte/ und ward gewahr/ daß ſein Krebs ſich in der Seite von ander zog/ ſo
offt er von ſich hieb; nam deßwegen den Schild/ und warff ihn damit vors Geſichte/ trat
bald darauf ein/ und hieb ihm die Fauſt lahm/ in welcher er das Schwert fuͤhrete/ trat ihm
auff den Halß/ und durchſtach ihm den linken Arm/ daß er denſelben auch nicht gebrauchẽ
kunte; woruͤber er ein ſo erſchrekliches Geſchrey fuͤhrete/ dz es uͤber die Maur in die Stad
erſcholle/ fing an ſeinen Goͤttern zufluchen/ und ſchalt Leches uͤberaus ſchaͤndlich/ daß er ihn
ja vollends hinrichten ſolte. Aber da Gallus und Neklam dieſe uͤberwindung ſahen/ traten
ſie mit etlichen Stecken Knechten herzu/ welche ihm anfangs beyde Beine zuſammen feſ-
ſelten/ deſſen er ſich hefftig ſtraͤubete/ aber doch endlich gebendiget ward; doch kam Leches
nicht ohn Wunde davon/ ſondern es hatte ihm dieſer ſitzend das rechte Bein an der Wa-
de zimlich verletzet. Skaurus und ſein Gegener wahren dazumahl noch in voller Arbeit;
dann
[440]Sechſtes Buch.
dann weil ſie mit den Speeren ſich nicht hatten fellen koͤnnen/ wahren ſie mit den Schwer-
tern zu Roß aneinander gerahten/ biß der Pañonier aus Unvorſichtigkeit Skaurus Pferd
am rechten Voͤrderbug laͤhmete/ daß ſein Reuter abſteigen muſte/ und ſein Feind ſich auch
herunter machete/ fingen auffs neue zu fuſſe einen ganz herben Streit an/ daß ſie faſt gleiche
Wunden davon trugen; triebens auch ſo lange/ biß dem Pannonier das Schwert vor der
Fauſt abſprang/ welcher doch deswegen den Muht nicht fallen ließ/ ſondern ſeinem Fein-
de glüklich unterlief/ und nach hingeworffenem Schilde mit ihm zuringen anfing/ worin er
ſchier ſolte des Roͤmers Meiſter worden ſeyn/ wann dieſer nicht beyzeiten ſich ſeines Dol-
ches erinnert haͤtte/ welchen er hervor ſuchete/ und mit dreyen Stichen ihm das Lebẽ nam;
ward aber Mattigkeit wegen durch Neda und Prinſla von der Bahn geleitet. Der Kaͤy-
ſer und alle anweſende erfreueten ſich des voͤlligen Sieges von ganzem Herzen/ wuͤnſchetẽ
den Uberwindern Gluͤk/ lieſſen die annoch unverbundene fleiſſig verſehen/ die beyden er-
ſchlagenen Pannonier entwapnen und in die Erde verſcharren/ und muſten die 10 unbe-
wapnete Diener der Kaͤyſerlichen Geſelſchafft folgen/ deren viere wegen ihrer Herren
Unfal ſehr leidig und betruͤbt wahren/ die übrigen 6 aber ſich daruͤber freueten/ und auf bit-
liches anſuchen von dem Kaͤyſer frey gelaſſen wurden/ da ſie ſich in Ladiſlaen Dienſte be-
gaben/ dann ſie zeigeten an/ wie ſie in ihrer zarten Jugend aus Boͤhmen hinweg geraubet/
und in dieſen Stand gerahten waͤhren. Die ſieben Gefangene/ wie mat und verwundet
ſie wahren/ wolten ſich nicht laſſen verbinden/ ſondern ſtelleten ſich als waͤhren ſie raſend/
und hielten mit ſchaͤnden und ſchmaͤhen ſtets an/ inſonderheit Pines meinete mit ſchelten
es dahin zubringen/ daß man ihn vollend hinrichten ſolte; aber Herkules machte es mit
ihm/ wie ehemals mit Gamaxus/ ließ ihn auff ein Bret binden/ daß er ſich nicht ruͤhren
kunte/ hernach muſte der Arzt ihm die Arzney aufflegen/ und allen Fleiß zur Heilung an-
wenden; welchen Ernſt die übrigen ſehend/ ſich endlich drein gaben/ und die Verbindung
annahmen. Die vier Pannoniſche Diener wurden des Abens wolgehalten/ und folgendẽ
Morgens in beiſeyn Neda und Neklam/ welche Pannoniſch verſtunden/ auff ihr inſtaͤndi-
ges anſuchen zu den Gefangenen gelaſſen/ die von ihnen begehreten/ mit dem Koͤnige und
Landſtaͤnden/ inſonderheit mit Herr Dropion Pannoniſchen Stathalter/ Pines Bruder
zureden/ daß/ in betrachtung ihrer getraͤuen Dienſte/ ſie auf ihre Erloͤſung bedacht ſeyn
moͤchten. Der Kaͤyſer ließ hernach dieſe Diener aͤydlich belegen/ daß ſie ihrem Koͤnige und
allen andern/ die reine ungefaͤlſchte Warheit wegen alles Verlauffs anzeigen wolten/ gab
ihnen ein ehrliches Geſchenke/ ließ alles an den Pannoniſchen Koͤnig ſchrifftlich gelangẽ/
und erinnerte ihn/ ſein erbieten redlich zuhalten/ alsdann ſolte der begehrete zehnjaͤhrige
Anſtand ihm zugelaſſen ſeyn. Es wahr uͤberal groſſe Freude in Padua/ wegen dieſes gluͤk-
lichen Sieges/ und ſchrieb der Kaͤyſer allen Verlauff an den Roͤmiſchen Raht/ ruͤhmete
vornehmlich Herkules Tapfferkeit/ und taht ihnen zuwiſſen/ wie er ſolches zuerkennen be-
dacht waͤhre. Nun muſten gleichwol unſere ritterliche Helden/ auſſerhalb Ladiſla/ etliche
Tage des Bettes huͤten/ bey denen Galehn groſſen Fleiß anwendete/ daß Herkules und
Baldrich des ſechſten Tages auffſtunden. Mit Prinſla/ Neda und Leches beſſerte ſichs
noch zeitiger. Siegward/ Fabius und Skaurus wahren am haͤrteſten verwundet/ daher
es mit ihrer Beſſerung langſamer zuging. So wahr den Gefangenen nichts ſo ſehr/ als
die
[441]Sechſtes Buch.
die Heilung zuwider/ daß ſie auch geſinnet waren/ ſich durch Hunger zutoͤdten; dann weil
ſie alle Herren Standes/ Hochaͤdles Geſchlechtes/ und von groſſen Mitteln waren/ kuntẽ
ſie in knechtiſche Dienſtbarkeit ſich nit ſchicken/ welche ſie doch muhtwillig erwaͤhlet hattẽ.
Ja ihr Fuͤhrer hoͤrete noch nit auf/ allerhand Schmachreden uͤber Herkules auszuſchuͤttẽ/
in meinung/ hiedurch den Tod zuerhalten/ welches Gallus anzeigete/ aber zur Antwort be-
kam/ er ſolte ihn mit Hofnung ſpeiſen/ dz neben ſeinen Geſellen er durch wichtiges Loͤſegeld
ſich wol wuͤrde koͤñen frey kaͤuffen/ als warum es ſeinen Herren eigentlich zutuhn waͤhre;
welcher Troſt ſie in gute Ruhe ſetzete/ dz ſie Speiſe namen/ die Ketten willig trugen/ uñ die
Geſundheit wieder erlangeten; da dann der Kaͤyſer mit den Fuͤrſten hinging/ ſie zu ſehen/
und zuvernehmen/ wie ſie ſich doch bezeigen wuͤrden/ verwunderten ſich ſehr uͤber Pines
verwaͤgenheit/ der hochmuhtig gnug fragen durfte/ was man vor ihre Erloͤſung foderte;
Herkules aber ihm zuꝛ Antwort gab: Je du frechſtolzer Kerl; deucht dichs noch nicht Zeit
ſeyn/ daß du vor Kaͤyſerl. Hocheit/ vor einem herſchenden Boͤmiſchen Koͤnig/ und vor mir
einem gebohrnen Groß Fürſten/ der uͤberdas dein Herr iſt/ dich endlich demuͤhtigeſt/ deinen
elenden Zuſtand erkenneſt und umb Gnade und Barmherzigkeit anhalteſt? du muſt ja
ohn zweifel bißher mit lauter Baurflegeln umbgangen ſeyn/ daß du gedenkeſt/ auch die
hoͤchſten in der Welt ſeyn deiner Ehrerbietung nicht wirdig. Und was haſtu zu fragen/
was man vor Loͤſegelder von dir fodere? wiltu es wiſſen? durchaus nichts fodert man/ ſo
wenig vor die andere als vor dich/ ſondern nachdem du dich deiner eigenen Urtel erinnern
kanſt/ haſtu nichts gewiſſers/ als die ewige Ketten der ſchnoͤdeſten Dienſtbarkeit zutragen/
worzu dir die liebe Geduld wird von noͤhten ſeyn. Jedoch haͤtteſtu alsbald nach der Uber-
windung die Demuht ergreiffen koͤnnen/ wuͤrdeſtu einen gnaͤdigen Herrn an mir gehabt
haben/ der/ inbetrachtung deiner guten Faͤuſte/ mit dir viel anders wuͤrde umbgangen ſeyn.
Nun aber iſt die Gnadenzeit vorbey/ inſonderheit/ weil du dieſe Zeit deiner Knecht- und Leib-
eigenſchaft dich des ſchaͤndens nicht haſt enthalten wollen. Drumb glaͤube mir/ wann du
gleich vor dein Haͤupt mir hundert tauſend Tonnen Goldes liefern koͤnteſt/ wuͤrde ichs we-
niger als dieſen Stab achten. Als Pines dieſes hoͤrete/ ſpeiete er ihn an/ ſchalt ihn aus vor
einen Zaͤuberer/ Verraͤhter/ Landlaͤuffer/ und des Kaͤyſers Schmarotzer; daß er ihn ja zum
Zorn reizen moͤchte; wie dann die anderen alle es ihm alſo nachmacheten. Aber Herkules
lachete deſſen nur/ und ſagete zu ihnen: Je ihr ehrvergeſſene Buben/ wiſſet ihr dann nicht/
daß ihr Gefangene/ ja daß ihr Leibeigene Knechte ſeid/ und durch euch ſelbſt darzu verurtei-
let/ und dürffet ſolche Schmachrede wieder mich ausſtoſſen? Ja du Unhold/ ſagte er zu
Pines/ ſcheuheſtu dich nicht/ mich gar anzuſpeien? Ich erinnere dich deiner ehemahligen
draͤuung/ wie du mittel wuͤſteſt/ meinen ſteiffen Sinn zu lenken; deren werde ich mich nun
auch gebrauchen muͤſſen/ umb zu verſuchen/ ob ich dein teufliſches Laͤſtermaul nicht zaͤhmen
und zaͤumen koͤnne/ wie dann wol ehe einem ſtaͤrkeren/ als du/ wiederfahren iſt. Ließ hierauf
ſechs Steckenknechte mit ſcharffen Ruhten fodern/ jeden gefangenen an eine Saͤule bin-
den/ entkleiden/ und von oben an biß unten aus rechtſchaffen ſtreichen; welcher Schimpff
ihnen dermaſſen zu Herzen ging/ daß ſie allen ihren Goͤttern flucheten/ auch durchaus umb
keine Erlaſſung noch Gnade anhielten; daher Herkules ſagete: Man mus die halsſtarri-
gen Schelmen noch beſſer antaſten; ließ Salzwaſſer herzu bringen/ den volgeſtriemeten
k k kHin-
[424[442]]Sechſtes Buch.
Hinterleib damit abwaſchen/ und ſie ein viertelſtuͤndichen zappeln/ da ſie zwar ein elendes
Geheule trieben/ aber keine Gnade ſucheten. Es muſte ihnen hernach das Salzwaſſer ab-
geſpuͤlet/ und an deſſen ſtat heilſames Oel daruͤber geſchmieret werden/ welches ihnen groſ-
ſe linderung gab/ und ſie nicht anders gedachten/ es wuͤrde hiemit ſeine Endſchaft haben.
Aber Herkules ließ ſie an den Pfaͤlen umbkehren/ mit befehl/ es ſolte ihnen der ganze Vor-
derleib gleich alſo zergeiſſelt werden/ welches ſie aber noch nicht zur helfte ausgeſtanden
hatten/ da ſie anfingen umb Gnade zu bitten/ ohn allein Pines meinete durch raſerey zu uͤ-
berwinden/ deswegen man an ihm mit der Geiſſelung tapffer fortfuhr/ biß gar an den Un-
terleib/ da rieff er endlich: Ich mus meinen ſteiffen Sinn brechen/ und umb erlaſſung an-
halten. Deine Demuht mus groͤſſer ſeyn/ ſagte Herkules/ hies doch die Geiſſelung einſtel-
len/ aber viel ein ſchaͤrffer Salzwaſſer/ als das vorige auff die friſchen Striemen gieſſen;
wovor er erzitterte/ und ſagete: Gnade mein Herr/ Gnade/ und erinnert euch/ daß ihr auch
unter der Goͤtter gewalt ſeid. Des erinnere ich mich taͤglich ohn dein erinnern/ daß ich un-
ter Gottes gewalt bin/ ſagte Herkules/ und iſt dieſes bloß darumb geſchehen/ daß du auch
nunmehr anfahen moͤgeſt zuerkennen/ du ſeiſt unter Gottes und deines jetzigen leiblichen
Herrn gewalt dem du Ehre/ Demuht und Gehorſam ſchuldig biſt; und koͤnnen dieſe erſte
Ruhten dich zu ſolcher Schuldleiſtung nicht antreiben habe ich deren noch mehr im
vorbehalt/ ja/ ſpitzige hoͤlzerne Keilichen/ welche dir an Haͤnden und Fuͤſſen unter die Nagel
ſollen eingedruͤkt werdẽ/ biß du tuhſt was dir oblieget. Bey meinen Goͤttern/ antwortete er/
mir geſchihet endlich recht/ weil ich mir ein gleiches auff den verhoffeten Gluͤckesfall vor-
genommen hatte; aber dieſe meine Geſellen ſind unſchuldig in die Leibeigenſchaft gerahten/
und von mir verleitet/ deswegen laſſet ſie durch ein anſehnliches Loͤſegeld ſich frey kaͤuffen.
Kein einziger mache ihm die Hoffnung zur Freyheit/ ſagte Herkules; zu ſpaͤte zu ſpaͤte! der
Stab iſt gebrochen/ drumb gebet euch nur willig drein/ weil ihrs nicht anders habt wollen
haben; erkennet aber dabey/ daß Gott ein gerechter Richter iſt/ und allen Hochmuht ſtuͤr-
zet/ deſſen wir ein Sonnen-klares Beyſpiel an euch ſehen/ dann ſonſt wuͤrde noch wol einer
unter euch den Sieg davon gebracht haben. Dieſe ſcharffe Urtel ging ihnen ſehr zu herzen/
doch weil ſie es nicht endern kunten/ muſten ſie ſich endlich darein geben/ und die wenige
Zeit uͤber/ weil unſere Helden ſich daſelbſt auffhielten/ taͤglich acht Stundenlang im Kar-
ren zihen/ und den Unflaht von den Gaſſen abfuͤhren/ wiewol ſie ſich noch Hofnung mach-
ten/ nach etlicher Zeit Gnade und Freyheit zuerlangen.


Als die Verwundeten alle ihre Geſundheit erhalten/ erinnerte Valiſka ihren Ge-
mahl und Bruder/ es würde Zeit ſeyn/ ihrer herzgeliebeten Fr. Mutter dereins die Klage-
traͤhnen abzuwiſchen/ und waͤhre ihr faſt leid/ daß ſie ſolches nicht durch Botſchaft verrich-
tet haͤtte/ weil uͤber verhoffen ſie ſo manniche Paduaniſche Nacht machen muͤſſen/ und ih-
re Reiſe ſo lange auffſchieben. Herkules gab ihr recht/ und erinnerte doch zugleich/ daß er
dem Keyſer verheiſſen/ die Wiederkunft ſeiner Botſchaft biß auff den 16den Tag nach de-
ren hinreiſen zuerwarten/ wohin nur noch zween Tage ausſtuͤnden/ und moͤchte ſie neben
Fr. Sophien/ durch Leches/ Klodius und andere/ alles zum Auffbruch verfertigen laſſen;
was an Wagen und Pferden annoch zuverſchaffen waͤhre/ wuͤrden Gallus und Neklam
ſchon von etlicher Zeit her wol in acht genommen haben; der vierde Tag/ von dieſem an-
zurech-
[425[443]]Sechſtes Buch.
zurechnen/ ſolte hiemit zum unfehlbaren Auffbruch beſtimmet ſeyn. Fr. Sophia taht ſol-
ches ihren Eltern zu wiſſen/ die ſich zwar betruͤbeten/ daß ihr liebes Kind von ihnen ſchei-
den wuͤrde; weil ſie ihnen aber jaͤhrliche Beſuchung verſprachen/ gaben ſie ſich zu frieden/
und legeten ihr die Heimſteur zurechte. Herr M. Fabius gab ſeiner Tochter Sibyllen 15
Tonnen Goldes in baarſchaft/ und acht Tonnen an Kleinot und Kleidern. Pompejus
ſtellete ſeinem Schwieger Sohn 20 Tonnen gemuͤnztes Goldes zu/ und 10 Toñen an Klei-
not und Kleidern/ daneben vermachte er ihm die vom Kaͤyſer jaͤhrlich verſprochene 30000
Kronen aus der Rentkammer. Valiſka und Sophia vermehreten dieſer beyden Braut-
ſchaz/ jedweder mit 10 Tonnen baarſchaft/ und ſechs Toñen an Geſchmuk/ welches ſie wie-
der ihren willen nehmen muſten. So kam die Botſchaft von Rom zur beſtimmeten Zeit
an/ und brachte daß vom Kaͤyſer begehrete/ teils mit/ teils aber folgete nach. Als vor erſt
vier Koͤnigliche Kronen/ welche der Kaͤyſer unſern beyden Helden und ihren Gemahlen
auffſetzete/ ſie invictiſſimos, Unuͤberwindlichſte; Decus equeſtre, Zier der Ritterſchaft; cariſſimos
Imperatoris Fratres
des Kaͤyſers allerliebſte Bruͤder; und endlich Herkules einen Freien Koͤnig
der Teutſchen; Ladiſla einen Freien Koͤnig der Boͤhmen und darzu gehoͤrigen Voͤlker; auch beyde
des Roͤmiſchen Reichs liebe angenehme Bundgenoſſen nennete; Valiſken aber Miraculum
Orbis,
das Wunder der Welt; incomparabilem pietate, virtute, formâ Heroinam: Die unver-
gleichliche Heldin an Gottesfurcht/ Tugend und Schoͤnheit; dilectiſſimam Imperatoris ſororem;
Des Kaͤyſers allerliebſte Schweſter; Exemplar fidelitatis conjugalis; Das Muſter ehelicher Traͤue/
Und ſchließlich/ eine Koͤnigin der freien Teutſchen. Fr. Sophien beſtaͤtigte er ihren alten Eh-
ren-Nahmen: Romanarum mulierum decus. Aller Roͤmiſchen Weiber Zierde; gab ihr uͤberdas
dieſen Nahmen: Vinculum \& Origo amicitiæ Bohemicæ-Germanicæ-Romanæ. Das Band un̄
der Anfang der Boͤmiſch-Teutſch-Roͤmiſchen Freundſchaft; und nante ſie eine Koͤnigin der Boͤh-
men und darzu gehoͤrigen Voͤlker. Fuͤrſt Baldrichen und Siegwarden ſtellete er trefliche/ mit
Demanten ausgeſetzete Reitharniſche/ ſamt allem darzu gehoͤrigen Pferde Zeuge zu/ reiche-
te ihnen Speere mit guͤldenen Spießlein/ an denen trefliche Siegesfahnen hingen/ guͤrte-
te ihnen koͤſtliche Schwerter an/ warff ihnen groſſe ſchwere guͤldene Ketten mit ſeinem
Bruſtbilde umb den Hals/ und nennete ſie Imperij Romani amicos \& Imperatoris Conſan-
gvineos
Des Roͤmiſchen Reichs Freunde/ und des Kaͤyſers Blutverwantẽ; nachdem er ſie ſchon
vor Roͤmiſche Buͤrger des hoͤchſten Adels erklaͤret und auffgenommen hatte. Schließ-
lich waͤhlete er auch Leches/ Neda und Prinſla in den Roͤmiſchen Adelſtand/ gab ihnen
ſchoͤne/ mit Golde eingeſchmelzete Reitharniſche/ auch trefliche Speer und Schwerter/
und nante ſie Imperij filios \& Imperatoris dilectos. Des Roͤmiſchen Reichs Soͤhne/ und des Kaͤy-
ſers geliebete. Als alles geſchehen wahr/ noͤhtigete ſie der Kaͤyſer mit ſich in den Schloß-
plaz zu gehen/ da er Herkules und Ladiſla jedem 100 Handpferde/ mit Purpur-Decken be-
haͤnget/ und bey jedem Pferde zween freygelaſſene Teutſche Leibeigene in ſtatlicher Klei-
dung/ verehrete; daneben jedem 100 Gutſchpferde/ mit noͤhtigem zierlichen Zeuge/ welche
von 50 Teutſchen Leibeigenen gewartet wurden. Hieruͤber 400 Fuder der beſten Griechi-
ſchen und Italianiſchen Weine/ ingeſamt/ wobey die Wagen und Pferde/ ſie biß Prage
zufuͤhren/ ſchon beſtellet wahren. Den beyden Koͤniginnen/ jeden eine von guͤldenem Stuͤc-
ke mit Perlen gezierete Gutſche/ und vor jeder acht ſchneweiſſe Pferde mit guͤldenem Zeu-
k k k ijge uñ
[444]Sechſtes Buch.
ge und vier leibeigenen Gutſchern. Koͤnigin Valiſken aber abſonderlich ein uͤberaus wol
abgerichtetes Kloͤpperchen/ ſehr bund und zierlich geſchecket; und ein groſſes Kleinot/ ih-
rem Elefanten vor die Stirn zuhaͤngen. Den beyden Fuͤrſten/ jedem 20 Handpferde/ und
bey jedem zween Teutſche Freygelaſſene; Ihren Gemahlen aber jeden eine Gutſche von
ſilbern Stuͤk mit Perlen geſticket/ und vor jede 6 ſchneeweiſſe Pferde mit ſilbern Zeuge/
und dreyen Gutſchern. Schließlich bekahmen Leches/ Neda und Prinſla jeder 5 Hand-
Pferde/ und bey jedem einen freygelaſſenen Teutſchen; Ihre Eheliebſten/ jede eine braune
Sammete Gutſche mit ſilbern Schnüren verbremet/ und vor jeder 4 weiſſe Pferde mit
zween leibeigenen Gutſchern. Herkules wahr unwillig wegen der gar zu groſſen Schen-
kungen/ welche doch nit durfften ausgeſchlagen werden; hielt darauff eine zierliche Dank-
rede an den Kaͤyſer und Roͤmiſchen Raht/ ſtrich des Kaͤyſers loͤbliche Tugenden herlich
aus/ und preiſete die Roͤmer gluͤkſelig/ daß ihnen Gott dieſen loͤblichen Kaͤyſer gegeben/
vor deſſen Geſundheit und langes Leben ſie zubitten wol befuget waͤhren. Die Roͤmer ver-
wunderten ſich uͤber ſeine Beredſamkeit mehr/ als uͤber ſeine andere Volkommenheiten/
und bekenneten oͤffentlich/ daß in ganz Rom ſchwerlich einer auffzubringen waͤhre/ der in
zierlichem Latein und wolgeſtelleter Rede es ihm gleich tuhn ſolte. Valiſka/ als er ſein
Vorbringen geendiget hatte/ fing auffs neue an/ mit ſolcher Anmuhtigkeit/ daß maͤnnig-
lich daruͤber beſtuͤrzet ward/ indem ſie den Kaͤyſer wegen ſeiner Gerechtigkeit/ Weißheit
und Guͤtigkeit biß an die Wolken erhuhb/ auch vor die ihr und den ihren gar zu groſſe an-
gelegete Ehre hoͤchlich dankete/ wobey ſie einfuͤhrete/ es haͤtte Kaͤyſerl. Hocheit heut dieſen
Tag ihren ehmahligen Traum erfuͤllet/ welcher ihr wenige Zeit vor ihrer ungluͤklichẽ Rei-
ſe nach Padua vorkommen waͤhre; wie ſie in dieſer Stad aus einem Puſche eine ſchoͤne
Koͤnigliche Kron/ gleich der empfangenen hervor gezogen/ ungeachtet die Dornen ſie an-
fangs ſehr verhindert/ und die gifftigen Schlangen ihr hefftig gedraͤuet haͤtten. Worauff
der Kaͤyſer antwortete; Es waͤhre ohn zweifel die Erfuͤllung/ wie ſie waͤhnete/ geſchehen/
weil dieſes ſein Schloß ohndas Dumus, das iſt/ Dornhecke genennet wuͤrde. Arbianes wol-
te des naͤhſtfolgenden Tages dem Kaͤyſer ſeine Freygebigkeit auch ſehen laſſen/ und lud ihn
nebeſt den Roͤmiſchen und vornehmſten Paduaniſchen Herren auff eine zweytaͤgige Ga-
ſterey/ worauff er ſchon etliche Zeit hatte zurichten laſſen/ und alles Koͤniglich in groſſem
uͤberfluſſe verſchaffet ward/ da er dem ganzen anweſenden Frauenzimmer zierliche Ge-
denk Ringe 50 Stuͤk ingeſamt/ jedes 150 Kronen wert/ ſchenkete; dem Kaͤyſer aber liefer-
te er einen Mediſchen Saͤbel/ deſſen Gefaͤß von klarem gegoſſenen Golde/ mit teuren De-
manten eingelegt wahr/ ſteckete in einer Elffenbeinen Scheide kuͤnſtlicher Arbeik/ und hing
an einer ſchweren guͤldenen Kette. Bey der Einlieferung bedankete er ſich aller Kaͤyſerli-
chen Gnade/ ſo ihm dieſe Zeit begegnet/ und erboht ſich zu allen untertaͤhnigſten Dienſten.
Der Kaͤyſer nam alles mit freundlicher Dankſagung an/ und ſchenkete ihm hinwiederum
eine Demant Kette/ an welcher ſein Bruſtbilde hing/ und zuunterſt ein koͤſtlich Kleinot.


Weil dieſes alſo vorging/ kam Libuſſa auff den Saal/ und zeigete Koͤnigin Valiſken
an/ es waͤhren 12 von ihren Parthiſchen Leibeigenen in dem innerſten Hofe/ und baͤhten
mit uͤberaus bewaͤglichen Geberden/ daß ſie vor Ihre Koͤnigl. Hocheit/ deroſelben etliche
wenig Worte anzumelden/ allergnaͤdigſt moͤchten gelaſſen werden. Sie werden gewißlich
umb
[445]Sechſtes Buch.
umb eine Gnade anhalten wollen/ ſagte ſie/ machte es ihrem Gemahl zuwiſſen/ und ging
auff deſſen Erlaubniß zu ihnen hin in den Vorhof. Dieſe/ ſo bald ſie der Koͤnigin Ankunft
von ferne vernahmen/ tahten einen demühtigen Fußfall/ ſtunden bald wieder auff/ gingen
etwas naͤher hinzu und fielen abermahl nieder auff die Erde; ſtunden endlichauff/ und als
ſie noch fuͤnff Schritte von ihr wahren/ legten ſie ſich zum dritten mahl nider ohn einiges
Wortſprechen/ biß die Koͤnigin ſie auffſtehen hieß/ und daß ſie ihr begehren ohn furcht an-
zeigen ſolten. Worauff ſie ſich alle auf die Knie ſetzeten/ ihre Haͤupter niderbogen/ und der
vornehmſte unter ihnen einen Brief in der Hand hielt/ welcher dieſe Rede vorbrachte:
Großmaͤchtigſte unuͤberwindlichſte Koͤnigin/ allergnaͤdigſte Frau; Was hohe und uͤber-
milde Gnade unſere gnaͤdigſte Herren/ Koͤnig Herkules und Koͤnig Ladiſla uns unwirdi-
gen ihren Leibeigenen ſchon jenſeit des Meers haben wiederfahren laſſen/ indem Ihre Koͤ-
nigll. Hocheiten uns die ſchierkuͤnfftige Freiheit/ gegen des Durchleuchtigſten Groß Fuͤr-
ſten Arbianes Ruͤkreiſe/ oder noch wol ehe/ gnaͤdigſt verſprochen/ wiſſen wir ſamt und ſon-
ders uns wol zuerinnern/ werden uͤberdas mit Kleidung/ Speiſe/ und anderer Notturfft
ſo reichlich verſehen/ daß wir in der Warheit ſolche uͤbermaͤſſige Woltahten zuerkennen/
viel zuwenig ſind. Nicht deſto weniger haben wir ingeſamt uns vorgenommen/ noch umb
eine Gnade zubitten/ welche in dieſem Bitte Schreiben enthalten iſt/ und erſuchen Eure
Koͤnigl. Hocheit alleruntertaͤhnigſt/ dieſelbe wolle es wirdigen allergnaͤdigſt anzunehmẽ/
und wo moͤglich/ deſſen Inhalt bey unſern allergnaͤdigſten Koͤnigen und Herren/ durch ih-
re kraͤfftige und volguͤltige Vorbitte uns zuerlangen; davor wir bereitwilligſt ſeyn wollen/
alles unſer Vermoͤgen/ Blut und Leben ungeſparet/ vor ihre Wolfahrt uñ zu ihren Dien-
ſten auffzuopffern. Die Koͤnigin hieß ſie auffſtehen/ nam das Schreiben zu ſich/ und be-
fahl/ daß morgen fruͤh/ drey Stunden nach der Sonnen Auffgang ſie ſich wieder bey ihr
ſolten melden laſſen/ alsdann ſie ihnen/ dafern ſie nichts ungebuͤhrliches ſucheten/ gnaͤdig-
ſte Einwilligung erhalten und mitteilen wolte. Ging mit unerbrochenem Briefe zu ihrem
Gemahl und Bruder/ und nach Erzaͤhlung alles Vorbringens der Leibeigenen/ laſen ſie
ingeſamt dieſen Inhalt:


Großmaͤchtigſte unuͤberwindlichſte Koͤnige/ allergnaͤdigſte Herren; was vor ſonderliches hohe
Gluͤk der Himmel uns armen gefangenen Parthern vor andern unſers gleichen zugeſchikt/ in dem/
daß in ihrer Koͤnigll. Hochheiten Gewalt und Leibeigenſchaft wir gerahten ſind/ iſt niemand unter
uns/ der es nicht erkennen/ und ſich darob allerhoͤchſt erfreuen ſolte/ nach dem wir ganz nicht zweiffeln/
die aus lauter Gnade uns erteilete Koͤnigl. Zuſage der kuͤnftigen Freylaſſung auff Groß Fuͤrſt Arbi-
anes Durchl. Heimreiſe werde uns nicht unmilder gehalten werden. Wann wir dann bißdaher eife-
rigſt nachgeſonnen haben/ auff was Weiſe wir unſere ſchuldige Dankbarkeit hinwiederumb moͤchten
ſehen laſſen/ und bey uns [befinden]/ daß ſolches in den Pferdeſtaͤllen und bey Wagen und Maul Eſeln
nicht geſchehen kan; nicht daß ſolcher Arbeit wir uns zuentbrechen ſuchen/ ungeachtet wir faſt alle
gebohrne von Adel/ und von Jugend auff unter den Waffen uns geuͤbet haben/ ſondern bloß nur der
Gelegenheit nachſtreben/ unſern allergnaͤdigſten mildreicheſten Herren/ welche wir als unſere eigene
Seele lieben/ etwa behaͤglichere und nuͤtzlichere Dienſte zu leiſten. Als gelanget an unſere allergnaͤ-
digſte Herꝛn unſer untertaͤhnigſtes bitten/ dero Koͤnigliche Hocheiten ihnen unſern herzlichen Wunſch
nicht ungnaͤdig wollen mißfallen laſſen/ welcher in dieſem beſtehet/ daß/ wo moͤglich/ zu ihrer Hochei-
ten Dienſten wir mit ritterlichen Waffen moͤchten verſehen werden/ auff daß wir auff begebenheit
unſer dankwilligſtes Herz koͤnten ſehen laſſen; wiewol nach ihrer Koͤnigll. Hocheiten allergnaͤdig-
k k k iijſtem
[446]Sechſtes Buch.
ſtem belieben/ wir bereit ſind/ in unſerm jetzigen Stande/ auch biß an unſers Lebens Ende gehorſamſt
zuverbleiben/ als eurer Koͤnigll. Hocheiten alleruntertaͤhnigſte und allergehorſamſte Knechte und
Leibeigene/ ſonſt alle ehmahls freygebohrne Parther.


Die Auffſchrift des Brieffes wahr: Denen Großmaͤchtigſten unuͤberwindlichſten Fuͤr-
ſten und Herren/ Herrn Herkules/ Koͤnige der Teutſchen; und Herrn Ladiſla/ Koͤnige der Boͤhmen/
unſern aller gnaͤdigſten Koͤnigen und allermildeſten Woltaͤhtern.


Als ſie den Brieff zum Ende geleſen hatten/ ſagte Ladiſla: mir zweifelt nicht/ es iſt
mannicher geherzter Ritter und Kriegesmann unter dieſen Parthen/ die uns freilich im
Harniſche und mit dem Schwerte viel nuͤzlicher/ als bey der Miſtgabel ſein koͤnten; ſo ha-
ben wir auff unſer ſchierkuͤnfftigen Reiſe getraͤuer Voͤlker von noͤhten/ wañ uns etwa das
Pannoniſche oder ander Raͤuber Geſindle auß Hoffnung groſſer Beute auffwarten ſoltẽ/
bin auch deſſen verſichert/ daß wegen gemachter Hoffnung der Freiheit/ und weil ſie von
ihrem Vaterlande ſo weit abgefernet ſind/ ſie uns keine Untraͤue beweiſen/ viel weiniger
die Flucht vor ſich nehmen werden. Herkules ſchwieg ein weinig ſtille/ in meinung/ er ſolte
ſich weiter heraus laſſen/ weſſen er zutuhn geſinnet waͤhre; weil er aber damit abbrach/
und alſo beide nichts redeten; fing Valiſka an; ich ſehe wol/ eure Lieb den wollen einer dem
an dern nicht vorgreiffen/ und gleichwol merke ich ſchon/ weſſen ſie beiderſeits willens ſind;
meine unvorgreiffliche Meinung dabey zuſetzen/ muß ich bekennen/ daß dieſer Leute Leibei-
genſchafft und veraͤchtliche Dienſtleiſtungen mir ſehr zu Herzen gangen/ in Betrachtung
daß ſie weder wegen Ubeltaht noch Standes-art darzu verdammet ſind/ ſondern bloß al-
lein/ daß ſie vor ihr Vaterland redlich geſtritten/ und ihrem Herrn und ungezweifelt wah-
rem Koͤnige getraͤulich gedienet haben/ dahero ich mir ein Gewiſſen druͤber gemacht/ daß
man ſie nicht ohn jhr bitten in freyen Stand geſetzet/ inſonderheit/ weil von der Zeit her der
getahnen Vertroͤſtung/ ſie ihnen weder Muͤhe noch Arbeit haben verdrieſſen laſſen. Herku-
les laͤchelte hier auff ein weinig/ und kurzweilhalben ſagte er zu ihr; mein Schaz/ ich erinne-
re mich des alten Sprichworts; Alte Liebe ruſtet nicht; und kan ſie nicht wol bergen/ wie ge-
wogen ſie des guten Artabanus Leuten iſt. Verzeihe es euch Gott/ mein Schatz/ antwortete
ſie/ daß ihr hieruͤber ſcherzet/ und mich noch darzu wol einiger Liebe gegen Artabanus zei-
hen koͤnnet; jedoch geſtehe ich/ daß ich Urſach habe ihn zulieben/ weil er meine alte Liebe/
wie er wol durch Gewalt haͤtte tuhn koͤnnen/ ungeſtoͤret gelaſſen hat. Damit ich aber wegẽ
dieſes Unrechts Abtrag haben moͤge/ wil ich/ daß ihr euch meinem Willen vor dißmahl ge-
maͤß bezeiget/ und dieſen Parthern ihr begehren leiſtet/ da ich dann meinen Herr Bruder
Schweſterlich erſuchen wil/ daß er mit gleich ſtimmen moͤge. Ja herzen Fr. Schweſter/
ſagte Ladiſla/ wann du mir nur zuvor verſprechen wirſt/ daß du meinen Herkules nimmer-
mehr wegen der Liebe zu Artabanus uͤbergeben wilt. Hierauff bedarff es eine gute weile
Bedenkzeit/ antwortete Valiſka/ und wer weiß/ ob ich nicht bald verlangen bekommen
moͤchte/ mein praͤchtiges Schloß zu Charas wieder zuſehen. Dieſe Begierde und Reiſe
ab zuwenden/ ſagte Herkules/ wil ich meinem Schaz in Teutſchland gleich ein ſolches
Schloß auffbauen laſſen/ und zwar daß die koſten mit lauter Parthiſchen Geldern abge-
tragen werden/ wovon wir aber zur andern zeit mit beſſern Mues werden zuſcherzen habẽ/
und daß vorgenommene vor dißmahl abhandeln/ da dann/ die Wahreit zubekennen/ ich
ſchon vor etlichen Wochen mir vorgenommen gehabt/ dieſe guten unſchuldigẽ Leute durch
die
[447]Sechſtes Buch.
die zuſtellung der Freyheit zuergetzen/ bin aber allemal durch andere Einfaͤlle daran verhin-
dert worden/ und zweiffele nicht/ mein Bruder Ladiſla wird deſſen mit mir einig ſeyn. Der-
ſelbe wahr nun wol zufrieden/ und muſte Gallus vernehmen/ wie viel Ritter/ aͤdle/ und
Kriegsbeamten unter ihnen waͤhren/ auch wie groß eigentlich ihre Anzahl ſich befuͤnde.
Welcher zur Nachricht brachte/ ihrer waͤhren annoch 2496 Mann uͤberal/ unter denen 50
geſchlagene Ritter/ 1584 aͤdle/ und die uͤbrigen 862 ſonſt nahmhaffte Maͤnner und Kriegs-
leute/ ſo daß ſie alle/ auſſer etwa 200 Befehlichshaber geweſen. Leches und Klodius bekah-
men darauff befehl/ daß ſie 50 ganze Ritterharniſche/ 2000 volſtaͤndige Oberharniſche/
und 446 bloſſe Bruſtſtuͤk oder Krebſe auß ihrer Rüſtkammer/ welche ſie auß der Raͤuber-
hoͤhle erobert hervornehmen/ das uͤbrige Gewehr alles auff Kamehl und Wagen laden/
und gnugſahme Fuhrleute/ Eſeltreiber/ und Pferdeleiter uͤmbs Gelt biß nach Prag mietẽ
ſolten/ welches Markus und andere verrichteten/ und ſolche auß der Stad Padua Gebiet
inwendig 24 ſtunden zuſammen brachten/ da dann die 565 ihnen von dem Kaͤyſer geſchen-
kete Teutſche leibeigene/ gleicher Geſtalt bewafnet wurden. Dieſen Abend ließ Herkules
ſeine innigliche Bitte an den Kaͤyſer abgehen/ daß ihm ſein Abzug gnaͤdigſt moͤchte zuge-
laſſen werden/ da dann ſein Gemahl ſehr bitten halff/ ſo daß der Kaͤyſer ihren Ernſt mer-
kend/ ihr Begehren nach Willen zuließ/ wie wol er ſie gerne noch etliche Wochen auffgehal-
ten/ und ſie gar mit ſich nach Rom genommen haͤtte/ durffte ihnen aber ſolches nicht an-
muhten/ inſonderheit/ weil ein halbſtuͤndichen hernach der alte Wenzeſla mit einem Koͤ-
niglichen Schreiben an Koͤnigin Sophien ankam/ welcher eine Tagreiſe von Padua
unſerer Helden Wiederkunfft berichtet wahr/ und es doch ſchwerlich glaͤuben wolte/ biß
er unter dem Tohr daſelbſt ſeines Zweifels benommen ward/ ritte auch gleich hin nach
dem Neuerbaueten Hofe/ woſelbſt Arbianes das Gaſtmahl hielt/ und ließ ſich bey Koͤni-
gin Valiſken angeben/ es waͤhre einer von ihren alten Dienern von Prag ankommen/
welcher ihre Koͤnigl. Hocheit untertaͤhnigſt zuſprechen begehrete. Sie ging alſobald zu
ihm hinauß/ unwiſſend wer erwaͤhre; welcher/ da er ſie in ihrem Koͤniglichen und trefflichẽ
Pracht ſahe/ ward er daruͤber ſo vol Freuden/ daß er vor Ohmacht niederſank: Sie ließ
ihn aber bald erquicken/ und ſagte zu ihm: Mein Getraͤuer Frommer Wenzeſla/ wie geber-
det ihr euch ſo klaͤglich? bringet ihr uns etwa traurige Zeitung von Hauſe? O nein/ ant-
wortete er; wann ich nur eigentlich wiſſen ſolte/ wovor ihre Durchl. ich anreden muß.
Vor eure Gnaͤdigſte Frau/ und Koͤnig Herkules Gemahl/ antwortete ſie/ welche eure
ehmalige getraͤue Dienſte ſchier belohnen wird. Vor Koͤnig Herkules Gemahl? ſagte er;
O wie hat dann eure Hocheit ihre gluͤkliche Erloͤſung und Ankunfft an dieſen Ort/ ihrer
hoͤchſtbetruͤbten Fr. Mutter verhehlen koͤnnen? als die wegen ihrer Kinder Verluſt taͤg-
lich weinet und zu weinen nicht auffhoͤren kan. Gebet euch zufrieden/ ſagte ſie/ wir wollen
ob Gott wil/ ſie gar bald mit unſer Gegenwart erfreuen; faſſete ihn bey der Hand/ fuͤhrete
ihn mit auff den Saal/ und ſagte zu Herkules: Herzgeliebter Schaz/ hier bringe ich un-
ſern getraͤuen alten Wenzeſla mit mir/ welchen meine Fr. Mutter in ihrer Bekuͤmmerniß
abgeſchicket hat. Herkules und Ladiſla nebeſt Koͤnigin Sophien ſprungen in ihren koͤnig-
lichen Kronen auff/ lieſſen ihn mit Speiſe und Trank laben/ und hatte er kaum Zeit zu eſſẽ/
weil er hie und da nach der Koͤnigin Wolſtande befraget ward/ deſſen ſich zuentbrechen/
er
[448]Sechſtes Buch
er ſein Schreiben an Koͤnigin Sophien hervornam/ und es mit dieſen Worten einreiche-
te: Allergnaͤdigſte Koͤnigin/ meine auch allergnaͤdigſte Koͤnigin entbeut ihrer Hocheit muͤt-
terlichen Gruß und liebe/ und uͤberſendet deroſelben dieſes Schreiben/ worauff ihre
Hocheit/ wie ich getroͤſtlich hoffe/ nunmehr die Antwort ſelbſt muͤndlich uͤberbringen wird.
Das ſol ob Gott wil geſchehen/ antwortete ſie; brach den Brief/ und laſe ihn zugleich mit
Koͤnigin Valiſken/ welcher alſo lautete;


Hedewieg/ verwittibte Koͤnigin in Boͤhmen/ entbeut ihrer herzgeliebten Fr. Tochter/ Koͤni-
gin Sophien/ Muͤtterliche Liebe und Traͤue; Herzallerliebſte Fr. Tochter; es muͤſſen ja noch leider
meine unauffhoͤrliche Traͤhnen/ wegen des verluſtes meiner allerliebſten Kinder/ mein Angeſicht und
ganzen Leib Tag und Nacht befeuchten/ weil von deren Zuſtande mir in ſo langer Zeit keine einige
Nachricht zukommen iſt. Ach ihr Goͤtter; wie hart habet ihr mich angetaſtet/ und aller der meinen
ohn alle barmherzigkeit mich beraubet! Mein einiger Troſt und Hoffnung iſt das allerliebſte Soͤhn-
lein Herkuladiſka (ach des lieben doppelnahmens/ der mich meiner Soͤhne ſo offt erinnern wird) wel-
chen zu ſehen mein Herz ſo gar entzuͤnder iſt/ daß/ dafern eure Liebe ſich noch laͤnger wegert/ mit ihm
heruͤber zukommen/ ich die Reiſe auff Padua/ ungeachtet meiner Leibes-unvermoͤgenheit/ alsbald nach
dieſes meines Dieners Wiederkunft auff mich zu nehmen/ gaͤnzlich entſchloſſen bin; welches meiner
Fr. Tochter zuzuſchreiben ich nicht umbhin koͤnnen/ Muͤtterlich bittend/ ihre herzgeliebete Eltern
meinetwegen Schweſterlich zu gruͤſſen/ und was vor Zeitung ſie von den unſern haben mag/ mich
ehiſt wiſſen zu laſſen. Inzwiſchen bin und verbleibe ich meiner herzgeliebten Frau Tochter Muͤtter-
lich ergebene Hedewieg.


Valiſka kuͤſſete den Brieff/ und ſtiegen ihr die Freuden Traͤnen aus den Augen/ fing
endlich an und ſagte; ich danke dem Almaͤchtigen Gott von Herzen/ daß meine allerliebſte
Fr. Mutter annoch beim Leben und Geſundheit iſt/ und hoffe vor Ausgang dreier Wochẽ
ſie zu uͤmfahen/ und ihr die Trauer Traͤnen abzuwiſchen. Aber mein Wenzeſla/ ich habe
euch ſchier zu lange mit dem verdienten Bohtenlohn auffgehalten/ welches ich mit guten
Zinſen verdoppeln wil; hielt auch bey ihrem Bruder an/ er moͤchte ihn in den Boͤhmiſchen
Adelſtand auffnehmen/ ſie wolte ihm ſchon ein Gut in Boͤhmen kauffen/ und ihn mit ihrer
alten Hoffmeiſterin verheirahten/ daß er nach dieſem nicht mehr dienen/ ſondern als ein
Herr leben ſolte; welches der gute alte anfangs vor ſcherz annam/ doch als er den Ernſt
ſahe/ mit demuͤhtigſtem niederknien ſich untertaͤhnigſt bedankete/ da ihm Herkules 6000/
Ladiſla auch ſo viel/ und Sophia 2000 Kronen verſprachen. Des folgenden morgens/
wahr der andere und lezte Tag der Fuͤrſtlichen Mediſchen Gaͤſterey/ und der naͤheſte vor
dem Auffbruch/ ſtelleten die 12 Parther ſich wieder ein/ denen befohlen ward/ daß ſie alle ih-
re Mitgeſellen inwendig drey Stunden mit ſich herzufuͤhren ſolten; welche/ da ſie zugegen
wahren/ Koͤnig Herkules/ in beiſeyn des Kaͤyſers und aller Fuͤrſten und Fürſtinnen alſo
anredete: Durch was vor Ungluͤksfal ihre Parther in den unſeligen Stand der leibeige-
nen Dienſtbarkeit gerahten ſeid/ iſt unvonnoͤhten/ euch weitlaͤufftig vor zuhalten; ihr wiſ-
ſet daß durch Feindes Macht ihr uͤberwunden/ und von dem Perſiſchen Koͤnige/ dem
Großmaͤchtigſten Fuͤrſten/ Herrn Artaxerxes darzu verurteilet ſeid/ daß weil ihr gegen ſei-
ne Voͤlker die Waffen gebraucht/ und daruͤber den kürzern gezogen/ ihr biß an eures Le-
bens Ende die knechtiſchen Ketten tragen/ und zu ſchnoͤder Arbeit ſoltet verdammet ſeyn/
wie dann dero behuef ihr mir und Koͤnige Ladiſla/ auch andern Rittern geſchenket und zu-
geſtellet worden ſeyd; Weil wir aber eure Demuht/ Gehorſam und guten Fleiß geſehen/
und
[449]Sechſtes Buch.
und mein liebes Gemahl bey Einlieferung eures untertaͤhnigſten Bitte-Briefes mich
und ihren Herr Bruder fleiſſig erſuchet/ daß ihretwegen wir euch ingeſamt eine ſon-
derliche Gnade erzeigen moͤchten/ haben wir uns laſſen euer Ungluͤk zu herzen gehen/ ſind
auch gewilliget/ euch dieſelbe alsbald wiederfahren zulaſſen/ wann ihr uns zuvor aͤidlich
verſprechen werdet/ Zeit eures lebens es mit redlicher unbruͤchiger Traͤue zuerkennen/ uñ
bey dem Durchleuchtigſten Groß Fürſten Arbianes/ als ſeine Leibſchaar/ ſo lange deſſen
Liebe auſſer Perſiſchem/ Mediſchem und Parthiſchem Gebiet ſich befinden wird/ ungeſpa-
ret Leib und lebens/ Gutes und Blutes euch gebrauchen zulaſſen/ auch ohn deſſen geheiß
oder einwilligung euch nicht von ihm zu ſcheiden; worauff ihr euch alſobald werdet zube-
reden und zuerklaͤren haben. Der meiſteteil fing an/ vor freuden die Traͤhnen zuvergieſſen/
und hielt der vornehmſte unter ihnen/ ein Ritter von 44 Jahren dieſe Rede: Großmaͤch-
tigſte Unuͤberwindlichſte Koͤnige/ allergnaͤdigſte Herrn; was vor unglaͤubliche Helden-
tahten von euren Koͤnigll. Hocheiten wir in den Morgenlaͤndiſchen Schlachten mit Au-
gen angeſehen/ werden wir wol Zeit unſers lebens aus unſerm Gedaͤchtnis nicht kommen
laſſen. Aber die Heldentaht/ anjetzo uns erzeiget/ erheben wir billich uͤber alle die vorigen/
da eure Hocheiten aus recht Koͤniglichem erbarmen uns eine ſolche allergnaͤdigſte Ver-
heiſſung getahn/ welche wir nimmermehr beſtand ſeyn werden/ zuerkennen; wir geloben
hiemit alle und jede aͤidlich an/ daſſelbe alles nach ungefårbeter Auffrichtigkeit und hoͤch-
ſtem vermoͤgen zu leiſten/ was eure Koͤnigll. Hocheiten dißmahl an uns allergnaͤdigſt be-
gehret/ und was dieſelbe hernaͤhſt von uns erfodern werden/ ſo gar/ daß wir auff erlangete
lebens und ſtandes Freyheit/ bereitſind/ unſer Leben und Blut als ein Zeichen der Dank-
barkeit gleich dieſes Augenblik mit unſern eigenen Haͤnden auff die Erde zu ſchuͤtten; ſol-
ten wir aber noch uͤberdas in ritterlichen Kriegsdienſten gebraucht werdẽ/ wollen wir uns
dergeſtalt bezeigen/ daß verhoffentlich unſere allergnaͤdigſte Herren erkennen werden/ ſie
haben ihre barmherzigkeit an ſolche Maͤnner gelegt/ welche tauſendmahl lieber ſterben/ als
einmahl undankbar wollen erfunden werden. Unſeren Helden gefiel dieſe Erklaͤrung ſo
wol/ daß ſie dieſelben des wirklichen Aids erlieſſen/ und mit dem Handſchlage zu frieden
wahren. Worauff die Ritter an einen beſondern Ort; die aͤdlen an einen andern/ und die
unaͤdlen allein treten muſten/ woſelbſt ihnen die Waffen ausgeteilet/ und ſie in 20 Geſchwa-
der geſetzet/ auch alle Ritter/ und andere mehr unter ihnen/ zu Befehlichshaber geordnet
wurden/ nachdem ſie ſchon zuvor hohe Kriegsaͤmter bedienet hatten. Ihnen wurden 20
ſchoͤne Reuterfaͤhnlein ausgeteilet/ in welchen zween Loͤuen (wie ſie es ſelbſt waͤhleten)
ſtunden/ und unter denen dieſe Worte: Vitam pro libertate ſolte ſo viel heiſſen; Wir opffern
unſer Leben vor die geſchenkte Freyheit. Und haben nachgehends dieſe Parther in dem Wen-
diſchen und Panoniſchen Kriege/ davon im ſiebenden und achten Buche folgen wird/ ſich
ſo ritterlich gehalten/ daß ſie faſt ja ſo groſſen Ruhm in Teutſchland und Boͤhmen/ als die
Teutſchen und Boͤhmen in Perſen erworben. Dem Kaͤyſer gefiel dieſe Freylaſſung ſo
wol/ daß er unter dieſen Parthen 20000 Kronenzum Gnadenpfennige austeilen ließ/ ne-
beſt dem verſprechen/ ſo bald er zu Rom wieder anlangẽ wuͤrde/ wolte er ſeine ihm geſchen-
kete 20 Parther frey geben/ und ſie nach Boͤhmen wolberitten fortſchicken. Vor welche
Gnade die geſamten Parther einen untertaͤhnigſten Fußfal tahten/ und wegen ihrer weni-
l l lgen
[450]Sechſtes Buch.
gen Geſellen ſich herzlich freueten. Weil dañ nun des naͤhſt folgenden Tages die ſcheidung
geſchehen ſolte/ hielten die Paduaniſche/ Mantuaniſche und Ravenniſche Abgeordenten
bey Koͤnig Herkules und Ladiſla fleiſſig an/ daß ſie ihren neuerbaueten Hoͤfen und Land-
guͤtern gewiſſe Verwalter und Bewohner verordnen wolten; da dann Herrn Opimius
der Hoff ſamt dem zugehoͤrigen Gute zu Padua; Herrn Perpenna Fr. Zezilien Gemahl
der zu Mantua; und Sabihn von Rom der zu Ravenna eingetahn ward/ die nach Abzug
ihrer jaͤhrigen Beſtallung/ wegen des übrigen dem Paduaniſchen Stathalter Rechnung
einlieffern ſolten. Auch beſtelleten ſie Galehn vor ihren Leibarzt/ umb 3000 Kronen jaͤhri-
ges Soldes/ wogegen er ſich vier Jahr verpflichten muſte/ und daß in ſolcher Zeit er 20
Teutſchen/ und ſo viel Boͤhmen in der Arzneykunſt fleiſſig und getraͤulichſt unterrichten
ſolte/ wovor ihm nach verlauff ſolcher Zeit 8000 Kronen verſprochen wurden. Sie hatten
ihm wegen heilung der Verwundeten Fuͤrſten/ Ritter und gefangenen Pannonier 5000
Kronen zugeſtellet/ und daneben 9000 Kronen/ wovor er allerhand Arzney einkauffen und
mit uͤbernehmen ſolte. Weil auch Ladiſla ſich eines harten Krieges von den Pannoniern
zubefahren hatte/ ließ er vor etliche tauſend Reuter und Fußvolk zu Padua und in den naͤ-
heſten Staͤdten Waffen einkaͤuffen/ welches ihm nicht allein wol zugelaſſen wahr/ ſondern
der Kaͤyſer verehrete ihm aus der Staͤdte Ruſtkammer 1600 Reuterharniſche/ Schwer-
ter und Schilde/ 3000 Speereiſen/ und auff 6000 Fußknechte gute Ruſtung/ nebeſt dem
verſprechen/ daß da der Pannonier ſeinem Reiche den Krieg anmuhten wuͤrde/ wolte er
ihm nach belieben Ruſtung gnug ausfolgen laſſen/ und ob er gleich wegen des geſchloſſenẽ
zehnjaͤhrigen Stilleſtandes ihm keine Reichshuͤlffe mit Voͤlkern leiſten durfte/ ſolte doch
allen ſeinen Leuten frey ſtehen/ ihm in ſolchem Kriege zu dienen/ maſſen ihm hiemit alsdañ
freie Werbung im ganzen Roͤmiſchen Reiche ſolte erlaͤubet ſeyn. Es ward dieſen Abend
ein ſehr herliches Seitenſpielwerk angeſtellet/ da Koͤnigin Valiſka dem Kaͤyſer zu ehren/
ihre Laute und ſuͤſſes Stimlein hoͤren ließ/ wiewol er des Geſanges Inhalt nicht verſtund/
weil es folgender Teutſcher/ von ihr ſelbſt geſetzeter Abendſegen wahr.


1 HErr GOtt/ laß es gnaͤdig walten/

Vater/ Sohn/ und heilger Geiſt!

Dir Herr dank ich allermeiſt/

Daß du mich haſt heut erhalten.

Du haſt deiner Engel Schaaren/

Mich vor unfal zu bewahren/

Umb mich rings umbher geſezt.

Du haſt mich vor Satans wuͤten

Wollen dieſen Tag behuͤten/

Der ſein Schwert auff mich gewezt.

2 Dich mein Helffer wil ich preiſen

Vor ſo hohe Gnaden-gunſt;

Gib daß ich aus rechter Brunſt

Dir mag Lob und Dank beweiſen.

Ich bin ſchlim und voller Suͤnden/

Und muß deinen Schuz empfinden/

Dem kein ander gleichen mag.

Ich bin unwert des erbarmen/

Welches du O Gott mir armen

Haſt erzeiget dieſen Tag.

3 Herr/ vergib mir meine Schulden;

Was ich boͤſes außgericht/

Ruffe vor Gerichte nicht/

Sieh mich an nach Vaters Hulden.

Ich bin ja von Staub und Erden/

Und muß ſolches wieder werden;

Kein Menſch iſt vor dir gerecht.

Sol ich meine Schwacheit klagen/

Und dir/ was ich bin/ anſagen?

Herr ich bin ein ſchlimmer Knecht!

4 Du haſt Gutes mir befohlen/

Boͤſes hab ich nur getahn/

Ich
[451]Sechſtes Buch.
Ich bin ſuͤndlich umb und an/

Und bekenn’ es unverhohlen.

Liebſter Vater/ laß verſchwinden/

Was an mir boͤß iſt zu finden/

Dann mein Heyland JEſus Chriſt

Hat vor mich den Tod gelitten/

Deſſen Leyden und verbitten

Mein Erloͤſung worden iſt.

5 JEſus hat vor mich bezahlet/

Meine Schulden gut gemacht/

Er hat alles wiederbracht/

Da ſein Blut ihn roht gemahlet.

Seine Striemen/ ſeine Wunden

Haben mich der Laſt entbunden/

Sein unſchazbar teures Blut

Hat mir Suͤnder Heylund Leben

Und das Himmelreich gegeben/

Und macht alles wieder gut.

6 Jedoch/ daß ich Gottes Willen

Nach rechtſchaffner Glaubensart/

Aller Kraͤfften ungeſpart

Auch ſol embſiglich erfuͤllen.

Sol vom uͤbeltuhn abſtehen/

Und auff Gottes Wegen gehen/

Brechen Fleiſches uͤppigkeit;

Sol die Heiligkeit anzihen/

Glaubens-Fruͤchte laſſen bluͤhen/

Und Gott dienen allezeit.

7 Heilger Gott/ gib Krafft und Staͤrke/

Fuͤhre mich zum guten an.

Dein Geiſt/ welcher alles kan/

Mehr’ in mir die Glaubenswerke.

Dir befehl ich Leib und Leben/

Und was du mir ſonſt gegeben;

Laß mich deinen Geiſt/ O Gott/

Auff den guten Wegen leiten/

So werd ich zu allen Zeiten

Halten dein Recht und Gebot.

8 Laß mich deinen Engel ſchuͤtzen/

Weil ich ſchlaff’ in dieſer Nacht/

Daß ich frey von Satans Macht/

Unter deiner Huht mag ſitzen.

Laß mich deine Fluͤgel decken/

Laß mich kein Geſpenſt erſchrecken/

Treibe von mir Angſt und Noht.

Laß mich friedlich ſchlaffen gehen/

Und friſch wiederumb auffſtehen.

Amen/ Amen/ hilff O Gott!

Unter dem ſingen brachen ihr zu unterſchiedlichen mahlen die Andachts-Traͤhnen loß/
und begehrete des Kaͤyſers Mutter von ihr/ ſie moͤchte ihr den Inhalt dieſes Teutſchen
Geſanges in die Lateiniſche Sprache uͤberſetzen; worauff ſie zur Antwort gab: Ja von
Herzen gerne/ Gn. Fr. Mutter/ maſſen Euer Liebe als einer Chriſtin ich nicht verhehlen
wil/ daß es mein Abendſegen-Geſang iſt/ welchen nach meiner ſchlechten Einfalt ich mir
ſelber auffgeſetzet habe; ging in ein Neben Gemach/ und brachte es von Wort zu Wort ins
Lateiniſche/ ſo viel die Art derſelben Sprache es goͤnnen wolte/ welches dann Fr. Mam-
meen ſo wol gefiel/ daß ſie hernach es durch einen Chriſtlichen Kunſt-Tichter in gleichmaͤſ-
ſige Lateiniſche Verſe bringen ließ. Die weil/ daß Koͤnigin Valiſka im abſchreiben begrif-
fen wahr/ baht Koͤnigin Sophia Herkules/ er moͤchte auch eines in die Laute zuſingen ihm
gefallen laſſen/ welches/ weil Fuͤrſtin Lukrezie und Sibylla ihr mit bitten zu huͤlffe kahmen/
er nicht abſchlagen kunte/ nahm die Laute/ und nach etlichen Vorſpielen/ ſtimmete er fol-
gendes Lied/ über den kraͤfftigen/ heilſamen und ſüſſen Nahmen JEſus/ von ihm ſelbſt in
Teutſcher Sprache auffgeſetzet/ mit ganz bewaͤglicher und anmuhtiger Stimme an:


1 Suͤſſer JEſus! meine Freude/

Meine Seel- und Augenweide.

Suͤſſer JEſus! meiner Bruſt

Allerangenehmſte Luſt.

JEſus/ du mein Troſt und Leben/

Dem ich mich zueigen geben;

Du in Gluͤk und Ungluͤksfal

Mein Heil und mein ganzes-Al.

2 JEſus/ deines Nahmens prangen/

Wil ich/ was ich kan ablangen/

Jezt beſingen mit Gebuͤhr.

Oefne du die Sinnen mir/

Daß ich moͤge Worte finden/

Die in Andacht uns entzuͤnden/

Und zu deinem Ehren-Schein

Nicht zu ſchlecht noch irdiſch ſeyn.

l l l ij3 JE-
[452]Sechſtes Buch.
3 JEſus Nahm’ iſt groß und praͤchtig

Uberal geehrt und maͤchtig/

Als den Gott ja ſelber fuͤhrt.

Groſſer JEſus/ dir gebuͤhrt

Alles was die Engel koͤnnen/

Die zu deinem Dienſte rennen;

Ihr unzaͤhlig-groſſes Heer

Rufft dir zu Lob/ Preiß und Ehr.

4 Vor dir zittert und erſchricket

Was von Gott zum Argen ruͤcket.

Teuffels Wuht und Hellen-Brand

Scheuhet ſich vor deiner Hand.

Und wann ſie ſich regen wieder/

Legt dein Donner ſie bald nieder.

Ihr Zorn/ iſt er noch ſo heiß/

Wird er doch durch dich zu Eiß.

5 Vor dir muß der Himmel biegen/

Und die Erde ſich einſchmiegen;

Das Meer ſinket wie ein Stein/

Und die Berge fallen ein.

Die zum argen ſich verſchworen/

Gehen alzumahl verlohren/

Und der Tod hat kein Enthalt/

Wo der Nahme JEſus ſchalt.

6 Vor dem Nahmen JEſus muͤſſen

Groß und klein die Erde kuͤſſen/

Und ſich beugen alle Knie/

So dort oben als auch hie.

Dann der Nahme JEſus fuͤhret

Alle Macht/ ſo man je ſpuͤret;

Alles was man wiſſen kan/

Iſt ihm gaͤnzlich untertahn.

7 Doch diß troͤſtet unſre Herzen,

Und vertreibet allen Schmerzen/

Daß der Nahme JEſus Chriſt

Uber alles heilſam iſt.

Wann der Gottes Zorn herdringet/

Wann Geſetzes-Fluch erklinget/

Und macht ſeinen Donner groß/

Reiſſt uns JEſus Nahme loß.

8 Wann des Teuffels ſcharffe Klauen

Unſer Mark und Bein durchhauen;

Wann die Suͤnd uns nagt und beiſſt/

Und Gewiſſens Ruh zureiſt.

Wann Tod und der Hellen Rachen

Uns vor Angſt Blut ſchwitzen machen;

Macht uns JEſus Nahme frey

Von al ſolcher Wuͤterey.

9 JEſus Nahm’ hat alle Schaͤtze/

Dran ich einig mich ergetze;

Er bringt Gottes Huld und Gunſt/

Oefnet ſeine Liebes-Brunſt.

JEſus laͤſt uns nicht verderben/

Er vertreibet Angſt und ſterben;

JEſus wendet Noht und Leid/

Und ſchenkt alle Seligkeit.

10 JEſus Nahm’ im Gnaden-Bunde/

Iſt wie Honigſeim im Munde;

In den Ohren klingt ſein Hal

Lieblicher dann Lautenſchal;

Und dem Herzen/ das erſchrocken/

Bringt er luſtiges frohlocken;

Er vergnuͤget Sin und Muht

Mehr als Wolluſt ſelber tuht.

11 Wer den Nahmen JEſus liebet/

Bleibt wol ewig unbetruͤbet/

Nichts iſt/ das ihm ſchaden kan;

Laͤufft ihn alle Welt gleich an.

JEſus bringet Muht im Trauren/

Laͤſſet Furcht nicht bey uns tauren;

JEſus Nahm iſt Schild und Schuz/

Und beut allen Feinden Truz.

12 JEſus Nahm’ heilt allen Schaden/

Und wann wir in Schwermuht baden/

Jaget er ſie von uns hin/

Und befriedigt Herz und Sim

JEſus iſt im Hunger Speiſe/

Und ein Trank auff Durſtes Reiſe/

Kuͤhlung in der’ Hitzespein/

Und erwaͤrmt im Froſte fein.

13 JEſus iſt ein Arzt der Kranken/

Bricht unzimliche Gedanken;

JEſus iſt der Armen Schaz/

Der Gefangnen freyer Plaz.

Er iſt der Verlaßnen Segen/

Helffer unter Zwang und Schlaͤgen;

Iſt in Ohmacht feſte Krafft/

Und im ſterben Lebens Safft.

14 JEſus zahlt vor alle Schulden;

Und die ſtraͤngen Frevel dulden

Setzet er in Sicherheit.

JEſus wendet alles Leid.

Er
[453]Sechſtes Buch.
Er bricht aller Teuffel wuͤten/

Und wil wiederumb verguͤten/

Was der erſte Menſch zuvor

Durch den Suͤnden-fall verlohr.

15 Vor wem ſolt’ uns dann wol grauen/

Wann wir hin auff JEſus trauen?

Allerliebſter JEſus Chriſt/

Bin ich gleich ſehr ſchwach; du biſt

Kraͤfftig gnug; ſteck’ ich vol Suͤnden;

Du wilt mich der Schuld entbinden.

Bin ich der Untugend Knecht;

Du biſt heilig und gerecht.

16 Ich wil nichts von mir angeben;

Ich bin tod/ du biſt das Leben;

Ich bin nichtig umb und an/

Und du biſt der alles kan.

Solt’ ich dann nicht froͤlich ſprechen?

Liebſter JEſus mein Verbrechen

Schadet meiner Seelen nicht/

Dann du biſt mein Heil und Liecht.

17 Jedoch muß ich nach Vermoͤgen/

Wie die Kinder Gottes pflegen/

Nicht der Suͤnden Dienſt’ hinfort

Leiſten/ ſondern HErr/ dein Wort

Mir zur Lebens-Richtſchnuhr waͤhlen/

Und wuͤrd’ ich aus Schwacheit fehlen/

Muß ich buͤſſend in mich gehn/

Und vom Suͤndenfall auffſtehn.

18 Alsdann kan ich Gnade finden/

Und du wilt mich fort entbinden

Von der Hellen Pein und Noht/

JEſus du mein Heil und Gott.

O laß weder Gluͤk noch Leiden

Mich von dir ja nimmer ſcheiden/

Sondern deines Nahmens Schein

In mein Herz gedruͤcket ſeyn. Amen.

Baldrich und Siegward hoͤreten den Geiſtreichen worten/ die andern/ ſo kein Teutſch
verſtunden/ der lieblichen Geſangsweiſe zu. Aber Koͤnigin Sophia/ welche wol wuſte/ daß
ihr Eheſchaz nicht allein die Laute wol ſpielete/ ſondern auch eine reine und artige Stimme
drein ſang/ hielt bey denſelben bitlich an/ der hohen Geſelſchafft zuehren auch eines anzu-
ſtimmen/ welcher ihr dieſes nicht abſchlagen wolte/ und weil es gleich uͤmb die heilige O-
ſterzeit wahr/ da man in der werten Chriſtenheit die Gedaͤchtnis der Siegreichen Aufer-
ſtehung unſers Heilandes hielte/ ließ er dieſes Oſterlied aus andaͤchtigem Herzen erſchallẽ:


1 DIe Leidensangſt iſt nun vorbey/

Der HErr iſt auffer ſtanden!

Und wir Gefangne ſind ſchon frey

Von ſchweren Hellen-Banden.

JEſus hat durch ſeine Macht

Uns Leben/ Heil und Segen bracht/

Kein Leid iſt mehr verhanden.
  • Lobt den HErrẽ.
  • Alleluja.

2 Des Vaters Zorn fiel auff uns zu;

Den hat der Sohn geſtillet.

Geſetzes Fluch brach uns die Ruh/

Das JEſus nun erfuͤllet/

Und bezahlt der Suͤnden Schuld/

Daß unſers Gottes Gnad und Huld

Nun reichlich wieder quillet. Lobt den HErren.

3 Die Schlang hatt’ uns zu falle bracht;

Der Heyland hats gerochen;

Wir lagen in der Hellen Acht;

Chriſt hat uns loßgeſprochen.

Satan legt uns Ketten an/

Die Menſchen Hand nicht loͤſen kan/

Gott ſelbſt hat ſie zubrochen Lobt den HErren.

4 Verdamniß wahr der Suͤnden lohn;

Chriſt bringt uns Heil und Leben/

Durch ſeine Schmerzen/ Angſt und Hohn

Hat er uns Friede geben/

Und daß wir nach dieſer Zeit

Bey Gott in ſteter Seligkeit

(O Freude!) ſolten ſchweben. Lobet den HErrẽ.

5 Du ſuͤſſer Heyland JEſus Chriſt;

Was groſſe Himmels Gaben

Sind es/ die wir zu dieſer friſt

Durch dein’ Erſtehung haben.

Dein Grab iſt ſo gnaden-reich/

Daß alle Welt ſich kan zugleich

An ſolchem voͤllig laben. Lobt den HErren.

6 Wie freudig muſt’ Iſrael ſeyn/

Als Moſe ſie ausfuͤhrte!

Du JEſus haſt der Hellenpein/

Die unſer Herz ſchon ſpuͤrte/

Von uns Menſchen abgewand/

Und frey gemacht von Satans Hand/

Die uns ganz grimmig ruͤhrte Lobt den HErrẽ.

l l l iij7 Wer
[454]Sechſtes Buch.
7 Wer woltedann ſich freuen nicht

In dieſen Oſter-Tagen?

Da uns Gott frey von Suͤnden ſpricht/

Und wendet alles klagen.

Freue dich du Chriſten-Schaar/

Du biſt befreyet von Gefahr/

Und loß von Hellenplagen. Lobt den HErren.

8 Drumb muͤſſen wir diß Oſter Feſt

Im ſuͤſſen Teige feiren/

Das unſer Gott erſcheinen laͤſt/

Dem Sauerteige ſteuren/

Und in voller Seelen Zier

Zu Gottes Lobe gehn herfuͤr/

Das heiſſet ſich erneuren. Lobt den HErren.

9 Hilff Heyland/ daß wir deine Gunſt

Nach Wirdigkeit erkennen/

Und in rechtſchaffner Glaubens Brunſt

Beſtaͤndig dich anrennen;

Daß auch unſer Muht und Sin

Von heiſſer Andacht immer hin

Und Liebe moͤge brennen. Lobt den HErren.

10 Und weil du die Verdamniß haſt

Durch deinen Sieg vernichtet/

So nim die ſchwere Zornes-Laſt/

Die dein Tod hat geſchlichtet/

Liebſter Heiland/ von uns ab/

Dann haben wir den Troſtes-Stab/

Der unſern Geiſt auffrichtet. Lobt den HErren.

11 Laß endlich auch die Friedes-Luſt

In unſern Herzen wohnen/

Daß/ wie du deinen Feinden tuhſt/

Wir auch der unſern ſchonen/

Und ohn Zorn verſoͤhnlich ſeyn/

Auff daß dein ſuͤſſer Gnaden-Schein

Uns ewig moͤge lohnen. Lobt den HErren.

Der Kaͤyſer und andere anweſende Heiden merketen leicht/ daß alle dieſe Geſaͤnge nichts
anders als Chriſtglaͤubige Lieder waͤhren/ welches ſie ihnen doch nicht lieſſen zuwieder
ſein/ weil die Saͤnger bey ihnen ſo angenehm wahren.


Die gefangenen Pannonier hatten den herannahen den Auffbruch unſerer Geſel-
ſchafft in Erfahrung bracht/ und wahren biß daher immerzu in Hoffnung geſtanden/
man wuͤrde ſie mit nach Boͤhmen oder Teutſchland nehmen/ welches dann ihr einiger
Wunſch wahr/ nach dem ſie hoffeten/ dereins Gelegenheit der Erloͤſung oder deß außreiſ-
ſens zubekommen; aber ſie wahren dem Kaͤyſer ſchon vor eigẽ geſchenket/ der ſie dieſen Tag
auß dem Karren ſpannen/ und ihnen anſagen ließ/ ſie ſolten ſich gefaſſet halten/ daß ſie des
naͤchſtfolgenden Tages nach dem Tyrrheniſchen Meer gefuͤhret wuͤrden/ woſelbſt man ſie
auff unterſchiedliche Schiffe an die Ruder ſchmieden ſolte/ weil man ihnen keine unleidli-
chere Knechtſchafft als dieſe/ wuͤſte/ und ihnen recht geſchaͤhe/ als die auß lauterm Mut-
willen ſich in dieſes Ungluͤk geſtuͤrzet haͤtten; inſonderheit ſolte der vornehmſte unter ihnẽ
taͤglich zweymahl vor eſſens/ wegen der außgeſtoſſenen frechen ſchmachreden wieder Koͤ-
nig Herkules/ rechtſchaffen abgeſtriegelt werden. Welche Urtel ihnen dermaſſen hart vor-
kam/ daß ſie wuͤnſcheten/ ihrer Haͤnde nur ein halb viertelſtuͤndichen maͤchtig zuſein/ uͤmb
ihr muͤhſeliges Leben zuendigen/ wuſten auch ihre Zunge nicht zuzaͤhmen/ daß ſie nicht auffs
neue allerhand Laͤſterung außgegoſſen haͤtten.


Leches und andere Bedienete/ wahren dieſe Zeit uͤber ſehr geſchaͤftig/ daß alle annoch
ungeladene Guͤter und Waffen auff Wagen gebracht wurden/ welche des naͤhſtfolgenden
Tages mit dem Tage loßbrachen/ an der Zahl 1075/ vor denen 6000 Pſerde gingen; ihnẽ
folgeten 40 Gutſchen/ welche weil ſie ledig wahren/ von 80 Pferden gezogen wurden.
Darnach gingen die Wagen mit Wein/ und endlich die Mauleſel/ Kamehl und Reitpfer-
de/ den Fuͤrſten und Rittern zuſtaͤndig/ an der Zahl 800/ dann die übrigen wahren unter
die Freigelaſſene Parther (welche in lauter Freuden Spruͤngen gingen) außgeteilet/ und
hatte
[455]Sechſtes Buch
hatte man die vom Kaͤyſer freigelaſſene Teutſchen/ an der Zahl 565/ auch beritten ge-
macht. Der Kaͤyſer gab ihnen 1200 Roͤmiſche Reuter und 4000 Fußknechte zur beglei-
tung zu/ biß an die Boͤmiſchen Grenzen/ da das Fußvolk vorne und zu beiden Seiten der
Wagen außgeteilet daher zogen; naͤheſt hinter den Wagen folgeten 600 Roͤmiſche Reuter/
welche Klodius fuͤhrete; nach den ledigen Handpferden gingen 200 Roͤmiſche Reuter/
deren Fuͤhrer ein tapfer Roͤmiſcher Ritter war/ nahmens K. Sempronius Valens. Der
Elefant zohe dieſen nach/ und ward von den uͤbrigen 400 Roͤmiſchen begleitet/ deren
Fuͤhrer Markus wahr. Unſere Fuͤrſtliche Geſelſchafft muſte mit dem Kaͤyſer vor ihrem
Abzuge noch fruͤſtuͤcken/ welches an die drittehalb ſtunden wehrete/ da nahmen ſie freund-
lichen Abſcheid/ und ritte der Kaͤyſer mit ihnen biß vor das Tohr/ unſere Helden verſiche-
rend/ daß er nie unwilliger von einigen Menſchen ſich geſchieden haͤtte. Hauſſen vor der
Stad hielten ihre Reuter als 615 Teutſchen/ 350 Boͤmen (dann die 300 aͤdel Knaben wah-
ren wehrhafftig gemacht/ und mit ritterlichen Waffen verſehen)/ und 200 Meden; dieſe
hielten zur rechten in dreyen unterſchiedlichen Hauffen. Zur linken hatten ſich die freige-
laſſene Parther in zierliche Ordnung geſtellet/ denen Leches zum Oberſten gegeben wahr.
Dieſe rieffen den unſern Gluͤk/ Geſundheit und langes Leben zu. Sie nahmen ihren
Weg auff den unſeligen Flecken zu/ woſelbſt ſie das erſte Nachtlager halten wolten. Die
vorgedachte zur rechten haltende Reuter nahmen den vorzug unter Neda und Prinſla;
darauff ritten unſer Fuͤrſten und Herren in folgender Ordnung: Koͤnig Herkules und
Herr Pompejus (dann dieſer und folgende Roͤmiſche Herꝛen wolten dieſe Nacht bey ihnẽ
im Flecken bleiben) Koͤnig Ladiſla und Herr M. Fabius von Rom/ Fuͤrſt Baldrich/ und
Q. Fabius der Stathalter zu Padua; Fürſt Siegward/ und der junge K. Fabius (wel-
cher ſamt ſeinem Gemahl gar mit biß nach Prag zog); Fuͤrſt Arbianes und Herr Korne-
lius; denen Gallus und ſein Schwaͤher Opimius folgeten/ und zulezt Neklam nebeſt
Baldrichs und Siegwards zwoͤlff ritterlichen Dienern. Ihnen folgete das geſamte Frau-
enzimmer in ſchoͤnen Gutſchen; Koͤnigin Valiſka/ Fürſtin Lukrezie/ ſamt deren Fr.
Mutter/ und Libuſſa/ welche den kleinen Herkuliſkus auff der Schoß hielt/ ſaſſen in der er-
ſten. In der andern Koͤnigin Sophia/ und Fuͤrſtin Sibylla mit ihren Muͤttern. Auff der
dritten/ Fr. Urſul mit ihrer Mutter/ ſamt Euphroſynen und Brelen. Auff der vierden Fr.
Agatha/ Fr. Therba/ nebeſt Gallus Eheliebſten und Lukrezien geweſenen Leib dienerin Lekto-
ria. Auff der fuͤnften/ ſechſten und ſiebenden wahren der Fürſtinnen und Frauen Dienerin-
nen ſamt den Saͤuge Muͤttern und Kinderwarterinnen. Auff dem achten zween alte ge-
lehrte Chriſtliche Lehrer; auff der neunden und lezten Gutſche wahr der Arzt Galehn mit
ſeinen fuͤnf Geſellen/ und folgete ihm ein leichter Ruͤſtwage/ auff welchen er allerhand Arz-
neien auff den Nohtfal hatte. Die Parther unter ihren 20 Faͤhnlein zogen hinten nach/
in ſolcher Vergnuͤgung/ daß ſie ſich ihrer außgeſtandenen Dienſtbahrkeit gluͤkſelig ſchaͤtze-
ten/ ohn welche ſie nicht wuͤrden Gelegenheit gehabt haben/ einen ſolchen Zug zutuhn/
wuͤnſcheten auch oͤffentlich erſtes Tages Gelegenheit zuhaben/ durch eine tapfere Taht ihrẽ
Herren ein dankbares Herz ſehen zulaſſen. Auff dieſem Wege fing das Chriſtliche Frauen-
zimmer an/ ihre andaͤchtigen Danklieder mit heller Stimme zuſingen/ als/ den 3/ 23 und 121
Pſalm/ des Koͤniges David/ welche Herkules in lateiniſche Reimen gebracht hatte/ und
zu Teutſch alſo lauten:


Der
[456]Sechſtes Buch.
DerIIIPſalm.
1 ACh HErr du Herſcher aller Welt/

Wie viel iſt meiner Feinde!

Wie truͤglich wird mir nachgeſtelt/

Und finde keine Freunde.

Es ſetzen ſich

Viel wider mich/

Und ſagen meiner Seelen/

Es wolle Gott

In Noht und Spot

Sie immer laſſen quaͤlen.

2 Doch biſtu HErr vor mich der Schild/

Ob man mich gleich vernichtet;

Zu Ehren du mich ſetzen wilt/

Haſt mein Haͤupt auffgerichtet.

Wann mein Geſchrey

Ich bring herbey/

Und zu dem HErren flehe;

So hoͤret er/

Und kehrt ſich her

Von ſeiner heilgen Hoͤhe.

3 Ich lieg und ſchlaff in guter Ruh/

Hernach erwach’ ich wieder/

Und ſehe/ daß Gott immerzu

Komt uͤber mich hernieder;

Drumb fuͤrcht ich nicht/

Was man mir ſpricht

Von hundert tauſend Schaaren/

Die mich ſo gar

Bald hier/ bald dar

Zufreſſen ſich nicht ſparen.

4 Auf Helffer auf! du ſtarker Gott/

Triff meiner Feinde Backen

Im Grim/ und mache ſie zu ſpot/

Die mich ſo boͤßlich zwacken;

Greiff hefftig an

Den frechen Zahn/

Zuſchmetter’ ihr Gebeine/

Dann bey dir hat

Schutz/ Huͤlff und Raht/

Wer ſpricht/ ich bin der deine.

DerXXIIIPſalm.
1 DEr groſſe Gott

HErr Zebaoht/

Dem ich mich hab ergeben;

Der iſt mein Hirt/

Drumb er mich wird

In meinem ganzen Leben

Gleich wie ein Schaf ohn irren fuͤhren/

Daß ich nicht werde Mangel ſpuͤren.

2 Er weidet mich

Ganz ſicherlich

Auff einer gruͤnen Aueñ;

Alwo ich muß

Den uͤberfluß

Der reichen Guͤter ſchauen;

Er fuͤhrt mich hin zum kuͤhlen Brunnen/

Da nie friſch Waſſer iſt zerrunnen.

3 Er richtet zu

Troſt/ Luſt und Ruh/

Zum Labſaal meiner Seelen;

Ich tret’ heran

Auff rechter Bahn/

Da muß mein Fuß nicht fehlen.

So wil mich Gott mit Troſt erfuͤllen

Nur bloß umb ſeines Nahmens willen.

4 Geh’ ich zumahl

Im finſtern Tahl/

Da Tod und Teuffel wuͤten/

Acht’ ich Gefahr

Nicht umb ein Haar/

Weil mich Gott wil behuͤten/

Und mit dem Stab’ und Hirten Stecken

Bey mir den Freu den Troſt erwecken.

5 Zum vollen Tiſch

Haſtu mich riſch

Und praͤchtig hingefuͤhret/

Weil mich der Feind

Zudaͤmpfen meint/

Mein Haͤupt haſtu gezieret

Mit Oel/ und mir friſch eingegoſſen

Den Becher/ des ich wol genoſſen.

6 Barmherzigkeit

Und gute Zeit

Die werden mich begleiten/

So daß mir nicht

An dem gebricht/

Was Luſt kan zubereiten.

Ich werde/ Gottes Wort zutreiben/

In ſeiner Kirchen immer bleiben.

Der
[457]Sechſtes Buch.
DerCXXIPſalm.
1 ICh habe mein Geſicht

Hin zu der Berge Spitzen

Andaͤchtig hingericht/

Die mich ſo wol beſchuͤtzen;

Da ich ſonder Grauß und Graͤmen

Rettung pflege herzunehmen.

2 Mein hoffen biſtu Gott/

Bey dem ich Schuz empfinde;

Ich fuͤrchte keine Noht/

Dann der hilfft mir geſchwinde/

Der den Himmel hat bereitet/

Und die Erden ausgebreitet.

3 Er leitet meinen Fuß

Zu dieſen boͤſen Zeiten/

Daß er feſt treten muß

Ohn Anſtoß und ohn gleiten/

Dann der dein zuhuͤten pfleget

Hat ſich nie zur Ruh geleget.

4 Sieh dieſen Huͤter an/

Auff den Iſrael trauet/

Er iſt kein ſolcher Mann/

Daß ihm vor wachen grauet/

Hat man ihn doch nie geſehen

Schlummern oder ſchlaffen gehen.

5 Der HErr von groſſer Macht/

Der dich ſo ſicher leitet/

Hat dich an oͤrter bracht/

Da keiner dich beſtreitet;

Er gibt deiner Rechten Schatten/

Drumb geht alles dir von ſtatten.

6 Der heiſſe Sonnenſtrahl/

Den wir des Tages fuͤhlen/

Macht dir gar keine quahl/

Er muß vielmehr dich kuͤhlen;

Wil der Mond zu Nachte ſchaden/

Bleibſtu deſſen doch entladen.

7 Der HErr/ der alles kan/

Behuͤte dich vor boͤſen/

Der wolle dich fortan

Durch ſtarke Hand erloͤſen/

Vor des boͤſen Teuffels wuͤten

Woll’ er deinen Geiſt behuͤten.

8 Gott wolle bey dir ſeyn/

Und maͤchtig dich bewahren/

Wann du koͤmſt wieder ein/

Wann du hinaus wirſt fahren/

Wolle dich der HErr geletten/

Jetzund und zu allen Zeiten.

Sie blieben in ſolcher Andacht/ biß ſie in den Flecken kahmen/ da Valiſka mit Libuſſen ab-
ſtieg/ nach ihrer bekanten Herberge ging/ und den Wirt/ welcher vor der Tuͤhr ſtund/ alſo
anredete: Guter Freund/ habt ihr nicht Zeitung von dem Juͤnglinge gehabt/ welcher vor
ohngefehr zweien Jahren/ nebeſt zwo Jungfern aus dieſem Hauſe entfuͤhret worden? Ja/
Durchleuchtigſte Koͤnigin/ antwortete er; Eure Koͤnigl. Hocheit iſt mir wol bekand/ wel-
che dieſe Zeit her zu Padua ich oft geſehen/ auch wol weiß/ daß dieſelbe eben der Juͤngling
iſt/ und bitte untertaͤhnigſt/ mit dieſer geringen Huͤtten/ wie es bey mir beſtellet iſt/ gnaͤdigſt
vor lieb zu nehmen. Sie boht ihm die Hand/ ſtieg die Leiter hinan auff ihre ehmahlige
Schlaffkammer/ und hielt ihr Dankgebeht daſelbſt eine halbe Stunde nicht ohn Traͤhnẽ/
vor die gnaͤdige Beſchuͤtzung ihrer Ehr und Lebens. Hernach nahmen ſie die mitgebrach-
te kalte Kuͤche hervor/ hielten froͤlich Mahlzeit/ und wiederhohleten daſelbſt durch erzaͤh-
lung ihre vielfaͤltige Muͤhſeligkeit. Klaudius der Raͤuber/ welchen Herkules jensmahl
im Walde unter den andern Erſchlagenen hart verwundet angetroffen/ wohnete in dem-
ſelben Flecken/ dann er hatte vor die Gelder/ ſo ihm von Ladiſla auff Herkules begehren zum
Bohtenlohn zugeſtellet wahren/ ein Bauren Gütchen gekauft/ auff welchem er ſich mit ſei-
nem jungen Weibe ſaurer Arbeit nehrete. Dieſer ſahe Gallus ohngefehr auff der Gaſſen
in ſeiner koͤſtlichen Kleidung ſtehen/ ging zu ihm/ demuͤhtigte ſich ſehr/ uñ erfreuete ſich hoch
wegen ſeines gluͤklichen wolergehens. Gallus kennete ihn gleich/ führete ihn bey der Hand
in die Stube/ und ſagte zu Herkules: Gnådigſter Herr/ hier ſtelle ich unſern ehmahligen ge-
m m mtraͤuen
[458]Sechſtes Buch.
traͤuen Bohten/ welchen wir unter den erſchlagenen Raͤubern antraffen/ und ſind alſo wir
beyden von der gottloſen Geſelſchaft noch allein uͤbrig/ welche ſo hohen Haͤuptern ſo un-
ſaͤgliche Muͤhe und Gefahr erwecket haben; auff welche Worte ihm die Traͤhnen hervor-
drungen. Herkules antwortete ihm; wie oft habe ich euch erinnert/ daß ihr euch deßwegen
nicht anklagen oder betruͤben ſollet/ und koͤnnet dannoch nicht unterlaſſen/ mich dadurch zu
beleidigen. Du aber/ ſagte er zu Klaudius; haſtu dein Leben auch gebeſſert? Dieſer ſetzete
ſich auff die Knie/ baht untertaͤhnigſt umb Gnade/ und berieff ſich auff das Zeugnis aller
Inwohner; da ihn der Wirt offentlich ruͤhmete/ daß kein fleiſſiger Ackerman in der gan-
zen Gegend waͤhre/ lebete mit ſeinen Nachbarn friedlich/ und beklagete taͤglich ſeine ehmah-
lige Boßheit. Ladiſla und Fabius lobeten im gleichen/ wie getraͤulich er dazumahl die Wer-
bung verrichtet/ ungeachtet er mattigkeit wegen kaum reden koͤnnen. Koͤnigin Valiſka
kennete ihn auch/ und ſagete zu ihm: Wie da mein Kerl/ treffen wir uns hier an? geſtehe
mir nur/ ob du nicht eben derſelbe biſt/ welcher mir den alten lumpigten Rok um den Kopf
ſchlug/ da ich mich im Felde aufs Pferd ſetzen muſte. Dieſer erſchrak der Erinnerung/ und
gereute ihn ſehr/ daß er ſich gegen Gallus kund gegeben hatte/ fiel abermahl nieder/ baht um
Gnade/ und berieff ſich darauff/ daß Herkules im Walde ihm Leben und Freyheit verſpro-
chen hatte. Die Koͤnigin aber ſagte zu ihm: Fuͤrchte dich nit/ ich habe dir ſchon vor laͤngſt
verzihen/ ſtehe nur auff/ und vernim/ was dir mein Gemahl vortragen wird. Der erſchroc-
kene Menſch kam hiedurch wieder zu ſich ſelbſt/ und als ihn Herkules fragete/ ob er in der
Jugend irgend ein Handwerk gelernet/ oder ſonſt mit Pferden umbzugehen wuͤſte; gab er
zur Antwort; er haͤtte zwar in der Jugend bey einem Rademacher gelernet/ waͤhre aber/
ehe er die Lerne-jahr gar aus gehalten/ von boͤſer Geſelſchaft verfuͤhret/ und endlich in die
Raͤuberzunft gerahten. Herkules ſagte Galluſſen auff Mediſch/ er ſolte ihn in beſtallung
nehmen/ daß er als ein Wagenmeiſter fleiſſige Auffſicht haͤtte/ uñ da etwas zubrochen wuͤꝛ-
de/ er ſolches bey zeiten wieder machen lieſſe. Gallus trug ihm nach genommenem Abtrit
ſolches vor; welcher aber einwendete/ er haͤtte vorm halben Jahr ſich in den Eheſtand be-
geben/ auch ein geringes Guͤtlein gekauft/ welches durch ſeinen groſſen fleiß und Arbeit
ſehr gut und geſchlacht worden/ wuͤrde aber in grund wieder verderben/ wann er nicht ſelbſt
dabey waͤhre. Weil nun Gallus ſeine Einfalt bekant wahr/ lachete er der Entſchuldigung/
wolte ſich nicht lange vergeblich bey ihm bemuͤhen/ ſondern befahl ihm/ ſein junges Weib
herzuhohlen. Dieſe hatte ſich etliche Jahr bey adelichem Frauenzimmer in Dienſte auff-
gehalten/ und wuſte einem jeden nach gebuͤhr zimlich zubegegnen/ wahr ihres alters von
28 Jahren/ und von geringer ankunft/ dann ihr Vater wahr im Flecken Kuͤhhirte. Da ſie
ank am/ neigete ſie ſich zuͤchtig vor Gallus/ und ſagete: Ihr Eheman haͤtte ihr angezeiget/
daß ihre Geſtr. ſie unwirdige zuſprechen begehrete; haͤtte ſich gehorſamſt einſtellen ſollen/
umb zuvernehmen/ was ihr Herr ſeiner Magd zubefehlen haͤtte. Frau/ ſagte Gallus/ ſeid
ihr Klaudius Ehegatte? und auff bejahung gab er ihr zuvernehmen/ was vor ein Gluͤk ih-
nen bevorſtuͤnde; da ihr dann bey meiner Eheliebſten/ ſetzete er hinzu/ als eine Schaͤfnerin
ſeyn/ und alles weſſen ihr beduͤrfet/ haben ſollet. Sie bedankete ſich deſſen ſehr/ und baht um
befoderung; worauff er mit ihrem Manne wieder zu Herkules ging/ des Weibes Hoͤflig-
keit ruͤhmete/ und daß er Dienſte zunehmen willig waͤhre. Wem wiltu aber dein Hauß uñ
Gut
[459]Sechſtes Buch.
Gut vertrauen? fragete Herkules. Meinem Schwiegervater/ antwortete er/ wann er nur
ſeines tragenden Kuͤhhirten dienſtes wegen es gebührlich beſtellen koͤnte; zwar er hat die
Mittel nicht/ meine acht Morgen Acker in gutem Bau zuerhalten/ drumb mag er ſie aus-
tuhn/ und die Pacht davon nehmen; dann meine zwey Pferde muß ich nun wol verkaͤuf-
fen/ und mich ſamt meinem Weibe etwas hoͤſiſcher kleiden. Die Geſelſchaft lachete des
ernſtlichen vorbringens/ und ſagte Herkules: Wie hoch haͤlteſtu dann deine Pferde? Ich
habe ſie/ antwortete er/ mit 15 Kronen bezahlet/ aber dieſen Fruͤhling ſie ſehr abgetrieben/ dz
ſie uͤber 12 Kronen nicht gelten werden. Daß werden keine ſonderliche muhtige Hengſte
ſeyn/ ſagte Herkules; befahl Gallus in fremder Sprache/ er ſolte ihm und ſeinem Weibe
ihrer beſtallung nach/ Kleider geben/ und 300 Kronen herbringen; welches alsbald geſcha-
he/ da Klaudius ein gutes Ledernkoller/ graue Hoſen uñ Reitrok mit einer ſilbern Schnuhꝛ/
Stiefeln/ Sporn und ein gutes Pferd mit allem Reitzeuge; ſein Weib des gleichen ein
ehrbares Kleid bekam/ welches ſie beyderſeits anlegen/ und zu Herkules hinein treten mu-
ſten/ der ihm 100 Kronen Anreitsgelder/ und noch andere 100 Kronen gab/ die er ſeinem
Schwiegervater zuſtellen ſolte/ daß er den Ackerbau recht in acht nehmen koͤnte; ſeinem
Weibe gab er die dritten 100 Kronen/ ſie ihrer Mutter zum Geſchenke zu bringen. Wovot
ſie dankete/ mit dem Wunſch/ der allerhoͤchſte wahre Gott moͤchte ihrer Koͤnigl. Hocheit
ſolches hier zeitlich uñ dort ewiglich vergelten. Daß iſt ein feiner Wunſch/ gute Frau/ ant-
wortete er; aber kennet ihr auch denſelben Gott/ von welchem ihr redet? ſie ſtutzete hier auf/
und erroͤhtete druͤber; welches Herkules ſehend/ zu ihr ſagete: Antwortet mir nur frey und
ſcheuhet euch in geiſtlichen Sachen vor keinem Menſchen. Daß wil ich auch nicht tuhn/
gnaͤdigſter Herr/ ſagte ſie/ demnach mein Gott ernſtlich erfodert/ daß man ihn aus Furcht
nicht verleugnen ſol/ dann ich bin eine Chriſtin/ und glaͤube feſtiglich/ daß ich den almaͤch-
ten wahren Gott/ und ſeinen lieben Sohn JEſus Chriſt/ ſo viel meine einfalt zulaͤſſet/ er-
kenne. Umb ſo viel angenehmer werdet ihr mir und meiner Geſelſchaft ſeyn/ ſagte Herku-
les; aber von wem habt ihr dieſe allein ſeligmachende Lehre gelernet? Von meinem lieben
alten Vater/ antwortete ſie/ welcher Gott lob in dieſem Glauben unter mannichen Ver-
folgungen beſtaͤndig verharret iſt/ und ſein herliches Landgut in ſeiner Jugend verlaſſen/
damit er bey ſeinem Heylande bleiben koͤnte; daher ſich Gott auch ſein erbarmet/ und ihm
das taͤgliche Brod beſcheret hat/ ob ers gleich ſaurlich verdienen muͤſſen. Meine Mutter
aber iſt Roͤmiſches Glaubens/ und weil ſie zu der Chriſtlichen Lehr gar kein belieben traͤget/
noch davon hoͤren mag/ laͤſſet ſie mein Vater ſo hingehen/ Gott wolle ſie erleuchten/ und zu
ſich zihen/ daß ſie der helliſchen Verdamnis entrinnen moͤge. Was glaͤubet dañ euer Klau-
dius? fragete er weiter. Antwortet vor euch ſelbſt/ ſagte ſie zu ihm/ damit euer gnaͤdigſter
Herr wiſſe/ wie ihr mit Gott ſtehet; derſelbe fing nun an: Ich bin leider in der Jugend
nicht unterrichtet/ was man von den Goͤttern wiſſen ſol; aber dieſes bilde ich mir gaͤnzlich
ein/ daß dieſelben von uns das boͤſe wollen gelaſſen und das gute getahn haben. Warumb
aber laͤſſeſtu dich nicht von deinem Schwaͤher und von deinem Weibe unterrichten was
du nicht weiſt? ſagte Herkules. Ich habs ihnen nicht zugetrauet/ antwortete er/ daß ſie von
ſo hohen Sachen gewißheit haben ſolten; wann aber ihre Gn. mir ſolches befehlen/ wil
ichs gerne tuhn. Herkules trug es Gallus auff/ er moͤchte geflieſſen ſeyn dieſe arme Seele
m m m ijzu
[460]Sechſtes Buch.
zu retten; und begehrete an Klaudius Frau/ daß ſie hinginge und ihre Eltern herzuhohlete/
ihnen aber noch zur Zeit von der getahnen Verehrung nichts ſagete. Sie ging froͤlich hin/
zeigete ihnen kuͤrzlich an/ wie es ihr ſonſt ergangen waͤhre/ und hies den Vater gutes muhts
ſeyn/ weil ſie gaͤnzlich davor hielte ihr Gn. Herr waͤhre ein Chriſt. Der gute alte/ nahmens
Dametas/ wahr ungewohnt mit ſolchen hohen Leuten umbzugehen/ und durfte ſich doch
nicht wegern/ hatte aber mit ſeinem Weibe viel zu tuhn/ ehe er ſie/ mit zu gehen/ bereden kun-
te. Er entſetzete ſich/ als er die Fuͤrſtliche Verſamlung ſahe; aber Herkules machte ihn be-
herzt/ als er ihn alſo anredete: Mein guter Alter/ ihr habt eure Tochter in dieſem euren
armſeligen Zuſtande fein erzogen/ und inſonderheit wol bey ihr getahn/ daß ihr dieſelbe in
der Chriſtlichen Lehre unterrichtet; moͤchte aber wol wiſſen/ wie ihr unter den Verfolgun-
gen euch habt retten koͤnnen. Gnaͤdiger Herr/ antwortete er: Weil ich gehalten bin/ zu ant-
worten/ wolle ihre Gn. mir verzeihẽ/ wann ich mit derſelben nicht wuͤrde nach gebuhr reden/
weil ich nie in ſolche Geſelſchaft kommen bin/ noch dergleichen je mit Augen geſehen habe.
Betreffend mein Chriſtentuhm/ wuͤrde ich lange Zeit haben muͤſſen/ da ich alles erzaͤhlen
ſolte/ dann ich bin ſchon 74 Jahr alt/ und habe umb meines Glaubens willen/ ohn ruhm zu
melden/ viel erlitten. Saget nur her alter/ antwoꝛtete Heꝛkules/ ich wil euch gerne zu hoͤren.
Darauff fuhr Dametas alſo fort; Mein lieber Vater Seel. hatte ein feines Landgut nicht
gar weit von Rom/ und wahr dem Chriſtlichen Glauben eiferig ergeben/ wiewol meine
Mutter eine Heidin wahr und blieb. Im neunden Jahre meines alters entſtund unter
dem damahligen Roͤmiſchen Kaͤyſer Marcus Aurelius Antoninus Philoſophus, wie er genen-
net ward/ eine heftige Verfolgung wieder die Chriſten/ in welcher des folgenden Jahrs der
trefliche Kirchenlehrer Juſtinus der Maͤrterer genand/ mit Ruhten geſtrichen und ent-
haͤuptet ward; und vier Jahr hernach muſte der alte Lehrer Polykarpus/ des Evangeli-
ſten Johannis ſein Juͤnger oder Schuͤler/ auch umb des nahmens JEſus willen ſein Le-
ben zu ſetzen in der Stad Smyrna/ in klein Aſien gelegen/ da man ihn anfangs auff einen
Holzhauffen geſezt/ und lebendig verbrennen wollen/ weil aber das Feur nicht wolte wir-
ken/ iſt er mit dem Schwert erſtochen worden. Zeit dieſer Verfolgung/ welche 18 Jahr
lang anhielt/ hatte mein Vater mich anfangs zu einem Chriſten in Rom getahn/ welcher
mich in der ſeligmachenden Lehre fleiſſig unterrichtete/ ward aber mit andern Chriſten ge-
toͤdtet/ und entran ich heimlich/ kam zu meinem Vater/ welcher gleich in der Zubereitung
zu der Flucht begriffen wahr/ weil die Glaͤubigen hin und wieder ausgeſpehet wurden.
Wir nahmen zimliche Baarſchaft zu uns/ und als wir in einem abgelegenen Walde eine
verfallene Hoͤhle antraffen/ richteten wir dariñen unſeꝛe Wohnung zu/ hatten etwas Brod
und Salz mit uns genommen/ und lebeten daſelbſt von den Wurzeln etliche Wochen/ nach
deren Verlauff wir uns erkuͤhneten/ bißweilen auszugehen/ und auff den naͤheſten Doͤrf-
fern Speiſe einzukaͤuffen/ und ob gleich die wilden Tihre daſelbſt ſich haͤuffig hielten/ lebten
wir doch unter Gottes Schuz ſicher/ und hatten von ihnẽ keinen Anfal. Nach verlauff zehn
Jahr (ſo lange wahren wir Einſideler) begaben wir uns hin nach meines Vaters Gute/
und ſunden/ daß meine Mutter ſchon vor drey Jahren todes verbliechen wahr/ und ſie ih-
res Brudern Sohn zum Erben aller Guͤter eingeſezt hatte/ bey dem wir uns meldeten/ uñ
von ihm begehreten/ er moͤchte uns ein ſtuͤk Geldes heraus geben/ alsdann wolten wir ihn
in ru-
[461]Sechſtes Buch.
in ruhigem Beſitze laſſen; welcher uns zur Antwort gab: Dafern wir ihm nicht alsbald
würden einen leiblichen und unbruͤchigen aͤyd ſchwoͤren/ daß wir in Ewigkeit uns aller
Anſprach an ſolchen Guͤtern freywillig verze ihen wolten/ wuͤſte er ſchon Mittel/ uns anzu-
melden/ daß wir durch den abſcheuhlichſten Tod hingerichtet wuͤrden/ als Erzfeinde der
Roͤmiſchen Goͤtter. Welches uns kuͤrbe machte/ daß wir ihm ein genuͤgen tahten/ uñ dar-
auff einen geringen Zehrpfennig von ihm bekahmen/ wovor wir Speiſe kaufften/ nach un-
ſer Hoͤhle gingen/ und unſerm Gott andaͤchtig dieneten/ da dann mein Vater durch den
zeitlichen Tod von Gott abgefodert ward/ 9 Wochen/ nachdem wir ſeine Guͤter verſchwo-
ren hatten. Ich wahr dasmahl im 20ſten Jahre meines Alters/ kunte mich allein in der
Einoͤde nicht behelffen/ machte mich deswegen hinweg/ und nach dem ich acht Tagereiſe
mich nach der fremde diſſeit her begeben hatte/ vermietete ich mich bey einem Bauren/
dem ich ſchier als ein Leibeigener dienete 12 Jahr lang/ als 6 Jahr unter der Verfolgung/
und ſo lange unter der Freiheit/ welche nach vorgedachten Kaͤyſers abſterben/ ſein Sohn
und Nachfolger im Reich/ Kaͤyſer Marcus Aurelius Commodus Antoninus, den Chriſtẽ gab;
ſuchete hernach einen andern Herrn bey dem ich des Viehes huͤtete/ und an gegenwaͤrtige
meine Haußfrau mich verheirahtete/ welche zwar heidniſches Glaubens/ aber mir dan-
noch allemahl getraͤu verblieben iſt/ ob ich gleich wenig Jahr hernach von ihr zuzihen ge-
zwungen ward/ und ſolches wegen einer noch hefftigern Verfolgung/ ſo vor 28 Jahren
unter dem Kaͤyſer Septimius Severus entſtund/ und uͤber aus hart wahr/ ſo gar/ daß hin
und wieder Roͤmiſche Befehl ausgingen/ in welchen gebohten ward/ daß bey ſchwerer
Straffe ſich kein Menſch zum Chriſtlichen Glauben begeben ſolte. Ich ward von einem
gottloſen Buben/ dem nach Vermoͤgen ich alles gutes getahn hatte/ angegeben/ wegen
meines Chriſtentuhms/ haͤtte auch muͤſſen das Leben einbuͤſſen/ wann ich nicht waͤhre ge-
warnet/ da ich mich auff die Flucht begab/ und mein Weib mit ſchwerem Leibe verlaſſen
muſte/ hielt mich bey andern Einſiedlern in den Wüſteneien auff/ und erlitte groſſen Hun-
ger und Kum̃er drey ganzer Jahr/ nach welcher Zeit ich mich wieder nach meinem Wei-
be machete/ die ſich und dieſe ihre Tochter kümmerlich ernehrete/ machte mich mit ihnen
auff/ und lieſſen uns nieder zu Padua/ wo ſelbſt wir uns unſer Haͤnde fleiſſiger Arbeit er-
nehreten/ biß nach Verlauff fuͤnff Jahr der grundguͤtige Gott mir dieſen Ort zugewieſen/
da ich von ſolcher Zeit an den Inwohnern ihrer Ochſen und Kuͤhe gehuͤtet/ und Gott Lob
mein taͤgliches Auskommen gehabt. Mein liebes Kind unterwieß ich fleiſſig in der ſelig-
machenden Lehre/ brachte ſie auch zeitig bey eine aͤdle Frau/ jenſeit Padua wohnend/ wel-
che eine Chriſtin wahr/ und mein Kind zu aller Gottesfurcht gehalten hat/ biß mit meinem
Willen ſie gegenwaͤrtigen Klaudius/ als einen fleiſſigen Hauswirt gefreyet. Ihr ſeyd bey
eurem Gott und Heylande/ ſo viel ich vernehme/ beſtaͤndig verblieben/ ſagte Herkules/ der-
ſelbe hat auch euren Glauben angeſehen und eurem Elende nunmehr ein Ende machen
wollen/ in dem er euch meine Kundſchafft gegoͤnnet/ und euch durch mich in eurem Alter
vergelten wil/ was ihr ſeinet wegen auszuſtehen euch nicht gewegert habt. Redete darauff
Opimius an/ und ſagete zu ihm: Ihr ſolt dieſen guten Alten zu euch nehmen auff den euch
eingetahnen Hof/ ihm daſelbſt zwo Stuben und ſo viel Kammern einraͤumen/ und ſo lan-
ge er noch von ziemlicher Leibeskrafft ſeyn wird/ ihm ein Reitpſerd und einen Diener hal-
m m m iijten/
[462]Sechſtes Buch.
ten/ daß er nach ſeiner guten Gelegenheit zuzeiten auff die darzu behoͤrige Landguͤter reite/
und Auffſicht habe/ daß der Ackerbau getraͤulich in acht genommen werde/ und ſollet ihm
meinet wegen alle Monat 20 Kronen ſamt gnugſamer Speiſe/ Trank/ und Bürgerlicher
Kleidung ausfolgen laſſen; Und dafern ihr euch aus gutem freien willen auch zum Chriſt-
lichen Glauben hinbegeben koͤnnet/ ſagte er zu Dametas ſeiner Frauen/ ſollet ihr alles gu-
ten mit zugenieſſen haben/ wo nicht/ wil ich euch zwar von eurem Ehegatten nicht abſchei-
den/ aber doch werdet ihr euch ſelbſt Unterhalt ſchaffen muͤſſen. Der fromme Alte fiel nie-
der in die Knie/ und bedankete ſich vor ſolche hohe Gnade mit weinenden Augen; hernach
wendete er ſich zu ſeiner Frauen/ und vermahnete ſie/ daß ſie ſich ihres offemahligen Ver-
ſprechens erinnern/ und ihrer Seelen und Leibes Wolfahrt wahrnehmen/ ja auch ſeines
Gottes Gnade und Schickung erkennen ſolte. Welche ſich darauff neben ihn auf die Knie
ſetzete/ und alſo anfing: Ihr groſſe Fuͤrſten und Fuͤrſtinnen gegenwaͤrtig; ich bekenne/ daß
biß daher mein lieber Mann mich auf keinerley weiſe hat koͤnnen zum Chriſtlichen Glau-
ben bewaͤgen/ wie hefftig ers ihm gleich hat laſſen angelegen ſeyn; deſſen aber meiner mei-
nung nach er ſelbſt mit urſach iſt; geſtaltſam/ da ich vor viel Jahren ihm verweißlich vor-
warff/ wie er doch ſo albern waͤhre/ und umb eines Gottes willen/ der ſeine Glaͤubigen ſo
verfolgen lieſſe/ alle andere Goͤtter verachtete/ und dieſem einigen ſo feſt anhinge/ daß er um
deſſen willen alles das ſeine verlieſſe; gab er mir zur Antwort: Sein Gott waͤhre ſo gnaͤ-
dig und reich/ daß er ſeinen Glaͤubigen alles hundertfaͤltig zuvergelten verſprochen haͤtte/
was ſie etwa an zeitlichen Guͤtern umb ſeinet willen verlaſſen wuͤrden. Nun habe ich biß-
her auff ſolche Vergeltung geharret/ des ſteiffen Vorſatzes/ daß/ ſo bald ſelbe ſich blicken
lieſſe/ ich den Chriſtlichen Glauben annehmen wolte. Und weil dieſelbe ſchon vorhanden
iſt/ ſo erkenne ich daher/ daß der Chriſten Gott warhafftig ſey/ und wil forthin bey demſel-
ben leben und ſterben. Herkules antwortete: Gute Frau/ ich wil in eurem ſchwachẽ Glau-
bensanfange euch nicht irre machen/ wiewol ihr eures Mannes Reden unrecht verſtandẽ/
und Gottes Vergeltung auff dieſe zeitlichen Guͤter hingezogen habt/ welche von den kuͤnf-
tigen ewigen zuverſtehen iſt; wie ihr dann nach dieſem euch werdet unterrichten laſſen.
Hieß ſie beyde auffſtehen/ und muſten Klaudius und ſein Weib ihren Eltern die 200
Kronen zuſtellen/ denen die andere anweſende eine Beyſteur tahten/ daß ſie 800 Kronen
baar bekahmen/ und ſich wegerten alles anzunehmen; erhielten endlich auch durch einen
Fußfall gar leicht/ daß ſie die uͤbrige Zeit ihres Lebens in dem Flecken zubringen moͤchten;
da ihnen dann der Stathalter zu Padua verhieß/ ihnen zu ihrem Unterhalt alles gnug zu
verſchaffen. Nun wohnete ein armer frommer Chriſt in demſelben Flecken/ dem Dametas
eine Almoſen baht/ und von Herkules zur Antwort bekam/ er ſolte demſelbẽ ſeines Schwie-
ger Sohns Hauß und Acker ſchenken/ er wolte ihm ſolches ſchon wieder erſetzen/ gab ihm
darzu 50 Kronen/ daß er Mittel haͤtte/ den Acker zubeſtellen. Dem Klaudius aber verma-
chete er manatlich 60 Kronen Beſtallung/ und hielt ihm einen reitenden Diener; dagegẽ
ſolte er getraͤu und fleiſſig ſeyn/ auff Wagen und Gutſchen gute achtung geben/ und das
baufaͤllige zeitig beſſern laſſen/ dero behuef ihm unterſchiedliche Rademacher zu Dienern
untergeben wurden. Der einfaͤltige Klaudius wuſte nicht/ was er vor freuden beginnen
ſolte/ bedankete ſich in aller Demuht/ und verſprach moͤglichſten Fleiß anzuwenden; wozu
er
[463]Sechſtes Buch.
er dann von dem alten Dametas ernſtlich vermahnet ward. Herr Pompejus nam mit
ſeinem Schwieger Sohn Abrede/ er wolte mit Gottes Huͤlffe innerhalb Viertel Jahrs
alle ſeine Sachen von Jeruſalem abhohlen/ ſeine Guͤter zu Rom loßſchiagen/ und alle
Baarſchafften auf Koͤlln mit ſich nehmen/ dann er waͤhre bedacht/ mit ſeinem Gemahl da-
ſelbſt/ oder wol gar in Herkules Gebiet ſein Leben zuenden; welches ſeiner Tochter eine
groſſe Freude wahr. Siegward hatte vorhin Koͤnigin Sophien verheiſſen muͤſſen/ daß er
ſich etliche Jahr mit ſeinem Gemahl zu Prag auffhalten wolte/ wo er inzwiſchen nicht zuꝛ
Schwediſchen Kron gefodert würde/ verſprach auch ſeinen Schwieger Eltern/ ſie jaͤhr-
lich zubeſuchen. Mit dieſen Begebniſſen und Geſpraͤchen ward der Abend hingebracht/
biß man die Feld Betten hervor ſuchete/ da Kinder und Eltern eine gemeine Straͤu ma-
cheten/ ſo bald das Abend Gebeht gehalten wahr/ dann die beyde Gebruͤdere Fabiuſſen hat-
ten durch Pompejus Anmahnung den Chriſtlichen Glauben angenommen/ in welchem
ſie biß an ihr Ende beſtaͤndig verblieben. Des Morgens ſehr fruͤh/ nahmen Eltern und
Kinder traͤhnenden Abſcheid/ befohlen ſich allerſeits dem Schuz Gottes/ und nam jeder
ſeinen Weg vor/ da dann unſere Helden mit zimlichen Tage Reiſen/ ſo viel der Wagen
Menge zuließ/ forteileten/ die Boͤhmiſchen Grenzen zuerreichen/ weil Valiſka uͤberaus
hohes Verlangẽ trug/ ihre Fr. Mutter zuſehen und zuerfreuen/ und nam ſie wunder/ daß
der alte Groß Fuͤrſt derſelben ſo gar nichts wegen ihrer voͤlligen Eꝛloͤſung zuentbohten hat-
te/ welches Neklam doch kund genug gemacht; aber die Urſach wahr/ daß derſelbe waͤhne-
te/ es waͤhre ihr von den unſern ſelbſt zugeſchrieben worden.


Die vier Pannoniſche Diener hinterbrachten des Geſanten Pines und ſeiner Ge-
ſellen Unfal ihrem Koͤnige gar zeitig/ nebeſt dem Kaͤyſerlichen Schreiben/ woruͤber derſel-
be und ſeine Land Staͤnde ſo hefftig erſchraken/ daß ſie in guter Zeit ſich nicht begreiffen
kunten/ was ihnen zutuhn waͤhre/ wiewol der groͤſte teil den verwaͤgenen Pines verfluche-
te/ daß er ſeinen Koͤnig durch ſein großſprechen und vermaͤſſenes verheiſſen darzu beredet
haͤtte/ einen ſolchen Vertrag einz[u]gehen/ welcher nicht koͤnte wiederruffen werden. Sein
Bruder Dropion/ Koͤniglicher Stathalter/ der ſeine beiden Bruͤder an Boßheit und
Stolz uͤbertraff/ lag eben dazumahl an einer beſchwerlichen unſaubern Krankheit hart da-
nieder/ daß er bey der Verſamlung nicht erſcheinen kunte/ und durfte man ihm die ungluͤk-
liche Zeitung nicht anmelden/ damit er nicht durch gar zuhefftigen Eifer ihm ſelbſt ſchadẽ
taͤhte. Zwar es gingen viel Stimmen dahin/ weil man dem Kaͤyſer/ was ihm freiwillig an-
gebohten waͤhre/ redlich und unbruͤchig halten muͤſte (dann hierin wahren ſie einig) ſolte
man nicht ſeumen/ alsbald ein maͤchtiges Heer zuſamlen/ dem Boͤmiſchen Koͤnige ins
Land zufallen/ damit man ſich an demſelben raͤchete/ und von den Boͤhmen ablangete/
[w]as den Roͤmern muͤſte entrichtet werden; welchen Vorſchlag der Koͤnig ihm anfangs
wolgefallen lies; aber etliche anſehnliche Reichs- und Kriegs Raͤhte fuͤhreten mit wichti-
gen Gruͤnden an/ es wuͤrde rahtſahm ſein/ bedachtſam zufahren/ und den Roͤmiſchen Frie-
den feſt zuſetzen/ damit dem Kaͤyſer die Haͤnde zu der Boͤhmen Huͤlffe gebunden würden;
welches auch vor beſchloſſen angenommen ward/ inſonderheit/ weil die Arzte gute Hoff-
nung gaben/ daß der Stathalter ſchier geneſen wuͤrde. Weil aber die vier Diener zugleich
anzeige tahten/ daß der Boͤmiſche uñ Teutſche Fuͤrſt in kurzen wieder in ihr Vaterland zi-
hen
[464]Sechſtes Buch.
hen würden/ und einen uͤberauß groſſen Schaz mit ſich nehmen/ die doch nicht uͤber 300
bewerter Mann bey ſich haͤtten/ es waͤhre dañ/ daß der Kaͤyſer ſie/ wie wol zuvermuhtẽ/ mit
mehr Voͤlkern ſterken wuͤrde; ſo ward vor gut angeſehen/ daß etwa 6000 handfeſte Ren-
ter ihnen auff zuwarten/ an die Grenzen ſolten verlegt werden/ mit Befehl alles was ſich
wieder ſetzen wuͤrde ohn Barmherzigkeit nider zuhauen/ und die uͤbrigen gefangen zuneh-
men; jedoch nicht anders/ als wañ ſie vor ſich ſelbſt Raͤuber waͤhren/ und keinen Koͤnig-
lichen Befehl haͤtten. Dieſe Voͤlker hatten die Grenzen ſchon drey Tage beritten und al-
lenthalben Schildwachten außgeſetzet/ ehe die unſern daſelbſt ankahmen. Neklam muſte
mit 16 Boͤhmen und 26 Roͤmern/ in drey gleiche Hauffen im̃erzu voraußhauen/ ob irgend
einige Gefahr ſich eraͤugete/ da er dann endlich 6 Schildwachten zu Pferde auff einem
Huͤgel erblickete/ und noch 12 auff einem andern zur Seiten auß/ welche/ ſobald ſie ſein
inne wurden/ mit verhaͤngetem Zaume davon flohen/ welches er Herkules an melden ließ/
der zu Ladiſla ſagete; gilt Bruder/ es werden uns noch heut die Pannonier eine Mum-
menſchanze bringen/ ſendete auch bald darauff Leches mit 150 Parthern (dann dieſe hiel-
ten inſtaͤndig darumb an)/ ſich mit Neklam zuſammen zuſetzen/ und durchaus in kein
Handgemenge ſich einzulaſſen/ wie ſehr man ihn auch darzu noͤtigen wolte/ es waͤhre
dann/ daß er zuruͤkweichend fechten/ und ſeiner Haut ſich nohtwendig erwehren muͤſte.
Dieſe gingen in außgedehneter breite fort/ und durchſahen das weite Feld/ da ſie von fer-
ne einer Reuter Schaar/ von ohngefehr 800 Mann gewahr wurden/ welche doch mehr
ſchienen hinter ſich zuweichen/ als vor ſich zu zihen. Inzwiſchen wahren unſere Helden
bemuͤhet/ wie ſie ihre Wagen in ſolche Ordnung bringen/ und mit ihren 4000 Roͤmiſchen
Fußknechten beſetzen moͤchten/ daß nicht etwa an einem oder andern Ort die Feinde einen
unverſehenen Anfal taͤhten/ und eine Bente davon braͤchten; muſten daher die Wagen
mit den Schaͤtzen in die mitte gefaſſet/ und zu beiden ſeiten die mit Waffen beladene her-
geſtellet werden/ zwiſchen denen ſich das Fußvolk ſetzen muſte mit ihrem Geſchoß/ als in
eine Wagenburg. Zu hinterſt den Wagen blieben die ledigen Handpferde/ welche nur mit
80 Reutern verſehen wahren/ weil man ſich daher keines Angriffs vermuhten wahr. Vor
den Wagen gingen die Reuter in dieſer Abteilung; Herkules fuͤhrete 1200 Parther und
245 Teutſchen zur rechten Hand/ und hatte bey ſich ſeinen Bruder und Prinſla; Ladiſla
nam den linken Flügel 1146 Parther 250 Boͤhmen uñ 135 Teutſchen/ und war Siegward
und Markus bey ihm. Arbianes wurden ſeine 200 Meden/ 100 Boͤhmen/ und 235 Teut-
ſchen zugeſtellet/ damit er den nohtleidenden entſaz tuhn ſolte. Aber die Roͤmiſche Reute-
rey/ welche von Neda/ Klodius/ Gallus und Valens dem Roͤmer gefuͤhret wurden/ mu-
ſten zuhinterſt ſchier den ledigen Pferden zur ſeite bleiben/ und ſolten dieſelben nicht ehe/
als wann die hoͤchſte Noht es erfodern wuͤrde/ das Gewehr wieder den Feind gebrauchen.
Dieſe kleine vier Reuter Heere gingen mit ſolchem Muhte fort/ daß ſie des gaͤnzlichen
Schluſſes wahren/ dem Feinde/ ob er gleich viermahl ſo ſtark waͤhre/ ritterlich Fuß zuhal-
ten/ und wahr ihr ſonderliches Gluͤk/ daß ſie ſehr erfahrne Wegweiſer bey ſich hatten/ unter
denen der alte Wenzeſla nicht der geringſte wahr. Als Herkules von Leches obgedachte
Zeitung bekam/ ließ er ihm ſagen/ mit ſeinen Leuten in guter Vorſichtigkeit mit unentbloͤſ-
ſetem Gewehr/ ſchrit vor ſchrit fort zugehen/ denen endlich die andern nur 50 Reuter ent-
gegen
[465]Sechſtes Buch.
gegen ſchicketen/ und mit guter Freundligkeit fragen lieſſen/ was vor Leute ſie waͤhren/
wo hin ſie gedaͤchten/ und weſſen ſich unbekante zu ihnen zuverſehen haͤtten. Leches gab zur
antwort; er dienete einem Herrn/ welcher nicht wolte genennet ſeyn/ ſo waͤhre auch ihre
Reiſe alſo beſchaffen/ daß man davon nicht viel ſagen muͤſte/ aber ein jeder der ihnen begeg-
nete/ er moͤchte auch ſeyn wer er wolte/ haͤtte ſich zu ihnen aller Redligkeit und Freund-
ſchafft zuverſehen. Der Abgeordnete fragete ihn/ ob er ſichs gefallen laſſen koͤnte/ etwas
deutlichere antwort zugeben. Und als Leches ſagete/ er haͤtte nicht weiter Erlaubnis/ ritten
dieſe mit freundlichem Gruſſe davon/ es anzudeuten. Die unſern gingen auch fort/ als
waͤhren ſie ohn alle Furcht eines Anfals/ und wehrete nicht lange/ da ſahen ſie von einer
Seiten in die 1200/ von der andern in die 2000 Reuter herzueilen/ die mit obgedach-
ten 800 ſich zuſammen ſetzeteten/ und in zimlicher Ausdehnung ein anſehnliches Heer
macheten/ ſchikten auch dreiſſig Reuter an Leches/ und als ob er noch nicht waͤhre be-
fraget worden/ lieſſen ſie ihm obgemeldte dreyfache Frage mit eben den Worten vor-
tragen; als aber Leches bey ſeiner erſten Antwort verharrete/ fing dieſer an zu trotzen/ er
muͤſte ſich klaͤrer heraus laſſen/ oder man wuͤrde mittel ſuchen/ ihn darzu zu noͤhtigen. Deſ-
ſen mus man gewaͤrtig ſeyn ſagte Leches/ von mir aber werdet ihr ein mehres nicht bringẽ/
viel weniger von meinen Leuten/ dann dieſelbe ſind alle ſprachloß. Mein Kerl/ antwortete
dieſer/ du wirſt heut noch muͤſſen anders reden/ des wil ich dir meinen Kopff zum Pfande
geben. Gib her zum Pfande/ antwortete Leches/ ſo wil ich ihn meinem Herrn liefern. Die-
ſen verdroß der Spot/ ſchuͤttelte den Kopf und die rechte Hand/ und ging wieder zu den ſei-
nen/ welche ſich des Trotzes verwunderten/ und ſtund nicht lange an/ daß noch 2000 Mañ
der Feinde Heer vermehretẽ. Hier wird es noch heut Kappen abgeben/ ſagte Leches zu Ne-
klam/ welcher aufs ſchnelleſte hinter ſich gehen/ und Herkules das ergangene melden muſte/
er aber blieb mit ſeiner Mannſchaft ſtille halten/ biß er ſahe 600 auff ihn angehen/ vor de-
nen er hinter ſich/ doch in guter Ordnung wiche. Neklam wahr ſchon wieder auf dem Rük-
wege nach Leches/ ſahe ſolches von ferne/ kehrete wieder umb/ und brachte 300 Parther mit
ſich von Herkules/ die gleich ankahmen/ als die Pannonier Leches ſeinen Leuten zuſchrihen/
ſie ſolten halten/ weil man gerne wiſſen wolte/ ob ſo viel ſtumme Betler in einer Schaar
ſich unter einem verwaͤgenen Fuͤhrer verſamlet haͤtten. Leches ſahe ſeinen Entſaz/ vermer-
kete daher/ daß ihm erlaubet ſeyn wuͤrde ſich zu wehren/ ſchwenkete ſeine Schaar und ritte
den Pannoniern mit entbloͤſſetem Gewehr entgegen/ weil jene das ihre ſchon um den Kopf
gehen lieſſen/ und als er ohn ferner Wort wechſeln angegriffen ward/ drengete er ſich der-
geſtalt in die Feinde hinein/ daß/ wie ſtark ſie auch wahren/ dannoch zuruͤk weichen muſten;
doch erhohleten ſie ſich bald/ und ſuchten Gelegenheit/ die unſern zu umringen/ ehe Neklam
ſich mit ihnen zuſammen ſetzete; welches ihnen aber mißriet/ dañ dieſer ging zu ſchnelle fort
zum beyſtande/ da dann die Parther an beyden Seiten mit ſolchen Wuht anfielen/ daß die
Pannonier alsbald zu weichen gedrungen wurden/ und in dieſem Anfal uͤber die helffte ſit-
zen lieſſen/ da hingegen von den unſern nicht ein einziger erſchlagen/ uñ nur 26 etwas/ doch
nicht ſonderlich verwundet wurden; Leches durfte ihnen nicht nachſetzen/ ging ja ſo ſchnel-
le hinter ſich als die Feinde/ und nam ihn wunder/ daß er nicht verfolget ward/ welches der
Feind bloß aus furcht einer hinterliſt unterließ. Unſer Heer kam algemach heran/ daß ſie
n n neinan-
[466]Sechſtes Buch.
einander ſehen kunten/ und ging Leches mit den ſeinen nach Ladiſla/ ihm rühmend/ wie tap-
fer ſeine Leute gefochten/ und uͤber 300 ohn einigen verluſt auffgerieben haͤtten. Es kahmen
aber noch 3000 Reuter zu dem Feindlichen Hauffen/ daß die unſern es ſahen/ dann ob die
Pannoniſchen Staͤnde gleich im anfange nur 6000 auszuſenden geſchloſſen hatten/ ver-
mehreten ſie doch ſolche Zahl biß zur helffte. Herkules hatte alle ſeine Leute vorhin ſchon
unterrichtet/ daß ſie beydes tapfer gegen den Feind und behutſam auff ſich ſelbſt ſeyn ſolten/
wolte in Feindes Angeſicht ſein Heer nicht ſonderlich ausbreiten/ noch ſich alsbald zur
Schlacht ſtellen/ ſondern ſendete Neklam mit 20 Reutern an ſie/ umb zuvernehmen/ aus
was urſachen man ſeine Leute im freien Felde uͤberfallen haͤtte. Als dieſer mit ſanftmuht
ſolches vorbrachte/ fehlete wenig/ er waͤhre mit den ſeinen nidergehauen worden/ dafern es
nicht ein einziger Obriſter verhindert haͤtte; jedoch zwang man ihn zu ſagen/ was vor Leu-
te ſie waͤhren/ und wohin ihr Weg ginge/ welches er dann willig taht/ weil er deſſen befehl
hatte. So bald er nun die beyden Koͤnige genennet/ gab man ihm zur Antwort; dafern der
erſte dieſe Erklaͤrung wuͤrde haben ausgelaſſen/ håtte man mit ihm koͤnnen friedlich ſeyn/
und ſolte er hinreiten/ ſeinen beyden Herren anzumelden/ es haͤtte eine tapfere Schaar
Pannonier ohngefehr in erfahrung bracht/ daß dieſe fremde Fuͤrſten mit groſſen Schaͤtzen
auff dem Wege nach Prag waͤhren/ welche aus ehrerbietung zubegleiten ſie ſich ſtelleten/
nachdem ſie der Hoffnung gelebeten/ man wuͤrde ſie der Muͤhe lohnen. Ich kan meinen
gnaͤdigſten Fuͤrſten ſolches leicht vortragen/ wegere mich deſſen auch nicht/ ſagte Neklam/
tuhe ihnen aber den Vorſchlag/ daß von ihren Leuten etliche mit reiten/ entweder es anzu-
melden/ oder anzuhoͤren/ daß ichs redlich hinterbringe/ denen ich alle Freyheit verſpreche/
zureden/ was ihnen gefallen wird. Die vornehmſten Obriſten ritten zuſammen/ beredeten
ſich kuͤrzlich/ und machten einen ihres Mittels aus/ welcher mit 30 Reutern fortgehen/ uñ
die Werbung geſagter maſſen anbringen ſolte. Herkules hoͤrete ſolches mit auffgeſchla-
genem Helme an/ und gab zur Antwort: Ja wann man meine Leute nicht ſo moͤrderiſch-
und raͤuberiſcher weiſe uͤberfallen haͤtte/ wuͤrde ich dem ſuͤſſen Pfeifchen trauen/ nun aber
habt ihr ſchon ſo viel ſehen laſſen/ daß der Wolff unterm Schaf Pelze verborgen lieget;
Werdet demnach eurer Geſelſchafft anſagen/ daß ſie ihren Glauben bey mir verlohren/
und ich ſie in ſchwerem Verdacht halte/ daher ich mir Sicherheit zuſchaffen bedacht bin/
und ihnen anzeigen laſſe/ ſie ſollen ſich denen vor Geleitsleute antragen/ die ihrer begehren
und beduͤrffen/ ich vor mein Haͤupt beduͤrffe ihrer ganz nicht; und wo ſie ſich wegern wuͤr-
den/ als bald von einander zugehen/ und mir den freien Weg zugoͤnnen/ muͤſte ich noht-
wendig mit Gewalt durchbrechen/ deſſen ich doch gerne moͤchte geuͤbriget ſeyn. Dieſer
hoͤrete ſolches geduldig an/ und gab zur Antwort: Er verſtuͤnde die Erklaͤrung ſehr wol/
und wann keine andere verhanden waͤhre/ wolte er ſie gebuͤhrlich zuhinterbringen wiſſen.
Keine andere vor dißmahl/ ſagte Herkules mit einer ſonderlichen Herzhafftigkeit/ und ließ
ihn damit fortgehen/ verfolgete doch nicht deſto minder ſeinen Weg in guter Ordnung.
Die Pannonier eiferten ſich uͤber alle maſſe wegen der Antwort/ und als ſie vernahmen/
welche groſſe Menge der Wagen/ und wie ſchwach ihre Reuter waͤhren/ des vermiſcheten
Fußvolkes aber zwiſchen den Wagen nur etliche hundert Mann (dann es hatten ſich die-
ſe mit Vorſaz verborgen gehalten); ſtelleten ſie ihre Ordnung/ als 6000/ welche fechten/
die
[467]Sechſtes Buch.
die uͤbrigen aber die Wagen anfallen/ ſie auffhauen/ und die Beute zu ſich nehmen ſolten/
die man hernach bruͤderlich teilen wolte. Jedoch ſendeten ſie zuvor einen Ritmeiſter ſelb
ſechſe an die unſern ab/ ihnen vorzutragen; weil man ſie ſo ſchimpflich abgewieſen haͤtte/
und ihre angebohtene Dienſte verachtet/ koͤnten ſie ſich daher nichts anders als Feindſe-
ligkeit vermuhten/ wolten die Antwort vor eine Abſagung gehalten haben/ und ihrer keines
ſchonen/ es waͤhre dann/ daß ihnen die Fürſten/ ſo viel ihrer waͤhren/ nebeſt allem Frauen-
zimmer gefangen zugeſtellet/ und alle Wagen und Pferde vor freie Beute geliefert wuͤrdẽ.
Herkules haͤtte ſich der Anmuhtung ſchier geeifert/ und ſagte zu ihm: Reite hin du Unver-
ſchaͤmter/ ich wil dir bald folgen. Das Pannoniſche Heer dieſe Antwort vernehmend/
gingen nach gemachter Ordnung als die hungerigen Woͤlfe loß; drey tauſend gegen Her-
kules/ und gleich ſo viel gegen Ladiſla/ ſo daß ſie gar keine zum Entſaz hinterlieſſen/ und mu-
ſten die uͤbrigen zugleich ſich mit an die Wagen machen. Herkules ſcheuhete ſich nicht/ ei-
nem ſolchen Hauffen mit den ſeinen zubegegnen/ dann er ſahe/ wie muhtig ſeine Voͤlker
wahren/ deren 60 mit Speeren ſich verſehen hatten/ daher ſie den erſten Angriff tahten/
und ein jeder ſeinen Mann niderwarff. Die Schwerter feireten auch nicht/ ſo daß der klei-
ne Hauffe den groͤſſeren draͤngete/ dann die Parther hatten ſich vereiniget/ daß ſie ihren
Plaz entweder lebendig oder tod behaͤupten wolten. Nun wolte aber Herkules ihrer ſcho-
nen/ daher ließ er Klodius mit 800 Roͤmern zu huͤlffe ruffen/ welche von der ſeiten her in
den Feind brachen/ daß ſie wie Muͤcken von den Pferden ſtuͤrzetẽ; eine Parthiſche Schaaꝛ
400 ſtark ſetzete ſich zuſammen/ und ſchlugen ſich mitten durch den Feind hindurch/ daß ſie
hinter ſie kahmen/ und ſie alſo zwiſchen ſich faſſeten/ deren Fuͤhrer Fuͤrſt Baldrich wahr/
welcher ſeinem Bruder wolte ſehen laſſen/ daß er auch gelernet hatte/ die Fauſt zugebrau-
chen/ deꝛ doch ſolchen verwaͤgenen Saz doch nicht lobete/ nur weil er gluͤklich geriet/ nichts
dawider redete. An Ladiſla Seiten gings gleich ſo ſcharff daher/ dann es wolte auch hie-
ſelbſt Siegward ſein Herz und Fauſt erzeigen/ uͤber welchen Ladiſla gleichſam eiferte/ wel-
cher nach Herkules Beyſpiel die uͤbrigen Roͤmer zu ſich foderte/ und ſeinen Feinden ſo ge-
drange taht/ daß ſie Muͤhe hatten ihre Ordnung zuerhallen. Herkules ſahe/ daß an ihrer
ſeiten der Sieg bald folgen wuͤrde/ und ließ Arbianes anzeigen/ er ſolte dem dritten Hauf-
ſen wehren/ daß ſie den ihren nicht koͤnten zu huͤlffe kommen. Dieſe hatten ihnen die unge-
zweifelte Hoffnung gemacht/ es wuͤrde wenig Gefahr und Muͤhe mit Abplünderung der
Wagen haben/ daher ſie als blindling auff dieſelben anſetzeten/ wurden aber von den Roͤ-
miſchen Fuß Schuͤtzen dergeſtalt gewilkommet/ daß ihrer durchs Geſchoß uͤber 800/ teils
ertoͤdtet/ teils zum Gefecht unduͤchtig gemacht wurden/ und nachdem ſie ſo nahe kahmen/
daß die Pfeile ſie weiters nicht verletzen kunten/ muſten Spieſſe und Schwerter das beſte
tuhn/ daß ſie das Herz nicht hatten einen einzigen Wagen anzugreiffen. Ihre Leute/ wel-
che gegen Herkules ſtritten/ und nicht mehr ſtand halten kunten/ lieſſen dieſe zu ihrem Ent-
ſaz abfodern/ aber Arbianes griff ſie von der Seite an/ und ließ den Fußvoͤlkern anzeigen/
ſie ſolten ſich zwiſchen den Wagen hinweg begeben/ und ins offene Feld treten/ damit der
Feind deſto beſſer koͤnte angegriffen werden/ welches ſie nach Wunſch verrichteten/ ſo daß
dieſer Plunder Hauffe am erſten auff die Flucht gebracht ward/ welches ihnen doch das Le-
ben nicht friſten mochte/ dann die Roͤmiſchen Fußvoͤlker fielen auff der Erſchlagenẽ Pfer-
n n n ijde/
[468]Sechſtes Buch.
de/ Arbianes aber verlegte ihnen den Weg/ daß von dieſer Feinde Schaar nicht uͤber 140
Mann davon kahmen/ und die uͤbrigen alle das Leben zuſetzeten. So bald Herkules dieſer
Flucht inne ward/ ſamlete er 400 Parther und 50 Teutſchen umb ſich/ hieb damit um den
Feind/ und ſetzete ſich hinter ihn/ daß er nicht Gelegenheit haben kunte auszuweichen/
drang auch dergeſtalt in ſie/ daß ihre Ordnung endlich getrennet/ und ſie wie Schafe nider-
geſchlagen wurden/ da dann Baldrich mit 200 Mann auff Ladiſlaen Feinde anſetzen mu-
ſte/ welche gar eingeſchloſſen/ das Gewehr nicht mehr brauchen kunten/ als deren ohndas
uͤber 800 nicht uͤbrig wahren. Herkules nam 160 Feinde geſangen/ Ladiſla 400; die uͤbri-
gen lagen alle auff dem Platze geſtrecket/ dergeſtalt/ daß nicht ein einziger Obriſter/ und nuꝛ
drey Ritmeiſter das Leben davon brachten. Nach erhaltenem Siege ward gemeine Pluͤn-
derung gehalten/ und fing man der Erſchlagenen Pferde auff; Es wahr zuverwundern/
daß von den Parthern nur 16 tod und 30 verwundet wahren; wie dann die Roͤmer auch
nur 23; die Teutſchen 12; die Boͤhmen 8; die Meden keinen einzigen miſſeten/ und unter
dem ganzen Heer nicht 200 Verwundete wahren/ welche alle wieder genaſen. Die Gefan-
gene wurden ernſtlich befraget/ wer ſie zu dieſem Angriff ausgeſchikt haͤtte/ brachten aber
einmuͤhtig vor/ ihre Obriſten haͤtten ihren Anzug von Padua in Erfahrung bracht/ daher
ſie aus Hoffnung guter Beute ſich zu dieſem Wageſtuͤcke ohn ihres Koͤniges und der
Land Staͤnde Vorbewuſt/ vereinigt haͤtten/ weil ſie deſſen von ihrem Koͤnige gute Erlaub-
niß zuhaben/ nicht gezweifelt/ nachdem Zeitung erſchollen waͤhre/ der junge Boͤhmiſche uñ
Teutſche Fuͤrſt haͤtten die Pannoniſchen Geſanten zu Padua beſtritten. Welches Vor-
bringen ihnen geglaͤubet ward/ und ließ man ſie unbewehret und nacket hinlauffen. Nach-
gehends hatten die unſern keinen Anfall mehr/ ſondern gingen gluͤklich fort/ biß ſie die Boͤh-
miſchen Grenzen betraten/ da ſie mit ihren Gemahlen und Chriſtlichen Rittern abſtiegen/
und ihr Dank Gebeht zu Gott eine Stunde kniend verrichteten/ Herkules aber anfangs
von dẽ andern abgeſondert/ dieſe Andacht vor Gott ausſchuͤttete: HErr mein Gott/ ſagte er/
Du Vater aller Gnadin und Barmherzigkeit; wie ſol ich erkennen die unausſprechliche Woltahten/
die du mir deinem unwirdigen Knechte erzeiget haſt? Ich wahr ohn alle Erkaͤntniß der allein ſeligma-
chenden Warheit/ als ich von den Raͤubern dieſes Weges gefuͤhret ward; ich wahr von aller menſch-
lichen Huͤlffe verlaſſen/ da ich der Boßheit hieſelbſt gehorſamen muſte/ und leicht umb Ehr und Leben/
ja auch umb meine Seligkeit haͤtte kommen moͤgen; dann ich ſteckete annoch in der heidniſchen Blind-
heit; Ich wahr O HErr dein Feind/ handelte dir zuwider; hielt die Teufliſchen Abgoͤtter vor meine
Schuͤtzer/ und alles mein Tichten wahr ſchlim/ irdiſch und eitel. Aber du mein Gott haſt mich aus der
Unwiſſenheit hervor geriſſen/ und aus der hoͤlliſchen Verdamniß mich errettet; davor danke ich dir
von Herzen/ davor preiſe ich dich mein Heyland! Ja HErr/ was ſol ich ſagen? Ich bin viel zugeringe
aller deiner Guͤte; viel zu unwirdig aller deiner Barmherzigkeit und Traͤue/ die du an deinem Knechte
getahn haſt; dann ich hatte nichts eigenes/ da ich uͤber dieſe Grenzen geſchleppet ward/ und nun bin
ich durch deinen Segen mit uͤberaus groſſen Guͤtern verſehen; Mein liebes Gemahl haſtu mir zuge-
fuͤhret/ und ſie mitten unter der Schande bey Ehren erhalten/ ſie auch/ welches das vornehmſte iſt/ zum
Chriſtlichen Glauben gebracht. Nun HErr/ ich weiß mich in deiner uͤberſchwenglichen Gnade ſelbſt
nicht zu finden; Kein Menſch hat desgleichen genoſſen; kein Menſch hat mehr urſach/ deine Guͤte zu
erheben/ deinen Ruhm auszubreiten/ dein[er] Gnade zudanken/ als ich/ HErr/ dein Knecht. O ſo nim
von mir an das Opffer meiner Lippen; O ſo laß dir wolgefallen das Geſpraͤch meines Herzen/ HErr
mein Gott! Ich ſchuͤtte vor dir aus meine Seele/ mein Heyland; Ich uͤbergebe dir das innerſte mei-
ner Sinnen/ das wirken meiner Gedanken/ und alles was ich gar bin. Mein Helffer/ verſchmaͤhe ſol-
ches
[469]Sechſtes Buch.
ches nicht wegen ſeiner Unduͤchtigkeit/ ſondern weil es bloß auff deine Gnuͤgtuhung ſich im feſtẽ Glau-
ben ſteuret/ ſo laß es gelten HErr; Ja HErr laß es gelten/ und erbarme dich forthin allezeit uͤber dei-
nen armen Knecht; gib ihm HErr deine Gnade/ daß er ſeine blinde Eltern/ Schweſter und Anver-
wanten zu dir fuͤhren moͤge; verleihe ſeinen Worten Anmuhtigkeit und Krafft/ daß ſie angenommen
werden/ und durchdringen moͤgẽ; beherſche und erweiche der meinigen Herz/ daß ſie dir folgen/ und zur
ewigen Seligkeit ſich zihẽ laſſen. Iſt es auch dein gnaͤdiger Wille/ ſo bekehre mein ganzes Vaterland/
daß dein Wort moͤge auffgenommen/ und deine Kirche unter ihnen erbauet werden. Dieſes mein
Gott/ wolleſtu gnaͤdig erhoͤren/ umb der blutigen Wunden deines lieben Sohns meines HErrn und
Heylandes/ Amen/ Amen.


Nach dieſes Gebehts endigung trat er hin zu den andern/ da ſie ingeſamt den Lobge-
ſang des Moſe/ aus deſſen anderm Buche; hernach den Lobgeſang des alten Zacharias;
wie auch das herliche Danklied der heiligen Jungfrauen Marien/ der Mutter unſers Hey-
landes/ mit andaͤchtiger Stimme ſungen/ und daneben andere geiſtreiche Geſaͤnge mehr;
nachgehends laſe ein Chriſtlicher Lehrer den 84/ 91/ 96/ 100/ 103/ 107/ 112/ 118 136 145/ und 147
Pſalm des Koͤniges David/ beſchloſſen mit dem heiligen Vater Unſer/ und hielten darauf
eine geringe Mahlzeit unter den gruͤnen Baͤumen. Weil ſie dann nicht zweiffelten/ ihre
groſſe menge Wagen/ Roſſe und Voͤlker wuͤrden ein groſſes Geſchrey im Lande erwecken/
lieſſen ſie die Roͤmiſchen Voͤlker wieder zuruͤk gehen/ denen ſie eine Tonne Schaz austeile-
ten und hatten bereit nicht allein gute Gelder von den Pannoniern zur Beute/ ſondern
auch jeder ein ſtatliches Pferd erhalten. Die Weine wurden ins freie Feld abgelegt/ und
die Wagen wieder zuruͤcke geſand. Baldrich und Siegward muſten mit 30 Reutern vor-
angehen/ und ausgeben/ ſie haͤtten etlichen Roͤmiſchen Kauffleuten viel Waaren vor gute
Beute abgenommen/ die ihnen nachgefuͤhret wuͤrden. Als dieſe zur erſten Grenzeſtad kah-
men/ und die Beſatzung ihrer gewahr ward/ ſchicketen ſie etliche zu ihnen hinaus/ ſtille zu
halten/ und der Feſtung ſich nicht zu naͤhern; denen Baldrich die verabſcheidete Antwort
gab/ welche dem Befehlichshaber verdaͤchtig vorkam; dann wie leicht/ ſagte er/ kan ſich ei-
ner vor des Groß Fuͤrſten Sohn ausgeben. Ward derhalben fleiſſig nachgefraget/ ob nicht
jemand in der Stad verhanden/ dieſes Fuͤrſten Kundſchaft haͤtte. Der alte Pribiſla/ Leches
Vater/ hatte einen Ritterſiz in dieſer Stad vor weniger Zeit von ſeinem ohn leibes Erben
verſtorbenen juͤngeren Bruder geerbet/ auff welchem er ſich dazumahl auffhielt; ſeiner
Diener einer wahr eine Zeitlang am Teutſchen Hofe geweſen/ welcher den jungen Fuͤrſten
wol kennete. Pribiſla ſelbſt gewan Luſt/ mit hinaus zuzihen/ ließ ſeine Gutſche anſpannen/
und fuhr mit ſeinem Knechte fort. Baldrich ſahe den Wagen von ferne kommen/ und zohe
ſich gemehlich wieder zuruͤk nach der geſchlagenen groſſen Wagenburg/ in welcher unter-
ſchiedliche groſſe Zelte auffgerichtet wahren. So bald Pribiſla daſelbſt ankam/ muſte ſein
Diener ihn bey dem jungen Fuͤrſten melden/ die einander alsbald kenneten. Valiſka wolte
vor dieſem alten lieben Freunde ſich nicht verbergen/ ward von etlichen Teutſchen nach
dem Fuͤrſtlichen Zelt gehohlet/ und gaben dieſelben vor/ es waͤhren etliche gute bekanten
bey dem Fuͤrſten/ die ihn gerne ſprechen wolten. Der gute Alte gedachte an nichts weni-
gers/ als an ſeine Obrigkeit/ und ging als in Gedanken/ biß er in das Gezelt hinein trat. Als
er nun Koͤnigin Valiſken gleich gegen uͤber erblickete/ geſchwand ihm vor freuden/ daß er
zur Erden niderſank/ da ſein Sohn Leches alsbald hinzutrat/ und mit Neda huͤlffe ihn er-
n n n iijquicke-
[470]Sechſtes Buch.
quickete/ zu ihm ſagend: Wie nun/ geliebter Vater/ wollet ihr durch euren Unfall die Froͤ-
ligkeit unſer gluͤklichen Wiederkunft betraurigen? Pribiſla ſchlug die Augen auff/ ſahe die
Koͤnigin ſtarre an/ daß er der uͤbrigen keine acht hatte/ und ſagete: O ihr mein gnaͤdig-
ſtes Fraͤulein/ was vor guͤtige Goͤtter haben eure Gn. wieder zu Lande gebracht? O des
gluͤkſeligen Tages/ welchen mich der Himmel noch hat wollen erleben laſſen! Valiſka ging
zu ihm hin/ umbfing ihn freundlich/ und antwortete: Mein lieber Freund; ja mein GOtt
hat mich gnaͤdig wieder hergefuͤhret; aber ſehet ihr euren Koͤnig Ladiſla/ uñ mein Gemahl
Groß Fuͤrſt Herkules (alſo wolte er wieder genennet ſeyn) nicht dorten ſitzen? O du glük-
ſeliger Tag! ſagte er; ſtund auff/ und wolte ſeinen Koͤnig mit vielen Worten wilkommen;
aber die Rede blieb ihm ſtehen/ daher faſſete ihn Ladiſla bey der Hand/ hieß ihn niderſitzen/
und ſagte: Es waͤre ihm ſehr lieb/ daß er ſolchen getraͤuen aufrichtigẽ Untertahnen geſund
fuͤnde. Hernach fragete er/ wie es ſeiner Fr. Mutter ginge. Sie iſt hoͤchlich betruͤbet/ gab
er zur Antwort/ und beweinet den Tod ihrer lieben Kinder/ als haͤtte ſie davonſchon gewiſ-
ſe Zeitung; wollen demnach eure Hocheit nicht ſeumen/ ſie zu troͤſten. Libuſſa wahr hingan-
gen/ ihre zwilling Soͤhnichen herzuhohlen/ und den Großvater damit zuerfreuen/ nahm ſie
beyde zugleich auff die Arme/ und ſagete: Herzlieber Herr Vater/ daß ich gleichwol euer
vaͤterliches Herz auch mit einem Beutpfeñige erfreuen moͤge/ ſchenke ich euch zween Soͤh-
ne auff einmahl/ welche uns Gott vor ohngefehr eilff Wochen beſcheret hat/ und haben wir
den aͤltern Pribiſla/ den juͤngern Leches genennet. Dem alten qual ſein Vaterherz im Leibe
auff/ daß er ſich muſte halten laſſen/ daher ihm ein Stuel geſetzet ward/ worauff nach gebeh-
tener verzeihung er ſich niderließ/ die Kinderchen auff ſeine Schoß nam/ und alſo anfing:
Ihr guͤtigen Goͤtter/ mus mir die algemeine Freude noch nicht gnug ſeyn/ daß ich auch ein
abſonderliches Gluͤk meines Hauſes auff meiner Schoß halten ſol? O ſo laſſet uns dieſe
Freude ja mit keiner bitterkeit verwermuten; wuͤnſchete endlich/ daß er nur noch zehn Jahꝛ
zuruͤk haͤtte/ und dieſes Gluͤks neben andern laͤnger genieſſen koͤnte. Sie beredeten ſich aber
hieſelbſt/ daß ſie alle Wagen/ Reuter und Pferde in dieſer Stad ſtehen laſſen/ und in enger
Geſelſchaft mit ihren Gemahlen und Kindern nach Prag fortruͤcken wolten/ ehe das Ge-
ſchrey von ihrer Wiederkunft ausbraͤche; gaben ſich auch in der Stad nicht kund/ ſondern
Pribiſla muſte wieder vorhin fahren/ und berichten/ daß ſichs alles nach geſchehener anzei-
ge verhielte/ ward ihm auch Wenzeſla/ umb mehrer beglaͤubigung zugegeben/ welcher mit
dem Befehlichshaber wol bekant wahr. Alſo wurden ſechs Gutſchen mit Frauenzimmer
und Kinderchen beladen/ und ſetzeten ſich die fuͤnff Fuͤrſten mit fuͤnff Rittern zu Pferde/
da auch Pribiſla mit ihrer Geſelſchaft auff Valiſken Gutſche fortzohe. So bald ſie vor
Prag anlangeten/ und Pribiſla nebeſt Wenzeſla von der Schildwache geſehen wurden/
ließ man ſie ungewegert in die Stad; aber vor dem Schloſſe lieſſen ſie ſich angeben/ die
Fuͤrſten Baldrich und Siegward waͤhren ankommen/ und wolten der Koͤnigin die Haͤn-
de kuͤſſen. Dieſelbe nun ſaß in ihrem abſonderlichen Zim̃er/ da ihꝛ ſolches angemeldet waꝛd/
und erwartete ihres Wenzeſla alle Stunden. Ihr wahr aber ſehr liebe/ daß die jungen
Fuͤrſten ankahmen/ von denen ſie lange keine Zeitung gehabt; ließ ſie demnach durch einen
aͤdelknaben zu ſich hinauff bitten. Die unſern hatten ſich ſehr praͤchtig/ und auff einerley
Art gekleidet; Herkules und Ladiſla ſetzeten ſich mit ihren Gemahlen auff eine Gutſche zu-
ſammen/
[471]Sechſtes Buch.
ſammen/ und machten ſie ringsumbher zu. In die andere muſten ſich Leches und Neda mit
ihren Eheliebſten ſetzen/ und hatten zween Reichsſtaͤbe/ und vier Koͤnigliche Kronen bey
ſich. In der dritten wahren die beyden Fuͤrſtinnen/ mit Euphroſynen und Agathen/ welche
die beydenjungen Herrichen bey ſich hatten. Die drey Fuͤrſten/ und hinter ihnen Prinſla
und Wenzeſla ritten voran (Fabius wahr bey den Voͤlkern blieben) biß ſie in den inner-
ſten Plaz des Schloſſes kahmen/ da ſie den abgeſchikten aͤdelknaben ſchon hatten vorhin
gehen laſſen/ mit bericht/ ſie braͤchten ſehr gute Zeitung mit ſich von dem verlohrnen Fraͤu-
lein und ihrem Herr Bruder; welches ſie ihr zu dem Ende ſagen lieſſen/ damit durch gar
zu ſchnelle unverſehene Freude ihr nicht etwas wiedriges zuſtoſſen moͤchte. Die Beſatzung
des Schloſſes hatte ſich mit ihrem Gewehr an beyden Seiten des Platzes geſtellet/ unter
denen Valiſka viel bekante Angeſichter/ auch den Befehlichhaber ſelbſt kennete/ und nicht
wol wuſte/ wie ſie unerkennet auffs Gemach kommen ſolte; endlich rieff ſie dem Hauptman
und ſagete: Schweiget/ wann ihr uns kennet/ uñ gebietet euren Knechten bey lebens ſtraf-
fe/ daß ſie ein gleiches tuhn. Stiegen darauff ingeſamt abe/ ſo daß die Koͤniginnen neben
einander voran/ Libuſſa aber und Brela mit den beyden Kronen ihnen zur Seite gingen;
hinter ihnen her Ladiſla und Herkules/ und mit beydẽ Kronen neben ihnen/ Leches und Ne-
da. Naͤheſt den Koͤnigen/ Fürſtin Lukrezie/ die von Arbianes/ und Fuͤrſtin Sibylla/ die von
dem alten Pribiſla geleitet ward. Baldrich und Siegward gingen gar voraus/ biß vor
der Koͤnigin Gemach/ traten auff erfoderung hinein/ und wurden Muͤtterlich empfangen.
Die Koͤnigin wunderte ſich/ daß Baldrich ſo groß und maͤnlich worden wahr/ dann ſie
hatte ihn in mehr als vier Jahren nicht geſehen/ kunte auch ihr muͤtterliches Herz nicht
lange bergen/ und fragete alsbald/ was vor Zeitung ſie von ihren lieben Kindern braͤchten/
und ob ſie von Padua kaͤhmen. Gleich auff dieſes Wort oͤfnete Valiſka die Tuͤhr/ und trat
mit einem laͤchelnden Angeſicht hinein/ wodurch ſie ehmahls ihr Mutterherz offt gewon-
nen und ergetzet hatte. Weil dann die alte Koͤnigin gegen der Tůhr uͤberſaß/ ward ſie ihrer
allerliebſten Tochter alsbald gewahr; woruͤber ſie laut ruffẽ ward: O mein Herzen Kind!
Hiemit blieb ihr die Rede ſtehen/ und ließ die Haͤnde in ihre Schos ſinken/ dann die unver-
ſehene Freude belief ihr Herz dermaſſen/ daß wenig fehlete/ ſie waͤhre in der Ohmacht ver-
ſchieden; welches Valiſka erſehend/ ſchleunig hinzu lief/ ruͤttelte und ſchuͤttelte ſie mit So-
phien Huͤlffe/ daß ſie endlich die Augen auffſchlug/ und ihr liebes Kind feſt an ihre Bruſt
druͤckete/ aber doch vor Freuden kein Wort ſprechen kunte. Valiſka kuͤſſete ſie ohn un-
terlaß/ und ſagete: Herzallerliebſte Fr. Mutter; darff eure ungehorſame Tochter
ſich auch wieder vor euren Augen finden laſſen/ die durch ihr Luſtfahren euch ſo mannich
tauſend Herzleid gemacht hat? Ach mein Herzen Schaz/ antwortete ſie/ habe ich dich dañ
warhafftig in meinen Armen/ oder iſt es nur eine bloſſe Einbildung? Allerliebſte Fr. Mut-
ter/ ſagte ſie; ja mein gnaͤdiger Gott hat mich wieder hergefuͤhret; und ſehet da meine herz-
liebe Fr. Schweſter/ Koͤnigin Sophia/ eure auch ergebene Tochter. Die Mutter erhoh-
lete ſich hierauff/ kunte aber ihre Valiſken ſo ſchleunig nicht verlaſſen/ ſondern hing feſt als
eine Klette an ihr/ biß ſie aller dinge ſich beſan/ da ſie ihre Schnuhr auch mit küſſen und um-
fahen wilkommen hieß/ kehrete ſich hernach wieder zu Valiſken/ und ſagete: Ich hoffe ja/
daß dein Bruder/ und mein Sohn Herkules ſich auch werden wieder geſtellet haben. Ja/
Fr. Mut-
[472]Sechſtes Buch.
Fr. Mutter/ antwortete ſie; ſie werden beyde bald bey euch ſeyn. Gleich damit traten ſie
zur Tuͤhr hinein/ und begegnete ihnen die Koͤnigin mit offenen Armen/ umfing ſie zugleich/
und kuͤſſete einen umb den andern/ unter welcher Zeit Libuſſa und Brela die jungen Herri-
chen hohleten/ da Sophia den ihren ſeiner Großmutter darboht/ welchen ſie alsbald zu
ſich nam/ und ihn herzete und kuͤſſete. Valiſka hielt ſich mit ihrem Herkuliſkus hinter den
andern verborgen/ biß ſie dieſen Herkuladiſla wieder von ſich gab/ trat hernach unvermut-
lich/ zu ihr/ und ſagete: Sehet da Fr. Mutter/ ich wil euch auch meinen und meines Her-
kules Soͤhnlein ſchenken/ meinen allerliebſten Herkuliſkus/ damit ich nicht mit geringerem
Beutpfennige komme/ als meine Fr. Schweſter Koͤnigin Sophia. Die Mutter bewaͤge-
te ſich hieruͤber noch zum aller meiſten/ daß man ihr einen Stuel ſetzen muſte/ geberdete ſich
auch mit dem ſchoͤnen Kindichen über alle maſſe freundlich/ und ſagte zu ihm: Ach du mein
trauten Schaz/ biſtu ſchon dar/ du ſchoͤnſte Frucht der ehelichen Liebe/ welche ich ſo offt ge-
wuͤnſchet habe? welches das Kindlein mit einem lieblichen Lachen anhoͤrete. Hernach ſa-
gete ſie zu ihnen ingeſamt: Ihr allerliebſten Herzen/ wie komt ihr mir doch ſo gar ungemel-
det/ daß kein einiger Menſch euer Ankunfft Wiſſenſchafft hat? O des gluͤklichen Tages/
den wir jaͤhrlich feiren ſollen! Valiſka hatte Brelen ſchon hinaus geſchikt/ die beiden Fuͤr-
ſtinnen zuhohlen/ welche/ da ſie zur Tuͤhr hinein traten/ ſagte Ladiſla: Gn. Fr. Mutter/ ihr
habt eure Kinder noch nicht alle gewilkommet; ſehet da Fuͤrſt Baldrichs und Siegwards
Gemahlen/ meines Ehe Schatzes naͤheſte Blutverwanten/ welche mit uns kommen ſind/
euch kindlich zugruͤſſen. Ey ſo haben meine geliebte Herren Soͤhne ſich auch verheirahtet?
ſagte ſie; trat ihnen entgegen/ und mit einem freundlichen Kuſſe hieß ſie dieſelben ſehr wil-
kommen ſeyn; wie auch zulezt Fuͤrſt Arbianes wol empfangen ward. Der Koͤnigin Hof-
meiſterin ſahe dieſem allen mit Verwunderung zu/ lief endlich nach dem Frauenzimmer/
und taht ihnen zuwiſſen/ das verlohrne Fraͤulein mit ihrem Herr Bruder und Gemahl
waͤhren wieder zu Hauſe angelanget/ und ſchon bey der Koͤnigin auf ihrem Gemache; wo-
durch eine neue Freude entſtund/ da ſie ingeſamt hinlieffen/ ihr umb den Leib/ Arm uñ Bei-
ne fielen/ daß ſie ſich nicht ruͤhren kunte/ und ihnen ſolche freude doch nicht wehren wolte.
Es iſt nicht zubeſchreiben/ wie viel Freuden Traͤhnen uͤber ihr vergoſſen wurden/ inſon-
derheit wuſte die liebe Mutter nicht/ weſſen ſie ſich geberden folte/ dann die Freude wahr
zu groß/ welche ſich nicht halten ließ/ und doch auff einmahl nicht loßbrechen kunte. Doch
erzeigete ſie ſich uͤber niemand anmuhtiger/ als wann ſie ihre Tochter und den kleinen Her-
kuliſkus im Arme hatte. Ladiſla ſendete Leches hinunter auff den Plaz/ der Beſatzung an-
zudeuten/ ſie ſolten ſich uͤber ihres Koͤniges und ſeiner Fr. Schweſter gluͤklicher Wieder-
kunfft freuen/ daher ſie ein ſolches Freuden Geſchrey (Koͤnig Ladiſla lebe/ Fuͤrſtin Valiſka
lebe) anfingen/ daß es durch die ganze Stad erſcholle/ und alle Inwohner herzu lieffen/ um
zuvernehmen/ was ſolches frohlocken bedeuten moͤchte; darum ward Leches zu ihnen hin-
aus geſchickt/ der ihnen anmeldete/ ihr Koͤnig mit ſeinem Gemahl und Frau Schweſter
waͤhren auff dem Schloſſe gluͤklich angelanget. Da haͤtte man nur ein Gejauchze und
gluͤk wünſchen durcheinander hoͤren ſollen; dann die Gaſſen wurden je laͤnger je mehr mit
Menſchen angefuͤllet; Die vornehmſtẽ Frauen und Jungfern der Stad lieffen in ihren
haͤußlichen Kleidern durch das gemeine Volk hin und her/ und wahr alles ihr wuͤnſchen
und
[473]Sechſtes Buch.
und bitten/ ihr Koͤnig und ſeine Fr. Schweſter moͤchten ihnen doch ihr Angeſicht ſehen
laſſen; welche ihnen ſolches nicht verſagen wolten; maſſen Ladiſla mit ſeinem Gemahl/
ſamt ſeiner Fr. Schweſter und Herkules/ ſtelleten ſich auff die Zinnen der Schloßmaur/
daß ſie von allen kunten geſehen werden/ da Herkules/ nach dem er mit winken ihnen ein
Zeichen/ daß er wolte gehoͤret ſeyn/ gegeben hatte/ alſo anfing: Ihr loͤblichen Einwohner
dieſer Stad und des ganzen Koͤnigreichs; billich habt ihr Gott hoch zudanken/ daß der-
ſelbe euren Koͤnig nach ausgeſtandener Gefahr und erworbenen groſſen Ehren uñ Reich-
tuhm euch zum beſten/ friſch und geſund wieder her geführet hat. Ich wil eure vorigen Koͤ-
nige zwar nicht verachten/ aber an dieſen gegenwaͤrtigen reicht ihrer keineꝛ mit ſeinen Tah-
ten; dann dieſer euer Koͤnig iſt in den weit abgelegenen Aſiatiſchen Koͤnigreichen und Her-
ſchafften dermaſſen beruͤhmt/ daß auch die kleinen Kinderlein/ ihn vor einen Schuz-Gott/
und die Feinde vor ihren Verderber beſingen. Die Zeichen ſeineꝛ Koͤniglichen Ehre wer-
det ihr morgen ſehen/ nachdem er mehr Gold und Kleinot mit ſich gebracht/ als das gan-
ze Koͤnigreich nicht den zehnden Teil auffzubringen vermoͤgens iſt/ wann ſie gleich alles
zuſammen raſſen. Eures Koͤniges wirdige Gemahl ſehet ihr zu ſeiner Seiten ſtehen/ wel-
che ihm ſchon einen Erben/ und da er leben ſol/ einen Nachfolger im Reich/ an dieſe Welt
gebohren hat. Euer angebohrnes Koͤnigliche Fraͤulein hier an meiner Hand gegenwaͤrtig/
hat mir Gott zum Ehe Schatze beſcheret/ und wird unvonnoͤhten ſeyn/ daß ich euch meinẽ
Nahmen/ Herkules gebohrner Groß Fuͤrſt aus Teutſchland/ nenne. So ſeyd nun froͤlich
uͤber eurem Koͤnige und deſſen gluͤklicher Wiederkunfft/ und verſehet euch zu demſelben
aller Gnade/ Schutzes und Liebe/ worzu ſeine Koͤnigl. Hocheit ſich gnaͤdigſt anerbeut.
Hierauff erhub ſich ein neues frolocken von Jungen und Alten/ daß es auff den naͤheſten
Doͤrffern und Flecken gehoͤret ward; Jederman ließ ſeine Handtihrung liegen/ ſchlach-
teten ihren Goͤttern Opfer (welches man ihnen nicht wehren durffte) und richteten unter
einander Freudenmahle an. Koͤnig Ladiſla ſendete noch deſſelben Tages reitende Bohten
durch ſein ganzes Koͤnigreich/ die ſaͤmtlichen Land Staͤnde zuverſamlen/ damit bald im
Anfange alle Irrungen und Streitigkeiten zwiſchen der Ritterſchafft und den Staͤdten
auffgehoben und gaͤnzlich abgetahn/ gute Reichs Satzungen geſtellet/ die Grenze Staͤdte
beſichtiget/ an Graben/ Wahl und Mauren gebeſſert/ und die Beſatzungen geſtaͤrket/ auch
die junge Manſchafft durch das ganze Reich mit Gewehr verſehen/ und darinnen fleiſſig
geuͤbet wuͤrde. Des folgenden Tages gegen Abend/ kahmen die beladene Wagen/ Kameh-
le und Maul Eſel/ ſamt den vielen Gutſchen/ Hand Pferden und dem groſſen Elefanten
an/ neben welchem der Loͤue in ſeinem Kefich auff einem eigenen Wagẽ hergefuͤhret ward/
uͤber welches alles ſich die Inwohner und die Koͤnigin ſelbſt verwunderten/ und das unge-
heure Tihr/ desgleichen nie zuvor daſelbſt geſehen wahr/ nicht gnug beſchauen kunten. Als
die Land Staͤnde ſich eingeſtellet hatten/ hielt Koͤnig Ladiſla drey Tage offenen Hof/ und
wurden die vornehmſte Herren ſehr wol gehalten/ ſo daß in der Zeit 20 Fuder des mitge-
brachten koͤſtlichen Weins drauff gingen. Am dritten Tage muſte die junge Ritterſchafft
ein Stechen halten/ da ſich ausfuͤndig machete/ daß deren ein groſſer Teil beſſer gelehret
wahr/ die groſſen Trinkgeſchir auszuſauffen/ als die ritterlichen Waffen zugebrauchen/
welches Ladiſla ihren Eltern verweißlich vorhielt/ und die aͤdlen ganz ernſtlich vermahne-
o o ote/ ſich
[474]Sechſtes Buch.
te/ ſich eines nuͤchtern und maͤſſigen Lebens zubefleiſſigen/ und in allerhand ritterlichen uͤ-
bungen ſich taͤglich zugebrauchen; ob ſie nicht wuͤſten/ was vor einen grimmigen Feind ſie
an dem Pannoniſchen Volk haͤtten/ welche den Waffen Tag und Nacht oblaͤgen; wuͤr-
den ſie nun im Muͤſſiggange die Zeit zubringen/ uñ die Streit Kunſt hindan ſetzen/ wuͤrden
ſie auſſer allem Zweifel in kurzer friſt den Pannoniern zu Leibeigenen gedeien/ da ſie dann
nicht allein ſich ſelbſt/ ſondern auch ihre Eltern verfluchen wuͤrden/ daß ſie von ihnen nicht
zur Ritterſchafft waͤhren angehalten worden. Welche Vermahnung dann ſo groſſen Nu-
tzen ſchaffete/ daß ſie ingeſamt verſprachen/ ſich zubeſſern/ und deſſen uͤber wenig Wochen
einen Beweißtuhm vor ihrem Koͤnige abzulegen. Die junge Manſchafft in Staͤdten und
auff den Doͤrffern ward auch zum Gebrauch der Waffen angefuͤhret/ und muſten alle
Waffen Schmiede fleiſſig arbeiten/ daß deren ein guter Vorraht gemacht wuͤrde/ dero be-
huef ihnen Ladiſla zwo Tonnen Goldes austeilen/ und eine gewiſſe Anzahl einſetzen ließ/ wie
viel Schwerter/ Spieſſe/ und andere Waffen ſie inwendig zehn Wochen einſchaffen ſol-
ten; endlich ward der Schluß gemacht/ daß Ladiſla und ſein Gemahl des fünfften Tages
hernach oͤffentlich ſolten gekroͤnet werden/ worzu fleiſſige Zubereitung gemachet ward.


Des naͤhſt folgenden/ als des vierten Tages vor der angeſetzeten Kroͤnung/ brachtẽ
die Jaͤger Knechte ein abſcheuliches Wunder Tihr mit ſich aus dem Walde/ welches einẽ
Leib hatte wie ein Baͤhre/ zween Koͤpfe neben einander/ der rechte wahr ein gezaͤumter
Pferde Kopf mit zween ſpitzigen Hoͤrnern/ faſt einer halben Ellen lang; der linke ein groſ-
ſer Wolffes Kopf mit einer langen außhangen den Zungen; der Leib wahr zottich rauch
und Feurroht/ und lieff auff zween Menſchen Fuͤſſen (welche die foͤrderſten) uñ auff zween
Ochſen Fuͤſſen (welche die hinterſten wahren) ſehr geſchwinde/ daß die Jaͤger einen ganzen
Tag zu tuhn gehabt hatten/ ehe ſie es ermuͤden und fahen koͤnnen. Unſere Fuͤrſtliche Geſel-
ſchafft muhtmaſſete daher wenig gutes/ und bahten Gott/ daß nach ſeiner Barmherzig-
keit er alles Ungluͤk von ihnen und ihren Herſchafften gnaͤdig abwenden wolte.


Farabert der Fraͤnkiſche Ritter eilete auff der Reiſe nach ſeinem Koͤnige/ gewaltig
fort/ welchem Herkules uͤm mehrer ſicherheit willen 20 Roͤmiſche Reuter zur Begleitung
zugegeben hatte. So bald er bey ſeinem Koͤnige anlangete/ trug er anfangs kuͤrzlich vor/
wie ganz gnaͤdig er beides von der Groß Fuͤrſtin Valiſka/ und dem unvergleichlichen
Groſ Fuͤrſten Herkules ſelbſt/ gehalten waͤhre/ meldete deren anbefohlnen mündlichen
Gruß ſowol der Koͤnigin als dem Koͤnige ſelbſt an/ und uͤberlieferte ihr die beiden belade-
nen Maul Eſel/ als einen Beutpfennig/ von Groſ Fuͤrſtin Valiſken auß kindlicher Liebe
uͤbergemacht/ nebeſt demuͤhtiger Bitte/ ſolchen gnaͤdig von ihr anzunehmen; welches al-
les die Koͤnigin nicht wenig befremdete/ inſonderheit da ſie die uͤbergeſchikten koͤſtlichen
Sachen in des Koͤniges Anweſenheit hervor nam/ als 12 guͤldene Ringe von allerhand
koſtbahren Steinen; 12 Kleinot zum gnugſahmen Koͤniglichen Schmuk; eine Demant-
Kette/ ein par Armbaͤnder von Demant; 12 Schuͤſſeln/ 24 Teller; 4 Leuchter; 4 Scha-
len von reinem Silber und ſtark uͤberguͤldet; ein groſſes Trinkgeſchier/ in Geſtalt eines
Schiffes; 12 Becher in einander geſtekt; 4 Salzfaͤſſer; und 4 Gieſkannen; und zwar die-
ſe viererley von reinem Golde gegoſſen; endlich allerhand teurbahre Tuͤcher von Guͤlden
und Silbern Stuͤk; welches alles die Koͤnigin mit Verwunderung anſahe/ und von Fa-
rabert
[475]Sechſtes Buch.
rabert zuwiſſen begehrete/ ob ſie glaͤuben duͤrffte/ daß ihr ſolches von der jungen Teutſchen
Groſ Fuͤrſtin auß einem rechten Freundesherzẽ geſchicket wuͤrde. Worauff er antwortete/
daß bey ſeinen ritterlichen ehren er nicht anders glaͤuben koͤnte/ angeſehen der hohen Be-
teurungen/ welche er auß ihrem und ihres Gemahls munde gehoͤret haͤtte/ zeigete danebẽ
an/ was groſſe Geſchenke er vor ſich ſelbſt haͤtte annehmen muͤſſen. Der Koͤnig fing dar-
auff an; das muͤſſen redliche und ſehr ehrliebende Herzen ſeyn/ welche ſich dergeſtalt gegen
unserzeigen. Er ſahe den Brieff an/ und das beigefuͤgte Schaͤchtelchen/ welches von Klei-
noten zimlich ſchwehr wahr/ und als ihm das praͤchtig geſchmuͤkte Pferd und der belade-
ne Maul Eſel darzu gezeiget ward/ ſagte er; ihr Goͤtter/ helfft meinem Sohn zur voͤlligen
Geſundheit/ wie ich deſſen auß dem guten Anfange eine ſtarke Hoffnung habe/ und gebet
mir Gelegenheit/ mich dieſen trefflichen wunder Leuten dankbar zuerzeigen. Er haͤtte ſei-
nem Sohn den Brieff gerne ungebrochen eingehaͤndiget/ fuͤrchtete ſich aber/ es moͤchte
ein oder anders darinnen begriffen ſeyn/ welches zu ſeiner Beſſerung mehr ſchaͤdlich als
befode[r]lich waͤhre; ließ den Arzt zu ſich fodern/ und fragete nach ſeines Sohnes Zuſtande/
nebeſt Anmeldung/ daß ein Schreiben von der jungen Groſ Fuͤrſtin ankommen waͤhre;
Der Arzt gab zur antwort/ es lieſſe ſich je laͤnger jemehr zur beſſerung an/ und waͤhre nicht
allein die wahnſinnige raſerey hinweg/ ſondern er finge ſchon an ſich fein zubegreiffen/ und
verſtaͤndig zureden/ wie wol mit wenig Worten. Der Koͤnig fragete weiter/ ob er vor raht-
ſam hielte/ ihm das Schreiben zuzuſtellen/ und was ihm vor Geſchenke dabey uͤbermacht
waͤhren. Er bedachte ſich darauff ein wenig/ und gab ſein bedenken/ dafern das Schreiben
ñichts Herzenruͤhriges in ſich begreiffen wuͤrde/ koͤnte es wol geſchehen/ daher es wuͤrde
noͤhtig ſeyn/ es zubrechen und durchzuſehen; welches der Koͤnig alsbald leiſtete/ und die-
ſen Inhalt fand:


Durchleuchtigſter Koͤniglicher Groß Fuͤrſt/ freundlicher in Ehren geliebter Herr Oheim;
Wie mannicher Gefahr ich gleich eine zeitlang unterworffen geweſen bin/ habe ich dannoch nicht um-
hin gekunt an Ihre Liebe zugedenken/ in betrachtung der hohen Zuneigung/ welche dieſelbe durch An-
werbung umb mich zu einem Gemahl/ Sonnenklar hat ſehen laſſen; da ich dann mich ſchuldig ge-
wuſt/ Eurer Liebe begehren in Ehren zuerfuͤllen/ dafern nicht eine lautere Unmoͤgligkeit mich daran
verhindert haͤtte. Weil aber ein jeder Tugendliebender Menſch gehalten iſt/ redliche und auffrichtige
Freundſchafft nach allem Vermoͤgen zuvergelten/ ſo verſichere Eure Liebe ich hiemit und kraft dieſes/
beſtaͤndigſt/ daß ich zeit meines Lebens ſeyn und bleiben werde/ des treflichen Koͤniglichen Groß Fuͤr-
ſten Markomir in ehren ergebene getraͤue Schweſter/ bin auch willig und erboͤtig/ mit deſſen Liebe al-
le meine Gluͤkſeligkeit gemein zuhaben/ nichts uͤberal ausgenommen/ nach dem ich verſichert weiß/ dz
dieſelbe/ ihrem Tugendergebenen Herzen nach/ nichts als ehrenzulaͤſſige Freundſchafft an mich und
meines gleichen geſinnen kan. Es hat mich zwar eine fliegende Zeitung von Euer Liebe Unpaͤßligkeit
und Gemuͤhts Traurigkeit nicht wenig erſchrecket/ hoffe aber zu dem Almaͤchtigen wahren GOtt/ es
werde mein teurer Fuͤrſt alle unnuͤtze Bekuͤmmerniß aus ſeiner Seele verjagen/ worzu ich deſſen Liebe
ſchweſterlich wil ermahnet haben/ auch deren Gewogenheit daher erkennen/ wann ſie mir hierinnen
bruͤderliche Folge leiſten wird. Beigefuͤgtes Perſiſche Pferd/ und andere geringfuͤgige Sachen/ wolle
mein Herr Bruder von ſeiner in Ehren ergebenen Schweſter Valiſken anzunehmen unbeſchweret
ſeyn/ und beygefuͤgte 2000 Kronen ſeinem Arzt in meinem Nahmen einreichen/ zur Bezeugung/ daß
denſelben ich bey ſeinem Gewiſſen erinnere/ allen moͤglichen Fleiß zu Eurer Liebe Geſundheit anzu-
wenden/ und auff kuͤnfftige gute Zeitung Ihrer Liebe voͤlligen Beſſerung/ ein gedoppeltes von mir ge-
o o o ijwaͤrtig
[476]Sechſtes Buch.
waͤrtig zuſeyn. Ich bin und werde ſeyn (naͤhſt Begruͤſſung Eurer Liebe Eltern/ als meines Gn. Herrn
Vaters und Fr. Mutter) meines hoͤchſtgeliebeten Herrn Bruders/ des teuren Fuͤrſten Markomir eh-
renbereitwilligſte Schweſter Valiſka.


Dem Koͤnige uͤberlieffen die Augen von Freuden Traͤhnen/ und der Arzt freuete ſich
nicht wenig des uͤbergeſchikten Geſchenkes/ rieht/ daß dem jungen Fuͤrſten das Schrei-
ben alsbald gelieffert wuͤrde/ welches ſie/ weil das Pitſchafft unverletzet wahr/ fein und
unvermerket zumachten: nahmen die Wetſcher und Kleinot Schachtel mit ſich/ und gin-
gen zu dem jungen Fuͤrſten in ſein Gemach/ welcher auff ſeinem Lager lag/ und allerhand
Gedanken in ſeinem Gehirn herumb ſchweben ließ/ da der Vater ihn alſo anredete: Ge-
liebter Sohn/ wir werden dir Zeitung bringen von groſſer Wichtigkeit/ und erinnern dich
beiderſeits/ daß du ſolches ohn ſonderliche Gemuͤhts Bewaͤgung annehmeſt. Gn. Herr
Vater/ antwortete er; was kan einem ſolchen elenden Menſchen/ als ich bin/ vorgebracht
werden/ daß ihn ſonderlich bewaͤgen ſolte? Er wolte weiter reden/ aber der Vater fiel ihm
ins Wort/ und ſagte: Was nenneſtu dich einen elenden? iſt dir ein Ungemach zugeſtoſſẽ/
das ſchlage auß dem Sinne/ und danke den gütigen Goͤttern/ daß ſie deiner Geſundheit
dich wieder vergewiſſern wollen. Damit wir dich abeꝛ nit zulange auffhalten/ ſo wiſſe/ daß
deine allerbeſte und angenehmſte Freundin und Schweſter dir dieſen Brieff ſendet/ und
andere Sachen mehr; hoffen/ du werdeſt es gerne annehmen/ und dich bruͤderlich
gegen dieſelbe erklaͤren. Markomir/ als auß einem tieffen Schlaffe erwachete/ fragete den
Vater/ was vor eine Freundin er dann haͤtte? je mein Sohn/ antwortete er/ eben dieſelbe/
uͤmb deret Willen du dich dieſe ganze Zeit her gehermet haſt. Ach mein Herr Vater/ ſagte
er/ iſt dieſelbe meine Schweſter und Freundin? ja iſt dieſelbe annoch im Leben? freilich iſt
ſie noch im leben/ antwortete er; und ob ſie deine Freundin ſey/ wird/ meinem vermuhten
nach/ dieſer Brieff dir ſagen/ dafern du ihn nur leſen wirſt. O mein Herr Vater/ ein Brief?
ſagte er/ ein Brieff von dem unvergleichlichen Fraͤulein an mich Unwirdigen? rede nicht
ſo veraͤchtlich von dir ſelbſt/ antwortete der Vater; du weiſt ja wer du biſt; nim vielmehr
dieſes Schreiben und lieſe es ſein bedachtſam durch. Er griff mit beiden Haͤnden darnach/
beſahe das Pitſchafft/ umb welches der Nahme Valiſka gegraben wahr/ kuͤſſete den
Brieff/ laß ihn langſam durch mit Traͤhnen flieſſenden Augen/ und als er ihn gar zu Ende
gebracht hatte/ ſagte er mit einem Seuffzer: Ihr Goͤtter/ O ihr guͤtigen Goͤtter; euch
danke ich von Herzen/ daß ihr dieſer allerwirdigſten Fraͤulein Gnade und Gewogenheit
mir erworben und zugewendet habet/ und mich wirdig gemacht/ einen Gruß und Befehl
von ihr zuerhalten. O ihr mein lieber Arzt/ wendet allen Fleiß an zu meiner Geſundheit/
damit ich dieſelbe bald ſehen moͤge/ welche nach dieſem als meine allerwirdigſte Frl.
Schweſter ich ehren wil/ weil ich deren ehelicher Liebe mich ganz unwirdig weiß. Der Va-
ter und der Arzt hoͤreten dieſe Worte mit ſonderlicher Herzens Freude an/ und oͤffnete der
junge Fürſt darauff die Schachtel/ auß welcher er ſechs koͤſtliche Ringe/ ſo viel maͤnliche
Kleinot/ und eine Demant Kette hervor nam/ aber das unterſte/ welches in einem ſeidenẽ
Tüchlein eingewickelt wahr/ erfreuete ihn noch am meiſten/ nehmlich ein Armband auß
ihren Haaren/ mit den koͤſtlichſten Perlen durchwickelt/ wobey dieſes kleine Brieflein lag:


Meinem
[477]Sechſtes Buch.

Meinem hochwerten Herrn Bruder/ Groß Fuͤrſt Markomir/ zur Bezeugung und Feſthaltung
Schweſterlicher Traͤue und Liebe.


Viel zuviel/ allerwerteſte Fuͤrſtin/ ſagte er nach Verleſung; an deſſen Vergeltung
ich auch durch auffopferung meines Blutes nicht reichen kan; band es geſchwinde umb
ſeinen rechten Arm/ und ſagte: dieſes wuͤrde mich vom Tode zum Leben aufferwecken/ wa-
rumb dann nicht viel leichter von der Gehirns Verwirrung zur voͤlligen Vernunfft? die
Wetſcher ließ er auch auffſchlieſſen/ auß welchem allerhand koͤſtliche Guͤlden und Silbern
Stuͤk zu ſeiner Kleidung genommen wurden/ inſonderheit ein groſſer ſchneeweiſſer Feder-
buſch/ welchen er auff ſeinen Huht zuſtecken befahl. Und weil die genennete 2000 Kronen
ſich auch funden/ reichete er ſie dem Arzt/ und ſagete; erinnert euch eurer Schuld/ und ver-
ſichert euch von mir aller Gnade. Endlich legte er ſeinen Schlaffrok an/ und ließ ſich auff
den Gang leiten/ das uͤbergeſchikte Pferd zuſehen/ welches ihm ſehr wol gefiel/ und wuͤn-
ſchete/ daß ers bald beſchreiten moͤchte. Der Arzt verwunderte ſich ſeiner Freidigkeit und
vernunfftigen Rede/ dergleichen er von ihm noch nicht gehoͤret hatte/ bedankete ſich unter-
taͤhnigſt wegen des groſſen Geſchenkes/ und ermahnete den Fuͤrſten/ er moͤchte nur bey
ſolcher angenommenen Weiſe beſtaͤndig bleiben/ aller ſchwermuͤtigen Traurigkeit Ur-
laub geben/ und ſeine Arzney fleiſſig gebrauchen/ als dann ſolte er mit der Goͤtter Huͤlffe
inwendig vier oder funf Wochen ſeine voͤllige Geſundheit und Kraͤffte wieder erlangen.
Worauff er antwortete: Mein Freund/ alle Urſach meiner Bekuͤmmernis iſt verſchwun-
den/ warumb ſolte ich dann meine Seele noch weiters peinigen? der Himmel goͤnne mir
nur das Gluͤk/ daß ich dieſer Fuͤrſtin Angeſicht ſehen moͤge/ deren ſchweſterliche Hulde mir
ungleich lieber iſt als aller Welt Schaͤtze. Seine Fr. Mutter kam auch darzu und weine-
te vor Freuden uͤber ihres Sohns gutem Zuſtande/ welcher dann von Tage zu Tage an
Verſtand und Kraͤfften zunam/ biß er inwendig verſprochener Zeit zu voͤlliger Geſund-
heit gelangete.


Unſere Fuͤrſtliche Geſelſchafft zu Prag lebete inzwiſchen in aller zulaͤſſigen Ergetz-
ligkeit/ und erwarteten des angeſetzten Tages der Koͤniglichen Kroͤnung/ wobey Valiſka
einen ſonderlichen Auffzug zumachen/ in voller Zubereitung wahr/ und nicht deſto we-
niger mit ihrem Herkules taͤglich uͤberlegte/ auff was Mittel und weiſe er bey ſeinem
Herr Vater voͤllig moͤchte koͤnnen außgeſoͤhnet werden.


Ende des Sechſten Buchs.


o o o iijDes
[478]

Des Chriſtlichen Teutſchen
Herkules
Siebendes Buch.


DAß dieſer Welt Freude und Wolluſt kurz und unbeſtaͤndig ſey/ und immerzu
mit Leid und Unfal verſalzẽ werde/ ſolches muſte auch unſeꝛe froͤliche Geſelſchaft
zu Prag vor dißmahl erfahren/ welche an nichts widriges gedachten/ ſondern
allenthalben Anordnung macheten/ was zur praͤchtigen Kroͤnung des neuen Koͤ-
niges und der jungen Koͤnigin dienen koͤnte. Drey Tage vor ſolchem beſtimmeten Land-
Feſte/ meldete ſich ein Teutſcher Reuter vor dem Koͤniglichen Schloſſe an/ er kaͤhme aus
Teutſchland von dem Groß Fuͤrſten/ und begehrete von der Koͤnigin Verhoͤr/ welches kei-
nen Auffſchub leiden wolte. Es ward ſolches der Fuͤrſtlichen Geſelſchafft angedeutet/ wel-
che daher ſchon ſchlechte Hoffnung zur guten Zeitung faſſeten/ inſonderheit da ſie bald
darauff Herkules ehmaligen aͤdlen Diener/ den getraͤuen Ekhard (der dieſe zwey Jahr
her ſich wieder bey dem Groß Fürſten in Dienſte begeben hatte) ſahen zur Tuͤhr hinein tre-
ten/ und von ſeinem ehmaligen Herrn der ihn alsbald keñete/ alſo angeredet ward: Mein
guter Ekhard/ lebeſtu noch? was verurſachet deine ſchnelle einſame Ankunfft? gehets auch
daheim noch wol zu? und was gutes neues bringeſtu uns von meinen lieben Eltern? Die-
ſer entſetzete ſich uͤber der unvermuhtlichen gegenwart dieſer Hoch Fuͤrſtlichẽ Geſelſchaft/
ließ einen tieffen Seufzer gehen/ und gab zur Antwort: Ihr Durchleuchtigſte Fuͤrſten/
ich freue mich von herzen ihres guten Wolergehens/ und tuht mir ſehr leid/ daß ihre Froͤ-
ligkeit ich ſtoͤren/ und der unſelige Bohte ſeyn muß/ Eure Durchll. klagend zuberichten/
was geſtalt der meinaͤidige Wendiſche Raͤuber Fuͤrſt Krito und ſein Sohn Gotſchalk/
meinen gnaͤdigſten Groß Fuͤrſten/ ſamt deſſen Gemahl und Fraͤulein Tochter/ verraͤhte-
riſcher weiſe/ und unter dem ſchein einer freundſchafft/ mit einem Heer überfallen/ ſie ge-
fangen mit ſich nach Frießland gefuͤhret/ und ſeine Diener/ wenig ausgenommen/ erſchla-
gen haben. Die ganze Geſelſchafft erſchraken zum hefftigſten wegen dieſer Zeitung/ inſon-
derheit Fuͤrſt Arbianes/ welcher fuͤrchtete/ daß nun alle Hoffnung der ſo hochgewünſchetẽ
Heyraht in Brunnen fallen wuͤrde. Herkules und Ladiſla ſtun den alsbald auf/ denen Va-
liſka/ Baldrich und Siegward folgeten/ und nach kurzer Beredung entſchloſſe ſie ſich/
ihrer Eltern und Verwanten Rettung ungeſeumet vorzunehmen/ da ihnen dann ſehr wol
zuſtatten kam/ daß nicht allein die Voͤlker aus den Beſatzungen in die 8000 ſtark/ ſondern
ein guter Teil der Ritterſchafft/ 12000 zu Pferde ſich zu Prag eingeſtellet hatten/ worzu
noch deſſelben Tages alle naͤhſtanwohnende junge Manſchafft mit ihrem beſten Gewehr
auffgemahnet ward/ deren ſich 14000 gegen folgenden Morgen einſtelleten/ und ward
die Nacht uͤber alles zum ſchleunigen Aufbruch fertig gemacht/ die Wagen mit Speiſen
beladen/ und dem Fußvolk alle mitgebrachte Pferde zum reiten ausgeteilet/ ſo daß ſie ſchon
ein anſehnliches Heer beyeinander hatten/ da Arbianes alle Parther und andere Mor-
genlaͤndiſche Voͤlker zu ſich foderte/ und ihnẽ zuverſtehen gab/ was man vor einen Zug vor-
haͤtte/ bey welchem Ehre zuerwerben ſtuͤnde/ hoffete/ ſie wuͤrde ſich als redliche Leute haltẽ/
und
[479]Siebendes Buch.
und ihrer getahnen Zuſage eingedenke ſeyn/ auff welchen Fall er ſie zu ſich nehmen/ und als
ſeine Leibvoͤlker fuͤhren und gebrauchen wolte. Dieſe erfreueten ſich deſſen hoch/ erbohten
ſich Leib und Leben bey ihm auffzuſetzen/ und nicht minder bemuͤhet zu ſeyn/ in dieſen Laͤn-
dern einen Nahmen zuerſtreiten/ gleich wie in ihrem Vaterlande die Teutſchen und Boͤh-
men getahn haͤtten. Das ſaͤmtliche Frauenzimmer wahr überaus betruͤbet/ da ſie ſahen/
daß Gefahr und Blutvergieſſen von neuen wieder angehen ſolte/ und ließ die alte Koͤnigin
ihre heiſſe Traͤhnen flieſſen/ daß ſie ihre liebſtẽ Soͤhne ſo bald wieder von ſich laſſen muſte/
und ſie doch keines weges von der Reiſe abhalten kunte; nur ſuchte ſie bey ihnen inſtaͤndig
an/ ſich weder vor noch nach geſchehener Erloͤſung zu ſeumen/ alsdañ wolte ſie mit ihren
Ehegemahlen und Kinderchen ihrer froͤlichen Wiederkunft geduldig erwarten; welches
Valiſka alſo beantwortete: Herzen Fr. Mutter/ ich wil euch zwar mein allerliebſtes Soͤhn-
lein Herkuliſkus hie laſſen/ aber von meinem Herkules ſcheide ich lebendig nimmermehr/
zweiffele auch nicht/ euer muͤtterliches Herz werde mir dieſe Reiſe gerne zulaſſen. Fr. So-
phia ſagte desgleichen; ſie haͤtte ihrem Heylande angelobet/ ihren Ladiſla nicht mehr zuver-
laſſen; ſo wolten Frr. Lukrezie und Sibylla auch nicht dahinden bleiben ſondern mit ihren
Gemahlen gleiche Gefahr gerne ertragen; troͤſteten daher die alte Koͤnigin ingeſamt/ ſie
moͤchte ein gut Herz haben/ ihre Reiſe ginge nicht über Meer/ noch in die Wildfremde/ ſon-
dern ſie blieben auff Teutſchen Grund und Bodem. Ekhard ward zwo Stunden nach ſei-
ner Ankunft mit Leches und Prinſla wieder nach Teutſchland fortgeſchicket/ ſo viel guter
Mañſchaft/ als moͤglich/ im nahmen der Boͤmiſchen Koͤnigin uñ Fuͤrſt Baldrichs zuſam-
men zutreiben/ und muſten 20 Teutſche/ ſo mit aus Aſien kommen wahren/ mit ihnen fort/
nachdem ſie alle aͤidlich angelobethatten/ daß ihrer keiner von Herkules und Ladiſla Wie-
derkunft nicht daß aller geringſte in Teutſchland melden wolten. Niemand trieb den Auff-
bruch ſchleuniger als Arbianes/ dann er befahrete/ das Fraͤulein wuͤrde durch Zwang ſich
dem Wendiſchen jungen Fuͤrſten muͤſſen beylegen laſſen; daß wo Valiſken Troſt nicht ge-
weſen/ wuͤrde er vor Angſt vergangen ſeyn. Er foderte nochmahls ſeine Landsleute vor
ſich/ ließ ihnen 30000 Kronen austeilen/ und daß ein jeder ſich mit guten Waffen und Ge-
wehr auffs beſte verſehen ſolte. Die Fürſten ingeſamt haͤtten gerne geſehen/ dz ihr Frauen-
zimmer dahinden geblieben waͤhre; weil aber alle abmahnung vergeblich wahr/ und die ü-
brigen beteureten/ ſie muͤſten und wolten durchaus bey ihrer allerliebſten Fr. Schweſter
Valiſken bleiben/ muſten ſie ihnen dieſen Zug ein willigen/ und ſprach Valiſka die alte Koͤ-
nigin durch allerhand bewaͤgliche Urſachen zufriedẽ/ ſie verſichernd/ daß die reitende Boh-
ten ihr woͤchentlich alles verlauffs bericht einbringen ſolten; Worauff ſie als gezwungen
einwilligte/ und daß ſie inzwiſchen an ihren lieben Kinderchen/ den beyden jungen Herlein
ſich ergetzen wolte. Ja Fr. Mutter/ ſagte Valiſka/ ſie ſind freilich eure Kinder/ der fleiſchli-
chen Geburt nach/ aber ich bitte euch von Herzen/ laſſet mir ja die Teuffels Pfaffen und
aberglaͤubigen Weiber keine daruͤber kommen; dann ſie ſind Chriſten Kinderchen/ und
haben die heilige Tauffe ſchon empfangen/ in welcher ſie von allen ihren Suͤnden abgewa-
ſchen und gereiniget/ und von ihrem Gott vor himmels Erben angenommen ſind. Die
Mutter fragete/ ob dann ſolche kleine Kinder auch ſchon Suͤnde an ſich haͤtten/ welche ja
noch mit keinen Gedanken/ geſchweige Worten oder Werken einiges Ubel begehen koͤnten.
O ja
[480]Siebendes Buch.
O ja Fr. Mutter ſagte Valiſka/ es iſt kein einiger Menſch/ der nicht ſolte Suͤnde an ſich
haben; dann ob gleich die unmuͤndigen kleinen Kinder mit Gedanken/ Worten und Tah-
ten noch nicht ſuͤndigen/ ſo haben ſie doch die boͤſe Art durch die fleiſchliche Geburt von ihrẽ
Eltern geerbet/ da an ſtat des geiſtlichen ebenbildes Gottes/ worzu anfangs der Menſch er-
ſchaffen iſt/ eine durchgehende Verderbung alle unſere geiſtliche Seelen- und Leibeskraͤfte
eingenommen hat/ ſo daß an ſtat der erkentnis Gottes eine klaͤgliche Blindheit; an ſtat der
Liebe Gottes/ eine wiederſtrebende Frecheit; an ſtat des willens zum guten/ eine ſtarke Be-
gierde zur boßheit uns angeerbet wird/ welcher verderbte Saame in dem kindlichen Alter
in uns verborgen lieget/ und mit den Jahren je mehr und mehr hervorbricht. Aber dieſes
ſind hohe und eurer Vernunft verborgene Sachen/ davon meine Fr. Mutter noch zur Zeit
den Verſtand nicht begreiffen kan/ und ich doch nicht zweiffeln wil/ daß wañ der barmher-
zige Gott uns gluͤkliche Wiederkunft goͤnnen wird/ wir von dieſen und andern zur Selig-
keit gehoͤrigen Sachen ausfuͤhrlicher reden wollen. Die Fuͤrſten ingeſamt/ nach dem ſie ge-
wapnet und ihre Voͤlker zum Auffbruch fertig wahren/ nahmen des anderen Tages nach
empfangener boͤſen Zeitung von der alten Koͤnigin Abſcheid auff ein kuͤrzes/ verlieſſen Fr.
Agathen und Brelen bey den jungen Herlein/ und gingen mit dem Heer auf Teutſchland
zu/ da ſie ritten/ und das Frauenzimmer auff dem Elefanten fort zohe/ welcher allenthalben
in Staͤdten und auff dem Lande nit vor ein Tihr ſondern vor einen Teuffel gehalten ward.
Valiſka nam auff den Fall der glüklichen Erloͤſung viel Kleinot und Kleider mit ſich/ wel-
ches Arbianes an ſeinem Orte auch nicht verſeumete/ und ward zur bezahlung des Heers
eine groſſe Baarſchaft auf Maul Eſeln mit gefuͤhret. Auff deꝛ Reiſe hielten ſie taͤglich zwey-
mahl Behtſtunde/ und ſungen allerhand geiſtreiche Lieder/ welche Herkules mehrenteils
ſelber gemacht hatte/ unter welchen dieſes ihr taͤglicher Morgenſegen wahr:


1 WAs ſol ich dir vor dank/ mein Jeſus bringẽ/

Vor den Brun deiner Guͤtigkeit/

Den du mir laͤſt ohn unterlaß neu ſpringen/

Und mich in freier Sicherheit

Beſchirmeſt; O Herr deine Gunſt

Hat ja in mir die Finſternis gebrochen

Und allen falſchen Goͤtzendunſt/

Wodurch ich bin von Suͤnden loßgeſprochen.

2 Du haſt mich Herr durch deiner Engel wache

In dieſer ungeſtuͤmen Nacht/

(Da ſeinen Grim der hocherzuͤrnte Drache

Ohn zweiffel mir gar nahe bracht)

Beſchuͤtzet/ daß mir weder Fuß

Noch Haͤupt von ihm veletzet iſt/ deßwegen

Empfind’ ich/ daß ich billich muß

Dir O mein Heyl der Lippen Opffer legen.

3 Vergib mir Gott/ was ich geſuͤndigt habe/

Vergib umb deines Sohnes Blut/

Und goͤnne/ daß mich ſolches kraͤfftig labe

In rechter Glaub- und liebes-Glut;

Laß mich dir heut befohlen ſeyn/

Damit dein Schuz den Feinden mich entreiſſe/

Und ſchreib’ins Lebens-Buch mich ein/

Demnach ich ja nach deinem Nahmen heiſſe.

4 Angſt und Gefahr/ verſehrung meiner Glieder/

Unehr/ und was mir ſchaden kan/

Wend’ab von mir/ laß deinen Geiſt hernider/

Und zeug mir wahren Glauben an/

Daß nicht mein Fleiſch in frecher Luſt

Die Boßheit dir zu wieder moͤge ſtaͤrken/

Erfuͤlle mein Gemuͤht und Bruſt

Mit froͤmmigkeit und allen guten Werken.

5 Dir geb’ich mein Gemahl/ mein eigen Leben/

Mein’Eltern/ Bruͤder/ Schweſter/ Kind;

Gib allen/ was du mir ſchon haſt gegeben/

Daß keiner von uns geiſtlich-blind

Verderbe; laß des lebens Geiſt

In ihnen das Verſtaͤndnis auch enttzuͤnden/

Daß ich nach Wunſch/ wie du Herr weiſt/

Sie alle moͤg’in deinem Reiche finden.

6 O Va-
[481]Siebendes Buch.
6 O Vater! O durch deines Sohnes Wunden/

Durch ſeine Geiſſel/ Angſt und Noht/

Loͤß’ alle die vom Teuffel ſind gebunden/

Zubrich den ewiglichen Tod;

Erhalte deine Chriſtenheit/

Wie klein ſie iſt/ daß nicht der Feind ſie daͤmpfe/

Hilff daß in dieſer Sterbligkeit

Ich wieder Welt uñ Fleiſchesluſt recht kaͤmpfe.

7 Biß du mir wirſt des Lebenskron auffſetzen/

Und aller auserwaͤhlten Schaar;

Dañ werd ich mich an deiner Gunſt ergetzen/

Dann werd ich ruͤhmen immerdar.

O uͤber- hochgewuͤnſchtes Gut/

Wann ſol ich doch der Guͤter recht genieſſen;

Die durch dein teur- vergoßnes Blut

Hernider auff uns deine Kinder flieſſen.

Ihr Zug ging gewaltig ſchnelle fort/ ſo viel die Pferde es erleiden wolten/ und nahmen ihrẽ
Weg von Prage Nordweſt dem Elbeſtrohm nach/ biß ſie/ da jezt Dreßden liegt/ ankah-
men/ woſelbſt 5000 Teutſche Reuter zu ihnen ſtieſſen. Zwiſchen da und Wittenberg (wel-
ches der Zeit noch nicht erbauet wahr) wurden ſie noch mit 4000 geſtaͤrket. Von darab
gingen ſie den naͤheſten Weg nach Magdeburg/ wo die Groß Fuͤrſtliche Hoffhaltung wahꝛ/
und funden daſelbſt 6000 wolgeruͤſtete Reuter/ ſeumeten hier nicht lange/ und zogen den
Streich/ da jezt Helmſtaͤd/ Braunſchweig/ Hildeßheim/ Poppenburg (woſelbſt ſie uͤber
die Leine ſetzeten) Hameln im Braunſchweigiſchen/ und Oldendorff im Schaumburgi-
ſchen gelegen iſt/ gelangeten endlich an/ wo nachgehends die Stad Minden in Weſtfalen/
von dem groſſen Karl und Fuͤrſt Wedekind erbauet worden/ hielten daſelbſt an der Weſer
algemeine Heerſchauung/ uñ befunden ihr ganzes Volk/ 58000 ſtark/ ſo hatte ſich die Mañ-
ſchaft auff dem Wege gemehret; und ob ſich zwar mehr einſtelleten/ wolten ſie doch keine
mehr zu ſich nehmen/ weil ſie nicht zweiffelten/ mit dieſer Anzahl den Feinden gnug gewach-
ſen ſeyn. Herkules in angeſtrichener Farbe/ Siegward/ und Arbianes (welcher immer mit
unter den foͤderſten ſeyn wolte/) nahmen 8000 wolberittene zu ſich/ und hielten damit den
Vorzug/ maſſen ſie gnugſame Kundſchaft hatten/ welches weges der Feind gangen wahr/
daher ſie/ wo jezt Oſnabruͤgk lieget/ eigentlich erfuhren/ daß ſie mit kurzen Tagereiſen in al-
ler ſicherheit fortgingen/ haͤtten vor vier Tagen der Ends 36 Stundenlang geruhet/ und
vorgegeben/ ſie laureten/ ob nicht ein Heer zuſammen gelauffener Sachſiſcher Bauren ih-
nen folgen/ und eine gute Laſt friſcher Stoͤſſe abhohlen wolten; ihr Heer waͤhre groß/ daß
man ſie auff 60000 ſtark ſchaͤtzete/ deren dritter Teil zu fuſſe/ und die uͤbrigen wol beritten
waͤhren; haͤtten vorgehabt den Groß Fuͤrſten ſamt den ſeinen mit gewaltſamer Hand von
ſeinem Feſtungs-Sitze hinweg zunehmen/ wann die Liſt ihnen nicht waͤhre angangen; ſie
wuͤrden nunmehr ſchon auff jenſeit der Emß ſeyn/ und ſich der Iſel nahen/ weil ſie ihren
Zug nach Gelderland richteten. Dieſes alles taht Herkules ſeinem Ladiſla zu wiſſen/ und
daß ſie mit dem Haͤuptheer ja nicht ſeumeten/ ſondern daſſelbe in groſſen Schaaren nach
einander forthauen laſſen ſolten/ ob man den Feind noch im Felde diſſeit der Iſel ertappen
und die lieben ſeinigen loßwirken koͤnte. Er ging mit den ſeinen bey Rheen uͤber die Emß/
und bekam Zeitung/ daß des Feindes Nachtrab etwa drey Meilen von ihm waͤhre/ uñ laͤge
ganz ſicher/ ohn alle Furcht einiger feindlichen Nachfolge. Siegward ſetzte ihnen mit 1200
Pferden nach/ und zeigete ſich dem Feinde von ferne/ welcher ihm 2000 entgegen ſchickete/
umb zuvernehmen was Volk ſie waͤhren/ mit befehl/ da ſie dem Groß Fuͤrſten angehoͤreten/
ſie alsbald niderzuhauen/ und niemand lebendig zu laſſen; aber ſie wurden ohn einige Ant-
wort auff ihre Frage dergeſtalt empfangen/ daß ſie mehrenteils mit blutigen Koͤpffen um-
p p pkehre-
[482]Siebendes Buch.
kehreten/ nachdem 800 von ihnen auff dem Platze geſtrekt lagen/ und 100 gefongen wah-
ren/ erhaſchten doch drey Teutſchen/ welche ſie mit ſich fuͤhreten/ und auf bedrauliche nach-
frage dieſe einhellige Antwort (dann alſo wahr es beſchloſſen) bekahmen; es haͤtte ſich ein
Sachſiſches Heer auff 16000 zu Roß geſamlet/ ihren Groß Fuͤrſten zuretten/ meinetẽ nit/
daß die Wendiſchen Voͤlker uͤber 12000 ſtark waͤhren. Woruͤber ihr Fuͤrſt Krito ſehr
muhtig ward/ legete ſich unweit von Deventer an die Iſel/ und machte anordnung/ die
Sachſen umbher zubezihen/ und ſie miteinander niderzuhanẽ. Herkules ſchickete Bohten
uͤber Bohten an Ladiſla/ mit den Voͤlkern zu eilen/ damit der Feind nicht uͤber den Strom
ginge/ noch ihrer groſſen Mannſchaft inne wuͤrde; ließ hin und wieder Kundſchaffer aus-
reiten/ auff des Feindes Vornehmen acht zu haben/ welcher ſeine drey Gefangene/ nehm-
lich den alten Groß Fuͤrſten Herrn Henrich ſampt deſſen Gemahl und Frl. Tochter in ei-
nem Dorffe/ nahe am gemeldeten Iſelfluſſe gelegen von 1000 Reutern und 1500 zu Fuſſe
bewachen ließ; ging mit der ganzen Macht von allen Seiten loß/ und fuͤrchtete nichts ſo
ſehr/ als daß ihm der Feind/ die Handvol Sachſen Bauren/ wie er ſagete/ ohn empfangene
Schlaͤge/ entlauffen wuͤrde. Herkules erfuhr ſeinen Anzug gar fruͤh/ zog ſich mit den ſeinen
zurük/ und baht Gott inſtaͤndig/ daß er ihm Gluͤk zu ſeiner Eltern und Frl. Schweſter Er-
loͤſung verleihen wolte. Des Feindes Vortrab ging als blindlings fort/ den eingenom̃e-
nen Schimpff zuraͤchen/ und da ſie an die Wahlſtat kahmen/ und die erſchlagenen autraf-
fen/ biſſen ſie vor Zorn die Zaͤhne im Kopffe zuſammen/ unter hefftiger Bedraͤuung/ wie
grauſame Vergeltung darauff erfolgen ſolte/ und muſten beides die erſchlagene uñ fluͤch-
tige ſich von ihnen gnug laͤſtern und ausſchelten laſſen/ daß ſie Wendiſcher Tapfferkeit ei-
nen ſolchen Schandflek angelegtj und ſich von den unerfahrnen Bauren erſchlagen und
abtreiben laſſen. Ein Obriſter unter ihnen beſahe die Todten/ betrachtete ihre Wunden/
und ſagete: Er koͤnte nimmermehr glaͤuben/ dz uner fahrne baͤuriſche Haͤnde die Schwer-
ter ſo geſchiklich zufuͤhren/ und den leichteſten ort zur Toͤdtung an ihren Feinden zufinden
wuͤſten/ es muͤſten auſſer Zweifel erfahrne Kriegsleute ſeyn/ denen man behuhtſam begeg-
nen ſolte/ damit man die Reue nicht zu ſpaͤht/ und nach empfangenem Schaden ſehen lieſ-
ſe. Aber die uͤbrigen verlacheten ihn/ daß ſie auch mit hoͤhniſchen Worten frageten/ ob er
ſich hefftiger vor der Bauren roſtigen Schwertern als vor ihren Droͤſcheflegeln fuͤrchte-
te? welches er mit einem ſtilleſchweigen beantwortete. Dieſer Hauffe 6000 ſtark/ ging
faſt eine halbe Meile vor dem Heere her/ welches Herkules verkundſchaffet ward/ und un-
vermuhtlich mit ſeiner ganzen Macht 12000 ſtark (dann 4000 wahren ſchon zu ihm ge-
ſtoſſen) auff ſie anging/ daß inwendig einer halben Stunde 4000 erſchlagen/ 800 gefan-
gen/ und die übrigen mehrenteils verwundet/ ihr Leben durch die flucht erretteten/ da Sieg-
ward auff des Feindes Fuͤhrer traf/ welchen er nach kurzem Gefechte gefangen nam/ und
ihn Herkules uͤberlieferte/ der unter harter Bedraͤuung ihn fragete/ wie es dem gefangenẽ
Groß Fuͤrſten und den ſeinen erginge. Dieſer ſahe ihn vor einen Roͤmiſchen Herrn an/ der
etwa vom Rein Strome her dem Groß Fuͤrſten zu huͤlffe kommen waͤhre/ und bekante ſo
viel wegen harter Verwundung ihm moͤglich wahr/ in ſonderheit/ dz im gedachten Dorf-
fe ſie zimlich ſtark verwahret wuͤrden. Gleich dazumahl ſtieſſen inwendig zwo Stunden/
drey Hauffen/ jeder 2000 ſtark zu Herkules/ und brachte der lezte die Zeitung/ das uͤbrige
Heer
[483]Siebendes Buch.
Heer folgete in unterſchiedlichen groſſen Abteilungen nach Moͤgligkeit/ waͤhren aber ſehr
abgeritten/ daß ſie auch groſſen teils bey ihren ermuͤdeten Pferden zu fuſſe hergingen/ und
ſie mit Brod erquicketen/ welches ihm ungenehm zuhoͤren wahr; muſte ſich daher wieder
zuruͤk zihen/ und wurden der ankommenden Pferde ins Graß gejaget/ deſſen daſelbſt groſ-
ſer Vorraht wahr/ die Voͤlker aber ingeſamt muſten mit ihrem Gewehr ſich zu fuſſe fertig
halten/ und von vornen zu einen kleinen Wahl/ in geſtalt eines halben Monden geſchwinde
auffwerffen/ hinter welchem ſie vor Reuterey geſichert waren/ und bereit/ eines Fußheers
Anlauff redlich zuempfahen. Aber es bedurffte deſſen nicht/ weil der Abend herzu nahete/
und der Feind wegen empfangener harten Schlappe nicht ein geringes erſchrak/ daß er
ſich zur Ruhe begab/ wiewol unter dem gewiſſen Vorſatze/ des folgenden Morgens ſein
Schart auszuwetzen; Und kam ſolches den unſern wol zuſtatten/ maſſen Herkules auf ſei-
ner Stelle dieſe Nacht ein bequehmes Lager abſtechen/ und in etwas auffwerffen ließ/ vor
das ganze ankommende Heer/ welches kurz nach Mitternacht ſich einſtellete/ Speiſe nam/
und drey Stunden ausrnhete. Unſere Helden aber hielten Kriegs Raht/ und beſchloſſen/
die Schlacht alsbald dieſen Tag ſolcher geſtalt zuordnen: Herkules und Arbianes (wel-
cher ſchon 38 Wochen lang ſich in Teutſcher Sprache fleiſſig hatte unterweiſen laſſen) ſol-
ten 20000 auserleſene Reuter im rechten Fluͤgel fuͤhren; Baldrich uñ Siegward 17000
im linken; und Ladiſla 18000 Boͤhmen zu fuſſe in der Mitte. Die übrigen 3000 ſolten zur
Beſchuͤtzung des Lagers behalten werden. Arbianes erkundete ſich fleiſſig bey den Gefan-
genen/ wo das Dorff laͤge/ in welchem die gefangene Fuͤrſtliche Haͤupter verwahret wuͤr-
den; hielt hernach bey Herkules an/ ihm zugoͤnnen/ daß er mit ſeinen Parthern frey ab uñ
zureiten/ und nach Befindung den nohtleidenden beyzuſpringen urlaub haben moͤchte/ wel-
ches er ihm gerne einwilligte/ weil er ſeines gefaͤhrlichen Anſchlages keine Wiſſenſchafft
trug. Valiſka hatte die ganze Reiſe uͤber ſeiner Schwehrmuht genaue acht gehabt/ und
weil ihr die urſach gnug bekant wahr/ machte ſie ſich vor der Schlacht mit ihrem kraͤffti-
gen Troſt an ihn: Er ſolte dem wahren Gott vertrauen/ ob er denſelben gleich nicht ken-
nete/ derſelbe wuͤrde das Fraͤulein ſchon retten/ und zu ſeinem beſten gnaͤdiglich erhalten;
nur begehrete ſie vor dißmahl von ihm zuwiſſen/ ob er auch zugeben wolte/ daß das Fraͤu-
lein den Chriſtlichen Glauben annaͤhme; dann im falle er ſich deſſen beſchweret befuͤnde/
duͤrffte es wegen ſeiner kuͤnfftigen Heiraht hart halten/ in Betrachtung/ daß Herkules uñ
Baldrich/ ja ſie ſelbſt/ vor Gott im Himmel und vor ihrem eigenen Gewiſſen es nicht wuͤ-
ſten zuverantworten/ daß ihre einige herzgeliebete Schweſter der Erkaͤntniß des wahren
Gottes mangeln/ und hernaͤhſt an ihrer Seele ewig ſchaden leiden ſolte. Und O wolte
Gott/ ſagte ſie weiter/ daß mein geliebeter Freund und Bruder ſelbſt zu unſerm heiligen
Glauben ſich begeben moͤchte/ damit er nach dieſer kurzen Vergaͤngligkeit der ewigẽ Him-
melsfreude mit uns teilhafftig würde/ welches ich ihm von grund meiner Seele wuͤnſche:
Er hat biß daher unſerm Gottesdienſte vielfaͤltig beygewohnet/ und gnugſam erfahren/
daß unſer Chriſtlicher Glaube auff nichts heilloſes oder ſchaͤndliches beſtehe/ welches ich
doch nicht zu dem Ende vorbringen wil/ ob wolte Euer Liebe ich wider ihren Willen ein
ſolches auffdringen/ ſondern ſage nur bloß mein Gutduͤnten/ worzu mich die ſchweſterli-
che Gewogenheit antreibet/ welches mir zu keinem argen wird ausgeleget werden koͤñen;
p p p ijWas
[484]Siebendes Buch.
Was aber meine Frl. Schweſter betrifft/ muß derſelben der Chriſtliche Glaube/ wie auch
ihren kuͤnfftigen Erben durchaus und ſchlechter dinge gegoͤnnet und zugelaſſen werden;
kan nun ein ſolches Eure Liebe nit eingehen/ wird ſie mir ſolches offenherzig anvertrauen/
damit ich wiſſe/ wie hierin weiters zuverfahren ſey. Arbianes/ nach geliefertem demuͤtigen
Handkuſſe/ ſchwieg ein wenig ſtille/ laͤchelte darauff/ und gab dieſe Antwort: Es zwinget
mich vor dißmahl Eure Durchl. ihr mein Herz zuoffenbahren/ welches vor meiner Hey-
raht ich ſonſt nicht willens wahr; Daß nun dieſelbe dieſes ihres Kummers/ den Glauben
betreffend/ abkomme/ beruffe ich mich auff des einigen wahren Gottes Zeugniß/ daß ſie der
des Juden erſchreklichem falle zu Ekbatana ich mir gaͤnzlich vorgenommen/ dem Chriſt-
lichen Glauben zufolgen/ bin auch nach der Zeit darinnen ſolcher maſſen geſtaͤrket/ daß zu
Bethabara ich mich herzlich gerne haͤtte tauffen laſſen/ wann ich nicht betrachtet haͤtte/ dz
das Groß Fuͤrſtliche Fraͤulein annoch im Heydentuhm ſteckete/ und vielleicht ihre Eltern
mir dieſelbe wegen meines Chriſtentuhms verſagen moͤchten; hernach/ daß ich mich be-
fuͤrchtet/ die Fürſtliche Geſelſchafft haͤtte waͤhnen duͤrffen/ ich taͤhte es nur zum ſchein/ ih-
re beſſere Gunſt und Gewogenheit zuerlangen. Dieſes/ ſagte er/ iſt die Urſach meines auf-
ſchiebens; habe ſonſt mein Gebeht taͤglich zu Gott und ſeinem lieben Sohn JEſus Chriſt/
meinem wahren Heyland und Erloͤſer abgehen laſſen/ und den Chriſtlichen Glauben zim-
lich gefaſſet/ auch meinem Gott dieſes Geluͤbde getahn/ daß/ wo das liebe Fraͤulein mir zu
teile werden/ und ihr von ihren Eltern das Chriſtentuhm nicht ſolte gegoͤnnet werden koͤn-
nen/ ich dahe im nichtruhen wolte/ biß ich ſie zu dieſer allein ſeligmachenden Lehre wuͤrde
gebracht haben/ demnach mein Gewiſſen dergeſtalt verſichert iſt/ daß wir allein in dieſem
Glauben koͤnnen ſelig werden/ daß/ ob Gott wil/ weder Teuffel noch Menſchen/ weder Ge-
fahr noch wolergehen mich davon abfuͤhren ſol/ und meine Fr. Schweſter in dieſem ſtuͤk
mit vergeblichen Sorgen beladen iſt/ die ich herzlich hiemit wil erſuchet haben/ in bißher
geleiſteter Traͤue fortzufahren/ und die gewünſchte Heyraht zubefodern/ welche mir ver-
hoffentlich weder Groß Fuͤrſt Herkules/ noch ſein Herr Bruder mißgoͤnnen wird. Die
Groß Fuͤrſtin wahr dieſer unvermuhtlichen Erklaͤrung fo froh/ daß ſie ihn aus wahrer Lie-
be umſing/ und nachgehends zu ihm ſagete: Nun werde ich erſt Eure Liebe vor einen war-
hafften Bruder halten/ nachdem ich weiß/ daß dieſelbe ein Kind Gottes/ und Mit Erbe
der himliſchen Seligkeit iſt. Aber wie hat mein herzvertraueter Freund ſein Chriſtentuhm
vor mir dergeſtalt verbergen koͤnnen/ da er doch weiß/ daß mir angenehmere Zeitung nicht
zukommen mag? Arbianes zeigete an/ er haͤtte ſich nicht allein hoͤchlich verwundert/ ſon-
dern auch mannichmahl herzlich betruͤbet/ ja allerhand mißtroͤſtliche Gedanken daher ge-
faſſet/ daß er weder von ihr/ noch von Groß Fuͤrſt Herkules nie kein mahl zum Chriſten-
tuhm angemahnet waͤhre; deswegen er ſich nicht erkuͤhnen duͤrffen/ ihnen ſein Vorhaben
zueroͤffnen; merkete aber nunmehr/ daß ſie ihn darzu nicht haͤtten reizen wollen/ umb ihm
ſeinen eigenen und freien Willen hierin zugoͤnnen; baht/ ſeine Verſchwiegenheit ihm nit
zuverargen/ und ihn in ihr andaͤchtiges Gebeht einzuſchlieſſen/ daß er in der himliſchen
Warheit beſtaͤndig verharren/ und in der heilſamen Erkaͤntniß je mehr und mehr zunehmẽ
moͤchte. Valiſka gab ihm zur Antwort: Er haͤtte die eigentliche urſach ihres nicht-ermah-
nens voͤllig errahten/ und waͤhre ſie zum oftern willens geweſen/ ihn bloß zufragẽ/ wie ihm
ihr
[485]Siebendes Buch.
ihr Gottesdienſt/ dem er ſo fleiſſig beywohnete/ gefiele/ haͤtte ſich aber allemal eines and’n be-
dacht/ um auſſer Verdacht zubleibẽ/ als wolte ſie ihn zu ihrẽ Glauben noͤhtigẽ; ſonſt wuͤꝛde
ſie nit erſt anfangẽ/ ihn in ihr Gebeht zunehmẽ/ welches ſie von anbegin ihꝛes Chriſtentums
her fleiſſig getahn haͤtte/ uñ doch mit freudẽ vernaͤhme/ dz er zeitiger als ſie ſelbſt darzu einẽ
rechten Vorſaz gehabt haͤtte. Sie gingen hierauf von einander zur kurzen Ruhe/ und
lies Valiſka dem Frauenzimmer dieſes ihres lieben Freundes ſein Chriſtentuhm nicht
ungemeldet. Des morgens ſehr fruͤh muſten die Voͤlker Speiſe nehmen/ und in aller ſtil-
le auffbrechen/ weil die Schildwachten und Kundſchaffter einbrachten/ der Feind ruͤſtete
ſich ſchon/ haͤtte ſein Lager etwa anderthalb Meile von hinnen/ und waͤhre wegen der erlit-
tenen Niederlage ſo vol grimmiges Eifers/ daß er des Tages kaum erwarten moͤgen. Die-
ſe Zeitungstraͤger irreten gar nicht; maſſen der alte Wendiſche Fuͤrſt vor Unſin zu berſtẽ
meinete/ und zu ſeinen Oberſten ſagete: Pfui uns nichtwerten! wir moͤgen uns wol in un-
ſer Blut und Herz hinein ſchaͤmen/ daß wir von einer ſolchen Handvol Landſtreicher und
Bauren Flegel dergleichen Spot einnehmen muͤſſen/ deſſen dieſe hochmuhtige Sachſen
ſich nit gnug werden ruͤhmen koͤñen/ weil ſie uns nicht den dritten Teil an Manſchaft glei-
chen. Laſſet uns auff ſie angehen/ den Schimpf einzuhohlen/ und zwar alſo/ daß ihrer kei-
ner entrinne/ der des geſchehenen Zeitung uͤberbringen koͤnne. Die Obriſten gaben ihm
mit traurigen Geberden zur Antwort; ſie waͤhren berelt/ teils als gebohrne Untertahnen/
teils als dem Gewalthaber ihres Koͤnigreichs zufolgen/ ja Leib und Leben willig vor ihn
und ſeine Wolfahrt auffzuſetzen; fuͤnden aber ſchier das ganze Heer uͤberal unwillig zu
der Schlacht/ ſo daß weder das Fußvolk noch die Reuterey einiges Zeichen ihres friſchen
Muhts von ſich gaͤben; moͤchte demnach ihre Durchl. gnaͤdigſt bedenken/ was vor Vn-
raht hierauß entſtehen duͤrffte/ wann ſie in des Feindes Gegenwart ſich wegern ſolten zu-
fechten; ihr einhelliger Raht waͤhre/ daß man ſich in die Zeit und das Gluͤk ſchickete/ und
dem Kriegs Heer ihre inſtaͤndige Bitte einwilligte/ damit übel nicht aͤrger wuͤrde; es waͤh-
re ja ſein leiblicher und einiger Sohn/ welchen er ſo haͤrtiglich am Leben zuſtraffen ſuchete/
und dagegen von dem Heer in Schuz genommen waͤhre. Zwar ſie erkenneten deſſen
ſchweres Verbrechen wol; weil es aber nicht aus Boßheit/ ſondern aus Liebesgetrieb her-
ruͤhrete/ moͤchte ihre Durchl. mit ihm ins Gnaden Buch ſehen/ und uͤm der mannigfaͤltigẽ
Vorbitte Willen ihm Vaͤterliche Verzeihung und Gnade wiederfahren laſſen. So duͤr-
fet auch ihr begehren/ antwortete Krito/ daß ich den Verwaͤgenen unverſchaͤmten Bubẽ
nicht allein lebendig und ungeſtraffet laſſen ſolte/ ſondern ihn auch wie der vor einen Sohn
annehmen/ der mein allerhoͤchſtes Gut mir zuentfuͤhren/ ſich blutſchaͤndiger Weiſe hat
duͤrffen geluͤſten laſſen? ehe wolte ich gleich jezt hinreiten/ und ihn mit eigenen Haͤnden
erwuͤrgen/ auff daß mit des Boͤſewichts Tode die Auffruhr meines Kriegs Heeres zugleich
auffhoͤre/ und ſie erkennen moͤgen/ waß ſie ihrem Fuͤrſten/ Koͤniglichen Verwalter und
algemeinem Feld Herren ſchuldig ſind. Eure Hoch Fuͤrſtl. Durchl. ſagte der vornehmſte/
fahren nach belieben/ wann ja unſer getraͤuer Raht nicht Stat finden kan; aber/ wo ich
nicht hefftig irre/ halte ich gaͤnzlich davor/ es werde das Heer hiedurch noch auffruͤriſcher
gemacht/ und dannoch der junge Fürſt zur Straffe nicht herauß gegeben werden/ weil die
gemeinen Knechte/ inſonderheit die Wenden/ ihn vor Gewalt zuſchuͤtzen/ ſich aͤidlich
p p p iijver-
[486]Siebendes Buch.
verbunden haben; daß alſo hiedurch nichts anders gewirket wird/ als daß man dem Fein-
de den Sieg willig in die Hand ſpielet; und wer weiß/ ob nicht der junge Fürſt auß Hoff-
nung der Heyraht/ den Feinden einen Vertrag anbieten/ und ſeinen Herr Vater mit allen
ſeinen Getraͤuen dem gefangenen Groß Fürſten gefangen liefern duͤrfte? was vor Gnade
aber wir bey demſelben werden zugewarten haben/ wird unſere begangene Taht uns leicht
berichten koͤnnen. Aber dieſes erfolge nicht/ wie ich auch nicht hoffen wil/ ſo bin ich dau-
noch verſichert/ daß das Haͤuptheer kein Schwert wieder den Feind zuͤcken wird (es wer-
de dann von ihm gewaltſam angegriffen)/ wo nicht der junge Fuͤrſt zuvor wird begnadet
der Ketten entlediget/ auff freien Fus geſtellet/ und aller Straffe loß geſprochen ſeyn. Kan
nun eure Durchl. ein ſolches uͤber ihr hoch beleidigtes Herz nicht bringen/ noch auß der
Noht eine Tugend machen; wolan! ſo habe ich meines Lebens mich ſchon getroͤſtet; dann
es iſt/ in eurer Durchl. Dienſten ſich ſelbſt auff zuopfern/ willig und bereit; und erwarte ich
nur/ wann der Feind/ oder unſer eigen Volk anſetzen/ ünd mich niederhauen wird/ dann
kein Menſch ſol mich/ ſo wenig gefangen/ als Untraͤu und meinaͤidig ſehen; nur allein be-
traure ich meines Gnaͤdigſten Fuͤrſten gewiſſen Vntergang/ und ſo wol des Frieſiſchen
Reichs/ als des Wendiſchen Fuͤrſtentuhms Verwuͤſtung/ welches hierauß nohtwe[n]dig
erfolgen muß. Als dieſer außgeredet hatte/ tahten alle Obriſten einen Fußfal/ und bahten/
ihre Durchl. moͤchten ihrer ſelbſt ſchonen/ und durch unzeitigen Zorn ſich nicht in den ge-
wiſſen Tod ſtuͤrzen/ ſintemahl ja alles mit ihrer Durchl. hoͤchſter Ehr beygelegt und ver-
glichen werden koͤnte/ und nicht allein der junge Fuͤrſt/ ſondern auch die ſaͤmtlichen Voͤlker
erboͤhtig waͤhren/ ihr verbrechen durch einen demuͤhtigen Fußfal abzubitten/ dafern nur
ihre Durchl. die von ihrem Sohn Fuͤrſt Gotſchalk begangene Vnbilligkeit gnaͤdigſt und
Vaͤterlich vergeben und vergeſſen wuͤrde; auch waͤhre ihres untertaͤhnigſten ermaͤſſens
hiebey zu beobachten/ daß der junge Fuͤrſt durchaus nichts unzuͤchtiges vorgenommen/ ja
nicht eins begehret/ ſondern nur einwendete/ ſein Herr Vater ſelbſt haͤtte ihm ſchon ein
jahr lang dieſes Fraͤulein zugefreyet/ waͤhre auch außdruͤklich unter dieſem Vorgeben
außgezogen/ ihm als ſeinem Sohn und künfftigen Nachfolger in der Herſchafft/ ein wir-
diges Gemahl durch Gewalt zuhohlen/ weil ihre Eltern ſich wegerten ihm das Fraͤulein
in guͤte abfolgen zulaſſen. O des Ungerahtenen Buben/ an wortete Krito/ welcher nim-
mermehr von meinem Leibe kan gezeuget ſeyn/ dann ſonſt wuͤrde er wieder kindlichen ein-
gepflanzeten Gehorſam nich handeln/ noch dieſe zum Gemahl begehren/ die ſein Vater
ihm ſelbſt im Herzen vertrauet hat; ſein einwenden zubeantworten/ achte ich nicht ſchul-
dig/ und habe ich gleich vor dieſem ihm das Fraulein zugedacht/ hatte es damahls eine
andere Beſchaffenheit mit mir/ weil mein liebes Gemahl annoch im Leben wahr; nach-
dem aber dieſelbe mir mit Tode abgangen iſt/ wie euch allen bewuſt/ habe ich mich nach
einer andern uͤmtuhn wollen/ die mir kein Menſch/ er ſey wer er wolle/ abſpenſtigen oder
entfremden ſol deſſen ſich gleichwol dieſer Bube durch heimliche entfuͤhrung hat duͤrffen
geluͤſten laſſen; wuͤrde es auch ungezweifelt verrichtet haben/ wann ich ihm nicht haͤtte auff
der Flucht mit ihr ertappet und eingehohlet. Daß nun mein Kriegs Volk ſo meinaͤidig
an mir handelt/ wird ſich zu ſeiner Zeit finden/ und ungeſtraffet nicht bleiben/ nur muß ich
wegen des Feindes Gegenwart viel vertuſchen und verſchmerzen. So gehet nun hin zu
dem
[487]Siebendes Buch.
dem Heer/ und verſuchet/ ob ſie zugeben koͤnnen/ daß der leichtfertige Bube auff eine Fe-
ſtung in Gefaͤngniß geleget werde/ biß der Feind gedaͤmpfet iſt/ alsdañ wil ich bloß den
Voͤlkern zugefallen/ Fuͤrſtlich verſprechen/ daß ich ihm am Leben nicht ſtraffen wil. Die
Obriſten wuſten ſchon wol/ daß dieſer Verſuch wuͤrde vergebens ſeyn/ doch ihrem Furſtẽ
zugehorſamen/ gingen ſie hin/ und tahten den Voͤlkern dieſen Vorſchlag; bekahmen aber
zur antwort; ihre Durchl. moͤchte ihr gnaͤdigſt gefallen laſſen/ dem jungen Fuͤrſten die be-
gangene Fehler gaͤnzlich und auß vaͤterlichem Gemuͤht zuvergeben/ als ob es nicht geſche-
hen waͤhre/ auch ihn zuverſichern/ daß nach ſeinem ableiben (welches die Goͤtter lange ver-
huͤten wolten) er algemeiner Erbe und Nachfolger in der Herſchafft ſeyn und bleiben ſol-
te; dann auch/ daß dem ganzen Kriegs Heer eine durchgehende und unbedingete Verge-
bung wiederfahren moͤchte/ ſo daß kein einiger wegen deß Schutzes/ dem jungen Fuͤrſten
erteilet/ angefochten/ oder unter einigerley Schein und Einwendung zur Straffe gezogen
wuͤrde; koͤnte nun ihrer Durchl. ein ſolches nicht belieben/ waͤhre ihr einhelliger Schluß/
mit den Sachſen Friede zutreffen/ ihnen den entfuͤhreten Groß Fuͤrſten nebeſt den ſeinen
wieder einzuliefern/ und in deſſen Schuz ſich zubegeben/ unter der Hoffnung/ derſel-
be wuͤrde ſolche Woltaht erkennen/ und ihrem jungen Fuͤrſten ſeine Frl. Tochter nicht
verſagen; ſonſten da ihr bitliches und untertaͤhnigſtes ſuchen Stat haben wuͤrde/ wolten
ſie alle einen Fußfal tuhn/ uͤm Gnade bitten/ und alsbald wieder den Feind zu Felde gehẽ/
auch nicht ümkehren/ biß derſelbe gaͤnzlich wuͤrde auffgerieben/ und die geſtrige Schande
mit ganzen Stroͤmen Sachſen Blutes abgewaſchen ſein. Die Obriſten wolten dem Heer
einreden; es waͤhre zuviel/ daß man dem Fuͤrſten und Feld Herren nicht allein Geſetze vor-
ſchreiben/ ſondern auch trotzen wolte. Aber es erhuhb ſich ein algemeines Geſchrey; wol-
ten ſie es dem Fuͤrſten nicht hinterbringen/ koͤnten ſie es ja wol laſſen; das Heer haͤtte end-
lich an Fuͤrſt Gotſchalk Haͤuptes gnug/ wann es anders nicht ſein wolte/ und wuͤrden ſich
unter ihnen auch deren gnug finden/ welche der Oberſten ſtelle vertreten koͤnten. Die Ab-
geſanten befahreten ſich eines groͤſſern uͤbels/ meldeten dem alten Fuͤrſten alles an/ und
bahten ſehr/ ſich eines andern in der Noht zubedenken; welcher aber vol Zorn und Eifer
lief/ mit Befehl/ dieſelben ihm gefaͤnglich einzuliefern/ die das Wort den Auffruͤhrern zum
beſten gefuͤhret hatten; weil man aber ihn erinnerte/ daß/ wo er nicht alsbald dem Heer ei-
ne angenehme Erklaͤrung und voͤllige Einwilligung geben wuͤrde/ es ihn in kurzem gereuẽ
moͤchte/ und auff ſolchen fall wol gar bald des gefangenen Groß Fürſten ſein Gefangener
ſeyn; fuhr er gelinder/ uͤberwand ſich ſelbſt/ und ließ beydes dem Sohn und Kriegs Heer
voͤllige Verzeihung anbieten/ und was ſie ſonſt begehret haiten/ des gaͤnzlichen Vorha-
bens/ hernaͤhſt bald urſache zufinden/ daß eines mit dem andern abgeſtraffet wuͤrde. Die
ausgeſtelleten Schildwachten kahmen haͤuffig an/ mit vermeldung/ der Feind zoͤge in vol-
ler Schlachtordnung daher/ und hielte man ſie zwar nicht uͤber 16000 Mann ſtark/ nach
der Gefangenen ausſage/ jedoch lieſſe ſich ein groſſer Staub hinter ihnen zur Seite ſpuͤrẽ/
welches anzeige gaͤbe/ es muͤſten mehr Voͤlker verhanden ſeyn. Sie kommen/ antwortete
Krito/ zu meines muhtwilligen Sohns Gluͤke. Hieß die Obriſten/ den Fuͤrſten ſeinẽ Sohn/
und einen Ausſchuß des Heeres herzuruffen/ im Nahmen des ganzen Kriegvolks eine
Abbitte zu tuhn/ und die uͤbrigen inzwiſchen zuordnen/ daß dem Feinde koͤnte begegnet wer-
den.
[488]Siebendes Buch.
den. Fuͤrſt Gotſchalk ward an einer Kette/ die ihm ſein Vater vor zween Tagen hatte anle-
gen laſſen/ herzugefuͤhre[t]; dann ob zwar das Heer ihn in Schuz nam/ wolten ſie doch die
Fuͤrſtlichen Bande [nich]t brechen. Mit ihm ſtelleten ſich 40 Haͤupt- und Unter-Haͤupt-
leute/ neben gedoppelt ſo vielen gemeinen Fußknechten und Reutern ein/ den Fnßfal ge-
buͤhrlich zuleiſten; und als der junge Fuͤrſt ſich vor ſeines Vaters Fuͤſſen niederlegete; fing
er mit ſtandhaftem Gemuͤht alſo an: Großmaͤchtiger Fuͤrſt (den Vater-Nahmen ihm zu
geben habe ich keine Urſach/) nachdem mir die begehrete rechtmaͤſſige Liebe zu dem Durch-
leuchtigſten Teutſchen Fraͤulein/ meinem erwaͤhleten und beſtaͤtigten Gemahl von euch
nicht wil gegoͤnnet werden/ gilt mir gleich/ ob mir dieſe Ketten/ oder meine lebendige Geiſter
abgenommen werden; maſſen ich doch mein Blut nicht laͤnger in meinen Adern begehre
zu tragen/ als nur ſo lange ich eure vorgenommene Blutſchande verhindern und abwen-
den kan; bleibe auch nach wie vor der Meynung/ es ſtuͤnde eurem ſechs und funfzigjaͤhri-
gen Alter ſehr wol an/ daß ſie an der Jugend ſo hoch nicht ſtraffete/ was ihr ſelbſt bey euren
grauen Haaren zehnfach ſuͤndiget/ und zwar mit ſchlechter Fuͤrſtlicher Ehre; meinet ihr
etwa noch immerhin/ mir ſey unwiſſend/ daß meine fromme Fr. Mutter nich Tod/ vielwe-
niger begraben/ ſondern annoch im Leben/ und von euch auff einem Schloſſe heimlich ein-
geſperret ſey/ nur bloß der Urſach/ daß ihr mit dem Groß Fuͤrſtlichen Fraͤulein/ eure un-
zimliche Luſt buͤſſen/ hernach meine Fr. Mutter/ eines herſchenden Koͤniges in Daͤñenmark
leibliche Schweſter heimlich hinrichten/ und dieſes Fraͤulein ehelichen koͤnnet? O nein/ eu-
re Durchl. verſichern ſich/ daß mir alles mehr dann zu wol wiſſend ſey/ und ich ſolches biß-
her nur bloß eure Schande zuverbergen/ verſchwiegen habe/ immittelſt doch in dieſer Sa-
che ſolche anſtellung gemacht/ daß meine Fr. Mutter vor Henkers-uñ Moͤrders Schwert/
oder ſchaͤndlicher Giftmiſchung noch wol geſichert bleiben wird. Glaubet mir/ daß unſer
Heer (ja unſer; dañ ich habe als nåheſter ungezweiffelter Erbe der Wendiſchen Herſchaft
auch Teil daran) ſchon nach Wendland mit mir ſolte auffgebrochen ſeyn/ meine Fr. Mut-
ter zuerloͤſen/ wann der Feind uns nicht ſo ſchleunig gefolget waͤhre/ welchem zubegegnen/
im falle ich voͤllige Erlaſſung bekomme/ ich nicht werde hinderlich ſeyn. Ja umb eben dieſer
Urſach willen ſtelle ich mich ein/ meiner ganz billichen Liebe zu dem Groß Fuͤrſtl. Fraͤulein/
oder vielmehr wegen derſelben verſuchten Errettung verzeihung zu bitten/ ungeachtet ich
uͤberdas keuſch/ und an keinem unwirdigen Orte geliebet habe; wil zugleich auch eure
Durchl. zu Gemuͤht fuͤhren/ daß ſie betrachten/ wie in dero beſchuͤtzung/ und ihr Leben zu-
erretten/ ich ehmahls mein Leib und Leben in die Schanze geſchlagen/ und einen groſſen teil
meiner Geſundheit an meinen Gliedmaſſen eingebuͤſſet/ welches mir billich mit beſſerer
Vergeltung/ als durch entwendung meiner kuͤnftigen Gemahl/ und anlegung dieſer Kettẽ
ſolte erſetzet worden ſeyn. Was leugeſt und ſchaͤndeſtu? antwortete ſein Vater mit verwir-
retem Gemuͤht; darfſtu mich noch verleumden/ uñ bey meinem/ ja bloß bey meinem Kꝛiegs-
Heer mich ſo ſchaͤndlich angieſſen/ ob haͤtte ich mein liebes Gemahl/ deren Sohn zu ſeyn
du nicht wirdig biſt/ verſperret/ umb eine andere zu heyrahten/ da doch das ganze Land weiß/
wie herzlich ich ſie geliebet/ ſie auch gebuͤhrlich/ als eines Koͤniges Schweſter und Hoch-
Fuͤrſtliches Gemahl zur Erden beſtatten laſſen? heiſſet daß Abbitte tuhn? heiſſet daß/ ſich
demühtigen/ da man zu groͤſſerm Auffruhr/ Luͤgen tichtet/ ſchmaͤhet und laͤſtert? ja heiſſet
das
[489]Siebendes Buch.
das einen Fußfal tuhn/ da man ſich ſelbſt rechtfaͤrtiget/ und trotzige Draͤuungen heraus ſtoſ-
fet? Er wolte in ſeiner verweißlichen Rede fortfahren/ aber es kam eine Zeitung über die
andere; der Feind lieſſe ſich nunmehr recht ſehen/ waͤhre an Mañſchaft ihnen gleich/ mit
treflichen Waffen und Gewehr verſehen/ und hielte ſchon in voller Schlachtordnung/ wuͤꝛ-
de auch ohn zweiffel ſtuͤndlich angreiffen/ und des Groß Fuͤrſten Erloͤſung verſuchen. Was
angreiffen/ was verſuchen? ſagte Krito: Dieſe Landſtreicher ſollen uns wenig mühe ſchaf-
fen/ wann nur dem innerlichen Span wird gerahten ſeyn. Jedoch/ weil er ſahe/ daß gefahr
verhanden wahr/ und er den Sieg nicht wuͤrde erhalten/ wo er nicht vorſichtig ſpielete/ rieff
er uͤberlaut: Er vergaͤbe hiemit ſeinem Sohne und dem ganzen Kriegs Heer voͤllig/ und
nach allem ihrem begehren/ ſetzete deſſen ſeine Fuͤrſtliche Traͤue zu Pfande/ und ließ alsbald
ſeinem Sohn die Ketten abnehmen/ umbfing ihn aus ertichteter Liebe/ und verſprach/ nach
gehaltener Schlacht ihm ſeinen Willen zuvergnuͤgen; welches zwar der Sohn nicht glaͤu-
bete/ und ihm doch liebe wahr/ daß er die Freyheit erlangete/ nicht allein mit zu fechten ſon-
dern auch den rechten Fluͤgel zufuͤhren/ welcher in 17000 Reuter beſtund; da er dañ nach
angelegter Ruſtung 2000 ſeiner getraͤueſten Leute umb ſich nam/ die er wuſte/ nach alle ſei-
nem Willen fertig und bereit zu ſeyn/ maſſen er in ſteter Furcht lebete/ der Vater wuͤrde
ihm durch Meuchelmoͤrder/ auch wol mitten in der Schlacht nachſtellen. Der linke Fluͤgel/
20000 Reuter ſtark/ ward von einem Wendiſchen Herrn/ nahmens Pluſſo/ angefuͤhret/
welcher ein uͤberaus verwaͤgener ſtarker Ritter/ und in Feldſchlachten wol geuͤbet wahr.
Der alte Fuͤrſt ordente ſeinem Sohn einen Feldmarſchalk zu/ nahmens Niklot/ welcher ihm
ſehr getraͤu/ und in allen Buͤbereien beypflichtig wahr/ und ſolte derſelbe acht auff ſeinen
Sohn geben/ ob er irgend ſich etwas gefaͤhrliches unternehmen wuͤrde/ weil er offentlich
bekennen duͤrfte/ daß er ſich der Liebe zu dem Fraͤulein noch nicht begeben haͤtte. Und wann
die Goͤtter dieſen meinen ungerahtenen Sohn hinnehmen wolten/ ſagete er/ es geſchaͤhe
auff was weiſe es moͤchte oder koͤnte/ haͤtte ich ihnen/ und die darzu behuͤlfflich waͤhren/ hoch
zu danken. Welches dieſer wol verſtund/ und ſeinem Fuͤrſten verſprach/ ihn/ wo moͤglich/
dieſer Furcht zubenehmen. Das Fußvolk 20000 Mann/ fuͤhrete Krito ſelbſt zwiſchen der
Reuterey/ und wahr Herr Gunderich/ ſeines verſtorbenen Bruders Sohn daruͤber Ober-
ſter Statverweſer. Das ganze Heer/ weil ihnen alles nach willen verſprochen wahr/ ſtellete
ſich uͤberaus freidig zum Treffen/ fingen ein ſtarkes Feldgeſchrey an/ und meineten/ es koͤn-
te ihnen an dem Siege durchaus nicht fehlen. Herkules (der ſich bey ſeinem Heer noch
immerzu in angeſtrichener Farbe vor einen Perſiſchen Abgeſanten halten ließ) ſchickete
Leches und Klodius mit 1000 Pferden vorne an/ unter dem befehl/ durchaus nicht ernſt-
lich zu treffen/ ſondern ſich/ wo moͤglich/ nur ein wenig mit des Feindes ausgeſchikter Reu-
terey zu tummeln/ und etliche Gefangene zuerhaſchen/ von denen man des Feindes Vor-
haben berichtet werden koͤnte; gingen demnach ſehr behutſam fort/ biß ihnen eine feindliche
Schaar 1500 ſtark auffſtieß/ die mit grimmiger Wuht in ſie fielen/ daß ſie ſich nohtwendig
wehren muſten/ da ſie dann/ ungeachtet ſie zur helfte uͤbermannet wahren/ ſich der geſtalt ih-
ren Feinden zuerkennen gaben/ daß jene den erſten Eifer bald ablegten/ und ihrer Schanze
beſſer acht nahmen: jedoch zog ſich Leches gerne zuruͤk/ hatte in dieſem kurzen Treffen 200
Mann eingebuͤſſet/ und an Feindes Seiten 650 erleget/ und 25 gefangen/ mit welchen er
q q qnach
[490]Siebendes Buch.
nach Herkules eilete/ und alles Zuſtandes berichtet wurden/ daß der Zwieſpalt zwiſchen
Vater und Sohn gleich dieſen Morgen/ mehr auffgeſchoben als auffgehoben waͤhre;
haͤtten demnach die Voͤlker noch keine Speiſe genoſſen/ weil ſie mit dieſem Vergleich zu-
tuhn gehabt. Wolan/ ſagte Herkules/ dieſe beyden Raͤuber und Menſchen Diebe ſollen ob
Gott wil/ uͤber meine Frl. Schweſter ſich nicht lange mehr zanken/ und unſere Zeit iſt kom-
men; gab das Feldgeſchrey aus: Hilff Gott! ließ auffblaſen und trummeln/ und zog in
wolgeſezter Ordnung und guter freidigkeit loß. Ihre Feinde wahren gleich zuſpeiſen be-
dacht/ weil ſie aber die vielen glaͤnzende Ritter Harniſche und blanke Waffen ſahen/ gꝛiffen
ſie auch zum Gewehr/ wiewol nicht alle mit gleichem Muht und Herzen/ dann die Frie-
ſen/ deren ohngefehr der dritte Teil wahr/ ſo wol zu Roſſe als zu fuſſe/ waͤhren lieber aus der
Gefahr geweſen/ als die ohndas die unverantwortliche Taht des Wenden nicht billichtẽ/
und wol merketen/ daß derſelbe ihre freiheit zuſchwaͤchen/ alle gelegenheit ſuchete; jedoch
muſten ſie wider ihren Willen fechten/ weil ihnen nit allein lauter Wendiſche Befehlichs-
haber geſetzet/ ſondern ſie auch durch die Wendiſchen Voͤlker dergeſtalt verſtecket wahren/
daß ſie weder einer dem andern ihre Meinung offenbahren/ noch Abtrit nehmen kunten.
So bald beide anſehnliche Heere ſich ins Feld geſetzet/ und einer den andern ins Geſichte
bekam/ ſendete Ladiſla einen Heerhold/ ſeinen Leches an Krito ab/ und ließ ihm ſagen: Der
Großmaͤchtige Koͤnig aus Boͤhmen/ Koͤnig Ladiſla/ nachdem er vernommen/ daß ſein H.
Vetter und Vater der Groß Fuͤrſt aus Teutſchland Herr Henrich/ nebeſt ſeinem Gemahl
und Frl. Tochter/ von dem Wendiſchen Fuͤrſten Krito/ und ſeinem Sohn Gotſchalk/ un-
abgeſaget/ und unter dem ſchein einer Bruͤderlichen Zuſammenkunfft und Beredung/ ge-
fangen hinweg gefuͤhret worden; haͤtte ſeine Pflichtſchuldigkeit ihn auffgemahnet/ dem-
ſelben kindliche Traͤue zuerweiſen/ als welcher ihn in der Jugend vaͤterlich aufferzogen;
begehrete demnach an den Wendiſchen Fuͤrſten/ entweder gnugſame Urſachen der geſche-
henen Entfuͤhrung anzuzeigen/ oder in Mangel deren (wie ihm dañ unmoͤglich ſeyn wuͤr-
de/ eine ſo ſchaͤndliche Taht zurechtfaͤrtigen) vor erſt/ den Groß Fuͤrſten ſamt den ſeinigen
alsbald auff freye Fuͤſſe zuſtellen; und hernach/ wegen begangener unfuͤrſtlicher ganz un-
verantwortlicher Entfuͤhrung umb Verzeihung zubitten/ und gebührlichen Abtrag zuma-
chen; im fall aber er ſich deſſen wegern wuͤrde/ ſolte ihm hiemit nicht allein als einem Erz-
feinde und offentlichen Straſſen Raͤuber abgeſagt/ fondern auch die Feld Schlacht ange-
kuͤndiget ſeyn/ da dann der wahre Gott als ein gerechter Richter und Raͤcher aller Untah-
ten/ der gerechten Sache ſchon beiſtehen/ und den Verbrecher zur gebuͤhrlichen Straffe
zihen wuͤrde; jedoch foderte der Boͤhmiſche Koͤnig ihn den Wendiſchen Fuͤrſten/ und
der gebohrne Groß Fuͤrſt aus Teutſchland Fuͤrſt Baldrich/ ſeinen Sohn Gotſchalk aus
zum abſonderlichen Kampffe/ da ſie ſonſten ſo viel herzens haben duͤrfften zuerſcheinen;
worauff er als ein Geſanter der Antwort wolte gewaͤrtig ſeyn. Krito wahr zu ſtolz/ ſelbſt
zuantworten/ rief ſeinen Verweſer Gunderich zu ſich/ und legte ihm die Worte in den
Mund; welcher dann dieſes vorbrachte: Der freye Fuͤrſt und Beherſcher der unuͤber-
windlichen Wenden/ auch erwaͤhleter Großmaͤchtiger Schuz Herr des Frieſiſchen Koͤ-
nigreichs/ haͤtte keinem Menſchen in der ganzen Welt ſeines tuhns und laſſens Rede oder
Antwort zugeben/ vielweniger dem vermeyneten Boͤhmiſchen Koͤnige/ von welchem man
bißher
[491]Siebendes Buch.
bißher nichts gehoͤret/ als daß umb eines Weibes willen er der Roͤmer Joch ohn einigen
Schwertſchlag uͤber ſich genommen/ und ihnen als ein Knecht bedienet waͤhre; daher
man ihn mehr vor einen Sklaven als Koͤnig achten muͤſte/ und zugleich unwirdig ſchaͤtzẽ/
mit welchem ein freier Fuͤrſt abſonderliche Handwechſelung hielte; So wuͤſte man uͤber-
das ſchon/ daß kein Teutſcher junger Fuͤrſt mehr im Leben waͤhre/ und ſein Sohn viel zu ã-
del/ mit einem ertichteten Fuͤrſten ſich zuſchmeiſſen; den begehreten Abtrag wolte er ihm
dieſe Stunde machen/ und ohn weitere Anfoderung willig und gerne vergnuͤgen/ daß er
deſſen forthin nicht mehr begehren ſolte: Leches antwortete hierauff: Daß mein gnaͤdig-
ſter Koͤnig ſeine freiheit den Roͤmern uͤbergeben/ und deren Dienſtbarkeit ſolte uͤber ſich ge-
nommen haben/ iſt eine offentliche Land- und Schandluͤge/ und wird von deinem Fuͤrſten
nur zu dem Ende ertichtet/ daß er ſich des abſonderlichen Kampffs entbrechen moͤge/ wel-
ches ihm doch ſein Leben nicht lange friſten wird. Ob auch der Durchl. Fuͤrſt Baldrich
tod oder im Leben ſey/ wird ſeine ſtreitbare Fauſt gar bald Kundſchafft geben. So ſage du
nun deinem Fuͤrſten zum endlichen Schluſſe: Mein gnaͤdigſter Koͤnig halte deinen Fuͤr-
ſten als einen uͤberzeugeten oͤffentlichen Straſſen Raͤuber und Menſchen Dieb unwirdig
ſeines Schwerts/ und ſich zu hoch/ ſeine Haͤnde mit ſolchem nichtigen Blute zubeſudeln/
gelebe auch der Hoffnung/ es werde der gerechte Gott ſeiner guten Sache beypflichten/ uñ
ihm goͤnnen/ daß der ruchloſe Raͤuber zur gebuͤhrlichen Straffe gezogen werde. Gunde-
rich wiederſprach dieſem/ als einer unbillichen Schmaͤhung/ die einem Heerhold nicht frey
hingehen muͤſte. Aber Leches ſagte zu ihm: Mein Kerl/ hier gilt nicht lange zankens/ ſon-
dern ich bleibe auff meinem Vorbringen/ deſſen ich gnugſame Volmacht habe/ und weil
du mir draͤueſt/ fodere ich dich auff einen abſonderlichen Kampf/ welchen du mit mir aus-
tragen muſt/ wo du ſonſt Ritter Standes nicht wilt unwirdig geſcholten ſeyn. Kehrete hie-
mit umb/ und rennete Sporenſtreiches nach ihrem Heer/ weil er etliche ſich hervor tuhn
ſahe/ die ihn ſchelmichter weiſe angreiffen wolten/ und darzu von ihrem Fuͤrſten ausdruͤk-
lich hingeſchikt wurden. Nun wahr Gunderich nicht allein ein ſehr verwaͤgener/ ſondern
auch wol geuͤbeter ſtarker Ritter/ welcher ihm ſchon die Hoffnung gefaſſet hatte/ des Va-
ters und Sohns Zwieſpalt ſolte zu ſeiner Erhoͤhung dienen/ ob ſie unter einander ſich auf-
reiben moͤchten/ weil alsdann er der naͤheſte Erbe waͤhre; daher er ſich auch bey ſolcher
Uneinigkeit bezeigete/ daß er ſo wenig dem einen als dem andern Beyſtand leiſten wolte/
und ob er gleich von beiderſeits Anhange darzu gereizet ward/ wendete er beſtaͤndigſt ein/
es wolte ihm durchaus nicht gebuͤhren/ ſich zwiſchen ſeines gnaͤdigſten Fuͤrſten und deſſen
Sohns Streithaͤndel einzumiſchen/ wann ſie aber ihn zu ihrer Verſoͤhnung gebrauchen
wolten/ waͤhre er willig und ſchuldig alle ſeine Kraͤffte daran zuſtrecken. Die Ausfoderung
von Leches nam er getroſt an/ und mit dieſen Worten baht er ſeinen Fuͤrſten umb Verguͤn-
ſtigung den Kampff auszuuͤben: Großmaͤchtiger Fuͤrſt; mein Sinn/ der mich noch nicht
betrogen hat/ ſaget mir gaͤnzlich zu/ dieſer ſchmaͤhſuͤchtige Geſanter muͤſſe den Lohn ſeines
frechen Mauls von meinem Schwerte einnehmen/ welches er ſo frevelmuͤhtig ausgefo-
dert hat; bitte demnach untertaͤhnigſt/ Eure Durchl. wolle mir gnaͤdig erlauben/ daß un-
ſerm Heer ich die Bahn oͤfne/ und dem herlichen Siege uͤber die toͤlpiſchen Boͤhmen und
Sachſen den rühmlichen Anfang mache; hernach wollen wir des Boͤhmiſchen Koͤniges
q q q ijunbe-
[492]Siebendes Buch.
unbeſonnenes Haͤupt bald auff einer Stangen ſtecken ſehen. Niklot taht ſeinem Fuͤrſten
zugefallen den Vorſchlag/ obs nicht ein Ding waͤhre/ daß dem tapfern jungen Fuͤrſten Got-
ſchalk der Kampff wider den jungen Sachſen Fuͤrſten zugelaſſen wuͤrde; aber derſelbe ant-
wortete im Eifer: Wo euch nicht gebuͤhret zureden/ Niklot/ da ſchweiget/ biß mans euch
abfodere; haͤtte ich aber meiner Gliedmaſſen Geſundheit noch/ die in Beſchuͤtzung meines
Gn. Herrn Vaters ich freudig und willig zugeſetzet habe/ wolte ich nicht harren/ biß ihr
mich darzu anmahnen wuͤrdet. Dieſes redete der Fuͤrſt/ weil ihm wol bewuſt wahr/ wie
gerne dieſer ſeines Vaters Bosheit pflegete auszuuͤben/ zweifelte auch nicht/ da er ſich vor
einigen Meuchelmoͤrder zubefuͤrchten haͤtte/ wuͤrde es dieſer ſeyn; welcher ſich vor des jun-
gen Fuͤrſten Zorn fuͤrchtend/ ſich ſehr demühtigte/ und ſeiner Unbedachtſamkeit gnaͤdige
Verzeihung baht/ welches Gotſchalk mit einem ſtilleſchweigen beantwortete. Der Va-
ter ſtellete ſich/ als haͤtte er dieſer Rede keine acht/ wendete ſich nach Gunderich/ und ſagte
zu ihm: Reite hin mein Oheim/ uñ biß eingedenke/ dz du dich als ein Voꝛbilde Wendiſcher
Tapferkeit erzeigẽ muͤſſeſt/ weil du zu dem Ende von mir abgeſchicket wirſt/ da dir dañ nach
erlangetem Siege/ deſſen wir ſchon verſichert ſind/ die gebuͤhrliche Kron auffgeſetzet/ und
das Ehrengedaͤchtniß zugeſtellet werden ſol. Leches hinterbrachte auch die erhaltene Ant-
wort/ und daß er ehrenhalben nicht umhin gekunt/ ſeines Koͤniges Redligkeit zu handha-
ben/ und den Freveler auszufodern/ baht umb gnaͤdigſte Verguͤnſtigung/ und hoffete/ Gott
wuͤrde ihm Kraͤffte/ und dem Heer durch ſeinen Sieg/ friſchen Muht verleihen. Warum
nicht/ antwortete Ladiſla/ nach dem ihr das Wort geſprochen/ und mirs ſo gut nicht werdẽ
kan; deswegen ſchaffet es nach eurem Willen/ weil ihr ohndas wiſſet/ daß ich eurer Ehren
ſteter Befoderer bin. Auff dieſe Volmacht ſendete er Neklam ſelb ſechſe an den Feind/ um
zuvernehmen/ ob dem Ausgefoderten das Schwert in der Scheide loß/ und das Speer in
der Fauſt feſte waͤhre/ ſolte er gar alle in zwiſchen beyden Lagern ſich finden/ ſeine Manheit
ſehen laſſen/ und vor allem unredlichen uͤberfall geſichert ſeyn. Ja/ antwoꝛtete Gunderich/
ich erwarte des Laͤſterers ſchon/ und wil ihm ſein leztes einſchenken. Er iſt kein Laͤſterer/ ſa-
gete Neklam/ ſondern ein Laͤſtermaul redet ſolches/ habe auch wol ehe geſehen/ daß eine
großſprechige Zunge gehemmet iſt. Kehrete damit umb/ und hinterbrachte den Beſcheid/
daher Leches alsbald fortritte/ weil er ſeinen Mann ſahe desgleichen tuhn. Sie wahren
beyderſeits eiferig/ aber Leches behuhtſamer/ traffen allerſeits wol/ und hielten/ das erſte
mahl redlich aus/ haͤtten auch den andern Saz gerne gewaget/ aber die Speer wahren zu-
brochen/ und ſo bald keine neue verhanden/ daher ſie zu den Schwertern griffen/ und einen
grimmigen Streit anfingen/ in welchem doch Gott und die gerechte Sache endlich ſchei-
dung machete/ dann nachdem ſie eine gute Viertelſtunde gearbeitet hatten/ warff Leches
den Wenden vom Pferde/ ſprang ihm nach/ und nach abgezogenem Helme ſchlug er ihm
den Kopff mit einem Streiche hinweg/ welchẽ er ſamt des Feindes Schwerte zu ſich nam/
und beides zu ſeines Koͤniges Fuͤſſen mit dieſen Worten niderwarff: Dieſe goͤttliche Ra-
che ſol verhoffentlich ein Beyſpiel ſein unſers kuͤnfftigen herlichen Sieges/ nachdem ich
durch Gottes gnaͤdigen Schuz allerdinge unverwundet und bey ganzen Kraͤfften blieben
bin. Unſer Heer ließ auff erhaltenen Sieg ein ſtarkes Freuden Geſchrey aus/ dagegen er-
ſchrak der Wendiſche Fuͤrſt des Unfals/ daß er erblaſſete; welches zubemaͤnteln er zu den
ſeinen
[493]Siebendes Buch.
ſeinen ſagete: Der gute Gunderich haͤtte den Sieg leicht erhalten/ dann ich habe eigent-
lich geſehen/ daß er unter dem Gefechte in die fallende Sucht/ die ihn zuzeiten anſtoſſet/
(welches doch ertichtet wahr) geriet/ und daher ſeinem Feinde zuteil worden iſt; welches
uns aber wenig irret/ und ſol ſein Blut bald gerochen werden. Herkules ließ alsbald durch
3000 Reuter unter Klodius den erſten Anfal tuhn/ denen der Wendiſche Pluſſo ſo viel
entgegen ſchickete/ die ſich dann rechtſchaffen zuwetzeten/ doch ſpieleten die Teutſchen bald
Meiſter; wiewol ihren Feinden zeitig gnug der Entfaz zukam/ daß Herkules gezwungen
ward/ unter Neda einen geruheten Hauffen 2000 ſtark fortzuſchickẽ/ welche alles vor ſich
nidermacheten/ und Pluſſo mit ſeiner ganzen Macht loßzubrechen vor gut anſahe; dem
Herkules nicht lange Ruhe goͤnnete/ aber doch Arbianes mit der Halbſcheid ſeiner Par-
ther und 2000 Teutſchen zum Entſaz im Felde ſtehen ließ. Baldrich hatte den linken Fluͤ-
gel mit Siegward geteilet/ und taht dieſer mit 4000 den erſten Angriff; dem Niklot mit
6000 friſch begegnete/ und ſich im Felde weidlich umtrieben/ daß keiner ſich eines ſonder-
lichen Vorzuges zuruͤhmen hatte; dann dieſer Wende wahr ein ſehr geſchikter Kriegs-
mann/ und bemuͤhete ſich allezeit mit Vortel zuſpielen; jedoch als jener von Markus mit
2000 friſchen Reutern entſetzet ward taht der Feind gemach/ daß ihnen Verſtaͤrkung noͤ-
tig fiel/ die ihnen zu rechter Zeit zu huͤlffe ging/ und die unſern auffs neue zuruͤk geprallet
wurden/ ſo daß Prinſla mit 3000 zur Seiten einbrechen muſte/ wodurch er der unſern fuß
gegen den Feind wiederumb feſt ſetzete/ daß ſie etliche Acker laͤnge den Feind weichen ma-
cheten. Die Fußvoͤlker wolten nicht die ſchlaͤfferigſten ſeyn/ dann Ladiſla friſchete ſeine
Boͤhmen geherzt an; Er haͤtte bißher in Feld Schlachten mehrenteils fremde auslaͤndi-
ſche Voͤlker an ſeinen Feind gefuͤhret/ welche ihm allemahl ſo traͤulich beigeſtanden/ daß er
nie ohn den voͤlligen Sieg abzug genommen haͤtte; jezt wolte er acht geben/ wie feſt und
tapffer ſeine angebohrne Untertahnen ſich bey ihm halten wolten/ deſſen er ſich zu ihnen un-
gezweifelt getroͤſtete; taht hiebey die Verſprechung/ daß er einem jeden/ der ihm einen Be-
fehlichshaber lebendig liefern/ oder daß er einen gefellet haͤtte/ mit Zeugen beweiſen koͤnte/
zehn Kronen uͤber ſeinen Sold/ und ein Frey Jahr geben wolte auff alle ſeine Haabe und
Guter; hernach ſetzete er 15000 Kronen auff des Wendiſchen Fuͤrſten Haͤupt/ und wahr
Fabius ſein Feldmarſchalk/ Leches und Gallus aber Groß Oberwachtmeiſtere. Es trug
ſich zu/ daß wie er dieſe ſeine Rede hielt/ ſahe er unweit von ihm einen Kriegs Knecht ſtehẽ/
mit einem groſſen Schlacht Schwert/ ſtark von Leibe uñ Gliedmaſſen/ welcher ſehr bleich
ausſahe/ und faſt an allen Gliedern zitterte; deſſen er lachete/ und zu ihm ſagete: Mein
Kerl/ wie fuͤrchteſtu dich ſo hart? grauet dir vor des Feindes Geſchrey/ ſo trit nur zuruͤk/
und mache dich wieder nach dem Lager. Dieſer erhohlete ſich bald/ und antwortete: Gnaͤ-
digſter Koͤnig; ich bin ungezwungen von mir ſelbſt mit fortgezogen/ da ich wol haͤtte koͤñen
daheim bleiben/ aber die begierde meinem Koͤnige zudienen/ und deſſen Feinde zuverfolgẽ/
hat mir dẽ Harniſch angelegt/ uñ dz Schwert in die Fauſt gegebẽ/ deſſen ichmich/ ohn ruhm
zumeldẽ/ mehr gebraucht habe; ich bin mir abeꝛ wegẽ dieſeꝛ unart ſelber feind/ welche ich al-
mal empfinde/ wañ ich ſechtẽ ſol; dafern ich aber meinẽ Plaz lebendig verlaſſe/ od’ im Treffẽ
einige Furchtſamkeit ſehen laſſen werde/ ſol mein naͤheſter Spießgeſelle das Recht an mir
veruͤben. So verzeihe mirs mein Freund/ ſagte der Koͤnig/ und wil ich dir vor dieſe bezich-
q q q iijtigung
[494]Siebendes Buch.
tigung gerecht ſeyn. Nun redete dieſer Boͤhme die Warheit; dann er hielt ſich in der
Schlacht ſo wol/ daß er 21 von den Feinden erlegete/ und dagegen neun Wunden mit dem
Leben davon brachte; ſein nahme aber wahr Miezla. Fuͤrſt Krito muhtigte die ſeinen auch
mit groſſen verheiſſungen/ deren er doch wenig zu leiſten willens wahr/ hielt ihnen daneben
vor/ wie gehaͤſſige Feindſchaft die Sachſen zu ihrem Geſchlecht truͤgen/ und ſie faſt den
Hunden gleich ſchaͤtzeten/ daher ſie ihn und ſeinen Sohn unwirdig geachtet haͤtten/ ihnen
das Fraͤulein zum Gemahl abfolgen zulaſſen; dieſen Schimpf zu raͤchen/ haͤtte man anjezt
die gewuͤnſchteſte Gelegenheit/ darumb ſolten ſie auff ihn ſehen/ und ihm immer nach wuͤr-
gen/ alsdann müſte ohn allen zweiffel der Sieg auff ihre Seite fallen. Der erſte Angriff
zwiſchen ihnen wahr ſehr herbe; Leches und Gallus muſten den erſten Fall wagen/ die ſich
zwar aͤuſſerſt bemüheten einzubrechen/ aber ſie funden gleichmaͤſſigen Wiederſtand/ weil
Krito ihnen ſehr tolkuͤhne Wagehaͤlſe entgegen gehen ließ/ welche den untergeſteckten Frie-
ſen mit ihrem Beyſpiel einen Muht eingoſſen/ daß ſie nicht weniger kühne Gegenwehr tah-
ten/ und niemand hinter ſich zu weichen bedacht wahr. Alſo wuͤtete nun das Schwert an
allen Orten/ aber am hitzigſten ging es dißmahl zwiſchen Baldrich und Gottſchalk zu/ wo-
ſelbſt Niklot und Siegward einander noch die Wage hielten/ biß ſie beyde ſelbſt aneinan-
der gerieten/ und ſich rechtſchaffen zwageten. Baldrich fuͤrchtete ſich ſehr/ er wuͤrde an ſei-
nem Orte ſich am ſchlechteſten halten/ weil der Feind ſo leicht nicht weichen wolte/ deswe-
gen er mit ſeiner uͤbrigen ganzen Mannſchafft anſetzete/ und den ſeinen zurieff/ ob ſie allein
ſich wolten uͤberwinden laſſen; der rechte Fluͤgel haͤtte ſchon geobſieget; ſo waͤhre des Fein-
des Fußvolk auff der Weichſeite; was ſie gedaͤchten/ daß ſie als ſchlaffende die Haͤnde ſin-
ken und den Muht fallen lieſſen. Gottſchalk hoͤrete dieſes/ und wie die Liebe ohndz allemahl
furchtſam iſt/ gedachte er/ ihm wuͤrde alſo ſeyn/ ließ ſich doch nichts merken/ ſondern ſendete
ſeinem Feldmarſchalk das übrige ſeines Heers zu/ Baldrich entgegen/ ob ſie Wiederſtand
tuhn/ und ſeinen ungeſtuͤmen Einbruch zurük halten moͤchten. Seine 2000 getraͤuen aber
nam er zu ſich/ rante mit ihnen auffs allerſchleunigſte dem Dorffe zu/ woſelbſt der Groß-
Fuͤrſtneben den ſeinen verwahret ward. So bald er daſelbſt anlangete/ erteilete er ſeines
Vaters Leuten befehl/ auffs geſchwindeſte nach der Schlacht zu reiten/ und ſich zu dem lin-
ken Fluͤgel zuſchlagen/ als wo man ihrer benoͤhtigt waͤhre/ das Fußvolk aber nach des La-
gers beſchuͤtzung zu gehen; welche ſich deſſen wegerten/ einwendend/ es waͤhre ihnen bey
Leib und lebens Straffe gebohten/ von den Gefangenen nicht zu weichen/ viel weniger dem
jungen Fuͤrſten zu goͤnnen/ daß er zu ihnen nahete. Er aber wolte ſich nicht lange mit ihnen
zanken/ und weil er an Reuterey ihnen uͤberlegen wahr/ ließ er ihrer zwoͤlffe alsbald nider-
hauen/ draͤuete auch dem ganzen Hauffen gleiche Straffe/ dafern ſie nicht alsbald abzihen
und ſeinem befehl nachkommen wuͤrden; Er waͤhre von ſeinem liebſten Herr Vater ſelbſt
hergeſchikt/ die Gefangenen an einen andern Ort zu bringen/ damit ſie nicht von ihren Voͤl-
kern loßgemacht wuͤrden; zwar es merketen dieſe den Auffſaz wol/ aber weil ſie überman-
net/ und unverſehens umbringet wahren/ lieſſen ſie ſich weiſen/ und zogen auff ſeinen befehl
ab. Gotſchalk erfreuete ſich des guten anfangs hoͤchlich/ beſetzete das Dorff mit ſeinen Leu-
ten auffs beſte/ machete ſich darauff mit etlichen wenigen zu dem Groß Fuͤrſten/ und redete
ihn alſo; Gnaͤdigſter Herr/ als Vater zu ehren; nachdem kein Ding in der ganzen Welt/
als
[495]Siebendes Buch.
als der bittere Tod/ meinen Vorſaz brechen kan/ das Durchl. Fraͤulein vor meines unge-
rechten Vaters unbi[ll]igem vornehmen zu ſchuͤtzen/ und aber derſelbe annoch der Billigkeit
in ſeinem Herzen nicht raum geben wil/ da hingegen ich/ die dem Fraͤulein verſprochene
Rettung zu halten/ mir gaͤnzlich vorgenommen/ als kan ihrer Hocheit ich nicht bergen/ daß
mein Vater allerdinge geſinnet/ und entſchloſſen iſt/ dieſen Abend das ehebrecheriſche Bey-
lager mit ihr zu halten/ welches/ da man der Zeit abwarten wird/ kein Menſch wird hindeꝛn
koͤnnen; beliebe derowegen ihre Hocheit/ meinen Vorſchlag ihr gnaͤdigſt gefallen zu laſſen/
und mir zu goͤnnen/ das dero Frl. Tochter ich von dieſer Schande befreien/ und in gute
ſicherheit fuͤhren moͤge; ob dann gleich vor vier Tagen der Anſchlag mir nicht hat wollen
gluͤcken/ nach dem er zu unvorſichtig gewaget wahr; ſo zweiffele ich doch nicht/ vor dißmahl
meinen Vorſaz durch der guͤnſtigen Goͤtter beyſtand/ zum gewuͤnſchten Ende hinaus zu-
fuhren; maſſen ich mit 2000 Reutern verſehen bin/ welche bereit ſind/ Leib und Leben bey
mir auffzuſetzen; über das auch die uͤbrigen Voͤlker mir verſprochen haben/ ſich zu meiner
Verfolgung nicht gebrauchen zu laſſen. Die Groß Fuͤrſtin/ wie from ſie ſonſt wahr/ kunte
ſich hieſelbſt nicht enthalten/ ſo wol des Sohns als des Vaters Verraͤhterey auszuſchelten/
und ließ ſich ausdruͤklich vernehmen/ daß ſie dem einen eben ſo wenig als dem andern tꝛaue-
te. Seid ihr Fuͤrſten? ſagte ſie/ und handelt wie Raͤuber und Straſſendiebe. Wollet ihr
mein liebes Kind heyrahten/ und ſchleppet ſie mit ihren Eltern umbher als gefangene Hun-
de? Der Groß Fuͤrſt redete ihr ein/ man muͤſte den Goͤttern nicht allein im guten wolerge-
hen/ ſondern auch im Ungluͤk geherzt aushalten/ dieſelben ſchicketen offt den frommen der-
gleichen Wiederwaͤrtigkeiten zu/ umb zuerforſchen/ wie man ſich in ihre Weiſe finden wol-
te/ und waͤhre denſelben nichts ſo hart zu wieder/ als die Ungeduld. Hernach kehrete er ſich
zu Gotſchalk/ und ſagete ihm mit duͤrren Worten; Es kaͤhme ihm ſein Vorbringen wan-
kelmuͤhtig und verdaͤchtig vor/ haͤtte auch wenig Urſach/ ſich auff ſeyn Wort zuverlaſſen;
jedoch/ dafern er ihm aͤid- und Fuͤrſtlich angeloben wuͤrde/ daß er ſein liebes Kind nicht al-
lein vor anderer gewaltſamkeit beſchuͤtzen/ ſondern auch ſelbſt aller taͤhtlichen Unzimligkeit
ſich enthalten wolte/ die ihrer Zucht und jungfraͤulichen Keuſcheit irgend koͤnte nachteilig
ſeyn/ waͤhre er zu frieden/ daß er ſie zu ſich naͤhme/ und in gute gewahrſam braͤchte; ſolte er
aber mit unerbaren Gedanken ſchwanger gehen/ wolte er ſie lieber ſelbſt erwuͤrgen/ als ihre
Schande erleben; nicht/ daß er ſie ihm hiemit vor der Fauſt zum Gemahl abſchluͤge/ ſon-
dern er wolte durchaus nicht einwilligen/ daß ſie als eine geraubete ſolte entfuͤhret und ge-
ehlichet werden. Gotſchalk befand es ſehr hart/ dieſe Verheiſſung zu tuhn/ wolte doch nicht
mit gewalt verfahren/ ſondern/ weil es anders nicht ſeyn kunte/ leiſtete er den aͤid/ und em-
pfing darauff das Fraͤulein/ welche uͤber die maſſe heftig weinete/ daß ſie nicht allein von
ihren Eltern ſolte geſchieden/ ſondern auch von dieſem Einaͤugigen ungeſtalten Raͤuber/
als ſein Gemahl/ in die fremde hinweg gefuͤhret werden/ da ſie vielleicht wol in wenig ſtun-
den ſeiner Gewaltſamkeit weichen/ uñ ſeinem muhtwillen raum geben muͤſte; jedoch wahr
ihr des alten Wenden Beylager ungleich abſcheuhlicher/ inſonderheit/ weil Gotſchalk ihr
ſeiner Fr. Mutter Leben und Zuſtand offenbahret hatte; in deſſen betrachtung ſie ſich end-
lich in etwas zu frieden gab/ und ſich von ihrem Herr Vater zu ihm auff ſein Pferd heben
ließ/ weil ſie aus zweien Ubeln unvermeidlich das geringere waͤhlen muſte/ und noch etwas
Hoff-
[496]Siebendes Buch.
Hoffnung hatte/ der Fuͤrſt wuͤrde/ inbetrachtung ſeines jezt geleiſteten aͤides ſich der Unbil-
ligkeit enthalten/ wozu ihn ihr Herr Vater beim Abſcheide ſehr ernſtlich vermahnete. So
bald Gotſchalk dieſe herzliebe Beute vor ſich auff dem Pferde hatte/ und umb beſſerer Eile
willen ſeinen Harniſch ablegete/ ließ er den Groß Fuͤrſten und ſein Gemahl mit 400 Reu-
tern bewahren/ 1600 ließ er zurük gehen nach dem Heer/ den ihren Beyſtand zu leiſten/ und
mit hunderten ſetzete er uͤber die Iſel/ unter dem Vorſaz/ daß er des naͤheſten Weges durch
Holland nach der Weſtſee reiten/ ſich mit dem Fraͤulein zu Schiffe ſetzen/ und nach Daͤ-
nenmark zu dem Koͤnige/ ſeiner Fr. Mutter Bruder ſich verfuͤgen wolte/ woſelbſt er nicht
allein vor ſeines Vaters Grim und Verfolgung/ im falle er die Schlacht erhalten wuͤrde/
verhoffete ſicher zu ſeyn/ ſondern durch dieſes Koͤniges Vorſchub bey dem Teutſchen Groß-
Fuͤrſten ausgeſoͤhnet zu werden und die Einwilligung zur Heyraht zuerhalten. Unterdeſ-
ſen ging es in der Schlacht ſcharff daher/ inſonderheit/ wo Herkules mit ſeinem aͤdlen
Blaͤnken ſich den Feinden zuerkennen gab/ deren er die vornehmſten niederſchlug daß je-
der vor ihm auswiche/ der ihn ſahe; er hatte ſeiner aus Perſen mitgebrachten Teutſchen
20 umb ſich/ welche allen Anfall/ ſo Schaarsweiſe auff ihn gerichtet wurden/ von ihm ab-
kehreten; noch wolten die Feinde nicht hinter ſich weichen/ als lange ihr Fuͤhrer Pluſſo ſich
auff dem Pfeꝛde hielt; welcher nicht geringe Tahten verrichtete/ und mit Klodius gleich in
der Arbeit wahr/ ihn lebendig gefangen zu nehmen/ haͤtte es auch ſonder zweiffel ins Werk
gerichtet/ wann nicht Herkules darzu kommen waͤhre/ welcher die Gefahr erſehend/ als ein
Bliz durch drang/ und den Wenden dergeſtalt uͤberfiel/ daß er von Klodius ablaſſen/ und
wie der ihn ſich kehren muſte; meinete auch/ dieſen Kaͤmpfer bald niderzulegen oder doch
hinter ſich zutreiben/ welche Rechnung aber er ihm zu fruͤh machete/ maſſen ihm Herkules
bald im anfange den linken Arm laͤhmete/ daß eꝛ ſein Pferd nicht nach Willen zwingen kun-
te/ ſetzete immer eifferiger auff ihn/ und ſagete unter dem Gefechte: Ihr gottloſen Diebe
und meinaͤidige Straſſenraͤuber muͤſſet dannoch wiſſen und empfinden/ daß ein Gott im
Himmel ſey/ welcher der Menſchen Bosheit auff Erden ſehen und abſtraffen kan; ſchlug
ihn auch ſo oft und viel umb die Ohren/ daß er endlich betaͤubet zur Erden ſtuͤrzete/ und der
Blaͤnke ihm das Genicke abtrat/ welchen er auff der Erden liegend/ zuerſtechen meinete.
Sein Fall brachte ſeinen Leuten ein ſolches Schrecken/ daß ihnen der Muht gar entfiel/ uñ
ihrer nicht wenig ſich ſchon nach der Flucht umbſahen; aber ein unverzageter Wendiſcheꝛ
Obriſter/ nahmens Gilimer/ der zuvor den Vertrag zwiſchen dem Vater und Sohn ge-
macht hatte/ taht ſich hervor/ ſamlete etliche tauſend umb ſich/ und brachte dieſen Hauffen
wieder zum zimlichen Stande. Fürſt Arbianes hatte ſich bißdaher nicht gereget/ ſahe/ daß
nach Pluſſons hinrichtung Herkules Meiſter ſpielete/ und ſeinen Feinden uͤbrig gewach-
ſen wahr/ daher faſſete er die unbewaͤgliche Erklaͤrung/ ſein Vorhaben ritterlich auszufuͤh-
ren/ oder willig zu ſterben/ kehrete ſich zu ſeinen Meden und Parthen/ und redete ſie alſo an:
Nun auff/ ihr redlichen Landsleute und Bruͤder; unſer Oberhaͤupt/ welches ihr kennet/
und von ihm noch groſſe Gnade zu hoffen habet/ hat mir den Befehl erteilet/ den gefange-
nen Groß Fuͤrſten und die ſeinigen/ durch euren ritterlichen Beyſtand zuerloͤſen/ welche
Ehre er euch vor andern goͤnnen wollen/ umb ſeine hohe Gewogenheit euch vorzulegen/
ſo gedenket nun an euer getahnes verſprechen/ und haltet euch alſo/ daß ihr Ruhm und Eh-
re
[497]Siebendes Buch.
re über Meer nach eurer Heimat davon traget; ich verſpreche euch hiemit Fuͤrſtlich/ daß
euch der Mühe nicht gereuen ſol. Seine Leute gaben durch Schwingung ihrer Schwer-
ter umb die Koͤpffe/ ein Zeichen ihrer freidigkeit/ gingen mit ihrem Fuͤhrer loß/ und lieſſen
ſich durch einen geſtriges Tages gefangenen/ des naͤheſten Weges nach dem Dorffe fuͤh-
ren. Die daſelbſt ausgeſtellete Schildwache ſahe ihn herzu eilen/ erkennete bald die feind-
lichen Faͤhnlein/ und rennete dem Dorffe/ zu/ der Beſatzung ſolches anzuzeigen; welche
dann nicht anders gedachten/ als daß an ihrer ſeite das Feld allerdinge wuͤrde verlohren
ſeyn/ daher ſie ohn langes bedenken auff ihre Pferde fielen/ und nach der Abſeite den Fluß
hinunter die ſicherſte flucht vor ſich nahmen/ ſo daß kein einziger bey dem Groß Fuͤrſten
blieb/ und der lezte/ ſo Abſcheid von ihm nam/ zu ihm ſagete: Eure Hocheit muß bey den
Goͤttern in ſonderlichen Gnaden ſtehẽ/ als welche derſelben eine ſo ſchleunige und unver-
muhtliche Rettung zugeſchikt haben/ welches auſſer Zweifel meinem Fuͤrſten das Leben
koſten wird. Der Großfuͤrſt verwunderte ſich ihrer ſchnellen flucht/ noch mehr dieſer ge-
führeten Rede/ und kunte vor freuden nicht antworten. Arbianes/ der ſich jezt Karl nenne-
te/ eilete dem Dorffe zu/ ſahe die fluͤchtigen gar zeitig/ uñ weil er in furchten ſtund/ ſie moͤch-
ten den Großfuͤrſten mit ſich fuͤhren/ ſchickete er ihnen den Halbſcheid ſeiner Voͤlker nach/
welche ſie bald ereileten/ umringeten/ und ohn alle Gnade niderſaͤbelten/ daß kein einziger
davon kam; zwar etliche und zwanzig ſuchten durch die Iſel ſich zuerretten/ aber am an-
dern Ufer kunten ſie nicht auskommen/ und erſoffen mit einander. Der Mediſche Fuͤrſt
zweifelte anfangs/ ob er nach dem Dorffe gehen/ oder dieſen fluͤchtigen nachſetzen ſolte/ end-
lich waͤhlete er den Dorffweg/ fragete nach des gefangenen Großfuͤrſten Herberge/ und
wuſte vor freuden kaum zubleiben/ weil er voller Hoffnung wahr/ den ſo lang gewuͤnſche-
ten Schaz ſeiner Seelen ſchier anzutreffen; Er ſtieg mit etlich wenig Teutſchen/ die ſeinẽ
Voͤlkern zugegeben wahren/ im Hofe ab/ ging in das Bauren Huͤttlein/ und ſo bald er den
Großfuͤrſten ſamt deſſen Gemahl erblickete/ verwunderte er ſich uͤber ihrem treflichen An-
ſehen/ weil ſie kein ander Angeſicht ſehen lieſſen/ als ob ſie auff ihrem Schloſſe geweſt waͤh-
ren. Er trat zu ihnen hin mit ſehr tieffer und demuͤhtiger Ehrerbietung/ kuͤſſete ihnen die
Haͤnde/ und erfreuete ſich/ wie er ſagete/ des gehabten groſſen Gluͤks/ ihre Großfuͤrſtliche
Hocheiten aus der ſchaͤndlichen Raͤuber Haͤnden zuerloͤſen. Der Großfuͤrſt zweifelte nun-
mehr an der Warheit nicht/ nachdem er ſahe/ daß dieſer weder Wendiſch noch Frieſiſch
gewapnet wahr/ auch ihre Sprache nicht fuͤhrete; hielt ſich zwar freundlich gegen ihn/ und
erzeigete doch ſolche Standhafftigkeit/ als waͤhre ihm nichts widriges begegnet/ wiewol
ihn groß Wunder nam/ was Rettung dieſe ſeyn moͤchte/ maſſen ihm weder der Voͤlker
Ankunfft/ noch der gehaltenen Schlacht einige Meldung geſchehen wahr; unterließ dem-
nach nicht/ nachzufragen/ von wannen ihm dieſe kraͤfftige Huͤlffe zukaͤhme/ und durch was
mittel er ſich getrauete/ ihn nebeſt ſeinem Gemahl ſicher und ohn feindliche Verfolgung
davon zubringen. Arbianes antwortete: Seine Hocheit wuͤrde verhoffentlich ſchon be-
richtet ſeyn/ was maſſen ſein Sohn Fuͤrſt Baldrich/ und deſſen Geſelle/ Fuͤrſt Siegward
aus Schweden/ mit dem boßhafften Wenden in voller Arbeit der blutigen Feldſchlacht
waͤhren/ und den Sieg ehiſt erhalten wuͤrden/ weil bey ſeinem Abzuge ſo wol die feindliche
Reuter-flügel als das Fußvolk ſchon angefangen haͤtten/ hinter ſich zuweichen/ und deren
r r reine
[498]Siebendes Buch.
eine groſſe Anzahl mit ſeinen Augen geſehen haͤtte zur Erden ſtuͤrzen; Daß nun der Groß-
fuͤrſt mit den ſeinen nicht etwa beleidiget oder entfuͤhꝛet weꝛden moͤchte/ waͤre er abgeſchikt/
dem Unheil vorzubauen/ und ihre Hocheiten ingeſamt frey und ſicheꝛ durchzubringen; fra-
gete auch bald darauf/ wo dann das Durchleuchtigſte Großfuͤrſtliche Fraͤulein/ Frl. Kla-
ra waͤhre. Ach wir elenden/ antwortete die Großfürſtin; wie buͤbiſch und meinaͤidig hat
uns der Wendiſche Fürſt hintergangen/ welcher kaum vor einer halben Stunde unter deꝛ
Begleitung von 100 Reutern ſie uͤber den Strohm gefuͤhret/ und zweifele nicht/ da ihnen
ſtuͤndlich nachgeſetzet wuͤrde/ koͤnte man ſie bald erreichen. Dem verliebeten Arbianes
brach wegen dieſer Zeitung der kalte Schweiß aus/ hieß ſeine Voͤlker mit dem Großfürſtẽ
und ſeinem Gemahl alsbald den Ruͤtweg nehmen/ er aber waͤhlete 150 von den berittenẽ/
ließ ſich den Ort zeigen/ wo ſie uͤbergangen wahren/ und ſahe deren noch etliche von ferne
reiten/ ſetzete hindurch/ welches nicht ohn Gefahr zuging/ weil die Ufer von den vorigẽ ſehr
ſchluͤpferig/ und zum teil eingetreten wahren; ging als ein Unſinniger immer fort/ und wie
eine Loͤuin/ deren ihre jungen entfuͤhret werden/ hoͤrete auch nicht auff nachzujagen/ biß er
ſeinen Feind erreichete/ und ſein Heil beſter maſſen verſuchete.


In der Schlacht ging es inzwiſchen alles über und über; dann nach Arbianes Abzu-
ge erhielt nicht allein Herkules an ſeinem Orte die Vberwindung/ nach dem er den Gi-
limer geſtenzet/ und ſeinen verſamleten Hauffen zutrennet hatte/ ſondern er ging alsbald
hin/ ſeinem Bruder Baldrich zuhuͤlffe; und ließ Klodius das uͤbrige bey ſeinem Fluͤgel
verrichten/ welcher auch mit ſolchem Eifer den lezten Anfal wagete/ daß die Feinde wie
Muͤcken von einander ſtoben/ und die Wendiſche mehrenteils in den Tod gerietẽ/ die Frie-
ſen aber uͤmb Gnade anhielten/ und ſich darauff berieffen/ daß zu dieſer ſchaͤndlichen Taht
ſie gezwungen waͤhren; weil dañ keiner dieſes Orts einige Gegenwehr vornam/ wurden ſie
durcheinander/ Wenden und Frieſen gefangen angenommen. An Baldrichs Seiten ließ
der Sieg auff Herkules Ankunfft ſich auch wolan/ weil deſſen mitgebrachte Voͤlker 2000
ſtark/ uͤber laut rieffen gewonnen beym rechten Teutſchen Fluͤgel. Es hatten die beid[e]n Fuͤꝛ-
ſten hieſelbſt uͤberauß groſſe Manheit ſehen laſſen/ unter der Hoffnung/ am erſten fertig zu
werden/ aber des Feindes Wiederſtand wahr zuhefftig/ welche ſich lieber auff der gefaſſe-
ten Stelle lieſſen niederhauen/ als daß ſie haͤtten weichen ſollen; doch wie Siegward den
handfeſten Niklot nach zimlicher Verwundung gefangen hinweg ſchleppen ließ/ erſtarre-
ten gleichſahm ſeinen Voͤlkern die Haͤnde/ daß eine groſſe Blutſtuͤrzung erfolgete/ welches
auch an dieſem Ort meiſt uͤber die Wenden ging. Ladiſla ſahe/ dz ſein Leches kein Loch in des
Feindes Fußvolk gewinnen kunte/ uñ war willens ihm ſelbſt zu huͤlffe zutꝛeten/ welches aber
Fabius ihm nit goͤnnen wolte/ nam 3000 geruhete Boͤhmẽ zu ſich/ uñ trat damit den Fein-
den zur Seite ein/ wodurch Leches alsbald Lufft bekam und ſeiner gegenſtreiter Ordnung
trennete. Krito ſahe Fabius Einbruch/ waͤhnete als vor gewiß der Koͤnig wuͤrde ſelbeſt an
dieſem Ort fechten/ ſchickete ihm die Handfeſteſten entgegen/ wo moͤglich/ ihn ſelbſt leben-
dig zufahen/ dann er ſahe/ daß die Reuterey ſchon ſo gut als verlohren ging/ und hoffete
durch ſeine Gefaͤngnis zur guten Rachtung zugelangen. Dieſer Hauffe 2000 ſtark/
wolten ihres Fuͤrſten Anſchlag ins Werk richten/ draͤngeten als blind und taub zu Fabius
hinein/ und entſtund daher ein blutiges Gemaͤtſche. Leches und Gallus ſahen Fabius noht
leiden
[499]Siebendes Buch.
leiden/ draͤngeten mit 200 Mann hindurch/ und hoffeten ihn zuentſetzen/ aber ſie kahmen
zuſpaͤt/ und muſten anſehen/ was Geſtalt er von ſechs Gepanzerten angefaſſet und davon
getragen ward; woruͤber dieſe beiden ſich der Geſtalt eiferten/ daß ſie ungeſcheuhet aller
Gefahr hinein fielen/ und einen groſſen Raum ümb ſich macheten/ biß Krito ſelbſt mit ſei-
nem beſten Kern auff ſie loßging/ und ſie beide anpackete/ nach dem Gallus zimlich verwun-
det wahr. Ladiſla wuſte eigentlich nicht/ wie es hieſelbſt zuginge/ nur/ weil er das Haͤupt-
Banier daſelbſt fliegen ſahe/ zweiffelte er nicht/ den alten Fuͤrſten daſelbſt anzutreffen/ fiel
mit 4000 der beſten Manſchafft gleich daꝛauf zu/ riſſe es dem Faͤhndrich mit eigener Hand
hinweg/ welcher auch ſein Leben dabey zuſetzen muſte/ und hielt mit unablaͤſſigem ſtechen
und hauen an/ daß ihm niemand mehr ſtehen durffte. Krito wahr nicht weit davon/
ſahe wol/ daß er endlich erliegen müſte/ wolte doch ſolange moͤglich/ Widerſtand tuhn/ und
ſein Leben verkaͤuffen/ ſo teur es gelten koͤnte. Er haͤtte ſeine Manſchafft gerne wieder zum
Stande und in Ordnung gebracht/ aber der Feind goͤnnete ihm ſo viel Zeit nicht; endlich
funden ſich noch 400 Mann zu ihm/ deren Fuͤhrer zu ihm ſagete: Gnaͤdigſter Fuͤrſt/ ſehet
daß ihr eur Leben durch die Flucht rettet/ nachdem alles ſchon verlohren iſt/ ich wil/ wo
moͤglich/ des Feindes Nachdruk ſo lange auffhalten/ biß ihr auß dem Gedraͤnge ſeyn wer-
det. Zu ſpaͤte/ zu ſpaͤte/ antwortete er; hier iſt weder Pferd noch andere Gelegenheit/ davon
zukommen/ wo wir nicht mit dem Schwerte uns den Weg mitten durch den Feind oͤffnẽ;
wollen demnach fechten/ ſo lange warm Blut in uns iſt/ ob wir die Haͤupter dieſes feindli-
chen Heers treffen/ und ſie mit uns in den Tod nehmen koͤnten; ſetzete damit auff Ladiſla
mit grimmiger Wuht/ und muſten alle die es ſahen/ bekennen/ daß wo das ganze Heer ſei-
ne Schuldigkeit ſolcher Geſtalt geleiſtet haͤtte/ wuͤrde der Sieg an unſer Seiten ſehr blu-
tig geweſen ſeyn/ oder wol gar verlohrẽ. Nun war Ladiſla nicht gewohnet/ den Fus hinter
ſich zuſetzen/ und muſte gleichwol dieſern tapfern Schaar anfangs Willen goͤnnen/ aber
nach dem er ſich mit 600 Mann vergeſelſchafftet/ und eine feſte Ordnung geſchloſſen hat-
te/ trat er dieſem Feinde muhtig entgegen/ und nach kurzem Gefechte geriet er an Fuͤrſt
Krito/ mit welchem ers wagete/ und ihn auß aller Krafft beſtund/ ſo daß derſelbe endlich
ſtrauchelte/ und wie hefftig er ſich gleich ſtraͤubete/ gefaͤnglich angenommen/ auß dem Ge-
draͤnge gefuͤhret/ verbunden/ und in gute Verwahrung geleget ward. Worauff es nicht
lange anſtund/ daß das feindliche Heer zuruͤk wiche/ die Waffen von ſich warff/ und uͤmb
Gnad und Barmherzigkeit flehete. Ladiſla befahl alsbald/ daß man das Blutvergieſſen
angaͤbe/ und alles was ſich demuͤtigte/ lebendig gefangen naͤhme/ welches zwar geſchahe/
aber doch alſo/ daß die Gefangenen aller ihrer Waffen und Kleider beraubet/ und wie das
unvernuͤnfftige Vieh zuſammen getrieben wurden.


So bald Arbianes die feindlichen Hinter Schaaren erreichete/ hieb er alles nider/
und galt ihm gleich/ ob ſich einer zur Gegenwehr ſtellete oder uͤm Gnade baht/ daher der
Wendiſche junge Fuͤrſt bewogen ward/ ſeine Voͤlker uͤm ſich zuſamlen/ und ſich zum Tref-
fen fertig zuhalten/ meinete Anfangs nicht anders/ es waͤhren ſeines Vaters Leute/ ſo ihm
nachgeſchikt/ das Fraͤulein auß ſeinen Haͤnden zureiſſen/ und ihn nider zumachen/ welches
er dem Fraͤulein feſt einbildete/ die er 4 Reutern zu verwahren gab/ ein wenig abwertz mit
ihr zureiten/ und beklagete hoͤchlich/ daß er nicht mit mehrer Mannſchafft ſich auff den
r r r ijWeg
[500]Siebendes Buch.
Weg begeben hatte; doch wolte er lieber ſterben/ als unter ſeines Vaters Haͤnde wieder
gerahten/ ſetzete ſich mit den ſeinen/ und wolte nicht ungerochen erleget ſein. Als Arbianes
den Stand und die ernſtliche Gegenwehr merkete/ ſetzete er immer eiferiger an/ und rieff
ihnen zu; Ihr Schelmiſche Straſſen Raͤuber/ jetzt muͤſſet ihr euren Frevel buͤſſen/ daß ihr
das Groß Fuͤrſtliche Blut auß ihrem Lande habt hinweg fuͤhren duͤrfen; worauß Got-
ſchalk erſt verſtund/ daß es Feindes Voͤlker wahren; wuſte nicht/ weſſen er ſich verhalten
ſolte/ und gedachte/ ſie waͤhren vielleicht mit des Groß Fuͤrſten vorwiſſen und Geheiß ihm
nachgeſchicket/ darumb er einige Hoffnung der guͤtlichen Handlung faſſete/ auch ſelbſt/
wie erunbewaffnet wahr/ darumb anhielt. Aber da wahr den Tauben geprediget/ dann Ar-
bianes und die ſeinen matzeten immer vor ſich weg/ und rieffen als zur Loſung/ Schlage tod/
Schlage tod. Wodurch dieſe endlich gezwungen wurden/ ſich nach beſtem vermoͤgen zu-
ſchützen/ weil weder Barmherzigkeit noch Gehoͤr verhanden wahr; und wehrete dieſes
Blutbad ſo lange/ biß Gotſchalk durch Arbianes Hand erſchlagen wahr/ mit dem die
wenig uͤbrigen als im Augenblik drauff gingen. Noch dannoch fand ſich das Fraͤulein nit
unter dieſem Hauffen/ woruͤber ſich Arbianes ſehr hermete/ und einen Verwundeten
fragete/ wohin ſie gefuͤhret waͤhre; welcher ihm nachricht erteilete/ ſie wuͤrde von 4 Reu-
tern hinter jenem Gehaͤge Nordwerz verwahret. Er ſahe gleich dieſelben Reuter davon
ſtreichen/ und bald darauff das liebe Fraͤulein in Himmelblaueꝛ Kleidung hinter ihnen her/
bald folgete er ihr gar allein nach/ nachdem er ſeinen Leuten den Befehl erteilet hatte/ mit
des erſchlagenen Gotſchalks Leiche uͤmzukehren und einen bequemern Durchrit am Ufer
zuſuchen/ ſteckete ſein Schwert ein/ warf den Schild auff die Schulder/ haͤngete den
Helm an den Sattel Knauff/ und rante ihr mit entbloͤſſetem Haͤupte nach/ weil ſie ohn
das nicht ſo gar geſchwinde jagen kunte/ und ihre Reuter ſich ſchon auß dem Geſichte ver-
lohren hatten. Als er ihr nahete/ ſprang er vom Pferde/ in Meinung ihr die Hand zukuͤſſẽ/
und ihr Pferd beym Zuͤgel zuleiten; ſie aber/ welche annoch der Meinung wahr/ ſie ſolte
dem alten Wendiſchen Fuͤrſten zur Erfuͤllung ſeiner Unzucht/ zugefuͤhret werden/ ſtieß ihr
Pferd an/ und jagete auffs ſchnelleſte hinweg. Arbianes kunte ſo bald mit ſeinem Pferde
nicht fertig werden/ daß ſie ihm einen zimlichen Vorſprung abgewan/ doch erreichete er
ſie zeitig wieder/ faſſete ihr Pferd bey dem Zuͤgel/ und griffe ihr nach der Hand/ da er ſchon
abgeſtiegen wahr/ woruͤber ſie dermaſſen erſchrak/ daß ſie in eine ſtarke Ohmacht geriet/
und vom Pferde ſtuͤrzete/ nam doch keinen Schaden/ weil Arbianes ihrer Schwacheit
bald innen ward/ und ſie als eine todten Leiche ihm in den Arm fiel. Er wahr uͤber diemaſ-
ſe bekuͤmmert/ daß er ſie ohn Geiſt und Leben mit verſchloſſenen Augen ſahe/ und ſagete
auß wahrer Andacht; O du barmherziger Gott/ erhalte mir dieſen werten Schatz/ daß
nach vollendeter ihrer Gefahr ſie nicht gar auß vergeblicher Angſt vergehen moͤge; legte
ſie damit auff ſeinen Reit Rok/ den er abgezogen hatte/ eꝛſahe eine nahe ſtieſſende Bach/ dar-
auß ſchoͤpfete er mit ſeinem Helme des friſchen Waſſers/ beſtrich ſie damit unter dem Ge-
ſichte und an den Haͤnden/ biß ſie endlich zu ſich ſelber kam/ mit einem ſtarken Seuffzen die
Augen auffſchlug/ den Fuͤrſten als einen unbekanten anſahe/ und mit gebrochener bewaͤg-
licher Stimme ihn alſo anredete: Guter Freund/ wer ihr ſein moͤget/ ich weiß nicht/ ob
vor geleiſtete Dienſte zu meiner Erquickung ich euch danken ſol/ nachdem mir nichts lie-
bers
[501]Siebendes Buch.
bers als ein ſanffter Tod begegnen koͤnte/ ſo daß alle die mich ſterbens wehren/ eine lautere
Unbarmherzigkeit an mir begehen/ dafern ſie willens ſind/ mich dem boßhaften Wuͤterich
dem alten Wendiſchen Raͤuber zuzufuͤhren/ deſſen eigener Sohn mitleiden mit mir getra-
gen/ und mich ſeiner Gewaltſamkeit hat entfuͤhren wollen. Arbianes geriet hiedurch in ſo
groſſes mitleiden/ daß ihm die Traͤhnen haͤuffig uͤber die Wangen ablieffen/ welches ihr
gute Hoffnung gab/ und ſie daher alſo fort fuhr; eines troͤſtet mich/ junger Herr/ daß es
ſcheinet/ ob truͤgen eure trieffende Augen mitleiden und Erbarmung mit meinem ſchwerẽ
Unfal/ wovor ich billich dankbahr ſein werde/ wann mir nur ſo viel vermoͤgen uͤbrig blei-
bet; ſeid ihr aber befehlichet/ mich dem Schandſuͤchtigen Raͤuber zuzufuͤhren/ ſo tuht die-
ſes Werk der Barmherzigkeit an mir/ und ſtoſſet euer Sieghafftes Schwert durch mei-
nen Leib/ damit der ſchnoͤde Wendiſche Hund ſeinen unkeuſchen Willen an mir nicht er-
fuͤllen moͤge; und da ihr wegen ſolcher Taht Ungnade fuͤrchtet/ ſo gebet/ bitte ich/ nur vor/
ich habe mich ſelbſt entleibet/ alsdann werdet ihr mich beſeligen/ und euch alles ungleichen
Verdachts entledigen. Arbianes ſaß vor ihr auff den Knien/ kuͤſſete ihr die Haͤnde/ daß ſie
von ſeinen Traͤhnen genetzet wurden/ und antwortete: Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ ich
bitte durch Gott/ Ihre Durchl. wolle alle furcht und ſchrecken aus ihrem Herzen jagen/
und ſich verſichern/ daß ſie des boßhafften Wendiſchen Bluthundes und Raͤubers wegen
durchaus keine Anfechtung mehr haben wird; dann ihrer Durchl. Herr Bruder/ Fuͤrſt
Baldrich iſt geſtern mit einem ſtarken Heer ankommen/ und haͤlt jezt die Feldſchlacht mit
den Feinden/ von dem auff ausdruͤklichen Befehl ich mit einer guten Anzahl Reuter ab-
gangen bin/ Eure Durchl. ſamt dero herzgeliebten Eltern loßzumachen/ welche ich dann
mit einer ſtarken und ſichern Begleitung ſchon fortgeſchicket/ und aus Feindes Hand er-
lediget habe; auch ſo bald Eurer Durchl. Entfuͤhrung ich von ihnen verſtaͤndiget wordẽ/
habe ich nach aller Moͤgligkeit hinter ihnen angeſetzet/ und die Raͤuber/ wie ſie ohn zweifel
geſehen/ durch Gottes Beiſtand erleget; Wolle demnach Eure Durchl. ihr gnaͤdigſt ge-
fallen laſſen/ mit mir umzukehren/ auff daß ihr Herꝛ Bruder/ uñ andere angenehme Freun-
de/ durch ihre hochbegehrte Gegenwart erfreuet werden. Ich meines teils verſpreche ih-
rer Durchl. ſo viel Sicherheit und Schuz/ als mein und der meinen Schwert biß auf den
lezten Mann wird ſchaffen koͤnnen. Das liebe Fraͤulein wolte anfangs nicht trauen/ mey-
nete/ er ſuchte mit guten Worten und ertichtetem Mitleiden ſie zubetriegen/ und antwor-
tete: Mein Herr/ wie ſolte mein herzlieber Bruder Fuͤrſt Baldrich in der naͤhe ſeyn/ von
dem wir ſieder ſeiner Abreiſe aus Schweden nicht die allergeringſte Zeitung haben moͤgẽ/
ſondern wird nebeſt ſeinem Oheim Fürſt Siegward vor tod geſchaͤtzet und beweinet.
Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ wieder antwortete er; ſie verſichere ſich bey dem wahrẽ Gott/
daß ich ihr die reine Warheit geredet habe/ maſſen eben dieſer Fürſt Siegward bey Fürſt
Baldrich ſich befindet/ und bitte ſie umb ihrer eigenen Wolfahrt willen/ ſich alhie weiter
nicht auffzuhalten/ damit wir nicht dem fliehen den Feinde in die Haͤnde fallen/ welcher
allem vermuhten nach ſich bald wird ſehen laſſen; Zweifelt ſie aber an meiner Auffrichtig-
keit und Traͤue/ wil ich ſie des Argwohns bald entheben; dann ich habe an Ihre Durchl.
einen Brüder- und Schweſterlichen Gruß/ von dem teuren Groß Fuͤrſten/ Herrn Herku-
les/ und der unvergleichlichen Großfuͤrſtin Fr. Valiſken/ als von denen ich aus Perſen in
r r r iijeiner
[502]Siebendes Buch.
einer anſehnlichen Geſandſchafft an ihrer Durchl. Großfuͤrſtliche Eltern abgefertiget
bin/ da ich die ſchelmiſche Entfuͤhrung erfahren/ und ihren Herr Bruder Fuͤrſt Baldrich
zu gutem Gluͤk in Prag angetroffen habe; Ja zum unfehlbaren Warzeichen liefere Ihrer
Durchl. ich dieſes Schreiben gehorſamſt ein/ von hoͤchſtgedachter Großfuͤrſtin an dieſel-
be ſelbſt geſchrieben/ deren Hand und ſchoͤn-gezogene Buchſtaben derſelben nicht werden
unbekant ſeyn. Sie nam dieſen Brief ganz begierig an/ erkennete alsbald die Hand/ und
nach abgelegtem Zweifel ſagete ſie: O du allerliebſtes Brieflein/ wie groſſe Angſt uñ Kum-
mer vertreibeſtu aus meinem Herzen! Aber mein Herr und Freund/ wie ſol ichs immer-
mehr erkennen/ daß er uͤber das noch meine Wolfahrt und Rettung ihm ſo hoch laͤſſet an-
gelegen ſeyn? ſtekete hiemit nach des Pitſchaffts Beſichtigung das Brieflein in ihren
Buſem/ und ſagete: Nun nun mein Herr und Freund/ ich wil ihm und ſeinen Worten
gerne trauen/ auch hiemit verſprechen/ dafern er mich ungeſchimpffet in Gewarſam brin-
gen wird/ ſollen ihm ſolche Freundſchafftdienſte nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen vergolten
werden. Jedoch wolle mein Herr und Freund mir zuvor ſagen/ wer er iſt/ damit ich wiſſen
moͤge/ mich der gebuͤhr gegen ihn zuverhalten. Durchl. Fraͤulein/ antwortete er/ ich bin der
Durchl. Großfuͤrſtin Fr. Valiſken ganz ergebener Knecht/ und werde uͤber meine Wir-
digkeit von ihr geſchaͤtzet/ bin ſonſt ein naher Anverwanter des Mediſchen Großfuͤrſten
Herrn Phraortes/ deſſen einiger Sohn und Erbe/ Fuͤrſt Arbianes mit mir aufferzogen
iſt/ welcher inwendig Viertel Jahrs mit hoͤchſtgedachter Großfuͤrſtin/ dieſer Laͤnder an-
kommen wird. Als das Fraͤulein ſolches hoͤrete/ ſtund ſie auff/ neigete ſich gar ehrerbietig
gegen ihn/ hub ihn auch in die Hoͤhe/ weil er noch auff den Knien ſaß/ und baht ſehr/ ſeine
Liebe ihr durch ſo demuͤtiges niderknien nicht gar zu groſſen Schimpff erweiſen moͤchte/
angeſehen er ohn zweifel Großfuͤrſtliches Standes ſeyn muͤſte/ nach dem er eines ſo maͤch-
tigen Großfuͤrſten Anverwanter waͤhre. Und weil nun Eure Liebe/ ſagete ſie ferner/ mir
Fuͤrſtlich verſprochen/ meiner Jungfraͤulichen Zucht und Ehren Schuͤtzer zuſeyn/ ſo wil
ich mit gutem Willen mit ihm fort reiten/ unter dem Verſprechen/ daß meine liebe Eltern
dieſe ſeine hohe Dienſte werden zuerkennen wiſſen. Arbianes verhieß ihr nochmahls aͤid-
lich/ ſie lebendig nicht zuverlaſſen/ noch einigerley weiſe ihr ungebühr anzufuͤgen; kuͤſſete
ihr den Rockes Saum wider ihren Willen/ ſtieg auffs Pferd/ und ſetzete ſie vor ſich/ weil
ihr eigenes davon gelauffen wahr/ hoffete auch in weniger Zeit ſie in gute Sicherheit zu
bringen/ welches ihn doch fehlete/ wie wir vernehmen werden. Im fortreiten erzaͤhlete er
ihr/ wie zeit ſeines anweſens es in der Schlacht ergangen waͤhre/ und daß der Feind ſchon
die Wankſeite genommen/ da er nach dem Dorffe geeilet/ endlich auch/ daß er den jungen
Wendiſchen Fuͤrſten mit eigener Hand nidergehauen/ uñ ſeinen ſchnoͤden Leichnam durch
ſeine Reuter ſchon fortgeſchicket haͤtte; Worauff ſie zur Antwort gab: Es haͤtte dieſer
Fuͤrſt zwar viel gutes bey ihr getahn/ und ſeines leiblichen gottloſen Vaters Gewalt/ doch
mehr aus gefaſſeter Hoffnung ihrer Heyraht/ als rechtſchaffenem Mitleiden von ihr ab-
gewendet; weil er dann mit dieſen ihr gar widrigen Gedanken umgangen waͤhre/ ſie nach
Daͤnnemark zufuͤhren/ und ſie daſelbſt zu ehlichen; waͤhre ihr lieb/ daß ſie forthin ſeinetwe-
gen unangefochten ſeyn wuͤrde/ ob ſie ihm gleich einen ſolchen Tod nicht goͤnnete. Sie rit-
ten in dieſem Geſpraͤche fort/ und wurden gewahr/ daß ſeine Reuter von ferne ihnen ſtark
winke-
[503]Siebendes Buch.
winketen/ auch bald darauff zur Seite aus Sudwerz wichen; bald hernach ſahen ſie viel
zuſtreuete Voͤlker uͤber die Iſel ſetzen/ und bey hundert ſtark ausreiſſen; daher Arbianes
zu dem Fraͤulein ſagete: Als viel ich merke/ iſt Gott Lob/ der herliche Sieg an unſer ſeiten
erſtritten/ wann wir nur gluͤklich moͤchten hinüber ſeyn; Wollen wir aber nicht in der flüch-
tigen rachgierigen Feinde Haͤnde gerahten/ muͤſſen wir uns von dem Wege gegen Suden
begeben/ weil die Feinde ſich Weſt- und Nordweſt-werz wenden; hieb damit ſeinen ſtarkẽ
Gaul an/ und ließ ihn immer durch das offene Feld hin lauffen/ biß er auff einen ſchmalen
Fußpfad geriet/ auff welchem er hinritte/ und nicht anders meynete/ weil er ſeinen bißher
ſo hochgewuͤnſcheten Schaz vor ſich auff der Schos fuͤhrete/ koͤnte es ihm an nichts mehr
gebrechen.


Umb dieſe Zeit kam der Groß Fuͤrſt auff der Wahlſtat an/ ſahe daſelbſt die uͤberaus
groſſe Menge der Erſchlagenen liegen/ und hielt ſich nicht lange unter denen auff/ ſondern
nam den naͤheſten Weg nach dem Lager/ hielt ſeine Voͤlker enge umb ſich zuſammen/ weil
er ſich eines uͤberfalles befuͤrchtete/ und ihm ſchon etliche Schaaren auffgeſtoſſen wahren.
Als er unſer Sieghaftes Heer/ welches ſich zur Plunderung fertig machete/ von ferne er-
ſahe/ ſchickete er 30 Reuter voraus/ ſeine ankunft anzumelden/ da dann Baldrich und Sieg-
ward neben Leches (der ſamt Fabius und Gallus den Feinden zeitig wieder entriſſen wahr)
ihm mit entbloͤſſeten Haͤuptern entgegen ritten/ wurden auch mit freuden empfangen/ ſon-
derlich da ſie noch friſch und ohn ſonderliche Verwundung wahren. Geliebter Sohn/ fing
der Groß Fuͤrſt an/ ob dein Bruder Herkules in den abgelegenen Morgenlaͤndern ihm ei-
nen groſſen Nahmen erwirbet/ ſo muß doch deiner billich vorgeſetzet werden/ weil du in ret-
tung deiner Eltern dich gebraucheſt/ und dein Vaterland zu ſchuͤtzen/ dir laͤſſeſt angelegen
ſeyn; und wie biſtu doch eben zu ſo gluͤklicher Stunde wieder zu Hauſe angelanget/ da wir
dich ſchon vor Tod beklaget haben? Gn. Herr Vater/ antwortete er; Euer Unfal iſt mir
ſehr zu herzen gangen/ deſſen ich doch bald vergeſſen wil/ nach dem ich euch neben meiner
herzlieben Fr. Mutter friſch und geſund ſehe. Er wolte mehr reden/ aber die Mutter fiel
ihm umb den Hals/ herzete und kuͤſſete ihn/ ſprechend: O mein herzlieber Sohn/ ich habe
dich ſchon etliche Zeit als einen erſchlagenen oder im Meer erſoffenen beweinet; wie füh-
ren dañ die guͤtigen Goͤtter dich bey ſo gelegener Zeit zu unſer Rettung her? Allerliebſte Fꝛ.
Mutter/ antwortete er; Ich habe Gott lob bißher ſehr wol gelebet/ und neben meinen Bru-
der Fuͤrſt Siegward hie gegenwaͤrtig/ Ruhm und Ehre/ Geld und Gut erſtritten; dz wir
aber zu euer Rettung ankommen ſind/ haben wir der barmherzigkeit des Almaͤchtigen Got-
tes allemiteinander billich zu danken/ wiewol ich das wenigſte dabey getahn/ ſondern die
trefliche Perſiſche Herren Geſanten/ die wir zu Prag angetroffen/ haben durch ihre Sieg-
hafte Schwerter und hochverſtaͤndige anordnung den Feind erlegt/ und den ſchoͤnen Sieg
erſtritten. Dieſe ſind von meinem lieben Herr Bruder Groß Fuͤrſt Herkules/ und Koͤnig
Ladiſla heraus geſand/ haben etliche hundert Wagen mit Golde und Kleinoten geladen/
aus den Aſiatiſchen Laͤndern gebracht/ welche ihnen zuſtehen/ und koͤnnen dieſe nicht gnug
rühmen/ wie hoch ſie beyde daſelbſt geliebet und geehret werden; und ob man ihnen gleich
groſſe Koͤnigreiche auffgetragen/ wollen ſie es doch nicht annehmen/ weil ſie entſchloſſen
ſind/ in ihrem Vaterlande zu ſterben/ und daſelbſt ihr uͤbriges Leben zuzubringen/ deſſen ich
mich
[504]Siebendes Buch.
mich dann herzlich erfreue/ und ungleich mehr/ als wañ mir das ganze Roͤmiſche Reich
geſchenket wuͤrde. Mir kan nichts angenehmers zu Ohren kommen/ ſagte der Vater/ als
wann den meinen Ruhm uñ Ehre nachgeſagt wird/ moͤchte aber wuͤnſchen/ daß dein Bru-
der aus Teutſchland nie kom̃en waͤhre/ oder zum wenigſten nunmehr bliebe wo er iſt/ nach-
dem er ſeine Landgoͤtter verleugnet/ und ich daher gaͤnzlich entſchloſſen bin/ dir mein Groß-
fuͤrſtentuhm nach meinem tode zuzuwenden. Mir? ſagte Baldrich/ mir? Gn. Herr Va-
ter/ und zwar bey meines unvergleichlichen Herrn Bruders lebezeiten? ſolches wende ja
der grundguͤtige Gott in allen Gnaden ab; dañ ehe ich einem ſolchẽ Bruder/ deſſen Ruhm
alle Welt durchſtreichet/ vorgreiffen/ und ihn als rechtmaͤſſigen Nachfolger erbloß machẽ
wolte/ wuͤrde ich lieber dieſes Schwert durch mein eigen Herz ſtoſſen/ oder ja ein Feind
meines eigenen Vaterlandes werden; dann viel ehrlicher waͤhre mirs/ ich ſtuͤrbe ſtandhaf-
tig/ als daß ich einem ſolchen Bruder mich entgegen ſetzen ſolte/ den die ganze Welt liebet
uñ ehret; ja der die ganze Welt zubeherſchen gnug wirdig iſt; hat mir Gott eine Herſchaft
auserſehen/ wird er mir ſolche ſchon zuweiſen; ich habe den Verraͤhter Krito in meiner
haft/ der mus mir nicht alle in mit dem Halſe bezahlen/ ſondern ſein Land ſol es ihm zugleich
mit koſten/ und Frießland wird ſeine Gefahr auch ſtehen/ weil ſie ihre Schwerter mit in der
Schlacht gebrauchet/ und den Straſſenraub verfochten haben; aber meinem H. Bruder
und ſeinem unvergleichlichen Gemahl Groß Fuͤrſtin Valiſken/ ſol von mir alle Gewalt/
nach belieben damit zuſchalten/ zugeſtellet werden; ihnen zum beſten aber beydes zugewin-
nen/ habe ich Gott lob Macht und Mittel genug/ geſtaltſam ich ein Heer von 58000 Mañ
mit mir gebracht/ und durch Gottes gnaͤdigen Schuz nicht 4000 in der Schlacht einge-
buͤſſet habe/ da hingegen der Feinde an die 30000 erſchlagen ſind. Wir werden hievon zu
beſſerer gelegenheit reden und handeln/ ſagte der Groß Fuͤrſt; vor dißmahl wird billich ſeyn/
daß wir nach dem Lager reiten/ und wegen geleiſteter Huͤlffe den Perſiſchen Herren Ge-
ſanten uns dankbar erzeigen. Aber lieber/ wer iſt der friſche junge Held/ welcher deiner Frl.
Schweſter gefolget iſt/ umb ſie aus des jungen Wendiſchen Fuͤrſten Haͤnden loßzumachẽ/
auch mich neben deiner Mutter ſo tapffer errettet/ und die feindliche Wache auffgerieben
hat? Baldrich hatte davon keine wiſſenſchaft/ ſahe aber/ daß die Parther ſeine Eltern be-
gleiteten/ und fragete einen Teutſchen/ der bey ihnen wahr/ wer ſie gefuͤhret haͤtte. Welcher
zur Antwort gab; Ihr Oberſter Herr Karl waͤhre/ ſeinem vorgeben nach/ von dem Perſi-
ſchen Geſanten bevolmaͤchtiget worden/ den Groß Fuͤrſten zuerloͤſen/ und nach dem er ver-
nommen/ daß das Durchl. Fraͤulein entfuͤhret/ waͤhre er mit 150 Mann gefolget/ hoffete/
er wuͤrde ſich bald wieder einſtellen. Baldrich ward der Zeitung ſehr froh/ und ſagete: Es
wuͤſte kein Menſch im ganzen Heer von dieſer geſchehenen Rettung/ welche ohn allen zwei-
fel dieſer junge Groß Fuͤrſt aus Meden aus eigener bewaͤgnis vorgenommen haͤtte; und
weil man nicht wuͤſte/ wo er moͤchte geblieben ſeyn/ beklageten ihn ſchon die hoͤchſten Haͤup-
ter des Heers/ als einen erſchlagenen oder gefangenẽ; er iſt aber eben der junge Groß Fuͤꝛſt/
ſagte er/ welcher vor etlichen Monaten umb meine Frl. Schweſter ſol anwerbung getahn
haben/ und in betrachtung ſeines Standes und loͤblicher Ritterſchaft wol wert iſt/ daß er
in unſere Freundſchaft auffgenommen werde. Wol zu frieden/ ſagte der Vater; haben die
Goͤtter ſie ihm auserſehen/ und uͤberdas ihn aus Meden hergeſand/ ſie zuerretten/ werde
ich
[505]Siebendes Buch.
ich ſie ihm auch wol goͤnnen/ wann er nur ihren guten willen erwerben kan; wiewol/ die
Warheit zu ſagen/ ich ſie an einen ſolchen Ort in meinem Herzen gewuͤnſchet habe/ daher
ich ein gleichmaͤſſiges nehmen koͤnte/ welches beydes Baldrich und Siegward verſtunden/
aber ſich deſſen nicht merken lieſſen; dann er haͤtte ſie dieſem gerne gegeben/ und dagegen
Frl. Schulda aus Scheden ſeinem Sohn gefreiet/ welches nunmehr zu ſpaͤte wahr. Sie
ritten ingeſamt nach dem Lager/ woſelbſt Herkules und Ladiſla nebeſt Neda und Neklam
auffwarteten/ den Groß Fuͤrſten und ſein Gemahl ehrerbietig zu empfahen/ da ſie/ als der
Sprache unerfahrne durch Neda das Wort tuhn lieſſen/ welcher alſo anfing: Großmaͤch-
tigſter Groß Fuͤrſt/ gnaͤdigſter Herr; die auch Großmaͤchtige Fuͤrſten und Herren/ Koͤ-
nig Ladiſla und Groß Fuͤrſt Herkules/ eurer Groß Fuͤrſtl. Hocheit gehorſamſte untertaͤh-
nige Soͤhne/ dañ auch die Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ und erwaͤhlete Fürſtin zu Su-
ſa/ Fr. Valiſka/ eurer Hocheit ganz ergebene Tochter/ entbieten ihrem Gn. Herr Vater uñ
Gn. Fr. Mutter durch uns kindlichen Gruß/ wünſchen ihnen alles wolergehen an Leib und
Seel/ und laſſen ihnen wiſſen/ was geſtalt ſie annoch friſch und geſund leben/ auch willens
ſind/ ihre herzgeliebete Eltern ſchier kuͤnftig zubeſuchen/ haben uns gegenwaͤrtige Geſanten/
nebeſt den Durchleuchtigſten Großfuͤrſtlichen Herrn aus Meden/ Fuͤrſt Arbianes (der ſi-
der eroberter Schlacht gemiſſet/ aber ſich geliebts Gott wieder finden wird) abgeſchicket/
beydes an die Großmaͤchtigſte Koͤnigin in Boͤhmen/ und an ihre Großfuͤrſtl. Hocheit/ um
etwas gewiſſes zu werben/ welches zu gelegener Zeit ſol vorgetragen werden/ unterdeſſen
befehlen wir uns eurer Hocheit zu aller gewogenheit und Gnade/ wuͤnſchen derſelben Gluͤk
wegen jezt geſchehener Erloͤſung/ und bitten/ daß Gott dieſelbe hinfuͤro vor ſolcher und der-
gleichen gefahr gnaͤdiglich bewahren wolle. Der Großfuͤrſt ſahe die Geſanten an/ verwun-
derte ſich ihrer Fürſtlichen geberden/ bedankete ſich des geſchehenen Wunſches und gelei-
ſteter Rettung/ hieß ſie wilkommen ſeyn/ erfreuete ſich ſeiner geliebeten Kinder gluͤklichen
wolergehens/ und ließ ſich vernehmen/ daß ihre vorgenommene Werbung ihm nicht ſolte
unangenehm ſeyn. Baldrich ließ in ſeinem Zelt alsbald Mahlzeit anrichten/ ſo gut mans
im Felde haben kunte/ und noͤhtigete ſeine Eltern/ mit ihm vor lieb zunehmen. Dieſe lieſſen
ſich hierzu nicht lange bitten/ weil ſie den ganzen Tag noch keiner Speiſe genoſſen hatten/
nur begehreten ſie/ die beyden Herrn Geſanten moͤchten mit ihnen Mahlzeit halten; welche
ſich aber durch einwendung etlicher noͤhtigen geſchaͤften entſchuldigten/ wolten hernach
ihrer Hocheit untertaͤhnigſt auffwarten; inſonderheit/ eilete Herkules von ihnen hinweg/
dañ ſein Herz wallete ihm im Leibe auff/ dz er die Traͤhnen laͤnger nicht einzwingen kunte;
ging alſo mit Ladiſla nach dem Zelte/ woſelbſt das geſamte Fürſtliche Frauenzimmer ſich
in praͤchtiger Kleidung auffhielt/ welche durch die Zeitung von Arbianes hoch erfreuet
wurden/ inſonderheit Valiſka/ die ihn ſchon als einen erſchlagenen ſchweſterlich betraure-
te. Das Heer trug verlangen nach der Pluͤnderung/ aber es ward ihnen bey Lebensſtraffe
gebohten/ ſich deſſen dieſen Tag zuenthalten/ mit Verheiſſung/ ſie ſolten morgen fruͤh alle
Beute gemein haben. Bey dem Großfürſten und ſeinem Gemahl hielt niemand Mahl-
zeit/ als Baldrich/ Siegward und Leches/ und gingen allerhand Geſpraͤche unter ihnẽ vor/
da inſonderheit der Großfürſt Leches fragete/ wie ſeine Teutſchen ſich in den Morgenlaͤn-
dern hielten; Ich zweifele nicht/ ſagte er/ ſie werden Beute zumachen wol abgerichtet ſeyn/
ſ ſ ſmaſſen
[506]Siebendes Buch.
maſſen ſie von Jugend auff ſich darzu gewehnet. Leches gab zur Antwort: Sie haͤtten in
unterſchiedenen Haͤupt Schlachten und Scharmuͤtzeln einen ſolchen Nahmen erworben/
daß die Feinde ſich einzig und allein vor ihnen fuͤrchteten; Der Perſen Großfuͤrſt/ nun-
mehr Koͤnig/ gaͤbe ihnen durch die Bank hin dreifachen Sold/ und waͤhre keiner unter ih-
nen/ der nicht etliche viel tauſend Kronen wert vor ſich gebracht haͤtte/ wie ſie dann 100
Wagen mit Silber/ Gold/ und andern koͤſtlichen Sachen beladen/ mit heraus biß nacher
Prag geſchikt/ von dannen die ihren es abhohlen ſolten; durchgehend hielten ſie Leibdiener
und Handpferde/ weniger und mehr; inſonderheit haͤtte Obriſter Wedekind an die 200
koͤſtliche Handpferde uñ ſo viel Parthiſche Leibeigene/ uñ erſtreckete ſich ſein baarer Schaz
neben Kleinodien/ Kleidern und Waffen auff die 8 Tonnen Goldes. Das wird dir ein
gefunden freſſen vor meine Huͤhnerfaͤnger ſeyn/ ſagte der Großfürſt/ und wolte ich nicht
gerne/ daß meine Untertahnen ſolches erfahren ſolten/ ſie duͤrfften ſonſt alle den Pflüg an
die Wand haͤngen/ und den Weg nach Perſen ſuchen. Baldrich trachtete nach Gelegen-
heit/ ſein Vorhaben ins Werk zurichten/ und als er mit ſeiner Fr. Mutter Sprache hielt/
ſagte er: Wegen jeztgeſcheher Erloͤſung freue ich mich von herzen/ daß meine Reiſe nach
Perſen durch meine hoͤchſtwirdige Fr. Schweſter/ Koͤnig Ladiſlaen Gemahl iſt verhindeꝛt
worden/ dann ſonſt wahren mein Bruder Siegward und ich/ des ganzen Vorhabens/ un-
ſere Herren Bruͤder zuſuchen/ und von ihnen in Kriegsſachen etwas zulernen. Wie dann
mein lieber Sohn/ antwortete die Mutter/ biſtu dann bey der jungen Koͤnigin in Italien
geweſen? Ja/ ſagte er/ wir haben beyde die Ehre und das Glük gehabt/ ſie und ihre Frl.
Waſe aus Raͤuber Haͤnden loß zuwirken/ und ſie nach Prag zubegleiten/ woſelbſt ſie anjezt
ſich bey ihrer Fr. Schwieger Mutter neben ihren jungen Herrlein Herkuladiſla auffhaͤlt/
und mag ſich meine Fr. Mutter wol verſichern/ daß dieſer Heyraht wegen Koͤnig Ladiſla
vor gluͤkſelig zupreiſen iſt/ maſſen er und mein Bruder Herkules hiedurch bey dem Roͤmi-
ſchen Kaͤyſer in brüderliche Kund- und Freundſchafft gerahten ſind/ ſo gar/ daß wie ich
euch bey hoͤchſter Warheit vergewiſſern kan/ Kaͤyſer Alexander meinem lieben Bruder
Herkules zu unterſchiedenen mahlen auffgetragen hat/ ihn zum Neben Kaͤyſer zumachen/
und alle Gewalt mit ihm gemein zuhaben/ welches er doch beſtendig ausgeſchlagen hat;
Betrachte demnach mein Herr Vater/ was vor einen Sohn er zuenterben geſonnen iſt/
der mit einem Fußtrampffe die ganze Welt in Harniſch bringen/ und Teutſchland mit
Grund und Bodem ins Meer hinein ſchieben koͤnte/ da doch derſelbe hingegen ſeinen El-
tern und dem Vaterlande mit ſo kindlicher traͤuen Liebe anhanget/ daß vor deren Heil uñ
Wolfahrt zuſterben/ er ſich nimmermehr wegern wuͤrde/ welches wol klar genug daher er-
ſcheinet/ daß er das rauhe Teutſchland mehr liebet und hoͤher achtet/ als die allergeſchlach-
teſten Landſchafften der ganzen Welt. Wolle daher mein Herr Vater in betrachtung deſ-
ſen/ auffhoͤren/ einen ſolchen Sohn zuhaſſen/ damit er nicht wider ſeinen Willen genoͤhti-
get werde/ ſein Schwert wider ſein eigen Vaterland zuwendẽ/ welches ohn deſſen Grund-
verderbung nicht geſchehen kan/ ich auch/ ihm zuwiderſtehen viel zu geringe und ſchwach
ſeyn wuͤrde/ wann gleich ganz Schweden und Daͤnnemark bey mir ſtuͤnden. Der Vater
antwortete ihm mit einem halben Eifer: Was mein Sohn? legeſtu mir zu/ daß ich meinẽ
Herkules haſſe/ den meine Seele von ſeiner erſten Jugend an/ uͤber mich ſelbſt geſchaͤtzet/ uñ
vor
[507]Siebendes Buch.
vor eine ſonderliche Gabe der Goͤtter/ ja vor ein Muſter eines volkommenen Menſchen
gehalten hat? mit welchem Worte ihm die Bewaͤgungs-Traͤhn en aus den Augen hervoꝛ
drungen/ daß ſie auff den Tiſch fielen/ und ſagte weiter: Ehre gnug Teutſchland/ Ehre
gnug/ dz man deinẽ Erbfuͤrſten hat wollen auff den Kaͤyſerlichen Stuel ſetzen. Aber O mein
teurer Herkules/ warum haſtu doch durch einen neuen Aberglauben dich deinen Elteꝛn ent-
riſſen/ und deines lieben Vaterlandes unfaͤhig gemacht? Was? antwortete Baldrich/ ſei-
nes Vaterlandes unfaͤhig? ſchwieg hiemit ſtille/ ſahe vor ſich nider/ und ſagte weiteꝛ. Gn.
Herr Vater/ iſt dann mein teurer Bruder Herkules wegen ſeines gottſeligen Chriſten-
tuhms/ des Vaterlandes unfaͤhig worden/ ſo werde ich zugleich mit ihm das Elend bauen
muͤſſen; dann ich halte es vor meine hoͤchſte Seligkeit/ daß meine Fr. Schweſter Koͤni-
gin Sophia mich und meinen Bruder Siegward zu eben dieſem allein ſeligmachenden
Glauben gebracht hat. Weil dann die verteuffelte/ boßhaffte und verlogene Kroden-Pfaf-
fen meinen Herr Vater leider ſo weit eingenommen/ daß er umb der Erkaͤntniß willen des
einigen wahren Gottes/ ſeine Kinder enterben wil/ wolan/ ſo mag hernaͤhſt der Schelmen-
Pfaffen einer die Großfuͤrſtliche Kron auffſetzen/ und ſich ruͤhmen/ daß ihm ſolches durch
ſeine boßhaffte Luͤgen ſo wol gelungen iſt/ jedoch/ wo mein Herr Bruder und Koͤnig Ladiſ-
la/ ja auch gegenwaͤrtiger Koͤniglicher naͤheſter Erbe in Schweden/ und ich/ als ein verban-
neter/ euren Tod (welchen Gott lange verhuͤten wolle) ableben ſolten/ wuͤrden wir ihnen
den Reichs Stab dergeſtalt angluͤen/ daß ſie beyde Faͤuſte daran verbrennen muͤſten. Der
Almaͤchtige Gott verleihe meinen lieben Eltern nur ein langes Leben/ dann bey ihrer Zeit
ſol dergleichen Unruhe wol verbleiben; aber hernach duͤrffte alles mit zehnfachen Zinſen
eingefodert werden/ und auff ſolchen fal das gottloſe Pfaffenblut meinen Zorn ſchon loͤ-
ſchen. So hoͤret nun mein Herr Vater/ und wiſſet/ daß ihr in dieſem Stuͤk an mir einen
andern Herkules habt/ auch bemaͤchtiget ſeyd/ mit mir nach eurem Willen zuſchalten/ ohn
was mein Chriſtentuhm betrifft/ in welchem ich meinem Gott mehr/ als den Eltern/ Ge-
horſam leiſten muß/ wann ich auch durch tauſend uñ noch tauſend Peinigungen ſolte hin-
gerichtet werden. O Sohn/ O Sohn/ ſagte der Vater mit betruͤbter Stimme/ haͤlteſtu ſo
dein aͤidliches verſprechen/ welches du mir bey dem Opfer geleiſtet haſt/ daß du deine uhr-
alten Land Goͤtter/ die uns bißher ſo wol und traͤulich geſchuͤtzet/ und in Freiheit erhalten/
nun und nimmermehr verlaſſen/ noch andere neue annehmen wolteſt? Ja Gn. und liebſter
Herr Vater/ antwortete er; wann ich gleich zehn tauſend und noch zehn tauſendmahl tau-
ſend aͤide daruͤber geſchworen haͤtte/ muͤſtẽ ſie doch alle gebrochen und verflucht ſeyn. Dañ
wer iſt ſchuldig/ ungerechte und gottloſe aͤide zuhalten/ inſonderheit/ welche dem allerhoͤch-
ſten einigen wahren Gott/ dem Schoͤpffer Himmels und der Erden ſelbſt zuwider lauffẽ?
es bedenke nur mein Herr Vater/ wann jemand ihm ſagete: Der Menſch in jenem Ne-
ben Zelte waͤhre ſein Erzfeind/ der Wendiſche Straſſen Dieb und Menſchen Raͤuber/ und
er darauff einen hohen aͤid ſchwuͤre/ er wolte ihn lebendig verbrennen; befuͤnde aber her-
nach/ daß nicht dieſer/ ſondern ſein leiblicher guttaͤhtiger Vater drinnen waͤhre/ wolte er
ſich wol ſchuldig halten/ dem geleiſteten aͤide nach/ ihn zuverbrennen? Ich meyne ja nicht/
Herr Vater/ ſondeꝛn er wuͤrde ſeinen aͤid brechen/ uñ es damit entſchuldigen/ dz er ſchaͤnd-
lich hintergangen waͤhre. Gleich alſo haben die buͤbiſchẽ Kroden Pfaffen mir ganz faͤlſch-
ſ ſ ſ ijlich
[508]Siebendes Buch.
lich eingebildet/ der Gott/ welchen mein Herr Bruder/ deſſen Gemahl/ Koͤnig Ladiſla/ ich/
Gott Lob/ und andere Chriſten mehr verehren/ waͤhre ein falſcher verführiſcher GOtt/ da
wir doch im widrigen wiſſen und befinden/ daß er unſer Schoͤpffer/ unſer Erhalter/ unſer
himliſcher Vater/ und der allein wahre Almaͤchtige Gott iſt; ſolte ich dann wol gehalten
ſeyn/ dieſen Gott zuſchaͤnden/ wie ich aus blinder Unwiſſenheit in meinen kindlichen Jah-
ren/ auff der Buben Verleitung verſprochen habe? Tauſend und noch tauſend Herzen
lieſſe ich mir lieber aus meinem Leibe reiſſen/ wann ſie darinnen waͤhren; Feur/ Waſſer/
und aller Buͤttelpeinigung lieſſe ich auff mich zuſtuͤrmen/ ehe ich dieſen Gott verleugnen/
oder ein Schmaͤhewort auff ihn auslaſſen wolte. Bitte demnach meinen Herr Vater
kindlich/ er wolle doch den teufliſchen Pfaffen nicht ſo leicht Glauben beymaͤſſen/ wann ſie
der unſchuldigen Chriſtenheit zulegen/ wie ſie in aller Suͤnde und Schande ihr Leben wie
das unvernuͤnfftige Vieh zubringen. Wahr iſt es/ daß etliche gottloſe Buben unter dem
Nahmen der Chriſten ſich aller Schande haben geluͤſten laſſen; aber dieſelben wahren nit
Chriſten/ ſondern Erz Boͤſewichter/ ſind auch von den rechtſchaffenen Chriſten nie vor
Glaubensgenoſſen gehalten/ ſondern ausgeſtoſſen/ ſo bald ſie ihrer Gottloſigkeit innen woꝛ-
den; dann die wahren Chriſten/ zu denen wir uns halten und bekennen/ die unbillichen ſol-
che Boßheit von ganzem Herzen/ und haben durchaus keine Gemeinſchafft mit dieſem
Wuhſt/ ſondern befleiſſigen ſich aller Zucht und Erbarkeit/ dz meinen Herr Vater ich wol
verſichern kan/ dieſes der Pfaffen widriges angeben beſtehe nur in lauter Luͤgen und Boß-
heit/ welche der Teuffel in ihnen aushecket/ damit den elenden Menſchen der Weg zur Se-
ligkeit verſperret werde. Dieſes ſind allemahl auch meine Gedanken geweſen/ ſagte ſeine
Mutter; dann meines allerliebſten Herkules Art und Eigenſchafft trug ja kein belieben zu
der Unreinigkeit/ ſondern wahr aller Unzucht von ganzem Herzen feind/ wie er auch hie-
durch in groſſe Gefahr geriet/ und nicht allein das Gefaͤngniß druͤber erdulden muſte/ ſon-
dern haͤtte nach des Adels Willen wol gar den Kopff hergeben muͤſſen/ wann ſein getraͤuer
Ladiſla ihn nicht gerettet haͤtte; Wie ſolte er dann/ da er verſtaͤndiger worden iſt/ ſich des
guten ſo gar abgetahn/ und dem boͤſen ergeben haben? Ja wie haͤtte er koͤñen ſolchen Glau-
ben annehmen/ in welchem nicht allein jedem erlaubet iſt/ alle Schande zutreiben/ ſondern
auch keiner gelitten wird/ wo er nicht allerley Unflaͤterey mit machet? nimmermehr glaͤu-
be ich ein ſolches; nimmermehr faſſe ich dieſen Argwohn von meinem züchtigen Sohn
Herkules. Weil Baldrich ſeine Rede vorbrachte/ ſahe ſein Vater vor ſich nider/ und wu-
ſte nicht/ was er antworten ſolte/ dann er ſahe ſeine Freidigkeit/ vernam auch aus ſeinen
Worten/ daß weitere Abmahnung vom Chriſtentuhm/ allerdinge vergebens und umſonſt
ſeyn wuͤrde/ endlich ſagete er zu ihm: Lieber Sohn/ wann dann dieſer dein und deines Bru-
ders Gott ſo ſtark und maͤchtig iſt/ und dein Glaube ſo gut und heilſam/ welches ich ſo heff-
tig nicht wiederfechten wil/ weil ich ſein keine Erkaͤntniß habe/ ſo wil ich weder dich noch
deinen Bruder hinfuͤhro noͤhtigen/ denſelben zuverleugnen/ ſondern mich eines beſſern un-
terrichten laſſen; nur allein muͤſſet ihr euren Gott vor euch allein haben und ehren/ und dẽ
Untertahnen ihre Goͤtter und gewoͤhnlichen Gottesdienſt goͤnnen/ ſonſten werdet ihr ein
ſolches Ungluͤk erwecken/ welches das ganze Land verſtoͤren/ und zu grunde richten wird.
O wie erfreuete ſich Baldrich dieſer Erklaͤrung! Er bedankete ſich kindlich der vaͤterli-
chen
[509]Siebendes Buch.
chen Zuneigung/ und verſprach ihm im übrigen allen moͤglichen und bereitwilligen Ge-
horſam/ mit Beteurung/ ihr Glaube waͤhre nicht alſo beſchaffen/ daß man die Menſchen
mit Gewalt darzu zwingen muͤſte/ ſondern wann die Untertahnen ſich nicht wolten durch
Freundligkeit leiten laſſen/ waͤhren ſie nicht willens/ jemand zunoͤhtigen; wiewol ſie auch
nicht zugeben koͤnten/ daß die Unte rtahnen ſie und andere/ wegen ſolches Glaubens verfol-
gen ſolten/ da etliche aus gutem freyen Willen ihn annehmen wuͤrden. Bald darauf nam
Leches einen Abtrit/ vorgebend/ er wolte etlicher Geſchaͤffte halber bey dem Heer Anord-
nung tuhn/ verfuͤgete ſich hin zu Herkules/ mit der erfreulichen Zeitung/ der Großfuͤrſt
haͤtte auff Fuͤrſt Baldrichs Rede und gegebenen Bericht/ ſich nach Wunſch erklaͤret/ wol-
te ſeinen Kindern/ und jederman Glaubens Freiheit goͤnnen/ und deswegen niemand ge-
haͤſſig ſeyn; erkennete ſchon guten teils/ daß ſeiner Pfaffen Verleumdung auff Luͤgen be-
ruhete/ und lieſſe ſich vernehmen/ daß er nicht abgeneigt ſey/ von der Chriſtlichen Lehre
beſſeren Unterricht anzuhoͤren/ nachdem Fuͤrſt Baldrich durch ſein ernſtliches Vorbrin-
gen ihn zur mildiglichen Vergieſſung ſeiner Traͤhnen bewaͤget haͤtte; welches ſie alle hoffen
machete/ er wuͤrde mit der Zeit ſelbſt koͤnnen gewonnen/ und zur Erkaͤntniß der himliſchen
Warheit angefuͤhret werden. Herkules wuſte nicht/ wie er ſeine Vergnuͤgung hieruͤber
auslaſſen ſolte/ und fing an: Dir ſey Dank und Preiß/ O mein HErr JEſus/ daß du mir
meines Vaters Herz wieder zugewendet/ und dem Chriſtentuhm ihn gewogener gemacht
haſt/ daß ich nunmehr in guter Hoffnung ſtehe/ ich werde nach dieſem Leben nit allein vor
mich/ ſondern zugleich mit meinen hezlieben Eltern der himliſchen Seligkeit genieſſen. Eꝛ
und Ladiſla rieben die angeſtrichene Farbe ab legten ihre Kleider an/ und eꝛwartetẽ nichts/
als daß Baldrich/ genommener Abrede nach/ mit ſeinen Eltern des Weges hergehen ſol-
te/ wie dann bald darauff geſchahe/ und er deſſen zeitig gnug berichtet ward; deswegen er
ſein Gemahl bey der Hand faſſete/ und ſeinen Eltern entgegen ging/ hielt ſich auch feſt/ die
Freuden Traͤhnen einzuzwingen/ die wider ſeinen Willen loßbrechen wolten. Seine El-
tern ſahen ihn von ferne in der von Demanten ſchimmernder Kleidung daher treten/ und
frageten Baldrich/ wz vor trefliche Leute jene waͤren/ die in mehr als Koͤniglichem Pracht
ſich ſehen lieſſen? Herzlieber Herr Vater und Fr. Mutter/ antwortete er; es iſt eben der
tapffere Held/ welcher heut die Feld Schlacht wider den Feind geordnet/ den erſten Angrif
getahn/ und durch ſeine hohe Erfahrenheit zuſtreiten/ das Feld erhalten hat- Die/ ſo er bey
der Hand fuͤhret/ iſt ſein einiggeliebtes Gemahl/ die Ehre und Kron des ganzen weiblichẽ
Geſchlechtes; und ſehet/ wie ſie eilen/ euch wirdig zuempfahen; hoffe demnach/ meine ge-
liebete Eltern werden nunmehr in der naͤhe ihren wirdigſten Sohn Herkules/ und die un-
vergleichliche Valiſka erkennen/ dann eben die ſind es/ und keine andere. Uber dieſer Rede
erſtarreten die Eltern/ daß ſie weder vor ſich gehe[n] noch ein einziges Wort ſprechen kun-
ten. Herkules aber eilete mit ſeiner Valiſken ihnen ſtark entgegen/ dann die kindliche In-
brunſt trieb ihn fort; und als er nahe vor ſie kam/ ſetzete er ſich vor dem Vater auf die Knie/
kuͤſſete ihm die Hand ganz anmuhtig/ und fing alſo an: Gnaͤdigſter herzallerliebſter Herr
und Vater/ euer Sohn Herkules/ welchen der groſſe Gott in dieſer ſeiner Jugend wun-
derlich/ aber ſehr gnaͤdig und wol gefuͤhret hat/ ſtellet ſich in kindlichem Gehorſam unter-
taͤhnigſt ein/ nachdem er erfreulich vernommen/ daß euer liebreiches Vaterherz ſeine Ge-
ſ ſ ſ iijgen-
[510]Siebendes Buch.
genwart ertragen kan/ wuͤrde ſonſt die Kuͤnheit nicht gehabt haben/ ſich vor eurem Ange-
ſicht finden zulaſſen. Ich danke aber dem grundguͤtigen Gott/ daß er mir ſo hohe Gnade
verlihen/ meinen herzlieben Eltern in ihrem Gefaͤngniß beypflichtig zuſeyn/ und die raͤube-
riſche Boßheit ſtraffen zuhelffen. O mein lieber Sohn/ ſtehe auff/ ſagete der Vater/
wolte auch weiter mit ihm reden/ aber die uͤbermaͤſſige Herzens-Bewaͤgung zog ſeine Le-
bens-Geiſter zuruͤk/ daß er zur Erden niderſank/ und von den ſeinen Erquickung einneh-
men muſte/ da es dann der alten Großfuͤrſtin nit anders erging/ welche ſchon vor ihm in
tieffer Ohmacht lage/ und von Valiſka gerieben und geſchuͤttelt ward. Der Großfuͤrſt er-
hohlete ſich bald wieder/ ſtund auff und umfing ſeinen Herkules mit dieſen Worten: Nun
du mein teurer Sohn/ du unſterblicher Ruhm und Ehre deines Vaterlandes; die Goͤtter
werdẽ mir verleihen/ daß ich auch teil an dir haben moͤge/ nachdem ſie mir ſchon eine groſ-
ſe Erfuͤllung meines unauffhoͤrlichen Wunſches goͤnnen/ und dich mir wiederumb ſehen
laſſen/ werde mich auch dergeſtalt gegen dich zubezeigen wiſſen/ daß du nicht Urſach haben
ſolt/ dich uͤber mich zubeſchweren/ oder aus deinem Erbreiche zuweichen. Aber wer ſind
dann jene/ die dort gegen uns daher treten? Es iſt mein getraͤuer Bruder/ Koͤnig Ladiſla/
und ſein wirdiges Gemahl/ antwortete Herkules/ die wol verdienet/ daß ſie von ihm gelie-
bet und geehret werde. Der Großfuͤrſt ging ihm entgegen/ und nach freundlichem umfa-
hen ſagte er: Herzgeliebter Oheim und Sohn; euer Liebe geſundheit und wolergehen iſt
mir eine vergnuͤgliche Freude/ und danke dem guͤtigen Himmel/ daß er uns dereins geſund
und friſch wieder zuſammen gefuͤhret hat/ wie ich dann euer Liebe mich wegen geſchehener
Erloͤſung nicht wenig verbunden befinde und erkenne. Die alte Groß Fuͤrſtin hatte ſich in-
zwiſchen auch erhohlet/ herzete und druͤckete ihre Schwieger Tochter ohn einiges Wort-
ſprechen/ biß ſie auch an ihren Herkules geriet/ an welchen ſie ſich mit beyden Armen hen-
kete/ endlich aber anfing: Nun wil ich gerne und willig ſterben/ nachdem die Goͤtter mich
dein Angeſicht wiederumb haben ſehen laſſen. O du mein herzallerliebſter Sohn/ den ich
uͤber mich ſelbſt geliebet habe/ wie haſtu doch uͤber dein liebreiches Herz bringen koͤñen/ daß
du dich mein ſo lange entaͤuſſerſt/ und kaum etliche wenig Schreiben mir zugeſchicket haſt?
haſtu an meinem Mutterherzen gezweiffelt/ ſo verzeihe dirs dein GOtt; hat dich aber die
Furcht und die Ernſthaftigkeit deines Vaters abgehalten/ haͤtte ich noch wol mittel finden
wollen/ ihn zubeguͤtigen/ weil er wieder ſeinen Willen und als gezwungen dich verlaſſen
muͤſſen. Der Almaͤchtige wahre Gott hat uns fruͤh genug zuſammen gefuͤhret/ antwortete
er/ nachdem derſelbe zuvor meines Herꝛ Vaters Herz mir zugewendet hat. Ladiſla trat auch
zu ihr hin (da unterdeſſen der Großfuͤrſt ſeine liebe Schwieger Tochter wilkommen hieß)
meldete ihr ſeiner Fr. Mutter Gruß an/ und baht umb vezeihung/ daß er bißdaher ſich vor
ihr verborgen gehalten; da ſie zur Antwort gab: Freundlicher herzgeliebeter Herꝛ Sohn/
ich bin euch mich ſelbſt ſchuldig/ vor die bruͤderliche Traͤue/ welche ihr meinem Herkules in
ſeinen hoͤchſten noͤhten erzeiget/ und ihn nicht habt verſtoſſen wollen/ da er von ſeinen Eltern
ſelbſt hat muͤſſen verlaſſen/ ja verſtoſſen ſeyn; uͤber welche Worte ſie eine ſo groſſe Menge
Traͤhnen vergoß/ daß ihr Wiſchtuch feuchtenaß ward/ und alle Anweſende mit ihr uͤber-
laut weineten; dann ihnen ward hiedurch Herkules ausgeſtandenes Leid zu gedaͤchtnis
bracht/ und daß er ſo lange Zeit in Leibeigenſchaft hatte leben muͤſſen; doch nam dieſe Be-
truͤbnis
[511]Siebendes Buch.
truͤbnis bald ein ende; dann Baldrich und Siegward wahren hingangen/ ihre Gemahlen
auch herzufuͤhren; welche der alte Großfürſt von ferne ſehend/ zu Herkules ſagete: Mein
lieber Sohn/ was vor Fuͤrſtliches Frauenzimmer wird von deinem Bruder und Fuͤrſt
Siegwarden dort her gefuͤhret? Mein Herr Vater/ antwortete er; ich wil nicht hoffen/
daß eurem Vaterherzen ich unangenehme Zeitung ſagen werde/ in dem ich melde/ daß die
zwo Frauen/ meiner Fr. Schweſter Koͤnigin Sophien allernaͤheſte Blutverwanten ſind/
der vornehmſten Roͤmiſchen Herren und Stathalter leibliche und einige Toͤchter des uhr-
alten Fabius und hochberühmten Pompejus Geſchlechts/ deren Brautſchaz und vaͤter-
liches Erbe ſich auff viel Tonnen Goldes erſtrecket. Valiſka fiel ihm in die Rede/ und ſa-
gete: Ja Gn. Herr Vater/ ſie ſind meine herzvertrauete Schweſtern/ und gnug wirdig/
daß ſie in unſere nahe Freundſchaft auffgenommen werden/ daher ich ſie auch den beyden
lieben Fuͤrſten/ Baldrich und Siegward zugefreiet/ da Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit ſelbſt
auff ihren hochzeitlichen Ehrentagen erſchienen iſt/ hoffe kindlich/ mein Herꝛ Vater wird
in ſolche Heyrahten gnaͤdigſt einwilligen/ und dieſe hochgebohrne Roͤmerinnen/ die von
froͤmmigkeit und Tugend mehr/ als von Gold und aͤdlen Steinen glaͤnzen/ vor liebe Toͤch-
ter auff und annehmen. Der Großfuͤrſt antwortete ihr mit einem freundlichen Lachen:
Herzgeliebete Fr. Tochter/ es muͤſte einzumahl widriges Werk ſeyn/ welches mir mißfal-
len ſolte/ wann von euer Liebe es herruͤhret/ und habe ich vielmehr mit Dank zuerkennen/
daß meine Fr. Tochter meines Sohns wolfart ihr ſo hoch hat wollen laſſen angelegen ſeyn/
wiewol michs ſchier etwas fruͤhzeitig deucht/ daß mein Baldrich ſchon hat heyrahten dür-
fen; weil mir aber nicht zuſtehet/ der Goͤtter Verſehung zu wiederſprechen/ und er ein ſo
groſſes Gluͤk nicht hat verſeumen ſollen/ muß ich ihm recht geben/ und mich ſelbſt beſchul-
digen/ daß mein heyrahten ich zu weit hinaus geſetzet habe. Empfing hierauff die beyden
Fuͤrſtinnen ſehr freundlich/ wuͤnſchete ihnen allerſeits Gluͤk zum Eheſtande/ und erboht
ſich gegen ſie zu aller Vaͤter- und Schwigerlichen Liebe und Hulde. Es wehrete dieſes em-
pfahen uͤber eine groſſe Stunde/ dz das ſpaͤte Dunkel daruͤber einbrach/ und dieſen Abend
Herkules ankunft dem algemeinen Kriegsheer nicht kund ward/ welches gleichwol dieſe
Nacht in froͤligkeit zubrachte/ ungeachtet ihrer etliche tauſend ihre in der Schlacht em-
pfangene Wunden wol auffzuweiſen hatten/ welche ihnen doch auffs ſleiſſigſte verbunden
wurden. Die alte Großfuͤrſtin kunte dannoch nicht unterlaſſen/ wegen ihrer entfuͤhreten
Tochter ſich zubekuͤmmern/ daher ſie ſagete: Ach du guͤtiger Himmel; nun lebe ich in ſo
groſſer Vergnuͤgung/ nach ausgeſtandenem herben Ungluͤk/ und habe alle meine verlohr-
ne Kinder beyeinander neben mir ſitzen/ nur daß ich die bißdaher bey mir ſtetig anweſen-
de meine liebe Tochter entrahten muß/ damit ja zwiſchen unſer Freude eine bittere beküm-
mernis eingeſtraͤuet werde. Herkules ſelber trug nicht wenig ſorge ihretwegen/ ließ auch
2000 wolberittene Teutſchen uͤber die Iſel ſetzen/ daß ſie alle Felder auff drey Meilweges
durchreiten ſolten/ ob ihnen Fuͤrſt Arbianes auffſtoſſen/ oder ſonſt kund werden moͤchte.
Als nun der alte Großfuͤrſt auff vorgeſagte Klage ſein Gemahl troͤſten wolte/ gab ſich ein
Kriegsknecht bey Leches an/ ihm vermeldend/ er waͤhre aus der Zahl/ welche den gefange-
nen Wendiſchen Fuͤrſten bewacheten/ koͤnte unangezeiget nicht laſſen/ wie frech er ſich be-
zeigete/ und ſich ſehr unnuͤz machete/ daß man ihn ſo lange ungeſpeiſet und ungetraͤnket lieſ-
ſe/ noch
[512]Siebendes Buch.
ſe/ noch einigen hohen Kriegsbeamten ihm zugaͤbe/ welcher ihm mit Geſpraͤch die Zeit ver-
kürzete. Herkules gab Leches (da er ſolches anmeldete) zur Antwort: Es haͤtte ſich gebuͤh-
ret/ daß er beyzeiten ſolches geordnet/ und ihm Fuͤrſtlichen Unterhalt verſchaffet haͤtte/ als
er aber vernam/ wie ſchlim und veraͤchtlich ſeine liebe Eltern von ihm waͤhren gehalten/ uñ
man ihnen zu unterſchiedlichen mahlen in 24 Stunden weder Eſſen noch Trinken geboh-
ten/ muſte der Kriegsknecht ihm anzeigẽ/ ob er beſſer waͤhre als der unuͤberwindliche Groß-
Fuͤrſt der Teutſchen; deſſen Herr Sohn ihn auff ſolche Weiſe zu halten bedacht waͤhre/
wie ſeinen Eltern es begegnet; doch ward ihm ein wenig kalte Küche und ein Trunk ge-
ringe Bier dargebracht/ welches er auff die Erde ſchuͤttete und mit Füſſen zu trat/ vermei-
nend/ durch ſolchen frevel unſern Fuͤrſten eine Furcht einzujagen/ und ihm ſelbſt ein Anſe-
hen zu machen/ welches ihm aber ſo gar mißriet/ daß bald darauff ein Gewaltiger uͤber die
Steckenknecht zu ihm gehen/ uñ ihm eine ſchwere Kette anlegen muſte/ mit dieſer verweiß-
lichen Rede/ weil er ſich als ein toller Hund bezeigete/ und ſein bevorſtehendes Ungluͤk aus
hochmuht nicht erkennen koͤnte/ muͤſte er empfinden was ſolcher frevel verdienete; dawie-
der er zwar mit ſcharffen Draͤuungen ſich bedingete/ halff aber nichts/ und muſte er ſich den
Ketten untergeben/ in welchen er etwas ſchmeidiger ward.


Fuͤrſt Arbianes ſetzete auff dem angetroffenen Fußpfade mit dem Fraͤulein zimlich
fort/ und begegnete ihm auff dem ganzen Wege kein Menſch/ den er umb des Landes Gele-
genheit haͤtte fragen koͤnnen/ biß gegen den Abend ſtieß ein Baur ihm auff/ welchen er fra-
gete/ ob nicht in der naͤhe ein Staͤdlein oder Flecken/ oder ſonſt ein bequemer Ort zur gu-
ten Nacht Herberge anzutreffen waͤhre; und bekam zur Antwort; allernaͤheſt nach der lin-
ken zulaͤge ein Dorff/ dahin muͤſte er ſich wenden/ ſonſt wuͤrde er im offenen Felde bleiben
muͤſſen/ haͤtte aber dorten eine gute Schenke/ da eſſens und trinkens gnug zubekommen
waͤhre. Der verliebete Arbianes nam den Weg vor ſich/ und hatte manniches Geſpraͤch
mit dem Fraͤulein ſchon geführet/ wahr auch etlichemahl Willens/ ſich zuerkennen zuge-
ben/ zuͤckete aber doch wieder/ wann er den Anfang machen wolte; endlich fing er an/ ſein
gewoͤhnliches kurzes Liedlein zuſingen/ welches dieſes wahr.


1 O Du klare Sonne du/

O erleuchte meine Sinnen/

Wende deine Gunſt mir zu/

Und laß gelten mein beginnen/

Gib auch meinen Geiſtern Ruh/

Daß ſie nicht vor Angſt zurinnen.

2 O du klarer Himmels-ſchein!

O wo biſtu doch zufinden?

Kanſt abweſend kraͤfftig ſeyn/

Und in mir die Gluht anzuͤnden;

Schenke mir die Kuͤhlung ein/

Sonſt wird meine Krafft verſchwinden.

Das Fraͤulein hoͤrete ſeiner anmuhtigen Stimme fleiſſig zu/ und erriet gar bald/ daß es
auff ſie ſelbſt gemeinet wahr/ argwohnete auch von anbegin/ es wuͤrde Fuͤrſt Arbianes
ſelber ſeyn/ welches zuerfahren/ ſie auff ihre Waſe Fr. Valiſken zureden kam/ und zu ihm
ſagete; Durchleuchtiger Fuͤrſt/ ich bitte ihn durch das Fraͤulein/ zu deren Andacht er die-
ſes geſungen hat/ daß er mir eigentlich ſagen wolle/ wie neulicher Zeit er bey meiner herz-
allerliebſten Fr. Schweſter Fuͤrſtin Valiſka geweſen iſt. Ach mein Durchleuchtigſtes
Fraͤulein/ antwortete er/ die Erinnerung iſt ſo hoch und ſtark/ daß mir unmoͤglich iſt/ die
Warheit zuverſchweigen; verſichere ſich demnach eure Liebe/ daß die Großfuͤrſtin Fr. Va-
liſka/ meine hoͤchſtgewogene Fr. Schweſter neben ihren Gemahl/ Großfuͤrſt Herkules/ und
Herr
[513]Siebendes Buch.
Herr Bruder Koͤnig Ladiſla/ wie auch Fuͤrſt Baldrich und Fuͤrſt Siegward auß Schwe-
den (welche ſamt und ſonders ihre neulich geheyrahtete Gemahlen bey ſich haben) mitein-
ander im Lager ſind/ und mit eurer Liebe Eltern ſich ſchon herlich ergetzen werden/ und iſt
mir überauß leid/ das ich der ungluͤkſelige Arbianes (bey ſolcher Freude nebeſt ihr nicht
ſeyn ſol/ wolte er ſagen; aber ſie fiel ihm auff den außgeſprochenen Nahmen in die Rede)
was? ſagte ſie/ iſt dann eure Liebe der Großfürſtliche Herr auß Meden/ Fuͤrſt Arbianes
ſelber? Ja mein Gn. Fraͤulein/ antwortete er/ ich bin ja derſelbe/ dem eure Durchl. mit ei-
nem einzigen Worte ſein Leben ab- und zuſprechen kan; halte auch davor/ wann ich das
kleine allerliebſte Bruſtbildichẽ/ welches bißher abends und morgens von mir iſt verehret
worden/ wie auch das auß ſonder bahrer Gnade uͤbergeſchikte Hals Ketchen zeigen werde/
habe ich glaubwirdigen Beweiß dargelegt/ daß ich ihrer Durchl. zu Leib und Seel ergebe-
ner Arbianes ſey. Zeigete hiemit die Kette/ ſo er ſtets am Halſe auff bloſſer Haut trug/ lan-
gete auch das Gemaͤhlde hervor/ und nachdem ers hatte ſehen laſſen/ ſagte er; ich danke
dem wahren und alwaltigen Gott auß dem innerſten Grunde meines Herzen/ daß er mir
die Gnade verlihen hat/ den hoͤchſten Schatz meiner Seele auß Raͤuber Haͤnden zuerloͤſẽ/
zweiffele auch nicht/ er werde mich ferner geleiten/ ſie unangefochten und ſicher den lieben
ihrigen zuzufuͤhren/ moͤchte von Herzen wuͤnſchen/ daß der vergebliche Schrecken eure Lie-
be nicht uͤbernommen und in Ohmacht geſtuͤrzet haͤtte/ weil dieſe Verweilung uns von der
rechten Bahn abgeleitet hat. Zwar ich fuͤrchte mich vor mein Haͤuptwenig/ nur daß euer
Liebe keine Ungelegenheit zuſtoſſen moͤge/ welche zuſchuͤtzen ich mein Blut und Seele gut-
willig und mit ſuͤſſer Wolluſt anwenden wil. Das Fraͤulein/ ohn daß ſehr ſchamhafftig/
befand ſich in ſo groſſer Verwirrung/ daß ihr das Hertz im Leibe ſchlug; dannoch hielt ſie
billich ſeyn/ ihrem Erloͤſer alle moͤgliche Dankbarkeit zuerzeigen/ und gab ihm dieſe Ant-
wort; Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ eure Liebe erzaͤhlen mir die angenehmeſte Zeitung/ ſo mir
in dieſer Welt zuhanden kommen moͤchte/ daß mein herzgeliebeter Herr Bruder Herku-
les und deſſen Gemahl wieder zu Lande kom̃en ſind/ wodurch in dieſer Betruͤbniß ich hoͤch-
lich erfreuet werde/ daß aber mein hochwerter Fuͤrſt mir die allerdinge unverdiente freund-
ſchafft erzeigen/ und in Rettung meiner Wenigkeit/ ſein Blut und Leben willig darbieten
und wagen wollen/ gibt mir ein uͤberfluͤſſiges Zeugniß ſeiner guten Gewogenheit/ welches
auch nach vermoͤgen zuverſchulden die lieben meinigen neben mir/ ſich aͤuſſerſt werden laſ-
ſen angelegen ſeyn/ ſo bald nur unſere Sicherheit und Zuſammenkunfft es zugeben wird/
welche eure Liebe zubefodern ſich/ bitte ich herzlich/ bemuͤhen wolle/ nachdem dieſelbe den
Anfang und den groͤſten Teil meiner Rettung ſo willig uͤber ſich genommen haben. Aber
auß was Urſachen haben meine geliebete Herren Bruͤder euer Liebe ſolche Muͤhe auffge-
buͤrdet/ die von andern ihren Rittern ja wol haͤtte koͤnnen verrichtet werden? und daß ich
ſchlieſlich dieſes mitfrage/ warum hat eure Liebe an dem unwerden nichtigen Gemaͤhlde ſo
groſſes Gefallen/ daß ſie es der Geſtalt in Ehren haͤlt/ welches doch in meinen Augen ſehr
geringe geſchaͤtzet wird/ ungeachtet es mehr Schoͤnheit zeiget/ als dieſe ſelbſt/ nach welcher
es gemahlet iſt? der hoch verliebete Fuͤrſt hoͤrete ihren freundlichen Reden als ein Ver-
zuͤkter zu/ kuͤſſete ihre Haͤnde/ und antwortete/ wann er hundert Leben bey ſich haͤtte/ und je-
des Beraubung ihm den allergrauſamſten Tod gebehren ſolte/ muͤſten ſie doch alle in derẽ
t t tDienſten
[514]Siebendes Buch.
Dienſten angewendet werden/ die er vor ſeines Lebens Leben/ vor ſeiner Seelen Seele
hielte/ liebete und ehrete; welches ihn dann angetrieben/ nicht/ wie er anfangs vorgegebẽ/
auß Geheiß/ ſondern allen unwiſſend/ ſich ihrer Erloͤſung zu unterfahen/ weil ihm ſein
Herz ihre Gefahr und Entfuͤhrung angeſagt haͤtte/ daß er auß der Schlacht hinweg ge-
ritten waͤhre/ um zuverſuchen/ ob er ihre Gefaͤngniß brechen koͤnte/ welches ihm Gott lob/
ſo weit gegluͤcket. Erinnerte ſich aber ſeiner Ehemahligen Kuͤhn- und Grobheit/ daß er ſich
unterſtehen duͤrffen/ ihre hochwirdigſten Augelein mit einem unhoͤfflichen Schreiben zu-
beleidigen/ baͤhte ganz inniglich/ und von Grund ſeiner Seele/ ſie wolte die Unterhandlung
der Großfuͤrſtin ihrer Fr. Schweſter guͤltig ſein laſſen/ und mit derer Wirdigkeit ſeine Un-
guͤltigkeit durchkneten/ damit ihm gegoͤnnet ſeyn moͤchte/ ſich vor ihrer Vortrefligkeit be-
reitwilligſten Knecht und Diener anzugeben. Es wahr ſchon zimlich ſpaͤte/ als er dieſe
Rede endigte/ ſahe daß er bereit vor dem Dorffe wahr/ vernam auch einen Stein-alten
Mann vor der aͤuſſerſten Huͤtten des Dorffes ſtehen/ zu dem er ſich nahete/ und zu ihm
ſagete: Lieber Vater/ ſeyd gebeten/ mir und dieſer meiner Schweſter Nachricht zugeben/
wo wir dieſe Nacht ſichere Herberge haben moͤgen/ und nehmet dieſe Gold Krone von uns
zur Verehrung an. Der Alte wegerte ſich des Geſchenkes/ ließ einen ſchweren Seuffzen
auß/ und ſagete: Mein Herr/ reitet doch geſchwinde in dieſes mein Huͤtchen/ und laſſet
euch laͤnger nicht auff der Gaſſen ſehen. Bald merkete Arbianes/ daß er wenig Sicherheit
in dieſem Dorffe finden wuͤrde/ taht nach des alten Vermahnung/ und kehrete bey ihm
ein/ ſtieg mit dem Fraͤulein ab vom Pferde/ und fragete den Alten/ warumb er einen ſo
ſchweren Seuffzen haͤtte von ſich gelaſſen; waͤhre etwan einige Gefahr verhanden/ moͤch-
te er ihm daſſelbe auffrichtig offenbahren/ damit er nur ſeine Schweſter/ deren Eheliebſter
ohn gefehr 10 Meile von hinnen wohnete/ in gewarſam bringen koͤnte. O ihr Lieben Kin-
der/ antwortete er/ mich jammert euer Schoͤnheit/ Froͤmmigkeit und jugend/ darum habe
ich euch vertraulich warnen wollen/ nicht in das Dorff zureiten/ ihr wuͤrdet ſonſt ohn allen
Zweiffel umb eures guten Pferdes und ſchoͤnen Kleider Willen dieſe Nacht ermordet
werden; und wer weiß/ ob ihr nicht auſſerhalb Dorffes ſchon geſehen ſeid? Nein ſagte
Arbianes/ nur daß vor einer halben Stunde uns ein Mann mit einem rohten Barte und
groſſer Glatze begegnet iſt/ welcher uns den Weg nach dieſem Dorffe bezeichnet/ auff gute
Herberge vertroͤſtet/ und alsbald ſich von uns gewendet hat. Ja eben dieſer iſt der rechte
Mauſe Kopff/ antwortete der Alte/ und wird ohn Zweifel mehr Beute zuſammen treiben
wollen; waͤhret ihr nur gleich fort geritten/ haͤttet ihr ſchon ein Staͤdchen erreichet/ wo-
ſelbſt ihr gute und ſichere Herberge antreffen moͤgen. Das Fraͤulein zitterte vor groſſer
Angſt und ſagte zu Arbianes: Ach mein herzlieber Bruder/ laſſet uns ja eilends von hinnẽ
reiten/ daß wir dieſen grimmigen Moͤrdern nicht in die Haͤnde gerahten. Lieber Vater/ ſag-
te Arbianes/ ich bedanke mich freundlich dieſer getraͤuen Warnung/ und wie es mein groſ-
ſes Glük iſt/ daß ich in eure Kundſchafft gerahten bin/ alſo ſol es nicht weniger euch zur ſon-
derlichen Wolfahrt gedeien/ dafern ihr es redlich mit uns meinen werdet/ dann ich wil euch
in dieſem euren Alter dergeſtalt verſorgen/ daß ihr Zeit eures Lebens alle Tage drey Kro-
nen ſollet zu verzehren haben/ wann ihr gleich noch hundert Jahr leben wuͤrdet; helffet nur/
daß ich dieſe meine Schweſter in ſicherheit bringe/ da ſie ohn Gefahr dieſe Nacht außruhẽ
kan/
[515]Siebendes Buch.
kan/ alsdann wil ich ihr mit meinen Waffen nach vermoͤgen Schuz halten/ daß von einem
Dutzet Bauren ſie ſobald nicht ſol beraubet werden. O mein Herr/ antwortete der Alte/ das
waͤhre gar zu groſſe Belohnung vor dieſen ſchlechten Dienſt/ ich untergebe aber eurer gutẽ
Gnaden mich und die meinen/ und verſpreche euch und ſeiner Schweſter/ mein aͤuſſerſtes
anzuwenden/ ſollet auch mit der Goͤtter Huͤlffe morgen fruh vor Tage ſchon vor obgedach-
tem Staͤdlein ſeyn; aber ihr werdet euch biß nach mitternacht heimlich bey mir verbergen
muͤſſen/ welches zu oberſt auff meinem Haͤu wol geſchehen kan; dahin wil ich eure Waffen
und Pferdezeug tragen helffen/ [und] euer Pferd in die gemeine Weide ſtraks hinter meiner
Huͤtten treiben/ damit es nicht bey mir gefunden werde. Arbianes ward dieſes Troſtes ſehr
froh/ ſattelte ſein Pferd ab/ und halff es hinauß treiben/ koppelte ihm auch die Voͤrder Beine
zuſammen/ und ließ es gehen. Als er wieder in das Hauß kam/ fand er das Fraͤulein auff ei-
nem Klotze ſitzen/ und vor groſſer Herzens Angſt zittern nnd beben. Er troͤſtete ſie aber mit
kraͤfftigen Worten/ ſie moͤchte ſich zufrieden geben; Gott haͤtte ja die groͤſte Gefahr durch
dieſes frommen Mannes Warnung ſchon abgekehret/ und wuͤrde weiter helffen. Ja ſchoͤne
Jungefran/ ſagte der Alte/ ob euch ſchon mehr Leute als der Roht Bart/ moͤchten geſehen
haben/ ſollet ihr doch vor aller Gefahr wol verſichert ſeyn; aber ihr muͤſſet hier nicht lange
verweilen/ ſondern jene ſteigere Leiter hinauff klettern/ und das uͤbrige mich nur machen laſ-
ſen. Wir wollen euch gerne gehorſamen/ ſagte das Fraͤulein/ nehmet ihr euch unſer nur ge-
traͤulich an; loͤſete hiemit ein koͤſtliches Armband von ihrem Arme/ und reichete es ihm mit
dieſen Worten: Sehet da lieber Vater/ nehmet dieſes güldene Armband von mir an/ als
ein Zeichen meiner ſchierkuͤnfftigen Dankbarkeit/ ihr koͤnnet es willig vor 1000 Kronen
verkaͤuffen. O nein/ meine liebe Jungefrau/ antwortetete er/ was ſolte mir das Kleinot nuͤt-
zen? Ich duͤrffte es ja keinem Menſchen zeigen/ dann jederman wuͤrde ſprechen/ ich haͤtte
es geſtohlen/ und ſolte wol gar drüber an den lichten Galgen kommen; gebet ihr euch nur
zufrieden/ ich wil eurer gutwilligen Gnade biß dahin wol erwarten/ und deſſen kein ander
Pfand als eure Verheiſſung begehrẽ/ nur bitte ich/ ihr wollet nach eurer Erledigung mich
in eure Landſchafft nehmen/ und in dieſem meinem hohen Alter mir noͤhtigen Unterhalt
verſchaffen/ worzu der dritte Teil dieſes Kleinots nicht wird noͤhtig ſeyn. Erinnerte ſie
hierauff/ daß ſie ſich auff das Haͤu macheten/ da dann der Fürſt anfangs ſeine Waffen
hinauff trug/ welches ihm ſaur genug ward/ kam bald wieder/ und ließ das Fraͤulein vor
ſich hinauff ſteigen/ nachdem er ſie fleiſſig ermahnet hatte/ mit den Haͤnden ſich feſte zuhal-
ten/ und eine Staffel nach der andern zuergreiffen/ wann ſie mit den Fuͤſſen hinauff treten
wuͤrde. Anfangs dauchte ihr ſolches unmoͤglich ſeyn hinauff zukommen/ aber die Gefahr
machte das verſuchen/ und die Angſt/ die Kühnheit es zuvollenden/ da der Fuͤrſt allernaͤ-
heſt hinter ihr hinauff ſtieg/ und mit einer Hand ihr nach Moͤgligkeit halff/ daß ſie endlich
das Haͤu erreichete. Als ſie ſich nun gar zu oberſt nach der Gaſſen hin gelagert hatten/ ſag-
te ſie; Ach mein werder Fuͤrſt/ ſolte der gute Alte mir nicht zu einem Trünklein Waſſers
verhelffen koͤnnen? Ich habe dieſen ganzen Tag in aller meiner Angſt weder gegeſſen noch
getrunken/ daher ich mein mattes Herz weiters nicht zuſtillen weiß. Der Fuͤrſt/ in dem
ſch [...]er-tunkelen ſich erkuͤhnend/ kuͤſſete ſich freundlich/ beklagete ihre Mattigkeit/ und baht/
ſich ein wenig allein zugedulden/ biß er hinunter ſteigen/ und etwas verſchaffen koͤnte; eile-
t t t ijte ge-
[516]Siebendes Buch.
te geſchwinde/ gab dem Wirte 10 Kronen/ er moͤchte/ wo moͤglich/ ſich bemuͤhen/ daß ſei-
ne Schweſter vorerſt einen Trunk/ und hernach etwas Speiſe bekaͤhme. Der Alte hatte
ein Maß Bier ſtehen/ gab ihm ſolches in einem irdenen Gefaͤß/ und ſagete: Er moͤchte ſich
ein wenig gedulden/ das Gold duͤrffte er nicht ſehen laſſen/ wolte aber doch Mittel ſchaf-
fen/ etwas herbey zubringen/ ſo gut es zubekommen waͤhre. Der Fuͤrſt war bey dem Fraͤu-
lein kaum wieder angelanget/ und taht ſie den erſten Trunk mit groſſer Begierde/ da ſie bey
der Stimme erkennete/ daß der Roht Bart/ ſo ihnen begegnet wahr/ mit dem Alten vor der
Tuͤhr redete/ ihn fragend/ ob nicht ein junger weißmaͤulichter Ritter mit einer ſehr ſchoͤnen
Jungfer in Himmelblauer ſeidenen Kleidung/ mit breiten Silber Schnuͤren verbremet/
zum Dorffe hinein geritten waͤhre; dem der Alte zur Antwort gab: Es koͤnte wol geſche-
hen ſeyn/ uñ daͤuchte ihn ſchier/ als haͤtte er jemand mit einem Geklapper reiten hoͤren/ haͤt-
te aber Schwacheit halben ſich darnach nicht umſehen koͤnnen; dann das leidige Bauch-
grimmen/ ſagte er/ plaget mich ſo hart/ daß ich vor Angſt nicht zubleiben weiß/ welche
Schmerzen ich doch leicht zuvertreiben wuͤſte/ wann mirs nicht an Mitteln mangelte;
ſeyd demnach gebehten/ lieber Nachbar/ und ſtrecket mir einen Guͤlden oder anderthalb
vor/ ich wil es euch inwendig ſechs Tagen wieder geben/ weil mir etwas ausſtehet/ gegen
ſelbe Zeit zuheben. Ihr ſeyd ſchon in meiner Schuld/ antwortete dieſer/ und habt noch nit
abgezahlet/ duͤrffte alſo die Schuld endlich zu groß werden; laſſet mir aber euer fettes Rin-
dichen uͤber/ das wil ich euch bezahlen/ und das vorige abrechnen. Es iſt zwar alles mein
Vieh/ das ich habe/ ſagte der Alte/ koͤnte auch von den Stad Schlaͤchtern wol 12 Guͤlden
davor heben/ aber weil ihr auch zuzeiten in meinen Dienſten ſeyd/ moͤget ihrs umb zwoͤlff-
tehalb Guͤlden hinnehmen/ und mir zween Guͤlden auff Rechnung tuhn. Dieſer dingete
ſo lange/ biß ers ihm umb eilfftehalb Guͤlden zuſchlug/ die zween Guͤlden empfing/ und ihn
baht/ er moͤchte ſeine Magd nach der Schenke lauffen laſſen/ daß ſie ſeinen Sohn heimho-
lete/ ihm in ſeiner Schwacheit Handreichung zutuhn. Dieſer erboht ſich/ es ſelber zu be-
ſtellen/ weil er gleich nach der Schenke wolte/ und daſelbſt nachforſchen/ ob der junge Rit-
ter da eingekehret waͤhre/ welcher ihn erſuchet haͤtte/ morgen ſehr fruͤ ihn nach dem Rein-
ſtrohm zubringen/ hoffete ein gutes Trinkgeld zuverdienen. Die unſern auff dem Haͤu hoͤ-
reten dem Geſpraͤch fleiſſig zu/ verwunderten ſich nicht wenig uͤber des Rohtbarts Luͤgen/
als auch uͤber des Alten Verſchlagenheit/ und ſagte dz Fraͤulein: Durchleuchtigſter Fuͤrſt/
ich erkenne mich dieſem Alten viel ſchuldig ſeyn/ wil ihn auch ſeiner Traͤue lohnen/ da mich
die Goͤtter in Sicherheit bringen werden/ und habe ich mich durch den Biertrunk ſchon
zimlich gelabet. Die groͤſte Gefahr iſt Gott Lob voruͤber/ antwortete er/ und wird man in
dieſer Huͤtten uns nicht mehr nachfragen; Ich bitte aber mein Fraͤulein demuͤhtig umb
Verzeihung/ daß ich die Kuͤhnheit gehabt/ ihr den Nahmen einer Schweſter ohn gebeh-
tenen Urlaub zugeben/ und ſie darzu noch vor eine verheyrahtete anzumelden/ daher auch
der gute Mañ verleitet/ ſie vor eine Jungefrau geſcholten hat. Es bedarf dieſer Entſchul-
digung durchaus nicht/ ſagte ſie/ dann unangeſehen mir hiedurch keine Beſchimpffung
wiederfahren/ erfodert es die Nohtwendigkeit faſt unvermeidlich/ und beklage ich billich
vielmehr/ daß ein ſo maͤchtiger Groß Fuͤrſt meinetwegen ſich in dieſem engen Baurenhüt-
lein verſtecken/ und ſein Leib und Leben dieſem alten unwirdigen Menſchen anvertrauen
muß.
[517]Siebendes Buch.
muß. Worauff er zur antwort gab: O ihr mein hoͤchſterwaͤhltes Fraͤulein/ ihr einige Wol-
luſt aller meiner Kraͤffte und Gedanken; Gott dem Herzenkuͤndiger iſt es bekant/ daß auff
dieſem duͤrren Graſe ich tauſend mahl ſanffter/ als auff dem Koͤniglichen Schloſſe zu Ek-
batana ſitze/ nuch dem ich das Gluͤk habe/ euer Vortrefligkeit Gegenwart zugenieſſen/ deren
mein Leib und Leben nur durch den Anblik des Gemaͤhldes ich zueigen uͤbergeben habe; uñ
wolte Gott/ daß meine Geringfuͤgigkeit von ihrer Liebe deſſen koͤnte gewirdiget werden/ wz
mein Herz ſuchet/ und mein untertaͤhniges Schreiben vor dieſem inſtaͤndig gebehten hat/
alsdann wil Euer Liebe ich vor dem Heiligen Angeſicht Gottes verſprechen/ ihr nach aͤuſ-
ſerſtem Vermaͤgen auffzuwarten/ und alle meine Kraͤffte zuuͤben/ daß ihrer Vortrefligkeit
ſie in etwas moͤgen ſcheinbar und angenehme ſeyn; bitte des wegen durch die herliche Vol-
kommenheit/ welche der Himmel ihr mitgeteilet/ ſie wolle ihren ergebenen Knecht mit ge-
wieriger Antwort erfreuen/ oder wann derſelbe ja lebendig nur ungluͤkſelig ſeyn ſol und
muß/ ihn ſolches wiſſen laſſen/ damit er auffhoͤren koͤnne/ daſſelbe zuſuchen/ weſſen er/ ange-
ſehen ſeiner Geringfügigkeit ſich ſelbſt unwirdig ſchaͤtzen muß. Weil er dieſes vorbrachte/
hielt er ihre beyden Haͤnde umfangen/ kuͤſſete dieſelben nach geendeter Rede ehrerbietig/
und erwartete mit hoͤchſtem Verlangen/ was ihm vor Erklaͤrung folgen wuͤrde. Es wahr
ſchon zimlich finſter/ daß man faſt wenig ſehen kunte/ welches der Fraͤulein Schahm in et-
was ringerte/ die ſich ein wenig beſinnend/ bald hernach alſo anfing: Durchleuchtigſter
Fuͤrſt/ die Goͤtter geben meinem Gewiſſen Zeugniß/ daß ich der Liebe keine einige Wiſſen-
ſchafft gehabt/ noch ihr im geringſten nachgeſonnen/ ehe dann Euer Liebe und meiner Frau
Schweſter Schreiben mir eingehaͤndiget worden ſind/ welches meines behalts noch nicht
40 Wochen iſt. Mit was Schahm ich auch dieſelben geleſen/ erinnere ich mich/ ſo offt ich
auff meines Herr Vaters Schloſſe an die ſtelle gelange/ wo ſelbſt es geſchahe. Nun bedan-
ke ich mich aber ſehr freundlich/ ſo wol der dazumahl uͤbergeſchikten koſtbahren Kleinot/
als der hohen gar unverdienten Gewogenheit/ welche eure Liebe/ ſo wol dazumahl im
Schreiben/ als jetzo muͤndlich mir erzeiget hat/ erkenne zugleich die mir heut geleiſtete Ret-
tung billich/ und daß ich davor euer Liebe hoch verſchuldet bin. Dafern auch die Goͤtter
mir Gnade verleihen werden/ daß neben euer Liebe ich auff meines Herr Vaters Schloß
und in ſeine Gewarſam anlange/ wil nach eingenommenem Raht und Willen meiner
Eltern/ Bruͤder und Fr. Schweſter/ auff euer Liebe freundliches geſinnen mich dergeſtalt
zuerklaͤren wiſſen/ daß verhoffentlich dieſelbe mit mir wird koͤnnen friedlich ſeyn. Dieſes
brachte ſie aus gutem Bedacht vor/ umb zuerforſchen/ ob er ihre eheliche Verſprechung
biß dahin koͤnte anſtehen laſſen/ welche ſie ihm alsdann zugeben/ ſchon entſchloſſen wahr/
weil an ihrer Eltern und Verwanten Einwilligung ſie nicht zweifelte. Dieſer aber erin-
nerte ſich/ dz die Großfürſtin ihn etliche mal ſeiner Bloͤdigkeit wegen zimlich angegriffen/
nebeſt Ermahnung/ er ſolte in allen ehrliebenden Teidungen/ ſo wol beym Frauenzimmer
als Mannesbildern ſich friſcher finden laſſen/ damit er durch gar zu tieffe Bloͤdigkeit nicht
einen Argwohn eines unaͤdlen Herzen erweckete. Dieſes munterte ihn zu weiterer Anſu-
chung auff/ weil ohndas nach art der Liebe er das aͤrgeſte fürchtete/ ob ſuchete das Fraͤulein
durch dieſe ungewiſſe Antwort ihn nur hinzuhalten/ auff daß ſie hernaͤhſt den ihrigen ſelbſt
andeuten koͤnte/ weſſen ſie ſich nach ihrem Willen erklaͤren ſolten; faſſete demnach ihre
t t t iijHaͤnd
[518]Siebendes Buch.
Haͤnde auffs neue/ kuͤſſete dieſelben/ und fing alſo an: Mein allerſchoͤnſtes Fraͤulein/ ich be-
danke mich vorerſt ganz demuͤhtig/ daß ihre Liebe dieſes mein anmuhten mit geduldigẽ Oh-
ren angehoͤret/ und mit keinem aͤuſſerlichen Unwillen auffgenommen hat; und wolte Gott/
daß meine Seele mit der gegebenen Antwort ſich koͤnte befriedigen laſſen/ uñ dieſelbe mich
nicht anſtraͤngete/ ihrer Liebe weiters noch beſchwerlich zuſeyn; aber die Furcht/ welche al-
lemahl rechtſchaffene Liebe begleitet/ zwinget und noͤhtiget mich/ umb eine beſtaͤndige Er-
klaͤrung auff mein inbruͤnſtiges anſuchen anzuhalten/ damit ich der hefftigen Peinigung/
welche die Ungewißheit in mir erwercket/ entriſſen/ nach ſo langer Angſt und quahl in ruhe
geſetzet werden/ und Erleichterung empfinden moͤge. Es erwaͤge doch mein Fraͤulein in
ihrem hochvernuͤnfftigen Herzen/ was unleidliche Schmerzen heut unter den Haͤnden ih-
rer Raͤuber/ und hernach wegen des Alten anzeige ſie empfunden/ da ſie anfangs durch
Ohmacht vom Pferde herunter geworffen/ und wegen des lezten in ſolche Erſchuͤtterung
gerahten iſt/ daß ſie ihrer eigenen Gliedmaſſen nicht maͤchtig ſeyn moͤgen. Nun beteure ich
aber bey meinen ritterlichen Ehren/ daß die Liebesangſt in mir ungleich groͤſſere Pein und
Schmerzen verurſachet/ als wann mein Leib von Raͤubern und Moͤrdern in hundert tau-
ſend Stücken zerhacket wuͤrde; Ja ſolte die Hoffnung welche meine Durchl. Fr. Schwe-
ſter durch ihren Troſt biß daher in mir geetzet und erhalten/ nunmehr erſterben und ganz
abe ſeyn/ wolte ich lieber gleich dieſe Stunde mich in die Haͤnde der moͤrderiſchen Baurẽ
ergeben/ damit nur mein Jammer dereins zur Endſchafft gelangen moͤchte. Mit welchen
Worten er als ein todter Menſch bey ihr niderſtuͤrzete/ und ihr daher ſchier ein gleichmaͤſ-
ſiges begegnet waͤhren; ruffen durffte ſie nicht/ weil ſie ſich dadurch in Lebensgefahr ſtuͤr-
zen moͤchte; ſo hielt auch anfangs die Bloͤdigkeit ſie abe/ dem Fuͤrſten Huͤlffe zuerzeigen/
biß ſie endlich durch Liebe uͤberwunden/ ihn nach vermoͤgen ſchuͤttelte; hernach etwz mehr
ſich erkuͤhnend/ ihm das Wammes auffriſſe/ und da ſolches noch nicht helffen wolte/ ihm
des uͤberbliebenen Biers unter das Angeſicht ſtreich/ wodurch eꝛ endlich wieder zu ſich ſel-
ber kam/ da er mit ſchwacher Stimme ſagete: Ach mein Gott/ was ſanffter Tod wuͤrde
mirs ſeyn/ wann in den allerſchoͤnſten Armen ich ſterben ſolte/ von denen lebendig umfan-
gen zuwerden ich vielleicht gar zu unwert bin; fing hierauff an ſeinen dreyfachen doppelten
Reim mit leiſer Stimme herzuſagen/ wiewol mit einer geringen Verenderung der beyden
lezten im erſten Satze/ auff dieſe Art:


O Du klare Sonne du/

O erleuchte meine Sinnen/

Wende deine Gunſt mir zu/

Und laß gelten mein beginnen/

Wo nicht/ muß in einem Nuh/

Mein verliebter Geiſt zerrinnen.

Das Fraͤulein/ die ſolcher ſtraͤngen anlaͤuffe allerdinge ungewohnet wahr/ antwortete ihm
mit ſehr trauriger Rede: Ach mein Fürſt/ ſagte ſie/ was vor Urſach hat eure Liebe/ ſich uͤber
mich zubeſchweren/ ja ſich und mich in ſo herzlichen Kummer zuverſenken? iſt es nit ſchon
ungluͤks gnug/ daß wir unſerer Fuͤrſtlichen Hocheit vergeſſen/ und umb eines ſchaͤndlichen
Moͤrders willen/ unſere Lebensfriſtung in einer elenden Bauren Huͤtten ſuchen muͤſſen?
und wollen uns durch unnoͤhtige Gedanken uñ falſche einbildungen ſelbſt erſticken/ da doch
wildfremde zu unſerer Erhaltung bemuͤhet ſind? wird mein Fürſt ſolcher geſtalt fortfah-
ren/ ſo beſtelle er nur bey dem Alten/ daß etliche Moͤrder herzugeruffen werden/ die koͤnnen
uns
[519]Siebendes Buch.
uns mit leidlichern Schmerzen abſchlachten/ als daß wir uns ſelbſt durch langwierigen
herzaͤngſtenden Jammer algemehlich verzehren; und O wie wol haͤtte mein Fuͤrſt an mir
getahn/ wann er mich nur heut bey erſter Erloͤſung in meiner Ohmacht haͤtte erſticken und
vergehen laſſen. Sie wolte weiter reden; ſo wahr auch Arbianes ſchon mit einer guten
Antwort fertig; Sie hoͤreten aber/ daß jemand mit hartem Ungeſtuͤm ins Hauß trat/ und
den Alten zurede ſtellete/ ob er wahnwitzig worden waͤhre/ daß er das ſchoͤne Rind umb ſo
ein liederliches verkauft haͤtte. Der Alte gab zur Antwort; biß zu frieden/ lieber Sohn/ ich
wil keinen Pfennig davon zu Beutel ſtecken; meine groſſe Schwacheit noͤhtiget mich dar-
zu/ und wann ich nur die zween empfangene Gülden davon verzehre/ magſtu das uͤbrige
alles einfodern/ und nach deinem Willen anlegen; kanſtu auch ein mehres davor bekom-
men/ goͤnne ich dirs gerne/ und wil dich nicht auffhalten/ wann du liebere Geſelſchaft als
deinen alten ſchwachen Vater haſt; nur laß Wolfgang meines Bruders Sohn zu mir
kommen/ der heut aus der Stad hieſelbſt angelanget iſt/ daß er mir ein wenig handrei-
chung tuhe; ich ſehe doch wol/ daß dir kein ſonderliches Glük beſcheret iſt. Der ungerahte-
ne Sohn wahr mit dieſer Antwort ſehr wol zufrieden/ rieff Wolffgangen herzu/ und ging
wieder nach der Schenke/ ſoffe und ſpielete vier Tage und Nachte aneinander/ biß das ver-
kaufte Rind verzehret wahr. Wolffgang aber kam geſchwinde gelauffen/ und fragete ſeinẽ
alten Vetter/ was er von ihm begehrete/ erboht ſich auch zu aller auffwartung/ als lange er
von ſeines Herrn Dienſt abſeyn koͤnte. Der alte antwortete ihm: Lieber Sohn/ nach dem
mein leibliches Kind das bevorſtehende Gluͤk nicht erkennen kan/ noch deſſen wirdig iſt/ ſo
warte du mir dieſe Nacht nur wenig Stunden auff/ des wil ich dir lohnen/ daß du mirs Zeit
deines lebens ſolt zu danken haben; dann wie Arm ich mich gleich bißher geſtellet/ bin ich
doch der allerreicheſte in dieſer ganzen Dorffſchaft/ und wil dir/ wann ich ſterbe/ meinen
heimlichen Schaz zum Erbe vermachen. Der junge Knecht wuſte umb ſeine kurzweiligen
Schwaͤnke ſehr wol/ lachete daruͤber/ und ſagete: Ja lieber Vetter/ ſeid meiner eingedenk
bey auffſetzung eures lezten willens/ daß ich des vergrabenen Schatzes mit genieſſe/ welcher
bißher ungezaͤhlet und unſichtbar geweſen iſt. Was? ſagte der Alte/ meineſtu/ es ſey mein
Scherz? ſihe/ da gebe ich dir alsbald fuͤnf Kronen zum neuen Kleide/ damit du wiſſeſt/ was
du ſchier heut oder Morgen von mir zugewarten habeſt. Wolffgang nam ſie zu ſich/ in mei-
nung es waͤhren einzelne Groſchen; und als er ſie beim brennenden Kreuſel beſahe/ weil er
des Goldes gute erkaͤntnis hatte/ ſagte er mit nicht geringer verwunderung; lieber Vetter/
woher kommen euch dieſe wunder ſchoͤne Kronen/ dergleichen ich bey meinem Herrn nie
geſehen habe? Was gehets dich an/ woher ich ſie habe? anwortete der Alte/ laß dirs gnug
ſeyn/ daß ich ſie habe; nim ſie zu dir/ und lege ſie zu deinem beſten an/ unter der Verſiche-
rung/ dz du deren noch vielmehr von mir erben wirſt. Dieſer bedankete ſich des gar zu gꝛoſ-
ſen Geſchenkes/ und erboht ſich aller moͤgligkeit. Ja umſonſt ſchenke ich ſie dir auch nicht/
ſagte der Alte/ ſondern daß ich deiner Dienſte dagegen genieſſen wil/ welche doch alſo be-
ſchaffen ſind/ daß ſie dir weder unmoͤglich noch beſchwerlich ſeyn koͤnnen; nur nim dieſe
Groſchen/ gehe nach der Schenke/ und hohle mir Wein und Speiſe/ ſo gut es zubekom̃en/
und als viel auff drey hungerige Menſchen gnug iſt; haſt aber nicht noͤhtig zu ſagen/ wem
du es hohleſt/ damit nicht jemand wegen meines Reichtuhms Argwohn faſſe; dann dieſe
Ver-
[520]Siebendes Buch.
Verſchwiegenheit fodere ich von dir am allermeiſten. Dieſer wahr willig/ ginghin/ und
verrichtete den Befehl. Arbianes hatte ſein herzliebes Fraͤulein auff ſeiner Schoß ſitzen/
lehnete ſein Haͤupt an ihres/ und horcheten miteinander fleiſſig zu. Unterdeſſen nun Wolf-
gang nach der Schenke wahr/ fing Arbianes an/ da ers zuvor gelaſſen hatte/ und ſagte zu
ihr: O du allerſüſſeſte Vergnuͤgung der gluͤkhaften Liebe! O wann werde ich mich deiner
dereins auch zuerfreuen haben? mein auserwaͤhltes Fraͤulein/ goͤnnet bitte ich/ eurem be-
reitwilligſten Knechte/ daß durch betrachtung eurer vortreflichſten Volkommenheit er ſei-
ne Gedanken/ welche faſt leztzuͤgig ſind/ ergetzen moͤge/ und labet doch ſeine verzweiffelten
Geiſter mit dem allerſuͤſſeſten erquikwaſſer eurer kraftbringenden Barmherzigkeit und guͤ-
te/ damit meine ſchwachen Glieder geſtaͤrket und zur Reiſe/ welche wir dieſe Nacht werden
tuhn muͤſſen/ duͤchtig und beſtand ſeyn moͤgen; kan aber dieſes mein inbrünſtiges anſuchen
nicht erhoͤret werden/ ſo freue ich mich doch/ daß der junge Baur ſich ohnzweiffel bemuͤhen
wird/ mein Fraͤulein zu den lieben ihrigen ſicher durchzubringen. Dieſes redete er mit ſo
ſchwacher Stimme/ und abgebrochenen Worten; daß daher gnug erſchiene/ wie heftig
ſeine Geiſter von der Liebe geplaget wurden. Dem Fraͤulein ging dieſe Rede ſehr zu herzen/
kunte doch ſchamhalber ihm die vergnuͤgliche Verſprechung nicht leiſten/ ob gleich ihr Heꝛz
darzu willig wahr/ ſondern fing alſo an: O wehe mir armen verlaſſenẽ Tochter! wil mein
Fuͤrſt ſo unbarmherzig mit mir handeln/ und in dieſer allerhoͤchſten Gefahr/ meine Ehr uñ
Leben einem groben unverſtaͤndigen Baurenflegel anvertrauen/ der umb eines Groſchen
willen mich verrahten und verkaͤuffen duͤrfte/ da doch ſeine ſo wol ſchrift-als muͤndlich mir
getahne verheiſſungen viel anders klungen; ſo haͤtte er weit beſſer an mir getahn/ daß er
mich mit ſamt den Raͤubern erſchlagen haͤtte/ dann ſo waͤhre ich ja dem Ungluͤk auff ein-
mahl entgangen/ und duͤrfte mich nicht aufs neue einiger Entführung und angedraͤueten
Schande befuͤrchten. O Traͤue/ O Glaube wo biſtu? ſchwebeſtu auch nur in der maͤchti-
gen Fuͤrſten Feder und Munde/ und biſt von ihren Herzen ſo weit entfernet? Mit welchen
Worten die Traͤhnen haͤuffig aus ihren aͤugelein hervor drungen/ daß ſie uͤber Arbianes
Haͤnde floſſen/ aber ſein Herz viel ſtaͤrker traffen/ als die allerheftigſten Meerswellen/ wann
ſie gegen die Felſenſchlagen/ und ganze Fuder Steine hinweg reiſſen. O ihr allerſchoͤnſten
Augelein; ſagte er/ wollet ihr dann durch dieſe Traͤhnen- Bach mein bißher lichterlohe
brennendes Herz nun ganz und gar erſåuffen? O ſtillet ſtillet euch/ und laſſet meine Augen
dieſes verrichten. Aber O ihr Traͤhnen/ bin ich eures flieſſens Urſach/ ſo machet mirs kund/
damit wegen dieſes unverantwortlichen frevels ich mich gebührlich abſtraffe. Nein/ ſagte
ſie/ kein lebendiger Menſch iſt dieſer Traͤhnen Urſach/ nur das leidige Gluͤk/ welches mich
in dieſe Gefahr geſtuͤrzet/ dem boßhaften Wendiſchen Raͤuber mich uͤberliefert/ und einen
ſolchen Fuͤrſten mir zum Erretter/ zugeſchicket hat/ welcher ohn Urſach mich in der einſa-
men Fremde verlaſſen/ und mich einem unflaͤtigen Bauren anvertrauen wil. Arbianes
wiſchete ihr mit ſeinem Tuͤchlein die Traͤhnen ab/ und ſagete: Ach Gott/ ich bekeñe willig/
daß meine unvorſichtige Reden ihre Durchl. veranlaſſet haben/ meine Traͤue und Glau-
ben in zweiffel zuzihen/ und wåhre ungleich beſſer geweſen/ ich haͤtte meines Herzen mattig-
keit verſchwiegen gehalten/ und meine Reiſe ſo weit fortgeſetzet/ als mein Leben mich beglei-
ten wird/ wann ihrer Liebe ja nicht gefallen kan/ durch eine beſtaͤndige Erklaͤrung meine ar-
beitende
[521]Siebendes Buch.
beitende Geiſter auffzurichten. Kuͤſſete hiemit ihre annoch naſſen Augelein/ und traff zu
unterſchiedlichen mahlen ihr Muͤndichen/ gleichſam als aus Irtuhm/ ſo daß/ wie geherzt
er ſich zuerzeigen bedacht wahr/ doch alles ſein beginnen entweder in einer gar zu kühnen
Furcht/ oder zu furchtſamen Kuͤhnheit beſtund; wodurch er dannoch ſo viel ſchaffete/ daß
ſich das hochbekuͤmmerte Fraͤulein im Weinen maͤſſigte/ und zu ihm ſagete: Ach mein
hochwerter Fuͤrſt; wie froh werde ich ſeyn/ wann ich uns nun aus dieſer Gefahr wiſſen ſol;
mein Herz aber traͤgt mir eigen zu/ wir werden ſo leicht nit entgehen/ doch es gerahte nach
der Goͤtter Schluß/ ſo danke ich ihnen dannoch/ daß ſie mich aus des Wendiſchen Raͤu-
bers Faͤuſten erloͤſet/ und dieſes Fuͤrſten Kundſchaft mir gegoͤñet haben/ auff welchen mei-
ne Fr. Schweſter ſo hoch haͤlt (wie aus deren Schreiben euer Liebe ich hoffe zuerweiſen/)
ja welcher meiner wenigkeit viel hoͤhere Gunſt und Liebe zugewendet/ als mit alle meinem
vermoͤgen ich nicht erſetzen kan/ und doch nach vermoͤgen zuerſetzen/ mich ſtets werde be-
fleiſſigen. Dieſer Rede gebrauchete ſie ſich zu dem Ende/ ihm ſeinen zweiffel zubenehmen/
ſchaffete auch hiedurch ſo viel bey ihm/ daß er ſeiner ſchwermuͤhtigen Gedanken einen groſ-
ſen Teil fallen ließ/ und ihr ſolcher geſtalt antwortete: Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ iſt es
wol moͤglich/ daß ihre vortrefligkeit wegen des unwerten Arbianes Kundſchaft einige ver-
gnuͤgung haben ſolte? O mein auserwaͤhlt er Seelen Schaz/ verfolget/ bitte ich/ dieſes hold-
ſelige erbarmen/ bekraͤftiget dieſe mitleidige Gunſt duꝛch eine ehꝛenverbuͤndliche Erklerung/
die meinem faſt abgezehreten Herzẽ mehr ſtaͤrkung als das kraͤftigſte Korallen- oder Per-
len Waſſer mitteilen wird. Als er dieſes redete/ griffe das Fraͤulein in ihren Buſem/ und
fragete den Fuͤrſten/ ob dann das heut ihr eingelieferte Schreiben von ihrer Fr. Schwe-
ſter ſelbſt durchhin geſchrieben waͤhre/ oder ſie nur die Auffſchrift mit eigener Hand verfer-
tiget haͤtte; auch/ was doch der eigentliche Inhalt ſeyn moͤchte. Daß ſie es ſelbſt geſchriebẽ/
antwortete er/ kan ich wol beteuren/ wird auch die Hand ſchon ausweiſen; den Begrieff
aber weiß ich in wahrheit nicht/ nur als ich geſtern Abend in meinem Herzen beſchloſſen
hatte/ mich vornehmlich in ihrer Liebe Erloͤſung zugebrauchen/ baht ich die Groß Fuͤr-
ſtin/ ſie moͤchte mir einen kleinen Schein zuſtellen/ bey welchem mein hoͤchſtwertes Fraͤu-
lein mich erkennen koͤnte/ da mir etwa der almaͤchtige Gott die Gnade verleihen wuͤrde/ ſie
aus Raͤuber Haͤnden zuerretten/ und ſie vielleicht aus Furcht mir nicht trauen wuͤrde; da
ſie dann alsbald in ihrem Zelte ſich niderſetzete/ dieſes Brieflein ſchrieb/ und nach verſiege-
lung zu mir ſagete: Sehet da/ mein Bruder/ goͤñet euch Gott das Glük/ meine Frl. Schwe-
ſter in meinem abweſen anzutreffen/ ſo gebet ihrer Liebe/ wann ihr ſo viel raum allein haben
koͤnnet/ dieſes Brieflein/ und das ich naͤhſt vermeldung Schweſterlicher Liebe und Traͤue
ſie herzlich erſuchen und bitten laſſe/ dieſen Brieff ſelbſt zu leſen/ den Inhalt keinem Men-
ſchen/ als dem Einhaͤndiger zuverſtaͤndigen/ und dafern ſie ein troͤpflein Blut in ihren A-
dern zu meiner Liebe ubrig hat/ meinem Schweſterlichen anſuchen genuͤge zu tuhn. Dieſe
Werbung/ Durchl. Fraͤulein/ haͤtte bey einreichung/ ich herzlich gerne verrichtet/ dafern
beydes ihr Kummer und die Eilefortzureiten es nicht verhindert haͤtten. Das Fraͤulein
antworte ihm: Daß muͤſte gar ein unmoͤgliches ſeyn/ und uͤber meine Kraft ſich erſtrecken/
welches bey ſo hoher Errinnerung ich meiner werten Fr. Schweſter verſagen ſolte/ nach-
dem ich mir ohndas vorgenom̃en/ ihr in allem ſchlechter dinge/ als einer gebietenden Mut-
u u uter
[522]Siebendes Buch.
ter zugehorſamen/ weil nach ihrem hochgewogenen Herzen ſie mir nichts unmoͤgliches/
viel weniger unanſtaͤndiges zu muhten wird noch kan. Ach mein Gott/ ſagte der Fuͤrſt/ daß
wir doch nur ſo viel Licht haͤtten/ dieſes Schreiben zu leſen/ ob vielleicht etwas drinnen ent-
halten waͤhre/ daß zu meiner Vergnuͤgung koͤnte erſprießlich ſeyn. Dem Fraͤulein kam
ſchon die Reue/ wegen gar zu offenherziger Erklaͤrung/ daß ſie ſagete: O mein Fuͤrſt/ wie-
wol wird Euer Liebe der Inhalt bewuſt ſeyn/ ſolte er auch meiner Fr. Schweſter den Brief
ſelber in die Feder geſaget haben/ welches mich dann bald zum Wiederruff bewaͤgen ſolte/
ſintemahl das Schreiben ſolcher geſtalt mehr euer Liebe/ als meiner Fr. Schweſter begeh-
ren an mich fodern wuͤrde. Dieſer hingegen bekraͤfftigte mit ſehr teuren Worten/ es waͤh-
re ihm kein Woͤrtlein daraus bewuſt/ nur daß er aus der Groß Fuͤrſtin froͤlichen Geberden
gemuhtmaſſet haͤtte/ es wuͤrde ſeinem hefftigen Seelen-Wunſche nicht allerdinge zuwideꝛ
ſeyn. Das Fraͤulein fing an/ ihre getahne Erklaͤrung in gewiſſe Schranken der Jungfraͤu-
lichen Zuchtbedingungen einzuzihen/ und ſagete: Meiner Fr. Schweſter Sin zur gebuͤh-
renden Keuſcheit iſt mir ſchon gnug geruͤhmet/ daher ſie derſelben zuwider an mich nichts
begehren wird/ und ſolte gleich ihr Schreiben wegen etlicher Redearten auff etwas meh-
res/ als ein ſchamhafftiges Fraͤulein leiſten kan/ durch gelehrte Ausdeutelungen koͤnnen
gezogen werden/ getraue Eurer Liebe ich dannoch ohn boͤſen Argwohn zu/ ſie werde meiner
Fr. Schweſter Scherz-Schreiben als ein Zuchtliebender Fürſt ſchon zuverſtehen wiſſen.
Arbianes wolte hierauff Antwort geben/ hoͤrete aber/ daß Wolffgang wieder kam/ und mit
dem Alten ein heimliches Geſpraͤch hielt/ auch bald darauf mit einer alten dunkelen Leuch-
te zu ihnen hinauff ſtieg/ und neben einem guten Kruge Wein/ Brod/ kalt Gebratenes und
etliche Kaͤhſe ihnen mit dieſen Worten vorlegete: Hochgeehrter Ritter/ verdenket es mei-
nem alten Vettern nicht/ bitte ich demuͤhtig/ daß er mir unwirdigen ihre Anweſenheit of-
fenbahren wollen; ich gelobe ihnen bey feſter unbruͤchiger Traͤue/ daß ich weder durch Ge-
walt noch Geſchenke mich bewaͤgen laſſen wil/ euch gegen einigen Menſchen zumelden/
ſondern mich hiemit zu allen ihren Dienſten verbunden haben/ dann unter dieſer ausdruͤk-
lichen Bedingung habe ich ihres Geldes 5 Kronen von meinem Vetter gehoben/ welche
ich nicht anders als Miet Gelder rechnen wil. Guter Freund/ antwortete Arbianes/ uns
wil nicht gebuͤhren/ an eines redlichen Menſchen Auffrichtigkeit und Traͤue zuzweifeln/
moͤget euch aber wol verſichern/ daß da ihr euer Verſprechen haltet/ ihr vor einen kurzen
Dienſt dergeſtalt ſollet belohnet werden/ daß ihr zeit eures Lebens ſolche Gluͤkſeligkeit nicht
haͤttet hoffen koͤnnen. Ach ja/ guter Freund/ ſagte das Fraͤulein/ laſſet euch keine unbilliche
Gedanken zur Verraͤhterey bewaͤgen/ und nehmet dieſen Ring von mir an/ als ein Zeichen
der kuͤnfftigen Belohnung/ welchen ihr umb 400 Kronen verkaͤuffen koͤnnet. Davor behuͤ-
ten mich die Goͤtter/ antwortete er; Ihrer Gnaden Zuſage iſt mir Verſicherungs gnug
der zukuͤnfftigen Leiſtung/ und bitte ich untertaͤhnig/ ſie wollen ſich zu mir aller Traͤue ver-
ſehen/ die ich nimmermehr zubrechen/ bey Straffe aller himliſchen und helliſchen Goͤtter
verheiſſen wil. Ließ ihnen hierauff die Leuchte/ bittend/ ſich vor Feurſchaden zuhuͤhten/ und
mit den geringen Speiſen vorlieb zunehmen; womit er von ihnen hinweg ging. Fraͤulein
Klara wahr von Herzen hungerig/ ſchikte ſich zum eſſen/ und mit ihrem kleinen Brodmeſ-
ſer ſchnitte ſie ihrem lieben Fuͤrſten Brod und Fleiſch in die Hand/ ſagend: Hochwerter
Freund/
[523]Siebendes Buch.
Freund/ Eure Liebe wird mir zu ſonderlichem gefallen dieſes wenige zu ſich nehmen/ und
die erſte Mahlzeit mit mir halten/ unter dem Wunſche/ daß deren mehr und beſſere erfol-
gen moͤgen. Er hingegen hielt inſtaͤndig an/ weil das Gluͤk ihm ſo viel Licht gegoͤnnet/ das
Schreiben erſt zuleſen/ ob etwa er daher ſeiner hungerigen Seelen hochbegehrete Speiſe
zunehmen haͤtte/ alsdann wolte er der Leibes Koſt gerne etliche Tage entbehren; uͤber wel-
che Worte ſie eine ſonderliche Liebesbewaͤgung in ihrem Herzen empfand/ daß ſie zuſagẽ
ſich nicht enthalten kunte: Mein hochwerter Fuͤrſt/ weſſen beſorget er ſich doch widriges
an meiner Seite/ da er mich auff ſeiner Schoß haͤlt? findet ſich etwas in meinem Schrei-
ben/ daß ihm behaͤglich und zutraͤglich iſt/ wird es ja unter ſo kurzer Zeit weder ſchaͤdlich
werden noch verſchwinden; Dafern er aber die angebohtenen Speiſen verſchmaͤhet/ und
im eſſen und trinken mir nicht Geſelſchafft leiſtet/ wil im rechten Ernſte ich den Brieff vor
morgen Abend nicht leſen/ oder ihn wol gar ungeleſen zureiſſen. Ey mein Fraͤulein/ ant-
wortete er; wie koͤnte eure Liebe eine ſolche Grauſamkeit an den allerliebeſten Buchſtaben
veruͤben/ die von ſo angenehmer Hand in ſchweſterlichem Vertrauen geſchrieben ſind?
Jedoch bin ich ſchuldig einen bereitwilligſten Gehorſam zuerzeigen/ und wil uͤber mein
Vermoͤgen eſſen und trinken/ auff daß in deſſen Wegerung Eure Liebe hernaͤhſt nicht ge-
legenheit uñ urſach ſuche/ des lieben Briefes Leſungs weiter aufzuſchieben. Mein Freund/
antwortete ſie/ hat ſehr groſſe Hoffnung auff dieſen Brief geſetzet/ und moͤchte vielleicht
wol ein ſolches daꝛinnen enthalten ſeyn/ welches zuleiſten/ uns/ wegen abweſenheit von den
unſern beiderſeits unmoͤglich waͤhre. Solches kan nicht ſeyn/ antwortete er/ in Betrach-
tung/ daß unſere Fr. Schweſter bey Auffſetzung ſolches Briefes der gewiſſen Hoffnung
gelebete/ wir wuͤrden dieſen Abend bey ihr und der ganzen Fuͤrſtlichen Geſelſchafft anlan-
gen. Zum wenigſten hat ſie nicht muhtmaſſen koͤnnen/ daß wir beyde uns allein in ſolcher
Einſamkeit beyeinander finden wuͤrden. Ein ſolches geſtehe ich/ ſagte ſie/ werde auch deſto
williger ſeyn/ des Briefes Inhalt mir wolgefallen zulaſſen. Fingen hierauff beyderſeits
an mit gutem Luſt der Speiſen zugenieſſen/ und ruͤhmete Frl. Klara/ daß die ganze Zeit ih-
rer Gefaͤngniß über/ ihr die Speiſen nicht den tauſendſten teil ſo wol geſchmaͤcket haͤtten.
Bald ergriff ſie auch das Trinkgeſchir/ und brachte ihm eins auff Großfuͤrſtin Valiſken
Geſundheit und Wolergehen/ wiewol ich nicht zweifele/ ſagte ſie/ alle die meinen neben ihr/
werden unſers auſſebleibens herzlich bekuͤmmert ſeyn/ wo ſie uns nicht wol gar als erſchla-
gene oder doch als gefangene beweinen. Sie hielten eine friſche Mahlzeit mit einander/
bey welcher Arbianes ſich immerzu an ihren liebreichen Augelein ſpeiſete/ ſo viel er dieſel-
ben bey der tunkelen Leuchte beſchauen kunte. So bald das Fraͤulein ruͤhmete/ daß ſie ſich
allerdinge geſaͤttiget haͤtte/ hielt er auff ein neues an/ das Brieflein zuverleſen/ deſſen ſie
nur zum Scherze/ umb ſein Vornehmen zuerforſchen/ ſich wegerte/ vorgebend/ ſie haͤtte
bey dem tunkeln Waſſer- oder Knatterlichte kaum die Speiſen erkennen koͤnnen/ wie ſie
dann ſo klein geſchriebene [Buchſtaben] dabey leſen ſolte? Aber weil ſie ſahe/ daß nach kurz-
gebehtener Verzeihung er ſich erkuͤhnen wolte/ den Brief aus ihrem Buſem hervor zulan-
gen/ kam ſie dieſem mit einem freundlichen lachen (welches die ganze Zeit ihrer Entfuͤh-
rung das erſte wahr) ſelber zuvor/ nam das Schreiben in die Hand/ und entſchuldigte ſich/
daß ſie ſo viel Herzens nicht haͤtte/ es zuerbrechen. Ließ auch gerne geſchehen/ daß er ſolches
u u u ijverrich-
[524]Siebendes Buch.
verrichtete; da er nach Eroͤffnung denſelben Brief küſſete/ und ihn ſolcher geſtalt anrede-
te: O du allerliebſtes Briefelein/ haſtu einige Glükſeligkeit in dir/ ſo teile doch dem bißher
allerungluͤkſeligſten Arbianes etwas mit/ auff daß er in ſeinem Leiden nicht gar untergehe/
noch dieſes Haͤu ſein Todten Bette ſeyn moͤge. Reichete ihn hiemit dem Fraͤulein ganz
ehrerbietig uͤber/ und baht mit freundlicher Umfahung/ dieſem Schreiben die Leſens-wir-
digung anzutuhn/ in betrachtung der Herz Schweſterlichen Liebe/ damit die Groß Fuͤrſtin
ihr zugetahn waͤhre. Dieſes iſt eine hohe und kraͤfftige Ermahnung/ ſagte ſie/ derẽ ich mich
nicht zuwider ſetzen weiß; legete den Brief von einander und laſe/ da Arbianes ihr leuchte-
te/ folgenden Inhalt/ ohn einiges Wortſprechen.


Herzallerliebſte Fraͤulein Schweſter; nach dem der guͤtige Gott uns ingeſamt wieder nach Hau-
ſe geleitet/ auch unſern Lieben Eltern und Euer Liebe Rettung zutuhn/ Gelegenheit beſcheret hat/ ha-
ben Euer Liebe Herren Bruͤder und ich/ den Durchleuchtigſten Groß Fuͤrſtlichen Herren auß Meden/
Fuͤrſt Arbianes/ deſſen hefftiger Verliebung gegen eure Vortreffligkeit/ keine andere gleichen mag/
mit uͤber bringen/ und ihr denſelben als ihren verſprochenen Braͤutigam und Gemahl zufuͤhren wol-
len/ nicht zweiffelnd/ dieſelbe werde unſerm feſtgemachten Schluſſe keines weges wiederſprechen/ ſon-
dern/ wann dem lieben Fuͤrſten ſeine vorgenommene Bemuͤhung/ Eure Liebe aus Raͤuber Haͤnden zu-
reiſſen/ gluͤcken ſolte/ ihn deſſen nach ſeinem ehrliebenden Begehren genieſſen zulaſſen/ uñ nicht anders
gedencken/ als daß ſie in Begleitung ihres verſprochenen Braͤutigams ſich befinde/ maſſen wir unſers
Orts gar nicht zweiffeln/ es werden eure liebe Eltern in dieſe Heyraht einwilligen/ und ihrer Herꝛen
Soͤhne/ wie auch meinen wolgemeineten Vortrag gelten laſſen; daher wir der gaͤnzlichen Zuverſicht
zugleich leben/ Eure Liebe werde/ ehe ſie bey uns anlanget/ alſo bald nach Leſung dieſes Brieffleins/ ihr
Herz und Willen dem unſern gleichſtimmend machen/ und dieſen Lieben ihr gantz und gar zu eigen er-
gebenen Fuͤrſten ihr Herz zur ſteten Wohnung einraͤumen/ dafern ſonſten noch ein einziges Blutaͤder-
chen an ihrem Leibe uͤbrig iſt/ welches ihren Herꝛen Bruͤdern und mir mit Schweſterlichem Willen zu-
getahn verbleibet. Inzwiſchen bewahre der Allmaͤchtige Gott eure Ehre/ Leben und Geſundheit vor
den boßhafftigen Raͤubern/ und bringe uns in wenig Stunden wieder zuſammen/ wie ſolches wuͤn-
ſchet und hoffet/ Euer Liebe inbruͤnſtig-ergebene Schweſter und getraͤue Freundin Valiſka.


Der Fuͤrſt gab fleiſſige Achtung auff ihr Geſichte/ weil ſie den Brieff laſe/ und auß
ihren unterſchiedlichen Verenderungen merkete er/ daß ſeiner Sache beſter maſſen darin-
nen wuͤrde gedacht ſeyn/ baht daher inſtaͤndig/ dafern moͤglich/ ihm des Brieffes Inhalt
wiſſen zulaſſen. Ja warumb nicht Durchl. Fürſt? ſagte ſie/ legte inzwiſchen das Schreiben
wieder zuſammen/ ſteckete es an den vorigen Ort/ und fuhr in ihrer Rede fort/ ſie wuͤrde/
von ihrer Fr. Schweſter wegen gluͤklicher Wiederkunfft ihrer Herrn Bruͤder berichtet
und daß ihre Liebe auß guter Gewogenheit gegen ihre Wenigkeit mit überkommen waͤhre/
umb bey ihren lieben Eltern zuvernehmen/ ob einige Heyraht zwiſchen ihnen koͤnte gefliff-
tet und verabredet/ auch uͤber etliche Zeit/ wann ſie zu den verſtaͤndigen Jahren wuͤrde kom-
men ſeyn/ volzogen werden; da dann ihre Fr. Schweſter bey ihr anſuchete/ ſich hierin ge-
gen ihrer lieben Eltern und Bruͤder Willen nicht zu wiederſpenſtigen. Dieſes iſt der gan-
ze Inhalt/ Hochwerter Fuͤrſt/ ſagete ſie/ welchem nachzukommen/ ich mich ſchon im Anfan-
ge von mir ſelbſt erklaͤret habe. Sie brachte dieſes mit einer angenommenen Ernſthafftig-
keit vor/ und gedachte nochmals/ ihn damit hinzuhalten/ wuͤrde auch in ihren Gedanken
nicht betrogen ſeyn/ wann ſie nur der weiten Außſtellung des Beylagers nicht gedacht haͤt-
te; welches dem verliebeten Fuͤrſten allen Glauben benam/ ſintemahl die Großfuͤrſtin ihm
viel
[525]Siebendes Buch.
viel andere Verheiſſungen getahn hatte/ und er daher/ nach freundlicher Umfahung/ die
ihm zuͤchtig gegoͤnnet ward/ dieſe Antwort gab: Mein Fraͤulein/ ich bedanke mich ſehr der
beſchehenen Erzaͤhlung deß ſchrifftlichen Inhalts; habe aber durch Einlieferung des Brie-
fes meiner Fr. Schweſter Befehl und Willen nur zur helffte eꝛfuͤllet/ nach dem ſie mir ernſt-
lich aufferleget/ ich ihr auch mit einem Handſchlage mich verbindlich machen muͤſſen/ alle
Mittel zugebrauchen/ daß/ nachdem ihre Vortreffligkeit das Schreiben wuͤrde geleſen
haben/ ich ſolches auch zu leſen bekommen moͤchte; zweiffele nicht/ es werde Eure Liebe ihr
ſolches gefallen laſſen/ und mir daſſelbe zuzeigen unbeſchweret ſeyn. Ich weiß nicht/
Durchl. Fuͤrſt/ antwortete ſie/ ob meine Fr. Schweſter dieſen Befehl erteilet habe/ wiewol
Euer Liebe vorbringen der Unwarheit zubeſchuͤldigen/ mir nicht gebuͤhren wil; nur dieſes
weiß ich wol/ daß die Auffſchrifft nicht zugleich an Eure Liebe mit/ ſondern nur allein an
mich gerichtet iſt/ es waͤhre dann/ daß mein werter Fuͤrſt an meiner auffrichtigen Erzaͤh-
lung zweiffel tragen/ und der Urſach wegen das Schreiben ſelbſt leſen wolte/ welches ich
doch nicht eins fuͤrchten noch gedenken wil. Dieſes ſey ferne von mir antwortete er; nur
muß ich dem Befehl meiner Fr. Schweſter getraͤulich nachkommen/ dafern ich ſonſt nicht
in ihre ſchwere Ungnade/ die mir gar zu unertraͤglich ſeyn wuͤrde/ fallen wolte. Bitte dem-
nach von Herzen/ mein Fraͤulein wolle umb eine frevelhaffte Bemuͤhung zu hinterhalten/
mir das Briefflein unbeſchweret zeigen/ nachdem ich ſo auffrichtig geſpielet/ daß/ ob ichs
gleich brechen muͤſſen/ mich dannoch der erſten Leſung gebuͤhrlich enthalten habe. Ach nein
mein Fuͤrſt/ gab ſie zur Antwort/ dann ob er dieſes gleich noch ſo ernſthafftig vortragen
wuͤrde/ verſichere ich ihn doch/ daß ohn anßdruͤklichen ſchrifftlichen Beweißtuhm ich ſol-
ches ihrer Liebe gar nicht trauen werde. Dieſem nach ſtehe er nicht ſo hart auff des Briefes
Beſichtigung/ ſondern glaube meinen Worten/ weil ich ja nicht hoffen wil/ daß er mich
von Anfang her dieſer unſer gemachten guten Kundſchafft falſch geſpuͤret haben ſolte.
Nicht rede oder begehre ich ſolches/ meiner Fr. Schweſter/ oder deren Willen mich zu wi-
derſetzen/ wann es ja von ihr alſo ſolte geordnet ſeyn/ ſonden weil nur etliche wenig Worte
darinnen enthalten find/ die mir eine Roͤhte abjagen koͤnten/ bitte ich nochmahls freund-
lich/ ſeine Leſungs Begier den ein zuſtellen/ und wil Eure Liebe ich verſichern/ daß meine Fr.
Schweſter deßwegen gar keine Ungunft auff ihn legen ſol. Ach mein Fraͤulein/ ſagte er/ ſie
wolle/ bitte ich/ ihren ergebenen Knecht durch ſolche Wegerung nicht zu hoch betruͤben/
dafern ſonſt meine Hoffnung ich nicht auff ungewiſſen und betrieglichen Trieb Sand ſol
gebauet haben/ ſondern meiner gebehtenen Verzeihung ſtat geben/ damit ſie nicht ſchier
heut odeꝛ morgen mir meine Bloͤdigkeit vorzulegen und ſchimpflich auffzuruͤcken habe;
umfing ſie damit ſehr inbruͤnſtig/ und nam die Kuͤhnheit den Brieff in ihrem Buſem zu
ſuchen/ wogegen ſie ſich/ als viel Hoͤffligkeit leiden wolte/ ſehr ſtraͤubete/ aber endlich doch
gewonnen geben muſte/ da er das Schreiben mit den ſpitzen Fingern ergriff/ und zu ſich
nam. Als dieſer Raub erhalten wahr/ wolte dannoch das Fraͤulein ſich einer ſchlauheit ge-
brauchen/ und griffe nach der Leuchte/ in Meinung das Licht auß zuloͤſchen; aber der Fürſt
kam ihr zuvor/ baht anffs neue um verzeihung/ nam einen Abtrit und durchlaſe den Brief
mit guter Bedachtſamkeit/ loͤſchete nachgehends daß Licht auß/ ſetzete ſich vor ihr in die
Kute/ und hielt folgende bewaͤgliche Rede: Allerſchoͤnſtes Fraͤulein/ Euer Liebe haͤndige
u u u iijich
[526]Siebendes Buch.
ich dieſes Schreiben gebuͤhrlich wieder ein/ deſſen Inhalt ich weder loben noch ſchelten
darff/ ſo lange Eure Liebe ihre Wolmeinung darüber außzulaſſen bedenken traͤget; nur bitte
ich nochmals um hochguͤnſtige Verzeihung/ daß ich mich der Gewaltſamkeit gebrauchet/
und es durchzuleſen/ ihrer Liebe hinweg geraubet habe. Zwar ich geſtehe ja willig und alle-
mahl/ daß der Liebe und Gunſt ich unwirdig bin/ welche von Euer Liebe mir erzeiget zuwer-
den/ meine Durchl. Fr. Schweſter unter ſo hoher Erinnerung anſuchet/ daher ich forthin
nicht weiters als noch dieſes letzemahl/ mich unterſtehen wil/ Eure Vortreffligkeit mit
meiner inbrunſtigen Bitte anzuliegen/ daß/ wofern moͤglich/ dieſelbe mir unbeſchweret
anzeigen wolle/ ob von ihrer Gnade ich meine Vergnuͤgung zugewarten/ oder wegen mei-
ner gar zu hoch gefaſſeten Gedanken/ welche meine Fr. Schweſter in mir ernaͤhret/ die end-
liche Urtel meines verbrechens anzuhoͤren habe/ dann wo dieſelbe meinen wuͤrde/ mich et-
wa in fernerer Ungewißheit hinzuhalten/ muß ich zwar in ihren Willen mich ſchicken; weil
ich aber uͤber mein Herz und deſſen Wirkungen weiter nicht zugebieten habe/ als wann
durch ihre troͤſtliche Erquickung/ das geringe uͤbrige Fuͤnklein des Lebens darinnen auffge-
blaſen wird/ ſo hoffe ich/ es werde Eure Liebe nicht uͤber wuͤterichs Art mit mir handeln/
und mir nicht befehlen zuleben/ wann alle Lebens Mittel mir entriſſen ſind/ die einig und al-
lein in dieſem beſtehen/ und erhalten werden/ was meiner Durchl. Fr. Schweſter freund-
liches geſinnen von ihrer Durchl. bittet. Hiemit entging ihm alle Krafft/ ſich laͤnger auff
den Knien zuerhalten/ legte ſich ſanfft neben ihr nieder/ und gedauchte ihn nicht anders/
als daß ihm die Seele außfahren würde. Das liebe Fraͤulein kunte wegen der Tunkelheit
ſeine Mattigkeit nicht erkeñen/ und befahrete ſich doch deren/ deßwegen ſie ihm die Hand
faſſete/ und als er dieſelbe als ein Todter Menſch hangen ließ/ empfand ſie daher ſeine harte
Ohmacht/ welche ſie mit Traͤhnen beweinete/ und bald darauff allen moͤglichen Fleiß an-
wendete/ ihn mit den Wein aufzumuntern/ welchen ſie ihm nicht allein unter das Geſichte
ſpruͤtzete/ ſondern nachdem ſie ihm das Wammes gar auffgertſſen/ in den Buſem goß/ dz
er deſſen Krafft endlich emfindend/ ſeine Entwerffung durch einen ſchweren Seuffzen zu
verſtehen gab/ da ſie zu ihm ſagete: Hat mein Fuͤrſt ſo groſſe Beliebung/ ſich und mich zu-
toͤdten/ warumb hat er ſolches dann nicht heut bald anfangs mit ſeinem blutigen Schwer-
te verrichtet? dann alſo haͤtte ich dieſer Angſt ja noch entübriget ſein koͤnnen. Ach davorbe-
huͤte mich Gott/ allerſchoͤnſtes Fraͤulein/ antwortete er/ daß zur Verkuͤrzung ihres Lebens
ich behuͤlfflich ſeyn ſolte; nur bitte ich dienſtlich/ ſie wolle doch eines ſo unwerten Menſchẽ
halben/ als ich bin/ ſich weiters nicht bemuͤhen/ ſondern ihn den Ungluͤks Lauff dereins en-
digen laſſen/ weil nach deſſen leztem ihn bißher ſtets/ aber unter viel ſüſſerer Hoffnung/
verlanget hat. Mein Fuͤrſt hat durchauß keine Urſach/ ſagte ſie/ dergleichen Rede zufuͤhrẽ/
es waͤhre dann/ daß er mir gar verbieten wolte/ meine Erklaͤrung auff meiner Fr. Schwe-
ſter begehren außzulaſſen/ auff welchen fal ich mehr ihn/ als er mich vor einen Wuͤterich
anklagen muͤſte; ſolches nun abzuwenden/ wolle mein Fuͤrſt Zeit nehmen/ ſich zuerhohlen/
und mir auch ſelbige zugoͤnnen/ damit ich mich ein wenig bedenken moͤge. Hier auff richtete
er ſich wieder in die hoͤhe/ druͤckete und kuͤſſete ihre Haͤnde mit ſolcher inbruͤnſtiger Bewaͤ-
gung/ daß ſie es laͤnger mit ſtilſchweigen nicht ertragen kunte/ ein Herz ergriff/ und ihm
dieſe Erklaͤrung gab: Durchleuchtigſter Fuͤrſt; wann die Jungfraͤuliche Bloͤdigkeit und
Schahm/
[527]Siebendes Buch.
Schahm/ die mein Herz bißher ſtets unter ihrem vollen Gehorſam gehabt/ mir ſo viel
Kuͤhnheit zugeben wolte/ daß der Mund außreden duͤrffte/ was das Hertz ihm gnug bewuſt
iſt/ alsdann wuͤrde ich nicht allein hie in dieſer Einſamkeit/ ſondern vor der ganzen Welt
frey oͤffentlich bekennen/ daß Eurer Liebe ich mehr als aus einer Urſach/ zu alle ſeinem ehr-
liebenden Willen ohn Ausrede verbunden bin. Vor erſt ſehe ich an die Vertrauligkeit/
welche zwiſchen Euer Liebe und meinen Herꝛn Bruͤdern/ auch meiner Fr. Schweſter iſt/
die allein gnug waͤhre/ mich Euer Liebe willen zu unterwerffen. Hierzu koͤmt die hohe Be-
dienung/ welche dieſelbe meinen ietzgedachten naͤheſten Blutsverwanten Zeit ihres Elen-
des erzeiget/ welche von Leches und Neklam mir groſſes teils erzaͤhlet ſind. Aber wañ ſol-
ches alles ſchon nicht waͤhre/ meinet dann mein Fuͤrſt/ daß ich ſo unempfindlich ſeyn/ und
nicht mit Dankbarkeit erkennen wuͤrde/ daß er bloß durch das anſchauen meines unacht-
ſamen Bruſtbil des ſein Herz mir zugewendet/ und darauff alsbald ſo wol bey mir als bey
meinen lieben Eltern gebuͤhrliche und mehr als gebührliche Anſuchung getahn? was wirds
dann erſt ſeyn und gelten/ wann ich der heutigen Erloͤſung eingedenk bin/ die weder Zeit
noch Ungluͤk noch wolergehen auß meinem Gedaͤchtniß reiſſen ſol? muß ich dann nicht
geſtehen/ mein Fuͤrſt/ daß ich ſchüldig bin/ mich vor die Eure zuhalten? aber ich vernehme
uͤber diß alles/ daß meine Herren Bruͤder/ und Fr. Schweſter/ die mir zugebieten haben/
den Schluß ſchon abgefaſſet/ ich ſolte des Durchleuchtigſten Großfürſten auß Meden ſei-
ne verlobete ſeyn; da ſie zugleich die Verſicherung hinzu tuhn/ meine Herzliebe Eltern wer-
den ſolches vorgenehm halten/ wie ich dann an deren Willen zu zweiffeln keine Urſach ha-
be/ zugeſchweigen/ daß inkuͤnfftig mir noch dergleichen Gefahr zuſtoſſen moͤchte (ach ja/
ich fuͤrchte ſehr/ ſie werde nicht auſſen bleiben) auß welcher ohn ihrer Liebe Huͤlffe und Bei-
ſtand ich nicht errettet werden koͤnte; und alſo mein hochwerter Fuͤrſt mich noch mehr ihm
verbunden machen duͤrffte/ wann ich gleich anjetzo aller Vergeltungs-Schuld frey waͤh-
re; haͤtte ſchier wegen Menge meiner Pflichten ausgelaſſen/ daß ohn gegebene endliche Er-
klaͤrung ich meiner hochgeliebeten Fr. Schweſter Hulde und Liebe ſchwerlich wuͤrde er-
halten koͤnnen. Dieſes alles und jedes/ Durchl. Fuͤrſt/ draͤnget mich nicht weniger als ſein
muͤndliches bitten/ und aͤngſtiges verhalten/ ſeiner Liebe deſſen voͤllig und ohn alle Bedin-
gung zuverſprechen/ was einer getraͤuen verlobeten Braut ihrem Braͤutigam und kuͤnff-
tigen Gemahl ſchuldig iſt/ wil ſolches auch hie mit und krafft dieſes/ Euer Liebe mit gutem
Wolbedacht unwiederruflich geleiſtet haben/ jedoch mit dieſem billichen und ernſtlichen
Vorbehalt/ daß Eure Liebe mit mir als ſeiner verlobeten Braut zugeberden/ zwar freye
Macht haben/ aber doch meiner Jungfraͤulichen Zucht und Keuſcheit nicht weniger wider
ſich ſelbſt/ als wider andere Schuz haltẽ/ und dieſelbe in keinerley weiſe anfechten/ viel we-
niger beleidigen oder kraͤnkẽ ſol/ biß dahin aus freyem ungezwungenẽ willen/ uñ ungenoͤh-
tigter einwilligũg ich in unſere endliche Heiraht gehehlẽ weꝛde/ welche dañ über die gebuͤhꝛ
ich nit auffſchiebẽ/ ſond’n hierin meiner Fr. Schweſter willen/ uñ der meinigẽ Anordnung
gerne folgẽ wil. Alſo hat nun eure Liebe/ hochwerter Fuͤrſt uñ Braͤutigam/ von mir alles/ wz
ein zuͤchtiges Fraͤulein uͤber ihr Herz und Zunge bringen kan; und ſolte er mir die hinan-
geſetzete Bedingung/ die nur auff kurze friſt ſich erſtrecken moͤchte/ zweiffelhaftig machen
wollen/ ſo wil und kan ich ihn nicht anders als einen muhtwilligen Feind meiner wolge-
buͤhr-
[528]Siebendes Buch.
buͤhrlichen Zucht/ ja als einen boßhaftigen Freveler/ der kein Haͤaͤrlein als die vorigẽ Raͤu-
ber beſſer ſey/ vor allen meinen Anverwanten anklagen/ und was Dienſt er mir gleich tuhn
moͤchte/ doch alles vor nichts rechnen/ ſondern vielmehr umb Rache wieder ſeine (wie ich
nicht verhoffe) geübete Boßheit/ bey allen Goͤttern und Menſchen inſtaͤndig anhalten/ wo
zu doch mein allerliebſter Fuͤrſt und verſprochener Braͤutigam/ weiß ich gar gewiß/ keine
Urſach geben wird. Arbianes aus uͤbermaͤſſiger Freude bezwungen/ kunte ſeine hohe ver-
gnuͤgung laͤnger nicht einhalten/ umfing ſie mit inniglichen ehrliebenden kuͤſſen/ deren ihm
etliche in zuͤchtiger Scham bezahlet wurden/ und fing nachgehends alſo an: Durchleuch-
tigſtes herzallerliebſtes Fraͤulein/ mit was düchtigen Worten ſol odẽr kan vor dieſe uͤber-
hohe Gunſt und Gnade ich mich bedanken? Ach nehmet von mir das begierige Herz/ wel-
ches bereit iſt/ viel lieber alle Welt Angſt auszuſtehen/ als zu goͤnnen/ daß in meiner gegen-
wart ihrem Leibe oder Willen einige Wiederwertigkeit angetahn würde. Ich geſtehe zwar/
mein unvergleichlicher Schaz/ daß der hinzugeſetzete Vorbehalt meinen hitzigen Liebes-
begierden ſehr zuwieder iſt/ nachdemmahl ihre Liebe daſſelbe vor ein ungebuͤhrliches haͤlt/
und anklagen wil/ was Gott den jungen Eheleuten ſelbſt goͤnnet und frey gibt; jedoch aber
wil ich mich auch in dieſem Stuͤk ihrem Willen gemaͤß verhalten/ mit angehaͤngter ſehr
demuͤhtiger bitte/ mir eine gewiſſe Zeit zubeſtimmen/ zu welcher dieſe Bedingung ſol auff-
geruffen ſeyn. Ach mein Schaz/ antwortete ſie/ dringet nicht weiter in mich/ ſonſt werde ich
gezwungen/ mich vor euch mehr zufuͤrchten/ und zuverwahren/ als euch zu lieben; Zeit zu
berahmen/ ſtehet keinem Fraͤulein zu/ und fuͤrchte ſehr/ meine Fr. Schweſter werde mehr
eilen als mir lieb ſeyn wird; aber deſſen ſey mein Fuͤrſt und wahrer herzens Freund verſi-
chert/ daß wo ich meinen lieben Eltern nicht in reiner jungfraͤulicher Keuſcheit wieder ge-
liefert werde/ wil ich demſelben nun und nim̃ermehr/ weder getraͤu noch hold ſeyn/ der mir
ſolches hindern und abzwingen wolte. Sonſten hat mein Fuͤrſt ſich gar zu weiter ausſet-
zung unſer Heyraht ſo groß nicht zubefuͤrchten/ weil er mit meiner Fr. Schweſter ſo wol
und bruͤderlich daran iſt/ daß dieſelbe ihm allen Vorſchub tuhn wird. Dieſes ſagete ſie mit
groſſer Scham/ nur daß ſie ſeiner heftigkeit durch ſolche gemachte Hoffnung einen Zaum
anlegen moͤchte; wie er dann ſich hierauff erklaͤrete/ ſich ſelbſt zu uͤberwinden/ und in den
Schranken ihres Willens ſich zuverhalten; welches dann das liebe Fraͤulein ſo froh und
kuͤhn machete/ daß ſie ihm mannichen Kuß lieferte/ biß ihr endlich die muͤdigkeit den Schlaf
brachte/ da ſie ihn hoͤchlich baht/ ſeine Ruhſtete von ihr abſonderlich zunehmen/ wo er ſonſt
ihr die Freyheit ohn Furcht zuſchlaffen goͤnnete. Ja mein auserwaͤhltes Seelichen/ ant-
wortete er/ ich erkenne mich allerdinge ſchuldig/ ihrer Liebe hierin zugehorſamen; hielt doch
noch umb ein Viertelſtuͤndichen an zum Geſpraͤch/ und daß er ſich aller ehrliebenden erget-
zung an ihrer unſaͤglichen Schoͤnheit/ als ein verſprochener Braͤutigam gebrauchẽ moͤch-
te; welches ſie ihm nach vorgeſchriebener gemaͤſſigter Weiſe einwilligte. Ehe dann dieſe
kurze Zeit verſloß/ wurden ſie etlicher Reuter auff der Gaſſe hin uñ wieder reitend gewahr/
welche vor der Inwohner Hauß Tuͤhren anklopfeten/ deren einer auch mit zimlichem un-
geſtuͤm an ihr Tuͤhrlein ſtieß/ und eingelaſſen zu werden begehrete. Woruͤber das Fraͤu-
lein ſo heftig erſchrak/ daß ſie als ein Eſpinlaub zitterte. Wolfgang machte die Tuͤhr als-
bald auff/ und fragete nach ſeinem begehren; da dieſer von ihm wiſſen wolte/ ob nicht ein
junger
[529]Siebendes Buch.
junger Ritter in blau angelauffenem Harniſche mit guͤldener Verbluͤmung/ eine ſchoͤne
adeliche Jungfer im himmelblauen Silberſtuͤk bekleidet/ in oder durch/ oder neben dieſes
Dorff hinweg gefuͤhret haͤtte; welches das Fraͤulein hoͤrend/ nicht anders meinete/ als der
Wendiſche Raͤuber haͤtte ſie ſchon wieder in ihrer gewalt; ruͤckete auch gar hart an ihren
Liebeſten und ſagete mit ſanfter wehmuͤhtiger Stim̃e und zitterndem Leibe; Ach mein aus-
erwaͤhlter Freund uñ Lebensſchaz/ ach ſchuͤtzet die eurige; gewiß gewiß laͤſſet der alte Raͤu-
ber mich ſuchen/ dem ich doch lebendig nicht zuteile werden wil. Mein Seelen Schaz/ ant-
wortete er/ gebt euch doch zu frieden/ und erſchrecket nicht ſo hart/ wir ſind ja nicht alsbald
gefunden/ ob man uns gleich nachfraget; dann des jungen Bauren Antwort gibt uns an-
zeige gnug/ daß er uns zuverrahten nicht gemeinet iſt. Wie er dann dem Reuter dieſen be-
ſcheid erteilete; er haͤtte den ganzen Tag biß in die ſinkende Nacht hart vor dem Dorffe in
einem Garten ohn unterlaß gearbeitet/ aber dergleichen Leute nicht vernommen/ wuͤrde
auch auſſer allem zweiffel hieſelbſt vergeblich nachfragen/ maſſen eine Stunde vor Abends
ein voruͤbergehender Bohte/ welchen er kennete/ berichtet/ er haͤtte ein ſehr ſchoͤnes Weibes-
bild mit einem geharniſchten Ritter nach dem Iſelſtrohm zureiten ſehen/ und wie ihn ge-
daͤuchte/ waͤhre ſie mit gutem willen von dem Ritter gefuͤhret worden. Wo iſt diſer Bohte
dann geblieben? fragete der Reuter. Davon weiß ich nichts zu melden/ antwortete er/ nur
daß er wegen ſeiner Reiſe groſſe Eile vorgab/ und noch vier Meile dieſe Nacht zu lauffen
haͤtte/ wohin er ſich nun gewendet/ kan ich gar nicht wiſſen. So hoͤre ich wol/ ſagte deꝛ Reu-
ter/ ich werde meinem Fuͤrſten das Bohtenlohn nicht abverdienen; kehrete ſich hiemit zum
Dorffe hinein und ritte ſeinen Geſellen nach/ deren Wolfgang 10 gezaͤhlet hatte/ und ſie al-
le miteinander/ wie fleiſſig ſie auch nachfrageten/ gar keine weitere Nachricht erhalten kun-
ten. Unſere Verliebeten zweiffelten nicht/ es wuͤrden des Wendiſchen Fuͤrſten Ausſpeher
ſeyn/ welcher etwa mit etlichen Voͤlkern aus der Schlacht entrunnen/ und an einen ſichern
Ort ſich gelagert haͤtte; woran ſie doch ſehr irreten/ und dadurch ſich in groſſe truͤbſelig-
keit und angſt ſtuͤrzeten. Dann es wahren die von Herkules ausgeſchikte Reuter/ mit wel-
chen ſie fein ſicher haͤtten koͤnnen uͤberkommen; aber die himliſche Verſehung wolte ïhnen
ihre Vergnügung ſo fruͤhzeitig nicht zuſchicken/ ſondern ſie muſten zu ihrer beſſerung zuvor
ſcharff bewehret werden/ und einen herben Becher der Wiederwertigkeit austrinken/ wie
hernacher folgen wird.


Wir wenden uns aber wieder hin nach dem ſieghaften Kriegsheer/ bey welchem der
alte Groß Fuͤrſt mit ſeinen Kindern ſich in aller froͤligkeit finden ließ/ weil ſie annoch gute
Hoffnung hatten/ Arbianes wuͤrde ſich ſchier einſtellen; wie dañ dazumahl ſeine 150 Reu-
ter mit dem erſchlagenen jungen Wendiſchen Fuͤrſten/ wiewol zimlich ſpaͤte ankahmen/ uñ
den Bericht einbrachten/ ihr Oberſter haͤtte dieſen mit eigener Hand nidergehauen/ und
nachgehends nicht geringe muͤhe gehabt/ das fluͤchtige Fraͤulein/ welche ihn vor einẽ Feind
gehalten/ zuerhaſchen/ und aus der Ohmacht wieder zurechte zubringen/ da er inzwiſchen
ihnen hart befohlen/ nicht zuſeumen/ ſondern mit dem erſchlagenen fortzugehen; doch haͤt-
ten ſie ihn endlich geſehen das Fraͤulein vor ſich auff dem Pferde fuͤhren/ und als ſie in die
400 fluͤchtige Feinde durch den Strom geſehen hindurchſetzen/ und durch winken ihm ſol-
ches zuverſtehen gegeben/ waͤhren ſie gewahr worden/ daß er mit ihr den ſicherſten Weg
x x xSuͤd-
[530]Siebendes Buch.
Suͤdwerz genommen/ worauff ſie ihn bald aus dem Geſichte verlohren/ weil ſie ſelbſt umb
gefahr willen den Strom auffwarz gehen muͤſſen/ und den gar zu haͤuffig herzu dringendẽ
fluͤchtigen Feinden ſich entzihen. Worauff Valiſka die Anweſende troͤſtete/ und zu ihnen
ſagete: So wollen wir uns zufrieden geben/ dann Arbianes iſt ein ſo verſtaͤndiger Fuͤrſt/
welcher mit Gottes huͤlffe ſchon Mittel und Wege finden wird/ entweder durch zukom̃en/
oder ſie auff eine kurze Zeit in gute gewahrſam zubringen. Die alte Groß Fuͤrſtin ward
hiedurch in etwas getroͤſtet/ daß ſie bey ihren Schwieger Toͤchtern ſich froͤlicher erzeigete/
weder vorhin/ zwiſchen welche ſie ſich geſezt hatte/ und es nicht wenig beklagete/ daß ſie mit
Fr. Lukrezien nicht Unterredung halten kunte/ weil ſie kein Teutſch verſtund/ wiewol Va-
liſka ſich als eine Dolmetſcherin bey ihnen vielfaͤltig gebrauchen ließ. Es meldete ſich a-
bermahl ein Teutſcher Kriegs Knecht an/ vorgebend/ man haͤtte mit dem gefangenẽ Wen-
diſchen Oberſten Niklot viel Muͤhe/ welcher nicht allein ſeine verbundene Wunden auff-
riſſe/ ſondern alle Gelegenheit ſuchete/ ſich ſelbſt zuentleibẽ; wuͤrde demnach das beſte ſeyn/
daß er feſt gebunden wuͤrde. Der alte Groß Fürſt antwortete: Dieſer wird ohn zweifel der
verraͤhteriſche Bube ſeyn/ welcher mich nicht allein mit Liſt von meinem Schloſſe geloc-
ket/ ſondern hand an mich gelegt/ und gleich einem gemeinẽ Bauren mich gebunden fort-
geſchleppet/ maſſen ich mich erinnere/ daß derſelbe von ſeinen Leuten Herr Niklot geneñet
ward. Alſo ward ernſtlich befohlen/ man ſolte ihn feſt an einen Pfal oder Leiter binden/ den
Wunden auffs beſte Raht ſchaffen/ und ihm allerhand Labung beybringen/ dann es muͤ-
ſte ihm ſeine Boßheit andern zum abſcheuhlichen Beyſpiel vergolten werden. Da wuſten
nun die Kriegsknechte ihm ſchon recht zutuhn/ daß er gezwungen/ Speiſe und Trank neh-
men/ und ihres willens geleben muſte. Den unſern wolte die Zeit ohn Geſpraͤch zu lange
wehren/ weil ſie willens wahren/ der Fraͤulein Ankunfft biß an die Mitternacht zuerwartẽ;
Weil dann die alte Groß Fuͤrſtin gerne gewuſt haͤtte/ durch was gelegenheit ihr lieber Her-
kules zu dem neuen Glauben kommen waͤhre/ welchen er ſo hoch und uͤber alles ſchaͤtzete/
und ſich gleichwol erinnerte/ wie lieb ihm ehemahls ihr landuͤblicher Gottesdienſt gewe-
ſen/ bey dem er ſo manniches andaͤchtiges Opffer vor ſich haͤtte verrichten laſſen/ begehre-
te ſie an ihn/ ihr die urſach und gelegenheit ſolcher ſeiner Glaubensverenderung anzuzei-
gen. Herkules hoͤrete ihr begehren mit ſonderlicher Freude an/ und taht einen inniglichen
Seuffzer zu Gott/ er moͤchte ſeinem Donner durch ſeine unverſtaͤndige Zunge Krafft uñ
Nachdruk verleihen/ und die Herzen ſeiner lieben Eltern ruͤhren/ daß ſie zur Erkaͤntniß der
Warheit gebracht wuͤrden. Wie er in dieſem andaͤchtigen Wunſche ſtilleſchweigend ſaß/
gedachte ſein Gemahl/ er truͤge deſſen etwa bedenken/ daher ſie ihn in Perſiſcher Sprache
erinnerte/ dieſe gute gelegenheit zu ſeiner Eltern Bekehrung nicht vorbey zulaſſen/ ſondern
vielmehr mit beyden Haͤnden zuergreiffen; vielleicht ſchickete es Gott alſo/ daß ſeine Fr.
Mutter ſelbſt anlaß darzu geben muͤſte; fuhr nachmahls fort/ und ſagete auff Teutſch zu
ihm: Mein allerwerdeſter Schaz/ lieber wegert euch nicht/ unſer Fr. Mutter begehren zu
erfuͤllen/ dann ich ſelbſt habe vorlaͤngſt gerne wiſſen wollen/ wie ſichs mit euer Bekehrung
zu dem ſeligmachenden Glauben begeben hat. Herkules gab durch ein freundliches Lachen
ſeinen guten Willen zuverſtehen/ und fing alſo an: Gnaͤdigſte herzallerliebſte Fr. Mutter;
euer muͤtterliches Herz ruffet mir eine ſolche unausſprechliche Freude in mein Gedaͤcht-
niß/
[531]Siebendes Buch.
niß/ welche mich des zeitlichen pfleget vergeſſen zumachen/ ſo daß meine Seele nichts hoͤ-
hers wuͤnſchet/ als dieſen ſuͤndlichen unnuͤtzen Leib zuverlaſſen/ und mit allen außerwaͤhlten
Kindern Gottes der himliſchen Wolluſt in ihres Heylandes Gegenwart zugenieſſen/ de-
ren Herligkeit keines Menſchen Zunge beſchreiben kan. O was elender Menſch und nich-
tiger Erdwurm wuͤrde ich ſeyn/ wann ich zu dieſer Erkaͤntniß der goͤttlichen allein ſelig-
machenden Warheit nicht kommen waͤhre/ welche nunmehr mein Herz in dem Vertrauẽ
zu Gott dermaſſen feſt geankert hat/ daß alles übrige/ wie hoch es von der Welt mag gehal-
ten ſeyn/ mich nur wie ein unflaͤtiger Koht anſtinket. Nicht ſage ich dieſes/ ob verachtete ich
Gottes zeitliche Gaben/ die er mir in kurzeꝛ Zeit haͤuffiger als einigem Menſchen mag mit-
geteilet haben/ und ich/ wann ein maͤchtiges Koͤnigreich zu kauffe waͤhre/ ſolches mit Gol-
de wol an mich bringen koͤnte/ nachdem meines getraͤuen Bruders/ Koͤniges Ladiſla/ und
meine Gelder faſt nicht zuzaͤhlen ſind/ als die nach Silberwerd angeſchlagen/ an die 70000
Zentner oder Hundert ſchwehr ſich belauffen; zugeſchweigen aller zeitlichen Ehre und
Herſchafft/ die mir unwirdigen im Parthiſchen/ Perſiſchen und Roͤmiſchen Reiche auf-
getragen ſind/ und zum teil faſt auffgedrungen werden wollen. Noch wolte ich ſolches alles
verfluchen/ und als einen Wuſt in des Meeres Abgrund verſenken/ wann ich das allerge-
ringſte der zur Seligkeit nohtwendigen himliſchen Erkaͤntniß davor entrahten ſolte. Mir
zweifelt nicht/ Gn. Fr. Mutter/ dieſe meine Reden duͤnken euch kin diſch/ ja laͤcheꝛlich ſeyn;
und zwar eben ſo iſt mirs anfangs mit meinem Bruder Ladiſla auch gangen/ daß er mich
vor einen aberwitzigen Menſchen hielt/ welches ihn ſider deß offt gereuet hat/ aber es dazu-
mahl nicht endern kunte; dann ehe Gottes Geiſt in des Menſchen Seele den Glauben
wirket/ haͤlt er goͤttliche Weißheit vor ein kindiſches Affenwerk; und ſolches alles koͤmt von
dem argen Menſchen-Feinde dem leidigen Teufel her/ als der nicht leiden kan/ daß dem
Menſchen das Licht der Erkaͤntniß Gottes ſcheine/ [und] dadurch ſein ſchaͤndliches Reich
verſtoͤret oder doch verringert werde; wie er dann ein Haſſer und Verleumder alles gu-
ten iſt. Wo aber die Furcht Gottes ſich nur zuregen beginnet/ ſo daß der Menſch gedenket
und nachſinnet/ was doch nach dieſem kurzen vergaͤnglichen Leben ſeyn werde/ weil unſere
Seel nicht verſchwindet/ ſondern ewig bleibet/ dann iſt er ſchon bemuͤhet/ etwas zufaſſen/
worauff er ſich eigentlich verlaſſen/ ſein Gewiſſen befriedigen/ und ſein kuͤnfftiges hoͤchſtes
Gut feſt gruͤnden und bauen moͤge/ weil doch in dieſer Sterbligkeit nichts gewiſſers iſt/ als
die Ungewißheit unſers wolergehens; nichts beſtaͤndigers/ als des falſchen Gluͤckes Un-
beſtaͤndigkeit. Dieſe Gedanken/ herzliebe Fr. Mutter/ haben in meinen kindlichen Jahren
mich offt angefochten und gereizet/ auch in eurer Gegenwart (wo ihrs euch erinnern koͤn-
net) zu wuͤnſchen/ wie gerne ich wiſſen moͤchte/ was eigentlich Gott waͤhre/ wie er von uns
wolte geehret ſeyn/ und womit er nach dieſem Leben die wahre Froͤmmigkeit beſeligen wol-
te. Ein ſolches aber lehrete mich weder Krodo noch die Irmen Seul/ noch die vermeinete
Goͤttin/ die man zu Magdeburg verehret. Fragete ich dann die Pfaffen darum/ lacheten
ſie mich noch darzu hoͤhniſch aus; warumb ich durch die Wolken ſteigen/ und in der him-
liſchen Goͤtter geheimen Raht mich einmiſchen wolte; Ich ſolte mich an ihren Gottes-
dienſt halten/ dem Vaterlande gute Dienſte leiſten/ und der Tugend mich befleiſſigen/ dann
wuͤrde mir nach dieſem wol ſeyn/ und koͤnte ich wol gar dadurch erwerben/ daß ich dereins
x x x ijunter
[532]Siebendes Buch.
unter die Zahl der Goͤtter auffgenommen wuͤrde; an welcher lezten Rede ich ein Greuel
hatte/ und mit den erſten muſte ich mich abſpeiſen laſſen/ ohn daß wol etliche hinzu ſetzeten/
ich ſolte mich der Froͤligkeit dieſes Lebens gebrauchen/ und mit guter Geſelſchafft luſtig
und guter dinge ſeyn. Andere; ich ſolte nur frey auff die Feinde der Teutſchen Freyheit
ſtreiffen/ und von der eingehohleten Beute der Pfaffheit milde Opffer zukommen laſſen/
alsdann wuͤrde ich eine hohe Stuhffe im Himmel erwerben; Und alſo ging ich unwitziger
und verwirreter von ihnen/ als ich kommen wahr. Mein damahliger Roͤmiſcher Lehrer
Tibullus/ gab mir des Roͤmiſchen Buͤrgemeiſters Tullius/ und anderer gelehrter Heiden
Schrifften von der Goͤtter Weſen zuleſen/ in welchen ich gleichwol noch etwas fand/ a-
ber in Warheit/ nur ein Fuͤnklein/ welches unter der Vernunfft-Aſchen ein wenig glim̃e-
te und hervor blickete/ und ich dannoch dadurch auffgemuntert ward/ den Sachen etwas
fleiſſiger nachzudenken; ſahe und befand/ dz gewißlich ein Gott ſeyn muͤſte/ der dieſes groſ-
ſe Rund erſchaffen haͤtte/ und in unverruͤkter Ordnung/ welche wir vor Augen ſehen/ er-
hielte/ auch demnach ſeine Herſchafft ungleich weiter/ als uͤber das enge Teutſchland rei-
chen würde. Mein Bruder Ladiſla wird ſich erinnern koͤnnen/ wie offt ich mich gegen ihn
vernehmen laſſen/ daß weder Krodo/ noch Irmen Seul derſelbe Gott ſeyn koͤnte/ welcher
die Welt in ihrem Stande und Weſen erhaͤlt; und daß ichs vor einen Unverſtand hielte/
daß man Gott unter ſo ungeſtalter Bildung ſchnitzen und mahlen duͤrffte. Wie offt hat
dieſer mein Bruder/ wann wir mit einander zur Luſt ausritten oder gingen/ mich gefra-
get/ worauff ich ſo emſig gedaͤchte/ und was ich ſo viel und offt hinauff ſaͤhe gen Himmel/
daß ich alles Geſpraͤchs druͤber vergaͤſſe; ich ihm aber allemahl zur Antwort gab: Ich be-
trachtete entweder der Sonnen Wunderlauff/ oder etwas anders am Himmel; wiewol
alsdann meine Gedanken ſich immerzu nach dem mir unbekanten Gott richteten/ und ihn
herzlich anfleheten/ er wolte ſich mir gnaͤdig offenbahren/ damit ich ihn erkennen/ und nach
ſeinem Willen leben moͤchte/ weil ich keinen Menſchen zuſuchen noch zufinden wuͤſte/ von
dem ich deſſen koͤnte berichtet werden. Lieber Sohn/ ſagte hieſelbſt die Großfuͤrſtin/ war-
umb aber ſtundeſtu ſo hefftig nach ſolcher Erkaͤntniß und Wiſſenſchafft? Gn. Fr. Mut-
ter/ antwortete er; ich wahr deſſen verſichert/ daß unſere Seelen nicht umkommen/ wann
ſie von dem Leibe durch den zeitlichen Tod abgeſchieden werden/ ſondern daß ihnen her-
nach von Gott alſo gelohnet werde/ wie mans in dieſem Leben verdienet hat; ſolte ich dañ
nicht gefliſſen ſeyn/ mich umb mein kuͤnfftiges/ das ewig wehret/ mehr zubekuͤmmern/ als
umb das hieſige/ deſſen wir keine Stunde lang verſichert ſind? Nun ſahe ich aber/ daß ich
meiner Seele nicht fuͤglicher noch beſtaͤndiger rahten koͤnte/ als wann ich des wahrẽ Got-
tes Erkaͤntniß erlangete/ unter deſſen Gewalt wir alle ſind; auff daß ich hernach eigentlich
lernete/ was derſelbe Gott von denen erfodert und haben wil/ denen er das hoͤchſte Gut
nach dieſer Sterbligkeit gedenket mitzuteilen. Zwar es bekuͤmmern ſich leideꝛ wenig Men-
ſchen umb dieſes/ aber mit ihrem unausſprechlich groſſem Schaden/ welches ſie in dieſer
Welt nicht empfinden/ aber es ihnen doch nicht auſſebleiben wird. Nun auff mich ſelbſt
wieder zukommen/ ob ich gleich dazumahl des einigen wahren Gottes Erkaͤntniß annoch
nicht hatte/ ſo erſtrecketen ſich dañoch ſo weit meine kraͤfftige Nachſinnungen/ daß demſel-
ben die Unflaͤterey/ Unreinigkeit/ Ungerechtigkeit und Bosheit nicht gefallen koͤnte/ weil er
ſelbſt
[533]Siebendes Buch.
ſelbſt das volkommenſte Gut ſeyn/ und nichts als gutes/ das iſt/ Erbarkeit und Tugend/ von
uns Menſchen begehren muͤſte; daher ich weiters ſchloß/ es wuͤrde eine vergebliche Hoff-
nung ſeyn/ wann man Gottes Zorn wider die Gottloſigkeit durch Opffer und der unver-
nuͤnfftigen Tihre Blut verſoͤhnen und ſtillen wolte/ ſondern es muͤſte das boͤſe hinweg ge-
tahn/ und nach Ordnung der loͤblichen Geſetzen geſtraffet werden/ welches mich dañ jens-
mahl bewaͤgete/ den frechen unzuͤchtigen Buben Ingevon/ wiewol vor freyer Fauſt zufel-
len/ wodurch ich ſchier in Lebensgefahr haͤtte gerahten duͤrffen. Ich muß mich aber erin-
nern/ was vor eine Erzaͤhlung meine Gn. Fr. Mutter vor dißmahl von mir gewaͤrtig iſt/
damit ich deren/ und anderer anweſenden Geduld mich zuhoͤren/ nicht mißbrauche; welche
ingeſamt an mir ein Beyſpiel vor Augen haben/ an dem die Barmherzigkeit GOttes ſo
wunderlich und kraͤfftig hat wollen erſcheinen laſſen/ daß niemand von der Seligkeit
ſolle ausgeſtoſſen werden/ der ihr herzlich nachtrachtet/ und der allerhoͤchſte GOTT
ſich keinem Menſchen wolle verbergen/ der ihn von herzen zuerkennen begehret; dann
ich bin deſſen in meinem Glauben verſichert/ Gott habe meine Seuffzen/ die in meinem
Heydentuhm ich ihm zuſchickete/ gnaͤdig erhoͤret/ wiewol auff ſolche Weiſe/ die ein Unver-
ſtaͤndiger mehr vor eine Straffe/ als vor eine Woltaht ſchaͤtzen wuͤrde/ und iſt doch meine
aller groͤſte Gluͤkſeligkeit geweſen/ ſo mir jemahls begegnet iſt/ und in dieſer Welt begegnen
kan; nehmlich/ da ich im Boͤhmer Walde von den Pannoniſchen Raͤubern gefangen/ von
Roͤmiſchen Buſchkloͤpfern ihnen wieder abgenommen/ und von ihnen in der Stad Rom
vor einen Leibeigenen verkauffet ward. O der gluͤkſeligen Leibeigenſchaft! dann dieſelbe
hat mich nicht allein zu der Erkaͤntnis Gottes fein geſchikt gemacht/ in dem ſie den hohen
Muht des ſtolzen fleiſches in mir gebrochen/ und zur Demuht mich angehalten/ ſondern
mir auch anlaß gegeben/ meine Seuffzer je mehr und mehr nach Gott zu wenden/ welche
auch nicht vergebens noch umbſonſt vor der Himmelstuͤhr angeklopffet haben. So ver-
nehmet nun/ Fr. Mutter/ was Gott an mir vor ein Wunder getahn hat/ und erkennet da-
her ſeine Liebe damit er uns armen Suͤndern zugetahn iſt. Ich dienete dazumahl meinem
Herrn zu Rom getraͤu und fleiſſig/ mich ſchaͤmend/ daß ich meinen elenden Zuſtand den lie-
ben meinigen zuſchreiben und offenbahren ſolte; dann ich gedachte/ es wuͤrde mir ſchimpf-
lich ſeyn/ wann ich nicht vor mich ſelbſt Mittel und Weiſe ergreiffen koͤnte/ mich wieder in
freien Stand zu ſetzen; welches ſich doch nach meinem Willen nicht fugen wolte. Ich hat-
te anfangs einen harten Herrn/ deſſen Tochter bald darauff mir gar zugeneiget ward/
und endlich ſein Eheweib mich noch ſchlimmer liebete; ich aber baht den wahren mir an-
noch unbekanten Gott/ daß er mich vor aller Unzucht und Schande gnaͤdiglich bewahren/
und mich wieder in mein Vaterland geleiten wolte. Als ich nun einsmahls mit ſolchen
Gedanken des Abends auf meinem ſchlechten Lager einſchlieff/ kam mir in derſelben Nacht
dieſes Geſichte im tieffen Schlaffe vor; Ein kleiner ſchoͤner Engel Gottes trat vor mir/
mit uͤberaus freundlichen Geberden/ hatte in der rechten Hand einen offenen Brieff/ an
welchem ich dieſe Worte laſe; Gottes Erkaͤntnis gehet uͤber alles. In der Linken hatte er eine
kleine Ruhte/ daran hing ein Brieflein mit dieſer Schrifft: Dieſe zuͤchtiget und beilet. Als
ich ſolches alles mit groſſer herzensfreude (wie mich ſchlaffend daͤuchte) anſahe uñ betrach-
tete/ redete der Engel mich alſo an: Mein Bruder/ Gottes erbarmung beut ſich allen Men-
x x x iijſchen
[534]Siebendes Buch.
ſchen an/ und wirket bey denen die ihn ſuchen und ſeine Erkaͤntnis begehren; ſo mache dich
nun fruͤh mit dem Tage auff die Straſſen/ da wirſtu einen Mañ antreffen/ welcher dir des
Himmels Schluͤſſel zeigen/ und auff deine Bitte gerne mitteilen wird. Nach welcher Re-
de endigung/ daͤuchte mich/ er in einen Winkel getreten/ und unſichtbar worden waͤhre.
Bald hernach ſtellete ſich ein heßlicher ungeſtalter Teuffel vor mir/ mit feurſpeiendem Ra-
chen/ und ſcheußlichen Geberden/ ohn zweiffel/ den die unwiſſende Teutſchen unter dem
nahmen Krodo verehren; derſelb draͤuete mir mit einer groſſen Keule/ uñ ließ ſich zugleich
vernehmen/ dafern ich dieſem falſchen und verfuͤhriſchen Bilde (ſo nennete er den Engel)
folge leiſten wuͤrde/ ſolte mit ſeiner Straffkeule ich Zeit meines lebens geſchlagen werden.
Er waͤhre derſelbe wahre Gott/ welcher bisdaher den Teutſchen Koͤnigen und Fuͤrſten wie-
der alle ihre Feinde Schuz geleiſtet/ und des Landes Freyheit erhalten haͤtte. Kaum kunte
er dieſe Draͤuungen ausreden/ da ging vorgedachter Engel auff ihn loß mit einem feuri-
gen Schwert/ vor welchen er ſich im geringſten nicht ſchuͤtzen kunte/ ſondern unter zittern-
der Furcht davon lauffen muſte. Gleich hieruͤber erwachete ich/ hoͤrete meine Pferde wrin-
ſchen und kratzen (dann ich ſchlieff im Mahrſtalle) empfand anfangs etwas grauſen wegen
des teufliſchen Geſpenſtes/ aber bald darauff eine herzliche Freude/ mich auff des Engels
Troſtund beyſtand verlaſſend/ daher ich des lieben tages mit groſſem verlangen erwartete/
welcher kaum hervor ragete/ da ich meine Kleider anlegete und mich auff die Gaſſen hin-
aus machete/ die eine ab/ die andere auff ging/ wie mirs vorkam/ der gewiſſen Hoffnung/
Gott wuͤrde mir den durch ſeinen Engel verheiſſe[n]en Lehrer zuſchicken; ſtund auch nicht
lange an/ daß ein alter und hagerer Mann/ ehrbahres anſehens mir auffſties/ welcher un-
ter einem langen Mantel ein zimlich groſſes Buch verborgen trug. Dieſen gruͤſſete ich
freundlich/ und fragete ihn/ was vor ein Buch das waͤhre; dann der Mantel ſchlug ihm
ohngefehr vorne auf/ dz ich daſſelbe eigentlich ſehen kunte. Er aber nach geſchehenem Wie-
dergruſſe antwortete mir; Lieber Sohn/ wer ſeid ihr/ uñ warumb fraget ihr darnach? Ich
bin ein Leibeigener Knecht/ antwortete ich/ wie meine Kette ausweiſet/ und durch bloſſen
unglüksfal aus Fürſtlichen Stand in dienſtbarkeit gerahten; habe ſonſt vor dieſem auch
meine Lehrer gebabt/ und lieſſe mich noch gerne in allem guten/ ſonderlich in goͤttlichen Sa-
chen unterrichten/ hoffe auch ſchier einen ſolchen anzutreffen/ der meinen Begierden/ die
nach der erkaͤntnis des wahren Gottes ſtreben/ ein genuͤgen tuhn werde; maſſen ich deſſen
verſicheꝛt bin/ daß/ wann ich nur deſſen Erkaͤntnis haben moͤchte/ wolte ich durch unablaͤſſi-
ges Gebeht ſchon bey demſelben erlangen/ daß ich aus der Knechtſchaft wieder in freien
Stand geſetzet wuͤrde. Der alte ſahe mich an als in hoͤchſter verwunderung/ weiß nicht
was ihm an mir gefallen moͤchte/ und gab mir zur Antwort: Schoͤnſter aͤdler jüngling/
ich halte euch in warheit mitten unter eurer knechtiſchen Kette vor einen ſolchen/ und wün-
ſche euch des almaͤchtigen wahren und einigen Gottes Gnade zu eurem Gottſeligen vor-
haben/ kan auch inbetrachtung eures aͤuſſerlichen weſens/ nicht glaͤuben/ daß ihr aus Spot
oder verachtung ſolches redet; darumb folget mir unvermerket nach/ dann dieſes (auff
ſein Buch zeigend) iſt des Himmels Schluͤſſel/ und die einige geoͤfnete Pforte zur heilſa-
men erkaͤntnis des wahren Gottes/ der allein Gott iſt; dann alle Goͤtter der Heyden ſind
falſche Goͤtzen/ aber der HErr/ der einige/ ewige almaͤchtige Gott hat den Himmel gemacht/
und
[535]Siebendes Buch.
und uns denſelben zum ewiglichen Sitze erworben. O mein lieber Vater/ antwortete ich;
des Himmels Schluͤſſel iſt mir hint dieſe Nacht im Geſichte verheiffen/ und zweifele nicht/
eben ihr ſeid derſelbe/ welcher ihn mir mitteilen ſol. Der Alte boht mir einen Kuß/ und ſa-
gete: Lieber Sohn/ nehmet von mir an den Kuß des Friedes/ uñ folget mir nach/ der Him-
mels Schluͤſſel ſol euch mitgeteilet/ und das Geheimnis der erkaͤntnis Gottes zur Selig-
keit offenbahret werden. Ich wahr hierzu gar willig/ und ließ mich von ihm in ein Hauß
fuͤhren/ da wir miteinander auff ein Gemach allein gingen/ und er anfing mich zu unter-
richten/ was zur erkaͤntnis des wahren Gottes zu wiſſen und glaͤuben noͤhtig iſt; und als
ich ihn fragete/ woher ihm dieſe Wiſſenſchaft und himliſche Lehre kaͤhme/ davon ich noch
nie etwas gehoͤret/ auch in andern Büchern nichts davon geleſen haͤtte/ ſagte er: Dieſes
Buch/ welches ihr bey mir auff der Gaſſen geſehen/ haͤlt dieſe goͤttliche Weißheit in ſich/
und iſt das aller aͤlteſte Buch und dz allerheiligſte auff der ganzen Welt/ in welchem durch-
aus nichts falſches kan gefunden werden/ ſintemahl es nicht aus Menſchlichem Gehirn
entſponnen/ ſondern etlichen wenigen ſehr heiligen Maͤnnern von Gott ſelbſt eingeblaſen
iſt/ auff deſſen Befehl ſie auch haben ſchreiben/ und dieſe Lehre zu unſer unterrichtung und
Seligkeit hinterlaſſen muͤſſen/ da zwar die Feinde der Warheit allen Menſch- und moͤgli-
chen fleiß angewendet/ wie ſie dieſes Buch ſamt der darinnen enthaltenen Lehre moͤchten
vertilgen und aufheben/ iſt ihnen aber unmoͤglich geweſen/ und wird ihnen wol/ ſo lange die
Welt ſtehet/ unmoͤglich bleiben/ nachdem unſer Gott ſelbſt uns die verſicherte Zuſage ge-
tahn hat/ daß weder Teuffel noch Menſchen dieſe Lehre ausrotten/ oder dieſes Buch ver-
tilgen ſollen. Hierauff fuhr er fort/ mich in den erſten Haͤuptſtuͤcken der Chriſtlichen Lehre
zu unterweiſen/ und vermahnete mich endlich/ wañ ich des vorhabens waͤhre/ den wahren
Gott aus der Chriſtlichen Lehre zuerkennen/ muͤſte ich zugleich auch den ſteiffen Vorſaz ha-
ben/ die wahre ungefaͤrbete Gotſeligkeit in meinem ganzen Leben fortzuſetzen/ aller Gottlo-
ſigkeit/ Untugend/ Unzucht/ Voͤllerey/ und andern Laſtern/ wie ſie nahmen haben moͤchten/
mich zuenthalten/ und hingegen die Warheit/ Keuſcheit/ Gerechtigkeit/ Verſoͤhnligkeit/
Geduld/ Maͤſſigkeit und insgemein alle Zucht und Erbarkeit zu lieben und nach aͤuſſerſtem
vermoͤgen zu uͤben gefliſſen ſeyn; inſonderheit muͤſte ich an der einmahl erkanten Warheit
feſt und beſtaͤndig halten/ und weder durch Wolluſt/ noch Noht/ weder durch Gefahr noch
Leyden/ weder durch Lebensbegierde noch Todesfurcht mich davon abtreiben laſſen; wel-
ches da ichs ihm aus gutem Herzen verſprochẽ hatte/ fuͤhrete er mich mit ſich in die Chriſt-
liche Verſamlung/ woſelbſt ein ander Lehrer aufftrat/ etliche Chriſtliche geiſtreiche Gebeh-
ter ablaſe/ und darauff etliche Worte aus obgedachtem heiligen Buche/ welches man die
heilige Schrifft/ oder Gottes Wort nennet/ erklaͤrete; nachgehends die Anweſenden zur
beſtaͤndigkeit im Glauben/ zur Geduld/ Gottesfurcht und froͤmmigkeit vermahnete/ das
Gebeht wiederumb zu Gott hielt/ und damit die Verſamlung von einander gehen ließ/ ih-
nen daneben vermeldend/ welches Tages/ und zu welcher Stunde die zuſammenkunft zum
Gebeht uñ zur unterrichtung ſolte wieder gehalten werden. Mein erſter Lehrer aber ſchen-
kete mir ein Gebeht- und Glaubens-Buͤchlein/ welches man die Chriſtliche unterrichtung
neñet/ befahl mir/ alle tage eine Stunde zu ihm zukom̃en/ uñ troͤſtete mich herzlich in meiner
Leibeigenſchaft/ unterrichtete mich auch taͤglich/ und zeigete mir die unbewaͤglichen Grund-
feſte/
[536]Siebendes Buch.
feſte/ auff welche dieſe Lehre gebauet iſt/ und feſt beſtehet/ daß die Pforten der Hellen ſelbſt
ſie nicht uͤberwaͤltigen noch erſchuͤttern koͤnnen/ da ich dann in Erkaͤntniß dieſes heilſamen
Glaubens wol zunam/ und dem frommen Lehrer zeit meines Lebens werde zudanken habẽ.
Ich geſtehe auch gerne/ daß bloß allein die Liebe zu dem Chriſtentuhm mich abgehaltẽ hat/
meinen lieben Eltern den Zuſtand meiner Knechtſchafft zuzuſchreiben/ weil ich mich gar
zeitig fuͤrchtete/ man wuͤrde mir dieſen unbekanten Glauben in meinem Vaterlande ſchweꝛ-
lich zulaſſen/ wie ich dann deſſen gnug zu funde kommen bin; ja mein liebſter und getraͤue-
ſter Ladiſla ſelbſt durffte mir bedraulich gnug zuſchreiben/ wie er mich wegen meines Chri-
ſtentuhms anklagen/ und zum Wiederruff zwingen wolte; nachdem er aber ſahe/ daß alles
vergebens wahr/ geduldete er meinen Glauben/ und ich ſeinen Unglauben/ biß ihn Gottes
Barmherzigkeit erleuchtete/ daß er ſeine nichtige falſche Goͤtzen fahren/ ſeiner armen See-
le rahten ließ/ und den wahren einigen Gott bekennete. Alſo ſehet ihr nun/ Gn. Fr. Mut-
ter/ daß meine damahlige Leibeigenſchafft/ welche die meinen vor einen ſonderlichen Un-
fal und Straffe rechnen/ mir ungleich beſſer und heilſamer/ als meine Freiheit und Fuͤr-
ſten Stand/ ja als mein zeitliches Leben geweſen ſey/ weil eben dieſelbe mich an ſolchen Ort
gebracht hat/ woſelbſt mir die heilſame Lehre zur kuͤnfftigen himliſchen Seligkeit hat koͤn-
nen mitgeteilet werden/ und hat mein Gott an mir erfuͤllet/ was ein groſſer Chriſtlicher
Lehrer/ Paulus genant/ an einem Orte ſchreibet/ daß denen/ die Gott lieben/ alle Dinge/ dz
iſt/ nicht nur die gluͤklichen/ ſondern auch die wiederwertigen Dinge zum beſtẽ dienen muͤſ-
ſen. Sehet/ herzliebe Fr. Mutter/ alſo hat mein wunder-gnaͤdiger Gott mich gefuͤhret/ uñ
ſich uͤber mich erbarmet/ welches mir doch der helliſche Feind nicht goͤnnen wollen/ der ſich
durch ſeine Werkzeuge die leidigen Pfaffen bemuͤhet hat/ mich und meinen heiligen Glau-
ben bey meinen lieben Eltern in Verdacht zubringen/ ob haͤtte ich mich zu einem hauffen
gottloſer frecher Buben geſellet/ welche nichts als uͤppigkeit und Schande begehen/ ab-
ſcheuhliche Vermiſchungen/ heimlichen Mord und zaͤuberiſche Kuͤnſte treiben/ die wahre
Gottheit verachten/ und mit kurzen zuſagen/ die aͤrger als das tumme Vieh leben/ und nit
werd ſeyn/ daß ſie der Erdbodem trage und ernaͤhre. Nun ſtelle ich euch aber dieſe meine
Geſelſchafft dar/ umb nachzuſinnen/ ob jemand unter ihnen allen ſey (dann wir ſind Gott
Lob/ alle eines Chriſtlichen Glaubens) von dem ihr ſolchen gottloſen teufliſchen Sinn euch
auch nur vermuhten koͤntet/ und hoffe zu meinem Gott/ er werde den boßhafftigen Pfaffen
auff ihren Kopff vergelten/ was ſie mir zugerichtet/ und ihnen doch/ Gott ſey ewig Lob/ nit
hat gelingen muͤſſen; dann ich vor mein Haͤupt bin ganz nicht willens/ mich im geringſtẽ
an ihnen zuraͤchen/ weil ich dem/ der uͤber alles herſchet/ vorlaͤngſt ſchon alle Sache und
Rache befohlen und heimgeſtellet habe. Hierauf fing Baldrich an: Ja mein Herr Bru-
der; freylich hat das teufliſche Pfaffengeſchmeiß alle Luͤgen-mittel hervor geſuchet/ Eure
Liebe bey unſern geliebten Eltern ſchwarz und verhaſſt zumachen/ und kenne ich die Red-
lensfuͤhrer ſehr wol/ denen mit der Huͤlffe Gottes kan gelohnet werden. Koͤnig Ladiſla
miſchete ſich mit ein/ und fing alſo an: Großmaͤchtigſter Groß Fuͤrſt/ Gn. Herr Vater;
ich erinnere mich/ was Geſtalt ich der erſte geweſen bin/ der Euer Liebe meines Her-
kules Chriſtentuhm zuwiſſen gemacht/ und ſeine Schreiben von Rom uͤbergeſchicket/
auch dazumahl groſſes mißfallen an ſolcher ſeiner Enderung getragen; aber niemahls ha-
be ich
[537]Siebendes Buch.
be ich mir einbilden koͤnnen/ daß ſeine Tugendhaffte Seele einen ſolchen Glauben ſolte an-
genommen haben/ in welchem man zu allen Laſtern Freiheit ſuchete und fuͤnde; dann ich
bin ſeines Lebens und Wandels beſter Zeuge; ſo gedenke mein Herr Vater nicht/ daß die-
ſer ſein Sohn/ den alle Welt liebet und ehret/ deswegen nach ſeinem Vaterlande verlangẽ
getragen hat/ daß er dereins die Herſchafft daſelbſt uͤberkaͤhme/ wiewol er von Gottes und
Rechtswegen der billiche Erbe iſt/ dafern er uͤberleben ſol; ſondern bloß die Begierde ſeine
Eltern zuſehen/ und deren Wolfahrt zuſuchen/ hat ihn uͤber Meer und Land geführet/ da er
ſonſt das trefflichſte Fuͤrſtentuhm Morgenlandes/ nehmlich Suſiana wol beſitzen moͤchte/
in welchem mehr Goldguͤlden/ als in Teutſchland Pfennige zuheben ſind/ welches ihn auch
ſo lange er lebet/ vor ſeine Obrigkeit erkennen/ und ihm jaͤhrlich und alle Jahr/ drey Toñen
Goldes uͤbermachen wird/ ob er ſich gleich deſſen zuentbrechen/ aͤuſſerſte Bemuͤhung an-
gewendet hat. Und wann gleich dieſes nicht waͤhre/ ſo ſtehet ihm zu Rom der gleichmaͤſſi-
ge Gewalt- und Ehren-Stuel neben dem Kaͤyſer ſchon fertig/ wann er ſich nur darauff
ſetzen wolte. In betrachtung deſſen alles/ wolle nun mein Herr Vater den Unwillen gegen
ſeinen Sohn gaͤnzlich fallen laſſen; da er auch durch falſche Verleumdungen hintergan-
gen iſt/ wiꝛd er mit Gottes Huͤlffe erfahren/ wann er meinem und der ganzen erbaren Welt
Zeugniß nicht glaͤuben kan/ was vor einen Sohn er allen from̃en zum beſten an dieſe Welt
gezeuget hat. Der Groß Fuͤrſt hatte dieſe ganze Zeit über ſich des Koͤniglichen Anſehens
ſehr verwundert/ welches Ladiſla zuhalten wuſte/ hoͤrete auch aus ſeinen ernſtlichen Reden/
daß ihm ſein Vorbringen von Herzen ging/ und antwortete ihm alſo: Großmaͤchtigſter
Koͤnig/ geliebter Herr Sohn; es iſt nicht ohn/ daß mein Vaterherz aus Mißverſtand mei-
nem Sohn der Gebuͤhr nicht begegnet iſt/ aber bloß aus Furcht der Goͤtter/ deren Ehre ein
jeder Menſch ihm billich laͤſſet angelegen ſeyn/ als lange er ſie vor Goͤtter achtet. Meinen
Sohn habe ich nie vor einen Freund der Laſter gehalten/ aber wol dieſelben/ welche ihn zu
dem neuen Glauben verleitet/ weil man mirs dazumahl einmuͤhtig alſo vorgetragen hat/
und ich deſſen nunmehr viel eines andern berichtet werde. Nun kan ich zwar den begange-
nen Irtuhm nicht allerdinge entſchuldigen/ dann ich haͤtte der bloſſen Anklage und Ver-
leumdung nicht ſollen alsbald Gehoͤr geben/ ſondern der Verantwortung erwarten; je-
doch kan mein Fehler/ wie ich meyne/ leicht verbeſſert/ und das unterlaſſene erſetzet weꝛden.
Vor dißmahl hat meine Seele ihre voͤllige Vergnuͤgung/ daß der guͤtige Gott mir meine
Soͤhne/ Toͤchter und Anverwanten auff einmahl hat wollen zuſchicken/ von denen ich mei-
nete/ keinen nimmermehr wieder zuſehen; Inſonderheit aber/ und vor allen andern/ bin
Euer Liebe ich hoch verpflichtet/ daß dieſelbe meinem lieben Sohn Herkules ſo getraͤue
Geſelſchafft/ und ein beſſer Herz/ als ſeine Eltern ſelbſt/ hat erzeigen wollen/ werde mich
auch aͤuſſerſt bemuͤhen/ es nach allem Vermoͤgen zuerſetzen. Nachdem es aber ſehr ſpaͤte
iſt/ wil mir nicht gebuͤhren/ Eure Liebden ingeſamt von der Ruhe noch laͤnger auffzuhalten/
in betrachtung/ ſie heut in der Schlacht ihre volle Arbeit gehabt/ und ich ſelbſt deren in et-
lichen Nachten ſehr wenig genoſſen/ ich auch nicht glaͤuben kan/ daß in 24 Stunden eini-
ger Schlaff in ihre Augen kommen ſey; uͤberdas werden wir geliebts Gott morgen zeitig
gnug beyde Haͤnde vol zurahten und zuſchaffen finden. Dem Frauenzimmer wahr ſolche
Erlaſſung nicht unangenehm/ und begab ſich ein jeder nach ſeinem Schlaffzelte/ die Ruhe
y y yeinzu-
[538]Siebendes Buch.
einzunehmen/ wiewol die Groß Fuͤrſtin ihrer lieben Tochter wegen die ganze Nacht ſchlaf-
loß blieb/ und ihrer Traͤhnen nicht ſchonete.


Inzwiſchen lag dieſes Fraͤulein mit ihrem lieben Fuͤrſten auff dem Haͤu in groſſer
Herzens Angſt/ und haͤtte ohn Zweiffel vergehen muͤſſen/ wann der verliebte und nunmehr
zimlich befriedigte Arbianes ſie nicht mit allerhand Troſt Reden geſtaͤrket haͤtte. Dann die
auß geſchikten Reuter gingen ſchier die ganze Nacht/ und kahmen vier unterſchiedliche
Hauffen an/ da einer in der Guͤte/ der ander mit pochen wiſſen wolte/ ob nicht die in Him-
melblau gekleidete Jungfer des weges hergefuͤhret waͤhre/ aber von Wolffgang alle einer-
ley Beſcheid bekahmen/ woruͤber dem lieben Fraͤulein der Schlaff bald verging/ daß ſie zu
Abianes ſagete; ach mein teurer Schatz/ huͤlffen uns doch die Goͤtter nur auß dieſer Ge-
fahr/ alsdann wolte ich an weiterem gluͤklichen Verfolg nicht groß zweiffeln. Hingegen
ſtellete er ſich geherzt und baht ſehr/ ſie moͤchte ihr doch gefallen laſſen/ ein ſtuͤndichen oder
etliche zuſchlaffen/ damit ſie durch Muͤdigkeit an der kuͤnfftigen Reiſe nicht verhindert
wuͤrde; worin ſie ihm endlich gehorchete/ legete ſich neben ihn/ wickelte die Kleider feſt um
ſich/ und ſchlieff immerhin biß an den lichten morgẽ. Ehe dañ deꝛ Tag anbꝛach/ trat Wolf-
gang zu Arbianes/ und ſagete in aller ſtille zu ihm; er fuͤrchtete ſehr/ die Jungefrau wuͤrde
in ihren ſchoͤnen Kleidern ſchwerlich durchkommen/ es lieſſen ſich im Felde hin und wie-
der zuſtreuete Voͤlker ohn Waffen ſehen/ als ob ſie fluͤchtig waͤhren/ welche dann der Beu-
te am meiſten pflegeten nachzutrachten/ daher hielte ſein alter Vetter vor rahtſam/ daß er
Pferd und Harniſch nach der Stad braͤchte/ und daſelbſt ſchlechte Buͤrger Kleider entleh-
nete/ in welchen ſie den geringen Weg zu Fuſſe gingen/ welcher in anderthalb Stunden
wol koͤnte geendiget werden; würden demnach dieſen Tag ſich alhier auffhalten muͤſſen/
biß gegen Abend/ dann wolte er ſie im langen Korn biß vor die Stad bringen/ da ſie nach-
gehends keine Gefahr mehr zufürchten haͤtten. Arbianes lies ihm den Vorſchlag wolge-
fallen/ reichete ihm 20 Kronen/ davon er alte Kleider und gute friſche Speiſen bezahlen
ſolte/ und legete ſich noch eine Stunde ſchlaffen/ biß die Sonne am klaꝛen Himmel ſchiene/
und durch den offenen Giebel ihre Strahlen auff ſie warff/ wodurch ihm der Schlaff ge-
brochen ward/ daß er ſich recht gegen ſein Fraͤulein ũberſetzete/ und die volkom̃ene Schoͤn-
heit ihres Angeſichts betrachtete/ deſſen er ſo eigentlich noch nicht wahr genomen hatte.
Das Bruſtbildichen ſtellete erneben ſie/ umb zu erforſchen/ ob es eigentlich getroffẽ waͤh-
re/ da er als ein Kunſtverſtaͤndiger einẽ zimlichen Mangel befand/ dann die lebendige Far-
be ihres zarten Angeſichts wahr ungleich ſchoͤner als des Gemaͤldes/ daß er endlich anfing:
O du allerſchoͤnſtes Engelchen/ iſt dann nur Boͤhmen und Teutſchland ſo gluͤkſelig/ die
volkommene Zier hervor zubringen/ ſo muß ich ja billich von den gluͤkſeligſten mich mit
rechnen/ daß ich in Teutſchland kommen/ und ſo hohe Gunſt und Liebe bey dieſem wunder-
ſchoͤnen Fraͤulein erhalten habe. Das Fraͤulein erwachete/ da er dieſe Rede anhuhb/ ſtelle-
te ſich doch als ſchlieffe ſie/ um zuvernehmen/ was vor eine Endſchafft er ſeinem Wunſche
geben wuͤrde; da er alſo fort fuhr: O mein Gott/ wie ſol ich doch der unvergleichlichen
Groß Fuͤrſtin Valiſka gnug danken/ daß ſie mein Herz auffgemuntert/ und die Kuͤhnheit
in mich gebracht hat/ um dieſes allerſchoͤnſte Tugend ergebene fromme Fraͤulein zuwerbẽ/
der ich mir ſonſt vorgenommen hatte/ mich in meiner verborgenen Gluht ſelber zuverzeh-
ren/
[539]Siebendes Buch.
ren/ und dieſes Gemaͤlde/ welches doch den tauſendſten Teil an ihre Schoͤnheit nicht rei-
chet/ Zeit meines wenigen uͤbrigen Lebens zuverehren. O aller liebreichſtes Fraͤulein/ wann
wird die hoͤchſt gewuͤnſchete Stunde erſcheinen/ da an dieſer volkommenen Schoͤnheit/
nach ſo langen unaußſprechlichen Liebes Schmerzen/ in zuͤchtiger ehelicher Liebe und ver-
gnuͤgung ich mich erſaͤttigen werde? er wolte weiter reden/ aber das Fraͤulein/ welche ohn
das ſehr mitleidig wahr/ kunte ihm ohn Bewaͤgung laͤnger nicht zuhoͤren; ſo hatte ſie auch
ihren lieben Fuͤrſten noch nicht recht beſchauet/ wie er ungeharniſcht von Leibe und Ange-
ſicht eigentlich geſtaltet waͤhre/ ſchlug deßwegen ihre klare Augelein auff/ und empfand
wegen getahner ehelichen Zuſage nicht geringe Schahm im Herzen. Als ſie ihn nun in ſei-
ner duͤnnen Kleidung vor ſich in den Knien ſitzen/ und das Gemaͤhlde in der Hand halten
ſahe/ richtete ſie ſich auff/ daß ſie gegen ihn zuſitzen kam/ und nach Wuͤnſchung eines froͤli-
chen morgens ruͤhmete ſie/ wie ſanfft und wol ſie nach außgeſtandenem Schrecken auff
dieſem Haͤu geſchlaffen haͤtte/ auch ſonſten ſich ſehr wol befuͤnde. Aber mein Hochwerter
Fuͤrſt/ ſagte ſie mit einem freundlichen Anblik/ hat auch Eure Liebe etwas Ruhe gehabt?
ach in was groſſe Sorge/ Angſt und Gefahr iſt er doch meinet wegen gerahten/ da ſonſt/
wann ich nicht waͤhre/ er in ſeinem trefflichen Großfuͤrſtentuhm wol ruhig und ſicher ſitzẽ/
und aller zulaͤſſigen Wolluſt genieſſen moͤchte. Hierauff ſetzete er ſich zu ihr an die Seite/
umfing ſie mit inniglichen kuͤſſen/ daß ſie ihm einzureden nicht umhin kunte/ hernach ant-
wortete er ihr alſo: O Sonne aller Schoͤnheit/ O einiger Glanz und waͤrmender Strahl
meiner Seele! ſchaͤtzet mein Fraͤulein mich dieſe Stunde vor ungluͤkſelig/ in welcher ich
der allergroͤſſeſten Wolluſt genoſſen/ und das volkommene Meiſter Stuͤk des guͤtigen Him-
mels/ an der Vortreffligkeit ihres wunderſchoͤnen Angeſichts betrachtet habe? Mein See-
len Schaͤtzchen/ glaͤubet mir/ daß mein Herz in groͤſſerer Freude niemals geſchwebet hat.
Mein Fraͤulein/ ihr/ ihr ſeid mein Großfuͤrſtentuhm; ihr ſeid meine ſichere Wolluſt/ und
die einzige Ruhe aller meiner auffwallenden Gedanken/ ohn welche nach dieſem ich keine
Stunde werde ruhen koͤnnen. Ja hette der Himmel Eure Liebe gleich im nidrigen Baurẽ
Stande laſſen gebohren werden/ und nur dieſes Huͤtlein ihr eigentuhm waͤre/ wolte ich
mein Mediſches Groß Fuͤrſtentuhm gerne damit vertauſchen/ und mich zum Haußknech-
te hieher vermieten/ nur daß ich der allerdurchdringendeſten Strahlen dieſer voll-ſchoͤnen
Augelein (die Er zugleich küſſete) in meiner Seele empfinden/ und gegenwaͤrtig genieſſen
moͤchte. Die innigliche Liebe wolte ihm nicht mehr worte goͤnnen/ ſondern er ſaß als ein ge-
hauenes Bilde mit unverwendeten Angen/ dem allerſchoͤnſten Angeſichte ſeiner Herzgelie-
beten Fraͤulein gerade entgegen; wodurch das keuſche fromme Herz durch mitleiden der
Geſtalt bewogen ward/ daß ſie ſelbſt wuͤnſchete/ ſchon bey ihren Eltern zuſeyn/ damit ſie ſei-
ne Seele in keuſcher ehelicher Liebe voͤllig befriedigen koͤnte; vor dißmahl aber boht ſie ihm
einen zuͤchtigen Kuß/ legte ihr Haͤupt an ſeines/ ſtreich ihn mit der zarten Hand uͤber ſeine
Augen und Angeſicht her/ und ſagete; ihr mein ehren hoͤchſtgeliebeter Fuͤrſt und Erretter/
was finden doch eure Augen an mir ſonderliches/ welches eine ſolche unerhoͤrete Liebe in
eurem Hochfuͤrſtlichen Herzen erwecken ſolte/ daß ihr um meinet Willen den Groß fuͤrſtli-
chen Stand verlaſſen/ und in baͤuriſcher Knechtſchafft euch zubegeben einwilligen woltet?
vielleicht hat Libuſſa Eueꝛ Liebe etwas von mir erzaͤhlet/ welches ſich doch im wenigſten bey
y y y ijmir
[540]Siebendes Buch.
mir nicht finden laͤſſet; es ſey aber wie ihm wolle/ ſo befinde ich mich nicht allein unwirdig
ſolcher gar zugroſſer Liebe/ ſondern auch hart verpflchtet/ dieſelbe nach aͤuſſerſtem vermoͤgẽ
mit allem Gehorſam/ und was meinem Fuͤrſten kan behaͤglich ſeyn/ zuerſetzen/ deſſen ich
auch/ ſobald wir bey den lieben meinigen ankommen werden/ mich in keinem begehreten
und mir zuleiſten moͤglichen Stuͤcke entbrechen wil. Arbianes hatte ſich wieder erhohlet/
zog das Fraͤulein auff ſeine Schoß/ und betrachtete ihr Angeſicht mit ſonderlicher An-
muht; hernach erinnerte er ſich ihrer Reden/ daß ſie ſich vor unwirdig ſo groſſer Liebe ge-
ſcholten haͤtte/ und beantwortete es folgender Geſtalt/ in dem er ſie immer ſteiff anſahe; O
du unvergleichlicher Pracht aller Schoͤnheit/ ſagete er; ja du volkommenes Muſter der
jungfraͤulichen Tugend und Wirden; koͤnnet ihr beyde zugleich der Zungen es ſo gar unge-
ſtraffet hingegen laſſen/ daß ſie ſich an euch ſo hoch vergreiffet/ und eure Wirdigkeit in
zweiffel zihen darf? mein loͤbliches und liebliches Seelichen/ hoͤret auff/ euch ſelbſt zuverach-
ten/ und gebet nicht Urſach/ daß ich etwas an euch haſſen ſolte/ welches mir doch unmoͤg-
lich iſt/ glaͤubets bey meinem aͤide/ daß es meinem Herzen lauteꝛ toͤdliche Stiche ſind/ wann
ich ſolches anzuhoͤren gezwungen werde/ daß ihr unbarmherziger Mund wider die herliche
Volkommenheiten wütet; laſſet/ bitte ich/ die Warheit meiner Reden frey gehen/ und ta-
delt nicht/ was Gott ſelbſt uͤber andere weit erhoben hat. Was ſolte mir Libuſſa vorge-
ſchwaͤtzet haben? zwar ich laſſe ſie in ihren Wirden/ als eine adeliche verſtaͤndige Frau/
aber von meiner Liebe hat auſſer meiner Fr. Schweſter kein einiger Menſch ein Wort auß
meinem Munde gehoͤret/ auch Groß Fuͤrſt Herkules ſelber nicht. Ach mein teurer Fuͤrſt/
antwortete ſie; eben als wann auff dieſem unachtſahmen Haͤu ich mich von ihm zu ſol-
chem Stolze wuͤrde auffblaſen laſſen/ daß ich mich wirdigſchaͤtzete/ um deret Willen wol
Großfuͤrſtliche Herren zu Bauer Knechten gedeien ſolten; nimmermehr wird mein
Schaz ein ſolches bey mir erhalten/ ungeachtet ich mich ſchon zu allem moͤglichen Gehor-
ſam/ wie billich/ verbund[en] habe; dann ein ſolches wuͤrde mich unwirdiger machen/ als
kein Ding in der Welt; aber wie mein Fuͤrſt; werden wir uns nicht ſchier zur Reiſe fertig
machen/ oder muͤſſen wir den ſtarken Graſe Geruch uns noch heut den ganzen Tag unſer
Haͤupter fuͤllen laſſen? Arbianes erzaͤhlete ihr was geſtalt ſie vor abends wegen Unſicher-
heit nit auffbrechen duͤrften/ würden auch ihre Kleider mit bürgerlicher ſchlechter Tracht
verwechſeln muͤſſen/ damit ſie ohn angefochten in die Stad kaͤhmen. Ach ach! antwortete
ſie/ es waͤhre alles wol angelegt/ wann nur meine wenige Schoͤnheit/ wie geringe ſie auch
iſt/ mich nicht verrahten moͤchte/ daß ich etwas mehr als Buͤrger-Standes bin. Darauff
habe ich mich bey Zeiten geſchikt/ ſagte er/ und mit einem Kunſtpulver mich verſehen/ da-
mit ich mein Fraͤulein unkaͤntlich gnug machen/ und der Farbe nach/ ſie wie ein heßliches
Bauren-Maͤgdlein zurichten wil/ daß ihre Eltern ſelbſt ſie nicht kennen ſollen; nur ſcheue
ich mich/ ihrer außbuͤndigen Schoͤnheit dieſen Schimpf anzulegen/ und moͤchte die Son-
ne am Himmel ſelbſt auff mich zuͤrnen/ daß ich ihr das anſchauen eurer trefflichen Zierde/
durch dieſen Nebel entzihen wolte. Ach nein ach nein mein Fuͤrſt/ antwortete ſie/ wie wuͤr-
de ich ihm hernaͤhſt in ſolcher heßlichen Geſtalt gefallen koͤnnen? hat Eure Liebe eine zimli-
che vergnuͤgung an meiner wenigen Schoͤnheit/ ſo beraube er mich derſelben nicht/ es ſey
dann daß die unvermeidliche Noht es erfodern wuͤrde. Der Fürſt merkete ihren Irtuhm/
und
[541]Siebendes Buch.
und ſagete; ſolte ich ihrer Schoͤnheit Abbruch zutuhn mich unterſtehen koͤnnen? ehe muͤſte
meines Lebens Fadem ſelbſt gebrochen werden. O nein nein mein Fraͤulein/ dieſe Meinung
hat es durchauß nicht; ſondern mein Pulver ſtreichet ihr eine heßliche Farbe zwar an/ aber
die ich/ wann michs geliebet/ abwiſchen und vertreiben kan. Ey das waͤhre ein gutes mit-
tel durchzukommen/ antwortete ſie/ daß wir aber die lange Zeit vertreiben moͤgen/ ſo wolle
mein Fuͤrſt/ bitte ich/ mir unbeſchweret erzaͤhlen/ wie mein lieber Bruder Baldrich zu ſo
ſchleuniger Heyraht kommen ſey/ und was vor ein Fraͤulein er gefreyet/ dann ich erinnere
mich/ daß er geſtriges Tages ſeiner Gemahl gedacht hat. Arbianes wahr ihr hierin ger-
ne zugefallen/ wiederhohlete alle begebniſſen zu Padua/ und mifchete zugleich Siegwards
Heyraht ein; wodurch ſie die Zeit biß an den Mittag verzehreten/ da Wolffgang wieder-
kam/ gute Speiſe und Trank in einem Trage Korbe neben alter Kleidung herzubrachte/
auch dabey berichtete/ es ſtreiffeten hin und wieder Wendiſche und Frieſiſche Reuter/
mehꝛenteils haꝛt veꝛwundet/ welche einhellige Zeitung bꝛaͤchten/ die Sachſen und Boͤhmẽ
haͤtten ihr ganzes Heer erleget und den alten Wendiſchen Fuͤrſten im Streite lebendig
gefangen/ daß zubefuͤrchten ſtuͤnde/ es wuͤrde gantz Frießland und andere einverleibete
Landſchafften in ihre Gewalt gerahten. Ey Gott Lob/ ſagete das Fraͤulein/ ſo wird der gott-
loſe Raͤuber zweifels ohn mit dem Halſe bezahlen muͤſſen. Schwerlich kan ich ſolches
glaͤuben/ antwortete Arbianes/ wofern er ſonſt nur demuͤtig ſeyn/ und zum Kreuz kriechen
kan; dann Groß Fuͤrſt Herkules und ſein Gemahl ſind viel zu barmherzig/ und ihren aͤr-
geſten Feinden zuvergeben ſo willig/ als boßhafftig jene immer ſeyn moͤgen/ ſie zubeleidigẽ/
deſſen ich ſo mannichen Beweiß mit meinen Augen angeſehen/ daß jederman ſich über ſol-
che Gelindigkeit zum hoͤchſten verwundern muß. Ey ſo wuͤnſche ich dem verwaͤgenen
Menſchendiebe ein auffgeblaſenes trotziges Herz/ ſagte ſie/ daß er nicht ungeſtrafft uñ mit
dem Leben davon komme/ er duͤrffte ſonſt dereins gelegenheit ſuchen/ ſein Schart wieder
auszuwetzen/ und moͤchte der lezte Betrug wol aͤrger werden als der erſte. Ich wil nicht
hoffen/ antwortete er/ daß wir uns deſſen vor ihm werden zubefuͤrchten haben/ dann zum
wenigſten wird man ihm die Finger dergeſtalt beſchneiden/ daß er des kratzens nicht mehr
machen kan; nur moͤchte ich wol wiſſen/ wie ſeines Sohns Tod ihm gefallen werde. Sehr
lieb/ ſehr angenehm wird ihm derſelbe ſeyn/ antwortete ſie; dann uͤber einem Raub/ der ih-
rer/ dem Himmel ſey Dank/ keinem beſcheret wahr/ entſtund eine ſolche unverſoͤhnliche
Feindſchafft zwiſchen Vater und Sohn/ daß wo meine Bruͤder und Freunde dieſe ſchei-
dung nicht gemacht haͤtten/ wuͤrden ſie auſſer allem Zweifel ſich unter einander auffgerie-
ben haben/ maſſen aus des Sohns Munde ich ſelbſt gehoͤret/ es muͤſte ihm ſein Vater in
der Liebe/ oder durch den Tod weichen/ oder aber er wolte ſeinen Kopff dran ſtrecken. Es
verließ ſich aber dieſer auff der gemeinen Kriegsknechte und der Haͤuptleute Gunſt und
Beiſtand/ welche er als einen Mann auff ſeine ſeite gebracht hatte; hingegen verfuhr der
Vater mit Troz und Verwaͤgenheit/ welcher/ nach meines Herr Vaters Meynung/ den
Sohn in kurzer friſt mit eigener Fauſt erwuͤrgen/ oder durch einen Meuchelmoͤrder es
verrichten wuͤrde. Ich vernehme/ ſagte Arbianes/ der Sohn ſey ſchon einmal mit meinem
Fraͤulein auff der Flucht geweſen/ und wieder eingehohlet worden. Ja/ antwortete ſie; ſo
bald er auff der Reiſe verſtund/ daß ſein Vater ſelbſt willens waͤhre/ mich zuheirahten/ ſu-
y y y iijchete
[542]Siebendes Buch.
chete er gelegenheit/ mir ſolches zuoffenbahren/ nebeſt dem Vorſchlage/ dafern ich ſein Ge-
mahl mit gutem Willen werden wolte/ haͤtte er ein Mittel erdacht/ mich davon zubringen;
welches mein Vater mit einer zweifelhafften Zuſage beantwortete/ und von ihm die aͤidli-
che Verheiſſung nam/ daß er mich/ ehe wir ingeſamt in voͤllige Freiheit geſetzet waͤhren/ nit
beruͤhren wolte. Worauff er zwar mit mir davon ging/ des Vorſatzes/ mich in der Roͤmer
Gebiet hinzufuͤhren/ aber er ward von ſeines Vaters Leuten zu früh ausgekundſchaffet/
und zuruͤk gehohlet. Wir werden uns aber vor dißmahl in ſolchem Geſpraͤch maͤſſigen/ uñ
uns an die Speiſen machen/ weil es hohe Zeit iſt/ das Mittagsmahl einzunehmen. Er ließ
ſich darzuleicht bereden/ legte dem Fraͤulein vor/ und aſſen mit gutem Luſt; Hernach ſetze-
ten ſie allerhand Unterredungen fort/ biß es zeit wahr/ ſich zu der Reiſe oder Wanderſchaft
fertig zumachen.


Unſere Fuͤrſtliche Geſelſchaft feirete deſſelben Tages auch nicht/ dañ ſo bald der Tag
anbrach/ ward zu allererſt durch das ganze Lager ausgeruffen/ daß der Groß Fuͤrſten aͤlte-
rer Sohn/ Fuͤrſt Herkules aus der Fremde wieder zu Lande geſchlagen/ und bey der Fürſt-
lichen Verſamlung ſich befuͤnde/ waͤhre eben der ertichtete Perſiſche Geſanter/ Valikules/
unter angenommener fremder Geſtalt/ welcher die Schlachtordnung geſtellet/ die Voͤlker
an den Feind gefuͤhret/ und durch ſeine Tapferkeit die uͤberwindung erhalten haͤtte; und ob
dieſer trefliche Held gleich vor dieſem bey ſeinem Herr Vater waͤhre angetragen/ als ob er
einen ſchaͤndlichen Glauben angenommen/ der Tugend abg[e]ſaget/ und ein Feind aller Er-
barkeit/ des Vaterlandes/ und der Teutſchen Freyheit word[en] waͤhre/ ſo haͤtte doch ſein H.
Vater nunmehr das Wiederſpiel gnugſam erfahren/ und d[ah]er dieſen ſeinen lieben Sohn
gerne und willig zu Gnaden auff und angenommen/ welche[r ]hingegen ſich gnug und uͤber-
gnug verpflichtet/ ſeine unverſchuldete Veꝛleumdung/ als welche aus unwiſſenheit/ und fal-
ſchem Geſchrey entſtanden/ an keinem einigen Menſche[n]zuraͤchen/ ungeachtet ihm ſehr
wol bewuſt waͤhre/ daß ihrer gar wenig Urſach und Sch[ul]d daran truͤgen/ denen doch ohn
Nachfrage ſolte verzihen und vergeben ſeyn. Dieſen R[ah]t gab Herkules ſelbſt/ damit die
anweſende Pfaffen/ die ſich bey dem Heer funden/ keinen [A]uffſtand ſeinetwegen erwecken
und aus furcht der Straffe uneinigkeit machen ſolten. Das Heer/ welches gleich umb er-
laͤubnis zur Plunderung anhielt/ erfreuete ſich dieſer Zeitung ſehr/ inſonderheit die gemei-
nen Knechte/ als denen wol bekant wahr/ was geſtalt Herkules vor acht Jahren die Ge-
waltſamkeit etlicher aͤdlen von ihnen abgekehret/ und ſie in gute Freyheit geſetzet hatte/ ſtel-
leten ein groſſes Freudengeſchrey an/ Unſer junge Groß Fuͤrſt Herkules lebe; und begehreten
untertaͤhnig/ daß er ſich ihnen zeigen moͤchte/ als welchen ſie vor ihren Erloͤſer hielten/ und
ihn in langer Zeit nicht geſehen haͤtten. Er wahr hierzu willig/ ritte neben ſeinem H. Vater
und Bruder Baldrich hinaus/ da ihnen alle Voͤlker entgegen jauchzeten/ er aber nach ge-
gebenem Wink/ daß er gerne von ihnen moͤchte gehoͤret ſeyn/ alſo anfing: Ihr aͤdle und freie
Teutſchen alhie verſamlet; was vor herzliche Vergnuͤgung ich an eurem guten Willen
trage/ kan ich mit Worten nicht ausſprechen; glaͤubet mir aber/ als einem redlichen Ritter
und gebohrnen Teutſchen Fuͤrſten/ daß ich nimmermehr unterlaſſen werde/ vor das Va-
terland und die Teutſche wolher gebrachte/ und bißher loͤblich erhaltene Freyheit/ wieder
alle und jede Feinde/ Roͤmiſche und Unroͤmiſche zu fechten/ und aller deren Anfal und feind-
ſeligkeit
[543]Siebendes Buch.
ſeligkeit abzutreiben/ als lange ich einen warmen Blutstropffen bey mir verſpuͤre. Ich bin
noch niemahls meines Vaterlandes oder der der Teutſchen Feind worden/ deſſen ich mein
Gewiſſen/ und denſelben Gott zum zeugen nehme/ welcher Himmel und Erden beherſchet;
wie auch die wenig Teutſchen/ ſo mit mir aus den fremden Laͤndern wieder zu Hauſe ange-
langet/ und ſich unter euch befinden/ bezeugen werden. Darumb ſo bleibet auch ihr hinwie-
derumb beſtaͤndig/ und eurem Groß Fuͤrſten/ meinem Gn. Herr Vater/ auch uns ſeinen
beyden Soͤhnen getraͤu/ als angebohrnen Untertahnen in ihrer ungeſtoͤreten Freyheit ge-
buͤhret/ und verſichert euch/ daß ihr an uns dreyen habet/ welche vor euer Heyl und Wol-
fahrt ihr Blut zuvergieſſen/ und ihr Leben in die Schanze zuſchlagen ſich nimmer wegern
werden. Der alte Groß Fürſt fing darauff an: Ihr meine redliche auffrichtige Teutſchen/
und liebe getraͤue; in dieſem Ritterzuge habt ihr mir eurem Groß Fuͤrſten euer Herz dar-
gelegt/ und augenſcheinlich ſehen laſſen/ wie feſt ihr mir anhanget und zu meiner Rettung
geflieſſen geweſen ſeid/ welches euch mit allen vaͤterlichen Gnaden ſolvergolten werden.
Dieſen meinen Sohn Herkules hat mir der Himmel wieder zugeſchikt/ welchen ich frey
und unſchuldig finde aller falſchen und luͤgenhaftigen aufflagen/ deren ihn etliche haben zei-
hen wollen/ welches weil es aus unverſtand und unwiſſenheit geſchehen iſt/ ſol ihnen noch-
mahls durchgehend verzihen ſeyn; vor dißmahl gehet hin die Beute einzuſamlen/ welche
ihr geſtriges Tages durch eure ſieghaften Faͤuſte habt erſtritten; inzwiſchen werden wir
daſſelbe abzuhandeln vornehmen/ was zu unſers Teutſchen Reichs Wolfahrt/ Ehre und
Auffnahme dienet. Es erhub ſich abermahl ein groſſes Freudengeſchrey/ welches ſehr wuͤ-
ſte durcheinander ging/ und machte das Heer ſich darauff nach der Wahlſtat/ da ſie mehr
bey den Erſchlagenen funden/ weder ſie gehoffet hatten. Die geſamten Fuͤrſten aber/ denen
Fr. Valiſka auff des alten Groß Fürſten begehren beywohnen muſte/ hielten Raht/ was
weiter wuͤrde vorzunehmen ſeyn/ da ſie einhellig ſchloſſen/ man ſolte gleich mit dem Heer in
Frießland gehen/ ſich aller feindtaͤhtligkeit enthalten/ und bey den Staͤnden des Landes ver-
nehmen/ ob ſie ſich gutwillig bequemen/ und einen von des Groß Fürſten Soͤhnen vor ih-
ren Koͤnig annehmen/ oder des wolbefugeten Kriegszwanges wolten gewaͤrtig ſeyn. Wüꝛ-
de das erſte ſtat haben/ alsdann ſolten des Landes ſchwere aufflagen alſobald und wirklich
abgeſchaffet/ und alle Inwohner ein ganzes Jahrlang aller gewoͤhnlichen Schatzung er-
laſſen ſeyn; ihre Gerechtigkeiten ſolten beſtaͤtiget/ die Zoͤlle geringert/ die Frohndienſte aufs
leidlichſte gemaͤſſiget/ uñ alles in den uhralten Stand geſetzet werden. Im wiedrigen wuͤr-
den ihre Doͤrffer verbrennet/ ihre Staͤdte verſtoͤret/ ihre Guͤter geraubet/ die Weibsbilder
geſchaͤndet/ ſie ſelbſten in harte Dienſtbarkeit hinweggefuͤhret/ und das Land mit neuen In-
wohnern beſetzet werden/ weil ohn alle gegebene Urſach/ ſie den mit ihrem lezten Koͤnige
auffgerichteten Frieden gebrochen/ indem ſie mit dem Wendiſchen Erzraͤuber ihre Macht
zuſammen geſetzet/ nicht allein der ſchaͤndlichen Entführung/ ſondern auch der Schlacht
beygewohnet/ und alle feindliche bezeigung vorgenommen haͤtten. Nach gemachtem die-
ſen Schluſſe ward umbgefraget/ was mit dem gottloſen Raͤuber Krito würde vorzuneh-
men ſeyn; da Herkules vor gut anſahe/ dz der Bube Niklot allererſt vorgenom̃en/ und nach
befindung geſtraffet wuͤrde/ welches in des alten Groß Fürſten abweſenheit geſchahe/ als
welcher ihn ſeines auſchauens nicht wirdigen wolte. Als derſelbe vor dieſes Hochfuͤrſtli-
che
[544]Siebendes Buch.
che Gericht geſtellet werden ſolte/ begehrete er zuvor verguͤnſtigung/ mit ſeinem gefangenẽ
Fuͤrſten zu reden/ welches alle Fuͤrſten ihm zu wegern willens wahren/ ohn daß Ladiſla riet/
man koͤnte ihm ſolches goͤnnen/ jedoch daß es in Leches und Prinſla gegenwart geſchehen
ſolte. So bald Niklot zu ſeinem Fuͤrſten nahete/ empfing derſelbe ihn alſo: Sihe da mein
lieber getraͤuer/ ſind wir alſo beyderſeits unter der Feinde Ketten und Banden gerahten?
es iſt mir ſehr lieb/ daß du zu mir komſt/ nach dem ich ein und anders in dieſem Unfal mit
dir zubereden habe; ihr beyden aber/ ſagte er zu Leches und Prinſla/ tretet mit der übrigen
Wache etwas ab/ damit ich dieſem meinen Getraͤuen anzeigen moͤge/ was meinetwegen
eurem Groß Fuͤrſten ſol vorgetragen werden. Wir ſind unter des gefangenen Wendi-
ſchen Fuͤrſten gehorſam nicht/ ſagte Leches/ ſondern bereit und ſchuldig unſern gnaͤdigſten
Herren zugebohte zuſtehen/ deren ausdrüklicher befehl iſt/ daß wann ſie miteinander reden
wollen/ ſolches laut/ und in unſer gegenwart geſchehen ſolle. Wil man mir verbieten/ mit
meinen Leuten zu reden? ſagte Krito/ daß wuͤrde ein unguͤtlicher handel ſeyn. Fuͤrſt Krito
hat keine Leute mehr/ antwortete Leches/ ſondern ſie ſind unter des Teutſchen Groß Fuͤrſtẽ
Gewalt; ſo haben wir uns daruͤber nicht zuzanken; befahl auch den Steckenknechten/ mit
Niklot wieder davon zugehen. Welcher aber alſo anfing: Mein Herr/ ſagte er zu Leches/
goͤnnet mir zuvor ein Wort mit meinem Gn. Fuͤrſten zu reden/ wie mir ſolches von euren
Gnn. Fuͤrſten erlaͤubet iſt. Wendete ſich hernach zu Krito/ und ſagete: Gn. Fuͤrſtuñ Herꝛ/
eure Hochfuͤrſtl. Durchl. weiß uñ ſihet/ wie ungluͤklich unſer Anſchlag gerahten iſt/ in wel-
chem ich mich als ein getraͤuer und gehorſamer Diener habe laſſen gebrauchen/ und nichts
uͤber Befehl getahn/ fuͤrchte aber ſehr/ man werde ſolches nicht anſehen/ ſondern allerhand
Urſachen/ mich hart zuſtraffen/ hervorſuchen; doch helffen die Goͤtter/ daß Eure Hoch-
Fuͤrſtl. Durchl. einen guten und ehrlichen Vergleich erhalten moͤgen/ alsdann wil ich
mit Freuden vor ihre Wolfahrt ſterben. Mein Kerl/ ſagte Leches/ ob du wuͤrdeſt ſterben
muͤſſen/ wird ſolches gewißlich nicht vor eines andern Wolfahrt/ ſondern wegen deines
befindlichen Verbrechens geſchehen/ wuͤrde euch auch beyderſeits die Demuht und An-
ruffung der Gnade viel zutraͤglicher ſeyn/ als ſolcher Stolz und eigene Rechtfertigung. Als
auch Leches des Wendiſchen Fuͤrſten weiteres Großſprechen nicht anhoͤren wolte/ eilete
er mit Niklot davon/ welcher als er vor die Verſamlung der Fuͤrſten trat/ fragete er ohn
einige Ehrerbietung/ ob ſich geziemete/ einen redlichen gefangenen Ritter und freyen Her-
ren des aͤdlen Wendiſchen Volkes mit Hundes Ketten zubelegen. Worauff Ladiſla ihm
antwortete: Du ſtolzer und verwaͤgener Tropff wirſt ohn mein erinnern wiſſen/ daß du
deine wolverdienete Ketten nicht als ein Ritter/ oder freier Herr/ wie du dich nenneſt/ ſon-
dern als ein gefangener Raͤuber/ Menſchendieb/ und Beleidiger eines groſſen freyen Fuͤr-
ſten traͤgeſt. Haſtu nun etwas einzuwenden/ welches dich von ſolcher kurzen aber ſehr har-
ten Anklage frey machen kan/ wird man dir mehr Gnade erzeigen/ als du gedenken magſt.
Ein Diener/ antwortete Niklot/ wann derſelbe tuht und verrichtet/ was ſeine hoͤchſte O-
brigkeit ihm aufleget und anbefihlet/ ſol und muß wegen ſeines Gehorſams vielmehr ge-
ruͤhmet/ als geſcholten werden/ woher wird man dann urſach finden koͤñen/ ihn zuſtraffen?
Wann ein Diener auff ſeines Herrn Befehl etwas gutes und loͤbliches verrichtet/ wieder-
antwortete Ladiſla/ iſt es lobens wert; aber die Bosheit und uͤbeltaht muß ſo wol an dem
Knechte/
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Knechte/ der ſie verrichten hilfft/ als an dem Herꝛn/ der ſie anſtifftet/ geſtraffet werden; wie-
wolman ſich hierüber mit dir einzulaſſen nicht geſinnet iſt/ ſondern weil du nicht leugnen
kanſt/ was vor groſſe und unverſchaͤmte Beſchimpfung du nichtwerter Tropf dem Groß-
maͤchtigſten herſchenden Groß Fuͤrſten der Teutſchen durch Verraͤhterey/ Meinaͤid/ und
ſchaͤndliche eigentaͤhtliche Beleidigung angetahn haſt/ ſoltu einen kurzen Abtrit nehmen/
und deiner wolverdienten rechtmaͤſſigen Urtel gewaͤrtig ſeyn. Er wolte in ſeiner Großpra-
lerey fortfahren/ fing auch ſchon alſo an: Ein redlicher Diener iſt ſeinem Herrn gehorſam
wider alle ſeine Feinde und Beleidiger; und weil der Sachſen Groß Fuͤrſt ſich als einen
ſolchen/ durch Unwerdhaltung der Heyraht mit ſeiner Fraͤulein Tochter/ gegen meinen
maͤchtigen Fuͤrſten. Aber es ward ihm alhie gebohten zuſchweigen/ und muſten die Haͤ-
ſcher mit ihm hinweg eilen/ da dieſer Bube noch wol uͤber Gewalt/ und Gehoͤrs Verwe-
gerung ſich beſchweren durffte. Die Fuͤrſten faſſeten eine geſchwinde Urtel in die Feder/
gingen davon/ und hinterlieſſen Neda/ dieſelbe dem gefangenen vorzuleſen/ und ohn Ver-
zug/ auch ungeachtet alles einwendens/ ſelbe an ihm zuvolſtrecken; Welcher dann den ge-
fangenen vor ſich foderte/ und ihm dieſen Todes Spruch vortrug: Demnach des Wendi-
ſchen Fuͤrſten Kriegs Bedieneter/ Nahmens Niklot/ nicht allein freiwillig geſtehet/ ſon-
dern es noch als eine lobwirdige Taht ruͤhmet/ daß er den herſchenden Groß Fuͤrſten aus
Teutſchland durch falſchen aͤidſchwuhr von ſeinem Schloſſe gelocket/ und wider verſpro-
chene Traͤue/ nebeſt ſeinem Gemahl und Frl. Tochter nicht ohn ſpoͤtliche Verhoͤnung ge-
faͤnglich angenommen/ auch ſeine Diener moͤrdlich erſchlagen/ und man uͤberdas gnugſa-
me Nachricht hat/ daß er ſolches unredliche Vorhaben nicht allein gut geheiſſen/ ſondern
es ſeinem Fuͤrſten ſelbſt an die Hand gegeben/ und deſſen alles ungeachtet gar keine De-
muht und Reue erſcheinen laſſen/ noch einige Gnade begehret/ Als ſol ihm auch das ge-
ſtraͤnge Recht ohn Gnade wiederfahren/ und ſein hohes Raͤuberiſches und Menſchendie-
biſches Verbrechen dergeſtalt eingebracht werden/ daß man ihn zwanzig Schrit von die-
ſer Gerichtsſtelle nach dem Lager zu/ lebendig ſpieſſen ſol/ und ſolches von Rechtswegen/
andern dergleichen gottloſen Buben zum Beyſpiel/ uñ ihm ſelbſt zur wolverdienten Straf-
fe. Der Raͤuber entſetzete ſich uͤber dieſer Urtel/ daß er zitterte und bebete/ dann er hatte ihm
nicht einbilden koͤnnen/ daß ihm ein haͤrteres als das Richt Schwert duͤrffte angemuhtet
werden. Zwar er wolte nunmehr anfahen ſich zuſtellen/ als waͤhre ihm ſein Verbrechen
leid/ und hielt umb Gnade an/ aber es wahr zu ſpaͤht/ dann Neda wahr mit Leches und
Prinſla ſchon davon gangen/ und ſeumeten die Henkers Buben nicht/ die Urtel zuvolſtrec-
ken/ da ſie ihm anfangs die Haͤnde auff den Ruͤcken bunden/ ihn oben auff den ſpitzigẽ Pfahl
ſetzeten/ und ihn darauff zogen/ daß die Spitze ihm zur rechten Schulder ausging/ und er
etliche Stunden lang unſaͤglichen Jammer trieb. Unterdeſſen berahtfragete ſich unſere
Fuͤrſtliche Geſelſchafft/ mit was vor Straffe der Verraͤhter Krito ſolte beleget werden/
da von Koͤnig Ladiſla an/ welcher ſeine Meynung zuerſt ſagẽ muſte/ biß an den alten Groß-
Fuͤrſten/ welcher ihm den Schluß vorbehielt/ alle Stimmen dahin gingen/ es ſolte/ koͤnte
und muͤſte das grobe Verbrechen nicht gelinder als mit dem Leben gebuͤſſet werden; wo-
mit der Groß Fürſt einig wahr/ und dabey anzeigete/ wie er willens waͤhre/ dieſen Men-
ſchendieb mit ſich nach Teutſchland gefangen zufuͤhren/ und ihn auf der Stelle enthaͤuptẽ
z z zzu
[546]Siebendes Buch.
zulaſſen/ woſelbſt er den verraͤhteriſchen Raub begangen hatte. Welches alle anweſende in
des Groß Fuͤrſten freyen Willen ſtelleten/ ohn allein Valiſka hielt ſolches nicht vor raht-
ſam/ und brachte dagegen dieſes vor: Gnaͤdigſter Herr Vater; ich bin zu jung und unver-
ſtaͤndig/ Eurer Gn. Willen und Voꝛtrag zutadeln oder zuverbeſſern/ erinnere mich auch
meines weiblichen Geſchlechtes/ daß mir nicht geziemen wil/ in dergleichen Gerichtligkei-
ten mich einzumengen; aber eure vaͤterliche Gewogenheit gegen mich/ gibt mir die Kuͤhn-
heit/ meinem Herr Vater dieſes zubedenken vorzuſtellen; obs nicht vortraͤglicher ſeyn wuͤꝛ-
de/ daß der boßhaffte Raͤuber vor unſerm Auffbruche ſeinen Lohn empfinge; dann alſo
wuͤrden die Land Staͤnde dieſes Reichs nicht vorzuſchuͤtzen haben/ ihr Reichs-Verwalter/
dem ſie mit aͤid und Pflichten verbunden/ lebete noch/ und ob er gleich gefangen waͤhre/
haͤtte man doch Hoffnung zu feiner Erledigung/ welches die Handelung gewaltig auffzi-
hen und hinter halten/ und wol urſach zu allerhand Ungelegenheit geben duͤrffte. Ja wie
bald koͤnten ſich etliche zuſammen rotten/ einen ſonderlichen Dank/ nicht allein bey ihm/
ſondern auch bey dem Daͤniſchen Koͤnige ſeinem Schwager zuverdienẽ/ als welcher ſchon
damit ſchwanger gehet/ ſeinem Sohn dieſes Koͤnigreich/ nicht ohn Nachteil und Gefahr
des Teutſchen Reichs/ in die Hand zuſpielen/ wie er darzu vermeynet nicht wenig urſach
und recht zuhaben/ nachdem der ohn Leibes Erben verſtorbene Koͤnig ſeiner Schweſter
Sohn geweſen. Ich geſchweige/ daß es von allenthalben her an Vorſchrifften/ den Raͤu-
ber zubegnaden/ nicht ermangeln wird/ denen man offt/ wie ungerne auch/ weichen muß.
Hingegen/ wann er kalt iſt/ bricht ſich ſolches faſt alles auff einmahl; Die Untertahnen/
als von ihrem aͤide hiedurch entlediget/ werden unſere Macht ſcheuhen/ und vor unſern
Waffen ſich demuͤhtigen; ja vielleicht der Daͤniſche junge Fuͤrſt ſelber/ als ein beruͤmter
friedlieben der und gerechter Herr/ duͤrffte ſeine Feſtung/ darinnen er ſich auffhaͤlt/ in der
Güte abtreten/ nachdem man ihm vielleicht/ da es eurem vaͤterlichen Willen alſo gefiele/
mit dem Wendiſchen Fuͤrſtentuhm an die Hand gehen koͤnte. Der Groß Fuͤrſt verwun-
derte ſich zum hoͤchſten ihrer vernunfftreichen Anfuͤhrungen/ umfing ſie mit einem Kuſſe/
und gab zur Antwort: Meine herzgeliebete Fr. Tochter hat recht und wol geurteilet/ und
kan ich mir ſolches ſehr wol gefallen laſſen. Ward demnach Prinſla abgefertiget/ nach dem
Niklot eine gute halbe ſtunde zuvor geſpieſſet war/ dẽ gefangenẽ Krito dieſe Urtel muͤndlich
vorzutragẽ: Nachdem er Krito der Wenden Fuͤrſt ſich ſehr wol eriñern wuͤrde/ und durch-
aus nit leugnẽ koͤnte/ wie unredlicher/ verraͤhteriſcher uñ raͤuberiſcher weiſe er den Groß-
maͤchtigſten Groß Fuͤrſten/ ſamt ſeinem Koͤnigl. Gemahl und Frl. Tochter/ unabgeſaget/
und unter dem ſchein einer freundlichen Beredung/ durch ſeinẽ meinaͤidigẽ Niklot hinter-
gangẽ/ gefangẽ genom̄en/ uñ aus ſeinem eigenẽ Reiche hinweg geſchleppet/ auch ſonſt alleꝛ-
hand unverantwortliche Haͤndel vorgenommen/ die keinem ehrliebenden Menſchen/ ge-
ſchweige einem Fuͤrſten und Koͤniglichen Vorſteher zuſtünden/ ſo haͤtte er ſich dadurch
nicht allein der Koͤniglichen Verwaltung dieſes Frieſiſchen Reichs/ ſondern auch ſeines
eigenen Wendiſchen Fuͤrſtentuhms/ ja ſeines Leib und Lebens verluſtig gemacht; ſolte
demnach auff ernſtlichen Befehl des großmaͤchtigſten Großfürſten der Teutſcher/ Herrẽ
Henrichs/ und Beliebung des auch Großmaͤchtigſten Koͤniges auß Boͤhmen/ Herren
Ladiſla/ dann auch der beyden Durchleuchtigſten Großfuͤrſtlichen Herren als Herrn Her-
kules
[547]Siebendes Buch.
kules und Hern Baldrichs/ und endlich des auch Durchleuchtigſten Koͤniglichen Schwe-
diſchen Fuͤrſten Siegwards/ ſich zum willigen Tode gefaſſet halten/ und nicht uneꝛſchrocke-
ner zuꝛ empfahung deꝛ Stꝛaffe ſeyn/ als veꝛwaͤgen eꝛ geweſen/ ſolche zuveꝛdienen/ wie dann
nach Endigung einer Stunde er durch des Nachrichters Hand als ein gewaltaͤhtiger
Straſſen Raͤuber und Menſchen Dieb vom Leben zum Tode mit dem Schwerte ſolte hin-
gerichtet werden. Der Fürſt erſchrak der geſtraͤngen Urtel hefftig/ machte aber doch ihm
Hoffnung/ es wuͤrde zum Schrecken angeſehen ſeyn/ daß er ſeiner Koͤniglichen Verwal-
tung ſich deſto leichteꝛ begaͤbe/ daher er dieſe Antwort gab: Gehet hin Ritter/ uñ naͤhſt Ver-
meldung meiner Dienſte und Gruſſes/ zeiget der hochgedachten Fuͤrſtlichen Geſelſchafft
an/ daß ob ich gleich auß Liebes Zwaug habe eine Taht begangen/ die ich nicht aller Dinge
zuverantworten weiß/ ſo iſt ſie dannoch der Wichtigkeit bey weitem nicht/ daß ſie nicht
auff andere Weiſe/ als mit meinem hochfuͤrſtlichen Blute ſolte koͤnnen abgetragen und
gebuͤſſet werden; vielmehr zeiget ihnen an/ ſie haben wol und fleiſſig zuerwaͤgen/ was vor
ein Gewaltiger und mit vielen Koͤnigen und maͤchtigen Fürſten nahe befreundeter Fuͤrſt
ich bin/ deſſen Blut auff unerhoͤrete Weiſe von den Pannoniern/ Pohlen/ Daͤnen/ Wen-
den/ und andern Voͤlkern wuͤrde an ihnen ſaͤmtlich/ und an ihren Helffers Helffern gero-
chen werden; dann auch/ daß ich nicht der erſte Fuͤrſt bin und gefunden werde/ der auff ſol-
che Weiſe/ die ehmals vor ruͤhmlich und Tapffer gehalten worden/ ihm ein wirdiges Ge-
mahl geſuchet hat; daher ich bey ihnen bitlich begehre/ ſie wollen mich dieſer ſchmaͤhlichẽ
Hafft entnehmen/ ihrem Vaͤter-Bruͤder- und ſchwaͤgerlichen Willen mir zuneigen/ und
durch freundwillige Außfolge des Durchleuchtigſten Fraͤuleins mich vor einen Schwie-
ger Sohn/ Bruder und Schwager auff und annehmen/ alsdann wil ich nicht allein dem
Großfuͤrſten oder ſeiner Herrẽ Soͤhne einem die Verwaltung dieſes Koͤnigreichs willig
abtreten/ ſondern auch die gar zu kuͤhne Entfuͤhung mit einer anſehnlichen Geldbuſſe er-
ſetzen/ welche ſie mir nach ihrer Hoͤffligkeit aufflegen werden. Prinſla wolte ihm dieſen
Dienſt nicht verſagen/ vermahnete ihn gleichwol/ ſeines verbrechens etwas beſſere Er-
kaͤntniß ſehen zulaſſen/ und hinterbrachte dieſe Werbung an behoͤrigen Ort/ deren ſich
die Fuͤrſtliche Geſelſchafft nicht gnug verwundern kunte/ gaben ihm endlichen Beſcheid/
und lieſſen ihn wieder hingehen/ welcher nach empfangenem Befehl den Gefangenen alſo
anredete; Krito/ euer anmuhten iſt ſehr ſtolz und unverſchaͤmt/ welches keine Stat finden
kan/ und laſſen vor hoͤchſtgedachte meine allergnaͤdigſte und gnaͤdigſte Herren euch hiemit
ſchließ- und unwiederꝛufflich andeuten; ob ihr euch darauff beꝛuffet/ erſtlich/ daß ihr Fuͤrſt-
liches herkommens/ und mit hohen Haͤuptern nahe befreundet ſeyd/ haͤttet ihr eben daſſel-
bige ja auch von dem Großmaͤchtigſten Großfuͤrſten wiſſen und bedenken ſollen/ als an
deſſen Hochheit ihr gewaltſahme Hand unverwarnet legetet. Hernach/ daß dergleichen
boßhaffte Raub- und Entfuͤhrung wol ehemals vorgangen und von unverſtaͤndigen Ge-
walttaͤhteꝛn gelobet/ ſey dieſelbe auch wol ehemahl am Leben geſtꝛaffet/ wann man des Raͤu-
bers hat koͤnnen bemaͤchtiget ſeyn; und geſetzet/ daß frevelmuͤhtige Wuͤteriche ſolche gottlo-
ſe Art zu heyrahten vortrefflich moͤgen geſchaͤtzet haben/ koͤnnen ſie doch deſſen ſich nicht
bereden laſſen/ ſolches mit gut zuheiſſen; vernehmen aber noch nicht/ wie ihr dieſes ver-
antworten oder beſchoͤnen wollet/ daß ihr einen ſo maͤchtigen Beherſcher Teutſchlandes
z z z ijnicht
[548]Siebendes Buch.
nicht allein Verraͤhterlich hintergangen/ ſondern ihn nebeſt ſeinem Gemahl als Hunde
fort ſchleppen/ und kaum noͤhtigen Leibes Unterhalt habt abfolgen laſſen/ wie ſie dann ge-
ſtriges Tages ungegeſſen und ungetrunken auff euren außdrüklichen Befehl haben in der
Hitze zubringen muͤſſen/ welcher Schimpf von ihnen hoͤher als die Ermordung ſelbſt ge-
rechnet wird/ daher es weder mit Abtretung einer Verwaltung (deren ihr ſchon wirklich
entſetzet ſeyd) noch Außzahlung etlicher Gelder/ wans gleich etliche hundert Tonnen Gol-
des waͤhren/ ſondern durchauß mit eurem Blute muß außgeſoͤhnet werden/ wornach ihr
euch zurichten/ und nach verlauff einer halben Stunde den Tod ſo willig antreten werdet/
als wolbedacht und voꝛſetzlich ihr die Freveltaht an ſo Großfuͤrſt- und Koͤniglichen Hochei-
ten begangen/ und uͤberdas noch neulich den Großmaͤchtigſten Koͤnig in Boͤhmen nicht
wenig beſchimpffet habt/ welches mit eigener Fauſt an euch zuraͤchen er keines weges un-
terlaſſen wuͤrde/ wann ihr nicht als ein Ubeltaͤhter ſchon verdammet waͤhret. Das wil ich
nimmermehr glaͤuben/ antwortete Krito/ daß man mit einem herſchenden Fuͤrſten und
Koͤniglichen Verwalter dergeſtalt verfahren wolle. Ich weiß nicht anders/ ſagte Prinſla/
als daß der Stab ſchier uͤber euer Haͤupt ſolle gebrochen werden/ und alle fernere Einrede
nur ein Uberfluß ſey. Ging hiemit davon/ und ließ den Gefangenen in erſchreklicher Her-
zenspraſt ſitzen/ welcher nunmehr den Ernſt ſpuͤrend/ einen von der Wache abſendete/
Prinſla zurücke zuruffen/ welcher aber zuvor nach der Fuͤrſtlichen Geſelſchafft ging/ und
neben getahner Antwort berichtete/ daß Krito ihn haͤtte zu ſich fodern laſſen. Alſo gab man
ihm zum drittenmahle Unterricht/ und ließ ihn gehen/ ward auch von dem Gefangenen
mit neuer Hoffnung empfangen/ welcher inſtaͤndig um Gnade anhielt; er wolte ſich ſei-
nes Fuͤrſtentuhms auff ewig verzeihen/ und in Polen weichen/ daneben aͤidlich angeloben/
keine Anſprach nimmermehr an ſein Fuͤrſtentuhm zuhaben; hoffete gaͤnzlich/ man wuͤrde
ihm hierin zu Willen ſeyn/ weil mit einer Hand vol Blut ihnen wenig/ ja gar nichts gedie-
net waͤhre. O nein/ gnaͤdiger Herr/ ſagte Prinſla/ ein ſolches darff ich meinen allergnaͤdig-
ſten Herrn nicht hinterbringen/ maſſen dieſelben mit euch in keine Handelung ſich einlaſ-
ſen/ ſondern als einen auff ſcheinbahrer Ubeltaht ergriffenen euch beſtraffen wollen/ als
welcher durch ſeinen Raub zu ſo groſſer geſtriger Blutſtuͤrzung Urſach gegeben/ daß ganze
Baͤchlein Menſchen-Blutes haben muͤſſen rinnen/ und demnach ihr ſo gewiß mit dem
Kopfe bezahlen muͤſſet/ als gewiß ich lebe/ weil derſelbe euch zu dieſer unverantwortlichen
Taht verleitet hat. Die Hochfuͤrſtliche Geſelſchafft wuͤrde auch eurem aͤyde wenig zutrau-
en haben/ ſondern mit Polen ein neues Feur befuͤrchten muͤſſen/ angeſehen eures Vaters
Bruders Sohn/ welcher doch ein redlicher Fuͤrſt iſt/ daſelbſt die Herſchafft fuͤhret; ſo iſt
uͤber das nunmehr ſchon bey Leibes Straffe verbohten/ daß kein Menſch eurer Begnadi-
gung gedenken ſol; man hat euch vor der Schlacht billiche Vorſchlaͤge getahn/ die habt
ihr hochmuͤhtig verachtet/ und dadurch die Gnaden Zeit verſeſſen. Demnach verzeihet
mir/ daß ich euch nicht gehorſamen kan. Als Krito hierauß merkete/ daß ſeine ertichtete
Demuht nicht helffen wolte/ ließ er ſeinen Trotz hoͤren und ſagete; Was ſolte man einem
Herſchenden Fuͤrſten des Henkers Schwert anbieten/ und um einer Liebetaht Willen ihm
den Tod anſagen/ der bißher ein Furcht und Schrecken aller ſeiner Feinde/ auch der Roͤ-
mer ſelbſt geweſen iſt? dahin muͤſte es noch in langer Zeit nicht kommen/ ſondern zuvor dz
oberſte
[549]Siebendes Buch.
oberſte zu unterſt gekehret werden/ duͤrffte auch eine ſolche Rache drauff erfolgen/ daß Kin-
des Kinder daruͤber zuklagen haͤtten; darum gehet hin/ und warner eure Herren/ daß ſie
ſich nicht ſelbſt in das unvermeidliche verderbenſtuͤrzen/ welches auff meinen Tod noht-
wendig erfolgen muß. O mein Herr draͤuet ja nicht/ ſagte Prinſla/ ihr habt gewißlich nicht
mit Kindern und furchtſamen Memmen/ ſondern mit Fürſten und Tapffermuhtigen
Helden zutuhn/ deren Muht und Macht unuͤberwindlich iſt; bedenket demnach vielmehr
wie ihr wol ſterben moͤget/ weil euch zuleben nicht mehr moͤglich iſt. Wie nun zum Henker/
antwortete Krito/ nenneſtu Lecker mich nur ſchlecht hin einen Herrn/ und weiſt daß ich der
Großmaͤchtige freie Beherſcher des unuͤberwindlichen Volkes der Wenden bin? Er wol-
te in ſeinem Trotze fortfahren/ aber Prinſla fiel ihm in die Rede und ſagete: Du biſt aber
auch ein boßhafftiger Raͤuber und Menſchendieb/ und viel zu wenig in deinen Banden/
daß du einen redlichen Ritter beſchimpffen/ und vor einen Lecker ſchelten ſolteſt; haſt dich
auch zuverſichern/ daß wann du dem Henker nit ſchon zugeſprochen waͤhreſt/ ich bey mei-
nem allergnaͤdigſten Koͤnige leicht erhalten wolte/ es mit dir durch einẽ ritterlichẽ Kampf
auszutragen/ worzu ich dich aber nunmehr/ nicht als einen geweſenen Fuͤrſten/ ſondern
als einen ſchmaͤhſuͤchtigen ſchaͤndlichen Raͤuber/ der ſeiner uͤbeltaht uͤbeꝛwieſen iſt/ unwerd
halte. Hiemit ging er von ihm hinweg/ vol Zorn und Grimmes/ daß er dieſen Schimpff
muſte ungerochen uͤber ſich gehen laſſen. So bald er den Fürſten ſolches hinterbrachte/
ward das Gericht gehaͤget/ Siegward/ Fabius/ Leches und Neda zu Richter verordnet/ uñ
Gallus befohlen/ mit dem Scharff Richter und ſeinen Steckenknechten hinzugehen/ wel-
cher die geſprochene Urtel an dem boßhafften Raͤuber ohn verweilen volſtreckẽ/ auch wañ
er mit willen nicht nach der Richtſtat gehen wolte/ ihn durch ſechs Kriegsknechte dahin
ſchleppen laſſen/ und ihm den Schedel herunter ſchlagen ſolten. Der Scharff Richter/ als
er zu dem gefangenen in das Zelt trat/ ward er von ihm ganz verwaͤgen gefraget/ was ſein
begehren waͤhre. Worauff er antwortete: Der Fürſt wuͤrde ihm gnaͤdig verzeihen/ und
ſichs gefallen laſſen/ die Volſtreckung der Urtel von ſeiner Hand gutwillig anzunehmen/
weil es anders nicht ſeyn koͤnte. Was? ſagte Krito/ wolteſtu ehrloſer Schelm einen her-
ſchenden Fuͤrſten beruͤhren? geſchwinde packe dich hinweg aus meinen Augen/ und ſage
deinem Groß Fuͤrſten/ ich laſſe ihn wegen dieſes unleidlichen Schimpffs zum Kampffe
auff Leib und Leben ausfodern. Deſſen habe ich keine Volmacht/ ſagete dieſer/ ſondern ich
frage nochmahls/ ob der Fürſt willig mitgehen wolle/ alsdann wil ich oder meine Diener
keine Hand an ihn legen; wo nicht/ iſt mir aufferlegt/ den Fuͤrſten hinzuſchleppen/ und das
Nachrichter Amt zuvolſtrecken/ da der Fuͤrſt waͤhlen kan/ was ihm beliebet/ dann ich bin
ſchuldig meines Gn. Herrn Befehl nachzukommen. Hier fing Krito an zuzittern und zu
beben/ draͤngete ſich in einen Winkel/ und rieff ohn unterlaß bald uͤber Gewalt/ bald umb
Gnade. Gallus redet ihm etwas troͤſtlich zu/ und ermahnete ihn/ ſich des mitgehens nicht
zuwegern/ es moͤchte leicht bey der Gerichtsſtat durch bitte mehr Gnade/ als hieſelbſt durch
Widerſpenſtigkeit zuerhaltẽ ſeyn. Alſo ließ der erſchrockene Menſch ſich bereden/ und ging
hin. Er ward aber auff Befehl des Weges hergefuͤhret/ woſelbſt Niklot am Spieſſe ſtec-
kete/ und ein uͤber alle maſſe groſſes Elende betrieb/ kennete ihn doch nicht/ und fragete Gal-
lus/ was dieſer arme Menſch ſo ſchwer verbrochen haͤtte/ daß man ſo grauſam mit ihm
z z z iijver-
[550]Siebendes Buch.
verfuͤhre. Mein Herr/ antwortete er/ es iſt der verwaͤgene Schelm/ welcher meinen gnaͤ-
digſten Groß Fuͤrſten durch falſchen Schwuhr in die Gefaͤngniß gebracht. Was? ſagte
er/ iſt das mein getraͤuer Niklot? So ſol ſein Nahme ſeyn/ antwortete Gallus. Krito ent-
ſetzete ſich uͤber der harten Straffe/ daß ihm alle Krafft entging/ trat ihm naͤher/ und ſage-
te: Du mein getraͤuer Niklot/ dein Jammer gehet mir ſehr zu herzen/ weil ich dir aber nit
helffen kan/ wuͤnſche ich dir einen ſchleunigen Tod zu Abhelffung deiner unleidlichẽ Pein.
Dieſer ſahe zwar ſeinen Fuͤrſten an/ aber weil ihm die Vernunfft aus uͤbergroſſer Pein
ſchier vergangen wahr/ antwortete er nichts/ ſondern bruͤllete vor Angſt immerhin wie ein
Ochſe/ trieb auch mit den gebundenen Haͤnden und freyen Fuͤſſen ſolchen Jammer/ daß
alle Zuſeher ein Abſcheu daran hatten/ und doch bekenneten/ er haͤtte noch wol ein mehres
verdienet. Krito kunte ſeine wehmuͤhtige Traͤhnen nicht einzwingen/ uñ begehrete an Gal-
lus/ daß dem redlichen Ritter ſeine Pein verkuͤrzet wuͤrde. Aber er antwortete ihm: Waͤh-
re er ein redlicher Ritter/ duͤrffte er nicht am Pfale ſtecken/ weil aber ſein begangener hoher
Verraht ſolches verdienet/ muß er andern zum Abſcheuh und Schrecken ihm dieſen Lohn
gefallen laſſen/ biß ihm Gott den Tod zuſchicket; und nimt mich wunder uͤber wundeꝛ/ daß
der Fuͤrſt nicht erkennen kan noch wil/ wie hohe Beleidigung dem Großmaͤchtigſten Groß-
Fuͤrſten in ſeinem eigenen Reiche/ unter dem ſchein eines guten Willen/ von ihm und die-
ſem ſeinem verraͤhteriſchen Niklot angetahn iſt. Dieſer ſchwieg ſtille darzu/ taht gleichwol
als wann ers beantworten wolte/ aber als er ſahe/ daß er ſchon bey dem Gerichte angelan-
get wahr/ ſtellete er ſich vor die obgedachte Richter/ und fragete/ wer ſie waͤhren/ dz ſie ſich
unterſtehen duͤrfften ſeine Richter zuſeyn/ da er doch keines Menſchen Oberbotmaͤſſig-
keit unterworffen waͤhre. Siegward gab ihm zur Antwort: Es koͤnte ihm gleiche viel
ſeyn/ wer ſie waͤhren/ nachdem er leicht zuerkennen haͤtte/ daß ſie von dem Großmachtig-
ſten Groß Fuͤrſten verordnet waͤhren/ ihm ſeine wolverdiente Straffe anzuſagen. Ich hoͤre
eurer keinen/ wiederantwortete er/ ſondern wil und muß den Groß Fuͤrſten ſelber ſprechen/
dem ich durch meine entſchuldigung ein ſolches Vergnuͤgen geben werde/ daß er meines
Blutes nicht begehren wird. Habt ihr/ Krito/ ſo erhebliche entſchuldigungen ſagte Sieg-
ward/ die ſollet und muͤſſet ihr vor uns euren Richtern anmelden/ oder in deſſen verwege-
rung die Endurtel uͤber euch nehmen/ maſſen der Großmaͤchtigſte Groß Fuͤrſt ſeinen fre-
chen/ unbefugten und meinaͤidigen Raͤuber vor ſeinen Augen nicht dulden kan. Er wolte
antworten/ ſahe ſich aber ohngefehr nach der linken Hand umb/ und ward gewahr/ daß ſei-
nes Sohns Leichnam daſelbſt in der naͤhe auff dem Ruͤcken lage/ welches ihn wunder nam/
und zu den Richtern ſagete: Ehe ich mich weiter mit euch einlaſſe/ begehre ich zu wiſſen/
auff was weiſe dieſer mein ungerahtener Sohn/ welcher ohnzweiffel meines Ungluͤks und
der erlittenen Niederlage die groͤſte Urſach iſt/ umbkommen ſey. Leches gab ihm auff Sieg-
wards befehl zur Antwort; Dieſer ſein Sohn/ weil er Zeit wehrender Schlacht ſich haͤtte
dürffen geluͤſten laſſen/ dz Durchleuchtigſte Fraͤulein als einen Raub uͤber den Iſelſtrohm
davon zu fuͤhren/ haͤtte man ihn verfolget/ ertappet/ und als einen Raͤuber nidergehauen/
daß er noch alſo dem wolverdienetem Henkersſchwert entgangen waͤhre. Ihm iſt recht
geſchehen/ antwortete Krito/ maſſen er ſeinem leiblichen Vater das Herz hat ſtehlen und
die Seele rauben wollen. Euch aber ihr vermeineten Richter frage ich nochmahl/ was
euch
[551]Siebendes Buch.
euch hat koͤnnen ſo verwaͤgen machen/ daß ihr einen freyen maͤchtigen Fürſten vor Gericht
zu fodern/ und einige Urtel anzudraͤuen/ euch unterſtehen duͤrffet/ noch ehe und bevor ſeine
Sache eroͤrtert iſt? Siegward gab ihm zur Antwort: Was bedarff eure Sache des er-
oͤrterns? ſtehet eure freche übeltaht nicht Sonnenklar vor Augen? ſo muͤſſet ihr demnach
billich leiden/ was ihr dem Großmaͤchtigſten Groß Fuͤrſten/ welcher euch und die eurigen
niemahls beleidiget hat/ zugemaͤſſen habet/ welchen ihr auſſer zweiffel umb keiner andern
Urſach willen diebiſcher weiſe aus ſeinem Reiche hinweg gefuͤhret/ als daß ihr durch ſeine
ſchaͤndliche ermordung alle Rache von euch abkehretet/ und euch wol gar zum Groß Fuͤr-
ſten uͤber die Teutſchen machetet/ nachdem ihr den Wahn hattet ergriffen/ daß keine Teut-
ſche junge Herſchaft mehr im Leben waͤhre. Dieſes iſt ja eine ſolche Taht die ohn allen zwei-
fel das Leben verwirket/ und an deren beſtraffung andere eures gleichen ein Beyſpiel neh-
men und ſich ſpiegeln muͤſſen/ auff daß ſie hinfort ſich ſcheuhen/ ſolcher boßheit ſich zu un-
terfangen. Weil ihr dann gleich jetzo die Urtel ſelbſt über euren Sohn geſprochen habt/ daß
ihm recht geſchehen ſey/ und derſelbe doch viel beſſere entſchuldigung einzuwenden gehabt
haͤtte/ ſo werdet ihr ja erkennen/ daß euch als vornehmſten Uhrheber dieſer ſchaͤndlichen
Entfuͤhrung/ weder unrecht noch gewalt geſchehe/ wann ihr mit gleichmaͤſſiger Straffe
beleget werdet. Daß ihr aber auff euren freien Fuͤrſtenſtand euch beruffet/ ſo muͤſſet ihr be-
denken/ das Gott und das Schwert euer Oberherr ſey/ welche euch als einen Raͤuber und
Menſchendieb aus ſolchem Stand gehoben und in die Feſſel gelegt/ auch gleich jetzo fertig
ſind/ eure begangene ſchlim̃e Boßheit abzuſtraffen. Krito redete ihm ein/ er ſolte ſich maͤſſi-
gen einen ſo groſſen und gewaltigen Fuͤrſten vor einen boßhafften/ und desgleichen auszu-
ruffen/ ſeine Taht waͤhre bey weitem ſo ſchlim und unverantwortlich nicht/ als man ſie ihm
auslegen wolte/ wuͤrde ihm auch leicht ſeyn/ daß auffgebuͤrdete von ſich abzulehnen/ uñ der
ganzen erbaren Welt darzutuhn/ daß er keines weges mit moͤrderiſchen Gedanken umb-
gangen/ und alſo den Tod nicht verdienet haͤtte; dero behueff er keine laͤngere/ als ſechswoͤ-
chige Friſt begehrete/ welche man ihm keines weges wuͤrde verſagen koͤnnen. Krito/ ant-
wortete Siegward/ ihr ſuchet Zeit und weile/ nicht eure Taht zurechtfaͤrtigen/ welches euch
unmoͤglich iſt; ſondern euren Kopf zu retten/ welches nicht geſchehen kan; laſe ihm dem-
nach die Urtel vor/ alſo lautend. Der geweſene Wendiſche Fuͤrſt Krito/ weil er an dem
Großmaͤchtigſten Groß Fuͤrſten der Teutſchen die allerſchelmichſte Verraͤhterey began-
gen/ ſo jemahls von einem Fuͤrſten iſt erhoͤret worden/ und der gerechte Gott ihn in des
verrahtenen Haͤnde und gewalt zur Straffe uͤberliefert hat/ ſol und mus der Gerechtig-
keit/ allen ſeines gleichen Verraͤhtern zur Warnung und abſcheuh/ ein genuͤgen geſchehen/
und dieſer Verraͤhter durch des Henkers Schwert vom leben zum Tode gebracht werden.
Krito wolte ſich dawieder bedingen/ aber Leches winkete dem Scharfrichter/ welcher hin-
ter dem Verurteileten ſtund/ daß er mit der Volſtreckung verfahren ſolte; derſelbe nun zo-
he ganz leiſe das Richtſchwert aus/ und ſchlug ihm alſo ſtehend den Kopf vom Rumpfe
glat hinweg/ daß er ohn ſonderliche Todesangſt dahin fuhr. Worauff ſeinem Sohn der
Kopf auch abgeſchnitten/ und beyde auff Spieſſe geſtecket wurden/ da ſie von dem ganzen
Heer und allen Gefangenen muſten beſchauet werden; es wurden ſonſt noch 36 vornehme
Wenden an Baͤume/ nach empfangener harten Geiſſelung/ auffgeknuͤpffet/ als welche bey
der
[552]Siebendes Buch.
der Verraͤhterey ſich hatten wirklich gebrauchen laſſen/ und weil der Tod den Niklot nicht
durch die Spieſſung ſo bald wuͤrgen wolte/ ward endlich ein Steckenknecht befehlichet/
ihm das Herz abzuſtechen. Drey Stunde vor Abends brach der Groß Fuͤrſt mit dem Heeꝛ
auff/ und ging damit Nordwerz nach der Vechte auff Frießland zu/ blieben auff der Gren-
ze liegen/ und enthielten ſich aller taͤhtligkeit/ ſendeten aber an die Staͤnde und Staͤdte/ daß
nach empfangener angebohtenen ſchrifftlichen Gnade ſie ſich ſtuͤndlich erklaͤreten/ oder des
Ernſtes gewaͤrtig ſeyn ſolten. Als ſie auff dem Zuge wahren/ kahmen die ausgeſchikten
Reuter Schaarsweiſe wieder an/ aber kein einiger wuſte das geringſte von Arbianes oder
dem Fraͤulein zu ſagen/ deſſen die Fuͤrſtliche Geſelſchaft von herzen betruͤbt ward/ ohn Va-
liſka hatte noch gute Hoffnung/ und fragete/ vor was Leute ſie ſich im nachfragen ausgege-
ben haͤtten; uñ als ſie antworteten/ weil es in Feindes Land waͤhre/ haͤtten ſie ſich vor Wen-
diſche Reuter angemeldet; ward ſie deſſen ſehr unwillig/ und ſagete: Hiedurch habt ihr
trauen die allergroͤſſeſte Narrey und Tohrheit begangen; dann meinet ihr nicht/ daß der
Fuͤrſt mit dem Fraͤulein ſich etwa in einem Dorffe heimlich verſtecket habe/ und bey ſeinem
Wirte durch Geſchenk und Verheiſſungen es leicht dahin gebracht/ daß ſie ihn ungemel-
det gelaſſen? Haͤttet ihr euch vor die ihr ſeid/ angegeben/ was gilts/ ihr wuͤrdet ſie ſchon an-
getroffen haben. O nein mein Schaz/ ſagte Herkules/ ſo leicht glaͤubet man einem nachfor-
ſchenden Reuter nicht/ daß man umb eines Worts willen ſich ihm alsbald vertrauen ſolte;
der almaͤchtige Gott nehme ſie in ſeinen vaͤterlichen Gnadenſchuz/ ſonſt koͤnten ſie leicht in
ungelegenheit/ und unter die fluͤchtigen Wenden gerahten; gelebe aber der gaͤnzlichen Hof-
nung/ ſie werden ſich etliche Tage verbergen/ biß die fluͤchtige Schaaren vorbey gangen
ſind/ die ſich nicht lange pflegen auffzuhalten. Baldrich ſcherzete drüber/ und ſagete: Ohn
zweifel ſitzet mein Bruder Arbianes mit meiner Frl. Schweſter an Ort und Enden/ wel-
che er umb diß Koͤnigreich nicht vertauſchete/ nachdem ich mich nit erinnern kan/ jemahls
einen verliebetern Menſchen geſehen zu haben. Sie ſitzen/ wie es ihnen beyden beliebt/ ſagte
der Vater/ wann ſie nur friſch und geſund wieder bey uns anlangen; das uͤbrige ſey der
goͤttlichen Verſehung heimgeſtellet/ und meiner geliebten Tochter Fr. Valiſka/ als deren
ich ſie in meinem herzen geſchenket habe/ ſie nach ihrer wilkuͤhr zuveꝛheyrahten. Ich bedan-
ke mich deſſen kindlich und demuͤhtig/ antwortete ſie/ und wuͤnſche naͤhſt meiner herzaller-
liebſten Frl. Schweſter Geſundheit nicht mehr/ als daß mein Bruder Arbianes/ das auf-
richtige getraͤue Herz/ dieſe Worte anhoͤren moͤchte.


Dieſe beyde Verliebeten aber ſaſſen denſelben Tag noch immerzu auff dem ſtarkrie-
chenden Haͤu/ und unter ihrem Liebes Geſpraͤch und unnachlaͤſſigen küſſen beklageten ſie
dannoch/ daß die ihrigen ohn allen zweifel ihres auſſenbleibens ſehr betruͤbt ſeyn wuͤrden/
daher das Fraͤulein zu ihrem Liebſten ſagete: Hoͤchſter Schaz/ wir laſſen uns unſer Ungluͤk
wenig anfechten/ und gedenken nicht eines auff das zukünfftige; meynen vielleicht auf die-
ſer Straͤu immerhin zufaulenzen/ oder im naͤheſten Staͤdlein das Ende unſers Kummers
zufinden/ da es wol erſt recht angehen moͤchte/ maſſen unter der Vergnuͤgung eurer herzli-
chen keuſchen Liebe/ mir dannoch mein Herz ſo ſchwer als ein Stein unter der Bruſt lie-
get/ und mir nicht viel gutes verſpricht; Ach daß doch meine liebe Eltern und Bruͤder nur
wiſſen moͤchten/ wo wir uns auffhalten/ zweifelt mir nicht/ ſie wuͤrden ſchon ein zimlich
fliegen-
[553]Siebendes Buch.
fliegendes Heer ausſchicken/ uns abzuhohlen/ und dafern ſolches nicht geſchihet/ ſehe ich
nicht/ wie wir durch die verſchlagenen Voͤlker ſicher kommen werden/ unter denen ſehr
wenig ſind/ die mich nicht kennen ſolten. Ja wer weiß/ ob nicht unſere lieben Freunde uns
ehe als erſchlagene beweinen/ als daß ſie errahten ſolten/ wir haͤtten auff dieſem Haͤu unſe-
re Heiraht abgeredet; auch duͤrffte ich allem anſehen nach/ faſt glaͤuben/ die naͤchtlichen
Reuter ſind unſers Volks geweſen/ und uns zum beſten ausgeſchikt/ maſſen ſie ſich ja nicht
als flüchtige anſtelleten/ und aber der Feind ja gaͤnzlich ſol geſchlagen ſeyn/ wie Wolfgang
berichtet. Mein allerſchoͤnſtes auserwaͤhltes Fraͤulein/ antwortete er/ ſie moͤgen Freund
oder Feind geweſen ſeyn/ der Almaͤchtige Gott wird uns dannoch helffen/ dem wir ver-
trauen wollen; Und O mein Gott/ goͤñe uns beyden doch/ unſere keuſche Liebe durch ſchleu-
nige Heyraht zuergetzen/ hernach beſchere uns dereins die ewige Seligkeit/ die dein Sohn
uns armen Suͤndern erworben/ und durch ſein Verdienſt zuwege gebracht hat; Inzwi-
ſchen habe Geduld mit unſers Fleiſches Schwacheit/ und leite Zeit unſers Lebens uns auf
dem Wege/ den du uns ſelbſt in deinem Heiligen Worte vorgeſchrieben haſt. O das iſt
wol ein guter und koͤſtlicher Wunſch/ ſagte das Fraͤulein; was mich betrifft/ wil meinem
Fuͤrſten ich wol aͤidlich verſprechen/ mich nach aller Moͤgligkeit der Zucht und Tugend zu
befleiſſigen/ und wolle Eure Liebe mir nur dieſe Geſetze vorſchreiben/ nach denen ich wan-
deln ſol/ und wie er meynet/ ich unter des wahren Gottes Gnade verbleiben koͤnne/ denen
wil ich zufolgen mich nimmermehr beſchwerlich finden laſſen. Ach mein herzgeliebeter
Schaz/ antwortete er/ ich nehme ein ſolches erbieten von ganzem Herzen froͤlich an/ wann
euer Liebe mir nur in dieſem Stuͤk folgen/ und den allein ſeligmachenden Chriſtlichẽ Glau-
ben ihr gefallen laſſen wolte/ welcher von euren Herren Bruͤdern und deren Gemahlen/
auch von mir gutwillig und zu unſer Seelen Wolfahrt angenommen iſt/ alsdann haͤtte
Eure Liebe ich nichts mehr anzufodern/ weil an ihrem Tugendergebenen Herzen mir zu
zweifeln durchaus nicht gebuͤhren wil. Solte ich mich deſſen wegern? ſagte ſie; ſolte ich
andere Goͤtter ehren als mein Gemahl/ oder einem andern Glauben anhangen? Ich neh-
me ja billig ein Beyſpiel von meiner Fr. Schweſter/ und wie dieſelbe ſich alsbald nach
meines Herrn Bruders Willen gerichtet/ alſo wil ich ebenmaͤſſig mich hierin verhalten/
inſonderheit/ weil zu dieſem Glauben ich von der Zeit her groſſes belieben getragen/ wie
Leches denſelben meinem Herr Vater zu Prag ſo ſehr ruͤhmete; und noch mehr/ nachdem
Neklam deſſen gegen mich abſonderlich gedachte. Arbianes nam dieſes erbieten mit herz-
licher Vergnuͤgung auff/ und beteure/ daß ihren Herren Bruͤdern und Frauen Schwe-
ſtern dieſe Erklaͤrung erfreulicher als ihre leibliche Errettung ſeyn wuͤrde; unterrichtete
ſie doch dabey/ ſie müſte nicht ihm/ als ihrem Braͤutigam zugefallen/ ſondern bloß aus Lie-
besbegierde zu der Erkaͤntniß des wahren Gottes/ und zur Erlangung der ewigen Selig-
keit ſolche Enderung ihres Glaubens vornehmen/ dann ſonſt wuͤrde ſie in ihrem Chriſten-
tuhm keinen feſten fuß ſetzen/ ſondern in ſtetem Wankelmuht bleiben/ und nach Menſchen
Willen ihren Glauben endern und umwechſeln/ welches eine groͤſſere Sünde waͤhre/ als
wann man aus Unwiſſenheit im Unglauben verbliebe. Hierauff unterrichtete er ſie gar
einfaͤltig in den vornehmſten Stuͤcken des Chriſtlichen Glaubens/ wie nur ein einiger
wahrer Gott waͤhre/ und derſelbe doch dreyfaltig; hieſſe Vater/ Sohn/ uñ Heiliger Geiſt:
a a a aDieſer
[554]Siebendes Buch.
Dieſer Gott haͤtte Himmel/ Erde/ Meer/ und alles was drinnen iſt/ vor ohngefehr 4000
und mehr Jahren erſchaffen/ und den erſten beyden Menſchen groſſe Volkommenheit
mitgeteilet/ ſie auch zu Erben der Seligkeit eingeſetzet/ welche aber von dem Teuffel zur
Suͤnde ſich verleiten laſſen/ und daruͤber unter Gottes Zorn zur ewigen Verdamniß/ mit
allen ihren Nachkommen/ denen die Sünde angebohren wuͤrde/ gerahten waͤhren; aber
der ewige Sohn Gottes haͤtte ſich uͤber alle Menſchen wieder erbarmet/ und ſie durch ei-
ne ſonderliche Gnugtuhung wieder zu Gnaden gebracht/ daß wann ſie an denſelben glaͤu-
beten/ und im Chriſtlichen gottſeligen Wandel verharreten/ ihnen die Seligkeit wiederum
ſolte mitgeteilet werden. Dieſen kurzen einfaͤltigen Begriff trug er dem Fraͤulein vier o-
der fuͤnff mahl nach einander vor/ biß ſie ihm denſelben faſt von Wort zu Wort (wie ſie
dann ein uͤberaus herlich Gedaͤchtniß hatte) nachſagen kunte/ dabey ſie unterſchiedliche
Fragen taht/ umb alles deſto [beſſer] zubegreiffen/ und von ihm/ ſo viel ſein Vermoͤgen kun-
te/ guten Unterricht bekam. Hernach behtete er ihr dz Vater Unſer/ den Chriſtlichen Glauben/
und die Heiligen zehen Gebohte offt vor/ daß ſie ſolches alles gleicher geſtalt ohn Anſtoß her-
ſagen kunte/ jedoch wuͤnſchete/ daß das Gebeht des HErrn ihr moͤchte etwas deutlicher
erklaͤret werden/ weil wegen der kurzen Bitten/ ſo darin begriffen/ es ihr etwas ſchwer vor-
kaͤme. Mein Herz/ ſagte er/ ihr tuht ſehr wol uñ weißlich/ dz ihr begehret daſſelbe zuverſte-
hen/ was ihr behtet/ maſſen/ wo ein Gebeht iſt ohn Verſtand/ da iſt keine Andacht/ wo aber
keine Andacht iſt/ da iſt auch kein Gott wolgefaͤlliges Gebeht/ und erfolget auch darauff kei-
ne Erhoͤrung noch Huͤlffe. Verſichert euch aber/ daß wann alle Menſchen in der ganzen
Welt/ ſie moͤgen ſo heilig/ und in Gottes Wortund Erkaͤntniß ſo erfahren ſeyn/ als ſie im-
mer wollen/ ſie doch kein beſſer/ noch künſtlicher noch volkommener Gebeht machen koͤñen/
ja auch keines/ welches in ſolchen Stücken dieſem gleich ſey; maſſen in dieſem kurzen Ge-
beht alles daſſelbe begriffen iſt/ weſſen wir von Gott zubitten beduͤrffen. Da wir anfangs
ſprechen: Unſer Vater/ der du biſt im Himmel; anzudeuten/ daß unſer Gebeht nicht an ir-
gend ein Geſchoͤpff/ ſondern allein an den Schoͤpffer/ an Gott muß hingerichtet werden/
der in dem Himmel der Herligkeit/ ſeine Almacht und Herſchafft fuͤhret/ und doch allent-
halben gegenwaͤrtig iſt; denſelben nennen wir unſern Vater/ und ſolches aus Befehl un-
ſers Heylandes/ auff daß wir durch ſolchen ſüſſen liebreichen Vater Nahmen ſollen verſi-
chert werden/ der allerhoͤchſte Gott trage gegen uns ein Vaterherz/ und wolle uns keine
Fehlbitte tuhn laſſen/ gleich wie ein Vater ſeines lieben Kindes Bitte/ nach ſeinem Wil-
len angeſtellet/ unerhoͤret nicht laſſen kan. Alſo muͤſſen wir durch dieſen Vater Nahmen
in dem Vertrauen zu Gottes Guͤte/ geſtaͤrket werden/ damit unſer Gebeht nicht aus Zwei-
ſelmuht herruͤhre/ welcher alles behten unduͤchtig machet. Hierauff folgen nun die ſieben
kurze Bitten in einer wolgefuͤgten Ordnung. Dann ſehet/ mein Schaz/ unſere hoͤchſte be-
muͤhung/ ja alles unſer tichten und trachten ſol vornehmlich und vor allen Dingen dahin
gerichtet ſeyn/ daß es zu Gottes Ehren gereiche; daß nun ſolches von uns geſchehen moͤge/
bitten wir von Gott in der erſten Bitte: Du unſer lieber himliſcher Vater/ gib und ver-
leihe uns dieſe Gnade/ daß dein Heiliger Nahme von uns nimmermehr geunehret/ oder
geſchaͤndet/ ſondern allemahl gebuͤhrlich geehret werde; daß wir in allem tuhn und laſſen
deine Ehre ſuchen. Das heiſſet: Geheiliget werde dein Nahme. Naͤhſt dieſer Bemuͤhung
nach
[555]Siebendes Buch.
nach der Ehre Gottes/ muß dieſes unſer vornehmſtes ſeyn/ daß wir moͤgen in der Gnade
Gottes ſtets verbleiben/ alſo/ daß wir in dieſem Leben wahre Gliedmaſſen ſeines Gnaden-
Reichs/ oder der Chriſtlichen Kirchen; und in dem kuͤnfftigen ewigen Leben wahre Glied-
maſſen ſeines herlichen Reichs oder der himliſchen Seligkeit ſeyn. Dieſes bitten wir von
Gott/ wann wir in der andern Bitte ſprechen: Zukomme dein Reich. Weil wir ſchwache
ſuͤndige Menſchen aber durch uns ſelbſt nicht wiſſen uns alſo zubezeigen in unſerm tuhn
und laſſen/ als Gottes Wille erfodert/ und wir allemahl wider Gottes Ehre handeln/ wañ
wir wider ſeinen Willen handeln/ auch die angebohrne Suͤnde uns immerzu reizet/ daſſel-
be vorzunehmen und fortzuſetzen/ was den fleiſchlichen Luͤſten und Begierden lieb und an-
genehm iſt/ welches dann allemahl wider Gottes Willen/ und folgends wider Gottes Eh-
re ſtreitet/ ſo müſſen wir Gott den HErr bitlich erſuchen/ daß wie die Heiligen Engel/ und
die Seelen der verſtorbenen glaͤubigen Menſchen nicht ſuͤndigen/ ſondern dem Willen
Gottes ſich in allem gemaͤß bezeigen/ alſo wolle unſer gnaͤdiger himliſcher Vater uns mit
ſeinem Heiligen guten Geiſt erleuchten und führen/ daß wir ja nicht wider ſeinen heiligen
Willen handeln/ das iſt/ daß wir ja nicht ſuͤndigen/ ſondern uns von Sünden enthalten/
und nach ſeinem Willen unſer Leben anſtellen und fuhren moͤgen. Sehet mein Schaz/ die-
ſes bitten wir von Gott in der dritten Bitte/ wañ wir ſprechen/ Dein Wille (du lieber Him-
liſcher Vater) geſchehe/ (werde bey uns und von uns im heiligen Wandel geleiſtet)
wie im Himmel (von den Engeln und von den in die Seligkeit auffgenommenen Seelen)/
alſo auch auff Erden (von uns annoch hieſelbſt lebenden Menſchen). Darauff fahren wir
fort/ und bitten von unſerm himliſchen Vater/ weil wir durch unſere eigene Krafft und
Vermoͤgen uns nicht koͤnnen die leibliche Nahrung ſchaffen/ ſondern dieſelbe als arme
duͤrfftige Kinder aus Gottes Gnadenhand empfangen muͤſſen/ dz er uns ſolche Nahrung/
als viel wir zu unſers Lebens Unterhalt beduͤrffen/ alle Tage/ biß an unſer Lebens Ende be-
ſcheren wolle/ und ſolche Lebens Nohtturfft heiſſen wir das taͤgliche Brod/ da wir in der
vierden Bitte ſprechen: Unſer taͤgliches Brod gib uns heute; Oder; gib uns alle Tage/ weſſen
wir Zeit unſers Lebens zu unſer Unterhaltung beduͤrffen. Weiters/ ſo muͤſſen wir uns er-
innern/ daß weil wir die Erbſuͤnde an uns haben/ und wir dieſelbe nicht gaͤnzlich ablegen
koͤnnen/ ſo lange wir in dieſer Schwacheit leben/ ſondern ſolche Erbſuͤnde uns taͤglich zu
ſuͤndigen anreizet/ ſo daß wir nicht allerdinge uns von den Suͤnden der Schwacheit ent-
halten koͤnnen; und aber auch ſolche Suͤnden uns die Verdamniß zuwendetẽ/ wann ſie uns
nicht von Gott aus Gnaden vergeben wuͤrden; Gott aber dieſelben niemand vergeben wil/
als welche ihn in wahrer Buſſe herzlich darumb erſuchen; ſehet ſo haben wir hoch von
noͤhten/ daß wir unſern himliſchen Vater anflehen/ er wolle nicht mit uns handeln nach
unſern Suͤnden/ und uns nicht vergelten nach unſer Miſſetaht/ ſondern uns dieſelben um
ſeines lieben Sohns JEſus Chriſtus willen (welcher vor unſer Suͤnde hat gnug getahn)
gnaͤdiglich vergeben; daher bitten uñ ſprechẽ wir in der fuͤnften Bitte: Und vergib uns unſere
Schulde; unſere Suͤnden ſchuldẽ/ auch dieſe/ damit wir OGott dich taͤglich aus ſchwacheit
beleidigen. Wir ſetzen aber ganz merklich dieſe Wort hinzu: Als wir vergeben unſern Schul-
digern. Gott hat uns befohlen/ daß wann wir von andern beleidiget werden/ ſollen wir de-
nen ſolches gerne vergeben/ und ſie deswegen nicht haſſen noch anfeinden/ ſo gar/ daß/ wo
a a a a ijwir
[556]Siebendes Buch.
wir dieſem Befehl Gottes zur bruͤderlichen Verſoͤhnligkeit nicht nachſtreben/ ſondern uns
ſuchen aus eigener Bewaͤgung zuraͤchen/ ſo wil uns Gott unſere Suͤndenſchuld auch nit
vergeben/ damit wir ihn taͤglich beleidigen/ ſondern er wil uns unſere Suͤnde vorbehalten
zur ewigen helliſchen Verdamniß. Und ſolches hat uns unſer Gott nicht allein in ſeinem
Heiligen Wort gedraͤuet/ ſondern auch hieſelbſt in dieſem Gebeht befohlen/ daß wir uns
ſelbſt Gottes Straffe uͤber den Halß bitten ſollen/ wann wir unſern Beleidigern nicht ver-
geben wollen; dann wir muͤſſen ja außdruͤklich ſprechen: Gleich wie wir unſern Beleidi-
gern ihre Beleidigung vergeben/ alſo wolle und ſolle unſer Gott uns unſere Suͤnde auch
vergeben. Und eben dieſes treibet uns Chriſten an/ daß wir langmuͤhtig ſind/ und unſern
Feinden gerne vergeben. Das Fraͤulein fiel ihm hieſelbſt in die Rede/ und ſagte: Ich habe
Gott Lob alles wol verſtanden/ was mein Schaz mir an ſtat einer Erklaͤrung mitgeteilet
hat/ und ich ſolchen Verſtand von mir ſelbſt nicht wuͤrde geſunden haben. Aber es faͤlt mir
bey dieſer fuͤnften Bitte eine Frage ein/ ob wir dann den Wendiſchẽ Raͤubern/ Krito/ Got-
ſchalk/ uñ ihren Gehuͤlffen auch die Beleidigung vergebẽ/ und ſie deswegẽ ungeſtrafft laſſen
muͤſſen; ich meine ja es erfodere die Gerechtigkeit ſelbſt/ daß ſolche Raͤuber und Gewalt-
taͤhter geſtraffet werden. Der Fuͤrſtantwortete: Mein Fraͤulein tuht wol/ daß ſie dieſen
Einwurff auffgeloͤſet zu werden begehret. Grobe Ubeltahten und Suͤnde/ welche vorſezli-
cher muhtwilliger weiſe begangen werden/ als da ſind/ Mord/ Raub/ Diebſtahl/ Ehebruch
und dergleichen/ hat Gott in ſeinem Wort ernſtlich gebohten/ daß ſie von der Obrigkeit ge-
ſtraffet werdẽ/ ſo gar/ daß wo dieſelbe inbeſtraffung ſolcher Boßheit nachlaͤſſig iſt/ wil Gott
dieſe Nachlaͤſſigkeit hart und ſchwer an der Obrigkeit ſtraffen; aber ſolche Straffe mus
nit ergehen aus Rachgier oder ſonderlicher Feindſchafft wieder denſelben der ſolche Boß-
heit veruͤbet hat/ ſondern es mus geſchehen aus Liebe zur Gerechtigkeit/ und aus gehorſam
gegen Gott; und mus doch inzwiſchen/ wann die Obrigkeit ſelbſt durch ſolche Ubeltaͤhter
beleidiget wird/ mus ſie zwar die Ubeltaht an den Taͤhtern ſtraffen/ aber doch ſo viel an ih-
nen iſt/ es dem Beleidiger vergeben/ der dannoch daſſelbe zur Straffe ausſtehen mus was
ihm Gott aufferlegt hat. Ein Menſch aber/ der nicht Obrigkeit iſt/ und von ſeinem Naͤhe-
ſten beleidiget wird/ mus nicht ſein eigen Richter oder Raͤcher ſeyn/ ſondern der Obrigkeit
es klagen/ derſelben es als Gottes Dienerin in die Hand geben/ und in allem ohn Rachgier
verfahren. Jedoch iſt niemand verbohten eine Nohtwehre zu tuhn/ wann er von einem
andern moͤrdlich uͤberfallen wird. Ich bin hiemit zu frieden/ ſagte das Fraͤulein/ und iſt mir
mein zweifel dadurch benommen/ wolle demnach mein Schaz in Erklaͤrung der uͤbrigen
zwo Bitten fortfahren. Die ſechſte Bitte/ antwortete Arbianes lautet alſo/ Und fuͤhre uns
nicht in verſuchung. Die verſuchung iſt zweyerley; Eine heilſame/ und eine ſchaͤdliche Ver-
ſuchung. Die heilſame ruͤhret her von Gott/ und iſt dieſe/ wann er uns zeitliches Ungluͤk zu
ſchicket/ durch welche er uns von den weltlichen Luͤſten abzihen/ und zu ſeinem Gehorſam
leiten; oder dadurch er unſere Geduld und Beſtaͤndigkeit im Glauben pruͤfen und beweh-
ren wil. Welche Verſuchungen/ weil ſie uns gut und zur Seligkeit befoͤderlich ſind/ muͤſſen
wir von Gott willig annehmen/ und nicht wieder ſeine Schickungen murren/ ſondern nur
bitten/ daß Gott gnaͤdig ſeyn/ und dieſelben uns nicht zu ſchwer machen wolle. Die andere
Verſuchung iſt die ſchaͤdliche/ da ein Menſch verſuchet oder angetrieben wird zu einer odeꝛ
ander
[557]Siebendes Buch.
andern groben Suͤnde/ oder wann er wegen der begangenen Suͤnde verſuchet und ange-
trieben wird zur Verzweifelung; welche aber nicht von Gott herruͤhret/ ſondern von dem
Teuffel/ von den gottloſen verfuͤhriſchen Leuten/ und wol von unſerm eigenen boͤſen willen
des uͤppigen Fleiſches. Daß wir nun in dieſer ſechſten Bitte ſprechen: Du lieber himli-
ſcher Vater/ fuͤhre du uns nicht in Verſuchung/ iſt alſo zuverſtehen; du gnaͤdiger Gott/ gib
es doch dem Teuffel/ oder den gottloſen Menſchen/ oder unſern ſündlichen Begierden nicht
zu/ daß wir von ihnen durch ſchaͤdliche Verſuchungen zur Suͤnde/ noch hernach zur Ver-
zweifelung verfuͤhret werden/ ſondern ſteure und wehre denſelben/ und wende ſolche Ver-
ſuchungen gnaͤdiglich von uns abe. In der ſiebenden und lezten Bitte faſſen wir nun alles
zuſammen/ daß uns Gott von allem ſchaͤdlichen uͤbel Leibes und der Seele erloͤſen wolle/
und ſolches alles wolle er nach ſeiner Gnade durch ſeine Kraft an uns verrichten. Welches
wir mit einem glaͤubigen Amen beſchlieſſen/ durch welches Wort wir bezeugen/ wir haben
den ungezweifelten Glauben/ und die Hoffnung zu Gott unſerm himliſchen Vater/ er wer-
de uns umb ſeines lieben Sohns willen erhoͤren/ und uns die Bitte geben/ die wir von ihm
gebehten haben. Nach geendigter dieſer Auslegung des Vater unſers/ ermahnete er das
Fraͤulein/ daß wann unſer Gott uns Unglük und Wiederwertigkeit zuſchickete/ muͤſten wiꝛ
nicht unwillig auff ihn werden/ oder gar von ihm abfallen/ ſondern wann er uns gleich gar
toͤdten und umbkommen lieſſe/ muͤſten wir ihm doch nicht umb ein Haar weniger/ als in
der hoͤchſten Gluͤkſeligkeit anhangen/ und ſolche zeitliche Straffen vor eine vaͤterliche und
gnaͤdige Zuͤchtigung erkennen/ als welche zu unſer beſſerung uns allemahl angelegt wūr-
de/ damit wir in dieſer Welt gleichſam als durch ein Feur gelaͤutert/ an der ewigen Selig-
keit nicht Schiffbruch erlitten. Schließlich beſchrieb er ihr die unſaͤgliche Freude des him-
liſchen ewigen Lebens durch Gottes eingeben (wie ers dann ehmahls in den Predigten ge-
hoͤret hatte) ſo fein und anmuhtig/ daß ſie daher eine ſonderliche Wolluſt in ihrem Herzen
empfand/ und ſich verpflichtete/ ſie wolte alles Ungluͤk/ was ihr auch begegnen wuͤrde/ ge-
duldig ertragen/ und zu Gott das feſte vertrauen haben/ es waͤhre ihm ja ſo leicht/ ſie von
dieſem Haͤu/ da es ihm gefiele/ wieder auff ihres Herrn Vaters Groß Fürſtliche Schloß
zubringen/ als ſie durch raͤuberiſche Entfuͤhrung davon auff dieſes Haͤu gerahten waͤhre.
Daß iſt recht und wol geredet/ mein herzgeliebtes Fraͤulein/ ſagte er; zweifele auch nicht/
der barmherzige Gott werde uns mit ſeinen Gnaden-Augen anſehen/ und erinnere ich
mich Groß Fuͤrſt Herkules taͤglichen troſtes/ da er ſtets zu ſagen pfleget: Ich bin gewiß/ und
deſſen verſichert; daß unſer Gott getraͤu iſt/ der uns nicht laͤſſet verſuchen uͤber unſer vermoͤgen/ ſon-
dern ſchaffet endlich/ daß die Verſuchung alſo ein Ende gewinne/ daß wirs koͤnnen ertragen. Ja
wann uns Gott gleich eine Kreuzes- oder Ungluͤslaſt wegen unſer Suͤnde aufflege/ ſo helf-
fe er doch allemal uns dieſelbe tragen/ lege ſeinen Gnaden Hand unter und hebe ſelbſt nach;
und wann wir muͤde ſind/ alsdann nehme er ſie gar von uns hinweg/ und werffe ſie ins
Meer. Mit dieſen und andern troͤſtlichen Reden machete er das liebe Fraͤulein ſo ſtand-
feſte/ daß ſie ſich erklaͤrete/ wann es eine ſolche beſchaffenheit mit dem Ungluͤk haͤtte/ daß uns
Gott ſolches nicht aus Zorn/ ſondern/ wie er ſagete/ unſern Gehorſam zu prüfen aufflegete/
ſo moͤchte ſich ja ein Menſch gluͤkſelig ſchaͤtzen/ wann ihn Gott zu ſeiner ſelbſt eigenen beſ-
ſerung dergeſtalt mit der vaͤterlichen Zuchtruhte heimſuchete. Aber ſie redete noch zur
a a a a iijZeit
[558]Siebendes Buch.
Zeit als eine Unerfahrene/ wiewol ſie ſich deſſen hernach zu ihrem beſten oft erinnerte/ und
ihr betruͤbtes Herz dadurch gewaltig ſtaͤrkete. Sie gerieten endlich wieder auf das Anden-
ken ihrer Verwanten/ und wolte das Fraͤulein gerne berichtet ſeyn/ wie ſichs eigentlich mit
Koͤnig Ladiſla Heyraht zugetragen haͤtte/ deſſen Gemahls loͤbliche Tugenden und Schoͤn-
heit Libuſſa ihr ſehr geruͤhmet/ daß ſie nicht wenig verlangen truͤge/ in ihre Kundſchaft zu-
kommen. Ja mein Fraͤulein/ ſagete er/ die Roͤmerinnen tragen auch hohe begierde/ ſie zu
ſehen/ aber heftig beklagen ſie es/ daß eure Liebe mit ihnen nicht werde unterretung halten
koͤnnen/ nachdem jenen das Teutſche noch zur Zeit unbekant iſt/ und neulich erſt den An-
fang gemacht haben/ in dieſer Sprache ſich unterrichten zu laſſen. Je mein Fuͤrſt/ antwor-
tete ſie/ weis ſeine Liebe dann noch nicht/ was vor eine gelehrte Braut dieſelbe an mir be-
kommen? dann meine Bruͤder/ und Koͤnig Ladiſla ſelbſt haben in meiner Kindheit mich
immerzu in der Lateiniſchen Sprache geuͤbet/ daß ich ſolche nicht allein verſtehen/ ſondern
auch zur Noht mit reden kan/ ob ich mich gleich zuzeiten auff die Worte und deren zuſam-
men fuͤgung etwas bedenken mus. Ey ſo mus mein Fraͤulein das Latein fleiſſig treiben/
ſagte er/ dann alſo kan ſie mit meinem Herr Vater und Fuͤrſt Pharnabazus unterredung
pflegen/ welches ihnen ſonderlich lieb ſeyn wird/ biß ſie etwa unſere Sprache wird gefaſſet
haben/ die ungleich leichter zu lernen iſt/ als die uͤberaus ſchwere Teutſche. Auch wollen
wir/ da euer Liebe es gefaͤllet/ nach dieſem mehrenteils Lateiniſch miteinander reden/ wann
wir allein ſind/ weil das Teutſche mir ohndas ſaur genug wird. Die reine Warheit zuſa-
gen/ antwortete ſie/ mus ich bekennen/ daß mein Fuͤrſt die Teutſche Fertigkeit noch nicht
gefaſſet/ wiewol er ſeines herzens anliegen noch mehr als zu deutlich an den Tag geben
kan. Aber wie hat er doch immer und ewig das Reimen-tichten ſo wol gelernet/ daß er ſie
gar dreyfach ſchraͤnken kan? Mein Seelichen/ ſagte er/ darzu waͤhre ich eben ſo geſchikt als
der Eſel zum Lautenſchlagen/ wann ich mich deſſen unterwinden wuͤrde; aber meine Fr.
Schweſter hilft mir damit zu rechte/ ja daß ichs eigen ſage/ ſie ſetzet ſie uͤber/ aus meiner
Mediſchen oder Lateiniſchen Tichterey/ ſonſt wuͤrde es uͤber die maſſe elende Reimen und
abmaͤſſung der Woͤrter geben; und wann ich wiſſen ſolte/ das meinem Fraͤulein belieben
koͤnte/ eines anzuhoͤren/ welches ich ehmahls in meiner Mutter Sprache gnug verwirret/
ihr zu ehren und Gedaͤchtnis getichtet/ die Groß Fuͤrſtin aber hernach in das Teutſche ge-
bracht/ wuͤrde ich mich erkuͤhnen/ es herzuſagen/ weil doch hieſelbſt keine Singenszeit iſt.
Das Fraͤulein hielt alsbald eiferig an/ ihr dieſen freundlichen Willen zuerzeigen/ weil das
erſte ihr ſehr wol gefallen haͤtte. Worauff er dieſes vortrug.


1 OGrauſame Furcht im Lieben/

Wie iſt deine Glut ſo heiß?

Die noch keiner recht beſchrieben/

Keiner zubeſchreiben weiß!

O du gar zu herbes Quaͤlen;

Mus ich dann ohn Ruh und fehlen

Bald nur Feur ſeyn/ bald nur Eiß?

2 Meine Luſt iſt weit entſeſſen;

Ja bin ich dann wol ſo wehrt;

Das die/ ſo ich ganz vermaͤſſen

Liebe/ meiner auch begehrt?

O grauſame Furcht im Lieben/

Die noch keiner recht beſchrieben/

Er mag fahren wie er faͤhrt.

3 Freilich mus ich rund bekennen/

Daß ich gar zu freche bin.

Darumb mus ich ſchier verbrennen/

Und doch kan ich meinen Sinn

Nicht von dieſer Sonnen wenden/

Haͤtt’ich gleich an andern enden

Einen ſicheren Gewin.

4 Nun
[559]Siebendes Buch.
4 Nun es gehe wie es wolle/

Meine Liebe brech’ich nicht/

Ob gleich auff der Parken Rolle

Meines Lebens Fadem bricht.

Dann ohn dieſer Sonnen Strahlen/

Die mein Herz ſo ſchoͤn bemahlen/

Hab ich weder Schein noch Licht.

5 Fraͤulein/ deren hohe Gaben

Selbſt der Himmel zeuht hinan/

Weil ſie mehr als Menſcheit haben/

Ach nehmt euren Sklaven an/

Der durch eurer Bildnis blicken

Noch vor Liebe mus erſticken/

Und ſich kaum mehr kennen kan.

6 O du klarheit laß dich finden/

Brich die Dunkelheit in mir/

Meine Geiſter die verſchwinden/

Meine Seele berſtet ſchier/

Und die Kraͤfte ſind erlegen/

Weil vor harten Liebes-Schlaͤgen

Ich mus ſeufzen fuͤr und fuͤr.

7 Nun ich wil des Gluͤckes warten/

Gibt das warten mir gleich Pein;

Vielleicht duͤrfte ſichs noch karten

Daß der klare Sonnenſchein

Mein Anſchauen wird erleiden/

Alsdann werd’ich voller freuden

Und durchaus vergnuͤget ſeyn.

Wol zufrieden mein allerſchoͤnſtes Seelichen; wol vergnuͤget mein aller teureſter Schaz/
fuhr er weiter fort/ nach dem die Hoffnung mich nicht ganz verlaſſen/ ſondern ſchon in ſo
weit beſehliget hat/ daß ich die muͤndliche Zuſage erhalten/ und die hoͤchſt gewuͤnſchete
Volſtreckung nicht ferne zu ſeyn hoffe; daher mich forthin nicht gereuen wird/ ob gleich ih-
retwegen ich mannichen ſchweren Herzenspraſt außgeſtanden habe. Ach mein allerwer-
deſter Fuͤrſt/ antwortete ſie; billich rechne ich mich unter die gluͤkſeligen/ daß von ihm ich
dermaſſen herzlich geliebet/ und uͤber Wirdigkeit hoch geſchaͤtzet werde/ und hat er ſich nicht
zubefahren/ daß ich einem ſolchen getraͤuen Liebhaber einige Vergnuͤgung ſolte auf zuſchie-
ben Willens ſeyn/ ſo bald ich mich nur bey meinen lieben Eltern und Verwanten finden
werde. Ich gelebe der troͤſtlichen Hoffnung/ ſagete er/ und wil in guter Geduld erwarten/
wann das Gluͤk mir die vollige Nieſſung ihrer Gunſt und Liebe in ehelicher traͤue und zu-
laͤſſiger Beluͤſtigung goͤnnen wird. Weil aber die Sonne ihren Lauff ſchier zum Ende ge-
bracht/ und ſich unter die Erde verſtecken wil/ werde ich mein Fraͤulein bitten/ mir zugoͤn-
nen/ daß ich ſie mit meiner Kunſt Farbe anſtreiche/ und den herlichen Sonnenſchein ihres
liebreichſten Angeſichts unter dieſer Wolke verberge; endlich ihr auch dieſe baͤuriſche
Kleidung anlege/ um zubeſehen/ wie ſtolz dieſelben ſich werden duͤnken laſſen/ daß ſie dieſen
ihren allerwolgeſtalteſten Leib zubedecken gewirdiget werden. Das fromme Fraͤulein hatte
vor dieſem dergleichen verliebete reden nie gehoͤret/ viel weniger der Liebe Anmuht ihr ein-
bilden koͤnnen/ die anjetzo ihr mit uͤberhaͤuffetem Maſſe eingeſchenket ward/ daher ſie aller-
dinge ſich darein nicht zuſchicken wuſte; dañ ihr auffrichtiges unbetriegliches Herz mei-
nete nicht/ daß etwas an ihr waͤhre/ wodurch ein ſolcher Fuͤrſt zu dergleichen hohen Nei-
gungen ſolte koͤnnen gereizet werden/ daher baht ſie ihn/ er moͤchte ſie nicht uͤber Wirdig-
keit erheben/ noch mit dergleichen Lobreden belaſten/ die nur eine Schahm in ihr erwecke-
ten/ daß ſie gedenken und argwohnen muͤſte/ es waͤhre zum Auffzuge angeſehen/ und wolte
vielleicht er ſie erforſchen/ ob eine toͤhrichte Einbildung und naͤrriſcher Ehrgeiz hinter ihr
ſteckete/ daß ſie in unverdieneten Ruhm gehehlen koͤnte; welches er mit traurigem Geſich-
te beantwortete/ O ihr meines Lebens Meiſterin/ ſagte er/ kan mein Fraͤulein ſo wiedrige
Gedanken von ihrem ergebenen Knechte faſſen/ oder hat ſie deſſen irgends an mir geſpuͤret
was zu ihrer Großfuͤrſtlichen Hocheit Verkleinerung gereichen moͤchte? und warumb
wil
[560]Siebendes Buch.
wil ſie ihre Vortreffligkeit doch nicht erkennen/ oder vielmehr mir verbieten/ ſolche zuver-
ehren/ und ihr den gebuͤhrlichen Preiß zuzulegen/ welches doch weder ich noch einiger
Menſch voͤllig leiſten kan? Umfing ſie hiemit inniglich/ und baht mit beweglicher Rede/
ihn hinfuͤro des ungleichen verdachts zuerlaſſen/ welcher ihn mehr als der Tod ſelber
ſchmerzete. Wann es dann ſo ſeyn muß/ antwortete ſie/ daß mit aller Gewalt ich mich einer
ſonderlichen Schoͤnheit und anderer beywohnenden Volkommenheiten in meinem groſſẽ
Mangel ſol bereden laſſen/ wil ichs meinem allerliebſten Fuͤrſten zugefallen ſo lange mit
glaͤuben/ biß er ſich eines andern beſinnen/ und mir ſolches hernach ſelber wieder auß dem
Sinne ſchwatzen wird; vor dißmahl aber wolle mein liebſter mit der Verſtellung meines
Angeſichts fortfahren/ damit ich hernach auch mein ehrbahres Kleid anlegen koͤnne. Ar-
bianes hieß Wolffgangen Waſſer herauff geben/ womit er die Farbe zurichtete/ und vor
erſt ihr Goldgelbes Haar braͤunlich machete/ uͤber welche Veraͤnderung ſie ſich nicht we-
nig verwunderte; hernach ſtreich er ihre Haͤnde und Arme biß zu den Ellenbogen an/ und
zulezt ihr Geſicht/ Hals und Kehle/ da ſie ihren kleinen Spiegel hervor ſuchete/ und in dem
ſelben ſich beſehend/ hochbeteurete/ ſie kennete ſich ſelbſt nicht mehr. Endlich verfuͤgete ſie
ſich in einen abſonderlichen Winkel/ zohe ihre Fuͤrſtlichen Kleider ab/ und legte die wolzu-
flicketen Lumpen an/ ſchuͤrzete ſich in Geſtalt einer Dienſtmagd zimlich auff/ zohe grobe wuͤl-
linne Struͤmpffe/ und breite Schuch an/ in welchen ſie einen guten Teil Haͤu ſtopffen mu-
ſte/ damit ſie ihr nicht von den Fuͤſſen fielen. Inzwiſchen ſtürzete ihr Arbianes eine weiſſe
Muͤtze auff/ und uͤber dieſelbe eine ſchwarze vierdraten/ mit woͤllinen Frenſeln umher be-
ſetzet/ haͤngete ihr leztlich ein weiſſes grobes Leilach umb/ deſſen hinter Zipffel ihr biß an
die Waden herab hing/ und als ſie der geſtalt baͤuriſch gnug außgeputzet wahr/ ſagte ſie zu
ihm; jezt erinnere ich mich der vorigen Rede meines Fuͤrſten/ daß er ſich nicht wegern
wolte/ in dieſem Huͤtlein vor einen Knecht zudienen/ wann ich Magd oder Tochter drinnen
waͤhre; ey ſo betrachte er mich doch nun recht eigen/ ob ich nicht vor eine grobe Bauren
Dirne mit lauffen kan. Ja/ ſagte er/ nach der jetzigen Kleidung und angeſtrichenen Farbe
zwar wol; wie aber/ mein Fraͤulein/ wann ihr die Kleider außgezogen wuͤrden! Ach da-
vor bewahre mich der Almaͤchtige Gott/ antwortete ſie/ und laſſe mich ja lieber auff die-
ſer Stelle die Seele außblaſen. Ich bin aber des ſtarkriechenden Haͤues von Herzen uͤber-
druͤſſig/ und moͤchte wuͤnſchen/ daß wir alsbald fortgehen ſolten/ weil ich mich ſehr wol zu-
fuſſe befinde; iſt mir auch inſonderheit lieb/ dz das heutige heiſſe Wetter ſich in einen Regẽ
zu verendern wollen ſcheinet/ und in ſolcher Witterung man umb ſoviel weniger auff uns
acht haben wird/ wil auch lieber durchhin naß werden/ als im finſtern gehen/ dann bey
Nacht Zeit iſt es gaꝛ zu gꝛauhafft/ und wann uns alsdann jemand auffſtoſſen ſolte/ duͤrffte
man allerhand wiedrige Gedanken wegen unſer naͤchtlichen Reiſe faſſen. Der Fuͤrſt ließ
ihm ſolches wolgefallen/ ꝛieff Wolffgangen und fꝛagete/ ob ſie noch zeitig gnug in die Stad
kommen koͤnten/ wann ſie ſich jezt mit dem Regen auffmacheten. Ja mein Herr/ ſagte er/
nun waͤhre wol die gewuͤnſchete Zeit/ wann nur eure Fr. Schweſter ſich im naſſen behel-
fen und den Regen leiden koͤnte; ob wir dann gleich etwas ſpaͤte nach geſchloſſenem Tohr
kommen wuͤrden/ habe ichs ſchon mit einem Trinkgelde bey dem Tohr Huͤter beſtellet/ daß
wir ſollen eingelaſſen werden. Arbianes machte ſich alsbald in ſeine Kleider/ nam ſein
Geld
[561]Siebendes Buch.
Geld und Kleinote/ deren er unterſchiedliche bey ſich hatte/ zu ſich/ hing die Bauren Ploͤtze
an die Seite/ und hatte mit dem Fraͤulein muͤhe gnug/ ehe er ihr von der ſteigerẽ Leiter hel-
fen kunte. Als ſie hinunter kahmen/ gedauchte den Alten/ das Fraͤulein waͤhre ihm geſtern
Abend im dunkeln ungleich ſchoͤner vorkommen/ wolte doch nach ihrer Verenderung
nicht fragen/ ſondern reichete ihr ein weiſſes Staͤblein/ wo bey ſie gehen ſolte/ welches ſie
mit dieſen Worten hinnam: Lieber Vater/ ihr habt wol als ein Vater bey mir gehandelt/
welches ich auch als eine dankbahre Tochter erkennen wil/ und vor dieſen Stab euer Stab
im Alter ſeyn/ ſo und dergeſtalt/ daß ihrs nicht beſſer wuͤnſchen ſollet. Wuͤrde ſich nun al-
hie bey euch meinetwegen weitere Nachfrage begeben/ die von dem Teutſchen Großfuͤrſten
oder ſeinen Soͤhnen herruͤhrete/ ſo ſtellet ihnen meine auff dem Haͤu hinterlaſſene Kleider
zu/ und berichtet alles was ihr von mir wiſſet/ inſonderheit/ da inwendig ſieben Tage ihr
von uns keine Botſchafft haben ſoltet/ ſo ſchaffet euch Fuhre umb dieſes Geld (dann ſie legete
ihm 20 Kronen in die Hand) fahret hin/ wo das Teutſche Heer ſich auffhalten wird/ und
bringet meine Kleider hochgedachten Herrn uͤber/ die werden euch ſchon des Weges zu-
lohnen wiſſen. Dieſer euer Wolffgang aber ſol mein Diener ſeyn/ und ſein kuͤnfftiges Glük
noch zur Zeit nicht außrechnen koͤnnen. Ach liebe junge Frau/ antwortete der Alte/ ſo hohes
erbietens bin ich nicht wirdig/ und moͤchte nur wuͤnſchen zuwiſſen/ was vor liebe Leute ich
beherberget habe/ welches bey mir ſterben ſolte. Das Fraͤulein fragete den Fuͤrſten auff La-
teiniſch/ ob ſie ihm etwas Nachricht geben duͤrffte/ und auff Erlaͤubniß nam ſie ihn abſon-
derlich/ und ſagte zu ihm; Sehet Vater/ daß ihr vor erſt meinen guten Willen ſpuͤret/ ver-
ſichere ich euch in hohem vertrauen/ dz ihr Bꝛaut uñ Braͤutigam beherberget habet/ welche
Gott wundeꝛlich zuſammen geſellet hat/ und ihꝛes Standes ſo hoch ſind/ als einigeꝛ Menſch
in dieſem Koͤnigreiche. Der Alte erſchrak deſſen hoͤchlich/ baht um Gnade und Verzeihung/
wuͤnſchete ihnen Gluͤk und ſichere Reiſe zu den ihrigen/ und befahl ſich ihrer beharlichen
Gewogenheit. Arbianes nam auch freundlichen Abſcheid von ihm/ bedankete ſich der er-
wieſenen Traͤue/ und verſprach ihm gnugſahme Vergeltung neben der Erinnerung/ er ſol-
te ſeine und ſeiner Liebſten Kleider beyeinander laſſen/ und ſie/ wann er etwa abgehohlet
wuͤrde/ mit ſich bringen. Welches er willig verſprach/ auch zugleich eine Vorbitte wegen
ſeines ungehorſamen Sohns einlegete/ damit derſelbe auch dereins ſeiner Befoderung
moͤchte zugenieſſen haben; dann er waͤhre jung/ und von boͤſer Geſelſchafft verleitet/ wuͤr-
de alsdann das boͤſe wol ablegen/ und alle Moͤgligkeit leiſten. Worauff Arbianes ihm al-
len freundlichen Willen verhieß; nam einen Springſtecken zur Hand/ ließ Wolffgang
mit dem Fraͤulein ein wenig voran gehen/ und folgete gemehlig nach/ Gott den HErrn
von Herzen anflehend/ er moͤchte ihr Geleitsman ſeyn/ und ſie in kurzen zu den ihren brin-
gen. Als ſie in das offene Feld kamen/ und zwiſchen dem Korn/ welches gleich in der Bluͤ-
te ſtund/ daher gingen/ erhub ſich ein uͤberaus ungeſtuͤmes Ungewitter/ da nicht allein ihnẽ
der Wind gerade entgegen ſtund/ welcher den ſcharffen Regen mit zimlichen groſſen
Schloſſen vermiſchet/ ihnen ins Geſichte ſchlug/ ſondern der Bliz und Donner ſich der-
geſtalt ſehen und hoͤren ließ/ daß auch ein Herzhaffter dadurch in Furcht und Schrecken
geſetzet ward. Das Fraͤulein beſchirmete ihr Angeſicht mit dem Leilach ſo beſt ſie kunte/
und wurden ſie ingeſamt in kurzer Zeit ſo pfuͤtzenaß/ daß ihnen kein trockener Fadem uͤbrig
b b b bblieb.
[562]Siebendes Buch.
blieb. Arbianes beklagete das Fraͤulein ſehr/ und fuͤhrete ſie ſtets unter dem Arme/ welche
ſich aber keine Ungelegenheit verdrieſſen ließ/ vorgebend/ ſie haͤtte nie keinen angenehmern
Luſtgang verrichtet/ und koͤnte das Wetter ſo ungeſtuͤm nicht ſeyn/ daß ſie es nicht ſchaͤrffeꝛ
wuͤnſchete/ wann ſie nur hiedurch vor Unfal geſichert wuͤrde; aber als ſie den Weg zur
Helffte gbracht hatten/ ließ der Regen nach/ und gingen neben etlichen groſſen Baͤumen
her/ hinter welchen ſich drey verſchlagene Wendiſche Fußknechte wegen des Regens auf-
hielten/ deren einer ein Schwert bey ſich führete/ die andern beiden aber mit langen Pruͤ-
geln ſich verſehen hatten. Sie macheten alsbald einen Anſchlag auff die unſern/ ihnen/ wz
ſie etwa bey ſich haͤtten/ abzunehmen/ weil ſie ſonſt keine Leute im Felde ſpuͤreten/ inſonder-
heit hatten ſie Luſt/ Arbianes umb ſeine Baurenploͤtze zubringen/ und ſich damit zuwapnẽ/
daher ſie alle drey mit einander loßbrachen/ und der eine ſein Schwert/ noch ehe ſie gar na-
he kahmen/ entbloͤſſete/ welches Arbianes erſehend/ dem Fraͤulein einẽ Muht einredete/ ſie
ſolte ſich wegen dieſes uͤberfalles durchaus nicht fuͤrchten/ ſondern bey Wolffgangen blei-
ben/ oder/ welches das beſte/ ſich nur an den einen Baum niderſetzen/ maſſen da dieſe Raͤu-
ber ihnen etwas würden anmuhten ſeyn/ ſie es bald gereuen ſolte. Hernach hieß er Wolff-
gangen ein gutes Herz faſſen/ und mit ſeinem Springſtecken ſich dem einen friſch entgegẽ
ſetzen/ oder nur abwehren/ daß er von ihm mit dem Pruͤgel nicht getroffen wuͤrde/ er wolte
mit Gottes Huͤlffe den andern beiden Mannes gnug ſeyn. Kaum hatte er ſolches ausge-
redet/ da rieffen jene ihnen zu/ ſie ſolten ſtille ſtehen/ oder alsbald niedergemacht werden.
Das Fraͤulein verließ ſich auff Gott und ihres Fuͤrſten Herzhafftigkeit/ daher ſie ohn ei-
nige Wehklage ſich niderſetzete/ nicht zweifelnd/ dieſer Streit wuͤrde bald geendiget ſeyn.
Arbianes aber gab den Anſprengern zur Antwort; was ſie ihnen zugebieten haͤtten zu ſte-
hen oder fortzugehen? ſie ſolten ſich bald packen/ und der eine das Schwert in die Schei-
de ſtecken/ oder es wuͤrde noch vor abends mit ihnen dreckicht gehen werden. Dieſe lieſſen
auff ſolche Draͤuung ſich trotzig vernehmen/ weil ſie keine Gnade erkennen koͤnten/ müſten
ſie ohn alles erbarmen in gruͤner Heide das Leben verlieren; da dañ der eine mit dem Pruͤ-
gel auff Wolgang loßging/ der andere ſich auff die Huht ſtellete/ ob dieſen etwa ein Entſaz
zukommen wuͤrde/ der mit dem Schwerte aber ſich an Arbianes machete/ des feſten Vor-
ſatzes/ ihn alsbald niderzumachen; welcher aber mit ſeiner kurzen Ploͤtze ſich zum recht-
maͤſſigen Gefechte ſtellete/ und ſeines Feindes getroſt erwartete. Dieſer erkennete hieraus/
daß der vermeynete junge Baur der Fecht Kunſt nicht allerdinge unwiſſend ſeyn muͤſte/
gedachte doch/ weil er ſelbſt ein guter Fechter wahr/ ihm etliche blutige Streiche zuverſetzẽ/
biß er ihn wuͤrde auffgerieben haben/ da er ſich dann nicht wenig auff ſein langes Schwert
verließ. Arbianes aber achtete ſein nit/ gab nur acht/ wie es Wolffgang mit ſeinem Man-
ne ergehen würde/ und als er merkete/ daß dieſe beiden einer dem andern gewachſen wahꝛẽ/
hielt er ſeinen Feind mit Worten auff/ und fragete ihn/ was ihn ſo kuͤhn machete/ die In-
wohner dieſes Landes auff freyer offener Landſtraſſe zuuͤberfallen/ und moͤchte gerne wiſ-
ſen/ ob er ihn vor einen Moͤrder und Raͤuber/ oder vor einen abgeſtrichenen Landsknecht
halten ſolte. Dieſen verdroß der Spot/ und begunte hefftig auff Arbianes loßzudringen/
welcher mit einem kurzen Lager ihm auffwartete/ auch nicht lange anſtund/ daß er ihm ei-
nen Schnit uͤber das Maul gab/ daß die rohte Suppe mildiglich hervor floſſe/ welches die-
ſen
[563]Siebendes Buch.
ſen zum wuͤtigen Eifer verurſachete/ daß er ihm auch wol einen Tod durch Pein draͤuen
durffte; woruͤber ſich Arbianes erzuͤrnete/ ihm eintrat/ und mit einem quehrhiebe ihm den
Unterbauch oͤfnete/ daß ihm das Gedaͤrme zum Leibe heraus floß/ und vor Ohmacht das
Schwert fallen ließ; Arbianes machte ſich alsbald hin nach dem dritten/ der auff die Huht
geſtellet wahr/ welcher ſchon mit fluͤchtigen Gedanken umging/ weil er ſeines Geſellen Un-
fall von ferne ſahe/ und uͤber das unbewehret wahr; ſein Feind aber ſaß ihm zu zeitig auff
der Haube/ dem jener ſich mit ſeinem groſſen Pruͤgel entgegen ſetzete/ aber denſelben mit
ſamt der abgehauenen rechten Hand bald fallen ließ/ und ihm bald darauff mit einem hie-
be der Schedel geoͤffnet ward/ daß das Gehirn ſamt dem Blute heraus floſſe. Der Obſie-
ger kehrete hiemit umb nach Wolffgangen/ umb zuvernehmen/ wie es ihm ginge. Derſel-
be hatte nun anfangs mit ſeinem Anſprenger ſich rechtſchaffen zudroſchẽ/ und ſehr herbe
trockene Schlaͤge ausgeteilet und angenommen; Weil er aber merkete/ daß der Wende
ihm mit Fertigkeit/ die Streiche auszunehmen und zuverſetzen zu geſcheid wahr/ unterlie[-]
er ihm/ und fing an mit ihm zuringen/ da ſie dann ſich mit einander bey den Haaren wol zu-
zauſeten/ biß es Wolffgangen durch ſeine Leibesſtaͤrke geriet/ daß er dieſen zur Erden nie-
derwarff/ ſich auff ihn ſetzete/ und ihm die Augen im Kopfe dergeſtalt zerſchlug/ daß ſie ihm
zuſchwollen. Derſelbe aber gedachte an ſein Brodmeſſer/ und ſuchte es hervor/ ihn damit
zuerſtechen/ gleich als Arbianes herzu nahete/ welcher ſolches ſehend/ ihm im Augenblicke
vorkam/ und die Hand begriffe/ als er gleich den Stich vollenden wolte/ ſchnitte ihm auch
mit der Ploͤtze uͤber die Finger/ daß er das Meſſer fallen laſſen muſte/ und in dieſer Angſt
fragete/ obs recht waͤhre/ daß zween ſich über einen macheten. Arbianes abeꝛ lachete deſſen/
reichete Wolffgang die Ploͤtze/ und befahl ihm/ den Raͤuber damit hinzurichten/ welches
er mit dreyen Hieben leiſtete/ und die erſchlagenen Buben hinter eine Hecke ſchleppete. So
bald das Fraͤulein des voͤlligen Sieges inne ward/ ſtund ſie auff von ihrem andaͤchtigen
Gebeht/ dankete Gott mit kurzen Worten/ und eilete hin zu ihrem lieben Fuͤrſten/ welchen
ſie umfahend/ alſo anredete: Gott Lob und Dank mein Schaz/ daß wir dieſer Gefahr ge-
ſund und unverwundet entgangen ſind; laſſet uns aber unſern Weg eilig fortſetzen/ damit
nicht andere Buben uͤber uns kommen/ und die Gefahr vergroͤſſeren. Mein Fraͤulein re-
det wol/ ſagte er; dann ob wir gleich ſolcher Uberwindungen mehr erhalten wuͤrden/ ſind
ſie doch unruͤhmlich/ und dürffte dem guten Wolffgang das Fell gar zu hart gegerbet wer-
den/ dann wo ich nicht irre/ hat er des Raͤubers Pruͤgel zimlich gekoſtet. Ja mein Herr/
antwortete er/ ich werde der empfangenen Stoͤſſe wol etliche Tage mich zuerinnern habẽ/
danke aber eurer Gn. vor mein erhaltenes Leben/ welches der Moͤrder bedacht wahr/ mit
dem Meſſer mir zunehmen. Derſelbe hat ſeinen Lohn empfangen/ und wird hinfort ruhig
ſeyn/ antwortete er; gingen alſo fort/ und fragete ihn Arbianes/ ob er ihm nicht koͤnte ei-
ne bequeme Herberge zuweiſen/ woſelbſt ihm ein eigen Gemach mit einem Feurheerd und
zwey bereiteten guten Betten eingeraͤumet wuͤrde. Welches er beantwortete; Er dienete
bey einem Gaſtwirt vor einen Haußknecht/ welches ein Witwer und guter Mann/ aber
ſehr geizig waͤhre/ haͤtte ein feines Hintergemach/ und wuͤrden ſie bey demſelben beſſer als
bey keinem andern koͤnnen bewirtet werden. Welches das Fraͤulein gerne vernam/ ging
mit ihrem lieben Fuͤrſten immer fort/ und gelangeten noch vor Tohrſchlieſſens bey der
b b b b ijStad
[564]Siebendes Buch.
Stad an/ gleich da eine Geſelſchafft trunkener Bauren heraus ſchwaͤrmeten/ und Arbia-
nes zurechtfertigen begunten/ woher er kaͤhme/ und wer er waͤhre; welcher aber ſich mit
ihnen in kein Geſpraͤch einlaſſen wolte/ ſondern Wolffgangen das Wort uͤberließ/ wickelte
ſich alſo ſein von ihnen loß/ ohn mit dem lezten waͤhre er ſchier in ein ſchlimmes Bad ge-
rahten; dann als dieſer ſich an das Fraͤulein machete/ und mit ihr zutanzen/ ſie bey der
Hand faſſete/ weil der Sakpfeiffer vor ihnen herging/ verdroß ihn ſolches ſo hart/ daß er
ſchon im vollen Werke wahr/ von Leder zuzihen/ und den Schimpf zuraͤchen/ dafern Wolf-
gang ſichs nicht angenommen haͤtte/ welcher den Bauren kennete/ und ihn erinnerte/ dieſe
fremde Jungefrau unbeſchimpffet zulaſſen; dieſer aber mit hohen Fluͤchen (ſie ſteiff bey der
Hand haltend) beteurete/ er wolte der Dirnen kein Leid antuhn/ nur ſie muͤſte einmahl mit
ihm tanzen/ und moͤchte hernach wol ungehindert ihres Weges gehen. Arbianes ſich be-
ſiñend/ lachete endlich des Handels/ weil das Fraͤulein/ um Unheil abzuwenden/ ſich zum
Tantze anerboht/ da ſie ſich aͤuſſerſt bemuͤhete/ ja ſo unhoͤflich zuſpringẽ/ wie ſie wol ehmals
es von den Sachſiſchen Bauren Maͤgdlein geſehen hatte/ wiewol dieſer Tanz ihre verſtel-
lung leicht haͤtte verrahten moͤgen/ wann daß nuͤchterne Zuſeher ſich dabey angefunden/
maſſen der Baur ſeiner toͤlpiſchen Gewohnheit nach ſie dergeſtalt herumb ſchwaͤnkete/ daß
die Kleider ihr zimlich in die hoͤhe flogen/ und man das zarte ihres Beins naͤheſt ober dem
Knie ſehen kunte/ fehlete auch wenig/ ſie waͤhre mit ſamt dem Taͤnzer übern hauffen gefal-
len/ welcher im ſpringen wegen des glatten Erdbodems ausglitſchete/ und ſich mitten im
Koht rechtſchaffen umbwaͤlzete/ das Fraͤulein aber bloß durch ihre leichte geradigkeit ſich
des Falles entledigte. Wolfgang nahm ihres Beines entbloͤſſung wahr/ und aus der
zarten Haut muhtmaſſete er/ ſie muͤſte unter dem Angeſicht und an den Haͤnden mit einer
Kunſtfarbe verſtellet ſeyn/ weil der Alte ihm von ihrer Schoͤnheit geſagt hatte. Der Bauꝛ
machete ſich aus dem ſtinkenden Lachen wieder hervor/ und weil der Sakpfeiffer noch im-
merzu auffſpielete/ wolte dieſer noch weiter an den Tanz; aber Wolfgang/ auff Arbianes
anmahnung machete den Spielman durch verehrung eines Groſchen auffhoͤren/ da der
Baur das Fraͤulein ſchon wieder bey der Hand gefaſſet hatte/ und mit dieſen Worten ab-
ſcheid von ihr nam: Dirne/ du muſt deine Tage wenig mit den Haͤnden gearbeitet haben/
dann niemahls habe ich ſo weiche Finger angeruͤhret/ als die deine ſind. Das erſchrockene
Fraͤulein wuſte hierauf ſo bald nicht zu antworten/ endlich ſagete ſie: Sie waͤhre eine Naͤh-
terin/ darumb haͤtte ſie keine ſchwelle in den Haͤnden; zog ſich hiemit von ihm nach ihrem
Liebeſten/ welcher zu ihr ſagete: Dieſes wahr gleichwol noch uͤbrig/ mein Fraͤulein/ daß ich
ſie nicht hatte tantzen ſehen. Verzeihe es euch Gott/ mein Schaz/ antwortete ſie/ daß zu mei-
nem groſſen Ungluͤk ihr mich noch auffzihen duͤrffet; niemahls habe ich in groͤſſer angſt uñ
ungemach getanzet/ und behuͤte mich Gottes Barmherzigkeit ja hinfort/ daß dergleichen
Taͤnzer ich nimmer wieder an die Hand bekomme; aber laſſet uns ſchleunig fortgehen/ daß
ich nicht weiter anſprach von den Trunkenbolzen bekomme/ und Waſſer haben moͤge/ mei-
ne beſudelten ſtinkenden Haͤnde abzuwaſchen. Faſſete ihn bey der Hand/ und ging mit ihm
zum Stadtohr ein/ klagend/ es haͤtte der grobe Baur mit ſeiner ſteinharten Fauſt ihr die
Finger dergeſtalt zerdruͤcket/ daß ſie ihr rechtſchaffen ſchmerzeten. Als ſie in das Wirts-
haus anlangeten/ ſagte Wolfgang zu ſeinem Herrn; Hie ſind fremde Leute auff dem Wege
zu
[565]Siebendes Buch.
zu mir kommen/ und haben mich umb nachweiſung einer guten Herberge gebehten/ wo ihr
ſie nun am beſten laſſen koͤnnet/ werdet ihr wiſſen. Sein Herr fing an mit ihm zuſchelten/
ob er Koſt und Lohn mit muͤſſiggehen verdienen koͤnte/ moͤchte er ſich nach einem ſolchen
Herrn umbſehen; er haͤtte ihm dieſen Tag uͤber durch verſaͤumnis einen Gulden ſchaden
getahn/ welches er bey der Ablohnung wol finden wolte. Ich habe es nicht endern koͤnnen/
antwortete Wolgang/ und wañ ichs nicht nachhohlen kan/ bin ich zu frieden daß ihr mirs
abkuͤrzet. Der Wirt wolte noch weiters auff ihn loßzihen/ aber Arbianes fiel ihm in die
Rede/ ſagend: Guter Freund/ ich und dieſe meine Waſe/ ſind vom Regen getroffen und
zimlich naß worden; in was Gemach weiſet ihr uns/ daß wir uns fein abtroknen moͤgen?
Da gehet in die Geſinde-Stube/ antwortete er/ ich werde hinte kein groſſes Feur anlegen/
die Haut machet euch die Kleider wol wieder trocken/ wann ihr uͤber Nacht drinnen ſchlaf-
fet. Solches ſchlimmen Ruhbettes ſind wir ungewohnet/ ſagte Arbianes; und weil er
merkete/ daß die Schuld ihrer verachtung an den Kleidern lage/ ſagte er weiter: H. Wirt/
urteilet uns nicht nach der Kleidung; ich bin ein wolhabender Kauffman/ und habe mich
alſo verkleiden muͤſſen/ weil ich vom Reinſtrom herkomme; gebet mir/ und meiner Waſen
ein gutes abgelegenes Gemach/ ich wil euch taͤglich eine Krone davon geben/ und auff drey
Tage voraus bezahlen. Legte ihm damit ſolches Geld in die Hand/ womit der Wirt nach
dem Liechte lieff/ es zubeſehen; kam bald wieder/ zohe ſeinen Huht demuͤhtig ab/ und verhieß
alles/ was in ſeinem vermoͤgen wahr/ ihnen gerne zu leiſten. Ey ſo laſſet uns ein gutes Feur
anlegen/ ſagte Arbianes/ und die beſten Speiſen zurichten/ mich aber vor die bezahlung ſor-
gen. Der Wirt fuͤhrete ſie ſelber nach dem begehreten Gemache/ und fragete ob ſie einen
ſteten Auffwarter haben wolter. Ja/ ſagte das Fraͤulein/ aber keinen andern/ als dieſen eu-
ren Knecht/ mit dem wir bereit Kundſchaft gemacht/ und in ſeiner Geſelſchaft ankommen
ſind; hat er euch dann/ weil ich ihn auffgehalten/ etwas verſeumet/ habe ich ſchon mittel/ es
zuerſtatten. Davon iſt nichts zu ſagen/ antwortete dieſer; rieff ſeinen Wolfgang herzu/ uñ
befahl ihm/ ſich ſonſt an nichts zu kehren/ als bloß dieſen Fremden auffzuwarten. Da ging
es nun dem Fuͤrſten nach ſeinem willen; er machete ſich mit dem Fraͤulein fein trocken/ uñ
ergetzeten ſich nach der mühſeligen Reiſe/ mit guter Speiſe und Trank. Nach gehaltener
Mahlzeit fragete der Fuͤrſt Wolfgangen/ ob er die ſchon angelobete Verſchwiegen-
heit auch gedaͤchte redlich zu halten/ alsdann ſolte er in der elenden Knechtſchaft nicht lan-
ge mehr zubringen/ ſondern in kurzem ein ſolcher Herr werden/ der ſelber Pferde und Die-
ner halten koͤnte. Dieſer verſprach bey Bauch und Halſe/ ſich durch keines Henkers zwang
zur Verraͤhterey und Traͤuloſigkeit bringen zu laſſen/ ſondern was ihm vertrauet wuͤrde/
mit ſich in die Grube zunehmen. Wolan ſagte der Fuͤrſt/ ſo ſoltu wiſſen/ daß du jezt einer
Großmaͤchtigen Fuͤrſtin/ und einem Fürſten auffwarteſt/ welche dich in kurzer Zeit zu ſol-
chem Ehrenſtande erheben wollen/ dahin du dein lebenlang nicht haſt koͤnnen gedenken.
Wolfgang erſchrak hieruͤber/ fiel vor ihnen in die Knie/ und gelobete freiwillig an/ vor ihre
Wolfahrt gerne zuſterben/ weil er lange gnug gelebet haͤtte/ nachdem er das Gluͤk gehabt/
daß hohe Fuͤrſten Haͤupter ihn vor ihren Knecht anzunehmen gewirdiget haͤtten. Nein/
ſagete das Fraͤulein/ ihr ſollet wils Gott nicht ſterben/ ſondern mit uns wol leben/ dafern
ihr nur euren Worten redlich nachkommen werdet; ſolte euch aber leichtfertigkeit verfuͤh-
b b b b iijren
[566]Siebendes Buch.
ren/ meinaͤidig zu werden/ koͤnnet ihr uns damit zwar keinen Schaden/ ſondern nur Wie-
derwillen tuhn; aber wir wuͤrden ſolches dergeſtalt an euch raͤchen/ daß das ganze Land
daran ein Beyſpiel und Abſcheuh haben wuͤrde; wiewol ich mich deſſen zu euch nicht ver-
ſehe/ daß ihr die wolangefangene Traͤue ſo ſchaͤndlich ſoltet uͤberſchreiten. Arbianes befahl
ihm darauff/ er ſolte hauſſen naͤheſt vor dem Gemache ſeine Schlafſtelle nehmen/ damit er
ihn allemahl bey der Hand haͤtte/ wann er ſeiner Dienſte benoͤhtiget waͤhre. Das Fraͤulein
hatte ihre alte Lumpen noch an/ ſchaͤmete ſich auch in des Fuͤrſten gegenwart ihren Leib zu
bloͤſſen/ daher ſie ihn freundlich baht/ ihr die unhoͤfligkeit nicht zuverargen/ daß ſie an ihm
einen kurzen Abtrit begehrete/ nur ſo lange/ biß ſie ſich entkleiden/ und ihr Bette einnehmen
koͤnte. Der Fürſt erkennete hieraus ihre Schamhaftigkeit/ wahr gehorſam/ und fand bey
ſeiner kurzen Wiederkunft ſie im Bette/ vor welches er ſich noch ein Stuͤndichen niderſet-
zete/ Sprache mit ihr zuhalten/ da ſie ihn baht/ er moͤchte Morgen geringe Zeug zu Klei-
dern einkaͤuffen laſſen/ daß ſie nicht ſo gar lumpicht gingen/ ſie waͤhre ihrem zulappeten
Rocke ſo gram/ daß ſie ihn an ihren Leib nicht wieder legen wolte. Hierzu wollen wir bald
raht ſchaffen/ antwortete er/ taht mit ihr den Schlafftrunk/ und nach gewünſcheter gluͤkſe-
liger Ruhe/ legte er ſich an ſein abſonderliches Bette. Des morgens da ſie beyderſeits wol
ausgeruhet hatten/ machete ſich Arbianes auff/ ſtellete Wolfgangen einen koͤſtlichen Ring
zu/ welchen er bey dem Goldſchmiede umb 1500 Kronen ausbieten ſolte. Dieſer ging zuvor
nach einem reichen der aͤdlen Steine wolerfahrnen Manne/ vorgebend/ es waͤhre ein aͤdel-
mann bey ihnen zur Herberge/ welcher aus noht ſeinem Herrn dieſen Ring verkaͤuffen
wolte/ der aber keinen verſtand von ſolchen Waaren haͤtte/ und ihn bitten lieſſe/ ihm den
Wert ohngefehr anzuzeigen. Mein Kerl/ antwortete dieſer/ nach genauer beſichtigung;
diß iſt trauen keines ſchlechten aͤdelmannes Ring/ der ihn aus noht verkaͤuffen muͤſte/ ſon-
dern er koͤmt zweifels ohn aus einem Fuͤrſtlichen Schatze hervor/ und weiß ich gewiß/ daß
ſeines gleichen in dieſem Koͤnigreiche nicht zu finden iſt/ maſſen ſeine koſtbarkeit uͤber die
6000 Kronen austraͤget. Was wollet ihr mir aber davor geben/ fragete Wolfgang/ ich
wil euch die Warheit ſagen/ daß ich ihn ohngefehr auff dem Felde gefunden habe da eine
Schaar verſchlagener Wendiſcher Reuter vor mir hinjagete. Der Schaͤtzer haͤtte ſein
Wort gerne wieder zuruͤcke gehabt/ beſahe ihn aufs neue/ und gab vor/ weil der Ring nur
von einem Reuter herkaͤhme/ muͤſten gewißlich die drey eingefaſſeten Demant nicht echte
ſeyn/ ſagete auch bald darauff/ er befuͤnde es ſchon an unfehlbaren Zeichen/ daß es keine
Morgenlaͤndiſche/ ſondern geringe Boͤmiſche Steine waͤhren. Aber Wolfgang merkete
den Kauffmansſtreich/ und ſagete/ es waͤhre zu ſpaͤht/ ihn zuhintergehen/ nachdem er ihn
ſchon anderswo/ doch unter einem andern vorgebẽ haͤtte beſehen laſſen/ da ihm ſchon 4000
Kronen davor gebohten waͤhren. Dieſer beſahe ihn darauff zum drittenmahl/ und ſagete:
Er muͤſte zwar bekennen/ daß er nunmehꝛ ſeiner guͤltigkeit innen wuͤrde/ abeꝛ ſolche koſtbare
Sachen waͤhren nicht jedermans kauff/ und müſte er die Gefahr ſtehen/ ob er in etlichen
Jahren ihn an ſeinen Mann bringen koͤnte; doch wann er ihm den Ring vor einem an-
dern goͤnnen wolte/ waͤhre er erboͤtig/ ihm 3500 Kronen davor zu geben. Er hat mir eben
das meiſte auch nicht gekoſtet/ antwortete Wolfgang/ nur daß ich gleichwol mein Glük nit
verſchenken mus; iſts euch aber ein ernſt zu kaͤuffen/ ſo leget noch 800 Kronen zu/ und ſchaf-
fet
[567]Siebendes Buch.
fet mit dem Ringe euer beſtes. Nach kurzem gedinge wurden ſie der Sachen einig/ uñ nach
traͤuer angelobeter verſchwiegenheit an beydẽ Seiten/ empfing Wolfgang 4200 Kronen/
welche er ohn verweilen in einem zuriſſenen Futterſacke dem Fürſten brachte/ und allen
Verlauff ihm erzaͤhlete/ der ihm dieſe Traͤue ſo wol gefallen ließ/ daß er ihm alles uͤbrige
ſchenkete/ uñ nur die begehreten 1500 Kronen davon behielt; gab ihm auch urlaub/ die Gel-
der alsbald ſeinem alten Vetter zu bringen/ der ſie zu ſeinem beſten in verwahrung nehmen
ſolte; welcher groſſen Schenkung aber dieſer ſich aͤuſſerſtwegerte/ uñ doch annehmen mu-
ſte daher er alles geſchwinde uͤberbrachte/ und dem Alten die Freiheit gab/ ihm ſelbſt nach
freien willen gütlich davon zu tuhn/ er haͤtte einen ſo reichen und vornehmen Herrn/ daß er
wol merkete/ er wuͤrde von ihm mit groſſem Reichtuhm begnadet werden. Der Alte ent-
ſetzete ſich wegen des vielen Goldes/ und gelobete Wolfgangen an/ er wolte ſchon wiſſen es
zu ſeinem beſten zuverwahren/ haͤtte aber gerne gewuſt/ wer ſein Herr eigentlich waͤhre; a-
ber bekam doch keinen andern/ als dieſen beſcheid/ er muͤſte ſich gedulden/ biß die Zeit kaͤh-
me es zuoffenbahren/ ſein Gelübde waͤhre zu ſtark/ ſolches zumelden/ und ſeinem Vetter
damit nichts gedienet/ ob ers gleich wüſte; nam des Fuͤrſten Pferd und Harniſch zu ſich/
weil alles im Felde ſtille war/ uñ brachte es mit uͤber/ hatte aber ſchon zuvor etlich ſchwarz-
gefaͤrbetes Zeug/ Woͤllin und Leinen durcheinander gewebet/ eingekaufft/ wovon ſie alle
drey ſich ſchlecht und buͤrgerlich kleideten/ auch neue Hemder und ander leinen Geraͤhte
aus mittelmaͤſſiger Linnewand machen lieſſen; welches alles gegen Abend erſt fertig ward/
und das Fraͤulein den ganzen Tag uͤber in den Federn liegen muſte/ da der Fuͤrſt ihr die Zeit
zuverkuͤrzen/ alle Begebniß erzaͤhlete/ was zeit ſeines anweſens ſich in Italien zugetragen
hatte/ wobey er des Chriſtlichen Glaubens nicht vergaß/ ſondern auff ihr begehren die vo-
rige Unterrichtung zu unterſchiedlichen mahlen wiederhohlete/ daß ſie zimlich weit in der
Erkaͤntniß Gottes und ihres Heylandes kam/ und die Lehre fein begriff. Hernach erinner-
te er ſie/ was geſtalt die zarte Haut ihres Beines ſich unter dem Tanzen haͤtte merken laſſẽ;
weil man nun nicht wiſſen koͤnte/ was einem auff der Reiſe zuſtoſſen moͤchte/ wuͤnſchete er/
daß der mehren teil ihres Leibes/ wo er am leichteſten koͤnte entbloͤſſet werden/ mit der Far-
be angeſtrichen ſeyn moͤchte; welches das Fraͤulein anfangs vor einen Scherz auffnam/
aber endlich ſelbſt vor rahtſam hielte/ fo derte die gemachte Salbe von ihm/ und in ſeiner
Abweſenheit richtete ſie ſich faſt uͤberal heßlich gnug zu/ daß ſie vor ſich ſelbſt abſcheuh trug.
Gegen Nachmittage breitete das Geruͤcht hin und wieder in der Stad aus/ der Wendi-
ſche Fuͤrſt Krito waͤhre in der Schlacht gefangen/ und durch Buͤttelshand hingerichtet/
ſein Sohn erſchlagen/ und nachgehends enthaͤuptet/ und wuͤrden die Sachſen das ganze
Koͤnigreich einnehmen/ weil ſie keinen Widerſtand haͤtten. Bey ſpaͤtem Abend kam ein
reitender Bohte/ bekraͤfftigte nicht allein dieſes/ ſondern brachte mit/ die Sachſiſchen Voͤl-
ker gingen alle zum Reich hinein/ und haͤtten die vornehmſten oͤrter alle auffgefodert. Ar-
bianes ließ nachfragen/ an was Ort ſie ſich gelagert haͤtten/ und erfuhr/ daß ſie wol 14 Mei-
le von hinnen ſeyn wuͤrden/ und im̄er weiter ins Land gingen/ damit ſie ſich aller Seehafen
bemaͤchtigten/ auff daß aus Daͤnnemark oder Engeland dem Daͤniſchen jungen Fürſten
keine Huͤlffe zukommen ſolte. So wird es zeit ſeyn/ ſagte Arbianes zu dem Fraͤulein/ daß
wir uns auff den Weg begeben/ dann je ferner das Heer von uns lieget/ je unſicherer die
Straſ-
[568]Siebendes Buch.
Straſſen zureiſen ſind/ offenbahrete darauff dem Fraͤulein/ auff was Weiſe er die Reiſe
vorzunehmen bedacht waͤhre; er wolte morgen eine Karre und ein Pferd davor/ einkauf-
fen/ allerhand geringe leichte Waaren/ von Korallen/ Tockenwerk und dergleichen Sachẽ
von den Kraͤmern einloͤſen/ in ein Kram Faß vermachen/ und mit ihr ſich darauff ſetzen/
da Wolffgang ihr Fuhrman ſeyn ſolte. Der Anſchlag gefiel dem Fraͤulein ſehr wol/ taht
noch hinzu/ wie ſie in ihrer angeſtrichenen Farbe ſich vor ihrer Fr. Schweſter Großfuͤrſtin
Valiſken wolte als eine Kraͤmerin ſtellen/ und die ſchoͤnen Waaren feil bieten; duꝛffte auch
ſchon erzaͤhlen/ wie ſie ihr Wort machen/ und das Frauen Zimmer auffzihen wolte. Wie
ſie den Abend ihre neue Kleider bekam/ legte ſie dieſelben an/ und gefielen ihr recht wol/ weil
ſie ja noch renlich und ganz wahren; ſaß dieſen Abend zimlich lange hin mit ihrem Fuͤrſtẽ
und erzaͤhlete ihm/ wie hefftig die Teutſchen Pfaffen es ihnen biß daher haͤtten laſſen an-
gelegen ſeyn/ ihren Herr Bruder Herkules bey ihrem Herr Vater anzutragen/ als einen
Gottloſen/ Unreinen/ und geſchwornen Feind aller Teutſchen Goͤtter/ welcher uͤberdas
mit den Gedanken umginge/ wie er ſein eigenes Vaterland verrahten/ und deſſen Her-
ſchafft den Roͤmern vollends in die Hand ſpielen wolte; welches auch ihr Herr Vater ei-
ne gute Zeit her alſo geglaͤubet/ aber nach Neklams Abzuge haͤtte er angefangen daran zu-
zweiffeln/ inſonderheit/ weil ſie ihren lieben Bruder ſo abſcheuhlicher Unzucht beſchuldig-
ten/ deren ihr Herr Vater wol wuͤſte/ dieſen ſeinen Sohn von Herzen ſeind und zuwieder
zuſein. Sonſt fuͤhreten ſie ihr Liebesgeſpraͤch miteinander gar freymuͤhtig/ dann ſie wahr
in dieſer kurzen Zeit ihm zimlich geheim worden/ daß ſie mit ihm als einem leiblichen
Bruder umging. Des folgenden morgens verſchaffete Wolffgang alles/ was ſie zu der
Reiſe bedurfften/ daß es gegen Abend ſeine gute Richtigkeit hatte/ dann ſie wolten des
naͤhſtfolgenden ſehr fruͤh auffbrechen/ damit ſie des dritten Tages hernach/ wo moͤglich/
bey den ihꝛigen ſeyn moͤchten; abeꝛ dieſe Rechnung macheten ſie 11 ganzeꝛ Wochen zu fꝛuͤh/
und muſten dieſe beyde neu und erſt angehende Kinder Gottes zuvor ihres himliſchen
Vaters Zuchtruhte zimlich ſcharff ſchmecken/ daß das Blut drauff folgete/ ehe ſie ſeiner
Gnaden Güter recht und ohn Angſt genieſſen kunten. Die Zeitung von des Wendiſchen
Fuͤrſten Niederlage und ſchmehlichen Tode ward dieſen Tag von allenthalben her bekraͤf-
tiget/ daß die unſern daran nicht mehr zweifeln durfften/ daher ihr Schluß wegen der
ſchleunigen Reiſe deſto feſter gemachet ward. Arbianes ſprach dieſen Abend ſeinen Hauß-
wirt an/ er moͤchte ihm ſeinen Wolffgang zum Diener uͤberlaſſen/ wo vor er ihm ein Stuͤk
Geldes geben wolte. Dieſer machte ſich anfangs gar geſchaͤfftig/ er waͤhre ihm in der
Haußhaltung ſehr noͤhtig/ koͤnte ſo bald keinen andern bekommen/ der ihm anſtuͤnde/ weil
es auſſer der Miete Zeit waͤhre/ und was des einwendens mehr wahr/ doch als ihm der
Fuͤrſt 20 Kronen zum Abtrit anboht/ und ihn uͤberdaß 12 Kronen vor die Speiſung be-
zahlete/ wahr er zufrieden/ erboht ſich auch/ des Fuͤrſten Leibpferd wolzufuttern/ und ſeine
Waffen in Verwahrung zunehmen/ biß nach Verlauff 14 Tage/ zum laͤngſten/ ihrer Ab-
rede nach/ es abgehohlet wuͤrde; nach welcher Abhandelung die unſern ſich an die Ruhe
legeten/ des folgenden Tages zur Reiſe erwartend. Nun trug ſich aber ein groſſes Ungluͤk
in der Nachbahrſchafft zu/ in dem bey Doͤrrung des Malzes/ auß des Brauer Knechtes
Vnvorſichtigkeit/ kurz vor der Sonnen Auffgang eine Feuersbrunſt im allernaͤheſten
Hauſe
[569]Siebendes Buch.
Hauſe entſtund/ deren unſere verliebeten nicht eins gewahr worden waͤhren/ ſondern da-
rinnen elendig haͤtten umkommen und zu Aſchen verbrennen muͤſſen/ wann nicht Wolff-
gang mit vielem klopffen und ruffen ſie auß dem harten Morgen Schlaff erwecket haͤtte/
da ihnen kaum ſo viel Zeit uͤbrig wahr/ die Kleider anzulegen; dann weil die helle brennen-
de Lohe ſchon zu ihrem Fenſter hinein ſchlug/ gedachten ſie an nichts/ als nur ihr Leben zu-
retten/ lieſſen alle ihre Gelder und Kleinot liegen weil wegen der Hitze man dabey nicht
wol kommen kunte/ ſo gedachten ſie auch nicht eins daran in der Angſt/ ſondern ſprungen
mit ihren annoch unzugemachten Kleidern zur Kammer Tuͤhr herauß/ da ihnen Gott
ſonderlich halff/ daß ſie unverletzet auff die Gaſſe kahmen/ woſelbſt Arbianes ſich erſt des
hinterlaſſenen beſan/ jedoch es wenig achtete/ weil er des vorigen Abends in ſein Kleid 100
Kronen/ und in der Fraͤulein ihres 60 Kronen zum Nohtpfennig vermacht hatte. Die
Straſſen wahren ſchon vol Volks/ die Brunſt zuloͤſchen/ und ward jederman angemah-
net/ zuzulauffen und Waſſer zutragen; welches aber den unſern ungelegen wahr/ ſondern
gingen mit Wolffgangen nach dem Stad Tohr/ da ſie herein kommen wahren/ in Mei-
nung dahinauß zulauffen/ und ihre alte Herbeꝛge wiedeꝛ zuſuchen/ weil ſie es aber verſchloſ-
ſen funden/ gingen ſie nach dem andern Tohre/ welches nahe an einem flieſſenden Waſſer
lag/ woſelbſt die Buͤrger das Waſſer ſchoͤpffetẽ/ und weil Wolffgang ihnẽ bekant war/ ihm
und ſeiner Geſelſchafft den Außgang nicht wehreten. Das Fraͤulein empfand groſſe Angſt
in ihrein Herzen/ und baht den Fuͤrſten/ ſo viel moͤglich fortzueilen/ dann der Sin trüge
ihr nichts gutes zu; lieffen alſo miteinander alle drey zimlich fort/ daß in kurzer Zeit ſie
die Stad einen guten Weg hinter ſich legeten. In der Stad fragete jederman/ bey wem
das Feur außkommen waͤhre/ da der Rechtſchuldige nicht allein ſich ſtatlich außzureden
wuſte/ ſondern auch die Schuld eigentlich auff ſeinen Nachbar/ Arbianes Wirt/ legete/
deſſen Hauß dann in ja ſo groſſen Flammen als ſein eigenes ſtund. Jederman rieff hier-
auff/ man ſolte ihn ins Feur werffen und lebendig verbrennen/ weil durch ſeine Verwahr-
loſung dieſer Jammer und Schade entſtanden waͤhre; aber der gute unſchuldige Mann
ward gewarnet/ daß er ſich verſteckete/ und ſein Leben erhielt/ nachdem er nicht ohn Lebens
Gefahr bald nach der unſern Abſcheid in ihre Kammer gangen/ und die Kleinot ſamt dem
Golde/ uͤber 1000 Kronen baar noch zur guten Beute davon brachte/ daß er nach dem
Brande reicher wahr als vorhin. Es fand ſich aber einer auff der Gaſſen/ welcher uͤber-
laut rieff; ſein Knecht Wolffgang muͤſte Zweiffels ohn der rechtſchuldige Taͤhter ſeyn/
dann er haͤtte ſich zeitig zum Tohre hinauß gemacht; man ſolte ihm mit etlichen
Pferden ſchleunig nachſetzen/ als dann koͤnte man ihn leicht erhaſchen und nach veꝛdienſt
abſtraffen. Bald fielen vier verwaͤgene Buͤrger auff Pferde/ nahmen ihre Schwerter zu
ſich/ und jageten ihrer Spuhr nach/ die man wegen des gefallenen Taues ſehr wol ſehen
kunte. Arbianes ward ihrer zeitig innen/ und daß ſie ihre bloſſen Schwerter um den Kopff
kommen lieſſen/ daher ſagte er zu Wolffgang: Dieſe haben gewiß nicht viel gutes im Sin-
ne/ darum halte dich fertig/ daß wann du ſehen wirſt/ ſie auff uns anfallen/ alsdann biß nur
darauff bedacht/ wie du mit meiner Liebſten auffs geſchwindeſte davon lauffeſt/ und ſie in
Sicherheit bringeſt; ich wil dieſe ſchon wiſſen auffzuhalten/ nam etliche pfündige Steine
von der Erden auff/ und wie er im werffen ſehr geſchwinde wahr/ gedachte er ſich beſter
c c c cmaſſen
[570]Siebendes Buch.
maſſen zuwehren. Nun wahr Wolffgang dieſen Verfolgern von Angeſicht unbekant/ uñ
ſetzeten deren zween vor den andern aus/ ſahen Wolffgang mit dem Fraͤulein davon lauf-
fen/ und Arbianes ſtehen bleiben/ und ſich zur Gegenwehr bereiten/ daher meyneten ſie/ ſie
haͤtten den Rechtſchuldigen angetroffen/ und ſtuͤrmeten grimmig auf ihn zu. Es wahr ſein
Gluͤk/ daß er ſich neben einen Baum geſtellet hatte/ und ſie ihn nicht uͤberrennen kunten/
faſſete daſelbſt gewiſſen Stand/ und richtete die Hand zum Wurff/ ob ſie ihn anfallen
würden. Dieſe rieffen ihm alsbald zu: Du ſchaͤndlicher Mordbrenner/ jezt werden wir
dir den wolverdienten Lohn geben/ damit du dich deiner Boßheit nicht beruͤhmen koͤnneſt/
wie viel armer Leute du gemacht habeſt. Hilff mir Gott/ ſagte Arbianes bey ſich ſelber/ als
wahr ich unſchuldig bin; rief ihnen hernach zu: Er waͤhre kein Mordbrenner/ und haͤtte
nie ſolchen boͤſen Willen gehabt. Aber dieſe kehreten ſich daran im geringſtẽ nicht/ ſondern
ſetzeten gleich auff ihn zu/ daß er genoͤhtiget ward/ ſein beſtes zutuhn; da er dann dem erſten
die Stirn einwarff/ daß er reine tod vom Pferde ſtuͤrzete. Der andere dieſes erſehend/ wol-
te ſeines Mit Buͤrgers Tod raͤchen; aber mit dem andern Steine ward er gleich vor das
Maul getroffen/ daß ihm die Voͤrder Zaͤhne heraus ſprungen/ und er in Ohmacht vom
Pferde fiel. Arbianes nicht faul/ nam des erſten Schwert zur Hand/ und hatte noch einen
Stein übrig zu ſeiner Beſchuͤtzung/ aber der dritte wahr ihm zu nahe auff der Hauben/ wel-
cher ihm/ da er ſich nach dem Schwert buͤckete/ eins uͤber den linken Arm verſetzete/ daß deꝛ
rohte Schweiß darauff folgete/ wolte ihm auch den andern Hieb beybringen/ aber er weich
ihm aus/ und mit einem Nachhiebe ſchlug er ihm das rechte Bein im Knie-gelenke rein
abe/ daß auch dieſer zur Erden ſtuͤrzete/ und ein klaͤgliches Geſchrey trieb/ biß ihm die See-
le ausfuhr. Ehe nun dieſer verſchiede/ kam auch der vierde herzu geſprenget/ und war wil-
lens ihn zuuͤberrennen/ ward aber auch mit dem Steine dergeſtalt getroffen/ daß ihm der
Kopff borſte/ und kein Wort mehr redete. Der andere mit dem zuworffenen Maule kam
wieder zu ſich ſelbſt/ faſſete ſein Schwert/ und lieff ganz verwaͤgen auff Arbianes zu/ trieb
es auch mit ſeinen unauffhoͤrlichen Streichen/ daß ihm anfangs durch Fechterkunſt nicht
zubegegnen wahr/ aber endlich hieb ihm Arbianes die rechte Fauſt hinweg/ daß ſie mit ſamt
dem Schwerte auff die Erde fiel/ und im andern Streiche ſpaltete er ihm das Haͤupt mit-
ten von einander. Das Fraͤulein hatte anfangs des Streites gar ein wenig zugeſehen/ keh-
rete ſich aber bald umb/ und vor groſſer Angſt lief ſie dergeſtalt fort/ als ob ſie Fluͤgel gehabt
haͤtte/ daß auch Wolffgang ihr ſchwerlich folgen kunte/ und/ welches das aͤrgeſte war/ ver-
ließ ſie den vorgenom̃enen Weg/ und ſetzete zur Seiten aus uͤber das quere Feld. Wolff-
gang lief ihr nach/ was er Leibes und Kraͤffte hatte/ rieff ihr auch zu/ ſie moͤchte dem Wege
folgen; aber ſie wahr vor Angſt nicht bey ſich ſelber/ und gedaͤuchte ſie nicht anders/ als ob
ihr lauter Feinde nachlieffen/ welches ſie ſchuͤchtern machte/ daß ſie nur ſuchte weit von der
Landſtraſſen abzukommen/ biß ſie an ein hoch aufgelauffenes flieſſendes Waſſeꝛ kam/ durch
welches ſie ohn weiteres bedenken hindurch watete/ und ſie darinnen haͤtte erſauffen muͤſ-
ſen/ wann nicht Wolffgang ſie (nicht ohn groſſe Gefahr) hindurch gebracht haͤtte/ maſſen
ihr daſſelbe biß an die Gurgel reichete. So bald ſie auff das Ufer trat/ gedachte Wolff-
gang/ ſie wuͤrde ſich nun zur Ruhe begeben/ aber ſie fing den Lauff von neuen in ihren naſſen
Kleidern an/ triebs auch noch eine gute halbe Stunde/ biß ſie endlich vor groſſer Mattig-
keit
[571]Siebendes Buch.
keit zur Erden ſtuͤrzete/ da ſie allen Odem verlohren hatte/ und nicht anders ſchien/ es wuͤr-
de ihr alsbald die Seele ausfahren. Arbianes befand/ daß ihn die Armwunde ſchmerzete/
legte ſeine gewoͤhnliche Salbe drauff/ die er zu allem Gluͤk zu ſich geſtekt hatte/ und band
ſein Schnupfftuch darumb/ daß er gute Linderung fuͤhlete; weil er aber mit dem Gefechte
ſchier eine halbe Stunde zugebracht hatte/ wahr ihm ſein herzgeliebtes Fraͤulein gar aus
dem Geſichte kommen; doch trabete er anfangs ihrer Spuhr nach/ und hatte das einge-
ſtekte Schwert in der Hand/ weil es ihm am Gehaͤnge mangelte. Ihm wahr faſt angſt/ dz
er ſeinen Schaz nicht erblicken kunte/ ging doch immer des Weges fort/ und hatte nicht
mehr acht/ ob er friſch betreten wahr/ ſondern richtete ſeine Augen gen Himmel/ und baht
inſtaͤndig/ Gott moͤchte ihn ſamt dem Fraͤulein zu den ihrigen verhelffen/ und voꝛ weiterem
Unfal gnaͤdiglich bewahren; in welcher Andacht er anderthalb Meilen ging/ ehe dañ drey
Stunden verlieffen/ geriet endlich an ein Doͤrflein/ und fragete/ ob nit ein junger Knecht
mit einer jungen braͤunlichen Frauen/ gleich wie er gekleidet/ da eingekehret/ oder hindurch
gangen waͤhren/ bekam aber zur Antwort von einem Manne: Er haͤtte fuͤnff Stunden
lang aneinander vor ſeiner Hauß Tuͤhr gearbeitet/ aber keinen einigen fremden Menſchen
geſehen voruͤber gehen/ da doch nur dieſe einige Straſſe waͤhre/ und alle durchreiſende
nohtwendig hier voruͤber muͤſten. Arbianes hoffete/ ſie wuͤrden noch zuruͤcke ſeyn/ und ſich
etwa hinter einer Hecke verberget haben/ deswegen er ihrer daſelbſt in die ſechs Stunden
wartete/ und inzwiſchen nohtduͤrfftige Speiſe und Trank zu ſich nam. Als ſie aber gar nit
ankahmen/ ward er herzlich betruͤbet/ und behtete inniglich zu Gott/ er moͤchte das unſchul-
dige fromme Fraͤulein durch den Schuz ſeiner lieben Heiligen Engel geleiten/ daß ſie nicht
von ihm getrennet wuͤrde. Aber ſie wahr ſchon ferne von ihm/ und hatte ſich zur Ruhe ni-
dergeſezt/ nachdem Wolffgang Mühe gnug mit ihr gehabt hatte/ ſie wieder zuerquicken/
wiewol ihre Herzensangſt ſo groß und die Mattigkeit ſo ſtark wahr/ daß die Zunge kein
verſtaͤndiges Wort hervor bringen kunte/ da Wolffgang endlich zu ihr ſagete: Ach Frau
(dann anders wolte ſie von ihm nicht genennet ſeyn) wie ſo gar uͤbel haben wir getahn/ daß
wir uns von dem rechten Wege abgewendet/ und dadurch meinem Herrn uns gar aus
dem Geſichte gebracht; wie wollen wir doch immermehr ihn wieder antreffen? Ach mein
lieber Wolffgang/ antwortete ſie; meynet ihr/ daß euer Herr noch wol ſolte im Leben ſeyn?
Ach nein/ ach nein/ er iſt ohn zweifel ſchon ermordet. Fing hierauff an/ ſo erbaͤrmlich zu
weinen/ daß es einen Stein in der Erden jammern moͤgen/ wolte auch durchaus ſich nicht
troͤſten laſſen/ wie viel gleich Wolffgang ihr vorſagete/ und ſie demuͤhtig eriñerte/ ſie moͤch-
te doch nicht aus bloſſem Argwohn ſich ſelbſt durch Sorgen ermorden; die Goͤtter haͤtten
ihn auſſer zweifel geſchuͤtzet/ wie er dann mit ſeinen Augen geſehen/ daß er den erſten und
andern durch zween Wuͤrffe zu grunde gerichtet haͤtte/ und weil der Verfolger nur viere
geweſen/ würde er der uͤbrigen zween ſich durch gleiches Mittel leicht erwehret habẽ/ nach-
dem es an Steinen ihm daſelbſt nicht haͤtte mangeln koͤnnen; waͤhre demnach nichts raht-
ſamers/ als daß ſie wieder umkehreten/ und auff den vorigen Weg ſich begaͤben. Ach nein
ach nein/ ſagte ſie/ das Herz traͤget mir viel ein aͤrgers zu/ daß er hart verwundet oder wol
gar erſchlagen iſt. So werde ich demnach den Ruͤkweg zugehen mich nimmermehr bewaͤ-
gen laſſen/ daß ich den Moͤrdern ins Schwert lieffe/ und wann ich gleich wolte/ ſo hat we-
c c c c ijder
[572]Siebendes Buch.
der mein geaͤngſtetes Herz Krafft ſich zuerheben/ noch meine ermuͤdeten Beine einiges
Vermoͤgen mich weiter zutragen; fiel damit zum andern mahl in tieffe Ohmacht/ und lag
nicht anders/ als ob ſie verſchieden waͤhre. Wolffgang wahr uͤber die maſſe betruͤbt/ wuſte
nicht/ was er zu ihrer Erquickung vornehmen ſolte/ rieb ihr den Schlag an beyden Haͤn-
den/ bließ ihr in den Mund/ ſchriehe ihr in die Ohren/ und wendete alle Moͤgligkeit an/ daß
er ſie endlich wieder zurechte brachte/ da ſie eine ſtarke Traͤhnen Bach aus ihren betruͤbten
Augelein hervor brach/ daß er den Jammer laͤnger nicht anſehen kunte/ auch ſo verwirret
ſich befand/ daß ihm alle Erkaͤntniß entging/ welches Weges ſie kommen wahren. Endlich
redete er ſie mit Ernſt an/ und ſagte: Verzeihet mir/ geehrte Frau/ daß ich die Kuͤhnheit ge-
brauche/ euch einzureden/ welches bloß allein zu eurem beſten geſchihet; Es wird in War-
heit hoͤchſtnoͤhtig ſeyn/ daß wir uns auff die Beine machen/ nachdem wir uͤber zwo Stun-
den ſchon alhier zugebracht haben; auffs wenigſte muͤſſen wir uns erheben/ daß wir zu Leu-
ten kommen/ und uns in Sicherheit bringen/ dann es ſcheinet an den ungebaueten Sand-
Huͤgeln/ daß in der naͤhe kein Dorff werde anzutreffen ſeyn; und was wollen wir durch
unnuͤtzes klagen uns ſelbſt verzehren? ich ſage noch/ und bleibe beſtaͤndig dabey/ die Goͤtter
werden meinen Herrn behuͤtet haben/ welcher tauſend mahl bekuͤmmerter umb euch/ als
umb ſich ſelbſt iſt; ja welchen ihr durch euren Tod gewiß umbbringen wuͤrdet. Ach wolte
Gott/ ſagte ſie/ daß er nur bekuͤmmert waͤhre/ alsdann koͤnte ſein Kummer noch gebrochen
werden/ iſt er aber ſchon kummerloß/ ſo muß der meine ſich auch durch den Tod endigen.
Damit ging das weinen von neuen an/ daß Wolffgang wegen mitleidens ihm ſelbſt den
Tod wuͤnſchete. Doch endlich nach Verflieſſung fünff Stunden/ welche ſie daſelbſt zu-
brachten/ ließ ſie ſich noch bereden/ daß ſie auffſtund und ihm folgete/ da Sie ſich dann in
etwas begriff/ ihre Augen gen Himmel kehrete/ und Gott/ den ſie kaum vor vier Tagen er-
kennet hatte/ mit uͤberaus herzlicher Andacht anflehete/ er moͤchte nicht zugeben/ daß der
fromme Fuͤrſt erſchlagen wuͤrde/ welcher bloß ihretwegen ſich in dieſe Gefahr begeben haͤt-
te; troͤſtete ſich auch zugleich deſſen/ daß Arbianes ihr vorgeſagt/ Gott ſchickete den Glaͤu-
bigen zwar Ungluͤk zu/ aber lieſſe ſie nicht drinnen ſtecken und verderben.


Wir wollen aber dieſe beyde verliebten ihr Elend bauen laſſen/ uñ zu der Hoch Fuͤrſt-
lichen Geſelſchaft uns wenden/ welche dann nicht feireten/ die Frieſen unter das Joch zu
bringen/ nahm̃en eine Stad nach der andern ein/ und erzeigeten ſich den Willigen gnaͤdig/
den Wiederſpenſtigen aber/ deren doch wenig wahren/ ſehr hart und ſcharff/ wodurch die
uͤbrigen gewitziget/ alle Wiederſezligkeit fallen lieſſen. Nun hatte der lezte erbloſe Frieſen
Koͤnig des Koͤniges in Daͤñemark einigen Sohn und Reichserben/ ſeinen Landſtaͤnden/
als einen kuͤnftigen Koͤnig und ſeinen Nachfolger vorgeſchlagen/ der Hoffnung/ daß wañ
beyde Koͤnigreiche unter einem Herrn ſeyn wuͤrden/ es ihnen allerſeits umb ſo viel ſolte er-
ſprießlicheꝛ ſeyn. Aber den Staͤnden wahr ſolches durchaus nicht mit/ durften doch bey ih-
res Koͤniges lebzeiten nicht dawieder reden/ aber ſo bald er todes verbliechen wahr/ lagen
die vornehmſten dem Wendiſchen Fuͤrſten an/ er moͤchte ſich ihres Reichs als ein Verwe-
ſer getraͤulich annehmen/ weil die Staͤnde uͤber der Wahl und Kroͤnung des Daͤniſchen
Fürſten ſich ſo ſchleunig nicht vergleichen koͤnten/ und wuͤrde er ihnen ſolches nicht verſa-
gen/ inbetrachtung/ daß ihr Koͤnig ſeiner Gemahl leibliche Schweſter zur Ehe gehabt haͤt-
te.
[573]Siebendes Buch.
te. Waͤhre dann dem Daͤniſchen Fuͤrſten das Reich beſcheret/ wuͤrde es ihm hiedurch nit
entzogen. Fuͤrſt Krito wolte dieſen angebohtenen Vogel nicht gerne aus der Hand fliegen
laſſen/ wie er ohndas ſehr ehrgeizig wahr/ und ihm ſchon die Hoffnung zur erblichen Frie-
ſiſchen Krone gemacht hatte/ trat die Verweſung an/ und gelobete den Staͤnden bey ſeinen
Ehren/ daß er ihren befehl und freien Willen nicht ein Haar uͤberſchreiten wolte; ließ dar-
auff dem Daͤniſchen Fuͤrſten anmelden/ wiewol im Nahmen der Staͤnde/ daß er eine Zeit-
lang das Koͤnigreich raͤumen ſolte/ biß er durch eine freie Wahl zur Herſchafft gefodert
wuͤrde. Dieſes fiederten die Vornehmſten des Reichs/ dañ ihnen grauete vor der Daͤni-
ſchen Herſchaft/ welche ſie wol ehmahls mit ihrem groſſen Schaden erfahren hatten; wie-
wol ſie viel ein haͤrter Joch an dem Wenden wuͤrden gehabt haben/ wann derſelbe ihr vol-
kommener Meiſter und Koͤnig ſolte worden ſeyn. Der Daͤniſche Fuͤrſt roch den Braten
gar zeitig/ klagete es ſeinem Herr Vater/ bey welchem er ſchon zimlich wieder ausgeſoͤhnet
wahr; der beydes die Staͤnde und ſeinen Schwager Krito ſchriftlich erinnerte/ ſie moͤchten
ſich des vorigen Koͤniges gemachter ſorgfaͤltigen Verſehung gemaͤß bezeigen/ und nicht
Urſach zu groſſer unnoͤhtiger Blutſtuͤrzung geben/ nachdem ſie/ und die ganze erbare Welt
leicht ermaͤſſen wuͤrde/ wie ſchimflich es der Daͤniſchen Kron anſtehen wolte/ wann dieſel-
be ihres Koͤnigs Sohn ohn alle gegebene Urſach aus dem wolbefugten Sattel ausheben
lieſſe. Welches dann Krito nicht anders als eine Ankuͤndigung des Kriegs auslegte/ gleich
da er mit den Gedanken ſchwanger ging/ das Teutſche Fraͤulein zu rauben; kunte auch den
Landſtaͤnden die Sache ſo gefaͤhrlich machen/ daß ſie auff ſein unnachlaͤſſiges anhalten ein-
willigten/ ein Heer von 68000 Mann auff die Beine zu bringen/ worzu er verſtaͤndige Be-
fehlichshaber aus ſeinem Fürſtentuhm/ und 40000 Reuter und Fußknechte verhieß; a-
ber ehe noch ſolche Anzahl beyeinander wahr/ verrichtete er obgedachte Entfuͤhrung. Der
Daͤniſche Fuͤrſt wahr ſolcher Macht nicht gewachſen/ und wegerten die Daͤniſchen Staͤn-
de ſich gegen ihren Koͤnig ausdruͤklich/ eine ſo harte Fehde mit Frießland anzutreten/ da ſie
zwar zur Urſach einfuͤhreten/ daß man nicht wuͤſte wie man mit der Kron Schweden ſtuͤn-
de; aber ihr Haͤuptbedenken wahr dieſes/ daß ſie nicht gerne ihren Koͤnig gar zu maͤchtig
haben wolten/ welcher ſich der auslaͤndiſchen Macht zu ihrem Zwange und ihrer Freyhei-
ren verkleinerung gebrauchen koͤnte; jedoch goͤnneten ſie/ daß der junge Fuͤrſt in dem Daͤ-
niſchen Reich 1500 tapfere Kriegsknechte werben/ und uͤber See zu ſich gehen ließ/ wozu er
noch 1400 getraͤue Frieſen hatte/ mit welchen er die Hauptfeſtung/ die in ſeiner Gewalt
wahr/ zu aller Nohtturft beſetzen kunte/ auch auff Anderthalbjahr allerley Vorraht an
Fruͤchten/ Holz/ Salz und Fleiſch hineinbrachte/ nicht zweifelnd/ die Staͤnde wuͤrden des
wuͤteriſchen Wenden bald uͤberdruͤſſig werden. Nun veꝛnam dieſer Daͤniſche Fuͤrſt gerne/
daß der Wende Krito erleget/ und des Koͤnigreichs Macht geſchwaͤchet wahr/ aber daß
der Groß Fürſt aus Teutſchland es gar einnehmen/ und unter ſich bringen wolte/ dauchte
ihm gar zunahe getreten ſeyn. Derſelbe aber kehrete ſich an ihn und ſeine Feſtung nicht im
geringſten/ biß er die uͤbrigen Orter alle unter ſeinem Gehorſam hatte/ welches doch jenem
den Argwohn nicht benam/ ſondern taht ſeinem Vater alles bey ſchleuniger Bohtſchafft
zu wiſſen/ man haͤtte ſich vor den Teutſchen wol vorzuſehen/ daß ſie nicht zu maͤchtig wuͤr-
den/ und die ehmaligen Uberzüge/ von den Daͤnen geſchehen/ zu raͤchen ſucheten; aber ehe
c c c c iijer
[574]Siebendes Buch.
er ſichs verſahe/ lag der Groß Fuͤrſt ihm vor der Naſe/ und belagerte den Ort zu Lande der-
geſtalt/ daß kein Menſch weder aus noch ein kunte/ des gaͤnzlichen vorhabens/ von dannen
nicht zu weichen/ biß die Feſtung gewonnen/ und alles in Friede und Ruhe geſetzet waͤhre;
ſendete demnach einen Trometer zu ihnen hinein/ und foderte den Ort als eine unſtreitig
Friſiſche Feſtung auff/ mit angehaͤngter bedraͤuung/ dafern inwendig dreyen Tagen ſie ſich
nicht er geben wuͤrden/ ſolte ihnen hernach der Zutrit zu aller Gnade verſperret ſeyn. In-
ſonderheit wurden die Friſiſchen Haͤuptleute und Knechte vermahnet/ ſich von dem Daͤ-
nen abzuzihen/ und der Staͤnde Schluß anzunehmen/ weil der Daͤniſche Fuͤrſt durchaus
keine rechtmaͤſſige Anſprache zu dem Koͤnigreiche haͤtte; dann nachdem keine Erben von
des verſtorbenen Koͤniges Gebluͤt und Stamme uͤbrig/ waͤhre damit der Stuel erlediget
und den Staͤnden heimgefallen/ einen Koͤnig nach freiem willen zuerwaͤhlen/ alſo daß der
verſtorbene daſſelbe nicht haͤtte koͤnnen nach belieben verſchenken. Aber dieſes wolte nichts
verfangen/ ſondern der Daͤne/ Fuͤrſt Olaff gab zur Antwort: Es befremdete ihn ſehr/ daß
der Teutſche Groß Fuͤrſt ihn in ſeiner Feſtung belagern duͤrfte/ da er ihm doch nicht eins
abgeſaget/ noch einige Urſach der beſtreitung/ als ſeinen in den rechten ungegruͤndeten Wil-
len einfuͤhren koͤnte; haͤtte er mit dem Wendiſchen Fuͤrſten/ ſeinem ſelbſt eigenen Feinde/
und etlichen Friſiſchen Staͤnden/ ſo jenem wieder Recht angehangen/ etwas zu fechten
gehabt/ ginge weder ihn noch dieſes Koͤnigreich ichtwas an/ ſolte ihm auch nimmermehr
mit Warheit uͤberbracht werden/ daß er in ihr Vorhaben eingewilliget/ einigen Vorſchub
darzu gelegt/ oder wolgefallen daran gehabt haͤtte. Nun waͤhre aber ja die angelegete Un-
billigkeit ſeines ermaͤſſens zur gnuͤge gerochen/ nicht allein an dem ganzen Heer/ ſondern an
dem Wendiſchen Fuͤrſten ſelbſt/ welchen man (eine faſt unerhoͤrete Straffe) durch Buͤt-
tels Hand haͤtte abſchlachten laſſen; waͤhre dann der Teutſchen Grim auch durch Blut
noch nicht verſoͤhnet/ je warumb erholeten ſie ſich dann nicht an Wendland/ welches an der
Oſtſee/ nicht an der Weſtſee belegen waͤhre. Man duͤrfte ihm vorwerffen/ er haͤtte kein recht
an dieſem Reiche/ waͤhre auch von den Staͤnden nicht beruffen/ als denen die Wahl heim-
gefallen waͤhre; er moͤchte aber gerne wiſſen/ ob dann die Sachſen Recht daran haͤtten/ o-
der ob die Staͤnde ſie zur Herſchaft eingehohlet. Mit dem Schwerte/ und durch harte
draͤuungen waͤhren ſie darzu gezwungen/ ſonſt wuͤrden ſie ſich wol huͤten/ daß ſie denen ſich
nicht unterwuͤrffig macheten/ die ihnen wol ehmahls unabgeſagt ihr Land durch und duꝛch
gepluͤndert haͤtten. Jedoch hette vor den Sachſen er ſein Recht oder Unrecht nicht zu ſtrei-
ten; der lezte Frieſen Koͤnig hette ihn an Kindesſtat erwaͤhlet und angenommen/ auch den
Landſtaͤnden es fruͤhzeitig gnug zu wiſſen getahn/ welche uͤberdas durch ihr nicht wieder-
ſprechen ihre einwilligung gnug zuverſtehen gegeben; daß ſie aber nach des Koͤniges Tode
waͤhren rükfaͤllig worden/ ſolte der Teutſchen Groß Fuͤrſt/ wann er loͤblich handeln wolte/
vielmehr ſtraffen als unterſtuͤtzen helffen. Er ſaͤſſe auff ſeinem Schloſſe/ und in ſeiner Feſte/
davon wolte er ſich trauen nicht durch einen Trometer herunter blaſen/ noch von einem
Schreier herunter predigen/ ſondern durch unuͤberwindliche Faͤuſte heraus ſtuͤrmen laſ-
ſen/ und ſolte der Sachſen Groß Fuͤrſt erinnert ſeyn/ daß Daͤniſche Herzhaftigkeit noch
wol ſo groß/ und ſo feſt geſenket waͤhre/ daß ſie Frießland uͤber Meer nicht allein beſchuͤtzen/
ſondern aus unrechtmaͤſſiger Gewalt wieder loßzureiſſen/ eine Schanze wagen duͤrfften;
wie
[575]Siebendes Buch.
wie dann der Großmaͤchtigſte Koͤnig in Daͤnnemark ſein Gnaͤdigſter Herr Vater ihn in
ſeiner gerechten Sache nicht huͤlff-loß oder unentſetzet laſſen wuͤrde/ dabey man ſich zuer-
innern haͤtte/ daß wol ehe die Sachſen der Daͤniſchen Kron haͤtten muͤſſen ein Knie beu-
gen. Inzwiſchen/ da es dem Groß Fuͤrſten alſo gefallen wuͤrde/ koͤnte er ſich an ſeiner Fe-
ſtung verſuchen/ vielleicht fuͤnde er mehr/ als er gemeynet haͤtte. Er wolte zwar vor dißmal
dem Trometer ſeinen unbeſonnenen Frevel uͤberſehen; würde aber noch einer nach ihm
kommen/ und ſich unterſtehen/ ihm ſeine Leute abſpenſtig oder aufruͤhriſch zumachen/ wol-
te er ihm den gebuͤhrlichen Lohn geben/ und ihn uͤber die Maur hinaus henken laſſen. Die
unſern vernahmen ſolche Erklaͤrung ungerne/ ſahen auch/ daß es viel Zeit und Blut koſten
wuͤrde/ die Feſtung mit Gewalt anzugreiffen; ſo ward ihnen des Daͤniſchen Fuͤrſten Herz-
hafftigkeit und ritterliche Erfahrenheit von allen Staͤnden hoch geruͤhmet. Herkules be-
trachtete am meiſten/ daß er gleichwol ein zimliches Schein Recht vor ſich haͤtte/ inſonder-
heit/ weil die Staͤnde anfangs ihm nicht widerſprochen; daher er in der Fuͤrſtlichen Ver-
ſamlung alſo anfing: Ich habe nie keinen Krieg mit groͤſſerem Unwillen/ als dieſe Bela-
gerung/ gefuͤhret/ und daͤucht mich/ mein Gewiſſen werde dadurch in etwas beleidiget; am
beſten waͤhre es/ man koͤnte den Fuͤrſten/ der uns ohndas verwand iſt/ in der Guͤte bewaͤgẽ/
daß er ſich der Anſprache dieſes Reichs begaͤbe/ welches mich daͤucht auff dieſe weiſe wol
geſchehen koͤnte. Erzaͤhlete hierauff ſeine Meinung/ und bekam von allen Beifal und Vol-
macht zuhandeln. Alſo ſetzete er ſich/ und nach kurzem bedenken ſchrieb er folgenden Brief
an den Daͤniſchen Fuͤrſten.


Ich Herkules/ gebohrner Großfuͤrſt und naͤheſter Erbe/ des freyen Teutſchen Reichs/ erwaͤhle-
ter Fuͤrſt zu Suſa in Aſien/ und Obriſter Feld Herr der Koͤnigl. und Großfuͤrſtlichen Verbuͤndnis in
Aſien wieder den Parther Koͤnig Artabanus/ entbiete dem Durchleuchtigſten Fuͤrſten/ und naͤheſten
Erben des Koͤnigreichs Daͤñenmark/ Fuͤrſten Olaff/ meinem geliebeten Oheim/ meinen Gruß und
alles gutes/ und laſſe deſſen Liebe hiemit wiſſen/ welcher geſtalt nach Erlegung des boßhafften Men-
ſchen Raͤubers Krito/ die ſaͤmtlichen Staͤnde dieſes freyen Koͤnigreichs Frießland/ meinem Gn. Herrn
Vater/ dem Großmaͤchtigſten Großfuͤrſten auß Teutſchland die Beherſchung dieſer Laͤnder einhellig
auffgetragen/ und die Krone ohn Abbruch ihrer uhralten wolhergebrachten Freyheiten auffzuſetzen/
ſich anerbohten/ mit dem außdruͤklichen Vorbehalt/ daß ſie lieber alle miteinander zum Lande außzihẽ/
als der Daͤnen Herſchafft uͤber ſich nehmen wollen/ und koͤnte ſie nichts hindern/ daß ihr geweſen er
lieber Koͤnig/ ihnen den Daͤniſchen Fuͤrſten vorgeſchlagen/ welchen anzunehmen ſie nie Willens
geweſen/ wie wol ſie/ Unruhe zumeiden/ ihrem Koͤnige bey deſſen Lebzeit nicht außdruͤklich wieder-
ſprechen wollen/ auch deſſen bloſſer Vorſchlag dem Daͤniſchen Fuͤrſten kein Recht zu diſem entledigten
Reiche geben konne. Wann nun mein Herr Vater mich ſeinen aͤltern Sohn mit dieſer Kron gnaͤdigſt
anzuſehen Willens iſt/ und kein Menſch/ als Eure Liebe/ mir dieſelbe ſtreitig machet/ ungeachtet die-
ſelbe weiß und ſihet/ daß mit der Staͤnde Bewilligung/ ſie ihren Vorſatz nicht heben/ noch dieſes Reich
erhalten kan. Als wil dieſelbe ich Oheimlich ermahnet haben/ ſich wol zubedenken/ ob ſie mit gutem
Gewiſſen die Beherſchung dieſes Reichs wieder der Untertahnen Willen durch Blutvergieſſung er-
halten koͤnnen/ und ihr nicht ruͤhmlicher anſtuͤnde/ ſich ihres vorhabens willig zubegeben. Mein Oheim
traue mir zu als einem auffrichtigen Fuͤrſten/ daß wann meine Wahl nicht ſchon geſchehen waͤhre/ ich
mit ihm mich den Staͤnden ſtellen/ und wann die Stimmen auff ſeine Liebe fielen/ der erſte ſein wolte/
der ihm hierzu von Herzen gluͤk wuͤnſchete. Laſſet uns demnach/ Durchl. Oheim/ nicht ohn noht Blut
ſtuͤrzung anrichten/ meidet die Gefahr/ welche von euren Frieſiſchen Knechten die kaum des Ernſtes
erwarten werden/ euch zuſtoſſen koͤnte/ und begebet euch euer vermeinten Anſp rach/ alsdann wil ich
mich
[576]Siebendes Buch.
mich hiemit erbieten und verpflichtet machen/ Euer Liebe Freund und Bruder zuſeyn/ auch es dahin
zu bringen/ daß Euer Liebe die volkommene freie Beherſchung des Wendiſchen Fuͤrſtentuhms erb-
lich eingeraͤumet werden ſol. Welchen Vorſchlag Eure Liebe verhoffentlich waͤhlen/ und weitere Un-
gelegenheit abwenden wird; auff welcher Fal ich dann Zeit meines Lebens bin und verbleibe/ Euer
Liebe zudienſt und Freundſchafft bereitwilligſter und ergebener Oheim Herkules.


Als Fuͤrſt Olaff dieſes verſchloſſene Schreiben empfing/ und dieſe Auffſchrifft laſe:
Dem Durchleuchtigſten Fuͤrſten und Herrn/ Herrn Olaff/ naͤheſtem Erben des Koͤnigreichs Daͤnen-
mark/ meinem freundlichen lieben Oheim; wahr er willig/ es zuerbrechen/ und nach Verle-
ſung beredete ers mit ſeinen Befehlichshabern/ welche es vor eine Kleinmuͤhtigkeit an
Seiten Herkules außlegeten/ und vorgaben/ es waͤhre ihm ruͤhmlicher angeſtanden/ den
Fuͤrſten zu einem abſondeꝛlichen Kampf außzufodeꝛn/ als freundliche Bit Brieffe zuſchꝛei-
ben/ inſonderheit/ da er ſich vor einen Kriegs Held und beſtalten Feld Herrn außgaͤbe.
Riehten demnach mit einhelliger Stimme/ er ſolte ſeiner guten Sache trauen/ und es in
der Goͤtter Nahmen dem Schwert anbefehlen/ weil man billich zweiffeln muͤſte/ ob die
Daͤniſchen Staͤnde dem ſieghafften Sachſiſchen Heer ſich entgegen ſetzen/ und mit ihnẽ
den Krieg auffnehmen wuͤrden. Und als der Fuͤrſt fragete/ auff was weiſe ſie es dann vor
beſt hielten/ tahten ſie den unvorgreiflichen Vorſchlag/ ſie wolten die wehrhafteſten Daͤnẽ
600 Mann/ und die tapfferſten Frieſen/ 400 ſtark/ außleſen/ ſich mit dieſer Schaar unter
ihres lieben Fürſten Anfuͤhrung ins Feld ſetzen/ und den Feind mit gleicher Anzahl zur
Schlacht fodern/ unter der von beiden ſeiten gegebenen gnugſamen Verſicherung/ daß/
welcher Teil unterliegen und das Feld raͤumen wuͤrde/ dem andern alle Anſprache zu die-
ſem Koͤnigreich abtreten ſolte. Fürſt Olaff lachete dieſes vorſchlages/ und gab ihnen zur
Antwort; ob ſie den Teutſchen Großfürſten und andere Anweſende Fuͤrſten ſo Kindiſch
hielten/ daß ſie ihres groſſen vortels ſich begebẽ/ und um die Friſiſche Kron noch erſt 1000
Knechte fechten laſſen wolten/ welche ſie ſchon ſo gut als in Haͤnden haͤtten/ oder doch zu
haben vermeineten. Er vor ſein Haͤupt wolte durch einen ſolchen ungereimten Vortrag
ſich ihnen nicht zum gelaͤchter vorſtellen/ ſondern in freundlich-abſchlaͤgiger Beantwor-
tung dem beruͤmten jungen Großfuͤrſten Herkules/ ſo viel zuverſtehen geben/ daß wann
er bereit waͤhre/ er ſich willig wolle finden laſſen/ mit ihm in einem abſonderlichen Kampf
ſein Heil zuverſuchen/ unter der Bedingung/ daß auff den fal ſeines Sieges/ die Sachſen
abzihen/ ſeine Feſtung unangefochten laſſen/ und ihm Freyheit goͤnnen ſolten/ mit den Fꝛie-
ſiſchen Staͤnden ſein Recht außzuführen/ und ein groſſes wird es ſeyn/ ſagte er/ wañ ich
ſolches von ihnen erhalten werde; ſetzete darauff dieſes Antwort-Schreiben in der
eyle auff.


Olaff/ gebohrner Fuͤrſt und Erbe des Koͤnigreichs Daͤnenmark/ erwaͤhleter und angenom-
mener Erbe und Nachfolger des Koͤnigreichs Frießland/ entbeut dem Durchleuchtigſten Großfuͤrſt-
lichen Herrn auß Teutſchland/ Herrn Herkules/ Fuͤrſten zu Suſa/ und Oberſten Feld Herrn der Koͤnig-
lichen und Großfuͤrſtlichen Verbuͤndniß in Aſien/ ſeinem geliebeten Oheim/ freundlichen Gruß und
alles gutes; fuͤget deſſen Liebe zuwiſſen/ daß dero Schreibens Inhalt er geleſen und reifflich erwogen
habe/ ſelbes aber gruͤnd- und umſtaͤndlich zubeantworten/ noch zur Zeit unnoͤhtig und unfruchtbar
achte/ jedoch vor angebohtene Freund-Oheim- und Bruͤderſchafft ſich hoch bedanke und ein gleichmaͤſ-
ſiges mit auffrichtigem Herzen anerbiete/ ohn daß er in Abtretung eines Koͤnigreichs ſo leicht/ und
ohn vorwiſſen ſeines gnaͤdigſten Herr Vaters und Koͤniges nicht gehehlen koͤnnen/ wuͤrde ihm auch
faſt
[577]Siebendes Buch.
faſt unruͤhmlich und ehren-verkleinerlich anſtehen/ wann mit freundlichen Brieffen er ſeine wolver-
ſehene/ und vor Feindes Anfal gnug verwahrete Feſtung ſolte ſtuͤrmen und einnehmen laſſen. Haͤtte
er eine gleiche oder etlicheꝛ maſſen beſtante Macht auff den Beinen/ waͤhre er unerſchrocken/ dem Gluͤk
im offenen Felde ſein gutes Recht anzuvertrauen/ aber in Mangel deſſen iſt er biß dahin gezwungen
ſich von Wahl und Mauren zuwehren; giebet gleichwol ſeiner Liebe daneben zubedenken/ obs uns
beiderſeis zuverdenken waͤhre/ wann wir um ruhige Beſitzung eines ſo ſchoͤnen Reichs/ Schwert an
Schwert ſetzeten und Leib an Leib wageten/ damit die Goͤtter zu Richtere geſetzet/ den Außſchlag in
kurzer friſt und ohn Blutſtuͤrzung der unſchuldigen geben moͤchten. Welches Euer Liebe zur Wieder-
Antwort zugeben/ auch vor angebohtenes Fuͤrſtentuhm zudanken ſich ſchuldig erkennet hat/ und im
uͤbrigen/ als lange erlebet/ iſt und ſein wil/ Euer Liebe zu dienſt- und Freundſchafft-bereitwilligſter
und ergebener Oheim Olaff.


Ekhard wahr dißmahl der Heerhold/ welchem der Daͤne eine ſtatliche guͤldene Ket-
te ſchenkete/ und das Antwort Schreiben mit großmuͤhtigen Geberden zuſtellete/ ſagend:
vermeldet meinem Oheim dem trefflichen Helden Fuͤrſt Herkules meinen Gruß und
Dienſte/ und daß von ſeinen preißwirdigen Tahten mir in Spanien und Engeland et-
was vorkommen iſt; moͤchte wuͤnſchen/ daß dieſer Span zwiſchen uns nicht entſtanden
waͤhre/ dann wuͤrde ich mein Schwert/ wie leicht es auch iſt/ lieber wieder ſeine Feinde als
ihn ſelbſt entbloͤſſen; und verlanget mich nach nichts ſo ſehr/ als die Ehre zuhaben/ ſein
tapfferes kaͤmpfen anzuſehen/ ja auch ſeiner Streiche ſelbſt zuempfinden; ich gelebe aber
zu einem ſo hoch beſchriehenen Helde der ungezweifelten Hoffnung/ ſeine Liebe werde mei-
ne Frage einer Antwort wirdigen. Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ antwortete Ekhard/ mir zwei-
felt nicht/ ihre Durchl. werde mit meinem Gnaͤdigſten Herrn/ Großfuͤrſt Herkules/ der-
eins in gute Kundſchafft gerahten/ deſſen Durchleuchtigkeit einem ſolchen tapfferen Fuͤr-
ſten und lieben Oheim ein Koͤnigreich zuſchenken/ ſich nicht lange bedenken wuͤrde/ wann
es mit der Staͤnde Einwilligung geſchehen koͤnte; maſſen deſſen Durchl. weder nach Her-
ſchafft noch Hocheit fraget/ und deſſen zum Beweißtuhm/ den Kaͤyſerlichen Stuel/ dar-
auff der jetzige Roͤmiſche Kaͤyſer ſeine Dürchl. hat ſetzen/ und zum Gleichwaltigen Mit Her-
ſcher annehmen wollen/ außgeſchlagen hat. Weil ich aber merke/ daß Eure Durchl. Be-
gierde traͤget/ meines Gnaͤdigſten Großfuͤrſten Schwert zupruͤfen/ mag ſie deſſen ſich
wol gaͤnzlich verſichern/ daß ſie des Wunſches inwendig einer Stunde wird gewehret
ſeyn/ dafern deſſen ſonſt in dieſem Schreiben einige Meldung geſchehen iſt. Ich weiß wol/
Ritter/ ſagte der Daͤne/ dz Euer Fuͤrſt mein Oheim/ ſeines Gegeners Speer und Schwert
wol leiden mag/ das uͤbrige werde ich ſchon zuvernehmen haben. Ließ ihn hiemit zimlich
bezechet zihen/ und gab ihm einen Trometer mit. Herkules verlaß den Brieff in der Fuͤrſt-
lichen Verſamlung/ da Fuͤrſt Baldrich ſehr anhielt/ daß der Kampf ihm moͤchte uͤberge-
laſſen werden/ deſſen ſein Vater wol zufrieden wahr/ und er ſich deſſen ſchon freuete/ aber
Herkules wolte durchaus nicht einwilligen/ ſonderlich da er die muͤndliche Werbung ver-
nam/ einwendend/ es muͤſte ihm ja billich zur Kleinmuͤhtigkeit gerechnet werden/ wann er
einem Fürſten auff Ausſoderung nicht ſelber ſtehen/ ſondern einen andern an ſeinen Plaz
ſtellen wuͤrde. Doch trug er der Geſelſchafft dieſes vor: Ob er zwar willens waͤhre/ im fal
er unterliegen wuͤrde/ ſich dieſes Koͤnigreichs zubegeben/ ſo koͤnte er doch den Staͤnden
dieſes Reichs nicht auffbuͤrden/ daß ſie wider ihren Willen dieſen Fuͤrſten annehmen ſol-
d d d dten/
[578]Siebendes Buch.
ten/ wiewol/ da er im Leben bliebe/ er nicht unterlaſſen wolte/ ihnen ſolches zurahten. Weil
dann ihnen ſolches beliebete/ verfaſſete er dieſes in ein kurzes Schreiben/ und als er den
Trometer mit einer koͤſtlichen Kette/ daran ſein Bruſtbilde wahr/ geſchenket hatte/ ſagte
er zu ihm: Reitet hin/ mein Freund/ und nach Anmeldung meiner Dienſte und Gruſſes/
ſaget meinem Oheim: Ich nehme ſeine ritterliche hoͤfliche Ausfoderung willig an/ haͤtte
zwar lieber auff freundlichere weiſe mich mit ſeiner Liebe abfinden wollen; weil abeꝛ ſolches
nicht hafften mag/ iſt mirs dannoch lieb/ daß unſer Span durch abſonderlichen Kampff
kan ausgetragen werden/ jedoch ſolcher geſtalt/ daß der uͤberwundene ſich aller Anſprache
zu dieſem Koͤnigreiche ſchlechter dinge begebe/ und ſolches Fuͤrſtlich verbriefe/ welches an
meiner ſeiten ſchon buͤndig gnug geſchehen iſt/ und ihr in dieſem Schreiben (welches er
ihm einreichete) zuübergeben habet. Ob mirs dann in meiner guten Sache nicht gluͤcken
ſolte/ muß ichs dahin rechnen/ daß es meinem Arme ſehr zuwider ſeyn wird/ mein Schweꝛt
wider meinen Oheim zukehren/ dem ich gewißlich lieber in andern Dienſten auffwaͤrtig
ſeyn wolte. Groß Fürſtin Valiſka ſtund dabey/ und taht dieſes hinzu. Trometer/ vermel-
det eurem Fuͤrſten/ einen Gruß von ſeiner unbekanten Waſen Valiſken aus Boͤhmen/ uñ
daß ich ihn erinnern laſſe/ er wolle mit beſſerm Gewehr als Recht ſich gefaſſet halten/ wañ
er Hoffnung zum Siege haben wil; ich vor mein Haͤupt wolte es in dieſer ſo guten Sa-
che wider ihn mit dem Schwerte zu Roß und Fuß wagen/ und an der uͤberwindung wenig
zweifeln. Der Trometer verwunderte ſich nicht allein ſolcher Erklaͤrung/ ſondern auch
ihrer uͤbermaͤſſigen Schoͤnheit/ machte ſich fort/ und hinterbrachte alles; welches Fuͤrſt
Olaff lieb und angenehm wahr/ kunte es auch Herkules nicht veruͤbeln/ daß er den Staͤn-
den das Recht ihrer Wahl vorbehalten wolte/ dann er gedachte/ wann nur die Teutſchen
wuͤrden abgewieſen ſeyn/ ſolte ſein Herr Vater den Staͤnden ſchon ſo nahe treten/ daß ſie
ihn annehmen muͤſten; wiewol auff ſolchen fal die Wahl auff Fuͤrſt Stegward ohn allen
zweifel wuͤrde gefallen ſeyn/ welches ſie ihm nachgehends ausdruͤklich zuerkennen gaben/
doch dabey unangezeiget nicht lieſſen/ daß ihm nichts ſchaden taͤhte/ als daß er der Daͤni-
ſchen Kron ungezweifelter Erbe waͤhre/ auſſer welcher Betrachtung er von den Staͤndẽ
alsbald wuͤrde beliebet/ angenommen/ und noch bey ihres Koͤniges Lebzeit gekroͤnet wor-
den ſeyn; mit welcher Erklaͤrung er dann voͤllig in ſeinem Herzen zufrieden wahr. Vor
dißmahl aber dauchte ihm ſchimpflich ſeyn/ daß ein Weibesbild ihn im Kampffe beſtehen
wolte. Worauff der Trometer zu ihm ſagete: Durchl. Fuͤrſt/ ob ſie mit dem Schwerte
wider Eure Durchl. hafften wuͤrde/ ſolches weiß ich nicht/ wiewol ſie ſcheinet muhts gnug
zuhaben/ mehr als ich mir bey einigem Weibesbilde habe einbilden koͤnnen; aber ihrer Au-
gen Schwerter/ Spieſſe und Pfeile ſind ſcharff und hurtig gnug/ alle Mannesbilder zu
uͤberwinden/ dann ihres gleichen an Schoͤnheit und freundlichen Geberden/ lebet in der
ganzen Welt nicht; ſo kan ich auch wol mit warheit ſagen/ dz ein Fuͤrſt von groͤſſer Schoͤn-
heit und tapffermuhtigen Bezeigungen/ als Herkules/ mir nie vorkommen iſt/ aus deſſen
Reden und Sitten wol erſcheinet/ daß er im Felde und auf der Streitbahn ſich rechtſchaf-
fen zutummeln wiſſe. Ein anweſender Schmeichler/ welcher ſonderliche Gnade hoffete zu
verdienen/ wolte dem Fürſten liebkoſen/ uñ fragete den Trometer/ ob er nicht in ſeiner kuͤh-
nen Erzaͤhlung dem Fuͤrſten zu nahe getreten waͤhre. Aber derſelbe wolte es ſelbſt beant-
wor-
[579]Siebendes Buch.
worten/ und ſagete: Mein Kerl/ laß du mir dieſen und jedermaͤnniglich die Warheit re-
den; oder meineſtu/ daß ich in einer Narrenhaut ſtecke/ und einem tapfferen Ritter ſein ge-
buͤhrliches Lob nicht goͤnne? Er wolte aber/ ſeine Herzhafftigkeit zuerzeigen/ den Kampff
nicht laͤnger auffſchieben/ ſetzete die ſchrifftliche Einwilligung nach begehren auff/ ſuchte
ſeine beſten Waffen hervor/ und machte ſich zum Kampffe fertig; und weil er wuſte/ daß
Fuͤrſtliche Mannes- und Weibesbilder zuſehen wuͤrden/ putzete er ſich gar zierlich/ nam ei-
nen ſtarken Frieſiſchen ſchwarzen Hengſt mit einer Him̄elblauen Decke/ mit Perlen reich-
lich geſticket/ und einen ſchwarzen mit Golde eingegoſſenen Harniſch; die Feldbinde wahr
gleicher art mit der Pferdedecke; im Schilde ſtund ein Koͤnigliches Mannesbilde/ hatte
eine Kron auff dem Haͤupte/ und umb ſich her dieſe guͤldene Buchſtaben: Regni Lex, Ho-
neſta Regis Voluntas.
Des Koͤniges ehrlicher Wille iſt des Landes Recht. Womit er ſeinen An-
ſpruch behaͤupten wolte. Auff dem Helme fuͤhrete er einen güldenen Loͤuen/ welcher eine
Schlange zerdruͤckete/ daß ihm der Gifft anſpruͤtzete/ hatte aber in der Tatzen ein Taͤffelein
mit dieſer Auffſchrifft: Fraus Fortitudinem non frangit Betrug bricht die Staͤrke nicht. Die-
ſe Waffen hatte er machen laſſen/ der Meynung/ ſich deren wider den Wenden Krito oder
deſſen Sohn Gotſchalk im Kampffe zugebrauchen. Herkules muſte auff ſeiner Valiſken
begehren ſich folgender geſtalt ausruͤſten. Er ritte einen ſtarken ſchneeweiſſen Hengſt (aber
nicht ſeinen aͤdlen Meden) deſſen Decke ein zartes Perſiſches guͤlden Tuch wahr/ mit den
ſchoͤnſten groſſen Zahl Perlen beſticket/ und umher die ſcheinbareſten Demanten/ zwo Rei-
hen über einander. Der Sattel blaͤnkete von allerhand aͤdlen Steinen; ſein Harniſch war
ſtark uͤberguͤldet/ mit geetzetem ſchwarzen Blumwerk; Im Schilde wahr ſeine Valiſka
gemahlet/ und umher dieſe Worte: In Cœlo DEVS, in terra HÆC meus amor eſt; Gott im
Himmel/ und dieſe auff Erden iſt meine Liebe. Auff dem Helme hatte er auch einen guͤldenen
Loͤuen/ welcher ſich aber von einem Schaͤflein leiten ließ und an ſeiner Bruſt dieſe Worte
ſtunden: Effectus Amoris. Diß iſt der Liebe Wirkung. Seine Feldbinde wahr von gleichem
Zeuge mit der Pferdedecke/ uñ ſaß an ſeinem Schwerte/ welches ſtark über uñ uͤber verguͤl-
det wahr/ ein treflicher Demant oben auf dem Knauffe/ welcher Strahlen von ſich warf.
Olaff hielt zwiſchen zween vornehmen Daͤniſchen Herren/ ſeinen Anverwanten/ welche
ihn zubeſuchen/ vor weniger Zeit kommen wahren/ hatten etliche Jahr der Ritterſchaft in
der fremde obgelegen/ und mannichen guten Preiß erworben; der eine hieß Harald/ der
ander Hunibold. Neben Herkules ritten Koͤnig Ladiſla und Fürſt Baldrich. Das Fuͤrſt-
liche Frauenzimmer hatte ſich auff den Elefanten geſtellet/ dem Kampffe zuzuſehen/ wo-
ſelbſt Valiſka als eine Sonne unter den Sternen hervor leuchtete/ und erwieß ihnen Fuͤꝛſt
Olaff/ ſo bald er ſie ſahe/ mit abgezogenem Helme groſſe Ehrerbietigkeit/ ward auch uͤber
Valiſken Schoͤnheit ganz beſtuͤrzet/ daß ihn ſchier gereuete/ den Kampff begehret zuhabẽ;
doch gedachte er in ſeinem Herzen; wie wann du Herkules erlegeteſt/ und durch eine ein-
zige uͤberwindung zugleich dieſes Koͤnigreich und das Reich aller verſamleten Schoͤnheit
erſtritteſt? ſendete auch einen zierlichen aͤdelknaben an das Frauenzimmer/ bey welchem
er ſich anfangs entſchuldigen ließ/ daß er die unbilliche Entfuͤhrung des Groß Fuͤrſtlichen
Fraͤulein weder befodert noch gut geheiſſen haͤtte; hielt demnach umb Erlaͤubniß an/ daß
ihm der Kampff mit ihrem guten Willen moͤchte zugelaſſen ſeyn; und ließ ſich ihren in-
d d d d ijgeſamt/
[580]Siebendes Buch.
geſamt/ und jeder abſonderlich gehorſamen Knecht und bereitwilligſten Diener nennen.
Herkules gefiel die Hoͤfligkeit ſehr wol/ und nam ihm gaͤnzlich vor/ ſo viel moͤglich/ ſein zu
ſchonen. Valiſka aber/ welche ihren Koͤcher mit uͤberguͤldeten Pfeilen/ und den Bogen
angehengt hatte/ gab dem Knaben dieſe Antwort: Reite hin/ und melde deinem Herrn/
dem Daͤniſchen Fuͤrſten/ unſerer ſaͤmtlichen Ehren-gewogenheit an/ und daß ich ihn traͤu-
lich warnen laſſe/ das Schwert in ſo ſchlimmer Sache nicht zugebrauchen/ da ihm weder
Gott noch Recht Beyſtand leiſten wil; kan er nun meinem Raht folgen/ werde ich mich
bemühen/ ihm dergeſtalt zubegegnen/ daß ihm nach der Frieſiſchen Kron nicht verlangen
ſol; bringe ihm auch dieſen Ring meinet wegen zum Pfande/ daß wann er meinem aller-
liebſten Gemahl im Streit angewinnen ſolte/ ich ihm zwar dieſes Koͤnigreich nicht ſtrei-
tig machen/ aber ihn doch ausgefodert haben wil/ daß er ungeharniſcht/ mit Schild und
Schwert/ oder auch wol ohn Schild/ umb Leib und Leben den Kampff mit mir antreten
muß. Fuͤrſt Olaff entſetzete ſich der ernſtlichen Ausfoderung von einem Weibsbilde/ wol-
te auch den Ring mit ſolchem bedinge nicht annehmen/ ſondern ſchickete ihn wieder zurük/
und ließ ihr ſagen: Er waͤhre bereitwilligſt/ in allen moͤglichen Dingen ihr zugehorſamẽ/
aber ſeiner Ausfoderung ſich zubegeben/ wuͤrde ihm unertaͤglicher ſeyn/ als der Tod; ſein
Schwert aber wider eine ſolche trefliche Fuͤrſtin auffzuheben/ wolte er lieber unbewehret
ſich von ihrer Hand niderhauen laſſen/ wie herzlich gerne er auch die Ehre haben moͤchte/
dieſen Ring zu ihrem unſterblichen Gedaͤchtniß zubehalten. Zeit dieſer Handelung ſchie-
kete Baldrich an Olaffs Gefaͤrten/ und ließ ihnen ſagen: Sie hielten alhie bey derſeits ge-
gen einander gewapnet/ nicht als Feinde/ fondern als Zuſeher/ uñ verzoͤge ſich der Kampf
in etwas; waͤhre demnach nicht unabgeneiget/ mit ihrer einem ein ritterliches Speer/ nit
aus Feindſchafft/ ſondern zur Luſt/ und dem anweſenden Frauenzimmer zur Ergezligkeit
zubrechen/ wann es ohn Unwillen koͤnte eingewilliget werden. Olaff wahr deſſen wol zu-
frieden/ und erlaͤubete ſeinem Gefaͤrten Herrn Harald ſolches gar gerne; welcher es ohn
auffſchieben annam/ und den Saz mit ihm anging; hielt ſich auch im erſten Treffen wol;
im andern ſchwankete er; und im dritten muſte er ſeine alte Mutter die Erde kuͤſſen; deſſen
er ſich nicht ein geringes ſchaͤmete/ weil er ſahe/ daß ſein Obſieger unbewaͤglich ſitzen blieb.
Ladiſla hatte auch belieben/ mit dem andern einen Verſuch zutuhn/ welcher nicht allein eh-
renhalben es nicht ausſchlagen kunte/ weil es bloß dem Fuͤrſtlichen Frauenzimmer zuge-
fallen geſchehen ſolte; ſondern hatte auch die Hoffnung gefaſſet/ ſeines Geſellen Schimpf
einzubringen/ welches ihn aber ſehr betrog; dann ober gleich den erſten Stoß etlicher maſ-
ſen aushielt/ ſchwankete er doch davon als ein trunkener/ muſte auch im andern Gange ei-
nen ſolchen Sprung nehmen/ daß er den rechten Schenkel zubrach; maſſen ihn Ladiſla
mit ſamt dem Pferde uͤber und uͤber warff. Olaff kennete der ſeinen Rittermaͤſſigkeit/ und
wunderte ſich nicht wenig/ daß ſie dergeſtalt beſchimpffet ſtunden/ daher er auch die Rech-
nung ihm leicht machete/ er wuͤrde aller ſeiner Kraͤffte uñ Erfahrenheit in dieſem Kampf-
fe wider Herkules beduͤrffen; zu welchem ende er ſich fertig machete/ da er von der jungen
Groß Fürſtin gleich dieſe Antwort bekam: Sie erkennete ſein ritterliches Gemuͤht aus
dem/ daß er das verſprochene vor unwiederruflich hielte/ und weil ihm ihre Beſtreitung
ſo gar unangenehm waͤhre/ ſie auch nicht hoffete/ daß ihres Gefechtes es beduͤrffen ſolte/
moͤch-
[581]Siebendes Buch.
moͤchte er deſſen erlaſſen ſeyn/ und dannoch den Ring/ weil es ihm alſo gefiele/ zum Zeichen
ihrer kuͤnfftigen Gutwilligkeit behalten; welchen er alsbald an ſeinen kleinen Finger ſtes-
kete/ und gleich willens wahr/ Herkules mit einem Speerwinken zuverſtehen zugeben/ daß
er zum Treffen fertig waͤhre; Er ſahe aber/ daß Valiſka ihren Bogen zum Schuß anlege-
te/ umb nach einer Taube zuſchieſſen/ deren drey hoch oben her in Luͤfften ſchwebeten; und
lachete/ ſeiner Meynung nach/ ihrer Tohrheit bey ſich ſelbſt/ daß ſie einen ſo unmoͤglichen
Schuß in Gegenwart ſo vieler Fürſten wagen/ und ſich dadurch nur in Spot ſetzen wol-
te; aber als er gewahr ward/ wie geſchwinde ſie die eine getroffen/ dz ſie mit ſamt dem Pfeil
tod herunter flad derte/ verwunderte er ſich deſſen uͤber alle maſſen/ inſonderheit/ als ſie faſt
im Augenblik darauff die andere/ und endlich/ ehe man ſichs verſahe/ auch die dritte/ ohn
einigen Fehlſchuß herunter hohlete; ſagte auch zu einem Ritter/ der hinter ihm hielt: Da-
fern dieſes Wunder Bild ſo fertig mit dem Degen/ als mit dem Bogen iſt/ wuͤrde ich mich
nicht unterwinden/ einen Gang mit ihr zutuhn/ und wann ich dieſe drey Schuͤſſe mit mei-
nen Augen nicht haͤtte angeſehen/ wuͤrde ichs vor eine lautere Unmoͤgligkeit halten; wie-
wol ich bey mir anſtehe/ obs eine warhaffte Taht/ oder eine Augen-Verblendung iſt. Die-
ſer verwunderte ſich daruͤber nicht weniger/ erinnerte aber den Fuͤrſten/ es ſchiene/ daß ſein
Gegener auff ihn wartete. Es iſt mein Vorhaben durch dieſe Wunder wirkung mir ſchier
aus dem Gedaͤchtniß gefallen/ antwortete er; gab auch Herkules ein Zeichen/ daß er loß-
brechen wolte. Derſelbe pflegete ſich nun in dergleichen Geſchaͤfften nicht gerne zweymal
anſprechen zulaſſen/ legete ein/ und begegnete dem Daͤniſchen Fuͤrſten ſehr artig/ traff ihn
auch dergeſtalt/ daß er hinter ſich bog/ und wenig fehlete/ er haͤtte ſich auff der Erden aus-
ſtrecken muͤſſen; deſſen er ſich gleichwol entſetzete/ und ſchon merkete/ daß Speer wuͤrde
ihm die Frieſiſche Kron nicht erſtreiten/ weil ſein Wiederſacher feſt im Sattel blieb; je-
doch hoffete er im andern Treffen ſich beſſer zuhalten/ da es Herkules bald ungleich ergan-
gen waͤhre; dann als er meynete den Stoß anzulegen/ ward ſein Pferd ſchuͤchtern/ ſprang
zur ſeiten aus/ und lief wider ſeinen Willen mit ihm eine zimliche Ecke hinweg/ biß er end-
lich wieder Meiſter ward/ ſich aber des Fehls/ der ihm ſonſt nie begegnet wahr/ ſehr ſchaͤ-
mete/ und dannoch das Pferd umzuwechſeln bedenken trug/ ſondern ſich wieder auff die
Bahn ſetzete/ und ſeinen Feind dergeſtalt empfing/ daß er ihn mit ſamt dem Roſſe zur Er-
den warff. Sein Vater ſahe den gewaltigen Rit/ und ſagte: Hilff Gott/ wie koͤnnen eines
Juͤnglings Arme ſolche Macht volbringen! Nun gluͤckete es gleichwol dem Daͤnen/ daß
er weder unter das Pferd zuliegen kam/ noch ſonſt einigen Schaden empfing/ ſondern da
ihm ſein Leibdiener ein friſches Roß zufuͤhrete/ ſetzete er ſich darauff/ und mit dem entbloͤſſe-
ten Degen hielt er ſich fertig/ weil er lieber zu Pferde als zu Fuſſe kaͤmpffen wolte. Herku-
les ſchickete Neda an ihn/ und ließ ihn warnen/ er moͤchte den Streit laſſen auffgeruffen
ſeyn/ nach dem er ſaͤhe/ daß das Gluͤk ihm in dieſer Sache nicht beypflichten/ noch nach wil-
len fugen wolte/ alsdann ſolte er ſein Freundes Gemuͤht in der Taht ſpuͤren; welches er-
bieten ihn etwas ſchimpflich dauchte/ und zur Antwort gab: Ob ſein Pferd lieber fallen/
als zur ſeite ausſprengen wollen/ koͤnte er nicht endern/ hoffete/ das angefangene zuvollen-
den/ wuͤrde ihm Fuͤrſt Herkules nicht verſagen. Wol dann/ antwortete er hierauff/ ſo kan
es ja nicht anders ſeyn; Setzete auch dergeſtalt auff ihn zu/ daß Valiſka fuͤrchtete/ der Daͤ-
d d d d iijne
[582]Siebendes Buch.
ne wuͤrde mit dem Leben bezahlen müſſen/ daher ſie zu dem Großfuͤrſten ſagete: Ich ſehe
ungern/ daß der Daͤniſche Fuͤrſt keine freundliche Anmuhtung/ weiß nicht/ aus Tapffer-
keit oder Verſtockung/ wil gelten laſſen/ und duͤrffte ihm vielleicht die Reue zuſpaht kom-
men. Das Gehacke ging unter dieſen beyden rechtſchaffen an/ und ließ Olaff wol
ſpuͤren/ daß er muht und herzens gnug hatte/ umb ein Koͤnigreich das Schwert zuführen/
meinete auch/ in dem erſten Anfal der uͤberwindung einen feſten Grund zu legen; aber Her-
kules betrachtete/ daß er in ſeiner Eltern und des ganzen Kriegsheers gegenwart ſtritte/
wolte demnach ſehen laſſen/ daß das Geruͤchte von ſeinen Tahten nicht aus bloſſer gewo-
genheit erſchollen waͤhre/ daher er alles mit Doppelhieben dem Daͤnen dergeſtalt zuſetzete/
daß er in kurzer Zeit an unterſchiedlichen Orten ſeines Leibes die blutigen Merkzeichen der
empfangenen Verwundung von ſich gab/ wiewol wegen guͤte ſeiner Waffen es nicht tieff
durchgangen wahr. Groß Fuͤrſt Henrich/ der bey dem Frauenzimmer auff dem Elefanten
wahr/ fing an: die Streiche hat mein Sohn in Teutſchland nicht gelernet/ noch von eini-
gem Kaͤmpfer geſehen. Gn. Herr Vater/ antwortete Valaſka/ ich achte dieſes Gefechte faſt
vor nichts; aber wann man ihn unter einem ganzen Hauffen ſolte maͤtſchen ſehen/ würden
die Hiebe wol anders ziſchen und krachen/ verſichere auch meinen Herr Vater/ daß mein
Herkules noch Hoͤfligkeit gegen Fuͤrſt Olaff gebrauchet/ dann ſonſt wuͤrde er ihn ſchon
laͤngſt vom Pferde geriſſen und abgeſchlachtet haben. Nun hielt ſich dannoch der Daͤhne/
daß ihn niemand tadeln kunte/ und die Warheit zu ſagen/ wuͤrde auſſer Herkules und La-
diſla nicht leicht ein ander ihm uͤberlegen geweſen ſeyn. Dann er ging ſehr behutſam/
verſetzete ſo viel ihm moͤglich wahr/ und gab ſich nicht bloß/ ohn wann er meinete/ ſeinen
Feind mehr zubeſchaͤdigen/ als von demſelben getroffen zu werden. Nachdem es aber Her-
kules verdroß/ daß er ſo lange Wiederſtand hielt/ taht er einen heftigen Anfal/ gleich da
ſein Gegener die Hofnung faſſete/ er würde ſich nunmehr zimlich abgemattet haben/ und
doch dagegen ſeine Hiebe nur verzwiefaͤltigte/ ihm auch dergeſtalt den Helm zuhaͤmmerte/
daß ihm vor den Augen zu funkeln begunte/ und er ſich zuerhohlen/ zur Seiten ausweich;
aber Herkules ſetzete ihm auff dem Fuſſe nach/ ſchlug den Helm auff/ uñ rieff ihm zu; Fuͤrſt
Olaff/ laſſets dereins gnug ſeyn gefochten/ und gebet dem Streit anſtand/ dann ich wolte
ungerne einen ſo guten Ritter/ als ihr ſeid/ toͤdlich beſchaͤdigen; ihr ſehet ja vor Augen/ daß
es euch weder an gutem Herzen noch kraͤftigen Faͤuſten/ ſondern bloß an gerechter Sache
mangelt. Dieſer Schimpf/ wie ers auslegete/ ſchmerzete ihn mehr als die empfangenẽ
Wunden/ daß er derſelben gar daruͤber vergaß/ kehrete umb/ und antwortete mit kurzen;
O nein Fuͤrſt Herkules/ dieſe Rechnung iſt noch zur Zeit zu fruͤh gemacht. Woldann/ ſage-
te er/ ſo werde ich die Kreide zum andernmahl anſetzen muͤſſen; damit erhub ſich der Streit
von neuen/ ob haͤtten ſie noch keinen Schwertſchlag gefuͤhret; aber Glük/ Erfahrenheit uñ
geſchikliche Kraft hing nicht in gleicher Wage/ ſondern an Herkules Seite im groſſen
Ausſchlage/ der ſeinen Feind zu unterſchiedlichen mahlen haͤtte niderſtoſſen koͤnnen/ wolte
aber nicht/ ſondern da er ſeinen Vortel erſahe/ warf er ihn vom Pferde herunter und ſprang
ihm nach/ wiewol er ihm ſelber auff die Beine halff/ und ihm Zeit genug goͤnnete/ ſich zum
Fußkampfe zubereiten/ welcher auch ernſtlich angetreten/ aber nicht ſo gar lange gefuͤhret
ward; und wahr wunderlich anzuſehen/ daß/ nachdem die Kaͤmpfer Sattellos wahren/
die
[583]Siebendes Buch.
die Pferde einander ſo grauſam anfielen/ als waͤhren ſie raſend worden/ ſchlugen und biſ-
ſen ſich ſo lange/ biß ſie beyde niderfielen/ und das Leben einbuͤſſeten; woraus etliche Zuſe-
her ein Ungluͤkszeichen nehmen durften/ als wuͤrden die beyde Fürſten ſich ebenmaͤſſig hin-
richten; aber Valiſka weiſſagete viel anders/ und zwar recht/ es ſolten dieſe Pferde das
Opffer vor ihre Herren ſeyn/ wie dann bey denen die Gefahr nicht ſo groß wahr; maſſen/
nachdem Herkules ſeinen Feind Schildloß gemacht/ und ihm den Helm geloͤſet hatte/ riſ-
ſe er ihm denſelben gar vom Haͤupte/ ſetzete ihm die Schwertſpitze an die Kehle/ und ſagete;
Ich ermahne euch nochmahls/ mein Oheim/ daß ihr Lebensfriſtung nicht muhtwillig aus-
ſchlaget/ welches weder euch noch mir ruͤhmlich ſeyn wuͤrde/ uñ ich doch genoͤhtiget/ etwas
wieder meinen Willen tuhn mũſte/ welches mir eben ſo leid als der ganzen Kron Daͤnen-
mark ſeyn ſolte; ihr wiſſet daß man mit Gottes ſchickung mus friedlich ſeyn/ welcher nur
einem den Sieg goͤnnet/ welchen ich doch an euch zubehaͤupten nicht begehre; begebet euch
dieſes Koͤnigreichs/ welches lieber untergehen/ als euch zum Herrn annehmen wil/ und ge-
denket daß Daͤnenmark ſeinen kūnftigen Herrn und Koͤnig wol ernehren koͤnne; alsdann
wil ich mein aller erſtes erbieten erwiedert haben/ uñ dieſen Kampf als ungeſchehen rechnẽ.
Olaff antwortete ihm mit geherzter Rede; beſſer im Streit geblieben/ als gefangen hinaus
geſchleppet/ und mißgoͤnne ich meinem Obſieger das minſte nicht/ welches mein Blut iſt/
nachdem er das meiſte/ die Ehre davon getragen hat. Nicht ein Haͤaͤrlein Ehre verlohren/
ſagte Herkules/ werde auch nach auffhebung des Streits euch vor keinen Gefangenen o-
der uͤberwundenen/ ſondern vor meinen bruͤderlichen Freund añehmen und halten. Wel-
che Worte den Daͤniſchen Fuͤrſten/ der ohndas der Tugend herzlich ergeben wahr/ derge-
ſtalt bewaͤgeten/ daß er ihm ſein Schwert willig darboht/ und zu ihm ſagete: Unvergleich-
licher Held; eure Kraͤfte haben zwar meinen Leib/ aber eure Hoͤfligkeit meine Seele uͤber-
wunden/ ſchaͤtze mich unwirdig einem ſolchen frommen redlichen Fuͤrſten ein Koͤnigreich
zuvorenthalten/ wann es auch mein angebohrnes waͤhre/ und iſt mir leid/ daß aus unbe-
dachtſamkeit ich eure Liebe zur Feindſchaft wieder mich faſt genoͤhtiget/ welches aber wie-
der einzubringen ich mich bemuͤhen wil/ wuͤnſche deroſelben Gluͤk und alle gedeiliche Wol-
fahrt zu dieſer Kron/ und verbleibe Zeit meines uͤbrigen lebens zu deren wolgefallen. Als
Herkules dieſes hoͤrete/ legte er ſeinen Helm abe/ umbfing ihn bruͤderlich/ und ſagte: Er ſol-
te mit ihm alle ſeine Gluͤkſeligkeit gemein haben; mag auch euer Liebe nicht bergen/ ſetzete
er hinzu/ daß wir vordißmahl umb ein Reich geſtritten/ welches nunmehr weder eure Lie-
be noch ich begehren; nam ihn bey der Hand und ging mit ihm hin nach dem naͤheſten
Zelt/ daß ſeinen Wunden alsbald moͤchte raht geſchaffet werden. Die geſamte Fuͤrſtliche
Geſelſchaft machte ſich hin/ ihn zubeſuchen/ nachdem er verbunden wahr/ und trat Valiſka
vor hinein/ welche anfangs mit wenig Worten ihren Herkules (der von ihm noch nicht
gewiechen wahr) anredete/ und/ wie ſie ſagete/ ſich von Herzen erfreuete/ daß er unbeſchaͤ-
diget aus dem Kampfe getreten wahr; wendete ſich hernach zu dem Daͤniſchen Fuͤrſten/
und ſagete zu ihm: Durchleuchtigſter Fuͤrſt und Oheim; ich moͤchte von ganzem herzen
wuͤnſchen/ daß die Gelegenheit es haͤtte leiden wollen/ auff andere Weiſe/ als vor dißmahl
geſchehen iſt/ mit euer Liebe Kundfchaft zu machen; jedoch/ weil Gott lob aller Zwieſpalt
verglichen/ und die Mißhelligkeit beygelegt iſt/ erfreuet mich hoͤchlich/ daß eure Liebe ſo wol/
als
[584]Siebendes Buch.
als mein hoͤchſtgeliebter Gemahl den Kampf ohn toͤdliche Wunden geendiget haben/ wo-
vor ich dann nicht geringe Sorge getragen. Es hat in Warheit eure Liebe durch auffruf-
fung des Kampfs und der ganzen Fehde/ ſich uns alle zu ihren verbundenen gemacht/ und
verſpreche derſelben ich meinesteils in kuͤnftig alle Dienſte und Freundſchaft/ die ohn Eh-
ren-verletzung von mir koͤnnen geleiſtet werden; deſſenich euer Liebe dieſes ſchlechte Pfand
nunmehr ſelbſt einliefern/ und ihrer kuͤnftigen Koͤniglichen Braut mit einer halben Mil-
lion Goldes verfallen ſeyn wil/ ſelbe Zeit des Beylagers auszuzahlen; nahm hiemit einen
ſehr koͤſtlichen Ring/ ſteckete ihm denſelben an den Finger und ſagete; Wann ſie ein wichti-
gers als ein Koͤnigreich erdenken koͤnte/ wolte ſie ihm darzu/ als viel an ihr waͤhre/ ſchwe-
ſterlich behuͤlflich ſeyn. Der Fuͤrſt vergaffete ſich faſt an ihrer Schoͤnheit und freundli-
chen Reden/ nam den Ring mit hoher Ehrerbietung von ihr an/ vermeldend/ daß noch nie
kein angenehmer Geſchenk ihm dargebohten waͤhre/ als dieſer Ring; das uͤbrige erbieten
wuͤſte er nicht zubeantworten/ weil es gar uͤber ſein verdienſt reichete; baht hernach/ dz das
vorgelauffene gaͤnzlich moͤchte abgetahn/ und als ungeſchehen in vergeß geſtellet werden/
nachdem er numehr aller Anſprach an dieſes Koͤnigreich/ ſich willig begaͤbe/ welches er nie-
mand lieber als ihrer hohen vortrefligkeit goͤnnete/ deren auch ſeine Feſtung einzuraͤumen/
er alle Augenblik bereit und willig waͤhre. Sie nam dieſes Erbieten mit hohem Danke an/
und verſprach im Nahmen ihres Herkules/ daß das groſſe Fuͤrſtentuhm der Wenden ihm
erblich ſolte erſtritten und zugeſtellet werden/ wurden auch dero behueff Siegward/ Leches
und Neda alsbald gevolmaͤchtiget/ mit 8000 Teutſchen und Boͤhmen/ denen 9000 Friſi-
ſche Voͤlker/ und 7000 gefangene Wendiſche Reuter ſolten beygefuͤet werdẽ/ nach Wend-
land/ welches jetzo Mekelnburg heiſſet/ zu gehen/ die alte Fuͤrſtin ihrer Haft zuerlaſſen/ und
den Untertahnen anzutragen/ ob ſie mit gutem Willen/ den Daͤniſchen Fuͤrſten/ Herrn
Olaff (welcher alle ihre Landes Freiheiten bekraͤftigen wuͤrde) zu ihrem Fuͤrſten annehmẽ/
oder der gaͤnzlichen Verwüſtung wolten gewaͤrtig ſeyn. Sie muhteten zwar Fuͤrſten O-
laff an/ ob ihm gefallen koͤnte/ als ein Feldherr mit zuzihẽ/ aber er wegerte ſich deſſen/ einwen-
dend/ weil er nichts hoͤhers wünſchete und begehrete/ als mit den Koͤnigl. und Fuͤrſtlichen
Helden in beſſere Kundſchaft zugerahten/ baͤhte er ſehr/ ihm zu goͤnnen/ daß er ihrer Geſel-
ſchaft ſich eine Zeitlang gebrauchen moͤchte. Niemand wolte ihm dieſes verſagen/ deßwe-
gen rieff Valiſka Siegwarden zu ſich/ und baht/ er moͤchte die muͤhe uͤber ſich nehmen/ und
ſeiner Frl. Schweſter/ Frl. Schulda das Heyrahtgut erſtreiten/ ſie verhoffete zwiſchen ihr
und dem Daͤniſchen Fürſten eine gluͤkliche Ehe zu ſtiften; die Wenden wuͤrden zweifels
ohn erſchrocken ſeyn/ weil nicht allein ihre Fürſten/ ſondern auch ihre geuͤbete Mannſchafft
erſchlagen und gefangen waͤhren/ daß alſo die Eile alles nach Wunſch erhalten wuͤrde.
Siegward bedankete ſich der ſchweſterlichen Vorſorge/ wegen ſeiner Frl. Schweſter/
und machte ſich fertig zum Auffbruch; nahm auch ſein Gemahl mit ſich/ deren Libuſſa ge-
ſelſchaft leiſtete/ unteꝛ genom̃enem Abſcheide/ daß inwendig ſechs Wochen ſie mit der huͤlffe
Gottes zu Magdeburg ſeyn woltẽ. Groß Fuͤrſt Henrich hielt ſich inſonderheit gar freund-
lich gegen Olaff/ dann er hatte in der Jugend mit ſeinem Vater gute Freundſchaft gepſlo-
gen/ als ſie miteinander in Engeland und Reuſſen der Ritterſchaft obgelegen; daher er ſich
auch gegen den jungen Fuͤrſten aller wilfahrung erboht; worauff er antwortete: Eure
Groß-
[585]Siebendes Buch.
Großfürſtl. Hocheit erfreuen ſich billich des gluͤklichen Sieges/ aber tauſendmahl billi-
cher ihres Sohns Fuͤrſt Herkules/ als den ich vor einen unvergleichlichen Held und beſtẽ
Kaͤmpffer des Erdbodems ſchaͤtze/ mehr als von einigem Ritter ich mir niemahls einbildẽ
koͤnnen; und nachdem die Goͤtter mir ſeine Kundſchafft auff keine andere/ als dieſe weiſe
goͤnnen wollen/ bin ich damit gerne friedlich/ der ungezweifelten Gewißheit/ wie dieſes un-
ſer erſter Streit geweſen/ alſo ſolle er auch der lezte ſeyn. Nachgehends foderte er ſelber an/
daß man ihm Schreibezeug hergeben moͤchte/ da er folgenden Brief an ſeinen Oberhaupt-
man der Feſtung auffſetzete:


Olaff/ Fuͤrſt aus Daͤnenmark/ entbeut ſeinem Verweſer Erich/ daß er ſtraks angeſichts dieſes/
mit der ganzen Daͤniſchen und Frieſiſchen Beſatzung ſich hieſelbſt bey mir in des Großmaͤchtigſten
Groß Fuͤrſten der Teutſchen Heerlager einſtelle/ und die Schluͤſſel der Stad Tohre mit ſich bringe/
Zeigern dieſes aber mit ſeiner Manſchafft einzihen/ Mauren/ Wahl und Tohre nach ſeinem gefallen
beſetzen/ und ihm nach alle ſeinem belieben ſchalten und walten laſſe/ als lieb euch meine Huld und Gna-
de iſt.


So bald er dieſes geſchrieben hatte/ begehrte er an Herkules einen Oberſten mit ohn
gefehr 1000 Mann nach der Feſtung abgehen zulaſſen/ daß ſie alsbald/ wann ſeine Leute
auff dieſen Befehl abzihen wuͤrden/ den Ort fleiſſig beſetzeten/ welches Prinſla und Klodius
anbefohlen ward/ die auch ohn ſeumen fortzogen/ aber nicht eingelaſſen wurden. Dann ob
gleich der Daͤhniſche Obriſte ſeines Fuͤrſten Hand und Siegel ſahe/ wolte er doch ſo bald
nicht trauen/ ſondern argwohnete/ er wuͤrde dieſen Brieff zuſchreiben genoͤhtiget ſeyn/
gab demnach zur Antwort/ es koͤnte leicht geſchehen/ daß zween einerley Hand ſchrieben/
und moͤchte ſeinem Gnaͤdigſten Fuͤrſten das Pitſchafft wol abgehaͤndiget ſeyn/ daher er
zuwilfahren bedenken truͤge/ wann aber Herr Harald/ oder Herr Hunibold/ oder ſein Gnaͤ-
digſter Fuͤrſt ſelber zur Feſtung kommen/ und ihm muͤndlichen Befehl erteilen wuͤrde/ be-
fuͤnde er ſich ſchuldig zugehorſamen. Olaff meinete/ die Fuͤrſtliche Geſelſchafft wuͤrde
ihm ſolches nicht goͤnnen/ dahin zureiten/ weil Harald mit Gallus und Ekhard auff die
Jagt außgeritten wahr/ als aber Valiſka ſelbſt anhielt/ wann ſeine Verwundung es leidẽ
wolte/ ihm ſeines Dieners Vorſchlag der auß redlicher Pflicht herrührete/ gefallen zulaſ-
ſen/ ritte er bis an den Graben/ und rieff ihm zu/ dafern er ſeinem ſchrifftlich gegebenen
Befehl nicht folge leiſten/ die Feſtung raͤumen/ und wegen geſchehener Wegerung bey der
Durchl. Großfuͤrſtin Valiſka um Gnade anhalten wuͤrde/ ſolte er als ſein Erzfeind ſter-
ben/ wolte auch keine Antwort von ihm anhoͤren/ ſondern ritte alsbald mit ſeinem Diener
wieder zuruͤk. Erich/ dem ſein Gemuͤht wolbekant wahr/ machte ſich geſchwinde fertig/ fuͤh-
rete die Voͤlker mit weiſſen Staͤben ab/ und ging er ſelber ohn alles Gewehr/ nur daß ihm
fein Leib Diener das Schwert nachtrug/ hielt die Tohr Schluͤſſel in der Hand/ und als er
vor Valiſken nider fiel/ legte er dieſelben/ wie auch ſein Schwert zu ihren Fuͤſſen nider/
baht vor ſich und ſeine herbeygefuͤhrete Soldaten um Gnade/ wegen Wegerung der
Ubergabe/ und erboht ſich zu allem untertaͤhnigſten Gehorſam. Valiſka aber redete ihm
mit dieſen Worten freundlich zu: Stehet auff mein Freund/ und guͤrtet alsbald euer
Schwert an/ dann ihr tuht euren eigenen Ehren unrecht/ daß ihr mit einem Fußfalle euch
als ein Ubeltaͤhter einſtellet/ und doch nichts gehandelt habet/ als was einem redlichen
und getraͤuen Diener zuſtehet. Warff ihm damit eine guͤldene Kette um den Hals/ und
e e e ever-
[586]Siebendes Buch.
verſprach ihm daneben ein gutes Ritter Pferd/ ſamt einem volſtaͤndigen Reit Harniſche/
und 6000 Kronen baar/ welches dieſer in unvermuhtlicher Freude mit untertaͤhnigſter
Dankſagung annam; ſeinen Voͤlkern aber/ deren 2900 wahren/ ließ Herkules durch die
Bank hin drey Monat Sold baar außzahlen/ und muſten hernach auff Olaffs Befehl
fich mit den Friefiſchen Voͤlkern/ ſo nach Wendland ſolten/ zuſammen tuhn/ daß er Wil-
lens wahr/ deꝛen nur 12 bey ſich zubehalten/ aber Herkules und Valiſka lagen ihm hart
an/ daß er 400 alle gebohrne Daͤnen/ zu ſeinem Leibſchuz und Auffwartung unter ſeinem
Leib Faͤhnlein zuruͤk behalten moͤchte/ welche alle von Valiſka abſonderlich beſchenket
wurden/ und auff deren getrieb ihrem Fuͤrſten aufs neue ſchwoͤren muſten ihm getraͤu zu
ſeyn/ und ihn in keiner Noht zuverlaſſen/ deſſen ſich Olaff nicht gnug verwundern kunte.
Als nun jederman der Meinung wahr/ Herkules wuͤrde mit ſeinem Gemahl ſich kroͤnen
laſſen/ und die Herſchafft antreten/ foderte er ſeinen Vater den Großfurſten und ſeinen
Bruder Baldrich zu ſich/ und in beyſeyn der ſaͤmtlichen Landſtaͤnde hielt er dieſe Rede:
Hochanſehnliche Staͤnde dieſes Großmaͤchtigen freyen Friſiſchen Reichs/ geliebte Herren
und Freunde; daß dieſelben nach einhelligem Schluſſe meinem Gnaͤdigſten Herr Vater/
dem Großfuͤrſten und maͤchtigen Beherſcher der Teutſchen/ auch die Erb Herſchafft ih-
res Vaterlandes aufgetragen/ und deſſen Hocheit zu ihren Koͤnig erwaͤhlen wollen/ nach
dem der Alte Koͤnigliche Frieſiſche Stam abgangen iſt/ ſolches erkennet ſeine Hochheit
mit gnaͤdigſter Gewogenheit/ unter gleichmaͤſſigem gnaͤdigſten erbieten/ als ein getraͤuer
Koͤnig und Vater des Vaterlandes/ ihre Rechte/ Gerechtigkeiten/ Fꝛeyheiten und loͤbliche
Satzungen/ auch wasdem allen ſonſt anhaͤngig iſt; wie dann alle und jede Einwohner
ſamt und ſonders/ aͤdel und Unaͤdel/ hoch und nidrig/ Buͤrger und Baur/ in Schuz und
Schirm zunehmen/ und alles das zutuhn und zulaſſen/ was von einem Frieſiſchen Koͤnige
nach Uhralten Rechten und Gebraͤuchen erfodert wird. Wiederhohlet gnaͤdigſt die ſchon
getahne Verheiſſung/ daß alle Einwohner von heut anzurechnen/ ein ganzes Jahr aller
Schatzung/ wie die Nahmen haben moͤgen/ ſollen enthoben/ die in funfzig Jahren neu an-
gelegete Landes Beſchwerungen ewig abgeſchaffet/ die Frohndienſte auffs leidligſte ange-
ſchlagen/ und alles in den uhralten Stand hiemit und Krafft dieſes geſetzet ſeyn/ welche
Gnade die Einwohner mit dankbahrem Gemuͤht und Herzen erkennen werden. Nachdem
aber hoͤchſtgedachte ihre Hocheit/ ihr angebohrnes Teutſches Erbreich nicht uͤbergeben/
noch ihren Siz in Frießland verſetzen kan/ ſondern mit ihren Reichs Geſchaͤfften vor ſich
gnug zutuhn hat; als wil ihre Hocheit den Herren Land Staͤnden einen von uns ſeinen
beiden Soͤhnen gegenwaͤrtig/ zum Koͤnige vorgeſtellet habẽ/ wie ſolches dieſem ihren Rei-
che am ſicheꝛſten/ zutraͤgligſten und erbaulichſten ſeyn wird/ hat auch mir als dem aͤltern
ſolches mit Beliebung der geſamten loͤblichen Landſtaͤnde gnaͤdigſt Vaͤterlich auffgetra-
gen/ welches ich dann um Ungehorſamkeit zumeiden/ in Kindlicher Demuht uͤber mich
genommen habe bedanke deßwegen ſo wol gegen meinen Gnaͤdigſten Herr Vater/ als die
ſaͤmtlichen Staͤnde mich Kind dienſt- und freundlich/ und wie ich darauß ihrer aller gute
Gewogenheit verſpuͤre/ alſo erkenne ich mich ſchuldig und verbunden/ es an jedem Orte
nach gebuͤhr/ mit kindlichem Gehorſam und freundwilligen Bezeigungen/ nach vermoͤgẽ
zuerſetzen. Weil aber ich mich wol erinnere/ daß die Teutſche Beherſchung nach meines
Gn.
[587]Siebendes Buch.
Gn. Herr Vaters ableben (welches Gott lange Zeit gnaͤdigſt verhuͤten wolle) auff mich
als den aͤltern Erben beſtehen wird/ und zwey Koͤnigreiche unter einem Herrn ſich nim-
mer mehr ſo ruhig befinden/ als wann jedes ſeinen eigenen Koͤnig hat/ welcher ſich ſeines
einigen dergeſtalt annimt/ daß er keinen fremden die hohen Bedienungen einraumet/ und
dadurch der einheimiſchen Haß und Wiederwillen (es geſchehe dann mit deren freien be-
lieben) auf ſich ladet; als habe in Betrachtung deſſen/ ich vordißmahl meine Rede an ihre
Großfuͤrſtl. Hocheit/ meinen Gn. Herr Vater/ an ſeine Durchl. meinen geliebten Bru-
der Fürſt Baldrich/ und an die Hochanſehnlichen geſamten Land Staͤnde richten wollen/
Kind-Bruͤder-freundlich bittend/ ſie wollen allerſeits dieſes Reichs beſte wol und fleiſſig
beobachten/ und ohn Einrede darein gehehlen/ daß die Beherſchung deſſelben von mir ab-
genommen/ und meinem jeztgedachten lieben Bruder Fuͤrſt Baldrich auffgetragen wer-
de/ welcher dann ſeinem Fuͤrſtlichen Verſtande und begnadeten Gaben nach/ dieſe Buͤr-
de wol wird tragen/ und dem Reiche als ein loͤblicher Koͤnig vorſtehen koͤnnen. Verſehe
mich deſſen zu ihnen allen ſamt und fonders/ und wiederhohle hiemit mein voriges erbietẽ.
Der Alte Großfuͤrſt/ welcher dieſes ſein vorhaben ſchon zeitig an ihm gemerket hatte/ ant-
wortete darauf; ob er zwar des Vorſatzes geweſen waͤhre/ ihn als ſeinen aͤltern Sohn ehe
in eine wirkliche Herſchafft einzuſetzen/ als den Juͤngern/ ſo wolte er dannoch ihm hierin
ſeinen freien Willen goͤnnen/ inſonderheit/ weil er betrachtete/ daß den beiden groſſen Her-
ſchafften beſſer mit unterſchiedlichen/ als einem Koͤnige gedienet waͤhre/ damit die Frieſẽ
nicht ihr Recht und Schuz in Teutſchland ſuchen dürfften/ welches einen Schein einiger
Dienſtbarkeit und Vnterwerffung haben koͤnte/ und mannichem unruhigen Kopffe Ur-
ſach zur Neuerung an die Hand geben; zweifelte alſo nicht/ die Land Staͤnde wuͤrden ihr
und des Landes beſte beobachten/ und ſeinen juͤngern Sohn Baldrich vor ihren Koͤnig
erkennen. Hie wahr nun der Land Staͤnde Vorſteher und Worthalter fertig/ gewierige
Antwort zugeben; aber Fuͤrſt Baldrich winkete ihm/ ein wenig zuverzihen/ und huhb
alſo an: Gnaͤdigſter Herr Vater/ und freundlicher lieber Herr Bruder/ ob ſie wol allerſeits
gedenken moͤchten/ mir geſchaͤhe durch dieſe Vaͤter- und Bruͤderliche Hulde eine ſonder-
bahre Annehmligkeit/ ſo zeuget doch mein Gewiſſen/ daß/ wo dieſe nicht weniger wieder-
waͤrtige als unvermuhtliche Anerbietung mir ſolte bewuſt geweſen ſeyn/ ich ohn genom-
menen Urlaub mich ſo lange wolte hinweg gemacht haben/ biß die Kroͤnung meines Herr
Bruders wuͤrde geſchehen ſeyn/ ſintemahl nicht allein wegen meiner Jugend und Liebe zu
ritterlichen übungẽ ich dieſer Reichs Laſt mich unbeſtand befinde/ ſondern wuͤrde mir auch
zumahl verwaͤgen und frech anſtehen/ wann meinem aͤltern Herr Bruder/ der zum Reichs-
Stabe ungleich geſchikter und begabter iſt/ ich vorgreiffen/ und alſo eine Herſchafft betre-
ten ſolte/ ehe und bevor deſſen Liebe auff dem Gewalt Stuele ſitzet. Iſt es dann gleich/ daß
dieſe beyden Reiche von einem einzigen Koͤnige nicht ſolten verwaltet werden/ welches
doch meines Herr Bruders Liebde ich von Herzen goͤnnen wolte/ ey ſo nehme nur dieſel-
be die Herſchafft bey unſers Gn. Herr Vaters Lebezeit uͤber ſich/ alsdann wird ſichs her-
nach ſchon ſchicken/ wie es ferner wird anzuſchlagen ſeyn; warum ich dann kind- und brü-
derlich anhalten/ und die Land Staͤnde/ ſolches einzugehen und zuſchlieſſen/ gebehten haben
wil. Nein/ geliebter Bruder/ antwortete Herkules/ du weiſt ohn mein erinnern/ was vor
e e e e ijein
[588]Siebendes Buch.
ein verwirretes Weſen aus ſolchem uͤmtauſchen erfolgen/ und wie gar beſchwerlich es die-
ſem Koͤnigreiche und mir fallen wolte; hoffe auch/ dafern du mich liebeſt/ wie ich dann dar-
an im geringſten nicht zweifele/ du werdeſt hinfuͤro dich dergleichen Entſchuldigungen be-
geben/ und dieſes dir von Gott verſehene Koͤnigreich nach ſeinem Willen annehmen/ wie
ich dann mich deſſen verſichert halte/ die Land Staͤnde werden in dieſem falle des Landes
Wolfahrt reiflich erwaͤgen/ und ſich ſchließlich zuerklaͤren wiſſen. Baldrich wolte ſeine Ge-
gen Antwort tuhn/ aber ſein Herr Vater redete ihm ein; er ſolte ſich nicht wegern/ ſeines
Bruders Willen und ſeinem gutheiſſen gemaͤß zuleben. Worauff der Friefiſche Wort-
halter dieſe Landes Erklaͤrung ablegete: Gegen Eure Groß Fuͤrſtliche Hocheit und Durch-
leuchtigkeiten bedanken ſich die ſaͤmtlichen Land Staͤnde dieſes loͤblichen Koͤnigreichs un-
tertaͤhnigſt/ daß dieſelben in hochweiſer Betrachtung/ was dieſem Lande am vortraͤglich-
ſten ſeyn moͤchte/ uns einen Herſcher und ſchierkuͤnfftigen Koͤnig auff unſer einhelliges un-
tertaͤhnigſtes Begehren/ gnaͤdigſt beſtimmen und ſetzen wollen/ wie auch nicht weniger vor
die mildreiche Erlaſſung der einjaͤhrigen Schatzung/ dann endlich Auffheb- und Milte-
rung der ungewoͤhnlichen Zoͤlle/ Auflagen und Frohndienſte/ untertaͤhnigſt gedanket wird;
nehmen darauff den Durchleuchtigſten Groß Fuͤrſten und Herrn/ Herrn Baldrich/ vor
ihren herſchenden allergnaͤdigſten Koͤnig untertaͤhnigſt auff und an/ uñ ſind bereitwilligſt/
uͤber drey Tage die Erb Huldigung und gewoͤhnliche Kroͤnung mit gebuͤhrlicher Feirlig-
keit ergehen zulaſſen; wuͤnſchen ihrem gnaͤdigſten Koͤnige Friede/ Geſundheit/ langes Le-
ben/ gluͤkliche Herſchung und alles Koͤnigliche Wolergehen/ und ergeben demſelben ſich
mit alle dem ihrigen ohn einige Ausrede und Bedingung untertaͤhnigſt/ demuͤhtigſt bit-
tend/ Ihre Durchl. und Wuͤrden/ ihrer aller gnaͤdigſter Koͤnig ſeyn und verbleiben wolle.
Hierauff ward von allen Seiten Gluͤk gewuͤnſchet/ und am beſtimmeten Tage die Kroͤ-
nung vorgenommen/ da Baldrich und ſein Gemahl Fuͤrſtin Lukrezie mit treflichem Pracht
gekroͤnet/ auch dabey allerhand Freygebigkeit vorgenommen ward; aber die Froͤligkeit wol-
te bey der Fuͤrſtlichen Geſelſchafft nicht recht loßdruͤcken; dann weil das Großfürſtliche
Fraͤulein ſchon 11 Tage verlohren wahr/ und man nicht die allergeringſte Zeitung von ihr
erfuhr/ beſorgeten ſie ſich ſehr/ es muͤſte nicht recht mit ihr und Arbianes ſtehen. Des erſten
Tages nach der Kroͤnung ſaſſen die Fuͤrſten und Fuͤrſtinnen ingeſamt an einem Tiſche/
da unter der Mahlzeit der alten Großfuͤrſtin die Klaren-Traͤhnen von den Augen herunter
floſſen/ und ſie zugleich alſo zu ihrer Schwieger Tochter Fr. Valiſken anfing: Ach meine
Herzen Fr. Tochter/ wie froͤlich wuͤrde ich ſeyn/ wann mir nur ein Menſch die Zeitung
braͤchte/ daß mein allerliebſtes Kind Klaͤrichen annoch am Leben waͤhre/ kan mir aber nun-
mehr keine Hoffnung darzu machen/ dann mein Herz traͤgt mirs eigen zu/ ſie muͤſſe entwe-
der tod/ oder in uͤberaus groſſer Truͤbſaal ſeyn. Mein Gott weiß/ antwortete Valiſka/ daß
ich bey keiner froͤlichen Geſelſchaft trauriger/ als ebẽ bey dieſer geweſt bin/ jedoch hat mein
Geiſt annoch gute Hoffnung/ der allerhoͤchſte Gott werde das allerliebſte grundfromme
Herz neben den Gottfürchtigen Fuͤrſten (dañ ſein Chriſtentuhm hatte ſie ihnen allen ſchon
zuwiſſen getahn) vor Lebens- und Ehren-Gefahr gnaͤdiglich erhalten. Ich trage eben die-
ſes Vertrauen zu meinem Heylande/ ſagte Herkules/ wiewol ich mich nicht darein zufindẽ
weiß/ daß ſie uns ſo gar nichts zuentbieten/ welches kaum moͤglich ſeyn koͤnte/ wann ſie in
der
[589]Siebendes Buch.
der naͤhe waͤhren. Als ſie mit dieſen traurigen Gedanken und Unterredungen ſich alſo pla-
geten/ trat Neklam zu dem Groß Fuͤrſten/ und meldete an/ es waͤhre ein alter abgelebter
Mann auff einem Bauren Wagen ankommen/ truͤge einen volgeſtopften Sak auff dem
Ruͤcken/ und gaͤbe vor/ er müſte den Groß Fuͤrſten aus Teutſchland ſelber ſprechen/ deſſen
haͤtte er ausdrüklichen Befehl. Laſſet ihn herkommen/ ſagete der Großfuͤrſt/ wer weiß/ was
er vorzutragen hat. Neklam verrichtete dieſen Befehl/ wolte nicht lange nachfragen/ von
wannen er kaͤhme/ und was er ſuchete/ ſondern erinnerte ihn bloß/ den Sak hauſſen ſtehen
zulaſſen; Worauff dieſer zur Antwort gab: Ich werde ja daſſelbe nicht von mir legen/ wel-
ches einzuliefern ich eigentlich uͤberkommen bin. Alſo ließ ers gerne geſchehen/ daß er nach
ſeinem Willen verfuhr. Als dieſer mit ſeiner Buͤrde zur Tuͤhr hinein trat/ und den groſſen
Fuͤrſtlichen Pracht ſahe/ waͤhre ihn ſchier geſchwunden/ ſetzete den Sak neben ſich auff die
Erde/ und lehnete ſich dran/ endlich erhohlete er ſich wieder/ zohe ſein Huͤhtlein ab/ loͤſete dẽ
Sak ohn einiges Wortſprechen auff/ zohe hernach der Fraͤulein rohten Unter Rok/ und
das Himmelblaue Silber Stuͤcken-Oberkleid hervor (dann er wahr der alte Wittho/ bey
dem ſie auff dem Haͤu ihre erſte Herberge hatten) trat vor den Groß Fuͤrſten/ und wolte
ſeine Erzaͤhlung anfahen/ da er beyde Kleider im Arme trug; aber die alte Groß Fuͤrſtin
kennete dieſelben ſtraks anſehens/ und fing an uͤberlaut zuruffen: O du almaͤchtiger Gott/
das ſind ja meiner lieben Tochter Kleider! bald ſaget mir/ mein guter Alter/ ob ſie lebe oder
tod ſey. Der gute Mann erſchrak der Rede/ wuſte nicht/ was er antworten ſolte/ und in der
Verwirrung fing er an: Was weiß ichs/ ob ſie lebendig oder tod iſt/ wann ſie hie nicht iſt?
Darauff fing die betruͤbete Mutter an zuklagen und weinen/ daß ihr Gemahl ihr gnug ein-
zureden hatte: Sie moͤchte doch in Geduld ſtehen/ und dem alten einfaͤltigen Manne Zeit
goͤnnen/ anzudeuten/ was er davon wuͤſte; befahl auch dieſem/ ſein Wort vorzubringen/
welcher alſo redete: Gnaͤdigſter Großfuͤrſt/ ich habe des abends nach gehaltener Schlacht
einen jungen Ritter und eine Jungfer in meiner Huͤtten auff dem Haͤu/ umb Gefahr zu
meiden/ heimlich verſtecket/ welche ſich anfangs vor Bruder und Schweſter angaben/ a-
ber ich nachgehends wol merkete/ dz es eine andere Beſchaffenheit mit ihnen haben moͤch-
te/ davon ich doch eigentlich nicht zuſagen weiß/ wiewol ſie mir ſo viel anvertraueten/ daß
ſie des hoͤchſten Adels in dieſem ganzen Koͤnigreiche waͤhren; Dieſe haben nach ihrem Ab-
ſcheide mir befohlen/ wann inwendig ſieben Tagen nicht Nachfrage kommen/ oder ſie mir
nicht einen Wagen ſenden wuͤrden/ ſolte ich mich nach dem Groß Fuͤrſten der Teutſchen
machen/ ihm dieſe Kleider bringen/ und zur Nachricht anzeigen/ daß ſie bey mir geweſen
waͤhren. Das iſt mir ja wol eine recht wunderliche Sache/ ſagte der Groß Fuͤrſt; iſt dann
dieſe Schweſter mit ihrem lieben Bruder mutternacket davon geſprungen/ und hat Un-
ter- und Ober Kleider verlauffen wollen? Nein/ antwortete er; ſondern ſie durfften in die-
ſen ſtatlichen Kleidern im Felde nicht wanken/ wegen der fluͤchtigen ſtreiffenden Reuter/
und hatten alte Lumpen angelegt/ daß ſie ſicher durchkommen moͤchten. Das wird ihr we-
nig helffen/ ſagte der Groß Fuͤrſt; die Haut und Farbe wird ſie bald verrahten/ daß ſie kei-
ne Bauren Magd iſt. Davor haͤtte ich ſie in dieſer Kleidung leicht angeſehen/ ſagte der
Alte/ dann wie zart und ſchoͤn ſie mir des erſten Abends bey ihrer Ankunfft vorkam/ ſo heß-
lich und fahlbraun ſahe ich ſie im wegreiſen/ daß ich nicht wiſſen kan/ wie ſich ein Menſch
e e e e iijſo
[590]Siebendes Buch.
ſo ſchleunig verendern moͤgen. Valiſka merkete bald/ daß Arbianes ſie wuͤrde angeſtrichen
haben/ und vermeldete ſolches den Eltern/ fragete hernach den Bauren/ wohin ſie dann ih-
ren Weg genom̃en haͤtten. Davon ſagten ſie mir nichts eigentliches/ antwortete Wittho/
nur daß aus allen Umſtaͤnden ich wol merkete/ ſie wolten ſich hieher begebẽ/ wie mich auch
des folgenden Tages ihr neuer Diener/ meines Bruders Sohn Wolffgang berichtete/
gegen welchen ſie wegen ſeiner Traͤue ſich ſehr freygebig erzeiget/ und ihm einen groſſen
Beutel vol guͤldener Pfennige/ welche man Kronen nennet/ verehret haben/ die er bey mir
nidergeſetzet/ und ich wol drey Tage darauff zugebracht/ ehe ich ſie alle zaͤhlen koͤnnen/ habe
endlich durch fleiſſiges anmerken die rechte Zahl getroffen/ als nehmlich 135 Stiege (eine
Stiege aber iſt 20)/ davon ich/ weil er michs geheiſſen/ etliche wenige verzehret/ und die uͤ-
brigen mit mir gebracht habe. Es iſt mir aber unlieb/ daß ich ſie hieſelbſt nicht finde/ wil ja
nicht hoffen/ daß ſie in der Feuersbrunſt drauff ſolten gangen ſeyn. Ach mein Gott/ ſagte
die alte Groß Fuͤrſtin; ſind ſie dann in Feuersnoht gerahten? Ja/ Gn. Frau/ antwortete
er/ das Staͤdchen/ darinnen ſie lagen/ iſt mehrenteils abgebrand/ und ſollen in die 30 und
mehr Menſchen im Schlaffe elendig umkommen ſeyn. Da ging es nun an ein klagen/
weinen und heulen/ dann es wahr niemand/ der ihm nicht gaͤnzlich eingebildet haͤtte/ ſie
waͤhren zu Staub und Aſchen verbrand/ ſo daß Herkules ſelbſt das aͤrgeſte vor wahr hielt;
endlich noch gab Valiſka den Raht/ man ſolte 100 ſchnelle Reuter ausſchicken/ und ver-
nehmen laſſen/ ob kein Menſch von ihnen Nachricht zugeben wuͤſte; welches alsbald zu
werke gerichtet/ und dem alten Wittho eine Renne Gutſche angeſpannet ward/ mit uͤber-
zufahren. Prinſla und Ekhard muſten ihre Hauptleute ſeyn/ eileten geſchwinde fort/ und
auff ſcharffe Nachfrage zogen ſie den Bericht ein/ Wolffgang waͤhre mit einem unbekan-
ten jungen Manne/ und mit einer fremden jungen Frauen davon geſtrichen/ gleich als der
Brand angangen/ und hielte man gaͤnzlich davor/ das Feur waͤhre von ihnen angelegt/
daher vier Bürger auff Pferden ihnen nachgeſezt haͤtten/ welche man des andern Tages/
teils mit Steinen zu tode geworffen/ teils nidergehauen angetroffen haͤtte/ und wüſte kein
Menſch zuſagen/ wo jene muͤſten geblieben ſeyn. Der alte Wittho wider ſprach dieſer Be-
ſchuldigung/ und erboht ſich/ ſein Leben zulaſſen/ dafern ſein Oheim oder dieſe fremden ſol-
ches Bubenſtuͤk verrichtet haͤtten; es moͤchte dann ohngefehr geſchehen ſeyn/ oder aus Un-
vorſicht; begehrete auch Nachricht/ wo ihr Wirt anzutreffen waͤhre. Man gab zur Ant-
wort; weil man ihm wegen des Feurſchadens mit dem Tode gedraͤuet/ haͤtte er ſich heim-
lich davon gemacht/ und ginge das Geſchrey/ er hielte ſich auff dem naͤheſten Dorffe auff/
unter der Hoffnung/ von der Obrigkeit Schuz und Freyheit zuerlangen/ daß er ſein abge-
brantes Hauß wieder bauen moͤchte. Es muſten alſo bald 20 Reuter dahin jagen/ welche
in demſelben Dorffe ihn antraffen/ und begehreten/ daß er unter ihrem Schuz und auff
gutem Glauben mit nach ſeiner Stad zihen ſolte; welches er willig leiſtete/ und den unſern
alles offenbahrett/ ſo viel ihm bewuſt wahr; taht endlich hinzu/ wie boͤßlich ſein Nachbar
ihn wegen des Feurſchadens verleumdet/ welches aus dem Brauhauſe nohtwendig muͤ-
ſte entſtanden ſeyn/ und erboht ſich/ daß er ſich mit demſelben auff Leib- und Lebensſtraffe
wolte ſetzen laſſen/ wuͤrde auch die Warheit bald an den Tag kommen/ wann nur deſſen
Geſinde unter harter Bedraͤuung abſonderlich befraget wuͤrde; welches auch erfolgete/
maſſen
[591]Siebendes Buch.
maſſen dieſelben aus Furcht des Todes bekenneten/ was geſtalt ihr Herr es ihnen hart ein-
gebunden/ ihnen auch Geſchenke verſprochen/ daß ſie den Urſprung des Brandes ſeinem
Nachbar zulegen ſolten; daher dann dieſer unſchuldige Mann nicht allein von der Buͤr-
gerſchafft frey geſprochen/ ſondern ſein Verleumder gefaͤnglich gelegt/ und nachgehends
des Landes verwieſen ward. Prinſla freuete ſich anfangs dieſer Gewißheit/ dz die unſern
nicht im Feur drauff gangen wahren/ hatte aber daran noch kein genuͤgen/ ſondern ließ ſich
den Weg zeigen/ welchen ſie ohngefehr muͤſten gereiſet ſeyn/ da er dañ nicht irrete/ ſondern
in dem Dorffe anlangete/ woſelbſt Arbianes ſeiner Fraͤulein Ankunfft etliche Stunden
erwartet hatte; ließ die Inwohner zuſammen ruffen/ und erfuhr ſo viel: Es waͤhre des Ta-
ges/ da der Brand ſich zugetragen/ ein junger ſehr betruͤbter Mann daſelbſt angelanget/
haͤtte nach einem andern jungen Manne und einer Jungefrauen ernſtlich gefraget/ ob ſie
daſelbſt nicht durchgereiſet waͤhren/ und als er Nein vernom̄en/ haͤtte er ihrer etliche Stun-
den vergeblich gewartet/ hernach mit Vergieſſung vieler Traͤhnen ſich wieder auff den
Ruͤkweg begeben/ von dem ſie fieder dem nicht das allergeringſte vernommen; meldeten
auch dabey/ er haͤtte eine friſche Wunde am linken Arme gehabt/ welche er ſelbſt verbun-
den. Ein mehres zuerforſchen wahr den unſern unmoͤglich/ deswegen ſie wieder umkehre-
ten/ der Fuͤrſtlichen Geſelſchafft alles hinterbrachten/ und dieſelbe zimlich zufrieden ſtelle-
ten/ weil ſie gewiß wahren/ daß das Feur ſie nit verzehret haͤtte/ und demnach der Hofnung
lebeten/ Gott wuͤrde ſie in ihrem vermuhtlichen Elende/ und auff der Reiſe gnaͤdiglich be-
wahren/ und ſie wieder zu Lande bringen; und wer weiß/ ſagte Valiſka/ ob ſie nicht ſchon
ihren Weg nach Magdeburg/ oder wol gar nach Prag genom̄en haben. Der alte Wittho
hatte Ekharten angezeiget/ weſſen das Fraͤulein/ ſeine Unterhaltung betreffend/ ſich gegen
ihn gnaͤdigſt erbohten haͤtte; deswegen gab man ihm eine bequeme Wohnung in einer
Stad/ und daß er die mitgebrachten Gelder ſicher angreiffen/ und nach belieben alle Wo-
chen drey oder vier Kronen davon verzehren/ nachgehend von der Obrigkeit ein mehres
fodern ſolte; ſein Oheim/ wann er ankaͤhme/ ſolte das ſeine ſchon wieder bekommen. Unſe-
re Fuͤrſtliche Geſelſchafft machte ſich hierauff zur Heimreiſe fertig/ welches Valiſka aus
verlangen nach ihrem Soͤhnlein ſehr beſoderte. Zwar die Land Staͤnde des Koͤnigreichs
hatten ihnen die Hoffnung gemacht/ ihr Koͤnig Baldrich wuͤrde nunmehr bey ihnen blei-
ben/ und das Reich ſelbſt in guten Stand bringen/ als ſie aber vernahmen/ daß er wieder
mit nach Prag reiſen/ uñ doch bald ſich wieder einſtellen wolte/ gaben ſie ſich zufrieden/ dañ
er hatte die Gerichts Stuͤle und hohen aͤmter alle mit den verſtaͤndigſten auffrichtigſten
Leuten beſtellet/ und dem Reiche aus eigener Bewaͤgung dieſe Freyheit erteilet/ daß er kei-
nen einzigen Auslaͤnder zu einem Amte im Koͤnigreiche befodern wolte/ ſondern lauter
Landſaſſen/ es waͤhre dann/ daß die Staͤnde aus eigenem Wilkuͤhr einen oder andern wol-
ten befodert haben. Sie wolten ihn aber vor dißmahl nicht ohn ſeine eigene Leute zihen laſ-
ſen/ ſondern gaben ihm 8000 Reuter mit zum Leib Schutze/ und erbohten ſich/ da es noͤh-
tig ſeyn wuͤrde/ ihm und ſeinen Anverwanten mit des ganzen Landes Macht beyzuſprin-
gen. Die uͤbrigen Teutſchen und Boͤhmiſchen Voͤlker beſtunden annoch in 46000 Mañ/
welche nicht allein alle zu Pferde wahren/ ſondern (gar wenig ausgenommen) ihre Hand-
Pferde aus der Schlacht mit ſich fuͤhreten. Prinſla wahr Feldmarſchalk/ dann die Fuͤrſt-
liche
[592]Siebendes Buch.
liche Geſelſchafft hatte ſich in Gutſchen verteilet/ daß jeder ſein Gemahl bey ſich hatte; wie-
wol der Groß Fuͤrſt offtmahl mit Valiſken/ und die Groß Fuͤrſtin mit ihrem lieben Sohn
Herkules fuhr/ umb die Chriſtliche Lehre recht zubegreiffen/ welche mit gutem Willen an-
zunehmen/ ſie ſich ſchon des andern Tages nach ihrer Erloͤſung erklaͤret hatten.


Wie nun der Abgeſagte argliſtige Menſchen Feind der leidige Teufel der wahren
Chriſtlichen Gotſeligkeit allemahl wiederſtrebet/ alſo fuͤrchtete er ſich vordiſmahl ſehr/ es
moͤchte ihm durch unſere Fuͤrſtliche Helden ſein Reich und Dienſt in Teutſchland/
Schweden und Boͤhmen zerſtoͤret/ und die heidniſche Abgoͤtterey durch Einfuͤhrung des
Chriſtlichen Glaubens abgeſchaffet werden/ welchem vorzubauen/ er des Nachtes vor ge-
haltener Schlacht einem Teutſchen Pfaffen bey dem Kriegs Heer in Geſtalt der Goͤttin
Freia erſchien/ und ihn folgender maſſen anredete; Lieber Sohn/ verwundere dich nicht/
meines ungeſtalten zitternden Leibes/ Traͤhnen flieſſender Augen und hochbetruͤbten Ge-
berden/ in welchen du mich anjetzo ſiheſt/ ſondern biß einzig darauf bedacht/ wie du deinem
Vaterlande außhelfen/ und ihre bißher fleiſſig bedienete/ auch nit minder gnaͤdige Schutz-
Goͤtter retten; ja den algemeinen Untergang des freien Teutſchlandes durch deine Vor-
ſorge abwenden moͤgeſt/ und verſichere dich/ daß die ſchierkünftige blutige Schlacht den
Teutſchen Grund und Bodem umkehren/ Staͤdte und Doͤrfer verwuͤſten/ und alle Ein-
wohner zu Roͤmiſche Leibeigene machen wird/ dafern du nicht wirſt bey Zeiten darzu tuhn/
und alle Kriegs geuͤbete Manſchafft auffmahnen/ ihrer ſelbſt wahrzunehmen. Dann ſihe/
die jungen Fuͤrſten/ die ſich den Roͤmern zu Dienſte ergeben/ und ihre verfuͤhriſche Toͤchter
geheyrahtet/ welches bißher unerhoͤret/ gehen mit dieſem Vorhaben ſchwanger/ nicht allein
den Uhralten aͤdlen Gottesdienſt gar auffzuheben/ wobey ihr Pfaffen alle des Hungers
ſterben müſtet/ ſondern alle Laͤnder den Roͤmern zinßbahr zumachen/ welches Joch ſie in
Ewigkeit nicht werden von ſich werffen koͤnnen/ dafern ſie einmahl unterdruͤcket find. So
reite nun eilend fort/ wecke dein ſicheres Vaterland auff vom Schlaffe/ und nach Vermel-
dung meines unfehlbahren Schutzes und Beiſtandes/ auch reicher Belohnung ihrer
Traͤue/ zeige ihnen an/ des Großfuͤrſten Kinder und Oheime ſeyn Willens/ ihnen neue Roͤ-
miſche Goͤtter aufzudringen/ und die alten wolverdieneten abzuſchaffen. Werden ſie nun
ein ſolches einwilligen/ alsdann wil ich mit zutuhn meiner Bruͤder/ Krodo/ Irmen Seul
und anderer Gotter/ alle umliegende Voͤlker wieder ſie in Harniſch bringen/ die ſollen ihre
Manſchaft erſchlageu/ ihre Guͤter und Vieh rauben/ und die wenige ſo uͤberbleiben wer-
den/ in ewige Dienſtbarkeit hinweg ſchleppen/ dann werden ſie mit Schmerzen erfahren/
aber gar zuſpaͤht bereuen/ daß ſie ihren Schuz Goͤttern den Dienſt und Gehorſam aufge-
kuͤndiget/ und einen Gekreuzigten an ihre Stat angenommen haben. Nach Endigung die-
ſer Rede fing die vermeinete Goͤttin an/ des Teutſchlandes Untergang von neuen zube-
weinen/ draͤuete auch dieſem Pfaffen alle Strafe und Verfolgung/ dafern er nicht ſtuͤndlich
ſich erheben und ſein Vaterland warnen wuͤrde. Bald ließ ein ander Teufel in Geſtalt des
Abgottes Krodo ſich ſehen/ welcher ihm ein ſchoͤnes Land mit Staͤdten/ Doͤrffern/ Waͤl-
dern/ Ackern und Wieſen außgezieret vor Augen ſtellete/ und dabey dieſe Rede fuͤhrete:
Sihe da du Teutſchland/ durch meinen Schuz und Beiſtand biſtu ſo ſchoͤn worden/ da du
zuvor eine Wuͤſte und Einoͤde wahreſt/ der Woͤlffe und Fuͤchſe Wohnung/ wirſtu nun
meine
[593]Siebendes Buch.
meine Woltahten nicht erkennen/ ſondern meinen Gottesdienſt aufheben und einen neuẽ
dir aufdringen laſſen/ ſo wil ich dir hiemit zeigen/ durch was vor eine grauſame Straffe
ich mich an dir raͤchen wil; nam einen Topf mit Sand gefuͤllet und ſtreuete ihn auß uͤber
die Wieſen und Felder/ wovon alles Gewaͤchſe im Augenblik verdorrete; uͤber die Waͤl-
der goß er einen giftigen Dampf auß/ welcher dieſelben verſengete und algemehlich ver-
zehrete; uͤber die Staͤdte und Doͤrffer aber ſpeyete er ein groſſes Feur auß ſeinem Rachen/
wovon ſie biß auff den Gꝛund verbrennet wurden/ daß weder Stok noch Stiel davon uͤ-
brig wahr. Worauff er zu der Freia ſagete/ ſihe meine Schweſter und Mit Goͤttin/ gleich
alſo ſol Teutſchland zugerichtet werden/ wo die Inwohner ſo frech und verwaͤgen ſind/
daß ſie von uns ab zu neuen Goͤttern tꝛeten. Ach nein/ mein Bꝛuder/ ſchone ſchone/ antwor-
tete Freia/ wir wollen ein beſſeres von den frommen Teutſchen hoffen/ und uns dieſes un-
ſers getraͤuen Dieners Siegwieß gebrauchen/ welcher des Landes beſtes wiſſen/ und ſein
eigenes nicht unter die Fuͤſſe treten wird. Damit verſchwand alles/ und erwachete dieſer
auß dem Traum/ voller Angſt und kummers/ wie er dann vor vielen andern ein Andaͤchti-
ger Diener der Freia wahr/ und bey dem gemeinen Volk wegen ſeiner aͤuſſerlichen Schein-
heiligkeit in groſſem anſehen: wolte demnach ſolchen vermeineten goͤttlichen Befehl nicht
in den Wind ſchlagen/ ſattelte alsbald fruͤh morgens ſein Pferd/ und begehrete von ſeinem
Oberſten Urlaub/ nach Hauſe zureiten/ unter dem einwenden/ er haͤtte ſein Weib daheime
gelaſſen/ welche der Geburt ſehr nahe waͤhre/ und er auß ſeinem geſtrigen Opfer und ange-
merketen Vogelgeſchrey/ gewiſſe Merkzeichen genommen/ daß die Geburt ſehr gefaͤhrlich
zugehen duͤrffte/ wann er nicht ſolte dabey ſeyn/ welches Ungluͤk von ſeinem Hauſe abzu-
wenden/ er billich muͤſte geflieſſen ſeyn. Sein Obriſter wolte ihm ſolches weder verbieten
noch zulaſſen/ gab ihm doch zum Beſcheide/ er als einer deꝛ bey deꝛ Schlacht das Schweꝛt
nicht fuͤhren wolte/ würde wol koͤnnen Erlaſſung erhalten/ nur muͤſte er den jungen Fuͤrſtẽ
Baldrich ſelbſt darumb begruͤſſen. Dieſeꝛ taht ſolches mit eben dem vorbꝛingen/ und ward
von dem Fuͤrſten mit freundlicher Antwort angeſehen; es ſolte ihm ſeine Heimreiſe/ und
allen Pfaffen/ die es begehren wuͤrden/ nicht gehindert noch gehemmet werden; habt euch
aber/ ſagte er/ wegen eures lieben Weibes nicht ſo hart zubefuͤrchten/ dañ ich wil euch ihret
wegen beſſere Nachricht geben/ als eure Opffer und luͤgenhaffte Vogel nicht getahn/ nehm-
lich/ ſie hat einen jungen Sohn zur Welt gebracht/ der nach verlauff eines Jahrs wird an-
fangen zu gehen und zuſprechen. Dieſes redete er auß bloſſem Scherze/ und wahr doch in
der wahrheit alſo eꝛgangen. Damit er abeꝛ keinem Pfaffen urſach geben moͤchte/ ihn zuveꝛ-
leumden/ gab er dieſem 12 Kronen Zehrgeld/ mit dem verſprechen/ er wolte auff ſeine An-
kunft in Teutſchland ihm eine beſſere Verehrung tuhn. Dieſer bezeigete ſich aͤuſſerlich zim-
lich demuͤhtig/ und ſetzete alsbald ſeine Reiſe fort. So bald er in Teutſchland kam/ ſuchete
er hin und wieder die Pfaffen heim/ erzaͤhlete ihnẽ ſeine gehabte Erſcheinung/ hielt ihnen
alles mit einem ſonderlichen Eifer vor/ und unterließ nicht/ es zum aͤrgeſten außzudeuten/
daß Baldrich von ſeinen Opffern und Vogelgemerk ſo veraͤchtlich haͤtte reden duͤrfen; wo-
bey er als ein ſonderliches Wunderwerk vermeldete/ daß ſein Pferd/ ſonſt von geringer
Kraft/ ihn auff dieſer Reiſe taͤglich 12 Meilen fortgetragen/ und kein Spier Graß oder
ander Futter dabey gefreſſen/ welches die unfehlbahre goͤttliche Begleitung auſſer Zwei-
f f f ffel
[594]Siebendes Buch.
fel gewirket haͤtte/ ihn in dieſem ſeinem heiligen Vorſaz dadurch zuſtaͤrken/ und andere zuer-
muntern/ daß ſie ihrer Goͤtter ſich annaͤhmen/ damit das Land in ſeinem guten Weſen uñ
Wolſtande erhalten wuͤrde. Es bewaͤgete dieſes alle/ zu welchen er kam/ und ritten die
Pfaffen mit Hauffen auß/ allen Inwohnern des Landes zwiſchen Elbe/ Weſer und Rein/
dieſe goͤttliche Warnung vorzutragen/ da dann ihr Vorſchlag allenthalben angenommẽ
ward/ daß man eine groſſe Kriegsmacht verſamlen/ den Fuͤrſten entgegen zihen/ und ihnẽ
weder den Einzug in das Land verſtatten/ noch ſie vor ihre Obrigkeit erkennen ſolte/ biß ſie
die neuen Goͤtter verleugnet und abgeſchaffet/ dem Uhralten Gottesdienſt volkommene
Freyheit/ und ihren Land Goͤttern Liebe/ Gehorſam und Schuz verſprochen haͤtten. Sie
ſendeten auch alsbald unterſchiedliche Pfaffen nach Frießland/ ein gleichmaͤſſiges bey dem
Fuͤrſtlichen Heer vorzutragen/ und wo moͤglich/ den Fuͤrſten alle Manſchaft/ ſo wol Boͤh-
men als Teutſchen abſpenſtig zumachen/ welches dann von ihnen allerſeits unverdroſſen
und nach Wunſch fortgeſetzet ward/ und kahmen dieſe des andern Tages nach dem Auff-
bꝛuche bey dem Heer an/ unter dem Schein/ ob wolten ſie ihrem Großfuͤrſten wegen der
geſchehenen Erloͤſung und des erhaltenen Sieges Gluͤk wuͤnſchen/ da ſie bey den vorneh-
meſten Teutſchen und Boͤhmiſchen Kriegsbeamten es ſo verſchlagen zutreiben wuſten/ dz
ſie alles deſſen/ was ſie begehreten/ voͤllige Verheiſſung empfingen. Koͤnig Baldrich mer-
kete im fortzihen/ daß die Voͤlker den groͤſten Teil ihrer Freidigkeit abgeleget hatten/ und
ſo traurig/ als uͤberwundene daherzogen/ und ob er ihnen gleich etlichemahl/ inſonderheit
ſeinen alten bekanten freundlich zuredete/ kehreten ſie doch das Angeſicht von ihm hinweg/
und lieſſen gar kein Zeichen eines gewogenen Willens ſehen/ daher er zu der Fuͤrſtlichen
Verſamlung ſagete; er koͤnte ſich uͤber dem Unmuht des Heers nicht gnug verwundern/
hielte gaͤnzlich davor/ die neulich herzugeſchlichene Teufels Pfaffen/ müſten durch helliſchẽ
Getrieb nichts gutes im Schilde fuͤhren; hielte demnach vor noͤhtig/ getraͤue Leute nach
ſeinem Koͤnigreiche zuſenden/ und von den Staͤnden zubegehren/ daß man ihnen eine ſtar-
ke bewehrete Mannſchaft nachſchickete/ weil man ſich einer Auffruhr/ dem Frieſiſchen Rei-
che ſehr ſchaͤdlich/ befahrete. Aber ſein Vater wehrete ihm ſolches/ man muͤſte auß bloſſem
Argwohn nit ſo hefftig fahren/ das Heer waͤhre in Pflicht und Aiden/ dagegen kein Menſch
in Teutſchland/ welcher bey ſeiner Lebzeit nach der Herſchafft ſtreben duͤrfte. Aber bey Bal-
drich wolte ſolches nicht hafften/ wie wol er ſich weiters nicht merken lies/ und nicht deſto
weniger etliche Frieſen ingeheim zuruͤk gehen hieß/ daß ihm ſtraks Angeſichts 30000 be-
wehreter Mann biß an die Grenzen folgen ſolten/ und noch 40000 auffgebohten wuͤrden/
ſich ſtets fertig zuhalten/ welches er mit Koͤniglichen Gnaden erſetzen wolte. Ekhard der
Teutſche wahr mit unter den Abgefertigten/ ritten Tag und Nacht fort/ und funden alle
Untertahnen hoch und niedrig/ zu ihres Koͤniges Dienſten willig und gehorſam. Prinſla
brachte ſeinem Koͤnige auch zur neuen Zeitung/ die Pfaffen gingen auſſer Zweifel mit ge-
faͤhrlichen Sachen um/ und duͤrfften wol fragen/ wer den jungen Fuͤrſten Herkules ſo ver-
waͤgen gemacht haͤtte/ in ſein Vaterland zukommen/ ehe und bevor er mit den Land Goͤt-
tern voͤllig außgeſoͤhnet waͤhre; ſo gaꝛ/ daß ſie hinzuſetzeten ihr Herſchender Großfuͤrſt wuͤꝛ-
de es ſchweꝛ zuverantwoꝛten haben/ daß eꝛ ihn auff und angenommen. Doch/ ſagte Pꝛinſla/
verwundert mich am meiſten/ daß auch unſere Boͤhmiſche Voͤlker nicht viel anders/ als
die
[595]Siebendes Buch.
die Teutſchen/ ſcheinen geſinnet ſeyn. Die Fuͤrſten nahmen diſes nunmehr beſſer zu Herzẽ/
wolten ſichs aber bey den Voͤlkern nicht merken laſſen/ und zogen algemach fort/ biß ſie auf
drey Meilen die erſten Saͤchſiſchen Grenzen erreicheten/ da ihnen 4000 Reuter von 20
Pfaffen angefuͤhret/ entgegen ritten/ und im Nahmen des ganzen Teutſchlandes/ ſo viel
deſſen von der Roͤmer Joche annoch befreyet waͤhre/ anfangs um Verzeihung bey ihrem
herſchenden Groß Fuͤrſten anhielten/ nachgehends dieſe Werbung vorbrachten: Es wuͤn-
ſchete das ganze Reich ihrem lieben Großfuͤrſtẽ Gluͤk und Heil/ wegen ſeiner Erloͤſung uñ
erſtrittenen Sieges/ und erkenneten ſich nach wie vor Ihrer Groß Fuͤrſtl. Hocheit zu allem
Gehorſam als getraͤue Untertahnen verbunden; nur eines muͤſten ſie/ des algemeinen
Vaterlandes heiſchender Nohtdurfft nach/ ungemeldet nicht laſſen/ was geſtalt von den
Land Goͤttern ſelbſt angedeutet waͤhre/ daß der junge Großfuͤrſt Herr Baldrich/ nebſt dem
Boͤhmiſchen Koͤnige/ und Schwediſchen jungen Fuͤrſten ankommen waͤhren/ einen neuẽ
Gottesdienſt einzufuͤhren/ und die uhralten Teutſchen Goͤtter abzuſchaffen/ welches dann
nichts anders/ als des algemeinen Vaterlandes aͤuſſerſtes Verderben mit ſich auff dem
Ruͤcken fuͤhrete; ſolches nun abzuwenden/ waͤhren alle Einwohner von den Goͤttern ſelbſt
auffgemahnet/ haͤtten einen groſſen Ausſchuß bewaffnet und ausgeſchikt/ ihrem lieben
Großfuͤrſten entgegen zuzihen/ und denſelben untertaͤhnigſt zubitten/ ihre Hocheit moͤchte
gnaͤdigſt geruhen/ mit ihrem Heer auſſerhalb den Grenzen ſich zuhalten/ biß ſie ihren ge-
horſamen Untertahnen dieſe groſſe herzklemmende Furcht gaͤnzlich benommen/ und dem
uhralten Teutſchen Gottesdienſt Schuz und durchgehende Sicherheit verſprochen haͤt-
ten. Solten ſie aber über alles verhoffen ſolches nicht erhalten koͤnnen/ muͤſten ſie mehr
des Vaterlandes Heil und Wolfahrt/ als der jungen Fürſten Luͤſternheit beobachten/ und
mit gewapneter Hand ihren gnaͤdigen und hochverdienten Goͤttern beyſpringen/ auff daß
durch deren Zorn ſie nicht den Roͤmern und andern grim̃igen Feinden zur ewigẽ Knecht-
ſchafft uͤbergeben wuͤrden/ wie auff ſolchen fall die Goͤtter ihnen ausdruͤklich gedraͤuet haͤt-
ten. Der alte Groß Fuͤrſt/ ohn das ein eiferiger Herr/ fragete alsbald/ werſie ſo kühn gema-
chet haͤtte/ daß in ſeinem Abweſen ſie ſich in Harniſch begeben duͤrffen. Und als ſie trotzig
gnug antworteten; des algemeinen Vaterlandes Nohtdurfft/ dem jeder mit ſeinem Blute
verbunden waͤhre/ haͤtte ſie auffgemahnet/ vor welches zuſterben ſie alle miteinander bereit
waͤhren; hieß er ſie anfangs etwas harren/ damit er mit ſeinem Sohn und Oheimen hie-
von reden koͤnte/ und fragete ſie zugleich/ ob etwa ein durchgehender Wahnwiz ſeine Teut-
ſchen durchwehet haͤtte/ nachdem ja kein Menſch wegen Abſchaffung des alten Gottes-
dienſtes jemahls einigen Gedanken gefaſſet/ vielweniger ein Woͤrtlein davon haͤtte entfal-
len laſſen. Die Fuͤrſtliche Geſelſchafft trat zuſammen/ und bekümmerten ſich wegen dieſes
gewaltigen Auffſtandes nicht ein geringes/ weil Adel/ Pfaffheit und Bauren der Sachen
ganz einig wahren. Jedoch wahr der alte Großfuͤrſt nicht willens/ ihnen eine Antwort zu
erteilen/ ſondern mit ſeinem Heer fortzuruͤcken; welches aber ſchon zuruffen begunte: Hier
muͤſte man die Waffen niderlegen/ biß ihre guͤtigen Goͤtter gnugſame Sicherheit und
Frieden haͤtten; im übrigen waͤhren ſie ihrem Groß Fuͤrſten mit Gut und Blut verpflich-
tet; Da dann die Boͤhmen mit den Teutſchen durchaus ein Liedlein ſungen/ nur 350 Mañ/
als ſeine ehmahlige aͤdelknaben/ und andere/ die er mit aus Perſen gebracht hatte/ nebeſt
f f f f ijden
[596]Siebendes Buch.
den 50 Teutſchen von derſelben Perſiſchen Reiſe/ und alle Parther und Meden/ ſamt O-
laffs 400 Daͤnen/ ingeſamt 4300 Mann/ ſonderten ſich von dem Heer/ und machten ſich
hin zu den Fuͤrſten/ zu welchen ſich alsbald die 8000 Frieſen/ uñ 6000 untergeſtekte Wen-
den hinbegaben/ deren unſere Fuͤrſten uͤber die maſſe froh wahren/ und ihnen alle Speiſe-
Wagen zubeſchuͤtzen untergaben/ von welchen ſie eine ſtatliche Wagenburg macheten/ in
welche ſich das Frauenzimmer mit begab; Nur mit 6000 Reutern ging der Groß Fuͤrſt
eilig wieder hin nach den abgeordneten 4000 Teutſchen/ und geboht ihnen bey Leib und
Lebensſtraffe/ daß ſie ſtraks angeſichts eine gute halbe Meile zuruͤk gehen/ und daſelbſt gu-
ter und gnaͤdigſter Erklaͤrung ſolten gewaͤrtig ſeyn; dem ſie alsbald gehorſamlich nachka-
men/ ſo daß ihnen keine gelegenheit gegoͤnnet ward/ mit dem ungehorſamen Fuͤrſtlichen
Heer ein Wort zureden. Inzwiſchen muſten die 12300 gehorſame alsbald anfangen/ die
geſchlagene Wagenburg mit einem Wahl und Graben einzufaſſen/ worzu bald die uͤbri-
gen 6000/ ſo mit dem Groß Fürſten den kurzen Rit getahn hatten/ ſich begaben/ und die
Arbeit zum eiferigſten fortſetzeten/ wobey die Wenden das beſte tahten/ welches Herkules
ſo wol gefiel/ daß er ihnen allen die Freyheit/ und Land Guͤter gnug in ihrem Vaterlande
verſprach/ wovor ſie ſich demuͤhtigſt bedanketen. Unſern Fuͤrſten wahr ſonſt nicht gar wol
bey dieſer Sache/ dann ſie ſahen vor Augen/ daß die algemeine Empoͤrung nahe wahr/ uñ
ſtunden nicht in geringer Gefahr/ die freche Pfaffheit wuͤrde ihnen zumuhten/ den wahren
Gott zuverlaͤugnen/ und den Teufliſchen Abgoͤttern Opffer zutuhn/ wovor ſie lieber tau-
ſend Haͤlſe verlohren haͤtten. Sie rieten aber dem Groß Fuͤrſten/ er moͤchte ſich zu dem
Kriegsheer machen/ und auffs beſt er koͤnte/ ſie befriedigen und zum Gehorſam bringen.
Weil nun demſelben ſeiner Teutſchen Hartnaͤckigkeit und verſtokter Sin auff ihren Got-
tesdienſt gar zu wol bekant wahr/ hielt er ſolches genehm/ und ließ dem Heer durch Prinſ-
la andeuten/ ſie ſolten Teutſche Redligkeit und ihren aͤid beobachten/ und durch heimliche
Auffwiegeler ſich ja nicht zum Auffruhr anfuͤhren laſſen/ wodurch ſie dem Teutſchen Na-
men eine unabloͤſchliche Schande anhenken wuͤrden; Er wolte ſich jezt unter ihnen finden
laſſen/ und dergeſtalt ſich erklaͤren/ daß ihnen ihres tuhns von ſich ſelbſt gereuen wuͤrde;
folgete auch bald darauff/ von wenig Frieſiſchen Reutern begleitet/ uñ begehrete anfangs/
daß/ weil er den Boͤhmen eigentlich nicht zugebieten haͤtte/ ſolten die Teutſchen ſich allein
lagern; welche aber durch einen Oberſten ſich entſchuldigten/ ſie waͤhren biß daher ein
Heer und ein Hauffe geweſen/ und koͤnten ſich nicht trennen laſſen/ ehe und bevor ſie wuͤ-
ſten/ wie man bey ihren lieben Land Goͤttern halten wolte. Der Groß Fuͤrſt ließ ſich dieſes
nicht irren/ hieß die Befehlichshaber ohn Unterſcheid zuſammen vor ſich treten/ damit ſie
ſeine Rede vernehmen koͤnten/ und trug dieſes vor: Was vor Ungluͤk/ ihr meine lieben
Soͤhne/ hat ſich zwiſchen euch und mich geleget? Welche Widerſinligkeit hat euch an mei-
ner vaͤterlichen Hulde zweifeln machen koͤnnen? Wiſſet oder erkennet ihr nicht mehr/ daß
ich euer alter Groß Fuͤrſt bin/ Groß Fuͤrſt Henrich/ der biß daher ſich aͤuſſerſt bemuͤhet hat/
wie er Teutſche Freyheit und Vaterlandes Wolfahrt erhalten/ und der Roͤmer Troz und
anderer Feinde Wuͤten von unſerm Reiche abwenden moͤge/ welches ihm auch noch nie
mißglücket hat? Was hat euch dann/ und zugleich alle Landſaſſen bewogen/ meine alte wol-
bekante Redligkeit in Zweifel zuzihen/ als ob ich Teutſchland zuverderben vorhabens waͤh-
re?
[597]Siebendes Buch.
re? Habe ich etwa ſolche Schelmenſtuͤcken von dem Buͤbiſchen Wenden Krito gelernet?
Dem habe ich ja den Schedel herunter hauen laſſen. Oder haben meine Soͤhne und O-
heime dieſen unredltchen Willen aus fremden Laͤndern gebracht/ und mir eingebildet? Ey
die haben ja kein fremdes Kriegsvolk umb ſich/ ſondern neben euch/ ja vor euch ihr Leben
in der Schlacht gewaget; und was wolten doch wir einzelne wider den Willen aller In-
wohner beginnen? Habe ich etwa heimliche Werbungen in Feindes Gebiete? Laſſet her-
vor treten/ der mich deſſen zeihet. Ich verſichere ihn bey meinen Großfuͤrſtlichen Ehren/
und bey dieſem meinem grauen Haͤupte/ daß da er mich deſſen ichtwas überzeugen kan/
ich als ein Verraͤhter mich binden und henken laſſen wil. Nun wo biſtu mein Anklaͤger/
wo biſtu? trit kuͤhnlich hervor/ du haſt mit mir nicht als mit deinem Großfuͤrſten/ ſondern
als mit einem gemeinẽ Landsknechte/ ja als mit einem ſchlechten Bauren zuſchaffen. Si-
he da/ ich ermahne dich bey deiner Redligkeit/ verbirge dich nicht laͤnger/ ſondern zeige nur
bloß an/ was du aus meinen Geberden habeſt muhtmaſſen koͤnnen/ daß ich Teutſchland zu
beleidigen/ oder ihnen ihre Goͤtter wegzuſchaffen ſolte willens geweſen ſeyn; ich wil deiner
Anklage erwarten/ und dieſes mein Heer (welches ich doch durchaus nicht ſchuldig bin/
auch nie kein Beherſcher der Teutſchen vor mir eingangen iſt) gerne und willig zum Rich-
ter leiden. Hiemit ſchwieg er ſtille/ legte ſein Schwert abe/ und ſetzete ſich nider auff die Er-
de. Als nun keiner ſich finden wolte/ ſtund er wieder auff/ und fing abermahl an: Bin ich
nun nicht eins mehr wirdig/ daß mir geantwortet werde? ey ſo bin ich ſchon gar zu lange
euer Groß Fuͤrſt geweſen. Ich meynete/ man wuͤrde aus hochbewaͤglichen Urſachen mir
zufolgen ſich gewegert haben/ ſo ſehe ich aber/ daß es nur ein frecheꝛ Stolz und verwaͤgener
Muhtwille iſt/ und wird demnach mein beſtes ſeyn/ daß ich mit meinem Sohn nach Frieß-
land umkehre/ und daſelbſt das Gnaden-Brod die uͤbrigen wenig Tage meines Lebens
freſſe. Hierauff fing ein Unter Befehlichshaber an zuruffen: Wes zeihẽ wir uns/ ihr Bruͤ-
der? Warum treten die Hauptleute nicht zuſammen/ und vergleichen ſich einer gebuͤhr-
lichen Antwort? Oder iſt etwa ein Klaͤger verhanden/ er ſey geiſtlich oder weltlich/ aͤdel o-
der unaͤdel; der trete hervor/ und verſichere ſich alles Schutzes/ nachdem der gewaltige
Groß Fuͤrſt ſelber ſich vor das Kriegs Recht ſtellet/ welches freilich unerhoͤret iſt/ und uns
ſchier heut oder morgen von unſern Nachbarn faſt ſchimpflich duͤrffte vorgeleget werden.
Die Hauptleute folgeten dieſem Raht/ weil kein Klaͤger ſich finden wolte/ und nach kurzer
Berahtſchlagung redete der anſehnlichſte unter ihnen alſo: Unuͤberwindlichſter Groß-
fuͤrſt/ Gnaͤdigſter Herr; Euer Hocheit anweſendes Kriegsheer iſt erboͤtig und bereitwillig/
Leib und Blut vor dero Wolergehen einzubuͤſſen; nur allein bitten ſie untertaͤhnigſt/ es
wolle dieſelbe daruͤber nicht ungeduldig werden/ daß das gemeine Vaterland bemuͤhet iſt/
ihren uhralten Gottesdienſt unverendert zuerhalten/ damit nebeſt Hinfallung deſſen/ nicht
auch ihre Freiheit zugleich mit untergehe/ wovor ſie lieber alle mit einander tauſendmahl
ſterben wollen. Wann nun Ihre Hocheit ihren Untertahnen ſolches verſichern wird/ iſt
alles Unweſen ſchon gaͤnzlich auffgehaben. Man hat in Erfahrung bracht/ ob ſolte unſere
junge Herſchafft neue Goͤtter mit ſich von Rom hergeführet haben/ die ſo hochmühtig uñ
ſtolz ſeyn ſollen/ daß ſie keine andere Goͤtter neben ſich leiden oder dulden koͤnnen/ ſondern
alles allein ſeyn wollen/ gleich wie der Roͤmiſche Kaͤyſer alles allein ſeyn wil; Dieſe neuen
f f f f iijGoͤtter
[598]Siebendes Buch.
Goͤtter einzufuͤhren/ und die alten wolverdienten abzuſchaffen/ ſollen die jungen Fuͤrſten
des gaͤnzlichen Vorhabens ſeyn. Weil aber Teutſchland ſo wenig der Roͤmer Goͤtter/ als
ſie ſelbſt zu Ober Herren leiden kan/ als wird Ihre Hocheit ſich in dieſem Werke dergeſtalt
gnaͤdigſt erklaͤren/ daß ſo wol ſie ſelbſt/ als die Fuͤrſtliche junge Herrſchafft und das ganze
Land der Gefahr befreyet werde. Ey lieber/ ſagte hierauff der Groß Fuͤrſt/ ſollen dann ge-
ſchworne Untertahnen/ umb eines bloſſen nichtigen Verdachts willen/ ſich ihrer hoͤchſten
Obrigkeit im algemeinen Auffruhr/ mit Schwert und Spieß widerſetzen/ und ihr den
Durchzug in ihr Erbreich gewaltſam verlegen und verbieten? Welche unſere Vorfahren
haben ſich jemahls unterſtanden/ wider ihre Koͤnige ſich auffzulehnen/ und durch falſchen
nichtigen Argwohn zu dergleichen unerhoͤrten Aufwiegelung ſich reizen zulaſſen? ich muß
aber anjetzo zweierley vernehmen/ welches uͤber meine Soͤhne geklaget wird/ als vor erſt/
ſie haben neue Roͤmiſche Goͤtter; vors ander/ ſie wollen ſolche den Teutſchen vorſtellen/
die alten abſchaffen/ und zugleich das Vaterland umb ihre teur erkauffte/ und bißher wol
erhaltene Freiheit bringen. Niemand wird mirs verdenken/ daß ich vor meine Soͤhne re-
de/ dann ſie ſind mein Fleiſch und Blut. So ſey es nun alſo/ daß meine Soͤhne einen Gott
(dann mehr als einen Gott glaͤuben ſie nicht) in der fremde erkennet haben/ von dem ſie
vormahls nichts gewuſt; ſol man ſie umb ſolcher Erkaͤntniß willen dann des Landes
vertreiben/ welche keinem Menſchen ſchaden kan? Ja ſprechet ihr/ ſie haben Roͤmi-
ſche Goͤtter/ die koͤnnen wir nicht dulden. Roͤmiſche Goͤtter? hoͤret mir/ bin ichs wirdig/
diß einige nur/ dann wird das uͤbrige ſchon alles geſchlichtet ſeyn. Meine Soͤhne haben
den Chriſtlichen Glauben angenommen/ das geſtehen ſie; iſt aber dieſer der Roͤmiſche
Glaube? Ey ſendet doch hin in der Roͤmer Gebiet/ und nur biß gen Koͤllen am Rein/ fraget
nach/ ob die Roͤmer Chriſten ſind/ ja ob ſie der Chriſten ihren Gott verehren? Ich ver-
ſichere euch bey meiner Redligkeit/ ihr werdet keine andere/ als dieſe Antwort von ihnen
bekommen: Das Roͤmiſche Reich/ und deſſen Vorſteher/ ſind der Chriſten abgeſagete
Feinde/ wollen durchaus ihren Gott vor den wahren Gott nicht erkennen/ vielweniger
annehmen/ ſondern ihren Wiederwillen gegen denſelben zubezeigen/ verfolgen ſie die Chri-
ſten auffs haͤrteſte ſie es nur erdenken koͤnnen. Nun dann/ ihr lieben Teutſchen/ haben dann
nun eure junge angebohrne Fuͤrſten Roͤmiſche Goͤtter angenommen? Roͤmiſche Gelder
haben ſie mit ſich gebracht/ die wollen ſie den Teutſchen zum Beutpfennige außteilen; das
ſind die Roͤmiſchen Goͤtter/ koͤnnet ihr die nicht leiden/ ſo muͤſſet ihr ja die Geld Liebe in kur-
zer Zeit abgeleget haben. Aber ich muß nachfragen/ ob dann die Erkaͤntniß eines neuen oder
vorhin unbekanten Gottes einigem Menſchen/ wil nicht ſagen/ Koͤnigen und Fuͤrſten in
ungleichem außzulegen ſey? Wer iſt unter euch Teutſchen/ der nicht wiſſen ſolte/ was vor
Goͤtter man in Daͤnnenmark/ Schweden/ ja in Italien ſelbſt verehre? hat euch jemand
deſwegen zu Rede geſetzet? Nein/ ſprechet ihr/ ſolches iſt die Frage nicht/ ſondern wir wiſ-
ſen ſolches zwar/ aber daneben verehren wir dannoch die unſern/ nnd ſtoſſen ſie nicht von
der Bruͤcke in die Weſer oder Elbe. Gut; ihm ſey alſo; es wird euch ſolches auch niemand
wehren; ihr ehret ſie; und zwar billich/ dann ihr haltet ſie noch vor wahrhaffte Goͤtteꝛ. Mei-
ne Soͤhne aber zweifeln an ihrer Gotheit/ daher enthalten ſie ſich ſolches Gottesdienſtes/
biß ſie von unſern Geiſtlichen eines beſſern unterwieſen werden. Ja/ werffet ihr ein/ und
zwar
[599]Siebendes Buch.
zwar als den ſchwereſten Knoten: unſere junge Herſchafft/ iſt daran nicht vergnuͤget/ daß
ſie einen fremden Gott vor ſich haben/ ſondern ſie wollen denſelben auch ihren Untertahnẽ
auffdringen/ und die alten Land-Goͤtteꝛ abſchaffen/ auch zugleich die Teutſche Freiheit in
Roͤmiſche Dienſtbarkeit und Leibeigenſchafft verwandeln. Hilf Gott! wer hat eine ſolche
erſchrekliche ſchandbahre Verleumdung auff die Beine ſetzen dürfen? koͤnnen dann mei-
ne Soͤhne ein ſolches durch ſich ſelbſt verrichten? oder haben ſie euch darum jemals be-
gruͤſſet/ daß ihr ihnen hierzu moͤchtet behülfflich ſeyn? oder iſt etwa Frießland in Beſtal-
lung genommen/ ſolches ins Werk zuſtellen? O ihr nicht mehr beherzete/ ſondern furcht-
ſame Teutſchen! werden dann zween einzelne Maͤnner/ die den Jahren nach noch unter
die Jünglinge zurechnen ſind/ euch und alle eure Goͤtter zum Lande außjagen? Ich meine
ja/ Teutſchland habe noch ſeine Grenz Voͤlker liegen/ die werdens ohn Zweifel nicht ver-
ſchlaffen/ wann etwa die Roͤmer kommen/ und uns als Leibeigene auß dem Lande ſchleppẽ
wolten. Doch ihr lieben Spieß Geſellen/ vielleicht moͤchte ſich jemand finden/ der meinen
Soͤhnen ſolches zeihen dürfte/ laſſet deswegen den Schreier ankuͤndigen/ daß er hervortre-
te/ als wahr ich ein ehrlicher Großfurſt bin/ und ein ſolcher zu ſterben begehre/ wil ich ihm
wieder meine Soͤhne Schuz halten/ und wann er nur die aller geringſte glaubwirdige an-
zeige tuht/ daß meine Soͤhne des einen oder andern ſich nur haben verlauten laſſen/ wil ich
ſie dem Heer zur wilkuͤhrlichen Straffe uͤbergeben. Verflucht ſey/ wer einem Roͤmer/ zum
Nachteil des Vaterlandes hold iſt/ und ſolte ein ſolches von meinen Soͤhnen mit War-
heit koͤnnen geſagt werden/ ſolte dieſe Fauſt ſie vom Leben zum Tode richten. Aber O nein/
dieſe haben der Freiheit ſuͤſſe Wolluſt und Ergezligkeit viel zu tieff in ihr Herz geſenket/
und wuͤrden ſich lieber zehnmahl henken als unter der Roͤmer Joch zwingen laſſen. Drum
ſo hoͤret nun/ weſſen ich mich/ und zugleich meine Soͤhne ſich beſtaͤndig erklaͤren/ dabey es
auch ſein verbleiben haben ſol: In ganz Teutſchland ſol keinem einigen Menſchen/ er ſey
adel oder unadel/ der alte gebraͤuchliche Gottesdienſt verbohtẽ oder verwehret ſein/ ſondern
ein ieder mag dabey nach Gewohnheit ſeiner Vorfahren verbleiben. Eure Landes und Le-
bens Freiheit ſol im wenigſten nicht gekraͤnket werden/ die jetzige Wiederſpenſtigkeit ſol
tod und vergeſſen ſeyn/ ohn daß man die Redlensfuͤhrer und erſten Auffwiegeler/ andern
zum Abſcheu mit gebuͤhrlicher Straffe anſehen muß/ deren doch/ ob ihrer etwa viel waͤhrẽ/
nicht uͤber vier ihre Koͤpffe verlieren/ die uͤbrigen begnadet werden ſollen. Habt ihr nun
hieran ein Genuͤgen oder nicht/ ſo erklaͤret euch bald/ auffdaß ich wiſſen moͤge/ ob ich noch
der Teutſchen Großfuͤrſt/ oder ihr Verbanneter ſol genennet werden. Hierauff fing das
ganze Heer/ da es ihnen durchgehends kund getahn ward/ an zuruffen: Der Großfuͤrſt
und unſere junge Herſchafft lebe/ und halte der Teutſchen Freiheit und ihren Goͤttern
Schuz. Mit welcher Erklaͤrung unſere Fuͤrſtliche Geſelſchafft vor diſmahl wol zufriden
wahr/ wurden auch etliche Haͤuptleute außgewaͤhlet/ welche mit Prinſla nach den abge-
ſchickten 4000 Reutern ſich hinmachen ſolten/ daſelbſt anzuhoͤren/ was Geſtalt derſelbe
jenen ihres Großfürſten anffrichtiges erbieten anmelden ſolte/ dañ erſelbſt vor ſein Haͤupt
wolte ſich mit den Aufruͤhrern in keinen Zank einlaſſen/ viel weniger auff ihren ungegruͤn-
deten Argwohn Rede und Antwort geben/ und gleichſam vor ihrem Gerichte ſtehen. Als
aber jenen die vorgemeldete gnaͤdige Erklaͤrung des Großfuͤrſten von Prinſla vorgetra-
gen
[600]Siebendes Buch.
gen ward/ dieſelbe den ihrigen/ ſo auff der Grenze in groſſer Menge lagen/ zuhinterbringen/
mit dem ernſtlichen Befehl/ daß ſie darauff alsbald in Ruhe ſtehen/ und hinter ſich in ihre
Gewahrſam zihen ſolten/ wolten die 20 Pfaffen damit durchaus nicht friedlich ſeyn/ fra-
geten die Gegenwertigen Haͤuptleute/ ſo mit Prinſla kommen wahren/ ob ſie mit ſolcher
Erklaͤrung koͤnten einſtimmen; und als dieſelben zur Antwort gaben/ ſie haͤtten zuverneh-
men/ weſſen der groͤſſeſte Teil ihrer Lands Leute geſinnet waͤhre/ trugen dieſe Pfaffen im
Nahmen des ganzen Teutſchlandes vor/ es muͤſte ſowol der Großfuͤrſt ſelber/ als die An-
weſende junge Fuͤrſten/ der Boͤmiſche Koͤnig mit eingeſchloſſen/ ſich aͤidlich verpflichten/
und ſchrifftlichen Schein von ſich geben/ daß ſie nicht allein den alten Gottesdienſt ihren
Inwohnern frey laſſen/ ſondern auch vor ihr Haͤupt denſelben gut halten/ die neuen Goͤt-
ter abſchaffen/ den Chriſtlichen Glauben verleugnen und verfluchen/ und die uhral-
ten Land Goͤtter vor die wahren und rechtmaͤſſigen erkennen wolten; wuͤrden ſie die-
ſes eingehen/ alsdann waͤhren ſie nach wie vor ihre liebe Obrigkeit; wo nicht/ wuͤr-
de man der Teutſchen verſamleten Macht es nicht verdencken/ daß ſie die Großfuͤrſt-
liche Erklaͤrung vor gefaͤhrlich und als auff Schrauben geſetzet/ halten muͤſte. Daß auch
der Großfuͤrſt ſo hart und ſtrenge auf einen Anklaͤger druͤnge/ waͤhre nicht anzuſehen/ ge-
ſtaltſam es klaͤrlich am Tage laͤge/ daß ſein Sohn und Oheim ſich oͤffentlich vor Chriſten
außgaͤben/ und nach des Großfürſten Anzeige ungeſcheuet geſtuͤnden/ daß ſie allein ihren
einigen Gott vor den wahren Gott hielten. Nun würden ſie ja nicht leugnen/ daß die Chri-
ſten alle andere Goͤtter in ihren Herzen verflucheten/ und vor Luͤgen-Teufel hielten; wie
koͤnte dann Teutſchland zugeben/ daß ihre Obrigkeit alle Inwohner in ihrem Gottesdienſte
verfluchen und vor einen Abſcheu halten ſolten? koͤnte dieſes wol einige Vertrauligkeit ſe-
tzen? ja koͤnte es wol moͤglich ſeyn/ daß unter dieſer Mißhelligkeit das Teutſche Reich be-
ſtehen ſolte? Die abgeſchikten Hauptleute fingen auf dieſe Rede ſchon wieder an zu wan-
ken/ ungeachtet ſie ſich Großfuͤrſtlich erklaͤret hatten/ wegerten ſich aber doch gleich ſo wol/
als Prinſla ſelbſt/ dieſe Antwort dem Großfuͤrſten zu hinterbringen/ ſondern begehreten/
es moͤchten etliche ihres Mittels ſolches ſelbſt verrichten; deſſen ſich dieſe gar nicht ſcheue-
ten/ waͤhleten 6. Pfaffen/ welche mit fortritten/ dieſes Anmuhten mit gleich ſo duͤrren wor-
ten vorzutragen. Als dieſe ankamen/ wahren des Großfuͤrſten ſeine getreue Leute ſehr ge-
ſchaͤftig/ die Schanze umb die Wagenburg aufzufuͤhren/ welche ſchon in ſolchem Stande
wahr/ daß man ſich daraus aller ihrer Menge erwehren kunte/ und hatte man bey dieſem
Graben unterſchiedliche Quellen angetroffen/ die ein kleines Waſſer in guter Menge her-
vor gaben. Nun wuſten die neu ankommende Teutſche Voͤlcker noch nicht/ daß Herkules
wieder zu Lande geſchlagẽ waͤhre/ weil er/ da der erſte Pfaffe von dem Heere nach Teutſch-
land gieng/ ſich den Voͤlckern noch nicht kund gegeben hatte/ daher wolte er auch noch diß-
mal ſich von dieſen 6. Pfaffen nicht ſehen laſſen/ als ſie vor die Fuͤrſtliche Geſelſchaft (de-
nen Fuͤrſt Olaf ſtets beyzuwohnen genoͤhtiget ward) ſich ſtelleten/ und ihre unverſchaͤmte
Meinung mit eben den vorigen Worten verwaͤgen gnug vortragen durften; ja der aͤlteſte
unter ihnen grief Koͤnig Baldrichen ſolcher geſtalt abſonderlich an: Großmaͤchtigſter
Koͤnig/ ich erinnere mich deſſen ehmahliger Teutſcher Gottſeligkeit/ welche er mir zum oͤf-
tern bey unſerm uhralten koͤſtlichen Gottesdienſte hat ſehen und erſcheinen laſſen/ ſo gar/
daß
[601]Siebendes Buch.
daß er auch aͤidlich verſprochen/ ſich davon nimmermehr abzuwenden/ und mus ich dan-
noch mit groſſem Unmuht und inniglichen Seelen-Schmerzen hoͤren und vernehmen/
daß derſelbe ſolches ſo liederlich hindan geſetzet/ und nach dem Beyſpiel ſeines abtruͤnnigen
Bruders den gekreuzigten falſchen Gott und verfuͤhrer angenommen; haͤtte nimmermehr
gemeinet/ daß ein ſolcher frommer tugendliebender Fuͤrſt zu einem ſo laſterreichen Unglau-
ben ſein Gemuͤht haͤtte koͤnnen hinwenden: Er wolte in ſeiner verweißlichen Schmachre-
de fortfahren/ aber Baldrich ward durch die dreyfache ſchaͤndung/ welche dieſer Bube ſei-
nem Gotte/ ſeinem Bruder und ihm ſelbſt anlegete/ zu ſo heftigem Zorn bewaͤget/ daß ihm
das Blut vor die Augen ſchoß/ daher er ihn alsbald ſchweigen hieß/ und die andern fuͤnff
Pfaffen fragete/ ob dieſem ihren Worthalter ausdrüklich befohlen waͤhre/ ihn der geſtalt
abſonderlich vorzunehmen; welches ſie aus furcht weder mit ja noch nein beantwortẽ durf-
ten/ biß endlich dieſer freche ſich vernehmen ließ/ ob ihm ſolches gleich ſo eben nit waͤhre auf-
getragen/ ſo haͤtte er doch gnugſame Volmacht/ die Warheit zu reden/ und die Fürſten im
nahmen des ganzen Volkes ihrer Schuldigkeit zuerinnern. Baldrich ergriff ſich inzwi-
ſchen in etwas/ und antwortete ihm: Wolan/ ich bin mit dieſer dir gegebenen Volmacht
zu frieden/ daß du die Warheit reden ſolt; aber Lügen vorbringen/ und deineꝛ Obrigkeit ſel-
be auffbürden ſtehet dir nicht frey. Alſo muſtu nun deine ausgeſpeiete Reden wahr machẽ/
oder als ein frevelmuͤhtiger Luͤgener und Verleumder deiner angebohrnen Obrigkeit/ die
Straffe leiden. Sol ich aber deine Rede vor wahr halten/ ſo muſtu anfangs Sonnenklar
darlegen/ daß mein Gott ein falſcher und verfuͤriſcher Gott ſey; hernach daß mein Glaube
ein Laſterreicher ſey/ und endlich wie du vor dieſem meinen Herr Bruder zu verleumden
pflageſt/ daß derſelbe in allerhand Uuzucht nnd Unflaͤtereyen ſich mit andern Schand-er-
gebenen waͤlzete; und werde ich willig ſeyn/ deinen dreyfachen Beweißtuhm anzuhoͤren/
aber auch/ wann dirs daran fehlen wird/ ſoltu mit mir in Ungluͤks Kuͤche kommen. Die-
ſer beantwortete es mit einem kaltſinnigen einwenden; was oͤffentlich am Tage laͤge/ be-
duͤrffte keines groſſen Beweißtuhms/ dañ es waͤhre ſchon Sonnen-klar; ſo waͤhre er auch
vor dißmahl nicht abgeſchicket/ ſich in ſolche weitlaͤufftigkeit hinein führen zulaſſen. Pfaf-
fe Bertram/ bedenke dich ja bald einer beſſern Antwort/ ſagte Baldrich; ich ſage/ daß du
alles dreyes ſchaͤndlich gelogen haſt; wiltu nun dein Leben retten/ ſo fuͤhre Beweißtuhm/
oder bekenne dein gottloſes Verbrechen; dann biſtu nicht ausgeſchikt/ dich in Weitlaͤuff-
tigkeit einzulaſſen/ ſo wirſtu viel weniger ausgeſchikt ſeyn/ meinen Herr Bruder und mich
mit falſchem luͤgenhafftem Maule zuverleumden. Der Pfaffe fing darauff an: Gn. Koͤ-
nig/ draͤuet mir und meinem Leben nicht/ auff daß ihr euer eigenes nicht in gefahr ſetzet;
was ich geredet habe/ wil ich zu ſeiner zeit gnugſam verantwortẽ. Da kunte nun Baldrich
ſeinen Zorn laͤnger nicht einzwingen/ ſondern griff ihn mit dieſer Rede an: Je du gottloſeꝛ
ehrvergeſſener Schelm und Verleumder; wer hat dir dann die Kuͤhnheit und Gewalt
erteilet/ meinen Gott in meiner Gegenwart zuſchmaͤhen/ meinen Herrn Bruder vor einen
Abtruͤnnigen/ und mich/ einen herſchenden Koͤnig/ vor einen Meinaͤidigen auszuſchelten?
iſt dirs nicht gnug/ was du vorhin ſchon gelogen/ und bey meinem gn. Herr Vater/ hoch-
gedachten meinen preißwirdigen Herr Bruder/ als einen Tugend/ Feind und der abſcheu-
lichſten Laſter ergebenen angetragen haſt? Dieſer wolte noch nicht zum Kreuz kriechen/
g g g gſon-
[602]Siebendes Buch.
ſondern blieb ſteiff dabey/ er wolte die Warheit zu ſeiner Zeit vorſtellen; welches dem er-
zuͤrneten Fuͤrſten zuverſchmerzen unmoͤglich wahr/ zog ſein Schwert aus/ und ſchlug ihm
mit einem Hiebe den Schedel reine hinweg/ ſagend: Du wirſt mir forthin die Auffruhr
wol nicht weiter ſchuͤren. Die uͤbrigen Pfaffen erſchraken dermaſſen/ daß ſie kein Wort
ſprechen kunten; ſo wahr auch der Groß Fuͤrſt ſelbſt nicht allerdinge damit zufrieden/ mei-
nete/ man haͤtte ihn allemahl noch finden koͤnnen. Doch die Taht wahr geſchehen/ und nu-
mehr zubedenken/ wie ſie eine zeitlang vertuſchet bliebe; wurden alſo die fünff uͤbrige Pfaf-
fen fleiſſig bewachet/ und ſetzete Baldrich ſich alsbald zu Pferde/ ritte in Geſelſchafft 50
Frieſiſcher Reuter zuruͤcke/ ũmb zubefodern/ daß die begehrete Mannſchafft aus ſeinem
neuen Koͤnigreiche herzu eilete. Den abgeordenten Reutern und Pfaffen aber ließ der
Großfuͤrſt andeuten/ ſie ſolten ſich ſtraks angeſichts nach den ihrigen machen/ und ihnen
ſeine getahne Groß Fuͤrſtliche Erklaͤrung vortragen; die 6 Pfaffen muͤſten bey ihm in
freier Hafft bleiben/ biß man ſich erkuͤndigen wuͤrde/ ob ihre hochmuhtige frevelhaffte An-
werbung nebeſt angefuͤgeten graͤulichen Schmachreden wider die jungen Fuͤrſten/ ihnen
von ſeinen Untertahnen einhellig auffgetragen waͤhre oder nicht. Zwar die annoch uͤbrige
Pfaffen durfften trotzig anhalten/ daß ſie ihre Amts Bruͤder auff freyen Fuͤſſen haben/ und
das Fuͤrſtliche Heer ſprechen wolten; bekahmen aber von Prinſla zur Antwort: Das lez-
te wuͤrde man ihnen durchaus nicht goͤnnen/ nachdem der Auffwiegeler ſchon mehr als zu
viel unter dem Heer waͤhren; das erſte duͤrffte niemand als ſie ſelbſt bey dem Großfuͤrſtẽ
werben/ welches ihnen dann ſolte erlaͤubet ſeyn; aber die guten Herren rochen Lunten/ und
nahmen mit ihren Reutern den Abzug/ wie wol nicht ohn hefftige Draͤuungen/ welche doch
Prinſla/ wie ihm befohlen wahr/ unbeantwortet ließ/ als haͤtte er ſie nicht gehoͤret. Ladiſla
wuſte nicht/ was er vor Zorn wegen ſeiner Boͤhmen Traͤuloſigkeit anfahen ſolte/ nam
Prinſla und Neklam zu ſich/ ritte nach dem Heer/ und hielt zu ihnen dieſe Rede: Ihr Teut-
ſchen; ich als Boͤhmiſcher Koͤnig/ habe euch wegen eures tuhns und laſſens weder zube-
fehlen noch zuverbieten; nur mit meinen anweſenden Untertahnen des Boͤhmiſchen
Reichs rede ich/ und frage dieſelben/ ob ſie auff mich auch etwas zuſprechen haben/ das deꝛ
Auffruhr und ihres Ungehorſams wert ſey; ſolches ſollen ſie alsbald durch einen Gevol-
maͤchtigten andeuten; Ich erinnere mich/ daß ich den Kern meiner jungen Ritterſchafft
alhie bey mir habe; wie es nun ihren frommen redlichen Eltern und Anverwanten gefallen
wird/ wann ſie dieſes von ihnen erfahren ſollen/ ſtehet zu erwarten; Ich meyne/ ſie werden
es empfinden/ wann ihre Soͤhne erbloß gemacht/ vor ihres Koͤniges Verraͤhter ausge-
ruffen/ des ganzen Koͤnigreichs von meiner Fr. Mutter und den ſaͤmtlichen Land Staͤnden
in Ewigkeit verbannet/ und vor Vogelfrey ausgeruffen/ wo nicht wol gar die Ketten der
Leibeigenſchafft ihnen angelegt werden. Darum ſo vernehmet meine Koͤnigliche Gnade/
und gebraucht derſelben zu eurer Wolfahrt/ wo euch ſonſt nicht aller Wiz entgangen iſt;
Ein jeder Boͤhme/ der gleich dieſe Stunde zu mir treten/ ein Zeichen der Rene an den Tag
legen/ mir auffs neue den aͤid leiſten/ und wie ein redlicher Untertahn ſich nach dieſem ver-
halten wird/ ſol volle Erlaſſung des jezt ergangenen/ krafft dieſes meines Koͤniglichen ver-
ſprechens haben/ ſo gar/ daß deſſen/ als waͤhre es nie geſchehen/ in Ewigkeit nicht gedacht
werden ſol. Da haͤtte man ein elendes Geſchrey hoͤren ſollen. Alles was Boͤhmiſch wahr/
ſo bald
[603]Siebendes Buch.
ſo bald des Koͤniges Rede durch die Voͤlker von einer Schaar zur andern lief/ das rief
umb Gnade/ Gnade/ ſonderten ſich von den Teutſchen ab/ fielen von ihren Pferden/ und
tahten einen wehmuͤhtigen Fußfal/ einwendend/ ſie waͤhren verleitet und hintergangen;
die Teutſchen Pfaffen waͤhren Luͤgener und Boͤſewichter/ und ihr Koͤnig gerecht uñ from;
trieben dabey ein ſolches Geheule/ daß Ladiſla ſelbſt zu Mitleiden bewaͤget ward; gab ihnen
einen freundlichen Wink mit dem abgezogenen Hute/ daß ſie auffſtehen ſolten; und als er
ſie geſtillet hatte/ redete er ſie alſo an: Nun ihr redliche auffrichtige Boͤhmen/ und liebe Ge-
traͤue; Ich weiß und ſehe vor Augen/ daß ihr nicht aus Boßheit/ ſondern bloſſer Einfalt
geſuͤndiget habet; ſtehet auff/ ſetzet euch zu Pferde/ und folget mir nach; wer des ergange-
nen gegen mich im guten oder unguten gedenket/ ſol mein Freund nicht ſeyn. Nam ſie hie-
mit auffs neue in Pflicht und aͤide/ und wahr ſehr froh/ daß er noch 28000 Boͤhmen zaͤhle-
te/ da der Teutſchen kaum 16000 mehr ſich funden/ weil die uͤbrigen mit Siegward nach
Wendland fortgangen wahren. Dieſe Teutſchen nun erſchraken der unvermuhtlichen
Abſonderung hoͤchlich/ dann ſie ſahen/ wie leicht ſie von den andern haͤtten koͤnnen nider-
gemacht werden/ welches auch auff ihre beharliche Widerſezligkeit wol erfolget waͤhre.
Ladiſla muhtmaſſete leicht/ daß ihnen das Herz wuͤrde entfallen ſeyn/ darumb redete er ſie
alſo an: Ihr bißher ſo redliche Teutſche Herzen/ und geweſene liebe Spießgeſellen; mich
wundert nicht wenig/ wie ihr ſo unbedachtſam verfahret/ und von eurem liebreichen Va-
ter dem Groß Fuͤrſten euch abſondern koͤnnet/ welcher ſich doch gegen euch dergeſtalt erklaͤ-
ret hat/ daß ich nimmermehr ein gleiches tuhn wuͤrde/ auch kein erbarer Menſch ein meh-
res von ihm fo dern kan; und dannoch wiſſet ihr nicht/ ob ihr ihn vor euren Herrn erkeñen
wollet oder nicht; gedenket ihr nicht/ daß er euch alle auff der Rolle hat/ ja das Hauß weiß/
aus welchem ein jeder entſproſſen iſt? ich ſaͤhe ungerne/ daß euch etwas wiedriges zuſtehen
ſolte/ weil ihr in neulicher Schlacht euch ſo ehrlich und tapffer gehalten/ und kan doch nit
erſinnen/ wie man euch zu huͤlffe treten ſol/ nachdem ihr die Gnadenzeit als recht unſinnige
Leute vorbey ſtreichen laſſet; Trotzet ihr aber etwa auff eure auffruͤhriſchen Landsleute/ die
ſich ohn alle urſach wider ihre Obrigkeit ſetzen duͤrffen? Oder machet ihr euch Gedanken/
euer Großfuͤrſt werde von allen Menſchen verlaſſen ſeyn/ weil ſeine Untertahnen ihn hoͤh-
nen duͤrffen? O weit gefehlet! Ganz Frießland iſt ſchon im Harniſch; der Schwediſche
Fuͤrſt iſt mit ſeinem Heer zuruͤk gefodert; nach Boͤhmen gehen meine Bohten Tag und
Nacht ohn Ruhe fort/ darinnen ich keinen wehrhafften Mann ſitzen laſſen wil/ er ſol auff
das ungehorſame Teutſchland angehen/ wo ſie ſich nicht in kurzem eines beſſern bedenken
werden; alsdann werdet ihr aber gar zu ſpaͤte beklagen/ daß ihr meinen wolgemeineten
Raht ſo unfinnig verachtet habet; wiewol/ wo ihr eure Vernunfft nicht gar gefreſſen/ ihr
leicht euch die Rechnung machen werdet/ daß man euren Muhtwillen die laͤngſte zeit ſchon
geduldet habe. So hoͤret nun meinen getraͤuen Raht/ und folget demſelben erſtes Augen-
bliks; ſendet etliche eures Mittels an eure annoch gutherzige Obrigkeit ab/ welche euren
Frevel verbitten/ und umb Barmherzigkeit und Gnade anhalten; was ich zu eurem beſten
werde tuhn koͤnnen/ ſol euch hiemit verſprochen ſeyn; bleibet ihr aber aufruͤhriſch nach wie
vor/ ſo wil ich unter euch hauen und ſtechen helffen/ biß mir der Arm erſtarret/ und ihr alle
werdet vertilget ſeyn. Hiedurch ward ihnen eine ſolche Furcht eingejaget/ daß ſie ſich auff
g g g g ijihren
[604]Siebendes Buch.
ihren Pferden nicht halten kunten/ wurffen das Gewehr von ſich/ fielen auff die Erde ni-
der/ rieffen nur umb Barmherzigkeit und Gnade/ und daß der Koͤnig ihr kraͤfftiger Vor-
bitter bey dem Großfuͤrſten ſeyn wolte. Ladiſla ſendete ſeinen Prinſla geſchwinde nach dem
Großfuͤrſten/ mit Bitte/ ſamt Herkules dem Heere zu nahen/ ſtellete doch inzwiſchen ſeine
Boͤhmen zum Schrecken in Schlachtordnung/ und kahmen die Fuͤrſten mit allen Parthi-
ſchen und Wendiſchen Voͤlkern darzu/ nicht anders/ als wolten ſie gleich auff die Teutſchẽ
hinein ſetzen/ und alles nidermachen. Ladiſla rennete ihnen mit wenig Reutern entgegen/
und nach kurzer Beredung kehrete er wieder umb nach dem Heer/ da der alte Großfuͤrſt in
vollem Harniſche/ und das Schwert in der Fauſt haltend/ ſie auff ſeinem Pferde alſo an-
redete: O ihr Unbeſonnene/ haͤtte ſchier geſagt/ Ungetraͤue/ welches der Teutſchen Redlig-
keit gar zu unertraͤglich waͤhre; ich meyne ja/ ich euer herſchender Großfuͤrſt habe mich
gnug vor euch gedemuͤhtiget/ mein Schwert abgeguͤrtet/ und mich gar auff die Erde gele-
get; und dannoch kuntet ihr weder mein Vaterherz ſehen/ noch eure Suͤnde erkennen.
Wuͤrde ich euch nun ungleich tuhn/ wann mit dieſem entbloͤſſeten (ſein Schwert zeigend)
ich euch niderſchluͤge/ welches ihr in der Scheide ſo liederlich geſchaͤtzet habet? Sehet/
dieſe redliche Boͤhmen/ welche ihr ſchaͤndlich verleitet hattet/ finden ſich alsbald wieder zu
ihrem Koͤnige/ da ſie ſein Angeſicht ſehen/ und ſeine Stimme hoͤren/ und ihr lieſſet mich in
Ungewißheit von euch/ da auff den fal meines Verbrechens ich mich euch zur Straffe daꝛ-
geſtellet hatte. O ihr Undankbahren! betrachtet euer Verbrechen/ und laſſt hoͤꝛen/ welches
die geringſte Straffe ſey/ die ihr verdienet. Sehet dieſe redliche und ehrliche Wenden an;
die wahren anfangs meine Raͤuber/ und nun ſind ſie mein getraͤuer Beyſtand worden wi-
der meine Untertahnen/ welche kommen wahren/ mich aus Raͤubeꝛs Haͤnden loßzureiſſen.
Was ſol ich aus euch machen? Wie ſol ich euch nennen? Schaͤmet euch in euer Herz und
Blut/ daß ihr eurem ehrlichen Nahmen einen ſolchen ſchlimmen Schandflecken anhaͤn-
get; ſchaͤmet euch ihr aͤidvergeſſene/ daß ihr von eurem Landes Fuͤrſten abtretet/ ohn alle
gegebene urſach. Hier fing das Volk an/ ſich ſo jaͤmmerlich zugeberden/ daß dem Groß-
Fuͤrſten ſelbſt die Augen uͤbergingen/ dann er ſahe/ daß etliche/ die ihm nahe wahren/ ſich
fertig macheten/ ſich ſelbſt zuentleiben/ welches er ihnen ganz ernſtlich verboht. Herkules
aber/ der ſich beliebt zumachen/ geflieſſen wahr/ fing alſo an: Gnaͤdigſter Herr und Vater/
ich bitte untertaͤhnigſt/ mir zuverzeihen/ daß ich die Kuͤhnheit faſſe/ mich als ein Vorſprach
dieſer eurer Untertahnen anzugeben. Als ſie dieſes erbieten hoͤreten/ ging das algemeine
Geſchrey an: O Groß Fuͤrſt Herkules tretet zu uns in dieſer Noht/ und erlanget uns Gna-
de; davor wollen wir euch unſer Blut verpflichten. Herkules winkete ihnen/ ſtille zu ſeyn/
und fuhr in ſeiner Rede fort: Hoͤret doch mein Herr Vater; ja hoͤrets als ein Vater die-
ſer eurer Untertahnen; hoͤret wie ſie ihr Verbrechen bereuen/ und noch beyzeiten wieder-
kehren/ ehe ſie etwas wirkliches wider eure Hocheit vorgenom̄en haben; Mein Herr Vater
laſſe doch vor dißmahl Gnade vor Recht ergehẽ/ und vergebe ihnen allerdinge/ gleich wie
Koͤnig Ladiſla ſeinen Leuten vergeben hat. Iſt gleich das jetzige verbrechen groß/ ſo haben ſie
doch vor weniger Zeit ſich rühmlich uñ wolverhalten/ werdẽ auch durch die gegenwaͤrtige
Gefahr ſich warnen laſſen/ nimmermehr deßgleichen vorzunehmen/ wovor ich nicht allein
mich als einen ſelbſchuldigen Buͤrgen darſtellen/ ſondern die verhoffete Gnade nicht an-
ders/
[605]Siebendes Buch.
ders/ als mir ſelbſt geſchehen/ rechnen wil; ſtieg hiemit von ſeinem Pferde/ und taht einen
demuͤhtigen Fußfal. Der Groß Fuͤrſt aber gab ihm dieſe Antwort: Geliebter Sohn/ das
Verbrechen iſt faſt zu grob/ es ohn Straffe hinſtreichen zulaſſen; dann ob ſie gleich zu mei-
ner Rettung ſich ehmahls haben eingeſtellet/ mus ich doch aus dieſem ihren jetzigen verhal-
ten abnehmen/ ſie haben ſolches nicht mir zum beſten/ ſondern aus begierde zur Beute ge-
tahn. Mit den redlichen Boͤhmen hats viel eine andere Beſchaffenheit; die ſind von den
meinen verfuͤhret/ und daher zimlichermaſſen zuentſchuldigen; dieſe aber haben das Unheil
geſtiftet; da ich ihnen fortzuzihen befahl/ hoͤꝛete ich wol Teutſche/ aber keine Boͤhmen ſchrei-
hen/ hier müſte man die Waffen niderlegen. Jedoch mein Sohn/ damit du ſehen moͤgeſt/
wie guͤltig deine Vorbitte bey mir ſey/ ſihe da/ ſo ſchaffe alles nach deinem gutduͤnken und
belieben/ ich wil ſolches genehm halten/ und mit meinem Haͤuptſchluſſe bekraͤftigen/ nur
durchaus ſollen ſie anzeige tuhn/ welche die erſten Uhrheber dieſer Auffwiegelung ſind/
dieſelben ſollen und müſſen ſie melden/ und gaͤnzlich von ſich abſondern. Bald hierauff
rieffen die Befehlichshaber; was Pfaffen Nahmen traͤget/ packe ſich von dem Heer hin-
weg; ja ſie faſſeten ſie bey den Armen/ ſchleppeten ſie hervor/ und bekenneten oͤffentlich/ dieſe
waͤhren die einige Urſach alles Auffſtandes; welche der Groß Fuͤrſt/ an der Zahl 15 anpac-
ken ließ. Ein gemeiner Fußknecht trat herzu und trug vor/ es waͤhren drey unter dieſen
Pfaffen/ welche ſich haͤtten verlauten laſſen/ man wuͤrde die Landgoͤtter nicht befriedigen/
noch ihren Zorn und Unwillen abwenden koͤnnen/ ehe und bevor vier Koͤpfe auff Stangen
ſtecketen; und als ein ander gefraget/ welches dieſe Koͤpfe waͤhren/ haͤtten ſie zur Antwort
gegeben/ es waͤhren die vier ſchwereſten/ fetteſten/ und teureſten. Alsbald wurden dieſe drey
Pfaffen von einander gebracht/ und abſonderlich befraget/ was vor Koͤpfe ſie gemeinet haͤt-
ten; da der eine diß/ der ander daß zu ſeiner entſchuldigung vorbrachte/ und ihre ausfluͤch-
te gar nicht uͤbereinſtimmen wolten/ biß endlich ihnen die Folter gedraͤuet ward/ welcher
zuentgehen/ ſie einmuͤhtig bekenneten/ die vier Koͤpfe hieſſen/ Henrich/ Ladiſla/ Herkules/
Baldrich. Dieſe Uhrgicht ward den Voͤlkern vorgetragen/ und umbgefraget/ was dieſe
drey verdienet haͤtten; denen der groͤſte Teil zuſprach/ daß ſie lebendig ſolten geſpieſſet oder
geviertelt werden/ aber der Groß Fuͤrſt ließ ihnen die Koͤpfe abſchlagen/ und auff Spieſſe
ſtecken; die übrigen 12 Pfaffen wurden zu den andern fuͤnffen geleget/ die mit hoͤchſtem
Schrecken des vornehmen Groß Pfaffen Bertrams Haͤupt auff einer Stange ſtecken ſa-
hen/ und nicht anders meineten/ es wuͤrde ihnen gleich alſo ergehen. Herkules erteilete den
Voͤlkern durchgehend voͤllige erlaſſung/ allerdinge wie Ladiſla ſeinen Boͤhmen getahn hat-
te/ nur daß ſie dieſe Nacht biß an den Morgen von 3000 Frieſen und 2000 Wenden be-
wachet werden/ wehrloß bleiben/ und weder Speiſe noch Trank genieſſen muſten/ welches
alles ſie gerne erduldeten. Die Boͤhmen hingegen tahten dieſe Nacht aus freiwilligem er-
bieten eine faſt unglaͤubliche Arbeit/ in dem ſie den ſchon gemacheten Wahl/ mit noch einem
viel dickeren/ und weiteren Graben umbſchanzeten/ ſo daß gegen Morgens das Lager mit
einer doppelten Feſtung dergeſtalt eingeſchloſſen wahr/ daß ihnen mit gewalt nicht wahr
beyzukommen. Des folgenden Morgens wurden 20 Boͤmiſche und gleich ſo viel Teutſche
Reuter mit harten aͤiden belegt/ und unter gewiſſem befehl nach der Auffrührer Lager ge-
ſchikt/ als nehmlich/ ſie muſten dieſelben von dem ganzen Fuͤrſtlichen Heer gruͤſſen/ ſie aller
g g g g iijbe-
[606]Siebendes Buch.
beſtaͤndigkeit verſichern/ und anhalten/ daß man ihnen auff drey Tage gnugſame Speiſe
mitteilete/ damit ſie zu leben haͤtten/ nachdem die Fuͤrſten ihnen alles verſageten/ und aus
dem feſtumbſchoſſenen Lager durch gewalt nichts zuerhalten waͤhre. Der Anſchlag geriet
gluͤklich/ und ward die Speiſe fein fortgebracht/ da die Teutſchen mit zutuhn der Boͤhmẽ/
ſo viel deren ſich willig anerbohten noch den dritten Graben und Wahl umb das Lager zo-
gen/ und es unuͤberwindlich macheten. Die 4000 Reuter ſamt ihren uͤbrigen Pfaffen hat-
ten des vorigen Abends den verſamleten Auffruͤhrern des Groß Furſten Erklaͤꝛung hin-
terbracht/ und daß man die ſechs abgeſchikte Geiſtlichen in Haft zuruͤcke behalten/ welches
die Pfafheit hoch empfand/ und alle beredſamkeit anwendeten/ die Voͤlker auffzumuntern/
daß ſie auffs ſchleunigſte den rechten Ernſt darzu taͤhten/ den Groß Fuͤrſten und die junge
Herſchaft zur ſchriftlichen Verſicherung und ablegung des Chriſtentuhms anſtraͤngeten/
und mit ihrer unuͤberwindlichen Fauſt/ ſo wol des Landes Freyheit/ als den uhralten Goͤt-
tern zu huͤlffe kaͤhmen/ alsdann koͤnte das Feur in der Aſche gedaͤmpfet werden/ welches/ wo
es uͤberhand naͤhme/ und die Teutſchen Grenzen uͤberſchritte/ nicht würde zu loͤſchen ſtehen;
erhielten auch bey der Verſamlung ſo viel/ daß ſie des folgenden Tages/ bald nach abhoh-
lung der obgedachten Speiſen/ andere 6000 Mann abfertigten/ ihrem Groß Fuͤrſten an-
zuzeigen/ die ſechs Pfaffen haͤtten durch vortragung der Landeswerbung/ und daß ſie dem
jungen Fuͤrſten Baldrich etwa die Warheit in die Naſe gerieben/ nicht wieder befehl ge-
handelt/ wie dann dem hochgelerten Geiſtlichen Herrn Bertram noch wol ſo viel Frey-
heit zuſtuͤnde/ daß er die jungen irrenden Fuͤrſten von der Laſter Bahn ab/ auff den guten
Weg wieder anfuͤhrete; begehreten demnach/ daß ſie alsbald auff freien Fuß geſtellet/ und
auff des Landes Vortrag beſtendige Erklaͤrung moͤchte gegeben werden/ weil man mit der
ſchon herausgelaſſenen nit koͤnte friedlich ſeyn. Würde dann der Großfuͤrſt ſich deſſen we-
gern/ ſoltẽ ſie nur ausdruͤklich ſich vernehmen laſſen/ dz das Land dẽ Goͤttern uñ ihrer Frey-
heit mehr/ als dem Groß Fuͤrſten uñ der jungen Herſchafft verbundẽ waͤre. Inſonderheit
ſolten ſie dz Kriegsheer zur beſtaͤndigkeit vermahnẽ/ und denẽ bey ihnen anweſendẽ Pfaffen
es verweißlich gnug vorhalten/ dz wideꝛ genom̃enẽ abſcheid ſie ihnẽ ſo gaꝛ keine Zeitung zu-
entboͤhten. Sie ſetzeten dieſes hinzu/ weil die 40 Reuter/ welche die Speiſewagen abgeho-
let/ ihnen auffgebunden hatten/ die Pfaffen bey ihnen/ waͤhren ihrer Sachen uneins wor-
den/ und haͤtten die helffte ſich wollen an die Fuͤrſten henken/ aus Furcht/ es duͤrffte der
Handel ungluͤklich ablauffen. Ja daß zuverwundern/ haͤtten ihrer drey ausdruͤklich vorge-
geben/ das Chriſtentuhm waͤhre nicht ſo ſchnoͤde als mans austrüge. Je doch haͤtten ſich
die vornehmeſten Oberſten zwiſchen ihre Streitigkeiten geleget/ und ſie mit einander wie-
der verglichen/ da ſie dann bey ihrem abreiten ſchon damit umgangen waͤhren/ drey ihres
Mittels an die groſſe Landes Verſamlung abzuſchicken/ welche ohn Zweifel ſich bald wuͤr-
den einſtellen. Weil nun dieſe ſich nicht anfunden/ und ſie die Erzaͤhlung der Reuter vor
gewiß hielten/ fuͤrchteten ſie/ es wuͤrde eine Unluſt ſich zwiſchen ihnen zugetragen haben/
da ſie dann den dreien Chriſten-Freunden keine gelindere Straffe als den lichten Galgen
draͤueten. Als die unſern der Herzunahung obgedachter 6000 Reuter verſtendiget wur-
den/ muſte Neklam ihnen mit allen Parthern und 3000 Wenden entgegen reiten/ ihr Be-
gehren zuvernehmen/ und da ſie auff ihren vorigen Troz verharren würden/ ſie ab zuweiſẽ.
Zwoͤlf
[607]Siebendes Buch.
Zwoͤlf Pfaffen/ welche dẽ Hauffen ſuͤhretẽ/ ſtelleten ſich ganz verwaͤgen/ ſo dz ſie auch etliche
Schmaͤhe Worte mit einmengeten/ und durchaus begehreten/ man ſolte ihre ſechs Amts
Bruͤder (dann von den uͤbrigen wahr ihnen noch nichts kund getahn) loß geben/ ſonſt
wolten ſie ſich von allem daraus entſtehendem Unheil auffs zierlichſte bedinget haben.
Prinſla/ welcher Neklam auff Herkules gutheiſſen/ gefolget wahr/ zeichnete die Redlens-
Fuͤhrer fleiſſig an/ und antwortete; man haͤtte keinen Befehl ſich mit ihnen zuzanken; ſtuͤn-
de ihnen doch frey/ ſelbſt hin zureiten/ und dem Großfürſten ihre Werbung vorzutragen.
Sie nicht ſaul/ ritten alsbald mit ihnen fort/ und wurden geſchwinde vorgelaſſen. Weil ſie
ſich dann nicht weniger trotzig als zuvor im freyen Felde vernehmen lieſſen/ ungeachtet ſie
vor Augen ſahen/ daß das ganze Heer ſich zu dem Fürſten geſchlagen hatte/ ſprach ihnen
der Großfurſt dieſe Urtel/ daß den ſechs Worthaltern der Grind ſolte herunter geſchmiſſẽ
werden; welches ſie anfangs vor eine bloſſe Bedrauung hieltẽ/ aber da der Scharf Richter
bald daꝛauff mit ſeinen Knechten zu jhnen nahete/ ihnen auch deꝛ vieꝛ hingeꝛichteten Haͤup-
ter vor Augen geſtellet wurden/ begunte ihre frecheit ſich in eine Reue zuverkehren/ wiewol
ſie ſich bedingetẽ/ dz man nach aller Voͤlker Recht mit ihnen handeln/ uñ ſie als des Landes
Abgeordente uͤnbeſchimpfet laſſen ſolte; Aber Ladiſla gab ihnen zur Antwort; ſie waͤhren
nicht des Landes/ ſondern der Auffrührer Abgeordente/ und zwar ſolche/ die ihnen dieſes
Amt ſelbſt erwaͤhlet haͤtten; weil ſie dann an ihrer Obrigkeit ſich nicht allein durch Em-
poͤrung/ ſondern auch durch frevelmuhtige Schmachreden hart vergriffen haͤtten/ ſolten
ſie alſobald zum willigen Tode niderknien/ oder aber lebendig geſpieſſet werden; welches
ſo viel bey ihnen wirkete/ daß/ weil es anders nicht ſeyn wolte/ ſie den gelindern Tod an-
namen/ und nichts hoͤhers wuͤnſcheten/ als dz ihre uͤbrige Amts Bruͤder nur wiſſen moͤch-
ten/ wie es ihnen hieſelbſt erginge. Worauff Neklam zur Antwort gab/ wann dieſelben mit
Troz ſich anfinden wuͤrden/ koͤnte ihnen eben der Groſchen zum Arbeits Lohn ausgezahlet
werden. Ihre abgehauene Koͤpffe wurden inwendig des Lagers auffgeſtecket/ und die uͤbri-
gen ſechſe zu den andern gefangenen getahn/ da ſie mit Brod und Waſſer ſehr kaͤrglich
geſpeiſet wurden. Nach ſolcher Volſtreckung ging Prinſla mit allen Parthen/ 3000 Wen
den und gleich ſo viel Frieſen den Auffruͤhriſchen ſechstauſenden abermahl entgegen/ ihnẽ
gebietend/ ſie ſolten auff Befehl ihres herſchenden Großfuͤrſten ſtehendes Fuſſes ſich hin-
weg packen/ und da ſich nach dieſem jemand mit dergleichen trozigen Reden als die heu-
tigen Pfaffen wurde finden laſſen/ ſolte es ihm den beſten Hals koſten; ihr Großfuͤrſt haͤtte
ſich geſtriges Tages erklaͤret/ ganz Teutſchland bey ihren Geiſt- und weltlichen Freyheiten
zulaſſen/ dabey haͤtte es ſein verbleiben; waͤhre dann ſolches den Landſaſſen noch nicht
gnug/ ſolten ſie morgen gegen Abend ihre Abgeordenten/ jedoch keine ſchmaͤhſuͤchtige
trotzige Pfaffen/ ſondern hoͤfliche vom Adel und von der Gemeine abſchicken/ die ihre Wer-
bung mit geziemendeꝛ Untertaͤhnigkeit vortruͤgen/ als dann ſolte eine gebuͤhꝛende gnaͤdigſte
Antwort erfolgen. Die 12 Pfaffen haͤtte man wegen ihrer Unhoͤfligkeit und Schmaͤhe-
worte angehalten/ mit denen ihre Großfuͤꝛſtl. Hocheit ſchon alſo wuͤrde zuverfahren wiſſẽ/
wie ſichs gebuͤhren wolte. Dieſe wolten mit ſolcher Antwort nicht friedlich ſeyn/ und be-
gehreten inſonderheit etliche Pfaffen von dem Fuͤrſtlichen Heer zuſprechen; aber Prinſla
umzog ſie mit ſeinen Voͤlkern/ reiß den Worthalter vom Pferde/ und draͤuete ihm den
Tod/
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Tod/ wo er ſich noch eines Worts wieder ſeine hohe Landes Obrigkeit wuͤrde verlauten
laſſen/ fragete auch die ganze Schaaꝛ/ ob ſie willens waͤꝛen/ in güte odeꝛ gezwungẽ abzuzihẽ;
welche als uͤbermannet ſich erbohten zu gehorſamen/ und den gegebenen Befehl zuhinter-
bꝛingen. Ihre Ankunft erweckete nicht geringen Aufſtand/ inſonderheit/ weil alle ihre Pfaf-
fen zuruͤk blieben/ woruͤber die Geiſtligkeit nicht wenig erſchrak/ da ſie noch uͤber daß anhoͤ-
ren muſten/ daß der Großfuͤrſt ihrer keinen mehr hoͤren/ ſondern nur mit den weltlichen
Handlung pflegen wolte; gingen daruͤber fleiſſig zuraht/ verteileten ſich durch das ganze
Lager/ und macheten die Sache ſo gefaͤhrlich/ als ob ihnen allen/ groſſen und kleinen/ das
Leben ſchon abgeſprochen waͤhre. In des Fuͤrſtlichen Heers Zuſtand aber wuſten ſie ſich
gar nicht zurichten/ ſcholten auf ihre Amts Bruͤder hefftig/ daß dieſelben unter ſich ſelbſt
zwieſpalt angefangen haͤtten/ und dem gemeinẽ Weſen dadurch nicht geringe Ungelegen-
heit zuzoͤgen; gerieten zugleich auf die Gedanken/ der Großfuͤrſt muͤſte dem Heer die We-
ge verſperret haben/ daß keine Botſchafft von ihnen durchkommen koͤnte. Durch ihr un-
geſtuͤmes anhalten aber brachten ſie es vor diſmahl dahin/ daß die Einwilligung geſchahe/
es ſolte morgen zeitig fruͤh/ ungeachtet alles Großfuͤrſtlichen Verbohts/ dieſe ernſtliche
und/ wie ſie es nenneten/ ſchließliche Anfoderung eingeſchicket und vorgetragen werden/
daß I ihre Pfaffen alle miteinander auff freien Fuß geſtellet. II Die begehrete ſchrift-
liche Verſicherung wegen Erhaltung des Uhralten Gottesdienſtes von dem Großfürſtẽ
und der jungen Herſchaft innerhalb 24 Stunden ausgefertiget; III der Chriſtliche Glaube
von allen und jeden ſo ihn angenommen haͤtten/ abgelegt und verſchworen; IV Allen und je-
den/ wie ſie Nahmen haben moͤchten/ ſo zu dieſer Handlung Raht und Taht gegeben/ auch
dabey ſich wirklich finden lieſſen/ durchgehend/ verzihen/ und deſſen in Ewigkeit nicht ge-
dacht werden ſolte. Dieſes ſolten 20 Pfaffen/ 20 aͤdle/ und 20 von der Gemeine dem Groß-
Fürſten und der jungen Herſchafft ungeſcheuhet vortragen/ und zur Begleitung 40000
Mann zu ſich nehmen. Die aͤdlen hielten die auffgezeichneten Foderungen gaꝛ zu fꝛech ſeyn/
wolten auch den Aufbruch verhindern/ und den gelindern Weg gehen; aber der Pfaffen
Geſchrey drang durch/ da ſie vor gaben/ man ſaͤhe numehr ſchon wol/ wie hoch man die
Goͤtter achtete/ deren Ehre und Beſchuͤtzung man um eines bedraͤulichen Wortes Wil-
len wolte fahren laſſen. Ihnen ward geantwortet; es haͤtte dieſe Meinung durchaus nicht/
aber doch muͤſte man Vernunft gebrauchen/ und wol bedenken/ daß man nit mit Feinden/
noch mit Fremden/ noch mit ſeines gleichen/ ſondern mit der angebohrnen hoͤchſten O-
brigkeit zuhandeln haͤtte; dieſelbe nun begehrete an ihre Untertahnen zweyerley; vor erſt/
daß man vor morgen abends keine Handlung vornaͤhme; hernach/ des Landes Anfoderung
nicht durch geiſtliche ſondern weltliche vorgetragen wuͤrde; was nun davon nicht koͤnte
beliebet werden/ muͤſte nicht von einem Stande allein vor ſich geſchloſſen/ und den andeꝛn
beiden Staͤnden einzuwilligen auffgedrungen/ ſondern ihnen reifflich zubedenken vorge-
ſtellet/ und ihr Wolmeinen daruͤber gehoͤret werden; ja daß allem Dinge ſein Recht ge-
ſchaͤhe/ waͤhre noͤhtig und heilſam/ daß die Verſtaͤndigſten aus allen dreyen Staͤnden ſich
zuſammen taͤhten/ alles wol erwoͤgen/ einen Entwurff aufſetzeten/ nachgehends der ganzẽ
Gemeine vortruͤgen/ und geſchickte Maͤnner erwaͤhleten/ die als Abgeſchickte gebraucht/
und ihnen ſchrifftlicher Unterricht erteilet wuͤrde/ was und wie weit ſie handeln ſolten/ als-
dann
[609]Siebendes Buch.
dann wuͤꝛde man am gluͤklichen Verfolg nicht zuzweifeln haben; dann was biß daher vor-
genommen waͤhre/ haͤtten nur ihrer etliche von der Geiſtligkeit/ nach getrieb ihres eigenen
Willens/ und vielleicht aus gar zuhefftiger Bewaͤgung ihrer Begierden geſchloſſen und
verrichtet/ daher man ſich nicht verwundern duͤrffte/ daß es keinen Verfolg gehabt; Und
ſolten ſich die Herren Geiſtlichen dieſes verſichern/ daß der Adel und die Gemeine ihren
Goͤttern ja ſo feſt anhingen als ſie/ nur daß man gleichwol die Obrigkeit nicht mit Fuͤſſen
treten/ das iſt/ ſie weder beſchimpffen noch trotzen/ ſondern ſie gebührlich ehren/ und alles
auffs glimpflichſte ſuchen muͤſte/ ſo lange man Hoffnung zur Einwilligung truͤge. Die
Pfaffen muſten gleichwol hierauff geſchehen laſſen/ dz eine Rahtſchlagung von den Haͤup-
tern aller dreyen Staͤnde vorgenommen ward; aber ſie drungen hiemit durch/ daß ſie voꝛ-
erſt antworteten: Der Groß Fuͤrſt ſuchete den Sachen Auffſchub zugeben/ und zwar zu
dem ende/ daß anfangs des ganzen Volks Gemuͤhter ſich enderten/ und die Liebesbrunſt
gegen ihre Goͤtter erkaltete; dann auch/ daß zwiſchen ihnen der Same der Uneinigkeit aus-
geſtraͤuet würde/ worzu das beſte Mittel ſchon vor die Hand genommen waͤhre/ indem
man die Geiſtligkeit ausſchlieſſen/ und ihnen der Zungen Freiheit abſchneiden wolte/ wel-
chem Unweſen aber beyzeiten muͤſte vorgebauet werden. Dann wer waͤhre ſo blind und un-
verſtaͤndig/ der nicht ſehen und merken ſolte/ was geſtalt der Großfuͤrſt/ oder vielmehr die
junge Herſchafft der Staͤnde Trennung ſuchete/ indem man die Geiſtligkeit ausſchloͤſſe/
weil man verſichert waͤhre/ daß dieſe ſich des Gottesdienſtes ungleich mehr und ei-
feriger als andere annehmen wuͤrden; koͤnte auch wol ſeyn/ daß man Hoffnung ſchoͤpffete/
man wuͤrde etliche Haͤupter der uͤbrigen Staͤnde durch Schenkungen oder ſtatliche Ver-
heiſſung gewinnen/ und auff der Fuͤrſten Seite bringen koͤnnen. Dieſes ward den unru-
higſten des gemeinen Volks von den Pfaffen tapffer eingeblaſen/ welche ein wuͤſtes Ge-
ſchrey anfingen; man muͤſte dieſe Sache niemand als den Geiſtlichen anvertrauen/ damit
man vor Verraht und Betrug ſicher bliebe. Wodurch dann aller guter Raht Krebsgaͤn-
gig gemacht/ und das ganze Werk nach der Pfaffen willen angeſtellet ward. Als die aus-
geſetzete Fuͤrſtliche Schildwachten die Zeitung brachten/ daß ſo ein ſtarkes Heer/ halb zu
Pferde und halb zu Fuſſe ſich ſehen lieſſe/ beſetzeten die Fürſten ihr Lager mit aller Man-
ſchafft/ die ſie durch einander gemiſchet hatten/ und ſendeten ihnen Prinſla und Neklam
mit 2000 Wenden und ſo viel Parthen entgegen/ umb zufragen/ wer ſie ſo verwaͤgen kuͤhn
gemacht haͤtte/ daß ohn ihres Groß Fürſten ausdruͤklichen Befehl ſie ihre Wohnungen
verlaſſen/ und als in einer offentlichen Fehde ſich ſehen laſſen duͤrfften; doch begehrete ihre
Großfuͤrſtl. Hocheit von ihnen vor dißmahl mehr nicht zuwiſſen/ als wer dieſer Aufwiege-
lung Urſach/ Anfaͤnger/ und des Heers Fuͤhrer waͤhre. Hieſelbſt wolte ſich nun ſo bald kein
Weltlicher melden/ nur die Pfaffen fingen ihr Geblaͤrre an/ und begehreten/ daß Prinſla
dem Groß Fuͤrſten obgedachte Anfoderungen alsbald einreichen ſolte/ wann ihnen nicht
koͤnte erlaubet ſeyn/ vor ihren Groß Fuͤrſten zutreten. Das werde ich wol nicht tuhn/ ant-
wortete er/ daß ich mich von euch Pfaffen vor einen Bohten und Briefetraͤger ſolte beſtel-
len laſſen; ich diene meinem Groß Fuͤrſten als ein Auslaͤndiſcher/ und euer keinem nicht/
daher werde ich mich ſchon huͤten/ uͤber Befehl nichts auff mich zunehmen; halte auch nit
davor/ daß Ihre Großfuͤrſtl. Hocheit vor Abends einige Werbung anhoͤren werde/ nach-
h h h hdem
[610]Siebendes Buch.
dem ſie Arzney eingenommen hat. Inzwiſchen ritte der/ welchen er vorigen Tages vom
Pferde geriſſen/ zu ihm hinan/ und fragete ihn/ warumb er ihm den Schimpff angeleget/
welches er ihm nicht gut heiſſen koͤnte/ ſondern muͤſte ſich deswegen ritterlich mit ihm ver-
gleichen. Gar willig und gern/ mein guter Kerl/ antwortete er/ ſo bald ich deſſen nur von
meinem Allergnaͤdigſten Koͤnige Erlaubniß habe/ ſol dir ein ſolcher Rittertanz unverſa-
get ſeyn/ deſſen zum Pfande ich dir dieſen Handſchuch gebe. Dieſer wolte ſo lange nicht
harren/ aber die aͤdlen redeten ihm ein: Er ſolte der Sachen einen geringen Anſtand gebẽ/
weil dieſer Herr ſich aller Billigkeit erboͤhte. Sie wolten aber auff vorgebrachte Groß-
fuͤrſtliche Frage ein mehres nicht antworten/ ſondern zogen/ Prinſlaen Einrede ungeach-
tet/ friſch fort nach des Groß Fuͤrſten Lager zu. Herkules verdroß dieſer Troz nicht wenig/
nam Prinſla mit ſeinen Reutern in die Feſtung/ und gab ihm Urlaub/ wieder hinaus zu
reiten/ und dem Ausfoderer Fuß zuhalten; welches er geſchwinde verrichtete/ und im ach-
ten Hiebe ihm den Schedel herunter ſchlug/ welches die Pfaffheit nicht vor ein gutes Zei-
chen hielt/ deren doch 12 ſich nach geendigtem Kampffe nahe an den aͤuſſerſten Graben ma-
cheten/ und hinuͤber rieffen: Der Großfuͤrſt moͤchte ſichs gefallen laſſen/ den Abgeordentẽ
Gehoͤr zugeben; ward ihnen aber durch Neklam geantwortet: Seine Großfuͤrſtl. Hocheit
koͤnte ſich uͤber dieſen groſſen Frevel nicht gnug verwundern/ warumb ſie mit ſo ſtarker
Manſchafft herzu nahen duͤrfften/ und uͤberdas wider ſein ausdruͤkliches Verbot dieſen
Morgen umb Handelung anhalten; Ihr Groß Fuͤrſt waͤhre anjetzo ganz unmuͤſſig/ und
mit andern Wichtigkeiten beladen/ ſolten biß gegen den Abend verharren/ und alsdann/
was vorzubringen waͤhre/ durch verſtaͤndige und hoͤfliche des Teutſchen Adels und der
Gemeine antragen laſſen; Es waͤhren Reichs Haͤndel/ die man vor haͤtte; die Pfaffen ſol-
ten ihres dinges warten/ und ſich umb ſolches/ was ſie nicht anginge/ unbekümmert laſſen/
welches ihnen bey Vermeidung hoher Ungnade und unausbleiblicher Straffe hiemit ſol-
te gebohten ſeyn. Koͤntet nun ihr anweſende alle miteinander euch rahten laſſen/ ſetzete er
auff Befehl hinzu/ ſoltet ihr ſtraks angeſichts euren Frevel erkennen/ umb Gnade anhaltẽ/
und wie das Fuͤrſtliche Heer alsbald getahn/ euch zu eures Groß Fuͤrſten Schuz einſtellẽ/
alsdann wuͤrdet ihr redlich bey eurer Obrigkeit/ und wol bey euch ſelbſt handeln. Dieſe
Pfaffen kunten ſolches Vorbringen kaum abwarten/ und gaben zur Antwort: Sie muͤſten
es dahin laſſen geſtellet ſeyn/ daß ihr Groß Fuͤrſt in ſo hochwichtiger Sache ihnen Gehoͤr
verſagete/ deſſen man in Teutſchland bißher ganz ungewohnet waͤhre; doch wuͤrden die
Goͤtter es in kurzem anders ſchicken; fingen darauff an/ die Großfuͤrſtlichen Voͤlker hef-
tig auszuſchelten/ daß ſie widerſinniſch worden/ und das gemeine Weſen ſtecken lieſſen/ ſie
wuͤrden ſolches alle miteinander in wenig Tagen mit dem Leben bezahlen muͤſſen/ wo ſie nit
alsbald wieder kehreten. Es rief aber einer von dem Heer über den Wahl ihnen zu/ er waͤh-
re von dem ganzen Heer befehlichet/ ihren Landsleuten zudanken vor die guten Speiſen/
welche ſie ihnen zukom̃en laſſen/ hoffeten/ wann ſie verzehret ſeyn wuͤrden/ duͤrfte man um
ein mehres anſuchen. O ihr meinaͤidige Betrieger rief ein Pfaffe darauff/ freuet euch des
Diebſtahls nicht/ Gott Krodo wird euch die Speiſe geſegnen/ daß ſie euch das Herz ab-
ſtoſſen muß. Herkules ließ 26 Parther ausgehen/ welche dieſe Pfaffen alle griffen/ und
ins Lager ſuͤhreten; Ihre Voͤlker ſolches ſehend/ ranten in zimlicher Anzahl herzu/ in Mei-
nung
[611]Siebendes Buch.
nung ſie zuretten/ kahmen aber zu ſpaͤte/ und wurden die foͤrderſten/ mit blutigen Koͤpffen
zuruͤk gewieſen/ die 12 Pfaffen aber auff den aͤuſſerſten Wahl gefuͤhret/ uñ den 6 Worthal-
tern der Grind oͤffentlich herunter geſchlagen/ daß die Auffruͤhrer es ſehen kunten/ bey de-
nen guter Raht ſehr teur wahr; dann die Pfaffen reizeten den Poͤfel an/ das Lager zuſtuͤr-
men/ und den Schimpff ungerochen nicht zulaſſen. Der Adel hingegen widerſtund nach
aller Moͤgligkeit/ einwendend/ ſie haͤtten nicht allein deſſen gar keinen Befehl von der Ver-
ſamlung/ ſondern würden uͤberdas den Fuͤrſtlichen nicht eins gewachſen ſeyn im offenen
Felde/ wie wolten ſie dann dieſelben in ihrem Vortel und feſtem Lager angreiffen koͤnnen;
moͤchten demnach die Herren Geiſtlichen dieſe Voͤlker nicht ins mutwillige Verderben
ſtuͤrzen/ ſondern ihrer ſchonen/ auff beſſere gelegenheit warten/ und von Vermaͤſſenheit
abſtehen/ auch an dem klaͤglichen Fal ihrer Geſellen ſich ſpiegeln/ und der Vernunft raum
und gewalt uͤber den Zorn goͤnnen. Aber die Pfaffen wolten ihnen gar nicht laſſen einre-
den/ ſcholten den Adel aus vorungetraͤue Leute/ denen ihr Gottesdienſt kein Ernſt waͤhre.
Es muͤſte das unſchuldige Blut gerochen werden/ und wuͤrde Gott Krodo voran treten
mit ſeiner groſſen Keule/ und ihnen freyen Weg uͤber den Wahl machen. Der Adel war-
nete ſie nochmahl traͤulich/ welcher in 2000 ſtark war/ aber der gemeine Mañ/ als ſie von
ihres Gottes Huͤlffe und Beyſtand hoͤreten ruͤhmen/ wahren mehrenteils bereit ihren
Pfaffen zufolgen/ und wurden 25000 ſtark zum Anfal angefuͤhret/ 13000 aber derſelben
blieben bey dem Adel zuruͤcke. Die unſern haͤtten ſich dieſer Verwaͤgenheit nicht verſehen
koͤnnen/ wiewol Ladiſla/ Olaff/ Fabius/ Klodius/ Markus und Gallus der Stuͤrmenden
Ankunfft redlich erwarteten/ und ihnen die Kolben deꝛgeſtalt lauſeten/ daß ihrer wenig mit
dem Leben davon kahmen. Herkules und Prinſla nahmen die Parther und Wenden zu
ſich/ fielen damit aus/ und hieben die ſchlecht bewehreten Auffruͤhrer wie das unvernünff-
tige Vieh nider/ daß vor endigung einer halben Stunde 9000 erſchlagen/ 2000 hart ver-
wundet/ und 8000 geſunde gefangene ins Lager geſchicket wurden. Die unſern meyneten/
daß die hinterbliebene 15000 Auffruͤhrer zum Entſaz ihrer Geſellen ſich wuͤrden finden
laſſen/ als aber dieſelben ſich nicht allein gar nicht bewaͤgeten/ ſondeꝛn die 6000 fluͤchtigen
kaum wieder zu ſich nehmen wolten/ ließ man ſie unangefochten/ biß man gewahr ward/
daß ſie ſich ins freie Feld ſetzeten/ in geſtalt eines Heers/ welches zuſchlagen willens iſt; da
gingen Ladiſla und Herkules ihnen mit 20000 Reutern friſch nach/ und lieſſen ihnẽ durch
einen Trometer andeuten/ ſie ſolten ſtehen; man wuͤrde nichts feindſeliges wider ſie vor-
nehmen. Worauff ſie ſtille hielten/ und ihrer Ankunfft erwarteten/ da Ladiſla ſie alſo anre-
dete: Was vor Unſinnigkeit treibet euch wahnwitzige Leute/ daß ihr eures herſchenden
Groß Fuͤrſten Lager mit Sturm anzulauffen euch nicht ſcheuhet? gedenket ihr etwa/ die
Reichsfeinde ligen drinnen? O nein/ es iſt eure angeborne Obrigkeit/ eure Landsleute/ eu-
re Bundgenoſſen und nachbarliche Freunde. Antwortet mir nur nichts ich weiß ſchon
euer Vorbringen wol; man hat die 12 raſichte Pfaffen gefaͤnglich angenommen/ und ih-
rer 6 enthaͤuptet; ja es iſt billich/ und mit gutem Recht geſchehen; dann durfften dieſe got-
loſe Schelmen ſich nicht ſcheuhen/ ihren Groß Fuͤrſten zulaͤſtern/ ihm ſelbſt zudraͤuen/ und
ſeine Leute ihm abſpenſtig zumachen/ ja dieſelbe vor meinaͤidige auszuſchelten/ da ſie ſelbſt
die meinaͤidigſten Schelmen wahren/ ſo hat man ihnen ja den Lohn davor erteilen muͤſſen.
h h h h ijErken-
[612]Siebendes Buch.
Erkennet nur die hohe Gnade/ daß man ſie nicht alle 12 hingerichtet und lebendig geſpieſ-
ſet hat. Aber betrachtet daneben/ was ihr druͤber angefangen/ und ein ſo groſſes Blutbad
geſtifftet/ da hingegen an unſer Seiten kaum 40 Menſchen verwundet/ und kein einziger
erſchlagen iſt. Wolte man mit euch nach Verdienſt handeln/ ſolte uns ein geringes ſeyn/
euch allen die Haͤlſe zubrechen; aber Gott behuͤte mich davor/ daß ich einiges Menſchen
Blut vergieſſen ſolte/ der mirs nicht mit Gewalt abhohlete. So leget nun euer Gewehr
auff guten Glauben nider/ begrabet eure Todten/ und verbindet eure Verwundeten/ euch
ſol in ſolcher Zeit kein Menſch ein Haͤaͤrlein kraͤnken/ auch kein ungenehmes Wort ſagen.
Wann ihr nun bey den euren wieder anlangen werdet/ koͤnnet ihr/ da es euch gut deucht/ ſie
warnen/ ſich ja beyzeiten zubedenken/ und die Gnadenzeit nicht zuverſitzen; euch iſt von eu-
rem Groß Fuͤrſten ein gnugſames gebohten/ ſeyd ihr witzig/ ſo werdet ihr eurer Wolfahrt
wahr nehmen. Die aͤdlen und andere verſtaͤndige tahten ſich hervor/ wendeten zur Ent-
ſchuldigung ein/ es waͤhre der Sturm wider ihren Willen auff unnachlaͤſſiges Getrieb ih-
rer Pfaffen vorgenommen; bedanketen ſich/ daß man ihren Todten die Ruhe in der Erde
goͤnnete/ und zogen alle mit einander 21000 ſtark hin/ dieſelben zubegraben/ da ihnen uͤber-
das gegoͤnnet ward/ die beſten Sachen/ und alles was ſie wolten/ von den erſchlagenen zu
beuten; dann die Großfuͤrſtlichen Voͤlker durfften keinen einzigen Todten beſuchen oder
pluͤndern. Nach gehaltener Begraͤbniß wurden dieſe Voͤlker ihrer Sachen uneins/ ob ſie
zu ihrem Groß Fuͤrſten ſich ſchlagen/ oder wieder umkehren wolten/ da dann 8000 ſich an-
geben lieſſen/ wann ſie koͤnten zu Gnaden angenommen werden/ wolten ſie in ihres lieben
Groß Fuͤrſten Dienſte und Gehorſam wieder treten/ und bey demſelben leben und ſterben.
Ladiſla ritte zu ihnen hinaus/ verſprach ihnen im Nahmen des Großfuͤrſten (der ſich heut
nicht wolte ſehen laſſen) voͤllige Vergebung/ und fuͤhrete ſie ins Lager/ da ſie hin und wieder
unter die Voͤlker verſtecket wurden/ doch wahr kein einziger vom Adel unter den hinter-
bliebenen/ ſondern die gingen mit den 11000 gar traurig wieder zuruͤk/ und muſten ihre
Verwundeten mit ſich nehmen/ hatten nur noch einẽ einzigen Pfaffen in ihrer Geſeſchaft/
dann die uͤbrige 6 hatten im Sturm ihren Lohn bekommen. Als ſie bey ſpaͤtem Abend ihr
groſſes Lager erreicheten/ ward alles Volk rege/ und frageten/ wo dann ihre uͤbrige Geſel-
ſchafft bliebe; da nach Erzaͤhlung ein wunderlicher Zuſtand im Lager wahr/ nicht anders/
ob haͤtte einer den andern erwürgen wollen; etliche rieffen/ welche die verſtaͤndigſten wah-
ren/ warumb man ſolchen Frevel gebraucht/ und des Groß Fuͤrſten Lager geſtuͤrmet; man
haͤtte ſich ja hiedurch oͤffentlich vor Feind erklaͤret/ welches traun ein jeder nicht wuͤrde uͤ-
ber ſich nehmen. Andere ſcholten mit den uͤberkommenden/ warumb ſie ſich getrennet/ und
ihren Bundsverwandten/ ja Bruͤdern nicht Beyſtand geleiſtet; aber die/ ſo dem Sturm
beygewohnet/ auch der uͤbrige Pfaffe ſelber/ muſten geſtehen/ es waͤhre unmoͤglich gewe-
ſen/ denen im Lager ichtwas abzugewinnen/ weil nicht allein ſie gar zu feſt verſchanzet laͤgẽ/
ſondern eine ſehr groſſe Manſchafft bey ſich haͤtten/ und zwar die allergeübteſten Teutſchẽ
und Boͤhmen; ſo haͤtten ſich etliche tauſend Mann ganz unbekanter Sprache unter ihnen
gefundẽ/ welche nicht anders als lauter Teufel mit ihren Schwertern gewütet. Niemand
aber wahr/ der den 8000 Abtruͤnnigen (wie ſie ſich muſten ſchelten laſſen) nicht alles uͤbels
gewuͤnſchet haͤtte. Wie hart und ſchwer man auch die Traͤuloſigkeit des Fuͤrſtlichen Heers
raͤchen
[613]Siebendes Buch.
raͤchen wolte/ kunte man ſich ſo bald nicht erklaͤren/ inſonderheit/ daß ſie ihnen eine ſolche
Menge Speiſe betrieglich entwendet/ deren ſie ohn das nicht viel uͤbrig hatten. Doch
ließ die groͤſte Traurigkeit ſich bey den Geiſtlichen ſpuͤren/ dann ſie merketen ſchon/ daß
es endlich uͤber ſie auslauffen duͤrffte/ wann das Meſſer unmahl fallen ſolte/ wurden
auch von etlichen Einfaͤltigen befraget/ warumb Gott Krodo und Goͤttin Freia
zugeben wollen/ daß ihre ergebene und getraͤue Verfechter ſo liederlich nidergeſchlagen/
und doch den Wiederwaͤrtigen kein Abbruch geſchehen waͤhre. Die Pfaffen bemaͤn-
telten ſolches beſt ſie kunten/ und bearbeiteten ſich/ das noch ein Heer 50000 ſtark mit der
Sonnen Auffgang fortgehen/ und die obengeſetzeten Anmuhtungen ungeendert vortra-
gen ſolten. Umb Mitternacht kam Koͤnig Baldrich/ mit 24000 Reutern an/ denen Ek-
hard mit 30000 zu Fuſſe folgete. Herkules und Ladiſla wurden des Entſatzes froh/ dann
auch die 8000 Gefangene hatten ſich gutwillig untergeſtellet/ das nunmehr ihr Heer uͤber
die 102000 Mann beſtund/ und folgendes Tages mit Ekhards Fußvolk umb ſo viel geſtaͤr-
ket ward/ denen eine groſſe menge Speiſewagen folgeten/ und von allenthalben her ihren
Pferden Futter zugetragen/ auch von den Reutern ſelbſt eingehohlet ward. Die Fürſten
hielten vor undienlich/ das ganze Heer in dem verſchantzeten Lager einzuſchlieſſen/ mache-
ten noch ein ſonderliches Reuter Lager/ und legeten fuͤnff kleine ſehr feſte Schanzen eine
kleine halbe Meile von ihrem Lager auff den engen Durchzug/ daher die Auffruͤhrer alle-
mahl kommen muſten/ wann ſie zu dem Groß Fuͤrſten wolten; wurden inwendig drey
Stunden verfertiget/ und mit 15000 Mann/ mehrenteils Schuͤtzen/ (welche Baldrich mit
ſich gebracht) wol beſetzet. Die Aufruͤhrer erfuhren ſolches von ihꝛen ausgeſetzeten Schild-
wachten/ hatten aber das Herz nicht/ es zu hindern/ ſondern erwarteten des Tages/ und ſet-
zeten ihr Vorhaben ins Werk. Ihr Anzug ward den Fuͤrſten zeitig kund getahn/ die nach
gehabtem Raht die junge Groß Fürſtin und Koͤnigin Frr. Valiſken und Lukrezien ver-
mochten/ auff dem wolgeputzeten Elefanten ihnen in begleitung 40000 Reuter (denen
noch 20000 folgen muſten) entgegen zuzihen/ noch ehe ſie bey den fuͤnff Schanzen anlange-
ten/ und ſolte Herkules/ doch unerkant/ die Voͤlker fuͤhren/ welcher alle Wenden und Par-
ther nebeſt 31000 Teutſchen/ Boͤhmen und Frieſen in gleicher Anzahl zu ſich nam/ und drey
viertelmeilen vom Lager auff ſie ſties/ ſendete Prinſla mit 500 Reutern voran/ und ließ ih-
nen ſagen; ſie ſolten ſtille halten/ und keinen Fuß naͤher ruͤcken/ oder des feindlichen Angrifs
gewaͤrtig ſeyn. Ihr hoͤchſtgebietender Groß Fuͤrſt haͤtte eine anſehnliche Geſandſchaft an
ſie abgehen laſſen/ von welcher ſie dero Hocheit ſchließliche Meinung würden zuverneh-
men haben. Die Pfaffen wahren bedacht/ fortzugehen/ aber der Adel wolte durchaus nicht;
man muͤſte ſich dañoch ſchaͤmen/ der Obrigkeit vorſezlich zu trotzen; die Geiſtligkeit moͤchte
doch dermahleins auffhoͤren/ ſich in das mutwillige Verderben zu ſtuͤrzen/ und betrachten
daß ihres mittels ſchon 52/ teils in Haft/ teils in den Tod gerahten waͤhren/ ſo truͤge an der
neulichen Niderlage niemand ſchuld als der Geiſtlichen Troz und Verwaͤgenheit. Man
hielte ja den Groß Fuͤrſten annoch vor ihre Obrigkeit/ weſſen wolte man ſich dañ zeihen/ dz
man ihm allen Gehorſam verſagete? Vielleicht waͤhren die Vorſchlaͤge ſo beſchaffen/ daß
ſie einen guten Grund zur guͤtlichen Handelung ſetzen koͤnten/ und moͤchten al endlich die
Herrn Geiſtlichen wiſſen/ daß man nicht ſchuldig waͤhre/ ihnen/ als die Ochſen ihren Hir-
h h h h iijten/
[614]Siebendes Buch.
ten/ blindlings und ihres gutduͤnkens zu folgen; wuͤrden ſie dieſe herlichen Voͤlker in gefahꝛ
ſetzen/ wie ſichs anſehen lieſſe/ ſolten ſie es hernaͤhſt vor der Verſamlung zuverantworten
haben. Hiedurch wurden ſie eingehalten/ daß ſie der Geſandſchaft erwarteten. Als ſie nun
das ungewoͤhnlich groſſe wolgeputzete Wunder-Tihr ſahen/ und die zwey allerſchoͤnſten
Weibesbilder oben darauff/ welche ſich in Koͤniglichem Pracht biß an den Guͤrtel zeigetẽ/
entſetzeten ſich groß und klein/ daß ihrer viel ſie vor warhaftige Goͤtter hielten. Valiſka meꝛ-
kete ihre verenderung/ und als ſie ſahe/ daß der meiſteteil ſich ehrerbietig erzeigete/ ſchoͤpfete
ſie gute Hofnung/ etwas fruchtbarliches auszurichten/ und fing dieſe Rede an: Von Got-
tes Gnaden/ ich Valiſka/ gebohrnes Koͤnigliches Fraͤulein aus Bohmen/ des Durchleuch-
tigſten unuͤberwindlichen Helden/ Herrn Herkules/ gebohrnen Groß Fuͤrſten und unſtrei-
tig-naͤheſten Erben des freien Teutſchen Reichs/ erwaͤhleten Fuͤrſten zu Suſa in Aſien/
und der Koͤnig- und Groß Fuͤrſtlichen Verbündnis daſelbſt/ Feld Obriſten ſein Gemahl.
Der ganze Adel dieſes vernehmend/ neigete ſich ſehr tief mit dem Haͤupte auff ihren Pfer-
den/ da ſie in ihrer Rede unverruͤcket alſo fortfuhr. Ja ich Valiſka/ Teutſches Gebluͤts uñ
eures hochverdienten Groß Fuͤrſten Frauen Schweſter einige Tochter/ bin von ſeiner
Großfuͤrſtl. Hocheit an euch ſeine Untertahnen und Soͤhne abgefertiget/ von euch zuver-
nehmen/ was vor ein ſonderbahres Ungluͤk und ſchwere Gottesſtraffe es doch immer und
ewig ſeyn moͤge/ daß/ in dem er auff der Fahrt iſt/ ſeinen lieben freien Teutſchen ſich wieder
als ein gnaͤdigſter Vater darzuſtellen/ und durch ſeine gluͤkliche Erloͤſung nach gehaltenem
Siege ſie zuerfreuen/ er mit ſchmerzhafen Augen anſehen und beſtuͤrzetem Herzen verneh-
men mus/ daß dieſelbe ihm den ſiegpraͤchtigen Einzug in ſein Reich zuverhindern ſollen ge-
meinet ſeyn; da er doch ſeinen Untertahnen mit keinem Wort oder Gedanken zu ſolchem
Auffſtande einige Urſach gegeben/ noch den allergeringſten unter ihnẽ beleidiget hat. Weſ-
ſen zeihet ihr euch/ ihr redlichen Teutſchen/ weſſen zeihet ihr euch? ſeid ihr eures frommen
Großfuͤrſten und Vaters in ſo kurzer Zeit muͤde worden/ darumb daß er von Raͤubern
hinweg gefuͤhret iſt/ die doch ungeſtraffet nicht haben bleiben müſſen? wo iſt dañ der praͤch-
tige Herr/ den ihr vielle icht ſchon an ſeine Stelle erkohrẽ habt? trit hervor/ du neu-erwaͤh-
leter Groß Fuͤrſt/ daß wir deine Hocheit ſehen/ wo wir deſſen ſonſt koͤnnen gewirdiget ſeyn.
Biſtu ein Auslaͤndiſcher/ ſo ruͤhme dich/ daß du der erſte Unteutſche biſt/ deſſen Herſchafft
die Teutſchen ertragen koͤnnen. Biſtu ein Teutſcher/ ſo lege mir deinen Adel vor/ ob er hoͤ-
her ſey als meines Gn. Herrn Schwiegervaters/ dann ich wil nimmermehr hoffen/ daß
du aus dem Pfaffen Stande zur Herſchaft werdeſt erhaben ſeyn. Jedoch ruͤhme dich noch
nicht des Großfuͤrſtlichen Sitzes/ du wirſt aufs wenigſte mit meinem freundlichen lieben
Herrn Oheim und Bruder/ dem Großmaͤchtigſten Frieſen Koͤnige/ Herrn Baldrich den
Kampf darumb angehen muͤſſen/ welchen du vielleicht geſtern in ſeinem Lager haſt beſtuͤr-
men wollen/ aber vergeblich/ weil er hingeritten wahr/ und die Mannſchaft ſeines Reichs/
zu ſeinem und der ſeinigen Entſaz hohlete; kom nun wieder und ſuche ihn/ wie dichs gelü-
ſtet/ er wird ſich finden laſſen; aber kom nur nicht mit Teutſchen Kriegsknechten/ ſondern
mit auslaͤndiſchen; dann ſein eigen Blut zuvergieſſen/ traͤget dieſer tapffere junge Held
groß bedenken/ und hat ſchon heut herzlich beklaget/ daß er ſeinen Wahl mit deren Blut be-
ſpruͤtzet hat ſehen muͤſſen/ deren man lieber haͤtte ſchonen wollen/ wann ſie nicht muhtwillig
an
[615]Siebendes Buch.
an der unſern Schwertern und Spieſſen ſich ſelbſt geſpieſſet haͤtten. Nun/ geſchehene din-
ge ſind wol zu tadeln/ nicht zu endern/ wañ nur das zukuͤnftige Ungluͤkverhindert wird/ ha-
ben wir dem wahren Gott im Himmel zu danken. O ihr meine herzliebe Teutſchen/ was
vor fehl ſehet ihr doch an meinem und eurem Herr Vater/ daß ihr ihm ſo auffſetzig ſeid?
Haſſet ihr ihn vor ſein eigen Haͤupt? ſo habt ihr deſſen noch die allergeringſte Urſach nicht
angezeiget; haſſet ihr ihn wegen ſeiner lieben tapferen Soͤhne? wie ſichs anſehen laͤſſet/ ſo
bedenket ja wol was ihr beginnet. Mein Gemahl Herr Herkules iſt ſein Erſtgebohrner/
ein Held/ ohn unzeitigen und doch mit warhaftigen Ruhm zu melden/ welchen das Roͤmi-
ſche Reich zum Kaͤyſertuhm hat befodern wollen; aber nein/ ſagete er; ich wil bey meinen
lieben Teutſchen bleiben/ und ihre Freiheit wieder das Roͤmiſche Reich und alle andere
Feinde beſchuͤtzen helffen; ein Held/ dem man in Aſien ein Fuͤrſtentuhm geſchenket hat/ nur
daß er daſelbſt bleiben/ und die hoͤchſte Herſchaft verwalten moͤchte; aber nein/ ſagte er/ ich
wil lieber in Teutſchland von meinen kuͤnftigen Untertahnen ſchlechte Heller/ als hieſelbſt
Kronen und aͤdle Steine zur Schatzung einnehmen. Koͤnte er auch ſeine Liebe und Zu-
neigung dem Vaterlande klaͤrer darlegen? noch verachtet ihr ihn/ ja eure Geiſtligkeit hat
ſich bemuͤhet/ ihn gar zuverbannen/ welches an ihnen und dem ganzen Lande zu raͤchen/ ihm
gar ein leichtes waͤhre/ und daß er mit 1000000 wolbewehreter Mannſchaft kaͤhme/ und
Teutſchland zur Einoͤde machete; aber daß wende ja derſelbe gnaͤdig ab/ welcher droben
im Himmel der Sonnen den Glanz/ und uns allen den Athem giebet. Sehet meine gelieb-
te Teutſchen/ dieſe Koͤnigin/ welche neben mir ſtehet/ iſt Koͤnig Baldrichs allerliebſtes Ge-
mahl/ und hat zugleich mit mir einen demuͤhtigen Fußfal getahn vor eurem erzuͤrneten
Groß Fürſten/ daß uns moͤchte gegoͤnnet ſeyn/ mit euch zu reden/ ehe und bevor er mit ſei-
nem Heer auffbreche/ und ſeinen Eifer durch Rache zu ſtillen ſuche. Ihr gebet zwar vor/
ihr redliche Teutſchen/ eure Waffen ſeyn zum Schuz eurer uhralten Goͤtter ergriffen; aber
wer wil euch dann dieſelben nehmen? Ja/ ihr muͤſſet Teutſche Freiheit verfechten; aber
wer wil euch ſolche dann wol ſtreitig machen? etliche mutwillige Buben ſind es/ die euch
ſolches einbilden/ ob wolten eures Groß Fuͤrſten Herrn Soͤhne in dieſen beyden Stuͤcken
euch eintrag tuhn. Sie liegens/ ja ſie liegens durch ihren Halß/ die Gottſchaͤndichte Auff-
wiegeler; und wollet ihr mir glaͤuben; es iſt ein Geticht zu eurem verderben ausgeſtraͤuet.
Wollet ihr mir nicht glaͤuben/ O ihr Teutſche Herzen/ ſo laſſet mir einen einzigen in meine
gegenwart kommen/ der ein wiedriges wahr mache. Kan ers; gut; ich wil alsdann leider
ſeyn/ und an hochgedachter Herren ſtat mich eurer wilkuͤhrlichen Straffe unterwerffen.
Bringet er aber verleumdungen vor/ ſo ſol ihm dieſe weibliche Hand/ wie ſchwach ſie auch
ſcheinet/ abſtraffen/ wiewol ehemahl ein Boshafter durch dieſelbe iſt gezuͤchtiget worden.
Aber ich wil ſchlieſſen/ ihr redliche Teutſchen/ und euch zu allem uͤberfluſſe zu gemüht gezo-
gen haben/ was euer Groß Fuͤrſt ſich zu unterſchiedlichen mahlen erklaͤret hat/ nehmlich/
er wolle in ſeinem ganzen Reiche keinen einigen Menſchen zu einem neuen Glauben oder
Gottesdienſt zwingen/ auch nicht anſuchen noch bereden laſſen/ ſondern ein jeder/ hoch und
niedrig/ reich und arm/ Geiſt- und Weltlich moͤge ſeines alten Glaubens leben/ wie es ihm
gefaͤlt/ und von alters gebraͤuchlich iſt. So ſol auch euer Gottesdienſt an keinem Orte/ we-
der gehindert noch beſchimpfet/ vielweniger verbohten werden. Eure weltliche Gerechtig-
keit/
[616]Siebendes Buch.
keit/ Freiheit/ und was dem anhaͤngig iſt/ beſtaͤtiget er/ daß ſie ſeyn und bleiben ſollen/ wie ſie
Zeit ſeiner Herſchaft ſtets und unverruͤcket geweſen ſind/ nichts durchaus davon ausge-
ſchloſſen. Ja er laͤſſet durch mich ſeine Schwieger Tochter allen ſeinen Untertahnen eine
algemeine durchgehende Verzeihung noch- und zum leztenmahl ankuͤndigen/ und ſolches
aus ſonderlicher angebohrner Gnade/ nur etliche wenige der Straffe vorbehaltend/ die als
Uhrheber dieſes unverantwortlichen Auffſtandes etwa moͤchten überzeuget werden/ und
zwar alſo/ daß deren Anzahl nicht uͤber 30 ſeyn ſolle. Ob ihr nun dieſes ſein Großfuͤrſtliches
gnaͤdigſtes Erbieten annehmen/ euer eigen beſtes beobachten/ dem Lande Friede und Ruhe
goͤnnen/ und das aͤuſſerſte Verderben durch mutwillige halßſtarrige Wiederſpenſtigkeit
euch nicht ſelbſt uͤber den Halß zihen wollet/ ſolches ſollet und muͤſſet ihr euch inwendig 30
Stunden erklaͤren/ dann hernach wird die Gnaden-Tuͤhr verſperret ſeyn. Ich vor mein
Haͤupt wil mich hiemit erbohten und verpflichtet haben/ bey eurem Groß Fuͤrſten
alles daſſelbe zu werben/ was euch ſeinen Untertahnen kan erſprießlich/ und ſeiner Hocheit
und deſſen Herren Soͤhnen nicht nachteilig oder ſchimpflich ſeyn; welches nicht eins zu-
begehren/ ihr ſelbſt verſtaͤndig gnug ſeyn werdet. Hiemit gab ſie ihrer Rede ein Ende/ und
erwartete der Antwort. Der Adel und das gemeine Volk wahren im Herzen ſo geruͤhret/
daß ſie nichts mehr begehreten/ als bey ihrem Groß Fuͤrſten auff ſolchen Vortrag ausge-
ſoͤhnet zu ſeyn; aber die Pfaffheit/ und welche ſich der Auffruhr ſchuldig wuſten/ wolten
dieſen Weg nicht hinaus/ daher fing der Vornehmſte unter ihnen alſo an: Ihr redliche
Teutſche Gott ergebene Herzen und auffrichtige Biederleute; euch iſt/ meine ich/ nicht
unbewuſt/ was geſtalt bißher die maͤchtigen Schuzgoͤtter Teutſchlandes/ Krodo/ Freia/
Irmen Saͤul/ und andere mehr/ euch vor aller auslaͤndiſchen Herſchaft behuͤtet/ und allen
Gewalt der Reichsfeinde kraͤftig hintertrieben und abgekehret haben/ und wir uns daher
ſchuldig wiſſen/ uns denſelben dankbar zuerzeigen uñ auf alle Wege zuverhuͤten/ dz ihnen
kein Spot oder Schimpf angetahn/ vielweniger ſie gar verworffen oder von unſer Obrig-
keit bey ſeite geſetzet werdẽ. Ihr habt von dieſer gnug ſchoͤnen uñ beredſamẽ jungen Fuͤrſtin
halte ich/ wolverſtanden/ weſſen euer GFuͤrſt ſich anerbeut (dañ dz uͤbrige berühre ich nicht/
nur wz zur ſache dienet) nehmlich/ ſeine Hocheit wolle allen uñ jeden Untertahnẽ den uraltẽ
Gottesdienſt frey laſſen. Je/ moͤchte jemand ſagen/ genug genug/ wann wir dieſes haben/
das iſt eben was wir ſuchen/ was wolten wir mehr? Aber iſt dieſes gnug ihr meine lieben
Soͤhne/ iſt dieſes gnug? Weit O weit gefehlet! unſere Goͤtter wollen trauen nicht allein der
Untertahnen/ ſondern auch der Obrigkeit ihren Gehorſam/ Herz und Ehrerbietung habẽ/
ſonſt ſtraffen ſie die Verachtung ihnen angelegt/ ſo wol an den Untertahnen als an den
Veraͤchtern ſelbſt. Ich wil von unſerm jetzigen Großfuͤrſten nicht muhtmaſſen/ daß er ſich
bald eines andern bedenken/ die Zuſage endern/ und ſeine Nachfolger es wol gar aufheben
koͤnten; nur dieſes einige gebe ich euch ingeſamt zuerwaͤgen/ ob ſich nicht gebuͤhre; ja ob
nicht des ganzen Reichs Heil und Wolfahrt es erſodere/ daß Obrigkeit und Untertahnẽ
einen gleichmaͤſſigen Glauben/ einen durchgehenden Gottesdienſt/ einen Gott haben. O
wie jammert mich ſchon des Elendes/ welches aus den unterſchiedlichen/ ja/ wiederwaͤr-
tigen Gottesdienſten entſtehen wird. Der Herr wird zu dem Knechte ſagen; warum ma-
cheſtu es nicht nach/ wie ich dirs vormache/ damit du meine Gnade behalteſt/ und zu hohen
Ehren-
[617]Siebendes Buch.
Ehrenaͤmtern befodert werdeſt? der Knecht wird ſich mit ſeinem Gewiſſen ſchuͤtzen/ er koͤn-
ne die uhralten Goͤtter nicht hindan ſetzen/ und durch deren Verwerffung alle ſeine Vor-
Eltern uͤbern Hauffen verdammen. Dann wird ſein Herr fortfahren: O du elender Narr/
was uhralte Goͤtter/ was uhralte Goͤtter? das alte gilt nicht mehr/ es klappert/ aber das
neue klinget und iſt angenehm; deine Goͤtter ſind falſche Goͤtzen/ Luͤgen-Goͤtzen/ nichtige
Goͤtzen; deine Vor Eltern ſind durch Irtuhm verfuͤhret; ſie habens nicht beſſer gelernet/
die himliſche Erkaͤntnis und Wiſſenſchafft iſt ihnen nicht mit geteilet. Dieſes darff der
Knecht nicht aus dem Grunde wiederlegen/ wie leicht es ihm auch waͤhre/ wo er ſonſt nicht
ohn Kopf nach Hauſe gehen wil/ (aus welcher Urſach ohn Zweifel meine ſechs Liebe und
hochſelige Mit Bruͤder haben muͤſſen ihr unſchuldiges Leben laſſen)/ er darf nicht ſprechẽ;
Herr woher wiſſet ihrs/ daß meine und eure Vor Eltern geirret haben/ und ihr nicht irret?
Er darf nicht wieder antworten; Herr euer Gott iſt ein ſolcher/ wie ihr die meinen mit
unwarhaftem Maule ausſchreihet/ ſondern er mus alles ſtilſchweigend in ſich freſſen; das
wird ihm ein Schwert im Herzen/ ein Brand in der Seele/ ein Denkmahl im Gewiſſen
ſeyn/ und ihn von der ſchuldigen Traͤue abwendig machen/ weil er ſeinen Herrn vor einen
Feind der Goͤtter halten muß. Iſt er dann ein Bidermann/ wird er die Goͤtter gerne ge-
ſchuͤtzet ſehen/ und kan ers ſelber nicht/ muß er wol auslaͤndiſche Huͤlffe heꝛzu ruffen. Ey ich
meine/ da werde es alsdann ein ſchoͤn freſſen geben/ da werde es an ein Katzebalgen gehen/
welches nicht auffhoͤren kan/ biß Teutſchland der Feinde Beute/ und der auslaͤndiſchen
Spot worden iſt. Was ſol ich aber von Recht und Gerichte ſagen? die Ehrgeizigen un-
ter uns/ wann ſie kein ander Mittel ſehen/ uͤber andere zuſteigen/ werden bey der Obrigkeit
ſich melden/ ihr alter Gottesdienſt gefalle ihnen nicht mehr/ ſie haben Luſt ihrer Obrigkeit
ſich gleich zu halten und ihren Gott anzunehmen/ damit werden ſie Gnade erlangen/ und
zu Ehrenaͤmtern befodert werden; ja dieſe werden unſere Richter ſeyn/ und die Urtel nicht
nach Billigkeit und Recht/ ſondern nach Gunſt und Gewogenheit abfaſſen/ inſonderheit/
da ein Liebhaber der alten Goͤtter mit einem Neuling oder Chriſten wird uͤber den Fuß ge-
ſpannet ſeyn. Da wird jener in ſeiner gerechteſten Sache unterliegen muͤſſen/ und dieſer
wird Freyheit haben/ dem Richter vorzuſchreiben/ wie erſprechen ſol. Es wird kommen/ ihr
redliche Teutſchen/ ja es wird kommen/ und dahin gelangen/ daß wann der im alten Glau-
ben beſtaͤndiger/ wil huͤlffe haben/ wird er zuvor ſeinen Goͤttern muͤſſen ungetraͤu werden/
und den Glauben endern: Und alſo wird Teutſchland ſich verwundern muͤſſen/ uͤber ſich
ſelbſt/ wie es ſo ſchleunig von ſeinem heilſamen Gottesdienſt abgefuͤhret/ und eine Gottes-
Verlaͤugnerin worden iſt; aber man wirds muͤſſen an Gütern/ Hals und Bauche empfin-
den/ wann Gott Krodo ſeine Keule zuͤcken/ und Goͤttin Freia die Steine zum Wurf faſſẽ
wird/ daß alles über und uͤber gehen muß/ und kein verſchonen wird zu hoffen ſeyn/ biß
Teutſchland zur Einoͤde/ und ihre Einwohner zu Staub und Koht worden ſind. Beden-
ket dieſes wol/ O ihr in Gefahr ſchwebende Teutſchen/ bedenket es/ und bauet im Anfange
vor/ daß ihr nicht anſehen duͤrfet/ wie eure Weiber und Kinder in Dienſtbarkeit wegge-
ſchleppet/ und ihr alle miteinander jaͤmmerlich abgeſchlachtet werdet. Beſtehet feſtiglich
auff dem gemachten Schluſſe/ daß unſer Großfuͤrſt und alle ſeine Kinder/ Erben/ Nach-
folger und Angehoͤrige ſich aͤyd- und ſchriftlich verbinden/ nicht allein den Untertahnen dẽ
i i i iuhral-
[618]Siebendes Buch.
uhralten Gottesdienſt frey zulaſſen/ ſondern auch ſelbſt vor ſich denſelben ſchlechter Dinge
zubehalten/ und durchaus keinen fremden Gott/ wie der auch Nahmen haben moͤge/ neben
einzufuͤhren. Werden ſie ſich deſſen wegern/ alsdann muͤſſen ablangliche Mittel an die
Hand genommen werden/ oder aber Teutſchland iſt ſchon ſo gut/ oder vielmehr/ ſchon ſo
ſchlim als eine Wuͤſteney und Mordgrube; wohin es aber mit der Goͤtter Huͤlffe nim-
mermehr kommen ſol. O Krodo/ O Irmen Seul/ O Freia/ O ihr Teutſchen Goͤtter groß
und klein/ ſehet an die Noht und Gefahr eures/ ja eures Teutſchlandes/ ſchuͤtzet euch ſelbſt
und eure Ehr/ auch zugleich alle/ die eurem Dienſte auffrichtig ergeben ſind. Die aber ſo
euch wiederſtreben/ und andere Goͤtter einzufuͤren ſich bemuͤhen/ die greiffet an mit Druͤ-
ſen/ Peſtilenz und fallender Sucht/ daß vor Angſt/ weh und Schmerzen ſie nicht wiſſen/
wo ſie daheime ſind/ biß nach eurer billichen Rache ſie durch ihr eigen Schwerdt ſich ge-
faͤllet haben/ und ihre innerliche Galle ihnen zu Schlangen Gifft gedeie/ der jhnen das gott-
loſe Hertz brenne und brate/ biß ſie ihre verfluchte Seele hinden und fornen/ und zu allen Loͤ-
chern außſpeyen. Die Großfuͤrſtin hatte ſeine Rede mit groſſem Verdruß angehoͤret/ aber
wegen dieſer teufliſchen Verwuͤndſchung meinete Sie vor Zorn zu berſten; doch weil Sie
ſahe/ daß der Pfaffe nicht geringen Beyfall bekam/ ob gleich niemand oͤffentlich redete/
maͤſſigte Sie ſich ſelbſt als beſt Sie kunte/ und gab ihm dieſe Antwort: Heilloſer Pfaffe/
wann du ſo wol behten und ſegnen koͤnteſt/ als du fluchen gelernet haſt/ muͤſte deines glei-
chen in frommer Andacht erſt gebohren werden; weil aber dein gottloſer Fluch nur in den
Wind gehet/ und keine Chriſten treffen kan (dann Trotz allen deinen Goͤtzen/ daß ſie ihn an
mir erfuͤllen)/ ſo wil vor dißmahl ich deiner unergruͤndlichen Bosheit nicht antworten.
Eines lobe ich an dir/ daß du es mit dem Vaterlande gut meyneſt/ wo ſonſt deine Reden/
wie ich ſehr fuͤrchte/ nicht wegen deines Eigennutzes ausgeſtoſſen ſind. Daß du aber dich
unternehmen darffſt/ deine dir von Gott vorgeſetzete Obrigkeit dergeſtalt zu verunglimp-
fen/ und ſie ungeſcheuhet zubeſchuldigen/ als wuͤrde ſie Recht und Gerechtigkeit verkehrẽ/
und die Urtel nach eigenen Luͤſten ſprechen und ſprechen laſſen/ daran handelſt du als ein
meinaͤidiger Boͤſewicht. Wohin aber ſol ich dieſen deinen teufliſchen Frevel rechnen/ daß
du ſchlimmer Bube dir die Gewalt zueigneſt/ deiner hoͤchſten Obrigkeit nach deinem Wil-
len Geſetze vorzuſchreiben/ und ſie zunoͤhtigen/ daß ſie ihr Gewiſſen beſudeln? Glaͤubet mir
ihr redlichen Teutſchen; Obrigkeit und Untertahnen koͤnnen gar wol in weltlichem Frie-
de und guter Einigkeit leben/ ob ſie gleich nit einen Glauben habẽ; nur allein dieſer ſchmaͤh-
ſuͤchtige Pfaffe gebrauchet ſich dieſes Grundes/ euch wider euren getraͤuen Groß Fuͤrſten
zu eurem Verderben auffzuwiegeln. Dann iſt es nicht ein unbeſonnenes Vornehmen/ dz
er ſeine Großfuͤrſtl. Hocheit und deſſen Herren Soͤhne zur aͤid- und ſchrifftlichen Verſi-
cherung zwingen wil/ nach ſeinem gefallen/ wider ihre Ehre uñ Gewiſſen/ als ob er ſie ſchon
im Stokhauſe ſitzen haͤtte/ da euch ſchwehr fallen wird/ ihrer Waffen Macht zuentgehen/
wo es nicht durch Bitte und untertaͤhnigſtem Gehorſam geſchihet? Biſt du der Mann/
Pfaffe/ dem ich nachgefraget habe/ daß er des Groß Fuͤrſten Stuel beſitzen wil? Zum Zun-
gendroͤſcher biſtu ſchier gut genug/ was die Glocke betrifft/ wann das Gelaͤute nur nicht ſo
gar garſtig waͤhre; aber Herr und Groß Fuͤrſt zuſpielen/ biſtu viel zu unbeſonnen. Du haſt
viel Geifers ausgeſpeiet/ welcher deines Groß Fuͤrſten und ſeiner Herren Soͤhne Hoch-
Fuͤrſt-
[619]Siebendes Buch.
Fuͤrſt- und Koͤnigliche Ehre dermaſſen geſchaͤndet/ daß du verdienet haſt/ man ſchnitte dir
Rienen aus dem Leibe/ und henkete dich dran. Aber es tuht mir leid/ daß uͤber dich Unflat
ich meinen viel zu aͤdlen Zorn auslaſſe. Euch rede ich forthin an/ ihr redliche Teutſchen/
ſchlaget meinen Raht ja nicht aus/ wollet ihr ſonſt leben. Nehmet die angebohtene Gnade
und eingewilligte unbruͤchige Sicherheit eures Gottesdienſtes ohn ferner bedenken an/
und fuͤrchtet euch nicht vor den ſchwarzen Raben/ welche dieſer Schaͤnder nur mit Waſ-
ſerfarbe mahlet/ und nimmermehr ausgehecket werden ſollen. Er wird nur bloß von dem
boͤſen Teufel getrieben/ welcher an dem geſtrigen Blutbade noch kein genuͤgen hat/ ſondeꝛn
euer noch viel tauſend gerne auff die Fleiſchbank opfern wolte/ woran er eine groſſe Freu-
de haben wuͤrde/ dafern es ihm nach Wunſch gerahten ſolte. So ſey nun euch aͤdlen er-
laͤubet zureden/ ja auch den verſtaͤndigen aus der Gemeine/ was eure weitere Anſoderung
ſeyn moͤchte; ich wil euch gnaͤdigſt hoͤren/ und meinem Gn. Herr Vater alles gerne hin-
terbringen; aber was Pfaffe iſt und heiſſet/ das ſchweige hinfuͤro/ dann deren Geifer iſt ſo
hoher Ehren nicht wirdig/ werde mich auch nach dieſem mit keinem mehr einlaſſen/ es ge-
ſchehe dann zu ſeinem Verderben/ und zu Erhaltung meiner Fuͤrſt- und Koͤniglichen Eh-
re. Die Pfaffen ſahen wol/ wo dieſes hinaus wolte/ daher ſie nicht bedacht wahren/ ihnen
die Zunge hemmen zulaſſen/ ſondern der vorige/ Nahmens Wilken/ fing ſeine Schmach-
rede von neuen alſo an: Ich wil ja nimmermehr hoffen/ daß die hochaͤdle tapffere Teutſche
Ritterſchafft/ und die ganze Gemeine/ ſich von einer jungen Frauen/ welche erſt von dem
Spiegel hinweg getreten iſt/ werde vorſchreiben/ und von unſerm hochloͤblichen Werke ab-
wendig machen laſſen; ich meyne ja nicht/ daß dem Adel es Nachteil geben koͤnne/ wann
ſie mit der Geiſtligkeit an einem Joche zihen/ und zwar daſelbſt/ wo man vom Gottesdienſt
handelt. Es wuͤrde trauen dem Teutſchen Adel hoͤchſt ſchimpflich ſeyn/ daß man heut oder
morgen ſagen ſolte/ ſie haͤtten den gemachten Bund auff Einrede einer ſchoͤnen jungen
Frauen/ welche ſie vor niemahls geſehen/ zerflieſſen laſſen/ und des Vaterlandes Wolfahꝛt
zuruͤk geſtellet. Bißher haben wir Maͤnner in Teutſchland unſere Weiber befehlichet/ und
ihnen nicht gegoͤnnet/ ſich in Reichshaͤndel zumiſchen; und nun mehr ſcheinet es/ als wuͤr-
den wir unwerd geachtet/ mit denen man durch Maͤnner handele/ daß dieſe Jungefrau ge-
harniſchten Maͤnnern Geſetze vorſchreiben/ und im Nahmen der hoͤchſten Obrigkeit an-
tragen ſol. Valiſka wolte ihm laͤnger nicht zuhoͤren/ und fing an: Was ſageſtu ſchaͤndli-
cher Verleumder? Wiltu mir antichten/ ob ſolte ich den loͤblichen Teutſchen Adel zu un-
verantwortlichen Sachen anreizen wollen? Ja haſtu ſo gelernet/ deines angebornen jun-
gen Groß Fuͤrſten und kuͤnfftigen Herſchers Ehegemahl zuehren/ daß du ſie einem gemei-
nen Weibe vergleicheſt/ uñ unwert ausſchreiheſt/ die im Namen ihres Gn. Herꝛn Schwie-
gervaters/ mit deſſen Untertahnen zu ihren eigenen beſten handele? Dieſer Schimpff
muͤſte auff mich nicht erſitzen/ oder ich unwirdig ſeyn/ eines Fuͤrſten Gemahl zuheiſſen.
Faſſete hiemit ihren Bogen/ und ſchoß ihm einen Pfeil ins Herz/ daß er ohn Wortſpre-
chen niderſtuͤrzete. Die Pfaffen lieffen geſchwinde zu/ huben den zappelnden auff/ in mey-
nung/ er wuͤrde dem Tode noch ſo nahe nicht ſeyn/ daher ihm einer zurief: Herr Wilken/
Herr Wilken/ was vor ein Mordpfeil hat euch uͤbereilet? Dieſer verkehrete die Augen im
Kopffe/ brüllete wie ein Ochſe/ und fuhr damit zu ſeinem Gott Krodo. Das anweſende
i i i i ijPfaf-
[620]Siebendes Buch.
Pfaffengeſchmeiß fing darauff ihr Zetergeſchrey an/ und ermahneten die ihrigen zur Ra-
che; nun ſaͤhe man augenſcheinlich/ wie es gemeynet waͤhre; ohn zweifel wuͤrden alle ihre
abgeſchikte Amts Bruͤder ſchon ſolcher geſtalt hingerichtet ſeyn/ auff daß man die geſam-
te Geiſtligkeit abſchlachtete/ uñ keiner uͤbrig bliebe/ der ſich ihrer Goͤtter getraͤulich annaͤh-
me/ und den alten Gottesdienſt erhielte. Aber Valiſka fiel ihnen in die Rede/ und fing mit
freundlichen Geberden an: Ihr redliche fromme Teutſchen/ laſſet euch ja von dieſen Bu-
ben nicht zu weiterem Auffruhr verleiten; Ihr ſehet/ daß man euch gewachſen iſt; befodert
euren Untergang nicht ſelber mutwillig; ich habe den Schand Buben wegen ſeiner Laͤſte-
rung billich geſtraffet/ ihr aber ſollet ſo viel groͤſſere Gnade zugewarten haben. Doch rahte
ich euch als eure getraͤue Freundin; laſſet die Pfaffen abtreten/ oder zum wenigſten das
Schaͤnde-Maul halten/ dann ſie verhindern eure Wolfahrt; und erklaͤret euch/ ob ihr eu-
res gnaͤdigſten Groß Fuͤrſten gehorſame Untertahnen oder muhtwillige Auffruͤhrer ſeyn
wollet; werdet ihr aber laͤnger ſchweigen/ muß man ſolches vor eine augenſcheinliche Wi-
derſpenſtigkeit halten/ welche euch den garaus machen wird. Das gemeine Volk/ ohndas
der Pfaffheit ergeben/ ward hieruͤber entruͤſtet/ meineten/ man verfuͤhre mit ihnen gar zu
ſtraͤnge/ begunten ſich auch fertig zum Streit zumachen/ und wahr an dem/ daß ſie den
Angriff auff Herkules Voͤlker wagen wolten. Aber der Adel begütigete ſie/ mit dem ver-
ſprechen/ es wuͤrde noch alles nach ihrem Willen ergehen/ lauffen und kauffen wolte nicht
zu hauffe; die anſehnliche Groß Fuͤrſtin haͤtte den ihr angelegten Schimpf nach Teutſchẽ
Gebrauch gerochen; Der Pfaffe ſolte hoͤflicher gefahren ſeyn/ deſſen ungeſtuͤme veraͤchtli-
che Reden kein vernuͤnfftiger Menſch billichen koͤnte; Koͤnige und Fuͤrſten müſten dan-
noch ihre Wirde und Hocheit behalten/ und waͤhre kein Untertahn befuget/ dieſelbe ſolcheꝛ
geſtalt zubeſchimpffen/ maſſen auch fremde den hohen Haͤuptern Ehrerbietigkeit zuerzei-
gen ſchuldig waͤhren. Herkules/ ſo bald er des Poͤvels Vorhaben merkete/ taht den 20000
Reutern die ihm folgeten/ Befehl/ umb des Feindes Voͤlker herzuhauen/ und ihnen den
Weg nach ihrem Lager zuverlegen/ ſeine 40000 Reuter aber ſtellete er ihnen entgegen in
einer ausgedehneten anſehnlichen Schlachtordnung/ und wahren 8000 Schuͤtzen aus
den fuͤnff Schanzen mit herzu gefodert. Die Kriegserfahrne unter den Auffruͤhrern ſahen
wol/ mit was Vorſaz Herkules (den ſie noch nicht kenneten) umging/ daß er ſie einſchlieſ-
ſen/ und aller gelegenheit zur Gegenwehr berauben wolte/ daher ſie die Oberſten warnetẽ/
ihres Tuhns wahrzunehmen/ und ſich weit genug von einander zuſetzen; aber ehe ſie dieſes
ins werk richten kunten/ wahren ſie dergeſtalt ſchon eingefaſſet/ daß ihnen unmoͤglich war/
ſich der unſern zuerwehren; woruͤber der Adel hoͤchlich erſchrak/ den großſprechigen Pfaf-
fen ihren Hochmuht verwieß/ und zu ihnen ſagte: Weil ſie alles nach ihrem ſteiffen Sinne
richten wolten/ ſolten ſie ſich nun auch des Streits annehmen/ und die Schlacht ordnen/
nun ſie von allen Seiten her umgeben waͤhren/ daß ſie ſich nicht regen noch wenden/ noch
das Gewehr gebrauchen koͤnten. Herkules fuhr in ſeiner Bereitſchafft immer fort/ hatte
ſein Reuterheer in zween gleiche Fluͤgel geteilet/ die ſich von beyden Seiten zimlich nahe
an den Feind gehenket hatten. Hinter ihnen/ wie geſagt/ ſtunden auch 20000 Reuter unter
Prinſla Anfuͤhrung/ und die Schuͤtzen hielten Stand vor dem Feinde. Neklam muſte
mit 500 Reutern nahe hinzu reiten/ und ihnen anmelden/ es taͤhte dem Großfuͤrſtlichen
Heer-
[621]Siebendes Buch.
Heerfuͤhrer leid/ daß er gezwungen ſeines Groß Fuͤrſten Untertahnen niederſchlagen muͤ-
ſte/ und wegen ihrer Widerſezligkeit doch nicht anders koͤnte/ weil ſie den Anfang zum Tref-
fen an ihrer Seite gemacht/ welches verfolget ſeyn muͤſte/ es waͤhre dann/ daß ſie das Ge-
wehr niderlegeten/ Gnade begehreten/ und die ſaͤmtlichen Pfaffen auslieferten/ als welche
an allem Unheil allein Schuld trügen; denen doch nicht aͤrgers wiederfahren ſolte/ als daß
ſie zu den uͤbrigen ſchon gefangenen ſolten hingefuͤhret werden; wuͤrden ſie deſſen aber ſich
wegern/ ſolte es ihnen allen das Leben koſten. Die Voͤlker ſahen/ daß ihnen unmoͤglich
wahr/ ſich gebuͤhrlich zur Gegenwehr zuſetzen/ willigten deswegen ein/ daß ſie die Pfaffen
zuruͤk laſſen/ aber mit ihrem Gewehr Abſcheid nehmen wolten. Neklam vermahnete ſie
abermahl/ die Gnade/ ſo ihnen gebohten wuͤrde/ anzunehmen/ und zu ihrem Groß Fuͤrſten
zutreten/ damit ſie ihr Leben retten moͤchten; Und als ſie ſich deſſen wegerten/ druͤcketen die
Schuͤtzen loß/ felleten 3000 nider/ und verwundeten 5000/ daß ſie zum Gefechte unduͤch-
tig wahren. Nach ſolchem Treffen ſetzeten die Reuter von allen dreyen Seiten in ſie hinein/
und trieben ſie dergeſtalt enge in einander/ daß ſie ſich nicht regen kunten/ und ſich unter
einander ſelbſt haͤtten erdrücken muͤſſen/ weil ſie nicht eins gelegenheit hatten/ ſich an ei-
nem Ort durchzuſchlagen. Es wurden über die vorgemeldete noch 4000 nidergehauen/
und 6000 verwundet/ biß Herkules abermahl an ſich hielt/ ob ſie ſich eines beſſern bedenken
wuͤrden/ da ſie dann das Gewehr von ſich wurffen/ umb Gnade bahten/ und ſich erklaͤretẽ/
zu ihrem Groß Fuͤrſten zutreten/ und unter deſſen voͤlligen gehorſam ſich zubegeben; wor-
auff ſie als gefangene/ 32000 ſtark in vier achttauſichte Schaaren nach des Großfuͤrſten
Lager hingefuͤhret/ die 11000 verwundete aber zurük nach den ihren gelaſſen wurden/ wie-
wol 40 verwundete vom Adel lieber mit dem groͤſten Hauffen nach ihren Fuͤrſten mit wol-
ten/ daher man ſie verband/ und gerne mit nahm. Als dieſe groſſe Menge gefangene bey
dem Lager ankahmen/ ritte der Groß Fuͤrſt zu ihnen hinaus/ und fragete ſie mit guͤtlichen
Worten: Aus was urſachen ſie ſich wider ihn aufflehneten/ da er doch keinen Menſchen
zubeleidigen willens waͤhre. Die gefangene fielen nider/ bahten umb Gnade/ und entſchul-
digten ſich/ daß ſie von den Pfaffen darzu angetrieben waͤhren/ unter dem hochbeteurlichen
Vorgeben/ die junge Herſchafft wolte die alten Goͤtter abſchaffen/ neue einfuͤhren/ ünd das
ganze Vaterland den Roͤmern zinßbar und unterwuͤrffig machen. Es funden ſich bey die-
ſem Hauffen 33 Pfaffen/ und 17 wahren im Treffen drauff gangen/ der von Valiſken er-
ſchoſſene mitgerechnet. Der Groß Fuͤrſt hieß dieſelben vor ſich treten/ und fragete ſie inge-
ſamt/ welcher helliſche Geiſt ihnen eingeblaſen haͤtte/ ſolchen algemeinen Auffſtand des Lan-
des zumachen. Welches ihrer 10 beantworteten: Die Pflicht/ damit ſie ihren Goͤttern
verbunden waͤhren/ haͤtte ſolches von ihnen erzwungen. Es wurden dieſe Worthalter al-
lein geſtellet/ und fing der Groß Fuͤrſt abermahl mit ſanfftmuͤhtiger Rede an: Daſern ihr
dieſes gnugſam werdet behaͤupten koͤnnen/ wil ich euch recht geben/ und euer Vornehmen
loben; darumb beweiſet mirs/ ob dann jemand ſey/ welcher gewilliget iſt/ eure Goͤtter euch
zunehmen/ und euch den gewoͤhnlichen Gottesdienſt zuverbieten. Dieſes/ antworteten je-
ne/ waͤhre die kundbahre Warheit/ und unleugbar/ daß die junge Herſchafft ſolchen Vor-
ſaz haͤtten. Ihr tuht wol/ daß ihr mir ſolches anzeiget/ ſagte der Groß Fuͤrſt/ und wann ihr
ſolches behaͤupten koͤnnet/ werde ich wiſſen/ meine Kinder deswegen ernſtlich anzuſehen;
i i i i iijBefahl
[622]Siebendes Buch.
Befahl auch/ daß ſeine Soͤhne und Koͤnig Ladiſla alsbald hervor gefodert wuͤrden; welche
geſchwinde da wahren/ und der 10 Pfaffen Beſchuldigung von ihrem Herr Vater anhoͤ-
reten. Da ſagte nun Herkules zu denſelben: Haltet ihr eure Anklage vor die kundbahre
Warheit/ wolan ſo überweiſet uns deſſen/ alsdann ſind wir bereit/ des Landes Straffe uͤ-
ber uns zunehmen; Wir aber wiſſen uns deſſen unſchuldig/ und iſt ſolcher Vorſaz nie in
unſer Herz kommen. Dieſe Pfaffen wahren ihnen eines ſolchen gerichtlichen Verfahrens
nicht vermuhten/ ſchwiegen ſtille/ und ſahen ſich nach ihren uͤbrigen Amts Bruͤdern umb/
daß ſie zu ihnen treten ſolten; Aber der Großfuͤrſt zeigete an/ die uͤbrigen ſolten ſchweigen/
oder ſo etliche unter ihnen waͤhren/ die ſich getraueten die Anklage gebuͤhrlich zubehaͤuptẽ/
ſolten ſie zu den zehnen nahen; deſſen ſich doch keiner unterſtehen wolte; Und draͤngete
er ſtark in die Zehne/ ihren Beweißtuhm wieder ſeine Soͤhne zufuͤhren/ und ſich zu
verſichern/ daß ihnen deſſen volkommene Freiheit hiemit ſolte gegeben ſeyn. Dieſes
machte ihnen einen Muht/ und fing der eine alſo an: Es iſt eine preißwirdige Liebe zur Ge-
rechtigkeit/ daß eure Großfuͤrſtl. Hocheit in dieſem Gerichte uns die Freiheit gibt/ des Lan-
des Notturft wieder ihre Soͤhne zubehaͤupten/ als welche ihre alten Land-goͤtter verlaͤug-
net/ und einen neuen angenommen haben; welches/ weil ſie es nicht werden in abrede ſeyn/
halte ich daher unſere Anklage vor ſchon erwieſen. Herkules wolte/ daß Baldrich dz Wort
fuͤhren ſolte/ welcher darauff ſagte: Nein Pfaffe/ deine und deiner Geſellen Klage iſt da-
durch nicht erwieſen; maſſen dein voriges alſo lautete; eure junge Herſchaft waͤhre gewil-
liget/ eure alten Goͤtter euch zu nehmen/ und euren Gottesdienſt euch zuverbieten; dieſes
muſtu und deine Mitklaͤger als eine kuͤndliche Warheit darſtellen; dann ob mein H. Bru-
der und ich einen andern Gott erkennen/ und wiſſen daß eure Goͤtter falſche Goͤtter ſind/
iſt ganz eine andere Frage/ und geſtehe ich dir nicht/ mich deswegen zubeſprechen; deswe-
gen fuͤhre einen redlichen Beweiß deiner beſchuldigung/ oder wiſſe/ daß ich dich als einen
luͤgenhaften Verleumder peinlich anklagen werde. Dem Pfaffen entfiel das Herz/ wuſte
hierauff nichts gründliches zu antworten/ und brachte halb zitternd vor/ er koͤnte nicht an-
ders ſchlieſſen als daß die junge Herſchaft den uhralten Gottesdienſt auffzuheben wuͤrde
geſinnet ſeyn/ weil ſie denſelben vor ſich abgelegt haͤtten. Hat niemand unter euch Pfaffen
einen beſſern Beweißtuhm als dieſen? fragete der Groß Fuͤrſt; dann die jungen Fuͤrſten
wahren auff getahne Antwort wieder davon geritten. Die Pfaſſen ſchwiegen alle/ biß der
Worthalter anfing: Gott Krodo und die Goͤttin Freia haͤtten es ſelbſt angedeutet/ daß die
junge Herſchaft mit ſolcher Verenderung umginge. Ja mein Pfaffe/ ſagte der Großfuͤrſt/
ſo muſtu ſolche Zeugen darſtellen/ oder als ein Luͤgener und Verleumder geſtraffet werden.
So ruffe nun deine Goͤtter herzu/ daß ſie dich vertreten/ ſonſt wirſtu den Ausſpruch des
Rechtens bald zuvernehmen haben. Wendete ſich darauff zu den Gefangenen aͤdlen/ und
fragete ſie/ was ſie meineten/ ſolche Untertahnen verdienet zu haben/ welche ihrer angebohꝛ-
nen hoͤchſten Obrigkeit deſſen ſchuld gaͤben/ daß allerdinge falſch und ertichtet waͤhre/ und
ſie nicht deſto weniger dadurch eine algemeine Auffruhr erwecketen. Dieſe nach kurzer un-
terredung antworteten: Es haͤtten ſolche Untertahnen verdienet/ daß ſie lebendig geſpieſ-
ſet wuͤrden. Und ſolches waͤhre ihr rechter Lohn/ ſagte der Großfuͤrſt. Weil mir nun bewuſt
iſt/ daß meine lieben Soͤhne dieſer Beſchuldigung allerdinge unſchuldig ſind/ ich auch ſol-
ches
[623]Siebendes Buch.
ches meinen Untertahnen habe anmelden/ und ihres Glaubens Freiheit ſie verſichern laſ-
ſen/ dieſe gottloſe Pfaffen aber nicht deſto weniger auff ſolcher Verleumdung ſteiff beſte-
hen/ und deren doch den allergeringſten Beweißtuhm nicht fuͤhren koͤñen/ ſolte ihnen zwar
die Straffe der Spieſſung angelegt werden/ aber meine angebohrne Gnade und Barm-
herzigkeit ihnen wiederfahren zu laſſen/ ſollen ſie mit dem Schwert vom Leben zum Tode
gebracht werden; wie dann ſolches alsbald an dieſen zehnen volſtrecket ward. Die uͤbrigẽ
23 Pfaffen wurden von dem Groß Fuͤrſten auch befraget/ ob ſie gnugſame Urſachen der
Auffwiegelung anzufuͤhren wuͤſten; welche ſich aber durch ihrer Geſellen Unfal witzigen
lieſſen/ daß ſie ingeſamt mit einem Fußfal umb Gnade anhielten/ und daß ſie von andern
verleitet waͤhren. Haͤtten die andern auch alſo geredet/ ſagte der Groß Fuͤrſt/ ſolte ihnen
gnaͤdigſte vergebung wiederfahren ſeyn; daß demnach dieſe zu den andern Gefangenen
hingeführet wurden. Darauff nun wendete ſich der Großfuͤrſt zu den Gefangenen Voͤl-
kern/ und verwieß ihnen ernſtlich/ daß ſie von den leichtfertigen Pfaffen wieder ihre hoͤchſte
Obrigkeit/ deren ſie mit Pflicht und aͤiden verwand/ ſich ſo leicht und unbeſonnener weiſe
haͤtten laſſen in Harniſch bringen/ wodurch ſie ja auſſer allem zweifel ihr Gut und Leben
verwirket haͤtten. Doch Gott ſey dank/ ſagte er/ daß ſolche Auffruͤhrer mich und die meini-
gen noch bey zeiten gewarnet haben/ ich haͤtte ſonſt dürffen in Gefahr gerahten/ da ich allem
Ungluͤk meinete ſchon entgangen ſeyn. Ihr aber erklaͤret euch alle miteinander/ ob ich euer
Groß Fuͤrſt/ und ihr meine Untertahnen ſeid/ dañ ich wil wiſſen/ wie ich mit euch dran bin/
und was ich wieder euch vorzunehmen habe. Der Adel/ welcher 3000 ſtark/ allein getreten
wahr/ machte den Anfang mit einem Fußfalle/ bahten umb Gnade und vergebung ihres
unbeſonnenen ungebuͤhrlichen und ſtraffwirdigen Vornehmens; die Großfuͤrſtliche Er-
klaͤrung waͤhre ihnen bald anfangs voͤllig gnug geweſen/ haͤtten aber mit fuge und ohn Le-
bensgefahr nicht koͤnnen von der Verſamlung ſich loßwirken/ hielten dieſe ihre Gefaͤngnis
vor ihr hoͤchſtes Gluͤk/ und waͤhren ſo bereit als ſchuldig von neuen in ihrer Hocheit Pflicht
und aͤide zu treten/ und ihr Leib/ Gut und Blut bey derſelben auffzuſetzen. Als der gemeine
Hauffe dieſes hoͤrete/ rieffen ſie gleicher geſtalt umb Gnade/ ſie haͤtten nicht aus Bosheit
noch unwillẽ wieder ihre liebe Obrigkeit die Waffen ergriffen/ ſondern aus Andacht zu ih-
ren Goͤttern/ waͤhren von den Pfaffen verleitet und hintergangen/ auch nunmehr willig
vor ihre Obrigkeit zu leben und zu ſterben. Muſten demnach ingeſamt den aͤid ablegen/ uñ
ſich auff weitern beſcheid unbewehret bewachen laſſen da ihnen vor ihre bezahlung Speiſe
und Trank zur Notturft ausgefolget ward/ weil man ſolches aus Frießland uñ andern or-
ten gnug zuführete. So bald die Verwundeten bey der auffruͤhriſchen Verſamlung an-
kahmen/ und allen Verlauff erzaͤhleten/ da erhub ſich ein ſolcher Auffſtand/ daß jederman
meinete/ es müſte nun uͤber und uͤber gehen; dann es wurden die einfaͤltige Bauren (deren
Anzahl der groͤſte wahr) ſo raſend gemacht/ daß ſie als die Unſinnigen hin und wieder lief-
fen/ und durch einander ſchrihen/ man haͤtte dem dinge viel zu lange zugeſehen; es waͤhre
vor den Landgoͤttern unverantwortlich/ daß man keinen Ernſt darzu taͤhte/ dann auff ſol-
che weiſe wuͤrden ſie endlich alle miteinander auffgerieben und gefangen werden/ ehe man
ſichs verſaͤhe; der Goͤtter gerechte Straffe traͤffe ſie/ weil man ſo ſchlaͤfferig handelte/ und
die Haͤnde als lahm ſinken lieſſe. Endlich fingen ſie auff der Pfaffen reizung an/ auff den
Adel
[624]Siebendes Buch.
Adel loßzuzihen; es waͤhre das gemeine Weſen ihnen kein Ernſt; ſie wolten und wolten
auch nicht; mit dem linken Auge ſaͤhen ſie nach den Goͤttern/ doch nicht auffrichtig; mit
dem rechten nach Großfürſtlicher Gnade und eigener Ehre. Die aͤdlen traten zuſammen/
und entſchuldigten ſich/ ihr Herz waͤhre nicht ſo geſinnet/ nur allein wuͤnſcheten ſie/ daß das
Werk mit beſſerem Nachdenken und reiffer Vernunft beobachtet würde/ alsdann waͤhre
ihre Macht noch groß genug/ die Obrigkeit dahin zu halten/ daß dem algemeinen Landes-
begehren ein genuͤgen geſchehen muͤſte; erbohten ſich auch/ ihre redligkeit dergeſtalt ſehen
zu laſſen/ daß inwendig 24 Stunden alles auff einen feſten Fuß geſetzet werden ſolte. Aber
ſie hatten kein Gehoͤr; maſſen ein vewaͤgener Schmid von den Pfaffen darzu angehetzet/
aufftrat/ und ungeſcheuhet vorbrachte; es waͤhre das rahtſamſte und ſicherſte/ daß man
die Befehlichshaber aus der Gemeine naͤhme/ und den Adel daͤmpfete/ oder zum wenigſten
ſie jagete/ daß ihnen die Schuch entfielen/ dann ſie haͤtten bereit ſchon voriges tages erwie-
ſen/ wie untraͤulich ſie den Goͤttern anhingen/ und heut moͤchten ſie es wol nicht beſſer ge-
macht haben/ nach dem man vernehmen muͤſte/ daß ſie des jungen Weibes Mord an dem
vornehmen geiſtlichen Mannebegangen/ gebillichet haͤtten. Und was wolte man an ihrer
Traͤuloſigkeit zweifeln; haͤtten ſie doch bey heutigem feindlichen Anfalle ſich alsbald zufech-
ten gewegert/ und verlohren geben ehe ſie angegriffen worden; ſo haͤtten die verwundete
von Adel nicht mit den andern fortgewolt/ ſondern die willige Gefaͤngnis davor gewaͤhlet.
Dieſes ward von vielen Handwerksleuten ganz begierig angenommen/ und ſchüreten die
Pfaffen es weidlich/ daß die aͤdlen/ ſo annoch 15000 ſtark wahren/ ſich in nicht geringer ge-
fahr und furcht befunden/ ſo gar/ daß wann ſie ihre entſchuldigung vortragen wolten/ man
ihnen kein Gehoͤr gab. Sie vereinbahreten ſich aber untereinander/ daß keiner von ihnen
abſonderlich austreten/ vielweniger zu dem Groß Fürſten weichen ſolte/ damit die hinter-
bliebenen nicht gefaͤhret und einer Verraͤhterey verdacht würden/ und ſie alle miteinander
das Leben unter des Poͤvels Hand zuſetzen muͤſten; beredeten ſich demnach kuͤrzlich/ und
lieſſen der Verſamlung/ die ſich am gemeinen Volke auff 190000 Mann erſtreckete/ guͤt-
lich vortragen; es taͤhte ihnen ſchmerzlich weh/ daß ſie ſich vor Verraͤhter muͤſten halten
und austragen laſſen/ da ſie doch nit weniger als andere dahin trachteten/ daß der gemach-
te Schluß ins Werk gerichtet würde. Alſo wuͤſten ſie ſich in ihrem Gewiſſen der Bezich-
tigung frey und unſchuldig. Nicht deſtoweniger/ weil man ihnen mißtrauete/ und die aͤm-
ter abſtrickete/ wolten ſie es dahin laſſen geſtellet ſeyn/ und hiemit ihren Abſcheid/ nicht nach
des Großfuͤrſten Lager/ dann deshalben waͤhren ſie nicht ausgezogen/ ſondern nach ihrer
Behauſung nehmen/ weil ſie nicht mehr koͤnten gelitten werden. Wuͤnſcheten nicht deſto-
weniger dem hinterbliebenen maͤchtigen Heer Gluͤk und alle gedeiliche Wolfahrt/ uñ daß
ſie dem Vaterlande ihre alten Goͤtter und wolerſtrittene Freyheit erhalten moͤchten. Die
Pfaffen wahren ſchon im vollen werke begriffen/ wie ſie andere Haͤuptleute an ihre ſtelle
verordnen moͤchten/ und lieſſen ſich gutenteils ſelbſt gebrauchen/ daß alſo ihr Wort nun-
mehr allenthalben ohn wiederſprechen galt/ haͤtten auch ohn zweifel dem Adel groſſen
Schimpf angelegt/ wann ſie nicht deren Rache/ nach vollendetem dieſen Zuge ſich befuͤrch-
ten müſſen; und nur dieſes hielt ſie ein/ daß ſie ihre eigene Zunge maͤſſigten/ und den Hand-
werkern das Wort in den Mund legeten/ was auff dieſe Werbung ihnen ſolte vor beſcheid
gege-
[625]Siebendes Buch.
gegeben werden/ da vorgedachter Schmid zur Antwort gab; man waͤhre an den aͤdlen
ſolcher geſchmeidigen Worte ganz ungewohnet/ denen man daher umb ſo viel weniger zu
trauen haͤtte; ſolten aber wiſſen/ dz wañ ſie gleich nit waͤren/ odeꝛ dieſe Stunde an des Groß-
Fuͤrſten ſeite ſtuͤnden/ ſich dañoch aufrichtige Teutſchen Herzẽ anfinden wuͤrdẽ/ die vor ihre
Goͤtter/ da es die noht erfoderte/ auch zu ſterbẽ bereit waͤhrẽ. Dz ſie nun umb erlaͤubnis an-
hieltẽ des freien abzuges/ ſolte ihnẽ derſelbe nit gehindert werdẽ/ uñ moͤchtẽ nur gehen/ wo-
hin ſie es geluͤſtete. Der Adel wahr ſehr froh dieſes zimlichẽ beſcheides/ beſchleunigtẽ ihꝛen
Abſcheid alſo/ dz ſie alle ihre Speiſewagen uñ Knechte unabgefodert hinterlieſſen/ uñ umb
die Abendzeit ihren Weg vor ſich nahmẽ/ als wolten ſie des geradeſten nach ihrer Heimat
reiſen; aber da ſie eine Viertelmeile vom Lager wahren/ hieben ſie zur linken umhin/ nah-
men einen Umſchweiff auff drey Meilen/ und kahmen vor der Sonnen Auffgang biß eine
halbe Meile an des Großfuͤrſten Lager/ da ſie 150 ihres Mittels an ihre Obrigkeit abſchicke-
ten/ unter denen Friderich und Luther (deren im erſten Buche Meldung geſchehen) mit
wahren/ als die von ihren Nachbahren gezwungen/ ſich hatten in die Auffruhr mitbegeben
mũſſen. Ihr vorbringen aber wahr dieſes. Es haͤtte der Adel nunmehr in augenſcheinli-
che Erfahrung bracht/ daß die heiloſe Pfaffen dieſen Aufſtand mehr um ihres eigen Nutzes
als des Gottes dienſtes Willen angerichtet haͤtten/ und weil ſie in ihre unverſchaͤmte Boß-
heit nicht einwilligen koͤnnen/ waͤhren ſie faſt alle miteinander um ihr Leben kommen/ maſ-
ſen die Pfaffen den Poͤvel auff ſie als Großfuͤrſtliche Getraͤue zu verhetzen/ in vollem
Werke ſchon begriffen geweſen/ und ſie ihrer raſichten Wuht zuentrinnen/ ſich aus dem
Staube machen muͤſſen; ſtelleten ſich in der Gnadenzeit untertaͤhnigſt ein/ bey ihrer Groß-
fuͤrſtl. Hocheit ihres unbeſonnenen verbrechens demuͤhtigſte Abbitte zutuhn/ und als ge-
traͤue Untertahnen/ vor deſſen Wolfart und Ehre/ ihr Gut und Leben gerne aufzuſetzen/
nachdem an Großfuͤrſtlicher gnaͤdigſter Erklaͤrung/ wegen Glaubens und Landes Freyheit
ſie ein ſatſames Genuͤgen haͤtten. Herkules/ Ladiſla und Baldrich wahren mit 300 Par-
thern hinaus geritten/ ihre Werbung mit zugemachten Helmen/ um nicht erkennet zuweꝛ-
den/ anzuhoͤren/ und als ſie ihre Beraͤuung und erbieten vernahmen/ ſagten ſie ihnen im
Nahmen des Großfuͤrſten voͤllige Vergebung und alle Gnade zu. Nun ward Herkules
der beyden vorgedachten ohngefehr gewahr/ wunderte ſich ihrer Undankbarkeit/ und ließ
ſie durch Neklam an die Seite abſonderlich fodern/ ſetzete den Helm ab und ſagete zu ihnẽ:
Iſt diß der dank/ welchen ihr mir zu Padua verſprochen habt? O ihr unbeſonnenen/ und
habt euch mit in die Verbuͤndniß koͤnnen ſchreiben laſſen/ welche mich erbloß zumachen
bedacht iſt? Friderich kennete alsbald ſein Angeſicht/ ſprang vom Pferde/ kuͤſſete ihm die
Fuͤſſe/ und ſagete mit traͤhnenden Augen: Durchleuchtigſter Großfuͤrſt/ gnaͤdigſter Herr;
die Goͤtter ſind meine Zeugen/ daß ich aus Zwang/ wie viel andere mehr/ habe mitreiten
muͤſſen/ da ich mir nicht den Hals wolte brechen laſſen/ aber habe ich oder dieſer mein Ge-
ſelle von eure Durchl. Gegenwart das geringſte gewuſt oder bißher vernommen/ wollen
wir aller Straffe uns gerne unterwerffen; von Herzen lieb aber iſt mirs/ daß meines Eꝛloͤ-
ſers Angeſicht zuſehen ich begluͤkſeliget werde/ und bitte untertaͤhnigſt/ ihre Durchl. wol-
le mich in ihre Dienſte auff und annehmen/ ſo geringe und ſchlecht die Anbefehlung im-
mer ſeyn mag/ wil ich mich doch glükſelig ſchaͤtzen/ wann ich ſolches erhalten werde. Luther
k k k kbaht
[626]Siebendes Buch.
baht desgleichen/ daher Herkules ihnen zufolgen befahl/ untergab auch alſobald jedem
4000 Mann zuführen/ doch/ ſagete er/ daß ihr mir die rechten Redlens Fuͤhrer dieſer Auf-
ruhr getraͤulich/ und ohn einigen Haß oder Gunſt anzeiget. Ja warumb nicht/ ſagte Frie-
derich/ meldete auch von den ſchon Gefangenen annoch lebendigen Pfaffen 7/ und von de-
nen die annoch bey den Auffrührern wahren 16. Die Gefangene wurden alsbald befraget/
ſchuldig befunden/ und mit dem Schwert gerichtet/ gleich da Ekhard mit den 20000 Frie-
ſen Fußvolk ohn Pfeiffen und Trummeln Schlag angezogen kahm/ mit welchen die geſtri-
ges Tages Gefangene 59000 Unaͤdle Teutſchen vermiſchet wurden/ daß nunmehr ihr
geſamtes Heer in die 180000 Mann ſtark wahr/ und ſo wol geruͤſtet/ daß Herkules und
Ladiſla ſich vermaſſen/ den halben Teil der Welt damit zuuͤberwaͤltigen/ wann ihnen Gott
nicht zuwieder waͤhre: wie ſie dann ſchon des vorigen Abends den Schluß gemacht hat-
ten/ ob gleich Ekhard ſich nicht ſtellen wuͤrde/ wolten ſie doch mit ihren Voͤlkern aufbre-
chen/ auf deꝛ Auffruͤhrer Lager gerade zu zihen/ und ihnen die oft angebohtene Gnade noch-
mahls vortragen/ auch ſonſt allerhand guͤtliche mittel verſuchen/ daß ſie in Ruhe ſtuͤnden/
und von der Empoͤrung ablieſſen; wuͤrde aber in der Guͤte nichts zuerhalten ſeyn/ wolten
ſie einen Angriff in Gottes Nahmen wagen/ nicht zweifelnd/ es wuͤrden ſolche zuſammen
gelauffene und groſſen Teils unveꝛſuchte Bauren leicht auff die Flucht zubringen ſeyn;
aber ſie wurden von dem Ankommenden Adel berichtet/ die Abtruͤnnigen wuͤrden ſich die-
ſen Tag unterſtehen/ ihren Willen entweder durch ihres Großfuͤrſten Einwilligung/ oder
durch bewehrete Hand zuvergnuͤgen; daher die unſern ihrer Ankunft um ſo viel lieber er-
warten wolten. Dieſelben nun wurden ſehr froh/ daß ſie des Adels auff ſolche Weiſe wah-
ren loß woꝛden/ haͤtten auch liebeꝛ ihꝛen Voꝛſaz ſtuͤndlich ins Weꝛk geꝛichtet/ als dieſe Nacht
es auff geſchoben; ſo bald aber die Morgenroͤhte hervorblickete/ wahren ſie munter/ und
gingen aus ihrem Lager loß/ aber mit ſolcher Unordnung und Sicherheit/ daß alle die des
Kriegs ein wenig Verſtand hatten/ alsbald urteileten/ es wuͤrde ihrem Frevel mit gerin-
ger Macht zuſteuren ſeyn/ wie wol ſich deſſen keiner wegen der Pfaffen Trotz durfte ver-
nehmen laſſen/ als welche durch Abſchaffung des Adels den hoͤchſten Gewalt an ſich gezo-
gen hatten/ daß jederman ihnen ins Maul ſahe/ und ihre Worte nicht anders als eine goͤtt-
liche Rede annam. Ehe ſie aus ihrem Lager aufbrachen/ trat ein ſehr frecher und verwaͤge-
ner Pfaffe auf/ nahmens Seifart/ und deutete an/ ſein Gott Krodo/ von ſeiner Schweſter
Freia und ſeinem Bruder Irmen Saͤul begleitet/ waͤhre ihm dieſe Nacht erſchienen/ haͤt-
te ihm ein feuriges Schwert in die Hand gegeben/ und dabey dieſe Worte gedrauchet:
Nim hin mein lieber getraͤuer Sohn dieſes goͤtliche Schwert/ und haue damit nider/ alles
was ſich mir und dir zuwiederſetzet; dann dieſes iſt eben das Schwert/ welches vor 218
Jahren Großfuͤrſt Herman/ Siegmeiers Sohn auff mein Geheiß und unter meiner An-
fuͤhrung wieder den Roͤmer Quintilius Varus und ſeine Voͤlker gebrauchet/ und mein
liebes Teutſchland dadurch in die Freyheit geſetzet hat. Dieſer hatte ſolches kaum zu Ende
gebracht/ da entſtund ein groſſes Geſchꝛey; Gott Krodo haͤtte klaͤrlich hiemit andeuten
wollen/ daß dieſer heilige tapfere Mann ihr Heerfuͤhrer und algemeiner Feld Oberſter
ſeyn ſolte; welche Ehre dieſer willig annam/ als worauff ſeine Luͤgen eigentlich angeſehen
wahren/ wie wol er des Kriegs aller Dinge unerfahren wahr/ ob es ihm gleich an verwaͤ-
gener
[627]Siebendes Buch.
gener Kuͤhnheit nicht mangelte. Ein ander Pfaffe trat alsbald zu ihm her/ und nach getah-
nem Gluͤkwunſche zu ſolchem wirdigen Amte ſagte er/ die Goͤttin Freia haͤtte ihm dieſe
Nacht offenbahret/ daß ihr aͤlter Bruder Gott Krodo dieſen heiligen Mann mit gnug-
ſamer Weißheit und tapfferer Staͤrke ausgerüſtet haͤtte/ ſolches Amt zuverwalten. Wo-
mit dieſer Schmeichler verdienete/ daß der obgedachte ihn zu ſeinem oberſten Statver-
weſer einſetzete/ und wahr ſein Name Hardek. Dieſer teilete hinwiederumb ſeinen guten
Sauff Bruͤdern die aͤmter aus/ daß er deſto groͤſſern Anhang haben moͤchte. Sonſt fuͤhre-
ten ſie ein greßliches geſchrey durch einander: Es muͤſte vor der Sonnen Untergang ſich
ausfuͤndig machen/ ob Teutſchland noch von einem freien unbezwungenen Volke/ oder
von Roͤmiſchen Sklaven bewohnet wuͤrde. Die unſern erfuhren ihren Auffbruch zeitig
gnug/ dann der flũchtige Adel hatte gerahten/ daß man die Schildwachten etwas weiter
hinaus ſetzete/ welche den unordentlichen Anzug anmeldeten/ daher die Unſern nach ge-
nommener Speiſe eine artige anſehnliche Schlachtordnung ins Feld ſtelleten/ ob ſie
gleich nicht willens wahren zu treffen. Die fuͤnff Schanzen wahren dieſe Nacht viel ſtaͤr-
ker befeſtiget/ und mit den Schützen beſetzet/ denen befohlen wahr/ dem ankommenden
Teutſchen Heer anzudeuten/ daß ſie vor der Schanze ſtille hielten/ es wuͤrden ſich Gevol-
maͤchtigte von dem Groß Fuͤrſten zu ihnen verfuͤgen/ und alles ohn Schwertſchlag in der
güte beylegen. Aber ein ſolches wahr den hochmuhtigen Pfaffen ungelegen/ darumb ſie
nach angehoͤrter Werbung die Schanzen durch etliche Trommelſchlaͤger aufffoderten/
unter der Bedraͤuung/ dafern ſie nicht alsbald abzihen/ und ſich bey ihnen unterſtellen
wuͤrden/ ſolten ſie alle gehenket werden. Prinſla/ Friederich und Luther lagen mit in den
Schanzen/ lieſſen ſich auff der Bruſtwehr ſehen/ und gaben zur Antwort: Sie waͤhren nit
bedacht/ einigen Pfaffen der Antwort zuwirdigen; Ihr gnaͤdigſter Groß Fuͤrſt/ dem ſie
dieneten/ haͤtte ihnen dieſe Schanzen anvertrauet/ welche ſie lebendig nicht verlaſſen wol-
ten. Friederich und Luther wahren dem Heer ſehr wol bekant/ deren Fuͤhrer nicht wuſten/
was ſie gedenken ſolten/ als ſie ihrer anſichtig wurden/ biß endlich ein Pfaffe rief: Oho
Verraͤhterey/ Verraͤhterey! der Adel iſt Groß Fuͤrſtlich worden und uͤbergetreten; O haͤt-
ten wir ihnen allen nur die Haͤlſe gebrochen/ oder das Genik eingedruͤkt! Friederich rief
hinuͤber zur Antwort/ nachdem er ihnen ein Friedenszeichen gegeben hatte: O ihr redliche
Teutſchen/ bedenket euch eines beſſern/ wie wir aͤdle getahn haben/ und ergebet euch eurer
angebohrnen Obrigkeit zum Gehorſam/ wie ihr ſchuldig ſeyd/ damit ihr leben moͤget. Ihr
Pfaffen aber gehet hin/ und wartet eures Gottes dienſtes abe/ darzu ihr beſtellet ſeyd/ und
fuͤhret dieſe unwiſſende einfaͤltige Leute nicht muhtwillig auff die Fleiſchbank; dann was
wollet ihr Kriege fuͤhren/ darzu ihr gleich ſo geſchikt ſeyd/ als der Eſel zum Lautenſchlagen.
Du abtruͤnniger Bube/ antwortete der vorige Pfaffe; was haſtu der Geiſtligkeit ihr vor-
nehmen zulaͤſtern/ deſſen die Goͤtter ſelbſt Stiffter und Uhrheber ſind/ denen wir dich und
deinen ganzen Beyſtand zum angenehmen Opfer abſchlachten wollen; lieffen auch als-
bald alle fuͤnff Schanzen zugleich an/ als blinde erzuͤrnete Ochſen. Aber die Pfeile wurdẽ
ihnen in ſolcher Menge zugeſchicket/ daß/ ungeachtet die voͤrderſten mit Schilden wol ver-
ſehen wahren/ ihrer doch 5000 erſchoſſen/ und 6000 hart verwundet wurden/ ehe ſie den
Graben erreicheten. Noch dannoch drang ihr Wuht durch; dann ſie fuͤlleten die Graben
k k k k ijmit
[628]Siebendes Buch.
mit den Erſchlagenen/ und brauchten dieſelben an ſtat einer Bruͤcken/ biß ſie an den Wahl
kahmen/ da ſie mit langen Spieſſen/ Morgenſternen und anderem Baͤuriſchen Gewehr
elendig hingerichtet wurden/ daß ihrer noch 12000 das Leben einbuͤſſeten/ und 14000 mit
blutigen Koͤpffen zuruͤk gingen; wodurch dann die uͤbrigen ſich warnen lieſſen/ es naͤhern
Kauffs zugeben/ weil ſie ſahen/ daß es mit dem Kopffe gegen den Stein gerennet wahr.
Herkules gelebete der Hoffnung/ wann ſie ihre groſſe Macht ſaͤhen/ wuͤrden ſie das Herz
fallen laſſen/ deswegen er auff den Schanzen ein weiſſes Faͤhnlein zum Zeichen eines guͤt-
lichen Vergleichs ausſtecken ließ; welches die Pfaffen den unſern zur Furchtſamkeit
auslegeten/ und die ihren zum andern Sturm anmahnetẽ/ nebeſt getahner Verſicherung/
der Feind wuͤrde nicht fuß halten. So bald Herkules ſolches merkete/ und aber das Blut-
vergieſſen nach aller Moͤgligkeit verhuͤten wolte/ geboht er der Beſatzung ohn weitere Ge-
genwehr alsbald abzuzihen/ und zu den ſeinen ſich hin zubegeben; Daß alſo die Aufruͤhrer
vor dißmahl ſich der Schanzen ohn einigen Schwertſchlag bemaͤchtigten/ uñ den Durch-
zug oͤffneten/ auch faſt im Augenblik die Schanzen ſchleiffeten. Da ging es nun an ein
jauchzen und frohlocken; der Feind duͤrffte nicht ſtehen; Gott Krodo haͤtte ſich ihnen in
ſeiner greßlichen geſtalt ſehen laſſen/ daß ſie vor Schrecken davon geflohen waͤhren. Ma-
cheten darauff ihre Ordnung/ und gingen auff die unſern freihmuͤhtig zu/ der gaͤnzlichen
Meinung/ ſie wuͤrden alle ſchon in der Flucht begriffen ſeyn; aber als ſie ihre trefliche aus-
gedehnete Schlachtordnung ſahen/ ſtutzeten ſie/ und wolten Kriegs Raht halten/ dann der
Schrecken wahr ſehr groß/ weil Herkules ſeine Voͤlker dergeſtalt im offenen Felde aus-
gebreitet hatte/ daß es dreymahl groͤſſer ſchiene als es wahr. Der Groß Fuͤrſt und Olaff
führeten das Fußvolk/ 60000 ſtark; Herkules und Fabius den rechten; Ladiſla und Bal-
drich den linken Fluͤgel/ jeden 60000 Reuter/ da die geharniſchten alle die voͤrderſten Glie-
der halten/ und bey den Auffruͤhrern die Furcht mehren muſten/ welche nur zuſammen ge-
lauffene/ und leichte Reuter mit Schwertern und Spieſſen verſehen wahren; So wuſten
die Pfaffen nicht/ wie ſie es angreiffen ſolten/ daher ſie faſt vor Augſt erſtarreten/ und kein
Wort ſprechen kunten; welches die unſern zeitig wahr nahmen/ und Herkules an ſeiner
Seiten mit der Helffte ſeiner Reuterey/ Ladiſla mit gleicher Menge an ſeinem Orte loß-
ging/ da doch Prinſla und Neklam/ jeder mit 30 Pferden voraus ſetzeten/ und ihnen anſa-
gen muſten: Ob ſie dann ihre Vernunfft und alle Sinnen gefreſſen haͤtten/ daß ſie muht-
willig ſterben/ uñ wie das tum̄e Vieh ſich wolten nidermatzen laſſen/ da ſie doch alle mitein-
ander wol leben koͤnten. Es taͤhte ihrem Groß Fuͤrſten noch dieſe Stunde leid/ daß er in
dem Blute ſeiner Untertahnen baden muͤſte/ deren er lieber tauſend beym Leben erhalten/
als einen einzigen erſchlagen wolte. Er bliebe annoch bey ſeinem erſten und gnaͤdigſten er-
bieten/ welches ihre aͤdlen angenommen/ und ſich dieſen Morgen ſamt und ſonders einge-
ſtellet haͤtten/ waͤhren auch ohn einige Straffe oder verweißliche Rede gnaͤdigſt auff und
angenommen/ ja zu ihres Groß Fuͤrſten Leib Schuz verordnet. So moͤchte doch nun die
Gemeine auch in ſich gehen/ als welche ihrem Groß Fuͤrſten ja ſo lieb als die aͤdlen waͤhrẽ/
weil durch ſie das Land muͤſte gebauet und der Feind abgetrieben werden. Sie ſolten ſich
zu ihrem Groß Fuͤrſten nichts als aller Gnade und vaͤterlichen Gewogenheit verſehen/ da-
fern ſie ohn genommene Bedenkzeit ſich bequemen/ und umb Verzeihung anhalten wür-
den.
[629]Siebendes Buch.
den; Wo nicht/ ſolten ſie alle nidergehauen/ Weiber und Kinder erwuͤrget/ und ihre Guͤ-
ter den Boͤhmen/ Frieſen und Wenden vor erbeigen eingeraͤumet werden/ welches dann
keines weges auſſe bleiben wuͤrde/ geſtaltſam ſie vor Augen ſaͤhen/ daß ihnen unmoͤglich
waͤhre/ ſolchem uͤberausgroſſen und wolgeruͤſteten Heer zuwiderſtehen. Die verzagteſten
und unſchuldigſten machten alhie den Anfang/ trenneten die Ordnung/ welche ohndas uͤ-
bel verſehen wahr/ wurffen das Gewehr von ſich/ lieſſen ihre Pferde lauffen/ und gingen
ganz gebuͤcket den unſern entgegen/ mit geaͤngſteter Stim̄e ruffend: Gnade/ Gnade! Und
belief die Anzahl dieſes erſten Hauffen ſich auff 25000 Mann; Woraus Herkules ge-
wiſſe Hoffnung ſchoͤpffete/ die uͤbrigen wuͤrden ſich auch finden; ließ aber doch 20000
Mann umb die Auffruͤhrer hinhauen/ ihnen den engen Durchzug von hinten zuverlegen/
damit die Redlensfuͤhrer nicht durch die Flucht ſich davon machen/ und heimlich entwi-
ſchen moͤchten. Andere 18000 folgeten der vorigen Schaar nach/ und macheten mit ihrem
Abtrit/ daß kein einziger mehr auff die Gegenwehr bedacht wahr. Herkules rennete unter
der Begleitung 6000 Reuter dem uͤbrigen groſſen Hauffen mit eingeſtecketen Schwer-
tern entgegen/ ſchlug ſeinen Helm auff/ und rief ihnen zu: Ihr redliche Teutſchen/ uñ mei-
ne geliebete Landsleute; was bedenket ihr euch noch lange/ ob ihr lieber gluͤklich leben oder
ſchaͤndlich ſterben wollet? Sehet ich bin Herkules/ eures Groß Fuͤrſten aͤlter Sohn/ der ich
ſchon in der Jugend mich eurer wider den Adel angenommen habe; darum ſo trauet mir/
und verſichert euch/ daß ich euch allen alle Gnade und Vergebung bey meinem gn. Herr
Vater ſchon erbehten habe/ dafern ihr nur die Haͤupter und Uhrheber dieſer unbefugten
Auffruhr nicht werdet laſſen davon ſtreichen/ als durch deren weniges und gottloſes Blut
aller Zorn und Eifer eures Groß Fuͤrſten kan geſtillet und ausgeloͤſchet werden. Damit
wahr alles geſchlichtet; Der ganze Hauffe trieb die Pfaffen/ und die ihnen feſt anhingen/
in eine Schaar zuſammen/ ja wol mannicher Mitſchuldiger ſtellete ſich am unwuͤrſcheſten
wider die Pfaffen/ auff daß ſie ihres begangenen Frevels ſich entbrechen moͤchten. Herku-
les taht ſeinen Helm gar ab/ hub beyde Haͤnde auff gen Himmel/ und dankete dem grund-
guͤtigen Gott/ daß er dieſem Blutbade ſo gnaͤdiglich geſteuret/ und des moͤrderiſchen Kro-
den Teufels Anſchlaͤge zunichte gemacht haͤtte; ließ die ganze Menge der Auffruͤhrer mit
ſeinem Heer umgeben/ und die Pfaffheit zuſammen führen/ zu welchen die ſchon gefange-
ne auch hingeführet wurden/ und ihre Anzahl ſich auff 320 erſtreckete; welche Koͤnig Bal-
drich alſo anreden muſte: O ihr meinaͤidige Pfaffen/ was vor ein boͤſer blutgieriger Geiſt
und Teufel hat euch getrieben/ ein ſolches unverantwortliches Weſen wider eure hoͤchſte
Obrigkeit und ſeine Soͤhne anzurichten? Wer kan von eurem Vornehmen anders urtei-
len/ als daß ihr in dieſen Hochmuht gerahten ſeyn muͤſſet/ das ganze weltliche Gericht uñ
Oberbotmaͤſſigkeit an euch zubringen/ und die Fuͤrſtliche Herſchung uͤbern hauffen zu
werffen? Dann vorerſt habt ihr alle Untertahnen wider euren Groß Fuͤrſten und deſſen
Soͤhne auffgewiegelt; nachgehends euch auch des ganzen Adels entlediget/ die hoͤchſten
Kriegsbedienungen und aͤmter euch angemaſſet/ eures Groß Fuͤrſten Schanzen unabge-
ſagt beſtuͤrmet/ und ſeiner angebornen Untertahnen/ die in Pflicht und aͤiden ſitzen/ ſo man-
niche tauſend auffgeopffert/ ja mit wenigen zureden/ alles das getahn und vorgenommen/
was ihr nur eurem Groß Fuͤrſten und deſſen Soͤhnen zu Troz habt erdenken koͤnnen. Nun
k k k k iijiſt
[630]Siebendes Buch.
iſt eure Boßheit euch auff eure Scheitel gefallen; Ihr ſtehet als die verlaſſene und auff
dem Diebſtahl ergriffene/ wie es dann allemahl den Auffwiegelern zuergehen pfleget/ daß
ſie doch endlich das Bad austꝛagen muͤſſen. So ſpꝛecht euch nun ſelbſt die Uꝛtel/ was duꝛch
ſolche Boßheit ihr verdienet habet; koͤnnet ihr einiges Recht in der Welt finden/ welches
euch zuſtatten kommen moͤchte/ das wil man euch gerne goͤnnen. Aber euer eigenes Ge-
wiſſen/ der unbetriegliche Richter rufft eure Schuld und Straffe euch ſelber zu/ welches
ein jeder vernuͤnfftiger euch vor der Stirne leſen kan. Damit ihr aber eures Groß Fürſten
und ſeiner Soͤhne angebohrne Gnade erkennen und genieſſen moͤget/ ſol dem groͤſſerẽ Teil
verzihen/ und die Boßheit geſchenket ſeyn; aber alsbald gebet eure Verführer und Auff-
wiegeler heraus/ und die vor andern ſich des Unweſens angenommen; laſſet auch dieſen
vor allererſt hertreten/ welcher in Frießland von mir Urlaub baht/ nach Hauſe zureiſen/
und ſein ſchwangeres Weib zubeſuchen/ da er ſelbſt von einem ſchaͤndlichen Teufel ge-
ſchwaͤngert/ mit der gottloſen Frucht der algemeinen Auffruhr beladen wahr/ und wie mir
ſchon bewuſt iſt/ die andern zu ſolchem uͤbel angereizet hat. Derſelbe nun trat willig her-
vor/ weil er ſahe/ daß es doch nicht anders ſeyn kunte/ und brachte ein; Er waͤre vor dieſem
allemahl ein getraͤuer Großfuͤrſtlicher Diener geweſen/ haͤtte dieſes Werk nicht aus eige-
nem Getrieb getahn/ ſondern auff der groſſen Goͤttin Freia ernſtlichen Befehl und ange-
haͤngte Draͤuung verrichten muͤſſen/ die ihm nit allein gluͤklichen Fortgang/ ſondern auch
Schuz und Schirm verheiſſen und zugeſagt haͤtte; und waͤhre er viel zu wenig geweſen/
ſich ihrer Macht und hohem Anſehen zuwiderſetzen/ deswegen er in ſolcher Verrichtung
wol wuͤrde zuentſchuldigen ſeyn. Zuentſchuldigen? ſagte Koͤnig Baldrich; wolan/ laß
uns deine Entſchuldigung beſehen. Du wendeſt ein/ deine Goͤttin Freia habe dichs geheiſ-
ſen. O mein Kerl; der boßhafftige Luͤgen Geiſt/ der leidige Teuffel hat dich gereizet/ du Erz-
Boͤſewicht; derſelbe hat gefallen an Unfrieden/ Krieg und Blutſtuͤrzung/ und iſt ihm dan-
noch/ dem allerhoͤchſten Gott ſey Dank/ nach ſeinem Willen nicht gelungen/ dann er hatte
euch allen viel ein groͤſſeres Verderben zugeſchnitten/ wann nicht viel ein ſtaͤrker es gnaͤ-
digſt abgewendet haͤtte; aber geſetzet/ deine Freia habe es dir befohlen; haͤtteſtu dann nicht
deiner weltlichen Herſchafft es zuvor anzeigen ſollen? Wie leicht haͤtteſtu mirs koͤnnen
ſagen/ als du umb Urlaub der Reiſe bey mir anhielteſt/ und das waͤhre deine Schuldigkeit
geweſen. Aber Gott Lob/ daß es ſchon ſo weit kommen iſt/ und du erkenneſt/ auch bekennen
muſt/ deine vermeinete Goͤttin habe dich hinter das Licht gefuͤhret/ weil du augenſcheinlich
ſiheſt/ daß dein Vornehmen den glüklichen Fortgang nicht erreichet; ſo wirſtu auch dieſe
Stunde empfinden/ ob ſie dir wider des Henkers Schwert Schuz halten werde; meineſt
du aber/ daß die wahre Gottheit wol koͤnne mit Luͤgen umgehen/ und ichtwas wider die
Warheit vorbringen? Nein; die geſunde Vernunfft lehret dichs ja/ daß Gottheit/ das
volkom̄enſte Gut/ mit dem ſchaͤndlichen Laſter der Luͤgen und Betriegerey durch aus keine
Gemeinſchafft haben koͤnne. Dann was Gott oder goͤttlich iſt/ das leuget nicht und wz da
leuget und treuget/ das muß oder kan ja kein Gott ſeyn. Nach dieſer Rede End[i]gung muſte
der angemaſſete Feldherr Großpfaffe Seifart mit ſeinem Statverweſer Großpfaffen
Hardek/ und andern Redlensfuͤhrern hervortreten/ und die ganze Zahl der recht ſchuldigen
mit ihrem ja bekraͤftigen/ deren annoch 22 lebendige Pfaffen und 16 Handwerker uñ Bau-
ren
[631]Siebendes Buch.
ren wahren/ denen ihr Verbrechen vorgehalten/ die Urtel geſprochen/ und alle durch des
Henkers Schwert abgetahn wurden. Die uͤbrigen Pfaffen wurden vorgefodert/ und be-
fraget/ ob ſie mit ihres Groß Fuͤrſten und ſeiner Soͤhne gnaͤdigſtem anerbieten und gege-
bener Erklaͤrung friedlich/ und wie der Adel und Gemeine gutwillig getahn/ ſolches anzu-
nehmen bedacht waͤhren; welche alle einen demuͤhtigen Fußfal leiſteten/ ihren Irtuhm uñ
Miſſetaht bekenneten und beraͤueten/ auch allen Gehorſam verſprachen/ bahten daneben
untertaͤhnigſt/ daß die Großfuͤrſtliche Zuſage wegen des alten Glaubensfreyheit in ihrer
Kraft verbleiben moͤchte. Der Adel und die Gemeine bahten ſehr vor ihr Leben/ und bekah-
men darauff ohn fernere nachforſchung ihres verbrechens vollige verzeihung/ und noch-
mahlige verſicherung ihrer Geiſt- und weltlichen Freyheit; daher ein ſolches Frolocken
unter den Voͤlkern entſtund/ daß auch die Pfaffen ſelbſt es bereulich beklageten/ daß ſie wie-
der ſolche fromme gnaͤdige Herrn ſich auffgelehnet haͤtten. Als nun der Groß Fuͤrſt ſahe/
daß die Untertahnen uͤberal ein gutes Herz gegen ihn gefaſſet hatten/ ritte er ſelbſt/ von we-
nigen ſeines Landadels begleitet/ bey ihnen umbher/ hieß ſie dieſen Abend ruhen/ die Todten
begraben/ und folgenden Morgens mit alle ihrem Gewehr erſcheinen/ ſo daß die Teutſchẽ
alle miteinander allein/ die Boͤhmen und Frieſen aber zur ſeite halten ſolten; welches al-
les nach ſeinem willen ging/ da er den Elefanten ausruͤſten hieß/ und vor das Teutſche
Heer ſtellen/ ſtieg mit ſeinen Soͤhnen und Ladiſla hinauff/ welche ſich Schneeweiß uñ Koͤ-
niglich gekleidet hatten/ und muſten von den aͤdlen/ Pfaffen und gemeinem Manne 300 in
gleicher Anzahl umb den Elefanten hertreten; er aber fing dieſe Rede zu allen Anweſendẽ
an: Liebe getraͤue Untertahnen und Landſaſſen; ich und wir alle miteinander haben Gott
hoch zu danken/ daß er des boͤſen Feindes Vorhaben geſteuret/ und das angeſtiftete Elend
gnaͤdig abgewendet hat/ da die Obrigkeit und Untertahnen/ Vaͤter und Kinder/ Bruͤder
und Anverwanten einander grimmig auffreiben ſolten; nun aber/ Gott lob/ an ſtat deſſen/
eine loͤbliche Vertrauligkeit und feſter Friede angerichtet und geſtiftet iſt/ nachdem gleich-
wol/ welches ich hoch beklage/ über die 30000 meiner Untertahnen dz Leben einbuͤſſen muͤſ-
ſen. Euch allen iſt wol bewuſt/ und bedarfs keines weitlaͤuftigen erzaͤhlens/ was geſtalt vor
wenig Jahren ich meinen herzlieben aͤlteren Sohn/ Fuͤrſt Herkules/ aus meinem Reiche
verbannet habe/ umb daß er nicht allein einen fꝛemden/ uns unbekanten Gottesdienſt in der
Fremde angenommen/ der uns uͤberal abſcheuhlich beſchrieben ward/ und wir doch weit
anders befinden/ ſondern auch zugleich ſich hiemit dem Roͤmiſchen Reiche als ein Lehntraͤ-
ger und Untertahn verpflichtet haͤtte/ ſo daß bey künftiger ſeiner Herſchaft er der Roͤmer
Willen geleben/ und ihnen die Teutſchen Voͤlker zinßbar machen wolte; welches gleicher-
geſtalt eine abgefeimete grobe Luͤgen iſt/ und die Ertichter und Ausſtraͤuer derſelben ihren
Lohn nach Gottes wunderbahrem Gerichte ſchon empfangen haben. Beklage deßwegen
billich und von Herzen/ daß durch falſches angeben ich mich dazumahl zu ungerechtem
Zorn und Eiſer wieder dieſen meinen Sohn Herkules/ der mir allernaͤheſt alhie zur Linken
ſtehet/ verleiten laſſen/ und ihn als einen Durchaͤchteten halten muͤſſen/ welches doch mein
eigen Herz dergeſtalt abgezehret hat/ daß wo es laͤnger haͤtte wehren ſollen/ ich in kurzer Zeit
des Todes druͤber ſeyn müſſen/ und mich deſſen doch gegen niemand habe duͤrfen merken
laſſen. Wie hart und unbillich nun ich mich gleich gegen ihn erzeiget/ ſo hat er doch hinge-
gen
[632]Siebendes Buch.
gen ſeinen kindlichen Gehorſam von mir nicht abgekehret/ ſondern iſt ſtets geblieben/ der er
vorhin wahr/ nehmlich ein ergebener Sohn ſeiner Eltern/ ein Freund der Tugend/ uñ ein
Liebhaber ſeines undankbahren Vaterlandes/ welches augenſcheinlich daher zuſehen iſt/
daß ob ihm gleich der Roͤmiſche Kaͤyſerliche Stuel (O welch eine Ehre den Teutſchen!)
angebohten und auffgetragen iſt/ er dañoch ſolchen nur deßwegen ausgeſchlagen hat/ weil
er alsdann haͤtte muͤſſen ein Feind ſeiner Teutſchen werden/ und ſie nohtwendig beſtreiten.
Zweifele nun dann einer/ ob er ſeinem Vaterlande die gebuͤhrliche Liebe und Traͤue erzei-
get habe oder nicht. Den kindlichen Gehorſam wird kein Menſch an ihm leugnen koͤnnen/
wer nur betrachtet/ daß ſo bald er meiner Entfuͤhrung innen worden/ er mit Leib und Le-
bensgefahr (dann er wahr ja ein Verbanneter) ſich nach Teutſchland gemacht/ und zu
reiten nicht auffgehoͤret/ biß er mich und die meinen loßgeriſſen/ und des gottloſen Raͤubeꝛs
frevel gebuͤhrlich abgeſtraffet hat. Alſo wil ich euch nun dieſen meinen Sohn laͤnger nicht
verbergen/ welchen ihr gutenteils ohndas ſchon wieder kennet; denen aber ſeine gluͤkliche
Wiederkunft bißdaher unwiſſend geweſen/ die ſehen nur ſein Angeſicht an/ ſie betrachten
ſeine Geſtalt und Weſen/ ſo werden ſie befinden/ daß er nicht ſo gar ſich verendert hat/ daß
man ihn nicht mehr kennen ſolte. Von ſeinen herlichen Tahten zu ruͤhmen/ die er in Itali-
en und andern weit abgelegenen Laͤndern begangen/ wil mir als ſeinem Vater nicht anſte-
hen/ und ſind etliche hundert Teutſchen und Boͤhmen in dem Heer/ welche als groſſenteils
ſehende Zeugen/ davon werden bericht geben koͤnnen. Dem almaͤchtigen grundguͤtigen
Gott ſey Lob und Dank geſaget/ dz er den unſchuldigen erretten/ dieſen meinen lieben Sohn
dem Vaterlande zum beſten hat wollen in der Fremde unter ſo mannicher groſſer Gefahr
erhalten/ und ſein Herz alſo lenken/ daß er fremde angebohtene Herſchaften ausgeſchlagen/
und nach ſeinem Teutſchlande verlangen getragen hat. So vernehmet nun meinen ernſt-
lichen Willen und Meynung/ und richtet euch darnach; ihr wiſſet/ daß dieſem meinen
Sohn Herkules/ als dem erſtgebohrnen/ mein Teutſches Reich von Gott und Rechtswe-
gen zuſtehet/ (dann die ergangene Acht und der Ban mus Tod/ rein abe/ und als ungeſche-
hen ſeyn) ſo daß er mit keinem fuge davon kan ausgeſchloſſen werden. Nun bin ich zwar
euer Groß Fuͤrſt annoch im Leben und zimlicher Geſundheit/ wiewol den Abgang meiner
Kraͤfte ich ſchon merke/ habe aber mir gaͤnzlich vorgenommen/ meine uͤbrigen Tage/ wie
weit ſie noch reichen werden/ in guter Ruhe und ſanfter Stille zuzubringen/ und meinem
Gott zu dienen; daß nun gleichwol das Reich nicht ohn ein gewiſſes Haͤupt ſeyn moͤge/ ſo
wil ich gleich jezo dieſen meinen Sohn Herkules euch vor erſt als euren Groß Fuͤrſten hie-
mit vorgeſtellet haben/ und zugleich des Aides/ damit ihr mir verbunden ſeid/ euch Kraft
dieſes erlaſſen/ auch alsbald auff dieſen euren Groß Fuͤrſten euch verweiſen/ dem ihr alsbald
auff ſtehendem Fuſſe die Huldigung abſtatten ſollet; hingegen wird er ſich verbinden/ alles
daß ungeendert zu halten/ was ich euch heut und vorige Tage/ Groß Fuͤrſtlich verſprochen
habe. Damit aber unſer Teutſches Reich ſein ehmaliges Anſehen unter dieſem euren jun-
gen Herſcher wieder bekommen moͤge/ ſol er forthin nicht mehr den Nahmen eines Groß-
Fuͤrſten/ ſondern Koͤniges der Teutſchen führen/ wovor ihn unſere Reichsfeinde die Roͤ-
mer ſelbſt ehren/ halten und erkennen. Herkules erſchrak dieſes vorbringens von herzen/
machete ſich auch ſchon gefaſſet/ die Antretung der Herſchaft durch erhebliche Urſachen
abzu-
[633]Siebendes Buch.
abzulehnen; aber die ganze Menge fing ein ſolches Freuden-geſchrey an/ daß die Er-
de erzitterte/ uñ die Luft ſich zerteilete/ auch eine Viertelſtunde nichts anders gehoͤret ward/
als; Gluͤk zu unſerm neuen Koͤnige Herkules; Gluͤk zu unſerm lieben Koͤnige Herkules;
Gluͤk zu dem tapfern/ glükhaften/ unuͤberwindlichen Koͤnige der Teutſchen! Einem Ehr-
geitzigen haͤtte kein angenehmer Lied koͤnnen geſungen werden/ aber der demuͤhtige Herku-
les hoͤrete es mit groſſer ungeduld an/ daß er auch dem Volke endlich durch unterſchiedli-
che Zeichen andeutete/ er wolte gerne gehoͤret ſeyn/ da er alſo anhuhb: Gnaͤdigſter Herr uñ
Vater/ ich ruffe mein Gewiſſen zu zeugen/ daß/ wann ich dieſes ſolte gemuhtmaſſet haben/
ich eurem liebreichen Vaterherzen mich dieſe Stunde noch nicht haͤtte wollen zuerkennen
geben; wie ich dann durchaus nicht willens bin/ einen Fuß in die Koͤnigliche Herſchaft zu
ſetzen/ als lange der grundbarmherzige Gott euch meinen Herr Vater bey Leben und Ver-
nunft erhalten wird; nicht wegere ich mich deſſen aus ungehorſam/ ſondern aus gebuͤhrli-
cher kindlicher Demuht/ zweifele auch nicht/ mein Herr Vater ſo wol/ als das ganze hoch-
loͤbliche Koͤnigreich der Teutſchen werde mich alles ungleichen verdachts gnaͤdigſt und
freundlich erlaſſen/ und wil ich zugleich meine herzliebe Bruͤder/ Koͤnig Ladiſla und Koͤ-
nig Baldrich gebehten haben/ da ſonſt einige rechtſchaffene Liebe in ihrẽ Herzen gegẽ mich
uͤbrig iſt/ meinen Gn. Herr Vater dahin helffen zubereden/ daß er ſeine gefaſſete Meynung
Vaͤterlich endern/ und die wiꝛkliche Beherſchung Zeit ſeines lebens behalten wolle/ ſonſten/
wann es ja ſo ſeyn muͤſte/ wil ich gerne einwilligen/ daß ich vor einen erwaͤhleten Koͤnig uñ
kuͤnftigen Herſcher der Teutſchen gehalten werde. Ladiſla und Baldrich ſahen ſeinen ernſt/
und nicht geringe Bewaͤgung/ daher ſie allerhand Urſachen hervorſucheten/ den Groß-
Fuͤrſten zur enderung ſeines Vortrages zubereden/ unter welcher Zeit Herkules von dem
Elefanten ſtieg/ und ſein liebes Gemahl vermochte/ ihm bey ſeinem Vater zu hülffe zu tre-
ten/ welche alle Reden wol vernommen hatte/ dann ſie hielt allernaͤheſt bey dem Elefanten
auff ihrer Gutſche; ſtieg demnach willig abe/ ſtellete ſich gegen den Groß Fuͤrſten gleich ü-
ber zu fuſſe/ da Fuͤrſt Olaff ihr eine Sammete Decke hinſpreiten ließ/ und hielt dieſe Rede:
Großmaͤchtigſter/ gnaͤdigſter Herr Vater; euer vaͤterliches Herz und hochgeneigter Wil-
le gegen mich/ iſt in weniger Zeit mir dermaſſen bekant worden/ daß ich eine Todſuͤnde be-
gehen wuͤrde/ wann in denſelben ich einigen zweifel ſetzete; daher ich dann die feſte Zuver-
ſicht gefaſſet/ es werde euer Vaterherz das untertaͤhnige demũhtige Anſuchen euer Hoch-
heit ergebenen Tochter nicht verſtoſſen/ ſondern ihr behaͤgliche und erfreuliche Antwort
wiederfahren laſſen. Vor erſt aber erkuͤhne ich mich zu fragen/ warumb doch mein Herr
Vater meinen herzallerliebſten Gemahl Fuͤrſt Herkules ſo hart beſchweren/ und ihm als-
bald die laſtſame Buͤrde der Herſchaft aufladen wil/ da doch nicht allein mein Herr Vater
ſein Reich bißdaher ſo loͤblich beherſchet/ ſondern auch noch ſtark/ vermoͤgen und verſtaͤn-
dig gnug iſt/ demſelben weiter vorzuſtehen; hingegen mein Gemahl Fuͤrſt Herkules bißda-
her vor wirkliche beherſchung Land und Leute ſich aufs hoͤchſte gehuͤtet/ uñ dazu ſich durch-
aus nicht hat bereden koͤnnen. Wil dann mein Herr Vater dieſes nicht laſſen guͤltig ſeyn/
ey ſo endere ihre Hocheit doch dieſe ihre gefaſſete Meinung nur umb meinetwillen/ uñ goͤn-
ne mir nach ſo groſſem ausgeſtandenen Herzleide/ daß ich mich an meinem herzallerliebſtẽ
Gemahl ein wenig ergetzen moͤge/ welches die unaufhoͤrlichen Reichsgeſchaͤfte ſonſt nicht
l l l lzulaſſen
[634]Siebendes Buch.
zulaſſen wuͤrden; maſſen/ wann ich meinete/ ich haͤtte ihn bey mir am Tiſche ſitzen/ wuͤrde er
ſich hinweg machen/ den Koͤniglichen Stuel beſteigen/ und den Untertahnen Recht ſpre-
chen muͤſſen. Nun mir zweifelt nicht/ mein Herr Vater werde dieſe meine erſte oͤffentliche
Bitte mir nicht ungnaͤdig abſchlagen/ ſondern uns ein wenig ruhe goͤnnen/ nachdem wir
bißdaher die weit abgelegenen Weltwinkel durchkrochen/ und faſt keinen Tag allein mit
einander reden koͤnnen; es iſt uns gnug uñ ūbrig gnug/ daß wir ſchon wiſſen/ was wir nach
unſers Herrn Vaters Tode (welchen Gott ja lange verhuͤten wolle) dereins ſeyn ſollen/
daß wir noch zur Zeit nicht begehren. Hierauff kehrete ſie ſich umb nach dem Heer/ und re-
dete daſſelbe alſo an: O ihr unuͤberwindlichen Teutſchen! wie koͤnnet ihr mit geduldigen
Ohren anhoͤren/ daß euer Groß Fuͤrſt/ der euch bißher ſo wol und redlich vorgeſtanden/ ſich
euer gar abzutuhn vorhabens iſt? lieber gebet nicht zu/ daß durch ſeine abdankung eure
ſchuldige dankbarkeit gehindert werde/ welche zuerzeigen ihr nach eingepflanzetem Recht
gehalten ſeid; deswegen helffet mir und meinem Gemahl bitten/ daß euer Groß Fuͤrſt/ der
euch bißdaher ſo wol geſchuͤtzet/ den Reichsſtab in der Hand behalten/ und ja nicht ablegen
moͤge. O ruffet ihm den Nahmen eines Koͤniges zu/ dz wie ihr dem Boͤmiſchen/ Friſiſchen
und andern umliegenden Koͤnigreichen weder an Macht noch Adel/ noch weitleuftigkeit
ichtwas bevorgebet/ auch an der Benahmung nicht geringer ſeid/ weil eure Voreltern
von undenklichen Jahren her/ unter Koͤnigen gelebet haben. Sehet da; werdet ihr helf-
fen/ daß meine Bitte haften kan/ wil ich dem ganzen Teutſchen Kriegs Heer durch die
Bank hin ein Denkgeſchenk austeilen/ und einem jeden ohn unterſcheid zwo Kronen ein-
reichen laſſen. Die Kriegs Oberſten lieſſen ſich hierzu leicht bereden/ traten vor den Ele-
fanten/ und fing ein vornehmer Herr unter ihnen alſo an: Großmaͤchtigſter/ unuͤber-
windlicher Groß Fuͤrſt/ gnaͤdigſter Herr und Landes-Vater; wie gnaͤdig eure Hocheit ſich
gegen uns ſeine ungehorſame Untertahnen hat erzeiget/ und nach erlaſſung aller miß-
handelung und Straffe/ ihren geliebten Herr Sohn den unvergleichlichen Held/ G Fuͤrſt
Herkules/ uns zur hoͤchſten Obrigkeit vorſtellen wollen/ werden wir Zeit unſers Lebens
zu preiſen Urſach haben/ und doch nim̄ermehr gnug preiſen koͤnnen. Ob nun zwar an ihre
Hochfuͤrſtl. Durchl. unſerm gnaͤdigſten Groß fürſten/ Herrn Herkules wir im geringſten
nit zu tadeln haben/ ſondern bekennen muͤſſen/ auch willigſt bekennen/ daß ſeine preißwir-
dige Tahten des ganzen Teutſchen Nahmens Ehre ſeyn und ewig bleiben werden/ ſo iſt
doch auff deſſen/ wie auch der unvergleichlichen Großfürſtin und Frauen/ Fr. Valiſka/
inſtaͤndiges begehren/ an Eure Hocheit unſer aller flehendliches ſuchen und untertaͤhnig-
ſtes bitten/ dieſelbe wollen ihren Untertahnen nicht ſo ſchleunigſt aufdanken/ ſondern den-
ſelben etwas Zeit goͤnnen/ daß vor erzeigete vaͤterliche Gnade ſie ihr dankbegieriges Herz
in etwas ſehen laſſen koͤnnen. Damit aber Eure Hocheit ſehe und gnaͤdigſt merke/ wie ge-
nehme derſelben Vortrag uns allen ſey/ ſo verpflichtet ſich hiemit und Krafft dieſes/ das
Teutſche Reich/ daß wir ſeine Großfuͤrſtl. Durchl. Herrn Herkules nicht weniger ehren/
fuͤrchten und lieben wollen/ als ob er ſchon auff dem Reichs Stuel ſaͤſſe/ aber doch/ wie
ſchon eꝛwaͤhnet/ wollen ihꝛe Hocheit wir unteꝛtaͤhnigſt und demuͤhtigſt nochmahls eꝛſuchet
haben/ dieſelbe wolle bey Lebzeit/ den Reichs Stab nicht aus den Haͤnden legen. Schließ-
lich zeiget der Adel und die ganze Gemeine an/ daß ſie nach dieſem nicht mehr zugeben koͤn-
nen/
[635]Siebendes Buch.
nen/ daß ihre Hocheit den Nahmen eines Großfuͤrſten/ ſondern Koͤniges der Teutſchen
fuͤhre/ wie denſelben ihrer Hocheit Vorfahren vor langen Jahren/ nicht ohn Schrecken
der Feinde geführet haben; erklaͤren auch hiemit dieſelbe vor ihren Koͤnig/ wie dann ſeine
Durchl. Großfuͤrſten Herkules gleicher Geſtalt vor ihren ſchon erwaͤhleten und beſtaͤtigten
Koͤnig; als auch die beiden Durchl. Großfuͤrſtinnen und Frauen/ Fr. Gertrud/ und Fr.
Valiſka vor ihre allergnaͤdigſte Koͤniginnen. Worauff das Geſchrey wuͤſte durcheinan-
der ging/ da etliche den beiden Koͤniginnen Gluͤk/ Heil/ Friede/ Geſundheit und langes Le-
ben zurieffen/ daß der Redener ſein Wort nicht ausfuͤhren kunte/ welcher willens war vor
das von Fr. Valiſken angebohtene Gnadengeſchenk untertaͤhnigſt zudanken/ und Koͤnige
Baldrich im Nahmen der Teutſchen Staͤnde zu der Frieſiſchen Kron gluͤk zu wuͤnſchen.
Der alte Großfuͤrſt ſahe nunmehr/ daß er ſeinen Vorſaz nicht kunte zu Werk richten/ und
gab ſich in des Landes und ſeiner lieben Kinder Willen. Das uͤbrige dieſes Tages ward
mit aller Froͤligkeit zugebracht/ und ſahe man ſeinen wunder/ wie die Teutſchen Voͤlker
eine ſolche unzaͤhlige Anzahl Kraͤnze/ in Geſtalt Koͤniglicher Kronen von Laub/ Graß/ Korn/
Kraͤutern/ Blumen/ und was ſie haben kunten/ flochten und herzu trugen/ daß ſie bey un-
terſchiedlichen Hauffen in die zehn Ellen hoch/ und eins ſo breit aufeinander lagen. Die
Fuͤrſtlichen Haͤupter hielten ſich in einem groſſen Zelt beyeinander/ da Koͤnig Baldrich
(weil ſie von dem ergangenen Wendiſchen Kriege ihr Geſpraͤch hattẽ) zu Koͤnigin Valiſ-
ken ſagete: Wann der allerhoͤchſte Gott dieſe Welt und alle Koͤnigreiche mit Vaͤterlichen
Gnaden-Augen anſehen/ und ſie mit einander zum Chriſtentuhm bringen moͤchte/ alsdañ
wuͤrde ohn Zweifel zuhoffen ſeyn/ daß Krieg und Unfriede wuͤrde auffhoͤren/ und durchge-
hends vertrauliche Chriſtliche Einigkeit geſtifftet werden/ nachdem unſer Heiland ſeinen
Juͤngern und glaͤubigen in ſeinem heiligen Worte einen ſo gar ernſtlichen Befehl erteilet
hat/ daß ſie ſich untereinander lieben/ und nit allein alle ungebuͤhrliche Feindſchaft ablegen/
ſondern man auch ſeinen Feinden gutes tuhn/ und dem Beleidiger alle Freundſchafft und
Liebe-Dienſte erweiſen ſolle/ welches alsdann ein jeder/ hohes und niedriges Standes
wuͤrde muͤſſen in acht nehmen/ wo er ſonſt nicht wolte vor einen Unchriſten gehalten ſeyn.
Valiſka ſchwieg auff ſolche Rede ein wenig ſtille/ bald hernach ſagte ſie zu Herkules: Ich
muß bekennen/ daß mein lieber Bruder/ Koͤnig Baldrich ſehr wol und vernuͤnfftig geur-
teilet hat/ und halte ichs mit ihm/ daß wann die Chriſtliche Lehre durch alle Welt wird an-
genommen/ und das Heidentuhm auffgehaben ſeyn/ wie man ja dazu uͤber aus groſſe Hof-
nung hat/ alsdann werde nicht allein das unbefugte Beleidigungs Schwert/ ſondeꝛn auch
das eigentaͤhtliche Rach Schwert zubrochen/ und aus der Welt verbannet werden. Aber
Herkules gab ihr dieſe Antwoꝛt. Ja mein tꝛauten Schatz/ ſo muͤſte es zwaꝛ billich ſeyn/ wañ
nach algemeiner Einfuͤhrung des Chriſtlichen Glaubens ein jeder/ wes Standes er ſeyn
moͤchte/ ſeinen Glauben mit ſeinen Werken zuzeigen geflieſſen ſeyn wuͤrde. Abeꝛ meinet ihr
dann/ daß der helliſche Friedenſtoͤrer alsdann ſchlaffen/ und die Menſchen/ inſonderheit/ ho-
he weltliche Haͤupter unangefochten laſſen werde? Es hat ja der Sohn Gottes uns viel
ein anders zuvor geſaget/ daß nehmlich am Ende der Welt/ oder in den lezten Zeiten man
noch am allermeiſten von Kriegen und Kriegsgeſchrey hoͤren werde; welches ohn zweifel
von den Chriſten ſelbſt zuverſtehen iſt/ wann alle Welt ſol Chriſtlich werden. Valiſka ant-
l l l l ijworte-
[636]Siebendes Buch.
wortete hierauff: Je was werden dann dieſe wol vor Chriſten ſeyn/ welche wider ihres
Heylandes Befehl und Willen ſo vorſezlich zuhandeln/ uñ oͤffentliche Beledigungs Krie-
ge anzufahen ſich nicht ſcheuhen werden? Ach mein Seelichen/ ſagte er hierauff; weiß ſie
dann nicht/ daß heut ſchon unter den Chriſten viel gefunden werden/ welche ſich zwar zur
Kirchen Gemeinſchafft bekennen/ und nicht deſto weniger einer und anderer Boßheit ihre
Seele gewiedmet haben? Betrachtet nur den ſchaͤnd- und ſchaͤdlichen Lehr-Krieg/ wel-
cher von den Ketzern in der Kirche geführet wird/ die ſich alle vor Chriſten angeben/ und
dannoch biß auffs aͤuſſerſte ſich katzebalgen. Es werden aber/ ſagte Valiſka/ die Chriſtli-
chen Lehrer und hohen Haͤupter der Kirchen wol durch ihr einreden und vermahnen/ die
unbefugten Kriege koͤnnen hintertreiben/ und durch angefuͤhrte Urſachen/ deren ſie aus
Gottes Wort mehr als tauſend zunehmen haben/ die Koͤnige und Fuͤrſten zu friedlieben-
den gedanken bewaͤgen. Ja/ ſagte Herkules/ wañ dieſelben allemahl moͤchten gehoͤret wer-
den. Wie ſol aber ein groſſer Koͤnig oder Fuͤrſt es machen/ wann er von einem andern ſei-
nes gleichen hefftig und hart beleidiget wird? ſol er darzu ſtille ſchweigen/ und ſolche Un-
billigkeit zuſtraffen allerdinge vergeſſen ſeyn? Valiſka/ nach kurzem ſtilleſchweigen und tief-
fem nachſinnen/ gab zur Antwort: Es muͤſten alle Koͤnige und Fuͤrſten/ die niemand vor
ihren Obern/ als Gott und das Schwert erkennen/ dieſelben/ ſage ich/ muͤſten vermoͤge ih-
rer geiſtlichen Gemeinſchafft deſſen einig ſeyn/ daß wann einer ihres Mittels/ einem an-
dern unrecht tuhn/ oder ſonſt taͤhtliche Beleidigung anfuͤgẽ wuͤrde/ die andern ſich alsbald
darein miſchen/ und beyden Teilen aufflegen muͤſten/ daß ſie der uͤbrigen allen Machtſpruch
ſich unterwerffen/ und der Beleidiger endlich dem Beleidigten gnugſame Erſtattung lei-
ſten muͤſte. Wuͤrde aber der eine Teil ſich deſſen wegern/ ſo daß der beleidigte nicht wolte
ohn Rache ſich laſſen befriedigen/ oder der Beleidiger ſeinen Fehler nicht wolte erkennen
noch verbeſſern/ alsdann ſtuͤnden die uͤbrigen alle an des Friedfertigen Seite/ und zwuͤngẽ
den Kriegſuͤchtigen zur Billigkeit. O mein Schaz/ antwortete Herkules/ wie ſchwerlich
wuͤrde ſich dieſes werkſtellig machen laſſen. Der eine wuͤrde einen Verwanten/ einen ſon-
derlich gewogenen Freund/ einen getraͤuen Nachbar haben/ umb deſſen Beyſtand er ſich
wuͤrde bewerben/ und dadurch unter allen Koͤnigen Uneinigkeit machen/ daß ſie leicht in
zween Hauffen ritten/ und beide ſtreitende Teile ihren Anhang haͤtten/ worauff es uͤber uñ
uͤber gehen/ und der boͤſe Friedenſtoͤrer der leidige Satan keine beſſere gelegenheit ihm
wuͤnſchen koͤnte/ die ganze Chriſtenheit aneinander zuhetzen; da er ſich inſonderheit wuͤrde
bemühen/ der Koͤnige ihre hohen Bedienetẽ zum Geiz zuverfuͤhren/ durch deſſen getrieb ſie
von den Gewalttaͤhtern wuͤrden Geld nehmen/ und mit Judas Iſcharioth wol ihre Her-
ren gar verrahten. Dann wo der Geiz herſchet/ oder die Geizigen gewalt und gehoͤr habẽ/
da hat Satan ſeine getraͤuen Leute im Spiel/ durch welche er ſeinen Vorſaz/ das iſt/ Krieg
und Mord leicht erhalten kan. Sonſten geſtehe ich gerne/ daß wann die ganze Welt zum
Chriſtlichen Glauben gebracht waͤhre/ und ein jeder Koͤnig oder groſſer Herr ſein Gewiſ-
ſen in acht naͤhme/ inſonderheit aber deſſen ſich erinnerte/ daß er am groſſen algemeinen
Gerichts Tage/ von alle dem Blute/ welches auf ſeine Veranlaſſung vergoſſen iſt/ Rechen-
ſchafft geben muͤſte/ wuͤrde Satan nicht ſo leicht koͤnnen blutige Kriege anzetteln/ es waͤh-
re dann/ daß einer oder ander Koͤnig das Chriſtentuhm im Munde/ und des boͤſen Teufels
Willen
[637]Siebendes Buch.
Willen im Herzen fuͤhren moͤchte. Zugeſchweigen/ daß zwiſchen etlichen Laͤndern und
Voͤlkern eine ſolche eingewurzelte Feindſchafft iſt/ dz deren Vergleichung und Liebe ſchei-
net eine lautere Unmoͤgligkeit ſeyn. Ladiſla redete mit darein/ weil er ſahe/ dz ſeine Schwe-
ſter hieſelbſt eine geraume Zeit ihre Antwort hinterhielt/ uñ ſagte: Ich vor mein Haͤupt wil
dieſen Sachen ſo weit nicht nachdenken/ nur moͤchte ich gerne berichtet ſeyn/ ob dann kei-
nem Chriſtlichen Koͤnige von Gott zugelaſſen ſey/ einigen Beleidigungs Krieg anzufahẽ;
dann daß er ſich und ſeine Untertahnen wider frevelmuͤhtige Anfaͤlle wol ſchuͤtzen/ und ge-
walt durch gewalt abtreiben duͤrffe/ daran wil ich ſchier nicht zweifeln/ demnach wir ja in
Gottes Worte leſen/ daß recht fromme gottſelige Koͤnige und Obrigkeiten/ zeit des Alten
Bundes/ das Schuz Schwert mit gutem Gewiſſen/ ja wol gar auff Gottes Befehl das
Rach Schwert ergriffen/ und deſſen gluͤklich gebraucht haben. Dieſe Frage/ mein gelieb-
ter Bruder/ kan viel leichter eroͤrtert werden/ ſagte Herkules; Und iſt diß meine Meinung/
daß ſo lange einiger beleidigten Obrigkeit der Weg Rechtens offen ſtehet und gegoͤnnet
wird/ kan ſie mit gutem Gewiſſen keinen Krieg anfahen noch fuͤhren/ man moͤge den Krieg
auch taͤuffen wie man wil. Solte aber dem beleidigten aller Weg Rechtens verlegt und ab-
geſchnitten werden/ dann wird derſelbe nicht zuverdenken ſeyn/ wann er mit dem Schweꝛ-
te ſuchet/ ſich der Unbilligkeit und gefahr zuentſchuͤtten/ oder auch ſein Recht zuſuchen.
Wiewol eine Chriſtliche Obrigkeit alle und jede Umſtaͤnde vorher wol und fleiſſig zuerwaͤ-
gen hat/ ehe ſie den Harniſch anleget. Inſonder heit muß alsdann ſolche Obrigkeit ſich huͤ-
ten/ daß ſie ſich nicht laſſe zu einer groͤſſeren Rache verleiten/ als die eingenommene Belei-
digung erfodert; noch unſchuldig Blut vergieſſe/ da ſie deſſen kan geuͤbriget ſeyn. Dann
Menſchen Blut iſt vor unſerm Gotte ſehr teur und wert geſchaͤtzet/ und mag eine jede O-
brigkeit ſich deſſen wol verſichern/ daß wann dieſelbe Krieg und Blutvergieſſen veranlaſ-
ſet/ ſie vor dem hohen Gericht des Aller hoͤchſten Gottes von ſolchem unſchuldig vergoſſe-
nen Blute wird Rede und Antwort geben muͤſſen; Und O weh denen/ die ſolches nicht
vor ihres Lebens Ende erkennen und rechtſchaffen bereuen; denẽ wird Gottes Strafhand
gar zu ſchwer und unleidlich fallen. Betreffend die groſſen und blutigen Kriege/ welche
Moſes/ Joſua/ David und andere wider die Unglaͤubigen gefuͤhret haben/ damit hat es
ſeine ſonderliche Beſchaffenheit; dann weil ſolche heydniſche Voͤlker/ wider welche dieſe
Kriege gefuͤhret wurden/ durch ihre uͤbermachte Suͤnden es dahin gebracht hatten/ daß
Gott uͤber ſie die Straffe der Ausrott- oder Vertilgung beſchloß/ und ſolches ſein Gericht
an ihnen zuveruͤben dieſen ſeinen from̃en Dienern anbefahl/ waren ſolches keine menſchli-
che/ ſondern des HErrn Kriege/ wie ſie auch in Gottes Wort genennet werden/ uͤber wel-
che alhie kein Menſch ſeine Urtel fellen/ ſondern mit Koͤnig David ſagen muß: HErr du
biſt gerecht/ und deine Gerichte ſind gerecht. Sonſten daß unſer Gott kein gefallen an denẽ
Kriegen haben koͤnne/ welche unter Chriſten gefuͤhret werden moͤchten/ ſolches wird wol
niemand in Zweifel zihen/ es waͤhre dann/ daß er Gottes Wort und Warheit wolte zu
Luͤgen machen; Dann was der groſſe Lehrer Paul den Chriſten insgemein gebeut/ da er
ſpricht: Iſt es moͤglich/ ſo viel an euch iſt/ ſo habt mit allen Menſchen Friede. Und der
Sohn Gottes: Selig ſind die Friedfertigen/ dann ſie werden Gottes Kinder heiſſen; ſol-
ches iſt nicht allein den Untertahnen/ ſondern auch der Obrigkeit angeſagt/ und ſtehet an
l l l l iijſtat
[638]Siebendes Buch.
ſtat eines gnug ſamen Beweißtuhms/ daß alle Kriege/ deren man irgend kan muͤſſig gehen/
den Glaͤubigen keines weges erlaͤubet ſind; haben auch ſolche Kriegſuͤchtige ſchon die ge-
draͤuete Straffe/ daß ſie Gott zuſtreuen wolle. Sie wurden endlich in dieſer Unterredung
verſtoͤret/ weil bey den Voͤlkern ein uͤberaus groſſes Geſchrey ſich erhub/ deſſen urſach zu
erfahren ſie aus ihrem Gezelt hervor gingen/ und ſahen/ daß etliche hundert Mann einen
Kranz von Graß/ Korn/ Laub und Blumen hinzu trugen/ in ſolcher groͤſſe und weite/ daß
alle Fuͤrſten ſich deſſen verwunderten; weil alle Traͤger in deſſen Kreiſe ſtehen/ und darin-
nen rings umher gehen kunten. Es wahren aber lauter Frieſiſche Untertahnen/ welche ihn
gemacht hatten/ brachten auch denſelben ihrer neuen Koͤnigin Fr. Lukrezien herzu/ legten
ihn zu ihren Fuͤſſen/ und wuͤnſcheten ihr ſo mannichen gluͤklichen Tag/ als Blumen/ Graß/
Kornhalme und Laub an dieſem Kranze waͤhren. Welches ihr Gemahl/ Koͤnig Baldrich
mit guter Freundligkeit beantwortete/ und allen Traͤgern eine ſonderliche milde Gabe ver-
ſprach. Sie machten ſich darauf wieder in ihr Gezelt/ uñ ſuchten durch allerhand Unterre-
dungen ſich zuergetzen; aber es wolte dañoch die Froͤligkeit bey den Koͤnigl. Haͤuptern nit
volkom̄en ſeyn/ wegen der eingemiſcheten Trauer- uñ Leidgeſpꝛaͤche/ welche von dem verlor-
ne Fraͤulein/ bald von einem bald vom andern angefuͤhret wurdẽ; da inſonderheit die liebe
Mutter ſich im̄erzu aͤngſtete/ und ſich gar nit wolte bereden laſſen/ dz ſie añoch im Leben ſeyn
ſolte/ inſonderheit als ihr um dieſelbe Zeit im Schlaffe vorkam/ wie ſie zwey tieffe Waſſer
ſaͤhe/ in deꝛen einem ihꝛe liebe Tochter biß an dẽ Halß wadete/ uñ mañichmahl gar unter die
Wellẽ kam; in dem andern aber Fuͤrſt Arbianes noch groͤſſere gefahr ausſtund/ weil unter-
ſchiedliche ungeheure Fiſche auff ihn anſetzeten/ und ihn zuverſchlingen draͤueten. Sie er-
zaͤhlete ſolches ihren lieben Kindern nicht ohn Traͤhnen/ welche daher auch wenig gutes
zu deuten wuſten/ ohn daß Koͤnigin Valiſka ſie verſicherte; es waͤhre ihrer Gn. Fr. Mut-
ter dieſes zweifels ohn noch zum troſte von Gott alſo vorgeſtellet/ maſſen ſie daher die ſiche-
re Hofnung faſſete/ daß ſie noch beyderſeits im leben/ aber in unterſchiedlicher Gefahr/ auch
wol von einander getrennet ſeyn moͤchten. In welcher Auslegung ſie dann nicht umb ein
Haar fehlete. Des andern Tages nach der geendigten Fehde ließ Baldrich ſeine Frieſen
wieder zurük gehen/ gegen welche er ſich gebuͤhrlich bedankete/ uñ wegen getraͤuen beyſtan-
des ihnen alle Koͤnigliche Gnade verſprach/ neben der Verheiſſung/ daß allen die ihm zu-
gezogen waͤhren noch ein halbes freies Jahr/ nach dem ſchon verſprochenen ganzen Jahre/
ſolte geſchenket ſeyn; uͤber welche mildigkeit ſie ſich zum hoͤchſten verwundertẽ. Er behielt
aber auff Herkules gutachten deren 9000 bey ſich/ die er biß nach Prag mitfuͤhren ſolte/ ob
etwa der Teufel auch in Boͤhmen loß werden wolte/ daß man einen nohtſchuz bey ſich haͤt-
te/ und wurden dieſelben mit den 6000 Wenden in ein Heer zuſammen geſezt/ doch daß je-
de Landes-Art ihre eigene Befehlichshaber und Geſchwader hatten. Die Teutſchen mu-
ſten gleicher geſtalt auſſer 12000/ alle miteinander nach hauſe gehen/ die genennete aber bey
ihren nunmehr beſtaͤtigten Koͤnigen bleiben/ da alles Volk nebeſt den Pfaffen angeloben
muſten/ daß ſie von der Chriſten Gott und ihrem Glauben nichts ſpoͤt- oder veraͤcht-
liches/ vielweniger laͤſterliches reden wolten; dagegen ſolten ſie in ihrem Gottesdienſte
auch ungeſtoͤret/ unangefochten und unbeſpottet bleiben; wiewol einem jeden Untertahnen
freiſtehen ſolte/ wann ihm aus ungezwungenem freien willen belieben wuͤrde/ den Chriſtli-
chen
[639]Siebendes Buch.
chen heiligen und allein ſeligmachendẽ Glauben anzunehmen/ wiewol gar wenig ſich an-
funden/ deren Herz von Gottes Geiſte zu ſolcher heilſamen Bekehrung geruͤhret ward/ ſo
gar wahren ſie in ihrem heidniſchen Irtuhm und vaͤterlicher gewohnheit erſoffen. Als ſie
ſich auff den Weg nach Magdeburg begaben/ ſaͤumeten ſie auff der Reiſe nicht lange/ und
behielt Ladiſla umb mehrer ſicherheit willen/ alle ſeine Boͤhmen bey ſich/ biß ſie zu Magde-
burg anlangeten/ da muſten ſie alsbald fort nach ihrer Heimat gehen/ jedoch 9000 bey ih-
rem Koͤnige verbleiben. Weil nun hieſelbſt auff fleiſſige Nachfrage kein Menſch das aller-
geringſte von dem verlohrnen Fraͤuleinzu ſagen wuſte (dann die Mutter hatte Hofnung
gehabt/ hieſelbſt etwas zuerfahren) da ging das Herzleid von neuen bey ihr an/ ſo daß ſie al-
le Hofnung verlohr/ ſie Zeit ihres lebens wieder zu ſehen/ drunge auch ſtark darauff/ daß
man ihres todeswegen die Trauer anlegen ſolte/ welches ſie aber nicht erhalten kunte. Ihr
Hoffgeſinde/ ſo dem Heidentuhm annoch ergeben wahr/ ſucheten vor ſich ſelbſt bey ihren
Pfaffen an/ aus den Opffer-zeichen oder anderen üblichen nachforſchungen ihnen anzu-
melden/ wie es mit dem Fraͤulein moͤchte beſchaffen ſeyn/ dann ſie ward von hohen und ni-
drigen wegen ihrer Demuht und Froͤmmigkeit uͤberaus heftig geliebet; aber es wolten die
Pfaffen ſich weder durch ſchenkungen noch verheiſſung bewaͤgen laſſen/ das allergeringſte
davon zu melden/ aus furcht/ ſie wuͤrden ihre Obrigkeit dadurch beleidigen/ weil ihnen be-
wuſt wahr/ daß die Chriſten ſolches alles vor ein Affenwerk und Narrentand hielten. La-
diſla waͤhre gerne bald wieder zu Prag geweſt/ aber Koͤnig Henrich wolte ihn vor ſeiner
und ſeines Sohns Herkules beſchehener Kroͤnung nicht laſſen/ welche des neunden Ta-
ges nach ihrer Ankunft angeſetzet wahr/ und die Teutſchen aͤdlen/ ſo voraus gezogen wah-
ren/ ſolches durch das ganze Land ausbreiten muſten. Herkules ließ ſeine und ſeines Ge-
mahls Krone bey ſchneller Botſchaft von Prag hohlen/ nebeſt etlichen Tonnen Goldes
Baarſchaft/ vielen Kleinoten/ und 50 Fuder der mitgebrachten koͤſtlichſten Italianiſchen
und Griechiſchẽ Weine/ ward auch eine herliche Bahn zum Ringelreñen vor dem Schloſ-
ſe angeleget/ und bemuͤheten ſich die Jaͤger allerhand Wildbraͤt herbey zuſchaffen/ da die
Fuͤrſten ſelbſt alle Tage dem Weidewerk oblagen. Der Ausſchuß von den Landſtaͤnden
ſtelleten ſich gebührlich ein/ aber uͤber dieſelbe eine ſolche menge Volkes/ welche der Koͤnig-
lichen Kroͤnung zuſehen wolten/ daß umb das Koͤnigliche Schloß her von allen ſeiten faſt
eine halbe Meile Zelten und Huͤtten auffgerichtet wurden. Koͤnig Henrich und Herkules
wurden mit der Kron gekroͤnet/ welche der Kaͤyſer ſelbſt unſerm Herkules zu Padua auff-
geſetzet hatte/ die beyden Koͤniginnen aber mit Valiſken Kron/ welche ſie eben an dem Ort
hatte empfangen/ und iſt unmoͤglich zubeſchreiben was vor ein Freudengeſchrey dabey ge-
trieben ward. Man warff ganze Saͤcke vol Silbergeld/ und ganze Tonnen vol guͤldener
Muͤnze bey der Kroͤnung aus/ deſſen man dazumahl in Teutſchland allerdinge ungewoh-
net wahr/ und legten die einfaͤltigen Bauren ſolches alſo aus/ als wann ſie es nur aufleſen/
und alles wieder einliefern muͤſten. Wie ſie aber ein wiedriges vernahmen/ daß ein jeder
behalten ſolte/ was er ergriffen haͤtte/ da ſpeiete ſich mannicher ſelber an/ daß er das auffge-
leſene andern hingereichet hatte/ und doch nicht wuſte wem. Ja etliche durften fragen/ wie
viel Tage ſolches Geldaus ſaͤen wehren wuͤrde. Bey der Koͤniglichen Gaͤſterey ging alles
praͤchtig zu/ nur daß die rechte Kunſtweiſe zu Singen und auff Seiten zu ſpielen/ von Koͤ-
nig
[640]Siebendes Buch.
nig Henrich an ſeinem Hofe annoch nicht angeordnet wahr/ daher nach gehaltener Mahl-
zeit Valiſka an dem oberſten Tiſche mit ihrer Lauten ſich luſtig machete/ da die anweſende
Abgeordente von den Staͤnden hinzudrungen/ dem herlichen Spielwerk und eingerichte-
ten Geſange zuzuhoͤren/ gleich als ſie den 45ſten Pſalm des Koͤniges David in einer lieb-
lichen Weiſe ſang/ welcher alſo lautete.


DerXLV.Pſalm.
1 WJe treibet mich mein Herz und Sin/

Und reiſſet mein Vermoͤgen hin/

Ein Lied ein feines Lied zu tichten/

Vom Koͤnige wil ich zurichten

Den aller lieblichſten Geſang;

Gleich wie ein ſchneller Schreiber fuͤhret

Die Feder/ die er richtig ſpuͤret/

Sol klingen meiner Zungen Dank.

2 Du biſt der allerſchoͤnſte Mann/

Der unter Menſchen leben kan/

Deß Lippen auch von Honig flieſſen;

Drum wird dich Gott zuſegnen wiſſen

Mit Freud und Wolluſt fuͤr und fuͤr.

Du ſtarker Held in Ungluͤks Zeiten/

Dein blankes Schwert guͤrt an die Seiten/

Und ſchmūcke dich mit Pracht und Zier.

3 Recht/ daß der Streit und Kampf dir gluͤkt/

Weil du ſo praͤchtig biſt geſchmuͤkt.

Fahr her zu uns auff deinem Wagen

Der Wahrheit/ und las dir behagen/

Was Sanfftmuht und das Recht begehrt;

So wird die Staͤrke deiner Rechten

Dich wunderbahrlich lehren fechten

Zu wieder dem der dich beſchwehrt.

4 Scharff und durchdringend iſt dein Pfeil/

Und ſtraͤnger als kein Donner Keil/

Kein Volk mag deſſen Schuß ertragen;

Zur Erden werden ſie geſchlagen/

Da wo der Feinde Schaar ſich haͤlt.

Dein Stuel O Gott kan nicht vergehen/

Dein Reichs Stab muß gerader ſtehen

Als wol kein ander in der Welt.

5 Gerechtigkeit die haͤltſtu wert/

Und haſſeſt den/ der Gottloß faͤhrt/

Es muß ihm fehlen allenthalben/

Drum hat dein Gott mit ſolchen Salben

Dich Gott und Herſcher ſchoͤn geſchmiert/

Die Froͤligkeit in uns entzuͤnden/

Mehr als die ſich bey dir empfinden/

So treflich biſtu auß geziert.

6 Es riechen deine Kleider ja

Wie Aloes und Kaſia/

Und wie die Myrren/ wo du ſteheſt/

Und her aus groſſen Haͤuſern geheſt

Von Elffenbeinen auffgebaut.

So tritſtu her in deinem Prangen/

Wie ſolchen Schmuk auch um ſich hangen

Die Koͤnigs-Toͤchter und die Braut.

7 Zur rechten Seiten ſteht ſie dir

In aller reinſter Goldes Zier/

So gut als mans aus Ophir bringet.

O ſchoͤnſte Tochter/ was hier klinget/

Da hoͤr und ſihe du nach aus/

Neig her die Ohren: Unterdeſſen

Muſt deines Volkes du vergeſſen

Und deines lieben Vaters Hauß.

8 So wird der Koͤnig allemahl

Dich lieben wie ſein Einig-Al/

Und deiner Schoͤnheit ſtets begehren.

Er iſt dein HErr/ den muſtu ehren/

Und ganz demuͤhtig vor ihm ſtehn.

Die Tochter Zor wird Gaben bringen/

Und Reiche werden zu dir dringen

Daß ſie vor deinen Augen flehn.

9 Der Koͤnigs-Tochter ſchoͤner Pracht

Iſt innerlich vor hoͤchſt geacht/

Mit guͤlden Stuͤk iſt ſie geſchmuͤcket/

Und ihre Kleider ſind geſticket;

So wird ſie an den Koͤnig bracht;

Das Frauen Zimmer auch daneben/

Die ihr zu Dienſt Gefaͤrten geben

Sind alleſamt in deiner Macht.

10 Die Heimfahrt iſt mit Luſt geſchehn/

Ins Koͤnigs Hoff ſiht man ſie gehn.

Du wirſt viel ſchoͤner Kinder ſaͤugen

An Vaͤter ſtat/ und Fuͤrſten zeugen

Der ganzen Welt. Zu aller Zeit

Wil deines Nahmens ich gedenken/

Drum werden dir die Voͤlker ſchenken

Sehr hohen Dank in Ewigkeit.

Die
[641]Siebendes Buch.

Die heidniſchen Zuhoͤrer verſtunden dieſes Geſanges Inhalt ganz nit/ meineten/ es waͤh-
re von eines jr diſchen Koͤniges Tapferkeit und Heyraht getichtet/ und hatten mehr gefal-
len an der geſanges Weiſe/ als an den Worten. Ihre Fr. Mutter ſelbſt/ die alte Teutſche
Koͤnigin/ zweifelte/ worauff ſie zielete/ deßwegen Valiſka mit lauter Stimme zu ihr ſagete:
Gn. Fr. Mutter; dieſer Geſang iſt nichts anders/ als ein Geiſtliches Lied/ welches ein geiſt-
reicher weiſſagender Koͤnig des Iſraelitiſchen Volkes/ nahmens David/ unſerm Heylan-
de und Erloͤſer Jeſus Chriſt/ uñ der glaubigen Chriſtlichen Kirchen zu ehren getichtet hat/
mehr als 1000 Jahꝛ vorher/ ehe deꝛſelbe unſeꝛ Heyland ſeineꝛ Menſcheit nach an dieſe Welt
gebohren iſt/ dañ der heilige Geiſt Gottes hat ihm ſolches eingegeben/ er aber hat es auffge-
ſetzet den damahligen Glaͤubigen zu troſt/ daß dieſer verſprochene Himmels Koͤnig gewiß-
lich kommen und nicht ausbleiben wuͤrde/ wie lange ſichs gleich damit verzoͤhe; Und ruͤh-
met alhie der Tichter den Sohn Gottes als einen himliſchen Braͤutigam ſeiner glaͤubigen
Kirchen/ wie derſelbe ſo ſchoͤn/ freundlich- beredſam/ maͤchtig und gerecht ſey; ſeine Braut
aber/ daß dieſelbe auch von ihrem Braͤutigam treflich ausgeſchmuͤcket ſey/ durch welchen
Schmuk die iñerliche Zierligkeit des Glaubens/ der Hoffnung/ Liebe/ Geduld/ und anderer
Chriſtlichen Tugenden verſtanden wird; dañ vor dem heiligen Gotte gilt kein aͤuſſerlicheꝛ
Pracht von Gold/ Perlen und aͤdlen Steinen/ ſondern ein Herz/ welches ſich von den
ſuͤndlichen Werken des Fleiſches und von der Liebe der uͤppigen Wolluſt abzeuhet/ und
hingegen ſeinen Gott ſich zu allem Gehorſam ergiebet. Dieſe Rede hoͤreten alle im Saal
verſamlete Heiden mit groſſer befremdung an/ und begunten etliche zu ſagen: Wañ der
Chriſten Glaube alſo beſchaffen waͤhre/ daß er nur zur uͤbung der Tugenden anfuͤhrete/ ſo
muͤſten es gottloſe Verleumder ſeyn/ die den Chriſten alle Freiheit zur Suͤnde uñ Schan-
de aufbuͤrdeten. Herkules nam auff ſeiner Fr. Mutter begehren die Laute auch zur Hand/
und gab ihr zuvernehmen wie bereit er waͤhre ihr zugehorſamen/ nebeſt anzeige/ er wolte ein
Lied hoͤren laſſen/ in welchem angezeiget wuͤrde/ was vor einen herlichen und kraͤftigen
Troſt eine glaͤubige Seele daher zunehmen haͤtte/ daß dieſer unſer himliſcher Braͤutigam
JEſus Chriſt ſeiner Menſcheit nach erhaben waͤhre/ und zur rechten der Kraft Gottes im
Himmel ſich geſetzet haͤtte; da er dañ nach einem [und] anderem kurzen Vorſpiel (umb die
reinſtimmung der Lauten zuvernehmen) dieſes Lied erſchallen ließ.


Seelen-Troſt
Uber unſers zur Rechten Gottes ſitzenden Heylandes Vertretung ſeiner
Glaͤubigen bey GOtt.

1 GOtt Lob! das Heil iſt wieder bracht/

Die Noht iſt uͤberwunden;

Weil JEſus Chriſt in groſſem Pracht

Sich hin zu Gott hat funden

Dann weil er nun im Himmel ſitzt/

Und kraͤfftig ſeine Schaar beſchuͤtzt/

Iſt ſie der Angſt entbunden.

2 Der ſchwarze Satan ſtund vor Gott/

Der uns ſehr hart verklagte;

Die Suͤnde macht’ uns groſſe Noht/

Die das Gewiſſen plagte;

Der Tod trat her mit vollem Lauff/

Die Helle taht den Rachen auff/

Daß alle Welt verzagte.

3 Der Eifer Gottes brante ſehr/

Geſetzes Spruch wahr herbe;

Die Urtel druͤkte gar zu ſchwehr/

Wer ſuͤndiget der ſterbe;

Dann Miſſetaht kan anders nicht/

Als daß ſie ſtuͤrzet ins Gericht/

Und raubt des Himmels Erbe

m m m m4 Wie
[642]Siebendes Buch.
4 Wie wiltu armer Suͤnder dann

Der Hellen Pein entgehen?

Kom ſchaue deinen Heiland an/

So wirſtu wol beſtehen;

Der dir zur Rettung iſt geſand/

Sizt hoch zu Gottes rechten Hand/

Da horet er dein flehen.

5 Daſelbſt vertrit er dich mit Krafft

Und reinigt dich von Suͤnden.

Umſonſt ſucht Satan deine Hafft/

Dann Chriſt wil dichs entbinden.

Der Tod zeucht ſeine Klauen ein/

Die Helle muß verſtopfet ſeyn/

Und was dich quaͤhlt/ verſchwinden.

6 Dein JEſus ſtillet Gottes Zorn/

So groß iſt ſein vermoͤgen;

Bricht des Geſetzes ſteifes Horn/

Und macht aus Urtel Segen;

Ja alle deine Miſſetaht/

Die Gottes Grim erwecket hat/

Muß ſich in Abgrund legen.

7 Was fuͤrchteſtu O Suͤnder dann/

Was ſteheſtu in Zagen?

Nur ſchaue deinen Heyland an/

Der deine Schuld getragen;

Der iſt/ ſo weit der Himmel geht/

Hoch uͤber Engels-Krafft erhoͤht/

Mehr als wir koͤnnen ſagen.

8 Dein Fleiſch O Menſch/ herſcht uͤberal

In JEſus deinem HErren/

Darum bewaͤget dich kein Fal/

Er ſey nah oder ferren.

Wer koͤnt uns doch/ wo JEſus Chriſt

Dein Bruder Ober Meiſter iſt/

Die Himmels Tuͤhr verſperren?

9 Er iſt des Vaters liebſter Sohn/

Dem Gott noch nichts verſaget;

Durch ſein Verdienſt iſt aller Hohn

Gott Lob/ vor uns gejaget;

Als er vor uns ſein teures Blut

Vergoſſen hat mit groſſer Fluht/

Und ſich in Tod gewaget.

10 Der herſchet nun mit voller Macht

Als Gott und Menſch zuſammen;

Und weil er uns zum beſten wacht/

Wird uns wol nichts verdammen;

Der Teufel ſey noch eins ſo groß/

So gibt ihm JEſus doch den Stoß

Und wirfft ihn in die Flammen.

11 Uns aber wil er nach dem Tod’

Aus Gnaden zu ſich zihen/

Und ſchaffen/ daß wir aller Noht

Durch ſeine Hulff’ entfliehen.

Drum trit zu dieſem JEſus her/

So wird dein Heyl je mehr und mehr

Auff wachſen und vol bluͤhen.

12 Ach ja/ du ſuͤſſer JEſus Chriſt/

Der du hinauff geſtiegen/

Und Herſcher uͤber alles biſt/

Laß uns nicht unter liegen.

Vertrit dein armes Haͤuffelein/

Und gib/ das wir nach dieſer Pein

Uns hin zu dir verfuͤgen. Amen.

Es iſt ein uͤberaus groſſes/ ſagte ſeine Fr. Mutter nach dieſes Liedes Endigung/ daß ein ar-
mer ſuͤndiger Menſch von dem allerhoͤchſten Gott die Freiheit hat/ ſich in ſeinen Noͤhten
zu ihm durchs Gebeht hinzuwenden/ und deſſen hohe Kraft zu ſeinem beſten zugebrauchẽ.
Zwar ich habe zeit meines Heydentuhms ja auch wol die Hofnung gehabt/ meine damah-
lige vermeynte Goͤtter wuͤrden zeit der Noht bey mir ſtehen/ und mir Rettung widerfah-
ren laſſen/ aber keine Zuverſicht/ kein Vertrauen wolte ſich dabey eraͤugen/ und wahr nicht
viel anders/ als wann mich der kalte Schweiß erwaͤrmen ſolte. Ja gn. Fr. Mutter/ ant-
wortete Koͤnigin Valiſka; wie kan man trauen/ da kein grund iſt? Wie kan man auff den
Trieb Sand feſt bauen? Ich muß ja vorhin in meiner Seele deſſen verſichert ſeyn/ daß der-
ſelbe warhafftiger Gott ſey/ der mir helffen ſol/ ehe ich mich verfichern kan/ daß ich die ge-
wiſſe Huͤlffe von ihm zugewarten habe. Ja ich muß zuvor auch wiſſen/ ob derſelbe geneigt
und willig ſey mir zuhelffen/ zu dem ich meine Zuflucht nehmen ſol. Dann wo es an die-
ſem gedoppelten Grunde mangelt/ da iſt es dem liſtig-verſchlagenen Teufel ein leichtes/
des
[643]Siebendes Buch.
des Menſchen Herz aller Zuverſicht zuberauben/ und die voͤllige Verzweifelung ihm bey-
zubringen. Ja es hat noch Muͤhe gnug/ daß ein glaͤubiger frommer Chriſt vor den Anfech-
tungs Pfeilen dieſes Hundert-Tauſend-Kuͤnſtlers geſichert bleibe/ deren freilich die Hei-
ligen Kinder Gottes/ als lange ſie in dieſer gebrechligkeit wallen/ nicht koͤnnen allerdinge
enthoben ſeyn; maſſen dieſer Feind unſerer Seligkeit ein unverſchaͤmter Gaſt iſt/ und ſich
lieber einſtellet/ da er nichtgeladen wird/ als da er ſeine Stelle ſchon weiß. Jedoch ſind wir
in der Schuz Hand unſers Almaͤchtigen Gottes/ der uns mit ſeinem Gnaden Schilde dec-
ket/ daß die Anfechtungs-Schuͤſſe leer und ohn Blut abgehen muͤſſen. Aber uns lieget in-
zwiſchen ob/ Gottes Barmherzigkeit hieruͤber inbruͤnſtig anzuruffen/ und dabey uns fleiſ-
ſig zuhuͤten/ daß wir nicht durch unſere Sicherheit und uͤppiges getrieb den Schuz Got-
tes von uns wenden/ und dem Verſucher uns unbewaffnet darſtellen. Wann wir nun
hieſelbſt das unſere nach Vermoͤgen tuhn/ und mit Furcht und Zittern im Glauben unſere
Seligkeit wirken/ ob wir gleich zuzeiten aus Fleiſches Schwacheit ſtraucheln/ wil doch
Gott darumb nicht alsbald die Hand gar abzihen/ ſondern auf ergangene Berenung gnaͤ-
dig ſeyn/ und gerne wie der auffhelffen. Ich erinnere mich/ daß meine gn. Fr. Mutter mir
ſchon mehr als einmahl ihres Herzen Anliegen zuverſtehen gegeben/ daß ſie den Anfech-
tungẽ nicht allemahl zuſteuren wiſſe; aber wir muͤſſen den Teuffel nicht zuviel hofiren/ noch
auff alle ſeine Einwuͤrffe uns zur Verantwortung einlaſſen/ ſondern uns auff unſers Got-
tes Barmherzigkeit und ſeines lieben Sohns Verdienſt beruffen/ alsdann wird der Het-
lige Geiſt ſeinen kraͤfftigen Troſt in unſer Herz feſt einſenken/ daß Satan mit allen ſeinen
Verſuchungen zu ſchanden werden muß. Meine herzgeliebte Fr. Tochter hat mir vor et-
lichen Tagen auff der Reiſe/ da wir auf dem Elefanten beyeinander wahren/ ein troͤſtliches
Lied hoͤren laſſen/ ſagte die alte Koͤnigin/ deſſen Anfang dieſer wahr: Ach wie angſt iſt unſer
Seelen/ wann der Teufel auff uns ſticht; und moͤchte ich daſſelbe noch gerne einmahl hoͤren.
Valiſka gab zur Antwort: Mein Herr Bruder Koͤnig Ladiſla hat daſſelbe auffgeſetzet/ uñ
wird verhoffentlich ſeiner Fr. Mutteꝛ nicht verſagen/ es alsbald anzuſtim̄en. Ihr Bruder
ſagte mit einem Lachen: Geliebte Schweſter/ du weiſt allerhand Mittel zuerfinden/ mich
und andere zum Schuelrecht anzufodern/ ſo daß man nicht bald gelegenheit haben kan/ diꝛ
dein begehren zuverſagen; nam die Laute zur Hand/ gab ihr eine andere Verſtimmung/
und ſang dieſes Lied darein.


Umb Beyſtand des Heiligen Geiſtes zeit der Anfechtung.
1 ACh wie angſt iſt unſer Seelen

Wann der Teuffel auf uns ſticht;

Wann er/ Herz und Geiſt zu quaͤhlen/

Unſern Troſt-Stab gar zubricht;

Wann er ſeine Pfleil’ ohn Ruh

Scheuſt auff uns Elenden zu/

Und macht uns mit ſeinen Waffen

Unertraͤglich viel zuſchaffen.

2 O da iſt kein Troſt zu finden/

Da faͤlt alle Freude hin:

Unſre Kraͤffte die verſchwinden/

Und der hart geplagte Sin

Schreiet lauter weh und Ach/

Laͤſſet keine Stunde nach/

Kan die Pein nicht mehr ertragen/

Noch ſein Herzleid von ſich ſagen.

3 Geiliger Geiſt/ du Kraft der ſchwachen/

Du im tunkeln helles Licht/

Wirſtu uͤber uns nicht wachen/

Wirſtu uns erleuchten nicht/

So iſt es um uns getahn.

Keiner iſt der helffen kan/

Wann du wirſt dein Heil verſagen/

Und vor uns nicht Sorge tragen.

m m m m ij4 Schau
[644]Siebendes Buch.
4 Schau’ auff uns elende Kinder;

Ohn dich ſind wir Vater loß

Satan bleibt wol Uberwinder

Wann du Gott uns laͤſſeſt bloß.

Heiliger Geiſt/ beut uns die Hand/

Und feucht unſer duͤrres Land;

Las dich als ein Schuͤtzer finden/

Und Anfechtungs-Feur verſchwinden.

5 Hoͤchſter Troſt in allen Noͤhten/

Sieh’ uns arme Suͤndeꝛ an/

Und laß vor dich unſer behten.

Nichts iſt das uns retten kan/

Wann du nicht die Hand anlegſt

Und den Feind zu ruͤcke ſchlaͤgſt;

Nichts iſt/ das der Teuffel ſcheuhet/

Als wann deine Kraft ihm draͤuet.

6 Dann weiß er nicht Fus zuhalten/

Sondern muß die Flucht angehn;

Sein’ Anfechtung muß erkalten/

Wann dein Heil du laͤſſeſt ſehn;

Wann du uns zur Seite ſtehſt/

Und zu unſer Huͤlff’ außgehſt/

Dann ſo muͤſſen ſeine Flammen

Ihn ſelbſt brennen und verdammen.

7 O ſo kom du Rettungs-Bringer!

Unſre Seele ſey dein Hauß.

So wird alle Noht geringer/

So reiſt Satan furchtſam aus/

Und des ſchwachen Menſchen Muht

Waͤchſet unter deiner Huht/

Daß er allem Teuffels-wuͤten

Und Anfechtung Troz kan bieten.

8 Wir ſind willig unſre Herzen

Dir zu liefern; nim ſie an/

Und laß deines Wortes Kerzen/

Welches dunkel brechen kan/

Bey uns ſcheinen fuͤr und fuͤr;

HErr entzuͤnde die Begier/

Daß wir glaͤubig zu dir rennen/

Und von heiſſer Liebe brennen.

9 Dann ſol aller Teuffel Schrecken

Uns forthin nicht ſchrecklich ſeyn/

Wann wir deinen Troſt nur ſchmecken/

Wann du zu uns kehreſt ein.

Ach erhoͤr uns Gottes Geiſt/

Der du heilig biſt und heiſt;

Dann ſo wollen wir dort oben/

Und hie niden dich ſtets loben. Amen.

Herkules wolte auch eines hinzu tuhn/ welches gleiches Inhalts waͤhre/ und ließ dieſes er-
ſchallen:


1 Wann unſre Macht des Satans Liſt und
Pfeil/

Und ſeine Wuht nicht kan zu ruͤcke treiben;

Wann unſer Fleiſch uns ſelbſten alleweil

Verfuͤhren wil/ auf boͤſer Bahn zu bleiben;

Wann Suͤnden-Angſt zu giftig auf uns ſchlaͤgt/

So daß wir uns auch vor uns ſelbſt entſetzen;

Und unſern Geiſt durch Zweifelmuht erlegt/

Daß gar kein Troſt ihn wieder kan ergetzen;

2 Sotrit uns zu/ du groſſe Himmels Kraft/

Gott Heilger Geiſt/ gib Kraft in ſolchẽ Noͤhten;

Las Satans Pfeil und Liſt ſeyn abgeſchaft/

Und daß der Geiſt das Fleiſch moͤg’ untertretẽ;

Die Suͤnden-Angſt nim gnaͤdig von uns hin/

Daß ſie uns nicht in dieſer Noht erdruͤcke;

Hilf wieder auf und ſtaͤrke Muht und Sin/

Daß unſer Geiſt ſich/ HErr Gott/ zu dir ſchicke.

3 Du biſt ia HErr der armen Suͤnder Troſt/

Der ſchwachen Krafft/ die Hofnung der Elenden;

Wann Satans Grim auff Sie gewaltig ſtoſt/

Pflegſtu die Noht in Gnaden abzuwenden.

Du richteſt auf was ſonſt er ſchlagen liegt;

Dein Gnaden-Strohm erquicket matte Seelẽ;

Dein Schutz iſt/ der die frommen nicht betriegt/

Vñ unſer Herz frey macht von Satans quaͤhlẽ.

4 Diß friſchet uns/ O hoͤchſter Troͤſter/ an/

Daß wir nicht gar in dieſem Kampf erliegen/

Den ſonſt kein Menſch zum Sieg’ aus fuͤhrẽ kan/

Wann wir nicht Kraft durch deine Gnade kriegẽ.

Ach Heilger Geiſt/ ſo ſteh uns ſchwachen bey/

Las deine Macht und Guͤte troͤſtlich ſcheinen;

Zu dir erhebt ſich unſer Noht-Geſchrey/

Derwegen kom und rett’ O Gott die deinen.
Amen.

Fuͤrſt Olaff wunderte ſich/ daß dieſe Fuͤrſten und Valiſka das Seiten ſpiel und die Sin-
gekunſt ſo wol begriffen hatten. Sein Leibdiener ein gebohrner Engelaͤnder/ wahr derſel-
ben auch wol erfahren/ und hatte unter ſchiedliche anmuhtige Lieder aus den heydniſchen
Geſchich-
[645]Siebendes Buch.
Geſchichten/ die nicht uneben geſetzet wahren/ welches Koͤnigin Valiſka wuſte/ und ihm
die Laute reichete/ den anweſenden aͤdlen eines auffzumachen; Welcher in gebuͤhrlichem
Gehorſam ſolches leiſtete/ und aus dem Ovidius das Getichte von dem Pyramus und der
Thyſbe in dieſen Reimen anſtimmete:


Thyſben Klage uͤber ihres Pyramus Tod.
1 PYramus mein beſter Freund/

Meines Lebens Sonne;

Meine Freud und Wonne/

Der mich traͤulich hat gemeint!

Was vor Vngluͤk hat dich troffen?

Wer hat dich alhie ermordt?

Stilſtu ſo mein ſehnlich hoffen/

O du meiner Seelen Hort?

Wer hat dich erſchlagen?

Wiltu mirs nicht ſagen?

2 Pyramus erhoͤre doch

Deiner Thyſben Schreihen;

Wiltu ſo erfreuen

Ihr angſt-ſchweres Liebe-Joch?

Ach was ſol ich nun beginnen?

Weh O weh der groſſen Noht!

Ach der Herzog meiner Sinnen

Ligt vor meinen Fuͤſſen tod!

Leiden uͤber Leiden

Wirket Todes ſcheiden!

3 Mein Ziel wahr in dich gericht

Vnd dir wahr ergeben

Mein Herz/ Geiſt und Leben;

O freundlich Angeſicht/

Wo iſt deine Schoͤnheit blieben?

Warumb biſtu doch ſo bleich?

Das zulieben mich getrieben/

Iſt nun eine todte Leich’.

O du bittre Liebe/

Darin ich mich uͤbe!

4 Dieſes Schwert ſey ſtets verflucht/

Welches hat dein Leben

In den Tod gegeben/

Vnd dein keuſches Blut verſucht.

Trag’ ich ſchuld an deinem ſterben/

Wie mir zeiget diß mein Kleid;

Bin mit dir gleich zuverderben

Ich ganz willig und bereit;

Wil mit meinen Haͤnden

Gern mein Leben enden.

5 Ich wil dein Gefaͤrte ſeyn/

Vnd dich nicht verlaſſen

Auff des Todes Straſſen;

Dieſes wuͤnſch’ ich nur allein:

Vnſre Leiber moͤgen liegen

Fein in eines Grabes Raum;

Darzu wil ich dieſes fuͤgen:

O du blutger Maulbeer Baum!

Deine Beerlein faͤrbe

Blutroht/ wann ich ſterbe.

Valiſka lobete den Tichter/ und ſagete zu Olaff: Solche und dergleichen weltliche Ge-
ſaͤnge/ die weder von Goͤttern noch Menſchen ſchandbahre Sachen in ſich begreiffen/ ſon-
dern entweder der Warheit aͤhnliche Erzaͤhlungen/ und keuſche Liebes-Reden/ oder ſonſt
der Tugend Lob uns vorſtellen/ ſind mir nicht unangenehm. Der Lauten Spieler hoͤrete die-
ſes/ und ließ folgendes noch darzu erklingen:


Koridons Morgen-Seuffzer.
1 NVn die finſtre Nacht iſt hin/

Hoffnung hat mich jezt umfangen.

Fillis liebſte Schaͤfferin

Biſtu ſchon hinweg gegangen!

Warumb geh’ ich nicht mit dir?

O du Sonne meines lebens/

Lieb’ ich dich dann ſo vergebens?

Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr?

2 Zwar der Sonnen-Fackel wacht/

Und die Morgenroͤhte ſcheinet/

Alles Wild im Walde lacht;

Und mein Herz im Leibe weinet.

Fillis laͤufſtu’ noch vor mir?

O du Sonne meines lebens/

Lieb’ ich dich dann ſo vergebens?

Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr?

3 Hoͤre doch die Nachtigal/

Wie ſie ſchon ihr Stimlein fuhret/

Wann ſie klaget ihren Fal/

Daß ſie unktuſch iſt beruͤhret.

m m m m iijFillis
[646]Siebendes Buch.
Fillis aller Waͤlder Zier/

O du Sonne meines lebens/

Lieb’ ich dich dann ſo vergebens?

Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr?

4 Schaue deine Schaͤffelein/

Wie ſie in den Auen ſpielen/

Weil auch ſie des Tages Schein

Und der Sonnen Hitze fuͤhleu.

Fillis Fillis kom doch hier!

O du Sonne meines lebens/

Lieb’ ich dich dann ſo vergebens/

Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr?

5 Vnſre Heerden weiden all/

Welche Berg’ und Tahl beſteigen/

Vnd der Schaͤffer-Pfeiffen-Schall

Laͤſt die Echo nimmer ſchweigen.

Fillis Fillis koͤmſtu ſchier?

O du Sonne meines lebens

Lieb’ ich dich dann ſo vergebens/

Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr?

6 Deine Schaͤflein weiden nicht/

Wer wil deine Laͤmmer traͤnken?

Gib mir deiner Augen Licht/

Die mein Herz abweſend kraͤnken.

Deiner wart’ ich mit begier.

O du Sonne meines lebens/

Lieb’ ich dich dann ſo vergebens?

Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr?

7 Hat dich Vngluͤk uͤbereilet?

Hat dich wa der Wolf verletzet?

Haſtu dich wa ſonſt verweilt/

Oder untern Baum geſetzet?

Scheuhſtu wa das wilde Tihr?

O du Sonne meines lebens/

Lieb’ ich dich dann ſo vergebens/

Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr?

8 O ihr Hirten jauchzet nicht/

Laſſet die Schalmeten ſchweigen;

Laſſet euer Traur-geticht

Hin biß an die Wolken ſteigen;

Ruffet/ rufft/ (was ſchweiget ihr?)

O du Sonne meines lebens/

Lieb’ ich dich dann ſo vergebens?

Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr?

Das Koͤnigliche Kroͤnungs Feſt ward drey Tage feirlich gehalten/ da unter andern/ ſechs
groſſe Baͤhren mit ſo viel Ochſen kaͤmpffen muſten/ welches eine feine Luſt zu ſehen wahr/
uñ vier Ochſen auch zween Baͤhren das Leben einbuͤſſeten. Die verſamleten Bauren hatten
auch ihre gewoͤhnliche uͤbungen mit dem Steinwurff und dergleichen; unter anderẽ kurz-
weilen hatten ſie eine Gans an einen Quehrbalken bey den Fuͤſſen auffgehenket/ unter wel-
chem ſie mit vollem rennen herjagen/ und nach der Gans greiffen muſten/ da der/ ſo ihr den
Hals abriſſe/ eine Tonne Bier zum Gewin davon brachte. Nach geendigtem ſolchem Feſt
ſchicketen ſich die unſern zur Reiſe/ welche die beyden jungen Koͤniginnen vor allen andern
befoderten/ weil nach ihren jungen Herrlein ihnen ſehnlich verlangete.


Es wird aber Zeit ſeyn/ daß wir dem hoͤchſt betrübten Großfürſtlichen Fraͤulein ein
wenig nachfolgen/ umb ihren elenden Zuſtand anzuſchauen/ welches ohn mitleiden nit
geſchehen kan. Dieſelbe hatte auff ihres getraͤuen Wolfganges emſiges anhalten ſich end-
lich noch erhoben/ und einen ungebahneten Weg/ Leute anzutreffen/ vor ſich genommen/
aber biß eine Stunde vor Abends ſahen ſie keinen Menſchen/ endlich ſtieſſen drey/ dem aͤuſ-
ſerlichen anſehen nach/ erbare alte Maͤnner auff ſie von der linken Seiten her; welche auff
ihre nach frage/ ob in der Naͤhe kein Dorff waͤhre/ zur Antwort gaben; nicht weit von hin-
nen haͤtten ſie in einẽ Flecken ihre Wohnung; ermahneten ſie mitzugehen/ und vertroͤſteten
ſie guter Herberge. Das Fraͤulein ward ihrer Geſelſchaft froh/ und ſagete: O ihr ehrliche
Maͤnner und gute Freunde/ des muͤſſe euch Gott im Himmel lohnen/ daß ihr uns zu rechte
weiſet/ damit wir nicht in dieſer Einoͤde dürffen liegen bleiben; und moͤchte ich wuͤnſchen/
daß euer Flecken nicht gar zu weit waͤhre/ ich werde ſonſt ſchwerlich ſo weit gehen koͤnnen.
Wir werden gar bald dahin gelangen antwortete der eine/ fragete auch darauff/ was vor
Leute
[647]Siebendes Buch.
Leute ſie waͤhren; dem Wolffgang antwortete; dieſe junge Frau waͤhre ſeines Bruders
Eheweib/ und wohnete in Frießland jenſeit der Iſel/ dahin ſie zu gehen willens waͤhren.
Nun hatte ſich aber Wolfgang in der Welt gar verlohren/ und da er meinete nach der Iſel
zukommen/ ging er immer weiter davon abe; welches dieſen dreyen die gewiſſe muhtmaſ-
ſung gab/ ſie würden zweifels ohn dieſer Laͤnder unbekant ſeyn; ſageten doch/ ſie gingen gar
recht/ und wuͤrden die Iſel bald zuſehen bekommen; aber ehe Wolfgang ſichs verſahe/ nah-
men ihrer zween ihn bey den Armen/ der dritte ſetzete ihm das Meſſeꝛ an die Kehle/ uñ zwang
ihn/ anzuzeigen/ ob er Geld bey ſich haͤtte/ ſolte ers albald hergeben/ oder ſeines lebens berau-
bet ſeyn. Dieſer/ mehr wegen der Fraͤulein als ſein ſelbſt vor dem Tode ſich fürchtend/ er-
boht ſich zu alle ihrem Willen/ und langete die 100 Kronen hervor/ die er bey ſich vernaͤhet
hatte. Das Fraͤulein gedachte hieſelbſt/ ſie muͤſte auch Geld geben/ oder ſterben/ rieff aus
groſſer Angſt/ und ſagte mit klaͤglichen Geberden: Ach ihr guten Leute/ toͤdtet dieſen meinẽ
Schwager nicht/ damit er mich durchbringen koͤnne/ ich habe auch noch Geld bey mir/ daß
wil ich euch alles gerne einhaͤndigen; langete auch allenthalben hervor/ da ſie meinete et-
was vernaͤhet zu ſeyn. Dieſe drey Diebe/ welche eigentlich Pferde aus der Weide zuſtehlẽ
ausgangen wahren/ erfreueten ſich der guten Beute/ kehreten ſich weiter nicht an ſie/ ſon-
dern lieſſen ſie immer vor ſich hingehen/ ſchenketen auch Wolfgangen auff ſein bitliches
anhalten drey Kronen Zehrgeld/ und machten ſich von ihnen hinweg/ wolten ihnen gleich-
wol nicht anzeigen/ wo ſie Leute antreffen koͤnten/ dann ſie fuͤrchteten/ man wuͤrde ſie ver-
folgen/ da das Fraͤulein anfing: Ach du almaͤchtiger Gott/ wie greiffeſtu mich doch ſo gar
hart und ernſtlich an; du haſt mich von meinen lieben Eltern/ hernach von meinem aller-
liebeſten Fuͤrſten geſchieden; nun bin ich uͤberdas noch aller Lebensmittel beraubet/ welche
mehrenteils im Feur auffgangen/ und das wenige uͤberbliebene mir nun gar abgenom̃en
iſt; doch mein Gott/ erhalte nur den lieben Fuͤrſten beim Leben/ und mich bey ehren/ daß
wir endlich friſch und geſund wieder moͤgen zuſammen kommen. Sie hatte dieſen ganzen
Tag weder gegeſſen noch getrunken/ und wahr vom lauffen ſo müde/ daß ſie keinen Fuß
mehr nach ſich zihen kunte. Wolfgang wuͤnſchte nichts mehr/ als nur ein Dorff oder Stad
zuerreichen/ da er das Fraͤulein bey Leute bringen/ und er einen des weges erfahrnen Men-
ſchen antreffen moͤchte/ der ihn wieder auff den Weg nach ſeinem alten Vetter braͤchte/ dañ
wolte er ſchon Gelder finden/ und dem Teutſchen Groß Fuͤrſten nachzihen/ der das Fraͤu-
lein mit gnugſamer begleitung abholen wuͤrde. Als er aber ſahe/ daß ſie vor mattigkeit nit
weiter fortgehen kunte/ ſagte er zu ihr: Frau/ der Abend faͤlt mit macht herein/ und wir ſind
im offenen Felde da keine Bahn iſt; lieber ſtaͤrket euch aufs beſte/ ich hoffe/ wir werden
bald bey Leute kommen/ dann wir haben die Sandhuͤgel uͤberwunden/ und gerahten an be-
ſametes Land/ welches dort von ferne ſich blicken laͤſſet/ da wir dann einen Landweg an-
treffen werden/ ſo haben wir wils Gott unſere muͤhſelige Reiſe abgelegt. Ja wol abgelegt/
mein guter Wolfgang/ ja wol abgelegt/ ſagete ſie; ich fuͤrchte ſehr/ ſie werde erſt recht an-
gehen/ machte ſich doch aufs ſtaͤrkeſte/ und ließ ſich von ihm bey der Hand leiten/ biß ſie gar
nicht mehr folgen kunte; da faſſete er ſie/ wie er ein ſtarker unterſezter Menſch wahr/ und
trug ſie eine groſſe Viertelſtunde/ biß er bey eine Heerſtraſſe kam/ woſelbſt er ſie niderſetze-
te/ umb ein wenig zu ruhen/ und wahrzunehmen/ ob nicht ein Menſch des Weges reiſen
wüꝛde.
[648]Siebendes Buch.
wuͤrde. Endlich ſahe er einen Laſtwagen daher fahren/ welcher zimlich ſchwehr beladen
wahr/ und baht den Fuhrman/ er moͤchte dieſe Frau/ welche ſich ſehr muͤde gangen/ biß an
das naͤheſte Dorff auffſitzen laſſen. Der boßhaffte unbarmherzige Menſch aber wegerte
ſich deſſen; ſeine Pferde waͤhren auch muͤde/ und den ganzen Tag abgetrieben; ſo muͤſte er
uͤberdas eilen/ damit er das Dorff vor ſpaͤter Nacht erreichete; ſie waͤhre ein junges fri-
ſches Weib/ die den Weg noch wol gehen koͤnte/ welcher in einer halben Stunde wuͤrde
geendiget ſeyn; wie wolte ſie ihm getahn haben/ wann er gar nicht kommen waͤhre. Das
Fraͤulein hatte ſich ein wenig ausgeruhet/ nur daß ſie die Fuͤſſe wund gangen/ und erboht
ſich gegen Wolffgang/ ſie wolte ſo weit noch wol gehen; weil er aber ihr hinken uͤber ſein
Herz nicht bringen kunte/ nam er ſie wieder auff den Ruͤcken/ und trug ſie fort/ da ſie von
dem mehr als halbtrunkenen Fuhrman ſo viel ſchimpflicher Reden annehmen muſte/ daß
ihr die Traͤhnen aus den Augen ſchoſſen/ und doch alles geduldig erlitte. Du fauler Balg/
ſagte er unter andern zu ihr/ laͤſſt du dich als ein jaͤhriges Kind von dem Kerl auff dem
Puckel tragen? pfui ſchaͤme dich du Muz; wann ich dein Kerl waͤhre/ ich wolte dich mit
der Peitſche dergeſtalt wiſſen zuſtriegeln/ du ſolteſt mir wie ein Tanzpfer dichen ſpringen.
Bald griff er auch Wolffgangen an; mein Kerl du muſt lieber tragen als ich/ daß du das
junge faule Weib auff dem Ruͤcken fortſchleppeſt; laß das Weib lauffen auff den Fuͤſſen
die ihr angewachſen ſind/ und wann du ja etwas tragen wilt/ wil ich dir ſchon eine Laſt auf-
legen/ daß meine Pferde etwas Leichterung empfinden. Nun wolte Wolffgang ſich mit
ihm nicht gerne uͤberwerffen/ ſondern ſagte/ er ſolte ihn ſeines Weges gehen laſſen/ wie er
ihm ja an ſeinem fahren nicht hinderlich waͤhre; koͤnte er erkennen/ daß ſeinen Pferden ei-
ne Muͤdigkeit zuſtoſſen koͤnte/ warumb ſolte dann ein ſchwaches Weib nicht koͤnnen matt
werden. Worauff der Unflaht ſo garſtige Reden ausſchuͤttete/ daß das zuͤchtige Fraͤulein
daruͤber erſtarrete/ inſonderheit als er anfing/ ſie unzuͤchtig zubegreiffen/ und ihr bald dar-
auff einen Groſchen boht/ ſeines Willens zupflegen. Wolffgang redete ihm ein/ er ſolte
wiſſen/ daß er mit keinem unzuͤchtigen Weibe fortginge/ uñ dafern er ſie weiter mit ſchaͤnd-
lichen Worten und anderer Ungebühr antaſten würde/ ſolte ers mit ihm zutuhn haben/
nachdem er ſchuldig waͤhre/ ſich ſeiner Schwaͤgerin anzunehmen. Ja du Knolle/ antwor-
tete er/ ich fuͤrchte mich gleich ſo wenig vor dir/ als vor dieſer jungen Metzen/ und nun ſol
und muß ſie meines Willens ſeyn/ oder ich wil euch beyden die Haͤlſe umdrehen; faſſete
zugleich die Peitſche/ und hiebe das Fraͤulein umb die Beine unbarmherzig gnug; woruͤ-
ber Wolffgang alle Geduld verlohr/ und in ſolchen Eifer geriet/ daß er einen Stein faſſete/
und damit auff den Buben loßging. Derſelbe nun fiel ihm alsbald in die Haar/ und ge-
dachte ihn zur Erde niderzureiſſen/ welches ihm aber fehlete/ kahmen mit einander zurin-
gen/ und weil Wolffgang ſich durch das gehen zimlich abgemattet hatte/ ſolte der ander
ihm ſchier uͤberlegen geweſen ſeyn/ arbeitete ſich endlich von ihm loß/ und als er ſahe/ daß
jener ſein Brodmeſſer hervor ſuchete/ ihn damit zuerſtechen/ er aber den Stein noch in der
Hand hatte/ ſchlug er ihm damit die Hirnſchale ein/ daß er alsbald niderfiel/ und nach we-
nig zappeln das Leben auffgab. Erſt geriet das Fraͤulein in die allergroͤſſeſte Angſt/ und ſa-
gete: O du barmherziger Gott/ nun fallen wir ja erſt in die allerſchlimmeſte Lebensgefahr.
Ach Wolffgang/ Wolffgang/ haͤttet ihr ihn doch nur immerhin peitſchen laſſen/ er wuͤrde
vielleicht
[649]Siebendes Buch.
vielleicht nichts ungebuͤhrliches vorgenom̃en habẽ. Davor wolte ich zehnmahl ſterbẽ/ ant-
wortete er/ ich habe dẽ gottloſen Schelm ſchon viel zuviel zu gute gehaltẽ/ uñ ſchaͤme mich/
dz ich ihm nicht gleich anfangs das Schandmaul geſtillet habe; grif dem ſchon verſchiede-
nen in den Schiebſak/ fand einen zimlichen Beutel mit Gelde/ und eine friſche Semmel
bey ihm/ gab ſolche dem Fraͤulein/ und ſteckete das Geld zu ſich/ ſchleppete hernach die Lei-
che hinter einen dicken Puſch/ trieb den Wagen nach der andern Seite vom Wege ab/ da
die Pferde einen jehen Huͤgel hinunter renneten/ und der Wagen gar umſchlug/ daß die
Pferde weder hinter noch vor ſich kunten; Er aber faſſete das Fraͤulein wieder auff/ und
lief/ ſo viel ihn Angſt und Gefahr treiben kunte/ biß er endlich vor dem Dorffe anlangete/
da es ſchon zimlich finſter wahr/ ging nach der Baurſchenke/ und ließ ihm Speiſe uñ Trank
geben/ ſo gut es zubekommen wahr/ da dann das Fraͤule in ſich des Schreckens zimlich er-
hohlete/ auch eine gute Mahlzeit hielt/ und bald darauff ihr eine Straͤu machen ließ/ darauf
ſie die ganze Nacht hindurch wegen der groſſen Muͤdigkeit ſchlief. Zwo Stunden nach
ihrer Ankunfft entſtund das Geſchrey im Dorffe/ des Schenken Wage laͤge mit ſamt den
Pferden unten am Huͤgel/ eine halbe Viertelmeile vom Dorffe/ und waͤhre kein Menſch
dabey; welches ſeinem Weibe angeſaget ward/ die darauff anfing uͤber ihren Mann ſich
hefftig unnuͤtze zumachen; es waͤhre des verſoffenen Bier Toͤlpels ſein Brauch alſo/ daß er
in allen Kruͤgen ſchwabbelte/ und die Pferde ihren Weg vor ſich hingehen lieſſe/ weil er
ſich darauff troͤge/ daß ſie die Straſſe kenneten; würde demnach wol wieder kommen/ wañ
er den Rauſch hinter etwa einem Zaune ausgeſchlaffen haͤtte/ wo er wol nicht gar mit ei-
nem unzuͤchtigen Balge abfeit gangen waͤhre; doch ſchickete ſie ihre beyden Hausknechte
hin/ den Wagen auffzuheben/ und nach Hauſe zubringen/ damit nichts von den auffgela-
denen Sachen davon geſtohlen wuͤrde. Aus welchem allen Wolffgang leicht muhtmaſſe-
te/ er laͤge bey der Wirtin zur Herberge/ und haͤtte ihr den Mann erſchlagen. Es wahr
ihm das beſchwerlichſte/ daß eꝛ nicht wuſte/ wo er wahr/ ſetzete ſich zu einem reiſenden Boh-
ten/ der das Nachtlager auch daſelbſt ſuchete/ bezahlete vor ihm eine Kanne Bier/ und fra-
gete/ welchen Weg man nehmen muͤſte/ wann man an den und den Ort an der Iſel belegẽ/
reiſen wolte. Dieſer berichtete ihn/ es laͤge ein Staͤdchen fuͤnff Meile von hinnen an einem
Waͤſſerchen dadurch man reiſen muͤſte. Nun wahr dieſes eben daſſelbe/ welches gleich
dieſen Morgen abgebrand wahr und ſie mit Lebensgefahr verlaſſen hatten; daß er dem-
nach leicht ſahe/ wie ſo gar er des Weges verfehlet/ und ſich vergangen haͤtte/ wuſte alſo
dieſen Abend keinen Schluß zumachen/ weil er das Fraͤulein in ihrer ſuͤſſen Ruhe nicht
verſtoͤren wolte. Fruͤh morgens taht er ihr alles zuwiſſen/ und baht/ ſich heraus zulaſſen/ ob
ihr nicht gefallen koͤnte/ daß er einen Karren im Dorffe mietete/ und ſie an einen ſichern
Ort fuͤhren lieſſe/ woſelbſt ſie ſich in einer Herberge auffhielte/ biß er nach ihrem Herr Va-
ter lieffe/ und ſie mit gnugſamer Begleitung abhohlete; welches ſie aber durchaus nicht
eingehen wolte/ ſondern er ſolte ſelbſt mit ihr hinfahren/ und ſehen wo ſie bliebe; dann wañ
er ſich alhie von ihr ſcheidete/ und ſie auff dem Wege in groͤſſere Gefahr geriete/ daß ſie den
vorgenom̄enen Ort nit erreichen koͤnte/ waͤhre es abermal vergebens/ und ſie uͤberdas ohn
alle Geſelſchafft. Alſo muſte er bey ihr bleiben/ dingete einen Karren/ und ſetzete ſich fruͤh
morgens mit ihr darauff/ noch ehe die Zeitung von dem erſchlagenen Wirte eingebracht
n n n nward;
[650]Siebendes Buch.
ward; da ſie dann den Weg nach dem Rein auff der Fraͤulein begehren vor ſich nahmen/
von dannen ſie nach dem Elbſtrohm ſich wenden/ und des naͤheſten Weges nach Magde-
burg zihen wolten. Wolffgang gab dem Fraͤulein die drey uͤbergebliebene Kronen/ welche
die geſtrigen Raͤuber ihm wieder geſchenket hatten/ mit Bitte/ ſie in ihre Kleider zuver-
machen/ und ob ſchon Raͤuber an ſie kommen wuͤrden/ ſich deſſen nicht merken zulaſſen;
des Erſchlagenen Geld aber/ welches ſich auff 9 Gülden Silbermuͤnze erſtreckete/ behielt
er bey ſich. Sie wahren etwa drey Meilen gefahren/ da kahmen fuͤnff verſchlagene Wen-
diſche Landsknechte zu Fuſſe an ſie/ nahmen Wolffgangen alles Geld/ worffen ihn ſamt
dem Fraͤulein gebunden in ein Stuͤcke Rogken/ ſchlugen den Fuhrman/ weil er ſich ſtraͤu-
bete/ und ſein Pferd nicht gerne verlieren wolte/ halb tod/ ſetzeten ſich auff den Karren/ und
fuhren davon. Frl. Klara wuͤnſchete ihr nur den Tod/ und gleichwol wann ſie die Hoff-
nung faſſete/ ihr Arbianes wuͤrde annoch im Leben ſeyn/ nam ſie ſich vor/ alle Ungluͤks Wi-
derwertigkeiten zuerdulden/ inſonderheit danckete ſie Gotthoͤchlich/ daß ſie ſich am ganzen
Leibe uͤber und uͤber mit der Farbe angeſtrichen/ und heßlich gnug gemacht hatte. Sie
lagen beyderſeits gar elendig/ doch wirkete Wolffgang ſo lange mit ſeinen Haͤnden/ dz ſich
der Strik loͤſete/ machte hernach ſeine Fuͤſſe/ und bald das Fraͤulein auch loß/ welche er
nach ſeinem Vermoͤgen troͤſtete; das Gluͤk wuͤrde ſie ja noch endlich anſehen/ und ihnen
freundlicher werden/ wann es ſeinen Muht gnug würde gekuͤhlet haben. Das aͤrgeſte war/
daß er keinen Weg kennete/ und ihre Füſſe zum gehen unduͤchtig waͤhren/ ſonſt wolten ſie
noch ſehen/ daß ſie wieder bey Leute kaͤhmen. Ey ich wil friſch mit lauffen/ ſagte das Fraͤu-
lein/ und an die Fußſ[c]hmerzen nicht gedenken/ weil das ſchmieren/ welches mich geſtern
Abend die Wirtin lehrete/ mir ſehr wol geholffen hat; aber den Weg/ welchen die Raͤuber
gefahren ſind/ wollen wir meiden/ und uns auf einẽ andern wenden/ ſo bald nur ein Schei-
de Weg zuſehen iſt. Sie gingen ſanfftmuͤhtig fort/ und kehreten ſich nach der Linken zu;
kahmen auch des Nachmittags ganz ermuͤdet in ein geringes Doͤrflein/ da nichts als Brod
und Butter/ und ſehr ſchlechtes Getraͤnke zubekommen wahr; ſo wuſten ihnen die Leutlein
keine Anzeige zutuhn/ wohin ſie ſich wenden ſolten/ deswegen ſie uͤber Nacht daſelbſt blie-
ben/ und ſich fein ausruheten; aber als des folgenden Morgens ſie fort wolten/ und kein
klein Geld bey ſich hatten/ die geringen Speiſen zuzahlen/ auch niemand die Gold Kronen
kennete/ ob ſie gut waͤhren oder nicht/ muſte Wolfgang an ſtat der bezahlung ſeine Schuch
im ſtiche laſſen/ wie ungerne er auch wolte. Sie brachen doch wieder loß/ und tanzete die-
ſer auff den Soͤcken/ deſſen er dann nicht ungewohnet wahr/ und dannoch das Fraͤulein
groß Mitleiden mit ihm trug/ beteurend/ wann ſie ſolches haͤtte wiſſen ſollen/ wolte ſie un-
geſſen blieben ſeyn; deſſen er aber lachete/ ſie verſichernd/ wann er ſich vor ihr nit geſcheu-
het/ wuͤrde er des vorigen Tages ſeine Schuch lieber unter dem Arme/ oder auff einem
Stecken uͤber der Schulter/ als an ſeinen Fuͤſſen getragen haben; dann es iſt mit einem
Menſchen/ ſagte er/ als mit einem Pferde/ welches wann es nicht von Jugend auff zu den
Huefeiſen gewehnen iſt/ gehet es unbeſchlagen viel beſſer; alſo finden ſich unter uns Bau-
ren/ die ſtoͤlpern immerfort/ wann ſie in Schuhen gehen/ da hingegen ſie barfuß feſt und ge-
ſchwinde fort treten. Nun mein lieber Wolffgang/ antwortete ſie/ laſt es geſchehen/ daß ihꝛ
meinet wegen einen Tag barfuß gehen muͤſſet/ uñ zweifelt nicht/ daß/ ſo bald mir mein Gott
zu
[651]Siebendes Buch.
zu meinen lieben Eltern hilfft/ es euch an Stiefeln und verguͤldeten Sporn nicht mangeln
ſol. Behuͤte Gott/ Frau/ antworte er/ wie ſolte ich darzu kommen/ ich moͤchte ſie dann mei-
nem Herrn in der Hand oder unterm Arme nach tragen. Ihr ſolt ſie keinem Herrn nach-
tragen/ ſagte ſie/ ſondern ſelbſt ein Herr ſeyn/ und ſeyd deſſen gewiß/ daß ich noch einen Ae-
delman aus euch zumachẽ gedenke. O gn. Fr. antwortete er; ſo wuͤrde gar nichts guts aus
mir werdẽ; dañ weiß ſie nit dz bekante Sprichwort: Kein Schermeſſer ſo ſcharff je ſchiert/
als wañ ein Baur zum Herrn wird. O nein/ ich wil gern uñ lieber in meinẽ nidrigẽ Stan-
de mich halten/ wañ ich in demſelben zimliche Lebensmittel habe/ als hoch ſteigen/ uñ unge-
wiß ſitzen; dañ wer wolte mich doch vor einen Aedelman haltẽ/ da ich in einer gꝛoben uñ toͤl-
piſchen Baurenhaut ſtecke. Wañ ich demnach wiſſen ſolte/ dz meine gn. Frau ein ſolches
aus Ernſt redete/ wolte ich keinen Schrit weiter gehẽ/ ehe dieſelbe mir gnaͤdig verſprochen
haͤtte/ mein mit ſolcher Ehre uñ Hocheit zuverſchonẽ. Gebt euch zufriedẽ Wolfgang/ ſagte
ſie/ ich verſpreche euch hiemit/ dz wieder euren willen euch nichts begegnẽ ſol/ laſſet uns nur
Gott fleiſſig anruffen/ daß er uns zu meinen Eltern bringe. Alſo verkuͤrzete er dem Fraͤu-
lein ſonſt des weges Ungelegenheit mit allerhand einfaͤltiger Uuterredung/ da er ihr ange-
loben muſte/ daß in dieſer Fremde er ſich vor ihren Ehman ausgeben ſolte/ welches zu ihrer
Ehren rettung am dienſtlichſten ſeyn wuͤrde. Sie gelangeten des ſpaͤten Abends bey ihrer
geringen Speiſe/ welche ſie zu ſich geſtecket hatten vor einem Flecken an/ da das Fraͤulein
vor mattigkeit keinen Fuß mehr von der Stete bringen kunte. Ihnen begegnete ein armer
Betler/ welcher ſie umb eine Gabe anſprach/ zu dem ſie ſagete: Ach ich ſolte euch ja wol
billich etwas geben/ aber ich habe nichts damit ich euch aushelffen kan; gehet aber mit mir
in den Flecken/ und zeiget mir eine Herberge/ daſelbſt wil ich nach meinem geringen ver-
moͤgen euch gerne mitteilen. Dieſer wahr darzu willig fuͤhrete ſie zu einer Witwen/ und
empfing von ihr einen Groſchen/ nachdem die Wirtin ihr eine Krone gewechſelt hatte/ da
ſie zu dem Betler ſagete: Ach ihr guter Mann/ ſeid ihr doch noch elender als ich bin/ aber
vor dißmahl weiß ich euch weiters nicht zuhelffen; ſoltet ihr aber etwa nach Magdeburg
kommen/ und vor des Groß Fuͤrſten Schloſſe eine Almoſen ſuchen/ ſo fraget nach einer/
nahmens Klara/ alsdann wil ich euch ein mehres ſchenken. Dieſer nahm den Groſchen
vorlieb/ und gedachte/ der Weg waͤhre ihm viel zu weit/ eine Verehrung daher zu hohlen.
Das Fraͤulein ließ ihr gute Speiſe und Trank reichen/ und wahr ihr ein groſſes/ daß ihr
alles auff der Reiſe ſo wol ſchmeckete. Sonſten wahr Gottes Kraft in dieſer Schwachen
ſehr maͤchtig/ daß ſie gar ein gutes Herz faſſete/ Gott wurde ſie zwar wegen ihrer Suͤnde
zuͤchtigen/ aber ihr gnaͤdig wieder helffen; woruͤber ſie oft vor Geiſtes-freude lachete/ und
in ihrem Herzen ſagete: Ach du frommer Gott/ ich bin ja durch meines lieben Fürſten un-
terweiſung (welchen du dir in deinen gnaͤdigen Schuz wolleſt laſſen befohlẽ ſeyn) dein Kind
worden/ und erfreue mich auch/ daß du ſo zeitig anfangen wilt/ meinen Glauben und Ge-
horſam durch deine vaͤterliche Zucht-ruhte zubewehren; aber ach mein lieber Vater/ han-
dele mit mir ſchwachen nach deiner Gnade/ und lege mirs doch nicht ſchwereꝛ auff/ als ichs
ertragen kan/ alsdann wil ich dir in Kindlicher Geduld gerne aushalten/ wañ du nur mein
Vater/ uñ ich dein Kind bleibe; bey welchen Gedankẽ ſie auch vordißmahl ihre Andachts-
Traͤhnen vergoß/ als die Wirtin ſich zu ihr niederſetzete/ und ſie fragete/ von wannen ſie
n n n n ijkaͤh-
[652]Siebendes Buch.
kaͤhme/ und wohin ſie gedaͤchte. O ſagte ſie/ ich komme von der Iſel/ und mein weg iſt nach
der Elbe/ wann ich ihn nur finden koͤnte. Nach der Elbe? antwortete ſie/ das iſt weit hin;
doch zu zeiten kehren Karren und Wagen bey mir ein die des Weges hinreiſen/ mit wel-
chen ihr fuͤglich werdet uͤberkommen; und wann ihr euch mit naͤhen behelffen koͤntet/ wolte
ich biß zu ſolcher Gelegenheit euch gerne bey mir behalten/ dann mein Mañ iſt mir leider
vorm halben Jahre mit Tode abgangen/ und hat mich ſchwanger hinter ſich verlaſſen/ daß
ich nunmehr alle Tage der Entbindung gewaͤrtig bin; wollet ihr mir nun etlich Kinder-
zeug verfertigen/ wil ich euch deſſen gebuͤhrlich lohnen/ und eurem Manne auch im Hauſe
Arbeit verſchaffen/ daß er die Koſt haben ſol. Dem frommen Fraͤulein gefiel dieſer Vor-
trag ſehr wol/ weil ihr unmoͤglich wahr/ auff ihren Fuͤſſen zu wandern; ließ ſich mit ihr ein/
und machete alles was ſie begehrete/ wolte aber kein Geld zu lohne haben/ ſondern baht/ daß
ſie umb ſo viel beſſer geſpeiſet wuͤrde/ weil ihr Magen die harten Speiſen nicht wol verdauẽ
koͤnte; ſchmierete auch dieſe Zeit über ihre Fuͤſſe fleiſſig/ daß ſie in kurzer Zeit ganz heile
wurden/ und bezeigete ſich im Hauſe nit andeꝛs als eine Dienſtmagd/ welche von Jugend
auff darzu gewaͤhnet waͤhre/ daß Wolfgang ſich deſſen nicht gnug verwundern kunte. Ih-
re Frau aber gewann ſie ſehr lieb wegen ihrer traͤue und fleiſſes/ daß ſie ſich erboht/ ſie ſo
lange zubehalten/ als es ihr ſelbſt gefallen wūrde. Einsmahls fragete ſie Wolfgang/ ob ihr
das Herz nicht weh taͤhte/ daß ſie einer ſo geringen Frauen muͤſte auffwaͤrtig ſeyn; dem ſie
zur Antwort gab: Mein guter lieber Freund/ warumb ſolte mir deswegen mein Herz we-
he tuhn? Der Almaͤchtige Gott/ dem wir Menſchen alle mit einander auff gleiche weiſe
unterworffen ſind/ hat mir ſeinem Kinde ſolches aufferleget/ ſolte ich dann demſelben ent-
gegen murren? Nein O nein! derſelbe verfaͤhret ja noch gnaͤdig mit mir/ giebet mir das
taͤgliche Brod/ und bewahret mich vor Unehr und Schande; davor bin ich ſchuldig ihm
von herzen zudanken/ und daneben nicht zuzweifeln/ daß es ihm gar ein geringes und leich-
tes ſey/ mich in vorigen Stand wieder zuſetzen. Dieſem gingen wegen ſolcher Rede die
Traͤhnen aus den Augen/ und fing darauff alſo an: Ach Frau (anders muſte er ſie nit nen-
nen)/ ich bitte euch lauter umb Gottes willen/ goͤnnet mir doch/ daß ich allein nach euren
Eltern reiſe/ ihnen euren Zuſtand anzumelden/ damit ihr dieſem Elende moͤget entriſſen
werden; Ihr ſeyd ja nun an einem Orte/ da ich euch zufinden weiß/ und ſollet meinem gu-
ten Raht nach/ hie ſelbſt verbleiben/ biß euch gnugſame Begleitung zugeſchicket werde;
ſolte aber ſolches in dreyen Wochen nicht erfolgen/ daß ich etwa auff meiner Reife in Un-
fal kaͤhme/ welches ich doch nicht hoffen wil/ ſo gebet euch dieſer Wirtin nur kuͤhnlich kund/
dieſelbe wird alsdann alles ihr Vermoͤgen (aus Hoffnung groſſer Vergeltung) gerne
daran wenden daß euch gebuͤhrlich geholffen werde; Und dafern ihr in dieſen meinen ge-
traͤuen Raht nicht werdet einwilligen/ wird mir entweder mein Herz aus Mitleiden zer-
ſpringen/ oder ich werde wider euren Willen mich auff den Weg machen. Welche Rede
er mit einem hefftigen weinen beſchloß/ und (weil ſie allein wahren) durch einen Fußfal
baht/ ihren Willen in ſeine Reiſe zugeben. Das Fraͤulein kunte ſeiner groſſen herzlichen
Traͤue ſich nicht gnug verwundern/ umfing ihn als ihren Bruder/ und ſagte: Mein lieber
und wahrer Freund/ was hat doch mein Gott mir vor eine groſſe Gnade und Woltaht eꝛ-
zeiget/ daß er euch zu mir gefuͤhret hat. Zwar ich habe mir bißher ſteiff vorgenommen/
euch
[653]Siebendes Buch.
euch keines weges von mir zulaſſen/ ſondern auff gelegene Fuhre zuwarten/ und alsdañ mit
euch zugleich auffzubrechen; aber weil ihrs anders vor gut anſehet/ wil ich einwilligen/ dz
nach Verlauff dreyen Tagen ihr dieſe Reiſe mit einem des Weges kuͤndigen Bohten in
Gottes Nahmen vor euch nehmet/ dafern inzwiſchen keine gelegenheit zu meiner Mitreiſe
ſich eraͤugen wird. Aber O wie wol haͤtte ſie getahn/ wann ſie ſeinem Raht gefolget waͤhre;
doch wolte des Allerhoͤchſten Verſehung/ daß ſie noch etwas beſſer in die Kreuz Schuele
ſolte gefuͤhret/ und daſelbſt bewehret werden.


Der hochbekümmerte Arbianes muſte nicht weniger/ als ein angehender Chriſt
durch die Zucht Ruhte Gottes des HErrn fein zugerichtet/ und zur Geduld angewaͤhnet
werden/ welcher wegen des Verluſtes ſeiner lieben Fraͤulein in unſaͤglichen Sorgen wahr/
maſſen als er im obgedachten Dorffe von ihr nichts erfahren kunte/ lief er wieder zuruͤk/
und rief zu zeiten im offenen Felde den Nahmen Klara mit lauter Stimme/ wie wol ver-
gebens und umſonſt; wo er eine Hecke in der ferne oder naͤhe ſahe/ lief er hinzu/ und meine-
te/ ſie würde dahinter ruhen/ wendete ſich auch zwar nach der Seite hin/ nach welcher ſie
gelauffen wahr/ aber da er das auffgeſchwollene tieffe Waſſer erreichete/ ſagete er bey ſich
ſelbſt; nun bin ich gewiß/ daß ſie dieſen Weg nicht gangen iſt/ ſtund alſo und bedachte ſich/
ob er auf oder nider gehen ſolte; und in dieſen Zweifel fiel er nider auff die Knie/ und baht
Gott von Herzen/ er wolte ihn des rechten Weges geleiten/ daß er ſein Fraͤulein antreffen
moͤchte. Nach vollendetem eyferigen Gebeht lief er mit dem Strohme fort/ biß in die fin-
ſtere Nacht/ und weil er keinen Menſchen in der naͤhe merkete/ legete er ſich hinter einen
Puſch nider zur ruhe/ da er zuvor einen guten Trunk aus der Bach getahn/ und ſeine Arm-
Wunde aufs neue verbunden hatte/ ſchlieff auch in der Herzens Angſt biß die Mogenꝛoͤh-
te anbrach. Als er des Tages Gegenwart ſpuͤrete/ nam er nach getahnem Gebeht ſeinen
Weg wieder vor ſich/ biß er der Bach Ende erreichete/ da ſie in das Waſſer lief/ welches
bey dem abgebranten Staͤdle in voruͤber floß; da ging nun ſein Jammer erſt recht an; Ach
mein gnaͤdiger Gott/ ſagete er/ verlaß mich doch nicht in dieſer meiner groſſen Noht; ach
HErr zeige mir die rechte Bahn/ daß ich ihrer nicht verfehle. Nun ſahe er wol/ daß er noht-
wendig wieder zuruͤk/ und uͤber die Bach muſte/ dann unmoͤglich wahr es/ daß ſie ſolte einẽ
andern Weg gangen ſeyn; brachte alſo drey Stunden auff dem Ruͤkwege zu/ biß er einen
ſchmalen Steg antraff/ uͤber welchem das Waſſer einer Handquer ging/ und ihm unmoͤg-
lich wahr/ einen feſten Trit darauff zu tuhn; gedachte endlich/ vielleicht hat das Fraͤulein
einen beſſern Weg angetroffen/ welchen du nicht finden kanſt; wagete ſich hinein ins Waſ-
ſer/ hielt ſich mit der Hand an dem Stege/ und kam mit groſſer Lebens Gefahr noch hin-
durch/ weil es in der mitte tieffer wahr/ als daß ers haͤtte ergründen moͤgen. Als er das
Ufer erreichet hatte/ ging er in ſeinen naſſen Kleidern immer fort/ und ſahe doch keine
Bahn/ blieb in ſteten Gedanken zu Gott/ und meinete/ wie er ſeinen Weg fort ſetzete/ alſo
geleitete ihn die Goͤttliche Verſehung/ traff doch keinen Menſchen an/ ſondern ging biß
an den ſpaͤten Abend/ daß er endlich ungeſſen ſich hinter eine Hecke legen und ausruhen
muſte. Des folgenden morgens ſahe er weit um ſich/ und ward dreyer Maͤnner (welche
Wolffgangen und das Fraͤulein des vorgeſtrigen Tages beraubet hatten) gewahr/ ging zu
jhnen hin/ und fragete/ ob man nicht in der Naͤhe an ein Dorff gelangen koͤnte; auch/ ob ſie
n n n n iijnicht
[654]Siebendes Buch.
nicht eine junge Frau und einen jungen Mann/ wie Er gekleidet waͤre/ vernommen haͤtten.
Dieſe gedachten alßbald/ Er muͤſte auch des ſchoͤnen Goldes bey ſich haben/ welches ihre
gewiſſe Beute ſeyn ſolte; und gaben jhm zur Antwort: Sie haͤtten ja vorgeſtern ſolche zwey
Menſchen Bilder angetroffen/ die vom gehen ſehr ermuͤdet geweſen/ haͤtten ihnen auch auf
ihr Begehren den Weg nach einem Dorffe gezeiget/ wohin ſie nunmehr ſelbſt gedaͤchten/
und ſtuͤnde ihm frey/ mit ihnen zugehen. O ihr guten Leute/ ſagte er/ was habt ihr ein gutes
Werk getahn/ ſo wol/ daß ihr denen zu Leuten verholffen/ als daß ihr mir deſſen Nachricht
gebet/ welches ich euch unvergolten nicht laſſen kan; griff in den Schiebſak/ und verehrete
ihnen eine Krone. Dieſe ſageten davor Dank/ und gingen mit ihm fort/ und weil ſie wuſtẽ/
daß ſie bald an einen wankſamen Ort gerahten wuͤrden/ da ihnen das rauben nicht wuͤrde
gelingen/ ſucheten ſie ſchleunige Gelegenheit/ ihr Vorhaben ins Werk zurichten/ daher
der eine/ ehe er ſichs verſahe/ ihm nach dem rechten Arme griff/ ihn dabey feſt zuhalten;
der ander wahr auch ſchon fertig/ ihn bey der Kehle zufaſſen; aber wie er von Gliedmaſ-
ſen ſtark und gerade wahr/ alſo riſſe er den Arm bald loß/ zog von Leder/ und ſtieß dem erſtẽ
das Schwert durchs Herz/ zu ihm ſagend: Je du gottioſer Moͤrder/ iſt das die Vergel-
tung vor mein Trinkgeld? dem andern hieb er alsbald auch den Kopf mitten von einan-
der; und den driten/ welcher ſchon das Meſſer gezuͤkt hatte/ ihn zuerſtechen/ und nunmehr
vor Angſt davon lieff/ verfolgete er/ hohlete ihn bald ein/ warf ihn zur Erde/ und draͤuete
ihm den Tod/ dafern er ihm nicht ſagen wuͤrde/ ob die beiden Menſchen/ denen er nach ge-
fraget haͤtte/ annoch im leben/ oder von ihnen erwuͤrget waͤhren. O mein Herr/ antwortete
dieſer/ ſchenket mir das Leben/ ich wil euch die ganze Warheit ſagen/ dz wir ihnen alles ihr
Gold abgenom̄en/ uñ ſie ohn beſchaͤdigt gehen laſſen. Wohin aber haben ſie ſich gewendet?
fragete er; wir haben ſie uͤber einẽ Sandhuͤgel heiſſen gehen/ gab er zur Antwort/ da ſie ohn
Zweifel bey ſpaͤtem Abend zu einem Dorffe kommen ſind. So muſtu mir keine weitere Un-
gelegenheit machen/ ſagte Arbianes/ und ich wil dir als einem Raͤuber und Moͤrder lohnẽ/
hieb ihm den Kopf herunter/ und nach dem er ihm 50 Kronen aus dem Schiebſak genom-
men hatte/ beſuchete er auch die andern beiden erſchlagenen/ fand alles geraubete Gold
wieder/ machte ſich ſchleunig uͤber die Sandhuͤgel/ kam auff den rechten Weg/ und eilete
dem Dorffe zu/ voller Hoffnung/ ſein Fraͤulein daſelbſt noch anzutreffen/ als welche vom
gehen ermuͤdet/ hieſelbſt ansruhen wuͤrde; ging in die Bauren Schenke/ und ſahe mitten
im Hauſe auff einer Straͤu eine Leiche liegen/ deſſen er nicht wenig erſchrak/ und doch die
Urſach ſeines entſetzens ſelbſt nicht wuſte. Die Wirtin gab acht auff ſeine Verenderung/
[und] fragete/ was er ſich ſo entſetzete? ob er etwa der Moͤrder waͤhre/ welcher ihren Mann
geſtern oder vor geſtern Abend im Felde auff freier Land-Straſſe erſchlagen haͤtte? Wor-
auf er herzhaft zur Antwort gab; ſolte ich mich nicht entſetzen/ daß man eine ſchier ganz
nackete Leiche ſo dahin wirft/ nicht viel beſſer als obs ein Vieh waͤhre? Aber Frau/ wañ ein
Mann ſolche nachteilige Frage an mich wuͤrde abgehen laſſen/ wuͤrde ich ihm eine hart
treffende Antwort geben; iſt euer Ehwirt erſchlagen/ ſo ſuchet den Taͤhter/ oder habt ihr
Urſach auf mich zu aꝛgwohnen/ ſo ſaget es rund aus/ als dann weꝛde ich euch ſchon begeg-
nen. Sie hingegen fuhr ihn an; er ſolte ihr nicht viel trotzens im Hauſe machen/ es waͤhre
ihr Ungluͤks gnug/ daß ihr Mann ermordet waͤhre; und da er ſich nicht bald packen wuͤr-
de/
[655]Siebendes Buch.
de/ wolte ſie ihm Fuͤſſe machen/ dieſes redete das Weib aus Zorn/ dann gleich da Arbianes
zur Haus Tuhr hineintrat/ wahr das loſe Weib Willens ihre Buhlerey mir ihrem Knech-
te zutreiben/ mit dem ſie in Ehebruch lebete/ auch ſchon mit denſelben angelegt hatte/ daß
er ihren Mann/ als welcher ihr ungetraͤu waͤhre erwuͤrgen/ und ſie wieder heyrahten ſolte/
daher ſie in den feſten Gedanken ſtund/ er haͤtte die Taht ſelbſt begangen/ und daß er ihr ſol-
ches nicht offenbahren wolte; daß ſie demnach Arbianes nicht in verdacht hatte/ nur dz ſie
ſein gerne wolte loß ſeyn; welcher dann auf ihre obgedachte Rede zur Antwort gab/ weil er
nicht bedacht wahr/ lange mit ihꝛ zu zanken: Wol/ in Gottes Nahmen/ Frau/ das Haus
iſt euer/ ſo viel ich vernehme/ und muß mich deſſen wol aͤuſſern/ wann ihrs ſo haben wollet;
aber des Mords beſchuldiget mich ja weiters nicht/ oder ihr werdet mit mir in Ungluͤks
Kuͤche kommen. Ging damit zur Tuͤhr hinaus nach des naͤheſten Nachbars Wohnung/
welchen er um etliche Stunden Herberge baht/ und daß er ihm Speiſe und Trank vor dop-
pelte Bezahlung ſchaffen moͤchte; klagete ihm auch/ wie es ihm mit der Wirtin ergangen
waͤhre/ und begehrete ſeines guten Rahts. Worauff dieſer antwortete; ſie waͤhre zwar ſei-
ne nahe Anverwantin/ aber eine grund-boͤſe Haut/ und waͤhre vorgeſtern Abend ein jun-
ger Mann mit einer ermuͤdeten jungen Frauen/ wie er gekleidet/ zu ihr kommen/ die Nacht
Herberge bey ihr gehabt/ und früh morgens davon gezogen; denſelben haͤtte ſie nach ſeinẽ
abreiſen eben dieſes Mords geziehen/ und zwar aus dieſer liederlichen Urſach/ weil derſel-
be ihr eben ſolche Muͤnze zur Bezahlung geben/ als ihr Mann haͤtte bey ſich gehabt. Arbi-
anes muhtmaſſete ſelbſt aus dem Zeichen/ daß Wolffgang der Taͤhter wol ſein moͤchte/
weil er wuſte dz er von den dreyen alles Geldes beraubet wahr/ kunte doch mit ſolchen Ge-
danken ſich nit lange auffhalten/ ſondern erfreuete ſich vielmehꝛ der angenehmen Zeitung/
dz er der Mahlzeit kaum abwarten kunte/ und erkundigte ſich/ wohin dieſe beyde ihrẽ Weg
genommen/ dankete Gott in ſeinem Herzen vor erſt/ daß ſein liebes Fraͤulein annoch im Le-
ben waͤhre/ und einen getraͤuen Menſchen bey ſich haͤtte; hernach/ daß er ihn dieſen Weg
ſo ganz wunderbahrer Weiſe gefuͤhret/ und baht/ daß er weiter ſein richtiger Gleitsmann
ſeyn moͤchte/ damit er bald bey ihr anlangen/ und zu ihren Eltern ſie bringen koͤnte/ wo zu
er Mittel gnug bey ſich haͤtte. Sonſten verſtaͤndigte ihn ſein Wirt/ daß geſtern fruͤh dieſe
beiden einen Karren gemietet/ darauff ſie hinweg gefahren waͤhren/ wolte ſich ihres We-
ges bey dem Fuhrmann erkundigen/ wo er wieder zu Hauſe waͤhre angelanget; aber deſ-
ſen Weib wuſte noch nichts von ihm zuſagen/ dann er wahr wegen ſeiner empfangenen
Wunden auf dem naͤheſten Dorffe liegen blieben/ weil er nit weiter fort kommen koͤnnen;
doch gabe ſie Nachricht genug/ wohin er die fremden zufuͤhren/ gedinget waͤhre; welchen
Weg auch Arbianes nach gehaltener kurzen Mahlzeit/ mit einem Bohten/ ihm den Weg
zu zeigen/ vor ſich nam. Er wahr nicht weit gangen/ da begegnete ihm der Fuhrmann auff
einem Wagen/ welchen der Bohte als ſein Nachbar fragete/ wie er zu dieſem Ungluͤk
kommen waͤhre; welches er ausführlich berichtete/ und Arbianes mit Haͤnden greiffen
kunte/ was vor welche von den Raͤubern gebunden/ und ins Korn geworffen waͤhren; ließ
ſich deßwegen den Ort und die Stelle fleiſſig bezeichnen/ wo es geſchehen waͤhre/ gab dem
Fuhrmann aus mitleiden etliche Kronen/ eylete des weges fort/ und fand es alſo/ beſahe
den Ort wo ſie gelegen/ traf auch die Stricke an/ damit ſie wahren gebunden geweſen/ abeꝛ
keinen
[656]Siebendes Buch.
keinen Menſchen dabey/ doch ſchoͤpffete er guten Troſt/ ſie muͤſten von voruͤberreiſenden
Leuten loßgemacht/ und davon kommen ſeyn; nahm auch den Weg nach derſelben Stad
vor ſich/ in Meinung/ ſie wuͤrden alles ungeachtet/ gleichwol noch dahin gereiſet ſeyn. Wie
wollen ihn aber ſeinen muͤhſeligen Unglüks Weg fortgehen laſſen/ und zu rechter Zeit ihn
im elenden Betlers Stande wieder finden.


Das liebe Fraͤulein wahr willens/ ihren getraͤuen Wolffgang nach ihren Eltern lauf-
fen zulaſſen/ als ſie ſechs Tage im erwaͤhneten Flecken bey der Wittiben in fleiſſiger Naͤhe-
Arbeit ſich auffgehalten hatte; aber es kam eine neue Verhinderung darzwiſchen; dann
des Abends kehrete ein fremder Herr mit ſeiner Frauen und jungen ſchier manbaren Toch-
ter in ihrer Herberge ein/ da dieſe Frau der Fraͤulein ſchoͤnes Naͤhewerk beſichtigte/ und ſie
fragete/ ob ſie ſich zu ihr vermieten wolte/ ſolte ſie gut eſſen uñ tꝛinken/ auch ein gewiß Jahr-
lohn haben/ und koͤnte ihr Mann wol bey ihr bleiben/ weil ihr Herr ſolcher Leute bedurffte.
Sie aber bedankete ſich deſſen/ einwendend/ ſie muͤſte mit ihrem Mañe nach dem Elbſtrom
reiſen/ woſelbſt ihre nahe Anverwantin wohnete/ welche zubeſuchen/ ſie keinen umgang ha-
ben koͤnte/ weil ſie ihre Verlaſſenſchafft ihr erblich zuvermachen bedacht waͤhre. Dieſe
Frau/ Nahmens Mechtild/ welche auff jenſeit des Reins im Roͤmiſchen Gebiet wohnete/
erdachte dieſe Liſt/ und fragete; ob ſie und ihr Mann des Weges nach der Elbe vor dieſem
gereiſet? Und als ſie aus Einfalt Nein ſagete/ fing dieſe an: So bin ich mit dieſem meinen
Herrn hieſelbſt zu eurem guten Gluͤk angelanget/ dann unſer Weg gehet auch dahin/ und
wil euch aus guter Gewogenheit zu mir auff meine Gutſche nehmen/ wañ ſonſt euer Mañ
beyher lauffen/ und zuzeiten hinten auff ſitzen wil. Wem wahr zu dieſem vermeynetẽ Gluͤk
lieber/ als dem grundfrommen Fraͤulein; Sie bedankete ſich mit hoͤflichen Geberden/ ſo
viel ihr vermummeter Stand zulaſſen wolte/ welche ſie doch ſchier verrahten haͤtten; maſ-
ſen die Frau nicht unterlaſſen kunte/ ſie zubefragen von was Leuten ſie waͤhꝛe; deſſen urſach
ſie merkend/ zur Antwort gab: Ihre Eltern waͤhren arme Leute/ und gar geringes Stan-
des/ und haͤtten ſie in der Jugend vor vier Jahren zu einer Aedel Frauen vermietet/ welche
ihr das naͤhen gezeiget/ und ihres Junkern Gutſcher gefreyet haͤtte/ welcher Wolffgang ſie
aber Armgart hieſſe. Dieſe ließ ſich damit abſpeiſen/ und geboht ihren Leuten ernſtlich/ da
einer fragen wuͤrde/ wohin ihr Weg ginge/ ſolten ſie nicht den Rein/ ſondern die Elbe nen-
nen. Wolffgang ward des guten Gluͤks von dem Fraͤulein bald berichtet/ der zugleich mit
ihr ſich freuete/ auch auff der Reiſe gerne bey dem Wagen herlief/ und nunmehr ihm die
Rechnung machete/ wie bald er vom reichen Manne ſpielen/ und der erlittenen Unruhe
ſich ergetzen wolte; dann gedachte er/ wie er den hohen Adelſtand/ damit ihm das Fraͤulein
hatte gedraͤuet/ von ſich ablehnen/ und ſonſten ihm einen ſolchen Dienſt loßbitten koͤnte/
der ihm angenehmer waͤhre/ weil doch das Fraͤulein ſich hatte verlauten laſſen/ daß ſie ihn
nimmermehr von ſich laſſen wolte; Aber ſeine gefaſſete Freude waͤhrete nicht lange; dañ
wie ſie des andern Tages den Reinſtrom erreichetẽ/ und hinuͤber ſchiffeten/ hoͤreten beydes
er und das Fraͤulein/ daß ſie ſchaͤndlich betrogen wahren/ daher ſie dann zu der Frauen ſa-
gete: Ach mein Gott/ warumb habt ihr ſo gar uͤbel an mir getahn/ uñ mich nach dem Rein
gefuͤhret/ da ich doch an der Elbe zuſchaffen habe? Die Frau aber/ wie ſie dann ein uͤberaus
boͤſes und unbarmherziges Weib wahr/ gab ihꝛ dieſe trotzige Antwort: Schweig du junge
Metze/
[657]Siebendes Buch.
Metze/ es wird dir wol gleich ſeyn/ ob du bey dem Rein oder bey der Elbe das Brod friſſeſt;
haͤtte ich dir dieſes nicht auff ſolche weiſe beygebracht/ wuͤrdeſtu dich in meine Dienſte nit
eingelaſſen haben; haſtu aber an der Elbe etwas Bettel-Erbſchafft zugewarten/ kan dein
Baurflegel immer hinlauffen/ und es einfodern; du aber muſt bey mir bleiben/ und meine
Tochter im naͤhen unterweiſen/ wovor du gebuͤhrlich in Speiſe und Trank ſolt gehalten
werden/ wie ich dann wol weiß/ was Maͤgden gebuͤhret/ daß ſie nicht Hungers ſterben/
noch zu freche werden; und iſt wol deine vorige Frau die rechte geweſen/ daß ſie dir jungen
halbgewachſenen Balg das heyrahten ſchon gegoͤnnet hat/ darzu du noch uͤber 10 uñ mehꝛ
Jahren fruͤh gnug kommen waͤhreſt; ſie wird gewiß nicht gewuſt haben/ wie man ſich der
Maͤgde mit Nuz gebrauchen ſol. Das Fraͤulein zitterte vor Angſt/ aber Wolffgang/ der
alles hoͤrete/ und die Gefahr beſſer als ſie betrachtete/ ſagte zu ihr: Gebet euch zufrieden/
liebe Armgart/ ihr habt Gott Lob eine gute Fraubekommen/ bey welcher ihr wol werdet le-
ben koͤnnen/ weil es Gott verſehen/ daß wir in dieſem Lande wohnen/ und unſer Brod ver-
dienen ſollen; es iſt ohndas mit unſer Reiſe nach dem Elbſtrohme ſo eilig nicht; ich wil
euch vorerſt ein Viertel Jahr in dieſes Herrn Dienſte Geſelſchafft leiſten/ und hernach zu
euren Verwanten reiſen; Und wann gleich dieſer Herr meiner Dienſte nicht benoͤhtiget
iſt/ wil ich doch wol Arbeit finden/ daß ich mich ernaͤhre/ nachdem ich vor euch nicht ſorgẽ
darff. Das Fraͤulein begriff ſich darauff alsbald/ ſtellete ſich froͤlich/ und antwortete ihm:
Wol wol/ wann ihrs ſo vor gut anſehet/ wil ich auch zufrieden ſeyn/ vielleicht gefaͤlt mirs
bey dieſer meiner Frauen alſo/ daß ich in viel Jahren nicht begehre von ihr zuſcheiden. Ja
haͤlteſtu dich from/ fleiſſig und getraͤu/ ſagte ſie/ ſo wil ich dich hernaͤhſt befodern/ daß du uͤ-
ber mein Geſinde Altfrau ſeyn ſolt. Welches erbietẽ das Fraͤulein mit groſſer Dankſagung
annam. Sie hatten etliche Tagereiſen hinter Koͤln ihr adeliches Gut/ und als ſie daſelbſt
ankahmen/ muſte das Fraͤulein die erſte Stunde das Naͤhezeug hervor nehmen; da ſie
dann alles/ umb Verdacht zumeidẽ/ auffs beſte und ſchleunigſte verfertigte; nur baht ſie/
ihre Frau moͤchte ihr die uͤberbliebenen Speiſen von ihrem Tiſche zueſſen geben/ ſie wolte
ſich an gar wenigem genuͤgen laſſen/ wann ſie nur was verdauliches haͤtte; dann ihr Ma-
gen waͤhre gar ſchwach/ daß ſie die grobe Koſt nicht vertragen koͤnte. Aber ſie durffte umb
ein weniges nicht bitten/ das filzige Weib gab ihr wenig gnung/ und haͤtte ſie des Hungers
verſchmachten muͤſſen/ wann nicht die Tochter/ die ihr ſehr geneigt wahr/ ihr bißweilen et-
was heimlich zugeſtecket haͤtte; welches ihr aber die gottloſe Mutter endlich verboht/ und
Wolffgang es doch reichlich erſtattete/ welcher alles/ was er an Lohn verdienete/ an gute
Bißlein legete/ und ihr ſolches zutrug; daher ſie ſich deſto weniger umb Unterhalt bekuͤm-
merte/ und nur gefliſſen wahr/ wie ſie ihrer Frauen gute Gunſt erlangen moͤchte/ welche
ſich ſehr hart gegen ſie bezeigete/ und faſt taͤglich eine urſach vom Zaune brach/ mit Ohrfei-
gen/ daß das Naſebluten drauff folgete/ ſie anzugreiffen/ welches ſie geduldig verſchmerze-
te/ und in beſtaͤndiger Hoffnung zu ihrem Gott verblieb/ derſelbe wuͤrde ſie mit den Augen
ſeiner Barmherzigkeit anſehen/ und die Schmach von ihr nehmen. Sonſten hielten die
drey Toͤchter ſie ſo lieb und wert/ daß ſie nimmer von ihr weg wolten/ und die Naͤhekunſt in
kurzer Zeit zimlich von ihr faſſeten/ trugen ihr inſonderheit ein verborgenes Trinkgeſchir
mit Wein zu/ damit nicht von dem bloſſen Waſſer und ſauren Kofend ihr Magen gar veꝛ-
o o o oduͤrbe.
[658]Siebendes Buch.
duͤrbe. Hingegen bezeigete ſie ſich/ als achtete ſie deſſen wenig/ ja als waͤhre ihr gaͤnzlicher
Wille/ nimmermehr von dannen zuſcheiden. Wolffgang hielt nicht vor dienlich/ ſich in
dieſes Herꝛn Dienſte einzulaſſen/ wie er auch darumb nicht ſonderlich angeſprochen waꝛd/
ſondern arbeitete den Leuten in der Stad umbs Tagelohn/ wiewol ihm vergoͤnnet wahr/
zuzeiten des Nachts bey ſeiner vermeyneten Frauen zuſchlaffen/ da er ſtets auff der Erden
vorlieb nam/ und doch Gott dankete/ daß er gelegenheit hatte/ zu ihr zukommen/ und ſeinen
Anſchlag ihr zuentdecken/ wann ihm ein guter Gedanke einfiele/ wie er ſie fuͤglich hinweg
bringen moͤchte/ welches ſich doch in ſieben Wochen nirgend zu ſchicken wolte; wel-
che Zeit uͤber er ihr wie ſchon gemeldet/ an eſſen heimlich zutrug/ daß ſie ſich ſehr wol behelf-
fen kunte/ und ſie daher nicht allein ſein gutes Herz erkennete/ ſondern ſolche ſchweſterliche
Hulde zu ihm gewan als waͤhre er ihr leiblicher Bruder geweſen. Wann ſie allein wahr/
brachte ſie die Zeit mit vielem herzbrechenden Seuffzen zu/ hielt ſich aber doch zum fleiſſi-
gen Gebeht/ da ſie unter andern auch dieſe Andacht aus eigenem nachſinnen vielfaͤltig
Gott dem HErrn auffopfferte:


O du groſſer und Almaͤchtiger Schoͤpffer Himmels und der Erden; Ich danke dir von Grund
meiner Seelen/ vor die hohe Gnade/ welche du in Bekehrung meiner/ mir erzeiget/ und durch meinen
teuren und frommen Fuͤrſten/ mich ſo weit in deiner Erkaͤntniß haſt unterrichten laſſen/ daß ich mein
Vertrauen auff deine grundloſe Barmherzigkeit ſetzen/ und in allem Ungluͤk mich ſo fein troͤſten kan/
ſo daß ich weiß/ es wiederfahre mir nichts zum Verderben/ ſondern alles zur Beſſerung O HErr mein
Gott/ ſihe auff mich in dieſem Elende/ da ich vor eine Magd wider meinen Willen dienen muß/ reiß
mich loß/ mein Erloͤſer/ der du mich ſchon aus viel groͤſſerem Elende erloͤſet haſt/ daß ich die meinen
bald wieder ſehen/ und von ihnen in deiner Erkaͤntniß/ (wornach mich/ wie du HErr weiſt/ ſo herzlich
verlanget) beſſer unterwieſen werden moͤge; Bewahre mich mein Gott vor Zweifelmuht/ Mißtrauẽ
und Unehre; und meinen lieben Fuͤrſten vor Ungluͤk und Verderben/ welchen du O HErr/ ſonder/ zwei-
fel mir zugefuͤhret haſt/ und bringe uns nach dieſem Leide in Froͤligkeit wieder zuſammen; alsdann
wollen wir dir/ mein Gott und Vater/ unſern Dank anſtimmen/ und vor deine hohe Woltaht dir von
Herzen Lob und Preiß ſagen/ auch zugleich erkennen/ daß dieſe deine vaͤterliche Zuͤchtigung uns ſehr
gut und heilſam geweſen ſey. Dieſes mein Gebeht HErr mein Gott und mein Erloͤſer/ wolleſtu gnaͤ-
diglich erhoͤren/ und dich mein erbarmen/ Amen/ Amen.


Ja wann dieſes Fraͤulein den Schmak dieſer heilſamen Gnade Gottes in ihrem
Herzen nicht empfunden haͤtte/ waͤhre ſie ohn allen Zweifel in ihreꝛ Betruͤbniß vergangen/
wie ſie dann von Tage zu Tage abnam/ daß ein groſſer Teil ihres Fleiſches ihr entging/
welches alles ſie doch in Hoffnung und Geduld uͤberwand.


Als die Koͤnigliche Geſelſchafft von Magdeburg aufbrechen wolte/ ihre Reiſe nach
Prag fort zuſetzen/ ging das Wehklagen wegen der Fraͤulein Abweſenheit von neuen wie-
der an/ dañ niemand wuſte ſich darein zuſchicken/ daß ſie weder von einem noch andern die
aller geringſte Zeitung nicht hatten/ und ſie doch nicht in Feindes Lande wahren. Herku-
les ſagte zu ſeinem Gemahl: Nimmermehr wuͤrde Fuͤrſt Arbianes ſich ſo verborgen hal-
ten/ wann er noch im Leben waͤhre/ und kan ich mir keine andere Gedanken machen/ als dz
ſie entweder in der fluͤchtigen Feinde Gewalt gerahten/ und elendig erſchlagen ſind/ welche
etwa ihrer Fuͤrſten Tod an ihnen haben raͤchen wollen; oder aber mein Frl. Schweſter iſt
durch Unfal umkommen/ und er hat ſich daruͤber aus Ungeduld und uͤbermaͤſſiger Liebe
ſelbſt entleibet; dann bedenket mein Herz/ wann ſie gleich biß gar in der Roͤmer Gebiet hin-
kommen
[659]Siebendes Buch.
kommen waͤhren/ ſo weiß Arbianes wol/ wie viel ich bey denen gelte/ daß wann er ſich nur
kund gaͤbe/ er nach allem Wunſch ſicheꝛe Begleitung biß hieheꝛ haben koͤnte; hielten ſie ſich
aber in Frieſiſcher oder Teutſcher Landſchafft auf/ wie koͤnte ihnen dann an Huͤlffe gebrechẽ/
wann ſie ſich nur meldeten? Welches wann ichs betrachte/ kan ich meine Gedanken nicht
wol zwingen/ daß ſie noch Hoffnung ihres Lebens faſſen ſolten. Mein Schaz/ antwortete ſie/
des groſſen HErrn Hand iſt unverkuͤrzet; ſo koͤnnen hundert und noch hundert Ungelegen-
heiten uns in der fremde eingeſtraͤuet werden/ welche uns abſchrecken/ daſſelbe vorzuneh-
men/ was uns am dienſtlichſten ſeyn moͤchte. Wir wollen dem allerhoͤchſten vertrauen/ er
werde das fromme Fraͤulein und den Chriſtglaͤubigen Fuͤrſten gnaͤdiglich bewahren/ dann
ich zweifele überdas nicht/ weil er ſie etliche Tage in ſeiner Gewahrſam gehabt/ habe er ihr
das Chriſtentuhm ſchon beygebracht. Daſſelbe iſt mein hoͤchſter Wunſch in dieſem
Ungluͤk/ ſagte Herkules/ auff daß wir zum wenigſten in der himliſchen Seligkeit dereine
wieder zuſammen kommen moͤgen/ wann ja in dieſem Leben Gottes Verſehung es nicht
zulaſſen wolte. Inzwiſchen muͤſſen wir meine liebe Fr. Mutter immerzu in der Hoffnung
erhalten/ welche vor traurigkeit faſt gar von Leibe koͤmt. Sie gingẽ nach ſolcher Beredung
hin zu der Koͤniglichen Verſamlung/ weil Ladiſla ſie durch Prinſla fodern ließ/ mit anzeige/
es waͤhren denkwirdige Schreiben von ſeiner Fr. Mutter von Prag ankommen/ welche
ihnen dann weitlaͤufftig zuwiſſen taht/ es lieſſen ſich im Koͤnigreiche hin und wieder trau-
rige und erſchreckliche Zeichen ſehen und hoͤren/ die wenig gutes bedeuten koͤnten. Bey ei-
ner Grenze Stad nach Pannonien haͤtte ſich ein Fiſch Teich in Blut verwandelt; nit weit
davon haͤtte es Blut und Schwefel geregnet; eine Schaar Woͤlffe in die 30 ſtark von Pan-
nonien wertz/ haͤtten unterſchiedliche Heerde Vieh angefallen/ etliche hundert ſtuͤk ſamt den
Hirten zuriſſen/ und waͤhren endlich mit groſſer Muͤhe alle erſchlagen. Am andern Orte
haͤ[t]ten viel tauſend Raben ſich geſamlet/ uñ in zween unterſchiedlichen Hauffen einen haꝛ-
ten Streit gehalten/ daß ihrer viel tod blieben. Zween groſſe Adler haͤtten ſich in hoher Luft
gebiſſen/ und waͤhren endlich ganz eꝛmuͤdet uñ ſehr blutig herunteꝛ gefallen/ ſo dz ein Bauꝛ
den einen erſchlagen/ den andern lebendig gefangen haͤtte. Die Hunde fuͤhreten allenthal-
ben im Reich ein ungewoͤhnliches Geheule/ und fielen in einander als ob ſie raſend waͤh-
ren. Ein Schaff haͤtte einen jungen Wolff zur Welt gebracht; Und in einem Dorffe haͤt-
te ein Kind in Mutter Leibe uͤber eine viertel Stunde geweinet/ und endlich geruffen/ weh
weh! von vielen Baͤumen haͤtte es Blut getreuffet; die Sonne waͤhre einen ganzen Tag
wie Blut am Him̄el geſtanden/ wie wol in ihrem gewoͤhnlichen Lauff/ uñ mit keinen Wol-
ken bedecket/ und des Abends als mit einem Sacke bekleidet/ untergangen; da man deſſel-
ben Tages an vielen Orten grauſame Geſpenſte geſehen haͤtte; und welches den Inwoh-
nern die groͤſte Furcht eintriebe/ haͤtte man bey hellem Tage in der Luft drey Kriegs Heer
nach einander von Pannonien wertz gegen ein einiges zihen ſehen/ die beydes zu Fuſſe und
Roſſe einen grimmigen Kampf gehalten/ da man nicht merken koͤnnen/ an welcher Seiten
der Sieg geblieben waͤhre. Als dieſes geleſen ward/ wahr niemand zugegen/ dem es nicht
ein grauen erwecket haͤtte/ inſondeꝛheit/ weil der Wundeꝛ-begebniſſen ſo viel uñ mannicher-
ley wahren/ und ſagte Ladiſla; ohn Zweifel ſtehet meinem Reiche ein groſſes Ungluͤk vor/
der fromme Gott kom̄e nur mit Gnaden/ daß wirs koͤnnen ertragen/ und ſtraffe uns doch
o o o o ijnit
[660]Siebendes Buch.
nit wegen der teufliſchen Abgoͤtterey/ die von den Untertahnen veruͤbet wird/ und von uns
leider noch zur Zeit nicht kan geendert oder abgetahn werden; ich halte es auch nicht vor
umſonſt/ daß ich meinen verſtorbenen Herr Vater/ (ach ſeligen kan ich leider nicht ſagen)
ſo offt im Schlaffe uñ zwar allemahl in elender jaͤmmerlicher und armſeliger Geſtalt vor
mir ſehe. Werde dem allen nach nicht unterlaſſen/ ſo bald ich nach Prage mit Gottes Huͤl-
fe kommen werde/ moͤgliche Anſtalt zumachen/ damit auff den unverhoffeten Fal man ſich
gleichwol bereit koͤnne finden laſſen; er vor ſein Haͤupt legte alle Zeichen ſo aus/ dz daduꝛch
eine ſchleunige und erſchrekliche Kriegs Glut von den Pannoniern/ gedraͤuet wuͤrde. Her-
kules antwortete ihm; es waͤhren zwar ſolche Begebniſſen nicht in den Wind zuſchlagen/
ſonderlich/ wann ſie in ſo groſſer Menge vorgingen/ jedoch auch nit gar zu hoch zu ſchaͤtzen;
bißweilen haͤtte der boͤſe Menſchen-Feind ſein Spiel mit drunter/ die Aberglaͤubigen zu
allerhand ungoͤtlichen Opfern anzutreiben. Doch wie dem allen/ waͤhre ein wachendes Au-
ge allezeit zuruͤhmen/ daher ihm nicht zuverdenken ſtuͤnde/ daß er nach ſeinem Koͤnigreiche
eylete/ wohin ſie ihm alle/ (weil der morgende Tag zum Auffbruch beſtimmet waͤhre) Geſel-
ſchaft/ und auff den Fal Beyſtand leiſten wolten/ welches ihm ſehr angenehm wahr.


Fürſt Siegward wahr vor zween Tagen mit ſeinem Heer aus Wendland daſelbſt
ſchon angelanget/ woſelbſt es ihm nach Wunſch ergangen wahr. Zwar es hatten etliche
wenig fluͤchtige Reuter vor ſeiner ankunft die Zeitung gebracht/ wie ein ungluͤkliches En-
de ihr vorgehabter Anſchlag genommen/ und ihre beiden Fuͤrſten ſamt den vornehmſten
Oberſten und groͤſten Teil ihres Heers das Leben eingebuͤſſet haͤtten; worauff dañ die Land-
ſtaͤnde ſehr eilig geweſen/ durch offenen Trummelſchlag ihre junge Mañſchaft auffzumah-
nen/ und ihre Grentzen/ Staͤdte und Feſtungen damit zubeſetzen/ aber er waͤhre ihnen zu
fruͤh ankommen/ ſonſt duͤrfte er mehr Arbeit angetroffen haben. Als Siegward dieſes in
der kuͤrze vortrug/ antwortete Valiſka; Darumb halte ich viel von der Eile/ wann man et-
was wichtiges vor hat; aber wie koͤmt es/ daß eure Liebe/ mit ſo einem kleinen Heer ſich ein-
geſtellet hat? wil ja nicht hoffen/ daß die uͤbrigen Voͤlker ſolten drauff gangen ſeyn. Sie
fragete hiernach nicht umbſonſt/ weil ihr bewuſt wahr/ daß er ein wolgeruͤſtetes Kriegsheer
24000 ſtark mit ſich gefuͤhret hatte/ und mit Leches/ Neda/ und ihrem Frauenzimmer/ nur
unter einer Begleitung von 6000 Mann/ Teutſchen/ Boͤhmen und Olafs Daͤnen/ wieder
kommen wahr. Siegward aber gab ihr dieſe Antwort: Behuͤte Gott/ meine Fr. Schwe-
ſter; daß wuͤrde bey ſo geſtalten Sachen ein groſſer und unverantwortlicher Verluſt ge-
weſen ſeyn. Ich habe Gott lob keinen einigen Mañ eingebuͤſſet/ ſondern alles ohn Schwert-
ſchlag zum gewuͤnſcheten Ende ausgeführet. Zeigete auch auff begehren an/ er haͤtte bey
ſeiner ankunft die Grenzen und engen Durchzuͤge wol beſetzet gefunden/ da man ihm auch
anfangs den Einzug verhindern wollen/ biß er etliche Vorſteher ſolcher Voͤlker/ feine ver-
ſtaͤndige von Adel/ auff guten Glauben und eingeſchikte Geiſel zu ſich gefodert/ und ihnen
zuverſtehen gegeben/ was vor eine gerechte Straffe von Gott uͤber ihre beyden meinaͤidi-
gen Fuͤrſten ergangen waͤhre/ auch daneben ihnen vor Augen geſtellet/ in was Gefahr und
verderben ſie ihr Land und alle Einwohner ſtürzen wuͤrden/ dafern ſie in ihrem Vorſatze
fort fuͤhren/ und dieſem ſeinem Heer den fortzug wegerten/ welches von dem Groß Fuͤrſten
der Teutſchen/ und ſeinen Herrn Soͤhnen/ ausgeſchikt waͤhre ihr beſtes zubefodern/ da ſie
es
[661]Siebendes Buch.
es nur erkennen koͤnten. Dieſe gaben zur Antwort; man koͤnte noch nicht trauen/ daß ih-
res Fuͤrſten Niederlage ſo groß/ und derſelbe ſamt ſeinem Sohn ſolte Tod ſeyn. Ich aber/
ſagte Siegward/ fiel ihnen in die Rede; Ich koͤnte dieſes zweifels ſie bald benehmen/ und
hieß ſie zu meinen mitgefuͤhreten Wendiſchen Voͤlkern gehen/ denen ich zugleich anzeigen
ließ/ daß ſie alles/ was ſie wuͤſten/ auch ſonſt gehoͤret und geſehen haͤtten/ getraͤulich berichten
ſolten. Nun hatte ich dieſen feſt eingebildet/ ich zoͤge nur voran als mit einem fliegenden
Heer/ umb zuvernehmen/ ob Wendland ihr bevorſtehendes Gluͤk erkennen koͤnte/ und daß
auff meine anfoderung alle hinterbliebene Fuͤrſten mit ihrem bey ſich habenden Heer als-
bald folgen/ und auff befindliche Wiederſezligkeit jung und alt/ was nur den Wendiſchen
Nahmen haͤtte/ ausrotten wuͤrden. Dieſes hatten ſie nun ihren Landsleuten nicht allein
als vor gewis eingebildet/ ſondern auch allen verlauff ihres begangenen Menſchen raubes
und der darauff erfolgeten ſchweren Niederlage und beſtraffung/ ausfuͤhrlich erzaͤhlet; wo-
durch dieſen das Herz dergeſtalt entfallen wahr/ daß als ſie wieder zu mir kahmen/ und vor
Seelen-Angſt kaum reden kunten/ nur untertaͤhnig von mir zu wiſſen begehretẽ/ was man
vor einen Gehorſam und unterwerffung von dem Wendiſchen Volke/ welches ihres ge-
weſenen Fuͤrſten Untaht weder gut geheiſſen/ noch deſſen ſich teilhaftig gemacht/ erfoderte.
Ich aber ihnen zur Antwort gab; ſie ſolten zuvor wieder zu den ihrigen hinreiten/ und ih-
nen zu wiſſen tuhn/ in was zuſtande ſie alle miteinander begriffen waͤhren/ welches ihre
Landsleute ihnen ohn zweifel anjetzo wuͤrden gemeldet haben; und ſich bald wieder bey miꝛ
einſtellen/ alsdann wuͤrden ſie zuvernehmen haben/ was groſſe unverdienete Gnade man
ihnen anbieten wuͤrde. Dieſe wurden ſolcher gemachten Hofnung uͤberaus froh/ hinter-
brachten alles traͤulich/ und hatten dadurch eine ſolche Furcht erwecket/ daß ſie alle geruf-
fen/ man ſolte nur dahin ſehen/ daß ihnen Leben und Freyheit uͤberbliebe/ das uͤbrige wolten
ſie alles gerne uͤber ſich nehmen/ wahr auch niemand geweſen/ welche nicht ihre todte Fuͤr-
ſten und deren vornehmſte Rahtgeber biß in abgrund der Hellen ſoltẽ verflucht haben. Die
vorigen ſtelleten ſich bald wieder bey mir ein/ deren aͤlteſter/ namens Hunerich/ im nahmen
des ganzen Wendiſchen Volkes/ vortrug: Es waͤhre ihnen allen von Herzen leid/ daß ihr
geweſener Fuͤrſt Krito/ und ſeyn Sohn Gotſchalk/ eine ſolche unverantwortliche Taht an
dem Großmaͤchtigen Groß Fuͤrſten der Teutſchen/ Herrn Henrich und den ſeinen/ began-
gen/ und muͤſten bekennen daß ihnen durch die angelegte Straffe recht geſchehen waͤhre.
Uberdas waͤhre ihnen wol bewuſt/ daß allemahl die Untertahnen/ ob ſie gleich allerdinge
unſchuldig/ dannoch mit leiden muͤſten/ wann ihre Obrigkeit etwas verbrochen haͤtte; doch
dannoch haͤtten zu ihrer Großfuͤrſtl. Hocheit ſie das vertrauen/ dieſelbe wuͤrde gnaͤdig mit
ihnen verfahren/ nachdem ſie ſich hiemit und Kraft dieſes auffrichtig wolten erbieten und
verpflichten/ daß/ wann ja noch ein oder etliche (dann viel wuͤrden deren nicht ſeyn) in ih-
rem Lande ſoltẽ gefunden werden/ die ſchuld an dem begangenen Raube truͤgen/ dieſelben
durch grauſame Straffen vom Leben zum Tode ſolten gebracht werden/ gleich auff die
Weiſe/ wie dem frechen Buben und falſchen Schmeichler Niklot nach ſeinem verdienſt
begegnet waͤhre. Endlich bahten ſie/ ich moͤchte nach tragender meiner volmacht ihnen an-
deuten/ was von ihnen erfodert wuͤrde/ welches nach aͤuſſerſter moͤgligkeit folte geleiſtet uñ
erfuͤllet werden; tahten auch dabey einen demuͤhtigen Fußfal/ ganz flehlich bittend/ man
o o o o iijmoͤch-
[662]Siebendes Buch.
moͤchte mit ihnen nach Gnade/ und nicht nach der Straͤnge verfahren. Ich hieß ſie auff-
ſtehen/ und daß alsbald ihre Leute/ ſo die Grenze beſezt hielten ihr Gewehr von ſich geben/
und alsdann meinen gnaͤdigen Vortrag vernehmen ſolten. Welches ſie nicht allein gerne
und willig leiſteten/ ſondern in 12000 ſtark/ einen klaͤglichen Fußfal tahten: da ich ſie gutes
muhts ſeyn hieß/ und ihnen vortrug; ſie ſolten gleich jezt in der Taht erfahren/ was vor ho-
he Gnade der Großmaͤchtige Groß Fuͤrſt der Teutſchen ihnen durch mich ſeinen Gevol-
maͤchtigten antragen lieſſe: Als nehmlich/ daß ihrer Fuͤrſten verbrechen an keinem einigen
Menſchen mehr ſolte geeifert werden/ ſondern alles Tod und abe ſeyn; das ihr Land und
Fuͤrſtentuhm weder mit Geldbuſſe noch anderer Straffe ſolte belegt werden; daß alle In-
wohner/ aͤdel und unaͤdel bey ihren Freiheiten und Guͤtern ſolten gelaſſen werden. Daß al-
le Beſchwerung/ welche Krito Zeit ſeiner Beherſchung ihnen auffgebuͤrdet/ ſolten aller-
dinge auffgehoben und abgeſchaffet ſeyn. Ihre alte fromme Fuͤrſtin/ welche der Raͤuber
eingemauret/ und vor Tod angegeben haͤtte/ ſolte und muͤſte alsbald frey gemacht/ und ihr
die voͤllige Herſchaft eingeraͤumet werden/ jedoch daß ihr Land Raht von lauter eingeſeſſe-
nen Wenden/ aus allen Staͤnden ihr ſolte zugeordnet werden/ welche dann nebeſt der Fuͤr-
ſtin und allen Untertahnen angeloben wuͤrden/ daß der Durchleuchtigſte Daͤniſche Fuͤrſt/
Herr Olaff/ der einige und gewiſſe Erbe ſeyn/ und von der Fürſtin vor einen Sohn ſolte
angenommen werden. Als ich meine Rede hiemit beſchloß/ entſtund eine ſolche Freude un-
ter dem Volk/ daß ſie vor vergnuͤgung nicht wuſten was ſie tahten; ſie rieffen durcheinan-
der her: Verflucht ſey Krito und Gotſchalk in Ewigkeit/ dagegen lebe und herſche gluͤklich
der allergnaͤdigſte und allerwoltaͤhtigſte Großfuͤrſt der Teutſchen/ welcher uns mehr gu-
tes erzeiget/ als wir nicht wert ſind. Ich ließ die vornehmſten vor mich fodern/ und befahl
daß alsbald nachdem mir bewuſten Orte geſchikt/ und die eingeſperrete Fuͤrſtin auff mei-
ner Leibgutſche zu mir gebracht wuͤrde/ doch daß man ihr von allem verlauff nichts ſagete/
welches zuverhuͤten/ ich Neda mit gehen ließ. Man hatte ſie im elenden Stande angetrof-
fen/ und da man ſie auff die ſchoͤne Gutſche ganz ehrerbietig geſetzet/ hatte ſie gefraget/ ob ihr
gottloſer Gemahl oder ihr getraͤuer Sohn ſie hohlen lieſſe; worauff ihr geantwortet wor-
den; weder ihr Gemahl/ noch ihr Sohn/ ſondern ein fremder unbekanter Herr/ dem wei-
ter nachzufragen ſie ſich gnaͤdigſt maͤſſigen wolte/ biß er ſich ſelbſt meldete. Der Ort wahr
nur eine Meile von meinem Lager/ und ritte ich ihr geharniſcht entgegen/ ſtieg mit bloſſem
Haͤupte vom Pferde/ ging zu ihr an die Gutſche/ und nachdem ich ſie davon gehoben hatte/
boht ich ihr mit gebogenem Knie den Handkuß. Die fromme Fuͤrſtin hatte ihr gaͤnzlich
eingebildet ich wuͤrde kein ander als der Daͤniſche Fuͤrſt Olaff ſeyn/ weil ſie deſſen Liebe
ohndas von Angeſicht nicht kennete/ fiel mir umb den Hals/ herzete und kuͤſſete mich/ und
mit weinender Stimme ſagte ſie zu mir. Ach ihr mein allerliebſter Obeim und Sohn; wie
ſchicken die guͤtigen Goͤtter euch mir zur huͤlffe und rettung ſo ganz gnaͤdig zu; und werde
ich meinem Gn. herzlieben Herr Bruder dem Koͤnige in Daͤnnemark nimmermehr gnug
danken koͤnnen/ daß ſeine recht bruͤderliche Liebe und Gnade mich aus meiner elenden Ge-
faͤngnis loß gemacht/ deſſen Liebe flehlich zu bitten ich nicht auffhoͤrẽ werde/ mir dieſe Gna-
de zuerzeigen/ daß ich dem gottloſen Wuͤterich Krito ja nimmermehr unter die Augen kom-
me/ ſondern in Daͤñenmark die uͤbrige Zeit meines lebens in ſtiller einſamkeit und ruhe zu-
bringen
[663]Siebendes Buch.
bringen moͤge. Ich gab ihr zur Antwort: Ihre Durchl. moͤchte mir gnaͤdig verzeihen/ dz
ich derſelbe Fuͤrſt nicht waͤhre/ wiewol ſie gleich einen ſolchen gehorſamen untertaͤhnigen
Sohn und diener an mir haben ſolte; ſagte ihr auch meinen Nahmen/ und daß von dem
Großmaͤchtigen Groß Fürſten aus Teutſchland ich abgeſchicket waͤhre/ ihre Durchl. nicht
allein aus ihrem Gefaͤngnis loßzureiſſen/ ſondern dieſelbe auch als eine maͤchtige und vol-
kommene Beherſcher in des ganzen Wendlandes einzuſetzen und zubeſtaͤtigen; welches
da ſie aus verwunderung es nicht begreiffen kunte/ meldete ich ihr kuͤrzlich ihꝛes geweſenen
Gemahls freveltaht und lebens verluſt an/ auch daß ihr Sohn in der Schlacht als ein tap-
ferer Held mit drauff gangen waͤhre; welches lezte ihr die Traͤhnen hervor trieb/ und ſich
doch bald zufrieden gab/ inſonderheit/ da ſie vernam/ wer ihr kuͤnftiger Erbe und Nachfol-
ger in der Herſchung ſeyn würde. Sonſten wahr eine ſolche Freude bey den Untertahnen/
daß es zubeſchreiben unmoͤglich iſt/ ward mir auch angezeiget/ daß wañ man ihnen die freie
Wahl gegeben/ wuͤrden ſie keinen andern als den Daͤniſchen Fuͤrſten gekieſet haben. Ich
muſte auff der frommen Fuͤrſtin heftiges anhalten mit ihr nach ihrem Schloſſe zihen/ und
alle meine Voͤlker in ihre Staͤdte und Feſtungen verlegen/ daß ich muͤhe hatte/ meine mit-
gebrachten loß zu bitten; uñ weil man unvermuhtlich einen ſehr groſſen Fuͤrſtlichẽ Schaz/
auff viel Tonnen Goldes in den heimlichen Gewoͤlben fand/ davon der Fuͤrſtin nichts kund
wahr/ muſten nicht allein meine Voͤlker drey Monat Sold/ ſondern mein Gemahl und ihr
Frauenzimmer Koͤnigliche Schenkungen wieder ihren willen annehmen; da dann das
ganze Land nebeſt ihrer redlichen Fürſtin ſich willig anerbeut/ dem Großfuͤrſten der Teut-
ſchen und allen den ſeinen mit Leib/ Gut und Blut allemahl auffwaͤrtig und bereit zu ſeyn.
Die unſern erfreueten ſich ſehr/ daß alles ſo wol und friedlich abgangen wahr/ abeꝛ die freu-
de durch ganz Wendland wahr nicht auszuſprechen; dañ Krito hatte ſie unter ſehr ſchwe-
ren Frohndienſten und Schatzungen gedruͤcket/ daß ſie von ihm biß aufs Blut ausgeſogẽ
wurdẽ. Fuͤrſt Olaff ſtellete ſich bey dieſer Erzaͤhlung/ als ginge einſolches ihn gar nichts
an/ ohn daß er Siegwarden/ wegen der ſeiner Waſen erzeigeten freundſchaft und dienſte/
hoͤchlich dankete/ und ſich zu aller moͤgligkeit hinwiederum erboht. Herkules redete ihn an/
mit bitte/ er moͤchte ihm gefallen laſſen/ ſich den Landſtaͤndẽ des Wendiſchen Fuͤrſtentuhms
zuſtellen/ damit er ſamt der alten Fuͤrſtin die Huldigung zugleich annehmen koͤnte. Valiſ-
ka kam auch darzu/ und hielt freundlich an/ ein ſolches zu leiſten/ und ſie zu Prag wieder zu
beſuchen. Er aber gab zur Antwort/ er hoffetete von der Koͤnig- und Fuͤrſtlichen Geſelſchaft
die Gnade zuerhalten/ daß ihm gegoͤnnet wuͤrde/ mit ihnen in Boͤhmen zuzihen/ nachdem
ihm unmoͤglich waͤhre/ ihre Geſelſchaft ſo ſchleunig zuverlaſſen. Worauff Koͤnigin Va-
liſka/ die ihn ſchweſterlich liebete/ ihm dieſe Erklaͤrung taht; es wuͤrde ſeine Liebe ſchwer-
lich glaͤuben koͤnnen/ wie angenehm ihnen allen und jeden dieſes ſein Erbieten waͤhre; rech-
neten auch in Warheit ſeine bruͤderliche Freundſchaft hoͤher als das erworbene Koͤnig-
reich. Er wolte ihr auff gegebene Antwort den Handkuß bieten/ aber ſie umfing an deſſen
ſtat ihn als einen Bruder/ welches auch von den jungen Koͤnigen und Fuͤrſten geſchahe/
die ſich ihm mit Gut und Blut anerbohten/ und wahr inſonderheit zwiſchen ihn und Koͤ-
nig Baldrich eine ſolche innigliche Liebe/ daß ſie nicht wol kunten lange von einander ſeyn.
Noch hielt aber Valiſka an/ er moͤchte ſich erklaͤren/ wie bald ihm gefaͤllig ſeyn koͤnte/ nach
Wend-
[664]Siebendes Buch.
Wendland zureiſen. Worauff er mit wenigem antwortete; er haͤtte noch zur Zeit nicht
Urſach dahin zuzihen/ hoffete auch/ man wuͤrde ihm allerſeits verzeihen/ daß er ſich deſſel-
ben Fuͤrſtentuhms unangemaſſet lieſſe. Dann ob gleich ihr gar zu mildes anbieten/ ihr ge-
wogenes Herz ihm Sonnenklar vor Augen ſtellete/ würde ihm doch nit gebuͤhren ſolches
anzunehmen/ ehe und bevor er ſaͤhe/ wie es zu verſchulden ſeyn koͤnte; muͤſte uͤberdas ſei-
nem Herr Vater es erſtlich zu verſtehen geben/ und es abwarten/ ob derſelbe auch einwil-
ligen koͤnte/ dz er ein ſolches Geſchenk annaͤhme; ſchlieſlich baht er demuͤhtig/ ihm davon
ein mehres nicht zu ſagen. Alſo ſchlugen ſie dieſes Faß zu/ und antwortete Valiſka als im
Scherze; ſie merkete wol daß ihr getahnes doppeltes verſprechen wuͤrde muͤſſen bey einan-
der ſeyn. Ihr Zug ward zimlich eilig fortgeſetzet/ ſo daß nur 300 Reuter mit ihnen gingen/
und das ganze Heer von Teutſchen/ Boͤhmen/ Frieſen/ Wenden und Olafs Daͤnen/ inge-
ſamt 34000 ſtark/ alle wolgewapnet und beritten/ unter Neda und Klodius folgen muſten.
Zu Prag ließ die alte Koͤnigin auff ihre Ankunft beſter maſſen zubereiten/ weil ihr der Auf-
bruch durch einen reitenden Bohten angemeldet ward; und als ſie daſelbſt anlangeten/
ging ſie ihnen biß an das Schloß Tohr entgegen/ und ließ die beyden jungen Herlein hinter
ſich her tragen. So bald ſie einander erreicheten/ trat Valiſka aus der Ordnung vorhin/
nahm ihr liebes Soͤhnlein auff ihren Arm/ welches nunmehr 38 Wochen alt wahr/ herzete
und kuͤſſete es muͤtterlich/ und gabs hernach ihrer Fr. Schwiegermutter mit dieſen Wor-
ten: Sehet da/ herzliebe Fr. Mutter/ dieſen meinen herzallerliebſten Schaz/ an welchem
ihr auch Teil habet/ habe ich euch noch nicht kund machen wollen/ auff daß ihr auch alhie
zu Prag moͤchtet durch eine neue Luſt erfreuet werden; ſo nehmet nun eures Sohns Her-
kules und mein allerliebſtes Soͤhnlein hin/ und erfreuet euch/ daß ihr ein Kinds Kind auff
die Arme bekommet/ ehe ihr wiſſet/ daß ihr Groß Mutter ſeyd. Die Mutter ward der un-
vermuhtlichen Zeitung froh/ nam das liebe Kindichen ganz begierig an/ und kunte ſich an
demſelben nicht ſat noch muͤde kuͤſſen. Ach du mein herzaller liebſter Herkuliſkus/ ſagte ſie
zu ihm; der allmaͤchtige Gott verleihe dir ſeine Gnade/ daß du in ſeiner Furcht auffwach-
ſen/ und zu allen Chriſtlichen Tugenden moͤgeſt erzogen werden/ auff daß du nach dieſer
Sterbligkeit/ die kaum nennens wert iſt/ ein klarer Stern unter allen Auserwaͤhlten er-
funden werdeſt. Rief hernach den alten Koͤnig ihren Gemahl zu ſich/ hielt ihm das Kind
zu/ und ſagete: Da mein Herzgeliebeter; wiſſet ihr noch nicht/ daß ihr Großvater ſeyd/ ſo
beſehet nur dieſen kleinen/ ach/ allerliebſten Herkuliſkus/ der ſeiner Eltern Geſicht ſo wenig
als ſich ſelbſt verleugnen kan. Der Koͤnig nahm ihn alsbald auff ſeine Arme/ und ſagte zu
Herkules: Lieber Sohn/ habe ich dann nicht ehe als zu Prag mich einen gluͤkſeligẽ Groß-
vater kennen muͤſſen? doch es iſt wol angelegt/ damit wir auch alhie eine neue unvermuht-
liche Freude einnehmen moͤgen; aber der allerhoͤchſte Gott/ ſagte er zu dem Kinde/ hat dir
ſehr groſſe Gnade verlihen/ daß du ein Chriſt in deiner Kindheit ſchon biſt/ ehe du es ſelbſt
wiſſen oder verſtehen kanſt; dein Heiland nehme dich in ſeinen Gnaden Schuz/ und laſſe
dich nach dieſer Vergaͤngligkeit mit allen Kindern Gottes der ewigen Herligkeit genieſ
ſen. Die alte Boͤhmiſche Koͤnigin erzeigete ſich nicht minder froͤlich/ daß ſie die ihrigen-
friſch und geſund wieder herzen und umfahen kunte/ auch ihr geliebter Bruder und deſſen
Gemahl erloͤſet wahren; aber die traurige Zeitung wegen der Fraͤulein Verluſt (die man
ihr
[665]Siebendes Buch.
ihr nicht hatte zuſchreiben wollen) betruͤbete ſie herzlich/ hoffete doch/ ſie wũrde von Gott
wieder zu Hauſe geleitet werden. Nach gehaltener Mahlzeit ward der alte Koͤnig/ ſein
Gemahl/ und Fuͤrſt Olaff in ein groſſes Gemach geführet/ in welchem Herkules und La-
diſlaen Gelder wie Kornhauffẽ aufgeſchuͤttet lagẽ/ deſſen ſie ſich nit gnug verwundern kun-
ten; und als ſie die ſehr groſſe Menge der koͤſtlichen Kleinoten ſahen/ ſagten ſie/ es ſchiene
faſt/ ob haͤtten ſie Aſien von dergleichen Koſtbarkeiten ganz leer machen wollen; deſſen Va-
liſka lachete/ und ihnen anzeigete/ daß das uͤberaus weitlaͤufftige und reiche Land dieſen Ab-
gang an Golde und Kleinoten nicht eins merkete; wiewol auch ein ſehr groſſer Teil aus
der Paduaniſchen Raͤuber-Hoͤhle erobert waͤhre. Des erſten Tages nach ihrer Ankunfft
wurden Klodius/ Markus und Neda mit 1800 Teutſchen und Boͤhmiſchen Reutern
nach Padua abgefertiget/ Herrn Q. Fabius/ Herrn Pompejus und andern guten Freun-
den ihre kurze und glüklich geendigte Kriege und Siege anzumelden/ und ſie zugleich ihrer
Zuſage der Beſuchung zuerinnern/ nebeſt Bitte/ daß ſie alsbald mit ihnen uͤberkommen
moͤchten. Dieſe ſeumeten ſich nicht auff dem Wege/ wurden aber von einer Pannoniſchen
Schaar 2000 ſtark/ aus einem Puſche unverſehens uͤberfallen/ ſo dz Neda mit 300 Man-
nen ſie anfangs aufhalten muſte/ biß die andern ſich in Ordnung begaben/ da dann ein ſehr
herbes Treffen vorging/ in welchem 600 Pannonier erſchlagen/ und die uͤbrigen mehren-
teils verwundet in die Flucht getrieben wurden/ ſie aber auch 400 Mann einbuͤſſeten/
und an die 500 Verwundete unter ſich hatten. Zu Padua empfing man ſie ſehr wol/ wo-
ſelbſt Herr Pompejus mit aller ſeiner Haabe von Jeruſalem ſchon wieder angelanget
wahr. Sie erfreueten ſich ingeſamt unſerer Helden wolergehens/ und daß Fuͤrſt Baldrich
mit ſo geringer Mühe ein Koͤnigreich erlanget/ da Pompejus nach eingenommenen Be-
richt dieſe Urtel von Herkules fellete: Ich hoͤre und vernehme mit Verwunderung/ daß
dieſer unvergleichliche Held eben ſo gluͤklich den Teutſchen als anderen Voͤlkern obſieget:
und muß ſein Muht ja ſo kraͤfftig ſeyn/ daß er allen ſeinen Kriegsleuten die Herzhafftigkeit
eingieſſen/ und den Feinden Schrecken bringen kan. Inſonderheit wahr er herzlich froh/
daß ſein geliebter Schwieger Sohn ſein Koͤnigreich ſo nahe bey Koͤln hatte/ und ſie alle-
mahl in wenig Tagen zuſammen kommen kunten; trug auch groſſes Verlangen/ die un-
ſern zuſehen/ und mahnete Herrn Fabius/ Kornelius/ Emilius/ Antenor und Opimius
ſamt etlichen andern auff/ daß mit ihren Gemahlen ſie ſich zur Reiſe fertig machen mu-
ſten/ welche des andern Tages ſolten vorgenommen werden. Inzwiſchen wahren die un-
ſern in ſo weit vergnuͤget/ weil ſie die Unruhe (ihrer Meinung nach) nunmehr zum Ende
gebracht/ und die Waffen abzulegen/ Mueß und Zeit bekommen hatten (dann die vielen
ergangenen Ungluͤks Zeichen ſchlugen ſie faſt gar in den Wind/ unter der Meynung/ der
boͤſe Feind wolte ihnen dadurch eine vergebliche Furcht einjagen); ſo daß ſie der gaͤnzlichẽ
Einbildung wahren/ wann nur Frl. Klara und Fuͤrſt Arbianes wieder funden waͤhren/
koͤnte man in der Furcht des HErrn von Herzen froͤlich ſeyn. Koͤnig Henrich erinnerte
Ladiſla/ er ſolte ſeine Kroͤnung laͤnger nicht auffſchieben/ ſondern dadurch ſeine Untertah-
nen erfreuen/ damit er hernach mit ſo viel groͤſſerem Anſehen und Nachdruk gute An-
ordnung in ſeinem Koͤnigreiche machen/ und allerhand eingeſchlichene Mißbraͤuche in
Staͤdten und auff dem Lande abſchaffen koͤnte; Welchem er zufolgen bedacht wahr/ und
p p p pſolches
[666]Siebendes Buch.
ſolches Feſt 6 Wochen nach ſeiner Wiederkunfft zuhalten ausſchrieb/ mit ernſtlichem be-
fehl/ daß die Ritterſchafft und andere wehrhaffte Untertahnen ſich dagegen auffs beſte ruͤ-
ſten und einſtellen ſolten.


Zehn Tage vor der angeſetzeten Kroͤnung meldete der Frankiſche Ritter Farabert ſich
vor Prag an/ hatte 220 wolberittene treflich geputzete Reuter und 12 beladene Mauleſel
bey ſich/ ward auff begehren mit allen ſeinen Leuten willig eingelaſſen/ und bey der Buͤrger-
ſchaft verlegt und Koſtfrey gehalten/ da er zwar anſuchete/ dz auff den naͤhſtfolgenden Tag
er moͤchte vor Koͤnigin Valiſken zur gnaͤdigſten Verhoͤrung gelaſſen werden/ aber dieſelbe
ließ ihm gegen die Abendmahlzeit mit ihrer ſtatlichen Leib Gutſche nach dem Schloſſe hoh-
len/ raͤumete ihm und ſeinen Leib Dienern etliche Gemaͤcher ein/ und muſte daſelbſt abſon-
derlich Koͤniglich geſpeiſet werden/ da ihm Leches und Klodius Geſelſchaft leiſteten. Des
folgenden morgens wurden die beladene Mauleſel nach dem Schloſſe gebracht/ abgela-
den/ und alle Sachen in verſchloſſenen Wetſchern von rotem und gelben Leder hinter ihm
von 46 Dienern hergetragen/ welche/ da er vorgefodert ward/ inzwiſchen auf dem hohen
Gange warten muſten/ biß ihnen geruffen wuͤrde. Koͤnigin Valiſka ließ ihn fragen/ ob er
mit ihr abſonderlich/ oder in anderer ihrer Anverwantẽ Gegenwart/ reden wolte; und als
er zur Antwort gab; wann eine ſo hoͤchſtwirdige Koͤnig- und Fuͤrſtliche Geſelſchafft ſein
anbringen mit anhoͤren wolte/ wuͤrde bey ſeinem allergnaͤdigſten Koͤnige er ſolches hoch
zuruͤhmen haben. Alſo wahren alle vier Koͤnige ſamt dem ganzen Fꝛauenzim̄er/ nebſt Sieg-
ward und Olaf verſamlet/ da Koͤnigin Valiſka ihrem Gemahl zur Seiten ſaß/ und den
Geſanten/ Ritter Farabert mit einem auffſtehen gruͤſſete/ und die Hand zukuͤſſen ihm dar-
boht; welches er untertaͤhnigſt verrichtete/ etliche Schritte wieder zuruͤcke trat/ und alſo
anfing: Großmaͤchtigſte unuͤberwindlichſte Koͤnige und Koͤniginnen/ Durchleuchtigſte
Fuͤrſten und Fuͤrſtinnen. Mein Allergnaͤdigſter/ und Gnaͤdigſter Herr/ auch allergnaͤdig-
ſte Frau; der Großmaͤchtigſte unuͤberwindlichſte Koͤnig der freyen Franken und Sikamb-
rer; wie auch deſſen Hocheit Gemahl die Großmaͤchtigſte Koͤnigin/ und deren Hochei-
ten Herr Sohn/ der Durchleuchtigſte Koͤnigliche Fuͤrſt Markomir/ haben mir ihrem Die-
ner allergnaͤdigſt und gnaͤdig anbefohlen/ alle eure Anweſende Koͤnigliche Hocheiten und
Fuͤrſtliche Durchleuchtigkeiten freund- und dienſtlich zugrüſſen/ und ihren Hocheiten uñ
Durchleuchtigkeiten ſamt uñ ſonders ihre auffꝛichtige behaꝛliche Freundſchaft und Dien-
ſte anzumelden/ auch dabey dieſelben zuverſichern/ daß ihnen nicht mehr anliege/ als wann
einige empfangene Freundſchaft zuvergelten/ ihnen die Macht und Gelegenheit benom-
men werde/ welches ſie doch nie als vor dißmahl bey ihnen empfunden/ nachdem das Gluͤk
ihnen noch zur Zeit die Mittel an die Hand nicht geben wil/ eine wirdige Dankbarkeit vor
erzeigete Woltaht/ im Werke ſehen zulaſſen. Abſonderlich laͤſſet mein Koͤnig ſich gegen dẽ
Großmaͤchtigſten Koͤnig/ Herrn Herkules freund-Vaͤterlich bedanken vor den angeneh-
men Gruß uñ Freundſchaft-Anerbietung/ uñ erſetzet deſſen Hocheit ein ſolches mit gleich-
maͤſſigem. Die unvergleichliche Koͤnigin uñ Großmaͤchtigſte Frau aber/ Fr. Valiſka wiꝛd
deſſen verſichert/ daß wie dero Hocheit ſich erklaͤret/ meinen alleꝛgnaͤdigſten Koͤnig und Koͤ-
nigin an Elteꝛn Stat anzunehmen/ alſo haben dieſelben gegen dieſe ihꝛe wiꝛdigſte Fꝛ. Toch-
ter ſich hinwiederumb erklaͤren wollen/ alles daſſelbe zuleiſten/ was derſelben kan lieb und
ange-
[667]Siebendes Buch.
angenehm ſeyn. Mein gnaͤdigſter Fuͤrſt aber/ Herꝛ Markomir/ dem die Goͤtter durch ihrer
Hocheit freundliches Schꝛeiben die voͤllige Geſundheit wiedeꝛ zugeſtellet haben/ achtet ſich
unwirdig dero hohen ſchweſterlichen anerbietens/ und verbleibet Zeit ſeines Lebens ſeineꝛ
Gnaͤdigſten Koͤnigin und Frauen/ Frauen Valiſka in Ehren dienſtergebener Knecht. Koͤ-
nig Henrich ſelbſt bedankete ſich des uͤberbrachten Gruſſes in ihrer aller Nahmen/ und zei-
gete an/ wie lieb ihnẽ des Franken Koͤniges und der ſeinigen Wolergehen waͤhre/ und daß
ſie hoffeten/ die Ehre zuhaben/ in Ihrer Liebden Bruͤder- und Vaͤterliche Kundſchafft zu
kommen. Herkules ſetzete hinzu; Es koͤnte ihm nichts angenehmers begegnen/ als daß ei-
nes ſo Großmaͤchtigen und Weltberuͤhmten Koͤniges vaͤterliche Gewogenheit er erhaltẽ/
daher er nicht ruhen/ noch ſeine Seele voͤllig befriedigen wuͤrde/ ehe und bevor ſeines Gn.
Herr Vaters/ Koͤniges Hilderichs/ und liebwerten Bruders Groß Fuͤrſt Markomirs An-
geſicht er geſehen/ und ſeinen Gehorſam und Dienſte ihnen muͤndlich angetragen haͤtte.
Koͤnigin Valiſka brachte ihren abſonderlichen Dank mit groſſer Freundligkeit und Ehr-
erbietigen Benennungen vor/ und ſtellete ſich uͤberaus froͤlich wegen des jungen Fuͤrſten
wieder erlangeter Geſundheit/ wie ihr dann ſolches eine groſſe Freude wahr; daher ſie ſa-
gete: Der Tag muͤſſe geſegnet ſeyn/ an welchem ihr mein Freund Herr Farabert/ mich zu
Padua angeſprochen/ und des liebwerten Fuͤrſten/ meines freundlichen lieben Herrn Bru-
ders/ Herrn Markomirs Zuſtand mir zuwiſſen gemacht/ weil nicht allein hiedurch/ wie ich
herzlich gerne vernehme/ des lieben Fuͤrſten Geſundheit befodert iſt/ ſondern ich auch in
die Vaͤter- und Mütterliche Gunſt und Gnade der Großmaͤchtigen Koͤniges und Koͤni-
gin der freyen Franken auff und angenommen bin; hoffe auch dieſer Tage von dem Herꝛn
Geſanten den jetzigen erfreulichen Zuſtand meines Herrn Bruders und Oheims umb-
ſtaͤndlicher zuvernehmen. Großmaͤchtigſte Koͤnigin/ antwortete er; Ihrer Koͤnigl. Hoch-
heit ſolches zuerzaͤhlen erkenne ich mich in tieffſter Untertaͤhnigkeit ſchuldig/ und uͤberlie-
fere deroſelben dieſe beyde Schreiben von meinem allergnaͤdigſten Koͤnige Herrn Hilde-
rich/ uñ von dem Durchl. Großfürſten Herrn Markomir; nebſt angehengter untertaͤhnig-
ſter Bitte/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wolle mir allergnaͤdigſt erlauben/ die dabey uͤbergeſchic-
kete Sachen/ als ein Zeichen Muͤtterlicher Gewogenheit meiner allergnaͤdigſten Fr. Koͤ-
nigin/ und dienſtergebenen Bereitwilligkeit hoͤchſtgedachten meines gn. Fuͤrſten/ vor ihre
Gegenwart einzuliefern. Sie empfing ſolche Briefe ganz ehrerbietig/ und daß dem Geſan-
ten frey ſtuͤnde/ alles nach ihrer Gn. Eltern ſeines Herrn Koͤniges und Fr. Koͤnigin An-
ordnung und Befehl zuſchaffen/ brach des Koͤniges Brief zuerſt/ und fand dieſen Inhalt:


Durchleuchtigſte Großfuͤrſtin (dann es wahr dieſem Koͤnige ihr Koͤniglicher Stand an-
noch unbewuſt) freundliche geliebte Fr. Tochter und Waſe; je naͤher eines Menſchen Art der goͤttli-
chen Volkommenheit trit/ jemehr befleiſſiget ſich derſelbe andern zu dienen und deren beſtes zubefo-
dern/ die ihrer Huͤlffe beduͤrffen; daher uns dann keines weges wundert/ daß Eure Liebe (deren Ruhm
ſchon in dieſer ihrer jugend den Weg der Ewigkeit ſuchet) ſich der Wolfahrt unſers freundlichen liebē
Herr Sohns/ aus recht ſchweſterlicher Freundſchafft und mitleiden/ ſo hoch und ernſtlich angenom̃en
hat; welches dann die guͤtigen Himmels-Goͤtter mit ihrem Gedeien dergeſtalt geſegnen wollen/ daß
es mehr gefruchtet und gewirket/ als wir an unſerm Orte haͤtten hoffen und wuͤnſchen moͤgen/ geſtalt-
ſam der ehmahls elende Markomir an ſeiner Vernunft und Leibe ungleich geſunder und gluͤkſeliger
worden iſt/ als vor nie/ und derſelbe ſich nicht ſcheuhet offentlich zubekennen/ daß wann er gleich ſein
p p p p ijLeben
[668]Siebendes Buch.
Leben und Blut vor Euer Liebe Wolfahrt auffopffern wuͤrde/ ſolches doch nicht zuſchaͤtzen waͤhre ge-
gen das empfangene Gut/ von Euer Liebe uͤber ihn mit vollen Stroͤhmen ausgeſchuͤttet. Wir ſeine
Eltern ſind daher Euer Liebe verbundē zu aller Vaͤter- und Muͤtterlichen Liebe/ welche in der Taht deꝛ-
mahleins zuerweiſen/ wir das Gluͤk und die Gelegenheit uns von den Goͤttern wuͤnſchen/ und uns vor
ungluͤkſelig achten werden/ biß wir deſſen einen rechtſchaffenen Anfang werden gemacht haben. Neh-
met von uns den Willen an/ herzgeliebete Fr. Tochter/ und verſichert euch daß die Verſiegelung un-
ſer Freude dieſes iſt/ daß durch Eurer Liebe gewogene Kindliche Freundwilligkeit/ wir auch teil habẽ
an den Ruhm/ welcher Eure Liebe durch ihren hohen Verdienſt weit uͤber alle andere ihres gleichen
ſetzet. Die von Eurer Liebe meinem Gemahl und Sohn uͤbergeſchikte koſtbahre Bezeugungen ihrer
Freundwilligkeit und Liebe/ ſind allerſeits wol eingeliefert und begierig angenommen/ daher man de-
ſto weniger zweiffelt/ die geringe Gegenbezeigung einer Muͤtterlichen Ergebenheit und Bruͤderlichen
dienſtwilligſten Herzen (wo bey unſer Vaͤterlicher Wille ſich nimmermehr aus ſchlieſſen ſol)/ werde
hinwiederum mit gleichmaͤſſiger Vergnuͤgenheit angenommen werden. Meine werte Fr. Tochter wol-
le nebeſt ihrem hochberuͤhmten Gemahl und ſaͤmtlichen Anverwanten von uns freundlich gegruͤſſet
ſeyn/ deren zu aller Vaͤterlichen Moͤgligkeit wir verbunden ſind und bleiben wollen/ als lange wir
leben. Hilderich.


Valiſka laſe es mit hoher Vergnuͤgung/ und reichete es nachgehends ihrem Her-
kules mit dieſen Worten ein: Mein Schaz/ hie gebe Eure Liebe ich zu vernehmen eine ſon-
derliche Vaͤterliche Gunſt und Gnade/ damit unſer Gn. Herr Vater der Großmaͤchtigſte
Franken Koͤnig uns zugetahn iſt; mehr als in unſerm vermoͤgẽ ſeyn wird/ es zuverſchuldẽ.
Herkules nam es ehrerbietig an/ und in dem ers durchſahe/ erbrach ſie auch das andere
von Fuͤrſt Markomir geſchrieben/ unter dieſer Auffſchrift: Der Ruhmwirdigſten des Erdbo-
dens/ Großmaͤchtigſten Großfuͤrſtin der Teutſchen/ Frauen Valiſka/ ſeiner einigen Lebens-Erhal-
terin/ und Vernunft-wiederbringerin/ zu ihrem ſelbſt eigenen unſterblichen Ruhm. Nach Verle-
ſung deſſen/ ſagte ſie zu Farabert: Herr Geſanter; wañ dieſer Brieff mir nicht von ſo an-
genehmer Hand zukaͤhme/ wuͤrde ich ihn zu leſen mich nimmermehr unterſtehen/ in Be-
trachtung der gar zu ungebuͤhrlichen Benennungen/ welche in der Auffſchrift enthalten
ſind. Er aber ließ ſolches unbeantwortet/ und legte ſie den Brieff von einander/ welcher
alſo lautete:


Wann der Himmel ſelbſt/ unvergleichliche Großfuͤrſtin und vollig-gewaltſahme Gebieterin
uͤber mein Leben/ mit ſeinem Donnerſchalle außblaſen und uns hieniden anmelden wolte/ alle die
Volkommenheit/ welche er ſelbſt eurer Vortreffligkeit mit unermaͤßlicher fuͤlle mitgeteilet hat/
wuͤrde er dannach ſo wichtig nicht ſeyn/ es uns Menſchen durch einiges ander Mittel/ als ihr ſeibſt
vorzuſtellen; welches doch meine armfelige Feder abſchrecket/ ſich deſſen zuunternehmen/ was uns al-
len unmoͤglich faͤllet/ daher ich bloß nur daſſelbe zupreiſen verſuchen wil/ was wir geweſenen Elenden/
nunmehr begluͤkſeligten Menſchen von ihrer Erbaꝛmung und Guͤte gutes begegnet iſt. Ihre Strah-
len der innerlichen und aͤuſſerlichen Volkommenheit hatten mich am Verſtande und Geſundheit ge-
blendet/ und weil ich deren entrahten muſte/ machten ſie mich einem unvernuͤnftigen Vieh ganz aͤhn-
lich; biß der helle Gnaden-blik ihrer kraͤftigen Schrift und das Zeichen eines ſolchen erbietens/ deſſen
ich nicht wert bin/ meine Vernunft durch der Augen Anblik/ wieder zu ihrer Richtigkeit brachten/ und
ich wieder wuſte wer ich wahr/ uñ wer ich ſeyn ſolte. Vortreflichſte Großfuͤrſtin/ einige Wiederbringe-
rin meiner Sinnen/ goͤnnet bitte ich/ eurem gar zu tief verſchuldeten/ daß ihm frey ſtehen moͤge/ die-
ſes mit vollem Munde zuruͤhmen/ was von ihrer Gnaden Hand er empfangen hat; mehr als alle
Welt ihm nicht haͤtten mitteilen koͤnnen/ und laſſet ihm gnaͤdig zu/ ſich deſſen vor dißmahl durch ſei-
ne Schrifft/ und erſte Moͤgligkeit muͤndlich zubedanken/ in ſolcher untergebener Ehrerbietigkeit/ als
die
[669]Siebendes Buch
die empfangene Woltaht erheiſchet. Was mein Gn. Herr Vater mir anbefohlen/ meiner Erloͤſerin
zum Zeichen aller Ergebenheit zu uͤberſenden/ wird verhoffentlich die Gnade erhalten/ daß unter ihrer
Vortrefligkeit gewarſam es verbleiben moͤge; und ihr gehorſamer Knecht die Freyheit habe/ daſſelbe
vor allen zubekennen/ was ihre kraͤfftige Huͤlffe ihm hat wiederfahren laſſen/ alsdann wird derſelbe
ſich vor recht gluͤkſelig ſchaͤtzen/ welcher mit allem/ was er iſt und hat/ iſt und verbleibet der volkom̃en-
wirdigſten Groß Fuͤrſtin Fr. Valiſken ganz verſchuldeter und verpflichteter Knecht Markomir.


Valiſka wolte vor der ganzen Geſelſchaft nicht ausſagen/ was an dieſem Schreiben
ihr ſo ſehr mißfiel/ nur zeigete ſie dem Geſanten/ wie hocherfreulich ihr die Zeitung wegen
des lieben Fuͤrſten Geſundheit waͤhre. Und als des aufftragens der vielen Wetſcher kein
ende werden wolte/ ſtellete ſie ſich etwas ungeduldig/ und fragete/ warumb man ſie doch
mit ſolcher Laſt beſchwerete. Farabert aber ließ dieſelben/ an der Zahl 24 in zween Hauffen
ſtellen/ da an den rohten der Koͤnigin/ an den gelben aber des jungen Fuͤrſten Nahme ſtund;
und er untertaͤhnig anhielt/ ihre Koͤnigl. Hocheit moͤchte mit ſolchem Willen und Wol-
gefallen dieſes alles teils von der Koͤnigin/ teils von dem jungen Fürſten/ annehmen/ wie
daß von ihr uͤbergeſchikt waͤhre angenommen worden. Worauff ſie ſich freymuͤhtig er-
klaͤrete; ja/ ob ſie gleich augenſcheinlich und an den vielen Wetſchern ſaͤhe/ daß die Koͤnig-
lichen Geſchenke gar zu groß waͤhren/ wolte ſie doch/ umb ihrer Gn. Fr. Mutter der Fr.
Koͤnigin ihren Gehorſam/ und dem jungen Großfuͤrſten ihre ſchweſterliche Liebe ſehen zu
laſſen/ ſich deſſen durchaus nicht wegern. Und muſte der Geſante mit zur Koͤniglichen
Mahlzeit gehen/ da er als eines groſſen Koͤniges Diener gebuͤhrlich geehret ward. Nach
der ſpeiſung foderte ihn Valiſka allein vor ſich in ihr Gemach/ und zeigete ihm an/ daß ſo
hoch ſie uͤber des jungen Fuͤrſten erlangeter Geſundheit ſich erfreuet/ ſo heftig haͤtte ſie ſich
uͤber deſſen Schreibens Inhalt betruͤbet/ weil ſie ein ſolches uͤbermachtes Lob darinnen
haͤtte leſen muͤſſen/ das ihr Herz ſich vor ihr ſelbſt geſchaͤmet/ wolte auch hiemit angeloben/
daß ob ſie zwar vordißmahl dem Fuͤrſten ſchriftlich antworten wolte/ ſie doch hinfuͤro we-
der dergleichen Briefe mehr von ihm anzunehmen/ noch zubeantworten bedacht waͤhre.
Hernach muſte ihr Farabert erzaͤhlen/ wie es mit dem Fuͤrſten eigentlich beſchaffen waͤhre;
da er ihr zuvernehmen gab/ was geſtalt in den erſten fuͤnff Wochen nach ihrer Hocheit em-
pfangenen Schreiben/ ſeine Durchl. zur volſtaͤndigen gemühts und leibes Geſundheit ge-
rahten/ da es ſich von Tage zu Tage gebeſſert/ und er Farabert faſt immer bey ihm ſeyn/
und ihrer Hocheit Wunderfaͤlle und lebens Art ihm erzaͤhlen müſſen; nachgehends haͤtte
er ſich wieder in ſeinem Fuͤrſtlichen Stande/ aber weit praͤchtiger als vorhin/ oͤffentlich ſe-
hen laſſen/ haͤtte auf der Jagt ſich viel geuͤbet/ und allerhand Ritterſpiel eiferig getrieben/
auch dabey ſo freimuͤhtig geweſen/ dz man ſich daruͤbeꝛ verwundern muͤſſen. Sein Schild
deſſen er ſich gebrauchete/ waͤhre alſo bezeichnet daß aus einem verborgenen dicken Damp-
fe eine ganz helle Flamme hervor ſchluͤge in ſieben zwar unterſchiedlichen/ aber nahe zuſam-
men ſtehenden Strahlen an welchen zu unterſt die ſieben Buchſtaben V. A. L. I. S. C. A.
ſtuͤnden/ nicht anders/ als ſieben reiche Quellen dieſer auffſteigenden Flam̃enſtralen. Umb-
her ſtunden die Worte mit gruͤnen Buchſtaben: Cœleſtis Medicina facile reparat quod per
ſe periit
. Das iſt: Die himliſche Arzney machet leicht wieder gut/ was durch ſich ſelbſt verderbet iſt.
Ein ſehr herlicher Spruch/ ſagte Valiſka/ wann er nur recht verſtanden und erklaͤret wird;
p p p p iijaber
[670]Siebendes Buch.
aber der Nahme oder die Buchſtaben unten an den Strahlen muͤſten nicht die geſetzeten/
ſondern dieſe ſeyn: C. R. E. A. T. O. R. Das iſt; der Schoͤpfer/ oder der wahre Gott. Fara-
bert fuhr in ſeiner Erzaͤhlung fort; es haͤtte Fuͤrſt Markomir oben auff dem Helme einen
andern Strahl/ welcher einen verwelketen Graßſtengel wieder gruͤnend machete und in
die hoͤhe richtete/ und darunter dieſes Wort: Deſuper Auxilium. Die Huͤlffe komt von oben
herab. Das iſt ein recht loͤbliches Wort/ ſagte Valiſka/ und moͤchte wuͤnſchen/ daß des Für-
ſten Brieff hiemit zuſtimmete; wie aber? wird der liebe Fuͤrſt meinem Gemahl und mir
nicht die Ehre antuhn/ uns zuzuſprechen. Wir werden gewiß nit unterlaſſen/ unſere Gnn.
Eltern/ euren Koͤnig und Koͤnigin zubeſuchen/ weil wir nicht zweifeln/ wilkommen zu ſeyn.
Ja/ Großmaͤchtigſte Koͤnigin/ antwortete er/ hoͤhere Vergnuͤgung wuͤrde meinem Koͤni-
ge nicht begegnen/ werde auch keine angenehmere Zeitung nach hauſe bringen koͤnnen als
dieſe. Sie beſahe nachgehends die uͤberſchicketen Sachen/ deren ſie ſich verwunderte; dañ
da wahren zwo Koͤnigliche Kronen und Reichsſtaͤbe; Hals- und Armketten von dik ge-
goſſenem Golde/ Pferdeſpangen und Puckeln aus gleichen Erz; und Steigbuͤgel von ho-
hem wert. Hernach die allerzarteſte Linnewand/ die Menſchen Augen jemahls geſehen/ uñ
allerhand Bettegeraͤhte/ Tiſch- und Tellertücher/ und was zur überfluͤſſigen auszierung
eines Koͤniglichen Eſſeſaals/ Verhoͤr-ſtuben/ geheimen Zimmers/ und Schlaffgemachs
kan oder mag gefodert werden; welches ſie hernach dem andern Frauenzimmer zeigete/
welche bekenneten/ deßgleichen nie geſehen zu haben. Es ward Farabert Koͤniglich beſchen-
ket ſamt allen ſeinen Dienern/ da die 46 ſo die Wetſcher auffgetragen hatten/ alle mit koͤſt-
lichen neuen Kleidern verſehen wurden/ und jeder 300 Kronen Baarſchaft/ Farabert aber
zu ſechs Kleidern allerhand teurbahre Tuͤcher/ und 8000 Kronen/ auch vor 6000 Kronen
Kleinot bekam; ſeinen uͤbrigen 204 Reutern wurden jedem 60 Kronen ausgezaͤhlet/ und
bey jeder Mahlzeit jedem eine Krone verehret. Farabert hielt zwar an/ daß er des vierden
Tages nach ſeiner Ankunft gnaͤdigſt moͤchte abgefertiget werden/ aber ſie vermochten ihn/
daß er die Zeit der angeſetzeten Kroͤnung abzuwarten verſprach; weil aber ſolche durch ei-
nen feindlichen Uberfal verhindert ward/ ging er am Tage der ungluͤklichen Zeitung nach
empfangenen Briefen eilig fort nach ſeinem Koͤnige.


Das allerliebſte Fraͤulein ward nunmehr als eine Erſchlagene von ihren verwanten
herzlich betrauret/ ſo daß auch bey Herkules ſelbſt wenig Hoffnung ihres lebens mehr uͤbrig
wahr/ deſſen er aber ſich nicht merken ließ/ damit der Eltern betruͤbnis nicht dadurch ver-
mehret würde; aber der grundguͤtige Gott wolte ſie in ihrer elenden Magdſchaft nicht lan-
ge ſtecken und veraͤchtlich halten laſſen/ ſondern ſie den ihren nach ſeiner vaͤterlichen Ver-
ſehung wieder zufuͤhren. Dann Wolfgang ſinnete Tag und Nacht/ wie er ſie nach dem
Elbſtrom bringen moͤchte/ ob er gleich ſein Leben darũber einbuͤſſen ſolte; aber das Fraͤulein
wolte/ daß er des ſicherſten ſpielen muſte/ damit ſie Ehr und Leben behielte. Nun arbeitete
er bey einem reichen Buͤrger/ deſſen erwachſener Sohn Richard/ ſeines alters von 22 Jah-
ren/ hohes Sinnes/ und uͤber die maſſe ehrgeitzig/ etliche Pferde auff der Straͤu hielt/ wel-
che ihm Wolfgang neben ſeiner verdingeten Arbeit/ fleiſſig wartete/ daß er ſeine gute Gunſt
erhielt/ und zuzeiten einen Trinkpfennig bekam. Es wahr dieſer Kerl ein rechter Waghals
durfte ſich unterſtehen/ was ihm einfiel/ und gluͤckete ihm allenthalben wol/ ungeachtet die
Tugend
[671]Siebendes Buch.
Tugend ſehr duͤnne bey ihm geſaͤet/ und uͤberdas der unkeuſcheit ſehr ergeben wahr. Als
Wolfgang merkete/ daß er eines Worts bey ihm maͤchtig wahr/ ſagte eꝛ einsmahls zu ihm;
es waͤhre ſchade und jammer/ daß ein ſolcher friſcher und tapferer Menſch im Buͤrgerſtan-
de ſterben/ und ſein gutes Herz ſo zu reden/ unter dem Koht vergraben ſolte; wann er nun
wiſſen koͤnte/ weſſen er ſich zu ihm zuverſehen oder zu trauen haͤtte/ wolte er ihm Anleitung
geben/ und darzu behuͤlflich ſeyn/ daß er in wenig Tagen durch eine tapffere ehrliche Taht
nicht allein den hohen Adelſtand erwerben/ ſondern ein groſſer reicher Herr/ und angeneh-
mer Freund treflicher Fuͤrſten werden ſolte; die Taht/ deren auff ſolchen fal er ſich wuͤrde
unterwinden muͤſſen/ waͤhre eben ſo ſchwer und unmoͤglich nicht/ wann er nur die Kuͤhn-
heit nehmen duͤrfte/ ein Fraͤulein ſehr hohes Standes/ die an einem Orte nicht weit von
hinnen/ in dienſtbarkeit wieder ihren Willen behalten wuͤrde/ zuerretten/ und nach den ih-
ren zubegleiten. Dieſer wolte alsbald wiſſen/ wo das Fraͤulein anzutreffen/ und auff was
Weiſe die Erloͤſung vorzunehmen waͤhre. Welches aber ſo duͤrre auszubeichten/ ihm un-
gelegen wahr/ daher er ihm dieſen Dunſt vormahlete: Dieſſeit Koͤln laͤge ein Staͤdlein/ in
welchem dieſes Durchleuchtige Fraͤulein von einem unwirdigen verwaͤgenen Weibe
ſchlechtes Adels/ als eine Magd wieder ihren Willen auffgehalten würde/ wiewol derſel-
ben dieſer Fraͤulein hoher Stand unwiſſend waͤhre; wann man nun etwa zwoͤlf bewehre-
te Reuter haͤtte/ koͤnte man ſie ohn alle Lebensgefahr davon bringen; doch muͤſte man eine
Gutſche mit guten ausgeruheten Pferden in bereitſchaft haben/ darauff man ſie ſetzete/ und
an einen Ort/ welchen er zu ſeiner Zeit nennen wolte/ hinbraͤchte. Ich weiß ſo ſchleunig nit
zu rahten/ antwortete Reichard/ woher man ſo viel Mannſchaft/ welcher man trauen duͤrf-
te/ nehmen koͤnte; Gutſchen und Pferde hat mein Vater gut genug/ wolte auch wol ſo viel
Gelder ſchaffen/ als zu der Reiſe koſten erfodert wuͤrden/ dann auff dem Lande hat mein
Vater hin und wieder Aufkuͤnfte zu heben/ und andere Schulden ausſtehen/ welche ich bald
einfodern wolte. Wie? antwortete Wolfgang/ koͤnte mein Herr nicht eine heimliche Wer-
bung anſtellen/ oder von ſeinen Eltern begehren/ daß ſie ihm ſo viel Reuter ausrüſteten/ un-
ter dem Vorgeben/ er wolte damit zu Kriege zihen/ einen Herrn ſuchen/ und Ehre/ Ruhm
und Guͤter zuerwerben bemuͤhet ſeyn? Dieſer bedachte ſich ein wenig/ trug es ſeinem Va-
ter vor/ und erlangete deſſen bewilligung auff acht Reuter/ welche er ihm werben und ge-
buͤhrlich ausrüſten wolte. Wolfgang dauchte die Zahl zum nohtfalle gnug ſeyn/ welche
Reichard inwendig ſechs Tagen zu liefern verſprach/ und ſolte Wolfgang inzwiſchen es
ſchaffen/ daß ohn verzug die Sache vorgenommen wuͤrde/ er vor ſein Haͤupt wolte entwe-
der ſterben/ oder die Erloͤſung ritterlich zu werk richten/ haͤtte auch mit ſeines Vaters Gut-
ſcher es ſchon angeleget/ Wagen und Pferde fertig zu halten/ und ſolche nur ſechs Stun-
den (alſo haͤtte ers ihm vorgeſchwaͤtzet) zugebrauchen/ davor er ihm drey Guͤlden verſpro-
chen/ auch die helfte ſchon vor heraus gegeben haͤtte. Als Wolfgang ſahe/ daß an dieſes
Menſchen Traͤu und Glauben nicht zuzweifeln wahr/ taht ers dem Fraͤulein in der Nacht
zu wiſſen/ und ſagte zu ihr: Ach daß Gott wolte/ daß ihr nur einmahl Gelegenheit haͤttet/
auff das Feld zu gehen oder zu fahren/ dann wolte ich mir getrauen/ euch ohn alle Gefahr
davonzubringen. Dann ſehet/ vor erſt koͤnte ich euch adeliche Kleider verſchaffen; vors
ander taͤhtet ihr die angeſtrichene Farbe ab; wer wolte euch dann vor die jezige Armgard
anſpre-
[672]Siebendes Buch.
anſprechen? ſo habe ich ſchon eine Gutſche wol beſpannet/ und acht beherzete Reuter/ die
euch begleiten ſolten; O daß ihr nur einmahl hinaus vor das Tohr kommen moͤchtet/ mein
Herz traͤgt mirs zu/ daß mein Anſchlag gerahten wuͤrde. Mein frommer und getraͤuer
Wolfgang/ antwortete ſie; ich kan dem allerhoͤchſten Gott nicht gnug danken/ daß Er mir
euch zugewieſen hat; dann ihr habt mir dieſe ganze Zeit uͤber/ ſolche Traͤue erzeiget/ welche
ein Bruder ſeiner leiblichen Schweſter kaum leiſten wuͤrde. So fahret nun fort getraͤu zu
ſeyn/ wie ich dann nicht zweifele/ und glaͤubet mir ſicherlich/ daß ihr von mir Zeit eures le-
bens dergeſtalt ſollet geliebet und begnadet werden/ als ihr euch noch nicht einbilden moͤ-
get. Aber daß ich auff euren Vorſchlag komme; meinet ihr dann/ getraͤue Leute angetrof-
fen zu haben/ denen ich mich ſicherlich vertrauen duͤrfte/ wann ich mich in meiner wahren
Geſtalt ſtellen wuͤrde? Daß hoffe ich gaͤnzlich/ antwortete er; erzaͤhlete ihr auch den ganzen
Anſchlag/ und daß er ſeinem Geſellen den Ort noch nicht genennet haͤtte/ woſelbſt das vor-
nehme Fraͤulein anzutreffen waͤhre. Ich verlaſſe mich naͤheſt Gott auff euch/ ſagete ſie/ uñ
dafern euer Anſchlag aller richtig iſt/ hoffe ich die groͤſte Tochter/ deren ich zimlich maͤchtig
bin/ wol dahin zubereden/ daß ſie mich mit ſich hinaus auf ihr naͤheſtes Meier-Gut nehme.
Daß waͤhre der ſicherſte Weg/ ſagete er; aber ich mus es 24 Stunden vorher wiſſen/ weil
es ſo ſchleunig nicht zu werke gerichtet werden kan. Wir wollen nach moͤgligkeit eilen/ ant-
wortete ſie/ dann meines bleibens iſt ohndas nicht laͤnger hie/ inbetrachtung/ ich nicht weis/
weſſen ich mich zu dem alten Ehebrecher/ meinem jetzigen Herrn zuverſehen habe/ welcher
von unzimlichen Sachen mit mir zu reden beginnet/ und Geſchenke ausbieten darff; ich
ihn gleichwol aber das leztemahl der geſtalt abgewieſen habe/ und ihn mit der Draͤuung/ es
ſeinem Weibe zu ſagen/ erſchrecket/ daß er verhoffentlich mich wol zufrieden laſſen ſol/ und
fũrchte ich mich nur des nachtes am meiſten vor ihm/ wann ihr nicht hie ſeid/ wiewol ich
alsdann die Tühr und das Fenſter ſo feſt verſperre und inwendig verbolwerke/ dz niemand
ohn Gewalt herauff brechen wird. Des folgenden Morgens/ da das Fraͤulein mit der groͤ-
ſten Tochter die Naͤhe-arbeit trieb/ fing ſie an zu wuͤnſchen/ daß ſie einmahl einen halben
Tag in die friſche Luft kommen moͤchte/ es gaͤbe eine feine Verenderung/ und befuͤnde ſie
ſich ohndas nicht allerdinge wol auff/ welches ihre Geſtalt gnug anzeigete; nun fuͤrchtete
ſie aber ihrer Frauen Zorn (dann ſie wahr ſchon etlichemahl von ihr mit Maulſchellen ge-
lohnet) daß ſie ſich deſſen nicht wuͤrde dũrfen verlauten laſſen; haͤtte demnach hoͤchlich zu
bitten/ ob ſie es nicht dahin bringen koͤnte/ daß ſie eins mit ihr nach ihrem Vorwerk aus-
fahren moͤchte/ davor wolte ſie ihr/ wann ſie Braut ſeyn wuͤrde/ ein ſtatliches Braͤutigams
Wiſchtuch mit ſonderlichem fleiß verfertigen. Ja warumb nicht/ antwortete ſie: Dieſes
ſol meine Mutter mir nicht verſagen/ und wans euch geliebete/ koͤnte es noch wol heute ge-
ſchehen. Ach nein/ geehrte Jungfer/ ſagte ſie/ ich wil zuvor eures Herrn Vaters Hemde uñ
Kragen fertig machen/ woran ich heut und Morgen zu arbeiten habe; koͤnte es dañ uͤber-
morgen geſchehen/ waͤhre mir ſehr lieb. Daß wil ich euch wol vorher zuſagen/ antwortete
die Jungfer/ noch ehe ich meine Mutter darumb begruͤſſe. Wer weiß aber/ ſagte das Fraͤu-
lein/ ob ſie mir ſo viel Feierabend goͤnnet/ daß ich mit euch fahre? Davor laſſet mich rah-
ten und ſorgen/ antwortete ſie; ich habe meiner Mutter wol ehe etwas abgebehten/ und ſol
mirs vordißmahl auch nicht mißlingen. Weil nun dieſelbe gleich in die Stube trat/ brach-
te die
[673]Siebendes Buch.
te die Tochter vor/ ſie moͤchte ihr erlaͤuben/ uͤbermorgen nach dem Vorwerk zu fahren/ und
Armgarten mitzunehmen/ der ſie ihre ſchoͤne Roſmarin/ Negelblumen und andere Ge-
waͤchſe zeigen wolte. O ja/ ſagte die Mutter/ das iſt eine moͤgliche Bitte; ich werde meinen
Maͤgden Wagen und Pferde halten/ daß ſie zur Luſt ausfahren/ und ſich im Kraͤutergar-
ten ergetzen. Sie ſol mir auf dem Hindern ſitzen und naͤhen/ dann mit dem ausfahren kan
ſie das freſſen nicht verdienen. Aber ſage mir/ hat die faule Metze dir etwa ſolches angege-
ben? die Landlaͤufferin wird des ſitzens irgend ſchon muͤde ſeyn. Nein gewißlich nicht/ her-
zen Fr. Mutter/ antwortete ſie/ ich ſelbſt habe ſie darzu gebehten/ weil ſchon vor etlichen
Wochen ich von ihr verſtanden/ daß ſie mit kuͤnſtlicher Auffbindung der Roſmarin Baͤu-
me fein umzugehen wiſſe/ davon unſer Gaͤrtner wenig vergeſſen hat. Das Fraͤulein ent-
ſchuldigte ſich mit demuͤhtigen Worten/ und baht/ ihre Frau moͤchte ſie nicht in dem Ver-
dacht haben/ ſie wolte gern nach ihrem Befehl bey ihrer Naͤhe-Arbeit bleiben. Aber die
Tochter hielt immer an mit bitten/ weil ja die ſchoͤne Roſmarin ſonſt gar ins wilde wach-
ſen wuͤrde/ wo man ſie nicht beyzeiten gewaͤhnete. Worauff endlich ihre Mutter ſagete:
Machet mir zuſammen fertig was ich euch eingeſetzet habe; komt dann Zeit/ ſo komt auch
wol Raht; Womit ſie hinweg ging/ und ſagte die Jungfer zu dem Fraͤulein: Nun iſt die
Sache ſchon klar/ maſſen wann meine Mutter ſich ſo weit heraus laͤſſet/ das iſt gleich ſo
viel/ als ob ſie ja geſaget haͤtte; darumb zweifelt nur nicht/ wir wollen übermorgen/ ſo bald
es euch gefaͤllet/ auff ſeyn. Dieſen Nachmittag wurden die Toͤchter/ ohn die juͤngſte/ von
dem Fraͤulein abgefodert/ anderen Hausgeſchaͤfften obzuliegen/ welcher gelegenheit der
Hausvater/ Namens Bernhard/ wahr nam/ ſich zu dem Fraͤulein machte/ uñ ihr gewaltig
liebkoſete/ wie er ſie ſo hefftig liebete/ und bedacht waͤhre/ ſie nicht laͤnger als eine Magd/
ſondern ſeinen Kindern gleich zuhalten/ dagegen wuͤrde ſie verhoffentlich ſeine Liebe und
Gunſt erkennen/ und nicht/ wie bißher geſchehen/ ihn veraͤchtlich von ſich abweiſen; nach
welcher Rede er ſein Toͤchterlein vermahnete hinzugehen/ und mit ihren Tocken zuſpielẽ.
Das Fraͤulein aber wolte in deren Abtrit nicht einwilligen/ ſondern ſagte zu ihm: Herr/
wann ihr wollet/ daß ich bey euch bleiben/ und euch auf euer erbieten antworten ſol/ werdet
ihr das liebe Kind alhie bey uns laſſen/ oder mirs nicht verdenken/ daß ich zugleich mit ihr
davon gehe. So wolte auch das Kind durchaus nicht hinweg/ ſondern hielt ſich an ihr/
und ſetzete ſich endlich gar auff ihre Schoß/ welches dieſer Unzuͤchtige/ Schande halben
einwilligen muſte/ ſich aber zu ihr ſetzete/ und um freundliche Erklaͤrung bey ihr anhaltend/
ſich ungebührlicher Griffe gebrauchen wolte/ deſſen ſie ſich entbrechend/ alſo zu ihm ſage-
te: Herr/ daß ihr euch gegen mich als ein gewogener Freund erklaͤret/ und meine Magd-
ſchafft zumiltern mir verſprechet/ deſſen wird euch der Himmel lohnen/ weil mein Unver-
moͤgen die Vergeltung nicht zulaͤſſet; daß ihr aber gedenket/ mich zu eurem unzuͤchtigen
Willen zuverleiten/ da ich uͤberdas in der Ehe lebe/ ſolches werdet ihr hinfuͤro abſtellen/ o-
der mir es nicht veruͤbeln/ daß bey meiner Frauen ich umb Schuz wider euch anhalte/ und
ſo kuͤhn bin/ euch anzuzeigen/ daß ich tauſend mahl lieber den Tod leiden/ als ichtwas wider
meine Zucht und Ehre begehen oder zulaſſen werde/ wie ſchlecht uñ geringe ihr mich auch
halten moͤget; ſtellet demnach euren Mutwillen ein/ oder goͤnnet mir/ daß ich einen andern
Dienſt ſuche/ da von dergleichen unerbaren Anſprengungen ich frey bin. Der Alte (dann
q q q qer
[674]Siebendes Buch.
er wahr ſchon ein 52jaͤhriger) wolte ſich zornig ſtellen/ und weiß nicht/ was vor Straffen
draͤuen; aber ſeine aͤlteſte Tochter kam unvermuhtlich wieder/ daß er kaum gelegenheit
hatte/ heimlich zu ihr zuſagen/ ſie ſolte ſchweigen/ oder ihres Lebens nicht ſicher ſeyn. Wor-
auff ſie zur Antwort gab: Ja Herr/ ich wil auch vor dißmahl noch ſchweigen/ wann ich
nur hernaͤhſt unbemuͤhet bleibe-Alſo ging er hinweg/ als haͤtte er kein Waſſer betruͤbet/ dañ
er fuͤrchtete ſich vor ſeinem Weibe nicht viel weniger als vor dem Henker ſelbſt. Sie kla-
gete dieſe Nacht ihrem Wolffgange ſolches alles/ und gab ihm zugleich zuverſtehen/ auff
welche Zeit ſie ihre Luſtreiſe verhoffentlich ungezweifelt fortſetzen wuͤrde; welches ihm ſehꝛ
lieb wahr; im uͤbrigen aber ihr den Raht gab/ da ſie des folgenden Tages aber eins unzim-
liche Anſprache von dem Alten haben wuͤrde/ moͤchte ſie ſich etwas gelinder vernehmen
laſſen/ damit er nicht aus toller Liebe eine Erklaͤrung faſſete/ die auff Gewalttaht beſtuͤnde;
koͤnte auch nicht ſchaden ihn auff etliche wenig Tage (wanns nicht anders ſeyn koͤnte) hin-
zuweiſen/ und ihm alſo in Sicherheit das Maul auffſperren. Aber wie ſie dazu ſich ſelbſt
nicht bereden kunte/ alſo ſchikte es Gott/ daß er aus Schahm und Furcht ſich des folgendẽ
Tages von ihr nicht ſehen ließ. Wolffgangen dauchte numehr hohe Zeit ſeyn/ ſeinem Ge-
ſellen Reichard die rechte Warheit zuoffenbahren/ welcher ihm zuvor einen leiblichen aͤid
ſchwoͤren muſte/ was er ihm anjezt vertrauen wuͤrde/ in geheim zuhalten; dagegen ver-
ſprach er ihm hinwiederumb im Nahmen der Fraͤulein aͤidlich/ ihm entweder ein freies
Ritter Gut erblich zuverſchaffen/ oder zwo Tonnen Goldes in Baarſchafft/ da ihm ſolches
angenehmer ſeyn wuͤrde; gefiele es ihm auch/ ſolte er in den Ritterſtand/ und zum Groß-
fuͤrſtlichen Beamten geſetzet werden. Und als ſie ſich darauff beyderſeits auffs haͤrteſte
verbunden/ ſagte ihm Wolffgang/ das vornehme Fuͤrſtliche Fraͤulein wuͤrde morgen umb
9 oder 10 uhr aus dieſer Stad nach dem und dem Vorwerk fahren; da muͤſte man nun
einen Anſchlag auff ſie machen/ daß man ſie dergeſtalt hinweg fuͤhrete/ daß es ſo bald nicht
ruchtbar würde; alsdann waͤhre durchaus keine Gefahr bey der Sache/ nur daß die/ ſo ſie
angreiffen und wegnehmen ſolten/ in vermummeter Geſtalt es verrichteten/ damit ſie her-
naͤhſt nicht erkeñet/ oder doch nicht ſo gar bald ausgekundſchaffet werdẽ koͤnten. Reichard
wahr zu allem willig und bereit/ nahm von ſeinen Eltern und Verwanten Abſcheid/ und
richtete ſich nach der Zeit/ daß er auff den naͤhſtfolgenden Tag ſehr früh mit ſeiner Reute-
rey hinaus ritte/ vorgebens/ er wolte uͤber den Rein/ und im Kriege ſich eine zeitlang verſu-
chen; hatte auch die Gutſche fertig/ und fehlete ihm nichts/ nur daß das Fraͤulein ſich blic-
ken lieſſe/ die man hinweg nehmen ſolte. Als Wolffgang dieſen lezten Abend nach ſeiner
Gewohnheit zu dem Fraͤulein ging/ ſeinem Vorgeben nach/ bey ſeiner Armgart zuſchlaf-
fen/ wolte der alte Bernhard ihm ſolches nicht goͤnnen/ fing einen falſchen Zank an/ und
ſagte/ er ſolte ſich alsbald von ſeinem Hofe hinweg packen; Er kaͤhme in Erfahrung/ daß er
hin und wieder austruͤge/ was in ſeiner Haushaltung vorginge/ deſſen er hinfuͤro wolte
geübriget ſeyn. Dieſer wuſte ſich deſſen unſchuldig/ baht deswegen umb Verzeihung/ und
erboht ſich/ ſein Leben zulaſſen/ wann ihm das allergeringſte koͤnte uͤberbracht werden; Er
merkete aber daher/ daß der Alte irgend auff dieſe Nacht einẽ gefaͤhrlichen Anſchlag moͤch-
te gemacht haben. Die Frau/ Nahmens Mechtild/ kam gleich darzu/ und fragete ihren
Mann/ was er ſich mit Wolffgang zukeiffen haͤtte? Da dieſer ſeine jezt getahne/ Entſchul-
digung
[675]Siebendes Buch.
digung wiederhohlete/ und die Frau inſtaͤndig baht/ ihm zum wenigſten noch dieſe Nacht
ſeine Armgart zugoͤnnen/ alsdann wolte er lange nicht wieder kommen. Die Frau wahr
dieſen Morgen von ihrem kleinen Toͤchterlein berichtet/ ihr Vater haͤtte Armgart kuͤſſen/
und auff ſeine Schoß nehmen wollen/ welches ſie nicht haͤtte wollen leiden/ und ſich daruͤ-
ber mit ihm geſcholten. Dieſes fiel ihr gleich ein/ daher ſie einerley mit Wolffgangen arg-
wohnete/ und zu demſelben ſagete: Gehe hin/ und ſchlaffe bey deinem Weibe/ wie bißher
geſchehen/ kein Menſch ſol dir ſolches wehren; ja wann du eine einzige Nacht von ihr blei-
beſt/ wil ich dich zuſtraffen wiſſen. Ihr Bernhard ſolches hoͤrend/ gedachte alſobald/ die
Karte wuͤrde falſch ſeyn/ und ging ſtilſchweigend davon/ ſie aber folgete ihm auff dem fuſſe
nach/ und da ſie mit ihm allein wahr/ fing ſie alſo an: Sehet doch den jungẽ friſchen Buh-
ler/ der meine Maͤgde beginnet zukuͤſſen/ und auff der Schoß zufuͤhren/ ſo ungeſcheuhet/ dz
ſeine kleinen Kinder es anſehen und austragen muͤſſen. Er fragete mit einem wunder-
vollen Eifer/ wer ihn alſo belogen haͤtte. Ihr kleinſtes Toͤchterlein Adelgund kam gleich da-
her gelauffen/ zu dem die Mutter ſagete: Mein Kind/ ſage mir/ was taht dein Vater un-
ſerer Armgart? Je Herzen Mutter/ antwortete das kleine/ habe ichs euch doch bereit geſagt;
Er wolte ſie herzen/ und auff ſeine Schoß nehmen/ aber unſere Armgart/ meine liebe Arm-
gart/ wolte es nicht leiden. Je du loſer Sak/ ſagte der Vater/ wer hat dir ſolches zuſagen
eingeſtecket? Ja Herzen Vater/ antwortete ſie/ iſt es nicht wahr/ woltet ihr nicht auch ihr
nach dem Buſem greiffen? Wiſſet ihr noch wol/ als ihr mich woltet aus der Stubẽ ſchuͤn-
nen/ und unſere Armgart wolte es nicht leiden? Gut mein Toͤchterchen/ ſagte die Mutter/
wo du es aber noch einem einzigen Menſchen ſagen wirſt/ wil ich dir den Hals abſchneidẽ.
Je Herzen Mutter/ ſagte dieſe/ ich wil es keinem Menſchen mehr ſagen. Es kam die groͤſte
Tochter eben darzu gangen/ deren dieſe kleine entgegen lief/ und uͤberlaut zuruffen anfing:
Hoͤre Alheid (alſo hieß dieſe) es iſt nicht wahr/ daß unſer Vater hat wollen unſere Arm-
gart kuͤſſen/ auff die Schoß nehmen/ und ihr in Buſem greiffen; Nein es iſt nicht wahr/ es
iſt doch nicht wahr. Dieſe erſchrak der Rede/ und ſagte: Je du Balg/ wer ſaget dann ſol-
ches? habe ichs geſagt? Nein/ antwortete die kleine/ du wahreſt nicht dabey/ ich habs allein
geſehen/ aber ich darffs nicht mehr ſagen/ oder meine Herzen Mutter wil mir den Hals ab-
ſchneiden. Die Mutter hieß die beyden Toͤchter hingehen/ und als lieb ihnen ihr Leben
waͤhre/ das Maul halten. Hernach ſagte ſie zu ihrem Ehe Junkern: Pſui ſchaͤmet euch in
euer Herz und Blut/ ihr alter ehebrecheriſcher Narr; iſt euch nun ein neuer Kitzel nach
meiner Magd ankommen? Er wolte noch ſtark leugnen; aber ſie hieß ihn ſchweigen; wie
es doch moͤglich waͤhre/ daß dieſes Kind von ſechs Jahren ein ſolches aus ihren Fingern
ſaugen ſolte; Kinder und Narren (hieſſe das alte Sprichwort) ſagten die Warheit; wel-
ches an ihrem Toͤchterchen erſchiene. Sie wolte dißmahl ihm ſolches zu gute halten/ wuͤr-
de er aber ſich noch eins geluͤſten laſſen/ zu ihrer Magd zunahen/ wolte ſie ſchon wiſſen ihn
dergeſtalt die Schuͤppe zugeben/ daß er deſſen vor aller Welt Schimpff und Spot haben
ſolte. Ob er an ihr nicht ein Genuͤgen haben koͤnte/ da ſie noch friſch und kaum von 32 Jah-
ren waͤhre. Er geſtund endlich ſo viel/ daß er ſolches aus Kurzweil getahn haͤtte/ umb zuſe-
hen/ wie beydes Armgart und die kleine Klapperbuͤchſe ſich dagegen bezeigen wuͤrde. Ich
wil euch dieſe Entſchuldigung glaͤuben/ wie die erſte Leugnung/ ſagte ſie/ und dannoch umb
q q q q ijFrie-
[676]Siebendes Buch.
Friedes und eurer eigenen Ehre willen hievon nicht wiſſen/ nur laſſet euch ja witzigen/ wol-
let ihr ſonſt nicht/ daß ich euch oͤffentlich beſchimpfen ſol. Sein Gewiſſen ſagte ihm/ daß er
ſchweigen ſolte/ aber ſeinen Vorſaz/ ob er gleich heut vergebens waͤhre/ hoffete er doch zur
andern Gelegenheit auszufuͤhren. Wolffgang meldete dem Fraͤulein des alten Buben
Vornehmen an/ ſchlugens aber beyde aus dem Sinne/ und brachten den mehrenteil der
Nacht mit andaͤchtigem Gebeht zu/ dann ſie hatte ihn ſchon zum Chriſtentuhm beredet;
Ihr mit Traͤhnen vermiſchetes Flehen ging hin zu Gott/ daß derſelbe nach ſeinem vaͤterli-
chen Willen ihr Ungluͤk brechen/ und das Vornehmen zu ihrer Erloͤſung gerahten laſſen
wolte. Die groͤſte Tochter Alheit hatte alle ihre Ketten/ Ringe/ Perlen und Kleinot ihr in
Verwahrung getahn/ weil ſie dieſelben fein zuſaubern wuſte; Hievon nam ſie einen zimli-
chen Anteil auff die 200 Kronen wert zu ſich/ deren als eines Nohtpfenniges auff der Rei-
ſe zugebrauchen/ und hernaͤhft ihr viel ein koſtbahrers wieder zuſchicken; ließ Wolffgang
zimlich früh von ſich/ nahm ihr gewoͤhnliches naͤhen vor/ und gedachte des ausfahrens nit
im geringſten/ als die Jungfer zu ihr kam/ wiewol ſie ſchmerzlich verlangen trug/ die Ge-
wißheit zuerfahren/ damit ſie/ genommener Abrede nach/ ihren Wolffgang ſolches zeitig
gnug/ mit einem weiſſen ausgeſtekten Tuͤchlein aus ihrem Kammer Fenſter moͤchte zuver-
ſtehen geben. Aber kaum hatte dieſe ſich an Haͤnden und unter dem Geſichte gewaſchen/ da
fragete ſie das Fraͤulein alsbald/ ob ſie ſich nicht fertig machen wolte/ mit hinaus zufahrẽ;
der Wagen wuͤrde ſchon angeſpannet/ und duͤrffte der Auffbruch wol eine Stunde zeiti-
ger geſchehen/ als ſie gemeynet/ weil die Mutter umb 4 uhr nachmittage wieder daheim
ſeyn/ und ſelbſt mit fahren wolte; Welche Antwort ſie nicht ohn groſſe Bekuͤmmerniß an-
hoͤrete/ und doch ihrem Gott trauete/ er wuͤrde es zu ihrem beſten ſchicken. Das Vorwerk
lag eine gute Meile von der Stad/ und muſten ſie durch einen kleinen Wald fahren/ in wel-
chem die Taht zuvolſtrecken/ ſie den Anſchlag gemacht hatten. Wolffgang ging in ſeiner
taͤglichen Kleidung hinter dem Wagen her/ welches die Frau erſehend/ ihn fragete/ wo er
hinaus gedaͤchte/ und ob er ſich befahrete/ daß ſie ihm ſeine Armgart entfuͤhren wolte.
Nein Hochaͤdle Frau/ antwortete er; ſondern weil ich heut ohndas Herren loß bin/ gehe
ich mit/ ob ich ihr auff dem Vorwerke zu etwas koͤnte behuͤlflich ſeyn. So gehe mit/ ſagte
ſie/ ich finde allenthalben Arbeit vor deines gleichen. Die Abrede zwiſchen ihm und ſeinen
Reutern wahr/ daß auff der beſtimmeten Stelle er ein Zeichen geben ſolte/ deſſen er unver-
geſſen wahr; maſſen ſo bald er anſing zuſingen/ lieſſen ſich 4 Reuter ſehen/ welche mit an-
geklebeten Baͤrten ſich unkentlich gnug gemacht hatten/ und von hinten zu dem Wagen
folgeten/ auch wie es angelegt wahr/ Wolffgangen mit ungeſtuͤm frageten/ ob er zu der
Gutſche gehoͤrete/ und was vor Leute darauff ſaͤſſen. Er aber zur Antwort gab: Er gehoͤ-
rete nicht darzu/ und moͤchten ſie ſelber zuſehen/ wornach ſie frageten. Frau Mechtild hoͤ-
rete ſolches/ und nach ihrem Frevelmuht fragete ſie die Reuter/ was ſie ſich umb ihren
Wagen/ oder wer darauff ſaͤſſe/ zubekuͤmmern haͤtten; ſie ſolten ſich ihres Weges pac-
ken/ oder gewaͤrtig ſeyn/ was ihnen begegnen ſolte. Die Reuter verteileten ſich/ daß zween
den Gutſcher zwiſchen ſich nahmen/ die andern zween aber an den Wagen ritten/ und der
eine dieſe Antwort gab: Wie nun Frau/ was habt ihr fremde Leute zu trotzen? oder darff
man
[677]Siebendes Buch.
man dieſen Bauren umb nichts fragen? fahe inzwiſchen das Fraͤulein ſtarre an/ und ſagte
als im Zorn zu ihr: Wie nun zum Henker/ wie nun Armgart? finden wir uns ſo ohnge-
fehr hie beyeinander? wer hat dich heiſſen aus meinem Dienſt gehen/ und einen andern
Herrn ſuchen/ ehe du mir die verſprochene Zeit ausgehalten haſt? Das Fraͤulein antwor-
tete/ als aus Furcht: Sehet da Herr ſeid ihrs? und kennet meinen Mann nicht mehr/ wel-
cher hinter dem Wagen hergehet/ dem ihr ja/ und eben ſo wol auch mir Urlaub gegeben
habt nach dem Elbſtrohm zu unſern Freunden zu reiſen. Ich kenne ihn wol/ antwortete er/
aber aus begierde zuerfahren/ ob du hier waͤhreſt/ habe ich ihn nicht angeſprochen; ſage mir
aber du betriegerin/ heiſſet dieſes nach der Elbe reiſen/ uñ biſt uͤber den Rein gangen? Mein
Herr/ antwortete ſie/ die Schuld lieget nicht an mir/ ſondern an dieſer Frauen/ als welche
mich mit Liſt nach dem Rein gefuhret/ und nachgehends mich gezwungen hat in ihre Dien-
ſte zu treten/ deſſen ich wol nimmermehr willens geweſen waͤhre. Je Frau/ ſagte dieſer dar-
auff/ wie duͤrfet ihr euch dann erkuͤhnen mir mein Geſinde abzuſpannen? und draͤuet mir
ſelbſt noch wol darzu? bald duͤrftet ihr mich auff dem vorſatze finden/ daß ich gleiches mit
gleichem vergoͤlte/ und eure Tochter zu meiner Beyſchlaͤfferin mit mir naͤhme/ wozu ſie miꝛ
deucht groß genug ſeyn. Was wolteſtu nehmen? ſagte die Frau/ halte ja bald ein mit die-
ſer Pfeiffe/ oder es wird dir ein ſelzamer Tanz darauf erfolgen. Je du leichtfertiges freches
Weib/ antwortete dieſer/ kanſtu dann noch nicht erkennen/ daß du mir durch entfuͤhrung
meines Geſindes/ unrecht getahn haſt? ſo wird dir das Waſſer bald uͤber die Koͤrbe gehen.
Hier entfiel ihr der Muht gar/ fuͤrchtete der Tochter Ehre/ und fing an ſich zuentſchuldigẽ;
es haͤtte Armgart dieſes nicht offenbahret/ daß ſie in eines andern Dienſte waͤhre/ würde
demnach ſolche unwiſſenheit zu ihrer entſchuldigung geltẽ laſſen/ uñ moͤchte er ſeine Magd
nach ſeinem belieben immerhin nehmen/ welche ſie ohndas in kurzen lauffen zulaſſen wil-
lens geweſen. So heiſſets nicht/ ſagte dieſer/ ich wil trauen wegen des mir erwieſenen
Schimpfs und ausgeſtoſſener draͤuung abtrag haben; darumb gib alsbald Ringe/ Ketten/
Armbaͤnder/ und alles geſchmeide her/ was du und deine Tochter an euch traget/ oder mei-
ne draͤuung ſol ſtuͤndlich auff dieſer gruͤnen Heide erfuͤllet werden. Die Angſt machete/ daß
ſie bald einwilligten/ und auff 500 Kronen wert von ſich gaben. Ihrer zween bunden dem
Fuhrman Haͤnde und Fũſſe/ legten ihm einen Knebel ins Maul/ und ſchleppeten ihn eine
gnte Ecke zum Walde hinein/ Wolfgang aber muſte auffſitzen/ und die Gutſche fortfuͤhrẽ/
da die Reuter/ welche ein lediges Pferd bey ſich hatten bey ihm blieben/ und denen auf dem
Wagen den Tod draͤueten/ dafern ſie einiges Geſchrey anfahen wuͤrden. Sie brachten
den Wagen zwo Meilen von der Stad an einen unwegſamen Ort in ein dickes Gepuͤſche/
da die Jungfer anfing zu zittern und zagen/ nicht zweifelnd/ es würde um ihre Ehre getahn
ſeyn; aber das Fraͤulein troͤſtete ſie/ mit dem verſprechen/ ihr ſolte durchaus kein Leid ge-
ſchehen/ moͤchte nur wuͤnſchen daß ihre Mutter ſich auch alſo gegen ſie bezeiget haͤtte/ daß
ſie ungeſtraffet bliebe/ weil aber dieſelbe ſehr unbarmherzig mit ihr verfahren/ ihr weder eſ-
ſen noch trinken/ noch ruhe gegoͤnnet/ und taͤglich gelegenheit vom Zaune gebrochen ſie mit
Faͤuſten zu ſchlagen/ daß ihr oft Mund und Naſe geblutet/ muͤſte ſie inne werden und in et-
was empfinden was ſolche wuͤteriſche Grauſamkeit verdienete. Der ertichtete Herr riß
darauff die Frau von der Gutſche/ und mit einem ſtarken Pruͤgel zerſchlug er ihr die un-
q q q q iijbarm-
[678]Siebendes Buch.
barmherzigen Haͤnde/ Arme/ und das Gerippe/ daß ſie endlich druͤber in Ohmacht fiel/ und
das Fraͤulein noch vor ſie bitten muſte. Der frommen Adelheit (oder Alheit) aber geſcha-
he gar kein leid/ wiewol ihrer Mutter Elend ihr die haͤuffigen Traͤhnen aus den Augen
trieb/ und Wolfgang zu ihr ſagete: Danket ihr Gott/ daß ihr dieſer meiner vermeineten
Frauen kein leid habt angetahn/ eurer wuͤrde ſonſt nicht beſſer als dieſem grauſamen un-
barmherzigẽ Weibe gewartet werden/ bey welcher ihr dieſen Tag uñ folgende ganze Nacht
verbleiben ſollet/ und wo ihr euch erkuͤhnen werdet vor Morgen fruͤh von dieſem Orte weg
zuzihen/ muͤſſet ihr umb Ehr und Leben kommen/ hernach aber moͤget ihr zihen wohin ihr
wollet/ koͤnnet euch auch beruͤhmẽ/ daß nie kein Menſch euꝛes gleichen/ ein vornehmer Wei-
besbild zur Magd gehabt als ihr. Das Fraͤulein kehrete ſich nichts an das Weib/ aber zu
der Tochter ſagte ſie: Meine Freundin/ ich danke euch ſehr vor allen erzeigeten guten Wil-
len/ und verſichere euch/ daß ich nicht unterlaſſen werde/ mich gegen euch in der Taht dank-
bar zuerzeigen; eines iſt mir faſt leid/ daß euer alter unzuͤchtiger Vater nicht mit heraus
gefahren iſt/ welchen ich wegen ſeiner ehebrecheriſchen anmuhtungen haͤtte wollen eurer
Mutter gleich zurichten laſſen/ damit eins dem andern nichts vorzuwerffen haͤtte. War-
net ihn aber/ daß er von ſolcher ſchaͤndlichen Buͤberey abſtehe/ oder da ichs erfahren ſolte/
werde ich ihn ſchon finden; dann meine Hand iſt ſo lang daß ich uͤber hundert Meilen da-
mit reichen kan/ welche zu kuͤſſen eure Mutter das gottloſe freche Weib unwirdig iſt/ und
doch dieſelbe zu ihrer Maͤgde-Arbeit ſo grauſam angetrieben hat. Ihr ſolt auch wiſſen/ dz
ob ich gleich anjetzo fluͤchtig davon eile/ wolte ich doch (wann ich mich nur bey dem Roͤmi-
ſchen Stathalter zu Koͤllen meldete) bald nach euer Stad umbkehren/ und eure boͤſe El-
tern durch Henkers Hand abſchlachten laſſen. Als ſie dieſes geredet hatte/ machte ſie die
angeſtrichene Farbe von ihrem Angeſicht und Haͤnden hinweg/ und ließ die Jungfer ihre
zarte Schoͤnheit ſehen/ welche ſich deren hoch verwundernd/ zu ihr ſagete: Ach gnaͤdige
Frau; vergebet doch meinen Eltern/ was ſie aus unwiſſenheit wieder euch geſuͤndiget ha-
ben. Ja/ ſagte ſie/ es ſol ihnen auff eure Bitte vergeben ſeyn/ da ſie ſich beſſern werden; euch
aber hoffe ich noch gutes zu tuhn. Wolfgang ſtellete ſich nunmehr ſehꝛ demuͤhtig gegen ſie/
und weil ſie ſich was lange aufhielt/ ſagte er: Durchleuchtigſtes Fraͤulein/ ihre Durchl.
wolle ihr gnaͤdigſt gefallen laſſen abſcheid zu nehmen/ demnach es hohe Zeit ſeyn wird. Ja
mein Freund/ antwortete ſie/ wir wollen uns nicht laͤnger aufhalten. Ihr redlichen Leute
aber/ ſagte ſie zu den Reutern/ ſeid mir getraͤu und beyſtaͤndig auff meiner kurzen Reiſe/ uñ
verſichert euch/ ſo wahr ich gedenke ehrlich zu leben und ſelig zu ſterben/ daß ich euch dieſes
rittes dergeſtalt ergetzen wil/ daß ihr vor Armut ſollet befreiet ſeyn/ und in groſſer Fuͤrſten
anſehnliche Dienſte/ da ihrs begehret/ auffgenommen werden. Dieſe viere ſprungen von
ihren Pferden/ tahten ihr einen Fußfal/ und verpflichteten ſich ihr aͤidlich/ vor ihre Wol-
fahrt Leib und Leben auffzuſetzen. Wolfgang nam das Fraͤulein vor ſich auff das ledige
Pferd/ und ritten miteinander nach ihrer Geſelſchaft/ welche ſich nicht weit davon in ei-
nem Dorffe auffhielt/ woſelbſt das Fraͤulein von Reichard hoͤflich empfangen und alsbald
mit buhleriſchen Augen angeſehen ward/ deſſen ſie doch nicht wahr nam/ ſondern zu ihm
ſagete: Mein Freund/ daß ihr auff meines getraͤuen Dieners Wolfgang anmuhten euch
zu meiner rettung habt wollen gebrauchen/ iſt eine loͤbliche Taht/ welche euch und allen eu-
ren
[679]Siebendes Buch.
ren Gehuͤlffen dergeſtalt ſol vergolten werden/ wie ihr ſelbſt wuͤnſchen koͤnnet/ nur ſeid mir
getraͤu und beyſtaͤndig auff den Nohtfal/ wir werden unſern Weg in etlichen Tagen endi-
gen/ da ich mit Gotteshülffe zum Ende meiner truͤbſaal/ ihr aber zum anfange eures Gluͤks
gelangen ſollet. Reichard wahꝛ ein ſtolzer Menſch/ meinete/ es geſchaͤhe ihm von dem Fraͤu-
lein nicht Ehre und danks genug/ uñ ließ ſich vernehmen; daß er ihrer Gn. mit ſeiner huͤlf-
lichen Hand beygeſprungen/ waͤhre nicht eben aus Hofnung der Vergeltung/ ſondern aus
mitleiden wegen ihres elendes geſchehen/ wie ſolches einem jeden tapferen Gemuͤht zuſtuͤn-
de/ der unterdruͤcketen ſich anzunehmen. Welche Antwort ſie ſeiner unwiſſenheit zulegete/
ſich nochmahl aller vergeltung erboht/ und mit Wolfgang auff eine Kammer ging/ wo-
ſelbſt ſie die mitgebrachten adelichen Kleider anlegete/ ſich auff die herzugefuͤhrete Gutſche
ſetzete/ und unter inbruͤnſtiger anruffung Gottes froͤlich davon fuhr/ da Wolfgang ſich zu
ihr in den Wagen ſetzen muſte/ mit welchem ſie im Gebeht zu Gott fleiſſig anhielt/ und die-
ſen Tag und die ganze Nacht zu eilen nicht auffhoͤrete/ biß ſie des folgenden morgens ſehr
fruͤh den Reinſtrohm erreichete/ und ſich hinüber ſetzen ließ/ eben des Orts daher ſie kom-
men wahr. Sie mieteten daſelbſt im naͤheſten Flecken einen des weges kuͤndigen Bohten/
welcher ſie die richtigſte Straſſe nach Magdeburg bringen ſolte/ und hatten eine gute und
ſichere Reiſe. Reichard haͤtte nunmehr moͤgen etliche wenig Tage ſich der Untugend ent-
halten/ alsdann wuͤrde er in kurzen an Ehr und Reichtuhm hoͤher/ als keiner ſeines Ge-
ſchlechts geſtiegen ſeyn; aber als er der Fraͤulein ausbuͤndige und ganz volkom̃ene Schoͤn-
heit ſahe/ die dannoch durch ihr Elend umb ein groſſes gemindert wahr/ wuchſen die un-
zuͤchtigen Begierden in ihm dermaſſen/ daß er ihm gaͤnzlich vornahm/ das aͤuſſerſte zuver-
ſuchen/ damit er ihrer genieſſen moͤchte/ dann der Stolz/ umb daß er etwa acht Reutern zu-
gebieten hatte/ wahr ſo groß bey ihm/ daß er ſich ſelbſt nicht kennete; er ritte bey der Gutſche
auff und abe/ ließ ſich ſehen/ und redete ſo kuͤhnlich mit ihr/ als waͤhre er ein Fuͤrſt/ oder ſie
eines Buͤrgers Tochter geweſen. So bald ſie uͤber den Rein wahren/ ſtellete er ſich/ ob koͤn-
te er wegen des Zahnewehes/ das reiten und die Luft nicht wol erleiden/ daher er an Wolf-
gang begehrete/ daß er auff ſein Pferd ſaͤſſe/ und ihm die Stelle in der zugemachten Gutſche
uͤberlieſſe; wozu dieſer willig wahr/ aber das Fraͤulein ungerne ſahe/ weil ſie wenig hoͤfli-
ches Geſpraͤchs bey ihm vermuhten wahr/ und ſich doch deſſen nicht durfte merken laſſen.
Als der Freveler ſich bey dem ſchoͤnen Fraͤulein allein befand/ und aus allen ihren Geber-
den wol muhtmaſſete/ ſie muͤſte ſehr hohes Standes ſeyn/ welches er noch zur Zeit nicht ei-
gentlich von Wolfgang erfahren koͤñen/ ſcheuhete er ſich dañoch/ plumpßweiſe loßzubꝛechẽ/
fing an ſie hoͤchlich zubeklagen/ dz ein ſo trefliches uñ mit alleꝛ Schoͤnheit begabtes Fraͤulein
ſich als eine Haußmagd hette muͤſſẽ veraͤchtlich haltẽ laſſen/ erfreuete ſich hoch/ dz eꝛ die Eh-
re gehabt/ ſie loßzumachẽ/ uñ baht ſchließlich/ ihm mit gnaͤdiger gewogenheit zugetahn zu-
verbleiben/ nach dem er mehꝛ als bruͤderliche Traͤue an ihr erwieſen/ welches ihn Zeit ſeines
Lebens erfreuen wuͤrde/ und daß in ihre Kundſchafft er gerahten waͤhre/ deren Schoͤnheit
ihn dermaſſen ſtraͤngete/ daß ihm unmoͤglich waͤhre/ ihr ſolches zuverbergen. So wol dem
Fraͤulein die erſten Worte gefielen/ ſo herzlich entſetzete ſie ſich uͤber die lezten/ daß ſie kaum
ihrer Vernunft gebrauchen kunte/ dieſe wenig Worte zuſagen; Mein Freund/ daß er ſich
zu meiner Rettung hat wollen laſſen gebrauchen; iſt mir ein ſonderlicher gefallen daran
geſche-
[680]Siebendes Buch.
geſchehen/ wie wol ich mich leicht auf andere Weiſe haͤtte koͤnnen loßmachen/ wann ich
mich nur dem Roͤmiſchen Stathalter zu Koͤllen/ Herrn Julius Lupus zuerkennen geben
wollen; aber verſichert/ ſollen ſeine mir erzeigete Dienſte und angewante Koſten/ ihm nicht
unvergolten bleiben/ ſondern mit Reichtuhm und Ehren Erhoͤhung zu aller gnuͤge/ und
mehr als ſein Stand mit ſich bringet/ erſetzet werden/ welches er mir wol ſicherlich trauen
mag/ dafern er ſonſt ſich weiters bereitwillig finden laſſen wird/ mich nach Vermoͤgen an
Ehre und Leben zuſchuͤtzen/ da die Noht/ wie ich doch nit hoffen wil/ es erfodern wuͤꝛde. Mei-
ne Schoͤnheit betreffend/ iſt dieſelbe keines ſonderlichen Ruhms wirdig/ aber immer und
ewig leid muͤſte mirs ſeyn/ wann dieſelbe/ wie ſchlecht ſie auch ſeyn mag/ auf andere Weiſe/
als in Erbarkeit/ einigem Menſchen gefallen ſolte. Welches ſie auch mit ſolchem Ernſt uñ
eiferigen Worten vorbrachte/ daß er ſich in etwas entſetzete/ und ſchon bereuete/ daß er die-
ſen Argwohn bey ihr erwecket hatte; dann er hoffete eine ſolche Gelegenheit anzutreffen/
ſeinen Muhtwillen dergeſtalt zuerhalten/ daß weder ſie es verhindern/ noch jemand davon
ichtwas erfahren ſolte; der halben/ ſie aller Furcht zubenehmen/ er um Verzeihung baht/
vorgebend/ er haͤtte entweder ſeine Reden aus Unbedachtſamkeit anders vorgebracht als
ſie gemeinet waͤhren/ oder aber ihre Gn. wuͤrden ſie ungleich aufgenommen und ausgele-
get haben; waͤhre ihm alſo leid/ daß er in ſolches mißtrauen bey ihꝛ gerahten ſolte. Welche
Antwort ſie/ als waͤhre ſie voͤllig befriediget/ aufnahm/ und doch aus ſeinem ſtraͤngen an-
ſchauen und unſittigen Gebeꝛden wol merkete/ daß er nichts gutes im Siñe haben moͤchte.
Wie ſie auf einem Dorffe das Fruͤhſtucke von der mitgenommenen kalten Küche/ andert-
halb Meile diſſeit Reins hielten/ merkete Wolfgang aus ſeinen Bezeigungen/ was er im
Schilde fuͤhrete/ und ſuchete Gelegenheit/ allein mit dem Fraͤulein zu reden/ welche ihm
aber zuvor kam/ und die leichtfertige Anmuhtung ihn wiſſen ließ/ daher er mit den Reu-
tern in Reichards Abweſenheit redete; ſie ſolten ſich verſichern/ daß ihrer keiner ohn Fuͤrſt-
und Koͤnigliche Geſchenke bleiben ſolte/ wann ſie ihm aͤydlich wuͤrden angeloben/ daß ſie dz
Fraͤulein vor alle Gewaltſamkeit/ aͤuſſerſtes Vermoͤgens wolten ſchuͤtzen helfen/ wann ihr
irgend Unbilligkeit ſolte angemuhtet werden. Dieſe lieſſen ſich einhellig auf ſolche Zuſage
heraus/ als lange ſie warm Blut haͤtten/ ſolte es keine Noht haben. Wolan/ ſagte er/ ſo helf-
fet auff den Fal euren Herrn abhalten/ wann er ſich einiger Gewaltſamkeit oder unloͤblicheꝛ
Taht unterfahen wolte/ biß dahin aber laſſet euch nichts merken; dagegen wil ich euch
aͤydlich verſprechen/ daß euch bloß allein vor dieſe Traͤue eine Tonne Schaz ſol ausgetei-
let werden/ ſo bald wir nuꝛ bey der Elbe angelanget ſind. O wie fꝛeueten ſich dieſe aꝛme Land-
laͤuffer/ neigeten ſich vor ihm/ und verhieſſen/ ſo wol Nachtes als Tages fleiſſig zu wachen/
und alles boͤſe zu verhindern. Welches er dem Fraͤulein anzeigete/ und daß ſie ſich vor dem
Buben durchaus nicht fuͤrchtete/ ſondern/ da ſie ein unbilliches Wort oder Geberde von
ihm vernehmen wuͤrde/ ihm nur kuͤhnlich/ und hart genug einredete/ weil die Reuter inge-
ſamt ſich zu ihrem Schutze/ auch wider ihren Herrn ſelbſt/ aͤydlich mit ihm verbundẽ haͤttẽ.
Ey Gott lob ſagte ſie/ ſo iſt mir dieſer ſchwere Stein vom Herzen genommen/ ſtellete ſich
auch freymuͤhtig/ und lies gerne zu/ daß der freche Bube ſich wieder zu ihr auf die Gutſche
ſetzete/ weil er darumb anhielt. Er haͤtte gerne geſehen/ daß man mit der Reiſe ſo heftig nit
eilen moͤgen/ wendete ein/ die Pferde koͤnten es nicht ertragen/ und wuͤrden bald tod nider
fallen.
[681]Siebendes Buch.
fallen. Aber da half nichts zu; dann Wolfgang antwortete/ man haͤtte an dem erbeuteten
und andern geſchmeide Mittel gnug/ friſche Pferde zukauffen/ wann dieſe gleich drauff
gehen wuͤrden/ weil ihre Wolfahrt auf der eile beſtuͤnde; daß er alſo nicht weiter wieder-
ſprechen durfte. Auf der Gutſche fing er an ſein Ungluͤk zubeklagen/ daß er in ſo nidrigem
Stande haͤtte muͤſſen gebohren werden; der Himmel haͤtte ihm wol eine ſo aͤdle und un-
uͤberwindliche Seele gegeben/ als mannichem nicht/ der ein Fuͤrſtentuhm beſaͤſſe; aber
was dieſen wol anſtuͤnde/ und von jederman an ihnen gelobet wuͤrde/ duͤrften er und ſeines
gleichen kaum mit Gedanken uͤberlegen; woraus leicht zuerkennen waͤhre/ daß es einem
tapferen Manne und hohen Geiſte nicht allein am Lebens-ſondern vielmehr an Standes-
Glücke gelegen waͤhre/ wañ man empor ſchweben wolte. Das Fraͤulein erkennete hieraus
ſeinen Hochmuht/ und was er darunter verdeckete/ verließ ſich auf Wolfganges Vertroͤ-
ſtung/ und gab ihm dieſe Antwort: guter Freund/ es hat unſer Gott ſelbſt der Staͤnde Vn-
terſcheid geſetzet/ daher ſie kein Menſch vermiſchen muß/ ſondern ein jeder iſt billich mit
dem ſeinen zufrieden/ bloß darumb/ weil dem allerhoͤchſten es nit gefallen hat/ ihn in einen
andern zuſetzen; welches ich nicht darumb ſage/ ob ſolte niemand nach Ehren und Stan-
des Beſſerung trachten; dañ was hat rechtſchaffene Tugend ſonſt vor Lohn als Ehre? nur
dieſes wird ein jeder Vernuͤnftiger geſtehen/ daß nicht ein jeder tapferer Mann koͤnne zum
Fuͤrſten Stande gelangen; und noch dannoch hat er ſeine Ehre und Ruhm vor der Welt;
dz alſo alle und jede/ in was Stande ſie auch leben/ Gelegenheit haben koͤnnen/ ihre Tugend
und gutes Herz zu uͤben. Daß er aber ſich beſchweret/ ein ander duͤrfte ſich deſſen nicht un-
terfahen/ was einem Fürſten erlaͤubet iſt/ ſolches muß trauen mit Unterſcheid geſagt wer-
den; from uñ ehrlich leben/ iſt allen Menſchen frey gegeben/ ja ſie ſind durch die eingepflan-
zeten Geſetze darzu verbunden. Aber wann etwa ein Buͤrger oder aͤdles Standes/ Fuͤrſtli-
chen Haͤuptern daſſelbe nachtuhn wolte/ was ſie als Fuͤrſten vornehmen/ wuͤrde ein groſ-
ſes Stuͤk der wahnwitzigen Tohrheit ſeyn. Dann heiſſets nach dem bekantem Sprichwor-
te; Wann zween ungleiches Standes/ eines tuhn/ das iſt nicht einerley. Zum Beyſpiel:
Ein Fuͤrſt gebeut den Inwohnern ſeines Landes/ mit dem Gewehr auf zuſeyn/ und einen
Zug gegen den Feind mit ihm zutuhn. Wann deſſen aber ein ander ſich unterſtehen wolte/
duͤrfte er ſpot oder Schlaͤge zu Lohn tragen. Alſo ordnet ein Koͤnig oder Fuͤrſt in ſeinem
Lande allerhand Geſetze; ein ander muß es trauen wol bleiben laſſen/ ob ergleich tauſend-
mahl beſſere Geſetze geben koͤnte/ als dieſer mit allen ſeinen Raͤhten. Ein ander Beyſpiel;
Ein Fürſt trachtet nach der Heyraht einer Fürſtlichẽ Fraͤulein/ als die Standes ihm gleich
iſt; wuͤrde nun ein aͤdler oder Buͤrgersmañ/ wie tapfer/ reich/ und anſehnlich er gleich ſeyn
moͤchte/ ihm ſolches ungeſcheuet nachmachen wollen/ haͤtte er an ſtat der Braut entweder
eine Narren Kappe/ oder die Striegel/ wo nicht wol gar den Staupbeſem zugewarten/
nach dem er die Sache angreiffen wuͤrde. Alſo ſehet ihr nun/ Reichard/ daß ihr und eures
gleichen euch billich etlicher Sachen enthalten muͤſſet/ die Koͤnigen und Fuͤrſten allein zu-
ſtehen/ wo nicht ſonſt eine Verwirrung aller Stānde und Ordnung in die Welt ſolte ein-
gefuhret werden. So beklaget euch nun nicht/ wegen eurer angebohrnen Nidrigkeit/ ſon-
dern ſtrebet der Erbarkeit und Tugend nach/ als weit euer Stand/ in welchen euch Gott
ſelbſt geſetzet hat/ reichen kan/ und verſichert euch alsdann/ daß ihr nicht um ſonſt euch be-
r r r rmuͤhen/
[682]Siebendes Buch.
muͤhen/ ſondern ohn Zweifel in einen hoͤhern (kans gleich nit der hoͤchſte ſeyn) Stand ſchꝛei-
ten werdet. Ich wil nur euer jezt bevorſtehendes Glük euch vor Augen ſtellen: Ihr ſeid Buͤꝛ-
ger Standes der Geburt nach/ jezt habt ihr euch zu meinem Diener beſtellen laſſen/ deſſen
ihr in wenig Tagen groſſe Vergeltung empfahen ſollet/ nicht allein an Geld und Guͤtern/
ſondern auch/ wann es euch geliebet/ koͤnnet ihr in den Adel und Ritter Stand aufgenom-
men werden; maſſen was mein getraͤuer Diener Wolfgang und ich ſelbſt euch verſprochẽ
haben/ ſol euch auf den Fall eures beſtaͤndigen wolverhaltens (woran ich dann nicht zwei-
feln wil) Fuͤrſtlich geleiſtet werden; nur leget dieſe verkehrete Meinung abe/ uñ goͤnnet ho-
hen Fuͤꝛſtlichen Haͤuptern/ was ihnen von dem Himmel ſelbſt und Einwilligung aller Voͤl-
ker zugeeignet und uͤbergeben iſt/ damit ihꝛ nicht wieder den Stachel lecket/ und euch in Un-
gluͤck ſtuͤrzet/ welches ich euch gar nit goͤnne. Dleſer verwaͤgene Tropf haͤtte ihre Meinung
hieraus ja billich faſſen/ und ſeinen gottloſen Vorſatz endern ſollen/ inſonderheit/ weil er
die ungezweifelte Rechnung zu machen hatte/ es wuͤrde ihm ſolches nim̄ermehr ungeſtra-
fet hin durchgehen; aber wie der leichtfertige Bube ſchon eines redlichen vornehmen Man-
nes Tochter wieder ihren Willen zu Unfal gebracht/ und ihr hernach den Raht gegeben/
ſie ſolte ſchweigen/ und ſich nicht ſelbſt in der Leute Maͤuler bringen/ welches ſie auch vor
ihr beſtes gehalten; alß gedachte er/ wuͤrde ein Fuͤrſtliches Fraͤulein vielmehr ihres guten
Leumuts acht haben/ und ſich nicht verrahten; blieb demnach in ſeinem ſteifen Vorſatze/
und antwortete ihr ſo ungereimtes Ding/ daß er dadurch klar an den Tag gab/ die Sinnẽ
ſpieleten Meiſter uͤber die Vernunft. Jedoch enthielt er ſich aller aͤuſſerlichen Bezeigung
wodurch er den Argwohns Brunnen zuſtopfen meinete. Des Abends in der Herberge ei-
nes Dorffes/ ihrem Herr Vater ſchon unterworffen (welches ihnen allen ohn dem Boh-
ten/ der es vergaß anzuzeigen/ unbewuſt wahr) ſtellete ſich Reichard gar wolgemuht/ ließ
ſeinen Reutern friſch aufftragen/ und noͤhtigte ſie/ inſonderheit Wolffgangen/ gar freund-
lich zum trinken/ dann ſein Vorhaben wahr/ ſie alle trunken zumachen. Aber als die Reu-
ter ſahen/ daß dieſer ſich wegerte uͤber Durſt zutrinken/ neben der Erinnerung/ man koͤnte
nicht wiſſen/ was auff einem unverſchloſſenen Dorffe ſich zutragen moͤchte/ welches durch
Nuͤchternheit muͤſte abgelehnet werden/ wolte ihrer keiner ſich zum ſauffen bewaͤgen laſ-
ſen/ welches jenen nicht wenig verdroß/ daß er auch etlicher Draͤuworte ſich vernehmen
ließ; an welche ſich doch niemand kehrete noch es beantwortete/ uñ er daher immer zu kuͤh-
ner ward/ der Hoffnung/ niemand wuͤrde auffs aͤuſſerſte widerſtehen duͤrffen; ſetzete ſich
demnach ſchon halb beraͤuſchet zu dem Fraͤulein nider/ mit viel groͤſſerer Verwaͤgenheit
als vor nie/ und trank ihr auf Geſundheit deſſen zu/ der ſie mehr als ſich ſelbſt liebete. Das
Fraͤulein erinnerte ſich bey dem Worte ihres lieben Fürſten nicht ohn ſeuffzen/ doch weil
ihr des Buben Gedanken nicht unbewuſt wahren/ gab ſie ihm zur Antwort: Mein guter
Reichard/ ich begehre eines ſolchen Freundes nicht/ der mich mehr/ als ſich ſelbſt lieben ſol-
te; ſo habe ich auch auff euer hartes noͤhtigen ſchon mehr getrunken/ als mir dienet; wer-
det mich daher mit dieſem Trunke/ wie ich weiß/ gerne verſchonen. Dieſer rechnete ihm
ſolches nicht vor einen geringen Schimpff/ baht/ ſie moͤchte ihn doch nicht ſo gar unwir-
dig ihrer Freundſchafft halten; dann ob er gleich der Geburt nach nur Buͤrgerſtandes
(welchen Unterſcheid der Staͤnde ein Schelm erdacht haͤtte/ nachdem ſie alle eines Zeu-
ges
[683]Siebendes Buch.
ges waͤhren)/ ſo waͤhre er dannoch derſelbe/ welcher ein Fuͤrſtliches Fraͤulein zuerloͤſen
maͤchtig gnug geweſen/ ja der umb ihrer Freiheit willen ſein ganzes vāterliches Erbe an-
gewendet/ ſeines Vaterlandes ſich verluſtig gemacht/ und Lebens Gefahr uͤber ſich ge-
nommen/ ungeachtet er ſie vorhin weder geſehen/ noch ein Wort von ihr gehoͤret/ ohn was
er von dem Tageloͤhner Wolffgang haͤtte/ welchen Freund/ auſſer ihn/ ſie in der Welt nicht
finden wuͤrde; und haͤtte doch vor alle ſeine Dienſte uñ Woltaht nichts mehr/ als veraͤcht-
liche Beſchimpffungen/ die ihm Herz und Seele durchſchnitten; hoffete gleichwol/ ſie
wuͤrde dergleichen Undankbarkeit nicht ferner wieder ihn gebrauchen/ ſonſt muͤſte er ſich
beyzeiten vorſehen/ und des Weges mit ihr ziehen/ den er kommen waͤhre. Das Fraͤulein
verſchmerzete dieſen Hohn/ und antwortete ihm ſehr guͤtig: Sie wuͤſte ſich durchaus nicht
zuerinnern/ daß ſie ihn mit einem Worte oder Augenwink beleidiget haͤtte/ moͤchte ſie dem-
nach ſolches Argwohns entſchuͤtten. Sie haͤtte nicht gemeynet/ daß er die Verwegerung
eines Trunks ſo ungleich empfinden wollen/ ſolte ihm ſonſt wol unverſaget blieben ſeyn;
nam auch das Glaͤſelein von ihm an/ und taht uͤber Vermoͤgen beſcheid. Da fing nun der
ſchlauhe Bube an/ ſich auffs neue beliebet zu machen; aber das Fraͤulein ſuchete ſich von
ihm abzuſcheiden/ ließ der Wirtin ruffen/ und fragete/ ob ihr nicht in einem abſonderlichẽ
verſchloſſenen Gemache/ wie ſchlecht es auch waͤhre/ eine Straͤu koͤnte gemacht werden/
in welchem ſie mit jenem ihrem Diener/ auff Wolffgang zeigend/ allein ſeyn/ und etliche
wenig Stunden ruhen koͤnte. Gar wol/ ſagte die Wirtin/ ich habe eine feſt-verſchloſſene
Kammer/ die wil ich euch einraͤumen. Nun hatte der Boͤſewicht ſchen vorher gemuht-
maſſet/ ſie wuͤrde des gemeinen Lagers ſich nicht gebrauchen/ auch an die Wirtin begeh-
ret/ daß ſie ihr an ſolchem Orte ihre Ruhe Bette zurichten ſolte/ da er zu ihr kommen koͤn-
te/ dann ſie waͤhre ſeine verſprochene Braut/ und haͤtte Recht darzu/ wiewol ſie nach Art
der Jungfern ſich deſſen wegerte; gab ihr auch eine Verehrung/ und erkauffte ſie dadurch/
daß ſie ihm den Schluͤſſel zu der Kammer zuſtellete/ ſchmierete hernach die Heſpen/ daß ſie
leiſe auffgingen/ und machete Wolffganges Lager ſo weit von der Fraͤulein Straͤu/ als das
Gemach lang wahr. Das fromme Fraͤulein haͤtte ſich ſolcher Verraͤhterey nicht verſehen/
nam mit Wolffgang einen freundlichen Abſcheid von ihren Reutern/ und vermahnete
ſie/ des folgenden Tages zeitig auffzuſeyn. Als ſie nach Bette ging/ fragete ſie die Wirtin/
unter weſſen Gebiet dieſes Dorff gehoͤrete/ und bekam zur Antwort: Der Großfuͤrſt zu
Magdeburg waͤhre ihre Obrigkeit/ welchen ſeine Staͤnde neulich zum Koͤnige gemacht
haͤtten/ und hieſſe Koͤnig Henrich. Ey Dank ſey dir/ du hoͤchſter Gott/ ſagte das Fraͤulein;
meynete/ ſie waͤhre nun allem Ungluͤk entlauffen/ ſchloß die Kammer Tuͤhr zu/ und hielt mit
Wolffgang eine herzliche Dankſagung: Du frommer Gott/ ſagte ſie/ du Vater aller deren/ die
auff dich trauen; wie ſo gar gnaͤdig erzeigeſtu dich uns armen Suͤndern/ und reiſſeſt uns im Augen-
blik aus der Noht und Anfechtung/ wann wir meynen am allertieffeſten darinnen zuſtecken. Ich ge-
dachte ſchon/ mein liebes Vaterland wuͤrde ich nimmermehr wieder ſehen/ und ſol nun ſchon dieſe
Nacht darinnen ſchlaffen/ ehe ich weiß/ daß ich daſelbſt angelanget bin. HErr/ du haſt mich zwar ge-
zuͤchtiget/ aber mit gelinder Hand/ du haſt mich geſtaͤupet/ aber mit deiner Kinder Ruhte/ daß ich nur
wenig Streiche mit der Fuhrmans Peitſche/ und etliche Schlaͤge von der Hand meiner unbarmherzi-
gen Frauen empfangen habe. O wie wol wird mirs ſeyn/ daß ich auch von deiner Zuͤchtigung etwas
bekommen habe. Mein gnaͤdiger Heyland/ gib vor dißmahl meinem Ungluͤk die Endſchafft/ und laß
r r r r ijmich
[684]Siebendes Buch.
mich die meinen ſchier wieder ſehen; erhalte auch meinen liebſten Fuͤrſten/ daß er in der fremde nicht
verderbe/ noch umb meinet willen in Unfall gerahte/ ſondern hilff uns nach deiner Gnade wieder zu-
ſammen/ auff daß wir HErr mit froͤlichem Munde deinen Preiß zugleich und auff einmahl anſtim̃en/
und uns in deiner heilſamen Erkaͤntniß von den unſern je mehr und fleiſſiger unterrichten laſſen moͤ-
gen/ Amen.


Nach geendigtem Gebeht gab ſie Wolffgangen zuverſtehen/ ſie wolte fruͤh Morgens
den Amtman/ der hieſelbſt zugebieten haͤtte/ zu ſich fodern/ ſich ihm zuerkennen geben/ die
Reuter bey ſich behalten/ und Reicharden wegen ſeiner groben Unbeſcheidenheit und Un-
zucht Urlaub geben/ jedoch/ daß er ſich nicht zubeklagen haͤtte/ ihm eine zimliche Verehrung
von etliche tauſend Kronen nach Koͤlln übermachen laſſen/ weil ſie ihn vor ihren Augen
laͤnger nicht leiden koͤnte. Gott ſey Lob/ ſagte Wolffgang/ daß ihre Gn. ſchier in ihren wir-
digen Stand wieder treten/ und ich dieſelbe werde gebuͤhrlich ehren duͤrffen/ maſſen mirs
im Herzen weh getahn/ daß mit derſelben ich mich ſo gemein machen muͤſſen/ da ich doch
nicht wert bin/ ihr geringſter Diener genennet zuwerden. Gebet euch zufrieden mein lie-
ber und frommer Wolffgang/ antwortete ſie/ ich weiß wol zuerkennen/ was vor Muͤhe uñ
Ungemach ihr bloß meinet wegen ausgeſtanden/ und die allergroͤſſeſte Traͤue mir erwieſen
habt/ die von einigem Menſchen geleiſtet zuwerden moͤglich ſeyn kan/ wovor ich dann wil
ſchuldig gehalten ſeyn/ euch hoͤher zuerheben/ als ihr meinet wegen euch genidriget habet.
Sie hielten mit ihrem Geſpraͤch noch ein wenig an/ biß das Fraͤulein aus Muͤdigkeit in ei-
nen harten Schlaff geriet/ wie imgleichen auch Wolffgang/ welcher ſich doch vorgenom-
men hatte die Nacht hindurch zuwachen. Die Reuter lagen mit Reicharden in der Stu-
ben auff gemeiner Straͤu/ und umb Mitternacht machte ſich der Bube in aller ſtille hin-
aus/ verriegelte auch auswendig die Stuben Tuͤhr/ daß ihm niemand folgen kunte/ ging
hin/ ſchloß die Kammer ſanffte auf/ und legete ſich unvermerket zu dem Fraͤulein. Er ſpuͤ-
rete/ daß ſie feſt ſchlief/ und die Kleider mehrenteils auffgeloͤſet/ wiewol nicht abgelegt hat-
te/ zog ſeine Kleider ab/ und naͤherte ſich ihr gar ſehr/ wie ſie auff der rechten Seite mit auf-
gezogenen Knien und durchwickeltem Rocke lag/ da er ſie gewaltſam überfiel/ in Meinung/
ſeinen Mutwillen/ ehe ſie recht erwachete/ zutreiben; aber ſie empfand ſeinen erſten Angrif/
und rief uͤberlaut: Wolffgang/ Wolffgang/ wer iſt bey mir auff dem Lager? fing auch bald
ein Geheule an/ und ſtieß von ſich/ daß nicht allein Wolffgang davon erwachete/ ſondern
geſchwinde herzu lief/ über den verwaͤgenen Schelm herfiel/ und ſich rechtſchaffen mit ihm
zauſete/ daß das Fraͤulein Lufft gewan auffzuſtehen/ und aus der Kammertuͤhr umb Huͤlffe
zuſchreihen; wovon die Reuter wache wurden/ und doch aus der verſperreten Stuben nit
kommen kunten/ biß ſie die Tuͤhr entzwey ſtieſſen/ und der Kammer zueileten. Inzwiſchen
zuſchlugen ſich die beyden auff der Straͤu/ daß ihnen Maul und Naſe blutete/ und waͤhre
der Boͤſewicht ſchier Wolffgangs Meiſter worden/ dann er faſſete ihn bey der Kehle/ haͤt-
te ihn auch erwuͤrget/ wann dieſer nicht an ſein Brodmeſſer gedacht/ und ihm damit den
Arm durchbohret haͤtte/ daß er ablaſſen muſte/ und Wolffgang Mattigkeit halber/ und daß
ihm die Kehle ſchier eingedruͤcket wahr/ nicht weiter nachſetzen kunte/ daher Reichard ihm
das Meſſer nahm/ und ihm mit der Linken drey gefaͤhrliche Stiche gab/ haͤtte ihn auch gar
ermordet/ wann nicht gleich die Reuter herzu gelauffen waͤhren/ und ihn bey den Fuͤſſen
wegge-
[685]Siebendes Buch.
weggezogen haͤtten/ da er zu ihnen ſagete: O ihr leichtfertige Schelmen/ wie handelt ihr
bey mir eurem Herrn; iſt das die Traͤue/ die ihr mir ſchuldig ſeyd? faſſete hiemit das Meſ-
ſer/ und ſtach dem einen eine zimliche Wunde in das Bein/ welcher aber ihm das Meſſer
bald aus der Hand brach/ und ihm damit die Schulter verletzete. Das Fraͤulein ſchickete
einen ab/ ein Licht zuhohlen/ welcher bald wieder kam/ und das Blut auff der Fraͤulein La-
ger ſahe/ auch daß Wolffgang zimlich Macht-loß wahr/ welchen das Fraͤulein nicht ohn
Traͤhnen ſelbſt verbinden halff/ da unterdeſſen die Reuter den Taͤhter mit Fuͤſſen zutratẽ/
haͤtten ihn auch umbs Leben gebracht/ wann nicht Wolffgang ſie gebehten haͤtte/ ſie ſolten
ihm nicht weiter Schaden zufuͤgen/ ſondern feſtgebunden verwahren/ und ihm die Wun-
den verbinden. Weil dann Wolffgang noch keine Todes Angſt empfand/ ſondern nur we-
gen des verblutens von Kraͤfften kommen wahr/ dankete das Fraͤulein Gott inniglich und
von Herzen. Die Wirtin/ deren Ehman verreiſet/ ward herzu geruffen/ und befraget/ auff
was weiſe der Boͤſewicht durch die Kammer Tühr kommen waͤhre/ mit Bedraͤuung/ da
ſie Wiſſenſchafft drumb haͤtte/ ſolte ſie es bekennen/ oder ſchwerer Straffe gewaͤrtig ſeyn.
Worauff ſie mit einem Lachen antwortete: ob es dann was neues waͤhre/ daß man den
Braͤutigam zu der Braut lieſſe? maſſen als ſie ſolches von ihm berichtet worden/ haͤtte ſie
auff ſein hefftiges anhalten ihm den Schluͤſſel abfolgen laſſen. O du verwaͤgener Bube/
ſagte das Fraͤulein/ ſo darffſtu dich noch wol darzu vor meinen Braͤutigam angebẽ? Nun
ich wil dir deinen Lohn ſchon zuſtellen/ und das Braut Bette dergeſtalt zurichten laſſen/ dz
du kein Koͤnigliches Fraͤulein mehr gewaltſam überfallen ſolt. Geboht hierauff einem
Reuter/ daß er von dem Hauß Knechte ſich geſchwinde ſolte hinbringen laſſen/ wo der
Amtman dieſes Dorffs wohnete/ und demſelben anzeigen/ es ſey alhie ſeines gnaͤdigſten
Koͤniges nahe Anverwantin/ die begehre gnaͤdigſt/ daß er auffs ſchnelleſte mit einem gutẽ
Wund Arzt und einer gewapneten Schaar ſich hieſelbſt einſtelle. Sie nahmen beyde Pfer-
de/ ranten geſchwinde fort/ und brachten den Amtman ſamt dem Arzt mit ſich. Jener/ weil
er offt zu Hofe geweſen wahr/ kennete das Fraͤulein alsbald/ demuͤtigte ſich vor ihr/ und
baht untertaͤhnigſt/ ihm die Gnade zuerzeigen/ und ihm zubefehlen/ daß er ihrer Durchl.
Wiederkunfft ſeinem allergnaͤdigſten Koͤnige anmeldete; Aber ſie antwortete ihm: Er
ſolte ohn das ſchon gnaͤdigſt angeſehen werden; Ließ Wolffgang auffs neue verbinden/
und hoͤrete mit Freuden/ daß der Arzt guten Troſt gab; wie dann auch des Taͤhters Scha-
den wol in acht genommen ward/ welcher ſich bezeigete/ als wann er von Sinnen kommẽ
waͤhre/ und nicht wuͤſte/ was er verrichtet haͤtte. Die gewapnete Begleitung ſtellete ſich
auch bald ein/ daß ſie fruͤhzeitig auffbrachen/ und den naͤheſten Weg nach Magdeburg vor
ſich nahmen. Wolffgang muſte bey ihr auff der Gutſche ſitzen/ dem ſie faſt ſchweſterliche
Hulde erzeigete/ welches er doch in einfaͤltiger Untertaͤhnigkeit verbaht/ als der deſſen al-
lerdinge unwirdig waͤhre/ und daher gerne mit einem Karren vorlieb nehmen wolte/ weil
er ſeiner Wunden halben das reiten und gehen nicht ertragen koͤnte. Sie aber ſprach ihn
zufrieden: Er ſolte mit dergleichen Wegerungen ſich nit verunruhen/ ſondern alle knech-
tiſche Nidrigkeit ablegen; ſie wolte ihm ſchon wiſſen Leute zuzugeben/ die ihn in hoͤfiſchen
Sitten unterrichten wuͤrden; welches er mit betruͤbtem Herzen anhoͤrete/ und noch hoffe-
te/ es zu ſeiner Zeit abzulehnen. Der freche Reichard ward auff einen Karch gebunden/
r r r r iijund
[686]Siebendes Buch.
und ſeinem Verdienſte nach/ fortgeſchleppet. Als ſie zu Magdeburg ankahmen/ entſtund
groſſe Freude bey allen Hofeleuten; Weil ſie aber vernam/ daß die Koͤnigliche Geſelſchaft
ſchon vor etlichen Wochen nach Prag verreiſet waͤhre/ wolte ſie daſelbſt nicht laͤnger als
eine Nacht verharren; gab Wolffgangen ein ſchoͤnes Scharlaken Kleid/ deſſen Wundẽ/
(wie dann die Bauren gute Haut zuheilen haben) in kurzer Zeit anfingen ſich zuſetzen und
ſchlieſſen/ und muſte noch immerfort bey ihr auff der Gutſche bleiben. Sie wahr über die
maſſe betruͤbt/ daß man ihr zu Magdeburg ſo gar nichts von dem Fuͤrſten zuſagen wuſte/
nur daß die Koͤnigliche Geſelſchafft denſelben nebeſt dem Fraͤulein ſehr beklaget haͤtte/ und
ſie daher an ſeinem Leben anfing zuverzweifeln/ ſo daß ihre Augen ſelten ohn Traͤhnen/ und
ihr Herz ohn Seuffzen wahr; da gleichwol Wolffgang ſie nach vermoͤgen troͤſtete; man
müſte dem Allerhoͤchſten trauen/ er wuͤrde dieſen glaͤubigen und frommen Fuͤrſten ja ſo wol
im Ungluͤk/ als ſie/ erhalten haben/ wie er dann nimmermehr glaͤuben koͤnte/ daß er in dem
Streite mit den Buͤrgern des abgebranten Staͤdleins ſolte erſchlagen ſeyn; uñ wer weiß/
ſagete er/ ob ſeine Fürſtl. Gn. nit wol ſchon zu Prag ankom̃en iſt/ und gleich ſo groſſes Leid
uͤber ihrẽ vermeintẽ Tod traͤgt/ als ſie uͤber ihn? Sie reiſetẽ ohn einige ſonderliche begebniß
fort/ biß ſieauf 3 Meilẽ an Prag kamẽ/ da ſie einẽ Jaͤger in fremder Kleidungsart/ voꝛ einẽ
ſitzenden Betler ganz demuͤhtig ſtehen/ und den Huht in der Hand halten ſahen welches ſie
wunder nam; und weil es nicht weit von dem Fahrwege wahr/ befahl das Fraͤulein Wolf-
gangen (der nunmehr geheilet wahr) hinzugehen/ und zuvernehmen/ warumb dieſer wol-
geputzeter Jaͤger einem ſo unachtſamen Menſchen in zuriſſenen Kleidern/ dieſe groſſe Ehr-
erbietigkeit erzeigete. Dieſer/ ſo bald er hinzutrat/ ward er/ ungeachtet ſeines ſchoͤnen unge-
woͤhnlichen Kleides von dem Betler (dann derſelbe wahr Fürſt Arbianes) erkennet/ wel-
cher voller Hoffnung und Begierden mit lauter Stimme zu ruffen anfing: Wolfgang
Wolfgang/ verbirge dich nicht vor mir in deinem Ritter-kleide/ und ſage mir/ wo das liebe
Fraͤulein iſt/ damit ich meiner groſſen Herzensangſt entweder lebendig oder Tod abkom-
men moͤge. Gute Zeitung/ gluͤkliche Zeitung gnaͤdiger Fuͤrſt/ antwortete er; wolte auch
weiter reden; aber das Fraͤulein; welche alle Worte des Fuͤrſten eigentlich hoͤrete/ uñ ſei-
ne Stimme alsbald erkennete/ ſprang herunter von ihrer Gutſche/ und wolte zu ihm lauf-
fen/ aber aus groſſer herzlicher Liebe/ und nicht weniger aus erbarmung uber feinen klaͤgli-
chen Zuſtand/ fiel ſie in Ohmacht zur Erden nieder. Arbianes ſahe ſie/ und geriet in eben
denſelben Zuſtand/ daß der Jaͤger mit ihm/ und Wolfgang mit dem Fraͤulein gnug zu tuhn
hatten/ ehe ſie wieder zum verſtande uñ zu kraͤften kahmen. Das Fraͤulein ermunterte ſich
zu allererſt/ lieff ungeſcheuhet hin zu ihrem allerliebſten Braͤutigam/ umbfing ihn in ſeinen
Betlers Kleidern und ganz verworrenen Haaren/ herzete und kuͤſſete ihn/ und ſagete end-
lich: O weh mir ungluͤkſeligen/ daß der teure Fürſt aus Meden/ meinetwegen zum Betler
worden iſt/ und es meinem Erloͤſer viel ungluͤklicher als mir ſelbſt hat gehen muͤſſen. Nun
nun mein Schaz/ der almaͤchtige Gott hat uns auf die Laͤuterung geſtellet/ wir haben durch
ſeine Gnade und Huͤlffe ausgehalten/ und ſind in den Augen ſeiner Barmherzigkeit wert
erfunden worden/ daß euer Bettelſtand/ und meine elende Magdſchaft (HErr Gott dir ſey
dank vor die Staͤupe und vor die Huͤlffe) zum ende gelauffen iſt. Arbianes ſaß noch/ als
waͤhre er verzukt/ die Zehren lieffen ihm uͤber die Wangen/ und fand ſo viel Kraft nicht in
ſeinen
[687]Siebendes Buch.
ſeinen Gliedern/ daß er ſich haͤtte erheben moͤgen; endlich richtete er ſich langſam in die hoͤ-
he/ ſahe ſie ſtarre an/ und geſchwand ihm zum andernmahl/ daß er niderſank/ ſie auch an-
ders nicht meineten/ er wuͤrde gar verſchieden ſeyn; ſein Jaͤger welcher Zariaſpes Syſi-
gamben Sohn wahr/ hatte nicht weit davon eine Flaſche mit Wein ſtehen/ welche er herzu
hohlete/ und das Fraͤulein ihn damit erquickete/ da ſie zugleich zu ihm ſagete: Wie iſt ihm
nun/ Fuͤrſt Arbianes/ wil mein Vertraueter nach uͤberſtandenem Elende es noch ſchlim̃er
machen/ als im anfang auff dem Heu? laſſet uns doch nach dem Leide die Traͤhnen abwi-
ſchen/ und nach dem Elende das Trauren einſtellen/ damit wir nicht ſelbſt dieſen Tag zum
verworffenen machen/ welchen uns Gott zur ergetzung gegeben hat. Er ſchlug die Augen
wieder auff/ uñ ſagete: Ach du gnadenreicher Heyland/ du Helffer aller die auff dich trauẽ;
lebet das allerfroͤmmeſte und tugendreicheſte Fraͤulein der Welt noch? ja lebet ſie dem biß-
her elenden Betler Arbianes noch zu Troſt und beſtaͤndiger Traͤue? Schweiget/ mein al-
lerliebſtes Herz/ ſagete ſie/ und ſchaͤndet euch ſelber nicht; ihr wiſſet ja beſſer als ich/ daß wir
geduldig mit alle dem muͤſſen friedlich ſeyn/ was von Gott uns zukomt. Er richtete ſich
hiemit auff/ und gab zur Antwort: Dir ſey dank HErr in ewigkeit/ daß du dieſem Koͤnig-
lichen Fraͤulein mit ſo reichem Troſt-Geiſte in ihrer Noht beygeſtanden biſt/ und ihr ver-
trauen auff deine Huͤlffe ſo feſt erhalten haſt. Sie aber nam ihn bey der Hand und führete
ihn nach der Gutſche/ da die Anweſenden nicht anders meineten/ ſie haͤtte ihren Wiz ver-
lohren/ oder dieſer Betler haͤtte ſie bezaubert/ daß ſie dergeſtalt ſich gegen ihn bezeigete. Ar-
bianes wegerte ſich anfangs/ ihr zu folgen/ und taht den Vorſchlag/ ihre Liebe moͤchten im
Nahmen Gottes nach der Stad fahren/ dieſer ſein Diener ſolte geſchwinde hinreiten/ und
ihm gebuͤhrliche Kleider ſamt ſeinem Leibwagen heraus hohlen/ daß er ihr wirdig folgen
koͤnte. Aber ſie wolte durchaus nicht von ihm weichen. Was? ſagte ſie/ ſolte ich meinen
hochwerten Fuͤrſten umb ſeines Betler-kleides willen verlaſſen/ welches er bloß meinetwe-
gen angelegt und getragen hat? Eure Liebe laſſe den Diener in Gottes Nahmen reiten/ dz
er die Kleider heraus uns entgegen bringe auff das naͤheſte Dorff der Stad/ inzwiſchen
wollen wir ihm gemaͤhlich folgen; muſte alſo der Fürſt auff den Wagen ſteigen/ da dz Fraͤu-
lein ihrem Amtman befahl/ hinter ſich auff dem naͤheſten Dorffe mit allen ſeinen Leuten ſich
biß Morgen niderzulaſſen und den Gefangenen fleiſſig zuverwahren; redete auch ihren
acht Reutern ganz freundlich zu/ ſie ſolten bey dem Amtman verharren/ und auff Morgen
ihrer ergezligkeit gewaͤrtig ſeyn. Wolfgang aber muſte auff ein Pferd ſteigen/ und ihrem
Wagen etwas von weitem folgen. Auff der Gutſche ging das Herzen uñ druͤcken erſt recht
an/ wiewol der Fuͤrſt wegen ſeiner Lumpen/ die nicht ohn Unziefer wahren/ ſich uͤbel ſchaͤme-
te/ da hingegen ſie beteurete/ er waͤhre in ihrẽ Augen mit dieſer Kleidung tauſendmahl ſchoͤ-
ner als in guͤldenen Stuͤcken/ weil er ſie ihretwegen truͤge. Sie erinnerten ſich ihrer ſchul-
digen Dankbarkeit gegen Gott/ der ihnen ſo wunder-gnaͤdig geholffen hatte/ daher Arbia-
nes dieſes Gebeht aus dem innerſten ſeines herzen mit vielen Traͤhnen hervor ſuchete/ und
das Fraͤulein ihm ganz andaͤchtig mit pfũtze-naſſen Augen nachbehtete:


Gott unſer Helffer! ach wie groß iſt dein erbarmen/ wie unausſprechlich deine Guͤte! ich haͤtte
faſt an deiner Huͤlffe verzweiffeln duͤrffen; der Fall wahr mir ſehr nahe/ und ſtrauchelte ſchon/ weil
ich den Stab deines Heils und den Troſt deiner Huͤlffe nicht ſichtbarlich empfand. Herr Gott/ ſagte
ich
[688]Siebendes Buch.
ich/ haſtu mich dann gar von deinen Augen verſtoſſen/ und von deiner Gnade verbannet/ daß du mich
nicht ſiheſt? haſtu allen Sturm deines Grimmes uͤber mich ausgeſtuͤrzet/ der ich nur Staub uñ Aſche
bin? Ja Herr mein Gott/ ich gedachte/ die Fluht haͤtte mich gar ergriffen; die Waſſer deines grim-
migen Zorns waͤhren uͤber mich zuſammen geſchlagen. Herr ſagte ich/ wo iſt deine Huͤlffe? mein Gott/
rieff ich/ wo iſt deine ſo teur verfprochene erbarmung? und finde mich/ ey Gott lob! ſchon auff dem
Trocken/ ehe ich des Waſſers abflus merke; und liege in deinen huͤlffreichen Vater-Armen/ da ich eben
meinete zuverſinken. O mein Gott/ groß ſind deine Wunder/ die du an uns beweiſeſt; unermaͤßlich iſt
deine Liebe/ welche du gegen uns traͤgeſt/ ob du ſie gleich eine kurze Zeit/ ja kaum ein Augenblik in dei-
nem Herzen verborgen gehalten. Ja Herr/ ich habe dieſe Betlerskleider mit meinen Suͤnden und ehe-
maligen weltlichen uͤppigkeiten wol verdienet/ den erlittenen Jammer hoch verſchuldet/ die empfan-
genen Schlaͤge und Wunden mir ſelbſt gemacht/ und iſt mir noch nicht der tauſendſte Teil der gerech-
ten Straffen auffgelegt/ wann du mein Gott mit mir vor Gerichte treten/ und nach melnen Werken
mir lohnen wolteſt. Aber Herr/ deine Guͤte hat uͤberwogen/ daß meiner Suͤnde/ wegen der gnugtu-
hung deines Sohns nicht hat muͤſſen gedacht werden. Davor danke ich dir/ mein Schoͤpfer/ davor
preiſe ich dich/ Herr mein Gott. O ſo laß nun nach dieſer kurzen Walfahrt uns foͤrder nicht mehr in der
Irre gehen/ nachdem wir ſehr wol gelernet haben/ daß wann du Herr zuͤchtigen wilt/ ein Fuͤrſt leicht
an den Bettelſtab gerahten; und wann du helffen wilt/ der Betler im Augenblik zu Fuͤrſtlicher Hoch-
heit wieder gelangen kan/ damit HErr dein Wort wahr bleibe/ daß du die Gewaltigen vom Stuel
ſtoſſeſt/ und die niedrigen erhebeſt. Dir HErr unſerm Gott/ dir JEſus unſerm erbarmer/ ſey vor dei-
ne vaͤterliche Zuͤchtigung/ die uns ſo heilſam; auch vor deine gnaͤdige Huͤlffe uñ Rettung/ die ſo troͤſt-
lich ſuͤſſe iſt/ Lob/ Ehr/ Preiß und Herligkeit von nun an biß zu ewigen Zeiten/ Amen/ Amen.


Nach volendeter herzlicher Dankſagung wurden ſie eins/ dieſen Tag jaͤhrlich nicht
anders als ihren Geburtstag in beharlicher Dankſagung zu Gott/ und milder Handrei-
chung den Armen Chriſten/ deren es in Meden viel gaͤbe/ zu feiren. Hernach fragete der
Fuͤrſt/ was vor einen elenden Gefangenen ſie auff dem Karren mit ſich geführet haͤtte. Da
ſie zur Antwort gab; eben dieſer haͤtte ſie zwar durch gnug kuͤhne Verwegenheit und an-
gewante Koſten von ihrer Dienſtbarkeit loßgemacht/ daß ohn ſein zutuhn ſie ſo bald nicht
wuͤrde erꝛettet worden ſeyn; aber durch ſein unkeuſches beginnen haͤtte er alle vorige Wol-
taht verderbet/ daher ſie willens waͤhre/ ihn mit abſcheuhlicher Straffe zubelegen; erzaͤhlete
darauff ſeine Untaht/ und nam hiedurch gelegenheit/ Wolfganges uͤber-groſſe und faſt un-
glaͤubliche Traͤue/ Zucht und Auffrichtigkeit zu ruͤhmen/ da ſie endlich ſagete; Es waͤhre
kein Menſch auff Erden/ dem ſie mehr als ihm ſchuldig waͤhre/ dann er haͤtte Leib und Leben/
Hunger und Kummer/ Angſt und Gefahr/ Noht und Tod nichts geachtet/ wañ er ihr nur
dienen koͤnnen/ deßwegen nach ihren Eltern und Braͤutig am ſie ihn vor ihren allerliebſten
Freund/ und ihren Bruͤdern gleich hielte; muͤſte ſich daneben verwundern/ daß er ſich we-
gen kuͤnftiger gar zu groſſer Gnade und erhoͤhung mehr/ als uͤber ſein voriges Elend be-
kuͤmmerte. O ſo verzeihe mirs der almaͤchtige Gott/ antwortete Arbianes/ daß ſeinetwegen
ich ſo mannichen argen Gedanken gefaſſet/ und mir eine uñ andere Traͤuloſigkeit von ihm
eingebildet habe/ welches/ inbetrachtung ſeines guten anfanges ich billich nicht haͤtte tuhn
ſollen; jedoch wird Meden noch ſo reich ſeyn/ daß ich einem ſo redlichen Menſchen Abtrag
wegen meiner ungleichen Gedanken mache. Aber dem Gefangenen/ mein werdeſter Schaz/
ob er wol den Tod verſchuldet/ und mir das liebſte in der Welt hat ſchaͤnden wollen/ muͤſſen
wir Barmherzigkeit erzeigen/ wo er ſonſt nur wahre Erkaͤntnis und Raͤue ſeiner Ubeltaht
ergreif-
[689]Siebendes Buch.
ergreiffen/ und die Bosheit ablegen kan; dann Gott hat uns Gnade erzeiget/ und mit uns
den Bogen nicht auff das genaueſte geſpannet; daher muͤſſen wir uns unſers taͤglichen
Gebehts erinnern/ da wir von Gott bitten; du unſer himliſcher Vater/ vergib uns unſere
Schuld/ als wir vergeben unſern Schuldigern. Dann es verſichere ſich nur mein Seelichen/
daß wir uns ehmahls auch an Gott hart vergriffen haben/ und wol ſchwerer als wir wiſ-
ſen oder meinen; und waͤhre es ſonſt nicht geſchehen/ ſo iſts freilich unſere ehmahlige heid-
niſche Abgoͤtterey/ die von Gott in ſenem Worte/ wie ich von Koͤnig Herkules oft gehoͤret/
eine geiſtliche Unzucht/ Hurerey und Ehebruch genennet wird. Der Bube ſey euch/ mein
Schaz/ uͤbergeben/ antwortete ſie/ ungeachtet ich ihm den Tod faſt geſchworen habe; jedoch
uͤbergebe ich ihn mit dem bedinge/ daß nach erteileter Begnadigung er nicht mehr vor mei-
ne Augen komme; dann er hat aus muhtwilligem Vorſatze einer ſolchen Bosheit ſich un-
terſtanden/ die nach aller Voͤlker Recht/ am Leben geſtraffet wird. Arbianes ſaß uñ betrach-
tete die groſſe Traͤue des frommen Wolfganges/ daher er eine ſolche Gewogenheit zu ihm
faſſete/ daß er ihn zu ſich an die Gutſche rieff/ und alſo anredete: Mein getraͤuer auffrichti-
ger Wolfgang; nimmermehr haͤtte ich in dir oder deines gleichen ein ſo aͤdles Herz geſu-
chet/ welches ich bey dir angetroffen/ und ich fuͤrſtlich zuvergelten entſchloſſen bin; befleiſſi-
ge dich nur/ das wenige uͤbrige/ welches dir von deinem vorigen knechtiſchen Stande noch
anhangen mag/ vollends abzulegen/ dann ich wil dich zu einem ſolchen Manne machen/ auf
welchen Laͤnder und Staͤdte ſehen ſollen. Ach Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ antwortete
er/ ich bitte lauter umb Gottes willen/ ihre Durchl. wolle mich unwerten einfaͤltigen Men-
ſchen nicht uͤber meine wirdigkeit erheben/ welches ohn zweifel euer Durchl. ſelbſt wuͤrde
nachteilig ſeyn; es iſt ja ſchon zu viel/ daß euer Gn. und meiner Gn. Fraͤulein Diener ich
ſol genennet werden/ der ich zur Bauren Arbeit erſchaffen bin. Du hoͤreſt/ fuhr Arbianes
fort/ was ich dir ſage/ daß du alle niedrigkeit/ welche dir in deinem kuͤnftigen Stande nicht
geziemen wil/ ablegen/ und ein Herren-ſtandes Gemüht annehmen ſolt; dann wo ich lebe/
ſol tu in meinem Großfuͤrſtentuhm der naͤheſte umb mich ſeyn/ als mein Stathalter/ weil
du mir eine herliche Bewehrung abgeleget haſt/ daß auff deine Traͤue ich mich verlaſſen
darff. Nur dieſes faſſe zum ſteten Gedaͤchtnis in dein Herz/ daß wann du nun zu ſolchen
Ehren wirſt erhaben ſeyn/ du dich allemahl deines ehmahligen geringen Standes eriñerſt/
und der Traͤue/ welche du deinem Fraͤulein und zu gleich mir/ dieſe Wochen uͤber erwieſen
haſt/ alsdann wirſtu ein gewuͤnſchter Mann ſeyn und bleiben. So entſchuldige dich nun
nicht mehr/ das iſt mein ernſtlicher Wille/ mit deiner Unwirdigkeit; du biſt annoch jung uñ
gelernig/ und was du nicht weiſt/ wil ich dir ſchon anleitung geben/ und dir Leute zuordnen/
von denen du es lernen kanſt. Wolfgang befahl ſich ſeines Groß Fuͤrſten Gnade/ und wahr
der angebohtenen Ehre trauriger/ als daß er ſich derſelben haͤtte erfreuen ſollen/ gelebete
auch der Hofnung/ das Fraͤulein zuerbitten/ daß ſie den Fuͤrſten auf andere meinung brin-
gẽ moͤchte. Unſere beyde verliebeten erzaͤhletẽ ſonſt einander in der kuͤꝛze/ was ſider ihreꝛ un-
glüklichẽ treñung ihnen begegnet wahr/ woruͤber dz Fraͤulein zu unterſchiedlichen mahlen
ihre Traͤhnẽ vergoß/ als ſie vernam/ wie mañiche Lebensgefahr den Fuͤrſtẽ in ſo kurzer Zeit
zugeſtoſſen wahr. Sonſtẽ ſahe Arbianes Zeit ſolcher erzaͤhlung ſein Frl. ſteif an/ dz ihꝛe Haaꝛ
den rechten Glanz noch nit hattẽ/ auch dz Angeſicht bey weitem nicht der vorigen Zartheit
ſ ſ ſ ſwahr:
[690]Siebendes Buch.
wahr; aus urſachẽ/ daß ſie dz Abwiſche-tuch nit recht hatte zugeꝛichtet; deſſen er ſie eriñeꝛ-
te; abeꝛ zur Antwort bekam/ nachdem ſie ihres herzen Schoͤnheit wie derfunden/ uñ bey ſich
auf der Gutſche haͤtte/ waͤhꝛe ſie ſchoͤn genug; geſtund ihm auch/ dz ſie die angeſtrichene Far-
be von ihrem Leibe noch nicht hinweggemacht haͤtte/ auch nicht wol wuͤſte/ wie ſie es machẽ
ſolte; der Fuͤrſt ihr aber zur Antwort gab: die gute fromme Libuſſa wuͤrde mit Herzens Luſt
ſich darzu ſchon gebrauchen laſſen. Welcher Vorſchlag ihr nicht uͤbel gefiel/ uñ ſagete her-
nach; mir zweifelt nicht/ die lieben unſern werden uns ſchon lange als ermordete beweinet
haben; weil es dañoch fruh genug am Tage iſt/ moͤchte ich wuͤnſchen/ daß ich mich recht wie-
der verſtellen koͤnte/ dann wolten wir gleichwol noch unſern erſten Vorſaz mit der Kꝛaͤme-
rey ins Weꝛk richten/ und einen feinen Auffzug machen. Darzu haben wir Gelegenheit
gnug/ antwortete er; fuhren damit zur Stad hinein/ vorgebens/ Wolfgang waͤhre ein Koͤ-
niglicher Teutſcher Bedieneter/ und kaͤhme von Magdeburg bey ſeinem Koͤnige etwas zu-
beſtellen; daß ſie alſo willig und ohn weitere Nachfrage in die Stad eingelaſſen wurden; ſo
hatte Zariaſpes ſeinem Herrn die Kleider eine halbe Meile entgegen bracht/ welcher mit
dem Fraͤulein in ein Wirtshaus einkehrete/ und Leches ſamt Gallus zu ſich fodern ließ/ un-
ter dem Schein/ es haͤtten ſich etliche Reuter mit einander gezanket/ uñ baͤhten ſie als ſchei-
des Leute zu ſich; der abgeſchikte aber muſte Gallus dieſes ingeheim ſagen: Herr nehmet eu-
re Kunſtfarbe zu euch/ es wird von einem begehret/ dem ihrs nicht wegern werdet. Dieſe
frageten weiters nicht nach/ gingen mit/ und ſahen Arbianes in ſeinen Betlers Kleidern
(welche er wieder angelegt hatte) im Gemache ſtehen/ woruͤber ſie vor mitleiden anfingen
zuweinen. Er aber troͤſtete ſie/ ſie ſolten ihre Traͤhnen ſparen/ nachdem die ſeinen ihm Gott
Lob allerdinge ſchon abgewiſchet waͤhren/ deren er in dieſem Kleide manniche vergoſſen/
maſſen er ſein herzgeliebtes Fraͤulein vor wenig Stunden wieder gefunden/ und mit ſich
gebracht haͤtte; welche gleich aus einem Neben Gemache herzutrat/ und von Leches als-
bald erkennet ward. Die Freuden Traͤhnen ſtunden ihnẽ allerſeits in den Augen/ und nach
Empfahung taht der Fuͤrſt jenen beiden ſein Vorhaben zuwiſſen; worauff Gallus das
Fraͤulein anſtriche/ und Leches dem Fuͤrſten einen falſchen Bart mit Terpentin anmachte.
Kleider nahmen ſie in der Nachbarſchaft von einem Kramer/ und allerhand leichte
Waaren von gemeinen Korallen/ glaͤſern Perlen und etliche Nadeln/ deren das Fraͤulein
ein Kramerlaͤdichen vol auf ihrem Ruͤcken nach dem Schloſſe trug; der Fürſt aber eine
zimliche Buͤrde von groben ſchlechten weiſſen Zanken oder gekloppelſe ihr nachſchleppete/
da Leches und Gallus vor ihnen hergingen/ und durch ihre Gegenwart macheten/ daß ſie
allenthalben ohn Anſprach durchgelaſſen wurden. Libuſſa begegnete ihnen zum guten Gluͤk
im innerſten Platze/ zu welcher Leches ſagete; gehet hin mein Herz/ und ſaget eurer Gn. Koͤ-
nigin/ es ſeyn hieſelbſt fremde Kraͤmer/ die ihrem Vorgeben nach/ ſonderliche koͤſtliche
Waaren feil tragen. Dieſe wahr bald fertig/ und bekam Befehl/ ſie in das gemeine Koͤnig-
liche Gemach zufuͤhren. Wohin ſie bald gingen/ und nach abgelegtem ſchlechten Gruſſe
ihre Laͤdichen auf einen Tiſch ſetzeten/ da das Fraͤulein ihre Sachen/ ehe ſie aufgemacht uñ
beſehen wurden/ treflich ruͤhmete: Sie haͤtte die allerſchoͤnſten Korallen uñ gemachtẽ Per-
len/ die Menſchen Augen je geſehen haͤtten. Gemachte Perlen? ſagte Valiſka; das muͤſ-
ſen mir wol unbekante und koͤſtliche Sachen ſeyn; aber woher bringet ihr dann dieſe ſchoͤ-
ne
[691]Siebendes Buch.
ne Waaren? Vom Reinſtrohme/ antwortete ſie; und haben den Weg mit unſaͤglicher Muͤ-
he/ unter mannicher Gefahr zum Ende gebracht/ ob wir hieſelbſt Liebhaber unſerer Waa-
ren antreffen moͤchten/ dann uns ward geſagt/ daß hier ſo viel hohe Herrn und Frauen bey
einander waͤhren/ die den Kraͤmern ihr Geld gerne goͤnneten. So hat mein Mann auch fei-
ne Zanken oder Spitzen. Wol wol/ ſagte Valiſka/ laſſet eure Koſtbarkeiten ſehen/ wir kaͤuf-
fen euch den ganzen Krahm wol auff einmahl abe/ wann er uns dienet/ und wollen uns al-
le miteinander fein drein teilen. So waͤhre ich zur gluͤkſeligen Stunde ankommen/ ſagte
das Fraͤulein/ und wolte ich euer Gn. noch wol eine Schnuͤhr Kette und einen Brief Na-
deln in den kauf geben. Die Fuͤrſtliche Geſelſchaft lachete der milden Zugabe uͤberlaut; woꝛ-
an ſich doch das Fraͤulein nit kehrete/ ſondern in ihrer Beantwortung alſo fortfuhr. Wie
wolte aber mein Krahm euer Gn. nicht dienen? ich habe mannichem Adel und Unadel da-
von verkauft/ und darf/ dem Himmel ſey dank/ allezeit wol wiederkommen/ da ich eins ge-
weſt bin/ weil ich und mein Mann noch keinen Menſchen im Handel und Kauffe betrogen
haben/ welches wir wol mit guten Gewiſſen koͤnnen vor die Goͤtter kommen laſſen. Jm̄er
Schade/ ſagte Valiſka/ daß ſo aufrichtige Leute zu Kraͤhmeꝛn gedien ſind; hoͤrete auch ſchon
was vor herliche Sachen verhanden ſeyn wuͤrden/ und ſagte zu dem jungen Koͤnigl. und
Fuͤrſtlichen Frauen Zimmer; komt doch her meine herzen Schweſterchen/ und laſſet uns
die treflichen Waaren beſchauen/ welche aͤdele und Unaͤdele zukaͤuffen nicht beſchweret
ſind. Inzwiſchen ſahe das Fraͤulein ihre beiden Herrn Bruͤder ſtehen/ daher die Traͤhnen
ihr vor Freuden ſchier loßgebrochen waͤhren; doch hielt ſie ſich feſte/ und ſagte zu ihnen:
Ihr junge Herren und Fuͤrſten/ wer ihr ſeid/ komt uñ kaͤuffet euren Liebſten eine ſchoͤne Keꝛ-
meß/ damit ihr euch bey ihnen ſehr beliebet werdet machen koͤnnen. Ach ja mein Schaz/
ſagte Valiſka zu Herkules/ hie werdet ihr gnug wirdige Sachen finden/ wann ſie nur erſt
ausgelegt waͤhren. Das Fraͤulein/ die ſich ganz ernſthaftig ſtellete/ wahr damit bald fertig/
hatte rohte/ gruͤne/ gelbe/ blaue und ſchwarze glaͤſerne Korallen anlangen Schnuͤren/ auch
weiſſe/ die ſie vor gemachte Perlen angab/ legete alles aus/ fein bund durch einander her/
und ſagete: Sehet ihr Fuͤrſtliche Jungfern/ ſind das nicht ſo ſchoͤne bunte Sachen/ geluͤ-
ſtets doch einem der es ſiehet/ wie die mannicherley Farben durcheinanderher ſpielen; und
wie treflich ſolte eure Schoͤnheit vermehret werden/ wann ihr ſie alſo bund durcheinandeꝛ
an euren weiſſen Haͤlſichen uñ aͤrmichen trüget. Sehet die Schnuhr gebe ich um 8 Gꝛo-
ſchen/ wann ich ſie nur 4 Meilen auff diſſeit Koͤllen trage; nun muͤſte ich ja billich vor den
weiten Weg auch etwas haben/ daß ich etwa vor die Schnur 10 Groſchen bekaͤhme/ vor
welches geringe Geld ihr ſie viel Jahr tragen/ und euch damit außputzen koͤnnet. Da haͤtte
man nun ſollen ein Gelaͤchter hoͤren; woran aber das Fraͤulein ſich nicht kehrete/ ſondern
zu Valiſken ſagete. Schoͤne Fuͤrſtliche Jungfer; warum verlachet ihr meine gute aufrich-
tige Waaren/ und machet daß die andern desgleichen tuhn muͤſſen? Zwar die Perlen uñ
aͤdlen Steine/ welche ihr uͤmb euer ſchneeweiſſes Haͤlſichen und aͤrmlein traget/ moͤgen
wol teurer ſeyn/ abeꝛ die meinen ſcheinen doch weit beſſeꝛ/ ſind auch viel heller uñ duꝛchſich-
tiger/ von allerhand hohen Farben/ und werden durch ſonderliche Kunſt zugerichtet/ da
die euren nur aus dem Waſſer gefiſchet/ und aus der Erde gegraben werden/ welche Ar-
beit ein jeder ungeſchliffener Baur wol verrichten kan/ aber von dieſer kuͤnſtlichen Zube-
ſ ſ ſ ſ ijreitung
[692]Siebendes Buch.
reitung ſeine groben Haͤnde wol laſſen muß. Kraͤmerin/ antwortete Valiſka/ ihr ſeyd wol
unterwieſen/ eure Waaren zu loben. Ja/ ſchoͤnſte Fuͤrſtliche Jungfer/ ſagte ſie; wann mei-
ne Waaren es ſelber koͤnten/ wolte ich kein Wort darzu reden; aber habe ich dann nicht
die Warheit geſaget? Die Reden ſind ſo gar uneben nicht/ ſagte Valiſka zu der ganzen
Geſelſchafft; dann freilich iſt es eine groſſe Tohrheit/ daß wir Menſchen mit denen Sa-
chen prangen/ die im Meer von den nicht werten Muſcheln gezeuget werden; und die Stei-
ne hoch ſchaͤtzen/ welche doch nimmermehr des Werts ſind. Ey warumb dann? ſagte Her-
kules/ (mit ihr ein Luſt Gezaͤnke zuhalten) iſt dann Gold und Silber nicht auch irdiſch/ und
viel haͤuffiger in der Erde zufinden/ als die aͤdlen Steine? Ich bekenne meinen Irtuhm/
ſagte Valiſka/ aber in Gegenſchaͤtzung der Speiſen und anderer Nohtwendigkeiten/ iſt es
gar zu hoch angeſchlagen. Herkules antwortete zur Kurzweil: Wachſen doch ſolche auch
aus der Erde/ und zwar in viel groͤſſerer Menge; und muͤſſen hohe Leute ja auch ein Nar-
renſpielchen haben/ daran ſie den Gecken ſehen laſſen/ welches auſſer Zweifel der Perlen
und aͤdlen Geſteine Schazbarkeit iſt. Die Kraͤmerin miſchete ſich mit ein/ deutete alles auf
ihren Vortel/ und ſagete: Wann ihr dann alle miteinander meine Waaren ſo hoch ruͤh-
met/ ſo goͤnnet mir auch eures Geldes davor/ alsdann wil ich euch meines Mannes ſchoͤ-
nes Gekloͤppel auch ſehen laſſen. Das moͤchte vielleicht von hoͤherm Wert ſeyn/ antwor-
tete Valiſka. Wie dann nun? ſagte das Fraͤulein/ habe ich euch dann meine Waaren zu
wolfeil gelobet/ ſtehet euch frey/ ein mehres davor zugeben/ welches ich als ein Geſchenk
rechnen wil. Herkules fragete/ was er ihr dann vor alle ihre Korallen und Perlen zahlen
ſolte. Wir wollens fein ausrechnen/ was es tragẽ wird/ antwortete ſie; zaͤhlete die Schnuͤr-
lein/ foderte Kreide/ und machete eine Rechnung von 40 Guͤlden und 10 Groſchen: Er a-
ber zog alsbald eine Handvol Kronen heraus/ und fragete/ ob ſie ungezaͤhlet zufriedẽ waͤh-
re. Ja antwortete ſie/ wann es nur ſo viel iſt/ als ich gefodert habe/ ſonſt muͤſte ich mit ſcha-
den verkauffen/ und merke ich wol/ es werden Goldpfennige ſeyn/ deren ich noch alle mein
Tage vor meine Waaren nicht bekommen habe/ weiß aber wol/ daß ſie mehr gelten als das
Silbergeld/ und wil auff ſolchen fal den empfangenen uͤberſchuß auff meines Mannes
Spitzen Krahm rechnen. So werden wir leicht Kaufleute werden/ ſagte Herkules/ reiche-
te ihr die Gelder/ und teilete die ſchoͤnen Sachen unter dem Frauenzimmer aus/ daß das
geſamte junge Frauenzimmer Fuͤrſtliche und adeliche mit den Korallen behaͤnget wurden/
und ſie es das Koͤnigliche Geſchenk nenneten. Valiſka ließ die Zanken auch hervor lan-
gen/ deren ſie noch am meiſten lacheten/ weil die vornehmſten nicht uͤber zween Groſchen
die Elle austrugen/ daher ſie zu der Kraͤmerin mit einem Gelaͤchter ſagete: Wie dann/
gute Frau/ haben euch dann auch Adel und Unadel dieſe Waaren abgekaufft? O ja/ vor
ihr Geſinde/ antwortete ſie/ denen ſind ſie gut genug/ und kan ja nit fehlen/ ihr werdet auch
Volk haben/ denen ihr etwas buntes umb Kragen/ Hemder und Schnupfftuͤcher verbre-
men laſſet. Nein/ ſagte Valiſka aus Scherz/ mein Geſinde muß ſolche bunte Sachen nicht
tragen/ es tuhts ihnen noch wol ſchlecht hin. Libuſſen verdroß/ daß die Kraͤmerin ſich mit
ſo geringen Sachen durch ſie hatte laſſen angeben/ und fuͤrchtete nicht wenig/ ſie wuͤrde
groſſen Spot muͤſſen über ſich nehmen/ daher ſie zu Koͤnigin Valiſken ſagete: Was ſol der
Bettel? Eure Hocheit laſſen ſie gehen/ und werde ich hernaͤhſt mich beſſer vorſehen/ was
vor
[693]Siebendes Buch.
vor Kraͤmer ich angebe. Das Fraͤulein bekam Luſt/ ſich mit dieſer zuzanken/ und ſagte: Wz
ſaget ihr Jungfrau? ſcheltet ihr meines lieben Mannes Krahm voꝛ einen Bettel? Er hat
ihn trauen nicht zuſammen gebettelt/ ſondern ſein baares Geld davor gegeben/ ob er gleich
wol ehmahls gebettelt hat. Und was habt ihr mir meine redliche Waaren zuverachten/
wollet ihr ſie nicht kaͤuffen/ oder mangelt es euch am Gelde/ ſo laſſet mir meine Waaren ſo
gut ſie ſind; vielleicht gereuets euch/ dz eure gn. Frau ſelbſt mit mir handelt/ und ſolches nit
durch euch verrichtet/ daß ihr auch euren Vortel damit haͤttet ſpielen koͤnnen/ wie es dann
bey Fuͤrſtlichen Hoͤfen ins gemein zugehet/ daß die groſſen Herren viel naͤher kaͤuffen/ und
gleich vor ihr Geld bekommen wuͤrden/ wann ſie ſelbſt zu Markte gingen/ oder die Kraͤmer
zu ſich foderten. Es entſtund ein gemeines Gelaͤchter hieruͤber/ daß Valiſka kaum dieſe
Worte zu Libuſſen vor lachen ſagen kunte: Sihe/ das ſchadet dir nicht kanſtu nicht andern
Leuten ihre Waaren ſo gut laſſen als ſie ſind? Dieſe lief daruͤber vol Eifer/ und wolte der
Kraͤmer in ihren Frevel verweißlich vorhalten. Aber dieſelbe ſagte zu ihr: Was habt ihr
mich hieſelbſt auszuſchelten? ſeyd ihr doch nicht gebietende Frau auff dieſem Schloſſe/ ſo
habe ich euch auch meine Waaren nicht feil gebohten/ und ſage noch einmahl/ laſſet mir
meine Waaren unverachtet; ſeyd ihr eine junge aͤdelfrau/ ſo bin ich eine ehrliche Kraͤme-
rin; ſo ſtehets euch auch nicht fein an/ daß vor dieſer Fuͤrſtlichen Geſelſchafft ihr euch ſo
mauſicht machet. Libuſſa nam ihr den Schimpff ſo ſehr zu herzen/ daß ſie kein Wort ant-
worten kunte/ und verdroß ſie am meiſten/ als ſie ihren Leches daruͤber lachen ſahe. Valiſ-
ka aber ſagte zu ihr aus Kurzweil: Laß dir dieſes zur Warnung dienen/ und gib dich mit
keinen Kraͤmerinnen mehr in Zank/ ſie haben die Zunge noch beſſer gelernet zugebrauchen
als du. Sie erhohlete ſich endlich darauff/ und ſagete: Mein lebelang bin ich dergeſtalt
nicht beſchimpffet worden/ und werde Eurer Hocheit Vermahnung ich hernaͤhſt wiſſen in
acht zunehmen. Dabey aber die Kraͤmer in ſich ſtellete/ als hoͤrete ſie es nicht/ ſondern frag-
te Valiſken/ ob ſie vor ihres Mannes Waaren ihr kein Geld goͤnnen wolte. Ich muß wol/
antwortete ſie/ wo ich ſonſt ohn loſe Worte gedenke von euch zukommen. Nein/ gn. Jung-
fer/ ſagte ſie/ ſo boͤſe bin ich nicht/ daß ich einem Menſchen loſe Worte geben ſolte/ der mirs
nicht abhohlete. Wolan/ ſagte ſie/ ſo bin ich ſicher vor euer Ungnade/ und wil meinem Lieb-
ſten und andern anweſenden jungen Herren auch ein Jahrmarkt kaͤuffen; ſaget mir nur in
der Guͤte/ was ihr vor die ganze Lade vol haben wollet. Eure Gn. geben was ſie wollen/
antwortete ſie/ es ſind 50 Stuͤcke drinnen/ die koſten uns 80 gute Gulden in Koͤlln bezahlet/
und wann Eure Gn. wuͤſten/ was vor Elend/ Noht und Jammer mein Mann auff dieſer
Reiſe erlitten/ ſie muͤſte mit ihm weinen. Ach lieber Gott/ ſagete die mitleidige Valiſka/ dz
ihr alles lachen verging/ es kan wol ſeyn/ daß euch beyden das taͤgliche Brod zuerwerben
durch ſolche Nahrung ſaur gnug wird/ gab ihr zwo Haͤnde vol Kronen/ und ſagte/ ſie koͤn-
te nun in Gottes Nahmen hingehen. Mich deucht/ Eure Gn. geben mir zu viel/ ſagte ſie/
aber Gott belohne euch das übrige und euer Mitleiden. Wendete ſich darauff zu Libuſſen/
und ſagete: Ich bitte euch freundlich/ aͤdle Frau/ vergebet mirs/ daß ich ein wenig zu heftig
wider euch im Zorn geredet habe/ es iſt mir leid/ und wil/ Abtrag zumachen/ euch dieſen
Brief vol Nadeln verehren. Libuſſa haͤtte ſich ſchier auffs neue geeifert/ wann nicht Leches
ihr einen ernſtlichen Wink gegeben haͤtte/ woraus ſie urteilete/ dieſe muͤſte nur eine verſtel-
ſ ſ ſ ſ iijlete
[694]Siebendes Buch.
lete Kraͤmerin ſeyn/ nam deswegen die Nadeln zu ſich/ und ſagete: Weil ich ſehe/ daß euch
meine Beſchimpffung leid iſt/ wil ichs euch vergeben/ und dieſes Geſchenk zum Gedaͤcht-
niß beylegẽ/ daß ihr mich ſo fein ſauber habt ausgehechelt. So boͤſe iſts nicht gemeynet ge-
weſen/ antwortete die Kraͤmerin/ und iſt mir lieb/ daß ich mit euch wieder verglichen bin.
Baldrich trat zu ihr hin/ und ſagete: Gute Kraͤmerin/ wo bleibet die verſprochene Schnuͤr-
Kette mit dem Briefe Nadeln/ nach dem euch alle Waaren abgehandelt ſind? Junger
Herr/ antwortete ſie/ eures Geldes habe ich noch wenig geſehen/ und duͤrffet doch eine Zu-
gabe fodern; aber doch/ da habt ihrs beydes/ ich wil vor dißmahl die reicheſte ſeyn/ nehmets
hin/ und ſchenkets eurer Liebeſten/ wann ihr dermahleins eine bekommen werdet. Valiſka
lachete des Auffzuges von Herzen/ trat hinzu/ und nahm das gebohtene zu ſich/ ſagend/
mir gehoͤret dieſes/ vermoͤge unſers Kauffs/ eigentlich zu/ aber ich wils gleichwol mit dem
Bedinge nehmen/ daß ichs dieſes jungen Herrn ſeiner Liebeſten zurahte haͤgen wil. Die
Kraͤmerin reichete ihr ſolches willig ein/ und ſagete: Gnaͤdige Frau/ mich deucht/ ihr ver-
ſtehet euch ſehr wol auff Kraͤmerey/ denke ja nicht/ daß ihr des Koͤniges aus Boͤhmen Frl.
Tochter ſeyd/ von welcher ich mir habe ſagen laſſen/ ſie ſey auch wol ehmahls lieber eine
Kraͤmerin als eines groſſen gewaltigen Koͤniges verſprochene Braut geweſen/ wodurch
ſie ohn Zweifel in unſere Guͤlde getreten iſt/ und dieſelbe Koͤniglich geadelt hat; Iſt nun
Eure Gn. dieſelbe/ ſo kan ich nicht unterlaſſen/ dieſelbe als eine ehrliche Guͤlde-Schwe-
ſter zugruͤſſen. Valiſka verwunderte ſich der Rede/ ſahe alle anweſende an/ und ſagte: Die
Karte iſt falſch/ und iſt dieſe gewißlich eine verſtellete Kraͤmerin/ uns einen Auffzug zu
machen. Das Fraͤulein aber kehrete ſich an nichts/ ging mit Arbianes davon/ und ſagete
kein Wort mehr/ da Leches und Libuſſa (weil er ihr winkete) ihnen auff dem Fuſſe nachfol-
geten. Valiſka ſagete nach ihrem Abſcheide zu den anweſenden: So ſtatlich bin ich zeit
meines Lebens nicht auffgetrieben/ als vor dißmahl/ und noch wol kurzweiliger/ als ehe-
mahls mein Parthiſches Frauenzimmer; und was gilts/ wo meine Libuſſa der loſe Balg
dieſen Poſſen nicht angerichtet/ und einen ertichteten Zank mit der Kraͤmerin gehaltẽ hat/
mich ſo viel zierlicher auffzuzihen? So bald das Fraͤulein aus dem Gemache wahr/ ſagte
ſie zu Libuſſen: aͤdle Frau/ verzeihet mir/ bitte ich/ alle Grobheit/ die ich heut/ bloß ein Ge-
laͤchter uͤber uns beyden anzurichten/ an euch begangen habe/ und wann dieſes nicht
waͤhre mein Vorſaz geweſen/ haͤtte ich euch hoch beleidiget; Je laͤnger aber ich euch
anſehe/ je mehr erinnere ich mich unſer ehmahligen Freundſchafft/ wie wir uns dann vor
dieſem wol gekennet haben; Kommet und fuͤhret mich auff ein abſonderliches Ge-
mach/ mein Mann wird mit eurem Ehe Junkern auff ein anders gehen/ dann ich
habe von Koͤlln ab einen hochvertraulichen Gruß an euch von einer Naͤhterin/ die
iſt wol vor dieſem etwas mehr/ und eure gute Freundin geweſen. Libuſſa gedachte alsbald
an das Fraͤulein und ſagete: Ach gute Frau/ ich verzeihe euch alles gerne/ wie heftig ich
mich gleich zu anfange geſchaͤmet habe; nur ſaget mir/ wie heiſſet dieſe Naͤhterin? Sie
nennet ſich Armgart/ antwortete ſie/ und hat im wolſtande Klara geheiſſen. Ey Gott Lob
und dank/ ſagete ſie/ ſo lebet das allerfroͤmmeſte Fraͤulein der Welt noch? O daß doch nur
der liebe Fuͤrſt auch noch moͤchte im Leben ſeyn! wolte alsbald von ihr hinweg lauffen/ und
ihrer Koͤnigin dieſe hocherfreuliche Zeitung bringen. Aber Leches hielt ſie auff/ und ſagete:
Wie
[695]Siebendes Buch.
Wie eilet ihr ſo/ wollet ihr als blindlinges davon ſpringen? beſehet doch dieſe Kraͤmerin
recht/ nach dem ihr hoͤret/ daß ihr bekanten ſeid/ und wann ihr die Warheit erkennet/ ſo bit-
tet wegen eures heutigen trotzes umb vergebung. Libuſſa meinete vor freuden zu berſten/ ſo
bewaͤgete ſich das Herz in ihr/ fiel der Kraͤmer in umb den Hals/ und ſagete: Ach gnaͤdiges
Fraͤulein; ich zweifele nicht/ ſie ſey es ſelbſt in angeſtrichener Farbe. Ja Gott Lob/ antwor-
tete ſie; aber meldet mich nicht/ ſondern ſchaffet/ daß ich meine Fr. Schweſter Koͤnigin
Valiſka allein moͤge ſprechen. Leches erinnerte ſie abermahl/ daß ſie um verzeihung anhiel-
te; aber ſie ſagte; es beduͤrfte ſolches nicht/ ſie haͤtte nicht mit dem Koͤniglichen Fraͤulein/
ſondern mit einer Kraͤmerin ſich gezanket/ und weil dieſelbe ſchon verſchwunden waͤhre/
haͤtte ſie ſich weiters nicht darumb zubekũmmern; lieff darauff hin/ und traff Euphroſynen
vor dem Gemache an/ welche ſie baht/ daß ſie Koͤnigin Valiſken vermoͤchte heraus zukom-
men/ weil die Kraͤmerin eine heimliche Werbung an ſie abzulegen haͤtte. Die Koͤnigin gab
zur Antwort: Was mag meineꝛ Libuſſen hinte getraͤumet haben/ daß ſie mich mit dieſer
Kraͤmerin ſo aͤffet/ welche ſie ohnzweifel ſelbſt ausgeruͤſtet hat/ dann wie haͤtte ſie ſich ſonſt
ſo leicht mit ihr wieder vergliechen/ als wodurch ſie an den Tag leget/ daß ihr Zank nur er-
tichtet geweſen; doch ging ſie hin/ draͤuete auch Libuſſen mit einem heimlichen Wink/ uñ
fragete die Kraͤmerin/ was ſie begehrete; welche darauff anfing: Gnaͤdigſte Koͤnigin/ ich
habe neun Meile hinter Koͤlln einer aͤdelfrauen etliche Waaren verkauft/ dieſelbe hatte eine
Naͤhterin/ welche da ſie vernam/ daß ich nach Magdeburg reiſen wolte/ baht ſie mich mit
heiſſen Traͤhnen/ auf den fall der Teutſche Groß Fürſt daſelbſt nicht ſeyn wuͤrde/ ich moͤchte
vollends nach Prag mich erheben/ und Gelegenheit ſuchen/ der jungen Teutſchen Groß-
Fuͤrſtin Valiſka nur dieſes wenige (deſſen ich gut Trinkgeld bekommen wuͤrde) anzumel-
den/ daß ihre getraͤue Dienerin Klara annoch lebete/ nur daß ſie durch Unfal und betrug
waͤhre zur Magd einer boshaften Frauen worden/ und von derſelben manniche Ohrfeige
einſchlucken muͤſte. Valiſka ſprang vor freuden auff/ uñ ſagte: Ey dem allerhoͤchſten Gott
ſey lob und dank/ daß ſie noch lebet/ die Magdſchaft ſol ihr bald benom̃en werdẽ/ und ihr gu-
te Kraͤmer in muͤſſet ohn ein reiches Trinkgeld nicht ſcheiden/ daß ihr dieſes ſo traͤulich habt
werben/ und ſolchen weiten Weg uͤber euch nehmen wollen. Lieff damit wieder nach der
Geſelſchaft/ und wuſte nicht/ wie ſie vor froͤligkeit ſich geberden ſolte. Herkules ſahe ſolches
an ihr/ und ſagte: Mein Schaz/ was vor eine heimliche Verehrung hat euch die Kraͤme-
rin getahn/ damit ſie euch ſo erfreuen koͤnnen? Eine über koͤſtliche Verehrung/ antwortete
ſie; wolte ihm aber nichts mehr ſagen/ ſondern trat hin zu Herkules Fr. Mutter und ſage-
te uͤber laut; Gn. Fr. Mutter/ der allerhoͤchſte Gott wil uns nach der Traurigkeit wieder
erfreuen. O heꝛzliebe Fr. Tochter/ fiel ihr dieſe in die Rede; iſt etwa mein liebes Kind wie-
der zu Lande geſchlagen? Zwar noch nicht zu Lande geſchlagen/ antwortete ſie/ aber gnug
iſt es uns vor erſt/ daß wir nunmehr gewiß wiſſen/ daß ſie noch lebet und geſund iſt/ wiewol
in fremden Landen/ uñ daſelbſt vor eine Naͤhe-Magd dienet/ davon wir ſie mit Gottes huͤlf-
fe bald befreien wollen. Dir ſey dank HErr Gott/ ſagte die liebreiche Mutter/ aber an was
Ort haͤlt ſie ſich auff? Neun Meile hinter Koͤllen/ ſagte ſie/ in der Roͤmer gebiet/ woſelbſt
die fremde Kraͤmerin ſie ſelbſt geſprochen hat. Die ganze Geſelſchaft wolte die Zeitungs-
bringerin ſelbſt fragen/ aber Libuſſa zeigete an/ wie ſie mit ihrem Manne hinweg gangen
waͤhre/
[696]Siebendes Buch.
waͤhre/ und bald wieder kommen wuͤrde; ging damit wieder davon nach dem Fraͤulein
auff ein abſonderliches Gemach/ da Libuſſa ihren Leib von der angeſtrichenen Farbe reinig-
te/ und ihr in die Kleider half/ welche ſie von Magdeburg mit gebracht hatte; Arbianes a-
ber auff einem andern Zimmer ſich auch ausputzete/ dem die Freude mehr Kraft und ſtaͤr-
ke verliehe/ als er ſonſt an ſich hatte. Als ſie beyde fertig wahren/ faſſeten ſie einander bey
der Hand/ lieſſen Leches und Libuſſen vor ſich her treten/ und folgeten denen auff dem Fuſſe
nach/ daß ihrer niemand gewahr ward/ biß das Fraͤulein nahe vor ihrer Fr. Mutter ſtund/
und ihr mit kuͤſſen und Traͤhnen umb den Hals fiel/ welche uͤber der unvermuhtlichen ge-
genwart ſich entſetzend/ in Ohmacht niderſank. Arbianes ſtellete ſich vor Valiſken/ und wol-
te ihr die Hand kuͤſſen/ aber ſie umfing ihn ſchweſterlich/ und ſagete: Herzlieber Herr Bru-
der; ach wie hat eure Liebe ſich doch ſo lange Zeit verborgen gehalten? Gott ſey Lob/ daß
ich dieſelbe wieder vor mir ſehe/ wiewol das verfallene Angeſicht gnug zu erkennen gibt/ dz
er mehr boͤſe als gute Stunden mus gehabt haben. Ich danke dem allerhoͤchſten GOtt/
antwortete er/ daß eure Liebe ich geſund und friſch antreffe/ und bin mit meines Gottes
zuͤchtigung wol zu frieden/ nachdem von demſelben ich die Gnade gehabt/ das Durchl. Koͤ-
nigliche Fraͤulein wieder anzutreffen/ ſo das mein uͤberſtandenes Elend ich nicht allein ger-
ne vergeſſen/ ſondern es als ein Gnadenzeichen/ daß Gott an mich gedacht hat/ rechnen wil.
Die alte Koͤnigin kam bald wieder zu ſich ſelbſt/ umfing ihr allerliebſtes Kind mit herzen
und küſſen/ und wolte in einem Augenblik alles ihr ergehen wiſſen; ſie aber gab zur Ant-
wort; Gn. Fr. Mutter/ wir wollen unſere Traͤhnen heut nicht weiter reitzen/ ſondern dem
almaͤchtigen wahren Gott/ und unſerm Heylande JEſus Chriſt von herzen danken/ daß
er nicht weniger meine Ehr und jungfraͤuliche Keuſcheit/ als mein Leben vaͤterlich behuͤ-
tet und errettet hat. Arbianes ward von Koͤnig Henrich freundlich empfangen/ welchen er
nach geſchehener Dankſagung und geleiſtetem Handkuſſe alſo anredete: Großmaͤchtig-
ſter unuͤberwindlichſter Koͤnig/ gnaͤdigſter Herr; ob zwar zu jener Zeit/ da eure Koͤnigl.
Hocheit ich erſtmahls angeſprochen/ mich unterſtanden habe/ das Durchleuchtigſte Fraͤu-
lein/ eurer Koͤnigl. Hocheit Frl. Tochter aus Raͤubers Henden loßzuwirken/ und ihren
Eltern ſie wieder zuzufuͤhren/ hat doch ein leidiger Fal/ der gutenteils ans Irtuhm entſtan-
den/ nicht allein ſolches gehindert/ ſondern von hoͤchſtge dachtem Fraͤulein mich endlich gar
hinweg geriſſen/ welche kaum vor ſieben oder acht Stunden ich drey Meile von hinnen/
durch Gottes ſonderbahre ſchickung ohngefehr angetroffen/ und von ihrer Durchl. die Eh-
re gehabt/ daß ſie mich im Betlerſtande und Kleidern auf ihre Gutſche genommen/ ſo daß
dannoch nach Gottes Willen dieſelbe ich nicht allein geſund und friſch/ ſondern auch im
unbeſtecketen jungfraͤulichen Stande hieher geleiten koͤnnen. Wann nun vor dieſem umb
eine Heiraht bey ihrer Koͤnigl. Hocheit durch meine Gn. Fr. Schweſter und Koͤnigin/
Fr. Valiſka/ ich untertaͤhnige anſuchung getahn/ als wil anjezt ich ſolche Anwerbung ſelbſt
muͤndlich in untertaͤhnigſtem Gehorſam vortragen/ demuͤhtigſt bittend/ ihre Koͤnigliche
Hocheit wollen mit angenehmer Antwort und vaͤterlicher neigung mich beſeligen/ und ih-
re herzgeliebete Frl. Tochter mir verſprechen; dagegen ich mich dann Chriſtlich erklaͤren
und verpflichten wil/ ſie Zeit meines lebens als ein hochwirdiges Gemahl zu lieben und eh-
ren/ und nach meinem Tode mit einem Grofuͤrſtlichen Leibgedinge verſehen. Mein gelieb-
ter
[697]Siebendes Buch.
ter Herr Sohn/ antwortete der Koͤnig; wem ſolte ich mein herzliebes Kind lieber goͤñen
und geben/ als der ihretwegen/ wie ich verſtehe/ aus einem maͤchtigẽ Groß Fuͤrſten gar zum
Betler worden iſt/ und wol unſaͤgliche muͤhe und arbeit überſtanden hat/ wie euer Liebe
bleich-mageres Angeſicht gnugſam uñ uͤberfluͤſſig bezeuget. Faſſete damit ſeine Frl. Toch-
ter bey der Hand/ und nachdem er ſie etlichemahl gekuͤſſet hatte/ ſagte er zu ihr: Ich zweife-
le nicht/ geliebtes Kind/ du werdeſt die Traͤue und Liebe/ dir von dieſem Groß Fuͤrſten er-
wieſen/ mit gebührlichem Dank zuerkennen geſonnen ſeyn/ und nach meinem Schluſſe ihn
vor deinen Braͤutigam und kuͤnftigen Gemahl annehmen. Gnaͤdigſter Herr Vater/ ant-
wortete ſie; Dieſer Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt hat meinetwegen aͤuſſerſte Noht/ Ar-
mut und Lebensgefahr ausgeſtanden/ und uͤber die 20 Wunden in meiner getraͤuen nach-
ſuchung empfangen/ ſo das mein Ungluͤk gegen das ſeine nicht eins zu rechnen iſt; auch haͤt-
te ich weder von dem Wendiſchen Gotſchalk/ noch von bevorſtehender Todesgefahr ohn
ſeine Huͤlffe koͤnnen errettet werden; und welches ich vor das hoͤchſte halte/ hat er die drey
Tage uͤber/ ſo er mich in ſeinem gewarſam gehabt/ mich nicht allein im Chriſtlichen Glau-
ben unterrichtet/ ohn welche Erkaͤntnis ich mein ausgeſtandenes Elend unmoͤglich haͤtte
ertragen koͤnnen; ſondern hat ſich auch ſo ehrliebend und zuͤchtig gegen mich verhalten/
daß er mir nicht das allergeringſte zugemuhtet/ welches meiner jungfraͤulichen Keuſch-
heit im wenigſten haͤtte zu wieder ſeyn koͤnnen; daher/ nach dem er ſein ehrliebendes be-
gehren mir vorgetragen/ ich ihm die Verſprechung getahn/ ſeiner Durchl. nach eingehoh-
letem Befehl und Raht/ meiner herzlieben Eltern/ Herrn Bruͤder/ uñ Fr. Schweſter/ mit
ſolcher Antwort zubegegnen/ die eine anzeige eines dankbahren willens mit ſich braͤchte.
Weil dañ mein H. Vater mir ſolches anbefihlet/ wil ſeinem Geboht zugehorſamen/ ich die-
ſen Durchl. Großfuͤrſten vor meinen Braͤutigam und kuͤnftigen hochwirdigen Gemahl
annehmen/ ihm alle Traͤue uñ Liebe verſprechen/ uñ daneben demũhtig bitten/ ſeine Durchl.
wolle mit meiner Schwacheit und geringem vermoͤgen geduld tragen/ wann allemahl
ich mich nicht wuͤrde der Gebuͤhr nach verhalten koͤñen/ wornach doch meine ſtete Bemuͤ-
hung ſtreben ſol. Da ging nun nicht allein das Gluͤkwuͤnſchen/ ſondern auch das wilkom̄ẽ
erſt recht an/ und erfꝛeueten ſich Koͤnigin Sophia/ Lukrezia und Fuͤrſtin Sibylla von Her-
zen/ als die hoͤreten/ daß das liebe zuͤchtige Fraͤulein ſie mit dieſen Worten in lateiniſcher
Sprache anredete: Großmaͤchtigſte Koͤniginnen/ Durchleuchtigſte Fuͤrſtin; weil der al-
maͤchtige Gott mir dieſe Barmherzigkeit erzeiget/ uñ ihrer ſehr angenehmen Kundſchaft
mich gewirdiget hat/ als bitte ihre Liebden ich demuͤhtig/ ſie wollen meine gering-ſchatzige
Gegenwart ihnen nicht laſſen verdrießlich ſeyn/ ſondern ſich verſichern/ daß denen ſamt
und ſonders aufzuwarten ich begierig bin/ wie dann in meiner ſieben Woͤchigen Magd-
ſchaft ich viel geringern Leuten habe müſſen die Haͤnde kuͤſſen/ daß mich das Angeſicht da-
von geſchmerzet hat. Die lezten Worte bewaͤgeten die ganze Geſelſchaft zuweinen/ ſo daß
die Koͤniginnen ihr kein Wort antworten kunten/ ſondern an Stat der Rede ihr um den
Hals fielen/ uñ noch endlich Fr. Sophia zu dieſen kurzen Worten ſich zwang: Durchleuch-
tigſtes Koͤnigliches Fraͤulein/ herzallerliebſte Frl. Schweſter; unſerm Heilande JEſus
Chriſt ſey Lob und Preiß vor ihre Beſchuͤtz- und Erhaltung; wir unſers teils freuen uns
deſſen von ganzem Herzen/ freundſchweſterlich bittend/ ihre Liebe wolle mit ſo tiefen Ehr-
t t t terbie-
[698]Siebendes Buch.
erbietungen uns nicht beſchaͤmen/ ſondern die Freyheit uns goͤnnen/ daß wir derſelben als
einer hochbegabten Koͤniglichen Fraͤulein moͤgliche ſchweſterliche Dienſte/ Freundſchaft
und Liebe erzeigen koͤnnen. Valiſka hatte ſich zu ihr noch nicht genahet/ dann ſie wolte un-
ter dem Frauen Zimmer die letze ſeyn/ trat demnach zu ihr/ kuͤſſete ſie zum offtern auff ihr
annoch bleiches Muͤndlein/ und ſagte: O ihr mein tauſend Schaͤtzichen und herzallerlieb-
ſtes Schweſterchen/ warum habe ich nicht das Glük haben ſollen/ ihr groſſes Ungluͤk zu
wiſſen/ auff daß ich ein ſo tugendreiches Herz und volkommenes Muſter der auffrichtigen
Froͤmmigkeit und Demuht loßwirken/ und mich ihrer Schweſterlich annehmen moͤgen.
Nun/ ich habe auch Noht und Angſt verſuchet und geſchmecket/ aber ich dancke meinem
Gott noch darzu/ das er mir ſolches zugeſchicket hat/ dann ſonſt wuͤrde ich weder eure Liebe
noch mich ſelbſt/ noch einigen andern Menſchen haben erkennen koͤnnen. Zweifele auch
nicht/ mein allerliebſtes Seelichen werde dereins ſich nicht weniger uͤber dieſe Vaͤterliche
Zuͤchtigung Gottes Kindlich erfreuen/ weil ſolche viel boͤſes aus unſerm Herzen hinweg
ſchaffet/ und die kindliche Furcht gegen Gott in uns wirket/ daß wir im guten Gluͤk nicht
auffgeblaſen werden/ noch uns ſelbſt zukennen auffhoͤren/ ſondern ſtets gedenken/ daß der
Allmaͤchtige/ welcher uns ehmahls geſtaͤupet/ uns allemahl wieder finden koͤnne/ auch viel
ſchaͤrffer angreiffen/ als zuvor geſchehen. Iſt alſo/ mein herzen Schweſterchen dieſe Ruh-
te Gottes nichts anders/ als ein kraͤfftiger Teriak und Seelen Arzney/ welche die hefftigen
Zufaͤlle der angebohrnen Boßheit abhaͤlt/ daß ſie nicht das Herz gar einnehmen/ ſondern
wañ ſie auffſteigen/ vor ihren volkommenen Wirkungen abgeleitet werden. Ach wie ergetze
ich mich/ wann meine Seele es bey mir uͤberleget/ wie oft ich in Noht/ Gefahr und Angſt
geſtecket/ und dannoch allemahl meines Gottes und Heilandes Huͤlffe und Rettung genoſ-
ſen/ auch da ich ſein Feind noch wahr! wir wollen aber vordiſmahl keines ausgeſtandenen
Ungluͤks mehr gedenken/ ſondern uns miteinander uͤber unſer Erloͤſung herzlich ergetzen.
Das liebe Fraͤulein hoͤrete ihren andaͤchtigen Reden fleiſſig zu/ und antwortete ihr: Unveꝛ-
gleichliche Koͤnigin/ und wahres Ebenbild der Gottſeligkeit und volkommenen Tugend;
wie groſſe Hoffnung mache zu ihrer Hocheit ich mir/ wegen zukünftiger traͤu fleiſſiger Un-
terrichtung zum wahren ungefaͤrbeten Chriſtentuhm/ weil ſchon zum aller erſtenmahle ich
eine ſo koͤſtliche Herz Staͤrkung von ihrer hochgelehrten Zunge einnehme/ daß dieſelbe wol
nimmermehr aus meinem Herzen kom̄en wird/ auch ſolche heilſame geiſtliche Erquickung
lieber in ſteter Betrachtung erhalten/ als mit meinen ungeſchickten Reden beantworten
wil; nur allein bedanke ich mich vor diſmahl ſehr dienſtlich uñ von ganzem Herzen/ daß mei-
ne hoͤchſt gepreiſete Fr. Koͤnigin/ Waſe und Schweſter ſich um meine Wolfahrt ſo heftig
hat bemuͤhen wollen; bitte ſolche hohe Gewogenheit in ſteter Bluͤte zuerhalten/ und an mei-
ner Unvolkom̄enheit kein Mißfallen zutragen/ weil mein Herz und Seele/ ungeachtet die
Folge nicht dabey ſeyn kan/ ſich ſtets bemuͤhen wird/ meiner Gn. Fr. Koͤnigin und Schwe-
ſter nach aͤuſſerſter Moͤgligkeit auffwaͤrtig zu ſein. Ja mein Schweſterchen/ antwoꝛtete Va-
liſka/ ſie herzlich kuͤſſend/ wir wollen dieſe Hoͤfligkeiten den fremden überlaſſen/ wuͤrde mich
auch ſehr ſchmerzen/ wañ mein Schaͤtzichen an ſtat der ſo hochgewuͤnſcheten Vertrau-
ligkeit und Liebe mir Wortſpeiſe aufſetzen wolte. Herkules mengete ſich hieſelbſt ein/ um-
fing ſeine Frl. Schweſter Bruͤderlich/ und erboht ſich zu aller aufrichtigen Liebe. Als das
freund-
[699]Siebendes Buch.
freundliche Wilkommen/ welches in die anderthalb Stunden wehrete/ ein Ende genom̄en
hatte/ kunte das Fraͤulein nicht umhin/ an Leches zubegehren/ er moͤchte doch ihren lieben
Freund den getraͤuen frommen Wolfgang ihm beſtermaſſen laſſen befohlen ſeyn/ und ihn
fein unterweiſen/ wie er ſich bey hohen Leuten zubezeigen haͤtte. Sie ward von der Geſel-
ſchaft gebehten/ anzuzeigen/ was dieſer vor ein getraͤuer Menſch waͤhre/ der ſolcher Unter-
richtung beduͤrfte; woruͤber/ da ſie es kuͤrzlich erzaͤhlete/ was er bey ihr getahn haͤtte/ ſich al-
le Anweſende verwunderten/ und muſte ihn Leches herfuͤhren/ daß ſie ihn ſehen moͤchten.
Er entſetzete ſich gewaltig/ als er ſo viel Koͤnige und Koͤniginnen ſahe/ daß ihm die Farbe
und Rede verging; welches Valiſka merkend/ ihn mit dieſen freundlichen Worten anrede-
te. Wolfgang/ mein guter und lieber Freund; ihr ſollet euch vor dieſen groſſen Herren uñ
Frauen nicht entſetzen/ als bey deren Geſelſchaft ihr euch noch oft und viel werdet finden
laſſen/ ſondern ſollet alle unſtaͤndige Niedrigkeit eures Gemuͤhts ablegen/ und von gegen-
waͤrtigem Leches Bericht einnehmen/ wie ihr geliebts Gott/ morgen bey Empfahung der
Belohnung eurer redlichen Traͤue/ die wol aus einem recht adelichen und nicht aus ei-
nem baͤuriſchen Gemuͤht entſtanden/ euch verhalten ſollet. Ja mein frommer Wolfgang/
ſetzete das Fraͤulein hinzu/ verſichert euch nur daß ich eben dieſelbe in dieſem Koͤniglichen
Pracht gegen euch verbleiben werde/ die ich im Maͤgde-Kittel geweſen bin/ ohn daß wir
unſere getichtete Ehe aufruffen werden/ weil ich euꝛem gnaͤdigſten Großfuͤꝛſten und Herꝛn
nunmehr verſprochen bin/ nach welcher Aufruffung/ wie ich wol weiß/ euch eben ſo heftig
als mich verlanget hat. Wolfgang begrif ſich hierauf in etwas/ ſetzete ſich auf die Knie/ be-
dankete ſich aller Koͤniglichen Gnade/ und baht ſehr flehentlich/ ſie moͤchten doch ſeinem
groben Unverſtande und Baͤuriſcher Einfalt nicht groͤſſere Gnade auflegen/ als er ertra-
gen koͤnte/ und da ihm ja einige uͤber ſeine Wirdigkeit begegnen muͤſte/ wolte er dem Fraͤu-
lein in dieſer ihrer Koͤniglichen Hocheit ſeine eꝛſie unteꝛtaͤhnigſte Bitte vortꝛagen/ ſie moͤch-
te gnaͤdigſt erhalten/ daß ihm zuvor etliche Tage frey gegoͤñet wuͤrden/ ſich bey dem Hofe-
leben umzuſehen/ und von andern zufaſſen/ wie gegen Koͤnigen und Fuͤrſten er ſich verhal-
ten muͤſte/ welches ihm als einem Bauren und Haus Knechte allerdinge unbewuſt waͤhꝛe.
Die ganze Geſelſchaft legete ihm ſolches zur guten Vernunft auß/ wurden ihm auch drey
Tage Auffſchub gegoͤnnet/ in welcher kurzen Zeit Leches und Neklam ihn dergeſtalt anfuͤh-
reten/ daß er ſich adelich gnug zubezeigen wuſte/ und er nunmehr bey ſich befand/ daß es
beſſer waͤhre/ in ſolchem Stande zuleben/ als eines Buͤrgers Hausknecht zuſeyn. Dieſe
drey Tage uͤber wurden die 8 Reuter und der gefangene Reichard mit eſſen und trinken
wol gehalten/ wiewol dieſer ihm keine andere Rechnung machete/ als daß er eines grauſa-
men Todes wuͤrde ſterben muͤſſen. Sonſten beſtimmete Koͤnig Henrich noch dieſen A-
bend/ daß nach ſechs Tagen Fuͤrſt Arbianes und der Fraͤulein Beylager ſolte gehaltẽ weꝛ-
den/ gegen welche Zeit ſie der Roͤmiſchen Herren Ankunfft erwarteten. Wolffganges und
der Reuter Begnadigung ward des angeſezten Tages vorgenommen/ da Koͤnig Henrich
den erſten anfangs in den hohen Teutſchen Adel auffnam/ ihm Schild/ Helm und Wapen
gab/ nehmlich ein Huͤndichen/ welches ein Lamb bewahrete/ und oben auff dem Helm eine
Fahne/ in welcher ein gruͤner Lorbeerbaum ſtund/ mit dieſen Wortẽ: Der Traͤue Belohnung;
und nahm das Fraͤulein ihn alsbald zu ihrem Hofmeiſter an/ da ihm drey Reitpferde/ eine
t t t t ijGutſche
[700]Siebendes Buch.
Gutſche mit vier Pferden/ zween reitende Knechte/ ſo viel Gutſcher und zween Leibdiener
gehalten wurden/ ſo daß etliche des Adels ihm ſolches mißgoͤnneten/ und davoꝛ hielten/ die
Vergeltung waͤhre vor einen Bauren ſchier zu groß. Valiſka wolte ihm alsbald Neklams
Schweſter/ eine zuͤchtige ſchoͤne Jungfer von 18 Jahren/ freyen/ und die Braut mit 12000
Kronen ausſteurẽn; welche Heyraht ihm zwar ſehr angenehm war/ jedoch emſig anhielt/
daß biß auff ſeines alten Vettern Wittho Ankunfft das Beylager und die Trauung gnaͤ-
digſt moͤchte verſchoben werden/ welches das Fraͤulein ſelbſt vor gut anſahe/ und alsbald
Anſtalt machete/ daß eine Begleitung von 30 Reutern mit einer ledigen Gutſche nach
Frießland gehen/ und den alten Wittho nebeſt ſeinem ungerahtenen Sohn Gerd nach
Prag hohlen ſolten/ auch ihm dabey anzeigen/ wann er ſonſt noch andere ſeine Verwantẽ
gerne wolte befodert haben/ ihm frey ſtunde/ ſolche mit uͤberzubringen; Koͤnig Baldrich
lleß zugleich einen Befehl an die Landſtaͤnde abgehen/ daß alle Inwohner des Dorffes/ wo-
ſelbſt das Fraͤulein bey Wittho gelegen/ ſolten vorgefodert/ und der Rohtbart wegen ſeiner
begangenen ſehr vermuhtlichen Mordtahten ſcharff befraget/ auch nach Befindung ſamt
allen Mitſchuldigen/ andern zum abſcheuhlichen Beyſpiel mit dem Rade geſtoſſen/ und
darauff gelegt werden. Die 8 Reuter/ deren noch keiner uͤber 21 Jahr alt wahr/ hatten die-
ſen Morgen ſchon neue Kleider mit Golde ſtark verbremet bekommen/ in welchen ſie nebſt
Wolffgang erſcheinen muſten/ da Arbianes ſie alſo anredete: Ihr redliche Reuter und lie-
be getraͤue; es iſt der Tag eures Glückes erſchienen/ da ihr erfahren/ ſehen und genieſſen
muͤſſet/ was ehrliche und getraͤue Dienſte vor Belohnung zugewarten haben. Ihr habe
das Durchleuchtigſte Koͤnigliche Fraͤulein/ meine Vertrauete/ aus ihrer Dienſtbarkeit
geführet ſie auff dem Wege begleitet/ Unheil nach Vermoͤgen von ihr abgewand/ uñ euch
nichts von ihrem Schutze abſchrecken laſſen; des ſol euch/ ihrem Fuͤrſtlichem Verſprechẽ
nach begegnen/ was ihr begehret; und damit ihr ſehen moͤget/ was vor angenehme Dien-
ſte ihr mir hiedurch geleiſtet habet/ als wird der aͤdle Wolffgang von Frieſentahl (dieſer
Zunahme ward ihm von dem Fraͤulein gegeben) euch eine Tonne Schaz zum erſten
Gnadenpfennige baar austeilen/ jedem drey Reitpferde/ zween Reitknechte und einen Leib-
diener zuſtellen/ und mit monatlichem Solde verſehen; geliebet euch nun meiner gnaͤdigẽ
Anerbietung zugebrauchen/ ſollet ihr von mir anfangs vor meine Hof Junkern beſtellet/
und alsbald in den Adelſtand auffgenommen werden; wo nicht/ wird man euch noch ſo
viel Baarſchaft nebeſt andern Verehrungen zuſtellen/ und euch nach belieben zihen laſſen/
wohin ihr begehret. Dieſe bedanketen ſich aller angebohtenen Gnade mit einem Fuß falle/
und erklaͤreten ſich einhellig/ in ihrer Großfuͤrſtl. Durchleuchtigkeit Dienſten zuleben und
ſterben/ wiewol der angebohtenen Hofbeſtallung und des Adelſtandes ſie ſich allerdinge
unwerd ſchaͤtzeten. Es geſchahe dieſes alles im foͤrderſten Schloß Platze/ da die Henkers-
Buben mit dem gefangenen Reichard in einem Winkel ſtehen/ und dieſer ſolches alles an-
ſehen und anhoͤren muſte. Nach der Hochfuͤrſtlichen Geſelſchafft Abtrit ward daſelbſt
ein Gericht gehaͤget uͤber den armen Suͤnder Reichard/ da Wolffgang und die 8 Reuter
nahe dabey ſtehen/ Leches abeꝛ auff dem Richterſtuel ihm dieſe Urtel vorhalten muſte: Er
wuͤrde ohn einiges leugnen geſtehen/ was geſtalt er ſich durch ſeine verteufelte faſt uner-
hoͤrte Boßheit und wahnſinnigen uͤbermuht haͤtte laſſen verleiten/ einem Hochfürſtlichen
Fraͤu-
[701]Siebendes Buch
Fraͤulein (welches ihm nicht unbewuſt geweſen) nach Ehr und Keuſcheit zuſtreben; wo-
durch er dann verdienet/ daß er andern ſeines gleichen Buben zur Warnung und Beyſpiel
abgeſtraffet wuͤrde/ und zwar auff dieſe weiſe: Daß ſein ſchandſuͤchtiger Leib an allen ſei-
nen Gliedern ſolte mit einem Rade durch des Henkers Hand zuſtoſſen/ und hernach den
Raben zur Speiſe darauff gelegt werden; worzu er ſich nach Verlauff drey Stunden ſol-
te gefaſſet halten/ weil er aus bloſſem vorſezlichen und muhtwilligen Frevel ein ſolches lie-
ber haͤtte verdienen/ als der hochverſprochenen Fuͤrſtlichen Vergeltung abwarten wollẽ.
Er erblaſſete anfangs in etwas über der harten Straffe/ jedoch verging ihm ſolches gar
bald/ ſtellete ſich ſtandhafftig und unerſchrocken/ und gab dieſe Antwort: Ja Herr Richter/
ich erkenne und bekenne/ daß durch meine vorſezliche Boßheit ich dieſe Straffe wol verdie-
net habe/ und aller Begnadigung unwirdig bin/ die mir ſonſten/ wann ich meine unbilliche
Begierden haͤtte bendigen wollen/ mit groͤſſer maſſe als meinen Reutern wuͤrde zugewen-
det worden ſeyn; wil demnach die Volſtreckung eurer Urtel mit moͤglichſter Standhaff-
tigkeit uͤber mich nehmen/ und vor die Bosheit leiden/ weil ich durch Tugend mich nicht
habe wollen verdienet machen; nur allein bitte ich untertaͤhnigſt/ dz das Koͤnigliche Fraͤu-
lein mir nach meinem Tode vergeben wolle; und daß meinen lieben Eltern und Anver-
wanten dieſe meine ſchaͤndliche Hinrichtung nicht moͤge kund gemacht werden. Wolf-
gang/ wie ihm befohlen wahr/ fragete ihn/ ob er dann nicht umb Gnade anhalten wolte;
es koͤnte geſchehen/ daß ſeine demuͤhtige Bitte das Koͤnigliche Fraͤulein und die ganze Koͤ-
nigliche Geſelſchafft bewaͤgen moͤchte/ ihm auffs wenigſte einen gelinderen Tod auffzule-
gen/ erboht ſich auch/ ihm hierin gerne zudienen/ weil er ihm ſchon von Herzen die ihm an-
gelegte Verwundung vergeben haͤtte. Worauff er antwortete: Euer Herz/ mein Freund/
muß gewißlich eine Wohnung vieler herlichen Tugenden ſeyn; und wolte Gott/ daß in
meiner Kindheit ich durch Verzaͤrtelung nicht zum Muhtwillen veranlaſſet waͤhre/ haͤtte
ich auch etwas gutes verrichten koͤnnen/ welche Reue aber nunmehr zuſpaͤte iſt. Ich ge-
dachte/ ihr haͤttet euch hieher geſtellet/ umb an meiner Verurteilung und Hinrichtung
euer Herz und Augen zubeluſtigen/ und muß nun hoͤren/ daß ſolches aus Erbarmung ge-
ſchehen iſt/ ja ihr noch vor mich bitten wollet/ welches ich umb euch gar nicht verdienet ha-
be. Die Goͤtter verleihen euch davor alle Gluͤkſeligkeit/ die einem Menſchen zufallen kan;
Ich bedanke mich von Herzen/ nicht allein vor dieſe Gewogenheit/ ſondern daß durch eu-
re Vorſorge ihr das übel verhuͤtet/ welches ich zubegehen willens wahr. Jedoch/ wollet
ihr auch noch ſolcher geſtalt eure Tugend ſcheinen laſſen/ und euch bemuͤhen/ bey dem Koͤ-
niglichen Fraͤulein zuerhalten/ daß mein Leib in die Erde verſcharret werde/ wil ich den
Tod/ auff was weiſe er mir zugeſprochen iſt/ gerne und froͤlich ausſtehen/ und die Goͤtter
bitten/ daß ſie euch ſolche Guttaht unvergolten nicht laſſen. Als die Koͤnigliche Geſelſchaft
dieſe Erklaͤrung vernam/ ſagte Herkules: Der Menſch iſt der Gnade wert/ und wird ohn
zweifel zum feinen Manne gedeten; doch weil ich weiß/ daß meine Frl. Schweſter ihn vor
Augen nicht leiden kan/ iſt mein Bedenken/ daß man ihm ſeine angewante Koſten nebeſt
einer Verehrung/ die doch in unſerm Nahmen nicht geſchehen muß/ zuwende. Und als ſie
alle einwilligten/ auch das Fraͤulein ſelbſt auff Arbianes einreden ſich ſein erbarmete/ in
Betrachtung des guten/ das er gleichwol bey ihr getahn hatte/ wolte Herkules ſein Ge-
t t t t iijmüht
[702]Siebendes Buch.
muͤht noch etwas beſſer pruͤfen/ und begehrete/ daß ein gar ungeſtaltes Menſch in ihrem
Sudelkleide (dann ſie wahr in der Geſindes-Kuͤche Schuͤſſelwaͤſcherin) nach dem Ge-
richte gehen/ und/ noch ehe Wolffgang die Gnade brachte/ dem Richter Leches vortragen
muſte/ ſie haͤtte bey Koͤnigin Valiſka gleich jetzo bitlich erhalten/ daß man ihr dieſen verur-
teileten jungen Mann allergnaͤdigſt zum Ehegatten geben/ und ihm Leben und Freyheit
ſchenken moͤchte/ da ſie bereit waͤhre/ mit ihm in das Elende ſich hinſchicken zulaſſen/ und
ſie ſich mit einander wol ernaͤhren wolten. Leches enderte darauff die Urtel alsbald/ und
ſchenkete ihm unter dieſer Bedingung das Leben. Er aber trat hin zu der heßlichen Dirne/
und nachdem er ſie wol beſchauet hatte/ ließ er einen tieffen Seuffzen aus dem innerſten
ſeines Herzen gehen/ und ſagte zu ihr: Gutes Menſch/ was haſtu von mir je gutes em-
pfangen/ daß du dich mein ſo traͤulich annehmen/ und mich vom Tode erloͤſen wilt? Zohe
hierauff 6 Kronen heraus/ ſprechend: Dieſes hatte ich dem Nachrichter zur Verehrung
ganz zugedacht/ wil es aber teilen/ und euch die Helffte ſchenken/ mit Bitte/ ſolches vor eu-
ren guten Willen vor lieb zunehmen; reichete ihr ſolches dar/ und fing zu dem Richter alſo
an: Ob zwar kein Ding in der ganzen Welt einem Menſchen angenehmer ſeyn kan/ als
das Leben/ und mannicher/ daſſelbe zuerretten/ wol eine Verheiſſung tuhn wuͤrde/ die er zu
halten nicht gemeinet waͤhre; ſo iſt doch nunmehr/ Gott Lob/ mein unbewaͤglicher Sinn
und Vorſaz/ entweder ehrlich und redlich zu leben und handeln/ oder bald zu ſterben; und
weil ich ſehe und merke/ daß zu dieſem guten frommen Maͤdchen ich ein ſolches Herz nicht
tragen kan/ daß ich ihr getraͤu bliebe/ wil ich immerhin ſterben/ damit ich nicht veranlaſſet
werde/ auffs neue zu ſuͤndigen. Wie ſo? fing die Dirne an; warumb woltet ihr nicht liebeꝛ
euch mit mir verehlichen/ als unter des Buͤttels Hand einen ſo abſcheulichen Tod leiden?
ich bin ja/ ohn ruhm zu melden/ noch Menſch gnug/ und aͤrgert euch nicht an dieſem mei-
nen ſchmutzigen Kittel/ mit welchem ich aus der Kuͤche von meiner arbeit hergelauffen bin/
ich habe noch andere ſaͤuberliche Kleider/ meinem Stande gemaͤß/ und uͤber die hundert
Gulden durch meine ſaure arbeit verdienet/ die wil ich euch geben/ uñ werde ich in meinen
Feirkleidern euch ſchon beſſer gefallen. Ach mein gutes Maͤdchen/ antwortete er/ ſeid ge-
behten/ und bekuͤmmert euch ferner nicht umb meinen Tod/ welchen ich wol veꝛſchuldet ha-
be; danket auch dem Him̃el/ daß ich nicht ein ſolcher bin/ der aus begierde des Lebens/ euch
zu aͤffen bedacht waͤhre/ und euch hernach im elende wolte ſitzen laſſen; die Goͤtter werden
euch ſchon denſelben zum Manne beſcheren/ den ſie euch auserſehen haben. Wolfgang
kam gleich darzu/ umb zuvernehmen weſſen er ſich erklaͤret haͤtte; da die Dirne Reichartẽ
dieſe Antwort gab. Mein Liebſter/ wiſſet ihr dann nicht/ daß man euch mit dem Rade alle
eure Knochen entzwey ſtoſſen ſol! O wie werdet ihr es bereuen/ daß ihr dieſe meine Liebe
ausgeſchlagen habet/ wann euch nun der erſte Stoß gegeben wird/ und gedenket nur nicht/
daß ich euch alsdañ loß bitten werde. Ihr ſollet/ gute Freundin aller dieſer Anſprache von
mir wol enthoben ſeyn/ ſagte Reichard/ die Goͤtter nehmen euch in ihren Schuz. Kehrete
ſich nach Wolfgang/ und ſagete: Mein Freund/ habt ihr mir die Gnade der beerdigung
erhalten? Ja/ ſagte er/ dieſelbe iſt euch ganz richtig erteilet/ aber ihr werdet vernommen ha-
ben/ daß dieſe gute Dirne euch viel eine groͤſſere/ nehmlich/ Leben und Freiheit erbehten hat.
Nein/ mein Wolfgang ſagte er/ ich wil nun gerne ſterben/ damit ich nicht an dieſem from-
men
[703]Siebendes Buch.
men Maͤdchen zum Schelme werde. Da haͤtte man nun dieſe Dirne hoͤren ſollen/ wie ſie
mit ſchelten und ſchmaͤhen auff ihn anſetzete; Je du Galgenſchwengel/ du Henkermaͤſſiger
Bube/ ſagte ſie/ biſt nicht wert/ daß ein ehrlich Maͤdchen ſich dein erbarme/ oder einigen
willen zu dir trage; pfui mich an/ daß ich durch deine aͤuſſerliche geſtalt mich habe bewaͤgen
laſſen/ dich loß zu bitten/ ich werde doch nun und nimmermehr keinen Mann bekom̃en koͤn-
nen/ dann jederman wird mirs vorhalten/ ein zum Radebrechen verurteileter armer Suͤn-
der/ habe lieber alſo hingerichtet ſeyn wollen/ als mich zur Frauen nehmen; fing auch ein
ſolches gehaͤule an/ daß die Zuſeher deſſen gnug lacheten/ und alſo ging ſie nach dem inner-
ſten Platze/ woſelbſt die Koͤnigliche Geſelſchaft auff einem Luſtgange bey einander ſaſſen.
Valiſka wahr dieſer Magd zimlich gewogen/ maſſen ſie wol 16 Jahr in der Kuͤchen gedie-
net/ und ihr Winterzim̄er hatte pflegen einzuheitzen/ daß ſie nunmehr von 36 Jahren wahr;
als ſie nun dieſelbe alſo heulen ſahe/ fragete ſie/ was ihr begegnet waͤhre. O Gn. Koͤnigin/
der Schelm uñ Dieb wil mich nicht haben/ antwortete ſie/ ſondern viel lieber ſterben. Va-
liſka lachete deſſen/ und ſagete: Gib dich zu frieden du ſolt noch wol einen beſſern Mann be-
kommen/ ſo viel Brautſchaz habe ich dir zugedacht; worauff ſie ſich dañ endlich ſtillen ließ.
Die Fũrſtliche Geſelſchaft kunte ſich uͤber Reichards erklaͤrung nicht gnug verwundern/
inſonderheit/ als Leches kam/ und ihnen ſeine Worte vortrug. Gewißlich/ ſagete Koͤnig
Henrich/ dieſer Bube duͤrfte noch ſo gut werden/ als ſchlim er bißher geweſen iſt/ daher laſ-
ſe man ihn lauffen/ und daß nach zweijaͤhriger fꝛiſt er ſich/ mit aufflegung eines ſchriftlichen
Zeugnis ſeines verhaltens/ bey mir anmelde/ alsdann ſol er von mir einer Gnade gewaͤrtig
ſeyn. Herkules rieff Leches zu ſich/ und legete ihn in den Mund/ was er anfangs mit Wolf-
gang/ hernach zu Reichard reden ſolte; welcher ſich wieder auff den Richterſtuel ſetzend
alſo anfing: Reichard/ deine anfangs erwieſene Dienſte/ ſamt der jetzigen Reue/ die du uͤber
deine begangene Bosheit traͤgeſt/ haben die verſamleten Großmaͤchtigſten Koͤnige zu die-
ſer hohen Gnade bewogen/ daß die Straffe/ welche deiner eigenen Bekaͤntnis nach/ du wol
verdienet/ ſol gemiltert werden/ wie ich hernach anzeigen wil. Damit aber dein frommer
Vater/ wegen der Koͤniglichen Fraͤulein nicht umb das ſeine komme/ wil ich wiſſen/ wie
groſſe Koſten du zu deren Erloͤſung angewendet habeſt. Dieſer gedachte noch nicht/ daß er
mit dem Leben davon kommen würde/ und antwortete: Mein Herr/ wie ergetzet es meine
Seele/ daß noch vor meinem betrübten Ende ich vernehmen ſol/ daß man meinem lieben
Vater das ausgelegete wieder zuſtellẽ wil; daſſelbe nun belaͤuft ſich alles in allem auf 2000
Kronen/ und etwas weniger; koͤnte aber ich elender Menſch ſo bitſelig ſeyn/ daß ſolche Gel-
der/ weil es ohndas mein vaͤterliches Erbe iſt/ dem frommen Maͤdchen/ ſo mich loßbitten
wollen/ gegeben/ und ich dagegen mit dem Schwerte begnadet wuͤrde/ zweifele ich nicht/ die
Goͤtter wuͤrden alles beydes mit reicher vergeltung erſtatten; doch ſolte mein Herr Richteꝛ
davor halten/ daß durch dieſes anſuchen ich das Koͤnigliche Fraͤulein zum Wiederwillen
reizen wuͤrde/ wolle er deſſen nur nicht gedenken. Es faͤlt mir aber gleich ein/ daß die Gut-
ſche mit den Pferden in die jeztgemeldete Rechnung nicht gehoͤren. Leches tꝛug groſſes mit-
leiden mit dieſem Menſchen/ ging abermahl mit Wolfgang zu der Koͤniglichen Geſelſchaft/
und zeigete dieſer dem Fraͤulein an/ ihm waͤhre bewuſt/ daß Reichard in ſeiner Landſtad ei-
nes ehrlichen Mannes Tochter durch heimlichen Nohtzwang entehret/ und ſie durch vor-
ſtellung
[704]Siebendes Buch.
ſtellung ihrer Schande/ wann ſie es ruchtbar machen wuͤrde geſchweiget haͤtte; hielte da-
vor/ wann man ihm geboͤhte/ dieſelbe zu heyrahten/ wuͤrde er ſolches gehorſamlich leiſten.
Kennet ihr das gute Menſch? fragete das Fraͤulein. Ja/ ſagte er/ ich habe in ihres Vaters
Hauſe etliche Tage Holz gehacket/ und ſie geſehen/ daß allenthalben da ſie ging/ ihr die Au-
gen vol Traͤhnen ſtunden/ und mannichen elenden Seufzer von ſich ließ. Das Fraͤulein
ſagete; tuht alles/ weſſen ihr ſchon befehlichet ſeid/ und gebet ihm darzu noch 1000 Kronen/
welche er der redlichen Dirnen meinetwegen ſchenken ſol/ unter dem einwenden/ daß ich
ihr gewogen ſey/ weil ihr mir ihre froͤmmigkeit geruͤhmet habet. Alſo ging Wolfgang hin
zu Reichard/ der mit ſeinen acht Reutern ein Geſpraͤch hielt/ und ſie vermahnete/ daß ſie
ſich an ihm ſpiegeln/ und durch kein ding in der Welt ſich zur Untraͤu oder andern Untu-
genden ſolten verführen laſſen; welches ſie von ihm nicht ohn groſſes mitleiden anhoͤreten/
weil ſie ſich erinnerten/ daß er dannoch alles ihres Gluͤks die erſte warhafte Urſach waͤhre.
Wolfgang ſtoͤrete dieſes Geſpraͤch/ da er ihn alſo anredete: Sehet da Reichard/ die groſſe
Koͤnigin/ Fr. Valiſka/ welche dem Koͤniglichen Fraͤulein inſonderheit ergeben/ und dañoch
mit eurem Unfal/ darin euch gutenteils eure unbedachtſamkeit geſtuͤrtzet/ groſſes mitleiden
traͤget/ hat mir die 3000 Kronen zugeſtellet/ welche eurem Vater ihretwegen ſollen uͤber-
gebracht werden; und nun hoͤret die begnadigung und erfreuet euch derſelben; euer ſchlim-
mes verbrechen ſol euch vergeben ſeyn/ Leben/ Freiheit/ und ehrlicher Nahme wird euch ge-
ſchenket/ wiewol mit dieſeꝛ bedingung/ daß wo man erfahren wuͤrde/ daß ihꝛ von neuen wie-
der Ehrbarkeit handeltet/ werdet ihr in die ausgeſprochene Urtel und Straffe verfallen
ſeyn; koͤnnet ihr aber nach verlauff zwey Jahren dem Großmaͤchtigſten Koͤnige/ Herrn
Henrich ein ſchriftliches Zeugnis aufflegen/ daß ihr ehrlich gelebet und der Tugend nach-
geſtrebet/ ſollet bey ſeiner Koͤnigl. Hocheit ihr euch angeben/ und einer Gnade gewaͤrtig
ſeyn: aber vor dißmahl ſollet ihr bey Sonnenſchein/ dieſes/ und aller gegenwaͤrtigen Koͤ-
nige und Furſten ihre Laͤnder raͤumen/ und euch nach eurem Vaterlande erheben/ dieſes zu
leiſten/ was mein gnaͤdigſtes Fraͤulein euch hiemit aufflegt; nehmlich/ ſie hat Zeit ihrer
Magdſchaft ohngefehr vernommen/ daß ihr eines ehrlichen Mannes frommes Kind ſollet
ſchaͤndlich hintergangen und betrogen haben/ die ſollet und muͤſſet ihr durch aus ehelichen/
oder aller ſchon verſprochenen Gnade verluſtig ſeyn. Was ſaget ihr darzu? Ja mein
Freund/ antwortete er/ ich geſtehe und beraͤue dieſe meine Miſſetaht/ und wil von ganzer
Seelen dieſes Verbrechen durch folgende Heyraht gerne wieder gut machen/ nur bitte ich
untertaͤhnigſt/ daß vor dem Beylager mir moͤge verguͤnſtiget ſeyn/ mich ein Jahrlang in
fremden Laͤndern zuverſuchen/ ob durch eine ruͤhmliche Taht ich meine groſſe Schande in
etwas abwiſchen koͤnte. Ich hoffe euch ſolches noch wol loßzumachen/ ſagete Wolfgang/
aber es mus mit einwilligung euer Braut geſchehen. Weiters hat der Mediſche Groß-
Fuͤrſt/ Herr Arbianes/ der Koͤnigl. Fraͤulein verſprochener Braͤutigam/ mir noch 3000
Kronen zugeſtellet/ welche ihr in ſeiner Durchl. Nahmen/ eurem Vater ſollet einhaͤndigen/
als zur Dankſagung vor eure ausruͤſtung. Hieruͤber werde ich euch noch 1000 Kronen
wegen meiner Gn. Fraͤulein einreichen/ welche ihr euer Braut ihretwegen mit uͤberneh-
men ſollet/ bloß darumb/ daß deren groſſe froͤmmigkeit ihrer Gn. iſt geruͤhmet worden/ wor-
zu ich noch 200 Kronen vor mein Haͤupt legen wil/ darumb daß ſie bey meiner Arbeit mir
etli-
[705]Siebendes Buch.
etliche mahl einen guten Labetrunk hat zukom̃en laſſen. Zwar euer verbrechen hindert/ daß
euch ſelbſt kein Fuͤrſtliches Geſchenk mag gegebẽ werden; jedoch habe ich durch einen Fuß-
fal erhalten/ daß mir und dieſen meinen acht Geſellen frey ſtehet/ euch unſerer gewogenheit
nach/ eine moͤgliche Verehrung zu tuhn/ da wir dann euch 9000 Kronen von unſern em-
pfangenẽ Gnaden-geldern ſchenken/ uñ uns zu aller moͤglichen Freundſchaft verbindẽ wol-
len. Er hatte dieſes kaum ausgeredet da ſchickete Leches ihm 3000 Kronen/ welche er Rei-
charden ſeinetwegen zuſtellen ſolte/ nebeſt deꝛ Vermahnung dz er hinfuͤro alle untugend aus
ſeinem Herzen verbañete/ und der Erbarkeit nachſetzete/ alsdañ wuͤrde er nicht allein voͤllige
vergebung/ ſondern noch wol anſehnliche Befoderung bey Koͤnig Herkules haben koͤnnen/
deſſen Hocheit ihm ohndz nit ungewogen waͤhre. Die acht Reuter redetẽ ihm auch freund-
lich zu/ und lieferten ihm 12000 Kronẽ/ welche er ihren armẽ uñ duͤrftigen Elteꝛn mit übeꝛ-
nehmẽ moͤchte/ als welche alle in der naͤhe bey ſeiner Heimat/ etliche auch gar in ſeineꝛ Land-
ſtad wohnetẽ. Reichard entſetzete ſich vor ſo groſſen Geſchenkẽ/ welcher nunmehr die Boß-
heit in ſeinẽ Herzen verſchworen hatte/ leiſtete einen demuͤhtigen Fußfal in ſeinen Ketten/
erkennete/ daß er der erteileten Koͤniglichen Gnade allerdinge unwirdig waͤhre/ wolte aber
Zeit ſeines lebens nicht auffhoͤren daran zugedenken/ und entweder ritterlich ſterben/ oder
einen beſſern Nahmen als bißher/ erwerben; dankete nachgehends Wolffgangen ſehr uñ
ſeinen geweſenen Reutern/ und gab ihnen zuverſtehen/ wie er geſinnet waͤhre/ ſich mit 50
Pferden auszurüſten/ ſo bald er wuͤrde zu Hauſe angelanget ſeyn/ und nach Ehren zuſtre-
ben/ weil er ſeine Gelder nicht wuͤſte beſſer anzulegen. Seinen Gutſcher/ der wegen dieſer
Begnadigung ſich hoͤchlich erfreuete/ foderte das Fraͤulein durch Wolffgangen vor ſich/
ruͤhmete/ daß er wol gefahren haͤtte/ und ſchenkete ihm 1000 Kronen/ da ſie ihm frey ſtelle-
te/ ob er bey ihr bleiben/ und ihr Leib Gutſcher ſeyn/ oder lieber zu ſeinem vorigen Herrn zi-
hen wolte. Er gab zur Antwort: Er koͤnte zwar ſein Lebelang keinen beſſern Herrn bekom-
men/ weil er aber ſich mit einem frommen redlichen Maͤdchen in Reichards Land Stad
verlobet haͤtte/ wolte er derſelben gerne ſein Wort halten/ wann er nur zu ſeinem vorigen
Herrn/ umb daß er deſſen Gutſche und Pferde ohn ſein wiſſen mitgenommen/ wieder kom-
men duͤrffte. Welche Erklaͤrung Arbianes ſo wol gefiel/ dz er ihm noch 1000 Kronen ver-
ehrete/ und daß er Pferde und Gutſchen wieder dahin bringen ſolte. Reichard wolte mit
dem Gutſcher alsbald aufbrechen/ uñ davon ſcheiden/ aber ihm ward gebohten/ dieſe Nacht
auff dem naͤheſten Dorffe zubleiben/ dahin das Fraͤulein ihm etliche Sachẽ/ an Fr. Mech-
tild Kinder mit uͤberzunehmen/ zuſchicken wolte. Hiebey erinnerte er ſich/ man moͤchte da-
heim/ wegen der Fraͤulein gewaltſamen Entfuͤhrung auff ihm einen Argwohn geworffen
haben/ woruͤber er in Lebensgefahr gerahten duͤrffte/ welches er Wolffgang zuverſtehen
gab/ und darauff von Koͤnig Herkules an den Stathalter zu Koͤlln eine Vorſchrifft be-
kam. Das Fraͤulein legte alle heimlich und oͤffentlich entwendete Geſchmeide zuſam̄en/ es
Jungfer Adelheit wieder zuzuſtellen/ legte dabey 4000 Kronen vor dieſelbe/ 3000 Kronen/
vor deren mittelſte Schweſter Adelwald/ und gleich ſo viel vor die jüngſte Adelgund; wie
auch vor einer jeden ein ſchoͤn Kleinot und drey Ringe hohes Werts/ und dabey dieſen
Brief:


u u u uSonders
[706]Siebendes Buch.

Sonders liebe Freundin/ Jungfer Alheid/ eurer unbarmherzigen Mutter ehmahlige armſeli-
ge Magd und Naͤhterin Armgart/ ſonſten vor dem/ und Gott lob nunmehr wieder/ gebohrnes Koͤnig-
liches Fraͤulein aus Teutſchland/ Frl. Klara/ bedancket ſich nochmahls alles geleiſteten guten Willen/
ſendet ihr alle heimlich und offentlich entwendete Geſchmeide unverſehret wieder/ nebeſt 10000. Kro-
nen/ und etliche Kleinot Gnaden-Gelder/ ihr und ihren beyden Schweſtern neheſt begruͤſſung/ und
ſtellet ihnen allen dreyen frey/ zu ihr nach Prag zukommen/ und ihrer Koͤniglichen Hochzeit/ welche
ſie mit dem Durchl. Großfuͤrſten Herꝛ Arbianes aus Meden ſchier zu halten entſchloſſen iſt/ bey-
zuwohnen/ da ihnen alle Gnade und milde Koͤnigliche Woltaht wiederfahren ſol. Zwar es waͤhre mir
gar ein leichtes/ mich noch weiters an eurer grauſamen Mutter/ und ehebrecheriſchen Vater gebuͤhr-
lich zu raͤchen/ aber aus lauter Gnade ſol ihnen verziehen ſeyn/ wiewol ich nicht ungerne geſehen haͤt-
te/ daß euer Vater den Pruͤgel wegen ſeines huhriſchen Herzens/ gleich eurer Mutter koſten moͤgen/
damit eins dem andern nichts vorwerffen duͤrffte/ doch weil mir der Zorn nunmehr vergangen/ mag
er ſo hinlauffen/ und ſich beſſern. Gehabt euch wol und beſucht mich kuͤhnlich nach eurem belieben 3
inſonderheit gruͤſſet mir die kleine Adelgund/ als welche durch ihre Gegenwart eures ſchlimmen Va-
ters unkeuſches Vorhaben (welches/ da ers vollendet haͤtte/ ihm und allen den ſeinen den Halß wuͤrde
verluſtig gemacht haben) guten teils abgewendet und verhindert hat. Ich bin und verbleibe eure und
eurer beyden Schweſtern gute Freundin Klara/ Koͤnigliches Fraͤulein aus Teutſchland/ verſpro-
cheue Großfuͤrſtin in Meden.


Wir haben bißdaher die wol zupruͤgelte Frau Mechtild mit ihrer Angſt-vollen Tochter
auf ihrem Wagen im Puſche verlaſſen/ welche nach Wolfganges Abſcheid gerne alsbald
wieder nach Hauſe gefahren waͤhren/ aber die Draͤuung hielt ſie zuruͤk/ und daß ſie keinen
Fuhrmann hatten/ daher ſie den Tag und die Nacht daſelbſt außhieltẽ/ und noch ihr beſtes
wahr/ daß ſie Eſſen und Trinken gnug bey ſich hatten. Die Nacht wehrete ihnen ſehr lan-
ge/ und empfand das Weib uͤberaus groſſe Schmerzen wegen der Pruͤgelung/ weil ſie kei-
ne Salbe zur Linderung bey ſich hatte. Daß ihre Armgart ein Fuͤrſtliches Fraͤulein ſeyn
ſolte/ wolte ihr in den Kopff nicht/ wie wol die Tochter ſolches gerne glaͤubete/ weil
ſie nur mit einer angeſtrichenen Farbe ſich ſo heßlich gemacht/ und vor dem Abzuge
ihre wunder zarten Haͤnde/ Hals und Angeſicht ihr haͤtte ſehen laſſen. Aber die Mutter ſa-
gete; Ey was Fraͤulein/ lag ſie doch faſt alle Nacht bey dem Baurflegel Wolfgang/ den ſie
ſelbſt ihren Mann nennete. Nein herzen Mutter/ antwortete ſie/ ich erinnere mich/ daß un-
ſere Haußmagd etlichemahl mir angezeiget hat/ daß ſie allemahl nur eine Schlafſtelle in ih-
rem Bette gefunden/ und alſo der Baur ſich ohn Zweifel auf der bloſſen Erde hat behelfen
muͤſſen. Sie ſey wer ſie wolle/ ſagte die Mutter; haͤtte ich aber gewuſt/ daß ich dieſe ſchmertz-
hafte Pruͤgelung von ihr ſollen gewaͤrtig ſeyn/ wolte ich ihr den Hals zubꝛochen haben. Ach
liebe Mutter/ ſagte ſie/ ihr ſeid auch alzu hart mit ihr geweſen dann ungeachtet ſie kein Au-
genblik bey ihrer Arbeit ſeumete/ ſuchetet ihr doch allemahl Uhrſach an ſie/ daß michs oft
gejammert hat. Was wiltu junge Metze mich auch noch rechtfaͤrtigen? ſagte die Mutter;
waͤhre ich meiner Haͤnde maͤchtig/ ich wolte dir das weiſe Maul dergeſtalt zurichten/ daß
du es auff ein andermahl ſchon halten ſolteſt. Ich ſage nichts ungebuͤhrliches/ ſagte die
Tochter/ und gebe der Himmel/ daß wir nicht von dieſem Fuͤrſtlichen Fraͤulein noch eine
groͤſſere Straffe zugewarten haben. Und ach ach! was muß doch mein Vater ihr vor Un-
gebuͤhrligkeit angemuhtet haben/ davon das kleine Kind geſtern zuſagen wuſte? dein Va-
ter iſt ein alter verhuhreter Bube/ antwortete ſie/ und haͤtte ihm wol goͤnnen moͤgen/ daß er
davor
[707]Siebendes Buch.
davor von den Reutern rechtſchaffen abgeſchmieret waͤhre. Sie brachten den Tag mit ih-
rem Geſpraͤche hin/ und die Nacht ſchlief die junge Tochter hindurch/ welches der Mutter
wegen ihrer Schmerzen fehlete; fruͤh morgens aber bemuͤheten ſie ſich ſo viel/ daß ſie den
Wagen mit den Pferden umwendeten nach dem Wege daher ſie kommen wahren/ da dañ
die Pferde aus hunger im vollem Lauff davon ſprungen/ und groß wunder wahr/ daß ſie dẽ
Wagen nicht in Stūcken lieffen; ſie fehleten doch des rechten Weges nicht/ und kahmen
noch vor Mittages vor dem Stad Tohr an/ gleich da ihr Fuhrmann ſich auch daſelbſt fin-
den ließ. Als ſie zu Hauſe anlangeten/ muſte ſich die Mutter von dem Wagen heben laſſen/
die ſich erſt mit ihrem Manne auffs neue uͤberwarff/ auslauterm Eiſer/ daß er nicht glei-
chen Lohn mit ihr empfangen hatte. Sie ſinneten fleiſſig nach/ wer doch immermehr ſo
verwaͤgen ſeyn duͤrffen/ gewaltſame Hand an ſie zulegen/ erfuhren/ daß gleich denſelben
Tag Reichard mit ſeinen Reutern davon gezogen waͤhre/ in deſſen Vaters Hauſe Wolff-
gang ſein meiſtes Weſen gehabt hatte/ daher ſie denſelben in ſtarken Verdacht zogen.


Als nun Reichard zu Hauſe anlangete/ hatte er mit dem Gutſcher es abgeredet/ daß
von ſeinem Unfal er im anfange nit gedenken ſolte/ dener auch ſchon beredet hatte/ mit ihm
foꝛtzuzihẽ. Er ließ die Laden mit der Baarſchaft vor Mechtilden Hoff fuͤhren/ ging kuͤhn-
lich zu ihr hinein und fragete nach der groͤſten Jungfer/ welche bald hervor trat/ und er ſie
alſo anredete: aͤdle Jungf[e]r/ mein allergnaͤdigſtes Fraͤulein/ das Durchl. Koͤnigliche Fraͤu-
lein aus Teutſchland laͤſſet ihr durch mich ihren gnaͤdigſten Gruß anmelden/ und uͤberſen-
det ihr dieſes Schreiben/ neben groſſer Baarſchaft Gnaden Gelder und andern koͤſtlichen
Sachen/ welche vor dem Hofe auf meinem Wagen ſtehen/ und von ihren Knechten koͤn-
nen abgeladen werden. Alsbald fiel ihr ihre Armgart ein/ brach den Brief/ und laſe ihn teils
mit Freuden/ teils mit Betruͤbniß; da inzwiſchen die Mutter/ alles ungeachtet/ Reichardẽ
vor einen Straſſen Raͤuber außrief/ und ihm alles Ungluͤk draͤuete. Er wolte ſich aber mit
ihr nicht einlaſſen/ ſondern gab zur Antwort; Frau/ habt ihr auff mich zuſprechen/ ſo tuht
ſolches mit recht/ und nicht mit Scheltworten/ alsdann wil ich meine Taht handhaben/ die
ich keines weges leugne/ wie wol ich keine Hand an euch geleget/ auch nicht dabey geweſen
bin/ noch Anordnung darzu gemacht habe; Laſſet die Sachen von meinem Wagen heben/
und fahret alsdann wol und gluͤklich. Die Jungfer lies alles abtragen/ ſie aber hielt bey der
Stad Obrigkeit um Haft an wieder Reicharden/ welcher aber ſich erboht Fuß zuhalten/
und deßwegen 6000 Kꝛonen zur Verpflichtung bey dem Raht nideꝛſetzete/ auch ſeine Voꝛ-
ſchrift durch ſeinen Gutſcher Südmeier/ (diß wahr ſein Nahme) eilend nach Koͤlln uͤbeꝛ-
ſchickete/ da Herr Julius Lupus an den Raht ſchrieb/ bey Lebens Straffe ſich an Reichaꝛ-
den nicht zuvergreiffen/ ſondern ihn vor frey und allerdinge unſchuldig zuerkennen/ hinge-
gen Mechtilden ſamt ihꝛem ganzen Hauſe in freyeꝛ gewahꝛſam zuhalten/ ob etwa ſie moͤch-
ten wegen ihres Verbrechens angeklaget werden; daß dieſe alſo noch um ſchoͤn Wetter
bitten muſte. Reichard gab ſich bald bey der Jungfer Eltern an/ die er geſchwaͤchet hatte/
erkennete ſeine Suͤnde/ baht um Vergebung/ lieferte die 1200 Kronen wegen der Fraͤu-
lein und Wolfganges ein/ und legte 1000 Kronen von den ſeinen hinzu/ wodurch er bey-
des von den Eltern und der betruͤbten/ nunmehr hocherfreueten Tochter/ voͤllige Verge-
bung erhielt/ haͤtte zwar das Beylager gerne biß auff ſeine Wiederkunft aufgeſchoben/
u u u u ijaber
[708]Siebendes Buch.
aber beiderſeits Eltern wolten durchaus nicht einwilligen/ daß er alſo/ wie auch Suͤdmeyer
ihre Heyraht volzogen/ und darauf 56 Reuter ſtaꝛk außgingen/ Ehre zuſuchen.


Die Roͤmiſchen Herren von Padua/ kahmen des Tages vor dem Beylager an/ und
wurden nit anders als groſſe freie Fuͤrſten empfangen und geehret. Niemand wahr froͤli-
cher/ als Arbianes und ſein Fraͤulein/ welche dieſe Tage uͤber von Herkules und Valiſken
ſich fleiſſig in der Chriſtlichen Lehre unterꝛichten lieſſen/ und nahm ihꝛe Geſundheit zuſehens
zu. Die Großfuͤrſtliche Trauung geſchahe auff dem Koͤniglichen Saal/ wobey niemand
als Chriſten (ohn allein Fuͤrſt Olaff) geduldet wurden. Dann die vornehmſte Boͤhmiſche
Herren/ Pribiſla/ Krokus/ und andere/ hatte den Glauben begieꝛig angenommen/ wie auch
der alte getraͤue Wenzeſla/ welcher wegen ſeiner geflieſſenen Dienſte in den Koͤniglichen
geheimen Raht auffgenommen ward. Die Freude der jungen Eheleute wahr ſehr groß/
und hatte Koͤnig Henrich ſeinen Ekhard/ neben Friederich und Luther nach Teutſchland
geſchicket/ 24000 wolgeuͤbete Teutſche Reuter zuwerben/ zu welchen Ladiſla 4000 Boͤh-
men/ Baldrich 4000 Frieſen/ und Herkules 2000 Wenden geben wolten/ und ſolten dieſe
alle Fuͤrſten Arbianes mit 20 Tonnen Goldes zur Heimſteur mitgegeben werden/ weil er
ohn das die Voͤlker zuwerben befehliget wahr. Des erſten Abends/ bald nach geendigter
Hochzeitlicher Mahlzeit/ trat ein kleiner zierlicher Knabe mit hoͤflicher Ehrerbietung zu
der Großfuͤrſtlichen Braut/ und lieferte ihr einen verſiegelten Brief mit dieſen Worten
ein: Durchleuchtigſtes Fraͤulein; es iſt eine fremde Botſchaft gleich jezt ankommen/ und
hat dieſes Schreiben/ an ihre Durchl. haltend/ mit ſich gebracht/ welchen auff Befehl ich
untertaͤhnigſt uͤbergeben ſollen. Sie nam denſelben mit freundlicher Bezeigung an/ und
umb deſſen Inhalt zuvernehmen/ trat ſie ein wenig zuruͤk/ da inzwiſchen der Knabe/ allen
unvermerkt/ ſich hinweg machte/ und ſich nicht mehr ſehen ließ. Nach Erbrechung aber
fand ſie darinnen wie folget:


Zu Ehren den Hochfuͤrſtlichen Hochzeitern/ welche nach ausgeſtandenem herben Ungluͤk/ des
allerlieblichſten Gluͤckes ſuͤſſeſte Erndte halten und genieſſen ſollen.


1 DJe ſo man in Liebes Sachen

Obriſt uͤber alles ſtellt/

Raubet durch ihr ſuͤſſes Lachen

Odem und Geiſt aller Welt;

Treibet aller Menſchen Sinnen/

Hin/ das Suͤſſe zubeginnen/

Eh’ die junge Krafft verfaͤlt.

2 Alles was die Luſt empfindet/

Eilet zu der Suͤſſigkeit/

Leiſtet/ eh’ es gar verſchwindet/

Ihrer Gottheit ohne Streit

Seine Schuld mit gutem Willen/

Alle Wolluſt zuerfuͤllen/

Biß hin an die graue Zeit.

3 Einſamkeit wil niemand lieben/

Traͤue Liebe waͤhlen wir;

Haben Zwene was zu uͤben/

Ach das ſaͤttigt die Begier/

Vielmehr als wir ſagen koͤnnen/

Ob mans gleich uns nicht wil goͤnnen/

Noch ſo ſucht mans fuͤr und fuͤr.

4 Wol! ſo ſol die Traur ſich legen/

Jaget Angſtaus eurer Bruſt/

Nach dem Sommer kompt der Regen/

Da du Kummers vol ſeyn muſt.

Trauren wil uns nicht behagen/

Eh wir uns auff Kruͤcken tragen;

Mein/ ſo ſuchet Liebes Luſt.

Nach geendeter Verleſung reichete das Fraͤulein ſolches Koͤnigin Valiſken/ welche den
Daͤniſchen Fuͤrſten Olaff in Verdacht zog/ er waͤhre des Hochzeit Liedes Tichter/ wie wol
derſelbe ſich niemahls darzu geſtehen wolte; daher man ſich des weitern Nachforſchens
enthielt. Koͤnig Baldrich aber/ welcher mit dieſer ſeiner Frl. Schweſter in der Kindlichẽ
Jugend
[709]Siebendes Buch.
Jugend ſich nicht allemahl gleiche bruͤderlich zuvertragen pflegete/ hatte dieſe Zeit uͤber ſo
herzliche Liebe ihr zugewendet/ daß ihre Eltern ſich daruͤber hoͤchlich verwunderten; dann
er ſahe daß ihre Froͤm̃igkeit ihr von Herzen ging/ welche er ſonſt an ihr vor eine Heucheley
gehalten hatte. Sein Gemahl Koͤnigin Lukrezia/ welche in Tichtung lateiniſcher Reimen
eine anmuhtige Gnade hatte/ ward dieſen Tag von ihm fleiſſig erſuchet/ ſeiner Frl. Schwe-
ſter zuehren ein Hochzeit Geticht aufzuſetzen/ worzu ſie dann ganz willig wahr/ es inneꝛhalb
weniger Zeit zu Papier brachte/ und es Koͤnigin Valiſken/ welche ſie bey der Tichtung
antraff/ zuverleſen geben muſte; deren es dann ſo wol gefiel/ daß ſie alsbald es in folgende
Teutſche Reimen überſetzete.


1 SO muß noch dannoch Unfals Wuht/

Nicht immer zu die Frommen trillen.

Es heiſſt nicht ſtets/ Gut oder Blut/

Nach frevelhaffter Raͤuber willen.

Die Gottesfurcht muß endlich ſiegen/

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.

2 Ein Fraͤulein/ deren Froͤmmigkeit

Und hoher Tugend nichts mag gleichen/

Hat zwar vom herben Ungluͤks Neid

Sich ſcharff gnug muͤſſen laſſen ſtreichen;

Doch ihre Tugend muſte ſiegen/

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.

3 Sie ward geraubt/ und ſchlim geliebt;

Feur/ Waſſer/ Schmach und Hungerbiſſen

Hat ihren ſchwachen Geiſt betruͤbt/

Sie lag dem Frevelmuht zun Fuͤſſen;

Doch ihre Demuht muſte ſiegen/

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.

4 Sie muſt’ in Unſchuld fluͤchtig ſeyn/

Nicht anders als des Ungluͤks Ballen;

Noch zwang ſie ſich geduldig ein/

Ließ boͤß- und gutes ihr gefallen.

Des muſt’ auch ihre Tugend ſiegen/

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.

5 Diß Laͤmlein hatte wol die Bach

Den Raube-Woͤlffen nie getruͤbet;

Noch ſtrebten ſie ihr grimmig nach/

Gleich wie man leichte Kegel ſchiebet.

Doch endlich muſt’ ihr’ Unſchuld ſiegen/

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.

6 So pruͤfet Gottes Vater Hand/

Die er vor Kinder ihm erwehlet;

Sie muͤſſen manchen harten Stand

Aushalten/ der rechtſchaffen quaͤlet/

Und muͤſſen durch Geduld doch ſiegen/

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.

7 Du wunder-frommes Seelchen haſt

Gott Lob/ geduldig ausgehalten/

Darumb benimt dich Gott der Laſt/

Und laͤſſet lauter Gnade walten;

So haſtu kraͤfftig muͤſſen ſiegen/

Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.

Dieſes/ als es kurz vor ſchlaffengehens der G. fürſtlichen Braut von Libuſſen eingehaͤndigt
ward/ wie wol ohn Nennung/ von wannẽ es kaͤhme/ laſe das fromme Fꝛaͤulein es nicht ohn
Traͤhnen uñ echtzen durch/ erholete ſich doch bald/ und aus begierde den Tichter zuerkeñen/
redete ſie Libuſſen ſo bewaͤglich zu/ daß ſie ihr alle beide ins Ohr raunete. Weil dann Koͤni-
gin Valiſka ihr zur Seite ſtund/ bedankete ſie ſich gegen dieſelbe mit ſo demuͤhtiger Bezei-
gung und Rede/ daß ſie derſelben die innigſten Liebe Traͤhnen aus den Augen lockete/ und
ſie mit ſolcher herzlichen Inbrunſt ſich kuͤſſend umbfangen hielten/ daß Herkules durch
freudliche Anmahnung daran ein Ende machen muſte. Noch kunte das fromme Fraͤulein
ſich nicht zuruhe geben/ biß ſie der erſten Tichterin/ Koͤnigin Lukrezien ſich auf gleichmaͤſſi-
ge Weiſe dankbahrlich erzeiget hatte. Worauff ſie von ihrer Fr. Mutter und Koͤnigin Va-
liſken nach Bette ihrem lieben Fuͤrſten zugefuͤhret ward/ da ſie ſich in zuͤchtiger ehelicher
Liebe zuſammen hielten/ und dem aller hoͤſten herzlich danketẽ/ daß derſelbe ſie mit Gnaden-
Augen angeſehen/ und nach ſo mannicher Gefahr ihnen den Schein ſeiner Vaͤterlichen
Hulde ſo reichlich mitgeteilet hatte.


Ende des Siebenden Buchs.


u u u u iijDes
[710]

Des Chriſtlichen Teutſchen
Herkules
Achtes und Leztes Buch.


ZU Prage auff dem Schloßwahle machten die Polter Geiſter dieſe erſte Nacht
des Beylagers ein ſolches Unweſen/ daß die ausgeſtelleten Schildwachten daꝛ-
auff nicht bleiben kunten/ wie ungerne ſie auch wichen; dann etliche/ die hart
Widerſtand leiſteten/ wurden gar hinunter in den Graben geſtuͤrzet/ daß ſie ſich
durch ſchwimmen erretten muſten; die anderen wurden mit Gewehr und Waffen abge-
trieben/ und ſahen doch keine Hand/ die folche fuͤhrete. Dieſes Geſpenſte-werk hielt uͤber ei-
ne Stunde an/ und kunte keiner von allen anweſenden Kriegsknechten einigen Laut von
ſich geben. Kaum hatte ſich dieſer Aufflauff geſtillet/ als Neda/ dem die Ober Wachtmei-
ſterſchafft anbefohlen wahr/ ſeinen Umgang hielt/ und dieſe ganze Seite des Wahls von
allen Kriegsleuten entbloͤſſet fand/ woruͤber er ſich eiferte/ und ſchon harter Draͤuworte
ſich vernehmen ließ/ ſahe aber eine Schildwache ganz pfuͤtzenaß den Wahl wieder herauff
klimmen/ und fragete mit Troz/ welcher Henker ihm dahinunter gefuͤhret haͤtte; Die ent-
wichene/ welche ſich in das Wachthauß begeben hatten/ hoͤreten ſeine Stimme/ und gin-
gen wieder zu ihm hin/ andeutend/ was ſich kurz vergangen zugetragen; ſo rieffen etliche
jenſeit des Graben gegen den Wahl/ man moͤchte ihnen das Tohr oͤffnen/ weil ſie mit groſ-
ſer Gefahr hinuͤber geſchwummen waͤhren/ und ihr Leben gerettet haͤtten. Neda verwun-
derte ſich deſſen nicht ein geringes/ ſtellete ſich doch gegen die Knechte/ als glaͤubete ers nit/
beſetzete die Wachten auffs neue/ und befahl ihnen/ alsbald anzeige zutuhn/ da ſich deſſen
mehr zutragen wuͤrde; haͤtte es auch den Koͤnigen gerne angedeutet/ aber er durffte ſie nit
ſo fruͤh aus dem Schlaffe wecken; doch ſo bald der helle Tag ſich ſehen ließ/ ging er hin zu
ſeinem Koͤnige auff das Schlaffgemach/ und als er denſelben wachend vernam/ ſagete er:
Gnaͤdigſter Koͤnig; wann ich nit ausgelachet wuͤrde/ muͤſte Ihrer Hocheit ich eine naͤcht-
liche Begebniß anmelden. Iſt es lachens wert/ antwortete er/ ſo ſagets nur her. Die boͤſen
Teuffel/ ſagte Neda/ haben dieſe Nacht ihr Polterwerk auff dem Oſten-wahle getrieben/
und alle daſelbſt ſich befindende Kriegsknechte/ teils in den Graben hinunter geworffen/
teils zum Wahl Tohr hinab gejaget/ daß bey meinem Umgange ich denſelben ganz ledig ge-
funden. Der Koͤnig gab zur Antwort: Ich halte/ daß die Knechte der geſtrigen Hochzeit
mit genoſſen/ und mehr geſoffen/ als ihre Gaͤnſe Koͤpffe vertragen koͤnnen/ daher ſie ſelbſt
zu Polter Geiſtern worden ſind. Nein/ gnaͤdigſter Koͤnig/ ſagte er; ich habe ſcharffe Nach-
frage gehalten/ und befinde/ daß deren keiner im geringſten nicht iſt bezechet geweſen. Als
es hernach der Koͤniglichen Geſelſchafft angemeldet ward/ urteilete Herkules daher/ es
wuͤrde dieſes Beylager dem Teufel zuwideꝛ ſeyn/ weil viel gutes/ zu ausbꝛeitung des Chriſt-
lichen Glaubens daraus entſtehen koͤnte; Nach gehaltener Unterredung aber bahten ſie
Gott/ er wolte dem Teufel ſteuren/ und ſeine ſchaͤdliche Wiꝛkungen von ihnẽ allen in Gnadẽ
abwenden. Sie hatten ſich kaum zur Mahlzeit nidergeſezt/ und begunten die jungen E-
heleute umzutreiben/ ob die Braut ihre Unter- und Oberkleider auch vor dißmahl verlauf-
fen haͤtte/ wie jensmahl auff dem Haͤu; da das fromme Chriſtliche Fraͤulein ihre Antwort
zugeben
[711]Achtes Buch.
zugeben ſchon fertig wahr; aber Leches verhinderte ſie daran/ welcher vor den Tiſch trat/
und untertaͤhnigſt umb Verzeihung baht/ daß er nicht unterlaſſen duͤrffte/ ihren Hocheiten
und Durchll. anzumelden/ was geſtalt eine fliegende Zeitung durch die Stad erſchollen
waͤhre/ die wenig gutes nach ſich fuͤhrete. Ladiſla fiel ihm in die Rede/ und ſagete: Was
vor Ungluͤk ſtraͤuet uns dann nun der leidige Teufel zwiſchen unſere Chriſtliche Froͤligkeit?
Ich gedachte wol/ er wuͤrde uns dieſelbe nicht lange ungeſtoͤret laſſen; iſts aber ein ſchlim-
meres/ als welches er hinte auff dem Wahle geſtifftet hat? Solches mag wol ein Zeichen
eines viel ſchaͤdlichern geweſen ſeyn/ antwortete er; maſſen uͤber die 20 Menſchen in groſ-
ſer Angſt zum Oſten Tohre herein gelauffen ſind/ mit vermelden/ es ſeyn die Pannonier
mit unſaͤglicher Macht ins Land gefallen/ und verwuͤſten alles vor ſich her als eine uͤber-
ſchwemmende Suͤndfluht/ ſo daß ſie weder Menſchen noch Vieh/ weder Staͤdte noch
Doͤrffer/ weder Acker noch der fruchtbahren Baͤume ſchonen. Iſt dem alſo/ ſagte Herku-
les/ ſo befuͤrchte ich ein groſſes Blutbad/ und ſchwere Landesverwuͤſtung; dann es wird
Koͤnig Mnata ſeinen Bato/ Pines/ und was er ſonſt finden kan/ zuraͤchen ſuchen. Doch
dem Allerhoͤchſten ſey herzlich Dank geſaget/ daß er unſer Wiederkunfft von dem Wendi-
ſchen Kriege erwartet hat/ dann ſonſt wuͤrde er alles uͤbeꝛn hauffen geworffen haben. Das
Fuͤrſtliche Frauenzimmer entſetzete ſich daruͤber/ daß ihnen alle Luſt zur Speiſe verging/
und weil das Geſchrey ſich in wenig Stunden hefftig vermehrete/ muſte Neda mit etlichẽ
Teutſchen/ Ekharden folgen/ umb/ ſo viel Reuter und Fußvolk/ als in der Eile moͤglich
ſeyn wuͤrde/ heruͤber zuſchaffen/ und ſie reicher Beute zuvertroͤſten. Dieſe jageten eilend
fort/ und erreicheten jenen mit ſeiner Geſelſchafft an den Grenzen/ gaben ihm den Koͤnig-
lichen Befehl/ und kehreten wieder umb nach Prag/ da ſie 9000 Teutſche Reuter mit ſich
nahmen/ auch von darab biß an Prag alle wehrhaffte junge Manſchafft mit ihren Waffen
auffbohten. Umb Prage her geſchahe desgleichen/ von Leches/ Prinſla/ Neklam und ande-
ren. Herkules freuete ſich ſeiner Teutſchen/ Frieſen und Wenden/ 34000 ſtark/ zu welchen
ſich 14000 Boͤhmen tahten/ und unter Baldrich und Siegward noch deſſelben Tages
fortgingen/ denen ernſtlich eingebunden ward/ nichts hauptſachliches wider den Feind
vorzunehmen/ noch durch ihre bekante Liſt ſich in Gefahr locken zulaſſen. Ich wundere
mich dieſes uͤberfals nicht ſagete Herkules/ ſondern vielmehr/ daß er ſich nicht zeitiger ge-
reget hat/ weil mir ſtets vorgeſtanden/ daß der Kampff wider Pines vor Padua angefan-
gen/ ſich in Boͤhmen würde endigen mūſſen; woran er dann gar nicht irrete; Dann weil
Koͤnig Mnata und ſeine Staͤnde nicht allein jensmahls von den zuruͤk kommen den Die-
nern vernommen hatten/ was geſtalt der Teutſche Großfuͤrſt Herkules nebeſt Koͤnig La-
diſla und andere mehr wider ihre Geſantẽ vor Padua geſtrittẽ/ uñ ſie erlegt haͤttẽ/ ſondern
auch wuſten/ dz ihre ſtreiffende Schaaren zu unterſchiedlichẽ mahlẽ von den unſern zuruͤk
geſchlagen waren/ wolten die Pannonier ſolchen Schimpff und Schaden nicht laͤnger auf
ſich erſitzen noch ungerochen laſſen; damit aber alles mit Raht und vorſichtigkeit angefan-
gen wuͤrde/ ſtellete ihr Koͤnig eine Reichsverſamlung an/ und ſolches auff unablaͤſſiges ge-
trieb ſeines Stathalters Dropion/ des verwaͤgenen Pines und Bato dritten Bruders/
welcher ein ũber aus Mañfeſter und hochmuͤhtiger Menſch wahr/ und nicht geringere Ge-
walt im Koͤnigreiche als Mnata ſelbſt hatte. So bald die geſamten Landſtaͤnde beyeinan-
der
[712]Achtes Buch.
der wahren/ trat derſelbe auff/ und hielt dieſe Rede: Ich weiß nicht/ unuͤberwindlichſter
Koͤnig/ und ihr tapferen hochweiſen Landſtaͤnde dieſes unvergleichlichen Pannoniſchen
Reichs; ich weiß nicht/ ob mirs anſtehen wil/ unſere jetzige Reichsnotturft vorzutragen;
oder da mirs anſtehen wird/ ob ich in meinem vorbringen nicht etwa vor einen ſolchen an-
geſehen werden moͤchte/ welcher mehr umb ſein eigenes anliegen als umb des Reichs beſte
redet. Zwar in meinem Gewiſſen bin ich verſichert/ daß ich nichts als gemeine Wolfahrt
ſuche/ welches einem jeden Biderman oblieget; ob ich aber auch von eurer Koͤnigl. Hocheit/
und der anweſenden hochtapferen Verſamlung davor gehalten werde/ wird ihre allergnaͤ-
digſte und freundliche Erklaͤrung entdecken. Wie hoch dieſes unſer Reich vor allen an-
deren zu ſchaͤtzen ſey/ werden uns die Roͤmer ſelbſt Zeugnis geben/ als denen wir die einige
hinderung ſind/ daß ihr Reichsſtab ſich nicht uͤber ganz Europa ausſtrecken kan; ſie ſind
bißher wieder uns zu felde gelegen/ ſo lange ich ein Mann geweſen bin/ aber unſers Bluts
nichts umbſonſt gekoſtet/ und unſerer Macht nicht groͤſſern abbruch getahn/ als wir ihnen.
Wie lange wollen wir dann des tolkuͤhnen Teutſchen Juͤnglings/ der ſich Herkules nen-
nen laͤſſet/ und ſeines verwaͤgenen Geſellen des After Koͤniges in Boͤhmen Hochmuht/ be-
ſchimpf- und ſpottung dulden/ und ihren Geifer/ den ſie uns ins Geſichte geworffen/ unab-
gewiſchet laſſen. Ich klage nicht eigentlich hierüber/ was meinem Bruder/ dem redlichen
Bato/ einem Koͤniglichen Geſanten ſchon vor vier Jahren begegnet iſt. Ich betraure eben
meinen andern Bruder nicht/ den ritterlichen und umb dieſe Kron hochverdienten Pines/
daß er vor einen leibeigenen Ruderknecht ſich auff der Roͤmer Schiffen neben ſeinen tap-
feren Geſellen gebrauchen laſſen muß; dann dieſes/ moͤchte jemand gedenken/ waͤhre mein
eigenes Haußungluͤk/ welches mit den Reichshaͤndeln nicht muͤſſe vermenget werden;
wiewol ein jeder weiß/ daß ſie nicht als meine Bruͤder in ihren eigenen oder meinen ver-
richtungen; ſondern in des ganzen Landes Geſchaͤften als Koͤnigliche Reichs-geſanten
beleidiget und geſchaͤndet ſind. Meiner drey ausgeruſteten Kriegs Schiffe habe ich auch
ſchon vergeſſen/ welche der Boͤhme auff dem Adriatiſchen Meer ſchaͤndlich uͤberfallen/ uñ
alle ehrliche Mannſchaft/ hoch und niedrig/ durcheinander her/ an ihre eigene Maſten auf-
geknuͤpfet hat. Nur gehet mir zu herzen/ und peiniget alle meine Geiſter/ daß der Pannoni-
ſche Nahme/ davor ehmahs Kaͤyſer und Koͤnige erzittert/ Laͤnder und Voͤlker erbeb[e]t/ von
den leichten Boͤhmen und nacketen Teutſchen als ein Spot mus gehalten werden. Es
aͤngſtet mir mein Blut/ daß ein Teutſcher Juͤngling uns ein zehnjaͤhriges Joch an den
Hals geworffen/ damit uns die Roͤmer unter ihrer Zinß- ſchuld halten/ welches wol kein
Menſch gehoffet haͤtte/ ſolte auch wol unmoͤglich blieben ſeyn/ wann nicht der Teutſche
Zaͤuberer Herkules/ welcher/ beſtaͤndiger auſſage nach/ einen Teufel in Pferdes geſtalt rei-
ten ſol/ und ihm allemahl den Sieg erhaͤlt/ uns dieſen Spot bereitet haͤtte. Was rahtet
ihr nun/ O ihr Vaͤter des Vaterlandes? was rahtet ihr unſerm gegenwaͤrtigen Koͤnige/
in dieſer hochwichtigen Sache? ſol es ungerochen bleiben? ſollen wirs noch weiter in uns
freſſen/ wie bißher geſchehen iſt? ſo haben wir erſtes tages die Boͤmiſchen Geſanten vor
dem Schloßtohr/ die werden uns gebotsweiſe anſagẽ/ daß wir den Reichsſchoß nach Pra-
ge einliefern ſollen/ welchen ſie vor dieſem hieher mit ehrerbietigkeit gebracht haben; und
weil ſie wiſſen/ daß unſere Rentkammer rechtſchaffen beſpicket iſt/ und die Untertahnen von
groſſen
[713]Achtes Buch.
groſſen Geldmitteln ſind/ ſo werden ſie nach unſer Haabſeligkeit zuſchnappen nicht auffhoͤ-
ren/ biß ſie alles hinweg haben. O der Schande! ein Koͤniglein/ ein junger Ohn-bart mus
uns beſchimpfen/ und der Roͤmiſche Kaͤyſer hat uns nichts angewinnen koͤnnen. Wolte
Gott/ ich waͤhre ein Weib/ ſo wolte ich mich in einen Winkel verkriechen/ und daſelbſt des
Vaterlandes Ungluͤk beweinen; aber mir als einem Ritter und Kriegsmanne wollen die
Traͤhnen weder anſtehen noch flieſſen. Waͤhren wir die alten Pannonier/ muͤſten die Oh-
maͤchtigen Boͤhmen ſchon alle mit ihrem Koͤnige unter der Peitſche/ und der Pannonier
Leibeigene ſeyn; aber nun geben wir mit ſtilleſchweigen an den Tag/ daß wir uns fuͤrchten/
und noch wol dem Himmel darzu danken/ daß wir zwiſchen unſern vier Pfaͤlen wohnen
koͤnnen/ und in unſerm Lande unangefochten bleiben. Wachet auff meine Brüder/ wachet
auff/ was ſchlaffen wir? ein vierwoͤchiger Zug/ ſehet eine kurze Zeit/ eine geringe Muͤhe/
ſol Boͤhmen zu grunde richten/ des wil ich euch meine Guͤter/ meine Ehr und mein Leben
zu pfande ſetzen. Fuͤrchtet ihr euch aber vor dem Boͤmiſchen Schwerte/ und wollet ihnen
lieber zuſehen/ wie ſie euer ſpotten/ als den Spott abwenden und raͤchen; wolan/ ſo wil ich
meinen allergnaͤdigſten Koͤnig und die loͤblichen geſamten Landſtaͤnde untertaͤhnigſt und
freundlich erſuchet haben/ ſie goͤnnen mir auff meine Koſten/ Voͤlker/ inner- oder auſſer halb
des Reichs zu werben/ und daß mir frey ſtehe/ mein haͤußliches Ungluͤk/ an meinen loͤblichẽ
Bruͤdern erlitten/ als ein redlicher Mañ zu raͤchen/ weil mirs koͤnte verdacht bringen/ wañ
ich des Reichs Anſpruch auff meine ſelbſt gewachſene Hoͤrner nehmen/ und verfechten
wolte. Und wann ich auch dieſes nicht erlangen kan/ ſo mus entweder mein Koͤnig mich
hinrichten laſſen/ oder ich wil mein eigen Schwert wieder mich ſelbſt gebrauchen/ weil mir
unmoͤglich iſt/ ſolche Schande noch laͤnger zuverſchmerzen. Dieſe lezten Worte endigte er
mit ſolchem rafichten Eifer/ daß ihm das Blut aus Maul und Naſe ſpruͤtzete. Der Koͤnig
kennete den Sinn dieſes verwaͤgenen Menſchen/ ſahe auch/ daß er aus dem grimmigſten
Eifer geredet hatte/ wolte aber ſeinen Willen noch nicht anzeigen/ ſondern begehrete/ daß
die Staͤnde zuvor ſich uͤber dieſe beyde Fragen beſtaͤndig heraus laſſen ſolte; Ob man den
von dem Koͤnig in Boͤhmen und Groß Fürſten in Teutſchland eingenommenen Schimpf
ſolte verſchmerzen/ oder raͤchen; und wann er muͤſte gerochen ſeyn/ auff was Weiſe und
Wege man alsdann die Rache ſolte vornehmen. Bey der erſten Frage wahren ſie über-
aleinig; man muͤſte Pannoniſche Ehre und anſehen keines weges von ſo geringen Fein-
den ſchwaͤchen laſſen/ ſondern die Rache ernſtlich vornehmen/ und es dahin ſpielen/
daß ihrem Koͤnige und dem ganzen Reiche ſatſamer Abtrag/ beydes von den Boͤhmen
und Teutſchen geſchaͤhe. Die andere Frage aber ward auf dreyerley Weiſe beantwortet.
Maſtyes des Koͤniges Unter Stathalter/ ein verſtaͤndiger Reichserfahrner Mann ſehr ho-
hes Adels/ welcher ſtets zum Friede geneiget wahr/ ſeinem Koͤnige getraͤu/ und dem Va-
terlande ergeben/ muſte auff Befehl/ und der Ordnung nach/ ſeine Meinung zu erſt ſagẽ/
welcher dann dieſe Stimme gab: Nach dem unſer allergnaͤdigſter Koͤnig und die geſam-
ten Reichs Hof- und Kammer-Raͤhte deſſen allerdinge einig ſind/ daß von unſern Belei-
digern/ anfangs den Boͤhmen und nachgehends den Teutſchen/ wir des angelegten man-
nichfaltigen Schimpfs wollen ergetzet ſeyn/ wird darauff reiflich muͤſſen eꝛwogen uñ uͤbeꝛ-
leget werden/ wie und auff was Weiſe man einen ſolchen tapferen und billichen Vorſaz
x x x xwolle
[714]Achtes Buch.
wolle ins Werk richten/ ſo daß unſer gutes Recht in den Schranken der Billig- und Ge-
rechtigkeit erhalten werde/ wie ich mir dann andere Gedanken zumachen/ nicht Urſach ha-
be/ als daß wir alle und jede dahin ſtim̃en werden/ wir wollen nichts vornehmen/ als was
recht/ loͤblich/ und vor der ganzen erbahren Welt verantwortlich ſey/ ſo daß man allenthal-
ben an uns ruͤhmen moͤge/ wir haben unſere Macht nicht mißbrauchet/ ſondern vernuͤnftig
und erbar gehandelt. Nun bringet aber aller verſtaͤndigen und der Gerechtigkeit ergebenen
Voͤlker Recht es mit ſich/ dz der Beleidigte allemahl zu erſt dem Beleidiger ſein Verbrechẽ
voꝛhalte/ uñ vor angefuͤgten Schimpf und Schaden gebuͤhꝛlichen Abtꝛag uñ Gutmachung
fodern laſſe/ ſo daß/ wann jener ſich zur Billigkeit erbeut/ man den Zwieſpalt und die Fehde
durch friedliebende verſtaͤndige Maͤñer ohn Streit uñ Blutveꝛgieſſen hinzulegẽ ſich bemü-
het/ wil aber die Guͤte nicht haften/ dann ſo kuͤndiget man ihm den Krieg billig an/ und ſu-
chet durchs Schwert/ was durch das Recht nicht zuerhalten iſt. Und alſo halte ich vor bil-
lich und beſt/ daß in dieſer wichtigen Sache man den gelindeſten Weg auch vor die Hand
nehme/ damit hernaͤhſt/ wann derſelbe nicht zureichen wil/ man die umliegende freien Koͤ-
nigreiche und Herſchafften/ von ſolcher Ungerechtigkeit uñ erlittenen Gewalttaht Bericht
tuhn/ und ihren Beiſtand/ da man deſſen benoͤhtiget waͤhre/ ſuchen uñ erlangen koͤnne/ wel-
che in einer ſo gerechten Sache ihre Huͤlffe dem Pannoniſchen Reiche nit verſagen weꝛdẽ.
Endlich ſetzete er hinzu/ man haͤtte wol zubedenken/ daß Boͤhmen und Teutſchland in en-
ger Verbuͤndniß ſehr maͤchtig waͤhren/ denen nunmehr Frießland und Wendland zu Ge-
horſam ſtuͤnde/ auch Schweden und Daͤnenmark/ ja wol das Roͤmiſche Reich ſelbſt ſie nit
huͤlf-loß laſſen duͤrften/ um welches ſie neulicher Zeit ſich wol verdienet gemacht/ und ihnẽ
zu Dienſte/ der Pannonier Feindſchaft uͤber ſich gezogen haͤtten; welches alles/ wañ ers bey
ſich erwoͤge/ nichts anders mit ſich braͤchte/ als daß dieſer Krieg ein groſſes nach ſich zoͤhe;
zu geſchweigen daß man von unterſchiedlichen Wunder-begebniſſen ſagen wolte/ welche
ihre geiſtlichen mehrenteils vor ſehr ungluͤklich und dem ganzen Reich draͤuend/ auslege-
tẽ; Iſt demnach meine unvorgreifliche Meinung/ wiederholete er/ daß man vor erſt den ge-
lindeſten Weg gehe/ und Abtrag in der Güte fo dere; wie wol ich bereit bin/ einem heilſame-
ren und vortraͤglichern Rahte gerne zuweichen/ inſonderheit dem Koͤniglichen Schluſſe
ohn einiges Wiederſprechen mich zu unterwerffen. Als dieſer geendiget hatte/ wahr die
Ordnung an Agiß/ dem Reichs- und Hof-Marſchalk/ welcher ein auffrichtiger frommer
Mann wahr/ und ihm ſeines Koͤniges Heil und gemeines Landes Wolfahrt mehr als kein
ander ließ angelegen ſeyn; aber Dropion wahr ihm uͤberaus gehaͤſſig/ trachtete ihm auch
nach Ehr und Leben/ weil in unterſchiedlichen Sachen er ſich deſſen Boßheit zu des Koͤni-
ges Nutzen entgegen geſetzet hatte. Er wahr ſchon zimliches alters von 63 Jahren/ uñ hat-
te ſich beyde durch Krieges- und Friedes Haͤndel um dz Vaterland wol verdienet gemacht.
Dieſer hatte ſich ſchon in etwas erkundet/ mit was Vorſaz Dropion umging/ aber er durf-
te ſichs gegen niemand merken laſſen/ weil dieſer Wuͤterich durch ſeinen groſſen Anhang
viel zumaͤchtig wahr; ging demnach auch vor dißmahl und bey dieſer Sache gar behuht-
ſam/ und ſtimmete bey der erſten Frage nicht allein ganz nach Dropions Willen/ ſondern
ruͤhmete auch deſſen Heldenmuht/ daß er ihm mit ſolchem Eyfer ſeines Koͤniges und des
Vaterlandes Ehre lieſſe angelegen ſeyn. Bey der anderen Frage aber fiel er dem Unter-
Stat-
[715]Achtes Buch.
Stathalter Maſtyes allerdinge zu/ und zwar unter dieſem Scheine/ als hielte er vor gewiß/
dieſer wuͤrde es mit jenem ſchon alſo uͤberleget und abgeredet haben; nur daß er hinzu ſetze-
te/ das Geruͤcht erhoͤbe den jungen nunmehr ſchon gekroͤneten Teutſchen Koͤnig Herku-
les und den Boͤhmiſchen Ladiſla ſehr hoch/ ob haͤtten ſie ſo trefliche Helden-Tahten in Peꝛ-
ſen verrichtet/ daß man ſie daſelbſt vor die allertreflichſten/ kluͤgeſten/ erfahrneſten uñ gluͤk-
lichſten Helden ſchaͤtzete/ und man davor hielte/ es muͤſte der Himmel den Sieg dahin len-
ken/ wo dieſe Beiſtand leiſteten; wie man ſich dañ billich daruͤber verwunderte/ daß ſie den
tapferen Wendiſchen Fuͤrſten Krito/ und ſein wolgeuͤbetes Heer mit ſo gar geringem Ver-
luſt nidergelegt und ſich Frieß- und Wendlandes ohn Schwertſchlag/ und ſo zureden/ im
Augenblik bemaͤchtiget; uͤberdas noch den algemeinen Aufſtand der Teutfchen Untertah-
nen/ ehe man ſichs verſehen moͤgen/ beygelegt und auffgehoben haͤtten; wie ſolches dem Koͤ-
nige ſchon vor etlichen Tagen durch vertrauliche ſichere Hand zukommen waͤhre. Hiemit
endigte er ſeine Rede/ und untergab ſich des Koͤniges ſchließlichem Macht Spruche. Dem
Dropion wahr dieſer beider Stimme uͤberaus zuwieder/ haͤtte auch gerne dazwiſchen ge-
redet/ wann er ihm nit dadurch ungleichen Verdacht zugezogen haͤtte/ ſchwieg aber um
ſo viel lieber/ weil die Ordnung zuredẽ an Pyrechmes den Unter Marſchalk wahr/ der ihm
als ſein Geſchoͤpf und Befoderter ſchlechter Dinge anhing/ auch von ihm ſchon unterꝛich-
tet wahr/ wie ers am liebſten ſehen moͤchte; daher dann dieſer/ ohndas ein frecher ruchloſer
Menſch/ allen Wiz zuſammen ſuchete/ wie er dieſer beiden Vortrag hintertreiben koͤnte/
uñ fing alſo an: Großmaͤchtigſter unuͤberwindlichſter Koͤnig und ihr tapffere und getraͤue
Vaͤter unſers Vaterlandes; wann meine Pflicht und Schuldigkeit ich betrachte/ weiß ich
ſchon wol/ daß in dieſer hoͤchſtwichtigen Reichs Beredung ich mein Gutduͤnken aufrich-
tig und unverhohlen werde ſagen muͤſſen/ welches doch den Verſtaͤndigern weichen/ und
meinem allergnaͤdigſten Koͤnige unterworffen ſeyn ſol. So bin ichs nun mit dem Herrn
Stathalter Maſtyes/ und dem Reichs- und Hoſ Marſchalk Herr Agiß/ bey der erſten Fra-
ge allerdinge eins/ als welche kein Biederman anders beantworten wird. Daß man aber
des eingenommenen Schimpfes Abtrag noch lange in der guͤte fodern/ und gleichſam vor
der Tuͤhr betteln/ auch den Krieg mit ſonderlichem Prunk anſagen wolte/ halte ich vor un-
noͤhtig/ vor ſchimpflich und vor ſchaͤdlich. Vor unnoͤhtig halte ich die Friedenshandlung;
dann wie wolten uns dieſelben in Ruhe und Friede leben laſſen/ welche ohn urſach und
ohn vorhergangene Beleidigung/ die Koͤniglichen und Reichs-Geſanten/ in Warheit die
treflichſten Saͤulen dieſes Reichs/ feindlich anfallen/ beſtreiten und niderhauen/ bloß nur/
unſer ganzes Reich zuſchaͤnden und in Ungemach zuſetzen. Werden wir mit ſolchen ver-
waͤgenen Anſprengern Friede zuhandeln ſuchen/ da wir beleidiget ſind/ und niemand belei-
diget haben; ich meyne/ ſie werden druͤber ruͤhmen und pralen. Die Pannonier fuͤrchten
ſich eines ernſtlichen Angriffs werden ſie ſagen/ drumb kommen ſie ungefodert und bieten
uns die Schmukhand/ damit ſie vor unſerm Schwerte moͤgen ſicher ſeyn; ey wie ein fei-
nes Naͤſichen werden wir alsdann bekommen/ und [unſerm] Koͤnige heim bringen; Zihet
hin/ werden ſie ſagen/ und ſeyd fein from/ ſo ſollet ihr keine Staͤupe haben. Und das wuͤrde
auch/ muß ich bekennen/ die rechte Antwort ſeyn. Aber geſezt/ ſie nehmen unſern Friedens-
Vertrag etwas ehrerbietiger an; haben ſie dann zu dem Ende uns in Spot und Schadẽ
x x x x ijgeſezt/
[716]Achtes Buch.
geſezt/ daß ſie es wieder gut machen wollen? Haben ſie uns die zehnjaͤhrige Schatzung/ wel-
che wir den Roͤmern geben muͤſſen/ zu dem ende abgedrungen/ daß an unſer ſtat ſie dieſel-
ben erlegen wollen? Ich weiß ſchon die glimpflichſte Antwort/ welche ſie uns geben koͤn-
nen: Ihr Pannonier muͤſſet in eurem Ungluͤk zufrieden und geduldig ſeyn; das Gluͤk hats
alſo uͤber euch verhaͤnget; Wir haben unſern Leib an den euren gewaget/ und durch einen
redlichen Kampff den Sieg erhalten; waͤhre das Meſſer an unſer Seite unmahl gefallẽ/
haͤtten wir ja muͤſſen damit zufrieden ſeyn. Sehet ihr meine Herren/ das wird ihre hoͤflich-
ſte Antwort uns zum Troſt geben; Koͤnnen wir nun damit zufrieden ſeyn/ je was wollen
wir dann noch Koſten auff die Geſandſchafft wenden? Wil uns aber dieſe ihre Erklaͤrung
nicht behagen/ warumb wollen wir ſie dann mit unſer Beſchimpffung anhoͤren? Unſer
Schwert und Feur muß der Geſante ſeyn/ welcher unſere Sache werben kan/ dann eben
dieſen haben ſie an uns geſchicket. Oder ſind wir ſchlimmer als die kahlen Boͤhmen und
nackete Teutſchen? Laſſet uns keine Friedens Gedanken tichten/ da ſie nicht hafften koͤñen/
ſondern ſolches unnuͤtze Spiel unſern Kinderchen anbefehlen. Der Krieg/ der muhtige uñ
vorſichtige Krieg muß den Schimpff abwiſchen/ und den Schaden mit groſſen Zinſen
wieder einbringen. Auff was weiſe aber iſt dieſer von uns an die Hand zunehmen? Sollen
wir einem offenbahren muhtwilligen Feinde denſelben noch eine zeitlang vorher anſagen/
welcher ohn alle Abſagung die unſern überfallen und nidergeſchlagen hat? Was waͤhre
das anders/ als ſolchen ungerechten Feind warnen/ er ſolte ſich rüſten/ er ſolte ſich nach
Huͤlffe umtuhn/ er ſolte Italien/ Schweden/ Daͤnnemark/ Frieß- und Wendland/ und al-
le die ſie wiſſen/ wider uns auffwiegeln/ und uns als eine Fluht von allenthalben her uͤber-
ſchwemmen/ weil er vor ſich ſelbſt zu ſchwach iſt/ uns Widerſtand zuleiſten. Ein ſchoͤner
Vortel an unſer Seite/ da wir unſer eigen Ungluͤk erbetteln ſollen. Aber wir muͤſſen ihnen
gleichwol vorher abſagen/ moͤchte jemand einwenden/ damit wir unſer Sachen Gerech-
[t]igkeit andern Koͤnigreichen darlegen. Ey es bedarffs nicht ihr meine Herren/ es bedarfs
nicht. Wir haben uns umb fremde Huͤlffe gegen dieſen Feind nicht zubewerben/ die wir
viel einem maͤchtigern vor uns ſelbſt gnug gewachſen ſind. So wuͤrdẽ auch unſere Nach-
barn ohn zweifel es uns zum Unverſtande auslegen/ dz wir einem Beleidiger durch War-
nung den Harniſch ſelbſt anzihen wolten. Am beſten wird es ſeyn/ daß wir ihre getahne
Abſagung gnug ſeyn laſſen; dann wir wollen den Feind nicht ausfodern und angreiffen/
ſondern der uns durch die weltkuͤndige Beleidigung ausgefodert/ und ſchon angegriffen
hat/ entgegen treten/ und ſeinen Frevel von uns abtreiben. Dieſem nach muͤſſen wir die
auffgebohtenen Voͤlker in aller Eile zuſammen führen (dann der Krieg iſt ſchon in unſer
vorigen Verſamlung beſchloſſen worden) und uns unter einander aͤidlich verbinden/ daß
keiner lautkuͤndig mache/ worauff unſere Kriegsruͤſtung angeſehen ſey. Ja es muͤſſen die
Grenzen nach Boͤhmen zu/ wol beſetzet werden/ nebeſt genaufleiſſiger Auffſicht/ daß nie-
mand von uns dahin reiſe/ welcher ihnen einige Zeitung unſers Vorhabens bringen koͤn-
ne. Schlieſſe hiemit/ und wiederhohle mein anfaͤngliches erbieten. Maſtyes und Agiß hoͤ-
reten eigentlich/ daß dieſer nicht allein die Stim̃e/ ſondern auch die Worte aus Dropions
Maul genommen hatte/ daher merketen ſie/ daß dieſer Frevel unter ſo ſcheinbahren Urſa-
chen durchdringen wuͤrde/ weil ihnen die Freyheit benommen wahr/ ſolche heilloſe Gruͤn-
de durch
[717]Achtes Buch.
de durch wichtige Urſachen anzugreiffen und umzuſtoſſen. So ließ uͤberdas der Koͤnig
ſchon ſpuͤren/ daß ihm dieſes Vorbringen nicht uͤbel gefiele/ als er den tapferen Hyppaſus/
ſeinen lieben und getraͤuen Raht und Feld Oberſten Wachtmeiſter mit dieſen Worten
anredete: Laſſet euch nun auch vernehmen/ mein redlicher Hyppaſus/ was ihr wider unſe-
re frevelmuͤhtige Feinde ſtimmen wollet. Wir reiten ſchon in zween Hauffen/ allergnaͤ-
digſter Koͤnig/ antwortete er/ und duͤrffte ein redlicher Diener faſt bedenken tragen/ ſich
weiter heraus zulaſſen/ weil er nohtwendig der einen Meinung beyfallen/ und die andere
verlaſſen muß/ da er dann deſſen ſeine Urſachen anzuzeigen/ und die mißfaͤllige zuwiderle-
gen gezwungen wird; deſſen ich mich aber nicht zubefuͤrchten habe/ weil eine zeitlang da-
nider zu Bette gelegen/ und von den uns angefügeten ſchweren Beleidigungen/ daruͤber
der Marſchalk Herr Pyrechmes klaget/ wenig Wiſſenſchafft habe; nur daß vor etlichen
Jahren ich verſtanden/ daß Herr Bato von dem jungen Fuͤrſten Herkules nidergehauen
ſey/ jedoch vor freyer Fauſt/ und da der Sieger mit ſchweren Scheltworten ausgefodert
iſt; So weiß ich auch/ daß unterſchiedliche Pannoniſche Schaaren von den Teutſchen
und Boͤhmen etwas Abbruch gelitten haben/ aber da ſie jene angeſprenget/ und zu ihrem
ſelbſt eigenen Schutze ſie genoͤhtiget/ welches auch in der lezten zimlich harten Niderlage
alſo ergangen. Der ritterliche Pines iſt von Herkules über wunden und zum Leibeigenen
gemacht/ aber er iſt ja Ausfoderer geweſen/ und meldet nit allein das Kaͤyſerliche Schrei-
ben/ ſondern auch der zuruͤk geſchicketen Diener Zeugniß einhellig/ daß Herkules von Herr
Pines faſt zum Kampff genoͤhtiget ſey/ mit der Bedraͤuung/ da er ihm zu Padua nicht fuß
halten wuͤrde/ wolte er ihn ſo lange verfolgen/ biß er wol ſolte ſtehen. Von anderen Belei-
digungen weiß ich nicht zuſagen; trage demnach billich bedenken/ mich weiter heraus zu
laſſen/ wiewol ich nicht zweifele/ man werde Urſachen gnug haben/ ob ſie mir gleich verbor-
gen ſind; und bitte untertaͤhnigſt/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wolle aus beyden ſchon vorgetra-
genen Meinungen die behaͤglichſte allergnaͤdigſt erwaͤhlẽ/ dem wir zweifels ohn ingeſamt
Beyfal geben werden. Der Koͤnig beſan ſich auff dieſes Vorbringen/ und Drovion waͤh-
re ſchier vor Eifer geborſten/ maͤſſigte ſich doch uͤber vermoͤgen/ und kunte ſich nicht inne
halten/ den Koͤnig alſo anzureden: Großmaͤchtigſter Koͤnig; demnach der Feld Obriſt-
Wachtmeiſter ſich mit ſeiner Unwiſſenheit entſchuldiget/ wie er dañ wegẽ Leibesſchwach-
heit bey unſer vorigen Verſamlung nicht erſchienen iſt/ halte ich davor/ er koͤnne mit wei-
terer Stimmung wol verſchonet werden. Nicht alſo/ antwortete Mnata; ſondern gleich
wie ihr alle mit einander eure endliche Meinung ſagen muͤſſet/ und zum teil ſchon geſaget
habet/ alſo muß Hyppaſus auch tuhn; jedoch alſo/ daß/ wie unſerm lieben getraͤuen Py-
rechmes es kein Menſch veruͤbeln ſol/ daß er wider die beyden vorhergegangenen Stim̃en
ſeine Gedanken ausgedruͤcket hat/ alſo ſol einem jeden in dieſer Reichsverſamlung nicht
allein frey ſtehen/ ſein Gutduͤnken offenherzig anzuſagen/ ſondern auch deſſen Urſachen
einzufuͤhren. Der Stathalter Herr Dropion hat recht geurteilet/ antwortete Hyppaſus/
daß wegen meiner Unwiſſenheit ich mit weiterer Stimmung koͤnte verſchonet werden;
weil aber Euer Koͤnigl. Hocheit gnaͤdigſter Wille mir Befehls gnug ſeyn muß/ und ich
uͤber das noch das ernſtliche Gebot vor mir habe/ wil ich auſſer Zweifel ſetzen/ daß wir
nicht vielfaͤltig ſolten beleidiget ſeyn/ und ſtimme darauff mit dem Stathalter Herr Ma-
x x x x iijſtyes;
[718]Achtes Buch.
ſtyes; daß ein jedes Koͤnigreich/ krafft durchgehender Gerechtigkeit/ über das gemei-
ne Recht aller Voͤlker ſteiff zuhalten ſchuldig ſey/ ob gleich die unbedachtſamen Feinde
ſolches nicht in obacht nehmen wolten. Zwar wir ſind beleidiget/ wie ich nicht zweifeln wil;
aber ſollen wir aus dieſem Grunde nicht mit Vorbehalt unſer Ehren und Anſehens ver-
ſuchen/ ob der Feind auff ergangene großmuͤhtige Erinnerung in ſich gehen/ der Billigkeit
ſtat geben/ und den groben Fehler verbeſſern wolle? Ja ſollen wir aus eben demſelben
Grunde ihm auff den fal der Wegerung nicht den Krieg ankündigen/ ſondern ihn unge-
warnet anfallen/ ſo wuͤrde daraus folgen/ daß nur der erſte Beleidiger ſolche beyderley
vornehmen/ und der Beleidigte ſich deren enthalten muͤſte/ welche Meynung ohn zweifel
viel Widerſprachs bey den Kriegs- und Rechtsverſtaͤndigen finden würde; Und kan uns
von vernuͤnfftigen redlichen Leuten (der unwiſſenden muß man nicht achten) nicht vor ei-
nen Unglimpff ausgeleget werden/ daß wir dem frevelhafften Beleidiger friedlichen Ab-
trag anfodern/ nebeſt dem ansdruͤklichen Bedinge/ daß im widrigen falle uns nicht unbe-
wuſt ſey/ wie wir des empfangenen Schimpfes und Schadens halben Erſtattung zuſuchẽ
wol befuget ſind/ und das Herz haben/ uns mit dem Schwerte deſſen beydes zuentſchuͤtten.
Wird dañ der Feind auch ſolches in dẽ Wind ſchlagen/ und ſich zur Gegenwehr ruͤſten/ ſo
ſtehet uns ja beſſer/ dz wir fechten als rauben/ dz wir unſer Recht gebuͤhrlich ſuchẽ/ als die-
biſcher weiſe ſtehlẽ; es waͤhre dann/ dz wir uns vor unſern gewaffnetẽ Feinden fürchteten/
uñ dieſelben lieber ermordẽ als beſtreiten woltẽ. Jedoch duͤrfen wir nit gedenkẽ/ der Feind
werde auf unſern unabgeſagten Anfal alsbald ve lohrẽ geben/ das Land verlauffen/ und der
gegenwehr vergeſſen. Sie kommen erſt aus dem Kriege/ ſind des fechtens wol gewohnet/
und wegen des neuen erſt erhaltenen Sieges ſind ſie muhtig; ja wer weiß ob ſie ihr tapferes
Heer nicht mehrenteils noch beyeinander haben/ und nichts mehr wuͤnſchen/ als daß wir
durch unrechtmaͤſſiges vornehmen unſere Sache verdaͤchtig und ihre ſcheinbar machen/
welches ihre Voͤlker zur herzhaftigkeit anſpornen wird? Ich kan mir durchaus nicht ein-
bilden/ daß ihnen unſere ſtarke Kriegsverfaſſung allerdinge ſolte unbewuſt und verborgen
ſeyn. Dieſem allen nach iſt mein gutachten/ man handele nach Herrn Maſtyes vorſchlage/
wo ſonſt nicht des Koͤniges Machtſchluß ein anders gebeut/ auf welchen fall ich meine mei-
nung billich zu endeꝛn habe. Die Anweſende/ ſo viel ihrer des Koͤniges und des Vaterlan-
des beſte ſucheten/ kahmen zu weit anderen Gedanken/ als ſie mit ſich in die Verſamlung
gebracht hatten/ und wurden ſehr wankelmuͤhtig/ ob man auch in warheit von dem Teut-
ſchen und Boͤmiſchen Koͤnige beleidiget waͤhre; dann daß dieſer ſeine unwiſſenheit vor-
wendete/ geſchahe bloß darumb/ daß er Dropions ungunſt und Zorn nicht wolte durch die
runde wiederſprechung auff ſich laden. Doch ſahen die in zweifel gerahtene/ das ſolches in
obacht und beredung zu nehmen (ob man beleidiget waͤhre oder nicht) nunmehr zu ſpaͤte
ſeyn wuͤrde. Der Koͤnig ſelbſt ſaß als waͤhre er nicht bey ſich ſelber/ waͤhre auch durch die
eingefuͤhretẽ Haͤuptgruͤndeſchier auff andere Meinung gebracht/ wann nicht der dum-
kuͤhne Pelegon/ Dropions ergebener/ ein Feldhaͤuptman uͤber ein fliegendes Heer/ mit ſei-
ner ungeſtuͤmigkeit dem Faſſe gar den Bodem ausgeſtoſſen haͤtte/ in dem auff Koͤniglichẽ
Befehl er alſo anfing: Solte ich ein hocherhabener Pannoniſcher Koͤnig ſeyn/ und mei-
nen mutwilligen Beleidiger mit ſanften friedfertigen Worten erſuchen/ daß er den ange-
legten
[719]Achtes Buch.
legten Schimpff gutmachen/ und den Schaden erſtatten moͤchte? davor wolte ich den
Stand eines tapferen ſchlechten Ritters oder Fechters waͤhlen/ als welcher die Freiheit
hat/ auff denſelben zuzuſtoſſen und zu hauen/ der ihn angreiffet; ja ein Baur wuͤrde mehr
Recht haben als unſer Koͤnig/ weil er ſeinem Pfluggeſellen eine Ohrfeige wieder beut/ wañ
er zuvor eine empfangen hat. Haben wir noch nicht Schimpfs gnug erlitten/ da man ſich
genoͤhtiget hat zu unſern Geſanten/ wie dieſelben durch ſchelmiſche Zaubergriffe angeta-
ſtet/ beſchimpfet und nidergelegt wuͤrden; und wir wollen den Frieden noch darzu betteln?
dafern dieſer Raht gelten ſolte/ werde ich mir ein ander Land ſuchen muͤſſen/ in welchem
ich ohn der Teutſchen und Boͤhmen beſchimpfung leben koͤnne/ dann ich ſehe ſchon zuvor/
wie ſtatlich uns dieſe nichtwerte Landlaͤuffer trillen werden/ zweifele auch nicht/ mañicher
redlicher Mann werde mit mir eines vorhabens ſeyn. Ich moͤchte aber gerne wiſſen/ was
vor eine Erſtattung wir durch Friedeshandelung von dieſen unſern abgeſagten Feinden
begehren wollen. Sollen ſie den Schimpff und Schaden mit Gelde buͤſſen? deſſen ha-
ben wir/ dem Gluͤk ſey dank/ ſchon uͤberfluͤſſig; oder ſollen ſie die Beleidiger zur Straffe
heraus geben? Ey ihre Herſcher ſind es ja ſelber/ die werden ſich dem Buͤttelsſchwerte nit
unterwerffen/ ſo lange ſie ſich wehren koͤnnen. Auch muͤſten wir ſolche Handelung nicht
mit ihnen/ ſondern mit ihren Untertahnen anſtellen/ welches ja nicht geſchehen kan/ und iſt
in aller Welt wol unerhoͤret/ daß man einen Beleidiger durch friedliche Handlung zur Le-
bensſtraffe fodert/ wie ich dann aus meines gnaͤdigſten Koͤniges Munde bald anfangs ge-
hoͤret habe/ daß der angelegte Schimpf (von dem Schaden wil ich nicht reden) durch keine
andere gnugtuhung/ als durch der frevelmuͤhtigen Blut bey ſeiner Hocheit koͤnne ausge-
ſoͤhnet werden; welchen recht Koͤniglichen Schluß/ woran Pannoniſchen vorzuges Ehr
und Anſehen hanget/ ihre Hocheit nimmermehr wiederruffen wird/ und mus aus dieſem
unwiedertreiblichen grunde alle guͤtliche Handelung verſtieben und von ſich ſelbſt ver-
ſchwinden. Aber unſer Koͤnig ſol durch der Voͤlker Recht gehalten ſeyn/ dieſen ehrenſchaͤn-
digen Beleidigern den Krieg anzukündigen. Ey warumb? ich habe mich in den Rechst-
haͤndeln nicht hoch verſtiegen; aber dieſes Voͤlker Recht/ ja dieſes eingepflantzete Recht
weiß ich wol/ daß ich mich unabgeſaget wehren ſol/ wann ich angefallen bin/ oder ich duͤrf-
te mir des Feindes Schwert ſelber in das Eingeweide rennen. Auff auff meine Herren/
Freunde und Bruͤder/ auff auff/ und laſſet uns der ganzen erbaren Welt zeigen/ daß Pan-
noniſche Tapferkeit annoch in voller bluͤte ſtehe/ und die Erndte nahe ſey/ da ſie ihre herliche
Frucht einſamlen muͤſſen; alsdann wil ich mein Haͤupt nicht ſanfte legen/ der Zaͤuberer
Herkules und ſein Schmeichler Ladiſla muͤſſen dann zuvor gebendiget/ und unſere Goͤt-
ter durch ihr Blut verſoͤhnet ſeyn. Man ſahe es dem Koͤnige an/ daß ihm dieſer Vortrag
wol gefiel/ inſonderheit/ als acht Raͤhte und Oberſten nacheinander dieſer Stimme bey-
pflichteten; und ob zwar Amythaon und ſeines Bruders Sohn Deon den gelindern Weg
als den erbarern ihnen gefallen lieſſen/ welche beyde ihrem Koͤnige ſehr getraͤulich dieneten/
ſo ging doch aller übrigen Stimme dahin/ wie es Pyrechmes und Pelegon getrieben hat-
ten/ weil ſie wuſten/ daß ihrem Befoderer Dropion es alſo gefiel/ und zugleich merketen/ dz
der Koͤnig auch nicht dawieder wahr. Hier muſte nun der Oberſtathalter Dropion ſeine
meinung ſagen/ welcher vor erſt wiederhohlete/ was vor unleidlichen Schimpf das Pan-
noni-
[720]Achtes Buch.
noniſche Reich von dem Boͤhmen und Teutſchen eingenommen/ welches doch alles ver-
kehret angezogen/ und unſern beyden Helden angetichtet ward/ als haͤtten ſie ſich nur die
Pannonier zubeſchimpffen in den Streit mit Pines gemiſchet/ wie desgleichen auch Bato
ohn alle gegebene Urſach von Herkules waͤhre beleidiget/ und meuchliſcher weiſe erlegt
worden/ alles dem Pannoniſchen Reiche zu troz; haͤtte uͤberdas von vertraueter Hand/ dz
ſie von dem Roͤmiſchen Kaͤyſer groſſe Gelder empfangen/ Pannonien zubeſtreiten/ ſolches
Land mit ihm zu teilen/ und alle Inwohner entweder zu toͤdten/ oder in wuͤſte Laͤnder/ ſolche
zu bauen/ zuverſetzen; welches ſie untereinander mit ihrem Blute ſolten verſchrieben ha-
ben; ob dann nicht ein kindiſches Vornehmen ſeyn wuͤrde/ wann man mit ihnen gütliche
Handlung wolte pflegen/ welche nicht allein dahinaus ſchlagen wuͤrde/ daß man Spot zu
lohn bekaͤhme/ ſondern man haͤtte ſich zuverſichern/ daß der Boͤhme ein gutes Stük des
Pannoniſchen Reichs/ zur erweiterung ſeiner Herſchaft fodern wuͤrde/ welches anzuhoͤren
ganz unleidlich waͤhre. Hielte demnach unnoͤhtig und allerdinge überfluͤſſig/ daß man ei-
nem Landkuͤndigen Freveler/ welcher die begangene beleidigung weder leugnen koͤnte/ noch
zubereuen willens waͤhre/ dẽ Krieg lange vorher ſolte ankuͤndigẽ; dañ hiedurch wuͤrde man
den Feinden anlaß geben/ ihre Grenzen aufs ſtaͤrkeſte zubeſetzen welche ohndas zimlich veꝛ-
wahret waͤhren/ und duͤrfte man auff dieſe weiſe gnug zu tuhn bekommen/ ehe man ſich der
Grenz-Feſtungen wuͤrde bemaͤchtigen koͤnnen/ wo nicht wol gar die Feinde den Krieg auf
dem Pannoniſchen Bodem zu fuͤhren ſich bemuͤhen duͤrften. Doch ſtellete ers endlich ih-
rer Koͤniglichen Hocheit alles anheim/ ob man den Frieden erbetteln/ oder durch tapfere
Fauſt Boͤhmen erſtreiten ſolte/ da er dann deſſen Machtſpruche ſich willigſt hiemit wolte
unterworffen haben. Woldann in Gluͤckes Nahmen/ ſagte der Koͤnig; ſo ſey hiemit der
Krieg wieder unſer abgeſagte Feinde die Boͤhmen und Teutſchen beſchloſſen/ alſo und deꝛ-
geſtalt/ daß wir keines weiteren abſagens noͤhtig haben/ vielweniger eine guͤtliche Hand-
lung vornehmen wollen/ die uns nichts als Schimpf und verachtung bey den Feinden zu-
zihen wuͤrde. Sollen demnach die Voͤlker in moͤglichſter Stille/ und inwendig drey Wo-
chen beyeinander ſeyn/ auff das unſere unbefugete Beleidiger ſchleunig und mit ſchmerzen
empfinden moͤgen/ was es vor nutzen bringe/ wann man die unüberwindliche Pannoni-
ſche Macht zu Zorn und Eifer reitzet. Euch aber Herr Stathalter Dropion/ ſol hiemit
und Kraft dieſes das hoͤchſte algemeine Feldmarſchalks Amt auffgetragen und anbefohlen
ſeyn/ unſer lieber getraͤuer Agiß aber euch/ als der naͤheſte nach euch/ zugegeben werden/
mit welchem ihr alles bereden/ und in Raht ſtellen ſollet; wird euch beyden alſo volkom̃ene
Gewalt Kraft dieſes/ erteilet/ dieſen Krieg anzufangen/ zu fuͤhren/ und zu endigen/ wie euch
und den hohen Kriegshaͤuptern ſolches am vortraͤgligſten duͤnken wird; jedoch daß/ wann
der Feind Handelung und Abtrag anbieten wuͤrde/ uns ſolches zugeſchrieben/ und unſer
Befehl daruͤber eingehohlet werde. Hierauff verpflichtete ſich Dropion/ den Boͤmiſchen
Koͤnig lebendig oder Tod zu liefern/ wann ſein gnaͤdigſter Koͤnig ihn zur belohnung mit
dem Boͤmiſchen Reiche belehnen wolte; welcher unverſchaͤmten Anfoderung nicht allein
der Koͤnig und ſeine Getraͤuen/ ſondern der groͤſte teil ſeines eigenen anhanges erſchraken/
daß wenig fehlete/ der Koͤnig haͤtte ihn deswegen ſcharf angegriffen/ doch maͤſſigte er ſich/
und gab ihm zur Antwort; er ſolte alle gebuͤhrliche Traͤue und moͤglichen Fleiß anwenden/
auch
[721]Achtes Buch.
auch hinwiederumb aller Koͤniglichen Gnade von ihm gewaͤrtig ſeyn. Dropion hatte ihm
die Hofnung gemacht/ nicht allein die ungemaͤſſene Macht und Freiheit uͤber das ganze
Heer vor ſich allein zuerhalten/ ſondern auch dieſes ſeines anmuhtens gewehret zu ſeyn;
als er aber in beyden fehlete/ verdroß ihn ſolches nicht wenig/ ſetzete doch das lezte aus/ und
bemuͤhete ſich den Agiß von ſeiner Seite zu ſchaffen/ als welchen nunmehr das Alter an-
finge zuberuͤcken/ und oft gute heilſame Anſchlaͤge zerfloͤſſen/ wann die Haͤupter noch erſt
lange daruͤber zweieten. Aber der Koͤnig/ welcher von ſeinen gefaͤhrlichẽ Anſchlaͤgen ſchon
etwas nachricht hatte/ gab zur Antwort; er haͤtte nicht weniger ſeinen Raht und Marſchalk
Agiß/ als ihn Dropion darzu erwaͤhlet/ daß ſie geſamter Hand an ſeine ſtat alles richten uñ
fortſetzen ſolten/ wie ſolches dem Pannoniſchen Reich am vortraͤglichſten und heilſamſten
waͤhre/ deſſen auffnahme durch dieſen Krieg geſuchet wuͤrde. Zwar Agiß ſtund auff/ und
baht inſtaͤndig/ Koͤnigliche Hocheit moͤchte allergnaͤdigſt ihre Meinung endern/ und ihn
dieſer Laſt entheben; aber er blieb beſtaͤndig auff ſeinem vortrage/ nur daß er endlich einwil-
ligte/ es moͤchten Maſtyes und er das Loß drumb werffen/ wer unter ſolchem Amte mitge-
hen/ oder im Reiche als Stathalter verbleiben ſolte. Welches Dropion vernehmend/ dar-
zwiſchen redete/ es haͤtte die Meinung nicht/ als ob er Herrn Agiß unlieber als einen an-
dern neben ſich dulden koͤnte/ ſondern weil dem Koͤnige gefiele/ ihm ein Neben Haͤupt zuzu-
ordnen/ waͤhre er mit dem Marſchalk wol zu frieden/ uñ hoffete in guter einigkeit mit dem-
ſelben zu leben/ und des Vaterlandes beſte zu ſchaffen. Dieſes aber brachte er aus ertichte-
tem Gemuͤht vor/ dann er wahr Agiß von herzen feind/ aber weil er vor Maſtyes ſich noch
am meiſten fūrchtete/ wolte er aus zweien vermeineten Ubeln das geringſte waͤhlen. Nach
dem dieſe Verſamlung von einander gelaſſen wahr/ gingen Maſtyes/ Agiß/ Hyppaſus
und Amythaon in geheim zu dem Koͤnige/ und ſtelleten ihm vor zubetrachten/ mit was ho-
hen Gedanken Dropion umginge/ und nicht haͤtte verbergen koͤnnen/ dz er bloß zu ſeinem
beſten dieſen Krieg triebe/ damit er eine Krone auff ſein Haͤupt bekaͤhme/ welches auſſer
zweifel nirgend anders hin geſpielet waͤhre/ als daß er der Pannoniſchen auch bald teilhaf-
tig werden moͤchte; waͤhre demnach ſehr noͤhtig/ daß man ihm nach aͤuſſerſter Moͤgligkeit
die Karte verſteckete/ alſo und dergeſtalt/ daß ihm etliche des Koͤniges Getraͤue zu hohen
Kriegs Raͤhten und Befehlichshabern zugegeben würden/ und hinwiederumb/ Verdacht
zumeiden/ dem Agiß etliche verdaͤchtige; alſo wuͤrde allenthalben vielem Unheil vorge-
bauet werden koͤnnen. Dieſes ward angenommen/ und muſten Hyppaſus und Amythaon
dem Dropion zutreten; bey Agiß aber/ welcher ſonſt lauter Getraͤue umb ſich hatte/ Py-
rechmes und Pelegon verbleiben/ welches abermahl Dropion ſehr zuwider wahr/ und ſich
deſſen doch nicht durffte merken laſſen/ nahm ihm auch vor/ im Anfange behuhtſam zuge-
hen/ und mit der Zeit allen Verdacht abzulehnen. Er wahr ſehr geſchaͤfftig/ das Heer in
aller ſtille zuſamlen/ welches mitten im Reich geſchahe/ da 180000 wolgeuͤbete und beweh-
rete Pannonier zuſammen gebracht wurden/ als 93000 zu Pferde/ und 87000 zu fuſſe/ und
in beſtimmeter Zeit zum Auffbruch fertig lagen. Dropion bekam 55000 zu Pferde/ und
50000 zu Fuſſe; Agiß 38000 Reuter/ und 37000 Fußknechte; welche aber umb beſſerer
Einigkeit willen offt durcheinander verſetzet/ ſich lagern und fortzihen muſten. Agiß taht
dem Dropion als dem Ober Haͤupt groſſe Ehre an/ und willigte in alle ſeine Vorſchlaͤge/
y y y yweil
[722]Achtes Buch.
weil ſie von dieſem liſtigen anfangs alſo angelegt wurden/ daß man ſie dem Vaterlande
vor erſprießlich halten muſte; So wahren auch Hyppaſus und Amythaon gnugſam un-
terrichtet/ weſſen ſie ſich/ Verdacht abzulehnen/ bezeigen ſolten/ und nur darauf fleiſſig meꝛ-
ken/ was vor welche dem Dropion vor andern anhingen/ und nicht unterlaſſen/ die gemei-
nen Knechte und Unter-Befehlichshaber in des Koͤnigs Gewogenheit zuerhalten. Die-
ſes groſſes Heer/ da es noch eine halbe kleine Tagereiſe von den Boͤhmiſchen Grenzen war/
ward in ſechs Reüterhauffen und ſo viel Fuß Heere verteilet/ und einem jeden Befehl ge-
geben/ an was Ort und Enden ſie einfallen ſolten/ welches auff eine gewiſſe Stunde des
folgenden Tages geſchehẽ muſte; wie ſie auch als eine ſtraͤnge Fluht/ ehe mans inne ward/
loß brachen/ und die Grenz Feſtungen zuuͤberrumpeln meyneten/ welches ihnen doch miß-
riet/ dann Ladiſla hatte ſie aus Vorſorge bald bey ſeiner erſten Wiederkunfft mit ſtarker
Beſatzung verſehen/ uñ gute Befehlichshaber hinein gelegt; doch muſten ſie endlich gewon-
nen geben/ dann der Feind ſtuͤrmete Tag und Nacht unauffhoͤrlich/ biß er ſie erhielt/ und
alles/ ſo wol Inwohner als Beſatzung nidermatzete/ wiewol er uͤber 20000 Mann davor
ſitzen ließ/ welche zwar alsbald wieder ergaͤnzet wurden/ muhtmaſſeten aber daher/ daß ih-
res Bluts in dieſem Kriege viel drauff gehen wuͤrde. Eines taht ihnen groſſen Schadẽ/
daß ſie nicht alsbald fortzogen/ ſondern nach eroberten Feſtungen den Voͤlkern dreytaͤgi-
ge Ruhe gaben/ alles zuveꝛſchwenden/ was in dieſen Staͤdten gefunden ward; dañ hiedurch
gewunnen die unſern Lufft/ daß ſie ſich gefaſſet machen kunten.


Baldrich und Siegward/ wie zuvor gemeldet/ gingen ihnen mit 48000 wolgewap-
neten Reutern entgegen/ da ihnen eine unglaͤubliche menge der Inwohner mit ihren Wei-
bern und Kindern aufſties/ dann ſie lieffen alle davon/ und lieſſen Vieh/ Korn und alles im
Stiche/ nur daß ſie ihre Baarſchafften und das Leben retten moͤchten/ wie wol etliche ih-
rer Pferde/ Ochſen/ uñ Kuͤhe nicht vergaſſen/ auf welchen ihrer viel noch die beſten Sachen
fortſchleppeten. Baldrich ließ alle erwachſene Mannes bilder anhalten/ und ſendete deren
in zween Tagen 15000 nach Prag/ daß ſie mit Gewehr und Waffen ſolten verſehen wer-
den. Ladiſla hatte zu dieſen noch 16000/ von denen allen wurdẽ die helfte beꝛitten gemacht;
und unter Leches nach Baldrichs Heer fort geſchicket. Der Feind drang ſchleunig zum
Lande hinein/ und die unſern gingen ihnen nicht langſamer entgegen/ da ſie des Elendes
zeitig gewahr wurden/ weil ſie des Nachtes von ferne viel Doͤrffer und Flecken ſahen in
hellem Feur ſtehen/ und daher zu rahte wurden/ ihnen in guter Behutſamkeit zu naͤhern/
damit ſolchem Land-Verderben geſteuret wuͤrde. Siegward ging mit 6000 wolberitte-
nen voraus/ uͤmb zu vernehmen/ ob man dem Feinde nicht einen einfall thun/ und ihn et-
was ſtutzen machen koͤnte/ traf viel fluͤchtige Bauren an/ und erfuhr von ihnen/ es laͤgen
drey Meile von hinnen in einem groſſen Dorffe 9000 Reuter/ fraͤſſen/ ſoͤffen/ und trieben
mit den geraubeten Weibern allen ſchaͤndlichen Muhtwillen. Er befahl ſich Gott/ nam et-
liche Wegweiſer zu ſich/ und kam zwo Stunde vor Abends daſelbſt an/ beſetzete das Dorff
auswendig mit 1000 Mann/ und fiel mit der uͤbrigen ganzen Macht zu Fuſſe hinein/ fun-
den den mehren Teil ſchlaffen/ die uͤbrigen ſauffen und ſchwaͤrmen/ und hielten ein ſolches
Gemaͤtſche unter ihnẽ/ daß ganze Baͤchlein Blut aus den Haͤuſern floſſen/ weil ſie in einem
oft 400 antraffen. Alles was Feind wahr/ ward ohn Unterſcheid nidergemacht/ ohn 50
Haͤupt-
[723]Achtes Buch.
Haͤupt- und Unter Haͤuptleute wurden gefangen/ und etwa 14 gemeine Knechte verſtecke-
ten ſich im Stroh/ und erretteten ihr Leben. Alle Pferde bekahmen ſie/ welche mit ſtatlicher
Beute beladen wahren/ erloͤſeten auch 6000 gefangene ſtarke Maͤnner/ welche nach Pan-
nonien in Dienſtbarkeit ſolten gefuͤhret worden ſeyn. Es wahr eine groſſe Freude unter ih-
nen/ daß ſie keinen einzigen Mann eingebuͤſſet/ und etwa 30 Verwundete unter ſich hattẽ/
bewehreten die Erloͤſeten mit der Feinde Ruͤſtung/ nahmen das uͤbrige Gewehr mit ſich/
legeten ſelbſt Feur in das Korn und Stroh deſſen eine groſſe Menge verhanden wahr/ da-
mit es dem Feinde nicht zu Teil wuͤrde/ und zogen froͤlich davon/ da ſie mit einem Freuden-
Geſchrey empfangen wurden/ dann es wahr heller Mondenſchein/ daß ſie die ganze Nacht
reiten kunten. Die Gefangene wurden ſcharf befraget/ und mit der Folter gezwakt/ weil ſie
anfangs gar wiederwaͤrtiger Auſſage ſich vernehmen lieſſen/ biß ſie endlich einhellig anzei-
geten/ wie ſtark ſie an Manſchaft/ auch wie ſie geſoñen waͤhren/ nit zuruhen/ biß ganz Boͤh-
men wuͤrde eingeaͤſchert und verwuͤſtet/ oder doch unter des Pannoniſchen Koͤniges voͤlli-
gem Gehorſam ſeyn; welches Baldrich ſo hoch empfand/ daß er ſie alle 50 als kundbahre
Mordbrenner an Baͤume aufhenken ließ. So bald die wenige uͤberbliebene dieſe leidige Zei-
tung ihrer Niderlage uͤberbrachten/ wolte das Heer/ welches ſich nunmehr zuſammen ge-
ſchlagen hatte/ des Tages kaum erwarten/ brachen im Grim̃e auf/ und wolten dieſes Haͤuf-
lein mit Gewalt tod haben; wie dañ Baldrich ihm gar zeitig dieſe Rechnung machete/ be-
wehrete noch 6000 der fluͤchtigen Einwohner/ und ging mit deꝛ ganzen Macht 60000
ſtark ihnen entgegen/ da er einen ſehr voꝛtelhaften engen Durchzug zuerhalten/ und daſelbſt
feſten Fuß zuſetzen treflich eilete/ welches ihm gluͤckete/ und alsbald ein raumes Lager ab-
ſtechen/ umgraben und aufwerffen ließ. Leches kam um Mitternacht mit 16000 Reutern
zu ihm/ und brachte Zeitung das Prinſla mit 20000 Fußknechten nicht weit waͤhre/ wel-
che auch (weil ſie auff Bauren Pferden ſchnelle fortjageten) gegen den Morgen ſich ein-
ſtelleten/ und alle miteinander dieſen Tag das Lager dergeſtalt verſchanzeten/ daß ſie nicht
zweifelten/ etliche hundert tauſend Feinde darinnen wol auffzuhalten. Herkules ſtund in
ſteter Furcht/ ſeines Bruders gewoͤhnliche Hitze zu fechten moͤchte dem ganzen Weſen
ſchaͤdlich ſeyn/ wolte daher auff die ankommende Teutſchen Voͤlker nicht warten/ ſondern
ging mit 400 Reutern ſchnelle nach dem Lager/ und fand alles in gutem Wolſtande/ wie
ers wuͤnſchete/ nur daß er die Graben/ von forne nach dem Feind zu/ etwas breiter und tie-
fer machen ließ/ daß der auffgeworffene Wahl an dieſem Ort wie ein zimlicher hoher und
geher Berg anzuſehen wahr. Dropion bekam deſſen bald Zeitung/ daß die unſern auf die-
ſer enge Stand gefaſſet haͤtten/ uñ willens waͤhren/ ſeiner alda zuwarten/ hielt eilig Kriegs-
Raht/ und befand/ daß Hyppaſus Meinung der Warheit aͤhnlich wahr/ die unſern wuͤr-
den hieſelbſt ſuchen/ ſich aufzuhalten/ und zugleich ihrem weiteren Einbruch zuſteuren/ biß
ſie mit gnugſahmer Manſchaft aus Teutſchland ſich wuͤrden verſehen haben/ eine Feld-
Schlacht zuwagen/ wie wol er ſolches in den Wind ſchlug/ nebeſt hohen Fluͤchen/ wann ſie
gleich drey Mann gegen einen herzuführen wuͤrdẽ/ wolte er ſie doch mit ſeiner wolgeuͤbetẽ
Mannſchafft niderſchlagen; macheten endlich den Schluß/ die auffgeworffene Schanze
zu ſtuͤrmen/ und hiedurch den Weg uͤberal zu oͤffnen; zu welchem Ende ſie 18000 Reuter
zum Vortrabe ausſchicketen/ alle moͤgliche Kundſchafft einzuziehen/ und alles was ihnen
y y y y ijvon
[724]Achtes Buch.
von Menſchen auffſtoſſen wuͤrde/ ohn Barmheꝛtzigkeit niderzumachen; wuͤrde ſich aber
ein bewaffneter Hauffe ſehen laſſen/ ſolten ſie ihn anfangs ſicher machen/ und durch einen
Hinterhalt beruͤcken. Herkules hielt gleicher maſſen vor dienlich/ daß etliche tauſend Reu-
ter außgeſchicket wuͤrden/ umb zuerforſchen ob der Feind herzunahete; welche zufuͤhren
Baldrich ſo heftig anhielt/ daß mans ihm nicht verſagen kunte/ daher gab ihm ſein Bruder
2000 Teutſchen/ 1000 Wenden/ 1000 Frieſen/ und 2000 Boͤhmen/ alle wolverſuchte Leu-
te/ mit getraͤuer Vermahnung/ aufs behuhtſamſte zugehen/ und ohn Vortel den Streit
nicht zuwagen; und weil Siegward ihn nicht verlaſſen wolte/ ritten ſie miteinander/ da O-
laf Freyheit baht/ in Geſelſchaft mit zugehen. Nach ihrem Abzuge ſagte Herkules zu Fa-
bius; ich fuͤrchte ſehr/ mein Bruder werde eine Schlappe hohlen/ wo die Feinde ihn an-
treffen/ baht ihn demnach/ nebeſt Leches mit 8000 Mann zu ſeinem Entſatze fort zueilen/
und ihrem Huefſchlage zufolgen; wodurch auch aller dreyen Fuͤrſten Leben gerettet ward.
Dann Baldrich wahr etwa drittehalb Meile fortgangen/ da erblickete er ohngefehr 5000
Reuter von Feindes Volk/ die ſich/ wie ſie die unſern ſahen/ enge zuſammen zogen/ aufdaß
ſie deſto kuͤhner zum Anfal gemacht wuͤrden; welcher Anſchlag ihnen vorerſt geriet; maſ-
ſen der ohndas zuſchlagen begierige junge Koͤnig die ſeinen geſchwinde ordente/ mit der
Helfte auf den Feind loßging/ und die andere Helfte Siegwarden und Olaf zum Entſatze
ließ. Der Feind wolte ihm anfangs nicht Fuß halten/ zog ſich im̃er zuruͤk/ und lockete ihn
nach ſich/ woraus Siegward den Betrug merkete/ und durch einen Reuter ihm ſagen lies/
er moͤchte ſich nicht zu weit vertuhn/ des Feindes weichen/ ſo ohn Noht geſchaͤhe/ kaͤhme
ihm viel zuverdaͤchtig vor. Er aber lies ſich nichts anfechten/ meinete es muͤſte gewaget
ſeyn/ und boht den Feinden das Haͤupt mit ſtarken Spornſtreichen geꝛade zu/ welche dage-
gen nur bemuͤhet wahren/ ihm an die Seite zukommen; welches er doch zuhindern wol ge-
lehret wahr/ greif auch freudig an/ und erlegete in kurzer friſt 5 Ritter mit ſeiner Fanſt. Die
Pannonier waͤhneten vor erſt/ es würden nicht ſonderliche Obriſten bey dieſem Vortrabe
ſeyn/ daher ſie des Anfalls nicht groß achteten/ aber da ſie der Streiche empfunden/
gingen ſie gezwungen zuruͤk/ welches ſie ohn das vorſetzlich zutuhn willens wahren.
Baldrich hieb ihm friſch nach/ wuͤrde auch dieſen Hauffen bald auff die Flucht ge-
trieben haben/ wann der verſteckete feindliche Entſaz 13000 ſtark nicht geweſen waͤhre/
welche die ihren zwar Nohtleiden ſahen/ und doch nicht loßbrechen wolten/ weil Bal-
drich ihnen noch nicht nahe gnug wahr/ daß ſie ihn haͤtten uͤmringen koͤnnen; gleichwol
lieſſen ſie 3000 geruhete auf ihn anſetzen/ welche ihn auch ſtutzen macheten/ daß er von den
vorigen ablaſſen/ und gegen dieſe ſich kehren muſte/ wodurch er einen gedoppelten Feind
bekam. Siegward ſahe ſolches/ und ſagete zu Olaf; dieſes Aufzuges bin ich mir ſchon an-
fangs vermuhten geweſen; nam 800 Reuter zu ſich/ befahl dem Daͤnen die uͤbrigen/ und dz
er nicht ehe/ biß es hohe Noht ſeyn wuͤrde/ damit loßgehen moͤchte. Er kam zu rechter Zeit
an/ und entſetzete Baldrichen/ weil die Feinde ihn ſonſt haͤtten umringen duͤrffen/ ermah-
nete ihn auch/ hinter ſich zuweichen/ aufdaß/ wann mehr Feinde verhanden waͤhren/ ſie nit
ins Gedraͤnge getrieben wuͤrden; welches er auch/ ſo viel moͤglich in acht nam/ inſonder-
heit/ weil er ſahe/ daß der Feind noch im̃erhin ſich zuruͤk zohe/ ungeachtet er an Manſchaft
weit uͤberlegen wahr. Durch ſein weichen nun gerieten die Pannonier auf den Wahn/ ihr
Anſchlag würde entdecket ſeyn/ deßwegen ſie den añoch verſtecketen zu entbohten/ ſie moͤch-
ten
[725]Achtes Buch.
ten nur loßbrechen/ weil der Feind nit weiter anbeiſſen wolte; doch verweilete ſich ihr An-
zug zimlich lange/ daß die unſern ſich gar biß auf Olaf gezogen hatten/ welcher den Nach-
folgern der geſtalt auf den Hauben ſaß/ daß die unſer ſeits Verwundete Zeit hatten/ ſich
verbinden zulaſſen/ und die Ermuͤdeten ſich in etwas erhohlen kunten. Es gebrauchete ſich
aber dieſer Held dermaſſen/ daß Baldrich zu Siegwarden ſagete; er haͤtte ſolche Tapfer-
keit und vernuͤnftige Staͤrke nimmermehr hinter ihm geſuchet/ maſſen er mit 2000 Mañ
ſich gegen 5000 (dann 3000 wahren ſchon von den Feinden erleget) dergeſtalt verhielt/ dz
es die Feinde ſelbſt wunder nam. Er wahr nicht lange an einem Orte/ ſondern da er die
ſeinen friſch angefuͤhret hatte/ machte er ſich unvermerkt loß/ und fiel an einem andern Or-
te mit etlichen an/ da ſichs der Feind am wenigſten vermuhten wahr/ daß in kurzer Zeit er
2000 von den Feinden erſchlug/ und die uͤbrigen nicht mehr begehreten anzubeiſſen/ als
welche meyneten/ er ſolte ihrem ausweichen immer nachſetzen; welcher Hoffnung auch die
uͤbrigen wahren/ und deswegen ihren Auffbruch noch in etwas verweileten; nachdem er
aber deſſen nicht willens wahr/ ließ der Pannoniſche Entſaz 10000 ſtark ſich mit fliegendẽ
Reuter Faͤhnlein ſehen; da Siegward zu Baldrich ſagete: Schaue Bruder/ wie wuͤrdeſt
du dich und uns geſtuͤrzet haben/ wann du meiner Erinnerung nicht gefolget waͤhreſt; nun
rahte bald; gehen wir durch/ oder halten wir Stand? Olaf zog ſich geſchwinde mit ihnen
zuſammen/ und ſagete: Ihr Bruͤder/ hier wil gefochten oder geſtorben ſeyn; ich meines
teils befinde mich Gott Lob alſo/ daß ich ein Stuͤndichen mit machen/ und ein halb Dutzet
auff die Spitze nehmen wil; ſolte mich aber Feindes Schwert nidermachen/ ſo bezeuge ich
hiemit/ daß ich als ein glaͤubiger Chriſt zuſterben bereit bin/ ob ich gleich biß daher dieſe
meine Bekehrung vor jederman heimlich gehalten habe. Der allmaͤchtige Gott wird unſer
Schuz ſeyn/ antwortete Baldrich/ welchen wir mit unſern Seuffzern mitten im Gefecht
darumb erſuchen wollen; ermahnete hierauff die Reuter/ ſie ſolten bedenken/ was vor einẽ
Feind ſie vor ſich haͤtten/ der keines Menſchen/ auch des Kindes in der Wiegen nicht ſcho-
nete/ daher ſie keine Gnade oder Lebensfriſtung hoffen duͤrfften/ wann ſie lebendig ſich fahen
lieſſen; Er neben ſeinen Geſellen wolten bey ihnen fuß halten; und verflucht ſey/ rief er uͤ-
berlaut/ der ſich den Feinden lebendig ergiebt. Sie hatten uͤberal etwa 300 Mann einge-
buͤſſet/ und 360 wahren verwundet/ daß der Geſunden Anzahl ſich auff 5340 Mann er-
ſtreckete/ da hingegen der Feinde noch 12000 geſunde waren/ welche mit groſſem Geſchrey
und ſtarken Spornſtreichen auff ſie angingen. Die unſern faſſeten eine kurze Erklaͤrung/
ſetzeten ſich gar breit/ daß ſie nicht leicht kunten umgeben werden/ weil es im offenen Felde
wahr; da Baldrich zur Rechten/ Siegward in der Mitte/ und Olaf zur Linken die Voͤl-
ker fuͤhreten/ auch ſo unverzagt an den Feind anſetzeten/ daß ſie der Kuͤhnheit ſich nit gnug
verwundern kunten. Die Pannonier biſſen anfangs weidlich ins Graß/ dann ſie verlieſſen
ſich nicht allein auff ihre Menge/ ſondern meineten auch/ die unſern wuͤrden ſich im erſten
Treffen ſchon abgemattet haben; weil ſie aber der treflichen Gegenwehr empfunden/ gingẽ
ſie behuhtſamer/ und fielen die unſern Schaarsweiſe an/ unter der Bemuͤhung/ daß ein je-
der/ wann er angegriffen ward/ ſeinen Feind mit in den Tod zunehmen ſuchete/ welches
unſere Fürſten merkend/ eine gevierde Schlachtordnung in zimlicher Ausbreitung ſchloſ-
ſen/ und dadurch dieſen Vorſaz des Feindes brachen. Baldrich ging hieſelbſt am heftig-
y y y y iijſten/
[726]Achtes Buch.
ſten/ daher faſt die Helffte des feindlichen Heers ſich gegen ihn richtete/ dem aber Lufft zu
machen/ Siegward allen Fleiß ankehrete. Olaff meynete den Feind mehr mit Liſt als kraft
zubegegnen/ auff daß er ſich in die Harre ſparen koͤnte; aber ſie lieſſen ihm keine Ruhe/ daß
er wider ſeinen Willen alle Kraͤffte anwenden muſte. Die drey Helden wurden durch ihr
Gefechte den Feinden in kurzer Zeit bekant/ und vereinigten ſich drey Schaaren/ jede von
400 Mann/ ſie zuuͤberfallen und hinzurichten/ unter der Hoffnung/ es wuͤrden alsdann
die uͤbrigen bald zutrennen ſeyn. Sie hingegen verſahen ſich auch mit einem Schutze/ und
wolten ſich von ihren Voͤlkern nicht abreiſſen laſſen/ welches dann ein greuliches Blut-
ſtuͤrzen verurſachete; aber endlich ward Baldrich/ da er kaum 150 Mann bey ſich hatte/
von 400 umgeben; durch welche er ſich fünff mahl hindurch ſchlug/ daß Freund uñ Feind
ihn ruͤhmen muſten; aber ſeine Manſchafft ging mehrenteils drauff/ daß er ſich ohn zwei-
fel haͤtte niedermachen laſſen/ oder ergeben muͤſſen/ wann nicht Olaff ſeiner Gefahr waͤhre
inne worden/ welcher dem Daͤnen Harald an ſeinem Orte die Auffſicht befahl/ und mit
200 Mann ihm zu huͤlffe ging/ es auch ſo weit brachte/ daß er ſich mit ihm vereinigte/ und
dieſen Streit auffs neue fortſetzete/ da die Feinde ihre Schaar immerzu ſtaͤrketen. Sieg-
ward hatte inzwiſchen an allen Seiten zutuhn/ miſſete ſie beyde/ und machte 500 Reuter
aus/ die ſich durchſchlagen/ und wo ſie auch ſeyn wuͤrden/ ihnen huͤlfliche Hand bieten ſol-
ten; aber es wahr ihnen unmoͤglich durchzubrechen/ daher ſie beyde einen uͤberaus heffti-
gen Stand zuhalten gezwungen wurden/ weil ſie 250 Mann ſtark/ ſich gegen 1600 wehren
muſten/ und an unterſchiedlichen Orten ihres Leibes zimliche tieffe Wunden empfingen.
Ihre damahlige Rettung wahr/ daß die Feinde aufingen ſich gegen Siegward ſchlaͤffrig
zubezeigen/ und er daher Lufft bekam/ mit 600 Koͤpffen ſich loßzumachen; ging hin/ wo er
wuſte/ daß ſeine liebe Geſellen Noht litten; und wie hefftig eine andere Schaar von 800
Reutern ſich ihm gleich wiederſetzete/ brach er doch endlich durch/ und befand/ daß ſie faſt
alles Beyſtandes beraubet wahren; rief ihnen doch freudig zu/ und ſagte: Haltet euch
friſch/ ihr Bruͤder/ wir muͤſſen vor unſerm Ende ihrer noch mehr ohn Koͤpffe tanzen ma-
chen. Sein Anfal wahr hieſelbſt ſo hefftig/ daß ihm niemand wiederſtehen kunte; vernam
aber mit Betruͤbniß/ daß Baldrichs Gegenwehr wegen der empfangenen Wunden zim-
lich ſchlecht wahr/ deßwegen er ihn mit 150 Mann aus dem Gedraͤnge fuͤhren ließ. Der
Feinde Heerfuͤhrer/ ein ſtarker anſehnlicher Ritter/ nam ſein mit 300 Pferden wahr/ und
umgab ihn von neuen/ geriet endlich an ihn ſelbſt/ und hielten ein abſonderliches Gefechte
mit einander/ da Baldrich wegen ſeiner Wunden ohn zweifel haͤtte muͤſſen den kuͤrzern zi-
hen/ wann nicht Olaff mit 100 Reutern zum andern mal ihn entſetzet haͤtte/ der ſich an den
Pannoniſchen Feld Herrn machete/ und nach wenig Streichen ihm den rechten Schen-
kel ſehr hart verwundete/ daß er vor Schmerzen vom Pferde ſtuͤrzete/ und in dem Getuͤm-
mel vollend zutreten ward; hatte doch zuvor Baldrichen eine harte Wunde in die Schul-
der beygebracht/ daß er ſein Schwert nicht mehr gebrauchen kunte. Es ging das Spiel uͤ-
ber und uͤber/ dann Freund und Feind hatten ſich durcheinander vermiſchet/ wiewol O-
laf den ſteiffeſten Stand halten muſte/ weil er Baldrichen beſchirmete. Siegward befand
ſich auch zwar im Gedraͤnge/ aber er brach durch/ zog 600 Mann an ſich/ und ging Olaff
zu Huͤlffe. Es wahren kaum noch 2500 unbeſchaͤdigte von den unſern/ da hingen der Feind
noch
[727]Achtes Buch.
noch mit 8000 ſtritte/ und den Sieg ſchon auszuſchreyen anfing/ weil die unſern nur im-
mer hinter ſich wichen/ und wann ſie den Feind ohn Ordnung merketen/ einen Anfal wage-
ten/ damit ſie nicht gar auf die Flucht getrieben wuͤrdẽ. Aber Siegward ward des Stau-
bes hinter ſich gewahr/ und ſprach den ſeinen ein Herz ein; Sie ſolten gar ein wenig nur
noch ſtehen/ er haͤtte den gewünſcheten Entſaz ſchon geſpuͤret; welcher auch nicht lange ver-
weilete; dann Fabius hatte des Treffens von ferne wahr genommen/ ging mit 3000 vor-
an/ und ließ Leches mit den uͤbrigen nach der rechten Seite zugehen. Die Feinde ſahen ſei-
ne geringe Manſchafft/ vor welcher ſie ſich zwar entſetzeten/ aber doch nicht weichen woltẽ/
wiewol er durch ſeine Ankunfft ein ſolches Loch machete/ daß Baldrich und Olaff/ die we-
gen Mattigkeit und Verwundung faſt keinen Schwertſchlag tuhn kunten/ Luft bekahmen/
ſich aus dem Gedraͤnge zubegeben/ und Baldrich ſeine Wunden im freien Felde verbin-
den ließ/ auch Olaff/ ſich zuerhohlen/ den Helm abſetzen muſte. Fabius fochte wie ein grim-
miger Loͤue/ und als er Siegwarden verwundet antraff/ ſagte er zu ihm: Bruder nim nur
Ruhe/ und laß dich verbinden/ du wirſt gar bald ein koͤſtlich ſpiel ſehen; welchen Troſt er
annam/ hin zu Baldrich rante/ und ihm anzeigete/ daß Fabius dieſen Entſaz fuͤhrete/ und
ein groͤſſer Hauffe bald zugegen ſeyn wuͤrde; ſahen auch in dem Leches mit den ſeinen von
der ſeite herſprengen/ der ſich in zwo Schaaren teilete; die eine muſte immer forthauen/ dz
ſie dem Feinde den Ruͤkweg abſchnitten; die andere/ welche er ſelbſt fuͤhrete/ ſtuͤrmete auff
den Feind grimmig ein/ daher in kurzer Zeit die Pannonier auff die Weichſeite gebracht
wurdẽ/ dz ſie endlich zur gemeinen Flucht ſich ſchicketen/ da ſie den hinterſten in die Haͤnde
fielen/ und ohn Gegenwehr wie das Vieh abgeſchlachtet wurden/ ſo daß auch nicht ein ein-
ziger entran/ und nur 300 gefangen wurden/ welche Nachricht gaben/ ihr Hauptheer laͤge
kaum zwo Meilen von hinnen/ und wuͤrde vor Abends noch alhier anlangen; daher die
unſern geſchwinde Beute macheten/ inſonderheit Pferde und Gewehr (welches ihnen am
noͤhtigſten wahr) zu ſich nahmen/ ihre Todten auff Pferde luden/ und als voͤllige Uberwin-
der froͤlich zuruͤk gingen/ wiewol ſie 4700 Mann verlohren hatten/ und von Baldrichs er-
ſtem Heer nicht ein einziger ohn Wunden wahr; dagegen hatte Fabius kaum 50 einge-
buͤſſet/ und 200 beſchaͤdigte unter ſeinem Entſaz/ wunderte ſich auch nicht wenig/ daß dieſe
drey Fürſten mit ſo wenig Voͤlkern den Feind nicht allein auffgehalten/ ſondern faſt uͤber-
wunden hatten/ dann was die Pannonier vor Kriegsleute wahren/ wahr ihm nicht unbe-
wuſt. Noch fuͤrchtete Baldrich ſich nicht wenig vor ſeinem Bruder Herkules/ und ſagte:
Wie werde ichs gegen ihn verantworten/ daß ich ſeiner Warnung nicht gefolget bin/ und
mich ſo unvorſichtig ins Spiel gewaget? Sie wurden mit ihrer groſſen Beute wol em-
pfangen/ wiewol Herkules ſeinem Bruder etwas ſcharff zuredete; Er ſolte hinfort nicht
den Eifer uͤber die Vernunfft herſchen laſſen/ weil ſolches die gefaͤhtlichſte Bahn zum
Tode waͤhre. Er erkennete ſein Verbrechen willig/ und daß er ſeine Wunden wol verdie-
net haͤtte/ die er mit Geduld ertragen wolte/ nur waͤhre ihm leid/ daß Siegward und Olaff
(dem er die Ehre des Sieges und Erhaltung ſeines Lebens oͤffentlich zulegete) daruͤber in
Schaden gerahten/ und ſeine Tohrheit mit buͤſſen müſten. Sie muſten alle drey wider ih-
ren Willen ſich in Saͤnfften nach Prag tragen laſſen/ woſelbſt Neda bey ihrer Ankunfft
mit 40000 anlangete/ die nur wenig Stunden ruheten/ und mit Ladiſla/ Koͤnig Henrich
und
[728]Achtes Buch.
und Arbianes fortgingen/ da die junge Fuͤrſtin Fr. Klara ihren Schaz ſehr ungerne von
ſich ließ/ er ihr auch faſt aͤidlich angeloben muſte/ daß er ſich in keine unnoͤhtige Gefahr wa-
gen wolte. Die Roͤmiſche Herren blieben zu Prag bey dem Frauenzim̃er/ woſelbſt Koͤnigin
Valiſka dẽ Oberplaz bey der Beſatzung verſahe/ uñ fleiſſige Anordnung machete/ dz das La-
ger mit Speiſe und Futter gebuͤhrlich verſehẽ wuͤrde/ ließ auch Ekharten zum andern mahl
ohn der ihrigen wiſſen nach Teutſchland gehẽ/ in ihrem Namẽ 30000 Reuter zuwerben/ uñ
jedem 25 Kronẽ auf die Hand zugeben/ welcher behuef ſie ihm 8 Toñen Goldes zuſtellete.
Das Pannoniſche Haͤuptheer hatte mit ihrem vortrabe verlaſſen/ daß ſie alle Stunden ei-
nen Reuter zu rük ſolten gehen/ und alle begebenheit zeitig gnug andeuten laſſen; wie ſie
auch/ ſo bald Baldrich den erſten Angriff taht/ hinuͤber entbohten/ ſie haͤttẽ ohngefehr 6000
wolbewapnete Reuter in der Falle/ deren keiner zuruͤk gehen/ noch den ihren die Zeitung
ihres Unfals bringen ſolte; deſſen Feldmarſchalk Dropion froh ward/ dann er hatte einen
hohen aͤid geleiſtet/ nicht zu ruhen/ biß er den Tod der im Dorffe erſchlagenen etlicher maſ-
ſen gerochen haͤtte. Nun harrete er eine/ zwo drey Stunden auff weitern beſcheid/ und als
keiner mehr folgete/ ſagte er: Dieſes gehet nimmermehr recht zu; vielleicht haben die un-
ſern ein Nez geſtellet/ und ſich ſelbſt darinnen verſtricket; brach mit der ganzen Menge Reu-
ter/ die annoch in 66000 Koͤpfen beſtund/ ſchleunig auff/ nachdem er zuvor einen vorneh-
men Obriſten zuruͤk in Pannonien geſand hatte/ bey dem Koͤnige zu ſuchen/ daß er noch
120000 Reuter aufs geſchwindeſte ſamlen/ und zum Entſaz nachſchicken/ oder ſelbſt fuͤhren
moͤchte/ weil der Feind ihrer ankunft zu zeitig inne worden/ und eine groſſe Mañſchaft aus
Teutſchland (welches er doch nur muhtmaſſete) zuſam̃en gefuͤhret haͤtte/ woraus er ſchlieſ-
ſen muͤſte/ daß der heimliche Reichsſchluß von ſeinen mißguͤnſtigen/ ihn in Schande zu
bringen/ den Feinden verrahten waͤhre. Weil er auch der Reuterey am meiſten trauete/
ließ er von ſeinen Fußvoͤlkern 20000 beritten machen/ wozu ſie geraubete Pferde gnug
hatten. Als er gegen den Abend auff der Wahlſtat ankam/ und den erbaͤrmlichen Zuſtand
ſahe/ daß alle ſeine Voͤlker nidergehauen/ und kein einiger Todter von den Feinden zu findẽ
wahr/ wuſte er nicht/ was er gedenken ſolte; ſeine Leute ritten die Erſchlagenen durch und
durch/ die alle nacket ausgezogen wahren/ und traffen nuꝛ einen einzigen an/ der ſich ein we-
nig wieder entworffen hatte/ und den ganzen Verlauff erzaͤhlete/ daß anfangs nur 6000
ſich mit ihrem ganzen Heer zwo Stunden geſchlagen/ und keinen Fuß gewichen/ weil ihre
drey Fuͤhrer wie Loͤuen angefallen/ biß ihnen anfangs etwa 3000 zulezt ſchier gedoppelt ſo
viel zu huͤlffe kommen/ und ohn alle Gnade alles nidergehauen/ Plunderung gehalten/ die
Pferde zuſammen getrieben/ und ihre erſchlagene/ etwa 4000 Mann mit ſich fortgeſchlep-
pet haͤtten. Die hochmuhtigen Pannonier gedachten des Schimpfs und Schadens zu ber-
ſten/ verſchwuren ſich untereinander/ es ungerochen nicht zu laſſen/ und lieſſen ſich hieſelbſt
nieder/ damit ſie mit den hinterbliebenen morgens fruͤh fortgehen koͤnten/ begruben die Er-
ſchlagenen/ und durften ihnen noch wol fluchen/ daß ſie von ſo wenigen Feinden ſich haͤtten
laſſen niderhauen. Agiß ſahe wol was vor eine menge Pannoniſches Bluts dieſe Fehde
freſſen würde/ und gab den Raht/ man moͤchte ein wenig gemach tuhn/ und mehrer huͤlffe
aus ihrem Reich erwarten/ welche einen andern Weg einzufallen muͤſten ausgeſchikt wer-
den/ damit der Feinde Macht getrennet wuͤrde/ die vermuhtlich einen feſten Stand etwa
an
[729]Achtes Buch.
an einer vortelhaften Enge wuͤrden gefaſſet haben. Aber Dropion wolte davon durchaus
nicht hoͤren/ einwendend/ man muͤſte ſich ja ins Blut und Herz ſchaͤmen/ wann man das
vergoſſene Blut ungerochen lieſſe; daß demnach der Aufbruch ſehr fruͤh vorgenommen
ward. Herkules gedachte wol/ daß ſie nicht lange auſſe bleiben würdẽ/ ließ die ganze Nacht
das Lager von hintenzu und an beyden ſeiten noch feſter verſchanzen/ uͤbergab Fabius das
Fußvolk/ welches er auff 40000 Mann ergaͤnzete/ und wahr Gallus dabey Statverweſer
neben den Daͤnen Humbold. Die Reuterey beſtund in gleicher Menge/ welche Herkules
und Leches teileten/ und ob zwar noch 10000 Reuter uͤbrig wahren/ ſo hatte doch Herku-
les dieſelben auff die dreiſſig kleine Schaaren verteilet/ daß ſie hin und wieder reiten muſtẽ/
umb nachzuforſchen/ ob die Feinde auch etwa an andern Orten mehr einbrechen wuͤrden.
Die verlohrne Schildwache brachte gar zeitig ein/ des Feindes Vortrab ohngefehr 8000
ſtark lieſſe ſich eine halbe Meile von hinnen ſehen/ denen Leches mit gleicher Anzahl entge-
gen ging/ mit dem ausdruͤklichen Verboht/ ſich in kein Haͤuptwerk einzulaſſen/ ſondern nur
etlichen Gefangenen nachzutrachten/ und von ihnen noͤhtige Kundſchaft einzuzihen; wel-
ches er aufs fleiſſigſte verrichtete; dañ ſo bald die Feinde ihn erblicketẽ/ welche einen gleich-
maͤſſigen Befehl hatten/ zohen ſie ſich zuruͤk/ ob ſie Leches locken/ und etliche ſeines Volks
erhaſchen koͤnten/ weil ſie durchaus keine gewißheit hatten/ wie ſchwach oder ſtark/ oder an
was Ort die unſern ſich/ offen oder beſchanzt/ geleget haͤtten. Hingegen erteilete Leches den
ſeinen/ welche lauter Boͤhmen wahren/ ernſtlichen Befehl/ dafern ſich einer lebendig wuͤr-
de greiffen laſſen/ ſolte er vor unredlich ausgeruffen/ und ſeine Guͤter preiß gemacht wer-
den; lobete ſonſt vor jedwedern Feindes Gefangenen 50 Kronen aus/ und ließ 100 wolbe-
rittene vorangehen/ einen behutſamen Anfal zu wagen/ wo ihnẽſonſt keine ſtaͤrkere Schaar
begegnen wuͤrde. Der Feind ſendete ihnen 200 entgegen/ daher Leches die ſeinen auch ver-
ſtaͤrkete. Nun trieben ſich dieſe Haͤuflein rechtſchaffen im Felde umb/ aber keiner wolte ſich
bloß geben/ oder ernſtlich angreiffen/ welches Leches erſehend/ ſelb ſechſe auff den Fuͤhrer
anfiel/ ihn vom Pferde warff/ und gefangen hinweg ſchleppen ließ. Seine Leute wageten
es ihm nach/ und ob ihrer gleich 30 das Leben druͤber einbuͤſſeten/ erſchlugen ſie doch dage-
gen 50 Mañ und bekahmen 16 Gefangene/ da hingegen keiner von den unſern dem Feinde
zu teile ward/ ohn ein einziger Verwundeter/ dem das Pferd im umbkehren nidergehauen
ward/ gleich da ſie den Abzug nahmen/ und er alſo ſich muſte mit fortſchleppen laſſen/ haͤtte
ſich auch gerne ſelbſt entleibet/ wann er ſeiner nur waͤhre maͤchtig geweſen. Leches ging mit
den ſeinen nachdem Lager/ weil er nach erhaltenem Vorſatze nicht weiter fechten wolte; ſo
durftẽ ihm die Feinde auch nicht kuͤhnlich nachſetzen/ welche doch als uͤberwinder den Plaz
einnahmen/ und den unſern ſchimpflich nachrieffen/ ob ſie blanke Schwerter nicht koͤnten
ſchimmern ſehen/ daß ſie als verzagete Haſen davon ſtrichen; ward ihnen aber geantwor-
tet; ja ſie ſaͤhen dieſelben noch wol/ aber ihre geſtrige Geſellen koͤnten ſie nicht ſehen/ waͤhren
auch zu faul/ auffzuſtehen/ und davonzulauffen; welcher Spot ihnen durch Leib und Leben
drang/ daß ſie hinter ihnen aufs neue angingen/ und Leches ſich gezwungen ſchwaͤnken mu-
ſte; aber der Streit wahr bald auffgehoben; dann die unſern gingen behutſam/ und zogen
ſich unter dem Gefechte immer zuruͤk/ daß wenig Blut vergoſſen/ und kein Gefangener
mehr erhaſchet ward/ weilder Feind nit kuͤhnlich nachſetzen durfte. Der Gefangene Boͤh-
z z z zme/
[730]Achtes Buch.
me/ nahmens Grozemißla/ wahr ein uͤberaus verſchmizter Schalk/ und nahm ihm gaͤnz-
lich vor/ ſeinem Koͤnige und Vaterlande mit ſeinen Luͤgen zu dienen/ weil er mit der Fauſt
nicht kunte/ deswegen/ da er vor die Oberſten des Heers geſtellet wahr/ nam er ſich zugleich
eines froͤlichen herzens und ſehr ſchwachen Leibes an/ und auff ihre grimmige Befragung
antwortete er alſo: O ihr groſſen Goͤtter/ die ihr euch des aͤdlen Volks der Pannonier bil-
lich annehmet; vor erſt ſage ich euch dank/ daß ihr dannoch endlich die Gemuͤhter dieſer
meiner angebohrnen Landsleute erwecket/ den groſſen und erſchreklichen Ubermuht der
Boͤhmen und Teutſchen niderzulegen/ und den Schimpf an den ihrigen veruͤbet/ zu raͤ-
chen. Ihr werdet ſchon aus meiner Sprache vernehmen (dann er redete gut und fertig
Pannoniſch) daß ich kein gebohrner Boͤhme bin/ ob ich gleich vom achten Jahr meines
alters her/ in dieſem verfluchten Lande leben müſſen/ da mein lieber Vater/ nunmehr vor
16 Jahren (habe ich ſonſt recht behalten) mit mir zugleich von etlichen Boͤmiſchen Raͤu-
bern gefangen/ und zum Leibeigenen gemacht ward/ welchen Schimpf/ weil ihn ſein aͤdles
Pannoniſches Herz nit erdulden kunte/ er mit einem willigen Tode abwendete/ da er drey
Jahrlang das Elend gebauet/ und mich nach moͤgligkeit fleiſſig erzogen hatte. Meine
Dienſtbarkeit nach ſeinem Tode/ wahr ſo gar herbe nicht/ weil ich bey meines Herꝛn Frauẽ
in guten Gnaden lebete/ auch ihm ſelbſt vor vier Jahren das Leben rettete/ wovor er mich
mit der Freyheit begabet hat/ daß ich gar an ſeine ſtat Reuterdienſte leiſten mus/ habe auch
auff ſeinen Befehl mich mit ſeines verſtorbenen Bruders Tochter verheyrahtet/ welches
allein (mus bekennen) mich von der Flucht abgehalten hat/ weil ich ſie durchaus nicht be-
waͤgen koͤñen/ mit mir fortzugehen/ ſonſten würde ich mich vorlaͤngſt ſchon in meinem Va-
terlande wieder angefunden haben. Dann wie viel gutes mir gleich in Boͤhmen geſchihet/
ſo ſtinket mir doch ihr Hochmuht zu/ maſſen mein Pannoniſches Blut gerne oben ſchwim-
men wolte/ welches/ den Goͤttern ſey dank/ ſchier geſchehen wird/ da ich leben ſol; und wie
mat ich gleich bin/ haben doch die aͤdlen Pannonier mir recht getahn/ daß ſie meine Adern
mit ihrem Schwerte geluͤftet/ aufdas/ wañ etwas Boͤmiſches ſich dahinein geſetzet haͤtte/
es auff ihrem Grund und Bodem vergoſſen werden/ und daſelbſt bleiben moͤchte. O ihr
unvergleichlichen Helden/ ſparet euch nicht laͤnger/ den empfangenen Schimpf zu raͤchen;
laſſet dorthin zur ſeiten nur etliche Reuter gehen/ da werden ſie 50 aͤdle Pannoniſche Hel-
den/ welche im bewuſten Dorffe ſind gefangen worden/ an Baͤumen auffgeknuͤpfet finden.
O was vor Spot uñ Hohn muſten ſie erleiden/ ehe und bevor ihnen dieſe Gnade des Stric
kes angeleget ward. Die Hundebuben traten ſie mit Füſſen/ ſtriechen ihnen allerhand ab-
ſcheuhlichen Unflat ins Maul/ pruͤgelten und ſtriechen ſie mit Ruhten/ als kleine Knaben/
umb die Lenden/ und rieffen ihnen zu (welches doch alles ertichtet wahr) ob ſie es mehr tuhn
wolten/ und dem Boͤmiſchen Koͤnige noch weiter unabgeſaget ins Land fallen. Mein Herz
wil mir im Leibe zerſpringen/ wañ ich daran gedenke/ was vor ſchaͤndung wieder das hoch-
aͤdle Volk die Pañonier/ ausgeſtoſſen ward; da die jeztgedachten Kriegshelden ſolten ge-
henket werden/ und ſich uͤberaus tapfer und unverzaget zum Tode finden lieſſen/ ihren Hen-
kern zugleich verweißlich vorhaltend/ daß ſie wieder Kriegsbrauch mit ihnen handelten/
welches hart und ſchwer wuͤrde gerochen werden/ da draͤuete man ihnen/ die Zunge aus-
zuſchneiden/ und muſte der erſte ſo gehenket ward/ Mnata/ der ander/ Dropion/ der dritte
Maſtyes/
[731]Achtes Buch.
Maſtyes/ der vierde Agiß/ der fuͤnfte Pyrechmes heiſſen/ und ſo fort an/ wie viel ihnen der
hohen Pañoniſchen Haͤupter bekant wahren. Aber auff euer begehretes/ ihr groſſen Hel-
den/ zukommen/ ſo haben die verlauffene Bauren hin und wieder ein groſſes Geſchrey ge-
macht/ als ob euer Heer wol 100000 Mann ſtark waͤhre/ welches man ihnen doch nicht
glaͤuben kan/ und ich/ dem Himmel ſey dank/ ein uͤbriges befinde. Der junge Boͤmiſche
Koͤnig/ und etliche ſeiner Anverwanden ſind nicht von ſchlechter Verwaͤgenheit/ aber den
Krieg dieſer Landesart verſtehen ſie nicht; ſo hat eure Weltkuͤndige groſſe Macht ihnen
ſolche Furcht und Schrecken eingejaget/ daß ſie ſich ihres Lebens erwogen/ maſſen ſie wol
ſehen/ wie es ihnen endlich ergehen werde; jedoch umb einen Verſuch zutuhn haben ſie
bey die 50000 Bauren zuſammen geraffet/ wobey ſich etwa vier oder fuͤnff und zwanzig
tauſend Teutſche/ Frieſiſche/ und Wendiſche zimlich geuͤbete Kriegsleute befinden; der
vorgedachten aber kaum der fünffte Teil auff Kriegeriſch bewehret iſt/ und der zehnde mit
Waffen nicht umzugehen weiß/ weil alle Trill- und uͤbunge viel Jahr lang ſtille gelegẽ ſind;
Wollen nun meine Herren eine Anzahl Affter Reuter ſehen/ wie dieſelben mit Miſtgabeln/
Schweine Spieſſen/ Haͤuvorken und dergleichen muſteriſchem Baurgeraͤhtlein auffge-
zogen kommen/ ob wolten ſie auf die Wolffes Jagt reiten (dann an Pferden mangelts ih-
nen nicht/ wiewol die meiſten ungeſattelt ſind) moͤgen ſie etwa eine gute Meile foͤrder zihẽ.
Das geſtrige Gluͤk hat ſie etwas muhtig gemacht/ aber ihre drey Fuͤhrer (kan nicht eigent-
lich erfahren/ ob ihr Koͤnig/ wie ich gaͤnzlich davor halte/ mit darunter geweſenſey) ſind
gleichwol dergeſtalt geputzet/ daß ſie des Bettes wol eine geraume Zeit werden huͤten muͤſ-
ſen. Die Voͤlker liegen in ihrem Lager ganz ſicher; dann ſie haben ſo viel Erde umb ſich
hergeworffen/ daß ſie meinen/ wer zu ihnen kommen wolle/ muͤſſe zuvor Fluͤgel erborgen.
Meine Schwacheit laͤſſet mich nicht mehr reden; lieber erbarmet euch eures ungluͤklichen
getraͤuen Landsmannes/ gebet ihm Pflaſter auff ſeine Wunden/ und erwartet hernach/ wz
vor Dienſte er euch zuleiſten kuͤndig ſey. Hierauf ließ er etliche Traͤhnen fallen/ und ſagete:
O mein allerliebſtes und einiges Soͤhnlein/ haͤtte ich dich nur bey mir/ deine Mutter/ die
Boͤhmiſche Sau/ moͤchte daheime immerhin grunzen; aber bleibeſtu mir/ O mein aller-
liebſter Mnata (dieſen meines angebohrnen Koͤniges Nahmen habe ich ihm aus ſonder-
licher Anmuhtigkeit gegeben) bleibeſtu mir zuruͤk/ ſo wil und begehre ich nicht eine Stun-
de zuleben. Schwieg hlemit ſtille/ und ſtellete ſich gnug ohmaͤchtig an. Die Pannonier hoͤ-
reten ihm dergeſtalt ins Maul/ als waͤhre er ihnen von Gott als ein Engel vom Himmel
zugeſchicket/ lieſſen ihn fleiſſig verbinden/ und zeigeten Dropion alles an/ welcher mit Py-
rechmes ſelbſt zu ihm ging/ und zu ihm ſagete: Guter Geſelle/ wie gehets in eurem Lager
zu? Dieſer gab zur Antwort: Großmaͤchtiger und Unuͤberwindlicher Herr Ober Stat-
halter; als es pfleget zugehen/ da Bauren und Adelleute eine Geſelſchafft machen; und
kan wol bezeugen/ daß der hohe und teure Nahme/ Dropion/ von ihrer vielen als ein Don-
ner angehoͤret wird. Dieſer ließ ihm ſolche hohe Ehren-benennung ſehr wol gefallen/ und
ſagte: Du haſt deinem Gluͤk wol zudanken/ daß du auff ſolche weiſe gerettet biſt; gab ihm
etliche hundert Kronen/ und ſtellete ihm frey/ wieder nach Boͤhmen zureiten/ ſein Soͤhn-
lein abzuhohlen/ und inzwiſchen der Boͤhmen Macht und Anſchlaͤge ſich zuerkunden/ in-
ſonderheit/ ob ſie auch nach Teutſchland umb Huͤlffe geſchicket haͤtten. Allergnaͤdigſter
z z z z ijHerr/
[732]Achtes Buch.
Herr/ antwortete er/ ich wil willig ſterben/ oder das jezt empfangene Geſchenk dergeſtalt er-
ſetzen/ daß durch ganz Pannonien ich deſſen hoffe Ehr und Ruhm zuerlangen; dann Eure
Hocheit verſichere ich/ daß ehe dann vier Tage zum Ende lauffen/ das feindliche Lager in
vollen Flammen ſtehen ſol. Sonſten hoffen ſie auff neue Teutſche Huͤlffe/ aber ſie fuͤrchten
ſelbſt/ daß ſie zuſpaͤt ankommen duͤrffte/ und weiß ich wol ſo viel/ daß des Landes Inwoh-
ner ein ſchlechtes Vertrauen zu ihrem alten und jungen Koͤnige tragen/ weil ſie die alten
Land Goͤtter verleugnet/ und einen fremden Gott ſollen angenommen haben. Ich wil aber/
wo es euch ſonſten alſo gefaͤllet/ mich/ als waͤhre ich entflohen/ bey ihnen wieder einſtellen/
und wie ihr michs heiſſen werdet/ ihnen Bericht geben; dann ich weiß/ daß ſie mir mehr/
als allen euren Leuten/ welche ſie gefangen hinweg gefuͤhret/ trauen werden; heut aber uͤbeꝛ
zween Tage ſo erwartet meiner/ alsdañ wil ich euch ein unfehlbares Zeichẽ meiner Traͤue/
ſo ich meinem Koͤnige und dem lieben Vaterlande ſchuldig bin/ ſehen laſſen; und werdet
ihr Helden inzwiſchen nicht unterlaſſen/ die Feinde in ihrem vergrabenen Lager zubegruͤſ-
ſen. Dieſes erbieten gefiel den Haͤuptleuten ſo wol/ daß ſie zuſammen ſchoſſen/ und ihm ei-
nen mit Golde beladenen Maul Eſel ſchenketen/ davor er Mordbrenner zubeſtellen/ und dz
Lager anzuͤnden zulaſſen/ ſich aͤidlich verband; nahm damit Abſcheid/ und kam vier Stun-
den nach Leches in ihrem Lager an. Als ſeine Mitgeſellen ihn von ferne mit einem wolge-
putzeten Pferde und beladenen Maul Eſel ſahen daher ſtechen/ ſagte einer zu dem andern;
Sehet da komt der abgefeimte Schalk her/ gilt wo er ſich nicht mit ſeiner Pannoniſchen
Sprache frey loßgelogen hat; lieffen ihm bey 10 und 20 entgegen/ und wolten wiſſen/ wie
es ihm bey den Feinden ergangen waͤhre. Ihr Narren/ ſagte er/ kuntet ihr euch nicht zu-
gleich mit mir laſſen gefangen nehmen? man wolte euch ja nichts zuleide tuhn/ ſondern
Gnaden-Gelder austeilen; und weil ich allein ausgehalten/ ihr aber alle mit einander aus-
geriſſen ſeyd/ haben ſie mir es allein gegeben/ dz ich alſo nicht ſchuldig bin/ euch das gering-
ſte mitzuteilen/ als was mein guter Wille iſt/ woruͤber ihr die Rappuſe halten ſollet; warf
etliche Haͤnde vol Goldes unter ſie/ und ritte nach dem Lager zu/ da er ſich bey Leches mel-
dete/ und ſeine Taht erzaͤhlete. Derſelbe fuͤhrete ihn alsbald hin zu Herkules/ dem er alle ſei-
ne gehaltene Reden von Wort zu Wort wiederhohlen muſte/ und er nicht allein des Poſ-
ſens ſich wol zulachete/ ſondern ihn auch oͤffentlich ruͤhmete/ und ihm von ſeinem Koͤnige
den Adelſtand und ein Ritter-Gut verhieß/ ungeachtet er nur ſeines Handwerks ein Sei-
ler-Geſelle wahr; vermahnete alle anweſende/ von dieſem getraͤuen Untertahnen ein Bey-
ſpiel zunehmen/ und auff alle moͤgliche weiſe dem Vaterlande zudienen; ließ auch endlich
auff ſein ſtraͤnges anhalten geſchehen/ daß er ſeine mitgebrachten Gelder ausboht/ da ei-
ner und ander Luſt haͤtte/ ſich freiwillig zuwagen/ und zuverſuchen/ ob ſie des Feindes Lager
anzuͤnden koͤnten/ ſolte ein je der 200 Kronen davor von ihm zuheben haben. Worauf ſich
neun der Pannoniſchen Sprache erfahrne Wagehaͤlſe/ alle Handwerks Geſellen angabẽ/
ſolches ins Werk zurichten/ und er ſelbſt den zehnden Mann zugeben willens wahr; wel-
ches ihm Herkules doch nicht zulaſſen wolte/ einwendend/ man kennete ſein Geſicht/ und
duͤrffte er den ganzen Handel verderben. Leches muſte anordnen/ daß die ausgeſchickete
Schildwachten ſich mit Lumpen behaͤngen/ und alte roſtige Knebelſpieſſe zu Pferde fuͤhrẽ
muſten. Das Hauptlager ward mit dem Fußvolke auffs beſte beſetzet/ unter welchen eine
gute
[733]Achtes Buch.
gute Anzahl wolgeuͤbete Teutſche wahren/ aber die Reuterey ſtellete er auswendig zu bey-
den Seiten hinter die Huͤgel und das Gehoͤlze/ daß ſie von den Feinden nicht kunten geſe-
hen werden/ und nam ihm gaͤnzlich vor/ in dreyen Tagen nicht zuſchlagen/ weil die Gefan-
gene einhellig bekenneten/ daß in ihrem ganzen Heer kein undüchtiger oder ungeuͤbeter
Mann waͤhre/ und ihnen ſchon begunte an Speiſe abzugehen/ wozu dieſes kam/ daß er La-
diſla mit mehren Voͤlkern vermuhten wahr. Das Pannoniſche Heer/ da ſie die erhenketẽ
Haͤuptleute antraffen/ wolten an ihres Gefangenen Ausſage und Traͤue weiter nicht zwei-
feln/ und weil die angeknuͤpffete alle hohes Adels wahren/ und der vornehmſten Obriſten
nahe Anverwanten/ lieſſen ſie ſich verlauten/ ſie wolten den Boͤhmiſchen Koͤnig mit ſeinem
ganzen Adel gleich alſo erhoͤhen. Mit dieſem Troz gingen ſie fort/ nicht als zur Schlacht/
ſondern/ ob ſolten ſie gebundene arme Suͤnder/ wie die Scharff Richter/ ohn Gegenwehr
niderhauen. Weil es aber zu ſpaͤte wahr/ einen Sturm oder Schlacht zuwagen/ lagerten
ſie ſich eine halbe Meile von den unſern ins offene Feld zwiſchen ihre Wagenburg/ und
lieſſen ihr gerichtetes Lager hinter ſich mit 6000 Mann beſetzet. Herkules bekam Zeitung
von ihrer nahen Anweſenheit/ wolte ſich aber nicht an ihnen reiben/ dann ſeine Ausſpeher
befunden/ daß ſie ſehr gute Wache hielten. Obgedachte neun Handwerks Geſellen hatten
ſich in drey gleiche Geſelſchafften getheilet/ und wolte eine von der andern nichts wiſſen/
lieffen auff unterſchiedlichen Wegen nach des Feindes hinterſtem Lager/ und gaben ſich
nach einander an/ ſie waͤhren Pannoniſche Handwerkspurſche/ haͤtten teils in Boͤhmen/
teils in Teutſch- und Wendland gearbeitet/ und nicht ohn groſſe Gefahr ihr Leben geret-
tet/ weil man ſie wegen ihrer Landsleute ermorden wollen; begehreten Dienſte/ und lieſ-
ſen ſich von dem Obriſten der Beſatzung einſchreiben/ wiewol alle mit falſchẽ Nahmen;
welcher ihnen Gewehr austeilen ließ/ und ihnen frey ſtellete/ ob ſie lieber vor oder nach
Mitternacht wachen wolten. Dieſe ihrem Anſchlage nach/ teileten ſich durch alle Nacht-
Stunden/ damit es ihnen ja nicht fehlen ſolte; Ein jeder hatte ſein Feurzeug und Zunder
bey ſich/ und wahren bereit/ entweder ihrem Verſprechen nachzukommen/ oder vor das
Vaterland zuſterben; doch gingen ſie behut ſam/ legeten ſich hinter etliche Strohhuͤtten/
als wolten ſie ruhen/ und ſtecketen den Zunder behende hinein/ daß niemand des gewahr
ward/ dann die Huͤtten wahren mehrenteils ledig/ inſonderheit mitten im Lager/ da
ſie das Feur eingeleget hatten/ daß in kurzer Zeit eine groſſe Brunſt auffging/ ehe ein
Menſch herzu lauffen und das Feur loͤſchen kunte; Und als die Flammen hin und wieder
das Stroh erreicheten/ ſtund das Lager in vollem Feur/ ehe man ſichs verſahe/ daß die
Kriegsleute mit ſamt dem Troß hinaus zulauffen gezwungen wurden/ uñ die Uhrheber un-
vermerket und in guter Sicherheit davon ſtrichen. Beyde Kriegsheere kunten den Brand
eigenlich ſehen/ und freueten ſich die unſern des gluͤklichen Fortganges nit wenig/ die Fein-
de aber gerieten in groſſe Furcht/ meineten anfangs/ es wuͤrden die Boͤhmen das ledige
Lager angefallen und geſtürmet haben/ daher ſie ſich in Ordnung ſtelleten/ ob ſie etwa wuͤꝛ-
den angegriffen werden/ wie dann Leches gerne eine Schanze gewaget haͤtte/ aber wegen
hartes verbohts ſich nicht regen durfte. Der Feind ward des Unfalles ſehr beſtuͤrtzet/ dañ
alle ihre Zelten/ die ſie mit ſich gefuͤhret/ ſamt aller Speiſe und anderem Voraht wahren
ſamt den mehrenteil Wagen aufgebrennet/ daß nichts mehr zufreſſen vor das Heer uͤbꝛig
z z z z iijwahr;
[734]Achtes Buch.
wahr; freueten ſich aber noch/ daß das Volk auf zween Tage Brod hatte zu ſich nehmen
muͤſſen/ und hoffeten des folgenden Tages von den unſern ſchon zu bekommen/ was ihnen
nunmehr mangelte. Von 50000 geraubeten- und Wagen-Pferden verdurben 10000 im
Feur/ die uͤbrigen nebeſt 9000 ſtuͤk Rind Vieh lieffen zum Lande hinein/ und wurden von
den Einwohnern aufgefangen. Als die Morgenroͤhte anbrach/ funden ſich die neun Neu-
geworbene nicht/ und meinete man anfangs/ ſie wuͤrden im Schlaffe vom Feur ergriffen/
und verbrennet ſeyn/ aber weil kein einziger davon erſchiene/ muhtmaſſeten ſie/ eben dieſe
muͤſten dieſe Taht begangen haben/ wodurch ſie immer heftiger zum Zorn bewaͤget wurdẽ/
daß ſie einmuͤhtig aufbrachen/ und gerade zu auf der unſern Lager zogen. Unſere ausgeſetze-
te Schildwachten wurden ihrer zeitig iñen/ flohen davon/ und lieſſen die Lumpen ſamt dem
baͤuriſchen Gewehr/ als aus Furcht/ dahinten/ welches die Feinde mit groſſem Gelaͤchter
beſahen/ uñ ſich wolrechtſchaffen daruͤber zukitzelten/ gerieten auch hiedurch in ſolche Si-
cherheit/ dz ſie ſageten; es muͤſte der Pañoniſche Adel ſich billich eines ſolchen elenden Fein-
des ſchaͤhmen/ welcher ohn Zweifel/ wann er ihre Ruͤſtung nur ſehen ſolte/ alsbald davon
lauffen wuͤrde/ und aus dieſem eingebildeten Wahn den Schluß macheten/ ſtraks Ange-
ſichts das Lager anzugreiffen/ und mit ſtuͤrmender Hand hinweg zunehmen; jedoch ſtelle-
ten ſie ihre Feldſchlacht gar anſehnlich/ die unſern deſtomehr dadurch zuſchrecken. Herku-
les hielt auf einem Huͤgel/ betrachtete des Feindes Macht gar eigen/ und ſahe wol/ daß bey
oͤffentlicher Feldſchlacht es an beiden Seiten viel Blut koſten wuͤrde/ und ſeine Voͤlker
ihnen wegen Unerfahrenheit und geringer Anzahl nicht gewachſen waͤhren; ließ auch Fa-
bius andeuten/ er moͤchte ſich gefaſſet halten/ und die beſten Voͤlker vorne anſtellen/ den er-
ſten Anlauff abzuſchlagen. Seine Reuter aber ließ er zwiſchen den Baͤumen und hinter
den Huͤgeln ſtille halten/ daß der Feind ihrer nicht gewahr wuͤrde/ ſendete auch keinen ein-
zigen Reuter dem Feinde entgegen/ welches ſie ihm zur ſonderlichen Furcht außlegeten/
und einen Abgeſanten biß aus Lager reiten lieſſen/ welcher ihnẽ dieſes in Boͤhmiſcher Spꝛa-
che vortragen muſte: Es erinnerte ſich der Großmaͤchtigſte Koͤnig in Pannonien/ Herr
Mnata/ und ſein unvergleichlicher Adel/ was geſtalt vor etlichen Jahren ihrer anſehnlichẽ
Geſanten einer/ Herr Bato der Großtaͤhtige/ einen unabloͤſchlichen Schimpf zu Prag
einnehmen muͤſſen/ welchen zuraͤchen man zwar bald aufangs vorgenommen/ aber weil
ihr Koͤnig durch der Goͤtter Rache umkommen/ und ſein Sohn ſich in Winkeln verſtecket/
haͤtte der Pannoniſche Koͤnig ſich an einer Elenden/ vielleicht unſchuldigen Wittiben nit
raͤchen/ ſondern biß zu gelegener Zeit veꝛſpaꝛen wollen; inzwiſchen haͤtte man in glaͤubwiꝛ-
dige Erfahrung bracht/ daß der junge Boͤhmiſche Koͤnig mit unter den Kaͤmpfern zu Pa-
dua geweſen/ die ihre Geſanten ſchelmiſcher Weiſe und durch Zauberkuͤnſte erleget/ wel-
ches ungeſtraffet nicht bleiben muͤſte; worzu noch dieſes kaͤhme/ daß man lhre Voͤlker bey
dem Abzuge von Padua feindlich angefallen/ und unabgeſaget beſtritten. Waͤhre demnach
gegenwaͤrtiges unuͤberwindliches Krieges-Heer des Großmaͤchtigſten Pannoniſchen Koͤ-
niges zugegen/ die Volſtreckung der gebuͤhrlichen Rache vor die Hand zunehmen/ und zu-
gleich mit abzulegen/ was ihre unbillicher weiſe erhenkete von ihnen foderten; jedoch truͤge
der Pannoniſche Feldherr Mitleiden mit den unſchuldigen Untertahnen; wolte demnach
vernehmen/ ob dieſelben ihr beſtes erkennen/ Lebens-Gnade annehmen/ und ihren Koͤnig
ſamt
[735]Siebendes Buch.
ſamt allen ſeinen Anverwanten und geſamten Adel zur wolverdieneten Straffe heraus ge-
ben wolten/ alsdann ſolte das Koͤnigreich mit gaͤnzlicher Verwuͤſtung verſchonet/ und ih-
nen ein ſolcher tapferer Koͤnig vorgeſtellet werden/ der ſich ihrer beſſer als der jetzige eine
zeitlang verlauffene annehmen wuͤrde. Im wiedrigen ſolte keine lebendige Seele im gan-
zen Koͤnigreiche uͤbergelaſſen werden/ wornach ſie ſich zuachten/ und ihre Meinung ſchleu-
nig anzudeuten haͤtten. So bald Herkules des Heerholds Ankunft vernam/ machte er
ſich von hinten zu in das Lager/ und nach gemachter Anordnung/ ließ er ein Geſchrey
anrichten/ als ob einige Meuterey darinnenunter dem Volke waͤhre/ da etliche ſchreyen
muſten/ es waͤhre beſſer/ wenige geſtorben/ als das ganze Land verdorben; endlich traten
etliche auf die Bruſtwehr und zeigeten dem Pannonier demuͤhtig an/ ihr Koͤnig uñ deſſen
naͤheſte Anverwanten waͤhren nicht zugegen/ ſondern wegen ihrer empfangenen groſſen
Wunden nach der Haͤupt Stad gezogen/ ſich heilen zulaſſen; der Adel waͤhre auch in geꝛin-
ger Anzahl bey ihnen/ daher des groſſen Pannoniſchen Koͤniges begehren nicht koͤnte vol-
ſtrecket werden/ ob ſie gleich gerne wolten. Damit zog dieſer wol gemuht ab/ hinterbrachte
Dropion die Antwort/ und empfing aufs neue dieſes zuwerben: Ob ihr Koͤnig und deſſen
Angehoͤrigen nicht zugegen waͤhren/ koͤnte nicht ſchaden/ man wuͤrde ſie zu Prag ſchon fin-
den und in den Tohren aufhenken; ſie aber ſolten alsbald das Gewehr niderlegen/ den An-
weſenden Adel heꝛausgeben/ dem Pannoniſchen Koͤnige Traͤue und Gehorſam ſchwoͤren/
und deſſen milde Gnade gewaͤrtig ſeyn; bekam aber zur Antwort; ſie koͤnten des Schluſſes
nicht ſo bald einig werden/ wuͤrde auch biß morgen fruͤh/ zwo Stunden nach der Sonnen
Aufgang wol anſtand haben koͤñen/ alsdañ wolten ſie ſich gebuͤhrlich zuerklaͤrẽ wiſſen. Wo-
mit dañ die Pañonier vordiſmahl zufrieden wahrẽ/ der gaͤnzlichen Hofnung/ es ſolte alles
nach ihrem Wunſch ergehen. Nur Amythaon trat auf/ und zeigete an er hielte der Boͤhmẽ
Antwort ſehr verdaͤchtig/ moͤchten wol dieſe Nacht eines ſtarken Entſatzes vertroͤſtet ſeyn/
wie man nit ſagen koͤnte/ dann im Kriege gingen die Sachen wunderlich; hielte demnach
vor rahtſam/ daß man die berittenſte Reuter zuruͤk gehen/ uñ beſtellen lieſſe/ daß ihnen Bꝛod
und andere Nohtwendigkeiten auß Pannonien zugefuͤhret wuͤrden; dann im falle es mit
des Lagers Ubergabe triegen ſolte/ muͤſte das Heer ſich teilen/ Speiſe zuſuchen/ oder des
Hungers verſchmachten. Der hochmuhtige Dropion lachete ihn aus/ aber die andern ho-
he Kriegs Beamten/ hielten dieſen Vorſchlag vor das ſicherſte/ deswegen ers auch endlich
geſchehen ließ/ aber zu dem erſten Rahtgeber ſagete; wolan Herr Amythaon/ wir wollen
euch zugefallen unſerm Lande dieſe Beſchwerung anmuhten/ aber wann wir andere mor-
gen in Feindes Lager ſpeiſen/ ſollet ihr am unterſten Tiſche allein ſitzen. Nun hatten ſie vor
deꝛ Auffoderung des Lagers nach der rechten Seiten 5000/ und nach der linken 3000 Reu-
ter ins Land geſchicket/ Speiſe von den naͤheſten Doͤrffern einzuhohlen/ und alles Vieh heꝛ-
an zutreiben. Aber Heꝛkules ſchickete deꝛ erſtgemeldeten Schaaꝛ 4000 Teutſchen uñ 7000
Boͤhmen nach/ welche ſie mit Verluſt 400 Mann/ alle niderſchlugen/ daß kein einziger
entran. An ſeinem Orte machete Leches es nicht anders/ und buͤſſete nur 100 Reuter ein;
wie wol ohn gefehr 20 ledige Pferde mit Blute ſehr beſprenget und teils verwundet/ zuruͤk
lieffen/ daher obgedachter Amythaon nichts gutes muhtmaſſete/ und den Vorſchlag taht/
daß etliche Pannonier/ der Boͤhmiſchen Sprache kuͤndig/ in Bauren Kleider ausgeſchikt
wür-
[736]Achtes Buch.
wuͤrden/ etwas bericht einzuziehen; welcher Anſchlag ihnen wol zu nuͤtze kam; dañ einer
von dieſen begab ſich bey Mondenſchein in das Gehoͤlze/ und als er eine gꝛoſſe Menge Reu-
ter von ferne vernam/ kroch er auff allen vierẽ unter den Puͤſchen hinan/ da er ihr Geſpraͤch
hoͤrete/ was geſtalt die beide feindliche Schaaren biß auff den lezten Mann nider gehauen/
und alle ihre Pferde ſamt den aufgebundenen Wetſchern gebeutet waͤhren; welches die
Pannoniſchen Obriſten nicht allein beſtuͤrtzet/ ſondern ihnẽ auch die Gedanken machte/ es
muͤſten mehr Voͤlker/ als die im Lager/ verhanden/ und ein gefaͤhrlicher Anſchlag uͤber ſie
gemacht ſeyn/ daß ſie ihre Wache fleiſſig verſahen/ und doch wegen Furcht des kuͤnftigen
Brodmangels den gewiſſen Schluß macheten/ das Lager in Guͤte oder mit Sturm zuge-
wiñen. Des morgens zur beſtimten Zeit lieſſen ſie ihren geſtrigen Geſanten wieder hinꝛei-
ten und die Erklaͤrung einhohlen/ welche dieſe wahr; es haͤtte der unbeſonnene langſame
Poͤfel ſich noch nit allerdinge daruͤber vergleichen koͤnnen; etliche wolten auff/ und etliche
nieder/ wie es dann bey ſo geſtalten Sachen pflegete zugehen; baͤhten demnach/ die Herrẽ
Pannonier moͤchten ſich noch dieſen einzigen Tag gedulden/ alsdann ſolte ihnen unfehlba-
re Antwort gegeben werden. So bald dieſer hinweg wahr/ kam Koͤnig Ladiſla und Koͤnig
Henrich in Begleitung 2000 Reuter auf ſchnellen Laͤuffern an/ dann ſie trugen verlangen
zuwiſſen/ wie es mit dem Heer ginge/ hatten Nacht und Tag geritten/ und lieſſen Arbianes
mit dem Heer folgen. Herkules wahr ihrer Ankunft herzlich froh/ uñ ließ ſie mit ihren Voͤl-
kern ins Lager zihen/ da dann der Abſcheid wahr/ es ſolte die Reuterey keinen Entſaz vor-
nehmen/ biß ſie die rohte Blutfahne wuͤrden an einer hohen Stange außgeſtecket ſehen.
Der Pannoniſche Feld Herr wahr mit der gegebenen Antwort nicht vergnuͤget/ und ließ
nochmahls andeuten/ ſie ſolten ſtündlich abzihen/ oder deß Sturms gewaͤrtig ſeyn/ da dañ
alles ohn erbarmen ſolte nider gemacht werden. Ladiſla ſelbſt gab ihm unerkant zur Ant-
wort/ es waͤhren ja 24 Stunden eine kurze Zeit/ die noch wol abzuwarten ſtuͤnde; ſie vor
ihr Haͤupt duͤrften ſich nit weiter in Handlung einlaſſen/ weil ſie von ihrem Koͤnige (der nit
ſo gar hart verwundet waͤhre) Zeitung haͤtten/ dz er um Mitternacht wuͤrde bey ihnẽ ſeyn;
haͤtte derſelbe nun Luſt/ ſich henkẽ zulaſſen/ moͤchte er ſelber von ſich ſagen/ der gegenwaͤrtige
Adel koͤnte ſich deſſen ſo leicht nicht bereden laſſen/ dz ſie ihre Haͤlſe dem Strange widmeten.
Aus welchen lezten Worten dann der Heerhold den Auffzug unſchwehr verſtund/ und ſich
heftiger Draͤuworte vernehmen ließ/ wie ſein Pferd in ihrem Blute biß an die Knie wa-
den ſolte. Welches Ladiſla beantwortete: Der Herr Geſanter moͤchte doch nicht zu un-
willig werden/ ſondern den armen Boͤhmen mit einem guten Worte zu huͤlffe kommen; in
Menſchen-Blute zu reiten ſtuͤnde abſcheuhlich/ und waͤhre ihm beſſer/ daß er ſich davor im
Spaniſchen Weine badete; welches Spottes dieſer faſt berſten wolte/ auch mit ſolchem
Eifer die Antwort hinterbrachte/ daß er noch eins ſo viel hinzu log/ auffdas man ja den
Sturm/ welcher leicht durchdringen würde/ laͤnger nicht auffſchieben moͤchte. Es taht ih-
nen allen die Beſchimpfung ſehr weh/ und macheten alsbald Ordnung/ daß zu fuſſe 67000
ſtuͤrmen/ uñ zu beyden ſeiten die ganze Reuterey (welche von dem Fußvolke geſtaͤrket wahr)
halten ſolte/ wann etwa auſſer dem Lager ſich etwas regen/ oder den Sturm zuverhindern
ſich unternehmen wolte. Die Voͤlker hatten dieſen Morgen ihre lezten Speiſen verzehret/
und wahr nichts uͤbrig/ als etwa Pferdefleiſch rohe und ungeſalzen zu freſſen/ welches die
Ober-
[737]Achtes Buch.
Oberſten ihnen vorhielten/ und ſie zur tapferkeit anmahneten; ſetzeten die Voͤlker in ſieben
hauffen/ daß ſie zugleich und auff einmahl den Sturm antreten/ und nicht auffhoͤren ſolten/
biß das Lager erſtritten waͤhre. Die voͤrderſten Glieder trugen Holz/ Steine/ Erde/ und
was ſie finden mochten/ die Graben auszufuͤllen/ welches gar ſchleunig geſchahe/ und tra-
ten ſie bald darauff mit einem unmenſchlichen Geſchrey den Sturm an/ in welchem Eifer
ſie gar bald oben auff die Bruſtwehr kahmen/ aber dergeſtalt mit Steinen/ pfeilen/ und lan-
gen Spieſſen zuruͤk geprallet wurden/ daß ſie wie die Muͤcken hinunter fielen/ wiewol im-
merzu andere nach ihnen hinauff klimmeten/ und ſo inſtaͤndig anhielten/ daß ſie die unſern
ſchon mit den Schwertern erreichen kunten; welches ihnen gleichwol ſehr herbe beſalzen
ward; dann Ladiſla/ Henrich und Fabius lieſſen ſehen/ wie feind ſie denen wahren/ die ihnẽ
den Galgenſtrik hatten ankündigen laſſen. Noch durften die drauſſen ſchon gewonnen ruf-
fen/ weil ſie etliche ihrer Faͤhnlein ſahen auff dem Wahle ſtecken/ und doch die Pfeiffe bald
einzogen/ da ſie ſo gute Schuch vor ihre Fuͤſſe antraffen/ daß ſie den Wahl Tod oder ver-
wundet hinunter purzeln muſten/ welchen ſie friſch und frech hinauf geſtiegen wahren. An
einem Orte hielten ſich die Pannonier wol/ da ſie ſchon 3000 ſtark auff dem Wahl in zim-
licher Ordnung hielten/ und wie wütige tolle Hunde anfielen/ biß obgedachte drey Helden
ſich gegen ſie kehreten/ und biß auff 800 alle auffgerieben/ dieſe aber zum Wahl hinunter
tummeiten/ und von ihren eigenen Voͤlkern nidergemacht wurden/ da die unſern nur 500
miſſeten/ und 1200 beſchaͤdigte hatten; der Feinde abeꝛ 7000 Tod/ und 6000 hart veꝛwun-
det wurden. Nach des Strums endigung muſte ein Boͤhme auff die Bruſtwehr ſteigen/
und hinuͤber ſchreihen; was man ihnen doch zu leide getahn haͤtte/ daß ſie des lebens muͤde
und uͤberdruͤſſig waͤhren; ſie moͤchten ſich eines andern bedenken/ und gut Wildwerk eſſen/
wann ſie kein Brod haͤtten; welches dann gnug wahr/ die ohndas verbitterten Gemuͤhter
hitzig zu machen/ daß ſie den Sturm zum andernmahl anlieffen/ und muſten die Haͤuptleu-
te vor ihren Knechten hertreten/ welches im erſten Sturm nicht geſchehen wahr. Dieſe
wolten nun ihr Leben teur gnug verkaͤuffen/ und fochten ſehr tapfer/ in meinung/ vor diß-
mahl die Oberhand zubehalten; woruͤber anderthalb Stunden unnachlaͤſſig geſtuͤrmet
ward/ in welcher zeit der Feind fuͤnffmahl abwiche/ und ſo oft immer friſcher wieder anſet-
zete. Die Haͤuptleute wahren mehrenteils Tod oder verwundet/ der Wahl und die Gra-
ben lagen vol todte Leichnam/ und wahr ein ſo erbaͤrmliches Geheule der ſterbenden/ daß
der umbliegende Wald davon erſchallete/ dann ſie lieſſen in dieſem andern Sturme 12000
ſitzen/ und 18000 wahren hart verwundet/ weil ſie es ſo eiferig trieben/ daß ſie 40 Faͤhnlein
auff die Bruſtwehr brachten/ und auffſtecketen/ welche ſie mit Spot und Schaden hin-
terlaſſen muſten; wiewol an unſer Seite es auch nicht leer abging/ ſondern 4000 erſchla-
gen/ und 8000 verwundet wurden/ ſo dz auch Koͤnig Henrich am Schenkel verletzet ward.
Als die Feinde ſahen/ daß alles vergeblich wahr/ zogen ſie ab/ vol Grim und Eifer; dann
keiner hatte vor drey Stunden die Gedanken gehabt/ daß es mißlingen ſolte. Die unſern
rieffen ihnen ſpoͤtlich nach; wann ſie Brod betteln wolten/ muͤſten ſie nicht trotzen/ ſondern
gute Worte geben; ob dann ihre ausgeſchikte Kuhdiebe vielleicht mit einer geſtohlenen
Heerde wiederkaͤhmen/ moͤchten ſie Geld vor Salz bringen; jedoch zuvor den dritten Saz
auch verſuchen/ nach dem Sprichworte/ daß aller guten Dinge drey waͤhren; und als ſie
a a a a akeine
[738]Achtes Buch.
keine Antwort bekahmen/ rieffen ſie ihnen endlich zu/ ſie moͤchten doch ihre Todten mit ſich
ſchleppen/ und ſie nicht wie das Vieh unbegraben liegen laſſen. Dieſen Spot ſolten ſie bil-
lich verſtanden haben/ aber ihr auffgeblaſenes Herz gab ihnen ein/ daß ſie abermahl einen
Oberſten mit zehn Rittern vor das Lager ſchicketen/ mit dieſer Bedraͤuung/ daß da ſie in-
nerhalb 16 Stunden ſich nicht ergeben/ und alle aͤdle und Fürſtliche Haͤupter liefern wuͤr-
den/ ſolte des Kindes in Mutterleibe nicht verſchonet werden; der heutige Sturm waͤhre
nur Kinderſpiel geweſen/ Morgen wuͤrde die recht geuͤbete Mannſchaft 120000 ſtark an-
fallen/ und alles in grund niederreiſſen. Koͤnig Ladiſla wolte dieſen Troz laͤnger nicht dul-
den/ ritte mit 50 Teutſchen zu ihnen hinaus/ ließ ſie alle greiffen/ ſchlug den Helm auff/ und
redete ſie alſo an: Je welcher Teuffel hat euch dumkuͤhnen Hunden die Sicherheit gege-
ben/ ohn vor erbehtenen Urlaub an mein eures Todfeindes Lager zu reiten/ und meine Voͤl-
ker mir abzuſpenſtigen/ ja mich gar zum Stricke heraus zu fodern? wiſſet ihr ſchaͤbichten
Hunde nicht/ wie ihr mich/ einen rechtmaͤſſigen Koͤnig dieſes Reichs gebuͤhrlicher weiſe
ausfodern ſollet? oder gedenket ihr etwa/ Koͤnig Ladiſla werde euer unverſchaͤmtes bellen
groß achten? waͤhre euer Koͤnig/ der ſchaͤndliche Mordbrenner ſelbſt bey dem Volke/ muͤ-
ſte er mir mit eigenem Schwerte rechenſchaft ablegen/ da er ſonſt nicht wolte vor einen ver-
zagten Moͤrder und Raͤuber ausgeruffen ſeyn; aber unter euch anderen achte ich keinen
der wirdigkeit/ mich mit ihm abſonderlich einzulaſſen; dañ ihr ſeid alle miteinander Schel-
me und Moͤrder/ die mir mein Reich unabgeſaget überfallen und gutenteils verwuͤſtet ha-
ben/ deswegen ich den uͤbrigen allen/ ſo bald ich ihrer maͤchtig werde/ eben denſelben Lohn
ausfolgen laſſen wil/ welchen ihr anjezt durch euren Frevel/ und daß ihr mich nicht gewir-
diget/ umb ſicher geleit anzuſuchen/ verdienet habet und einnehmen ſollet. Hierauf ließ er
einen Galgen auff die Bruſtwehr ſetzen/ und den Oberſten ſamt neun Rittern daran knüp-
fen/ daß die Feinde ſie fein kunten bammeln ſehen/ dem zehnden aber wurden Ohren uñ Na-
ſe abgeſchnitten/ auch an beyden Haͤnden die erſten Glieder der Finger abgehauen/ und ſag-
re hernach Ladiſla zu ihm; reite du nun hin/ und zeige den Mordbrennern an/ ich wolle von
Mnata dem Pannonier wegen des unredlichen Raͤuberiſch- und Mordbrenneriſchen
uͤberfalles abtrag haben/ vor eins; hernach ſollen ſich die Mordbrenner klein und groß/ in-
nerhalb 16 Stunden aus meinem Reiche fortpacken/ und mir den boshaſten Schelm ih-
ren Feldherrn/ ſamt allen Obriſten zu Geiſſel geben/ daß ſie mir allen zugefuͤgten Schaden
erſetzen wollen; im wiedrigen wil ich nach erhaltenem Siege/ an welchem ich mit GOtt
nicht zweifele/ ſie als Mordbrenner und Raͤuber abſtraffen/ und das Pannoniſche Reich
einer Wüſteney gleich machen/ worzu ich ſchon mittel in Haͤnden habe. Obgedachter Sei-
lergeſelle Grozemiſla trat in ſeiner neuen Rittersgeſtalt auch herzu/ uñ ſagete: Mein Herꝛ/
[v]ermeldet eurem Feldherrn und allen hohen Kriegsbeamten/ welche mir das Geld/ Mord-
brenner zubeſtellen/ verehret/ meine Dienſte/ und daß ich aufs fleiſſigſte alles verrichtet/ aber
doch uͤbel mißrahten ſey/ geſtaltſam meine Bedienete es unrecht verſtanden/ und da ſie das
Boͤmiſche Lager anzuͤnden ſolten/ ſie irre gangen/ und dem Pannoniſchen ihren Zunder
beygebracht haben; ob ich auch zwar ſelbſt mit meinem ungebohrnen Soͤhnlein mich ger-
ne einſtellen wolte/ koͤnne von meinem allergnaͤdigſten Koͤnige ich doch kein Urlaub erhal-
ten/ ſondern daß ich wieder Boͤmiſch Blut ſetzen moͤge/ hat ſeine Koͤnigl. Hocheit aus mir
armen
[739]Achtes Buch.
armen Seilergeſellen einen aͤdelman und Ritter gemacht; hiemit guten Tag/ mein Herr.
Der geſchaͤndete Ritter kennete ihn alsbald/ durfte kein Wort dawieder reden/ welches
ihm auch die abgeſchnitte Naſe gnug verboht/ ritte mit einem vor dreien Tagen gefange-
nen und an beyden Armen gelaͤhmeten hin/ und brachte die Zeitung/ wie der Boͤmiſche
Koͤnig ſelbſt im Lager waͤhre/ alle ſeine Gefaͤrten henken laſſen/ und dieſe Antwort gegeben;
woruͤber ſie alle ſehr beſtuͤrzt wurden/ und in die Gedankẽ gerieten/ es muͤſte ſchon ein groſ-
ſer Entſaz verhanden/ oder doch nicht weit zuruͤcke ſeyn; verzweifelten demnach an erobe-
rung des Lagers/ und furchten ſich vor einem naͤchtlichen Uberfal/ hoͤreten auch ſchon die
Voͤlker/ ſo dieſen Tag ſider heut fruͤh nicht geſſen hatten/ offentlich murren/ warumb man
ſie in ſolcher unvorſichtigen Sicherheit ſo weit ins Land gefuͤhret/ und hinterſich alles ver-
derbet haͤtte/ daß ſie entweder den Feinden in die Schwerter und Spieſſe lauffen/ oder/ wel-
ches noch unertaͤglicher/ durch Hunger und Durſt ihr Leben enden muͤſten. Die hohen
Obriſten ſpeieten ſich ſelbſt an/ daß von einem ſchlim̃en Seilerknechte ſie ſich dergeſtalt
hatten beruͤcken laſſen/ bekenneten/ er haͤtte ihnen mehr Schaden/ als das Boͤhmiſche Heer
getahn/ und ſchmerzete ſie uͤberaus/ daß er ſie noch darzu von neuen auffzihen durffte. Die
Erhenkung der zehne/ und Zerſtuͤmmelung des eilfften ging ihnen ſehr zu Herzen/ aber
Agiß kunte nicht umhin/ Dropion es zuverweiſen/ daß er nicht haͤtte wollen nach ſeinem
Raht beſcheidener handeln/ weil man ja mit einem Koͤnige zuſchaffen haͤtte/ darzu in ſeinẽ
Lande; welches aber der Freveler mit Troz beantwortete/ und daß er in kurzen dieſen Af-
ter Koͤnig mit allen ſeinen Anverwanten auff gleiche weiſe wolte laſſen auffknuͤpffen. Der
Kriegs Raht ward gehalten/ und wolte keiner die erſte Stimme geben/ biß Pyrechmes an-
fing: Ihr Herren/ mich deucht ſchier/ es werde uns der eilfaͤrtige Auffbruch das allerbeſte
Mittel ſeyn zu unſer aller Rettung; was ſtehen wir dann alhier als traͤumete uns? Ich
muß nunmehr bekennen/ daß wir in unſerm unabgeſagten Einfal entweder zu unbeſonnen
oder zu ſchlaͤfferig gangen ſind/ und daher ſehr wenig Ehr und Ruhm mit uns nach Hauſe
bringen werden/ welche wir uns ſehr groß eingebildet hatten; doch moͤchten wir erſt wie-
der auff Pannoniſchem Grund und Bodem ſeyn/ koͤnte dieſes erſte verſehen wieder ein-
gebracht werden/ in welches der buͤbiſche Seiler-macher/ die Goͤtter ſchaͤnden ihn/ uns
geſtuͤrzet hat. Hyppaſus antwortete ihm/ er haͤtte gar recht geurteilet; es waͤhre aber nicht
raht/ von dem ergangenen viel Worte zumachen/ weil es unwiederbringlich/ nur hielte er
davor/ der ſchleunige und ſtokſtille Abzug muͤſte ergriffen und fortgeſetzet werden. Pelegon
wahr bemühet/ ſeinen Befoderer Dropion zuentſchuldigen/ uñ alles dem neidiſchen Gluͤk
zuzulegen; Aber Agiß gab zur Antwort: Es waͤhre ſolches ein uͤberfluͤſſiges/ maſſen ja kein
Menſch/ ſeines wiſſens/ uͤber ihren Feld Herrn klagete. Derſelbe aber wahr ſo dutzig/ daß
er faſt kein Wort reden kunte/ fing endlich hierauff an: Ja noch zur Zeit hoͤre ich keinen/
der mich verleumde/ aber in kuͤnftig werden ſich deren ohn zweifel wol mehr als zu viel an-
geben/ doch weil ich mich meiner Redligkeit und wolgemeineten Vorſatzes troͤſte/ wil ich
herzhafft erwarten/ was folgen wird. Amythaon ſagte zu ihm: Er vor ſein Haͤupt wuͤrde
nicht unterlaſſen/ ihm deſſen Zeugniß zugeben/ daß alles redlich und wolgemeinet geweſen
waͤhre; das Gluͤk und deſſen Faͤlle haͤtte kein Menſch zuverantworten/ und wuͤrde man
Anordnung zum ſtuͤndlichen Auffbruch machen muͤſſen. Alſo ſagete man durch das ganze
a a a a a ijLager
[740]Achtes Buch.
Lager an/ daß die Verwundeten/ welche das ſchnelle reiten nicht erdulden koͤnten/ alsbald
voraus gehen ſolten; welches noch bey guter Tageszeit geſchahe/ ſo daß die unſern deſſen
nicht eins inne wurden. Der algemeine Auffbruch ward mit dem dunkeln Abend vorge-
nommen/ da gleichwol 6000 von den zubeſt berittenen zuruͤk bleiben/ und viel Feur anlegẽ
muſten/ und ſolches innerhalb der zum teil hinterlaſſenen Wagenburg; wodurch dann
die unſern verleitet wurden/ daß vor des Tages Anbruch ſie nicht das allergeringſte davon
erfuhren/ da die groſſe ſtille es verriet/ weil man ſo gar keine ausgeſtellete Schildwachten
vernam. Etliche von den unſern wolten ſich eines Auffſatzes beſorgen/ aber Herkules ließ
500 Reuter nach des Feindes Lager gehen/ und verſicherte inzwiſchen die andern/ daß der
Hunger ſie fruͤhzeitig gnug wuͤrde hinweg getrieben haben; welches die ausgeſchicketen
gar bald einbrachten/ weil ſie von 400 toͤdlich verwundeten hinterbliebenen Pannoniern
(welche weder das reiten noch fahren ertragen kunten) allen Bericht eingezogen hatten.
Zwar man ſetzete ihnen eiferig gnug nach/ aber vergebens/ weil jene gar zu groſſen Vor-
ſprung genommen hatten/ deswegen kehreten ſie wieder umb/ und danketen Gott herzlich/
vor dieſen verliehenen Sieg. Des folgenden Tages/ da Arbianes mit dem wolgeruͤſteten
Teutſchen Entſatze kam/ hielten ſie Kriegsraht/ und ſchloſſen in der Kuͤrze/ den Feinden zu
folgen/ ob man den Krieg in Pannonien ſpielen/ oder auffs wenigſte des erlittenen Land-
und Brandſchadens ſich am erſten Anfal erholen koͤnte/ weil nicht zuzweifeln waͤhre/ die
ſchaͤndlichẽ Raͤuber wuͤrden ſich durch dieſen Unfal nit laſſen abſchreckẽ/ ſondern in groͤſſer
Anzahl wieder kom̃en als vorhin. Es gingen die Pañonier nach ihrẽ Grenzen zu/ in ſolcher
Eile/ als ihre Pferde es ertragen kunten/ deren ihnẽ doch über die 16000 niderfielen/ und
12000 verwundete Kriegs Leute mit drauff gingen; dann es mag nie keine Feldflucht ei-
feriger fortgeſetzet ſeyn/ als dieſer unruͤhmlicher Abzug/ doch uͤberſchritten ſie die Grenzen
nicht/ aus Furcht/ die Boͤhmen moͤchten in ihrem Lande eine gleichmaͤſſige Verwuͤſtung
anrichten/ daher ſie ſich an einen ſolchen Ort lagerten/ woſelbſt ihnen durchaus nicht bey
zukommen wahr; dann ob ſie zwar auf dem Rükwege groſſen Hunger erlitten/ Wurzeln
und Pferde Fleiſch freſſen/ und allerhand Ungemach außſtehen muͤſſen/ funden ſie doch
auf den Grenzen die begehrete Zufuhre haͤuffig/ und ergetzeten ſich nach allem Willen/ ſetze-
ten ſich auch muhtig/ dem Feinde zuwiederſtehen/ weil ihr Heer ſich annoch auf 100000
wolbewehreter Mann erſteckete. Die unſern/ deꝛen Voͤlker ſich immerzu verſtaͤrketen/ gin-
gen ihnen mit 140000 Mann eiferig nach/ und beklageten die erſchreckliche Landes Ver-
wuͤſtung ſehr/ da Ladiſla den Taͤhtern ſchwere Straffe draͤuete/ kunten aber von den Fein-
den keine Gewißheit einzihen/ biß der Vortrab endlich ihres Lagers gewahr ward/ und ſol-
ches den unſern zuwiſſen machete. Herkules wolte den Krieg nicht gerne in die Harre ſpie-
len/ weil er ſich dem Feinde gnug gewachſen ſahe/ ſendete einen Trommelſchlaͤger an ihr
Lager/ und ließ ihnẽ die Schlacht anbieten; aber ſie gaben zur Antwort; man haͤtte dem
Boͤhmiſchen Koͤnige vordißmahl die Ehre getahn/ und auf ſeinen Befehl das Land biß
an die Grenze geraͤumet/ auch die uͤbrigen Anfoderungen an den Pannoniſchen Koͤnig ge-
langen laſſen/ welcher ſich in kurzem wuͤrde zu erklaͤren wiſſen; deßwegen ſolte er ſich trollẽ/
und ſeinem Koͤnige anzeigen/ daß er ſich in etwas geduldete/ oder da er ſo viel herzens haͤt-
te/ ſich an ihrem Lager auch verſuchete/ ob es ſo gute Beſchuͤtzer als das Boͤhmiſche haͤtte.
Auf
[741]Achtes Buch.
Auf Ruͤkbringung dieſes zweifelte niemand/ es wuͤrde der Feind eine neue Macht an ſich zi-
hen/ dem man nach Moͤgligkeit vorbauen muͤſte/ und ſahe doch niemand/ wie es am fuͤg-
lichſten anzugreiffen waͤhre. Leches und Klodius hielten jeder umb 8000 Reuter bey Koͤ-
nig Ladiſla an/ damit ſie zur Rechten und Linken in Feindes Land gehen/ und Bente einzu-
hohlen den Anfang machen wolten/ welches ihnẽ beyderſeits zugelaſſen ward/ jedoch mit
geſetzeter Maſſe/ wie weit ſie ſich vertuhn ſolten. Neda und Prinſla bekahmen gleichmaͤſſi-
ge Erlaͤubniß/ jeder mit 9000 Mann ſein Heil zuverſuchen/ und gingen eilig fort/ in Hoff-
nung was gutes zuſchaffen. Dropion hatte ſich zwar an einen feſten Ort nidergeſchlagen/
daß er eine freye Seite hatte/ weil daſelbſt lauter Moraſt wahr; aber dagegen hatte er ſich
ſelbſt eingeſperret/ da die unſern ihn mit 18000 Mann in ſechs unterſchiedlichen Schan-
zen dergeſtalt einhielten/ daß ihm unmoͤglich wahr/ auszufallen/ oder einen einzigen Boh-
ten auszuſchicken/ und wahren dieſe Schanzen mit tieffen Graben der geſtalt an einander
gehaͤnget/ daß die Feinde/ wie geſcheid ſie wahren/ bekeñen muſten/ deßgleichen vortelhafte
Einſperrung Zeit ihres Lebens nicht geſehen zuhaben. Unſern vier außgegangenen fliegen-
den Heeren gluͤckete es nach allem Wunſch/ weil die Inwohner von der unſern Ankunſt
gar keine Zeitung hatten/ und ſowol Bauren als Buͤrger in aller Sicherheit das ihre bey
ſich ſelbſt verwahreten. Weil dann das Land dieſes Orts treflich bewohnet/ und vol Früch-
te und Vieh wahr/ funden ſie allen Uberfluß/ maſſen ſie 120 Doͤrffer/ 30 Flecken und 14
Staͤdchen außpluͤnderten/ und alles Korn und Speiſen auff Wagen und Laſt Vieh ludẽ/
in ſolcher Menge/ daß ihr ganzes Heer die folgende Zeit des Krieges davon uͤberfluͤſſig zu
leben hatte; und ob ſie zwar deꝛ Gebaͤu mit Feur veꝛſchonetẽ/ veꝛbranten ſie doch alle Fꝛuͤch-
te/ welche ſie nit mit fortnehmen kunten. Ihres Viehes wahr faſt keine Zahl; Leches bꝛach-
te 8000 feiſte Ochſen/ 12000 Melke Kuͤhe/ 16000 Schaffe/ 4000 Pferde/ ohn was vor dẽ
Wagen geſpannet wahr/ deren Anzahl ſich auff 3000 erſtreckete/ mit 6000 Pferden und
16000 Ochſen beſpañet. Klodius hatte ſo reiche oͤrter nit angetroffen/ jedoch 5000 Ochſen
3000 Pferde 8000 Schaffe und 1000 mit Fruͤchten und Wein wolbeladene Wagen er-
beutet. Neda brachte auß etlichen Staͤdten 1800 Fuder Wein/ und 5000 Melke Kuͤhe/
ſamt 3000 jungen Rindern/ 600 Fudeꝛ Korn uñ 6000 Schaffen. Prinſla hatte viel Tuch/
gegerbet Leder/ und Kleider geraubet/ ſo viel 300 Wagen fortſchleppen kunten/ und weil er
etwas tieffer ins Land gangen wahr/ hatte er eine Heerde Ochſen und Kuͤhe 14000 ſtark/
15000 Schaffe/ und 3500 ledige Pferde angetroffen/ welche ſich auff die Flucht hatten ge-
ſchicket. Als die Feinde eine ſolche überaus groſſe Beute/ nicht gar weit von ihrem Lager
nacheinander daher treiben ſahen/ wuſten ſie nicht was ſie vor Eifer tuhn oder reden wol-
ten/ und verfluchten die Inwohner/ daß ſie ſo langſam zur Gegenwehr wahren/ durften uñ
kunten doch keinen Außfal wagen/ weil die unſern ihnen zufleiſſig aufwarteten. Es wurdẽ
alle erbeutete Sachen in Eile fortgeſchickt/ und durch das Land verteilet/ welches die zum
Kriege unduͤchtigſten/ 3000 ſtark fortbringen muſten/ denen 8000 erloͤſete Boͤhmiſche Leib-
eigene zugegeben wurden/ und 6000 mit Waffen verſehen und zum Heer getahn. Die un-
ſern wolten es hie bey nicht laſſen gut ſeyn/ weil ſie Zeitung hatten/ daß in der abgelegenen
Weite die Voͤlker zuſammen getrieben wurden/ muſte demnach Leches alsbald wieder fort
mit 10000 auß geruheten/ dem Herkules und Arbianes mit 12000 auf eine halbe Meile
a a a a a iijimmer-
[742]Achtes Buch.
immerzu nachfolgeten; wie im gleichen Neda und Prinſla mit 12000 nach einem andeꝛn
Orte/ von denen Ladiſla und Markus mit 10000 nicht weit blieben. Nun wahr das Ge-
ſchrey an dieſer Seite ſchon durch das Land erſchollen/ daß die Boͤhmen den Einfal getahn
hatten/ daher der Koͤnig etliche hundert Befehlichshaber von ſeinem neuen Heer/ welches
noch nicht gar bey einander wahr/ nach dieſen Grenzen ſchickete/ mit Befehl/ alle erwach-
ſene Manſchaft zuſamlen nnd bewehret zumachen. Dieſe wurden Leches ſeiner Ankunft
gewahr/ zogen ihm 14000 ſtark entgegen/ und ſchicketen herum/ daß ſich mehr zu ihnen
ſchlagen ſolten. Leches empfing ſie mit unverzagtem Herzen/ welche anfangs als verzwei-
felte Leute fochten/ und die unſern beide Haͤnde vol zutuhn bekamen/ biß ihre Ordnung ge-
trennet ward/ und nachgehends/ weil ſie ſich nicht wieder ſetzen kunten/ wie das Vieh ab-
geſchlachtet wurden. Ehe ſichs aber Leches verſahe/ ward er von der Linken her von einem
neuen Feinde 15000 ſtark angegriffen/ gegen welche er ſich kehrete ſo beſt er kunte/ da inzwi-
ſchen die erſten ſich ſamleten/ voller Hoffnung/ ſich rechtſchaffen zuraͤchen. Aber Herkules
kam zu rechter Zeit/ gab Arbianes 7000 gegen die erſten zufuͤhren; er aber ging mit 5000
Leches zu Huͤlffe/ welcher dieſes unvermuhtlichen Entſatzes ſich erfreuend/ den Feind geꝛa-
de von fornen zu angriff/ da Heꝛkules zur Seite einfiel. Aꝛbianes empfand ſchwachen Wie-
derſtand von den ſchon Abgematteten/ daher er zu erſt fertig ward/ daß von dieſem ganzen
Hauffen nicht mehr als 4000 lebendig blieben/ deren 3600 gefangen wurden/ die uͤbrigen
ſich durch die Flucht errettetẽ. Der andere Feindes-Hauffen hielt ſich biß dahin noch wol/
weil viel handfeſte Leute unter ihnen wahren/ aber ſo bald ſie Arbianes auch herzu dringen
ſahen/ entfiel ihnen aller Muht/ daß ſie ihr Gewehr von ſich worffen/ und um Gnade rieffẽ/
welche ihnen auch gegeben ward/ wurden alſo hieſelbſt 8000 gefangen genommen/ und er.
retteten ſich kaum 50 durch die Flucht. Dieſer herliche Sieg ward in anderthalb Stunden
voͤllig erhalten/ welcher den unſern nur 1800 Mann koſtete/ wiewol ihrer 2600 beſchaͤdi-
get wahren. Sie hielten in aller Eile Pluͤnderung/ funden bey den Lebendigen und Todten
ſehr viel Baarſchafft/ welches alles den Kriegsleuten frey gegeben ward; und alſo hielten
ſie es auch bey dem erſten Einfall/ daß die Voͤlker alle Baarſchafft vor ſich raubeten/ und
uͤberaus viel Gold zuſammen ſchleppeten. Unter den Gefangenen wahren 130 Ober Be-
fehlichshaber/ wurden aber den gemeinen Knechten gleich gerechnet/ und alle vor Leibeige-
ne nach Boͤhmen fortgeſchicket. Herkules ging noch zwo Meile weiter zum Lande hinein/
traf eine zimliche Stad an/ wiewol nicht ſonderlich feſte/ und weil ſie an Manſchafft ſehr
entbloͤſſet wahr/ bemaͤchtigete er ſich derſelben ohn Blutvergieſſen; ſie wahr aber vol hin-
ein geflehetes Guts/ von Vieh/ Korn und allerhand Waaren/ ſo daß die Gaſſen und Hoͤfe
an vielen Orten mit den Wagen angefuͤllet wahren. Herkules ließ ausruffen/ daß alle Leib-
eigene fich zur ſuͤſſen Freiheit einſtellen ſolten/ worauff in kurzer Zeit ſich 4000/ mehren-
teils Boͤhmen anfunden/ welche viel dankens machen wolten; aber ſie muſten helffen die
Wagen und das Laſt Vich mit allerhand Raub beladen/ da dann 3000 volgepackete Wa-
gen/ 6000 Maul Eſel und Eſel/ 8000 Pferde/ und 7000 Ochſen mit voller Ladung fort-
getrieben wurden. Als Herkules mit ſolcher groſſen Menge gefangenen/ geſattelter Pfer-
de/ und Beute nahe bey des Feindes Lager herzohe/ und das Heer ihn mit groſſem jauch-
zen empfing/ meynete Dropion vor Herzensangſt zuſticken/ fluchete und ſchalt ſo wol auff
ſeinen
[743]Achtes Buch.
ſeinen Koͤnig ſelbſt/ als auff deſſen Leute/ daß ſie mit dem Entſatze ſo ſchlaͤfferig umgingen.
Neda geriet an ſeinem Ort an ein ſehr groſſes Dorff/ in welchem ſich an die 16000 Pan-
nonier geſamlet hatten/ das Gewehr daſelbſt zuempfangen/ denen er zuentboht/ ob
ſie ſich ergeben/ oder mit ſamt dem Dorffe im Feur auffgehen wolten. Anfangs wegerten
ſie ſich in etwas/ aber als Ladiſla mit ſeinen Voͤlkern darzu kam/ bahten ſie umb Gnade und
Lebensfriſtung. Man wolte ſo viel Leibeigene nicht mit ſich ſchleppen/ vielweniger ſie lauf-
fen laſſen/ daß ſie auffs neue ſich haͤtten mit Waffen verſehen/ und weil gleichwol Ladiſla
keinen gefallen an Vergieſſung ſv viel Menſchen Blutes hatte/ muſten ſie alle miteinander
ihnen den Daumen an der rechten Hand/ oder zween Finger laͤhmen laſſen/ damit ſie zum
Gefechte unduͤchtig wuͤrden/ welches ſie/ umb den Hals zu retten gerne angingen. In dem
Dorffe traffen ſie faſt ja ſo viel hinein geflehete Guͤter an/ als Herkules an ſeinem Orte/
wie auch 3600 Boͤmiſche Leibeigene/ welche frey gegeben/ und mit Waffen verſehen wur-
den. Dieſe kahmen zwo Stunden nach Herkules an/ uñ erwecketen bey den ihren eine neue
Freude/ bey den Feinden aber faſt eine raſichte Verzweifelung. Gleich dieſe Stunde fingen
die unſern fuͤnff lauffende Bohten auff/ welche von dem Koͤnige an Dropion abgeſchicket
wahren/ ihm muͤndlich anzudeuten/ daß nach verlauff zween Tagen derſelbe mit einem wol-
gerüſteten Heer 150000 ſtark bey ihm ſeyn/ und dem Feinde den verwaͤgenen Einfal beſal-
zen wolte; welches die unſern durch erſchrekliche Peinigung aus ihnen brachten; hielten
daruͤber Kriegsraht/ und fundens am dienſtlichſten ſeyn/ daß ſie wieder hinter ſich nach ih-
rem alten Lager gingen. Es ward aber von einem befreieten Leibeigenen/ der Geburt ein
Italiaͤner/ den unſern kund getahn/ daß vier Meile von dem Lager ein verhauener Wald
waͤhre/ welcher inwendig einen groſſen und fruchtbahren Raum faſt einer Meile im umb-
kreiß haͤtte/ dahin waͤhre ein groſſer Vorraht allerhand Fruͤchte/ Speiſen/ Waaren/ und
Viehs gebracht/ zweifelte nicht/ man konte alle Beute leicht erhalten/ wann eine zimliche
Macht dahin ginge/ weil ſich mehrenteils Weiber/ und nicht uͤber 8000 Maͤnner dabey
fünden. Ladiſla bekam Luſt/ dieſen Rit zu tuhn/ nam 30000 friſche Reuter zu ſich/ gingen
die ganze Nacht fort/ und gelangeten eine Stunde vor der Sonnen Aufgang daſelbſt an/
funden den zimlich breiten Eingang mit bewehreter Mañſchaft beſetzet/ und erwarteten des
Tages zum Angriff/ da inzwiſchen die unſern bemuͤhet wahren/ noch fuͤnff oͤrter zu oͤffnen/
und durch dieſelben hinein zu dringen. Die Feinde wurden der unſern zeitig gnug wahr/
hatten ſich mit Geſchoß etwas/ mit Schwertern uñ Spieſſen aber wol verſehen/ und ſchoſ-
ſen anfangs verwaͤgen gnug in die unſern/ denen aber die Schilde wol zu ſtatten kahmen/
welche ſie auff dieſen fal mit ſich genommen hatten/ wiewol von unſern Leuten in die 300
erſchoſſen/ und 700 verwundet wurden; es half ihnen aber zur ſchleunigen uͤberwindung/
daß durch die fuͤnff geoͤfneten Loͤcher in die 2500 Mann in kurzer friſt hindurch drungen/
und inwendig des Platzes ein groſſes Blutvergieſſen anfingen/ daher ein ſehr jaͤmmerli-
ches Geſchrey von den Weibern und Kindern gehoͤret ward/ daß allen ihren Maͤñern der
Muht entfiel/ uñ die im groſſen Eingange gedachten/ es wuͤrden der unſern vielmehꝛ durch
gebrochen ſeyn/ wie gleichwol ihre Anzahl ſich immerzu mehrete. Ladiſla ließ dieſe noch-
mahls zur übergabe anmahnen/ welches ſie auch annahmen/ nachdem ihrer ingeſamt 3200
erſchlagen wahren. Sie funden einen überaus groſſen Vorraht daſelbſt; 16000 ledige
Pferde/
[744]Achtes Buch.
Pferde/ 40000 Rindvieh/ 20000 malter Früchte auff Wagen geladen; 300 Wagen mit
allerhand Waaren zu Kleidungen; 1200 fuder Wein/ 19 Tonnen Goldes an Baarſchaft/
70000 Schaffe/ und ſehr viel geſchlachtetes und eingeſalzen Fleiſchwerk. Bey dem Vieh
und Wagen wahren uͤber 8000 Leibeigene/ mehrenteils Boͤhmen/ welches alles nach
moͤglicher Eile fortgebracht ward/ ſo daß nach verlauff 23 Stunden ſie im Lager ankah-
men/ und ein durchgehendes Freudengeſchrey erwecketen. Die vornehmſten Haͤupter von
dem Feinde/ ſahen auff ihrem erhoͤheten Wahle mit groſſer beſtuͤrzung zu/ und erzeigete ſich
Dropion nicht anders als ein Wahnwitziger/ daß ihm alle moͤgligkeit auszufallen gaͤnzlich
abgeſtricket wahr/ er auch kaum noch auff einen einzigen Tag Lebensmittel an Speiſe und
Trank in ſeinem Lager hatte/ daß wann der Koͤnig ſeine ankunft noch vier Tage weiter hin-
aus geſetzet/ haͤtten ſie aus Noht ſich alle ergeben müſſen/ daher ein uͤberaus groſſes Leid un-
ter ihnen entſtund/ weil von des Koͤniges anzuge ſie ganz keine nachricht hatten/ und weil
die unſern noch ſo ungeſcheuhet zum Lande hinein gingen/ den Raub zu hohlen/ ſie in der
Furcht ſtecketen/ es wuͤrde keine anſtalt gemacht/ ſolches zu hindern. Die unſern ſahen daß
es zeit ſeyn wuͤrde auffzubrechen/ lieſſen alle Beute ſamt den Gefangenen alsbald forttrei-
ben/ und lagerten ſich gegen den Feind/ nicht anders/ als ob ſie daſelbſt ein Lager befeſtigen
wolten; aber ſo bald die Dunkelheit einbrach/ zogen ſie in aller ſtille fort/ ritten die ganze
Nacht/ und bekahmen eine Enge hinter ſich/ daß ſie vor uͤberfal geſichert wahren. Dropion
haͤtte ſich deſſen nimmermehr verſehen/ ließ zwar aus ſeinem Lager etliche kleine Reuter-
ſchaaren gehen/ weil er alle Schanzen ledig ſahe/ und gleichwol trauete er nicht/ weil er ſich
einer Hinterliſt befuͤrchtete/ nochmehr aber/ daß ſeine Knechte wegen mangels gar davon
lauffen moͤchten/ wann ſie das weite Feld offen haͤtten; aber als etliche Bauren/ inſonder-
heit fuͤnff Abtruͤnnige von den Gefangenen (welchen die Dunkelheit davon half) ihm die
gewiſſe Zeitung brachtẽ/ der Feind ginge in aller eile hinter ſich/ ward eꝛ deſſen zum teil froh/
wiewol er nicht aufhoͤrete auff ſeinen Koͤnig und deſſen Gewaltige (deren etliche dañ/ wel-
ches er wuſte/ ihm dieſen eingelegeten Schimpf wol goͤnneten) zu ſchmaͤhen; aber ein ge-
traͤuer des Koͤniges/ redete ihm ein/ er moͤchte alles nach belieben reden/ und nur Koͤnigl.
Hocheit ſchonen/ als welche hieſelbſt keines weges zubeſchuldigen waͤhre/ ſondern vielmehr
wir ſelbſt/ ſagete er/ in dem wir dieſen Fehler begangen/ und uns ſo gar auff die Grenze
gelegt/ da kein mittel geweſen iſt/ einigen Bohten abzufertigen/ oder zubekommen; welches
verſehen doch unſer Koͤnig uns nicht auffruͤcken wird/ weil kein Menſch einer ſolchen
Schlauheit zu dem Feinde ſich haͤtte verſehen koͤnnen. Dropion ſtellete ſich aͤuſſerlich/ als
wann er durch ſolche Vermahnung voͤllig zu frieden geſtellet waͤhre/ aber des folgenden
morgens fand man dieſen redlichen Mann auff ſeinem Lager Tod/ da ihm das Haͤupt an
der rechten ſeite eingeſchlagen und die Kehle abgeſtochen wahr. Kurz nach dem Dropion
des Feindes Abzug erfahren hatte/ kam ein Koͤniglicher Bohte zu ihm/ anmeldend/ es naͤh-
me den Koͤnig/ und alle ſeine Leute hoͤchlich wunder/ daß ihm in etlichen Tagen ſo gar keine
Botſchaft aus dem Lager zukommen waͤhre/ haͤtte daruͤber geeilet/ mit der Reuterey voran
zu gehen/ mit welcher er gegen Abend bey ihm ſeyn/ und den Feind ernſtlich angreiffen wol-
te. Dropion ſchickete ihm 2000 Reuter/ unter der Anführung ſeiner ergebenen entgegen/
welche ihm alles nach ſeinem Willen vortragen und den Fehler beſchoͤnen ſolten. Wir ha-
ben
[745]Achtes Buch.
ben aber hieſelbſt zuvernehmen/ mit was Gemuͤht und Willen Dropions erſte Botſchafft
(da er von dem Koͤnige ein neues Heer/ noch ehe er der unſern Lager geſtuͤrmet hatte/ be-
gehrete) auffgenommen ſey. In Pannonien wahr dazumahl uͤberal groſſe Freude/ weil
man alle Tage/ ja faſt alle Stundẽ eine Anzahl Vieh nach der andern aus Boͤhmen brach-
te/ und umb ein liederliches Geld verkauffte/ wobey ſtets zur neuen Zeitung ausgeruffen
ward: das ganze Land ſtuͤnde mit ihrem Koͤnige in ſolchem Schrecken/ daß dieſer davon
zuzihen/ jenes ſich an Koͤnig Mnata zuergeben willens waͤhre/ dann die beſte Manſchafft
haͤtte ſich in den eingenommenen Grenz Feſtungen auffgehalten/ nach deren Hinrichtung
den uͤbrigen das Herz entfallen waͤhre. Mnata wahr etwas leichtglaͤubig/ und trauete ſei-
nem ungetraͤuen Dropion zu viel/ daher er ſich gegen die ſeinen oͤffentlich vernehmen ließ:
Er hielte Boͤhmen ſo gut als uͤberwunden/ und ſolte ihm Teutſchland hernach vor den
Schimpff auch ſchon gerechtſeyn. Dieſes wuſten Dropions Zugetahne ihm dergeſtalt
einzubilden/ daß er ganz ſicher ward/ und des verſtaͤndigen Maſtyes Reden verachtete/ wel-
cher ſtets auff die guten Zeitungen antwortete: Er fuͤrchtete/ man wuͤrde mit den Boͤh-
men mehr zu tuhn bekommen/ als Vieh rauben und Doͤrffer brennen; das Land waͤhre
reich an Manſchafft; Teutſchland ſtuͤnde ihnen bey/ als ginge ſie es ſelbſt an/ und daͤuchte
ihn unmoͤglich/ daß ein ſo tapfferer Koͤnig in Geſelſchafft eines noch tapfferern getraͤuen
Freundes nicht eine Schanze wagen ſolte/ ein Koͤnigreich zubehalten/ welches ihm ange-
erbet waͤhre; riet demnach man ſolte ſich gefaſſet machen/ damit man zeit der Noht bereit
waͤhre; deſſen aber der Koͤnig lachete/ und ſich vernehmen ließ/ er waͤhre nicht willens/ ſein
ausgeſchiltes Heer mit einem Manne zuverſtaͤrken/ ſo gewiß waͤhre er des Sieges; mit
welcher Erklaͤrung ſeine Getraͤuen vor dißmahl muſtẽ friedlich ſeyn. Als aber die Zeitung
erſcholle/ daß die 9000 im Dorffe von geringer Manſchafft nidergehauen waͤhren/ wel-
ches Dropions Anhang gerne vertuſchen wolte/ begunte Mnata zumerken/ daß die Boͤh-
men noch nicht gemeinet waͤhren/ das Land zuverlauffen/ inſonderheit/ als Maſtyes und
Deon/ die auff alles gute Kundſchafft legeten/ ihm zu wiſſen tahten/ ſie haͤtten von guter
Hand Zeitung/ daß Teutſchland und Boͤhmen ihr aͤuſſerſtes wider Pannonien zuwagen
entſchloſſen waͤhren/ und dero behuef ſich gewaltig ruͤſteten. Weil dann Dropions begeh-
ren wegen Auffrichtung eines neuen Heers darzu kam/ wobey doch der Niderlage ihres
Vortrabes keine Meldung geſchahe/ merkete Maſtyes/ daß ein Schade muͤſte eingenom-
men ſeyn/ welches zuerforſchen/ er ſeinen getraͤuen Diener/ der mit Dropions ſeines Ab-
gefertigten Diener ſehr vertraulich wahr/ an denſelben mit fleiſſiger Nachfrage ſetzen ließ/
welcher/ ob ihm gleich ernſtllch von ſeinem Herrn verbohten wahr/ deſſen nichts zugeden-
ken/ ſo offenbahrete er doch dieſem auff verſprochene Verſchwiegenheit alles/ wie es er-
gangen waͤhre. Maſtyes hielt vor noͤhtig/ daß dem Koͤnige es vertrauet wuͤrde/ wiewohl
ohn des Anbringers Meldung; Worauff dann Mnata den Abgeſchickten mit ernſtlichen
Worten zu Rede ſtellete/ warumb er ſo verraͤhteriſch mit ihm umginge/ und ihm die War-
heit vertuſchete/ welche ihm von unterſchiedlichen andern/ ſo dem Heer beywohneten/ mit
allen Umſtaͤnden ſchon zugeſchrieben waͤhre. Dieſer verſtummete anfangs/ und als er des
Koͤniges Zorn merkete/ bekennete er rund aus/ daß ihm/ ſolches zumelden/ von dem Feld-
Herrn ausdruͤklich verbohten waͤhre. Hieraus nahmen Maſtyes und Deon gelegenheit/
b b b b bihren
[746]Achtes Buch.
ihren Koͤnig abſonderlich mit Traͤhnen zuwarnen/ er moͤchte ſich doch vorſehen/ und be-
denken/ was es auff ſich haͤtte/ daß nicht allein Dropion ihm den wahren Verlauff hinter-
halten dürffte/ ſondern auch ſolche Leute umb ſich haͤtte/ welche ihm getraͤuer waͤhren/ als
dem Koͤnige ſelbſt. Aber es wolte dieſe Vermahnung noch nicht bey ihm wirken/ inſon-
derheit/ weil der Abgeſchikte/ nachdem er ſich bedacht hatte/ den Feld Herrn zuentſchuldi-
gen wuſte/ daß derſelbe ſeinen Koͤnig mit ſo ungenehmer Zeitung nicht betruͤben wollen/
ſondern ſich hoch verheiſſen/ ſein Schart zuvor redlich auszuwetzen/ ehe man in Panno-
nien davon etwas erfuͤhre. Der Koͤnig hielt darauff Raht mit den Gewaltigen/ was man
auff Dropions begehren vorzunehmen haͤtte/ und weil dieſer noch gar einen groſſen An-
hang bey dem Koͤnige hinterlaſſen/ wuſten dieſelben alles nach deſſen Willen zufidern.
Maſtyes wahr ſehr ſorgfaͤltig/ hatte mit Deon und etlichen wenig andern ſchon uͤberleget/
was des Koͤniges und ſeines Reichs beſte ſeyn wuͤrde/ und trieb fleiſſig/ daß ein Heer von
150000 Reutern moͤchte geſamlet werden/ mit welchem der Koͤnig ſelbſt zu Felde ginge;
welches zuſammen zutreiben aͤuſſerſter Fleiß angewendet ward/ dann die Teutſche Huͤlffe/
deren Dropion ſelbſt gedachte/ hielt ſie nicht in geringer Furcht/ daß die verſtaͤndigſten es
ſchon unter ſich beklageten/ daß man den Krieg ſo liederlich angefangen/ und nicht zuvor
guͤtliche Handlung verſucht haͤtte. So bald aber Dropions und aller Kriegs Oberſten
anderes Anſuchen wegen eiligſter uͤberſendung der Speiſe Wagen/ dem Koͤnige vorge-
tragen ward/ und daß ihr Lager mit allem Vorraht durch bloſſen Unfall (wie ſie ſageten)
im Feur auffgangen waͤhre/ befahreten ſich Maſtyes und Deon viel eines aͤrgern/ erfuhren
auch durch heimliche Geſchenke von einem mit uͤbergekommenen Diener/ daß alles durch
Feindes Liſt und Verraͤhterey zugangen waͤhre. Jedoch/ weil auch dieſer beſtaͤndigſt dar-
auff verblieb/ daß des Feindes Lager in wenig Stunden ſich ergebẽ wuͤrde/ war die Furcht
bey ihnen nicht ſo groß/ wiewol Maſtyes gnug zuverſtehen gab/ daß er ſolcher guten Zei-
tung wenig trauete/ und Dropion mit guten liſtigen Worten geſpeiſet wuͤrde/ wunderte
ſich auch nicht wenig/ daß er von Agis oder Hyppaſus/ genommener Abrede nach/ gar kein
geheimtes Schreiben bekam; aber dieſen ward viel zu fleiſſig auff die Hand geſehen/ daß
ihnen ſolches zuleiſten unmoͤglich wahr. Es muſten alsbald 1200 Wagen auffbrechen und
mit allerhand Speiſen nach Boͤhmen zugehen/ welche den fluͤchtigen/ wie ſchon gemeldet/
wol zu gute kahmen. Weil dann Dropions abermahlige Geſandſchafft (welche er gleich
ſeiner Ankunft auff die Pannoniſchen Grenzen abgehen ließ) ſich angab/ nebeſt Vermel-
dung/ daß man wegen Mangel des noͤhtigen Unterhalts/ des Feindes Bodem haͤtte ver-
laſſen/ und ſich zurük zihen müſſen; entſtund daher ein groſſes Schrecken/ und gedachten
Maſtyes und Deon nicht anders/ als waͤhre das ganze Heer geſchlagen; welches eigent-
lich zuerfahren/ ſie dem Koͤnige rieten/ er ſolte fich ſeiner Koͤniglichen Gewalt gebrauchen/
und die 8 Abgeſchikte abſonderlich mit Ernſt vermahnen/ daß ſie ihm den ganzẽn Ver-
lauff umſtaͤndlich anzeigeten; wodurch dieſe auch geſchrecket/ einhellig berichteten/ daß
ſie uͤber 70000 Mann in zweyen Stuͤrmen und kleinen abſonderlichen Schlachten ein-
gebuͤſſet/ und doch dagegen dem Feinde ſehr geringen Schaden getahn haͤtten; inſonder-
heit zeigete ihrer einer dem Stathalter Maſtyes vertraulich an/ wie hoch Koͤnig Ladiſla
und ſeine Verwanten von Dropion beſchimpffet/ und zum Galgen geſodert waͤhren/ wo-
durch
[747]Achtes Buch.
durch derſelbe zum Eifer gereitzet/ ſeiner Abgeſandten zehne henken/ und dem eilften Ohrẽ/
Naſe und Finger abſchneiden laſſen; welches dieſer mit entſetzen und groſſem Herzens-
praſt anhoͤrete/ und nebeſt ſeinen Vertraueten beklagete/ Dropions verwaͤgener Frevel
und unverſchaͤmter Ehrgeiz nach der Boͤhmiſchen Kron/ wuͤrde ganz Pannonien ins
Verderben ſtuͤrzen. Bald hernach brach die Zeitung aus/ die Teutſchen und Boͤhmen
haͤtten Dropions Heer mit uͤberaus groſſer Macht ganz umlagert; und als alle Stunden
eingebracht ward/ was geſtalt alles Vieh geraubet/ alle Fruͤchte hinweg gefuͤhret/ und was
man nicht fortbringen koͤnte/ verbrennet wuͤrde/ ſahen ſie die Fruͤchte des unnoͤhtlgen Krie-
ges vor Augen/ wolten gleichwol das Herz nicht gar fallen laſſen/ ſondern reizeten den Koͤ-
nig/ daß er eilen/ und durch ſeine Gegenwart den Voͤlkern einen Muht/ und den Feinden
Schrecken machen ſolte. Alſo brach Mnata endlich auff mit 150000 wolbewehretẽ Voͤl-
kern/ uͤber welche er ſeinen getraͤuen Hyppaſus zum Unter Feldherrn zuſetzen willens wahr.
Als Dropions 2000 Reuter auff den Koͤnig ſtieſſen/ wuſten deren Fuͤhrer nicht gnug auf-
zuſchneiden/ wie viel Feinde ſie erſchlagen/ und wie groſſe Verwuͤſtung ſie in Boͤhmen
angerichtet; aber der Koͤnig wolte ſolchen eiteln Ruhm nicht unbeantwortet laſſen/ und
fragete; wo dann die Siegszeichen/ der Feinde Faͤhnlein und Gewehr waͤhren/ und was
ſie bewogen haͤtte/ als fluͤchtige davon zulauffen; es waͤhre unerhoͤret/ daß ein ſo ſtarkes
Kriegs Heer ohn gewagete Feldſchlacht das Haſen Panier aufgeworffen haͤtte; Und weil
auff dieſem Zuge von den Untertahnen nichts uͤberal als klagen und weinen/ wegen des
uͤberaus groſſen Verluſtes ihrer Guͤter gehoͤret ward/ da ſie zugleich ſich vernehmen lieſ-
ſen/ es waͤhre der Feld Herr Dropion mit einer ſo groſſen Macht in ſeinem Lager ganz ſtil-
le dabey geweſen/ daß ſichs anſehen laſſen/ als haͤtte er mit den Feinden einen heimlichen
Verſtand gehabt/ ja als ob er ihnen einen Frey Brief/ nach gefallen zurauben/ zupluͤndern
und zuwuͤrgen erteilet haͤtte/ erzuͤrnete ſich der Koͤnig nicht ein geringes darüber/ ſo daß er
willens wahr/ das Kriegs Recht uͤber die hohen Haͤupter ergehen zulaſſen. Als er im La-
ger ankam/ gingen Agis/ Hyppaſus und Amythaon in trauriger Geſtalt zu ihm hin/ und
klageten ſich ſelbſt an/ wie ſie durch unterſchiedliche Unvorſichtigkeit und Verſaͤumniß
daſſelbe nicht geleiſtet haͤtten/ was ihnen gebuͤhret/ wobey ſie gleichwol unangezeiget nicht
lieſſen/ daß allemahl die groͤſte Schuld bey ihnen nicht geweſt waͤhre/ und daß den liſtigen
und gluͤklichen Anſchlaͤgen des Feindes ſie ſich nicht beſtand befuͤnden/ welche allenthalbẽ
durchgedrungen/ und eine groſſe Anzahl ihrer Voͤlker gefreſſen/ da hingegen wol kaum ei-
ne Hand vol der feindlichen Voͤlker drauff gangen waͤhren. Jedoch hoffeten ſie/ bey des
Koͤniges Gegenwart es wieder einzubringen/ wann ſie des ergangenen gnaͤdige Verzei-
hung erlangen koͤnten. Mnata verſtund aus ihren Reden wol/ was ſie gerne klagen woltẽ/
und doch nicht durfften/ beklagete die erlittene Niderlage/ und zeigete an/ daß ihnen freilich
wolte gebuͤhret haben/ ſich beſſer in Feindes Lande und Gegenwart vorzuſehen; weil aber
es an ihrer Auffrichtigkeit und Traͤue nicht ermangelt haͤtte/ und man das geſchehene nit
endern koͤnte/ ſolte ihnen ihr verſehen hiemit zugedecket und vergeben ſeyn/ welches ſie her-
naͤhſt würden wiſſen einzubringen; ernennete auch darauff Hyppaſus zu ſeinem Feldmar-
ſchalk uͤber die mitgebrachten Voͤlker/ und foderte Dropion vor ſich/ welcher zu ihm tre-
tend/ fragen durffte/ warumb der Koͤnig ſelbſt mit überkommen waͤhre. Derſelbe aber an-
b b b b b ijzeige-
[748]Achtes Buch.
zeigete/ es waͤhre billich uͤber ſeine ſchleunige Zuruͤkkunfft ſich mehr zuverwundern/ und dz
er ſich hieſelbſt von den Feinden haͤtte einſchlieſſen laſſen/ als daß er kaͤhme/ ihn loßzureiſ-
ſen. Der verwaͤgene Dropion wahr ihm ſolcher verweißlichen Rede nicht vermuhten/ uñ
fragete/ warumb der Koͤnig ſich ſeiner uͤberkunfft verwunderte; ob dergleichen Glüksfaͤlle
nicht wol ehe vorgangen waͤhren. Mnata kunte laͤnger nicht ſchweigen/ und ſagete: Was
Gluͤks-faͤlle? heiſſet man daſſelbe auch Gluͤckesfaͤlle/ was man liederlich verſihet/ und
durch Verachtung des Feindes oder andere dergleichen Verwarloſungen ihm ſelbſt zu-
richtet? heiſſet man das Gluͤksfaͤlle/ wann man des Landes Pluͤnderung mit leiblichen
Augen anſchauet/ ja den Feind ungehindert abzihen laͤſſet/ welcher fuͤnff mahl mehr Beute
wieder gehohlet/ als man ihm abgenommen hat? Dieſer Unhold ſahe ſeinen Koͤnig mit
grimmigen Augen an/ und weil er ſeine Gewalt feſt gelegt hatte/ daß er bey den meiſten
Kriegs Beamten/ ja auch Reichs Bedieneten mehr als der Koͤnig ſelber galt/ fing er an
dergeſtalt zuſchnarchen/ und ſeine dem Reich geleiſtete Dienſte zuerheben/ auch ſchon zu
draͤuen daß er ſeine Hand abzihen wolte/ daß der Koͤnig gnug zuſchaffen hatte/ ihn wieder
zubeguͤtigen/ dann auſſer Agiß/ Hyppaſus und Amythaon/ hingen ihm alle Feld Herren
und vornehme Oberſten an/ weil ſie durch ſeine Befoderung geſtiegen wahren/ ſo gar/ daß
welche der Koͤnig geſezt hatte/ faſt nichts golten/ wiewol dieſelben durch des Koͤniges Ge-
genwart nunmehr anfingen/ das Haͤupt auffzurichten/ weil ſie bey dem neuen Heer eine
groſſe Anzahl ihres gleichen funden. Agiß und Pyrechmes ſchlugen ſich zwiſchen die
Uneinigkeit des Koͤniges und ſeines Feld Herrn/ da dann die Furcht einer Auffruhr an ſei-
ten Mnata/ und das boͤſe Gewiſſen bey Dropion die Vergleichung leicht befoderte/ und
ward bald darauff algemeine Kriegsbeſichtigung gehalten/ da ſie ihre zuſammen geſtoſſene
Macht alſo beſchaffen befunden/ daß ſie ſich getraueten ein kurzes Spiel zumachen/ brachẽ
des dritten Tages nach der unſern Abzuge auff/ und fuͤhreten 90000 Fußknechte in der
Mitte/ und an beyden Seiten die Reuter/ jeden Fluͤgel 80000 ſtark/ alle miteinander aus-
erleſene Kriegsleute; hatten auch ihre Rüſtwagen bey ſich/ welche auff 6 Wochen Spei-
ſe gnug nachfuͤhreten. Siegward und Olaf waren voͤllig wieder geneſen/ und kamen zween
Tage nach der Unſern Wiederkunft mit 10000 geſamletẽ Boͤhmiſchen Reutern an/ dz ihr
ganzes Heer in 160000 Mañ beſtund/ unter denen aber der vierde Teil zum Kriege nit ab-
gerichtet war. Sie verſcharretẽ bey ihrer Ankunfft die erſchlagenen Pañonier in die Erde/
umfaſſetẽ ihr Lager etwz weiter/ uñ befeſtigten es dergeſtalt/ dz es faſt unuͤberwindlich war.
Fleiſch/ Butter/ Brod/ Mehl/ Salz uñ Wein hatten ſie uͤberfluͤſſig von der mitgebrachten
Beute/ richtetẽ auch eine groſſe menge Bakoͤfen uñ gemeine Kuͤchen zu/ dz die Voͤlkeꝛ/ hoch
und nidrig wol verpfleget/ uñ im Gewehr ohn unterlaß geuͤbet wuꝛden/ weil ſie nit zweifeltẽ
ſie wuͤrden den Feind bald wieder unter dem Wahle haben/ wiewol ihre Leute ſehr muh-
tig wahren und ihre Ankunft wuͤnſcheten/ damit der Krieg bald zum Ende gebracht wuͤr-
de. Neda und Prinſla muſten mit 6000 Reutern gegen Feindes Land zureiten/ nnd 200
Mañ je vier und vier eine Meileweges lang vor ſich hergehen laſſen/ mit dem Befehl/ daß
ſo bald die erſten etwas gewiſſes vernehmen wuͤrden/ ſolten ſie ein Zeichen geben/ und ſo
fortan/ daß die hinterſten es ſchleunig an ſie bringen koͤnten. Am ſechſten Tage nach der
unſern Wiederkunft meldeten dieſe an/ dz der Feind mit einer ſchier unglaͤublichen Macht
und
[749]Achtes Buch.
und Menge ihrer Ritterſchaft im Anzuge waͤhre/ und mit ſolcher Grauſamkeit fort gin-
gen/ daß ſie keines fruchtbahren Baumes verſchonetẽ/ auch die Steine auf den guten Acker
mit Hauffen außſtreueten/ ihn zuverderben. Die unſern hielten hierauff Kriegsraht/ und
teileten ihre Voͤlker ſolcher geſtalt/ daß Koͤnig Henrich/ Ladiſla/ Leches/ Prinſla und Gal-
lus das Lager mit 9000 Fußknechten bewahren/ die Reuter Fluͤgel aber an beiden Sei-
ten verborgen (wie vormahls) halten ſolten/ jeder 50000 Koͤpffe/ da Herkules/ Arbianes/
Klodius und Neda den Rechten; Siegward/ Olaf/ Markus/ und Herr Bertram/ ein Fꝛey-
Herr von der Weſer den Linken zubefehlen hatten. Der Feind ſchlug ſein Haͤuptlager eine
gute Meile von den unſern/ uñ erkundigte ſich fleiſſig/ weſſen man ſich an dieſer Seite ver-
hielte/ erfuhren auch daß das Lager mit gnugſamer Manſchaft beſetzet/ und beide Reuter-
Fluͤgel in Anſehung des vortelhaften Ortes zur Gegenwehr duͤchtig und ſtark genug waͤh-
re/ ſo daß man ſie weder einſchlieſſen noch hintergehen koͤnte; waͤhre alſo kein beſſer Mittel/
als daß man den Feind zur Schlacht außfoderte. Dieſem ward alsbald des erſten Tages
nach ihrer Ankunft folge geleiſtet; aber die unſern gaben zur Antwort; haͤtten ſie auff ih-
rem Grund und Bodem ſich gewegert zu ſchlagen/ ſolte ihnen ein ſolches noch zur Zeit ebe-
ner geſtalt verſaget ſeyn; doch gefiele ihnen wol/ daß ſie nunmehr beginneten Kriegsart
vorzunehmen/ und die unredlichen Mordbrenner und Raͤuber Stuͤkchen angaͤben/ deren
ſie doch wol auff dem jetzigen Zuge wieder auffs neue gnug moͤchten betrieben haben/ wie
wol man ihnen darzu keine Urſach gegeben/ noch in ihrem Lande einen einzigen Baum/ ge-
ſchweige ein Haus oder Dorff durchs Feur beſchaͤdiget haͤtte. Agiß hatte dem Koͤnige es
zuvorgeſaget/ daß ſie abſchlaͤgige Antwort bekommen wuͤrdẽ/ und der Feind auſſer Zwei-
fel den Krieg etwas in die Harre zuſpielen geſonnen waͤhre. Ward darauff von ihnen aufs
neue umgefraget was vor ein Mittel zum ſchleunigen Siege vorzunehmen ſeyn wuͤrde.
Dropion ſtimmete abermahl auf eine gewaltſame Beſtuͤrmung des feindlichen Lagers/
Agiß hielt vor rahtſamſt/ daß man etwas wieder zuruͤk wiche/ und hernach an einem añoch
unverderbeten Ort zum Lande nach der Haͤupt Stad zu/ hinein ginge/ da ihnen der Feind
folgen/ oder ohn ein befeſtigtes Lager ihnen entgegen zihen muͤſte. Welche Meinung ihm
der Koͤnig nicht uͤbel gefallen ließ/ wuͤrde auch wol mit der unſern groſſem Schaden ins
Werk gerichtet ſeyn/ wañ nicht Dropions ergebene ihn uͤberſtimmet haͤttẽ/ daß auch Hyp-
paſus einwenden nicht geachtet ward/ in dem er mit guten Gruͤnden ihnen vorſtellete/ daß
ſolcher Sturm viel Volk freſſen/ und die Erſtreitung des uͤberaus feſten Lagers dannoch
ſehr mißlich ſeyn wuͤrde. Dann Dropion brachte dagegen vor/ es mangelte ihnen an gutẽ
Wegweiſern/ uñ wuͤrde man auf den engen Durchzuͤgen auffgehalten werdẽ welche dem
Feinde alle miteinander kuͤndig; hingegen/ wañ das Lager erobert waͤhre/ wuͤrde dam[i]t die
Schlacht zugleich erhalten/ der Feind zuſtreuet/ und das ganze Land auff einmahl unter den
Gehorſam gebracht; dem der Koͤnig Beifal gab/ inſonderheit als ſich Dropion mit hohen
Schwuͤren verfluchete/ er wolte den empfangenen Schimpf und Schaden raͤchen/ oder
daruͤber zu Grunde gehen/ auch durchaus weder Gnade erzeigen noch begehren; welches
ſehen zulaſſen er durch ſtraͤnges anhalten den Koͤnig darzu bewaͤgete/ daß er alles wiedrigẽ
rahtens/ ſo von etlichen geſchahe/ ungeachtet einwilligte/ daß ein hoher neuer Galgen vor
unſer Helden Augen auffgerichtet ward/ und man zugleich einen Trometer an das Lager
b b b b b iijſchicke-
[750]Achtes Buch.
ſchickete/ welcher ohn geſuchten freien Abzug ihnẽ ankuͤndigte/ dafern ſie ſich nit ſtuͤndlich
ergeben/ das Gewehr niederlegen/ und umb Gnade wegen des geſchehenen Verbrechens
anhalten wuͤrden/ ſolte im ganzen Koͤnigreich Boͤhmen keine lebendige Seele bleiben/ auch
des Kindes in Mutter Leibe nicht verſchonet werden; das ganze Land muͤſte zur Wuͤſteney
gedeyen/ und Koͤnig Ladiſla nebeſt allen ſeinen Anverwanten den jezt auffgerichteten Gal-
gen bekleiden. Ladiſla hoͤrete dieſes mit dem allerbewaͤglichſtẽ Eifeꝛ an/ ließ ihn hinein fuͤhꝛẽ/
und fragete ihn mit grimmigen Angeſicht/ wer ihn ſo verwaͤgen gemacht haͤtte/ daß er ei-
nem Koͤnige in ſeinem Reiche den Galgen and[raͤ]uen dürffte; befahl ſchleunigſt einen Gal-
gen oben auff der Bruſtwehr zu richten/ und den frechen Buben daran zu haͤngen; aber
durch Koͤnig Heinrichs Vorbitte ſchenckete er jhm das Leben/ weil er vorgab/ er wolte end-
lich gerne am Galgen ſterben/ und es vor eine Gnade rechnen/ maſſen/ wann er ſich im ge-
ringſten gewegert haͤtte dieſe Werbung abzulegen/ wuͤrde ihm der ſchmerzhafteſte Tod auff
Dropions Befehl angetahn worden ſeyn. Doch ließ ihn Ladiſla Mutternacket außzihen/
mit Koht beſchmieren/ die Haͤnde auff den Ruͤcken/ und einen ſchaͤbichten Hund auff die
Schulder binden/ hernach rüklings ihn auff ein reudiges Pferd ſetzen/ und einen gefange-
nen Pannonier/ nach zuſtuͤmmelten Fingern/ Naſe/ und Ohren/ zugeben/ der ihn unter ſol-
chen Schmerzen bey dem Zuͤgel hinleiten muſte/ gab ihm auch dieſe Antwort/ ſeinem Koͤ-
nige zubringen: Redliche Teutſchen und Boͤhmen waͤhꝛen bißher nicht gewohnet/ ſich auff
Gnade und Ungnade zuergeben/ noch ehe ſie angegriffen wuͤrden/ viel weniger dem Diebs-
Henker den Hals zum Stricke darzubieten; waͤhre Mnata ein redlicher Koͤnig/ wuͤrde er
deßgleichen Beſchimpffung keinem Koͤnig- oder Fuͤrſtlichem Blute anmuhten; er vor ſein
Haͤupt achtete ſeiner Dꝛaͤuungen gar nicht/ durch welche er ſich nicht als ein Koͤnig/ ſon-
dern als ein ſchaͤndlicher Wuͤterich erzeigete/ dem er aber ſein Schwert entgegen ſetzen/
und ihn verſichern wolte/ dafern die Galgen Bedraͤuung nit in 24 Stundenfriſt widerꝛuffẽ
wuͤrde/ wolte er eben denſelben daran henken laſſen/ der ihn auffzurichten befohlen haͤtte.
Hiebey gab er ihm einen offenen Außfoderungs-Brief an Mnata/ welcher alſo lautete:


Mnata/ waͤhreſtu ein redlicher Koͤnig/ wuͤrdeſtu Koͤnigl. Hocheit nimmermehr biß an den
Diebes-Galgen beſchimpffen/ inſonderheit/ weil man dir nicht/ als Kriegsrecht/ und zwar anff gelin-
de Weiſe hat wiederfahren laſſen. Weil dann dieſer Schtmpff gar zu ſchaͤndlich/ und der Anſtiffter
deſſen nicht wert iſt/ daß er eines Koͤniges Nahmen tragen ſol/ haſtu dich ſolcher Benennung ſelbſt
beraubet/ die ich dir ſonſt nicht wuͤrde gewegert haben. Damit du aber ſeheſt/ wie gering ich deinen
Troz halte und ſchaͤtze/ habe ich dir deinen Bohten in ſolcher geſtalt wieder geſchikt/ wie du es verdie-
net haſt; Und dafern noch eine Ader eines redlichen Koͤniges und Ritters an dir iſt/ ſo ſtelle dich mit
rittermaͤſſigem Gewehr ein zwiſchen meinem und deinem Lager/ woſelbſt ich deiner warten/ und von
dir nicht ſcheiden wil/ es ſey dann/ daß du oder ich durch das Straff-Schwert abgeſchlachtet werde.
Wegerſtu dich deſſen/ ſo ſchrecket dich deines Gewiſſens Brandmahl/ und macheſt dich ſelbſt zu einem
ſolchen/ der keines redlichen Koͤniges Schwerts wirdig ſey. Ladiſla dein geſchworner Feind.


Der elende Trometer brachte ſeinem Koͤnige dieſe Antwoꝛt nebeſt dem Abſagsbrieffe;
welcher nebeſt ſeinem Dropion und den andern Oberſten/ ſich nicht anderſt geberdete/
als wolten ſie unſinnig werden. Das Ausfoderungs-Schreiben ward geleſen/ und umb-
gefraget/ was zu tuhn waͤhre; da Dropion zwar den Kampf nicht rahten durfte/ und ihn
doch herzlich gerne geſehen haͤtte/ waͤhre ihm auch lieber geweſen/ daß ſein Koͤnig/ als La-
diſla
[751]Achtes Buch.
diſla den kuͤrzern gezogen haͤtte. Aber Agiß erwies durch hochwichtige Urſachen/ daß ſol-
chen Kampf ſein Heer keines weges zulaſſen koͤnte noch ſolte; wobey es auch ſein verblei-
ben hatte. Doch erklaͤreten ſie ſich einhellig/ den Schimpf noch vor der Soñen Untergang
grauſamlich zu raͤchen/ daß keinem hinfort geluͤſten ſolte/ dem Pannoniſchen Koͤnige und
ſeinem unüberwindlichen Kriegsheer einen ſchaͤbichten Hund zuzuſchicken. Es muſten
10000 Reuter abſitzen/ und zu dem Fußvolke treten/ daß ihre Zahl auff 100000 vol ward.
Das Lager beſetzeten ſie mit Fuhrleuten und andern unnuͤtzen Geſinde/ und teilete Mnata
mit Dropion die Reuterey gleich/ daß jeder 75000 Pferde fuͤhrete/ welche Zeit des Sturms
in voller Schlachtordnung halten ſolten. Dropion wahr ſo ſtolz/ daß er an ſeinen Koͤnig
begehren durfte/ ihm den Boͤmiſchen Koͤnig zur Straffe uͤberzulaſſen/ ſo bald er wuͤrde ge-
fangen ſeyn; befahl auch dem Fußvolk/ ſie ſolten ihn nicht erſchlagen/ ſondern lebendig greif-
fen. Mnata munterte die ſeinen zur Herzhaftigkeit auff/ ſie ſolten nur betrachten/ was vor
einen unabloͤſchlichen Schimpf man ihrem ganzen Volke durch uͤberſchickung des ſchaͤ-
bichten Hundes angelegt haͤtte/ welchen auszudeuten man keines Dolmetſchers beduͤrfte/
geſtaltſam der nichtige Boͤhme (ſo nennete er Ladiſla) ſchon im vorigen Zuge die Panno-
nier vor Hunde/ und ihre Anſoderung vor ein Hundiſches bellen haͤtte ſchelten dūrffen; es
waͤhre ſolcher Hohn tauſendmahl bitterer/ als der Tod ſelbſt; dann dieſer braͤchte einem
redlichen Mañe keine Schande/ jenes aber beſchimpfete ihn ſo hoch/ als weit ein Hund ge-
ringer dann ein Menſch waͤhre. Abbitte waͤhre davor viel zu ſchlecht/ es muͤſte ſolcher Fre-
vel mit deſſen Blute ausgeſoͤhnet werden/ der ihn begangen haͤtte; deswegen ſolten ſie ih-
rer angebohrnen und durch die ganze Welt beſchriehenen Mannheit eingedenke ſeyn/ und
mit wenigen zu ſagen/ nur ſich erinnern daß ſie Pannonier waͤhren/ alsdann wuͤrde einem
jeden ſeine Schuldigkeit es ſchon zuruffen/ was ihm gebuͤhren wolte; er ſelbſt waͤhre wil-
lens/ den rechten Flugel anzufuͤhren/ wann der Feind mit ſeiner Reuterey loßbrechen wür-
de/ bißdahin er auff einem Huͤgel halten/ und eigentlich acht drauff geben wolte/ wer ſeine
Tapferkeit am beſten gebrauchen wuͤrde/ wiewol eꝛ an keinem im geringſten nicht zweifelte.
Koͤnig Henrich unterließ nicht/ den ſeinen den Muht gleichergeſtalt zuerwecken; ſie ſolten
nicht des Feindes menge anſehen/ noch ſein wuͤſtes Geſchrey achten/ ſondern ihnen nach
dẽ Faͤuſten ſehen/ uñ ſie daſelbſt angꝛeiffen/ wo ihnen am beſten beyzukom̃en waͤhre/ welches
allen und jeden nicht ſolte unvergolten bleiben/ ungeachtet ſie ſchuldig waͤhren/ vor das Va-
terland und vor ihre Koͤnige ſtreitend zu ſterben. Damit hoͤreten ſie/ daß das Zeichen zum
Sturm gegeben ward/ und ein ſo graͤuliches Geruffe ſich erhuhb/ daß wol ein gnug herz-
haftiger dadurch ſolte bewaͤget ſeyn/ und wahr inwendig einer halben Stunde der doppel-
te Graben an zehn Orten 25 Schuch breit ausgefuͤllet. Weil dann die Pannonier die Ge-
fahr des ehemaligen Sturmes noch in friſchem Gedaͤchtnis hatten/ macheten ſie ſich mit
Hacken und Schauffeln an den auffgeworffenen Wahl/ der meinung/ ihn niderzureiſſen/
und einen ebenen Eingang zumachen/ welches ihnen anfangs gluͤklich von ſtatten ging/ dz
ſie drey zimliche Straſſen zur helfte hindurch arbeiteten. Ladiſla entſetzete ſich in etwas voꝛ
dem graͤulichẽ toben/ aber ſein unuͤberwindliches Herz faſſete bald feſten Stand/ und befahl
er/ daß 6000 Mann ausfallen und die Arbeiter angreiffen ſolten/ welches ſo wol gluͤckete/
daß ſie ohn verluſt eines einzigen Mannes/ 2000 niderſchlugen/ und ihr Werkzeug davon
ins
[752]Achtes Buch.
ins Lager brachten; doch wolte ſichs in die harre nicht treiben laſſen/ dann der Feind drang
gewaltig auff ſie zu/ umb ihnen den Weg nach der Seitenpforte/ von dannen ſie kommen
wahren/ abzuſchneiden; daher ſie ſich wieder davon machen muſten/ und verlohren im Ab-
zuge 300 Mann/ nahmen doch dabey 1400 Feinde mit ſich in den Tod/ und wurden ihres
wolverhaltens von Freunden und Feinden gepreiſet. Nach ihrem Abſcheide ging das Hac-
ken von neuen an/ doch nicht mit vorigem Eifer/ weil ſie ſich eines abermahligen uͤberfalles
beſorgeten/ welcher ihnen auch bald uͤber den Hals kam; dann auff der andern Seite ließ
Koͤnig Henrich 8000 hinaus eilen/ die mit kurzem Gewehr ein heftiges Gemaͤtſche triebẽ/
daß endlich die Graͤber die Flucht nahmen/ nachdem ihrer 3000 erſchlagen/ und ſo viel ver-
wundet wahren/ davon hernach nicht 300 lebendig blieben; ſie aber dagegen auch 400 ein-
buͤſſeten. Der feindſelige Koͤnig muſte dieſes mit Augen anſehen/ und kunte ihnen doch den
Entſaz nicht ſo eilig zuſchicken/ daher er das niderreiſſen verbieten/ und zum Sturm auff-
blaſen ließ. Inwendig dem Lager hatten die unſern nicht gefeiret/ ſondern hinter dem Wah-
le/ da der Feind arbeitete/ tieffe Wolfes-gruben auffgeworffen/ und mit duͤnnen Reiſich
bedecket/ welcher anſchlag ſehr wol gelung/ dann weil an ſolchen Orten der Wahl am leich-
teſten zuerſteigen wahr/ lieffen die Feinde daſelbſt mit groſſem Eifer an/ und als ihnen we-
nig Wiederſtand von forne zu geſchahe/ drungen ſie leicht hinuͤber in das Lager/ und ſtuͤrze-
ten ſich hauffens weiſe in die Gruben/ worinnen ſie jaͤmmerlich und mit groſſem Geſchrey/
teils ſich mit ihren Schwertern beſchaͤdigten/ teils ſich unter einander erdruͤcketen/ daß ih-
rer auff ſolche weiſe 1600 umbs Leben kahmen/ und die Nachfolger zuͤcketen/ die nicht hin-
uͤber wolten/ weil ſie ſahen/ wie erbaͤrmlich es den ihren erging. Drauſſen wuſte man nicht
was der anlauffenden Stuz bedeutete; dann ob dieſe gleich die Urſach anmeldeten/ kunte
mans doch wegen des vielfaͤltigen Geſchreyes nicht vernehmen/ biß ſie endlich den Betrug
muhtmaſſeten/ und dieſe Luͤcken verlaſſend/ den ganzen Wahl teils hinauff kletterten/ teils
mit Leitern beſtiegen/ aber von den unſern mit langen Spieſſen dergeſtalt empfangen wur-
den/ daß ihrer im erſten Anlauffe 3000 Tod zuruͤk fielen/ welches alles ihr Koͤnig anſahe/
und mit ihnen zwar mitleiden trug/ aber aus heftigem Grim nicht deſto weniger befahl/ den
Sturm unauffhoͤrlich fortzuſetzen. Da ging es nun über und uͤber; die ganze Sette des
Wahles wahr im Augenblik mit Feinden erfuͤllet/ die mit Steinwerffen den unſern ſehr
gedꝛange tahten/ und man ihnen durchaus nicht ſteuren kunte/ daß ſie drey unteꝛſchiedliche
Loͤcher durch den Wahl brachen/ durch deren aͤuſſerſtes nach der Rechten zu/ ſechs Mann
neben einander ſtreitend hindurch dringen kunten; wehrete auch nit lange/ daß in die 4000
Feinde inwendig des Lagers ſich befunden/ welche mit den unſern einen herben Streit an-
fingen/ und zugleich der ihren immer mehr und mehr an ſich zogen/ welches doch Ladiſla
mit willen geſchehen ließ/ biß ohngefehr 10000 durchgedrungen wahren/ da muſte Leches
und Gallus von der Rechten/ Fabius und Prinſla von der Linken die Lücke verhauen/ daß
niemand mehr durchdringen kunte; Ladiſla aber trat mit groſſem Volke auff ſie zu/ ſchloß
ſie enge ein/ und hoͤrete nicht auff/ biß ſie alle nidergeſaͤbelt wahren; woruͤber ſie doch 3000
im Stiche lieſſen/ weil jene aus verzweifelung fochten/ uñ nicht ungerochen ſterben wolten.
Es wahr ein ſolches Elend und Jammer/ desgleichen nie mochte geſehen ſeyn/ dann aus
den Tohren des Lagers floſſen Baͤchlein Blut hinaus/ und ſtelleten ſich die unſern ſo haͤuf-
fig
[753]Achtes Buch.
fig auff den Wahl/ daß der Feind nicht mehr belieben trug hinan zuklimmen/ weil ſie kei-
nen lebendigen wiederkommen ſahen. Mnata haͤtte den Sturm gerne weiter fortgeſetzet/
aber Agiß und etliche getraͤue Oberſten mehr/ wiederrieten ſolches; es waͤhre gar zu kuͤhn
gewaget/ eine ſo groſſe menge der Feinde in ihrem Vortel anzugreiffen/ da ihrer zehn ſo
gut drinnen/ als 60 drauſſen waͤhren; man muͤſte den Feind durch Hunger (welches doch
unmoͤglich) oder durch einẽ andern Einfal zur Feldſchlacht dringẽ/ ſonſt wuͤrde die Gefahr
und der Verluſt zu groß/ auch der Gewin oder Sieg zu zweifelhaftig ſeyn; wodurch er ſich
dann bereden ließ/ daß er den Abzug goͤnnete/ deſſen die unſern wol zu frieden wahren/ weil
die tapferſten ſich ſehr abgemattet/ 7000 uͤberal eingebuͤſſet/ und 5000 beſchaͤdigte hatten;
da hingegen der Feinde 28000 geblieben und 13000 hart verwundet wahren. Auch hatte
Koͤnig Henrich fünff/ wiewol geringe Wunden bekommen/ dañ vor dißmahl hatte er den
haͤrteſten Stand gehalten. Dannoch aber wolte Ladiſla ſeinen Heldenmuht ſehen laſſen/
und befahl Leches und Prinſla/ mit 15000 Mann auff den abzihenden Feind auszufallen/
welche dann gnug ſpuͤren lieſſen/ wie gehaͤſſig ſie den Landverderbern wahren. Aber die
Feinde ſtelleten ihnen auch keine Kinder entgegen/ daher ein hartes Treffen entſtund/ wel-
ches ſchier eine ganze Stunde wehrete/ weil ein jeder den ſeinen friſchen Entſaz zuſchickete/
daß endlich die Feinde den unſern zu ſchwer fallen wolten/ als welche im offenen Felde ih-
rem Koͤnige zu zeigen ſich bemuͤheten/ daß es ihnen weder an Kraft noch herzen gefehlet/ ſon-
dern nur des Orts ungelegenheit hinderlich geweſen waͤhre; daher dauchte den unſern am
rahtſamſten ſeyn/ ſich zuruͤcke zuzihen/ uñ dem Gefechte anſtand zu geben/ nachdem hieſelbſt
an Feindes ſeiten 5000/ und der unſern 4000 geſtrecket lagen. Ladiſla wagete dieſen Aus-
fal wieder Herkules gutheiſſen/ als welcher ſolches ernſtlich wiederrahten hatte/ und dem
Treffen zuſahe/ fand aber keine Gelegenheit/ dem Fußvolk mit der Reuterey zu helffen/ biß
dieſer Abzug geſchahe/ da nam er ſeiner Schanze wahr/ brach mit 4000 Teutſchen/ deren
1500 Schlachtſchwerter fuͤhreten/ dem Feindes Fußvolk zur ſeite ein/ und fing ein ſolches
Gehacke an/ dz ihm 20000 weichen muſten/ deren er doch 6000 in den Tod ſchickete. Der
Feind wolte dieſem Unweſen laͤnger nicht zuſehen/ und ließ 8000 Reuter auff ihn anſetzen/
die mit groſſer muͤhe durch ihr eigen Fußvolk hindurch brachen/ und deren nicht wenig er-
traten/ ehe ſie Herkules erreichen kunten/ der ſie zeitig gnug kommen ſahe/ noch 3000 der
ſeinen zu ſich foderte/ und die herandringenden ganz unerſchrocken und mit guter vorſich-
tigkeit in geſchloſſener feſter Ordnung empfing/ die doch nach kurzem Gefechte ſich bald
wieder zuruͤk zogen/ teils/ weil ſie vor den groſſen Schwertern nicht beſtehen kunten/ teils in
meinung/ die unſern zu locken/ daß ſie mit der Menge umbgeben/ und alſo erſchlagen wer-
den koͤnten. Aber Herkules roch den Braten/ und folgete nicht ſo hitzig nach/ hatte doch muͤ-
he/ die ſeinen abzuhalten/ welches er noch endlich mit dem Trometen-zeichen tuhn muſte.
Der Feind ward mit 6000 geſtaͤrket/ und ging auffs neue auff ihn an/ deſſen er ſich mit ſei-
nem Haͤuflein nicht wegerte/ miſchete ſich freudig unter ſie mit ſeinem aͤdlen Blaͤnken/ und
hielt ein ſo ernſtliches Treffen/ daß/ ungeachtet der Feind an Mañſchaft faſt eins ſo ſtark
wahr/ er ſie dannoch auff die Weichſeite brachte/ nachdem er ihren oberſten Fuͤhrer/ und
fuͤnff andere anſehnliche Ritter mit ſeiner Fauſt erleget hatte. Die Feinde lieſſen noch 5000
im ſtiche/ und buͤſſeten die unſern nur 600 ein. Es zog ſich eine feindliche Schaar 8000
c c c c cſtark/
[754]Achtes Buch.
ſtark/ enge zuſammen/ des vorſatzes ihm von hinten zu den Weg zuverlegen/ aber weil er ſei-
ne Beſtreiter ſchon auff die Flucht gebracht hatte/ nahm er ſeinen Abzug/ ehe dieſe ihm ſo
nahe kommen kunten. Dropion hatte an ſeinem Orte dieſes Reutertreffens Kundſchafft
erhalten/ ließ deswegen auch eine Schaar 9000 ſtark ſich gegen Siegward nahen/ dem
Olaf mit gleicher Anzahl entgegen ging und ſich dergeſtalt bezeigete/ daß in kurzem 4000
Pañonier abſattelten/ uñ die uͤbrigen ſich nach Entſaz umbſahen/ welcheꝛ ihnen auch 15000
ſtark/ zeitig gnug kam; aber Olaf wuſte/ daß man nicht willens wahr/ eine Feldſchlacht zu
wagen/ daher zog er ſich wieder nach ſeinem Gewarſam/ und hinterließ 1600 Todten. Ge-
gen Herkules hatten ſich auch 16000 ins offene Feld geſetzet/ aber niemand fand ſich/ der
ihnen begegnen wolte; welches der Feind erſehend/ ſchier raſend worden waͤhre/ durffte
doch mit den Reutern ſich nicht zu weit vertuhn/ weil er allerhand hinterliſtige Auffſaͤtze
befahrete/ und gereuete ihn ſchon/ daß in Auffrichtung des Galgen er eingewilliget/ ja den
unnoͤtigen Krieg angefangen hatte/ weil er nicht allein ſahe/ daß die unſern ſich ihrer Haut
redlich erwehren/ und umb den Sieg mit ihnen ſpielen wolten/ ſondern auch handgreiff-
lich zumerken begunte/ daß Dropion alles zu ſeinem eigenen beſten getrieben hatte. Hin-
gegen zierete Ladiſla ſeinen blutigen Wahl mit 60 Faͤhnlein aus/ welche der Feind zuruͤcke
gelaſſen hatte/ freuete ſich auch des von Gott verliehenen Sieges/ maſſen der Feind dieſen
Tag 39300 zu Fuſſe/ und 10000 zu Roß eingebüſſet/ und ſie dagegen nur 11000 Fußknech-
te/ und 2200 Reuter zugeſetzet hatten. Als der Feind ſahe/ daß er ſein Schart vor dißmahl
nicht auswetzen kunte/ ließ er zwey abſonderliche Reuter Heer/ jedes 14000 ſtark/ von bey-
den Seiten ins Land gehen/ mit Befehl/ alle Menſchen zuerwuͤrgen/ Flecken und Doͤrffer
anzuzuͤnden/ und das Vieh uͤberzutreiben. Daß er aber die unſern in der Furcht behielte/
und ihnen die Nachfolge wehrete/ ſtellete er ſich zur Haupt Schlacht; das uͤbrige geſunde
Fußvolk 48000 in die Mitte/ und zu beyden Seiten henkete er die Reuterey als zween Fluͤ-
gel an/ jeden zu 50000 ſtark/ und muſten die uͤbrigen 12000 Pferde/ teils umb ihr Lager her
halten/ teils hin und wieder im Felde reiten/ umb zuerforſchen/ ob die unſern den ausge-
ſchikten nachgehẽ wuͤrden. So bald Herkules deſſen inne ward/ erklaͤrete er ſich/ den Feind
im offenen Felde durch eine algemeine Schlacht anzugreiffen/ weil er ihm gewachſen war/
taht Ladiſla und Siegwarden ſolches zuwiſſen/ und zog alle Voͤlker zuſammen. Koͤnig
Henrich blieb wegen ſeiner Verwundung mit 6000 im Lager; Ladiſla/ Fabius und Gal-
lus fuͤhreten 38000 heraus zur Schlacht. Herkules/ Arbianes/ Leches und Klodius nah-
men den rechten Fluͤgel 48000 Reuter; Siegward/ Olaff/ Neda/ Markus und Prinſla
den Linken 50000 ſtark. Mnata ward deſſen zeitig berichtet/ zog nicht allein die 12000 Reu-
ter wieder an ſich/ ſondern ſendete auch den beyden ausgeſchikten Schaaren eilige Bot-
ſchafft zu/ mit Befehl/ alsbald wieder umzukehren; wolte ſich doch nicht in das offene Feld
zihen/ ſondern blieb nahe bey ſeinem Lager ſtehen/ und erwartete des Angriffs in ſeinem
Vortel; welches Herkules nicht ſchreckete/ ſondern Leches mit 6000 loßbrechen ließ/ dem
eine gleiche Schaar begegnete/ aber mit ſolcher Vorſichtigkeit/ daß von den unſern mehr
als der Feinde verwundet wurden/ und Leches es abzuwenden umſonſt bemuͤhet wahr/ ur-
ſach/ er hatte groſſen teils unerfahrne Boͤhmen bey ſich. Im andern Fluͤgel taht Neda mit
7000 den erſten Anfal/ aber ehe er ſichs verſahe/ gingen ihm 9000 gerade auff den Leib/ dz
er bald
[755]Siebendes Buch.
er bald im Anfange 1600 einbuͤſſete/ und hinter ſich zuweichen gezwungen ward/ biß ihn
Prinſla mit 3000 entſchuͤttete/ da brachte er den Schimpff bald wieder ein/ und erſchlug
der Feinde 2200. Leches wolte nicht nachlaſſen/ ſo wahr ſein verſchlagener Wiederſacher
nicht willens/ mit ganzer Macht anzubeiſſen/ woruͤber er ſeine Voͤlker zu weit wagete/ daß
ihm 1600 mehrenteils Boͤhmen hart verwundet/ und 1400 erſchlagen wurden/ daher
Klodius ihn zuentſetzen befehlichet ward/ der mit 3000 auff den liſtigen Feind anging/ gar
zeitig durchbrach/ und mit Leches Huͤlffe 2000 fellete/ und 600 verwundete. Herkules ließ
Ladiſla und Siegwarden zuentbieten/ ſie ſolten in Gottes Namen mit der ganzen Macht
den Angriff tuhn/ und ging er gleicher geſtalt ſo eiferig loß/ daß er gnug ſehen ließ/ daß er
nicht willens waͤhre/ ohn eine ſonderliche Taht abzuzihen. Aber die Feinde wolten doch
nicht mehr/ als der unſern Anfal Beſchuͤtzungsweiſe ablehnen/ daher das Schwert nichts
ſonderliches verrichtete/ ohn Ladiſla mit dem Fußvolke wirkete das meiſte/ daß des Fein-
des/ bey welchem der Koͤnig ſelber wahr/ gar zeitig zuruͤk wiche/ und ſich in das beſchanze-
te Lager zog. Als nun Ladiſla hieruͤber zu kühn ward/ fiel ihm Dropion mit 9000 Reutern
zur ſeite ein/ uñ taht ihm nit geringẽ ſchadẽ/ biß Siegward ſelbſt mit 12000 zu huͤlffe ging/
und der Pannonier ſich an dem verrichtetẽ wol vergnuͤgẽ ließ; wiewol er im Abzuge 1000
Reuter einbuͤſſete/ nachdem er 2500 von unſern Fußvoͤlkern erſchlagẽ hatte/ jedoch auch dz
Pañoniſche Fußvolk 4000 auff dem Platze ließ/ und von den unſern nur 600 auffrieben.
Endlich drang Herkules kraͤftige Fauſt durch an ſeinem Orte/ daß bey dieſem Flügel es
zum vollen Treffen kam/ uñ ein groſſes Blutbad vorging/ da hingegen Siegward und O-
laff die ihrigen mit groſſer Muͤhe von der Flucht abhielten; Ladiſla aber gar nichts mehr
verrichten kunte/ weil Mnata wieder ſeine Gewohnheit ſich mit den Fußvoͤlkern im Lageꝛ
enthielt/ uñ der Reuterey gleicher Geſtalt Befehl erteilete/ hinter ſich zuweichen; wodurch
Siegward Luft bekam/ und Herkules den voͤlligen Steg nicht behaupten kunte; uͤber deſ-
ſen Gefechte Mnata ſich am meiſten verwunderte/ und in Furchten ſtund/ er wuͤrde ihm
den ganzen Fluͤgel zuſchanden machen. Wie nun ſolcher Geſtalt der Feind weder ſchlagen
noch weichen wolte/ ſahen die unſern von beiden Seiten einen groſſen Staub auffgehen/
und merketen bald/ daß es des Feindes abgeſchikte Voͤlker wahren/ deßwegen nahmen ſie
den Abzug/ und wahren zimlich betruͤbet/ daß ſo viel Volk darauff gangen/ und doch nichts
Hauptſachliches verrichtet wahr; dañ uͤber vorgedachte hatte Siegward noch 4000/ uñ
Herkules 600 verlohren/ ingeſamt 7600 Reuter/ 3100 Fußknechte. Hingegen miſſete Agiß
im linken Fluͤgel 8800 Mann uͤber die obgedachten/ und Dropion im rechten noch 2000;
ingeſamt 16000 zu Pferde und 4000 zu Fuſſe. Koͤnig Mnata/ wie ſtreitbahr er ſonſt wahꝛ/
wolte vor diſmahl nicht mit fechten/ dann ein Pannoniſcher Pfaffe/ welcher ihm zu unter-
ſchiedlichen mahlen zukuͤnfftige Dinge vorher angezeiget hatte/ warnete ihn heimlich/ kuꝛz
vor der Schlacht/ er ſolte dieſen Tag ſich nicht ins Gefechte begeben/ wo er ſonſt nicht ſei-
ne Geſundheit/ oder wol gar ſeyn Leben verlieren wolte; deßwegen hielt er ſich zwiſchen dem
Fußvolke/ und taht Befehl/ weſſen man ſich verhalten ſolte/ wodurch er aber die ſeinigen
zaghaft machete/ weil ſie deſſen an ihm nicht gewohnet wahren; inſonderheit entſetzete ſich
die Reuterey ſehr daruͤber/ daß er mit dem Fußvolke ſo zeitig den Abzug ins Lager nam da
er doch ſtaͤrker als der Feind wahr/ und noch keinen ſonderlichen Abbruch erlitten hatte/
c c c c c ijviel
[756]Achtes Buch.
viel weniger ſich befuͤrchten durffte/ daß ihm von des Feindes Reuterey Einfal geſchaͤhe/
weil die Fluͤgel ihm Sicherheit gnug hielten. Der hochmuhtige Dropion/ welcher ſchon
etliche Jahr her mit gefaͤhrlichen Sachen wieder ſeinen Koͤnig ſchwanger ging/ und ihn
nur des gemeinen Volks Liebe zu ihrem Koͤnige abhielt/ ſein Vorhaben ins Werkzurich-
ten/ meinete hieſelbſt Gelegenheit zuhaben/ ihm eins anzuwerffen/ und beſchwerete ſich ge-
gen die Oberſten/ niemand als der Koͤnig haͤtte den Sieg durch ſein furchtſames weichen
verhindert/ dann ſein Gegener wie kuͤhn er auch gefochten/ haͤtte ſich kaum in der Ordnung
halten koͤñen/ welchen er in einer halben Stunde Schachmat wolte gemacht/ und hernach
dem andern Fluͤgel auch ſeine Fauſt zuerkennen gegeben haben; nun haͤtte man an Stat
der Uberwindung nur Schande/ an ſtat der Ritterlichen Ehre/ Verachtung erſtritten. Deꝛ
meiſte Teil war der Meinung/ es koͤnte nicht ſchaden/ daß man den Koͤnig druͤber zu Re-
de ſtellete/ und ſeines Abzuges Urſach zu wiſſen begehrete; aber ihrer etliche hielten ſolches
zuſtraͤnge. Er Mnata ſelbſt zweifelte nicht/ die Reuterey wuͤrde ſeinen Abwich nicht zum
beſten empfunden haben/ deſſen/ die Warheit zuſagen/ die Furcht Urſach wahr/ hatte ſich
aber doch einer Entſchuldigung beſonnen/ ging zu den verſamleten Oberſten/ und fragete
was ihre Beredung waͤhre; worauff Dropion zur Antwort gab; ſie beklageten unterein-
ander ihren Unfal/ daß wegen Ausweichung des Fußvolks ihr herlicher Sieg/ welchen
ſie ſchon mehrenteils in Haͤnden gehabt/ ihnen entriſſen waͤhre. Der Koͤnig gab zur Ant-
wort; ſein Abzug waͤhre nit aus Furcht oder Unvorſichtigkeit geſchehen/ ſondern als er dẽ
Feind haͤtte ſo ſtark auf ihn zudringen geſehen/ waͤhre eꝛ hinter ſich gangen/ ſein en Reutern
Raum zumachen/ daß ſie von beiden Seiten in der Feinde Volk fallen/ und ohn verluſt ihr
Fuß Heer auffreiben ſolten/ welches Feldmarſchalk Dropion an ſeinem Orte ſehr wol veꝛ-
richtet/ wann nur der ander Fluͤgel ſich gleicher geſtalt auch bezeiget haͤtte; welcher aber
nit allein dieſe Gelegenheit aus der acht gelaſſẽ/ ſondern auch des Feindes Reuteꝛn ſchlech-
ten Wiederſtand geleiſtet haͤtte. Agiß der Reichs Marſchalk hatte dieſen Fluͤgel gefuͤhret/
und vorſichtig gnug gefochten/ nur daß ers mit Herkules zutuhn hatte. Er wahr des Koͤni-
ges allergetraͤueſter Raht und Diener/ hatte auch von Anfang her ihm dieſen Kꝛieg wiedeꝛ-
rahten/ aber durch andere uͤberſtimmet/ einwilligen muͤſſen/ und taht ihm ſehr weh/ daß er
ſich unverſchuldeter Sache muſte rechtfertigen laſſen/ deßwegen er dieſe Schuzrede vor-
brachte. Allergnaͤdigſter Koͤnig; wie ich mich bißher in meinen Ritterdienſten im Kriege
und Feldzuͤgen verhalten/ weiß ihre Koͤnigl. Hocheit ſelbſt/ und das ganze Land; ſcheuhe
mich auch nit/ deſſen allemahl Rede und Antwort zugeben; ich geſtehe aber gerne/ daß die
meinen vordißmahl den lezten Stand nicht gehalten/ noch des Feindes Wuht abtreiben
koͤnnen/ dann ſie hattens auch nicht mit Boͤhmiſchen Bauren/ ſondern mit dem außerle-
ſenſten Kern der Teutſchen Ritterſchaft und Schlacht Schwertern zutuhn; ſo wahr ihr
Fuͤhrer nicht ein ungeuͤbeter wehrloſer/ ſondern der in aller Welt gepreiſete Herkules/ wie
man ihn an ſeinen Tahten und unbendigem Pferde leicht hat erkennen moͤgen/ und haben
mich die Goͤtter nicht darzu erſehen/ daß ich der erſte ihm anfiegen ſol; dann warumb ſol-
te ich dieſem Helden ſein Lob nicht goͤñen/ welches in unſers ganzen Heers Munde ſchwe-
bet? Ich geſtehe/ daß ich ihm nicht habe koͤnnen die Wage halten/ noch ſeinen hefftigen
Einbruch verhindern/ wiewol ich ihm dannoch nicht entlauffen bin. Darff ich aber/ gnaͤ-
digſter
[757]Achtes Buch.
digſter Koͤnig/ darff ich die Urſach meiner Niederlage bekennen? ſo traͤget des Fußvolks
Abzug daran die groͤſte Schuld/ dann hiedurch ward mir die Iñerſeite gebloͤſſet/ und zwaꝛ
mir unbewuſt/ und wider alles mein vermuhten/ deſſen der Feind ſich gar wol hat wiſſen
zu nutze zumachen. Aber Ihre Koͤnigl. Hocheit beſchuldigen mich/ ich haͤtte es uͤberſehen/
und des Feindes Fußvolk nicht angefallen. Sehr gut/ gnaͤdigſter Koͤnig/ wann ich einen
ohmaͤchtigen und geringen Feind vor mir gehabt haͤtte. Weil ich aber ſchon beyden
Faͤuſten Arbeit fand/ wiekunte ich dann noch einen neuen Feind anfallen/ da mir der eine
ſchon mehr als gewachſen wahr? Herkules laͤſſet ſich nicht nur oben hin auffhalten; an
welchem Orte derſelbe fechtet/ iſt die ganze/ nicht nur halbe Auffſicht und Krafft noͤhtig.
Man frage nur dieſe drumb/ welche ſchon heut mit ihm ſich verſuchet/ und mit gedoppel-
ter Macht zuweichen ſind gezwungen worden/ da ich kaum eine gleiche Manſchafft mit
ungleichem Gewehr wider ihn angefuͤhret. Zwar ich moͤchte wünſchen/ daß ich nicht allein
ihn haͤtte auffhalten/ ſondern gar lebendig fahen koͤnnen/ aber in meiner Krafft/ geſtehe ich
gerne/ iſt es nicht geſtanden; ſolte ich nun deswegen ſtraffbar ſeyn/ was wuͤrden dann die
heutigen Beſtuͤrmer ihres Lagers zuverantworten haben? Schließlich weiß Eure Koͤnigl.
Hocheit/ daß wegen meines herzu kriechenden Alters ich mich entſchuldiget und gebehten
habe/ dieſes hohe Amt einem andern auffzutragen; Ich wolte gerne mit fechten/ auch allen
moͤglichen Raht ausſinnen helffen/ aber es hat mir ja ſo gut nicht werden koͤnnen; bitte
demnach untertaͤhnigſt und von Herzen/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wolle mich allergnaͤdigſt
entſchuldiget halten/ und ſich verſichern/ daß diefelbe mich nicht allein unter ihre getraͤue-
ſten Diener/ ſondern auch eiferigſten Liebhaber des Vaterlandes und Ihres Koͤniglichen
Stuels wol zaͤhlen darff. Feldmarſchalk Dropion hatte ſich vor dieſem Manne ſtets am
meiſten/ wegen ſeiner Auffrichtigkeit und Traͤue gefuͤrchtet/ und viel Mittel angewendet/
ihn auff ſeine Seite zubringen/ aber bißher vergebens/ weil er nicht den Eigennuz/ ſondern
des Reichs und ſeines Koͤniges Wolfahrt ſuchete. Hier aber meinete er ihn zuſtreicheln/
und wider den Koͤnig anzuhetzen/ und fing nach deſſen geendigter Rede alſo an: Je wann
ein redlicher Ritter und Kriegs Oberſter deswegen zurecht ſtehen ſol/ daß er des Feldherꝛn
verſchwiegene Gedanken nicht hat ſehen/ und denen ſich gemaͤß bezeigen koͤnnen/ wolte ich
lieber ein gemeiner Landsknecht ſeyn; Ich zeuge/ und alle die zugegen ſind/ daß Herr Agiß
Groß Ober Wachtmeiſter an ſeinem Ort keine Moͤgligkeit hat ermangeln laſſen/ ſondern
das Gluͤk iſt ihm zuwider/ und auff ſeines Feindes ſeite geweſen. Der Koͤnig hoͤrete ſchon/
wo dieſer hinaus wolte/ fiel ihm deswegen in die Rede/ und ſagete: Ich habe ja meinen
Groß Ober Wachtmeiſter und Reichs Marſchalk weder angeklaget noch vor das Kriegs-
Recht gefodert/ ſondern bloß nur meine Meynung angedeutet; bin ich nun in derſelben be-
trogen worden/ wie ich nunmehr geſtehe/ werde ich ja deßwegen noch zu keiner Rechtferti-
gung gehalten ſeyn. Ich wil bekennen/ daß mein Abzug/ der ſehr wol gemeynet wahr/ uͤbel
gerahten iſt; aber euer Abzug/ Feldmarſchalk biß an des Reichs Grenzen hat uns auch we-
nig Vortel gebracht/ welches ich euch ſagen muß/ weil ihr euch nicht ſcheuhet/ mich euren
Koͤnig zurechtfertigen; und haben unſere Feinde ſich vor dißmahl nicht groß zuruͤhmen/
maſſen der Schade noch nicht ſo uͤbergroß/ und an beyden Setten faſt gleich ſeyn wird;
moͤchte auch wuͤnſchen/ daß bey dem heutigen ganz ungluͤklichen Sturm ich deren Raht
c c c c c iijgefol-
[758]Achtes Buch.
gefolget haͤtte/ welche mir den zeitigern Abzug rieten/ ſolches ſolte mir ungleich groͤſſern
Vortel/ als mein heutiger Abzug Schaden/ gebracht haben. Die Ankunfft der ausgeſchic-
keten Reuter Schaaren hinderten ihn weiter zureden; dann als dieſe eine ſo groſſe Menge
der erſchlagenen/ und doch keine Feinde ſahen/ rieffen ſie alle/ wo dann ihr Koͤnig/ und ob eꝛ
noch im Leben waͤhre; daher er ſich ihnen zeigen/ und ſie befriedigen muſte. Dropion hatte
groſſen Verdruß daran/ daß der Koͤnig ihm ſo verweißlich zuredete; weil es aber noch nit
Zeit wahr/ ſich zuraͤchen/ fraß ers in ſich/ und nahm mit ſeinen Verſchwornen gefaͤhrliche
Haͤndel vor. Agis aber ſuchete Gelegenheit/ mit ſeinem Koͤnige abſonderlich zureden/ und
da er bey ihm allein wahr/ ſagete er zu ihm: Eure Koͤnigl. Hocheit erinnern ſich gnaͤdigſt/
Maſtyes und meiner mehrmahligen getraͤuen Warnung/ den Feldmarſchalk betreffend/
und verſichern ſich/ daß er noch dieſe Stunde nicht mit guten Gedanken umgehet; die Goͤt-
ter wenden nur gnaͤdig ab/ daß eben er nicht ein groͤſſer Feind ſeines Koͤniges/ als der Boͤh-
miſche Koͤnig ſey; eines weiß ich verſichert/ daß er dieſen Krieg weder unſerm Reiche noch
ſeinem Koͤnige zum beſten angeſtifftet hat/ ſondern dieſes iſt ſeine Andacht/ wann er Koͤ-
nig in Boͤhmen iſt/ wolle er Pannonien auch wol behaͤupten. Und warumb hindert er/ daß
Eure Hocheit nicht wieder heyrahten ſol? Je daß kein gebohrner Erbe zur Reichs Nach-
folge ſeyn moͤge/ nachdem der einzige vor zwey Jahren/ durch unvermuhtlichen Tod un-
ter augenſcheinlichen Gifftzeichen beyſeit geſchaffet iſt. Eure Koͤnigl. Hocheit weiß ſehr
wol/ wie getraͤulich ich und Maſtyes dieſen Krieg wiederrahten/ da wir uns nicht ſo ſehr
vor den Feind/ als vor unſern eigenen Feldherrn gefürchtet/ und dazumahl es ſo teutſch nit
ausbeichten duͤrffen/ und wolte Gott/ man haͤtte unſere eingefuͤhrte Urſachen auf die Wa-
ge der geſunden Vernunfft geleget; doch die jungen Rahtgeber/ die von Dropion alle mit
einander wahren zu Ehren gebracht/ muſten mit ihrer groſſen Menge der eintraͤchtigen
Stimmen durchdringen/ in welchen ſie gewißlich mehr Beleidigungen tichteten/ als uns
angetahn ſind; aber lebet auch noch wol die Helffte von ihnen? 6 ſind von den Feinden
auffgeknuͤpffet/ und 15 in Stuͤrmen und Schlachten drauff gangen/ da ſie zweifels ohn ih-
ren blutgierigen und ungetraͤuen meinaͤidigen Raht viel zuſpaͤt werden bereuet haben.
Jedoch/ weil der Streit angefangen iſt/ muß er redlich ausgefuͤhret werden/ und verhoffe
ich nicht lebendig/ als nur wie ein Obſieger aus Boͤhmen zuzihen. Eure Hocheit ſetzen ein
Geboht/ (ich rede dieſes aus den allerhochwichtigſten Urſachen/ auff welchen meines Koͤ-
niges Heil und Leben beruhet) daß wer inkuͤnfftig aus der Schlacht entrinnet/ und das
Feld verlaͤſſet er ſey hoch oder niedrig/ ſolle Ehr/ Gut/ und Leben verwirket haben. Aber
diß iſt mein Raht/ daß man alle moͤgliche Mittel ergreiffe/ den Feind zur Schlacht zubrin-
gen/ ehe uns ein ander Feind moͤrdlich anfalle. Ich weiß wol/ was vor Reden ich ſchon von
dem Feldmarſchalk gehoͤret habe: Dem Koͤnige ſey das Herz entfallen; Er dürffe bey der
Reuterey nicht fechten/ halte ſich hinter dem Fußvolke/ und meide die Wunden. Was kan
hieraus entſtehen/ als Auffruhr? Ich rede mit meinem Koͤnige vertraulich/ und wolte wol
ein mehres reden/ wanns nicht noch zur Zeit zu unzeitig waͤhre. Dieſes verſichere ſich Eu-
re Koͤnigl. Hocheit/ daß ich des Feldmarſchalks Gnade und Heuchelgewogenheit/ nach
bewuſter ehmaliger Beſchimpff- und Verfolgung leicht haben koͤnte/ welche er mir durch
ſich ſelbſt und durch andere anbeut; aber ich wil lieber unter dem Meuchel Schwert/ wie
ſchon
[759]Achtes Buch
ſchon andern geſchehen iſt/ ſterben/ als an meinem Koͤnige im geringſten traͤuloß werden.
Iſts aber moͤglich/ ſo unterdruͤcke Ihre Koͤnigl. Hocheit meine vertrauliche Reden/ biß ſie
wieder in ihr Land kommen/ und des aͤuſſerlichen Feindes entladen ſind/ alsdann wil der-
ſelben ich ihren innerlichen viel ſchaͤdlichern mit ſolchen unfehlbaren Beweißtuhmen vor
Augen ſtellen/ daß Sie ſich ſelbſt verwundern wird/ wie ſie dem Verderben hat koͤnnen
entgehen. Im Felde fuͤrchten ſich dieſelbe nicht/ und befehlen mir allemahl in bey ſein Dro-
pions oder anderer/ daß Ihrer Hocheit ich die mir genenneten Haͤuptleute mit ihrẽ Schaa-
ren zur Leibwache herſchaffen ſolle. Auch ordnen dieſelbe es nach dieſem/ da es ihr gelieben
kan/ alſo/ daß der Feldmarſchalk wider des Feindes rechten Fluͤgel/ in welchem Herkules/
gewißlich ein treflicher und ehrliebender Held ſtreitet/ gehen moͤge. Der Ruhm/ welchen er
mir gab/ ging nit von Herzen/ ſondern von Eurer Hocheit mich abzuzihẽ/ war es angeſehẽ/
und waͤhre dieſelbe ihm nit in die Rede gefallen wuͤrde er ſeine Boßheit wider ſeinẽ Koͤnig
erſt recht ausgeſchuͤttet habẽ; aber alles deꝛ Zeit uñ Geduld befohlẽ; ich wil nit unterlaſſen/
vor meines Koͤnigs Heil uñ wolfahrt zuwachẽ/ welches ich durch dieſes mittel bißheꝛ gluͤk-
lich verrichtet/ dz des gemeinen Volkes Traͤue zu ihrem Koͤnige ich in feſtem Stande erhal-
ten habe. Der Koͤnig erſchrak dieſer Rede nicht wenig/ bedankete ſich der Traͤue/ welche
unvergolten nicht bleiben ſolte/ und hieß in ja ſchweigen/ daß nicht zur unzeit eine Aufruhr
entſtünde; er hoffete dieſem Tokmaͤuſer dergeſtalt zubegegnen/ daß es ihm zun Augen aus-
gehen ſolte. Ließ alle Voͤlker verſamlen/ hielt gemeine Heerbeſchauung/ und befand/ daß er
noch 44000 geſunder Mañſchaft zu Fuſſe/ welche von den Fuhrleuten (an deren ſtat die
Troßbuben treten muſten) auff 50000 ergaͤnzet wurden; die Reuterey aber in 124000
Mann beſtund; und weil er ſein groͤſtes Vertrauen auff die Ritterſchaft geſtellet hatte/ mu-
ſten von den Fußknechten noch 10000 beritten gemacht werden. Die grund Urſach aber/
daß Agiß ſeinen Koͤnig ſo traͤulich vor dißmahl warnete/ wahr dieſe; es hatte Dropion ei-
nen Leibdiener/ dem er ſein geheimſtes vertrauete/ ungeachtet er vor etlichen Jahren deſſen
Vater wegen einer Mordtaht gebuͤhrlich hatte hinrichten laſſen/ welches aber dem Sohn
nicht aus dem Sinne wolte/ wie viel gutes ihm gleich von ſeinem Herrn geſchahe/ welcher
ihm den hohen Adelſtand in kuͤnftig verſprochen/ und ſchon zimliche Landgũter zugeſchan-
zet hatte. Dieſer machte ſich des vorigen Abends in ſtiller geheim zu einem Faͤhndrich/ ſei-
nem nahen Anverwanten/ welchen er wuſte ſehr gut Koͤniſch ſeyn/ beklagete anfangs ſei-
nes lieben Koͤniges Gefahr/ und daß er ihm ſolche zu offenbahren zu ihm kaͤhme/ mit begeh-
ren/ es Herrn Agiß anzumelden/ welcher ſchon auff Raht wuͤrde bedacht ſeyn. Du han-
delſt redlich mein Oheim/ antwortete dieſer/ daß du die von deinem Herrn empfangene
Guttaht geringer/ als deines Koͤniges Heyl und Wolfahrt achteſt/ weil ich leicht ermaͤſſen
kan/ kein Menſch als eben dieſer/ gehe mit gefaͤhrlichen ſachen zu unſers Koͤniges verderben
umb. Dem iſt alſo/ ſagete dieſer; maſſen ich euch wol verſichern kan/ daß mein Koͤnig in
Leib und Lebensgefahr ſchwebet/ er gewinne oder verliere die kuͤnftige Feldſchlacht; weil ich
mit meinen Ohren den Rahtſchlag angehoͤret/ daß wo das Glük uns den Sieg goͤnnen
wird/ ſolle der Koͤnig/ wo nicht durch Feindes Hand/ doch gewiß durch Moͤrders Schwert
in der Schlacht gefellet werden; welchem beſtelleten Moͤrder zwar drey Tonnen Schaz
verſprochen ſind/ aber er wird alsbald durch einen andern Moͤrder unter dem Schein der
eife-
[760]Achtes Buch.
eiferigen Rache nidergemacht werden/ auff daß der Anſchlag ſchier heut oder Morgen
nicht unter die Leute komme; ſolte aber der Feind Meiſter ſpielen/ wird mein Herr der Feld-
marſchalk mit den ſeinen (einer ſehr groſſen menge von beyden Fluͤgeln) aus der Schlacht
reiſſen/ unter dem vorſchutze/ man muͤſſe dem Vaterlande zu helffen/ ſich auffmachen; da
dann der gute Koͤnig ſolle in der Feinde Haͤnde gerahten/ und wegen des auffgerichteten
Galgen/ erhenket werden; hernach koͤnne mein Herr mit den Feinden Rachtung treffen/
und durch ſeinen groſſen Anhang die Pannoniſche Kron leicht erlangen. Der Faͤhndrich
hatte dieſes kurz vor dem Sturme bey Agiß vertraulich abgelegt/ welcher aber biß hieher
keine gelegenheit gehabt hatte/ den Koͤnig zu warnen. Gleich als nun Agiß von dem Koͤni-
ge weg gehen wolte/ kam ſein Leibdiener/ und reichete ihm ein wolvermachetes Schreiben
von dem Stathalter Maſtyes ein/ welcher in des Koͤniges Abweſenheit die Herſchaft ver-
waltete/ und ihm ernſtlich ließ angelegen ſeyn/ hinter Dropions kuͤnſte zukommen/ auch ſo
viel erfuhr/ daß der Koͤnig gewiß auff dieſem Zuge/ er gewoͤnne/ oder verſpielete/ ſein Leben
einbuͤſſen wuͤrde; welchem Unheil vorzubauen/ er in ſeines Koͤniges Nahmen und Befehl
eine Macht von 80000 zu Roß in aller eile verſamlete/ und an Agiß ſchrieb; er ſolte vor
allen dingen den Koͤnig abrahten/ daß ſo lieb ihm ſein Heyl und Leben waͤhre/ er in keine
Schlacht ſich mit dem Feinde einlieſſe/ ehe und bevor er ihm noch einen anſehnlichen Ent-
ſaz würde zugefuͤhret haben/ welcher des fuͤnfften Tages nach empfahung dieſes/ ihm nicht
weit mehr ſeyn ſolte. Hernach/ daß er nicht in dem Reuterflügel ſich ſtreitend finden
lieſſe/ bey welchem Dropion waͤhre; und endlich/ daß man dem Boͤmiſchen Koͤnige keine
ehren verkleinerliche Beſchimpfung antuhn lieſſe. Agiß hielt vor noͤhtig/ es dem Koͤnige
zu offenbahren/ verſchwieg doch des Faͤhndrichs anbringen/ und bewaͤgete den Koͤnig/ daß
er nun mehr voͤllig glaͤubete/ daß Dropion ihm nach Leben und Kron ſtuͤnde/ ging auch mit
Agiß hin nach dem Heer/ und ſagete beydes hohen und nidrigen ſelbſt an; ein jeder folte an
ſeinem Orte fleiſſig und wachſam ſeyn; dann nach verlauff fuͤnff Tagen muͤſte es durch ei-
ne algemeine Schlacht redlich ausgetragen werden/ ob der Boͤhme ihm/ oder er dem Boͤh-
men zugebieten haͤtte/ inzwiſchen ſolten ſie ingeſamt fein ausruhen und alles volauf haben.
Dropion verdroß ſolches heftig/ daß er die Zeit zur Schlacht vor gehaltenem Kriegsraht/
oder doch ohn ſein vorwiſſen beſtimmete; meinete auch/ er haͤtte Agiß/ der ihm allernaͤheſt
ſtund/ und ſich freundlich gegen ihn bezeigete/ nunmehr gar auff ſeiner Seite/ daher ſagete
er zu ihm: Hui! wie wil unſer Koͤnig nun ohn unſern Raht wieder gut machen/ was er al-
lein verderbet hat? wie aber/ wañ das Heer ihm nicht folgen wolte? Ich moͤchte wuͤnſchen/
antwortete Agiß/ daß unſer Koͤnig darüber Raht gehalten/ oder zum wenigſten es mit dem
Herrn Feldmarſchalk beredet haͤtte; weil es aber ihrer Hocheit alſo gefaͤllet/ deren Befehl
und Wille unſer Geſez ſeyn mus/ ſo wenden ja die Goͤtter dieſes Ungluͤk gnaͤdig ab/ daß
das Heer ſich ihrem gekroͤneten Oberhaͤupte entgegen richten wolte; ich vor mein Haͤupt
wolte mich lieber ſelbſt umbringen/ damit ich ein ſolches Ungluͤk nicht ſehen duͤrfte; dann
was koͤnte dem Feinde angenehmers auff der Welt begegnen? und wuͤrde auff dieſen Fal
beſſer ſeyn/ daß der Herr Feldmarſchalk den Koͤnig eines andern beredete/ wann ſeinem
hohen verſtande nach/ er dieſes vornehmen vor undienlich befinden ſolte/ wobey ich dz mei-
ne getraͤulich tuhn wil. Ich wil auch nicht hoffen/ gab dieſer Schalk zur Antwort/ daß die
Voͤlker
[761]Achtes Buch.
Voͤlker ſich ſperren werden; und weil vor dißmahl dem Koͤnige es alſo gefallen/ daß er ſei-
nem eigenen Raht folgen wollen/ wil ichs mit gut heiſſen; gab damit an den Tag/ daß ihm
ſchon leid wahr/ ſich gegen Agiß ſo weit heraus gelaſſen zu haben/ weil derſelbe nach ſeiner
Leier nicht tanzen wolte. Der Koͤnig ſtund ein wenig/ als voller Gedanken/ welche ihm dañ
im Kopffe rechtſchaffen herumb lieffen/ und man leicht muhtmaſſen kunte/ dz ſein Herz be-
ſchweret wahr. Dropion aber gedachte/ es waͤhre ein Zeichen der Scham/ wegen ſeines
heutigen verſehens; doch erhohlete er ſich bald/ nahm eine ſonderbare freundliche Herz-
haftigkeit an ſich/ und redete die verſamleten Kriegshaͤupter alſo an: Liebe Getraͤue; ich
habe aus hoͤchſtwichtigen Urſachen/ welche ſchier kuͤnftig ſollen gemeldet werden/ bey mir
beſchloſſen/ mit den Feinden einen viertaͤgigen Anſtand zu machen/ unter dem Scheine/ dz
man Zeit habe und ſicherheit/ die Erſchlagenen beyderſeits zubegraben/ welches ſie ohn
zweifel gerne eingehen werden. Iſt demnach mein gnaͤdigſtes Geſinnen/ mir eure Mei-
nung hieruͤber anzudeuten. Dropion gab zur Antwort; er koͤnte ſich hier weder mit ja noch
mit nein heraus laſſen/ es waͤhre dann/ daß er die wahren Urſachen ſolches vornehmens
hoͤrete/ alsdann wolte er auff dieſes ganz unvermuhtliche vorbringen ſich gehorſamlich er-
klaͤren. Gar wol/ antwortete der Koͤnig/ und warumb ſolte ich meinen Kriegsfuͤrſten und
Raͤhten ſolche Urſachen verhehlen/ wañ ſie dieſelben zuwiſſen begehren? ich habe bey mei-
nem Auszuge aus meinem Reiche/ es mit meinem hinterlaſſenen Stathalter Maſtyes ver-
abſcheidet/ er ſolle auff allen Nohtfall noch ein Reuter Heer 80000 ſtark ſamlen/ und mir
ſolches eiligſt nachſchicken; weil ich dann heut nach gehaltenem Treffen von ihm Zeitung
erhalten/ daß nach Verlauff vier Tagen er bey uns ſeyn wolle/ bin ich durchaus nicht wil-
lens/ die Haͤupt Sache dem Gluͤk zuuntergeben/ biß ſolcheꝛ Entſaz in der naͤhe ſey/ von wel-
chem ich bißdaher nichts habe melden wollen/ damit den Feinden es nicht verkundſchaffet
wuͤrde. Dropion entſetzete ſich des Vorbringens/ ſahe daß ers nicht hintertreiben kunte/
und doch ſeinen Wiederwillen anzuzeigen/ fing er mit verwirretem Gemuͤht alſo an: Ich
weiß nicht/ ob es rahtſam ſeyn wuͤrde/ dem Feinde einigen Anſtand zugeben/ wann er dar-
umb anhalten ſolte/ wiewol er darzu viel zu hochmuͤhtig iſt/ und nun wollen wir ſelbſt dar-
umb anſuchen? Ich ſchaͤtze unſere Macht ſtark genug ſeyn/ dem Feinde anzuſiegen/ des-
wegen fodere man ihn aus auff Morgen zur Schlacht/ ehe er die Kuͤhnheit zu treffen ab-
leget/ und durch Zeitung wegen des Entſatzes/ der mich ſehr/ und nicht ohn urſach befrem-
det/ davon abgeſchrecket werde. Marſchalk/ warumb befremdet euch der Entſaz? ſagte der
Koͤnig; meinet ihr/ daß er uns ſo gar unnoͤhtig/ und ein lauter uͤberfluß ſey? Haben wir
doch ſchon uͤber 80000 Mann/ die Verwundeten mitgerechnet/ heut dieſen Tag einge-
buͤſſet. Und warumb ſchriebet ihr mir dann nechten/ wir duͤrfften dem Feinde nicht unter
250000 Mann in der Schlacht unter Augen ſtellen? Aber Groß Ober Wachtmeiſter A-
giß/ was iſt hieruͤber eure Meinung? Allergnaͤdigſter Koͤnig/ antwortete er; es kan ſeyn/
daß der Herr Feldmarſchalk ſein hochvernuͤnfftiges abſehen habe/ welches ich nicht wiſſen
kan/ aber meiner unvorgreiflichen Meinung nach/ hat Eure Koͤnigl. Hocheit ſehr vorſich-
tig gehandelt/ daß dieſelbe auff einen Entſaz iſt bedacht geweſen/ weil wir andern ſolches
aus der acht gelaſſen; wundere mich gleichwol nicht wenig/ daß Ihre Hocheit ein ſolches/
ohn aller deren Vorwiſſen/ welche mit derſelben ausgezogen ſind/ vorgenommen/ und mit
d d d d dHerr
[762]Achtes Buch.
Herr Maſtyes abgeredet hat. Der mehrenteil der uͤbrigen/ ungeachtet ſie gut Feldmar-
ſchalkiſch wahren/ ſtimmeten mit zu/ dann ſie ſahen nicht/ was ihnen der Entſaz ſchaden
koͤnte/ weil ihnen das eigentliche Vorhaben des Dropions (welches kaum ihrer ſechſe wu-
ſten) annoch nicht entdecket wahr. Aber Dropion dachte den Sachen etwas tieffer nach/
und befahrete ſich/ Maſtyes wuͤrde dieſen gewaltigen Hauffen nicht allein fuͤhren/ ſondern
dabey ſolche Befehlichshaber ordnen/ welche zu ſteiff Koͤnigſch waͤhren/ und ihm alle ſeine
Vorſchlaͤge zunichte machen duͤrfften/ hatte doch das Herz nicht/ weiter zuwiderſprechẽ/
nur ſagete er/ ſeine Meinung waͤhre noch/ daß man mit dem Feinde ein Treffen wagete/
ehe der Entſaz ſich mit ihnen zuſammen taͤhte; dann vor erſt wuͤrden alsdann die Feinde
aus ihrem unuͤberwindlichen Lager nicht zubringen ſeyn; hernach duͤꝛffte das alte Heer es
ungleich verſtehen/ daß die friſchen Voͤlker an der Beute anteil haben ſolten/ welche dieſel-
be durch ihre Muͤhe und Blut ſchier erworben und in Faͤuſten haͤtten. Der Koͤnig bedach-
te ſich ein wenig/ und gab zur Antwort: Ich nehme dieſe wichtige Urſachen billich zu her-
zen/ und ſo wenig ich an meines getraͤuen Marſchalks Auffrichtigkeit und Traͤue zuzwei-
feln habe/ ſo gewiß bin ich auch/ dz er den Krieg wol verſtehet; wollẽ demnach die Schlacht
auff gut Gluͤk mit dem jetzigen Heer wagen/ doch nicht ehe/ biß daß unſer Entſaz auff zwo
Stunden hinter uns ligen wird/ da wir uns deſſen gar nicht/ als nur auff den aͤuſſerſten
Nohtfal gebrauchen wollen/ und ſie dañoch an der Beute keinen Teil haben ſollen; iſt eins.
Uberdas trage ich euch meinen unbruͤchigen Schluß vor/ welchen ich mir ganz ins Herz
gepflanzet/ und als ein Geſez geſtifftet habe/ dem ich mich ſelbſt ohn Ausrede mit gutem
Wolbedacht unterwerffen wil/ daß wer vor erhaltenem Siege den Abzug durch die Flucht
oder aus anderem Vorgeben/ nehmen wird/ ſol an Gut/ Ehr und Leben geſtraffet/ oder/ da
man ihn nicht ertappen kan/ als ein Verraͤhter des Vaterlandes durchaͤchtet werden.
Dieſes nun wahr Dropion ganz ungelegen/ wie auch den Vornehmſten ſeines Anhangs/
welche obgedachten Anſchlag uͤber den Koͤnig gemacht hatten; daher er zur Antwort gab:
Er vor ſein Haͤupt und andere redliche Kriegs Helden bedürfften ſolches Geſetzes nicht/
als welche daſelbſt zubleiben willens waͤhren/ wo der groͤſte Hauffe ihrer Voͤlker bleiben
würde. Und dieſem fielen alle ſeine ergebene freimühtig zu/ daß Agiß und andere Getraͤue
nicht ſtark dawider ſeyn durfften. Der Koͤnig aber erdachte dieſe Liſt/ und ſagete: Wolan/
weil wir uns hieruͤber nicht vergleichen koͤnnen/ und meinen Oberſten mein Vorſchlag/ den
ich gerne ins Werk gerichtet haben moͤchte/ nicht gefallen kan/ ich aber dabey beſorge/ daß
wann die Unter Haͤuptleute und gemeinen Knechte ſolche Wegerung erfahren ſolten/ ſie
es ungleich auffnehmen moͤchten/ ſo wollen wir alsbald hingehen/ und desganzen Heers
Meinung daruͤber vernehmen/ welche uns allen wolgefallen muß; ging vor hinaus/ hieß
die andern folgen/ und gab es den Voͤlkern mit ſonderlicher Leutſeligkeit zuverſtehen/ wel-
che einmühtig rieffen: Dieſes Koͤnigliche Geſez wuͤrde der unbewaͤgliche Grund ihres
künfftigen Sieges ſeyn. Daher die Oberſten ſichs alſo gefallen laſſen muſten/ und ward
Dropion/ welcher ſich noch keiner Verraͤhterey befahrete/ die Karte heßlich verſtecket.
Noch deſſelben Abends ſchickete Mnata einen Heerhold an die unſern ab/ welcher ſich ge-
buͤhrlich meldete/ und wie ihm befohlen wahr/ dieſe Werbung vorbrachte: Der Groß-
maͤchtigſte Unuͤberwindlichſte Koͤnig des aͤdlen hochbenahmten Pannoniſchen Volkes/
nachdem
[763]Achtes Buch.
nachdem er dem Boͤhmiſchen Koͤnige ſeinem Feinde die Schaͤrffe ſeines Schwerts in
etwas zuerkennen gegeben/ auch willens wahr/ mit demſelben ein abſonderliches Treffen
auff Leib und Leben zuhalten/ wann von ſeinen Untertahnen es ihm haͤtte koͤnnen ge-
goͤnnet werden/ laͤſſet den Boͤhmiſchen Koͤnig durch mich ſeinen Heerhold/ auff den
fuͤnfften Tag nach dieſem/ zu einer auffrichtigen offentlichen Feldſchlacht einladen/
da ſeine Koͤnigliche Hocheit alles Vortels ſich begeben/ und die Sache auff das Glük
und ſeine Fauſt ſetzen wil; inmittelſt ſchlaͤget ſeine Koͤnigliche Hocheit einen viertaͤgi-
gen Anſtand vor/ daß die erſchlagenen allerſeits moͤgen begraben/ und den Leibern nach
ihrem tapfferen Tode die Ruhe gegeben werden; im übrigen iſt ſeine Koͤnigliche
Hocheit nicht geſinnet/ dieſes Land zuverlaſſen/ biß ſie/ die ihrem Trometer angefuͤgte
Schmach Koͤniglich gerochen haben wird. Ja Koͤniglich gerochen/ antwortete Ladiſla/
ſolches waͤhre ehrlich und wol zuerdulden/ wie es auch Gott fuͤgen moͤchte; aber Galgen
vor gebohrne uñ herſchende Koͤnige auffzuꝛichten/ das iſt noch lange kein Koͤniglich Stuͤk.
Wer weiß/ ſagete der Herhold/ wer dieſen ſchnoͤden Galgen auffzurichten angeordnet hat?
meinethalben wolte ich/ der Uhrheber henkete ſchon dran/ ſo verſichert bin ich/ daß es nicht
aus meines Koͤniges Geheiß geſchehen ſey. Dieſes ſagete er auff Agiß außdruͤklichen Be-
fehl/ weil er deſſen und des Koͤniges getraͤuer wahr; und gerieten die unſern hiedurch in
wunderliche Gedanken; doch beantworteten ſie es nicht/ ſondern Ladiſla gab dieſen endli-
chen Beſcheid: Sage deinem Koͤnige/ oder vielmehr dem Pannoniſchen Wuͤterich; ich
und gegenwaͤrtige meine hohe Anverwanten/ werden ſchon wiſſen/ wann es Zeit ſeyn wird
eine Feldſchlacht zuliefern. Er hat ſich gegen mein Land und Volk nicht als ein Feind/ ſon-
dern als ein Moͤrder und Mordbrenner erzeiget/ worinnen ich mich ihm nicht habe wollen
gleich ſtellen/ wie ich leicht gekunt haͤtte/ ſondern geſchonet was mich nicht beleidiget. Voꝛ-
diſmahl haben wir ihm eine Mummen Schanze gebracht/ und laſſen ſeine großpralichte
Draͤuungen auff ihrem Unwerd beruhen; die begehrete Friſt wegen Begrabung der Tod-
ten wird ihm eingewilliget/ er handelt auch dabey redlicher (wo ſonſt keine Tokmaͤuſerey
dahinten ſtecket) als ſein Gott- und Ehr vergeſſener Dropion/ welcher ſeine erſchlagene
den Raben und wilden Tihren uͤbergab/ womit er bekennete/ daß ſeine hingerichtete Straſ-
ſen Raͤuber und Mordbrenner vielmehr den Galgen und das Rad bekleiden ſolten/ als
mit der Erden uͤberkleidet werden; jedoch koͤnte es Gott ſchicken/ daß/ ehe ſechs Tage ver-
flieſſen/ er mehr urſach/ deßgleichen Anſtand zubegehren/ haben moͤchte. Alſo wurden zu bei-
den Teilen die Geiſel eingeſchikt/ und lieſſen Ladiſla und Herkules die ihren nicht allein ehꝛ-
lich begraben/ ſondern hielten ihnen auch bey dem Heer oͤffentliche Lobreden jhrer Mañ-
heit. Die Feinde aber wurden nur ſchlechts hin in die Erde verſcharret/ nach dem ſie von
den unſern gepluͤndert wahren/ und hielten die Pannonier ein abſcheuliches Geheule und
Geklapper der Waffen bey dem Begraͤbniß. Zeitwehrendes Anſtandes funden ſich an
beiden Seiten etliche Ritter und Knechte/ welche von ihrem Koͤnige Urlaub begehreten
eine gleichmaͤſſige Schaar zumabſonderlichen Kampfe außzufodern; aber Herkules wol-
te es an ſeiner Seite nit gut heiſſen/ darum daß man der geuͤbteſten in der Schlacht wuͤꝛde
benoͤhtiget ſeyn/ die Ungeuͤbeten aber leicht einen Schimpff durch verwaͤgenen Unver-
ſtand einlegen/ und dadurch bey dem Heer eine Furcht erwecken koͤnten/ weil die Aberglaͤu-
d d d d d ijbiſchen
[764]Achtes Buch.
biſchen allemahl aus ſolchem Verlauff/ als aus einem Vorbilde und Spiegel das kuͤnffti-
ge Gluͤk oder Ungluͤk der algemeinen Schlacht zu urteilen pflegeten/ wodurch ſie dann ent-
weder ſicher oder furchtſam gemacht wuͤrden. Agiß haͤtte gleicher geſtalt gerne an Panno-
niſcher Seite ein ſolches gehindert/ aber Dropions Frevel ging vor/ daß man nicht allein
ſolchen ritterlichen Leuten dieſe wolſtaͤndige und preißwirdige Ubung gerne goͤnnen und
zulaſſen ſolte/ ſondern ruͤhmete die/ welche ſich angaben/ oͤffentlich vor dem Heer/ und ver-
ſprach ihnen eine Verehrung/ da ſie ſich Pannoniſch/ das iſt/ wie er ſagete/ unuͤberwindlich
erzeigen wuͤrden. Es wahr aber eine Schaar ganz verwaͤgener Buben/ 120 Mann ſtark/
welche in vier abſonderlichen Hauffen die Freyheit zum Kampff begehreten/ deswegen
ſie in eine Schwade geſetzet/ und ihre vier Haͤuptleute uͤmb den oberſten Befehl mit wuͤrf-
feln ſpielen muſten/ welcher dem Frecheſten unter allen zufiel. Weil dann der Koͤnig auch
wolgefallen daran hatte/ vermahnete er ſie zur Tapfferkeit/ und daß ein ieder unter ihnen/
nicht weniger eines andern als ſeine eigene Gefahr und Verwundung abzuwenden ge-
flieſſen ſeyn/ auch zuſchlagen und ſtechen nit ablaſſen ſolten/ biß ſie den Feind auf die Weich-
feite gebracht haͤtten. Bald darauff ſchickete er den vorigen Heerhold ab an die unſern/ uñ
ließ ihnen anzeigen/ weil den Arbeitſamen Maͤnnern die Zeit im Muͤſſiggange lange weh-
rete/ und man in Zelten des Wuͤrffel- und Karten Spiels auch muͤde wuͤrde/ meldeten an
Pannoniſcher Seiten ſich eine ritterliche aͤdle Schaar 120 ſtark/ und nicht mehr/ hiemit
an/ ob eine gleiche Anzahl von Feinden ſo viel Herzens haͤtte/ zwiſchen beiden Lagern mit
ihrem ritterlichen Gewehr zuerſcheinen/ damit man ſaͤhe/ an welcher Seite/ die rechtmaͤſ-
ſigſte Sache/ und tapffermuhtigſten Kaͤmpffer ſich fuͤnden/ jedoch mit dieſem außdruͤkli-
chen Vorbehalt/ daß dieſes anmuhten dem gemachten Anſtande nicht im geringſten ſolte
nachteilig ſeyn. Die unſern beredeten ſich nach geendigter Anwerbung hieruͤber/ und ob
ſie gleich wuſten/ daß es dergleichen Wagehaͤlſe unter den Pannoniern nicht wenig gab/
welche durch frevelmuhtige Raſerey oft wahrer Tugend uͤberlegen waͤhren/ wolten ſie doch
ſolchen Schimpff auff ſich nicht erſitzen laſſen/ und gaben die Antwort/ daß weil es ſchon
zimlich ſpaͤt/ ſolte auff morgen geliebts Gott/ der Streit auff begehrete maſſe hiemit ange-
nom̃en ſeyn/ daß er mit ritterlichem Gewehr/ als Speer und Schwert/ in vollem Harniſch
außgefuͤhret wuͤrde; koͤnten demnach die Außfoderer zwo Stunden nach der Soñen Auff-
gang/ unter der Begleitung anderer 500 Reuter/ und nicht mehr/ erſcheinen alsdann wol-
ten ſie mit gleicher Anzahl verhanden ſeyn/ doch unter dieſem Vorbehalt/ es fiele der Sieg
auff eine oder andere Seite/ ſolten die 500 doch kein Schwertzuͤcken/ ſondern den Kaͤmp-
fern ihren freyen Willen goͤnnen/ auch zu mehrer Verſicherung/ ſolche Begleitung ohn
Harniſch verrichten. Mnata und Dropion wahren dieſer Einwilligung froh/ durchſuche-
ten ihre Kaͤmpffer fleiſſig/ ob ihnen ichtwas an guten Pferden oder Gewehr mangelte/ wel-
ches ſie auffs fleiſſigſte verbeſſerten/ und ihnen/ da ſie ſiegen wuͤrden/ eine Tonne Schaz
außzuteilen/ veꝛſprachen. Die unſern/ damit dieſer Kampff deſto gluͤklicher ablauffen moͤch-
te/ wurden eins/ daß Ladiſla/ Herkules/ Siegward/ Olaff/ und Arbianes unerkanter Weiſe
ſelbſt mit Kaͤmpffen wolten; und daß ſolches deſto unvermerketer geſchehen moͤchte/ waꝛd
Leches zum Oberſten Fuͤhrer beſtellet/ welcher deſſen anfangs ſich demuͤhtig wegerte/ und
endlich aus Untertaͤhnigkeit gehorſamlich uͤber ſich nam. Neda/ Prinſla/ Klodius/ Mar-
kus
[765]Achtes Buch.
kus Gallus/ wie auch Fabius/ wolten nicht zuruͤk bleiben; die Daͤnen Harald und Hum-
bold/ die vornehme Teutſche Herren und ſehr handfeſte Ritter/ Oſwald/ Sebald/ Geb-
hard/ Burchard/ Bertram von der Weſer/ Walfried/ Günther/ Erhard/ Ernſt/ Kuͤne-
bald/ Gotfried/ Adelbert/ Roland/ Gothard/ Willibald/ Arnhold/ und Ludwieg/ alle vorneh-
me Oberſten/ bahten ſehr inſtaͤndig/ daß ſie moͤchten gewirdiget werden/ dieſen ritterlichen
Zug mit zutuhn. Neklam/ und der neue Ritter Grozemiſla bekahmen deſſen auch Urlaub.
Zu dieſen wurden noch 30 nahmhaffte Teutſchen/ 16 Boͤhmen/ 6 Frieſen/ 8 Wenden/ und
27 Parther gewaͤhlet/ da inſonderheit die lezt genenneten daruͤmb ganz flehentlich anhiel-
ten. Sie gingen zu rechter Zeit loß/ alle mit ſchneeweiſſen Feldzeichen/ und hatten 500 von
den tapfferſten zur Begleitung mit ſich genommen/ welche nach dem Pannoniſchen Be-
gleitern ritten/ und ſich ihnen zeigeten/ daß ſie ganz keine Waffen/ als das Seiten Gewehr
bey ſich hatten/ alle mit Himmelblauen Feldzeichen und ſtatlichen rohten Federbuͤſchen
außgezieret/ funden auch ihre Feinde redlich und ohn heimliche Waffẽ/ die mit rohten Feld-
binden/ (wie auch ihre Kaͤmpffer) ſich angelegt hatten/ und wahren Mnata und Dropion
ſelbſt mit unter ihnen/ üm den Streit deſto beſſer zu ſehen. Unſere Chriſten hatte vor ihrem
Auszuge ihr andaͤchtiges Gebeht gehalten/ und nach angelegten feſten Waffen ſich in
fünff Schaaren/ jede 34. Koͤpffe ſtark/ verteilet; den Erſten fuͤhrete Leches und wahr bey
demſelben Ladiſla; bey dem Andern Herkules und Arbianes; bey dem Dritten Siegward;
bey dem Vierden Olaff; und bey dem Fuͤnfften Fabius/ hatten ſonſt die tapfferſten Ritter
gleich unter ſich geteilet. Es wolten die Pannonier mit dem Speer nicht zuſchaffen habẽ/
ſondern nur das kurze Gewehr gebrauchen/ daher die unſern/ um allẽ Verdacht deꝛ Furcht
abzuwenden/ gerne einwilligten/ jedoch ihnen dieſen Verweiß zuentbohten: Redliche Rit-
ter verachteten das Speer nicht/ als welches ihr Ehren-Gewehr waͤhre/ und dabey inſon-
derheit erkennet wuͤrden. Sie ſetzeten Fuß vor Fuß auff ein ander an/ biß ſie ſich erreichen
kunten/ und jede Schaar eine gleiche Anzahl zubeſtreiten hatte. Anfangs gingen ſie beyder-
ſeits ſehr behutſam/ inſonderheit ſpareten unſere Helden ihre Kraͤffte nach Moͤgligkeit/
und lieſſen ihre Leute fechten/ welche ſich zwar als redliche Kriegsleute hielten/ und doch
dem Feinde keinen Fußbreit abgewinnen kunten/ auch ſchier mehr Wunden annahmen
als ſie bezahleten. Als Mnata ſolches ſahe/ ſagete er zu Dropion: Der Feind hat unſern
Rittern keine Kinder entgegen geſtellet/ wie auch alle ihre Begleiter ſehr anſehnliche/ tapf-
fere und unerſchrockene Ritter ſind/ deren gleichen ich mich bey ihnen kaum verſehen haͤt-
te/ jedoch iſt die Oberhand an unſer Kaͤmpfer Seite; aber dieſer ſtolze Ruhm waͤhrete nit
lange; dann Herkules/ Ladiſla/ Siegward/ Olaff und Fabius nahmen jeder ſechs handfe-
ſte Ritter zu ſich/ ſchwaͤnketen ſich damit von der Seite ab in den Feind/ und ſchlugen der-
geſtalt von ſich/ daß im erſten Anfalle ein jeder ſeinen erſten Mann zu grunde richtete/ wo-
durch die uͤbrigen in zimliche Verwirrung gerieten. Als die andern dieſe Lufftung von
fornen her empfunden/ ſetzeten ſie nicht minder eiferig hinein/ da ihre Verwundeten
vor Zorn weder Muͤdigkeit noch Schmerzen empfunden. Ladiſla traff auff den
oberſten Führer/ und befand/ daß er guter Faͤuſte wahr/ brachte ihm aber gar bald ei-
nen Stoß unter den Krebs an/ damit er ihm die Seele mit ſamt dem Blute auszap-
ſete. Als die unſern dieſen groſſen Vortel erſtritten hatten/ und noch keiner von ihnen
d d d d d iijgefel-
[766]Achtes Buch.
gefellet wahr/ ſie auch in behaltener feſtgeſchloſſener Ordnung mit getrennneten ſtritten/
ſahe Dropion bald/ daß ſolches kein gut tuhn würde/ woruͤber er vor Zorn und Eifer an-
fing zu fluchen und ſchaͤnden/ daß alle ihre Kaͤmpfer ſeine Bernheuter und Narren ſeyn
muſten/ die ſich nur auff ihre unerfahrne Frecheit verlaſſen/ und ſich einer Sache unterfan-
gen haͤtten/ deren ſie durchaus nicht beſtand waͤhren; ſahe doch endlich mit etwas vergnuͤ-
gung an/ daß die uͤbrigen algemach ſich in kleine Schaaren ſetzeten/ und ein Haͤuflein/ 36
ſtark/ eine neue Ordnung ſchloß/ welches aber Herkules gar zu zeitig inne ward/ nam 24
Mann nebeſt Neda und Prinſla zu ſich/ und befahl den andern/ die annoch getrenneten
fein warm zu halten/ weil ſie ihnen ohndas an Mañſchaft überlegen wahren/ und ſtürmete
er dergeſtalt auff dieſe Schaar/ daß ſie alsbald hinter ſich zu weichen gezwungen ward/ da
Herkules Beyſtand in ſie hinein brach/ und nicht auffhoͤreten/ biß ſie alle geſtrekt lagen/ dañ
hie wahr alle Gnade auffgeruffen. Als Mnata und ſeine Leute dieſes ſahen/ bereueten ſie
ihre Tohrheit/ aber zu ſpaͤht/ kehreten auch mit ihren 500 Reutern umb/ und gingen nach
ihrem Lager zu/ als haͤtten die Kaͤmpfer ihnen nicht zugehoͤret/ weil ſie das Elend laͤnger
nicht anſehen kunten/ und von den ihren nit 30 lebendige mehr übrig wahren/ welche ſchon
heftig verwundet/ ohn gegenwehr nidergehauen wurden/ worauff man ſie nacket auszohe/
die Koͤpfe ihnen abſchlug/ und ſie auff den Wahl auff Stangen ſteckete/ ihre Pferde/ Ge-
wehr und Kleider mit nahmen/ und mit einem Freudengeſchrey von der Streitbahn hin-
weg ritten/ weil nur drey Boͤhmen zwey Teutſche und ein Frieſe das Leben eingebuͤſſet hat-
ten/ auch alle verwundete wieder geheilet wurden. Die Fürſten und genennete Ritter kah-
men alle/ ausgenommen Guͤnter/ Adelbert und Arnold/ unbeſchaͤdiget davon/ und wurden
doch dieſe drey mit koͤſtlichen Salben in 24 Stunden geheilet. Mit ſo geringem Verluſt
wahr der kleine aber anſehnliche Sieg erſtritten/ worũber unſer Heer ſo froͤlich wahr/ als
waͤhre der Feind gar aus dem Felde geſchlagen. Hingegẽ ſchaͤmete ſich Mnata/ ſein Kriegs-
heer anzuſehen/ welche in voller Schlachtordnung ſtunden/ ihre uͤberwinder zu empfahen;
aber als ſie keinen einzigen wieder zuruͤk kommen ſahen/ begunten ihrer viel zu ſpotten/ und
rieffen/ die verwaͤgene Narren haͤtten ihren verdienten Lohn empfangen/ in dem ſie auff ih-
re Mannheit getrotzet/ und ihnen eingebildet/ wann unter den andern ſie mit foͤchten/ wuͤr-
de man ihre tapffere Tahten ſo eigentlich nicht koͤnnen ſehen/ als wañ ſie allein dz Schwert
gebraucheten; welches Dropion ſehr verdroß/ weil er zu dieſem Spiel am meiſten gerah-
ten hatte. Agiß redete dem Heer ein mit guter freundligkeit/ hielt nachgehends ſein abſon-
derliches Geſpraͤch mit dem Koͤnige/ und baht ſehr/ in dergleichen vornehmen hinfuͤro nit
zugehehlen. Die Goͤtter wolten keinen Troz von uns Menſchen haben/ und pflegten alle-
mahl von ſolchen verwaͤgenen ihre Hand abzuzihen. Sie wolten weiters mit einander re-
den; aber es ward angemeldet/ daß ein Boͤmiſcher Trommelſchlaͤger ſich vor dem Lager
meldete/ mit begehren/ daß jemand zu ihm heraus kaͤhme/ dem er etwas an ſeinen Koͤnig zu
bringen/ anzeigen wolte; und als ihm einer ſeines gleichen zugeſchicket ward/ gab er dem-
ſelben etliche Wuͤrffel und Kartenſpiel mit dieſen Worten: Sihe da mein Kerl/ unſere
tapfere Kaͤmpfer/ deren nur ſechs auff der Wahlſtat blieben/ und 27 untoͤdlich verwundet
ſind/ uͤberſchicken eurem Koͤnige und ſeinen Leuten dieſes/ die uͤbrige Zeit des anſtandes da-
mit zuvertreiben/ weil ſie damit beſſer/ als mit dem Waffenſpiel umbzugehen gelehret ſind;
ſie
[767]Achtes Buch.
ſie haben an der ihren Niederlage ſich wol zu ſpiegeln/ und koͤnnen daher/ wo ſie nicht ver-
blendet ſind/ fein lernen/ was vor einen Lohn der allerhoͤchſte Gott den Raͤubern/ Moͤrdern
und Mordbrennern mitzuteilen pflege. Der ander wahr nicht viel bey ſolchen werbungen
geweſen/ nam das eingereichete zu ſich/ und ging damit nach des Koͤniges Zelt/ da inzwiſchẽ
der unſere auff ſeinem ſchnellen Pferde gluͤklich davon kam/ ſonſt wuͤrde man ſein uͤbel ge-
wartet haben; dann ſo bald jener ſeinem Koͤnige neben erzaͤhlung der Rede/ die er fein be-
halten hatte/ alles vortrug/ ward er alsbald angeknuͤpfet/ und faſſete Mnata neben Dropion
und andern Kriegs Oberſten daher ſolchen Grim/ daß ſie ſchwuren/ es ungerochen nicht zu
laſſen; ja/ ſagten etliche/ es waͤhre dieſer Schimpf mit dem vorigen ſchaͤbichten Hunde faſt
gleich zu ſchaͤtzen. Die uͤbrigen beyden Tage des anſtandes wurden ohn alle denkwuͤrdige
Begebniſſen hingebracht/ nur daß man allerſeits die Voͤlker uͤbete/ und das Gewehr wol
verſahe. Des lezten Abends bekam Koͤnig Mnata bey eiliger Botſchaft die Zeitung/ daß
ſein treflicher Entſaz in der naͤhe waͤhre/ deſſen er ſich ſehr freuete/ lieferte die Boͤmiſchen
Geiſel/ und foderte die ſeinen wieder ab/ worauff er alsbald/ noch deſſelbigen Abends/ den
vorigen Heerhold an Koͤnig Ladiſla ſchickete/ und ihn erinnern ließ/ daß die Zeit der offe-
nen Feldſchlacht Morgen fruͤh ſeyn wuͤrde/ dero behueff er zwo gute Meilen zuruͤk gehen
wolte/ und ihnen raum gnug machen/ ſich zur Schlacht einzuſtellen. Aber Ladiſla gab ihm
kurzen Beſcheid/ ob ſeinem Koͤnige irgend traͤumete; es waͤhre ihm ja die Macht nicht ein-
geraͤumet/ daß er ihm vorſchreiben ſolte; wann ſeine Zeit zur Schlacht kommen würde/
ſolte er noch mehr als zu fruͤh erfahren/ hoffete auch in kurzen ihm ſo nahe zu treten/ daß er
ihm freilich raum genung laſſen ſolte. Mnata hatte ſich dieſes Abſchlages nicht vermuh-
tet/ nam nicht deſto weniger ſeinen Abzug/ und ſchickete dieſen Heerhold abermahl an ihn/
mit dieſem vorbringen; ob die Boͤhmen unter der Teutſchen Beſchuͤtzung ſich nicht ſchaͤ-
meten/ daß ſie ihre Feinde mitten im Lande liegen haͤtten/ und ohn wagung einer redlichen
Schlacht/ ſie vor ſich ſehen koͤnten; man haͤtte gedacht/ ſie wuͤrden durch das naͤhſt erhal-
tene Sieglein/ da 120 Teutſche und Boͤmiſche Kriegs Oberſten/ wieder ſo viel gemeine
Pannoniſche Reuter gekaͤmpfet/ einen Muht geſchoͤpfet haben/ welches ſich aber nicht fin-
den wolte; waͤhre Ladiſla ein Kriegsheld/ wie ihn etliche nennen duͤrften/ ſolte er ſich finden
laſſen/ oder es nicht vor uͤbel auffnehmen/ daß man ihn mit einem groſſen feigen Herzen
abmahlete. Es kaͤhme dem Pannoniſchen Koͤnige glaubwirdig vor/ ob ſolte er ſeine ural-
ten Landgoͤtter verleugnet/ und an deren ſtat einen erhenketen angenommen haben; waͤhre
dem nun alſo/ muͤſte er gedenken/ die Pannonier waͤhren von den Boͤmiſchen Goͤttern auf-
gemahnet/ ihren Schimpf zu raͤchen. Haͤtte er dann das Vertrauen zu ſeinem neugebacke-
nen Gott/ daß er maͤchtiger als die Alten waͤhre/ warumb ſtellete er ſich dann ſo zaghaftig/
und duͤrfte auff die angebohtene Schlacht keinen richtigen Beſcheid geben; er der Pan-
noniſche Koͤnig waͤhre ſchon vorhin/ und hinter ſich gewichen/ den Boͤhmen raum zu ma-
chen/ wuͤrden ſie folgen/ wolten ſie auff gut Landknechtiſch handeln/ wo nicht/ muͤſte er ihm
einen andern Streich ſehen laſſen/ als einer der ſeiner guten Sache/ ſeinem Gluͤk und ſei-
nen Faͤuſten trauete. Ladiſla empfand nichts uͤber al ſo hoch/ als daß er die veraͤchtliche Got-
teslaͤſterung anhoͤren muſte/ wolte dem Heerhold keine Antwort geben/ ſondern ließ ihn
verwahrlich anhalten/ beredete ſich mit den übrigen Fuͤrſten/ und hielt mit allen Chriſten
(unter
[768]Achtes Buch.
(unter welchen nunmehr Olaff ſich finden ließ) ein ernſtliches Gebeht zu Gott/ daß er ſei-
nes Nahmens Ehre retten/ und den unſchuldigen Beyſtand leiſten wolte. Die Heerſchau-
ung wahr ſchon des vorigen Tages geſchehen/ und ihnen ernſtlich befohlen/ ſich alle Stun-
den zum Aufbruch fertig zu halten/ und auff drey Tage Speiſe zu ſich zu nehmen/ welche
ihnen zu aller gnuͤge ausgeteilet ward. Von Prag ab wurden ihnẽ faſt taͤglich unterſchied-
liche Schaaren von neuen Voͤlkern zugeſchicket/ welche mit dem Pannoniſchen eroberten
Waffen und Pferden gnugſam verſehen wurden/ ſo das ihr Heer vor dißmahl 100000 zu
Roß/ und 50000 zu Fuſſe ſtark wahr/ welches er alſo austeilete/ und gegen fruͤh morgens
fortgefuͤhret ward. Koͤnig Henrich/ Fabius/ Markus und Gallus hatten das Fußvolk in
der mitte. Zur Rechten hatten Herkules/ Arbianes/ Olaff/ Prinſla und Klodius 50000
Reuter. Zur Linken Ladiſla/ Siegward/ Leches und Neda eine gleiche Anzahl/ wovon Le-
ches 6000 zum Vortrab fuͤhrete. Sie nahmen den Pannoniſchen Geſanten mit ſich/ wel-
cher uͤber ihr groſſes Heer ſich verwunderte. Eine halbe Meile von des Feindes neuem La-
ger/ ſtieß Leches auff 7000 Reuter/ welche er beherzt angriff/ und nach hartem Gefechte auf
die Flucht brachte; zog von den Gefangenen alle Kundſchaft ein/ und taht es ſeinem Koͤni-
ge zu wiſſen/ daher ſie in gerichteter Schlachtordnung fortgingen/ uñ ihre Voͤlker vermah-
neten/ Stand zu halten/ und nicht/ wie im erſten Treffen unter Siegwarden geſchehen/ ih-
re Ordnung brechen zulaſſen; lieſſen den Pannoniſchen Heerhold ſeines Weges reiten/
und zogen fort/ biß ſie den Feind eine Meile von ihrem alten Lager dieſer geſtalt im Felde
halten ſahen. Das Fußvolk 44000 wolgeuͤbete Manſchafft hielt in der Mitte; Zur Rech-
ten gegen Ladilſla ſtund der Koͤnig mit 65000 Reutern; zur Linken gegen Herkules fuͤhre-
te Feldmarſchalk Dropion eine gleichmaͤſſige Anzahl/ wie ſein Koͤnig/ aber die auserleſen-
ſte Ritterſchafft/ dann er hatte ihm gaͤnzlich vorgenommen/ vor dißmahl ein Koͤnigreich
zuerſtreiten/ worzu ihm ſein Koͤnig nun mehr groſſe Hoffnung gemacht hatte/ umb ſeine
Verraͤhterey zu hintertreiben/ dann er hatte ſonſt mit Agis und Hyppaſus ſchon abgere-
det/ daß nach erhaltenem Siege er ihn vor Gericht ſtellen/ ſeines Gottloſen Vorhabens
ihn uͤberzeugen/ und ihn an den Galgen wolte henken laſſen. Er wahr ſonſt nicht allein
ruhmraͤtig/ ſondern von ſehr groſſer Leibeskrafft/ und daneben vorſichtig und gerade/ hat-
te auch 26 Roͤmiſche Ritter in abſonderlichen Kaͤmpfen erleget. Koͤnig Mnata ſahe zwaꝛ/
daß er den unſern an Manſchafft nicht ſonderlich groß uͤberlegen wahr/ aber er troͤſtete ſich
deſſen/ daß die ſeinen durchgehend wol geuͤbet/ und unter den unſern nicht wenig unduͤchti-
ge geſunden wurden/ welches auch unſere Helden am meiſten betrachteten; Uberdas ver-
ließ er ſich auff ſeinen treflichen Entſaz/ welcher von lauter geuͤbeten Grenzvoͤlkern beſtund/
an deren ſtelle man ungeuͤbete hingeſchicket hatte/ und taht den unſern den allergroͤſten
Schaden/ daß von dieſem Entſatze ſie nicht die allergeringeſte Nachricht oder Muhtmaſ-
ſung hatten. An allen Seiten wahren die Feld Herren bemuͤhet/ den ihren ein Herz einzu-
ſprechen. Koͤnig Mnata hielt den ſeinen vor/ die Goͤtter haͤtten den Feind uͤberredet/ ſich
ins offene Feld zuſetzen/ da ihnen aller Vortel abgeſchnitten waͤhre/ hinter welchem ſie ſich
biß daher ſo munter beſchirmet haͤtten; es waͤhre jezt Zeit/ der angefuͤgeter Schmach ein-
gedenke zuſeyn/ und den ſchaͤbichten Hund zuvergelten; und ob des Feindes Frecheit an-
fangs etwas gegenhalten wuͤrde/ ſolten ſie nur behutſam fahren/ und keine angebrachte
Wun-
[769]Achtes Buch.
Wunde unvergolten laſſen/ alsdann wuͤrden die ohmaͤchtigen Boͤhmen wie das Waſſer
zerrinnen/ die ohndas mit Ackerbau/ Holzfellen und Handwerksuͤbungen beſſer/ als mit
Waffen umzugehen wuͤſten. Er eꝛinnerte ſie ſeines neugemachten Geſetzes/ und ließ aus-
ruffen: Wer ihm den Boͤhmiſchen Koͤnig oder ſeiner anbefreundeten Fuͤrſten einen leben-
dig gefangen einliefern wuͤrde/ ſolte 60000 Kronen/ oder da er ein geſchlagener Ritter
waͤhre/ eine freie Herſchafft von ihm zugewarten haben. Die unſern wuſten auch/ wie ſie
ihrem Volk den Muht aufftreiben ſolten; dann Herkules/ dem hoch und nidrig/ wegen ſei-
ner Freundligkeit gewogen wahr/ ſagte mit einem friſchen laͤchelnden Angeſicht: Es ſolte
keiner der Pannoniſchen Raͤuber Koͤpffe (deren ohndas nicht mehr als der ihren waͤhrẽ)
ſondern ihre Herzen zaͤhlen/ deren ſich gar wenig finden wuͤrden; dann ihr Gewiſſen uͤber-
zeugete ſie ihrer Untaht und moͤrdlichen Vornehmens. Vor fuͤnff Tagen waͤhre ſchon der
dritte Teil ihrer Manſchafft/ und zwar die tapfferſten nach ihrem Verdienſte abgeſtraffet/
und wuͤrde der Almaͤchtige Gott/ als ein gerechter Richter und Vergelter/ den uͤbrigen
auch zulohnen wiſſen; man haͤtte an dieſer Seite eine ungezweifelt-gerechte Sache; man
ſtritte vor das Vaterland wider dieſe Mordbrenner; und ob gleich dieſe Feinde hart ge-
gen halten ſolten/ muͤſte man doch biß auff den allerlezten Blutstropffen ſich tapffer hal-
ten/ weil man bey ihnen weder Gnade noch Lebensfriſtung/ ſondern nur den abſcheuhlich-
ſten Tod zugewarten haͤtte. Ey ihr lieben Bruͤder/ ſagete er/ was haͤtten wir vor einen koͤſt-
lichern Wetzeſtein unſern Schwertern und Herzen antreffen koͤnnen/ als die aͤdle Freiheit/
die Beſchirmung des Vaterlandes/ die Beſchuͤtzung unſerer Weiber und Kinder/ wel-
ches alles dieſe Moͤrder auf ein mahl zuverderben geſchworen haben? So folget nun eurẽ
Anfuͤhrern herzhaft und redlich/ und verſichert euch/ alles was die Raͤuber vor Schaͤtze bey
ſich fuͤhren/ muß noch heut vor der Sonnen Untergang eure Beute und Reichtuhm ſeyn.
Hierauf fing das ganze Heer ein algemeines Feldgeſchrey an/ und gaben dadurch zuver-
ſtehen/ daß ſie ungefochten abzuzihen nicht gemeinet waͤhren. Jene tahten nicht minder/
und ſchicketen ſich gleich den unſern zum Angriff. An Herkules Seite taht Olaf den erſten
Anfal mit ſeinen eigenen Daͤhnen und Frieſen/ welche aus Wendland zuruͤk kommen wa-
ren/ nahm darzu alle Wenden/ und ging unverzaget loß/ dem der verwaͤgene Pannonier
Pelegon mit 15000 Reutern entgegen geſchicket ward/ und tummelten ſich dieſe beyde
dermaſſen/ nachdem keiner ſeines Vortels ſich begeben wolte/ daß Herkules leicht muht-
maſſete/ der Sieg würde ohn hefftiges Blutvergieſſen nicht zuerhalten ſeyn. Olaf ward
des langen auffhaltens muͤde/ ſetzete mit 600 Daͤnen gleich auff den feindlichen Oberſten
zu/ und ging hieſelbſt es ſcharff daher/ biß endlich Pelegon durch unterſchiedliche ſchwere
Hiebe taumlich gemacht ward/ welches Glüks Olaff ſich gebrauchete/ ihn mit Gewalt vom
Pferde riß/ und 20 Daͤnen uͤbergab/ welche ihn Koͤnig Henrichen zufuͤhren muſten; jedoch
ſchlugen ſie ſich zuvor rechtſchaffen umb dieſe Beute/ weil die Pannonier ihr Haͤupt nicht
gerne verlieren/ und die unſern den erhaſcheten Raub ihnen nicht wieder nehmen laſſen
wolten; woruͤber etliche hundert beyderſeits das Leben einbuͤſſeten/ uñ doch immerzu wuͤr-
geten/ daß es nicht anders ſchien/ als haͤtten dieſe beyde Haͤuflein vor des ganzen Heers
Wolfahrt kaͤmpffen muͤſſen/ daß auch Olaf ſich gar matt arbeitete/ und ihn Herkules durch
Klodius mit 8000 entſetzete/ daß er mit den ſeinen freien Abzug bekam/ nachdem er 150
e e e e eDaͤnen/
[770]Achtes Buch.
Daͤnen/ 400 Frieſen/ und 2000 Wenden eingebuͤſſet/ dagegen aber 5000 Feinde erſchla-
gen hatte. Klodius bekam auch einen friſchen Gegener/ nahmens Bato/ Dropions unehe-
lichen Sohn/ welchen er in ſeiner Jugend durch Blutſchaͤndung mit ſeines Vatern juͤng-
ſter Schweſter gezeuget hatte. Dieſer ging mit 8000 loß/ in Meinung/ die unſern im erſtẽ
Anfal zutrennen; aber Klodius hielt ritterlich Widerſtand nebeſt dem Daͤnen Harald/ der
in dieſem Treffen ein ſonderliches Lob verdienete/ und ihm nachgeruͤhmet ward/ daß er mit
ſeiner Fauſt 12 Pannonier haͤtte zur Erden geſtuͤrzet. Er ward zwar druͤber hart verwun-
det/ aber doch aus dem Gedraͤnge gefuͤhret/ und beym Leben erhalten. Ladiſla hatte nicht
weniger den Anfang durch Siegwarden machen laſſen/ als dem er dieſe Ehre ſchon beym
Auffbruche verſprechen muͤſſen; gab ihm 3000 wehrhaffte Teutſchen und 7000 Boͤhmen
zu/ mit welchen er auff 14000 Pannonier ging/ aber ſolchen Ruhm einlegete/ daß alle Zu-
ſeher ſein Herz/ Krafft und Erfahrenheit ruͤhmen muſten. Er ſchonete ſeiner Voͤlker/ ſo
viel moͤglich/ und ging ſehr behuhtſam/ ungeachtet ſein Feind Deon mit groſſem wuͤten
von ſich ſchlug/ und hatte derſelbe einen verwaͤgenen Oberſten unter ſich/ welcher Sieg-
warden uͤberfiel/ in Meinung ihn hinzurichten/ fand aber ſeinen Meiſter/ der ihm mit einem
Stoſſe in den Unterleib das Leben nam/ und den andern der ſeinen Geſellen zuraͤchen mei-
nete/ ohn Kopff ſpringen lehrete. Seine Voͤlker nahmen von ihm ein Beyſpiel/ und tahtẽ
nach allem Vermoͤgen/ ſo daß in kurzer Zeit ſie in gleicher Anzahl 8000 gegen 8000 ſtrit-
ten. Koͤnig Mnata ſahe wol/ daß es hieſelbſt uͤber ſeine Leute ging/ machete ihm auch die
ganze Rechnung/ Herkules oder Ladiſla richteten ihm die ſeinen dergeſtalt zu/ und ſchickete
einen Entſaz 8000 ſtark unter ſeinen getraͤuen Amythaon aus/ dem ſich aber Leches mit
7000 entgegen ſtellete/ ſo daß die erſten ihren Streit ungehindert fortſetzeten/ daran Ladiſla
keine Sperrung machen wolte/ weil es Siegwarden ſo wol gluͤckete. Aber der Pannoni-
ſche Koͤnig kunte der ſeinen Unfal laͤnger nicht anſehẽ/ weil dieſer Hauffe kaum noch 6000
Mann uͤbrig hatte/ daher er ihm 12000 zu huͤlffe ſchickete/ an welche Siegward ſich nicht
reiben wolte/ ſondern nachdem er uͤber die vorigen noch 300 eingebuͤſſet hatte/ mit volkom-
mener Ehre abzog/ als Neda mit 9000 den einbrechenden entgegen trabete. Klodius lege-
te mit einem Pannoniſchen Oberſten abſonderlich an/ dem er auch gnug gewachſen wahr[-]
aber ſein Pferd ward ihm von einem herzudringenden Pannonier erſtochen/ daß er drun-
ter zuliegen kam/ und waͤhre ohn zweifel zutreten worden/ wann nicht ein Teutſcher und
drey Boͤhmen das Leben vor ihm eingebuͤſſet/ welche mit ihrer ritterlichen Fauſt ſo hefti-
ge Gegenwehr tahten/ daß er von den ſeinen hervor geriſſen/ und auff ein Pferd geſetzet
ward. Er hat aber nachgehends den nachgelaſſenen Witwen und Kindern dieſer vier ge-
traͤuen Leute 40000 Kronen zur Dankbarkeit ausgezaͤhlet/ und die Witwen uͤberdas durch
reiche Ausſteur wieder verhetrahtet. Nun ſuchete er gleichwol dieſen Schimpff zuraͤchẽ/
wagete ſich zum andern mahl an ſeinen Mann/ und richtete ihn mit einem Stoſſe hin.
Seinen Reutern ging es anfangs ſehr hart/ aber nach Endigung dieſes Kampffes entfiel
den Feinden das Herz/ und wurden mit Hauffen niedergeſaͤbelt/ daß ihrer nur 4000 uͤbrig
wahren/ und der rechte Fuͤhrer Bato gefangen und verwundet hinweg geſchleppet ward;
welches/ da es ſeinem Vater Dropion angemeldet ward/ bekuͤmmerte er ſich nicht wenig/
dann er liebete dieſes unehrliche Laſter-Fruͤchtchen hefftig/ weil er ihm im Frevel/ Unzucht
und
[771]Achtes Buch.
und Gottloſigkeiten fein nachartete. Er ließ auff Klodius 9000 loßgehen/ aber derſelbe
ſagete ſich aus/ und gab dem einbrechenden Arbianes Raum/ welcher alle ſeine Parther
und Meden nebeſt 5000 Teutſchen (deren 1600 Schlacht Schwerter wahren) mit ſich
fuͤhrete. Der heranſtechende Pannoniſche Oberſter entruͤſtete ſich ſehr/ daß Klodius ihm
entgehen ſolte/ nachdem er von Dropion den ausdruͤklichen Befehl hatte/ ihn/ weil er ſo
groſſen Schaden getahn/ ungeſtraffet nicht abzihen zulaſſen; weil ihm aber ſolches gehin-
dert ward (dann nach Hinterlaſſung 2000 erſchlagener begab er ſich in Sicherheit)/ als
wolte jener ſeinen Muht an Arbianes kuͤhlen/ deſſen Schaar er auch mit ſolcher Macht
anfiel/ ob haͤtte er ſie auff einmahl ſtürzen wollen; Seine Parther aber/ welche durchaus
den Vorzug nahmen/ begegneten ihm mit ſolchem Muht/ daß es ſchien/ als haͤtten ſie ſich
unter einander den Tod geſchworen/ und weil die Parther ſich fleiſſig ſchuͤtzeten/ nahmen
ſie viel geringern Schaden/ als die Feinde/ wahren auch ſo eiferig im fechten/ als haͤtten ſie
alles allein ausrichten wollen; endlich erinnerten ſie ſich ihres Fuͤrſten Befehls/ welcher in
die Mitte die tapfferen Schlacht Schwerter geſtellet hatte/ oͤfneten ihre Glieder/ und gabẽ
dieſen den freien Zutrit/ welche als geruhete dergeſtalt den abgearbeiteten Pannoniern ein-
ſchenketen/ daß ſie als Muͤcken von den Pferdẽ ſtoben/ auch ihr Führer ſelbſt welcher ſchon
zimlich verwundet wahr/ in dieſem Satze zu Grunde ging/ und von den Pferden elendig
zutreten ward/ daher ſeine Leute aus Furcht ſich zuruͤk zogen/ und nicht deſto weniger nie-
dergeſchlagen wurden/ biß ihnen 8000 zum Entſaz kahmen/ da ſie ſchon 5000 verlohren
hatten. Dieſe friſche Andraͤnger haͤtten Arbianes ſchier zu ſchwer fallen ſollen/ dann er
hatte auch 1500 verwundete unter ſich/ und 300 verlohren; ſo dauchte Herkules nit raht
ſeyn/ ſeine uͤbrige Manſchafft weiter zuſchwaͤchen deswegen ſetzete Olaff ſich mit Arbianes
zuſammen/ und zauſeten den Fein dan allen Orten/ weil ſie ſtaͤrker an Manſchafft als die
Pannonier wahren. Neda mit ſeinen 9000 Boͤhmen muſte einen ſchweren Stand hal-
ten/ dann ſeine Voͤlker wahren nicht ſonderlich geuͤbet/ hingegen wuſte ſein Widerſacher
das Schwert wol zugebrauchen; nur die kuͤhne Willigkeit vor das Vaterland zuſterben/
taht das beſte bey der Sache/ daß ſie endlich mehr leiſteten/ als man ihnen beym Angriff
haͤtte moͤgen zutrauen; maſſen/ wann es ja ſolte geſtorben ſeyn/ gedachten ſie/ waͤhre nichts
beſſers/ als den Feind mit ſich nehmen/ oder ihn vorhin zuſchicken; welcher Vorſaz ihnen
dermaſſen gluͤckete/ daß ſie 8000 niderſchlugen/ und dagegen nur halb ſo viel einbüſſeten.
Der zierlichſte Streit ging zwiſchen Leches und Amythaon vor/ maſſen dieſer nur durch
Liſt zu ſiegen bemuͤhet wahr/ und jener zu tuhn hatte/ die Stricke zumeiden/ biß ihm end-
lich der Handel verdrießlich ward/ und einen hefftigen Fall mit drey tauſend Mann
zur Seite hinein wagete/ welches ihm ſo wol geriet/ daß der Feind die Glieder nicht
wieder ſchlieſſen kunte/ ſondern uͤberal einbuͤſſete/ ſo daß er 3500 auff der Streitbahn ließ/
und der unſern kaum 800 gefellet hatte; welches Mnata ſehend/ nunmehr Zeit ſeyn meine-
te/ daß er mit den uͤbrigen ſeines Fluͤgels den algemeinen Anſaz wagete. Olaff und Arbia-
nes wahren an ihrem Orte noch in voller Arbeit/ dann es glückete ihnen/ daß ſie es vor diß-
mahl mit zimlich ungeuͤbeten zu tuhn bekahmen/ die zwar ihre Feinde zu fellen kühn gnug
wahren/ aber weil ſie ſich vor ihnen zu ſchūtzen nicht gelernet hatten/ ging ihnen das Waſ-
ſer uͤber die Koͤrbe/ daß ihrer 5000 ins Graß biſſen/ und die unſern dagegen kaum 600 im
e e e e e ijStiche
[772]Achtes Buch.
Stiche lieſſen. Der Pannoniſche Feldmarſchalk Dropion ſahe/ daß ſein Koͤnig ſich be-
gunte zuſammen zuzihen/ daher er jezt gedachten Hauffen/ welcher ſehr gedraͤnget ward/
durch 15000 entſetzete// brachte alle geſunde Mañſchaft/ und die das Gewehr zu fuͤhren an-
noch duͤchtig wahren/ beyeinander/ und ging damit gegen Herkules loß/ welcher hierauff
ſchonlange und mit ſchmerzen gewartet hattee/ weil die abſonderlichen Streite ihm zu viel
Volk hinnahmen/ und deswegen ſeinen ganzen Fluͤgel geſchwinde alſo zurichtete/ daß die
geruheten vorne an gehen muſten/ ſetzete auch ſeine 3000 Schlachtſchwerter bey kleinen
Schaaren von 50 Mann durch das ganze Volk/ alſo daß gleichwol 600 die erſte Spitze
halten muſten. Als ſie aneinander gerieten/ fielen ſie wie grimmige Baͤhren und Loͤuen in-
einander. Dropion hatte die tapferſten vorne an geſtellet/ wahr auch ſelbſt nicht weit von
ihnen/ und verſahe alles ſo wol/ daß ihn Freund und Feind vor einen guten und verſtaͤndi-
gen Feldherrn halten muſten. Olaf und Arbianes gingen an beyden ſeiten/ Herkules in der
mitte/ und hatte jeder 300 auserleſene Teutſchen umb ſich/ deren Schlachtſchwerter gar
bald von der Feinde Blut gefaͤrbet wurden. Dropion trieb groß wunder mit ſeinem Ge-
fechte/ daß er ſich den unſern bald bekant machete/ Herkules ließ die Faͤuſte auch nicht ſin-
ken; ſo uͤbete ſich ſein aͤdler Blaͤnke dergeſtalt/ daß er nicht minder als ſein Reuter anfiel
und die Feinde beſchaͤdigte; welches Dropion bald kund getahn ward/ der dieſem Unheil
bey zeiten vor zubauen/ 3000 gute Ritter zu ſich nam/ und ſie alſo anredete: Komt ihr Bruͤ-
der/ ich mus verſuchen/ ob dann dieſer Herkules auch ein wahrer Herkules ſey/ der miꝛ mei-
ne beyden Bruͤder ſol erſchlagen haben; entweder ich mus der dritte/ oder ſie gerochen
ſeyn. Herkules ſahe ihn herzu dringen/ gedachte wol/ es wuͤrde ſein Mañ ſeyn/ nahm auch
3000 umb ſich/ und ließ ſich von dieſem Nachſucher gerne finden. Da ging es nun an ein
eiferiges ſchlagen/ ſo daß da kein weichen wahr/ biß Mann oder Roß oder beyde gefellet/ den
folgenden Raum gaben/ uͤber ſich hin zu reiten/ da inzwiſchen Olaf und Arbianes auch das
ihre tahten/ und mit ihren Voͤlkern den Feind rechtſchaffen draͤngeten/ weil ſie nunmehr
an Mañſchaft gleich/ oder doch ſtaͤrker wahren. Nicht lange/ da ward Herkules Dropions
gewahr/ und rieff ihm zu/ er moͤchte gemach tuhn/ vielleicht fuͤnde er noch Arbeit vor der
Sonnen Untergang. Ja kom her du Lecker/ antwortete er/ ich wil ſchon machen/ daß dich
das Zahnweh nicht lange plagen ſol. O du Hund/ bin ich dein Lecker? ſagete er drauf; ging
auch mit ſolchem Zorn auff ihn an/ daß die Anweſende bekenneten/ er müſte des dinges vor
mehr getrieben haben. Doch ſeumete der Pannonier auch nicht/ ſondern ſo bald ſie einan-
der abreichen kunten/ ſtürmeten ſie dergeſtalt auffeinander ein/ daß ſie beyderſeits ihres wie-
derſtreiters empfunden. Keiner ließ einiges Zeichen der Furcht noch machtloſigkeit ſpuͤrẽ/
aber die behendigkeit und groſſe erfahrung zu ſtreiten/ ſahe man auff Herkules ſeiten/ wel-
ches doch der wilde Menſch nicht erkennen kunte/ dañ er gedachte ihn mit ſchweren Hieben
zu fellen/ deren ihm doch keiner nach Wunſch angehen wolte/ und er dagegen unterſchied-
liche Streiche uͤber den Hals annehmen muſte/ daß ihm die Ohren ſauſeten/ und endlich
zu ihm ſagete: Deines gleichen iſt mir wenig vorkommen/ aber doch ruͤhme dich/ daß du
von einer ritterlichen Hand den Tod empfaͤheſt. O du rechneſt dich viel zu nahe/ antworte-
te er/ und wirſt vor dem Siege noch erſt ſtreiten muͤſſen. Mit dem ſchlug der Blaͤnke Dro-
vions Pferd in die Seite/ daß es niderſtürzete/ und wahr Herkules nicht faul/ zuverſuchen/
ob er
[773]Achtes Buch.
ob er ihn alſo liegend hinrichten koͤnte; aber die Pannonier umgaben ihn mit aller macht/
riſſen ihn unter dem Pferde hervor/ und fuͤhreten ihn aus dem Gedraͤnge; woruͤber ihrer
wol 200 das Leben zuſetzen muſten. Koͤnig Ladiſla wahr mit Mnata auch ſchon in voller
Arbeit/ wiewol dieſer nicht bald anfangs mit fochte/ ſondern in begleitung 500 ſeiner Ge-
traͤuen hin und wieder rante/ damit an allen Orten alles wol verſehen waͤhre. Siegward
taht ihm an der rechten Seite ſehr gedrange/ hingegen litte Leches bey der Linken/ ſchweren
uͤberfal/ welches er ſeinem Koͤnige/ der in der mitte zimlichen fortgang hatte/ zu wiſſen taht/
bekam auch unter Neda anfuͤhrung 2000 gute Teutſchen zu huͤlffe/ welche alles wieder er-
ſetzeten/ und mit den unverſuchten Boͤhmen ſich vermiſcheten/ daß ſie ihrem Beyſpiel fol-
gen/ und von ihnen ein muſter nehmen kunten. Herkules wahr ſehr zornig/ daß ihm der
Braten aus den Faͤuſten hinweg geriſſen wahr/ und meinete/ er wuͤrde etwa durch den Fal
mit dem Pferde ſo viel ſchaden genommen haben/ daß er zum weiteren Gefechte unduͤch-
tig worden waͤhre/ hoffete auch/ weil er abweſend/ die Feinde bald auff die Weichſeite zu
bringen/ wie er dañ in warheit eine ernſtliche Schlacht hielt/ und des Pañoniſchen Blutes
ſo viel vergoß/ daß es wie kleine Baͤchlein ran/ wuͤrde auch ohnzweifel ſehr gefaͤhrlich umb
ſie geſtanden ſeyn/ wañ ihr Herz/ der Feldmarſchalk ſich nicht wieder eingeſtellet haͤtte/ der
noch ohn allen Leibesſchaden blieben wahr/ und nur neue Waffen angelegt hatte/ weil die
erſten hin und wieder zerhacket wahren. So bald er ſich wieder ſtellete und die ſeinen wan-
ken ſahe/ rieff er uͤber laut; wie ſchlaffet ihr/ lieben Bruͤder/ daß ihr euch ſo wenig reget? es
ſchien nicht anders/ als wann ſeine Stimme beydes Roß und Mann auffgemuntert haͤtte/
dañ das Blad wendete ſich alsbald/ ſo daß die Weichende vor ſich hinweg drungen/ und
die Treiber getrieben wurden; welches Olaf/ der an dieſem Orte fochte/ nicht ohn beſtuͤr-
zung anſahe/ und ſein aͤuſſerſtes anwendete/ das Werk wieder in Stand zubringen; aber
es fiel ihm zu ſchwer; dann weil er ſich ſchon ſehr abgemattet/ und mit ſeiner Hand in einer
Viertelſtunde acht Feinde erlegt hatte/ daß auch ſein Pferd nicht wol mehr fort kunte/ ward
ihm daſſelbe erſchlagen/ und er/ wie heftig er ſich gleich ſtraͤubete/ gefangẽ hinweg gefuͤhret/
da man ihn dem Feldmarſchalk einlieferte/ welcher nach ſeinem Nahmen fragend/ dieſe
Antwort von ihm bekam; ich habe noch nie kein mahl meinen ehrlichen Nahmen gegen ei-
nen redlichen Ritter aus Furcht verleugnet/ ſondern gerne geſtanden/ daß ich Olaf gebohꝛ-
ner Fuͤrſt aus Daͤnnemark bin und heiſſe. Worauff Dropion ſeinen Leuten befahl/ ihn wol
zuverwahren/ daß er nicht entwieche. Er aber drang immerzu heftiger in die unſern/ welche
an dieſem Orte nunmehr ohn ein Haͤupt fochten/ und gleichwol Herkules des Fuͤrſten Ge-
faͤngnis zeittig wiſſen lieſſen/ woruͤber er ſich ſchmerzlich bekümmerte/ befahl Klodius da-
ſelbſt die Auffſicht/ und ging mit 2000 Mann den bedraͤngeten zu huͤlffe/ da ihn Dropion
mit dieſen Worten empfing; Komſt du mir zum andermahl unter die Haͤnde/ du Hexen-
meiſter? O du verleumder/ antwortete er/ haſtu dich in einem neuen Harniſch verſtecket?
fiel hiemit uͤber ihn her/ daß er ſich kaum zur Gegenwehr gefaſſet machen kunte; woruͤber
er ſchier raſend ward/ inſondeꝛheit/ da Heꝛkules zu ihm ſagete: Du laͤſt dich gaꝛ vom Strel-
te hinweg tragen/ ſo furchtſam biſtu/ und deine Bruͤder ſchaͤmeten ſich davon zu lauffen.
Das raſende Tihr kunte vor Eifer kein Wort ſagen/ ſondern brach loß wie ein Unſinniger/
meinete/ es ſolte ihm nun nicht fehlen; wolte ihm auch den Blaͤnken niderhauen/ der ihm
e e e e e iijaber
[774]Achtes Buch.
aber gar geſchiklich aus dem Schlage ſprang/ bald unter ſeines Reuters Schutze ſich wie-
der herbey machete/ und ihn vom Pferde zur Erden niderriſſe/ wuͤrde ihn auch vollends
gar zu treten haben/ wann nicht ſeine Leute ihn zum andeꝛnmahl auffgehoben/ und hinweg
geſchleppet haͤtten/ da er im falle den linken Arm verrenkete/ welchen er wieder muſte ein-
richten und ſchmieren laſſen/ ſich hoch verfluchend/ nicht zu ruhen/ biß er den Buben (ſo
durfte er einen Koͤnig nennen) mit ſamt dem Teuffelspferde erſchlagen haͤtte. Zeit ſeines
abweſens ging es uͤber die Pañonier/ dañ Herkules blieb hieſelbſt in Olafs ſtelle/ und taht
dem Feinde ſo gedrange/ daß er umb Entſaz ausſchicken muſte. Bey dem andern Fluͤgel
gab es rechtſchaffene Puͤffe/ woſelbſt Siegward eine ſolche Furcht in die Feinde gebracht
hatte/ daß ſie ſcheuh trugen/ ihm zu nahen. Koͤnig Ladiſla/ welches ein Teutſcher Ritter ge-
zaͤhlet/ hatte 16 Pannonier in dieſem lezten Treffen nidergehauen/ und ſuchete hin und wie-
der/ ob er den rechten Heerführer dieſes Fluͤgels nicht ertappen koͤnte; welcher aber vor
ſeines Entſatzes ankunft nicht willens wahr zu ſtreiten/ mehr aus Furcht wegen Dropions
nachſtellung/ als des Feindes; blieb daher ſtets bey ſeiner kleinen getraͤuen Schaar/ und
hatte fleiſſige Aufſicht/ daß den bedraͤngeten zeitige hülffe geſchahe. Der gewaltige Hyppa-
ſus nam einen abſonderlichen Kampf wieder Ladiſla an/ hielt ſich auch eine gute Zeit/ ehe
er ſich geben wolte/ aber endlich ſiegete die Koͤnigliche Fauſt ob/ und nam ihn hart verwun-
det geſangen/ da ihn etliche Boͤhmen aus dem Gedraͤnge nach Koͤnig Henrich fuͤhren mu-
ſte. Leches und Neda hatten ſich zuſammen geſetzet/ ſtunden vor einen Mann/ und ſchenke-
ten ihren Feinden ſo tapfer ein/ daß ſie gnug daran hatten/ dann je laͤnger ihre ungeuͤbete
Boͤhmen das Ding trieben/ je beſſer ſie ſich drein ſchicken kunten/ und trug ſich zu/ daß da
Leches einen groſſen ſtarken Boͤhmen/ der ſehr blutete/ fragete/ ob er hart verwundet waͤh-
re/ dieſer zur Antwort gab; er ſaͤhe zwar das Blut hin und wieder hervor quellen/ und fuͤh-
lete doch keine Wunde/ fochte auch in dem gefaſſeten Eifer immer vor ſich weg/ biß ihm die
Seele ausfuhr/ da er dieſe lezte Worte ſagete; Ey wie ein ſuͤſſer Tod iſt es/ vor das Vater-
land ſterben. Dieſem ward nach erhaltener Schlacht/ bey ſeiner beſtattung eine ſonderli-
che Lobrede gehalten. Koͤnig Mnata ſahe/ daß die ſeinen allenthalben abbruch litten/ und
hauffensweiſe nidergeſchlagen wurden/ und wahr ihm leid/ daß er den Entſaz nicht zeiti-
ger hatte herzu fodern laſſen/ welcher doch nunmehr nicht gar weit mehr ſeyn muͤſte; ließ
auch bey ſeines Feldmarſchalks Fluͤgel vernehmen/ wie es daſelbſt zuginge/ und als er die
Zeitung bekam/ er waͤhre ſchon zweimahl von Herkules zur Erde geſchlagen/ und allemahl
gerettet/ entſetzete er ſich deſſen/ und befuͤrchtete ſich einer algemeinen Flucht/ ehe der Ent-
ſaz wuͤrde verhanden ſeyn/ dem er etliche Reuter nach einander zuſchickete/ daß er/ ſo viel
moͤglich/ eilen ſolte. Ladiſla hatte ſo viel Zeitung/ der Koͤnig waͤhre ſelbſt bey dieſem Fluͤ-
gel im ſchwarzen Harniſche/ und fuͤhrete auff dem Helme einen blauen Loͤuen/ der einen
Hund zuriß; deßwegen er mit 3000 Mann hin und her rante/ biß er ihn mit ſeiner Geſel-
ſchafft antraf/ und uͤberlaut rief: Koͤnig Mnata/ biſtu Ritters wert/ ſo laß deinen Feind
Koͤnig Ladiſla empfinden/ daß du ein Schwert fuͤhreſt. Dieſen Schimpff durffte er wegẽ
ſeiner inheimiſchen Feinde nicht uͤberhin wehen laſſen/ und ſtellete ſich mit dieſer Antwort:
Wann ich mich vor deinem Schwert fuͤrchtete/ wuͤrde ich dir ſo nahe nicht kommen/ noch
ſo weit nachgezogen ſeyn. Sie zuhaͤmmerten einander weidlich/ dann ihre guten Schwer-
ter
[775]Achtes Buch.
ter kunten den feſten Waffen nichts angewinnen/ biß endlich Ladiſla ſeinen Feind vom
Pferde ſtuͤrzete/ welcher im Augenblik von den ſeinen umringet und auffgehoben ward/
die ihn auch vor dißmahl ferneres Streits durchaus nicht gewehren wolten. Nun hatte
Herkules an ſeinem Orte es ſchon ſo weit gebracht/ daß die Feinde ſich enge zuſammen zo-
gen/ und die Hoffnung des Sieges albereit hatten fahren laſſen; aber da ihr Feldmar-
ſchalk zum dritten mahl herzu kam/ entzuͤndete ſich ihr Muht wieder von neuen; dann er
traf auf Arbianes Hauffen/ daß er gezwungen hinter ſich weichen/ und den Feinden Plaz
geben muſte/ deßwegen ſeiner Meden einer ſchleunig umhin rante/ und Herkules dieſe Zei-
tung brachte; der ſeinen lieben Schwager zuretten nicht faul wahr/ kam auch eben dazu-
mahl an/ als Arbianes ſich mit ihm in einen abſonderlichen Kampff eingelaſſen hatte/ und
durch ſeine Ringfertigkeit und Fechterkunſt/ die er ſehr wol gefaſſet/ ihn lange gnug auff-
hielt; aber endlich wuͤrde es den Stich nicht gehalten haben; dann der Pannonier taht
ihm ſehr gedrange/ gleich da Herkules mit 800 Teutſchen herzu rante/ und ihn anſchrihe:
Du Hund/ werde ich dich dann nicht ſchier gewiß faſſen koͤnnen? ſtellete ſich in Arbianes
Stelle/ der wider ſeinen Willen abweichen muſte/ und griff ihn zum dritten mahl an; aber
die Pannoniſchen Reuter wolten es durchaus nicht zugeben/ trenneten ſie mit Gewalt/ uñ
fingen mit den Teutſchen einen ſolchen blutigen Kampff an/ daß desgleichen den ganzen
Tag nicht vorgangen wahr. Es hatte dieſe Schlacht ſchon uͤber fuͤnff Stunden geweh-
ret/ und wahren an des Pannoniſchen Feldmarſchalks Seiten in dieſem algemeinen
Treffen 12000 erſchlagen/ und 5000 verwundet/ da hingegen Herkules nur 4000 miſſe-
te/ und 2000 beſchaͤdigte hatte. In Koͤniges Mnata Fluͤgel wahren in dieſem gemeinen
Gefechte 14000 nidergehauen/ und 7000 hart verwundet/ daher ihnen nit moͤglich wahr/
laͤngern Stand zuhalten/ weil auch Ladiſla nur 600 verlohren/ und 3000 Schadhaffte in
ſeinem Heere fand. Als es nun gleich drauff ſtund/ daß die Pannonier hinter ſich weichẽ
wolten/ kahmen etliche Reuter herzu gerennet/ mit der froͤlichen Zeitung/ der Entſaz waͤh-
re verhanden; welches doch die unſern nicht hoͤreten/ ſondern immerzu muhtig anſetzeten/
als die nunmehr an dem Siege nicht zweifelten/ daß auch Koͤnig Henrich ſich gefaſſet
machete/ mit dem Fußvolke den Angriff zutuhn/ dafern nicht Gott ſelbſt ins Mittel getre-
ten waͤhre/ ohn zweifel zu der unſern augenſcheinlichem beſten; dann es entſtund ein ſol-
ches erſchrekliches Ungewitter mit Donner/ Bliz und Regen/ daß Mann und Roß ſich
entſetzete/ und keiner das Gewehr brauchen kunte; ja der Sturm- und Wiꝛbelwind wuͤ-
tete dergeſtalt/ daß nicht allein die Huͤtten und Zelten in den Laͤgern uͤbern hauffen fielen/
ſondern etliche Reuter/ deren Pferde abgemattet wahren/ wurden mit ſamt den Roſſen
zur Erde geworffen/ daher dann die feindliche Voͤlker von ander gingen/ und jedes Heer
ſich abſonderlich ſtellete/ als haͤtte man den Friede ausgeblaſen/ oder einen Anſtand des
Geſechts gemacht. Das Wetter hielt keine halbe Stunde an/ und ſo bald ſichs geſtillet
hatte/ muſten die unſern Speiſe nehmen/ dann ſie wahren willens/ dem Feinde vor Abends
den Garaus zumachen/ und wunderten ſich uͤber alle maſſen/ daß die Pannonier nicht al-
lein feſt ſtunden/ ſondern auch ein groſſes Freuden Geſchrey ergehen lieſſen/ deſſen Urſach
ihnen aber gar bald vor Augen geſtellet ward; dann ſie ſahen die groſſe Macht des Entſatzes
in wolgeſchloſſener Ordnung mit neuẽ unbekanten Faͤhnlein daher zihen/ deren Anzahl ſie
auff
[776]Achtes Buch.
auff 60000 ſchaͤtzeten/ und doch 80000 vol wahren. Unſere Chriſten traten alsbald zu-
ſammen/ und fing Herkules dieſes Gebeht ūberlaut an/ welches ihm die andern im Herzen
nachſprachen:


HErꝛ JEſus Chriſt/ du Sohn des Allmaͤchtigen Gottes; du haſt die Schaͤndung deines het-
ligen Nahmens heut anhoͤren muͤſſen/ in dem der Wuͤterich dein geſpottet hat. O mein Heyland/ rette
du ſelbſt deines Nahmens Ehre/ wie du ſie an dem ſtolzen Sanherib gerochen/ und durch einen Eu-
gel ihm in einer Nacht 185000 gotloſe freche Mordbrenner erwuͤrget haſt; wie du den Spoͤtter Pha-
rao mit ſeinem frechen Heer im Schilffmeer erſaͤuffet haſt. Unſer Haͤufflein iſt geringe/ und welches
noch das aͤrgeſte/ ein aberglaͤubiſches Haͤufflein; aber O HErꝛ ſihe uns an deine Knechte/ laß unſer
Schwert durchdringen/ und erſchrecke ſie mit deiner Macht/ wie du die Heidniſchen Koͤnige vor Abra-
hams wenigen Knechten haſt furchtſam gemacht/ auff daß ihnen ihre Gottslaͤſterung nicht frey aus-
gehe. Du HErꝛ kanſt ſo wol durch Wenige und Matte/ als duꝛch Viel und Friſche helffen; ja tetz-
ſchon haſtu uns gezeiget/ daß wann dirs gefiele/ du die ganze Welt mit einem einzigen Donnerſchlage
uͤmkehren/ und in das ehmalige Nichts ſtuͤrzen koͤnteſt. Nun HErꝛ unſer Gott/ wir deine Kinder ver-
laſſen uns auff deinen Nahmen/ dann unſer Schwert kan uns nicht helffen; wir trauen auff deine
Barmherzigkeit/ dann unſere Macht iſt gegen den Feind als nichts zu rechnen; aber wann du uns dei-
ne Huͤlffe ſendeſt von deinem Heiligthum/ alsdann werffen wir Panier auff/ dann du HErꝛ biſt un-
ſere Zuflucht in der Noht/ und der Schild unſers Heils. Deswegen unverzaget/ ihr meine Glaubigen/
mit Gott wollen wir Tahten thun/ er wird unſere Feinde untertreten.


Nach gehaltenem Gebeht gingen ſie zu Raht/ wie ſie es beſt anſchlagen wolten. Koͤnig
Henrich meinete/ man muͤſte ſich zuruͤk ſetzen/ ob man einen Vortel/ und die alte Schanze
wieder einbekommen koͤnte/ alsdañ waͤhre man geborgen; aber Herkules hielt voꝛs beſte/
weil ihre Reuter eine groſſe Menge Pferde von den Feinden auffgefangen hatten/ wolten
ſie alles Fußvolk beritten machen/ alsdann koͤnten ſie noch 120000 Mann ins Feld fuͤhrẽ/
mit welcher Menge wol ehmahls 200000 geſchlagen waͤhren/ woran doch die Feinde bey
weitem nicht reichen koͤnten/ dann er wuͤſte ſicher/ daß der Feinde an dieſem Tage an die
80000 und mehr/ erſchlagen/ und zur Gegenwehr unduͤchtig gemacht waͤhren/ welches
man bey der geringen Zahl ihrer uͤberbliebenen Reuterey leicht abnehmen koͤnte; wuͤrde
demnach noͤhtig ſeyn/ dem Volke einen Muht zumachen/ und ſie zuvertroͤſten/ ihr Entſaz
aus Teutſchland wuͤrde gegen Abend verhanden ſeyn. Dieſer Raht ward vor gut gehal-
ten/ und trat Herkules unter das traurige Heer/ ſie mit dieſer Rede auffzumuntern; ihr
redlichen und ritterlichen Spießgeſellen/ wie ſehe ich euch doch ſo traurig/ als ob ihr ver-
ſchlagen odeꝛ Feldfluͤchtig waͤhret/ da ihr doch heute dieſen Tag dem Feinde an die 100000
Mann abgeſchlagen/ und ſeine vorige und groͤſte Macht bey nahe gar zu Bodem gelegt ha-
bet; liebeꝛ laſſet mich eure gewoͤhnliche Freidigkeit ſehen/ welche mich alleꝛ Fuꝛcht des Fein-
des benehmen kan. Eure Schwerter ſind ja noch nicht zubrochen; eure Arme nicht Lahm
oder ganz abgehauen. Zwaꝛ ich weiß wol/ was eueꝛ etliche mir einwenden wollen; der Feind
habe ſich geſtaͤrket/ und eine groſſe Manſchafft zum Entſaz bekommen; ja lieben Bruͤder/
waͤhre auch dieſer nit herzugenahet/ wuͤrden die uͤbrigen uns nur ein viertel Stuͤndichen
gekoſtet haben. Meinet ihr aber/ daß ſie den Kern ihres Volks auffs lezte geſparret haben?
es iſt ein zuſammen geraffetes Geſindle/ welches durch die Menge ſich ſelbſt hindern und
verderben wird. So iſt ja der unſern ſo ein kleines Haͤufflein nicht/ daß ſie uns einſchlieſſen
und lebendig freſſen koͤnten; laſſet ihrer den fuͤnfften Teil mehr ſeyn als der unſern iſt/ ſtaͤr-
ker
[777]Achtes Buch.
ker kan ich ſie nicht ſchaͤtzen; woltet ihr aber vor dieſem kleinen Uberſchuſſe euch entſetzen?
ich verſichere euch/ meine Bruͤder/ daß ihrer fuͤnffe gegen der unſern einen auff der Wahl-
ſtat liegen; alſo halte ich unſer einen ſo gut/ als ihrer fuͤnffe/ ja als ihrer achte/ nunmehr;
dann ihre wehrhaffteſten ſind gefallen/ und pochen ſie uns nur mit der Zahl ihrer Verzage-
ten. Wir haben noch ein herliches Fußvolk/ 50000 Mañ/ und ledige Pferde zum Uberfluß/
damit wollen wir uns alle beritten machen/ und 120000 redliche Reuter ins Feld ſetzen/
mit welcher Menge ich wol ehmals zweymahl ſo viel Voͤlkeꝛ aus dem Felde geſchlagen ha-
be/ als dorten vor uns halten; und deucht euch dieſes noch nicht gnug ſeyn/ werde ich euch
nunmehr offenbahren muͤſſen/ was ich bißher aus ſonderbahren Urſachen gar heimlich ge-
halten/ nehmlich/ daß mein Herr Vater noch ein ſtarkes Reuter Heer aus Teutſchland ver-
ſchrieben hat/ davon wir ſchon gewiſſe Zeitung haben/ daß ſie nicht gar weit mehr von uns
liegen. Wollet ihr aber leiden/ ihr meine Bruͤder/ daß dieſelben uns den ſchoͤnen Sieg ent-
wenden/ und ſich zueignen ſollen? darzu haben wir gewißlich es uns ſchon gar zu ſaur weꝛ-
den laſſen. Ja werdet ihrs mit geduldigen Augen anſehen koͤnnen/ daß ſie uns den reichen
Raub vor der Naſe hinweg nehmen/ der uns Arbeit und Blut gekoſtet hat? Ey laſſet uns
in Gottes Nahmen anſetzen/ und die Mordbreñer vollends auffreiben; ich verſichere euch/
ſie werden nicht lange Fuß halten/ wann ſie nur ſehen/ daß ihr den Muht habet/ euch auffs
neue mit ihnẽ einzulaſſen. Als das Heer dẽ Troſt des Entſatzes hoͤrete/ fingen ſie ein ſtarkes
Feld Geſchrey an/ daß es in der Lufft erſchallete/ welches der Feind meinete geſchehen ſeyn/
weil Fuͤrſt Olaff wieder zu ihnen kam. Dann unſere Koͤnige hatten alsbald nach dem ge-
endigten Ungewitteꝛ Leches an den Feind geſchicket/ und ihm andeuten laſſen/ dafeꝛn ſie dem
gefangenen Daͤniſchen Fuͤrſtẽ einiges Leid zufuͤgen wuͤrden/ ſolte es an den vier Oberſten/
welche ſie in ihrer Haft haͤtten/ ſondeꝛlich an Dropions Sohn ganz grauſam gerochen wer-
den/ derẽ zween ſie ſonſt gegen Fuͤrſt Olaff wolten loßgeben/ wie ſie es waͤhlen wuͤrdẽ. Dro-
pion hoͤrete ſolches gerne/ uñ erboht ſich alsbald/ Fuͤrſt Olaf gegẽ ſeinen Sohn uñ Pelegon
der Haft zuerlaſſẽ. Zwar der Koͤnig ſtund darauf/ dz an Pelegons ſtat ſein getraͤuer Hyppa-
ſus ausgewechſelt wuͤrde; aber Dropion wendete ein/ weil Olaff ſein Gefangener waͤhre/
ſtuͤnde es bey ihm/ wz vor welche er tauſchen wolte. Agis uñ Maſtyes ſetzeten dagegen/ daß
ja Hyppaſus dem Pelegon billich vorgezogen wuͤrde/ weil er eine hoͤhere Bedienung haͤtte;
aber dieſer antwortete/ Pelegon haͤtte an ſeiner Seite gefochten; haͤtte der andere Fluͤgel
auch Gefangene/ moͤchten ſie die ihren auch außwechſeln. Welches Maſtyes nit allerdinge
unbeantwortet laſſen wolte/ und zu ihm ſagete; man wolte ja nicht hoffen/ daß man die bei-
den unterſchiedlichen Fluͤgel anſehen wolte/ als wans zwey unterſchiedliche Heere waͤhrẽ/
nachdem ſie alle miteinander einem Koͤnige dieneten/ welcher auch billich dieſer Sache
den Ausſchlag zugeben haͤtte. Dropion war nicht gewohnet/ daß dieſer ihm ſo geherzt ein-
redete/ und ſagete mit hoͤhniſchen Worten; er haͤtte ſeiner Tahten noch wenig geſehen/ uñ
was er ſich hieſelbſt einzumiſchen haͤtte/ da er bey der Schlacht nicht eins waͤhre zugegen
geweſen? wir wollen uns hieruͤber nicht zweien/ ſagte Maſtyes/ aber das ſollet ihr wiſſen/ dz
ich meinem Koͤnige ja ſo redlich und traͤu diene als ihr/ ob gleich meine Tahten ſchlecht
und geringe ſind/ moͤchte auch wuͤnſchen/ daß der Feldmarſchalk den unzeitigen Eyfer ein-
halten koͤnte. Mnata geboht ihnen beiden ein Stillſchweigen/ und ſagte mit ſonderlichem
f f f f fErnſte/
[778]Achtes Buch.
Ernſte/ ſo wenig als er einen Diener haben wolte/ der ſich unterſtuͤnde ihm vorzuſchreibẽ/
ſo wenig koͤnte er gedulden/ daß ſeine vornehmſte Beamten ſich untereinander zweien ſol-
ten. Dropion entſetzete ſich nit ſo ſehr wegen des Koͤniges Rede/ als daß Maſtyes ihn deꝛge-
ſtalt anzapffen durffte/ und begunte ihm ſein Gewiſſen zuſagen es muͤſte ſein Anſchlag veꝛ-
rahten ſeyn; doch ließ er ſeine Furcht bald fallen/ und fragete Maſtyes/ ob er ſo viel Her-
zens haͤtte/ wegen gefuͤhreter nachteiliger Stachelrede es mit ihm außzutragen. Ja ant-
wortete dieſer/ ich wil euch zu recht ſtehen/ wie ihrs begehret; aber nicht ehe/ als nach vol-
lendeter Schlacht/ und daß unſer allerſeits gnaͤdigſter Koͤnig Richter ſey. Mnata redete
ihnen nochmahl ein/ ſich alles Gezaͤnks zuenthalten/ als lieb ihnen ſeine Gnade waͤhre; ob
ſie ſich untereinander beiſſen wolten/ daß der Feind ſie deſto leichter freſſen koͤnte? es ſolte
dem Feldmarſchalk Dropion ſein Begehren eingewilliget ſeyn/ und hoffete er ſeinen liebẽ
getraͤuen Hyppaſus durch Schwertes Kraft bald loß zumachen. Dropion durffte fragen/
unter weſſen Befehl die neuen herzu gefuͤhreten Voͤlker ſeyn ſolten. Welches den Koͤnig
verdroß/ und zur Antwort gab; unter weſſen ſonſt/ als unter meinem/ und welche ich dar-
uͤber geſetzet habe? Ich frage nicht/ gnaͤdigſter Koͤnig/ ſagte er/ nachdem hoͤchſten Haͤupte/
welches uns allen befielet/ ſondern welcher Statverweſer ſie fuͤhren ſol. Der ſie auff dem
Wege hat befehliget/ antwortete der Koͤnig/ der ſol ſie auch an den Feind fuͤhren/ gleich
wie ich und Agiß an Hyppaſus Stat meinen erſten Entſaz; ihr aber den Uberſchuß eu-
res Heers und zwar in meinem Nahmen. Hier merkete Dropion/ daß die Karte falſch ſeyn
muſte/ wolte derwegen den Koͤnig weiter nit reizen/ ſondern ſagete in ertichteter Demuht;
meines Koͤniges Wille ſol mein Befehl ſeyn/ und deſto weniger Voͤlker ich unter mir ha-
ben werde/ deſto weniger werde ich auch zuverantworten haben; nam damit Abſcheid in
ſolcher Verwirrung/ daß ihm das Geſicht ſchier dunkel worden waͤhre; aber die Verwaͤ-
genheit bließ ihm bald ſtolzere Gedanken ein. Er ließ Fuͤrſt Olaff vor ſich bringen/ und ſa-
gete zu ihm; du haſt dich zuerfreuen Daͤne/ daß dieſes Mittel zu deiner Erloͤſung verhan-
den iſt/ ſonſten haͤtteſtu mir gewißlich ſollen den Galgen beſcheiſſen/ doch bekomme ich dich
zum andernmahle/ [w]il ich dieſer Zuſage unvergeſſen ſeyn. Dem Fuͤrſten wolte das Herz
im Leibe wegen des Schimpffes berſten/ und antwortete ihm; hoͤre du unbeſcheider Pan-
nonier; wann in dir eines hoͤflichen Ritters einziger Blutstropffen waͤhre/ wuͤrdeſtu dich
in dein Herz und Blut ſchaͤmen/ einem Koͤniglichen Fuͤſten den Galgen anzumuhten/ wel-
cher dir nie kein Leid getahn/ nur daß er in einem redlichen Feldzuge ſeinen beſten Freunden
zugefallen/ gegen deinen Koͤnig ſich ohn einige Bitterkeit hat gebrauchen laſſen. Iſt dir
aber der Galgen beſcheret/ koͤmſtu noch zeitig gnug hinan. Dropion fragete ihn/ ob er auch
wuͤſte mit wem erredete; ja/ antwortete er/ weil du nicht der Koͤnig/ ſondern ſein Diener
biſt/ ſo rede ich mit einem der viel geringer iſt als ich ein gebohrner Koͤniglicher Fürſt/ und
Erbe eines Koͤnigreichs. Der Pannonier haͤtte ſich gerne gerochen/ aber wegen der noch
nit eingelieferten Gefangenen durffte er nicht. Alſo nahm Olaff einen freimuhtigen Abzug/
und kam gleich dazumahl vor unſerm Lager an/ wie das Feld Geſchrey erging; klagete/ was
vor Hohn im begegnet waͤhre/ und vermochte die ganze Fuͤrſtliche Geſelſchaft/ daß ſie ſich
verpflichteten/ es zuraͤchen; Nachgehends zeigete er an/ daß der Feind alles Fußvolk zu
Pferde ſetzete/ und eine Macht in die 170000 ſtark beyeinander haͤtte/ welche dannoch die
groſſe
[779]Achtes Buch.
groſſe Menge ihrer erſchlagenen ſehr beklageten/ welche ſich uͤber 70000 Mann belieffe;
haͤtten auch den Schluß gemacht/ die unſern zuumzihen/ und von allen Orten her anzu-
greiffen. Worauff ſie alsbald ſchloſſen/ auffzubrechen/ und hinter ſich zuweichen/ damit ih-
nen die erſchlagenen nicht am Gefechte hinderlich waͤhren. Der Feind/ da er ihren Abzug
ſahe/ gedachte ſie wuͤrden gar ausreiſſen/ deßwegen ſie mit groſſem Geſchrey folgetẽ; wor-
an aber Herkules/ welcher den Nachzug hatte/ ſich nicht kehrete/ ſondern immer in guter
Ordnung fortruͤckete/ biß er einen guten Raum erhielt/ und ſich zum Treffen fertig ma-
chete. Ihre Ordnung hielten ſie/ wie zuvor/ und muſte Koͤnig Henrich mit Fabius und ſei-
nen berittenen Fußvoͤlkern in der Mitte halten. Herkules nam zu ſich lauter Teutſche und
andere Voͤlker/ aber keine Boͤhmen/ 40000 Mann; Ladiſla eine gleiche Anzahl mehren-
tells Boͤhmen/ und etliche tauſend Teutſchen/ in gleicher Anzahl; und wurdẽ Koͤnig Hen-
rich gleich ſo viel von den berittenen Fußvoͤlkern gelaſſen. Hingegen führete Koͤnig Mna-
ta gegen Ladiſla 60000 wolgeuͤbete Reuter; Feldmarſchalk Dropion gleich ſo viel wider
Herkules/ und zwar unter denen den beſten Kern ſeiner getraͤuen. Maſtyes aber in der
Mitte 50000 gegen Koͤnig Henrich. Der Feind meinete anfangs nur Schaars-weiſe zu
ſtreiten/ und alſo die unſern gemaͤhlig aufzureiben/ weil ſie über Zuverſicht dieſelben ſtaͤrker
befunden/ als ſie nicht geglaͤubet haͤtten/ daher ſie an allen Orten 12000/ ingeſamt 36000
Mann auf die unſern loßgehen lieſſen/ denen zubegegnen die unſern anfangs bedenken tru-
gen aber doch endlich dieſen Saz wageten/ und Olaff/ Siegward und Fabius jeden mit
8000 wolgeuͤbeten entgegen gehen lieſſen/ welche auch im erſten Anfal dergeſtalt wirketen/
daß der Feind ſich der Herzhafftigkeit verwunderte; inſonderheit wahr Olaff wegen des
erwieſenen Schimpfs ſo giftig eiferig/ daß er als ein blinder zufiel/ und in kurzer Zeit ſei-
nen Feind draͤngete/ daß er hinter ſich weichen muſte/ nachdem er ihm 4000 abgeſchlagen
und 5000 verwundet hatte. Dropion ſtaͤrkete ſie mit 10000 wolgeuͤbeter Manſchafft/ de-
nen Olaff in guter Ordnung wiche/ und ſeine Voͤlker/ deren nur 600 tod/ aber 2000 wund
wahren/ abfuͤhrete/ weil Arbianes und Leches ihn mit 5000 entſetzeten; und als dieſelben
dem Feinde gar zu leicht fallen wolten/ nam Olaff 3000 ſeiner vorigen Manſchafft/ und
ging ihnen damit zu Huͤlffe/ da er ſich bezeigete/ als ob er den ganzen Tag noch keinen
Schwertſchlag gefuͤhret haͤtte/ daß die Feinde gedachten/ er waͤhre Herkules ſelbſt in an-
dern Waffen. Siegward taht auch ſein beſtes/ aber er hatte einen hefftigen Feind/ dz ihn
Ladiſla noch mit 1000 Mann unter Neda Anfuͤhrung ſtaͤrken muſte/ da waren ſie gewach-
ſen/ und vergoſſen einen groſſen Teil ihrer Feinde Blut/ daß deren nicht 5000 ohn Wun-
den blieben/ und 3000 gefellet wurden/ da hingegen der unſern 1000 erſchlagene/ und 800
verwundete wahren. Als ſie nun den lezten Anfal tahten/ und ihren Feind gar auffzureiben
die Rechnung macheten/ ſahen ſie 12000 friſche heran hauen/ daher ihnen Leches mit 3400
zu Huͤlffe ging/ daß ſie dieſen hefftigen Anfal zimlich auffhaltenkunten. An ſeiner Seite
ſchlief Fabius auch nicht/ hieb und ſtach umb ſich/ daß ihm niemand nahen wolte/ wie dañ
ſeine Leute/ halb Teutſche und halb Boͤhmen ſich nicht traͤger erzeigeten/ daß auch hieſelbſt
der Feinde 3500 erſchlagen/ und 4300 verwundet wurden/ die uͤbrigen aber ſich nach Ent-
ſaz umtahten/ der ihnen nicht gewegert ward/ dann Maſtyes ſchikte ihnen 8000 zu huͤlffe/
die empfangene Schlappe zuraͤchen; aber Prinſla mit 5000 Mann trat zu Fabius/ der ſich
f f f f f ijnoch
[780]Achtes Buch.
noch wol befand/ ungeachtet er 900 eingebuͤſſet/ und gleich ſo viel verwundete hatte; Da
gab es nun von neuen an allen dreyen Orten ſehr harte Stoͤſſe/ daß zwar an Feindes Sei-
ten die meiſten erſchlagen und verwundet wurden/ aber dannoch der unſern eine zimliche
Anzahl drauff ging/ und Herkules den uͤberſchlag machete/ daß wann man alſo fortfahren
ſolte/ es ihres Orts endlich an Manſchafft gebrechen wuͤrde; taht deßwegen ſeinem Va-
ter und Ladiſla zuwiſſen/ es wuͤrde am rahtſamſten ſeyn/ daß man mit der ganzen Macht
foͤchte/ vielleicht ſchikte ſichs/ daß der Feinde ein oder ander Hauffe bald in die Flucht ge-
trieben wuͤrde/ alsdann koͤnte man in gewiſſer Hoffnung des Sieges ſtreiten. Weil dann
dieſer Raht vor beſt angenommen ward/ ſchicketen ſie ſich gemehlich darzu/ und naheten
den ſtreitenden/ die ſich rechtſchaffen verwickelt hatten/ und keiner dem andern eines Fuſ-
ſes breit weichen wolte. Die Feinde ſahen dieſes Vornehmen/ ruͤcketen mit ihrer groſſen
Menge auch fort/ ünd ſprachen den ihren ein friſch Herz ein: Sie ſolten nur eine halbe
Stunde Muͤhe uͤber ſich nehmen/ alsdann würde kein Feindes Hund mehr uͤbrig ſeyn;
gingen hiemit auff die unſern/ nicht anders als die Wahnſinnige und Verzweifelte/ weil
ſie des unbewaͤglichen Schluſſes wahren/ entweder zuſiegen/ oder nicht ungerochen zuſter-
ben. Dropion wolte ſich auch als ein getraͤuer Diener ſeines Koͤniges aͤuſſerlich bezeigen/
dem nunmehr ſein verraͤhteriſches Herz mochte beginnen etwas leid zuwerden/ nachdem
er aus allerhand Reden und Vornehmen des Koͤniges merkete/ ſein Anſchlag wuͤrde ihm
fehlen/ oder wol ſchon gar verrahten ſeyn; wendete ſich demnach zu ſeinem Koͤnige/ ihm
des Feindes Vorhaben ſelbſt zuhinterbringen/ und redete ihn ſolcher geſtalt an: Wie hef-
tig ich mich gleich heut und voriger Tage bemuͤhet habe/ Euer Koͤnigl. Hocheit Anſehen
zuverfechten/ und den Feinden ſehen zulaſſen/ was Pannoniſche Krafft und unerſchrocke-
ner Muht vermag/ ſo wil ich doch in dieſem Satze eine ſonderliche Bewehrung tuhn/ daß
mein Koͤnig Mnata wol ſaͤnfftere Schmeichler und verleumderiſche Ohrenblaͤſer/ aber
keinen getraͤueren Diener und Ritter in ſeinem ganzen Reiche/ als ſeinen Dropion habe/
der aus wolbedachtem Muhte ſchwoͤret/ von dieſem Platze nicht lebendig zuweichen/ biß
der Raͤuberiſche Hauffe dort vor uns/ erleget und vertrieben iſt; vor welchen Dienſt ich
keine andere Belohnung begehre/ als daß Eure Koͤnigl. Hocheit mit voriger Gewogen-
heit mir gnaͤdigſt zugetahn verbleibe/ und das Angeben meiner boßhafften Feinde nicht zu
Herzen nehme. Mein getraͤuer redlicher Stathalter und Feldmarſchalk/ antwortete ihm
der Koͤnig/ ich erkenne dieſe Ergebenheit billich/ wil ſie auch unvergolten nit laſſen; greif-
fet nur die Feinde an/ und machet dem Sieg einen gluͤklichen Anfang/ welcher ohndas
mehrenteils auff euer Fauſt und Tapfferkeit beſtehet; ich wil ritterlich nachfolgen/ und
entweder mit euch ſiegen/ oder Koͤniglich ſterben. Wolan/ ſagte Dropion/ das Feld iſt un-
ſer. Fiel mit dem halben Heer in die unſern als ein toller Hund/ nachdem er den ſeinen die-
ſe Draͤuung hatte hoͤren laſſen: Wer vor dem Feinde weichen wuͤrde/ ſolte von ſeinem
Schwerte nidergehauen werden. Er ſetzete aber daſelbſt an/ wo Koͤnig Henrich mit ſeinẽ
berittenen Fußknechten hielt/ welche ſolcher Hefftigkeit ungewohnet/ ſich vor dieſen ſtar-
ken Streichen nicht zuſchuͤtzen wuſten/ daher nicht allein ihrer etliche tauſend alsbald nie-
dergeſchlagen wurden/ ſondern die uͤbrigen gerieten in ſolche groſſe Unordnung/ daß un-
moͤglich fiel/ ſie wieder einzurichten/ uñ welches das aͤrgeſte wahr/ begunten ihrer viel ſchon
Schaars-
[781]Achtes Buch.
Schaarsweiſe die Flucht zunehmen/ und nach der Seiten auszureiſſen. Koͤnig Henrich
erſchrak des Unfals nicht wenig/ legete zwar allen fleiß an/ den Schaden zuerſetzen/ und
taht nicht geringen Abbruch denen/ die ſich an ihn wagen durfften; aber er wahr von Fein-
den übermannet/ und von ſeinen Leuten verlaſſen/ daß ſeine Bemuͤhung wenig ſchaffen
kunte. Herkules ſahe dieſen Unfal/ und wahr gleich im Anzuge/ ſeinen lieben Vater zuent-
ſetzen; aber Koͤnig Mnata ließ ihm durch ſeinen getraͤuen Agis mit 30000 Mann voꝛbeu-
gen/ damit Dropion in ſeinem gluͤklichen Treffen nicht geſtoͤret wuͤrde. Dieſes gluͤckete
dem Feinde ſo wol/ daß Herkules ſein Vorhaben nicht zu Werk richten kunte/ deßwegen
er Siegwarden mit 8000 Mann abſchickete/ den Entſaz zuverſuchen/ kam aber zu ſpaͤt/
und vernam mit groſſer Herzenspraſt/ daß Koͤnig Henrich in Feindes Gewalt gerahten/
und unbarmherziger weiſe an Haͤnden und Fuͤſſen gebunden/ davon geſchleppet waͤhre;
daher dann ſeine Voͤlker/ weil ſie ohn Haͤupt wahren/ durchaus keinen Widerſtand mehr
tahten/ ſondern teils gefangen/ teils nidergeſchlagen wurden/ nur Fabius/ der Koͤnig Hen-
richs Statverweſer wahr/ behielt irgend 8000 Mann umb ſich/ mit welchen er dem ra-
ſenden Dropion entgegen ſtund/ und gleich in dem wahr/ als Siegward ſich zu ihm nahe-
te/ daß die ſeinen ausreiſſen wolten; wurden aber durch den Entſaz geſtaͤrket/ und verſu-
cheten in feſter Zuſammenſetzung ihr beſtes. Nun wahr Herkules ſehr ungehalten/ daß er
ſeinem Vater nicht beiſpringen kunte/ und ſagete ihm ſein Herz ſchon zu/ daß es nicht wol
umb ihn ſtehen wuͤrde/ noch ehe ihm die leidige Zeitung kam/ deßwegen er einen Reuter an
Ladiſla abgehen ließ/ ihn gegen Dropion auffzumahnen/ deſſen Voͤlker albereit den Sieg
ausrieffen; dann Siegwards Entſaz ließ nach kurzer Gegenwehr ſich auch die Furcht ein-
nehmen/ daß ſie anfangs gar verzagt ſtritten/ und endlich mit Fabius Hauffen ſich zur
Flucht ſchicketen/ daher dieſe beyde Helden nebeſt Prinſla/ Markus und Gallus den Fein-
den lebendig in die Haͤnde gerieten/ weil ſie lieber fechtend ſterben/ als ſchaͤndlich ausreiſ-
ſen wolten/ wurden aber uͤbermannet/ und wider ihren Willen hinweg geſchleppet. Ladiſla
ward dieſer Niederlage gewahr/ und ſahe wol/ daß die Trennung dieſes Hauffens dem
ganzen Heer ſchaͤdlich ſeyn wolte/ ging aber doch mit den ſeinen unerſchrocken fort/ ließ
auch die Fluͤchtigen zu ſich ſamlen/ als viel moͤglich wahr/ und machte durch ſeine Ankunft
Dropions Voͤlker ſtutzen/ daß ſie ſich zuſammen zogen/ und vom wuͤrgen ablieſſen/ welches
ihr Fuͤhrer ihnen als eine unverantwortliche Faulheit verwieß/ ſie auffs neue mit herzhaf-
ten Worten auffmunterte/ und eines ſtarken Entſatzes ſie vom Koͤnige vertroͤſtete/ daher
ihr Muht wieder zunam/ daß ſie auff Ladiſla (dem ſie an der Menge weit uͤberlegen wahrẽ)
nicht anders angingen/ als haͤtten ſie noch keinen Schwertſchlag gefuͤhret. Da ging es
nun an ein maͤtſchen und wuͤrgen; dann Ladiſla durffte ſich nicht enge zuſammen zihen/
daß er nicht umringet würde/ darumb wurden ſeine Glieder geſchwaͤchet/ und ſetzeten bald
im Anfang einen groſſen Teil der ihrigen zu. So verſchlief Dropion ſeine Wolfahrt nit/
ſondern daß er auch dieſem Feinde in kurzem den Garaus machen moͤchte/ foderte er von
ſeinem Koͤnige noch 10000 zu huͤlffe/ welche dergeſtalt anſetzeten/ daß auch Ladiſla Voͤlker
zuweichen begunten/ und wuͤrden zeitig die Flucht genommen haben/ dafern nicht Olaff
und Klodius mit 3000 von Herkules zu ihnen geſtoſſen waͤhren/ welche durch ihren ritter-
lichen Anfal den Feind auffhielten/ daß Ladiſla ſich wieder ſetzen kunte. Herkules tummel-
f f f f f iijte ſich
[782]Achtes Buch.
te ſich inzwiſchen weidlich mit Agis/ der doch nicht recht anbeiſſen wolte/ nachdem er be-
fehlicht wahr/ nur den Feind auffzuhalten/ damit er gegen Dropion keinen Entſaz ſchickẽ
koͤnte; aber ſein Vorhaben wolte ihm nicht nach Willen gluͤcken/ dann Herkules ſchertzete
nicht/ ſondern taht ihm ſo gedrange/ daß er ſich zuruͤk auff ſeinen Koͤnig zihen muſte/ der
ihn mit 8000 ſtaͤrkete/ daß er zimlicher maſſen beſtand wahr/ daher Mnata mit ſeinen uͤ-
brigen dem Dropion zu huͤlffe ging/ der Hoffnung/ an dieſem Orte den voͤlligen Sieg zu
behaͤupten/ dann hernach wuͤrde es leicht ſeyn/ Herkules und ſein Haͤuflein mit geſamter
Macht anzugreiffen und niderzulegen. Nun muͤſſen wir dannoch unſerer elenden Ge-
fangenen nicht gar vergeſſen/ welche in Feindes Lager gefuͤhret wurden/ woſelbſt man ſie
entwapnete/ und alsbald ſcheidete/ daß jeder abſonderlich ſeyn/ und veꝛwahret werden mu-
ſte. Koͤnig Henrich empfand dieſen Schimpff hefftiger als den Tod ſelbſt/ dann er ward
von dreyen Pannoniern mit herben Spot angefahren/ welche ihn erinnerten/ er ſolte ſich
gefaſſet machen/ bald nach gehaltener Schlacht den Galgen mit ſeinem grauen Haͤupte zu
zieren; und begegnete den uͤbrigen Gefangenen keine geringere Schmach/ welche ſie doch/
ſo beſt ſie mochten/ verſchmerzeten/ weil ſie der Hoffnung lebeten/ Gott wuͤrde den Sieg
auff ihre Seite fallen laſſen/ daß ſie mit andern ausgewechſelt/ und auff freyen Fuß geſtel-
let wuͤrden. Ladiſla/ wie droben gemeldet/ hatte ſich gegen Dropion in etwas wieder geſet-
zet/ ſo daß Gewin und Verluſt in gleicher Wage hing/ ja faſt auff der unſern Seite aus-
ſchlagen wolte; aber Koͤniges Mnata Ankunfft machete eine ſchleunige Enderung/ als
welcher ſich bemuͤhete/ die unſern von der Seite her anzugreiffen/ und ihre Ordnung zu
trennen/ welches ihm ſo wol geriet/ daß er ſich faſt ohn Verluſt hinein drang/ und unter den
abgematteten Boͤhmen eine hefftige Blutſtuͤrzung verurſachete/ welche Olaff gerne ab-
gewendet haͤtte/ oder zum wenigſten gemiltert; aber die Voͤlker wahren gar zu erſchrockẽ/
und uͤberdas mehrenteils ſchon verwundet/ daher ſie ſich nach der Flucht umſahen/ welche
ſie voͤllig vornahmen/ als von den Feinden ausgeruffen ward/ daß Herkules Hauffe erle-
get waͤhre; dann hiedurch entfiel ihnen der Muht/ die Faͤuſte ſunken hin/ und gedachten an
keine Gegenwehr/ ſondern gingen bey tauſenden uñ hunderten fort/ als ob ihnen das lauf-
fen angeſagt/ und die Gegenwehr verbohten waͤhre. Zwar die beherzeſten Teutſchen hieltẽ
bey ihren Haͤuptern Fuß/ wolten auch lieber ſterben/ als ihre Feld Herren ſchaͤndlich ver-
laſſen/ weil aber ihr Haͤuflein gar zugeringe wahr/ wurden ſie uͤbermannet und abgetriebẽ/
daher ihrer viel einbuͤſſeten/ und von den Feinden erleget wurden. Ladiſla wahr Zeit ſei-
nes Lebens in ſolcher Angſt nicht geweſen/ auch da er unter Buͤttels Hand ſich befand;
Er ſahe/ daß unmoͤglich wahr/ den Sieg ſolcher geſtalt zubehaͤupten/ maſſen er kaum 3000
Mann bey ſich hatte/ welche von den Feinden von allen Seiten ſo gar eingeſchloſſen wah-
ren/ daß ſie ſich kaum regen kunten/ und mit ihrem Gewehr ſich ſelbſt beſchaͤdigten; uͤber
das wahr Olaff/ Klodius und Neda ſchon in Feindes Haͤnden/ und hielt nur Leches bey
ihm/ welchen er in dieſer Angſt alſo anredete: Mein Freund/ es hat dem lieben Gott gefal-
len/ die Abgoͤtterey meiner Untertahnen durch das Pannoniſche Schwert heimzuſuchen
und abzuſtraffen; Ja ich ſelbſt habe mit meinen Suͤnden ein ſolches/ und noch wol ein
mehres verdienet; jedoch wil ich wider meinen gnaͤdigen GOtt nicht murren/ noch
meinen Muht ſinken laſſen/ ſondern fechten/ als lange mir das Schwert in der Fauſt
bleibet;
[783]Achtes Buch.
bleibet; der barmherzige GOtt bewahre nur meinen lieben Herkules wegen ſeiner Froͤm-
migkeit/ daß er lebendig entrinnen moͤge/ derſelbe wird meinen Tod ſchon zu raͤchen wiſſen.
Euer Koͤnigl. Hocheit Tod wende Gott in Gnaden ab/ antwortete Leches/ deſſen Almacht
kan uns retten/ da wir keine rettung ſehen; nur bemuͤhe ſich eure Hocheit/ mit der Flucht
davon zukommen/ welches wol geſchehen kan/ ſo wil ich den Feind nach vermoͤgen auffhal-
ten/ weil ich mein Blut in keiner Bedienung beſſer anzuwenden weiß; uñ vielleicht iſt Koͤ-
nig Herkules ſchon in ſicherheit/ ſo daß er aus der Noht eine Tugend gemacht/ und ſein Le-
ben auff ein beſſer Gluͤk durch die Flucht erhalten hat. Aber Ladiſla kunte ſich hierzu durch-
aus nicht verſtehen/ ſondern gab dieſe Antwort: Die Flucht iſt zu ſpaͤt/ und die Schande
zu nachteilig/ deswegen folget mir/ und laſſet uns ſehen/ was Gottes Barmherzigkeit mit
uns vor hat/ ohn deſſen willen kein Haͤaͤrlein von unſerm Haͤupte fallen kan- Macheten
ſich hiemit aus dem Gedraͤnge/ und in begleitung 800 Teutſchen brachen ſie durch/ daß ſie
raum zu fechten gewonnen/ und uͤber 4000 der ſtaͤrkeſten Feinde niderſchlugen/ matteten
ſich aber ſo gar ab/ daß ihnen die Arme entſchlieffen/ und die Schwerter aus den Faͤuſten
fielen/ dann ſie hatten ſich durch Arbeit in den ſchweren Waffen dergeſtalt erhitzet/ daß ih-
nen die Zunge am Gaumen klebete/ und ſie wegen durſtes vermeineten den Geiſt auffzuge-
ben, es erkenneten aber die Feinde den Boͤmiſchen Koͤnig an den Waffen/ deswegen ward
ihnen von Mnata und Dropion ernſtlich gebohten/ ihn nicht zu fellen/ ſondern lebendig an-
zunehmen/ welches auch geſchahe/ daß er nebeſt Leches und 200 Reutern vom Pferde ge-
riſſen/ mit Zaͤumen und Sattelriemen gebunden/ und nach dem Lager gefũhret ward. Her-
kules wahr dieſes unglüklichen falles nicht allein berichtet/ ſondern auch/ daß ſein H. Vateꝛ
und andere mehr gefangen wahren/ welches ihm die Seele durchſchnitte/ und in dieſer Ge-
fahr ſich nicht zubegreiffen wuſte; ſo hatte er keinen ſonderlichen Kriegsverſtaͤndigen mehr
bey ſich/ als Arbianes/ welchen zu retten er ſich aͤuſſerſt bemuͤhete/ und ihm deswegen ernſt-
lich geboht/ er ſolte ſtraks angeſichts ſich mit 1000 wolberittenen durchſchlagen/ und nach
Prag reiten/ daſelbſt anzuordnen/ daß die Stad mit noͤhtiger Mañſchaft und Speiſe ver-
ſehen/ und ganz Teutſchland in Harniſch gebracht wuͤrde/ weil vor dißmahl der Sieg ver-
muhtlich auff Feindes ſeite fallen duͤrffte; welchem Befehl er wieder ſeinẽ willen nachkam/
aber doch aus ſonderlicher ſchickung Gottes/ dann es gluͤckete ihm nicht allein/ daß er von
Feinden unangegriffen blieb/ ſondern weil ſein Hauffe zimlich anſehnlich wahr/ und dan-
noch vor fluͤchtig angeſehen ward/ hieben ihm die andere Feldfluchtige gutesteils nach/ uñ
folgeten ſeinem Huefſchlage; es wahren aber mehrenteils Parther und Meden/ welche er
anfangs mit ſich nam/ welche auch redlichen Stand bey ihm gehalten hatten/ daß Herku-
les bekennete/ wann ehmahls die Parther nur halb ſo traͤulich vor ihren Koͤnig gefochten
haͤtten/ wuͤrde Artaxerxes die Feldſchlacht nicht erhalten haben. Nicht lange wahr Arbia-
nes hinweg/ da ging die ganze Pannoniſche Macht auff Herkules an/ und rieffen allent-
halben ihren Sieg aus/ welches er vernehmend/ ſeine Leute alſo anredete: Gedenket/ daß
ihr freygebohrne Teutſchen/ und nicht gewohnet ſeid/ Bande und Ketten der Leibeigen-
ſchaft zu tragen; iſt unſere Stunde verhanden/ ſo wollen wir ehrlich ſterben/ und gleichwol
unſer Blut ſo teur verkaͤuffen/ als es immer gelten kan. Seine Leute wahren willig/ mit
ihm in den Tod zu gehen/ ungeachtet ſie ſich albereit ſehr abgearbeitet hatten/ und groſſen
teils
[784]Achtes Buch.
teils verwundet wahren; ſetzeten alſo 13000 ſtark dermaſſen in den Feind/ daß alles was ſie
traffen/ zu grunde gehen muſte. Ihr Anfal geſchahe zu gutem Gluͤk auff Koͤnig Mnata/
und ob zwar die Pannonier alle Gegenwehr verſucheten/ ihn zu befreien/ ſo drang dannoch
ſein Loͤuenmuht hindurch/ da ſeine Voͤlker die anfallenden auffhalten muſten/ daß er ſein
Schwert wieder den Koͤnig recht gebrauchen kunte/ auff welchen er dergeſtalt zuſchlug/
daß ihn von wenig ſtreichen geſchwand/ ihn vom Pferde riſſe/ und durch drey Teutſchen
ihm das Haͤupt entwapnen ließ/ mit der bedraͤuung/ wo er im geringſten ſich wegern wuͤr-
de mit zu reiten/ wohin man ihn fuͤhrete/ ſolte ſeines lebens nicht mehr ſeyn; ſonſt ſolte es
ihm gehen wie es ſeine von ihm gefangene Anverwanten haben wuͤrden. Darauf ſchloſſen
ihn 200 wolberittene Teutſchen zwiſchen ſich/ und nach Herkules Befehl gingen ſie als
Feldflüchtige des geradeſten weges mit ihm nach Prag zu. Die Pannonier fingen hierauf
ein ſtarkes Geruffe an; Unſer Koͤnig iſt gefangen/ Koͤnig Mnata iſt gefangen; ja ſie ma-
cheten ſich hin zu Dropion/ mit ermahnung/ die verſehung zu tuhn/ daß eine ſtarke Schaar
nachgeſchicket wuͤrde/ ihn wieder loß zu machen; aber dieſem wahr ſolche Zeitung ein ge-
funden Freſſen/ weil er hoffete ſeines Koͤniges ſolchergeſtalt ohne zu werden; befahl deswe-
gen die Feinde/ ſo annoch gegenwaͤrtig/ anzugreiffen/ und den voͤlligen Sieg zu behaͤupten/
alsdann ſolte ſich ihr Koͤnig ſchon wieder finden. Damit fielen ſie als wilde Ochſen auff
Herkules Leute/ beklemmeten ſie umb und umb/ und wuͤrgeten alles vor ſich weg/ biß Her-
kules mit 5000 an einem Ende durch brach/ in meinung/ ſich nach einer Enge zuzihen/ und
daſelbſt/ als lange er lebete/ Stand zu halten; aber ſeine Voͤlker meineten nicht anders/ als
daß er die Flucht zu nehmen vorhabens waͤhre/ daher ſucheten ſie ſich auch zu retten/ und
gingen zuſtreuet fort/ was die Pferde lauffen kuntẽ. Da befahl nun Herkules ſich der barm-
herzigkeit Gottes/ und ſchickete ſich zum gewiſſenruͤhmlichen Tode. Sein Blaͤnke wolte
ihn zwar wieder ſeinen willen davon tragen/ haͤtte auch ohnzweifel ſich in ſicherheit bringen
koͤnnen/ aber er wolte nicht/ und muſte das Pferd gezwungen umbkehren/ da er ſelb 300 auff
eine Schaar 4000 ſtark anfiel/ und mit ſeiner Fauſt 15 manliche Ritter erlegete; die ſeinen
ſpareten ſich auch nicht/ und weil ſie den gewiſſen Tod vor Augen ſahen/ trieben ſie ſolch
Wunder/ daß ihrer keiner unter fuͤnff oder ſechs Feinde niderlegete/ und die uͤbrigen vor
ihnen ausweichen muſten; aber ein friſcher Hauffe 6000 ſtark uͤberfiel ſie von neuen/ trieb
ſie enge ineinander/ daß ſie biß auff 40 alle auffgerieben/ und die uͤbrigen/ unter welchen
Herkules wahr/ von den Pferden geriſſen/ und hinweg geſchleppet wurden. Hiemit wahr
der vollige Sieg in Dropions Haͤnden/ wiewol durch ſehr blutige überwindung; maſſen
der Pannonier in dieſem lezten Treffen 50000 erſchlagen und 16000 heftig verwundet
wahren. Der unſern dagegen lagen aus dieſer lezten Schlacht 45000 geſtrecket/ und hat-
ten ſich uͤber die Geſunden 20000 verwundete durch die Flucht errettet/ auch unterſchied-
liche hohe Pannoniſche Befehlichshaber mit ſich gefuͤhret. Dropion ward von des Koͤni-
ges Getraͤuen vermahnet/ den Fluͤchtigen nachzuſetzen/ ob ihr Koͤnig wieder koͤnte loßge-
macht werden; aber darzu kunten ſie ihn nicht bewaͤgen/ dann er gab vor/ das Heer waͤhre
durch den heftigen und langwierigen Streit abgemattet/ und gaͤbe es vorwarts unter-
ſchiedliche enge Durchzüge/ woſelbſt die Fluͤchtigen ohn zweifel ſich ſamlen/ und ſtand hal-
ten wuͤrden. Worauff Maſtyes antwortete: Je ſo mus dannoch mein Koͤnig nicht ſo gar
verlaſſen
[785]Achtes Buch.
verlaſſen ſeyn/ ſolte auch alles übern hauffen gehen; ließ alsbald 12000 von ſeinen Leu-
ten (denen Agiß 200 des weges erfahrne zu gab) nachhauen/ welches gleichwol vergebens
wahr. Das uͤbrige Heer geſunde und verwundete 108000 ſtark ward durch den gewoͤhn-
lichen Pauken- und Trometenſchal zuſammen geruffen/ und von der Nachfolge abgezogẽ.
Der gefangene Herkules ward noch/ ehe man ihn ins Lager brachte/ vor Dropion gefuͤh-
ret/ welcher ihn bey den Waffen kennete/ und im grimme ihn alſo anfuhr: Haſtu unben-
diger teutſcher Hund nun dereins ausgeraſet? ich wuſte ſchon wol/ daß die Pannoniſchen
Schuzgoͤtter nicht leiden wuͤrden/ daß meines erſten Bruders Blut/ und des andern Ge-
faͤngnis ungerochen bliebe; darzu wird man dir vergelten/ daß du meinen Koͤnig hinweg
geſchicket haſt/ wiewol zu ſeinem beſten/ auff daß er das Koͤnigliche Schloß zu Prag ein-
nehme/ noch ehe ers beſtuͤrmet hat; du aber mit deinem anhange ſchicke dich zum ſtandhaf-
ten Tode/ und gedenke nur/ daß ich die mir bewieſene Schmach mit eifern werde. Herkules
ſahe ihn Zeit ſolcher Rede mit gar freudigen Augen an/ nicht anders/ ob waͤhre ihm nichts
wiedriges begegnet/ enderte auch wegen der Schmachrede und Draͤuung ſeine Farbe nit
im geringſten/ und gab ihm dieſe Antwort: Dein ſchaͤnden Dropion/ mus ich verſchmerzen/
weil mein Gott wegen meiner Suͤnde mich dir in die Haͤnde gegeben hat; dein Koͤnig iſt
von mir ritterlich uͤberwunden/ und ohn einige angelegete Schmach in Sicherheit gefuͤh-
ret/ da man ihn Koͤniglich halten wird/ dann unſer Zorn waͤhret nicht laͤnger als des Fein-
des Gegenwehr; deswegen wird dir obliegen/ daß du gleicher weiſe mit mir und anderen
gefangenen Koͤnigen/ Fuͤrſten und Rittern alſo umbgeheſt/ wie es Kriegsgebrauch mit ſich
bringet/ welcher noch nie keinem redlichen Sieger unbillichen Rachgier eingeblaſen hat/
und ob dir gleich dieſesmahl das Gluͤk die Uberwindung gegoͤnnet/ ſo gedenke doch nicht
alsbald/ daß du alles frey tuhn moͤgeſt/ was dir gefaͤlt; meineſtu aber durch unterſchiedliche
meine Stege von mir verlezt zu ſeyn/ ſo nim mich vor nach Kriegs- und Ritters brauch/
alsdañ wil ich dir antworten/ daß jederman meine Unſchuld und Auffrichtigkeit ſehen ſol/
nur laß nicht andere mit entgelten/ wann du meineſt von mir beleidiget zu ſeyn. Wiltu
noch pochen und ſchnarchen/ gab Dropion zur Antwort/ da ich dich in meiner Gewalt
habe? gab hiemit einem Kriegsknechte einen Wink/ welcher hinzu trat/ und den unver-
gleichlichen Koͤnig mit der Fauſt ins Geſichte ſchlug; welcher Schimpff ihn ſo heftig
ſchmerzete/ daß er ſich nicht enthalten kunte/ ihn alſo anzureden: Du biſt nicht wert Dro-
pion/ daß du eines Ritters Nahmen fuͤhreſt/ weil du einen Koͤnig und Ritter ſo ſchaͤnd-
lich halten darfſt/ und ich verſichere dich bey meinen Ehren/ daß Gottes Hand/ ehe du es
meineſt/ dich treffen wird. Er ſtellete ſich aber/ als hoͤrete ers nicht/ und redete unterdeſ-
ſen mit einem andern/ befahl auch alsbald/ man ſolte den Gefangenen Teutſchen Hund
ins Lager fuͤhren/ damit ihm neben den andern ſeine Straffe angetahn wuͤrde. Bald
darauff verſamlete er alle ſeine verſchworne/ welche ihm traͤulich rieten/ er ſolte Ma-
ſtyes und Agiß neben anderen des Koͤniges getraͤuen nicht aus dem Raht ſchlieſſen/ in be-
trachtung/ es ſich leicht zutragen koͤnte/ daß ſie einen ſolchen Auffſtand macheten/ in wel-
chem ihnen allen die Haͤlſe gebrochen wuͤrden/ weil ſie den mehren Teil der Voͤlker auff ih-
rer Seite haͤtten; welcher Erinnerung er/ wie wol ganz wieder ſeinen Willen/ folgen mu-
ſte/ daß er ihrer ſechſe fodern ließ/ dahingegen er der ſeinen achzehn bey ſich hatte. Maſtyes
g g g g gund
[786]Achtes Buch.
und Agiß beredeten ſich kuͤrzlich/ gaben etlichen vornehmen Oberſten Befehl/ was Zeit ih-
res abweſens ſie mit den Haͤuptleuten reden/ und wie ſie ſich auff Erinnerung ferner bezei-
gen ſolten/ und gingen mit den andern fort nach der Gerichts Stat. Als ſie nun bey einan-
der wahren/ fing Dropion dieſe hochmuhtige Rede an: Die Pannoniſchen Goͤtter haben
nunmehr den Spot und Hohn gerochen/ welchen die Teutſchen und Boͤhmen unſerm ho-
hen Adel durch Uberſendung eines ſchaͤbichten Hundes angelegt haben; wird demnach un-
ter uns ſich keiner finden laſſen/ welchem die Rache an den Urhebern nicht gefallen ſolte/
zumahl ſie von unſerm lieben Koͤnige ſelbſt beſtimmet/ und zu dem Ende der Galgen ſchon
gerichtet iſt. Was ich zur Behaͤuptung des Sieges durch meine Fauſt und Anfuͤhrung
verrichtet/ moͤgen dieſe zeugen/ ſo es geſehen haben und die meiner Streiche empfunden;
einmahl iſt gewiß/ daß die Teutſche und Boͤhmiſche Macht dergeſtalt gebrochen iſt/ daß
ſie in Ewigkeit wieder die Pañoniſche Behe[r]ſchung ſich nit auffrichten/ noch deren Joch
von ſich abwerffen ſol. Hiemit ſchwieg er/ und erwartete der Antwort mit ſonderlichem
Stolze. Niemand wolte hierauff Antwort geben/ weil ers von keinem foderte/ biß endlich
Agiß zu Maſtyes ſagete: Herr Stathalter und Feldmarſchalk Herr Maſtyes/ euch gebuͤh-
ret die Ehre der erſten Antwort/ nachdem unſer aller lieber Koͤnig leider nicht zugegen iſt/
daß ſeine Hocheit nach eigenem belieben Anordnung machen koͤnte/ denen wir uns alle ohn
Einrede gemaͤß uñ untertaͤhnigſt-gehorſam bezeigen muͤſten. Ja mein F[r]eund/ ſagte Ma-
ſtyes/ ich werde euch gehorſamen/ wann es den verſamleten Pannoniſchen Helden und Lan-
desvaͤtern alſo gefaͤllet. Weil dañ niemand dawieder redete/ jedoch auch niemand ihn wei-
ters daran eriñerte/ fuhr er dañoch alſo fort: Ruhmwirdiger Feldmarſchalk und Reichs-
Stathalter Herr Dropion; ich habe ſeinen Vortrag angehoͤret/ und gleichwol mich viel
eines andern vermuhtet; maſſen ich der Andacht wahr/ einen Rahtſchlag zuvernehmen/
durch was Mittel und Gelegenheit unſer allerliebſter Koͤnig und Herr wieder erloͤſet/
und auff freie Fuͤſſe geſtellet wuͤrde/ damit ſeine Koͤnigl. Hocheit des Sieges mit uns ge-
nieſſen koͤnte/ welchen eure ritterliche Fauſt/ wie jederman bekennet und ruͤhmet/ groſſen
Teils erworben hat; ſo ſuchet aber der Feldmarſchalk nur bloß die Abſtraffung der gefan-
genen Koͤnige und Fuͤrſten/ deſſen doch/ meiner Meinung nach/ vor unſers Koͤniges Erloͤ-
ſung wir uns nicht unternehmen dürffen; dann andere Urſachen zugeſchweigen/ wird ja
ein jeder vernuͤnfftiger Menſch es greiffen nnd fuͤhlen/ daß unſer lieber Koͤnig ohn allen
Zweifel durch den allerſchaͤndligſten Tod hingerichtet werdẽ muͤſte/ ſobald des Boͤhmiſchẽ
und der beiden Teutſchen Koͤnige Gemahle ihrer Gemahlen Tod vernehmen ſolten; ja die
erſchrekliche Pein/ die man ſeiner Koͤnigl. Hocheit würde anlegen/ wuͤrde nit außzuſprechẽ
ſeyn. Iſt demnach/ meine auffrichtige Meinung anzuzeigen/ diß mein Raht/ daß man die
Gefangenen nicht allein der ſchnoͤden Bande erlaſſe/ ſondern ihnen auch als Koͤnigen uñ
Fürſten guͤtlich tuhe/ biß auff unſers allergnaͤdigſten Herrn und Koͤniges gluͤkliche Wie-
derkunfft; alsdann wird deſſen Hocheit ſchon weiter ordnen und befehlen/ was geſchehen
ſol. Zwar der Herr Feldmarſchalk wendet ein/ es habe unſer Koͤnig den Galgen ſchon bau-
[e]n laſſen; aber wer weiß/ ob er annoch der Meinung iſt? Ja wer weiß nit/ daß die Stricke/
damit man unſere Gefangenen henken wuͤrde/ unſers lieben Koͤniges Kehle zugleich zu-
druͤcken und das Genicke brechen wuͤrden? Was haͤtten wir aber alsdann erſtritten/ als
unſers
[787]Achtes Buch.
unſers Koͤnlges Tod und Verderben? welches abzuwenden/ wir alle ſchuldig/ und Krafft
unſers geleiſteten aͤides gehalten ſind/ unſer Gut/ Blut/ Ehr und Leben auffzuopffern. E[y]
freilich/ antwortete Dropion; gerade als wann Maſtyes nur allein vor den Koͤnig Sorge
trüge; daß ich aber ſeiner Koͤnigl. Hocheit biß daher keine Erwaͤhnung getahn/ und was zu
ſeiner heilſamen Rettung dienlich ſeyn kan/ wie man mich deßwegen ſchon verleumdẽ wil/
ſondern von den gefangenen Hunden den Anfang gemacht/ iſt nicht aus Vergeſſenheit/
viel weniger aus Nachlaͤſſigkeit odeꝛ Verachtung geſchehẽ/ ſondeꝛn man muß duꝛch eꝛnſt-
liche Abſtraffung der Gefangenen/ die hinterbliebenen verzageten Weiber ſchrecken/ dz ſie
ihres eigenẽ Lebens deſto mehr fuͤrchtẽ/ uñ ſolches zuerhaltẽ/ unſerm Koͤnige ſo viel groͤſſere
Ehre erzeigen. Meiner redlichen Vorſorge vor unſern Koͤnig/ ſagte Maſtyes/ bin ich miꝛ
am beſten bewuſt/ welche ſo wenig als die eure/ Herr Dropion/ ſol in zweiffel gezogen wer-
den; nur befremdet mich nit wenig daß ihr mein Vorbringen ſo hoͤhniſch halten duͤrffet/
ehe und bevor die anderen Herren und Haͤupter ihre Meinung angezeiget haben. Und was
bedeutet es/ daß man bey dieſer allerhochwichtigſten Rahtſchlagung nur etliche/ und nicht
alle vornehme Haͤupter des Pañoniſchen Heers hat haben wollen? duͤrfften auch die auß-
geſchloſſene/ deren eine groſſe Menge iſt/ ſich deſſen uͤber uns beſchwehren/ uñ uns wolgar
die Haͤlſe brechen? doch ſtelle ich ſolches zu euꝛer Veꝛantwortung/ weil ihr mich und Herꝛn
Agiß/ nicht als die mit euch einerley Amt bedienen/ ſondern nur als gemeine Oberſten habt
in eure ſchon angeſtellete Verſamlung fodern laſſen. Ich ſetze aber auch dieſes aus/ und er-
innere euch Herr Dropion/ daß wir beide nicht hier ſind/ mit einander zuzanken/ oder allein
zuſchlieſſen/ ſondern andere Stimmen auch anzuhoͤhren/ daher ich auff eure jezt eingefuͤh-
rete Urſachen kein Wort antworten wil. Dropion muſte ſich vor dieſen Mann nunmehr
fuͤrchten/ weil ſein Anhang der groͤſte wahr/ ſonſt wuͤrde er ohn Urtel und Recht ihm alsbald
das Leben genommen haben. Doch ſeinen Hochmuht zuerzeigen/ gab er ihm zur Antwort;
was hat Maſtyes mich zurechtfaͤrtigen/ oder mir vorzuſchreiben/ wie viel/ [und] was vor O-
berſten ich zu mir fodern ſol? und bildet er ſich ein/ daß er mit mir in gleicher Hocheit ſitze?
Ich bin ja der Oberſtathalter/ und habe in des Koͤniges abweſen zu ordnen und gebieten.
Das geſtehe euch einander/ und ich nicht/ fiel ihm Maſtyes in die Rede/ es waͤhre dann/ dz
ihr euch gar vor unſern Koͤnig auffwerffen woltet; dann ihr wiſſet wol/ daß in des Koͤni-
ges Abweſenheit/ nicht einer allein/ ſondern der ganze Raht ordnen und befehlen muß/ es
ſey dann dz der Koͤnig es ausdrüklich anders haben wolte. Doch wir wollen alles hieſelbſt
als unter der Roſe angehoͤret haben/ ſonſten/ da zu der außgeſchloſſenen Oberſten Wiſſen-
ſchaft es gelangen wuͤrde/ daß Herr Dropion ihm die Gewalt anmaſſete ſie nach belieben
auß dem Kriegsraht zuſchlieſſen/ duͤrffte wenig gutes daher entſtehen. Dropion ſaß und
knirrete mit den Zaͤhnen/ und wann Maſtyes und Agiß nit ihre gewapneten Diener in der
naͤhe gehabt haͤtten/ würde er gefaͤhrliche Dinge vorgenommen haben/ wahr auch bereit/
Maſtyes zuantworten/ aber Agiß kam ihm zuvor/ und ſagete: Ihꝛ Herren/ was ſol das be-
deuten/ daß ihr euch zweiet/ und habt deſſen keine Urſach? laſſet uns uͤber des Herrn Feld-
marſchalks Herrn Dropions Vortrag unſere Stimmen geben/ und zugleich bereden/ wie
unſerm lieben Koͤnige moͤge gerahten werden. Auſſer allem Zweifel beſtehet ſeiner Koͤnigl.
Hocheit Leben und Heil auff dem/ was der Feldmarſchalk Herr Maſtyes getraͤulich ange-
g g g g g ijzeiget
[788]Achtes Buch.
zeiget hat/ und durch des Feldmarſchalks Herrn Dropions Gegenwurff nicht umgeſtoſſen
iſt; dann wer weiß nicht/ was vor einẽ Heldenmuht Koͤnigin Vallſka traͤget/ welche ihres
Gemahls Herkules/ und ihres Bruders Ladiſla der beiden Koͤnige Tod/ an unſerm Koͤni-
ge zum allergrimmigſten raͤchen wuͤrde/ ob ſie gleich ihr aͤuſſerſtes Verderben ſolte vor Au-
gen ſehen. Es iſt der Frieſiſche Koͤnig Baldrich/ Heꝛkules Bruder bey ihr/ wo nicht ſchon
nach Teutſchland und Frießland/ uns ehiſtes ein neues Heer über den Hals zufuͤhren/ und
wir demnach keines Weges gedenken duͤrffen/ als ſey mit dieſer Schlacht der ganze Krieg
zum Ende gerichtet; O nein; haben wir noch gute Manſchaft bey uns und im Lande/ wer-
den wir derſelben wol beduͤrffen/ und moͤchte ich vor mein Haͤupt wol wuͤnſchen/ wir haͤttẽ
unſern lieben Koͤnig loß/ und mit den Feinden eine ehrliche Rachtung/ welches beides ich
zuerlangen hoffe. Vor dißmahl iſt mein getraͤuer Raht/ man nehme vor allen Dingen un-
ſers Koͤniges Erloͤſung vor/ welcher nachgehends die Beſtraffung der anſehnlichen Ge-
fangenen nach ſeinem Willen anzuſtellen hat/ und wil dieſer Verſamlung zur Nachricht
ſo viel ſagen/ daß ich verſichert weiß/ daß unſer Koͤnig durchaus nicht willens iſt/ die Ge-
fangenen henken zulaſſen; und erfahret ihr ein widriges/ ſo wil ich mich ſelbſt laſſen auff-
knuͤpffen. Die andern Obriſten/ welche dem Koͤnige getraͤu wahren/ ſtimmetẽ hiemit gaͤnz-
lich ein; aber Dropions Anhang wolte nicht einwilligen/ wanten einhellig vor/ man muͤſte
gleichwol dem Feldmarſchalk und Ober Stathalter nit ſo gar zugegen ſtreben/ als welcher
durch ſeine Vorſichtigkeit und unuͤberwindliche Staͤrke den Sieg erſtritten/ die Feindes-
Haͤupter gefangen/ und hiedurch die Pannoniſche Herſchafft den Teutſchen und Boͤh-
men auffgebuͤrdet haͤtte/ wovor ihr Koͤnig ihm die Boͤhmiſche Kꝛon nicht mißgoͤnnen/ viel
weniger verſagen wuͤrde; Was Agis von einem neuen feindlichen Heer vorbraͤchte/
waͤhre eine vergebliche Furcht/ und haͤtte mit ihrem Koͤnige es keine Gefahr; aber dagegẽ
muͤſte der Schimpff ohn Verzug gerochen werden/ damit man das Pannoniſche Volk
beleget haͤtte. Weil dann dieſe Meinung mit den meiſten Stimmen bekraͤfftiget ward/
ſchloß Dropion/ es ſolte alsbald ein neuer Galgen auffgerichtet/ und alle gefangene Koͤni-
ge/ Fuͤrſten und Haͤupter daran geknuͤpffet werden. Die Getraͤuen des Koͤniges ingeſamt
wurden daruͤber beſtuͤrzet/ bahten und fleheten/ man moͤchte der Sache einen geringen An-
ſtand geben/ bedingeten ſich daneben auffs allerbeſte/ wann ihrem Koͤnige daher einige Ge-
fahr zuſtehen ſolte/ und fuͤhreten jenen zu Gemuͤht/ wie ſchwer ſolches vor dem Pannoni-
ſchen Reiche wuͤrde zuverantworten ſeyn. Aber dieſes alles verfing durchaus nichts bey
Dropion/ weil er bloß nur Gelegenheit ſuchete/ daß ſein Koͤnig umgebracht wuͤrde/ dan er
zweifelte nicht/ die Kron muͤſte ihm nach deſſen Tode auffgeſetzet werden; gab demnach
auff je[z]terwaͤhnete der Reichsgetraͤuen Bedingung dieſe Autwort: Ohn Zweifel ſind et-
liche unter euch/ die wegen Hoffnung einer groſſen Vergeltung ſich bemuͤhen duͤrfften/ den
Gefangenen unſern geſchwornen Feinden das Leben zuretten/ wo nicht/ ihnen das Vater-
land wol gar zuverrahten; rahte alſo einem jeden/ daß er/ ſolchen Verdacht zumeiden/ ſich
alles ferneren Einredens enthalte wo er ſonſt von mir nicht wil als ein Feind und Verraͤh-
ter des Vaterlandes abgeſtraffet ſeyn. Zwar ich duͤrffte nunmehr auff die Gedanken ge-
rahten/ das geſtrige mir eingehaͤndigte Warnungs-Schreiben müſſe nicht allerdinge ge-
tichtet ſeyn/ in welchem mein Koͤnig und ich erinnert werden/ uns wol vorzuſehen/ daß nit
durch
[789]Achtes Buch.
durch fremde Gelder unſere Haͤupter verkaufft und verrahten werden. Die Koͤnigs Ge-
traͤuen antworteten unerſchrocken/ ſie wuͤſten ſich aller Verraͤhterey ganz frey und unſchul-
dig/ wolten doch dieſe Beſchuldigung keines weges auff ſich erſitzen laſſen/ ſondern zu ſei-
ner Zeit anzuhalten wiſſen/ daß der Feldmarſchalk oͤffentlich darlegete/ von was Leuten er
ſolche Schreiben haͤtte/ und aus was Gruͤnden er ſie ſo erſchreklicher Verraͤhterey zeihen
duͤrffte. Ja/ gab Dropion zur Antwort/ es ſol freilich ein ſolches zu ſeiner Zeit von mir nit
verſeumet werden/ biß dahin ein jeder ſich wird gedulden koͤnnen/ weil ichs ſelbſt ſo lange
verſchmerzen muß. Befahl darauff einem Oberſten/ die Anordnung zutuhn/ daß auffs al-
lerſchleunigſte der Galgen auffgerichtet/ und die Gefangenen herzu gefuͤhret wuͤrden; wel-
ches dann des Koͤniges Getraͤue vor dißmahl muſten geſchehen laſſen. Agis hatte im Tref-
fen eine geringe Wunde an den linken Arm bekommen/ ſtellete ſich/ als ſchmerzete ihm die-
ſelbe ſehr/ und befahl ſeiner Diener einem/ hin nach dem Lager zureiten/ und ſeinen Arzt zu
hohlen daß er ihm den Schaden beſichtigte. Dieſes wahr mit dem Diener alſo angelegt/
wuſte wol was es bedeutete/ und ritte ſchleunig fort nach den Oberſten/ mit welchen Ma-
ſtyes und Agis Abrede genom̃en hatten; Dieſelben nun hatten eine groſſe Anzahl Haͤupt-
leute und Unterhaͤuptleute verſamlet/ und ihnen vorgetragen/ es lieſſe ſich anſehen/ als gin-
ge Feldmarſchalk Dropion mit ſehr gefaͤhrlichen Dingen ſchwanger/ die zu ihres Koͤniges
Untergang gereicheten/ hoffeten demnach gaͤnzlich/ es wuͤrde das geſamte Heer ihres liebẽ
Koͤniges Wolfahrt ihnen laſſen angelegen ſeyn/ und auff allen fal dem Feldmarſchalk ein-
reden/ inſonderheit/ wann derſelbe etwa voꝛnehmen wolte/ die Gefangenen toͤdten zulaſſen/
weil ungezweifelt ſolches an ihrem lieben Koͤnige grauſamlich wuͤrde gerochen werden.
Dieſe erklaͤreten ſich alsbald/ Leib und Leben vor ihres Koͤniges Wolfahrt anzuwenden/
und ſolches/ wie es immermehr koͤnte und moͤchte erfodert werden; es gaͤbe ihnen ſchon
nicht geringen Verdacht/ daß man umb des Koͤniges Rettung ſo gar unbemuͤhet waͤhre.
Die Obriſten/ deren 12 an der Zahl wahren/ bedanketen ſich der Traͤue/ welche ihr Koͤnig
unvergolten nicht laſſen würde/ nahmen auch 40 Haͤuptleute und 30 Unter Haͤuptleute
neben 1000 Reutern zu ſich/ und erwarteten getroſt/ was man ihnen zuentbieten würde.
Zeit wehrender Auffrichtung des Galgen zeigete Maſtyes in ſeiner Geſellen Nahmen den
andern an/ ſie waͤhren alle ſechſe gewilliget/ mit ihrem Gerichte durchaus nichts zuſchaffẽ
zuhaben/ damit ſie deswegen ihrem Koͤnige oder dem Heer nicht duͤrfften Rede und Ant-
wort geben/ deſſen zur Bezeigung ſie auch begehreten/ daß ihnen erlaͤubet waͤhre/ einen ab-
ſonderlichen Siz von ihnen zunehmen/ oder gar davon nach dem Lager zureiten. Dropion
antwortete ihm gar trotzig/ ſie moͤchten ſich nach gefallen ſetzen wo ſie wolten/ aber nach
dem Lager zureiten/ ſolte ihnen verbohten ſeyn. Sie verſchmerzeten dieſes geduldig/ und
hoffeten/ es ſolte noch anders ergehen/ als dieſer ihm eingebildet hatte/ weil ſie auff der 12
Oberſten Redligkeit ſich verlieſſen. Inzwiſchen lagen unſere Helden jedweder in einer
ſchlechten Reuter Huͤtten abſonderlich gebunden auff bloſſer Erde/ und ward ihnen weder
Brod noch Waſſer gegeben/ auch nicht eins nachgefraget/ ob ſie verbunden waͤhren. Her-
kules uͤberlegete bald in ſeinem Siñe/ wie Drop on mit ihnen verfahren wuͤrde/ hatte doch
nicht deſto weniger das Vertrauen zu Gott/ er wuͤrde mit ſeiner Errettung auch daſelbſt
erſcheinen/ wo menſchliche Huͤlffe aus und verlohren wahr/ und verlangete ihn nicht we-
g g g g g iijnig/
[790]Achtes Buch.
nig/ mit ſeinẽ Mitgefangenen zureden/ uñ ſeinen getraͤuen Raht ihnẽ mitzuteilẽ. Als er mit
dieſen Gedanken umging/ trat ein Pannonier zu ihm in die Huͤtte/ und deutete ihm in Dro-
pions Nahmen an/ er ſolte ſich zum wolverdienten Tode gefaſſet machen/ und mit den uͤ-
brigen Gefangenen ſich vor Gericht ſtellen/ umb zuvernehmen/ was man ihm wolte. Wel-
ches er kurz beantwortete: Sein Leben und Tod ſtuͤnde bloß in Gottes/ und keines Men-
ſchen Haͤnden; was derſelbe uͤber ihn beſchloſſen haͤtte/ wolte er gerne und willig angehen/
auch ungewegert ſich in ſeiner Unſchuld vor Gericht einſtellen/ umb zuvernehmen/ was
Dropion ſich uͤber ihn als einen Koͤnig zubeſchweren haͤtte. Ging alſo in ſeinen Banden
unwegerlich fort/ und ſahe die uͤbrigen Gefangenen in gleicher geſtalt daher zihen; welcher
elende Blik an Ladiſla und ſeinem Vater/ ihm die Traͤhnen aus den Augen trieb/ faſſete
doch ein Herz/ und redete ſie alſo an: Herzlieber Herr Vater/ auch Bruder Ladiſla/ und
ſaͤmtliche allerliebeſten Freunde; Ich bitte hoͤchlich/ wollet uͤber unſern frommen GOtt
nicht ungeduldig werden/ daß er uns in dieſe Noht wegen unſer Suͤnde hat wollen fallen
laſſen; eben ſeine Hand/ die uns gedemuͤhtiget hat/ kan uns hinwiederumb erheben/ und
wol ehe/ als wir glaͤuben oder gedenken. Vorerſt zeige ich euch an/ daß Koͤnig Mnata von
mir gefangen/ und nach Prag geſchicket iſt. Vors ander bitte ich/ ihr wollet mir goͤnnen/
das Wort vor Gerichte zufuͤhren. Gut mein herzallerliebſter Sohn/ antwortete ſein Va-
ter/ das erſte gibt mir einen Troſt das andere iſt mir ſehr lieb und angenehm/ und zweifele
nicht/ mein Sohn Koͤnig Ladiſla werde gerne einwilligen. Warumb nicht/ antwortete
dieſer; nur daß mir Freiheit bleibet mich zuverantworten/ da ich ſolte an meinen Koͤnig-
lichen Ehren gekraͤnket werden. Wir muͤſſen geduldig ſeyn/ ſagte Herkules/ und nicht
alles hoͤren/ viel weniger v[e]rantworten/ biß GOtt Beſſerung giebet. Sie gingen mit
gebundenen Haͤnden auff den Ruͤcken freudig fort/ biß ſie bey dem Geruͤſte ankah-
men/ auff welches Dropion mit ſeinen Verſchwornen ſich in groſſem Pracht geſetzet
hatten; Und da die unſern in der Reihe vorgeſtellet waren/ redete nicht Dropion/ ſondern
Pyrechmes/ der ihm am naͤheſten ſaß/ trug dieſes vor: Es erinnert ſich der gevolmaͤchtig-
te Pannoniſche Koͤnigliche Statverweſer/ der unuͤberwindliche Held/ Herr Dropion/ be-
ſtaͤtigter Koͤnig in Boͤhmẽ/ añoch ſehr wol/ was geſtalt ſeinem Koͤnige/ ihm/ und dem unveꝛ-
gleichlichen ganzen Pannoniſchen Adel von euch Teutſchen und Boͤmiſchen Hunden (o
du Hund ſagte hierauff Ladiſla) durch überſendung eines eures gleichen ſchaͤbichten Hun-
des/ und andere ſchmaͤhungen iſt geſchaͤndet worden/ welches ſein Heldenmuht ungerochẽ
nicht hingehen laſſen kan; laͤſſet demnach durch mich ſeinen verbundenen euch ingeſamt
und ohn unterſcheid anmelden/ daß ihr die wolverdienete Straffe jezt dieſe Stunde von
Henkers Hand annehmen/ und mit dem Strange an dieſem auffgerichteten Galgen vom
Leben zum Tode ſollet gebracht werden; da dann der Zaͤuberer und ſeiner Brüder Moͤr-
der Herkules oben an/ naͤheſt ihm Ladiſla der verlauffene Boͤhme/ und drittens der alte
Henrich hangen ſol. Alsbald brach Dropion mit freudigen Augen den weiſſen Stab ent-
zwey/ welchen er in der Hand hielt/ und befahl ein andeꝛ den anweſenden Henkern/ ihr Ampt
und gebuͤhr ohn auffſchueb zuverrichten. Die Gefangenen ſtelleten ſich unerſchrocken/ und
fing Herkules alſo an: Ich kan mich nicht gnug verwundern uͤber dieſes unbeſonnene vor-
nehmen/ daß ihr uns ſo ſchaͤndlich hinrichten wollet/ da euer Koͤnig in der unſern Gewalt
iſt.
[791]Achtes Buch.
iſt. Er wolte weiter fortfahren/ aber Pyrechmes hies ihn mit ungeſtuͤm ſchweigen/ oder es
ſolte ihm alsbald die Zunge aus dem Halſe geriſſen werden. Woldann/ ſagete Herkules/
ſo wil ich ſchweigen/ und begehre nur vor mich und meine mitgefangenen ein Viertelſtuͤn-
dichen friſt/ daß uns gegoͤnnet werde/ alhier unſer Gebeht zu unſerm Gott zu verrichten/
damit er unſer Seele moͤge gnaͤdig ſeyn. Aber ihnen kunte ſo lange Zeit nicht zugelaſſen
werden/ ſondern Pelegon ſagete: Es haͤtte kein Gott mit ihrer Seele etwas zuſchaffen/ weil
ſie alle alten Goͤtter verleugnet und einen erhenketen angenommen haͤtten; koͤnte derſelbe
nun ſeines gleichen retten/ würde man zuvernehmen haben. Uber welche Gotteslaͤſterung
die unſern ihre Augen gen Himmel richteten/ und ſagte Herkules uͤber laut: O mein JE-
ſus/ rette deine Ehre/ und biß uns deinen Dienern gnaͤdig. Ja/ ſagte Pyrechmes/ mit ei-
nem hoͤniſchen Gelaͤchter; er wird ſchier kommen und deinen Koͤniglichen Sitz/ den Gal-
gen meine ich/ zuſchmettern/ oder uns an deine ſtelle hinan bringen. Bey Gott iſt kein ding
unmoͤglich/ antwortete Herkules. Dieſer aber befahl dem Henker/ alsbald ſein Amt zu vol-
ſtrecken; welcher auch Herkules angriff und zu ihm ſagete: Kom mit mir/ du ſiheſt ja/ daß
kein Gott vom Himmel komt/ dich zu retten. Ja/ antwortete er/ ich ergebe mich in meines
allerguͤtigſten Gottes willen/ und ging mit ihm hin. Als er nun ſein Gebeht auff dem kur-
zen Wege verrichtete/ und ſchon mit dem Henker mitten auff der Leiter ſtund/ ranten die 12
Oberſten mit ihren Haͤuptleuten und Reutern ſpornſtreichs herzu/ und weil fie ſahen/ daß
Herkules ſchon auff der Leiter wahr/ ritte einer hinzu/ und geboht dem Henker/ er ſolte mit
dem verurteileten herunter ſteigen oder alsbald erwuͤrget werden. Herkules wahr in vol-
ler Andacht des Gebehts/ daß er der herzunahung dieſer Reuter nicht eins wahr genom-
men hatte/ ſprach auch eben die lezte Bitte des heiligen Vater unſer (ſondern erloͤſe uns vom
uͤbel) als er dieſen Oberſten ruffen hoͤrete. Der Henker haͤtte ſein Amt gerne verrichtet/ abeꝛ
die Todesfurcht ſchreckete ihn ab/ daß er gehorchete/ und mit Herkules herunter ſtieg. Nun
hatten unſere Helden ſich des lebens ſchon eꝛwogen/ ſtunden und ermahneten ſich unterein-
ander zur glaubens beſtaͤndigkeit; welches Leches mit ſolchen herzerfreulichen Worten veꝛ-
richtete/ daß ſie alle ſich daruͤber verwunderten; aber die Zukunft dieſer Reuterſchaar/ und
daß der Henker mit ſolchem ernſt und eifer befehlichet ward/ gab ihnẽ gute Hoffnung/ Gott
wuͤrde ſich uͤber ſie erbarmen/ und ſeine Almacht und Güte an ihnen ſehen laſſen. Dropion/
als er das Verbot hoͤrete/ gehuhb ſich nicht anders als wolte er von Sinnen kom̃en/ draͤue-
te auch dem Oberſten/ es ſolte ihm ſocher Frevel den Hals koſten; welcher aber ſich daran
nicht kehrete/ weil ein ander von ſeiner Geſelſchaft dieſe Rede hielt. Ihr Herren Feldmar-
ſchalke/ Herr Dropion/ Herr Maſtyes und Herr Agiß; vernehmet meine Worte/ die ich
euch nicht vor mich/ ſondern aus geheiß und befehl des unuͤberwindlichen Pannoniſchen
Heers vortrage: Es verwundern ſich alle Oberſten und Haͤuptleute/ ja alle Kriegsknech-
te/ hoch und nidrig/ daß man hieſelbſt in ſo geringer Anzahl ein Gerichte uͤber gefangene
Koͤnige und Fuͤrſten haͤger/ ſie an den lichten Galgen auffzuknũpfen/ nicht anders/ als ge-
hoͤrete niemand mehr in dieſes Kriegsrecht/ als ſie wenige. Noch mehr aber befremdet ſie
unter hoͤchſter beſtuͤrzung/ daß man durch hinrichtung dieſer gefangenen unſern auch ge-
fangenen Koͤnig an den Galgen bringen wil; moͤget euch deswegen/ ihr Herren/ wol vor
gluͤkſelig ſchaͤtzen/ daß wir noch zu rechter Zeit alhier angelanget ſind/ dieſes euer Vorhaben
zu
[792]Achtes Buch.
zu hindern; maſſen/ ſolte es volſtrecket/ und unſer lieber Koͤnig dadurch in Lebensgefahr ge-
ſtuͤrzet wordẽ ſeyn/ muͤſtet ihr alle ſolches mit dem Halſe unter der grauſamſten Peinigung
bezahlen. Welchem allem nach/ im Nahmen und von wegen des ganzen Pannoniſchen
Heers ich euch ſamt und ſonders anſage/ daß ihr mit der Verurteilung und hinrichtung
dieſer Gefangenen inne haltet/ ſo lieb euch des Heeres Gunſt und Freundſchaft/ ja ſo lieb
euch euer Leib und Leben iſt. Ihr aber Herr Feldmarſchalk Maſtyes/ werdet Kraft dieſes/
von euren Voͤlkern/ Haͤuptleuten und Oberſten gefodert/ vor ihnen zuerſcheinen/ und hoͤren
zu laſſen/ wie ihr dieſes getrauet zu behaͤupten/ dz ihr alle eure hohen Befehlichshaber ſamt
den Oberſten ausſchliſſet/ und euch allein hieſelbſt finden laſſet/ da Herr Dropion die ſeinen
nicht vorbey gangen iſt/ auch Herr Agiß ja noch etliche von den ſeinen mit ſich genommen.
Ich bin bereit und willig/ ſagte Maſtyes/ vor mein Heer mich zu ſtellen/ und ihnen meine
Unſchuld darzulegen; inzwiſchen ihr redlichen Bruͤder hoch und niedrig/ euch ſage ich von
herzen dank/ bevorab unſern Goͤttern/ dz ihr zu gluͤklicher Stunde hieſelbſt erſchienen ſeid/
unſers allerliebſten Koͤniges Leben vom abſcheuhlichſten Tode zuerretten/ welcher ihm auf
dieſer hohen gefangenen erhenkung ungezweifelt wuͤrde zu teil worden ſeyn. Ich/ wie ge-
ſagt/ wil mich bey dem Heer anfinden/ weil mirs nunmehr frey ſtehet/ und werdet ihr in-
zwiſchen die Gefangenen Herren/ welche weder Diebe noch Moͤrder ſind/ in euren Schuz
nehmen/ damit ſie vor aller gefahr ſicher bleiben. Die unſern kehreten ſich an nichts/ fielen
plat nider auff die Erde/ und rieffen Gott inbruͤnſtig an/ daß er ſeines heiligen Nahmens
Ehre retten/ ihnen weitere huͤlffe erzeigen/ und dem ſchaͤndlichen Hochmuht ihrer Feinde
ſteuren und wehren wolte. Es trat aber einer von den 12 Oberſten zu ihnen hin/ und redete
ſie alſo an: Ihr gefangene Koͤnige/ Fuͤrſten und Herren/ ſtehet auff von der Erde/ und er-
gebet euch unter den Schuz des Pannoniſchen Kriegsheers/ biß auff weitere anordnung
unſers allergnaͤdigſten Koͤniges. Sie richteten ſich alsbald auff/ und gab ihm Herkules
dieſe Antwort; Tapferer Ritter und Freud; ihr und eure Geſellen handelt redlich bey eu-
rem Koͤnige/ in dem ihr uns dieſem ſchaͤndlichen ganz unverdieneten Tode entreiſſet. Ich
geſtehe es daß ich euren Koͤnig gefangen genommen; aber ich habe ihn in ehrliche Haſt ge-
ſchicket/ und meinen Leuten befohlen/ ihn Koͤniglich zu halten/ und dafern ſolches nicht ge-
ſchihet/ ſehet da/ ſo wollen wir alle miteinander den Tod darumb leiden; hingegen verſichert
euch auch deſſen/ daß wann dieſe Urtel an uns ſolte volſtrecket worden ſeyn/ wuͤrde euer
Koͤnig durch die aller grauſamſte Straffe hingerichtet werden/ welches ohnzweifel alle die-
ſelben ihm goͤnnen/ welche uns verurteilet haben. Dropion durfte annoch ſeinen Dienern
befehlen/ ſie ſolten die Gefangenen nidermachen/ aber der Oberſten einer warnete ihn/ er
ſolte ja zuſehen was er taͤhte/ das ganze Heer wuͤrde ſich von ihm nicht verachten laſſen; be-
fahl auch alsbald 300 Reutern/ welche ſie zwiſchen ſich nehmen muſten. Als Maſtyes wie-
der von dem Heer kam/ ward er von einer groſſen menge Oberſten und Haͤuptleuten be-
gleitet/ und hielt er dieſe Rede an Dropion: Herr Feldmarſchalk; es iſt des ganzen Koͤnig-
lichen Heers ernſtlicher Wille und unwiederruflicher Schluß/ daß die gefangenen Koͤni-
ge/ Fuͤrſten und Herren/ weder mit Schmaͤhworten noch anderer Ungebuͤhr ſollen bele-
get/ ſondern von ihren Ketten und Banden erlediget/ und in guter verwahrung behalten
werden/ biß unſer allergnaͤdigſter Koͤnig ſelbſt anordnung machen wird/ wie ers mit ihnen
wolle
[793]Achtes Buch.
wolle gehalten haben; dann nicht euch und euren Beyſitzern/ ſondern unſerm großmaͤch-
tigſten Koͤnige allein ſtehet zu/ gefangene Koͤnige zuverurteilen. So werdet ihrs auch zu
verantworten haben/ daß ihr eurem Pyrechmes goͤnnet/ euch vor einen beſtaͤtigten Koͤnig
in Boͤhmen auszuruffen/ deſſen ihr ja von unſerm Koͤnige nicht die allergeringſte einwilli-
gung habet; ſonſten ſol euch eure Wirde und Marſchalksamt uͤber eure Voͤlker voͤllig blei-
ben/ aber an meinem Orte werde ich euch keines befehlens geſtehen/ wie auch Herr Agiß an
Herrn Hyppaſus ſtelle den Koͤniglichen erſten Entſaz als ein Feldmarſchalk fuͤhren wird/
wornach ihr euch zu richten habet. Dropion erſchrak des Vorbringens nicht wenig/ und
gab zur Antwort; es ſol dir dein Vornehmen nicht gelingen Maſtyes/ daß du umb Geld
und Gaben traͤulos werden/ und die Verbrechere/ welche Pannoniſche Ehr auffs hoͤchſte
geſchaͤndet haben/ der billichen Straffe entzihen wilt; unſer Koͤnig hat keine Gefahr/ und
wil ich mich dem ganzen Heer verbuͤrgen/ dz wegen dieſes Gerichtes ſeiner Hocheit nichts
arges zuſtoſſen ſol. Ihr verleumdet mich ohn Urſach/ Herr Dropion/ ſagte Maſtyes; ich
gedenke meinem Koͤnige nimmermehr untraͤue zubeweiſen/ vielweniger die dem Panno-
niſchen Nahmen angefügete Schande ungerochen zu laſſen/ nur allein gefaͤllet es dem Heeꝛ
daß die Verbrecher biß auff unſers Koͤniges wiederkunft hingeſetzet werden/ dann ſeiner
Koͤnigl. Hocheit/ ſage ich nochmahl/ ſtehet allein zu/ Koͤnigen und Fürſten die Endurtel zu
ſprechen; uͤberdas ſihet ja kein Menſch/ woher ihr wiſſen moͤget/ daß unſerm lieben Koͤnige
dieſer Gefangenen ſchaͤndlicher Tod nicht ſolte ſchaͤdlich ſeyn/ welches der geringſte Lands-
knecht beſſer verſtehet. Dropion wolte hieſelbſt die mitgebrachten Voͤlker zu rede ſtellen/
warumb ſie ſich wieder ihn zum Auffruhr erwecken lieſſen/ welches ihnen ſchier heut oder
Morgen uͤbel bekommen wuͤrde. Aber ein Oberſter warnete ihn/ er ſolte wol bedenken was
er redete; ob ſie Auffruͤhrer waͤhren/ oder dieſes eine Auffruhr koͤnte genennet werden/ wañ
man bemuͤhet waͤhre des Koͤniges Leben zuerhalten. Es waͤhre wegen befahrung eines neuẽ
feindlichen Anfalles nicht Zeit/ daß er Trennung unter dem Pannoniſchen Heer machen
wolte; Sie ſtuͤnden alle vor einen Mann/ und wolten/ ſo bald ihr Koͤnig wuͤrde frey ſeyn/
ſchon wiſſen/ wie ſie ihre Redligkeit vertreten ſolten. Endlich als Dropion ſahe/ daß er ſei-
nen Willen brechen müſte/ gab er zur Antwort: Des ganzen Heers Wille muͤſte ihm end-
lich gefallen/ nur hoffete er nicht/ daß man mit ſeiner hoͤchſten Beſchimpffung ihm ſeine
Gefangenen entzihen/ und einem andern dieſelben untergeben wolte. Aber Maſtyes ant-
wortete: Es ſind mit nichten eure/ ſondern unſers Koͤniges Gefangene/ und weil ihr ihnẽ
nach dem Leben ſtehet/ iſt des ganzen Heers Schluß/ daß ſie Herrn Agiß/ als Statverwe-
ſer bey dem Koͤniglichen erſten Entſaz ſollen zum Schuz untergeben werden. So muͤſſen
ſie gleichwol ihre Ketten und Bande billich tragen/ ſagte Dropion/ damit ſie es nicht beſſer
als unſer Koͤnig haben. Der Oberſte/ ſo die unſern in Schuz genommen hatte/ antworte-
te: Der junge Teutſche Koͤnig hat ſein Leben davor verpfaͤndet/ daß unſer Koͤnig nicht un-
ter Ketten liege/ ſondern auff ſeinen ausdruͤklichen Befehl Koͤniglich gehalten werde.
Wolan/ ſagte Maſtyes/ ſo kan des algemeinen Heeres Schluß keines weges gebrochen
werden/ ſondern ſie muͤſſen ohngebunden von Agiß verwahret/ und redlich geſchuͤtzet wer-
den. Ich nehme dieſen Befehl des Pannoniſchen Heers gehorſamlich uͤber mich/ ant-
wortete Agis/ und wil die Gefangenen alſo halten/ daß ich mich ſtets erinnere/ ſie ſeyn un-
h h h h hſers
[794]Achtes Buch.
ſers Koͤniges und des Pannoniſchen Reichs Feinde; ritte hin zu den 300 Reutern/ wel-
che mit ihnen abſonderlich im freien Felde hielten/ und gab 6 Oberſten und 20 Hauptleu-
ten ernſtlichen Befehl/ ſie ingeſamt mit ſich in ein groſſes gemeines Zelt zufuͤhren/ und kei-
nen lebendigen Menſchen/ werder auch ſeyn moͤchte/ zu ihnen zulaſſen. Als dieſe hinweg
gefuͤhret wahren/ trat Dropion mit ſeinem Anhange zuſammen/ und befrageten ſich/ was
hier zu tuhn ſeyn wuͤrde. Er hatte kaum noch 30000 Mann von ſeinem erſten Heer/ wu-
ſte auch wol/ daß nicht 3000 unter denſelben es mit ihm gegen das Koͤnigliche Heer halten
wuͤrden/ daher begab er ſich aller Gewalttaͤhtigkeit/ und war auff Liſt und Betrug bedacht/
wie er zum wenigſten Herkules und Ladiſla ermorden laſſen/ und Maſtyes bey dem Heer
in Verdacht einer Verraͤhterey bringen moͤchte. Pyrechmes aber/ Pelegon/ und ſein
Sohn Bato wiederriehten ihm das lezte traͤulich/ und ſageten: Sie haͤtten den Goͤttern
zudanken/ daß ſie noch bey ihrer habenden Gewalt gelaſſen wuͤrden/ und ſaͤhen vor Augen/
daß ſie noch zur Zeit Maſtyes nicht heben koͤnten; muͤſten demnach aus der Noht eine Tu-
gend machen/ und dieſen Schimpff uͤber ſich gehen laſſen; ob man aber den beyden Hun-
den (Herkules und Ladiſla) den Lebens Fadem brechen koͤnte/ haͤtte man zuverſuchen; wie-
wol es nicht ohn ihre ſelbſt eigene Lebensgefahr wuͤrde geſchehen koͤnnen. Herkules fuͤrch-
tete ſich ſehr vor ſolchen Meuchelmord/ deßwegen redete er ihrer Wachte freundlich zu/
mit Bitte/ bey Herrn Agiß anzuhalten/ daß ihnen vor heimlichen Moͤrdern moͤchte ſchuz
geleiſtet werden/ bekam aber zur Antwort: Sie haͤtten ſich deſſen nicht zubefahren/ weil ſie
eben der Urſach halben in ſolcher Anzahl bey ihnen wachen muͤſten. Es wurden ihnen ge-
ringe Speiſen und ein Trunk Waſſer zur Labung gegeben/ womit ſie doch zufrieden wah-
ren/ weil ihrer keiner verwundet wahr/ ohn allein Klodius und Gallus/ welche Herkules
mit ſeiner Wund Salbe ſelbſt verbunde. Nach gehaltener kurzen Mahlzeit fingen ſie ihr
andaͤchtiges Gebeht an zu Gott/ danketen ihm herzlich vor ſeine ſchon geleiſtete wunder-
bahre Huͤlffe/ und bahten mit Traͤhnen/ er wolte ſeine Barmherzigkeit ferner groß uͤber
ſie machen/ und den Spoͤttern ſeiner Almacht zuerkennen geben/ wie leichtes ihm waͤhre/
die Elenden zuerheben/ und die Gewaltigen vom Stuel zuſtoſſen. Sie wahren aber in ih-
rer Seele ſo wolgemuht/ daß ſie mit einander den 91 Pſalm des Koͤniges Davids anſtim-
meten/ welcher alſo lautete:


1 WEr in des Hoͤchſten Schirm gehoͤrt/

Und hat ſein Zelt geſchlagen

Im Schatten des der maͤchtig faͤhrt/

Darff frey zum HErꝛen ſagen;

O du mein Schloß/ O du mein Gott

Und feſter Schuz in aller Noht/

Mein ganzes wolbehagen.

2 Dann er macht meine Fuͤſſe frey

Vom Jaͤger-Netz und Stricke/

Und treibt die Peſtilentz vorbey

Daß ſie dich nicht beruͤcke/

Die ſonſten leichtlich ſchaden tuht/

Drum nimt er dich in ſeine Huht/

Auff daß er dich erquicke.

3 Mit ſeinen Fluͤgeln wil er dich

Als eine Henne decken/

Sein wahres Wort ſol feſtiglich

Dir Schirm und Schild darſtrecken/

Das dich des Nachtes Grauſamkeit

Und Tages-Pfeil zu keiner Zeit

Mag treffen noch erſchrecken.

4 Vor Peſte ſoltu ſicher ſeyn/

Die ſich im finſtern reget/

Dazu von aller Seuche rein

Die bey Mittage ſchlaͤget/

Und griffe ſie gleich tauſend Mann

Und noch zehn tauſend ander’ an/

Bleibſtu doch unbewaͤget.

5 Ja
[795]Achtes Buch.
5 Ja du wirſt deine Freud und Luſt

Mit deinen Augen ſehen/

Wie uͤber aller Suͤnden Wuſt

Die ſchweren Straffen gehen/

Dann Gott iſt deine Huͤlff’ und Schuz/

Und der im Himmel wohnt/ dein Truz/

Drum muß dir wol geſchehen.

6 Vor Ungluͤk biſtu gnug befreit/

Kein Leid wird dich belegen/

Weil ſeinen Engeln er gebeut

Daß ſie auff deinen Wegen

Dich ſchuͤtzen/ ſo daß auch dein Fuß

An keinen Stein ſich ſtoſſen muß/

So werden ſie dein pflegen.

7 Du wirſt die Schlangen ohn Gefahr

Ertreten ſampt den Loͤuen/

Der jungen Loͤuen wilde Schaar

Und Drachen gar nicht ſcheuhen/

Dann weil er meiner ſo begehrt/

Wil ich ihn wieder unbeſchwert

Mit meiner Huͤlff erfreuen.

8 Ich helff’ ihm/ dann er kennet mich/

Er rufft/ ich wil ihn hoͤren/

Aus Noͤhten wil ich ſicherlich

Ihn retten und hoch ehren/

Ich wil ihm ſeine Lebens-Zeit

Erſtrecken/ und die Seeligkeit

In meinem Heil beſchehren.

Ihre Huͤter wunderten ſich uͤber alle maſſe/ daß ſie in dieſer groſſen Gefahr mit ſo froͤlichem
Munde und laͤchelndem Angeſicht ſingen kunten/ nicht anders als wann ſie in der allerbe-
haͤgligſten Koͤniglichen Luſt ſaͤſſen/ brachten auch die ganze Nacht mit Erzaͤhlung geiſtli-
cher Geſchichten zu/ wodurch ihre Waͤchter deſto beſſer vom Schlaffe abgehalten wurdẽ.
Umb die Mitternacht ſchliechen dañoch drey verwaͤgene Meuchelmoͤrder mit kurzem Ge-
wehr herzu/ welches ſie unter ihren Kleidern verborgen hielten; und als ſie befraget wurdẽ
wer ſie waͤhren/ gaben ſie ſich vor etlicher Oberſten Diener aus/ welche die Wacht bey den
Gefangenen hielten/ als aber dieſelben mit Fackeln zu ihnen heraus gingen/ und ſolches
vorgeben falſch befunden/ wurden ſie in Feſſel gelegt/ und m[u]ſten hernach mit dem Leben
bezahlen/ da ſie bekenneten/ es haͤtte Herr Bato/ Dropions S[o]hn jedem 3000 Kronen
verſprochen/ wann ſie den Boͤhmiſchen und jungen Teutſchen Koͤn[i]g wuͤrden hinrichtẽ.


Es wolte aber ihr Gott und Heiland dem ſie ſo herzlich vertraueten/ ſeine voͤllige
Huͤlffe und Rettung ihnen nicht lange hinterhalten/ ſondern ſich herlich bey ihnen erzei-
gen/ damit ſie in der Taht empfuͤnden/ was Koͤnig David Pſalm 22 ruͤhmet: Gott hat
nicht verachtet noch verſchmaͤhet das Elend des Armen/ und ſein Antliz vor ihm nicht verdorgen/
und da er zu ihm ſchrey/ hoͤret ers; dann bey fruͤher Tages Zeit/ eine Stunde nach der Soñen
Auffgange (da Agiß und Maſtyes groſſe außgeſchikte Schaaren/ ihrem Koͤnige nach zu-
forſchen/ ſchon vor vier Stunden wieder ankommen wahren) jageten ſechs Pannoniſche
Reuter/ ſo auff Maſtyes Anordnung auff einem Hügel Schildwache hielten/ mit vollen
Spornſtreichen auff ihr Lager zu/ uñ brachten Zeitung/ es gaͤbe von ferne ein dicker Staub
Anzeige/ daß ein gewaltiges Heer von Prage werts im Anzuge waͤhre/ und Zweifels ohn
bald vor Augenſchein kom̃en wuͤrde. Dropion wolte ſolches nit glaͤuben und ſagete; etliche
Ungetraͤue/ die es gerne alſo haben moͤchten lieſſen ſolches zum Schrecken außſprengen;
aber Maſtyes baht ihn/ er moͤchte ſeiner Vernunft raum goͤnnen/ und ſolche Zeitungen nit
in den Wind ſchlagen/ an deren Tichtung kein redlicher Mann gefallen haben wuͤrde. Bey
dieſer Beredung kahmen 30 andere Reuter/ die ſudwerz auff einen Raub außgangen wah-
ren/ und meldeten an/ daß auch von der Seiten ein gewaltiges Heer in blanker glinzender
Ruͤſtung heran zoͤge/ von welchen ein ſtarkes Trometen blaſen und Heerpaukenſchlagen ge-
trieben wuͤrde; woruͤber Maſtyes ſich nicht wenig beſtuͤrzet befand/ und zu Dropion ſa-
h h h h h ijgete;
[796]Achtes Buch.
gete; wollen wir unſer Vaterland und die uns anvertraueten Voͤlker nit verrahten/ wer-
den wir uns fertig halten/ damit wir nicht in unſerm Lager uͤberfallen und als das Vieh
abgeſchlachtet werden; und wird nunmehr der Feldmarſchalk erkennen/ obs nicht gut und
heilſam ſey daß man der Koͤnige uñ Fuͤrſten verſchonet hat. Ein Narr waͤhre ich/ ſagte Dro-
pion/ wañ ich ſolches vor gut hielte. Befahl darauff nach beiden Orten 500 Reuter gehen
zulaſſen/ welche Nachforſchung taͤhten/ ob den Zeitungsbringern nicht moͤchte getraͤumet
haben. Wie wol er auff allen Fal im Lager auffblaſen ließ/ da inzwiſchen Agiß die Gefange-
nen in ſein [e]igenes Gezelt hinfuͤhrete/ und ihnen 1500 getraͤue Leute zu ihrem Schutze zu-
gab/ wovor ſie ihm hoͤchlich danketen/ und ſich aller Vergeltung anerbohten. Den Voͤl-
kern kam es wunderſelzam vor/ daß ſobald ein gedoppeltes Heer uͤber ſie kommen ſolte/ ga-
ben ſich doch zeitig ins Gewehr/ und harreten mit Schmerzen/ was vor Nachricht die auß-
geſchicketen bringen wuͤrden; da nach Verlauff einer halben Stunde die von Abend her
anzeigeten/ ſie haͤtten nicht allein den groſſen Staub/ ſondern bald darauff ein groſſes Heer
in zween abgeteileten Fluͤgeln geſehen/ deren jeder wol in 40000 Reutern beſtuͤnde. Nicht
lange hernach ſtelleten die von Suden her ſich mit ſchnellem jagen ein/ anmeldend/ es waͤh-
re ein glinzernd Heer auffs wenigſte von 50000 Reutern verhanden/ deren Trometen uñ
Pauken man von ferne hoͤrete. Woher fuͤhret dann der Teuffel alle die Voͤlker in ſolcher
Eile? ſagte Dropion; teilete das Pannoniſche Heer/ welches annoch in 104000 geſunder
Manſchafft beſtund/ gab Maſtyes 36000 gegen die von Mittage anzugehen; Agiß 30000
gegen den rechten Fluͤgel des andern Heers/ und behielt er von ſich ſelbſt 36000 gegen des
Feindes linken Fluͤgel. Dieſe Schlacht Ordnung wahr kaum gerichtet/ da kam das erſte
Heer aus Weſten zum Vorſchein/ deſſen rechter Fluͤgel in 50000 wolgewapneter Reu-
ter beſtund/ der Linke wahr 42000 ſtark erzeigete ſich aber viel muhtiger und erzuͤrneter als
der ander. Sie wahren ſobald nicht geſehen/ da ſchickete Dropion eine Schaar von 3000
an ſie/ um zuvernehmen/ was Volk ſie waͤhren/ und zu was Ende ſie unabgeſaget ihm ſo ge-
rade auff den Leib gingen; bekahmen aber von dem rechten Fluͤgel in lateiniſcher Sprache
zur Antwort; was die Pannonier ſie auff eines andern Grund und Bodem zu rechtfer-
tigen haͤtten; und ob nit ihnen ſo wol als einem andern fremden der Weg offen ſtuͤnde; ihr
begehren waͤhre/ daß man ihnen ohnwegerlich Raum machete/ weil ihr Zug eilig waͤhre/
ſonſt muͤſten ſie verſuchen/ es mit dem Schwerte zuerhalten. Dem Pannonier kam dieſe
Antwort fremde und trotzig vor/ meinete/ es wuͤrde etwa ein Roͤmiſches Heer ſeyn/ welches
vom Rein her durch Teutſchland nach Italien ginge/ weil die Roͤmer mit den Teutſchen
und Boͤhmen in guter Einigkeit ſtuͤnden/ daher ließ er ihnen wiederſagen; man waͤhꝛe nit
der Meinung/ ſich ohn Urſach jemand zum Feinde zumachen/ nachdem ſie ihre Feinde die
Boͤhmen und Teutſchen geſtriges Tages ritterlich geſchlagen/ und ihre Koͤnige gefangen
haͤtten/ welche ſo lange in Haft gehalten wuͤrden/ biß ihr gefangener Koͤnig/ Mnata ſich loß
gewirket haͤtte. Daß ſie aber ihnen als unbekanten und fremden das Feld ohn Wiederſee-
zung goͤnnen ſolten/ kaͤhme dem Pannoniſchen Feld Herrn Dropion und ſeinen Leuten
ſehr nachdenklich vor/ verhoffeten demnach/ anjetzo ohn fernere Wegerung verſtaͤndiget
zuwerden/ wohin ſie gedaͤchten/ und ob ſie den Teutſchen und Boͤhmen Entſaz zuleiſten ge-
[m]einet waͤhren; wuͤrde man ſich aber keiner Richtigkeit erklaͤren/ koͤnte man an dieſer Sei-
te ſie
[797]Achtes Buch.
te ſie nicht anders als vor Feinde achten. Der fremde Heerfuͤhrer hoͤrete ſolches alles mit
unwillen an/ und gab zur Antwort; es erſchiene aus des Pañoniſchen Feld Herrn Antwoꝛt
und Werbung/ daß er ein ſtolzer und verwaͤgener Kerl ſein muͤſte/ in dem er ſich nit ſcheu-
hete/ daſſelbe zuwiſſen/ welches ihm und allen den ſeinen biß dahin ſolte verborgen ſeyn; ſei-
ne Draͤuungẽ achtete man nicht hoch/ und doch vor gnugfam/ daß hiemit die Schlacht an-
gekuͤndiget waͤhre; jedoch wolte man ihm noch zum Uberfluß erinnert haben/ ſeinen Hoch-
muht abzulegen/ das Heer von dem Felde ins Lager zufuͤhren/ und den Weg unbeſetzet frey
zulaſſen; wuͤrde er ſolches nicht ſtraks Angeſichts eingehen/ ſolte ihm damit abgeſaget/ und
die Schlacht angekuͤndiget ſeyn. Dropion hoͤrete hieraus/ was dieſer Voͤlker Vorhaben
wahr/ nur verwunderte er ſich/ woher dieſe groſſe Macht kaͤhme/ welche/ inſonderheit der
rechte Flügel/ ganz neue unbekante Reuter Fahnen fuͤhrete; ſo wahr auch ihr Drometen-
Schal nicht nach der gemeinen Teutſchen Art/ noch nach der Boͤhmiſchen/ ſondern gar
fremde und unbekant. Er ſahe/ daß ſie an der Zahl zwar nit überlegen wahren/ doch grauete
ihn vor dem andern Heeꝛ noch am meiſten/ welche gleich in dieſer Handelung heꝛzunaheten/
und ein uͤberlautes Freuden Geſchrey ergehen lieſſen/ als ſie fahen/ daß dieſe zwey Heer zur
Schlacht gegen einander hielten. Der Feld Herr/ bey dem Heere von Weſten/ ſahe dieſes
dritte Heer ſich ins Feld gegen die Pannonier ſetzen/ und nahm ihn hoͤchlich Wunder/ was
Voͤlker ſie ſein moͤchten/ unterließ auch nicht/ alsbald 500 Reuter an ſie abzuſchicken/ und
den Feld Herrn bitlich zuerſuchen/ ihm unbeſchweret anzuzeigen/ weſſen die Teutſchen uñ
Boͤhmen ſich zu ihnen zuverſehen haͤtten/ welche ihnen/ dafern ſie nicht Pannonier waͤh-
ren/ alle Freundſchafft uñ moͤglichen Beiſtand wieder ihre Feinde hiemit anboͤhten. Woꝛ-
auff der Feld Herr dieſes treflich gewapneten Heers mit ſonderlicher Freundligkeit in la-
teiniſcher Sprache (in welcher er auch angeredet wahr) zur Antwort gab; er und alle ſeine
Volker wuͤnſcheten den Teutſchen und Boͤhmen des Himmels Beyſtand wieder ihre un-
befugetẽ Feinde die Pannoniſchen Mordbrenner/ und ſtuͤnden um keiner ander Urſach im
Felde/ als daß ſie vor deren Koͤnige Leben uñ Wolfahrt ihr Blut zuvergieſſen bereit und fer-
tig waͤhren; kehrete ſich damit um/ und befahl ſeinem Heer daß ſie ihr Feldwort ruffen ſol-
ten; daſſelbe aber wahr der Nahme Valiſka/ welchen ſie mit groſſem Geſchrey etlichemahl
wiederhohleten/ und bald darauff den abgeſchikten Befehl erteilete/ ſie ſolten hinreiten/
und ihrem Heerfuͤhrer ſolches anmelden. Dieſer Zeitung verwunderten ſich die Haͤupter
der beiden Fluͤgel zum hoͤchſten/ und ſagete der eine zu den uͤbrigen/ deren unterſchiedliche
wahren/ ſehet meine Freunde/ wie wundergnaͤdig handelt unſer GOtt mit denen/ die ſich
auff ihn verlaſſen! ehe dieſelben ſolten untergehen/ muͤſten ganz unbekante kom̃en/ und ih-
nen Rettung tuhn. Maſtyes ſendete ſeine Leute auch ab an dieſes Suͤdiſche Heer/ umb zu-
vernehmen/ wz die Pañonier ſich zu ihnen zuverfehen haͤtte/ welche mit niemand in Feind-
ſchafft lebeten/ noch jemand unrechmaͤſſiger Weiſe zubeleidigen außgezogen waͤhren/ nur
daß ſie den von den Boͤhmen empfangenen Schimpff zuraͤchen ſich nohtwendig haͤtten
in Harniſch begeben müſſen. Aber er bekam dieſe harte Antwort: Es iſt Landkuͤndig/ daß
die Pannonier das Boͤhmiſche Reich angefallen/ nicht als Kriegsleute/ welche die Fehde
nach aller redlichen Voͤlker Brauch zuvor angeſagt/ ſondern als Mordbrenner und Raͤu-
ber/ und ſolches darumb/ weil ſie durchaus keine andere erhebliche Urſach einzuwenden ge-
h h h h h iijwuſt
[798]Achtes Buch.
wuſt haben/ als ihren frechen und unbendigen Muhtwillen; daher ſie ſich deſto weniger zu
verwundern/ daß er mit ſeinen Voͤlkern ſich zu der Boͤhmen Beyſtand auffgemacht/ die
groſſe Ungerechtigkeit helffen abzuſtraffen/ ungeachtet er mit denſelben in keiner Veꝛbuͤnd-
niß ſtuͤnde/ moͤchten ſich dannoch die Pannonier verſichern/ daß er ihrer Boßheit Feind
waͤhre/ und ein Freund deren/ die recht und ehrlich handeln. Als Maſtyes dieſe Antwort
hoͤrete/ ſeuffzete er/ und ſagte: Ach ach! alſo muß offt ein ganzes Land buͤſſen/ was ein ein-
ziger verkehrter Menſch verſchuldet. Sie begunten ſich allerſeits zum erſten Angriff zu
ſchicken; aber uͤber alle Zuverſicht kam von Norden her noch ein neues Heer 60000 ſtark/
als zween Fluͤgel Reuter/ jeder 20000 Mann/ welche gleich ſo viel wolbewehrete Fußvoͤl-
ker zwiſchen ſich eingeſchloſſen hatten. Das Heer von Weſten meinete nicht anders/ es
wuͤrde ein Pannoniſcher Entſaz ſeyn; aber als der Fuͤhrer des linken Fluͤgels 300 Reuter
an ſie abſchickete/ zufragen/ ob ſie der Teutſchen und Boͤhmen Freund oder Feind waͤhren;
gaben ſie zur demuͤhtigen Antwort: Sie waͤhren ſchier zum dritten Teil Teutſchen/ und
zween Teil Wenden/ dem Teutſchen und Boͤhmiſchen Koͤnige von ihrer Fuͤrſtin ganz ei-
lig zu Huͤlffe geſand/ weil ihre Gn. Fuͤrſtin in glaubwirdige Erfahrung kommen waͤhre/
daß die Pannonier mit ſehr groſſen heimlichen Werbungen umgingen/ das Boͤhmiſche
Reich zuuͤberfallen/ wie ihnen dann nicht unbewuſt waͤhre/ daß ſolches ſchon geſchehen/
und ſie demnach bereit ſtuͤnden/ vor Teutſchland und Boͤhmen ihr Blut biß auff den leztẽ
Mann zuvergieſſen. Die unſern wuſten nicht/ was wegen dieſer Erklaͤrung ſie vor Freu-
den beginnen ſolten/ und lieſſen ihnen alsbald anzeigen/ ſie ſolten alle wilkommen ſeyn/ und
wann es ihnen gefallen koͤnte/ moͤchten ſie ihre Fußvoͤlker ſamt der Halbſcheid ihrer Reu-
terey nach Oſten hinter den Feind gehen laſſen/ daß ihnen der Ruͤkweg zur Flucht abge-
ſchnitten wuͤrde; der ander Teil aber ihrer Reuter koͤnten das Feld halten/ und ſich nicht
regen/ biß man ihres Entſatzes wuͤrde von noͤhten haben. Hier fing nun Dropion an den
Muht ſinken zulaſſen/ weil er ihm keiner neuen Huͤlffe vermuhten wahr/ bald aber verkeh-
rete ſich die Furcht in eine raſichte Wuht/ und ſchickete an dieſes Nordiſche Heer/ ſie ſoltẽ
ſich erklaͤren/ ob ſie Pannoniſch oder Boͤhmiſch waͤhren; bekam aber zur Antwort: Sie
waͤhren aller Raͤuberiſchen Mordbrenner geſchwohrne Feinde/ und alſo auch der Pan-
nonier. Dropion entboht ihnen hinwiederumb: Waͤhren ſie dann ſeine Feinde/ ſo muͤſte
ers laſſen dahin geſtellet ſeyn; nur wann ſie redlich waͤhren/ ſolten ſie harren/ biß er mit
ſeinen Feinden von Weſten her Schlacht gehalten/ alsdann wolte er ihnen auch ſtehen;
Welcher Anmuhtung nicht wenig gelachet/ und zur Antwort gegeben ward: Die Panno-
nier ſolten wiſſen/ dz ſie weder mit Kindern noch mit Narren zutuhn haͤtten/ denen ſie vor-
ſchreiben und gebieten wolten/ da ſie doch ihre geſchwohrne Feinde waͤhren. Agis ſchickete
ſich zu einem ruͤhmlichen Tode/ und ſagete zu Pyrechmes/ der ſein Obriſter Statverweſer
wahr: Nun ſehet ihr Herrn/ was vor einen Jammertanz ihr unſerm guten Koͤnige/ dem
Pannoniſchen Reiche und uns allen zugerichtet habt/ in dem ihr unſern Koͤnig beredet/
und uns andere gezwungen/ dieſen unnoͤhtigen muhtwilligen Krieg anzufangen. Ich ſehe
wol daß ich ſterben mus/ antwortete er/ aber ich wil mich ſo lange wehren als der Odem in
mir iſt/ und mus ja ein ſonderlicher Ungluͤks Teufel alle Feinde auff einmahl zuſam̃en her-
gefuͤhret haben. Das Nordiſche Heer richtete ſich nach dem empfangenen Befehl/ und zo-
gen
[799]Achtes Buch.
gen zween teile mit fliegenden Faͤhnlein Oſtwerz/ daß ſie hinter den Feind ſich in ausgebrei-
teter Schlacht ſetzen moͤchten/ welches ihnen gluͤklich anging/ und der Feind nichts dawie-
der vornam. Der Heerfuͤhrer des rechten Fluͤgels von Weſten her/ ließ 36000 Mann in
drey gleiche Hauffen ſich ſetzen/ und wahr willens den Agriff auff Agiß Voͤlker zutuhn/ a-
ber Dropion wolte noch einmahl verſuchen ob er durch Worte dieſen Feind furchtſam
machen koͤnte/ da er ihm ſagen ließ; er wolte ihn nochmahl warnen ſich voꝛzuſehen/ und ſich
nicht in unnoͤhtige Gefahr zu geben/ noch in fremde Haͤndel ſich einzumiſchen; dann wie
durchdringend das Pannoniſche Schwert waͤhre/ haͤtten die Teutſchen in wenig Tagen
empfunden/ daß wie vor gute Kriegsleute man ſie auch hielte/ waͤhren ſie doch wie das Rei-
ſich nidergehauen/ daß ſie nunmehr ihre Verwaͤgenheit zu ſpaͤht bereueten/ welches ihm
auſſerzweifel auch alſo ergehen würde. Ich merke wol/ antwortete der Feldherr/ man wil
mich mit Worten ſchrecken/ da ich doch eigentlich kommen bin/ ſolchen Trotzern ihren ver-
dienten Lohn ausfolgen zu laſſen; darumb ſage deinem Herrn; Kinder erſchrecke man mit
einer Blaſe vol Erbſen/ und feige Herzen mit trotzigen Worten: aber unerſchrockene Maͤn-
ner muͤſſe man das Schwert empfinden laſſen. Dieſer hatte befehl auff den fal ſolcher Ant-
wort den endlichen Troz auszuſchuͤtten/ welches er alſo verrichtete: Nun dann ihr ſtolzer/
hoͤret des unuͤberwindlichen Pannoniſchen Feldherrn/ und beſtaͤtigten Koͤniges in Boͤh-
men Herrn Dropions endlichen Beſcheid. Ey des ſchoͤnen Boͤmiſchen Koͤniges/ fiel ihm
der fremde Feldherr in die Rede/ welcher beſſer zum Saͤuhirten beſtaͤtiget waͤhre. Doch
laß hoͤren/ was vor einen endlichen Beſcheid gibt er mir dann wol/ nach ſeiner Koͤniglichẽ
einbildung. Diß iſt der Beſcheid/ fuhr dieſer fort/ dz/ dafern ihr nicht werdet euꝛe Schmach-
reden wiederruffen/ auch ſtraks Angeſichts umbkehren/ und mit ſchleiffenden Panieren
zwo Meilen ſtilſchweigens/ ohn Geſchrey/ Trometenklang und Trom̃elſchlag hinter euch
zihen/ ſollet ihr alle miteinander zu kleinen Stuͤcken zerhacket werden. Wolan/ antwortete
dieſer; die Pannoniſche Kerze hat vor ihrer gaͤnzlichen Erloͤſchung noch einen Blik von
ſich geben ſollen. Ihr aber bringet dem hochmuhtigen Narren zur wiederantwort; Ob er
dann von GOtt gar geblendet ſey/ daß er nicht ſehen kan/ was geſtalt er von tapferen Fein-
den ganz umbgeben iſt; ich wolle jezt kommen/ und ihm mit meinem Schwert den endlichẽ
Beſcheid bringen/ auch zugleich vernehmen/ ob ſein Saͤbel ſo ſchneidig als ſeine Zunge
ſey. Damit ließ er die drey geſetzeten gleichteile ſeines Fluͤgels gegen Agiß loßbrechen/
und muſte der linke Fluͤgel zugleich mit fortgehen. Dropion ließ gegen dieſen Linken
ſeinen Pelegon mit 10000 Mann loßſtuͤrmen/ denen nur 8000 begegneten/ aber mit
ſolcher Verwaͤgenheit/ als haͤtten ſie geſchworen daß ſie alle fechtend ſterben wolten/ da-
her ſie bald im erſten Anfal 300 Pañonier niderſchlugen/ griffen auch bald anfangs 30 von
den Feinden lebendig/ fuͤhreten ſie nach dem Feld Herrn des rechten Fluͤgels (welcher mit
14000 Reutern noch im Felde hielt/ als wolte er ſeine drey außgeſchikte Hauffen entſetzen/
an was Ort es wuͤrde noͤhtig ſeyn) und wurden dieſe alsbald bedraulich befraget/ an was
Ende des Lagers die gefangene Koͤnige und Fuͤrſten behalten wuͤrden; welches ſie einmuͤh-
tig außſagetẽ; worauff dieſer mit ſeinen 14000 beherzten Leuten des rechten Weges nach
dem Lager zuging/ auch die Wendiſchen Fußvoͤlker/ welche nahe dabey hielten/ zu ſich fodeꝛ-
te/ das Lager mit ſtuͤrmender Hand einzunehmen/ welche alsbald zum Anlauffe fertig wah-
ren;
[800]Achtes Buch.
ren; aber es bedurfte keines Schweriſchlages/ weil ſolches mit lauter Verwundetẽ beſetzet
wahr/ die um Gnade und Barmherzigkeit rieffen; welche ihnen in ſo weit gegeben ward/ dz
ſie ſtuͤndlich das Lager raͤumen/ ſich ins offene Feld legen/ und die Wendiſchen Fußvoͤlker
einzihen laſſen muſten/ denen bey Lebens Straffe gebohten ward/ ſich an keiner Beute des
Lagers zuvergreiffen. Der fremde Feldherr ritte mit 3000 Pferden auch hinein/ nach Agiß
Gezelt/ woſelbſt alle Hüter bey den gefangenen Koͤnigen ſchon umb Leben und Freyheit an-
gehalten hatten/ welches ihnen willig verſprochen ward. Alsbald ließ der unbekante Feld
Herr allen gefangenen Koͤnigen Fuͤrſten und Herrn ſtatliche Ruſtungen und muhtige Pfeꝛ-
de außteilen/ da ſie ſich inſonderheit verwunderten/ daß man Herkules ſeinen aͤdlen Blaͤn-
ken darboht; und ein Teutſcher uͤbeꝛlaut anfing; ſeyd getroſt ihr Helden/ es ſind dieſen moꝛ-
gen vier unterſchiedliche Heere ganz unvermuhtlich ankommen/ zu eurem Entſaz/ deren
keines von dem andern gewuſt hat/ ingeſammt uͤber 200000 Mann ſtark/ welche euren
Schimpff zuraͤchẽ ſchon in voller Arbeit begriffen ſind. Die Gefangenen wuſten vor Fꝛeu-
den nit zuantwortẽ; aber ſo bald Herkules im Harniſche wahr fiel er nider auff ſeine Knie/
und ſagete dieſes Gebeht uͤberlaut: HErr JEſus/ du wahrer Heiland und Helffer aller deren die
dir vertrauen; jezt ſpuͤre ich/ daß du von dem Stuel deiner Almacht auff unſer Elend geſehen/ und un-
ſere Schmach von uns gewendet haſt/ da wir meineten/ noch mitten driñen zuſtecken; Herr dir ſey Lob/
Preiß und Herligkeit/ von nunan biß in Ewigkeit/ Amen.


Der fremde Feldherr machte ſich mit 6000 Reutern alsbald wieder hinweg nach
ſeinen Leuten/ und ließ die erloͤſeten erſuchen/ daß ſie ſich in vier Teile ſetzen/ und jeder von
ſeinen hinterlaſſenen 8000 Reutern/ 2000 zu ſich nehmen moͤchte/ ſo daß Koͤnig Ladiſla
nach dem Sudheer/ Koͤnig Herkules nach dem Weſtheer des linken Fluͤgels; Koͤnig Hen-
rich und Fuͤrſt Siegward nach dem rechten Fluͤgel deſſelben Heers/ und Fuͤrſt Olaff nach
dem hinterbliebenen Nordheer; Leches/ Klodius/ Gallus und Neda aber nach den Wen-
diſchen Reutern in Oſten ſich verfuͤgen/ und ihr beſtes pruͤfen moͤchten; worzu ſie bereit uñ
willig wahren. Das Treffen ging inzwiſchen tapfer fort/ und entſetzete ſich Dropion nicht
ein geringes/ daß ſeine Voͤlker unter Pelegon dergeſtalt geſtenzet wurden/ ſchickete ihnen
6000 zum Entſaz/ und vermahnete ſie/ daß ſie ſich redlich halten ſolten; aber ihnen begeg-
nete eine gleiche anzahl/ und wetzeten ſich der geſtalt/ als ob ſie einer dem andern den Tod ge-
ſchworen haͤtten/ und wahr zuverwundern/ daß die Fremden keinen Fuß ſich wolten zuruͤk
treiben laſſen/ ſondern ja ſo willig zum Tode als zum Siege wahren; daher kam es/ dz die
Pannonier haͤuffig gefellet/ uñ von den andern uͤber verhoffen wenig nidergelegt wurden/
dann da dieſe erſte Schaaren ſamt ihrem Entſatze ſich zuruͤk zogen/ hatten die Feinde 7000/
und die unſern etwa 2000 eingebuͤſſet. An ſeinem Orte ließ Agiß ſeine Voͤlker auch in drey
gleiche Hauffen/ jeden 10000 ſtark/ wieder die drey Geſchwader ſo ihn angriffen loßbrechẽ/
da Pyrechmes in der mitte ging/ und an ſeinem Orte heftig wuͤtete/ weil auff den Fal der
Niderlage/ er ihm den Tod erwaͤhlet hatte/ damit er nicht lebendig in der unſern Haͤnde ge-
rahten moͤchte/ als die von ihm gar zu heftig beleidiget wahren. Der linke Flügel merkete
die gegen Pyrechmes noht leiden/ und ſendete ihnen 6000 zum Entſaz/ welche anſetzen/ die
anderen aber abzihen muſten; da ſich dann das Blaͤtlein bald umbkehrete; maſſen dieſer
Entſaz nicht weniger den Tod oder den Sieg ihnen erwaͤhlet hatten. Agiß ging ſeines Orts
zur
[801]Achtes Buch.
zur rechten Hand/ fochte auch ſo geherzt/ daß hieſelbſt das Spiel in gleicher Wage hing:
ſein dritter Hauffe hielt gleichergeſtalt aus verzweifelung zimlich feſt gegen/ ſo daß hieſelbſt
allenthalben das Schwert rechtſchaffen wuͤtete. Wir muͤſſen aber des fremdẽ Sudheeres
nicht vergeſſen/ welches wegen der vielen lichtblanken Harniſche das ſcheinbahreſte wahr;
dieſe wolten nicht ehe fechten biß ſie das Weſtenheer ſahen den Angriff tuhn/ da brach die
helfte 25000 ſtark auff einmahl loß/ mit welchen ihr Feldherr zugleich fortging/ welcher
3000 praͤchtige Ritter mit Speeren umb ſich hatte; er ſelbſt fuͤhrete auch ſein Speer/ mit
verguͤldetem Eiſen/ und ſein ganzer Harniſch wahr über und uͤber verguͤldet/ mit ſchoͤnen
eingeetzeten gruͤnen Laubwerk. In ſeinem Schilde lag ein Kranker auff einem Bette/ mit
Ketten gebunden/ dem ein ſchoͤnes Weibesbilde die Hand reichete/ und ihn auffrichtete/
mit dieſer umbſchrift; Cœci amoris remedium Caritas. Der blinden verliebung Arzney iſt die
beilige Liebe. Auff dem Helm hatte er einen groſſen gruͤnen Federbuſch uñ daran drey weiß
geetzete aus Golde gegoſſene Lilien/ mit dieſer Unterſchrift: Marcida reflorent. Die verwelke-
ten bluͤhen wieder. Er ſetzete ſich mit ſeinen 3000 Speer Rittern vor die angefuͤhreten Voͤl-
ker her/ und draͤngete auff Maſtyes ein/ welcher ihnen die wolbewapneſten wiewol Speer-
loſen entgegen ſchickete 18000 ſtark/ und den voͤrderſten befahl/ ſich wieder die Speer Reu-
ter feſt zu halten/ welches ſie zwar nach vermoͤgen leiſteten/ und ihrer doch in die 1700 zur
Erden gefellet wurdẽ. Die fremden/ nach erbrechung ihrer Speere/ griffen zu den Schweꝛ-
tern/ und ſchlugen ſehr behuhtſam auff die Pannonier/ weil ſie ſahen/ daß dieſelben als ra-
ſende Hunde wuͤteten/ und ihrer ſelbſt eigenen beſchuͤtzung wenig achteten/ wañ ſie nur den
Feind verletzen moͤchten. Ward demnach an dieſen dreyen Orten ſo eiferig geſtritten/ in
dem der Feldherr von Weſten das Pannoniſche Lager einnahm/ und die Gefangenen loß-
wirkete/ daß die in der Schlacht deſſen nicht eins wahrnahmen. Als die Gefangene Fuͤr-
ſten zu Pferde ſaſſen/ und nach des fremden Feldherrn Vorſchlag ſich verteileten/ empfun-
den ſie einen ſonderlichen Eifer in ihrem Herzen wegen des empfangenen Galgen-ſchimp-
fes/ und ſagete Herkules zum Abſcheide zu ihnẽ; verſichert euch ihr glaͤubige Kinder Got-
tes/ daß unſer Heyland des Gotteslaͤſterers Pyrechmes Weiſſagung erfuͤllen/ und Dropi-
on mit ſeinem anhange/ an unſer ſtat an den auffgebaueten Galgen bringen werde/ und laſ-
ſet die uns geleiſtete wunderbahre Erloͤſung ja nimmermehr aus euren Herzen kommen.
So bald Ladiſla bey dem ruhenden teil des Sudiſchen Heers anlangete/ ſchlug er ſeinen
Helm auff und ſagte: Ihr aͤdle tapfere Ritter/ euch ſage ich wegen Zeitmangel mit wenig
Worten dank vor dieſen euren Beyſtand/ welchen ihr mir als Boͤmiſchen Koͤnige zuleiſtẽ/
ankommen ſeid; gefaͤlt es euch nun ſo gehet mit mir an den Feind/ euren und meinen Bruͤ-
dern und Spießgeſellen Beyſtand zu leiſten/ auffdas wir auch teil moͤgen haben am Siege.
Dieſe neigeten ſich vor ihm/ und riefen; ſeine Koͤnigl. Hocheit moͤchte ſie anfuͤhꝛen/ ſie wol-
ten mit ihm leben und ſterben/ weil ſie ihrem Feldherrn/ welcher dorten im guͤldenen Har-
niſche ritterlich foͤchte/ keinen angenehmern Dienſt leiſten koͤnten. Maſtyes hatte ſich biß-
her gefreuet/ daß die ſeinen/ ungeachtet ſie der Zahl nach geringer/ dem Feinde gnugſam ge-
wachſen wahren; aber vor dem eiferigen Einbruch dieſer andern helfte/ welche noch mit
2000 Reutern geſtaͤrket wahr/ entſetzete er ſich/ weil er nur 12000 Mann bey ſich übrig hat-
te; ließ deswegen Dropion zuentbieten/ ſein Feind waͤhre ihm an der menge zu weit uͤber-
i i i i ilegen/
[802]Achtes Buch.
legen/ daß er entſatzes beduͤrfte. Gleich kam ein ander zu Dropion hingerant/ mit anzeige/
ihr Lager waͤhre erobert/ von des Nordiſchen feindlichen Heers Fußvoͤlkern/ (welches lau-
ter Wenden)/ beſetzet/ und die gefangene Fuͤrſten frey und zu Pferde. Da ſchlage Donner/
Bliz und Hagel drein/ gab er zur Antwort; nun mus es heiſſen/ Vogel friß oder ſtirb. Zu
dem erſten aber ſagete er: Geſtern wahr der Hundsnaſe Maſtyes ja beherzt und tapfer
gnug/ die verurteileten Hunde vom Galgen zuerloͤſen/ und nun er fechten ſol/ hat er den
Muht auff die Erde geſchuͤttet; ſage ihm daß er ſich gefaſſet halte/ von denen gehenkt zu
werden/ die er dem Büttel von der Leiter hinweg geriſſen hat. Jedoch gab er ihm 2000
Reuter/ und befahl/ daß er gleich ſo viel auch von Agiß fodern/ und ſie Maſtyes zufuͤhren
ſolte. Herkules wahr zwar willens ſich nach dem linken Flũgel des Weſten-Heers hin zu
wenden/ aber weil ihm von ſeinen Reutern angezeiget ward/ daß ihr Feldherr/ welchen ſie
nicht kenneten/ bey dem rechten Fluͤgel ſich hielte/ machete er ſich auch dahin/ ihm moͤglichẽ
Beyſtand zu leiſten/ welchen er auch in voller Arbeit antraff da er mit ſeinem Geſellen (den
er aus dem Gefechte vor Arbianes erkeñete) ſich tapfer unter den Feinden tummelte/ zu
denen er ſich auch verfuͤgete/ und nebeſt ihnẽ beyden unſaͤgliche Tahten beging. Der frem-
de Feldherr/ dieſen ſeinen lieben Freund an ſeiner Seite verſpuͤrend/ wahr voller Luſt und
Freude/ und tahten ſie des Pyrechmes ſeinem Hauffen ſo gedrange/ daß er immer hinter
ſich weichen muſte. Koͤnig Henrich und Fuͤrſt Siegward/ da ſie Herkules enderung ſahẽ/
gingen hin zu dem linken Flügel der Weſtiſchen Voͤlker/ da ſie mit unſaͤglichen freuden uñ
Traͤhnen empfangen wurden; dann dieſer Fluͤgel wahren die geſtrigen Feldfluͤchtige
Teutſchen und Boͤhmen/ welche Arbianes auff dem Wege wieder geſamlet/ und der rech-
te Fluͤgel/ der aus lauter neuen Voͤlkern beſtund/ ihnen gedraͤuet hatte/ dafern ſie die geſtri-
ge Schande ihrer aͤidvergeſſenen Flucht heut nicht wuͤrden durch ruͤhmliches verhalten
rechtſchaffen einbringen/ ſolten ſie ohn alle Gnade ehrloß und zu Leibeigenen gemacht
werden/ daher ſie bey Koͤnig Henrichs Ankunfft umb Gnade und Barmherzigkeit bahtẽ/
und auff ſein freundliches Zuſprechen ſich gefaſt macheten/ unter ihrem Fuͤhrer (der ſich
nicht zuerkennen gab) und dieſen beiden Helden auff Dropions Heer loßzugehen/ welcheꝛ
an Pelegons Gefechte merkend/ daß die Schaars-weiſe angeſtellete Treffen kein gut tuhn
wolten/ vornam/ mit geſamter Macht an den Feind zuſetzen/ welches ihm anfangs ziemlich
geriet/ daß die unſern/ nicht wie ſie wolten/ durchbrechen kunten. Fuͤrſt Olaff kam bey dem
Nordiſchen Heer an/ wolte mit demſelben alsbald loßbrechen/ und dem linken Weſti-
ſchen Fluͤgel zu hülffe gehen; weil er aber von ihnen verſtund/ daß der fremde Feld Herr
ihnen gebohten haͤtte/ hieſelbſt ſtille zuhalten/ biß man ſie zum Entſaz foderte/ muſte er ge-
zwungen es alſo geſchehen laſſen; jedoch weil ihn der Eifer wegen des empfangenen
Schimpffs gar zu hefftig reitzete/ nahm er ſeine 2000 Mann zu ſich/ und ging damit auff
Dropions Hauffen fort/ ihm zur rechten Seite einzufallen. Maſtyes muſte mit ſeinem ge-
ringen Hauffen gegen Ladiſla einen ſehr harten Stand halten/ ſo daß er ſchon auff der
Weichſeite wahr/ als die 4000 ihm zum Entſaz kahmen/ durch deren hefftigen Anfal er
ſich wieder ſetzete. Ladiſla traff ihn an/ und nahm mit ihm den abſonderlichen Kampf auf/
wiewol er ihn vor dißmahl nicht kennete; Er hielt aber ſo feſt gegen/ weil er ohndas lieber
ſterben als gefangen ſeyn wolte/ daß er durch ſtarke Gegenwehr ihm entging. Der Feld-
Herr
[803]Achtes Buch.
Herr dieſes Suden-Heers empfand harten Wiederſtand/ ſo daß er nicht durch ihre Ord-
nung brechen kunte/ wie hefftig er ſich gleich bemuͤhete; dann ſeine Feinde wahren trauen
keine Kinder/ ſondern alle handfeſte beherzete Maͤnner/ daß er Mühe gnug bekam/ und die
ſeinen/ wie gute Waffen ſie auch hatten/ manniche Wunden davon brachten; doch drang
endlich ihres Fuͤhrers Schwert durch/ daß er den Oberſten dieſer Voͤlker erlegete/ und
dadurch eine groſſe Furcht in ſie brachte. Bey Agis ſtund es faſt am ſchlechteſten/ dann
Herkules ſchimpffete nicht/ ſo bezeigete ſich ſein aͤdler Blaͤuke nicht anders/ als haͤtte er den
geſtrigen Spot mit raͤchen wollen; wiewol ſein Reuter mehr bemuͤhet wahr/ den fremden
Feld Herrn zubeſchuͤtzen/ und allen Anfal von ihm abzuwenden/ als dem Feinde zuſchaden.
Es begab ſich/ daß der fremde Feld Herr auff Agiß traff/ und mit ihm anlegete/ aber beyder-
ſeits Reuter trenneten dieſen Kampff zeitig/ daß ſie geſcheiden wurden. Herkules wolte
nicht gerne/ daß dieſem redlichen Manne leid wiederfahren ſolte/ nam 300 Reuter zu ſich/
und ſuchete ihn von neuen/ traf ihn an/ und machten ihm ſeine Leute Raum genug zum
Kampffe. Er wolte ihn aber nicht angreiffen/ ſondern redete ihn alſo an: Ihr redlicher A-
gis; ich bin euch wegen meiner Wolfahrt verbunden/ und wuͤrde mir leid ſeyn/ wann ich
mein Schwert wider euch gebrauchen ſolte/ ſeid demnach gebehten/ und ergebet euch mir/
damit ich Gelegenheit haben moͤge/ euch meine Dankbarkeit ſehen zulaſſen. Preißwirdig-
ſter Koͤnig/ antwortete er; womit hat euer Knecht ſolche Gnade verdienen moͤgen/ welche
leider bey mir nicht hafften kan/ damit ich nicht von andern vor einen Verraͤhter angeſehẽ
werde; welches mich auch antreibet/ lieber zuſterben/ als meinen Verleumdern urſach zu
ſolcher Schaͤndung zugeben. So muß ich euch nohtwendig angreiffen/ nicht zu eurem
Verderben/ ſondern zü eurer Erhaltung/ ſagte er; ſtuͤrmete auch damit auff ihn an/ und
nach etlichen Hieben/ welche ſie mit einander verwechſelt hatten/ ſtuͤrzete Agis mit dem
Pferde uͤbern Hauffen/ weil es uͤber etliche Erſchlagene herſtrauchelte. Herkules aber ließ
ihn auffheben/ und befahl/ daß er abſonderlich verwahret/ ehrlich gehalten und gelabet
wuͤrde. Uber welche Freundligkeit ſich dieſer ſo hoch verwunderte/ daß er uͤberlaut ſage-
te: O wir Ungluͤkſeligen/ daß wir mit der Tugend ſelbſt den Streit auffgenommen habẽ/
worzu uns der laſterhaffteſte Menſch der Welt gezwungen hat/ dem die Goͤtter gebuͤhrlich
lohnen wollen. Seinem Gehuͤlffen dem Pyrechmes ward ſeine Gefaͤngniß zeitig kund ge-
tahn/ welcher ſich aͤuſſerſt bemuͤhete/ die Voͤlker wieder in Stand zubringen/ gleich da ihm
Dropion zuentboht: Er ſolte ſich nach ihm zihen/ und Maſtyes ein gleiches wiſſen ließ; A-
ber dieſes wahr nicht ſo leicht getahn/ als geſagt; dann die unterſchiedliche drey Schaarẽ
hatten ſich zu ſehr in einander mit dem Feinde verwickelt. Ladiſla an ſeinem Ort empfand
zimlichen Wiederſtand/ als Maſtyes den Entſaz der 4000 Reuter bekam/ merkete auch/
daß an der andern Seite der fremde Feld Herr mit ſeinen Voͤlker beide Haͤnde zu tuhn
hatte/ deßwegen ſuchete er Gelegenheit/ mit ſeinem Beſtreiter bald fertig zuwerden/ ſam-
lete 4000 umb ſich/ und ſagete: Ihr Herren/ waget mit mir einen redlichen Anſaz/ alsdañ
wollen wir durchdringen/ und die erſten ſeyn/ welche ſich des Sieges zuruͤhmen haben.
Dieſe ermunterten ſich unter einander ſelbſt/ und ſtuͤrmeten ſo unmenſchlich zu Maſtyes
ein/ daß er mit den ſeinen weichen muſte/ und wie hefftig er ſich bemuͤhete/ ſich wieder zu
ſetzen/ wahr es doch vergebens. Ladiſla traff zum andern mahl auff ihn ſelbſt/ und hatte
i i i i i ijfreien
[804]Achtes Buch.
freien Plaz/ mit ihm nach Willen zuhandeln/ merkete vor dißmahl/ daß es Maſtyes wahr/
und ſagte zu ihm: Ritter/ ſeyd ihr der redliche fromme Maſtyes/ ſo zeiget mirs an/ auf daß
ichs vergelte/ wie ihrs umb mich und die meinen verdienet habet. Ja ich bin der ungluͤkli-
che Maſtyes/ antwortete er/ und begehre keine andere Vergeltung/ da ich einige verdienet/
als daß ich durch eines redlichen Ritters Fauſt das Ende meines Lebens empfahen moͤge.
Nicht alſo/ ſagte Ladiſa; ich wil euch ſehen laſſen/ daß ich nicht allein Woltaͤhtern gerne
danke/ ſondern auch die Tugend an meinem Feinde liebe. Er wolte aber weder antworten
noch ſich ergeben/ ſondern ſuchte ſich auff ſeine Voͤlker zuzihen/ ob er ſie in Ordnung ſetzen
koͤnte; welches Ladiſlaen ungelegen wahr/ warf ihn vom Pferde/ und ließ ihn mit 20 Reu-
tern aus dem Gedraͤnge bringen. Seine Voͤlker ſahen dieſes/ gaben an dieſem Orte ver-
lohren/ und ſetzeten ſich mit ihren andeꝛn zuſammen/ ſo beſt ſie kunten/ in Hoffnung/ daſelbſt
gluͤklicher zuſtreiten/ aber Fabius/ der ſteiff bey ſeinem Schwager hielt/ ging ihnen in die
Eiſen/ daß ſie keine feſte Glieder ſchlieſſen kunten/ welches bald hernach eine urſach ihrer
Flucht wahr. Bey des gefangenen Agiß ſeinen Leuten brauchte Pyrechmes groſſen Fleiß/
daß er endlich alle ſeine verteilete in ein Heer brachte/ welches noch in zimlicher Manſchaft
beſtund/ wolte auch damit nach Dropion zu/ wo ihm ſonſt der Feind ſo viel Zeit und Raum
goͤnnen wuͤrde/ woran es ihm aber ſehlete; dann Herkules/ als er ſahe/ daß er dieſen Hauf-
fen bald daͤmpffen koͤnte/ ſagte zu Arbianes: Mein Freund/ wo ich nicht irre/ daß ihr mein
Bruder Arbianes ſeyd/ ſo nehmet etwa 2000 oder 3000 Mann zu euch/ umb nachzufor-
ſchen/ wie es dem Sudiſchen Heer gehen moͤge/ dieſes Orts wollen wir mit der Huͤlffe
Gottes bald fertig werden. Ich bin zu wenig/ vor Eure Hocheit mich zuverbergen/ ant-
wortete er; ſamlete 3000 umb ſich/ und ging hin/ auch an dieſem Orte ſein Schwert zu
verſuchen. Der Weſtiſche Feldherr fuͤrchtete ſich von Herkules erkennet zuwerden/ und
ſuchete Gelegenheit/ ſich von ihm zutrennen/ indem er mit 5000 Reutern nach dem linkẽ
Fluͤgel ging/ und daſelbſt tapffer mit anſetzete. Herkules zog ſeine Voͤlker zuſammen/ wel-
che noch uͤber 38000 ſtark wahren/ ſetzete dem verwaͤgenen Pyrechmes nach/ und draͤnge-
te ihn/ daß er Stand halten muſte; da ging es nun an ein Treffen/ als haͤtte alles zu Grun-
de gehen ſollen/ daß des Feindes Glieder bald getrennet wurden; welches ihren Fuͤhrer
nicht wenig verdroß/ und ſich dahin machete/ in Hoffnung/ dieſem Ubel noch vorzukom-
men/ aber er ſahe es bald an dem Pferde/ wer ihm den Schaden taht/ ging auch mit ſol-
chem Wuht auff denſelben an/ als wolte er ihn mit ſamt dem Pferde zur Erden ſtuͤrzen/
aber er fand doppelt vor einfach/ und geboht Herkules ſeinen Leuten/ ihm vor andern ſchuz
zuhalten/ damit er dieſen ihren Führer zum Bahren bringen koͤnte; welcher ſich auch findẽ
ließ/ und durch ſeine Raſerey ſich eine zeitlang ſchuͤtzete/ endlich aber eine Wunde an den
rechten Arm bekam/ daß er ſein Schwert nicht mehr fuͤhren kunte/ welches er ſonſt/ da es
zum aͤuſſerſten kommen wuͤrde/ wider ſich ſelbſt zugebrauchen/ ihm gaͤnzlich vorgenommen
hatte/ weil er an aller Gnade verzweifelte. Herkules reiß ihn vom Pferde/ ließ ihm den
Helm abzihen (dann er kennete ihn nicht) und als er ſahe/ daß es Pyrechmes wahr/ ſagte
er zu ſeinen Leuten: Bindet mir den Schelm und Boͤſewicht/ daß er ſich ſelbſt nicht leid
antuhe; er muß viel anders/ als durch eines ehrlichen Ritters Hand ſeinen Lohn empfa-
hen; welches er vor ſchrecken nicht beantworten kunte. Dropion trieb an ſeinem Orte
Wunder/
[805]Achtes Buch.
Wunder/ dann die Verzweifelung verdoppelte ihm ſeine Kraͤffte; Olaff machte ihm zwaꝛ
anfangs Ungelegenheit gnug an der rechten Seite/ aber Bato ſtellete ſich wider ihn mit
gleicher Anzahl Volckes/ und hielten gleichſam eine abſonderliche kleine Schlacht/ da der
eine nicht ſchlaͤfferiger vor ſein Leben/ als der ander den Sieg zuerlangen/ fochte. Der
Fuͤhrer des Weſtiſchen linken Fluͤgels hatte Koͤnig Henrich und Fuͤrſt Siegwarden mit
der groͤſten Macht laſſen auff den Feind gehen/ er aber ſchwenkete ſich mit 8000 Mann
nach der Rechten/ daß er Dropion zur linken Seite einbrechen moͤchte/ da er dann ſo ritter-
lich fochte/ daß jeder/ der es ſahe/ ihn preiſen muſte. Pelegon ſuchte ihn auffzuhalten/ aber
er wahr ihm zu ſchwach an Volk und Kraͤfften/ daß er endlich von ihm hart verwundet
und gefangen hinweg geſchleppet ward; man band ihm aber Haͤnde und Fuͤſſe zuſammẽ/
weil man merkete/ daß er ſuchete/ ſich ſelber zuentleiben. Nach Pyrechmes Gefaͤngniß gin-
gen ſeine Leute von einander/ weil Herkules gar zu ſtraͤnge auff ſie hinein ſetzete/ und ſie uͤbeꝛ
das weit uͤbermannet wahren. Dropion ſahe dieſe Niderlage mit betrübten Augen an/
und erkennete/ daß ihm unmoͤglich wahr/ den Sieg zubehaͤupten/ wolte deßwegẽ ſich ſelbſt
niderſtoſſen/ damit er den unſern nicht lebendig zu teil wuͤrde; bedachte ſich aber/ aus Hoff-
nung/ er koͤnte noch allemahl dieſes aͤuſſerſte vornehmen/ und wolte zuvor ſeinen Feinden
ſo wehe tuhn/ als ihm wuͤrde moͤglich ſeyn; daher er einen beherzten Obriſten den Fluͤch-
tigen zuſendete/ ſie in Ordnung zuſetzen/ welches ihm zimlich geriet; dann Herkules uͤber-
gab hieſelbſt Markus die Auffſicht/ und mit 1000 Reutern folgete er dem abgewiche-
nen fremden Feldherrn/ welchen er keines weges verlaſſen wolte. Derſelbe aber hatte ſich
mit dem Fuͤhrer des linken Fluͤgels zuſammen geſezt/ kurz hernach als Pelegon von dem-
ſelben gefangen wahr/ da ſie dann mit geſamter Hand durchbrachen/ und unter Dropions
Voͤlkern eine groſſe Unordnung macheten. Arbianes ging mit ſeinen Leuten ein wenig zu
ſicher auff Maſtyes hinterlaſſene/ daher er von 5000 friſchen und frechen Wagehaͤlſen an-
gegriffen ward/ daß er muͤhe hatte ihnen wiederſtand zu leiſten; Koͤnig Ladiſla ging ohnge-
fehr dahin/ nur weil er ſahe daß an dem Orte ſich ein neues ganz ernſtliches Schlagen er-
huhb/ und nam 5000 mit ſich/ unter welchen eine Geſchwade von 80 Reutern wahr/ deren
Ritmeiſter einen glinzend- ſchwarzen Harniſch mit gruͤnen Blumwerk an hatte/ einen
Schild in welchem an ſtat des wapens eine dicke Wolke wahꝛ/ uñ in deꝛſelben dieſe Woꝛte:
Sic meruiſti; Daß haſtu verdienet. Auff dem Helm ſtund das Laſter-Bilde als ein ſterben-
des Weib/ und ein Taͤflein dabey mit dieſem Worte Ejicior tandem. Ich werde endlich aus-
geworffen. Er hatte in dieſer Schlacht trefliche anzeigungen ſeiner Tapferkeit ſehen laſſen/
und gaben ſeine Leute ihm das Zeugnis/ daß er acht Feinde nidergehauen hatte. Dieſer
wuſte/ daß der Boͤmiſche Koͤnig ihren hauffen führete/ und ſchwebete mit ſeinen Reutern
hin und wieder/ umb gelegenheit zu haben/ daß er in deſſen gegenwart eine ruhmwirdige
Taht moͤchte ſehen laſſen. Das Glük fugete ihm ſehr wol/ und ſchickete es Gott/ daß er ge-
wahr ward/ was geſtalt Arbianes von 600 Reutern umbgeben uñ faſt eingeſchloſſen wahꝛ/
da er nur 200 zu ſeinem beyſtande bey ſich hatte/ daher ſeiner Leute eineꝛ rieff: O Fuͤrſt Ar-
bianes leidet Noht. Dieſer ſolches hoͤrend/ ſchaͤtzete ſich gluͤkſelig/ fragete/ an was Ort ſol-
ches geſchaͤhe/ und auff nachweiſung ſagete er zu ſeinen Reutern; auff/ und folget mir/ dañ
hier finde ich was ich geſucht habe; ſetzete in die Feinde hinein/ da ſie ſich am dickeſten ge-
i i i i i iijſchloſſen
[806]Achtes Buch.
ſchloſſen hatten/ und ſtuͤrzete im durchbrechen zu grunde was ſich ihm wiederſetzete. Nun
haͤtte er laͤnger nicht duͤrffen auſſe bleiben/ dann Arbianes Leute wahren auff 24 nahe alle
erſchlagen/ welche wenige zu fuſſe fochten/ und ſich ſterbens ſchon erwogen hatten; aber
dieſer trieb die Feinde ab als ein wütiger Loͤue/ und als er zu Arbianes nahete/ ſpꝛang er vom
Pferde/ reichete ihm den Zuͤgel/ und ſagete: Sitzet auff gnaͤdigſter Fuͤrſt/ und vertrauet
euch meinen Leuten. Ein Pannonier wagete einen Fal auff ihn zu/ in meinung ihn nider-
zuſchlagen/ er aber durchſtach ihm das Bein/ warff ihn herunter/ und ſetzete ſich auff ſein
Pferd; noch wolten die Feinde nicht ablaſſen auff Arbianes zu ſchlagen/ weil ſie merketen/
daß er etwas ſonderliches wahr/ und hatte er nicht allein ſich gar abgemattet/ ſondern das
Schwert wahr ihm auch vor der Fauſt abgeſprungen/ und der Schild in ſtuͤcken zerhauen/
daher dieſer ihm beydes hinreichete/ hernach als ein Blinder einen Pannonier anfiel und
demſelben anfangs das Schwert bald darauff auch den Schild hinweg nam/ woruͤber er
doch etliche Wunden empfing. So bald er ſich hiemit verſehen hatte/ ſetzete er Arbianes
nach/ dem ſeine Reuter zimlichen Schuz hielten/ blieb ihm ſtets zur Seite/ und ſchlug ſich
glüklich durch/ daß er aller gefahr entriſſen bey ſeinen Leuten wieder anlangete/ wiewol er
ſo mat wahr/ daß er ſich kaum auff dem Pferde halten kunte. Nach leiſtung dieſer Taht/
baht er den Fuͤrſten untertaͤhnigſt/ ihm ſeinen Schild wieder zu geben/ welcher nicht allein
willig darzu wahr/ ſondern zu ihm ſagete: Mein Freund/ daß vor dißmahl ich ihm naͤheſt
Gott mein Leben zu danken habe/ werde ich nimmermehr in abrede ſeyn/ hoffe auch/ er wer-
de ſich mir zuerkennen geben/ damit ich ſehen laſſe/ daß ich der Undankbarkeit nicht gerne
moͤchte gezihen werden. Dieſer aber gab zur Antwort: Gnaͤdigſter Fuͤrſt/ ich bin nunmehr
bereit und willig zu ſterben/ wann nur euer Durchl. nach vollendeter Schlacht mich einer
untertaͤhnigſten Bitte gnaͤdigſt gewehren wil. Alles mein vermoͤgen/ mein Freund/ iſt zu
eurem willen/ antwortete Arbianes. Worauf dieſer antwortete: Und ich ruchloſer Menſch
bin nicht wert/ daß eure Durchl. einige erbarmung mir erzeige/ ſo hoch iſt dieſelbe ehmahls
von mir beleidiget. Deſſen wuͤſte ich mich durchaus nicht zuerinnern/ ſagte der Fuͤrſt/ ſolte
es aber ja geſchehen ſeyn/ wollen wirs in die unterſte Erde vergraben/ und ſo gar der Ver-
geſſenheit uͤbergeben/ als waͤhre es nie geſchehen. Gnade genug gnaͤdigſter Fuͤrſt/ antwor-
tete dieſer/ und tauſendmahl mehr als ich nicht wert bin; ſpornete damit ſein Pferd an/ uñ
ſetzete mit ſeinen Reutern nicht weit von Ladiſla/ mit ſolchem Grim in die Feinde/ daß er
ihre Ordnung trennete; welches Ladiſla ſehend/ ihm 3000 nachgehen ließ/ welche hieſelbſt
den Feind auff die Flucht brachten. Die beyden Fuͤhrer des Weſtiſchen Heers hatten ſich/
wie geſagt/ zuſammen getahn/ und aͤngſtigten Dropions Hauffen von der linken Seiten
dergeſtalt/ daß ſie nicht mehr ſtehen kunten. An der rechten Seiten kunte Olaf nichts ſon-
derliches ſchaffen/ wagete es derwegẽ/ die ruhende Nordiſche Ritterſchaft ingeſamt 20000
ſtark zu ſich zu fodern/ welches Bato erſehend/ die helfte der wiedergeſetzeten Voͤlker von
Agiß/ zu ſich hohlen ließ/ ob er dieſer Macht wiederſtehen koͤnte. Dropion ward alſo von
dreien Orten her angegriffen/ noch ſetzete er ſich ſo grimmig wieder ſeine Feinde/ daß es
ſchien/ er wuͤrde allenthalben durch brechen/ traff endlich auff die beyden Führer des Weſti-
ſchen Heers/ und ſchlug bald auff den einen/ bald auff den andern/ daß ſie ihm nichts ange-
winnen kunten. Herkules kam gleich darzu/ ſahe ſolches/ und rieff ihnen zu; goͤnnet mir/
meine
[807]Achtes Buch.
meine Freunde/ goͤnnet mir dieſen meinen Erzfeind/ dann er hat keinen Menſchen hoͤher
beleidiget/ als mich; rante auch mit einem ungewoͤhnlichen Eifer auff ihn dar/ und als er
ihm nahete/ ſagte er: Du graͤulicher Bluthund/ Gott lob/ dz ich meineꝛ Faͤuſte wiedeꝛ maͤch-
tig bin/ diꝛ den teufliſchen Schimpf einzubꝛingen/ und meine rechtmaͤſſige Rache auszuuͤbẽ.
O du zum Galgen verdamter/ antwortete er/ was vor Unglük hat dich wieder in den Har-
niſch verſtecket? fiel zugleich uͤber ihn her/ ob wolte er ihn erſtes Treffens erlegẽ; aber Herku-
les wolte dißmahl gewinnen oder verſpielen/ und hielt ihm die Stange mit ſolcher Voꝛſich-
tigkeit/ dz jenem ſein Raſen zu nichts dienete/ als dz er ſich ſelbſt abmattete. Die beydẽ Feld-
Herren ſamt ihren Leuten hielten ihm Schuz genug/ dz kein ander ſich in ihren Kampf ein-
miſchẽ kunte; daher Herkules ſich deſto emſiger beflieſſe ihn zu fellẽ/ oder wo moͤglich/ leben-
dig in ſeine Gewalt zubekom̃en/ nit zweifelnd/ nach ſeiner uͤberwindung ſolte alles geſchehen
ſeyn; er hatte ſich aber mit ſo feſtẽ Waffen verſehẽ/ dz er nit leicht zubeſchaͤdigẽ war/ worauf
er ſich dañ nit wenig verließ; doch fuͤgete es ſein Ungluͤk/ dz ſein Pferd auß Mattigkeit in die
voͤrder Knie ſchoß/ und zugleich mit einem Hinter Beine einen falſchen Trit taht/ woruͤber
es gar nach der rechten Seiten umſchlug/ daß Dropion darunter zuliegen kam/ und mit
ſeinem Schwerte ſich nicht beſchaͤdigen kunte/ wie heftig er ſich auch darnach bemuͤhete.
Herkules nicht ſaul/ ſprang ab/ reiß ihm das Schwert aus der Fauſt/ und ließ ſechs Teut-
ſche Reuter herzu kommen/ welche ihm die Haͤnde auff den Ruͤcken zuſammen binden/
und den Helm abloͤſen muſten/ bald auch den Krebs und Ruͤk Harniſch/ worffen ihn auff
ein Pferd in die quere/ und fuͤhreten ihn in Begleitung 80 Reuter davon/ da er Herkules
dieſe Worte hoͤren ließ: Das ſind die allergroͤſſeſten Wuͤteriche/ die uns heiſſen leben/
wann wir gerne ſterben wolten/ und es alſo richten/ daß wir weder Freund noch Feind
in der Welt haben muͤſſen. Aber er bekam nicht die geringſte Antwort darauff/ dann
Herkules wahr in ſeiner Andacht begriffen/ daß er ſeinem GOTT vor dieſen herli-
chen Sieg dankete. Olaff/ ſo bald er die Nordiſchen Reuter bekam/ vermahnete er
ſie mit kurzen Worten/ ſich redlich zugebrauchen/ und als geruhete/ den abgematteten
Feind mit allen Kraͤfften anzugreiffen/ welches ſie dergeſtalt verrichteten/ daß die Panno-
nier mehr weichens als wehrens macheten. Markus ermunterte die ſeinen auch/ ſo wolten
Koͤnig Henrich und Fuͤrſt Siegward nicht die geringſten ſeyn/ daß demnach dieſer Feind
hinter ſich außwiech/ und alles verlohren gab/ wie hefftig auch Bato ſich bearbeitete/ nach
ſeines Vaters Gefaͤngniß die Voͤlker zum Stande zubringen; auff welchen Olaff einen ge-
waltigen Fal/ mit einem geruheten Pferde wagete/ ihn am rechten Arm verwundete/ und
ihm das Pferd unter dem Leibe niderſchlug/ daß er fluͤrzete/ und von 50 Reutern gefangen
hinweg gefuͤhret ward; der Oberſte/ welcher ihm den Entſaz zugebracht hatte/ ward von
einem Nordiſchen Oberſten nach harter Verwundung angenommen/ und fortgeſchicket.
Als Dropion zu den andern Gefangenen gebracht ward/ unter welchen auch Hyppaſus
ſich von geſtern her befand/ hieß dieſer ihn alſo wilkommen: Es iſt mir lieb Dropion/ daß/
nachdem unſer lieber Koͤnig durch dieſen unnoͤtigẽ von euch angezetteltẽ Krieg hat muͤſſen
in Gefaͤngniß gerahten/ uñ in jenem Zelte/ gleich gegen uͤber verwahret wird/ ihr als Stiff-
ter und Uhrheber dieſes Elendes/ ihm Geſelſchaft leiſten muͤſſet. Daß dir feihen Afte Reu-
ter mein Unfal nit unangenehm ſeyn kan/ antwortete er/ weiß ich mehr als zu wol/ kan auch
leicht
[808]Achtes Buch.
leicht erachten/ dz deine Beiſitzer (dieſe wahren Maſtyes und Agiß) mehr uͤber meine Ban-
de lachen/ als uͤber die ihren weinen. Aber haͤttet ihr Hudler euch redlich gehalten/ und mir
mein Geſtriges Gericht nit gehindert/ wolten wir alle miteinander frey und Obſieger ſeyn.
Dieſe wolten ihm antwortẽ/ aber Prinſla uñ Neklam/ welche wegen ihrer Verwundung
ihnen zu Auffſeher gegeben wahren/ hieſſen ſie ſchweigen/ uñ daß ſie foͤrder kein Wort/ we-
der boͤſes noch gutes miteinander reden ſolten/ oder man würde ihnen dz Maul mit einem
Knebel hemmen. Bald nach Bato Gefaͤngniß wurden Agiß und Dropions Voͤlker ganz
eingeſchloſſen/ daher ſie um Gnade uñ Lebens Friſtung rieffen/ wie wol eine Schaar 12000
ſtark lieber ſterben/ als leibelgen ſeyn wolten/ ſchlugen ſich nach Oſten zu durch/ und ſetzeten
ſich in viel kleine Haͤufflein von etlichen hundert Mannen/ ob ſie deſto fuͤglicher durch die
Flucht entriñen koͤnten/ aber Klodius uñ die andern/ welche biß daher hieſelbſt mit 20000
Reutern geruhet hatten/ ſetzeten ſich gar breit ins Feld/ daß ſie ihren Siñ endern/ und ſich
ergeben muſten; Ladiſla hatte nunmehr auch an ſeinem Orte es ſo weit gebracht/ daß der
Feind Herz und Haͤnde ſinken ließ/ uñ bey groſſen Schaaren Oſtwerz begunten auszureiſ-
ſen/ wurden aber gleich wie die vorigen zuruͤk gewieſen/ uñ muſten ſich gefangen geben; nur
ein Haͤuflein 500 ſtark ſetzete ſich enge zuſammen/ und weil ſie lieber ſterben/ als leibeigen
ſeyn wolten/ drungen ſie hindurch/ daß ſie das Feld einbekahmen; und die unſern ſie im̄er-
hin lauffen lieſſen/ damit ſie die ungluͤklichen Bohten ſeyn/ und ihre gaͤnzliche Niderlage dẽ
ihren ankuͤndigen moͤchten. Alſo wahr dieſer erſchrekliche grimmige Feind gedaͤmpffet/
und der herliche Sieg durch groſſe Blutſtroͤhme und unſaͤgliche Gefahr erhalten. Es
wurden 70000 Pannonier lebendig gefangen/ unter welchen 150 Oberſten/ und 1300
Haͤuptleute wahren/ mehrenteils hart verwundet. Uber dieſe wahren 105 Oberſten in die-
ſem ganzen Kriege an Feindes Seiten umkommen/ und an die 2000 Haͤuptleute/ nebeſt
342000 Unteꝛ Haͤuptleuten/ Faͤhndrichen und gemeinen Knechten/ dieſelben ungerechnet/
welche im erſten Einfal vor den Grenz Feſtungen blieben. In dieſer heutigen Schlacht a-
ber hatten die unſern dannoch auch eine merkliche Anzahl eingebuͤſſet; Das Weſten Heer
miſſete von beyden Fluͤgeln 12000 Mann/ und hatte 7000 beſchaͤdigte; Von dem Su-
diſchen Heere wahren 7500 erſchlagen/ und 8500 verwundet. Das Nordiſche hatte den
geringſten Abbruch gelitten/ maſſen deren nur 1500 erſchlagen/ und 2000 verwundet wah-
ren/ daß alſo die unſern noch ein Heer von 163500 geſunder Manſchafft ins Feld ſtellen
kunten/ und von den beſchaͤdigten/ deren 17500 wahren/ etwa 5000 das Leben einbuͤſſeten;
hatten alſo überal 26000 Mann in dem heutigen ernſtlichen Treffen zugeſetzet. Nach er-
haltenem Siege traffen die Koͤnige und Fuͤrſten/ die kurz zuvor gefangen geweſen waren/
wunderlich aneinander/ ſetzeten ſich ingeſamt auff die Knie/ und danketen dem Almaͤchtigẽ
Gott beydes vor die vaͤterliche Staͤupe und allergnaͤdigſte Erloͤſung/ eine gute Viertel-
ſtunde lang/ hernach trugen ſie groſſes Verlangen/ die beiden tapfferen Helden zuerkennẽ/
welche den Weſt- und Sudiſchen Entſaz herzugefuͤhret hatten. Sie ſahen nicht gar weit
von ihnen drey Geharniſchte auff den Knien ihr Gebeht halten/ gingen zu ihnen hin/ und
wurden bey ihren entbloͤſſeten Haͤuptern gewahr/ daß Koͤnigin Valiſka (dann eben dieſe
hatte den rechten Fluͤgel gefuͤhret/ und des Feindes Lager eingenom̃en)/ Koͤnig Baldrich/
und Groß Fuͤrſt Arbianes (der ſich ſchon hatte laſſen verbinden) dieſelben wahren. Da
ging
[809]Achtes Buch.
ging es nun an ein umfahen/ herzen und kuͤſſen/ und ſagete Herkules zu ihr: Ach warumb
hat mein Schaz ſich vor mir ſo lange verbergen wollen/ nach dem ich in ſo groſſer Lebens-
gefahr geſtecket/ daß wenig gefehlet/ ſie wuͤrde ihren getraͤuen Herkules haben muͤſſen am
Galgen haͤngen ſehen. Sie erſchrak der Rede hoͤchlich/ und als ſie den Verlauff kürzlich
vernommen hatte/ baht ſie anfangs umb Verzeihung/ daß ohn eingewilligten Urlaub ſie
ſich in die Schlacht mit eingewaget haͤtte; verſtaͤndigte ihn hernach/ daß aus Furcht des
grimmigen Feindes ſie bald nach ihrem Abzuge von Prag nach Teutſchland geſchicket/
und daſelbſt 40000 Reuter vor baar Geld werben laſſen/ worzu ſie 10000 Boͤhmen ge-
ſamlet und den rechten Fluͤgel damit verſehen/ da ohn Zweifel der guͤtige Gott es alſo ge-
ſchicket/ daß ſie eben zu rechter Zeit ankommen muͤſſen/ als Arbianes auff ſie geſtoſſen/ mit
deſſen Zutuhn ſie alle Fluͤchtigen auffgeſamlet/ und daraus den linken Fluͤgel unter Bald-
richs Befehl geſtellet/ welche dann durch ritterliches fechten die geſtrige ſchaͤndliche Flucht
gut gemacht/ und den verwirketen Tod von ſich abgewendet haͤtten. Der gefangene Blut-
hund Mnata waͤhre ihr auch auff dem Wege eingeliefert/ welcher ſich gar demůhtig er-
zeiget haͤtte/ und unter ſtarker Huht auff ſeine Straffe warten muͤſte. Die Obriſten des
Nordiſchen Heers kahmen zu unſern Helden/ und lieferten ihnen ihr anſehnliches Heer
im Nahmen der Wendiſchen Fuͤrſtin/ welches alsbald Olaffen/ als volwaltigem Feld-
Herrn uͤbergeben ward. Es wurden alle Koͤnige und Fuͤrſten eins/ nach dem Sudiſchen
Heer zureiten/ von welchem ſie noch das allergeringſte nicht wuſten/ wz vor Leute ſie waͤh-
ren/ oder wer ſie ihnen zum Beyſtand ausgeſchikt haͤtte; und ruͤhmete nicht allein Ladiſla/
daß ſie ganz eiferig und tapffer gefochten haͤtten/ ſondern Arbianes zeigete zugleich an/ wie
ernſtlich ein handfeſter Ritmeiſter von demſelben Heer ſich zu ſeines Lebens Rettung ge-
brauchet/ und davor nichts/ als ſeines ehmahligen Verbrechens (welches ihm doch aller-
dinge unbewuſt) Gnade und Vergebung begehret. Valiſka/ ſeine groſſe Gefahr verneh-
mend/ gab zur Antwort: Wann dieſer gleich die allergroͤbeſte Miſſetaht haͤtte begangen/
muͤſte ihm doch nicht allein verzihen/ ſondern auch Fuͤrſtliche Geſchenke mitgeteilet wer-
den. Sie ritten hierauff fort nach dem Sudiſchen Heer/ unter der Begleitung von 100
Reutern/ da Koͤnig Ladiſla mit entbloͤſſetem/ die uͤbrigen mit behelmeten Haͤuptern ſich
ſtelleten/ und durch einen Geſanten freundlich begehreten/ der Feld Herr dieſes maͤchtigen
Heers/ dem ein groſſer Teil des erhaltenen Sieges billich zugeſchrieben wuͤrdt/ moͤchte ſich
unbeſchweret gefallen laſſen/ mit dieſer Koͤnigl. und Fuͤrſtlichen Geſelſchaft ſich zubeſpre-
chen/ und ihnen ſeine Kundſchafft zugoͤnnen/ damit ihnen Gelegenheit an die Hand gege-
ben wuͤrde/ ſich dankbarlich zubezeigen. Dieſer wolte ihnen ſolches nicht abſchlagen/ nahm
120 anſehnliche Ritter zu ſich/ und ritte mit auffgeſchlagenem Helme hinzu/ da Ladiſla ihn
auff dem Pferde umfing/ und nachgehends ihn alſo anredete: Wie erſprießlich/ tapfferer
Held/ uns allen eure ganz unvermuhtliche Ankunfft und Huͤlffe geweſen/ ſo begierig ſind
wir auch/ denſelben groſſen Herrn zuerkennen/ der uns einen ſolchen Beyſtand in unſern
Noͤhten geleiſtet hat/ daß wir auch nicht froͤlich ſeyn koͤñen/ ehe und bevor uns ſolches kund
getahn iſt; zweifeln demnach gar nicht/ es werde eure Tapfferkeit uns dieſe hohe Gluͤkſelig-
keit mitteilen/ und ſich verſichern/ daß wir alle miteinander zu deſſen Freundſchafft nach
aller Moͤgligkeit ſo erboͤtig als verbunden ſind. Dieſer Feld Herr fragete kuͤrzlich/ was
k k k k kvor
[810]Achtes Buch.
vor ein groſſer Herr ihn angeredet haͤtte; und nach deſſen Anmeldung/ gab er dieſe Ant-
wort: Großmaͤchtigſter unuͤberwindlicher Koͤnig/ gnaͤdiger Herr; die Anzahl Voͤlker/
welche unter meiner Anfuͤhrung zu rechter Zeit/ (wovor ich dem Himmel danke) ankom-
men ſind/ hat ein wahrer Freund der Teutſchen ünd Boͤhmen in hoͤchſter Eile bißhieher zu
deren Beyſtand fortgehen laſſen/ ſo bald er des unredlichen uͤberfalles der Pannonier iſt
berichtet worden/ und ſolches inſonderheit zu ehren der Großmaͤchtigſten Koͤnigin/ Frau
Valiſken/ unter dem mir gegebenen Befehl/ daß ich meinen groſſen Herrn und mich ſelbſt
niemand melden ſol ehe und bevor hoͤchſtgedachter Koͤnigin ich dieſe meine Voͤlker zu-
geſtellet habe. Ladiſla fiel ihm in die Rede/ und ſagete zu ihm: Tapfferer Held/ wann es
ſonſten an nichts als an dieſem fehlet/ wollen wir ob Gott wil gar bald gute bekanten wer-
den/ maſſen ich denſelben verſichere/ daß des Weſtiſchen Heers Fuͤhrer und Herzog kein
ander/ als meine geliebete Fr. Schweſter/ Koͤnig Herkules Gemahl/ Fr. Valiſka gewe-
ſen iſt/ welche hie bey ihrem Ehe Gemahl haͤlt/ und durch Ablegung des Helms ſich alsbald
wird zuerkennen geben. Dieſelbe hoͤrete alle ihre Rede/ legete den Helm von ſich/ ließ ihre
Goldgelben Haare umb die Schuldern fliegen/ ritte dem fremden naͤher/ und redete ihn
alſo an: Tapfferer Held/ wann eure Voͤlker mir inſonderheit zu ehren hergefuͤhret ſind/
wird mirs ſehr ſchwer fallen/ es zuvergelten/ es waͤhre dann/ daß der groſſe Herr meinen
Willen vor die Werke nehmen/ und durch eine ſtetswillige Begier ſich wolte vergnuͤgen
laſſen/ wiewol ich mich nicht entbrechen werde/ ſeinen tapfferen Leuten eine moͤgliche Ver-
geltung ſehen zulaſſen; nur bitte ich vor dißmahl unſern brennenden Wunſch zuerfuͤllen/
und ſo wol ſeinen als ſeines groſſen Herrn Nahmen uns anzumelden. Groß Fürſt Mar-
komir (dieſer wahr der Sudiſche Feld Heer) kennete alsbald ihr Angeſicht/ durch deſſen
anſchauen ſein Herz und Seele auffs hefftigſte geruͤhret ward/ daß er ſich ſo bald nicht be-
greiffen kunte; endlich legete er ſeinen Helm ab/ ſchwang ſich vom Pferde/ und trat zu ihr/
des Vorſatzes/ ihre Fuͤſſe im Stegreiff zukuͤſſen/ welchem ſie aber wol vorzukommen wu-
ſte/ und mit dieſen Worten ihm die Hand boht: Mein Herr und Freund/ er wolle/ bitte
ich/ mich nicht uͤber Gebuͤhr und Wolſtand ehren/ ſondern mir ſeinen Nahmen anzeigen/
damit ich wiſſen moͤge/ wie ich mich gegen denſelben zuverhalten habe. Welches er alſo
beantwortete: Warumb ſolte der tieffverſchuldete Knecht Markomir unterlaſſen/ dieſel-
be uͤber alles zuehren/ von welcher er aus der Unvernunfft wieder zu ſeinem Verſtande/ uñ
aus dem Verderben zu ſeiner jetzigen Gluͤkſeligkeit gebracht iſt. Valiſka dieſes hoͤrend/
ſprang gerade von ihrem Pferde/ trat ihm entgegen/ und nach einem ſchweſterlichen um-
fangen und dargebohtenem ehrliebenden Kuſſe (wodurch er zum allerhoͤchſten ergetzet
ward) ſagete ſie zu ihm: Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ ich befinde mich bereit Euer Liebe
ſtaͤrker verbunden/ als ich nimmermehr bezahlen kan/ und ſolches wegen der hohen und
warhafften Freundſchafft/ welche dieſelbe zu mir traͤget; wie werde ich dann dieſe mehr
als Bruͤderliche Huͤlffleiſtung vergelten koͤnnen/ ohn welche wir unſers Orts den Sieg
ſchwerlich wuͤrden erhalten haben? Ich trage aber zu Euer Liebe dieſe Zuverſicht und fe-
ſtes Vertrauen/ dieſelbe werde unſere Geſelſchafft nicht ſo ſchleunig verlaſſen/ daß wir
nicht ſolten Zeit haben/ zum wenigſten durch allerhand ehrliebende Bezeigungen ſcheinen
zulaſſen/ wie herzlich gerne wir bezahlen wolten/ wann nur die Schuld nicht gar zu uͤber-
maͤſſig
[811]Achtes Buch.
maͤſſig waͤhre. Der junge Fuͤrſt befand ſich durch dieſe Rede in der allerſuͤſſeſten Vergnuͤ-
gung/ wahr auch ſo gar von ihm ſelber kommen/ daß er aller Antwort vergeſſend/ ſich vor
ihr auff beyde Knie niederwarff/ und mit demuͤhtigen Geberden ihre Knie umfing/ ſo daß
ſie ſich von ihm nicht loßwirken kunte/ und befuͤrchtete ſie ſich eines ſchweren Unfals/ weil
ſie nicht allein ſeiner Farbe Verenderung ſahe/ und das zittern ſeiner Glieder wahrnahm/
ſondern auch ſeine ſtarken Seuffzer hoͤrete; und wahr der mit Liebe und Anmuht erfuͤllete
Fürſt in dem Stande/ daß wenig fehlete/ er waͤhre vor Freuden Todes verblichen. Die
geſamten Koͤnige und Fuͤrſten ſtiegen von ihren Pferden/ ihn ehrerbietig zuempfahen/ da
dann Herkules voraus trat/ und mit entbloͤſſetem Haͤupte zu ihm nahete/ gleich da Valiſka
durch nicht geringe Bemuͤhung ihn von der Erden auffgerichtet hatte/ uñ ihn zum andern
mahle umfangen hielt. Sie wolte ihm aber Zeit geben/ ſich in etwas zubegreiffen/ darumb
redete ſie ihren Herkules alſo an: Sehet hier/ mein Schaz/ den teuren Groß Fuͤrſten und
naͤheſten Erben des maͤchtigen Koͤnigreichs der Franken und Sikambern/ deſſen Liebe ſo
willig geweſen iſt/ uns in unſern hoͤchſten Noͤhten beyzuſpringen/ wovor wir ohn zweifel
deroſelben ſehr hoch verbunden ſind. Ja Durchleuchtigſter Fürſt/ Herr Markomir/ ſagte
Herkules/ was vor eine unbegreifliche Tugend euer recht Fuͤrſt- und Koͤnigliches Herz be-
wohne hat Eure Liebe durch dieſe kraͤfftige Huͤlffe dergeſtalt ſehen laſſen/ daß es klaͤrer nit
haͤtte geſchehen koͤnnen/ und wie ich eine geraume Zeit her Euer Liebe Kundſchafft gewün-
ſchet/ und des ſteiffen Vorſatzes geweſen bin/ nebeſt meinem Gemahl Eure Liebe zubeſu-
chen/ alſo erfreuet michs inniglich und von Herzen/ daß dieſelbe ich dieſer ends ſehen ſol/
deren ich mich ſamt alle meinem Vermoͤgen zu allen getraͤuen Dienſten und auffrichtigeꝛ
wahrer bruͤderlicher Freundſchafft anerbiete. Der Fuͤrſt erhohlete ſich etlicher maſſen/
ſtund aber doch annoch in groſſer Verwirrung/ daß er ſeine Zunge nicht gebrauchen kun-
te; welches Ritter Farabert (der allernaͤheſt hinter ihm ſtund) merkend/ ſeine Stelle ver-
trat/ und alſo antwortete: Ihr unuͤberwindliche Koͤnige; verzeihet/ bitte ich/ meinem gnaͤ-
digſten Groß Fuͤrſten/ Herrn Markomir/ daß deſſen durch die allervolkommenſte Vergnuͤ-
gung ganz verzucketen Geiſter/ mit viel zu anmuhtigen Gedanken umgehen/ als daß dieſel-
ben durch der Zungen Laut ſoltẽ koͤnnen ausgedruͤcket werdẽ/ nachdem ſeine Durchl. ganz
unvermuhtend hieſelbſt daſſelbe antrifft/ welches zuſehen/ die ganze Zeit ſeiner wiederer-
langeten Geſundheit/ ſein einiger Wunſch geweſen iſt. Valiſka machete ſich gemaͤhlig
von Markomir loß/ daß Herkules Gelegenheit bekam/ ihm nahe zutreten/ und ihn zu um-
fahen; Welcher nunmehr ſein Herz in etwas beruhiget befand/ und ſich unterſtund/ Her-
kules mit ehrerbietiger Neigung zubegegnen; der ihm ſolches doch nicht geſtattete/ ſon-
dern ihn zum andern mahle ganz Bruͤderlich umfing; Worauff jener endlich dieſe Rede
von ſich gab: Großmaͤchtigſter Unuͤberwindlicher Koͤnig/ auch Großmaͤchtigſte Unuͤber-
windliche Koͤnigin; mit was Gehorſam kan ich dieſe hohe Gnade erſetzen/ welche von
Ihren Hocheiten mir Unwirdigen hieſelbſt begegnet und mitgeteilet wird? Ich ruffe
den Himmel zu Zeugen/ daß die Beherſchung der ganzen Welt/ wann ſie mir zuſtůn-
de/ ich willig uͤbergeben wolte/ wann dadurch ihre Gewogenheit und Freundſchafft
ich koͤnte erlangen; und dieſe wird mir mit ſo groſſem uͤberfluſſe angebohten/ daß ich ei-
ne Schuldigkeit ſeyn/ erachten muß/ davor zuſterben/ wann einigerley weiſe Ihren
k k k k k ijHocheiten
[812]Achtes Buch.
Hocheiten mit meinem Tode wuͤrde koͤnnen gedienet ſeyn. Vor dißmahl habe ich von
noͤhten/ meines Unverhaltens gnaͤdige Verzeihung zu bitten/ hoffe auch/ nicht allein die-
ſelbe zuerlangen/ ſondern mit der Zeit/ da meine Gegenwart kan gelitten werden/ mei-
ne Augen alſo zugewaͤhnen/ daß dieſelben die Strahlen der allervolkommenſten Tugend-
Sonnen in etwas werden ertragen koͤnnen/ welche bey dem erſten unvermuhtlichen an-
ſchauen mich allerdinge geblendet haben. Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ antwortete Va-
liſka; eure Liebe wollen/ bitte ich ſehr/ dieſes Wortgepraͤnge denen uͤberlaſſen/ welche mehr
Freundſchaft auff der Zungen als im Herzen fuͤhren; euer Liebe gewogenheit laͤſſet ſich in
der Taht ſo helle und ſcheinbar ſehen/ daß kein Menſch ein mehres begehren kan. Ich habe
lange und gluͤklich gnug gelebet/ unvergleichliche Koͤnigin/ antwortete er/ wann mein be-
müheter Wille angenehm iſt/ weil auſſer dem meine Schwacheit nichts erhebliches leiſten
kan. Die freundliche Beredung hielt bey ihnen zimlich an/ biß Markomir ſeiner Eltern
Gruß anbrachte/ und daß dieſelben die Teutſchen und Boͤmiſchen Koͤnige und Koͤnigin-
nen freundlich erſuchen lieſſen/ ihr wahres und ergebenes Freundes Herz aus dieſem wil-
faͤrtigen Beyſtande zuerkennen/ welche ſich hiemit erboͤhten/ vor ihre Wolfahrt ihres gan-
zen Frankiſch- und Sikambriſchen Reichs vermoͤgen willig anzuwenden. Welches mit
gebuͤhrlichem dank erkennet und beantwortet ward. Herkules und Ladiſla erlaͤubeten den
Voͤlkern auff der Wahlſtat Plunderung zu halten/ aber weder die Sudiſchen noch die
Nordiſchen Voͤlker wolten daran anteil haben/ derwegen muſten die Teutſchen und Boͤh-
men alle Beute an einen Ort zuſammen tragen/ welche ſich auff viel Tonnen Goldes an
Baarſchaft/ Geſchmeide und Pferdeſchmuk belieff/ welche nachgehends unter alle Voͤlker
verteilet ward/ wiewol man den Franken einen groſſen Vorzug gab; des Lagers Reich-
thum wahr ſehr groß/ welchen Ladiſla unter die Koͤnige und Fuͤrſten verteilete/ wo bey
Markomir ſich heftig wegerte. Was man aber bey den gefangenen Pañoniern fand/ ward
alles zur gemeinẽ Beute geleget. Zeit wehrendeꝛ einſamlung der Beute ſtelleten unſere Hel-
den das Gericht uͤber ihre Gefangenen an/ lieſſen in aller eile auff die geſtrige Stelle nahe
bey dem annoch ſtehenden Galgen ein Geſaͤß auffbauen/ und alle vornehme Gefangene
ſamt ihrem Koͤnige/ an der Zahl 127/ an Ketten und Banden herzufuͤhren/ unter denen a-
ber Maſtyes/ Agis und etliche andere mehr/ die ſich ihrer geſtrigen Erloͤſung angenom̃en
hatten/ ehrlicher gehalten/ und von Leches ungefeſſelt begleitet wurden/ daß ſie nicht unter
den andern Gefangenen/ ſondern ihnen zur Seite gingen/ uñ ihr Gleitsman ſie mit freund-
licher Unterredung/ wie ihm beſohlen wahr/ unterhielt/ welches ſie doch wenig achteten/
nachdem ſie entſchloſſen wahren/ mit ihrem lieben Koͤnige zu ſterben oder zugeneſen/ wel-
cher mit ſeinem Dropion (als einpar Hunde) zuſammen gefeſſelt wahr. Als ſie vor dz Ge-
ruͤſte traten/ auff welches alle Fuͤrſtliche Haͤupter/ auſſer Koͤnigin Valiſka ſich geſetzet hat-
ten/ wurden dieſe beyden voneinander geloͤſet/ und muſte Mnata allein etwas naͤher kom̃en/
welchen Ladiſla mit uͤberaus grimmigen Angeſicht und fünkelnden Augen alſo zu Rede
ſtellete: Was vor ein boͤſer Geiſt hat dich getrieben/ du ehrvergeſſener gottloſer Mordbren-
ner/ Dieb/ Raͤuber/ und Moͤrder/ daß du nicht allein mich und mein unſchuldiges Land/
ohn alle gegebene Urſach/ unabgeſagt/ und mit ſo teufliſchem Grimme angefallen/ ſondern
auch allen Inwohnern den Tod/ dem ganzen Lande die Verwuͤſtung/ und welches erſchrek-
lich
[813]Achtes Buch.
lich zu hoͤren/ vier unſchuldigen ehrliebenden Koͤnigen und dreyen redlichen Koͤniglichen
Fuͤrſten den Galgen haſt angedraͤuet und auffrichten laſſen/ auff daß du auff einmahl und
an einem Schand- holze fuͤnff großmaͤchtige Koͤnigreiche ſchmaͤhen moͤchteſt/ welche dir
nie keine beleidigung angefuͤget hatten? und dieſe von ewigkeit her ganz unerhoͤrete Grau-
ſamkeit wuͤrde dein verteuffelter Marſchalk/ ohn zweifel aus deinem ehmahligen geheiß uñ
anordnung zuvolſtrecken/ geſtriges Tages nicht unterlaſſen haben/ dafern der almaͤchtige
barmherzige Gott nicht etliche wenige auffrichtige Herzen deines geweſenen Volkes auf-
gemuntert haͤtte/ welche/ inbetrachtung deiner ſelbſt eigenen Gefahr/ ſeiner unmenſchlichen
Wuͤterey und durch triebenem Frevel ſich wiederſetzeten/ welches ihnen unvergolten nicht
bleiben mus. Nun ſiheſtu ja/ daß gleichwol noch ein Gott im Himmel wohnet/ welcher dei-
nem naͤrriſchen Hochmuht ſteuren kan/ wann du ja Menſchen zu geringe achteſt/ dich vor
ihnen zu fuͤrchten. Und ich frage dich/ du Henkermaͤſſiger/ bildeteſtu dir wol ein/ als du den
Galgen vor meinem Lager auffrichteteſt/ dieſe Koͤnigliche/ Hochfuͤrſtliche und Ritterliche
Geſelſchaft wuͤrde deinen Strik ohn wegern umb den Hals nehmen/ und mit dir die Leiter
hinan klimmen/ daß du ſie frey immerhin auffknuͤpfen moͤchteſt/ da ſie doch ein ſo wolgeſet-
zetes Heer umb und bey ſich hatten? Doch ſetze ich dieſes auch beyſeit/ und moͤchte nur ger-
ne wiſſen/ was vor eine unſinnige Bosheit dich getrieben hat/ daß du meinen wahrẽ leben-
digen Gott/ welchen du aus teufliſchem Spot einen erhenketen nenneſt/ laͤſtern/ und gleich-
ſam zum Kampfe haſt ausfodern duͤrfen. Siheſtu noch nicht/ daß er dir redlich/ zeitig/ und
mehr dann zu ſcharff kom̃en iſt/ und uns ſeine Kinder zwar mit der gnaͤdigen Vater-Ruh-
te/ wegen unſer Suͤnde gezuͤchtiget/ wovor wir ihm herzlich danken/ dich aber mit ſchwerer
Hand zur grimmigen Straffe/ wegen deiner laͤſterung und unmenſchlichen gottloſigkeit
hingeriſſen hat? So ſchicke dich nun nebeſt deinen mitgefangenẽ/ von dir beſtelleten Mord-
brennern/ Raͤubern und Moͤrdern zum wolverdieneten Tode/ dann du muſt den Gagen/
welchen du dieſer Koͤniglichen Geſelſchaft/ wiewol/ Gott lob/ zu fruͤh und vergebens haſt
auffrichten laſſen/ mit deinem gottloſen verfluchten Leibe zieren und kleiden/ und daran dei-
ne zu leben unwirdige verfluchte Seele erſticken laſſen; woraus du noch vor deinem Ende
die Warheit des alten Sprichworts lernen kanſt: Mannicher graͤbet einem andern eine Grube/
und faͤllet ſelber dahinein. Der gefangene Mnata entſetzete ſich dieſer ſchleunigen Urtel/ ſahe
den Galgen vor Augen/ und muhtmaſſete aus Ladiſlaen vorbringen/ daß Dropion ihn den
gefangenen Koͤnigen wuͤrde haben auffrichten laſſen/ betraurete ſolches ſehr/ und fing an/
dieſer geſtalt ſich zuverantworten: Wir Koͤnige haben leider das gemeine Laſter an uns/
daß wir nichts ſo heftig/ als die Beherſchung über viel andere/ und die Rache der empfan-
denen Beleidigung mit aller macht zu volſtrecken/ uns laſſen angelegen ſeyn; inſonderheit/
wann hohe Beamten und Raͤhte nicht allein in ſolchen Sachen ſich vor ſtete Ohrenblaͤ-
ſer angeben/ ſondern auch ſo viel gewalt uͤber uns erlangen/ daß wir ſie hoͤren/ uñ ihrer fuͤh-
rung folgen müſſen. Eben dieſes/ bekenne ich/ hat auch mich ungluͤkſeligen Koͤnig verleitet
und getrieben/ einen moͤglichen Verſuch zu tuhn/ ob mir das Gluͤk/ dem ich zu viel trauete/
ſo guͤnſtig ſeyn/ und meine Gewalt uͤber dieſelben ausbreiten/ ja mich auch an denen raͤchen
wolte/ welche mich den Roͤmern zu zehnjaͤhriger Schatzung uͤbergeben haben. Nun iſt an
meiner Seite alles zum aͤrgeſten Ungluͤk ausgeſchlagen/ und habe nicht allein den ganzen
k k k k k iijKern
[814]Achtes Buch.
Kern meiner Untertahnen eingebuͤſſet/ ſondern auch dieſe Ketten annehmen/ und als ein
Ubeltaͤhter mich vor Gericht ſchleppen laſſen muͤſſen; da ich dann geſtehe/ daß meine Ob-
ſiger leicht Urſach finden koͤnnen/ mit mir alſo zuverfahren/ wie mir anjetzo gedraͤuet iſt.
Ich erinnere mich uͤberdas auch meiner unbeſoñenheit/ daß in auffrichtung des verfluch-
ten Galgen ich eingewilliget/ welches vielleicht (doch zweifele ich dran) ich durch ſtarkes
und aͤuſſerſtes wiederſprechen haͤtte hindern koͤnnen; daß es aber aus meinem Angeben/ o-
der Geheiß und wolgefallen ſolte geſchehen ſeyn/ oder ich jemahls des willens geweſen/ Koͤ-
nig- und Fuͤrſtliche Haͤupter hinan zu heben/ oder heben zu laſſen/ wird mir kein Menſch
uͤberbringen; aber wol/ dz ich anfangs dawieder geredet/ uñ den ausgeſprochenẽ Schimpf
nie gebillichet/ vielweniger aus meinem Munde gehen laſſen. Hat mein geweſener Mar-
ſchalk ſonſt geſtriges Tages/ welches mir allerdinge unwiſſend iſt/ ſich einiger unbilligkeit
wieder eure Koͤnigl. Hocheiten unternommen/ ſolches iſt mir bey Koͤniglicher Traͤue herz-
lich zu wieder/ und machet mich fuͤrchten/ es ſey ſolches mehr zu meinem ſelbſt eigenen/ als
zu anderer Leute verderben und untergang angeſehen geweſen/ geſtaltſam ihm ja meine Ge-
faͤngnis nicht hat koͤnnen unbewuſt ſeyn/ deren mich zuentheben// man ja alle guͤte/ und kei-
ne grauſamkeit haͤtte anwenden und gebrauchen muͤſſen/ da man ſonſt meine Wolfart und
Erledigung ſuchen wollen; iſt mir demnach von herzen lieb/ daß etliche der meinen ſolchem
teufliſchen Vornehmen wiederſtanden/ und ſo wol von eurem tapferen Koͤniglichen Blu-
te/ als von mir ſelbſt das Verderben abgekehret haben. Ja ihr redliche und ehrliebende Koͤ-
nige/ ich ruffe den wahrhaften Himmel zu zeugen/ und alle Goͤtter/ die mich in dieſes Un-
glük geſtuͤrzet haben/ daß wann die Wahl bey mir geſtanden/ wolte ich lieber durch eure
ritterliche Fauſt in der Schlacht nidergehauen ſeyn/ als durch eure ſchaͤndliche Erhenkung
mein Leben gerettet haben. In betrachtung deſſen gelebe ich der troͤſtlichen Hofnung und
zuverſicht/ Koͤnig Ladiſla werde ſeine geſprochene Urtel gnaͤdig maͤſſigen/ und an mir un-
gluͤkſeligen/ der ich geſtern umb dieſe Zeit noch ein maͤchtiger Koͤnig wahr/ ſeinen recht-
ſchaffenen Heldenmuht ſehen laſſen/ daß er an keinem andern Fuͤrſtlichen Blute gefallen
traͤget/ als welches er ritterlich mit dem Schwerte vergeuſſet/ auff welche weiſe ich ihm
das meine tauſendmahl lieber haͤtte goͤnnen und geben wollen/ als daß ich dieſe Ketten tra-
gen/ und vor Gerichte ſtehen mus. Kan mir nun ſolche Koͤnigliche barmherzigkeit wieder
fahren/ daß nach friſtung meines lebens/ durch gutwillige abtretung alles meines gehabten
Rechtes/ von ſeiner Hocheit ich etwas Land uñ Leute behalte/ und dz uͤbrige nebeſt allen mei-
nẽ Baarſchaften/ die faſt unzaͤhlig ſind/ gerne verlaſſe uñ auf ewig verzeihe/ werde ich ſolche
Koͤnigl. Gnade zu ruͤhmen uñ zuerkeñen habẽ. Ihr aber/ hochberuͤhmter Koͤnig Herkules/
von deſſen Tugend uñ erbarmung die erbare Welt preiſes vol iſt/ wollet von mir ganz de-
muͤhtig gebehten ſeyn/ an mir eurem gefangenen armen Mnata (welchẽ dz Gluͤk im Augen-
blik von der hoͤchſten Staffel in die tiefſte Pfütze alles kum̃ers geſtuͤrzet) eure ſo hoch geruͤh-
mete Gnade erſcheinẽ zulaſſen/ uñ durch eures allerliebſten Freundes/ Koͤniges Ladiſla (deſ-
ſen Willẽ ihr beherſchet) harten Zorns uñ Eifers milterung/ es zuſchaffen/ dz Mnata nicht
deꝛ erſte Pañoniſche Koͤnig ſey/ welcheꝛ ſein Leben in Boͤhmen an einem Diebes-Galgen en-
digen ſolte. Mit welchem Woꝛte ihm die Rede ſtehen blieb/ fing voꝛ groſſer Angſt anzuſeuff-
zen uñ klugzen/ uñ indem er einen demuͤhtigẽ Fußfal taht/ ſagte er; verflucht ſey mein Hoch-
muht
[815]Achtes Buch.
muht und aller deren Raht/ welche mich in dieſen elenden Stand geſtuͤrzet haben. O du
groſſer Gott/ wie bald und leicht kanſtu den Stolz fellen/ und den auffgeſchwollenen Hoch-
muht zur Erde niderdruͤcken! unſere ganze Geſelſchaft ward zum Mitleiden gegen ihn be-
waͤget/ lieſſen ſichs doch nicht merken/ ſondern hieſſen ihn und alle Gefangene einen Ab-
trit ins weite Feld nehmen/ mit ernſtlichem Befehl/ daß ſie unter ſich kein einziges Wort/
weder in gutem noch boͤſem wechſeln ſolten; welches dem troſtloſen Mnata ſchon etwas
Hoffnung machete. Als ſie wieder vorgefodert wurden/ fing Koͤnig Ladiſla nach gehaltener
Beredung alſo an: Ich und mein ganzes Koͤnigreich/ welches ihr Mnata/ ſo elendig zuge-
richtet habet/ moͤchten von Herzen wünſchen/ daß ihr euren Hochmuht ſelber haͤttet brechẽ
koͤnnen/ ehe und bevor Gottes ſchwere Hand uͤber euch kommen waͤhre/ daß ihr aber nach
begangener gar zu uͤbermachter Freveltaht/ Gnade und Lebens Friſtung begehret/ iſt zu
lange geharret; dann bedenket nur ſelber/ wie viel tauſend unſchuldiger Menſchen Seelen
ihr auffgeopffert/ wie viel betruͤbte Waͤyſen und Wittiben ihr gemacht/ in wie groſſe Ar-
mut und Verderben ihr viel meiner Untertahnen geſetzet/ worzu man euch nicht die aller-
geringeſte Urſach gegeben/ nur daß man ſich eurer boßhafften Leute redlich erwehret/ und
auff ihre frevelmuͤhtige Anfoderung/ ſie beſtanden/ welches das eingepflanzete Recht uns
ſelbſt geheiſſet und aufferlegt hat; kan alſo euer Mutwille und uͤbermachte Beleidigung
nicht wol anders/ als durch euren Tod gebuͤſſet werden. Jedoch werde nach Befindung eu-
rer Buſſe und Auffrichtigkeit ich mich zumaͤſſigen wiſſen/ wann ihr vor erſt durch gnugſa-
me Zeugen euch des auffgerichteten Galgens entbrechen/ [und] den wahren Angeber ohn
einige Verleumdung nahmhafftig machen; hernach auch anzeigen werdet/ wer oder wel-
che dieſes unredlichen Mordes (dann ein Krieg kans nicht genennet werden) Stiffter uñ
Uhrheber ſeyn. Dieſes/ antwortete Mnata/ wird niemand beſſer darzulegen wiſſen/ als ge-
genwaͤrtige meine allergetraͤueſte und heilſamſte Raͤhte uñ Beamten/ Maſtyes/ Agiß/ Hyp-
paſus/ Amythaon und Deon/ welche wol unſchuldig mit den boshafften in dieſes Elende
gerahten ſind/ nachdem ſie mir dieſen (muß nunmehr ſelbſt bekeñen) ganz unbefugten un-
redlichen Einfalgetraͤulich wiederrahten/ ich aber ihnen in etlichen Dingen nicht folgen
wollen/ und in den wichtigſten nit folgen duͤrffen. Der gebundene Dropion hatte ſich biß-
her geſtellet/ als ginge ihn dieſes Gericht gar nit an/ wahr auch des Vorſatzes/ kein Wort
zureden/ es geſchaͤhe dann zu unſerer Helden Beſchimpffung; hieſelbſt aber fiel er ſeinem
Koͤnige ins Wort uñ ſagete/ Koͤnig Mnata; wañ guter Wille und wolgemeineter Raht
ungluͤklich außſchlaͤget/ gebuͤhret keinem Koͤnige/ ſich deſſen zubeſchweren/ vielweniger ſei-
nen Kopff aus der Schlinge zuzihen/ und andere darinnen ſtecken zulaſſen/ ſondern mit
ſeinen Leuten gleiches Lieb und Leid außzuſtehen; uñ ſolches wuͤrde einem geherzten Pan-
noniſchen Koͤnige ungleich beſſer uñ ruͤhmlicher ſeyn/ als mit unabloͤſchlichem Schimpfe
ſeiner Hocheit/ ſich vor ſeiner Feinde Fuͤſſen niderwerffen/ welches auch dieſe unſere jetzige
Richter geſtriges Tages in ihrer Verurteilung nicht haben tuhn wollen. Sehet Koͤnig
Mnata; dieſe Bande und Ketten trage ich euret wegen ruͤhmlich/ und bin eben derſelbe/
der ich geſtern wahr. Er wolte weiter großſprechen/ aber Koͤnig Ladiſla redete ihn alſo an:
O du abgefeimeter Bube; ruͤhret dich ſchon dein Gewiſſen? und biſtu noch eben derſelbe/
der du dich geſtern zuſeyn ruͤhmeteſt/ ein beſtaͤtigter Koͤnig in Boͤhmen? Lieber von wem
haſtu
[816]Achtes Buch.
haſtu doch ſolche Beſtaͤtigung? Sihe da/ ich goͤnne deinem Koͤnige wol/ daß er allerdinge
ſich der Untaht entbrechen koͤnte/ wie ich mich deſſen ſchon guten teils zu ihm verſehe/ da
ich dann dir zu Troz mich ihm gnaͤdiger erzeigen wil/ als du ihm nicht goͤnneſt. Wer mich
zum Boͤhmiſchen Koͤnige beſtaͤtigt hatte? antwortete Dropion; das Gluͤk uñ meine Fauſt;
aber unbefugete Feinde/ mit welchen Pannonien in keiner Fehde geſtanden/ haben mich
wie der außgehoben/ deſſen ſie alles Ungluͤk lohnen muͤſſe. Du frecher Teufel biſt keiner Ant-
wort wirdig ſagte Ladiſla/ und wo du deine ruhmraͤtige Zunge nicht alsbald ſchweigen ma-
cheſt/ ſol ſie dir aus dem Schandmaule geriſſen werden. Weil er nun dieſelbe nicht gerne
verlieren wolte (dañ er wahr bedacht/ deren hernaͤhſt noch beſſer zugebrauchen) ließ er ſich
leicht ſtillen; und ward dem redlichen Agiß Urlaub erteilet zureden/ und ſeines Herrn Ent-
ſchuldigungen/ wie wol ohn falſch und anderer unſchuldigen Verleumdung vorzutragen;
welcher alſo anfing: Ihr Großmaͤchtigſte/ unuͤberwindlichſte Koͤnige/ Durchleuchtigſte
Fuͤrſten/ und ritterliche Helden; die allergifftigſte Seuche/ welche bey aller Koͤnige und
Fuͤrſten Hoͤfen ein durchgehen des übel iſt/ ich meine die Schmeicheley/ und ihre Tochter die
Verleumdung/ hat auch den Pannoniſchen Koͤniglichen Hoff nicht meiden wollen/ ſon-
dern denſelben ſo hefftig angeſtecket/ daß kaum vier oder fünf Raͤhte/ ſamt etlichen ande-
ren/ wiewol wenigen Bedieneten davon frey bleiben moͤgen/ und die frey blieben ſind/ ha-
ben taͤglich unter dem Meuchel-Schwerte ſich wagen und beſorgen můſſen. Die groſſen
Goͤtter/ welche uns billich geſtraffet haben/ ruffe ich zu Zeugen/ daß mein Koͤnig/ euer Ge-
fangener/ dieſen unbillichen und unſeligen Zug nicht aus ſeinem freyen Willen und Getrieb
vorgenommen/ ſondern durch unnachlaͤſſiges anhalten und begehren/ meinãidiger Blut-
gieriger Raͤhte darzu angehetzet und faſt gezwungen/ nachdem er ſchon uͤber anderthalb
Jahr ſich gewegert hat/ ihnen Folge zuleiſten; haͤtte auch noch dieſe Stunde nit eingewilli-
get/ wann nicht dieſer ruchloſe/ Tugend- und Ehr-vergeſſene Menſch/ ſein geweſener/ (ja
den Goͤttern ſey Dank/ geweſener) Stathalter und Feldmarſchalk/ der ungeheure Dropi-
on/ den groͤſten Teil der Koͤniglichen Raͤhte und Beamten eingenommen und auff ſeine
Seite gezogen haͤtte/ ſo daß mein Koͤnig und wenig andere wol folgen muͤſſen/ wolten ſie
nicht gar/ als Verraͤhter des Vaterlandes/ uͤber Bort geworffen werden. Da ſtehet das
Ungluͤk unſers Koͤniges und des algemeinen Pannoniſchen Reichs gegenwaͤrtig/ unter
dreyen Bruͤdern der allergottloſeſte/ der ſeiner Bruͤder Tod und Leibeigenſchafft zuraͤchẽ/
keine Gelegenheit aus der acht gelaſſen ungeachtet ſie ihres Frevels wolverdienten Lohn
bekommen haben; aber es iſt ihm leider dergeſtalt gelungen/ daß ganz Pannonien mit ſamt
ihrem Koͤnige alles druͤber haben eingebuͤſſet. Wolte Gott/ ſeine Mutter/ das Gottloſe
Weib/ haͤtte ihn im erſten Bade erſaͤuffet/ oder in der Geburt erdruͤcket/ ſo duͤrffte Pan-
nonien heut nicht ſeuffzen/ und den Ungluͤks Nahmen Dropion verfluchen. Doch die Goͤt-
ter muͤſſen ihn ja uns zur Straffe haben laſſen groß werden/ ſonſt waͤhre unmoͤglich/ daß
er nicht vorlaͤngſt ſchon von der Erden verſchlungen/ oder vom Donner erſchlagen waͤh-
re/ als welcher/ da er noch nicht 16 Jahr alt geweſen/ mit ſeines Vaters leiblicher Schwe-
ſter/ das Blut-ſchandloſe Fruͤchtchen den Bato/ welcher unweit von ihm ſtehet/ und ſein
an Untugend und Geſichte ganz aͤhnlicher Sohn iſt/ gezeuget; Ein Jahr nach ſeines Va-
ters To de kam ſeine Mutter nider/ und hat man feſtiglich geglaͤubet/ kein Menſch als die-
ſer
[817]Achtes Buch.
ſer ihr Sohn trage ſchuld daran. Seine zwo leibliche Schweſtern hat er hernach geſchaͤn-
det/ da ſie kaum manbar geweſen/ und mit der aͤlteſten eine Tochter gezeuget/ mit welchem
ſeinem eigenen Fleiſch und Blute er nachgehends die allerverfluchteſte Blutſchande ge-
trieben; daß ich anderer/ mit Vieh und Menſchen begangener Abſcheuhligkeiten geſchwel-
ge/ die vor keuſche Ohren nicht zubringen ſind/ wozu er doch dieſen ſeinen Bato ſelbſt an-
gefuͤhret und abgerichtet hat. O du hochmühtiger Freveler/ wie iſt dir nun die Boͤhmiſche
Kron bekommen/ welche du dir ſo feſt eingebildet hatteſt/ und bey dieſes ungluͤklichen Kꝛie-
ges Beredung ſie von deinem Koͤnige fodern durffteſt/ wiewol ſie dir dazumahl/ und biß
geſtern von unſerm Koͤnige iſt gewegert worden. Zwar du haſt dieſelbe in etwas geſchuͤt-
telt/ und teufliſcher weiſe in ihrem wirdigſten Koͤnige beſchimpffet/ aber leider deinem Koͤ-
nige die ſeine gar vom Haͤupte geſchlagen/ dannoch aber/ Gott Lob/ deren keine auff deine
Stirn bekommen/ wiewol du nach beyden zugleich ſtrebeteſt. O du Verderben deines Va-
terlandes! O du Unehr alles Pannoniſchen Blutes! du ſtinkender ſchaͤbichter Hund!
Dropion kunte vor Ungeduld und Rachgier laͤnger nicht ſchweigen noch ſich einzwingen/
und ſagte: O du Raben-Vieh/ iſt deine Zunge doch ſchaͤrffer als die Schwerter aller mei-
ner Feinde; zuͤckete zugleich den linken Fuß/ welcher ihm frey wahr/ und ſtieß dieſen Re-
dener/ daß er zuruͤk prallete. Welcher Frevel unſern Koͤnigen ſo ſehr zu herzen ging/ daß
er aüff Befehl von vier Buͤtteln dergeſtalt gepruͤgelt ward/ daß er als ein wilder Ochſe
brüllete/ und als ein Erdwurm ſich kruͤmmete; Worauff Agis alſo fortfuhr: Ich wil es
zu meiner Entſchuldigung nicht ſagen/ daß allein ich und gegenwaͤrtiger Maſtyes/ nebeſt
wenig andern/ unſerm Koͤnige dieſen unſeligen Zug wiederrahten haben; nur allein fuͤhre
ichs zu dem Ende ein/ daß Ihre Koͤnigl. Hocheiten ſehen/ wie maͤchtig dieſer boßhaffte
Menſch in unſerm Vaterlande geweſen/ daß er nicht allein aller uͤbrigen Raͤhte Willen zu
ſich lenken/ ſondern auch ſeinen Koͤnig zwingen koͤnnen/ ſein begehren gut zuheiſſen. Nie-
mand wird mirs leugnen/ daß der Bluthund mich ſchon vor etlichen Jahren als einen
Land Verraͤhter hat wollen hinrichten laſſen/ weil ich uͤber Gerechtigkeit hielt/ und hat
bloß meines Koͤniges muͤhſelige Vorbitte mein Leben erhalten. Eben dieſer/ ja allein die-
ſer iſt des Galgen Angeber und Meiſter; Er hat ihn laſſen zimmern und richten/ daß Koͤ-
nige und Fuͤrſten daran ſterben ſolten/ und haͤtte ihm jemand eingeredet/ muͤſte deꝛſelbe als
ein Verrāhter hingerichtet worden ſeyn/ nachdem ers auch ſeinem eigenen Koͤnige nicht
vor gut halten kunte/ daß derſelbe bey der Auffrichtung zu ihm ſagete: Feldmarſchalk/
Feldmarſchalk/ laſſet uns gelinder und vorſichtiger gehen/ man henket die Koͤnige nicht ſo
bald an Galgen; ſo haben wir ſie auch noch nicht in unſer Gewalt/ und wann das Gluͤk
mit uns ſpielen wolte/ als in der erſten Beſtuͤrmung dieſes wolbefeſtigten Lagers/ ja wann
es uns gar in unſer Feinde Haͤnde liefern wolte (ach wie wahr hat unſer Koͤnig geweiſſa-
get!) wie wuͤrde es uns dann wegen dieſes Vornehmens ergehen? Uberdas iſt dieſeꝛ Land-
verderber mit der alleruner hoͤrteſten Verraͤhterey umgangen/ ſeinen eigenen Koͤnig aus-
zuheben/ und ſich auff deſſen Stuel zuſetzen; dann Boͤhmen wahr ſeiner eingebildeten
Hocheit viel zu enge. Deſſen muͤſſen mir zwoͤlfe unter dieſen Gefangenen Zeugniß geben/
unter denen Pyrechmes/ Pelegon/ Bato/ und der juͤngere Pines die Redlensfuͤhrer ſind/
die uͤbrigen aber ich auch nahmhafftig machen wil; wird man dieſe auff der Folter befra-
l l l l lgen/
[818]Achtes Buch.
gen/ ſollen ſie ſchon ausbeichten/ wie ſie unſern Koͤnig in der Schlacht haben wollen ent-
leiben/ daſern er vor Feindes Schwert ſolte erhalten werden; welches auch die einige Ur-
ſach geweſen iſt/ daß Maſtyes nach deſſen Erfahrung/ aus eigener Bewaͤgniß/ uns den lez-
ten Entſaz zugebracht/ daß unſers lieben Koͤniges ſchon verrahtenes Leben Schuz haben
moͤchte; und werden jezt gemeldete zugleich außbeichten muͤſſen/ wie ihr vermeineter Koͤ-
nig Dropion die Ehrenaͤmter und Landſchafften ſchon unter ihnen außgeteilet/ verſprochẽ
und verbriefet hat. So laſſet nun/ ihr Großmaͤchtigſten Koͤnige und Durchleuchtigſte Fuͤꝛ-
ſten/ laſſet dieſes zur Entſchuldigung meines Koͤniges eures Gefangenen in ſo weit geltẽ/
daß er nicht eigenwillig/ ſondern faſt duꝛch Zwang dieſen unverantwortlichen Zug vorge-
nommen/ und des Galgen Auffrichtung/ deſſen ich alle Goͤtter zu Zeugen ruffe/ in ſeinem
Herzen nie gebillichet hat; und kan endlich meines Koͤniges Blut durch ein anderes geloͤ-
ſet werden/ ſo laſſet das meine an ſeiner Stat vergieſſen/ ich wil mich gluͤkſelig preiſen/ wañ
durch meinen Tod ich meinen lieben Koͤnig beim Leben erhalten werde/ wie ich ſchon in
meiner Seele die allerhoͤchſte Vergnuͤgung befinde/ daß mit zutuhn meines Freundes Ma-
ſtyes ich durch Vorbitte bey dem Pannoniſchen Kriegs Heer dem Himmel ſey Dank/ es
dahin gebracht/ daß dem Bluthunde Dropion ſein Vorhaben hat müſſen gebrochen/ und
nachgehends auch ſein angeſtelleter Meuchelmord hintertrieben werden. Herkules wende-
te ſich zu dem wol abgepruͤgelten Dropion/ und ſagete: Du biſt viel ein heilloſer Schelm
als deine Bruͤder wahren/ dann die ſtritten und ſtrebeten noch vor ihres Koͤniges Wol-
fahrt/ welchen du gar haſt ſtuͤrzen wollen/ daher wundert michs um ſo viel weniger/ daß du
mich und andere Koͤnige und Fürſten ſo ſchaͤndlich gehalten/ und zum Galgen haſt duͤr-
fen verdammen/ welchen du aber noch vor eine Gnade und Endigung deiner Pein halten
wirſt/ wann er dir wird koͤnnen zuteil werden. Doch achteſtu uns ſo wirdig/ ſo laß hoͤren/
was vor eine Entſchuldigung du habeſt/ damit niemand ſpreche/ du ſeiſt ungehoͤret und
auff wuͤteriſch verdammet/ wie du geſtern mit uns verfahren/ und mir kein einiges Wort
haſt goͤñen wollẽ. Meine Entſchuldigung/ wird mir wenig helffẽ/ antwortete er/ da Fꝛeund
und Feind zugleich auff mich einſtuͤrmen/ und mein Klaͤger auch mein Richter iſt. Uber-
das befinde ich in mir einen recht-Koͤniglichen Geiſt/ welcher ſich nie hat druͤcken koͤnnẽ/
ſondern ſtets oben geſchwummen iſt/ und uͤber andere herſchen wollen; wer wuͤrde mirs
demnach veruͤbeln/ ob ich nach einem Koͤnigreiche getrachtet haͤtte? waͤhre mirs gelungẽ/
dann ſo haͤtte die ganze Welt geſaget; der tapffere aͤdle Dropion hat ihm recht getahn/ ſei-
ne Wirdigkeit erfoderte ein ſolches; nun es aber mißgluͤcket iſt/ darf auch dieſer unnuͤtze
Hund (auf Agis zeigend) mir ins Angeſicht ſpeiẽ. Jedoch es gehe nach der Goͤtter Schluß;
Ich bin in meinem Gemuͤhte noch dieſe Stunde ein Koͤnig/ und wil nicht als mit Koͤ-
niglichen Gedanken ſterben. O du elender Tropff/ antwortete Herkules/ meineſtu/ daß ein
Koͤniglicher Muht in der Herſchafft-Sucht beſtehe/ und nicht viel mehr in dem/ daß man
ſich ſelber zwingen/ und die Begierde meiſtern kan? daher iſt dein Sin noch ſehr weit von
einem Koͤniglichen Muhte abgeſcheiden/ und was du Koͤnigliche Gedanken nenneſt/ ſind
nichts als Raͤubers Gedanken/ daher auch/ weil du ſolche ins Werk zurichten/ alle Muͤhe
uñ Gottloſigkeit angewendet haſt/ du gewißlich nicht als ein Koͤnig/ aber wol als ein Dieb/
Erz Raͤuber und wuͤteriſcher Beleidiger der Koͤniglichen Hocheit ſterben wirſt/ darumb
geden-
[819]Achtes Buch.
gedenke nur/ wie du deinen Koͤniglichen Stuel/ welchen du ſelbſt haſt richten laſſen/ nach
ausgeſtandener Pein/ auffs zierlichſte bekleideſt. Herkules/ ein gebohrner Großfuͤrſt und
Koͤnig/ hat gut aus dem Tugend Buche zuſchwaͤtzen/ antwortete dieſer freche Menſch/
nachdem ihm ein Koͤnigreich angebohren iſt/ und wann gleich ſolches nicht waͤhre/ er we-
gen des vermeyneten Koͤniglichen Blutes/ leicht durch Heyraht darzu gelangen koͤnte. A-
ber durch welche Tugend ſol ich und ein ander meines gleichen zum Koͤnigreiche auffſtei-
gen/ da uns eine Koͤnigliche Seel eingegoſſen iſt/ und es uns nur an einem Vater-Koͤnige
gemangelt hat? Ich moͤchte wuͤnſchen/ daß ich auch in der Gnadenzeit gelebet haͤtte/ als
der tapffere und großmuͤhtige Herr Jurelio Merkwol das Koͤnigreich Dalmazien ſein
eigenes Vaterland unter ſeine gevolmaͤchtigte Herſchafft brachte; da er aus heuchliſchem
Schein zur Tugend und Liebe der Landſaſſen Freyheit/ ſeinem zur Herſchung unwirdigen
Koͤnige (wie ich ihn ſchaͤtze) ſo lange nachtrachtete/ biß er ihm den Kopff vom Rumpffe
brachte/ und durch gemehlichen Fuchstrit nach wunder-liſtiger Verſchlagenheit/ mitten
unter ſeiner Feinde wuͤten gar auff den Oberſtuel kam/ welchen vor ihm kein Koͤnig hatte
erlangen koͤnnen; da dann alle dieſelben ohn Koͤpffe gehen/ oder in der Lufft bammeln mu-
ſten/ welche der von ihm ſo teur verſprochenen Freiheit Erwaͤhnung tahten. Ja er ward
zugleich allen umliegenden Koͤnigreichen eine Furcht und Schrecken/ daß die Hoͤchſten
der Welt/ wie neidiſch ſie ihm gleich im Herzen wahren/ dannoch ihre Geſandſchafften an
ihn abgehen lieſſen/ und ihm als einem irdiſchen Gott ſchmeichelten/ ſo daß dieſelben ſich
vor gluͤkſelig ſchaͤtzeten/ die ſeine Hulde erlangen/ und vor ſeinem durchdringenden ſiegrei-
chen Schwerte befreiet ſeyn kunten. Dazumahl wahr es gut/ eine groſſe Herſchaft an ſich
zubringen; aber die Zeiten lauffen nunmehr zu ſelzam/ und kan der gemeine Poͤfel ſein ei-
gen beſtes nicht erkennen; Und eben diß iſt die Urſach/ warumb ich und andere meines
gleichen die Hocheit nicht erhalten moͤgen/ die unſerm Koͤniglichẽ Geiſte ſonſt von rechts-
wegen gebuͤhrete. Aber was muß ich doch hoͤren? bin ich ein Dieb und Raͤuber/ darumb
daß ich mich nach meiner Wirdigkeit umſehe? Lieber was muß doch der Mazedoniſche
Alexander geweſen ſeyn/ als ſein Geiſt viel zugroß wahr/ in dem engen Winkel Griechen-
landes zubleiben/ und deßwegen der ganzen Welt Herſchafft ſuchete? Dieſer wird ja da-
her von allen tapferen Helden/ ja auch in Buͤchern geruͤhmet. Aber wann er vor dieſem
Gerichte ſeines verhaltens Rechenſchafft geben ſolte/ muͤſte er ein Dieb und Raͤuber heiſ-
ſen. Und du Kajus Julius erſter Kaͤyſer/ wer hat dich doch zum einigen ſtetswehrenden
Herſcher zu Rom eingeſetzet und erkohren? hats nicht deine eigene Fauſt getahn/ als dein
groſſer Geiſt wallete/ der nicht allein niemand uͤber ſich dulden/ ſondern auch keinen gleichẽ
neben ſich leiden kunte? noch wann du an meiner ſtelle dich befuͤndeſt/ muͤſteſtu ein Dieb
und Raͤuber ſeyn/ da man dir nicht allein den Tod/ ſondern alle erſinliche Pein draͤuen/ uñ
den Galgen zur Erquickung anbieten wuͤrde. Aber O ihr ehmahlige Helden/ moͤchte ich
eines gleichmaͤſſigen Glückes mit euch genieſſen/ wie mir der Himmel eine gleichwirkende
Seele und troz-bietende Krafft eingegoſſen hat/ wuͤrde auſſer allem Zweifel mir die Her-
ſchafft von des groſſen Griechiſchen Herkules Seulen biß jenſeit des Ganges eingeraͤu-
met ſeyn/ da mich nun das neidiſche Ungluͤk in dieſe enge Ketten eingefeſſelt/ und vor deren
Gerichte gezogen hat/ denen ich vor wenig Stunden die Galgenſtraffe auffgelegt hatte.
l l l l l ijDie
[820]Achtes Buch.
Die Koͤnigliche Geſelſchafft wolte ſich an des Großſprechers Auffſchneiderey nicht keh-
ren/ ſtelleten ſich auch als hoͤreten ſie es nicht/ und befahl Ladiſla/ daß alle Gefangene nach
dem Stokhauſe gefuͤhret/ und daſelbſt mit Waſſer und Brod unterhalten wuͤrden/ ihrer
Ketten und Banden unbenommen/ nur Hyppaſus/ Amythaon und Deon wurden mit ih-
rem Koͤnige entbunden/ und in einem abſonderlichen Reuter Zelte mit zimlicher Speiſe
und Trank verſehen/ da man Maſtyes und Agiß/ nebeſt ihren geſtrigen Schuͤtzern alle Frei-
heit gab/ zureiten und gehen/ wo ſie wolten; welche aber bey ihrem Koͤnige blieben/ und ihm
allen Verlauff/ was nach ſeiner Gefaͤngniß ſich zugetragen hatte/ erzaͤhleten; woraus er
unſchwer abnam/ daß Dropion durch Verdammung unſerer Koͤnige/ allermeiſt nach ſei-
nem Haͤupte und Leben hingezielet haͤtte. Nach gehaltenem dieſen erſten Gerichte/ hielt Ar-
bianes bey Markomir fleiſſig an/ daß der tapffere Ritmeiſter mit der dicken Wolke im
Schilde/ der ihm ſein Leben ganz ritterlich errettet/ moͤchte herzu geladen werden/ damit er
ihm eine wirdige Dankbarkeit ſehen lieſſe. Derſelbe aber ſchickete an ſeine ſtat einen von
ſeinen Reutern ab/ mit gnugſamer Unterrichtung/ weſſen er ſich verhalten ſolte; welcher
dann vor der Koͤniglichen Geſelſchafft erſcheinend/ ſich auff beyde Knie niderſetzete/ und
alſo anfing: Großmaͤchtigſte Unüberwindliche Koͤnige/ auch Durchleuchtigſte Fuͤrſten;
auff allergnaͤdigſtes erfodern haͤtte mein Rittermeiſter ſich in alleruntertaͤhnigſtem Ge-
horſam gerne eingeſtellet/ wann nicht ſeine Unwirdigkeit und ehmaliges grobes Verbre-
chen ihn davon abſchreckete/ wiewol er ausdruͤklich zu dem Ende ſich in des Durchleuch-
tigſten Groß Fuͤrſten Herrn Markomirs Kriegsdienſte mit ſeiner von ihm ſelbſt geworbe-
nen Reuter Schaar begeben hat/ ſich zubemuͤhen/ ob der guͤtige Himmel ihm einige Gele-
genheit an die Hand geben wolte/ wodurch er Gnade und Vergebung ſeiner ſchweren
Sünde erhalten koͤnte; da ihm dann das Gluͤk ſo guͤnſtig erſchienen iſt/ daß dem Durch-
leuchtigſten Mediſchen Großfuͤrſten er nach ſeinem geringen Vermoͤgen hat koͤnnen
auffwaͤrtig ſeyn/ auch von deſſen Durchl. hohe Fuͤrſtliche Zuſage ſeines begangenen ü-
bels erlanget/ welche vor andern hoͤchlich beleidiget zuhaben/ er ſich nicht ohn beiſſende
herzens Reue erinnert; dafern nun die uͤbrige Koͤnigl. und Hoch Fuͤrſtliche Geſelſchafft/
inſonderheit die abweſende Durchl. Groß Fuͤrſtin Fr. Klara/ ihm gleichmaͤſſige allergnaͤ-
digſte Vergebung erteilen koͤnten/ wird er mein Ritmeiſter mit hoͤchſter Vergnuͤgung
von hinnen reiten/ nachdem eꝛ ſich ſelbſt vor ganz unwirdig ſchaͤtzet/ vor eure Koͤnigl. Hoch-
heiten und Hoch Fuͤrſtl. Durchleuchtigkeiten zu erſcheinen/ verbindet ſich auch in aller tief-
feſter Demuht/ die ganze Zeit ſeines lebens zu ſeyn und biß in den Tod zuverbleiben/ dero-
ſelben alleruntertaͤhnigſter gehorſamſter Knecht Reichard der buͤſſende. Unſern Helden
fiel alsbald bey nennung des Nahmens ein/ wehr er wahr/ verwunderten ſich ſeines redli-
chen vornehmens die ehmahlige Boßheit zu buͤſſen/ hieſſen den abgeſchikten Reuter einen
Abtrit nehmen/ und beredeten ſich miteinander kuͤrzlich; bald muſte der Reuter wieder vor
treten/ und gab Arbianes ihm dieſe Antwort: Reitet hin mein Freund/ und ſaget eurem
Ritmeiſter Reicharden/ daß ſeine heutige mir geleiſtete Rettung und getraͤue Dienſte/ ſein
ehmahliges Verbrechen weit uͤberwogen haben/ daher nicht allein dieſe ganze Koͤnig- und
Hoch Fuͤrſtliche Geſelſchaft ihm gnaͤdigſt gewogen iſt/ ſondern ich ihm auch meines lieben
Gemahls voͤllige Vergebung und Fuͤrſtliche Hulde zuwege bringen wil; daß er aber
nicht
[821]Achtes Buch.
nicht davon zihe/ ſondern/ wo ſeine Wunden/ die er umb meinetwillen empfangen/ es zuge-
ben koͤnnen/ er alsbald mit ſeiner Geſchwade ſich alhie einſtelle/ damit ich ihn meiner Gna-
de und Gewogenheit gnugſam verſichern moͤge. Dieſer bedankete ſich alleruntertaͤhnigſt
in ſeines Ritmeiſters Nahmen/ und brachte dem aͤngſtig harrenden Reichard dieſe gewün-
ſchete Zeitung; welcher bey nahe vor freuden vom Pferde in Ohmacht geſunken waͤhre;
ergriff ſich doch bald wieder/ foderte ſeine Mannſchaft/ die noch in 50 Koͤpfen beſtund (dañ
30 hatte er bey Arbianes Erloͤſung eingebuͤſſet/ und wahren die uͤbrigen biß auff ſechſe alle
verwundet) zuſammen/ und ritte mit ihnen ohn alle Waffen/ (nur daß er ſeinen kenli-
chen Schild mit ſich nam) nach der Koͤnigl. Geſelſchaft/ ließ ſeine Leute auff 100 Schrit
davon ſtille halten/ ſtieg daſelbſt ab vom Pferde/ und ging gar allein tieff gebücket hin/ taht
vor den Koͤnigen einen demuͤhtigen Fußfal/ und ob er ihm gleich vorgenommen hatte/ ſich
feſt zu halten/ fing er doch an zu ſeufzen/ und ſeine Bußtraͤhnen ſo haͤuffigzuvergieſſen/ daß
er kein einzig Wort hervor bringen kunte. Die ganze Geſelſchaft trug groſſes Mitleiden
mit ihm/ dann ſie ſahen vor Augen/ daß ſeine Sünde ihm ſehr leid wahr/ deswegen redete
Herkules ihn alſo an: Mein Freund Reichard; ihr habet vor dißmahl in der Taht ſehen
laſſen/ daß eure Seele ehmahl von den unbendigen Begierden zwar hat koͤnnen angeſpren-
get und veꝛleitet/ aber nicht gaͤnzlich uͤberwunden werden/ gleich wie ein hoher Baum von
einem heftigen Windſturm wol zimlich gebeuget/ und doch nicht gar abgebrochen wird/
ſondern ſich bald wieder gleich richtet. Mein Bruder Fuͤrſt Arbianes ſcheuhet ſich nicht/
euch vor ſeines lebens Erretter zu halten und oͤffentlich zu ruͤhmen/ darumb ſollet ihr eures
Herzen empfindnis wegen des geſchehenen/ ablegen/ und euch verſichern/ daß ihr von nun
an/ an uns allen ingemein/ und an einem jeden inſonderheit/ ganz gnaͤdige und gewogene
Herren haben werdet/ nicht anders/ ob haͤttet ihr die ganze Zeit eures lebens auff der heu-
tigen Tugend-bahn zugebracht. So ſtehet nun auff/ und haltet euch nicht mehr vor einen
Verbrecher/ der ſich vor der Straffe fürchtet/ ſondern vor einen wolverdienten/ der groſſe
vergeltungen zugewarten hat; ich vor mein Haͤupt erbiete mich/ daß ich euch in meine be-
harliche Dienſte auffnehmen/ und mit einem wirdigen Amte verſehen wil. Ihr habt euch
unter meiner Anfuͤhrung wol gehalten/ ſagte Ladiſla weiter zu ihm/ des ſolt ihr bey der Beu-
te austeilung zu genieſſen haben/ und verbleibe ich euch mit beharlichen Gnaden gewogen.
Arbianes empfand eine groſſe Zuneigung gegen dieſen Menſchen in ſeinem Herzen/ wel-
che ſehen zu laſſen/ er zu ihm trat/ hies ihn freundlich von der Erden aufſtehen/ boht ihm die
Hand/ welche er mit groſſer Ehrerbietung kuͤſſete/ und ſagete zu ihm: Was vor eine Traͤue
ihr heut an mir/ mit aͤuſſerſter Gefahr eures lebens/ erwieſen/ und mich abgematteten von
des Feindes Schwert loßgemacht/ muͤſte ich ſehr unempfindlich ſeyn/ wann ichs in vergeß
ſtellen/ und zuvergelten mich nicht bemühen wuͤrde. Eur voriges euch zuvergeben iſt uñ oͤh-
tig/ weil es ſchon laͤngſt vergeſſen iſt/ daher ſollet ihr alle Gedaͤchtnis des ergangenen bey
ſeit ſetzen/ als waͤhre es nicht geſchehen/ und euch ſchicken ſolche Vergeltung zu empfahen/
wie ihrs verdienet/ und mirs zu leiſten anſtehet. Reichard erhohlete ſich inzwiſchen/ und zei-
gete kuͤrzlich an/ was geſtalt er ſeine empfangene Gnadengeldeꝛ zur ausruſtung ſeiner Reu-
ter angewendet/ und willens geweſen einen Zug in fremde Lande zu tuhn/ haͤtte des Fran-
ken Koͤniges Werbung erfahren/ und daß deſſen Hocheit dem Boͤmiſchen Koͤnige eine an-
l l l l l iijſehn-
[822]Achtes Buch.
ſehnliche Hülffe wieder die Pannonier zuſchicken wolte/ daher er ſich in deſſen Dienſte be-
geben/ und dieſe ſeine hoͤchſtgewuͤnſchete Gluͤkſeligkeit erlanget haͤtte/ welche hiedurch vol-
kommen gemacht waͤhre/ daß Koͤnig Herkules ihm gnaͤdigſte Beſtallung angebohten/ in
deſſen Dienſten er zu leben und ſterben begehrete. Deꝛſelbe nun ſchlug ihn alsbald zum Rit-
ter/ und als die groſſe gemeine Feldbeute geteilet ward/ bekam er vor ſein Haͤupt 30000
Kronen an Baarſchaft und Geſchmeide/ darzu 24 ſtatlich geputzete Reitpferde/ drey Pak-
wagen mit 18 Pferden und eine Gutſche mit ſechs Pferden/ von der Lager Beute aber/ wel-
che der Koͤniglichen Geſelſchaft vorbehalten ward/ wendete ihm Arbtanes 20000 Kronẽ
und die andern Koͤnige und Fuͤrſten ingeſamt auch ſo viel zu; da ſeine 50 Reuter ingeſamt
zwo Tonnen Goldes/ gleich unter ſich zu teilen/ bekahmen/ welche Arbianes alle in beſtal-
lung nam/ und Reicharden 12 Teutſche Reuter zugab/ welche mit ihm nach ſeineꝛ Heimaht
alsbald fortzihen ſolten/ umb ſeine Gelder und Sachen dahin zubringen/ er aber ſolte mit
ſeiner Eheliebſten ſich bald wieder einſtellen/ und erwarten/ was vor abſonderliche Gnade
ihm daſelbſt begegnen wuͤrde. Er kam dieſem Befehl willig nach/ da er Suͤdmeier den eh-
mahligen Gutſcher loßbaht/ welcher/ weil er ſich kund gegeben hatte/ uͤber 10000 Kronen
wert bekam/ nebeſt viel Pferden und anderen Sachen/ die er ſeinem lieben Weibe und ih-
ren armen Eltern mit uͤbernehmen/ und ſich in Herkules Dienſte wieder einſtellen wolte.
Das uͤbrige dieſes Tages brachte die Koͤnigliche Geſelſchaft in aller ergezligkeit zu/ da bey-
des Herkules und Valiſka ſich uͤber der Vergnuͤgung hoch verwunderten/ welche Mar-
komir an den Tag legete/ darumb dar er von ihnen ſo gar freundlich gehalten ward/ wie ſie
dann beyderſeits ihn in ihre brüder- und ſchweſterliche vertrauliche Freundſchaft aufnah-
men/ deſſen er ſich ſelbſt vor unwirdig ſchaͤtzete; und wuchs dieſe Vertrauligkeit von Tage
zu Tage/ weil er ſich ſo zuͤchtig gegen Valiſken bezeigete/ daß leibliche Bruͤder und Schwe-
ſter nie heiliger mit einander gelebet haben. Des folgenden Morgens muſten alle Gefan-
gene mit ihrem Koͤnige (der mit einer zimlichen Kette wieder beleget ward) abermahl vor
Gerichte erſcheinen/ da Dropion ohn gebehtenen Urlaub alsbald dieſe verwaͤgene Rede
anfing: Wañ das Gluͤk mit mir nach meinem Verdienſte verfahren wolte/ muͤſte ich trauẽ
nicht gefeſſelt und umbkettet als ein Ubeltaͤhter vor dieſem Gerichte ſtehen/ ſondern die vor-
geſtriges Tages abgefaſſete Urtel/ wegen des uͤbergeſchikten ſchaͤbichten Hundes an mei-
nen Gefangenen/ nunmehr ſitzenden Richtern gebührlich volſtrecken. Meine tapfere Tah-
ten ſind groͤſſer/ als daß ſie mit der Feder koͤnnen beſchrieben werden. Wann ich meiner
Faͤuſte maͤchtig bin/ mus vor mir ſtuͤrzen was ich mit meinem Saͤbel berũhre/ und mus
anjetzo mich von denen rechtfertigen laſſen/ denen ſo zu reden der Diebsſtrik ſchon umb den
Hals geleget wahr. O du verfluchte verhaͤngnis/ haſtu den tapferen Dropion zum Schau-
ſpiel der jungen Knaben/ die in Koͤniglichem Pracht ſitzen/ an dieſen Ort hergeſtellet? Er
wolte fortfahren in ſeinem ſchaͤnden/ unter der Hoffnung/ die unſern zu reizen/ daß ſie ihm
aus Eifer einen ſchleunigen Tod anlegeten/ wie dann Ladiſla ſich ſchier uͤberſehen haͤtte;
aber Herkules redete ihm ein/ und ſagete nachgehends zu Dropion; Ey du gottloſer Bube/
ſolte man deinen Stolz und Ubermuht dann ſo gar nicht vertreiben koͤnnen? dein Bruder
Pines machte es nicht viel beſſer/ aber ich fand ein mittel zu ſeiner Zaͤhmung/ welches ich
an dir auch werde verſuchen müſſen; befahl darauff/ daß man ihm die Kleider gar vom Lei-
be reiſ-
[823]Achtes Buch.
be reiſſen/ ihn an eine Galgenſeule binden/ und am Hinterleibe mit ſcharffen Ruhten von
den Fußſolen biß ans Haͤupt ſtreichen muſte/ daß keine ganze ſtelle an ihm uͤbrig blieb;
da er anfangs mit ſchelten und laͤſtern fortfuhr/ aber endlich durch ſchmerzen uͤberwunden/
ein ſchrekliches Geſchrey trieb/ auch mit den angebundenen Haͤnden und Fuͤſſen ſolche Ar-
beit taht/ daß er die Galgenſeule ſchier loßgeriſſen haͤtte; endlich ward er geſchmieret/ wie-
der abgeloͤſet/ und allein hingeſtellet/ da er anſehen und hoͤren muſte/ was vor eine Urtel man
ſeinen Geſellen fellete; maſſen alsbald Pyrechmes vorgefodert ward/ welchen Herkules
alſo anredete: Du frecher Bube/ erinnerſtu dich auch noch deiner geſtrigen Bosheit/ da
du die Galgen Urtel uͤber uns ſpracheſt/ uns vor Hunde und verlauffene ausſcholteſt/ und
bey draͤuung/ daß mir die Zunge ſolte aus dem Halſe geriſſen werden/ mir keine verantwor-
tung goͤnneteſt; ja auch noch auff meinen kraͤftigen und guͤtigen Gott hoͤniſch reden durf-
teſt? Wer hat jemahls erfahren/ daß einiger Menſch deines gleichen/ ſich eines ſo verwaͤ-
genen Trotzes ſolte gebrauchet haben? aber ſiheſtu nun ſchier/ daß du damahl ſelbſt dein
Wahrſager geweſen biſt/ mein Gott wuͤrde dich und deine Geſelſchaft an unſere Stelle
an den Galgen bringen? Dieſer Boshafte bedachte ſich ein wenig/ was er antwor-
ten ſolte/ biß Dropion ihm zurieff; laß den Muht nicht ſinken/ du mein getraͤuer Freund/
damit unſere Feinde nicht ruͤhmen/ ſie haben unſerer Tapferkeit angewonnen. Durch wel-
che Auffmunterung dieſer ohndas verwaͤgene Menſch gleichſam wieder ſich ſelbſt wuͤtend
ward/ daß er in dieſe Worte loßbrach: Was ich geſtern geredet und getahn habe/ gereuet
mich ſo gar nicht/ dz ichs noch tuhn wolte/ wans nur in meiner Macht ſtuͤnde/ ob ihr Hun-
de mich gleich daruͤber zureiſſen wuͤrdet. Dir frechen Schelm mus der wolverdiente Lohn
werden/ gab ihm Herkules zur Antwort/ ließ ihn eben wie zuvor den Dropion mit Ruhten
ſtreichen/ wobey er ein ſchaͤndliches Laͤſtern/ Fluchen und Geſchrey trieb. Pelegon ward
nach ihm vor Gericht geſtellet/ und von Herkules alſo zu Rede geſetzet: Du Gottloſes
Schandmaul wirſt dich erinnern/ wie hoͤhniſch du mich bey dem geſtrigen unbefugeten
Gerichte angetaſtet/ und mir nicht eins Zeit zum Gebeht goͤnnen wollen/ daneben es vor
unmoͤglich hielteſt/ daß der Gott/ welcher Zeit ſeiner ernidrigung umb unſer Suͤnde willen
ſich hat laſſen ans Kreuz henken/ mich und andere unſchuldigen von dem Strange befreien
koͤnte; nun aber ſiheſtu wie maͤchtig derſelbe ſey/ und wie er dich mit deines gleichẽ andern
Buben zur wolverdieneten Straffe fodert. Du haſt gut trotzen/ antwortete dieſer/ aber
waͤhren meine Faͤuſte ſo wol frey als die deinen/ wuͤrde der Ausſchlag es bald geben/ wer
eines andern Richter zu ſeyn das beſte Recht haͤtte/ nun aber mus ich wol ſchweigen und
mich druͤcken/ wil ich ſonſt der Henkersruhten geuͤbriget ſeyn. Bato/ Dropions Sohn/
ward auch zu rede geſtellet/ warumb er vor andern ſich bemuͤhet haͤtte dieſe unſchuldige
Koͤnige und Fuͤrſten durch Meuchelmoͤrder hinzurichten; dann eben dieſer hatte ſolches
zu vollenden uͤber ſich genommen; welches er auch nicht verleugnen wolte/ ſondern dieſe
Antwort gab: Ob ich meinem lieben Vater in verfolgung ſeiner Ertzfeinde gehorſam ge-
leiſtet habe/ iſt nicht zuverwundern/ dann die eingegoſſene Pflicht erfodert ſolches von mir/
und Odaß mir nur mein Anſchlag haͤtte moͤgen gelingen/ ſo haͤtte ich nicht duͤrffen mit mei-
nen blutigen Augen anſehen/ daß der treflichſte Held unter allen Pannoniern/ mein Herr
Vater Dropion mit Henkersruhten iſt gegeiſſelt worden; welches die helliſchen Goͤtter
allen
[824]Achtes Buch.
allen denen vergelten werden/ die es angeordnet haben. Ich ſehe wol/ ſagte Herkules/ daß
du in Blutſchande gezeugeter Bube es nicht beſſer als dein Vater haben wilt/ ſonſt wuͤr-
deſtu deinen Fluch geſparet haben. Muſte alſo auch dieſer des Henkers Streiche unter
groſſen Schmerzen ausſtehen/ wobey er ſich ſehr frech bezeigete. Der juͤngere Pines/ des
aͤltern unehelicher Sohn gar ein verwaͤgener Bube/ muſte nach dieſem vor treten/ welcher
dann zu ſeiner entſchuldigung vorbrachte; er waͤhre gehalten geweſen ſeines lieben tapfe-
ren Vaters Schande und Leibeigenſchaft nach vermoͤgen zu eifern/ deswegen er ſeines
vorhabens nicht um verzeihung bitten duͤrfte/ ſondern erwartete mit ſtandhaftem Gemuͤh-
te des Todes/ welchen er ſeinen Feinden lieber haͤtte mitteilen/ als deſſen von ihnen gewaͤr-
tig ſeyn wollen. Ja daran zweifelt unſer keiner/ antwortete Herkules; ließ die uͤbrigen acht
ſonderlich Gefangene auch herfuͤhren/ und gab ihnen Freyheit/ ihre entſchuldigung vorzu-
bringen/ da ſie einige haͤtten; aber ſie wahren erſtarret/ und wuſten nichts anzuzeigen/ als
daß Dropion durch groſſe Verheiſſungen ſie gar auff ſeine Seite gezogen/ und verleitet
haͤtte/ daß an ihrem Koͤnige ſie traͤuloß worden waͤhren. Worauff Koͤnig Mnata mit allẽ
gefangenen Oberſten deren auſſer den jeztgedachten noch 135 wahren/ und den gefangenen
1300 Haͤuptleuten/ abermahl vorgeſtellet ward/ umb anzuhoͤren/ was vor eine Urtel ihm
und den andern ſolte auffgeleget werden. Leches muſte ſolche muͤndlich vortragen/ welcher
dann anfangs dem Pannoniſchen Koͤnige es auff befehl gar verweißlich vorhielt/ daß er
ein ſolches grauſames Landverderben ohn alle gegebene Urſach angerichtet/ nebeſt ſchimpf-
lichen Verweiß/ daß er dem Dropion ſo viel Macht und Muhtwillen uͤber ſein Reich uñ
ũber ſich ſelbſt eingeraͤumet/ und zum Sklaven ſeines Knechtes ſich gemacht haͤtte; hernach
laſe er ihm dieſe Urtel vor; Ob zwar der Pañoniſche Koͤnig Mnata/ darumb daß er ohn
Urſach uñ unabgeſaget das Koͤnigreich Boͤhmen uͤberfallen/ Staͤdte uñ Doͤrffer verheret
und eingeaͤſchert/ Vieh uñ Menſchen und andere bewaͤgliche Guͤter geraubet/ Acker/ Gar-
ten uñ Hoͤlzungen verwuͤſtet/ die Koͤnige hoͤchſt beſchimpfet/ und zur auffopferung etlicher
hundert tauſend unſchuldiger Seelen Urſach gegebẽ/ ſein Koͤnigreich/ Ehr und Leben wol
verwirket haͤtte/ ſo ſolte ihm doch aus angebohrner Koͤniglicher Barmherzigkeit uñ ſon-
derlicher milden Guͤte ſolches geſchenket ſeyn/ dafern er folgende bedingungen ohn alle ein-
rede uñ wegerung eingehen/ uñ erſter moͤgligkeit nach/ redlich uñ aufrichtig erfuͤllẽ wuͤrde.
Als Erſtlich ſolte er mit einem demuͤhtigen Fußfalle wegen des unabgeſageten Einfalles/ Landes-
verwuͤſtung und auffgerichteten Galgen eine oͤffentliche Abbitte tuhn. II. Eine halbe Stunde im
Pfluge eingeſpannet ſtehen. III. Eines gefelleten fruchibaren Baumes Blok/ eines Zentners ſchwer/
hundert und zwanzig Schritte auff ſeiner Schuldern hin und her tragen. IV. Alle Gefangene und
Leibeigene Teutſchen und Boͤhmen/ (auch/ dafern Franken/ Schweden/ Daͤhnen/ Frieſen und Wen-
den darinnen ſeyn wuͤrden) ſamt deren Weibern und Kindern durch ſein ganzes Koͤnigreich/ ohn
Entgelt und arge Liſt frey und ledig machen/ mit der Verwahrung/ dafern einiger zuruͤk gehalten
wuͤrde/ ſolte alles uͤbrige als ungeleiſtet gerechnet/ oder nach wilkuͤhr ſehr hart geſtraffet werden. V.
Die vornehmſten gefangenen Roͤmer und Italiaͤner/ biß an 10000 Mann/ mit Weib und Kind/ ohn
entgelt auff freien Fuß ſtellen/ daß ſie zu Prag erſcheinen. VI. Dem Boͤmiſchen Koͤnige und ſeinen
Nachkommen zu ewigen zeiten ein Stuͤk ſeines Koͤnigreichs/ ſo breit es an Boͤhmen grenzet/ acht
Teutſche Meilen lang einraͤumen/ damit nach belieben/ als mit ſeinem Eigentuhm und Erbe zuſchal-
ten. VII. Vor des beſameten Landes verderbung 30 Tonnen Goldes/ zween teile an Baarſchaft/ und
einen
[825]Achtes Buch
einen Teil an allerhand Getreidig erlegen und einliefern. IIX. Alles aus Boͤhmen hinweg getrlebene
Vieh/ als Pferde/ Eſel/ Ochſen/ Kuͤhe/ Rinder/ Schaffe/ und Schweine (deren Anzahl die beraube-
ten einbringen ſolten) wiederſtellen/ oder davor ohn zugelegete Rechnung 40 Tonnen Goldes ent-
richten. IX. Alle Zimmerleute/ Bauleute und Tiſcher ſeines Koͤnigreichs herzu fodern/ nebeſt 15000
Frohndienſten/ welche auff Pannoniſche Koſten die abgebranten Staͤdte/ Flecken und Doͤrffer/ auch
einſtendige adeliche Sitze auffbauen. X. Vor jeden verderbeten fruchtbahren Baum zwo Kronen/
oder ungezaͤhlet davor 20 Tonnen Goldes auszaͤhlen. XI Vor die grauſame Nidermatzung der Be-
ſatzung und Einwohner der dreien Grenzfeſtungen fuͤnff Tonnen Goldes erlegen. XII. Vor jeden veꝛ-
wundeten des Boͤhmiſchen und Teutſchen Kriegsheers/ von der ganzen Zeit des Kriegs her gerech-
net/ acht Kronen/ oder im gemeinen anſchlage vier Tonnen Goldes. XIII. Vor jeden im Streit und
Sturm erſchlagenen 50 Kronen/ oder ohn zugelegte Rechnung 42 Tonnen Goldes. XIV. Dem an-
noch uͤbrigen Boͤmiſchen und Teutſchen Heer drey Monat Sold/ oder davor 35 Tonnen Goldes lie-
fern. XV. Alle Feſtungen ſeines Koͤnigreichs anderthalb Meilen von den neu erwaͤhneten Grenzen/
ſo eingeraͤumet werden ſollen/ belegen/ abbrechen. XVI. Vor ſeine erledigung 30 Tonnen Goldes ein-
ſchaffen. XVII. Die Guͤter aller Oberſten/ welche gleich jezt zum Tode wuͤrden verurteilet werden/
dem Boͤmiſchen Koͤnige getraͤulich ausfolgen. XIIX. Vor jeden im ganzen Kriege erſchlagenen Pan-
nonier/ drey Kronen/ oder ingeſamt eilf Tonnen Goldes erlegen. XIX. In wirklicher Haft verblei-
ben/ biß alles obgedachte voͤllig geleiſtet waͤhre. Und dann XX. ſolte er ein Jahr und alle Jahr/ 50
Jahrlang/ dem Reiche Boͤhmen 300000 Kronen baar; 4000 Sattelduͤchtige Reitpferde; 2000
Wagenpferde; 3000 Ochſen/ 5000 Kuͤhe/ 18000 Schaffe/ und 9000 Haͤuptſchweine auff ſeine Koſtẽ
biß drey Meilen uͤber die Boͤmiſchen Grenzen liefern/ und zwar auff eben den Tag/ an welchem ſein
Kriegsheer den erſten Einfal in Boͤhmen getahn hatte.


Diß wahr die Urtel uͤber den Koͤnig/ welche er ſchrifftlich begehrete/ ſie deſto beſſer ein-
zunehmen. Darauff folgete der Straff-Spruch uͤber Dropion alſo: Der Feind aller
Ehr und Tugend Dropion/ darum daß er ſo gar keine Demuht erzeigen wollen/ ſondern in
ſeiner teufliſchen Schaͤndung verharrete/ ſolte anfangs als ein Meinaͤidiger ſeiner beiden
voͤrderſten Finger an der rechten Hand beraubet; II. als ein Moͤrder/ Mordbrenner und
Land Verderber lebendig geſpieſſet/ III mit gluͤenden Zangen an ſechs Orten ſeines Leibes
gezwakt/ IV mit einer gluͤenden eiſern Krohn gekroͤnet/ V endlich an den von ihm ſelbſt auff-
gerichteten Galgen/ als ein ander Haman auffgehenket; und VI alle ſeine bewaͤgliche Guͤ-
ter Koͤnige Ladiſla eingeliefert werden. Sein gotloſer boßhaffter Richter und Worthalter
Pyrechmes ſolte gleiche Straffe/ doch die erſte und vierde außgenommen/ außſtehen. Pe-
legon der Goͤttes Laͤſterer ſolte/ wie dieſer/ hingerichtet werden. Bato und Pines ſolten je-
der zweymahl mit gluͤenden Zangen angegriffen/ an allen ihren Gliedern von unten auff
mit dem Rade zuſtoſſen/ und endlich nebeſt den andern an den Galgen geknuͤpffet werden.
Die uͤbrigen acht boßhaffte Oberſten ſolten als ſchaͤndliche Mordbreñer lebendig verbren-
net werden. Die ſaͤmtliche gefangene Pannoniſche Oberſten 135 an der Zahl muͤſten eben
dieſe Straffe uͤber ſich nehmen/ es waͤhre dann daß vor Abwendung ſolcher Straffe jed-
weder 50000 Kronen erlegen/ und die ewige Leibeigenſchafft antreten wolte/ da die Haab-
ſeligere den unvermoͤgenden mit ihrem Uberfluſſe ſolten zu Huͤlffe kommen; doch ſolten
ſie zuvor in vierwoͤchiger Haft verbleiben/ und alle Tage acht Stunden im Pfluge zihen/
daß ſie den Acker verwuͤſtet/ und die fruchtbahren Baͤume gefellet haͤtten; und ſolten den
vierwoͤchigen Unterhalt ingeſamt mit 150000 Kronen bezahlen/ dieſes Loͤſegeld der Ober-
m m m m mſten
[826]Achtes Buch.
ſten machte 67 Tonnen Goldes 50000 Kronen. Die 1300 gefangene Hauptleute waͤh-
ren zu gleicher Feuers-Straffe verdammet/ dafern nicht ein jeder 9000 Kronen vor ſein
Leben bezahlen/ und gleich den Oberſten ſich in willige Leibeigenſchafft geben wuͤrde/ muͤ-
ſten ſonſt gleiche Straffe des Pfluges uͤber ſich nehmen/ und vor den vierwoͤchigen Unter-
halt eine Tonne Goldes erlegen. Ihre Loͤſegelder trugen 117 Tonnen Goldes aus. Die an-
deren Befehlichshaber und gemeinen Knechte/ 68000 ſtark/ ſolten ſich von der Straffe
des Feuers durch die Bank hin/ jeder mit 40 Kronen loͤſen/ da die Reichen den Armen
ſolten zu ſteur kommen/ uñ muͤſten dañoch zur ewigen Knechtſchafft behalten ſeyn; mach-
te ihr Loͤſe- oder Feur-Geld 26 Tonnen-Goldes 20000 Kronen. Nach verleſenem Urtel hoͤ-
rete man einen unſaͤglichen Jammer bey den Pannoniſchen Voͤlkern/ weil ſie ihnen groͤ-
ſten Teils Hoffnung zur Freyheit gemacht hatten; die zum ſchmaͤhlichen Tode verdam̃e-
te aber ſtelleten ſich ganz raſend/ weil ſie vor den bevorſtehenden Schmerzen ſich hefftig ent-
ſetzeten/ und doch uͤber ihr hochmuhtiges Herz nit bringen kunten/ daß ſie um Gnade haͤt-
ten angehalten. Nachgehend wurden Agiß und Maſtyes nebeſt den geſtrigen Schuzhal-
tern vorgefodert/ wegen ihrer Redligkeit geruͤhmet/ vor frey und Freunde der Teutſchen
und Boͤhmiſchen Koͤnige erklaͤret/ und den beiden ehrlichen Maͤnnern Dropions liegen-
de Gruͤnde und Guͤter erblich geſchenket/ den uͤbrigen aber 200000 Kronen außgeteilet.
Hyppaſus/ Amythaon und Deon wurden auch ihrer Hafft erlaſſen uñ aller Straffe/ auch
ſtellete man ihnen (wie auch den vorgedachten) alles unverruͤcket wieder zu/ was ſie im La-
ger hatten. Die Volſtreckung der Urtel ward bald darauff vorgenom̃en/ welche die Pan-
noniſchen Henker mit muſten verrichten helffen/ inſonderheit die/ ſo des vorigen Tages/
unſere Fuͤrſten zuhenken beſtellet wahren. Das Gerichte nam den Anfang von den acht
zum Feur verurteileten Oberſten/ unter denen ihrer drey noch gar ſpaͤt umb Gnade anhiel-
ten/ daher wurden ſie an den Galgen auffgeknuͤpffet/ und die fuͤnf uͤbrige mit ihren ſchwe-
ren Ketten lebendig ins Feur geworffen/ da ſie ein grauſames Gebruͤlle trieben/ ehe ſie die
Seele außblieſen. Bato und Pines muſten dieſen allernaͤheſt folgen/ hielten den erſten
Zangen Zwak an der rechten Bruſt ſtilſchweigend aus/ aber bey dem andern an der linken
Bruſt ſchriehen ſie ganz erbaͤrmlich/ und gerieten darauff in Ohmacht/ wurden doch wie-
der erquicket/ und befrag et/ ob ihr Verbrechen ihnen ſchier leld waͤhre. Worauff ſie ſich be-
zeigeten/ als hoͤreten ſie es nicht. Bey Zerſtoſſung ihrer Arme und Beine ſchriehen und
bruͤlleten ſie viel erſchreklicher/ da ſie den Tag ihrer Geburt verflucheten/ biß ihnen endlich
das Genik abgeſtoſſen ward/ und alsbald an den Galgen geknuͤpffet wurden. Dropion
betrieb Zeit ihres Leiden ein ſolches fluchen und laͤſtern/ daß der Himmel ſich davor haͤtte
entſetzen moͤgen/ biß man ihm einen Knebel ins Maul legete/ da muſte er ſchweigen. Pele-
gon und Pyrechmes zitterten und zageten/ als man ihnen die Kleider abzog/ und ſie hin zu
den ſpitzigen Pfaͤlen fuͤhrete/ da ſie anfingen Dropion und ſeinen teufliſchen Hochmuht
zuverfluchen/ welcher nicht weit von ihnen ſtund/ und man ihm das Maul wieder loß ma-
chete/ um zuvernehmen/ weſſen er ſich darauff verhalten wuͤrde; welcher ſie alſo anredete;
ihr lieben Spießgeſellen (alſo mag ich euch nunmehr recht nennen) Lieber ſcheltet euren
Fꝛeund nicht aus/ dem euer bevoꝛſtehen des Leiden eben ſo hefftig ſchmeꝛzet als ſein eigenes;
es wird der Schmerzen nicht lange anhalten/ wr aber wollenals tapffere unverzagte Hel-
den
[827]Achtes Buch.
den ſterben. Aber dieſer Troſt wolte wenig fruchten/ nur daß ſie gleichwol auffhoͤreten ihn
zuſchelten. Als ſie an die Spieſſe gezogen wurden/ ging ihnen die Spitze zur rechten Schul-
der heraus/ und blieben an ihrem Eingeweide faſt unverſehret/ daher ſie biß in die vier-
zehnde Stunde unausſprechlichen Jammer trieben/ und ſolche Gottes Laͤſterungen auß-
ſpihen/ daß die unſern es nit anhoͤren kunten/ endlich da man ſie mit gluͤenden Zangen an-
griff/ nahm die gotloſe Seele Abſcheid vom Leibe. Eine halbe Stunde muſte Dropion bey
ihnen ſtehen/ und ihre Angſt anſehen/ wie auch Koͤnig Mnata ſelbſt/ wecher ſich des bittern
und mitleidigen weinens nicht enthalten kunte/ wie Ungetraͤu ihm gleich dieſe Buben ge-
weſt wahren. Dropion aber redete ihn alſo an: Hoͤre mich Koͤnig Mnata/ du biſt unter
meiner Stathalterſchafft ein Herr/ und ein Schrecken deiner Feinde geweſen/ und nun
biſtu ein Sklave und Hohn der Teutſchen und Boͤhmen. Sihe mich/ und dieſe teils ſchon
Verſchiedene/ teils noch Leidende unverg[le]ichliche Pannonier an; wie tapffer ſtehet es/ in
ſeiner Freyheit ſterben/ und waͤhle lieber mit uns einen ruͤhmlichen Tod/ als deiner Koͤnigl.
Hocheit und des ganzen Pannoniſchen Reichs unvergaͤngliche Schande. Aber Mnata
gab ihm zur Antwort: O du Schande und Verderben meines Koͤnigreichs! haͤtte ich
dich auff ſolche weiſe durch alle Pein hinrichten laſſen/ als du mich zu dieſem Kriege ver-
leiteteſt/ dann haͤtte ich dir dein Recht getahn/ uñ einem groſſen Unheil loͤblich vorgebauet.
Nenneſtu aber dieſes einen tapfferen Tod/ wann du umb deiner Miſſetaht willen geſpieſ-
ſet und mit gluͤenden Zangen zuriſſen wirſt/ da du als ein Moͤrder und Mordbrenner/ der
du biſt/ ſtirbeſt/ muſtu dir wol eine elende Tapfferkeit in deinem Gehirn abgeriſſen haben.
Wuͤrde ich nun ein Sklave der Teutſchen und Boͤhmen ſeyn/ haͤtte ichs niemand als dir
Buben zudanken; jedoch hoffe ich mich dergeſtalt gegen dieſe hoͤchſtloͤbliche Koͤnige zu
verhalten/ daß ſie mit mir und dem Pannoniſchen Reiche den ſchwereſten Stein nicht he-
ben werden/ wie ſie dann ſchon in den begehreten Stuͤcken mich noch haben laſſen einen
reichen gewaltigen Herrn bleiben/ mehr als ich gehoffet. Und zwar hieran redete er die
Warheit/ dann ob er gleich einen guten Teil ſeines Schatzes hergeben/ und ein Stuͤk Lan-
des abtreten muſte/ wahr doch ſeine Kammer ſo reich/ und ſeine Herſchafft ſo weitlaͤufftig/
daß er dieſes Abganges wenig achtete. Dropion wolte ihm antworten/ aber die unſern/ wel-
che an Koͤniges Mnata Reden ein gutes genuͤgen hatten/ lieſſen den Henkern befehlen/ mit
Dropion zur Straffe zu ſchreiten/ daruͤber ihm die Haut am ganzen Leibe ſchauerte/ und
er zu den Geſpieſſeten ſagete: Jezt meine Bruͤder/ werde ich euch gleich werden/ aber redet
mir doch ein/ wann des Fleiſches Leiden mich zur unzimlichen Wehmuht verfuͤhren wol-
te. Dieſe aber wuſten vor groſſer Angſt ihm nicht zuantworten. Bey Abhauung der beydẽ
Finger ſtellete er ſich/ als empfuͤnde er ſolches nicht; und als er auf dẽ Pfahl geſetzet ward/
drückete er ſelber nach/ unter der Hoffnung/ es ſolte ihm die Spitze durchs Herz oder ſonſt
durch ein lebend-fuͤhrendes Eingeweide gehen/ aber es geriet nach der Rechten zu/ daß ihm
das Eiſen hinter der Schulder ausging. Als er nun alſo ſaß/ und keine Todesangſt em-
pfand/ winſelte er zwar anfangs ein wenig/ und ſagte zu den Henkern: O ihr Schelmen/
wie unredlich ſpieſſet ihr mich; fing aber bald an/ unſere Helden ſo erſchreklich zulaͤſtern/
und wider den Himmel ſelbſt die graͤulichſten Fluͤche auszuſchuͤtten/ daß die anweſende ſich
daruͤber entſetzeten. Die gluͤende Kron ward ihm auffgeſetzet/ jedoch daß ihm das Haͤupt
m m m m m ijnicht
[828]Achtes Buch.
nicht ſonderlich verſehret ward/ damit er deſto laͤnger zur Pein behalten wuͤrde. Man ließ
ihn immerhin zappeln/ und gingen die unſern davon/ Speiſe zunehmen/ ward auch befoh-
len/ daß er mit den gluͤenden Zangen nicht gezwakt wuͤrde/ biß ſie ſich wieder einſtelleten/
wo ſonſt ſeines Lebens ſo lange ſeyn wuͤrde; da er dann nebeſt Pyrechmes und Pelegon ei-
nen ſolchen Jammer betrieb/ daß nicht auszuſprechen wahr. Neklam vermahnete ſie/ umb
Gnade und umb einen ſchleunigen Tod anzuhalten/ aber ſie wahren zuverſtokt/ und woltẽ
durchaus nicht/ daher ſie biß gegen den ſpaͤten Abend in ſolcher Pein verblieben/ weil man
ſie mit Wein und kraͤfftigen Sachen labete. Endlich als unſere Helden wiederkahmen/
wurden Pyrechmes und Pelegon zuerſt mit den Zangen angegriffen/ da dieſer unter dem
andern/ jener unter dem dritten Zwak verſchiede/ und biß an ihr Ende zulaͤſtern und ſchaͤn-
den nicht auffhoͤreten. Dropion empfand den Tod noch ſo nahe nicht/ enthielt ſich von al-
lem Geſchrey/ ſo daß er den erſten Angriff mit der Zange geduldig erlitte; bey dem andern
ſeuffzete er; bey dem dritten geriet er in harte Ohmacht/ und nach geſchehener Erquickung/
da er zum vierten mahle ſolte angetaſtet werden/ rief er mit erſchreklicher Stimme: Ihr
feurigen Teufel/ Herkules und Ladiſla/ habt ihr nicht ſchier genug die Augen an unſerm
Jammer geweidet? fing darauff wegen des vierten Zwaks ſo hefftig an zubruͤllen/ als ob
er beſeſſen waͤhre. Der fuͤnffte und ſechſte angriff erfolgeten bald darauf/ worunter er auch
das Leben ließ; und ward mit ſeinen beiden Geſellen an den Galgen zu den andern hin ge-
henket. Mnata muſte nochmahl alles anſehen/ und nach Vollendung ſich gerichtlich er-
klaͤren/ ob er die vorgeſchlagenen Poſten willig eingehen/ oder der Todesſtraffe wolte ge-
waͤrtig ſeyn; da er ohn einiges wegern alles einwilligte/ den Fußfal alsbald verrichtete/ und
bey demſelben umb Gnade und Vergebung anhielt/ nebeſt dem Erbieten/ das uͤbrige glei-
cher geſtalt gerne zuleiſten/ als viel in ſeinem Vermoͤgen waͤhre/ nur daß vor geſchehener
Beredung mit ſeinen Landſtaͤnden er den 4/ 5/ 6/ 9/ 15/ und 20 Saz nicht zuverſichern wuͤ-
ſte/ es waͤhre dann/ daß Koͤnig Ladiſla alsbald ein ſtarkes Heer fort ſchicken/ und ſeine Leu-
te durch harte Draͤuungen in Furcht ſetzen wolte hoffete er die Volſtreckung bald zuleiſtẽ.
Die unſern ſahen aus ſeinem Vorſchlage/ ſeine Reue und Gutwilligkeit/ gaben Fuͤrſt O-
laff als Oberſten Feld Herrn 60000 Reuter/ welche Leches/ Klodius/ Neda/ Markus und
Prinſla fuͤhren ſolten; nahmen Koͤniges Mnata Getraͤue/ den Agiß/ Hyppaſus und A-
mythaon (Maſtyes und Deon blieben bey dem Koͤnige) mit ſich/ und gingen mit gnugſa-
mer ſchrifftlichen Volmacht fort/ da Mnata ſeinen Staͤnden zuwiſſen taht/ in was Un-
gluͤk Dropion und deſſen Anhang ihn geſtuͤrzet/ und das ganze Vaterland krafftloß gema-
chet haͤtte/ welches ſie wol beherzigen/ und die begehreten Anfoderungen einwilligen moͤch-
ten/ nicht allein/ daß er erloͤſet und auff freyen Fuß geſtellet/ ſondern auch das ganze Koͤnig-
reich vor algemeiner Verwuͤſtung bewahret wuͤrde. Olaff ging mit ſeinem Heer freudig
fort/ fand aber die Pannoniſchen Grenzen mit ſtarker Manſchafft beſetzet/ die ſich uͤber deꝛ
unſern Ankunfft ganz verzweifelte Gedanken macheten/ nicht anders waͤhnend/ es wuͤrde
ihr Koͤnigreich zur Wuͤſteney gemacht/ und in Grund geſchleiffet werden; dann die 500
ſtuͤchtige Reuter hatten nicht geſeumet/ ihr Land zuerreichen/ da ſie allen Verlauff erzaͤh-
leten/ und des Feindes Voͤlker groͤſſer macheten als ſie wahren; daher dann wenig Muht
bey ihnen wahr; doch ſtelleten ſie ſich anfangs zur Gegenwehr/ welches die unſern nicht
wenig
[829]Achtes Buch.
wenig verdroß/ lieſſen ſich aber von Agiß leicht begůtigen/ welcher dann mit ſeines Koͤni-
ges Schreiben ſich bey den Pannoniſchen Haͤuptern angab/ deſſen Hafft/ und des Heers
gaͤnzliche Niderlage nach der laͤnge andeutete/ und der 500 Feldfluͤchtigen Anbringen be-
kraͤfftigte; daher ſie nach kurz gehaltenem Raht ſich hin zu Olaff macheten/ und ihm die
Freiheit in das Land zuzihen/ und alle Feſtungen mit ſeinen Voͤlkern zubeſetzen anbohten.
Er nam ſolches gutwillig an/ hieß im Nahmen des Boͤhmiſchen und der Teutſchen Koͤ-
nige die verſamleten Pannonier ihr Gewehr nideilegen/ und ging eine Tagereiſe in ihr
Land/ legete ſich daſelbſt feſte/ und ließ ihm und dem Heer noͤhtigen Unterhalt zufuͤhren/ daß
kein einziger Reuter ſich des Raubens oder anderer Gewalttaͤhtigkeit unternehmen durf-
te. Die Land Staͤnde nach gehaltener Berahtſchlagung willigten alle Stuͤcke ein/ ſchlugen
eine groſſe Schatzung auff das reiche Land/ daß nicht alles aus der Koͤniglichen Schaz-
kammer duͤrffte genommen werden/ und lieſſen ihren Ernſt zu ihres Koͤniges Erloͤſung
gnugſam ſpuͤren/ da inſonderheit durch ſchnelreitende Bohten im ganzen Koͤnigreiche
ausgeruffen ward/ daß bey hoͤchſter Leib- und Lebensſtraffe kein Menſch wer der auch ſeyn
moͤchte/ einigen Teutſchen oder Boͤhmiſchen Leibeigenen oder Gefangenen/ weder mit
Worten noch in der Taht beleidigen/ ſondern allen guten Willen/ als beſten Freunden be-
zeigen ſolte. Der Hingerichteten liegende Guͤter (auſſer Dropions) wurden verkaufft/ uñ
nebeſt ihren bewaͤglichen getraͤulichſt eingeliefert/ die ſich uͤber 40 Tonnen Goldes erſtrec-
keten; das uͤbrige ſolte inwendig vier Wochen alles folgen; und damit die Voͤlker nur
bald aus dem Lande kaͤhmen welche die ſechs vornehmſte Feſtungen beſezt hielten/ mache-
ten ſie 300 des vornehmſten Adels aus/ welche mit dem Boͤhmiſchen Heer 42000 ſtark
(dann 18000 blieben in den Beſatzungen) nach Boͤhmen zihen/ und ſich als Geiſel einſtel-
len ſolten/ biß die Anfoderung ihre Richtigkeit haͤtte. Sonſt erzeigete ſich das Pannoniſche
Reich ſehr milde/ teileten unter Olaffs Heer 8 Tonnen Goldes aus/ und ſchenketen dem
Feld Herrn Fuͤrſt Olaff 3 Tonnen/ auch den obgedachten fuͤnff hohen Befehlichshabern
jedem eine Tonne Goldes.


Die Koͤnigl. Geſelſchaft brach des naͤheſten Tages nach volſtrecketem Gerichte auf
nach Prag/ nachdem ſie Markomirs hohe Kriegsbeamten mit Gelde/ Geſchmeide und
Pferden ſtatlich begabet/ und dem Heer durch die Bank drey Monat-Sold uͤber ihren an-
teil der gemeinen Beute ausgezaͤhlet hatten/ ſo daß der junge Groß Fürſt daruͤber ungehal-
ten wahr/ und anzeigete/ es wuͤrde ſeinen lieben Eltern ſolches ſehr zu wieder ſeyn; aber Va-
liſka und Herkules wuſten ihm dergeſtalt zubegegnen/ daß er ſich zu frieden gab. Ladiſla
ſchickete Koͤnige Hilderich gar ein freundliches Dankſchreiben vor geſchehene ſtatliche
Huͤlffe/ und lude ihn nebeſt ſeinem Gemahl ein/ auff ſeine kuͤnftige Kroͤnung; wobey Mar-
komir an ſeine Eltern ſchrieb/ und ihnen ſeine hohe vergnuͤgung uͤber Koͤnig Herkules und
Koͤnigin Valiſken getraͤuer Freundſchaft nicht gnug ruͤhmen kunte; wie er dann in War-
heit von ihnen recht bruͤder- und ſchweſterlich geliebet ward/ er ſich auch gegen dieſelbẽ ſehr
demuͤhtig und ehrerbietig erzeigete/ und wahr ſehr fleiſſig/ nicht allein die Reit- und Waf-
fen-Ubung/ ſondern auch andere Fuͤrſtliche Sitten von ihnen zu lernen/ in welchem allen
er ganz volkommen ward. Er hielt nachgehends inſonderheit ſehr gnaͤdige Freundſchaft
mit Leches und ſeiner Libuſſen/ welche ihn auch algemaͤhlig zum Chriſtentuhm brachten.
m m m m m iijDie
[830]Achtes Buch.
Die Wendiſchen Voͤlker wurden auch wolbegabet/ nach Hauſe geſchikt/ und die alte Fuͤr-
ſtin mit groſſen Schenkungen angeſehen/ auch zum Kroͤnungs Feſt eingeladen. Alle Ver-
wundete ſo das reiten nicht er dulden kunten/ muſten im Lager bleiben/ da ihnen wol gedie-
net ward biß ſie geheilet wahren; unter dieſen wahr der neue Ritter Grozemiſla/ der in al-
len Treffen mit geweſen wahr/ und 26 Wunden davon getragen hatte/ ward abeꝛ doch wie-
der geheilet/ wiewol er hinkend an der linken Huft und lahm am linken Arme blieb; man
hatte ihm aber 30000 Kronen von der Beute zugewendet/ und ward ihm ein ſtatliches Rit-
tergut in dem abgetrettenen Pañoniſchen teile verſprochen/ welches ihm auch nebeſt 50000
Kronen Baarſchaft geliefert ward/ da ihm Valiſka eine von ihren aͤdlen Kammerjnng-
fern freiete. Die Koͤnig- und Fuͤrſtliche Geſelſchaft ward zu Prag mit groſſen freuden von
den beyden alten Koͤniginnen und den hinterbliebenen Roͤmiſchen Herren und Frauen/
auch andern/ empfangen; nur Libuſſa und Euphroſyne ruͤcketen es Herkules in freundli-
chem Schimpfe auf/ daß er ihre Eheliebſten noch weiter hinweg geſchicket haͤtte/ und ſie ſo
viel laͤnger allein ſchlaffen muͤſten; wurden aber mit der Vertroͤſtung einer guten Beute
auff ihre ſchleunige Wiederkunft wol begnuͤget. Gallus hatte nicht allein bey der Feldplun-
derung ſondern auch aus Feindes Lager ein anſehnliches bekommen/ welches er ſeiner lieb-
ſten Beaten zum Beutpfennige lieferte/ und ſeiner Schwigermutter davon 24000 Kro-
nen ſchenkete. Arbianes ward von ſeiner Klaren uͤber aus freundlich empfangen/ entſetzete
ſich zwar anfangs uͤber ſeiner Verwundung/ aber da ſie der ſchleunigen Geſundheit ver-
ſichert ward/ gab ſie ſich zu frieden/ und dankete Gott herzlich vor ſeine erhaltung; da Koͤ-
nigin Valiſka zu ihr ſagete: Ihr tuht recht/ mein Schweſterchen/ daß ihr dem Allerhoͤch-
ſten danket/ als welchem alles Haͤuptſachlich mus zugeſchrieben werden; wann aber unſer
Gott ſich guter Leute gebrauchet/ die zu unſer Rettung und Wolfahrt ihr leben gutwillig
in die Schanze ſchlagen/ müſſen wir denſelben auch unſere Dankbarkeit ſehen laſſen. Ja
mein Schaz/ ſetzete Arbianes hinzu/ es hat ein tapfer Ritmeiſter durch Gottes ſchickung
vor dißmahl mein Leben erhalten/ durch eine ſolche Wagnis/ die nicht leicht ein Bruder
dem andern leiſten wuͤrde/ und haͤtte ohn deſſen Rettung ich auſſer allem zweifel meinen
Geiſt aufgeben muͤſſen/ wiewol weder ihꝛ noch ich/ demſelben jemahls etwas gutes getahn;
er erinnert ſich aber/ euch ehmahls beleidiget zu haben/ und wil es voꝛ eine volkommene ver-
geltung halten/ wann ihr ihm ſein voriges Verbrechen nur verzeihen/ und ihn zu Gnaden
aufnehmen wollet; erzaͤhlete hierauff/ wie es eigentlich ergangen/ uñ wie groß ſeine Gefahr
geweſen. Da ſie ihm zur Antwort gab; Dem almaͤchtigen und grundgūtigen Gotte ſey
dank in ewigkeit vor dieſe Rettung/ und werde ich dem tapferen Ritmeiſter wiſſen zubegeg-
nen/ wans gleich Reichard ſelber waͤhre. Ja mein Schaz/ ſagte Arbianes/ eben derſelbe iſt
es/ und hat nicht ohngefehr/ ſondern aus willigem Vorſaz ſein Leben vor mich gewaget/ ſo
daß die ganze Koͤnigl- und Fuͤrſtliche Geſelſchaft ihm nicht allein allerdinge verzihen/ ſon-
dern wolbegabet hinzihen laſſen/ ſeine Eheliebſte abzuhohlen/ und ſich ehiſt in eures Herr
Bruders/ Koͤniges Herkules beharliche Dienſte wieder einzuſtellen; je gnaͤdiger ihr nun
dieſem redlichen Menſchen (welcher ſeine rechtſchaffene Buſſe durch Traͤhnen und ſeuf-
zen mit einem hochbewaͤglichen Fußfalle ſehen laſſen/ und ſich aller Gnade unwirdig ge-
nennet hat) euch werdet erzeigen/ je mehr werdet ihr mich eurer Liebe verſichern/ an welcher
mir
[831]Achtes Buch.
mir nicht gebuͤhret zu zweifeln. Der frommen Fuͤrſtin kam dieſes alles fremd vor/ endlich
ſagete ſie: Ich bekenne es/ mein werter Fuͤrſt/ daß dieſer Menſch uns mehr gutes als boͤſes
getahn/ drumb mus das vorige ganz abe und vergeſſen ſeyn/ und werde auff eure eriñerung
ich mich wol zubedenken haben/ durch was bezeigung ich ihn meiner Gnade vergewiſſern
koͤnne. Dieſe Zeit fuͤhreten ſonſt die unſern zu Prag ein froͤliches und Chriſtliches Leben/
und ward angeordnet/ daß uͤber fuͤnff Wochen nach ihrer Wiederkunft Ladiſla und So-
phien Kroͤnung/ auch zu gleich Arbianes und Klaren Hochzeitfeſt (welches durch den Pan-
noniſchen Einſal verhindert wahr) ſolte gehalten werden; worauff auch die Koͤnige aus
Schweden und Daͤnnemark geladen/ und uͤberaus groſſe bereitſchaften darauff gemacht
wurden. Gallus muſte alsbald mit 1000 Reutern nach Rom/ dem Kaͤyſer ihren gedop-
pelten Sieg wieder die Wenden und Pannonier anzumelden/ und ihm 4000 Pannoni-
ſche Pferde nebeſt 2000 Pannoniſchen Leibeigenen/ auch 60 Pannoniſche Reuter- und 40
Fußfaͤhnlein/ nebeſt vielen erbeuteten koͤſtlichen Zelten und anderen Sachen zum Siegs-
zeichen und Beutpfennige uͤberbringen; welcher dann ſehr eilete/ damit er bey der Kroͤ-
nung ſich finden moͤchte. Das Geſchrey dieſes blutigen Krieges und gewaltigen Sieges
wahr zu Rom bereit erſchollen/ deſſen umbſtaͤnde Gallus dem Kaͤyſer und ſeinen Gewalti-
gen erzaͤhlen muſte; worauff die Roͤmer gnug merken lieſſen/ wie leid ihnen wahr/ daß ſie
den zehnjaͤhrigen Anſtand mit Mnata eingangen/ nachdem ihnen nunmehr leicht zu tuhn
waͤhre/ der Pannoniſchen Gewalt viel eine groͤſſere Feder/ ja wol einen ganzen Fluͤgel aus-
zurupfen. Olaf kam endlich auch nach wolverrichteter Sache mit ſeinen Leuten zu Prag
wieder an/ denen des dritten Tages Agiß/ Hyppaſus und Amythaon mit der helffte aller
verſprochenen Gelder (deren ganzes 217 Tonnen Goldes wahr) folgeten/ hatten überdas
auff ihres Koͤniges Befehl an die 20 Tonnen Goldes wert Kleinodien und andere Koſt-
barkeiten bey ſich/ welche Mnata uͤber die Helffte dem Koͤnig- und Fuͤrſtlichen Frauen-
zimmer zum Geſchenk austeilete/ und deſſen inſonderheit Valiſka und Sophia ſo viel neh-
men muſten/ daß ſie ſich deſſen faſt ſchaͤmeten/ wobey ſich aber der Pannonier ſo freymuh-
tig ſtellete/ daß er hoͤchſt beteurete/ es waͤhre ihm eine groͤſſere Vergnuͤgung in ihre Kund-
ſchafft gekommen zu ſeyn/ als ihn die Niederlage betruͤbet haͤtte. Und eben diß wahr das
rechte Mittel/ wodurch er unſern Helden das Herz abgewan/ ſo daß auff Valiſken anhal-
ten ſie ihn nicht allein vor Einlieferung des hinterſtelligen/ aller Huht und Hafft erlieſſen/
ſondern ihn vor einen freien Koͤnig in Pannonien/ und Bundgenoſſen der Teutſchen/
Boͤhmen und Frieſen erklaͤreten/ auch alsbald ihre Beſatzungen aus Pannonien abfoder-
ten; woruͤber ſein Reich ſich zum hefftigſten erfreuete/ und ein dreytaͤgiges Freuden Feſt
hielten/ auch noch eine freiwillige Steur über ſich nahmen/ welche dem Koͤnige/ behueff
allerhand dankbahren Bezeigungen zugeſendet ward; der dann ſolche ſehen zulaſſen/ Her-
kules/ Valiſken und ſich ſelbſt abmahlen ließ/ ſchickete ſolches in ſein Land/ und ließ auff ei-
ne groſſe ganz ſilberne Stellung ihre drey aus dem beſten Pannoniſchen Golde gegoſſene
Bildniſſen/ jedes 250 Pfund ſchwehr/ ſetzen/ da Herkules ihm eine Kette anlegete/ und Va-
liſka ihm ſolche wieder abnam. Dieſes ward des Tages vor der Kroͤnung uͤbergeſchicket/
und den unſern unbewuſt/ auff den groſſen Saal geſtellet/ da Mnata ſelbſt es Koͤnigin Va-
liſken mit dieſen Worten zueignete: Großmaͤchtigſte unvergleichliche Koͤnigin/ vornehm-
ſte
[832]Achtes Buch.
ſte Urſach und Befoderin meiner jetzigen Freiheit; Ihrer Liebe zu Dienſt ergebener Mna-
ta bittet demuͤhtig/ dieſes geringſchaͤtzige Gedaͤchtniß ſeines Falles und auffſtehens mit
hochgeneigetem Willen anzunehmen/ und als ein ewigwaͤhrendes Pfand zubehalten; wo-
bey ich mich verpflichte/ daß die mir von ihrer Liebe/ wie auch von dero Gemahl/ Herrn
Bruder/ und ſaͤmtlichen Koͤnig- und Hochfuͤrſtlichen Anverwanten geſchehene Gnade
nun und nimmermehr aus meinem Herzen kommen laſſen werde. Nun wahr aber Va-
liſken Bildniß mit ſo vielen koͤſtlichen Perlen und anderen Kleinoten ausgezieret/ daß ſol-
ches nicht bald zuſchaͤtzen wahr; daher gab ſie ihm zur Antwort: Großmaͤchtigſter Koͤnig;
dieſe Gedaͤchtniß iſt in Warheit zu koſtbar/ moͤchte auch von Herzen wuͤnſchen/ daß unſere
Kundſchafft ſich auff andere und guͤtlichere weiſe haͤtte zutragen moͤgen; weil aber durch
boͤſer Buben Anſtifftung es alſo ergangen/ wollen wir alles widrige aus dem Gedaͤchtniß
legen/ und hinfuͤro die Auffrichtige Freundſchafft feſt ſetzen; welches an unſer Seite zube-
zeigen/ ſollen eurem Lande hiemit und krafft dieſem 40 Tonnen Goldes an der beſtimme-
ten Anlage geſchenket ſeyn. Worauff Mnata ſich gegen ſie neigete/ und Maſtyes im Nah-
men des Landes ſich davor bedankete. Als die groſſen Gelder aus Pannonien ankahmen/
wurden der abgeſtraffeten Oberſten Guͤter unter die Boͤhmiſchen und Teutſchen Ober-
ſten ausgeteilet/ wovon Koͤnigin Valiſka Fuͤrſten Olaff 10 Tonnen Schaz anboht/ welche
doch anzunehmen/ er ſich durchaus wegerte/ daher ſie endlich zu ihm ſagete: Je ſo ſol auch
mein Herr Bruder dieſe Gelder nicht eben wider ſeinen Willen haben/ ſondern ich wil ſie
zu mir nehmen/ und ſo lange in Verwahrung behalten/ biß ich ſie dereins (Gott gebe gar
bald) ſeiner kuͤnfftigen liebeſten Braut in ſeinem Nahmen werde einhaͤndigen koͤnnen.
Deſſen er ſich bedankete/ mit vorwenden/ es würde ihre Vortrefligkeit noch viel Jahr zur
Auslieferung haben. Die erlaſſene 10000 Roͤmiſche Gefangene und gemachte Leibei-
gene ſtelleten ſich zu Prag am zeitigſten ein/ und wurden alsbald dem Roͤmiſchen Kaͤyſer
wol bekleidet und begabet/ zugeſchicket. Die anderen folgeten almehlig hernach/ und mu-
ſten zu Prag ihre Nahmen/ Stand und Weſen auffzeichnen laſſen. Ihre Herren hatten
ſie auff des Koͤniges und der Landſtaͤnde Befehl von Fuß auff neu gekleidet/ und mit noͤ-
tigen Zehrgeldern und Reiſekoſten verſehen/ und befunden ſich 26000 Boͤhmen/ Maͤnner
uͤber 24 Jahren/ die in ihrem knechtiſchen Stande 60000 Soͤhne und 40000 Toͤchter
gezeuget hatten/ welche alle vor frey erklaͤret/ und in die neugebauete Staͤdlein/ Flecken uñ
Doͤrffer verteilet wurden. Der Teutſchen wahren 8000 alt und jung/ die alsbald wieder
nach ihrem Vaterlande zogen/ und daſelbſt ehrlich empfangen wurden. Schweden/ Daͤ-
nen und Frieſen funden ſich nicht/ nur 800 Wenden alt und jung/ und 50 Franken/ welche
mehrenteils im durchreiſen ehmahls auffgefangen/ und vor leibeigen verkaufft wahren.


Eines Abends nach gehaltener Mahlzeit/ da Arbianes zwar alle Gefahr uͤberſtan-
den hatte/ ſich aber noch im Bette halten muſte/ ſaſſen Valiſka/ Klaꝛa und Sibylla vor ihm/
mit Geſpraͤch ihm die Zeit zuverkuͤrzen/ da Valiſka von ihm begehrete/ er moͤchte ihr doch
erzaͤhlen/ wie es ihm Zeit ſeines Elendes ergangen waͤhre/ da er von dem Fraͤulein geſchie-
den/ und endlich in Betlers Kleidern wieder bey ihr angelanget. Gar gerne/ antwortete
er/ dann meine darauff erfolgete Gluͤkſeligkeit iſt Gott Lob ſo groß/ daß ich der kurzen Wie-
derwertigkeit nicht mehr achte/ auch zu Zeiten noch wol mit Luſt daran gedenke. Fuͤrſtin
Klara
[833]Achtes Buch.
Klara wahr dawieder/ und baht ſehr/ es auff eine andere Gelegenheit zuverſchieben/ dañ
ſie koͤnte es ohn Traͤhnen nicht anhoͤren. Aber Koͤnigin Valiſken Wille ging vor/ und ſa-
gete ſie/ es wuͤrden ihre Traͤhnen ihr nit ſo gar unangenehme ſeyn/ weil ſie ihre Fr. Schwe-
ſter noch keinmahl aus Mltleiden weinen geſehen. Fing demnach Arbianes alſo an: Wañ
ein Menſch die Verfahrung des almaͤchtigen Gottes mit uns armen Suͤndern betrach-
tet/ wie dann unſer Gluͤk und Ungluͤk einig von ihm herkomt/ hat man ſich nicht unbillich
zuverwundern/ wie bald und leicht er unſern Muht brechen/ und das auffgeblaſene Herz
demuͤhtigen kan. Da ich mein Herzgeliebtes Fraͤulein bey mir in einem Gemache/ und von
ihr eheliche Verſprechung biß auff ihrer Eltern und Anverwanten Einwilligung/ wie
wol mit groſſer Muͤhe erhalten hatte/ gedachte ich in meinem Herzen/ je was ſolte dich nun
wol hindern/ daß du nicht inwendig vier oder fuͤnf Tagen mit ihr bey ihren Eltern ſeyn/
und durch deiner Fr. Schweſter Fr. Valiſken Vorſchueb das Beilager gluͤklich halten
ſolteſt? Aber wie bald wuſte mir Gott dieſe ſichere Vermaͤſſenheit außzutreiben! vor erſt
ſchickete er Feur uͤber mich; das wahr nicht maͤchtig gnug. Hernach vier Moͤrder/ denen
entbrach ich mich nach empfangener Wunde/ aber wie ich mich umſahe/ wahr mein Schaz
nicht mehr verhanden. Wie ich derſelben biß in ihre erſte Herberge Nachfrage getahn/ iſt
alles ſchon wiſſend; da ich aber an die Stelle kam/ wo man ſie gebunden hatte/ ging ich im-
mer mit meinem Bohten foꝛt/ die Stad zuerꝛeichen/ dah in ſie zuzihen willens geweſen waꝛ.
Nun hatte dieſer leichtfertige Bube/ mein jeztgedachter Bohte geſehen/ daß ich etliche Kꝛo-
nen aus meinem Schiebſak zog/ und mochte ihm daher Hoffnung einer groſſen Beute ma-
chen/ daß ihm der leidige Geiz den moͤrdlichen Anſchlag ins Herz gab/ mich niderzuſchla-
gen uñ zuberauben/ welches er auff dieſe Weiſe vornam: Er blieb ein wenig zuruͤk/ ob muͤ-
ſte er etliche eingefallene Sand Steinlein auß den Schuhen machen/ dañ ich ließ ihn ſonſt
immerzu vor mir hinlauffen/ ſo witzig hatten mich die drey Raͤuber zwiſchen den Sand-
Huͤgeln gemacht. Ich ging voꝛdiſmahl in tieffen Gedanken/ wegen meines verlohrnen See-
len-Schatzes/ welches dieſer Mordſchelm merkend/ gar heimlich hinter mir her ſchleich/
und mit ſeinem ſchweren Springſtecken mir eins uͤber den Kopff verſetzete/ daß ich als tod
zur Erden niderfiel/ da er mich alsbald ins Korn ſchleppete/ des Vorſatzes/ mir mit dem
Meſſer die Kehle abzuſtechen/ daß ich ja nit wieder erwachen ſolte. Mein Gott aber ſchicke-
te es/ daß ich mich entwarff/ gleich da er neben mir niderknien/ und den Mord vollenden
wolte/ welches ich in halber Ohmacht erſehend/ ihn mit dem Fuſſe ſtieß/ daß er ſtrauchelte/
machte mich auch von der Erde auff/ dem Tode zuentgehen/ aber das Haͤupt wahr mir ſo
taumlicht/ daß ich meinete/ die Erde lieffe rings mit mir umb. Der Gotloſe Bube merkete
meine Schwacheit/ durffte doch mit dem Meſſer mir nicht nahen/ ſondern hohlete den
Springſtecken wieder her/ damit wolte er mich vollends hinrichten/ unterdeſſen ich meine
Seuffzeꝛ zu Gott um Rettung gehen ließ/ und daß er mir nur ſo viel Kraft verleihen wolte/
mich vor dem Mord zuſchuͤtzen; ſtehen kunte ich nicht/ welches der Schwindel mir nicht
zulaſſen wolte/ ſetzete mich deßwegen auff die Knie/ uñ fuͤhlete zu meinem Gluͤk einen Stein
neben mir in der Furche liegen/ welchen ich auffhueb/ und naͤhſt Gott hierauff meine Hof-
nung ſetzete/ gleich da der Moͤrder auff mich anging/ und die Arme zum Schlage auffhueb/
die Todes Furcht aber mir ſo viel Kraft verlihe/ dz ich ihm das eine Auge außwarff/ er aber
n n n n nvor
[834]Achtes Buch.
vor Schmerzen niderfiel und ein hefftiges Geſchrey anfing; O rettet mich armen Mann
aus dieſes Moͤrders Haͤnden! ich erſchrak deſſen noch mehr/ in Betrachtung/ da es Leute
hoͤren ſolten/ duͤrffte ich noch erſt als ein Moͤrder angefallen und hingerichtet werden/ da-
her ich zu ihm kroch/ und mit dem vorigen Steine ihm den Kopff ſo lange beklopffete/ daß
ihm das Leben und die Stimme zugleich verließ/ und ich ſeinet wegen mich nicht weiters
zubefuͤrchten hatte. Ich ſahe aber einen zimlich erwachſenen Knaben quehr uͤber ein unbe-
ſamtes Feld lauffen/ welcher das Mordgeſchrey gehoͤret hatte/ gedachte auch/ ich muͤſte
gewiß als ein Moͤrder ſterben/ wann er Leute herzu aus dem Dorffe braͤchte/ die mich bey
dem Erſchlagenen fuͤnden/ kroch deßwegen auff allen Vieren mit hoͤchſter Unmacht aus
dem Korn/ in dem Fahrwege gleich vor mir weg/ wiewol ich nicht weit fortkommen kun-
te/ und nach Verlauff einer guten halben Stunde hoͤrete ich von feꝛne ſchreyhen; wo iſt deꝛ
Moͤrder/ wo iſt der Moͤrder? halt ich ſehe dich wol. Ich wendete mich hierauff wieder zu-
ruͤk/ ihnen entgegen/ und kroch immer zu ihnen hinan/ biß ſie mein inne wurden/ zu mir ge-
lauffen kahmen/ und mich frageten/ was mir gebraͤche/ daß ich ſo daher kroͤche; denen ich
zur Antwort gab; es waͤhre ein Moͤrder uͤber mich kom̃en/ und haͤtte mir den Kopff ſchier
gar eingeſchlagen/ daß ich in Ohmacht nider geſunken/ und als ich mich endlich erhohlet/
haͤtte ich mich nach meinem Bohten umgeſehen/ der mir entweder entlauffen oder erſchla-
gen ſeyn muͤſte; fragete ſie auch/ ob ſie nit einen Mann im blauen Fuhrmans Rocke lauf-
fen geſehen/ moͤchten ſie mir denſelben nachweiſen/ dann er haͤtte etliche koͤſtliche Sachen
bey ſich/ die mir zuſtuͤnden. Ich hatte dieſes kaum ausgeredet/ da lieffen andere herzu und
ſageten an/ ſie haͤtten den erſchlagenen Menſchen funden/ wann ſie nur wiſſen ſolten/ wo-
hin der Moͤrder ſich gewendet. Sie beſchrieben mir auff mein Begehren den Todten/ wor-
auff ich mich ſehr uͤbel gehuhb/ es waͤhre eben mein Bohte; ob nicht ein ſchwerer Wet-
ſcher bey ihm gefunden wuͤrde/ in welchem alle meine Wolfahrt ſteckete. Und als dieſer er-
tichtete Wetſcher ſich nirgend ſehen ließ/ fing ich ein elendes Geſchrey an; man moͤchte
doch den Moͤrder verfolgen/ und wer ihn antreffen/ und mir meine Sachen wiederſchaf-
fen wuͤrde/ ſolte davon auff 500 Kronen wert zum Trinkgelde haben. O haͤtten ſie nun dz
lauffen ſehen ſollen/ welches dieſe Bauren trieben; die ganze Dorffſchafft wahr bey ein-
ander/ wol 50 Mann/ welche hin und wieder durch die Fruͤchte ſetzeten/ und zutraten mei-
ner Meinung nach/ wol vor 500 Kronen Früchte/ auff daß ſie 500 Kronen verdieneten/ die
in der Welt nicht wahren. Verzeihet mir mein Herr Bruder/ ſagte Koͤnigin Valiſka/ dz
ich eures Ungluͤks lache/ welches doch nicht wol haͤtte groͤſſer ſeyn koͤnnen; ich danke aber
Gott mit euch/ daß er euch dieſen heilſamen Fund ins Herz gegeben hat/ und moͤgen die
Bauren immerhin das Korn durchſuchen biß ſie muͤde werden/ wann ſie nur den Taͤhter
nicht antreffen. Der iſt ſchon geboꝛgen/ antwortete er/ aber dazumahl wahr ers noch nicht/
maſſen als dieſe Bauren biß in die ſinkende Nacht ſucheten/ und nichts funden/ weil nichts
da wahr/ begunten ſie den Schaden jhres Korns zu beklagen/ biß endlich ein altes Weib ſie
zu frieden ſprach/ ein guter friſcher Regen wuͤrde es wol wieder auffrichtẽ/ womit ſie nach
dem Dorffe kehreten/ und mich im Elende liegen lieſſen/ wie heftig ich ſie gleich baht/ mich
mitzunehmen. Um Mitternacht/ da ich unter dem freyen Himmel lag/ und in ſtetem Ge-
beht vor mein Fraͤulein zu meinem Gott verblieb/ kahmen drey Bauren (die ich an der
Stim-
[835]Achtes Buch.
Stimme kennete/ daß ſie von den vorigen wahren) zu mir/ und frageten/ was ich die Nacht
im Felde laͤge/ hoͤreten weiters nach keiner Antwort/ ſondern faſſeten mich an/ zogen mir
alle meine Kleider aus/ auch das Hemde/ und draͤueten mir/ dafern ich ſie verfolgen/ oder
ein Wort ſprechen wuͤrde/ wolten ſie mich ohn alle Barmherzigkeit binden/ und in dem
naͤheſten Teiche ertraͤnken; welches mich lehrete gute Wort geben; ſie moͤchten mit mei-
nen Kleidern nur hingehen/ ich kennete ſie ja nicht/ waͤhre auch in dieſen Laͤndern unbekant/
daher ſie meinetwegen ſich im geringſten nicht zubefuͤrchten haͤtten; nur baͤhte ich ſie um
Gotteswillen/ mir das Hemde wie der zuzuwerffen; es waͤhren in meinen Kleidern eine
gute Anzahl Gold Kronen vermachet/ die ich ihnen gerne goͤnnen wolte/ wann ſie mir nur
etliche Groſchen Zehrgeld ſchenketen/ und mir ſageten/ wohin ich meinen Weg nehmen
ſolte/ der ihnen nicht zuwieder waͤhre. Sie funden das Gold/ wie ich ſagete/ daher ſie dieſe
Barmherzigkeit mir erzeigeten/ daß der eine ſich außzihen/ und mir ſein altes wolzulappe-
tes Hemde geben muſte/ dann meines gefiel ihnen zu wol. Nach ihrem Abſcheide legete ich
das unflaͤtige Leilach an/ fiel auff meine Knie/ und baht den grundguͤtigen Gott/ er wolte
mir nur zu Leuten verhelffen/ daß ich meinen Leib bedecken und erhalten koͤnte/ auch mich
des Weges fuͤhren/ den mein allerliebſtes Fraͤulein gezogen waͤhre; aber ſo bald bekam ich
keine Erhoͤrung. Mein beſtes wahr/ daß ich am Haͤupte Linderung fuͤhlete/ und noch zim-
lich fortgehen kunte/ wiewol ich dieſen ganzen Tag bey keinem Dorffe noch Flecken ankam/
und ob mir gleich etliche im Felde begegneten/ lieffen ſie doch vor mir Unbekleideten/ und
hielten mich vor einen unwitzigen Menſchen; wolte ich dann fragen/ wohin ich gehen mü-
ſte/ kunte ich wegen Schwacheit ihnen nicht nachlauffen. Gegen den ſpaͤten Abend ſahe
ich ein altes Weib vor mir hergehen/ die am Stecken hinkete/ machte mich zu ihr hin/ und
verſtund mit groſſen Freuden von ihr/ daß ich nicht weit von einem Dorffe haͤtte/ da ſie zu
Hauſe waͤhre; ging alſo in ihrer langſamen Geſelſchafft fort/ und erlangete auff vielfaͤlti-
ges bitten/ daß ſie mir die Nachtherberge zuſagete. Sie hatte einen ſtarken groſſen Sohn/
welcher aus der Schenke zu Hauſe kam/ da er ſich rechtſchaffen vol geſoffen hatte/ mache-
te ſich nach der Scheuren/ und legte ſich auffs Stroh/ den Rauſch auszuſchlaffen. Die
Alte folgete ihm/ zog ihm die Kleider ab/ und begab ſich wieder ins Hauß nach ihrem La-
ger/ da ſie mir gleichwol ein Stuͤk Brod und Kaͤhſe/ auch einen Trunk ſauren Kofend ge-
geben hatte/ und ich wol ſchwoͤren kan/ daß mir nie kein eſſen oder trinken beſſer geſchmec-
ket; aber ich lohnete ihr uͤbel; dann da ſie mich nach der Scheuren gehen/ und da ſchlaffen
hieß/ beſuchte ich dem Tunkenbolt ſeinen Schiebſak/ fand etliche Groſchen drinnen/ und
nam ſie als eine Zehrung zu mir. Ich haͤtte ihm die Kleider gar genommen/ ſagte Valiſ-
ka/ mit dem Vorſatze/ es dereins tauſendfach zubezahlen. Ich bedanke mich des guten
Rahts/ antwortete Arbianes/ dann gleich alſo machte ichs auch; maſſen nach begangenem
erſten Diebſtal/ ließ ich mich auch zu dem andern verleiten/ ſchlohf in ſeine Kleider/ legete
ſeine Bauren Ploͤtze an/ und ging bey Nachtzeit im Mondenſchein ſo weit fort als mir
moͤglich wahr/ biß ich in ſechs Stunden wol zwo Meilen hinter mich gelegt hatte/ und bey
einem Flecken anlangete/ woſelbſt vor dem Tohr ein eingefallenes Haͤußlein zur Linken
ſtund. Ach mein Gott/ ſagte Fuͤrſtin Klara/ in eben dieſem Flecken hatte ich mich vor eine
Naͤhterin gleich dazumahl vermietet/ und wann es Gottes Wille geweſen/ haͤtte unſer Un-
n n n n n ijgluͤk
[836]Achtes Buch.
gluͤk alsdann koͤnnen geendet werden/ wann nur mein Schaz an meine Herberge gerahten
waͤhre. Ich hielt mich daſelbſt zehn Tage auff/ antwortete Arbianes/ umb meine Kraͤffte
zuerlangen/ dann mein Haͤupt wolte den Fuͤſſen nicht folgen/ wie willig dieſelben auch wa-
ren/ den Weg zumaͤſſen/ der mich nach meiner Seelen Vergnuͤgung tragen moͤchte; jedoch
wahr auch dieſe Verweilung meiner damahligen Meinung nach/ mir ſonderlich gluͤkſe-
lig dann wie ich ohn gefehr in ein Wirtshauß/ einen Trunk zutuhn/ einkehrete/ erfuhr ich
daſelbſt/ daß vor wenig Tagen ihre Naͤhterin mit ihrem Manne Wolffgang nach dem
Elbſtrome gereiſet waͤhre/ erkennete auch aus allen Wahrzeichen der Kleidung und ſon-
ſten/ daß eben die ich ſuchte/ dieſe ſeyn wuͤrde/ daher ich mich des folgenden Morgens ſehr
fruͤh auffmachte/ und in Geſelſchafft eines mir unbekanten Bohten/ des naͤheſten Weges
nach Magdeburg zulief/ der Hoffnung/ in weniger Zeit zufinden/ was ich ſuchete; aber
mein Unfal muſte ſo leicht nicht geendet ſeyn/ geſtaltſam ich abermahl am dritten Tage
nach meinem abreiſen unter Raͤuber Haͤnde geriet/ die mich nacket auszogen/ und weil ich
mich etwas ſtraͤubete/ mir etliche Wunden ſchlugen/ daß ich halb tod liegen blieb/ nachdem
mein Gefaͤrte ſich aus dem Staube machete/ da ihm ſo wol als mir/ Kleider und alles ab-
genommen wahr. Hieſelbſt haͤtte ich nun ohn Zweifel ſterben muͤſſen/ wann nicht Gottes
Barmherzigkeit es gefuͤget/ daß ein Baur mit einem ledigen Wagen daher gefahren waͤh-
re/ welcher auf mein vielfaͤltiges bitten/ mich aufflud/ und nach ſeinem Dorffe brachte/ da
ich von ſeinem Sohn verbunden/ und von ſeiner manbaren Tochter fleiſſig gewartet ward/
biß ich die Gefahr Tage vorbey gebracht hatte. Dieſer Baur wahr von guten Mitteln/
und reich an groſſem und kleinem Vieh/ hatte nur dieſe beiden Kinder/ die ſehr gute Nei-
gung zu mir trugen/ inſonderheit die Dirne/ welche mir ihre Kleider/ Korallen/ und ande-
re/ ihrer Meinung nach/ gnug koͤſtliche Sachen ſehen ließ/ welche ich dann/ ihre gute Gunſt
zuerhalten/ wider meinen Willen ruͤhmen muſte/ taht mir auch ſo viel gutes/ als ihr Bau-
ren Hũtle in/ welches raum genug wahr/ vermochte/ umb mich zur Geſundheit zubefodern/
da der Sohn ſich erboht/ mich vor einen lieben Geſellen anzunehmen/ wann ich mich in
den Ackerbau und zur Viehzucht ſchicken wuͤrde; dem ich alle Moͤgligkeit und Traͤue ver-
ſprach. So bald ich wieder gehen und mich kleiden kunte/ wahr die Tochter mit einem
neuen Kleide fertig welches ſie mir ſelbſt brachte/ und mit diefen Worten mich ſolches an-
legen hieß: Mein geliebter Sebald (alſo nennete ich mich)/ ihr ſeyd nacket und bloß/ ver-
wundet und krank in meines Vaters Hauß kommen/ aber ich werde nimmermehr zuge-
ben/ daß ihr ſo ſchlecht wieder von uns hinweg ſcheidet/ ſondern ich habe euch dieſes Kleid
machen laſſen/ welches euch zumahl ſtatlich anſtehen ſol; das Wammes iſt von guter
Baumſeide/ die Hoſen von feinem Tuche/ und iſt kein Knecht im ganzen Dorffe/ der es
beſſer haͤtte. Unſers Nachbarn Sohn Kurd meinet/ er ſey der anſehnlichſte und huͤbſcheſte
im Dorffe/ aber ihr gehet ihm noch weit vor/ deßwegen habe ich ihm geſtern den Korb ge-
geben/ weil ich euch lieber als ihn haben wil; ſo haltet euch nun friſch/ und gehet meiner
Mutter fein zu Wege und Stege/ als dann koͤnnet ihr noch wol bey ihr erhalten/ daß ich eu-
re Frau werde/ worzu ihr meinen Willen habt/ und das Gluͤk euch beſcheret iſt/ daß euch
das feineſte und reicheſte Maͤdchen im Dorffe lieb hat; mit welchen Worten ſie ſich zu mir
nahete/ und wider meinen Willen mich baͤuriſch gnug umfahend/ kuͤſſete/ welches mich/ da
ſie
[837]Achtes Buch.
ſie zu kühn werden wolte/ endlich verdroß/ und ſie in zimlichem Ernſte abwieſe/ ſie ſolte ſich
deſſen ja enthalten/ maſſen wann ihre Eltern oder ihr Bruder deſſen inne wuͤrden/ duͤrff-
ten ſie ungleiche Gedanken faſſen/ und mich wol gar als einen unzuͤchtigen niderſchlagen;
aber ſie achtete deſſen wenig/ ſagte/ ihre Eltern haͤtten ſie lieb/ und wuͤrden ihr den zum
Manne wol goͤnnen/ den ſie haben wolte und muͤſte; welche Kuͤhnheit mich faſt antwort-
loß machete/ haͤtte auch ohn zweifel ihr noch haͤrter zugeredet/ wann nicht ihre Mutter dar-
zu kommen waͤhre/ welche ihre Tochter vor mir auff dem Bette ſitzen ſehend/ zu uns ſagete/
wir ſolten uns nicht zu weit vertuhn/ ein wenig ginge wol hin/ und wuͤſte ſie wol/ dz Knech-
te und Dirnen gerne mit einander ſpieleten; und was des ſchaͤndlichen Geblaͤrres mehr
wahr/ wodurch ſich die Tochter ſo erkuͤhnete/ daß ſie von der Mutter begehrete/ mich ihr
zum Manne zugeben/ oder ſie wolte mit mir davon lauffen/ daß kein Menſch erfahren ſol-
te/ wo ſie geſtoben oder geflohen waͤhre. Die Mutter aber zur Antwort gab/ wann ſie mich
dann ſo lieb haͤtte/ moͤchte ſie mich im̃erhin nehmen; ſchlug die Kam̃er zu/ und ließ uns bei-
de allein beyſam̃en/ da das freche Tihr anfing/ mit hohẽ Schwuͤren uñ Fluͤchen ſich heraus
zulaſſen/ wie lieb ſie mich haͤtte/ und dz ſie mich nim̃ermehr verlaſſen wolte/ ſehlete auch we-
nig/ ſie haͤtte ſich gar zu mir gelegt/ wañ ich nit aufgeſtanden waͤhre/ uñ die Kleider angezo-
gen haͤtte/ in welchen ich ihr ſo wol gefiel/ daß ſie mich von der Kammer nicht laſſen wolte/
ehe und bevor ich ihr eine gleiche Liebe verſprochen haͤtte. Ich ſpeiſete ſie mit guten Wor-
ten/ ſie moͤchte gemach tuhn/ und an meiner Liebe nicht zweifeln/ ich wolte zuvor mit ihrem
Bruder davon reden/ daß er mir des Vaters bewilligung erlangete; nam ſie bey der Hand
welche haͤrter als ein Eichenbret wahr (maſſen ſie ſtraͤnge arbeiten kunte) und fuͤhrete ſie
zur Kammer hinaus. Ihr Vater ſahe uns daher treten/ und fragete mich/ was ich mit der
Dirne zu gehen haͤtte/ und wie ich zu dem ſtatlichen Kleide kaͤhme/ deſſen gleichen er ſein
Tage an ſeinem Leibe nicht gehabt; es muͤſte mir ja von den ſeinen geſchenket ſeyn/ weil ich
nacket und arm von ihm auff den Wagen geworffen waͤhre. Welches die Tochter unge-
ſcheuhet beantwortete: Sie haͤtte es vor ihr eigen Geld machen laſſen/ wem darauff etwas
mangelte; ſie wuͤſte ſchon/ woher ſie die Bezahlung von mir haben ſolte. O du leichtferti-
ger Sak/ ſagte ihr Vater/ ſolteſtu ſo viel Geld an ein Kleid legen/ welches unter drey oder
vier Guͤlden nicht gezeuget iſt/ uñ es einem Wildfremden antuhn/ der ſich wol mit ſchwar-
zer Linnewand/ gleich wie ich/ behelffen koͤnte? Welches ich alſo beantwortete: Guter Va-
ter/ ich verſpreche euch hoch und teur/ daß ich alle angewante Koſten gerne und willig be-
zahlen wil/ darumb verzeihet eurer Tochter ſolches/ und bleibet ihr und mir gewogen. Der
alte ſchuͤttelte den Kopf und ſagete zu mir: Junger ich rahte dir in traͤuen/ daß du nicht zu
groſſe Kundſchaft mit der Dirne macheſt; ich habe ſie meines Nachbars Sohn verſpro-
chen/ der wuͤrde dir das Fell übel zu droͤſchen/ wann er deſſen einigen Argwohn von dir ha-
ben ſolte. Er hatte dieſes kaum ausgeredet/ da trat eben derſelbe Baurknecht zur Tühr hin-
ein/ hatte eine Miſtgabel in der Hand/ und ohn einige Begruͤſſung ſagte er zu dem Alten:
Er wuͤſte ſich ſeiner Zufage wegen der Tochter zuerinnern/ welche er durchaus wolte ge-
halten haben/ ungeachtet die loſe Dirne ihm geſtriges Tages den Kauff auffgeſagt haͤtte/
welches er zu ſeiner Zeit ihr ſchon wolte genieſſen laſſen. Die friſche Tochter kunte ſolche
Draͤuung nicht verſchmerzen/ und antwortete: Hoͤre Kurd/ was habe ich mit dir zuſchaf-
n n n n n iijfen?
[838]Achtes Buch.
fen? gehe du hin nach deines Vaters alten Magd Metten/ welche du vor drey Jahren be-
ſchlaffen haſt; ich begehre dich Hurentrecker nicht/ wil auch nicht gewaͤrtig ſeyn/ daß du
mich deiner Draͤuung nach/ jagen und ſchlagen ſolt. Oder meineſtu daß ich keinen Kerl
ohn dich kriegen kan? Haha! ich habe ſchon einen Braͤutigam vor mich/ und wiltu ihn
gerne ſehen? ſihe da ſtehet er/ und hat mehr verſtand in ſeinem kleinen Finger/ als du in dei-
nem toͤlpiſchen groſſen Kopfe. Hiemit wahr der Tanz gepfiffen/ dann der Vater trat hin
zu der Tochter und gab ihr etliche Maulſchellen/ daß ihr Mund und Naſe blutete/ da er zu
ihr ſagete: Du loſe Haut/ haſtu den jungen Bengel darumb ſo munter gekleidet/ daß du
deine Hurerey mit ihm treibeſt? nim̃ermehr ſol er dein Kerl werden; fiel damit die Toch-
ter aufs neue an/ und ſchlug friſch auff ſie loß; welche aber meinen Streit mit Kurd erſe-
hend/ einen Muht faſſete/ ſich zur wehre ſtellete/ und den Vater nach wenigen ringen zur
Erden niderwarff. Inzwiſchen hatte ich auch meine Arbeit; dann als Kurd hoͤrete/ daß
ſeiner meinung nach ich ihm vor dem Korbe fiſchete/ ſahe er mich grimmig an/ faſſete ſeine
Miſtgabel/ und in dem er mich einen Schelm und Ehebrecher ſchalt/ ſchlug er auff mich
zu/ daß wo ich nicht ausgewichen waͤhre/ er mich baͤuꝛiſch gnug wuͤrde gezeichnet haben/ uñ
weis ich nicht/ obs mein Gluͤk oder Ungluͤk wahr/ daß in dieſem Sprunge ich eines Zuber-
baums hinter der Tuͤhr gewahr ward/ mit welchem ich dem Baurflegel entgegen trat/ und
ihm eins uͤber den Kopf verſetzete/ daß er als ein Todter zur Erden niderſtuͤrzete/ und keinen
Finger regete. Der Alte tummelte ſich unterdeſſen mit ſeiner Tochter auff der Erden weid-
lich umb/ und hoͤrete ich ihn ruffen/ ſie ſolte aufhoͤren/ ihm die Kehle zudruͤcken; die ſich aber
wenig daran kehrete/ biß die Mutter hinzu trat/ und den Alten rettete/ gleich da mein Gege-
ner zu bodem fiel; woruͤber die Dirne ſich hoͤchlich erfreuete/ daß ſie mit blutigem Maul
und Geſichte mir zurieff; Halte dich friſch du mein lieber Sebald/ ich wil niemand anders
als dich haben. Mir wahr trauen dazumahl nicht ſonderlich wol/ maſſen ich mich vor des
Alten Rache fuͤrchtete/ den gleichwol ſein Weib zu frieden ſprach/ vorgebend/ er wuͤſte ja
wol/ daß ſie beyde es mit ihrer Ehr eben ſo gemacht haͤtten/ und wo er nicht in ſeiner Toch-
ter Willen gehehlen wolte/ muͤſte ohn ſeinen dank noch dieſen Abend die Ehe volzogen weꝛ-
den; wodurch er naͤhern kauff zu geben bewogen ward. Ich aber machete mich freundlich
zu der Dirne/ hielt ihr meine Gefahr wegen des nidergeſchlagenen voꝛ/ und baht/ mir zu helf-
fen/ daß ich mit einem geruheten Pferde mich davon machen koͤnte/ der Lebensgefahr zu ent-
gehen/ welches ſie ihrer einfalt nach/ nicht allein gerne einwilligte/ ſondern den Baurenſat-
tel ſelbſt hervor nam/ und ihres Vaters beſte Pferd mir fertig machete/ da die Mutter mir
inzwiſchen 15 Guͤlden hohlete/ mit der Abrede/ ich ſolte nach dem naͤheſten Flecken/ drey
Meilen von dar/ zu ihrer Schweſter mich begeben/ ſie wolte in dreyen Tagen mich wiſſen
laſſen/ weſſen ich mich zuverhalten haͤtte. Wem wahr lieber als mir? ich ſetzete mich ge-
ſchwinde auff/ und rante als ein Vogel davon/ dann das Pferd wahr guter Schenkel/ mie-
tete im naͤheſten Dorffe einen Bohten/ der mich des naͤheſten weges nach Magdeburg/
bringen ſolte; aber es wolte ſich annoch nicht nach willen fugen/ ſondern ich ward am We-
ſerſtrohm von ſechs Raͤubern uͤberfallen/ welche mir Pferd/ Geld und Kleider nahmen/ dz
ich mit noht Mutterleibes-nacket/ jedoch ohn ſonderliche Wunden davon kam. Alſo muſte
ich in die ſechs Stunden nach art unſer erſten Eltern fein leicht dahin ſpringen/ biß mir ei-
ne
[839]Achtes Buch.
ne Baͤurin mit einem Pelze begegnete/ welchen ich ihr mit gewalt abborgete/ und ihn umb
die Schuldern hing. Gott verzeihe mirs/ daß ich dazumahl gedachte/ ob dem guten Adam
ſein Pelz auch alſo angeſtanden waͤhre/ und wolte mich in dieſer Kleidung noch wol haben
geduldet/ wann nur mein allerliebſtes Evichen bey mir geweſen/ deren ich mich doch nicht
gerne in ſolchem Schmuk haͤtte ſehen laſſen/ wiewol ſie mich hernach in einem lauſichtern
antraff. Das Weib lieff mir eine weile nach/ wolte den Pelz nicht gerne miſſen/ endlich als
ſie ſahe/ daß alles vergebens wahr/ fing ſie an/ mich ſo abſcheuhlich auszuſchelten und zuver-
fluchen/ daß ich mich ſchier an ihr vergriffen haͤtte. Sie wahr kaum von miꝛ hinweg/ da be-
gegnete mir ein alter Betler mit zuriſſenen Lumpen/ dem ich einen Tauſch anboht/ welcher
ihm nicht zuwieder wahr/ dann der Pelz wahr neu und gut. Ich bekleidete mich armſelig
gnug/ und hatte noch/ wie mir dieſer Betler ſagete/ 18 Meilen biß gen Magdeburg/ welchen
Weg ich vor mich nam/ und des folgenden Tages eine andere Betlergeſelſchaft/ ſieben
Mann ſtark antraff/ unter denen ein Blinder/ ein Stummer und drey Lahme oder hinken-
de wahren/ die uͤbrige zween aber riſch und ſtark/ und kunken ſich doch ſtellen/ als waͤhren ſie
an der rechten Seite vom Schlage geruͤhret. Dieſe macheten mit mit Kundſchaft/ und
frageten/ warumb ich in ſolcher Jugend und bey ſo geſunden Tagen mich aufs betteln be-
gaͤbe/ und anderen elenden unvermoͤgenden Leuten das Brod vor dem Maule hinweg naͤh-
me; ich koͤnte mich ja bey einem Bauren vor einen Knecht vermieten/ und das Brod wol
gewinnen. Ich gab ihnen zur Antwort; es haͤtten mich ſechs freche Raͤuber durch gewalt-
ſame Plunderung in dieſen Stand geſetzet/ welchen ich nicht gedaͤchte laͤnger zu fuͤhren/ als
von hier ab biß nach Magdeburg/ woſelbſt ich mir getrauete einen Herrn zubekom̃en/ dem
ich auffwartete/ dann ich waͤhre aus der ferne/ wuͤſte mit Gewehr und Pferden umbzuge-
hen/ und haͤtte unterſchiedliche fremde Sprachen in meiner Jugend gefaſſet. Der eine hin-
kende Betler fing darauff an; es waͤhren Narren/ die ſich in Dienſte begaͤben/ und der Ar-
beit ſich unterwuͤrffen/ wann ſie beim Muͤſſiggange gute Tage und alles gnug haben koͤn-
ten; wann mir nun ein ſolches ſanftes Leben auch gefiele/ wolte er mich in ihre Geſelſchaft/
die ſich zimlich ſtark befuͤnde/ aufnehmen/ und zur verſicherung eines guten willens/ mir ſei-
ne juͤngſte annoch unverheirahtete Tochter nebeſt 2000 Guͤlden Brautſchaz geben. Ich
erſchrak dieſes erbietens/ merkete ſchon/ was vor eine ehrliche Geſelſchaft ich angetroffen
hatte/ erhohlete mich bald/ und ſagete ihm dank vor den guten Willen/ wolte mich bedenken/
und ihn nach Verlauff etlicher Stunden Antwort wiſſen laſſen. Aber der eine/ welcher
ſich bißher als vom Schlage geruͤhret/ bezeiget hatte/ griff mit beyden Armen nach mir/ uñ
indem ich auswiche/ ſagete er: Nein mein Kerl/ hier gilt nicht lange Bedenkzeit/ ich merke
ſchon wol/ daß du nicht Luſt haſt/ lange in Betlers Kleidern zugehen. Ich ſpuͤrete/ daß mirs
das Leben gelten ſolte/ erwehrete mich ſein mit meinem zimlich ſtarken Bettelſtabe/ daß er
mich gleichwol nicht greiffen kunte/ und ſprang immer weiter zurük/ weil ich ſahe/ daß der
andere geſunde Schelm ſich auch nahete/ welcher dann eine kurze verdeckete Ploͤtze hervor
zog/ und auff mich darlieff. Ich trauete meinen Fuͤſſen/ welche mich auch eines Weges
von ihnen brachten/ da ich etliche Steine auffnam/ und mich gegen ſie kehrete/ ſie vermah-
nend/ mich gehen zulaſſen/ oder der Steine zugewarten. Sie hatten beide ihre Ploͤtzen fer-
tig/ mit denen ſie ohn zweifel mannichen reiſenden Menſchen mochten ermordet haben/
kehre-
[840]Achtes Buch.
kehreten ſich an meine Warnung nichts/ ſondern lieffen als blindlings auff mich an/ da-
her ich dem voͤrderſten einen zweipfuͤndigen Stein entgegen ſchickete/ daß ihm der Kopff
borſte/ und damit zur Erden fiel; der andere ſahe ſeinen Geſellen ſtuͤrzen/ machete ſich zur
Rache gefaſſet/ und gedachte mir aus dem Wurffe/ damit ich ihm draͤuete/ zuweichen; a-
ber weil ich zween Steine im Vorraht hatte/ warff ich ihm den erſten vor die Bruſt/ daß
es puffete/ und er begunte nach friſcher Lufft zuſchnappen; worauff ich ihm den andern voꝛ
das Maul legete/ daß er wie eine Garnwinde umlief/ und ich zeit hatte/ mit des ertoͤdteten
ſeiner Ploͤtze mich zuwapnen/ mit welcher ich auch dieſen andern vollends hinrichtete. Die
fuͤnff uͤbrigen erſchraken deſſen ſehꝛ/ dann ſie ſahen/ daß ſie mir nicht entlauffen kunten/ ohn
allein der Stumme/ welcher quehr-Feldein ging/ und ich mich beſorgete/ er wuͤrde mehr
Huͤlffe aus der Naͤhe herzufuͤhren/ nahm deßwegen gegen die uͤbrigen nichts weiters vor/
ſondern beſuchete die beiden Erſchlagenen/ fand bey ihnen einen guten Zehrpfennig/ und
nachdem ich die Ploͤtze eingeſtecket hatte/ ging ich eilends nach dem naͤheſten Dorffe/ ſahe
mich offters umb/ und ward gewahr/ daß die Moͤrder nach allem Vermoͤgen zuruͤk eiletẽ/
weil ſie ohn zweifel in Furcht ſtunden/ ich wuͤrde die Dorffſchafft ihnen uͤber den Halß
ſchicken. Aber ich hielt reinen Mund/ aus Furcht/ an meiner Reiſe gehindert zuwerden;
ſetzete demnach meinen Weg im Nahmen Gottes fort/ gerade nach Magdeburg zu/ unter
der Hoffnung/ mein Schaͤzchen daſelbſt zufinden/ aber es wahr daſelbſt nichts zuerfahrẽ/
als daß die Fuͤrſtliche Geſelſchaft vor weniger Zeit nacher Prag gereiſet/ und das Koͤnig-
liche Fraͤulein als eine verlohrne hoͤchlich beklaget würde. Wohin wendeſtu elender Ar-
bianes dich nun? ſagte ich bey mir ſelbſt; Ich hatte ein Geluͤbde getahn/ die Fuͤrſtliche Ge-
ſelſchafft nicht zuſehen/ biß ich entweder das Fraͤulein angetroffen/ oder einige Gewißheit
von ihr wuͤrde erfahren haben; legete auch fleiſſig bey mir uͤber/ weſſen ich mich verhalten
ſolte; endlich noch hielt ich vor rahtſam/ mich nach Boͤhmen zuwenden/ und daſelbſt un-
fern von Prag mein Leben in der Einoͤde zufuͤhren/ biß ich meiner Fraͤulein Leben oder Tod
erkuͤndigen würde; bettelte mich alſo durch das Land/ und lebete etliche Zeit in beſchwerli-
chem Elende/ daß ich mehrenteils mein Leben mit Kraͤutern/ Wurzeln und anderen Ge-
waͤchſen auffhielt/ doch etliche Stunden mich bey den Landſtraſſen fand/ und den Bauren
zuzeiten ein Stuͤklein Brod abkauffete/ weil ich noch Vorraht an Gelde hatte. O wie
manniche Widerwaͤtigkeiten bekuͤmmerten Tag und Nacht mein ohn das gnug trauriges
Herz. Iſt meiner Seelen Leben/ Frl. Klara todes verblichen/ ſagte ich/ ſo wird die Aufloͤ-
ſung meiner Seelen und Leibes mich dahin begleiten/ da ſie in der Engel Geſelſchafft ihren
Heyland und Erloͤſer ohn auffhoͤren preiſet; wie aber/ gedachte ich bald darauff/ wann et-
wa Wolffgang zum Wolffe worden/ ſich einiger Unzimligkeit haͤtte geluͤſten laſſen/ und
daſſelbe geſuchet/ welches ohn meiner Fraͤulein aͤuſſerſtes Verderben nicht geſchehen koͤn-
te? Und wañ ich mich mit dieſer Vergebligkeit lange gnug gepeiniget hatte/ dañ ſo graue-
te mir vor Raͤubern und Moͤrdern/ von denen ich ſelbſt nicht haͤtte frey ſeyn koͤnnen/ wie
viel weniger ein Fraͤulein mit einem Bauren Knechte; aber daß mein Schaz als eine
Dienſtmagd leben ſolte/ iſt mir nie eingefallen. Wann dann alle Ungluͤksfaͤlle/ die zuerſin-
nen wahren/ mein Gehirn durchlauffen hatten/ folgete mein unbewaͤglicher Schluß/ ich
wolte entweder als ein Betler ſterben/ oder ihrer froͤlichen Ankunft erwarten/ oder ſie aufs
neue
[841]Achtes Buch.
neue ſuchen. Aber Gott ſchickete mir wider meinen Willen etwas Linderung/ in dem mein
Leib Schuͤtze Zariaſpes/ meiner Fr. Schweſter ehemahligen Parthiſchen Hofmeiſterin der
Syſigambis Sohn/ mich ohngefehr erkennete/ da ich ſo wenig ſeiner als er meiner ver-
muhten wahr; dann als ich des Nachtes im offenen Walde unter dem freyen Himmel
mein Gebeht/ und daß es niemand verſtehen ſolte/ auf Mediſch taht/ ruhete mein Schuͤtze
mir unwiſſend hinter einem Baume/ hoͤrete nicht allein ſeine Mutterſprache von mir/ ſon-
dern erkennete auch meine Stimme/ deſſen er nicht wenig erſchrocken/ in Demuht zu mir
nahete/ und ob er zwar in dem Fruͤh Lichte meine elende Lumpen ſahe/ kehrete er ſich doch
nicht daran/ ſetzete ſich vor mir auff die Knie/ und ſagete auff Mediſch zu mir: Durch-
leuchtigſter Fürſt/ welcher guͤtiger Gott hat mich zu ſo gluͤkſeliger Stunde hieher gefuͤhret/
Euer Durchl. Gegenwart zuerfahren? Und was vor herbes Gluͤk leget einem ſo maͤchti-
gen Fuͤrſten dieſe heßlichen Betlers Kleider an? Ich haͤtte mich gerne verſtellet/ und gab
auff Teutſch zur Antwort: Ich verſtünde ſeine fremde mir unbekante Sprache nicht/ weil
ich ein Teutſcher/ und zwar ein armer Betler waͤhre. Aber mein Zariaſpes kehrete ſich
nichts daran/ blieb in ſeiner Demuht/ und baht untertaͤhnigſt/ mich dergeſtalt ſelbſt nicht
zuverleugnen/ weil mich weder Noht noch Gefahr darzu antriebe; daher ich mich ihm end-
lich zuerkennen gab/ und geboht ihm bey Lebensſtraffe/ meine Gegenwart keinem einigen
Menſchen wiſſen zumachen; deſſen er ſich lange wegerte/ und endlich auff harte Draͤuung
verſprach/ doch mit dem bedinge/ daß ich taͤglich von ihm etliche Speiſe nehmen ſolte. Al-
ſo blieb ich in dieſem Stande etwa zehn Tage/ biß der allerguͤtigſte Gott meinen Seelen-
Schaz des Weges herſendete/ da ich in meinen Betlers Kleidern nicht weit von der Heer-
ſtraſſe ſaß/ und von meinem Zariaſpes hefftig vermahnet ward/ mich nacher Prag zuer-
heben/ und zum wenigſten als ein unbekanter mich daſelbſt auffzuhalten; ich mich aber ge-
gen ihn erklaͤrete/ wie ich dieſe Nacht bey mir beſchloſſen haͤtte/ auff dem naͤheſten Dorffe
mich noch eine ganze Woche auffzuhalten/ und nach deren Verlauff in ſeiner und ſechs
anderer Meden Geſelſchafft mich nach dem Flecken zumachen/ woſelbſt ich in der Herber-
ge erfuhr/ daß mein Fraͤulein mit Wolffgang nach dem Elbſtrohm ſolte gereiſet ſeyn; der
Hoffnung/ ich wolte daſelbſt ihre Spuhr antreffen/ oder doch etwas beſſere Zeitung von
ihr erforſchen/ hatte ihm auch ſchon befohlen/ was vor Kleider/ Waffen/ Kleinot/ Gelder
und Pferde er mir bringen ſolte; Ja ich ſpeiete mich ſchon ſelbſt an/ daß mir dieſer heilſa-
mer Raht nicht zeitiger eingefallen wahr. Aber die unvermuhtliche Ankunfft meiner Fraͤu-
lein machte nicht allein dieſen meinen Vorſaz zu Waſſer/ ſondern benam mich aller Angſt
und Traurigkeit. Was vor Anfechtungen aber in meiner Einſamkeit und Armut ich von
dem leidigen Teuffel ausgeſtanden/ und wie er mich/ zur Verzweifelung zubringen/ ange-
lauffen hat/ davon wil ich nicht viel Worte machen/ und nur/ weil ich lebe/ dieſes ruͤhmen/
daß Gottes Krafft in mir Schwachen ſo maͤchtig geweſen/ daß ich alles ritterlich uͤber-
wunden/ ungeachtet dieſer geiſtliche Kampff mir mannichen Schweiß ausgejaget/ und
mein Fleiſch redlich gezaͤhmet hat. Einen vor andern aus hefftigen Saz habe ich dem
Teuffel halten muͤſſen/ des Nachtes zuvor/ ehe Zariaſpes mich antraff/ und zweifele ich
durchaus nicht/ der boͤſe Menſchen Feind ſey mir das mahl in leiblicher Geſtalt eines Bet-
lers erſchienen/ wovon ich zur andern Zeit ausführtichen Bericht tuhn wil/ weil ich hoͤre
o o o o oetliche
[842]Achtes Buch.
etliche zu uns kom̃en/ welche mich hindeꝛn werdẽ/ mich des ergangnẽ recht zueriñeꝛn. O du
wunderbarer Gott/ ſagte hierauff Koͤnigin Valiſka/ wie geheſtu mit deinẽ lieben Kindern
ſo wunderlich um auf dieſer Welt! jedoch muß ihnen alles zum beſten gereichen/ inſonder-
heit deine vaͤterliche Heimſuchungen; dann ich glaͤube nicht/ daß ein Menſch/ wes Stan-
des er auch ſeyn mag/ ſich recht erkenne/ oder ſeine Schwacheit glaͤube/ dafern er nicht un-
ter deiner Zucht gedemuͤhtiget wird. Aber gnug vor dißmahl/ von dieſen traurigen Be-
gebniſſen/ wollen auch bey beſſerer Gelegenheit euren ausgeſtandenen Straus mit dem
groſſen Verſucher/ anhoͤren/ und nunmehr geſchaͤfftig ſeyn/ bey des zu euer Hochzeit/ nnd
zu meines Herr Bruders Kroͤnung Bereitſchafft zumachen/ und daß die geladenen Koͤ-
nige aus Gallien/ Schweden und Daͤnenmark wol und gebuͤhrlich empfangen werden;
nur wird ein einziges Fraͤulein-Bild uns bey dieſer Froͤligkeit mangeln/ welche zweifels
ohn mein Herr Bruder Arbianes gerne/ meine Fr. Schweſter Klara aber ſehr ungerne
dabey leiden moͤchte. Dieſe kunten nicht gedenken/ was vor eine dieſe ſeyn moͤchte/ biß Va-
liſka ſagete: Er ſolte ſich ſeines ehmahligen Braͤutigam-Standes mit dem Bauren Fraͤu-
lein/ Frl. Metten erinnern; woruͤber ſie beyderſeits uͤberlaut lacheten/ und Fr. Klara ſage-
te: Ja Herzen Fr. Schweſter/ gedenket eure Liebe wol/ daß ich meinen Fuͤrſten aus dieſer
Bauren Huͤtte ſo rein und zuͤchtig ſolte wieder bekommen haben/ als er dahinein gangen
iſt? gewißlich moͤchte ich dieſes ſchoͤne Bildichen mit ihren pflaumen-weichen Haͤndichen
und blut-bund-gefaͤrbeten Muͤndichen hieſelbſt ſehr ungerne ſehen; dann wer weiß/ ob ſie
nicht allein kuͤhne Einſprache taͤhte/ ſondern mein Fuͤrſt den alten Schrol wieder bekom̃en/
mich verlaſſen/ und mit dieſer kuͤhnen Heldin/ die ihrem Vater die Kehle ſo freundlich zu
küſſen weiß gar davon zihen moͤchte. Verzeihe es Gott euch beyden/ ſagte Arbianes/ aber
5000 Kronen gaͤbe ich drumb/ dz ſie moͤchte zugegen ſeyn/ es duͤrfte noch luſtige Schwaͤnke
abgeben/ und erkenne ich mich ſchuldig/ ihr das Pferd/ Kleider und andere angewante Ko-
ſten zuerſtatten/ in ſonderheit moͤchte ich dem guten Weibe ihren Pelz gerne bezahlen/ ob ſie
gleich davor ein uͤbriges geſcholten und gefluchet hat. Alſo brachten ſie dieſe Zeit in aller
geziemenden Froͤligkeit zu/ und ob zwar Koͤnig Mnata Freiheit hatte/ nach ſeinem Koͤnig-
reich zuzihen/ baht er ſich doch ſelbſt zu Arbianes Hochzeit/ welches den unſern ſehr wol ge-
fiel/ und auff ſein Anſuchen ihm ganz gerne einwilligten/ daß er 100 ſeiner beſten Ritter-
ſchafft zu ſich foderte/ ihm auffzuwarten. Mit Auffbauung der verſtoͤreten Staͤdte und
Doͤrffer ward fleiſſig fortgefahren/ und alles auff Koͤnigs Mnata Befehl beſſer gemacht/
als es vorhin geweſen; ſo hielt er auch mit ſeinen Schenkungen bey dem Koͤnigl- und
Fuͤrſtlichen Frauenzimmer immer an/ daß Valiſka ungeduldig druͤber ward; er aber hoch
beteurete/ daß er ſein halbes Koͤnigreich nicht drum nehmen wolte/ daß er in dieſe Tugend-
Schuele nicht kommen waͤhre/ wo ſelbſt er nunmehr in etwas gefaſſet haͤtte/ was einem
Koͤnige anſtuͤnde/ welches ihm dann uͤberaus lieb waͤhre/ ungeachtet er zuvor eine zimlich
harte Staͤupe/ welche er wol verdienet/ haͤtte aushalten muͤſſen. Er lebete ſonſt wie ein
Bruder mit unſern Koͤnigen/ und erlangete bey Valiſken/ daß Herkules nacketer Kampf
mit ſeinem ehmaligen Bato gehalten/ auff ſeine Koſten zum zierlichſten auff vier Tuͤcher
abgemahlet/ und auff dem langen Umgange auffgehenket ward.


Bald nach geendigtem Pannoniſchen Kriege/ kam der alte Frieſe Wittho mit ſei-
nem
[843]Achtes Buch.
nem ungerahtenen Sohn Gerd zu Prag an/ ließ ſich bey Wolffgang angeben/ der ſie bei-
de wol empfing/ ſie aber wegen Verenderung ſeiner Sitten und Wandels kaum glaͤuben
wolten/ daß er der vorige ihr Vetter waͤhre. Er fuͤhrete ſie unangemeldet hin zu Arbianes
und ſeinem Gemahl/ von denen der Alte uͤberaus freundlich empfangen ward/ da ſie ſich
nicht ſcheuheten/ ihn ihren Erhalter und Vater zunennen. Er hingegen bezeigete ſich aufs
demuͤhtigſte/ und wahr ſein erſtes Vorbringen/ daß er vor ſeinen Sohn um Gnade und
Vergebung anhielt/ welches ihm nicht allein gnaͤdig eingewilliget ward/ ſondern es ma-
chete ihn Arbianes zu ſeinem Unterſtalmeiſter/ weil er mit Pferden wol umzugehen wuſte.
Wittho aber erhielt/ daß er Zeit ſeines Lebens bey Wolffgang bleiben moͤchte/ der ihm al-
les gutes taht/ und wol erkeñete/ daß er ſeiner Wolfahrt erſte Urſach wahr. Er hatte ſonſt
noch ſechs grobe einfaͤltige Bauren Knechte/ ſeine Anverwanten mit ſich herbracht/ denen
ſtatliche Meyerhoͤfe eingetahn wurden; berichtete auch/ wasgeſtalt der Rohtbart auf Koͤ-
niglichen Befehl angegriffen/ und wegen der vorgebrachten Lüge (ob haͤtte er Arbianes uñ
das Fraͤulein ſollen nach dem Reinſtrom bꝛingen) befraget worden/ haͤtte anfangs alles ge-
leugnet/ aber nach angelegter harter Pein/ nit allein ſein Vorhaben/ den Fürſten mit dem
Fraͤulein umzubringen/ ſondern in die 27 Mordtahten bekennet/ auch ſechs Bauren ihres
Dorffes/ als ſeine Mitgehuͤlffen angemeldet/ welche ſamt ihm mit dem Rade geſtoſſen/ uñ
hingerichtet waͤhren. Vierzehn Tage vor der angeſetzeten Kroͤnung ſchrieb Reichard aus
ſeiner Landſtad zuruͤk an Leches/ wasgeſtalt er daſelbſt zwar wol angelanget waͤhre/ haͤtte
aber mit wehmuͤhtigem Herzẽ vernehmen muͤſſen/ daß ſeine Eheliebſte ſchon vor vier Wo-
chen an einem hitzigen Fieber Todes verblichen/ wie auch Fr. Mechtild; deren hinterlaſſe-
ne aͤlteſte und juͤngſte Toͤchter (die mittelſte waͤhre mit ihrer Mutter geſtorben) Adelheit
und Adelgund nunmehr von Herzen wuͤnſcheten/ ihrer Fuͤrſtin und Frauen untertaͤhnigſt
auffzuwarten; endlich baht er Leches in dieſem Schreiben/ bey dero Hochfuͤrſtl. Durchl.
untertaͤhnigſt zuvernehmen/ ob dieſelbe gnaͤdigſt einwilligen koͤnte/ waͤhre er nit ungeneigt
jungfer Adelheit zuheyrahten/ deren Herz/ in Betrachtung ſeines jetzigen Ritter Standes/
er wol zugewinnen verhoffete; befahl ſich der ganzen Koͤnigl- und Hochfuͤrſtlichen Geſel-
ſchafft/ inſonderheit ſeiner verhoffentlich nunmehr wieder gnaͤdigſten Großfuͤrſtin Fr.
Klaren beharlichen Gnaden/ und baht/ auff ſein geſiñen ihm zuantworten. Leches trug die-
ſes anfangs Arbianes allein vor/ welcher nebeſt Koͤnigin Valiſken es mit der Fuͤrſtin be-
redete/ die eine ſolche Heyraht gerne befodert ſahe/ daher ſie Leches befahl was er antwor-
ten und bey ſchleuniger Botſchafft uͤber ſenden ſolte; ſie aber ſetzete dieſes Brieffelein ſelbſt
an Adelheit auff. Geliebte Freundin/ Jungfer Adelheid/ ihr ſollet euch im trauren wegen eurer
Mutter toͤdlichen Hintrittes maͤſſigen/ welches auſſer zweifel Gott alſo zu eurem beſten geſchicket hat;
ich verbleibe eure und eurer Schweſter gnaͤdige Frau ſo lange ich lebe/ und wil euch beſſer verſorgen
als euer Stand nicht mit ſich bringet; koͤnnet ihr auch meinen Vorſchlag genehm halten/ und Ritter
Reichard/ der bey mir nunmehr wieder in vollen Gnaden ſtehet/ vor euren liebſten annehmen/ ſo laſ-
ſet euch von ihm in eurem Jungfern-Stande heruͤber begleiten/ alsdann wil ich euch die Hochzeit auß-
richten/ und zur Außſteur euch daſſelbe zuwenden/ wovon ihr und eure Nachkommen den Ritter- und
Herrn Stand wol ſollet fuͤhren koͤnnen. Bringet auch eure Schweſter mit uͤber/ und ſeumet nit. Gott
befohlen von eurer ſtets gewogenen Frauen/ Großfuͤrſtin Klaren.


Reichard hielt ſich ſehr praͤchtig in ſeiner Heimaht/ ſo viel ſeiner Eheliebſten abſterben
o o o o o ijleiden
[844]Achtes Buch.
leiden wolte/ und weil er groſſe Geldmittel hatte/ taht er ſeinen Eltern und anderen Anver-
wanten viel zugute/ bezeigete ſich ſonſt ſehr hoͤfflich und Tugendreich/ daß jederman ſich
uͤber ihn verwunderte. Bey Jungfer Adelheiden hatte er ſich ſchon angemeldet/ und biß
auff Großfürſtin Klaren (deren ſie ſich zueigen ergeben haͤtte) befehl und gnaͤdigſte Einwil-
ligung ihm gute Zuſage getahn/ wiewol jhr Vater es nicht gerne ſahe/ und es gleichwol nit
hindern durffte. Als nun beides Leches und der Großfuͤrſtin Schreiben nebeſt uͤber ſchik-
ten ſtatlichen Kleinoten/ ankahmen/ wahr allerſeits groſſe Freude/ und machten die beiden
Schweſtern nebeſt Reichard und ſeiner Reuterey ſich alsbald des folgenden Tages auff
den Weg/ und weil ſie Tag und Nacht eileten/ kahmen ſie zween Tage vor der Kroͤnung zu
Prag an/ lieſſen ſich anmelden/ und wurden von Leches und Libuſſen auff Fuͤrſtlichen Gut-
ſchen nach dem Schloſſe gehohlet/ woruͤber dem guten Reichard die Traͤhnen haͤuffig aus
den Augen fielen/ in Betrachtung/ er vor dieſem als ein Ubeltaͤhter in Ketten und Banden
dahingeſchleppet wahr. Sie wurden nach Arbianes abſonderliches Gemach hingefuͤhret/
darinnen kein Menſch/ als er und ſein Gemahl wahr. Reichard muſte anfangs allein hin-
eintreten/ welcher die Fuͤrſtin erſehend/ alsbald einen Fußfal taht/ da ihm die Leid-Ohmacht
uͤberfiel daß er wie ein todter Menſch geſtrekt zur Erden ſtuͤrzete/ woruͤber die Fuͤrſtin ſich
entſetzete/ und zu ihrem Fuͤrſten ſagete: Allein dieſe Reue verdienet volkommene Verge-
bung; Leches wahr mit ihm hineingangen/ welcher ihn ſchuͤttelte und bald wieder zu ſich
ſelbſt brachte/ da Arbianes zu ihm trat/ und mit freundlichen Worten zu ihm ſagete: Mein
lieber Freund Reichard/ ihr habt foͤrder nicht Urſach/ euer Herz wegen des ehemaligen
der geſtalt zuaͤngſten/ nachdem alles vergeben und vergeſſen iſt/ wie ihr ſolches dann durch
eure tapffere und getraͤue Rettung wol verdienet habet. Er noch auff den Knien ſitzend/ gab
zur Antwort; wolte Gott/ Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ daß ich meiner Boßheit ſelbſt vergeſ-
ſen koͤnte/ welche meine Seele zupeinigen nicht auffhoͤren wird/ biß ſie durch den Tod von
ihrem Leibe außfaͤhret: Euch aber Durchleuchtigſte Groß Fůrſtin/ gnaͤdigſte Frau/ bitte
ich nochmahls lauter umb Gottes willen/ dieſelbe wolle mir groben Miſſetaͤhter und boß-
hafften Suͤnder gnaͤdigſte Vergebung wiederfahren laſſen/ und ihren gerechten wolbeſu-
geten Zorn abwenden/ nachdem ich mich noch dieſe Stunde nicht wegern wil/ zur voͤlligen
Abtragung der begangenen gotloſen Boßheit meinen Kopff herzugeben. Die Fuͤrſtin er-
innerte ſich zwar ihrer ehemaligen Angſt und Ehren Gefahr/ aber das wolverdienen be-
hielt dannoch die Oberhand/ daher trat ſie ihm naͤher/ und ſagte: Stehet auff Ritter Rei-
thard/ ich habe alles ehemalige der Vergeſſenheit gaͤnzlich uͤbergeben/ ſo gar/ daß wer deſ-
ſen gegen mich Erwaͤhnung tuhn wird/ mein Freund nicht ſeyn ſol; deſſen zum Zeugniß
ich euch meine gewogene Hand biete; hielt ihm dieſelbe dar; welche doch zuberuͤhren oder
zuküſſen er ſich viel zuunwirdig achtete/ daher er ſich zu ihren Fuͤſſen niderlegte/ und den
Rockes Saum ehrerbietig kuͤſſete/ ſo daß Arbianes ihm hart zureden muſte/ er ſolte ſolche
Bezeigung abſtellen/ wo er ſonſt wolte ſein Freund ſeyn. Worauff er ſich endlich auffrich-
tete/ und doch die Augen vor ſich niderſchlagend/ die Fuͤrſtin nicht anſehen durffte. Sie
aber hieß ihn nunmehr freundlich wilkommen/ und ließ die beiden Schweſtern Adelheit
und Adelgund hinein fodern/ welche auch in ihren Trauer Kleidern mit einem Fußfalle eꝛ-
ſchienen/ da nach Reichards Unterrichtung die kleinere/ ſo kaum ſechs Jahr alt wahr/ alſo
anfing:
[845]Achtes Buch.
anfing: Gnaͤdige Fr. Armgart/ ich bitte euch um Gottes willen/ ihr wollet meinem Vater
ſeine Suͤnde vergeben/ die er in meinem Beyweſen an euch veruͤbet hat/ er ſol nicht mehr
mein Vater ſeyn/ ſondern ich und meine Schweſter wollen allezeit eure gehorſame Maͤg-
de bleiben. Dieſe Rede brachte der Fuͤrſtin die Traͤhnen aus den Augen/ und gab ſie zur Ant-
wort; Herzliebes Kind/ dein boͤſer Vater haͤtte in der Welt keinen beſſeren Vorbitter als
dich haben koͤnnen/ daher ſol ihm verzihen ſeyn/ und du ſolt mein liebes Toͤchterchen blei-
ben. Hoͤre Herzen Adelheid/ ſagte darauff das Kind zu ihrer Schweſter/ unſere Armgart
wil meine Mutter ſeyn/ ſihe doch/ wie ſchoͤn iſt ſie jezt. Die Anweſende lacheten hieruͤber/ uñ
die Großfuͤrſtin hub Adelheid auff von der Er den/ kuͤſſete ſie/ und ſagte/ wilkommen meine
liebe Freundin/ verlaſſet euch darzu/ daß ihr bey mir allen gnaͤdigen Willen finden werdet/
gleich wie ihr ehmahls nach eurem Vermoͤgen mir alle Freundſchafft erzeiget habet. Die-
ſe bedankete ſich untertaͤhnigſt der angebohten ganz unverdieneten Gnade/ und erboht ſich
zu allem Gehorſam. Sie gingen mit einander nach dem gemeinen Fuͤrſtlichen Saal/ wo-
ſelbſt Reichard ſehr gnaͤdig empfangen ward/ auch Koͤnigin Valiſka den beiden Schwe-
ſtern groſſe Hulde zuwendete/ deren kleinere ſich hinmachete zu Heꝛkuliſkus/ mit ihm zuſpie-
len/ welcher/ wie auch Herkuladiſla nachgehend von dieſem Kinde nicht lange ſeyn wolten;
daher Valiſka ſie in ihr Frauenzimmer nam/ und hat ſie im ſechzehnden Jahre ihres Al-
ters an einen vornehmen Teutſchen Herrn verheyrahtet. Zwiſchen Reichard und Adelheit
aber ward die Ehe abgeredet/ und ſolte uͤber zween Tage auff Arbianes Hochzeit Feſt das
Beilager zugleich mitgehalten werden/ wie imgleichen auch des guten Wolffganges/ der
ſich uͤber Reichards wolergehen ſehr erfreuete. Deſſelben Tages um den Nachmittag kam
Koͤnig Haron aus Schweden mit ſeinem Gemahl Koͤnigin Hedith/ und hielt mit 1200
Rittern/ Schweden und Gothen ſeinen Einzug/ da ſie inſonderheit von ihrer Schwieger-
Tochter Fuͤrſtin Sibylla ſehr freundlich empfangen wurden/ deren Geburtzeit herzuna-
hete/ und erfreueten ſich die Eltern hoͤchlich uͤber ihre Tugend und Froͤmmigkeit/ hatten
auch ihre Frl. Tochter Frl. Schulda mit ſich gebracht/ die nunmehr das 16 Jahr hinter
ſich gelegt hatte/ und ein ſehꝛ ſchoͤnes wolgezogenes Fraͤulein wahr. Des naͤheſten hernach
folgete der Daͤhniſche Koͤnig mit ſeinem Gemahl und dem Wendiſchen Fraͤulein/ nah-
mens Vanda/ auch mit 1200 wolgeputzeten Rittern/ und hatte ſeine Fr. Schweſter die
Wendiſche Fuͤrſtin Fr. Bochild ſich mit in ſeine Geſelſchafft begeben/ welche auch wol
und freundlich gewilkommet wurden. Weil dieſe ihren Einzug hielten kam ein Trometer/
und meldete an/ daß Koͤnig Hilderich mit ſeinem Gemahl Fr. Waldburg eine halbe Mei-
le von Prag mit 1800 Rittern im offenen Felde hielte/ und begehrete freundlich/ berichtet
zuwerden/ ob ihm erlaͤubet waͤhre mit ſeinen Leuten der Stad zunahen; Koͤnig Herkules
wahr Willens/ ihm entgegen zuzihen/ aber weil den anderen Koͤnigen ſolche Ehre nicht
begegnet wahr/ hielt ſein Sohn Fuͤrſt Markomir ſehr inſtaͤndig an/ ſolches zuunterlaſſen;
Er aber zog mit 10 Rittern ſeinen lieben Eltern nebeſt Herr Krokus entgegen/ als welcher
ihn mit allen ſeinen Leuten einladen muſte. Als der Vater ſeinen lieben Sohn in einem
Perſiſchen güldenen Stük/ mit Perlen und Demanten reichlich beſetzet/ auff einem Per-
fiſchen Pferde gar freidig gegen ihn daher kommen ſahe/ und zwar viel eine andere Reit-
art halten/ als vorhin/ erfreuete er ſich ſehr. Der Sohn/ als er nahe hinzu kam/ ſprang gar
o o o o o iijzierlich
[846]Achtes Buch.
zierlich vom Pferde/ kuͤſſete ſeinem Herr Vater anfangs das Knie/ nachgehend die Hand/
und ſagete: Gnaͤdigſter Herr Vater; Eurer Vaͤterlichen Hulde danke ich von Herzen/
daß dieſelbe mich hieher hat zihen laſſen/ woſelbſt meine Seele in der allervolkommenſten
Vergnuͤgung ſich befindet/ welche erdacht kan werden/ und weil die Zeit mir nicht goͤnnet/
meine Gluͤkſeligkeit zuerzaͤhlen/ wollen Eure Hocheit wiſſen/ daß an Koͤnig Herkules und
ſeinem Gemahl Koͤnigin Valiſka/ den unvergleichlichen allervolkommenſten Menſchen-
bildern der ganzen Welt/ ich nicht allein getraͤue wahre Freunde/ ſondern die allerbeſten
Lehrmeiſter angetroffen habe/ von denen ich nunmehr den Koͤniglichen Wolſtand zulernen
anfahe/ daß wann ich gleich meine Seele ihnen widmete/ ich dañoch den tauſendſten Teil
ihrer Gewogenheit und Woltahten damit nicht erſetzen wuͤrde. Herzlieber Sohn/ antwor-
tete der Vater; dem Him̃el ſey Dank vor deine Vergnuͤgung; werde nachzuſiñen haben/
was geſtalt den Uhrhebern derſelbẽ ich mich dankbar erzeige. Krokus legete die Einladung
gebuͤhrlich ab/ nebeſt Anmeldung/ daß dem Durchleuchtigſtẽ Groß Fuͤrſten Herrn Marko-
mir zugehorſamen/ die jungen Koͤnige uñ Fuͤrſten unterlaſſen haͤttẽ/ ihrer Koͤnigl. Hocheit
entgegen zureiten. Der Koͤnig/ ein uͤber die maſſen weiſer uñ verſtaͤndiger Herꝛ/ bedankete
ſich mit ſonderlicher Freundligkeit/ uñ zogẽ miteinander fort/ da dieſer Koͤnig gleich den vo-
rigen gewilkom̃et ward; doch Herkules uñ Valiſka erzeigetẽ ihm eine ſonderliche Ehre bey
ſeiner Ankunft/ uñ nenneten ihn allemahl ihren gnaͤdigẽ Herr Vater/ wie er dañ in Warheit
eine ſolche Hulde gegẽ ſie faſſete/ dz er hoch beteurete/ wañ es ihm an Leibes Erben mangeln
ſolte/ müſte kein Menſch in der Welt/ als ſie beide ſeine Nachfolger in der Herſchaft ſeyn.
Dieſer Abend aber ward in zimlicher ſtille von ihnen verzehret/ ohn daß Koͤnigin Valiſka
allemahl gelegenheit ſuchete/ dem hoch verſtaͤndigen Franken Koͤnige anlaß zu geben/ von
wichtigen Sachen zu reden/ da ſie unter andern zu ihm ſagete: Gnaͤdigſter Herr und Va-
ter; weil der hohe Gott meinen Gemahl und mich (da wir unſere herzliebe Eltern überle-
ben ſollen) darzu beruffen hat/ daß wir dermahl eins die wirkliche Herſchaft uͤber unſere
Untertahnen/ werden antreten muͤſſen; und aber zu deren rechtſchaffener Verwaltung nit
allein des hoͤchſten Haͤuptes verſtand und vorſorge/ ſondern auch redliche und kluge Raͤh-
te oder Amtsverwalter erfodert werden/ ſo daß ich dieſelben Fuͤrſten und Koͤnige nur vor
gluͤkſelig ſchaͤtzen kan/ denen Gott duͤchtige Raͤhte zuweiſet/ welche wir dannoch ſelber waͤh-
len und beſtellen muͤſſen; und aber mannicher Fuͤrſt und Herr nicht weiß noch verſtehet/
was vor Leute er zu ſolcher wirde erheben ſol/ die gleichſam ſeine andere Hand ſeyn muͤſſen;
als wuͤrde ich mirs vor ein hohes Glük rechnen/ wann dermahleins von eurer vaͤterlichen
Gnaden und Hulde/ mein Gemahl und ich/ hieruͤber heilſamen unterricht anhoͤren moͤch-
ten. Koͤnig Hilderich gab hierauff mit einem freundlichen Lachen zur Antwort: Hochweꝛ-
te Fr. Tochter; es hat eure Liebe ſehr wohl und recht fürſtlich geurteilet/ in dem ſie deren Koͤ-
nige und Fuͤrſten Zuſtand vor gluͤkſelig haͤlt/ denen der Himmel redliche und hochverſtaͤn-
dige Raͤhte gegeben hat; wie ich dann nicht zweifele/ daß der himliſchen Verſehung ſon-
derliche Gnade es ſey/ wann ein Landes-Herſcher mit ſolchen Leuten zur gnuͤge verſehen iſt.
Dann hierauff beruhet der Untertahnen Wolfahrt/ und auff dem wiedrigen/ ihr gewiſſes
verderben. Daher mein Uhranherr Koͤnig Rahter (welcher der achte vor mich/ die Her-
ſchaft uͤber das Sikamberſche Volk geführet/ und vor 139 Jahren dieſe Welt geſegnet/
nach-
[847]Achtes Buch.
nachdem er 21 Jahr geherſchet hatte) in ſeinem Handbuche dieſes unter andern aufgezeich-
net hat; Welchem Lande und Koͤnige die guͤtigen Goͤtter gewogen ſind/ dieſelben verſehen ſie mit
duͤchtigen frommen Raͤhten und Dienern. Daher auſſer allem zweifel eines Fuͤrſten hoͤchſte uñ
erſte Sorge billich ſeyn mus/ daß es ihm an guten Raͤhten nicht mangele. Daß aber meine
Durchl. Fr. Tochter hieruͤber von mir einige unterweiſung begehret und wuͤnſchet/ ſo er-
kenne daher zwar ihre hohe gewogenheit gegen mich/ aber zu gleich auch mein unvermoͤ-
gen/ ihrem Willen ein genuͤgen zu leiſten; nicht allein/ daß andere großmaͤchtige Koͤnige
gegenwaͤrtig/ deſſen viel groͤſſere erfahrung und wiſſenſchaft haben/ als ich; ſondern meine
Fr. Tochter/ und ihr preißwirdigſter Gemahl einen ſo hohen verſtand durch des Him̃els
Gunſt uͤberkommen/ daß auch die grauen Haͤupter ſich nicht ſchaͤmen duͤrfen/ von ihnen zu
lernen; wie ich dann gar nicht zweifele/ ſie werden beyderſeits ihre hohe gedanken ſchon vor
laͤngſt auff dieſe betrachtung gewendet haben. Ach mein Gn. Herr Vater/ ſagte Herkules/
wie ſolte unſere unwitzige Jugend an ſo hohe Weißheit gelangen/ welche durch langwiri-
ge Erfahrung muß zu wege gebracht werden? da wir überdas noch die wenigen Jahre
unſers angehenden verſtandes/ in ſteter Rittersuͤbung zugebracht/ und uns eine Abenteur
uͤber die andere zugewachſen iſt/ daß wir nit eins ſo viel mueß gehabt/ an dergleichen wich-
tigkeiten zugedenken. Werde demnach nicht unterlaſſen/ mein liebes Gemahl zu muhtigẽ/
daß vor erlangete gn. einwilligung/ ſie nicht abſtehe/ eure vaͤterliche Gn. hierumb kindlich
zuerſuchen; zum wenigſten/ daß wir nur das Gluͤk haben moͤgen/ zuerfahren/ was etwa ih-
rer Hocheit hochloͤbliche Vorfahren davon denkwirdiges auffgezeichnet/ und ihren Nach-
kommen zu gute/ hinter ſich verlaſſen haben. Meinem hochwerten Herrn Sohn/ und deſſen
ruhmwirdigſtem Gemahl/ ſagte er/ bin ich viel ein mehres ſchuldig/ wann ich mich ſelbſt
nur bereden duͤrfte/ ſolches in dieſer Hochkoͤniglichen Verſamlung vorzutragen. Und als
ſo wol der Schwediſche als der Daͤhniſche Koͤnig darumb anhielt/ brachte er nach gebeh-
tener verzeihung dieſes vor. Unter andern meinen hochloͤblichen Vorfahren/ iſt vor hoch-
gedachter Koͤnig Rather/ und der fuͤnfte nach ihm/ Koͤnig Klodomir (welcher vor 64 Jah-
ren dieſe Eitelkeit verlaſſen) vor andern/ wegen ihrer Weißheit und kluͤglich gefuͤhreten
Herſchaft hochbenahmet; und weil ich mirs nicht vor ein geringes Gluͤk ſchaͤtze/ daß ihre
eigenhaͤndige Auffzeichnungen geerbet/ habe dieſelben ich fleiſſig gegen einander gehalten/
nach vermoͤgen erwogen/ und daraus dieſen Nachricht angemerket: Nehmlich/ wann ein
groſſer Fuͤrſt oder Koͤnig ſeine Herſchaft wol und gluͤklich fuͤhren wil/ mus er ſich vor allen
dingen nach guten nuͤzlichen Raͤhten/ und anderen hohen Bedieneten umbtuhn/ welche
Gottfuͤrchtig/ wolerfahren/ ihrer eigenen Bewaͤgungen Meiſter/ dem Geiz abhold/ dem
Lande und Untertahnen von herzen gewogen/ ihrem Herrn getraͤu und ergeben/ und unteꝛ-
einander ſelbſt einig als Bruͤder ſind. Dann ein Menſch/ der die Goͤtter nicht ehret noch
fürchtet/ gibt dadurch an den Tag/ daß er allerdinge Gewiſſen-loß ſey/ und man ſich zu ihm
durchaus keiner Traͤue verſehen duͤrfe. Und wie kan derſelbe Menſchen traͤue beweiſen/
welcher der groſſen Goͤtter ſpottet? Wer dann ſelbſt keine erfahrung hat/ wie ſol der ande-
ren vorſtehen? was ich ſelbſt nicht habe/ kan ich ja anderen nicht mitteilen. Es wird ein un-
erfahrner Raht nicht anders zuplatzen/ als ein Blinder/ der aus vorwiz ohn einen Fuͤhrer
dahin ſpringet; und mus nohtwendig ein ſolcher blinder Leiter/ die armen Untertahnen
auch
[848]Achtes Buch.
auch wol/ die beſſer ſehen als er/ in die Grube ſtuͤrtzen. Wird er aber uͤberdas noch von ſei-
nen eigenen Bewaͤgungen oder Begierden uͤbernommen und beherſchet/ dann wird we-
der ſein Gehirn geſchikt ſeyn/ die wahre Klugheit zubegreiffen; noch ſeyn Herz/ die Gerech-
tigkeit zu handhaben ſondern durch Liebe und Haß/ wird er ſich laſſen zwingen/ auff nichts/
als auff ſeinen Willen/ alles ſein vornehmen zu gruͤnden. Komt dann der ſchaͤndliche Geiz
noch dazu/ dann iſt der unerfahrneſte Baur zur Rahtsbedienung geſchikter/ weder der aller
gelehrteſte Geizhalß; dann jener wird ſo weit recht tuhn/ als ers verſtehet; dieſer aber umb
Geſchenke willen auch das bekanteſte und noͤhtigſte Recht unterdruͤcken. Uberdas muͤſſen
hohe Fürſt- und Koͤnigliche Bedinete nichts uͤberal heftiger lieben/ als ihres Herrn Land
und Leute. Dann umb derer Wolfahrt willen werden ſie beſtellet/ ſo gar/ daß wann die hohe
Obrigkeit ſich denen unmilde und grauſam bezeigen wolte/ ſie gehalten ſind/ ihnen einzure-
den/ und alles verderbliche von dem Lande abzuwenden. Und wie hochnoͤhtig dieſes man-
nichmahl bey Fuͤrſten und Koͤnigen ſey/ laͤſſet uns die Erfahrung auff beyden Blaͤttern le-
ſen. Maſſen/ wann die hohe Obrigkeit mehr auff ihren nutzen/ als des Landes Wolfahrt ſi-
het/ und die hohen Raͤhte/ umb Gunſt zuverdienen/ oder des Vortels mit zugenieſſen/ nicht
allein gar nicht wiederrahten/ ſondeꝛn noch wol mit zuſtimmen/ und/ welches ſo viel ſchaͤnd-
und ſchaͤdlicher/ der Obrigkeit ſolche Landes-verderbliche Vorſchlaͤge tuhn; O ſo weh den
armen Untertahnen! bey wem ſollen ſie ſich Rahts erhohlen? wem ſollen ſie ihre noht kla-
gen/ und nur erinnerung tuhn/ was vor Unheil ſolches nach ſich zihe? Wolte Gott! daß
die hohen Haͤupter und Koͤnige ihnen nur dieſes ſtets lieſſen vor ihrem Gedaͤchtnis ſchwe-
ben/ daß nicht die Untertahnen umb des Koͤniges willen/ ſondern der Koͤnig umb der Un-
tertahnen willen geſetzt iſt. Weil ja Untertahnen noch wol ſeyn koͤnnen/ ob ſie gleich keinen
Koͤnig haben; dann ſie koͤnnen ihnen eine wilkuͤhrliche Obrigkeit waͤhlen. Aber was iſt ein
Koͤnig ohn Untertahnen anders/ als ein Bild ohn Leib? Nun achte ichs aber einem Koͤnige
gleiche verweißlich/ ob er gar keine Untertahnen/ oder aber ſolche Untertahnen habe/ die
wegen ſeiner Grauſamkeit und ungerechten Verfahrungen ihn im Herzen verfluchen.
Dann jenes Roͤmiſchen Kaͤyſers Sprichwort: Oderint dum metuant: Laß die Untertahnen
mich nur immerhin haſſen und im Herzen anfeinden/ wann ſie mich nur fuͤrchten; halte ich vor das
allergewiſſeſte Kennezeichen eines allerdinge volkommenen Wuͤterichs. Gleichwol muͤſ-
ſen die Raͤhte der Untertahnen beſtes alſo befodern/ daß ſie zugleich auch ihrem Herrn/ der
ſie beſtellet hat/ getraͤu ſeyn; welches ſie alsdann leiſten/ wann ſie deſſen fuͤrſtliche Ehre und
guten Nahmen zuerhalten bemuͤhet ſind; auch demſelben/ da er etwa unrecht vornehmen/
oder ein unfuͤrſtliches Leben fuͤhren wolte/ geherzt/ wiewol mit gebuͤhrlicher Ehrerbietung
einreden/ und ſonſten ſeine Wolfahrt nach vermoͤgen fortzuſetzen/ ſeinen Schaden aber ab-
zuwenden/ nimmer aus der Acht laſſen; iſt auch nicht ihre geringſte Schuldigkeit/ daß bey
den Untertahnen ſie ihren Fuͤrſten in gutem vertrauen erhalten. Wann mirs nun nicht
moͤchte verarget werden/ ſagte alhie Koͤnig Hilderich/ koͤnte ich hiebey mit wenigen anfuͤh-
ren; wie dann ein ruhmwirdiger Fürſt vor ſich ſelbſt/ gegen ſeine Untertahnen ſich müſſe
verhalten/ daß er in deren Liebe verbleiben moͤge/ als welches ich vor die groͤſte Kunſt/ und
vornehmſtes Stuͤk einer loͤblichen Herſchaft achte. Und als Valiſla mit wenigen zuverneh-
men gab/ wie ſehr angenehm ihnen allen ſolche zwiſchen eingeſchloſſene Lehre ſeyn würde/
fuhr
[849]Achtes Buch.
fuhr er alſo fort: Ich ſetze dieſes zum grunde/ daß ein jeder Fuͤrſt oder Koͤnig/ krafft ſeines
Amts und Gewiſſens gehalten ſey/ ſich deſſen allemahl zuerinnern/ daß alle ſeine Untertah-
nen/ auch die allergeringſten/ ja ſo wol Menſchen ſind/ als er ſelbſt; dann wird er ſich ſchon
zugleich mit erinnern/ daß er ſie auch menſchlich handeln und anſehen müſſe. Hierbey ſol
er bedenken/ was ein Haußvater in ſeiner engen Wohnung bey ſeinen Kindern iſt/ eben
daß ſey ein Fuͤrſt oder Koͤnig in ſeinem groſſen Hauſe bey ſeinen Untertahnen. Darumb
ſo mus er auch ſeine Untertahnen wie ein Vater ſeine Kinder/ lieben/ und deren Heyl und
Wolfahrt ihm laſſen angelegen ſeyn. Iſt er dann ſeiner Untertahnen Vater/ ſo mus er ih-
nen auch freundlich ſeyn; doch alſo/ das ſein Anſehen nicht geſchmaͤlert werde/ ſondern die
kindliche Furcht jene in ſtetem untertaͤhnigen Gehorſam erhalte. Und weil unter ſo groſ-
ſer menge Volks ſich viel mutwillige befinden/ wie dann wol eines Vaters Kinder nicht
alle gleiche from ſind/ ſo erfodert es des Landes Wolfahrt/ daß ſolche frevelmuͤhtige durch
ſcharffe Geſetze von der Bosheit abgeſchrecket/ uñ durch Furcht der Straffe in den Schꝛan-
ken des Gehorſams gehalten werden; wiewol eine Obrigkeit billich dahin zuſehen hat/ daß
der Geſetze anzahl nicht uͤberhaͤuffet/ noch den Untertahnen der Gehorſam unmoͤglich ge-
macht werde. Zu wuͤnſchen waͤhre es/ daß die Obrigkeit allemahl mit dem Gehorſam koͤn-
te zufrieden und vergnuͤget ſeyn/ welchen die Goͤtter im Himmel/ und die Ehrbarkeit auff
Erden erfodert; aber weil ein Koͤnig und Fuͤrſt ſo wol wegen des gemeinen beſten/ als ſei-
nes Koͤniglichen Standes erhaltung viel anzuwenden hat/ iſt es billich und recht/ daß die
Untertahnen die ertraͤglichen Schatzungen und andere unpflichte gerne und willig aus-
richten; wozu die vernunftloſen Bienen ſie anweiſen/ welche ihrẽ Koͤnig reichlich ernaͤh-
ren. Doch mus ſolches alles/ oder ja der groͤſte teil zu des Landes beſten angewendet werdẽ;
und waͤhre ſehr gut und loͤblich/ daß groſſe Fuͤrſten alle uͤppige koſten einzoͤgen/ wañ ſie mit
der Untertahnen beſchwerung gefuͤhret werdẽ. Was aber zur erhaltung Fuͤrſtlicher Hoch-
heit und Wuͤrde erfodertwird/ ſolches muͤſſen die Untertahnẽ gerne herſchieſſen/ weil es zu-
gleich mit zu ihrẽ beſten angeſehẽ iſt. Da auch einige ſich nit ſcheuhen würden/ an ihrer ho-
hen Obrigkeit/ durch ſchmaͤhung oder taͤhtligkeit ſich zuvergreiffen/ alsdann mus man mit
ſolchen verwaͤgenen trauen nicht durch die Finger ſehen/ ſondern andern zum Beyſpiel uñ
Schrecken/ harte und peinliche Straffen ergehen laſſen/ inbetrachtung/ daß mannicher
Bube ſich nicht vor dem Tode/ aber gleichwol vor peinlicher hinrichtung fuͤrchtet; daher
die Obrigkeit durch ſolche ſchaͤrffe ihr ſelbſt gute ſicherheit ſchaffen mus. Wie ſtraͤnge man
nun wieder ſolche Auffruͤhrer ſich bezeigen ſol/ ſo gnaͤdig hat man ſich hingegen bey denen
finden zulaſſen/ welche durch eine ſonderliche Traͤue ſich umb uns verdienet machen; und
tuht eine Obrigkeit wol/ wann ſie ſolche gehorſame Untertahnen hervorzeuhet/ und durch
ſonderliche Ehre und milde Schenkungen ſie groß machet/ weil dadurch andere zu gleich-
maͤſſigem wolverhalten veranlaſſet werden. Der Staͤnde und Staͤdte/ von unſern Vor-
fahren durch wolverhalten erlangete Freiheiten und begnadigungen/ ſollen wir Nachfol-
ger in der Herſchaft nicht ſuchen zuverringern/ oder wol gar unguͤltig zu machen/ ſondern
ihnen dieſelbe gnaͤdigſt beſtaͤtigen/ oder wol gar vermehren/ wann ſie deſſen wert ſind. Dañ
es iſt Fuͤrſtlich/ daß man Woltahten austeilet/ nicht/ daß man ſie ohn wichtige Urſachen
einzeuhet oder abſchneidet. Wiewol eine hohe Obrigkeit billich darauff zuſehen hat/ daß ſie
p p p p pden
[850]Achtes Buch.
den verbundenen Vntertahnen nicht zu groſſe Freiheiten ſchenke/ durch welche ſie/ oder
ihre Nachkommen koͤnten veranlaſſet werden/ ſich ihreꝛ Obrigkeit gar zu entreiſſen/ inſon-
derheit/ wann ihre Macht ohndaß groß und zu fürchten iſt. Vnd damit ich zum Ende eile/
mus die hohe Obrigkeit ein wachendes Auge auff ihre Vntertahnen haben/ daß dieſelben
nicht durch Reichtuhm und Frecheit in verſchwendung und wuͤſtes Leben gerahten/ ſon-
dern dieſelben vielmehr zur Maͤſſigkeit und Sparſamkeit angehalten werden. Dann jenes
bringet das gewiſſe Verderben des Landes; dieſes aber die ungezweifelte Auffnahme deſ-
ſelben mit ſich. Hat dann unſer Land die Gnade der Fruchtbarkeit von Gott/ und einen ge-
ſchlachten Boden/ alsdann muͤſſen des Landes Inwohner zum Ackerbau und zur Vieh-
zucht fleiſſig angehalten werden/ damit das Land ſeine Leute ſpeiſen uñ ernaͤhren koͤnne/ und
man ſolche noͤhtige Lebensmittel nicht aus der ferne hohlen und an ſich kaͤuffen duͤrfe/ wo-
durch ein Land nohtwendig in armut und verderben gerahten mus. Hat aber der Himmel
unſer Landſchaft eine und andere nohtwendigkeit verſaget/ deren wir nicht entrahten koͤn-
nen/ als da ſind/ Salz/ Korn/ Holz/ Wein/ Gewuͤrtz/ Zeug zur Kleidung/ und dergleichen/
(dann dz unnoͤhtige iſt beſſer gemieden als gekauft) ſo ſol zwar die Obrigkeit hieſelbſt Han-
del und Wandel gerne geſtatten/ und denſelben durch unertraͤgliche Zolſteigerung nicht zu
ſchwer machen; aber dabey doch/ ſo viel moͤglich/ verhuͤten/ daß die fremden/ ſonderlich die
unnoͤhtigen Waaren/ nicht durch lautere Baarſchaft erkauft werden/ ſondern man dieſel-
ben umb des Landes uͤberfluß/ (es ſey Korn/ Vieh/ Leder/ Handarbeit und dergleichen)
durch einen Tauſch oder Wechſel an ſich bringe. Dann wo die Inwohner des Landes die
Freyheit haben/ ihr Geld vor allerhand Waaren auſſer Landes hinzugeben/ da mus noht-
wendig ein ſolches Land endlich an Silber und Gold erſchoͤpfet werden/ inſonderheit/ wañ
den Kauffleuten auch die unnoͤhtigen Waaren/ die nur zur befoderung der Vppigkeit die-
nen/ umbs Geld zu kaͤuffen gegoͤnnet wird. Zwar man findet etliche Landſchaften/ deren
Obrigkeit dieſes Stuͤk gar nicht zu Herzen nimt; aber ſie werden es zu ſpaͤt bereuen/ wann
ſie ihr Land von allen baaren Mitteln werden entbloͤſſet ſehen. Hingegen gibt es die Erfah-
rung/ wie reich dieſelben Koͤnigreiche an Silber und Golde bleiben/ welche deſſen nichts/
als vor die nohtwendigſten Waaren/ weder heimlich noch offentlich/ bey ſcharffer Lebens-
ſtraffe laſſen hinaus fuͤhren. Es waͤhre dann/ daß ein Inwohner umb ſeiner Wolfahrt wil-
len ſein Vaterland verlaſſen/ und in einem anderen Lande ſich beſetzen wuͤrde/ dem daß ſeine
billich abgefolget wird/ nur daß er einen ertraͤglichen teil/ wo es die Satzungen alſo erhei-
ſchen/ wird hinter ſich verlaſſen muͤſſen. Noch dieſes wird noͤhtig zubeobachten ſeyn/ daß
wann unſers Landes Inwohner Gelegenheit haben/ auff groſſen Waſſern/ oder wol auff
dem Meer Schiffart zu treiben/ ſollen ſie ein ſolches koͤſtliches Mittel zur Vaterlandes
Wolfahrt ja nicht verabſeumen/ oder liederlich ſchaͤtzen/ ſondern ſich dieſer Gabe der guͤti-
gen Goͤtter fleiſſig gebrauchen/ und nicht fremden Voͤlkern einraͤumen/ ſolches herliche Ge-
werbe an ſich zuzihen/ und die Inwohner dadurch auszuſaugen/ ſondern/ weſſen ſie beduͤr-
fen ſollen ſie ſelbſt einhohlen/ und was ſie uͤberfluͤſſig haben/ andern zufuͤhren. Dann was
vor ein groſſer Vortel hierunter ſtecket/ habe ich bey meines hochſeel. H. Vaters Koͤniges
Hunno/ und bey meiner funffzehnjaͤhrigen Herſchaft nicht ohn verwunderung befunden.
Aber gnug von ſolcher Nahrhandelung/ welche in Friedeszeiten der Inwohner Gluͤks-
topf
[851]Achtes Buch
topf iſt. Es wil aber dannoch mit pfluͤgen/ Vieherzihen und Kauffmanſchaft treiben nicht
allemahl ausgerichtet ſeyn/ ſondern weil ein Land/ daß vor andern haabſelig iſt/ auch ſo viel
mehr Feinde hat/ die deſſen Wolfahrt an ſich zuzihen bemuͤhet ſind/ ſo müſſen trauen die
Inwohner auff ſolchen Fal ſich auch zu ſchuͤtzen wiſſen. Vnd wil ſich gleichwol nicht alzeit
tuhn laſſen/ daß man immerzu eine groſſe Kriegsmacht bey auffgerichteten und fliegenden
Faͤhnlein unterhaͤlt und beſoldet/ dann ſolches wuͤrde den Vntertahnen gar zu ſchwer fal-
len; und ſtecket noch viel eine groͤſſere Gefahr darunter. Maſſen wann ſolche Kriegsver-
faſſung zu maͤchtig wird/ daß bey des Koͤniges abſterben/ die Inwohner derſelben nicht ge-
wachſen ſind/ ſo pflegen die hohen Kriegsbeamten muhtig zu werden/ enttzihen den Staͤn-
den (da ſie das Recht haben) die freie Wahl/ oder der Erbherr mus ihnen wol gute Wor-
te geben/ und die Herrſchaft ihnen abkaͤuffen/ wie ſolches die Roͤmer mit ihrem groſſen
Schaden bey ihres Kaͤyſers abſterben erfahren muͤſſen. Welchem Vnheil vorzubauen/ iſt
hochnoͤhtig/ daß des Landes Inwohner ſelbſt bey Friedeszeiten zum Krige angewehnet/ uñ
in ritterlichen uͤbungen getrillet werden; nicht allein/ wie ſie ein Lager oder Feſtung hand-
haben und beſchuͤtzen/ ſondern auch der Feinde Schanzen und Mauren ſtuͤrmen/ ja/ eine
offentliche Feldſchlacht antreten/ und auff allerhand weiſe dem Feinde Wiederſtand lei-
ſten ſollen. Da dann der Adel im Reiten/ Rennen und Stechen ſich uͤben; Buͤrger und
Bauren aber zum ſchieſſen und andern Kriegeriſchen Betreibungen ſollen angefuͤhret
werden; ſo gar/ daß die/ ſo ſich wegern wolten/ in der Jugend die Waffen anzulegen/ als
nichts werte oder wol gar als ehrloſe zuzeichnen ſind. Ja es ſol kein Inwohner des Landes
ſeyn/ der nicht ſein noͤhtiges Gewehr in ſeinem Hauſe habe. Dann dieſe vorſichtige An-
ſtellung verſichert das Land/ ſchrecket alle muhtwillige Feinde ab/ und machet den Koͤnig
unuͤberwindlich; inſonderheit/ wann mans fein anordnet/ dz durch ein gegebenes Rauch-
oder Feurzeichen alle Inwohner in wenig Stunden koͤnnen ins Gewehr gebracht werden.
Noch eins und anders iſt uͤbrig/ mit wenigen hiebey anzudeuten; daß bey ſolcher Kriege-
riſchen Zubereitung/ Recht und Gerechtigkeit nicht verabſeumet/ oder auf die lange Bank
geſchoben werde/ ſondern die/ ſo darzu beſtellet ſind/ allen Rechtfertigungen ſchleunigſt ab-
helffen/ und den geizigen Vorſprachen nicht goͤnnen/ umb ihres Nutzen willen/ weitlaͤuff-
tiges Schmierment auffzuſetzen/ und die Rechts Zaͤnkerey unſterblich zumachen/ ſondern
ſie ſollen ſolche Zankſuͤchtige anhalten/ daß ſie ihre Klage und Verantwortung auffs kuͤr-
zeſte verfaſſen/ ihren Beweißtuhm dabey klaͤrlich fuͤhren/ und durch Zeugen (wann ſolche
verhanden ſind) alles feſt machen/ oder ſonſt auff gebuͤhrliche Mittel ſich ſchicken/ dann
wird es die Erfahrung geben/ daß nicht bald einiger Rechtsſtreit ſo wichtig und ſchwer iſt/
welcher nicht ſolte koͤnnen vermittels drey oder vier Satzen und Verhoͤrungen/ inwendig
drey Viertel Jahrsfriſt gehoben und eroͤrtert werden. Da man aber den Vorſprachen
goͤnnet/ daß ſie eine Sache oft vier/ zehn/ zwanzig/ und mehr Jahr aufhalten/ oder der Rich-
ter durch Schenkungen ſich verblenden laͤſſet/ vor das meiſte Geld das beſte Recht zuver-
kaͤuffen/ da muß endlich der Himmel ein Einſehen tuhn/ und wegen ſolcher Ungerechtig-
keit das ganze Land abſtraffen/ weil die Goͤtter der Unrecht-leidenden Traͤhnen nicht unge-
rochen laſſen. Schließlich hat die hohe Landes Obrigkeit auch dahin zuſehen/ daß die Un-
tertahnen ihnen nicht die freche Freiheit nehmen/ auslaͤndiſche leichtfertige Sitten und
p p p p p ijKlei-
[852]Achtes Buch.
Kleidungen einzufuͤhren/ ſondern der uͤblichen Landesart ſich gemaͤß zubezeigen; dann es
gibts die Erfahrung/ daß man bald hernach deren Joch und Herſchafft hat muͤſſen uͤber
ſich nehmen/ deren Sitten und Trachten man wider Landesgebrauch ſich hat geluͤſten laſ-
ſen. Verzeihet mirs/ bitte ich/ ihr gewaltige Koͤnige und andere hohe Anweſende/ daß in die-
ſer Frage/ wie die hohe Obrigkeit gegen ihre Untertahnen ſich bezeigen/ und des Landes
beſte beobachten ſol/ ich etwas weitlaͤufftig/ (muß wol bekennen) geweſen bin/ da doch/ umb
daſſelbe zuerklaͤren/ nit bin erfuchet worden; dann weil hochgedachte meine Vorfahren die-
ſes in ihren ſchrifftlichen Anmerkungen ganz fleiſſig unterſuchet und auffgezeichnet habẽ/
ſo habe ſolches zugleich mit anzufuͤhren/ kein bedenken getragen. In Beſtellung aber der
Koͤnig und Fuͤrſtlichen Raͤhte und hohen Bedieneten/ iſt noch uͤbrig/ daß die Obrigkeit
beſtes fleiſſes verhuͤte und hindere/ damit unter ihren Raͤhten ja keine Mißhelligkeit oder
Zwietracht entſtehe; weil daher entweder dem Lande/ oder dem Koͤnige Unheil zuwachſen
kan. Dann hat der eine etwas gutes und nuͤzliches vor/ wodurch er ihm ſuchet Ruhm und
Ehr zuerwerben/ wird ſein neidiſcher bemuͤhet ſeyn/ ſolches zuhindern/ nur daß jener ſich
nicht moͤge umb das gemeine Weſen oder den Koͤnig verdienter machen/ als er. Zwar es
ſtehen etliche Weltweiſe in den Gedanken/ es koͤnne der Obrigkeit viel faͤltig zutraͤglich ſeyn/
wann die hohen Bedieneten Mißverſtaͤnde untereinander haben; dann da muͤſſe der eine
ſich vor dem andern fuͤꝛchten/ ichtwas vorzunehmen/ was ihm einigen Verdacht koͤnte zu-
zihen. Es werde auch ein jeder ſich befleiſſigen/ durch woltuhn des Herrn Gnade zuer hal-
ten; und ſey dieſer Zwietracht ein gewuͤnſchtes Mittel/ durch welches ein Fuͤrſt ſeinen
Raͤhten hinter ihre Heimligkeit kommen koͤnne. Ich aber weiß dieſer Meinung nicht bey-
zupflichten; Urſach/ die Gefahr ſolcher Uneinigkeit iſt groͤſſer/ als der verhoffete ungewiſſe
Nutzen. Und wer ſeinem Herrn durch Verleumdung an derer ſeiner Mitgeſellen gefallen/
oder deſſen Gunſt ſuchen wil/ den achte ich des Nahmens eines redlichen Mannes unwir-
dig ſeyn. Dann er gebrauchet ſich unredlicher Mittel zu ſeinem Vortel/ und ſuchet ſeine
Auffnahme durch eines andern Unterdruckung/ wo durch er ſich in Veꝛdacht ſetzet/ dz man
ihm im grunde nicht trauen darff. Zugeſchweigen/ daß wann ein Fuͤrſt ſolchen Verleum-
dungen das Gehoͤr leihen wolte/ er durch falſches angeben leicht koͤnte dahin verleitet wer-
den/ daß er den ſchaͤdlichen Schmeichlern trauete/ und die Unſchuldigen zu ſeinem groſſen
Schaden beleidigte. Mit wenigem zuſagen: Ich ſetze in allen Handlungen/ (auff gut auff-
richtig Teutſch) die redliche Auffrichtigkeit zum Grunde/ und verfluche dagegen allen
Vortel/ welcher mit eines andern unbefugter Unterdruͤckung oder Schadẽ erlanget wird.
Auff mein Vorhaben wie der zukommen/ ſo wollen hieſelbſt etliche einſtraͤuen; die gar zu
groſſe Freundſchafft und Einigkeit der Fuͤrſtlichen Raͤhte/ koͤnne dem Herrn und ſeinem
Lande ſchaden bringen/ und ſie in Gefahr ſetzen/ wann ſie ſich unterſtehen duͤrfften/ wider
dieſelben allerhand nachteilige Rahtſchlaͤge zuſchmieden. Denen ich zur Antwort gebe:
Es muͤſte ein Fuͤrſt die allerſchlimmeſten Buben ſeines Landes zu Raͤhten angetroffen o-
der erwaͤhlet haben/ wann nicht ein einziger frommer Mann unter ihnen ſeyn ſolte/ wel-
cher ſich der uͤbrigen verraͤhteriſchen Boßheit duͤrffte oder wolte entgegen ſetzen. Aber es
iſt eine vergebliche Furcht; maſſen ſolche Bedienete ihre Schelmſtuͤcken nimmermehr ſo
heimlich treiben koͤnnen/ daß von dem Fuͤrſten ſelbſt/ oder von etlichen ſeinen Leuten es nit
ſolte
[853]Achtes Buch.
ſolte koͤnnen gemerket werden. Welchem allen nach ein Fürſt ſeine Raͤhte zur Einigkeit
vermahne und anhalte/ und da unter ihnen ein reudiges Schaff ſich darzu nicht wolte be-
quehmen/ gebe man ihm ehrlichen Abſcheid. Dann was jener Roͤmiſcher Geſchichtſchrei-
ber ſehr nachdenklich ein führet/ Concordia res parvæ creſcunt, \&c. Durch Einigkeit nehmen
kleine Dinge zu/ aber durch Uneinigkeit zerfallen auch die allergroͤſten; daſſelbe findet trauen auch
hieſelbſt ſtat; uñ kan ein Fuͤnklein der Uneinigkeit zwiſchẽ den Raͤhten ein groſſes verzeh-
ren des Feur bey den Untertahnen anzuͤnden/ welches zu loͤſchen der Fuͤrſt ſelber nit maͤch-
tig gnug waͤhre. Moͤchte jemand ſprechen: Ich vernehme zur gnuͤge/ was vor Leute zu
Fuͤrſt- und Koͤniglichen Rahtsbedienungen tuͤchtig und geſchikt ſind; aber wer ſtecket
dem Menſchen beym Herzen/ oder wer kan einem andern es vor der Stirn leſen/ was er
im Gemuͤhts Schilde fuͤhret? es iſt nicht alles Gold/ was da ſcheinet/ und die abgefeimte-
ſte Buben wiſſen durch Gleißnerey ſich am Tugendmildeſten zuſtellen. Iſt alles wahr/
und erſcheinet daher/ wie ſorgfaͤltig ein Fuͤrſt in Beſtellung ſeiner Raͤhte verfahren muͤſ-
ſe; nehmlich/ daß/ wo moͤglich/ man keine fremde und unbekante/ noch junge unerfahrne
Leute aus bloſſer unbedachtſamer und blinder Gunſt zu ſolchen Aemptern erhebe/ ſondern
die beydes ihrer Geſchikligkeit und auffrichtigen Wandels bey andern ein gutes Zeugniß
haben. Und handelt ein Fuͤrſt ſehr kluͤglich/ wann er einem neubeſtelleten Raht/ eine oder
andere Sachen klar zumachen aufftraͤget/ da man aus deſſen Vornehmen und Bezeigung
guter maſſen wird abnehmen koͤnnen/ wie weit ſolches Mannes Vermoͤgen und Aufrich-
tigkeit ſich erſtrecket. Wil man dañ einen beſtelleten Raht zugleich pruͤfen/ ob er verſchwie-
gen ſey/ und eine anvertrauete Heimligkeit unter dem Schloſſe des Herzen behalten koͤñe/
ſo rede der Fuͤrſt ein und anders mit ihm allein/ als im hoͤchſten Vertrauen (obs gleich nit
viel auff ſich hat)/ und ſage keinem andern ichtswas davon; dann wird ſichs finden/ wie
weit ihm zutrauen ſey. Da ich dann allen verſtaͤndigen Raͤhten und Bedieneten die ge-
traͤue Warnung erteilen wil/ daß niemand ſein Weib/ oder Kinder/ oder Anverwanten ſo
lieb habe/ ihnen daſſelbe zuoffenbahren/ was ſein Herr bey ihm/ als in geheimer Verwah-
rung nidergeſetzet hat; dann was drey wiſſen/ das bleibet nimmer heimlich. Schließlich
hat ein Fuͤrſt ſich wol vorzuſehen/ daß ſeiner hohen Bedienten keinem es eingeraͤumet wer-
de/ Raͤhte und andere Amtleute nach ſeinem Gefallen zubeſtellen/ damit der Befoderer von
ſeinen Geſchoͤpffen oder Befoderten nicht zu groſſen Anhang bekomme/ und der Herr ſel-
ber ſich vor ihm fuͤrchten muͤſſe. (Dieſes als Mnata es hoͤrete/ ließ er einen tieffen Seuff-
zer aus dem innerſten ſeines Herzen; und Koͤnig Hilderich fuhr alſo fort:) Ich vor mein
Haͤupt pflege es alſo zuhalten: Wann einige vornehme Bedienung durch toͤdlichen Ab-
gang meines Dieners erlediget wird/ laſſe ich mir von meinẽ Raͤhten unterſchiedliche vor-
ſchlagen/ nach deren Leben und Wandel ich mich unvermerkt erkuͤndige/ auch mit ihnen
wol ſelbſt Unterredung pflege; da dann die bloͤdeſten/ und die eine auffgegebene wichtige
Frage aufzuloͤſen/ Bedenkzeit begehren/ mir nicht allemahl die unangenehmſten ſind. Hin-
gegen die/ ſo mit ihrer Antwort zuplatzen/ und ohn Bedacht vor geſchikt gnug wollen an-
geſehen ſeyn/ kommen mir ſehr verdaͤchtig vor/ daß es ihnen entweder am Verſtande/ oder
gebuͤhrlicher Ehrerbietigkeit mangele. Iſt nun einer unter den vorgeſchlagenen/ der mir
wol anſtehet/ ſo beſtelle ich denſelben/ und gebiete/ daß ein jeder ihn erkennen und halten ſol-
p p p p p iijle/
[854]Achtes Buch.
le/ vor den ich ihn geſezt habe. Kan ich aber die Wahl unter den vorgeſtelleten ſelber nicht
machen; dann trage ich meinen Leuten auff/ einen davon auszuleſen/ und mit einhelliger
Stimme mir ihn zunennen; und wann ſolches geſchiehet/ behalte ich mir dannoch die
Freyheit/ ihn anzunehmen/ oder eine andere Wahl von ihnen zuheiſchen. Koͤnnen ſie aber
der Sache unter ihnen nicht eins werden/ ſo laſſe ich die/ an welchen keiner etwas zutadeln
hat/ zuſammen treten/ und die Wahl durchs Loß ausrichten. Da dann bey Beſtellung ich
meinen Leuten ehrlichen und gnugſamen Unterhalt vermache/ davon ſie nicht allein leben
und ihren Stand fuͤhren/ ſondern auch den ihren einen Noht- und Ehrenpfennig erſpa-
ren koͤnnen; jedoch nebeſt dieſer ernſtlichen Warſchauung/ daß wo ich an ihnen einige
Untraͤue oder Ungerechtigkeit ſpuͤren wuͤrde/ daß umb Geſchenk oder Gunſt willen ſie das
Recht verkehreten/ muͤſte ſolches an ihnen/ andern zum Beyſpiel/ ohn alle Gnade geſtraffet
werden. Und bey Angelobung ihrer Traͤue erinnere ich ſie zum uͤberfluß/ daß dieſe meine
Warnung ſie ja nimmer aus ihrem Gedaͤchtniß ſollen kommen laſſen/ ſondern bey allem
ihren Vornehmen daran gedenken. Doch unterſuche ich hernach lhr verhalten auch nicht
auffs genaueſte/ dann ich weiß/ daß wir alle der Schwacheit unterworffen ſind/ und man
zuzeiten einen Fehltrit tuht/ der nicht aus Boßheit vorgenommen wird. Wiewol ich denẽ
zum fleiſſigſten auff die Haͤnde acht gebe/ die mit dem Koͤniglichen Schatze/ und gemeinen
Einnahmen und Außgaben umgehen. Dann wo dieſe nicht ehrliches Gemuͤhts/ ſondern
dem Geiz zugetahn ſind/ koͤnnen ſie zu des Fuͤrſten und Landes Nachteil ſehr ſchlim̃e Haͤn-
del machen. Stehet einem und andern etwz aus bey dem Fuͤrſtẽ oder bey der Landſchafft/
koͤnnen ſie tauſend Anſchlaͤge machen/ daß ihr Anteil daran/ der groͤſte wird/ ob gleich ihnẽ
kein Heller davon mit Recht zukomt. Ich habs erlebet/ daß meines Reichs Rentmeiſter/
unterſchiedlicher Leute rechtmaͤſſige Foderung/ umb ein gewiſſes Geld an ſich gekaufft/ uñ
mir/ als waͤhre es richtig bezahlet/ in Rechnung gebracht haben/ da auff fleiſſige Nachfor-
ſchung ich ihnen zimlicher maſſen hinter die Kuͤnſte kam/ und ihnen den Strik zum Lohn
erteilet habe. Daß ich mich aber ſolte ruͤhmen koͤnnen/ ich haͤtte aller Diebsgriffe/ welche
hiebey vorgehen koͤnnen/ voͤllige Erkaͤntniß/ iſt weit gefehlet; dann ich muß bekennen/ daß
mir zuzeiten/ von einem und andern ein ſolcher blinder und unſichtbahrer Ohksbohks vor
die Augen gemacht wird/ daß ich zwar merke/ es ſey nicht richtig/ kan aber den eigentlichen
Betrug nicht finden/ und muß alſo ſehend blind ſeyn. Zum Beſchluß waͤhre noch uͤbrig/
mit wenigen anzufuͤgen/ wie mannicherley noͤhtige Rahtsbedienungen anzuordnen ſind/
als da man Reichs- oder Land Raͤhte/ Hof Raͤhte und Gerichts Raͤhte zubeſtellen hat; was
eines jeden Ampt und Verrichtung ſey/ und wie man einen Rahtsbedieneten nicht mit
gar zu vielen aͤmptern überladen ſolle/ noch ſolche unterſchiedliche Bedienungen vermi-
ſchen. Weil aber der ſpaͤte Abend uns vermahnet/ die Ruhe zunehmen/ damit man der
morgenden Koͤniglichen Kroͤnung beyzuwohnen deſto geſchikter ſey/ wil meiner ohndas
ſchon zu weitlaͤufftiger und verdrießlicher Rede ich vor dißmahl anſtand geben/ nebeſt
freundlicher Bitte/ alles was von mir vorgetragen iſt/ im beſten zuvermerken/ ſampt ange-
fuͤgeter ausdruͤklicher Bedingung/ daß zu keines Menſchen Unterweiſung/ ſondern bloß
meiner Durchl. Fr. Tochter zu wilfahren/ ich ſolches alles angefuͤhret habe. Dieſelbe nun
bedankete ſich kind- uñ demuͤhtig vor dieſe heilſame Unterrichtung/ nebeſt anzeige/ ſie wuͤr-
de wol
[855]Achtes Buch.
de wol keinen Schlaff in ihre Augen kommen laſſen/ ehe ſie das angehoͤrete/ ſo viel ihr zu-
fallen wuͤrde/ in ihr Gedaͤchtniß-Buͤchlein auffgezeichnet haͤtte/ welches ſie bey beſſerer
Mueß etwas fleiſſiger und nachdenklicher uͤberzulegen/ wolte bemuͤhet ſeyn. Des fol-
genden Morgens ging es allenthalben an ein zubereiten/ ſo wol zu Ladiſla und ſeiner Ge-
mahl Kroͤnung/ welche umb 10 Uhr geſchehen ſolte/ als zu Arbianes Hochzeit Feſt. Koͤni-
gin Valiſka wahr uͤber ihre Gewohnheit ſehr froͤlich/ und ruͤhmete ihrer Libuſſen/ daß ſider
ihres Herkules erſtẽ Verluſt ihr Herz nie ſo leicht uñ vergnuͤgig geweſen waͤhre. Worauf
dieſe aus Kurzweil zur Antwort gab: Sie wuͤrde ohn zweifel heut einen guten Fund tuhn.
Nach verrichtetẽ Gebeht ſchmuͤckete ſie ſich Koͤniglich/ uñ wz ſonderlich anzuordnẽ war/
hatte ſie uͤber ſich genom̃en/ damit man bey dẽ fremdẽ ja keinen Schimpf einlegen moͤchte.
Zwo Stunden vor der angeſetzeten Kroͤnung kam ein junger Ritter in den Koͤniglichen
Saal/ mit Anzeige/ es wuͤrde Herr Pribiſla freundlich erſuchet und gebehten/ biß in das
zunaͤhſt gelegene Wirtshaus zukommen/ woſelbſt ein fremder unbekanter ſein wartete; uñ
als er darzu willig wahr/ empfing ihn ein alter eißgrauer Mann in ſchlechter buͤrgerlicher
Kleidung/ deſſen Bart ſchien in etlichen Jahren nicht abgeſchnitten ſeyn. Die Wangen
und Augen wahren ihm tieff eingefallen/ die Haͤnde hart/ und inwendig vol Schwelle/ auſ-
ſen aber von ſchwerer Arbeit auffgeſprungen und geborſten/ und ging gar krum gebuͤcket.
Pribiſla wunderte ſich/ daß ein ſolcher ungeſtalter elender Menſch ihn haͤtte zu ſich fodern
laſſen duͤrffen/ inſonderheit/ da er mit dieſen Worten von ihm angeredet ward; mein Herr
es zweifelt mir nit/ ihn werde ſehr befremden/ daß ich unachtſamer denſelben zu mir fodern
duͤrffen/ angeſehen/ er nicht allein mit hohen Geſchaͤfften beladen iſt/ ſondern dem anſehen
nach/ ich demſelben viel billicher haͤtte auffwarten ſollen. Es verſichere ſich aber mein Herr
als mir ſehr wolbekanter Freund/ daß nichts von mir aus Frecheit oder Unverſtand vor-
genommen iſt/ ſondern ich ermahne ihn bey der Pflicht und Traͤue/ damit er ſeinem Koͤni-
ge Herrn Ladiſla/ und ſeiner Fr. Mutter/ der alten Koͤnigin verpflichtet iſt/ daß er mir nicht
verſage/ warum ich ihn bitten werde/ und da er etwa gleich jezt/ oder nach dieſem mich ken-
nen wuͤrde/ er mich doch ungemeldet laſſe/ biß ich mich ſelbſt kund gebe/ und wird ihm ſol-
cher Dienſt in kurzem vergolten werden. Pribiſla ſahe dieſen Alten ſtarre an/ und dauchte
ihn/ den ſelben mehr geſehen haben; weil er ſich aber keiner Gewißheit erinnern kunte/ ant-
wortete er ihm; guter Freund/ ohnzweifel Vornehmer/ wiewol noch zur Zeit mir unbekan-
ter Herr; es iſt eingefaͤhrliches Ding/ jemande ſein begehren vor deſſen Erklaͤrung zuver-
heiſſen; jedoch/ wann er mich verſichern kan/ daß ſolches weder dieſem Koͤnigreiche/ noch
einigem anweſenden Koͤnige und Herrn ſchaͤdlich und zuwieder iſt/ wil ich in ſein Anſuchẽ
ſo viel an mir iſt/ gerne einwilligen. Dieſes gelobe ich bey allen Goͤttern/ ſagete der Alte/
und iſt meine Bitte/ daß ihr nach eurer mir ſehr wolbekanten Weißheit verſchaffen wol-
let/ daß die junge Teutſche Koͤnigin Fr. Valiſka und Herr Krokus in den voͤrder- oder Mit-
telplaz des Schloſſes kommen moͤgen/ dahin ihr mich in Betlers Kleidern zufuͤhren unbe-
ſchweret ſeyn werdet. Pribiſla wahr voller Verwunderung und argwoͤniſcher Gedanken/
als dieſer Alte ſein neues uͤberzogenes Kleid ablegete/ und inzuriſſenen Lumpen vor ihm
ſtund/ daher er dieſer Antwort ſich nicht enthalten kunte: Guter Alter ich weiß nicht/ ob
ich euch wilfahren ſol oder nicht/ weil mir dadurch ein groſſes Ungluͤk koͤnte auffgebuͤrdet
werden;
[856]Achtes Buch.
werden; zwar ich halte euch vor redlich/ aber wann je ein Meuchelmoͤrder ſein Blut vor
eines andern Leben verkaͤuffet haͤtte/ wie koͤnte derſelbe auff beſſere Gelegenheit bedacht ſeyn/
die Mordtaht zuvolſtrecken? Der alte gedachte ſchon vorhin/ daß Pribiſla ſich deſſen befah-
ren wuͤrde/ und gab ihm zur Antwort; mein lieber Herr und Freund/ nicht unbillich be-
fuͤrchtet ihr hoher Leute unvermutlichen Anfal/ weil deren unterſchiedliche vorgehen/ und
ich davon zu ſeiner Zeit Zeugniß gnug geben werde; aber dafern ich euch dieſen Wahn nit
benehmen kan/ ſo laſſet dieſe meine Betlers Kleider fleiſſig und genau durchſuchen/ und
wann ihr einiges Gewehr oder ſchaͤdlich Ding bey mir antreffet/ ſollet ihr mich alsbald
dem Henker zur grauſamen Straffe uͤbergeben; iſt dann auch dieſes Erbieten zuwenig/
ſo bindet mir die Haͤnde nur feſt genug/ wiewol ich ungleich lieber ungebunden vor der
jungen Koͤnigin erſcheinen moͤchte/ nachdem ich lange gnug ſehr harte Feſſeln in meiner
Unſchuld tragen muͤſſen. Pribiſla nahm das willige Erbieten gerne an/ und durchſuchete
ihn ſelbſt hin und wieder; weil er aber nichts bey jhm fand/ auch nicht außſinnen kundte/
wer dieſer Alte ſeyn moͤchte/ und ihm doch ſein Herz etwas ſonderliches zutrug/ ſagete er
ihm zu/ allen Fleiß anzuwenden/ daß nach gehaltener Kroͤnung deren er beiwohnen muͤſte/
ſeinem Willen ein genuͤgen geſchehen ſolte. Aber der Alte antwortete; O nein mein Herr
wann mein Vorhaben (welches wichtiger iſt als ihr nicht gedenket) Auffſchueb haben koͤn-
te/ wolte ich hernach wol ohn euer zutuhn die junge Koͤnigin zuſprechen bekommen; ſeyd
ihr nun eurem Koͤnige gewogen und traͤu/ wie ich wol weiß/ ſo werdet ihr mir ſtraks Ange-
ſichts zuwillen ſeyn. Es gedauchte Pribiſla je laͤnger jemehr/ das Angeſicht auch die Stim-
me zukennen/ ob ſie gleich heiſerich wahr/ und kunte doch die eigene Watheit nicht außſin-
nen/ endlich hielt er ihn vor etwa einen guten Freund ſeines Koͤniges/ der aus weit abgele-
genen Landſchafften kaͤhme/ und auff der Reiſe in Ungelegenheit gerahten waͤhre/ daher
nam er ihn zu ſich/ und ließ ihn hinter ſich heꝛgehen. Die erſte Schildwache haͤtte des elen-
den Betlers Eingang gerne verhindert/ wie dañ ernſtlich befohlen wahr/ aber ſeines Fuͤh-
rers Anſehen wahr zu groß/ auff deſſen begehren ſich niemand ſtraͤuben durffte. Derſelbe
nun gedachte im hingehen darauff/ wie er Koͤnigin Valiſken und Herr Krokus in den
Vorhoff bringen moͤchte/ weil der Alte gar nicht wolte/ daß man ſeiner einige Meldung
taͤhte; endlich foderte er ſeine Schwieger Tochter Libuſſen zu ſich/ welche ſein begehren ins
Werk zuſtellen ihm verhieß/ auch alsbald in den groſſen Saal zu der Koͤniglichen Geſel-
ſchafft ging/ und unter dem Schein ihrer Koͤnigin auffzuwarten/ baht ſie dieſelbe/ ein we-
nig mit ihr hinaus zugehen/ welche etwas ſonderliches zu ſeyn vermeinend/ ihr geſchwinde
folgete/ und von ihr hoͤrete/ der Schwediſchen Fraͤulein Leibdienerin haͤtte deroſelben
Schwacheit geklaget/ und wuͤrde ihr vielleicht eine Ohmacht zugeſtoſſen ſeyn/ als ſie hin-
gangen waͤhre/ das Wendiſche Fraͤulein in ihrem Gemache zubeſuchen. Das wolle Gott
nicht/ antwortete die Koͤnigin/ darum lauff geſchwinde hin/ es eigentlich zuerfahren. Von
Herzen gerne/ ſagete ſie/ aber kan eurer Hocheit nicht gnaͤdigſt gefallen/ mit mir zugehen/
umzubeſichtigen/ wie im Voͤrder Platze/ wodurch wir gehen muͤſſen/ alles ſo artig an-
geſtellet ſey? Du ſchleppeſt dich allemahl gerne mit mir/ antwortete die Koͤnigin/
und wie wolteſtu es machen/ wann du dich von mir ſcheiden ſolteſt? Ehe wird meine Seele
ſich von ihrem Leibe trennen laſſen/ ſagete ſie/ ehe ich das Leben meiner Seele mit willen
miſſen
[857]Achtes Buch.
miſſen werde. Nun ſo kom dann/ ſagte die Koͤnigin/ ob das Fraͤulein unſer Huͤlffe duͤrftig
waͤhre. In dem ſie die Steige in den innern Plaz hinunter gingen/ ſahen ſie Krokus vor
ſich hertreten/ welchen Valiſka herzu rieff/ ihn fragend/ wohin er ſo eilig gedaͤchte; und als
er zur Antwort gab/ Herr Pribiſla haͤtte ihn zu ſich in den Voͤrderplaz fodern laſſen/ ſagete
ſie; ſo gehen wir mit einander/ dann mein Weg iſt auch dahin. Der alte Fremde/ die Koͤ-
nigin erſehend/ empfand uͤberaus heftige bewaͤgung in ſeinem Herzen/ und als Pribiſla ihr
ehrenhalben mit entbloͤſſetem Haͤupte entgegen trat/ folgete ihm der Alte/ kehrete ſich an
niemand/ ſondern mit gebogenen Knien redete er ſie alſo an: Großmaͤchtigſte Koͤnigin;
ihrer Koͤnigl. Hocheit gluͤkliches wolergehen iſt mir von Herzen angenehm/ als die ich lan-
ge Zeit her nicht geſehen; und ob gleich dieſelbe in dieſem elenden Kleide/ welches ich etli-
che Jahr ihretwegen getragen/ mich nicht kennet/ ſo verſichere ich dannoch dieſelbe/ daß ihr
Herr Vater hoͤchſtſeligen andenkens/ mir nie ungnaͤdig/ ſondern allemahl mit groſſer Hul-
de zugetahn geweſen iſt/ bitte auch eure Hocheit umb deſſen willen/ mir eine Gabe mit zu
teilen. Als Valiſka ihres allerliebſten Herꝛ Vateꝛs Gedaͤchtnis hoͤrete/ ſchoſſen ihr die Traͤh-
nen haͤuffig aus den Augen/ daß ſie ſich auff Pribiſla lehnen muſte/ welcher den Alten mit
unverwendeten Augen anſahe/ und ihn endlich kennete/ daher erſo groſſe Herzenspraſt
empfand/ daß er mit dieſen Worten (O ihr Goͤtter/ ich wil nun gerne ſterben!) zur Erden
niderſank. Valiſka und Krokus entſetzeten ſich hieruͤber nicht wenig/ und in dem ſie mit Li-
buſſen Hülffe ihn auffrichten wolten/ fiel der Alte gleichergeſtalt in tieffe Ohmacht nider/
dann die Zaͤhren ſo Valiſka vergoß/ belieffen ihm das Herz/ daß er meinete ſeinen Geiſt
auffzugeben. Niemand kehrete ſich an ihn/ biß Pribiſla wieder zu ſich ſelber kam/ und den
Alten geſtrecket liegen ſahe/ deſſen rechte Hand er mit groſſer Ehrerbietung kuͤſſete/ hernach
zu Krokus/ der ihn vor unſinnig ſchalt/ ſagete: Wie nun mein Bruder; keñeſtu dieſes ehr-
wirdige Angeſicht nicht mehr/ welches niemand im ganzen Koͤnigreiche beſſer/ als du/ ge-
kennet hat? Krokus erſchrak der Rede/ beſahe den Ohmaͤchtigen und gleichſam erſtarreten
Alten gar genaue/ ſtreich ihm den linken wolzulappeten Ermel auff/ fand das begehrete Zei-
chen/ und rieff: O unſer Koͤnig Noteſterich/ unſer wahrhaftiger Koͤnig Noteſterich! mit
welchen Worten ihm die Sprache und alle Kraft entging. Valiſka hatte der Rede nicht
acht/ und fragete Pribiſla/ was dieſe groſſe Verenderung uͤber dieſen armen alten Mann
doch bedeutete/ und wer er waͤhre; beſchauete ihn auch zugleich/ da Pribiſla zu ihr ſagete:
O gnaͤdigſte Koͤnigin/ ich meine gaͤnzlich/ und zweifele nicht/ dieſer arme Menſch ſey euer
Koͤnigl. Hocheit Herr Vater/ unſer Koͤnig Noteſterich/ wovor ihn Krokus auch haͤlt. Sie
erkennete ihn darauff alsbald/ und in dem ſie uͤberlaut rieff: O mein HErr JEſus/ wie
gnaͤdig biſtu! beſtarb gleichſam ihre Seele vor freuden/ daß ſie auff ihren allerliebſten Va-
ter niderfiel. Libuſſa wuſte nicht/ was ſie vor Angſt beginnen ſolte/ rieff nach friſchem Waſ-
ſer/ und bemuͤhete ſich/ die Koͤnigin zu laben/ da inzwiſchen ein Koͤniglicher aͤdelknabe nach
dem Koͤniglichen Saale lieff/ und daſelbſt anmeldete/ es waͤhre ein alter Betler im Voͤrder-
plaz ankommen/ uͤber deſſen Gegenwart/ Herr Pribiſla/ Krokus/ und Koͤnigin Valiſka
ſelbſt in harte Ohmacht gefallen waͤhren. Daß mus eine ſonderliche Wichtigkeit auff ſich
haben/ ſagete Herkules/ lieff mit Ladiſla in Koͤniglichem Pracht hinunter/ und folgeten ih-
nen die anderen ſo ſchleunig nach/ daß die Beſatzung nicht anders meinete/ es haͤtten die
q q q q qKoͤnige
[858]Achtes Buch.
Koͤnige einen Unwillen unter ſich angefangen/ daß ſie ſich rauffen wolten. Als die beyde
Helden in den Plaz kahmen/ ſahen ſie Krokus ſich wieder erheben/ und daß er nebeſt Pri-
biſla den alten Betler auffrichteten/ auch ihn als einen Koͤnig ehreten. Valiſka kam auch
zu ſich ſelbſt/ ſtund auff/ fiel dem alten umb den Hals/ herzete und druͤckete ihn auch ſo in-
bruͤnſtig/ daß alle Anweſende/ denen es unbewuſt wahr/ meineten/ ob waͤhre ſie bezaubert/
daher Herkules hinzutrat ſie hinweg zureiſſen; woran ſie ſich doch nicht kehrete/ ſondern
zu dem alten mit heiſſen Traͤhnen ſagete: Ach mein herzallerliebſter Herr und Vater/ an
was unſeligem Orte hat eure Hocheit ſich ſo lange auffgehalten? O wie ſchwere Rache
mus demſelben vorbehalten ſeyn/ der euch in dieſen Stand geſtuͤrtzet hat! Der Alte antwoꝛ-
tete ihr: Herzallerliebſtes Kind/ ich danke dem guͤtigen Himmel/ der mich aus meiner elen-
den Gefaͤngnis und ſchmaͤhlichen Dienſtbarkeit erloͤſet/ und mich daher gefuͤhret hat/ mei-
ne lieben Kinder noch vor meinem ende zu ſehen. Und ihr mein herzgeliebter Sohn Her-
kules/ ſagete er weiter/ verwundert euch nicht uͤber eures geliebten Gemahls Bezeigung/
dann ihr werdet euren Vater Noteſterich den unſeligen an mir gar bald erkennen. Ladiſla
hoͤrete dieſe Worte auch/ und fiel nebeſt Herkules ihm umb den Hals/ dann die Zeichen des
Angeſichts gaben ihm bald kundſchafft/ daher ſagete er zu ihm: Gnaͤdiger Herr und Va-
ter; mein Herr JEſus iſt mein Zeuge/ daß mir angenehmers in dieſer Welt nicht begeg-
nen koͤnte/ als daß ich euch lebendig vor mir ſehen ſol; aber laſſet euch doch erbitten/ und
kehret mit mir auff das naͤheſte Gemach/ daß man euch daſelbſt Koͤniglich ziere/ dann ich
ſchwoͤre zu Gott im Himmel/ daß bey eurer Lebezeit/ welche Gott lange friſten wolle/ ich die-
ſes Reich nicht beherſchen wil. Nicht alſo/ mein allerliebſter Sohn/ antwortete ſein Va-
ter; dann wie ſolte dieſer mein krumgebogener Ruͤcken ſolche ſchwere Laſt nach dieſem er-
tragen koͤnnen; beſchaue mich nur in dieſer meiner Schwacheit/ und betrachte/ ob es moͤg-
lich ſey/ daß ein ſolcher durch allerhand Ungluͤk und Elend abgemergelter Menſch/ der ſei-
ne Knochen kaum fortſchleppen kan/ ein Koͤnigreich ſolte verwalten koͤnnen? daher iſt miꝛ
dein aͤidſchwur ſehr hart zuwieder. Vor diſmahl aber wil ich dir zu Willen ſeyn/ und auff
das naͤheſte Gemach/ welches mir vor dieſen zu Luſt dienete/ mich verfuͤgen/ damit ich die-
ſe Betlers-Kleider ablegen moͤge. Sonſten wundert mich nicht wenig/ daß noch einiger
Menſch mein durch Sonnenbrand/ Hunger und Ungluͤk verſtelletes Angeſicht hat erken-
nen moͤgen/ daher ich mich auch nicht wenig befuͤrchtet/ ich duͤrffte anfangs vor einen Be-
trieger gehalten werden/ aber Gott Lob/ daß die Buben noch im Leben ſind/ welche mich in
dieſes Elend geſtuͤrzet/ und von mir Zeugniß werden geben muͤſſen. Bald ward ein Feld-
Scherer herzugefodert/ der ihn putzen und waſchen muſte/ nachgehends brachte man ihm
Koͤnigliche Kleider/ und ward inzwiſchen ſeinem Gemahl kund getahn/ daß ihr Gemahl
und Koͤnig lebendig zu Lande geſchlagen waͤhre/ und gleich jetzo auff dem Saale ſich finden
würde; uͤber welche Zeitung ſie vor unſaͤglicher Freude als eine Leiche dahin fiel/ und bey
allen fremdẽ eine groſſe Verwunderung entſtund. Nachdem er gebuͤhrlich augetahn war/
kanten ihn alle/ die vorhin viel mit ihm umgangen wahren/ ward von ſeinem Schwager
Koͤnig Henrich bruͤderlich empfangen und bey der Hand auff den groſſen Saal geſuͤhret/
da gleich ſein Gemahl wieder zu Kraͤfften kommen wahr. Als ſie eines des andern anſich-
tig wurden/ kunte keines einigen Fuß aus der ſtelle ſetzen/ biß endlich die alte Koͤnigin zu
ihm
[859]Achtes Buch.
ihm hingeleitet ward/ die ſich ſtraks an ihn lehnete/ endlich zu ihm ſagete: O mein werter
Schaz und Koͤnig; ſol ich dann noch vor meinem Ende euch wieder ſehen/ und des Gluͤt-
tes volle Gunſt genieſſen? Ja mein hochgeliebtes Gemahl/ antwortete er; die Goͤtter ha-
ben nach ihrem vollendeten Zorn mich wiederumb begnadet/ und nicht allein mein Koͤ-
nigreich/ ſondern auch mein Gemahl/ Kinder/ Anverwanten und Freunde mich ſehen und
umfahen laſſen/ wovor ich ſchuldig bin/ allen Schuz Goͤttern dieſes Landes mich dankbar
zubezeigen. Die fremden Koͤnige traten auch herzu/ und wuͤnſcheten ihm wegen ſeiner un-
verſehenen gluͤklichen Ankunfft alle Wolfahrt; ſo wolten Herkules/ Ladiſla und Baldrich
nicht von ihm weichen/ aber ſein Gemahl und Tochter faſſeten ihn ſtets in die Mitte. So-
phia und Klara drungen auch herzu/ und erkuͤhneten ſich die Roͤmiſchen Herren mit bey
der Freude zuſeyn/ wie auch die Boͤhmiſchen Groſſen/ die mit Thraͤnen beklageten/ daß ih-
res Koͤniges Leben und Elende ihnen ſo gar unwiſſend geweſen/ und ſie ihm nicht beyſprin-
gen koͤnnen. Koͤnig Noteſterich vergaß nicht/ alsbald zubefehlen/ daß ja ſeine Ankunft auſ-
ſer dem Schloſſe nicht erſchallen moͤchte/ dann es waͤhren etliche wenige ſeiner Untertah-
nen/ die ihn in dieſes ſein bißher gefuͤhretes Elende ganz verraͤhteriſcher boßhaffter weiſe
geſtuͤrzet haͤtten/ wovor ihnen der gebuͤhrliche Lohn werden muͤſte; rieff Herkules zu ſich/
und baht ihn/ etliche Teutſche Reuter unter Neklams und Grozemiſla Anfuͤhrung (weil
dieſe am naͤheſten ſtunden) auszuſenden/ und einen Boͤhmiſchen Herrn/ nahmens Ni-
niſla ſamt ſeinen Sohn Uriſla/ ohn Meldung anderer Urſachen/ hohlen zulaſſen/ als daß
ihr Koͤnig Ladiſla ſie nach Hofe fo dern lieſſe/ ſo daß/ wann ſie willig mitzihen wuͤrdẽ/ man
ihnen keine Gewalt anlegete/ aber doch auff dem ganzen Wege ihrer zum fleiſſigſten acht
haͤtte/ damit ſie von keinem Menſchen/ wegen ſeiner Wiederkunfft Nachricht bekaͤhmen/
noch auszureiſſen Gelegenheit haͤtten; wuͤrden ſie ſich aber wegern mitzuzihen/ ſolte man
ſich ihrer/ wie man beſt koͤnte/ lebendig bemaͤchtigen/ weil ihm zum allerhoͤchſten daran ge-
legen waͤhre. Es wahr ſchon zimlich weit auff den Tag/ aber des zulauffens der Gluͤkwuͤn-
ſchenden noch kein Ende/ daher befoderte Valiſka/ daß man ſich zu Tiſche ſetzete. An einer
Seite muſte Koͤnig Noteſterich mit ſeinem Gemahl die Oberſtelle nehmen; neben ihm
Koͤnig Henrich/ Koͤnig Haron/ Ladiſla und Mnata/ alle mit ihren Gemahlen; und weil
dieſer keine hatte/ ward ihm Frl. Vanda die Wendin (des ehmaligen Krito Bruders
Tochter) an die Seite geſetzet. An der andern Seite des langen Koͤniglichen Tiſches ſaſ-
ſen die jungen Eheleute/ Arbianes und Klara/ weil es ihr Hochzeit Feſt wahr/ oben an; naͤ-
heſt ihnen Koͤnig Hilderich/ der Daͤhniſche Koͤnig/ und Herkules mit ihren Gemahlen.
Oben vor dem Tiſche muſte Koͤnig Baldrich mit ſeinem Gemahl den Siz nehmen/ und
an der andern Seiten vor dem Tiſche Herr Fabius mit ſeiner Pompejin/ als Kaͤyſerli-
cher Stathalter und Boͤhmiſcher Schwiegervater. Der andere Tiſch ward alſo beſetzet/
daß an der langen Ober Seite Herr Pompejus/ der junge Fabius/ Kornelius/ Emilius
und Zezilius Antenor mit ihren Gemahlen; an der andern Seite/ nach langer noͤhtigung/
Fuͤrſt Siegward mit ſeinem Gemahl/ Fürſt Olaff mit dem ſchoͤnen Schwediſchen Fraͤu-
lein/ Fuͤrſt Markomir mit einem jungen Sikambriſchen Fraͤulein zwoͤlffjaͤhriges Alters/
ſeines Herr Vaters Bruders Tochter/ Herr Pribiſla/ Herr Bretiſla der Boͤhmiſche
Kanzler und Herr Krokus; vorne Staniſla und Maſtyes/ und gegen uͤber Agis und O-
q q q q q ijpimius
[860]Achtes Buch.
pimius ihre Stelle hatten. Am dritten Tiſche ſaſſen Wolffgang mit ſeiner Braut/ und
Reichard mit ſeiner Adelheid oben an/ weil ihre Hochzeit zugleich gehalten ward/ und wuꝛ-
den die vornehmſten Franken/ Schweden/ Daͤhnen und Wenden geſetzet mit adelichem
Boͤhmiſchen Frauenzimmer. Die uͤbrigen Tiſche noch zwoͤlffe an der Zahl wurden alle
vol. Leches/ Klodius und Neda mit ihren Eheliebeſten warteten bey dem Koͤniglichen;
Markus/ Prinſla und Gallus mit ihren Liebeſten bey dem Fuͤrſtlichen Tiſche auff/ wie hart
ihnen gleich befohlen ward/ ſich niderzuſetzen; und wahr kein Menſch zugegen/ der ſeine
Freude uͤber des alten Koͤniges Wiederkunfft haͤtte recht ausdruͤcken oder an den Tag ge-
ben koͤnnen/ weil man ihn bißher nicht allein vor gewiß tod geſchaͤtzet/ ſondern auch ſeine
vermeynete Leiche ſchon laͤngſt zur Erde beſtaͤtiget hatte; welche Gedaͤchtniß algemach bey
vielen Anweſenden einen Zweifel verurſachete/ ob er auch der wahrhaffte Koͤnig/ und nit
vielmehr ein Landbetrieger/ oder wol gar ein Schwarzkuͤnſtler waͤhre/ dem vorigen Koͤni-
ge in etwas aͤhnlich/ deſſen Untergang er ſich etwa erkuͤndiget haͤtte/ und auff den Koͤnigli-
chen Stuel ſich ſetzen wolte. Ja die alte Koͤnigin ſelbſt geriet in Argwohn/ welches ihre
zu unterſchiedenen mahlen ausgelaſſene Seuffzer gnugſam an den Tag legeten/ und der
Koͤnig ihr Anliegen leicht merkete/ deßwegen er zu ihr ſagete: Herzgeliebetes Gemahl/
wie auch Kinder und andere ehmahls bekante Herren und Freunde; es nimt mich noch
immer zu hoͤchlich wunder/ daß kein Menſch zugegen an mir zweifelt/ ob ich Koͤnig Note-
ſterich ſey oder nicht/ nachdem mein Tod ſchon ſo lange geglaͤubet/ und meine vermeinete
Leiche (die man wol haͤtte moͤgen etwas eigentlicher beſehen) zur Erden beſtattet iſt; ja weil
ich eben zu dieſer Stunde ankomme/ da mein geliebter Sohn zum Koͤnige ſol gekroͤnet
werden; ſolte aber einer oder ander in mir einiges Mißtrauen ſetzen/ hoffe ich/ dieſelben
werden ſich eine kurze Zeit gedulden/ biß der Gottloſe verraͤhteriſche Bube Niniſla und
ſein Sohn Uriſla ankommen werden/ welche mein Herr Sohn Koͤnig Herkules einhoh-
len laͤſſet; dieſelben ſollen durch Folterzwang ſchon dahin gebracht werden/ im falle ſie nit
guͤtlich bekennen wollen/ wie verraͤhteriſch ſie mit mir ihrem Koͤnige umgangen/ und mit
was unausſprechlichem Jammer und Elende ſie mich eine geraume Zeit belaſtet/ biß end-
lich der guͤtige Himmel durch einen fal mich loß gemacht/ daß ich gefangen als ein Leibei-
gener in Pannonien gefuͤhret bin/ woſelbſt ich gegenwaͤrtigem Koͤnige und allen ſeinen
Hofeleuten unwiſſend/ uͤber zwey Jahr ein Gaͤnſe Hirte/ auch ein Holz-Waſſer- und Lei-
men-Traͤger/ und dabey doch ein Spielman uñ Unflaht-Reiniger geweſen bin (hier ſchoſ-
ſchen ihm die hellen Zaͤhren aus den Augen)/ wovon ich heut dieſen Tag weiters nicht mel-
den wil/ damit nicht die froͤlichen Herzen an dieſem Hochzeit Feſte zu hoch betruͤbet/ und
ihre Luſt in Traͤhnen-Baͤche verwandelt werden. Das Frauenzimmer (denen hiedurch ihꝛ
Argwohn faſt gar benommen ward) huben auff dieſe Worte an überlaut zuweinen/ daß
Koͤnig Noteſterich ſelbſt gereuete/ daß er hierzu urſach gegeben hatte/ ungeachtet er ſelbſt
ſeine Traͤhnen nicht ſo bald einzwingen kunte/ und gab der Pannoniſche Koͤnig mit be-
waͤglichen Worten ſein Mitleiden an den Tag/ in dem er bey ſeinen Ritterlichen Ehren
ſchwuhr/ ſo bald er in ſein Land kommen wuͤrde/ das Haus/ in welchem ihre Liebe ſolch
Elend uͤberſtanden/ zur Einoͤde zu machen/ daß Hecken und Dornen drauff wachſen/ und
ein geheiligter Ort ſeyn ſolte/ daß/ ſo ein uͤbeltaͤhter ſich dahin verbergen wuͤrde/ er voͤllige
Ver-
[861]Achtes Buch.
Vergebung haben ſolte; wolte auch ſeinen unbarmherzigen Haußwirt ihm gefaͤnglich
zuſchicken/ oder ans Kreuz hefften laſſen/ damit er ſich nicht beruͤhmen koͤnte/ daß ein her-
ſchender Koͤnig ihm vor leibeigen gedienet haͤtte. Welches erbieten den unſern ſehr wol-
gefiel/ daß kein Widerwille gegen ihn in ihrem Herzen uͤberblieb. Nach auffgehobenen
Speiſen ward einzierlicher Tanz gehalten/ und entſtund zwiſchen Koͤnig Mnata und Frl.
Vanda eine inbruͤnſtige Liebe/ wie auch zwiſchen Fuͤrſt Olaff und Frl. Schulda/ welches
aber vor dißmahl ingeheim verblieb/ weil jeder ſich ſcheuhete/ dem andern ſein Anliegen zu
offenbahren. Die alten Koͤnige/ Henrich und Noteſterich fuͤhreten den ganzen Abend ihr
Geſchwaͤtze von allerhand laͤngſtverlauffenen Dingen/ welches dieſer zu dem Ende taht/ dz
an ſeiner Wahrhafftigkeit nicht moͤchte gezweifelt werden; inſonderheit begehrete er zu
wiſſen/ wie ſichs mit Herkules zugetragen/ auff was weiſe er wieder gefunden/ und mit ſei-
ner Frl. Tochter ſich verehlichet haͤtte/ welches/ ſagte er/ ihm von ganzen Herzen lieb waͤh-
re/ weil er dieſe Heyraht von langen Jahren her gewuͤnſchet und vorgehabt. Aber Koͤnig
Henrich wolte ihm ſolches noch zur Zeit nicht erzaͤhlen/ einwendend/ weil er ihm ſeines E-
lendes Urſach auch noch nicht haͤtte wollen kund machen. Nun wahr niemand uͤber der
unvermuhtlichen Ankunfft des verlohrnen Koͤniges verwirreter/ als Libuſſa/ dann ob ſie
ihn gleich kennete/ blieben ihr doch die Gedanken/ es koͤnte ein Menſch dem andern aͤhnlich
ſeyn/ wie man deſſen manniche Begebenheit haͤtte/ inſonderheit/ weil an der vermeyneten
Koͤniglichen Leiche (daran das Geſicht zerhauen/ und mit Pferde Fuͤſſen zutreten wahr)
ſie zu der Zeit vermeinete etliche Wahrzeichen geſehen zuhaben/ daß ſie des Koͤniges waͤh-
re; daher ſuchete ſie Gelegenheit/ mit ihm zureden/ und durch Erinnerung etlicher verlauf-
fener Geſchichten/ die ſonſt niemand kund wahren/ ihn zubewehren/ und als ihr darzu gu-
te Bequemligkeit zuhanden ſtieß/ ſagete ſie zu ihm: Gnaͤdigſter Koͤnig; Euer Hocheit ich
unwirdigſte Magd erfreue mich ihrer glüklichen Wiederkunfft von Herzen/ deren ſich kein
Menſch vermuhten wahr; daß aber Ihrer Hocheit Gedaͤchtniß ich aus meinem Herzen
nicht hinweg geraͤumet habe/ ſol mein Eheliebſter mir Zeugniß geben/ und daß an unſerm
Hochzeitlichen Ehrentage/ ohngeachtet wir auff der Eile Beylager hielten/ ihrer Hocheit
ehmals in der neuen Laͤuben mir gnaͤdigſt getahne Verheiſſung ich ihn wiſſen laſſen/ auch
ſchmerzlich beſeuffzet/ daß wegen ihres vermeineten Todesfalles ich deſſen nicht genieſſen
koͤnte. Der Koͤnig hoͤrete ſie wolgehen/ und wie hoch er ſich ihrer Liſtigkeit verwunderte/ ſo
wahr ihm doch ſolche unfehlbahre Bewehrung ſehr angenehm/ daher er ihr zur Antwort
gab: Geliebte Tochter/ ich habe in meinem ubeꝛſchwenglichen Elende auff deꝛ gleichen Sa-
chen zugedenken wenig mues gehabt/ erinnere mich aber anjetzo ſehr wol/ daß da ihr mein
herzen Toͤchterchen Valiſken auff der Schoß fuͤhretet/ und wegen meiner Ankunfft euch
deſſen ſchaͤmetet/ ich euch Koͤniglich verſprach/ allen Fleiß anzuwenden/ daß ihr nach
Standes Gebuͤhr ſoltet verheirahtet werden/ da ich dann nicht allein euch euren Braͤuti-
gam zur Traͤue/ ſondern auch ins Ehebette zuzufuͤhren und die Hocheit koſten abzutragen/
ihn auch mit einem Reichs Lehn anzuſehen/ mich gnaͤdig anerboht/ welches ihr dazumahl
mit einem unteꝛtaͤhnigſten Handkuſſe voꝛbekant annahmet/ uñ euch zu allen getꝛaͤuen Dien-
ſten/ die inſonderheit meiner Frl. Tochter koͤnten geleiſtet werden/ darſtelletet; weil ich dañ
keinen Zweiffel trage/ ihr werdet ſolches zur Gnuͤge erfuͤllet haben/ wil ich das verſeumete
q q q q q iijin
[862]Achtes Buch.
in andere Wege zuerſetzen ſchon Gelegenheit finden/ wofern ich leben ſol. Libuſſa kuͤſſete ihm
die Hand untertaͤhnigſt/ und mit einem Herzfꝛeudigen Lachen ſagete ſie zu der alten Koͤni-
gin; ihre Hocheit haben nunmehr Zeugniß gnug/ daß ſie ihren wahrhafften Herrn und
Koͤnig von Gott wieder bekommen/ und muͤſſen wir alle miteinander uns billich ſchaͤmen/
daß wir ſo leichtglaͤubig geweſen/ und eine unkentliche Leiche vor unſern Koͤnig zur Erden
beſtattet/ nur weil derſelben des Koͤniges Kleider angelegt/ und dabey ſein bekantes Sei-
ten-Gewehr gefunden wahr. Und/ gnaͤdigſte Koͤnigin/ rieff ſie Fr. Valiſken zu/ hat Eure
Hocheit/ meiner heutigen Ausdeutung nach/ nicht einen herlichen Fund/ an ihrem Herꝛ
Vater getahn? Geliebte Tochter/ antwortete ihr der alte Koͤnig; ich halte keinem Men-
ſchen den Zweiffel wegen meiner warhafften Gegenwart vor uͤbel/ kan und wil ihn auch
jederman goͤnnen/ biß die boßhafften Schelmen und Verraͤhter oͤffentlich bekennen wer-
den/ wie ſchaͤndlich ſie mit mir verfahren. Herkules mengete ſich mit ein/ und fuͤhrete Li-
buſſen zum Tantze/ die ſich der hohen Ehr entſchuldigte/ wiewol er mit ihr als mit einer ſei-
nes gleichen uͤmzugehen pflegete; hernach brachte er ſie Baldrichen/ da inzwiſchen Koͤnig
Mnata und Valiſka ein Geſpraͤch hielten/ darinnen er ihr zuverſtehen gab/ er haͤtte eine
Bitte bey ihr abzulegen/ und da ſie ihm ſelbige einwilligen wuͤrde/ haͤtte er zeit ſeines Lebens
Urſach/ ſich der Vergeltung zubemuͤhen; jedoch wolte er dieſe Nacht zur Nachſinnung ihm
vorbehalten haben/ und folgenden morgen damit einkommen. Sie hingegen erboht ſich
aller moͤglichen Ehren-Wilfahrung/ ohn einiges bedingen; Und wahr in Warheit dieſer
Koͤnig keiner boͤſen oder graͤulichen Art/ ſondern die Gewohnheiten und vorige boͤſe Ge-
ſelſchafft hatten ihn verderbet/ und hatte er dieſe wenige Zeit uͤber ſich dergeſtalt geendert/
daß er unter die redlichen und Tugendhafften wol kunte mit gerechnet werden/ daher er ſei-
ne erlittene Niderlage vielmehr vor ein Gluͤk als Unfal ſchaͤtzete/ weil er durch dieſes Mit-
tel nicht allein auff die Tugend-Bahn geleitet/ ſondern auch ſeiner boßhafften ungetraͤuen
Raͤhte und Beamten/ denen er gehorſamen muſte/ abkommen wahr. Als dieſe Koͤnigliche
Geſelſchafft bey ſpaͤter Nacht zu Ruhe ging/ wolte Koͤnig Noſterich bey ſeinem Gemahl
nicht ſchlaffen/ biß die Volſtreckung der Straffe an den Uhrhebern ſeines Elendes ver-
richtet waͤhre/ und hatte er dieſen Abend mit Koͤnige Henrich/ Herkules und Ladiſla Abre-
de genommen/ etliche Reichs Beamten und Diener wegen ihres wolverhaltens/ folgendes
Tages in hoͤhern Stand zuerheben/ und dadurch andere zugleichmaͤſſiger Traͤue anzurei-
zen/ deßwegen/ ſo bald die Sonne hervorbrach/ wurden Herr Pribiſla/ Bretiſla/ Wlodi-
mir/ Vorich/ Bela/ Bugeſla/ Krokus/ Wratiſla/ Staniſla/ Leches/ Klodius/ Neda/ Mar-
kus/ Prinſla/ Gallus/ Mardus und Timokles/ dieſe ſiebenzehn/ vor die Koͤnigliche Geſel-
ſchafft gefodert/ und nachdem Herkules der erſten neune ihre traͤugeleiſtete Reichs Dien-
ſte/ und der anderen Ritterliche Tahten und unverdroſſene Auffwartung erzaͤhlet und hoch
geruͤhmet hatte/ wie ſie/ hindan geſetzet ihrer Wolfahrt und Lebens/ alles das uͤberfluͤſſig ge-
leiſtet/ was redlichen tapfferen und getraͤuen Helden und Dienern obliegen koͤnte/ meldete
er ihnen an/ daß ihnen davor Standes Erhoͤhung/ und darzu gehoͤrige Guͤter ſolten ertei-
let werden. Worauff Koͤnig Noteſterich die neun erſtgedachten zu Reichs Grafen in Boͤh-
men machete/ und ihnen auff Koͤniges Mnata Anhalten/ die Reichs Lehn uͤber die abge-
tretene Pannoniſche Landſchafften erteilete. Die fuͤnf folgende wurden von Koͤnig Hen-
rich
[863]Achtes Buch.
rich zu Teutſche Grafen an der Weſer gemacht/ und ihnen die Herſchafften zugeeignet/
wo jezt die Fuͤrſtlichen Schloͤſſer und Staͤdte/ Petershagen/ Rinteln (woſelbſt Herr Eꝛnſt/
Fuͤrſt des heiligen Roͤmiſchen Reichs Graff zu Holſtein/ Schaumburg und Sterneberg
eine hohe Schuel geſtifftet/ da dieſe Geſchichte an des Tages Licht kommen iſt) Hameln/
Holzminden/ Hoͤxar und Muͤnden belegen ſind. Herkules nam Gallus und Timokles/ La-
diſla ſeinen Mardus in den Frey Herrn Stand/ zu welcher Ehre der alte Wenzeſla ſchon
vorhin erhaben wahr. Nach ſolcher Verrichtung ſtelleten Koͤnig Baldrich und Großfuͤrſt
Arbianes ein Freyſtechen an/ von daran uͤber zwo Wochen zuhalten/ und zwar unten am
weiſſen Berge/ und nachgehends ein Ringelrennen und freyſchieſſen/ lieſſen ſolches bey
ſchleunige Bohtſchafft außblaſen/ und macheten auff alles gute Anordnung. Unterdeſſen
begab ſich Mnata hin zu Koͤnigin Valiſken/ erinnerte ſie der geſtrigen Zuſage/ und zeige-
te ihr an/ daß er ſchon ins dritte Jahr Witwer gelebet/ und keine Erben von ſeinem Ge-
mahl uͤbrig haͤtte/ wuͤrde auch berichtet/ daß der gotloſe Dropion an ihrem zeitlichen hin-
ſterben Schuld truͤge/ welcher ihm das heyrahten biß daher gehindert haͤtte/ muͤſte aber da-
bey bekennen/ daß er ſelbſt kein groſſes Belieben darzu getragen/ ungeachtet er erſt das 42ſte
Jahr hinter ſich gelegt haͤtte. Es waͤhren aber ſeine faſt erloſchene liebes Begierden durch
die Zucht und Schoͤnheit des Wendiſchen Fraͤulein dergeſtalt entzuͤndet/ daß ohn de-
ren Liebe er hinfort nicht wuͤrde koͤnnen glükſelig ſeyn/ wiewol er noch zur Zeit unwiſſend
waͤhre ob dieſelbe ſeine Huld zuerſetzen/ und ihn vor ihren Gemahl anzunehmen/ ſich wolle
finden laſſen. Weil er nun nit zweifelte/ ſie/ Koͤnigin Valiſka koͤnte ihm deren Gewogenheit
ſehr wol erwerbẽ/ haͤtte er die Kühnheit gebrauchẽ/ uñ ihre Liebe daruͤber begruͤſſẽ wollẽ/ mit
demuͤhtiger Bitte/ ihm ſolches nit abzuſchlagẽ uñ allemahl ſeine hochgewogene volgewal-
tige Gebieterin zuverbleiben. Valiſka vernam ſein Begehren mit guter Luſt/ weil ſie ohndz
mit Heirahtſachen und freiwerbungen gerne umbging/ erboht ſich auch/ allen moͤglichen
fleiß anzuwenden/ nebeſt guter vertroͤſtung daß alles nach ſeinem Wunſch ergehen koͤnte/
dafern dieſes Fraͤulein annoch unverſaget oder unverliebet waͤhre/ welches zuerforſchen
ihꝛe erſte Arbeit ſeyn ſolte. Solches nun ins Werk zurichten/ machte ſie ſich an Olaf/ wel-
chen ſie folgender geſtalt anredete: Durchl. Herr Oheim/ vertrauter Freund/ mir zweifelt
nicht/ eure Liebe werde bißher meine Ehrengewogenheit gegen ihn in etwas verſpuͤret ha-
ben/ da ich ſonſt duͤchtig bin/ ſelbige erſcheinen zu laſſen; ſo machet mich uͤber das ſeine Auff-
richtigkeit dermaſſen kuͤhn und verwaͤgen/ daß ich ſeiner Liebe mich in einer wichtigen Sa-
che zugebrauchen/ unternehmen darf/ in dem ich anfangs bitte/ da es ihrer Liebe wiſſend/
mich zuberichten/ ob das Wendiſche Fraͤulein annoch frey und auſſer verliebetem Stande
lebe/ auff welchen fal ich derſelben mit einer zweifels ohn angenehmen Heiraht an die Hand
gehen wolte. Der Fuͤrſt ſeufzete über dieſer Rede/ daß er eine Zeitlang gar ſtille ſchwieg/ da-
her ſie vor gewiß hielt/ er wuͤrde in ſie verliebet ſeyn/ und taht ihr ſehr leid/ daß ſie ihn mit
dieſeꝛ Rede in ſolche bewaͤgung geſtuͤrzet hatte/ des wegen troͤſtete ſie ihn alſo: Ich bitte ſehꝛ/
mein Oheim wolle mir verzeihen/ daß aus bloſſer unwiſſenheit/ die gar von keiner Argliſt
begleitet wird/ ich ihn in dieſe traurige ſchwermuͤhtigkeit ſetze/ da ſeine Geberden mich faſt
verſichern wollen/ daß er an dieſem Orte ſelbſt muͤſſe gefeſſelt ſeyn/ auff welchen fal ich viel
mehr helffen werde ihn feſteꝛ zubeſtricken/ als einen andern an ſeine ſtelle zuſetzẽ. Olaf bedan-
kete
[864]Achtes Buch.
kete ſich des hohen erbietens mit tieffer/ ihr unangenehmer Demuht/ uñ gab dieſe Antwort:
Unvergleichliche Koͤnigin/ volwaltige Beherſcherin alles meines vermoͤgens; meine weit
hervorgehohlete Seufzer gehen nicht aus einiger liebes/ ſondern tieffſter Leidensquelle her-
vor/ welche zu unterdruͤcken ich nicht vermocht/ als ihre Hocheit von dieſem Fraͤulein zu
reden angefangen; ſolte ich nun deſſen die Urſach dartuhn/ wũrden wir die Mahlzeit druͤ-
ber verſeumen/ wie fruͤh es gleich annoch am Tage iſt. Koͤnigin Valiſka haͤtte gerne etwas
mehr hierumb gewuſt/ und baht ſehr/ dafern es keine ſonderliche heimligkeit hinter ſich haͤt-
te/ ihr ſolches zuerzaͤhlen; da ſie ihm dann gerne eine oder etliche Stunden zuhoͤren wolte;
worauff er ſich erboht/ in die kuͤrtze zugehen/ und fing alſo an: Ich geſtehe/ Großmaͤchtigſte
Koͤnigin/ daß mein Herꝛ Vater nun ſchon etliche Jahr damit uͤmgangen iſt/ daß ich dieſes
Fraͤulein/ von der ich in Warheit nichts als alle Fuͤrſtliche Ehr und Tugend weiß/ heirah-
ten/ und nach ſeinem Todesfall die Daͤniſche Kron tragen ſolte; Ich weiß aber nicht/ wel-
cher innerliche Wiederwille und Ekel mich von dieſer Heyraht ſo gar abgezwungen hat/
daß ich tauſend mahl lieber den Tod anzugehen entſchloſſen bin/ und mag wol ſagen/ oder
vielmehr klagen/ daß mirs in dieſem Falle gehet/ als denen/ die keinen Kaͤhſe oder Butter
riechen noch ſchmaͤcken moͤgen/ ungeachtet daran nichts zu tadeln iſt. Mein Herr Vater/
ſo bald er mein wegern vernommen/ iſt mir faſt gehaͤſſig daruͤber worden/ und hat durch be-
drauung der Enterbung mich noͤhtigen wollen/ hochgedachtes Fraͤulein zu ehelichen; wor-
auff ich heimlich in Frießland gewiechen/ und mich ſchriftlich gegen ihn erklaͤret habe/ er
ſey mein Vater und Koͤnig/ auch daher wol bemaͤchtiget nach gefallen mit mir zuſchalten;
dafern er auch geſonnen/ mich zuenterben/ und das Daͤniſche Reich darein gehehlete/ muͤ-
ſte ich gedultig ſeyn/ und ihm gehorſamen/ daß ich aber das Wendiſche Fraͤulein heirahten
ſolte/ waͤhre mir ſchlechter dinge unmoͤglich/ weil eine gar zuheftige Abneigung von derſel-
ben/ ich in meiner Seele empfuͤnde/ ſo daß ich lieber hundertmahl die Folter ausſtehen/ als
dieſe Ehe antreten wolte. Mein Herr Vater aber wolte ſich hiemit nicht beguͤtigen laſſen/
ſondern ſchrieb an meinen Oheim den damahligen Frieſiſchen Koͤnig; er ſolte mich von
ſeinem Hofe ſchaffen/ und aus ſeinem Lande verbañen/ weil ich ihm aus frevelhaftem Muht-
willen ungehorſam waͤhre/ und wie er vor gewiß berichtet wuͤrde (welches doch nie in mein
Herz kommen wahr) mit einer unzuͤchtigen Metze/ geringes herkommens mich ehelich ſol-
te verſprochen haben/ die ich nach ſeinem Tode der Koͤniglichen Kron teilhaftig zu machen/
entſchloſſen waͤhre. So bald der Frieſen Koͤnig mir ſolches zeigete/ und ich am Ende die
Bedraͤuung fand (wo ich laͤnger von ihm auffgehalten wuͤrde/ wolte er Frießland mit Feur
und Schwert verfolgen)/ nam ich mir vor/ alsbald nach Daͤñenmark zu ſaͤgeln/ und mich
meinem Herr Vater zur Straffe darzuſtellen; welches mir aber dieſer mein Oheim hoͤch-
lich wiederriet/ und mit einem anſehnlichen ſtuͤk Geldes mich verſahe/ womit ich zu Schif-
fe ging und nach Spanien fuhr/ auch daſelbſt ein Jahr mich vor einen ſchlechten Ritter
hielt/ und der Ritterlichen uͤbung mit geringſchaͤtzung meines Lebens fleiſſig oblag; ich weꝛ-
de aber mein daſelbſt unvermuhtlich gefundenes Ungluͤk mit ſtilſchweigen vorbey gehen.
Nein/ fiel ihm Koͤnigin Valiſka in die Rede/ ſondern wil eure Liebe mir einen gefallen tuhn/
wird ſie mir alles fein umbſtaͤndlich erzaͤhlen. Wie es ihrer Hocheit gefaͤllet/ antwortete er:
Und melde demnach/ daß ich etliche Schreiben/ den Ort wo ich lebete/ ungenennet/ an mei-
nen
[865]Achtes Buch.
nen Herr Vater abgehen ließ/ ihm auſſerhalb der einigen Heiraht ſache allen kindlichen ge-
horſam verſprechend/ und ihn zuverſoͤhnen allerhand bewaͤgligkeiten einfuͤhrend; worauff
ich doch nie keine Antwort empfing/ ungeachtet ihm alle Brieffe wol ſind geliefert worden.
Nun trug ſichs zu/ daß in Spanien ein Freyſtechen und Ringelrennen an des Kaͤyſerli-
chen Stathalters Hofe angeſtellet ward/ welcher ein anſehnlicher Roͤmer von 68 Jahren
wahr/ und ein junges Roͤmiſches Fraͤulein/ nahmens Kornelia Balba/ vor weniger Zeit
geheyrahtet hatte. Dieſe ohnzweiffel der Leichtfertigkeit ergeben/ haͤtte ihren alten Kajus
Pupius Mela (ſo hieß der Stathalter) lieber auff der Todten Bahr/ als im Ehebette ge-
ſehen/ wiewol mir davon nicht das geringſte bewuſt wahr. Sie mochte zu meinem Ungluͤk
meiner bey dem Speerbrechen wahrnehmen/ und an mir ein mehrers/ als ich wahr oder
leiſtete/ ihr einbilden/ daher ſie anfangs/ ihren Begierden Raum und Gelegenheit zu ma-
chen/ von ihrem Gemahl begehrete/ mich an ſeinen Hoff zunehmen; welches er/ als ſchon
mit Argwohn erfuͤllet/ ihr nicht verſagen wolte; beſtellete aber etliche des Frauenzimmers/
die genau acht auff ihr tuhn und laſſen geben muſten. Ich wahr kaum 16 Tage zu Hofe ge-
weſen/ da ward mir von einem alten Weibe ein Schreiben eingeliefert/ welches ich erbrach/
und der Stathalterin Nahmen darunter gezeichnet fand/ deſſen ich hoͤchlich erſchrak/ und
nach verleſung nicht wuſte/ weſſen ich mich erklaͤren ſolte. Mit der Stathalterin hatte ich
noch kein Wort gewechſelt/ auch ihre Anblicke ſtets gemieden; noch dannoch erklaͤrete ſie
mir in dieſem Schreiben ihre Liebe ſo rund und offenherzig/ daß ich ihrer Leichtſinnigkeit
daher gnugſame Merkzeichen nahm. Die alte Buͤbin hielt inſtaͤndig bey mir an/ gewieꝛige
Antwort von mir zu geben/ und der jungen ſchoͤnen Stathalterin Gunſt und Liebe nicht zu
verachten/ dafeꝛn ich nicht vor einen und ankbahꝛen und kleinmuͤhtigen wolte gehalten ſeyn;
ob mir nicht bewuſt waͤhre/ daß allein ihre Gewogenheit es dahin gebracht/ daß ich an den
Hoff waͤhre aufgenommen und in hohem Anſehen ſchwebete; welches mich dergeſtalt ver-
wirrete/ daß ich mir ſelbſt weder zu rahten noch zu helffen wuſte; endlich erklaͤrete ich mich/
ſie moͤchte der Fr. Stathalterin meinen untertaͤhnigen Gehorſam anmelden/ und daß in-
nerhalb 24 Stunden ich ihr genehme Antwort (alſo muſte ich wieder meinen Willen re-
den) zuſchreiben wolte. Nun hatte der Stathalter dieſen mir eingehaͤndigten Brieffſchon
geleſen/ und drang das alte Weib bloß zu dem ende auff meine ſchriftliche Antwort/ daß der
Stathalter in Faͤuſten haben moͤchte/ wodurch er mich überzeugen/ und andern zum ab-
ſchaͤulichen Beiſpiel mich beſtraffen koͤnte. Er hatte aber einen unehlichen Sohn/ der ein
handfeſter Ritter/ und mir uͤberaus wol gewogen wahr/ derſelbe hatte vor ſeines Vaters
Gemache den mit dieſem Weibe über mich gemacheten Anſchlag angehoͤret/ und weſſen
ich mich erklaͤret haͤtte; und weil ihm mein Verderben ſehr zu Herzen ging/ ſchrieb er mir
in hoͤchſtem vertrauen dieſe Worte bey ſeinem Knaben zu: Geehrter Herr Bruder Nauzius
(alſo nennete ich mich) haſtu ein verdaͤchtiges Schreiben geleſen/ und genehme Antwort darauff
verſprochen/ ſo mache dich aus dem Staube/ und warte keine Stunde mehr/ doch ſo unvermerket und
einſam/ als moͤglich iſt; und daß du wegen meiner Traͤue mich nicht in Gefahr ſtuͤrzeſt/ ſo verbrenne
dieſes Brieflein alsbald; auch wann du auſſerhalb Landes in Sicherheit ſeyn wirſt/ laß michs unter
dem verdecketen Nahmen Markus Salius wiſſen. Die Goͤtter geleiten dich/ weil ich dich vor unſchul-
dig halte. Es gedauchte mich jedes Wort ein Donnerſchlag ſeyn/ dagegen dieſes Ritters
r r r r rWarnung
[866]Achtes Buch.
Warnung ein erquiklicher Regen/ und ließ ich mich gegen den Uberbringer nichts mer-
ken/ ſondern befahl ſeinen Herrn zu gruͤſſen/ und daß ich bald wolte bey ihm ſeyn/ wie er be-
gehrete; nam etliche Kleinot und 300 Dukaten zu mir/ damit ging ich vor das Tohr hinaus
als zur Luſt/ hieß meinen Diener wieder zuruͤk gehen/ und eilete nach dem naͤheſten Dorffe/
da verbarg ich mich in einer Scheuren/ biß es finſter wahr/ gab mich bey einem armẽ Bau-
ren an/ ſchenkete ihm 10 Dukaten/ und baht ihn/ daß er ſeinen Wagen anſpannen/ und mich
nach dem naͤheſten Schiffhafen fuͤhren moͤchte/ dann ich waͤhre in hoͤchſter geheim von ei-
nem vornehmen Herrn aufs ſchleunigſte fort geſchicket/ eine Sache zuverrichten/ daran
dem Stathalter ſehr viel gelegen waͤhre. Ich erhielt mein Anſuchen leicht/ und rollete mich
dieſer hin/ da ich ihm zuvor ſein beſtes/ wiewol geringes Tuchen Kleid vor meines abgetau-
ſchet hatte; kam gegen morgen bey dem Meer an/ und fand ein Schiff/ welches gleich nach
Daͤnenmark zuſaͤgeln fertig war. Anfangs zweifelte ich/ ob ich mich dahin begeben dürfte/
endlich dauchte mich die Spaniſche Gefahr groͤſſer als die Inheimiſche ſeyn/ und verdin-
gete mich auff daſſelbe/ vorgebend/ ich haͤtte in Daͤnen mark noͤhtige Sachen zuverrichten.
Wir fuhren mit ſehr gutem Winde etliche Tage gluͤklich fort/ biß wir von einem ganz un-
vermuhtlichen Ungewitter überfallen wurden/ und Schiffbruch erlitten/ da ich ein Stuͤk
vom Brete ergriff/ und auff demſelben mich 36 Stunden mit groſſem Kummer und Un-
gemach auffhielt/ biß mir ein Frieſiſches Schiff zu gutem Gluͤk ins Geſichte kam/ welches
auff mich anſegelte/ und die Schiffleute nach geſchehener Labung mir allen guten Willen
erzeigeten. Der Schiffherr hatte ſeine Handlung hin und wieder getrieben/ und wahr
willens in Engeland zufahren/ uñ weil es ihm an Ruderknechten mangelte/ muſte ich mich
mit gebrauchen laſſen; da ich dann meine Stelle ſo fleiſſig vertrat/ daß der Schiff Herr
mich durchaus nicht verlaſſen wolte/ mit Einwendung/ weil er mir das Leben erhalten/
waͤhre ich ſchuldig ihm zudienen; welches mir aber ungelegen war/ haͤtte auch lieber mei-
nen Geiſt mitten in den Wellen zugeſetzet/ als bey dem Ruder gefriſtet; dannoch durffte ich
mich nicht wegern/ damit er mich nicht anſchmieden/ und unter die Zahl ſeiner Leibeigenẽ/
die nimmer vom Schiffe kahmen/ verſtecken lieſſe; und nicht deſto weniger urteilete er aus
meiner Traurigkeit/ ich wuͤrde ihm/ wann ich zu Lande kaͤhme/ nicht lange aushalten; da-
her er dreyen andern ernſtlich befahl/ daß ſie mich nicht vom Schiffe gehen lieſſen/ ſo lange
er mit ſeinen Leuten ins Land reiſete/ ſeine Kauffmanſchafft fortzuſetzen. Dieſes hoͤrete ich
ſelbſt an/ und beantwortete es mit froͤlichem Angeſichte: mir waͤhre alhie beſſer als anders
wo/ und ſolte er ſich meinet wegen nur unbekümmert laſſen/ maſſen wann ich in ſeinem
Dienſte nicht waͤhre/ wolte ich mich bemuͤhen/ darein zukommen; machte auch nach ſei-
nem Abzuge mit meinen Huͤtern beſſere Kundſchafft/ zog einen Dukaten hervor/ als haͤtte
ich denſelben von alle meinem Zehrgelde uͤbrig behalten/ und erboht mich/ denſelben zum
beſten zugeben/ da ihrer einer in die Stad gehen/ und uns guten Spaniſchen Wein hohlen
wolte. Dieſe dem Trunk ohn das ſehr zugetahn/ danketen mir vor ſolchen Schmauß/ lieſ-
ſen den Wein eintragen/ und ſoffen in kurzer Zeit einen ſtarken Rauſch/ daß ſie wie die Rat-
zen feſt einſchlieffen; welche gute Gelegenheit ich nicht verabſeumete/ band den eingeſchlaf-
fenen Haͤnde und Fuͤſſe/ machte mich aus dem Schiffe/ und ließ mich von einem Bohten
zu Fuſſe nach des Roͤmiſchen Stathalters Schloß bringen/ ſchaffete mir daſelbſt in der
Stad
[867]Achtes Buch.
Stad Ritterliche Kleider und Waffen/ und legete mich in eine Herberge/ da ich aus vie-
len Laͤndern neuer Zeitung berichtet werden kunte. Bald des erſten Tages funden ſich bey
der Mahlzeit zween Spaniſche Kaufleute/ welche auff des Wirts Nachfrage berichteten/
ihrem Stathalter waͤhre ſein junges Weib/ eine vornehme Roͤmerin von einem fremden
unbekanten Ritter/ nahmens Nauzius/ entfuͤhret/ welches kein Menſch erfahren koͤnte/ wo-
hin ſie kommen waͤhren/ [und] ginge die gemeine Sage/ der Stathalter waͤhre ihrer Buh-
lerey wenig Stunden vor ihrer Flucht inne worden/ aber durch Nachlaͤſſigkeit haͤtte er ſein
beſtes verſeumet/ welches er nun zu ſpaͤht beklagete/ jedoch den Schimpff hoͤher als den
Schaden rechnete. Ich wunderte mich der Zeitung hefftig/ und kunte daher leicht muht-
maſſen/ das Weib wuͤrde gewarnet ſeyn/ und ſich beyzeiten aus dem Staube gemacht ha-
ben/ ſo daß man meynete/ ſie waͤhre mit mir davon gezogen. Weil ich dann einen Schiff-
Herrn antraff/ der gleich nach Spanien fahren wolte/ ſchrieb ich an des Stathalters
Sohn/ und begehrete von ihm verſtaͤndiget zuwerden/ was nach meinem Abzuge ſich zu-
getragen haͤtte/ bezeugete daneben meine Unſchuld/ und daß ich keinen Gedanken gehabt/
mich dergeſtalt an ſeinem H. Vater zuvergreiffen/ und ſeinem Ehebette einigen Schand-
flek beyzubringen. Ich bekam in weniger Zeit Antwort von ihm/ er haͤtte ſeine Stifmutter
gleich wie mich gewarnet/ worauff ſie in Mannes Kleidern zu Lande durch Gallien/ und al-
ſo in Italien geflohen waͤhre/ wuͤrde ohn zweifel ſich nach ihren Veꝛwanten in Sizilien ver-
fuͤget haben/ und daſelbſt heimlich ſich auffhalten. Zwar der Stathalter/ wie er meiner uñ
ihrer Flucht zugleich verſtaͤndiget worden/ haͤtte/ wie auch jederman/ nicht anders gemey-
net/ als daß wir mit einander davon gelauffen waͤhren/ hielte auch noch dieſe Stunde da-
vor/ ich wuͤrde ſie in ein fremdes Land gefuͤhret haben/ woruͤber er hin und wieder nachfra-
gen lieſſe; haͤtte inſonderheit Engeland/ Schweden und Daͤnenmark in Verdacht/ da
wir uns etwa moͤchten nidergelaſſen haben. Ehe ich dieſe Antwort bekam/ lebete ich in En-
geland ſicher/ und meynete aller Gefahr entgangen ſeyn/ da ich doch dem Verderben bald
in Rachen gelauffen waͤhre. Ich gab mich bey Hofe an/ und wartete dem Stathalter auf/
der mich in Dienſte nam/ und mich vor ſeinen Hof Junker und Vorſchneider beſtellete/
deſſen Bruder Tochter/ Frl. Etburg/ ein trefliches Fraͤulein/ mir ihre gute Gewogenheit
unter ſchiedliche mahl zuverſtehen gab/ wiewol mit ſo hoͤflicher Zucht/ daß kein anweſender
deſſen einigen Argwohn ſchoͤpffen kunte. Sie ward von dem Fuͤrſtlichen Frauenzimmer
etwas veraͤchtlich gehalten/ weil ſie von der Mutter her nur adeliches Standes wahr/ deß-
wegen ſie auch ſelbſt ſich lieber mit einem aͤdlen Ritter/ als groſſem Herrn verehlichet haͤt-
te. Ich ſtellete mich einfaͤltig/ und wolte ihre Gunſt nicht merken/ daher ſie ſich entſchloß/
mir dieſelbe etwas deutlicher vorzutragen/ indem ſie in einem Tanze mir ein Ringelein
ſchenkete/ mit begehren/ es ihr zu liebe und Gedaͤchtniß zutragen/ welches dann/ Unhoͤflig-
keit zumeiden/ ich ihr nicht verſagen wolte/ ſteckete es an meinen kleinen Finger/ und be-
dankete mich der gar zu hohen Ehre/ die in Betrachtung meiner Geringfuͤgigkeit ich zuer-
kennen nicht beſtand waͤhre. Sie aber antwortete mir: Ein Ritter/ welchen Tugend und
Geſchikligkeit begleiteten/ haͤtte ſich bey ihr keiner Unwirdigkeit anzuklagen; ſie hielte mehr
auff Sitten und Tapfferkeit als auff Blut/ daher ſie auch an vielen geringern Leuten die
Tugend hoch ſchaͤtzete. Ich hatte keine Gelegenheit/ ihr zuantworten/ und ward nach ge-
r r r r r ijendig-
[868]Achtes Buch.
endigtem Tanze mir zu meinem Ungluͤk des Stathalters Tochter/ Frl. Pondizea zugefuͤh-
ret/ welche jeztgedachter ihrer Waſen an Schoͤnheit wenig nachgab/ aber ſehr boßhafftig/
frech und unzuͤchtig wahr/ welche Laſter ſie zuzeiten wol zuverbergen wuſte/ wann ihre Be-
waͤgungen nicht zu hefftig gingen. Im Tanze ward ſie des jeztgedachten Ringes an mei-
ner Hand gewahr/ ließ ſich doch nicht merken/ daß ſie ihn kennete/ ſondern fragete mich/
von was lieber Hand mir eine ſo anmuhtige Gedaͤchtniß kaͤhme; zwar ſie waͤhre willens
geweſen/ mir ein Zeichen ihrer guten Gunſt einzuhaͤndigen/ weil ſie aber fuͤrchtete/ dz ſchon
gelieferte wuͤrde das ihrige unwert machen/ oder von dieſem nicht koͤnnen gelitten werden/
wolte ſie ihre hohe Gewogenheit ſo lange einzihen/ biß ſie von mir ihrer Furcht benommen
waͤhre/ noͤhtigte mich auch/ nach geendigtem Tanze zu ihr niderzuſitzen/ weil ſie auff ſolche
Gelegenheit ſchon mehr gewartet/ und mit mir von allerhand Sachen zureden haͤtte. Ich
beantwortete ihre erſte Frage: Ich truͤge kein Gunſtzeichen an meiner Hand/ ohn welches
meine leibliche Schweſter am Tage meines Abſcheides mir zum freund-bruͤderlichen An-
denken eingereichet haͤtte; Ihr gnaͤdiges erbieten betreffend/ waͤhre ſolches viel zu hoch/
und mein Finger ihres Fuͤrſtlichen Ringes aller dinge unfaͤhig; wuͤrde mir auch von den
vornehmen Anweſenden/ inſonderheit von ihren Eltern ſehr ungleich/ und zum baͤuriſchen
Frevel ausgelegt werden/ wann ich mich zu ihrer Gnaden wuͤrde niderſetzen; baͤhte dem-
nach untertaͤhnig/ mir nicht zuverargen/ dz ihrer gnaͤdigen Anmuhtung/ der ich ſonſt herz-
lich gerne in allem gehorſame folge leiſten wolte/ vor dißmahl mich ungehorſam erzeigen
muͤſte/ und hielt ſchließlich umb ihre beharliche Gnade an. Sie hingegen ließ ſich nicht
merken/ daß ihr ſolche Erklaͤrung zuwider waͤhre/ ſetzete ſich an ihre Stelle/ und ließ ſich
als eine tieffſinnige eine halbe Stunde anſehen/ daß niemand/ der ſie anredete einige Ant-
wort von ihr bekam; endlich nach außgetichteteꝛ Boßheit/ machete ſie ſich hin zu ihrer Fr.
Mutter/ und ungeachtet Frl. Etburg zugegen wahr/ brachte ſie dieſe Verleumdung vor:
Es hat meine Fr. Mutter ſich oft verwundert/ warumb gegenwaͤrtige meine Waſe hoͤher
geehret und beliebet iſt/ als ich/ da ich doch keines gemeinen aͤdelmans Tochter zur Mutter
habe/ ſondern euch/ die jederman weis von altem Koͤniglichen Blute entſproſſen ſeyn; aber
laſſet euch ſolches hinfuͤro nicht mehr befremden/ dann Leichtfertigkeit findet leider heut zu
Tage allenthalben Plaz/ und machet dieſe Ungerahtene ſo angenehm/ welche ſich auch nit
ſcheuhet/ den Rittern von fremden geringen Adel/ deren Ankunfft uns nicht eins wiſſend
iſt/ die Ringe von ihren Fingern zuverſchenken; wie ich dann eben denſelben jetzo an unſers
neuen Vorſchneiders Finger geſehen/ mit welchem ihr ſie neulich angebunden habet. Frl.
Etburg erſchrak der Rede hoͤchlich/ daß ſie daruͤber erblaſſete; doch wie ſie ſehr kluges Ver-
ſtandes wahr/ er dachte ſie bald einen Fund/ und gab dieſe Antwort: Ach meine Durchl.
Frl. Waſe/ iſts moͤglich/ daß der fremde Hof Junker meinen Ring haben ſol/ den ich vor
einer Stunde verlohren/ und aus Furcht und Schahm nicht habe nachfragen duͤrffen/ ob
er gefunden ſey? ging darauff zu mir/ und ſagete: Herr Ritter/ ich vernehme ungefehr von
meiner Bekantin einer/ daß bey ihm ein Ring geſehen ſey/ den ich vor einer Stunde ver-
lohren habe; da er nun denſelben gefunden/ bitte ich freundlich/ mir denſelben wieder zuzu-
ſtellen/ damit ich daruͤber nicht in ungleichen Verdacht gerahten moͤge. Alsbald fiel mir
ein/ was die Urſach ſeyn wuͤrde/ trat mit ihr nahe zu der Stathalterin/ daß ſie uñ Frl. Pon-
dizea
[869]Achtes Buch.
dizea meine Antwort wol vernehmen kunten/ faſſete den Ring zwiſchen zween Finger/ und
ſagte: Hochgebohrnes Fraͤulein; ich habe ja einen Ring funden/ unwiſſend wem er zuſte-
het/ und iſt mir ſehr lleb/ daß ich ihn an gehoͤrigen ort wieder einliefern kan/ haͤtte auch als-
bald ſolches gerne verrichten wollen/ wann die Unwiſſenheit mich daran nicht verhindert
haͤtte/ und bitte untertaͤhnig/ mir ein ſolches nicht ungleich auszulegen. Sie bedankete ſich
vor die uͤberlieferung mit kurzen Worten und ſchlechter Bezeigung/ kehrete ſich zu ihrer
Frl. Waſe/ und ſagte zu ihr: Ich bedanke mich billich/ daß ihre Liebe mir befoderlich gewe-
ſen/ meinen lieben Ring wieder zubekommen/ bitte daneben von Grund meines Herzen/
mich des ungleichen Verdachts zuerlaſſen/ ob ſolte ich durch Geſchenke und Verehrun-
gen ſuchen/ mich bey Mannesbildern beliebet zumachen/ welches mir nie in den Sin ge-
ſtiegen iſt/ wil auch/ da ich deſſen kan uͤberzeuget werden/ die gebuͤhrliche Straffe der leicht-
fertigen Unkeuſcheit auszuſtehen mich nicht wegern; und ſolte ich von einigem Menſchen
hoͤher als meine Frl. Waſe geehret ſeyn/ muͤſte mir ſolches ſchmerzlich wehe tuhn/ wolte
auch nicht unterlaſſen/ mich an ſolchem groben Menſchen zuraͤchen; dann ich erkenne mei-
ne Geringfügigkeit ſehr wol/ und daß Euer Liebe Vortrefligkeit ich nicht zuvergleichẽ bin/
aber doch willens/ meiner Ehren und guten Nahmens fleiſſige Hūterin zu ſeyn. Frl. Pon-
dizea lief vol Zorn/ daß ſie dergeſtalt ſolte auffm fahlen Pferde ertappet werden/ rief mich
deswegen herzu/ und fragete mich unwuͤrſch gnug/ ob ich nicht geſtanden haͤtte/ daß miꝛ deꝛ
Ring geſchenket waͤhre. Ich gab ihr zur Antwort: Ich haͤtte ja ſolches/ aber nicht von die-
ſem/ an deſſen Gegenwart ich nicht mehr gedacht/ ſondern von einem andern Ringe gere-
det/ und da ihre Gn. einen andern gemeinet haͤtte/ baͤhte ich meines Irtuhms üntertaͤhni-
ge Vergebung/ welcher daher gnug koͤnte erkennet werden/ daß ich hinzu getahn/ es waͤhre
mir dieſer Ring/ nehmlich der am Goldfinger/ von meiner Schweſter geſchenket worden.
Ihre Frau Mutter kam ins Mittel/ und gab vor/ es waͤhre ein ſchlechter Verſtoß/ der
ſich leicht zutragen koͤnte; aber die Tochter bezeigete ſich ſo unſittig/ daß man leicht zu-
ſchlieſſen hatte/ ſie ginge mit nichts gutes ſchwanger; wie ſie dann alsbald einen Tra-
banten zu ſich gefodert hatte/ und ihm befehl getahn/ mir/ wann ich heimgehen wuͤrde/
ſelb vierde auffzuwarten/ und mich ungeſcheuhet hinzurichten/ welches von ihrem
Herr Vater alſo befohlen waͤhre/ und er ſamt ſeiner Geſelſchafft bey Leib und Leben
heimlich halten ſolte. Dieſer wahr willig/ es ins Werk zurichten/ als zu welchem
Dienſt ſie ohn zweiffel ſeiner ehemahl muſte gebrauchet haben; nur geſchahe zu meinem
Gluͤk/ daß mein Leibknabe unvermerket anhoͤrete/ da dieſer ſich mit andern beredete/ auff
was Weiſe/ und an welcher Ecke ſie mich anſprengen wolten/ auch/ daß ſie deſſen von dem
Fraͤulein eine reiche Vergeltung hoffeten. Ich ward deſſen alsbald berichtet/ hieß meinen
Knaben ſchweigen/ und unſer beide Pferde geſchwinde fertig machen/ wahr auch gleich
willens mich unvermerket hinweg zuſtehlen/ da ſich ein klaͤgliches Geſchrey erhuhb/ Frl.
Etburg waͤhre in ihr eigen Meſſer gefallen/ und alsbald Todes verbliechen. Bald vergaß
ich meines eigenen Ungluͤks/ lieff dem Gemache zu/ da der Unfal ſolte geſchehen ſeyn/ und
fand es leider alſo/ wiewol aͤus allen Umſtaͤnden gnugſam erſchien/ daß Frl. Pondizea die-
ſen Mord mit ihrer unbarmherzigen Fauſt ſelbſt begangen haͤtte/ geſtaltſam der Todten Lei-
che ein kleines Meſſerchen im Herzen ſteckete/ welches ja nicht kunte hinein gefallen ſeyn/
r r r r r iijauch
[870]Achtes Buch.
auch ihre Leibdienerin geruffen hatte: O mein Gn. Fraͤulein wird erſtochen; wahr aber von
der Taͤhterin durch harte Draͤuung bald geſtillet. Mir wahr nit anders zumuhte/ als waͤh-
re der Scharffrichter hinter mir geſtanden/ mir den Schedel herunter zuſchlagen/ drehe-
te mich bey dem groſſen Getuͤmmel artig hinweg/ meidete die beſtimmete Mordecke/ und
durch einen zimlichẽ Umweg kam ich an meine Herberge/ woſelbſt mein Diener alles nach
meinem Willen verfertiget hatte; ſetzeten uns zu Pferde/ und weil ich mit dem Tohrhuͤter
wol daran wahr/ ward ich willig außgelaſſen; da ſeumete ich nun nicht/ ſondern ritte nach
dem naͤheſten Hafen/ da mein ehemaliger Schiff Herr mich in einer Herberge antraff/ und
wegen meiner ritterlichen Kleidung/ die ich anhatte/ auch daß ſchon eine gute Zeit meiner
Entweichung entgangen wahr/ mich/ vor den er mich hielt/ nicht anreden durffte/ biß ich
mich ſelbſt meldete/ und ihm zwar vor die Lebens Rettung dankete/ aber zugleich ihn erinneꝛ-
te/ niemand ſobald zur Ruderbank zuver dammen/ er haͤtte dann deſſen beſſere Kundſchaft;
zwar ich wolte ihm den Streich verzeihen/ aber wann ſein Koͤnig es wiſſen ſolte/ bey dem
ich in groſſen Gnaden ſtuͤnde/ duͤrffte derſelbe es ihm nit ſo leicht ſchenken/ weil ohn Ruhm
zumelden ich hohes und Fürſtliches Adels waͤhre/ daß noch wol ein geringer ihm das Ru-
der zihen koͤnte. Er wahꝛ noch ſo beſcheiden/ daß er umb Veꝛzeihung anhielt/ welche ich ihm
voͤllig zuſagte; uñ von ihm erfuhꝛ/ die drey von mir gebundene haͤttẽ zur Straffe biß in den
dritten Tag alſo verbleiben muͤſſen; beteurete nachgehends hoch/ dafern er meines Stan-
des haͤtte ſollen berichtet ſeyn/ welchen er auß meiner Kleidung nicht muhtmaſſen koͤnnen/
wolte er mir lieber auffgewartet/ als das Ruder anbefohlen haben. Ich ſchrieb hieſelbſt ei-
nen Brieff an den Stathalter/ bedankete mich als ein gebohrner Fuͤrſt aller beſchehenen
Ehr/ und baht um Vergebung meines ſtilſchweigenden Abſcheides/ deſſen Urſach keine
andere waͤhre/ als daß man ohn alles mein verſchulden mir nach Leib und Leben getrach-
tet/ wie ſein Trabant/ wann er peinlich gefraget wuͤrde/ ſchon bekennen ſolte/ rechnete es a-
ber weiblicher Bloͤdigkeit zu/ und erboht mich zu allen Freundſchafftdienſten. Was aber
hierauff mag erfolget ſeyn/ habe ich noch zur Zeit nicht koͤnnen erfahren. Auch ſchrieb ich
von darab an den Spaniſchen Stathalter unter meinem ehemaligen Nahmen Nauzius/
gab ihm meine reine Unſchuld zuerkenuen/ und daß Zeit meines Lebens ich keinen Gedan-
ken gehabt/ einem Manne ſein ehelich Weib zuverfuͤhren/ oder deren zumiſbrauchen/ und
da er mich in den falſchen Verdacht haͤtte/ als waͤhre ſein Gemahl mit mir davon gezogẽ/
moͤchte er ſich deſſen wol begeben/ weil ich dieſelbe weder geſprochen noch geſehen. Darauf
trat ich zu Schiffe/ in willens des geradeſten Weges nach Frießland zugehen/ ſchwebete
aber ſechs Wochen auff dem Meer in uͤberaus groſſer Gefahr/ biß wir noch endlich Frieß-
land erreicheten/ und ich ſamt meinen getraͤuen Leib Knaben nach Wunſch bey dem Koͤni-
ge anlangete/ bey dem ich mich etliche Wochen heimlich auffhielt/ und mit Freuden er-
fuhr/ daß mein Herr Vater den Zorn etlicher maſſen gemildert haͤtte/ und entſchloſſen
waͤhre/ mich der ungenehmen Heiraht zuerlaſſen/ nicht allein/ weil er ſahe/ daß mir der
Tod angenehmer als dieſes Gemahl wahr/ ſondern auch die geſamten Land Staͤnde
auff des Frieſen Koͤniges heimliches angeben/ an den Koͤnig meinen Herr Vater auß-
druͤklich begehret/ mich dieſer Heyraht wegen nicht zuverfolgen/ viel weniger meine Ent-
erbung vorzunehmen/ weil das ganze Reich eine ſolche Zuneigung gegen mich truͤge/ daß
ſie
[871]Achtes Buch
ſie lieber ſterben und verderben/ als mich verlaſſen wuͤrden. Uber welcher Erklaͤrung die
Koͤnigin meine Fr. Stieffmutter mehr als mein Herr Vater ſich entſetzet hatte/ weil man
ſie beſchuldigen wollen/ es waͤhre alles ihr Getrieb/ um ihre Fr. Schweſter zur Koͤnigin
nach meines Herrn Vaters Tode zumachen/ und ihres Vortels daher zuſpielen; deſſen ſie
ſich aber hoch entſchuldiget/ ſich auff des Koͤniges Zeugniß beruffen/ und den Staͤnden ein
zimliches genuͤgen getahn hatte. Es riet mir aber nicht deſto weniger mein Oheim der Frie-
ſen Koͤnig/ nochmahls ein bewaͤgliches Schreiben an meinen Herr Vater abgehen zulaſ-
ſen/ umb gnaͤdigſte Verzeihung meines Ungehorſams anzuhalten/ und des mit den Staͤn-
den ergangenen nicht zugedenken; worauff ich gleichwol eine unguͤtliche Antwort bekam/
ob ich noch nicht gelernet haͤtte/ dem vaͤterlichen Willen Folge zuleiſten/ ſolte ich ihm nit
unter die Augen kommen/ und dannoch wiſſen/ daß Frl. Vanda ihr ganzes Gluͤk nicht eben
auff mich unbeſonnenen gebauet haͤtte/ ſondern meines gleichen allezeit finden wuͤrde; wañ
ich aber ihm kindlichen Gehorſam erzeigen wolte/ ſolte ich unter angenom̃enem fremden
Nahmen mich zu Rom eine Zeitlang auffhalten/ biß er mich abfodern wuͤrde; worzu ich
dañ ſehr geneigt wahr/ und zur Reiſe mich ſchickete/ weil ich aus Daͤnenmark Mittel gnug
bekam. Aber das leidige Ungluͤk trat zwiſchen ein dañ mein Vetter der Frieſen Koͤnig ſtarb
eines jaͤhen Todes/ nicht ohn glaubwirdige Zeichen eines beygebrachten Gifftes/ deſſen
Anſtiffter auſſer allem Zweiffel der Wendiſche Krito geweſen/ und von Gott zur rechtmaͤſ-
ſigen Straffe gezogẽ iſt. So bald der Koͤnig verſchieden wahr/ begehreten nit wenig von dẽ
Landſtaͤndẽ (wiewol Krito die meiſten beſtochẽ hatte) ich moͤchte im Reiche bleibẽ/ biß wegẽ
kuͤnftiger Herſchung gewiſſe Anordnung gemacht waͤhre; da auch bald ihrer eine zimliche
Anzahl auff meine Wahl gingen/ weil der Koͤnig ohndaß mich vorgeſchlagen und mich
zum Nachfolger im Reich ernennet hatte/ aber der Ungluͤksvogel Krito fidelte mir durch
ſeine ergebenen den Tanz/ daß ich nicht auffkommen kunte/ und Gott lob dieſes Koͤnigreich
dem zu teil worden iſt/ dem ichs/ wie mein Gott weiß/ eben ſo gerne/ ja lieber als mir ſelbſt
goͤnne. Nun habe ich in mehr als drey Jahren meinen Herr Vater nicht geſehen/ als
auff dieſem Schloſſe/ und bezeiget er ſich annoch nicht ſo guͤtig/ daß ich ihm trauen darf: ja
triegen mich meine Gedancken nicht/ dürffte er noch eins verſuchen/ mich zu dieſer Heirath
zu noͤhtigen/ wovon mich aber zum wenigſten der Tod befreien ſol/ und kan mirs ſo gut
werden/ wil ich mit Fuͤrſt Arbianes in Meden reiſen/ und mein angebohrnes Koͤnigreich/
als lange mein Herr Vater lebet/ aus dem Sinne ſetzen/ es waͤhre dann ſache/ daß eure
Hochheit mir gnaͤdigſt befehlen wolte/ ihr meine Flammen zu offenbahren/ die mir kaum
vor 20. Stunden in meiner Seele auffgangen ſind; bitte daneben demuͤhtigſt uͤm Ver-
zeihung/ daß mit unlieblicher Erzehlung meines außgeſtandenen Ungluͤks dieſelbe ich ſo
lange auffgehalten/ und ihrer Geduld mißbrauchet habe; welches eigentlich zu dem Ende
geſchehen iſt/ daß derſelben ich die wiedrigen Gedancken benehmen moͤchte/ ob truͤge ich ei-
niges beliben zu dem Wendiſchen Fraͤulein/ da mir doch angenehmers nicht begegnen kan/
als daß dieſe Urſach der Ungewogenheit meines Herrn Vaters ſolcher Geſtalt aus dem
Wege geraͤumet werden moͤge; worin Ihre Hochheit ſich fleiſſigſt bemuͤhen wollen/ ich
demuͤhtigſt bitten wil. Eure Liebe hat mir in Warheit einen ſehr angenehmen Dienſt und
Willen durch die Erzaͤhlung ihrer denkwuͤrdigen Gluͤckes-Faͤlle bezeiget/ antwortete Koͤ-
nigin
[872]Achtes Buch.
nigin Valiſka; ſonſten geſtehe ich/ daß die erſt ausgelaſſene Seuffzer bey mir allerhand
Nachdencken verurſacheten/ und mein Vorhaben/ die Heirath zwiſchen Koͤnig Mnata
und dieſem Fraͤulein betreffend/ ſchier rükſtellig gemacht haͤtten/ welche nunmehr mit gu-
tem Verfolg zuſtiften/ ich wenig zweifele. Hier bekam Fürſt Olaff erſt gute Hoffnung ſei-
ner Liebe/ weil er in furchten ſtund/ dieſer Koͤnig wuͤrde ihm an ſeinem Vorhaben hinderlich
ſeyn/ und den ſuͤſſen Schwediſchen Braten vor ſich begehren; reizete deswegen Koͤnigin
Valiſka mit vielfaͤltigem Bitten/ dieſe Heirath eiferig zu treiben/ welches ſie ihm getraͤulich
verſprach; doch wil ich hierin nicht das allergeringſte vornehmen/ ſagte ſie/ es ſey dann/
daß eure Liebe mir ihrer erſtgedachten Liebes-Flammen beſſere kundſchafft goͤnne/ ob ich
dieſelbe verhoffentlich nach ihrem Willen befodern koͤnte. Ich ſehe wol/ fuhr ſie auff ſein
ſtillſchweigen fort daß eine unzeitige Schahm eure Zunge hemmet/ maſſen der Liebe Ei-
genſchafften mir auch zimlich bekant ſind/ aber mein Oheim hat ſich ſchon zu weit bloß ge-
geben/ und was gilts/ ob dieſe Flammen nicht vom Schwediſchen Schwefel angezuͤndet
ſind/ welche nicht als durch ein Waſſer aus eben dieſem Schwefel gebrennet/ koͤnnen ge-
loͤſchet werden? dafern ich nun eine untriegliche Wahrſagerin bin/ ſo laſſe michs mein O-
heim wiſſen/ und gebe mir Gelegenheit/ in der Taht dereins ſehen zu laſſen/ wie gerne ich
ihm zu dienen mich gebrauchẽ lieſſe/ inſonderheit/ weil auf dieſe Heiraht ich gleich damahls
bedacht geweſen bin/ als eure Liebe ich das erſtemahl geſprochen habe. Fürſt Olaf bedankete
ſich mit ſonderlicher Demuht/ bekennete ſein Anliegen willig/ ſtellete ihr alles ſein Gluͤk uñ
Wolfahrt/ wie er ſagete in ihre huͤlfreiche Hand/ und gingen hiemit voneinander/ Valiſka
aber alsbald nach dem Daͤniſchen Koͤnige und ſeinem Gemahl/ trug ihnen Koͤnigs Mna-
ta Anwerbung vor/ und rühmete ihn/ daß er gnug wirdig waͤhre/ mit einem ſolchen Fraͤu-
lein eine Heiraht zu treffen. Dieſe bedanketen ſich ſehr der getahnen Werbung/ und daß ſie
es in bedenken zihen/ mit dem Fraͤulein bereden/ und deren Erklaͤrung ihrer Liebe wieder
hinterbringen wolten. Valiſka begehrete von ihnen/ daß ihr vergoͤnnet ſeyn moͤchte/ mit
dem Fraͤulein ſelbſt hievon zureden/ und als ihnen ſolches ſehr lieb wahr/ ging ſie zu ihr hin
in ihr abſonderliches Gemach/ fand ſie in duͤnnen Unterkleidern/ welche ihr beſſer als der
Fũrſtliche Schmuk anſtunden/ und nach freundlicher Begruͤſſung ſuchete ſie gelegenheit
mit ihr von Liebesſachen zureden/ welches dem frommen Fraͤulein nit eine geringe Scham-
roͤhte austrieb/ inſonderheit/ als ſie ihr des Pannoniſchen Koͤniges Gruß und Dienſt an-
meldete/ und ſeine inbrũnſtige Gewogenheit kund machete/ auch daß er von ihr begehret
haͤtte/ anſuchung zu tuhn/ ob ſie ihn in ihre Hulde nehmen/ und ſolche Heiraht ihr gefallen
laſſen koͤnte; doch erholete ſie ſich endlich/ bedankete ſich der hohen Ehre/ nicht allein/ dz Koͤ-
nig Mnata ihr ſolche ehrliebende Gewogenheit truͤge/ ſondern auch/ daß ſie ſolches ſelbſt
zubeſtellen auff ſich genommen haͤtte/ wante ihre Unwirdigkeit ein/ und baht umb verzei-
hung/ daß ſie voͤllige Antwort zugeben ſo ungeſchikt als unvermoͤgen waͤhre/ weil ihr gn.
Herr Schwager der Großmaͤchtigſte Koͤnig in Daͤnnemark ihr an Vaters ſtat ſtuͤnde/
und in dieſem falle ihr voͤllig zugebieten und verbieten haͤtte; ſie vor ihr Haͤupt wolte hoch-
gedachtem Pannoniſchen Koͤnige vor dieſe hohe Zuneigung gebührlich gedanket haben/
als welchen ſie vor einen verſtaͤndigen ehrliebenden Koͤnig aus geſtrigem Geſpraͤch erken-
nete/ und der mit ihrem unverſtande mitleiden tragen wuͤꝛde/ daß ſie ihm nach gebuͤhr nicht
haͤtte
[873]Achtes Buch.
haͤtte begegnen koͤñen. Valiſka merkete hieraus/ daß ihr ſolche Heiraht nicht unangenehm
wahr/ nam alles vor bekant an/ machte ſich wieder nach dem Daͤniſchen Koͤnige/ und erhielt
von ihm und ſeinem Gemahl dieſe Antwort; Dafern dem Pannoniſchen Koͤnige das
Fraͤulein zu ehren beliebete/ ſolte ſie ihm unverſaget ſeyn; und wann ſie/ Koͤnigin Valiſka
der Anwerbung halben ausdruͤklich abgeſchikt waͤhre/ wolten ſie ihrer Liebe gebuͤhrliche
Antwort geben. Worauff ſie anzeigete/ es waͤhre ihr zwar volmacht gegeben/ die Hande-
lung anzufahen/ aber die ordentliche Anwerbung wuͤrde zweifels ohn durch anſehnliche
Herren verrichtet werden; ſie haͤtte an dieſer Erklaͤrung ein ſattes Genuͤgen/ und baͤhte/ ihr
nicht zuverargen/ daß ſie mit dem Fraͤulein noch einmahl abſonderlich reden wolte; ging
zu ihr hinein/ taht ihres Herrn Schwagers Erklaͤrung ihr zu wiſſen/ und baht/ daß ſie ſich
etwas beſſer heraus laſſen/ und mit ihr als mit einer vertraueten Freundin reden moͤchte;
erhielt auch eine ſolche Antwort/ daß ſie gnug verſichert wahr/ daher ſie mit ihr nach dem
Daͤniſchen Koͤnige ging/ und ohn Wortgepraͤnge etliche trefliche Kleinot hervor zog/ wel-
che ſie ihr im Nahmen und von wegen Koͤniges Mnata uͤberlieferte/ bittend/ ſolche als ein
Zeichen ehrliebender Gewogenheit anzunehmen/ und zu weiterer Handelung den verliebe-
ten Koͤnig zuverſtatten. Frl. Vanda ſtund als ein gehauenes Bild/ durfte die Schenkung
weder ausſchlagen noch annehmen/ ſondern baht ihre Fr. Schweſter Ruſila die Daͤniſche
Koͤnigin/ ihr zubefehlen/ weſſen ſie ſich verhalten ſolte; die mit einem freundlichen Lachen zu
ihr ſagete: Ob ſie nicht wuͤſte/ daß ſie dieſer treflichſten Koͤnigin der Teutſchen/ welche ihr
aller Menſchen Herzen verbindlich machete/ zu gehorſamen ſchuldig waͤhre/ als die ihre
Wolfahrt zubefodern/ ihr ſo hoch lieſſe angelegen ſeyn; warumb ſie dann erſt fragete/ ob ſie
ihre Schuldigkeit verrichten ſolte oder nicht? reichete ihr damit einen ſehr koͤſtlichẽ Ring/
und daß ſie ſolchen dem Koͤnige zur Dankbarkeit wieder zuſenden ſolte/ dafern ſie gegen-
waͤrtige Koͤnigin bewaͤgen koͤnte/ die Muͤhe der Lieferung auff ſich zunehmen. Worauff
das Fraͤulein ein Herzfaſſete/ und dieſe Erklaͤrung von ſich gab: Ich merke wol/ daß mei-
ne Fr. Schweſter/ welche bißher noch allemahl Mutterſtelle bey mir vertreten/ ſich nun-
mehr deſſen begeben/ und meiner Gn. Fr. Koͤnigin/ Fr. Valiſken/ ſolche abtreten wil/ daheꝛ
dero Koͤnigl. Hocheit zu gehorſamen ich mich ſchuldigſt erkenne/ untertaͤhnigſt bittend/ mit
ihrer beharlichen Gunſt und Gnade mir zugetahn zuverbleiben/ auch mir gnaͤdigſt zuver-
zeihen/ daß dieſe mir angebohtene Kleinot anzunehmen/ mich ſo lange auffgehalten; nahm
hiemit dieſelben von ihrer Hand mit ſonderlicher ehrerbietigkeit/ und fuhr alſo in ihrer Re-
de fort: So empfahe ich nun/ meine Schuldigkeit zu leiſten/ dieſes anſehnliche Geſchenk
mit gebuͤhrlicher Untertaͤhnigkeit/ bedanke mich beydes gegen den Uberſender uñ die hoch-
wirdigſte Uberbringerin/ und wolle ihre Hocheit nach anordnung meiner Fr. Schweſter/
dieſen ſchlechten Ring hoͤchſtgedachtem Koͤnige aus Pannonien hinwiederumb einzurei-
chen unbeſchweret ſeyn/ mit ſolcher Erklaͤrung/ die meiner gnaͤdigſten voͤllig-gebietenden
Koͤnigin gefaͤllig/ und meiner jung fraͤulichen Zucht wolſtaͤndig ſeyn wird; ſolte dann ein
mehres von mehrgedachtem Koͤnige an mich begehret werden/ wird ihre Hocheit ſolches
mit meiner Fr. Schweſter und ihrem Koͤniglichen Gemahl ſchon abhandeln/ weil meine
angebohrne Scham mir dergleichen teidungen nicht zulaſſen wil. Valiſka erboht ſich zu
aller moͤgligkeit/ und verfuͤgete ſich alsbald nach Mnata/ ihn mit ihrer guten verrichtung
ſ ſ ſ ſ ſzuer-
[874]Achtes Buch.
zuerfreuen. Nun hatte die Daͤniſche Koͤnigin es freilich bißher bey ihrem Gemahl heftig
getrieben/ daß die Heiraht zwiſchen ihrem Stief Sohn und dieſer ihrer Frl. Schweſter ge-
ſchloſſen wuͤrde/ damit nach des Koͤniges abſterben/ ſie nach wie vor im Reiche maͤchtig
bliebe/ dann ſie wahr Ehrſuͤchtig/ und nam ſich der Herſchaft mehr an/ als ihrem Wolſtan-
de gemaͤß wahr/ wozu der Koͤnig durch die Finger ſahe/ daß er als ein alter Herr ihre Ge-
wogenheit behalten moͤchte; womit doch die Staͤnde nicht allerdinge friedlich wahren/ in-
ſonderheit daß ſie nicht wenig Auffkuͤnfte an ſich zohe/ welche von rechtswegen der Schaz-
kammer haͤtten ſollen einverleibet werden. Dieſe als ſie vor gewiß ſahe/ daß Fürſt Olaff
ſein Gemuͤht durchaus nicht zu ihrer Fraͤulein Schweſter neigen wolte/ und ihr die Pan-
noniſche Krohn zu bohte ſtund/ welche zu den Zeiten in ſehr groſſem anſehen/ und von jedeꝛ-
man gefuͤrchtet wahr/ ließ ſie ihren erſten Vorſaz ſchwinden/ und lag ihrem Koͤnige an/ er
ſolte ſeinen Sohn vor ſich fodern/ ihm den erzeigeten Ungehorſam gaͤnzlich vergeben/ und
ihn zu vollen vaͤterlichen Gnaden wieder annehmen/ auch dabey vermelden/ daß ſie ihn
hierzu ermahnet und vermocht haͤtte/ damit er ſie aus allem ungleichen Verdacht lieſſe/
welcher nach des Vaters Tode ihn zur Rache antreiben duͤrfte; wie dann der Koͤnig ſol-
ches alsbald verrichtete/ und das geſchehene der ewigen Vergeſſenheit befehlend/ ihm alle
vaͤterliche Hulde verſprach; deſſen Olaf ſich von Herzen erfreuend/ beyden Eltern allen
moͤglichen Gehorſam/ Liebe und Traͤue verhieß/ und ſich inſonderheit gegen ſeine Stieff-
mutter hoͤchlich bedankete/ daß ſie ihm ſeines Herr Vaters Gnade und Gewogenheit wie-
der erworben haͤtte. Unterdeſſen Koͤnig Mnata von Koͤnigin Valiſken hoch vergnuͤget/
nam etliche Kleinot hervor/ und baht inſtaͤndig/ ſie dem Fraͤulein einzuhaͤndigen; als er
aber vernam/ daß ſie ein ſolches ſchon aus eigenem Getrieb ohn ſein Vorwiſſen verrich-
tet haͤtte/ und den uͤberſchikten Ring von dem Fraͤulein empfing küſſete er ihr die Haͤnde/
bedankete ſich ihrer getraͤuen Vorſorge/ und erboht ſich/ ihr zu Ehren und Gedaͤchtniß ein
trefliches Schloß mitten in ſeinem Koͤnigreiche auffzubauen/ welches Valiſken-Ehre ſolte
genennet/ und auff demſelben nicht allein die Koͤniglichen Reichs Schaͤtze verwahret/ ſon-
dern auch alle ſeine Nachfolger gekroͤnet werden. Ging hernach auff ihr gutduͤnken mit ihꝛ
nach Herkules und Ladiſla/ welche er vermochte/ die Freywerbung bey dem Daͤniſchen
Koͤnige und ſeinem Gemahl abzulegen/ welches alsbald/ noch vor der Mahlzeit verrichtet
ward/ und lieſſen ſie nach empfangenem Jaworte ihn hinfodern/ da er mit dem Fraͤulein
ſich ſelbſt verlobete/ und inwendig einer Stunde ſich bey ihr durch viel Geſchenke und an-
dern liebkoſen ſehr beliebt machete/ daß ſie ihm des Beylagers Zeitbeſtimmung heimſtelle-
te. Alſo gingen ſie miteinander zur Mahlzeit/ woſelbſt ihnen von allen Anweſenden Gluͤk
und Heil gewuͤnſchet/ und daneben beſchloſſen ward/ daß das Beylager auff das angeſetze-
te Freyſtechen ſolte gehalten/ und zu Prag hochfeyrlich begangen werden; welche kurze
Zeit der Daͤniſchen Koͤnigin ſchwehr fiel/ einwendend/ ſie koͤnte in ſolcher Eile/ und darzu
noch in der fremde/ zu dem gebuͤhrlichen Hochzeit Schmuk nicht rahten. Valiſka aber
troͤſtete ſie/ mit Verſprechung/ weil ſie die Koͤniglichen Kleider in groſſer Menge mit ſich
aus weitabgelegenen Laͤndern gebracht haͤtte/ und es ihr an Kleinoten auch nicht mangel-
te/ wolte ſie Mutterſtelle vertreten helffen. Bey der Speiſung wahr Valiſka voller Ge-
danken/ daß Herkules wol ſahe/ ſie waͤhre mit Anſchlaͤgen beladen/ wie ſie dann emſig nach-
ſinne-
[875]Achtes Buch.
ſinnete/ auff was weiſe ſie noch heut den verliebeten Olaff befriedigen moͤchte; weil ſie aber
Frl. Schulda Willen und Meinung nicht wuſte/ wiewol ſie am Fortgange gar nicht zwei-
felte/ wolte ſie doch deſſen ſich zuvor erkundigen/ und nach geendigter Mahlzeit redete ſie
allererſt mit Siegwarden/ offenbahrete ihm ihr Vorhaben und Olaffs hefftige Verlie-
bung/ mit begehren/ ihr ſein Gutduͤnken zueroͤffnen; ſie vor ihr Haͤupt koͤnte nicht anders
als ſolche Heyraht vor genehm halten/ weil obgedachter Fuͤrſt nach ſeines Herr Vatern
Hintrit das Koͤnigreich Daͤnenmark unſtreitig beherſchen wuͤrde/ und hiedurch die Nor-
diſche Kronen treflich koͤnten verbunden werden. Als nun Siegward ſehr bitlich anhielt/
daß ſie dieſes gute Werk fortſetzen moͤchte/ ſuchte ſie gelegenheit/ mit dem Fraͤulein zuſpre-
chen/ bezeugete ihr anfangs ihre ſchweſterliche Hulde/ und daß ſie nicht anders ſuchete/ als
deſſen wirkliche Leiſtung ſehen zulaſſen. Vor welche Gunſt das Fraͤulein ſich ſehr bedan-
kete/ und umb beharliche Gewogenheit anhielt/ auch hinwiederumb ſich zu allem Gehor-
ſam anerboht; daher Valiſka urſach nam/ ihr etwas naͤher zutreten/ ſagete/ ſie wolte ſehẽ/
ob ihr Erbieten mit der Taht uͤberein ſtimmen wuͤrde/ und fragete ſie/ ob ihr Herz annoch
von der Liebe frey/ oder albereit mit einem Schatze verſehen waͤhre; worauff ſie mit einer
ihr ohndas beywohnenden Schahm zur Antwort gab/ daß ihr biß auff dieſe Stunde alle
Liebreizungen fremde und unbekant waͤhren/ als einer/ die noch zur Zeit/ ausgenommen
dißmahl/ in keiner Geſelſchafft ſich haͤtte finden laſſen/ da junge unverheyrahtete Fürſten
geweſen; ja ſie haͤtte nie keinen jungen Herrn/ ohn vor etlichen Jahren in ihrer Kindheit
Fuͤrſt Herkules und Ladiſla/ und nachgehends Fuͤrſt Baldrichen/ ihre Oheimben geſehen/
und waͤhre nun der fuͤnffte (ihren Herr Bruder Siegward mitgerechnet) Fuͤrſt Olaf aus
Daͤnenmark/ welcher gleicher geſtalt ihr mit Blutfreundſchaft zugetahn waͤhre. In War-
heit/ antwortete Valiſka/ kan ich wol bezeugen/ daß dieſer unſer Oheim Fuͤrſt Olaff/ einer
ſolchen lieben Waſen/ als ihr ſeyd/ wol wert iſt/ und verdienet ſeine Koͤnigliche Tugend/
die auff dem allerſchoͤnſten/ aber auch beſtendigſten Grunde (ich meyne die Demut) erbauet
iſt/ daß er von jederman geliebet und geehret werde/ moͤchte auch meines teils von herzen
wuͤnſchen/ daß mein Frl. Schweſter ihr annoch unverſagtes Herz dieſem lieben Fuͤrſten
einraͤumen koͤnte/ maſſen ich ihre Liebe verſichere/ daß er nicht allein deſſen wol wirdig/ ſon-
dern mit ſo inbruͤnſtiger Begierde zu euer Schoͤnheit und Tugend gezogen wird/ daß er
tauſendmahl lieber ſterben/ als von ihr ſich trennen laſſen wil; wie dann heut fruͤh ihn die
uͤberfluͤſſige Liebe dahin getrieben hat/ daß er mir ſein ganzes Herz ſehen laſſen/ mit inbruͤn-
ſtiger Bitte/ ich moͤchte mich bemuͤhen/ ihm bey Euer Liebe Gnade zuerwerben/ umb wel-
che ſelbſt muͤndlich anzuhalten/ er ſeinem verliebeten vorgeben nach/ unwirdig und unge-
ſchikt waͤhre; Wie dann/ in betrachtung unſerer vertraulichen Freundſchafft/ und wegen
der Neigung/ damit Euer Liebe ich verpflichtet bin/ ihm ſolches nicht habe abſchlagen koͤn-
nen noch wollen; und erinnere ich zufoderſt Eure Liebe herztraͤulich/ nur dieſes zubedenkẽ/
daß wir Koͤnigliche Fraͤulein vor allen andern unſer bevorſtehendes Gluͤk nicht uͤberſehẽ/
und mutwillig vorbey ſtreichen laſſen muͤſſen/ angeſehen/ Buͤrger- und aͤdle-Toͤchter ihres
gleichen alle Tage und allenthalben finden/ daß wann dieſer ſie nicht wil/ oder er ihnen miß-
faͤllet/ ſie bald einen andern ausſehen und antreffen moͤgen/ der ſie zur Traue fuͤhre; aber
Koͤnigliche junge Fuͤrſten ſind gar ein ſelzames Wildbraͤt/ welche uns nur von Gott ſon-
ſ ſ ſ ſ ſ ijderlich
[876]Achtes Buch.
derlich zugefuͤhret werden/ ſo daß manniches Koͤnigliche Fraͤulein/ wil ſie ſonſt im Ehe-
ſtande leben/ ſich in etwas verringern/ und unter ihren Koͤniglichen Stand ſich an einen
nidrigen Fuͤrſten verheyrahten muß. Weil dann der guͤnſtige Himmel Euer Liebe vor diß-
mahl ſeine hohe Gewogenheit ſcheinen laͤſſet/ zweifelt mir nicht/ ſie werde ohn mein erin-
nern ſchon wiſſen/ wie ſie ſich dabey verhalten ſolle/ nachdem ihr eigener Verſtand ſie deſ-
ſen gnug berichten kan. Hiemit endigte ſie ihre Rede/ und mit einem ſchweſterlichen Kuſſe
ließ ſie ihre Gewogenheit ſpuͤren; welches das Fraͤulein nicht minder ſchamhafftig/ als
die angehoͤreten Reden annam/ endlich noch faſſete ſie einen Muht/ und gab dieſe Antwort:
Großmaͤchtigſte Koͤnigin/ Gn. Fr. Waſe; es hat Eure Koͤnigl. Hocheit mir ſolche Sa-
chen vorgetragen/ welche ich weder zubeantworten/ noch ſchweigend vorbey gehen zulaſſen
weiß/ nur daß ich daher die hohe unverdienete Gewogenheit erkenne/ mit welcher ihre
Vortrefligkeit mir zugetahn iſt/ dann eine Todſuͤnde wuͤrde mirs ſeyn/ wann an ihrer auf-
richtigen Traͤue ich das allergeringſte zweifeln ſolte; dafern nun gleichwol mir als einem
jungen Fraͤulein nicht verarget wuͤrde/ ihrer Hocheit vorgebrachtes in etwas zubeant-
worten/ geſtehe ich/ daß ich meinen Fraͤulein-Stand annoch ſehr weit hinaus geſetzet ha-
be/ und zwar eben aus den jezt eingefuͤhrten Urſachen/ daß wir Fraͤulein wegen Mangel un-
ſers gleichen/ das Gluͤk abwarten muͤſſen/ deſſen ich mich noch nicht vermuhten kan/ ange-
ſehen meine Jugend und andere Unvolkommenheiten/ deren ich mich unterworffen weiß/
welche mich dann ſehr zweifeln machen/ daß der Koͤnigliche Fuͤrſt und einige Erbe der
Daͤniſchen Krone meiner groß achten/ oder ſonſt Neigung zu mir faſſen ſolte/ es waͤhre
dann/ daß meine Gn. Fr. Waſe ihn darzu anreizete und beredete/ welches ihm ſonſt ſein ei-
gen Herz nimmermehr eingeben wuͤrde. Ach nein/ mein Schweſterchen/ ſagete Valiſka;
eine ſolche Beſchaffenheit hat es trauen mit der Liebe nicht/ daß ſie durch eines andern Ge-
boht in des Menſchen Herzen koͤnte gezeuget werden/ ſondern die innerlichen Bewaͤgun-
gen wirken und blaſen dieſe Funken auff/ welche durch Schoͤnheit/ Tugend und Freund-
ligkeit geſchuͤret/ und in kurzer Zeit in volle uͤber ſich ſchlagende Flammen verkehret wer-
den; und verſichere ſich meine Frl. Schweſter nur kuͤhnlich/ daß hefftigere Liebes-brunſt
nicht bald mag gefunden werden/ als welche in dieſes auffrichtigen tapffermühtigen Fuͤr-
ſten Seele gegen ihre Vortrefligkeit brauſet/ ſo daß ihm unmoͤglich iſt/ ſelbe laͤnger zuver-
bergen. Ob er nun Euer Liebe wert ſey/ oder nicht/ wil ich vor dißmahl nicht beruͤhren; ein-
mahl iſt gewiß/ daß die beyde Kronen Daͤnenmark und Schweden/ eine der andern nichts
bevor gibt/ und haben wol ehe durch Heyraht vertrauliche Freundſchafft geſtifftet; deß-
wegen wolle Eure Liebe ſich etwas eigentlicher erklaͤren/ damit ich wiſſen moͤge/ ob der
Mann ihr beliebet ſeyn koͤnne; dann wann die Gemuͤhter ſich nicht ſoltẽ vereinbaren wol-
len oder koͤnnen/ waͤhre viel beſſer gelaſſen/ als getahn. Ach meine Gn. Fr. Waſe/ antwor-
tete Frl. Schulda/ ich bitte zum hoͤchſten/ mir meine Bloͤdigkeit nicht ungleich auszulegẽ/
vielweniger mich in den Verdacht zu zihen/ ob ſolte ich aus frevelmuͤhtigem Stolze mich
uͤber dieſen Koͤniglichen Fuͤrſten erheben/ den Eure Hocheit als einen Bruder liebet; hat
mir der Himmel dieſes oder ein ander Gluͤk auserſehen/ wird ſich mit der Zeit ſchon ent-
decken/ welches ich aber ſo wenig wiſſen als ſagen kan/ in Betrachtung/ daß ich unter mei-
ner lieben Eltern Gewalt bin/ und dieſelbe/ wie in allen andern/ alſo auch in dieſem falle miꝛ
voͤllig
[877]Achtes Buch.
voͤllig zubefehlen haben. Koͤnigin Valiſka wolte hierauff antworten/ aber ſie ſahe
Fuͤrſt Olaff herzutreten/ daher foderte ſie das Fraͤulein auff/ und fuͤhrete ſie ihm mit
dieſen Worten zu: Memento tui, \& deſine latere. Das iſt: Nehmet eurer ſelbſt wahr/
und hoͤret auff/ euch ſo verborgen zu halten. Wodurch ihm der Muht wuchs/ daß er
vornam/ dem Fraͤulein ſeine Liebe zuerklaͤren; wie er dann nach geendigtem Tanze ſich zu
ihr niderſetzete/ und alſo anfing: Mein Fraͤulein wolle mir/ bitte ich/ dieſe Grobheit verzei-
hen/ die mich kuͤhn machet/ einer ſo treflichen Koͤniglichen Fraͤulein mein dienſtergebenes
Herz gehorſamſt auffzutragen/ nachdem ich nicht glaͤuben kan/ daß einiger Fuͤrſt der Welt
ſich nicht ſchuldig erkennen ſolte/ ihrer Vortrefligkeit ſich zun Fuͤſſen zulegen/ ungeachtet
nur ein einziger unter dieſen allen gluͤkſelig ſeyn/ und die Gunſt deꝛ Gefaͤlligkeit davon brin-
gen wird/ da dann uͤber den Roͤmiſchen Kaͤyſer ſelbſt ich mich ſchaͤtzen wuͤrde/ wann bey ih-
rer hohen Gewogenheit ich dieſen Plaz erwerben/ und von ihrer Liebe zum Diener koͤnte
anffgenommen weꝛden. Zwar ich kan mich meiner Unwirdigkeit ſehr wol erinnern/ und
daß an das minſte ihrer Volkommenheit ich nit reichen mag/ es waͤhre dañ/ daß mein ge-
bietendes Fraͤulein bloß aus Gunſt mich vor etwas ſchaͤtzen/ und meine Geringfuͤgigkeit
gnaͤdig uͤberſehen wolte/ welches Zeit meines Lebens zuerkennen/ ich mich befleiſſigen wüꝛ-
de/ mit dem unbruͤchigen verſprechen/ daß viel ehe der Tod meine Seele daͤmpffen/ als ei-
niges Ding der Welt meine ehrliebende Gewogenheit und dienſtbegierigen Willen von
meinem Fraͤulein abwenden ſolte; und ob ich meines anſuchens genuͤgliche Erklaͤrung zu
empfahen nicht wirdig bin/ ſo bitte ich nur zum demuͤtigſten/ mein Fraͤulein wolle mein
unwirdiges Herz nicht alsbald mit Fuͤſſen treten/ noch meinem Verdienſte nach mich hin-
ausſtoſſen/ ſondern mir gnaͤdig vergoͤnnen/ daſſelbe zulieben/ welches mich mehr als aller
Welt Hocheit vergnuͤget/ womit mein inbruͤnſtiges Anſuchen ich ſchlieſſen/ und ihrer un-
gemaͤſſenen Gewalt mich ohn alle Bedingung untergeben wil. Kuͤſſete darauff ihre zarte
Hand/ und erwartete der genuͤglichen Erklaͤrung/ welche ſie folgender Geſtalt außließ:
Durchleuchtigſter Fuͤrſt; wie ungefchickt ein ſaͤugendes Kind iſt/ geputzete Reden vorzu-
bringen/ ſo wenig befinde ich einiges Vermoͤgen oder Kuͤhnheit bey mir/ ihrer Liebe Vor-
bringen zubeantworten/ welches ohndas wegen des mir noch zur Zeit unverſtaͤndlichen uñ
biß daher aller Dinge unerhoͤreten Vortrages/ ſich aus meiner ſehr kurzen Gedaͤchtniß
ſchon hinweg geſtolen hat; dafern aber mein kindiſcher Verſtand mich nicht betreuget/
wil eure Liebe entweder mich pruͤfen/ ob ich koͤnne hochmuhtig ſeyn/ und ein mehres/ als ich
nicht bin/ von mir halten; oder aber/ ſie haͤlt um etwas bey mir an/ welches zubeantworten
nicht mir/ ſondern meinen lieben Eltern geziemen wil; im uͤbrigen weiß euer Liebe Erfah-
renheit und meine kindiſche Jugend ich ſehr wol gegen einander zuhalten/ uñ wie ſchlecht
ich beſtehen wuͤrde/ wann mit euer Liebe ich mich in ein Streit Geſpraͤche einlaſſen wolte.
Jedoch bedanke ich mich gebuͤhrlich der hohen Ehre/ die ohn meine Wirdigkeit mir ange-
legt wird/ und wie ich mich nicht bereden kan/ dz ein Fürſt Koͤnigliches Gebluͤts und naͤhe-
ſter Erbe der Großmaͤchtigen Daͤniſchen Kron/ ein unwitziges Fraͤulein auffzuzihen Luſt
haben ſolte/ alſo wil hingegen ihre Liebe ich freundlich gebehten haben/ meiner mit ſo hoheꝛ
ganz unverdieneter Lobrede und nidertraͤchtiger Bezeigung/ die ich durchaus nicht erſetzẽ
kan/ freundlich zuverſchonen/ auch eine weitere Erklaͤrung von mir nicht zufodern/ biß da-
ſ ſ ſ ſ ſ iijhin
[878]Achtes Buch.
hin ſolches von meinen lieben Eltern mir wird zugelaſſen und befohlen ſeyn. Diß wahr ih-
re gegebene Antwort auff des Fuͤrſten Vorbringen/ und dauchte ihr unmoͤglich/ ſich wei-
ter heraus zulaſſen; jedoch ihren guten Willen zubezeugen/ meldete ſie ihm an/ wie ihre lie-
be Eltern ſich ſo hoch erfreuet haͤtten/ als ihr Herr Bruder Siegward ihnen die getraͤue
bruͤderliche Freundſchafft zugeſchriebẽ/ welche ſie beide miteinander ſo feſt gelegt/ dz nichts
als der Tod ſie wuͤrde trennen koͤnnen/ weil hierinnen/ ihrer Eltern Meinung nach/ beider
Nordiſchen Reiche Wolfahrt und Sicherheit beſtuͤnde. Fuͤrſt Olaff ward bald nach die-
ſem Vorbringen von Koͤnigin Sophien zum Tanze gefodert/ da inzwiſchen Siegward
ſich zu ſeiner Frl. Schweſter niderſetzete/ und ſie zum Schimpff fragete/ was vor ernſtliche
Sachen ſie mit dem Daͤniſchen Fuͤrſten berahtſchlagete; er vor ſein Haͤupt wolte ſie brü-
derlich erſucht haben/ ihm ihrer Gewohnheit nach/ fꝛeundlich zubegegnen/ und ihm nicht
zuverargen/ ob er gleich der jungen unverheirahteten Fuͤrſten Gebrauch nach/ ſich etwas
kuͤhn im Reden erzeigen wuͤrde; ſie ihm aber zur Antwort gab; der Fuͤrſt haͤtte nach ſeiner
Hoͤfligkeit mit ihr geſcherzet/ uñ ſich im geringſten keiner Ungebuͤhr verlauten laſſen/ ſchaͤt-
zete ihn auch der Zucht und Erbarkeit/ daß er mit ihr weiters nicht reden wuͤrde/ als was
ihr Unwiz zubeantworten tuͤchtig waͤhre. Koͤnigin Valiſka hatte ſich inzwiſchen zu der
Schwediſchen Koͤnigin Fr. Hedith geſetzet/ uñ nach Bezeugung ihres guten Willen/ weit-
ſchweiffend zuverſtehen geben/ daß ſie an dem Daͤhniſchen Fuͤrſten eine ſonderliche ehrlie-
bende Gewogenheit gegen ihre Frl. Tochter geſpuͤret; da ſie nun wiſſen ſolte/ ob ihr und ih-
rem Gemahl dem Koͤnige dieſe Heyraht gefallen koͤnte/ waͤhre nichts dienlichers/ als daß
man zur Sache taͤhte/ maſſen ihr ſchon unfehlbahr bewuſt waͤhre/ daß der Fuͤrſt darzu hef-
tiges Belieben truͤge/ deſſen hohen Verſtand und unerſchrockenen Muht/ nebeſt anderen
Fuͤrſtlichen Tugenden ſie hoch ruͤhmete/ als welcher in kuͤnfftig der Daͤniſchen Kron wol
anſtehen wuͤrde. Koͤnigin Hedith bedankete ſich der fleiſſigen Vorſorge und geneigeten
Willens/ baht den Sachen einen geringen Anſtand zugeben/ biß ſie mit ihrem Koͤnige da-
von geredet haͤtte/ welcher ohn Zweiffel dieſe gute gewuͤnſchete Gelegenheit/ beide Kronen
in Friede und Ruhe zuerhalten/ nicht aus der acht laſſen/ noch einem ſo maͤchtigen Fuͤrſten
und kuͤnfftigen Koͤnige ſein Fraͤulein verſagen wuͤrde. Nun hatte die Daͤniſche Koͤnigin
eine aberwitzige Auffwaͤrterin/ nahmens Heta/ welche viel naͤrriſcher Auffzuͤge zumachen/
ſonderliche Einfaͤlle hatte/ und daneben doch ſehr einfaͤltig wahr. Dieſe trat in dem offenẽ
Saal zu ihrer Frauen/ und baht uͤberlaut/ ſie moͤchte fleiß anwenden/ dz das ſchoͤne Schwe-
diſche Fraͤulein ihrem Fuͤrſten verheyrahtet/ und noch dieſen Abend beygelegt wuͤrde; und
ob ihr gleich von der Koͤnigin hart und bedraulich zugeredet ward/ ließ ſie doch nicht nach/
ſondern ging zu der Koͤnigin in Schweden/ und hielt umb eben dieſes bey ihr an/ ruͤhmete
was vor ſchoͤne Kleider der Fuͤrſt annoch in Daͤnenmark zuruͤk gelaſſen haͤtte/ und wie
zierlich ihm dieſelben anſtuͤnden; ſo waͤhre er from/ haͤtte ſie offt der Ruhte entriſſen/ und
ihrer gn. Frauen Zorn abgewendet/ welches zuvergelten/ ſie ihm das Fraͤulein zufreyen
wolte/ dann allein dieſer und keiner anderen wolte ſie den Fuͤrſten ihren Braͤutigam abſte-
hen/ welcher ihr ſchon vor etlichen Jahren die Ehe verſprochen haͤtte. Fr. Ruſila die
Daͤniſche Koͤnigin dieſes hoͤrend/ ließ die Naͤrrin hinweg reiſſen/ und baht die Schwedi-
ſche Koͤnigin/ dieſer Unſinnigen zuverzeihen; welche aber bald wieder kam/ und kurzumb
gewiſſe
[879]Achtes Buch.
gewiſſe Erklaͤrung haben wolte; daher die Schwediſche Koͤnigin lachend zu ihr ſagete:
Ihre Frl. Tochter waͤhre heßlich/ und wuͤrde der Koͤnigliche Fuͤrſt keine Anmuhtigkeit zu
ihr haben koͤnnen/ ſonſten ſolte ſie ihm unverſaget ſeyn. Was? iſt ſie heßlich? ſagte die
Naͤrrin; zog Fuͤrſt Olaff herbey/ und fragete ihn/ ob das Schwediſche Fraͤulein nicht ein
wunder-ſchoͤnes Engelchen waͤhre; und als er ſolches mit gnug verwirretem Gemuͤhte
bejahete/ ſagte die Naͤrrin zu Koͤnigin Hedith: So hoͤret ihr ja/ daß ſie unſerm Fuͤrſten
ſchoͤne gnug iſt/ deßwegen ſaget ſie ihm zu/ daß wir bald zur Hochzeit gehen. Fuͤrſt Olaff
wuͤnſchete/ weit gnug davon zuſeyn/ aber die anweſende/ auch die Eltern ſelbſt nahmen es
vor ein unſehlbares Zeichen der kuͤnfftigen Heyraht auff; wie dann Koͤnigin Valiſka bald
herzu trat/ und alſo redete: Ich weiß nicht/ ob das alberne Menſch einerley Gedanken mit
mir fuͤhret/ ohn daß ſie ihre Meynung beherzter ausreden darff; zwar es wuͤrde kein feſteꝛ
Band dieſe Nachbar Kronen in beſſere Einigkeit erhalten/ als eben dieſe gewůnſchete Hei-
raht/ wann es Gott alſo verſehen haͤtte/ und duͤrffte ich mich erkuͤhnen/ meine Herren O-
heimbe/ die Großmaͤchtigſten Koͤnige der beyden Nordiſchen Reiche/ umb ihre Meynung
zubegruͤſſen/ hielte ich davor/ der Fuͤrſt und das Fraͤulein koͤnten eins an dem andern ge-
wuͤnſchete Vergnuͤgung haben. Herkules meynete/ ſeine Valiſka gebrauchte ſich ſchier
gar zu groſſer Freyheit/ und wolte ihr durch einen freundlichen Scherz einreden; aber der
Daͤniſche Koͤnig kam ihm zuvor/ ſtund auff von ſeinem Stuel/ und antwortete ihr alſo:
Großmaͤchtigſte Koͤnigin der Teutſchen/ hoͤchſtwerte Fr. Waſe; nicht ohn Urſach hat das
Gerücht ihren Preiß uͤberal durch die Welt ausgebreitet/ daß es faſt in einem Nuh von
einem Ende der Welt zum andern geflogen iſt; maſſen Eure Liebe ihr nichts ſo hefftig laͤſ-
ſet angelegen ſeyn/ als wie ſie der Koͤnige Herzen mit beſtaͤndiger Freundſchafft verbindẽ/
und alle Fehde gaͤnzlich auffheben moͤgt; welches dann gleich an dieſem Tage Eure Liebe
mir ſo klaͤrlich zu meinem beſten ſehen laͤſſet/ daß mein ganzes Koͤnigreich ihr davor zudan-
ken ſchuldig iſt/ wovon ich doch vor dißmahl weiter nicht reden wil/ ſondern wende mich zu
meinem Hn. Oheim und Nachbar-Freunde dem Großmaͤchtigſtẽ Koͤnige aus Schwedẽ/
Hn. Haron/ und bitte von ſeineꝛ Liebe verſtaͤndiget zuwerden/ ob dieſelbe zugeben koͤnne/ dz
das Durchleuchtigſte Koͤnigl. Fraͤulein/ Frl. Schulda/ ſeiner Liebe herzgeliebte Frl. Toch-
ter/ nach meinẽ Tode zur gewaltigẽ Koͤnigin uͤber Daͤnenmark moͤge gekroͤnet/ uñ von mei-
nem freundlichẽ lieben Sohn/ ihrer hohẽ Tugend uñ Wirdigkeit nach/ gebuͤhrlich geliebet
und geehret werden; dann ich zweifele nit/ es werde mein Sohn ſolche Gluͤkſeligkeit erken-
nen/ und in dieſem Stuͤk ſeinem Stande nach ſich zuverhalten wiſſen. Koͤnig Haron wahꝛ
gleichergeſtalt von ſeiner ſtelle ſchon auffgeſtanden/ uñ gab folgende Antwort: Großmaͤch-
tigſter Koͤnig/ Herr Oheim und Nachbar-Freund; nachdem mir gleichergeſtalt gebuͤhren
wil/ der unvergleichlichen Heldin und ruhmwirdigſten Koͤnigin/ meiner Fr. Waſen Fr.
Valiſken/ wegen ihrer getraͤuen Vorſorgezu danken/ in dem ihre Liebe ſich bemuͤhet/ das al-
lerbequemſte Mittel zuerſinnen und zubefodern/ wodurch die Nordiſchen Reiche in beſten-
diger Einigkeit koͤnnen erhalten werden/ wie dann hiemit ihrer Liebe/ meiner Fr. Waſen ich
von Herzen danke/ und zu ihrem Dienſte mich mit alle meinem vermoͤgen anerbiete; ſo bin
ich ebenermaſſen auch ſchuldig/ die groſſe Gewogenheit zuerkennen/ welche des Koͤnigs von
Daͤnnenmark ſeine Liebe/ meiner Frl. Tochter ſpuͤren laͤſſet/ in dem ſie ihren geliebten Herr
Sohn
[880]Achtes Buch.
Sohn/ den hochberuͤmten Helden und treflichen Fuͤrſten/ Herrn Olaff/ naͤheſten Erben
Daͤnnenmarks/ gedachter meiner Frl. Tochter zum Gemahl und Herrn goͤnnen und ge-
ben wil; dafern nun der Durchl. Fürſt/ mein werter Oheim zu ſolcher Heiraht belieben
tragen wuͤrde (maſſen die Heirahten aus freyem Gemuͤht gehen und geſchloſſen werden
muͤſſen) ſol ſeiner Liebe meine Frl. Tochter erwaͤhneter geſtalt unverſaget ſeyn/ nachdem
ſeine Liebe ſich daruͤber gebuͤhrlich wird erklaͤret haben. Fuͤrſt Olaf ſtund zugegen/ voller
freude und vergnuͤgung/ und als er ſahe/ daß ihm zu reden gebohten wahr/ wendete er ſich
nach tieffer Neigung vor erſt gegen Koͤnigin Valiſka mit dieſen Worten: Großmaͤchtig-
ſte Koͤnigin der Teutſchen/ erwaͤhlete Fuͤrſtin des groſſen Fürſtentuhms Suſiana in Aſien/
unvergleichliche Heldin/ und auserleſenſte Zier des menſchlichen Geſchlechts. Valiſka
ſtellete ſich der gar zu hohen benahmung ſehr unwillig/ er aber fuhr deſſen ungeachtet alſo
fort: Wann ich alle die Gnaden und Gewogenheiten erzaͤhlen ſolte/ die von ihrer Koͤnigl.
Hocheit mir unwirdigen/ auch da derſelben Feind ich noch ſeyn durfte/ erwieſen ſind/ muͤ-
ſte ich dem beruͤmten Griechiſchen Redener die Zunge/ und dem gedaͤchtnis-reichen Kar-
thaginiſchen Abgeſanten die Behaltnis abborgen/ und wuͤrde dannoch ſo wenig in einem
als anderm beſtand ſeyn/ auch das minſte duͤchtig an den Tag zulegen; wiewol ich gerne
geſtehe/ daß ihrer Koͤnigl. Hocheit heutiges Gnadenwerk die vorigen ſo gar uͤberwieget/
daß ich meinen Ohren faſt nicht trauen darf/ und billich umbfrage/ obs dann moͤglich ſey/
daß einem Unwirdigen/ wovor ich mich bekenne/ ſo hohe Gunſt und Gluͤkſeligkeit zuflieſſen
moͤgen/ mit welchen ich mich uͤberſchwem̃et befinde/ in dem ihre Koͤnigl. Hocheit ſich gnaͤ-
digſt bemuͤhet/ das treſlichſte Koͤnigl. Fraͤulein aus Schweden/ die Zier und Ausbund
jungfraͤulicher Zucht und Tugend mir zufreien/ deren volkommenheit zuverehren meine
Seele fertiger iſt/ als deren Liebe und Heiraht mir verſprechen/ weil der allergluͤkſeligſte
ihm hoͤheres Gluͤk nicht wuͤnſchen noch einbilden kan. Was ſol ich dann vor dißmahl vor-
tragen/ als daß gegen ihre Hocheit/ die meines Tauſend-glückes einige Urſach und Koͤni-
gin iſt/ ich mich demuͤhtigſt/ und in wahrer Untergebenheit bedanke/ von Heꝛzen wuͤnſchend/
ihr Gott/ der allein wahre Gott/ den ſie ehret/ wolle ihrer Hocheit ſolche Woltahten mit zeit-
lich- und ewiger Belohnung erſetzen/ auch mir das vermoͤgen geben/ ſolches nicht allein zu-
erkennen/ ſondern in ihrer Hocheit Dienſten mich koͤnnen gebührlich finden zulaſſen/ damit
taͤhtlich erſcheinen moͤge/ daß ich dero ſelbſchuldiger Knecht in wahrer ehrliebender Erge-
benheit nichts ſuche/ als mein Blut und Leben zu deren Wolfahrt anzuwenden/ daneben
zugleich bittend/ ihre Hocheit wolle den erquiklichen Schein ihrer groſſen Gewogenheit
auff mich ſtets herunter ſchieſſen/ damit ich auff der hoͤheſten Staffel meiner Gluͤkſeligkeit
befeſtiget/ dieſer volkommenen Gaben dereins wirklich genieſſen moͤge/ welche durch ihren
Vorſchub mir anjezt bevorſtehen. Es wahr Koͤnigin Valiſka ſchon fertig/ ihm ſein hohes
Lobſprechen verweißlich vorzuhalten; er aber kehrete ſich daran nichts/ ſondern wendete
ſich gegen den Schwediſchen Koͤnig/ und verfolgete ſeine Rede alſo: Großmaͤchtigſter
unuͤberwindlicher Koͤnig/ Herr Haron/ gnaͤdigſter Herr/ Oheim und Vater; ich weiß ohn
jemands erinnern ſehr wol/ daß nicht meine wirdigkeit/ als deren ich wenig bey mir befin-
de/ ſondern der allervortreflichſten Koͤnigin/ Fr. Valiſken Gewogenheit bey euer Koͤnigl.
Hocheit mir die Selle eines kuͤnftigen Aidams erwirbet; dann welcher Koͤnig und Her-
ſcher
[881]Achtes Buch.
ſcher dieſer Welt wuͤrde ſich nicht gluͤkſelig ſchaͤtzen/ ihrer Hocheit Frl. Tochter/ ein ſol-
ches mit allen Fuͤrſtlichen Tugenden ausgeſchmuͤktes Fraͤulein/ auch mit ſeinem Blute
zuerſtreiten/ welche von euer Hocheit mir aus überfliſſender Gunſt und Gnade gegoͤnnet
und zugeſprochen wird/ und haͤtte inbetrachtung meiner wenigkeit ich mich nicht unterſte-
hen duͤrffen/ umb ein ſolches Gemahl anzuſuchen/ da mein erlegener Muht nicht durch ſol-
cher vermoͤgenden Aerzte huͤlffe und Kraft geſtaͤrket und erhoben wuͤrde. So nehme ich
nun das hoͤchſt gewuͤnſchte Gluͤk mit begierigem Herzen an/ umarme die Gelegenheit
mit vergnuͤgung/ und verbleibe/ weil ich lebe/ euer Hocheit untertaͤhniger Knecht und ge-
horſamer Sohn. Euch aber/ gnaͤdigſter/ herzlieber Herr Vater/ danke ich in kindlicher De-
muht vor dieſe vaͤterliche Liebe und Hulde/ von Herzen wuͤnſchend/ dz euer Hocheit Haͤupt
die Daͤniſche Kron biß an mein graues Alter tragen/ und dem Koͤnigreich mit heilſamen
Raht und Schuz noch manniche Jahr vorſtehen moͤge/ alsdann wird mir keine Kron/
kein Koͤnigreich mangeln; bitte ſchließlich/ mein Herr Vater wolle bevorſtehende Ehe-uñ
Ehrenſache nach ſeinem vaͤterlichen Wolgefallen handeln/ ordnen und ſchlieſſen/ dem ich
mich zugehorſamen aus kindlicher Pflicht ſchuldig weiß. Sein Vater wahr ſehr vergnuͤ-
get uͤber ſeinem Verſtande und wolſtaͤndiger Fuͤrſtlicher Beredſamkeit/ deren er ſich zu ihm
nicht verſehen haͤtte/ ſtund auff und hielt bey der Schwediſchen Koͤnigin um guͤnſtige Ein-
willigung freundlich an/ die ſich gewuͤnſcht erklaͤrete/ und ihre Frl. Tochter heran zutre-
ten aufffoderte. Dieſe nun hatte alles gegenwaͤrtig angehoͤret/ ſaß wie ein Stein/ und ſahe
vor ſich nider/ weil des ganzen Frauenzimmers Augen auff ſie hingerichtet wahren. Die
groſſe Liebe des Fuͤrſten hatte ſie zur Gnuͤge vernommen/ und alle Worte genau angemeꝛ-
ket/ und weil ſie einwenig Bedenkzeit hatte/ erhohlete ſie ſich/ und ging mit ihrer Fr. Mut-
ter hin/ da der Daͤniſche Koͤnig ihr entgegen trat/ und freundlich baht/ ſie moͤchte ihrer El-
tern Willen/ die Heyraht zwiſchen ihr und ſeinen Sohn betreffend/ gutheiſſen/ und die Daͤ-
niſche Kron inkuͤnfftig zutragen ſich unbeſchweret finden laſſen. Worauff ſie ſich ſcham-
hafftig erklaͤrete; ihre Schuldigkeit erfoderte nichts anders/ als alles das zutuhn und lei-
ſten/ was von ihren lieben Eltern geordnet wuͤrde; bedankete ſich der hohen Gnade/ und
Gewogenheit/ gegen den Koͤnig/ mit Bitte wegen ihres Unverſtandes und kindiſchen Ge-
brechligkeiten Geduld zutragen/ und mit vaͤterlicher Hulde ihr allemahl gewogen zuver-
bleiben; deſſen der Daͤhniſche Koͤnig ſich uͤberaus hoch erfreuete/ und dem herzunahenden
Schwediſchen Koͤnige Raum gab/ der ſeine Frl. Tochter dem Daͤniſchen Fuͤrſten mit
dieſen Worten an die Hand boht: Sehet da/ Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ hochgeliebter künf-
tiger Herr Sohn/ nachdem Euer Liebe meine Frl. Tochter zum Gemahl hat gefallen wol-
len/ ſol ſie derſelben hiemit zugeſchlagen/ und als eine Brautuͤbergeben ſeyn/ die dann ver-
hoffentlich gegen ihren Herrn und Gemahl ſich gebuͤhrlich verhalten wird/ wie ſie darzu
iſt unterwieſen worden; Ich vor mein Haͤupt wuͤnſche euch den Himliſchen Segen/ der
ſich uͤber euch ausgieſſen wolle/ mit aller gedeylichen Wolfahrt; umfing ſie hiemit beyde
nacheinander/ und befahl ſeinem Gemahl/ einen koͤſtlichen Ring zuverſchaffen/ weil die
Daͤniſche Koͤnigin umb eben der Urſach willen ſchon einen Abtrit genommen hatte. In-
zwiſchen ward den Verliebeten von allen anweſenden Gluͤk und Segen gewuͤnſchet/ und
da Koͤnigin Valiſka ſolches mit einer ſonderlichen liebreichen Bewaͤgung leiſtete/ ſagete
t t t t tſie
[882]Achtes Buch.
ſie hernach zu dem Fuͤrſten: Eure Liebe hat bloß dem Gluͤcke zudanken/ daß mir Zeit und
Gelegenheit benommen wird/ mich an ihr zuraͤchen; jedoch ernſtlich davon zureden/ wolle
Eure Liebe hinfuͤro ſich des unbillichen Ruhms enthalten/ und mit ſolchen unverdienten/
oder recht zuſagen/ un- und uͤbermenſchlichẽ preiſen mich verſchonen/ dafern er ſonſt mich
zu einer ſteten Freundin haben wil. Vor dißmahl wollen wir die anjezt gluͤklich beſtetigte
Heyraht beſſer zuordnen vor uns nehmen/ und weiß Eure Liebe ſich wol zuerinnern/ welcher
geſtalt dieſelbe ſich bißher gewegert hat/ das Wendiſche Fuͤrſtentuhm anzunehmen/ unge-
achtet die Durchleuchtigſte Fürſtin der Wenden/ Fr. Bochild/ auff unſern Vorſchlag Eu-
re Liebe zum Nachfolger in der Herſchafft ſchon erklaͤret hat; ſolte nun dieſelbe ſich deſſen
noch weiter zuwegern geſinnet ſeyn/ wil ich die jezt hochgedachte Wendiſche Fuͤrſtin/ Euer
Liebe Herrn Vaters leibliche Fr. Schweſter hiemit bitlich erſuchet haben/ ſie wolle Euer
Liebe ſolches Fürſtentuhm entzihen/ und dem Durchleuchtigſten Schwediſchen Fraͤulein
es nach ihrem Tode (welchen Gott lange verhuͤten wolle) als zur Heimſteur zuwenden.
Ja/ fing Fuͤrſtin Bochild an/ weil mein Herr Sohn mein Mutterherz bißdaher nicht hat
wollen erkennen/ noch der Wendiſchen Herſchafft ſich mit annehmen/ welche mir und ihm
aus Koͤniglicher Teutſcher Mildigkeit gegebẽ iſt ſol hinfuͤro das Durchlaͤuchtigſte Fraͤu-
lein/ Frl. Schulda die Erbin ſeyn/ alſo und dergeſtalt/ daß ihr künfftiger Ander-gebohrner
Sohn dereins herſchender Fuͤrſt in Wendland geſetzet werde; welches ſie alle gut hieſſen.
Valiſka ließ darauff die verwahreten Pannoniſchen 10 Tonnen Goldes/ nebeſt den eh-
mahls verſprochenen fuͤnff Tonnen auch herzu tragen/ und ſtellete ſie dem Fraͤulein hin zun
Fuͤſſen/ mit anmeldung/ wie ſie ihr zum beſten ſolche bißher in Verwahrung gehabt haͤtte;
Vor welches alles ſo wol die Braut als ihre Eltern ſich ſehr bedanketen. Des Braͤuti-
gams Stiefmutter kam gleich dazu/ brachte unter andern Kleinoten einen treflichen Ring/
und entſchuldigte ſich/ ſie haͤtte ſich nicht darauff geſchicket/ daß in dieſer weit abgelegenen
fremde ſie einen Sohn und eine Schweſter zugleich und auff einmahl ehelich verſprechen
ſolte; ſonſten würde ſie ſich ihrer Schuldigkeit beſſer erinnert haben. Er aber nach gebuͤhr-
licher Dankſagung nam die Kleinot zu ſich/ vermehrete ſie mit einer zimlichen Anzahl von
ſeinen eigenen/ und lieferte ſie ſeinem geliebeten Fraͤulein; empfing auch hinwieder von
ihr einen koͤſtlichen Ring/ welchen ihre Fr. Mutter ihr zugeſtellet hatte/ und wahr keine des
vornehmen Frauenzimmers zugegen/ welche dieſer Braut zur Gluͤkwuͤnſchung nicht ſolte
ein oder etliche Kleinot verehret haben/ deren Koͤnigin Valiſka und Fuͤrſtin Sibylla/ als
kuͤnfftige Schweſter/ ihr ganze Schachteln vol einlieferten/ und ward die uͤbrige Tages-
zeit in aller Froͤligkeit zugebracht/ auch des folgenden Tages die Verloͤbniß gehalten/ da
die beyden Braͤutigambe ihren Liebſten das Koͤnigliche Leibgedinge vermacheten/ auch
Fuͤrſtin Sibyllen und Koͤnigin Lukrezien ihres zugleich mit bekraͤfftiget ward.


Deſſelben Abends kahmen Herkules und Arbianes mit ihren Gemahlen ohngefehr
bey einander zuſitzen/ da Valiſka den Fuͤrſten erinnerte/ er moͤchte ihnen die Anfechtung
erzaͤhlen/ welche er zeit ſeines Bettelſtandes von dem leidigen Teuffel in Bettlers Geſtalt
ausgeſtanden haͤtte; worzu er willig wahr/ und zur Antwort gab: Ob ich gleich hievon lie-
ber ſchweige/ als viel Worte mache/ weil durch Gottes ſonderbahre Krafft ich dieſe Ver-
ſuchung uͤberſtanden habe/ ſo tuhe ichs doch nicht ungerne/ unter der Hoffnung/ mein Herr
Bru-
[883]Achtes Buch.
Bruder Koͤnig Herkules/ oder ſie meine Fr. Schweſter werden mich fein unterrichten/
da ich den Einwuͤrffen dieſes verfuͤhriſchen Betlers nicht aus dem Grunde zubegegnen ge-
wuſt: Es wahr eine Stunde nach des zimlich helle ſcheinen den Monden Aufgange/ da ich
hinter einer dicken finſtern Hecke ſaß/ und wol tauſenderley Gedanken in meinem Gehirn
umlieffen/ welche alle mit ein ander auff meiner liebſten Fraͤulein Leben und Zuſtand hin-
zieleten/ als ich gleich einen Menſchen von ferne hoͤrete in ſich ſelber reden/ der mir je laͤnger
je mehr nahete/ biß ich ihn ins Geſichte bekam/ groß und anſehnlich von Geſtalt/ aber in
Betlers Kleidern/ gleich als ich; Er ſtellete ſich/ als ſaͤhe er mich nicht/ und fing in Lateini-
ſcher Sprache an: O du blindes Menſchliche Geſchlecht/ wie laͤſſeſtu dich doch von ſo
mannichem falſchen Irtuhms-Winde umtreiben/ und deine arme Seele zuplagen/ da du
doch wol in Ruhe leben koͤnteſt/ ſo lange dir ſolches von dem unvermeidlichen Verhaͤng-
niß zugelaſſen iſt; O daß doch ein verſtaͤndiger ſich unterfinge/ die mannicherley Tohrhei-
ten den Menſchen aus dem Kopffe zubringen/ damit ſie aller Unruhe und Furcht entriſ-
ſen/ dereins auffhoͤreten/ daſſelbe zuſcheuhen/ was nichts/ als ein ertichtetes Fuͤndlein iſt.
Ich ſchloß aus dieſen Worten/ es muͤſte dieſer etwas mehr als ein gemeiner Betler ſeyn/
ging zu ihm hin/ und nach Wünſchung eines guten Abends/ fragete ich ihn/ was er bey
Nachtzeit an dieſem wuͤſten Orte ſuchen ginge. Dieſer ſtellete ſich/ als entſetzete er ſich uͤber
meiner unvermuhtlichen Gegenwart/ und gab zur Antwort: Mein Freund/ wer ihr ſeid/
ich haͤtte nicht gemeynet/ daß jemand anders als ich/ hieſelbſt bey Nachtzeit ſich finden
wuͤrde/ ſonſt haͤtte ich meiner Zungen gebieten wollen/ zwiſchen ihrem Zaͤhn-gemaͤure ſich
ſtille zuhalten; jedoch eure freundliche Frage zubeantworten/ gebe ich euch zuvernehmen/
daß ich wegen eines ungluͤklichen Falles gezwungen bin/ meine Heimat zuverlaſſen/ und
umb meines Lebens Rettung mich in die unbekante wild-fremde zubegeben/ da ich ſchon
12 Jahr und laͤnger das Elend gebauet/ und zwiſchen ſolcher Zeit nicht allein viel Land-
ſchafften in Aſien/ Afrik und Europageſehen/ ſondern auch mannicher Menſchen wun-
derliche Gemuͤhter und Einbildungen erkennet habe/ inſonderheit was den Glauben und
den Gottesdienſt betrifft/ woruͤber ich mich nicht gnug habe verwundern koͤñen/ in betrach-
tung/ daß ſie faſt alle miteinander ihr hoͤchſtes Gut auff einen bloſſen Wahn bauen/ wel-
cher keinen Grund hat. Hiemit ſchwieg er ſtille/ umb daß ich durch Nachfrage ihm Urſach
geben ſolte/ ſich weiter heraus zulaſſen/ wie mich dann der Vorwiz trieb/ welches ich her-
nach bereuete/ und lieber gewolt/ daß ich gar geſchwiegen haͤtte; Ich fing aber alſo an: Ob
ich zwar annech jung und unerfahren bin/ ſo habe ich gleichwol auff der Menſchen tuhn
und laſſen/ den Glauben und Gottesdienſt betreffend/ auch etwas acht gegeben/ uñ iſt zwar
nicht ohn/ daß viel/ ja wol der groͤſte Teil hieſelbſt in groſſem Irtuhm ſtecken/ aber das wuͤr-
de zu beklagen ſeyn/ wann ſie alle miteinander des rechtſchaffenen Grundes verfehlen ſol-
ten. Des rechtſchaffenen Grundes verfehlen? fragete dieſer; Je was vor ein Glaube iſt
dann wol zufinden/ der auff tuͤchtigem Grunde beſtehen ſolte? Die/ ſo man Heyden nen-
net/ werden von den Juden und Chriſten beſchuldiget/ daß ihr Glaube und Gottesdienſt
falſch und nichtig ſey/ und gleichwol bauen dieſelben darauff ihr hoͤchſtes Gut. Die Judẽ
lauren auff einen verſprochenen Heyland/ der ſie aus allen Laͤndern/ dahin ſie verſtoſſen
ſind/ wieder ſamlen/ und ihr Reich zu Jeruſalem auffrichten ſolle; Die Heyden verachten
t t t t t ijſie
[884]Achtes Buch.
ſie deswegen/ und die Chriſten duͤrffen gar behaͤupten und ſchwoͤren/ daß ſie ſich ſelbſt be-
triegen. Was ſol ich aber von den Chriſten ſagen? hat jemand irgend auf ſchlim̃en Grund
gebauet/ ſo tuhn es dieſe/ wovon ich aber zureden vor unnoͤhtig halte/ weil ſolcheꝛ Aberglau-
be in dieſen Laͤndern annoch unbekant iſt/ und ihr davon wol niemahls moͤget gehoͤret ha-
ben. Ich gab ihm zur Antwort/ das wolte ich nicht gerne/ daß ich von dieſem herlichen uñ
allein ſeligmachenden Glauben nicht ſolte gehoͤret haben. Aber ihr muͤſſet in Warheit wol
eines wunderlichen Glaubens ſeyn/ wann ihr den Heydniſchen/ Judiſchen und Chriſtlichẽ
zugleich und auff einmahl uͤbern Toͤlpel werffet/ wo ihr nicht allen Glauben und allen
Gottesdienſt auffheben/ und gar ein Ohn-Gott ſeyn wollet. Ein Ohn-Gott? antwortete
dieſer. Ja ſeyd ihr dann nicht auch ein Ohn-Gott? ja ſind dann nicht alle Menſchen mit-
einander Ohn-Gott? oder habt ihr einen Gott/ ſo laſſet mir ihn ſehen/ daß ich auch ein
Nicht-Ohn-Gott werde. Er wird ſchon koͤnnen geſehen werden/ obs gleich anjetzo dunkel
iſt/ wo er ſonſt ein Gott iſt. Ich erzürnete mich uͤber dieſer Gotteslaͤſterung/ wie ichs dann
billich vor die allergroͤſte Gotteslaͤſterung mit rechne/ wann man Gottes Weſen ganz und
gar verleugnet. Freylich iſt dieſes eine ſchaͤndliche Gotteslaͤſterung/ ſagte Herkules/ wann
man Gottes Weſen ſelbſt auffzuheben ſich erkuͤhnen darff; Aber was gabet ihr ihm auff
ſolches anfodern/ ihm Gott zuzeigen/ vor eine Antwort? Ich ſagete anfangs/ meldete Ar-
bianes/ es wuͤrde unvonnoͤhten ſeyn/ mich mit ihm oder jemand anders uͤber dieſe Frage/ ob
Gott waͤre/ oder nit/ einzulaſſen/ nachdem alle welt ſolches vor wahr hielte/ uñ aus der Welt
Erhaltung klar genug erſchiene/ dz notwendig ein Gott ſeyn muͤſte/ deꝛ ſolches alles leiſtete/
uñ ſo wol den Lauff der Sternẽ/ als den Zuſtand dieſer Unterwelt in ſeinẽ Weſen und Wir-
kung feſt erhielte; und waͤhre wol laͤcherlich/ Gottes Weſen darum zuleugnen/ dz man den-
ſelben mit Fingern nit zeigen/ noch ſagẽ koͤnte/ hier ſtehet er; da vielmehr zuſchlieſſen waͤhre/
es muͤſte Gott nit ſeyn/ wann mans ſehẽ oder zeigen koͤnte. Dieſer fragete mich darauf/ wz
es dann eigentlich waͤhre/ das ich GOtt hieſſe. Und ob ich meinete daß die Erhaltung der
Welt nohtwendig einen GOtt erfoderte; gab mir doch nicht Zeit/ ihm dieſe Fragen zube-
antworten/ ſondern fuhr fort in ſeiner Plauderey; GOtt waͤhre zwar/ aber die Menſchen/
wenig außgenommen/ kenneten ihn nicht/ und wolte er mir GOtt zeigen/ weil ich ihn nicht
zeigen koͤnte; nehmlich/ die Krafft und das Vermoͤgen/ welches in der Welt und in allen
Stuͤcken derſelben ſich befuͤnde/ daſſelbe waͤhre GOtt/ da dann die Ober Welt oder viel-
mehr deren Kraͤfte/ verſtehe/ Soñe und Sternen/ die hoͤchſte Gotheit oder Kraft iſt/ ſagte
er/ welche den irdiſchen Dingen von ihrer Kraft oder Gotheit mitteilen/ als viel ihnen die-
net/ und ihr Weſen zulaͤſſet. Und alſo ſehet ihr/ ſagete er weiter/ daß aus der Erhaltung der
Welt nicht mag geſchloſſen werden/ daß nohtwendig ein ander GOtt/ als ihre ſelbſt eigene
Krafft ſey. Ich antwortete ihm mit wenigen; wann er mir dartuhn koͤnte/ daß ſeine Woꝛ-
te Warheiten waͤhren/ wuͤrde ich ihm bald muͤſſen gewonnen geben/ aber ſo bloß hin koͤnte
ich ſeinem Vorgeben nit trauen/ weil ich viel ein feſter Wort der Warheit haͤtte/ welches
auch der Hellen Pforten wol muͤſten ſtehen und unuͤberwaͤltiget laſſen/ das lehrete mich/ dz
ein GOtt von alle Ewigkeit her waͤhre/ welcher die Welt/ Himmel und Erden/ und alles
was drinnen iſt/ gemacht und erſchaffen/ auch jedem Dinge ſeine Krafft mitgeteilet
haͤtte. Ja/ antwortete dieſer; eben das iſt der bloſſe grundloſe Wahn/ auff welchen ihr und
eures
[885]Achtes Buch.
eures gleichen euren Glauben bauet/ welcher von der Vernunfft ſelbſt umgeſtoſſen wird;
wollet ihr nun meine Rede die mit der Vernunfft fein zutrifft/ nicht zulaſſen/ und ſie durch
diß vermeinete andere Wort umſtoſſen; je ſo muͤſſet ihr mir ja zuvor beſcheinigen/ das daſ-
ſelbe ein unbetriegliches Wort ſey/ ſonſt werden wir unſers Dinges in Ewigkeit nit eins
werden. Ob ich auch dieſes Dinges mit euch einig werde oder nicht/ gab ich zur Antwort/
muß mir endlich gleiche viel ſeyn/ aber durch euren Vernunfft-Poſſen laſſe ich mich nicht
bereden/ Gottes Wort in Zweiffel zuzihen. Nun begehret ihr über das/ ich ſolle erweiſen/ dz
dieſes Wort die Warheit und Gottes Wort ſey. Ja/ ich wil euch ſolches beweiſen/ wann
ihr nur Augen habet/ die es ſehen koͤnnen. Wann ihr mich anjetzo fragen wuͤrdet/ wie ichs
beweiſen wolte/ daß die Schrifften/ welche dem Homerus zugeſchrieben werden/ eigent-
lich ſeine ſeyn; wuͤrde ich ſolches nicht anders behaͤupten koͤnnen/ als daß ſolche Schriff-
ten von Homerus Zeiten an biß hieher allemahl vor deſſen Schrifften ſind gehalten wor-
den/ und ſolche Wiſſenſchafft von einem Gelehrten immerzu auff den andern kommen iſt.
Eben alſo mache ichs auch mit dem Beweißtuhm/ daß die heilige Schrifft Gottes Wort
ſey; weil ja die Glaͤubigen von Anfang biß hieher die Buͤcher des Moſe vor Gottes Wort
gehalten/ und deſſen ſo gewiß geweſen ſind/ daß ſie lieber Leib und Leben einbuͤſſen/ als ſolchẽ
Glauben ſich nehmen laſſen wollen; daß ich nicht ſage/ wie wunderbarlich der almaͤchtige
Gott dieſes ſein Wort wieder alles toben und verfolgen der Feinde dieſer himliſchen Waꝛ-
heit erhalten hat. Dieſer erſetzete ſolches mit einer hoͤhniſchen Antwort/ und wahr über die
maſſen verſchlagen/ von einer Frage/ die er weiters nicht behaͤupten kunte/ auff die andere
zufallen/ da er auff unſern Heiland zureden kam/ und anfing die leicht glaͤubigen Chriſten
auffzuzihen/ welche ſich haͤtten koͤnnen bereden laſſen/ daß derſelbe ein Gott waͤhre/ den man
haͤtte am Kreuz getoͤdtet. Aber ich redete ihm ein/ er ſolte ſich maͤſſigen/ denſelben zulaͤſtern
welchen er nicht kennete/ oder vielleicht aus teufliſcher Boßheit nit wolte kennen/ weil ich
verſtuͤnde/ daß die Chriſtliche Lehre ihm nicht ſo gar unbekant waͤhre. Ich vor mein Haͤupt
wuͤſte Gott Lob ſo viel/ daß derſelbe Gottes warhafftiger Sohn/ und der verſprochene Hei-
land der Welt waͤhre/ weil er nicht allein durch kraͤfftige Zeichen und Wunder ſich alſo
erwieſen/ ſondern nachgehends auch ſeine Jünger mit ſolcher Krafft haͤtte außgeruͤſtet/ dz
ſie in ſeinem Nahmen groſſe Tahten verrichtet/ und über die Teuffel Macht und Gewalt
gehabt haͤtten; wie dann in Italien/ Griechenland und Aſien annoch Menſchen lebeten/
deren Eltern ihnen hoch beteurlich erzaͤhlet/ was ihre Groß Eltern vor Zeichen und Wun-
dertahten von den Juͤngern des Herrn geſehen haͤtten; ja es geſchaͤhen noch heut zu Tage
von unterſchiedlichen glaͤubigen Lehrern dergleichen Wunder im Nahmen und durch An-
ruffung des HErrn JEſus; und waͤhren trauen dieſelben Glaͤubigen nicht ſo gar ihres
Witzes beraubet geweſen/ welche lieber haͤtten [durch] tauſenderley Pein ſich laſſen hinrich-
ten/ als daß ſie die wahre Gotheit ihres Heilandes wollen in Zweiffel zihen. Daß ihr aber
einwendet/ dieſer mein Erloͤſer ſey am Kreuz getoͤdtet/ und daher kein wahrer Gott/ ſo weꝛ-
det ihr Zweiffels ohn wiſſen/ daß deſſen Wunder-Perſon aus zwoen Naturen (wie man
redet) beſtehe/ der goͤtlichen und menſchlichen/ und derſelbe nicht an ſeiner Gotheit ſondeꝛn
an ſeiner Menſcheit ſolchen Tod/ uns armen Suͤndern zum beſten/ außgeſtanden habe.
Leugnet ihr aber dieſes/ ſo bringet guͤltige Urſachen hervor/ dann mit laͤſtern und hohnla-
t t t t t iijchen
[886]Achtes Buch.
chen iſts in ſolchen Sachen nicht getahn. Wir wolten zur Wiederlegung ſolcher Einbil-
dung leicht gelangen/ gab mir dieſer zur Antwort/ wann ihr nur euch koͤntet weiſen laſſen/
daß ihr dem vermeineten Worte Gottes nicht zuviel trauetet; aber wie iſts moͤglich/ daß
man euch die Warheit beybringe/ wann ihr wieder euren gefaſſeten Irre-Wahn nichts
wollet geredet haben? ſehet/ dieſes Buch/ wie alt es gleich iſt (dann nichts iſt eben daruͤm
wahr daß es alt iſt)/ hat ſolche unglaͤubliche/ und eigen zuſagen/ ſolche unwarhaffte Dinge
in ſich/ die ein jeder vernuͤnfftiger Menſch beſſer weiß. Sehet den ertichteten Simſon an/
der ſol mit gewalt tauſend ſtarke Kriegs Leute mit einem faulen Eſels-Kinnebacken zu tode
geſchlagen haben/ und nachgehends auß demſelben Kinnebacken/ ja nur aus einem Zahn
deſſelben getraͤnket ſeyn. Stuͤnde es beym Homerus oder Naſo/ ſo muͤſte es ein laͤcherli-
ches Getichte heiſſen/ aber in dieſem Buche wird alles zur Warheit. Sehet weiter die ein-
gebildete Lehre an von den Engeln und Teuffeln; wie kan ein vernuͤnfftiger Menſch ihm
laſſen einpredigen/ ſich vor ſolche ertichtete Geiſter zufuͤrchten oder Schuz von ihnen zu-
hoffen? Nichts ſind ſolche Geiſter/ als der Menſchen Traͤume/ und was eines Menſchen
verruͤktes Gehirn in ihm leiſtet daß mus alsbald einem Geiſte zugeſchrieben werden/ der
in ihm wohne. Sehet an die Lehre von der verſtorbenen Menſchen ertichteter Aufferſte-
hung zum ewigen Leben. Mein/ wie koͤnte ich doch meine Sinnen dergeſtalt gar freſſen/ dz
ich glaͤuben ſolte/ ein Leib/ welcher verweſet iſt/ ja welcher teils von Hunden und wilden Tih-
ren/ teils von Voͤgeln/ teils von Wuͤrmen/ teils von der Sonnen verzehret iſt/ und in der
freſſenden Tihre ihr Weſen verendert/ ganz wieder ſolte hervorkommen/ und nach etlichen
tauſend Jahren mit ſeiner ehemaligen Seele wieder vereiniget uñ unauffloͤßlich verknuͤp-
fet werden? iſt aber dieſes noch nicht gnug/ ſolchen Glauben auffzuheben/ mein ſo ſage ich
euch ein mehres: Ich bin ja in einem Lande geweſen/ woſelbſt die Menſchen einander fꝛeſ-
ſen und verzehren/ ſo daß ſie oft ihre ganze Lebens Zeit nichts als Menſchen Fleiſch genieſ-
ſen; davon wachſen ſie und bekommen daher ihr Fleiſch/ ihren Leib; ſaget mir doch nun/
wie es moͤglich ſey/ daß dieſe auffgefreſſene Menſchen/ ein jedweder ſeinen eigenen ganzen
Leib wieder bekommen moͤge/ der ſchon eines andern Menſchen ſein Leib worden iſt? noch
muß euch Chriſten ſolches alles wahr/ und ein Glaubens-Stuͤk ſeyn. Ich wil noch mehr
ſagen: Wann ein Mann mit einem Weibe/ die ihm getrauet iſt/ der Luſt pfleget/ das iſt bey
euch ja noch leidlich/ aber wann er mit mehr Weibern ſolche Kundſchafft machet/ das
muß eine Tod-Sünde ſeyn. Ey waruͤmb dann? Suͤndiget dann auch wol der Ochſe und
der Bok/ daß er einer ganzen Heerde vorſtehet? in dieſem Falle ſind die Juden ungleich
witziger als ihr Chriſten. Uber das machet ihr oft etwas zur Suͤnde oder zum Laſter/ das an
ſich ſelbſt kein Laſter iſt/ ſondern ihr plaget und naget euch ſelbſt mit ſolchen unnoͤhtigen Ge-
ſetzen/ welche eure Froͤligkeit und Wolluſt hindern/ und euch lebendig in den Sarg hinein
legen. Menſch/ was biſtu mehr/ als ein ander Tihr? ohn daß du beſſern Verſtand haſt; O
wie naͤrriſch biſtu/ daß du nach dieſem Leben dir noch ein anders laͤſſeſt einbilden; daß du
umb des zukuͤnfftigen ertichteten willen/ das gegenwaͤrtige warhaffte Gut von dir ſtoſſeſt/
und dich ſelbſt beſtreiteſt/ peinigeſt und narreſt. Wollet ihr aber wiſſen/ ſagete dieſer Laͤſte-
rer zu mir/ was die Menſchen betoͤhret/ ſolches Plage-Leben zufuͤhren? nichts als das aͤuſ-
ſerliche Anſehen deren/ die ihnen ſolche Fratzen einbilden/ welches ſie zu ihrem beſten tuhn/
auff
[887]Achtes Buch.
auff daß ſie groß geachtet/ und vor andern hochgeehret werden. Es begunte nunmehr mir
die Geduld zuvergehen/ daß ich ihm alſo in die Rede fiel: Es wird ſchier Zeit ſeyn/ daß ihr
euch im reden/ und ich mich im zuhoͤren maͤſſige/ in betrachtung/ der Almaͤchtige Gott uns
alle beyde wegen eurer Laͤſterung ſtraffen moͤchte; ſo zweifele ich auch/ ob ich alles euer un-
nuͤtzes Vorbringen werde behalten haben; es gehet aber alles dahin/ daß ihr die Heilige
Schrifft/ Altes und Neues Bundes/ bey mir in Verdacht bringen moͤget/ ob fūnden ſich
darinnen Luͤgen und unwarhaffte Dinge/ welches doch unmoͤglich iſt/ angeſehen/ daß un-
moͤglich der warhaffte Gott in ſeinem Heiligen Worte ſolte luͤgen koͤnnen/ und ich mir
von dem Teuffel ſelbſt es nicht werde einbilden laſſen/ daß dieſes nicht Gottes Wort ſey/
welches mein Heyland mich und alle Menſchen hat heiſſen hoͤren/ und darinnen fleiſſig
nachſuchen/ weil wir das ewige Leben darinnen haben; Zwar ihr fuͤhret ein und anders ein
aus Gottes Wort/ als kundbahre Unwarheiten; erſtlich den ſtarken Simſon und ſein ver-
halten; ſolte aber dem Almaͤchtigen Gott wol unmoͤglich ſeyn/ ein ſolches Ding durch ei-
nen Menſchen zuleiſten/ da es ihm nicht unmoͤglich iſt/ mit einem einzigen Strohalm den
ganzen Himmel herunter zuſchlagen? O ihr vermaͤſſener und elender Urteiler der ho-
hen unendlichen Almacht! Ihr ſaget aber: Wann ſolches beym Homerus oder Ovi-
dius ſtünde/ muͤſte es ein Getichte ſeyn. Ich ſage nein darzu; ein ſolches Ding koͤnte
ich ihnen noch wol glaͤuben/ wiewol mirs frey ſtuͤnde; Aber meinem wahren GOtte
nicht glaͤuben wollen/ iſt eine mehr als teufliſche Boßheit/ dann derſelbe Feind GOttes
glaͤubet es/ ob er gleich den Menſchen gerne dieſen Glauben hinweg rauben wolte. Aber
wz hoͤre ich? ihr leugnet es/ daß Engel und Teufel ſeyn/ koͤñet auch nit anders/ weil ihr Gott
ſelbſt verleugnet; aber was duͤnket euch? ſolte ich euch trauen/ oder beyfal geben/ wann ihr
mir vortragen wuͤrdet/ der Monde/ welcher dort am Himmel ſcheinet/ waͤhre nichts als
ein eingebildetes Geticht/ ſo aus verrüktem Gehirn entſtehet? euer verruͤktes Gehirn/ (wo
ihr ſonſt noch eins habet) gibt euch ſolches ein. Ich ſehe ja vor Augen/ daß Engel oder Gei-
ſter ſind/ in dem ich hoͤre/ daß beſeſſene Menſchen wol fremde Sprachen reden/ welche ſie
nicht gelernet haben; ſolches koͤmt ja nicht aus einem mangel des Gehirns/ ſondern von ei-
ner neben Urſach her/ welche ſolches in dem Menſchen wirket/ und aus dem Menſchen her-
vor gibt; und der ſolches leugnet/ dem mus man mit Nießwurz zu huͤlffe kommen. Zu ge-
ſchweigen der vielen Geſpenſte/ welche ſich oft und an mannichem Orte hoͤren und verneh-
men laſſen. Aber dieſe werden auch/ eurem tichten nach/ bloſſe einbildungen ſeyn. Schaͤmẽ
ſoltet ihr euch in euer Herz und Blut/ wo ihr euch ſonſt nicht gar ausgeſchaͤmet habet/ daß
ihr mit ſolchen Zoten die goͤttliche Warheit zubeſtreiten duͤrffet auffgezogen kommen; doch
leugnet ihr nur immerhin/ daß Teuffel ſeyn/ ich gedenke/ es werde eine Zeit kommen/ da ihr
ſie hart und heftig gnug empfinden werdet/ es ſey dann daß ihr dieſe Bosheit noch in der
Gnadenzeit bereuet. In dem Glaubensſtuͤk von unſerer Leiber aufferſtehung/ machet ihr
euch gewaltig mauſig/ ob haͤttet ihr die Warheit der heiligen Schrift gar zu grunde ge-
richtet/ da ihr doch bloß nur erwieſen habt/ dz die blinde Vernunft in dieſer goͤttlichen War-
heit nichts erkennet; aber ſolches geſtehe ich ohndaß gerne/ gebe aber zugleich meinem Gott
die Ehre/ daß er alles tuhn und ſchaffen kan was er wil. Und wollet ihr unſtreitig behaͤup-
ten/ daß der Almacht Gottes ſolches zu leiſten unmoͤglich ſey/ ſo muͤſſet ihr zuvor beweiſen/
daß
[888]Achtes Buch.
daß es leichter und moͤglicher geweſen ſey/ diß groſſe rund der Welt aus nichts hervor zu
bringen; mangelts euch aber alhie an Haͤuptgruͤnden/ ſo habt ihr mit allen euren vorigen
Einwuͤrffen bey mir ein mehres nicht erhalten/ als daß ich daher erkenne/ ihr ſuchet nur
Gottes Almacht zu umbſchranken/ und ihn einer Unmacht zu zeihen; welches ich nicht an-
ders zu beantworten ſchuldig bin/ als daß ich ſage; hebe dich weg von mir Satan. Das uͤ-
brige iſt ganz keiner Antwort wirdig. Dann was Suͤnde oder nicht Suͤnde ſey/ werde ich
euch nicht zum Richter leiden/ ſondern die geſunde Vernunft kan hieſelbſt in etwas/ Got-
tes Wort aber den voͤlligen Ausſchlag geben. Und iſt wol ein rechter Ochſen-verſtand und
eine ſtinkend Boks-Urtel/ daß ihr eines Menſchen tuhn mit der Ochſen und Boͤcke ver-
halten dürffet vermiſchen. Das Vieh ſuͤndiget nicht/ und kan nicht ſuͤndigen/ dann es iſt
vernunftloß/ wie ſolches auch die Heiden erkennen; ſo hat auch Gott denſelben keine Ge-
ſetze vor geſchrieben/ ſondern den vernuͤnftigen Geſchoͤpfen/ ſo daß alles daß Suͤnde iſt/ was
wieder Gottes Willen und Geboht ſtreitet; dieſes aber eine Tugend/ was der Menſch nach
Gottes Willen und Befehl verrichtet. Endlich ſtoſſet ihr dem Faſſe gar den Bodem aus/
in dem ihr der Seelen unſterbligkeit/ und das kuͤnftige ewige Leben leugnet/ welches beydes
doch die klugen Heyden ſelbſt aus vernuͤnftigen gruͤnden zur gnuͤge erwieſen haben/ und ich
aus dieſem eurem Vorgeben nicht anders ſchlieſſen mus/ als daß ihr der Warheit ganz ab-
geſaget/ und den Luͤgen und Laͤſterungen euch mit Leib und Seele gewidmet habet/ daher ihꝛ
ſolches alles vor eine Erfindung deren Menſchen angebet/ welche dadurch ſuchen/ ihnen
einen Nahmen und ſonderliches Anſehen bey andern zu machen. Solches aber muͤſſet ihr
keinem verſtaͤndigen/ ſondern den unwitzigen vorſchwaͤtzen. Ich bleibe dabey/ dz Gott war-
haftig iſt in allen ſeinen Worten und Werken/ und daß alle dieſelben von dem Erzluͤgener
getrieben werden/ die ſolches wieder ihr Gewiſſen leugnen duͤrfen. Ihr vermaͤſſet euch ein
groſſes/ fing jener hierauff an; aber was duͤnket euch/ wann ich alles mein Vorgeben mit
einem groſſen Wunderwerk beſtaͤtigte? Solches Wunderwerk wuͤrde euer eigenes Vor-
bringen ja groſſenteils zu Luͤgen machen/ antwortete ich; dann Wunderwerke kan kein
Menſch aus eigener Kraft verrichten/ ſondern es mus durch huͤlffe eines Geiſtes geſche-
hen/ die ihr alle miteinander vor ein Geticht haltet. Jedoch/ wann ihr gleich die Sonne
wuͤrdet machen vom Himmel ſteigen/ wolte ich euch nicht umb ein Haͤaͤrlein in dieſen ſtuͤc-
ken mehr glaͤuben/ als vorhin. Als dieſer hoͤrete/ daß ich ihn ſo veraͤchtlich hielt/ kunte er ſich
laͤnger nit verbergen/ der ſtolze hoffarts Geiſt/ ſondern ſagete mit einer erſchreklichen bruͤl-
lenden Stimme: Je ſo muſtu armer Mediſcher Betler dannoch wiſſen mit wem du biß-
her geſtritten haſt; verwandelte ſich auch augenbliklich in einẽ grauſamẽ Drachen/ ſo groß
als zehn Elefanten aneinander nicht ſeyn moͤgen/ und ſperrete den Rachen weit auff/ als
wolte er mich alsbald/ wie ein Sandkoͤrnlein verſchlingen; mus auch bekennen/ daß mir
der kalte Angſtſchweiß ausbrach/ und ich anfangs nicht wuſte/ wie mir wahr; Aber Got-
tes Kraft/ welche in den Schwachen (ſolches habe ich erfahren) maͤchtig iſt/ ſtaͤrkete mich/
daß ich endlich in dieſe Worte loßbrach: Ich fuͤrchte mich nicht vor viel hundert tauſend/ die ſich
umbher wieder mich legen. Auff HErr und hilff mir mein Gott/ dann du ſchlaͤgeſt alle meine Feinde
auff den Backen/ und zerſchmetterſt der gottloſen Zaͤhne. Hierzu behtete ich den Chriſtlichen
Glauben und das heilige Vater Unſer; worauff mir nicht allein alle Furcht ſondern zugleich
auch
[889]Achtes Buch.
auch dieſes Geſpenſt verſchwand/ daß ich endlich ſagete: Odu elender luͤgen Geiſt/ wolteſtu
Gottes Almacht leugnen/ welche du ſo hart empfunden haſt/ indem dieſelbe dich aus dem
Himmel in die Helle geſtuͤrzet/ und deine Macht dergeſtalt gebrochen hat/ daß du mir nicht
ein einziges Haͤaͤrlein auff meinem Haͤupte ohn Gottes verhaͤngnis kraͤnken kaſt. Ich em-
pfand aber einen ſchlimmen Stank/ mit welchem dieſer unſaubere Gaſt raͤumete/ und ich
Urſach nam/ ihn noch weiter hoͤniſch zu halten; dankete hernach meinem Gott vor ſeinen
vaͤterlichen Gnaden Schuz/ und baht ihn/ daß er ſich meiner und des verlohrnen Fraͤuleins
gnaͤdig annehmen/ und nach dieſem Leben uns in die himliſche Seligkeit verſetzen wolte/
welcher Bitte ich dann feſtiglich hoffe und glaͤube/ von meinem Gott gewehret zu werden.
Und diß iſt die Anfechtung welche ich ausgeſtanden/ und durch Gottes Kraft uͤberwundẽ
habe. Herkules und Valiſka wunderten ſich der Erzaͤhlung zum hoͤchſten/ umbfingen ihn
beyderſeits/ und ſageten: Sie koͤnten ſich nicht gnug daruͤber verwundern/ daß eꝛ die Glau-
bens Lehre ſo wol gefaſſet/ und ſolches doch vor allen Menſchen ſo verborgen gehalten haͤtte/
danketen Gott neben ihn/ und wuͤnſcheten ihm beſtaͤndigkeit des Glaubens biß an ſein ende.


Des naͤhſt folgenden Tages wurden die verraͤhteriſche Buben/ Niniſla und Uriſla/
Vater und Sohn in freier gewahrſam zu Prag eingebracht/ und alsbald vor die ganze
Koͤnigl- und Fuͤrſtliche Verſamlung (ohn daß Koͤnig Noteſterich abweſend wahr) geſtel-
let. Sie traten mit gnug frevelhaften Geberden hinein/ aber das zuſchlagene Gewiſſen kun-
te man ihnen wol anmerken/ wiewol ſie ihnen nicht einbildeten/ daß ihre verübete Bosheit
haͤtte moͤgen kund werden. Der Vater fing alsbald an/ die Verſamlung zu gruͤſſen/ uñ ſich
dabey zubeſchweren/ was geſtalt die beyden groben Geſellen (auff Nek/ am und Grozemiſla
zeigend) ihn und ſeinen Sohn/ ungeachtet ihres Freiherrn Standes/ nicht allein mit hoch-
trabender Veraͤchtligkeit/ ohn auffweiſung einiges ſchriftlichen Befehls nach Hofe gefo-
dert/ ſondern auff ſeine rechtmaͤſſige Wegerung ihn gezwungen/ mitzureiten/ und ihm nit
goͤnnen wollen/ auff der ganzen Reiſe mit einigem Menſchen Sprache zuhalten/ welches
in dieſem Koͤnigreiche bißher unerhoͤret/ und dem freien Adelſtande hoͤchſt ſchimpflich waͤh-
re/ hoffete/ man wuͤrde ſolchem Frevel nach dieſem ſteuren/ und denſelben an dieſen beyden
unachtſamen Tropfen nicht ungeſtraffet laſſen. Ladiſla erkennete hieraus ſeinen Hochmut/
unterdruͤckete ſeinen Zorn aufs beſte/ und befahl Neklam die Warheit zu ſagen/ wie alles
ſich zugetragen haͤtte; welcher dann nach gebehtener Verzeihung andeutete: Er haͤtte in
beyſeyn ſeines Geſellen Grozemiſla/ den Koͤniglichen Befehl mit gebuͤhrender Ehrerbie-
tigkeit bey Vater und Sohn abgeleget/ nemlich/ daß ihr allerſeits gnaͤdigſter Koͤnig an bey-
de begehrete/ ſtraks angeſichts mit ihnen zureiten/ und zu Prag zuerſcheinen/ auch nichts/
auſſer Gottes gewalt ſich abhalten zulaſſen/ weil man wichtige Sachen mit ihnen zuhan-
deln haͤtte; welches der Vater mit dem Sohn im Brete ſpielend/ vor endigung des Spiels
mit keinem Worte beantworten wollen/ waͤhre auch alles ungeachtet/ auff ſeinem Stuel
ohn Haͤuptes entbloͤſſung ſitzen blieben/ und nach verlauff einer halben Viertelſtunde/ haͤtte
er als unwiſſend gefraget/ was ſein Begehren waͤhre. Worauff er/ Neklam/ den Befehl
zum andernmahle vorgetragen/ aber zur hoͤniſchen Antwort bekommen; Auff ſolche Wei-
ſe koͤnte ein jeder Landſtreicher oder Moͤrder einen Herrn von ſeinem Schloſſe abfoderen;
man ſolte ihm ſchriftlichen Befehl auflegen/ oder ſich alsbald packen; er vor ſein Haͤupt
u u u u uwuͤſte
[890]Achtes Buch.
wuͤſte nicht/ daß er zu Hofe ichtwas zu ſchaffen haͤtte/ und wuͤrde ohnzweifel/ da ſolches ja
befohlen waͤhre/ ein Irtuhm begangen ſeyn/ nachdem man ihn bißdaher/ ungeachtet ſeines
anſehens und erfahrenheit/ zu keinen Reichsgeſchaͤften gezogen haͤtte; worauff er Groze-
miſla angeſehen/ und ihn gefraget wer er waͤhre/ weil ihn daͤuchte/ das Angeſicht zu kennen.
Derſelbe nun haͤtte weder ſeinen Nahmen/ noch ehmaligen Stand leugnen wollen/ uñ zur
Antwort gegeben: Er waͤhre eben derſelbe Grozemiſla/ welcher ihm vor dieſen als ein Sei-
ler Geſelle zum oftern Stricke zu kauffe gebracht/ haͤtte aber nunmehr von ſeinem aller gnaͤ-
digſten Koͤnige den aͤdlen Ritterſtand erlanget. Welches Niniſla alſo beantwortet: Wie
nun zum Henker/ machet man nun in Boͤhmen die Seiler Buben zu Rittern/ ſo muͤſſen
andere redliche Ritter bey zeiten ſich davon machen/ damit ſie nicht gezwungen werden/
ſich mit dieſem Kohte zubeſudeln. Welches aber Grozemiſla beantwortet: Er wolte dieſen
Schimpff in ſeinem Herzen vergraben/ biß er Gelegenheit haben wuͤrde/ es gebuͤhrlich zu
ahnen. Hieſelbſt nun hielt derſelbe bey ſeinem Koͤnige demuͤhtigſt an/ ihm zuerlauben/ daß
er nach Ritters art/ ungeachtet er an der linken Seite zimlich gelaͤhmet waͤhre/ es mit die-
ſem Schaͤnder Niniſla austragen moͤchte/ weil er den auff der ganzen Reiſe erlittenen
Spot ſonſt nimmermehr wuͤrde vergeſſen koͤnnen. Koͤnig Ladiſla aber ſagete ihm mit gu-
ter Freundligkeit/ er ſolte ſich gedulden/ und nicht zweifeln/ daß man ihm Recht wolte wie-
derfahren laſſen; befahl zugleich Neklam/ in ſeiner Erzaͤhlung fortzuſchreiten; welcher dañ
anzeigete; er haͤtte noch einmahl angehalten/ daß dem ernſtlichen Koͤniglichen Befehl ge-
lebet wuͤrde/ damit er nicht Gewalt brauchen duͤrfte/ wie ihm ſolches auff den unverhoffe-
ten Fall gebohten waͤhre; welche Bedraͤuung dann ſo viel gewirket/ daß ſie beyde naͤhern
Kauffs gegeben/ aber mit Troz geantwortet haͤtten/ er ſolte ſeinen Frevel ſparen/ und an-
wenden/ da er geachtet wuͤrde; ſie wolten in wenig Tagen folgen/ und vernehmen/ wz man
mit ihnen zuhandeln haͤtte; weil aber der Koͤnigliche Befehl ein anders mit ſich gebracht/
haͤtte er/ Neklam/ zehn Teutſche Reuter hinein geruffen/ und ihnen beyden frey geſtellet/ ob
ſie zur Stund und willig mitreiten/ oder aber gebunden ſich fortſchleppen laſſen wolten;
wodurch ſie eingetrieben/ ſich zu Pferde geſetzet/ und mit fortgeritten waͤhren/ aber auf deꝛ
Reiſe immerhin in murrender Widerſezligkeit verharret/ haͤtten alle Reiſende auffhaltẽ/
und nach neuen Zeitungen fragen wollen/ auch/ wie man gemerket/ etliche mahl Gelegen-
heit geſuchet/ auszureiſſen/ daß man ſie als einen Aug Apfel verwahren muͤſſen. Er haͤtte
auch der Verſpottung ja ſo wenig als Grozemiſla koͤnnen entfreyet ſeyn/ indem ihn Ni-
niſla mit ſeinem neugebackenen Adel auffgezogen/ welches auff Begebenheit zuraͤchen/ er
ihm vorbehalten wolte. Niniſla fiel hart auffs leugnen; es waͤhre alles ertichtet/ und koͤn-
te nicht anders waͤhnen/ als daß ſeine Wiederwaͤrtigen/ die am Hofe hoch dran waͤhren/
dieſe beyden mutwilligen Verleumder (welche die Luͤgen ohn eine Schreibtaffel im Kopfe
behalten koͤnten) nicht allein angeſtifftet/ ſondern auch ausgeſchikt haͤtten/ ihn in Ungluͤk
zubringen/ da ſie doch vielmehr wegen ſeines erlittenen Feurſchadens/ Mitleiden mit ihm
tragen ſolten. Aber Koͤnig Ladiſla gab zur Antwort/ er waͤhre ganz unrecht daran; dann
bloß allein durch ſein Geheiß waͤhre er ſo ernſtlich nach Hofe gefodert/ weil man allerhand
mit ihm und ſeinem Sohn zureden haͤtte/ da er ſie anfangs fragen wolte/ aus was urſachẽ
ſie im neulichſten Kriege keinen einzigen Lehn Reuter geſchikt/ noch mit ihrer Hand dem
Vater-
[891]Achtes Buch.
Vaterlande Beyſtand geleiſtet/ ja wegen des auſſebleibens ſich nicht eins entſchuldiget
haͤtten; Hernach/ warumb ſie auff den angeſezten Tag der Kroͤnung/ darauff ſie geladen
waͤhren/ ſich nicht eingeſtellet/ noch ihres auſſenbleibens einige Enſchuldigung eingeſchic-
ket. Der Alte gab verwaͤgen gnug zur Antwort: Er waͤhre durch Brand und Raub in
kundbahre Armuht gerahten/ daß er keinen Reuter ausruͤſten koͤnnen/ haͤtte auch Leibes-
ſchwacheit wegen das Vermoͤgen nicht gehabt/ ſich zu Pferde zubehelffen/ und waͤhre ſein
Sohn etliche Zeit verreiſet geweſen/ und daher wol zuentſchuldigen. Seine eigene Ent-
ſchuldigung haͤtte er nach Hofe geſchikt/ und weil ſein Diener/ welcher nicht wieder kom-
men/ auff der Reiſe müſte erſchlagen/ oder ausgeriſſen ſeyn/ waͤhre hierin die Gebuͤhr auch
geleiſtet. Bey der Kroͤnung zuerſcheinen/ haͤtte ihn der Kleider- und Geldmangel gehin-
dert/ daß er nach ſeinem Stande ſich nicht ausruͤſten koͤnnen. Ladiſla fragete Neklam/ wie
ers auff ſeinem Schloſſe befunden haͤtte; welcher antwortete: Alles vol auff/ ein neuge-
bauetes praͤchtiges Schloß/ eine groſſe Menge Reit- und Wagenpferde; einen Saal mit
ſtatlichen Kleidern umhaͤnget/ und bey dem Spiel haͤtte ein jeder uͤber 3000 Kronen vor
ſich liegen gehabt. Niniſla baht/ der Koͤnig moͤchte den ertichteten Luͤgen nicht Glauben
beymaͤſſen/ weil ſichs in der Taht viel anders verhielte. Welcher zur Antwort gab: Wir
wollen dieſe Frage biß auff beſſere Mueß ausſetzen; nur kan ich nicht umhin/ euch beyden/
Vater und Sohn vorzuhalten/ daß man mich berichten wil/ ob traget ihr nicht allein gute
Wiſſenſchafft umb den erbaͤrmlichen Tod und Mord meines Hochſeel. Herrn Vaters/
eures frommen Koͤniges/ ſondern kennet auch die Taͤhter gar wol; da nun dem alſo/ muͤſte
mir ſehr verdaͤchtig vorkommen/ daß ihr davon meiner Fr. Mutter nicht die allergering-
ſte Anzeige getahn habt; welches/ wie ihrs gedenket zuentſchuldigen/ ich gerne vernehmen
wil. Sie erblaſſeten beyde uͤber dieſer Frage/ deren ſie ſich ſchon anfangs fuͤrchteten/ ſtelle-
ten ſich ſehr traurig/ und bahten untertaͤhnigſt/ man moͤchte ſie des ungleichen Verdachts
gnaͤdigſt erlaſſen/ und ihnen den oder die boßhafften Verleumder kund tuhn/ gegen welche
ſie ihren Fuß ſetzen/ und auff alle gebuͤhrliche Mittel und Weiſe ihre Unſchuld hand haben
und vertaͤhtigen wolten; ſie waͤhren des freyen Reichs Adels/ und haͤtten ihrem Koͤnige
den Getraͤu aͤid abgeleget/ welchen zubrechen/ und ihren uhralten Ritterſtand zuſchaͤnden/
ſie bißher noch nie gemeynet geweſen. Ladiſla fing ſchon an/ vor Zorn auffzuſch wellen; wel-
ches Herkules erſehend/ ihnen an deſſen ſtat zur Antwort gab: Es waͤhre ſehr gut/ wann ſie
dieſer Bezichtigung allerdinge unſchuldig waͤhren/ wolte auch nicht hoffen/ daß ſie deſſen
koͤnten uͤberbracht werden; ſolten ſie aber in ihrem Gewiſſen ein anders befinden/ waͤhre
noch Zeit/ umb Gnade und Vergebung zubitten/ ſonſt da ſie ſo hart auffs Recht druͤngen/
und vielleicht dereins uͤberzeuget wuͤrden/ duͤrffte hernach die Gnaden Tuͤhr ihnen gar ver-
ſperret werden. Dieſe boßhafften Buben aber ſtelleten ſich ſehr freudig/ und ſagte Niniſ-
la: die Unſchuld beduͤrffte keiner Gnade/ ſo wenig Verraͤhterey ungeſtrafft hingehen koͤn-
te; und weil ihr Gewiſſen ſie loß ſpraͤche/ wolten ſie nichts als das allergeſtraͤngeſte Recht
begehren/ nur baͤhten ſie ihren Koͤnig untertaͤhnigſt/ er wolte den unbillichen Verleum-
dern die Ohren nicht leihen; waͤhre aber einer oder ander/ welcher ſie dieſer Untaht beſchul-
digen duͤrffte/ wolten ſie anhalten/ daß derſelbe hervor treten moͤchte/ damit ihm gebuͤhrlich
koͤnte geantwortet werden. Iſt dieſes eure auffrichtige Meynung/ ſagte Herkules/ ſo darff
u u u u u ijes
[892]Achtes Buch.
es nicht viel zankens; ſolte aber euer Herz euch des widrigen anklagen/ daß ihr etwan aus
Rachgier oder Feindſchafft/ oder unbillicher Begierde euren alten frommẽ Koͤnig hinter-
gangen/ und euch an ihm vergriffen haͤttet/ moͤchte ich zu eurem beſten wuͤnſchen/ ihr hiel-
tet umb Vergebung an; dann der gerechte Gott laͤſſet keine verdeckete Boßheit ungeſtraf-
fet/ ob gleich anfangs die Ubeltaͤhter vermeynen in Sicherheit zuſeyn. Hier fing Niniſla
an/ ſich unnuͤtze zumachen; er wuͤſte nicht/ mit wes Standes Herren er redete/ nur daß er
muhtmaſſete/ es geſchaͤhe mit einem jungen Fuͤrſten/ weil er ſeinem Koͤnige allernaͤheſt ſaͤſ-
ſe/ und vor demſelben das Wort taͤhte. Dafern ihn aber ein ander nidriges Standes deſ-
ſen zeihen wuͤrde/ wolte er ihm der Gebuͤhr antworten/ und koͤnte anders nicht urteilen/ als
ob man einen Unſchuldigen in guͤte bereden wolte/ ſich einer Miſſetaht/ vielleicht einem an-
dern zugefallen/ ſchuldig zugeben/ wovor er lieber zehnmahl ſterben wolte; wie er auch/ wañ
er ſchuldig erfunden wuͤrde/ den allergrauſameſten Tod ohn Anruffung einiger Barmheꝛ-
zigkeit uͤber ſich nehmen wolte. Wolan/ ſagte Koͤnig Ladiſla/ euer Frevel iſt groß/ und der
Troz verwaͤgen/ darumb ſey hiemit der ſtraͤngen Gerechtigkeit alles uͤbergeben/ und die
Gnaden-Tuͤhr gaͤnzlich verriegelt. Hieß ſie darauff abtreten/ und eines Beſcheides er-
warten. Sein Herr Vater/ welcher im Neben-Gemache alles gehoͤret hatte/ ſetzete ſich o-
ben an/ naͤheſt bey Koͤnig Hilderich/ und wurden die Taͤhter wieder hinein geruffen/ welche
mit gar verwirretem Gemuͤht ſich darſtelleten/ ſo daß ſie des alten Koͤniges auff dem Koͤ-
niglichen Stuel nicht eins gewahr wurden/ dann ſie ſahen ſich nach der Seite umb/ was
vor Gezeugen ſich wider ſie wolten finden laſſen; biß Koͤnig Noteſterich ſie mit gewoͤhnli-
cher Sanfftmuht alſo anredete: Lieber ſage mir doch/ Niniſla/ was habe ich dir jemahls
zuwider getahn/ daß du mich drey ganze Viertel Jahr mit dem Brodte der unausſprechli-
chen Angſt geſpeiſet/ und mit dem Waſſer der unerhoͤrten Truͤbſaal getraͤnket haſt/ deſſen
dieſer mein krummer Ruͤcken/ weil ich lebe/ mir wol ſtete Erinnerung tuhn wird? Als die-
ſe Verraͤhter den alten Koͤnig reden hoͤreten/ und ſein Angeſicht eigentlich kenneten/ er-
ſtarreten ſie anfangs vor groſſem entſetzen/ daß ſie weder reden noch ſich bewaͤgen kunten/
erhohleten ſich aber/ zuͤcketen ihre Brodmeſſer/ und wolten ſich damit ſelbſt entleiben; abeꝛ
die umſtehende Auffwarter/ welche ſcharffen Befehl hatten/ ihnen wol auff die Haͤnde zu
ſehen/ wurden deſſen zeitig inne/ und fielen ihnen in die Arme/ daß ihrer drey druͤber ver-
wundet wurden/ feſſelten ihnen darauff die Haͤnde/ und fragete ſie Herkules/ ob ſie nun-
mehr Gottes Rache ſchier ſehen koͤnten/ und was vor Entſchuldigung ihre erzeigete Ver-
maͤſſenheit fuͤhrete. Da Niniſla zur Antwort gab: Er koͤnte nicht außſinnen/ was vor Un-
gluͤk dieſen Alten wieder aus dem Grabe hervor geruffen haͤtte/ dahin man ihn ſchon vor-
laͤngſt geleget/ und er von rechtswegen ſchon halb ſolte vermodert ſeyn; merkete aber wol/
daß das unbilliche Verhaͤngniß keine getraͤue Vorſteher des Vaterlandes leiden wolte/
und welche bemuͤhet waͤhren/ den Untertahnen die angebohrne Freyheit zuwege zubringẽ;
daher er ſich dann willig in den Tod geben wolte/ und da er geſuͤndiget haͤtte/ welches doch
nicht boͤſer Meinung geſchehen/ waͤhre er bereit/ mit dem Halſe zubezahlen. Sein Sohn
Uriſla ſchweig ſtokſtille/ ſtund und ſahe Koͤnigin Valiſken mit ſtarren unverwendeten Au-
gen an; welches ſein Vater merkend/ zu ihm ſagete: Lieber Sohn/ das anſchauen iſt nun-
mehr zuſpaͤht und vergeblich/ weil wir ſie auff unſerm Schloſſe nicht haben ſehen moͤgen.
Es
[893]Achtes Buch.
Es iſt gut/ ſagete Koͤnig Noteſterich/ daß du die Beichte ſo fruͤh und ohn Folterung anfaͤ-
heſt/ damit du deſto leichter vor einen Erz Verraͤhter/ und ich vor den ungezweifelten Koͤ-
nig Noteſterich erkennet werde. Ladiſla eiferte ſich uͤber des Buben getahne Spotrede/ dz
er ſchier nicht bey ſich ſelber wahr/ und mehrete ihm den Zorn nicht umb ein geringes/ als
er den gottloſen Buben auff dieſe ſeines Herrn Vaters Rede alſo antworten hoͤrete:
Wolte Gluͤk/ daß ich ehe wiſſen moͤgen/ daß man an Noteſterichs warhaffter Gegenwart
gezweifelt/ muͤſten wir beyde uns noch lange daruͤber zanken/ ob du derſelbe/ oder ein Be-
trieger waͤhreſt; daß du mir aber die Folter draͤueſt/ da ich ein Hochaͤdler Herr bin/ iſt mir
der allergroͤſte Schimpff; fing hierauff an/ ſo wol Ladiſla uñ Valiſken als den Vater ſelbſt
zuſchaͤnden/ in Meynung/ ſie zureitzen/ daß er aus Zorn alsbald getoͤdtet wuͤrde. Aber nie-
mand kehrete ſich daran/ ohn Gallus gedauchte die Stimme zukennen/ trat zu ihm/ und
nach genauer Beſichtigung ſagete er: Wie nun Bruder Victor/ treffen wir uns alhie ſo
unvermuhtlich und in ſolchem Stande? Dieſer kennete ihn bald/ und gab zur Antwort:
Hat dich dann der Teuffel auch noch zu dieſer unſeligen Stunde hergefuͤhret/ daß du mein
Ungluͤk vermehren muſt? Hilff Gott! ſagete Gallus/ ſich gegen Koͤnigin Valiſken wen-
dend/ wie ſchicket es die himliſche Verſehung/ daß der Uhrſtiffter Ihrer Hocheit ehemali-
gen Gefaͤngniß in dem unſeligen Flecken vor Padua/ alhie auff dieſem Schloſſe muß ge-
feſſelt/ und wegen ſeines Verbrechens abgeſtraffet werden. Ihr werdet euch irren/ ant-
wortete die Koͤnigin/ maſſen dieſer ein Boͤhmiſcher Landſaſſe iſt/ und Zeit meiner Reiſe
nach Padua auff ſeinem Schloſſe ſich finden ließ. Ich verſichere eure Hocheit/ ſagte Gal-
lus/ daß er der eigentliche Uhrheber ſolches Ungluͤks iſt/ wie er ſchon gnugſam geſtanden
hat/ und meine Kundſchafft nicht leugnen kan. Wolan/ ſagte die Koͤnigin/ ſo gehet mit
hin/ und bey der Folterung befraget ihn auch dieſes Stuͤckes wegen auffs allergenaueſte
und ſchaͤrffeſte/ daß ich recht hinter meine Verfolger komme/ vielleicht iſt er eben derſelbe/
welcher mich aus Angſt in die Moldau hat ſpringen machen. Ja ihr Wunderſchoͤne/ ant-
wortete der Bube/ waͤhre ich ſelbſt dabey geweſen/ und haͤtte meinen Leuten es nicht allein
vertrauet/ wolte ich ſie von der Moldau weit gnug abgefuͤhret/ und allen meinen Begier-
den ein glükliches Ende gemacht haben. Je biſtu doch unſer aller Teuffel geweſen/ ſagte ſie/
wolte weiter nicht mit ihm reden/ und befahl/ mit ihm hinweg zueilen.


Koͤnig Noteſterich hielt nunmehr Zeit ſeyn/ ſein ausgeſtandenes Elend zuerzaͤhlen/
damit aus der uͤbereinſtimmung mit der peinlichen Bekaͤntnis alles deſto gewiſſer darge-
legt würde; ließ alle anweſende Landſtaͤnde in groſſer anzahl auf den Saal fodern/ und hielt
dieſe Rede zu ihnen: Großmaͤchtige Koͤnige und Koͤniginnen/ Durchleuchtige Fürſten/
Fuͤrſtinnen und Fraͤulein; Hoch und Wolgebohrne/ auch aͤdle/ Grafen/ Ritter/ Herren
und Frauen/ ſaͤmtliche gegenwaͤrtige Freunde und Freundinnen/ teils herzgeliebete Kin-
der und Anverwanten/ teils gehorſame Untertahnen und fonſt liebe Getraͤue. Wann des
Himmels ſonderliche guͤtigkeit mir nicht Schuz gehalten/ und in meiner Gefaͤngnis und
ſchweren Dienſtbarkeit ſich meiner gnaͤdig haͤtte angenommen/ waͤhre kein Wunder/ daß
ich ſchon tauſendmahl verzweifelt/ und mir ſelbſt gewaltſame Hand angelegt haͤtte. Ich
kan nicht erſinnen/ warumb die Goͤtter mir eben/ groͤſſer Elend auflegen wollen/ als nie kei-
nem Koͤnige vor mir geſchehen iſt/ nach dem ich ja der groben Laſter mich nicht habe teilhaf-
u u u u u iijtig
[894]Achtes Buch.
tig gemacht/ noch gegen meine Untertahnen mich grauſam und unbarmherzig erzeiget.
Wie dann etliche von meinen Lands Raͤhten/ hier anweſend/ mir werden Zeugnis geben/
daß jener wolergehen ich uͤber mein eigenes geſuchet habe. Die ſchweren Schatzungen uñ
Frohndienſte habe ich nicht vermehret/ ſondern gemindeꝛt/ und mich wol nie keinmahl uͤbeꝛ
ichtwas ſo geeifert/ als da ein Schmeichler einsmahls ſagen durfte: Die Untertahnen blie-
ben dannoch Untertahnen/ wañ ſie gleich ihrem Herrn alles hergeben muͤſten. Doch mus
ich nicht zweifeln/ es mũſſen die Goͤtter freylich etwas an mir wiſſen/ daß ſo harter Zuͤchti-
gung wert ſey/ dann wer wolte dieſelben vor ungerecht ſchelten? Aber dieſe hoͤchſtanſehnli-
che Verſamlung nicht übergebuͤhr auffzuhalten/ mus ich meiner Erzaͤhlung den Anfang
machen. Es wird annoch vielen von den meinen unvergeſſen ſeyn/ was geſtalt ich vor drey
Jahren und ſechs Wochen mit wenigen Dienern etliche Meilen auff die leidige Jagd ge-
ritten (meine Fr. Tochter wird ſich erinnern/ was kurz vorher ſie mir aus eines Pfaffen
Munde vor eine Warnung erteilet) als der Verraͤhter Niniſla mir bey ſeinem Sohn zu-
entboht/ es lieſſen ſich etliche ſehr groſſe Uhrochſen in ſeinem Gehoͤlze ſpuͤren/ und weil ich
ein Geboht (O des leidigen Gebohts!) ergehen laſſen/ daß kein Menſch ohn mein Vorbe-
wuſt und einwilligung ſelbigen nachſtellen oder leid anfuͤgen ſolte/ haͤtte er mir deren An-
weſenheit untertaͤhnigſt verſtendigen wollen/ ob mir gnaͤdigſt gefallen moͤchte/ durch der-
ſelben fahung mich zuerluſtigen; und erinnere ich mich ſehr wohl/ daß mein geliebtes Ge-
mahl mich zwar wegen eines gehabten Traumes davon abriet/ welches ich aber leider in
den Wind ſchlug/ und ſolche Verachtung rechtſchaffen büſſen muͤſſen. Ich wahr behende
auff/ das Wild zuerhaſchen/ da der Lecker Uriſla mich und meine Diener einen wunderlich-
verwirreten Weg fuͤhrete/ biß wir von acht Gewapneten uns umgeben ſahen/ die auff uns
zudrungen/ meine vier Diener vor meinen Augen niderſaͤbelten/ und mich gefangen hin
auff Niniſla Schloß fuͤhreten/ woſelbſt ich wilkommen geheiſſen/ und zur Mahlzeit gefüh-
ret ward; ich aber mich erklaͤrete/ keinen Biſſen anzuruͤhren/ biß ich zuvor wüſte/ ob ich ver-
rahten/ oder unter Freunden waͤhre. Niniſla antwortete mir gar trotzig; ich waͤhre in gu-
ter Sicherheit und Ruhe/ wolte auch nach geendeter Mahlzeit mir alles Verlaufs gnug-
ſame Rechenſchaft geben/ daß ich verhoffentlich wol zufriede ſeyn wuͤrde. Ich dagegen
wendete ein/ der Moͤrderiſche uͤberfal/ und daß meine Diener ſtraks Angeſichts erſchlagen/
ich aber gefaͤnglich angenommen waͤhte/ koͤnte mich keiner Sicherheit bereden/ wũſte viel-
weniger/ wie ſich eine ſolche Taht verantworten lieſſe; welches er aber mit einem hoͤhni-
ſchen Gelaͤchter beantwortete: Der Verluſt vier Diener waͤhre ſehr geringe bey einem Koͤ-
nige/ und koͤnte mit leichter Mūhe eingebracht werden; mich betreffend/ waͤhre ich kein Ge-
fangener/ ſondern ein gebietender Koͤnig/ es waͤhre dann/ daß ich mich ſelbſt darzu machen
wolte. Da ſchlage Ungluͤk zu/ ſagete ich; Heiſſet daß ein gebietender Koͤnig/ der/ wie ich
verſtehe/ nach eines andern Pfeiffe tanzen ſol? wegerte mich auch/ Speiſe zu nehmen/ biß
er mit etwas pochen mich ermahnete/ ihm ſeine Wirtſchaft nicht zu ſchmaͤhen; dann ob er
gleich kein Koͤnig/ ſo waͤhre er doch Herr und Gebieter auff dem ſeinen. Ich muſte mich
bequemen/ und aß/ wiewol mit ſchlechter Begierde; aber die Geſundheiten muſte ich ſo viel
ſtaͤrker beſcheid tuhn/ da meiner Frl. Tochter/ die erſte; ſeines Sohns Uriſla die andere;
meine die dritte; und Niniſla (welche der Sohn anfing) die vierde wahr. Ich begunte
ſchon
[895]Achtes Buch.
ſchon zu merken/ wohin dieſes Beginnen zielete/ wiewol ich nicht desgleichen taht/ ſondern
als ein Unachtſamer mich ſtellete/ biß Niniſla mich fragen durfte/ weſſen ich wegen meines
Koͤnigreichs geſinnet waͤhre/ nachdem mein Sohn/ welcher ohndas zur Beherſchung un-
düchtig geweſen/ erſchlagen waͤhre/ deſſen er gute und gewiſſe nachrichtung haͤtte/ und nur
eine Spil Erbin Frl. Valiſka uͤbrig/ die nunmehr Mannes-duͤchtig wuͤrde/ und mit einem
wirdigen Gemahl/ auch auf den Fal/ kuͤnftigen Koͤnige muͤſte verſehen werden. Mein Sohn
Ladiſla/ antwortete ich/ welchen die Goͤtter mit Koͤniglichen Tugenden zur gnuͤge verſehen/
wird ſich bald wieder einſtellen/ von dem ich vor wenig Wochen Schreiben erhalten; und
wann er gleich dahin waͤhre/ muͤſte das Koͤnigreich nicht deſto weniger nach meinem Tode
ein Haͤupt haben/ wuͤrde auch meine Tochter den Landſtaͤnden wieder ihren Willen nicht
auffdringen/ deren vielleicht ſchon in der Fremde ein wirdiges Gemahl verſehen waͤhre.
Daß waͤhre zubeklagen/ gab der Bube zur Antwort/ daß ein eingebohrnes Fraͤulein des
Landes muͤſſig gehen/ oder ein Auslaͤndiſcher über die freien Boͤhmen die Beherſchung
nehmen ſolte. O nein! die Staͤnde leiden ſolches nicht/ und mus freilich das Fraͤulein ei-
nem des vornehmſten Boͤmiſchen Adels verheirahtet werden/ wo ſonſt Unruhe und des
Reichs gaͤnzliche Verwuͤſtung ſol vermieden bleiben. Weil ich dann ohn Ruhm zu mel-
den/ der gewaltigſte Landſaſſe dieſes Koͤnigreichs bin/ und mein Sohn Uriſla zur Kron
ſcheinet gebohren ſeyn/ wie ihm ja alles Koͤniglich anſtehet/ ſo wird Koͤnig Noteſterich ſich
gefallen laſſen/ daß wir zwiſchen dem Fraͤulein und ihm eine gluͤkliche Heiraht ſchlieſſen/
und der wirdigen Kindes Kinder mit froͤligkeit erwarten. Ein ſolches/ ſagte ich/ wird von
uns ſolcher geſtalt nicht koͤnnen/ als auff der Jagd/ verrichtet werden/ weil uns der Land-
ſtaͤnde Wille und Meynung unwiſſend iſt; werden demnach gemach fahren/ und der Zeit
erwarten/ daß uns die Eile nicht ſchier heut oder Morgen gereue. Solches nun wahr ihm
eine unangenehme Antwort/ faſſete den Becher und ſagete: Er ſoͤffe den Tod daraus/ wo-
fern dieſe Heiraht vor meinem Abzuge nicht ſolte und muͤſte volzogen/ und das heimliche
Beilager auff dieſem Schloſſe gehalten werden; muͤſte mich demnach kurz bedenken/ und
vernehmen laſſen/ weſſen ich geſinnet waͤhre. Er taht mir überdas den Vorſchlag/ daß ich
mit eigener Hand und untergedruktem Pitſchaft an mein Gemahl und Tochter ſchriebe/
daß ſie mit dem Kanzler Bretiſla/ Herrn Pribiſla und Krokus/ ohn alle andere Geſelſchaft
heruͤber kaͤhmen/ weil ſehr geheime Sachen zuberahtſchlagen vorfielen. Aber zu meinem
Gluͤk hatte ich bald anfangs bey dem moͤrdlichen Anfal meinen Daumen Ring in eine Hec-
ke geworffen/ dz er zu meinem Schaden nicht mißbrauchet wuͤrde; uñ kunte ich diß ſchaͤnd-
liche anmuhten ohn Zorn nicht beantworten/ wiewol mirs vielleicht ſo gar ſchaͤdlich nicht
haͤtte ſeyn moͤgen/ nachdem ich Zeit gehabt/ es bey mir beſſer uͤberzulegen; dißmahl aber
verwies ich ihm ſeinen Frevel ernſtlich/ er ſolte wol bedenken/ was er anfinge/ uñ ſich durch
Ehrſucht nicht zu hoch aufftreiben laſſen; er koͤnte leicht erachten/ was voꝛ einen Ausſchlag
ſolche unbeſonnenheit gewinnen duͤrfte/ wiewol ich ihm aͤid- und Koͤniglich verſprechen uñ
halten wolte/ alles bißher ergangene/ ihm als ungeſchehen/ gaͤnzlich zuverzeihen/ dafern er
in ſich gehen/ ſein Vorhaben endern/ und mich in Sicherheit nach Prag zihen laſſen wuͤr-
de. Welcher Anmuhtung er vor Eifer zu berſten meinete/ ſprang von dem Tiſche auff/ und
ſchwur bey allen himliſch- und helliſchen Goͤttern/ ich müſte ihm hierin zu willen ſeyn/ und
den
[896]Achtes Buch.
den Vorſchlag mir gefallen laſſen/ oder deſſen erwarten/ was mir und ihm unangenehm
ſeyn wuͤrde; der Wurf waͤhre geſchehen/ und das Spiel gewaget/ es muͤſte gewonnen oder
verlohren ſeyn/ nachdem es durchaus nicht koͤnte auffgeruffen werden; der Gewin wuͤrde
uns allerſeits ergetzen und befriedigen/ der Verluſt aber/ mich oder ihn/ oder alle beyde in dz
aͤuſſerſte Verderben ſtuͤrzen. Bald darauff/ wie ich gar nichts antwortete/ ſondern als gin-
ge michs nicht an/ freimuͤhtig hinſaß/ fing er an gelinder zuverfahren: Ich moͤchte mich
doch eines beſſern bedenken/ und ſeinem Anſuchen ſtat geben; ſein Sohn waͤhre nicht ſo
ſehr durch Begierde der Herſchaft/ als Liebe gegen das ſchoͤnſte Fraͤulein/ zu dieſem Vor-
nehmen gezwungen; er waͤhre ein einiger Sohn/ und haͤtte vor ſich Guͤter gnug/ Herren-
ſtand zuführen/ nur weil das Koͤnigreich dem Fraͤulein nohtwendig folgen muͤſte/ wuͤrde
beydes zugleich geſucht/ und was ſonſten des ſuͤſſen pfeiffens mehr wahr. Ich gedachte/ es
waͤhre nunmehꝛ Zeit/ meine Ernſthaftigkeit recht ſehen zu laſſen/ ſtellete ihn zu rede/ fragend/
ob etwa er und ſein Sohn ihren Wiz gefreſſen/ und durch garzuheftige Begierde nach
lautern unmoͤgligkeiten/ an ihrem verſtande gar verblendet waͤhren; alles ihr tichten und
trachten in dieſer Sache/ waͤhre vergebens und umſonſt/ wie bund ſie es auch karten und
kehren wuͤrden/ ſolten demnach dieſe nichtige Einbildung bald ablegen/ und die angebohte-
ne Gnadenzeit nicht vorbey gehen laſſen/ auffdaß ihnen die Reue nicht zu ſpaͤt kaͤhme; es
waͤhre ja von einem Knaben zuerkennen/ das ihr Vornehmen nohtwendig zum aͤrgeſten
ausſchlagen muͤſte/ welches ihnen leicht vor Augen ſtehen koͤnte/ wann ſie es nur wolten zu
Herzen faſſen. Aber dieſe Warnung kunte der Vater nicht verdaͤuen/ ſondern draͤuete miꝛ/
mit bloſſem Gewehr/ das begehrete Schreiben alsbald zuverfertigen/ oder eines ſchnoͤden
Todes zugewarten. Welches ich ihm alſo beantwortete: Es moͤchte nach der Goͤtter ver-
ſehung ergehen/ ſo ſchriebe ich doch einen ſolchen Brieff nicht/ und wuͤrde er viel kluͤglicher
handeln/ wann er durch andere mittel ſolches an mich begehrete; ich waͤhre bißher nicht
gewohnet/ mich durch Draͤuung oder den Todſchreckẽ zulaſſen/ waͤhre auch wol verſicheꝛt/
daß mein Gemahl und Frl. Tochter auff ein bloſſes Schreiben ohn ſtarke Kriegsbeglei-
tung nicht kom̃en wuͤrden/ da nicht einer von meinen mit ausgenom̃enen Dienern ihnen
ſolches mündlich anbraͤchte/ und ſie aller Gefahr/ die man ſich einbilden koͤnte/ benehmen
würde; zugeſchweigen/ mein Kanzler Bretiſla/ wie ihm wol bewuſt/ ein verſtaͤndiger be-
dachſamer Mañ waͤhre/ uñ in ſolche Reiſe nim̃ermehr gehehlen wuͤrde; daß er alſo/ ob ich
gleich ſchriebe/ ſeinẽ Zweg nit erreichen koͤnte; waͤhre demnach añoch mein getraͤuer Raht/
daß er die angebohtene Gnade erkeñete/ und nicht in verderbliche Gefahr ſich ſtuͤrzete/ wel-
che ihm lauter ſchaden und keinen Vortel bringen koͤnte. Aber dieſes alles wahr den Taubẽ
geprediget; das Fraͤulein ſolte und muͤſte daſelbſt ſich einſtellen/ und ſeinem Sohn beyge-
legt werden; wuͤrde ich mich dann weiter ſperren/ ſolte ich mein Ungemach zu ſpaͤt be-
reuen. Ey ſo habe ich nur einen Hals/ antwortete ich/ welchen du meinaͤidiger mir nit ohn
Straffe brechen wirſt/ wo ſonſten noch Gerechtigkeit bey den Goͤttern zufinden iſt. So ha-
be ich und mein Sohn jeder auch nur einen/ ſagte Niniſla/ aber ſo liderlich wollen wir ihn
nicht in die Schanze ſetzen/ ſondern zuvor alles verſuchen/ was uns moͤglich und dienlich
ſeyn kan/ das liebe Fraͤulein zuerhaſchen/ und ſie auff dieſes Schloß zubringen; wirſt dann
du (alſo beſchimpffete er mich) und auch ſie/ in dieſe begehrete Heyraht nicht einwilligen/
alsdan
[897]Achtes Buch.
alsdann wollen wir ſie vor deinen Augen mißbrauchen/ und nach etlicher Zeit ſie unſern
Leibeigenen zum Muhtwillen uͤbergeben; dann wirſtu graͤulicher Bluthund zu ſpaͤte be-
reuen und beklagen/ daß du zu dieſer Schande Urſach und Anlaß gegeben haſt. Die Goͤtter
werden dieſes dein ſchaͤndliches Voꝛhaben ſchon zuhindern wiſſen/ ſagte ich; daß du mich
aber vor einen Bluthund ſchilteſt/ redeſtu deinen Muhtwillen/ weil kein Menſch mich biß-
her einiger Grauſamkeit mit Fuge beſchuldigen kan/ muͤſte aber in dieſe Zunft gerahten/
wann ich in dein gotloſes Vorhaben würde einwilligen. Als ich mich ſolcher Geſtalt ver-
antwortete/ fragete er mich zum Beſchluß/ ob dieſes mein beſtaͤndiger Vorſaz waͤhre/ uñ
ich mich keines andern erklaͤren wolte; und auff meine freymuͤhtige Bejahung foderte er
zween Leibeigene in die Stube/ mich zuentkleiden/ und mein zuſpotten; welche/ anff mei-
ne Frage/ ob ſie an ihrem Koͤnige ſich vergreiffen wolten/ ſich deſſen mit Ehrerbietigkeit
enthielten. Dieſes verdroß ihrẽ Herrn ſo hefftig/ daß er ſie alsbald niderhieb/ und zween
andere herzurieff/ die durch der vorigen Straffe gewahrſchauet/ ſeinem Befehl nachkah-
men/ mich entkleideten/ hin und herſtieſſen/ und meines Mutter-nacketen Leibes ſpotteten/
hernach mit einem knechtiſchen Kittel mich bekleideten/ und in ein enges Gewoͤlbe einſper-
reten/ in welchem ich weder auffrecht ſtehen/ noch außgeſtrekt liegen kunte/ dann es wahr
nur vier und einer halben Spannen hoch und lang. Ich bedingete mich von ſolcher Ge-
waltſamkeit auffs beſte/ und wuͤnſchete ihm aller Goͤtter Zorn und Rache; welches er nur
verachtete/ einwendend/ er waͤhre Gott auff ſeinem Schloſſe/ in deſſen Straffe ich gefallen
waͤhre/ und nicht loß kommen wuͤrde/ biß das Fraͤulein mit meinem guten Willen ſich heꝛ-
zufuͤgete/ und die Heyraht einginge. Damit ward mein Gefaͤngnis verſchloſſen/ und hoͤre-
te ich in 24 Stunden keinen einigen Menſchen/ nach deren Verlauff ein Leibdiener die
Tuͤhr oͤffnete/ vorgebend/ ſein Herr lieſſe mich fragen/ ob ich der engen Herberge nicht ſchiet
uͤberdruͤſſig waͤhre; welcher Schimpff mich herzlich ſchmerzete/ durffte ihn doch nicht be-
antworten/ ſondern baht den Diener/ daß er mich außlieſſe/ biß ich meines Leibes Notturft
abgelegt haͤtte; bekam aber zur Antwort; ich haͤtte raum gnug es in meinem Gemache zu-
verrichten. Alſo ward mir ein wenig grob Brod/ und truͤbe Waſſer zwiſchen die Beine ge-
ſetzet/ welches meine Mahlzeit ſeyn ſolte. Ich begehrete/ daß ſein Herr auff ein Wort zu mir
kommen moͤchte/ welcher ſich bald einſtellete/ und mit Ungeſtuͤm mich fragete/ was mein
Begehren waͤhre; da ich zur Antwort gab; wann er nicht bedacht waͤhre mich loß zulaſſen/
moͤchte er michauff ein raumes Gemach verſperren/ da ich mich auffrichten/ außſtrecken/
und bewaͤgen koͤnte. Aber er antwortete; dafern mit dergleichen Anmuhtungen ich ihn feꝛ-
ner bemuͤhen wuͤrde/ ſolten mir Peitſchen und Ruhten mitgeteilet werden; fing auch an/
ſich auffs hoͤchſte zuverfluchen/ ich ſolte weder des Tages Licht ſehen/ noch aus dieſem Lo-
che kommen/ biß Frl Valiſka in ſeinen Haͤnden waͤhre/ alsdann ſolte der Tod aus ſonder-
licher Gnade die Endſchafft meiner Gefaͤngniß ſeyn/ weil ich beſſere Gnadenzeit nit haͤtte
erkennen wollen. Jedoch gab man mir ein kleines Gefaͤß zur Leibes Noturfft/ welches die
Knechte allemahl mit Unwillen reinigten. Was ich nun dꝛeyviertel Jahr lang (die mir tau-
ſend Jahr dauchten) in dieſem elenden Gefaͤngniß erdulden muͤſſen/ iſt mir unmoͤglich auß-
zuſprechen. Ich nam mir offt vor/ mich durch Hunger zutoͤdten/ aber des Brods uñ Waſ-
ſers ſtete Gegenwart/ erweckete die Begierde zueſſen und trinken/ daß ich mein Vorneh-
x x x x xmen
[898]Achtes Buch.
men nicht volſtrecken kunte. Ja wann die Knechte merketen/ daß ich meinen Anteil nicht
verzehret hatte/ zwungen ſie mich darzu/ und trieben jhr ſtetes Geſpoͤtte mit mir. Eins-
mahls erkuͤhnete ich mich/ den Diener durch ſtatliche Verheiſſung zubereden/ daß er mir
davon huͤlffe/ aber Niniſla ſtund mir unwiſſend hinter der Tuͤhr/ und draͤuete mir die aller-
ſchaͤndlichſte Unflaͤterey/ dafern ich mich noch einmahl unterſtehen wuͤrde/ ſein Geſinde zu-
verfuͤhren. Ich kunte nichts anders/ als ihm Gottes ſchwere Hand zur Straffe wuͤnſchen;
woran er ſich durchaus nit kehrete/ ſondern mich zutroͤſten pflag/ ich ſolte meine Frl. Toch-
ter gar bald zuſehen bekom̃en/ und als dann außgelaſſen werden/ auch mit Augen anſchau-
en/ wie geſchikt ſie ſolte gemacht werden/ einen Mann zulieben/ ungeachtet ſie noch zur Zeit
lieber mit Geſchoß und Pferden umginge. Nach Verlauff ſechs Wochen/ hatte mich das
Unzieffer/ welches aus meinem Leibe wuchs/ faſt durch und durch wund gefreſſen/ welches
ich einem Leibeigenen klagete/ der mich mit den Fuͤſſen zur Tuͤhr hinaus legete (dann mit
dem Haͤupte durffte ich aus dem ſtokfinſtern Loche nicht hervor kucken/ des Tages Licht zu-
ſehen) zog mir die Kleider abe/ und ſchmierete mich an allen Gliedmaſſen mit einer ſtin-
kenden Salbe/ wovon ich nicht allein geheilet ward/ ſondern es weich auch alles Unzieffer
hinweg von mir/ daß ich nach der Zeit keines mehr ſpuͤrete/ welches mir ja noch eine Linde-
rung de[r] ſtetswehrenden Pein gab. Wie offt erboht ich mich/ mein Koͤnigreich und alle
meiner Bekanten und Freunde Landſchafften zuverſchwoͤren/ und an die abgelegenſte oͤr-
ter der Welt mich zubegeben/ daß kein Menſch ichtwas von mir erfahren ſolte/ dafern er
mich nur aus Barmherzigkeit loß laſſen wuͤrde; aber alles wahr vergebens/ und bekam ich
ſtets dieſe Antwort: Ob ich annoch im Leben vermeinete zu ſeyn/ und weite Reiſen uͤber
mich zunehmen? haͤtte man mich doch zu Prag ſchon Koͤniglich beg[r]aben/ daher müſte ich
an keine Freyheit mehr gedenken/ ſondern in dieſer Hoͤlle mich fein gedulden/ weil in der
Gnadenzeit ich nicht haͤtte gluͤkſelig leben wollen. Wann ich dann fragete/ aus was Urſa-
chen er mich doch ſo lange peinigte/ und nicht alsbald toͤdtete/ da ich ihn die ganze Zeit mei-
nes Lebens nie beleidiget haͤtte; ſagete er; ich muͤſte zuvor meine Tochter in Mannes Ar-
men ſehen und wie zie[r]lich er ſich mit ihr begehen koͤnte. Ich erboht mich/ ihm oder ſeinem
Sohn meine Tochter gerne zugeben; aber er wendete ein/ es waͤhre nun zu lange gehar-
ret/ und aus meinen Haͤnden; am erſten Abend/ am erſten Abend/ ſagte er/ waͤhre es Zeit
geweſen/ nun aber iſt das Spiel verſchen/ und muß das liebe Haͤſichen zum Wildbraͤt auf
andere Weiſe gefangen werden. Als ich dieſen ſeinen endlichen Willen vernam fing ich an/
ihn zu ſchaͤnden und ſchmaͤhen/ in Meinung/ ihn zuꝛeitzen/ daß er mich erſchlagen ſolte/ abeꝛ
er hatte nur ſeine Luſt und Kurzweile dran/ nit anders/ ob haͤtte ich ihn vor einen Ehrwir-
digen Herrn außgeruffen; wiewol ich dieſes zu Lohn bekam/ daß man mir das grobe Brod
mit abſcheulicher Unflaͤterey beſchmierete/ welches ich gezwungen verſchlingen und auf-
freſſen muſte; dann wañ ich michs zueſſen wegerte/ draͤueten ſie mir eine ſolche unmenſch-
liche Schande/ welche zumeiden/ ich in allem gerne gehorchete. Zeitwehrender ſolcher Er-
zaͤhlung/ lieffen dem ganzen Frauenzimmer die haͤuffigen Traͤhnen aus den Augen/ biß dz
Herz das Mitleiden nicht laͤnger unterdruͤcken kunte/ daher ſie auff dieſe des Koͤniges lezt-
geredete Worte ein ſo hefftiges weinen anfingen/ daß es unten im Platze gehoͤret ward/ uñ
beteñete Valiſka/ daß ihre ehmalige eigene Noht ihr nicht ſo ſehr zu Herzen gangen/ noch
mit
[899]Achtes Buch.
mit dieſem Jammer zuvergleichen waͤhre. Die alte Koͤnigin waͤhre ſchier von Traͤhnen zer-
floſſen/ und muſten faſt alle anweſende Mannes Bilder ihr im weinen Geſelſchafft leiſten/
daß man auch an Koͤnig Mnata die Backen Traͤhnen rinnen ſahe/ und einer den andern
fragete/ mit was wirdiger Straffe ein ſolcher verzweifelter Erz Bube zu belegen waͤhre/
der an ſeinem heꝛſchen den Koͤnige ein ſolches zubegehen ſich nicht geſcheuhet haͤtte. Das
Frauenzimmer wuͤnſchete/ der Koͤnig moͤchte ſeiner Erzaͤhlung die Endſchafft geben/ da-
mit ſie in den Traͤhnen nicht gar erſticketen; er aber ſobald ſich das ſtarke Geheule geſtil-
let hatte/ fuhr alſo fort; verſichert euch/ meine liebe Anweſende/ daß ich gerne alle Tage
zwanzigmahl den Tod erlitten haͤtte/ wann mir nur haͤtte moͤgen gegoͤnnet werden/ mich
des Tages ein Stuͤndichen außzuſtrecken; ich muſte ſtets ſitzen/ und die Knie ſchier vorm
Maule halten/ oder ſo gekruͤm̃et mich auff die Seite legen; bißweilen lag ich auff Knien
und Haͤnden; bißweilen wand ich den Leib wunderlich und mit groſſen Schmerzen/ nur dz
ich die Beine außſtrecken moͤchte/ welche mir anfingen krum zuwachſen/ weil die Sehna-
dern ſich kuͤrzeten/ und wahr mein hoͤchſter Wunſch/ nur allein zuwiſſen/ wie lange ich die-
ſen unſaͤglichen Jammer noch treiben ſolte/ ehe die Seele aus der beſchwerlichen Herber-
ge des Leibes Abſcheid nehmen wuͤrde. Noch rieff ich taͤglich alle Goͤtter an/ ſie moͤchten
gnaͤdig abwenden/ daß meine liebe Tochter/ die von dem Himmel ſelbſt zu aller Tugend ge-
zogen wuͤrde/ dem boßhafften Menſchen nicht in die Haͤnde fiele; worin ich von den guͤti-
gen Goͤtter ohn Zweiffel erhoͤret bin. Als ich nun dieſes Elend die drey viertel Jahr durch
in der engen Finſterniß gebauet hatte/ und die liebe Sonne mich wiederſehen wolte/ trug
ſich zu/ daß Niniſla mit ſeinem Sohn außgeritten wahr/ und eine ſtarke Schaar Panno-
niſcher Raͤuber ſein Schloß uͤberfielen/ welche alle Menſchen/ groß und klein erſchlugen/
die verſchloſſenen Tuͤhren und Kaſten oͤffneten/ und allen Raub auff Wagen luden. Ich
hoͤrete den Jam̃er und das Klagen der ſterbenden/ auch dz die Pannoniſche Sprache uͤbeꝛ-
al ging/ daß ſie auch endlich mein Loch mit einer Axt auffſchlugen/ der Meinung/ einen ver-
borgenen Schaz daſelbſt anzutreffen. Sie funden mich bald/ und frageten/ wer ich waͤhre.
Da gab ich zur Antwort: Ich waͤhre ein armer Mann/ Buͤrger-Standes/ und haͤtte der
Herr dieſes Schloſſes mich vor drey viertel Jahr in diß Loch geworffen/ fint der Zeit ich
keines Tages Licht geſehen/ mich auch nicht auffrichten oder außſtrecken koͤnnen; baͤhte ſie
demnach um aller Goͤtter Willen/ ſie moͤchten ſich meines Elendes erbarmen/ und daß ich
hieſelbſt nit gar verduͤrbe/ mich heraus und mit ſich davon nehmen. Dieſen Raͤubern/ wie
grauſam ſie ſonſt wahren/ ging mein Elend zu Herzen/ weil ich meiner Traͤhnen nicht ſpa-
rete/ und zogen mich bey den Fuͤſſen hervor; aber da ich an die Lufft kam/ und meine Augen
des Sonnen-ſcheins empfunden/ wuſte ich nicht zubleiben/ kunte auch auff keinen Fuß tꝛe-
ten/ noch auffrechts ſtehen/ ſondern lag auff der Erden als ein ſterbender; ſie ſchleppeten
mich aber hinaus/ und legeten mich auff einen Wagen/ da ich das Angeſicht unterwaͤrz
kehrete/ und meine Glieder fein gemach dehnete und lenkete/ auch durch die zugetahnen
Finger/ die ich vor die Augen hielt/ des Tages Liecht gar ein wenig durchſcheinen ließ/ da-
mit ich nicht gar erblendete. So bald die Beute zuſammen getragen und auffgeladen war/
zuͤndeten ſie das Schloß an allen Ecken und Enden an/ daß es ohn zweifel in kurzer friſt
wird eingeaͤſchert ſeyn/ wovon ich eigentlich nicht zuſagen weiß/ weil die Raͤubeꝛ nicht lan-
x x x x x ijge
[900]Achtes Buch.
ge ſeumeten/ und ich mich in der Lufft nicht umſehen kunte. Die erſte Nacht hatten wir un-
ſer Lager in einem dicken Geſtraͤuche/ daſelbſt ſpeiſeten ſie/ und teileten mir reichlich mit/
zeigeten mir auch an/ ich muͤſte mit ihnen/ und koͤnte vielleicht noch zur taͤglichen Hausar-
beit wieder angewehnet werden; wogegen ich nicht das allergeringſte ſagen durffte/ und
baht ſie nur/ ſie moͤchten mir erlaͤuben/ dieſe Nacht zwiſchen ihnen ein wenig umherzuge-
hen/ daß meine erſtarreten Glieder wieder gelenk wuͤrden; welches ich nicht allein erhielt/
ſondern weil ein Wund Arzt bey ihnen wahr/ ſchmierete mich derſelbe an den Gelenken uñ
am Ruͤcken/ gab mir auch Oel/ damit ich mich am ganzen Leibe beſtreichen muſte/ welches
mir groſſe Huͤlffe taht/ ſo daß ich am dritten Tage etliche Stunden aneinander mit fort-
hinken kunte/ welches mir die hoͤchſte Freude wahr/ ob wol der Ruͤkgrad mir nicht wieder
gerade werden wolte/ wie er dann wol biß an mein Ende mich der Gedaͤchtniß meines E-
lendes erinnern wird. Ich ſcheuhete mich/ einiges Loͤſegeldes gegen ſie zugedenken/ und ge-
lebete der troͤſtlichen Hoffnung/ wann ich bey einem Herrn in Dienſt getreten waͤhre/ wol-
te ich meine Freyheit deſto beſſer zu werk richten/ ward aber heßlich betrogen/ weil durch
ganz Pannonien bey Leib- und Lebensſtraffe gebohten ward/ keinen Boͤhmiſchen Leibeigenẽ
oder Gefangenen loßzugeben/ oder umbs Geld ſich loͤſen zulaſſen/ wie dann gegenwaͤrtiger
Koͤnig/ Herr Mnata bezeugen wird. Bey Teilung der Beute/ ward ich einem verwaͤgenẽ
Menſchen zugeloſet/ der aus Spot fragete/ was er mit dem alten Kruͤppel vor Vogel fahẽ
ſolte/ der nirgend beſſer/ als auff der Schindgrube laͤge; trat auch mit dem Worte zu mir
ein/ und wolte mich mit einer ſchweren Hacke niderſchlagen; aber der mich aus dem Loche
gezogen hatte/ wehrete ihm/ und erlegete vor mich den dritten Teil einer Krone; So teur
ward der Boͤhmiſche Koͤnig dazumahl geſchaͤtzet/ und auff ſeinem eigenen Grund und
Boden verkaufft. Ich bedankete mich gegen meinẽ Kaͤuffer hoͤchlich/ verſprach alle moͤg-
liche Arbeit gerne zuverrichten/ und mit gar geringer Speiſe vorlieb zunehmen. O mein
herzgeliebeter Herr und Gemahl/ fing hieſelbſt die alte Koͤnigin an zuruffen; ich bitte durch
Gott/ Eure Liebe wolle mein Herz nicht weiter mit Erzaͤhlung dieſes gar zu groſſen Jam-
mers quaͤhlen/ ſondern vielmehr gedenken/ daß der heutige Tag zur ſonderlichen Ergetzung
des Frauenzimmers beſtimmet iſt/ daß wir demnach ihn nicht gar mit heulen und weinen
zum Ende bringen moͤgen/ und laſſet uns vielmehr Gottes Barmherzigkeit danken/ durch
welche Eure Liebe wunderlich errettet iſt; ſolte aber noch etwas zuerzaͤhlen uͤbrig feyn/
kan ſolches auff bequemere Gelegenheit verſchoben werden. Das ſaͤmtliche Frauenzim-
mer halff mit bitten/ daher der Koͤnig ſeiner Rede die Endſchafft gab/ weil er ohndas ſahe
und wuſte/ daß kein einiger Menſch an ſeiner warhafftigen Gegenwart Zweifel trug. Die
Gefangenen wurden in Leches/ Neda und Gallus beyweſen/ jeder abſonderlich ſehr ſcharff
befraget/ da der Sohn bald anfangs alles willig bekennete/ und umb einen gnaͤdigen Tod
anhielt; der Vater aber gar hart gefoltert ward/ welches er beſtaͤndig erlitte/ unter der Hof-
nung/ hiedurch das Leben einzubuͤſſen; als er aber die hefftige Pein laͤnger nicht erdulden
kunte/ begehrete er Erlaſſung/ und daß er alles ausſagen wolte; wie er ſolches auch umb-
ſtaͤndlich vorbrachte/ inſonderheit/ daß er ſelbſt gegen das wunder-ſchoͤne Fraͤulein ſich
hefftig verliebet befunden/ und ihr hin und wieder auff dem Gejaͤgde/ und wann ſie ausge-
ritten waͤhre/ nachgetrachtet haͤtte/ wiewol allemahl vergebens/ ſo dz er mit Haͤnden greif-
fen
[901]Achtes Buch.
fen moͤgen/ die Goͤtter waͤhren ihre Beſchützer geweſen/ welches ſich nie augenſcheinlicher
haͤtte ſehen laſſen/ als daſeine Knechte ſie ſchon in ihrer Gewalt gehabt/ und ſie durch den
ſtarken Strohm ſchwimmend entrunnen waͤhre/ wenig Wochen hernach/ da ſein Schloß
verbrunnen/ und der Koͤnig gerettet worden; noch haͤtte er ſich ihrer nicht begeben koͤnnẽ/
ſondern waͤhre ihr auff der Reiſe nach Padua ſtets eine Viertelmeile gefolget/ haͤtte ge-
meiniglich in einem Dorffe oder Flecken mit ihr und ihrer Geſelſchafft Herberge genom-
men/ und die Raͤuber/ welche ſie erſtmahls geraubet/ angeſtraͤnget/ nicht nachzulaſſen/ biß
ſie ertappet waͤhre/ einwendend/ ſie waͤhre ein junger aͤdler Herr und von groſſen Mitteln/
der ſich mit etlichen Tonnen Goldes loßkaͤuffen koͤnte/ welches ſie unfehlbar zugewarten
haͤtten. Ja als ſie in der Raͤuber Haͤnden geweſen/ haͤtte er ſich wollen zu ihr hin verfuͤgen/
umb zuverſuchen/ ob er ſie durch Auslobung groſſer Gelder loͤſen/ und mit ſich auff ſein
Schloß bringen koͤnte; aber die Raͤuber/ inſonderheit Gallus/ mit dem er unter dem Nah-
men Victor/ des Abends Bruͤderſchafft gemacht/ waͤhren wegen des groſſen Verluſtes
ihrer Voͤlker uͤber ihn unwillig worden/ daß er mit genauer Noht ſein Leben davon gebracht
haͤtte. Als der Koͤniglichen Geſelſchafft dieſe Uhrgicht vorgeleſen ward/ erblaſſete Valiſ-
ka vor Zorn/ und fing alſo an: O du grundguͤtiger Gott/ wie groſſe Barmherzigkeit haſtu mir er-
zeiget/ indem du mich vor dieſes boßhafften Menſchen Frevel beſchuͤtzet; Wie hohe Gnade haſtu mir
ſehen laſſen/ und noch in meiner blinden Heydniſchen Unwiſſenheit/ daß ich nicht umb Ehr/ Leben und
Seligkeit kommen bin; davor ſage ich dir von Herzen Dank/ mein Schoͤpffer; davor preiſe ich dich
inbruͤnſtig mein Heyland. Hernach erzaͤhlete ſie den ganzen Verlauff/ wie ſichs mit ihrer
Rettung/ da ſie durch die Mulda geſchwummen/ zugetragen haͤtte/ wie ſolches im Erſten
Buche dieſer Geſchichte ausfuͤhrlich beſchrieben iſt. Die anweſende/ denen ſolches meh-
renteils unbewuſt wahr/ verwunderten ſich zum hoͤchſten über dieſes boßhafften Menſchẽ
verwaͤgener blinder Kuͤhnheit/ welche ihm biß daher ſo wol gegluͤcket/ daß er nie verrahtẽ
worden/ und begehreten zuwiſſen/ was er doch wegen des Koͤniges vor Gedanken gehabt/
als er ſein abgebrantes Schloß angetroffen/ und keinen Menſchen gefunden haͤtte; woruͤ-
ber er befraget ward/ und ungezwungen bekennete: Er waͤhre in den feſten Wahn gerahtẽ/
der Koͤnig wuͤrde mit verbrant ſeyn/ weil vorerſt er verſichert geweſen/ daß er weder der
Sonnen Strahlen haͤtte ertragen/ noch ſeine krumgewachſene Beine zum gehen oder ent-
lauffen gebrauchen koͤnnen; und ob er gleich ſeinen Leichnam oder Knochen im Gefaͤng-
niß nicht funden/ waͤhre er doch in den Gedanken geſtanden/ die Raͤuber wuͤrden ſelbe ge-
oͤffnet/ und ihn heraus genommmen haben/ da er entweder wegen ſeiner Unduͤchtigkeit von
den Raͤubern erſchlagen/ oder ſonſt im Feur umkommen waͤhre/ weil ſie mehr verbrante
unkentliche Menſchen-Leiber gefunden/ auch kein einiger Menſch von ihrem Geſinde le-
bendig blieben/ und man in ſo langer Zeit nicht das allergeringſte von ihm gehoͤret haͤtte.
Zwar ſein Sohn Uriſla haͤtte ſich ſtets gefuͤrchtet/ es würde ihre Taht endlich ausbrechen/
daher er unablaͤſſig angehalten/ das Schloß nicht wieder aufzubauen/ ſondern ſich in Pan-
nonienunter Koͤniges Mnata Schuz zubegeben/ und in deſſen Dienſte ſich einzulaſſen;
moͤchte nunmehr von Herzen wuͤnſchen/ daß er dieſem heilſamen Raht gefolget haͤtte; a-
ber die Goͤtter muͤſten jhm ja ſeine Sinnen verruͤcket haben/ ſonſt wolte er dieſem heutigen
Ungluͤk/ und was ihm noch bevoꝛ ſtuͤnde/ zuentgehen/ Wege gnug gewuſt haben. Schließ-
x x x x x iijlich
[902]Achtes Buch.
lich baht er Gallus/ er moͤchte bey der Koͤniglichen Geſelſchafft umb Gnade eines ſchleu-
nigen Todes anhalten/ welchen er willig ausſtehen wolte/ weil er denſelben wol verdienet
haͤtte. Was Uriſla ſeinen Sohn betraͤffe/ waͤhre derſelbe von ihm genoͤhtiget/ in dieſe Taht
zugehehlen/ daher er ohn zweifel mit gelinderer Straffe wuͤrde zubelegen ſeyn. Wie aber/
fragete Gallus/ wann dein Sohn dir deine Unzucht mit dem Fraͤulein zutreiben/ nicht haͤt-
te geſtatten wollen/ weil ſie ihm zum Gemahl außerſehen wahr? gewißlich wuͤrder ihr uͤber
dieſer Beute unter euch ſelbſt uneins worden ſeyn. Niniſla antwortete mit einem Gelaͤch-
ter; Ja/ mein Sohn ſolte mir wol keinen Teil an dem Fraͤulein gehabt haben; Zwar ich ge-
brauchte ihn zum Deckel/ und bildete ihm dieſe Heyraht feſte ein/ dann wie wolte ich ihn
ſonſt auff meine Seite gebracht haben? Aber mir ſelbſt hatte ich ſie ausgeſehen/ ſonſt
wuͤrde ich mich ſeinetwegen ſo tieff nicht gewaget haben. Haͤtte er mir aber Eintrag
tuhn wollen/ ſolte er mir alsbald mit dem Leben bezahlt haben. Der boͤſe Muhtwil-Teu-
fel muß dein Herz ganz in ſeinen Stricken führen/ ſagete Gallus/ ſonſt waͤhre unmoͤg-
lich/ daß du einer ſolchen Boßheit dich haͤtteſt unternehmen duͤrffen; ging hin/ und
hinterbrachte alles der Koͤniglichen Geſelſchafft. Worauff Valiſka ihren Herr
Vater fragete/ mit was vor Straffe er dieſen Erz Verraͤhter zubelegen willens waͤhre/
deſſen Boßheit alle uͤbertraͤffe/ ſo von Anfang der Welt moͤchte begangen ſeyn. Hie-
mit rante eine kleine Traͤhnen-Bach aus ihren Augen/ und fuhr gegen ihn alſo fort:
Gn. Herr Vater/ ich muß geſtehen/ daß leider ich ſelbſt alles des groſſen Jammers Urſach
bin/ welcher euch angeleget iſt; dann mich/ und nicht euch hat der gotvergeſſene Boͤſewicht
fahen/ und ſeinen unzuͤchtigen Willen an mir erfuͤllen wollen; daher bin ich ſchuldig/ eurem
Vater herzen ſolches kindlich und demuͤhtig abzubitten/ ob ich gleich weder Raht noch
Taht/ noch Willen darzu gegeben habe; haͤtte ich aber euer Elend wiſſen ſollen/ wuͤrde ich
unerſchrocken mich ſelbſt in dieſes Verraͤhters Haͤnde eingeſtellet haben/ umb euch zuer-
loͤſen/ der ungezweiffelten Hoffnung und Zuverſicht zu Gott/ er wuͤrde mir Krafft und
Staͤrke verliehen haben/ ſeinen boßhafften Begierden zuwiederſtehen/ und ſolte mein er-
ſtes geweſen ſeyn/ den Sohn auff den Vater anzuhetzen/ dem ich wuͤrde getraͤuen Beiſtand
geleiſtet/ und ihn auch nach des Vaters Hinrichtung mit falſcher Hoffnung erfuͤllet ha-
ben/ biß ihr und ich der Gefahr waͤhren entriſſen worden; doch ſind dieſes menſchliche Ge-
danken/ und haͤtten vielleicht keinen Verfolg haben koͤñen/ deßwegen auch Gott es anders
geſchicket hat/ deſſen Gerichte und Werke uns Menſchen zwar heimlich und verborgen/
und doch allemahl gut und gerecht ſind. Herzgeliebte Fr. Tochter/ antwortete der Koͤnig/
warumb woltet ihr euch deſſen beſchuldigen/ an dem ihr aller Dinge unſchuldig ſeyd? euer
kindlicher Geh[o]rſam iſt nie wieder mich außgetreten/ zweifele auch nicht/ die Goͤtter wuͤr-
den eure Ehr und Leben auch unter dieſes unzuͤchtigen Menſchen Zwange wol gerettet ha-
ben; aber dannoch ſage ich dem Himmel Dank/ daß ihr unter ſeine Gewalt nicht gerahten
ſeyd. Ich bin zwar ſcharff gezuͤchtiget/ als nie kein Koͤnig vor mir in der ganzen Welt; dañ
was achte ich/ daß ehmahls Koͤnige ſich von einem groͤſſeren Koͤnige haben muͤſſen laſſen
vor den Wagen ſpannen? was rechne ich ſolches/ daß Koͤnige von den Roͤmern erſchla-
gen und hingerichtet ſind? jedoch/ wer weiß/ womit ichs an den Goͤttern verſchuldet/ daß
ich der ganzen Welt ein Beiſpiel ſeyn/ und von meinem eigenen Untertahn mich dergeſtalt
quaͤlen/
[903]Achtes Buch.
quaͤlen/ hoͤhnen und peinigen laſſen müſſen? welches ich aber alles vergeſſen wil/ nachdem
die guͤtigen Goͤtter mich mein liebes Vaterland und Koͤnigreich/ ja mein herzliebes Ge-
mahl/ Kinder und Anverwanten wiederumb haben ſehen laſſen; daher ruffe ich den Him-
mel zu Zeugen/ daß ichs wenig achte/ ob/ und auff waß Weiſe der Gott- und Ehr-vergeſſe-
ne Bube geſtraffet werde/ wil auch das Gericht keinesweges uͤber mich nehmen/ ſondern
den anweſenden Großmaͤchtigen Koͤnigen heimſtellen/ inſonderheit ihren Liebden/ Koͤnig
Hilderich aus Gallien und Koͤnig Haron aus Schweden/ mit Bitte eine ſolche Urtel zu-
fellen die weder aus Haß noch Rachgier herruͤhre. Großmaͤchtiger Koͤnig/ antwortete Hil-
derich/ eure Liebde tuht wol und loͤblich/ daß dieſelbe dieſe Sache bloß der Gerecht- und Bil-
ligkeit anbefehlen wil/ wie dann allemahl ein Richter/ wann er beleidiget iſt/ nicht ſein ei-
gen Richter ſeyn/ ſondern andere daruͤber urteilen laſſen ſol. Jedoch iſt die an eurer Liebe
begangene Boßheit ſo groß und übermacht/ daß wann dieſelbe nicht ernſtlich gnug geſtraf-
fet wuͤrde/ koͤnte es einem und andern Anlaß gegeben/ eines gleichmaͤſſigen (dann aͤrger
wird ers nicht leicht machen) ſich zuunterfahen. Dann gleichwie naͤheſt Beleidigung der
Goͤtter/ dieſes Verbrechen das groͤbeſte iſt/ wann man der hoͤchſten Obrigkeit wirklich we-
he tuht/ alſo muß man ſolchen Frevelern die ſchwere Hand aufflegen/ und hiedurch den ho-
hen Haͤuptern Freiheit ſchaffen. Daß ich aber vor mein Haͤupt mir nicht unternehme/
den Ubelthaͤtern die Urtel zu ſprechen in einem Koͤnigreiche/ daruͤber ich nicht zu gebieten
habe/ wird weder eure Liebe/ noch jemand anders mir veruͤbeln/ gelebe auch der Zuver-
ſicht zu meiner allerwerdeſten Fr. Tochter und groſſen Freundin/ Fr. Valiſken/ ſie werde
mein Anmuhten ihr nicht laſſen zuwider ſeyn/ und an meine Statt das Recht über die
Boßhafteſtẽ der Welt außſprechen/ da ich dann ſchon weiß/ daß ſie den Mittel-Weg wol
treffen/ und den Verbrechern die gebuͤhrliche Straffe aufflegen werde. Großmaͤchtiger
Koͤnig/ Gn. Herr als Vater/ antwortete ſie ihm: Ich wuͤrde dieſes Amt uͤber mich zuneh-
men/ von einem andern mich nicht bereden laſſen/ weil ich unzaͤhliche Entſchuldigungen
einzufuͤhren haͤtte; nachdem aber ich uͤber mein Herz es nicht bringen kan/ eurer Hocheit
als meinem recht-gewogenen Herren und Vater einige Moͤgligkeit zu verſagen/ bin der-
ſelben ich demuͤtig-gehorſam/ und wil mich huͤten/ daß meine Urtel nicht aus Rache/ ſon-
dern aus Recht herflieſſe/ wie dann ohn das Ihre Hocheit/ der Koͤnig aus Schweden/
mein Herr Oheim und Vater/ als Mit-Richter mich ſchon wird zu fuͤhren wiſſen/ daß ich
weder zur Rechten noch zur Lincken außweiche. Großmaͤchtige Koͤnigin/ hochwerte Fr.
Waſe/ und nicht minder-geliebete als Tochter/ ſagte darauff Koͤnig Haron; Ich gelebe
der Zuverſicht zu eurer Liebe/ daß wann meine auch herzliebe Fr. Tochter/ Fr. Sibyllen
ich an meine Statt derſelben zur Mitrichterin zugeben werde/ wird euer Liebe ſolches nicht
ungenehm/ noch jetztgedachter meiner Fr. Tochter zuwider ſeyn/ welche ich Kraft dieſes
darzu erbitte und bevollmaͤchtige. Die from̃e demuͤtige Sibylla rechnete dieſes nit unbil-
lich vor ein gewiſſes Zeichen ſonderlicher vaͤterlicher Gewogenheit/ damit der Koͤnig ihr
zugetahn wahr/ daher ſie/ ihren Gehorſam ſehen zulaſſen/ auffſtund/ ſich anfangs gegen ihn
neigete/ und bald zu ihm hintrat/ ihm die Hand zukuͤſſen/ an deſſen Stat ſie aber von ihm
freundlich umfangen/ und an die Stirn gekuͤſſet ward. Worauff Valiſka alſo antworte-
te: Gn. Herr Vater/ Herr Koͤnig Haron; es hat Eure Hocheit mir eine ſolche Mit Rich-
terin
[904]Achtes Buch.
terin zugeben wollen/ welche wegen ihrer volkommenen Froͤmmigkeit/ Tugend und Ver-
ſtand ich von dem erſten Tage unſer Kundſchafft her/ ſo herzlich liebe/ als ob wir zugleich
und auf einmal unter einem Herzen gelegen haͤttẽ/ weiß auch ſchon/ dz dieſelbe mein Herzẽ-
Schweſterchen mich ſchon wird einhalten koͤñen/ daß ich nirgend zu weit gehe; daher vor
dieſe mir zugegebene Mit Richterin ich mich untertaͤhnig bedanke. Fuͤrſtin Sibylla erroͤh-
tete wegẽ des geſprochenen Lobes/ als derẽ wahre Demut ſie nit beredẽ kunte/ deſſen wert zu
ſeyn/ wolte auch ihre Entſchuldigung vortragen/ abeꝛ Herkules kam ihr vor/ und ließ eine
Frage an die Koͤnigl. Geſelſchaft abgehẽ/ obs nicht koͤnte gewilliget werden/ daß das ganze
Koͤnigl. und Fuͤrſtliche Frauenzimmer das Richteramt uͤber ſich genommen haͤtten; wel-
ches dann beliebet ward/ jedoch alſo/ daß die alten Koͤniginnen keine Stimme mit geben/
ſondern der juͤngeren abgefaſſete Urtel ihnen vorgetragen werden ſolte/ ehe ſie den Koͤnigen
und Fuͤrſten zubekraͤftigen uͤbergeben wuͤrde. Valiſka wendete ein/ es duͤrfte ihr Gericht/
als ein Weibliches von ſchlechter guͤltigkeit ſeyn/ wann gar kein Mannesbilde unter ihnen
ſich finden ſolte/ hielt demnach an/ ihr die Macht zuerteilen/ einen zuerwaͤhlen; nach deſſen
erhaltung ſie anfing: Durchleuchtigſter Groß Fuͤrſt/ Herr Markomir/ ehrengeliebter
Herr Bruder und Oheim; eure Liebe werden vor dißmahl ſich nicht wegern/ unſer Auff-
ſeher und Schrankhalter zu ſeyn/ damit wir nicht nach unſer angebohrnen Art/ den Zank
unter uns zu lange fuͤhren/ ſondern zur beſchleunigung des Schluſſes angehalten werden/
und ſolches begehre von euer Liebe ich im Nahmen aller meiner Amt Schweſteren/ deſſen
eure Liebe ſich weder wegern noch davor danken ſol. Dieſer erſchrak der unvermuhtlichen
Anmuhtung/ ſtund auff/ und ſahe ſeinen Herr Vater an/ als voller zweifelmuht/ ob er reden
oder ſchweigen/ ſich entſchuldigen oder gehorſamen ſolte; daher ſein Herr Vater zu ihm
ſagete: Lieber Sohn/ du haͤtteſt wol Urſachen dich von dieſem Amte loß zu bitten; weil ich
aber weis/ daß deine allergroͤſſeſte Ehren-Freundin dir voͤllig zubefehlen hat/ wirſtu nach
deren Willen dich zu ſchicken wiſſen. Gn. Herr und Vater/ antwortete Valiſka/ dieſes ſol
auff beſſere Gelegenheit beantwortet werden; vor dißmahl iſts uns gnug/ dz mein Durchl.
Herr Bruder und volkommener wahrer Freund meiner Bitte/ wie ich ſehe/ ſtat zu geben
willens iſt. Ja/ Großmaͤchtige Koͤnigin und volkommene Gebieterin/ antwortete Mar-
komir/ ich ſehe hieſelbſt nicht an/ weder meine unwirdigkeit noch ungeſchikligkeit/ ſondern
bloß meine Schuldigkeit/ und ſchaͤtze mirs vor eine hohe Gnade/ bey ſolcher Rahtsverſam-
lung/ dergleichen in der Welt wol niemahls vorgangen/ geheimter Diener und Schreibeꝛ
zu ſeyn; trat damit zu ihr hin/ ihr die Hand zu kuͤſſen/ an deſſen ſtat er von ihr freimuͤhtig
und ehrliebend umbfangen und mit einem züchtigen Kuſſe begabet ward/ deſſen ſein Herz
vor Wolluſt auffwallete. Dieſer Raht nun nam einen Abtrit ins Nebengemach/ wurden
ihrer Sachen bald eins/ weil Valiſka und Sibylla ihr gutduͤnken ſagen muſten/ welches
die uͤbrigen/ als Koͤnigin Sophia/ Koͤnigin Lukrezie/ Groß Fuͤrſtin Klara/ Fraͤulein Schul-
da/ Frl. Vanda/ und das junge Frankiſche Fraͤulein/ Frl. Kuͤnegund/ ohn wiederſprechen
vor genehm hielten/ daher Markomir es den alten Koͤniginnen vortrug/ und weil auch die-
ſelben daran nichts zuverbeſſeren wuſten/ gingen ſie miteinander wieder hin in das groſſe
Gemach zu der Verſamlung/ da Markomir den Koͤnigen die Urtel/ wie er ſie aus Valiſkẽ
Munde in die Feder gefaſſet hatte/ vorlaſe/ alſo lautend: Es lehret uns die Vernunft und
Erbar-
[905]Achtes Buch
Erbarkeit/ daß Untertahnen ihrer Oberkeit/ Ehre und Gehorſam geben ſollen/ wie ſie dar-
zu Kraft ihrer geſchwornen Traͤue verbunden ſind. Weil dann Niniſla und Uriſla/ Vater
und Sohn/ ihren Koͤnig und hoͤchſte Obrigkeit (von dem ſie nie keinmahl ſind beleidiget
worden) boͤßlich hintergangen/ geſchaͤndet/ gefangen genommen/ geaͤngſtet/ und aͤrger als
einen Hund/ vorſezlicher bedachter Weiſe gehalten/ wie ſolches ihre eigene Ausſage und
beſtaͤndige Bekaͤntnis ausweiſet; Gott aber ſolche Beſchimpff- und Beleidigung der O-
brigkeit an den Untertahnen nicht wil ungeſtraffet laſſen/ damit den Ubeltaͤhtern gebuͤhr-
lich vergolten/ und andere ihres gleichen von ſolchem vornehmen abgeſchrecket werden;
Als ſprechen wir darzu inſonderheit erwaͤhlete und beſtetigte Richterinnen (jedoch auf veꝛ-
beſſerung unſerer Gn. Herren Vaͤter/ Gemahlen und Anverwanten) vor recht/ daß ge-
dachte muhtwillige Beleidiger der hoͤchſter Wirde auff Erden/ Niniſla und Uriſla ihr Le-
ben verwirket und peinliche Straffe wol verdienet haben/ welche ihnen dergeſtalt und alſo
ſol angetahn werden; daß Vater und Sohn nach gerichtlicher Bejahung ihrer Uhrgicht/
von allen anweſenden Zuſehern/ ſonderlich von Gott im Himmel und ihrem hochbeleidig-
ten Koͤnige mit einem demuͤhtigen Fußfalle verzeihung bitten/ nachgehends beyde zugleich
an eine Seule auff offenem Markte angebunden werden/ zwo Stundenlang zur beſchau-
ung und zum Fluch allen Anweſenden; nach deren verlauffe ſollen ſie von dem Buͤttel am
ganzen Leibe mit ſcharffen Ruhten geſtrichen werden/ und weiters der Sohn/ weil er in des
Vaters Bosheit gehehlet/ und ſeinen Koͤnig nit gewarnet/ ſondern ſelbſt ihn den Raͤubern
in die Haͤnde gefuͤhret/ an vier Ecken des Marktplatzes mit zwo gluͤenden Zangen gezwac-
ket/ ihm das Herz lebendig aus dem Leibe geriſſen und den Hunden vorgeworffen/ der Leib
aber in vier Stuͤcke geſchnitten/ und auff die vier Grenzen des Pragiſchen Ackers zu ewi-
ger Gedaͤchtnis/ neben angehefteter Schrift und bezeigung der Urſach ſeines Todes auff-
gehenket werden/ da dañ der Vater mit umbher gehen ſol/ daß er eigentlich alles ſehe/ als
ein Buͤttelknecht mit Hand anlege/ und ihm den erſten Zwak mit der gluͤenden Zangen
gebe. Demſelben aber ſol eine ſtokfinſtere bewaͤgliche Gefaͤngnis/ vier guter Spañen hoch
und weit zugerichtet/ und er in derſelben anderthalb Jahr mit grobem Brodte und truͤben
Waſſer ernaͤhret/ aber mit kraͤftigen ſachen taͤglich geſtaͤrket werden/ daß er bey Leben und
Geſundheit bleibe; nach geendeter ſolcher Zeit/ ſol er an allen Gliedern ſeines Leibes zer-
ſtuͤmmelt/ mit gluͤenden Pfriemen zuſtochen/ und endlich als ſein Sohn/ vom Leben zum
Tode gebracht/ auch an die vier Grenzen des Boͤmiſchen Koͤnigreichs ſamt hinzugeſchrie-
bener Urſach ſeines Todes auffgehenket werden. Alle ſeine unter und überſich ſteigende
Verwanten biß ins dritte Glied/ ſollen des Reichs ewig verbannet/ und ihre Guͤter der
Koͤniglichen Kammer heimgefallen/ des Verraͤhters Schloß aber/ nebeſt aller zubehoͤrigen
Erbſchaft ſol (da es kan beliebet werden) dem alten getraͤuen Wenzeſla Zeit ſeines lebens
geſchenket ſeyn. Dieſe Urtel ward von allen Anweſenden gebillichet/ beſtaͤtiget/ und folgen-
des Tages in gegenwart der Landſtaͤnde und einer unglaͤublichen Menge des Volkes vol-
ſtrecket; wobey die erbaͤrmlichſte Schauung wahr/ daß der Sohn ſeinen Vater aufs aͤuſ-
ſerſte verfluchete/ offentlich beteurend/ er haͤtte ihn durch bedrauung des Todes mit auff die
Bruſt geſetzetem bloſſen Schwerte gezwungen/ daß er aͤidlich angeloben muͤſſen/ ſeinem
Willen beyzupflichten; hingegen wahr das allerabſcheuhlichſte/ daß der Vater bey des
y y y y ySohns
[906]Achtes Buch.
Sohns ſchmerzlicher Pein ſich als mit freuden finden ließ/ auch ohn wegern ihn mit der
gluͤenden Zange angriff/ da er zugleich ſagete: Es wird dir wol gleiche viel gelten/ ob hierzu
meine oder eines andern Haͤnde gebrauchet werden; welches aber dem Sohn dergeſtalt
zu Herzen ging/ dz er in der erſten Zwackung todes verbliech. Sonſten zuvor bey der Geiſ-
ſelung trieb der Sohn ein groſſes Geſchrey/ aber der Vater unterdruͤckete das Geheule/
ſtellete ſich doch uͤbeꝛ alle maſſe ungebeꝛdig/ ob waͤre er ſeines Witzes beraubet. Er ward als-
bald mit einer Heilſalbe geſchmieret/ welche ihm doch/ weil ſie beizend war/ groſſe ſchmerzen
verurſachete/ und nach ſeines Sohns hinrichtung/ ſperrete man ihn in die enge Gefaͤngnis
als in einen Tragekorb/ da er des Tages uͤber am offenen Markte ſtund/ und von allen vor-
uͤbergehenden als ein Fluch angeſpeiet ward/ woruͤber er in ſolche Ungeduld geriet/ daß er
nur ſtets den Goͤttern und ſeinen Koͤnigen fluchete/ ungeachtet er daruͤber faſt taͤglich mit
Peitſchen geſtriechen ward; endlich bezeigete er ſich gleich einem wuͤtigen Hunde/ muſte
aber die beſtimmete Zeit aushalten/ und die lezten drey viertel Jahr in einem tieffen tunke-
len Keller zubringen/ wiewol in ſeinem engen verſchloſſenen Kefig/ da er krum ineinander
wuchs/ und nach Ausgang derſelben Zeit durch die ausgeſprochene Straffe hingerichtet
ward/ da er groſſen Jammer trieb/ und die gottloſe Seele nicht ſo leicht von dem verfluch-
ten Leibe abſcheid nehmen wolte/ ſo daß er auch/ nachdem ihm das Herz ſchon ausgeriſſen/
und damit aufs Maul geſchlagen wahr/ ſich noch mit Haͤnden und Fuͤſſen bewaͤgete. Un-
ſere Koͤnigliche Geſelſchaft aber lebete in herzlichen ehrliebenden freuden/ da Valiſka aus
kindlicher Liebe nicht lange von ihrem Herr Vater ſeyn kunte/ und verlangete den beyden
verliebeten Braͤutigams nicht wenig nach dem angeſezten Tage ihres Beylagers/ welches
eine Woche vor der Hochzeit und dem Freiſtechen beſtimmet wahr/ unter welcher Zeit Va-
liſka und Ladiſla ſich bemuͤheten/ ihrem lieben Herr Vater den Chriſtlichen Glauben bey-
zubringen/ worzu er anfangs ſchwer zubereden wahr/ inſonderheit/ weil auff ſeiner Heim-
reiſe aus Pañonien ihm die Teutſche Goͤttin Freia (wie er beſtendig vorgab) des Nachtes
erſchienen waͤhre/ haͤtte ihn ſeines ihr getahnen Geluͤbdes/ da er in Teutſchland geheirahtet/
erinnert/ und dabey angedeutet/ daß durch ihren Schuz und Beyſtand er unter ſo manni-
cher Gefahr waͤhre erhalten worden/ darumb ſolte er zur dankbarkeit ihr mitten auf ſeinem
innern Schloßplatze einen ſonderlichen Gottesdienſt und woͤchentliches Opfer anrichten/
und zugleich bey ſeinen alten Landgoͤttern ſteiff und beſtaͤndig verbleiben/ ſonſt wuͤrde er in
groͤſſer Elend gerahten als vorhin; drang dieſem nach ſtark darauff/ daß er dieſes ſein Ge-
luͤbde erfuͤllen wolte. Seine Kinder zeigeten ihm an/ ſie koͤnten ſich endlich dieſem ſeinen
Vorhaben nicht wiederſetzen/ aber dieſes wolten und koͤnten ſie ihm unangezeiget nicht laſ-
ſen/ daß auff ſolchen fall ſie das Pragiſche Schloß verreden/ und hinfuͤro Zeit ihres lebens
keinen Fuß darauf ſetzen wolten; woruͤber er ſehr betruͤbet ward/ endlich noch wirkete Gott
durch Herkules vielfaͤltige vermahnung/ (deſſen Worte am meiſten bey ihm golten) daß er
gewonnen ward/ und die Haͤuptſtük der Chriſtlichen Lehre/ von ſchoͤpfung der Welt/ von
des Menſchen Fal/ von dem einigen goͤttlichen Weſen/ von Gottes Gnade gegen die gefal-
lene Menſchen/ von der Menſchwerdung des Sohns Gottes/ von ſeinem Leiden/ Auffer-
ſtehung [und] Himmelfahrt/ von der Buſſe und Glauben/ von vergebung der Suͤnden und
goͤttlichem Wandel/ vom juͤngſten Gericht und ewigen Leben/ auch andere zum Chriſten-
tuhm
[907]Achtes Buch.
tuhm gehoͤrige Unterrichtung fein annam/ und in kurzer Zeit begriff; und nam der Geiſt
in ihm je mehr und mehr zu/ daß inwendig Monatsfriſt er mit ſeinem Schwager Koͤnige
Henrich ſo geſchiklich von Geiſtlichen Dingen reden kunte/ daß man ſeine Gottesfurcht
daher wol merkete. Auch fe [...]reten Valiſka und Siegward nicht/ Fraͤulein Schulda den
Chriſtlichen Glauben beyzubringen/ wozu ſie ſich gerne bereden ließ da ſie vernam/ daß ihꝛ
Braͤutigam Fuͤrſt Olaff deſſelben Glaubens wahr; aber ihre Eltern kunten noch zur Zeit
ſich darzu nicht erklaͤren/ vielweniger der Pannoniſche Koͤnig und ſein Fraͤulein Vanda/
lieſſen ſich doch nichts Gotteslaͤſterliches merken/ ſondern wendeten ein/ (inſonderheit
Mnata) ſie duͤrfften eine ſolche Verenderung der Goͤtter wegen ihrer Untertahnen nicht
vornehmen/ wolten ſich darauff bedenken/ und nachgehends Erklaͤrung von ſich geben;
worauff man weiter nicht in ſie dringen wolte/ weil man ſpuͤrete/ daß ſie des Heiligen Gei-
ſtes Gnade zuzulaſſen nicht willens wahren; wiewol Mnata Koͤnigin Valiſten auff ihr
anſuchen beteurlich verhieß/ daß in ſeinem Reiche den Chriſten freye Wohnung und Auf-
enthalt gegoͤnnet/ und ſie wegen des Glaubens nicht gehaſſet noch verfolget oder beſchim-
pfet werden ſolten. Groß Fuͤrſt Markomir hielt ſonderliche Kundſchafft mit Leches und
Libuſſen/ welche den erſten Grund zum Chriſtentuhm bey ihm legeten/ worauff Valiſka uñ
Herkules bald hernach ſo feſt baueten/ daß er ein eiferiger und glaͤubiger Chriſt ward/ und
gegen ſie beyde ſich vertraulich heraus ließ/ was geſtalt er in ſeinem Herzen die kuͤnfftige
Beherſchung ſeines Erb Reiches verſchworen haͤtte/ welches er ſeinem neugebohrnen
Bruder abzutreten bedacht waͤhre/ hoffete/ Koͤnig Herkules wuͤrde ihm goͤnnen/ etwa ein
zimliches Schloß nicht weit von ſeiner Koͤniglichen Burg auffzubauen/ daſelbſt in enger
Geſelſchafft ſich auffzuhalten/ und ihn nach gefallen offt zubeſuchen; Welches ihm nach
ſeinem Willen beantwortet/ doch daneben erinnert ward/ mit ſolcher Reichs-Abdankung
ſich nicht zuuͤbereilen/ damit es ihn nicht dereins gereuen moͤchte. Aber er blieb beſtaͤndig in
ſeinem Vorhaben/ nam auch Richarden vor ſeinen Hofmeiſter an/ und hielt ſich eine ge-
raume Zeit bey den unſern auff/ ehe er ſein Vaterland wieder beſuchete. Sein Herr Va-
ter hatte ſchon 14 Jahr die Herſchafft verwaltet/ lebete hernach noch 25 Jahr/ ſo dz Mar-
komir ein Jahr vor ihm her ſtarb/ und alſo die Herſchafft auff ſeinen Bruder fiel/ welcher
ein weidlicher Herr und tapfferer Held wahr/ nahmens Barther.


Die Zeit des Beylagers kam herzu/ und wurden die beiden Braͤute treflich außge-
putzet/ wiewol Frl. Schulda mehr als Frl. Vanda/ wie ſie uͤberdas an Leibes Schoͤnheit
und zierlicher Hoͤfligkeit dieſer weit vorging/ daß der Daͤniſche Koͤnig ſelbſt ſagete; er ent-
ſchuldigte nunmehr ſeinen Sohn/ daß er Frl. Vanda nicht heyrahten wollen/ da er ſonſt
einige Hoffnung ſolcher Verbeſſerung gehabt haͤtte. Koͤnig Mnata hatte imgleichen ſei-
nen Koͤniglichen Schmuk herzuhohlen laſſen/ auch Fuͤrſt Olaff groſſe Koſten an ſeine Klei-
dung gelegt/ deren ihm doch manniche aus den beſten Perſiſchen Stuͤcken von Valiſken
und Sophien geſchenket wurden/ die er wieder ſeinen Willen annehmen muſte. Es ward
umer ihnen berahtſchlaget/ wie mans mit der Traͤue halten wolte/ uñ wurden Koͤnig Bal-
drich und Fuͤrſt Siegward an den Daͤniſchen und Schwediſchen Koͤnig abgeſchicket/ im
Nahmen ihrer Kinder bitlich anzuhalten/ daß die Eltern ihnen goͤñen moͤchten/ daß ſie ab-
ſonderlich nach Chriſtlichen Brauche eingeſegnet wuͤrden/ weil ſie dieſen Glauben ange-
y y y y y ijnom-
[908]Achtes Buch.
nommen und darinnen beſtaͤndig zuverharren geſinnet waͤhren; welches ihnen dann ger-
ne eingewilliget ward; da hingegen Mnata ſich nach heidniſcher Pannoniſcher Weiſe
trauen ließ/ dem kein Chriſt beywohnen wolte/ die Gaͤſterey dieſes Beylagers wahr gar ein-
gezogen/ aber acht Tage hernach/ da das Hochzeit Feſt gehalten ward/ wurden uͤber 5000
Menſchen acht Tage lang Fuͤrſtlich/ und an die 20000 ſonſten gar koͤſtlich geſpeiſet/ wel-
che Koſten jeder Braͤutigam zum vierten Teil/ die andere helffte Koͤnig Baldrich und
Großfuͤrſt Arbianes abtrugen/ weil ſie das dabey gehaltene Ritterſpiel außgeſchrieben uñ
angeſtellet hatten/ welche dieſe acht Tage uͤber taͤglich von ſieben biß zu zehnen des morgens
und des Nachmittages von eins bis viere gehalten ward; Ringel rennen/ wette rennen/
lauffen/ ſechten/ ringen/ ſchieſſen/ werffen/ Laſtheben/ gerade Baͤume anklimmen/ mit Och-
ſen und Baͤhren ſtreiten/ und was ſonſt zur Kurzweil erdacht werden kunte/ als Kegelſchie-
ben und desgleichen/ wobey uͤber 40000 Kronen zum Gewin außgeteilet wurden. Als die-
ſe Tage vorbey wahren/ und nicht allein die Bauren und Buͤrger/ ſondern auch der gemei-
ne Adel und die iunge Ritterſchafft ihre Ubungen zum Ende gebracht hatten/ da die Teut-
ſchen und Franken im ſtechen/ die Schweden im Wetteꝛennen/ und Lauffen/ die Boͤhmen
im Werffen/ die Frieſen im Laſtheben/ die Pannonier und Parther im Ringen/ die Daͤnen
und Wenden im Ochſen- und Baͤhren Streit/ auch im Fechten/ die Meder und Parther
aber im ſchieſſen den hoͤchſten Preiß davon trugen; wurden drey Tage angeſetzet/ auff
welchen nur die Herren-Standes und in Waffen wolgeuͤbete Ritter zugelaſſen werden
ſolten; alle uͤbrige wurden davon außgeſchloſſen/ ſie koͤnten dann behaͤupten/ daß ſie gutes
Adels/ und in vier Haͤuptſchlachten ſich haͤtten finden laſſen. Die Koͤnige und Fürſtliche
Zuſeher hatten je zween und zween/ auch zwo uñ zwo ihren eigenen Schaufiz auff der Buͤh-
ne/ welche uͤmher behaͤnget/ und mit Perſiſchen Tuͤchern verdecket wurden/ da forne ein
enges Gegitter auffgerichtet ſtund durch welches die Schauer zwar alles ſehen/ aber von
den Anweſenden nicht erkennet werden kunten/ und wahren vor jede Stelle die Nahmen
der Einſitzenden daran geſchrieben/ daß ihnen dannoch die gebuͤhrliche Ehre geleiſtet wuͤr-
de. Gegen Morgen ſtunden die Mannes- gegen Abend die Frauenbilder. Unter jenen
hatten Koͤnig Henrich und Koͤnig Hilderich/ die erſte; Der Schwediſche und der alte
Boͤhmiſche/ die andere; Der Daͤniſche und Pannoniſche Koͤnig/ die dritte; Herr Stat-
halter Fabius und Pompejus/ die vierde; Koͤnig Herkules und Ladiſla/ die fuͤnffte; Fuͤrſt
Siegward und der junge Fabius/ die ſechſte; Fuͤrſt Olaff und Markomir/ die ſiebende;
Koͤnig Baldrich aber und Fuͤrſt Arbianes/ als Stiffter dieſes Spiels/ die achte und lezte.
Bey dem Frauenzimmer hatten Koͤnigin Vanda/ und Fuͤrſtin Schulda/ als Braͤute/
den erſten; Koͤnigin Waldburg aus Franken/ und Koͤnigin Hedith aus Schweden/ den
andern; Koͤnigen Ruſila aus Daͤnenmark/ und Koͤnigin Gertrud aus Teutſchland/ den
dritten; Koͤnigin Hedewieg und Fuͤrſtin Bochild aus Wendland/ den vierden; Fr. Sa-
bina Pompeja und Fr. Terenzia/ den fuͤnfften; Koͤnigin Valiſka und Sophia den ſech-
ſten; Koͤnigin Lukrezie und Fuͤrſtin Sibylla den ſiebenden; Fuͤrſtin Klara/ Fr. Urſula/ uñ
das Frankiſche junge Fraͤulein/ Frl. Kunegund den achten; Fr. Fauſta und Fr. Julia/ den
neunden; Fr. Konſtanzia Herrn Antenors Gemahl/ und Fr. Florida/ Gallus Schwieger/
den zehnden Siz. Das uͤbrige Frauenzimmer hatten ihre Stellen etwas niedriger/ doch
an
[909]Achtes Buch.
an eben der Seiten. Herr Kornelius/ Emilius/ Antenor und Opimius/ nebeſt Grafen
Pribiſla/ Bretiſla/ Krokus und Staniſla/ wurden zu Richtern geſetzet/ derhalben ſie eine
offene Stelle gegen Mittag oder Suden hatten/ ſo daß gegen Norden die Stechebahn
unbebauet/ und nur mit Schranken verſchloſſen wahr. Des erſten Tages hatten ſich acht
Teutſche Herren vergeſelſchafftet/ wider alle ankommende zurennen/ erſchienen in einer-
ley Ruͤſtung/ glaͤnzend ſchwarz/ mit güldenen Striemen durchzogen/ und fuͤhreten im
Schilde einen Loͤuen/ welcher in der Rechten Tatzen ein Speer/ in der Linken ein Schwert
hielt/ mit dieſer uͤmſchrifft: Alles dem Vaterlande zum beſten. Auff dem Helm hatten ſie ein
Schneeweiſſes Lamb/ an deſſen Halſe ein Taͤflein hing/ mit dieſer guͤldenen Schrifft:
Auch Schimpff bringet Ehre. So funden ſich auch 9 Franken und Sikambrer in glaͤnzend-
weiſſen Harniſchen/ mit guͤldenem Blumwerk; Auff den Schilden/ welche gruͤn/ wahren
drey ſilberne Lilien mit dieſer Unterſchrifft: Flos perpetuo florens \& fragrans, Dieſe Blume
bluͤhet und riechet immerzu. Auff dem Helme ſtund ein gekrümmeter Arm mit einem bloſſen
Degen. Weiter ſtelleten ſich 8 Boͤhmen mit eintraͤchtiger Ruͤſtung/ unter denen Leches/
Neda und Prinſla wahren; Ihre Harniſche guͤlden mit ſchwarzem Laubwerk; Im Schil-
de ſtunden zween auffrechte Baͤhren/ mit einander ringend/ und dieſe Worte umher:
Auffs minſte zween zu einem Kampffe. Auff dem Helm fuͤhreten ſie eine ſchneeweiſſe Taube/
mit ausgedehneten Fluͤgeln/ im Schnabel ein Lorberſtraͤuchlein haltend. Acht Roͤmer ga-
ben ſich auch an in gleichen Harniſchen/ verſilbert mit guͤldenen Schlaͤngelein/ bey denen
Klodius und Markus ſich finden lieſſen; Der glaͤnzend-ſchwarze Adler ſtund im weißſil-
bernen Schilde/ mit dieſer Umſchrifft: Nullum ex quiete lucrum: Das iſt: Ruhen gewin-
net nichts. Auff dem Helme ein Hecht/ in deſſen Maul ein Taͤflein mit dieſen Worten:
Devoro \& Devoror. Ich freſſe und werde gefreſſen. Auch ritten 10 Pannonier mit gleichmaͤſſi-
ger Rüſtung herzu; Die Harniſche blau angelauffen/ und als mit Blutstropffen beſpren-
get. Die Schilde gruͤn und in der mitte eine erloſchene Kerze/ welche ſich bey einem Son-
nenſtrahl wieder anzuͤnden wolte/ dabey dieſe Worte: Verwundet ſeyn/ iſt noch nicht tod.
Auff den Helmen kroch eine Schlange unter einem Steine hervor/ auff welchem dieſe
Worte ſtunden: Unterdruͤcket/ nicht erſticket. Darauff lieſſen ſich nicht weit von ihnen neun
Daͤhnen ſehen/ in gleicher waſſerfarbiger Ruͤſtung/ mit guͤldenen Roͤſichen beſtraͤuet. Im
Felde ihres Schildes ſaͤgelte ein Schiff auff dem Meer/ welches von dem Winde nach
der Seite gebogen ward/ mit dieſer Umſchrifft: Niemand faͤhret ſtets wie er wil. Auff dem
Helme flatterte ein zuſam̃en gewickeltes Saͤgel gar artig/ und ſtunden dieſe Worte dabey:
Richte dich nach dem Winde. Acht Schweden und Gothen kahmen auch heran/ als Voͤgel
einerley Federn; Ihre Harniſche wahren Kupfferfarbe mit ſilbern Puckeln beſchlagen;
hatten/ wie die Daͤnen/ ein Schiff im Schilde/ welches aber mit gutem Winde fortlieff/
und wahren dieſe Worte umher geſchrieben: Mit vollem Winde iſt gut/ ob gleich gefaͤhrlich/
ſaͤgeln. Oben auff dem Helme ſtund ein Loͤue/ der ein Buch in der Hand hiet/ an welchem
dieſe Worte zuleſen wahren: Nicht ſtaͤrker als recht iſt. Von den Frieſen hatten ſich acht in
gleicher Art zuſammen geſetzet; Die Harniſche wahren als lauter Graß und Blumen al-
lerhand Farben durcheinander. Am Schilde ſtund ein Ochs/ welcher einen Hund mit
Fuͤſſen trat/ und dieſe Worte dabey: Auffrichtigkeit daͤmpffet den Betrug. Auff dem Helm
y y y y y iijhatten
[910]Achtes Buch.
hatten ſie ein Kaͤlbichen/ welches unter eines Baums Schatten lag/ mit dieſer ſchrifftlichẽ
Andeutung: Im Schatten naͤhert ſichs wol. Sechs Parther und vier Meden kahmen in ei-
ner Geſelſchafft mit Feur-rohten Harniſchen voller ſilbernen Voͤgel/ die ſich mit einander
biſſen. Im Schilde ſtund ein Baum/ welcher zuoberſt eine guͤldene Kron hatte/ und unten
umb denſelben etliche Maͤnner mit Axten/ welche ihn umhieben/ mit dieſer Umſchrifft:
Ruinam metuo fortis. Ich ſtarker fuͤrchte mich vor dem Fal. Auff dem Helme hieb ein Reuter
ein Buͤndlein Pfeile mit dem Saͤbel in ſtuͤcken/ dabey dieſe Worte ſtunden: Acinaces Sa-
gittas domat.
Der Mediſche Saͤbel zaͤhmet die Pfeile. Endlich fprengete die zehnde Geſel-
ſchafft/ von 8 Wenden verſamlet/ auch herzu/ mit ſchwarzgelbichten Harniſchen voller
leibfarben Roſen. Im Schilde lag ein blutiger abgehauener Buͤffels Kopff/ mit dieſer
Umſchrifft: Zu hefftig machet raſend. Den Helm zierete ein gefluͤgelter Drache/ auff deſſen
Bruſt dieſe Worte ſtunden: Schleunigkeit machet den Eifer gluͤklich. Dieſe zehn Geſelſchaff-
ten ſtelleten ſich kurz eine nach der andern vor die annoch verſchloſſene Schranken/ und
macheten ingeſamt 86 Ritter/ deren etliche wol 30 Feldſchlachten und Scharmuͤtzeln bey-
gewohnet hatten/ und ob ſich gleich dazumahl etliche tauſend Ritter in der Gegend auff-
hielten/ wolte doch dißmahl ſich keiner mehr ſtellen/ weil ſie mehrenteils argwohneten/ die
Koͤnigliche Helden wuͤrden mit ſtechen. Nun wolte kein Haͤuflein vor dem andern in die
Schranken reiten/ da ſie geoͤffnet wurden/ damit ſie nicht vor hochmuͤhtig angeſehen wür-
den/ deßwegen ihnen von den Richtern gebohten ward in der Ordnung einzuziehen/ wie ſie
nach einander ankommen wahren/ und hatten demnach die Teutſchen den Vorzug/ die ſich
gleich gegen ihren Koͤnig Henrich uͤber ſtelleten/ und daſelbſt Stand faſſeten. Ihnen fol-
geten die Pannonier/ und ſetzeten ſich dieſen gerade entgegen. Die Franken ſtelleten ſich hin
zu den Sachſen Teutſchen/ und nahmen die Roͤmer naͤheſt denen ihren Stand. Die Daͤh-
nen geſelleten ſich zu den Pannoniern/ und blieben die Frieſen auch bey denſelben; aber die
Boͤhmen ſtelleten ſich den Roͤmern an die Seite; da hingegen die Schweden ſich zu den
Frieſen tahten. Die Parther und Meden blieben bey den Boͤhmen/ und die Wenden lieſ-
ſen ſich gefallen/ die andere Seite nebeſt den Schweden zuſchlieſſen. Nun wahr nicht al-
lein die Gleicheit der Waffen in jeder abſonderlicher Geſelſchaft luſtig anzuſehen/ ſondern
es ſtund ſehr artig/ daß ein jeder Ritter eine Feldbinde ſonderlicher art/ und teils einfaͤlti-
ger/ teils gemengeter Farben fuͤhrete/ dabey er kunte vor andern erkennet werden. Weil
dann niemand mehr zu den Schranken hinein begehrete/ ward drey mahl auffgeklopffet/
und folgende Geſetze abgeleſen:


  • I. So jemand unter den Stechern gefunden wuͤrde/ der nicht entweder Herrn Standes/ oder
    auffs minſte gutes gebohrnen oder gemacheten Adels (der gleichwol in vier Feldſchlachten geweſt waͤh-
    re) ſolte er Harniſch/ Gewehr und Pferd verlohren haben/ und zu Fuſſe aus den Schranken gehen/
    wiewol ohn Verletzung ſeiner Ehren.
  • II. Wer eines Ehebruchs/ Mordes/ Diebſtahls/ Meinaͤides/ Verleumdung/ Verraͤhterey
    oder Jungfern-Schaͤndung koͤnte uͤberzeuget werden/ und bey dieſem Ritterſpiel ſich finden lieſſe/
    ſolte des Ritterordens als Ehrloß entſetzet ſeyn/ und ſechs Streiche leiden.
  • III. Wer hinterliſtig ſtechen/ oder verbohtene Zaͤuberſachen bey ſich haben/ oder ſeines Gege-
    ners Pferd vorſezlich treffen und beſchaͤdigen wuͤrde/ ſolte wilkuͤhrlich/ und nach Befindung/ ſehr hart
    geſtraffet werden.

IV. Ein
[911]Achtes Buch.
  • IV. Ein jeder Stecher ſolte gehalten ſeyn/ vor dem Stechen den Richtern ſeinen Nahmen/
    Stand und Vaterland anzumelden.
  • V. So aber jemand aus gewiſſen Urſachen ſolches vor dem Treffen gerne hinterhielte/ ſolte er
    entweder einen am Hofe bekanten Ritter zum Buͤrgen ſeiner Rittermaͤſſigkeit anmelden/ oder Koͤni-
    gin Valiſken ſeinen Nahmen/ Stand und Vaterland auff einem Zettel einreichen laſſen/ oder mit der
    rechten Hand die auffgehenkten Geſetze als aͤidlich beruͤhren/ daß er hierzu Rittermaͤſſig waͤhre/ und
    vor dem Außzuge aus den Schranken ſeinen Nahmen melden wolte.
  • VI. Vor einer Fuͤrſtin oder Fuͤrſtlichen Fraͤulein (und geringer nit) ihre Schoͤnheit/ moͤchte
    geſtochen werden/ doch nur mit einem Speer/ ſo lange es unzubrochen bliebe.
  • VII. Kein ſcharff Rennen/ noch Schwertſchlag/ noch Ringen zu Fuſſe ſolte zugelaſſen ſeyn.
  • IIX. Niemand ſolte alhie ichtwas aus Feindſeligkeit begiñen/ wie es moͤchte Nahmen haben/
    bey Lebens Straffe.
  • IX. Keiner ſolte einigen Wiederwillen gegen den andern aus den Schꝛanken mit ſich nehmẽ.
  • X. Ob zwiſchen zween Kaͤmpffern einiger Span vorfiele/ ſolte derſelbe alsbald den hochwei-
    ſen Herren Richtern vorgetragen/ und durch dieſelben entſchieden werden.
  • XI. Ein jeder Stecher moͤchte unter den Mitſtechern außfodern/ welchen er wolte/ doch ohn
    Neid und Feindſchafft/ auch nicht weiter als zu dreyen Ritten/ dann der vierde ſolte gaͤnzlich verboh-
    ten ſeyn/ und durch kein anhalten geſucht werden.
  • XII. Wer mit zwoͤlff unterſchiedlichen Rittern in dieſem Spiel vor Wiederoͤffnung der
    Schranken getroffen haͤtte/ und ungefellet blieben waͤhre/ ſolte ſeinen Nahmen den hochweiſen Herren
    Richtern anmelden/ und ſolte kein Ritter bemaͤchtiget ſeyn/ denſelben außzufodern/ er haͤtte dann mit
    neun Rittern ſich ſchon verſuchet.
  • XIII. Wuͤrden alle Ritter biß auff zehne geſellet/ ſolten dieſe zehne einer den andern weiters
    nicht außfodern/ es geſchehe dann mit Koͤnigin Valiſken verguͤnſtigung/ welche in dieſem Stuͤk maſ-
    ſe geben wuͤrde.
  • XIV. Welcher abgeſtochen wuͤrde/ daß er zugleich ſein Speer auff ſeinem Beſtreiter ritter-
    lich gebrochen/ oder denſelben herunter geworffen haͤtte/ ſolte weiter zuſtechen berechtiget ſeyn/ aber
    nicht mit dieſem.
  • XV. Weſſen Pferd im Treffen fiele/ und er im Sattel bliebe/ ſolte vor ungefellet gehalten
    werden.
  • XVI. Wer abfiele und braͤche ſein Speer nicht/ ſolte ferners ruhig ſeyn/ oder Verguͤnſti-
    gung/ weiter zuſtechen/ von Koͤnigin Valiſken erwarten.
  • XVII. Wer beide Stegreiffe und den Zaum verlieren wuͤrde/ ſolte vor gefellet geſchaͤtzet
    werden.
  • XIIX. Wer zum andernmahl abgeſtochen wuͤrde (verſtehe/ daß er ſchon einmahl abgeſtochen
    waͤhre)/ ſo daß er beidesmahl ſein Speer unzerbrochen behielte oder fallen lieſſe/ ſolte um weitere Ver-
    guͤnſtigung zuſtechen nicht anhalten.
  • XIX. Ob etliche Ritter einer gewiſſen Landſchaft Geſelſchafts Weiſe ſtechen/ und ſich nicht
    ſonderlich wol veꝛhalten wuͤꝛden/ ſolte niemand der ganzen Landes Art ein ſolches ungleich oder ſchimp-
    flich auffruͤcken oder außlegen/ bey Ehr- und Lebens Straffe.
  • XX. Dafern ganze Geſelſchafften groß oder klein/ wieder ganze Geſelſchaften ſtechen wuͤr-
    den/ ſolte ihnen uͤber zween gemeine Ritte nicht vergoͤnnet/ auch der Fal im Geſelſchaft-Rennen nie-
    mande am abſonderlichen ſtechen verhinderlich ſeyn/ doch ſolte des Obſiegers Wolverhalten gerech-
    net/ und wer beidesmahl ohn Zerbrechung ſeines Speers ſtuͤrzete/ nach der 16den Satzung geurtei-
    let werden.

Nach verleſung dieſer zwanzig Bedingungen (welche ſchon vor fünff Tagen wahrẽ
angeſchlagen) wurde ſie oͤffentlich in den Schranken aufgehenket/ da alsbald ein zierlicher
aͤdel-
[912]Achtes Buch.
aͤdelknabe auff der Steche-Bahn erſchien/ und nach erzeigeter Hoͤfligkeit/ mit heller Stim-
me dieſes vorbrachte: Koͤnigin Valiſka/ entbeut allen hieſelbſt verſamleten Rittern/ nach
Standes Gebuͤhr ihren Gruß und Gnade/ und weil ſie zwo gleiche Schaaren/ jede 43
ſtark/ gegen einander halten ſihet/ laͤſſet ihre Hocheit dieſelben fragen/ ob ihnen belieben koͤn-
ne/ alſo Schaars weiſe auffeinander zutreffen/ daß ein jeder ihm einen Mañ/ der gegen ihn
haͤlt/ waͤhle/ und mit demſelben einen oder zween Ritte wage/ alsdann ſol keinem gefelleten
der Fall am kuͤnftigen Stechen/ es geſchehe in kleineren Schaaren/ oder einzelner weiſe/
ſchaͤdlich ſeyn/ wiewol jeder Uberwinder von ihr einen ſonderlichen Dank empfahen ſol.
Dieſer Vorſchlag gefiel beydes den Stechern und Zuſehern/ und leiſteten jene zuvor den
Richtern den vierden Saz/ gaben ſich in Ordnung/ wie ſie hinein geritten wahren/ und em-
pfing ein jeder die Hofnung/ den Sieg zuerhalten/ welches doch unmoͤglich wahr. So bald
in die Trometen geſtoſſen ward/ ranten ſie in zierlicher Ordnung auffeinander loß/ legeten
ein/ und traffen ſo wol/ daß alle Speer bey ſtuͤcken in die Luft flogen/ auch kein einziger den
Sattel raͤumete/ ungeachtet ihrer etliche ſich mit den Leibern dergeſtalt ruͤhreten/ daß ihnẽ
ſehen und hoͤren verging; wiewol drey Pannonier/ ein Teutſcher/ zween Roͤmer/ drey Fran-
ken/ zween Boͤhmen/ ein Parther/ zween Meden/ ſo viel Frieſen/ Schweden und Daͤhnen/
und drey Wenden ſchier den kürzern gezogen haͤtten. Jederman muſte geſtehen/ daß ſie nie
kein zierlicher Treffen in ſo groſſer Geſelſchaft geſehen haͤtten. Sie ſchicketen ſich zum an-
dern Ritte/ aber an der einen Seite muſten auff Valiſken anordnung die Ritter einer jeg-
lichen Geſelſchaft ihre Stelle verendern/ damit keiner mit ſeinem erſten Wiederſacher zu-
treffen kaͤhme; dieſer Saz nun wahr ernſtlicher als der vorige/ aber auch von mehrer Wiꝛ-
kung; dann ein Teutſcher fiel mit ſamt dem Pferde/ nach wol gebrochenem Speer uͤbern
hauffen; fünff Pannonier/ drey Franken/ vier Daͤnen/ drey Roͤmer/ drey Frieſen/ zween
Boͤhmen/ vier Schweden/ zween Parther/ ein Mede/ und vier Wenden muſten herunter/
denen etlichen ihre Pferde im fallen Geſelſchaft leiſteten; die übrigen/ unter denen die neu-
gemachte junge Boͤhmiſche Grafen wahren/ hielten ſich ſehr wol. Koͤnigin Valiſka begeh-
rete von den Obſiegern ein Pfand/ aber die ganze Ritterſchaft hielt an/ daß ihnen das drit-
te Treffen moͤchte gegoͤnnet werden; welches ſie dann leicht erhielten/ da von ihnen alle
Kraft angewendet ward/ ſo daß drey Teutſche/ fünff Franken/ ſechs Roͤmer/ vier Boͤhmen/
vier Parther und zween Meden an einer; an der andern Seite aber ſieben Pannonier/
ſechs Daͤnen/ fuͤnff Frieſen/ fuͤnff Schweden und ſechs Wenden die Erde kuͤſſen muſten/
und wahr ein ſolches ungeſtuͤmes Treffen/ daß der mehrerteil ſeinen Gegener zugleich mit
erlegete/ aber doch keiner/ daß zu verwundern/ ſonderlichen Schaden nam. Leches/ Neda/
Prinſla/ Klodius und Markus wahren mit unter den Obſiegern/ und hatten in allen dreiẽ
Treffen keinen Wank getahn/ deſſen ſie ſehr geruhmet wurden; welchen Preiß auch zween
Teutſchen/ ein Pannonier/ ein Roͤmer/ zween Franken/ zween Schweden/ ein Daͤhne zween
Parther/ und ein Wende erhielten/ und dieſe alle und jede von Koͤnigin Valiſken einen guͤl-
denen Ring auff 500 Kronen gerechnet/ bekahmen. Nach dieſem Treffen fand ſich ein je-
der bey ſeiner Geſelſchaft/ und foderten die Teutſchen ihre Gegener die Pannonier aus/ da
ein Teutſcher Herr von der Oker/ da jezt die beruͤhmte Stad Braunſchweig lieget/ nah-
mens Wilhelm/ in zehn ritten ſechs Pannonier mit groſſem Ruhmerlegete/ deren zween
doch
[913]Achtes Buch.
doch zuvor drey Teutſche Sattellos gemacht hatten. Die acht Roͤmer traffen mit den acht
Schweden/ da alle Roͤmer biß auff Klodius und Markus abgeſtochen wurden/ und hin-
gegen fuͤnff Schweden abſattelten/ drey aber ſich ſehr wol hielten. Die neun Franken waͤh-
leten die neun Daͤnen/ legeten mit ihnen an/ und hielten im erſten und andern Treffen ein-
ander die Stange redlich/ aber im dritten fielen ſechs Daͤhnen und ſieben Franken/ zu Bo-
dem/ und hielt Ritter Farabert ſich hieſelbſt am beſten. Die acht Boͤhmen bekahmens mit
den acht Frieſen zu tuhn/ da vier Boͤhmen/ aber auch alle Frieſen den unwilligen Sprung
tuhn muſten. Die Parther und Meden rieben ſich an die Wenden/ da ein Parther vier
Wenden/ jeden im andern ritte herunter ſties/ nur der lezte ſtürzete im dritten gange/ hinge-
gen huhben zween Wenden drey Parther und einen Meden aus/ daß gleichwol der eine
im falle Geſelſchaft leiſtete/ weil ihm die Sattelgurt zubrach. Das einzelne Rennen ging
hierauff an/ welches ein Schwediſcher Herr/ nahmens Haldan/ anfing und ſich tapfer tum-
melte/ in dem er einen feſten Roͤmer im andern ritte; einen Boͤhmen im erſten/ zween Pan-
nonier/ jeden im erſten/ und einen Daͤhnen im dritten/ herunter warff; aber als er ſich an
Leches rieb/ ward er im dritten Treffen dergeſtalt abgefertiget/ daß er den linken Arm im
falle zubrach. Ein ander Schwede/ nahmens Schwercher/ wolte dieſen raͤchen/ muſte aber
im andern ſatze dem vorigen Geſelſchaft leiſten. Worauff der bißher ſieghafte Pannonier
ſich an Markus machete/ und ihn im dritten gange unſauber gnug zur Erden warff/ wie-
wol der Uberwundene ſein Speer auff dem Uberwinder brach. Klodius verdroß dieſer
Unfall nicht wenig/ ſtellete ſich an ſeines lieben Geſellen Plaz/ aber den Sieg kunte er nicht
behaͤupten/ ob er gleich alle drey Püffe redlich aushielt und bezahlete/ und doch im lezten et-
was zu wanken gezwungen ward; deſſen Prinſla wahr nam/ und dieſem Pannonier/ der
ihn gleich ausfoderte/ begegnete; im erſten Treffen ſaſſen ſie beyde feſt; aber im andern pur-
zelten ſie beyde mit ihren Pferden uͤber und uͤber/ ſo daß der Pannonier das rechte Bein im
falle in etwas zuknirſchete. Der Teutſche Herr von der Weſer/ Herr Betram ſetzete ſich
nachdem auff die Bahn/ hatte ſeinen Siz/ da anjezt die Stad und Feſtung Hameln lieget/
(von welcher ehmahls ein muͤſſiger Kopf getichtet/ ob ſolte ein Ratzenfaͤnger vor etlichen
hundert Jahren eine groſſe Anzahl minderjaͤhriger Kinder in einen Berg gefuͤhret haben/
welche unter der Erden hingangen/ und in Siebenbuͤrgen wieder hervor geſprungen waͤh-
ren) dieſer trefliche Ritter erlangete vor dißmahl groſſe Ehre/ geſtaltſam er acht handfeſte
Ritter herunterwarff/ daß er unbewaͤget im Sattel ſitzen blieb/ biß ers mit Leches wagete/
der ihn zwar im dritten Treffen ſchwanken machete/ aber ihn doch nicht fellen kunte. Neda
hielt ſich auch wol/ doch hielt ihm ein Daͤhne die Stange zimlich/ daß er ihm nichts anha-
ben mochte. Farabert bekam das Gluͤk/ daß er drey Pañonier/ zween Boͤhmen/ einen Daͤ-
nen/ und zween Frieſen aushuhb/ aber unter Leches ſeinem Speer muſte er erliegen/ wel-
ches auch den naͤhſtgedachten ſtarken Daͤhnen in den Sand niderſetzete. Als nun das Ste-
chen vor dißmahl uͤber die geſetzete Zeit angehalten/ und die Sonne das mittages Ziel ſchon
hinter ſich geleget hatte/ ward der uͤbung vor dißmahl anſtand gegeben/ und ſtellete ſich
Valiſka/ Lukrezie und Klara ein/ den Uberwindern nach der Richter einhelliger Urtel/ den
Preiß auszuteilen. Wegen des Stechens da eine Landes-art Geſelſchaft mit der andern
getroffen hatte/ bekam Graff Leches/ Herr Betram und Graff Neda den hoͤchſten Gewin/
z z z z zjeder
[914]Achtes Buch.
jeder eine Speer Spitze von klammern Golde mit Demanten außgeſetzet/ deren jede 1000
Kronen außtrug; den andern empfingen Graff Prinſla/ Herr Wilhelm/ und Graff Klo-
dius/ jeder ein Kleinot von 900 Kronen; den dritten Graff Markus/ Herr Farabert und
ein Parther; jeder eine Huhtſchnur zu 400 Kronen. Aber wegen des abſonderlichen Tref-
fens muſten Leches/ Bertram/ und der friſche Pannonier den erſten Preiß nehmen/ jeder
ein koͤſtliches Pferd mit Silbern Hueffeiſen und geſtiktem Sattel/ am Wert 1500 Kronen/
den andern Preiß bekam Neda/ Farabert und Wilhelm/ ein herliches Schwert auf 1000
Kronen. Den dritten Prinſla/ der Schwede Haldan/ ſo den Arm zubrach/ und der Daͤne/
welcher mit Neda ſo tapffer getroffen hatte; jeder ein Par guͤldener Sporen mit Rubinen
außgelegt/ 600 Kronen am Preiß. Und damit gleichwol der anſehnlichſten Manheit ein
Vorzug gegeben wuͤrde/ ſetzete Koͤnigin Valiſka ihrem getraͤuen Leches und Bertram ei-
nen gruͤnen Roßmarien Kranz auff/ und erinnerte ſie/ daß in Beſchuͤtzung der unſchul-
dig-unterdruͤkten/ ſie ihre Staͤrke anwenden ſolten; vor welche ſonderliche Gnade ſie
ſich untertaͤhnigſt bedanketen. Nach auffgehobenen Speiſen bereiteten ſich die jungen
Koͤntge und Fuͤrſten zum Ringel Rennen/ bey welchem Valiſka ſich in Amazoniſcher
Kleidung mitfinden laſſen wolte/ und ward ſonſt niemand ohn der junge Fabius in dieſe
Geſelſchafft genommen/ weil Leches und die anderen jungen Grafen ſich deſſen aus Unter-
taͤhnigkeit wegerten/ und unter der Ritterlichen Geſelſchafft mitſtechen wolten/ welche ih-
re eigene Bahn hatten. Ladiſla machete an jener Seite/ Leches an dieſer den Anfang/ und
hielten ſich ſehr wol. Herkules dort/ und Neda hier/ machtens gleich alſo/ wie auch Valiſ-
ta und Klodius; Koͤnig Mnata aber (der in dieſer Ubung ſchlechte Erfahrenheit hatte)
taht den erſten Fehirit/ wie auch Prinſla an jenem Orte. Baldrich und Olaff wahren glei-
che eiferig/ nicht weniger Siegward und Arbianes/ denen Markomir und der junge Fa-
bius nichts nachgaben/ aber niemand taht es Herkules und Valiſken gleich/ und wahr eine
Luſt anzuſehen/ wie zierlich dieſe allerſchoͤnſte Koͤnigin den aͤdlen Blaͤnken unter der Zeit
tummelte/ wann die anderen in der Ubung des rennens wahren. Die Koͤniglichen Zuſe-
her hatten ſich vordiſmahl anders verwechſelt/ ſo daß der Schwediſche und Boͤhmiſche
Koͤnig den erſten; der Teutſche und Daͤniſche den andern; der Frankiſche und Herr Fa-
bius den dritten Stand hielten/ und der Daͤne Koͤnig Henrichen glükſelig preiſete/ daß der
Himmel ihm nicht allein einen ſo volkom̃enen Sohn/ ſondern auch gleichmaͤſſige und in al-
len Tugenden vortrefliche Schwieger Tochter gegeben haͤtte/ welche ſonder einige Schmei-
cheley der ganzen Welt Beherſchung wirdig waͤhren. Worauff er zur Antwort gab; er
dankete dem wahren Gott billich/ daß er dieſen ſeinen Kindern eine Tugend begierige Seele
eingegoſſen haͤtte/ hoffete auch/ ſie wuͤrden biß an ihr Ende dabey beſtaͤndig verharren; je-
doch rechnete er dieſes noch nicht vor ſeine oder auch ihre hoͤchſte Gluͤkſeligkeit/ ſondern dz
ſie neben ihm zur ſeligmachenden Erkaͤntniß des einigen wahren Gottes/ und zur unge-
zweiffelten Hoffnung des ewigen Lebens kommen waͤhren/ als welches ihrer aller Gewiſ-
ſen/ Geiſt und Seele inniglich erluͤſtigte/ daß ſie nach dieſer muͤhſeligen Vergengligkeit/ die
billich einem Schatten und Traum vergliechen wuͤrde/ eine ewig beſtendige und aller Din-
ge unvergaͤngliche Himmels-Freude von ihrem Heylande JEſus zugewarten haͤtten/ de-
ren kein irdiſcher Pracht/ keine weltliche Ehr und Wolluſt moͤchte vergliechen werden/ ob
man
[915]Achtes Buch.
man gleich uͤber hundert Koͤnigreiche die Kronen auff dem Haͤupte truͤge. Der Daͤniſche
Koͤnig hatte dieſer Chriſtlichen Rede keine Empfindligkeit/ ſondern ſchaͤtzete es vor einen
eingebildeten Wahn/ deſſen rechten Grund zuerforſchen ihm dannoch etlicher maſſen an-
lag; wolte aber ſichs gegen Koͤnig Henrich nicht merken laſſen/ ſondern nahm vor/ von ſei-
nem Sohn ſich hernaͤhſt deſſen zuerkunden/ welches doch etliche Jahr verbliebe/ uñ er kurz
vor ſeinem Lebens Ende von demſelben zum Chriſtentuhm gebracht ward. Unter dieſem
und anderen Geſpraͤchen ging das Ringelrennen beiderſeits eiferig fort/ und zwar an der
Ritter Seite ſo viel hefftiger/ weil daſelbſt ein dreydoppeltes Geſtelle neben einander auff-
gerichtet/ und drey Ringe zugleich angehaͤnget wahren/ daß allemahl ihrer drey zugleich
rennen kunten/ und funden ſich uͤber hundert und ſechzig Ritter/ mehrenteils Grafen
und Herrn Standes bey dieſer Ubung/ welche biß an den ſpaͤten Abend anhielt. An Fuͤrſt-
licher Seite ſchaͤmete ſich Koͤnig Mnata ſehr/ daß er in der Jugend dieſer Ubung nit fleiſ-
ſiger obgelegen wahr/ dann er wahr gegen die anderen kaum ein Lehr Schuͤler zurechnen/
daß er endlich das Stechen gar angab/ und auff ſich ſelbſt zuͤrnete/ daß er als ein unerfahr-
ner ſich darzu hatte bereden laſſen. Als der Sonnen Untergang dem Spiel ſein Ende gab/
traten die jungen Fuͤrſtinnen/ Klara und Schulda an Fuͤrſtlicher Seite hervor/ lieferten
Herkules und Valiſken den hoͤchſten Preiß/ jedem ein Perlen Kroͤnichen von treflicher
Zierde und Koſtbarkeit/ welche ſie auch von ihrer Hand annahmen/ aber Herkules das ſei-
ne Fuͤrſtin Schulda/ und Valiſka das ihre Fuͤrſtin Klara auff das Haͤupt ſetzeten/ mit
bitte/ ihrer ſtets dabey zugedenken. Die Koͤnigiñen Lukrezie uñ Vanda teileten den Ritteꝛn
den erworbenen Preiß aus/ als Leches und Klodius/ die vor andern ſich wol gehalten hat-
ten/ und bekam jeder eine Halßkette von 2000 Kronen. Der Abend ward nach gehaltener
Mahlzeit mit tanzen und anderer Luſt zugebracht/ da Baldrich ſeinem Bruder anzeigete/
er haͤtte mit Siegward abrede genommen/ auff morgenden Tag in fremder Geſtalt beym
Stechen ſich finden zulaſſen/ und auff ihre Schau Buͤhne andere zuſtellẽ/ damit ſie daſelbſt
nicht vermiſſet wuͤrden. Ladiſla dieſes hoͤrend/ erboht ſich/ den dritten Mann zugeben; ſo
kunte Herkules von ihm nicht bleiben/ trat mit ein/ und wurden eins/ in ganz gleicher Rü-
ſtung auffzuzihen/ und ſonſt keinen in ihre Geſelſchafft zunehmen. Die Ritterſchafft ſtel-
lete ſich fruͤhzeitig gnug bey den Schranken ein/ aber keiner wolte vor den andern hinein
reiten/ biß die naͤheſten darzu von den Richtern angemahnet wurden; Und als die meiſte
Ritterſchafft ſich eingeſtellet hatte/ ließ Herkules einen verſtelleten Roͤmiſchen Knaben
hineinreiten/ welcher den Richtern dieſe Werbung vortrug: Hochweiſe und Großanſehn-
liche Herren; es ſind vier fremde Ritter/ Gebruͤder/ geſtern Abend ſpaͤt zu ihrem Ebenteur
alhie ankommen/ gutes ungeſchwaͤchten Adels/ die ohn Ruhm zumelden/ zum Schimpff
und Ernſt ſich ehmahls haben gebrauchen laſſen/ uñ nach Begebenheit ſtaͤrkere und ſchwaͤ-
chere angetroffen; Dieſe meine Herren melden allen anweſenden Koͤnigen und Fuͤrſten/
ihre untertaͤhnigſte gehorſamſte Dienſte/ den Herren Richtern ihren Gruß/ und alle
Freundwilligkeit an/ und laſſen durch mich vernehmẽ/ ob ihnen mit gaͤnzlicher Hinterhal-
tung ihres Nahmens/ ein oder etliche Speere zubrechen/ koͤnne erlaubet ſeyn/ welches ſie
weder aus Hochmuht noch Widerſezligkeit/ ſondern aus andeꝛn hochdringenden Urſachẽ
begehren. Sie ſtelleten zwar gerne einen Buͤrgen/ aber in der fremde mißtrauen ſie denſel-
z z z z z ijben
[916]Achtes Buch.
ben anzutreffen/ und hoffen dannoch alhie ſo viel Glauben zufinden/ daß man ſie voꝛ redlich
halten und erkennen wird/ ſolle auch nach geendigtem Stechen ihr Stand und Nahme
gebuͤhrlich angemeldet werden/ und erbieten ſich im uͤbrigen/ den Geſetzen ſich gemaͤß zu
verhalten. Die Richter gaben nach gehaltener Unterredung zur Antwort: Wann die
Großmaͤchtigſte Koͤnigin/ Fr. Valiſka ſich hierzu gnaͤdigſt verſtehen wuͤrde/ koͤnte ihnen
ſolches gleich gelten/ deren Antwort zuerwarten ſtuͤnde. Weil nun dieſe alles angehoͤret
hatte/ ließ ſie durch einen Knaben anzeigen/ ſie bedankete ſich wegen des angetragenen
Gruſſes gnaͤdigſt/ und daß die vier tapffere Ritter Gebruͤdere dieſem Stechen beywohnen
wolten; weil dann ihnen noch zur Zeit nicht geliebete/ ſich kund zugeben/ ſolte ihnen ihr an-
ſuchen eingewilliget ſeyn/ mit Vorbehalt ihres getahnen Erbietens. Auff welche Erklaͤ-
rung dieſe viere auff Apfelgrauen Roſſen in ſo gar eintraͤchtigen Waffen den Einrit hiel-
ten/ daß einiger Unterſcheid an ihnen nicht zuſpuͤren wahr/ ohn daß Herkules einen weiſſen/
Ladiſla einen gelben/ Baldrich einen rohten/ und Siegward einen gruͤnen Federbuſch/ auch
gleich ſolche Feldbinden fuͤhreten. Die Harniſche wahren blau angelauffen/ mit kleinen
guͤldenen Striemen; jeder hatte im Schilde vier neben einander ſtehende Loͤuen/ mit die-
ſer Umſchrifft: Fratrum Concordiâ nihil fortius. Nichts iſt ſo ſtark/ als die bruͤderliche Einigkeit.
Sie ſprengeten ſo freudig/ und mit ſo hoͤflicher Art zu den Schranken ein/ daß jederman
die Augen auff ſie warff/ und ihre geſchikliche Rittermaͤſſigkeit nicht gnug loben kunte. Ge-
gen Koͤnigin Valiſka uͤber nahmen ſie Stand/ und erzeigeten ſich uͤberaus ehrerbietig ge-
gen dieſelbe/ mit halbverſchloſſenen Helmen/ daß ſie nicht unterlaſſen kunte/ ihr Guk Fen-
ſter auffzumachen/ und mit Neigung des Haͤuptes ihnen ihre gute Gewogenheit erkennen
zugeben; welches auch Koͤnigin Sophia/ die neben ihr ſtund/ mit verrichtete. Auff ihren
Einzug fand ſich noch mannicher Ritter in den Schranken an/ die ſonſt nicht willens wa-
ren/ mitzuſtechen/ daß ihre Anzahl ſich auff 250 belief. Koͤnig Mnata/ Olaff/ Arbianes/
Markomir und Fabius eiſerten uͤber dieſe vier Bruͤder/ lieſſen ihre guten Reitharniſche
holen/ und begaben ſich in die Schranken; und weil ſie nicht wolten erkennet ſeyn/ lieſſen
ſie Koͤnigin Valiſken ihre Nahmen ſchrifftlich einreichen. Herkules ſahe ſie hinein zihen/
zeigete es ſeinen Geſellen an/ und erkennete ſie/ auſſer Mnata und Markomir/ bey ihrem
retten/ wuͤnſchete auch/ daß ſie vor dißmahl ihren Ehrgeiz geſparet haͤtten/ und beredete ſich
mit den ſeinen/ ihnen keine Urſach der Ausfoderung zugeben/ und alle Gelegenheit ihrer
Handwechſelung zumeiden. Anfangs tahten ſich vier anſehnliche Pannonier hervor/ lieſ-
ſen die vier Gebruͤder auff ein Speerbrechen erſuchen/ und muſten die mit Herkules und
Ladiſla traffen/ im erſten Ritte die Erde kuͤſſen; Baldrich aber und Siegward wurden
mit den ihren im andern Satze fertig. Mnata wunderte ſich zum hoͤchſten/ daß der/ ſo mit
Herkules ſtach/ ſo leicht gefellet wahr/ maſſen er gegen Olaff bekennete/ er wuͤrde unter die
Handfeſteſten Ritter gerechnet/ als der mannichem Ritter angeſieget haͤtte. Vier andere
ſetzeten ſich auff die Bahn/ den Unfal ihrer Landsleute zuverbeſſern/ und traff der/ ſo geſtri-
ges Tages den erſten Preiß mit davon gebracht/ auff Herkules/ hielt auch den Stoß red-
lich aus/ und brachte den ſeinen ſehr wol und geſchiklich an/ dz Herkules geſtund/ ihm waͤh-
re die geſtrige Ehre nicht unbillich zu teile worden; aber im andern Gange muſte er/ wie
ungerne auch/ herunter ſpringen/ welches ihn uͤber die maſſe hefftig verdroß; dann er ſahe/
daß
[917]Achtes Buch.
daß ſein Obſieger deſſen von jedermaͤnnig gepreiſet ward. Ladiſla hatte ſeinen ſchon im er-
ſten Treffen nidergeworffen/ aber Baldrich und Siegward muſten den dritten Saz wa-
gen/ da es ihnen nach Willen fugete. Noch kunten ſie nicht unangefochten bleiben/ dann ein
ſehr ſtarker Daͤhne/ der ſich geſtern nicht hatte brauchen wollen/ foderte Herkules auff ein
Speer/ ſetzete auch mit ſolcher Krafft auff ihn/ daß Olaff/ der ihn kennete/ zu ſeiner Geſel-
ſchafft ſagete: Dafern dieſer des Streits erliegen wuͤrde/ wuͤſte er dem Obſieger keinen
feſteren Stecher entgegen zuſtellen; nicht deſto weniger warff ihn Herkules mit ſamt dem
Pferde uͤber und uͤber; weil er aber im Sattel ſich feſt hielt/ ward ihm auff begehren der
ander Rit gerne verwilliget/ in welchem er dergeſtalt ausgehoben ward/ daß ihm im falle
die Waffenriemen zerſprungen/ und er ohmaͤchtig von dem Platze getragen ward. Ladiſla
bekam einen Teutſchen zum Ausfoderer/ der ihm zween Stoͤſſe aushielt/ und im dritten
ruͤklings abſitzen muſte/ wie dann Baldrich und Siegward mit gleichmaͤſſigem Verfolge
obſiegeten/ jener einem Schweden/ und dieſer einem Wenden. Alle Zuſeher vorwundertẽ
ſich der treflichen Manheit dieſer vier Bruͤder/ welche allemahl die Ordnung hielten/ daß
der mit der weiſſen Feder/ oben an/ naͤheſt ihm der mit der gelben/ drittens mit der rohten/
und unterſt mit der gruͤnen ſich ſtellete/ und meyneten die Zuſeher/ es geſchaͤhe ihres unter-
ſchiedlichen Alters halben. Fabius begunte ſeine Geſelſchafft ſchon zuvermahnen/ ob nit
ſchier Zeitwaͤhre/ ſich mit dieſen tapfferen Bruͤdern zuverſuchen; aber Olaff hielt vor
rahtſam/ daß mans vorerſt mit andern wagete/ damit ſie auch zuvor einen Nahmen erhiel-
ten/ da es irgend gegen dieſe mißgluͤcken ſolte; ſtelleten ſich demnach auff die Bahn/ und
traffen mit vier Boͤhmen und einem Wenden/ da Olaff mit ſeinem Manne im erſten; Fa-
bius im andern; Markomir auch im andern; Arbianes und Mnata im dritten Stoſſe fer-
tig wurden/ welches den vier Bruͤdern nicht unangenehm wahr/ inſonderheit als ſie bald
darauff zween Frieſen/ einen Schweden und zween Daͤnen/ im andern Treffen niderwurf-
fen. Drittens wurden ſie aber ausgefodert von zween Teutſchen und dreyen Franken/ da
Fabius und ein Teutſcher in dreyen Treffen ſich umſonſt bemuͤheten/ den Sieg zuerhaltẽ/
wiewol ſie im lezten ſchier beyde abſatteln muͤſſen. Arbianes enthielt ſich des Falles bloß
durch Behendigkeit/ da er ſeinen Gegener einen Franken herunter warff. Mnata ward
von einem Teutſchen im dritten Satze mit ſamt dem Pferde in den Sand gelegt. Mar-
komir erlegete ſeinen Gegenſtecher einen Franken im dritten Treffen. Aber Olaff ward
mit den ſeinen bald anfangs fertig. Die vermeyneten vier Bruͤder fingen von neuen an/
ihre Pferde zu tummeln/ ehe dieſer Streit geendiget war/ damit ſie von dieſen ihren Freun-
den nicht angegriffen wuͤrden/ und ſtellete Herr Bertram nebeſt Leches/ Neda und Klo-
dius ſich gegen ſie/ hatten ſich auch verbunden/ alle Krafft anzuwenden/ ob ihnen gelingen
moͤchte. Unſern vieren wahr dieſes zwar nicht ſo gar angenehm/ jedoch muſten ſie ehren-
halben ſich finden laſſen. Es traff aber Herkules zweymahl auff Bertram/ und machete
ihn im andern Angriffe Stegereiffloß/ der Hoffnung/ er wuͤrde ſich des dritten enthalten;
weil er aber auff denſelben drang/ ward er gewehret/ und mit ſamt dem Pferde unſanfft
genug nidergeworffen; welches Koͤnig Henrich ſehend/ ſich verwunderte/ wer dieſen
Handfeſten Ritter geſtuͤrzet haͤtte. Ladiſla muſte ſeinem getraͤuen Leches begegnen/ der
ihm den erſten Stoß ritterlich aushielt/ und weil ihm ſein Koͤnig im voruͤberrennen einen
z z z z z iijWink
[918]Achtes Buch.
Wink gab/ kante er ihn/ und wolte weiter nicht treffen. Baldrich aber hatte Mühe gnug/
den feſten Neda im dritten ritte zu fellen/ welcher doch ſein Speer ritterlich brach/ alſo taht
auch Klodius ſeyn aͤuſſerſte/ daß Siegward ihn ruͤhmen muſt/ ging aber auch von dem drit-
ten Stoſſe uͤber und uͤber. Als Fabius ſolchen Unfal ſahe/ und daß Leches weiter nicht an-
hielt/ geriet er in zweifel/ ob nicht Herkules und Ladiſla unter dieſen Stechern waͤhren/ durf-
te ſich doch deſſen gegen ſeine Mitgeſellen nicht merken laſſen/ aus Furcht/ er wuͤrde ihnen
verdrieß erzeigen/ weil er leicht zu urteilen hatte/ ſie wolten unerkennet ſeyn; Olaf aber rei-
zete gewaltig zu/ es waͤhre hohe Zeit/ ihnen das Speer zu bieten/ weil der Sieg loͤblich/ und
die Niederlage nicht ſchimpflich ſeyn koͤnte/ angeſehen der groſſen Mannheit/ welche dieſe
Bruͤder haͤtten ſpüren laſſen. Mnata hatte wenig belieben darzu/ und ob gleich Arbianes
ſagete/ er haͤtte ſich ſchon auff eine Wagnis geſchikt/ auch Markomir ſich vernehmen ließ/
er wolte nicht laͤnger zu Pferde bleiben/ als dieſer Bruͤder einer es ihm goͤnnen wuͤrde/ ſo
ſuchete doch Fabius Urſach/ es aufzuſchieben/ einwendend/ er truͤge belieben/ erſt noch ein-
mahl ſeine Arme gegen andere zugebrauchen; aber es fiel ganz unverhoffet eine gewuͤn-
ſchete Verhinderung dazwiſchen/ gleich als Bertram und Neda ihren Geſellen Leches zu
Rede ſtelleten/ warumb er das Stechen nicht fortgeſetzet haͤtte/ welches ihm von mannichẽ
zur Zagheit duͤrfte gerechnet werden; er aber zur Antwort gab/ wann nach des Stechens
endigung er deſſen nicht gnug guͤltige Urſachen wuͤrde einfuͤhren koͤnnen/ welche ſie ſelbſt
billichen muͤſten/ alsdann wolte er Zeit ſeines lebens vor einen Verzageten gehalten ſeyn.
Bey dieſer Unterredung/ ſage ich/ kam ein anſehnlicher Ritter eilend herzu gerennet/ der
ſich mit acht Rittern vergeſelſchaftet hatte/ ſchickete auch behende einen zierlichen Roͤmi-
ſchen Knaben auff einem kleinen Zelter in die Schranken/ welcher in guͤldenem Gewande
gekleidet wahr/ und mit artiger Ausrede dieſes in Lateiniſcher Sprache vortrug: Hoch-
weiſe anſehnliche Herren Richter dieſes treflichen Speer brechens; mein gnaͤdiger/ dieſes
Orts unbekanter Herr/ naͤhſt anerbietung ſeiner Dienſte/ Gruſſes und Freundwilligkeit/
hoffet nicht allein eure gute Gewogenheit/ ſondern vorab der gegenwaͤrtigen Großmaͤch-
tigſten Koͤnigen und Koͤniginnen/ dann auch der Durchleuchtigſten Fuͤrſten und Fuͤrſtin-
nen/ und zugleich der hochanſehnlichen ſaͤmtlichen Ritterſchaft/ nach gebuͤhr gnaͤdigſte und
guͤnſtige Vergebung/ ſeines faſt unzeitigen und ſpaͤten vornehmens/ und laͤſſet durch mich
nachfragen/ ob ihm und ſeinen acht Gefaͤrten gutes Adels vergoͤnnet ſeyn koͤnne/ in die
Schranken zu reiten/ mit der Bedingung/ daß vor endigung des Speerbrechens ſie nicht
genoͤhtiget werden/ ihren Nahmen zu melden/ alsdann geloben ſie/ den uͤbrigen Satzungen
gemaͤß zu leben. Die Richter bedanketen ſich des angetragenen Gruſſes/ und verwieſen dz
uͤbrige an Koͤnigin Valiſken/ welche nicht anders meinete/ als daß ihr Herkules vor den
Schranken hielte/ welches ſie zwar ungerne ſahe/ und ihm ſolches doch nicht wegern durf-
te; ließ demnach durch einen Knaben dieſe Antwort geben; Dem fremden Herrn und ſei-
nen Gefaͤrten ſolten auff anſuchen und erbieten/ die Schranken ungewegert ſeyn/ wiewol
man lieber geſehen haͤtte/ daß ſie etwas zeitiger waͤhren zugegen geweſen. Worauff der
Fremde ſich bedachte/ ob er einzihen oder zurük bleiben ſolte; doch weil die ſeinen/ als welche
Ehre zuerwerben hoffeten/ ihn fleiſſig anmahneten/ ritte er in ſeiner Pracht hinein. Er hatte
einen ganz verguͤldeten Harniſch an; ſein Pferd wahr ſchneweiß/ mit einer koſtbaren Dec-
ke von
[919]Achtes Buch.
ke von der allerreineſten Seide gelber farbe behaͤnget/ auff welcher eine gute anzahl Mor-
genlaͤndiſcher Perlen geheftet wahren; das Gebiß wahr von klarem Golde/ und der Zaum
ſtarrete von Demanten; die Steifbuͤgel wahren ganz guͤlden/ mit Rubinen und Schma-
ragden eingeleget/ und der Sattel gelbe/ mit gleichen Steinen gezieret; das Schwert füh-
rete er in einem gelben Feldzeichen/ mit Perlen geſticket. Im Schilde ſtund Koͤnigin Va-
liſken Ebenbild/ die einen nidergeworffenen Loͤuen mit Fuͤſſen trat/ dabey dieſe Umbſchrifft:
Virgo Bohemica Leonem Parthicum domuit. Das Boͤhmiſche Fraͤulein hat den Parthiſchen Loͤuen
gezaͤhmet. Auff dem Helme ſtund dieſes gekroͤnete  Koͤnigin Valiſken ehemahlige Zei-
chen/ in Gold ſchwarz eingeetzet/ und ein Taͤflein daneben/ darauff dieſe Worte: Poſt Lu-
ctum Gaudia.
Freude nach Leid. Er ſprengete vor ſeinen Gefaͤrten her/ neigete ſich gegen Koͤ-
nigin Valiſken ſehr demütig/ und durch ſeine herzhafte Geberden gab er gnug zuverſtehen/
daß er noch wol ein Treffen mit wagen duͤrfte; ritte hernach zu der auffgehengten Taffel/
und durch deren beruͤhrung gab er zuvernehmẽ/ daß er ſich den Satzungen gemaͤß verhal-
ten wolte. Seine acht Gefaͤrten folgeten ihm von ferne/ und ſetzeten ſich mit ihm an einen
abſonderlichen Ort/ wehrete auch nicht lange/ daß neun Pannonier ſich ihm entgegen ſtel-
leten/ deren der fremde Herr ſeinen Mann im erſten Treffen niderlegete/ und ging es den
uͤbrigen im andern und dritten ritte gleich alſo. Neun andere/ teils Boͤhmen/ teils Frieſen/
funden ſich an der gefelleten Plaz/ aber ſie wurden mehrenteils im erſten gange abgeſtoſſen/
und die uͤbrigen im anderen/ ſo daß Herkules an dieſem Wolverhalten groſſes belieben
trug/ taht auch ſeinen Geſellen den Vorſchlag/ er wolte Leches Neda/ Bertram/ Prinſla
und Wilhelm in ſeine Geſelſchaft nehmen/ und alsdañ mit dieſen fremden es wagen. Die-
ſe fuͤnffe wurden alsbald herzu gefodert/ und hermeten ſich nicht wenig/ daß ſie wieder ihre
Herren das Speer gerichtet haͤtten/ wahren dannoch ſehr froh/ daß ſie von keinen andern
gefaͤllet wahren/ preiſeten Leches wegen der fruͤhzeitigen Erkaͤntnis gluͤkſelig/ und ſtelle-
ten ſich als ohngefehr hinter Herkules/ da inzwiſchen drey Teutſche/ zween Franken/ drey
Schweden und ein Daͤhne ſich an die Fremden macheten/ und im erſten Treffen ſich alle
miteinander wolhielten/ wiewol ſie im andern gange alle neun herunter muſten/ da von den
Fremden ihrer drey mit abſattelten/ wiewol ſie alle ihre Speer redlich gebrochen hatten/
daher Herkules die ſeinen vermahnete/ gute Aufſicht auff ſich ſelbſt zuhaben/ weil ſie voꝛ Au-
gen ſaͤhen/ daß ſie es nicht mit Kindern wuͤrden zu tuhn bekommen. Valiſka hielt den frem-
den nunmehr eigentlich vor ihren Herkules/ und wahr in ihrem Herzen faſt gewiß/ daß er
wegen der vier Brüder Wolverhalten ſich haͤtte bewaͤgen laſſen/ ihre Kraͤfte zu pruͤfen/ da
dieſer Fremde ſich noch mit etlichen einzelnen verſuchete/ und ſie gluͤklich herunter warff/
daher wolte Herkules ſich auch ſehen laſſen/ und foderte einen anſehnlichen ſtarken Gothen
aus/ der ſich ſchon wol gebraucht hatte/ und dieſer Ehre ſich hoch erfreuete/ ihm auch zween
gewaltige Puͤffe aushielt/ abeꝛ doch zum drittenmahl einen/ wiewol ſehr unwilligẽ Sprung
nehmen muſte; und ob zwar ein ander handfeſter Gohte es zu raͤchen meinete/ lief doch deſ-
ſen Pferd im andern Satze ohn ſeinen Reuter davon. Der Fremde hatte inzwiſchen ein
wenig geruhet/ und wahr von den ſeinen verſtaͤndiget/ was geſtalt die vier Bruͤder ihre
Anzahl ihnen gleich gemacht haͤtten/ ohnzweifel mit ihnen anzubinden/ welches er gerne
hoͤrete/ und ſich ihnen alsbald entgegen ſetzete. Aller anweſenden Augen wahren auff dieſe
beyde
[920]Achtes Buch.
beyde Haͤuflein gerichtet/ die ſich in Ordnung ſtelleten/ und durch hurtige ſprengung ihrer
Pferde zuverſtehen gaben/ daß ſie zum Treffen unerſchrocken waͤhren. Herkules bekam
den Vornehmſten zum Gegener/ und traff mit ihm ſehr ernſtlich/ ſo daß dieſer ſchon im er-
ſtenmahl zu wanken begunte; deſſen Valiſka nicht wenig erſchrak/ welche dieſen Fremden
ſich ſo gar vor Herkules eingebildet hatte/ daß ſie zu keinen anderen Gedanken greiffen kun-
te/ inſonderheit/ als ſie ſein Schild und Helm-Zeichen ſahe/ deswegen ſie des andern rittes
ſich ſehr bekuͤmmerte/ und wenig fehlete/ ſie haͤtte uͤberlaut geſchrihen/ als ſie gewahr ward/
daß er von jenem vier Bruder dergeſtalt getroffen ward/ daß er das übrige ſeines zubro-
chenen Speers fallen ließ/ und an ſeines Pferdes Maͤhne ſich halten muſte/ deſſen er ſich
nicht wenig ſchaͤmete/ und wuͤnſchete/ er waͤhre uͤber hundert Meile davon/ dann er meine-
te nicht anders/ als Herkules ſtuͤnde auff ſeiner Schau-Buͤhne/ und wuͤrde ihn nach er-
kennung vor einen ohmaͤchtigen Ritter halten/ daher er den dritten Strauß wagete/ und
ſein Verbrechen einbringen/ oder gar verſpielen wolte; welches lezte auch erfolgete/ dañ er
ward dergeſtalt getroffen/ daß er über und uͤber ging/ und doch keinen Schaden nam/ wie-
wol Herkules Pferd wegen groſſer bemuͤhung ſchier auff den Kopf geſtuͤrzet waͤhre/ wie
es dann durch verrenkung eines Hinter-ſchenkels zum weitern Gebrauch undüchtig waꝛd/
daß er ihm ein anders muſte zufuͤhren laſſen. Des Fremden Gefaͤrten hielten ſich ſehr wol;
dann Ladiſla erlegete ſeinen Mañ im dritten Treffen/ mit ſolcher Muͤhe/ daß er ſelbſt ſchier
haͤtte mit ſpringen muͤſſen. Baldrich muſte ſeinen Gegener in allen dreien Treffen feſtſit-
zen laſſen/ und haͤtte er ſelbſt im lezten ſchier den kuͤrzern gezogen. Siegward ſtuͤrzete mit
ſeinem Pferde/ als er ſeinen Gegenkaͤmpfer durch den dritten Stoß hatte herunter geworf-
fen. Leches und ſein Mañ gingen beyderſeits im andern ritte zu Bodem; Neda verlohr im
dritten beyde Stegreiff/ aber ſein Beſtreiter muſte mit ſamt dem Pferde ſtuͤrzen. Prinſla
ward im dritten gange gefellet/ und blieb der ſo ihn herunter ſtach/ feſt ſitzen. Bertram und
ſein Gegener hielten einer dem andern die Stange redlich; aber Wilhelm und ſein Gegen-
ſtecher ſtieſſen ſich mit den Leibern/ daß ſie beyde das Maß auff der Erde nahmen. Herku-
les verwunderte ſich dieſer ritterlichen Geſelſchaft dergleichen ihm nie vorkommen wahr/
Fabius kunte nicht ausſiñen/ wer ſie ſeyn moͤchten/ uñ merkete an des vornehmſten Schil-
de doch/ daß ſie bekante wahren. Dieſer hatte ſich ſchon wieder zu Pferde geſetzet/ des Vor-
habens/ mit dem andern vier-Bruder es auch zu wagen; aber Olaf/ dem ſein Herz brante/
Ehre an ihm zuerſtreiten/ ſetzete ſich ihm entgegen/ traff auch dergeſtalt mit ihm/ daß ih-
nen beyderſeits das Herz puffete/ wiewol ſie unbewaͤglich ſitzen blieben/ und der Fremde
in den Wahn geriet/ es wuͤrde Leches ſeyn. Im andern Satze gebrauchten ſie ſich ge-
waltiger/ daß nicht allein ihre Speere in die Luft flogen/ ſondern ſie beiderſeits zimlich wan-
keten und der Daͤniſche Koͤnig ſeines Sohns Rittermaͤſſigkeit (welchen er doch dazumahl
nicht kennete) ſehr lobete. Im dritten Treffen aber gingen ſie beide mit ſamt den Pferden
in den Sand liegen/ und wahr zuverwundern/ daß der fremde das Genik nicht zubrach/
maſſen ſeine Gefaͤrten ihm daß Pferd vom Leibe heben muſten/ welchem der linke hinter-
Schenkel rein abgebrochen wahr. Nun wolte Fabius ſeiner Geſellen einen auch pruͤffen/
und foderte den anſehnlichſten aus; aber im dritten Gange muſte er ſpringen; des Herku-
les leidig wahr/ und ſeinen Fal dergeſtalt raͤchete/ daß dieſem Obſieger im andern Treffen/
da
[921]Achtes Buch.
da er zur Erdenſtuͤrzete/ der rechte Arm verrenket ward. Die anderen Anweſende Ritter
wolten nicht muͤſſige Zuſeher ſeyn/ und fingen in ſo groſſer Menge das Stechen an/ daß ih-
nen die ſehr weite Bahn kaum Raum genug gab/ und ließ Arbianes ſich hieſelbſt dergeſtalt
gebrauchen/ daß er in 15 Ritten/ neun anſehnliche Ritter niderlegete. Baldrich und Sieg-
ward/ wie auch Fabius/ gebraucheten ſich nicht minder/ aber Herkules und Ladiſla wolten
weiter ungefodert nicht ſtechen/ darum hielt ſich auch Koͤnig Mnata ein; aber derfremde
Herr tummelte ſich weidlich/ traff auch mit Siegward/ und muſten einander ſitzen laſſen.
Das Stechen verzog ſich uͤber die beſtimmete Zeit/ und ging ſo krauß und bund durchein-
ander/ daß faſt keine Ordnung mehr zuſehen wahr/ daher auch die Richter zum Abzuge
auffblaſen lieſſen. Valiſka (welche nicht anders meinete/ als daß ihr Herkules herunter ge-
ſtochen waͤhre) und mit ihr Sophia/ Lukrezie und Klara/ traten herzu/ die Gewinn außzu-
teilen/ und lieſſen anfangs die beiden erſten vier-Bruͤder herzuruffen/ deren jedem ſie ihr
Bruſtbild an einer Demant Ketchen/ von 4000 Kronen wert um den Hals warff/ und
ſie alſo anredete: Sehet da ihr trefliche uñ unuͤberwindliche ſie greiche Ritter/ nehmet hin
den Dank eures wolverhaltens/ welcher ohn einiges Richters Zweiffel euch gebuͤhret/ uñ
fahret fort/ allen beleidigten zu gute/ eure Waffen zugebrauchen/ mit welchen uͤmzugehen
ihr ſo wol gelehret ſeyd; ich zweifele nicht/ ſie nebeſt ihren Bruͤdern/ werden vor ihrem Ab-
zuge/ wie eilig er auch ſeyn moͤchte/ ihren Nahmen und Stand uns wiſſen zulaſſen/ unbe-
ſchweret ſeyn. Herkules ſahe/ daß er vor ihr nicht laͤnger kunte verborgen ſeyn/ und ſagete
zu ihr auf Mediſch: Wie mein Schaz? kennet ihr mich und euren Bruder nicht mehr? es
iſt aber noch nicht Zeit daß man uns kenne/ ſonſt wuͤrden meine Mit Bruͤder/ Siegward
und Baldrich ſich bald melden. Ging hierauff mit Ladiſla davon/ und ließ ſie in lachender
Freude und Verwunderung ſtehen. Nach ihrem Abſcheide wurden die anderen beide vier
Bruͤder/ auch der anſehnliche fremde/ und Fuͤrſt Olaff gefodert/ denen Koͤnigin Sophia
den andern Dank mit dieſen Worten einhaͤndigte: Weil euꝛe herzhaffte Tugend/ ihr Herꝛn
Ritter/ ſich im heutigen Stechẽ vor vielen andern hat hervorgetahn/ muß ihr der gebuͤhr-
liche Preiß billich bleiben; legete ihnen darauff eine guͤldene Kette mit ihrem Bruſtbilde
an/ welches mit Demanten umſetzet wahr/ auff 2300 Kronen wert. Den dritten Dank or-
dente man Arbianes/ Fabius/ Leches/ Betram/ und zween aus des fremden Herrn Geſel-
ſchafft zu; nehmlich den erſten dreyen eine guͤldene Kette/ mit Koͤnigin Lukrezien Bllde/
welche ſie ihnen ſelber um den Hals warff/ und jede 1800 Kronen außtrug. Den andern
dreyen gab Fuͤrſtin Klara ein gleichmaͤſſiges Geſchenk mit ihrem Bruſtbilde/ und erin-
nerte ſie die Fremden ihrer Schuldigkeit eingedenk zuſeyn/ uñ vor dem Abzuge ſich zunen-
nen. Worauff der fremde Herr ſich gegen Koͤnigin Valiſken tieff neigete/ zog ſeinen Helm
ab/ und ſetzete ſich vor ihr auff ein Knie/ in Meinung/ nach geleiſtetem Hand Kuſſe ſeinen
Gruß abzulegen; weil ſie ihn aber alsbald vor Fuͤrſt Pharnabazus von Suſa kennete/ hub
ſie ihn geſchwinde auff/ umfing ihn mit beiden Armen auffs freundlichſte/ und ſagete zu
ihm: Mein in Ehren herzgeliebeter Herr Bruder und wahrer Freund/ hat eure Liebe die
beſchwerliche Reiſe auff ſich genommen/ uns zubeſuchen/ ſo gibt er dadurch ſeine hohe Ge-
wogenheit mehr als zu viel an den Tag; wil ja nicht hoffen/ daß einige Noht oder Gefahr
denſelben hieher getrieben hat/ auff welchen Fall wir dann weder Muͤhe noch Voͤlker zu
a a a a a ader
[922]Achtes Buch.
der Hochfuͤrſtlichen Verbuͤndniß Dienſte ſparen werden. Er aber gab zur Antwort; ſeine
Ankunfft waͤhre auß keiner andern Urſach/ als bloß aus Getrieb ſeiner herzlichen und un-
tertaͤhnigen Neigung geſchehen/ mit welcher er ihrer Koͤnigl. Hocheit/ auch dero Herꝛen
Gemahl und Bruder zugetahn uñ verbunden waͤhre. Die vermeinete Gefahr haͤtte nichts
auff ſich/ maſſen des Feindes Macht dergeſtalt geſchwaͤchet waͤhre/ daß er ſich in ſeinen Fe-
ſtungen einſchlieſſen muͤſte/ wovon er zu gelegener Zeit Bericht tuhn wolte. Nun erblicke-
te Fabius ohn gefehr dieſes bekante Angeſicht/ ſprengete hin zu Arbianes/ und ſagete; Herꝛ
Bruder ſein Oheim Fuͤrſt Pharnabazus iſt der fremde Herr mit Koͤnigin Valiſken Bild-
niß/ welchen ohn Zweiffel die hohe Begierde nach den beiden Helden hieher getrieben hat.
Dieſer wolte es vor Freuden kaum glaͤuben; weil aber Ladiſla ſeinen getraͤuen Tyriotes/
Obriſten Bubazes und den Teutſchen Wedekind mit entbloͤſſeten Haͤuptern ſtehen ſahe/
gedachte er alſobald/ Pharnabazus wuͤrde verhanden ſeyn/ daher er zu Herkules ſagete;
gilt Bruder/ du haſt heut mit unſerm Freunde Pharnabazus geſtochen. Mit dieſem Wor-
te kam Fabius herzu/ und machte Leches/ was er geſehen hatte/ zuwiſſen; welches Herkules
bewaͤgete/ ſich dieſem nicht allein zuerkennen zugeben/ ſondern ritte mit ſeiner ganzen Ge-
ſelſchafft hinzu/ fand die Warheit/ vergaß ſeiner Verſtellung/ und nach abgezogenem Hel-
me trat er hin/ und hieß ihn mit einem bruͤderlichen umfahen ſehr wilkommen ſeyn; her-
nach baht er umb Verzeihung/ daß er/ wiewol unwiſſend/ wider ihn geſtochen haͤtte. Die-
ſer freuete ſich von ganzem Herzen/ daß kein ander als Herkules ſein Obſieger wahr/ er-
zeigete ihm groſſe Ehre/ und entſchuldigte ſich/ dz er ihn an ſeinem ritterlichen und unver-
gleichlichen Verhalten nicht bald anfangs erkennet haͤtte/ welches nur die gemeine Sage
verhindert/ daß die Koͤnige Herkules und Ladiſla auff ihrer Schau Bühne ſich hielten;
legete ſichs hernach zum ſonderlichen Gluͤk aus/ daß er noch die Ehre gehabt/ mit dem
trefflichſten Ritter der Welt ein Speer zubrechen/ von dem jederman uͤberwunden zuwer-
den/ ſich faſt ſchuldig erkennete. Herkules wolte ſeiner Hoͤfligkeit laͤnger nicht zuhoͤren/ ließ
Ladiſla hinzu treten/ ihn zuempfahen/ und hieß inzwiſchen Bubazes und die uͤbrigen/ un-
ter dem Nahmen ſeiner Freunde und Spießgeſellen ſehr wilkommen ſeyn/ mit dem erbie-
ten/ ihnen die Muͤhe ihrer getahnen Reiſe nach Vermoͤgen zuerſetzen; hernach begab er
ſich wieder zu Pferde/ ritten des Weges nach dem Schloſſe zu/ und muſte Pharnabazus
wider ſeinen Willen zwiſchen Herkules und Ladiſla reiten. Valiſka folgete mit dem an-
dern Frauenzimmer ihnen auff dem Fuſſe nach in ihrer ſchoͤnen Gutſche/ welche ſie zu
Perſepolis empfangen hatte/ und als ſie nicht weit geritten wahren/ begegnete ihnen Ma-
zeus mit 50 Reutern/ welchem Herkules entgegen ſprengete/ ihn zu Pferde umfing/ und zu
ihm ſagete: Mein allerliebſter Herr und wahrer Freund/ ich weiß faſt nicht/ ob ich zu Prag
oder zu Perſepolis mich befinde/ ſo unvermuhtlich iſt mir die Gegenwart meiner geliebten
Herren und Freunde. Mazeus wolte mit vielen Umſchweiffen/ ſeiner Wolberedſamkeit
nach/ antworten/ aber Herkules ſagete/ nach gehaltener Mahlzeit wuͤrde es gelegener ſeyn;
ritten demnach mit einander fort/ und ſahen zur Seiten einen treflichen ausgeputzeten E-
lefanten/ deſſen Valiſka zu allererſt gewahr wurde/ und leicht gedachte/ es wuͤrden etliche
Morgenlaͤndiſche groſſe Freundinnen ſich darauff befinden/ daher ſie ihre Gutſche dahin
wendete/ und die Mediſche Großfürſtin Saptina; Roxanen/ Mazeus Gemahl; Barſe-
nen/
[923]Achtes Buch.
nen/ Pharnabazus Gemahl/ uñ ihre getraͤue Kleofis herunter ſteigen ſahe/ deren ſamt und
ſonders ſie ſich nit wenig freuete/ und mit Fuͤrſtin Klaren alsbald aus der Gutſche ſprang/
ſie zuumfahen. Ihre Unterredung wegen Mangel der Zeit/ wahr kurz/ und daß ſie ſolches
gleichwol gebuͤhrlich verrichten moͤchten/ ſtiegen ſie mit einander auff den Elefanten/ da
Saptina ihre Schnuhr Fuͤrſtin Klaren herzlich umfing/ und ſich aller muͤtterlichen Liebe
und Freundſchafft erboht. Dieſe bedankete ſich kindlich/ trug ihr allen moͤglichen Gehor-
ſam hinwiederumb auff/ und ließ Valiſka ſich zwiſchen ihnen als eine Dolmetſcherin ge-
brauchen; vernam auch mit hoͤchſter Vergnuͤgung/ daß nach Ableben des Erbloſen Fuͤr-
ſten in Aſſyrien Herrn Armametres/ nunmehr Herr Mazeus mit ſelbigen Fuͤrſtentuhm
angeſehen waͤhre/ auff deſſen Todesfal/ weil er keine Leibes Erben haͤtte/ Arbianes in der
Herſchafft folgen ſolte. Auff dem groſſen Saal ging das empfahen von neuen an/ und
wurden die hoͤflichen Gruͤſſe von Artaxerxes/ Phraortes/ und den ſaͤmtlichen Bundsver-
wanten gebuͤhrlich abgeleget; auch erzaͤhlete Pharnabazus nach gehaltener Mahlzeit die
unterſchiedlichen kleinen Schlachten/ welche ſider der Unſern Abzuge vorgangen wahren/
in welchen der Feinde uͤber 60000 erſchlagen/ und 40000 gefangen/ auch alle Parthiſche
Beſatzungen aus Kaſpien/ Hirkanien und anderen Landſchafften der Fuͤrſtlichen Ver-
buͤndniß ausgejagt waͤhren; kurz vor ſeinem Abreiſen haͤtten die Teutſchen/ Boͤhmen und
Roͤmer einen Streiff biß jenſeit Charas gewaget/ daß ſie 480 Kauffmans-Wagen/ ſo aus
Indien nach derſelben Stad gewolt/ angetroffen/ ihre Begleitung/ 5000 ſtark/ niederge-
macht/ und die Beute zu Perſepolis gluͤklich eingebracht; und ob ihnen zwar unterſchied-
liche Voͤlker nachgeſetzet/ haͤtten ſie doch/ als zu ſchwach/ keinen Anfal wagen duͤrffen; der
Raub/ an Baarſchafft/ aͤdelſteinen/ Perlen und anderen koͤſtlichen Waaren/ haͤtte ſich auf
die 15 Million erſtrecket/ wovon ſie dem Perſen Koͤnige Artaxerxes den dritten Teil einge-
liefert das uͤbrige unter ſich brüderlich geteilet/ und ſich wol beraſpelt haͤtten. Betreffend
des Parthiſchen Wuͤterichs Zuſtand/ haͤtte derſelbe uͤber das falſche Geſchrey ihres Un-
terganges auff dem Syriſchen Meer/ ſich hoch beluſtiget/ biß ihm andere Zeitung zukom-
men/ und ſtuͤnde es umb denſelben nunmehr ganz ſchlecht/ wuͤrde ohn Zweifel gerne einen
billichen Vertrag eingehen/ wann man wegen ſeiner begangenen Grauſamkeiten ihm veꝛ-
zeihen wolte. Fuͤrſten Pakorus haͤtte ers zudanken/ daß er noch eines Koͤniges Nahmen
und Anſehen truͤge/ da er zuzeiten annoch ſeinen auffgeblaſenen Stolz und Hochmuht zim-
licher maſſen ſolte blicken laſſen. Vologeſes waͤhre bey ihm in ſchlechtem Anſehen/ welcher
ſich auch des Kriegs haͤtte abgetahn/ und zweifelte man nicht/ Pakorus wuͤrde auch end-
lich den Lohn des Undanks davon tragen. Unter dieſem Geſpraͤch ward der groſſe Gama-
xus (welchen ſie bißher verborgen gehalten) im gewoͤhnlichen Narren Kleide auf den Saal
gefuͤhret/ welchẽ Herkules erſehend/ zu ihm ſagete: Sihe da mein Kerl/ ſo haſtu auch noch
deine Draͤuungen erfuͤllen/ und mich biß in Teutſchland verfolgen wollen/ ungeachtet ich
dir den Reuter Saz nach deiner Ausfoderung gehalten habe. Die anweſende/ ſo ihn vor-
mahls nicht geſehen/ erſchraken uͤber dieſem Ungeheur/ und lieſſen ſich von Valiſken be-
richten/ wer dieſer Unmenſch waͤhre; welcher auff Herkules Rede nichts antwortete/ nur
daß er einen tieffen Seuffzen gehen ließ/ nachdem er ſchon zimlich muͤrbe gemacht wahr.
Auff der Reiſe wahr er kaͤrglich gnug geſpeiſet/ und als Leches ihm etliche grobe Speiſen
a a a a a a ijvor-
[924]Achtes Buch.
vorſetzen ließ/ fraß er dieſelben geitzig in ſich/ und ſagete zu ihm: Mein Herr/ ihr tuht mir
hieſelbſt beſſere Freundſchafft als in Perſen/ und O wolte Gott/ dz ich alhie entweder gnaͤ-
digere Herren/ oder den ſchleunigen Tod/ wie hart er immer waͤhre/ antreffen moͤchte;
woruͤber Herkules zu Mitleiden bewaͤget ward/ daß er ihm von den beſten Speiſen auff-
tragen/ und ſo viel er ſauffen mochte/ des guten Weins einſchenken ließ; da er dann uͤber-
menſchlicher weiſe in die 25 Pfund allerhand niedlicher Speiſe/ und daneben 6 Stuͤbichẽ
Wein einſchluckete; wodurch er die bißher gefuͤhrete Schwermühtigkeit in etwas ablege-
te/ und Herkules alſo anredete: Unuͤberwindlicher groſſer Fuͤrſt und Herr; ich bin zwar
mit harten Streichen genoͤhtiget worden/ mich auff dieſe Reiſe zubegeben/ welches mir
ſehr unwillig eingangen/ in Betrachtung des Spottes/ der mir von unbekanten/ wegen
meines ehemaligen ſehr groben und unverantwortlichen Verbrechens/ auffs neue moͤch-
te angeleget werden/ daher ich dann mein Leben auff dem Meer gerne wuͤrde geendiget ha-
ben/ wann man mich nicht ſo feſt an die Ruderbank geſchloſſen haͤtte; Nachdem ich aber
viel eine groͤſſere Gnade alhier antreffe/ als ich mir einbilden koͤnnen/ ſo zweiffele ich nicht/
Eure Hocheit werde den uͤber mich gefaſſeten hefftigen und gerechten Zorn gnaͤdigſt mil-
tern/ und durch mein Elende ſich bewaͤgen laſſen/ ihre ſo hochgepreiſete Barmherzigkeit
mir mitzuteilen; bitte demnach durch denſelben ſtarken Gott/ welcher Eurer Hocheit mich
uͤberliefert hat/ demuͤhtig und untertaͤhnigſt/ dieſelbe wolle mir ferner Gnade erzeigen/ uñ
der Beſchimpffung der nicht-werten Knaben mich entreiſſen/ alsdann bin ich erboͤhtig/
alles daſſelbe gehorſamſt zuleiſten/ was Eure Gn. von mir begehret und haben wil. Her-
kules antwortete ihm: Ich haͤtte dir dieſen Geiſt/ der dich anjezt unterrichtet/ wol zu jener
Zeit wünſchen moͤgen/ welches dir ſehr vortraͤglich wuͤrde geweſen ſeyn/ und iſt mir lieb/ dz
du nicht allein in der Demuht Schuele ſchon zimlich zugenommen/ ſondern auch meines
Gottes Almacht erkennet haſt/ weiß dir aber auff deine Bitte nichts gewiſſes zuverſprechẽ/
ohn daß ich an den Mediſchen Groß Fuͤrſten ſchreiben/ und eine Vorbitte vor dich einlegẽ
wil/ weil ich uͤber dich nicht zugebieten habe. Großfuͤrſtin Saptina zeigete an/ ihr Gemahl
haͤtte ihn ausdruͤklich mit uͤbergeſchikt/ daß er ſeiner Hocheit vor leibeigen wieder ſolte ein-
geliefert werden/ als eine Gedaͤchtniß ihrer herlichen uͤberwindung. Als Koͤnigin Valiſka
ſolches vernam/ fragete ſie Gamaxus/ ob ihm dann vorerſt ſeine Gotteslaͤſterung/ hernach
ſein begangener Frevel von ganzem Herzen leid waͤhre. Worauff er antwortete: Es waͤh-
re ihm beydes von Herzen leid/ baͤhte auch untertaͤhnigſt/ ihre Hocheit wolten ihm ein kraͤf-
tiges Wort zum beſten verleihen; Er haͤtte bißher ſo viel Spot und Streiche erduldet/ dz
ihm der Hochmuht allerdinge ausgetrieben waͤhre. Ich weiß nicht/ ſagete Valiſka/ ob du
nach dieſem ſo ſtandhafftig dich im guten/ als ehmahls im boͤſen erzeigen koͤnneſt/ und nach
meiner Vorbitte es mir nicht ginge/ als jenem frommen einfaͤltigen Bauren/ welcher ei-
ner in der Hoͤhle verſperreten Schlange/ durch Mitleiden bewogen/ aushalff/ die ihn her-
nach umbringen wolte. Solche Falſcheit/ antwortete Gamaxus/ hat nie in meinem Her-
zen Raum finden koͤnnen/ ſonſten wolte ich mich des Schmeichels fruͤhzeitig befliſſen/ und
mannichem Elende mich entzogen haben; Verſichere demnach Eure Hocheit bey der
hoͤchſten Krafft des Himmels/ daß ich mich aller Untugend enthalten/ und in baͤuriſcher
Arbeit mein Brod gerne verdienen wil/ als viel meine gekruͤmmeten Arme und Beine es
vermoͤ-
[925]Achtes Buch.
vermoͤgen. Ich werde es mit dir verſuchen/ ſagte Herkules/ und nach Befindung deines
Verhaltens mich wiſſen zubezeigen; welches der elende Menſch mit groſſer Herzensfreu-
de annam/ und vor dem Tiſche als einer der geringſten Diener auffwartete. Des folgen-
den Tages kahmen 124 beladene Wagen an mit allerhand herlichen Sachen und Baar-
ſchafften/ welche Pharnabazus folgender geſtalt austeilete: Koͤnigin Valiſka empfing im
Nahmen der vereinigten Fuͤrſten 30 Wagen/ auff welchen 40 Tonnen Goldes an aͤdeln
Steinen/ Perlen/ Golde/ Gewuͤrz und koͤſtlichen Tuͤchern wahren; und noch 20 Wagen
von den Perſiſchen/ Teutſchen und Boͤhmiſchen Kriegs Oberſten/ welche 20 Tonnen
Schaz an Geld und Gut geladen hatten. Koͤnige Herkules und Ladiſla lieferte er 60 Wa-
gen von den vereinigten Fuͤrſten/ beladen mit koͤſtlichem Gewehr/ Harniſchen/ Schwer-
tern/ Hand Bogen/ Pferde Zeuge/ guͤldenen Huefeiſen/ Steiffbuͤgeln und Gebiſſen/ geſtik-
ten Satteln/ und jedem ein ſehr groſſes Trinkgeſchir aus klarem Golde/ mit Demanten
beſetzet/ alles geſchaͤtzet auff 40 Tonnen Goldes. Und endlich Valiſken noch 12 Wagen/
welche 15 Tonnen Goldes/ als fuͤnffjaͤhrige Schatzung wegen des Fuͤrſtentuhms Suſia-
na brachten; Uber welche vielfaͤltige Schenkungen die unſern ſich hoͤchlich beſchwereten.
Auch lieferte Fuͤrſtin Saptina ihrer Schwieger Tochter den treflich geſchmuͤkten Elefan-
ten/ im Nahmen ihres Gemahls Phraortes/ und von wegen Koͤniges Artaxerxes von
Waaren/ Kleinoten/ Perlen/ Gewürz und Baarſchafften auff 10 Tonnen Goldes.
Hernach kam die Geſelſchafft auff das ergangene Stechen zureden/ und gelobete Va-
liſka ihrem Herkules/ weil er ſie dergeſtalt auffgetrieben haͤtte/ und ſeinen Nahmen ihr
nicht melden wollen/ wuͤrde ſie nicht ruhen/ ehe und bevor ihm ein gleiches angebracht
waͤhre/ worzu ſie dann ſchon gute Mittel wüſte/ wie lange ſichs auch verzihen wuͤrde.
Unter dieſer Beredung empfing Koͤnig Mnata ein Schreiben von Maſtyes ſeinem hin-
terlaſſenen Stathalter/ wie daß des erhenketen Dropions Bruder Pines/ ſich ſeiner Leib-
eigenſchaft loßgemacht/ und in elender Geſtalt auff den Grenzen des Koͤnigreichs ange-
langet waͤhre; haͤtte ſich aber daſelbſt ritterlich ausgeruͤſtet/ und wie man ſagete/ nach er-
fahrung des ſchmaͤlichen Todes ſeines Bruders/ etliche Schmachreden wieder den Koͤ-
nig und deſſen jetzige Bedieneten ausgeſtoſſen/ woruͤber er ihn beim Kopfe nehmen laſſen/
und ihrer Koͤnigl. Hocheit zuſenden wollen; zweifelte nit/ dafern er loßkommen und im Koͤ-
nigreiche geduldet werden ſolte/ würde er nicht unterlaſſen/ Dropions uͤberbliebene wieder
auffzuwecken/ und das Reich in neue Unruhe zuſtuͤrzen. Mnata verwunderte ſich dieſer
Zeittung ſehr/ ſo dz er unter dem leſen die Farbe etlichemahl verenderte/ daher des Schrei-
bens wichtigkeit wol vernommen ward/ und Valiſka ſich nicht erhalten kunte nachzufragẽ/
ob es auch in ſeinem Koͤnigreiche wol ſtuͤnde/ deren er zur Antwort gab: Er bedankete ſich
gegen ihre Liebe der getraͤuen Vorſorge/ und ginge daheim noch alles wol zu/ nur daß man
ein unvermuhtliches ſelzames Wild in ſeinem Lande gefangen/ und ihm zugeſchicket haͤtte/
welches er Koͤnig Herkules als eigen uͤbergeben und zufuͤhren laſſen wolte/ ob ers vielleicht
kennen moͤchte/ weil ihrer Liebe der Koͤnigin damit gar nicht gedienet waͤhre. Erteilete daꝛ-
auff den Befehl/ und ließ alle Anweſende in verwunderlicher Begierde/ was Wild dieſes
ſeyn moͤchte. So bald der Unhold an ſeinen ſchweren Ketten in den Saal gefuͤhret ward/
und Herkules ihn ſahe/ ſagte er zu ihm: Wie nun zum Henker? wie ſchmaͤcket dir verwaͤ-
a a a a a a iijgenen
[926]Achtes Buch.
genen das Brod nicht ſo wol auff der See/ als auff dem Troknen/ daß du/ wie ich gaͤnzlich
muhtmaſſe/ durch eine friſche Untaht dich von der Ruderbank hinweg geſtohlen/ und Pan-
nonien wieder geſuchet haſt? erkeñe doch nun dereins/ daß des allerhoͤchſten Gottes Rache
allenthalben hinter dir her iſt/ ſo daß du von neuen in deiner eigenen Heimat mit Ketten
muſt belegt werden/ woſelbſt du am allerſicherſten zu ſeyn/ dir eingebildet hatteſt. So beken-
ne mir nun gutwillig/ auff was Weiſe du loß kommen biſt/ weil ich ohndas die Warheit
von Rom alsbald erfahren/ und da ich dich auff Luͤgen betreffe/ gebuͤhrlich ſtraffen werde.
Der Gefangene/ nach ausgehohletem ſchweren Seufzen/ antwortete ihm: Ich unſeliger
mag wol klagen/ daß das verfluchte Gluͤk mir den Ruͤcken zugekehret/ und nach ehemahli-
gem wolergehen mich in die tiefſte Pfuͤtze aller Wiederwertigkeit geſtuͤrzet hat; und rech-
ne mir nicht vor das ſchlechteſte Ungluͤk/ daß mein ehemahls gnaͤdigſt-gewogener Koͤnig
und Landes Herr/ ohn alles mein Verbrechen mir Ungnade zugeworffen/ ungeachtet vor
ſeine Hocheit und des Landes Wolfahrt ich mich willig gewaget/ und in dieſen leidigen
Stand gerahten bin/ dem ich durch meine Vorſichtigkeit allerdinge meinete entgangen
ſeyn. Warumb trage ich dieſe Ketten? Koͤnig Mnata/ eure Hocheit frage ich; warumb
ſchleppet man mich als einen Ubeltaͤhter gefangen? geſchihets irgend meines Bruders
wegen? ie hat derſelbe mißgehandelt/ mus ja mir unſchuldigen ſolches nicht zugeleget wer-
den; und hat er/ meine ich/ durch einen zuvor unerhoͤrten ſchaͤndlichen Tod ſein Verbre-
chen bezahlen koͤnnen. Zwar Koͤnig Herkules hat Urſach/ mich zu rechtfaͤrtigen/ aber nicht
Koͤnig Mnata/ mich ihm zu übergeben/ wo er ſonſt nicht das Ziel der billichen Belohnung
uͤbertreten wil. Man leget mir zu/ ich habe wieder den Koͤnig geredet. Ich leugne es be-
ſtaͤndig/ und iſt allerdinge unerweißlich/ nur etliche Worte ſind mir aus hohem mitleiden
entfahren/ als ich den elenden Zuſtand meines geliebeten Vaterlandes geſehen habe/ wel-
che meine Wiederwertigen/ ſo vielleicht eine falſche Sorge tragen/ durch ungleiche Aus-
legung mir verkehren/ und dadurch meinen Koͤnig wieder mich auffmachen. Ich bin in
mein Vaterland verſtohlner weiſe kommen/ habe gemeinet daſſelbe in ſeinem ehemaligen
guten Zuſtande wieder zu finden/ aber leider da ich kaum den erſten Fuß hinein geſezt hatte/
ſolch klagen/ ſeufzen/ winſeln und jammern gehoͤret/ daß ich vor Angſt meinete zuvergehen.
Ich fragete/ ob dann alle wehrhafte Mañſchaft durch den Donner vom Himmel herab er-
ſchlagen/ oder durch eine algemeine Seuche nidergefallen waͤhre; und vernam aus der
Antwort/ daß eben der Bliz meinen Koͤnig/ und ſeine drey groſſe Kriegsheer getroffen/
durch welchen ich und meine kleine Geſelſchaft vor Padua verſenget ſind/ ehe wirs noch
recht empfunden. Nun ſehe ich aber/ den Goͤttern ſey dank/ daß mein Koͤnig alhie Koͤnig-
lich gehalten wird/ welches mich in dieſem meinem Ungluͤk ja noch ergetzet/ weil Koͤnigliche
Pannoniſche Hocheit noch nicht gar unter die Fuͤſſe getreten iſt. Ey ſo mag dann mein
Bruder immerhin am Galgen verdorren/ wann nur mein Koͤnig lebendig und ein Koͤnig
bleibet. Ja ich wil dieſe meine Ketten lieber tragen/ weil mein Koͤnig ein Koͤnig bleibet/ als
ohn Ketten in Freiheit anſehen/ daß mein Koͤnig ſolte veraͤchtlich gehalten werden; und
wann mich jemand eines andern uͤberzeugen wird/ wil ich gerne und willig groͤſſere Straf-
fen uͤber mich nehmen/ als ich eine geraume Zeit auff dem Schiffe ſchon erduldet habe; ja
man zureiſſe mich alsdann mit eben den gluͤenden Zangen/ welche meinem Bruder ſind
ange-
[927]Achtes Buch.
angelegt. Und O Dropion O Dropion/ was vor ein Ungluͤk hat mich nach Padua getrie-
ben/ daß ich nicht bey dir bleiben koͤnnen/ deinen verfluchten Ehrgeiz und Hochmuht einzu-
halten/ welcher dich/ deinem eigenen Koͤnige ungetraͤu zu werden/ leider verfuͤhret hat? Ich
beſchlieſſe aber dieſes alles in den Leidens Kaſten meines Herzen/ weil es nicht zuendern ſte-
het/ und damit der Sieges- Fūrſt uͤber alle ſeine Feinde/ Koͤnig Herkules ſehen moͤge/ daß
ich ihm die reine und lautere Warheit vortragen wil/ laſſe ich ſeine Koͤnigl. Hocheit wiſ-
ſen/ daß die taͤgliche/ mehr als hundiſche Straffen/ welche der Kaͤyſer mir dortmahls an-
draͤuete/ mir verdoppelt worden ſind; keine einzige Mahlzeit/ die doch ſehr ſchlecht und ge-
ringe wahr/ reichete man mir/ ohn vorher angelegte Geiſſelung/ das mein Fleiſch ſchon zu
faulen begunte/ und ich in eine beſchwerliche Krankheit fiel; daher man mich der Bande
erlaſſen muſte/ und legte der Arzt allen fleiß an/ mich zuheilen/ nur daß ich umb ſo viel laͤn-
ger koͤnte verwundet werden. So bald ich beſſerung aͤuſſerlich befand/ überfiel mich ein
ſtarkes Fieber/ welches mich ſchwach uñ ohmaͤchtig gnug machete/ aber doch bald verging/
da ich wuͤnſchete mein lebenlang damit behaftet zu ſeyn/ weil mirs ungleich ertraͤglicher als
die Geſundheit wahr. Ich ſtellete mich Zeit der Beſſerung je laͤnger je ſchwaͤcher/ daher
kein Menſch acht auff mein Vorhaben gab. Unſer Schiff lag eine gute Viertelmeile vom
Lande zu Anker/ dann es wahr kein Anfurt des Orts/ welches mich kühn machete/ einen
blinden Gluͤckes fall/ der mir wol ehmahls gerahten wahr/ zu wagen/ weil ich ſahe/ daß zum
wenigſten ich zu ſterben Gelegenheit haben würde; legete als ein Schwacher meine Ni-
derkleider an/ als wolte ich das Gehen wieder lernen/ ſahe mich umb nach dem Ufer/ ergrif-
fe ein Schwert/ und ſchlug den Schiff Herrn mit acht andern (ſo viel freye Leute wahren
nur dazumahl verhandẽ) zu bodem; redete hernach ſechs Teutſche an die Ruder geſchmie-
dete Leibeigene mit mir auff/ zubrach ihre Bande/ ſetzete mich mit ihnen in den Kahn (nach
dem ich etliche der anderen angeſchmiedeten loßgemacht/ und ſie/ mit dem Schiffe davon
zufliehen/ ermahnet hatte)/ und fuhren froͤlich zu Lande. Des Tages lagen wir mehrenteils
in Puͤſchen und Feiſen verborgen; des Nachts nahmen wir den naͤheſten Weg nach Pan-
nonien vor uns/ kaufften auff den Doͤrffern noͤhtige Speiſe/ dann wir hatten Geldes gnug
vom Schiffe mit uns genommen/ und kahmen ohn einige Widerwaͤrtigkeit in Pannonien
an/ da ich dann wie ſchon geſagt/ des Koͤnigs und Vaterlandes Ungluͤk erfahren/ und die-
ſe Ketten/ ehe ich michs verſehen/ an meinen Gliedmaſſen empfunden habe. Iſt es nun/
daß mein gnaͤdigſter Koͤnig Mnata meiner getraͤuen Dienſte ehmahls genoſſen hat; bitte
ich untertaͤhnigſt/ ihre Hocheit wolle bey Koͤnig Herkules durch ihre kraͤftige Vorbitte an-
halten/ daß ich den Roͤmern nicht wieder uͤberliefert werde/ nachdem die guͤnſtigen Goͤtter
mich von denſelben loßgewirket haben; kan aber ſolche meine Freyheit auff andere weiſe
nicht erhalten werden/ ſo bitte ich umb den Tod bin auch wol zu frieden/ und bereit/ daß ich
bey meinem Bruder auffgeknuͤpffet werde. Dieſe lezten Worte bewaͤgeten die ganze Ge-
ſelſchafft zur Erbarmung/ aber ſein Koͤnig gab ihm zur Antwort: Was du bey mir ſucheſt/
ſtehet nicht in meiner Gewalt; ſo haſtu ohn mein Vorwiſſen und Befehl zu jener Zeit den
Kampff unter der Bedingung begehret/ daß entweder dein Feind oder du/ leibeigen ſeyn
wolteſt/ welches ich an/ dir als an einem verwaͤgenen mutwilligen Menſchen billich tadele/
und nicht zuendern weiß/ was du vorſezlich dir uͤber den Halß gezogen haſt. Sonſten ge-
ſtehe
[928]Achtes Buch.
ſte ich/ daß du mir vor dieſem mannichen guten Dienſt geleiſtet/ und ſich keiner gefunden/
der deines Bruders Verraͤhterey dich mit beſchuldiget haͤtte/ daher ich/ in Anſehung dei-
nes hitzigen Jach Zorns/ dir deine außgeſtoſſene Reden/ weil du ſie bereueſt/ wol verzeihen
koͤnte/ aber das uͤbrige/ wie du hoͤreſt/ iſt nicht in meinen Haͤnden. Dieſer ſahe betruͤbt vor
ſich nider/ durffte auch bey Herkules wegen ſeines gar zu ſtarken Verbrechens umb keine
andere Gnade anhalten/ als daß er untertaͤhnigſt baht/ ſeine Hocheit moͤchte an den ſchon
ausgeſtandenen herben Straffen ſeinen Zorn gnaͤdigſt brechen/ und ihm einen ſchleunigen
Tod/ es waͤhre gleich mit dem Schwerte oder Strange/ wiederfahren laſſen/ nur daß er
den Roͤmern nicht uͤbergeben würde. Worauff ihm Herkules zur Antwort gab: Ich
moͤchte dir dieſen demuͤhtigen Geiſt/ Zeit unſers Kampffs/ oder kurz hernach/ wol gegoͤn-
net haben/ alsdann würdeſtu mehr Guͤte und Barmherzigkeit bey mir haben gefunden/
als du dir irgend magſt einbilden koͤnnen; Zwar mein Zorn hat nie kein mahl von einigem
Menſchen ſchwerere Rache begehret/ als die Buſſe/ geſchweige/ daß ich ihm den Tod anzu-
legen ſolte getrachtet haben/ welchen du jezt als eine ſonderliche Gnade ſucheſt; aber beden-
ke nur ſelber/ ob ich ohn Verletzung meiner Redligkeit anders koͤnne/ als dem Roͤmiſchen
Kaͤyſer dich wieder zuſenden; dann unterlieſſe ich ſolches/ wuͤrde deſſen Hocheit von mir
halten/ ich billichte deinen Mord/ welchen du ſelbſt eigener Bekaͤntniß nach/ an neun un-
ſchuldigen Menſchen begangen haſt. Jedoch/ daß du meine Gnade und Gewogenheit/ die
du nicht verdienet/ erkennen moͤgeſt/ wil ich dich ſo lange in gewarſamer Hafft behalten/
und an Roͤmiſche Kaͤyſerl. Hocheit ſchreiben/ ob dieſelbe dich mir laſſen koͤnne; alsdann
ſoltu auff Beſſerung deines Lebens erfahren/ daß ich ja ſo bereit und willig bin zuverzeihẽ/
als du ehmals zubeleidigen. Dieſer durch Ungluͤk gezaͤhmeter Menſch hatte ſich dieſer
Gnade nicht verſehen/ taht einen wehmuͤhtigen Fußfal vor der ganzen Geſelſchafft/ und
nach getahner herzlichen Dankſagung vor angebohtene Gnade/ hielt er bey Koͤnigin Va-
liſken an/ wie auch bey Koͤnig Ladiſla/ und den anweſenden Roͤmiſchen Herren/ ihm bey
Kaͤyſerl. Hocheit mit ihrer kraͤfftigen Vorbitte zu huͤlffe zukommen; welches ihm al-
lerſeits verſprochen ward/ und ließ ihm Herkules auff Koͤniges Mnata Einwilligung die
Ketten abnehmen/ und Ritterliche Kleider anlegen/ daß er neben Gamaxus (dem das
Narren Kleid auch ſchon abgenommen wahr) auffwartete. Weil auch nachgehends der
Kaͤyſer ihn auff ſolche Vorbitte Herkules ſchenkete/ ſprach derſelbe ihn nicht allein frey/
ſondern machete ihn zum Oberſten uͤber 2000 Pannoniſche Reuter/ die mit Arbianes
fortzogen/ da er nach angenommenem Chriſtlichen Glauben ſich in Perſien gegen die Par-
ther ſehr wol gehalten/ und in einem Treffen/ nach Erlegung einer groſſen Menge Feinde/
ſein Leben ritterlich eingebuͤſſet hat.


O wie eine herliche und Chriſtliche Tugend iſt die Verſoͤhnligkeit/ deren unſer Her-
kules ſo gar ergeben wahr/ daß er ſeinen grauſameſten Feinden/ ungeachtet alles ſchaͤndli-
chen Wiederdrieſſes ſolcher geſtalt vergeben kunte/ als haͤtten ſie ihm nie kein Leid getahn;
welches ja an Gamaxus und dieſem Pines Sonnenklar erſcheinet. Seine Freunde hiel-
ten ihm offt vor/ er uͤberginge faſt die Grenzen der Sanfftmuht/ aber er pflag ihnen zuant-
worten; ſein Heiland JEſus waͤhre noch viel ſanfftmühtiger geweſen/ als welcher nicht
allein ſeinen Feinden nach ergangener Buſſe gerne verzihen/ ſondern auch mitten in der
gewalt-
[929]Achtes Buch.
gewaltſamſten Ungerechtigkeit ſich ihrer erbarmet/ welches er am herben Kreuz augen-
ſcheinlich dargeleget/ als er vor ſeine Feinde gebehten/ da er geſprochen: Vater vergib ihnẽ/
ſie wiſſen nicht was ſie tuhn Ja der hocherleuchtete Paulus in ſeinem Sende Brieffe an die
Roͤmer zeugete/ daß der Sohn Gottes nit allein ſeinen damahligen Verfolgern und Moͤr-
dern dieſe Gnade erzeiget/ ſondern gleicher Geſtalt das ganze menſchliche Geſchlecht gelie-
bet/ und vor dieſelben ſich in den abſcheulichſten Tod dahin gegeben haͤtte/ da ſie annoch ſei-
ne Feinde/ teils in heidniſcher Blindheit/ teils im judiſchen Unglauben/ teils in gotloſem
Wandel wahren. Und daß wir Menſchen ihm ſolches ablernen ſolten/ geboͤhte er ſelber mit
dieſen Worten; Lernet von mir/ dann ich bin ſanftmuͤhtig und von Herzen demuͤhtig/ ſo werdet ihr
Ruhe finden vor eure Seele. Daneben haͤtte er gnugſam wiſſen laſſen/ daß ein unbarmherzi-
ges Gerichte wieder die Unbarmherzigen ergehen ſolte/ und der unverſoͤhnliche Haß den
Menſchen nicht allein in den Augen Gottes unwert machete/ ſondern gar in die Hand der
unbarmherzigen Teuffel zur ſchreklichen Verdamniß uͤbergaͤbe; deßwegen wolte er Zeit
ſeines Lebens ſich inſonderheit der verſoͤhnlichen Guͤtigkeit befleiſſigen/ und ſo oft ihn ein
fleiſchlicher Stachel zur Rachgier antriebe/ ſich ſelbſt zwingen/ und ſeinen Feinden ja ſo viel
gutes/ als ſeinen Freunden erzeigen. Wann ihm dann eingeworffen ward/ die Muhtwilli-
gen wuͤrden dadurch nur frech/ und verlieſſen ſich auff ſeine Guͤtigkeit; ſagete er; ſolches
wuͤrde GOtt an denen ſchon zuſtraffen wiſſen/ er wolte daſſelbe ſo eigentlich nicht nachgruͤ-
beln/ ſondern ſich nach CHriſtus Befehl richten/ jedoch alſo/ daß den boßhafftigen nicht
Urſach zufuͤndigen/ viel weniger Freyheit darzu geben wuͤrde. O du allerſchoͤnſte Sanft-
muht/ wie angenehm macheſtu den Menſchen vor den Gnaden-Augen unſers Heylandes
JEſus/ des allerſanftmuͤhtigſten. Aber wie ſaur gehet es den Weltergebenen ein/ daß ſie
ihren Feinden nicht allein vergeben/ ſondern auch wol tuhn ſollen. Der teure Herkules
wahr nicht ſo irdiſch geſinnet/ und ruͤhmete dißmahl Koͤnig Noteſterich an ihm/ daß er ei-
nes ungluͤklichen Menſchen ſein Elend ſo wol zu Herzen faſſen koͤnte; nicht/ daß er dieſes
Pannoniers Verbrechen gut hieß/ ſondern/ weil er in deſſen Herzen eine wahre Reue ſeines
begangenen Ubels ſpuͤrete. Sonſten wahr dieſe Fuͤrſtliche Geſelſchaft nebeſt den morgen-
laͤndiſchen Gaͤſten in aller zugelaſſenen Luſt ſehr froͤlich/ und begehrete einsmahls Valiſka
von ihrem Herr Vater/ ihr den endlichen Verlauff ſeiner Leibeigenſchaft zuerzaͤhlen/ wel-
chen ſie vor dieſem/ wegen zu heftigen Mitleidens nicht anhoͤren koͤnnen; worin er ihr ger-
ne zu willen wahr/ und in beiſeyn aller ſeiner Anverwanten und der Koͤnige/ alſo fortfuhr:
Ob zwar meine jetzige Vergnügung/ die ich an den lieben meinigen habe/ mir den groͤſten
Teil meines uͤbeꝛſtandenẽ Ungluͤks aus dem Gedaͤchtniß entꝛiſſen/ wil ich doch/ ſo viel moͤg-
lich/ mich wieder beſinnen/ damit die Nachkommen wiſſen/ in was vor Elend ehmahls ein
herſchender Koͤnig gerahten; auch meines gleichen gewaltige daher lernen/ ſich ſelbſt zuer-
kennen/ und daß/ wann Gott ſtraffen wil/ er ſo leicht einem Koͤnige als armen Betler die
Zucht Ruhte binden kan. Und zwar muß ich nach erlangetem Chriſtentuhm bekennen/ daß
mein damahl auffgeblaſenes ſtolzes Herz ſolcher Zuͤchtigung wol benoͤhtiget wahr; dann
ich furchte mich vor niemand/ verließ mich auff meine Macht/ und auff meine Nachbar-
Freunde/ und meinete nicht/ daß mir ichtwas dergleichen haͤtte zuſtoſſen koͤnnen; daher
muſte mein Gott mich zur Erkaͤntniß meiner ſelbſt bringen/ wie er dann (ihm ſey Dank in
b b b b b bEwig-
[930]Achtes Buch.
Ewigkeit) ſolches rechtſchaffen getahn hat. Ich eriñere mich/ ſchon gemeldet zuhaben/ was
geſtalt der eine Raͤuber mich mit dem drittel einer Krone vom Tode loßkauffte/ worauff ich
meinete/ nunmehr aller Lebens Gefahr entgangen ſeyn/ und fiel noch immer tieffer darein/
wie ihr werdet zuvernehmen haben. Mein Herr/ der mich gekaufft hatte/ wahr ſeines Alters
54 Jahr/ hatte ein junges/ zwar nicht heßliches aber ſehr freches Weib/ die ihn nur zum
Schanddeckel zur Ehe genommen hatte/ und ohn alle Scheuh vielfaͤltige Unzucht trieb/
wozu dieſer Geduldige durch die Finger zuſehen gezwungen ward/ wolte er ſonſt Gewogen-
heit im Hauſe/ und raum am Tiſche haben. Ich hatte ſolches ſchon gemuhtmaſſet; maſſen
da wir auff der Heimreiſe wahren/ er von ſeiner Geſelſchafft zimlich auffgezogen/ und be-
fraget ward/ ob er mich mit einnehmen/ und ſeinem Weibe mich wuͤꝛde ſehen laſſen duͤꝛfen;
wie es dann in Warheit nicht anders erging; dann als er ſeiner Wohnung nahete/ geboht
er mir/ ich ſolte mich gegen niemand merken laſſen/ dz ich von ihm gekauͤfft waͤhre/ ſondern
mich halten/ als gehoͤrete ich einem andern zu. Ich wahr gehorſam/ und trat mit meiner
knechtiſchen Kette hinter ihm her/ welcher Stand mir dannoch/ in Betrachtung der vori-
gen elenden Gefaͤngniß/ als eine ſonderliche Himmels Gunſt und Freyheit gedauchte. Das
Hauß funden wir vol fremder Gaͤſte/ welche/ weil die Frau eine offene Schenke hielt/ weid-
lich umzecheten/ und meinen Herrn nach ſchlechtem wilkommen zu ſich ſitzen hieſſen. Sein
Weib wahr halb beraͤuſchet/ und empfing ihn mit dieſer Freundligkeit: Wie du altes un-
nuͤtzes Raben Vieh/ ſagete ſie/ hat dich alles Ungluͤk ſchon wieder daher geführet? ich mei-
ne/ du werdeſt dich deiner Haut gefuͤrchtet/ und deine Geſelſchaft verlaſſen haben/ die in
kurzem ihre Weiber mit reicher Beute erfꝛeuen weꝛden/ da hingegen ich dich ernehꝛen muß;
O daß du im erſten Tritte den Hals gebrochen haͤtteſt/ da du zu meiner Hauß Tuͤhr eintra-
teſt/ und mich freieteſt. Tuhe gemach liebes Kind/ antwortete er/ ich bin zu dem Ende nicht
außgezogen/ nur muͤde Beine zuholen/ habe auch nicht etwa einem Haſen oder Fuchſe nach-
geſtellet/ ſondern an unſern ungetraͤuen Nachbarn den Boͤhmen mich zur Gnuͤge gerochẽ/
und hat das Gluͤk unſerer Geſelſchafft ſo wol gewolt/ daß jeder zu ſeinem Anteil 1800 Kꝛo-
nen Baarſchafft/ und 2000 Kronen an markfeilen Guͤtern erbeutet/ welche inwendig eineꝛ
Stunde alhie ſeyn werden. Das heiſt dich GOtt ſprechen/ ſagete ſie/ ich hatte mir ſonſt
ſchon vorgenommen/ dein muͤſſig zugehen/ und vor mich allein zuleben/ wie ich dann mein
Brod ohn dich wol gewinnen kan; aber nun werde ich mich eines andern beſinnen/ jedoch
dafern du bald wieder fort wandern/ und dieſem guten Gluͤk weiter nachſetzen wirſt. Laß
mich zuvor wiederkommen/ antwortete er/ und etliche Wochen oder Tage außruhen; ich
bin ja kein Hund/ daß ich immerzu lauffen ſol; ſo muß ich auch zuvor meine Beute anle-
gen/ und gute Laͤnderey davor kaͤuffen. Darauff foderte er Eſſen/ und ließ mir auch ein ver-
worffenes Steinhartes Rindichen geben/ dabey ich einen friſchen Trunk Waſſer bekam/
und ſolche duͤrre Mahlzeit mir noch zimlich ſchmeckete. Kaum hatte ich ſolche Speiſe ein-
geſchlukt/ ſahe mich ſein Weib hinter der Hauß Tuͤhr ſitzen/ und fragete ihn/ wer ich waͤh-
re. Er gab vor/ ich waͤhre ihm zum Leibeigenen geſchenket/ und hoffete er/ ich wuͤrde mein
Brod verdienen koͤnnen. Worauff ſie mich eigentlich beſahe/ und muſte ich vor ihr hin und
hergehen; weil mir dañ ſolches zimlich ſaur ward/ auch der Ruͤcken mir krum ſtund/ die
Haar auff dem Haͤupte und im Barte ſehr verwirret wahren/ und wenig ſeines an mir er-
ſchien;
[931]Achtes Buch.
ſchien; gab ſie mir mit dem Pruͤgel/ den ſie ſtets in Haͤnden trug/ drey oder vier Streiche
uͤber den Ruͤcken/ daß ich vor Schmerzen meinete in Ohmacht zuſinken; noch muſte ich
nicht eins ſaur darzu ſehen/ weil ich in Hoffnung lebete/ ſie wuͤrde mir Barmherzigkeit er-
weiſen; worin ich mich ſehr betꝛogen fand/ geſtaltſam ſie mit dieſen Woꝛten heraus brach:
was ſolte mir der unnuͤtze Greiſe/ der ſeinen halb todten Leib kaum ſchleppen/ ja das Haar
nicht eins ſtraͤhlen kan? flugs daß man ihn niderſchlage/ und meine Teich-Hechte damit
ſpeiſe. Zu meinem Gluͤk wahr niemand verhanden/ welcher dieſen Befehl leiſten kunte/ uñ
ſetzete ich mich vor ihr auff die Knie/ mit heiſſen Traͤhnen bittend/ meines Lebens zuſchonen/
weil ja kein Fleiſch an mir waͤhre/ davon die Fiſche zu zehren haͤtten; ſie moͤchte mir bloß
das Leben goͤnnen/ und mit der allergeringſten Speiſe mich unterhalten; ich wuͤſte mit auf-
erzihung der Gaͤnſe und Huͤhner wol umzugehen/ deren ich eine groſſe Menge auff ihrem
Hofe geſehen haͤtte/ wolte ihrer deꝛgeſtalt huͤten/ daß man meinen Fleiß ruͤhmen ſolte. Das
mag dir alten Huſter den Hals friſten/ antwortete ſie/ weil ich gleich dieſen morgen meinen
Gaͤnſe Hirten wegen ſeines Verbrechens erſchlagen laſſen; ſo lege dich nun dort in jenen
Winkel (da gleichwol noch eine Handvol Stroh hingeworffen wahr) zur Ruhe; morgen
fruͤh wil ich dir die Gaͤnſe groß und klein laſſen zuzaͤhlen/ und dafern du mir die Zahl nicht
wieder lieffern wirſt/ muſtu es mit deinem Blute bezahlen. Ich gelobete alle Traͤue uñ Fleiß
an/ machete mich des morgens mit meiner Gaͤnſe-Heerde/ 500 Stuͤk/ groß und klein/ auff
die Weide/ bildete mir dabey meine ehemalige Herſchafft uͤber meine Untertahnen ein/
und wie ich mich deꝛen Schuz muſte laſſen angelegen ſeyn/ alſo hatte ich noch groͤſſere Muͤ-
he bey dieſem Feder Vieh/ es zuverteidigen/ maſſen der Geier mir den jungen Gaͤnßlein
immer nachtrachtete/ und wie fleiſſige Auffſicht ich gleich hatte/ ſo entfuͤhrete er mir doch
znm offtern deren etliche/ an welcher Stelle/ mein Leben zuretten/ ich mich des Diebſtahls
behelffen/ und den andern/ ſo neben mir huͤteten/ die ihren entwenden muſte/ welche ich da-
heim in meinem Stalle aufferzog. Nun befand ich mich dieſe Sommerzeit uͤber zimlich
wol auff/ dann ich kunte mich an der Sonnen fein waͤrmen/ ging zuzeiten umb mein Vieb
her/ bißweilen ſtreckete ich mich im Graſe aus/ und fehlete mirs an Waſſer und Brod
auch nicht; und weil die Alt Frau meinen Fleiß ſahe/ warff ſie mir des Abends etliche
Fleiſch Broͤklein zu/ und begoßmir das duͤrre Brod mit der uͤbergebliebenen Bruͤhe/ wo-
vor ich ihr ſehr dankete/ und ihr das Holz in die Kuͤche trug. Hingegen wahr der Frauen
Leib Magd mir ſehr gehaͤſſig/ daß ſie nie ohn ſtoſſen und ſchlagen neben mir her trat/ wel-
ches mit Geduld zuverſchmerzen/ ich ſehr wol gelehret wahr. Als der Herbſt heran trat/
und der groͤſte Teil meiner Gaͤnſe verkaufft wahr/ da ſolte ich ſchwere Haußarbeit verꝛich-
ten/ Holz ſpalten/ Korn droͤſchen/ Futter ſchneiden/ die Staͤlle miſten/ und mit zu Acker
fahren/ die Pferde vor dem Pfluge zutreiben/ welches mir unmoͤglich wahr/ nicht daß ich
die Arbeit nicht haͤtte faſſen koͤnnen/ ſondern weil mein gebrechlicher Ruͤcken es nicht er-
tragen wolte/ daher ich ſehr kaͤrglich geſpeiſet ward/ und ſchlug das Ungluͤk mit darzu/ daß
meine gewogene Alt Frau mit Tode abging/ und obgedachte Leib Magd an ihre ſtelle ge-
ordnet ward; da ging erſt mein Herzleid an/ daß ich entweder zuſterben/ oder bey dem Koͤ-
nige mich zumelden/ entſchloſſen wahr; dann wofern die anderen Knechte mir nicht ihrer
Speiſe etwas mitgeteilet haͤtten/ würde ich ſchon vorlaͤngſt des Hungers verſchmachtet
b b b b b b ijſeyn.
[932]Achtes Buch.
ſeyn. Endlich beſan ich mich eines andern/ da einsmahls unterſchiedliche unzuͤchtige Bu-
ben in des Hauswirts Abweſen ſich mit dem Weibe in unzimlicher Luſt ergetzeten/ und
einen Spielman mit der Sakpfeiffe fodern lieſſen/ gab ich mich an/ ich haͤtte auch in mei-
ner Jugend ſolches Spiel gelernet/ foderte die Sakpfeiffe/ und machete ein Liedlein auff/
welches ihnen ſaͤmtlich ſo wol gefiel/ daß ich hernach ihr taͤglicher Spielman ſeyn muſte/
und mit guter Koſt gelabet ward. Aber dieſe guͤldene Zeit wehrete kaum vier Monat/ und
verkehrete ſich in jaͤmmerliches Herzleid; dann es hatte mein Hauß Herr einen Bruder/
der am Koͤniglichen Hofe ein zimliches galt/ und wegen ſeiner Leibes Kraͤffte zum Oberſtẽ
uͤber 2000 zu Fuſſe geſetzet wahr; dieſer hatte in Erfahrung bracht/ was geſtalt ſeines ein-
faͤltigen Bruders Weib Hauß hielte/ und ihr Mann durch die Finger zuſehen gezwungẽ
wuͤrde; woruͤber er ſich hoͤchlich betruͤbete/ und die Rache ihm vornam/ die er ſehr grau-
ſam volſtreckete; maſſen/ als wir einsmahls in meines Herrn Abweſen eine gute Geſel-
ſchafft gemacht hatten/ ſo daß fuͤnff unzuͤchtige Buben bey ihr zecheten/ und allen Muht-
willen mit ihr trieben/ ich aber meiner Gewohnheit nach/ auffſpielen muſte/ hoͤreten wir/ dz
die Hauß Tuͤhr mit Gewalt auffgebrochen ward/ worauff geſchwinde zehn Gewapnete zu
uns ins Gemach traten/ unter denen obgedachter Oberſter vorne an ging/ und aus ſeinen
fuͤnkelnden Augen leicht ſpuͤren ließ/ daß er nichts gutes im Sinne hatte. Es wahr eine
Stunde vor Mitternacht/ und hatte die Frau zu ihrem Unglük ſich mit der Gaͤſte einem
in die Neben Kammer verfuͤget/ woſelbſt ihr Schwager ſie ſamt dem Buben faſt gar un-
gekleidet antraff/ und nach Verweiſung ihrer Unzucht ſie beyde niderſaͤbelte. Dazumahl
erwog ich mich des Lebens/ weil bald darauff die uͤbrigen viere hinter dem Tiſche erſchlagẽ
wurden/ und ich mich nicht haͤtte retten koͤnnen/ wann nicht der Oberſte ſeinen Knechten
zugeruffen/ man ſolte den Spielman leben laſſen/ damit man aus demſelben durch aller-
hand Peinigung die Warheit braͤchte; auff welchen Befehl ich ganz unwirſch gefeſſelt/
und wol verwahret ward. Ich hingegen ſuchete auff allerhand weiſe mein Leben zufriſten/
baht den Oberſten ſehr/ mich zuhoͤren/ mit dem Verſprechen/ daß ich von allem was ich
wuͤſte/ getraͤulich erzaͤhlẽ wolte; beklagete anfangs meines lieben Herrn Unfal/ deſſen mich
von Herzen gejammert haͤtte/ als deſſen leibeigener Knecht ich waͤhre/ der mich aus Boͤh-
men gefangen hinweg gefuͤhret/ und zu ſeinem Gaͤnſe Hirten beſtellet/ biß vor etlichen Mo-
naten das unzuͤchtige Weib in Erfahrung gebracht/ daß ich ſpielen koͤnte/ daher/ groͤſſere
Koſten zumeiden/ ſie mich vor ihren Spielman gebrauchet; und als ich hierauff befehlichet
ward/ des Weibes Leben und Wandel zuerzaͤhlen/ entſchuldigte ich zuvor meinen Herrn/
und daß er nicht vermocht haͤtte/ des frechen Weibes Boßheit zuhintertreiben; hernach
zeigete ich an/ daß alle Leibeigene und ander Geſinde/ wenig ausgenommen (die ich nahm-
hafftig machete) ihrem Herrn untraͤu geweſen/ und es mit dem loſen Weibe gehalten haͤt-
ten/ welche ihn nicht als einen Ehe Herrn/ ſondern recht hundiſch gehalten; brachte auch
ungeſcheuhet hervor/ was ich mit meinen Augen ſelbſt geſehen/ und mit meinen Ohren an-
gehoͤret hatte/ und nennete acht abweſende/ welche alle mit ihr Unzucht getrieben/ ob ſie
gleich ihre Ehweiber haͤtten. Die Magd/ welche zur Altfrau geſetzet wahr/ widerſprach
mir hefftig: Ihre Frau waͤhre ehrlich und from/ und alles von mir ſchaͤndlich erlogen.
Ich dagegen zeigete an/ daß eben dieſe die rechte Kuplerin waͤhre/ und an dem Verbrechen
die
[933]Achtes Buch.
die groͤſte Schuld truͤge/ daher man ſie feſte band/ und biß auff ihres Herꝛn Wiederkunft
verwahrete. So bald dieſer zu Hauſe kam/ und ſeines Bruders Rache (welcher noch ge-
genwaͤrtig wahr) in Erfahrung brachte/ wahr ihm ſolches ſehr lieb/ bekraͤfftigte meine Re-
den/ und ließ die Magd peinlich fragen/ welche dann alles geſtund/ und von dem Oberſten
ſeinen zehn Kriegsgurgeln den ganzen Tag preiß gegeben ward/ hernach ließ er ſie in die
Hauß Tuͤhr auffhenken/ und die andern ungetraͤuen Dienſtbohten nidermachen. Jezt/
gedachte ich/ waͤhre es Zeit/ umb meine Freyheit anzuhalten/ haͤtte ſie auch ohn zweifel er-
langet/ wann nicht der Oberſte gar zu groſſes belieben zu meinem elenden Spielwerk be-
kommen haͤtte; dann ich gab mich bey meinem Herrn an/ und hielt ihm vor/ weil wegen
meiner Leibesſchwacheit ich ihm wenig nuͤtzen koͤnte/ moͤchte er mich mit der Freyheit an-
ſehen; ja/ ſagte ich/ weil ich ſeine redliche Froͤmmigkeit nunmehr gnug erkennet haͤtte/ wol-
te ich nicht unterlaſſen/ ihm meinen eigentlichen Zuſtand zuentdecken/ wie nehmlich ich
kein Boͤhme/ ſondern ein Wendiſcher Freyherr waͤhre/ von groſſen Mitteln und Reich-
tuhm; wann er nun Luſt haͤtte mit mir zuzihen/ wolte ich ihn Zeit meines Lebens als einen
Bruder halten/ und ihm ein ſtatliches Land Gut verehren/ ja alle meine Wolfahrt mit ihm
gemein haben. Welches dieſer ihm ſehr wol gefallen ließ/ und mir alles nach Willen ver-
ſprach; jedoch fingen wirs leider nicht klüglich gnug an/ weil auſſer Zweifel mein frommer
Gott/ den ich dazumahl noch nicht kante/ mich noch etwas beſſer in die Leidens Schuele
fuͤhren wolte. Dann mein Herr meldete ſeinem Bruder an/ daß er willens waͤhre/ mich ei-
nen gebohrnen Wenden mit der Freyheit zubegnaden/ weil ich ihm ſo traͤulich gedienet
haͤtte. Derſelbe aber/ wie er dann ein uͤber alle maſſe verwaͤgener frecher Menſch war/ gab
ihm mit grimmigen Geberden zur Antwort/ Er ſolte das Maul halten/ und ſolcher Ge-
danken ſich begeben/ oder er wolte uns alle beyde niderhauen. Ich hoͤrete ſolches an/ und
flehete dem Oberſten demuͤhtig/ ſich nicht zueifern/ maſſen ich willig und bereit waͤhre/ ſei-
nes Willens zuleben. Das hieß dich dein Gluͤk ſprechen/ antwortete er mir/ und gedenke
nur nicht/ daß du aus meinem Dienſt kommen werdeſt/ weil ich lange nach einem ſolchen
Spielmanne getrachtet habe; brach auch bald auff/ und fuͤhrete mich mit ſich/ hielt mich
auch ſehr unbarmherzig/ daß ich mir offt den Tod wuͤnſchete/ und es vor unmoͤglich achte-
te/ mein Koͤnigreich wieder zu ſehen/ daher mir zuzeiten die Gedanken einfielen/ ich wolte
mich etwa vor einen vom Adel bey ihm angeben/ ob ich etwas gelinder moͤchte gehalten
werden; aber als ich gleich des vorhabens wahr/ vernam ich ohngefehr aus ſeinen Reden/
wie gehaͤſſig er dem Adelſtand waͤhre/ wuͤrde mir alſo noch eine ſchaͤrffere Ruhte zu meineꝛ
Straffe gebunden haben. Muſte demnach in groſſer Geduld und kleiner Hoffnung die-
ſem frechen Menſchen ein Jahr und 31 Wochen meine Dienſte leiſten/ welche dieſe wah-
ren: Die Mahrſtaͤlle reinigen/ Pferde und Ochſen traͤnken/ und vor andern Knechten die
unflaͤtigſte Arbeit verrichten; das wahr mein Tagewerk; hernach wann das andere Ge-
ſinde ſich zur Ruhe legete/ muſte meine Sakpfeiffe wache und munter ſeyn; dann mein
Oberſter wahr ein Erz-Schwelger/ ſchlief des Tages/ und ſoff des Nachtes mit ſeinen
Zech-Bruͤdern/ daß ich offt in zehn Tagen die Kleider nicht vom Leibe zihen durffte. Es
fand ſich einsmahls ein ander Oberſter ſeines gleichen bey ihm/ welcher einen ſonderlichen
Grol auff mich warff/ und mich mit meiner Sakpfeiffe vor ſeinen Augen nit leidẽ mochte/
b b b b b b iijbegeh-
[934]Achtes Buch.
begehrete demnach an meinen Herꝛn/ mit ihm umb mich zu ſpielen/ und gegen mein Haͤupt
acht Kronen auffzuſetzen; als nun mein Herꝛ ihn fragete/ ob er ſonderliche beliebung zu mir
truͤge/ und dieſer freche Bube zur Antwort gab: Ja er haͤtte Luſt/ mich am Galgen bam-
meln zu ſehen/ wolte dannoch mein Herr/ ohnzweifel durch Gottes ſonderliche ſchickung/
darein nicht willigen/ ſondern befahl ſeinem Leibdiener/ mich hinweg zu ſchaffen/ biß ſein
Gaſt ſeinen Abzug genommen haͤtte; alſo ward auch dißmahl mein Leben gerettet/ welche
Gnade meinem Herrn zuvergelten/ ich auff dieſe Weiſe bedacht wahr.: Es hatte meiner
Mitknechte einer/ ein gebohrner Mantuaner und abgefeimter Dieb/ meinem Herrn den
Geldkaſten heimlich auffgediedrichet/ und einen guten Schaz daraus genommen/ welchen
er im Pferdeſtalle vergrub/ der Meynung/ ihn heimlich wegzubringen. Ich lag in einem
finſtern Winkel/ und ward durch ſeine Arbeit vom Schlaffe erwecket/ ſahe ſeinem weſen
zu/ uñ gedachte mir ſolches zu nuͤtze zu machen/ deswegẽ ich zu meinem Oberſten mich ver-
fuͤgete/ und ihm den Diebſtahl anzeigete/ weil ich ſchuldig waͤhre/ ſein beſtes zuwiſſen/ und
ſeinen Schaden zuverhüten; moͤchte nur nachgraben laſſen/ und ferner nach ſeinem willen
ſchaffen. Er lieff ſelbſt mit mir hin/ befahl alsbald den Dieb zu greiffen/ und mich nachgra-
ben/ funden das gepregete Gold in zimlicher menge/ und meinete ich nunmehr den Nahmẽ
eines getraͤuen Knechtes verdienet zu haben/ da ich umb ein Haar als ein Dieb haͤtte ſter-
ben muͤſſen; dann dieſer gottloſe Taͤhter nach ausgeſtandener Peinigung/ gab an; er und
ich zugleich haͤtten dieſen Diebſtal verrichtet/ ſo daß er das Gold gelanget/ und ich auff der
Huht geſtanden/ damit wir nicht dabey ertappet wuͤrden; und nachdem er mir auff mein
begehren nicht haͤtte wollen die Halbſcheid/ ſondern nur den Vierdenteil davon geben/ haͤt-
te ich ihn des Diebſtahls angeklaget. Ehe ich michs verſahe/ ward ich in Ketten und Ban-
den gelegt/ und als ich merkete/ daß man die Folter zu meiner Peinigung fertig machete/
begehrete ich mein Verbrechen zu wiſſen; welches mir alsbald vorgehalten ward/ und ich
meine Unſchuld mit hohen beteurungen anzeigete/ auch/ daß ich ſolche klaͤrlich dartuhn
wolte/ wann mir mein Herr der Oberſte nur ſo viel Gnade erzeigen/ und mich vor ſich laſ-
ſen wuͤrde. Die mich peinigen ſolten/ wahren meine Mitknechte/ und miꝛ ganz ungewogen/
aber doch durften ſie mir ſolches begehren nicht verſagen/ und meldeten es dem Herrn/ wel-
cher mich vor ſich bringen ließ/ uñ im Zorn mich alſo anfuhr: Du alter krummer Schelm/
du haſt den Diebſtahl verrahten/ nicht aus traͤue gegen mich/ ſondern daß du deſſen nicht ſo
viel haſt genieſſen koͤnnen/ als du gewolt haſt/ darumb muſtu mit deinem Geſellen gleiche
Straffe ausſtehen. Ich fing an/ mich ganz demuͤhtig zuentſchuldigen/ und baht durch alle
Goͤtter/ mein Herr moͤchte mich unſchuldigẽ nicht uͤbereilen/ ich wolte ihm meine Unſchuld/
und des Diebes falſche bezichtigung handgreiflich vor Augen ſtellen/ oder die allergrau-
ſameſte Straffe ohn einzige Gnade gerne uͤber mich nehmen. Wo durch er ſich dann in
etwas beſaͤnftigen ließ/ und mir Freiheit gab/ mein beſtes zu tuhn; ich aber darauff unter-
taͤhnig baht/ daß der Taͤhter von unverdaͤchtigen Leuten moͤchte befraget werden/ auff wel-
che Zeit/ und zu was Stunde er das Geld entwendet haͤtte; da ſchickete es nun Gott ganz
gnaͤdig/ daß er eine ſolche Zeit uñ Stunde nahmhaftig machete/ daß ich duꝛch meines Herꝛn
Zeugnis ſelbſt darlegete/ ich haͤtte ihm dazumahl zwoͤlff Stunden aneinander auffgewar-
tet/ und keinen Fuß aus dem Gemache geſetzet. Der Dieb ward darauff zum andernmahle
gefol-
[935]Achtes Buch.
gefoltert/ da er ſeinen boshaften Anſchlag bekennete/ und meine Unſchuld bekraͤftigte/ ward
deswegen ganz jaͤm̃erlich getoͤdtet/ klein zerhacket/ und den Fiſchen zur Speiſe in den Teich
geworffen; mir aber gab der Haußverwalter (der mir gleichwol nicht ſonderlich guͤnſtig
wahr) auff befehl ein neues Kleid von groben Tuch/ und etwas leichtere Dienſtketten als
die vorigen/ mit der Erinnerung/ ich ſolte fleiſſige Aufſicht haben/ was die Knechte taͤhten/
und es meinem Herrn getraͤulich vorbringen/ deß ſolte mir zu zeiten etwas beſſere Speiſe
als den andern gegeben werden. Woraus ich wol verſtund/ daß ich umb meine Freiheit
nimmermehr wuͤrde anhalten duͤrfen/ hatte auch dieſen Schaden vor meine Traͤue/ daß
die anderen Knechte ingeſamt einen ganz grimmigen Neid auff mich worffen/ mir kein gut
Wort gaben/ ſondern als einen Verraͤhter und Augendiener mich verflucheten/ und zu un-
terſchiedlichenmahlen mir nach dem Leben ſtunden/ daß mich ſelbſt hoch wunder nimt/ wie
ich ihren nachſtellungen habe entgehen koͤnnen. Man hat mich ins Waſſer geſtoſſen; man
hat mich ins Feur gejaget/ man hat von oben herunter groſſe Steine und ſchwere Baͤu-
me auff mich geworffen/ aber nie bin ich beſchaͤdiget worden. In dieſem Stande lebete
ich/ biß man Boͤhmen einzunehmen das erſte Heer ſamlete/ da mein Oberſter mit fort mu-
ſte/ welcher auch im lezten Treffen ſol geblieben ſeyn. O wie gerne waͤhre ich mit gelauffen;
hielt auch einsmahls darumb an; aber es ward mir mit einem Gelaͤchter abgeſchlagen;
ob ich luſt haͤtte die Verwuͤſtung meines Vaterlandes anzuſehen? oder ob ich gedaͤchte da-
von zu lauffen/ und dem Boͤmiſchen Koͤnige vor einen Feld Herrn zu dienen. Worauf ich
antwortete; ich waͤhre eigentlich kein Boͤhme/ ſondern ein Wende/ wie meines Herꝛn Bꝛu-
der wuͤrde bezeugen koͤnnen; doch baht ich umb verzeihung meines unvorſichtigen begeh-
rens/ welches nicht/ als aus begierde/ meinem lieben Herrn auffzuwarten/ geſchehen waͤhre/
welche ſchmeicheley mir doch die Freyheit mitzuzihen/ nicht erhalten wolte; doch weil vor
weniger Zeit ich meinem Herrn klagete/ wie heftig alles Geſinde wegen meiner traͤuen
Dienſte mir nach dem Leben ſtünden/ ward ihnen allen und jeden bey ſtraffe des abſcheuh-
lichſten Todes gebohten/ ſich an mir nicht zuvergreiffen. Dieſes/ bekeñe ich/ gab mir etwas
Luft/ daß ſie nicht durften/ was ſie wol ſchon mochten beſchloſſen haben. Die Frau waͤhre
inſonderheit meiner gerne abe geweſen/ wann ſie vor ihren Herrn ſich nicht geſcheuhet haͤt-
te/ dann ſie trieb den unzuͤchtigen Handel ja ſo ſtark als ihre ehemahlige Schwaͤgerin/ nur
dz ſie den Schalk beſſer verbergen/ und im Winkel ſpielen kunte; hatte in erfahrung bracht/
daß ich von jener alles nachgeſchwatzet/ und fuͤrchtete ſehr/ ich wuͤrde es nicht beſſer machẽ/
daher ich ſelten in das Wohnhauß gelaſſen ward/ ohn wann ſie allein wahr/ und ich ihr auf
der Floͤte oder Schalmeie eins auffmachen muſte/ wodurch ich noch etwas Gnade erwarb/
und ſie ſelbſt mir Schuz hielt wieder meine gehaͤſſigen/ nach dem ich mich erboht/ ihr in al-
ben dingen getraͤu zu ſeyn/ und mein Leben viel lieber als ihre Gnade znverlieren. Als nun
endlich die liebe Sonne mein Elend lange gnug angeſchauet hatte/ und der allerhoͤchſte miꝛ
unbekante Gott ſich uͤber mich erbarmen wolte/ ward durch das Koͤnigreich ausgebreitet/
was geſtalt die Schlacht verlohren/ der Koͤnig mit allen vornehmſten Oberſten gefangen/
das Kriegsheer mehrenteils erleget/ und die uͤbrigen zu Leibeigenen gemacht waͤhren/ da
ſtund es trauen noch am allergefaͤhrlichſten um mein und aller leibeigenen Boͤhmen/ Teut-
ſchen und Wenden Leben; man fing ſchon an zuruffen/ es muͤſte die Rache geſucht werden/
wie
[936]Achtes Buch.
wie man beſt koͤnte; man ſolte alle leibeigene Boͤhmen/ Teutſchen/ und Wenden (dañ man
meldete/ daß auch die Wenden dem Feinde huͤlffe getahn) durch die allergrauſamſte Pein
hinrichten/ und zweifele nicht/ es werden ihrer eine zimliche Anzahl in der erſter Eiferhitze
elendig gnug auffgerieben ſeyn/ und begunten meine Feinde mir ſchon zu draͤuen/ daß ich
nicht 24 Stunden mehr ein Verraͤhter/ Fuchsſchwaͤnzer und Verleumder ſeyn ſolte/ da-
her ich faſt nicht zweifelte/ ich wuͤrde nun an den Todes Reihen müſſen/ und wahr mein ei-
niger Wunſch/ daß ich nur eines gelinden Todes umbkommen moͤchte; aber was taht der
groſſe Erbarmer? es ward unverſehens an allen Orten und Enden ausgeruffen/ daß alle
und jede Boͤmiſche/ Teutſche/ Wendiſche/ Daͤniſche/ uñ andere Leibeigene mehr/ auch ſonſt
Gefangene ausſolchen Landſchaften/ bey Leib und Lebensſtraffe/ auch bey verluſt Ehre und
Güter ſolten allerdinge ungeſcholten/ unbeſchimpfet und ungekraͤnket bleiben/ auch nicht
allein alsbald und ohn entgelt frey und loßgelaſſen/ ſondern uͤberdaß mit neuen Kleidern
und noͤhtigen Zehrungskoſten biß nach Prag verſehen werden. Ich hatte ſchon durch fleiſ-
ſige Nachfrage erfahren/ auch aus meines Oberſten Geſpraͤch mit andern Pannoniern/
vernom̃en/ daß der junge Boͤmiſche Koͤnig aus weit abgelegenen Laͤndern wieder zu Prag
angelanget waͤhre/ und man ſein Reich anfallen wolte/ den empfangenen Schimpff und
Schaden zu raͤchen und einzubringen/ daher ich manniche Nacht in Nachdanken verzeh-
rete/ obs dann nicht moͤglich waͤhre/ einen Weg der Freyheit zu finden. Ich habe vergeſſen
anzuzeigen/ daß zeitwehrendes Krieges es mannichen Boͤhmen und Teutſchen den Hals
gekoſtet/ wann Zeitung kam/ daß die Pannonier abbruch gelitten/ und den kuͤrzern gezogen
haͤtten; wie ich dann etliche begebniſſen erzaͤhlen koͤnte/ daß wann Eltern erfuhren/ daß ihre
Kinder; wann Weiber erfuhren/ daß ihre Maͤnner; wann andere erfuhren/ daß ihre An-
verwanten oder ſonſt andere gute Freunde drauff gangen waͤhren/ die Boͤmiſche Leibeige-
ne/ als waͤhren ſie die Todſchlaͤger geweſen/ ganz grauſam ermordet ſind/ zweifele auch nit/
Gott haͤtte mich durch ein Wunderwerk ſeiner Almacht erhalten muͤſſen/ dafern mein O-
berſter im anfange des Krieges haͤtte ſollen ſein Leben einbuͤſſen. Als mir nun obgedachte
erfreuliche Zeitung zu Ohrẽ kam/ wuſte ich nicht/ ob ich mehr uͤber meine Freiheit/ oder des
Vaterlandes uñ meines H. Sohns gluͤkſeligkeit mich erfreuen ſolte; machete mich hin zu
meiner Frauẽ/ eriñerte ſie des Koͤniglichen uñ ganzen Landes ernſtlichen befehls/ nicht mit
knechtiſcher furchtſamer Rede/ ſondern mit unerſchrockenem Heꝛzen/ begehꝛete auch/ daß ſie
mir Zehrungskoſten zuſtellen uñ die Ketten deꝛ Dienſtbarkeit abnehmẽ ſolte/ damit ich mein
liebes Vaterland erreichẽ moͤchte/ uñ müſte ſie nunmehꝛ wiſſen/ dz ich des allervortreflichſtẽ
Boͤmiſchẽ Adels meinem herkom̃en nach waͤhre/ ſie aber uñ ihr Mañ eines ſolchẽ Dieners
uñ Leibeigenẽ allerdinge unwirdig; uͤber welche Worte ſie ſich heftig erzuͤrnete/ ſo dz ſie den
Eifer nit allerdinge bergen kunte/ uñ mit den Gedanken umging/ mich die folgende Nacht
durch ihre Knechte im Schlaffe erwuͤrgen zulaſſen; deſſen ſie ſich doch wegẽ des algemeinẽ
ernſtlichen Befehls nicht durffte merken laſſen/ ſondern mit zimlicher Freundligkeit zu mir
ſagete: Mein guter Boleſla (alſo nante ich mich die ganze Zeit meiner Leibeigenſchafft)
warumb habt ihr doch meinem Oberſten euren Stand nicht zeitig entdecket/ daß er euch
nach Wirdigkeit haͤtte halten moͤgen? ihr wiſſet/ daß ich euch kein Leid zugefuͤget/ ſondern
allemahl gewogen geweſen bin/ welches ich auch anjezt wil ſehen laſſen; gab mir darauff
ein
[937]Achtes Buch.
ein ledernes Ritterkleid/ ein Pferd mit allem zubehoͤr/ und 90 Kronen Zehrgeld/ mit ange-
hengeter Bitte/ da etwa ihr Oberſter annoch im Leben ſeyn wuͤrde/ nach meinem Vermoͤ-
gẽ ihm zur Freyheit zuverhelffen/ welches er mit gnugſamẽ Dank erſetzen ſolte. Wer haͤtte
unter dieſem Schaffspelze des Wolffes ſich vermuhten koͤnnen? mir gefiel ihr Vorneh-
men ſehr wol/ bedankete mich der Huͤlffe/ und verhieß ihr/ ihren Oberſten unfehlbar auff
freyen Fuß zuſtellen/ wo er ſonſt noch lebete/ auch das geſchenkte Pferd dergeſtalt einzu-
bringen/ daß ſie meine Dank barkeit in der Taht empfinden ſolte. Dem Haußverwalter
dankete ich vor zimliche Gewogenheit/ die er mir zu Zeiten haͤtte ſehen laſſen/ und wann ſie
beſtendig geweſen und von Herzen gangen waͤhre/ wolte ich ihm dieſelbe hoͤher vergelten/
als er ſichs einbilden moͤchte; die anweſende Knechte aber redete ich in ihrer Frauen Ge-
genwart alſo an: Ihr Leibeigenen/ die ihr mir unſchuldigen alten Manne/ ohn einige Ur-
ſach dergeſtalt nach Leib und Leben geſtanden/ daß mich nichts als der guͤtigen Goͤtter Voꝛ-
ſorge vor eure teufliſche Boßheit geſchuͤtzet hat; ich wolte gar leicht es bey meinem Koͤni-
ge dahin bringen/ daß ihr alle mit einander durch grauſame Pein ſoltet geſtraffet werden/
aber weil ich viel zu aͤdel und hoch bin/ daß ich an leibeigenen Knechten ſolte Rache ſuchen/
wil ich alles der Vergeſſenheit befehlen/ und euch dem Himmel zur Straffe überlaſſen. Es
ſahe mich der Schelmen keiner an/ ſondern gingen davon/ als haͤtten ſie meine Worte nit
verſtanden. Es hatte aber die Frau einen Saͤuhirten/ einen grundfrommen Mann/ wel-
cher mir oft ein Stuͤk Brod mitgeteilet/ auch mit alten Schuhen mich zu Zeiten verſehen
hatte/ demſelben gedachte ich ſeine Guttaht zuvergelten/ ging zu ihm in ſeinen Stal/ vereh-
rete ihm 10 Kronen/ und gab ihm den Anſchlag/ er ſolte mit ſeinem Sohn des Nachtes
heimlich davon lauffen/ daß er die Boͤhmiſchen Grenzen erreichete/ und meiner an einem
gewiſſen Orte wahr nehmen/ dann wolte ich ihm ſein Freundes Herz und die mir erzeigete
Guttaht dergeſtalt belohnen/ daß er Zeit ſeines Lebens alles vol auff/ als ein groſſer Herr/
haben ſolte. Dieſer ließ einen ſchweren Seuffzen auß/ ſahe mich mit betruͤbeten Augen an/
und ſchauete umher/ ob auch jemand unſer Geſpraͤch anmerkete/ hieß mich hinterſt in den
Stal folgen/ und nach wiederhohletem Seuffzen ſagete er: Mein ljeber Boleſla (anders
weiß ich euch noch nicht zu ehren) ich erfreue mich eurer Freyheit von Herzen; aber wollet
ihr derſelben genieſſen/ ſo bleibet ja keine Nacht bey uns/ oder ihr werdet Boͤhmen nimmeꝛ-
mehr betreten/ dann der Tod gehet euch auff den Verſen nach; alle unſere Knechte haben
von unſer Frauen Befehl euch zuerwuͤrgen/ und wiſſet ihr ohn das/ wie haͤſſig euch alles
Geſinde iſt/ darumb nehmet euer ſelbſt wahr; es iſt eine algemeine Verſchwoͤrung geſche-
hen/ vor Mitternacht euch zuerwuͤrgen. In der gemeinen Schenke nahe beim Tohr halten
ſich uͤber 300 freygelaſſene Boͤhmen auff/ verfuͤget euch dahin/ ſo ſeyd ihr ſicher/ und hoh-
let das Pferd in gnug ſtarker Begleitung nach; ich wil eurem Begehren gehorchen/ und
mit meinem Sohn (der ein Knabe von 19 Jahren wahr) in dieſen verwirreten Zeiten wol
davon kommen/ wie ich dann weiß/ daß viel tauſend Leibeigene davon zulauffen ſich nicht
ſparen werden; eure Woltaht/ die ich nicht verdienet/ wil ich nit außſchlagen/ und begeh-
re nichts weiters/ als noͤhtigen Unterhalt nebẽ der Freyheit. Er trat hierauff etliche Schꝛit-
te von mir/ hohlete mir aus einem Winkel ein Beutelchen mit 40 Kronen/ taht die ihm
von mir geſchenketen darzu/ und ſagete; da mein Herr/ nehmet dieſes/ alle meine Baar-
c c c c c cſchafft
[938]Achtes Buch.
ſchafft/ die ich in 20 Jahren ſehr kaͤrglich erſparet habe/ und tuht euch damit auff der Rei-
ſe guͤtlich/ an der Vergeltung zweifele ich/ eurer Auffrichtigkeit nach/ nicht im geringſten.
Ich dankete ihm herzlich mit einem umfahen/ wegen der geſchehenen Warnung und mit-
geteileten heilſamen Rahts/ wolte auch das Geld nicht außſchlagen/ ſondern als ein Erin-
nerungs Zeichen/ was ich ihm ſchuldig waͤhre/ ſagte ich/ nahm ichs zu mir; ſchliech aufs
heimlichſte hinweg/ daß kein Menſch unſers Geſpraͤchs inne ward/ und machete mich hin
nach den verſamleten Boͤhmen/ denen nach getahner Begruͤſſung ich anzeigete/ ich waͤhꝛe
ein vornehmer aͤdler Boͤhmiſcher Landſaſſe/ haͤtte mannichen ſauren Apfelbiß in meiner
Gefaͤngniß und Leibeigenſchafft verdaͤuet/ und wolte in ihrer Geſelſchafft mit fort zihen/
hoffete/ ſie wuͤrden mich als einen Landsmañ annehmen/ der ſich auffrichtig erboͤhte/ ihnen
allen und jeden bey dem Boͤhmiſchen Koͤnige eine ſonderliche Gnade zuerhalten. Sie be-
danketen ſich deſſen dienſtlich/ bahten mich/ die ungemaͤſſene Hauptmanſchafft uͤber ſie an-
zunehmen/ und mich von ihnen bedienen zulaſſen; da hingegen ich mich erboht/ mit ihnen
als ein Spießgeſell zuleben. Nun wahr ich nicht Willens/ das geſchenkete Pferd abzulan-
gen/ noch meine ehemahlige Frau wiederzuſprechen; aber das verſchlagene Weib/ ſo bald
ſie meines hingehens berichtet worden/ ſendete ihre Leibmagd zu mir/ andeutend; ſie haͤtte
ihre beſten Freunde zu gaſte geladen/ um daß ſie mit mir luſtig ſein ſolten/ baͤhte demnach/
ich moͤchte mich alsbald einſtellen/ und mit ihrem guten willen zum Abſcheide vorlieb neh-
men. Ich ließ ihr wegen geſchehener Einladung dank ſagen/ und mich entſchuldigen/ daß
zwar nach ihrem Begehren ich dieſen Abend ihr nicht koͤnte Geſelſchaft leiſten/ jedoch wol-
te ich ſie vor meiner Abreiſe ſprechen. Sie dieſes vernehmend/ hatte alsbald gefuͤrchtet/ ich
muͤſte von irgend einem ihꝛes Volks gewarnet ſeyn/ welche ſie alle vor ſich kommen laſſen/
und ihre Untraͤue ihnen vorgehalten/ deſſen ſich aber niemand ſchuldig geben wollen/ biß
einer angezeiget/ der Saͤuhirte und ſein Sohn lieſſen ſich ja niꝛgend finden/ haͤtten vor drey
Stunden vorgegeben/ es waͤhre ihnen geſtriges Tages ein Schwein auſſe blieben/ wel-
ches ſie ſuchen muͤſten/ fuͤrchteten ſehr/ er wuͤrde den Anſchlag verrahten/ und wol gar in
ſeine Geſelſchafft ſich begeben haben. Worauff ſie dann alsbald ihren Haußverwalter an
mich ſchickete/ der in ihrem Nahmen mir vortrug: Sie haͤtte nicht vermeynet/ daß ich in
meinem angemaſſeten Adelſtande ihr eine ſolche Undankbarkeit erzeigen/ und ihre Knech-
te abſpenſtigen wollen/ ſolte alsbald ihren Saͤuhirten und deſſen Sohn ihr wieder zuſtel-
len/ als welche weder Boͤhmen noch andere freygemachte waͤhren; wo nicht/ wolte ſie mich
bey der Obrigkeit anklagen/ daß ich als ein Verfuͤhrer ihres Volks am Leben ſolte geſtraf-
fet werden. Ich hingegen hielt vor gewiß/ des Saͤuhirten Warnung waͤhre verrahten/ uñ
haͤtte ſie denſelben durch peinliche Frage zur Bekaͤntniß gebracht/ oder wol gar ſchon er-
wuͤrgen laſſen/ ſuchete auch durch dieſe Werbung mich in Lebensgefahr zubringen/ deß-
wegen dann guter Raht bey mir ſehr teur wahr/ und hielt ich den Abgeſchikten mit guten
Worten hin; ich wuͤſte von ihrem Saͤuhirten nichts zuſagen/ moͤchte etwa ſeiner Hand-
tierung nach ausgangen ſeyn/ daher ſie mich des Verdachts erlaſſen/ und in erzeigeter ge-
wogenheit verbleiben wuͤrde. Klagete hernach meinen Landsleuten/ wie man mir nach-
ſtellete/ und begehrete/ daß ſie ingeſamt mit mir nach dem Amtman des Orts gehen moͤch-
ten; wozu ſie alle geneigt und willig wahren. Demſelben nun taht ich zu wiſſen/ daß ich ein
Wol-
[939]Achtes Buch.
Wolgebohrner von freyem Adel/ und ehemahls Koͤnigl. Boͤhmiſcher geheimter Raht
und Droſt geweſen waͤhre/ hoffete/ man wuͤrde an mir Koͤnigl. Pannoniſchen Befehl nit
brechen/ ſondern wider Gewalt mich ſchützen/ inſonderheit/ weil ich ſchon einen getraͤuen
Menſchen (dieſes tichtete ich zu meiner Verſicherung) nach Boͤhmen ablauffen laſſen/
welcher meinem Koͤnige/ daß ich annoch im Leben waͤhre/ anmelden ſolte; begehrete end-
lich die Oberſtin in gebuͤhrliche Straffe zunehmen/ und ſie andern zum Beyſpiel ernſtlich
anzuſehen/ als welche mich zuerwürgen/ alle Macht anwendete; erboht mich dagegen/ da-
fern der Amtman einen nahen Verwanten oder ſonſt guten Freund unter den gefangenẽ
Pannoniern haͤtte/ ich ihm denſelben ohn Entgelt auff freyen Fußſtellen wolte. Dieſer
entſetzete ſich des Vorbringens/ hatte ohn mein bewuſt eine geraume Zeit mit meinem O-
berſten in Uneinigkeit gelebet/ baht/ ich moͤchte meiner Anklage einigen Beweißtuhm fuͤh-
ren/ alsdann ſolte das Weib mit allen ihren Helffers-helffern am Leben geſtraffet werden;
gab mir auch auff mein begehren 15 bewehrter Knechte zu/ mit denen meine ganze Geſel-
ſchafft und ich/ nach der Obriſtin gingen/ und bedraͤulich begehreten/ man ſolte alsbald den
Saͤuhirten nebeſt ſeinen Sohn loßgeben/ oder der gewaltſamen Errettung gewaͤrtig
ſeyn. Aber er wahr ſchon über mein vermuhten davon gangen/ welches ich mir nicht wol
einbilden kunte/ wahr ſonſt verwirret gnug/ was geſtalt ich das Weib des moͤrdlichen An-
ſchlages uͤberzeugen koͤnte; endlich ließ ich einen mir ſehr ungewogenen Knecht gefangen
nehmen/ die Obriſtin aber mit ihrem ganzen Geſinde verwahrlich halten/ und den Gefan-
genen nach dem Amtman fuͤhren/ der ihn auff meine Verantwortung peinlich befragen
ließ/ und den Anſchlag alsbald erfuhr/ daß ihr ganzes Hauß/ niemand ausgenommen/ deſ-
ſen gute Wiſſenſchafft haͤtte. Alſo wurden noch andere fuͤnff ihrer Knechte ſamt der Leib-
magd hergehohlet/ die ohn angelegte Pein/ bloß durch Bedraͤuung geſchrecket/ eine gleich-
maͤſſige Bekaͤntniß tahten; Worauff der Amtman mit mir nach der Frauen ging/ ihr ſol-
che Boßheit vorhielt/ und daß ſie hiedurch nicht allein ihren Koͤnig/ ſondern das ganze
Vaterland in unwiederbringliches Verderben wuͤrde geſetzet haben/ daher ſie ihr Leben
verwirket haͤtte/ und mit ihrem ganzen Hauſe ſich zum Tode ſolte gefaſſet halten. Dieſe
Urtel ging ihr hart ein/ aber da halff keine Ausflucht; Sie ward oͤffentlich angeklaget/ mit
ihren Leuten ganz grimmig erwuͤrget/ ihre Guͤter eingezogen/ und von ihrer Baarſchafft/
die ſehr groß wahr/ meinen Gefaͤrten 4000 Kronen/ mir aber abſonderlich gleich ſo viel
zugeſtellet/ mit angehengter Bitte/ bey meinem Koͤnige des Landes Gutwilligkeit zuruͤh-
men/ ihres gefangenen frommen Koͤniges Wolfahrt zubefodern/ und ſeinen Bruder/ da
er noch im Leben ſeyn wuͤrde/ meinem erbieten nach/ loßzumachen; welches ich/ wie ihr wiſ-
ſet/ geleiſtet habe. Ich wahr gleichwol bemuͤhet/ dem Haußverwalter das Leben zuerretten/
aber ich kunte es nicht erhalten/ daher ich mir dieſen Richter durch gar zu ſtraͤnges anſu-
chen nicht zuwider machen wolte. Meine empfangene Gelder aber teilete ich unter meine
Leute aus/ und brach des folgenden Morgens auff/ da ich vor meinem Haͤuflein/ welche al-
le neu gekleidet wahren/ her ritte/ in ſo unausſprechlicher Vergnuͤgung/ als ich nie Zeit
meiner ganzen Beherſchung mich befunden habe. Auff der Reiſe muſte ich durch meines
erſten Herrn Dorff zihen/ welchen ich anſprach/ ihm ſeiner Schwaͤgerin Untergang (die
ihn gar nicht leiden kunte) anmeldete/ und mich alles gutes gegen ihn erboht/ inſonderheit/
c c c c c c ijdaß
[940]Achtes Buch.
daß er ſeines Bruders ſtatliches Land Gut erblich haben ſolte/ welches ihm auch worden
iſt. Auff der Grenze traff ich meinen getraͤuen Saͤuhirten an mit ſeinem Sohn/ erzaͤhlete
ihm allen Verlauff/ und nam ihn mit mir/ habe ihm auch/ wie bekant iſt/ ſeinen Unterhalt
vermachet/ daß ihm nach feiner vorigen Bedienung nicht verlangen wird/ wie dann meine
damahlige ganze Geſelſchafft von mir ihrem Hauptman alſo begnadet ſind/ dz ihnen genuͤ-
gen kan. Sehet/ meine Allerliebſten/ alſo hat mich mein Gott durch viel und manniche Le-
bensgefahr/ doch endlich noch wiederumb gerettet/ und die Schande von mir gnaͤdig ab-
gekehret/ wovor die ganze uͤbrige Zeit meines Lebens/ die ich mir kurz wuͤnſche (ſie wehrete
auch nur noch drey Jahr) ich mit danken/ loben und preiſen/ ihm zuehren/ zuzubringen ge-
denke. Nach dem ich nun aber ein herzliches Verlangen trage/ meiner geliebeten Kinder
Lebenslauff anzuhoͤren/ wird meine Fr. Tochter unbeſchweret ſeyn/ mir ſolches ausfuͤhr-
lich zuerzaͤhlen. Valiſka gab ihm zur Antwort: Herzallerliebſter Herr Vater; ob ich mir
gleich ſeine ausgeſtandene Leibeigenſchafft ſchlim und beſchwerlich gnug eingebildet/ ſo
haͤtte ich doch nimmermehr gedenken koͤnnen/ daß ſein Jammer dergeſtalt uͤberhaͤuffet
geweſen/ und er alſo auß einer Lebensgefahr in die andere gefallen waͤhre. Aber Gott ſey
ewig Lob/ die Ruhte iſt dannoch vaͤterlich/ und alſo nuͤzlich und heilſam geweſen; ja ſie iſt/
wie wir hoffen und trauen/ zubrochen und ins Feur geworffen; und wann wir werden im
Glauben und in der Gotſeligkeit verbleiben/ alsdann wird uns Gott nach dieſem ſauren
Eſſige und bittern Wermut/ den allerſuͤſſeſten und erquiklichſten Wein ſeiner Woltaht uñ
inniglichen Seelen Wolluſt reichlich einſchenken/ daß es uns nicht wird mangeln muͤſſen
an irgend einem Gute. Die Erzaͤhlung aber/ von ihren mañicherley Begebniſſen/ verſpare-
te ſie/ weil es ſchon zimlich ſpaͤhte wahr/ auff den folgenden Tag/ uͤber welche ihr Herr Va-
ter und die andern Koͤnige ſich nicht wenig verwunderten. Wenig Tage hernach ſtellete
ſie ein Freyſchieſſen an/ bey welchem auch Batis (der mit Fuͤrſt Mazeus kommen wahr)
ſich mit uͤbete. Es wahren 100 Ziele geſetzet/ und ſolche in vier gleiche Ordnungen geteilet;
Nach den erſten fuͤnff und zwanzigen ſolten die Bauren; nach den andern die Buͤrger;
nach den dritten die aͤdlen ſchieſſen; bey der vierden und lezten Ordnung ward niemand/
als Fürſten/ Grafen und Herren zugelaſſen. Der ſchlechteſte Gewin in der nidrigſten
Ordnung/ wahren 4 Kronen/ der hoͤchſte aber 100 Kronen/ ſo daß immer der folgende
Gewin vier Kronen hoͤher als der vorhergehende war/ und alle Gewiñ dieſer ganzen Ord-
nung 1300 Kronen macheten. In der andern Ordnung wahr der unterſte Gewin 8 Kro-
nen/ der hoͤchſte oder fuͤnff und zwanzigſte 200 Kronen/ und wahr ſtets der eine acht Kro-
nen hoͤher als der andere/ daß alle Gewiñ dieſer Ordnung 2600 Kronen außtrugen. In
der dritten Ordnung wahr der ſchlechteſte Gewin 12 Kronen/ der beſte 252/ und wahr je-
der Gewin ſeinem vorigen mit 10 Kronen uͤberlegen; macheten alle Gewiñ dieſer Ord-
nung 3300 Kronen. Die vierde und hoͤchſte Ordnung hatte zum kleineſten Gewin 150
Kronen/ und wahr jeder Gewin nach der Reihe mit 30 Kronen vermehret/ biß an die er-
ſten zwanzig. Die fuͤnff lezten dieſer Ordnung wahren hoͤher auffgeſteigert/ maſſen der ge-
ringſte auff 800 Kronen/ der ander auff 1200; der dritte auff 2000/ der vierde auff 3300;
der fuͤnffte und lezte auff 20000 Kronen geſetzet wurden/ dz dieſe vierde Ordnung 36000
Kronen austrug/ und alle hundert Gewinne dieſes Freyſchieſſens ſich auff 43200 Kro-
nen
[941]Achtes Buch.
nen belieffen. Es funden ſich 750 Bauren bey dem Schieſſen; Ihre Ziele wahren groſſe
ſchwarze Scheiben/ in deren Mitte ein weiſſer Flecken wahr/ und ſteckete ein Ziel immer
weiter als das ander. Die Buͤrger hatten hoͤlzerne Voͤgel auff Stangen in die Hoͤhe ge-
richtet/ von ungleicher Groͤſſe und Hoͤhe/ und funden ſich dabey in die 1000 buͤrgerliche
Schuͤtzen. Der aͤdlen Ziele wahren hoͤlzerne Reuter/ die auff kleinen Raͤdern ſtets hin und
her gezogen wurden; auff der Bruſt wahr ihnen ein güldenes Herz gemahlet/ nach wel-
chem ſie zielen muſten; dabey funden ſich 550 aͤdle mit ihrem Schießzeuge. Der Fuͤrſten
und Herren Ziele wahren 25 Voͤgel mit ausgeſpanneten Fluͤgeln/ die hoch an quehrſtan-
gen hingen/ und an Rollen fortgezogen wurden/ als ob ſie in ſtetem Fluge blieben. Der er-
ſte Tag wahr den Bauren gegeben/ die in gnug wuͤſter Ordnung und unbendigem Ge-
ſchrey ihrer uͤbung nachſetzeten/ und fand ſich unter ihnen ein junger friſcher Baurknecht/
braͤunlich von Angeſicht und Haaren/ der in fuͤnff Schuͤſſen/ den 5/ 10/ 15/ 20/ und 25ſten
Gewin davon trug. Jederman wolte wiſſen/ wer dieſer gute Schuͤtze waͤhre/ und fand ſich
doch niemand/ der ihn kennete/ weil er vorgab/ er waͤhre von neun Jahren ſeines Alters her
in Pannonien leibeigen geweſen/ und haͤtte bey einem Wild Schuͤtzen gedienet/ auch wür-
de ſein Meiſter ſich ohn zweifel bey dem Buͤrgerſchieſſen finden laſſen/ dann er haͤtte ihn
geſtriges Tages ohn gefehr in der Stad geſehen. Es verzog ſich dieſes Bauren Schieſſen
biß an den Abend/ und funden ſich nur zwoͤlffe/ die den Gewin erhielten. Zeit ſolches ſchieſ-
ſens/ und folgends die ganze Nacht durchhin biß an den hellen Morgen/ ging das Geſoͤffe
unter dieſen Bauren fort/ denen zur linken Seiten ſich eine andere Bauren Geſelſchafft in
die 4000 ſtark geſamlet hatte/ welche bey der jungen Boͤhmiſchen und Teutſchen Koͤnigin
demuͤhtig anhalten lieſſen/ ob ihnen erlaubet ſeyn koͤnte/ ein Wette-lauffen uñ Wette-werf-
fen unter ſich anzuſtellen/ wolten ſie ihrer Obrigkeit und andern hohen Haͤuptern dadurch
Kurzweil machẽ/ welches ihnen nit allein gegoͤñet ward/ ſondern es wurdẽ an die 300 Lauf-
Ziele/ und 60 Werfziele geſtecket/ und bey jedem ein Gewin auffgeſetzet/ da allemahl ihrer
ſieben nach einem Ziel zugleich lauffen muſten/ und der ſo am erſten daſſelbe erreichete/ den
Auffſaz erhielt. Da haͤtte man nun ſollen eine Kurzweil ſehen/ maſſen/ wo einer vor dem
andern ſo nahe lieff/ daß eꝛ ihn mit den Haͤnden abreichen kunte/ ſties eꝛ ihn/ daß er ſich uͤbeꝛ-
warff/ und oftmahls mit blutigem Maule umbkehrete; inſonderheit fand ſich ein Kroͤp-
pel/ auff zween Kruͤcken hinkend/ welcher dieſelben dergeſtalt in wunderlicher Huͤpfart zu-
gebrauchen wuſte/ daß er den einen Zweg vor ſeinen anderen Mitlaͤuffern erreichete/ woruͤ-
ber bey allen Zuſehern ein groſſes Gelaͤchter entſtund. Bey dem Werff Spiel gab es auch
manniche Kurzweil ab/ biß alle Gewiñ erhalten wahren/ und ſie ſich je dreiſſig und dreiſſig
umb ein Faß Bier legeten/ biß ſie es auff den lezten Tropfen abgeſtochen hatten; dann Koͤ-
nig Ladiſla ließ ihnen ſolches volauff zufuͤhren. Des andern Tages ging dz Buͤrger Schieſ-
ſen fort/ und ward mannicher Pfeil vergebens in die Luft nach den hoͤlzern Gaͤnſen geſchikt/
daß wol erſchien/ ihrer viel haͤtten des ſchieſſens geringe erfahrung/ doch wurden ſie auch
mannichmahl rechtſchaffen getroffen/ inſonderheit von einem dikgeſchwollenen Manne/
der ein greiſes Haar und Bart/ breite Schultern und kleines Angeſicht hatte/ mit Haar
ſchier gar bewachſen; die Haͤnde wahren ihm mit alten Lumpen bewunden/ weil ſeinem
vorgeben nach/ ſie raͤudig waͤhren; ſein Gang wahr ſo gebrechlich und unvermoͤgen/ daß
c c c c c c iijieder-
[942]Achtes Buch.
jederman gedachte/ er wuͤrde wegen zittern ſeiner Beine niderfallen; und wann er den Bo-
gen ergrieff/ zitterten ihm die Haͤnde als das Laub an den Baͤumen/ daß alle Zuſeher ſein
ſpotteten/ und Herkules zu Pharnabazus ſagete; Wañ dieſer etwas redliches treffen wird/
mus mans bloß vor ungefehr rechnen. Dieſer Alte ſahe und hoͤrete den durchgehenden
Spot mit ſtilſchweigen an/ blieb in ſeinem angenom̃enen Ernſte/ und ſchoß nur nach dem
allerweiteſten Ziele/ welches er allemahl traff/ biß ers gar herunter warff/ und der Zuſeher
Spot ſich in eine Verwunderung verkehrete. Batis wahr mit in dieſer Ubung/ neben an-
deren Meden und Parthern/ welche auch die meiſten/ und zwar alle vornehmſten Gewin
davon brachten/ nur daß ein Teutſcher den vierzehnden/ ein Pannonier den zwoͤlften/ und
ein Franke den zehnden erhielt. Das Geſoͤffe/ welches die Boͤhmen und Teutſchen dabey
trieben/ wahr auch wuͤſte gnug/ wobey ihrer etliche blaue Augen davon trugen. Darauff
folgeten des dritten Tages die aͤdlen/ welche nicht geringen fleiß anlegeten/ ihre Wiſſen-
ſchaft in dieſeꝛ uͤbung ſehen zulaſſen/ inſonderheit die Meden und Parther. Batis war auch
hieſelbſt zugelaſſen/ und hielt ſich wol/ wie auch Neklam und Reichard; dann jener ſchoß
den achzehnden und neunzehnden; der andere den achten und zwoͤlften; der dritte den zehn-
den und vierzehnden hoͤlzern Reuter mitten durchs Herz. Nach vierſtündigem Schieſſen
kam ein Alter auff einer Saͤnfte herzu/ ließ ſich von zween Dienern herab heben/ und in ein
Zelt tragen; von Leibe wahr er duͤrre und hager/ hatte einen langen ſchneweiſſen Bart/ uñ
im Geſichte/ auch an Haͤnden/ wahr er voller Sonnenflecken; ſein Diener gab ihn vor ei-
nen 84 jaͤrigen an/ der noch von guten Leibeskraͤften waͤhre/ ohn daß er neulich am Zipper-
lein hart danider gelegen. Er ließ ſich nach dem Schießſtande leiten/ zielete nach dem 21ſten
Reuter/ und traff gewuͤnſchet; und weil die Freyheit in dieſem Schieſſen gegeben wahr/
daß wer eines Ziels mittel getroffen/ noch einen Schuß darauff hatte/ biß er fehl ſchoß/
machte er ſich an die vier lezten auch/ und erhielt ſie alle in vier Schuͤſſen/ daß Herkules zu
zweifeln begunte/ wie es umb dieſen Schuͤtzen eine beſchaffenheit haben moͤchte. Die Teut-
ſchen und Pannonier wendeten allen fleiß an/ einen Nahmen zuerlangen/ aber es gluͤckete
wenigen/ doch bekam Ekhard den 20ſten. Es ward dieſes Schieſſen bey früher Tageszeit
geendet/ und gute zubereitung auff daß Fürſtliche gemacht/ welches des andern Morgens
anging. Alle Anweſende junge Koͤnige/ Fuͤrſten und Herren/ an der Zahl 42 lieſſen ſich hie-
bey finden/ auch Valiſka ſelbſt/ und ward Koͤnige Mnata die Ehre gegeben/ dem Schieſſen
den Anfang zu machen; der vor dißmahl vom niedrigſten anhueb/ und es gluͤklich gewan/
nehmlich eine Taube/ die ein guͤldenes Ketchen umb den Hals trug. Dieſem folgeten drey
Teutſche Herren/ deren zween nach dem andern Ziel vergebens ſchoſſen/ und der dritte es
herunter warff. Bubazes erhielt das dritte; Tyriotes das vierde. Nachdem fuͤnften ſchoſ-
ſen drey Boͤmiſche Herren vergebens/ biß es Prinſla erwarb. Neda ruͤhrete den ſechſten
Vogel/ aber Leches bekam ihn. Ein Frieſe/ zween Pannonier und ein Roͤmer zielet[en] auff
den ſiebenden/ aber ohn wirkung/ ein Franke traf ihn/ aber er fiel nicht/ Markus erlangete
ihn endlich. Den achten Vogel bekam Fuͤrſt Mazeus/ als ein Teutſcher Herr/ nahmens
Wengiſt/ auch Klodius/ Bertram und Wedekind vergeblich geſchoſſen hatten. Olaf er-
freuete ſich des neunden. Gallus und zween Frieſen hoffeten den zehnden zuerlangen/ aber
ein Schwede/ nahmens Biorn hatte dieſes Gluͤk. Hierauff trachteten zween Daͤhnen/ ein
Wen-
[943]Achtes Buch.
Wende/ ein Gohte und ein Boͤhme nach dem eilften/ aber er wahr Markomir beſcheret. Fa-
bius erlangete den zwoͤlften; Arbianes den dreyzehnden; Pharnabazus den vierzehnden;
Siegward den funffzehnden; Valiſka den achzehnden/ und Herkules den neunzehnden;
damit wahr das erſte umbſchieſſen geendiget/ uñ noch ſechs Vogel übrig. Nach dem 20ſtẽ
ſchoſſen die erſtgenanten fuͤnff uñ dreiſſig umbſonſt/ wiewol er von Mnata/ Tyriotes/ Ma-
zeus/ Fabius und Olaf getroffen ward/ und endlich Arbianes ihn davon brachte. Den 21ſtẽ
bekam Ladiſla; den 22 Valiſka; den 23 Herkules. Nachdem 24ſten (welcher eine Taube
wahr/ die in ihrem Schnabel einen Zaunkoͤnig hielt/ und nicht die Taube/ ſondern dieſer
muſte getroffen werden) wolten Herkules und Valiſka nicht mit ſchieſſen/ ſondern den uͤ-
brigen allen wurden jedem drey Schuͤſſe auffeinander darnach gegoͤnnet/ aber keiner traff
ihn/ ohn von Arbianes und Baldrich ward er geruͤhret/ aber von Siegward zimlich loß ge-
macht/ endlich von Valiſken herunter geworffen. Der Tag hatte hiemit ſeine endſchaft/ dz
man umb den hoͤchſten Gewin nicht ſchieſſen kunte/ daher auch die austeilung der erwor-
benen Danke auffgeſchoben ward/ und redete Ladiſla uͤber der Mahlzeit von den beyden al-
ten Schuͤtzen/ und dem jungen Bauren/ welche in den vorigen Tagen den hoͤchſten Preiß
davon getragen hatten/ denen er nachzufragen/ und beſſere Kundſchaft von ihnen einzuzi-
hen befahl; woruͤber Valiſka ſich des Lachens nicht enthalten kunte/ und ihrer Libuſſen ei-
nen Wink gab; welche ihm antwortete: Gnaͤdigſter Koͤnig/ dieſe drey Schuͤtzen ſitzen mit
an dieſem Tiſche/ mit einem einzigen Rocke bekleidet. Herkules ſagte darauff: So hat
mein Schaz uns wieder geblendet/ und unſere Verſtellung bey dem Stechen vergolten?
wie ſie dann ſolches ungefraget bekennete; und dabey anzeigete/ ſie haͤtte nachgehends ſich
ein Gewiſſen gemacht/ wegen deꝛ angenommenẽ Leibesſchwacheit/ und Gott im Herzen ge-
behten/ ihr ſolche Leichtfertigkeit gnaͤdig zuverzeihen. Alle Anweſende verwunderten ſich
der ſchlauhen verſtellung/ und ſagte ihr Herr Vater zu ihr: Geliebtes Kind/ wann du dich
in dieſer buͤrgerlichen Kleidung vor dem Wüterich Artabanus haͤtteſt finden laſſen/ wuͤr-
deſtu vor ſeinen Liebes-anſprengungen wol geſichert blieben ſeyn. Ja/ Gn. Herr Vater/
antwortete ſie; haͤtte in der Fremde es mir nicht an Mitteln gefehlet/ wolte ich in gnug ver-
aͤchtlicher Geſtalt mich/ nicht nach Ekbatana oder Charas/ ſondern nach Padua odeꝛ Prag
hingewendet haben; aber diß find menſchliche Gedanken/ deren viel in der Luft verſtieben;
dann Gottes verſehungen muͤſſen doch vor ſich gehen/ welche keines Menſchen Wiz hin-
tertreiben/ aber gleichwol durch ein fleiſſiges Gebeht und bußfertiges Leben ſich der Staffen
entzihen kan. Des naͤhſtfolgenden Tages ging das Schieſſen wieder an/ wiewol wenige
darzu Luſt trugen/ weil ſie keine Hofnung zum Siege hatten. Das Ziel wahr ein kleines
Voͤgelein aus feſtem Eiſen gemacht/ auff einer Stange unbewaͤglich/ auf deſſen Schwan-
ze an der rechten Ecke ein rohtgefaͤrbeter hoͤltzener Meikefer ſaß/ welcher ohn des Voͤgeleins
beruhrung ſolte herunter geſchoſſen werden/ mit der Bedingung/ wer das Voͤgelein oder
die Stange treffen würde/ ſolte 30 Kronen zur ſtraffe erlegen/ behueff der Armen die unter
den Zuſehern wahren. Nun wolte dannoch ein jeder lieber ſolche ſtraffe erlegen/ als gar ne-
benhin ſchieſſen/ daher etliche hundert Kronen auffkahmen/ und ward ſechsmahl herumb
geſchoſſen/ ehe Herkules uñ Valiſka ſich mit gebrauchen lieſſen. Arbianes/ Baldrich Sieg-
ward und Ladiſla verſucheten zwar ihr aͤuſſerſtes/ aber der Kefer blieb unberuͤhret/ ſo daß
ihrer
[944]Achtes Buch.
ihrer viel ſich zur Wette erbohten/ es wuͤrde dieſen Tag nicht vollendet werden; endlich
traten Herkules und Valiſka mit herzu/ und muſte er wieder ſeinen willen den Vorſchuß
vor ihr nehmen/ welcher ihm auch geriet/ daß der Meikefer herunter flatterte/ woruͤber ſich
niemand ſo hoch/ als eben ſein Gemahl erfreuete/ daß ſie zu ihm ſagete: Mein ſchoͤnſtes
Seelichen/ jezt gehet mirs recht nach meinem Wunſche/ daß dieſe Ehr euch zuteile wird/
wie ſchlecht auch der Gewin mag gerechnet werden. Es entſtund bey allem Volk ein
ſo groſſes Freudengeſchrey/ daß die Luft erſchallete/ in dem uͤberal von jungen und alten ge-
ruffen ward: Gluͤk zu dem ſiegreichen Koͤnige Herkules/ der zum hoͤchſten Preiſe gebohren iſt.
Die Trometer und Heerpauker lieſſen ſich unangefodert mit hoͤren/ und wolte ein jeder ſe-
hen laſſen/ daß er dieſem Helden gewogen waͤhre; nur er ſelbſt ward daruͤber unwillig/ ver-
lachete nicht allein ſolche Eitelkeit in ſeinem Herzen/ ſondern ſtraffete auch ſeine Valiſken/
daß durch ihre erzeigete Freude/ wegen eines ſo liederlichen dinges ſie dieſes Frolocken ver-
urſachet haͤtte/ und wunderte ſich nicht wenig/ wie ſie doch uͤber dieſe kindiſche Tohrheit ſo
groſſe Herzensvergnuͤgung faſſen koͤnte. Welches ſie beantwortete; Sie erkennete ihre
ſchwacheit gerne/ wuͤſte auch/ daß dieſes alles nur eitel und nichtig waͤhre/ und daher bloß
allein die Betrachtung des ewigen Gutes/ deſſen hoͤchſtes Ziel Gottes Gnade und Erbar-
mung iſt/ in unſerm Herzen die wahre Freude erwecken ſolte; jedoch geſtuͤnde ſie/ daß ſie in
dieſem Leben die Volkommenheit noch nicht ergriffen haͤtte/ und/ als der menſchlichen
Schwacheit unterworffen/ auch zu zeiten von dem Irdiſchen ſich reizen lieſſe; weil aber
dergleichen Ubungen noch wol zugelaſſen waͤhren/ hoffete ſie bey ihrem Gott des unzeitigẽ
frolockens gnaͤdige Vergebung. Nach vollendetem Freuden- geſchrey traten Koͤnigin
Sophia/ Lukrezie/ und Vanda/ auch Fuͤrſtin Sibylla/ Klara und Schulda herzu/ lieſſen
die Gewinne nachtragen/ und uͤberlieferten ſie an behoͤrige Orte mit ſonderlicher Freund-
ligkeit/ da Herkules von Koͤnigin Sophien einen koͤſtlichen grünen Kranz vor andern em-
pfing/ welcher ſeinen Gewin dem Stathalter Herrn Fabius zuſtellete/ mit bitte/ ihn unter
die armen Chriſten zu Padua auszuteilen.


Des folgenden Tages zwo Stunden vor der Mahlzeit trat Ekhard zu den Koͤnigen
in den Saal/ und meldete an/ es waͤhre ein elender Menſch in ſchlechten knechtiſchen Klei-
dern hauſſen vor dem Schloſſe/ welcher ſehr inſtaͤndig anhielte/ eingelaſſen zuwerden/ gaͤbe
vor/ er kaͤhme aus Pannonien/ und haͤtte bey Koͤnig Herkules und Ladiſla etwas zuwerben;
das Angeſicht waͤhre an ihm ſehr verfallen/ ſonſten ſaͤhe er dem ehemahligen Roͤmiſchen
Lehrmeiſter Tibullus nicht ſo gar unaͤhnlich. Herkules ſagete; der duͤrffte es wol ſeyn/ da
er noch am Leben iſt/ weil wir von der Zeit ſeines hinwegreiſens nach Rom ganz keine Zei-
tung von ihm gehabt haben/ uñ wuͤꝛde er ſich in Italien ſonſt bey uns haben gemeldet. Weil
ihm dann Herkules ſehr gewogen wahr/ wolte er die Warheit ſelbſt erfahren/ und als gin-
ge er ohn das zur Luſt umher/ nahete er ſich dem Schloß Tohr/ vor welchem dieſer auf Ant-
wort wartete. So bald er ihn ſahe/ kennete er ihn gleich/ ließ ſichs doch nicht merken/ ſon-
dern ging vor ihm vor uͤber; jener folgete ihm von ferne/ und weil er ſeines ehmahligen
Schuͤlers Angeſicht ſahe/ wahr ihm ſolches annoch ſehr wol bekant/ eilete demnach/ daß
er ihm vorbeugete/ und redete ihn alſo an: Großmaͤchtigſter Koͤnig/ gnaͤdigſter Herr: Eu-
re Koͤnigl. Hocheit bittet ein ehmaliger getraͤuer Diener untertaͤhnigſt/ ſie wolle denſelben
mit
[945]Achtes Buch.
mit gnaͤdigen Augen anſehen/ ob etwa das außgeſtandene langwierige Elend denſelben
nicht aller Dinge unkaͤntlich/ und ſein Ungluͤk ihn nicht gar unangenehm gemacht haben
moͤchte. Herkules antwortete ihm freundlich; es kan ſeyn/ mein Freund/ daß denſelben ich
ehmals gekennet habe/ weil ich mich aber in der Eile nicht zubeſinnen weiß/ wird er mir ſei-
nen Nahmen zunennen unbeſchweret ſeyn. Eure Hocheit/ ſagte dieſer/ ſihet ihren alten
Diener Tibullus vor ſich/ welcher hoffet dero Gnaden zu ſeiner Sicherheit zugenieſſen.
O mein wahrer Freund/ antwortete er/ wie ſehe ich ihn in ſo elender Geſtalt? wolte ihn da-
mit umfangen; er aber legete ſich vor ihm nider/ ſeine Knie zu uͤmarmen; welches er doch
nicht geſchehen ließ/ ſondern huhb ihn freundlich auf und verſprach ihm/ alles ſein Begeh-
ren nach Moͤgligkeit zuleiſten. Und weil Gallus hinter ihm hertrat/ befahl er demſelben/ ein
gutes ſei denes Kleid herzuhohlen; Klodius aber muſte ihn mit ſich in eine Herberge fuͤh-
ren/ woſelbſt Tibullus ſich eilig putzen ließ/ das Kleid anlegete/ und mit beiden jeztgedach-
ten nach dem Schloſſe ging/ woſelbſt Herkules im Vorhofe noch auff ihn wartete/ hieß
ihn daſelbſt auffs freundlichſte von neuen wilkom̄en/ und muſte er zu ſeiner Seite mit ihm
nach dem Saal gehen/ da Herkules zu Ladiſla ſagete: ſchaue lieber Bruder/ unſern alten
getraͤuen frommen Lehrmeiſter Tibullus/ welchen ich in elender Geſtalt ohngefehr ange-
troffen habe/ und verhoffentlich des Vermoͤgens ſeyn werde/ ihm ſeinen angewanten Fleiß
zuvergelten. Mein lieber Freund/ ſagete Ladiſla/ da er ihn freundlich empfing/ er ſey uns al-
len wilkommen/ und verſichere ſich/ daß ich ſeiner guten Unterweiſung/ als lange ich leben
werde/ unvergeſſen ſeyn wil. Tibullus demuͤhtigte ſich ſehr/ bedankete ſich der hohen Nei-
gung untertaͤhnigſt/ und wahr ſein Herz mit der inniglichſten Vergnuͤgung erfuͤllet/ weil
er ſahe/ daß ſein Unglük nunmehr die Endſchafft erreichet hatte/ aber er ward wunderlich
erfreuet/ als er Herrn Fabius/ Stathalter von Padua ſahe/ deſſen Angeſicht ihm noch be-
kant wahr/ ging zu ihm hin/ ſetzete ſich vor ihm nieder auff die Knie/ uñ fing alſo an: Duꝛch-
leuchtiger Herr/ ich bin den Roͤmiſchen Schuz Goͤttern alles mein Vermoͤgen/ wie ſchlecht
es auch iſt/ ganz ſchuldig/ nachdem dieſelben euer Gn. Angeſicht mir noch vor meinem En-
de haben wollen ſehen laſſen; bitte untertaͤhnig/ dieſelbe wolle ihr geneigtes Herz mir un-
wirdigen wieder zuwenden/ und mich ihren Knecht und Baſtart Sohn Tibullus in Dien-
ſte nehmen. Was mein Sohn? ſagte Fabius/ biſtu annoch im Leben? ja/ biſtu meines Herꝛn
Schwieger Sohns Lehrmeiſter vor dieſem geweſen? ja Gn. Herr/ antwortete er/ die Goͤt-
ter haben mich vor 16 Jahren auff einem Streiff wieder die Teutſchen/ in Feindes Haͤnde
gegeben/ welche mich zum Leibeigenen gemacht/ da ich nachgehends das hohe Gluͤk gehabt/
den beiden Großmaͤchtigſten Koͤnigen/ Herrn Ladiſla und Herrn Herkules auffzuwarten/
deren Herr Vater und Vetter/ der auch Großmaͤchtigſte Koͤnig der Teutſchen/ Herr Hen-
rich/ mir vor ohngefehr 8 Jahren die aͤdle Freyheit zugeſtellet/ und mich wol begabet nach
Hauſe zihen laſſen/ bin aber auff den Roͤmiſchen Grenzen von etlichen Pannoniſchen Raͤu-
bern gefangen/ vor leibeigen verkauft/ und biß daher in uͤbeꝛaus groſſem Elende hart geſtra-
fet worden/ welches alles ich doch gerne vergeſſen wil/ nachdem ich dieſelben meine Gnaͤ-
digſte Herrn alhie beyeinander antreffe und ſehe/ denen ich mich ſelbſtſchuldig bin. Stehe
auff mein Sohn/ ſagte ſein Vater zu ihm/ boht ihm auch die Hand/ und taht ihm die gnaͤ-
dige Verheiſſung/ er wolte ihn alſo halten/ wie ſein Herr Schwieger Sohn/ Koͤnig Ladiſ-
d d d d d dla es
[946]Achtes Buch.
la es ordnen und ſchaffen wuͤrde. Koͤnigin Sophia hoͤrete dieſes alles mit Verwunderung
an/ wuſte ſich zuerinnern/ daß ihre Eltern Zeit ihrer Kindheit von ihrem Baſtart Bru-
der Tibullus geredet hatten/ und weil ſie ſahe/ daß ihr Gemahl und Herkules demſelben ſo
gewogen wahren/ ging ſie zu ihrem Vater/ und baht denſelben demühtig/ er moͤchte dieſen
ſeinen Baſtart/ der ja ſein Fleiſch und Blut waͤhre/ gnaͤdig vor einen ehelichen Sohn er-
nennen/ und ihm den Nahmen Fabius mitteilen/ alsdann wolte ſie ihm ſchon ſo viel Güter
zuwenden/ daß er ſeinen Stand wol fuͤhren ſolte/ und waͤhre bey Roͤmiſcher Kaͤyſerl. Hoch-
heit leicht zuerhalten/ daß ihm der Baſtart-Flecken durch deren Machtſpruch abgewiſchet
wuͤrde. Ladiſla und der junge Fabius ſelbſt hielten zugleich hierum an/ und weil Koͤnig Hen-
rich und Herkules ihre Vorbitte hinzutahten/ wahr der Stathalter willig/ umfing ihn/ uñ
erklaͤrete ihn biß auff Roͤmiſche Kaͤyſerl. Einwilligung vor ehelich; welches unvermuht-
liche hohe Gluͤk ihn ſo verwirret machete/ daß er ſo bald ſich nit begreiffen/ noch einige Ant-
wort geben kunte; endlich fing er alſo an: Durchleuchtiger Herr Stathalter/ Gnaͤdiger
Herr; ich erkenne mich aller Dinge unwirdig dieſer hohen Ehr und Gnade/ zu welcher die
Großmaͤchtigſte Koͤnigin und Frau/ Fr. Sophia/ nebeſt ihren Herꝛ Bruder/ meinen Gn.
Herrn mich befodert/ und die Großmaͤchtigſten drey Koͤnige eingebehten haben/ wuͤnſche
nicht mehr/ als daß zur Behaͤuptung meines Gehorſams und hoher Vergnuͤgung ich der
eins Gelegenheit haben moͤge/ vor ihre Durchl. welche meinen Gn. Herr Vater zu nennen
ich mich untertaͤhnig erkuͤhne/ mein Blut und Leben aufzuopffern. Ladiſla wuͤnſchete ihm
zu dieſen Ehrenſtande Gluͤk/ mit dem Eꝛbieten/ ihn vor ſeinen Schwager und lieben Fꝛeund
zuerkennen; der junge Fabius trug ihm Bruͤderliche Liebe und Traͤue an/ welches Koͤni-
gin Sophia ingleichen taht/ und verehrete ihm Herkules zur Glükwuͤnſchung zwo Ton-
nen Goldes/ 20 Reit- und 30 Wagen Pferde/ ſamt 24 Pannoniſchen Leibeigenen/ nebeſt
dem Erbieten/ daß er ihm entweder im Paduaniſchen Gebiet ein adeliches. Gut kaͤuffen/
oder in Teutſchland eine Herligkeit eingeben wolte. Alſo muſte dieſer fromme Menſch
nach ausgeſtandenem herben Ungluͤk noch zu ehren gelangen/ da er dann in wenig Tagen
den Chriſtlichen Glauben annam/ und von Ladiſla vor ſeinen geheimen Raht und Stat-
halter uͤber einen groſſen Teil ſeines Koͤnigreichs eingeſetzet/ auch mit Niniſlaen Guͤtern
erblich verſehen ward/ weil er waͤhlete/ bey ſeiner allergnaͤdigſten Fr. Koͤnigin/ Fr. So-
phien/ zeit ſeines Lebens zubleiben/ nachdem dieſelbe nicht allein eine Urſach dieſer ſeiner
uͤbermaͤſſigen Gluͤkſeligkeit waͤhre/ ſondern ihm/ wiewol allerdinge unwirdigen/ uͤberdas
noch den allerſuͤſſeſten Bruder-Nahmen zulegete. Als die geſchenkete Leibeigene ihm zu-
geſtellet wurden/ erſahe er einen unter denſelbẽ/ woruͤber er ſich gar entfaͤrbete/ kehrete ſich
umb nach dem jungen Fabius/ welcher nicht weit von ihm ſtund/ und ſagete: Ich ſehe nun-
mehr/ daß der Himmel mich an meinem und aller Roͤmer unmenſchlichen Feinde noch
raͤchen wil; trat hin zu demſelben/ und redete ihn alſo an: Siheſtu nun/ du verteufelter Un-
menſch/ wie die Goͤttliche Rache hinter dir her iſt/ dich wegen deiner Unbarmherzigkeit
abzuſtraffen/ welche du mir und viel andern unſchuldigen Roͤmern in unſer groͤſſeſten Un-
ſchuld haſt angelegt? Dieſer erblaſſete/ und gab zur Antwort: O haͤtte ich dich abgeſchlach-
tet/ wie andere deines gleichen/ duͤrffte ich anjezt dein draͤuen nicht anhoͤren. Der junge
Fabius begehrete zuwiſſen/ was er ihm haͤtte zu leide getahn. Worauff er ihm weitlaͤufftig
erzaͤh-
[947]Achtes Buch.
erzaͤhlete: wie er 26 Wochen ſein Leibeigener geweſen/ unter welcher kurzen Zeit er uͤber
40 gefangene Roͤmer an ſich gekaufft/ bloß nur zu dem Ende/ daß an ihrer unſaͤglichen
peinlichen Hinrichtung er ſeine Augen weiden moͤchte/ dabey er offt dieſen Wunſch ge-
tahn/ daß er mit dem Roͤmiſchen Kaͤyſer und allen ſeinen hohen Bedieneten auch alſo ver-
fahren moͤchte. Ihn ſelbſt haͤtte er bloß darumb beym Leben gelaſſen/ weil er geſehen/ daß
er den Tod/ als ſeines Jammers Ende ſtets gewuͤnſchet. Fabius taht ſolches Ladiſla zu
wiſſen/ welcher den Buben gefangen legete/ und weil drey Tage hernach ſein geweſener
Herr/ ein Boͤhmiſcher von Adel/ ihn anklagete/ daß er ihm ſeine drey Maͤgde/ und ſeines
Jaͤgers eheliches Weib genohtzuͤchtiget haͤtte/ ward er durch allerhand Peinigung hin-
gerichtet. Tibullus ward ſonſt von Herkules befraget/ warumb er ſich nicht bemuͤhet haͤt-
te/ unter den 10000 loßgelaſſenen Roͤmern mit zuſeyn; worauff er antwortete; daß er ſol-
ches zwar geſuchet/ aber durchaus nicht erhalten koͤnnen; auch haͤtte man die geringeſten
frey gegeben/ und die vornehmſten behalten; baht darauff ſehr inſtaͤndig/ bey Koͤnig Mna-
ta es zutreiben/ daß den vornehmſten Roͤmiſchen moͤchte gegoͤnnet ſeyn/ ſich mit einem an-
ſehnlichen Loͤſegelde frey zukaͤuffen; welches Mnata nicht allein gerne einwilligte/ ſondern
ſich erboht/ er wolte alle leibeigene Roͤmer durch die Bank hin/ gegen ſo viel gemeine aͤdle
Pannoniſche Leibeigene/ frey geben; welches auch ſtuͤndlich an Stathalter Maſtyes ge-
ſchrieben ward/ der alle Roͤmiſche Leibeigene unter der Verſprechung eines zimlichen Loͤ-
ſegeldes/ bey Leib und Lebensſtraffe an allen/ ſo es verhindern wuͤrden/ in einer Pannoniſchẽ
Grenze Stad verſamlen ließ/ deren Anzahl ſich auff 9000 erſtreckete.


Nach Endigung des obgedachten Freyſchieſſens/ hielt Arbianes auff Pharnabazus
Erinnerung bey Koͤnigin Valiſken an/ daß die verſprochenen Voͤlker mit der Zeit moͤch-
ten verſchrieben und zuſammen gefuͤhret werden; welches inwendig fuͤnff Wochen ge-
ſchahe/ und lieſſen ſich 24000 Teutſchen/ 4000 Boͤhmen/ 2000 Pañonier/ 1000 Schwe-
den und Gothen/ 1000 Franken und Sikambrer/ 1000 Daͤnen/ 1500 Wenden/ und 1500
Frieſen/ ingeſamt 36000 wolgeuͤbete wehrhaffte Reuter freywillig beſtellen/ mit der Be-
dingung/ daß nach Verlauff dreyer Jahren/ ihnen/ ſo viel ihrer im Leben bleiben wuͤrden/
freyer Abzug nach ihrem Vaterlande ſolte gegoͤnnet/ und aller Sold richtig ausgezahlet
werden. Fuͤrſt Olaff (weil er ſich erboht/ mit in Aſten zuzihen) ward uͤber das Heer Feld-
marſchalk/ die Daͤnen und Wenden aber zu ſeinem Leib Schuz geſetzet; Herr Wedekind/
nebeſt Graf Prinſla/ Herr Bertram und Wilhelm ſetzete Arbianes zu Groß Ober Wacht-
meiſtere ein. Vierzehn Tage nach dem Freyſchieſſen machete Koͤnig Mnata ſich fertig
zum Auffbruche/ und ließ durch ſeinen Schwager den Daͤniſchen Koͤnig bey Ladiſla
anſuchen/ nachdem eine ſo groſſe Menge ſeiner geübten Manſchafft in dem verfluchten
Kriege drauff gangen waͤhre/ und ſein Land von Einwohnern zimlich entbloͤſſet/ ob den ge-
fangenen Pannoniern nicht koͤnte verguͤnſtiget werden/ ſich bey ihren Herren von der
Leibeigenſchafft loßzukaͤuffen/ alsdann ſolte ein jeder gemeiner Reuter und Landsknecht
vor ſeine Freyheit 250 Kronen/ ein jeder Unter Befehlichshaber 350 Kronen; jeder Un-
terhaͤuptman und Faͤhndrich 450 Kronen; jeder Haͤuptman und aͤdles Standes 600
Kronen; jeder aͤdler und Ritter 4000 Kronen/ und jeder Oberſter 12000 Kronen erlegẽ;
da er dann nicht zweifeln wolte/ der Roͤmiſche Kaͤyſer wuͤrde auff freundliches anſinnen
d d d d d d ijgegen
[948]Achtes Buch.
gegen die 9000 neulich erledigte Roͤmer/ nicht allein die 2000 ihm zur Verehrung zuge-
ſchickete Pannonier/ ſondern auch noch 7000 Pannoniſche Leibeigene hinwiederumb ſich
laſſen frey kaͤuffen/ daß alſo eine gleiche Anzahl umb gleiches Geld ausgewechſelt wuͤrde.
Herkules riet gewaltig zu/ man ſolte ſo groſſes Erbieten nicht ausſchlagen; dem Lande und
Inwohnern waͤhre ungleich mehr mit dem Gelde als Leibeigenen gedienet/ welche ohndas
ſehr frech waͤhren/ ſich wo moͤglich/ zuſammen rotten/ und ungeachtet aller Lebensgefahr
ihre Freiheit durch eine verzweifelte Auffruhr ſuchen duͤrfften/ wie man dañ in erfahrung
bracht/ dz ihrer viel ſich ſchon unterſtanden haͤttẽ/ die flucht zuergreiffen. Sein Raht waꝛd
angenom̃en/ uñ ſchrieb man alsbald auß/ dz die gefangenen ſo hoch ſolten geloͤfet werden.
Auch muſte Tibullus (ſeine Ehelich-ſprechung zuholen) mit Klodius uñ Gallus nach Rom
reiten Fr. Mam̃een von Koͤnigin Valiſken/ Sophien/ uñ Koͤnig Mnata/ auff 10 Tonnen
gemuͤnztes Goldes zum Geſchenke mitnehmen/ und des Pannoniers Anſuchen vortragen/
welches nach gehaltener Berahtſchlagung von dem Kaͤyſeꝛ eingewilliget waꝛd; ſo ſchenke-
te erauch Valiſken nit allein den außgeriſſenen Pines/ ſondern alle ſeine Geſellen frey/ mit
ihnen nach Willen zuſchalten/ welche durch dieſe Freylaſſung hoch erfreuet/ mit Tibullus
(der vom Kaͤyſer nit allein alles nach Willen erhielt/ ſondern Fr. Mammea ihm uͤberdas
ein vornehmes Roͤmiſches Fraͤulein auß ihrem Zimmer freyete/ nahmens Aurelia) fortrit-
ten/ deren zween ſich zu Pines ſchlugen mit ihm in Aſien zuzihen (woſelbſt ſie auch ihr Leben
ritterlich einbuͤſſeten)/ die uͤbrigen aber bey ihrem Koͤnige blieben/ und von demſelben groß
gemacht wurden. Die Leibeigene Pannonier kahmen in ſechs Wochen eine Meile von
Prag beyeinander/ und wurden auff die naͤheſten Doͤrffer verlegt/ an der Zahl 66000/ un-
ter denen 150 Oberſten; 1300 Haͤuptleute (deren 900 aͤdle 400 Unaͤdle); 2400 Unter-
Haͤuptleute und Faͤhndriche/ (1800 aͤdle 600 unaͤdle); 3150 Unterbefehlichshaber (unter
denen 1600 aͤdle)/ und 59000 gemeine Reuter und Knechte wahren/ unter welchen ſich
zwar noch in die 5000 aͤdle funden/ aber man ließ ſie im Anſchlage der Unaͤdlen durchlauf-
fen. Die Oberſten erlegeten 18 Tonnen Goldes; die aͤdle Befehlichshaber 172 Toñen Gol-
des. Die Unaͤdlen Haͤuptleute 240000 Kronen; die Unaͤdle Unter Haͤuptleute und Faͤhn-
driche 270000 Kronen; die Unaͤdle Unterbefehlichshaber 542500 Kronen/ und die gemei-
nen Knechte 147 Tonnen Goldes 50000 Kronen; wahr das ganze 331 Tonnen Goldes
und 82500 Kronen/ welches alles nach geleiſteter Verſchreibung/ inwendig drey Jahr-
friſt an Baarſchaft/ Korn/ Wein/ und Vieh geliefert/ durch Boͤhmen und Teutſchland
unter die Einwohner auß geteilet ward. Nach des Pannoniers Abzuge ſchieden die frem-
den Koͤnige auch davon/ nachdem ſie mit Koͤnig Henrich/ Noteſterich und Baldrich eine
feſte Buͤndniß geſchloſſen hatten/ da Koͤnig Hilderich einwilligte/ daß ſein Sohn Marko-
mir ſich eine Zeitlang bey Herkules auff halten moͤchte. Sechzehn Tage vor Arbianes Auf-
bruche nach Perſepolis/ genaſen Koͤnigin Lukrezie und Fuͤrſtin Sibylla in einer Stunde
jede eines jungen Herleins/ und ward Baldrichs Sohn in der Tauffe Chriſtian; Sieg-
wards Sohn Karl genennet. Dreizehn Tage nach ſolcher Geburt erhielten Herkules und
Ladiſla bey ihren Eltern/ daß ſie die heilige Tauffe zu Prag empfingen: da Graff Pribiſla/
Bretiſla/ Krokus Wratiſla/ Herr Wenzeſla/ und Tibullus (welcher in den Grafen Stand
auffgenommen wahr) ſich zugleich mit tauffen lieſſen. Zween Tage brachten ſie hernach
mit
[949]Achtes Buch.
mit der Heers Beſchauung zu/ und wahr Großfuͤrſtin Klaren ſehr lieb/ daß nicht allein
Fuͤrſtin Schulda und Graͤfin Therba gar in ihrer Geſelſchafft blieben/ und zwey Jahr bey
ihr ſich auffzuhalten verſprachen/ ſondern auch ihr Bruder Koͤnig Baldrich/ Fuͤrſt Sieg-
ward und Fuͤrſt Markomir mit biß nach Jeruſalem reiſeten/ daß ſie ſich zu Bethabara
taͤuffen lieſſen. Valiſka unterrichtete Klaren fleiſſig/ wie ſie ſich gegen ihren Schwaͤher
Phraortes und die Morgenlaͤndiſchen Fuͤrſten verhalten/ und da ſie in fruͤhzeitigen Wit-
wen Stand gerahten wuͤrde/ nicht in Meden bleiben/ ſondern bey ihren Anverwanten Tꝛoſt
ſuchen ſolte. Das geſegnen bey dem Abſcheiden wahr mit unzaͤhligen Traͤhnen vermiſchet;
Fr. Sabina Pompeja weinete wegen Hinterlaſſung; Koͤnigin Gerdrut wegen Abzuges
ihrer Tochter; doch weil es anders nicht ſeyn wolte/ troſteten ſie ſich mit dem/ daß ſie einan-
der zum wenigſten alle zwey oder drey Jahr beſuchen koͤnten. Auch ſchmerzete es den jun-
gen Fabius ſehr/ daß er ſich von ſeinen liebeſten Freunden Herkules und Ladiſla ſcheiden
muſte/ die ihm alle ihre Guͤter in Italien eingaben/ und er ſie nachgehends faſt alle Jahr
zwey oder dreymahl beſuchete. Alle Koͤnig- und Fuͤrſtliche Haͤupter gaben den Abzihenden
das Geleite biß an die Boͤhmiſchen Grenzen/ befahlen ſich ingeſamt Goͤtlicher Beſchir-
mung/ und kehreten dieſe wieder uͤm/ jene aber nahmen den naͤheſten Weg auff Padua vor
ſich/ woſelbſt die Schiffe (wie vorher beſtellet wahr)/ bereit ſtunden/ auff welchen das ge-
ſamte Heer nach Tyrus mit ſehr gutem Winde uͤberfuhren; von dannen Arbianes/ Bal-
drich/ Siegward/ Olaff und Markomir mit ſchnellen Pferden nach Jeruſalem ritten/ und
zu Bethabara im Jordan ſich taͤuffen lieſſen; hielten ſich daſelbſt nicht lange auff/ ſondeꝛn
Baldrich und Siegward mit ihren Leuten 300 ſtark ſchiffeten wieder zuruͤk nach Padua/
von dannen Herr Pompejus und ſein Gemahl mit ihnen fort gingen/ das Stathalter Amt
zu Koͤlln anzutreten. Arbianes und Olaff folgeten ihrem Heer/ welches ungehindert ih-
res abweſens nach Damaſkus zugehen muſte/ daſelbſt ſie es auch antraffen/ und blieb Maꝛ-
komir bey ihnen/ als welcher Willens wahr/ die Aſiatiſchen Laͤnder zubeſehen/ und wo moͤg-
lich/ Koͤnigin Valiſken Schloß zu Charas; welches er auch leiſtete/ und nach Verlauf fuͤnf
viertel Jahrs geſund wieder zu Prag anlangete/ nachdem er auch Rom beſehẽ hatte. Son-
ſten ging Arbianes mit ſeinem Heer von Damaſkus ungehindert fort des geradeſten We-
ges über den Eufrat und Tiger Fluß nach Perſepoliß/ da er die Hochfuͤrſtliche Verbuͤnd-
niß beyſammen fand/ und von ihnen wol empfangen ward; erfreueten ſich auch ſeiner tref-
lichen Voͤlker nicht wenig/ weil Artabanus ſich aus Skythen und Indien auffs neue ge-
ruͤſtet/ und eine groſſe Menge Reuter und Fuß Knechte zuſammen gefuͤhret hatte. Fuͤrſtin
Klara ward nicht weniger von den Fuͤrſten wol gewilkommet/ die ſich bey ihr unſers Her-
kules und Valiſken zum offtern erinnerten/ und wegen dieſer gluͤklichen Heyraht Arbia-
nes ſelig preiſeten. Sie hingegen ſtellete ſich gegen ihre Schwieger Eltern mit kindlichem
Gehorſam ein/ und nach Verlauff zehn Monat von ihrem Beylager an zurechnen/ gebahr
ſie einen wolgeſtalten Sohn/ welchen ſie nach ſeinem Groß Vater Henrich nenneten/ der
aber gar auß der Art ſchlug/ nicht allein den Chriſtlichen Glauben nach ſeines Vaters
Abſterben (welchen er im 14 Jahre ſeines Alters verlohr) verleugnete/ ſondern auch ſeinẽ
Oheimben/ Herkuliſkus/ Herkuladiſla und anderen Chriſtlichen Rittern groſſe Ungele-
genheit und aͤuſſerſte Lebensgefahr erweckete/ ja nach heydniſcher Perſiſcher Gewohnheit
d d d d d d iijſeine
[950]Achtes Buch.
ſeine leibliche Schweſter/ das fromme Gottfuͤrchtige ſehr ſchoͤne Fraͤulein Damaſpia wi-
der ihren Willen heyrahtẽ wolte/ deſſen ſie noch mit der Flucht nach Padua ſich entbrach/
und von Valiſken an den jungen Fuͤrſten aus Schwedẽ/ Fürſten Karl verheyrahtet ward/
wovon in Herkuliſkus Wunder Geſchichten ausfuͤhrlicher Bericht duͤrffte gemeldet wer-
den. Kurz nach Baldrichs Wiederkunfft von Padua und Koͤln nach Prag/ kam daſelbſt
von dem Roͤmiſchen Kaͤyſer Alexander Severus eine ſtatliche Botſchafft an/ ihre wolan-
gefangene Freundſchafft zubeſtaͤtigen/ welche unſere Helden ihm zwar verſprachen/ aber
wegen der unruhigen Teutſchen nicht leiſten kunten/ als die wenig Jahr hernach ohn ihreꝛ
Koͤnige Dank/ die ſich ihnen nicht widerſetzen durfften/ uͤber den Rein gingen/ und dem
Kaͤyſer in ſeinem Gebiet groſſe Unruhe macheten/ ſo daß er gezwungen ward/ mit ſtarker
Kriegsmacht gegen ſie auszuzihen/ da er von ſeinem aͤidvergeſſenen Obriſten Maximi-
nus des Lebens und Kaͤyſertuhms zugleich verraͤhterlich beraubet ward/ wovon in andern
Geſchichtbuͤchern zuleſen iſt.


Sonſten fuͤhreten Herkules und Ladiſla mit ihren Gemahlen ein ruhiges und Gott-
fuͤrchtiges Leben/ weil ihre Eltern noch gute Zeit der Herſchaft vorſtunden/ inſonderheit
Koͤnig Henrich/ daß Herkules der Herſchungs-Laſt ſich ſo bald nicht untergeben durfte;
und weil ſie nicht lange kunten von einander ſeyn/ baueten ſie beyderſeits in ihren Grenzen
Koͤnigliche Schloͤſſer/ auff welchen ſie ihr Weſen fuͤhreten; Herkules hatte ſeinen Siz da
jezt Dreßden liegt/ Ladiſla eine kleine Meile davon/ wo ſeine Grenzen auffhoͤreten/ und ging
kein Monat hin/ daß ſie nicht zuſammen kommen waͤhren. Valiſka gebahr am Ende des
Wintermonats/ vier Jahr nach ihres erſten Sohns geburt eine wunder-ſchoͤne Tochter
auff dem Prager Schloſſe/ welche die alte Teutſche Koͤnigin aus der Tauffe huhb/ und ſie
Eliſabeth nennete; im folgenden Merz genaß Koͤnigin Sophia auch einer jungen Fraͤu-
lein ſehr ſchoͤner geſtalt/ deren Gefatterin Koͤnigin Hedewieg wahr/ und aus ſonderlicher
Andacht ihr die beyden Nahmen Eva Maria gab. Was vor Angſt nun der trefliche Held
Fuͤrſt Herkuliſkus/ Zeit ſeiner bluͤhendẽ Jugend wegen dieſer Fraͤulein erlitten/ und wie ſie
hingegen ſich gegen ihn ſo herbe erzeiget/ nicht aus Ungewogenheit und Feindſchaft/ ſon-
dern daß ſie ihr ſteiff vorgenommen hatte/ ihre Jungfrauſchaft biß an ihr Ende zubewah-
ren/ aber noch endlich in ſeine Ehe einwilligte; auch/ welcher geſtalt Frl. Eliſabeht von ih-
rem Oheim Herkuladiſla heimlich geliebet/ und als ſie von einem jungen Fraͤnkiſchen Fuͤr-
ſten/ Markomirs Vaters Bruder Sohn/ nahmens Rahter entfuͤhret/ von dieſem ihren
Oheim kuͤhnlich errettet/ und er doch daruͤber biß auff den Tod verwundet/ endlich wieder
geheilet/ und nach drey jaͤhriger ausgeſtandener Unruhe in Meden/ Arabien und Egypten
(woſelbſt er mit ſeinem Vetter Herkuliſkus Ritterſchaft uͤbete) ſie endlich noch ehelichte/ ſol-
ches alles wird in ihrer obgedachtẽ Lebens-beſchreibung mit luſt zu leſen ſeyn. Fuͤrſt Sieg-
ward betreffend/ ward derſelbe/ da er ſeine Schwieger Eltern zu Rom beſuchete/ von Kaͤy-
ſer Alexander und ſeinem Schwaͤher Herꝛ M. Fabius dahin vermocht/ daß er ſich ein
Jahr daſelbſt bey ihnen aufhielt/ biß er wegen Schwacheit ſeines H. Vaters nach Schwe-
den gefodert ward/ die Herſchaft zuverwalten helffen/ nach deſſen Tode er gewaltiger Koͤ-
nig ward. Er zeugete mit ſeiner herzgeliebeten Sibyllen noch einen Sohn/ genant Guſtaff/
wie auch ein ſehr liebes Fraͤulein/ nahmens Chriſtina/ deren Liebe Fuͤrſt Chriſtian/ Koͤnig
Baldrichs
[951]Achtes Buch.
Baldrichs aͤlteſter Sohn mit dem Schwert erſtritte. Baldrich lebete gleicher weiſe mit
ſeiner Lukrezien in herzlicher einigkeit/ und ward von ſeinen Untertahnen den Frieſen/ mehr
als kein Koͤnig vor ihm/ geliebet. Ein Jahr nach ſeines erſten Herꝛlein geburt/ ſchenkete
ihm Gott den andern Sohn/ Dieterich genand/ und wurden beyde zu ihrer Zeit in Ritter-
ſchaft ſehr beruͤhmt/ ſtunden auch groſſe Muͤhe und Gefahr aus in nachſuchung ihrer O-
heimben Herkuliſkus und Herkuladiſla (von denen ihnen ein falſches Geſchrey ihrer Ge-
faͤngnis vor kam) biß ſie beyde heirahteten/ und der juͤngere Herꝛn K. Fabius/ dazumahl an
ſeines Seel. Vaters ſtelle zu Padua Stathalters Fraͤulein Tochter/ Frl. Margreten Fa-
biin zum Gemahl bekam. Sie verharreten alle in eiferiger Gottesfurcht/ aber niemand
unter ihnen trieb ſein Chriſtentuhm eiferiger als Herkules und Valiſka; dann ſie wahren
ſehr geflieſſen in leſung der heiligen Schrift und der Kirchenlehrer Buͤchern/ welche ſie mit
ſchweren Koſten an ſich brachten; und hat man nachricht/ daß Valiſka unterſchiedliche
Buͤcher des Worts Gottes/ als das erſte Buch Moſe/ den Pſalter Davids/ das Hohelied
Salomons/ die vier Evangeliſten/ und Paulus Sende Brieff an die Roͤmer (doch alle nuꝛ
aus dem Griechiſchen) ſehr artig ſol verteutſchet auch ein Gebeht- und Geſangbuch voller
Chriſtlicher Andachten verfertiget haben/ welches aber untergangen und verlohren iſt.
Herkules verfaſſete eine Glaubens-bekaͤntnis/ die wol wert iſt/ daß ſie nicht allein alhie auf-
geſetzet/ ſondern von dem Leſer dieſes Buchs mit guͤldenen Buchſtaben ins Herz hinein ge-
ſchrieben werde/ und lautet wie folget.


I. Wir/ die wir nach unſerm Heylande Chriſtus dem Sohn Sottes/ Chriſten genen-
net werden/ glaͤuben und bekennen einen einigen wahren Gott/ welcher ein geiſtliches We-
ſen von ewigkeit her iſt/ ohn Anfang und ohn Ende; Heilig/ Gerecht/ Gnaͤdig und Wol-
taͤhtig; Almaͤchtig/ Alwiſſend/ Unendlich/ Unbegreiflich und allenthalben gegenwaͤrtig; der
nicht allein unſer und eines jeden Werke/ ſondern auch die verborgenſten Gedanken unſers
Herzen ſihet/ ſie ſeyn gut oder boͤſe. Vor ihm iſt durchaus nichts verborgen/ obs gleich in
Winkeln geſchihet/ ſondern noch ehe wirs vornehmen/ ja ehe wir erſchaffen ſind/ weis er
ſchon/ und weis es von ewigkeit her/ was wir machen/ und machen werden.


II. Wir glaͤuben und bekennen weiter/ daß dieſer unſer Gott/ der einig iſt in ſeinem We-
ſen/ dannoch Dreyfaltig nach den Perſonen ſey/ wie er ſich dañ alſo in ſeinem heiligen Woꝛ-
te geoffenbahret hat.


III. Die erſte Perſon dieſes einigen goͤttlichen Weſens/ iſt und heiſſet der Vater; die an-
dere/ der Sohn (darumb daß er aus dem Weſen des Vaters ganz unbegreiflicher weiſe von
ewigkeit her gezeuget iſt) wird auch wol genennet das Wort (weil Gott durch denſelben zu
uns Menſchen geredet hat); die dritte/ der Heilige Geiſt; vom Vater und Sohn von ewig-
keit her ausgehend.


IV. Dieſer wahre/ nach dem Weſen einige/ nach den Perſonen dreyfaltige Gott (wel-
cher daher die heilige Dreyfaltigkeit genennet wird)/ hat nicht allein am anfange der Zeit/
nach ſeinem freien Willen/ zu gewiſſer Zeit/ nehmlich/ wie mans rechnet/ vor 4174 Jahren
(iſt von dem Jahr nach der Geburt unſers Heylandes 227/ heutiger Rechnung nach zu
verſtehen) dieſes ganze und groſſe Rund/ Himmel/ Luft/ Erde/ Meer/ und alles was driñen
iſt/ Sternen/ Gewaͤchſe/ Tihre/ und zu lezt die erſten beyden Menſchen Adam und Even/
ſondern
[952]Achtes Buch.
ſondern auch (nicht eigentlich ſtehets/ zu welcher Zeit) alle Engel erſchaffen; und erhaͤlt ſein
Geſchoͤpff/ ſo lange es ihm gefaͤllig iſt.


V. Die Engel ſind unſterbliche Leibloſe Geiſter/ alle miteinander/ in unzaͤhlicher Men-
ge von Gott/ gerecht/ heilig und volkommen erſchaffen: derẽ auch eine ſehr groſſe Anzahl/
unſaͤglich vieler tauſenden/ in ihrer anerſchaffenen Heiligkeit/ unverrũkt blieben ſind/ wel-
che wir Heilige Engel neñen; andere aber/ und deren auch ſehr viel tauſend/ von Gott ihrem
Schoͤpffer abgefallen/ ſich demſelben mutwillig entgegen geſetzet/ und darumb von ihm in
die helliſche Verdamnis geſtuͤrzet ſind/ welche wir boͤſe Geiſter oder Teuffel nennen.


VI. Die heiligen Engel loben Gott und verrichten ſeinen Befehl oben im Himmel uñ
hie nieden auff Erden/ in dem ſie alle glaͤubige und fromme Menſchen ſchuͤtzen/ uñ den Kin-
dern Gottes zum beſten/ wieder die Teufel zu Felde liegen.


VII. Die boͤſen Engel aber verfuͤhren die Menſchen/ ſtellen den glaͤubigen und from-
men Kindern Gottes nach/ und beſchaͤdigen ſie/ ſo viel ihnen Gott verhaͤnget oder zulaͤſſet;
und zwar ſind ſie maͤchtig in ihren Werkzeugen den gottloſen Menſchen und Zaͤuberern.


IIX. Und haben die boͤſen Engel ihre Feindſchaft gegen das menſchliche Geſchlecht/
bald im anfange der Schoͤpfung blicken laſſen/ in dem ihr Oberſter unſere erſte Mutter die
Even zur Sünde verleitet/ welche hernach ihren Mañ den Adam auch darzu verfuͤhret hat.


IX. Hiemit ging es alſo zu: Es hatte Gott dieſe erſte Menſchen nach ſeinem Ebenbil-
de/ in volkommener Weißheit/ Erkaͤntnis/ Heiligkeit und Gerechtigkeit erſchaffen (den
Mann aus einem Erdenkloß/ das Weib aus einer Riebe des Mañes/ und ſolchen erſchaf-
fenen Leibern eine erſchaffene vernuͤnftige Seele eingegoſſen) ihnen die Unſterbligkeit mit
geteilet/ ſie in den Luſtgarten des Paradeiſes geſetzet/ und ihnen allerley Früchte des Gar-
ten zugenieſſen erlaͤubet/ nur daß ſie von dem Baum des Erkaͤntnis gutes und boͤſes (wie
er nach dem Suͤndenfal geneñet iſt) ſich bey Straffe des zeitlichen Todes und der hellifchẽ
Verdamnis enthalten ſolten; da ihnen Gott auch den Baum des Lebens gegeben hatte/
durch deſſen Fruͤchte ſie bey ſteter Jugend und Kraft ſolten erhalten werden.


X. Da nam nun der Teuffel von dem verbohtenen Baum Anlaß und Gelegenheit/
die erſten beyden Menſchen/ uñ alle ihre Nachkom̃en ins Verderben zu ſtuͤrzen/ auff daß er
in der helliſchen Verdamnis Geſelſchaft haͤtte/ weil er ihnen nach ſeiner angenommenen
Bosheit/ die Seligkeit mißgoͤnnete; er verſteckete ſich in die Schlange/ redete aus derſel-
ben mit Even/ und durch ſeine Luͤgen (als wann die Menſchen durch nieſſung der Frucht
dieſes verbohtenen Baums Gotte ſelbſt gleich werden koͤnten) erweckete er ihr die Begier-
de/ ſolche Frucht zugenieſſen/ daher ſie endlich von ſolcher Frucht aß/ und ihrem Manne
auch davon zu eſſen gab.


XI. Da ward nun Gott durch ſolche Ubertretung ſeines ernſtlichen Gebohtes zu Zorn
gereizet/ daß er die Menſchen der eingegoſſenen Gnade (die in ihnen alle Volkommenheit
der Seelen und des Leibes wirkete) wieder beraubete/ und die ſuͤndlichen Begierde in ih-
nen wuchſen und zunahmen/ auch alsbald ihreunzimliche Bewaͤgungen empfunden/ und
nach Kleidung ſich umſahen/ da ſie vorhin ohn alle ſcham und aͤrgernis nacket gingen/ uñ
ihnen weder Froſt noch Hitze/ noch Ungewitter/ noch Schlaͤge/ noch Feur/ noch Gift/ noch
wilde Tihre haͤtten Schaden oder Schmerzen bringen koͤnnen.


XII. Sie
[953]Achtes Buch.

XII. Sie flohen auch wegen begangener Suͤnde vor dem Angeſicht Gottes/ als die ſich
ihrer uͤbertretung wol bewuſt wahren/ und meineten (ſo unwiſſend wahren ſie ſchon wor-
den) ſich vor dem alwiſſenden und algegenwaͤrtigen Gotte zuverbergen.


XIII. Noch dannoch erzeigete ihnen Gott gnade/ indem er ſie wieder aus Erbarmung
vor Kinder annam/ da er zwar den zeitlichen Tod ihnen und allen ihren Nachkommen
zum Suͤndenlohn aufflegete/ aber doch ihnen wieder ein Mittel zur Wiederbringung der
Seligkeit ordente und mitteilete.


XIV. Dieſes Mittel wahr in der erſten Gnaden-Verheiſſung begriffen/ da GOtt ſa-
gete: Des Weibes Samen ſol der Schlangen den Kopff zutreten. Das iſt/ die andere Perſon
der Heiligen Dreyfaltigkeit/ der ewige Sohn Gottes/ oder das weſentliche Wort Gottes/
ſolte in der Voͤlle der Zeit aus dem Leibe der Jungfrauen Marien/ unſere Menſcheit (ei-
nen wahren Menſchlichen Leib/ und eine wahre menſchliche Seele in ſeine perſoͤnliche
Vereinigung) annehmen/ und in ſolcher angenommenen Menſcheit/ nicht allein an unſer
ſtat das Geſez Gottes ohn Tadel erfuͤllen/ ſondern auch vor unſere Suͤnde buͤſſen/ und da-
durch die Macht und Gewalt der helliſchen Schlangen oder des leidigen Teufels von
uns abwenden.


XV. Dieſe gnaͤdige Verheiſſung Gottes richtete unſere erſten Eltern und ihre Nach-
kommen (welche alle miteinander die Suͤnde von ihren Eltern durch die fleiſchliche Ge-
burt erben/ und krafft ſolcher Erbſuͤnde/ den wirklichẽ Suͤnden nachhaͤngen) wieder auff/
daß ſie durch den Glauben auff dieſen verſprochenen zukuͤnfftigen Erloͤſer geſtaͤrket/ ſich
der Gnade Gottes troͤſteten/ und in Hoffnung/ die Seligkeit nach dem Tode zuerlangen/
ihr Gewiſſen beruhigten; jedoch muſten ſie in rechtſchaffener Gottesfurcht und Heiligen
Werken ſich uͤben/ zu welchem Ende ihnen Gott ſein Heiliges Geſetze gab. Dann den
Gottloſen Unbußfertigen tuht dieſe Verheiſſung Gottes keine Huͤlffe.


XVI. Zwar der Sohn Gottes ſetzete die Erfuͤllung ſeines Verſprechens (daß er die
Menſcheit an ſich nehmen/ und vor uns ſterben wolte) eine geraume Zeit zuruͤcke/ nehm-
lich/ wie mans rechnet/ 3947 Jahr; jedoch hat er ſolches alles reichlich ſchon erfuͤllet/ da er
vor 227 Jahren ſich als ein wahrer Menſch an dieſe Welt gebehren ließ.


XVII. Dann da muſte anfangs unſers Heylandes Wegbereiter und Vorlaͤuffer/ der
Taͤuffer Johannes von einer ſonſt unfruchtbaren altbetagten Frauen/ der Eliſabeth ge-
bohren werden/ nach deſſen Empfaͤngniß ein halb Jahr/ ſendete Gott ſeinen Engel Ga-
briel an eine keuſche unberuͤhrte/ jedoch einem alten Manne/ dem frommen Joſeph/ verlo-
bete Jungfer von Koͤniglichem Judiſchen Geſchlecht/ welche in Armuht gerahten wahr/
Nahmens Maria; welcher Engel ihr die Empfaͤngniß des Sohns GOttes ankuͤndigen
muſte/ daß nehmlich die andere Perſon des einigen Goͤttlichen Weſens in ihrem Leibe/ ohn
Zutuhn eines Mannes/ bloß durch Wirkung und uͤberſchattung des Heiligen Geiſtes
menſchlichen Leib und Seele an ſich nehmen/ und damit ſich perſoͤnlich vereinigen wolte.


XIIX. Worauff auch ſolche Empfaͤngniß alsbald geſchahe/ und gebahr dieſe von Gott
geheiligte keuſche und unbeflekte Jungfer den Sohn Gottes in angenommener Menſch-
heit zu Bethlehem im Viehſtalle an dieſe Welt/ welche Geburt ein Engel Gottes etlichen
Hirten auff dem Felde in derſelben Nacht anmeldete/ die auch hingingen/ uñ es alſo fundẽ.


e e e e e eXIX. Und
[954]Achtes Buch.

XIX. Und daß auff ſolche weiſe unſer Heyland der Sohn GOttes an dieſe Welt ge-
bohren ſey/ deſſen haben wir ſo unfehlbare Gewißheit/ daß kein Chriſt und von GOtt er-
leuchteter daran zweifeln kan/ ſondern lieber alle Pein angehen/ als dieſen Glauben ihm
nehmen laſſen wuͤrde.


XX. Als dieſer Sohn Gottes ſolcher geſtalt war Menſch worden/ hat er allen menſch-
lichen Gebrechligkeiten (ohn allein der Suͤnde nicht) ſich unterworffen/ da er als ein andeꝛ
Menſch geſaͤuget/ ernehret/ aufferzogen/ und nach Judiſchem Gebrauch beſchnitten ward;
aber nachdem er das dreiſſigſte Jahr erreichet/ und von Johannes dem Taͤuffer ſich hat-
te taͤuffen laſſen/ wodurch er zu ſeinem bevorſtehenden Erloͤſungs-Amte ſich einweihen
ließ; ward er alsbald darauff von dem Heiligen Geiſte in die Wuͤſten gefuͤhret/ und da-
ſelbſt 40 Tage und ſo viel Nachte aneinander von den boͤſen Geiſtern hart verſuchet/ wel-
ches er kraͤfftig überwand/ trat darauff ſein Heylandes-Amt an/ waͤhlete ſeine 12 ſonder-
bahre Juͤnger/ als künfftige Bohten und Prediger der Chriſtlichen Lehre/ predigte ſelbſt
hin und wieder im Judiſchen Lande/ und beſtaͤtigte ſein Amt durch unzaͤhlich viel Wunder
und Zeichen/ da er Blinde ſehend/ Taube hoͤrend/ Stumme redend/ Lahme gehend/ Auß-
ſaͤtzige rein/ ja auch etliche Todten lebendig machete. Endlich da er der Gerechtigkeit Got-
tes vor der Menſchen Suͤnde gnug tuhn wolte/ ließ er ſich von den Gottloſen boßhafften
Hohenprieſtern und Schrifftgelehrten des Judiſchen Volks (die er wegen ihrer Suͤnde
ſtraffete) gefangen nehmen/ ſchlagen/ verſpotten/ verſpeien/ verurteilen/ geiſſeln/ mit Dor-
nen kroͤnen/ und am Kreuz ſich toͤdten; worauff etliche ſeiner getraͤuen Freunde ihn in ein
Grab legten/ und uͤber ſeinen Todesfal (deſſen Wichtigkeit und heilbringende Krafft ſie
nicht verſtunden) herzlich betruͤbt wahren.


XXI. Nachdem aber unmoͤglich wahr/ daß Gottes Sohn im Tode bliebe/ iſt er am
Sontage ſehr fruͤh/ da er des Freytags Abends zuvor geſtorben wahr/ als ein ſieghaffter
Held vom Tode wieder aufferſtanden/ hat des Teuffels Macht und Gewalt zubrochen/ uñ
ſich 40 Tage lang bey ſeinen Juͤngern und Glaͤubigen nach ſeiner Aufferſtehung gezei-
get/ biß er mit ihnen auff den Oelberg vor Jeruſalem gangen/ und daſelbſt ſichtbarlich gen
Himmel gefahren iſt; woſelbſt er in ſeiner Menſcheit zur Rechten der Krafft Gottes ſitzet/
uͤber alle ſeine Feinde herſchet/ ſeine Chriſtenheit beſchuͤtzet/ und alle glaͤubige from̃e Men-
ſchen bey ſeinem Himliſchen Vater vertrit.


XXII. Er hat aber zehn Tage nach ſeiner Himmelfahrt ſeine Juͤnger mit der Gabe des
Heiligen Geiſtes ausgeruͤſtet/ welchen er in Geſtalt feuriger Zungen uͤber ſie ausgoß;
worauff ſie ſich durch die Welt verteileten/ den Menſchen die Chriſtliche Lehre vortrugen/
und alle/ ſo glaͤubig wurden/ taͤuffen muſten.


XXIII. Dieſen Juͤngern des HErrn folgen in ſolchem Lehr Ampte biß an das Ende
der Welt/ alle rechtmaͤſſiger weiſe beruffene Diener des Goͤttlichen Worts/ welche von
Gott darzu geſezt werden/ daß ſie ſein Heiliges Wort den Menſchen vortragen/ und die
Heiligen Sacramenta ihnen ausſpenden ſollen.


XXIV. Das Wort Gottes/ welches von ihnen muß gelehret und geprediget werden/
beſtehet in dieſen Stuͤcken: Daß die Menſchen müſſen angefuͤhret werden/ zur Erkaͤntniß
Gottes und ihres Heylandes/ zur Buſſe ihrer begangenen Suͤnde/ zum Glauben und
Ver-
[955]Achtes Buch.
Vertrauen auff Gottes Barmherzigkeit und auff Chriſtus Verdienſt; und endlich zu ei-
nem Chriſtlichen gottſeligen Leben und Wandel.


XXV. Das erſte Sacrament/ durch welches wir in die Gemeinſchafft der Heiligen
Kirchen verſetzet werden/ iſt die Tauffe/ ein rechtes Wunder-Bad der Wiedergeburt ei-
nes ſündlichen Menſchen/ in welcher Tauffe unſer Gott mit uns den Gnaden Bund auff-
richtet/ daß wir/ krafft des Verdienſtes unſers Heylandes ſollen Gottes Kinder ſeyn; da-
her wir in der Tauffe und durch die Tauffe von unſern Suͤnden abgewaſchen und gerei-
niget werden. Dieſes Gnaden Bad bekraͤfftigte der Sohn Gottes/ da er ſeinen Juͤngern
den Befehl erteilete: Gehet hin in alle Welt/ lehret alle Voͤlker/ und taͤuffet ſie im Namen
des Vaters/ und des Sohns/ und des Heiligen Geiſtes.


XXVI. Das Abendmahl des HErrn/ welches er des Abends vor ſeinem Leiden ein-
ſetzete/ und ſeinen Juͤngern austeilete/ iſt das Sacrament der Bekraͤfftigung im Chriſten-
tuhm/ und beſtehet hierinnen/ daß den glaͤubigen Chriſten hieſelbſt Brod und Wein ſicht-
bahrer empfindlicher weiſe; und zugleich der Leib und das Blut des HErꝛn/ Sacrament-
licher/ das iſt/ unſichtbahrer unempfindlicher weiſe/ wiewol warhafftig/ zueſſen und zutrin-
ken gegeben wird/ und ſolches zur Staͤrkung ihres Glaubens/ und zur Verſicherung ih-
rer Seligkeit; welches andaͤchtig zugebrauchen er ſeiner Kirchen anbefihlet/ da er ſpricht:
Solches tuht zu meinem Gedaͤchtniß.


XXVII. Wann nun ein Menſch/ Gott und ſeinen Heyland erkeñet/ an denſelben glaͤu-
bet/ die Suͤnde meidet/ und in der Furcht Gottes from und heilig lebet; auch da er geſuͤn-
diget hat/ ſich davon bekehret/ und ſich wieder zur Gottſeligkeit wendet/ in feſtem Vertrauẽ
auff Gottes Barmherzigkeit und auff Chriſtus Verdienſt ſich verlaſſend/ und unter dem
zeitlichen Kreuz oder Zuchtruhte Gottes geduldig außhaͤlt; alsdann iſt er ein Kind Got-
tes/ und wird nach dieſem Leben die ewige Seligkeit erlangen.


XXIIX. Hingegen iſt es unmoͤglich/ daß ein erwachſener Menſch/ der ſeiner Vernunft
zu gebrauchen weiß/ ſolte koͤnnen ſelig werden/ der ſeinen Gott und Heyland nicht erkennet;
welches der Sohn Gottes uns mit dieſen Worten anzeiget: Das iſt das ewige Leben/ daß
ſie dich einigen wahren Gott/ und den du geſand haſt/ JEſus CHriſt/ erkennen. Unmoͤg-
lich iſt es/ daß ein erwachſener Menſch ſolte koͤnnen ſelig werden/ der an den Sohn Gottes
nicht glaͤubet/ weil ja der Glaube das Mittel iſt/ durch welches wir vor Gott gerecht wer-
den; dann alſo lehret uns der heilige Bohte des HErrn/ da er in ſeinem Sende Brieffe an
die Glaͤubigen zu Rom ſchreibet: Die Geꝛechtigkeit die vor Gott gilt/ komt duꝛch den Glau-
ben an JEſus CHriſt/ zu allen und auff alle die da glaͤuben. Dañ wir werden ohn Verdienſt
gerecht aus Gottes Gnade/ durch die Erloͤſung/ ſo durch JEſus CHriſt geſchehen iſt. Da-
rumb ſo halten wir es gaͤnzlich davor/ daß der Menſch durch den Glauben gerecht werde/
ohn des Geſetzes Werke. Dann der nicht mit Werken umgehet (der bißher nicht in heili-
gen Werken/ ſondern in ſuͤndlichen Betreibungen ſein Leben gefuͤhret hat/ nunmehr aber
davon ablaͤſſet) uñ glaͤubet an den der die Gotloſen (ſo bißher gotloß geweſen ſind/ uñ nun-
mehr in wahrer Buſſe auffhoͤren gottloß zuſeyn) gerecht machet/ dem wird ſein Glaube
gerechnet zur Gerechtigkeit. Und eben ſolches wiederhohlet er in ſeinem Brieffe an die Ga-
later mit dieſen Worten: Wir wiſſen/ daß der Menſch durch des Geſetzes Werke nicht ge-
e e e e e e ijrecht
[956]Achtes Buch.
recht wird/ ſondern durch den Glauben an JEſus Chriſt/ ſo glaͤuben wir auch an JEſus
Chriſt/ auffdaß wir gerecht werden durch den Glauben an Chriſt/ und nicht durch des Ge-
ſetzes Werke/ dann durch des Geſetzes Werke wird kein Menſch gerecht. Welches alles ei-
ne Erklaͤrung iſt des herlichen Kernſpruchs/ welchen unſer Heyland ſelbſt anfuͤhret/ da er
zu Nicodemus ſaget: Alſo hat Gott die Welt geliebet/ daß er ſeinen eingebornen Sohn gab/
auffdz alle die an ihn glaͤuben/ nit verlohren werden/ ſondern das ewige Leben haben. Wer
an ihn glaͤubet/ der wird nicht gerichtet/ wer aber nicht glaͤubet/ der iſt ſchon gerichtet.


XXIX. Welcher Menſch nun die Hoffnung haben wil zur Seligkeit/ derſelbe muß mit
feſtem Glauben ſich auff das teure Verdienſt ſeines Heylandes verlaſſen/ auff daß ihm Gott
das Verdienſt und die Gerechtigkeit ſeines JEſus durch den Glauben zurechnen oder
mitteilen moͤge. Und wann ein Menſch durch den Glauben iſt gerecht worden/ ſo muß er
ja bey Leib und Leben nicht gedenken/ daß es nun mit ſeiner Seligkeit alles gute Richtigkeit
habe/ und Gott der Herr nichts mehr von ihm erfodere/ als nur ſolchen vertraulichen Gla-
ben an ſeinen Sohn. Nein O nein! fondern da muß ein Menſch der von Gott iſt gerecht
gemacht/ derſelbe ſol und muß nohtwendig ſich aller Chriſtlichen geiſtlichen guten Werke
nach aͤuſſerſtem Vermoͤgen befleiſſigen/ ſo daß er nach Erfoderung der heiligen zehn Geboh-
te Gottes/ alle Boßheit und Ubeltaht meide/ und dagegen in allen Chriſtlichen Tugenden
ſich uͤbe. Dann wer in Suͤnden verharret/ der verdirbet dadurch ſeinen Glauben/ und faͤl-
let auß der Gnade Gottes/ ja er verleuret die durch den Glauben empfangene Gerechtig-
keit. Daher ſpricht abermahl Paulus: So ihr nach dem Fleiſche werdet leben/ ſo werdet
ihr muͤſſen ſterben; ſo ihr aber des Fleiſches Werke durch den Geiſt toͤdtet/ ſo werdet ihr
leben. Dann wo eure Gerechtigkeit (welche ihr nach der durch den Glauben empfangenen
Gerechtigkeit/ in Ubung der Gottſeligkeit leiſtet) nicht beſſer iſt/ als der Schrifftgelehrten
und Phariſeer (welche nur in Heucheley/ nicht in wahrer Ubung der Gotſeligkeit beſtund)
ſo werdet ihr nicht in das Him̃elreich kom̃en; ſpricht unſer Heyland ſelber. Dann nuꝛ allein
derſelbe Glaube gilt vor Gott/ welcher durch die Liebe wirket/ oder ſich kraͤfftig darſtellet.
Der Glaube aber/ welcher ohn die Werke der Gottſeligkeit iſt/ derſelbe iſt ein todter Glau-
be. Dann ob wir gleich auß Gnaden ſelig worden ſind durch den Glauben/ und nicht aus
den Werken/ wie Paulus aber mahl lehret in ſeinem Sende Schreiben an die Epheſer; ſo
ſetzet er doch alsbald hinzu/ daß wir Gottes Werk ſind/ geſchaffen/ in JEſus Chriſt/ zu gu-
ten Werken/ zu welchen Gott uns zuvor bereitet hat/ daß wir drinnen wandeln ſollen. Und
allein dieſe erwachſene Chriſten/ welche ſolcher Geſtalt alles ungoͤtliche Weſen/ und die
weltlichen Luͤſte meiden/ und hingegen zuͤchtig/ gerecht und gottſelig in dieſer Welt leben/
dieſelben haben ſich der kuͤnfftigen Seligkeit des ewigen Lebens zugetroͤſten/ wie auch die-
ſelben/ welche nach begangenen Suͤnden noch in deꝛ Gnadenzeit rechtſchaffene Buſſe tuhn/
von Suͤnden ablaſſen/ uñ da ihre Lebenszeit es zulaͤſſet/ die Ubung der wahren Gotſeligkeit
eiferig fortſetzen; Da ſie aber nach geſchehener Buſſe bald durch den Tod auß dieſer Welt
Abſcheid nehmen/ ſie dannoch den ſteiffen Vorſaz der Lebens-Beſſerung biß an ihr En-
de im Herzen behalten. Dieſe alle koͤnnen mit Paulus/ wann ſie durch den zeitlichen Tod
abgefodert werden/ freudig ſprechen: Ich habe einen guten Kampff gekaͤmpffet/ ich habe
den Lauff vollendet/ ich habe Glauben gehalten/ hinfort iſt mir bey gelegt die Kron der Ge-
rechtig-
[957]Achtes Buch.
rechtigkeit welche mir der HErr an jenem Tage der gerechte Richter geben wird/ nicht mir
aber allein/ ſondern auch allen/ die ſeine Erſcheinung lieb haben.


XXX. Dieſe Kron der Gerechtigkeit werden die frommen und Glaͤubigen von ihrem
Heylande empfangen/ nicht nur der Seele nach/ ſondern auch dem Leibe nach. Dann unſe-
re Leiber ſollen nicht ewig im Tode bleiben/ ſondern zu gewiſſer Zeit (welche allein Gott be-
kant iſt)/ aus dem Staube der Erden zum Leben aufferwecket/ und mit ihrer ehmaligen See-
le wieder vereiniget werden; worauff Gott durch ſeinen Sohn in angenom̃ener Menſch-
heit das algemeine Gerichte über alle Menſchen halten/ die Unglaͤubigen und Gottloſen
den boͤſen Teuffeln zur ewigen Hellen Pein uͤbergeben/ die Glaͤubigen und Frommen aber
in die ewige himliſche Seeligkeit auffnehmen wird.


XXXI. Dieſes iſt der kurze Begriff der Chriſtlichen Lehre/ welche ein Menſch behueff
ſeiner ewigen Seligkeit wiſſen/ glaͤuben und leiſten mus; bey welcher Einfalt die Ungelehr-
ten verbleiben/ und nicht durch ketzeriſche Irgeiſter und Schwaͤrmer ſich verleiten laſſen
ſollen/ als dañ werden ſie auſſer zweifel des ewigen Lebens verſichert ſeyn.


O ihr Koͤnige und Fuͤrſten/ die ihr von Gott auff die hoͤchſten Zinnen geſetzet ſeid/
nach deren Verhalten ſich die Untertahnen gemeinlich zu richten pflegen/ nehmet von dem
Chriſtlichen Teutſchen Herkules ein Beyſpiel/ und erkeñet doch/ daß euch ja ſo wol obliege/
euer Seligkeit/ als anderen/ wahrzunehmen/ und in dem Worte Gottes euch fleiſſig zu uͤ-
ben. Wolte euch aber Herkules nicht darzu bewaͤgen/ ſo hoͤret doch nur eures Gottes Be-
fehl/ welches der groſſe Fürſt und Kriegsheld Joſua empfing/ er ſolte das Buch des Ge-
ſetzes Tag und Nacht betrachten/ und von ſeinem Munde nicht kommen laſſen. Koͤnig Da-
vid wahr auch ein Koͤnig ein Held und tapferer Kriegsman/ und dannoch legte er oft den
Reichsſtab und Kron zu ſeines Gottes Fuͤſſen/ nam die Harffe zur Hand/ und tichtete die
herlichſten geiſtreicheſten Lieder/ an denen alle betruͤbte und elende ihrẽ erquiklichſten Troſt
haben. Unſer Herkules wahr Davids Nachfolger; wann er in Noht geriet/ rieff er zu ſei-
nem Gott; wañ er Rettung empfing/ opferte er ihm Lob/ Preiß uñ Dank/ daher ihm nicht
anders/ als gelingen kunte. Und weil wir in dem Werke etliche Gebehter nicht hinzu geſezt
haben/ da ſie eigentlich vom ihm ſind gehalten worden/ wollen wir dieſelben alhie anfuͤhren.


Herkules Gebeht/ welches er wegen ſeiner Bekehrung in da-
mahliger Einfalt zu Gott getahn.


ODu ewiges Licht/ welches der Sonnen und allem Geſtirn ihren Schein giebet; mit was inbruͤnſti-
ger Dankbarkeit ſol ich deine unausſprechliche Gnade ruͤhmen und preiſen/ daß du mich blinden
elenden Suͤnder mit den Strahlen deines himliſchen Glanzes erleuchtet/ und mich zu deiner heilſamen
Erkaͤntniß gleichſam bey den Haaren herzugezogen haſt/ in dem du mich durch Raͤubers Hand aus
meinem vergoͤtzeten aberglaͤubigen Vaterlande hinweg geriſſen/ und an dieſen Ort mich gefuͤhret
haſt/ da ich deinen heiligen Nahmen/ und deinen lieben Sohn JEſus Chriſt/ meinen Heiland und
Seligmacher erkennet habe. O du himliſche Klarheit/ dir ſey davor ewig Lob und Preiß geſaget; mein
Gott! mein Schoͤpffer! mein Heiland! erhalte und bekraͤfftige mich in dieſem angefangenen Chri-
ſtentuhm/ daß mich weder Noht noch Tod/ weder Schande noch Ehre/ weder Armuht noch Reichtuhm
weder Freunde noch Feinde/ weder Leibeigenſchafft noch Freyheit davon abſchrecken moͤgen/ damit
ich nach dieſer muͤhſeligen Vergaͤngligkeit/ unter den außerwaͤhleten Kindern deines groſſen ewigen
Reichs moͤge erfunden werden. Behuͤte mich auch vor groben Suͤnden/ daß ich deine Guͤte nicht ver-
ſcherze/ noch deiner Gnade mich verluſtig mache; und dafern es dein gnaͤdiger Wille iſt/ ſo gib mir
e e e e e e iijoder
[958]Achtes Buch.
oder einem andern die Gnade/ daß meine liebe Eltern/ Bruder/ Schweſter und Anverwanten/ und
unter dieſen inſonderheit mein Ladiſla und deſſen Frl. Schweſter auch zu dir moͤgen bekehret werden.
Und wann ich dereins nach deinem Wolgefallen dieſe meine Knechtſchafft ablegen/ und nach Erhei-
ſchung meines Standes/ Ritterſchafft uͤben und treiben ſol/ ſo behuͤte mich vor unnoͤhtigem Kampff
und Blutvergieſſen; laß mich auch/ mein Heiland/ den Ort beſuchen/ woſelbſt du vor meine Suͤnde
gelitten/ und mich am Stamme des heiligen Kreuzes erloͤſet haſt/ und leite mich in meinem ganzen
Leben/ mit deinem Heiligen Geiſte/ daß ich ein lebendiges Glied an deinem Leibe ſeyn und allezeit blei-
ben moͤge/ Amen Amen.


Herkules Gebeht/ als ihn Gott aus ſeiner Knechtſchafft
durch Ladiſla erloͤſete.


MEin Heyland JEſus! wie ſuͤſſe iſt dein Nahme; wie groß deine Guͤte; wie unbegreiflich deine
wunderbahre Almacht; wie unermaͤßlich der Abgrund deiner Barmherzigkeit! Herr mein Gott!
geſtern wahr ich ein Sklave und Leibeigener/ jezt bin ich wieder eines Groß Fuͤrſten Sohn/ und Koͤ-
niglicher Hocheit nahe. O du Brunquel aller erbarmung/ wer iſt dir gleich? O du Wundertaͤhter/
wer verſtehet die Heimligkeit deiner Wege? Herr ich bin nicht wert/ ich bin nicht wert aller barmher-
zigkeit und Guͤte/ die du mir deinem ſchlimmen Knecht erzeigeſt. Du haſt mich/ Zeit der Leiblichen
Dienſtbarkeit/ von den Ketten und Banden der geiſtlichen Knechtſchaft/ damit ich zur verdamnis ge-
feſſelt wahr/ loßgemacht/ welche Guͤte ich weder begreiffen noch erkennen kan; und nun mus auch mein
Leib und Leben von dem Joche der zeitlichen Leibeigenſchaft befreiet werden. Mein Erretter! groß
ſind deine Wunder/ die du an mir beweiſeſt; unermaͤßlich iſt deine Barmherzigkeit/ die mit leiblicher
uñ geiſtlicher Gluͤkſeligkeit mich uͤberſchuͤttet. HErr mein Gott! ſihe an meines Geiſtes Inbrunſt/ wel-
cher dein Lob gerne erzaͤhlen wolte/ und vor uͤbermachter Freude nicht eins den Anfang darzu machen
kan. Ey laß dir wolgefallen/ daß der Wille da iſt/ den du mir gegeben haſt/ ob gleich das Vermoͤgen
wegen fleiſches ſchwacheit nicht kan folge leiſten. Du weiſt es/ mein Hort/ mein hoͤchſtes Gut du weiſt
es/ daß ich dich liebe/ daß ich an dir meine Vergnuͤgung habe/ und mit dir wol zufrieden ſeyn wollen/
ob ich gleich in meinem elenden Stande biß an mein greiſes Alter haͤtte ſollen verbleiben/ welches du
aber nicht haſt wollen zugeben. O du Erbarmer/ wie ſol ich dir davor gebuͤhrlich danken? Nun dann
mein Heyland/ fahre fort deinen Knecht gnaͤdig heimzuſuchen; fahre fort ihn zu troͤſten und zu laben/
auffdaß er fort mehr deine Barmherzigkeit ruͤhmen/ und das Opfer ſeiner Lippen dir vorlegen koͤnne.
Aber O mein Gott! zubrich auch die Bande des leidigen Satans/ mit welchen mein Ladiſla/ meine
Eltern und Anverwanten/ als deine abgeſageten Feinde (Ach Gott erbarme dich ihrer) im Unglauben
und verachtung deines Sohns gebunden ſind. Du mein Helffer/ zubrich ſie/ wie du die meine zubro-
chen haſt/ und erweiche ihre Steinerne Herzen/ daß ſie dereins erkennen moͤgen/ was ſie verachten/
wann ſie deinen Sohn verachten. Sihe an mein Gott/ daß ſie mehr aus Unwiſſenheit als Bosheit
ſuͤndigen/ und laß ſie/ wie den verſtokten Saul/ nach deiner Gnade zu Pauluſſen gedeien/ umb deines
lieben Sohns JEſus Chriſtus meines Heylandes Willen/ Amen Amen.


Herkules Gebeht/ da er aus Henkers Haͤnden entran/ als Charide-
mus ihn wolte abſchlachten laſſen.


Suͤſſer Heyland aller die auff dich trauen! dich wil ich loben allezeit/ dein Lob ſol immer dar in mei-
nem Munde ſeyn; meine Seele ſol ſich freuen uͤber deiner Huͤlffe; mein Geiſt ſol nicht muͤde
werden zu deinem Preiſe. O du Vater der Barmherzigkeit! du haſt mich HErr aus des Loͤuen Rachẽ
geriſſen/ und aus dem augenſcheinlichen Verderben haſtu mich erloͤſet/ mein Heyland! O ihr glaͤubi-
gen/ preiſet mit mir den HErrn/ uñ laſt uns miteinander ſeinen Nahmen erhoͤhen; da ich den HErrn
ſuchte antwortete er mir/ und rettete mich aus den Haͤnden der grimmigen Henker. Davor ruͤhme ich
HErr deine Guͤte; davor erhebe ich deine grundloſe Barmherzigkeit. Dann ſihe/ das Schwert wahr
ſchon uͤber mich gezuͤcket; der grimmige Blut Hund wolte mich zerſtuͤcken laſſen; aber du haſt jhm
gewehret/
[959]Achtes Buch.
gewehret/ und mein Leben errettet/ durch eine wunderbahre Errettung. Lob ſey dir du mein Heiland;
Preiß ſey dir/ du mein Helffer in aller Noht! So hilff nun ferner mein Gott/ uͤm deines Namens
Ehre willen/ und goͤnne mir auffs minſte nur ſo lange dieſes zeitliche Leben/ daß ich mein vertrautes
Fraͤulein dir zufuͤhren/ und ſie im Chriſtentuhm unterweiſen moͤge; hernach fodere mich wann dirs
gefaͤlt. Doch iſt es dein Goͤttlicher Wille/ ſo laß mich nicht durch Henkers Schwert/ als ein Ubeltaͤh-
ter/ gefaͤllet werden/ es waͤhre dann/ daß es uͤm deines Namens Bekaͤntnis geſchehen ſolte/ deſſen ich
mich nicht wegern/ ſondern dir zu Ehren alle Schande und Schmach gerne uͤber mich nehmen wil.
Bewahre auch meinen Ladiſla/ und uͤberſihe gnaͤdig ſeinen Unglauben; bekehre ſein Herz/ und laß
jhn dereins den Nahmen eiferig bekennen/ welchen er anietzt veraͤchtlich haͤlt/ wiewol er/ meines wiſ-
ſens/ denſelben zu laͤſtern auffgehoͤret hat. Meine liebe Eltern und andere Anverwanten befehle ich
gleicher weiſe deiner Gnade zur Erkaͤntnis der ſeligmachenden Warheit/ und fuͤhre mich den Weg
den ich wandeln ſol/ mein Fraͤulein zu erloͤſen/ Amen/ Amen.


Herkules Gebeht/ da er erſtmahls vor Charas
anlangete.


BIßher haſtu mich gefuͤhret/ O du GOtt meines Heilß! bißher habe ich deines kraͤfftigen Schut-
zes genoſſen/ O du GOtt aller die auff dich trauen! wie mannicher Gefahr bin ich auff dieſer
Reiſe entgangen/ aber HErr durch deine Huͤlffe; wie manniches Ungluͤk hat mich muͤſſen vorbey ge-
hen/ weil deine almaͤchtige Gnaden Hand es abgewendet hat. Ich bin aber noch nicht voruͤber/ mein
Helffer/ ſondern das wichtigſte ſtehet mir noch bevor. Bißher habe ichs mit Raͤubern und einzelnen
frevelhafften Buben zutuhn gehabt/ aber nun werde ichs wider den maͤchtigſten Wuͤterich wagen
muͤſſen/ an dem Orte/ da ſeine groͤſſeſte Macht herſchet/ und mein Unvermoͤgen durchaus nichts ſchaf-
fen kan. Aber dieſes troͤſtet mich/ mein Gott; dieſes ſtaͤrket und kraͤftiget mich/ mein Heiland/ daß
ich dich an meiner Seiten habe und ſpuͤre/ dich/ der du aller Koͤnige Herzen in deiner Hand haſt/ und
leiteſt ſie/ wie die Waſſerbaͤche. Weil nun der HErꝛ mein Licht und mein Heil iſt/ ey vor wem ſolt
ich mich dann wol fuͤrchten? weil der Herr meines Lebens Kraft iſt/ ey vor wem ſolte mir dann
wol grauen? O HErꝛ/ es iſt gut/ ſich auff dich verlaſſen/ und nicht auff Menſchen; deßwegen/ weil
ich dich habe/ ſo frage ich nichts nach Himmel und Erden; was ſolte mich dann der Partiſche Wuͤ-
terich ſchrecken? ich habe ſeinen frevelmuhtigen Sohn erſchlagen/ ehe ichs gedenken moͤgen; wie
leicht iſt dirs/ daß du des gottloſen Vaters Macht auch danieder legeſt. Nun HErꝛ ich trau auff
dich in dieſer Sache/ die meines Neheſten Ehr/ Leben und Seligkeit betrift/ welche demnach dir nicht
kan zuwider ſeyn; daher wirſt du mir zur Rechten ſtehen/ und mir heilſame Rahtſchlaͤge ins Herz
geben/ daß ich mein Vornehmen durch dich vorſichtig anfahen/ geherzt fortſetzen und gluͤcklich auß-
fuͤhren moͤge Amen. Deine Guͤte HErꝛ ſey uͤber uns/ wie wir auff dich hoffen/ Amen.


Herkules Gebeht/ da er ſein Gemahl Valiſkenaus
Charas hinweg fuͤhrete.


JEzt iezt mein Helffer! iezt habe ich deines Schutzes von noͤhten/ mehr als vor nie; daruͤm hilf
O du mein Heiland und Erretter/ dann ich verlaſſe mich auff deinen Beiſtand: ſonſt muͤſte ich
unter den grimmigen Loͤwen vergehen/ die ohn zweifel mir bald folgen werden. HErr du weiſt es/
daß auff deine Huͤlffe ichs gewaget/ und auf Menſchen Arm mich nicht verlaſſen habe; ja mein Gott/
du weiſt es. O ſo geleite du mich des Weges/ den ich wandeln ſol; verblende meine Feinde/ daß ſie
mich nicht ſehen; verbirge ihnen meine Flucht/ daß ſie ſein ſpaͤte gnug inne werden; verhindere ihre
Einfaͤltigkeit/ und laͤhme ihre Roſſe; laß ſie in ihren Rahtſchlaͤgen ſich verwickeln/ und drinnen zu
ſchanden werden/ welche ſie zu meinem Verderben halten/ und fuͤhre mich HErꝛ in den Hafen der Si-
cherheit/ daß ich nebeſt meinem Gemahl unſer Vaterland wieder ſehen moͤge; alsdann wil ich dir
dieſen Tag feiren mein lebenlang/ und dir zu Ehren ein Dankfeſt anſtellen/ ſo lange ich den Odem zie-
he/ Amen/ Amen.


Wir
[960]Achtes Buch.

Wir ſehen aus dieſen und anderen dergleichen Gebehten/ welche an unterſchiedlichen
Orten dieſes Werks geleſen werden/ was vor inbruͤnſtige Gottesfurcht unſer Herkules
in ſeinem Herzen gefuͤhret/ und dadurch allen Rittersleuten ſich als ein Beiſpiel und Vor-
bilde zur Chriſtlichen Nachfolge vorgeſtellet hat/ welches ſie wol beherzigen moͤchten/ da-
mit ſie nicht nach Art der Boshaftigen/ an ſtat des Heiligen Gebehts nur ein ſtaͤtes er-
ſchrekliches Fluchen/ Laͤſtern und Schwoͤren von ſich hoͤren laſſen/ die gottloſen Marter-
hanſen/ welche ihnen dadurch Gottes Ungnade und die helliſche Verdamnis uͤber den
Hals zihen/ auch aller redlichen Menſchen Feindſchafft damit verdienen.


Unſer Schiff aber hat vor dißmahl/ ungeachtet der unausſprechlichen heftig-ſtuͤr-
menden Wellen/ dannoch den gewuͤnſchten Hafen erreichet/ inſonderheit/ wann der Uhr-
ſchreiber dieſes Werks erfahren ſolte/ daß der Ehr- und Tugendliebende Leſer durch dieſe
Geſchichte Leib- und Geiſtlich erquicket waͤhre/ als zu welchem Ende er die Muͤhe bey ſei-
nen vielfaͤltigen Geſchaͤften auff ſich nehmen/ und taͤglich etliche Schlafſtunden ſeiner
naͤchtlichen Leibesruhe enttzihen wollen/ damit er dieſe Geſchichte der Welt bekant machte/
welche uͤber 1400 Jahr vergrabẽ gelegen/ uñ durch den Krieg/ welcher des ganzen Teutſch-
landes unterſtes zu oberſt gekehret/ ohngefehr bey dem Weſerſtrohme unter einem hohlen
Steine hervor gezogen iſt; wodurch die Verſehung auſſer allem zweiſel hat wollen zuer-
kennen geben/ daß nicht allein tapffere Helden aus Frankreich/ Italien/ Spanien und
Griechenland/ ſondern auch deren viel aus Teutſchland/ uñ anderen Nordiſchẽ
Laͤndern entſproſſen ſind/ die uͤber andere ihres gleichẽ ſich der wah-
ren Tugend und ungefaͤrbeten Gottesfurcht
gewidmet haben.


Ende des Chriſtlichen Teutſchen
Herkules.

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CC-BY-4.0
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Bucholtz, Andreas Heinrich. Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bhxv.0