Die Zauberin im Walde.
„Schon vor vielen, vielen Jahren
Saß ich druͤben an dem Ufer,
Sah manch' Schiff voruͤber fahren
Weit hinein in's Waldesdunkel.“
„Denn ein Vogel jeden Fruͤhling
An dem gruͤnen Waldes-Saume
Sang mit wunderbarem Schalle,
Wie ein Waldhorn klang's im Traume.“
„Und gar ſeltſam hohe Blumen
Standen an dem Rand der Schluͤnde,
Sprach der Strom ſo dunkle Worte,
'S war, als ob ich ſie verſtuͤnde.“
„Und wie ich ſo ſinnend athme
Stromeskuͤhl' und Waldesduͤfte,
Und ein wunderſam Geluͤſten
Mich hinabzog nach den Kluͤften:“
„Sah ich auf kryſtall'nem Nachen,
Tief im Herzensgrund erſchrocken,
Eine wunderſchoͤne Fraue,
Ganz umwallt von gold'nen Locken.“
[398]„Und von ihrem Hals behende
Thaͤt ſie Ioͤſen eine Kette,
Reicht' mit ihren weißen Haͤnden
Mir die allerſchoͤnſte Perle.“
„Nur ein Wort von fremdem Klange
Sprach ſie da mit rothem Munde,
Doch im Herzen ewig ſtehen
Wird des Wort's geheime Kunde.“—
„Seitdem ſaß ich wie gebannt dort,
Und wenn neu der Lenz erwachte,
Immer von dem Halsgeſchmeide
Eine Perle ſie mir brachte.“
„Ich barg all' im Waldesgrunde,
Und aus jeder Perl der Fraue
Sproßte eine Blum' zur Stunde,
Wie ihr Auge anzuſchauen.“
„Und ſo bin ich aufgewachſen,
Thaͤt der Blumen treulich warten,
Schlummert' oft und traͤumte golden
In dem ſchwuͤlen Waldes-Garten.“
„Fortgeſpuͤlt iſt nun der Garten
Und die Blumen all' verſchwunden,
Und die Gegend, wo ſie ſtanden,
Hab' ich nimmermehr gefunden.“
[399]„In der Fern' liegt jetzt mein Leben,
Breitend ſich wie junge Traͤume,
Schimmert ſtets ſo ſeltſam lockend
Durch die alten, dunklen Baͤume.“
„Jetzt erſt weiß ich, was der Vogel
Ewig ruft ſo bange, bange,
Unbekannt zieht ew'ge Treue
Mich hinunter zu dem Sange.“
„Wie die Waͤlder kuͤhle rauſchen,
Zwiſchendurch das alte Rufen,
Wo bin ich ſo lang' geweſen? —
O ich muß hinab zur Ruhe!“
Und es ſtieg vom Schloß hinunter
Schnell der ſuͤße Florimunde,
Weit hinab und immer weiter
Zu dem dunkelgruͤnen Grunde.
Hoͤrt' die Stroͤme ſtaͤrker rauſchen,
Sah in Nacht des Vaters Burge
Stillerleuchtet ferne ſtehen,
Alles Leben weit verſunken.
Und der Vater ſchaut' vom Berge,
Schaut' zum dunklen Grunde immer,
Regte ſich der Wald ſo grauſig,
Doch den Sohn erblickt' er nimmer.
[400]Und es kam der Winter balde,
Und viel' Lenze kehrten wieder,
Doch der Vogel in dem Walde
Sang nie mehr die Wunderlieder.
Und das Waldhorn war verklungen
Und die Zauberin verſchwunden,
Wollte keinen andern haben
Nach dem ſuͤßen Florimunde. —
[401]Die Brautfahrt.
Durch des Meeresſchloſſes Hallen
Auf beſpuͤltem Felſenhang,
Weht der Hoͤrner feſtlich Schallen;
Froher Hochzeitgaͤſte Drang,
Bei der Kerzen Zauberglanze,
Wogt im buntverſchlung'nen Tanze.
Aber an des Fenſters Bogen,
Ferne von der lauten Pracht,
Schaut der Braͤut'gam in die Wogen
Draußen in der finſtern Nacht,
Und die trunk'nen Blicke ſchreiten
Furchtlos durch die oͤden Weiten.
„Lieblich,“ ſprach der wilde Ritter
Zu der zarten, ſchoͤnen Braut,
„Lieblich girrt die ſanfte Zitter —
Sturm iſt meiner Seele Laut,
Und der Wogen dumpfes Brauſen
Hebt das Herz in kuͤhnem Grauſen.
Ich kann hier nicht muͤßig lauern,
Treiben auf dem flachen Sand,
Dieſer Kreis von Felſenmauern
Haͤlt mein Leben nicht umſpannt;
Schoͤn're Laͤnder bluͤhen ferne,
Das verkuͤnden mir die Sterne.
[408]Du mußt glauben, Du mußt wagen,
Und, den Argonauten gleich,
Wird die Woge fromm Dich tragen
In das wunderbare Reich;
Muthig ſtreitend mit den Winden,
Muß ich meine Heimath finden!
Siehſt Du, heißer Sehnſucht Fluͤgel,
Weiße Seegel dort geſpannt?
Hoͤrſt Du tief die feuchten Huͤgel
Schlagen an die Felſenwand?
Das iſt Sang zum Hochzeitsreigen —
Willſt Du mit mir niederſteigen?
Kannſt Du rechte Liebe faſſen,
Nun ſo frage, zaudre nicht!
Schloß und Garten mußt Du laſſen
Und der Aeltern Angeſicht —
Auf der Fluth mit mir alleine,
Da erſt, Liebchen, biſt Du meine!“
Schweigend ſieht ihn an die milde
Braut mit ſchauerlicher Luſt,
Sinkt dem kuͤhnen Ritterbilde
Trunken an die ſtolze Bruſt.
„Dir hab ich mein Loos ergeben
Schalte nun mit meinem Leben.“
Und er traͤgt die ſuͤße Beute
Jubelnd aus dem Schloß auf's Schiff,
Drunten harren ſeine Leute,
Stoßen froh vom Felſenriff;
[409]Und die Hoͤrner leis verhallen,
Einſam rings die Wogen ſchallen.
Wie die Sterne matter blinken
In die morgenrothe Fluth,
Sieht ſie fern die Berge ſinken,
Flammend ſteigt die hehre Gluth,
Ueber'm Spiegel trunkner Wellen
Rauſchender die Seegel ſchwellen.
Monde ſteigen und ſich neigen,
Lieblich weht ſchon fremde Luft,
Da ſeh'n ſie ein Eiland ſteigen
Feenhaft aus blauem Duft,
Wie ein farb'ger Blumenſtreifen —
Meerwaͤrts fremde Voͤgel ſchweifen.
Alle faßt ein freud'ges Beben —
Aber dunkler rauſcht das Meer,
Schwarze Wetter ſchwer ſich heben,
Stille wird es ringsumher,
Und nur freudiger und treuer
Steht der Ritter an dem Steuer.
Und nun flattern wilde Blitze,
Sturm raſ't um den Felſenriff,
Und von grimmer Wogen Spitze
Stuͤrzt geborſten ſich das Schiff.
Schwankend auf des Maſtes Splitter,
Schlingt die Braut ſich um den Ritter.
[410]Und die Muͤde in den Armen,
Springt er abwaͤrts, ſinkt und ringt,
Haͤlt den Leib, den bluͤhendwarmen,
Bis er alle Wogen zwingt,
Und am Blumenſtrand gerettet,
Auf das Gras ſein Liebſtes bettet.
„Wache auf, wach' auf, Du Schoͤne!
Liebesheimath ringsum lacht,
Zaubriſch ringen Duft und Toͤne,
Wunderbarer Blumen Pracht
Funkelt rings im Morgengolde —
Schau um Dich! wach auf, Du Holde!“
Aber frei von Luſt und Kummer
Ruht die liebliche Geſtalt
Laͤchelnd noch im laͤngſten Schlummer,
Und das Herz iſt ſtill und kalt,
Still der Himmel, ſtill im Meere,
Schimmernd rings des Thaues Zaͤhre.
Und er ſinkt zu ihr vor Schmerzen,
Einſam in dem fremden Thal,
Thraͤnen aus dem wilden Herzen
Brechen da zum Erſtenmal,
Und vor dieſem Todesbilde
Wird die ganze Seele milde.
Von der langen Taͤuſchung trennt er
Schauernd ſich — der Stolz entweicht,
Andre Heimath nun erkennt er,
Die kein Seegel hier erreicht,
[411]Und an aͤchten Schmerzen ranken
Himmelwaͤrts ſich die Gedanken.
Schweigend ſcharrt er ein die Stille,
Pflanzt ein Kreuz hoch auf ihr Grab,
Wirft von ſich die ſeid'ne Huͤlle,
Leget Schwert und Mantel ab,
Kleidet ſich in rauhe Felle,
Haut in Fels ſich die Kapelle.
Ueber'm Rauſchen dunkler Wogen
In der wilden Einſamkeit,
Hauſend auf dem Felſenbogen,
Ringt er fromm mit ſeinem Leid,
Hat, da manches Jahr entſchwunden,
Heimath, Braut und Ruh' gefunden. —
Viele Schiffe drunten gehen
An dem ſchoͤnen Inſelland,
Sehen hoch das Kreuz noch ſtehen,
Warnend von der Felſenwand;
Und des ſtrengen Buͤßers Kunde
Gehet fromm von Mund zu Munde.
[412]Jaͤger und Jaͤgerin.
Sie.
Waͤr' ich ein muntres Hirſchlein ſchlank,
Wollt' ich im gruͤnen Walde geh'n,
Spazieren geh'n bei Hoͤrnerklang,
Nach meinem Liebſten mich umſeh'n.
Er.
Nach meiner Liebſten mich umſeh'n
Thu' ich wohl, zieh' ich fruͤh von hier,
Doch Sie mag niemals zu mir geh'n
Im dunkelgruͤnen Waldrevier.
Sie.
Im dunkelgruͤnen Waldrevier,
Da blitzt der Liebſte roſenroth,
Gefaͤllt ſo ſehr dem armen Thier,
Das Hirſchlein wuͤnſcht, es laͤge todt.
Er.
Und waͤr' das ſchoͤne Hirſchlein todt,
So moͤcht' ich jagen laͤnger nicht;
Scheint uͤber'n Wald der Morgenroth:
Huͤt' ſchoͤnes Hirſchlein, huͤte dich!
Sie.
Huͤt' ſchoͤnes Hirſchlein, huͤte dich!
Spricht's Hirſchlein ſelbſt in ſeinem Sinn,
Wie ſoll ich, ſoll ich huͤten mich,
Wenn ich ſo ſehr verliebet bin?
[416]Er.
Weil ich ſo ſehr verliebet bin,
Wollt' ich das Hirſchlein, ſchoͤn und wild,
Aufſuchen tief im Walde drinn
Und ſtreicheln, bis es ſtille hielt.
Sie.
Ja, ſtreicheln, bis es ſtille hielt,
Falſch locken ſo in Stall und Haus!
Zum Wald ſpringt's Hirſchlein frei und wild
Und lacht verliebte Narren aus.
[417]Die Nonne und der Ritter.
Da die Welt zur Ruh' gegangen,
Wacht mit Sternen mein Verlangen;
In der Kuͤhle muß ich lauſchen,
Wie die Wellen unten rauſchen.
„Fernher mich die Wellen tragen,
Die an's Land ſo traurig ſchlagen
Unter Deines Fenſters Gitter,
Fraue, kennſt Du noch den Ritter?“
Iſt's doch, als ob ſeltſam' Stimmen
Durch die lauen Luͤfte ſchwimmen;
Wieder hat's der Wind genommen —
Ach, mein Herz iſt ſo beklommen!
„Druͤben liegt Dein Schloß verfallen,
Klagend in den oͤden Hallen
Aus dem Grund der Wald mich gruͤßte —
'S war, als ob ich ſterben muͤßte.“
Alte Klaͤnge bluͤhend ſchreiten!
Wie aus lang verſunk'nen Zeiten
Will mich Wehmuth noch beſcheinen,
Und ich moͤcht' von Herzen weinen.
„Ueber'm Walde blitzt's von Weitem,
Wo um Chriſti Grab ſie ſtreiten;
Dorthin will mein Schiff ich wenden,
Da wird alles, alles enden!“
27
[418]Geht ein Schiff, ein Mann ſtand drinne —
Falſche Nacht, verwirrſt die Sinne,
Welt, Ade! Gott woll' bewahren,
Die noch irr im Dunkeln fahren.
[419]Der ſtille Grund.
Der Mondenſchein verwirret
Die Thaͤler weit und breit,
Die Baͤchlein wie verirret
Geh'n durch die Einſamkeit.
Da druͤben ſah ich ſtehen
Den Wald auf ſteiler Hoͤh,
Die finſtern Tannen ſehen
In einen tiefen See.
Ein Kahn wohl ſah ich ragen,
Doch niemand, der es lenkt,
Das Ruder war zerſchlagen,
Das Schifflein halb verſenkt.
Eine Nixe auf dem Steine
Flocht dort ihr gold'nes Haar,
Sie meint', ſie waͤr' alleine,
Und ſang ſo wunderbar.
Sie ſang und ſang, in den Baͤumen
Und Quellen rauſcht' es ſacht
Und fluͤſterte wie in Traͤumen
Die mondbeglaͤnzte Nacht.
Ich aber ſtand erſchrocken,
Denn uͤber Wald und Kluft
Klangen die Morgenglocken.
Schon ferne durch die Luft.
[421]Und haͤtt' ich nicht vernommen
Den Klang zu guter Stund',
Waͤr' nimmermehr gekommen
Aus dieſem ſtillen Grund.
[422]Der Unbekannte.
Vom Dorfe ſchon die Abendglocken klangen,
Die muͤden Voͤglein gingen auch zur Ruh,
Nur auf den Wieſen noch die Heimchen ſangen
Und von den Bergen rauſcht der Wald dazu;
Da kam ein Wandrer durch die Aehrenwogen,
Aus fernen Landen ſchien er hergezogen.
Vor ſeinem Hauſe, unter bluͤh'nden Lauben
Lud ihn ein Mann zum froͤhl'chen Raſten ein,
Die junge Frau bracht' Wein und Brot und Trauben,
Setzt dann, umſpielt vom letzten Abendſchein,
Sich neben ihn und blickt halb ſcheu, halb loſe,
Ein lockigt Knaͤblein laͤchelnd auf dem Schooße.
Ihr duͤnkt, er waͤr' ſchon einſt im Dorf geweſen,
Und doch ſo fremd und ſeltſam war die Tracht,
In ſeinen Mienen feur'ge Schrift zu leſen
Gleich Wetterleuchten fern bei ſtiller Nacht,
Und traf ſein Auge ſie, wollt' ihr faſt grauen,
Denn 's war, wie in den Himmelsgrund zu ſchauen.
Und wie ſich kuͤhler nun die Schatten breiten,
Vom Berg Veſuv, der uͤber Truͤmmern raucht,
Vom blauen Meer, wo Schwaͤne ſingend gleiten,
Kryſtall'nen Inſeln, bluͤhend draus getaucht,
Und Glocken, die im Meeresgrunde ſchlagen,
Wußt' wunderbar der ſchoͤne Gaſt zu ſagen.
[425]„Haſt viel erfahren, willſt Du ewig wandern?“
Sprach drauf ſein Wirth mit herzlichem Vertrau'n,
„Hier kannſt Du froh genießen wie die andern,
Am eig'nen Heerd Dein kleines Gaͤrtchen bau'n,
Des Nachbars Toͤchter haben reiche Truhen,
Ruh' endlich aus, brauchſt nicht allein zu ruhen.“
Da ſtand der Wandrer auf, es bluͤhten Sterne
Schon aus dem Dunkel uͤber'm ſtillen Land,
„Geſegn' euch Gott! mein Heimathland liegt ferne. —“
Und als er von den beiden ſich gewandt,
Kam himmliſch Klingen von der Waldeswieſe —
So ſternklar war noch keine Nacht wie dieſe.
[426]Der Schnee.
Wann der kalte Schnee zergangen,
Stehſt Du draußen in der Thuͤr,
Kommt ein Knabe ſchoͤn gegangen,
Stellt ſich freundlich da zu Dir,
Lobet Deine friſchen Wangen,
Dunkle Locken, Augen licht,
Wann der kalte Schnee zergangen
Glaub dem falſchen Herzen nicht!
Wann die lauen Luͤfte wehen,
Scheint die Sonne lieblich warm:
Wirſt Du wohl ſpazieren gehen,
Und er fuͤhret Dich am Arm,
Thraͤnen Dir im Auge ſtehen,
Denn ſo ſchoͤn klingt, was er ſpricht,
Wann die lauen Luͤfte wehen,
Glaub' dem falſchen Herzen nicht!
Wann die Lerchen wieder ſchwirren,
Trittſt Du draußen vor das Haus,
Doch er mag nicht mit Dir irren,
Zog weit in das Land hinaus;
Die Gedanken ſich verwirren,
Wie Du ſiehst den Morgen roth, —
Wann die Lerchen wieder ſchwirren,
Armes Kind, ach waͤrſt Du todt!
[430]Die weinende Braut.
Du warſt ſo herrlich anzuſchauen,
So kuͤhn und wild und doch ſo lieb,
Dir mußt' ich Leib und Seel' vertrauen,
Ich mocht' nichts mehr, das meine blieb!
Da haſt Du, Falſcher, mich verlaſſen
Und Blumen, Luſt und Fruͤhlingsſchein,
Die ganze Welt ſah ich erblaſſen,
Ach Gott, wie bin ich nun allein!
Wohl Jahrlang ſah ich von den Hoͤhen
Und gruͤßte Dich viel tauſendmal,
Und unten ſah ich Viele gehen,
Doch Du erſchienſt nicht in dem Thal.
Und mancher Lenz mit bunten Scherzen
Kam und verflog im luſt'gen Lauf,
Doch ach! in dem betrog'nen Herzen
Geht niemals mehr der Fruͤhling auf.
Ein Kraͤnzlein trag' ich nun im Haare,
In reichen Kleidern ſchoͤn geſchmuͤckt,
Fuͤhrt mich ein andrer zum Altare,
Die Aeltern ſind ſo hoch begluͤckt.
Und froͤhlich kann ich mich wohl zeigen,
Die Sonne hell wie damals ſcheint,
Und vor dem Jauchzen und dem Geigen
Hoͤrt Keiner, wie die Braut ſtill weint.
[431]Die Fruͤhlingslieder neu beginnen —
Du kehrſt nach manchem Jahr zuruͤck,
Und ſteheſt ſtill, Dich zu beſinnen,
Wie auf ein laͤngſtvergang'nes Gluͤck.
Doch wuͤſtverwachſen liegt der Garten,
Das Haus ſteht lange ſtill und leer,
Kein Lieb' will Dein am Fenſter warten,
Und Dich und mich kennt Niemand mehr.
Doch eine Lerche ſiehſt Du ſteigen
Vom Thal zum blauen Himmelsport,
Ein Baͤchlein rauſchet da ſo eigen,
Als weinte es in einem fort.
Dort haben ſie mich hingetragen,
Bedeckten mir mit Stein den Mund —
Nun kann ich Dir nicht einmal ſagen,
Wie ich Dich liebt' aus Herzensgrund.
[432]Der Gefangene.
In gold'ner Morgenſtunde,
Weil alles freudig ſtand,
Da ritt im heitern Grunde
Ein Ritter uͤber Land.
Rings ſangen auf das beſte
Die Voͤglein mannigfalt,
Es ſchuͤttelte die Aeſte
Vor Luſt der gruͤne Wald.
Den Nacken, ſtolz gebogen,
Klopft er dem Roͤſſelein
So iſt er hingezogen
Tief in den Wald hinein.
Sein Roß hat er getrieben,
Ihn trieb der friſche Muth:
„Iſt alles fern geblieben,
So iſt mir wohl und gut!“
Mit Freuden mußt' er ſehen
Im Wald' ein' gruͤne Au,
Wo Bruͤnnlein kuͤhle gehen,
Von Blumen roth und blau.
Vom Roß iſt er geſprungen,
Legt ſich zum kuͤhlen Bach,
Die Wellen lieblich klungen,
Das ganze Herz zog nach.
28
[434]So gruͤne war der Raſen,
Es rauſchte Bach und Baum,
Sein Roß thaͤt ſtille graſen
Und alles wie ein Traum.
Die Wolken ſah er gehen,
Die ſchifften immer zu,
Er konnt' nicht widerſtehen, —
Die Augen ſanken ihm zu.
Nun hoͤrt' er Stimmen rinnen,
Als wie der Liebſten Gruß,
Er konnt' ſich nicht beſinnen —
Bis ihn erweckt ein Kuß.
Wie praͤchtig glaͤnzt die Aue!
Wie Gold der Quell nun floß,
Und einer ſuͤßen Fraue
Lag er im weichen Schooß.
„Herr Ritter! wollt Ihr wohnen
Bei mir im gruͤnen Haus:
Aus allen Blumenkronen
Wind' ich Euch einen Strauß!
Der Wald ringsum wird wachen,
Wie wir beiſammen ſein,
Der Kukuk ſchelmiſch lachen,
Und alles froͤhlich ſein.“
[435]Es bog ihr Angeſichte
Auf ihn den ſuͤßen Leib,
Schaut mit den Augen lichte
Das wunderſchoͤne Weib.
Sie nahm ſein'n Helm herunter,
Loͤſt' Krauſe ihm und Bund,
Spielt' mit den Locken munter,
Kuͤßt ihm den rothen Mund.
Und ſpielt' viel' ſuͤße Spiele
Wohl in geheimer Luſt,
Es flog ſo kuͤhl und ſchwuͤle
Ihm um die off'ne Bruſt.
Um ihn nun thaͤt ſie ſchlagen
Die Arme weich und bloß,
Er konnte nichts mehr ſagen,
Sie ließ ihn nicht mehr los.
Und dieſe Au zur Stunde
Ward ein kryſtallnes Schloß,
Der Bach ein Strom, gewunden
Ringsum, gewaltig floß.
Auf dieſem Strome gingen
Viel' Schiffe wohl vorbei,
Es konnt' ihn keines bringen
Aus boͤſer Zauberei.
28 *
[436]Der Reitersmann.
Hoch uͤber den ſtillen Hoͤhen
Stand in dem Wald ein Haus,
Dort war's ſo einſam zu ſehen
Weit uͤber'n Wald hinaus.
Drin ſaß ein Maͤdchen am Rocken,
Den ganzen Abend lang,
Der wurden die Augen nicht trocken,
Sie ſpann und ſann und ſang:
„Mein Liebſter, der war ein Reiter,
Dem ſchwur ich Treu' bis in Tod,
Der zog uͤber Land und weiter,
Zu Krieges-Luſt und Noth.
Und als ein Jahr war vergangen,
Und wieder bluͤhte das Land,
Da ſtand ich voller Verlangen,
Hoch an des Waldes Rand.
Und zwiſchen den Bergesbogen,
Wohl uͤber den gruͤnen Plan,
Kam mancher Reiter gezogen,
Der meine kam nicht mit an.
Und zwiſchen den Bergesbogen,
Wohl uͤber den gruͤnen Plan,
Ein Jaͤgersmann kam geflogen,
Der ſah mich ſo muthig an.
[440]So lieblich die Sonne ſchiene,
Das Waldhorn ſcholl weit und breit,
Da fuͤhrt' er mich in das Gruͤne,
Das war eine ſchoͤne Zeit! —
Der hat ſo lieblich gelogen
Mich aus der Treue heraus,
Der Falſche hat mich betrogen,
Zog weit in die Welt hinaus.“ —
Sie konnte nicht weiter ſingen,
Vor bitterem Schmerz und Leid,
Die Augen ihr uͤbergingen
In ihrer Einſamkeit.
Die Muhme, die ſaß beim Feuer
Und waͤrmet ſich am Kamin,
Es flackert und ſpruͤht das Feuer,
Hell uͤber die Stub' es ſchien.
Sie ſprach: „Ein Kraͤnzlein in Haaren,
Das ſtuͤnde Dir heut gar ſchoͤn,
Willſt draußen auf dem See nicht fahren?
Hohe Blumen am Ufer dort ſteh'n.“
Ich kann nicht holen die Blumen,
Im Hemdlein weiß am Teich
Ein Maͤdchen huͤtet die Blumen,
Die ſieht ſo todtenbleich.
[441]„Und hoch auf des Sees Weite,
Wenn alles finſter und ſtill,
Da rudern zwei ſtille Leute, —
Der Eine Dich haben will.“
Sie ſchauen wie alte Bekannte,
Still, ewig ſtille ſie ſind,
Doch einmal der Eine ſich wandte,
Da faßt' mich ein eiskalter Wind. —
Mir iſt zu wehe zum Weinen —
Die Uhr ſo gleichfoͤrmig pickt,
Das Raͤdleiu, das ſchnurrt ſo in einem,
Mir iſt, als waͤr' ich verruͤckt. —
Ach Gott! wann wird ſich doch roͤthen,
Die froͤhliche Morgenſtund'!
Ich moͤchte hinausgeh'n und beten,
Und beten aus Herzensgrund!
So bleich ſchon werden die Sterne,
Es ruͤhrt ſich ſtaͤrker der Wald,
Schon kraͤhen die Haͤhne von Ferne,
Mich friert, es wird ſo kalt!
Ach, Muhme! was iſt Euch geſchehen?
Die Naſe wird Euch ſo lang,
Die Augen ſich ſeltſam verdrehen —
Wie wird mir vor Euch ſo bang! —
[442]Und wie ſie ſo grauenvoll klagte,
Klopft's draußen an's Fenſterlein,
Ein Mann aus der Finſterniß ragte,
Schaut ſtill in die Stube herein.
Die Haare wild umgehangen,
Von blutigen Tropfen naß,
Zwei blutige Streifen ſich ſchlangen,
Wie Kraͤnzlein, um's Antlitz blaß.
Er gruͤßt' ſie ſo fuͤrchterlich heiter,
Er heißt ſie ſein' liebliche Braut,
Da kannt' ſie mit Schaudern den Reiter,
Faͤllt nieder auf ihre Knie.
Er zielt' mit dem Rohre durch's Gitter,
Auf die ſchneeweiße Bruſt hin;
„Ach, wie iſt das Sterben ſo bitter,
Erbarm' dich, weil ich ſo jung noch bin!“ —
Stumm blieb ſein ſteinerner Wille,
Es blitzte ſo roſenroth,
Da wurd' es auf einmal ſtille
Im Walde und Haus und Hof. —
Fruͤhmorgens da lag ſo ſchaurig
Verfallen im Walde das Haus,
Ein Waldvoͤglein ſang ſo traurig,
Flog fort uͤber den See hinaus.
[443]Die verlorene Braut.
Vater und Kind geſtorben
Ruhten im Grabe tief,
Die Mutter hatt' erworben
Seitdem ein ander Lieb.
Da droben auf dem Schloſſe
Da ſchallt das Hochzeitsfeſt,
Da lacht's und wiehern Roſſe,
Durch's Gruͤn zieh'n bunte Gaͤſt'.
Die Braut ſchaut' in's Gefilde
Noch einmal vom Altan,
Es ſah ſo ernſt und milde
Sie da der Abend an.
Rings waren ſchon verdunkelt
Die Thaͤler und der Rhein,
In ihrem Brautſchmuck funkelt
Nur noch der Abendſchein.
Sie hoͤrte Glocken gehen
Im weiten, tiefen Thal,
Es bracht' der Luͤfte Wehen
Fern uͤber'n Wald den Schall.
Sie dacht': „O falſcher Abend!
Wen das bedeuten mag?
Wen laͤuten ſie zu Grabe
An meinem Hochzeitstag?“
[445]Sie hoͤrt' im Garten rauſchen
Die Brunnen immerdar
Und durch der Waͤlder Rauſchen
Ein Singen wunderbar.
Sie ſprach: „Wie wirres Klingen
Kommt durch die Einſamkeit,
Das Lied wohl hoͤrt' ich ſingen
In alter, ſchoͤner Zeit.“
Es klang, als wollt' ſie's rufen
Und gruͤßen tauſendmal —
So ſtieg ſie von den Stufen,
So kuͤhle rauſcht' das Thal.
So zwiſchen Weingehaͤngen,
Stieg ſinnend ſie in's Land
Hinunter zu den Klaͤngen,
Bis ſie im Walde ſtand.
Dort ging ſie, wie in Traͤumen,
Im weiten, ſtillen Rund,
Das Lied klang in den Baͤumen,
Von Quellen rauſcht' der Grund. —
Derweil von Mund zu Munde
Durch's Haus, erſt heimlich ſacht,
Und lauter geht die Kunde:
Die Braut irrt in der Nacht!
[446]Der Braͤut'gam thaͤt erbleichen,
Er hoͤrt im Thal das Lied,
Ein dunkelrothes Zeichen
Ihm von der Stirne gluͤht.
Und Tanz und Jubel enden,
Er und die Gaͤſt' im Saal,
Windlichter in den Haͤnden,
Sich ſtuͤrzen in das Thal.
Da ſchweifen rothe Scheine,
Schall nun und Roſſeshuf,
Es hallen die Geſteine
Rings von verworr'nem Ruf.
Doch einſam irrt die Fraue
Im Walde ſchoͤn und bleich,
Die Nacht hat tiefes Grauen,
Das iſt von Sternen ſo reich.
Und als ſie war gelanget
Zum allerſtillſten Grund,
Ein Kind am Felſenhange
Dort freundlich laͤchelnd ſtund.
Das trug in ſeinen Locken
Einen weißen Roſenkranz,
Sie ſchaut' es an erſchrocken
Beim irren Mondesglanz.
[447]„Solch' Augen hat das meine,
Ach meines biſt Du nicht,
Das ruht ja unter'm Steine,
Den niemand mehr zerbricht.
Ich weiß nicht, was mir grauſet,
Blick' nicht ſo fremd auf mich!
Ich wollt', ich waͤr' zu Hauſe,
Nach Hauſe fuͤhr' ich Dich.“
Sie geh'n nun miteinander,
So truͤbe weht der Wind,
Die Fraue ſprach im Wandern:
„Ich weiß nicht, wo wir ſind.
Wen tragen ſie beim Scheine
Der Fackeln durch die Schluft?
O Gott, der ſtuͤrzt' vom Steine
Sich todt in dieſer Kluft!“
Das Kind ſagt: „Den ſie tragen,
Dein Braͤut'gam heute war,
Er hat meinen Vater erſchlagen,
'S iſt dieſe Stund' ein Jahr.
Wir alle muͤſſen's buͤßen,
Bald wird es beſſer ſein,
Der Vater laͤßt Dich gruͤßen,
Mein liebes Muͤtterlein.“
[448]Ihr ſchauert's durch die Glieder:
„Du biſt mein todtes Kind!
Wie funkeln die Sterne nieder,
Jetzt weiß ich, wo wir ſind.“ —
Da loͤſt' ſie Kranz und Spangen,
Und uͤber ihr Angeſicht
Perlen und Thraͤnen rannen,
Man unterſchied ſie nicht.
Und uͤber die Schultern nieder
Rollten die Locken ſacht,
Verdunkelnd Augen und Glieder,
Wie eine praͤchtige Nacht.
Um's Kind den Arm geſchlagen,
Sank ſie in's Gras hinein —
Dort hatten ſie erſchlagen
Den Vater im Geſtein.
Die Hochzeitsgaͤſte riefen
Im Walde auf und ab,
Die Gruͤnde alle ſchliefen,
Nur Echo Antwort gab.
Und als ſich leis erhoben
Der erſte Morgenduft,
Hoͤrten die Hirten droben
Ein Singen in ſtiller Luft.
[449]Die ſtille Gemeine.
Von Bretagne's Huͤgeln, die das Meer
Bluͤhend hell umſaͤumen,
Schaute ein Kirchlein troſtreich her
Zwiſchen uralten Baͤumen.
Das Kornfeld und die Waͤlder weit
Rauſchten im Sonntagsglanze,
Doch keine Glocken klangen heut
Vom gruͤnen Felſenkranze.
Denn auf des Kirchhof's ſchatt'gem Grund
Die Jakobiner ſaßen,
Ihre Pferde alle Blumen bunt
Von den Grabeshuͤgeln fraßen.
Am Kreuze auf der ſtillen Hoͤh
Feldflaſch' und Saͤbel hingen,
Derweil ſie, ſtatt des Kyrie,
Die Marſeillaiſe ſingen.
Ihr Hauptmann aber lehnt' am Baum,
Todtmuͤde von ſchweren Wunden,
Und ſchaute wie im Fiebertraum
Nach dem tiefſchwuͤlen Grunde.
Er ſprach verwirrt: „Da druͤben ſtand
Des Vaters Schloß am Weiher,
Ich ſelbſt ſteckt's an; das war ein Brand,
Der Freiheit Freudenfeuer!“
[455]„Ich ſeh' ihn noch: wie durch den Sturm
Zwiſchen den feur'gen Zungen
Mein ſtolzer Vater da vom Thurm
Sein Banner hat geſchwungen.“
„Und als es war entlaubt vom Brand,
Die Fahn' im Wind zerflogen:
Den Schaft als Kreuz nun in der Hand
Theilt' er die Flammenwogen.“
„Er ſah ſo wunderbar auf mich,
Ich konnt' ihn nicht ermorden —
Da ſank die Burg, er wandte ſich
Und iſt ein Pfaff geworden.“
„Seitdem hoͤr' ich in Traͤumen ſchwer
Von ferne Glocken gehen
Und ſeh' in rothem Feuermeer
Ein Kreuz allnaͤchtlich ſtehen.“
„Es ſollen keine Glocken geh'n,
Die Naͤchte zu verſtoͤren,
Kein Kreuz ſoll mehr auf Erden ſteh'n,
Um Narren zu bethoͤren!“
„Und dieſes Kirchlein hier bewacht,
Sie ſollen nicht Meſſe ſingen,
Wir reißen's nieder uͤber Nacht,
Licht ſei, wohin wir dringen!“ —
[456]Und als die Nacht ſchritt leis daher,
Der Hauptmann ſtand am Strande,
So ſtill im Wald, ſo ſtill das Meer,
Nur die Wachen riefen im Lande.
Im Wind die Glock' von ſelbſt anſchlug,
Da wollt' ein Hauch ſich heben,
Wie unſichtbarer Engel Flug,
Die uͤber's Waſſer ſchweben.
Nun ſieht er auch im Meere fern
Ein Lichtlein hell entglommen;
Er dacht', wie iſt der ſchoͤne Stern
Dort in die Flut gekommen?
Am Ufer aber durch die Nacht
In allen Felſenſpalten
Regt ſich's und ſchluͤpft es leis und ſacht,
Viel' dunkle, ſchwanke Geſtalten.
Nur manchmal von den Buchten her
Schallt Ruderſchlag von weitem,
Auf Barken lautlos in das Meer
Sie nach dem Stern hin gleiten.
Der waͤchſt und breitet ſich im Nah'n
Und ſtreift mit Glanz die Wellen,
Es iſt ein kleiner Fiſcherkahn,
Den Fackeln mild erhellen.
[457]Und einſam auf des Schiffleins Rand
Ein Greis kommt hergezogen
In wunderbarem Meßgewand
Als wie der Hirt der Wogen.
Die Barken eine weite Rund'
Dort um den Hirten machen,
Der laut nun uͤber'm Meeresgrund
Den Segen ſpricht im Nachen.
Da ſchwieg der Wind und rauſcht' das Meer
So wunderbare Weiſe
Und auf den Knieen lag ringsher
Die ſtille Gemeine im Kreiſe.
Und als er das Kreuz hob in die Luft,
Hoch zwiſchen die Fackeln trat er —
Den Hauptmann ſchauert im Herzensgrund,
Es war ſein alter Vater.
Da taumelt' er und ſank in's Gras
Betend im ſtillen Grunde,
Und wie Felſenquellen im Fruͤhling brach
Sein Herzblut aus allen Wunden.
Und als die Geſellen kommen zum Strand,
Einen todten Mann ſie finden —
Voll Graun ſie ſprengten fort durch's Land,
Als jagt' ſie der Tod in den Winden.
[458]Die ſtuͤrzten ſich in den Krieg ſo weit,
Sie ſind verweht und zerſtoben,
Das Kirchlein aber ſteht noch heut
Unter den Linden droben.
[459]Die deutſche Jungfrau.
Es ſtand ein Fraͤulein auf dem Schloß,
Erſchlagen war im Streit ihr Roß,
Schnob wie ein See die finſtre Nacht,
Wollt' uͤberſchrei'n die wilde Schlacht.
Im Thal die Bruͤder lagen todt,
Es brannt' die Burg ſo blutigroth,
In Lohen ſtand ſie auf der Wand,
Hielt hoch die Fahne in der Hand.
Da kam ein roͤm'ſcher Rittersmann,
Der ritt keck an die Burg hinan,
Es blitzt ſein Helm gar mannigfach,
Der ſchoͤne Ritter alſo ſprach:
„Jungfrau komm in die Arme mein!
Sollſt Deines Siegers Herrin ſein.
Will bau'n Dir einen Pallaſt ſchoͤn,
In praͤcht'gen Kleidern ſollſt Du geh'n.
Es thun Dein' Augen mir Gewalt
Kann nicht mehr fort aus dieſem Wald,
Aus wilder Flammen Spiel und Graus
Trag' ich mir meine Braut nach Haus!“
Der Ritter ließ ſein weißes Roß
Stieg durch den Brand hinauf in's Schloß,
Viel' Knecht' ihm waren da zur Hand,
Zu holen das Fraͤulein von der Wand.
[460]Das Fraͤulein ſtieß die Knecht' hinab,
Den Liebſten auch in's heiße Grab,
Sie ſelbſt dann in die Flamme ſprang,
Ueber ihnen die Burg zuſammen ſank.
[461]Die wunderliche Prinzeſſin.
Weit in einem Walde droben
Zwiſchen hoher Felſen Zinnen,
Steht ein altes Schloß erhoben,
Wohnet eine Zaub'rin drinne.
Von dem Schloß, der Zaub'rin Schoͤne
Gehen wunderbare Sagen,
Lockend ſchweifen fremde Toͤne
Ploͤtzlich her oft aus dem Walde.
Wem ſie recht das Herz getroffen,
Der muß nach dem Walde gehen,
Ewig dieſen Klaͤngen folgend,
Und wird nimmer mehr geſehen.
Tief in wunderſamer Gruͤne
Steht das Schloß, ſchon halb verfallen,
Hell die gold'nen Zinnen gluͤhen,
Einſam ſind die weiten Hallen.
Auf des Hofes ſtein'gem Raſen
Sitzen von der Tafelrunde
All' die Helden dort gelagert,
Ueberdeckt mit Staub und Wunden.
Heinrich liegt auf ſeinem Loͤwen,
Gottfried auch, Siegfried der Scharfe,
Koͤnig Alfred, eingeſchlafen
Ueber ſeiner gold'nen Harfe.
Don Quixot' hoch auf der Mauer
Sinnend tief in naͤcht'ger Stunde,
Steht geruͤſtet auf der Lauer
Und bewacht die heil'ge Runde.
[462]Unter fremdes Volk verſchlagen,
Arm und ausgehoͤhnt, verrathen,
Hat er treu ſich durchgeſchlagen,
Eingedenk der Heldenthaten
Und der großen alten Zeiten,
Bis er, ganz von Wahnſinn trunken,
Endlich ſo nach langem Streiten
Seine Bruͤder hat gefunden.
Einen wunderbaren Hofſtaat
Die Prinzeſſin dorten fuͤhret,
Hat ein'n wunderlichen Alten,
Der das ganze Haus regieret.
Einen Mantel traͤgt der Alte,
Schillernd bunt in allen Farben
Mit unzaͤhligen Zierrathen,
Spielzeug hat er in den Falten
Scheint der Monden helle draußen,
Wolken fliegen uͤber'm Grunde:
Faͤngt er draußen an zu hauſen,
Kramt ſein Spielzeug aus zur Stunde.
Und das Spielzeug um den Alten
Ruͤhrt ſich bald beim Mondenſcheine,
Zupfet ihn beim langen Barte,
Schlingt um ihn die bunten Kreiſe
Auch die Bluͤmlein nach ihm langen,
Moͤchten doch ſich ſittſam zeigen,
Zieh'n verſtohlen ihn beim Mantel,
Lachen dann in ſich gar heimlich.
Und ringsum die ganze Runde
[463]Zieht Geſichter ihm und rauſchet,
Unterhaͤlt aus dunklem Grunde
Sich mit ihm als wie im Traume.
Und er ſpricht und ſinnt und ſinnet,
Bunt verwirrend alle Zeiten,
Weinet bitterlich und lachet,
Seine Seele iſt ſo heiter.
Bei ihm ſitzt dann die Prinzeſſin,
Spielt mit ſeinen Seltſamkeiten,
Immer neue Wunder blinkend
Muß er aus dem Mantel breiten.
Und der wunderliche Alte
Hielt ſie ſich bei ſeinen Bildern
Neidiſch immerfort gefangen,
Weit von aller Welt geſchieden.
Aber der Prinzeſſin wurde
Mitten in dem Spiele bange
Unter dieſen Zauberblumen,
Zwiſchen dieſer Quellen Rauſchen.
Friſches Morgenroth im Herzen
Und voll freudiger Gedanken,
Sind die Augen wie zwei Kerzen,
Schoͤn die Welt dran zu entflammen.
Und die wunderſchoͤne Erde,
Wie Aurora ſie beruͤhret,
Will mit ird'ſcher Luſt und Schmerzen
Ewig neu ſie ſtets verfuͤhren.
Denn aus dem bewegten Leben
Spuͤret ſie ein Hochzeitsgruͤßen,
[464]Mitten zwiſchen ihren Spielen
Muß ſie ſich bezwungen fuͤhlen.
Und es hebt die ewig Schoͤne,
Da der Morgen herrlich ſchiene,
In den Augen große Thraͤnen,
Hell die jugendlichen Glieder.
„Wie ſo anders war es damals,
Da mich, braͤutlich Ausgeſchmuͤckte,
Aus dem heimathlichen Garten
Hier herab der Vater ſchickte!
Wie die Erde friſch und jung noch,
Von Geſaͤngen rings erklingend,
Schauernd in Erinnerungen,
Helle in das Herz mir blickte,
Daß ich, ſchamhaft mich verhuͤllend,
Meinen Ring, vom Glanz geblendet,
Schleudert' in die praͤcht'ge Fuͤlle,
Als die ew'ge Braut der Erde.
Wo iſt nun die Pracht geblieben,
Treuer Ernſt im ruͤſt'gen Treiben,
Rechtes Thun und rechtes Lieben
Und die Schoͤnheit und die Freude?
Ach! ringsum die Helden alle,
Die ſonſt ſchoͤn und helle ſchauten,
Um mich in den lichten Tagen
Durch die Welt ſich froͤhlich hauten,
Strecken ſteinern nun die Glieder,
Eingehuͤllt in ihre Fahnen,
Sind ſeitdem ſo alt geworden,
[465]Nur ich bin ſo jung wie damals. —
Von der Welt kann ich nicht laſſen,
Liebeln nicht von fern mit Reden,
In den Arm lebendig faſſen! —
Laß mich lieben, laß mich leben!“
Nun verliebt die Augen gehen
Ueber ihres Gartens Mauer,
War ſo einſam dort zu ſehen
Schimmernd Land und Stroͤm' und Auen.
Und wo ihre Augen gingen:
Quellen aus der Gruͤne ſprangen,
Berg und Wald verzaubert ſtanden
Tauſend Voͤgel ſchwirrend ſangen.
Golden blitzt es uͤber'm Grunde,
Selt'ne Farben irrend ſchweifen,
Wie zu lang entbehrtem Feſte
Will die Erde ſich bereiten.
Und nun kamen angezogen
Freier bald von allen Seiten,
Federn bunt im Winde flogen,
Jaͤger ſchmuck im Walde reiten.
Hoͤrner munter drein erſchallen
Auf und unter durch das Gruͤne,
Pilger fromm dazwiſchen wallen,
Die das Heimathsfieber ſpuͤren.
Auf vielſonn'gen Wieſen floͤten
Schaͤfer bei ſchneeflock'gen Schafen,
Ritter in der Abendroͤthe
Knien auf des Berges Hange,
30
[466]Und die Naͤchte von Guitarren
Und Geſaͤngen weich erſchallen,
Daß der wunderliche Alte
Wie verruͤckt beginnt zu tanzen.
Die Prinzeſſin ſchmuͤckt mit Kraͤnzen
Wieder ſich die ſchoͤnen Haare,
Und die vollen Kraͤnze glaͤnzen
Und ſie blickt verlangend nieder.
Doch die alten Helden alle,
Draußen vor der Burg gelagert,
Saßen dort im Morgenglanze,
Die das ſchoͤne Kind bewachten.
An das Thor die Freier kamen
Nun geſprengt, gehuͤpft, gelaufen,
Ritter, Jaͤger, Provenzalen,
Bunte, helle, lichte Haufen.
Und vor allen junge Recken
Stolzen Blicks den Berg berannten,
Die die alten Helden weckten,
Sie vertraulich Bruͤder nannten.
Doch wie dieſe uralt blicken,
An die Eiſenbruſt geſchloſſen,
Bruͤderlich die Jungen druͤcken,
Fallen die erdruͤckt zu Boden.
Andre lagern ſich zum Alten,
Grauſt ihn'n gleich bei ſeinen Mienen,
Ordnen ſein verworr'nes Walten,
Daß es jedem wohlgefiele;
Doch ſie fuͤhlen ſchauernd balde,
[467]Daß ſie ihn nicht koͤnnen zwingen,
Selbſt zu Spielzeug ſich verwandelt,
Und der Alte ſpielt mit ihnen.
Und ſie muͤſſen thoͤricht tanzen,
Manche mit der Kron' geſchmuͤcket
Und im purpurnen Talare
Feierlich den Reigen fuͤhren.
Andre ſchweben liſpelnd loſe,
Andre muͤſſen maͤnnlich laͤrmen,
Rittern reißen aus die Roſſe
Und die ſchreien gar erbaͤrmlich.
Bis ſie endlich alle muͤde
Wieder kommen zu Verſtande,
Mit der ganzen Welt im Frieden,
Legen ab die Maskerade.
„Jaͤger ſind wir nicht, noch Ritter,“
Hoͤrt man ſie von fern noch ſummen,
„Spiel nur war das — wir ſind Dichter!“ —
So vertoſt der ganze Plunder,
Nuͤchtern liegt die Welt wie ehe,
Und die Zaub'rin bei dem Alten
Spielt' die vor'gen Spiele wieder
Einſam wohl noch lange Jahre. —
30 *
[468]Der zaubriſche Spielmann.
Naͤchtlich in dem ſtillen Grunde,
Wenn das Abendroth verſank,
Um das Waldſchloß in die Runde
Ging ein lieblicher Geſang.
Fremde waren dieſe Weiſen,
Und der Saͤnger unbekannt,
Aber, wie in Zauberkreiſen,
Hielt er jede Bruſt gebannt.
Hinter bluͤh'nden Mandelbaͤumen
Auf dem Schloß das Fraͤulein lauſcht —
Drunten alle Blumen traͤumen,
Wolluͤſtig der Garten rauſcht.
Und die Wellen buhlend klingen,
Ringend in geheimer Luſt
Kommt das wunderbare Singen
An die ſuͤß vertraͤumte Bruſt.
„Warum weckſt Du das Verlangen,
Das ich kaum zur Ruh gebracht?
Siehſt Du hoch die Lilien prangen?
Boͤſer Saͤnger, gute Nacht!
Sieh', die Blumen ſteh'n voll Thraͤnen,
Einſam die Viole wacht,
Als wollt' ſie ſich ſchmachtend dehnen
In die warme Sommernacht.
[470]Wohl von ſuͤßem rothen Munde
Kommt ſo holden Sanges Macht —
Bleibſt Du ewig dort im Grunde,
Unerkannt in ſtiller Nacht?
Ach, im Wind verfliegt mein Gruͤßen!
Einmal, eh' der Tag erwacht,
Moͤcht' ich Deinen Mund nur kuͤſſen,
Sterbend ſo in ſuͤßer Nacht!
Nachtigall, verliebte, klage
Nicht ſo ſchmeichelnd durch die Nacht! —
Ach! ich weiß nicht was ich ſage,
Krank bin ich und uͤberwacht.“
Alſo ſprach ſie, und die Lieder
Lockten ſtaͤrker aus dem Thal,
Rings durch's ganze Thal hallt's wieder
Von der Liebe Luſt und Qual.
Und ſie konnt' nicht widerſtehen,
Enge ward ihr das Gemach,
Aus dem Schloſſe mußt' ſie gehen
Dieſem Zauberſtrome nach.
Einſam ſteigt ſie von den Stufen
Ach! ſo ſchwuͤle weht der Wind:
Draußen ſuͤß die Stimmen rufen
Immerfort das ſchoͤne Kind.
[471]Alle Blumen trunken lauſchen,
Von den Klaͤngen hold durchirrt,
Lieblicher die Brunnen rauſchen,
Und ſie eilet ſuͤß verwirrt. —
Wohl am Himmel auf und nieder
Trieb der Hirt die gold'ne Schaar,
Die Verliebte kehrt nicht wieder,
Leer nun Schloß und Garten war.
Und der Saͤnger ſeit der Stunde
Nicht mehr weiter ſingen will,
Rings im heimlich kuͤhlen Grunde
War's vor Liebe ſeelig ſtill.
[472]Der armen Schoͤnheit Lebenslauf.
Die arme Schoͤnheit irrt auf Erden,
So lieblich Wetter draußen iſt,
Moͤcht' gern recht viel geſehen werden,
Weil jeder ſie ſo freundlich gruͤßt.
Und wer die arme Schoͤnheit ſchauet,
Sich wie auf großes Gluͤck beſinnt,
Die Seele fuͤhlt ſich recht erbauet,
Wie wenn der Fruͤhling neu beginnt.
Da ſieht ſie viele ſchoͤne Knaben,
Die reiten unten durch den Wind,
Moͤcht' manchen gern im Arme haben,
Huͤt' Dich, huͤt' Dich, Du armes Kind!
Da zieh'n manch' redliche Geſellen,
Die ſagen: Haſt nicht Geld, noch Haus,
Wir fuͤrchten Deine Augen helle,
Wir haben nichts zum Hochzeitſchmaus.
Von andern thut ſie ſich wegdrehen,
Weil keiner ihr ſo wohl gefaͤllt,
Die muͤſſen traurig weitergehen,
Und zoͤgen gern an's End' der Welt.
Da ſagt ſie: Was hilft mir mein Sehen,
Ich wuͤnſcht', ich waͤre lieber blind,
Da alle furchtſam von mir gehen,
Weil gar ſo ſchoͤn mein' Augen ſind. —
[473]Nun ſitzt ſie hoch auf lichtem Schloſſe,
In ſchoͤne Kleider putzt ſie ſich,
Die Fenſter gluͤh'n, ſie winkt vom Schloſſe,
Die Sonne ſinkt, das blendet Dich.
Die Augen, die ſo furchtſam waren,
Die haben jetzt ſo freien Lauf,
Fort iſt das Kraͤnzlein aus den Haaren,
Und hohe Federn ſteh'n darauf.
Das Kraͤnzlein iſt herausgeriſſen,
Ganz ohne Scheu ſie mich anlacht;
Geh' Du vorbei: ſie wird Dich gruͤßen,
Winkt Dir zu einer ſchoͤnen Nacht. —
Da ſieht ſie die Geſellen wieder,
Die fahren unten auf dem Fluß,
Es ſingen laut die luſt'gen Bruͤder,
So furchtbar ſchallt des Einen Gruß:
„Was biſt Du fuͤr 'ne ſchoͤne Leiche!
So wuͤſte iſt mir meine Bruſt,
Wie biſt Du nun ſo arm, Du Reiche,
Ich hab' an Dir nicht weiter Luſt!“
Der Wilde hat ihr ſo gefallen,
Laut ſchrie ſie auf bei ſeinem Gruß,
Vom Schloß moͤcht' ſie herunter fallen,
Und unten ruh'n im kuͤhlen Fluß. —
[474]Sie blieb nicht laͤnger mehr da oben,
Weil alles anders worden war,
Vor Schmerz iſt ihr das Herz erhoben,
Da ward's ſo kalt, doch himmliſch klar.
Da legt ſie ab die gold'nen Spangen,
Den falſchen Putz und Ziererei,
Aus dem verſtockten Herzen drangen
Die alten Thraͤnen wieder frei.
Kein Stern wollt' nicht die Nacht erhellen,
Da mußte die Verliebte geh'n,
Wie rauſcht der Fluß! die Hunde bellen,
Die Fenſter fern erleuchtet ſteh'n.
Nun biſt Du frei von Deinen Suͤnden,
Die Lieb' zog triumphirend ein,
Du wirſt noch hohe Gnade finden,
Die Seele geht in Hafen ein. —
Der Liebſte war ein Jaͤger worden,
Der Morgen ſchien ſo roſenroth,
Da blies er luſtig auf dem Horne,
Blies immerfort in ſeiner Noth.
[475]Die Hochzeitsnacht.
Nachts durch die ſtille Runde
Rauſchte des Rheines Lauf,
Ein Schifflein zog im Grunde,
Ein Ritter ſtand darauf.
Die Blicke irre ſchweifen
Von ſeines Schiffes Rand,
Ein blutigrother Streifen
Sich um das Haupt ihm wand.
Der ſprach: „Da oben ſtehet
Ein Schloͤßlein uͤber'm Rhein,
Die an dem Fenſter ſtehet:
Das iſt die Liebſte mein.
Sie hat mir Treu' verſprochen,
Bis ich gekommen ſei,
Sie hat die Treu gebrochen,
Und alles iſt vorbei.“
Viel Hochzeitleute drehen
Sich oben laut und bunt,
Sie bleibet einſam ſtehen,
Und lauſchet in den Grund.
Und wie ſie tanzen munter,
Und Schiff und Schiffer ſchwand,
Stieg ſie vom Schloß herunter,
Bis ſie im Garten ſtand.
[476]Die Spielleut' muſizirten,
Sie ſann gar mancherlei,
Die Toͤne ſie ſo ruͤhrten,
Als muͤßt' das Herz entzwei.
Da trat ihr Braͤut'gam ſuͤße
Zu ihr aus ſtiller Nacht,
So freundlich er ſie gruͤßte,
Daß ihr das Herze lacht.
Er ſprach: „Was willſt Du weinen,
Weil alle froͤhlich ſein?
Die Stern' ſo helle ſcheinen,
So luſtig geht der Rhein.
Das Kraͤnzlein in den Haaren
Steht Dir ſo wunderfein,
Wir wollen etwas fahren
Hinunter auf dem Rhein.“
Zum Kahn folgt' ſie behende,
Setzt ſich ganz vorne hin,
Er ſetzt' ſich an das Ende
Und ließ das Schifflein zieh'n.
Sie ſprach: „Die Toͤne kommen
Verworren durch den Wind,
Die Fenſter ſind verglommen,
Wir fahren ſo geſchwind.
[477]Was ſind das fuͤr ſo lange
Gebirge weit und breit?
Mir wird auf einmal bange
In dieſer Einſamkeit!
Und fremde Leute ſtehen
Auf mancher Felſenwand,
Und ſtehen ſtill und ſehen
So ſchwindlich uͤber'n Rand.“ —
Der Braͤut'gam ſchien ſo traurig
Und ſprach kein einzig Wort,
Schaut in die Wellen ſchaurig
Und rudert immerfort.
Sie ſprach: „Schon ſeh' ich Streifen
So roth im Morgen ſteh'n,
Und Stimmen hoͤr' ich ſchweifen,
Vom Ufer Haͤhne kraͤh'n.
Du ſiehſt ſo ſtill und wilde,
So bleich wird Dein Geſicht,
Mir graut vor Deinem Bilde —
Du biſt mein Braͤut'gam nicht!“ —
Da ſtand er auf — das Sauſen
Hielt an in Fluth und Wald —
Es ruͤhrt mit Luſt und Grauſen
Das Herz ihr die Geſtalt.
[478]Und wie mit ſteinern'n Armen
Hob er ſie auf voll Luſt,
Druͤckt ihren ſchoͤnen, warmen
Leib an die eiſ'ge Bruſt. —
Licht wurden Wald und Hoͤhen,
Der Morgen ſchien blutroth,
Das Schifflein ſah man gehen,
Die ſchoͤne Braut drin todt.
[479]Von Engeln und von Bengeln.
Im Fruͤhling auf gruͤnem Huͤgel
Da ſaßen viel' Engelein,
Die putzten ſich ihre Fluͤgel
Und ſpielten im Sonnenſchein.
Da kamen Stoͤrche gezogen,
Und jeder ſich eines nahm,
Und iſt damit fortgeflogen,
Bis daß er zu Menſchen kam.
Und wo er anklopft' beſcheiden
Der kluge Adebar,
Da war das Haus voller Freuden —
So geht es noch alle Jahr.
Die Engel weinten und lachten
Und wußten nicht, wie ihn'n geſcheh'n, —
Die einen doch bald ſich bedachten
Und meinten: das wird wohl geh'n?
Die machten bald wichtige Mienen
Und wurden erſtaunlich klug,
Die Fluͤgel gar unnuͤtz ihn'n ſchienen,
Sie ſchaͤmten ſich deren genug.
Und mit dem Fluͤgelkleide
Sie ließen den Fluͤgelſchnack,
Das war keine kleine Freude:
Nun ſtattlich in Hoſen und Frack!
[480]So wurden ſie immer geſcheuter
Und applizirten ſich recht —
Das wurden anſehnliche Leute,
Befanden ſich gar nicht ſchlecht.
Den andern war's, wenn die Aue
Noch daͤmmert' im Fruͤhlingsſchein,
Als zoͤge ein Engel durch's Blaue
Und rief' die Geſellen ſein.
Die ſuchten den alten Huͤgel,
Der lag ſo hoch und weit —
Und dehnten ſehnſuͤchtig die Fluͤgel,
Mit jeder Fruͤhlingszeit.
Die Fluͤgeldecken zerſprangen,
Weit, morgenſchoͤn ſtrahlt' die Welt,
Und uͤber's Gruͤn ſie ſich ſchwangen
Bis an das Himmelszelt.
Das fanden ſie droben verſchloſſen,
Verſaͤumten unten die Zeit —
So irrten die kuͤhnen Genoſſen
Verlaſſen in Luſt und Leid.
Und als es nun kam zum Sterben,
Gott Vater zur Erden trat,
Seine Kinder wieder zu werben,
Die der Storch vertragen hat.
[481]Die einen konnten nicht fliegen,
So wohlleibig, traͤg' und ſchwer,
Die mußt' Er da laſſen liegen,
Das that ihm leid ſo ſehr.
Die andern ſtreckten die Schwingen
In den Morgenglanz hinaus,
Und hoͤrten die Engel ſingen,
Und flogen jauchzend nach Haus!
31
[482]