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ÇA IRA!

Sechs Gedichte


Herisau.:
Druck und Verlag des literariſchen Inſtituts.
1846.

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[...]
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Inhalt.


  • Vor der Fahrt 5
  • Eispalaſt 15
  • Von unten auf 23
  • Wie man’s macht 33
  • Freie Preſſe 43
  • Springer 51

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Vor der Fahrt.


[[4]][[5]]

Vor der Fahrt.


Melodie der Marſeillaiſe.


Jenſeits der grauen Waſſerwüſte

Wie liegt die Zukunft winkend da!

Eine grüne lachende Küſte,

Ein geahndet Amerika!

Ein geahndet Amerika!

Und ob auch hoch die Waſſer ſpringen,

Ob auch Sandbank uns droht und Riff:

Ein erprobt und verwegen Schiff

Wird die Muth’gen hinüberbringen!

Friſch auf denn, ſpringt hinein! Friſch auf, das
Deck bemannt!

Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm!
Sucht Land und findet Land!

[6]
O tapfer Fahrzeug! Ohne Schwanken

Befährt es dreiſt die zorn’ge Fluth!

Schwarz die Maſten und ſchwarz die Planken,

Und die Wimpel ſind roth wie Blut!

Und die Wimpel ſind roth wie Blut!

Die Segel braun von Dampf und Feuer;

Vom Verdeck herab ihren Blitz

Sprühn Gewehre, ſprüht das Geſchütz,

Und das blanke Schwert iſt ſein Steuer!

Friſch auf denn, ſpringt hinein! Friſch auf, das
Deck bemannt!

Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm!
Sucht Land und findet Land!

[7]
So fährt es aus zu ſeinen Reiſen,

So trägt es Männer in den Streit: —

Mit den Helden haben die Weiſen

Seine dunkeln Borde geweiht!

Seine dunkeln Borde geweiht!

Ha, wie Kosciuszko dreiſt es führte!

Ha, wie Washington es gelenkt!

Lafayette’s und Franklin’s denkt,

Und wer ſonſt ſeine Flammen ſchürte!

Friſch auf denn, ſpringt hinein! Friſch auf, das
Deck bemannt!

Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm!
Sucht Land und findet Land!

[8]
Ihr fragt erſtaunt: Wie mag es heißen?

Die Antwort iſt mit feſtem Ton:

Wie in Oeſterreich ſo in Preußen

Heißt das Schiff: „Revolution!“

Heißt das Schiff: „Revolution!“

Es iſt die einz’ge richt’ge Fähre —

Drum in See, du kecker Pirat!

Drum in See, und kapre den Staat,

Die verfaulte ſchnöde Galeere!

Friſch auf denn, ſpringt hinein! Friſch auf, das
Deck bemannt!

Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm!
Sucht Land und findet Land!

[9]
Doch erſt, bei ſchmetternden Drommeten,

Noch eine zweite wilde Schlacht!

Schwarzer Brander, ſchleudre Raketen

In der Kirche ſcheinheil’ge Jacht!

In der Kirche ſcheinheil’ge Jacht!

Auf des Beſitzes Silberflotten

Richte kühn der Kanonen Schlund!

Auf des Meeres rottigem Grund

Laß der Habſucht Schätze verrotten!

Friſch auf denn, ſpringt hinein! Friſch auf, das
Deck bemannt!

Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm!
Sucht Land und findet Land!

[10]
O ſtolzer Tag, wenn ſolche Siege

Das Schiff des Volkes ſich erſtritt!

Wenn, zu Boden ſegelnd die Lüge,

Zum erſehnten Geſtad es glitt!

Zum erſehnten Geſtad es glitt!

Zum grünen Strand der neuen Erde,

Wo die Freiheit herrſcht und das Recht,

Wo kein Armer ſtöhnt und kein Knecht,

Wo ſich ſelber Hirt iſt die Heerde!

Friſch auf denn, ſpringt hinein! Friſch auf, das
Deck bemannt!

Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm!
Sucht Land und findet Land!

[11]
Wo nur der Eintracht Fahnen wehen,

Wo uns kein Hader mehr zerſtückt!

Wo der Menſch von der Menſchheit Höhen

Unenterbt durch die Schöpfung blickt!

Unenterbt durch die Schöpfung blickt!

O neue Welt, nach Sturm und Fehde

Wie erquickt uns bald deine Ruh’!

Alle Herzen pochen dir zu — —

Und der Brander liegt auf der Rhede!

Friſch auf denn, ſpringt hinein! Friſch auf, das
Deck bemannt!

Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm!
Sucht Land und findet Land!

[[12]][[13]]

Eispalaſt.


[[14]][15]

Eispalaſt.*)


I.


Ihr Alle, mein’ ich, habt gehört von jenem ſeltnen

Eispalaſt!

Auf der gefrornen Newafluth aufſtarrte der gefrorne

Glaſt!

Dem Willen einer Kaiſerin, der Laune dienend

einer Frau,

Scholl’ über Scholle ſtand er da, gediegen Eis der

ganze Bau!

[16]
Um ſeine blanken Fenſterreih’n, um ſeine Giebel

pfiff es kalt:

Doch innen hat ihn Frühlingsweh’n und hat ihn

Blumenhauch durchwallt!

Allüberall, wohin man ſchritt, Muſik und Giran-

dolenglanz,

Und durch der Säle bunte Flucht bewegte wirbelnd

ſich der Tanz!

Alſo, bis in den März hinein, war ſeine Herr-

lichkeit zu ſchau’n;

Doch — auch in Rußland kommt der Lenz, und

auch der Newa Blöcke thau’n!

Hui, wie bei’m erſten Sturm aus Süd der ganze

ſchimmernde Koloß

Hohl in ſich ſelbſt zuſammen ſank, und häuptlings

in die Fluthen ſchoß!

[17]
Die Fluthen aber jauchzten auf! Ja, die der Froſt

in Bande ſchlug,

Die geſtern eine Hofburg noch und eines Hofes

Unſinn trug,

Die es noch geſtern ſchweigend litt, daß man ihr

auflud Pomp und Staat,

Daß eine üpp’ge Kaiſerin hoffärtig ſie mit Füßen

trat: —

Dieſelbe Newa jauchzt’ empor! Abwärts mit brau-

ſendem Erguß,

Abwärts durch Schnee und Schollenwerk ſchob ſich

und drängte ſich der Fluß!

Die letzten Spuren ſeiner Schmach malmt’ er und

knirſcht’ er kurz und klein —

Und ſtrömte groß und ruhig dann in’s ewig freie

Meer hinein!

2
[18]

II.


Die ihr der Völker heil’ge Fluth abdämmtet von

der Freiheit Meer: —

Ausmündend bald, der Newa gleich, braust ſie

und jubelt ſie einher!

Den Winterfroſt der Tyrannei ſtolz vom Genicke

ſchüttelt ſie,

Und ſchlingt hinab, den lang ſie trug, den Eis-

palaſt der Despotie!

[19]
Noch ſchwelgt ihr in dem Blitzenden, und thut in

eurem Dünkel, traun!

Als käme nun und nie der Lenz, als würd’ es

nun und nimmer thau’n!

Doch mälig ſteigt die Sonne ſchon, und weich

erhebt ſich ſchon ein Weh’n;

Die Decke tropft, der Boden ſchwimmt — O,

ſchlüpfrig und gefährlich Geh’n!

Ihr aber wollt verſchlungen ſein! Daſteht ihr

und kapitulirt

Lang erſt mit jeder Scholle noch, ob ſie — von

Neuem nicht gefriert!

Umſonſt, ihr Herrn! Kein Halten mehr! Ihr ſprecht

den Lenz zum Winter nicht,

Und hat das Eis einmal gekracht, ſo glaubt mir!

daß es bald auch bricht!

[20]
Dann aber heißt es wiederum: — Abwärts mit

brauſendem Erguß,

Abwärts durch Schnee und Schollenwerk drängt ſich

und macht ſich Bahn der Fluß!

Die letzten Spuren ſeiner Schmach malmt er und

knirſcht er kurz und klein —

Und fluthet groß und ruhig dann in’s ewig freie

Meer hinein!

[[21]]

Von unten auf!


[[22]][23]

Von unten auf!


Ein Dämpfer kam von Bieberich: — ſtolz war

die Furche, die er zog!

Er qualmt’ und räderte zu Thal, daß rechts und

links die Brandung flog!

Von Wimpeln und von Flaggen voll, ſchoß er

hinab keck und erfreut:

Den König, der in Preußen herrſcht, nach ſeiner

Rheinburg trug er heut!

[24]
Die Sonne ſchien wie lauter Gold! Auftauchte

ſchimmernd Stadt um Stadt!

Der Rhein war wie ein Spiegel ſchier, und das

Verdeck war blank und glatt!

Die Dielen blitzten friſch gebohnt, und auf den

ſchmalen her und hin

Vergnügten Auges wandelten der König und die

Königin!

Nach allen Seiten ſchaut’ umher und winkte das

erhabne Paar;

Des Rheingau’s Reben grüßten ſie und auch dein

Nußlaub, Sankt Goar!

Sie ſahn zu Rhein, ſie ſahn zu Berg: — wie

war das Schifflein doch ſo nett!

Es ging ſich auf den Dielen faſt, als wie auf

Sansſouci’s Parket!

[25]
Doch unter all der Nettigkeit und unter all der

ſchwimmenden Pracht,

Da frißt und flammt das Element, das ſie von

dannen ſchießen macht;

Da ſchafft in Ruß und Feuersgluth, der dieſes

Glanzes Seele iſt;

Da ſteht und ſchürt und ordnet er — der Prole-

tarier-Maſchiniſt!

Da draußen lacht und grünt die Welt, da draußen

blitzt und rauſcht der Rhein —

Er ſtiert den lieben langen Tag in ſeine Flam-

men nur hinein!

Im wollnen Hemde, halbernackt, vor ſeiner Eſſe

muß er ſteh’n,

Derweil ein König über ihm einſchlürft der Berge

freies Weh’n!

[26]
Jetzt iſt der Ofen zugekeilt, und Alles geht und

Alles paßt;

So gönnt er auf Minuten denn ſich eine kurze

Sklavenraſt.

Mit halbem Leibe taucht er auf aus ſeinem lo-

dernden Verſteck;

In ſeiner Fallthür ſteht er da, und überſchaut ſich

das Verdeck.

Das glüh’nde Eiſen in der Hand, Antlitz und Arme

roth erhitzt,

Mit der gewölbten haar’gen Bruſt auf das Ge-

länder breit geſtützt —

So läßt er ſchweifen ſeinen Blick, ſo murrt er

leis dem Fürſten zu:

„Wie mahnt dies Boot mich an den Staat! Licht

auf den Höhen wandelſt Du!

[27]
„Tief unten aber, in der Nacht und in der Arbeit

dunkelm Schoos,

Tief unten, von der Noth geſpornt, da ſchür’ und

ſchmied’ ich mir mein Loos!

Nicht meines nur, auch Deines, Herr! Wer hält

die Räder Dir im Takt,

Wenn nicht mit ſchwielenharter Fauſt der Heizer

ſeine Eiſen packt?

„Du biſt viel weniger ein Zeus, als ich, o König,

ein Titan!

Beherrſch’ ich nicht, auf dem Du gehſt, den all-

zeit kochenden Vulkan?

Es liegt an mir: — Ein Ruck von mir, Ein

Schlag von mir zu dieſer Friſt,

Und ſiehe, das Gebäude ſtürzt, von welchem Du

die Spitze biſt!

[28]
„Der Boden birſt, aufſchlägt die Gluth und ſprengt

Dich krachend in die Luft!

Wir aber ſteigen feuerfeſt aufwärts an’s Licht aus

unſrer Gruft!

Wir ſind die Kraft! Wir hämmern jung das alte

morſche Ding, den Staat,

Die wir von Gottes Zorne ſind bis jetzt das Pro-

letariat!

„Dann ſchreit’ ich jauchzend durch die Welt! Auf mei-

nen Schultern, ſtark und breit,

Ein neuer Sankt Chriſtophorus, trag’ ich den Chriſt

der neuen Zeit!

Ich bin der Rieſe, der nicht wankt! Ich bin’s,

durch den zum Siegesfeſt

Ueber den toſenden Strom der Zeit der Heiland

Geiſt ſich tragen läßt!“

[29]
So hat in ſeinen krauſen Bart der grollende Cyklop

gemurrt;

Dann geht er wieder an ſein Werk, nimmt ſein

Geſchirr, und ſtocht und purrt.

Die Hebel knirſchen auf und ab, die Flamme

ſtrahlt ihm in’s Geſicht,

Der Dampf rumort; — er aber ſagt: „Heut, zor-

nig Element noch nicht!“

Der bunte Dämpfer unterdeß legt vor Kapellen

ziſchend an;

Sechsſpännig fährt die Majeſtät den jungen Stolzen-

fels hinan.

Der Heizer auch blickt auf zur Burg; von ſeinen

Flammen nur behorcht,

Lacht er: „Ei, wie man immer doch für künftige

Ruinen ſorgt!“

[[30]][[31]]

Wie man’s macht!


[[32]][33]

Wie man’s macht!


So wird es kommen, eh’ ihr denkt: — Das Volk

hat Nichts zu beißen mehr!

Durch ſeine Lumpen pfeift der Wind! Wo nimmt

es Brot und Kleider her? —

Da tritt ein kecker Burſche vor; der ſpricht: „Die

Kleider wüßt’ ich ſchon!

Mir nach, wer Rock und Hoſen will! Zeug für

ein ganzes Bataillon!“

3
[34]
Und wie man eine Hand umdreht, ſtellt er in Rot-

ten ſie und Reih’n,

Schreit: „Linksum kehrt!“ und: „Vorwärts Marſch!„

und führt zur Kreisſtadt ſie hinein.

Vor einem ſteinernen Gebäu Halt machen läßt er

trutziglich:

„Seht da, mein Kleidermagazin — das Landwehr-

zeughaus nennt es ſich!

„Darinnen liegt, was ihr bedürft: Leinwand zu

Hemden, derb und ſchwer!

Wattirte Jacken, friſch genäht — dazu von zweier-

lei Couleur!

Tuchmäntel für die Regennacht! Feldmützen auch

und Handſchuh’ viel,

Und Alles, was ſich ſonſt gehört zu Heerſchau und

Paradeſpiel!

[35]
„Ihr kennt den ganzen Rummel ja! Ob auch mit

Hadern jetzt bedeckt,

Haben die Meiſten doch von euch in der Monti-

rung ſchon geſteckt!

Wehrmänner ſeid ihr allzumal! So lange Jeder

denn vom Pflock

Sich ſeinen eignen Hoſenſack und ſeinen eignen

blauen Rock!

„Ja, ſeinen Rock! Wer faſelt noch vom Rock des

Königs? — Liebe Zeit!

Gabt ihr die Wolle doch dazu: geſchorne Schafe,

die ihr ſeid!

Du da — iſt nicht die Leinwand hier der Flachs,

den deine Mutter ſpann,

Indeß vom kummervollen Aug’ die Thrän’ ihr auf

den Faden rann?

[36]
„Nehmt denn! So recht! Da prunkt ihr ja, als

ging’s zu Felde morgen früh,

Oder doch allerwenigſtens nach Grimlinghauſen zur

Revue!

Nur die Muskete fehlt euch noch! Doch ſieh’, da

ſteht von ungefähr

Der ganze Saal voll! Zum Verſuch: — Gewehr

in Arm! Schultert’s Gewehr!

„Ganz, wie ſich’s hört! Das nenn’ ich Schick! Am

Ende … Jungens, wißt ihr was?

Auch die Gewehre wandern mit! — Gewehr bei

Fuß! — Das wird ein Spaß!

Und würd’ es Ernſt … Nun, möglich iſt’s! Sie ma-

chen immer groß Geſchrei,

Und nennen dieſen Kleiderwitz vielleicht noch gar

Rebellerei!

[37]
„Nennen ihn Einbruch noch und Raub! — In

wenig Stunden, ſollt ihr ſeh’n,

Wird uns ein Linienregiment ſchlagfertig gegenüber

ſteh’n!

Da heißt es denn für ſeinen Rock die Zähne weiſen!

D’ran und d’rauf!

Patronen her! Geladen, Kerls! Und pflanzt die

Bajonette auf!

„Stülpt auch den Tſchako auf den Kopf, und hängt

den Degen vor den Steiß: —

Daß ihr ihn „Käſemeſſer“ nennt, ein glückverkün-

dend Omen ſei’s!

Kein Hirn, will’s Gott, beſudelt ihn! Kein Herz-

blut, hoff’ ich, färbt ihn roth —

Für Weib und Kinder „Käſe“ nur ſoll er zerhau’n

und nahrhaft Brot!

[38]
„Und nun hinaus! Tambour voran, Querpfeifer

und Horniſtenpaar!

Soll auch die Adlerfahne noch vorflattern, Brüder,

eurer Schaar?

Den Teufel auch! Was kümmert uns vergangner

Zeit Raubvögelpack!

Wollt ihr ein Banner: Eines nur ſchickt ſich für

euch — der Bettelſack!

„Den pflanzt auf irgend ein Gerüſt: — da, hier

iſt ein Uhlanenſpeer! —

Und tragt ihn, wie die Geuſen einſt, mit zorn’gem

Stolze vor euch her!

Ihr könnt es füglicher, als ſie! Ihr tragt den Sack

nicht bloß zum Staat,

Ihr ſeid nicht bloß dem Namen nach — nein, ihr

ſeid Bettler in der That!

[39]
„Marſch denn, ihr Geuſen dieſer Zeit! Marſch,

Proletarier-Bataillon!“ —

Da naht zu Fuß und naht zu Roß die königliche

Linie ſchon!

„Feuer!“ befiehlt der General; „Choc!“ heißt es

bei der Reiterei. —

Doch, ha! Kein Renner hebt den Huf, und keine

Flinte ſchickt ihr Blei!

Ein Murren aber rollt durch’s Heer: „Auch wir

ſind Volk! Was königlich!“

Und plötzlich vor dem Bettelſack ſenkt tief die

Adlerfahne ſich!

Dann Jubelſchrei: „Wir ſind mit Euch! Denn wir

ſind Ihr, und Ihr ſeid wir!“ —

„Kanaille!“ ruft der Commandeur — da reißt ein

Leutnant ihn vom Thier!

[40]
Und wie ein Sturm zur Hauptſtadt geht’s! An-

ſchwillt ihr Zug lawinengleich!

Umſtürzt der Thron, die Krone fällt, in ſeinen

Angeln ächzt das Reich!

Aus Brand und Blut erhebt das Volk ſieghaft

ſein lang zertreten Haupt: —

Wehen hat jegliche Geburt! — So wird es kommen,

eh’ ihr glaubt!

[[41]]

Freie Preſſe.


[[42]][43]

Freie Preſſe.


Feſten Tons zu ſeinen Leuten ſpricht der Herr der

Druckerei:

„Morgen, wißt ihr, ſoll es losgeh’n, und zum

Schießen braucht man Blei!

Wohl, wir haben unſre Schriften: — Morgen in

die Reih’n getreten!

Heute Munition gegoſſen aus metall’nen Alpha-

beten!

[44]
„Hier die Formen, hier die Tiegel! auch die Kohlen

facht’ ich an!

Und die Pforten ſind verrammelt, daß uns Nie-

mand ſtören kann!

An die Arbeit denn, ihr Herren! Alle, die ihr

ſetzt und preßt!

Helft mir auf die Beine bringen dieſes Freiheits-

manifeſt!“

Spricht’s, und wirft die erſten Lettern in den

Tiegel friſcher Hand.

Von der Hitze bald geſchmolzen, brodeln Perl und

Diamant;

Brodeln Colonel und Corpus; hier Antiqua, dort

Fraktur

Werfen radikale Blaſen, dreiſt umgehend die

Cenſur.

[45]
Dampfend in die Kugelformen ziſcht die glüh’nde

Maſſe dann: —

So die ganze lange Herbſtnacht ſchaffen dieſe

zwanzig Mann;

Athmen rüſtig in die Kohlen; ſchüren, ſchmelzen

unverdroſſen,

Bis in runde, blanke Kugeln Schrift und Zeug

ſie umgegoſſen!

Wohl verpackt in grauen Beuteln liegt der Vorrath

an der Erde,

Fertig, daß er mit der Frühe brühwarm ausge-

geben werde!

Eine dreiſte Morgenzeitung! Wahrlich, gleich beherzt

und kühn

Sah man keine noch entſchwirren dieſer alten

Offizin!

[46]
Und der Meiſter ſieht es düſter, legt die Rechte

auf ſein Herz:

„Daß es alſo mußte kommen, mir und Vielen

macht es Schmerz!

Doch — welch Mittel noch iſt übrig, und wie

kann es anders ſein? —

Nur als Kugel mag die Type dieſer Tage ſich

befrei’n!

„Wohl ſoll der Gedanke ſiegen — nicht des Stoffes

rohe Kraft!

Doch man band ihn, man zertrat ihn, doch man

warf ihn ſchnöd in Haft!

Sei es denn! In die Muskete mit dem Ladſtock

laßt euch rammen!

Auch in ſolchem Winkelhaken ſteht als Kämpfer

treu beiſammen!

[47]
„Auch aus ihm bis in die Hofburg fliegt und

ſchwingt euch, trotzige Schriften!

Jauchzt ein rauhes Lied der Freiheit, jauchzt und

pfeift es hoch in Lüften!

Schlagt die Knechte, ſchlagt die Söldner, ſchlagt

den allerhöchſten Thoren,

Der ſich dieſe freie Preſſe ſelber auf den Hals

beſchworen!

„Für die rechte freie Preſſe kehrt ihr heim aus

dieſem Strauß:

Bald aus Leichen und aus Trümmern graben wir

euch wieder aus!

Gießen euch aus ſtumpfen Kugeln wieder um in

ſcharfe Lettern —

Horch! ein Pochen an der Hausthür! und Trompeten

hör’ ich ſchmettern!

[48]
„Jetzt ein Schuß! — Und wieder einer! — Die

Signale ſind’s, Geſellen!

Hallender Schritt erfüllt die Gaſſen, Hufe dröhnen,

Hörner gellen!

Hier die Kugeln! hier die Büchſen! Raſch hinab! —

Da ſind wir ſchon!“

Und die erſte Salve praſſelt! — Das iſt Revo-

lution!

[[49]]
[...]
[[50]][51]

Springer.


(Epilog des Dichters.)


Kein beſſer Schachbrett, als die Welt:

Zur Limmat rück’ ich von der Schelde!

Ihr ſprengt mich wohl von Feld zu Feld,

Doch ſchlagt ihr mich nicht aus dem Felde!

[52]
So iſt es eben in dem Schach

Der Freien wider die Despoten:

Zug über Zug und Schlag auf Schlag,

Und Ruh’ wird keine nicht geboten!

Mir iſt, als müßt’ ich auch von hier

Den Stab noch in die Weite ſetzen;

Als würden auch aus Tell’s Revier

Die Launen dieſes Spiels mich hetzen!

Ich bin bereit! Noch braust das Meer

Um Norweg’s freie Bauernſtätten;

Noch raſſelt es von Frankreich her,

Wie Klirren von gebrochnen Ketten!

[53]
Kein flüchtig Haupt hat Engelland

Von ſeiner Schwelle noch gewieſen;

Noch winkt mir eine Freundeshand

Nach des Ohio luſt’gen Wieſen!

Von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt,

Von Land zu Land — mich ſchiert es wenig!

Kein Zug des Schickſals ſetzt mich matt: —

Matt werden kann ja nur der König!
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Notes
*)
Das Motiv iſt einer politiſchen Fabel von Thomas
Moore entnommen.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 1. Ça ira!. Ça ira!. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bhw4.0