[][][][][][][[I]]
Eleuſinien
des
neunzehnten Jahrhunderts

Oder
Reſultate
vereinigter Denker
uͤber
Philoſophie und Geſchichte
der
Freimaurerei
.

Zweites Baͤndchen.

Berlin: 1803.
Bei Heinrich Froͤlich.

[[II]][[III]]

An
die S. E. G. u. V. L. zu den
drei Bergen
und
ihren verehrten Meiſter von St
.


Indem ſich meine Achtung, mein Dank, und
meine bruͤderliche Liebe gegen Sie, durch die
Zueignung dieſes zweiten Baͤndchens der Eleu-
ſinien auszudruͤcken ſtrebt, erlauben Sie mir zu-
gleich dieſe Zuſchrift dazu zu benutzen, daß ich
Ihnen einige Gedanken uͤber maureriſche Schrift-
ſtellerei uͤberhaupt mehr andeute als ausfuͤhre,
und mich uͤber das, was dieſe kleine Schrift
liefert, mit kurzen Worten erklaͤre.


Es wuͤrde gar nicht unzweckmaͤßig, und der
gegenwaͤrtigen Zeit nicht unangemeſſen ſeyn, wenn
man die Sache der maureriſchen Publicitaͤt wie-
der zur Sprache braͤchte, uͤber die von jeher
* 2
[IV] zwei entgegengeſetzte Meinungen geherrſcht haben.
Einzelne BB., beſonders die Schriftſteller ſelbſt,
waren ſtets dafuͤr, die Logen gewoͤhnlich dage-
gen. Selten war ein Buch allen Syſtemen
angenehm, wie z. E. die Apologie des Br. St.;
oͤfter waren Schriften einer Parthei hoͤchſt unan-
genehm z. B. St. Nicaiſe; ſelten veranſtalteten
die Behoͤrden ſelbſt unter ihrer Autoritaͤt den
Druck gewiſſer Werke, z. B. die Gr. L. von
England, den des Conſtitutionsbuchs, die neueſten
R. C., den der Schriften Chriſophirons; oͤfter
ſchrieben einzelne Br., ohne oder gegen die
Autoritaͤt der Behoͤrden in ihrer eigenen Sache,
oder aus einem innern Drange, oder aus ver-
ſchiedenen andern, reinen und unreinen Abſichten.
Dieſe rechtfertigten ihre That durch mannigfaltige
Gruͤnde, die angegriffenen Corporationen ver-
warfen ſie natuͤrlich, und viele, die uͤber das,
was Maurerei iſt, ſich keine feſten Begriffe ge-
bildet hatten, mißbilligten jedes uͤber Maurerei
und Logenweſen geſchriebene Wort, als pflicht-
widrig; indeß von Jahr zu Jahr neue Schrif-
ten uͤber Maurerei, und die Geſchichte ihrer
Ausartungen erſchienen.


So lange maureriſche Schriften geleſen wer-
den, und ſo lange ſich ein Stoff zu ihnen findet,
ſo lange werden dergleichen gedruckt werden.
Dies im letzten Akt zu hindern, moͤchte bei der
[V] Verfaſſung der Bruͤderſchaft, und ihrem Ver-
haͤltniß zur groͤßeren buͤrgerlichen Geſellſchaft
wohl unmoͤglich ſeyn; und es waͤre auch nicht
wuͤnſchenswerth, wenn es unrer gegenwaͤrtigen
Umſtaͤnden gehindert wuͤrde. Was nicht zu ver-
meiden iſt, (vorausgeſetzt, daß es nicht abſolut
boͤſe iſt) muß man nicht vermeiden wollen, noch
mehr, von dem muß man glauben, daß es nicht
ohne Fug geſchehe.


Wenn man recht feſt die Maurerei von
ihrer Geſchichte unterſcheidet, ſo wird man
ſich ſehr leicht uͤber maureriſche Publicitaͤt ins
Klare ſetzen, und beruhigen koͤnnen. Gewoͤhnlich
wird uͤber jene nicht viel geſprochen, und was
man ſpricht, iſt eine Art von Philoſophie, von
ſubjectiver Anſicht, die mehr oder weniger zur
Geſchichte wird; dieſe Geſchichte aber iſt aller-
dings ein Gegenſtand der Unterſuchung, und iſt
es von alten Zeiten her geweſen, ſo, daß eine
bedeutende Literatur entſtanden iſt, die blos
Beitraͤge zur Geſchichte liefert, oder mit ihr zu-
ſammen faͤllt. Ein gewiſſer Proteſtantismus, der
unſere ganze ſogenannte Aufklaͤrung erzeugt hat,
draͤngt hier zu Unterſuchungen, die man denn
bekannt machen, und dadurch aufklaͤren will.
Dieſer Proteſtantismus taugt freilich nicht viel,
aber er iſt einmal im Zeitgeiſt begruͤndet, und
die Maurerei konnte ihm nicht entgehen. Was
[VI] ſodann einmal zur Sache des Verſtandes und
der Forſchung gemacht iſt, muß und kann auch
fuͤglich als ſolche behandelt werden. Mußten
ſich doch die heiligen Urkunden, und die Ge-
ſchichte des Chriſtenthums ein gleiches gefallen
laſſen, da man jene von aller hoͤheren Autori-
taͤt entkleidete, ſie als menſchliche, dem Schickſal
unterworfene Buͤcher anſah, und nun ſie zu
bearbeiten, zu reinigen, und zu erklaͤren anfing;
aus dieſer aber alle kirchliche Autoritaͤt verbannte,
und ſie einer kritiſchen Pruͤfung unterwarf: wo-
durch der unendliche und grenzenloſe Proteſtan-
tismus in der Religion eroͤffnet wurde, der das
Profane mit dem Heiligen nicht vermiſcht, ſon-
dern alles profan macht.


Gegen alles dieſes koͤnnen in dem Gebiete
der Maurerei die Logen ſelbſt am kraͤftigſten
arbeiten, nicht durch Verbote und Interdikte,
ſondern dadurch, daß ſie ſelbſt ſich auf den
Standpunkt des Lichts ſetzen, daß ſie in ihrem
Innern die BB. maureriſch beſchaͤftigen und
befriedigen, daß ſie ſelbſt die Maurerei nicht als
bloße Verſtandesſache behandeln, und wohl ler-
nen, wie man mit Myſterien umzugehen habe.
Alsdann wird ſich niemand ſehnen uͤber maure-
riſche Gegenſtaͤnde zu ſchreiben oder zu leſen. —
Wer dies durch Beiſpiele beſtaͤttigt finden will,
der gebe acht auf die Logen und Syſteme, welche
[VII] am entſchiedenſten die Publicitaͤt verſchmaͤhen,
am wenigſten leſen, und verhaͤltnißmaͤßig die
wenigſten Schriftſteller haben; und er wird
finden, daß gerade bei ihnen ſich einige der
angegebenen charakteriſtiſchen Zeichen finden.
Eine L., die dieſe Zeichen alle an ſich truͤge,
wuͤrde von Druckſchriften nichts wiſſen.


Aber ſo lange man noch Myſterien ohne
Myſtik
feiert, ſo lange der Kenntnißſtolz auf
unſichern Fundamenten beruht, ſo lange man auf
der einen Seite nach Aufklaͤrung, und nach bloßer
Aufklaͤrung jagt, und auf der andern Seite das Licht
der Wahrheit aus Eigenſinn, Furcht, Eigennutz oder
Stolz verſchmaͤht: ſo lange wird geſchrieben werden,
und ſo lange wird man eine grundloſe und vergeb-
liche Oppoſition gegen die Publicitaͤt bilden.


Eine andere Quelle der maureriſchen Schrift-
ſtellerei ſind die Logenſtreitigkeiten. Eine Corpo-
ration wird angegriffen, — ſie muß ſich ver-
theidigen: ein Bruder wird beleidigt, gemißhan-
delt, ungehoͤrt verdammt; die Verlaͤumdung
breitet ſich weit uͤber den Kreis der geſchloſſenen
Geſellſchaft aus, was bleibt ihm uͤbrig, ſeine
Ehre zu retten, als der Recurs an das groͤßere
maureriſche Publikum? — Auch dieſe unmaure-
riſche Quelle koͤnnen die Direktionen der LL.
ganz verſtopfen, nicht durch Tadel des Beleidig-
ten, der zu ſeiner Rechtfertigung ſchreibt, da er
[VIII] nicht ſprechen konnte: ſondern durch Feſthalten an
den ewigen Principien der Gerechtigkeit, durch Ver-
huͤtung aller Verletzungen menſchlicher Rechte, und
aller unbruͤderlichen Streitigkeiten, vermittelſt und
Kraft des wahren heiligen Geiſtes der Maurerei.


Natuͤrlich ſpreche ich nur von redlichen
maureriſchen Schriftſtellern, die um der Sache
willen ſchreiben. Was ſchlecht iſt, und aus
unreinen Abſichten geſchieht, das wollen wir,
wie uͤberall, ſo auch hier verachten.


Ueberhaupt aber ſpielt die maureriſche Publi-
citaͤt nur in den Vorhoͤfen, die an die profane
Welt grenzen, ja mitten in ihr liegen. Das
wahre Myſterium hat bisher (und wird es zu
allen Zeiten) aller Publicitaͤt und Profanation
geſpottet; kein Schriftſteller hat es verrathen,
und wird es je verrathen, theils, weil er es nicht
kennt, theils, weil er, wenn er es kennt, nicht
davon ſpricht, theils, weil er, wenn er auch
davon ſpraͤche, von keinem verſtanden werden
wuͤrde, als der es ſchon weiß. — So gleichen
die maureriſchen Schriften alle mehr oder weni-
ger, der in den Eleuſinien mitgetheilten chrono-
logiſchen Geſchichte, die bei aller ihrer Zweck-
maͤßigkeit zum gelehrten Gebrauch, doch die
unſchuldigſte Sache von der Welt iſt; und ſo
koͤnnen alle g. u. v. LL., ſo wie alle redliche
Logenbeamte, uͤber die Publicitaͤt uͤberhaupt
[IX] außer Sorgen ſeyn; ſie gehen mit Bewußtſeyn
ihren Weg fort, uͤberzeugt, daß gegen ſie nichts
Bedeutendes geſagt werden kann, und daß ſie
das, was eben geſchrieben wird, und nur geſchrie-
ben werden kann, nicht zu ſcheuen haben. Und
ſo konnte ich denn auch Ihnen, meine verehrten
Bruͤder! ob ſie gleich im Allgemeinen die maureriſche
Publicitaͤt, noch mehr aber ihre Quellen, nicht lie-
ben, ohne Furcht Ihnen zu mißfallen, dieſe Schrift
zueignen, denn Sie haben auf einem hoͤhern Stand-
punkte, als der der Druckſchriften ſeyn kann, Be-
friedigung, und die wahre Anſicht aller der hiſtori-
ſchen Dinge, die durch die gedruckten Buchſtaben
mitgetheilt werden koͤnnen, gefunden.


Erlauben Sie mir noch einige Worte uͤber
den Inhalt dieſes zweiten Baͤndchens.


  • No. 1. iſt die Fortſetzung der hoͤchſt intereſſan-
    ten Briefe uͤber Maurerei, wie ſie
    ein folgerecht denkender Verſtand conſtruirt.
    Sie werden die Wichtigkeit und das Weit-
    greifende dieſer Ideen, ſo wie ihr Verhaͤlt-
    niß zur Geſchichte des O. einſehen, und
    mit mir glauben, daß ſie der vorzuͤglichſte
    Schmuck der Eleuſinien ſind; eben ſo wiſſen
    Sie, daß der an irgend einem Orte, als
    Verfaſſer derſelben angegebene Br. Feßler,
    weder Verfaſſer noch Bearbeiter derſelben
    iſt, und daß ſonach alles, was man aus
    [X] ihnen fuͤr das Syſtem dieſes Br. hat fol-
    gern wollen, keinen Grund hat. — Zuſaͤtze,
    die die Einkleidung erforderte, ſind diesmal
    ganz unbedeutend, und ſo erhalten die BB.
    die Ideen des großen Mannes faſt durch-
    gaͤngig mit ſeinen eigenen Worten. Moͤchte
    es ihm doch gefallen, bei ſeiner tiefen Kennt-
    niß der Geſchichte des O., auch die philo-
    ſophiſche Deduction, der uͤber der allge-
    meinen menſchlichen Geſellſchaft ſchweben-
    den geſchloſſenen Geſellſchaft zu vollenden!
  • No. 2. iſt leider polemiſchen Inhalts; leider,
    in Abſicht der Veranlaſſung. — Es iſt
    dies das erſte Wort, welches der Hw. Br.
    Feßler gegen die Angriffe ſagt, die ſeit
    einiger Zeit auf eine faſt unerklaͤrbare Weiſe
    auf ihn gemacht worden ſind, und die wohl
    alle auf Mi[ß]verſtaͤndniſſen und unrichtigen
    Vorausſetzungen beruhen. Gewiß, weder
    die Liebe unter den Maurern, noch die Ehre
    der Bruͤderſchaft wird dadurch befoͤrdert,
    und das feſtgegruͤndete Verdienſt des Br.
    Feßler um das Ganze der Maurerei da-
    durch nicht geſchmaͤlert. Da es ihm gefallen
    hat, ſelbſt, und unter ſeinem Namen, uͤber
    die Sache zu ſprechen, ſo iſt jedes weitere
    Wort eines andern uͤberfluͤſſig.
  • No. 3. liefert Zuſaͤtze zur chronologiſchen
    [XI] Geſchichte
    . Von ihnen gilt ganz daſſelbe
    was S. VII. der Vorrede zum erſten
    Baͤndch. ſteht; es wird erzaͤhlt, nicht was
    wirklich geſchehen ſey, ſondern was irgendwo
    oͤffentlich erzaͤhlt worden iſt. Daher ſind
    die Citationen ſehr zu beachten, weil ſie
    gewoͤhnlich die Recenſion der Glaubwuͤrdig-
    keit einer Nachricht enthalten. Um die
    Brauchbarkeit dieſer Chronologie fuͤr den
    maureriſchen Geſchichtsforſcher zu vermeh-
    ren, ſind zuweilen Data aus andern Ordens-
    geſchichten beigeſetzt worden, die wegen
    ihres Einfluſſes oder ihrer Accommodation
    auf Maurerei bedeutend geworden ſind.
    Uebrigens ſieht der Verf. voraus, daß
    unterrichtete Frei-Maurer, dieſe Data, be-
    ſonders aus der aͤltern Zeit, nicht ohne
    Laͤcheln leſen, und nur zuweilen eine ernſte
    Miene machen werden; indeß der Ernſt
    mehrt ſich, wie in einem Trauerſpiele, je
    naͤher wir dem Ende kommen, das uͤbri-
    gens auch in den allerneueſten Zeiten kei-
    nen Schluß
    macht. — Dieſe Geſchichte,
    welche ſchon ganz ausgearbeitet iſt, hat
    bei dem Jahre 1766. aus Mangel an
    Raum abgebrochen werden muͤſſen; ſie wird
    aber ſo vollſtaͤndig, als nur immer moͤglich
    iſt, geliefert werden. Die bei dieſer Gele-
    [XII] genheit im vorigen Baͤndchen angedeutete
    kritiſche Geſchichte (Manuſcript fuͤr ver-
    traute BB.) iſt uͤbrigens mit uͤberraſchen-
    dem Gluͤcke vollendet, voll tiefer hiſtoriſcher
    Forſchungen, neuer Entdeckungen und frucht-
    barer Reſultate. Es iſt unbedenklich das wich-
    tigſte maureriſche Werk, das je geſchrieben
    worden iſt, und es waͤre zu wuͤnſchen, daß
    diejenigen, die es geleſen und gewuͤrdigt haben,
    ſich oͤffentlich daruͤber erklaͤren moͤchten.
  • No. 4. Mit dieſem heiteren Gemaͤlde glaubt
    der Herausgeber den Leſern dieſes zweiten
    Baͤndchens ein nicht unangenehmes Ge-
    ſchenk zu machen. Moͤgen ſie es fuͤr eine
    Paradoxie, oder fuͤr einen Traum halten:
    es iſt reich an Gelegenheit zu wichtigen
    Reflexionen und manchen neuen Anſichten.
    Sollte man auch den hier ausgeſprochenen
    oder angedeuteten Wahrheiten nicht allge-
    mein die Realiſirung wuͤnſchen, ſo werden
    ſich doch aller Herzen in dem Wunſche ver-
    einigen, daß der Geiſt und die Geſinnung
    der Bruͤder der L. zu Z. allgemein ſeyn moͤge.
  • No. 5. Hier die im vorigen Baͤndchen ver-
    ſprochenen Worte des ehrwuͤrdigen Br.
    Bode. Es ſind vielleicht die unbedeu-
    tendſten, die er geſagt hat, aber ſie ſind
    von ihm, und um deswillen den Verehrern
    [XIII] ſeiner großen Verdienſte um die Geſchichte
    und Reinigung der Maurerei werth. Br.
    Mnioch iſt als maureriſcher Dichter ſchon
    zu bekannt und geliebt, als daß ihm nicht
    alle BB. von Herz und Geiſt fuͤr die Be-
    kanntmachung dieſes herrlichen Hymnus
    danken ſollten; eben ſo wird man die bei-
    den einfachen Lieder eines andern Dichters
    nicht ohne Wohlgefallen leſen.
  • No. 6. von nicht erfreulichem hiſtoriſchem In-
    halte. Wahrſcheinlich hat ſich die ganze
    Begebenheit im Monde zugetragen, welches
    der Ueberſchrift nicht widerſpricht, da der
    Mond nicht mehr und nicht weniger unter
    der Sonne liegt, als die Erde.
  • No. 7. liefert eine maureriſche Curioſitaͤt.
    Kenner werden ihren Inhalt zu wuͤrdigen
    wiſſen und entſcheiden, ob dadurch Hr.
    Profeſſor Buhle widerlegt ſey. Wenn
    Sie meinen ſollten, daß darinn eben nicht
    ein europaͤiſcher, ſondern vielleicht ein etwas
    aſiatiſcher Geiſt wehe, ſo moͤchten Sie
    wohl nicht irren. Uebrigens verdient die am
    Ende des Aufſatzes angekuͤndigte literariſche
    Unternehmung alle Aufmerkſamkeit, voraus-
    geſetzt, daß die verſprochenen Aktenſtuͤcke be-
    ſonders uͤber das Cl — ſche H. K., unbezwei-
    felte Kritereien der Aechtheit an ſich tragen.
  • No. 8. Literatur. Dieſen Artikel hat ſein
    Verfaſſer nur zu Mittheilung einiger ſeiner
    Ideen benutzt, und es war nicht ſeine Mei-
    nung eine vollſtaͤndige Literar-Notiz oder
    Kritik zu liefern.

Es iſt auch bei dieſem Baͤndchen der Eleuſinien
dem Herausgeber Ernſt geweſen, der guten Sache
der Maurerei nuͤtzlich zu werden, und etwas zu lie-
fern, welches der Aufmerkſamkeit denkender BB.
wuͤrdig waͤre.


Moͤge alle Polemik und aller Streit aus der
Bruͤderſchaft und aus maureriſchen Schriften
verſchwinden, und, obgleich der Glaube verſchieden
ſey, ſich alle Herzen zur reinen Achtung fuͤr Wahr-
heit, zur Schonung der heiligen Rechte des guten
Namens der BB., zur Billigkeit gegenfremde Ueber-
zeugung und zum frohen Bruderfrieden erheben!


Seegen allen guten LL. und BB., die im Geiſte
und der Wahrheit arbeiten, die Maurerei vor allem
Profanen bewahren, und unter dem Scheine ihrer
erhabenen Lichter, mit hellem Geiſte und fuͤhlendem
Herzen dem hoͤheren Lichte entgegen wandeln!


Mit inniger Freude werde ich Sie, meine ver-
ehrten BB.! auf dieſem ſchoͤnen Wege begleiten.


Geſchrieben den 24. Aprill 1803.


Der Herausgeber.


[[XV]]

Inhalt.


  • Seite
  • I.Philoſophie der Maurerei. — Briefe
    an Konſtant 1
  • II. Reviſion des Maureriſchen Taſchen-
    buches auf das Jahr 5802 bis 5803,
    und maͤnnliche Abfertigung ſeiner
    Herausgeber X. Y. Z. — Vom Br.
    Feßler. 61
  • III. Geſchichte der Maurerei. — 1) Alte
    Geſchichte. 2) Geſchichte des acht-
    zehnten Jahrhunderts. 115
  • IV. Die Loge zu Z. — Ein Auszug aus
    dem Reiſe-Journal eines unterrich-
    teten Maurers. 215
  • V. Reden und Gedichte. — 1) An-
    rede an einen Neuaufgenommenen,
    vom verewigten Br. Bode. 2) Am
    Einweihungs-Feſte der neuen Loge
    F. W. z. S. — Eine Viſion vom Br.
  • Seite
  • Mnioch. 3) Am St. Johannis-Tage.
    Der Loge zur Wahrheit gewidmet.
    4) Das Gluͤck der Maurerei 255
  • VI. Nichts Neues unter der Sonne. —
    Eine merkwuͤrdige hiſtoriſche Pa-
    rallele 273
  • VII. Ueber den Urſprung der Freimaurer
    und Roſenkreuzer. — Anmerkungen,
    uͤber den vom Hrn. Profeſſ. Buhle
    unterm 27. und 31. Januar, v. J.
    im 8. und 9. Blatte der Hambur-
    ger Adreß-Comtoir-Nachrichten
    bekannt gemachten Urſprung derſel-
    ben. Von dem Br. v. Bioͤrn321
  • VIII. Maureriſche Literatur. — 1) Ta-
    ſchenbuch fuͤr Frei-Maurer. Koͤthen,
    1803. 2) Moraliſcher Taſchenſpiegel 335

I.Phi-[[1]]

I.
Philoſophie der Maurerei.
Briefe an Konſtant.



[[2]][[3]]

Briefe an Konſtant.


Sechster Brief.


Du laͤßeſt mich nicht los, Konſtant! ob Du gleich,
wie Du ſchreibſt, ahneſt, was ich noch zu ſagen haben
moͤchte. Du haſt auch ganz recht, und es iſt nichts
leichter fuͤr einen folgerecht denkenden Kopf, als,
nach den angedeuteten Praemißen, mein Thema
gluͤcklich zu vollenden. Aber ich ſoll, ſo willſt Du,
fortfahren.


Unſre erſte Frage wird ſonach ſeyn: Was
wirkt der Orden im Maurer? und die
zweite: Was wirkt er auf die Welt? — Ich
werde mich kurz faſſen, und mich mit fruchtbaren
Winken begnuͤgen koͤnnen.


Iſt die Verbindung nicht voͤllig vergebens und
unwirkſam, ſo muß doch ohne Zweifel derjenige,
der ſich in ihr befindet, er ſtehe auf einer Stufe
der Kultur, auf welcher er wolle, der Reife
naͤher kommen, als daſſelbe Individuum
,
A 2
[4]außer der Verbindung, ihr gekommen
ſeyn wuͤrde
. Dieß gilt bei dem wachen Men-
ſchen ſogar von jedem neuen Verhaͤltniſſe, in wel-
ches er eintritt.


Ich nehme hier Reife und gemeinmenſch-
liche Ausbildung
fuͤr gleichbedeutend, und zwar
mit Recht. Einſeitige Bildung iſt immer Unreife;
wenn auch an einer Seite Ueberreife ſeyn ſollte,
ſo iſt doch dafuͤr gewiß an andern Seiten herbe,
ſaure Unreife.


Das Hauptkennzeichen der Reife iſt: Kraft,
durch Anmuth gemildert
. — Alle jene ge-
waltſamen Ereiferungen, jene weiten Anlaͤufe und
Ausholungen ſind die erſten, auch nothwendigen
Renkungen und Regungen der ſich entwickelnden
Kraft; aber ſie ſind nicht mehr vorhanden, nach-
dem die Entwickelung vollendet, und die ſchoͤne
geiſtige Form in ſich ſelbſt gerundet iſt. Oder daß
ich es mit den Kunſtwoͤrtern der Schule ſage:
So wie die Reife erfolgt, vermaͤhlt holde Poeſie
ſich mit der Klarheit des Kopfes und der Recht-
ſchaffenheit des Herzens, und die Schoͤnheit
tritt in den Bund mit der Weisheit und
Staͤrke.


Dies iſt das Bild des reifen, ausgebildeten
Mannes, wie ich mir ihn denke:


Sein Kopf iſt durchaus klar und von Vor-
urtheilen aller Art frei. Er herrſcht im Reiche
der Begriffe und uͤberſieht das Gebiet der menſch-
lichen Wahrheit ſo weit als moͤglich. Aber die
[5] Wahrheit iſt ihm durchaus nur Eine, nur ein
Einziges, untheilbares Ganzes, und er zieht
keine Seite derſelben einer andern vor. Gei-
ſtesbildung
ſelbſt aber iſt ihm auch nur ein
Theil der ganzen Bildung
, und es faͤllt
ihm nicht ein, lediglich durch ſie vollendet zu
haben; eben ſo wenig, als es ihm einfallen wird,
ſie entbehren zu wollen. Er ſieht ſehr gut, und
ſcheut ſich nicht, es zu geſtehen, wie ſehr andre
hierinn hinter ihm zuruͤck ſind; aber er ereifert
ſich daruͤber nicht, weil er weiß, wie viel auch
hierinn vom Gluͤcke abhaͤnge. Er draͤngt ſein
Licht, noch weniger den bloßen Schein ſeines
Lichts, keinem auf; wiewohl er immer bereit
iſt, jedem, der da begehrt, ſoviel zu geben, als
er tragen kann, und es ihm in jedem Gewande
zu geben, das ihm das gefaͤlligſte iſt, laͤßt er
es doch auch gut ſeyn, wenn niemand ſeine
Leuchte begehrt. Er iſt durchaus rechtſchaffen,
gewiſſenhaft, ſtreng gegen ſich ſelbſt in ſeinem
Innern, ohne aͤußerlich das geringſte Weſen mit
ſeiner Tugend zu machen, und den Anblick der-
ſelben andern, durch Verſicherungen uͤber ſeine
Ehrlichkeit, durch ſtark hervorſpringende Aufop-
ferungen, durch Affectation eines hohen Ernſtes
aufzudringen. Seine Tugend iſt eben ſo kunſt-
los und, ich duͤrfte ſagen, ſchamhaft, als ſeine
Weisheit; die herrſchende Empfindung bei den
[6] Schwachheiten ſeiner Mitmenſchen iſt gutmuͤthi-
ges Bedauren, keinesweges zuͤrnende Entruͤſtung.
Er lebt im Glauben ſchon hienieden in einer
beſſern Welt, und dieſer Glaube allein giebt in
ſeinen Augen ſeinem Leben hienieden Werth,
Bedeutung und Schoͤnheit; aber er dringt am
wenigſten dieſen Glauben irgend einem auf, ſon-
dern traͤgt ihn in ſich, als einen verborgenen
Schatz. —


Dies iſt das Bild des vollendeten Menſchen,
dieß iſt das Ideal des Maurers. Eine hoͤhere
Vollkommenheit, als der Menſch uͤberall erreichen
kann, wird auch dieſer nicht begehren oder ſich
ihrer ruͤhmen; ſeine Vollkommenheit kan keine
andre, als eine menſchliche und die menſchliche
ſeyn. Jeder Menſch muß in ſteter Annaͤherung
zu dieſem Ziele begriffen ſeyn; wenn der O. nur
einige Wirkſamkeit hat, muß jedes Glied ſichtba-
rer und mit Bewußtſeyn in dieſer Annaͤherung
begriffen ſeyn; als aufgeſtelltes und ſeinem Herzen
nahgelegtes Ideal muß ihm dies Bild vorſchweben;
wohin ſein Auge trift, muß es ſich ihm darſtellen;
es muß gleichſam die Natur ſeyn, in der er lebt
und athmet.


Wohl moͤglich, daß nicht alle, ja daß vielleicht
kein einziger von denen, welche ſich Maurer nen-
nen, dieſe Vollendung erreichen. Aber wer hat je
die Guͤte eines Ideals oder nur einer Anſtalt,
nach dem, was die Individuen wirklich erreichen,
abgemeſſen? Darauf kommt es an, was dieſe un-
[7] ter den gegebenen Bedingungen erreichen koͤnnen;
was die Anſtalt durch alle gegebenen Mittel will
und andeutet, daß ihre Glieder erreichen ſollen.


Auch ſage ich nicht, daß die Maurer nothwen-
dig beſſer ſind, als andre Menſchen, eben ſo
wenig, daß man dieſelbe Vollkommenheit nicht
auch außer dem Orden erreichen koͤnnte. Wohl
waͤre es moͤglich, daß ein Mann, der nie in der
Frei-Maurer-Geſellſchaft aufgenommen waͤre,
dem oben aufgeſtellten Bilde gliche; und es
ſchwebt in dieſem Augenblicke wirklich vor den
Augen meines Geiſtes das Bild eines Man-
nes, in welchem ich es vorzuͤglich realiſirt finde
und der den Orden hoͤchſtens dem Namen nach
kennt. Aber derſelbe Mann, wenn er in dem Or-
den und durch denſelben das geworden waͤre, was
er durch ſich in der großen menſchlichen Geſell-
ſchaft geworden iſt, wuͤrde faͤhiger ſeyn, auch an-
dre
zu demſelben zu machen, was er iſt, und
ſeine ganze Bildung wuͤrde geſellſchaftlicher, mit-
theilbarer und ſonach auch im Innern weſentlich
anders modiſicirt ſeyn. Was in der Geſellſchaft
entſteht, hat fuͤr die Praxis mehr Leben und Kraft,
als das, was in der Abgeſchiedenheit erzeugt wird.


Dies ſind die Winke, die ich Dir uͤber die Wirk-
ſamkeit der Frei-Maurer-Geſellſchaft auf ihre
Mitglieder geben wollte. Entweder muß ſie die
gluͤckliche Annaͤherung zu dem oben aufgeſtellten
Ideale wirken, oder gar nichts; was daruͤber iſt,
kann uͤberall nicht gewirkt, was darunter iſt, kann
uͤberall gewirkt werden. Daß die Mitglieder
[8] aber fuͤr ihren wohlthaͤtigen Einfluß empfaͤng-
lich
ſeyn muͤſſen, verſteht ſich wohl von ſelbſt;
eben ſo, daß die Anſtalten von einer ſolchen Na-
tur ſeyn muͤſſen, daß der am meiſten und der am
wenigſten Empfaͤngliche dennoch in ſeinem richti-
gen Verhaͤltniß in ihr gewinnet und fortſchreitet.


Und nun wird noch die Frage ſeyn: Ob dieſe
Verbindung auch auf die Welt wirke.


Siebenter Brief.


Koͤnnte wohl dieſe Frage im Ernſt zweifelnd auf-
geworfen werden, koͤnnte man wirklich nun noch
fragen: Ob der Orden auch auf die Welt, auf die
groͤßere menſchliche Geſellſchaft wirke?


Dieſer im innern Heiligthume des Ordens ſo
gebildete Mann, bleibt er denn nicht nach wie vor
in der Welt, und behaͤlt in derſelben ſeinen Platz?
Bleibt er nicht, nach wie vor, Gatte, Hausvater,
Geſellſchafter, Mitglied des Standes, den er in
der Welt bekleidet? Kann es fehlen, daß ſeine im
Orden erlangte Bildung, die nun ihm durchaus
eigen geworden iſt, die ein Beſtandtheil ſeiner
Perſoͤnlichkeit ausmacht, und die er nicht ſo will-
kuͤhrlich ablegen kann, wenn er die Loge verlaͤßt, —
kann es fehlen, daß dieſe Bildung nicht in allen
dieſen Verhaͤltniſſen ſichtbar werde? Und wirkt ſo
[9] der Orden durch ſeine Mitglieder nicht hoͤchſt wohl-
thaͤtig auf die Welt?


Ich mache Dich auf einiges aufmerkſam, was
Dich in Deinen eignen Erwaͤgungen unterſtuͤtzen
wird.


Niemand bekleidet ſeine Stelle in der
groͤßeren Geſellſchaft zweckmaͤßiger, als
der, welcher vermag, uͤber ſeine Stelle
hinaus zu ſehen
, der nicht nur ſie, ſondern der
auch die feine Grenzlinie, wo ſie in die groͤßere
Geſellſchaft uͤbergeht und eingreift, durchſchaut und
uͤberblickt; ſo wie der der groͤßere und hellere Ge-
lehrte iſt, der nicht nur ſeine Disciplin, ſondern
auch die angrenzenden, ſondern auch das ganze
Feld des Wiſſens uͤberſchaut. Nur der ſo auf
ſeiner Stelle ſteht, handelt ſehend und ſeiner ſich
ſehr wohl bewußt, fuͤr die Welt; der andre iſt ein
blindes Werkzeug, das an ſeinem Platze vielleicht
ganz richtig wirkt, deſſen Wirkſamkeit aber erſt
durch das Ganze zum wahren Ziele hingelenkt
wird. Der erſtere weiß zu rechter Zeit hier von
den Forderungen und Regeln ſeines Standes nach-
zulaſſen, hier ſtreng auf ſie zu halten, hier ſie zu
ſchaͤrfen; dies verſteht der letztere nicht, ſondern er
geht, wie eine Maſchine, heut und morgen den
feſt angewoͤhnten Gang. Nun aber iſt es die
Maurerei, die alle Menſchen uͤber ihren Stand
erhebt; ſie bildet ſonach, indem ſie Menſchen
bildet, zugleich die tauglichſten Mitglieder
der groͤßeren Geſellſchaft
: liebenswuͤrdige
und populaͤre Gelehrte und Weiſe, nicht blos fer-
[10] tige, ſondern auch mit Urtheil begabte Geſchaͤfts-
maͤnner, menſchliche Krieger, gute Hausvaͤter und
weiſe Erzieher ihrer Kinder. — Welches menſch-
liche Verhaͤltniß man ſich auch denken moͤge, die
Maurerei hat den vortheilhafteſten Einfluß darauf.


Die menſchliche Geſellſchaft muß ferner
im ſteten Fortſchreiten begriffen ſeyn;
alle ihre Verhaͤltniſſe muͤſſen fortwaͤh-
rend reiner werden, und ſich vervoll-
kommnen
. Beſonders ſchreitet ein wohlregierter
Staat in der Geſetzgebung, in der Verwaltung,
in den Erziehungsanſtalten vorwaͤrts und behaͤlt
immer ein offnes Ohr fuͤr alle Vorſchlaͤge und
Verbeſſerungen. Ein ſolcher im Fortſchreiten zur
Vollkommenheit begriffener Staat kann mit Ge-
ſchaͤftstraͤgern, die uͤber die enge Sphaͤre ihres
beſonderen Berufs nie hinausgeſehen haben und
nur in dem bisherigen Gleiſe fortkommen konnten,
nichts anfangen; ſie werden unbrauchbar, ſobald
eine Verbeſſerung vorgeht; ſie wollen nicht un-
brauchbar werden, ſtraͤuben ſich daher gegen Ver-
beſſerungen und wenden entweder allen ihren Ein-
fluß an, ſie zu hindern, oder bereiten ihnen, ſelbſt
durch ihren guten Willen ſie zu befoͤrdern, einen
ſchlechten Erfolg. Wo die Mehrheit der Geſchaͤfts-
traͤger eines Staats ſo beſchaffen iſt, dort wird es
wohl ewig beim Alten bleiben. — Zwar erhebt
ſchon ein gruͤndliches Studium der Wiſſenſchaften
uͤber dieſen engen Kreis des Geſchaͤftsganges und
des Hergebrachten; die Wiſſenſchaft zeigt den Zu-
ſammenhang aller menſchlichen Verhaͤltniſſe unter-
[11] einander und deutet auf die Punkte, von welchen
aus weiter geſchritten werden muß. Aber hat die
Wiſſenſchaft dieſen Einfluß auf die Welt wirk-
lich? — Wenn auch die Mehrheit gruͤndlicher zu
ſtudieren pflegte, als ſie es thut; wenn ſie auch
nicht dieſe halbe Gelehrſamkeit, die ſie etwa von
der Univerſitaͤt mit hinwegbringt, einige Jahre
nachher rein zu vergeſſen pflegte, wenn auch die-
ſes alles nicht waͤre: was hilft das bloße
Wiſſen, ohne Uebung
? — Hier tritt nun, wo
nichts weiter helfen kann, die Maurerei in die
Mitte, als eine Uebungsanſtalt fuͤr Viel-
ſeitigkeit
; und erſetzt eine Luͤcke, welche die
große buͤrgerliche Geſellſchaft nothwendig laſſen
mußte.


Ich erinnere Dich hier im Vorbeigehen an
den Staat, in welchem wir beide leben, und dem
man den Ruhm des Strebens nach Vollkommen-
heit ohne die hoͤchſte Ungerechtigkeit nicht abſprechen
koͤnnte. Ich will nicht entſcheiden, ob dieſe Ten-
denz auch mit aus der Maurerei hervorgehe, die
in ihm ſeit langer Zeit gebluͤht hat, oder ob ſie und
wie ſie bisher durch die Maurerei unterſtuͤtzt wor-
den ſey; aber ich kann beſtimmt behaupten, daß
dieſe Tendenz fuͤr die Zukunft an dem Orden eine
gute Unterſtuͤtzung finden muͤſſe.


Erwaͤge ferner folgende Bemerkung. In einer
merkwuͤrdigen Schrift, in welcher die menſchlichen
Staͤnde in zwei Klaſſen getheilt und zu der erſten
Klaſſe diejenigen gerechnet werden, die ſich mit
Bildung des Geiſtes und Herzens andrer, ſo wie
[12] mit der Regierung derſelben beſchaͤftigen; zu der
zweiten diejenigen, die fuͤr die Beduͤrfniſſe des irr-
diſchen Lebens ſorgen, in dieſer Schrift iſt gezeigt
worden, daß der Hauptgrund der bisherigen Man-
gelhaftigkeit vieler menſchlichen Verhaͤltniſſe in der
Schwierigkeit der Wechſelwirkung und
des gegenſeitigen Einfluſſes dieſer bei-
den Klaſſen aufeinander
liege, und daß es
nicht eher gruͤndlich beſſer werden koͤnne, bis die-
ſer gegenſeitige Einfluß durchaus herge-
ſtellt iſt
. — Wenn Du nun dieſen Mangel an
Zuſammenhang und Einfluß mit mir fuͤr ein
Uebel haͤltſt, ſo wirſt Du auch den Frei-Maurer-
Orden fuͤr das beſte Gegenmittel, und fuͤr das
zweckmaͤßigſte Mittel einer gruͤndlichen Verbeſſe-
rung halten. Er verknuͤpft nehmlich in ſich, we-
nigſtens die beiden Enden dieſer zwei Klaſſen, und
bringt beide, ohne Ruͤckſicht auf ihre Standes- und
Berufsbeſchaͤftigung, naͤher aneinander. Darum
iſt es dringend nothwendig, daß in einer Loge (wie
auch gewoͤhnlich geſchieht) nicht nur Gelehrte, ſon-
dern auch Ungelehrte, und nicht nur dieſe, ſondern
auch Gelehrte beiſammen ſeyn, und keiner den
andern daruͤber ſcheel anſehe, daß er jenes iſt und
dieſes nicht iſt. — Ein Mitglied der zweiten
Klaſſe, welches hier ſein Mißtrauen, ſeine Scheu,
ſeine Furcht, ſeinen Haß oder ſeine Verachtung,
wenigſtens gegen die Mitglieder der erſten Klaſſe,
die ſeine Ordens-Bruͤder ſind, ablegen lernt; ein
Mitglied der erſten Klaſſe, welches hier ſeine Ge-
ringſchaͤtzung, wenigſtens der Mitglieder der zwei-
[13] ten Klaſſe, die ſeine Bruͤder ſind, entfernen lernt,
wird ja wohl dieſe Geſinnung aus der Loge auch
mit in die Welt nehmen, ſeine beſſere Anſicht die-
ſer Klaſſen auch auf andre Mitglieder derſelben,
die nicht Ordens-Bruͤder ſind, ausdehnen und
dieſe beſſere Anſicht andern Ungeweihten ſeiner eig-
nen Klaſſe mittheilen. Ein rechtlicher Buͤrger, der
etwa im Orden inne wuͤrde, daß ein Gelehrter
nicht nothwendig ein Pedant iſt, wird es auch
außer dem Orden nicht mehr ſo unbedingt voraus-
ſetzen, und ſeine Entdeckung wohl auch andern
rechtlichen Buͤrgern, die keine Bruͤder ſind, gele-
gentlich mittheilen. Ein Gelehrter, der etwa im
Orden gelernt haͤtte, daß ein unſtudirter Beamter
oder Buͤrger, nicht eben ein unwiſſender und un-
verſtaͤndiger Menſch ſey, mit dem man nichts Ver-
nuͤnftiges ſprechen oder von dem man nichts lernen
koͤnnte, wird auch außer dem Orden ſolche Maͤn-
ner mit Werthſchaͤtzung behandeln, und dieſe ſeine
Entdeckung in Geſpraͤchen und Schriften verbrei-
ten. — Und ſo waͤre der Maurer-Orden eine
der wichtigſten Anſtalten fuͤr die Welt, die, ohne
ihn, in derſelben gaͤnzlich mangelt.


Endlich aber — doch dieß kann ich nur in
einem ſchnellen Grundzuge andeuten — koͤnnte
der Orden ſogar geradezu fuͤr den Staat,
fuͤr die Kirche, fuͤr das gelehrte Publi-
kum wirken
, und von allen dieſen Geſellſchaften
gebraucht werden, um Verbeſſerungen, bei denen
ſich der Widerſtand der Einſeitigkeit vorausſehen
ließe, allmaͤhlich vorzubereiten, und einzuleiten.


[14]

Du haſt nun Data genug uͤber die Zweck-
maͤßigkeit, Brauchbarkeit, ja Unentbehrlichkeit des
Frei-Maurer-Ordens in der großen menſchlichen
und buͤrgerlichen Geſellſchaft. Was er wirken
koͤnne, iſt Dir durch natuͤrliche und richtige Fol-
gerungen aus der Angabe ſeines Zwecks klar;
ſeine Wirkſamkeit muß erfolgen, wenn er den
Zweck hat, daß ſeine Mitglieder ſich in dieſer Ver-
bindung allgemeine, rein menſchliche Bildung, im
Gegenſatze der beſonderen Standesbildung zu er-
werben ſuchen; dieſen vernuͤnftigen und untadel-
haften Zweck aber muß er wieder ſo gewiß haben,
ſo wahr ſich ernſthafte, weiſe und tugendhafte
Maͤnner anhaltend mit ihm beſchaͤftigen.


Ich nehme in dieſem Augenblicke noch auf
einen Einwurf Ruͤckſicht, den ich Dich in andrer
Beziehung (nehmlich in Beziehung auf die vorge-
gebne allgemeine Bruderliebe) habe machen hoͤren,
und den Du nicht verfehlen wirſt, hier anzuwen-
den und zu wiederholen. „Wenn wirſt Du ſagen,
die ſchaͤdlichen Folgen der Einſeitigkeit durch den
Orden aufgehoben werden ſollen, ſo muß durch ihn
ſelbſt keine Einſeitigkeit irgend einer Art befoͤrdert
werden; dies geſchieht aber in ihm ſelbſt, durch
die verſchiedenen, ſcharf abgeſchnittenen Syſteme,
die ſich einander widerlegen, ausſchließen und ver-
folgen.“ — Du haſt vollkommen Recht, Kon-
ſtant, dieſen Einwurf zu machen, und ich wuͤrde
ihn mit Dir aufſtellen, wenn ich an irgend ein
Syſtem denken wollte, und nicht bloß die reine
und allgemeine Maurerei, die immer nur Eine
[15] und eine Untheilbare iſt, vor Augen haͤtte. Dieſe
vertraͤgt keine Syſteme; und wenn Du ſchließen
willſt, daß eben das ausſchließende, und verfolgende
Syſtem, von dem, was wir Maurerei nennen,
noch ſehr weit entfernt ſey, ſo werde ich Dich
daran nicht hindern. Behalte Du nur mit mir
den wahren Punkt, von welchem wir bei unſern
Unterſuchungen ausgehen und den wir ſtandhaft
behaupten muͤſſen, unverruͤckt im Auge, und kuͤm-
mere Dich nicht um die Schluͤſſe, die auf eine
wirklich exiſtirende Maurerei daraus gemacht wer-
den koͤnnten.


Achter Brief.


Ich bin mit Deiner Antwort zufrieden, mein theu-
rer Freund! und freue mich, zur Erhoͤhung Deiner
Erkenntniß etwas beigetragen zu haben. Du
ſchreibſt mir, daß ich Deine Ahnungen und geheime
Empfindungen oft getroffen, daß ich bisher eigent-
lich nichts gethan habe, als das zu beſtimmen und
dem Sprache zu geben, was Du bei Dir ſelbſt
immer auch gedacht haſt. Es iſt mir, indem ich
daruͤber nachdachte, eben ſo ergangen, und dadurch
iſt unſre Erkenntniß, als bloße Erkenntniß, aller-
dings erhoͤht, und unſre Begriffe ſind klaͤrer ge-
macht worden. Laß uns gemeinſchaftlich darinn
fortfahren.


[16]

Wir wollen nun dahin arbeiten, daß die bis-
her aufgeſtellten Grundſaͤtze in ihrer Anwendung
zur Beurtheilung maureriſcher Gegenſtaͤnde hin-
reichen, alſo zur Beurtheilung des gegenwaͤrtigen
Zuſtandes der Maurerei uͤberhaupt, oder zur Be-
urtheilung maureriſcher Rituale, Geſetze und Ein-
richtungen insbeſondre, des maureriſchen Betra-
gens einzelner Logen und Bruͤder, und endlich ſo-
gar, im Fall eine Reformation noͤthig geſunden
wuͤrde, zum Ermeſſen, wo und wie eigentlich refor-
mirt werden ſollte. Damit nun aber dieſe Grund-
ſaͤtze dazu wirklich hinreichend erſcheinen, muͤſſen
ſie noch ausfuͤhrlicher auseinander geſetzt und noch
ausgebreiteter angewendet werden. Fuͤr dieſen
Zweck aber muͤſſen wir abermals zu erſten Grund-
ſaͤtzen zuruͤckgehen und uns uͤber dieſe vereinigen.


  • Erſter Grundſatz. Der Endzweck des menſch-
    lichen Daſeyns iſt uͤberhaupt gar nicht in die-
    ſer gegenwaͤrtigen Welt. Dieſes erſte Le-
    ben iſt nur Vorbereitung und Keim
    eines hoͤheren Daſeyns
    , deſſen Gewiß-
    heit wir innigſt fuͤhlen, ohnerachtet wir uͤber
    die Beſchaffenheit und Art und Weiſe deſſel-
    ben nichts zu denken vermoͤgen.
  • Zweiter Grundſatz. Die Zwecke, die uns fuͤr
    das gegenwaͤrtige Leben geſetzt ſind, ſo wie
    dieſes gegenwaͤrtige Leben ſelbſt, erhalten fuͤr
    uns nur dadurch Werth und Bedeutung, daß
    die erſtern uns geboten ſind, und daß allein
    in dem letztern dieſe Zwecke ausgefuͤhrt wer-
    den koͤnnen. Alles unſer moͤgliches Handeln
    ſtellt
    [17] ſtellt ſich uns nur vor, und kann ſich uns
    nur vorſtellen, als eine Befoͤrderung jener
    hoͤchſten Zwecke des gegenwaͤrtigen Le-
    bens
    . Eine unmittelbare Arbeit und
    Vorbereitung fuͤr die Ewigkeit giebt es nicht,
    ſondern man vorbereitet ſich fuͤr dieſelbe, und
    ergreift ſie ſchon hienieden nur dadurch, daß
    man mit redlichſtem Willen die gebo-
    tenen Zwecke des gegenwaͤrtigen Le-
    bens befoͤrdert
    .

Wir haben es alſo zunaͤchſt und unmittelbar nur
mit dem gegenwaͤrtigen Leben zu thun; der ange-
gebne Zweck deſſelben iſt der einzig begreif-
liche
; er muß von dem guten und weiſen Manne
mit deutlichem Bewuſtſeyn befoͤrdert werden. Wir
wollen ihn auf folgende drei Hauptpunkte zuruͤck-
fuͤhren, und ihn ſo beſtimmter beſchreiben und
auseinander ſetzen:


  • Erſtens: Die ganze Menſchheit ſoll eine
    einzige reinmoraliſche und glaͤubige

    Gemeine ausmachen. Dies iſt der Zweck der
    Kirche, verſteht ſich, der Kirche in der Idee,
    die als ſichtbare Kirche noch irgend vorhanden
    iſt. Zu dieſem Zwecke verhaͤlt ſich alle Aus-
    bildung des Geiſtes
    wie Mittel.
  • Zweitens. Die ganze Menſchheit ſoll
    einen einzigen durchaus rechtlichen
    Staat ausmachen
    ; das Verhaͤltniß der
    einzelnen Menſchen zu einander in den Staa-
    ten, das Verhaͤltniß dieſer Staaten zu einan-
    der auf dem Erdboden, ſoll durchaus nach
    Zweites Baͤndch B
    [18] dem ewigen Rechtsgeſetze der Vernunft geord-
    net ſeyn; dieß iſt der Zweck aller Geſetzge-
    bung
    in den einzelnen Staaten und aller
    Buͤndniſſe und Traktaten der Voͤlker unter-
    einander. — Hierzu verhaͤlt ſich ein gut
    Theil der Wiſſenſchaften, wenn man
    nicht lediglich auf die dadurch zu erhaltende
    Geiſtesbildung ſieht, (wie dieß oben in ande-
    rer Beziehung geſchah) ſondern auf ihren
    wirklichen Inhalt, wie das Mittel zum
    Zwecke.
  • Drittens endlich: Das vernuͤnftige We-
    ſen ſoll durchaus uͤber die vernunft-
    loſe Natur herrſchen und der todte
    Mechanismus dem Gebote eines Wil-
    lens unterworfen werden
    . Welchen
    Zweck nur irgend ein vernuͤnftiges Weſen,
    durch ſeine Natur geleitet, ſich vorſetzen kann,
    der ſoll in der lebloſen Natur außer ihm aus-
    fuͤhrbar ſeyn, und die Natur ſoll ſich dem
    vernuͤnftigen Willen fuͤgen. — Hierzu iſt
    die mechaniſche Kunſt und ein guter Theil
    der Wiſſenſchaften, ihrem Inhalte nach,
    das Mittel.

Laß uns nun dieſe Hauptideen auf unſern Zweck
naͤher anwenden.


Die Befoͤrderung dieſer Zwecke, oder beſſer,
dieſes Einen Geſammtzweckes der Menſchheit, iſt
es nun, welche in der groͤßeren menſchlichen Ge-
ſellſchaft unter mehrere einzelne Staͤnde
vertheilt
wird, ſo daß die Mitglieder dieſer
[19] Staͤnde ſich ausſchließend, wenigſtens vorzuͤglich,
nur fuͤr ihren Stand und ſpaͤter durch ihren
Stand bilden. Du ſiehſt, daß es eine nothwen-
dige Folge dieſer Einrichtung iſt, daß die Standes-
Mitglieder in der Regel nur einen Theil der
menſchlichen Bildung
, keinesweges aber die
ganze, erhalten, und mehr oder weniger Einſeitig-
keit des Geiſtes und der Bildung das Loos der
Einzelnen ſey. Nach dieſer nothwendigen Einrich-
tung und unter dieſen Umſtaͤnden, wird man
ſchwerlich irgendwo einen ganzen, rechten
Menſchen
finden; man muͤßte ſich einen ſolchen
aus mehreren Perſonen verſchiedener und entgegen-
geſetzter Staͤnde zuſammenſetzen; in einer einzigen
Perſon duͤrfte man ihn, auf dem großen Felde der
allgemeinen menſchlichen Geſellſchaft und ihrer
gewoͤhnlichen Bildungsanſtalten, kaum finden.


Nun- kommt es darauf an, dieſe einſeitige
Standesbildung auf einen Platz zu bringen, und
zu einer allgemeinen und reinmenſchlichen umzu-
ſchmelzen, gleichſam (daß ich in dem ſo eben auf-
geſtellten Bilde bleibe) die erwaͤhnte Zuſam-
menſetzung eines ganzen, rechten Men-
ſchen aus mehreren Perſonen
, von denen
jede etwas anderes hat, das zu einem ganzen
Menſchen gehoͤrt, wirklich zu machen, und
zwar nicht bloß in Gedanken, ſondern ſo, daß,
nach geſchehener Verſchmelzung, jeder Einzelne
fuͤr ſich, ſo ſehr als moͤglich, jener ganze
rechte Menſch in der That ſey
. Dieſe Auf-
gabe iſt nirgends in der großen Geſellſchaft geloͤßt;
B 2
[20] dieß, zeigte ich Dir, ſey der einzigmoͤgliche und
erlaubte Zweck einer aus allen Staͤnden und allen
gebildeten Voͤlkerſchaften, durch Abſonderung von
der groͤßeren Geſellſchaft entſtandenen kleineren
Geſellſchaft, welche ſich nun eben Frei-Maurerei
nennt.


Wir machen daraus ferner die wichtige und
ganz einleuchtende Folgerung:
daß jeder Gegenſtand der menſchlichen
Bildung
, die in Geſellſchaft erreicht werden
kann, jedoch auf eine andre Weiſe, als in der
groͤßeren Geſellſchaft, zugleich Gegenſtand
der maureriſchen Bildung iſt
,

und daß es gut und nothwendig iſt, daß der Mau-
rer den groͤßtmoͤglichſten Theil der Bildung, es
ſei durch Wiſſenſchaften, durch Kunſt, durch
Geſchaͤfte und Erfahrung, ſich zu eigen gemacht
habe. Nur alles Einſeitige, nehmlich, was in
der groͤßeren Geſellſchaft durch die Abſonderung
eines Zweiges der Bildung von der ganzen Maſſe
der Bildung, auf dieſen einzelnen Zweig faͤllt und
von ihm abhaͤngt, ferner, alles Zufaͤllige, das
durch Bedingungen des Zeitalters und des Orts
ſich in einem Fache dieſer Bildung feſtgeſetzt
hat — das alles wird in der Maurerei davon
getrennt, und bleibt bei der Verſchmelzung als
Caput mortuum zuruͤck. So iſt, um nur ein
Beiſpiel anzufuͤhren, religioͤſe Bildung allerdings
ein Theil der maureriſchen Erziehung; aber die
Religion des Maurers iſt ganz etwas anders, als
die irgend einer beſtehenden Kirche oder wohl gar
[21] einer beſonderen Sekte, oder wohl gar der ſeicht-
philoſophirenden und unredlich exegeſirenden Dei-
ſten und Bibelaufklaͤrer.


Neunter Brief.


Ehe wir jetzt aber einen Schritt weiter thun,
muß ich zuvor eine wichtige Wahrheit abhandeln,
und einem gemeinen Vorurtheile widerſprechen,
deſſen Anweſenheit in Deiner Seele den Eindruck
deſſen, was ich Dir noch zu ſagen habe, maͤchtig
ſtoͤren wuͤrde. Sollte Dir dieſe Wahrheit nicht
hieher zu gehoͤren, und in die Reihe der bisher
aufgeſtellten zu paſſen ſcheinen: ſo warte den fol-
genden Satz ab, und Du wirſt finden, wie genau
ſie ihn vorbereitet und einleitet.


Ich ſtelle meinen Satz mit klaren Worten hin:
Alle willkuͤhrliche Bildung in der Ge-
ſellſchaft geht aus von Bildung des
Verſtandes
.


Es iſt zwar (ſo begegne ich gleich im Anfange
dem moͤglichen Einwurfe) bei weitem nicht genung
die Wahrheit zu erkennen; man muß auch den
kraͤftigen Willen haben, ihr zu gehorchen; und
dieſer Willens-Entſchluß geht aus der bloßen Er-
kenntniß keinesweges hervor und keiner kann ihn
weder ſich, noch andern durch Gruͤnde andemon-
ſtriren; er iſt etwas anderes, von der bloßen
[22] Einſicht ganz Unabhaͤngiges
, und es iſt
keine Konſequenz in den Worten: Er muß dies
einſehen, er muß es alſo auch wollen.


Aber ſelbſt der beſte Wille, wenn ein ſolcher bei
großer Verfinſterung des Verſtandes moͤglich waͤre,
wuͤrde von keinem Nutzen ſeyn und von keinem
Werthe, wenn man gar nicht begreifen
koͤnnte, was man denn nun mit ſeinem
guten Willen, wollen ſollte
. — Diejenigen
alſo, die dem unwillkommenen Belehrer, der ihnen
Unterricht entgegen traͤgt, zurufen: „Nichts von
Wiſſen! Das mag fuͤr die Schule gehoͤren. Thun,
thun — das iſt die Sache!“ wiſſen ohne Zweifel,
um aufs gelindeſte uͤber ſie zu urtheilen, nicht,
was ſie reden.


Thun, iſt freilich die Sache, die Vollendung
der Sache
! aber, wie wollt ihr doch thun, ohne
weitlaͤuftig zu unterſuchen, und zu erkennen, was
ihr thut? Wollt ihr blind handeln, wie das
Thier? — Das iſt wahrlich nicht die Sache! —
Wer ſo ſpraͤche und alles Erkennen, um des Thuns
willen, von ſich wieſe, der erſchiene mir, wie ein
Blinder, der dem Arzte, welcher ihm das Geſicht
wieder zu geben verſpricht, entgegenriefe: „Was
hilft mir doch das bloße Sehen, dieſer Blick, wel-
chen allein Du mir geben koͤnnteſt! Dadurch wird
meine Erkenntniß um nichts bereichert. Die Au-
gen auf einen Gegenſtand heften, ſie auf ihm
ruhen laſſen, ihn anſchauen und durchſchauen und
anhaltend betrachten — darauf kommt es an,
das iſt die Sache!“ — Thoͤrichter! freilich iſt
[23] dies die Sache. Wirſt Du denn Deinen wieder-
eroͤfneten Blick ſtumm und truͤbe in die Gegen-
ſtaͤnde hinwerfen, wie ein Stier, und die Geſtal-
ten in einanderfließend vor demſelben vorbei wan-
ken laſſen? So wirſt Du freilich mit Deinem
Blick nichts erblicken. Nur erwarteſt Du dieſes
Richten und Heften und Verweilen Deines Blickes
vergebens von irgend einem Arzte oder irgend
einer Augenſalbe; dieß mußt Du von Dir ſelbſt,
von Deiner eignen Kraft nehmen. Aber Du
kannſt keinen Blick richten und heften, wenn Du
nicht erſt einen Blick haſt
, und dieſen will
ich Dir vorlaͤufig geben. Der rechte Gebrauch
deſſelben wird dann Deine Sache ſeyn
.


Du ſiehſt, das Wollen iſt nicht um des Erken-
nens willen, ſondern das Erkennen, um des Wol-
lens willen.


Was ſoll man alſo denen ſagen, die, wenn ſie
bemerken, daß jemand uͤberall auf deutliche Erkennt-
niß hinarbeitet, ihm zurufen: Aber der Menſch iſt
ja nicht blos und allein Verſtand! — Freilich
iſt er nicht allein das; er iſt fuͤr ſich ſelbſt, — fuͤr
ſich ſelbſt
ſage ich, auch Wille; aber keiner
kann unmittelbar auf den Willen des andern ein-
wirken, nicht gleichſam in ihn hineinwollen,
oder ſeinen Willen anregen und bewegen. Dieſer
kommt immer und allein von Innen heraus,
nimmer von außen hinein.


Ich fuͤr meine Perſon kenne nur zwei Arten
von Einwirkung auf den Menſchen. Die erſte
und bei weitem wichtigſte iſt, durch Belehrung.
[24] Nun macht aber Wiſſen noch nicht Thun; dazu
muß jeder ſich ſelbſt durch ſich ſelbſt ent-
ſchließen
. Um ihn auch dazu zu bringen, bleibt
uns nichts uͤbrig, als (das zweite Mittel) das
gute Beiſpiel
, wodurch man ihm theils die
Ausfuͤhrbarkeit der Vorſchrift, theils die Liebens-
wuͤrdigkeit der Ausfuͤhrung zeige.


Ich fuͤr meine Perſon, wiederhohle ich, kenne
nur dieſe zwei Arten. Doch, ich erinnere mich,
Du kennſt noch eine dritte, die Du vertheidigſt;
Du willſt auch noch durch Ruͤhrung und Erſchuͤt-
terung, durch das, was Du Herz nennſt, und
durch die Phantaſie, die Menſchen beſſern; eine
Meinung, der alle oͤffentliche Redner zugethan
ſind. — Glaube mir, Konſtant! ſo gewiß nur
daurende Verbeſſerung des Willens Beſ-
ſerung
genannt zu werden verdient: ſo gewiß
iſt durch die angegebnen Mittel nichts auszurich-
ten, ja der haͤufige Gebrauch derſelben iſt ſogar
ſchaͤdlich. Dadurch, daß einer erweicht wird, und
eine Fluth von Thraͤnen vergießt, oder in erhab-
nen Gefuͤhlen berauſcht wird, kann er zwar wohl
zu einer voruͤbergehenden guten That gebracht,
von einer Unthat abgehalten werden: aber wenn
der geiſtige Rauſch voruͤber iſt, iſt er wiederum
der vorige Menſch und wir haben nichts, als die
aͤußere That gewonnen, auf welche es uns nie
ankommen muß, wenn wir den wahren Zweck
beabſichtigen. Wohl aber kann es ſehr leicht ge-
ſchehen, daß jemand, der oft und leicht weint,
meinet, er ſei darum ein guter Menſch, und die
[25] Selbſtpruͤfung und Selbſtbearbeitung unterlaͤßt,
welche allein ihn noch haͤtte retten koͤnnen.


So alſo, wie bei jeder Bildungsanſtalt der
Unterricht
das Weſentlichſte iſt, ſo iſt er es auch
in der Maurerei. Nach dieſen Vorausſetzungen
werde ich ſonach in den folgenden Briefen damit
fortfahren, die oben aufgeſtellten Gegenſtaͤnde der
maureriſchen Bildung auf den Unterricht zu bezie-
hen und die Frage beantworten:
Wenn es ſich verhaͤlt, wie ich oben geſagt
habe, was iſt zu Folge deſſen, Gegenſtand
des maureriſchen Unterrichts, und wie und
wodurch, durch welchen weſentlichen Charakter,
wird dieſer Unterricht maureriſch?


Zehnter Brief.


Als den Geſammt-Zweck der Menſchheit gab ich
Dir an, ſie ſolle eine einzige reinmoraliſche Kirche,
einen durchaus rechtlichen Staat ausmachen, und
die vernunftloſe Natur dem Gebote eines Willens
unterwerfen. Ich bleibe nun bei dem erſten Theile
dieſes Zwecks, der Bildung zu reiner Sitt-
lichkeit und zu Religioſitaͤt
ſtehen und be-
ginne mit einer von der gewoͤhnlichen ganz abwei-
chenden Behauptung, der: daß es keine maure-
riſche Erziehung und Bildung zur Mora-
litaͤt giebt
. Noch mehr, es giebt uͤberhaupt
[26]nirgends eine ſolche Erziehung und kann keine
geben; und es iſt ohne Zweifel einer der verderb-
lichſten Zuͤge an unſerm Zeitalter, daß man dies
noch glaubt, indem man dadurch offenbar zeigt,
daß man die wahre Sittlichkeit noch gar nicht
kenne und mit derſelben Artigkeit, Geſetzmaͤßigkeit
und dergl. verwechſele, fuͤr welche es allerdings
eine Erziehung giebt.


Sittlichkeit (man ſpricht oft von reiner Sitt-
lichkeit, wo man Sittlichkeit ſchlechthin ſagen ſollte,
denn es giebt keine unreine Sittlichkeit und was
unrein iſt, iſt eben darum nicht ſittlich) Sittlich-
keit
alſo iſts, daß man mit abſoluter innrer Frei-
heit, ohne allen aͤußeren Antrieb, ſeine wohlerkannte
Schuldigkeit thue, ſchlechthin darum, weil es Schul-
digkeit iſt. Dieſen Entſchluß kann der Menſch
nur aus ſich ſelbſt nehmen, er kann nicht gelehrt
und andemonſtrirt, noch weniger erfleht, erweint
oder erzwungen werden.


Dieſe im Innern wohnende Sittlichkeit, iſt
uͤberall nur Eins, der eben angegebne gute Wille,
ein Poſitives, das keiner Vermehrung oder Ver-
minderung, keines Wechſels und keiner Veraͤnde-
rung durch die Umſtaͤnde faͤhig iſt; es kann alſo,
wie man zuweilen meint, keine beſondre maure-
riſche Sittlichkeit
geben. — Die einzige
wahre Sittlichkeit iſt es, die ich meinte, als ich in
einem der vorigen Briefe ſchrieb, daß es Gegen-
ſtaͤnde gaͤbe, die, da ſie uͤberall kein Gegenſtand
der geſellſchaftlichen Bildung waͤren, auch kein Ge-
genſtand der maureriſchen Bildung ſeyn koͤnnten;
[27] uͤber welche jeder nur mit ſich ſelbſt und Gott,
keinesweges aber mit irgend einem andern ins
Gericht gehen koͤnne, und in Ruͤckſicht welcher
ſogar die Maurerei eine Profanation ſeyn wuͤrde. —
Beſondre Pflichten giebt es allerdings, die die
Maurerei ihren Mitgliedern auflegt, und die ſie
nicht haben wuͤrden, ohne Mitglieder dieſer Ge-
ſellſchaft zu ſeyn; ob man aber ſelbſt dieſe Pflich-
ten aus reiner Liebe zur Pflicht, oder aus andern
Gruͤnden beobachte, das macht der Menſch mit
ſich aus, und nicht der Maurer.


Ob es alſo gleich keine beſondre maureriſche
Sittlichkeit giebt, ſo giebt es doch eine beſondre
maureriſche Religion, oder — um alle Mißver-
ſtaͤndniſſe aufzuheben, — eine beſondre maureri-
ſche Anſicht der Religion und eben deswegen auch
eine maureriſche Bildung zur Religion; es
verſteht ſich zur moraliſchen, nicht zur kirchlichen
Religion, mit welcher es die Maurerei uͤberall nicht
zu thun hat. Wir wollen dieſes naͤher betrachten.


Die Maurerei hat, ihrer von uns angegebnen
Beſtimmung nach, von jedem einzelnen Zweige
der menſchlichen Bildung das Zufaͤllige, welches
Zeit- und Ort-Bedingungen demſelben angehaͤngt
haben, ferner das Einſeitige und Uebertriebne,
welches durch die Trennung dieſes Einen Zweiges
vom ganzen Stamme der Bildung entſtehen mußte,
abzuſondern, und alles Menſchliche in ſeiner Rein-
heit und nach ſeinem Zuſammenhange im Ganzen
hinzuſtellen. Dieß iſt uns ihr Charakter, den ſie
auch in dem gegebenen Falle bewaͤhren muß.


[28]

Nun hat die religioͤſe Bildung in der groͤßeren
Geſellſchaft allerdings eine Menge zufaͤlliges und
Einſeitiges angenommen, und wenn es irgend noͤ-
thig iſt, daß die Einfluͤſſe dieſer Bildungsweiſe
wieder gehoben werden, ſo muß es auf dem mau-
reriſchen Wege geſchehen. — Die religioͤſen An-
ſichten der Voͤlker haben ſich, wie es ja nicht an-
ders ſeyn kann, angefuͤgt an ihre Sitten und Ge-
braͤuche, an ihre Anſichten des menſchlichen Lebens,
an ihre Wiſſenſchaften und Kuͤnſte; und ſie haben
daruͤber alle eines ſo Recht, als das andre. Die
Gottheit iſt allerdings ihnen insgeſamt erſchienen,
und hat ſich unter ihnen maͤchtig offenbaret: dem
Juden, bei ſeiner wunderbaren Rettung aus der
Knechtſchaft Aegyptens, dem Roͤmer, bei der Gruͤn-
dung ſeines ewigen Kapitols, den Arabern, als
Ein Mann aus ihrer Mitte die zerſtreuten Hor-
den vereinigte, und ein ungeheures Reich, wie aus
dem Nichts, hervorgehen hieß. — Nur, wenn
ſie mit einander ſtreiten, der eine die Geſchichte
des andern laͤugnet und ſeine eigne ihm, als die
allein wahre, aufdringen will, fangen ſie an, Un-
recht zu haben.


Jeder Menſch, der in der Geſellſchaft geboren
wird, wird nothwendig in einem Theile derſelben,
unter irgend einer Nation geboren, und erhaͤlt,
nebſt den uͤbrigen ſtehenden Erzeugniſſen dieſer
Nation, zugleich dieſe aͤußere, nationale Form des
Religioͤſen. Die Theologen aller Nationen haben
ſich uͤberdieß von jeher beſtrebt, den Geiſt ihres
Standes zum gemein menſchlichen zu erheben;
[29] und es iſt ihnen damit nur zu ſehr gelungen.
Dieſe ganz zufaͤllige Form, die nicht reinmenſchlich,
ſondern ein Abzeichen der Menſchen iſt, ſoll der
vollkommen Gebildete allgemach ablegen; er ſoll
nicht ein Jude ſeyn, oder ein unbeſchnittener Ju-
dengenoſſe, oder ein Roͤmer, oder ein Araber, der
da Religion hat, ſondern er ſoll ein Menſch
ſchlechtweg werden, der da Religion hat
.


Die religioͤſe Anſicht in der groͤßeren Geſell-
ſchaft hat dadurch, daß ſie von der uͤbrigen menſch-
lichen Bildung getrennt, und einer beſonderen Ver-
bindung, der ſichtbaren Kirche, uͤbergeben werden
mußte, eine unverkennbare Einſeitigkeit erhalten.
Dem Manne, der nichts zu thun hat, und nichts
weiter thun ſoll, als andre zur Religioͤſitaͤt anzu-
fuͤhren, iſt die Religion, die er nehmlich an-
dern beibringen ſoll
, allerdings Zweck, und
einziger Zweck ſeines Lebens. Er erkennt ſie dafuͤr,
und hat daran ganz recht. Ohne den reinmenſch-
lichen Sinn wird er leicht in Verſuchung gerathen,
alles um ſich herum zu ſeines gleichen machen zu
wollen, und allen die Religion — welches hier
nicht bei ihm diejenige bedeutet, die ſie andern
beibringen
, ſondern vielmehr diejenige, welche
ſie ſelbſt haben ſollen, — dieſe
Religion
auch zum Zweck und einigem Geſchaͤfte des Lebens
zu machen. Er wird leicht dahin gerathen, daß
er die ihm Anvertrauten ermahne, ſich doch hinzu-
ſetzen, recht fromm zu werden, und aus freier
Hand nach dem Ewigen zu trachten. Man wird
ihm glauben und gehorchen und — es iſt das
[30] mildeſte, was ich ſagen kann — wird eine ſehr
einſeitige Religioſitaͤt haben.


So nicht der wahre Maurer. Ihm erſcheint
dieſes Ringen nach fuͤr ſich beſtehender Gottſeelig-
keit ganz aͤhnlich dem Beſtreben eines Menſchen,
der zu ſchwimmen und zierlich zu ſchwimmen trach-
tet, ohne in das Waſſer zu gehen. Er kennt
kein Trachten nach dem Ewigen, außer der
gewiſſenhaften Befoͤrderung des Zeit-
lichen, aus reiner Liebe zur Pflicht
; ihn
wandelt es nicht an, nach dem himmliſchen
Kleinode zu zielen, das er nicht erblicken kann;
er zielt nur nach dem ihm aufgeſteckten
irrdiſchen Ziel, in
der feſten Zuverſicht,
daß das himmliſche dahinter verborgen
iſt, und daß es ihm ohne ſein weiteres
Zuthun kommen wird, wenn er nur das
Irrdiſche erreicht hat
.


Ihm iſt die Religioſitaͤt gar nichts Iſolirtes
und fuͤr ſich beſtehendes
, ſo, daß man in der
Frommigkeit ſehr ſtark, im Uebrigen aber ſehr
ſchwach und ſehr zuruͤck, und ein ſchlechter Menſch
ſeyn koͤnne. Er iſt nicht religioͤs, ſondern er denkt
und handelt religioͤs; die Religion iſt ihm
kein Gegenſtand, ſondern nur der Aether,
in welchem ihm alle Gegenſtaͤnde erſchei-
nen
. Er ſetzt ſeine ganze Kraft ganz an jede
Arbeit, die ihm hienieden vor die Hand kommt,
und der Beobachter duͤrſte denken, daß es ihm um
nichts zu thun ſey, als um Erreichung dieſes
Zwecks, und daß dieſer ſein ganzes Weſen und
[31] alle ſeine Triebe ausfuͤlle. Aber in der That iſt
es ihm um das bloße Seyn dieſes Zwecks gar
nicht zu thun, und derſelbe hat fuͤr und durch ſich
ſelbſt und um ſein ſelbſt willen, fuͤr ihn nicht den
mindeſten Werth. Nur das ihm unſichtbare
und unbegreifliche Ewige, das hinter die-
ſer Huͤlle des Irrdiſchen verborgen iſt,
ſtrebt er an
; und nur um dieſes Verborgenen
willen hat das, was der Beobachter ſieht, fuͤr ihn
eine Bedeutung. Sein Sinn iſt immer in
der Ewigkeit, ſeine Kraͤfte ſind immer
bei Euch
. Aber nur mit dem Sinne, eingebilde-
ter Weiſe im Himmel zu leben und die Kraͤfte
auf Erden indeß ruhen zu laſſen, faͤllt ihm nicht
ein; denn es giebt keinen Sinn, ohne thaͤtige Kraft,
die etwas zu erſinnen hergiebt.


Eilfter Brief.


Wohl wuͤnſchte ich, Du haͤtteſt Dir die Ausdruͤcke:
Wirkſamkeit und Nutzbarkeit der Religion oder
Religioſitaͤt, ſelbſt in einer zweifelnden Frage, nicht
entwiſchen laſſen. Weder zur Erhaltung der buͤr-
gerlichen Ordnung, noch zur Beruhigung und zum
Troſte kann die Religion gebraucht werden, weil
ſie gar keinen Gebrauch hat.


Der beſondere Stand, dem die religioͤſe Erzie-
hung der groͤßeren Geſellſchaft anvertraut iſt, der
[32] uͤberdieß die Wirkſamkeit ſeines Amtes nicht ſieht,
und nicht ſehen kann, weil ſie in der That, wenn
ſie auf das wahre Ziel geht, unſichtbar bleiben
muß, kann leicht in die Verſuchung gerathen, nach
Nutzbarkeit zu trachten, und ſeinem Amte eine
ſichtbarere, greifliche Wirkſamkeit, ſeinem Geſchaͤfte
einen geſellſchaftlichen und buͤrgerlichen Einfluß zu
verſchaffen. Wer von dieſen Standesgenoſſen ſo
denkt, wird zu dem gewoͤhnlichen Mittel greifen,
die Menſchen durch Furcht vor uͤberirrdiſchen
Strafen und durch Hoffnung eines ewigen Lohns
zur Moralitaͤt zu bringen verſuchen, und dies Re-
ligion nennen. Der Arme! er weiß nicht, daß
dasjenige, was er durch Furcht und Lohnbegierde
hervorbringt, ſchlechterdings gar nicht Moralitaͤt,
ſondern nur aͤußere Ehrbarkeit und Geſetzmaͤßig-
keit iſt, und daß er, ſoviel in ſeinen Kraͤften ſteht,
dazu beitraͤgt, diejenigen, auf die er wirkt, fuͤr
Moralitaͤt ſowohl, als fuͤr Religion auf immer zu
ertoͤdten.


So nicht der Maurer. Er weiß, daß in der
groͤßeren Geſellſchaft, dort, wo nun einmal keine
Sittlichkeit iſt, wenigſtens die aͤußere Geſetzmaͤßig-
keit erzwungen werden muͤſſe, er weiß, daß es ein
unwahres und uͤberdies ein hoͤchſt gefaͤhrliches Vor-
geben iſt, dieſe Geſetzmaͤßigkeit fuͤr Vorbereitung
zur Sittlichkeit zu halten, daß ſie nur daſeyn und
mit aller Kraft aufrecht erhalten werden muͤſſe,
damit die menſchliche Geſellſchaft beſte-
hen koͤnne
. Aber nie wird er ſich zu dieſem
Zweck hergeben, denn er weiß wieder, daß dazu
der
[33] der Staat ſchon Gefaͤngniſſe angelegt hat, und
Zuchthaͤuſer und andre bekannte Anſtalten; und
er iſt weit entfernt, zu wuͤnſchen, daß das Hei-
ligſte, was die Menſchheit hat, die Reli-
gion
, zum Stellvertreter der ermangelnden Scher-
gen herabgewuͤrdigt werde.


Was den Maurer ſelbſt und die maureriſche
Geſellſchaft anbelangt, ſo verſteht es ſich von ſelbſt,
daß derjenige, der noch der Zucht durch Lohn und
Strafe bedarf, um ein ehrlicher Mann zu bleiben,
in dieſe Geſellſchaft gar nicht gehoͤrt, indem er,
weit entfernt, einer Nachbeſſerung ſeiner fuͤr die
Geſellſchaft erhaltenen Bildung zu beduͤrfen, dieſe
Bildung ſelbſt kaum erhalten hat; daß ſonach auf
einen ſolchen in den maureriſchen Einrichtungen
gar nicht zu rechnen iſt.


Der Maurer muß aus Pflichtgefuͤhl, oder aufs
allerwenigſte aus Ehrgefuͤhl das Gute thun und
das Laſter meiden, wenn er auch (obgleich dies
nicht moͤglich iſt) von Gott und Religion nicht
das geringſte wuͤßte oder glaubte; und dieſes nicht
als Maurer, ſondern als Menſch, der der Mau-
rerei, wie wir ſie uns denken, auch nur faͤhig
ſey. — Als Antrieb zur Tugend kann alſo der
Maurer die Religion nicht betrachten oder gebrau-
chen wollen; waͤre es auch nur aus dem einzigen,
ſchon oben angefuͤhrten Grunde, weil ſie dieß gar
nicht ſeyn kann, da alles Untugend iſt, was ſich
auf einen aͤußeren Antrieb gruͤndet.


Unſchaͤdlich koͤnnte (nach Deinem Ausdruck)
die Religion gebraucht werden zur Beruhigung
Zweites Baͤndch. C
[34]des Geiſtes und Herzens, zur Beruhigung
beim Anblick des ſcheinbaren Widerſpruchs zwiſchen
dem Pflichtgeſetze und dem Weltlaufe. Aber auch
dazu wird ſie von dem vollendeten Maurer nicht
gebraucht, indem er einer ſolchen Beruhigung gar
nicht bedarf.


Allerdings wird jeder durch Erblickung jenes
Widerſpruchs erſt zur Religion gefuͤhrt. Es
iſt mir durch mein Innerſtes ein Zweck, jener
letzte irrdiſche Zweck der Menſchheit aufgeſtellt; es
ſind mir Handlungen, Arbeiten, Aufopferungen fuͤr
dieſen Zweck aufgegeben. Ich kann dieſer Stimme
in meinem Herzen den Gehorſam nicht verwei-
gern. Aber wenn ich auf den Gang der Bege-
heiten und Schickſale der Welt merke, ſo ſcheint
alle meine Arbeit fuͤr dieſen Zweck verloren, ſo
ſcheint ſie ſogar ihm zuweilen hinderlich zu ſeyn.
Alles ſcheint durch eine unſichtbare und blinde
Kraft, ganz ohne Ruͤckſicht auf meine Arbeit, ſo
gut oder ſo ſchlimm geleitet zu werden, als es
eben geht. — Dieſe Betrachtung, Konſtant! die
ſich dem gewiſſenhaften, aber kalt beobachtenden
Manne bald aufdringt, ſie iſt es, die den Men-
ſchen zur Religion fuͤhrt, und ihm, ſtatt des
irrdiſchen Zwecks, an dem er verzweifelt,
ohnerachtet er nicht aufgiebt, fuͤr ihn zu
arbeiten, einen unſichtbaren und ewigen
aufſtellt
.


Alſo Beduͤrfniß iſt es vielleicht, das ihn
zur Religion fuͤhrt; aber der vollendet aus-
[35] gebildete Menſch, unter dem ich mir nun einmal
den Maurer denken will, bleibt nicht auf dieſer
Stufe ſtehen. Nun hat er Religion, ſie iſt
ein Beſtandtheil ſeiner ſelbſt geworden; er bedarf
ſie nicht mehr, eben darum, weil er ſie hat. Das
Pflichtgeſetz und der Weltlauf widerſprechen ſich
nicht mehr, weil er nun eine hoͤhere Welt kennt,
von der die hieſige nur die ihn uͤbende Erſchei-
nung abgiebt. Der Zweifel, der ihn zum Glau-
ben trieb, iſt ihm nun auf immer geloͤſt. Dadurch
erhaͤlt nun eben ſeine Religion den Charakter, den
ich oben von ihr angegeben habe, daß ſie ihm gar
nicht mehr Gegenſtand ſeines Wirkens,
ſondern, daß ich mich ſo ausdruͤcke, Gliedmaaß iſt
und Werkzeug alles ſeines Wirkens. Sie
iſt ihm nicht etwas, das er ſich noch macht,
daran er ſich erinnerte und ermahnte,
ſondern dasjenige, wodurch er, ſeiner
ſelbſt unbewußt, alles andre macht. Sie
iſt das Auge ſeines Lebens, das er
, wo er
ſich ſelbſt uͤberlaſſen iſt, und wenn es ihm nicht
durch einen Spiegel der kuͤnſtlichen Reflexion zu-
ruͤckgeworfen wird, das er nicht ſieht, wodurch
er aber alles andre ſieht, was er ſieht
.


Und nun glaube ich alles erſchoͤpft zu haben,
was nach maureriſcher Anſicht, den erſten Theil
vom Geſammtzweck der ganzen Menſchheit betrifft.
Ich bin am weitlaͤuftigſten dabei geweſen, weil es
dem Folgenden zur Erlaͤuterung dient, und weil ich
Dir an dieſem wichtigen Theile ein ausfuͤhrlicheres
Beiſpiel der maureriſchen Lehre und Anſicht geben
C 2
[36] wollte. Ich werde nun in den einzelnen Sendun-
gen, die Dir noch von mir zukommen, mich kuͤr-
zer faſſen.


Zwoͤlfter Brief.


Der zweite Hauptpunkt im Geſammtzwecke der
Menſchheit bezieht ſich, nach meinem achten Briefe,
auf die Hervorbringung einer durchaus rechtli-
chen Verfaſſung
unter den Menſchen, der
Buͤrger im Staate und der Staaten zu einander,
damit die ganze Menſchheit endlich einen einzigen,
nur nach dem ewigen Rechtsgeſetze der Vernunft
geordneten und regierten Staat ausmache. Es
kommt jetzt nur darauf an, die Geſinnung und
Denkart des aͤchten Maurers anzugeben, durch die
er zu Hervorbringung dieſes Hauptzweckes der
Menſchheit mitwirkt. Ich kann dies kurz und
beſtimmt in folgendem thun:


Wie ſich in ſeinen Augen verhaͤlt der irrdiſche
Zweck zu dem ewigen, eben ſo verhaͤlt ſich fuͤr ihn
der gegenwaͤrtige, naͤchſte Zweck des Staats,
in welchem er lebt, zu dem irrdiſchen Zwecke
der geſammten Menſchheit
. — Wie alles
Irrdiſche ihm nur das Ewige bedeutet und nur
durch dieſes Ewige, fuͤr deſſen Huͤlle er es aner-
kennt, Werth fuͤr ihn erhaͤlt; ſo bedeuten ihm alle
Geſetze und Verordnungen ſeines Staats und alle
[37] Begebenheiten ſeiner Zeit, nur das ganze Men-
ſchengeſchlecht, und beziehen fuͤr ihn ſich nur auf
das ganze Menſchengeſchlecht, und haben nur in
dieſer Ruͤckſicht Werth und Bedeutung.


Nur glaube ja nicht, daß dadurch der vollkom-
men gebildete Mann ſeinem Staate entzogen, und
einen, traͤgen, kalten Kosmopolitismus hingegeben
werde. Er wird im Gegentheil durch dieſen Sinn
der vollkommenſte und brauchbarſte Staatsbuͤr-
ger. — Eben ſo nehmlich, wie er, in Abſicht der
Religion, ohnerachtet ſein Sinn ganz bei dem
Ewigen iſt, dennoch ſeine ganze Kraft dem Irrdi-
diſchen weiht: eben ſo iſt in Abſicht der Rechtlich-
keit ſeine ganze Kraft, ſeinem Staate, ſeiner Stadt,
ſeinem Amte, dem beſtimmten Fleckchen der Erde,
in dem er nun grade lebt, gewidmet, ohnerachtet
ſein Sinn auf das Ganze geht. In ſeinem
Gemuͤthe iſt Vaterlandsliebe und Welt-
buͤrgerſinn innigſt vereinigt
, und zwar
ſtehen beide in einem beſtimmten Verhaͤltniß.
Vaterlandsliebe iſt ſeine That, Welt-
buͤrgerſinn iſt ſein Gedanke; die erſtere
die Erſcheinung, der zweite der innere
Geiſt dieſer Erſcheinung
, das Unſichtbare in
dem Sichtbaren.


Denn eben ſo, Konſtant! wie eine Religion,
die fuͤr ſich beſtehen will, nichtig iſt und verkehrt,
und ſogar laͤcherlich: eben ſo iſt ein Kosmopolitis-
mus, der fuͤr ſich beſtehen will und den Patriotis-
mus ausſchließt, verkehrt und nichtig und thoͤricht.
„Das Einzelne iſt nichts, ſagt dieſer Kosmopolit,
[38] ich denke, ſorge und lebe nur fuͤr das Ganze; mit
dieſem ſoll es beſſer werden, uͤber dieſes ſoll ſich
Ordnung und Friede verbreiten.“ Gut! aber ſage
mir nur, wie Du dieſem Ganzen, mit den wohl-
thaͤtigen Geſinnungen, die Du gegen daſſelbe zu
hegen verſicherſt, beizukommen gedenkſt; ob
Du ihm denn ſo im Allgemeinen und gleichſam
in Pauſch und Bogen wohlthun willſt? Iſt denn
das Ganze etwas anders, als die einzelnen Theile,
in Gedanken vereinigt? Kann es denn auf irgend
eine Weiſe im Ganzen beſſer werden, wenn es
nicht an irgend einem einzelnen Theile beſſer zu
werden anfaͤngt? Werde daher nur zufoͤrderſt Du
ſelbſt beſſer und dann ſuche Deine beiden Nach-
baren rechts und links auch beſſer zu machen; ich
denke, das Ganze iſt nun allerdings beſſer ge-
worden, weil es Einen oder Zwei oder Drei Ein-
zelne hat, die da beſſer geworden ſind.


Dieß erkennt der Maurer; und darum aͤußert
ſich ſein Kosmopolitismus durch die kraͤftigſte
Wirkſamkeit fuͤr den beſtimmten Platz, auf dem
er ſteht. — Wie auch die buͤrgerlichen Geſetze
beſchaffen ſeyn moͤgen, unter denen er ſteht, und
ſo tief er auch die Mangelhaftigkeit derſelben ein-
ſehen mag, — er gehorcht ihnen, als ob es Aus-
ſpruͤche der reinen Vernunft ſelbſt waͤren; denn er
weiß, daß mangelhafte Geſetze und Verfaſſung
beſſer ſind, als gar keine, daß mangelhafte Geſetze
die Vorbereitung ſind zu beſſeren, und daß kein
Einzelner von ihnen etwas aͤndern oder aufheben
darf, ohne die Beiſtimmung Aller, daß aber durch
[39] bloßen ſtillſchweigenden Ungehorſam ſchlechthin kei-
ner ſie aufheben darf. Nur wenn die Auftraͤge,
die ihm ſein Staat giebt, gradezu und unbeſtreitbar
rechtswidrig ſind, dann verſteht es ſich ohne wei-
teres, daß er ihre Ausfuͤhrung nicht uͤbernimmt
und ob er daruͤber zu Grunde gehen ſollte; und
dieſes zwar nicht einmal als Maurer, ſondern als
bloßer rechtſchaffener Mann. Dieſen einzigen Fall
abgerechnet, welches auch die Auftraͤge und Zwecke
des Staats ſeyn, ſo weit ſie auch hinter dem
weit Beſſeren zuruͤck ſeyn moͤgen, welches ſeiner
Einſicht nach geſchehen ſollte: er fuͤhrt ſie aus mit
einer Sorgfalt und einer Kraftanwendung, als ob
er nichts anders zu thun haͤtte. Denn er hat nun
einmal nichts anzuordnen, ſondern nur zu gehor-
chen, und er weiß, daß im Gange des Ganzen auf
ſeinen Gehorſam gerechnet iſt. Nur allein darinn
iſt er von denen, die aus Furcht oder Vortheil
oder Gewohnheit gehorchen, verſchieden, daß er
alles thut, lediglich fuͤr das Weltganze und um
des Weltganzen willen.


Was den dritten Theil des Geſammtzwecks
der Menſchheit anbelangt, den, daß die ver-
nunftloſe Natur dem vernuͤnftigen Wil-
len durchaus unterworfen werde
, und das
vernuͤnftige Weſen uͤber den todten Mechanismus
herrſche, ſo gehoͤrt es weſentlich zu ſeiner Denkart,
daß er dieſes wiſſe, daß er darinn den Zweck der
Menſchheit anerkenne, und daß er deshalb jedes
menſchliche Geſchaͤft, ſo geringfuͤgig es auch ſeyn
mag, von dieſer Seite anſehe und wuͤrdige. Die
[40] Bekanntſchaft mit dieſem Zwecke und die Achtung
fuͤr denſelben, dient ihm dazu, daß er die Men-
ſchen nicht nach dem großen oder kleinen Platze,
den ſie zufaͤllig bekleiden, ſondern nach der Treue
ſchaͤtze, mit welcher ſie ihn verwalten. Die nie-
drigſte mechaniſche Arbeit, aus dieſem Geſichts-
punkte angeſehen, gleicht der hoͤchſten geiſtigen;
denn die erſte, wie die letzte bringt die Vernunft-
herrſchaft weiter und erweitert ihr erobertes Reich.
Ein Landbauer oder Handwerksmann, der, um
ſeiner Pflicht und um des Ganzen willen, ſein
Werk mit wahrer Anhaͤnglichkeit und Aufmerk-
ſamkeit treibt, und dem es gelingt, hat in dem
Auge der Vernunft ſeinen Rang uͤber den unfaͤ-
higen Gelehrten und den untauglichen Philoſophen.
Wer ſich dieſer Anſicht bemaͤchtiget, der wird nicht
nur die Welt und ihre Verhaͤltniſſe mit Gerech-
tigkeit wuͤrdigen, ſondern auch ſeinen eignen Werth,
durch den erhabnen Standpunkt, den er gewon-
nen hat, erhoͤhen.


Dieſe Denkart hervorzubringen, zu befeſtigen,
zu beleben, darauf, mein Freund! muß aller Un-
terricht ausgehen, den ich maureriſch nenne. Du
wirſt nun berechnen koͤnnen, wie dieſer Unterricht
gegeben und genommen werden muͤſſe, eben ſo gut,
wie ohne Unterricht nichts gewonnen werden
koͤnne.


[41]

Dreizehnter Brief.


Ehe ich nun noch hinzu fuͤge, Konſtant! was ich
Dir in der Reihe dieſer Briefe noch ſagen will,
laß uns mit wenig Worten den ganzen Weg uͤber-
ſchauen, den wir zuruͤckgelegt haben.


Die Frei-Maurerei iſt, nach unſern Forſchun-
gen, eine Anſtalt, die das Einſeitige der Bildung,
welche der Menſch in der groͤßeren Geſellſchaft
erhaͤlt, zu verwiſchen und jene nur halbe Bildung
zur allgemeinen und reinmenſchlichen zu erheben
hat. Wir fragten: welches ſind die Theile und
Gegenſtaͤnde der menſchlichen Bildung, die in die-
ſer Geſellſchaft zu erhalten ſind? und antworteten:
die Bildung zur Religion, als Buͤrger einer
unſichtbaren Welt, die fuͤr den Staat, als Buͤr-
ger irgend eines Theils der ſichtbaren Welt, end-
lich die fuͤr Fertigkeit und Geſchicklichkeit, als ver-
nuͤnftiges Weſen, der vernunftloſen Natur
zu gebieten
. Wir fragten wieder: Welches
ſind die Mittel der Geſellſchaft, dieſe Bildung
an ihre Mitglieder zu bringen? und antworteten:
Unterricht und Beiſpiel. Und nunmehr erſt
war die Frage zu beantworten: Was kann es ei-
gentlich ſeyn, das der maureriſche Unterricht und
das maureriſche Beiſpeil beendzweckt?


Wir antworteten: In der Religion, Abſon-
derung alles Zufaͤlligen, was Zeit- und Ortbedin-
gungen in die religioͤſe Anſicht der Geſellſchaft
gebracht haben, wonach die Religion einſeitig entwe-
[42] der als einziger abgeſonderter Zweck unſers gan-
zen Handelns, oder Mittel fuͤr irgend einen ſinn-
lichen Zweck aufgeſtellt wird. In Abſicht der
Bildung fuͤr Geſetz und Recht; innigſte Ver-
einigung des Weltbuͤrgerſinns mit dem Staats-
buͤrgerſinn, in welcher der Maurer den Geſetzen
ſeines Landes und den Verfuͤgungen ſeiner Obrig-
keit mit der puͤnktlichſten Genauigkeit gehorcht,
aber nicht, als ob ſein Land allein da waͤre, (ver-
heerender Patriotismus der Roͤmer ꝛc.) ſondern
weil es ein Theil der ganzen Menſchheit iſt. End-
lich in Abſicht des Zwecks, die Natur der Ver-
nunft zu unterwerfen
, dient ihm die Be-
kanntſchaft mit dieſem Zwecke theils, ihn ſelbſt zur
Berufstreue zu ermuntern und ihm fuͤr ſeine
ſcheinbar untergeordneten Geſchaͤfte einen hoͤheren
Geſichtspunkt anzuzeigen, theils ihm den wahren
Maasſtab der Achtung fuͤr treue Befoͤrderer der
Zwecke der Menſchheit, auf welchem Platze ſie
auch ſtehen moͤgen, an die Hand zu geben. —
Darauf, um dieſe Ueberzeugungen hervorzubrin-
gen, die zu dieſer Denkart leiten, muß, ſo ſchloß
ich, aller maureriſche Unterricht abzielen.


Worauf das maureriſche Beiſpiel, als ſolches
beruhe, wie bei den Mitgliedern der Geſellſchaft
eine Handlungsweiſe ſichtbar werde, in der man
die Vielſeitigkeit ihrer Geſinnung, die Reinheit
ihrer Denkart nicht verkennen kann, wo jeder da-
hin trachtet, mitzuwirken zum Wohl der andern,
ohne Anmaßung, Eitelkeit, mit Aufopferung ſeiner
buͤrgerlichen, gelehrten oder Kuͤnſtler-Anſpruͤche,
[43] und unter der alleinigen Ruͤckſicht auf fruchtbare
Nutzbarkeit und Brauchbarkeit fuͤrs Leben, zur
Hinwirkung auf reinmenſchliche Bildung — das
alles, Konſtant, wirſt Du Dir nach dem Geſag-
ten von ſelbſt abſtrahiren und auseinander ſetzen
koͤnnen. Wir wollen uns gemeinſchaftlich fuͤr jetzt
nur mit dem maureriſchen Unterricht beſchaͤftigen,
und nachdem wir ſeine Materie betrachtet haben,
noch unterſuchen: Wie wohl ein ſolcher ent-
ſtehen, ſich fortpflanzen und vermehrt
werden koͤnne
?


Wir verharren auch bei dieſer Unterſuchung,
wie bei allem Vorhergehenden, unverruͤckt auf
dem Standpunkt eines Ungeweihten, der hiſtoriſch
von Myſterien und Orden nichts weiß, als dasje-
nige, was allgemein bekannt iſt, der aber wahr-
heitsliebend und folgerecht fortſchließt. Ich erinnere
Dich aufs neue daran, Konſtant! damit Du nicht
glaubeſt, weil ein Eingeweihter zu Dir ſpricht,
dadurch irgend etwas Poſitives zu erfahren; ich
ſtehe Dir ganz gleich, und gebe blos dem Sprache,
was Du Dir bei Dir ſelbſt uͤber den angegebnen
Gegenſtand denken koͤnnteſt.


So lange die Menſchen, argumentiren wir
nun weiter, im Naturzuſtande nicht eigentlich ſich
ſelbſt bilden, und zwar mit Bewußtſeyn, Abſicht
und nach einer Regel, ſondern durch die Umſtaͤnde,
denen ſie leidend ſich hingeben, gebildet werden:
iſt von derjenigen Bildung, welche allein wir hier
meinen, noch gar nicht die Rede, weder von einer
oͤffentlichen, in der groͤßeren buͤrgerlichen Geſell-
[44] ſchaft, noch von einer geheimen, in einer abgeſon-
derten engeren Verbindung. Die Menſchheit reift
in dieſem Zuſtande nur erſt zur Faͤhigkeit einer
bedachten und berechneten Ausbildung heran.


Es kommt dieſe Reife; und es entſtehen beſon-
dre Staͤnde, religioͤſe Anſtalten oder ein Prieſter-
thum, Geſetze, Verfaſſung und Obrigkeit; es ent-
ſteht mit einem Worte jener ganze Zuſtand des
Menſchengeſchlechts, den ich in einem der erſten
Briefe beſchrieben habe.


Da, meiner Vorausſetzung nach, alle von dem
gleichen Punkte, aus dem Naturſtande ausge-
hen, kann fuͤrs erſte die Verſchiedenheit ihrer Bil-
dung nicht ſehr merklich, und die Einſeitigkeit und
Halbheit dieſer Bildung nicht ſehr groß werden.


Aber die Abſonderung dauert fort; die neuen
Menſchengeſchlechter werden von nun an in einem
gewiſſen Stande
und fuͤr einen gewiſſen Stand
geboren. Mit jedem neuen Zeitalter finden die
verſchiedenen Staͤnde ſich ſchaͤrfer von einander
abgeſchnitten; und nun treten allmaͤhlig mit den
Vortheilen der geſellſchaftlichen Bildung zugleich
die oben beſchriebenen Nachtheile derſelben ein,
und mit dieſem Nachtheil das Beduͤrfniß, ihnen
auf dem einzigmoͤglichen Wege durch eine abge-
ſonderte Verbindung
abzuhelfen.


Es iſt mir nicht unbekannt, daß in mehreren
Staaten und Verfaſſungen, beſonders der alten
Welt, mancherlei ganz oͤffentliche Einrichtungen
und Anſtalten waren, die ſich einer ſolchen ſcharfen
Abſonderung der Staͤnde, wie wir ſie in der mo-
[45] dernen Welt ſehen, entgegengeſetzten und ein ziem-
liches Gleichgewicht in der Ausbildung aller her-
vorbrachten. Aber ich weiß zugleich, daß dieſe
Einrichtungen denn doch nur in den wenigſten
Staaten der alten Welt waren, und daß ſie ſelbſt
da bei weitem nicht volle Gleichheit der Geiſtes-
bildung hervorbrachten.


Mit einem Worte: die Maͤngel in der menſch-
lichen Ausbildung, welche, unſern Schluͤſſen zu
Folge, nur durch eine Verbindung, wie wir uns
die gegenwaͤrtig beſtehende maureriſche denken,
gehoben werden koͤnnen, muͤſſen beinahe ſo alt ſeyn,
als die ganze geſellſchaftliche Verfaſſung; denn
ſie ſind eine nothwendige Folge derſelben
.
Sind ſie aber da geweſen, ſo hat es ohne Zwei-
fel auch immer vorzuͤgliche Maͤnner gegeben, die
ſie bemerkt haben
. Sind ſie aber bemerkt
worden, ſo haben ohne Zweifel dieſelben, die ſie
bemerkten, zugleich auch das einzig moͤgliche
Mittel
gefunden, denſelben abzuhelfen, das, der
Abſonderung in geſchloſſene Geſellſchaf-
ten
fuͤr den Zweck der reinmenſchlichen Bildung,
und haben ſich mit andern Gleichgeſinnten verei-
nigt, um ihre Gedanken auszufuͤhren. Es iſt alſo
hoͤchſt wahrſcheinlich, daß es von jeher neben der
oͤffentlichen Bildung in der Geſellſchaft eine geheime
gegeben habe, welche der erſteren zur Seite ge-
gangen, mit der erſteren geſtiegen und gefallen iſt,
auf die erſtre einen unbemerkten Einfluß gehabt
und hinwiederum ſelbſt durch den Einfluß jener
gewonnen oder gelitten hat; wie zum Beiſpiel
[46] Pythagoras und ſein beruͤhmter Bund in den
Staaten von Groß-Griechenland. Wir ſetzen
ſonach, als den erſten Satz, der unſre Aufmerkſam-
keit verdient, folgendes feſt: Es mag wohl, ſo
weit hinauf die Geſchichte reicht, immer
geheime, das iſt, von der oͤffentlichen abge-
ſonderte und nothwendig abzuſondernde
Bildungsanſtalten gegeben haben
.


Wir wollen kuͤnftig ſehen, was wir aus die-
ſem Satze weiter zu folgern haben.


Vierzehnter Brief.


Nur dort finden geheime Bildungsanſtalten ſtatt,
wo es keine oͤffentlichen, durch die geordnete groͤßere
Geſellſchaft giebt. Unter rohen Wilden, oder her-
umſtreifenden Hirtenvoͤlkern bedarf es keiner An-
ſtalt, um die Einſeitigkeit des Prieſterthums oder
der Geſetzgebung zu verwiſchen, denn ſie ſind nicht
einmal bis zu einem Prieſterthum und einer Ge-
ſetzgebung herangereift. Unter ihnen hat man
alſo keine Myſterien zu ſuchen
, es ſey denn
abgeſchmackter Aberglaube; keine Myſterien, die
die autoriſirte Nationalwahrheit berichtigen und
erhoͤhen, denn ſie haben noch nicht einmal eine
Nationalwahrheit.


Welchen Gang aber die oͤffentliche Bildung
genommen habe, wiſſen wir ſo ziemlich durch die
[47] oͤffentliche Geſchichte. Zwar verbirgt der Urſprung
und die erſte Quelle dieſer Bildung ſich in gehei-
mes Dunkel, oder verhuͤllt ſich in mythiſche Poeſie;
und wir haben ſogar ſpaͤterhin Voͤlker mit einer
hohen Kultur gefunden (denke indeß nur an die
Hindus und die Chineſen) deren Bildungsgeſchichte
ſich an die Kette, die wir uͤberſehen, durchaus nicht
anfuͤgt, kein Glied derſelben ausmacht, und welche
allein nur auf eine hoͤhere Quelle der Kultur un-
ſers Geſchlechts fuͤhren wuͤrden, als diejenige iſt,
welche unſre Geſchichte kennt.


Indeſſen, davon abgeſehen, erblicken wir doch
auch in dieſer unſrer Geſchichte einen Fortgang
und eine ununterbrochene Kette der Kul-
tur
, die von den Aegyptern zu den Griechen herab,
von dieſen zu den Kleinaſiaten, von dieſen wieder
zu den Griechen, von ihnen zu den Roͤmern, und
von dieſen, nach der Vereinigung mit dem indeß
im Orient entſtandenen Chriſtenthume, zu den
neuern Europaͤern fortgeht.


In dieſer ganzen Folge bedurfte es gehei-
mer Bildungsanſtalten. Es iſt wahrſcheinlich,
laut unſers obigen erſten Satzes, daß es deren
wirklich gegeben habe.


Die ganze oͤffentliche Kultur in der beſchriebe-
nen Zeit und Voͤlkerreihe, iſt immer eine und
eben dieſelbe Kultur
, ein zuſammenhaͤngender
Faden, der lediglich das Gepraͤge des National-
characters von jedem Volke annimmt, zu welchem
er herabkommt, und durch die Fortſchritte des
[48] menſchlichen Geiſtes bei jedem Volke gewinnt und
vervollkommt wird.


Es iſt alſo hoͤchſt wahrſcheinlich — und
dies iſt die zweite natuͤrliche Folgerung, die wir
auf dem Standpunkte des Ungeweihten machen —
daß eine aͤhnliche zuſammenhaͤngende
Kette der geheimen Kultur neben je-
nem Faden der oͤffentlichen durch dieſel-
ben Zeiten und Voͤlker ſich herabgeſchlun-
gen habe, und grade, wie die oͤffentliche,
bis auf unſre Zeiten gekommen ſey
; es iſt
moͤglich, daß, gleichwie mit der oͤffentlichen Kultur
ſich das aus einer andern Quelle kommende Chri-
ſtenthum vereinigte, zu derſelben Zeit auch die vor-
handne geheime Kultur, ſich an die geheime Kul-
tur derſelben orientaliſchen Voͤlker, aus deren
oͤffentlichen das Chriſtenthum entſtand, angeſchloſſen
habe.


Du haſt in dieſen Gedanken einen reichhalti-
gen Stoff zum Nachdenken, und es wird ſehr
darauf ankommen, wie Du meine ganze Deduk-
tion gefaßt haſt, um die Konſequenz und Frucht-
barkeit dieſer Folgerung zu durchſchauen. Bei der
weiteren bin ich genoͤthigt, etwas tiefer in das We-
ſen des Unterrichts, den wir den maureriſchen zu
nennen gewohnt ſind, einzugreifen; ich verſpare
ſie mir alſo der Zeit und des Raumes wegen auf
den folgenden Brief.


Funf-
[49]

Funfzehnter Brief.


Ich gehe ohne weiteres zu der folgenden Unter-
ſuchung.


Was die oͤffentliche Kultur betrifft, ſo war
es ohnſtreitig zweckmaͤßig, da zu ihr ein jeder, ſo
weit er derſelben empfaͤnglich iſt, den moͤglichſt
leichteſten Zutritt haben ſoll, daß ſie in bleiben-
den Denkmaͤhlern
niedergelegt wurde, nach-
dem nur die Kunſt erfunden war, den voruͤber-
fliehenden Gedanken und dem fluͤchtigen Worte
Dauer und Sichtbarkeit fuͤr das Auge zu geben.
Zu der geheimen Kultur aber ſoll, zu Folge
ihres Weſens, nicht jedermann, ſondern nur der-
jenige, der durch die oͤffentliche ſchon durchgegan-
gen und durch ſie ſchon moͤglichſt vollendet iſt, den
Zutritt haben. — Die geheime Kultur kann, wie
es durch alles Geſagte klar iſt, der oͤffentlichen
nicht vorausgehen, ſie ſelbſt ſetzt vielmehr die
oͤffentliche voraus; ſie kann eben ſo wenig ihr zur
Seite gehen
, ohne daß die Zwecke beider ver-
eitelt werden; ſie kann ihr lediglich folgen.


Nun aber kann man — laß mich dieſen Punkt
immer ſorgfaͤltiger auseinanderſetzen — zu dem
eigentlichen Ziele aller geheimen Kultur, der rein-
menſchlichen Bildung, welche mein ſechſter Brief
Dir in einem ſchwachen Abriſſe vor Augen ſtellte,
auf zwei Wegen gelangen: entweder fuͤr ſich
allein
, durch Talent, tiefes Nachdenken und Er-
Zweites Baͤndch. D
[50] forſchen, durch Bildung ſeines Geiſtes und Her-
zens nach den Reſultaten dieſes Nachdenkens; oder
durch die Geſellſchaft, — welches ſodann nicht
die groͤßere, buͤrgerliche (denn eben in dieſer fand
jener iſolirte Zuſtand Platz) ſondern nur eine klei-
nere, abgeſonderte Geſellſchaft ſeyn kann.


In dem erſteren Falle nimmt unſre Anſicht,
da ſie auf dem Wege des Nachdenkens entſtanden
iſt, die Form des Nachdenkens an; es wird
argumentirt, dialektiſirt, demonſtrirt, Schluͤſſe wider-
legt und begruͤndet. — Nichts verhindert, daß
man in dieſer Form es auf den Daͤchern pre-
dige, wenn man ſonſt will, es abſchreibe, es ab-
drucken laſſe u. dergl.


So iſt es, um das erlaͤuternde Beiſpiel aus
der That zu nehmen, wohl moͤglich, daß ich in
dieſen meinen Briefen an Dich, den Profanen,
den innerſten Geiſt aller moͤglichen Myſterien nach
meinem beſten Wiſſen und meinen Kraͤften dar-
zuſtellen verſucht, und in keinem Stuͤcke zuruͤck
und an mich gehalten habe, indem ich mich ſtets
der Form des Raͤſonnements und der gewoͤhnli-
chen Sprache bediente. Zugleich aber bin ich ſehr
ſicher, daß ich weder Dir, noch irgend Einem, der
zufaͤllig dieſe Briefe leſen ſollte, nur das geringſte
verrathen habe, was er nicht wiſſen und ich nicht
ſagen darf. Und ſo ſind in allen Buchlaͤden Buͤ-
cher zum oͤffentlichen Verkaufe, die, ob ſie gleich
von Maurerei handeln, doch von Maurerei nicht
eine Sylbe verrathen; dagegen aber auch — und
[51] darauf merke mit Fleiß — in allen Buchlaͤden
Buͤcher von Maurern und Nicht-Maurern, die
der Maurerei mit keinem Worte erwaͤhnen, deren
Verfaſſer vielleicht von Maurerei kein Wort wiſ-
ſen, und die dennoch durchaus aͤcht mau-
reriſch ſind
.


Daher, wiederhole ich, hindert nichts, daß man
in dieſer Form die Myſterien gemein mache,
denn nur die Rede oder Schrift wird ge-
mein
, nicht aber die Myſterien. Wer es nicht
ſchon in ſich hat, wird es nimmer faſſen
.
Ihm verwandelt ſich die Rede in eine Reihe un-
verſtaͤndlicher Toͤne, die Schrift in weißes Papier;
oder, wenn er ja einen Sinn herausbekommt, iſt
es ein ſehr untergeordneter und halber, nimmer-
mehr der ganze und volle, den der Vortrag
beabſichtigte. Es wird dann disputirt, und gleich-
ſam ein Theilungstractat geſchloſſen, in wie weit
man das Behauptete allenfalls wolle gelten laſſen,
in wie weit nicht; und es wird dadurch immer
etwas gewonnen, es wird der Wahrheit wenig-
ſtens der Weg vorbereitet. Das Nichtverſtehen
oder Mißverſtehen bringt aber einen ſehr geringen
Schaden, der ſo gut iſt, als gar keiner. Was
iſt es denn nun zuletzt, das da gemißdeutet wird,
als ein Philoſophem? Was iſt es denn, dem
dadurch Abbruch geſchieht, als hoͤchſtens der Glo-
riole des Urhebers dieſes Philoſophems, der, wenn
er nur einen Funken wahren Geiſtes hat, in ſeine
Gloriole keinen Werth ſetzt.


D 2
[52]

Was nun aber den zweiten Fall betrifft, da je-
mand reinmenſchliche Kultur durch eine geheime
(das iſt blos, abgeſonderte) Geſellſchaft erhaͤlt, ſo
duͤrfte der Unterricht, der fuͤr die geſchloſſene Ge-
ſellſchaft beſtimmt iſt, gar leicht eine ganz an-
dre Form
angenommen haben; nicht die des
Raͤſonnements, die zum Disputiren einladet, indem
ſie Gruͤnde angiebt, zur Pruͤfung dieſer Gruͤnde
auffordert, und nicht weiter gelten will, als ihre
Gruͤnde reichen; ſondern in der ganz einfachen Er-
zaͤhlung: „So iſt’s einmal, wir wiſſen es; und
jeder, der ſich uns gleich ſtellt, wird es wiſſen.“ —
Dieſer Unterricht duͤrfte ſich, nicht ſo wie der er-
ſtere, ausſchließend an den Verſtand, ſondern viel-
mehr an die Ganzheit des Menſchen wenden, ſo-
nach das eigentliche Disputiren nicht zulaſſen; er
duͤrfte endlich, da er, der Vorausſetzung nach, aus
dem graueſten Alterthume herabkommt, in meta-
phoriſche Ausdruͤcke und Bilder eingekleidet ſeyn.


Kommt ein ſolcher Unterricht an diejenigen, die
dafuͤr noch nicht empfaͤnglich ſind, ſo wird er, wie
ſich ohne weiteres verſteht, eben ſo wenig verſtan-
den, als der erſtere philoſophirende und raͤſonni-
rende. Aber gegen ihn disputirt man nicht, und
laͤßt ſich nicht in Tractaten ein, weil er ſelbſt keine
anbietet und ungetheilt angenommen ſeyn will;
ſondern man verwirft ihn gradezu als grundfalſch
und ſchwaͤrmeriſch, oder wenn man an den Bil-
dern haͤngen bleibt, als widerſinnig und abſurd,
ſpottet ſeiner und giebt ihn dem allgemeinen Ge-
laͤchter Preis. Von nun an aber iſt nicht, wie
[53] im erſtern Falle, ein Individuum getadelt, ſondern
der ganze Zweck einer ſchlechthin nothwendigen
Geſellſchaft iſt auf immer vereitelt.


Dieſer Unterricht der abgeſonderten Geſell-
ſchaft — und das iſt es, was ich andeuten wollte —
konnte ſonach nie in bleibenden Denkmaͤlern fuͤr
Jeden, den das Ungefaͤhr daruͤber fuͤhren moͤchte,
niedergelegt werden. Er konnte nur dem, deſſen
Empfaͤnglichkeit reiflich gepruͤft und erforſcht war,
mitgetheilt werden. Wer ihn dennoch nicht ver-
ſteht, bei dem erſtirbt er vor der Geburt; wer
ihn wirklich verſteht und achtet, wie er ſoll, giebt
ihn ſicherlich nicht ohne Beſonnenheit weiter. —
Da man ſich jedoch ſelbſt in jener Pruͤfung der
Perſonen irren konnte: ſo mußte man ſich aͤuße-
rer Mittel, dergleichen feierliche Verſprechungen ſind,
bedienen, um ſich der Verſchwiegenheit, ſelbſt in
Abſicht der aͤußeren Formen, zu verſichern.


Und nun ſtehe ich bei meiner dritten bedeutenden
Folgerung. Es konnte hoͤchſt wahrſchein-
lich, ſo ſchließe ich, die geheime Lehre nur
durch muͤndliche Ueberlieferung, keines-
weges durch ſchriftliche fortgepflanzt
werden
, die ſchriftliche Mittheilung mußte ſogar
ſtreng verboten ſeyn. — Sollte daher unſre oben
angegebne Vermuthung, daß eine ununterbrochne
Kette der geheimen Kultur neben der oͤffentlichen,
vom Alterthume bis auf unſre Zeiten, herabge-
kommen ſey, Grund haben: ſo mußte man die
geheime Lehre keinesweges in Buͤchern, ſondern
[54] nur in einer noch fortdaurenden muͤndlichen Ue-
berlieferung ſuchen; welche Vermuthung auch durch
den Umſtand beſtaͤttigt zu werden ſcheint, daß man
zur Zeit der Entſtehung der fruͤheren Myſterien
mit Verfaſſung der Ideen in Schrift noch nicht
recht fort konnte und man in geheimen und heili-
gen Dingen gewoͤhnlich bei der alten Methode
bleibt.


Ich kenne ſehr wohl alle die Nachtheile der
muͤndlichen [Ueberlieferung] und die ganze Schwie-
rigkeit, uͤber die Folge der Glieder einer ſolchen
Tradition etwas, bis zur erweißlichen Wahrheit
zu bringen; aber ich weiß zugleich, daß es ſogar
durch bloßes Nachdenken, ohne hiſtoriſche Beleh-
rung, zu findende Huͤlfsmittel gegen jene Nachtheile,
und Erleichterungen bei jenen Schwierigkeiten
giebt; mit einem Worte, daß allerdings ein Beweis
fuͤr die Aechtheit einer ſolchen muͤndlichen Ueber-
lieferung moͤglich iſt, deſſen Fuͤhrung mich aber zu
weit fuͤhren wuͤrde.


Nur einer Bemerkung, die ſich mir hier auf-
dringt und die ich fuͤr bedeutend anſehe, kann ich
mich nicht enthalten; es iſt folgende: Es konnte
zwar nicht fehlen, daß eine vorhandne geheime
Kultur auf die oͤffentliche Einfluß hatte, daß
manche Begebenheiten der oͤffentlichen Geſchichte,
die in ihr abgebrochen da ſtehen, ſich aus der ge-
heimen Kulturgeſchichte voͤllig begreifen laſſen, daß
einige Perſonen, die da Glieder der geheimen Ue-
berlieferung waren, zugleich als merkwuͤrdige Per-
[55] ſonen in der oͤffentlichen Geſchichte da ſtanden. Es
iſt alſo wohl denkbar: daß die oͤffentliche Ge-
ſchichte ſich aus der geheimen werde er-
klaͤren laſſen koͤnnen
.


Umgekehrt aber war, zufolge der eben aufgeſtell-
ten Grundſaͤtze, nothwendig, daß die Beſitzer der
geheimen Lehre alles, was durch irgend eine
Schuld von ihnen aus znr oͤffentlichen Kenntniß
kam, ſogleich ſinken ließen, ſich deſſen entaͤußerten
und darauf nicht weiter fort bauten, daß ſonach
die geheime Kulturgeſchichte durch die
oͤffentliche nicht fuͤglich erwieſen werden
,
und daß kein Datum der letzteren zugleich Datum
der erſtern ſeyn koͤnne. Was nur irgend zu
oͤffentlichen Haͤnden kam, hoͤrte ſchon dadurch auf,
ein Theil der geheimen Kunde zu ſeyn, und ſo-
nach moͤchten die Verſuche, aus der oͤffentlichen
Geſchichte eine geheime zuſammen zu ſetzen mit
großer Vorſicht anzuſtellen ſeyn.


Sechszehnter Brief.


So koͤnnte denn wirklich auf die angegebne Weiſe
ein geheimer Unterricht zu Stande und bis auf
unſre Zeiten herabgekommen ſeyn, der nun im
Innern einer abgeſonderten Geſellſchaft verwahrt
[56] wuͤrde. Welchen Werth und welche Be-
deutung aber konnte dieſer durch die
Folge der Zeiten herabgekommene Un-
terricht haben
? ſo frage ich eben ſowohl in
meinem Namen, als in dem Deinigen. Soll er
etwa der Freiheit und dem Fortgange der Ver-
nunft Feſſeln anlegen, den freien Forſchungstrieb
durch Autoritaͤt niederſchlagen und blinden Glau-
ben gebieten? — Kuͤhn und ſo laut als moͤglich
und auf jede Gefahr rufe ich: Fern, fern ſey es
vom Maurer, der alle Feſſeln der Autoritaͤt abge-
legt haben ſoll, daß er hier ſich in neue geheime
Feſſeln ſchlagen laſſe, fern ſey es von ihm, der
reinmenſchliche Bildung zu erlangen und uͤberall
nur im Geiſte zu leben ſtrebt, daß er hier ſich
an einen neuen Buchſtaben binden laſſe; fern ſei
es von der Geſellſchaft, die jeden Zunftgeiſt ver-
ſchmaͤht, daß ſie ſelbſt ſich in eine Zunft ver-
wandle! — Was waren denn die, welche den
erſten Keim dieſes, moͤglicherweiſe vorhandenen
Unterrichts legten, die Spaͤteren, die ihn ausbil-
deten, vervollkommten, vermehrten? was waren
denn ſie, das ihre ſpaͤten Nachkommen nicht auch
waͤren? Was hatten ſie an ſich, das dieſe nicht
eben ſowohl an ſich haͤtten? mit welchem Rechte
thaten jene, was ſie thaten, daß dieſe nicht daſ-
ſelbe Recht haͤtten?


Die oͤffentliche Kultur iſt mit dem Fortgange
der Zeiten fortgeſchritten, die geheime hat es wahr-
ſcheinlich auch gethan; die oͤffentliche wird es fer-
[57] ner thun, und die geheime kann nicht ſtehen und
hinter der erſtern zuruͤck bleiben. Jener uͤberlie-
ferte Unterricht aber, wenn es einen ſolchen giebt,
kann keine andre Autoritaͤt haben, als die, welche
ihm ſein ehrwuͤrdiges Alter giebt, keine andre, als
diejenige, welche allein irgend ein Menſch und
irgend ein menſchliches Werk uͤber andre Men-
ſchen begehren darf, die: daß man willig vor-
ausſetze, in ihm moͤge Weisheit verborgen
ſeyn, daß man ſich ernſtlich beſtrebe, dieſe
Weisheit zu finden, und daß man ſie
freudig aufnehme, nachdem man ſie ge-
funden und an ſeinem eignen Verſtande
und Herzen bewaͤhrt hat
.


Dieſer uͤberlieferte Unterricht koͤnnte und ſollte
den Eingeweihten nichts anders ſeyn, als was uns
Homer, Sophokles, Plato, als Theilhabern der
oͤffentlichen Kultur ſind. Daß man jene Ueber-
bleibſel treu aufbewahre, ſie nicht verfaͤlſche, oder
wo ſie es ſind, ſie in ihrer urſpruͤnglichen Reinig-
keit wieder herſtelle, iſt billig, und wird durch die
rechtmaͤßige Ehrfurcht fuͤr das Alterthum gefor-
dert; daß man bei allem Unterrichte von ihnen
ausgehe, und ſie gleichſam zum Texte ſeiner Be-
trachtungen mache, waͤre ſchicklich, um die Einheit
der uͤberlieferten Kette zu erhalten, und ſie der
Nachwelt immer als eben dieſelbe uͤbergebe; daß
man ſie nach dem einzig moͤglichen Zwecke aller
Myſterien, daß durch ſie reine und allgemein
menſchliche Bildung beabſichtigt werde, erklaͤre und
[58] gebrauche, iſt ſchlechthin nothwendig und jede an-
dre Erklaͤrung iſt unrichtig.


Dieſe Wiederherſtellung des Alten, ferner, dieſe
hinzugefuͤgte, der Kultur des Zeitalters angemeſſene
Erklaͤrung iſt es, was jedes Zeitalter hinzu thut,
und wodurch die Sammlung des Unterrichts ver-
mehrt und erweitert
wird, welches der zweite
Theil meiner Behauptung war.


So wird auf jenen Grund des Ueberlieferten
von jedem aufgebaut, was er eben hat; von dem
einen feſte Baumaterialien, von einem andern (daß
ich ein von einem heiligen Schriftſteller gebrauch-
tes Bild hier anwende) von einem andern Stroh
und Stoppeln. Beides aber muß durch die Probe
der Zeit bewaͤhrt, und fuͤr das folgende Zeitalter
aufbewahrt werden, welches dann entſcheiden mag,
ob dieſe Materialien zu einigem Gebrauche dem
alten Schatze beigefuͤgt, oder als untauglich ver-
worfen werden ſollen.


Wie kann aber, haſt Du ſchon laͤngſt gefragt,
wie kann, wenn der Zweck der Maurerei ſo
durchaus beſtimmt iſt, wie er in dieſen Briefen
aufgeſtellt und auseinander geſetzt wurde, irgend
ein Maurer (wie es ſelbſt wohl Profane wiſſen)
ihn ſo verkennen, daß er ganz untaugliche und
voͤllig fremdartige Beitraͤge liefere? — Es haͤngt
dieß mit einer andern Klage, die ich oft, nicht
bloß von Dir, vernommen habe, ſo zuſammen,
daß auf beides dieſelbe Antwort zu geben iſt, ich
[59] meine die Klage uͤber den furchtbaren Kontraſt
des von der Maurerei aufgeſtellten Ide-
als, mit der gemeinen Wirklichkeit
. Ich
antworte: Allerdings ſind bei weitem nicht alle
diejenigen Maurer, die dieſen Namen fuͤhren; alle
aber ſollen es werden, und keiner, der dieſen Na-
men traͤgt, ſoll aufgegeben werden. So lange
dies geſchieht, ſo lange nur auf jenes Ideal hin-
geſtrebt wird, iſt die Geſellſchaft eine maureriſche,
geſetzt auch, daß kein einziges ihrer Glieder dieſen
Zweck erreichte, geſetzt auch, daß bis dieſen Tag
der wirkliche Zweck der beſtehenden Maurerei der
geweſen waͤre, ihren Zweck zu ſuchen.


Es iſt Dir nun, Konſtant, ein ſcharf beſtimm-
ter, in ſich klarer, allgemein verſtaͤndlicher Begriff
der Maurerei aufgeſtellt worden. Pruͤfe dieſen
Begriff, frage Deinen Verſtand und Dein Herz,
ob er den Zweck der Maurerei ausdruͤcken koͤnne,
und ob Du dieſen Zweck zu dem Deinen machen
wolleſt. Du wirſt ſodann wiſſen, was Du zu
thun haſt. — Findet ſodann dieſer Zweck ſich
bewaͤhrt, ſo laß uns nicht bloß wiſſen, ſondern
auch thun, um ſo eifriger thun, je mehr wir fin-
den koͤnnten, daß die Wirklichkeit nach unſrer Mei-
nung hinter dem Ideale zuruͤck ſey.


Wer bei Erblickung der Maͤngel in den menſch-
lichen Verhaͤltniſſen, der Untauglichkeit, der Ver-
kehrtheit, des Verderbens unter den Menſchen die
Haͤnde ſinken laͤßt, und hin geht, und uͤber die
boͤſen Zeiten klagt, der iſt kein Mann. Grade
darinn, daß Du faͤhig biſt, die Menſchen als man-
[60] gelhaft zu erblicken, liegt ein heiliger Beruf, ſie
beſſer zu machen. Waͤre es ſchon alles, wie es
ſeyn ſollte, ſo beduͤrfte man Deiner eben nicht in
der Welt, und Du waͤreſt eben ſo gut in dem
Schooße des Nichts geblieben. Freue Dich, daß
noch nicht alles iſt, wie es ſeyn ſollte, daß Du
Arbeit findeſt, und zu etwas nuͤtze ſeyn kannſt.


Lebe wohl.


[[61]]

II.
Reviſion
des

Maureriſchen Taſchenbuches
auf das Jahr 5802 bis 5803
und
maͤnnliche Abfertigung

ſeiner Herausgeber X. Y. Z.
Vom Br. Feßler.

Reviſion
des
Maureriſchen Taſchenbuches

auf das Jahr 5802 bis 5803 *)
und
maͤnnliche Abfertigung

ſeiner Herausgeber X. Y. Z.


[[62]][[63]]

Folgendes Schreiben iſt an mehrere auswaͤrtige
Logen dem Maureriſchen Taſchenbuche gedruckt vor-
ausgegangen:


Hochwuͤrdiger GrMſtr! ꝛc.

Wir wagen es, Hochwuͤrdige, Wuͤrdige, ſaͤmmt-
lich geliebte Bruͤder, Ihnen hierdurch den Beob-
achter an der Spree
zu empfehlen, ein Wo-
chenblatt, welches nicht nur alle merkwuͤrdigen
Ereigniſſe in Berlin erzaͤhlt, und den vollſtaͤndi-
gen woͤchentlichen Todtenzettel deſſelben ent-
[64] haͤlt, ſondern auch Winke und Belehrungen in
Hinſicht auf manche, die Menſchheit intereſſirende
Angelegenheiten gewaͤhrt und dabei ſtets dasjenige
verſchweigt, was verſchwiegen werden ſoll und
muß.


Sie, H. W. ſaͤmmtlich gel. BB., wuͤrden
uns einen Gefallen erzeigen, wenn Sie die Guͤte
haben und uns merkwuͤrdige Nachrichten aus Ih-
rer Gegend fourniren und dadurch dies Blatt
fuͤr die ganze Monarchie lehrreich und nuͤtzlich
machen wollten, beſonders, da wir oft unent-
geltliche Beilagen gegeben haben.


Sie erhalten dies Blatt auf Ihren Poſtaͤm-
tern und praͤnumeriren auf das Quartal 12 Gr.
wo Sie mit Oſtern oder auch mit Johannis an-
fangen koͤnnen. Das hieſige Generalpoſtamt iſt
Hauptdiſtributeur.


Auch geben wir ein Taſchenbuch fuͤr
Maurer
heraus, worauf 20 Gr. praͤnumerirt
wird, und welches zu Johannis erſcheint. Auch
zu dieſem bitten wir um Nachrichten.


Wir gruͤßen Sie in der u. h. Z. und verhar-
ren in aͤchter Bruderliebe
H. GrMſtr ꝛc. Ihre
treu verbundene Bruͤder
die Herausgeber des Beobachters
an der Spree



Kosmann
Kurmaͤrk. Cammer-Aſſeſſor
u. Profeſſor qua Secretaire.


Das
[65]

Das Taſchenbuch ſelbſt will den Bruͤdern
Winke geben, um die Maurerei von der
rechten Seite anſehen zu lernen
. Und
wie hat es gewinkt? Wie ein Blindgebohrner
einem Haufen Taubſtummer, ohne zu wiſſen, wo-
hin und wozu.


Erſter Artikel.
Voltaire und Feßler.“


Seite 1. bis Seite 13. iſt buchſtaͤblich aus
dem Journal fuͤr Frei-Maurer, als Ma-
nuſeript gedruckt fuͤr Bruͤder und Mei-
ſter des Ordens, Erſten Jahrganges
zweitem Viertel-Jahre
(Wien, bey Wappler
5784.) Von pag. 231 bis 242. abgeſchrieben. —
Welche Armuth des Geiſtes verrathen dieſe win-
kenden
Herrn X. Y. Z., welche ihr maureriſches
Taſchenbuch, oder richtiger Taſchenſpiel, gleich mit
einem Plagiat beginnen. Doch ſie ſind nicht in-
corrigibel, denn ſie haben ihre Armſeligkeit gefuͤhlt,
und darum Seite 13. Vierzehn Originalzei-
len
, in welchen eine Luͤge die andere, und ein
Unſinn den andern jagt, hinzu gefuͤgt.


Da heißt es: „Bruder Feßler ward von der
S. E. L. R. Y. z. F. in Berlin beynahe
wie ein Voltaire fetirt“ welches ſchon aus
Zweites Baͤndch. E
[66] dem Grunde nicht wahr iſt, weil unter den Mit-
gliedern gedachter S. E. Loge eben ſo wenig ſich
Beynahe-Cordiers, Beynahe-de la Lan-
de’s,
Beynahe-Merciers, Beynahe-Gar-
niers,
und Beynahe-Court de Gebe-
lins
befinden, als Br. Feßler ein Beynahe-
Voltaire
iſt.


„Die Loge R. Y. hat ihn ſelbſt zum Deputir-
„ten-Großmeiſter gewaͤhlt.“


Wie das nun in der Maurer-Welt ſo zugeht.
Der Großmeiſter, Bruder Delagoanere ſchlug
16 bis 20 Bruͤdern, die damahls an den Logen-
Arbeiten thaͤtigern Antheil nahmen, den Bru-
der Feßler zum Deputirten-Großmeiſter vor,
und dieſe lieben Bruͤder ſagten fuͤr ſich und fuͤr
die uͤbrigen 180, fuͤr die gerade damahls ein
großer Eß-Saal erbauet werden mußte, ein
liebreiches Fiat dazu. Uebrigens iſt freilich nicht
zu laͤugnen, daß Bruder Feßler einen großen Feh-
ler gegen das A. B. C. der Logen-Klugheit
begangen hat, indem er die ihm uͤbertragene groß-
meiſterliche
Wuͤrde nicht fuͤr einen leeren
Titel
, ſo wie bey der Schuͤtzengilde den Titel
Schuͤtzenkoͤnig, ſondern fuͤr einen Arbeits-
Poſten
anſehen wollte, mithin auch, wie es im
Taſchenbuch heißt:
„that, was Voltaire nicht that; — mit einer
„wirklichen Geiſtes-Arroganz ſahe er auf die
„uͤbrigen Bruͤder herab, und bauete ſo lange
„und ſo willkuͤhrlich, bis ſein Bau wieder in
[67] „ſich ſelbſt zerfiel und die Ruinen davon an-
„dern zum Schrecken dienten.“


Bruder F. konnte eben ſo wenig auf die uͤbri-
gen Bruͤder hinauf ſehen, als dieſe faͤhig waren,
in allem, was auf Freimaurerei Bezug hat, ſich auf
einen hoͤhern Standpunkt zu erheben. Er mußte
alſo auf ſie herab ſehen, der Arme! und ſich da-
durch die Augen ſo verderben, daß er um 6 Jahre
zu ſpaͤt gewahr wurde, wie es ihm an nichts, als
an einer hinreichenden Anzahl kunſtkundiger Bau-
leute fehlte. Daß er willkuͤhrlich baute, iſt eine
Luͤge. Er baute nach Muſtern und Regeln, die
jedem wahren Maurer heilig und unveraͤnderlich
ſind; und er hat ſich daruͤber ſehr beſtimmt, offen
und deutlich pag. 19. §. 2. und pag. 25. §. 9.
und 10. ſeiner Maureriſchen Schriften 1 Theil
erklaͤrt. Aber darinn hat er freilich wieder ganz
gewaltig gegen die Logen-Klugheit geſuͤndigt,
daß er ſich nicht nur weigerte, von ſonſt guten und
ehrlichen Maͤnnern, ihres taͤglichen und ſtuͤndlichen
Gewerbes aber bloß Kaufleuten, Jaͤgern, Buch-
haltern und Handwerkern uͤber das Weſen und
die Tendenz der ihnen durchaus unbekannten
Freimaurerei, uͤber die Grundſaͤtze der Kritik, uͤber
die Kriterien der Aechtheit und des Alters hiſto-
riſcher Documente, ſich unterrichten zu laſſen, ſon-
dern daß er ſogar ſie unterrichten wollte. Von
dem Zerfallen ſeines Baues iſt bis jetzt noch nichts
verlautet; uͤber 500 auswaͤrtige aͤchte Bruͤder woh-
nen noch ſehr bequem, ſicher und licht darin; und
auch vom Ausziehen der Bruͤder in Berlin iſt
E 2
[68] vor der Hand nichts officielles bekannt geworden,
ob es gleich nicht zu laͤugnen iſt, daß ſich einer
und der andere hieſige Logen-Bruder im Feß-
leriſchen Gebaͤude ziemlich poſſierlich bewegt. An
Ruinen ſeines Baues iſt gar nicht zu denken;
denn die Materialien, mit denen er baute, ſind ſo
hart und feſt, daß ſich bis jetzt, ein unwiſſender
Arbeiter nach dem andern den Kopf daran zerſchlug.


„Voltaire ließ beſtehen, Feßler modelte.“


Das mag wohl daher kommen, daß Voltaire
glaubte, die Loge zu den 9. Schweſtern muͤßte es
ſich zur hohen Ehre rechnen, daß er ſich aufneh-
men ließ; Feßler aber mit mehr Gutmuͤthigkeit
dachte, er muͤßte es ſich zur Ehre rechnen, daß
man ihn zur Arbeit rief. Der proſaiſche
Menſch! Er haͤtte doch wenigſtens aus der Erfah-
rung wiſſen ſollen, daß arbeiten in der Logen-
ſprache
nichts weiter heißt, als Candidaten auf-
nehmen und laden und richten.


„Voltaire betrieb die Maurerei als Sache
„des Vergnuͤgens
und des Herzens;
„Feßler betrieb ſie als Wiſſenſchaft.“


Da haben wir’s! Das Vergnuͤgen, aufzu-
nehmen, hernach zu laden und zu richten, und die
herzliche Bereitwilligkeit einige Groſchen den
Armen zu geben, — darin liegt nach dieſen X. Y. Z.-
Winken das Weſen und die ganze Tendenz der
Maurerei, welche Feßler, als Wiſſenſchaft? nein,
als etwas, zu dem nur der beſſer erzogene, ernſte,
denkende Mann geeignet iſt, und was den beſſer
erzogenen, ernſten, denkenden Mann befriedigen
[69] muß, wenn er ſich des Freimaurer Nahmens
nicht ſchaͤmen ſoll, behandelt hat. Freilich ver-
kannte Feßler dabey durchaus ſein Terrain;
aber warum ſtellte man auch an die Spitze der
Arbeit fuͤr Vergnuͤgen und Herz à la
Voltaire
einen Mann, bey dem gleich der erſte
Anblick verraͤth, daß kein Fuͤnkchen franzoͤſiſcher
Frivolitaͤt und Leichtbluͤtigkeit in ihm ſteckt!


„Und kam endlich ſo weit, daß er ſie in den
„Eleuſinien oͤffentlich ausbiethen ließ.“


Daruͤber mag ſich der Herausgeber der Eleu-
ſinien nach Belieben erklaͤren; *) wo Feßler an den
Eleuſinien Antheil hat, dort ſteht ſein Nahme, **)
denn er haͤlt es nicht der Muͤhe werth, auf der
grotesk-komiſchen Schriftſteller-Redoute maskirt
zu erſcheinen.


„Haͤtte das wohl je ein Voltaire gethan? —


Das franzoͤſiſche Poſſenſpiel, welches zur Zeit
feiner Aufnahme unter dem Titel la Maçonnerie
Adonhiramitique
ſchon gedruckt war, war ihm
zu erbaͤrmlich, um ſeinen Witz oder ſeine Lauge
daran zu verſchwenden.


[70]

Zweyter Artikel.
„Philoſophien uͤber das Syſtem des Hoch-
wuͤrdigen Bruders Feßler.“


  • Pag. 14. „In nirgend einem der neugemodelten mau-
    „reriſchen Syſteme kommt die gute, alte,
    „ehrwuͤrdige Maurerei wohl ſchlechter hin-
    „weg, als im Feßlerſchen.“

Es iſt gar kein Feßlerſches Syſtem in der
Welt. Haͤtte Feßler je ein neues Maureriſches
Syſtem ſchaffen, modeln, bauen, einfuͤhren wol-
len
, ſo muͤßte man ihn bemitleiden, und der ſorg-
faͤltigen Pflege geſchickter Aerzte, wie den Philo-
ſophator dieſer Philoſophien, uͤbergeben. Haͤtte er
ſeine Arbeiten jemahls fuͤr ein neues Maureriſches
Syſtem erklaͤrt, ſo haͤtte er gegen ſeine beſſere Ue-
berzeugung gelogen. Zum Gluͤcke aber erklaͤren
alle ſeine geſchriebenen und gedruckten Arbeiten,
„daß es nur Eine Freimaurerei gebe, und daß
„alles, was mit dem aͤchten und aͤlteſten Freimau-
„rer-Ritual in keinem natuͤrlichen und unmittel-
„baren Zuſammenhange ſteht, oder demſelben wohl
„gar fremdartig iſt, gut, ſchoͤn, erbaulich ſeyn koͤnne,
„aber nicht Freimaurerei ſey.“ (vid. ſeine ſaͤmmt-
liche Schriften pag. 26.) Dieſe Erklaͤrung iſt die
Seele ſeines ganzen Buches, und aller ſeiner Ar-
[71] beiten, iſt der Grundſatz, worin er ſogar mit der
Großen Landes-Loge der Freimaurer von
Deutſchland
durchaus uͤbereinſtimmt. Und der
Mann, der ſich ſo beſtimmt, ſo zuverſichtlich erklaͤrt,
ſollte jemals ein neues maureriſches Syſtem haben
modeln wollen, modeln koͤnnen? Aber vielleicht hat
er das altengliſche Ritual heimlich fabricirt, und
es den Bruͤdern aufdemonſtrirt? Das war nicht
gut moͤglich, 1) weil er weder Engliſch ſpricht noch
ſchreibt; 2) weil alle altengliſche Logen in Eng-
land und Schottland, ſchon nach dieſem Ritual
gearbeitet haben, ehe alle unſere Groß-Vaͤter ge-
bohren worden ſind; 3) weil ſehr reſpectable
Große und beſondere Logen in Deutſchland, von
einer Feßlerſchen Fabrication weder etwas wiſ-
ſen, noch ſie wuͤrden angenommen haben, und doch
weit ſtrenger, genauer und puͤnktlicher nach dieſem
aͤlteſten Ritual arbeiten, als die Große Loge Ro-
yale York,
bey der Feßler und die wenigen
beſſer unterrichteten Freimaurer, den Eigenduͤn-
kel des ignoranten Stolzes einiger Logenbruͤder,
nicht bis zur Erreichung der voͤlligen Gleichfoͤrmig-
keit des Royal Yorker Rituals mit dem aͤlte-
ſten Engliſchen, beſiegen konnten.


  • Seite 16. „Der hochwuͤrdige Bruder Feßlerſagt:“
    und nun werden Stellen aus den Eleuſinien
    von Seite 9. bis 37. ferner aus der Vor-
    rede S. VIII. endlich Seite 103. und
    folg. als Feßlers Worte angefuͤhrt.

Und das iſt eine der laͤcherlichſten Luͤgen im
ganzen Taſchenbuche; denn von allen [angefuͤhrten]
[72] Stellen gehoͤrt auch nicht ein einziges Wort
dem Br. Feßler. Und aus den Winken ſo blind-
geborner Taſchenbuͤchler ſollen Bruͤder Freimaurer
die Maurerei von der rechten Seite anſehen lernen!
Nun folgt Seite 25. wieder ein vier Seiten lan-
ges Fragment aus dem Journal fuͤr
Freimaurer, Wien 5784. 5ten Jahr-
ganges zweytem Viertel-Jahre
,

um Bogen zu machen, und zu beweiſen, das Feß-
lerſche
Syſtem habe vieles aus dem angefuͤhrten
Journal erborgt; was doch nicht zu erweiſen iſt,
weil die in gedachtem Journal aufgeſtellten und
durchgefuͤhrten Principien mit den Anſichten des
Br. Feßlers von Freimaurerei ſchlechterdings
unvereinbar ſind.


Seite 29. beginnen die Philoſophien, wovon
die erſten 6 Zeilen den Br. Feßler nichts ange-
hen: der Philoſophator hat fehl geſchoſſen, und
mag ſich ſeines poſſierlichen Sprunges, der ſeine
ziemlich unreine Bloͤße aufdeckt, ſchaͤmen.


  • Auch ſchaͤme er ſich der veraͤchtlichen Aeußerung
    Seite 30.: Bruder Feßler bereitet uns —
    durch „Initiationen, d. i. durch fuͤnf
    „nagelneue hoͤhere Grade, die er auf die
    „hoͤhern Gefuͤhle des Menſchen berech-
    „net hat, vor, und laͤßt ſich auch die
    „gewoͤhnlichen Aufnahme-Gebuͤh-
    „ren gefallen
    .“

Nie hat irgend ein Beamter von den gewoͤhn-
lichen Aufnahme-Gebuͤhren etwas erhalten. Bruͤ-
der Maurer koͤnnen in Feßlers Maureriſchen
[73] Schriften 2tem Theil, zwey von ihm gehaltene
Vortraͤge leſen, wo er in dem Einen mit den buͤn-
digſten Gruͤnden auf die Abſchaffung aller hoͤhern
Grade und Initiationen, in dem Andern ein Jahr
darauf, wenigſtens auf Verminderung der Initia-
tionen antrug; aber, wie ſelbſt der Abdruck der
Protocolle ausweiſet, nicht gehoͤrt wurde. Woll-
ten die Br. Br. nun ſchlechterdings uͤber den
Meiſtergrad etwas haben, ſo waren doch die von
Feßler angefertigten moraliſchen Initiationen
beſſer, als die hoͤhern Grade der gedruckten Ma-
çonnerie Adonhiramitique,
welche bis 1797
bey der Loge Royale York ausgeſpendet wurden.


In dem Gefechte von S. 31. bis 37.
gegen die in den Eleuſinien aufgeſtellte Allſeitig-
keit der Bildung, als Zweck der Freimaurerei,
ſpielt der Philoſophator auf eine ganz gemeine
Art blinde Kuh. Mit verbundenen Augen tappt
und ficht er herum, packt einen Zuſchauer der
nicht mitſpielte, ruft mit kindiſcher Freude: Feß-
ler
ich habe Dich! und erndtet das Hohngelaͤchter
der ihm entlaufenen Mitſpieler ein.


  • Seite 37. geht der Philoſophator Feßlern ernſt-
    licher zu Leibe. „Trete doch Herr Feß-
    „ler
    auf — er hat ja einige Jahre
    „ſchon Schule fuͤr die Menſchheit in
    Royale York gehalten, ob ſeit dieſer
    „Zeit Bruder-Liebe, Einigkeit, Verſchwie-
    „genheit und Menſchenliebe in dem Grade
    „zugenommen haben, daß die Nuͤtzlich-
    „keit ſeines Syſtems dadurch in die Au-
    [74] „gen falle, und den Br Br. der uͤbrigen
    „Logen als erprobt einleuchte? ob alle
    „Zwietracht, aller Stolz, alle Kleinig-
    „keitsſucht entflohen iſt? — — verſteht
    „ſich, alles dies in einem erhoͤhten Grad,
    „und mehr als bey den uͤbrigen Logen.
    „Ja die Loge im Ganzen und als Cor-
    „poration betrachtet, ſteht ſie ſeit Einfuͤh-
    „rung ſeines Syſtems auf einem hoͤhern
    „Grade der Vollkommenheit und mora-
    „liſchen Tendenz als ehemahls, und die
    „uͤbrigen Logen? — — Wenn Herr Feß-
    „ler
    dieſe Fragen beantworten will. —“

Er hat ſie ſchon beantwortet, und zwar den
11ten Jun. 1798., wo er ſeinen zahlreich verſam-
melten Bruͤdern ganz offen und treuherzig ſagte.
„Sie haͤtten bis jetzt nur aufgeſtellt, was ſie ſeyn
„ſollten
, nicht was ſie ſind. Sie muͤßten ſich
„fortdauernd beſtreben, das wirklich zu werden,
„was ſie nach den von ihnen aufgeſtellten For-
„men ſeyn ſollten, weil Zeitgenoſſen und Nach-
„kommen ſie nicht nach der Vortrefflichkeit ihrer
„Formen, ſondern nach ihrer Aehnlichkeit, und
„nach der Uebereinſtimmung ihres Maureriſchen
„Characters mit dieſen Formen beurtheilen wer-
„den.“ Er warnte ſie vor Selbſttaͤuſchung und
vor Ueberſchaͤtzung ihres Werthes, „weil ſie da-
„durch endlich dahin kommen wuͤrden, daß ſie ſich
„der von ihnen aufgeſtellten Verfaſſung ſchaͤmen
„muͤßten, und unbedachtſamen Knaben gleich wuͤr-
„den, die aus der Waffenkammer ihrer Vaͤter
[75] „eine ritterliche Ruͤſtung entwenden, ſich damit
„ſchmuͤcken, den Helden ſpielen, unter der Laſt der-
„ſelben zu Boden ſtuͤrzen, und ſich die Koͤpfe zer-
„ſchlagen.“ — — „Wenn ſie mehr, als Maure-
„riſche Phariſaͤer ſeyn wollten, ſo muͤßte auch ihr
„Eifer fuͤr Ordnung, Recht, und Geſetzmaͤßigkeit
„mit der Aufklaͤrung der Begriffe waͤrmer, ihre
„Thaͤtigkeit fruchtbarer, ihr Maureriſches Betra-
„gen ſtrenger, ihr Character maͤnnlicher, feſter und
„ſelbſtſtaͤndiger geworden ſeyn. Sie muͤßten zu
„den richtigern, unter ihnen in Umlauf gebrach-
„ten Begriffen und Vorſtellungen noch einen durch-
„aus feſten und ſelbſtſtaͤndigen Character, zu einem
„hellern Verſtande die entſchloſſene Beharrlichkeit,
„in ſeinem Lichte zu wandeln; zu ihrer Erkennt-
„niß deſſen, was Recht iſt, eigene Bereitwilligkeit
„ihm zuerſt nachzuleben, ſich erwerben und uͤberall
„darlegen: dann wuͤrden ſie ſich der Wirklich-
„keit
deſſen naͤhern, was ſie ſcheinen; dann
„wuͤrden die von ihnen getroffenen Einrichtungen
„in ihrer eigenen Geiſtesſtaͤrke, nicht in einſeitigen
„Ruͤckſichten ihren Grund haben; dann wuͤrden
„dieſe Einrichtungen mehr fuͤr die innere Wuͤrde
„und Wohlfahrt, als fuͤr den aͤußern Glanz ihres
„Bundes ausgefuͤhrt werden.“


„Conſtitution, Geſetze und Rituale, ſagt er,
„helfen nichts ohne Sitten; und dieſe ſtehen groͤß-
„tentheils in eurer Gewalt. Die beſten Einrich-
„tungen helfen nichts, wenn ſie nicht von der
„Meinung unterſtuͤtzt werden, und auch die Mei-
„nung ſteht in Eurer Gewalt. Laſſet uns nicht
[76] „verhehlen, was allgemein bekannt iſt; es gab
„eine Zeit wo die Loge Royale York (durch
die ſchielende Verlaͤumdungsſucht
? ſo ſteht
es im Text: Iſts aber auch wahr? oder war die
Klage uͤber die ſchielende Verlaͤumdungsſucht nur
Vergoldung der Pille?) als ein bloßer Sammel-
„platz frivoler Genußmenſchen, als eine Gelegen-
„heitsmacherin rauſchender Freuden ausgerufen
„wurde. So wie es damahls nicht ſehr ruͤhmlich
„ſeyn mochte, ihr anzugehoͤren, ſo kann es jetzt
„und in Zukunft ehrenvoll werden, mit ihr in
„beſſerer Eintracht und innigerer Freundſchaft zu
„ſtehen.“


Noch einmal warnet er ſie, „nicht wie Knaben
„mit Dingen zu ſpielen und zu prahlen, die ſie
„wie Maͤnner thun ſollten; weil ſie ſich ſonſt nur
„in ihren Gedanken und Reden, wechſelſeitig wuͤr-
„den bewundert, und wie ſchaale Dichter durch
„ihren gegenſeitigen Beyfall ſich ſchon zum vor-
„aus den Nachruhm wuͤrden getheilt haben, den
„ihnen doch das naͤchſte Jahrzehend mit Verach-
„tung abſprechen wuͤrde.“ Frey offenbart er ſeine
Vermuthung, „daß der Standpunkt, auf welchem
„die Große Loge R. Y. damahls ſtand, mehr unter
„dem Einfluſſe einiger Wenigen, als durch allge-
„meines Nachdenken, Pruͤfen, Waͤhlen, gefunden
„und ergriffen worden ſey.“ (Feßlers Maur.
Schriften 1ter Theil S. 88. 258. 260. 283-285.)


Feßler hat weder ſich noch ſeine Bruͤder je-
mahls uͤber die Wirkſamkeit der bey der Loge R.
York
getroffenen Einrichtungen getaͤuſcht. Wenn
[77] er in ſeinen oͤffentlichen Vortraͤgen den Bruͤdern, —
mehr in dem Wunſche, daß ſie wahr machen moͤch-
ten, was er ſprach, als in dem Glauben, daß es
bereits wahr ſey, — noch ſo viel ſchoͤnes uͤber ihre
Achtung fuͤr Recht und Sittlichkeit, uͤber ihre Ord-
nung und Geſetzlichkeit, ꝛc. ſagte, ſo bekannte er
doch gleich darauf ganz freymuͤthig: „So ſcheint
„es mir; ob mich nicht der Wunſch, einem Bunde
„anzugehoͤren, der ſich mit gemeſſenen Schritten
„dem Ideale einer ethiſchen, vollkommen rechtlichen
„Geſellſchaft naͤhert, zum Glauben, daß es ſo
„ſey
, verleitet, ob es wirklich ſo iſt, das wird der
Erfolg lehren.“ (a. O. S. 307.)


Feßler wußte nur zu gut, daß „Leider die
„Freuden des Lebens oft die einzige Triebfeder
„waren, die manchen geiſtloſen Genußmenſchen der
„Loge R. Y. zugefuͤhrt hatten; es konnte nicht feh-
„len, daß dieſen alles was geſchehen iſt, mißfallen
„mußte. Es mangelte ihnen an Kraft und gutem
„Willen, ſich dem beſſern Theil gleich zu machen,
„und ſie ſahen die Unmoͤglichkeit ein, dieſen zu
„ſich herabzuziehen. Ihre Zahl aber iſt klein,
„(wahrſcheinlich wieder nur Vergoldung der Pille)
„und Langeweile haͤlt ſie von unſern ernſtern
„Stunden entfernt.“ Er bekannte jedem, der ihn
hoͤren wollte, daß er nicht mehr thun koͤnnte noch
wollte, als beſſere Formen aufſtellen, Riſſe machen
fuͤr die kunſtverſtaͤndigen, redlichen Bauleute, die
der Himmel der Loge R. Y. noch zufuͤhren moͤge.
Darum betete er auch oft in ſeiner gro-
ßen Noth
: „Herr, deine Erndte iſt groß; aber
[78] „der Arbeiter ſind wenig; ſende uns Menſchen
„von gutem Willen und Kraft!“ (a. O. S. 356.
357.)


Wie richtig und vollſtaͤndig er den zweideuti-
gen Zuſtand der Geſellſchaft, fuͤr die er arbeiten
ſollte, kannte, zeigt das Tableau, welches er den
31ten Decemb. 1800. den Bruͤdern oͤffentlich auf-
geſtellt hat: „Unſere Verſammlungen ſagte er,
„werden von einer großen Anzahl der Bruͤder
„aͤußerſt ſparſam beſucht. — — Dieß iſt zum Theil
„den Perſonal- und Local-Verhaͤltniſſen einer
„großen Stadt anzurechnen, uͤber welche nur der
ſeltnere Mann von feſtem Sinne einiger-
„maßen die Herrſchaft gewinnen kann. Wir wer-
„den daher auch nicht leicht das Gluͤck erreichen,
„daß theilnehmende Offenheit, und hingebende
„Herzlichkeit das gemeinſchaftliche und auszeichnende
„Merkmahl unſerer ganzen hieſigen Bruͤderſchaft
„werden ſollte. ꝛc. Zu wenige unter uns betrach-
„ten die Freimaurerei als Kunſt; der Unterricht
„uͤber ihr Weſen, ihre Tendenz, ihren Urſprung,
„ihre Fortſchritte, uͤber die verſchiedene Art und
„Weiſe ſie auszuuͤben, iſt ihnen daher ganz gleich-
„guͤltig. — — aus Traͤgheit — waͤhnen ſie, es
„liege in der Freimaurer Bruͤderſchaft uͤberall nichts,
„was der ernſtlichen Beſtrebung des Menſchen
„wuͤrdig waͤre, und bekuͤmmern ſich wenig darum,
„die Sache kennen zu lernen, von der ſie den
„Nahmen fuͤhren, und bisweilen auch Vortheile
„ziehen wollen.“ — — „Wir wollen noch zu oft
„entſcheiden, wo wir belehren oder Belehrung
[79] „ſuchen, abſprechen, wo wir uͤberzeugen, erſchuͤt-
„tern, wo wir nur liebevoll ruͤhren ſollten. Auch
„an Schwachheit kraͤnkelt unſer Bund noch in ei-
„nigen
(?) ſeiner Mitglieder. Zu wenig auf ihre
„eigene Kraft vertrauend, ſehnen ſie ſich nach frem-
„der Haltung, auf welche ſie vergeblich hoffen. Sie
„haben entweder zu wenig eigenen Werth, oder
„ſie fuͤhlen ihn nur ſchwach, und wollen bald den
„Mangel, bald das Gefuͤhl deſſelben, durch die
„Wichtigkeit, welche ſie auf die Meinung und den
„eingebildeten Werth Anderer legen, erſetzen. Aus
„dieſer Abweſenheit maͤnnlicher Selbſtſtaͤndigkeit
„entſpringt eine kleinliche, ſchwankende Geſinnung,
„die bei ſo manchem guten, zweckmaͤßigen Vor-
„ſchlage die aͤrmliche Beſorgniß erzeugt, was andere
„dazu ſagen werden.“ (a. O. S. 358 bis 361.)


Wie gut uͤbrigens Feßler die Leute kannte,
mit denen er zu thun hatte, wird jeder Bruder,
der den zweiten Theil ſeiner Maureriſchen Schrif-
ten geleſen hat, gruͤndlich eingeſehen haben.


  • Seite 38. „Es darf die S. E. St. Joh. Loge R.
    „Y.
    z. F. unter dem hochwuͤrdigen und der
    „Maurerei ſtets unvergeßlichen Bruder
    Schlicht nur mit der jetzigen hoch-
    „wuͤrdigen großen Loge vergleichen, und
    „die Einigkeit, Vertraͤglichkeit, Bruder-
    „liebe, maureriſche Wuͤrde ꝛc. die damahls
    „herrſchten, und welche die Loge damahls
    „ſchon ſo ehrwuͤrdig machten, von den
    „jetzt herrſchenden Vollkommenheiten die-
    [80] „ſer Art, die Feßler durch ſeine Schule
    „bewirkt hat, abziehen — und das Fa-
    „cit iſt gemacht.“

Dieſes Facit koͤnnen nur diejenigen machen,
welche in Feßlers Schriften 2tem Theil, erſtem
Abſchnitte, Maureriſcher Zuſtand der St.
Joh. Loge
R. Y. z. F. bei meiner Affilia-
tion
den merkwuͤrdigen Brief des hochwuͤrdigen
und der Maurerei ſtets unvergeßlichen Bruders
Schlichts, uͤber den ehmahligen Zuſtand der
Loge R. Y. geleſen, und wie er es verdient, be-
herziget haben.


  • Seite 39. kommt etwas, das ſo ausſieht wie Phi-
    loſophie. Ich muß, ſagt dieſer philoſo-
    phirende Mann aus der durch tuͤrki-
    ſche Traͤgheit unfruchtbar gewordenen
    Inſel Kos, meine Vernunft ausbilden,
    „mir Kenntniſſe aller Art verſchaffen, und
    „jeden Menſchen als Zweck an ſich be-
    „trachten, nie aber als Mittel wozu be-
    „nutzen, ehe ich des Geheimniſſes der
    „Maurerei empfaͤnglich werden kann.
    „Dieß alles lerne ich aber in der Loge
    „nicht, ſondern ich muß es vielmehr
    „außer derſelben lernen, und mit in ſie
    „hineinbringen. Nur Aufmunterung
    „und Reitz gewaͤhren mir Loge und
    Bruͤder.“

Wodurch? durch Laden und Richten? durch
das BillardRoyale? durch eine Partie Whiſt?
durch die erbaulichen, billig ſogenannten ver-
miſch-
[81]miſchten Sonntage? — oder durch feinere
Geſelligkeit, durch Vortraͤge, Rituale, Formen, und
Darſtellungen, welche auf die edlern Gefuͤhle des
Menſchen berechnet ſind? O, des armſeligen Men-
ſchen, welcher der Aufmunterungen und der
Reitze erſterer Art bedarf!


  • Nun giebt der Philoſophator einige unterge-
    ordnete Zwecke der Maurerei an, und
    ſchreibt bei dem zweiten: „Die Er-
    „haltung der erſten Chriſtlichen
    „Gemeinen in ihrer urſpruͤng-
    „lichen Reinheit
    S. 41. von den
    „Worten: Unterdengeheimnißvol-
    „len Gebraͤuchen“
    ꝛc. bis zu den
    Worten S. 51. (alſo wieder volle zehn
    Seiten!) „indeſſen will ich fuͤr Ein-
    „geweihte“
    ꝛc. aus dem Journal
    fuͤr Freimaurer
    , (Erſten Jahrganges
    2ten Vierteljahres) von S. 37 bis 46.
    zehn Seiten, einige Oeſterreichiſche
    Provincialismen ausgenommen, woͤrt-
    lich
    und buchſtaͤblich ab.

Und wie benimmt er ſich dabey? giebt er etwa
ſeine Quellen an? Nein; ſondern: „Ich, ſagt er,
„finde unter den geheimnißvollen Gebraͤuchen des
„Chriſtenthumes.“ ꝛc. „Ich will nicht behaupten,
„daß unſere drei Grade.“ ꝛc. „Ein Wink auf
„den Ich jeden Freimaurer aufmerkſam zu machen
wuͤnſchte.“ — „Man urtheile ob Ich recht
„hatte, die Taufe der Chriſten und den Lehrlings-
„grad der Freimaurer nebeneinander zu ſtellen. —
Zweites Baͤndch. F
[82] „Das Sacrament des Abendmahls habe Ich als
„die zweite Stufe der chriſtlichen Geheimniſſe an-
„gegeben.“ — Ich will nur einige der merklich-
„ſten maureriſchen Zuͤge aus dem Gemaͤhlde ent-
„lehnen.“ ꝛc. „Man ſieht ohne meine Erinne-
„rung daß bey meiner bisherigen Unterſu-
„chung.“ ꝛc. — Alles thut, unterſucht, findet Er,
der Mann aus Kos, nicht der gruͤndlich gelehrte
Profeſſor, Br. Michaeler, der die Abhandlung
uͤber Analogie zwiſchen dem Chriſten-
thume der erſten Zeiten und der Frei-
maurerei
geſchrieben, und ſie dem Herausgeber
des mehr erwaͤhnten Journals fuͤr Freimaurer
mitgetheilt hat. Was waͤre aus der Maureriſchen
Gelehrſamkeit dieſes Philoſophators geworden, wenn
ihm Br. H**n das zweyte Vierteljahrſtuͤck des
erſten Jahrganges dieſes Journals nicht geliehen
haͤtte? und wie dick und gelehrt wuͤrde das Taſchen-
buch zum Sackbuch angewachſen ſeyn, wenn Er
alle drei Jahrgaͤnge dieſes Journals haͤtte habhaft
werden koͤnnen. Stehlen iſt nun einmahl der
Fehler, den man den Inſulanern Schuld giebt;
warum ſollte ein gelehrter Mann aus der Inſel
Kos eine Ausnahme machen, und keine Plagiate
verkaufen?


Bey dem dritten untergeordneten Zweck, Dul-
dung
Seite 52. geht es wieder uͤber die dem
Feßler angedichtete Allſeitigkeit her.


  • Seite 61. ſchreitet der Philoſophator zu dem wichtigen
    Geſchaͤft, den einzigen und wahren
    Zweck der Maurerei anzugeben
    .

[83]

Um dieſen gehoͤrig zu deduciren, macht er eine
33. Seiten lange Digreßion, die wirklich ein Aus-
bund von gruͤndlicher Gelehrſamkeit iſt; — aber
nicht des Philoſophators, ſondern des Profeſſors
Michaeler; denn von den Worten S. 61. „ſchon
in den aͤlteſten Zeiten,“ ꝛc. bis Geheim-
niſſe zu ſeyn
. S. 71. Und von den Worten
Nur die gewaͤhlteſten Koͤpfe S. 72. bis zu
den Worten unmittelbar faſſen, S. 76. iſt
alles wieder aus der oben erwaͤhnten Abhandlung
des Br. Michaelers S. 55. bis 64. und S. 47.
bis 50. mit Auslaſſung einiger kurzen Zwiſchen-
ſaͤtze woͤrtlich und buchſtaͤblich abgeſchrie-
ben
. Was von S. 77. bis 96. wo ihn das Journal
fuͤr Freimaurer und Br. Michaeler verlaſſen haben,
(was aber wahrſcheinlich anderswoher abgeſchrieben
iſt) von der erſten Loge, welche die Apoſtel
am Sabbat nach Jeſu Tode gehalten haben, von
den Lehren der Gnoſtiker, von der hiſtoriſchen Wirk-
lichkeit eines Klerikates im Tempelorden, und end-
lich von dem wahren Endzweck der Maurerei ſelbſt
geſagt wird, iſt eine vortreffliche Nahrung fuͤr den
liebreichen Glauben des Maurervolkes, dem es
an aller Schul- und wiſſenſchaftlichen Bildung
fehlt, und welches doch etwas ſeyn, etwas wiſſen,
und etwas haben will, womit es ſich uͤber das
profane Volk, wenn auch nur hinter den vier
Waͤnden der Loge, erheben koͤnne. Denkende und
erfahrne Maurer wird der Staub dieſes geiſtar-
men Plagiators nie blenden.


F 2
[84]

Dritter Artikel.


  • Aktenmaͤßige Erklaͤrung des maureriſchen
    Ausdrucks: wir wollen einen geiſtigen
    Salomoniſchen Tempel bauen, durch drei
    mal drei.

Von S. 97 bis 105.


Die Maurer, heißt es da, bezwecken den Bau
„eines geiſtigen Salomoniſchen Tempels, der zum
„allgemeinen Vereinigungspunct der Chriſten, und
„dann uͤberhaupt des geſammten Menſchenge-
„ſchlechts diene. Es wird daher eine Anſtalt un-
„ter demſelben zu verſtehen ſeyn, durch welche die
„Aufrechthaltung der reinen Lehre Jeſu, und die
„Verehrung des großen Baumeiſters im Geiſt
„und in der Wahrheit bezweckt wird. Dies ſoll
„durch drei Dreiheiten geſchehen: 1) durch
„die Goͤttliche Dreiheit: Glaube, Hoffnung,
„Liebe, 2) durch die Maureriſche Dreiheit:
„Weisheit, Schoͤnheit, Staͤrke, 3) durch die In-
„tellectuelle Dreiheit
: Geometrie, Geolo-
„gie, Gnosis
.“


Iſt dieſe hohe Weisheit von der uralten Frei-
maurer-Bruͤderſchaft uͤberliefert worden, ſo ent-
ſteht die Frage: wo iſt die aͤchte Urkunde des Fac-
tums dieſer Ueberlieferung? denn ſagen und
nachſagen, erzaͤhlen und nachbethen gilt
nichts mehr
, ſeitdem es allgemein bekannt iſt,
[85] daß Hochanſehnliche deutſche Maurer unendlich
viel geſagt und gelogen haben. Kann dieſe Ur-
kunde nicht vorgezeigt und die Aechtheit derſelben
nicht erklaͤrt werden, ſo iſt dieſe aktenmaͤßige Erklaͤ-
rung neu gemacht, mithin bei aller Weisheit,
Schoͤnheit, und Staͤrke
, welche ſie fuͤr das
glaubende, hoffende und liebende Maurer-
volk und fuͤr geometriſche, geologiſche, und
gnoſtiſche Bruͤder des Heiligthumes haben
mag, dennoch der alten, aͤchten uͤber dergleichen Phan-
taſien erhabenen Freimaurerei durchaus fremd.


Vierter Artikel.
Meine maureriſche Laufbahn
.


Von S. 106 bis 118.


Nach einer praͤtenſionsvollen, viel verſprechenden
und nichts leiſtenden Erzaͤhlung, werden den BB.
von Caſtillon, von Beulwitz, Wach und Pal-
mier
und der ganzen Großen Landes-Loge
von Deutſchland
, einige Complimente gemacht,
welchen dieſe wuͤrdigen Maͤnner hoͤchſt wahrſchein-
lich, wie einem Rauche von Assa foetida moͤgen
ausgewichen ſeyn; und ſodann geht es en galopp
auf das Lieblingsthema der Taſchenbuͤchler X. Y.
Z., auf Br. Feßler los. Der Lebenslaufer
„lernte auch die BB. Schlicht, Feßler, Roͤ-
„ver
, von Sellentin und Joſt kennen

[86] verſteht ſich doch nur von Angeſicht, und der aͤußern
Oberflaͤche nach, wie uͤberhaupt die Kenntniſſe der-
gleichen Lebenslaufer ſind.


Feßler iſt ein guter Philoſoph, aber er
„ſchwaͤrmt und will ſchlechterdings nichts als
„Kantiſche Philoſophie aus der Maurerei
„heraus erklaͤren, oder ſie vielmehr in ſie hin-
„eintragen.“


Wie Feßler dies gethan hat, moͤgen die Leſer
aus einem, dem Bruder Feßler und der Loge R.
Y.
von einem halb boshaften und halb verruͤckten
Ex-Bruder geſtohlnen Aufſatz, der in eben dieſem
maureriſchen Taſchenbuch, unter dem Titel Geiſt
des Ordens
vorkommt, erſehen. — Bei der in
Berlin herrſchenden Logen-Frivolitaͤt heißt den, nur
nach Genuß und Zeitvertreib ſtrebenden Logen-Bruͤ-
dern, alles, Kantiſche, Fichtiſche, Schlegelſche
Philoſophie
, was ſie die Verwahrloſung ihrer
Erziehung und Bildung fuͤhlen laͤßt, oder was ſie
zu dem, ihnen ſo ver haßten Denken auffordert.


„Dabey halte ich ihn fuͤr ſehr von ſich einge-
„nommen und projectvoll.“


Das erſtere werden alle die fuͤr eine Unwahr-
heit erklaͤren, die mit Feßler, ohne ihm im-
poniren
zu wollen, auch nur vierzehn Tage ver-
traut umgegangen ſind. Ungegruͤndeten Praͤten-
ſionen und Protections-Mienen ſetzt er das ganze
Selbſtgefuͤhl des Mannes, der nicht Urſache hat,
noch es der Muͤhe werth haͤlt, mehr oder weniger
ſcheinen zu wollen, als er wirklich iſt, entgegen.
Das iſt nun ſo ſeine Eigenheit, die ihn zugleich
[87] zum letztern, zur Projectfuͤlle unfaͤhig macht. Pro-
jectmacher haben gewoͤhnlich etwas Pliantes und
Anſchmiegendes, das Feßlern durchaus fehlt.


„Der Bruder Roͤver hat in der That mehr
„maureriſche Kenntniſſe als Feßler, und iſt
„auch gerader als dieſer.“


Ueber das erſtere hat Bruder Roͤver, ehmah-
liger Associé des Herrn Quittel, ſelbſt recht herz-
lich gelacht, als er es las. Das zweite iſt
wahr, denn dieſen zuverſichtlichen Ton im Be-
haupten, und dieſen geraden Gang, in dem ſich
Br. Roͤver vorwaͤrts bewegt, macht ihm der, mit
der Unzuverlaͤſſigkeit und Beſchraͤnktheit aller
menſchlichen Kenntniſſe ziemlich bekannte, und eben
darum etwas gebeugte Feßler nicht nach.


„Er (Br. Roͤver) iſt ein Schuͤler des ver-
„ewigten Koͤppen.“


Hat er auch etwas gelernt? Er iſt ein recht-
ſchaffener Mann; dazu aber brauchte er Koͤp-
pens
Schule nicht. Wiſſenſchaftliche Kenntniſſe
der Freimaurerei hat Br. Roͤver nie vorge-
geben und Koͤppen nie beſeſſen, denn der
Africanismus iſt nicht Maurerei.


„Der Bruder von Sellentin fuͤhrt einen
„exemplariſchen Lebenswandel und iſt der
„Troſt und die Stuͤtze ſehr vieler Armen.“


Darum wird auch der Herr uͤber den 72 jaͤh-
rigen Greis ſein Antlitz leuchten laſſen.


Was der Lebenslaͤufer uͤber den Bruder Joſt
ſagt, iſt der ſchmutzige Ausdruck niedriger Rache,
durch den er ſein pag. 109. gemachtes Verſprechen,
[88] „der Tugend nicht bloß hold und ergeben zu blei-
„ben, ſondern auch Maͤßigung zu gebrauchen,“
brach. „Gut, lieber Guilleaume Lebens-
„laͤufer
, daß Du nach Wahrheit ringſt, und je-
„dem frei die Stirne bietheſt, aber Du uͤberlegſt
„nicht genug und beurtheilſt andere ſehr oft nach
„bloßem Schein. Maͤßige Dich, und Du wirſt
„gluͤcklich (und auch weniger veraͤchtlich) werden.“


„Der Bruder Feßler hat nicht nur alle
„Grade der Maurerei umgemodelt.“


Er hat ſich bemuͤhet im Jahr 1797. in die
bei der Loge R. Y. bis zu ſeiner Affiliation uͤblich
geweſenen und in der Maçonnerie Adonhira-
mitique
abgedruckten Grade: Elû de Neuf, de
quinze et de Perignan; Ecossois rouge
und
Ecosois verd, Chevalier de l’Orient, und
Chevalier Prince Souverain de Rose Croix
irgend einen vernuͤnftigen Sinn hineinzutragen,
weil ſie die Bruͤder ſchlechterdings nicht abſchaffen
wollten. Sind dieſe Poſſen Grade der Maurerei?
im Jahr 1800. wurden dieſe Grade abgeſchafft,
und man erlaubte, daß er vier moraliſche Initia-
tionen an ihre Stelle den Bruͤdern mittheilen
duͤrfte, die er aber ſelbſt nie fuͤr etwas zur alten,
aͤchten, und in ihrem Symbolo voͤllig ge-
ſchloſſenen Maurerei gehoͤriges erklaͤrt hat.


„Und aus freyen und angenommenen Maurern
„Handwerks-Maurer zu machen geſucht, wo-
„bei er ſtets auf die old marks ſich beruft.“


Es ging dem guten Guilleaume in Ber-
lin, wie es gewoͤhnlich den fluͤchtigen Lebenslaͤu-
[89] fern zu gehen pflegt: Sie laufen durch Doͤrfer
und Staͤdte, hoͤren laͤuten, und wiſſen nicht wo
die Glocken haͤngen.


„Auch Manuſcripte aus dem Anfang des ver-
„floſſenen Jahrhunderts aufweißt.“


Das aufweiſen iſt ihm nie in den Sinn gekom-
men, wohl aber beruft er ſich dort, wo er verſtan-
den wird, auf noch aͤltere Documente, ſo ungefaͤhr
wie ſich der Kirchenhiſtoriker auf aͤchte, kritiſch
bewaͤhrte Urkunden beruft, wenn er ſie auch ge-
rade nicht unter den autographis oder apographis
in ſeiner Bibliothek liegen hat.


„Sein achter Grad iſt ein Meiſterſtuͤck von
„philoſophiſcher Taͤuſchung und Nichtmau-
„rerei.“


So ſpricht der Blinde von der Farbe.


„Der wahren Maurerei kann und wird er
„nie ſchaden.“


Nein, guter Guilleaume, das thut Feß-
ler
gewiß nicht, weil er ſie zu gut kennt und zu
hoch achtet: fuͤr beides ſind ſprechende Beweiſe da,
die nur ſo fluͤchtigen Lebenslaͤufern unbekannt oder
unverſtaͤndlich bleiben muͤſſen.


„Und ſeine neugemodelte Maurerei wird ſicher
„nicht das Alter der einmahl ſeit Jahrtau-
„ſenden beſtehenden, erreichen.“


Weil dieſe neugemodelte Maurerei nirgends, als
in dem verworrnen Gehirne des ignoranten Logen-
Volkes da iſt. Feßler war nie ſo toll, die alte,
aͤchte Maurerei umſchaffen oder eine neue modeln
zu wollen.


[90]

„Wie es heißt, hat ihn die Meiſterverſamm-
„lung von Royale York ſogar excludirt.“


Was und wie es geſchehen iſt, wiſſen die Bruͤ-
der aus Feßlers 2tem Theil actenmaͤßig, auch
war das, was geſchehen iſt, ganz in der Ordnung.
KM. B**. wollte bei der Loge R. Y. aufgenom-
men werden, und wurde hellleuchtend ballotirt.
Am Tage der Aufnahme wurden zwei falſche,
von zwei Juden ſchriftlich ausgeſtellte Zeug-
niſſe
wider B. herbeigebracht, und B. wurde ab-
gewieſen. Nach zwei Jahren wurde er wieder zur
Aufnahme vorgeſchlagen; weil aber einige Bruͤder
auf den Grund der falſchen Zeugniſſe noch immer
eine Abneigung gegen B. hatten, ward der Vor-
ſchlag zuruͤckgenommen. B. verlangte darauf ein
Empfehlungs-Schreiben an einen Bruder in Ham-
burg von Feßler, dieſer gab es ihm, und ſagte
in dem Schreiben: daß in Berlin eine ſchaͤndliche
Cabale (das falſche ſchriftliche Zeugniß zweier Ju-
den) der Aufnahme des B. im Wege geweſen
waͤre. B. ward in Hamburg aufgenommen. Nach
der Zeit ward Feßlers Empfehlungs-Brief in
Berlin bekannt. Der Maurermeiſter Wendt for-
mirte auf den Grund dieſes Briefes eine Anklage,
daß Feßler die ganze ehrwuͤrdige Meiſterſchaft
der L. R. Y. einer Cabaie wider B. beſchuldiget,
mithin die ganze Loge beleidiget haͤtte. Die große
Loge remittirte dieſe Klage an die Meiſterſchaft,
mit der Frage, ob ſie dieſe Sache zu der Ihrigen
machen wolle? Dieſe erklaͤrte ſich affirmativ unter
der Bedingung, wenn alles wirklich ſo
[91] iſt, wie es der Maurermeiſter Wendt an-
gegeben hat
, und uͤberließ der großen Loge
Unterſuchung und Entſcheidung. In der großen
Loge wurde die Frage aufgeſtellt, ob man den Br.
Feßler uͤber die Anklage-Punkte vorlaͤufig hoͤren,
oder ihn lieber ohne weiteres aus der Logen-Bruͤ-
derſchaft entlaſſen ſollte. Die Stimmen ſtan-
den
, und nun wurde, gegen den beſchwornen
Grundvertrag
pag. XXVIII. §. 8. Zeile 13.
Alles wirdetc. und pag. LXIV. §. 54. ver-
fahren und beſchloſſen, dem Br. Feßler ohne
weiteres Gehoͤr ſeine Entlaſſung zuzuſenden. Da-
gegen proteſtirte nachmahls der Großmeiſter, und
rufte die große Loge noch einmahl zuſammen, wo
beſchloſſen und protocollirt wurde: Daß es bei
dem in der letzten Verſammlung gefaß-
ten Beſchluſſe verbleiben muͤßte
, dem Br-
Feßler jedoch drei Wochen Friſt gelaſſen wuͤrden,
um ſich zu verantworten, jedoch immer mit der
Bedingung, daß es bei ſeiner beſchloſſenen
Entlaſſung ſein Verbleiben haͤtte
. Dem
unwiderruflich entlaſſenen Br. Feßler
wurde ſodann dieſe drei woͤchentliche Verantwor-
tungsfriſt angekuͤndigt und ihm uͤberlaſſen, was
er thun wollte. Er that das allernatuͤrlichſte. Ganz
daruͤber erſtaunt, 1) daß die Meiſterſchaft der
L. R. Y. die Schande, des von zwei Juden
ſchriftlich ausgeſtellten falſchen Zeugniſſes, zu
ihrer Sache gemacht haͤtte; 2) daß die zeitigen
Regenten der Gr. Loge eine Angelegenheit, die
nach dem beſchwornen Grundvertrag ausſchließend
[92] vor die Loge Urania zur Unſterblichkeit gehoͤrt
haͤtte, vor ihr Forum gezogen habe; 3) daß die
Gr. Loge ſelbſt in der Verhandlung dieſer Sache
bei der Gleichheit der Stimmen, gegen den be-
ſchwornen Grundvertrag verfahren ſey; 4) daß ſie
die Inconſequenz beging, vorher ſeine Dimiſſion
zu beſchließen, und ihm hernach Friſt gab, ſich zu
vertheidigen; gab Feßler ſelbſt ohne weiteres ſeine
Dimiſſion, mit voͤlliger Verzichtleiſtung auf alle
Schonung, alle Abſchiede, Dimiſſionen, Urtheile
und Erkenntniſſe; und verbat ſich fuͤr alle Zu-
kunft jede Zuſchrift, Nachricht und Communica-
tion ſowohl von der Gr. L. als auch von den da-
ſelbſt vereinigten St. Joh. Logen.


Alle dieſe Thatſachen und der ganze Gang der-
ſelben, ſind in Feßlers Maureriſchen Schriften
2. Th. unter dem Abſchnitte Maureriſcher In-
jurien
-Prozeß mit authentiſchen Actenſtuͤcken,
Documenten und Protocollen belegt und erwieſen. *)
[93]Feßler aber iſt dadurch wenigſtens uͤber 156
Abende Herr geworden.


„Ein altes ehrwuͤrdiges Syſtem, das man
„erhalten und fortgepflanzt zu ſehen wuͤnſcht,
„mir nichts dir nichts in ein nagelneues und
„einem dramatiſchen Roman aͤhnliches um-
„wandeln ſehen, muß den Verehrer eines
„ſolchen Syſtems auf’s innigſte ſchmerzen.


Dieß alte ehrwuͤrdige Syſtem beſtand bei der
Loge Royale York 1) aus dem Ritual der fran-
zoͤſiſchen, in der Maçonnerie Adonhiramitique ab-
gedruckten 3 St. Johannisgraden; 2) aus den eben
daſelbſt abgedruckten hoͤhern Graden des Elûs, des
Ecossois rouge et Verd, des Chevalier de
l'Orient,
und des Prince Souverain de Rose-
Croix;
3) dem Code maçon. Wem dieß ein
Syſtem heißt, wem dieß alt und ehrwuͤrdig iſt,
wer dieß erhalten und fortgepflanzt zu ſehen wuͤnſcht,
dem helfe Gott! — unter Menſchen iſt keine Huͤlfe
fuͤr ihn. — Friede ſey mit dem laͤngſt abgeſchie-
denen Geiſte dieſes Lebenslaͤufers.



[94]

Fuͤnfter Artikel.
Feßler
, geſchildert als Menſch, als hiſto-
riſcher Roman-Dichter und als Maurer.


Von S. 119 bis 128.


Feßler — — entflohe dem Kloſterleben.“


Das iſt nicht wahr. Nachdem Feßler noch als
Kapuciner auf der Wiener Univerſitaͤt ſeine theo-
logiſchen Studia und Examina rigorosa vollen-
det hatte, ernannte ihn Kaiſer Joſeph, noch
als Kapuciner, zum Profeſſor Ordinarius der
Orientaliſchen Sprachen und Bibliſchen Exegeſe
fuͤr die Univerſitaͤt in Lemberg; worauf er, von
ſeinen Ordensobern foͤrmlich und fuͤr immer aus
dem Orden entlaſſen
worden iſt. Die ge-
richtlich vidimirte Entlaſſungsacte iſt er bereit je-
dem rechtlichen Manne vorzuzeigen.


Was Seite 120 und 121 ſtehet, iſt Sache des
Geſchmackes, und hierin muß jeder unbedingte
Freiheit haben. Wer Feßlern nicht anſehen kann
oder nicht anſehen will, aus Furcht, der Moͤnch
moͤchte zu viel und zu tief in ihm ſehen, der wende
ſein Antlitz von ihm ab; in Feßlers Seele ſieht
es nicht ſo arg aus. Zwar kommt er jedem frem-
den Menſchen mit der hellen und lebhaften Ueber-
zeugung entgegen, „daß die meiſten Menſchen in
„der Regel
, ſo wie ſie in Anſehung ihres Koͤr-
„pers nur gekleidet, und zwar groͤßtentheils uͤber
[95] „ihren Stand gekleidet ausgehen, eben ſo auch in
„Anſehung ihrer Sinnes- und Gemuͤthsart nur
„maskirt und verlarvt in Geſellſchaft erſcheinen;
„daß keiner, was er iſt, zeigen, jeder nur ſcheinen
„will was er nicht iſt; daß ſie Religion und Mo-
„ral nur fuͤr andere haben, und die Grundſaͤtze
„die ſie ausſprechen, bei ihnen nichts weiter ſind
„als Gemeinplaͤtze auf welche ſie ſich fluͤchten,
„wenn ſie ihre verrathenen Bloͤßen decken wollen,
„oder wenn ſie auf Inconſequenzen und Unbe-
„ſonnenheiten ertappt werden:“ aber in der Beur-
theilung und Behandlung des einzelnen Menſchen
kann weder eine innere Ueberzeugung, noch eine
aͤußere Einwirkung ſeinen Blick von der Wahrheit
abziehen: „daß der Maaßſtab, nach dem jeder
„Menſch die Pflichten des Lebens erfuͤllen ſoll,
„oder erfuͤllet hat, das Erzeugniß ſeines eigenen
„Geiſtes ſei, daß er in ſeinem Innerſten liege,
„kein anderer Sterblicher es wagen duͤrfe, uͤber
„den Gehalt deſſelben zu entſcheiden, und jeder
„die Richtigkeit deſſelben lediglich vor ſeinem Ge-
„wiſſen und vor Gott, zu erproben habe; daß
„nur der vermeſſene Selbſtling, der ſich ſelbſt
„noch durchaus ein Raͤthſel iſt, die Thorheit bege-
„hen koͤnne, in das Innere ſeines Nebenmenſchen
„ſchauen zu wollen; daß es daher uͤberall hohe
„Zeit ſei, aufzuhoͤren, in unſern Urtheilen uͤber
„Menſchen in das Amt des Gewiſſens und in die
„Rechte der Gottheit eingreifen zu wollen.“ Es
iſt ein Ungluͤck fuͤr Feßler, daß er, ſowohl waͤh-
rend ſeines eilfjaͤhrigen Kloſterlebens, als waͤhrend
[96] ſeines neunzehnjaͤhrigen Lebens in und mit der
Welt noch wenig Menſchen gefunden hat, die nicht
gleich, nachdem man uͤber das Wetter einig gewor-
den, und mit den Altagsneuigkeiten fertig iſt, ent-
weder den Ueberrock unvermerkt weg ſchoben, um
den ihr Herz und ihre Menſchheit voͤllig zerdruͤcken-
den Stern ihrer Gelehrſamkeit zu zeigen, oder in
das Moraliſiren verfielen. Mit den Erſtern
waͤre noch auszukommen, aber mit den letztern iſt
es arg. Moraliſirend betruͤgen ſie jeden Schwach-
kopf um ſeine Aufmerkſamkeit und Achtung;
moraliſirend wollen ſie die Aufmerkſamkeit des
ſcharfſichtigern Geiſtes von ſich ablenken, mora-
liſirend toͤdten ſie gute Nahmen Haufenweiſe wie
Fliegen, moraliſirend verleumden ſie jeden, der
ihrem Stolze nicht froͤhnen, ihrem Eigennutze nicht
dienen will, oder von dem ſie nur in der Ferne
fuͤrchten, daß er einmahl ihr ausſaͤtziges Fleiſch
und ihre Eiterbeulen entdecken koͤnnte. Die mora-
liſirenden Menſchen
alſo, und nur die wer-
den am oͤfterſten an Feßler irre werden, denn in
der Regel faͤngt er bei dieſen mit ſtiller Aufmerk-
ſamkeit an, faͤhrt mit Offenheit und Freimuͤthig-
keit fort, und macht mit entfernender Zuruͤckhal-
tung, dem ſichern Merkmale, daß er ſich nicht
blenden laſſe, den Beſchluß. — Bei dieſer auf-
richtig angegebenen und mit ihm alt gewordenen
Sinnes- und Gemuͤthsart, muß er es ſich freilich
gefallen laſſen, wenn Phantaſien, wie Herr von
Held
„ſeine Perſon und Phyſiognomie eher zu-
„ruͤckſtoßend als anziehend“ finden, und „ihn am
„lieb-
[97] „liebſten mit Sieyes oder mit dem Armenier
„in Schillers Geiſterſeher vergleichen wollen.“
Es wuͤrde anders ſeyn mit ihm, waͤre er den ge-
woͤhnlichen gemaͤchlichen Menſchengang, aus ſei-
ner Eltern Hauſe auf die Schule, von der Schule
auf die Academie, von dieſer in ein Aemtchen,
aus dieſem in ein Amt, mit dem Amte zu einer
Frau, und durch dieſe in connexionsreiche Fami-
lien eingefuͤhrt worden; ſo aber war Sturm und
Drang ſein Loos, das ihm jetzt nur Ruhe und
Einſamkeit wuͤnſchenswerth macht.


Von dem Facto, daß Bruder Mathieu, der
Apotheker, der koͤnigliche Hofrath, nicht einmahl
Zutritt zu ihm in ſeine Stube erlangen konnte,
iſt Feßlern nichts bewußt. Was kann er dafuͤr,
wenn ſeine Domeſtiquen, die ſeinen Zeitwucher
kennen, in ihrem Dienſteifer bisweilen zu weit
gehen. Wie viele Bruͤder der Loge R. Y. haben
hingegen ſo manchen Morgen zwey auch drey
Stunden bei Feßler verlebt?


Seite 123. ſtehen wieder einige Unwahrheiten.
Nicht Br. Boͤheim ſondern Br. Maurer hat
mich mit dem Hochw. Br. B** bekannt gemacht.
Auch nicht nach der Bekanntſchaft mit dem Hoch-
wuͤrdigſten Bruder B***, ſondern lange vorher
hat ihn die Loge R. Y. affiliirt, wie es in ihren
Protocollen und in ſeinen Maureriſchen Schrif-
ten 1. Th. S. 445. zu leſen ſteht. Die Andich-
tungen der Abſichten, eine Rolle zu ſpielen, als
Schoͤpfer eines neuen Syſtems zu glaͤnzen, und
Zweites Baͤndch. G
[98] als Gelehrter der Praͤſident mehrerer gelehrten
Geſellſchaften zu ſeyn, iſt haͤmiſch und niedrig.


Fichte ward nicht von Feßler verdraͤngt,
ſondern durch einen anmaßenden Brief, von Br.
B** als vicarirenden Meiſter vom Stuhl indig-
nirt, gab Er ſeine Dimiſſion ſelbſt mit deutlicher
Angabe der Gruͤnde.


Dabei iſt es doch wahr, daß einige Tage ein
Mißverſtaͤndniß zwiſchen Br. Fichte und Br.
Feßler obgewaltet hat, weil man dem Erſtern
inſinuirte, daß aus der in den Eleuſinien S. 207.
abgedruckten Rede des Letztern einige Stellen auf
ihn gedeutet werden muͤßten. Dieſes Mißverſtaͤnd-
niß ward aber bald gehoben, als Feßler Fichten
mit der eigentlichen Tendenz ſeiner Rede bekannt
gemacht, und Fichte eingeſehen hatte, daß die
kriechendſten Schmeicheleien von der einen,
und die boshafteſten Inſinuationen von
der andern Seite der Bruͤderſchaft, den Br. Feß-
ler
, der beides bis zum Ueberdruß ſatt hatte, zu
dergleichen kraͤftigen Herzensergießungen nothge-
drungen haͤtten.


Wenn es nun weiter heißt S. 125.


„Der Genius der Maurerei wird ſtets auf
Feßler zuͤrnend herabſehen,“ ꝛc.

ſo kann dieſer unberufene Menſchenwuͤrdiger
verſichert ſeyn, daß der Genius der Maure-
rei
und Feßler ſehr gute Freunde zuſammen
ſind, und oft recht herzlich uͤber die poſſierlichen Dinge
lachen, welche die Menſchen unter dem Nahmen
Maurerei, hier und da in und außer Berlin treiben.


[99]

Auch was Seite 127 ſteht, daß Feßler ſeine
Maureriſche Laufbahn damit endete, daß
„er ſeinen Abſchied ungebethen erhielt:“

iſt nicht wahr, denn Feßler wandelt ſeine Mau-
reriſche Laufbahn thaͤtig fort. Koͤnnen denn die
Menſchen nicht aufhoͤren, Schnecken zu ſeyn, die
ihr kleines Haͤuschen fuͤr die ganze Welt halten!
Die LogeRoyale Yorkin Berlin iſt eben ſo
wenig die ganze Freimaurer Bruͤderſchaft,
als ſo manches bunte Logenweſen — Freimau-
rerei
. Die Entſcheidung, ob Feßlers Abſchied
ihm, oder der Loge Royale York zur Schande
gereiche, bleibt den Leſern des zweiten Theils ſei-
ner Maureriſchen Schriften uͤberlaſſen.


„Moͤge er doch ewig aus unſerm Bund ge-
„ſchieden ſeyn!


Das iſt Feßler gewiß, und wohl ihm! denn
indem er aus dem kleinlichen und beſchraͤnkenden
Verhaͤltniß der Logen-Bruͤderſchaft ausgetreten iſt,
kann er mit ganzer Seele jedes aͤchten und unter-
richteten Freimaurers Bruder ſeyn. Eben darum
aber kann er den Wunſch,
„daß er ſich nie mehr mit Maurerei befaſſen
„moͤge,“

unmoͤglich befriedigen, wenn ihm auch dieſer Men-
ſchenwuͤrdiger auch noch die Achtung als Menſchen
und Gelehrten verſagen ſollte. — Der wunder-
bare Menſch! Beinahe ſollte man glauben, er
wuͤßte, was Maurerei iſt!


G 2
[100]

Sechster Artikel.
Geſchichte des vom Bruder Feßler ehe-
mahls projectirten Evergetenordens in
Schleſien.


von S. 129 bis 174.


Die vollſtaͤndigen Aufſchluͤſſe uͤber den
Evergetenbund in Schleſien. Herausge-
geben von Feßler, in 8. Berlin bei San-
der, 1803
. werden bald vor den Augen des leſen-
den Publikums liegen, und in allen Buchhandlun-
gen zu haben ſeyn. Wer dieſen Aufſatz im maure-
riſchen Taſchenbuche geleſen hat, uͤber die daſelbſt ge-
wagten Angriffe auf Feßler ein Urtheil fuͤr oder
wider ihn faͤllen will, und dabei Wahrheit und
Gerechtigkeit in Ehren haͤlt, dem iſt es Pflicht,
auch die erwaͤhnten vollſtaͤndigen Aufſchluͤſſe, die
aus lauter noch ungedruckten eben ſo lehrreichen
als wichtigen Actenſtuͤcken beſtehen, zu leſen. Hier
koͤnnen die im v. Heldſchen Aufſatze ausgeſprochenen
Unwahrheiten nur ganz kurz berichtiget werden.


  • Seite 137. heißt es: „Am folgenden Tage ging ich
    „zwar wieder zu D** erfuhr aber eben
    „ſo wenig.“

Herr von Held haͤtte aber doch ſchon auf das
Ganze ſchließen koͤnnen; denn er mußte ja, nach der
von H. v. L*** gemachten Einrichtung, in Berlin
ſeine Character-Schilderung anfertigen, und ſich
[101] ein Thema zu einer moraliſchen Abhandlung waͤh-
len. Dies Factum ſcheint Er vergeſſen zu haben.


  • Seite 138. „Die Antwort Z*** s war, daß der
    „Profeſſor Feßler in Carolath der, L.
    „v. L*** in G**, er Z*** und einige
    „andere auf den Einfall gerathen waͤren,
    „eine eigene geheime Verbindung zu
    „ſtiften.“

Feßlern konnte Z*** in ſeiner Antwort an
Herrn von Held unmoͤglich genannt haben, denn
damahls wußte Z*** ſelbſt noch nichts von Feß-
lers
Theilnahme an dieſer ganzen Sache.


  • Seite 143. „Ich habe daher Feßlern ſonſt ſehr
    „geſucht, und aus eigenem Antriebe oft zu
    „den Fuͤßen dieſes Gamaliels geſeſſen.“ ꝛc.

Außer der erſten Bekanntſchaft im Redouten-
ſaale zu Glogau bis October 1793. hat Feßler
nie mehr die Ehre gehabt, Herrn von Held zu
ſeiner Seite oder zu ſeinen Fuͤßen ſitzen zu ſehen.
Nur ein einziges Mahl, im Jahr 1790., als er
dem Fuͤrſten von C*** in Glogau einen Beſuch
machte, ſah ihn Feßler wieder; doch ohne eine
ſchickliche Gelegenheit, mit ihm zu ſprechen. Es
duͤrfte daher auch der Feßler, den Herr von Held
S. 144. ſchildert, ſchwerlich in der Welt ſeyn.


Seite 146. „Mir mißfiel das Ding von Hauſe aus.“


Und das war ganz natuͤrlich; denn alles war
von Feßler darauf angelegt und berechnet, die
guten Menſchen, die ihn, nicht zur Stiftung,
ſondern zur Einrichtung dieſes Bundes draͤng-
ten, zum fleißigen Leſen, Denken, Studieren, Beo-
[102] bachten, Vergleichen, kurz, zur wiſſenſchaft-
lichen und moraliſchen Selbſtbildung
an-
zuleiten, um auf dieſe Weiſe den Welt-Ver-
beſſerungs-Paroxismus
unvermerkt in ihnen
zu erſticken. Da mußten nun eben ſo natuͤr-
lich in Feßlers Plan, „die Erde und die politi-
„ſchen Verhaͤltniſſe auf derſelben voͤllig uͤbergan-
„gen werden.“


  • Seite 148. „Das ſchlimmſte war, daß Feßler die
    „weishauptiſche Methode beim Illumina-
    „ten-Orden nachahmte, und ein Mit-
    „glied
    immer zum Controlleur oder viel-
    „mehr zum Spion des andern machte.“

Dieß iſt eine Unwahrheit, die ſich durch die
perſoͤnlichen Umſtaͤnde der Mitglieder, deren jedes
von dem andern mehrere Meilen entfernt wohnte,
von ſelbſt widerlegt. Und weder aus den Statu-
ten noch aus irgend einem von Feßler geſchriebe-
nen Briefe, kann eine Spur angegeben werden,
aus der ſich dieſe Beſchuldigung wahrſcheinlich
machen oder erweiſen ließe. Nur zur Pruͤfung
aufzunehmender Candidaten waren alle die Vor-
ſchriften und Maßregeln da, welche einer Geſell-
ſchaft, die ſich mit etwas reellerm, als mit Spiel
und Tobakrauchen und Zeitungen beſchaͤftigen
wollte, unentbehrlich waren.


  • Seite 149. „Ich ſelbſt bekam eine ſolche Kritik
    „uͤber mich zu leſen, die der B. F — n
    „darum von mir hatte entwerfen muͤſſen,
    „weil ich in meiner fruͤhern Jugend andert-
    „halb Jahre ſein Mitſchuͤler geweſen war.“

[103]

Es war keine Kritik ſondern eine Anzeige un-
laͤngſt
geſchehener Thatſachen, auf welche die Ge-
ſellſchaft mit Recht aufmerkſam gemacht wurde.


  • Seite 153. „Ewig unbegreiflich wird es mir blei-
    „ben, wie Feßler fuͤr ſeinen weitſchichti-
    „gen Welt-Verbeſſerungs-Plan
    „ſolche
    Saͤulen wie wir waren, waͤh-
    „len konnte.

An dieſer Unbegreiflichkeit iſt Herr von Held
ganz allein ſelbſt Schuld. Er haͤtte nur aus der
ganzen Geſellſchaft und aus Feßler nicht machen
ſollen, was ihm ſeine Imagination vorgaukelte,
ſo haͤtte er eingeſehen, daß Feßler gar keinen
Welt-Verbeſſerungs-Plan
hatte, ſondern
daß ſich alle ſein Thun und Treiben, um die ganz
einfache Wahrheit: „Laßt uns nur ſelbſt erſt
beſſer werden, dann wird es auch in der
Welt bald beſſer ſeyn
, herumdrehte.


  • Seite 155. Nach meiner Ueberzeugung hat Feßler
    „das Weſentliche aus dem Evergeten-
    „Project, auf die Loge R. Y. in Berlin
    „uͤbergetragen, und es nur anders mo-
    „dificirt und amplificirt.

Dieß iſt eine ſehr irrige Ueberzeugung und die
angegebene Thatſache iſt durchaus unwahr, wie es
jedermann, der dazu befugt iſt, einſehen kann, ſo-
bald er die Rituale, das Conſtitutionsbuch
der Loge
R. Y. und Feßlers Maureriſche
Schriften
2 Theile, mit Feßlers vollſtaͤndi-
gen Aufſchluͤſſen uͤber den Evergeten-
bund in Schleſien
vergleicht.


[104]

Eben ſo unwahr iſt es, daß S. 158. den 15.
Junius 1800., wo Br. Z*** von mir, und Herr
von Held von dem verſtorbenen Geheimen Rath
Labaye zum Logenfeſte gebethen war, und uͤber
100 Mitglieder verſammelt waren, die Armenſamm-
lung nur zwei Thlr. eilf Groſchen betrug.
Jeder, der befugt iſt, das Protocoll der Großen
Loge von dem angegebenen Feſttage, nachzuſehen
wird ſehen, wie raſch die Imagination mit Herrn
von Held um die Wahrheit herumwalzt.


  • Seite 164. „Heucheley war die ganze Procedur
    „mit dem verſtorbenen Major Bren-
    „kenhoff
    .“

Feßler hat den ſeligen Major von Bren-
kenhoff
als einen rechtſchaffenen Mann, und als
thaͤtigen, der groͤßten Aufopferungen faͤhigen Men-
ſchenfreund kennen gelernt, und als ſolchen geachtet.


„Heucheley die kriechende Lobrede, die Feßler
„dem ꝛc. R** in der Loge hielt, denn außer
„der Loge wurde uͤber Brenkenhoffs Gut-
„muͤthigkeit und uͤber R** ganz anders ge-
„urtheilt.“


Es iſt Luͤge, daß Feßler dem General L. von
R** jemahls in der Loge eine Lobrede gehalten,
Luͤge, daß er von Brenkenhoff und vom G.
L. v. R** jemahls, und in was immer fuͤr einer
Geſellſchaft anders, als mit Achtung geſprochen
hat; und Luͤge alle die Heucheleyen die pag. 166.
noch folgen.


  • Seite 166. „Zuletzt wendete mein Herz ſich nothge-
    „drungen von Feßler ab, weil er darum
    [105] „wußte, als ich im Februar des vorigen
    „Jahres 1801. in der Loge R. Y. aus-
    „gehorcht werden ſollte.“ ꝛc.

Davon wußte Feßler ſo wenig, daß er viel-
mehr ſelbſt den 8. Sept. 1801. an Herrn von
Held ſchrieb: Er moͤchte ihm ſchriftlich anzeigen,
ob und auf was Art ihn der Br. T. in der Loge
R. Y. ausgehorcht haͤtte, auch moͤchte er ihm den
Verlaͤumder nennen, welcher ihm die in ſeine De-
fenſion aufgenommenen, Ehre verletzenden Vorſtel-
lungen von der Loge R. Y. beigebracht habe. Worauf
Herr von Held folgendes an Feßler erwiederte.


Berlin, Mittwoch den 9. Sept. 1.


„Ich habe Dein Schreiben geſtern erhalten,
„und erwiedere vorlaͤufig darauf, daß eine Menge
„reißender Gemuͤthsbewegungen, und Schreibe-
„reien, und Geſchaͤfte mich abhalten, Dir auf der
„Stelle alles das zu antworten, was ich in Be-
„treff dieſes boͤſen Gegenſtandes zu ſagen habe,
„und Dir ſagen muß, weil ich wenigſtens noch
„die Empfindung ehre, die ich ehemahls fuͤr Dich
„gehabt habe. Sonntag fahre ich ab nach Span-
„dau. Kann ich jene Antwort, die, da ſie nicht
„bloß von T. ſondern hauptſaͤchlich von Dir und
„Deiner Fuͤhrung Deiner Loge handeln wird, viel
„mehr umſpannt, als Du gefragt haſt, bis dahin
„zu Stande bringen, ſo werde ich ſie Dir durch
„B. ſchicken; wo nicht, ſo mußt Du warten, bis
„ich ſie in Spandau beendige. Auf alle Faͤlle
„verlaß Dich darauf, daß ich ſie Dir nicht ſchul-
[106] „dig bleibe, und ſie ſpaͤteſtens innerhalb der naͤch-
„ſten vierzehn Tage geben werde.“


„Statt an mich zu ſchreiben, und mit B. das
„nur Dir ſchaͤdliche und ſehr ſeltſame Geſpraͤch zu
„fuͤhren, haͤtteſt Du kluͤger gethan, kuͤrzer zu ver-
„fahren, und mit T. und etwa noch zwei Bruͤdern
„Deiner Loge, wobei ich den mir ſehr ſchaͤtzbaren
„G. R. H. ſehr gern geſehen haͤtte, zu mir zu
„kommen, da man in einer halben Stunde mehr
„ſprechen, als in acht Tagen ſchreiben kann. Ein
„paar Begleiter haͤtten ja als Zeugen dienen koͤn-
„nen, und Du wuͤrdeſt ja gehoͤrt haben, was T.
„mir gegenuͤber vorzubringen im Stande geweſen
„waͤre. Ich ſtelle Dir dieß noch anheim, bitte
„Dich aber nicht darum, da jetzt im ſiebenten
„Monat meines Arreſtes, Dein Beſuch als Freund-
„ſchaftsſache fuͤr mich keinen Werth mehr hat.
„Haͤtteſt Du mich, an den Du Dich geſtern doch
„noch Treuergebener unterſchriebſt, fruͤher be-
„ſucht, ſo wuͤrdeſt Du Dir und der Loge dieſe
„ganze Verdrießlichkeit wahrſcheinlich erſpart haben;
„aber wer ſich von mir abloͤſet, muß ſich denn
„auch gefallen laſſen, wie*) ich mich von ihm
„abloͤſe. Waͤre das Treuergebener Wahrheit,
„ſo wuͤrdeſt Du wohl bald nach meiner Arretirung
[107] „mich beſucht haben, zumal da Dein Bewußtſeyn
„Dich mahnen mußte, daß Du wohl thaͤteſt, mit
„mir zu ſprechen. Den, der um ſolcher Urſach
„willen wie ich, ungluͤcklich iſt, zu beſuchen, macht
„niemanden Schande. Deine Abſtracta erwaͤr-
„men kein Herz zum nachdruͤcklichen Handeln, ich
„folge meinen Idealen, und nehme ſie in jeden
„Kerker ohne Reue mit. Giebt es eine Zukunft,
„ſo iſt ſehr die Frage, ob ſie mehr fuͤr ein blutend
„Herz, als das meine, oder fuͤr einen ſo poroͤſen
„Character, als der Deine, entſcheiden wird. Ich
„fuͤhre aus, was Ihr ſingt:“
„Laß uns nie der Dummheit Tempel bauen,
„Lehre der Gewalt uns widerſtehn!“


„Und ich habe nur durch Wahrheit in mei-
„nem Thun, Genuß von meinem Daſeyn. Leere
„Formen und Manoͤvers gnuͤgen mir nicht.“


„Nur um, wenn es moͤglich waͤre, der trauri-
„gen und druͤckenden Muͤhe uͤberhoben zu ſeyn,
„uͤber eine garſtige Sache viel zu ſchreiben, ſchlage
„ich Dir eine baldige Viſite bei mir vor. T. und
„H. muͤßten jedoch auf alle Faͤlle dabei ſeyn, und
„zwar nach fuͤnf Uhr Abends. Ohne Zeugen
„waͤre dieß Colloquium unzweckmaͤßig. Willſt du
„es aber auf eine ſchriftliche Antwort von mir,
„die Du doch in der Loge vortragen muͤßteſt, an-
„kommen laſſen, habeas tibi!“


von Held.


[108]

Hierauf ſchickte Feßler folgendes Schreiben an
Herrn von Held.


„Berlin den 10. Sept. 1801.


„Vorlaͤufig melde ich Dir, daß, wenn es mir
„gelingt, die noͤthigen Perſonen, nehmlich die bei-
„den G. V., worunter H. iſt, den G. S. und
„T. zu bewegen, daß ſie mich begleiten, wir heute
„Abend halb fuͤnf Uhr bei Dir erſcheinen werden.
„Fuͤr jetzt nur noch ein paar ernſte und aufrich-
„tige Worte, als Mann dem Manne.“


„Du nenneſt das, woruͤber ich mir Eroͤrterung
„und Angabe von Dir erbitten mußte, einen boͤ-
„ſen Gegenſtand; das mag und ſoll er von Rechts-
„wegen fuͤr den ſeyn, der boͤſe und unrechtlich ge-
„handelt hat.“


„Du willſt in Deiner Antwort nicht blos von
„T. ſondern hauptſaͤchlich von mir, und meiner
„Fuͤhrung meiner Loge handeln; das magſt Du
„thun; aber zur Fuͤhrung unſers Prozeſſes gegen
„den boshaften Verlaͤumder, der Dich betrogen
„und inducirt hat, ſeine Verlaͤumdung als Wahr-
„heiten in Deine Defenſion aufzunehmen, iſt es
„nicht nothwendig, ob es gleich mir als ein Bei-
„trag zu den Menſchen-Urtheilen uͤber einen Ge-
„genſtand, den ſie zu erkennen ſich nicht bemuͤhet
„haben, immer ſchaͤtzbar bleiben wird, was Du
„auch immer uͤber den Grundvertrag und die
„Geſetze der Loge R. Y., ſo wie uͤber meine Art
„und Weiſe, Grundvertrag und Geſetze zu execu-
„tiren, ſagen magſt. Liegt Dir daran, wahr zu
[109] „ſeyn, ſo wiſſe, daß Grundvertrag und Geſetze vor
„den Augen der Welt daliegen, dieſe moͤgen nun
„Dir und hundert andern gefallen oder nicht, ich
„muß der Executor derſelben ſeyn oder austreten:
„ſo wiſſe, daß ich ſelbſt an der Execution nur
einen Theil habe, und daß, K. C. und H.,
„meine Mitexecutoren, leſen, das Geleſene verſtehen
„koͤnnen, und keine feile Jaherren ſind, mithin auch
„nur thun laſſen und mitthun, was dem Grund-
„vertrag und Geſetzen gemaͤß geſchehen ſoll, nicht
„was ich will. Du mußt Dich nicht zu der Klaſſe
„meiner elenden Lobredner herabwuͤrdigen, die mich
„fuͤr den gewandteſten, groͤßten Kopf bei der Loge
R. Y. erklaͤren, indem ſie behaupten, alles was
ich wollte, muͤßte dort geſchehen, und Maͤnner
„wie K., C., H., A., H., ꝛc. ließen ſich eben ſo,
„wie der uͤbrige Haufen von 200 Bruͤdern und
„vierzehn Logen, blind von mir gaͤngeln.


„Ich habe Dich waͤhrend Deines Arreſtes nicht
„beſucht, 1) weil ich bis zum 16ten May mit der
„Herausgabe meiner Maureriſchen Schriften unab-
„laͤſſig beſchaͤftigt war, vom 16ten May bis zum
„5ten Junius meine weitlaͤuftige, liegengebliebene
„Logen-Correſpondenz nachholen mußte, den 6ten
„Junius eine Geſchaͤfts-Reiſe vornahm, von der
„ich krank nach Hauſe kam, und bis zum 22ten
„Junius die Stube huͤten mußte. Den ganzen
„Julius und Auguſt feſſelte mich die Arbeit an
„einer Angelegenheit, die dem Betrug und der Taͤu-
„ſchung in der Maurerei einen toͤdtlichen Streich
„verſetzt, und die in ihrem gluͤcklichen Erfolge kuͤnf-
[110] „tigen Sonntag publicirt werden ſoll. Den 13ten
„Auguſt hoͤrte ich, was Du in Deiner Defenſion
„von mir und der Loge R. Y. geſchrieben haſt, und
„da konnte ich uͤberall keine Luſt mehr haben, den
„Mann zu beſuchen, der ſeine gerechte Sache
„durch Frivolitaͤt (Hoͤrenſagen, Nachſchreiben, Ent-
„ſcheiden ohne unterſucht zu haben ꝛc.) ſelbſt herab-
„uͤwrdiget. 2) Weil ich nicht einſehen konnte, was
„Dir mein Beſuch ſollte — Dich troͤſten? das be-
„durfteſt Du nicht. Dir meine Theilnahme ver-
„ſichern? Was konnte Dir daran liegen? Dir
„meine Dienſte anbiethen? kannteſt Du mich, ſo
„wareſt Du Dir Deines Rechts zu fordern bewußt;
„kannteſt Du mich nicht, ſo waren meine Anerbie-
„tungen uͤberfluͤſſig.


3) „Weil ich nicht hingehe, wo ich nicht offen
„und freimuͤthig ſprechen kann, und dort nicht offen
„und freimuͤthig ſprechen darf, wo ich Gefahr laufe,
„daß das, was ich von Herz zu Herzen ſpreche, gele-
„gentlich die profane, von mir laͤngſt vergeſſene
„Welt erfaͤhrt.


Treuergeben unterſchrieb ich mich, weil es
„wahr iſt; weil ich das, was Bitterkeit, was Tem-
„perament, was Drang der Umſtaͤnde, was Leicht-
„glaͤubigkeit, und die daraus folgende Leichtbetruͤg-
„lichkeit, was Menſchen, die Du als Ideale ver-
„ehreſt, und Deiner doch unwuͤrdig ſind, in Dich
„hineingetragen haben, von Dir weg zu den-
„ken weiß. Anihilire
, wenn Du willſt, in
Deiner Welt meine ganze moraliſche Exiſtenz,
[111] „Du kannſt auch alsdann noch immer glauben,
„daß ich zu ſtolz bin, um Dich mit einer Un-
„terſchrift zu beluͤgen. Als Dein Treuergebener
„warne ich Dich, nicht nach zu ſchreiben von der
„Loge R. Y. was Dir mit dem Scheine der
„Rechtlichkeit angethane Freßbruͤder, oder Men-
„ſchen, die aus der Loge R. Y. einen Tummel-
„platz ihrer kindiſchen Eitelkeit oder kleinlichen
„Ruhmſucht machen wollten, und nicht von mir,
„ſondern von der Totalitaͤt mit verdienter Ver-
„achtung zuruͤckgewieſen worden ſind, von der
„Loge R. Y. a priori vorconſtruiren; denn Du
„wuͤrdeſt Ungerechtigkeiten begehen, und als con-
„ſequenter Mann mußt Du Dich vor Ungerech-
„tigkeiten huͤten. Ich bin kein Freund von
„H**rn, weil ich viel wider ſie gehoͤrt habe;
„eben aber weil ich nur gehoͤrt, nicht geſehen habe,
„werde ich nie etwas gegen die H**r ſchreiben.
„Gott ſelbſt kann keine begangene Ungerechtigkeit
„wieder ausgleichen.


„Der Unterſchied zwiſchen mir und Dir iſt
„nicht der, daß Dein Herz blutet, und mein Cha-
„racter poroͤs iſt, ſondern der, daß mein Herz
„ſchon ausgeblutet hatte, ehe das deinige noch an-
„fing zu bluten.


„Beherrſche Deine Eigenliebe, und fordere nicht
„daß Dein Ideal, das Ideal aller Menſchen
„werden ſoll. Liebe Dein Ideal, bilde es aus,
„erhoͤhe es; aber habe Achtung gegen die Ideale
„anderer Menſchen, und verachte nur den, deſſen
[112] „Seele alle Kraft, Ideale zu ſchaffen, verkauft oder
„verſchwelgt hat.“


Dein
Feßler.


Das Colloquium ward den 10. Sept. bei Herrn
von Held gehalten, fiel aber aus, wie gewoͤhnlich
alle Colloquia auszufallen pflegen. Es ward viel
geredet und nichts geſagt, viel behauptet und nichts
bewieſen. Man beſchuldigte ſich gegenſeitig man-
cherlei Dinge, und geſtand ſich gegenſeitig nichts
ein, und Mitleiden mußte in T. ſo manches ver-
zeihen, was ſein Ehrgefuͤhl ſonſt nicht haͤtte dul-
den duͤrfen.


Weiter heißt es:


  • Seite 166. „Weil er, als ich kurz darauf am 22.
    „Februar arretirt ward, und acht Mo-
    „nate in der Berliniſchen Hausvogtei
    „ſitzen mußte, unterdeß oͤffentlich, und
    ohne die mindeſte Scheu, im gol-
    „denen Adler am Doͤnhoffſchen Platze
    „beim Kriegsrathe Triebenfeld aus
    „Breslau ſpeiſete, und es dahin brachte,
    „daß Triebenfeld Rhoden als Er-
    „zieher ſeiner Kinder, nach Breslau mit-
    „nahm. Vormahls hatte Feßler in
    „einem ſo argen Tone gegen Trieben-
    „feld
    geſprochen, daß er wenigſtens als
    „ehrlicher Mann, unmoͤglich bei ihm
    „ſpeiſen und ſeinen Rheinwein trin-
    „ken konnte.“

Es
[113]

Es iſt nicht wahr, daß Feßler jemahls gegen den
Herrn Kriegsrath von Triebenfeld geſprochen
hat, weil er ihn vorher noch nie geſehen, vielwe-
niger gekannt hatte; und weil er uͤberhaupt, we-
der fuͤr noch gegen Menſchen ſpricht, die er nicht
kennt. Schwarze und rothe Buͤcher, Flugſchriften
und Pamphlets weiß er nach Verdienſt zu wuͤrdi-
gen, und wird ſich nie ſo weit vergeſſen, um aus
dergleichen Blaͤttern ſeinen Maßſtab fuͤr Menſchen-
beurtheilung ſich zuſammen zu ſetzen. Solche Blaͤt-
ter ſind das Heiligthum des Poͤbels, in welches
Feßler nie eingreifen wird.


Es iſt unwahr, daß Feßler es dahin brachte,
daß Herr von Triebenfeld Herrn Rhode als
Erzieher ſeiner Kinder nach Breslau mitnahm.
Es war des Herrn von Triebenfeld ganz eigener Ein-
fall, und des Herrn Rhode ganz eigener Entſchluß.


Aber eine heilige Wahrheit iſt es, daß Feßler
ſo oft bei dem Herrn von Triebenfeld zu ſpei-
ſen, und ſeinen Rheinwein zu trinken, das Ver-
gnuͤgen hatte, als es dieſem gefaͤllig war, es zu
wuͤnſchen. Und das iſt ſo ſein Gemuͤth, daß
er, wenn er Zeit hat und geſund iſt, uͤberall
und, zwar oͤffentlich und ohne die mindeſte
Scheu
, hingehet, wohin er gebeten wird; auch dort
Unger-Franz-Rheinwein, Gruͤnberger, alles mit
frohem Sinne trinkt, was ihm vorgeſetzt wird.
Nur zu einem Manne, den die einzige rechtmaͤßige
Behoͤrde, der Staat, fuͤr ehrlos erklaͤrt haͤtte,
wuͤrde er die Einladung ausſchlagen. Uebrigens
kennt er weder Antipathien, die im gekraͤnk-
Zweites Baͤndch. H
[114]ten Stolze, oder in unerfuͤllten Anſpruͤchen,
oder in einem niedrigen Neid ihren Grund
haben, und von dem Welt-Verbeſſerungs-
luſtigen Volke ſo gern mit dem Firniß
einer ſtrengen Moralitaͤt uͤbertuͤncht wer-
den
; noch literariſche, philoſophiſche, politiſche,
maureriſche und buͤrgerliche Antipathien; dieſe
koͤnnen ihn alſo auch nie beſtimmen, an den Ort
wo er hingeladen wird, hinzugehen oder wegzu-
bleiben. Was die Wuͤrdigung des innern ſittlichen
Werthes der Menſchen betrifft, das uͤberlaͤßt er
ausſchließend und unbedingt ihrem eigenen Ge-
wiſſen und Gott; und ſingt uͤberall: Schoͤn iſt
es auf Gottes Welt!


Siebenter Artikel.
Auszuͤge merkwuͤrdiger Maureriſcher Reden.


Von S. 175 bis 204.


Die Maureriſchen Reden ſind in der Regel — nur
Reden, oder treffender, Redensarten; gebildete,
richtig, praͤcis, beſtimmt und klar denkende Mau-
rer beduͤrfen weder Maureriſcher Reden noch Aus-
zuͤge daraus. Allein fuͤr Taſchenbuͤcher ſind we-
nigſtens die letztern ein guter Artikel; ſie fuͤllen
an, und der Kaͤufer bekommt Weisheit und Mo-
ral wenigſtens in die Taſche.


[115]

Achter Artikel.
Geiſt der Maurerei nach Aktenſtuͤcken
.


Von Seite 205 bis 230 iſt lauter geſtohlnes Gut,
welches Feßlern und der Loge R. Y. angehoͤrt.
Dies wußte der Herausgeber des Taſchenbuches,
denn er hat die ihm von dem Ehren- und Mau-
rer-Wortbruͤchigen Exbruder Sch**r mitgetheil-
ten Blaͤtter, ſchon im Junius 1801. dem Herrn
G. R. H. auf dem Geſund-Brunnen vorgezeigt.
Um ſo luſtiger iſt die Inconſequenz, mit der der
Herausgeber des Taſchenbuchs, in welchem Feßler
Blatt fuͤr Blatt als Antichriſt der Maurerei von
Pſeudo-Maurern verlaͤſtert wird, einen von ihm
gemachten, und ihm entwendeten 26 Seiten langen
Aufſatz, unter dem Namen Geiſt des Ordens
aufgenommen hat. Allein, Lucri bonus odor
ex re qualibet,
hat ſchon der roͤmiſche Kaiſer
Vespaſian geſagt, und warum ſollte ein Mann
aus der Inſel Kos ſich ſchaͤmen, nach alt-roͤmiſch
kaiſerlichen Prinzipien zu handeln! Den Leſern
dieſes Ordens-Geiſtes diene nur noch zur Nach-
richt, daß der abſchreibende Exbruder Sch**r, ob
er ihn gleich acht oder zehn mal fuͤr die Loge
R. Y. abſchreiben mußte, ihn dennoch mit ſeinem
kleinen Geiſtchen nicht faſſen konnte, denn er hat
in allen acht oder zehn Abſchriften haͤufige, ganz
widerſinnige, und zwar immerdieſelben Schreib-
fehler gemacht, und dieſe ſind auch groͤßtentheils
H 2
[116] in dem Abdruck ſtehen geblieben. So ſteht zum
Beiſpiel S. 220. „Darum ging Ihr zweiter Schritt
„von N. gegen S., und deutete auf die Stuͤrme
„des Herzens, welche dem zur Humanitaͤt fort-
„geſchrittenen
Menſchen eigen iſt, um die ſanf-
„ten und beſeligenden Einfluͤſſe der Freundſchaft
„und Liebe aufzufaſſen und mitzutheilen.“ Was
heißt ein fortgeſchrittener Menſch; und wel-
cher Menſch faßt die ſanften und beſeligenden
Einfluͤſſe der Freundſchaft und Liebe mit Stuͤr-
men
des Herzens auf? So was thut wohl der fort-
ſchreitende
Menſch; aber nicht mit Stuͤrmen,
ſondern mit Waͤrme des Herzens.


Zwoͤlfter Artikel.
Wie iſt es moͤglich, daß in einem Orden,
der Menſchen- und Bruderliebe empfiehlt,
oft ſo viel Zwieſpalt herrſchte? ꝛc.


Von S. 253 bis 259.


Die Frage iſt nur da, um noch einmal auf Br.
Feßler zu kommen, denn was waͤre uͤberall aus
dieſem Taſchenbuch geworden, wenn Br. Feßler
nicht waͤre, Br. Micheler die Analogie zwiſchen
dem Chriſtenthume und der Freimaurerei nicht ge-
ſchrieben, und der Exbruder Sch**r den Geiſt
des Ordens
nicht entwendet haͤtte? Da kommt
[117] dann wieder die Feßlerſche Reform und der
Evergetenbund in Schleſien, zur Schlachtbank.
Es wird aber nichts geſchlachtet, denn der Schlaͤch-
ter iſt blind, und haut allerliebſt in der Luft herum.
Nur Seite 257. ſteht eine wichtige Neuigkeit.


„Die Loge Royale York iſt von den Feß-
„lerſchen
Schwaͤrmereien gluͤcklich zuruͤckge-
„kehrt, und hat ſich der wahren und einzigen
„Maurerei wieder in die Arme geworfen,
„unbaͤrtige Knaben aber, wie billig, verlacht.


Dieſe Neuigkeit iſt aber nur eine neue
Unwahrheit
, denn noch arbeitet die Große Loge
R. Y. und alle ihr untergeordneten beſonderen
Logen, nach dem von Feßler, auf den Grund des
alt-engliſchen Rituals revidirten, und in der Nacht
vom 31ten December 1800. zum 1ten Januar
1801. geſetzlich eingefuͤhrten Ritual; noch haben
ſie ihre ehemaligen, von Feßler exilirten Elûs,
Eccosois rouges et verds, chevaliers de l’Orient,
et Princes souverains de Rose Croix,
dieſe
herrliche, wahre und einzige Maurerei,
nicht zuruͤck geholt. Noch liegt der den 3ten Au-
guſt 1800. beſchworne Grundvertrag und Codex
auf allen Logen-Altaͤren, und die hieſigen zeitigen
Mitglieder der ehrwuͤrdigſten Großen Loge R. Y.
ſind nur dort von dieſem beſchwornen Grundver-
trage abgewichen, wo er ſie in dem Verfahren
gegen Feßler, von der laͤcherlichſten Inconſequenz
haͤtte zuruͤckhalten koͤnnen.


Auch keine unbaͤrtige Knaben hat dieſe
ehrwuͤrdigſte Große Loge verlacht oder zu ver-
[118] lachen gehabt
; ob es gleich nicht gelaͤugnet
werden kann, daß den 3ten Junius 1802. ein
dritthalbjaͤhriger Logenbruder, auf dem
Sitze des zweiten G. V. die Frechheit hatte,
alten, in ihrer oͤffentlichen gemeinnuͤtzigen Thaͤ-
tigkeit ehrwuͤrdigen Maͤnnern und durch 30,
40, 45 Jahre eifrigen Freimaurern beinahe
wie unbaͤrtigen Knaben den Text zu leſen. *)


Wenn aber gleich die Ehrwuͤrdigſte Große
Loge der Freimaurer
R. Y. z. F. genannt,
das iſt, das reſpectable Corps von ſechs-
zehn vereinigten aͤchten und geſetzmaͤßi-
gen Logen
, im Bunde mit den Ehrwuͤrdigſten
Großen Provinciallogen der Freimaurer von Nie-
derſachſen und von Hannover, von der anerkannt
aͤchten, wahren und einzigen Freimaurerei noch
nicht abgewichen iſt, noch abweichen wird: ſo waͤre
dennoch zu wuͤnſchen, daß es die in Berlin anſaͤßi-
gen Logen-Bruͤder thun moͤchten; daß dieſe
alles wieder in statum quo, in dem es vor Jo-
hannis
1796. war, zuruͤckſetzten, daß ſie das alte
franzoͤſiſche Ritual der drei Johannis-Grade wie-
der einfuͤhrten, und ſodann auch wieder Auser-
waͤhlte Meiſter, rothe und gruͤne Schot-
ten-Ritter, Ritter von Oſten und ſouve-
raine Fuͤrſten des Roſenkreuzes vom
Berge Heredon
kreirten. Sie wuͤrden ſich da-
[119] durch wenigſtens den Ruhm der Conſequenz er-
werben, wuͤrden das wertherhebende Lob des
Maureriſchen Taſchenbuches von X. Y. Z. wirk-
lich verdienen, ſich vor ihrem Gewiſſen voͤllige
Ruhe verſchaffen, und die ſtarktoͤnende Majoritaͤt
unter ihnen, wuͤrde ihrer denkenden Minoritaͤt in
maureriſcher Hinſicht
minder ſchwankend er-
ſcheinen.


Und nun, warum iſt dieß Alles geſchrieben? —
Euretwegen, ihr guten, biedern Freunde der Wahr-
heit und Gerechtigkeit, deren Achtung und Liebe
mir, weder das durchaus ungerechte und unmau-
reriſche Verfahren der zeitigen Regenten der Loge
R. Y., noch die oͤffentlichen Laͤſterungen ihrer
unberufenen Schildknappen, der Herrn X. Y. Z.;
ſie mochten die Fuͤlle ihres ſelbſt eigenen Unrathes
in maͤrkiſchen Denkwuͤrdigkeiten oder in
Maureriſchen Taſchenbuͤchern, im Beo-
bachter an der Spree
und in Berlini-
ſchen Blaͤttern
, oder in dem die Wahrheit
beſchirachenden politiſchen Journale, in Diſtichen
und Parabeln oder in Gemaͤhlden auf Tobacksdo-
ſen wider mich ausgeladen haben, entziehen konn-
ten. Es iſt geſchrieben, um Euern freundſchaftli-
chen Wunſch, ich moͤchte mich doch einmal uͤber
alle dieſe Spukereien oͤffentlich aͤußern, zu ehren.
Es iſt geſchrieben, nicht um mich bei Euch zu recht-
fertigen, denn Ihr kennt mich aus meinen Geſin-
nungen, Handlungen, Thaten und Schriften; ſon-
dern um Euern Aerger uͤber das ephemeriſche Da-
[120] ſeyn ſolcher Blaͤtter, die nun einmal fuͤr den Poͤ-
bel aller Staͤnde Beduͤrfniß ſind, zu mildern.


Nicht ſo bereitwillig konnte ich mich gegen eure
Aufforderung, den Beobachter an der Spree, und
den Tobacksdoſen-Mahler gerichtlich zu belangen,
bezeigen. Ich will Euch daruͤber Rechenſchaft ge-
ben, und hoffe, ihr werdet meine eigenthuͤmliche
Anſicht von dergleichen Dingen, wenn nicht billi-
gen, doch wenigſtens wohlwollend dulden. So
weit ich theils aus Hoͤrenſagen, theils aus den
Protocollen der Großen Loge Royale York weiß,
ſo ſollen in dem Beobachter an der Spree, bald
meine Logen-, bald meine privat- und haͤusli-
chen Verhaͤltniſſe ſymboliſch
angegriffen wor-
den ſeyn. In Anſehung meiner Logen-Ver-
haͤltniſſe
iſt es gewiß, daß, im Falle der Beo-
bachter an der Spree uͤberall ehren oder entehren
koͤnnte, ſeine Angriffe lediglich der LogeR. Y.
nicht mir zur Schande gereichen muͤßten; denn
alles, was durch ſechs Jahre bei gedachter Loge
geſchehen iſt, und von dem Beobachter ſymboliſch
verlaͤſtert wird, iſt durchaus in geſetzlicher Form,
collegialiſch, und durch die Mehrheit der Stimmen
geſchehen, wie es die Protocollbuͤcher ausweiſen.
Die ſymboliſchen Angriffe auf meine privat
und haͤuslichen Verhaͤltniſſe
muͤſſen ſchon
an und fuͤr ſich den Abſcheu aller meiner Mitbuͤr-
ger erwecken; erſtens: weil gewiß jeder von ihnen
fordert, daß ſein eigenes privat- und haͤusliches
Verhaͤltniß von jedermann, ſelbſt von der Regie-
rung unangetaſtet bleibe; zweitens: weil jeder von
[121] ihnen, ſo wenig als ich, gegen das hodie mihi
cras tibi
ſicher iſt, ſobald der Beobachter bei ihm
eben ſo viel oder noch mehr als bei mir zu ver-
dienen hoffen kann. Wozu ſollte alſo eine gericht-
liche Belangung des ſo vaͤterlich fuͤr das Beduͤrf-
niß des Poͤbels aller Staͤnde ſorgenden Beobach-
ters an der Spree fuͤhren? — Meine Ehre zu
retten. — Vor wem? — vor dem Publicum?
das Publicum beſteht aus Volk und aus
Poͤbel; das Volk, aus meinen Freunden, aus
meinen Feinden und aus Menſchen die mich
nicht kennen
. Das waͤren mir aber ſaubere
Freunde, bei denen ich die Ehre meiner Perſoͤn-
lichkeit und meiner haͤuslichen Verhaͤltniſſe erſt
durch einen Richterſpruch gegen den Beobachter
an der Spree retten muͤßte. Meine Feinde ſind
entweder noch ſelbſtſtaͤndig genug, um ſich durch
Beobachter, Berliniſche Blaͤtter, Taſchenbuͤcher und
Tobaksdoſen-Gemaͤhlde zu keinem Urtheile uͤber
meine Perſoͤnlichkeit und haͤuslichen Verhaͤltniſſe
beſtimmen zu laſſen; oder wenn ſie dieſer Dinge
als eines hoͤchſtnoͤthigen Surrogats ihres ſchwachen
Verſtandes beduͤrften, wuͤrde ſie kein richterlicher
Ausſpruch von ihrem Glauben an die ihnen ſo hei-
ligen Blaͤtter abtruͤnnig machen. Bei Menſchen,
die mich nicht kennen
, haben meine Perſoͤn-
lichkeit und meine haͤuslichen Verhaͤltniſſe uͤberall
noch keine Ehre begruͤnden koͤnnen. Ein publicir-
ter richterlicher Ausſpruch wuͤrde nicht hinreichen,
um ihnen mich und meine haͤuslichen Verhaͤltniſſe
bekannt zu machen: immer muͤßten ſie noch, ent-
[122] weder ſich alles Urtheilens uͤber mich enthalten,
oder wenn ſie urtheilen wollten, nach Beſchaf-
fenheit ihres eigenen innern Gehaltes
,
entweder mich ſelbſt kennen zu lernen ſuchen, oder
den Beobachter an der Spree mit ſeinen Traban-
ten, den Berliniſchen Blaͤttern und Tobaksdoſen-
Gemaͤhlden, als ihr angemeſſenes Orakel zu Rathe
ziehen; im erſtern Falle waͤre ihnen ein richter-
liches Erkenntniß uͤber mich ganz uͤberfluͤſſig, im
letztern viel zu geringwichtig. Vor dem Publi-
cum
aber, in ſo weit es aus Poͤbel aller Staͤnde
beſteht, iſt uͤberall keine Ehre fuͤr mich zu gewin-
nen oder zu verlieren, ich habe daher auch durch
einen richterlichen Ausſpruch keine zu retten.


„Aber es waͤre doch gut, ſo meiner ihr, mir
„lieben und theuern Freunde der Wahrheit und
„Gerechtigkeit, — wenn Du gegen den Beobach-
„ter an der Spree und Tobaksdoſen-Mahler den
„Weg Rechtens ergriffeſt, damit die Regierung,
„durch mehrere dergleichen Faͤlle aufmerkſam ge-
„macht, endlich bewogen wuͤrde, dem Mißbrauche
„der Publicitaͤt und Preß-Freiheit zu ſteuern.“


Eure Hand auf Euer Herz, Freunde; und nun
eine wahrhafte Antwort auf die Frage, ob nicht
mehr Eure Furcht vor dem hodie mihi cras tibi,
als Euer Gemeinſinn die Quelle dieſer Meinung
iſt, der ich nach meiner ganzen Individualitaͤt un-
moͤglich beitreten kann. Ganz offen will ich Euch
hieruͤber mein Innerſtes aufdecken.


Leſet in dem Maureriſchen Taſchenbuch von
X. Y. Z. Seite 120. da heißt es von mir, „Aber
[123] „mit der Kapuze zogſt Du noch nicht alle Spuren
„ehmahligen Moͤnchthums aus.“ — Und bei Gott,
Freunde, das iſt ein ſehr wahres Wort. In An-
ſehung vieler Dinge iſt die Form meines Geiſtes
geblieben, wie ſie ſich in meinem eilfjaͤhrigen Klo-
ſterleben entwickelt und gebildet hat. Daher kommt
es, daß ich jetzt eine eben ſo heilige und unbedingte
Ehrfurcht gegen den Staat und alle ſeine Einrich-
tungen hege, wie ich ſie in den ſchoͤnen Jahren
meiner Gottſeligkeit nur immer gegen den Orden
und ſeine Einrichtungen hegen konnte. Damahls
haͤtte ich geglaubt, herabzuſinken zur Nichtswuͤr-
digkeit eitler, ſtolzer Weltkinder, wenn ich mir er-
laubt haͤtte, bei irgend einer kloͤſterlichen Einrich-
tung oder Anordnung, die heiligen und erhabnen
Abſichten des Ordens auszuforſchen, oder ihnen
Hinderniſſe in den Weg zu legen. Der Guardian,
glaubte ich, muß wiſſen, was den Zweck und die
Abſichten des heiligen Ordens foͤrdern kann; Dir
ziemt nur das Gehorchen und das Dulden. Eben
ſo denke und fuͤhle ich heute in Beziehung auf
den Staat und ſeine Einrichtungen. — Es darf
nichts ohne koͤnigliche Cenſur gedruckt werden;
und der Beobachter an der Spree, die Berlini-
ſchen Blaͤtter, und das Maureriſche Taſchenbuch
von X. Y. Z. ſind wirklich mit Koͤniglicher Cen-
ſur gedruckt worden. Die Cenſur iſt eine Einrich-
tung des Staates, und die Cenſoren muͤſſen
wiſſen, in wiefern ſymboliſche Angriffe auf die
Perſonen und haͤuslichen Verhaͤltniſſe der im
Staate friedlich lebenden Buͤrger den weiſen Ab-
[124] ſichten des Staates foͤrderlich oder hinderlich ſeyn
koͤnnen; denn es iſt nicht zu vermuthen, ja es
iſt gar nicht denkbar, daß irgend ein Cenſor
etwas zum Druck wuͤrde paſſiren laſſen, was nach
den Landesgeſetzen zu drucken verboten waͤre.
Dem ſymboliſch angegriffenen, friedlichen Buͤrger
bleibt nichts uͤbrig, als zu dulden und zu ſchwei-
gen. Denn was ſollte er thun? Gerichtlich klagen?
Gegen wen? Gegen den Verfaſſer und Buch-
drucker — dieſe berufen ſich auf das Imprimatur
des Cenſors. — Alſo gegen den Cenſor? — Dieſer
beruft ſich auf die Geſetze, die ihn in dem ſtreiti-
gen Falle nicht verpflichten, das Imprimatur zu
verſagen. — Alſo gegen mangelhafte Geſetze? —
Wo iſt der Richterſtuhl der dieſe Klage, ohne einen
Eingriff in die ganze buͤrgerliche Ordnung zuzu-
laſſen, annehmen duͤrfte? Es bleibt nichts uͤbrig,
als der Glaube, daß der Cenſor wiſſen muͤſſe, was
er den Geſetzen gemaͤß zur Foͤrderung der dem
buͤrgerlichen Individuo verborgenen Abſichten des
Staates zu thun oder zu laſſen habe, und daß
das, was er thut, recht und gut ſey.


Geſetzt aber, das Individuum erlaubte ſich,
bloß theoretiſch, und ſo zu ſeiner eigenen Uebung
im Denken, bei dieſer oder jener Erſcheinung, der
hoͤhern Abſicht des Staates nachzuſinnen, und
waͤhlte gerade die gegenwaͤrtig herrſchende Preß-
freiheit dazu, auf welche Reſultate wuͤrde es ge-
rathen? Der Staat und zwar nur Er, nicht der
Buͤrger, muß wiſſen auf welchen Grad der Cultur,
als Bedingung der allgemeinen Wohlfahrt, er ſeine
[125] Buͤrger erheben wolle. Wenn nun ein gegebener
Staat auch fuͤr ſeine Buͤrger am zutraͤglichſten
faͤnde, was in England ſchon alte Sitte iſt, zum
Beiſpiel, daß man ſich in Flugblaͤttern und Cari-
catur-Gemaͤhlden uͤber Hof, Miniſterium, Ober-
und Unterhaus, Kuͤnſtler, Gelehrte, Kaufleute,
Fabrikanten und Bettler mit gleicher Freiheit
ſymboliſch luſtig machte; wenn er noch um einen
Schritt weiter ginge, und dergleichen ſymboliſche
Spaͤße auch uͤber die haͤuslichen Verhaͤltniſſe der
Einzelnen, Hohen und Niedrigen duldete, entweder,
um durch die hiermit allgemein zu erregende In-
dignation, der Publicitaͤt allen Stachel zu beneh-
men; oder um das Skribler-Gewerbe durch ſich
ſelbſt recht veraͤchtlich zu machen, und dadurch
mehrere fleißige Haͤnde fuͤr die oͤffentlichen Ge-
ſchaͤfte und nuͤtzlichen Gewerke zu gewinnen; oder
um die Buͤrger zu gewoͤhnen, ihre Mitbuͤrger
nicht nach dem, was uͤber Sie geſchrieben, geſun-
gen, gemahlt oder geſtochen wird, ſondern lediglich
nach ihren durch Thaten bekannt gewordenen per-
ſoͤnlichen Eigenſchaften und durch ihren thaͤtigen
Antheil an den oͤffentlichen Geſchaͤften zu beurthei-
len, zu wuͤrdigen und zu achten; oder um alle
zufaͤlligen, wirklichen, conventionellen, oder einge-
bildeten Groͤßen und Hoͤhen klein und eben
zu machen: geſetzt das Eine oder das Andere, oder
auch alles zuſammen waͤre die Abſicht des Staa-
tes, welcher gemaͤß die Cenſoren paſſieren ließen,
was den ſymboliſch angegriffenen Individuen
bisweilen nicht behagen will; waͤre dieſe Abſicht
[126] nicht weiſe? Oder waͤre das angegriffene Indivi-
duum nicht ein engherziges Kind, welches zur Hin-
derung dieſer Abſicht gegen ſymboliſche Angriffe
auf ſeine perſoͤnlichen und haͤuslichen Verhaͤltniſſe
den Weg Rechtens ergreifen wollte?


Nein, Freunde der Wahrheit und der Gerech-
tigkeit, bei dieſer meiner Anſicht der Dinge bringt
ihr mich zu einer gerichtlichen Klage gegen den
Beobachter an der Spree ꝛc. auch ſchon darum
nicht, weil ich ihn doch vorher leſen, das heißt
mich mit ihm gemein und familiaͤr machen muͤßte,
was meinem Gemuͤthe durchaus zuwider iſt. Laſſet
immerhin geſchehen was geſchieht! Heute mir,
morgen Dir, uͤbermorgen uns allen
! damit
keiner mehr Urſache habe, ſich fuͤr ſchlechter zu
halten als den Andern, der geſtern oder vorgeſtern
an der ehrenvollen Reihe geweſen iſt.


Feßler.


[[127]]

III.
Geſchichte der Maurerei.


  • 1) Alte Geſchichte.
  • 2) Geſchichte des achtzehnten Jahrhunderts.
  • 3) Neueſte Geſchichte.

[[128]][[129]]

1.
Zuſaͤtze zu der im erſten Baͤndchen der
Eleuſinien gelieferten
Alten Geſchichte.


287.


Dieſe Zahl addirt giebt dieſelbe Summe wie
1646. (nehmlich 17) und die ganze Nachricht be-
deutet: unter Carl I. entſtand im Jahr 1646. die
Frei-Maurerei.


ſ. die Schottiſche Maurerei II. Th.


287.


Da zu dieſer Zeit gerade Diocletian regierte,
ſo errichteten die Chriſten in ihrer ungluͤcklichen
Lage, eine heimliche Zunft und die, weit aͤltere
Frei-Maurerei nahm einen andern Zweck an.


ſ. Frei-Maurer Bibl. VI. St. S. 20. f.


Zweites Baͤndch. J
[130]

287.


„Der heil. Amphibalus, der als der Lehrer
St. Albans genannt wird, moͤchte wohl eher
fuͤr ſeinen Mantel zu halten ſeyn; auch iſt es
unwahrſcheinlich, daß St. Alban in einem ſo
barbariſchen Zeitalter und in Zeiten der Verfol-
gung, Oberaufſeher uͤber einige Gebaͤude habe
ſeyn ſollen.“


Plotts Natural History cet. §. 87.
ſ. Briefe, die Frei-Maurerei betreffend
dritte S. p. 50. vergleiche l. c. S. 62.


710.


Carl Martel, ſchickte auf Verlangen Ken-
reds
, Koͤnigs von Mercia, erfahrne Maurer aus
Frankreich nach England, damit ſie die Angelſach-
ſen in den Geſetzen und Gebraͤuchen der alten
Bruͤderſchaft, welche vor der Gothiſchen Zerſtoͤrung
bewahrt worden, unterrichten moͤchten.


Conſtit. Buch, Frankf. 1762. S. 176.


924.


Unter K. Athelſtan, ſind die alten Acten der
Bruͤderſchaft in England, in den Kriegen mit den
Daͤnen, groͤßtentheils, zugleich mit den Kloͤſtern, in
denen ſie aufgehoben wurden, vernichtet worden. Die
Maurer aber, die Athelſtan aus Frankreich u. a.
a. O. berief, brachten die Pflichten und Einrichtun-
gen der auslaͤndiſchen LL. mit, und in der großen
[131] Loge zu York, 926, wurden viel alte Schriften
und Nachrichten von der Zunft, in griechiſcher,
lateiniſcher und franzoͤſiſcher Sprache zuſammen-
gebracht, aus denen die Konſtitutionen der engli-
ſchen LL. entworfen, und zum Geſetz gemacht wurden.


ſ. Conſtit. Buch S. 178 und 179. vergl.
Briefe die Frei-Maurerei betreffend l. c.
S. 65 f.


924.


Koͤnig Athelſtan iſt niemals verheurathet
geweſen, hatte auch nie eine natuͤrliche Nachkom-
menſchaft, alſo auch keinen rechtmaͤßigen Sohn,
Edwyn genannt. Zwar hatte er einen Bruder
dieſes Namens, den er aber in ſeiner Jugend aus
Eiferſucht auf dem Meere umkommen ließ. Es iſt
daher ganz unwahrſcheinlich, daß dieſer die Ge-
braͤuche der Frei-Maurer erlernt, ihnen einen
Freiheits-Brief ausgewirkt, oder ſie nach York
zuſammenberufen habe.


Plotts Natural history cet. §. 87. Briefe
die Frei-Maurerei betreffend, dritte S.
S. 51. 52. vergl. S. 63.


926.


„Die erſte L. des St. Alban, hatte bis auf
die Regierung des Koͤnigs Athelſtan Beſtand,
der auf Fuͤrbitte ſeines Bruders Edwin (der nie
gelebt hat) im Jahr 926. den Frei-Maurern ein
offnes Privilegium ertheilt.“ Dies heißt: der
Herzog von York errichtet mit Erlaubniß ſeines
J 2
[132] Bruders CarlII. das erſte Collegium der Je-
ſuiten zu London im Jahr 162. (denn beide Zah-
len, addirt, geben 17.)


ſ. die ſchott. Maurerei Th. II.


1040.


Macbeth, Malcolms Enkel, K. in Schott-
land, ſuchte die Maurerkunſt empor zu bringen,
eben ſo MalcolmIII.


Conſtit. Buch S. 207.


1066.


Außer dem Tower, wurden unter Wilhelms
Regierung, und zwar unter der Oberaufſicht Gun-
dulphs, Rogers
, des Grafen von Schrews-
bury, Arundel
u. a. viele feſte Schloͤſſer und
Kirchen erbaut. Auch berief der Koͤnig viel er-
fahrne Maurer aus Frankreich.


Conſtit. Buch S. 184.


1100.


HeinrichI. baute den Pallaſt zu Woodſtock
und einen kleineren zu Oxford, nebſt 14 Kirchen.
Unter ſeiner Regierung wurden noch 100 Kirchen
gebaut.


Conſtit. Buch S. 185.


1115.


Nach einem Manuſcript der R. C. mit dem Ort:
Koͤlln am Rhein und der Deviſe: Non omnis mo-
[133] riar,
wird in dieſem Jahre der magiſche Bund
errichtet, der, jedoch unter Abaͤnderungen, bis 117.
dauert.


Der Roſenkreuzer in ſeiner Bloͤße ꝛc. von
M. Pianco, Amſterdam 1781. S. 56.


1118.


entſtanden die Tempelherren, „mit denen ſich die
magiſchen Bruͤder verbanden, und ihnen ihre
Grundſaͤtze und Geheimniſſe mittheilten. Die T.
H. ſtuͤrzten aber in der Folge aus Politik den
magiſchen Bund.“ l. c.


1124.


DavidI. in Schottland war Groß-Meiſter
der Frei-Maurer.


Conſtit. Buch S. 208.


1128.


Der Pabſt beſtaͤttigte auf Betrieb des heiligen
Bernhards auf dem Concilium zu Troyes den
Orden der T. H. und das Concilium gab jenem,
einer Ciſterzienſer-Tradition zu Folge, den Auf-
trag, die Regel des O. auszuarbeiten, welche nach-
her Paͤbſtliche Sanktion erhalten, und das Geſetz-
buch der Tempelbruͤder werden ſollte.


D.Muͤnters Statutenbuch des O. der
T. H. I. S. 3.


[134]

1140.


In den Kriegen zwiſchen Stephan und Ma-
thildis
wurden an 1100 Schloͤſſer, 4 Abteien,
2 Nonnenkloͤſter, und an 90 Kirchen gebaut.


Conſtit. Buch S. 186.


1165.


Wilhelm der Loͤwe in Schottland war ein
vortrefflicher Groß-Meiſter durch den Beiſtand
des Adels und der Geiſtlichen.


Conſtit. Buch S. 209.


1168.


Die Maurer-Zunft ward in Irrland nach
Verjagung der Daͤnen, beſonders unter Roderic
O Connor
, den letzten Koͤnig uͤber ganz Irrland,
fleißig gebraucht; der in dem genannten Jahre das
Kaſtell Tuam wieder aufbauen ließ. Die Gothi-
ſche Bauart iſt uͤbrigens hier vom heil. Patrik
eingefuͤhrt worden.


Conſtit. Buch S. 218.


1172.


Pabſt AlexanderIII. in der Bulle Omne
datum optimum
gab den T. H. zuerſt Ordens-
Prieſter.


D.Muͤnterl. c. S. 7.


[135]

1196.


„Nachdem ums Jahr 1188. ganz Palaͤſtina
verloren gegangen, und alle oͤffentliche Chriſten,
die nicht durchs Schwerdt umgekommen, daraus
vertrieben worden, ſo haben ſich die frommen Bruͤ-
der (nehmlich die Ormuſen oder Hermetiſche Ge-
heimnißbewahrer) zu fernerer Erbauung des Rei-
ches Chriſti in die Welt ausgebreitet, wovon auch
drei nach Schottland gekommen, welche, um
in geheim nach ihrer Hauptregel: Gott zu gefal-
len, und dem Naͤchſten zu dienen, zu dem Ende
auch noch mehr wuͤrdige und taugliche Maͤnner
zu entdecken, und dieſen ihre hoͤheren Wiſſenſchaf-
ten mit der Zeit rechtlich ertheilen zu koͤnnen, —
den Orden der Bauleute von Oſten, als eine
hiezu dienliche Pflanz- oder Pruͤfungsſchule allda
errichtet und eingefuͤhret. Dies Inſtitut hat ſchon
zu RichardsI. und Arthurs Zeiten ums J.
Ch. 1196. exiſtirt.“ (vid. 1270.)


1210.


Heinrich Launders, Erzbiſchof zu Dublin,
Groß-Meiſter in Irrland, baute das Caſtell zu
Dublin.


Conſtit. Buch S. 220.


1230.


Hugo von Lacy, Graf von Ulſter, Groß-
Meiſter oder Patron der Baukunſt in Irrland.


l. c.


[136]

1270 circa.


„Nachdem EduardI., HeinrichsIII.
Sohn (dieſen hat Raymundus Lullius, der
1235. gebohren, und 1315. als Maͤrtyrer geſtorben
iſt, als Roſenkreuzer recipirt) in den Ordens-Ge.
heimniſſen weiter gefuͤhrt worden, ſo wurde das
Inſtitut der Bauleute von Oſten noch mehr ver-
heelet, und ſolches nur wenigen Gliedern aus den
Haͤuſern York und Lancaster (welche eine rothe
und weiße Roſe im Wappen fuͤhrten, woher auch
der Name der Roſenkreuzer glaublicher, als
von Chriſtian Roſenkreuz entſtanden iſt) anver-
trauet, welches endlich waͤhrend der Kindheit Hein-
richs
VI. und den ſich unter ſeiner Regierung
ereigneten Unruhen, bis zu Cromwells neuer
Erfindung in gaͤnzliche Vergeſſenheit gekommen
iſt.“ (v. unten J. 1649.)


1272 circa.


„Als die Architekten durch die Kriegsbeſchwer-
den und Schlachten auf eine geringe Zahl zuſam-
mengeſchmolzen waren, entſchloſſen ſie ſich faſt ins-
geſammt, nach Europa uͤberzugehen, um neue Eta-
bliſſements daſelbſt zu errichten. Viele kamen mit
dem Prinzen Eduard, HeinrichsIII. Sohne,
nach England, und wurden bald darauf vom Lord
Stuart nach Schottland berufen. Ihre Inſtalla-
tion in dieſem Koͤnigreiche faͤllt (nach maureriſcher
Rechnung), nach uͤbereinſtimmenden Zeugniſſen, ins
Jahr 2307. Man bewilligte ihnen liegende Gruͤnde,
[137] und das beſondre Privilegium, die alten hergebrachten,
Gebraͤuche ihrer Bruͤderſchaft beizubehalten, unter
der ganz natuͤrlichen Bedingung, ſich uͤbrigens dem
buͤrgerlichen Leben und den Landesgeſetzen gemaͤß
zu betragen. Nach und nach erhielten ſie den
Schutz der Koͤnige von Schweden, von England,
von Irrland und von Schottland. In Schweden
unter dem Koͤnige Ingo um das Jahr 1125.
In England unter Richard Loͤwenherz, um das
Jahr 1190. und unter HeinrichIII. um das
Jahr 1270. In Irrland unter HeinrichII.,
dem Vater Richards, im Jahr 1180. und end-
lich in Schottland unter AlexanderIII., der
mit Ludwig dem Heiligen zu gleicher Zeitlebte.“ —
Auf alles dieſes folgt die Geſchichte Johanns
ohne Land und ein Theil der Geſchichte des Beicht-
vaters, von Wilhelm dem Eroberer, welche ziem-
lich mit einander verwebt ſind, und in Anſehung
des ſchw. Mſtrzimmers viel Licht geben.


Aus der Geſchichts-Beſchreibung des Gr.
Viermal ehrw. Schott. R. Mſtr. vom
heil. Andreas von Schottl. v.flam-
mender Stern
S. 52. f. 1. Th.


1277 cet.


(nach andern von 1275 bis 1439.)


Anfang des Thurmbaues zu Straßburg, durch
den Architekten Ervin von Steinbach. Dieſer
ungeheure Bau verbreitete den Ruf der Straß-
burger Maurer. Der Herzog von Mailand ſchrieb
[138] 1479. an den Magiſtrat dieſer Stadt, und bat ihn
um einen geſchickten Baumeiſter fuͤr die praͤchtige
Kirche, die er in ſeiner Hauptſtadt errichten laſſen
wollte. Wien, Koͤlln, Zuͤrich, Freiburg ließen
Thuͤrme erbauen, nach Art des Straßburgers, der
erſt im Junius 1439. vollendet wurde, aber ſie
glichen ihm weder an Hoͤhe noch Schoͤnheit. Die
Maurer dieſer verſchiedenen Bauſtaͤtte und ihre
Lehrlinge, die ſich durch ganz Deutſchlannd ver-
breiteten, ſtifteten, um ſich von dem gemeinen Mau-
rervolke zu unterſcheiden, Geſellſchaften und Cor-
porationen, denen ſie den Namen Huͤtten (Logen)
gaben: aber ſie erkannten den Vorzug der Huͤtte
zu Straßburg, und gaben ihr den Namen der
Haupthuͤtte oder großen Loge, wie das Archiv
der Maurer-Zunft daſelbſt ausweiſet. (v. unten
1459.)


1285.


ward die Abtei Weſt-Muͤnſter eingeweiht, nach-
dem 65 Jahre uͤber dem Bau verfloſſen waren.
Sie brannte 1299. ab; der Pallaſt neben ihr ward
wieder aufgebaut.


Conſtit. Buch S. 188.


1292.


Rogerius Baco ſtirbt zu Oxford.


1300.


Anfang der Verlaͤumdungen und Verfolgungen
gegen die T. H., welche 1306. ausbrachen.


[139]

1307.


Den 4. Dec. empfahl EduardII. den Koͤni-
gen von Portugall, Caſtilien, Sicilien, und Arra-
gonien und den 10. Dec. dem Pabſte ſelbſt den
T. H. O. und nahm ihn gegen die ausgeſtreuten
Verlaͤumdungen in Schutz. Den 15. Dec. aber
ertheilte er den Befehl, die T. Ritter in England
alle an einem Tage gefangen zu nehmen.


Briefe die Frei-Maurerei betreffend. Nuͤrn-
berg 1783. erſte Samml. S. 112. 113. 117.


1308.
Den 7. Januar.


wurden alle T. H. in England gefangen geſetzt.


l. c. S. 120. etc.


eod.
Den 12. Auguſt.


Bulle des Pabſts, wodurch ein allgemeines
Concilium den 1. October zu Vienne, in Sachen
des T. O. ausgeſchrieben wird.


1309.


Am Ende dieſes Jahres laͤßt Philipp der Schoͤne,
ehe die Unterſuchung zu Avignon geendigt war,
etliche 80 Tempelherren zu Paris verbrennen.
Erſt ein Jahr nachher ward die große Synode zu
[140] Vienne gehalten, worauf eigentlich unterſucht und
das paͤbſtliche Urtheil gefaͤllt werden ſollte.


Frei-Maurer Bibl. III. S. 137. (von
S. 114.: Etwas uͤber den T. H. O.)


1310.


Provincial-Concilien zu Paris und Senlis,
auf deren erſterem 59 T. Ritter, auf dem andern
9, verbrannt wurden.


1311.


Vertilgung des O. der T. H. — „Die Haupt-
wiſſenſchaft der Magi verlor ſich. Von Zeit zu
Zeit theilte ſich noch jemand ſeinen vertrauteſten
Freunden mit. — Eine kleine Anzahl entflohener
T. H. richtete ein geheimes aber feſtes Freund-
ſchaftsband unter ſich auf, und entwarf ſich gewiſſe
Geſetze. Bald hießen ſie die Kreuzgeſellſchaft,
bald die Noachiten, und in juͤngeren Zeiten Frei-
Maurer.


v. der R. C. in ſeiner Bloͤße ꝛc. S. 65. ꝛc.


1312.
Den 22. May


wird in einem geheimen Conſiſtorio, „bloß aus
paͤbſtlicher Macht und Vollkommenheit, nicht nach
ordentlichem Prozeß“ der T. H. O. aufgeho-
ben, und ſeine Guͤter dem Johanniter-Orden zu-
getheilt. — Der Groß-Meiſter Molay nebſt 3
[141] der vornehmſten O. Beamten wird zu Paris auf
Befehl des Koͤnigs verbrannt.


v. Frei-Maurer Bibl. l. c. S. 138 f.
Ueber das Schickſal des O. in England,
Spanien, Deutſchland ꝛc. ſ. ebendaſ. S.
141. ꝛc.


1314 oder 16.


in dieſen Jahren iſt, nach dem Syſtem der ſtrik-
ten Obſ., der Maurer-Orden in Schottland ent-
ſtanden.


Stark Krypto-Kathol. II. S. 334.


1315.


Um dieſe Zeit lebte in Irrland die Maurerei
nicht allein dort auf, wo ſich die Englaͤnder nie-
dergelaſſen hatten, ſondern auch im noͤrdlichen
Theile, wohin die Schotten die gute Gothiſche
Maurerei gebracht hatten.


Conſtit. Buch S. 221.


1320.


Da der K. RobertI. von Schottland, nach
den innerlichen Kriegen, ſeinen Thron befeſtigt
hatte, bediente er ſich der Kunſt, um die Kaſtelle,
Pallaͤſte und Kirchen wiederherzuſtellen; ſo auch
der Adel und die Geiſtlichkeit.


Conſtit. Buch S. 210.


[142]

1330.


Dies Jahr giebt der Verfaſſer der neueſten
Entdeckung der hohen Stufen der Frei-Maurerei.
Jeruſalem 1768. als das Stiftungsjahr des Frei-
Maurer O. an; wogegen aber der Verfaſſer der
freien Bemerkungen uͤber die politiſche Verfaſſung
des O. der Frei-Maurer (Leipz. 1787.) behauptet,
daß er ſich ſchon einige Jahrhunderte vorher in
Frankreich finde.


1350.


Unter EduardIII. erbaut Johann von
Spouler, Meiſter der Giblim genannt, die St.
Georgen Kapelle, wo der Koͤnig in dieſem Jahre
den Orden des Hoſenbandes ſtiftet.


Conſtit. Buch S. 189.


1358.


Vergl. daruͤber den Auszug aus einer alten
Urkunde, im Conſtit. Buch S. 190.


1370.


RobertII. K. von Schottland uͤbergab der
hohen Geiſtlichkeit die Sorge fuͤr die Maurerei, die
denn auch viel ſchoͤne geiſtliche Gebaͤude auffuͤhrte.


Conſtit. Buch S. 211.


1375.


Heinrich Hevele, der in den alten Urkun-
den zuerſt des Koͤnigs Frei-Maurer heißt,
[143] erbaut die Koͤnigs-Halle zu Cambridge, das Schloß
Queenborough, die St. Stephans Kapelle ꝛc.


Conſtit. Buch S. 189.


1378.


war Chriſtian Roſenkreuz in einer adelichen
deutſchen Familie gebohren und ſtarb 1484. in
ſeinem 106. Jahr. Seine Reiſen machte er nach
Cypern, Palaͤſtina, Damascus und Damcar in
Arabien.


ſ. Ueber Jeſuiten, Frei-Maurer und
deutſche R. C. von J. A. Maier, Leipz.
1781. S. 103.


1382 ꝛc.


Urkunden, welche darthun ſollen, daß die Frei-
Maurerei ſchon unter der Regierung Kaiſer Wen-
zels
, im 14. Jahrhunderte, in Boͤhmen gebluͤht,
und der Geiſt der Wohlthaͤtigkeit dieſe „Frateria
oder Fratria, Freria“ (Bruͤderſchaft) beſeelt habe; —
abgedruckt hinter einer von der L. zur Wahrheit
und Einigkeit in Prag, bei der Feier ihres erſten
Jahrstages herausgegebenen Rede, und in dem
Journal fuͤr Frei-Maurer II. 1. S. 155—175.


1385.


„Unter der Regierung Edwins wurde die Er-
bauung des zweiten Tempels vorbereitet.“ Dieſe
Zahl giebt den numeraͤren Werth von 17., eben
[144] ſo 1718 und die Nachricht bedeutet: 1718. nah-
men die Englaͤnder eine große Reform in der Frei-
Maurerei vor, zugleich wurden die Jeſuiten aus
England durch eine Parlamentsacte vertrieben.


ſ. die ſchott. Maurerei II. Th.


1394 ꝛc.


Nach der Schrift: Kurzgefaßte Geſchichte der
Roſenkreuzer oder etwas von ihrem Ordensſtifter,
Alterthum, Veraͤnderung, Stillſtand, Fortgang,
Ceremonien und Beſchaͤftigungen, aus aͤchten Urkun-
den, herausgegeben von einem wahren Frei-Mau-
rer 1784. 2 B. iſt die Geſchichte der R. C. fol-
gende: 1394 reiſte Chriſtian Roſenkreuz, ein Moͤnch,
zu den arabiſchen Maͤgis, weil er auf einer Reiſe
nach Damascus in Spanien (Syrien) ſo viel Wun-
derbares von ihnen gehoͤrt hatte, und erhielt von
ihnen das Weltbuch. In der Folge gieng er
nach Fetz, wo er andre Magos und Kabbaliſten
kennen lernte, deren Kunſt er reinigte und ver-
beſſerte. Hierauf ſtiftete er im Jahr 1398. in
Europa eine Geſellſchaft, wie die in Arabien, nahm
12 BB. auf und blieb 86 Jahre ihr Praͤſes. An-
fangs war dies ein Moͤnchs-Orden, nach der Zeit
nannten ſie ſich Equites aurei Lapidis, nachher
aber Fratres roseae Crucis. Nach des P. Ro-
ſenkreuz Tode, ward die Geſellſchaft zerſtreut und
100 Jahre hindurch ganz vergeſſen. Im Jahre
1604. erſchien ſie auf einmal wieder. Sie gab
vor, ein von dem verſtorbenen R. im Grabe mit
Gold
[145] Gold auf Pergament geſchriebenes Buͤchlein ent-
deckt zu haben. (cf. unten J. 1473.) Sie fuͤhrte
neue Geſetze ein, entlehnte viel aus Paracelſus
und Crollius, und ſuchte ſich auf alle moͤgliche Art
zu vergroͤßern. Die letzten Spuren der Geſellſchaft
findet der Verfaſſer im Jahr 1714. Nach ihm iſt
niemand ein wahrer R. K., der ſich jetzt nicht
eines 103 jaͤhrigen Alters ruͤhmen koͤnne. Auch
ſollen ſie die hermetiſche Kunſt beſeſſen und die
Manuſcripte dazu von den Tempelherrn erhalten
haben.


1411.


Heinrich Wardlaw, Biſchof zu St. An-
drews
, Groß-Meiſter der Frei-Maurer in Schott-
land, ſtiftete dort die Univerſitaͤt.


Conſtit. Buch S. 211.


1424.


JacobI. von Schottland war ein Beſchuͤtzer
der Logen, welche er als koͤniglicher Groß-Meiſter
mit ſeiner Gegenwart beehrte. Er verordnete ein
jaͤhrliches Einkommen von 4 Pf. Schottiſch, die
jeder Maurer-Meiſter in Schottland an einen
Groß-Meiſter einrichten mußte, der von der Großen
Loge erwaͤhlt und vom Koͤnige gebilligt worden,
und entweder vom Adel oder der hohen Geiſtlich-
keit war. Er ſollte ſeine Deputirten in den Staͤd-
ten und Grafſchaften haben. Jeder neue Br.
mußte ihm bei ſeinem Eintritt etwas Gewiſſes
Zweites Baͤndch. K
[146] bezahlen. Sein Amt ertheilte ihm die Gewalt,
in der Bruͤderſchaft dasjenige abzuthun, was nicht
vor die Gerichtshoͤfe gehoͤrte. An ihn oder ſei-
nen naͤchſten Deputirten, appellirten ſowohl Mau-
rer als Bauherrn, um Prozeſſen zuvor zu kommen,
nach der Tradition der Schottl. Maurer
Conſtit. Buch S. 212.


ad 1425.


Unter HeinrichVI. ward folgendes Geſetz
gegeben: da durch die jaͤhrlichen Verbindungen und
Verſammlungen der Maurer bei ihren allgemeinen
Zuſammenkuͤnften, der gute Fortgang und die Wir-
kung der Handwerksſtatuten offenbar verletzt und
gebrochen wuͤrden: ſo ſei das fernere Halten ihrer
Kapiteln und Verſammlungen fuͤr ein Landesver-
brechen (Felony) zu halten.


Nach Hume betraf uͤbrigens das Geſetz nur
die Wort-Maurer. Allein ihre Verſammlungen
fanden dennoch in folgenden Zeiten noch ferner
ſtatt.


Vergl. Plotts Natural History cet.
§. 88. Briefe, die Frei-Maurerei betreff.
dritte S. S. 52. cet. — Conſtit. Buch
S. 193.


1429.


Unter HeinrichsVI. Minderjaͤhrigkeit wurde
eine gute L. unter dem Groß-Meiſter Chichely
[147] zu Canterbury gehalten, wie aus Wilh. Mol-
lart
, Priors zu Canterbury, lateiniſchem Regiſter
von 1429. erhellt, worinn Thomas Stapylton
als Meiſter und Joh. Morris als Custos de
la Lodge Latomorum,
nebſt 15 Geſellen und
3 Lehrlingen namentlich aufgefuͤhrt werden.


Conſtit. Buch S. 195.


1434.


Nach einer Urkunde aus der Zeit Eduards
VI.: „Die Geſellſchaft der Maurer, ſ[e] [...][t] Frei-
Maurer genannt, von alter Stiftung und gutem
Anſehen, hat vermittelſt geſpraͤchiger und freund-
licher Zuſammenkuͤnfte zu verſchiedenen malen und
wie eine liebreiche Bruͤderſchaft zu thun pflegt, zur
Zeit HeinrichsVI., im zwölften Jahr ſeiner
Regierung (nehmlich A. D. 1434., da Heinrich
13 Jahr alt war) dieſe Verſammlungen fleißig
angeſtellt.


Conſtit. Buch l. c.


1441.


Unter JacobII. v. Schottland war Wilh.
Sinclair
Graf von Orkney und Caitneß Groß-
Meiſter. Nach ihm Turnbull Biſchof von
Glasgow, welcher daſelbſt die Univerſitaͤt ſtiftete.


Conſtit. Buch S. 213.


1443


ſtarb der Groß-Meiſter Chichely, der auch eine
Loge zu Oxford gehalten hatte, wo er 2 Collegien
K 2
[148] aufbaute; worauf der Koͤnig den Biſchof von
Wincheſter, Wilh. Wanefleet zum Groß-
Meiſter beſtellte, um das Caton-Collegium bei
Windſor und das Koͤnigs-Colleg. zu Cambridge an-
zulegen. Außer 2 Collegien, die noch daſelbſt ge-
baut wurden, legte Wanefleet auf ſeine eigne
Koſten das Magdalenen-Colleg. zu Oxfort an.


Von Heinrich dem VI. wird uͤbrigens nur,
nach einer Urkunde gemeldet, daß er die Pflichten
und Geſetze der Frei-Maurer durchgeleſen und
gebilligt auch erklaͤrt habe, daß ſie ſo zu beobach-
ten waͤren, wie ſie aus den Nachrichten der alten
Zeiten ausgezogen und geſammlet worden.


Conſtit. Buch S. 196 und 97.


1452.


Die Innung privilegirter Bildhauer und Bau-
meiſter, die neben der großen Domkirche zu Straß-
burg ihre Haupthuͤtte hatte, nahm in dieſem Jahre
ihren Anfang, durch Veranſtaltung des Domarchitek-
ten Jobſt Dotzinger von Worms.


Briefe die Frei-Maurerei betreff. S. 101.


1455.


Zu den 17 Jahren der einheimiſchen Kriege
zwiſchen den koͤnigl. Haͤuſern von Lancaſter und
York, oder der rothen und weißen Roſe, wurde
die Maurerei ſehr hintenan geſetzt.


Conſtit. Buch. l. c.


[149]

1459.


Die Maurer formirten durch die verſchiedenen
Corporationen, nur Eine Geſellſchaft durch ganz
Deutſchland: aber ſie erhielt erſt 20 Jahr nach
der Vollendung des Thurms zu Straßburg Feſtig-
keit. Die verſchiedenen Meiſter der einzelnen Lo-
gen verſammelten ſich zu Regensburg, wo ſie den
25. April 1459. eine Verbruͤderungsacte abſchloſſen,
nach welcher ſie den Meiſter der Haupthuͤtte zu
Straßburg und ſeine Nachfolger zu den einzigen
und beſtaͤndigen Groß-Meiſtern der Bruͤderſchaft
der befreiten Maurer in Deutſchland einſetzten,
und jaͤhrlich Provinzial-Verſammlungen, auch zu-
weilen General-Verſammlungen zu halten be-
ſchloſſen, welches 1464. und 1469. geſchah. Kaiſer
Maximilian beſtaͤttigte dieſe Einrichtung durch
ſein Diplom, und befreite ſie, Straßburg den 3.
October 1498.. Carl V., Ferdinand und ihre
Nachfolger erneuerten das Privilegium. — Die
Geſellſchaft beſtand aus Meiſtern, Geſellen und
Lehrlingen, und hatte ihre eigne Gerichtsbarkeit.
Die Geſellſchaft zu Straßburg umfaßte alle uͤbri-
gen in Deutſchland. Sie hielt ihr Gericht in der
Loge und urtheilte ohne Appellation uͤber alle
Rechtsſachen, die vor ſie gebracht wurden, nach den
Regeln und Statuten der Bruͤderſchaft. (v. unten
J. 1563.)


1460 ꝛc.


JacobIII. v. Schottland bediente ſich der
Maurer-Zunft zu Auffuͤhrung ſchoͤner Werke.
[150] Groß-Meiſter waren Robert Cockeran und
ſodann bis 1480. Alexander, Lord Forbes.


Conſtit. Buch S. 213.


1471.


EduardIV. brauchte den Groß-Meiſter R.
Beauchamp, die koͤnigl. Schloͤſſer und Pallaͤſte
nach den Kriegen auszubeſſern und das Schloß
nebſt der Kapelle zu Windſor praͤchtiger herzu-
ſtellen, wofuͤr ihn der Koͤnig zum Kanzler des
Ordens vom Hoſenbande ernannte.


Conſtit. Buch l. c.


1473.


Soll der Stifter der R. C. Chriſtian Roſen-
kreuz, ein Moͤnch, geboren worden ſeyn; er ſoll
Reiſen nach Cypern, Palaͤſtina, Syrien, Arabien
und Fetz gemacht haben. Nachdem er im 106ten
Jahre ſeines Alters geſtorben war, ſoll ſeine Kunſt
ganz unbekannt geworden ſeyn, bis endlich auf ein-
mal ſein Grab entdeckt und in ihm ein Schatz
von Handſchriften und dergleichen gefunden wurde.
Auf einer Tafel fand ſich die Nachricht, der O.
habe 120 Jahre ruhen ſollen, wodurch man viel-
leicht eine ſpaͤtere Geſellſchaft an eine aͤltere an-
knuͤpfen wollte.


cf. Ueber Jeſuiten, F. M. deutſche Ro-
ſenkreuzer von J. Maier, Leipzig 82.


[151]

1490.


Unter HeinrichVII. ward in England die
Gothiſche Bauart zur hoͤchſten Vollkommenheit ge-
bracht, indeß ſie in Italien durch die Wiederher-
ſteller des Auguſtiſchen Styls abgeſchaft worden war.


Conſtit. Buch S. 199.


1494


ſtiftete JacobIV., durch den Groß-Meiſter
Will. Elphinſton, Biſchof zu Aberdeen die
Univerſitaͤt daſelbſt.


Conſtit. Buch S. 214.


1500 circa.


Themis aurea, d. i. von den Geſetzen und
Ordnungen der loͤblichen Fraternitaͤt R. C. des
Roſenkreuzes — durch Mich. Maierum, Imp.
Conſ. Com. Eq. Ex. der Philoſophie und Medicin
D. (Deutſch Frankf. a. M. 1618.)


v. der R. C. in ſr. Bl. S. 97 f.


1502.


Der Koͤnig als Groß-Meiſter erwaͤhlte zu
ſeinem Vorſteher in England den Abt von Weſt-
muͤnſter Joh. Islip, und Reginald Bray,
Ritter des Hoſenbandes, durch den er viele große
Gebaͤude auffuͤhrte. — Das Baufeſt der Weſt-
muͤnſter-Kapelle ward 1507. gefeiert.


Conſtit. Buch S. 200.


[152]

1510.


Wiederhebung der Geheimniſſe der alten Wei-
ſen (Magi, dann der goldne Bund genannt, wo-
rinn nur Meiſter vom Scheine des Lichts aufge-
nommen wurden; alles noch vor 1311.) und my-
ſtiſche Entſtehung der goldnen R. C. „Die Bruͤ-
der des goldnen Bundes nehmlich, ſtudirten die
72 Buͤcher der Bibel, zogen die Schriften ihrer
Magen mit den myſtiſchen Schriften der Bibel
parallel, und nannten dieſen Bund auf eine neue
Art, indem ſie ihn durch das Siegeszeichen des
Gottmenſchen (das Kreuz) ehrwuͤrdig machten, u.
ſo unterdruͤckten ſie den alten Bund zum Beſten
des neuen. Sie ſind alſo ſeit 1510. unter dem
Namen Bruͤder des goldnen Roſenkreuzes, aͤchte
Frei-Maurer, aufrichtige Freunde, Bunds- und
Mitverwandte des g. R. C. bekannt. (Nach einer
geheimen Conſtitution der R. C. und einer Hand-
ſchrift des Michael Mayer von Regensburg,
auf der Univerſitaͤtsbibl. zu Leiden.)


v. der R. C. in ſeiner Bloͤße ꝛc. S. 80.
ꝛc. cf. Archiv fuͤr Frei-Maurer u. R. C.
I. B. Berl. 83. S. 433. 34.


1527.


David Lindſay, deſſen unter den Schottl.
Maurern unter dem Namen des Gelehrten Groß-
Meiſters gedacht wird.


Conſtit. Buch S. 214.


[153]

1536.


Bis zu dieſem Jahr laͤuft die aͤlteſte maureriſche
Urkunde, deren Authenticitaͤt ſich darthun laͤßt:
Certayne questions wyth Answers to the
same, concerning the Mystery of Maconrye.


Frei-Maurer Bibl. 4tes St. S. 14.


1539.


Nachdem 1534. der Koͤnig zum Oberhaupt der
Kirche erklaͤrt worden war, zog man in dieſem
Jahre die Kirchen und Kloͤſter, bis auf 926. ein.
Dadurch kam ein beſſerer Styl in die Maurerei.
Der Koͤnig verkaufte nehmlich die eingezogenen
Haͤuſer an den Adel, die auf deren Verfall praͤch-
tige Wohnhaͤuſer bauten.


Conſtit. Buch S. 202.


Ebendaſſelbe fand in Schottland ſtatt, wo man
ebenfalls die Auguſtiſche Bauart nachahmte.


ebendaſ. S. 216.


1540.


Durch die Bulle PaulIII. Regimini mili-
tantis ecclesiae
vom 27. Sept. wird der neu ent-
ſtandene O. der Geſellſchaft Jeſu beſtaͤttigt.


1541.
Den 24. September


ſtirbt Philippus Theophraſtus Paracel-
ſus
von Hohenheim zu Salzburg (geb. 1493. zu
Einſiedlen in d. Schweitz.)


[154]

1558.


Einige leiten den Urſprung des Frei-Maurer-
Ordens von dem Biſchof Thomas Cranmer
ab, der in dieſem Jahre verbrannt wurde.


ſ. Leben u. Thaten des Joſeph Balſamo
ſogen. Grafen Caglioſtro ꝛc. S. 55.


1561.


Die Geſchichte von der Verfolgung der Koͤni-
ginn Eliſabeth ſoll bloß erſonnen ſeyn, um die
angefangene Allegorie weiter fort zu fuͤhren, und
bloß das Jahr 1561. andeuten, wo die zu Poiſſy
verſammlete franzoͤſiſche Cleriſei, harte Beſchluͤſſe
gegen die Jeſuiten und das Collegium von Cler-
mont (welches durch die Große Loge von York
vorgeſtellt werden ſoll) abfaßte.


ſ. die Schottl. Maurerei II. Th.


1561.


Unter Eliſabeth lebten alle Kuͤnſte wieder
auf, und der gute alte Auguſtiſche Styl kam wie-
der empor. Die Koͤniginn aber war der Baukunſt
nicht geneigt; uͤberdies waren ihr alle geheimen
Zuſammenkuͤnfte verdaͤchtig, beſonders die der
Maurer, zu deren Groß-Meiſterthum ſie, als Frau,
unfaͤhig war.


Conſtit. Buch S. 203 und 4.


[155]

1563.


Die Statuten der Bruͤderſchaft, gegeben den
29. Sept. von 72 untergeordneten Logen-Meiſtern
zu Baſel, wurden in dieſem Jahre erneuert und
gedruckt. Die Logen von Schwaben, Heſſen, Bai-
ern, Franken, Sachſen, Thuͤringen und die an der
Moſel, erkannten die Autoritaͤt der Großen Loge
von Straßburg. Noch im achtzehnten Jahrhun-
derte verdammten die Meiſter dieſer Loge, die LL.
von Dresden und Nuͤrnberg zu einer Geldbuſſe,
und ſie ward bezahlt. Die Große L. von Wien,
zu der die von Ungarn und Steiermark gehoͤrten,
die Große Loge von Zuͤrich, die die Schweizer
LL. unter ſich hatte, wandten ſich in ſchweren und
zweifelhaften Faͤllen an die Mutter-Loge von
Straßburg.


Alle Glieder dieſer Geſellſchaft hatten keine
Verbindung mit den gemeinen Maurern, die nichts
als Hammer und Kelle zu fuͤhren wußten. Sie
betrachteten ihre Kunſt, als eine weit hoͤhere und
bedienten ſich der Maurer-Werkzeuge nur zu Sym-
bolen. Entſchloſſen, ein beſondres Korps unter der
Menge der Arbeiter zu machen, erfanden ſie Er-
kennungsworte und Zeichen. Sie nannten es das
Wortzeichen, den Gruß. Die Lehrlinge, Geſellen
und Meiſter wurden mit geheimnißvollen Gebraͤu-
chen aufgenommen. Sie nahmen die Freiheit zu
ihrem Merkmal an, und entzogen ſich ſogar biswei-
len der rechtmaͤßigen Herrſchaft der Obrigkeit. —


Noch exiſtirt das maureriſche Tribunal der L.
[156] zu Straßburg. Die Einwohner wandten ſich in
allen ſtreitigen Faͤllen, die Bauten betrafen, an ſie;
der Magiſtrat ſelbſt uͤberließ ihnen das Urtheil
daruͤber im Jahr 1461. und ſchrieb ihnen die For-
men und Geſetze vor, die ſie dabei beobachten ſoll-
ten. Dies ward 1490. erneuert. Die Urtheile die
die Loge ausſprach, hießen Huͤtten-Briefe.
Die Stadtarchive ſind davon voll, und es giebt
wenig alte Familien zu Straßburg, die dergleichen
nicht unter ihren Papieren haͤtten. (v. unten J. 1620.)


1586.


Valentin Andreae geboren. — Gegen die
alchymiſtiſchen Thorheiten ſeiner Zeit ſchrieb er in
ſeinem 15. und 16. Jahre die chemiſche Hoch-
zeit
, die aber beinah 12 Jahr ungedruckt blieb.


1588


folgte Georg Haſtings, Graf von Huntington
dem Carl Howard, Lord von Effingham als
Groß-Meiſter in Suͤden.


Conſtit. Buch S. 205.


1600.


Ueber Inigo Jones, der vorzuͤglich den
roͤmiſchen Styl aus Spanien nach England brachte
(geb. 1572.) ſ. d. Conſtit. Buch S. 225. ꝛc.


1603.


„Nicht England ſondern Schottland iſt der
Boden, in dem die Maurerei aufkeimte. Aus
Frankreich gefluͤchtete Tempelherren ſetzten in ſchot-
[157] tiſchen Hoͤlen den Orden fort (!) JacobI. ein
ſchwacher Koͤnig, doch nicht ohne alles Verdienſt,
wurde in die geheime Geſellſchaft aufgenommen,
und nur fuͤr ſie ſtiftete er den Andr. O., der in
den franzoͤſiſchen LL. nachgeaͤfft wird.“


Bemerk. uͤber St. Nic. und Anti S.
Nic. S. 84.


1605.


Das Buch: Reparation des atheniſchen ver-
fallenen Gebaͤudes Palladis, 8. ein Beweiß, daß
die innere Verfaſſung der Roſenkreuzer ſchon in
dieſem Jahr, alſo vor 1614. exiſtirte.


ſ. Chr. Roſe freie Bemerkungen ꝛc. Leipz.
87. S. 81.


1607.


„Die beſten Kunſtgenoſſen fanden ſich von allen
Seiten bei dem Groß-Meiſter Jones ein, welcher
allemal guten Lohn und gehoͤrige Zeit zum Unter-
richt in den Logen
bewilligte, und dieſe mit
vortrefflichen Nebengeſetzen verſah, wodurch ſie den
Schulen oder Akademien der Zeichner in Italien
gleich gemacht wurden.“


Conſtit. Buch S. 227.


J. Jones ward bis 1618. jaͤhrlich zum Groß-
Meiſter oder deput. Groß-Meiſter erwaͤhlt. —
Bei dem Flor der Maurerei wurden viel vornehme,
reiche und gelehrte Maͤnner, auf ihr Anſuchen,
zur Ehre der Zunft, als BB. aufgenommen.


ebendaſ. S. 228.


[158]

1612 bis 15


ſind die erſten Schriften mit dem neuen Namen
Fraternitas crucis roseae mehrmalen und in fuͤnf
verſchiedenen Sprachen gedruckt und an ganz Eu-
ropa gerichtet worden.


v. Semlers Unparth. Sammlungen
zur Hiſtorie der R. C. 1 St. Leipz. 86.
Andre Abtheil. (Von S. 101. an die
Geſetze des Ordens aus der chemiſchen
Hochzeit Chriſtiani Roſenkreuz, der Fama
Fraternitatis,
und aus dem Echo der
von Gott hocherleuchteten Fraternitaͤt des
loͤblichen Ordens R. C. ꝛc.)


1614


erſchien ſchon die erſte Ausgabe der Fama frater-
ternitatis
und Generalreformation der ganzen
weiten Welt zu Kaſſel, ohne Wiſſen des Verf.
(Michael Mayer.) Die von ihm ſelbſt beſorgte,
nebſt der erſten Ausgabe der chemiſchen Hochzeit
erſchien 1615.


Frei-Maurer Bibl. V. S. 26 f. vergl.
den R. C. in ſr. Bl. S. 99.


1615.


Die Confessio fratrum roseae crucis gedruckt
zu Kaſſel und angehaͤngt an Gabellae Conside-
ratio secretioris Philosophiae,
wo die Bruͤder
Cap. XIII. ermahnt werden: Christum sincere
profiteri, Papam execrari.


Stark Kryptocathol. II. S. 162.


[159]

1616.


Assertion oder Beſtaͤttigung der Fraternitaͤt
R. C. welche man des Roſenkreuzes nennet, von
einem derſelben Fraternitaͤt Mitgeſellen,“ eine aͤchte
R. C. ſche Schrift der Myſtiker, die ſich am meiſten
den Ideen des Andreae naͤherten, und vorzuͤglich
die Religion zu verbeſſern ſuchten.


ſ. Chr. Roſe fr. Bem. S. 85.


1617


erſchien die merkwuͤrdige Roſenkreuzeriſche Schrift:
Epistola ad Fratres de Rosea cruce. Frankf.
bei Anton Hunnius, worinn S. 4. ſteht:
Papae et Mahometis contra Jesum blas-
phemias
detestamini, membraque estis ejus
ecclesiae, quae Sacra biblia seu Verbum
Dei
, non ut cothurnum et librum haereseon
proclamat, sed omnis divinae et humanae sapi-
entiae statuit fundamentum et petram.
Imo quae duo sacramenta, tam initiatio-
nis s. insitionis, quam conglutinationis, hoc
est baptismi et coenae dominicae
nobiscum agnoscit.


l. c. S. 161.


eod.


„Die loͤbliche Bruͤderſchaft zum Leichtſchiff. Ver-
deutſcht aus einem lateiniſchen Exemplar, ſo allem
[160] Anſehen nach eben ſo alt, als die Bruͤderſchaft zum
Roſenkreuz ſeyn will.“


ſ. Chr. Roſe freie Bemerkungen ꝛc. S. 81.


eod.


Schnelle Bothſchaft an die philoſophiſche Fra-
ternitaͤt vom Roſenkreuz, durch Valentinum Tschir-
nessum.
Danzig 12.


cf. S. 84 und 86.


1618.


Ueber die weitlaͤuftige Entdeckung des Collegii
ꝛc. ſ. Ephemeriden der geſammten Frei-Maurerei
in Deutſchland 1785. S. 13 ꝛc.


Der vollſtaͤndige Titel iſt: Speculo sophico
Rhodo-Staorotico
d. i. weitlaͤuftige Entdeckung
des Collegii und Axiomatum, von der ſonderbaren
erleuchteten Fraternitaͤt Chriſt. Roſen-Creuz: allen
der wahren Weisheit begierigen Expectanten zu fer-
nerer Nachrichtung, den unverſtaͤndigen Zoilis aber
zur unausloͤſchlichen Schande und Spott. Durch
Theophilum Schweighart Constantiensem.
Cum privilegio Dei et naturae
in Ewigkeit nicht
umzuſtoßen. 1618. 4.


1620


errichtete Andreae, nachdem er ſich mit Unwillen
von ſeiner fruͤheren losgeſagt hatte, eine neue ge-
heime Geſellſchaft, welche nur unter einer andern
Form,
[161] Form, die nehmlichen Zwecke befoͤrdern ſollte.
Auch uͤber dieſe Geſellſchaft ſind die meiſten Doku-
mente verloren gegangen.


Frei-Maurer Bibl. V. S. 28.


1620.


In dieſem Jahre hob der Magiſtrat zu Straß-
burg die Jurisdiktion der Loge in Bauſachen auf,
weil damit Mißbrauch getrieben worden war.


Extrait d’une lettre de M. l’Abbé
Grandidier à Madame de — sur l’Ori-
gine des Francs-Maçons, à Stras-
bourg, ce 24. Novembre
1778. abge-
druckt in dem Essai sur la Secte des
Illuminés a Paris
1789. S. 236 f. —
vergl. Frei-Maurer Bibl. IV. S. 6 f.


1622.


Nach Nicolai’s Reiſe B. VI. S. 485. iſt der
oͤſterreichiſche Freiherr Achaz von Hohenfeld,
der wahrſcheinliche Stifter der Roſenkreuzer. Er
war einer der evangeliſchen Landſtaͤnde in Oeſter-
reich ob der Ens, und wurde durch FerdinandII.
gezwungen, der Religion wegen, aus ſeinem Vater-
lande zu fliehen, und ſich zu ſeinem vertrauten
Freunde Valentin Andreae zu fluͤchten.


1622.


Nach L. C. Orvii Vorrede zu der erſten Aus-
gabe von Montani Anweiſung zur hermetiſchen
Zweites Baͤndch. L
[162] Wiſſenſchaft (neue Ausgabe Frankfurt und Leipzig
1757.) haben die R. C. neuen Syſtems um die-
ſes Jahr im Haag exiſtirt, und nach ihrem Vor-
geben auch in Amſterdam, Nuͤrnberg, Hamburg,
Danzig, Mantua, Venedig und Erfurt Zuſammen-
kuͤnfte gehabt. Sie nannten ſich nicht Fratres
R. C.
ſondern wahre Roſenkreuzer und legten
ihrem angeblichen Stifter den Namen Chriſtian
Roſe
bei; trugen auch oͤffentlich eine ſchwarze
ſeidene Schnur, in ihren Verſammlungen aber ein
goldnes Ordensband, mit einem goldenen Kreuze
und einer daran haͤngenden Roſe.


ſ. Chr. Roſe freie Bemerk. S. 88. cf.
Nicolai Verſuch uͤber die Beſchuldi-
gungen ꝛc. S. 179 f.


1623


machte Gabriel Naudé einen Angriff auf die
R. C. in ſeiner Instruction à la France sur les
Frères de la Rose-Croix. Paris
8.


1625.


CarlI. Groß-Meiſter; unter ihm fanden die
auslaͤndiſchen Maler, Bildhauer, Gipsarbeiter ꝛc.
einen großen Befoͤrderer ihrer Kunſt.


Conſtit. Buch S. 228.


1633.


Thomas Howard war ein großer Kenner
aller zeichnenden Kuͤnſte und Herſteller gelehrter
[163] Alterthuͤmer. Beſonders iſt er beruͤhmt durch ſeine
Marmora Arundeliana. Unter ihm war Jones
noch immer Deputirter Groß-Meiſter, und baute
die St. Pauls Kirche mit einem vortrefflichen
Schwibbogen.


Conſtit. Buch S. 229.


1640.


Bis hieher, wo die innerlichen Kriege anfin-
gen, dauerte das Amt des Groß-Meiſters in Schott-
land, wie es oben J. 1424. beſchrieben worden.
„Vorjetzt iſt es aus der Gewohnheit gekommen,
und kann auf keine andre Art, als durch einen
koͤniglichen Groß-Meiſter wiederhergeſtellt wer-
den. Nunmehr tranken die Maurer mit Freuden:
fuͤr den Koͤnig und die Kunſt.“


Conſtit. Buch S. 212.


1645


ſtiftete Olivier Cromwell den Frei-Maurer
Orden. Die Fabel davon wird weitlaͤuftig erzaͤhlt
in dem Buche: Allerneueſte Geheimniſſe der Frei-
Maurer ꝛc. 1780. im zweiten Th. S. 11. ꝛc.


1646.


Von dieſem Jahre, bis zum 27. December 1663.
wurde kein Groß-Meiſter gewaͤhlt, weil der Fort-
gang der k. Kunſt durch die buͤrgerlichen Kriege
gehemmt wurde. Nach andern Nachrichten war
L 2
[164]Inigo Jones, „bis zu ſeiner am 30. Januar
1649. erfolgten Ermordung,“ Groß-Meiſter, wovon
aber der Free Mas. Calendar for 1775. nichts
erwaͤhnt.


v. Chr. Roſe freie Bemerkungen ꝛc. S. 135.


1646.


Die Idee, daß durch Elias Aſhmole, Mit-
glied jener Geſellſchaft, die Bacon’s Atlantis zu
realiſiren ſtrebte, und eine Verbindung zwiſchen
derſelben und der damaligen Zunft der engliſchen
Maurer-Meiſter ſtiftete, der Grund zur Frei-
Maurerei gelegt worden, deutet einen zu neuen
Urſprung fuͤr dieſe Geſellſchaft an. Waͤre dies
aber erwieſen, ſo muͤßte man annehmen, daß Ba-
con’s
ſalomoniſches Haus in den Tempel Sa-
lomons
umgewandelt worden ſey.


Frei-Maurer Bibl. 4tes St. S. 16.
vergl. S. 101.


1646.
Den 16. October


wird Aſhmole, nach ſeiner eigenen Lebens-Beſchrei-
bung, zu Warrington in Lancaſhire, nebſt dem Obri-
ſten Heinrich Manwaring durch Herrn Richart
Penket
zu einem Mitbruder, „der alten und
ehrwuͤrdigen Geſellſchaft der Frei-Maurer“ erwaͤhlt.


vergl. Briefe die Frei-Maurerei betreffend
dritte S. S. 23. ꝛc.


[165]

Die Lebens-Beſchreibung ſteht in der Samm-
lung merkwuͤrdiger Lebens-Beſchreibungen. 4ter B.


1649.


„Als Cromwell nach dem Tode CarlsI.
1649. das alte Inſtitut der Bauleute von Oſten
im Schloß Whitehall gefunden, hat er, weil er es
unrecht verſtanden, es nur nach ſeinen irrigen Be-
griffen umzuaͤndern, und Frei-Maurerei zu
nennen fuͤr gut befunden.“


Aus einem Roſenkreuzer Archiv, in dem
Buche: Der im Lichte der Wahrheit ſtrah-
lende Roſenkreuzer von Phoebron, Leipz.
1782. S. 110. und 12.


1649 und 50.


Der Verfaſſer der Schrift: Aufklaͤrung uͤber
wichtige Gegenſtaͤnde in der Maurerei, beſonders
uͤber die Entſtehung derſelben ohne Schwaͤrmerei ꝛc.
ſetzt den Urſprung des O. in dieſe Jahre, und
macht ihn zu einer Verbindung patriotiſcher Brit-
ten gegen den Uſurpator Olivier Cromwell
zum Beſten CarlsII. Man verſteckte ſich hinter
die Zunft (Mystery) der Wort-Maurer, welche
ihre Kennzeichen und Geheimniſſe hatten, und er-
fand neue Hieroylyphen ꝛc. In der Folge behielt
man die Verbindung blos ihrer Annehmlichkeit
wegen bey. — Etwas aͤhnliches wird auch in dem
Buche: Geheimer Gang menſchlicher Machinatio-
[166] nen. Rom, Muͤnchen und Barby, 1790. im 16.
Briefe erzaͤhlt, mit dem Zuſatz: daß man ſodann
in Schottland den Zweck hineingewebt habe: Ka-
tholicismus zu verbreiten, und dem K. Jacob
aufzuhelfen; daß man geheime Grade, Angelobung
blinden Gehorſams eingefuͤhrt habe ꝛc. daß Ram-
ſay
, Gouverneur der Soͤhne Jacobs der vor-
zuͤglichſte Urheber dieſer neuen Tendenz ſey, und
die vertriebenen Jeſuiten als ſchottiſche BB. und
Ordens-Obere zuruͤckgekehrt waͤren ꝛc.


1652


ſtarb der große Inigo Jones im 80. Jahre
ſeines Alters zu London, und ward den 26. Jun.
in der St. Bennets Kirche begraben. — Seine
beſten Schuͤler fuhren fort, zu ihrer Vervollkomm-
nung Zuſammenkuͤnfte zu halten; ſie bewahrten
ſeine Riſſe und Zeichnungen, und pflanzten die
Auguſtiſche Bauart fort, die er in England einge-
fuͤhrt hatte.


ſeine Arbeiten, ſ. Conſtit. Buch S. 230.


1661.


CarlII. war auf ſeinen Reiſen zum Frei-
Maurer gemacht worden. Er beſchloß, den Augu-
ſtiſchen Styl durch Herſtellung der Logen empor
zu bringen, und beſtaͤttigte die Wahl Heinrichs
Jermyn
Gr. v. St. Alban zum Groß-Meiſter.
Dieſer ernannte Johann Denham zu ſeinem
[167] Deputirten, und Chriſtoph Wren, und Jo-
hann Webb
zu Groß-Vorſtehern.


Conſtit. Buch S. 232.


1663.


Wren’s Leben, nach Chauffepié in der britt.
Biographie 4 B. — Leſſing in ſ. Geſpraͤch: Ernſt
und Falck nennt ihn den Schoͤpfer der ganzen
heutigen Frei-Maurerei.


ſ. daruͤber: Briefe, die Frei-Maurerei be-
treffend, dritte S. S. 72. ꝛc.


1663.


Der Groß-Meiſter St. Alban hielt am St.
Johannistage, den 27. December, eine allgemeine
Verſammlung und Feſt, wobei verſchiedene Ver-
ordnungen gemacht wurden, z. B. daß einer nur
in einer regelmaͤßigen L. wenn er geſunden Leibes,
von ehrlichem Herkommen und gutem Namen und
wenigſtens 21 Jahr alt iſt, aufgenommen, und die
Bruͤderſchaft durch einen Groß-Meiſter, und ſo
viele Vorſteher, als man bei der jaͤhrlichen allge-
meinen Verſammlung waͤhlen wuͤrde, regiert wer-
den ſolle.


Conſtit. Buch S. 232 bis 34.


1663.


Nachdem im Jahr 1660. der Zweck der Ge-
ſellſchaft erreicht war, nahm ſie nun verſchiedene
[168] Maßregeln zu ihrer weitern Erhaltung. Poli-
tik, Sitten und Kuͤnſte hatten ſich veraͤndert; der
politiſche Zweck fiel ganz weg.


ſ. Ephemeriden der geſammten Maurerei
S. 19.


1666.


Vor dieſem Jahre ſoll weder Name noch Form
der Frei-Maurerei exiſtirt haben.


ſ. der Schottiſchen Maurerei erſter Th.
S. 161.


1666.
Den 24. Juni.


Thomas Savage Gr. v. Rivers, Groß-
Meiſter, ernennt Cſtph Wren zu ſeinem Depu-
tirten, Webb und Grinlin Gibbons zu Groß-
Vorſtehern. „Es wurden aber alle Dinge von
dem Deputirten und den Vorſtehern veranſtaltet.“
Zu dem Wiederaufbau der abgebrannten Stadt
London machte Wren den Plan.


Conſtit. Buch S. 234.


1667.
Den 23. October.


Grundlegung zur neuen koͤnigl. Boͤrſe in London.


ibid.


[169]

1669.
Den 9. Juli.


Einweihung des Theatri Sheldoniani zu Ox-
fort, erbaut von Gilbert Sheldon Erzbiſchof
zu Canterbury, durch Wren und Webb.


ibid. S. 235.


1673.


Grundlegung zur neuen St. Paulskirche, nach
dem Brande der alten, nach dem Riß und unter
Direktion Wrens, und ſeines Vorſtehers Eduard
Strong
. — Andre beruͤhmte Arbeiten.


ibid. S. 236 und 37.


1682.
Den 10. Maͤrz


empfing ich (erzaͤhlt Ashmole in ſeinem Tage-
buche) eine Erinnerung, des folgenden Tages in
Maſons Hall in London zu erſcheinen, wo wir
Herrn Wilhelm Wilſon, den Hauptmann Ri-
chard Borthwick
und noch 4 andre, in die Ge-
ſellſchaft der Frei-Maurer aufnahmen. Ich war
der aͤlteſte Geſell, weil ſchon 35 Jahr ſeit meiner
Aufnahme verfloſſen, und bei mir waren Tho-
mas Wiſe
, Meiſter der Maurer-Geſellſchaft in
London, und 8 alte Frei-Maurer. Wir genoſſen
hierauf alle in der Tavern zum halben Mond
in Cheapſide einer herrlichen Mahlzeit, welche auf
[170] Koſten der neu aufgenommenen Maurer war be-
reitet worden.


Conſtit. Buch S. 238 und 39.


1683.


Die ausdruͤcklichſte Stelle von einer wirklichen
chymiſchen oder phyſiſchen (geheimen) Geſellſchaft,
iſt, nach D.Semler’s unpartheiiſchen Sammlun-
gen zur Hiſtorie der Roſenkreuzer, 1 St. Leipzig
1786. enthalten in: Raymundi Lulli Theoria
c. 87. p.
139. im vierten Vol. des Theatri Che-
mici latini,
das die R. C. 1683. in Straßburg
haben drucken laſſen.


1685.


Da nach CarlsII. Tode JacobII. auf den
Thron gekommen, und dieſer kein Frei-Maurer
Bruder war, ſo wurde die Kunſt ſehr zuruͤckge-
ſetzt. — Doch Wren, der mit dem Bau der
Paulskirche fortfuhr, berief jaͤhrlich die BB., die
ſich bei ihm einfinden konnten, zuſammen, um gute
alte Gebraͤuche zu bewahren. — Doch ſind viele
Urkunden der Bruͤderſchaft, die unter den vorigen
Regierungen verfaßt worden, unter der gegenwaͤr-
tigen und bei der Revolution verloren gegangen.


Conſtit. Buch S. 239.


1686.


The Natural History of Stafford-Shire by
Robert Plott, LLD. Keeper of the Ashmolean
[171] Musaeum and Professor of Chymistry in the
Univ. of Oxford. idid.
fol.


Darinn uͤber die Frei-Maurerei eine
merkwuͤrdige Stelle §. 85 bis 88. abge-
druckt in den Briefen, die Frei-Maure-
rei betreffend, dritte S. S. 42 f.


1687.
Den 9. Junius.


Merkwuͤrdiges Schreiben des D. W. an Sir D.
abgedruckt in Aſhmole’s Leben l. c. S. 740 f.
Deutſch in den Briefen, die Frei-Maurerei be-
treffend, dritte S. S. 27 f.


1688.


Das aͤlteſte Frei-Maurer Patent findet ſich
bei einem irrlaͤndiſchen Regimente, und iſt vom
25. Maͤrz dieſes Jahres datirt. Dies Regiment
war damals mit dem K. JacobII. in Irrland.


ſ. der Schottiſchen Maurerei I. Th. Leipz.
1788.


Da JacobII. noch Herzog von York war,
wurde von ihm ein Jeſuiten-Collegium zu Lon-
don (das von ſeinem Stifter nachher die große
Loge zu York genannt wurde) errichtet; dieſes ſtellt
die Allegorie unter Erbauung des erſten Tempels
vor, ſo wie die Erbauung des zweiten Tempels
durch Jerubabel (J), ein Sinnbild von der Ver-
bindung der Jeſuiten mit dem Praͤtendenten iſt.


ebendaſ. II. Th. S. 106.


[172]

1691.


Die erſten Logen und vierteljaͤhrigen Zuſam-
menkuͤnfte eingerichtet; kurz vorher kam die Re-
densart: freie und angenommene Maurer auf.
„Von den angenommenen Maurern entſtanden
die wirklichen Maurer, und von beiden die Gor-
mogons, deren Groß-Meiſter Volgi ſeinen Ur-
ſprung aus China herleitet.“


v. die zergliederte Frei-Maurerei.


1693.


Da die beſondern Logen bisher nicht ſo haͤufig
und meiſtens zufaͤllig (ausgenommen in oder nahe
bei Orten, wo große Baue aufgefuͤhrt wurden)
geweſen waren: ſo veranlaßte in dieſem Jahr Ro-
bert Clayton
eine zufaͤllige L. ſeiner BB. Mei-
ſter im St. Thomas Hospital zu Southwark,
wegen des beſten Plans zum Wiederaufbau deſſel-
ben. Nicht weit davon wurde lange hernach eine
beſtaͤndige L. gehalten. Außer dieſer und der alten
L. von St. Pauls, war eine andre in Picadilly,
eine bei der Abtei von Weſtmuͤnſter, eine bei Co-
vent-Garden, eine in Holborn, eine auf Tower-Hill
und einige andere, die ſich ordentlich verſammleten.


Conſtit. Buch S. 241.


1695


ward Carl Lennox Herzog von Richmond und
Lennox, Meiſter einer Loge zu Chicheſter, als er
[173] zur jaͤhrlichen Verſammlung nach London kam, zum
Groß-Meiſter erwaͤhlt, und vom Koͤnige beſtaͤttigt.


ibid. S. 242.


1696.


Ueber die Lock’iſche Urkunde vergleiche: Briefe,
die Frei-Maurerei betreffend, dritte S. p. 81 f. —
Die Urkunde ſelbſt, nebſt Locke’s Commentar, ſteht in
Preſtons Erlaͤuterung der Frei-Maurerei. Deutſch
von Meyer, Stendal 1780. und in Wilh. Hut-
chinſons
Geiſt der Maurerei. Deutſch. Berl. 1780.


1698 circa.


Gegen das Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts,
war die Corporation der freien und angenomme-
nen Maurer in Verfall gekommen, die Anzahl ihrer
Glieder hatte ſich betraͤchtlich vermindert, ſie hatte
keine Lords mehr zu Groß-Meiſtern, die Geſell-
ſchaft ſchien verſchwunden zu ſeyn. Man fand in
den Staͤdten geſchicktere Arbeiter, als vorher, und
ließ keine mehr aus der Fremde kommen, oder
wandte ſich an die große Zunft der Frei-Maurer,
wie ehemals. Die Maurer, denen es nun nicht
mehr an Arbeit fehlte, verließen nach und nach die
Korporation der Frei-Maurer, und ließen ſich in
die Zunft ihres Wohnorts aufnehmen.


v. die Schickſale der geheimen Geſellſchaf-
ten in Deutſchland, aus dem Portofeuille
eines reiſenden Franz. uͤberſetzt 1800.


1698.


Wren wieder zum Groß-Meiſter erwaͤhlt.


[174]

2.
Zuſaͤtze zu der Geſchichte der Mau-
rerei im 18ten Jahrhunderte
.


1700.


Das letzte Beiſpiel einer von der Straßburger
Oberloge ausgeuͤbten Gerichtsbarkeit, bei einem
Zwiſte der Huͤtten zu Dresden und Nuͤrnberg.


1700.


Die LL. in den ſuͤdlichen Gegenden waren,
theils durch die Unachtſamkeit der Meiſter und
Vorſteher, theils weil ſie keinen edlen Groß-Mei-
ſter in London hatten, in Verfall gerathen, und
die jaͤhrlichen Verſammlungen wurden nicht gehoͤ-
rig gehalten.


Conſtit. Buch S. 244.


1707.
Den 16. Maͤrz


wurde durch einen Reichstags-Schluß zu Regens-
burg die Verbindung aller Logen in Deutſchland,
mit der zu Straßburg verboten.


ſ. den Brief des Abbeé Grandidier.
Briefe die Frei-Maurerei betrffend, dritte
S. p. 102.


[175]

Die Gruß-Maurer ſtehen gegenwaͤrtig unter
drei deutſchen Haupthuͤtten; und ſie koͤnnten ſehr
wohl vorher unter der Straßburgiſchen geſtanden,
und ſich erſt ſeit dem Reichstags-Schluſſe von
1707. den gegenwaͤrtigen unterworfen haben.


l. c. S. 110.


1708.
Im Julius.


Vollendung und Baufeſt der St. Pauls
Kirche, durch Cſtph Wren gefeiert.


Conſtit. Buch S. 244.


Einige Jahre nachher kuͤmmerte ſich Wren
nicht ſehr um das Amt eines Groß-Meiſters; doch
fuhr die Alte L. bei der St. Pauls Kirche, und
einige andre noch fort, ihre Verſammlungen zu
halten.


ibid.


1716.


Bald nach der Reſtauration der Frei-Maure-
rei in England, ſoll der 4te maureriſche oder erſte
ſchott. Gr. eingefuͤhrt worden ſeyn, „da wir ſei-
ner bereits in einem zu Anfang des Jahrhunderts
herausgekommenen engl. Woͤrterbuche: A new
Dictionary of the Terms ancient and modern
of the Canting Crew etc. by B. E. Gent.

London gr. 8. und zwar unter dem Worte: Ma-
son’s Mawnd
(Maurer-Tand) ſo deutlich erwaͤhnt
[176] finden, daß an ſeiner damaligen Exiſtenz nicht zu
zweifeln iſt. Doch ſcheint er dem Syſtem der
großen Loge zu London ganz unbekannt geweſen
zu ſeyn, da wir weder in dem Conſtit. Buch noch
ſonſt eines hoͤheren Gr. erwaͤhnt finden.


ſ. Chr. Roſe freie Bemerk. ꝛc. S. 156.


1716.


ſoll die erſte deutſche Loge zu Koͤlln errichtet wor-
den ſeyn, die aber bald wieder unterdruͤckt wurde.


1717.


Der Gentlemen Sayer wird von dem aͤlteſten
Maurer-Meiſter, nebſt andern Candidaten, den
BB. vorgeſchlagen, und von dieſen zum Groß-
Meiſter gewaͤhlt.


Briefe, die Frei-Maurerei betreffend, drit-
tes St. S. 19. cf. Conſtit. Buch S.
245. 6.


1717.


Man waͤhlte einen angenommenen Mau-
rer zum Groß-Meiſter, und gab ihm, wie gewoͤhn-
lich zwei Aufſ. bei, von welchen der eine ein Zim-
mermann war. Verſchiedene Perſonen von Stande,
welche ehemals als angenommene Maurer zur
großen Korporation gehoͤrt hatten, wurden einge-
laden, der Verſammlung beizuwohnen. Die Zahl
der Mitglieder vermehrte ſich im J. 1720. und
im
[177] im folgenden Jahre ſah man ſich im Stande,
einen Groß-Meiſter vom hohen Adel zu waͤhlen,
wie man dies ſchon 1716. auf den Fall beſchloſſen
hatte, wenn es die Umſtaͤnde erlauben wuͤrden.


v. die Schickſale der g. G. ꝛc.


eod.


Der neue Groß-Meiſter Sayer befahl den
Meiſtern und Vorſtehern der LL., daß die Groß-
Beamten alle Vierteljahre, an dem Orte, welchen
er in ſeinem durch den Ziegeldecker ausgeſandten
Circulaͤr, melden wuͤrde, ſich verſammlen ſollten.


Conſtit. Buch S. 246.


1718.
Den 24. Juni


verlangte der Groß-Meiſter Georg Payne, die
BB. ſollten alle und jede alte Schriften und
Urkunden, von den Maurern und der Maurerei
zu der großen Loge bringen, um die Gebraͤuche
der alten Zeiten daraus zu erkennen. Es wurden
auch in dieſem Jahre verſchiedene alte Abſchriften
von den gothiſchen Conſtitutionen hervorgebracht,
und gegen einander gehalten.


Conſtit. Buch S. 247.


1719.
Den 24. Juni


ward Joh. Theophil. Deſaguliers zum
Groß-Meiſter erwaͤhlt, Anton Sayer und der
Zweites Baͤndch. M
[178] Steinhauer Thomas Morrice waren ſeine
Groß-Vorſteher. Er ließ ſich angelegen ſeyn, die
alten regelmaͤßigen und beſondern Toaſts der Frei-
Maurer wieder einzufuͤhren. Nunmehr be-
ſuchten mehrere alte Bruͤder die LL. aufs neue;
auch wurden einige vornehme Perſonen zu BB.
gemacht, und mehr neue Logen angelegt.


Conſtit. Buch S. 247.


1720.


Der Groß-Meiſter Georg Payne, ſammlet
die allgemeinen Verordnungen der fr. und ang.
Maurer, die in der allgemeinen Verſammlung
den 24. Jun. 1721. gebilligt, und ſodann, nach
geſchehener Vergleichung mit den alten Urkunden,
nach dem Beſchluß vom 25. Maͤrz 1722. dem Con-
ſtitutions-Buche beigefuͤgt werden.


Conſtit. Buch S. 313 f.


1720.
Den 27. December.


ward verordnet, daß der abgehende Groß-Meiſter
ſeinen Nachfolger einige Zeit vor dem jaͤhrlichen
Feſte vorſchlagen ſolle.


ibid. S. 345.


1720.


wurden (ſo heißt die vollſtaͤndige Nachricht) in
gewiſſen beſonderen Logen einige ſehr wichtige
[179] Manuſcripte, welche die Bruͤderſchaft, ihre Logen,
Einrichtungen und Gebraͤuche enthielten, ſonderlich
eines das Nicolaus Stone, des Inigo Jo-
nes
Vorſteher geſchrieben, von einigen allzu vor-
ſichtigen BB. aus Uebereilung verbrannt, damit
ſolche Papiere nicht in fremde Haͤnde gerathen
moͤchten.


Conſtit. Buch S. 248.


1721.


Von jetzt an, trat eine große Menge von Stan-
des-Perſonen zur Bruͤderſchaft, man legte viele
beſondre LL. an, welche von der Gr. L. zu London
abhaͤngig waren, und die Geſellſchaft fing von
neuem an zu bluͤhen. Man betrachtete ſie als
einen angenehmen Clubb, und es ward feſtgeſetzt,
daß darinn nichts, was den Staat und die Reli-
gion betreffe, verhandelt werden ſolle. — Die Bruͤ-
derſchaft ward von nun an glaͤnzender; aber die
alte Bruͤderſchaft war es nicht mehr. Die ange-
nommenen
Maurer, die Gelehrten und Stan-
desperſonen machten den groͤßten Theil derſelben
aus; der Maurer vom Handwerk wurden immer
weniger.


ſ. die Schickſale der g. G. ꝛc.


eod.


Von dieſem Jahr an, faͤngt die Geſchichte der
Frei-Maurerei an gewiß zu werden, und von die-
ſer Zeit an, hat ſie erſt eine wirkliche dauerhafte
M 2
[180] Form erhalten. Nur zwey LL. in London ſind
uͤbrig, die vor dieſem Jahre geſtiftet worden ſind.


Freie Bemerkungen ꝛc. von Chriſtian
Roſe
S. 11.


1721.


Der Herzog von Montagu, der Veranlaſſer des
Conſtitutions-Buchs, wird von ſeinem Vorgaͤnger
dem Esq.Payne, zum Groß-Meiſter ausgerufen.


Zu ſeiner Zeit ſoll die Zunft-Maurerei in
Frei-Maurerei uͤbergegangen, und er nebſt den
mit ihm verbundenen BB., der Stifter der eigent-
lichen Frei-Maurerei ſeyn. Sie haben wahrſchein-
lich die Verbindlichkeit der alten Zunft-Geſetze
aufgehoben, und wenn ſie dieſelbe noch gewiſſer-
maßen beibehalten haben (wie ſie denn noch im
Conſtitutions-Buche ſtehen): ſo muͤſſen ſie es bloß
gethan haben, um ihr Andenken zu erhalten, ſo
wie ſie Benennungen, Symbole und Gebraͤuche
beibehielten. Den Zweck der Zunft-Maurerei:
geſchickte, verſtaͤndige, geſchmackvolle Bauleute zu
bilden, haben ſie wohl abgeſchaft; welche neue
Zwecke
ſie dagegen in ihre Verbruͤderung moͤgen
gelegt haben, iſt unbekannt. Etwas aber muß
doch in der Zunft geweſen ſeyn, was man auch
in der Frei-Maurerei noch brauchen konnte, und
welches eben vielleicht die Abſchaffung des Zuͤnfti-
gen bewirkt haben mochte.


Briefe die Frei-Maurerei betreffend, dritte
S. p. 113 — 116.


[181]

1721.
Den 24. Juni


erhaͤlt die Gr. L. das Recht, neue Verordnungen
zum Beſten der Bruͤderſchaft, ohne Einwilligung
aller BB. zu machen, da ſie die Repraͤſentanten
der ganzen Bruͤderſchaft ſind.


Conſtit. Buch S. 382.


1124.
Den 24. Juni


verſammlete ſich Philipp Herzog von Whar-
ton
mit mehreren BB. in Stationers-Hall,
ſetzten den aͤlteſten Maurer-Meiſter, ob er gleich
nicht Meiſter einer Loge war, auf den Stuhl, und
dieſer rief den Herzog zum Groß-Meiſter der
Maurer, und Joſua Timſon, einen Grobſchmidt
und Wilh. Hawkins einen Maurer, zu Groß-
Vorſtehern aus; welche die uͤbrigen nicht anerkann-
ten. Doch wurde die Spaltung wieder aufgeho-
ben, da den 17. Jan. 1723. auf Veranſtaltung des
Groß-Meiſters Montagu, der Herzog v. Whar-
ton
in der gr. L. zu Kings-Arms zum Groß-
Meiſter erwaͤhlt wurde. Nun bluͤhte die Maure-
rei an Eintracht und Anſehen; der Groß-Meiſter
mußte mehr neue LL. errichten, und er beſuchte die
LL. woͤchentlich mit ſeinem Deputirten und Groß-
Vorſtehern.


Conſtit. Buch S. 253 — 55.


[182]

eod. circa.


Unterſchied zwiſchen Mund- und Brief-
Maurern
; jene wurden unter freiem Himmel
aufgenommen, und bekamen blos muͤndliche In-
ſtruktion uͤber Zeichen, Wort ꝛc.; dieſe erhielten
einen Lehrbrief.


1723.


Vollſtaͤndiger Titel des Conſtitutions-Buchs:
The constitutions of the Freemasons. Con-
tayning the History, Charges, Regulations
etc. of that most ancient and rigt worshipful
Fraternity, for the Use of the Lodges. Lon-
don. In the year of masonry 5732. anno
Domini 1723. 4 maj.
13½ B.


eod.
Den 24. Juni.


Schluß der gr. L.: daß es nicht in der Gewalt
eines Menſchen oder Geſellſchaft ſtehe, einige Aen-
derung oder Neuerung in dem Frei-Maurer-We-
ſen zu machen, man habe denn zuvor von der
gr. L. die Einwilligung daruͤber eingehohlt, und


Den 25. November.


daß eine jede gehoͤrig verſammlete L. Gewalt habe, eine
jegliche von den gedruckten Verordnungen im Con-
ſtitutions-Buche zu verbeſſern, oder zu erlaͤutern,
wenn nur die alten Regeln der Bruͤderſchaft da-
[183] durch nicht verletzt werden; daß aber in dem ge-
druckten Conſtitutions-Buche ohne Erlaubniß der
gr. L. keine Aenderung vorzunehmen ſey.


Conſtit. Buch S. 351. 52.


1723.
Den 24. Juni


ward Franz Scot Gr. von Dalkeith zum
Groß-Meiſter ausgerufen, der den D.Deſagu-
liers
zu ſeinem Deputirten ernannt hatte. Es
ſpeiſten an 400 BB. zuſammen.


Conſtit. Buch S. 256.


1724 etc.


Nach dem alten Herkommen, welches bei der
neuen Einrichtung von 1717. beſtaͤttigt wurde, hatte
in England jede L. ohne gemeinſchaftlichen Fond,
ihre ungluͤcklichen und verarmten BB. unterſtuͤtzt.
In dieſem Jahr aber macht der abgegangene Groß-
Meiſter Graf von Dalkeith, nachheriger Herzog
von Buccleugh den Vorſchlag: daß alle LL.
einen Theil ihrer Armengelder in einen gemein-
ſchaftlichen Fond
, der durch einen eigenen Schatz-
Meiſter verwaltet werden ſollte, quartaliter abge-
ben moͤchten, um den von den beitragenden LL.
empfohlenen BB. eine thaͤtigere Huͤlfe leiſten zu
koͤnnen. Am 17. Maͤrz wurde zu Unterſuchung
dieſes Gegenſtandes eine Committé niedergeſetzt,
welche am 27. November in der Gr. L. ihren Be-
[184] richt abſtattete. Die eingeſandten Beitraͤge waren
aber nicht betraͤchtlich genung, um dazu einen Groß-
Schatz-Meiſter zu ernennen. Dies geſchah erſt den
24. Juni 1727.; ihm ward eine Committé zuge-
geben. Den 25. Februar und 27. December 1729.
wurden die Beitraͤge ſchon betraͤchtlich befunden,
und am 28. Auguſt 1730. ward die Committé
auf zwoͤlf Meiſter vermehrt, welche vom 15. Dec.
an unmittelbar von der Gr. Landes-Loge abhaͤn-
gen ſollte. Sie verſammlet ſich jaͤhrlich dreimal,
unterſucht die Bittſchriften, und bewilligt zu 5 u.
20 Guinen. Die Anſtalt beſteht durch die freiwilli-
gen Beitraͤge der LL. und nach einem Schluß der
Gr. L. v. 24 Jul. 1755. durch die Angabe von
5 Schill. fuͤr jedes Certificat.


ſ. Journ. f. Frei-Maurer II., 1. S. 220 f.


cf. Conſtit. Buch S. 355.


1724
Den 28. April


ward der Herzog. Carl vom Richmond und
Lennox als Groß-Meiſter begruͤßt; ſeine Inſtalla-
tion war den 24. Jun.


ſ. Conſtit. Buch S. 257 bis 60.


1725.
Den 27. December.


Jacob Hamilton Lord Paisley zum Gr.
Meiſter ernannt.


[185]

1727.


Errichtung einer Loge zu Gibraltar.


1728.
Den 26. November.


Jacob King Lord Vicomte Kingſton zum
Groß-Meiſter ernannt. Auf den Vorſchlag des
Br. Deſaguliers wurde das Amt der Schaff-
ner wieder hergeſtellt, damit dieſelbe den Groß-
Vorſtehern in Zubereitung des Gaſtmahls beiſte-
hen moͤchten, und ihre Zahl auf 12 geſetzt.


Conſtit. Buch S. 267.


1728.
Den 3. Februar.


Legung des Grundſteins zum Parlamentshauſe
in Dublin, in Gegenwart vieler Frei-Maurer.


Conſtit. Buch S. 223.


1729.
Den 29. Januar.


Feierlicher Aufzug der Maurer zu London, aus
dem Hauſe des neuerwaͤhlten Groß-Meiſters bis zum
Logen-Hauſe, wobei jenem das Ordens-Schwerdt
vorgetragen wurde.


[186]

1729.
Den 25. November


in der Gr. L. ſchenkte der Groß-Meiſter King-
ſton
ein artiges Piedeſtal und ein koſtbares Kiſſen,
einen ſammtenen Beutel fuͤr den Sekretair und
ein Ehrenſchild von zwei goldnen kreuzweiß geleg-
ten Federn auf ſeiner Bruſt.


Conſtit. Buch S. 269.


1730.


Die Schottiſchen Maurer erkannten die eng-
liſche Gr. L. nicht; ſie hatten ſeit langer Zeit
ihren eigenen Groß-Meiſter, und auch in aͤltern
Zeiten ihre eigene Corporation. Irrland entzog
ſich ſeit dieſem Jahre der Gr. L. in London, und
hatte ſeinen eigenen Groß-Meiſter.


ſ. die Schickſale der g. G. ꝛc.


1730


verſammlete ſich die alte Bruͤderſchaft der freien
und angenommenen Maurer in Irrland in ihrer
Gr. L. zu Dublin, und erwaͤhlte, nach dem Bei-
ſpiel ihrer BB. in England, einen edlen Groß-
Meiſter, nehmlich Jacob King, Lord Vicomte
Kingſton
, der im vorigen Jahre Groß-Meiſter
von England geweſen war. Er fuͤhrte dieſelben
Conſtitutionen und alten Gebraͤuche ein, und be-
kam jaͤhrlich einen edlen Br. zum Nachfolger.


Conſtit. Buch S. 224.


[187]

1730.


Schon in dieſem Jahr ernannte die Gr. L. von
London einen Provincial-Groß-Meiſter fuͤr Nie-
derſachſen, (Herrn Du Thom) obgleich dort noch
keine L. war, denn die erſte wurde zu Hamburg
1733. durch eine engliſche Deputation errichtet.


ibid.


1730.
Den 29. Januar.


Feierlicher Aufzug zur Inſtallation des Groß-
Meiſters Herzog v. Norfolk.


Conſtit. Buch S. 269 bis 72.


eod.


Einſetzung von Provincial-Groß-Meiſtern zu
Bengalen (Cap. Ralph Far Winter) und zu
New Jerſey in Amerika (Daniel Cox.)


ibid. S. 378.


1731.


Der Koͤnig Carl von Neapel und Sicilien,
unterſagt durch ein Edikt alle maureriſchen Ver-
ſammlungen in ſeinem Koͤnigreiche, mehr aus Ver-
druß, daß der O. ohne ſein Vorwiſſen ſich hier
ausgebreitet, als aus Beſorgniß fuͤr den Staat
und die Religion.


Journ. f. Frei-Maurer II., 2. S. 71.


[188]

1731.


Die Aufnahme FranzI. im Haag iſt in den
Coburgiſchen Auszuͤgen aus allen Theilen der Ge-
lehrſamkeit v. J. 1751. 32te Nachleſe S. 250. in
einem eigenen aus den Epilogues entlehnten Auf-
ſatze beſchrieben.


ef. Conſtit. Buch S. 275. 76.


Im Haag ward er von D.Deſaguliers
zum Lehrling und Geſell, und in England von dem
Groß-Meiſter Lovel zum Meiſter gemacht.


eod.


Provincial-Groß-Meiſter von Rußland (Capit.
John Philipps
) und von Andaluſien in Spa-
nien (Capit. Jac. Cummerford) eingeſetzt.


Conſtit. Buch S. 378.


1732


erſchien das erſte Werk, worinn man das Frei-
Maurer-Geheimniß der Welt mitzutheilen ver-
ſprach. Deutſch 1736. unter dem Titel: Die Zunft
der freien Maurer, oder allgemeine und aufrichtige
Beſchreibung aller derſelben Gattungen ꝛc. von
Samuel Prichard. Andre geben die franzoͤſiſche
Ueberſetzung fuͤr das Original aus. Cf. den zer-
ſchmetternden Frei-Maurer, Frankfurt und Leip-
zig 1746.


Frei-Maurer-Bibliothek, erſtes St. S.
21 f.


[189]

1732


wird die erſte Loge in Frankreich, zu Paris, in
dem Hotel von Buſſy durch eine engliſche De-
putation errichtet, eben ſo zu Valenciennes.


Die Schickſale der g. G. ꝛc. cf. Conſtit.
Buch S. 378.


eod.
Den 19. April.


Anton Brown, Lord Vicomte Montagu
Groß-Meiſter.


v. Conſtit. Buch S. 277 f.


eod.
Den 2. Maͤrz.


Die Steward’s in London erhalten das Recht,
ihre Nachfolger jaͤhrlich am Johannisfeſte ſelbſt zu
ernennen.


1733.
Den 27. April.


Bulle des Pabſt ClemensXII. „In emi-
nenti“
gegen die Geſellſchaft der Frei-Maurer,
(Liberi muratori, Franc maçons) wo alle, die
ſich damit befaſſen, mit dem Bann ipso facto,
und ohne alle weitere Erklaͤrung, als der Ketzerei
verdaͤchtig, belegt wurden.


Deutſch abgedr. im Archiv fuͤr Frei-Maurer
u. Roſenkreuzer 1. Th. Berl. 1783. S. 401.


[190]

1733.


Die Gr. Loge zu London (unter dem Groß-Meiſter
Strathmore) conſtituirt zu Hamburg eine L.


Journ. f. Frei-Maurer III., 4. S. 201.


Der damalige Groß-Meiſter Jacob Lyon
Graf von Strathmore, ertheilte nehmlich eilf
BB. die Erlaubniß, eine Loge in Hamburg zu
errichten.


ebendaſ. III. 2. S. 256. cf. Conſtit. Buch
S. 379.


cf. Hamburgiſche Muͤnz- und Medaillen
Vergnuͤgen St. 80.


1734.


Joh. Lindſay Gr. von Craufurd Groß-
Meiſter.


eod. und 1735.


Stiftung von LL. zu Aubigny in Frankreich,
zu Liſſabon, und Savannah in Georgien; und
Einſetzung von Provinzial-Groß-Meiſtern von
Suͤd-Amerika (Randolph Tooke Esq.) zu Gam-
bay in Weſtafrika (Richard Hull Esq.) und 1736.
von Neu-England in Amerika (Robert Tomlin-
son Esq.
) von Suͤd-Carolina (Joh. Hammerton
Esq.
) und zu Cape-Coast-Castle in Afrika
(Creighton M. D.)


Conſtit. Buch S. 379.


[191]

1735.


Die ausfuͤhrliche Erzaͤhlung von den Bewe-
gungen gegen die Frei-Maurer in Holland ſ. Frei-
Maurer-Bibliothek I. S. 29 bis 37.


eod.
Den 3. Maͤrz.


Die Papiere des B. Anderſon zur neuen
Ausgabe des Conſtitutions-Buchs werden gebilligt,
und ihm aufgegeben, die Patrone der alten Mau-
rerei, die alten und neuen Groß-Meiſter, und die
Stewards ſeit dem Groß-Meiſter Montagu
mit aufzufuͤhren.


1735.
Den 24. Juni.


Errichtung einer Stuarts L. in London.


Conſtit. Buch S. 339.


1736.
Den 6. April


ward verordnet: daß keine BB. in der Gr. Loge
zuzulaſſen ſeyen, als die Glieder derſelben, die vier
gegenwaͤrtigen, und alle vormalige Groß-Beamte,
der Schatzmeiſter und Secretair, die Meiſter und
Vorſteher aller regelmaͤßigen LL., die Meiſter und
[192] Vorſteher und neun andre von der Steward’s
Loge (jedoch die Letztern ohne Stimme.)


Conſtit. Buch. S. 352.


1736.


Fabel von der ſchrecklichen Execution in der L.
an dem Br. Pachard, der in einem zu Luͤttich
gedruckten franz. Werke die Geheimniſſe des O.
profanirt haben ſoll, ſ. allerneueſte Geheimniſſe der
Frei-Maurer, 2 Th. S. 48.


1736.


In Frankreich hatten ſich die Frei-Maurer
ſchon ſeit vielen Jahren verſammlet, und unter
dem Groß-Meiſterthum des ſchottiſchen Ritters
Jacob Hector Macleane ihre Arbeiten in der
Stille betrieben; allein in dieſem Jahre wurde
der O. oͤffentlich bekannt. Es waren zu Ende die-
ſes Jahres ſchon 5 LL. in Paris. Carl Rat-
cliff
Graf v. Deventwater ward aufs folgende
Jahr zum Groß-Meiſter erwaͤhlt. Mehrere Große
z. E. der Marſchall von Eſtrées und der Prinz
von Condé traten zum O. v. Acta Historio-
Eccles. Tom II.
Anhang p. 1052.


Frei-Maurer-Bibliothek I. S. 39.


1737


ernennt die Gr. L. zu London einen Provinzial-
Groß-Meiſter fuͤr Oberſachſen (Heinrich Wil-
helm Marſchall
, Erbmarſchall von Thuͤringen)
wo
[193] wo aber noch keine LL. waren. Die erſte wurde
zu Altenburg 1741. errichtet, und einige Zeit dar-
auf, eine andere zu Naumburg.


ſ. Schickſale der geh. G. ꝛc. cf. Conſtit.
Buch S. 380.


eod. circa.


Der Mops-Orden, ſ. daruͤber: L’Ordre des
Francs-Maçons trahi et le Secret de Mopses
revelé. à Amsterdam.
1745. 8.


eod.


Einſetzung eines Provinzial-Groß-Meiſters der
Inſel Montſerrat in Amerika (Jacob Watson
Esq.
); zu Geneve (Georg Hamilton Esq.); auf
der Kuͤſte von Afrika und den Amerikaniſchen In-
ſeln (Capit. Will. Douglas) und von New York
(Cap. Richard Riggs)
.


Conſtit. Buch S. 380.


1737.


In Italien war der O. zuerſt unter dem Na-
men la Cucchiara (Kelle) bekannt. In Florenz
hatte der letzte Groß-Herzog aus dem Hauſe Me-
dicis ein Edikt gegen die Frei-Maurer gegeben,
er ſtarb aber und ſie fuhren fort, ſich zu verſamm-
len. Auf einen Bericht der Geiſtlichen nach Rom
ſandte der Pabſt den P. Inquiſitor nach Florenz,
und mehrere angeſehene Perſonen wurden verhaf-
Zweites Baͤndch. N
[194] tet, jedoch auf Veranſtaltung des Groß-Herzogs
wieder freigelaſſen, und die LL. wieder hergeſtellt.
Vorzuͤglich wurden ſie von der Inquiſition des
Molinismus und Quietismus beſchuldigt.


Frei-Maurer Bibliothek I. S. 44. ꝛc.


1737.


Die Jeſuiten arbeiten bei Hofe gegen die Frei-
Maurer, weil ſie ſie fuͤr Janſeniſten halten.


Der Polizei-Lieutenant Herault ließ in allen
Hotels befehlen, den Frei-Maurern keine Zuſam-
menkuͤnfte zu verſtatten. Ein engliſcher Lord ſetzte
eine L. zur Wahl eines neuen Groß-Meiſters an,
der Hof aber ließ bekannt machen, daß, wenn die
Wahl einen Franzoſen treffe, er in die Baſtille
geſetzt werden, auch kein Frei-Maurer bei Hofe
erſcheinen ſolle. — Die Verſammlungen dauerten
aber dennoch fort.


Frei-Maurer Bibl. I. S. 40 bis 44.


1738.


Seit dieſem Jahre ein eigener beſtaͤndiger Groß-
Meiſter in Frankreich.


1738.
Den 14. Auguſt.


Ueber die Aufnahme FriedrichsII. ſ. von
Bielefelds freundſchaftliche Briefe I. Th. S. 38 f.
und Frei-Maurer Bibl. I. S. 57 f.


[195]

1738.


Erbauung des koͤnigl. Krankenhauſes zu Edin-
burg durch die daſigen BB. Die LL. entwarfen den
Grundriß, und ſchaften die Materialien zum Bau
und innern Einrichtung herzu; das Arbeitslohn,
die Fuhren ꝛc. wurden durch Privat-Kollekten der
BB. bezahlt.


1738.


Die Bann-Bulle ClemensXII. In Emi-
nenti
vom 29. Mai, nach andern vom 26. Aprill,
abgedruckt, in d. Frei-Maurer Bibl. I. S. 47.


In Florenz wurde ſie auf Befehl von Wien
nicht in Ausuͤbung geſetzt.


eod.


In Erfolg einer Geſchichte in Paris, nach wel-
cher die Opernſaͤngerin Carton, das Geheimniß
der Frei-Maurer entdeckt haben ſollte, erſchien die
Relation apologique et historique de la Societé
des Fr. Maç. par J. G. D. M. F. M. à Du-
blin.
Deutſch im Anhange zum Conſtit. Buch
Frankfurt 1762. und in der Gruͤndlichen Nachricht
von den Frei-Maurern, Frankfurt 1740.


eod.


In Genf werden mehrere LL. errichtet, aber
vom Rathe wieder unterdruͤckt.


Acta Histor-Eccles II. Anh. p. 105—6.


N 2
[196]

eod.


Auch in Hamburg werden die Verſammlungen
der Frei-Maurer verboten.


eod.


In Schweden ward das Verbot bald wieder
aufgehoben.


eod.


In Smirna, Conſtantinopel und Aleppo wur-
den LL. errichtet.


eod.


Einſetzung eines Provinzial-Groß-Meiſters der
Lewards- und Caribbe Inſeln (Will. Mat-
thews
General-Capit. und Gouverneur daſelbſt.)


Conſtit. Buch S. 380.


1739.


Unter dem Groß-Meiſterthum des Lord Ray-
mond
verſagten mehrere engliſche LL., unter San-
ction der alten Yorker Conſtitution, die bei der Re-
ſtauration der Gr. L. von 1717. verlaſſen worden
war, dem Univerſal-Groß-Meiſterthum in London
den Gehorſam, nannten die unter ihm arbeitenden
Neue Frei-Maurer, waͤhlten einen eigenen
Groß-Meiſter, machten ein neues Geſetzbuch fuͤr
ihre Regierungs-Form, und ſtifteten unter ihrer
Conſtitution neue LL. Sowohl Lord Raymond,
als ſein Nachfolger, arbeiteten vergebens fuͤr eine
[197] Vereinigung. — Diejenigen, welche die Londner
Univerſal-Herrſchaft anerkennen, erklaͤren dieſen
Schritt fuͤr unrecht; die aber, welche die wahre
Geſchichte der Maurerei kennen, billigen ihn.


cf. Taſchenbuch fuͤr die BB. Frei-Mau-
rer der vereinigten d. LL. 1777.


Die L. von York berief ſich auf ein altes Pri-
vilegium, nach welchem ein jeder Maurer-Meiſter
das Recht hatte, neue Mitglieder aufzunehmen.


ſ. die Schickſale der g. G. ꝛc.


1739


entſtand aus dem Schooße der Hernhuther der
Orden vom Senfkorn, deſſen Glieder man
geiſtliche Frei-Maurer nannte. Er iſt ge-
gruͤndet auf Marci IV. 30 bis 32, und ſein Zweck
iſt die Ausbreitung des Reiches Chriſti durch die
ganze Welt. Das Ordenszeichen iſt ein goldener
Ring mit der Unterſchrift: Unſer keiner lebt ihm
ſelber, und eine Senfpflanze, welche in einem golde-
nen Kreuz an einem gruͤnen Bande getragen wird,
mit der Umſchrift: Quod fuit ante nihil. Die
BB. halten jaͤhrlich eine feierliche Zuſammenkunft
in der Schloß-Kapelle zu Gnadenſtadt, und fei-
ern außerdem den 15. Maͤrz und 16 April.


Ratio illustris ordinis, cui a synape
nomen est. (Emden 1739.)
ins hollaͤnd.
uͤberſ. von D. und Prof. Vogel zu Ut-
recht in ſeinem Urſprung und Fortgang
der falſchen myſtiſchen Gottesgelahrheit.
Cf. Acta hist-eccles II. 20. S. 235.


[198]

1739.


In Florenz werden mehrere BB. z. B. D.
Crudeli von der Inquiſition in Verhaft genom-
men, aber durch den Herzog bald wieder befreit.
In Rom wurden auf die Angabe eines Frei-
Maurers 100 Scudi geſetzt, und denen, die die
Geſellſchaft verlaſſen wollten, Abſolution vom Kir-
chenbann angeboten. — In Pohlen ward die paͤbſt-
liche Excommunikations-Bulle von allen Kanzeln
verleſen.


1739.
Den 14. Januar


giebt ClemensXII. ein beſonderes Edikt fuͤr
ſeine Staaten gegen die Frei-Maurerei, als einer
der Ketzerei und des Aufruhrs verdaͤchtigen Ge-
ſellſchaft.


ſ. Leben und Thaten des Joſ. Balſamo ꝛc.
S. 58.


1740.


Der Groß-Meiſter von Hamburg und Nieder-
ſachſen Br. Luͤttmann, war unterm 30. October
durch den Groß-Meiſter Johann Graf von
Kinthore patentiſirt.


cf. Geheimniſſe der Frei-Maurer 1766.
Taſchenb. fuͤr die BB. Frei-Maurer
1777. und Hamburg. Muͤnz- und Me-
daillen-Vergnuͤgen St. 80.


[199]

1740.


Stiftung der Loge zu den drei Weltkugeln.
v. Abregé historique concernant la mère et
primitive Loge de Fr. Maç. établie à Berlin
sous le nom des trois Globes
.


In der erſten L. im Junius, fuͤhrte der K.
ſelbſt den H., aufgenommen wurden der Prinz
Wilhelm, der Markgraf Carl und der Herzog
von Holſtein. Der G. R. Baron von Biele-
feld
und Geh. R. Jordan gaben ihr hierauf
die gehoͤrige Form, und den Namen. Man ver-
ſammlete ſich alle Monate viermal, und die Ar-
beiten geſchahen wechſelſeitig Deutſch u. Franzoͤſiſch.


cf.Bielefelds freundſchaftl. Briefe I.
S. 157. Hiſtoriſche Nachricht von der
Mutter-Loge, zu den drei Weltkugeln
1775. Le Franc Maçon dans la Re-
publique
Leipzig und Frankfurt 1746.
S. 33.


1740.


Die Inquiſition entdeckt die L. zu Madrid;
alle BB. auf die ein Verdacht fiel, wurden einge-
zogen. In Portugall wurden 18 BB. verhaftet,
und theils zu ewigem Gefaͤngniß, theils auf die
Galeeren, theils zum Feuer verdammt.


1740.


In Salzburg wird der O. durch die Dumm-
heit der Moͤnche in hitzige theologiſche Streitig-
[200] tigkeiten unſchuldig verflochten, die beinahe in oͤffent-
liche Empoͤrungen ausgebrochen waͤren. Dabei wurde
der gelehrte Italiener Muratori zum Stifter der
Frei-Maurer (Franchi Muratori) gemacht.


v. die Geſchichtserzaͤhlung in d. Frei-
Maurer Bibl. I. S. 67 f. und in der
ſatyriſchen Schrift: Α [...]εισιδα [...]μονος [φ]ιλο-
ρωμκιȣ Vindiciae adversus sycophantas
Juvavienses. Coloniae 1741. 4 maj.
2. B.


1740.


Da der O. in den ſchweizeriſchen Kantons Ver-
laͤumdungen und Verfolgungen erfuhr, ſo publi-
cirten die BB. in der Zuͤrcher Wochenſchrift: der
Brachmann St. 42. eine Schutzſchrift.


abgedruckt in der Frei-Maurer Bibl. I.
von S. 71.


eod.


Gruͤndliche Nachricht von der Frei-Maurerei,
nebſt beigefuͤgter hiſtoriſcher Schutzſchrift, Frank-
furt 8. zweite Auflage. — Auszuͤge aus dem Con-
ſtit. Buch ꝛc., von einem Profanen.


1741.


Auf Maltha hatte der O. heimlich Wurzel
gefaßt. Sechs Ritter wurden als Frei-Maurer
entdeckt, und auf Antrieb der Inquiſition von dem
Groß-Meiſter auf immer von der Inſel verwieſen.


ſ. Geheimniſſe der Frei-Maurer vom
J. 1766. S. 19.


[201]

1741.


Die Ausgabe des deutſchen Conſtitutions-Buch
hat als Anhang: die zergliederte Maurerei, und
die Widerlegung dieſes Werks.


v. Frei-Maurer Bibl. I. S. 82 f.


eod.


Constitutions des Acceptés Franc-Maçons,
traduit de l’Anglois par Jean Kuenen, De-
puté Grand-Maitre des Loges regulières en
Hollande. à la Haye.


eod.


Stiftung der Loge zu Leipzig.


1742.


Carl Gotthelf Freiherr v. Hund und Al-
ten-Grotkau
, der in dieſem Jahre zum Frei-
Maurer aufgenommen wurde, war den 11. Sep-
tember 1722. geboren. In ſeinem 9. Jahre ſtarb
ſein Vater; in ſeinem 15. ging er auf die Univer-
ſitaͤt zu Leipzig; in ſeinem 17. unter Aufſicht des
Obriſtlieutenants v. Schoͤnberg nach Straßburg,
zwei Jahre darauf nach Paris. Im Februar 1742.
reiſte er nach Frankfurt zur Kaiſer-Kroͤnung, wo-
bei er churkoͤllniſcher Kammerherr wurde. Bei
ſeinem viermonathlichen Aufenthalte in dieſer Stadt
erhielt er die 3 Gr. Nach einer Reiſe in ſein Va-
terland ging er den 9. Julius uͤber Holland und
England wieder nach Paris.


[202]

1742 bis 45


war Lord Ward Groß-Meiſter in England, der
als ein ſehr erfahrner Maurer geruͤhmt wird.


Taſchenbuch fuͤr die v. LL. 1777.


1742.


In Bayreuth wurden von dem regierenden
Fuͤrſten zwei neue LL. geſtiftet, und durch einen
oͤffentlichen feierlichen Aufzug eingeweiht.


v. Frei-Maurer Bibl. I. S. 91.


eod.


Stiftung der L. zu Frankfurt a. M.


1742.


Apologie pour l’Ordre des Francs-Maçons
p[a]r Mr. N. à la Haye
. Davon im folgenden
J. eine deutſche Ueberſetzung in Halberſtadt, nebſt
einem Schreiben eines Frei-Maurers der Einig-
keits L. zu Frankfurt.


1742.


Histoire, obligations et statuts des Fr. M.
à Francfort
1742. (von dem Br. de la Tierce
von der L. des Herz. v. Loraine in London) Dies
Werk enthaͤlt eine Hiſtorie der Maurerei von den
aͤlteſten Zeiten an, und ſoll Anderſons Geſchichte
erweitern und berichtigen.


[203]

1743.
Den 20. Februar


weihte v. Hund zu Paris eine neue L. als Meiſter
ein, und wohnte den 28. Auguſt einer gleichen Ein-
weihung zu Verſailles, als erſter V. bei. Nicht
lange nachher ging er uͤber Brabant zur franzoͤſi-
ſchen Armee, wo er in dem Syſtem, das er nach-
her in Deutſchland ausbreitete, eingeweiht worden
ſeyn ſoll. Er wurde, heißt es weiter, an Hr. v.
Marſchall gewieſen, der zu Altenburg eine Loge
der 3 Gr. und zu Naumburg eine von allen Gr.
dieſes Syſtems geſtiftet hatte.


1743.


Ueber die Verfolgung der Maurerei in Portu-
gall, beſonders der BB. Couſtos und Mouton,
die durch 19 Monate gemartert wurden, ſ. Proce-
dures curieuses de l’Inquisition de Portugal,
contre les Francs-Maçons. à la Haye
1745.
und Journal fuͤr Frei-Maurer II., 2. S. 56 f.


Seit dieſem Jahre exiſtirt keine L. in Portu-
gall mehr.


eod.
Den 8. Junius.


Joſeph Balſamo, nachher ſogen. Graf Ca-
glioſtro
, zu Palermo geboren.


1745 u. f.


hielt man die Frei-Maurerei in Deutſchland noch
ſo geheim, daß man die Namen der BB. nicht
[204] ſchriftlich aufzeichnete, ſondern einen jeden unter
einem verdeckten Namen in die Protokolle eintrug,
z. B. in der Loge Abſalom, und zu den 3 Roſen
in Sachſenfeld.


ſ. freie Bemerk. uͤber d. polit. Verf. des
Frei-Maurer O. S. 9.


1746.


Maureriſche Medaille auf die Geburt Guſtavs
nachherigen Koͤnigs von Schweden. ſ. Journ. f.
Frei-Maurer II., 2. S. 217 f.


1747.


Die L. Friedrich in Hannover (geſtiftet von
der Hamburg. Provinz.-Loge 1746.) errichtet eine
Deputations-Loge in Goͤttingen, und einige Jahre
nachher eine dergl. in Wien, unter dem Namen:
des trois coeurs unis.


1748.


Nach einem in den Akten des heil. Officiums
zu Rom aufbehaltenen Dokumente, erhielt die Pforte
Nachricht, daß ein Franzoſe angefangen habe, in
dem Hauſe eines engl. Dollmetſchers zu Konſtan-
tinopel, Frei-Maurer-Loge zu halten, worauf der
Capudan Baſcha Befehl erhielt, die Verſamm-
leten zu arretiren, und das Haus zu verbrennen.
Die Geſellſchaft bekam fruͤher Nachricht, aber ihre
Zuſammenkuͤnfte wurden durch die Geſandten unter-
[205] ſagt, und der franzoͤſiſche Logen-Meiſter wurde
exilirt.


Leben und Thaten des Joſ. Balſamo ꝛc.
S. 60
.


1749.


v. Hund ſtiftet auf ſeinem Guthe Kittlitz, ohn-
weit Loͤbau eine L. auf ſeine Koſten, und erbaut
daſelbſt eine evangeliſche Kirche, bei deren Grund-
legung er eine Nachricht von ſeinen maureriſchen
Geſinnungen und Abſichten, in dem Grundſteine
niederlegt.


eod.


„Schon in den vierziger Jahren exiſtirte ein
templariſches Kapitel zu Unwuͤrde, in der Ober-
lauſitz. Ich (Keßler v. Sprengseiſen) bin zu
Unwuͤrde Tempelherr worden, ehe an Johnſon
noch weniger an die Kleriker gedacht wurde.“


Fortſetzung des A. St. Nic. Leipz. 88.
S. 121.


1750.


Nach dem XVII. Hefte des 6. Bandes,
S. 198. ꝛc. des deutſchen Zuſchauers, ſollen die
alten aͤchten Roſenkreuzer um dieſes Jahr, mit
einem gewiſſen van Bruͤn zu Hamburg ausgeſtor-
ben ſeyn, und die aͤcht roſenkreuzeriſchen Schriften
des Baron Pfeif, ſich noch bei deſſen Erben in
Braunſchweig befinden.


[206]

1751.


Die Bulle ClemensXIV. Providas Ro-
manorum Pontificum
iſt vom 17. Maͤrz, nach
dem Buche: Leben und Thaten des Joſeph
Balſamo
ꝛc. S. 59. iſt ſie vom 18. May. Die
Gruͤnde des Verbots ſind folgende: 1) die Vereini-
gung mehrerer von verſchiedenen Religionspar-
theien, 2) ihre Verſchwiegenheit, 3) der Eid, 4) weil
ſolche Geſellſchaften wieder die buͤrgerlichen, und
kanoniſchen Rechte ſind, nach Lib XLVII. und
Plinius Ep. X. 97. 5) weil ſie von mehreren
Fuͤrſten verboten worden, 6) weil ſie in boͤſem Ge-
ruͤchte ſtehen.


Archiv der Frei-Maurer u. R. C. 1 Th.
Berl. 83. S. 400 — 412.


1751.


Die Anklage des Joſeph Torrubia gegen
die Frei-Maurer in Spanien, vor dem Consejo
de la suprema y general Inquisicion
aus der
ſpaniſchen Handſchrift uͤberſetzt, ſteht in dem Journ.
fuͤr Frei-Maurer, 1. Jahrgang 2. Vierteljahr,
Wien 84. S. 175 — 224.


1752


ſoll Voltaire eine geheime Geſellſchaft geſtiftet,
und als die erſten Mitglieder d’Alembert, Di-
derot
und FriedrichII. eingeweiht haben. Der
Zweck derſelben ſoll geweſen ſeyn: das Chriſtenthum
[207] und die monarchiſchen Regierungen nach und nach
abzuſchaffen.(!)


ſ. Schickſale der g. G. ꝛc.


1753.
Den 9. September.


Merkwuͤrdige maureriſche Feierlichkeit, bei Le-
gung des Grundſteins zur neuen Boͤrſe in Edin-
burg, beſchrieben im Journal fuͤr Frei-Maurer II.,
1. S. 142 f.


1753.


Bei der Geburt der Prinzeſſin Sophie Al-
bertine
, legten die ſchwediſchen LL. den Grund
zu einem Waiſenhauſe in Stockholm. Zum Vor-
theil dieſes Inſtituts, wird jaͤhrlich eine große
muſikaliſche Akademie gegeben. Br. Boham
(† 1767) hinterließ ihm ein Vermaͤchtniß von
300000 Dalers Kupfermuͤnze (70000 Fl.) 1778.
ſchenkte ihm die Koͤniginn 1000 Thlr. wovon die
Anſtalt jaͤhrlich am 29. Jul. 60 Thlr. Zinſen er-
haͤlt; eben ſoviel laͤßt ihr auch der Magiſtrat von
Stockholm jaͤhrlich auszahlen. — Zu Gothenburg
errichteten die Frei-Maurer ein eigenes Gebaͤude
zur Einimpfung der Kinderpocken.


1756 circa.


Im Koͤnigreiche Neapel exiſtirt eine große Lan-
des-Loge, die ſich mit den vereinigten LL. in Deutſch-
[208] land verbunden hat; bis 1759. der Koͤnig Carl
Koͤnig von Spanien wurde, und die Krone bei-
der Sicilien ſeinem Sohne FerdinandIV. uͤber-
ließ, wo der Miniſter des jungen Koͤnigs, T — —,
die Frei-Maurerei zu verfolgen anfing.


1757.


Bis zu dieſem Jahre erkannte man in Deutſch-
land kein anderes Syſtem, als das Engliſche, oder
die 3 Gr. des L. G. u. M.


ſ. Schickſale der g. G. ꝛc.


1757.


Stiftung der aͤlteſten L. in Holland: Concor-
dia vincit Animos
zu Amſterdam, und außerdem
noch 17 andere in den Laͤndern der Generalſtaaten.


eod.
Den 18. December.


Der Groß-Meiſter der Gr. L. von Holland,
macht den Vorſchlag, das Conſtitutions-Buch ins
hollaͤndiſche zu uͤberſetzen, mit Einſchaltung der
neuen Reglements.


v. De pligten, wetten der vrye Metze-
laaren etc.
S. 6 f.


1758 bis 61.


Die franz. Kriegsgefangenen hatten nach Ber-
lin verſchiedene neue Gr. gebracht. Die L. zu den
3 W.
[209] 3. W. hielt ſich fuͤr verbunden, den andern LL.
ihre neuerlangten Kenntniſſe mitzutheilen: ſie ſchickte
einen Emissair, Namens Roſa, aus, der in den
genannten Jahren faſt ganz Deutſchland durch-
wanderte, um den Logen die neuen Gr. mitzuthei-
len, ſie zu reformiren, und der Mutter-Loge in
Berlin zu unterwerfen. Viele LL. willigten ein,
andre nicht. So entſtand eine Spaltung in zwei
Syſteme, nehmlich das engliſche und franzoͤ-
ſiſche
. Jetzt trat die Epoche ein, wo die Begierde
allgemein wurde, mehr zu wiſſen, als die Hiero-
glyphen zu ſagen ſchienen, wodurch alſo der Einfuͤh-
rung neuer Gr. die Thore geoͤffnet wurden.


ſ. Schickſale der g. G. ꝛc.


1759.


D.Jaͤniſch ſuccedirt dem noch lebenden Br.
Luͤttmann, auf deſſen Verlangen, als Groß-
Meiſter von Hamburg und Niederſachſen.


1762 ꝛc.


v. Hund erhaͤlt von AuguſtIII. den Titel
eines Geheimen Raths, nachdem er vorher 1753.
koͤnigl. polniſcher und churfuͤrſtl. ſaͤchſiſcher Kam-
merherr, 1755, Landes-Aelteſter des Budißini-
ſchen
Kreiſes geworden war, und gegen Ende
deſſelben Jahres den ruſſiſchen St. Annen-Orden
erhalten hatte. Durch den Krieg und ſein unſtaͤ-
tes Leben, wozu er durch die Furcht vor den Preußen
genoͤthigt wurde, war er gezwungen 1768. Unwuͤrde
Zweites Baͤndch. O
[210] und Kittlitz zu verkaufen. Vorher bot er ſeine
ſaͤmmtlichen Guͤther dem Orden fuͤr 60 tauſend
Rthlr. zum Kauf an, wofuͤr dieſer wenigſtens fuͤr
250 tauſend Rthlr. an Werth erhalten haͤtte. Da
ſich dieſes zerſchlug, ſo gab er ſeine noch uͤbrigen Guͤ-
ther auf Leibrenten aus. — Nach dem Kriege trat
er oͤffentlich zur katholiſchen Religion uͤber, welches
er ſchon zu Paris heimlich gethan haben ſoll.


1763.


Roſa ſoll ein abgeſetzter lutheriſcher Geiſtlicher
aus dem Anhaltiſchen, und einmal zu Halle Mei-
ſter v. St. geweſen ſeyn. Er reiſte nach Schwe-
den, und wurde dort nicht gut behandelt. Uebri-
gens war er ein einnehmender Mann.


Bemerkungen uͤber St. Nic. und Anti
St.
Nic. ꝛc. S. 40.


Schon in ſeinem Syſtem lag die ganze Idee
des T. H. O. Seine ſogenannten ausgedienten
Ritter hießen geiſtliche R. und waren Clerici
und Equites zugleich. Dies ergiebt ſich aus den
Graden dieſes Syſtems, die Elû, Illustre, Sublime
hießen; ferner aus dem am 7 October 1763 unter
Johnſon zu Jena abgefaßten Protokoll, wo
Roſa, D.Teichmeyer, Prof. Succow, D.
Schickard u. a. gegenwaͤrtig waren; auch aus
der Proteſtation, die Roſa unterm 13. Octob. d.
J. alle dem Berliner-Hochkapitel untergeordneten
Kapitel ergehen ließ, worinn er von der Jenai-
ſchen
Verhandlung Nachricht giebt, und die dem
[211]Johnſon vorgelegten Fragen anfuͤhrt, z. B. Fr. 3.:
Ob wir Maurer-Ueberbleibſel von den alten Rit-
tern, den T. H. ſeyen? welche Frage, ſo wie die
von dem Sacro equestri, bejaht wird. Cf. Bei-
trag zur neueſten Geſchichte des Frei-Maurer-
Orden S. 57 und 58.


Stark Kryptokathol. II. S. 177.


1763.
Den 6. November


ließ Johnſon, der zu Jena ein Hochkapitel er-
richtet hatte, von dem er Groß-Prior war, alle
zum Roſaſchen oder Berliner Hochkapitel Syſtem
gehoͤrige Schriften, „unter dem Schall der ritter-
lichen Feldmuſik der Trompeten,“ wie es im Pro-
tokoll woͤrtlich heißt, verbrennen, und ertheilte da-
von allen mit ihm in Correſpondenz getretenen
Kapiteln, mit Zuruͤckſendung ihrer zerriſſenen Con-
ſtitutionen, unterm 23. December Nachricht.


Stark l. c. S. 178.


1763.


In dieſes Jahr ſetzt Starkl. c. S. 224.
die Entſtehung des T. H. Syſtems, und giebt
ſeine Dauer auf 18 Jahr an, (von 1763 bis 81.)


1736.


General-Verfaſſung der Roſenkreuzer; Haupt-
Tabelle, wornach Aufnahme u. d. gl. geſchieht.
O 2
[212] Rubriken: Grade, Glieder, Zahl derſelben, Zeichen,
Farben, Worte, Verbruͤderungs-Namen der Vor-
ſteher, Laͤnder und Reiche, Reſidenzien, Conven-
tionsplaͤtze, Kreiſe, ihre Wiſſenſchaften ꝛc.
der R. C. in ſeiner Bloͤße ꝛc. S. 83 f.
cf. Archiv l. c. S. 434.


1763.
Den 3. October.


Edikt des Danziger Raths gegen die Frei-
Maurer, vollſtaͤndig abgedruckt, in der Frei-Mau-
rer-Bibliothek, III. St. S. 150. ꝛc.


1764.


Ueber die Zuſammenkunft in Altenberg, heißt
es in einer Geſchichts-Erzaͤhlung im Manuſcript:
„Das ganze Corps der verſammleten BB. zog
nach Altenberg. Dort ging nun alles aus dem rech-
ten hohen Tone. Der Herr Provinzial (v. Hund)
kam nach langem Hoffen daſelbſt an, erkannte den
Johnſon fuͤr einen aͤchten Commiſſarium, und
leiſtete demſelben vor einer ſo anſehnlichen und
zahlreichen Verſammlung, in ſeinem voͤlligen und
groͤßten Ornate, in Begleitung derer Ritter des
H. O. Raths, die allerdemuͤthigſte Obedienz
und Ehrenbezeigung
. Nun gingen die Ritter-
ſchlaͤge vor ſich ꝛc.“ Bald aber aͤnderte ſich die
Scene; v. Hund gab ſich als den wahren Heer-
meiſter des innern Ordens an, und lud die anwe-
[213] ſenden BB. ein, ihm Pflicht zu leiſten, und von
ihm Unterricht zu erhalten. Er ſchlug alle aufs
neue zu Rittern. Sein Syſtem war aber im
Grunde kein anderes, als das von Johnſon.


Stark Kryptokathol. II. S. 184. ꝛc.


Obenerwaͤhntes hoͤchſtwichtiges Aktenſtuͤck be-
kannt, unter dem falſchen Namen des Prof. Woog
aus Leipzig, iſt abgedruckt im Journal fuͤr Frei-Mau-
rer III. 3. S. 147 — 180. Dort heißt es u. a.
S. 166. Die nach Altenburg geſchickten John-
ſonſchen
Schriften, hat der Br. v. Hund ſelbſt
uͤbernommen, welche Vorſichtigkeit hoͤchſt noͤthig
war, weil man ſonſt aus den darunter befindlichen
eigenhaͤndigen Briefen des Herrn Provinzial, den
ganzen zu Unwuͤrden entworfenen Plan, gleich
wuͤrde entdeckt haben ꝛc.


1764.


Joh. Chriſtian v. Schubart, Edler Herr
von dem Kleefelde, Herr auf Wuͤrchwitz ꝛc. Gehei-
mer Rath ꝛc. ſoll der Sohn eines Schulmeiſters,
auf einem Dorfe bei Zeitz, ſodann Bedienter bei
dem Beſitzer von Wuͤrchwitz, das ihm nachher ſelbſt
gehoͤrte, ferner Schreiber bei einem Herrn in Wien
geweſen ſeyn.


1765.


Gegen Ende dieſes J. kommt Schubart nach
Hamburg.


v. Fortſ. des Anti St. Nic. S. 214.


[214]

1766.


v. Zinnendorf ward, nebſt dem C. G. R.
Kruͤger, zu Unwuͤrde zum Ritter gemacht; ſie
erhielten die Direktion der preußiſchen LL. von der
ſtr. Obſ.


eod.


Der Prof. Schroͤder in Marburg, gab ſich
oͤffentlich fuͤr einen aufgenommenen aͤchten Roſen-
kreuzer aus, nahm andere Maurer auf, bekannte
aber endlich, er ſey nicht mehr mit den Obern des
O. in Verbindung. Bei dieſer Gelegenheit wachte
der Geſchmack an einer ſolchen myſtiſchen Geſell-
ſchaft wieder auf. Dies nutzten etwa 10 Jahr
darauf einige Avantuͤriers, formirten eine neue Ge-
ſellſchaft, gaben dieſe fuͤr aͤchte Fortſetzung der alten
R. C. aus, und erweckten dadurch noch andere
falſche Roſenkreuzereien.


Maier uͤber Jeſuiten, Frei-Maurer und
deutſche R. C. S. 121. etc.


1766.


In einer Kaiſerl. Koͤnigl. Verordnung werden
alle diejenigen, ipso facto fuͤr ihrer Bedienungen
verluſtig erklaͤrt, welche ſich in die ſogenannte Frei-
Maurer- und Roſenkreuzer-Bruͤderſchaften ein-
laſſen wuͤrden.


(Die Fortſetzung folgt, wegen Mangel an Raum,
im dritten Bändchen.)


[[215]]

IV.
Die Loge zu Z.
Ein Auszug aus dem Reiſe-Journal
eines unterrichteten Maurers
.

Die Loge zu Z.
Ein Auszug aus meinem Reiſe-Journal.


[[216]][[217]]

Auf meiner Reiſe im vorjaͤhrigen Sommer, kam
ich nach Z. Die reitzende Gegend, die vielen
Merkwuͤrdigkeiten der Stadt und ihrer Umgebun-
gen, feſſelten mich; ich beſchloß, wenigſtens acht
Tage hier zu verweilen. Das Daſeyn einer Frei-
Maurer-Loge an dieſem Orte war mir unbekannt;
ich hatte dieſen Namen in keiner der neueſten
Liſten gefunden, es fiel mir alſo nicht ein, nach
meiner Weiſe, die Bruͤderſchaft zu begruͤßen. —
Aber noch nie bin ich auf eine ſo uͤberraſchende
und angenehme Art aus einem Irrthume geriſſen
worden.


In dem Gymnaſium, welches ich beſuchte, fand
ich einen vortrefflichen Apparat fuͤr die Erfahrungs-
Wiſſenſchaften, und einen beſonderen Lehrer dafuͤr,
den ich, bei der Armuth der Stiftung, die ich wohl
kannte, nicht erwartet hatte. „Dieſer Lehrer, ſagte
man mir, wird von der Frei-Maurer-Loge ſala-
[218] rirt, auf deren Koſten auch die noͤthigen Inſtru-
mente angeſchaft werden.“ — Iſt denn eine Loge
hier? fragte ich. „Ja wohl! antwortete man; ein
vortreffliches Inſtitut, das fuͤr unſre Stadt ſehr
wohlthaͤtig iſt; ſie hat auch eine Induͤſtrieſchule
angelegt, unterhaͤlt zwei arme, talentvolle Juͤnglinge
hier auf dem Gymnaſium, und ſodann auf der
Univerſitaͤt, laͤßt arme Kranke unentgeltlich kuriren,
und thut ſehr viel Gutes, das man ſo nicht er-
faͤhrt.“ — Dann ſtehen die Frei-Maurer wohl
hier in guter Achtung? — „Ueberall, ſelbſt bei
den gemeinſten Leuten. Anfangs hielt man nichts
auf ſie, und war ſelbſt gegen ihre Wohlthaten
mißtrauiſch, allein ſie haben nach und nach ſich
Achtung und Vertrauen erzwungen.“ — Wie
das? — „Sie hatten es am meiſten ihrem perſoͤn-
lichen Character zu danken; ſchlechte Menſchen oder
die irgend in uͤblem Rufe ſtanden, waren ſie auch
reich und vornehm, nahmen ſie nicht unter ſich auf,
andre ſchloſſen ſie von ſich aus, und ſie ſelbſt wa-
ren immer gerecht, beſcheiden, drangen ihre Wohl-
thaten niemand auf, wer ſie aber annahm, mußte
ſich nach ihren Vorſchriften richten, wobei man ſich
immer wohl befand. So iſt der Name der Frei-
Maurer in unſerer Stadt zu einem Ehrennamen
geworden, und jede Frau ſieht es gern, wenn ihr
Mann in der Geſellſchaft iſt.“


Ich war doppelt erſtaunt, hier eine L. und
zwar eine ſolche L. zu finden. Bei weiterem
Nachfragen, hoͤrte ich immer mehr Gutes von ihr,
und was noch mehr ſagen will, von den einzelnen
[219] Mitgliedern, die man uͤberall mit Achtung nannte.
Das freute mich. Es werden reiche und gute Maͤn-
ner ſeyn, dachte ich, die ihre Kraͤfte vereinigen, um
Gutes zu wirken, Aufklaͤrung zu verbreiten — aber,
wie es mit ihrer Maurerei ſteht, das iſt noch
ſehr die Frage; eine Winkel-Loge iſt es auf alle
Faͤlle, denn, wie geſagt, ihr Name ſteht in keinem
Verzeichniß irgend einer Gr. L. Endlich ſtieß ich
bei meinen Nachforſchungen, die ich nicht unter-
ließ, auf einen Mann, von dem ich vermuthen
konnte, daß er Maurer ſey. Ich fand an ihm
einen ſehr unterrichteten Mann, der uͤber alles mit
einer Klarheit und Beſtimmtheit ſprach, die mir
ungemein gefiel; ich machte ihm meine Zeichen, er
achtete nicht darauf; ich ſprach von beruͤhmten
maureriſchen Orten und Perſonen, er ſchien ſie
nicht zu kennen, und unvermerkt hatte er mich in
andre Geſpraͤche verwickelt, uͤber denen ich die Mau-
rerei vergaß. — Als er weggegangen war, — es
war nach der Table d’hote — fragte ich den
Wirth, ob dieſer Herr zur L. gehoͤre. Allerdings,
ſagte dieſer, Herr †† iſt einer der aͤlteſten. Das
iſt wunderbar! dachte ich, Maurer zu ſeyn, und
ſich gegen einen Br. zu verbergen!


Nun beſchloß ich, mich bei dem — — Rath M.,
den man mir als Maurer v. St. genannt hatte,
anſagen zu laſſen, um ſo mehr, da ich einen Brief
an ihn hatte. Er nahm mich an; es war ein
hoͤchſt liebenswuͤrdiger alter Mann, der zur Ehr-
furcht und Liebe hinriß, beſonders wenn man ihn
im Kreiſe ſeiner Familie ſah. Er ſprach mit
[220] Waͤrme von ſeinem Freunde, von dem ich ihm den
Brief gebracht hatte; er ſchien mich um ſeinetwil-
len recht freundlich aufzunehmen. Sobald wir
allein waren, trat ich ihm als Maurer naͤher, und
um mich ihm ganz zu entdecken, legte ich ihm alle
meine Patente und Certificate vor. Wo ich auch
hindeutete — er war dort zu Hauſe; ich mochte
ſo hoch ſteigen, als ich wollte — ich fand meinen
Mann. Bei meinen Patenten laͤchelte er, ich weiß
nicht, ob freundlich oder ſpoͤttiſch, und ſagte: Ei!
habe ich doch dergleichen lange nicht geſehen! —
Er betrachtete meine Sachen recht fleißig, nicht
eben um ſie zu pruͤfen, ſondern um ſie zu betrach-
ten, und gab mir ſie mit den Worten: Das iſt
alles ganz richtig! zuruͤck.


Ich. Werden Sie mir auf dieſes den Zutritt
in Ihrer L. verſagen?


Er. O nein! — aber, lieber Br. Sie haben
noch ein beſſeres Certificat, als dieſe da, und auf
dieſes ſind Sie uns ſogar willkommen.


Ich. Ein beſſeres?


Ev. Leſen Sie dieſe Stelle in dem Briefe
meines alten Freundes.


Ich las: „Er iſt ein ehrlicher Mann, ein gu-
ter Maurer, und ſteht, vielleicht ohne es zu wiſſen,
in Abſicht der hohen Dinge auf dem hiſtoriſchen
Standpunkte.“ — Iſt denn unſer Freund Maurer?


Er. Allerdings! und zwar ein ſehr unterrich-
teter.


Ich. Aber er geht nicht in Logen?


[221]

Er. Nach welchem Syſtem arbeiten die LL.
in ſeiner Stadt?


Ich. nach dem — — — Syſtem.


Er. Vielleicht koͤnnen Sie ſich ſeine Zuruͤckzie-
hung daraus erklaͤren; aber er wuͤrde wahrſchein-
lich auch an keinem andern Syſtem Theil nehmen,
denn er iſt blos Maurer.


Alles was er ſonſt noch ſagte, ſetzte mich im-
mer mehr in Verwunderung; ich merkte es ſehr
gut, daß ich ihm naͤher kam, jemehr ich mein Lo-
genweſen vergaß, und aus mir heraus ſprach. End-
lich beim Weggehen ladete er mich auf Uebermor-
gen zur L. ein, wobei ich ihm verſprechen mußte:
mit Unbefangenheit und ſcharfer Aufmerkſamkeit
zu beobachten, und uͤber jede meiner Beobachtun-
gen, Zweifel und dergleichen, entweder mit ihm,
oder mit irgend einem der BB. zu ſprechen. —
Ich ſagte es zu, und konnte kaum den Tag und
die Stunde erwarten.


Waͤhrend der Zeit machte ich noch die naͤhere
Bekanntſchaft meines Tiſchnachbars. Er war, ſeit
meinem Beſuch bei dem Meiſter v. St., offenherzi-
ger gegen mich geworden, und ich fand in ihm
einen Mann von tiefen maureriſchen Kenntniſſen.
Zu meinem Erſtaunen beantwortete er die Frage,
die ich eigentlich fuͤr uͤberfluͤſſig hielt, ob die L.
nehmlich in hoͤheren Graden arbeite? mit Nein,
und doch ſprach er von allen den hoͤheren Graden,
die ich mit ſchwerem Gelde bezahlt hatte, als wenn
er ſie alle wirklich durchgegangen waͤre. Ich beru-
higte mich damit, daß ich annahm, der Meiſter v.
[222] St. ſowohl als er, haben dieſe Gr. auf etwanigen
Reiſen, oder ehe ſie in dieſe Stadt gekommen
waͤren, erhalten. — Ueber alles uͤbrige, was ich
noch mit ihm abzuhandeln wuͤnſchte, verwies er
mich auf die L., beſonders da ich eine Aufnahme
ſehen wuͤrde; auch erklaͤrte er mir, daß ſie es zur
Gewohnheit haͤtten, außer der L. nicht viel von
Maurerei zu ſprechen.


Die erſehnte Stunde kam endlich heran, und
ich war einer der erſten im Hauſe; doch traf ich
den Br. M. den wahrhaft ehrwuͤrdigen Meiſter
v. St. ſchon in dem Verſammlungs-Zimmer. Er
ſchien den Wirth zu machen, und ſeine Gaͤſte zu
empfangen, da im Gegentheil andere Logen-Mei-
ſter mit einem vornehmen Air in die Verſamm-
lung der BB. einzutreten, und ihre Complimente
zu empfangen pflegen. Er ſtellte mich allen, ſo
wie ſie kamen, mit lauter Stimme vor, bei man-
chen, als den Freund meines P., und nannte mir
die Namen der BB., mit dem Beiſatz ihrer Aem-
ter. Einem jeden wußte er dabei etwas herzliches
und freundſchaftliches zu ſagen, erkundigte ſich
nach ſeiner Geſundheit, ſeiner Familie, und alle
antworteten ihm, wie einem vertrauten Freunde.
Mich bewillkommten ſie mit freundlicher Offenheit,
und jeder ſuchte mit mir ein Geſpraͤch anzuknuͤpfen,
ſo, daß ich bald einen kleinen Zirkel um mich hatte.
Da man mich fuͤr einen „gereiſten Mann“ erkannte,
ſo fragte mich dieſer bald nach dieſem merkwuͤrdi-
gen Manne, bald ein anderer nach jenem. Es fiel
mir dabei zweierlei auf, daß ſie nehmlich ſich nach
[223] keiner Loge erkundigten, und daß die BB., nach
denen ſie fragten, groͤßtentheils ſolche waren, von
denen ich grade uͤber Maurerei das meiſte gelernt
hatte, oder die ich nur als vernuͤnftige Maͤnner,
nicht aber als Bruͤder kannte. Dabei war ich alle
Augenblicke in einer beſonderen Angſt, denn ſie
ſprachen in dieſer gemiſchten Geſellſchaft, wo ich
an der Kleidung weder L. noch G. noch Meiſter
erkennen konnte, ganz laut und frei uͤber Dinge
des 3. Gr. ja ſogar der hoͤheren, daß meine Angſt
oft meine Antwort verwirrte. — Das Geſpraͤch
betraf uͤbrigens blos maureriſche Dinge, und ward
mit viel Lebhaftigkeit und Anſtand gefuͤhrt; nie-
mand rauchte Tabak oder trank Bier; auch nach
einem Billard, von dem ſich ſonſt die BB. ſo
ſchwer zur Arbeit losreißen, ſah ich mich vergeblich
um. Wir ſpielen hier nie, ſagte mir einer auf
meine Nachfrage, und ſehnen uns hier nicht dar-
nach; ſelbſt zum freundſchaftlichen Geſpraͤch uͤber
Gegenſtaͤnde der Kunſt, haben wir vor den beſtimm-
ten Beſchaͤftigungen nicht viel Zeit, und wir ſprechen
hier gern miteinander, da wir außer dem Hauſe
uͤber maureriſche Gegenſtaͤnde nicht zu ſprechen
pflegen.“


Ich aͤußerte mein Befremden, daß ſie kein
groͤßeres und ſchoͤneres Locale haͤtten, da doch ihre
Kaſſe, wie es ſchiene, nicht zu arm ſey, ein eigenes
Haus und Garten zu kaufen, das alle Logen ſo
ſehr liebten.


Die BB. ſchienen bei meinen Worten theils
zu laͤcheln, theils mich mit großen Augen anzuſe-
[224] hen. „Mein lieber Br.! ſagte M., der ſich in
unſer Geſpraͤch gemiſcht hatte, wir wohnen hier
zur Miethe, und haben dies Zimmer, das Logen-
Zimmer, und noch eine kleinere freundliche Stube
zur Praͤparation, dafuͤr geben wir jaͤhrlich 50 Thlr.
Miethe, und finden die Ausgabe ſchon hoch genug,
denn wir koͤnnten die 50 Thlr. beſſer brauchen.
Wir ſehen das Geld, was wir zuſammenbringen.
als Muͤndelgelder an, die wir gut und gewiſſen-
haft belegen muͤſſen, und da koͤnnen wir keine
Haͤuſer, Gaͤrten oder Billards kaufen, die uns
ohnehin zu nichts helfen wuͤrden.“


„Sie machen alſo Kapitalien?“ ſagte ich, ziem-
lich unuͤberlegt.


Nicht einen Pfennig, antwortete er mir mit
einem ganz beſonderen Blick, wir ſind zufrieden,
wenn wir nur kaͤrglich ausreichen.


Ich gerieth in ſichtbare Verlegenheit, denn nun
erinnerte ich mich erſt ihrer ausgebreiteten Wohl-
thaͤtigkeit. Es war mein Gluͤck, daß eben die
Stunde ſchlug, und man zur Arbeit aufbrach.
Aber ich ſollte nicht aus dem Erſtaunen heraus-
fallen; denn nun forderte der Meiſter den Candi-
daten auf, mit ſeinem Freunde ins Vorbereitungs-
Zimmer zu gehen, und ich merkte erſt, daß dieſer die
ganze Zeit uͤber dabei geweſen, und alle unſere
Geſpraͤche uͤber Maurerei gehoͤrt hatte
.
Mehrere der BB. ſchuͤttelten ihm die Hand, als
er mit ſeinem Freunde ging, und wohin? — in
ein ganz helles Zimmer, in dem ich nichts,
als ein Paar Stuͤhle und einen Tiſch erblickte.


Ich
[225]

Ich mochte ihm mit einer wunderlichen Miene
nachſehen, denn einer der BB. ſagte mir: „Mit
der Praͤparation will es bei uns nicht viel ſagen,
denn wir glauben, daß der Mann ſchon wohl praͤ-
parirt ſeyn muͤſſe, der hieher kommt. Er geht
nur in dies Zimmer, weil es wider die Delika-
teſſe ſeyn wuͤrde, wenn wir ihn bei den erſten
Verhandlungen gegenwaͤrtig ſeyn ließen, und weil
er doch in eine geoͤffnete L. eingefuͤhrt werden muß.
Sein vertrauteſter Freund bleibt indeß in ſeiner
Geſellſchaft.“


Ueber dieſer Rede haͤtten wir bald verſaͤumt,
ins Logen-Zimmer einzutreten. Welch eine Pracht
hatte ich erwartet, und was fand ich! — Einen
einfachen Tiſch, auf dem B. Z. u. W. lagen, Ta-
burets zum Sitzen und in der Mitte waren die
beiden V. beſchaͤftigt, einige einfache Figuren auf
dem Boden mit Kreide zu zeichnen. Alle BB.
trugen die Meiſter-Kleidung. — Ich trat auf den
mir angewieſenen Platz, und zwar in der groͤßeſten
Spannung. Es war eine feierliche Stille, ſie
ſchienen von der Wichtigkeit der bevorſtehenden
Handlung durchdrungen zu ſeyn, man bemerkte in
keinem Geſichte weder eine falſche Feierlichkeit noch
Gedankenloſigkeit. Der M. und die A. geſtalteten
die L., die Oeffnung war kurz, erhaben, und ich
moͤchte ſagen, antik. Die Aufnahme ward ange-
kuͤndigt, der Candidat war ein Mann, der 6 Jahre
als Secretair bei dem — — Collegium arbeitete;
einer nach dem andern erzaͤhlte einen Charakter-
zug von ihm, keiner war, der da ſagte: ich kenne
Zweites Baͤndch. P
[226] ihn nicht. Dieſer ſagte: er ernaͤhrt ſeine alte
Mutter, ſo beſchraͤnkt auch ſeine Lage iſt; der an-
dre: ſeine Gattin wetteifert mit ihm in Liebe zu
der alten Frau; der dritte: (ſein Vorgeſetzter im
Amte) er iſt in ſeinem Dienſtgeſchaͤft der puͤnkt-
lichſte; die uͤbrigen brachten einzelne Zuͤge ſeines
Herzens und Charakters auch aus fruͤheren Zeiten
vor; jeden dieſer Zuͤge begleitete der Meiſter mit
einem kurzen Urtheile, das von einer ſeltenen Kunſt
in der moraliſchen Wuͤrdigung zeugte. Nun ſchritt
man zur letzten Kugelung, und der Meiſter erinnerte
die BB. daß alle Stimmen ihm guͤnſtig ſeyn
muͤßten; ſie waren es. Alsdann zeigte der Schatz-
meiſter an, daß vor der Hand fuͤnf BB. ſich er-
klaͤrt haͤtten, das Eintrittsgeld (von 10 Louisd’or)
und den monathlichen Beitrag (von 1 Thlr.) fuͤr
ihn zu bezahlen, bis er dieſe letztere Ausgabe, ohne
ſeiner Familie zu ſchaden, ſelbſt wuͤrde uͤbernehmen
koͤnnen. Dieſe BB. wurden nicht genannt.


Ich ſchalte ſogleich das ein, was ich in der
Folge uͤber den Punkt des Geldes hoͤrte. „Wir
haben ſelten eine Aufnahme, ſagte mir Br. M.,
denn wir ſind in der Auswahl ſehr ſtreng; zehn
Louisd’or ſcheint Ihnen viel zu ſeyn, allein wenn
Sie bedenken, daß er nun, außer den monatlichen
Beitraͤgen, nicht einen Pfennig mehr in ſeinem gan-
zen Leben zahlt, und daß dieſes Geld uns hoͤchſt-
noͤthig iſt, und mit ſtrenger Gewiſſenhaftigkeit ver-
waltet wird, ſo werden Sie es wohl nicht mehr
zuviel finden. Mußte ich doch bei meiner Recep-
tion in X. 6 Louisd’ors zahlen, dann 3, dann
[227] wieder 6, dann gar 100 Thlr., dann — doch was
rechne ich Ihnen meine Thorheiten vor! — Ueber-
dies werden Sie gehoͤrt haben, daß nicht grade
der B., welcher aufgenommen wird, die Summe
zu bezahlen braucht; indeß bezahlt muß ſie werden;
und wenn ſich ja niemand finden wollte, der ihre
Erlegung uͤbernaͤhme, ſo geſtehe ich Ihnen gerade
zu, der Candidat koͤnnte nicht aufgenommen wer-
den. Indeß der Fall iſt bei uns unerhoͤrt. —
Mit dem Beitrag von 1 Thlr. monathlich, der
Ihnen auch ungewoͤhnlich ſcheint, hat es eine aͤhn-
liche Bewandniß; er iſt nur das Minimum, denn
die Reichern taxiren ſich ſelbſt. Aus verſchiedenen
Gruͤnden haben wir angenommen, daß der, welcher
nicht wenigſtens 12 Thlr. jaͤhrlich fuͤr gemeinnuͤtzige
Zwecke miſſen kann, beſſer thue, nicht Mitglied
einer Geſellſchaft zu werden, deren anerkannter
Nebenzweck die Wohlthaͤtigkeit iſt. Die Frei-
Maurer koͤnnen ſich von ihr nicht losſagen, nicht,
weil das Beiſpiel von London da iſt, und die
Sache von Logen, die den Hauptzweck nicht kann-
ten, mit Begierde ergriffen worden iſt, um doch
wenigſtens Etwas zu thun; ſondern weil gerade
dieſe Geſellſchaft die rechten Begriffe von Wohl-
thaͤtigkeit haben muß, weil ſie am beſten wiſſen
kann, wo es fehlt und wo zweckmaͤßig, oft mit
einer kleinen Veranſtaltung eingegriffen werden
muß, und ſie ſonach am beſten als Beiſpiel
auftreten kann, wie und wo geholfen werden muͤſſe.
Auch waͤre es der bloßen Klugheit gemaͤß, daß
eine geſchloſſene Geſellſchaft, die ſich von ihren
P 2
[228] Mitbuͤrgern abſondert, deren gute Meinung durch
zweckmaͤßige Wirkſamkeit gewoͤnne. — Uebrigens
verſteht es ſich von ſelbſt, daß der geſtern aufge-
nommene Bruder, eben ſo genau, als ich von der
Verwendung des Geldes unterrichtet iſt, und uͤber
deſſen Anwendung ſeine Vorſchlaͤge und ſeine
Stimme abgiebt. — Almoſen, ſetzte er noch auf
meine Frage hinzu, geben wir nicht; fuͤr Bettler ſind
die oͤffentlichen Armenanſtalten, und maureriſche
Bettler ſuchen uns nicht auf, weil ſie von uns
nichts zu wiſſen ſcheinen.“


Doch ich kehre zur L. zuruͤck. Die Aufnahme
ging vor ſich. So gern ich hier mit der groͤßeſten
Ausfuͤhrlichkeit erzaͤhlen moͤchte, — denn jedes
Wort, jede Handlung war mir hoͤchſt bedeutend —
ſo wage ich es doch nicht, es dem Papier anzuver-
trauen, weil ich fuͤr ſeine Schickſale nicht ſtehen
kann. So viel iſt gewiß, ich lernte in dieſer Stunde
in Abſicht auf wahre Maurerei, und deren inner-
ſtes Weſen, mehr, als ich in allen meinen hoͤheren
Graden gelernt hatte. Ich ſtelle mir vor, einem
guten Chriſten, der bisher in der katholiſchen oder
proteſtantiſchen Confeſſion erzogen worden iſt, und
der auf einmal in die Verſammlung der alten
Chriſtianer, die nichts, als das Wort des Herren
kannten, verſetzt wuͤrde, muͤßte ohngefaͤhr zu Muthe
ſeyn, wie es mir war. Alles, was zu verſchiedenen
Zeiten und zu beſonderen Zwecken, in England,
Frankreich, Deutſchland, Schweden, Italien ꝛc.
dem alten, aͤchten Stamm der Maurerei aufge-
pfropft worden war, und das ich durch mein Stu-
[229] dium und meine Erfahrungen ſchon einzeln als
Neuerung und Verunſtaltung erkannt hatte, war
verſchwunden; rein und kraͤftig ward das alte
Evangelium verkuͤndigt; die drei Gr. L. ſtrahlten
in ihrem vollen Glanze, keine falſche Feierlichkeit
zog den Blick von ihnen ab, keine erregte Furcht
verwirrte das Gemuͤth. Ohne alle Erniedrigung
trat der Mann zu Maͤnnern, um ſich mit vollem
Bewußtſeyn mit ihnen zu großen und ſchoͤnen
Zwecken zu vereinigen, und von ihnen die wahre
Kunſt des Lebens zu erlernen. — Ich fuͤhlte es
mit der lebendigſten Ueberzeugung: alles, was poſi-
tiv, nicht hiſtoriſch, von Maurerei geſagt werden
kann, ward hier aufs vollſtaͤndigſte ausgeſprochen;
es blieb nichts mehr uͤbrig, was man mit gleichem
Fug haͤtte Maurerei nennen koͤnnen. Ich er-
ſchrak vor mir ſelbſt, als ich mir geſtand, daß durch
dieſe Aufnahme das, was rein und aͤcht maureriſch
iſt, vollendet ſey, und daß ich nun nicht wiſſe, was
mit allen uͤbrigen Gr. werden ſolle. — Das aller-
aͤlteſte Ritual, das wir kennen, und deſſen Aecht-
heit außer Zweifel geſetzt iſt, lag in ſeiner Einfach-
heit zum Grunde, es war trefflich uͤberſetzt, und
ward mit der groͤßten Wuͤrde ausgeſprochen. Nie-
mand der Handelnden hatte ein Blatt vor ſich,
man ſprach mit vollkommner Freiheit des Geiſtes;
und aus der Schoͤnheit und Bedeutſamkeit, mit
der einige der Handelnden ſprachen, merkte ich
wohl, daß ſie ſich nicht ſtreng an den Buchſtaben
hielten, ſondern daß der Geiſt der Bruͤderſchaft
aus ihnen ſprach. Soll ich noch von dem Anſtand,
[230] der Wuͤrde, der Sicherheit und Beſtimmtheit, mit
der jeder der Anweſenden ſprach und handelte,
reden? jeder wußte genau, was er zu thun habe,
niemand durfte erinnert werden, weder von Außen
noch im Innern war die geringſte Stoͤhrung, nie
die kleinſte Luͤcke, nirgends eine Spur von langer
Weile. Die Aufnahme war vollendet, der letzte
feierliche Akt derſelben erſchoͤpfte in ſeiner hohen
Einfachheit alles, was ich in meiner maureriſchen
Laufbahn an Erhabenheit geſehen habe. „Nun
heißen ſie Frei-Maurer, ſagte der M. v. St., ob
Sie es ſind, das kommt allein auf Sie ſelbſt an.
Zwei Stuͤcke machen den M.; die maureriſche Ge-
ſinnung und maureriſche Kenntniſſe. Jene zu
erwerben, zu verfeinern, zu verſtaͤrken, iſt Ihre
Arbeit; Gelegenheit dazu werden Ihnen fortgeſetzt,
unſere Verſammlungen geben, die keinen andern Zweck
als dieſen, haben. Dieſe wird befoͤrdert und begruͤndet
durch das Studium der Geſchichte unſerer Bruͤder-
ſchaft; dazu kann Ihnen unſer Archiv, das Ihnen
von heut an geoͤffnet iſt, nuͤtzlich werden, beſonders
wenn Sie den rechten Blick dazu mitbringen.“


Die L. wurde geſchloſſen, die Linien auf dem
Boden verwiſcht, die drei Gr. L. und die Repraͤ-
ſentanten der drei kleinen weggenommen. In der
Zwiſchenzeit fragte ich freimuͤthig uͤber alles, was
mir aufgefallen war. Ich glaubte ſo manches ver-
mißt zu haben, was ich auch nach meinem Stu-
dium der verſchiedenen Syſteme, und troz
meiner Abſtraktionen, fuͤr weſentlich hielt. „We-
ſentlich kann das wohl nicht ſeyn, ſagte mir Br. M.
[231] mit ſeinem liebenswuͤrdigen Ernſte, was erſt
in neueren Zeiten, unter bedingten Zwecken ent-
ſtanden iſt. Dies wurde dort eingefuͤhrt, und
ſollte — — — Es gehoͤrt alſo blos in die Hiſto-
rie, und davon bleibt unſern BB. nichts verbor-
gen. Selbſt das Unſchuldige, ſelbſt das im guten
Geiſte der Bruͤderſchaft Erfundene, verweiſen wir
aus unſerer Liturgie, weil wir der Erhabenheit
des Alten nur Eintrag thun wuͤrden, in welchem
denn doch wohl nichts fehlt, was den Namen
des Maureriſchen verdient. Wer noch außer
dieſem Erbauung und Belehrung ſuchen will, der
findet alle ſeine Wuͤnſche durch unſer Archiv, dem
nicht leicht an Vollſtaͤndigkeit etwas abgehen moͤchte,
vollkommen befriedigt. Wir thun uns in Wahr-
heit etwas darauf zu Gute, denn wir haben den
großen Vortheil davon, daß wir durch die voll-
ſtaͤndige Kenntniß aller maureriſchen Verirrungen,
aufs unwiderleglichſte in unſerer erkannten Wahr-
heit befeſtiget werden.“


Die BB. nahmen wieder Platz; denn der
Meiſter v. St. wandte ſich zu dem Neuaufgenom-
menen: Ihre Aufnahme, lieber Br.! ſagte er ohn-
gefaͤhr, iſt nun vollendet, ſo auch alle Handlungen
die je mit Ihnen vorgenommen werden. Sie haben
das Licht erhalten, und dies iſt nur Eins, was
dem Maurer bis ans Grab leuchtet; alle uͤbrigen
Lichter ſind Irrlichter. Seit den Jahrhunderten
aber, in denen die Bruͤderſchaft ſteht, hat man ſo
viel an ihrem Weſen gemodelt, daß die maureriſche
Geſchichte ein großer Zweig der Geſchichte des
[232] menſchlichen Verſtandes, und ſeiner Thorheiten
geworden iſt. Es iſt ein großes Feld, das ſich
Ihrer Wißbegierde oder Ihrer Neugierde oͤffnet;
es bleibt Ihnen uͤberlaſſen, wie viel oder wie we-
nig Sie ſich darauf umſehen wollen. Allein dies
muß ich Ihnen des Herkommens wegen, noch
heut ſagen, daß unſere Bruͤder vor — — Jahren
fuͤr gut befunden haben, der Einweihung, die Sie
heut erfahren haben, noch zwei andere hinzuzu-
ſetzen, die ſie denn zuſammen drei Grade nannten,
und welche die ſogenannte Johannis-Maurerei
ausmachen, weil unſere Vorfahren die Sitte hat-
ten, an dem Tage des Evangeliſten und ſpaͤterhin
des Taͤufers Johannis eine allgemeine Verſamm-
lung zu halten. Der dritte dieſer Grade wurde
um die Zeit — — — und zu dem — Zwecke er-
funden, und haͤngt mit der Maurerei wenig zuſam-
men; um dieſen geringen Zuſammenhang weniger
auffallend zu machen, ſchob man ums Jahr —
einen zweiten ein, der etwas duͤrftig ausgefallen
iſt. Dieſe drei Grade, davon Sie die Rituale
und Tapis aller Syſteme gelegentlich nachſehen
koͤnnen, gehoͤren nach dem Herkommen dazu, einem
Br. das volle Recht in den LL. zu geben; um Sie
alſo ſogleich bei Ihrem Eintritt in die vollen Rechte
der Geſellſchaft zu ſetzen, werde ich Ihnen die
Rituale der dritten und zweiten, nach den uns
bekannten aͤlteſten Urkunden, der Hauptſache nach
vorleſen laſſen, und Sie vorher zum Zeichen der
Gleichheit an Rechten mit der eingefuͤhrten Mei-
ſter-Sch. bekleiden.


[233]

Nachdem dies alles geſchehen war, war die
Verſammlung geendigt. In demſelben Augenblick
verließen alle BB. das Zimmer, kleideten ſich aus,
und ich wurde von dem biedern M. zu einem fru-
galen Abendbrodte geladen. Wir gingen, wenige
ausgenommen, die zu ihrer Familie zuruͤckkehrten,
in das erſte Stockwerk des Hauſes, wo ein ſehr
artiges Souper angerichtet war. „Sie haben
nach einer Reception nicht Tafel-Loge?“ fragte ich.
„Nein, ſagte M., wir eſſen nur an den Feſten
nach der eingefuͤhrten Sitte, und mit den wenigen
Gebraͤuchen, die wir zu dieſem Behufe angenom-
men haben. Denn Tafel-Logen ſind eben ſo, wie
Trauer-Logen nur in der Syſtems-Maurerei
gegruͤndet. Wir moͤgen aber als Freunde gern
auch beim froͤhlichen Becher zuſammen ſeyn, und
da veranſtalten wir denn zuweilen ein kleines
Mahl, an dem jeder nach ſeinem Gefallen Theil
nimmt. Wenn Sie aber erwarten, daß dabei von
Tugend, dem goldnen Zeitalter, oder Vater Noach
geſprochen oder geſungen werde, ſo irren Sie ſich.“


Noch nie habe ich ſo heiter, anſtaͤndig und
froͤhlich unter bloßen Maͤnnern gegeſſen. Die
Unterhaltung war ungemein lebhaft und witzig;
ich glaubte unter einer Menge weiſer Maͤnner zu
ſeyn, die die Luſtigkeit mit Ernſt treiben, und denen
eine ungewoͤhnliche Anſicht des Lebens, einen vor-
zuͤglich guten Muth und eine gewiſſe Sicherheit
des Wohlſeyns giebt. Ich war in der That ſo
erbaut, daß ich glaubte, es ſei L. geoͤffnet. An
Stadt-Neuigkeiten ward nicht gedacht; man war,
[234] wie der Zeit und dem Orte entruͤckt. Das ganze
Gebiet des menſchlichen Verſtandes war uns auf-
gethan. Man erzaͤhlte, aber keine faden Anekdoten,
man disputirte, aber mit Humanitaͤt, Feinheit und
Witz, man ſprach uͤber maureriſche Gegenſtaͤnde,
aber nicht uͤber das Heiligthum der Maurerei, man
ließ mich von meinen Erfahrungen erzaͤhlen, und
man wußte beinah alles beſſer als ich, der ich doch
oft an Ort und Stelle geweſen war, und mitge-
handelt hatte. Wie oft erfuhr ich hier erſt die
beſonderen Triebfedern, die da und dort mitgewirkt
hatten, und die meinem Auge gaͤnzlich entgangen
waren, wie oft lernte ich einen ganz andern Mann,
als Leiter der Angelegenheiten kennen, als der ſicht-
bar an der Spitze ſtand. — — Ueber das alles
ſprachen ſie ſo unbefangen, und mit einer ſolchen
Leichtigkeit, daß ich wohl ſah, dieſe Maurer muͤß-
ten ein hoͤheres Intereſſe haben, als die gewoͤhn-
lichen Logen-Begebenheiten. Sie waren ihnen das
Treiben einer fremden Welt, von dem ſie hoͤch-
ſtens eine fluͤchtige hiſtoriſche Notiz nahmen, und
das ſie nur zu Belegen uͤber ſichre Erfahrungs-
Maximen brauchten. Dennoch war mir dieſe tiefe
Kenntniß der Begebenheiten und Verhaͤltniſſe aus
der ganzen Maurerwelt, dieſe Prophezeihungen,
welche man ganz natuͤrlich, als ſichere Folgerungen
aus den angegebenen Datis einmiſchte, zu auffallend,
als daß ich nicht haͤtte fragen ſollen, wie ſie doch
in ihrer Zuruͤckgezogenheit zu dieſer Kenntniß des
Ganzen gelangt waͤren. Folgendes iſt ohngefaͤhr
das Reſultat der Antworten, die ich erhielt.


[235]

„Wir haben keine ſogenannte Logen-Correſpon-
denz, wo man uns meldet, daß man in bruͤder-
licher Einigkeit, und unter dem Seegen des H.
B. a. W. abermals das Stiftungsfeſt gefeiert
habe; wir verdanken dies unſerer Unabhaͤngigkeit,
von allen ſogenannten Großen LL. und unſerer
Unbekanntſchaft in der Logenwelt. Dafuͤr ſtehen
wir aber in einer ununterbrochenen Correſpondenz
mit allen unterrichteten Maurern, die in der Welt
zerſtreut leben, und einigen wenigen LL., denen,
wie uns, die Maurerei, nicht das Logen-Weſen
am Herzen liegt. In vielen LL., die davon nichts
ahnen, ſind ein, zwei oder mehrere Maͤnner von
Einſicht, die mit uns auf gleichem Standpunkt
ſtehen, und ſich neben der Cultur des Geiſtes der
Bruͤderſchaft, vorzuͤglich mit Erforſchung der mau-
reriſchen Geſchichte beſchaͤftigen. Dieſe Maͤnner
verbergen ſich nicht, und zeigen ſich nicht; wer
nach ihrem Lichte begierig, und deſſen wuͤrdig iſt,
der findet ſie. Sie nehmen Aemter, aber ſie
ſuchen ſie nicht, denn ſie wollen mit dem Logen-
Weſen, wie es ſo iſt, nicht gern zu thun haben. —
Dieſe nun ſind durch die ganze Maurer-Welt,
durch gemeinſchaftliches Streben, und gleiche Ueber-
zeugungen mit einander verbunden; was dem einen
gehoͤrt, gehoͤrt auch dem andern; jeder theilt den
uͤbrigen die Aktenſtuͤcke und Dokumente mit, die
in ſeine Haͤnde kommen, ſo wie ſeine Forſchungen
uͤber jeden maureriſchen Gegenſtand. So iſt kein
Theil der maureriſchen und aftermaureriſchen Ge-
ſchichte, von den aͤlteſten Zeiten an, uͤber den wir
[236] nicht die genaueſten Data, und die ſpecielleſten
Nachrichten haͤtten. Fuͤr uns iſt alſo die Ge-
ſchichte des Ordens kein Geheimniß
, ge-
ſchweige daß, wie es an einem gewiſſen Orte heißt,
das Geheimniß der Bruͤderſchaft fuͤr uns in ihrer
Geſchichte liegen ſollte. Wenn ſie außer der
Hiſtorie kein anderes Myſterium haͤtte, ſo wuͤrde
es ſchlecht mit uns ſtehen, denn unſere Arbeiten
waͤren ziemlich geſchloſſen.“


Dieſer Bund, der wie es ſchien, ziemlich aus-
gebreitet iſt, und von dem ich in meiner ganzen,
nicht eben gewoͤhnlichen, maureriſchen Laufbahn
nichts gehoͤrt hatte, ſchien mir hoͤchſt bedeutend,
denn ich fand hier etwas realiſirt, was ich von
jeher unverruͤckt mit dem groͤßten Enthuſiasmus
gewuͤnſcht hatte. Was muß dieſen vereinigten
Kraͤften, bei einem hellen Blick und ſicherem
Standpunkte nicht moͤglich ſeyn! Die Wirkungen
dieſer Forſchungen auf aͤchte Begruͤndung der wah-
ren Maurerei ſind nicht zu berechnen.


Ueber dieſen Geſpraͤchen war es, ehe ich es
vermuthete, 11 Uhr geworden. „Wir haben,
ſagte M. heut, unſers lieben Fremden wegen, eine
Ausnahme gemacht, und ſind uͤber die Zeit geblie-
ben. Die Hausfrauen ſehen es gern, wenn wir
die Ordnung nicht uͤbertreten. Laſſen Sie uns
ſchließen, liebe BB.!“ — Es wurden einige ſchoͤne
Verſe aus einem Liede geſungen, die BB. ſchuͤttel-
ten ſich die Haͤnde, und gingen nach Hauſe.


Ich war zu aufmerkſam auf das Archiv der
L. geworden, als daß ich nicht, obgleich nicht ohne
[237] Schuͤchternheit, die Bitte gewagt haben ſollte, mir
den Zutritt dazu zu verſtatten. Man gewaͤhrte
mir die Bitte beſonders in Ruͤckſicht meiner guten
Empfehlungen, und beſtimmte mir die Stunde des
folgenden Tages, an dem der Neuaufgenommene
Br. in das Archiv eingefuͤhrt werden ſollte. Ich
war durch alles, was ich gehoͤrt hatte, darauf am
meiſten geſpannt; und ich bereitete mich am fol-
genden Tage mit Sorgfalt, auf den Eintritt in
daſſelbe vor. Ich ging meine ganze maureriſche
Gelehrſamkeit durch, ich erinnerte mich aller Sel-
tenheiten, die ich geſehen hatte, ſo wie deren, die
ich nur aus Nachrichten kannte; und glaubte doch,
daß man hier dies und jenes nicht haben wuͤrde.


Ich hohlte den ehrwuͤrdigen Br. M. in ſeiner
Wohnung ab, und wir gingen ins Logenhaus, wo
wir einige BB., ſo wie den Neuaufgenommenen
fanden. Wir begaben uns ſogleich ins Archiv, das
im Praͤparations-Zimmer in Wandſchraͤnken ver-
wahrt lag, zu deren jedem außer dem Logen-Mei-
ſter noch zwei BB. beſondere Schluͤſſel hatten.
Das erſte was man mir zeigte, war ein hoͤchſt-
merkwuͤrdiges Manuſcript, welches die Geſchichte
der Frei-Maurer-Bruͤderſchaft bis auf die neue-
ſten Zeiten in epochenmaͤßigen Abtheilungen ent-
hielt. „Dieſe Geſchichte, die von einem unſerer
BB. geſchrieben iſt, ſagte mir Br. M. legen wir
bei unſern Forſchungen zum Grunde, damit wir
einen Faden haben, an welchen wir alles uͤbrige
anreihen koͤnnen. Ohne ein ſolches Huͤlfsmittel
wuͤrden wir keine allgemeine Ueberſicht haben, es
[238] wuͤrden uns oft die Winke uͤber die einzelnen Er-
ſcheinungen fehlen, und es wuͤrden in unſern Kennt-
niſſen Luͤcken entſtehen. Dieſes Werk aber, das
in allen mit uns verbundenen Archiven liegt, iſt
einem jeden, der ſich nicht weiter einlaſſen will,
zum allgemeinen Unterricht hinlaͤnglich, alles uͤbrige,
wie Sie hier an den Citationen ſehen, ſind nur
Belege zu der Geſchichte, und jeder unſerer BB.
faͤngt ſein Studium mit ihr an, und kommt
immer wieder auf ſie zuruͤck.“ Er legte ſogleich
den erſten Band derſelben fuͤr den geſtern Aufge-
nommenen heraus. — Nun uͤberſah ich auch die
uͤbrigen Schaͤtze, die alle in Faͤcher geordnet waren,
und ihre Ueberſchriften hatten. Da ſah ich: Do-
kumente zur Geſchichte der Bruͤderſchaft vor dem
Jahr 1717. in Italien, Frankreich, Deutſchland,
England u. ſ. w. mit allen ihren Unter-Abthei-
lungen; zur Geſchichte der erſten Haupt-Veraͤnde-
rung in der Maurerei, und des Urſprungs der
modernen Maurerei; Urſprung des Ordens- und
Ritterweſens in Frankreich; Fortſchritte des eng-
liſchen Univerſal-Großmeiſterthums, und deſſen
Provinzial-Großmeiſterthuͤmer; Geſchichte der Bruͤ-
derſchaft, in ſofern ſie ſich von den neuen Veraͤn-
derungen frei erhalten hat; Verbreitung des Or-
dens aus Frankreich nach Schweden, Deutſch-
land ꝛc. — Clermontiſches Hochkapitel mit
allen ſeinen Modificationen; Geſchichte des Tem-
pelherren-Syſtems; Schwediſche Maurerei, nebſt
der darauf gegruͤndeten Z — fiſchen; uͤbrige moderne
Syſteme und Verſuche, in B. und H. die Frei-
[239] Maurerei zu ihrer alten Wuͤrde zuruͤckzufuͤhren. —
Ein anderer großer Schrank enthielt die Geſchichte
aller Nebenzweige, die man zu irgend einer Zeit
auf den Stamm der Maurerei gepfropft hat, als:
der Tempelherren, der Roſenkreuzer, aͤlteſten, alten
und neuen Syſtems, der Illuminaten, der Mar-
tiniſten, Philalethen, wohlthaͤtigen Ritter, der
Aſiaten, Afrikaner, der egyptiſchen Maurerei u. ſ. w.
Von allem dieſen war erſt eine detaillirte Geſchichte
der Einfuͤhrung, der erſten Stifter, ihrer Zwecke
und Schickſale vorhanden, ſodann die vollſtaͤndigen
Rituale aller Grade, ſowohl in der Originalſprache
als in Ueberſetzungen, nebſt den Zeichnungen aller
Tapis, Dekorationen, Kleidungen ꝛc. Ein anderes
Fach war mit den Akten aller maureriſchen Con-
vente, und merkwuͤrdigen Protocolle angefuͤllt. —
Uebrigens beſtanden dieſe Archivſtuͤcke aus Origi-
nalen und Abſchriften, bei denen aber das Origi-
nal ſorgfaͤltig beſchrieben, ſeine Authenticitaͤt erwie-
ſen und der Ort ſeiner Aufbewahrung angegeben
war, ſo wie auch uͤberall die Richtigkeit der Kopien
beſcheinigt wurde. — Wir gingen zu der Bibliothek
gedruckter Buͤcher fort, die nach Maaßgabe des
Archivs, und der zum Grunde liegenden Geſchichte,
in ihre Faͤcher geordnet waren. In jedem dieſer
Buͤcher ſtand ein kurzes Urtheil aber die Glaub-
wuͤrdigkeit ihrer Verfaſſer, und die Art der Brauch-
barkeit ihrer Schriften.


Nach dieſer fluͤchtigen Ueberſicht begann ich nun
meine Gelehrſamkeit zu zeigen, und fragte nach
dieſem und jenem, was ich als große Seitenheit
[240] kannte. Wornach ich auch fragte, das gab mir
Br. M. oder ein anderer ſogleich aus ſeiner Ord-
nung, und ich erkannte ſeine Aechtheit. Was
irgend in den goldenen, eiſernen oder hoͤlzernen
Kaſten eines h. K. gelegen hatte, war hier in net-
ter, aͤchter Abſchrift; was ich nur von Hoͤrenſagen
kannte, hielt ich hier wirklich in meinen Haͤnden.
Die BB. freuten ſich meiner Ueberraſchungen.
„Da Sie ein Liebhaber von Raritaͤten zu ſeyn
ſcheinen, fing M. an, ſo wollen wir Ihnen doch,
nach Art der Archivare und Bibliothekare, noch
manches zeigen, was Sie wahrſcheinlich noch nicht
kennen, weil es nur in unſern Archiven exiſtirt.“
Und nun ſah ich Sachen, die mich in das groͤßeſte
Erſtaunen ſetzten, weil ich theils von ihrem Da-
ſeyn nichts wußte, theils glaubte, daß ſie laͤngſt
untergegangen waͤren.


Ich bezeugte ihnen mein Erſtaunen uͤber die-
ſen unerwarteten, und faſt unglaublichen Reich-
thum an Dokumenten und Notizen.


„Sie ſehen, lieber Br.! ſagte der Br. G.,
was vereinigten Kraͤften moͤglich iſt; wir wuͤrden
arm, und vielleicht ungebuͤhrlich ſtolz auf die weni-
gen Dokumente ſeyn, die uns zufaͤllig in die Haͤnde
gefallen ſind, aber wir wuͤrden von dem Ganzen
nichts kennen, bei dem beſten Willen im Finſtern
tappen und gezwungen ſeyn, entweder gar nicht
zu arbeiten, oder irgend ein Logenweſen ſtatt der
Maurerei zu treiben. Dagegen haben wir mit
unſern kleinen Schaͤtzen gewuchert, und die Archive
aller unterrichteten BB. und LL. haben uns offen
ge-
[241] geſtanden. Was irgend in einem Theile der Welt
entdeckt wird, davon haben wir in wenigen Wochen
Kenntniß, und wir beſtimmen, ob wir eine Ab-
ſchrift davon haben wollen, oder nicht. — Dennoch
aber fehlt uns, bei der großen Menge dieſer gehei-
men Dinge, noch manches, deſſen Exiſtenz wir ent-
weder nur ahnen, oder das wir auch nach ſeinem
Namen, Inhalt und Aufbewahrungsort kennen,
das wir aber nur noch nicht erhalten konnten;
daher wir unſere Bemuͤhungen und unſere Ver-
bindung immer fortſetzen muͤſſen. Groͤßtentheils
iſt es nun eine unſchuldige Liebhaberei geworden,
denn in Abſicht weſentlicher und wichtiger Punkte
fehlt uns eben nichts.“


Ich. Das erkenne ich an, und ich geſtehe nicht
nur, daß ich nie ein ſo reiches Archiv geſehen, ſon-
dern daß ich ein ſolches ſogar fuͤr unmoͤglich gehal-
ten habe. Allein — verzeihen Sie meiner Freimuͤ-
thigkeit. — Sie ſcheinen mit dem, was der ganzen
Maurerwelt das Geheimſte iſt, ganz offen umzugehen.


M. Wie ſo?


Ich. Darf ich fragen, ob Sie jedem beſuchen-
den Br., ſo wie mir, das Archiv oͤffnen?


M. Nie, wenn er nicht zu uns gehoͤrt, oder
an uns geſandt wird.


Ich. Sollte dies der Fall mit mir ſeyn?


M. So ziemlich. Haben Sie nicht eine gewiſſe
Urakte unterſchrieben?


Ich. Ja wohl, weil die darinn geaͤußerten
Grundſaͤtze ganz die meinen ſind.


M. Erinnern Sie ſich nun Ihrer Geſpraͤche,
Zweites Baͤndch. Q
[242] mit unſerm Br. P. — Es iſt bloß die Wirkung
dieſer Geſpraͤche, daß Sie hier ſind, denn Br. P.
hat Sie allein zu der Reiſe hieher veranlaßt, weil
er wuͤnſchte, daß Sie ſogleich ein vollſtaͤndiges Archiv
ſaͤhen, da er nur ſeine eigenen Dokumente, und
einen Catalogue raisonne aller Archivſtuͤcke beſitzt.


Ich. Nun ſehe ich klar, ich habe gewiſſer-
maßen als theoretiſches Mitglied zu Ihrem Bunde
gehoͤrt, ſeit ich ihn ſelbſt projectirt habe; ich werde
mir es zum Gluͤck rechnen, ihm auch als arbeiten-
des Mitglied anzugehoͤren.


M. Dazu wird Ihnen unſer P. die Gelegen-
heit verſchaffen. — Sie ſehen alſo wohl, daß wir
nur am rechten Orte offenherzig ſind.


Ich. Aber was ſagen beſuchende BB., die
nicht vorbereitet ſind, zu Ihren Arbeiten?


M. Dazu moͤgen Sie wohl nichts ſagen, denn
ſie kennen ſie nicht. — Das verhaͤlt ſich ſo: Sie
werden wiſſen, daß wir zu keiner Gr. L. und zu
keinem ſogenannten Logen-Bunde gehoͤren; keiner
unſerer BB. er mag reiſen, wohin er will, be-
ſucht alſo eine L., weil wir keine Certificate geben,
und er ſich dort nicht examiniren laſſen will, wo
er ſich zum Examinator berufen fuͤhlt. Da man
nun von unſerer L. in der gewoͤhnlichen Maurer-
Welt nicht weiß, ſo werden wir auch nicht von
gewoͤhnlichen Logen-Bruͤdern beſucht. Dagegen
haben wir oft ſehr angenehmen Beſuch von wah-
ren Maurern, die uns kennen, und mit uns arbei-
ten. — So hoffen wir, werden Sie uns kuͤnftig, ſo
oft Sie durch unſere Stadt reiſen nicht voruͤbergehen.


[243]

Ich. Gewiß nicht, im Gegentheil werde ich nicht
bloß auf Gelegenheit warten, ſondern ſie aufſuchen.


G. Um ſo mehr, da Sie noch keiner eigent-
lichen Arbeit beigewohnt, ſondern nur eine Auf-
nahme geſehen haben.


Ich. Ehe ich die Frage thue, zu der mir dieſe
Aeußerung Gelegenheit giebt, ſo erlauben Sie mir,
eine Bedenklichkeit zu aͤußern. Halten Sie denn
Ihre Loge fuͤr aͤcht?


M. Wie verſtehen Sie das?


Ich. Zu einer aͤchten L. wird doch erfordert,
daß ſie von einer Großen L. Conſtitution und Ak-
ten erhalten habe, und nun von allen uͤbrigen LL.
anerkannt werde. —


M. Darauf koͤnnt’ ich Ihnen antworten: Iſt
denn das Anerkennen ein Beweis der Aechtheit?
In B. ſind drei Gr. LL., davon ward die zweite,
die entſtand, von der erſten nicht anerkannt, und
nun thut die zweite ein gleiches gegen die dritte;
und doch ſind wirklich alle drei — Gr. LL., die
nehmlich aus den Repraͤſentanten mehrerer einzel-
ner LL. beſtehen, welches als Factum nicht abge-
laͤugnet werden kann. Aber ich will tiefer gehen.
In der Maurerei exiſtiren nur einzelne LL.;
die Großen LL. ſind Verfaſſungsſache, und es iſt
hoͤchſt zufaͤllig, daß dieſe oder jene L. dort und da
einen Repraͤſentanten hat, der in ihrem Namen
uͤber Verfaſſungsſachen — denn von Maurerei
wird doch nicht die Rede ſeyn! — ſeine Stimme
abgiebt, und ihr die Abſchriften der Protokolle zu-
ſchickt. Wenn wir nun in allen ſolchen Sachen
Q 2
[244] nirgends eine Stimme haben wollen, und nach
dieſen Protokollen nicht neugierig ſind: ſo werden
Sie wohl einſehen, daß wir den Zuſammenhang
mit allen Gr. LL. entbehren koͤnnen, der uns ge-
wiß nichts helfen, aber vielleicht hindern wuͤrde.


Ich. Aber die Rituale?


M.Dieſe, glauben Sie, muͤßte man von
einer Gr. L. erhalten? — Wo hat ſie denn die
Gr. L. her? — Wie iſt dieſe denn entſtanden?
etwa ſo, daß ein Groß-Meiſter da iſt, dieſer die
Groß-Beamten waͤhlt — mit dieſen ein Ritual
macht oder hat, und nun einzelne LL., conſtituirt,
und dieſen ſeine Kunſt mittheilt? — Oder vielmehr
umgekehrt? ſo, daß erſt einzelne LL. da ſeyn muͤſſen,
durch deren Zuſammentreten ſich eine Gr. L. for-
mirt. Woher haben nun dieſe die Rituale? nach
denen ſie doch gearbeitet haben muͤſſen, ſeitdem ſie
exiſtiren. Etwa aus England? Ohne Zweifel wohl
daher, aber nicht durch die Gr. L., denn es
iſt weltkundig, daß ſie bei ihren Conſtitutionen
keine Rituale ertheilt. Alſo durch einzelne Mei-
ſter der Kunſt; und ſo haben wir unſere Rituale
eben daher, woher ſie alle LL. haben oder haben
koͤnnen; es kommt nur auf den Beweis der Aecht-
heit derſelben an.


Ich. Das iſt Sache der Kritik und der
Kenntniſſe, und daruͤber bin ich nicht einen An-
genblick in Zweifel. Nur die Rechtmaͤßigkeit. —


M. Ei, Sie haben wohl ganz vergeſſen, daß
jeder Frei-Maurer-Meiſter nach alter Sitte das
Recht hat, Frei-Maurer aufzunehmen. — Aber
[245] ich will Sie ſogleich befriedigen. Unterſcheiden Sie
nur recht ſtreng, Syſtem- und Logenweſen
von Maurerei. Ich, Br. G., Br. R. und
noch einige ſind irgendwo aufgenommen, wir fin-
den uns in dieſer Stadt zuſammen, wir erkennen
uns gegenſeitig, als Maurer von Geſinnung und
Kenntniß; wir treten zuſammen, und fangen an
zu arbeiten. Unſere Richtſchnur iſt nicht das, was
dieſem oder jenem etwa einfaͤllt, oder was dieſe oder
jene L. als Maurerei treibt, ſondern das, was wir
als das aͤchte einzige Evangelium anerkannt, und
wovon wir uns uͤberzeugt haben, daß es gewiß
und wahrhaftig das einzig Poſitive der Maurerei
ſey. Dies bringen wir nun gemeinſchaftlich in
Ausuͤbung, forſchen immer weiter, beſtaͤtigen uns
immer mehr in unſerer Ueberzeugung, nehmen
wackere Maͤnner nach den alten Gebraͤuchen der
Maurerei auf, und arbeiten nun mit ihnen gemein-
ſchaftlich auf dieſem Wege fort. Sind wir alle-
ſammt Maurer? machen wir eine Loge aus?


Ich. Allerdings.


M. Aber wir gehoͤren zu keinem Syſtem,
wir haben keine Syſtems-Akten oder Rituale,
treiben kein Logen-Weſen, und ſind keine Logen-
Bruͤder, wovor uns auch der Himmel bewahren
wolle! Wahrſcheinlich wird uns keine Gr. L. und
keine von denen, die ſich ſo unwuͤrdigerweiſe ihnen
untergeordnet haben, anerkennen; aber das iſt
unſer geringſter Kummer! Die Syſtems-Mau-
rerei
, die nichts Poſitives ſondern bloße Geſchichts-
ſache iſt, liegt hier vor Ihren Augen; die Mau-
[246] rerei
liegt uns im Kopf und Herzen. — Lieber
Br.! denken Sie einmal, der Schwindel, uns an
ein Syſtem anzuſchließen uͤberfiele uns ploͤtzlich.
Wohin koͤnnten wir ſchreiben? nach England? wir
wuͤrden ein Patent und eine Nummer im Großen-
Logen-Verzeichniß erhalten; nach Schweden? wir
wuͤrden fuͤr ſchweres Geld dies dort (er nahm die
ſchwediſchen Rituale heraus) erhalten, oder an die
Gr. L. L. ſie wuͤrde uns dies ſchicken; an die — —?
wir wuͤrden dies erhalten, und ſo wuͤrden wir nur
das Vergnuͤgen haben, Papiere doppelt zu bezahlen,
die wir ſchon einfach, und zwar ſehr wohlfeil bezahlt
haben. Und fragte ich meine BB. ob ſie eines von
dieſen Syſtemen einfuͤhren wollten, ſo wuͤrden ſie
mich ohne Barmherzigkeit auslachen, denn man kann
wohl von einem Syſtem zur Maurerei, aber nicht
von der Maurerei zu einem Syſtem uͤbergehen.


Ich. Aber es iſt doch angenehm, auf Reiſen
Bruͤder zu finden, und LL. zu beſuchen.


M. Sie wollen uns pruͤfen, aber ich will
Ihnen geduldig antworten. Dies koͤnnte im Ernſte
nur ein Bettler, oder ein eigennuͤtziger Kaufmann, oder
ein Bon vivant geltend machen. Vor dem erſtern
wird uns das Schickſal bewahren, unſere Kauf-
leute liefern gute Waare, und ſind dadurch ihren
Handelsfreunden empfohlen, und unſere Reiſenden
zum Vergnuͤgen wollen ſich eine langweilige T. L.
nicht durch eine noch langweiligere A. L. erkaufen.
Und was wuͤrden wir denn in den LL. finden?
Herzlichkeit, Offenheit, Belehrung? oder ein ſteifes
Weſen, das keinen Fremden zu behandeln weiß, die
[247] Scene der Eitelkeit, des Eigenduͤnkels, der Unwiſſen-
heit? — Ei warum gehen denn Sie, der Sie
vom Haupt bis zu Fuß ein privilegirter Syſtems-
Maurer ſind, warum gehen Sie denn in keine LL.,
wenn dieſe Beſuche ſo wuͤnſchenswerth ſind?


Ich. Ich hoffe auf Ihre Verzeihung, wenn
ich Ihnen ſage, daß ich blos zu meiner Belehrung
eine ausfuͤhrlichere Antwort veranlaſſen wollte. Ich
habe als Logenbruder gefragt, der ich doch ſchon
lange nicht mehr bin.


M. Ich will Ihnen noch mehr ſagen. Bei
alle dem entgehen uns doch die ſonſt geruͤhmten
Vortheile nicht. Laſſen Sie mich, und jeden mei-
ner BB. morgen auf Reiſen gehen, wir ſind ge-
wiß an jedem bedeutenden Orte Bruͤder und
Maurer zu finden, die uns kennen, mit Freuden
anerkennen, und die auch, wenn wir es ſonſt woll-
ten, bei jeder L. fuͤr uns buͤrgen, und uns durch
ihr Anſehen den Eintritt verſchaffen wuͤrden. Aber
wie geſagt, darnach ſehnen wir uns nicht, und
unſere BB. machen oft lange Reiſen an beruͤhmte
Logenplaͤtze, ohne daß es ihnen nur einfaͤllt, eine
L. zu beſuchen. Dagegen kommen ſie nicht leicht
von einer Reiſe zuruͤck, ohne mit den entfernten
BB. tuͤchtig gearbeitet zu haben, und an Kennt-
niſſen und Einſichten reicher geworden zu ſeyn.


Ich. Sie haben meine eigene Geſchichte er-
zaͤhlt. Aber nun komme ich zu meiner Hauptfrage:
Worinn beſtehen denn eigentlich Ihre Arbeiten? —
Ich wende mich deshalb an den Br. G., der vor-
[248] hin einen Unterſchied zwiſchen Arbeiten und Auf-
nahmen zu machen ſchien.


G. Zwiſchen beiden iſt in der That ein großer
Unterſchied. — Die Gegenſtaͤnde unſerer Verſamm-
lungen ſind Beſchaͤftigungen und Arbeiten,
im maureriſchen Sinne. Jene ſind doppelter Art,
oͤkonomiſche und hiſtoriſche. Die oͤkonomiſchen
gehen auf die Verwaltung aller einkommenden Gel-
der, davon das wenigſte auf unſere Logen-Beduͤrf-
niſſe, etwas mehr auf die Vermehrung des Archivs
und der Bibliothek, das meiſte aber auf gemein-
nuͤtzige und wohlthaͤtige Anſtalten verwandt wird.
Dabei wird Bericht abgeſtattet, Rechnung abgelegt,
uͤber die zweckmaͤßigſte Verwendung nach neuen
Vorſchlaͤgen deliberirt u. ſ. w. Die hiſtoriſchen
Beſchaͤftigungen, wohin auch die Aufnahmen gehoͤ-
ren, weil wir es dabei nur mit Ueberlieferungen
zu thun haben, beſchaͤftigen ſich vorzuͤglich mit Vor-
trag neuer Forſchungen, Pruͤfung eingeſandter
Notizen und „Recherchen“; zuweilen wird uͤber ein
wichtiges Archivſtuͤck von einem gelehrten Br. ein
Commentar gehalten, oder die vorhandene Ge-
ſchichte, die Sie zu Anfang ſahen, wird in einzel-
nen Theilen erwogen und gepruͤft, Zuſaͤtze dazu
gemacht, die Correſpondenz vorgeleſen u. ſ. w.
Dieſe Verſammlungen, welche hier in dieſem Zim-
mer gehalten werden, ſind ſehr lehrreich, ſie ver-
wandeln ſich oft in Geſpraͤche, und da ſie nur
alle Monate vorfallen, ſo reichen die drei oder vier
Stunden kaum hin, die wir auf ſie verwenden
koͤnnen, beſonders wenn uns etwa die Zeit zum
[249] Privatſtudio im Archive, das taͤglich offen iſt, feh-
len ſollte. Das, was wir aber maureriſche
Arbeit
nennen, ſind unſere feierlichſten Stunden.
Die L. wird geoͤffnet, wir ſind alle mit der groͤß-
ten Ehrerbietung und Spannung verſammlet. Nach
Anleitung irgend eines Vortrags unſers Meiſters
v. St. oder irgend eines andern unterrichteten Br.
wird ein Hauptpunkt der maureriſchen Lehre, nach
dem andern abgehandelt; hier entwickeln wir uns
das, was wir maureriſchen Geiſt oder Geſinnung
oder Anſicht nennen, wenden es auf das Leben,
das Recht, die Religion, die Natur, auf unſere
Verhaͤltniſſe, auf Wiſſenſchaft und Kunſt an, und
betrachten es in allen Beziehungen. Jeder ſpricht
in reiner Offenheit das aus, was er ſich uͤber den
Gegenſtand denkt, nicht in geſuchten oder zierlichen
Worten, ſondern ganz natuͤrlich; wer ſeine Gedan-
ken wohl ordnen kann, thut es, ohne es ſeinem
Nachbar zu verargen, wenn er es nicht kann, oder
von dieſem etwa wegen ſeiner zufaͤlligen Fertigkeit
beneidet zu werden. Wir berichtigen dort, oder
vervollſtaͤndigen unſere Ideen, und machen ſie uns
gegenſeitig klar. Es iſt dabei auf keine Erregung
eines fluͤchtigen Gefuͤhls, oder auf Prunk der Worte
angeſehen; aber wir gehen aus keiner dieſer Ver-
ſammlungen, ohne beſſer und weiſer geworden zu
ſeyn, ohne an Beſtimmtheit der Anſicht der Welt
und der Dinge genommen zu haben, und ohne
einen tieferen Blick in das Weſen der Maurerei
gewonnen zu haben. Denn Maurerei iſt es,
eigentliche, weſentliche Maurerei, nicht Gelehrſam-
[250] keit, Philoſophie, oder wie Sie es nennen wollen,
was hier waltet, und das wir nie ganz zu erfor-
ſchen hoffen duͤrfen. — Doch ich kann mich Ihnen
nicht ganz verſtaͤndlich machen. Sie muͤßten unter
uns leben, um das kennen zu lernen, was wir, ganz
der Geſchichte und den Urkunden gemaͤß, Geiſt der
Maurerei
nennen. Worte machen dies auch nicht
deutlich, aber wir fuͤhlen es tief, was maureriſche
Geſinnung iſt, und wir bemuͤhen uns, dies einzige
und wahre Geheimniß, das fuͤr jeden geweihten Pro-
fanen ein Geheimniß bleibt, und wenn es auf den
Daͤchern gepredigt wuͤrde, immer tiefer zu ergruͤnden.


Es war eine feierliche Stille, ſo lange Br. G. redete
und ſie dauerte fort, als er ſchon aufgehoͤrt hatte. Ich
druͤckte ihm die Hand, und wir gingen, nachdem alles
wieder verſchloſſen war, ſehr ernſthaft nach Hauſe.


An dieſem Abende ſpeiſte ich mit einigen BB.
und deren Frauen, bei dem ehrwuͤrdigen M. in der
Mitte ſeiner Familie. Mir war unbeſchreiblich wohl
in dieſem Zirkel, in dem eine ſehr feine Geſelligkeit,
und eben ſo liebenswuͤrdige Herzlichkeit herrſchte.
Bei Tiſche nannte mich einer zufaͤllig Bruder.


Sie ſind auch Maurer? ſagte die geiſtreiche
Frau des Br. G., nun das iſt recht ſchoͤn. — Es iſt
etwas ſeltenes, erwiederte ich, daß die Frauen der
Maurer mit der Maurerei zufrieden ſind.


Ei, wie denn ſo? fragten mehrere.


Ich. Weil die Maͤnner ſie oft verlaſſen, um
in die Loge zu gehen.


Mad. G. Koͤnnen wir doch auch nicht bei
ihnen ſeyn, wenn wir in unſern Geſchaͤften ſind.


[251]

Ich. Sie betrachten alſo die Maurerei, als
ein Geſchaͤft ihrer Maͤnner? — Aber es iſt doch ein
Geſchaͤft, das fuͤr Sie ein Geheimniß bleibt.


Mad. G. So? — Wenn das bei Ihnen ſo
iſt, ſo muß es bei Ihnen entweder ſchlechte Mau-
rer geben, die ihre Frauen nicht lieben, oder die
Frauen muͤſſen keine Augen haben. Hier wiſſen
wir von keinem Geheimniß.


Ich. Sie haben vielleicht eine Adoptions-Loge?


Mad. G. Wenn Sie darunter eine L. ver-
ſtehen, in der auch Weiber Zutritt haben, ſo irren
Sie. Weiber gehoͤren in keine L. und eine Mau-
rerin wuͤrde mir ſehr unweiblich und laͤcherlich vor-
kommen. Nein, wir wiſſen nur, was unſere Maͤn-
ner in der Loge machen, und ſehen es recht gern,
wenn ſie hingehen.


Ich. Ich geſtehe, daß dies etwas ſeltenes iſt.


Mad. G. Oder etwas Unerlaubtes, wollen Sie
ſagen. Wir ſollen von der Maurerei nichts wiſſen,
meinen Sie; aber, wie waͤre dies moͤglich? —
Sehn Sie, ob unſere Maͤnner in der Loge ſtehen
oder ſitzen, die Haͤnde ſo oder ſo halten, den Hut
auf dem Kopf oder unter dem Arme haben, das
wiſſen wir nicht, wuͤrden es auch fuͤr ſehr laͤcher-
lich halten, darnach zu fragen. Aber wenn unſere
Maͤnner mit uns ſprechen, auf eine Art, mit einer
Helligkeit und Klarheit, ja ich moͤchte ſagen Neu-
heit, wie wir es weder in Buͤchern noch an andern
Maͤnnern finden, ſo ſagen wir: das iſt maureriſch,
und unſere Maͤnner ſagen daſſelbe. — Ich bin
uͤberzeugt, mein Herr! und ich rufe alle anweſende
[252] Frauen zu Zeugen, wenn unſere Maͤnner einmal
ungewoͤhnlich heftig, oder feindſelig, oder nicht ganz
gerade und ehrlich, oder verſchwenderiſch, nachlaͤſſig,
leichtſinnig ſeyn wollten, und wir kaͤmen ihnen
mit der Frage entgegen: Iſt das auch maureriſch?
ſie wuͤrden ſogleich wieder gute Maͤnner ſeyn. —
Nein, mein Herr! (ſetzte Sie hinzu) wir wiſſen
aufs allerbeſtimmteſte, was Maurerei iſt.


„Es lebe die Maurerei und alle gute Maurer,“ ſag-
ten die Frauen, und wir ſtießen mit vollen Glaͤſern an.


Aber, fing ich aufs neue an, ſollten Sie. denn
nicht zuweilen wuͤnſchen, ſelbſt in der L. zu ſeyn,
und dieſe Maurerei ſelbſt zu lernen?


Mad. G. Lernen? Das Weid ſoll nicht lernen,
ſagen unſere Maͤnner, und wir geben ihnen Recht.
Das Weib iſt entweder eine gute Natur oder nicht;
im erſten Falle darf ſie nur ihre Natur anwenden,
nicht ſtoͤren, auf die innere Stimme horchen, und
in allen Dingen huͤbſch beſonnen ſeyn, dann braucht
ſie nicht zu lernen; im zweiten Falle wuͤrde ihr
das Lernen nichts helfen. Der Mann muß ler-
nen und ſtudieren und arbeiten, damit er alles
uͤberſchaue, das Weib darf nur ihren Blick auf
ihren kleinen Kreis richten, und ihr Herz reden
laſſen. Die Maurerei iſt zur Wiſſenſchaft gewor-
den, ſagt mein Mann; gut! fuͤr uns ſind die
Wiſſenſchaften nicht da. Er unterſuche die Wur-
zeln, die Rinde, den Kern des maureriſchen Bau-
mes; uns bleibt die Bluͤthe und die ſuͤße Frucht,
und dieſe wird kein guter Mann ſeiner verſtaͤndigen
Frau vorenthalten. Wozu ſollte ihm denn ſonſt das
[253] ganze Weſen nutzen, wenn er es nicht bei ſeiner Gat-
tin, ſeinen Kindern, ſeinen Freunden und Nachbarn,
oder bei ſeinem Amte im Staate anwenden wollte.


M. Sie haben eine brave Gegnerin gefunden,
und ſie hat vollkommen recht. — An andern Or-
ten ſind die Weiber in den großen Logen-Haͤuſern,
ſpeiſen dort, trinken Kaffee und ſind dort, wie auf
einem Kaffeehauſe einheimiſch. In unſere Logen-
Zimmer iſt noch kein Weib gekommen, denn wir
haben keine Anſtalten und keinen Platz zu ihrer
Bewirthung; aber ſie wollen auch nicht hin, eben
ſo wenig wie ins Collegium, das Rathhaus oder
die Schule, denn ſie wiſſen, daß gerade in dieſer
Abſonderung von allen ſpeciellen Verhaͤltniſſen das
Weſen der Maurerei beſteht, und daß ſie dort
nicht unterhaltende Geſellſchaft ſuchen muͤſſen, wo
alles dem Ernſte des Lebens geweiht iſt. — Glau-
ben Sie mir, wenn es irgend moͤglich waͤre, den
Geiſt der Maurerei hier auszurotten, ſo wuͤrden
wir dies am allerſicherſten bewerkſtelligen, wenn
wir ein Haus und einen Garten kauften, und eine
Reſſource mit der L. verbaͤnden. Das wollen wir
den Logen-Bruͤdern uͤberlaſſen.


„Davor bewahre uns der liebe Himmel!“ rie-
fen die Frauen.


Ich hoͤrte dies mit einem innigen Entzuͤcken.
Heil der Maurerei, ſo fuͤhlte ich in meinem inner-
ſten Herzen, die ſolche Wirkungen erzeugt! Und
doch iſt das alles ſo ganz natuͤrlich, wo wirklich die
Maurerei, nicht Logenweſen herrſcht, — Ich war
auf dem beſten Wege, recht ernſthaft zu werden,
[254] aber dazu ließ es meine Nachbarin nicht kommen,
und die ganze Geſellſchaft war bald wieder in der
froͤhlichſten Stimmung. Wir lachten und ſcherzten,
aber ſo ſchoͤn, ſo bedeutend, ſo ſinnvoll, daß ich
mich kaum erinnere, je ſo herzlich froͤhlich geweſen
zu ſeyn. Das thut die Maurerei, die ins Leben,
in Herz und Geiſt uͤbergegangene Maurerei.


Am andern und dem folgenden Tage ſtudierte ich
im Archiv, aber gern lies ich alle Seltenheiten liegen,
wenn ich mich mit irgend einem Br. uͤber maureri-
ſchen Sinn unterhalten konnte. Wie viel lernte ich!
mit welcher Gewandheit und Leichtigkeit wußten ſie
alles uͤberall anzuwenden, und jedem Dinge die rechte,
maureriſche Anſicht abzugewinnen. Nie war ich ohne
Geſellſchaft von BB.; ſie fuͤhrten mich in ihre Familien
ein, und wenn ich noch Wochenlang dort geblieben
waͤre, ſo wuͤrde ich bei ihren Mahlen ein willkommener
Gaſt geweſen ſeyn. Welche Menſchen! wie gut, wie
verſtaͤndig, wie wahrhaft gebildet!


Reicher an Kenntniſſen, voll wohlthaͤtiger ſchoͤner
Gefuͤhle im Herzen, mit einer reinen und innigen Ach-
tung und Liebe ſchied ich von ihnen. — Aber nicht auf
immer. Ich eile zu meinem P.; er ſoll mich dem herr-
lichen Bunde zufuͤhren, der die Maurerei zu ihrem
alten Licht und ihrer Waͤrme zuruͤckgebracht und von
ihren kalten herzloſen Verhuͤllungen entkleidet hat.
Dann ſuche ich die Menſchen auf, die Maurer ſind
und die Maurer, die Menſchen ſind, und kehre zu
ihnen zuruͤck, nach denen mein ganzes Herz ſich ſehnt.


[[255]]

V.
Reden und Gedichte.


  • 1) Anrede an einen Neuaufgenommenen, vom
    verewigten Br. Bode.
  • 2) Am Einweihungs-Feſte der neuen Loge F. W.
    z. S. — Eine Viſion vom Br. Mnioch.
  • 3) Am St. Johannis-Tage. Der Loge zur
    Wahrheit gewidmet.
  • 4) Das Gluͤck der Maurerei.

[[256]][[257]]

1.
Anrede an einen Neuaufgenommenen.


Vom
Br. Bode.


Hamburg, in der L. A. d. 20. Aprill 1763.


Mein Bruder!


Mit inniger Freude ſpreche ich dieſe zaͤrtliche Be-
nennung aus, wozu mich die eben vollzogene feier-
liche Handlung berechtiget, und ich verſichere Sie,
nicht mein Mund allein, mein ganzes Herz nennt
Sie Bruder! Unter allen gegenwaͤrtigen B B. iſt
vielleicht keiner, der Sie ſo genau kennt, als ich,
und alſo vielleicht niemand, deſſen Seele Ihnen
mit ſo vieler Lebhaftigkeit entgegen wallt, als die
meinige. Denn obgleich ein Freimaurer Alle ſeine
Bruͤder liebt, und aus Pflicht lieben muß, ſo iſt doch
dieſe Liebe allemal die reinſte und dauerhafteſte, die
ſich durch ein vernuͤnftiges Urtheil beſtaͤtiget findet.


Zweites Baͤndch. R
[258]

Wenn ich blos von Ihnen und nicht mit
Ihnen redete, ſo wuͤrde ich die Gruͤnde meiner
bisherigen Hochachtung, und meiner jetzigen und
kuͤnftigen Liebe anfuͤhren; aber ich kenne Sie nicht
halb, und ich weiß auch, wer einen beſcheidenen
Mann durch Lob beleidigt, der giebt einer ſchoͤnen
Jungfrauen Backenſtreiche. Und zu einem Redner
von der Art, hat mich weder der Himmel bei mei-
ner Geburt, noch der S. E. M. von St. bei der
Ernennung zu dieſem Amte beſtimmt. Ich ſoll
Ihnen, mein theuerſter Bruder, kuͤrzlich die Pflich-
ten unſers k. O., oder welches einerlei iſt, ich ſoll
Ihnen die Vortheile bekannt machen, die Ih-
nen aus dem Eintritte in denſelben zuwachſen.
Denn die Erfuͤllung der gegenſeitigen Pflichten
macht die Gluͤckſeligkeit aller Geſellſchaften, und
die unſrige ſollte und kann nach der Abſicht und
Einrichtung ihrer weiſen Stifter, eine der gluͤck-
ſeeligſten aller menſchlichen Geſellſchaften ſeyn.


Ihr vornehmſtes Geſetz iſt: Alle recht-
ſchaffene Frei-Maurer als Bruͤder
zu lieben
. Was heißt das aber anders, ſeinen
Bruder lieben, als jede Gelegenheit, wo man etwas
zu ſeinem wahren Beſten beitragen kann, nicht
allein wahrnehmen, ſondern aufſuchen. Se-
hen Sie da alſo, mein Bruder, ein kurzes Geſetz,
das aber nach ſeinem wahren Inhalte von weitem
Umfange iſt. Und gleichwohl iſt nur derjenige
ein Frei-Maurer, der ſich mit allem Ernſt beſtrebt
dieſes Geſetz der Liebe zu erfuͤllen. Er iſt ein
pflichtmaͤßiger Frei-Maurer, wenn er dieſe
[259] Liebe ausuͤbt, um ſolche wieder von andern fordern
zu koͤnnen; aber er iſt ein erhabener, ein groß-
muͤthiger Frei-Maurer, wenn er dieſes Geſetz ohne
Abſicht
zur Regel ſeiner Handlungen macht.


Mein Bruder, da Sie mir Ihr Verlangen
aͤußerten, ein Mitglied unſers vortrefflichen O. zu
werden, und ich Sie um die Urſache dieſes Ver-
langens befragte, ſo ſagten Sie: „Daß Sie einen
„hohen Begriff von dem O. bekommen haͤtten,
„da Sie verſchiedene Mitglieder deſſelben kennten,
„von denen Sie die uͤberzeugendſten Proben haͤt-
„ten, daß es rechtſchaffene Maͤnner waͤren, und
„daß Sie es fuͤr eine wuͤnſchenswuͤrdige Gluͤckſee-
„ligkeit hielten, mit rechtſchaffenen Leuten ſo genau
„als moͤglich verbunden zu ſeyn.“ — O wie an-
genehm war mir’s, dieſe Ihre Meinung durch
eine fuͤr mich ſo gluͤckliche Erfahrung beſtaͤtigen
zu koͤnnen! Es iſt Gluͤckſeeligkeit, vielleicht die ein-
zige wahre, wenigſtens befeſtigt ſie alle andere,
wenn man mit rechtſchaffenen Leuten umgehen
kann, ſich ihnen zeigen kann, wie man iſt, und
wie man denkt, und wenn man eben ſo ſehr durch
ihre Handlungen, als durch ihre Reden, ſich dem
Beſſeren und Vollkommneren naͤhern lernt.


Ihr Wunſch, mein geliebter Bruder, mit vielen
vortrefflichen Leuten durch den Eintritt in unſern
Tempel verbunden zu werden, iſt alſo erfuͤllt. Sie
werden durch fleißiges Beſuchen unſerer Verſamm-
lungen, und durch fleißigen Umgang mit Bruͤdern,
alles das finden, was Sie geſucht haben: Wohl
uͤberlegte, gemeinnuͤtzige, thaͤtige Tugend, und um
R 2
[260] deſto mehr wahre, dauerhafte, freundſchaftliche Liebe,
weil ſie auf dieſen Grund erbauet iſt. Ich kenne
Ihr feuriges Herz. Wenn es nicht ſchon wirklich
die Tugend liebte, es wuͤrde durch ſo kraͤftige Bei-
ſpiele ſie lieben lernen. Dieſe Gluͤckſeeligkeit koͤnnte
ich Ihnen und dem O. verſprechen. Ich kann es
um deſto mehr, da ich weiß, wie ſtark Ihr Herz und
Geſchmack ſowohl vom ſittlichen als ſinnlich
Schoͤnen, Guten und Beſſern geruͤhrt werden kann.


Allein mein Bruder, ich muß Ihrer Erfah-
rung zuvorkommen, und die Verwunderung ver-
mindern, die Sie uͤberfallen wuͤrde, wenn Sie in
der Folge faͤnden, daß es in einem O., welcher die
wahre allgemeine und die beſondere zaͤrtliche Bru-
derliebe, durch ſo herrliche Geſetze und Beiſpiele
lehrt, dennoch Egoiſten giebt, ſolche kleine We-
ſen, welche beſtaͤndig Freundſchaft erwarten und
verlangen, ohne daß es ihnen auch nur einmahl
im Traume einfallen ſollte, ſolche zu leiſten. Wenn
es Sie befremdet, daß ich dieſes aus Liebe zur
Wahrheit habe ſagen muͤſſen, ſo danke ich dafuͤr
Ihrem Herzen. Und es wird Sie deſto weniger
befremden, wenn ich Sie anmahne, dieſe unſere
ſchwachen Bruͤder zu lieben, und ihnen dieſe Liebe
auf die beſte thaͤtige Weiſe zu bezeigen.


Ich mahne ſie nicht an, die Bruͤder zu lieben,
deren gute Eigenſchaften, und Liebe Sie empfinden;
es iſt zu natuͤrlich und leicht. Aber diejenigen zu
lieben, die, ich weiß nicht aus was fuͤr einer Un-
art, alle oder doch den groͤßten Theil ihrer
Pflichten unausgeuͤbt laſſen, daß iſt um deſto mehr
[261] Pflicht, je ſchwerer es ſcheint. Wahrhaftig, mein
Bruder, man mag von den Temperaments-Tugen-
den ſagen was man will, ſie moͤgen angenehm ſeyn.
Aber die Tugend verdient nur eigentlich den Na-
men, die unſeren Herzen und Neigungen etwas koſtet.


Dieſer letzte Gedanke fuͤhrt mich ganz natuͤr-
lich auf eine Hauptpflicht des Ordens: unſere Lei-
denſchaften zu ordnen
, und der dazu noth-
wendigen Wiſſenſchaft, uns ſelbſt kennen zu
lernen
. Es waͤre hoͤchſt uͤberfluͤſſig, wenn ich
beweiſen wollte, daß dieſes Studium noͤthig iſt.
Aber es iſt eben ſo klar, daß wenige die Selbſt-
Unterſuchung fuͤr ſich allein mit der gehoͤrigen
Unpartheilichkeit anzuſtellen vermoͤgend ſind. Und
kennen muͤſſen wir unſere Leidenſchaften, wenn
wir ſie zu unſern Unterthanen machen wollen.
Sollen wir uns denn von unſern Feinden allein
belehren laſſen? Sie werden uns freilich keinen
Fehler, oder welches einerlei iſt, keine unordentliche
Leidenſchaften unangemerkt ſchenken. Allein wer-
den wir Ihnen trauen? Werden wir nicht ſehr
geneigt ſeyn, zu glauben: ſie tadeln uns, um uns
Verdruß zu machen? Welcher Vortheil iſt es nicht
alſo, wenn wir Freunde haben, von deren Redlich-
keit und Liebe gegen uns wir uͤberzeugt ſind,
wenn ſie uns unſere Schwachheiten und Fehler
mit vernuͤnftiger Sanftmuth und Liebe bemerken
laſſen, und wenn ſie mit den Eigenſchaften des
menſchlichen Herzens recht bekannt ſind, uns Ver-
anlaſſung zu geben, dieſe Schwachheiten, dieſe Feh-
ler zu verbeſſern. O es mag mir ein Bruder,
[262] von deſſen gutem Herzen ich uͤberzeugt bin, meine
Fehler ſagen, er mag ſie mir mit Lebhaftigkeit
ſagen; wenn er nur durch meine Unvollkommen-
heiten ſich nicht abhalten laͤßt, mein Freund zu ſeyn,
ſo will ich ſelbſt ſeine Hitze, womit er mich zu
rechte weiſet, als einen edlen Beweis ſeiner bruͤ-
derlichen Liebe erkennen, und ihm danken, daß er
mit Eifer wuͤnſchet, mich beſſer, und alſo voll-
kommner, gluͤcklicher und ruhiger zu ſehen. Was
fuͤr ein Gluͤck kann fuͤr uns reitzender ſeyn, als
das innere ruhige Bewußtſeyn, unſere Pflichten
nach Vermoͤgen erfuͤllt zu haben, und welche Pflicht
kann dringender ſeyn, als unſere und unſerer Bruͤ-
der Vollkommenheiten zu befoͤrdern?


Die Zeit, mein Bruder, verbietet mir, Ihnen
noch von einigen anderen Pflichten etwas zu ſagen.
Ueberdem moͤchte ich mir nicht gern den Vorwurf
zuziehen, daß ich langweilig wuͤrde, wenn ich von
wichtigen Dingen mit zu wenig Beredſamkeit vor
Perſonen redete, deren Geſchmack nur durch Schoͤn-
heit, Weisheit und Staͤrke zugleich befriedigt wer-
den kann.


Da ich von Ihrer Einſicht, und von Ihrer
Neigung vollkommen gute Begriffe habe: ſo zweifle
ich nicht an dem Zuwachſe von Gluͤckſeeligkeit, den
Sie durch den Eintritt in unſern vortrefflichen O.
erlangen werden, und wuͤnſche Ihnen von Herzen
Gluͤck dazu! Auch uns allen kann ich Gluͤck wuͤn-
ſchen, an Ihnen einen rechtſchaffenen Bruder erhal-
ten zu haben.


[263]

2.
Am Einweihungs-Feſte zu der
neuen Loge
F. W. z. S.


Eine Viſion.
Es wird ein neuer Tempel aufgefuͤhrt.

Die weißen Marmor-Schwellen ſind gelegt,

Ein Saͤulen-Kreis, Sapphir mit Gold geziert,

So leicht, als feſt ſmaragdne Kuppel traͤgt;

Der Kuppel Hoͤh’ ein Silber-Bildniß fuͤhrt,

Ein Zweig, worauf ein Schmetterling ſich regt.

Der ganze Bau erhebt ſich aus dem Schatten,

Den hohe Palmen zu einander gatten.

Jetzt aus dem Innern glaͤnzt ein weißes Licht

Vom blauen Altar, wie am Firmament

In Daͤmmrungs-Zeit der Sterne Angeſicht,

Bis ſinkt der Tag, und Alles goldner brennt.

Und immer kraͤft’ger wird das weiße Licht,

Das Auge tiefer dringt, und mehr erkennt:

In goldnen Zuͤgen ſchimmert an den Seiten

Geſtalten-Sprache, kuͤnſtlich auszudeuten.

Ihr Schwellen und ihr Pfeiler, ſaget mir,

Welch einer Gottheit werdet ihr geweiht?

Smaragdne Kuppel mit der Silber-Zier

Die ſich des erſten Sonnenſtrahls erfreut,

[264]
Du Licht im Dunkeln, und Geſtalten ihr,

Die ihr ſchon heilig wart in alter Zeit,

Was fuͤr Geweihte ſollen hier erſcheinen,

Welch heiliges Geſchaͤft wird ſie vereinen?

Es rauſcht umher! die Palmen wehen leiſe.

Und ſieh, in weißen Kleidern ſchwebt ein Chor,

Mit ernſtem Schweigen, wie in Geiſter-Weiſe,

Von Oſt und Weſt aus Palmen-Schatten vor.

Tief in den Tempel geht die ſtille Reiſe,

Und hinter ihnen ſchließet ſich das Thor.

Doch von Geſpraͤchen und Geſang in Choͤren,

Kann ich bei ſtiller Luft die Worte hören:

„Auferbaut iſt das Heiligthum,

„In Schwellen und Pfeilern, mit Ernſt

und Zier:

„Bringet das Heilige nun,

„Bringet den Gott in den Tempel!“ —

„Wir bringen, wir bringen das Heilige!

„In unſern Herzen und Stirnen lebt es! —

„Unſichtbar iſt es, ein heiliges Drei; —

„Durch dies heilige Drei

„Beten wir an — den Unendlichen.“ —

„Nennt mit Namen das heilige Drei,

„Daß euch verſtehen die Juͤnger, wie die Meiſter,

„Daß ihr Kunde bewaͤhrt

„Von dem Sinne des eigenen Worts.“ —

Friedlich’-treue Liebe,

„Gruͤnend, wie draußen die Palmen,

„Feſt und gruͤndend, wie die Marmor-

Schwellen; —

„Streben der Kunſt und Wiſſenſchaft,

[265]
„Fuͤhrend zur Hoͤh’ in Staͤrk’ und Schmuck,

„Wie die Sapphir-Saͤulen mit Gold

geziert; —

Froͤhliche Hoffnung der Ewigkeit,

Kuͤhn, doch ſicher, wie ſich des Tem-

pels Bogen

„In ſmaragdnem Glanz gegen den Himmel

woͤlbt,

„Und die Silber-Staude mit dem Schmet-

terling

„Hoch in die Strahlen der Sonne haͤlt.“ —

„Wuͤrdig ſeid Ihr,

„Einzugehn in das Heiligthum,

„Bringet Ihr mit Euch

„Dieſen dreifach heiligen Sinn,

„Iſt Euch des Tempels-Geſtaltung

„Nur ein Spiegel der Seelen-Geſtalt.

„Dringet in’s Innere,

„Selbſt der Seele Geſtalt

„Hat noch ein Innres! —

„Sehet, wir ſtehn in einer dunkeln Halle,

„Und begruͤßen ein ſtilles Licht im Finſtern,

„Ob auch draußen noch Strahlen des Tages

leuchten.

„Tiefere Forſchung geht in’s Dunkel der Seele,

„Steiget hinab in des Herzens heil’ge Tiefen,

„Wo ſich das Licht der erſten Wahrheit,

„Wo ſich das Gute, das Schoͤne, und der Un-

ſterblichkeit Glaube

„Langſam entzuͤnden an des Bewußtſeyns Funken,

„Unverhaucht von des Außen-Lebens Stuͤrmen.

„Gebt Euch die Haͤnde, beruͤhrt Euch mit den

Lippen,

[266]
„Thaten und Worte ſollen uns verbinden

„Zu der vereinten Forſchung des tiefen Innern. —

„Jene Symbole an den Teppichen reden

Unſer Gedanke in Sprache der grauen Vor-

zeit;

„Haltet die Sprach’ in Ehren, als ein Ver-

maͤchtniß!“ —

„Der Tempel iſt erbaut in Staͤrk’ und Pracht,

„Wir bringen nun den Gott hinein,

„Das aͤuß’re Heiligthum iſt nur gemacht,

„Dem heiligen Geſchaͤfte ſich zu weihn.“

„Die Herzen ſind vereint, die Geiſter ſtreben

„Nach Wahrheit in des tiefen Lebens Grenzen,

„Draus ſoll die Kunſt des Schoͤnen ſie erheben,

„Religion ſoll ihre Stirn umglaͤnzen.“ —

„In Lehres-Helle, in der Dichtung Glut

Sprech’ hier der Denker, ſinge der Prophet!

„Erkenntniß bluͤhe, wachſe kraͤft’ger Muth

„Fuͤr alles, was im Tode nicht vergeht!“

„Ihr Erden-Ziele bleibt hinausgeſtellet,

„Seid hier vergeſſen mit dem Weltgetuͤmmel!

„Es haben Geiſter irdiſch ſich geſellet,

„Doch ihres Bundes Seele ſtrebt zum Him-

mel.“

„Du, der uns verbunden,

„Hoͤchſter Geiſt, in dem wir Alle leben,

„Segne alle Friedens-Stunden,

„Drin wir freier unſern Geiſt erheben. —

[267]
„Eher laß den aͤußern Tempel brechen,

„Eh’ an unſerer Stelle

„Ueber ſeine Schwelle

„Sich Unheilige zu gehn erfrechen.“

Die letzten Worte ſang der volle Chor. —

Noch hoͤrt’ ich Toͤne — dumpf und unbekannt. —

Die Sonne ſank, es ſtieg der Mond empor,

Ein Balſam-Hauch ging uber’s gruͤne Land.

Da oͤffnet leiſe ſich des Tempels Thor,

Und die Geweihten kommen Hand in Hand.

Sie ſetzten ſich in Mond und Palme nieder,

Ein Mahl beginnt, es toͤnen frohe Lieder.

„Brodt und Wein

„Soll des Leibes Staͤrkung ſeyn.

„Theilt das Brod, und laßt die Becher kreiſen.

„Sind wir noch befangen

„In des Leibes irrdiſchem Verlangen,

„Laßt uns froͤhlich dankbar ſeyn,

„Daß die Gaben,

„Unſer Irrdiſches zu laben,

„Von der reichen Erde wir empfangen haben. —

„Theilt das Brodt, und laßt die Becherkreiſen! —

„Brodt und Wein

„Soll des Menſchen Herz erfreun.

„Darum ſingt und laßt die Becher klingen!

„In des Geiſtes Streben,

„Herz und Sinn in’s Geiſtige zu heben,

„Matten Geiſt und Leib ſich ab.

[268]
„Weines-Flammen

„Schmelzt in friſche Kraft zuſammen

„Geiſt und Koͤrperleben, daß vereint ſie flam-

men! —

„Darum ſingt, und laßt die Becher klingen! —

Was weiter noch geſchah, iſt mir entſchwunden. —

War alles Traum? war es ein Luftgeſicht?

Es war ein Traum, die Deutung iſt gefunden,

Und von der Wahrheit ſinget dies Gedicht. —

Seid uns gegruͤßt in euren Weihe-Stunden,

Durch’s heil’ge Drei und das verborgne Licht!

Bald wird der Kreis ſich um die Tafel ſchlingen

Der Kelche Feu’r dem neuen Licht zu bringen!

Mnioch.


[269]

3.
Am St. Johannis-Tage, der ▭ zur
Wahrheit in Prenzlow gewidmet.


Unter allen Nationen,

Wo des Bundes Bruͤder wohnen

Toͤnet heute Hochgeſang;

In dem Chore unſrer Bruͤder

Schallen heut auch unſre Lieder,

Voll von Freude, voll von Dank!

Hier in unſerm heil’gen Kreiſe,

Wo wir wirken, wie der Weiſe,

Drang kein ungeweihter Blick;

Ohne Sucht nach eitlem Ruhme

Bluͤht in unſerm Heiligthume

Unbemerkt der Menſchheit Gluͤck.

Der gedruͤckten Unſchuld Thraͤnen,

Und der Armuth banges Sehnen

Ward durch unſre Hand geſtillt;

Doch, wie wir der Menſchheit nuͤtzen,

Wie wir Recht und Tugend ſchuͤtzen,

Blieb Profanen ſtets verhuͤllt.

Was die Stolzen frech vernichten,

Menſchheit, deine ſchoͤnſten Pflichten

Wankten unter uns noch nie;

[270]
Hoheit ſteigt vom Throne nieder,

Nennet hier die Menſchen Bruͤder,

Knuͤpft das Band der Harmonie.

Heil der ſeegenvollen Stunde,

Wo auch uns zum Maurer, Bunde

Heil’ge Bruder-Pflicht verband,

Wo, geweiht durch heil’gen Stempel,

Zu dem Bau im großen Tempel

Uns die Weisheit thaͤtig fand.

Bruͤdern, die in fernen Landen

Sich zum Bau mit uns verbanden,

Die das volle Licht erfreut,

Die des Ordens hohe Lehren

Treulich uͤben, heilig ehren,

Sei zum Dank dies Glas geweiht.

Schwebe, ehrfurchtsvolle Stille,

Aus dem Grabe, wo die Huͤlle

Eines [frommen] Bruders weilt,

Deſſen Geiſt im Thaten-Kranze

Zu der Gottheit lichterm Glanze,

Zu dem beſſern Tempel eilt. —

Ihr, zur Wahrheit aͤchte Soͤhne,

Uebt das Gute, ehrt das Schoͤne,

Seid der Menſchheit Schutz und Freund;

Daß auch einſt auf Eurem Grabe

Weib und Maͤdchen, Mann und Knabe

Dankbar eine Zaͤhre weint.

[271]

4.
Das Gluͤck der Maurerei.


Seegen jener großen Stunde,

Wo die Weisheit uns begluͤckt,

Wo in edler Bruͤder Runde

Wir das volle Licht erblickt;

Wo im unbekannten Kreiſe,

Und umhuͤllt von finſterer Nacht,

Wir der Pruͤfung große Reiſe

An der Freundſchaft Hand gemacht.

Der Verblendung dunkle Huͤlle

Loͤſte ihre Zauberkraft,

Zu der Weisheit heeren Fuͤlle

Fuͤhrte uns die Wiſſenſchaft;

Zu des Lebens ſchoͤnſter Bluͤthe

Und zuruͤck zur goldnen Zeit,

Wo noch Freundſchaft, Herzens-Guͤte,

Ihren goldnen Saamen ſtreu’t.

Vor den hier verſchloſſ’nen Thuͤren

Legt der Fuͤrſt den Purpur ab,

Und des Bruders Lehren [fuͤhren]

Zu der Menſchheit ihn herab.

Wir ſind gleich — und alle Bruͤder!

Hier erhebt nicht Gold noch Stand;

Deſſen Herz nur rein und bieder,

Wird als Bruder hier erkannt.

[272]
Um die Menſchheit zu begluͤcken

Reichen wir uns hier die Hand,

Vor der Neugier ſcharfen Blicken

Zieht Verſchwiegenheit die Wand.

Wo die Armuth huͤlflos klaget,

Wo verlaſſ’ne Unſchuld weint,

Wo Verblendung Menſchen plaget,

Sind zur Huͤlfe mir vereint.

Seegnet drum die große Stunde,

Wo die Weisheit uns begluͤckt,

Wo in edler Bruͤder Runde

Wir das volle Licht erblickt;

Wo im unbekannten Kreiſe,

Und umhuͤllt von finſt’rer Nacht,

Wir der Pruͤfung große Reiſe

An der Freundſchaft Hand gemacht.

Carl Struve.


VI.
[[273]]

VI.
Nichts
Neues unter der Sonne
.
Eine merkwuͤrdige hiſtoriſche Parallele.

Nichts
Neues unter der Sonne
.


Zweites Baͤndch. S
[[274]][[275]]

Wenn in der Welt etwas Ungewoͤhnliches erſcheint,
ſo iſt derjenige, der nur ſeine Stadt, ſeine Zeit und
ſeine Leute kennt, ſehr geneigt, dies fuͤr etwas Neues,
Unerhoͤrtes und Außerordentliches zu halten; der
aber, deſſen Auge durch die Geſchichte anderer Zei-
ten und Menſchen erweitert iſt, findet dies Ereig-
niß in ſeinem ganzen Verlaufe da und dort wie-
der, und iſt durch ſeine hiſtoriſche Erkenntniß ſchon
auf alles Bedeutende vorbereitet, was in ſeinem
Geſichtskreiſe vorgehen kann. Die Deutſchen haben
beſonders eine große Staͤrke in ſolchen Vergleichun-
gen und Beziehungen, die ſie oft mit großer Ge-
lehrſamkeit anſtellen, und bei ihnen iſt vorzuͤglich
die Redensart im Gange, die wir an die Spitze
dieſes Aufſatzes geſetzt haben, und in dem wir in
dieſem Falle auch unſere Deutſchheit beweiſen wollen.
Der Franzoſe macht in ſeinem leichten Sinn alles
was er vom Auslande oder von der Welt, als
Nicht-Paris, hoͤrt, mit der Formel: Tout comme
chez nous!
ab, und erſpart es ſich dadurch, ſich
gruͤndlich um das fremde Thun und Treiben zu
S 2
[276] bekuͤmmern. Auf alle Faͤlle iſt jener Spruch
beſſer, als dieſer. — Wir geben einen neuen Be-
lag dazu, indem wir kurz eine aͤltere Geſchichte,
und ſodann eine neuere erzaͤhlen, von welcher man
ohne Zweifel etwas in den Eleuſinien zu finden
erwartet hat.


Unzufrieden mit dem Logenweſen ſeiner Zeit,
und beaͤngſtigt von dem großen Mißverhaͤltniß
zwiſchen ſeinen lebhaften Wuͤnſchen, den Anforderun-
gen an eine weitverbreitete, ſcheinbar zu großen
Zwecken vereinigte Geſellſchaft von Maͤnnern, und —
der Wirklichkeit, machte der Br. von Knigge
durch den Br. Diomedes im Jahre 1780. die
Bekanntſchaft mit dem Orden der Illuminaten.
Mit neuen ſchoͤnen Hoffnungen und großen Er-
wartungen, trat er ihm bei. Die Papiere, die man
ihm zuſandte, ſtimmten jedoch dieſe Erwartungen
herab; die Correſpondenz mit Weishaupt ſpannte
ſie wieder an. Mit allem Cifer ward er, ohne
ſelbſt weiter zu ſeyn, fuͤr die Minervalclaſſe thaͤtig,
verſammlete eine große Anzahl edler, vornehmer,
gelehrter und wichtiger Maͤnner, als Minervalen
um ſich her; und verpfaͤndete ihnen ſein Ehren-
wort fuͤr die Groͤße und Guͤte des Ordens. Bald
hatte er es mit mehreren hundert Menſchen zu
thun, die durch ihn in allen Angelegenheiten be-
lehrt und befriedigt ſeyn wollten, und er arbeitete
raſtlos, er allein, ohne von den erhabenen Obern
im geringſten unterſtuͤtzt zu werden, fuͤr ſie alle,
mit Aufopferung ſeiner Geſundheit und ſeines
Vermoͤgens. Durch ihn glaubte man an die All-
[277] macht des Ordens. Er erhielt endlich einen Theil
des kleinen Illuminaten Grades, aber von allen
Seiten draͤngte man in ihn nach den hoͤheren
Geheimniſſen. In ſeiner Noth forderte er endlich,
Kraft ſeiner Verdienſte, die gaͤnzliche Darlegung
des Syſtems, und nun erfuhr er: daß der O.
eigentlich noch gar nicht, außer in dem Kopfe des
Spartacus exiſtire, daß nur die untere Claſſe in
einigen katholiſchen Provinzen errichtet ſey, daß er
(Knigge) das Ganze ausarbeiten ſolle ꝛc. Er
reiſte im Jahr 1781. nach Baiern, und lernte dort
die B B. kennen; außer Cato war unter den Areo-
pagiten keiner thaͤtig fuͤr den O. (Weishaupt
macht ſelbſt eine Schilderung von ihnen, die ſich
anhebt: Socrates iſt beſtaͤndig beſoffen, Au-
guſtus
iſt im uͤbelſten Rufe u. ſ. w.); niemand
wußte, was der Zweck des O. ſey, die Areopagiten
waren mit Spartacus uͤber den Fuß geſpannt —
doch hatten ſie guten Willen, und waren dem O. (?) mit
der waͤrmſten Anhaͤnglichkeit ergeben. Br. Knigge
ſoͤhnte die hohen Obern aus, trat fuͤr die andern als
Abgeordneter der noch hoͤheren Unbekannten auf,
machte den Viſitator, belehrte die Areopagiten, und
verſprach ihnen: das ganze Syſtem bis auf die
hoͤheren Myſterien, ein Frei-Maurer Ritual und
Conſtitutions-Buch auszuarbeiten, wogegen ihm
erlaubt wurde, zu ſeiner Huͤlfe ſoviel Areopagiten
und Obere zu machen und anzuſetzen, als er noͤthig
und nuͤtzlich finden wuͤrde. — Er reiſte zuruͤck, und
nachdem ſeine Hoffnungen auf dem Convente zu
Wilhelmsbad geſcheitert waren, machte er ſich an
[278] das uͤbernommene Geſchaͤft, nehmlich die Aus-
arbeitung des ganzen Syſtems
, wobei er
die Aufgabe zu loͤſen hatte, daß er das wenige,
aber Schiefe vorhandene zum Grunde legen, und
doch das Ganze jedem Mitgliede, d. h. den dis-
parateſten Koͤpfen unanſtoͤßig und intereſſant machen
mußte. Nach dem Noviziat und der Minervalklaſſe,
wozu er einen Vorbereitungs-Aufſatz unter dem
Titel: Allgemeiner Begriff von der Geſellſchaft
der Illuminaten ausgearbeitet hatte, folgte die
ſymboliſche Maurerei; fuͤr den Faͤhigeren oͤffnete
ſich nun der kleine Illuminaten-Grad, worinn er
ſchon uͤber einige Zoͤglinge die ſpecielle Aufſicht
erhielt, und aus dieſem zum Großen Illuminaten-
Grade und ſchottiſchen Noviziat fortſchritt, wo
er wieder einige kleine Illuminaten inſpicirte, und
ſtaͤrker zum Beſten des O. thaͤtig war. Dieſe
Grade, wie ſie Br. v. Knigge gearbeitet hat,
ſind unter dem Titel: der aͤchte Illuminat. Edeſſa
(Frankf. a. M.) 1788. gedruckt. Nun folgte der
ſchottiſche Ritter Gr. oder der Gr. der dirigirenden
Illuminaten, der den Uebergang zur Myſterien-
Claſſe machte, und welche ihr Verf. nach einem wohl-
uͤberlegten Plane anlegte. Endlich kroͤnte er ſeine
Arbeit durch die kleinen Myſterien, den Prieſter-
und Regenten-Grad, die fuͤr ſpeculative Seher
ſeyn, und die Inſtructionen fuͤr alle hoͤheren Obern,
die Provinzialen und Nationalen, enthalten ſoll-
ten. — Man kann nach dieſem die Arbeit berech-
nen, die dieſer thaͤtige Mann fuͤr eine Geſellſchaft
uͤbernommen und ausgefuͤhrt hatte, von der er
[279] Nichts, auch nicht die geringſte Bereicherung ſeiner
Kenntniſſe erhielt, und die ohne ihn wahrſcheinlich
bald wieder in ihr Nichts zuruͤckgeſunken waͤre,
aus dem ſie ſich vor ſeinem Zutritt kaum um einen
Schritt erhoben hatte. — Er ſandte ſeine Arbeiten
ein; nach einiger Zeit erhielt er ſie, ohne Veraͤn-
derung, ins Reine geſchrieben, und mit Sparta-
cus
O. Pettſchaft und Chiffer beglaubigt, zuruͤck;
und nun fing er an, die Grade auszuſpenden. Er
gruͤndete Logen, man nahm die hoͤheren Gr. mit
Enthuſiasmus auf, er ſelbſt freute ſich ſeines Werks
und gab ſogar alle Direktion ab.


Nun wird man begierig ſeyn, zu hoͤren, welch
einen Lohn dieſer raſtlos- und uneigennuͤtzig thaͤtige
Mann erhielt, der um den Illuminaten O. ein
dreifach groͤßeres Verdienſt, als ſein erſter Stifter
hatte. Wahrſcheinlich doch Dank und Achtung von
denen, die ſeine Arbeiten kannten, die ſie ihm auf-
getragen hatten, die ohne ihn in einer unabwend-
baren Verlegenheit geblieben, und die nun ihren
eigenen O. durch ihn auf einer unerwarteten Hoͤhe
erblickten? — Denn, daß er von einzelnen Mit-
gliedern, denen er dies und jenes nicht recht that,
deren Wuͤnſche er nicht alle befriedigte, die ihn
nicht begriffen, angefeindet, daß er von Jeſuiten,
gegen die er auf Spartacus Antrieb geſchrieben,
und von Maurern verſchiedener Syſteme, denen er
Logen-Abbruch gethan hatte, verfolgt wurde — wer
wuͤrde dies nicht natuͤrlich finden?! Aber es waͤre
doch hoͤchſt unnatuͤrlich, wenn die hoͤher geweihten
Illuminaten ſelbſt, wenn die Areopagiten, wenn
[280]Spartacus, ſie, die ihm alles verdankten, ſich
an die Spitze ſeiner Gegner geſtellt haͤtten —;
mag man von dem Illuminaten O. denken, wie
man will, K. hatte doch Alles geſchaffen und gear-
beitet; dieſe, fuͤr die er es geſchaffen, und die es
freudig gebilligt und anerkannt hatten, dieſe wer-
den doch nicht undankbar und unnatuͤrlich an ihm
handeln? — und doch geſchah es, und zwar in
folgenden Momenten:


Spartacus, der befehlender General ſeines
O. ſeyn wollte, begann damit, nach geſetzlicher Ein-
fuͤhrung der Grade, Veraͤnderungen, Zuſaͤtze und
Umſchaffungen einzuſenden, und ihre hoͤchſt unpo-
litiſche Einfuͤhrung zu gebieten.


Er fuhr damit fort, alle Unannehmlichkeiten,
die in Ks Provinzen vorfielen, auf ſeine Rech-
nung zu ſchreiben.


Er ging weiter, daß er gegen ihn als General
und Hofmeiſter verfuhr, und drohte, „ihn laufen zu
laſſen,“ bis er zum Gehorſam zuruͤckkehrte,


daß er hinter ſeinem Ruͤcken mit ſeinen Un-
tergeordneten correſpondirte, ſich fuͤr den Stifter
und Chef des Ganzen, ihn fuͤr einen Verfaͤlſcher
der aͤchten Grade ausgab,


daß er Schmeichlern erlaubte, in fremde Pro-
vinzen hinein zu wirken, ihre ſpeciellen Feinde
als Feinde des O. zu verfolgen, und uͤberall will-
kuͤhrlich zu handeln,


daß man auf ſeine, durch die von allen Sei-
ten herſtuͤrmenden Klagen veranlaßten Vorſtellun-
gen nicht hoͤrte,


[281]

daß Menſchen, die ihm weſentliche Verbindlich-
keiten hatten, ihn im O. kek verlaͤumdeten, daß
man ſeiner Ohnmacht ſpottete, verſicherte, man
beduͤrfe ſeiner nicht und fuͤrchte ihn nicht,


daß Spartacus ihm durch einen Untergeord-
neten Befehle, wie an einen Schulknaben zuferti-
gen ließ,


daß man uͤberall im Orden hoͤchſt nachtheilige
Geruͤchte und Inſinuationen uͤber ſein Betragen
gegen denſelben verbreitete, und er tauſend Necke-
reien erfuhr, — und man endigte, daß Sparta-
cus
den vorgeſchlagenen Kongreß zur Ausgleichung
der Sachen hintertrieb, und ihn auf ſein bruͤder-
liches Schreiben nicht einer Antwort wuͤrdigte.


Der arme, von allen Seiten gedruͤckte und
gemißhandelte Mann, fuͤr den nun niemand ein
Ohr hatte, ſchrieb einen Aufſatz zu ſener Recht-
fertigung, um wenigſtens den Beſten unter den
B B. die Geſchichte zu entwickeln, — auch dies
wurde ihm zum Verbrechen angerechnet! Er ſollte
durchaus nicht zum Worte kommen.


Auf Betrieb einiger redlicher Maͤnner an der
Nationaldirektion, kam endlich, „damit die Sache
nicht weiter gehen und ſchlimmere Folgen haben
ſollte,“ — denn, Gott ſei Dank! noch iſt das Gefuͤhl
fuͤr Gerechtigkeit in der Welt nicht ausgeſtorben! —
unter dem erſten Julius 1784. zwiſchen dem, von
ihm gegruͤndeten O. der Illuminaten, und ihm
folgender Vergleich zu ſtande:


  • 1) er erhielt ein ſchriftliches Document: er
    ſei freiwillig aus dem O. getreten, und
    [282] man erkenne mit Dankbarkeit ſeinen
    bisherigen Eifer in Ausbreitung des O.
  • 2) Man verſprach, durch ein allgemeines Cir-
    cular allen nachtheiligen, falſchen Geruͤchten
    von ihm zu widerſprechen, und allen B B.
    zu befehlen, ihn kuͤnftig in Ruhe zu laſſen.
  • 3) Er lieferte dagegen die O. Papiere aus,
    und machte ſich verbindlich, uͤber das Vor-
    gefallene Verſchwiegenheit zu beobachten,
    dem O. nicht entgegen zu arbeiten, und
    ſeine Obern weder zu nennen, noch zu com-
    promittiren.

Dieß war es, was der verewigte Br. Knigge
von der Gerechtigkeit ſeiner B B. erhalten konnte.


Aber wird man dies alles nur glaublich fin-
den? — Wenn Herrſchſucht den Spartacus
auch zu falſchen Schriften verleitete, konnte dieſer
in dem freien O., wie ihn Knigge geſtiftet hatte,
nicht durch die Autoritaͤt der Redlichkeit und Ge-
rechtigkeit, geſetzlich zur Ruhe gebracht werden?
Iſt im Gegentheil die faſt allgemeine Stimme, die
ſich gegen Knigge erhob, nicht ein ſtarker Beweis
gegen ihn? und muß man nicht glauben, er ſey
nicht ſo ganz unſchuldig an der erlittenen Behand-
lung geweſen? — Guter Mann oder Bruder, der
Du ſo fraͤgſt, kennſt Du noch nicht die verheerende
Kraft, die ein, oder einige kecke Menſchen haben,
welche nur das calumniare audacter, semper
aliquid haeret
kennen, und in ihre blinde Leiden-
ſchaft alle Halbkoͤpfe, die ſich ihnen naͤhern, mit
fortreißen? weißt Du nicht, daß, wo es auf den
[283] ehrlichen Namen eines Menſchen oder Bruders
ankommt, vor einer frechen Stimme alle guten
und ſchwachen verſtummen, oder nur leiſe anſprechen?
daß Dankbarkeit und Anerkennung der Verdienſte
ein hoͤchſtlaͤſtiges Gefuͤhl iſt, und daß jeder kleine
Menſch nur dahin arbeitet, jede Groͤße an ſeinen
Boden herunter zu ziehen, und ſich zu aſſimili-
ren? — Wo hat man doch den Br. Knigge
angeklagt, uͤberwieſen, verurtheilt? Wo iſt denn
irgend etwas von ſeiner Schuld gegen den Illumi-
naten O. verlautet, da hingegen ſeine Verdienſte
um denſelben weltkundig ſind? — Oder iſt es ſo
etwas ungewoͤhnliches in der Welt, daß Unklug-
heit
eben ſo hart und noch haͤrter gezuͤchtiget wird,
als Verbrechen und Laſter, und war es nicht die
groͤßeſte Unklugheit, daß Knigge alle Direktion
niederlegte? — Ja, hier finden wir den ungluͤck-
lichen Schluͤſſel zu ſeinem Schickſal. Haͤtte er ge-
than, was er wollte, wie andere es thaten, aber
mit Frechheit; haͤtte er jedem Herſchſuͤchtigen im-
ponirt, und dieſe immer feige Menſchen durch ſeine
Autoritaͤt in Schranken gehalten, — er wuͤrde wie
ein Gott verehrt worden ſeyn, und gutmuͤthige
Leute haͤtten den Traum von Dankbarkeit und
Anerkennung des Guten in der Welt austraͤumen
koͤnnen. Aber er entaͤußerte ſich mit edlem Enthu-
ſiasmus ſeiner Gewalt; und nun mußte er ent-
weder ſeinen Mund nicht mehr aufthun, und
ſchweigend ſein Werk verlaſſen, oder er mußte dul-
den, was nicht zu vermeiden war. Er kam in
Mißhelligkeit mit einer hoͤheren Autoritaͤt und er
[284] hatte, allein um deswillen Unrecht; die Furie
der Verlaͤumdung brach von allen Seiten los, jeder
glaubte, jeder trug weiter, die Beſten ſchwiegen
und meinten: es ſey einmal ſchlimm, daß man ſo
gegen den wuͤrdigen Br. denke, aber — — Genug,
Niemand war unterrichtet von der Sache, Niemand
wollte ſich unterrichten, man fuͤrchtete die Worte
des Tiefgekraͤnkten, man ſtand ſicherer unter dem
dichten Haufen, als neben dem einzelnen Gerech-
ten, — kurz das Trauerſpiel war fertig, und nur
die Klugheit wandte es durch den Vergleich ſo,
daß von dem Haufen der Schwaͤchlinge ein groͤße-
res Uebel abgewendet wurde. Dennoch brand-
markt das Verfahren des O. gegen ſeinen Schoͤpfer
ihn noch in ſeinem Grabe; dies iſt die groͤßte
Schuld, die er in die Annalen der Geſchichte mit
hinuͤber genommen hat. Was auch die Regierung
uͤber ihn geſagt und verfuͤgt hat, — es liegt auf
der Wagſchaal der Ehre und Schande ſo ſchwer
nicht, als die Ungerechtigkeit und die Mißhand-
lungen ungerathener Kinder gegen ihren Vater.


Doch wir vergeſſen, daß wir von neueren Zei-
ten nur zu reden haben. — Guter, verewigter
Br.! Du biſt erhaben uͤber die Leidenſchaften der
kleinen Menſchen, die hier Dein Herz zerriſſen,
und Deinen edlen Traum von Bruderliebe und
Menſchenwerth vernichteten. Du lebſt jetzt in einer
Welt, wohin Deine Traͤume Dir gefolgt ſind, und
Dich belohnen. Freue Dich ihrer!


Wir gehen zur Parallel-Geſchichte uͤber. Ohne
Namen wollen wir ſie, treu und einfach erzaͤhlen;
[285] wer aus andern Quellen die Namen kennt, der
hoͤre hier die Stimme der redlichen partheiloſen
Wahrheit; wer ſie nicht kennt, der glaube, daß die
Geſchichte auf der neu entdeckten Ceres vorgegan-
gen ſey, und traͤume hier weiter den ſchoͤnen
Traum von Gerechtigkeit, Humanitaͤt, Dankbarkeit
und Bruderliebe.


Bis in das Jahr 1796. war die L. X. ein
Sammelplatz luſtiger, froher Menſchen, die ſich
Frei-Maurer nannten, weil ſie nach franzoͤſiſchen
Gebraͤuchen Mitglieder aufnahmen, und ihnen nach
und nach die Rechte an ihren Mahlen, und an
ihrem Hauſe ertheilten, auch fuͤr die Neugierigeren
und Vermoͤgenderen Schauſpiele auffuͤhrten, denen
ſie die Namen: Maitre elû, Ecossois rouge et
verd, Chevalier de l’Orient
und Chevalier
Prince Souverain de Rose Croix
gaben, welche
Stuͤcke uͤberall gedruckt zu haben ſind. Der Direk-
teur dieſer Spiele war damals ein guter Mann,
von einem lebhaften Geiſte und weichem Herzen,
der der Poſſen eigentlich ſelbſt muͤde war; aber
ſey es, daß es ihm an hinreichenden Kenntniſſen
fehlte, ſey es, daß er den Gehalt ſeiner Umgebun-
gen kannte, — er ſpielte fort mit moͤglichſtem An-
ſtande, droſch leeres Stroh, und war zufrieden,
wenn die Zuſchauer und Mitdreſcher ſich an dem
Klappern erfreuten.


In dieſem Jahre, am 2. Junius trat, gereift
durch mancherlei Erfahrungen, verſehen mit einem
hellen Geiſte, und mit einem weichen Herzen, das
[286] er unter einem finſtern Aeußern verbarg, ein Mann
zu dieſer Loge, den wir Aurelius nennen wollen.
Seine hohen Ideale von Wuͤrde der Menſchheit,
die er in ſich trug, ſeine Meinung von feiner Ge-
ſelligkeit und Anſtand, und Geiſt der Maurerei,
eben ſo wenig als ſeine aͤußere Lage, machten es
ihm wuͤnſchenswerth, ein thaͤtiges Mitglied dieſer
Geſellſchaft zu werden; nur ein Zufall machte, daß
er fuͤnf Monate nach ſeinem erſten Erſcheinen, bei-
nahe mit Gewalt in den Hohen und Innern Rath
dieſer L. gezogen wurde, ein Zufall, der dem in
Br. Feßlers ſaͤmmtlichen Schriften uͤber Mau-
rerei S. 446 f. erzaͤhlten, ſehr aͤhnlich iſt.


Der Br. Aurelius erhielt dabei den Auf-
trag, weil alle, die dort verſammlet waren, wohl
wußten, daß es ihnen an Dokumenten und Kennt-
niſſen fehle, weil man mit dem, was man eben
hatte, gerechter Weiſe unzufrieden war, und weil
man glaubte, daß Br. A. der einzige Mann waͤre,
der ihnen helfen koͤnne, neue Rituale von An-
fang bis ans Ende
auszuarbeiten. Gutmuͤthig
uͤbernahm er dieſen Auftrag und fing an, ſeine Zeit,
ſeine Kraͤfte, ſeinen Broderwerb und ſeine Freunde
der L. X. aufzuopfern, blos, weil ein edles Gemuͤth
ſich gern dem Vertrauen hingiebt, und weil ſein,
fuͤr Ideale gluͤhender Geiſt meinte, hier ein reiches
Feld ſchoͤner Wirkſamkeit geoͤffnet zu ſehen. Er
arbeitete alſo zuerſt bis zum December die Rituale
der drei untern Gr. aus, die bei der Promulgation
mit ausgezeichnetem Beifall aufgenommen wur-
den. — Darinn ſind denn die lieben BB. allen
[287] uͤbrigen Menſchen gleich, daß ſie es willig anneh-
men, wenn jemand fuͤr ſie arbeitet. Spricht wohl
hie oder da einer aus dem Haufen: Da hat ſich
ein neuer Narr gefunden, der ſeine Zeit nicht beſſer
brauchen kann! ſo verhaͤlt ſich doch die groͤßere
Menge bei ſolchen Ereigniſſen ruhig, und freut
ſich ſogar ſagen zu kennen: Wir haben nun das
und das gemacht, und es iſt gut.


Nun ging dieſer arbeitſame Mann an die Auf-
ſtellung der hoͤheren Grade. Das, was er in der
Ausuͤbung vorfand, verſchmaͤhten die Uebrigen und
Er konnte es, als unmaureriſch, nicht brauchen.
Doch mußte es gewiſſermaßen benutzt werden.
Ehe er aber an die vollſtaͤndige Arbeit ging, be-
gann er mit Aufſtellung eines letzten Gr. und der
Conſtituirung eines Oberſten Collegii in Ritual-
und Erkenntnißſachen, welches wir das Collegium der
Areopagiten nennen wollen. Zu dieſem Gr. mußte
er entweder etwas Neues erfinden, oder etwas Vor-
handenes anwenden; jenes wollte er aus guten Gruͤn-
den nicht, das, was er von den Nachbarn haͤtte bor-
gen koͤnnen, gefiel ihm theils aus kritiſchen, theils
aus geſthetiſchen Gruͤnden nicht: er ging alſo mit
gutem Bedacht zur letzten Quelle, aus der alle h.
Gr. gefloſſen ſind, zu dem Cl — ſchen H. K. und
deſſen hoͤchſten Grad zuruͤck, aus welchem das
Schw. Syſtem den R. in W. und das Z — ſche
den V. J. entlehnt hat, und bearbeitete ihn, mit
Beibehaltung der Sinnbilder, zu einer erhabenen
Myſterie, die an der Spitze eines gelaͤuterten Sy-
ſtems zu ſtehen verdiente, und durch die Geſchichte
[288] gerechtfertiget wurde. — Sodann wurde zur Aus-
wahl der Areopagiten geſchritten (wobei er die Wahl
der drei Bruͤder N. N. und N. durchſetzte, welche
ſeine Mitwaͤhler verworfen hatten), er in der erſten
Verſammlung einſtimmig zum permanenten Deput.
Groß-Meiſter erwaͤhlt, ſeine ausgearbeitete Ver-
faſſung der Areopagiten vorgeleſen, und ange-
nommen, das Ritual vorgetragen, und die Neuge-
waͤhlten in daſſelbe eingeweiht.


Bis jetzt hatte die Corporation zwar eine Samm-
lung Geſetze, die aber in einer fremden Sprache,
ſehr unvollſtaͤndig und unphiloſophiſch geſchrie-
ben, von den wenigſten verſtanden und gekannt
waren. Sie hatte (wie damals keine einzige ihr
aͤhnliche Geſellſchaft) keinen feſten, beſtimmt aus-
geſprochenen, allgemein angenommenen und aner-
kannten Grundvertrag; d. i. eine Beſtimmung der
Grundverfaſſung, worinn die verſchiedenen Gewal-
ten auseinander geſetzt, und in ihre natuͤrliche Gren-
zen eingeſchloſſen, und wodurch eine bleibende Form
der Ordnung und Geſetzgebung aufgeſtellt wurde. *)
Durch dieſen Mangel war in dem Innern dieſer
Geſellſchaft eine geſetzloſe Willkuͤhr, und ein hef-
tiger Antagonismus zweier Partheien, von ganz
verſchiedenem Intereſſe, wie bei den Roͤmern der
Widerſtreit zwiſchen Plebejern und Patriciern, ent-
ſtanden. Die Aufſtellung eines ſolchen Grundver-
trags
[289] trags war dringend nothwendig, um in die Geſell-
ſchaft Geſetzlichkeit einzufuͤhren; ſie war ſchwer, denn
es exiſtirte noch nirgend etwas aͤhnliches, und mußte
mit Huͤlfe der Philoſophie und der allgemeinen
Rechtsprincipien, ſo wie mit tiefer Kenntniß des
Geiſtes der ſpeciellen Geſellſchaft angefertiget wer-
den; ſie war hoͤchſtverdienſtlich, denn dadurch ward
nicht nur der L. X. eine rechtliche Verfaſſung gege-
ben, ſondern fuͤr alle uͤbrige Corporationen der Art
das erſte Muſter aufgeſtellt, und ein bedeutender
Fortſchritt zu rechtlicher Conſtituirung des großen
Ganzen gethan, der von außerordentlichen Folgen
ſeyn mußte. Dieſe Arbeit wuchs zu einer anſehn-
lichen Schrift, und war, obgleich ihr Verfaſſer ſehr
beſcheiden daruͤber urtheilte, *) als erſter Verſuch
in der Art betrachtet, ein wahres Meiſterſtuͤck, das
von dem philoſophiſchen Geiſte und von der mau-
reriſchen Verfaſſungskenntniß ſeines Urhebers zeugte.


Fortwaͤhrend und ausſchließend widmete er ſich
dem Wohle der L. — Mit einem tiefen Blick in das
Weſen des O. und geleitet von einer weitgreifen-
den Idee, machte er im Julius dieſes Jahres
(1797) den Vorſchlag: alle h. Gr. abzuſchaffen.
Da aber ſein Vorſchlag durchaus verworfen wurde,
ging er an die Reviſion und Umarbeitung derſel-
ben, und begann mit dem vierten, der den aus-
gezeichnetſten und entſchiedenſten Beifall erhielt;
Zweites Baͤndch. T
[290] ſo wie im Februar und Maͤrz des folgenden Jah-
res der fuͤnfte und ſiebente.


Die L. X. exiſtirte in einem Lande, das der
gerechteſten, einſichtsvollſten und aufgeklaͤrteſten
Regierung genoß. Der Koͤnig deſſelben war in
die Myſterien der Geſellſchaft nicht eingeweiht, er
hatte alle moͤgliche Urſache mißtrauiſch gegen ſie
zu ſeyn, und in ihrem Schooße eine gefaͤhrliche
Schwaͤrmerei zu ahnen. Der Regent eines Lan-
des muß uͤber alles, was in demſelben vorgeht,
beſonders uͤber das Weſen ganzer, ausgebreiteter
Geſellſchaften unterrichtet ſeyn, um beſtimmt zu
wiſſen, ob das Wohl der Geſammtheit, den Schutz
derſelben erlaubt oder nicht. Dringender wird
dieſe Forderung, wo die Geſellſchaft geſtaͤndlich
Myſterien hat, und eine geheime oder wenigſtens
geſchloſſene iſt. Die Chriſtianer der erſten Zeiten
waren in dem Falle; ſie verſagten hartnaͤckig der
Regierung jeden Blick in ihr Inneres und zwangen
ſie dadurch, ſie zu verfolgen, und ihre Mitglieder
zu Maͤrtyrern zu machen. In den meiſten Euro-
paͤiſchen Staaten war die Geſellſchaft der Frei-
Maurer in demſelben Falle. Wo der Verdacht
der Regierungen gegen ſie erwachte, da mußten ſie
entweder gerechten Forderungen der Regenten genuͤ-
gen, und ihnen Kenntniß von ihren Zwecken geben,
oder die verdiente Verfolgung ertragen. Das Ver-
trauen auf die gute Sache hebt den Schleier des
Geheimniſſes fuͤr die Majeſtaͤt; der Repraͤſenkant
des Staats iſt gebornes Mitglied einer jeden recht-
lichen Geſellſchaft; gegen ihn iſt kein Verrath des
[291] Geheimniſſes moͤglich; um ihrer ſelbſt und ihrer Er-
haltung willen iſt es ſich jede gute Geſellſchaft ſchul-
dig, durch Offenheit jedes Mißtrauen des Regenten
zu entfernen. Durch dieſe Betrachtungen geleitet,
aͤußerte Br. A. die bis dahin kuͤhne Idee, und
ſetzte ſie durch ſeine uͤberwiegenden Gruͤnde durch:
dem Koͤnige die Conſtitution vorzulegen, wodurch
die L. X. von Ihm, von dem es ſonſt vielleicht
am wenigſten zu erwarten geweſen waͤre, ein Pro-
tectorium erhielt, durch welches zugleich die Pro-
tectoria aller uͤbrigen aͤhnlichen Corporationen be-
ſtaͤttigt wurden, um welche Beſtaͤttigung man, aus
einer nicht eben ungegruͤndeten Beſorgniß, ſelbſt zu
bitten, nicht gewagt hatte. So erwarb ſich der
Br. A. durch pflichtmaͤßige Offenheit uͤber die Ver-
faſſung der Geſellſchaft große Verdienſte um das
Ganze, und vielleicht verdankt es dieſer Masregel
ſeine fortdaurende Exiſtenz.


Die L. X. war bisher eine einzeln ſtehende St.
Joh. L. Dennoch hatte ſie einige LL. geſtiftet, und
nannte ſich deshalb Mutter-auch Große-Loge, und
forderte die Anerkennung, als ſolche, die ihr doch nie-
mand, der mit der maureriſchen Verfaſſung bekannt
war, gewaͤhren konnte. Niemand bei der Loge wußte
hier Rath, wie dieſe Differenz zu heben ſey. Ueber-
dieß ſtand die L. in der Gefahr, ihre Unabhaͤngigkeit
zu verlieren, und ſich einer andern Gr. L. durch das
im Werke ſeyende Staatsgeſetz, das nur Große-
Logen anerkannte, und dieſen alle einzelnen St.
Joh. LL. unterordnete, unterwerfen zu muͤſſen.
Der Br. A. wußte hier den einzig moͤglichen
T 2
[292] Rath, der ſie retten konnte; er ſchlug vor: Da
die L. X. aus mehr, denn 200 Mitgliedern
beſtaͤnde, ſich in vier beſondere LL. zu theilen, und
mit den von der L. X. unbefugt auswaͤrts con-
ſtituirten, noch exiſtirenden drei LL., eine Gr. L.
in geſetzlicher Form zu bilden. Dieſer Vorſchlag
war durchaus vernuͤnftig und verfaſſungsmaͤßig,
allein die BB. waren uͤber die legalen maureriſchen
Formen zu wenig unterrichtet, auch walteten eine
Menge perſoͤnlicher Ruͤckſichten und Leidenſchaften
ob; genug, die Ausfuͤhrung derſelben fand tauſend
Schwierigkeiten. Br. A. der mit Recht darin die
Geſetzmaͤßigkeit und Rettung der L. ſah, war indeß
unermuͤdet thaͤtig, unterrichtete und uͤberzeugte meh-
rere BB. ſo, daß der Vorſchlag endlich durchging,
und ſowohl die vier beſondern LL., als die Gr. L.
am 11. Juni 1798. feierlich conſtituirt und inſtal-
lirt wurden. *) Dabei wurde die Conſtitution oder
der Grundvertrag der Gr. L., der abermals ſein
Werk war, vorgetragen, — und ſo war es ihm
gelungen, eine durchaus geſetzliche, von allen Mau-
rern anzuerkennende Form, in die nunmehrige
Gr. L. zu bringen, und ihre Unabhaͤngigkeit zu
retten, da das oben erwaͤhnte Staats-Geſetz ſie
wirklich in die Reihe der Gr. LL. ſtellte. — Da
die lieben BB. nun einſahen, was ſie durch den
weiſen Vorſchlag ihres Br. A. gewonnen hatten,
[293] ſo waren ſie hoͤchlich zufrieden mit ihm, und ſelbſt
diejenigen, deren Eitelkeit durch die Theilung der
Einen L. in vier, gekraͤnkt worden war, ließen ihm
Gerechtigkeit wiederfahren. Eine andere Gr. L.,
die auf aͤhnliche Art entſtanden war, wollte die
neue Schweſter zwar nicht anerkennen: allein da
ſie ſich rechtlich formirt hatte, da der Staat, der
in dieſer Verfaſſungsſache der competenteſte Rich-
ter war, ſie anerkannte, und den uͤbrigen ganz
gleich ſtellte, und jene Gr. L. im Grunde nichts,
als die ihre, fuͤr Maurerei erkennen wollte: ſo
kehrte man ſich nicht an das projektirte Monopol
derſelben, eben ſo wenig, als dieſe ſich an auswaͤr-
tige Monopolprojecte gekehrt hatte.


Der Br. A. war nun bei der Gr. L. X. ein
großer und hochgefeierter Mann: man fuͤhlte es,
was man durch ihn geworden war, und was man
ohne ihn ſeyn wuͤrde. Daher wollte man ihn
belohnen. Als nehmlich der bisherige Groß-Mei-
ſter im October 1798. ſeiner Abreiſe wegen, das
Amt niederlegte, wollte man ihn zum Groß-Mei-
ſter waͤhlen; allein er ſchlug die ihm zugedachte
Ehre beſcheiden aus, und ſetzte die Wahl des
Br. v — n zum Groß-Meiſter durch.


Im Februar des folgenden Jahres, verſchafte
er der L. einen bedeutenden aͤußeren Glanz durch
die Aufnahme eines fremden Großen, die er bewirkte.


Seine ganze Zeit war der L. X. gewidmet, und
er opferte alle ſeine Kraͤfte auf, um das Ideal
zu realiſiren, was er ſich mit Huͤlfe ſeiner Kennt-
niſſe und Philoſophie von einer Frei-Maurer L.
[294] gebildet hatte. Haͤtte er auch die Menſchen ſchaffen
koͤnnen, ſo wuͤrde die Welt mit einer Anſtalt uͤber-
raſcht worden ſeyn, wie ſie bisher nur der einſame
Weiſe im Traume geſehen hatte. Aber er war
auf das eingeſchraͤnkt, was Er leiſten konnte, und
er arbeitete raſtlos, nach den innern Forderungen
ſeines Geiſtes und in der Hoffnung, nicht, daß
man ſeine Verdienſte anerkennen, ſondern, daß man
ihm die Haͤnde bieten werde, um rechtliche Ge-
ſinnung, aͤchte Aufklaͤrung, ſittliche Ordnung und
ſonach den wahren maureriſchen Geiſt zu foͤrdern,
und unter ſich herrſchend zu machen. — In die-
ſen Ruͤckſichten bearbeitete er im Maͤrz 1799. den
ſechsten Grad, und im Aprill und May deſſelben
Jahres das Geſetzbuch der Gr. L.


Nun war die Zeit gekommen, wo, nach dem
Geſetz, die Reviſion des Grundvertrags vorgenom-
men werden ſollte. Wohl wuͤrde er auch dieſe
Arbeit, die man ihm auftragen wollte, uͤbernommen
haben, wenn ihn nicht eine doppelte Ruͤckſicht zuruͤck-
gehalten haͤtte; einmal war er Kraft ſeines Amtes,
der verpflichtete Vollſtrecker der Conſtitution und
der Geſetze, und wollte alſo nicht zugleich deren
Verfaſſer heißen, ſodann wollte er dadurch, daß er
alle BB. zu Theilnehmern an dieſem großen
Werke, und zu mitwirkenden Arbeitern an ihrer
eigenen freien Verfaſſung machte, der Corporation
eine groͤßere Wohlthat erweiſen, als wenn er, wie
bisher, alle ihre Arbeiten auf ſich genommen haͤtte.
„Was die Gr. L. (Br. Aurelius) hiebei that, war
durch kein Geſetz vorgeſchrieben, und nachdem
[295] geſchehen war, was ſie (er) nur fuͤr billig gehalten
hatte, waren alle doch uͤberzeugt, daß gerade dies
und nichts anders, und dleß gerade nur ſo, dem
Geiſte der Bruͤderſchaft gemaͤß geſchehen mußte.“ *)
Er mochte bei dieſer Gelegenheit zum erſtenmale
die Anwandlung folgender Ueberlegung haben:
Was hilft es doch, wenn nur Einer fuͤr eine große
Corporation denkt und arbeitet! Sind Mitarbeiter
da, ſo muͤſſen ihre Kraͤfte nicht ſchlummern; wo
nicht, ſo iſt auch die beſte Arbeit des Einzelnen ver-
gebens. Sie iſt das Schwerdt des Skanderbek,
das außer ihm keiner zu handhaben verſteht, und
Skanderbek kann ſterben; dann muß ſein
Schwerdt mit ihm begraben werden! — So lei-
tete er, der immer uͤber dem Ganzen ſich ſelbſt
vergaß, es ein, daß das Schwerdt ohne ihn auch
gebraucht werden koͤnnte, und erweckte in den
Koͤpfen aller Mitglieder der Corporation Theil-
nehmer am Werk des Ganzen, das ſie, als das
ihre, achten und lieben lernen ſollten. — Noch blie-
ben ihm Kraͤnze genug zu verdienen, die ſeine
eigene Erfindungskraft und Thaͤtigkeit erringen,
und die er ſich vom Genius des Ganzen, ohne
ſeinen Nachtheil verdienen konnte. **)


[296]

Schon im Februar des folgenden Jahres hatte
er die ſchoͤne Gelegenheit gefunden. Nach einem
ſcharfberechneten Plane, und mit den allergering-
ſten Mitteln ſtiftete er eine Rettungs-Anſtalt
fuͤr wuͤrdige und verungluͤckte BB.; durch einen
Beitrag von etwas uͤber 1 Thlr. jaͤhrlich, hatte
jeder, der auf thaͤtige Bruderliebe Anſpruch machte,
unter genau vorgeſchriebenen Bedingungen der
Wuͤrdigkeit, Hoffnung, durch ein nicht unbedeu-
tendes Darlehn oder Geſchenk aus ſeiner unver-
ſchuldeten Noth geriſſen zu werden; — eine Anſtalt,
die ſo vortrefflich berechnet, als wohlthaͤtig war,
und ihrem Erfinder von Seiten des Kopfs und
des Herzens gleiche Ehre machte; eine Anſtalt, wie
ſie jede maureriſche Corporation haben ſollte, die
die Pflichten der thaͤtigen Liebe nicht vergeſſen,
ſondern auf die zweckmaͤßigſte Weiſe ausuͤben will;
eine Anſtalt endlich, die zugleich faͤhig war, den
Gemeinſinn unter den BB. ſelbſt zu erwecken, und
zu beleben. Denn die Dokumente, welche zur
Entſcheidung uͤber einen Rettungsfall erforderlich
waren, mußten das von allen Logen-Beamten
unterſchriebene Zeugniß enthalten, daß der Huͤlfe-
ſuchende Br. ein thaͤtiges Mitglied der Loge war,
keine Arbeiten aus Lauigkeit und ohne Grund
unterlaſſen, ſich nie der geſetzlichen Ordnung wider-
ſetzt habe, und ohne ſeine groͤbere Verſchuldung in
den Zuſtand der Huͤlfsbeduͤrftigkeit gekommen ſey;
ferner das Zeugniß ſeines rechtlichen buͤrgerlichen
Lebenswandels, und ſeiner Verdienſte um die L.;
ſodann den Vorſchlag der Summe, die als Ge-
[297] ſchenk, oder Darlehn, zu ſeiner Rettung wirklich
hinlaͤnglich ſey. — O ihr wuͤrdigen und ungluͤck-
lichen BB. alle, die ihr fruͤh oder ſpaͤt, vielleicht
dann noch, wenn der Name des Stifters laͤngſt
vergeſſen iſt, aus dieſer Quelle Troſt, Huͤlfe und
Rettung ſchoͤpfet, ſeegnet in Eurer Freude den
Urheber Eures erneuerten Gluͤcks, und lehret Eure
Kinder den Namen des Br. Aurelius.


Schon jetzt fanden ſich Spuren feindlicher Ge-
ſinnungen gegen ihn. Man ſagte — und einer
der Areopagiten wiederholte es oft — er habe die
Rettungs-Anſtalt — wenigſtens fuͤr einen ſeiner
Freunde geſtiftet. Das war denen nicht zu ver-
argen, die ſich um die Einrichtung der Anſtalt
nicht bekuͤmmert hatten, aber die Beiſitzer und
Verwalter derſelben, die die ſcharf beſtimmten Klau-
ſeln kannten, die durch jene Beſchuldigungen zu
bloßen Werkzeugen des Br. A. herabgewuͤrdigt
wurden (denn ohne ſie konnte nicht ein Pfennig
verwandt werden, und Br. A. hatte dabei die
letzte Stimme) dieſe, die wirklich ehrliche Maͤnner
waren, — ſchwiegen. Ein Wink fuͤr ihn, was er
von dem großen Haufen zu erwarten haͤtte, wenn
durch irgend einen Zufall kuͤhnere Angriffe, nicht
blos heimliche Verlaͤumdungen, gegen ihn erweckt
wuͤrden.


Eine neue, ungeheuere Arbeit fuͤr das Innere
der Anſtalt, forderte nun ſeine ganze Kraft und
Thaͤtigkeit. Durch fortwaͤhrendes Studium und
tiefere Blicke in die Geſchichte des Ganzen, war
er zu der gruͤndlichen Ueberzeugung von der Nich-
[298] tigkeit der hoͤheren Gr. (woruͤber wir auch im erſten
B. der Eleuſinien von S. 150. an, einige exo-
teriſche Winke gegeben haben) gelangt, und er
machte den Areopagiten, mit den dringendſten
Gruͤnden im Auguſt 1800. den Vorſchlag, ſie gaͤnz-
lich abzuſchaffen, der eigenthuͤmlichen alten Mau-
rerei, ohne heterogene Zuſaͤtze, ihren genuinen Glanz
wiederzugeben, und fuͤr alle kuͤnftigen Zeiten einer
leeren Schwaͤrmerei den Zutritt in die Maurerei
zu verſchließen. Es war ihm unmoͤglich, ſeinen
Vorſchlag durchzuſetzen, da er ſeinen Gruͤnden kei-
nen Eingang verſchaffen konnte. Dennoch war es
ihm unmoͤglich die Wahrheit zu verlaͤugnen, und
es gelang ihm, die Areopagiten zu dem Beſchluß
zu bewegen: die hoͤhere Gr. in vier hiſtoriſche
Erkenntniß-Stufen
(deren weſentlichen Un-
terſchied wir aus den Eleuſinien S. 172 f. kennen)
zu verwandeln, und einer jeden Erkenntniß-Stufe
eine reinmoraliſche Initiation, die, ohne etwas zu
verheißen oder vorzuſpiegeln, auf die edleren Ge-
fuͤhle des Menſchen berechnet war, voran zu ſchicken.
Dieß gab man zu; und er hatte die ungeheure
Arbeit, vier Initiationen, und vier hiſtoriſche In-
ſtructionen, uͤber die Geſchichte der Fortſchritte und
Ausartungen der Maurerei auszuarbeiten, von
welchen die letzteren allein, ohne die Beilagen und
im Auszuge, drei und achtzig geſchriebene
Bogen
ausmachten. Dieſe gefielen denn nun meh-
reren Areopagiten ganz vorzuͤglich, die Initiationen
ſchienen ihnen erbaulich, die Inſtructionen beleh-
rend, und ſie ruͤhmten ſich mit Recht, in ihrem
[299] Innern das maureriſche Licht rein und glaͤnzend
aufzubewahren. Andere, die von dieſen Sachen
nichts begriffen, ließen ſie ſich ſchweigend gefallen,
gaben aber zu verſtehen, es ſey des Br. Aurelius
Machwerk, und er ſei ein großer Narr, ſich ſo viel
Muͤhe um Nichts zu machen. — Sie verriethen
durch dieſes Urtheil eine gute Kenntniß des Ter-
rains, denn die BB. fuͤr die das alles in den ver-
ſchiedenen Stufen geſchrieben war, kamen theils
zu dieſen Inſtructionen gar nicht, ein anderer Theil
ſchlief dabei ein, ein dritter Theil rechnete es ſich
ſelbſt hoch an, daß er dem Br. A. den Gefallen
thaͤte, ſie anzuhoͤren, ein vierter Theil endlich
konnte nicht leiden, daß nunmehr juͤngere BB.
ſchon ſo fruͤh erfuhren, was ſie durch ſo lange
Jahre nicht gewußt hatten, machten alſo hin und
wieder, ſelbſt unter den Inſtructionen, bittere An-
merkungen, und ſchimpften außer der L. weidlich
dagegen. — Der gute Br. A. hatte es immer
mehr noͤthig, bei ſeinen Arbeiten zu vergeſſen fuͤr
wen
er ſie unternaͤhme, und ſeinen Blick feſter
auf das zu richten, was die Sache, was der
aͤchte, alte Geiſt der Bruͤderſchaft fordere.


Das Jahr 1800. war das geſetzliche, durch den
Grundvertrag beſtimmte, Reviſions-Jahr der Ri-
tuale; es mußten ſonach auch die drei erſten Gr.
revidirt werden. Nun glaubte Br. A., daß es
Zeit ſey, das Ritual der L. X. zu dem aͤlteſten,
das die Geſchichte liefert, und welches bis zu der
ſogenannten Reſtauration der Geſellſchaft, das ein-
zige, allgemein anerkannte und aͤchte geweſen, durch
[300] die gemachte Neuerung aber keinesweges aufge-
hoben war, und welches noch jetzt auf dem klaſſi-
ſchen Boden der Maurerei das einzig anerkannte
und uͤbliche iſt, zuruͤckzufuͤhren, und der Maurerei
ihr urſpruͤngliches Licht wiederzugeben. Er uͤber-
nahm dieſe Reviſion oder vielmehr voͤllige Umar-
beitung, die fuͤr die Zuruͤckfuͤhrung der wahren
Maurerei entſcheidend war, und von allen in
Deutſchland zerſtreut lebenden aͤchten Kennern der
Sache gebilligt wurde. Ein Gleiches thaten, auf
die Autoritaͤt des Br. A., die Areopagiten und die
alte Arbeit wurde am 31. December d. J. in
allem Glanze wiederhergeſtellt.


Im Junius des folgenden Jahres, legte der
im October 1798. gewaͤhlte Groß-Meiſter (ſ. oben)
ſein Amt nieder. Der Br. A., der nur den Glanz
und die wahre Wuͤrde ſeiner L. vor Augen hatte,
glaubte den beſten Nachfolger in dieſem Amte, in
einem Manne zu finden, der in einem anſehnlichen
Poſten ſtand, und ſich auch als Gelehrter einen großen
Namen erworben hatte. Wie weit entfernt er von
aller Rivalitaͤt und kleinlicher Eiferſucht war, zeigte
er am beſten durch dieſe Wahl; waͤhrend die uͤbri-
gen mehr auf einen Repraͤſentanten des Amtes
ſannen, wuͤnſchte er ſich einen Mitarbeiter von
hellem Geiſte, und reinem Eifer fuͤr die Sache.
Dieſen Mitarbeiter von feſtem Charakter glaubte
er in dem Br. gefunden zu haben, der waͤhrend
der ganzen Zeit ſeiner Thaͤtigkeit abweſend gewe-
ſen war, und um deſſen Wiedergewinnung er ſich
mit herzlichem Vertrauen die groͤßeſte Muͤhe gege-
[301] ben hatte. Seine Wahl zum Mitarbeiter fand
viel innere und aͤußere Schwierigkeiten, die Br. A.
mit eifriger Thaͤtigkeit, und mit uneigennuͤtziger
Liebe fuͤr ſeine L. gluͤcklich beſiegte, und in dem
guten Bewußtſeyn ſeiner redlichen Abſichten allen
warnenden Stimmen, die auf ſeine Perſoͤnlichkeit
Bezug hatten, ſein Ohr verſchloß. Am 13. Sept.
ward der Mitarbeiter feierlich inſtallirt.


Noch durch eine andere glaͤnzende Begebenheit
war dieſer Tag ausgezeichnet. — Die L. X. hatte
bis jetzt allein geſtanden, die Revolution, wodurch
die Maurerei, von allen neueren Zuſaͤtzen gereinigt,
in ihre alte Wuͤrde eingeſetzt wurde, war in ihrem
Innern vorgegangen, die Richtigkeit ihrer Grund-
ſaͤtze war noch von keiner modernen Frei-Maurer-
Loge anerkannt. Br. Aurelius, der mit den
aufgeklaͤrteſten und gruͤndlich unterrichteten BB.
durch ganz Deutſchland in Verbindung ſtand, kannte
auch einen dieſer erleuchteten Maurer, der an der
Spitze einer großen Corporation mit aͤhnlichem
Eifer arbeitete, und deſſen Grundſaͤtze mit den
ſeinen um ſo natuͤrlicher uͤbereinſtimmten, je ſicherer
ſie auf die erwieſene und unbeſtreitbare Wahrheit
gebaut waren. Mit dieſem entwarf er den Plan
einer Vereinigung drei großer Corporationen zu
Aufſtellung gleicher Grundſaͤtze, zu Erneuerung des
Alterthums und zu Verbannung aller unſtatthaften
Neuerungen. Dieſer große Verein kam zu Stande,
durch ihn erhielt die L. X. einen neuen Glanz, mit
zwei verbundenen Schweſtern ſah ſie ſich als die
Stifterin eines feſten, des einzig moͤglichen Grund-
[302] Syſtems der Maurerei. — Es iſt unmoͤglich zu
berechnen, was die Verbindung zweier ſolcher Maͤn-
ner, fuͤr epochenmaͤßige Wirkungen in der Geſchichte
der Maurerei hervorgebracht haben wuͤrden, wenn
ſie nur einige Jahre ungeſtoͤrt fortgedauert haͤtte. —
An dem genannten Tage wurde die geſchloſſene
Verbindung der drei Corporationen mit großer
Feſtlichkeit promulgirt, es bleibt aber dunkel, wie
viel die BB. der L. X. und namentlich ein großer
Theil der Areopagiten von ihrem Zwecke verſtan-
den haben.


Nun ſtand aber die Gr. L. X. auf ihrer hoͤch-
ſten Hoͤhe. Ihre Verfaſſung war feſt, mit philo-
ſophiſcher Genauigkeit aufgeſtellt, und von der Er-
fahrung bewaͤhrt, ſie hatte in einem Grundvertrage
die Norm fuͤr ihre Geſetze; dieſe Geſetze waren
vortrefflich, und auf alle Faͤlle berechnet, alle Zweige
der Verwaltung waren nach ihren Grenzen geſon-
dert, das Verfaſſungs-Collegium, welchem die Re-
gierung oblag, war getrennt von dem maureriſchen
Doctrinal-Collegio, die Freiheit der einzelnen Ge-
meinen, ſo wie jedes B. war geſichert, ihre Oblie-
genheiten feſt beſtimmt, und alles bewegte ſich
unter rechtlichen Formen mit Freiheit und Wuͤrde.
Das innere Weſentliche der Geſellſchaft ſtand da,
gelaͤutert und rein, in ſeiner urſpruͤnglichen An-
muth, Schoͤnheit und Kraft; alle Kaͤlte und Herz-
loſigkeit war verbannt, das zum Sehen geuͤbte
Auge ruhte mit Wohlgefallen auf der Urform der
alten Kunſt, und weidete ſich an ihrem großen
Lichte. Fuͤr die Forderungen des forſchenden Ver-
[303] ſtandes, wie des fuͤhlenden Herzens, war der Weg
zu hoͤheren Kenntniſſen, ſo wie zur Erwaͤrmung
erhabener und ſchoͤner Gefuͤhle geoͤffnet, befriedi-
gend fuͤr Geiſt und Herz war jede neue Stufe,
die man zum Innerſten erſtieg. Dort war
der vollſte Aufſchluß uͤber jede Dunkelheit,
uͤber jede Frage bereitet, die der Forſcher uͤber
irgend eine Zeit und uͤber irgend einen Um-
ſtand der ſonſt raͤthſelvollen Sachen aufwerfen
konnte. — Ein herrliches, in ſeinen kleinſten Thei-
len zuſammenhaͤngendes großes und lichtes Ge-
baͤude, voll Schoͤnheit und Wuͤrde ſtand es da,
wohlgeziert und erleuchtet von Innen, geachtet von
Außen. — Außer dem Verein mit zwei Schweſtern,
beſtand die Gr. L. X. ſelbſt aus einer anſehnlichen
Zahl einzelner LL. die ſie formirten. Drei aus-
waͤrtige LL. hatte der Br. Aurelius als er 1797.
Groß-Meiſter ward uͤbernommen; am 13. Sept.
1801. waren deren ſechzehn bluͤhende LL., von
denen er vierzehn conſtituirt hatte, da zwei der alten
abgegangen waren. — Niemand war, der ſich
dies alles vor ſechs Jahren haͤtte traͤumen laſſen; es
war das Werk eines einzigen Mannes, deſſen Eifer
von der Weisheit, der Erfahrung und dem Gluͤcke
unterſtuͤtzt wurde, es war das Werk der entſchloſſenen
Thaͤtigkeit, die in ihrem edlen Enthuſiasmus nur
auf das, was gebaut werden muß, nicht auf die
Materialien, womit gebaut werden ſoll, achtet.


Aber bald ſollte er fuͤhlbar daran erinnert wer-
den. Er hatte ſich gutmuͤthig uͤberredet, daß die
ganze Arbeit fuͤr die, um deren willen ſie unter-
[304] nommen worden war, noch mehr aber, daß die
Ausuͤbung der Maurerei auf den Verſtand und
das Herz ihrer Bekenner, doch nicht ohne alle
Frucht geblieben ſey. Er hatte uͤber dieſen Punkt
ſehr erfreuliche, aber auch ſehr bittere Erfahrungen
gemacht; er zwang ſich, alle Erfahrungen zu ver-
geſſen, und immer feſter und allein die Sache
im Auge zu behalten. Doch dauerte es nicht gar
lange, als er an einen Freund Folgendes ſchrieb:
„Im Jahre 1796. begann ich den Bau mit
der innigſten Ueberzeugung, daß die Materialien,
mit denen ich bauen mußte (Ausnahmen abge-
rechnet) theils roh, theils ſchwach, theils ver-
dorben ſeyen. Ich hoffte auf die immer ſich
vermehrende beſſere, oder von mir nur beſſer
gedachte Nachkommenſchaft, waͤhlte aus den
rohen und ſchwachen Materialien, die brauch-
barſten aus, um ſie als Grundſteine zu be-
nutzen, ſtellte die Formen auf, erwartete vom
Gluͤcke die allmaͤhlige Herbeiſchaffung beſſerer
Materialien, ließ es mir genuͤgen, wenn man
ſich unter meiner Leitung, doch ſelbſt gehend,
auch nur kurzen Schrittes dem Beſſeren
naͤherte und bemuͤhte mich, ſo zu handeln wie
ich einmal die Handlungsweiſe des aͤcht klugen
Maurers hinzeichnete. Aber eng wurde es
mir ums Herz. ſo oft ich in oͤffentlichen Blaͤt-
tern die Lobes-Erhebungen las, die man der
Loge — — zollte, und ich die BB. N. N.
N. N.
welche im buͤrgerlichen Leben durchaus
rechtliche Maͤnner, aber von einer feineren

Kul-
[305]Kultur himmelweit entfernt ſind, die die L. X.
fuͤr die ganze Maurerwelt halten, und im In-
nern der Frei-Maurerei, ſowohl ihrem Weſen
als ihrer Geſchichte nach, durchaus Fremd-
linge ſind, als die thaͤtigſten und kraͤftigſten
Stuͤtzen des von mir unternommenen Baues
anſehen mußte. Allein ich dachte, das Rohe
kann ſich ja verfeinern, und das Schwache
ſich ſtaͤrken. Ich ſtimmte daher ſelbſt in mei-
nen oͤffentlichen Vortraͤgen in die Lobes-Er-
hebungen gegen die BB. der L. — ein, und
glaubte, ſie wuͤrden ſich am Ende wohl bemuͤhen,
dieſelben auch wahr zu machen und zu ver-
dienen. Um dabei gegen auswaͤrtige denkende
und tiefer eindringende Leſer wahrhaft zu ſeyn,
ließ ich mitunter, neben allen guten Erwar-
tungen, die ich als Wirklichkeiten darſtellte,
auch ſtreng und beſtimmt geſagte Wahrheiten
einfließen, wie Sie aus — — — — — —
erſehen werden, wo ich uͤberall, entweder auf
beſtimmte Perſonen, oder beſtimmte Aeuße-
rungen oder beſtimmte Thatſachen hindeutete.
Aber das Rohe ward von Tag zu Tage roher,
denn es ward ſtolzer; das Schwache ward
nicht ſtaͤrker, ſondern traͤger und unthaͤtiger,
und das Verderbte pflanzte den Saamen des
Verderbens auch in die neu hinzu gekomme-
nen Materialien uͤber ꝛc.“


Es ſcheint nach dieſem, daß die Hoffnungen des
Br. A. nicht ſehr groß geweſen ſeyn moͤgen, ja er
fing in einzelnen Augenblicken, da er das Ende
Zweites Baͤndch. U
[306]ſeiner Arbeiten ſchon ganz deutlich vor ſich ſah,
ſchon an, auf ſeinen Ruͤckzug zu denken, und die-
ſen Vorſatz gegen ſeine Freunde zu aͤußern, die
jedoch den Ruͤckzug fuͤr unmoͤglich hielten. Was
ihn noch feſthielt, ward die ploͤtzliche Veranlaſſung
zur Ausfuͤhrung ſeines Vorſatzes.


Br. A. entwarf nehmlich einen hoͤchſtwichtigen
Plan, durch irgend eine gemeinnuͤtzige Anſtalt der
L. X. auch bei dem großen Publikum und den
Maurern bei ihren Mitbuͤrgern Achtung zu ver-
ſchaffen. Die Maurerei kann einmal der Wohl-
thaͤtigkeit nicht entbehren, und eine moraliſche Cor-
poration thut ſehr wohl, durch zweckmaͤßige richtig
berechnete Anſtalten, dieſe und jene Luͤcke in der
Geſellſchaft auszufuͤllen, wie die Maurerei ſelbſt
eine große Luͤcke in allen menſchlichen Anſtalten
ausfuͤllt. Als Mittel zu dem Zwecke des Br. A.
war vor allem der Bau eines neuen Logen-Saa-
les nothwendig, der an ſich ſchon vieles fuͤr ſich
hatte, weil der bisherige ungeſund und hinfaͤllig
war. Der Br. Aurelius trug den Bauplan
bei den Behoͤrden vor, und er ward, ohngeachtet
der bittern Anmerkungen einiger Einzelnen, gebilligt,
und die Ausfuͤhrung deſſelben beſchloſſen. Kaum
war dies geſchehen, ſo eroͤffneten ſich ganz uner-
wartete Ausſichten zur gluͤcklichen Ausfuͤhrung jenes
geſammten Planes. Ein Freund alles Guten und
des Br. A., dem dieſer ſeinen großen, und in der
That kuͤhnen Plan detaillirt mitgetheilt, und ihn
zu gleichem Enthuſiasmus dafuͤr hingeriſſen hatte,
und der vom Gluͤcke beguͤnſtigt, ein großes Herz
[307] fuͤr große Unternehmungen hatte, ſicherte dem
Br. A. die Summe von 2000 Thlr. zu, wenn er
gewiß waͤre, daß er ſeinen voͤllig berechneten Plan
unter dieſen Maͤnnern ausfuͤhren koͤnnte, und
deponirte dieſe Summe ſogar unter den angezeig-
ten Bedingungen.


Allein dieſer große Plan ſcheiterte ſchon bei ſei-
nem kleinen Anfange, dem Baue des Logen-Saales.
Es war bei dem letztern (und bei dieſem allein) auf
freiwillige Beitraͤge der BB. gerechnet, und ſchon
exiſtirten ſehr anſehnliche Unterzeichnungen; — aber
einige fanden die Sache bedenklich, betrachteten ſie
ſonach von allen Seiten, und — wie es denn geht,
wenn man lange auf einen Fleck ſieht, ſo verdun-
keln ſich die Augen, man ſieht wohl allerhand flie-
gende Punkte, die eine geſchaͤftige Einbildungskraft
oder der gute Wille fuͤr Geſpenſter anſieht; man
theilt ſeine Betrachtungen gleichgeſtimmten Seelen
mit, und — was zwei Augen nicht ſehen, ſehen
vier oder ſechs. Genug, man fand bald nicht
nur die Sache, ſondern ſogar den Br. Aurelius
hoͤchſt bedenklich. Etwa drei oder fuͤnf BB., die
ihre Entſchloſſenheit ſchon fruͤher bewaͤhrt hatten,
und von denen einige ſogar zu einem gewiſſen An-
ſehen gelangt waren, das ſie in den letzteren Jah-
ren dem Br. A. zu verdanken hatten, beſchloſſen,
wahrſcheinlich nur zu einer zeitkuͤrzenden Veraͤnde-
rung, dem Br. A. den Krieg zu erklaͤren. Das
Unternehmen war etwas ſchwierig; der Br. A.
war der Vater und Stifter des ganzen Werks,
mit Gluͤck hatte er die L. groß und glaͤnzend ge-
U 2
[308] macht, die BB. verehrten ihn faſt allgemein; die
auch ſeine Arbeiten nicht verſtanden, ſchaͤtzten doch
ſeine unermuͤdete Arbeitſamkeit und reine Uneigen-
nuͤtzigkeit, man fuͤhlte doch allgemein, wenn man
auch eben nicht dankbar ſeyn wollte, doch die abſo-
lute Schaͤndlichkeit der Undankbarkeit, und allein
konnten jene Drei- oder Fuͤnf-Maͤnner doch nichts
bedeutendes ausfuͤhren. Wie geſagt, die Sache
war ſchwer, doch einem entſchloſſenen Gemuͤthe
nicht unmoͤglich. Man berechnete eben die Folgen
nicht weit hinaus, man verſammlete ſich, um mit
vereintem Eifer den Gegenſtand zu behandeln; die-
ſer erzaͤhlte ſeine Gedanken, jener ſeine Vermuthun-
gen, ein dritter ſeine Beobachtungen, ein vierter
diente der guten Sache mit Ausrufungen, ein
fuͤnfter durch einige Schimpfreden — alle aber
durch Mittheilungen an andere, die in der neuen
Sache noch Neulinge waren. Man ſtreute die
wunderlichſten Inſinuationen unter den Haufen
der ſich um das Ganze und das Innere wenig
bekuͤmmernden BB. aus, beunruhigte dieſe durch
bedenkliche Andeutungen, machte ſie nach und nach
mißtrauiſch, ſodann unzufrieden, endlich erbittert. —
Man verſuche es doch gegen den erſten beſten, in
irgend einer Verwaltung ſtehenden Mann, Ver-
laͤumdungen auszuſtreuen, anfaͤnglich leicht hinge-
worfen, ſodann beſtimmter wiederholt, und taͤglich
erneuert, man aͤußere ſie nach allen Seiten, ſo daß
ſie aus allen Ecken wieder zuruͤckkommen, und wir
wollten den ſehen, der nicht endlich denken ſollte:
Nun, ſo ganz unſchuldig kann der Mann doch
[309] nicht ſeyn! alle Welt ſpricht ja gegen ihn! — Der
Beſte endlich denkt: Es iſt ſchlimm, daß der Mann
ſo verlaͤumdet wird, aber — die Menge iſt gegen
ihn! und endigt mit Stillſchweigen nnd Achſel-
zucken. Gewiß, es gehoͤrt nur Ein recht tuͤchtig
kuͤhner Menſch dazu, und ein Jeder, auf den er
verfaͤllt, iſt in der Meinung des Haufens verloren,
wenn er nicht die Macht in Haͤnden hat, ſich
die Achtung zu erzwingen. — Das Unternehmen,
das wir oben ein ſchwieriges genannt haben,
gewann einen faſt unglaublichen Fortgang; aber
die BB. die es gewagt hatten, ſparten auch
wirklich keine Muͤhe, ihre Behauptungen, Meinun-
gen, Vermuthungen nicht in Vergeſſenheit gerathen
zu laſſen. — „Aber wurden denn die Beſchuldi-
gungen nicht, wie es Maͤnnern und Bruͤdern ziemt,
ans Licht gezogen?“ Nein, man hoͤrte ſie an, zuckte
die Achſeln, und ſagte ſie gelegentlich weiter. „War
denn keiner dieſer heimlichen Anklaͤger ſo ehrlich,
oͤffentlich aufzutreten, den Br. A. anzuklagen, und
zur Rechtfertigung aufzufordern?“ Nein, das ver-
mied man mit der allergroͤßeſten Sorgfalt. „Klagte
denn Niemand die Verlaͤumder an?“ — Nein, nie-
mand wollte die Delikateſſe verletzen, und den, der
ihm etwas anvertraut hatte, verrathen. „Wandte
nicht ſein Mitarbeiter ſeine ganze Kraft und Au-
toritaͤt an, ihn zu unterſtuͤtzen und zu ſchuͤtzen?“
Nein. „Erfuhr denn Br. A. nichts von alle dem?“
O ja, und ſeine Seele trauerte, ſein Traum ver-
ſchwand, ſein Enthuſiasmus war erſtorben — denn
er hatte mit unſichtbaren Feinden, und mit unhoͤr-
[310] baren Freunden zu thun. Er beſchloß blos feſt
und unwiderruflich, ſich zuruͤckzuziehen.


Das erſte was er that, war, daß er ſich von
der Theilnahme an dem projektirten Baue losſagte,
dem Mitarbeiter ſeine ganze Geſinnung ent-
deckte, gegen ihn ſich ohngefaͤhr ſo aͤußerte: „Eine
Geſellſchaft, die ſich der freiwilligen Dienſte eines
thaͤtigen Mannes bediene, die durch dieſe Dienſte
reele Vortheile erlangt habe, muͤſſe ihren Arbeiter
mit Nachdruck vertheidigen und nicht warten, bis
er ſelbſt ſeine Beleidiger anklagt, oder gegen muth-
willige Verlaͤumder ſich vertheidigt. Es ſey der
Wuͤrde der Bruͤderſchaft ganz angemeſſen, Men-
ſchen, wie N. N. N. N. N., in die gebuͤhrenden
Schranken mit Kraft und Nachdruck zuruͤck zu wei-
ſen, es ſei aber gegen die Wuͤrde eines der erſten
Beamten, ſolche Menſchen anzuklagen, oder ſich
gegen ſie zu vertheidigen. Thue die Geſellſchaft
nicht von ſelbſt, was der Gerechtigkeit angemeſſen,
und ihrer wuͤrdig ſey, ſo muͤſſe das Individuum
auf ſeine eigene Huͤlfe bedacht ſeyn, und — da ſey
Zuruͤckziehung das gelindeſte und ſeiner Wuͤrde
angemeſſenſte,“ und ihm zugleich anzeigte, daß er
vorlaͤufig dieſes Mittel gewaͤhlt habe, wobei er um
ſeinen Schutz bat.


Er fuhr damit fort, den 28. Maͤrz 1802, dem
Collegium der Areopagiten ſeine Zuruͤckziehung von
demſelben, und die Niederlegung ſeines Areopagiten-
Amtes zu erklaͤren. In dieſer Erklaͤrung gab er
ſchon beſtimmt die Inſinuationen an, die man
gegen ihn gewagt hatte, ſo wie er drei BB. unter
[311] ihnen ſelbſt nannte, die nicht nur heimliche Be-
ſchuldigungen gegen ihn verbreiteten, ſondern auch
in dem Collegium ſelbſt einen Ton einfuͤhren woll-
ten, der ſeinem Ideale einer feineren, geſelligen
und maureriſchen Bildung durchaus zuwider ſey.
Dieſes leuchtete den Areopagiten ſo beſtimmt ein,
daß ſie beſchloſſen, jene drei BB. um ihrer ſelbſt
willen zu erſuchen, den Verſammlungen des Areo-
pags eine Zeitlang nicht beizuwohnen. Ueber die-
ſen Beſchluß, den der Br. Aurelius gar nicht
erwartet hatte, geriethen jene BB. in einen hef-
tigen Zorn, und da ſie, wie einige meinten, diejeni-
gen ſeyn ſollten, von denen alle Bewegungen aus-
gingen, ſie auch durch den letztern Vorfall die erſte
beſtimmte perſoͤnliche Veranlaſſung zur Feindſeelig-
keit erhielten: ſo kann man leicht erachten, daß
nun das Feuer, das bisher nur unter der Aſche
fortgeglimmt hatte, in eine lichte Lohe aufſchlug.
Natuͤrlich wurde die Schuld allein dem Br. A.
gegeben; das, was nur Sache eines beſondern
innern Collegii war, wurde zur Sache aller nicht
unterrichteten BB. gemacht; die erhitzten BB. ſag-
ten ſich von allen Pflichten der Verſchwiegenheit
uͤber die Verhandlungen des Collegii los, und mach-
ten ohne Unterſchied einen jeden, der ſie hoͤren
wollte, zu Theilnehmern an ihrer Sache.


Nun war die L. X. der Tummelplatz feind-
ſeeliger, verheerender Leidenſchaften. Mit Ruhe
ſah Br. A. dieſem Toben des Sturmes zu, er
glaubte ſich ſicher in der kleinen Huͤtte, die er ſich
durch ſeine Verdienſte und ſeine Redlichkeit erbaut
[312] hatte, und hatte in Gedanken laͤngſt von ſeinem
Werke Abſchied genommen; er trauerte nur dar-
uͤber, daß Leidenſchaften wuͤtheten, die unter Bruͤ-
dern und Maurern unerhoͤrt ſeyn ſollten. Ruhig
wartete er auf zweierlei, entweder, daß irgend einer
ſeiner Gegner, die mit ſo großer Kuͤhnheit heim-
lich verbreitete Beſchuldigungen oͤffentlich vortra-
gen, und ſo ſeine Rechtfertigung veranlaſſen wuͤrde,
oder daß einer ſeiner Freunde die heimlichen Ver-
laͤumder oͤffentlich angreifen wuͤrde. Jene aber
huͤteten ſich vor nichts ſorgfaͤltiger, als vor einer
Anklage, blos aus dem kleinen Umſtande, weil die
L. X. das Geſetz hatte: daß die Strafe, die den
Angeklagten getroffen haben wuͤrde, bei ſeiner er-
wieſenen Unſchuld auf das Haupt des Verlaͤum-
ders zuruͤckfiele. Dieſe konnten die Verlaͤumder
nicht anklagen, weil ſie ihre Kinder der Finſterniß
nicht greifen konnten. Es blieb nichts uͤbrig, als
daß der Mitarbeiter und ſeine Gehuͤlfen ſich des
verdienten Mannes officiell annahmen, und ſeine
Sache (wie ſie es in der That war) zur Sache
der Gr. L. machten, und ſich etwa ſo erklaͤrten:
Lieben Br.! Wir hoͤren von allerlei Beſchuldigun-
gen, die man unſerm Mitarbeiter machen will, wir
ſehen die Unruhe, in welche ihr dadurch gerathen
ſeyd. Wir ſind dem Manne, dem wir unſere
ruhmvolle Exiſtenz verdanken, wohl das ſchuldig,
was wir einem dienenden Br. nicht verſagen wuͤr-
den, — Gerechtigkeit. Wir koͤnnten unſern Na-
men leicht in Schande bringen, wenn wir hier
nicht mit aller Vorſicht und Weisheit verfahren,
[313] beſonders da er ſtets in unſerm Namen und unter
unſerer Sanction gehandelt hat. Darum ſtehet
ab von heimlichen Reden, die ſo leicht den Ver-
dacht der feigen Verlaͤumdung erwecken, und wenn
jemand iſt, der unſern Mitarbeiter anzuklagen hat,
der bringe vor uns ſeine Beweiſe, und wir wer-
den nach unſern Geſetzen verfahren. Sollte dies
aber nicht geſchehen, ſo werden wir nach Verlauf
von vier Wochen erklaͤren, daß ſeine Ehre die unſere,
und jede Verunglimpfung unſers Mitarbeiters, eine
ſtrafbare Verlaͤumdung ſey.


Aber das geſchah nicht! im Gegentheil ſchien
der Mitarbeiter, und einer der Gehuͤlfen, gar nicht
an obwaltende Unruhen zu glauben, und ſie fuͤr
leere Geſpenſter zu halten. Auf einmal aber
glaubten ſie daran, und gaben dem Br. A. am
28. Aprill den freundſchaftlichen Rath: „Er moͤchte
ſeine Amtsthaͤtigkeit auf eine Zeit fiſtiren, bis die
BB. ſich von ſeiner Verwaltung eines beſſern
uͤberzeugt haben wuͤrden.“ Dieſer Rath ſchien
um deswillen ganz zweckmaͤßig, weil der Br. A.
glaubte, ſein Amt haͤtte die BB. bisher nur abge-
halten, mit einer Klage gegen ihn aufzutreten,
welche er unter dieſen Umſtaͤnden ſehnlich wuͤnſchte.


Br. A. ſchrieb den 30. Aprill in Erfolg jenes
Rathes an die Gr. L.: „wie die allgemein bekann-
ten Kraͤnkungen und Verlaͤumdungen, die ihm
nach einer ſechsjaͤhrigen, nach ſeinen beſten Kraͤf-
ten und Einſichten geleiſteten maureriſchen Thaͤtig-
keit, widerfahren ſeyen, die eben ſo allgemein be-
[314] kannte Gaͤhrung der gehaͤſſigſten Leidenſchaften,
die ihren Frieden ſtoͤhre, und der Frei-Maurerei
im allgemeinen, wie dem Logen-Bunde der Gr.
L. X. ins beſondere hoͤchſt nachtheilig ſey, ihn
noͤthige, ihnen, ſo viel in ſeinen Kraͤften ſtehe,
Frieden und ſich Ruhe zu verſchaffen. Er thue
dies, indem er ſich vom heutigen Tage an, von
aller maureriſchen Amtsthaͤtigkeit ſo lange los-
ſage, bis diejenigen BB., die ſich bis jetzt blos
durch heimliche Inſinuationen gegenſeitig erhitzt,
und beunruhigt haben, auf dem geſetzlichen Wege
ihre Klagen wider ihn bei ſeinen kompetenten
Behoͤrden wuͤrden eingereicht, bis dieſe entweder
uͤber ihn, oder ſeine Anklaͤger Gerechtigkeit wuͤr-
den verhaͤngt, bis die durch Vorurtheile oder Inſi-
nuationen irre gefuͤhrten BB. ſich von ſeiner bis-
herigen Amtsverwaltung eines beſſeren wuͤrden
uͤberzeugt haben.“


Dieſe bedingte Siſtirung der Thaͤtigkeit leiſtete
alles, was die Gr. L. und Br. A. wuͤnſchen konn-
ten. Nun konnte man ihn ohne Umſtaͤnde ankla-
gen, ſeine Gegner konnten zeigen, daß nicht ver-
aͤchtliche Leidenſchaften, ſondern die Sorge fuͤr das
Wohl der Loge ſie triebe, man konnte die BB.
viritim auffordern, ſich beſtimmt zu erklaͤren, es
konnte ſogar einer ſeiner Freunde die Verlaͤum-
dungen ſammlen, und ſie als Anklagspunkte vor-
tragen, um doch endlich nur Etwas zur Sprache
zu bringen, und die Sache zur Ehre der Loge in
die rechtlichen Wege einzuleiten. Aber es war,
[315] als wenn man eher alles, ſelbſt das Aeußerſte, als
eine Klage anſtellen oder angeſtellt wiſſen wollte. —
Dem Mitarbeiter, der das obige Schreiben zuerſt
erhielt, gefiel die bedingte Siſtirung der Thaͤtigkeit
nicht, und er wuͤnſchte eine unbedingte Nieder-
legung der Aemter auf eine Zeit. Da es aber
dem Br. A. vorzuͤglich um die Ehre der Gr. L.
um die Moͤglichkeit ſeiner Rechtfertigung, und
ſodann um die Niederlegung ſeiner Aemter fuͤr
alle Zeiten zu thun war: ſo konnte er dieſen
Wunſch nicht erfuͤllen, und er beſtand auf der
Bedingung der Anklage. Kurz vor der deshalb
zu haltenden Verſammlung, entſchloß ſich der Mit-
arbeiter (wahrſcheinlich in der Ueberzeugung von
der Gerechtigkeit und Billigkeit der Sache) auf
die Erfuͤllung dieſer Bedingung oͤffentlich anzu-
tragen.


Nun kam der merkwuͤrdige, in den Annalen
der Maurerei unvergeßliche Tag, des 7. Mai 1782.,
an welchem die L. X. entſcheiden ſollte, wie ihr
zweiter Beamter, der Stifter ihres Syſtems, der
Mann, der durch ſechs Jahre ſeine Zeit und Kraft
geopfert hatte, um ſie im Innern und Aeußern
zu befeſtigen, und zu einer unerwarteten und un-
geahneten Hoͤhe zu fuͤhren, wie dieſer Mann im
Gegenſatz einiger BB., die bisher nur heimliche
Inſinuationen, und noch keine einzige maͤnnliche,
ehrliche Anklage gewagt hatten, behandelt werden
ſolle; die erſten Beamten mußten hier entſchieden
ſehen, welch ein Schickſal ſie haben wuͤrden, wenn
[316] es irgend Einem oder Einigen einfiele, auch gegen
ſie durch Inſinuationen aufzutreten; alle BB.
mußten mit geſpannter Empfindung erwarten, wie
die Loge gegen den Urheber alles deſſen, was von
Anfang bis ans Ende in ihr geſprochen und ge-
handelt wurde, und den ſie mit Achtung anzuſehen
gewohnt waren, verfahren wuͤrde. Was konnte
ihnen intereſſanter ſeyn, als zu wiſſen, wie die
Regierung ihrer maureriſchen und Verfaſſungs-
Angelegenheiten, *) bisher verwaltet worden
waͤre, ob es mit der geruͤhmten Ehrlichkeit und
Kollegialitaͤt der Verwalter, ſeine Richtigkeit habe,
oder ob es doch, trotz der vor Augen liegenden
Verfaſſung, moͤglich ſey, daß Einer nach Willkuͤhr
verfahren koͤnne. — Das alles mußte an dieſem
Tage theils durch die Art, wie die Sache des
Br. A. verhandelt wurde, theils durch den ein-
geleiteten Prozeß gegen ihn entſchieden werden. —
Sie wurde fuͤr immer entſchieden!


Nach der Vorleſung des Schreibens vom Br. A.
[317] vom 30. Aprill, erklaͤrte unmittelbar der Mitarbei-
ter: Wenn die Gr. L. den Br. Aurelius bei-
zubehalten
wuͤnſchte, ſo wuͤrde er ſein Amt nie-
derlegen, aus Gruͤnden, die er ſeinem Gehuͤlfen
mitgetheilt haͤtte. Er waͤre auch bereit dieſe Gruͤnde
oͤffentlich vorzutragen, truͤge aber darauf an, lie-
ber jetzt ſchon
die Reſignation (!) des Br. A.
anzunehmen, und ihm fuͤr ſeine geleiſteten erſprieß-
lichen Dienſte zu danken, alsdann es nicht noͤthig
ſeyn wuͤrde, die Gruͤnde anzugeben, die ihn zu
dem feſten Entſchluſſe gebracht haͤtten, nicht laͤnger
gemeinſchaftlich mit Br. A. der Gr. L. zu prae-
ſidiren.“ — — — — — —


Wir haben Nichts zur Erklaͤrung dieſes
Evenements. Wem es wie ein Schlag aus dem
blauen Himmel erſcheint, den muͤſſen wir bei ſei-
nem Erſtaunen laſſen.


Am 9. Mai gab Br. A. ſeine unbedingte Reſi-
gnation von allen Logen-Aemtern.


Am 4. Junius legte ein Repraͤſentant eine Pro-
teſtation gegen die aufgeſtellte alle Stimmenfrei-
heit niederſchlagende Alternative ein, und verlangte,
daß alles in Integrum reſtituirt werde, wie es
vor derſelben war, daß ſodann, wenn ſich rechtliche
Klagen faͤnden, der Br. A. mit der Verantwor-
tung gehoͤrt werde, — worauf aber nicht geachtet
wurde, und der Mitarbeiter ſowohl, als ſein Ge-
huͤlfe Aufſaͤtze vorlaſen, auf die mehr geachtet
wurde.


[318]

Die meiſten auswaͤrtigen LL. (welche die mei-
ſten Stimmen in der Gr. L. ausmachten)
ſandten ſehr nachdruͤckliche Mißbilligungen des
Verfahrens gegen den Br. A. ein, reclamirten
ihre Stimmenfreiheit, und forderten Restitutionem
caussae in integrum.
Dieſe konnten nehmlich die
ganze Angelegenheit allein richtig betrachten, da ſie
an den Leidenſchaften, die unter den Local BB.
der L. X. herrſchten, keinen Theil nahmen, der
Br. A. aber in ſeinem Amte dem ganzen Bunde
angehoͤrte. — Der Mitarbeiter aber erklaͤrte, daß
er ſein Amt niederlegen wuͤrde, wenn man dieſe
ungeziemenden Redensarten nicht mit dem gebuͤh-
renden Ernſte zuruͤckwieſe. — Er ſelbſt nahm die
erſte Alternative zuruͤck und widerrief ſie, allein die
Wirkung derſelben ward nicht zuruͤckgenommen,
die Gruͤnde, warum er nicht der Mitarbeiter des
Br. A. ſeyn wollte, wurden dieſem nicht mitge-
theilt, vielmehr ihm alle Gelegenheit zu einer
Rechtfertigung abgeſchnitten.


Da es ſo weit gediehen war, ſo erbarmte ſich
der B. Meiſter — t des Br. A. und lies ihm die
Wohlthat einer kleinen Anklage zukommen, daß er
nehmlich an einem fremden Orte einen Mann
empfohlen haͤtte, gegen den an dem Orte der
Loge X. eine Kabale gemacht worden waͤre, und
dieſes auch eine Kabale genannt haͤtte. Dieſes
nahm denn der andere Gehuͤlfe vor, und machte
vorerſt aus: daß der Br. A. entlaſſen werden
muͤſſe; wobei der Repraͤſentant einer proteſtirenden
[319] L. den Ausſchlag gab; ſodann, da ein anderer von
Mittheilung der Klage an den Br. A. ſprach, ſo
ward dieſe zwar zugegeben, jedoch zugleich feſt-
geſetzt, daß es bei der beſchloſſenen Entlaſſung ſein
Bewenden haben muͤſſe.


Der Br. A. eilte, ſeine voͤllige Entlaſſung ab-
zugeben.


Dieß iſt ein kurzes Skelett der Parallel-Ge-
ſchichte. Wir haben ihr nichts hinzuzuſetzen; man
wird bei naͤherer Betrachtung die Aehnlichkeiten,
und die Unterſchiede zwiſchen den Begebenheiten
der BB. v. Knigge und Aurelius von ſelbſt
finden, wozu die Anſicht des obenangefuͤhrten
Vergleichs zwiſchen dem Illuminaten-Orden,
und Br. Knigge in der Kuͤrze am fruchtbarſten
ſeyn moͤchte.


Moͤchten doch die guten Maͤnner, die in die
Verſuchung kommen, fuͤr einen O. oder eine Cor-
poration zu arbeiten, ehe ſie ſich der Hoffnung der
Gerechtigkeit, der Wirkſamkeit, der Anerkennung
des Verdienſtes, ich will nicht ſagen, der Dank-
barkeit hingeben, Gelegenheit haben, dieſe Parallel-
Geſchichte zu wiederholten malen mit allem Ernſte
zu leſen! —


Uebrigens erklaͤren wir zum Schluß, daß die
zweite Geſchichte hier ſehr unvollſtaͤndig, und nur
in einer Skizze, jedoch mit vollkommner Achtung
fuͤr Wahrheit vorgetragen worden iſt. Die BB.
[320] aber werden noch eine Geſchichte der Art leſen,
die mit der hoͤchſten Vollſtaͤndigkeit, Genauigkeit
und Wahrheitsliebe erzaͤhlt ſeyn, und welche Br.
Feßler unter dem Titel: Ernſte Ruͤckblicke auf
die Jahre meiner Logen-Thaͤtigkeit, als den zwei-
ten Theil ſeiner ſaͤmmtlichen maureriſchen Schrif-
ten, und als ein unvergaͤngliches Aktenſtuͤck zur
Geſchichte der Bruͤderſchaft, herausgeben wird.


VII.
[[321]]

VII.
Ueber den Urſprung
der

Freimaurer und Roſenkreuzer.


  • Anmerkungen, uͤber den vom Herrn Profeſſor
    Buhle unterm 27. und 31. Januar, v. J.
    im 8. und 9. Blatte der Hamburger Adreß-
    Comtoir-Nachrichten bekannt gemachten Ur-
    ſprung derſelben.

von dem Br. v. Bioͤrn.


Zweites Baͤndch. X
[[322]][[323]]

Ueber den Urſprung der Frei-Maurer und
Roſenkreuzer.


  • Anmerkungen, uͤber den vom Herrn Profeſſor Buhle
    zu Goͤttingen unterm 27. und 31. Januar v. J.
    im 8. und 9. Blatte, der Hamburger Adreß-
    Comptoir-Nachrichten bekannt gemachten Ur-
    ſprung derſelben.

Wenn jemand einen geheimen Ordens-Urſprung
bekannt machen will, ſo darf er unmoͤglich ſeine
Zuflucht zu oͤffentlichen Bibliotheken, ſondern einzig
zu geheimen Ordens-Manuſcript-Sammlungen
nehmen; denn die Erfahrung lehrt uns ja taͤglich,
daß Jahrhunderte hindurch, weder die Gewalt
tyranniſcher Fuͤrſten, noch der angeſtrengteſte For-
ſchungs-Geiſt gelehrter Profanen, ja ſelbſt nicht
der Verrath von Bruͤdern niederer Grade, ver-
moͤgend geweſen iſt, ihn ans Licht zu bringen.
Aber ſowohl bei dem Orden der Frei-Maurer als
der Roſenkreuzer, (deren jeder ein Orden fuͤr ſich,
und keiner von dem andern entſprungen iſt, ob
X 2
[324] man gleich durch den letzten Grad des Erſtern —
zu dem erſten Grad des Letztern uͤbergehen kann)
ſind dieſe Manuſcripte wieder ſo ſehr in allegoriſche
Sinnbilder, Hieroglyphen und Myſterien verhuͤllt,
daß kein gelehrter Profan das mindeſte errathen
kann und ſoll, ja nicht einmal ein Bruder des
Ordens, der noch unter Bildung ſteht, d. i. der
ſich noch in den niederen Graden befindet, iſt
dazu im Stande, ſondern nur einzig der, welcher
durch die hoͤheren Grade den geheimen Ordens-
Schluͤſſel, quae claudit Aperientem, et aperit
Claudentem,
erhalten, den goldenen Ordens-Kno-
ten aufzuloͤſen im Stande iſt, und den Perfect-
Grad erreicht hat, weswegen wir heut zu Tage
nicht nur ſo manche Gelehrte ſehen, die ſich mit
leeren Meinungen den Kopf zerbrechen, ſondern
auch einzelne Ordens-Bruͤder, ja wohl gar zuwei-
len hohe Logen-Beamten, die wegen Abweichungen
vom aͤchten Ritual des Ordens Vollkommenheit
nie erreicht haben, wie es uns leider dieſe und
jene oͤffentliche Streitſchriften beweiſen.


Was das Alter des Frei-Maurer-Ordens be-
trifft, ſo ſagt uns die Geſchichte, daß ſchon im
vierzehnten Jahrhundert auf den Grund einer
alten moraliſchen Wiſſenſchafts-Societaͤt der noch
jetzt bluͤhende St. Andreas-Orden, (?) die eigent-
liche wahre Frei-Maurerei, (?) geſtiftet, theils aus
politiſchen, theils aus andern Ruͤckſichten mit dem
damals in Verfall gerathenen Architecten-Or-
den verbunden, und nachher vom Schottiſchen Koͤ-
nig David Stuart zu einem koͤniglichen Or-
[325] den gemacht wurde, und die erſte Zuſammenkunft
oder Loge dieſes Ordens, ward den 21. Maͤrz 1314.
auf einem koͤniglichen Schloſſe, unter dem Namen
Kilwing gehalten, der Orden ſelbſt bald darauf
mit Enthuſiasmus in allen brittiſchen Laͤndern aus-
gebreitet, und der Biſchoff von Exeter, Walter,
Stapleton
zu York (Grandmaster for the
Architect-Order
) nicht allein mit dieſem Orden
beehrt, ſondern auch zum Schottiſchen Provinzial-
Groß-Meiſter erwaͤhlt. Von Ihm wurde Anno
1327. der engliſche Koͤnig EdwardIII., nebſt
vielen andern bedeutenden Maͤnnern in der Yorker-
Loge in dieſen Koͤniglichen Orden aufgenommen.


Der St.Johannis Frei-Maurer-Orden,
der eigentlich nur aus zwey Graden beſteht, (?)
wurde erſt ſpaͤter in England fundirt, und dem St.
Andreas-Orden einverleibt, theils um die wuͤrdig-
ſten Mitglieder beſſer auswaͤhlen zu koͤnnen, theils
aus andern Gruͤnden, welche uns die geheime
Ordens-Chronik naͤher lehrt.


In England wurden nun zwar hernach beim
Ausbruch der ungluͤckſeeligen Kriege mit Schott-
land unter Minderjaͤhrigkeit der Thron-Erben, und
alſo unter der Regentſchaft von Koͤniginnen, welchen
dergleichen geheime Geſellſchaften aus politiſchen
Gruͤnden mißfielen, nach einer Parliaments-Acte
de dato Weſtmuͤnſter den 17. November 1423.,
und einer andern von HeinrichVI. A. D.
1425. die Verſammlungen oder Zuſammenkuͤnfte
der Frei-Maurer unter harter Strafe verboten;
allein dadurch litt der Orden nicht die geringſte,
[326] Stoͤhrung, denn die Bruͤder verſammelten ſich in
London nach wie vor, nur immer unter anderen
Namen, als: Nivelleurs, Noachiten, Phila-
lethen
ꝛc. (?) ſo, daß ihnen die Polizei nie etwas
anhaben konnte. Beſonders aber außerhalb Lon-
don, nahm die Ordens-Verbruͤderung auf dieſe
Parliaments-Acte gar keine Ruͤckſicht, jedes Haupt
einer Provinz ſicherte den Bruͤdern Schutz zu, und
ich will nur das Eine Beiſpiel anfuͤhren, daß der
Erzbiſchoff Henry Chicherley von Canterbury
ſich der dortigen Loge unter dem Vorſitze von Sir
Thomas Stapylton ganz beſonders annahm,
wie es das lateiniſche Manuſcript des Priors
William Molart unter dem Titel:
Liberatio generalis Domini Guilelmi
Prioris Ecclesiae Christi Cantuariensis erga
fastum. Notatus A. Domini
1429.“

hinlaͤnglich beweißt, welches denn auch Urſach war,
daß darauf Koͤnig HeinrichVI. eigenhaͤndig
mehrere Fragen uͤber die Frei-Maurerei aufſetzte,
die noch heutiges Tages in dem Archive der Bod-
leyaniſchen Bibliothek in Manuſcript vorhanden, und
Ihm ſo von dem Orden beantwortet worden ſind, daß
Er nicht allein Hochachtung fuͤr denſelben empfand,
ſondern ſich auch ſelbſt Anno Dom. 1442 zum Frei-
Maurer aufnehmen ließ, woruͤber uns der bekannte
Locke in ſeinem Briefe an den Graſen von Pem-
broke
naͤhere Nachricht ertheilt. In Hinſicht des
Namens: Frei-Maurer giebt die geheime Or-
dens-Chronik zur Gnuͤge davon weitere Nachricht.


Aber auch der erwaͤhnte St.Andreas-Or-
[327] den iſt nur eine Grundlage oder ein Vorhof, zu
einem noch hoͤhern, und 300 Jahr aͤltern Orden,
uͤber welchen hier leicht ausfuͤhrlicher geſprochen
werden koͤnnte, wenn nicht grade dieß ein vorzuͤg-
liches Ordens-Geheimniß bleiben ſollte; und
wer kann denn alſo widerlegen, ob ſich dieſer letz-
tere nicht auf einen noch aͤltern gruͤndet! —


In Hellyots ausfuͤhrlicher Geſchichte aller
Kloͤſter und Ritter-Orden ſehen wir einen Haufen
dergleichen Orden vom 11. Jahrhundert an, ja
wir finden ſie ſelbſt, ohne einmal auf den alten
egyptiſchen Prieſter-Orden Ruͤckſicht zu nehmen,
ſchon in den erſten Jahrhunderten vor, als nach
Chriſti Geburt, und wenn wir ferner bedenken,
daß Frei-Maurer durch ihre Erkennungszeichen
ſich gleich mit den Laazer-Secten in China, mit
den Gauren in Perſien und Indien, und mit den
Peripatetikern, oder ſogenannten Marabuten in
Marocco und Afrika, ohne ein einzig Wort von
der Landesſprache zu verſtehen, bekannt machen
koͤnnen, daß ferner nach der Behauptung engliſcher
Geſchichtſchreiber, die alten Druiden dieſelben Zeichen
und Merkmale beſaßen, ſo kann es unmoͤglich noch
eine Frage ſeyn, ob die Entſtehung des Frei-Mau-
rer-Ordens aͤlter iſt, als das ſechzehnte, ſiebzehnte
oder achtzehnte Jahrhundert.


In Hinſicht der Roſenkreuzer,
deren eigentlichen Namen ich hier nicht nennen
will, ſo iſt dieß ein eben ſo geheimer, wo nicht
[328] noch geheimerer Orden als der der Frei-Maurer. Der
gelehrteſte Profan iſt alſo auch hier nicht im Stande
das mindeſte zu entdecken, oder nur zu errathen,
und alle die gedruckten Buͤcher, die der Herr Pro-
feſſor Buhle zu ſeinen Beweiſen daruͤber anfuͤhrt,
ſind daher offenbar vorwitzige Ideenſchriften. (!)


Es kann allerdings unter den Roſenkreuzern,
wie unter den Frei-Maurern aͤchte und falſche
geben, und es iſt moͤglich, daß auch der Moͤnch
Chriſtian Roſenkreuz, — Jacob Boͤhme,
und der Theologe und Praͤlat im Wuͤrtembergiſchen,
Doctor J. V. Andreaͤ Ordens-Eingeweihte
waren, aber
ob ſie aͤchte Ordens-Bruͤder geweſen?
ob ſie das vollkommne Ziel des Ordens
erreicht? und
ob ſie, wenn dieß der Fall iſt, von
ihren Ordens-Geheimniſſen wirklich
Mißbrauch gemacht haben?


Dieß ſind die Fragen, deren Beantwortung
aus der Urſprungs-Angabe des Ordens, vom Herrn
Profeſſor Buhle wenigſtens ganz und gar nicht
erhellet.


Die Geſchichte lehrt uns hinlaͤnglich, daß viele
Griechen, die egyptiſche Schuͤler waren, in ihrem
Vaterlande mehrere geheime Verbruͤderungen, die
wir Logen nennen koͤnnen, ſtifteten, in welchen
wieder tauſende von Italiaͤnern das Licht erhielten,
wovon ich jedoch nur einzig den roͤmiſchen Kaiſer
Auguſtus anfuͤhren will, welcher nach Athen
reiſte, und von dem großen Eleuſiniſchen Ober-
[329] meiſter Hadrian in den Weisheits- oder Wiſſen-
ſchaftsorden, (der im Griechiſchen τελετη und
im Roͤmiſchen Initia hieß) eingeweihet wurde.


Aus dieſen griechiſch-roͤmiſchen Schulen ent-
ſtanden hernach wieder die groͤßten Maͤnner,
wovon wir weiter unten nur einige anfuͤhren wollen,
und dieſer Orden iſt es, welchen Orpheus,
Plato, Cicero
und Plutarch ſo hoch geſchaͤtzt,
geruͤhmt, ja beſungen haben, welches uns alſo einen
Beweis giebt, daß er von dem entfernteſten Alter
herſtammt, und ſtets fuͤr Hochheilig gehalten wurde.
Ein mehreres hieruͤber lehrt uns SuetonC.
XXV.
und Diogenes Laertius 9 Buch 3 bis 9.
und Maximi Tyrii Dissert.


Vorzuͤglich aber erfahren wir durch die geheime
Ordens-Geſchichte, daß anno mundi 3101 meh-
rere weiſe Griechen ſich im Toskaniſchen nieder-
ließen, und eine theoretiſche und practiſche Ver-
bruͤderung ausmachten. Ihre theoretiſche Haupt-
loge ſoll zu Monté Senario, (Berg Senar auch
Mons sani aeris genannt), und ihre practiſche
Werkſtellen in den Hetruriſchen Gebirgshoͤhlen
geweſen ſeyn; und dieſen alten Orden ſollen ſpaͤter-
hin, etwa um das Jahr 1000 nach Chriſto,
ſieben Kaufleute aus der geheimen Bruͤderſchaft:
de Laudesi zu Florenz genannt, wieder
erneuert, und deshalb auf den Truͤmmern jenes
alten Schloſſes zu Monté Senario, wieder eine
Kirche nebſt mehreren Wohnungen aufgebauet
[330] haben, woraus jetzt ein Benedictiner-Kloſter ent-
ſtanden ſeyn ſoll.


Aus dieſer Verbruͤderung ſind beſonders beruͤhmt:
Buſchotto, Il Buano, Iphicrato, Biasco,
Beroaldo, Agrippa
von Netterheim, Biſchof
Albrecht von Regensburg, Peter von Apone,
Roger Baco, Thomas Burgey und tauſend
andere, die alle große Meiſter der Magie, Aſtro-
logie, Alchymie, Mathematik, Mechanik und Phyſik
waren. Schon annoChriſti 284. nahm der
heidniſche Kaiſer Diocletian dieſen Orden in
Protection, durch welchen in Italien alle Kuͤnſte
und Wiſſenſchaften ſo ſehr emporgehoben wurden,
daß die toskaniſche Bauart die fuͤnfte in der Rang-
ordnung wurde, und dieſer Orden war es auch,
welcher annoChriſti 722. denen bedraͤngten und
verfolgten Chriſten, unter dem gothiſchen Prinzen
Pelagius, einen ſichern Zufluchtsort in ſeinen
Gebirgshoͤhlen gab, wodurch die Glieder deſſelben
ſo ſehr zahlreich wurden, daß ſie ſich auch in die
Aſturiſchen und Pyrenaͤiſchen Gebirge ausbreiteten,
wornach ſie ſich mit den Galliciern und Caſtiliern
verbanden, und durch ihre Macht nicht nur das
Koͤnigreich Leon, ſondern auch das Koͤnigreich
Suprarbien ſtifteten. Selbſt der fraͤnkiſche Koͤnig
Carl Martel, ſuchte annoChriſti 741. viele
gelehrte Griechen zu gewinnen, und der engliſche
Koͤnig Athelſtan zog annoChriſti 925. eine
Menge von ihnen nach England, wodurch bald
darauf in York eine der erſten Bibliotheken aller
Weltlaͤnder fuͤr die Architectur ꝛc. entſtand. —


[331]

Einer von den Bruͤdern dieſes geheimen Philo-
ſophen-Ordens, nehmlich Philipp Benizzi,
verbeſſerte ſpaͤterhin denſelben zwar in ſeiner Reli-
gions-Verfaſſung, aber nicht in den Wiſſenſchaften,
und nachdem er annoChriſti 1233. das fuͤnfte
Haupt deſſelben ward, legte man denen Bruͤdern
den Namen: Serven, Serviten, Annon-
ciaden
, auch Diener der heiligen Jungfrau bey,
woruͤber Helyot Th. 3. pag. 353. ꝛc. in etwas,
das geheime Ordens-Archiv aber, beſonders hin-
laͤngliche Nachricht giebt. — So finden wir alſo
durch die ganze chriſtliche Zeitrechnung die geheime
Exiſtenz dieſes Philoſophen-Ordens, aus dem von
Zeit zu Zeit die groͤßten Maͤnner der Welt hervor-
traten, wovon wir nur folgende wenige bemerken
wollen:


  • AnnoChriſti 1090 — Petrus Lombardus
    von Navarra aus dem Maylaͤndiſchen gebuͤr-
    tig, welcher anno 1140. zum Biſchof von
    Paris erwaͤhlt wurde. Sein geheimer
    Philoſophen-Name (!) war: Magiſter
    Sententiarum
    .
  • — — 1150 — Joachim Calaber,
    ein außerordentlich großer Gelehrter, der
    anno 1190. wider den Willen des Pabſtes,
    von der Gemeine zu Calabrien zum Abt
    erwaͤhlt wurde.
  • — — 1200 — Alexander ab Ales,
    ein gebohrner Englaͤnder, welcher wegen
    ſeiner großen Gelehrſamkeit zu Paris zum
    [332] Profeſſor der Theologie erwaͤhlt wurde.
    Sein geheimer (!) Name unter den Bruͤ-
    dern war: Doctor Irrefragabilis.
  • AnnoChriſti 1240 — Joannes Bonaven-
    tura
    aus dem Toskaniſchen gebuͤrtig. Er
    wurde anno 1250. zum Cardinal und
    Biſchof von Albano erwaͤhlt, ſein geheimer
    Philoſophen-Name (!) war: Doctor
    Seraphicus
    .
  • — — 1244 — Thomas Aquino aus
    dem Neapolitaniſchen gebuͤrtig, ſein geheimer
    Philoſophen-Name (!) war: Doctor An-
    gelicus
    .

und ſo tauſend andere. Bei dieſer allgemein ver-
breiteten Gelehrſamkeit konnte es nicht fehlen, daß
man auf den Einfall kam, oͤffentliche gemeinnuͤtzige
Schulen zu errichten. Dieß geſchah auch wirklich,
und der Churfuͤrſt und Pfalzgraf Rupertus
Rufus
ſtiftete die erſte anno 1346. zu Heidelberg.
Er war ebenfalls ein Eingeweihter jenes Ordens.
Die zweite hohe Schule wurde nicht lange darnach
anno 1361. von den Erzherzoͤgen von Oeſtreich,
Gebruͤdern Rudolph und Albrecht, die auch
geheime Ordens-Bruͤder waren, zu Wien geſtiftet,
u. ſ. w. Winkelmann, Coelestinus, Wil-
kius, Valentin Andreaͤ, und andere beruͤhren
etwas mehr uͤber die aͤltern Lehrſchulen, deren
oͤffentliche Errichtung zur Folge hatte, daß jener
geheime Philoſophen-Orden bis anno 1600.
gleichſam ſtill lag. Jetzt aber traten die Schuͤler
[333] von Roger Baco in England mit Enthuſiasmus
fuͤr ihren Orden auf, ſo wie zu gleicher Zeit in
Ober-Deutſchland 24, und anno 1612. in Nieder-
Deutſchland und Norden andere 24 Logen geſtiftet
wurden, die um ſo mehr bekannt ſind, da ſie im
achtzehnten Jahrhundert von toleranten und
Wiſſenſchafts-liebenden Fuͤrſten, oͤffentlich unter
Protection genommen wurden, und in mehreren
Kalendern ſpecificirt ſtehen. Daß alſo nach der
Behauptung des Herrn Profeſſor Buhle waͤhrend
des ſiebzehnten Jahrhunderts keine Loge vorhanden
geweſen, iſt falſch, und daß Cartesanno 1620.
keine Roſenkreuzer-Geſellſchaft antreffen
konnte, iſt eben ſo natuͤrlich gewiß, als er noch den
heutigen Tag keine Frei-Maurer-Geſellſchaft,
ſondern nur uͤberall einzelne Bruͤder, von
denen es in Deutſchland allein gegen die 50000
giebt, antreffen wird.


Daß der Orden ſich ruͤhmt, mehr Gold und
Schaͤtze zu beſitzen, als die ganze oͤffentliche Welt
geben kann, duͤrfte eine heilige Wahrheit ſeyn, denn
ihr Symbol war und iſt:
Si Christum discis, nihil est, si caetera nescis; et
Si Christum nescis, nihil est, si caetera discis.


Da ich uͤbrigens willens bin, naͤchſtens ein
Werk uͤber die Frei-Maurerei, mit allen ihren
Statuten, Geſetzen, Acten, Ritualien, Urkunden,
und der moͤglichſt vollſtaͤndigſten Ordens-Chronik
[334] theils oͤffentlich, theils als Manuſcript fuͤr Bruͤder
im Druck herauszugeben, ſo will ich jetzt mit Vor-
ſtehendem ſchließen. *)


Lübeck den 15. März 1803.
v. Biörn.


[[335]]

VIII.
Maureriſche Literatur.


  • 1) Taſchenbuch fuͤr Frei-Maurer. Koͤthen,
    1803.
  • 2) Moraliſcher Taſchenſpiegel.

[[336]][[337]]

1.


Das Taſchenbuch fuͤr Frei-Maurer auf
das Jahr
1803. Koͤthen bei Aue iſt erſchie-
nen, und wir halten es fuͤr unſere Pflicht, uͤber
dieſes, bis zum ſechsten Bande gediehene, und in
der Maurerwelt ziemlich allgemein bekannte Werk,
einige Worte zu ſagen. Der Inhalt des vorher-
gehenden Jahrgangs war groͤßtentheils entlehnt,
und gab ohne, ja gegen den Willen ihres Verf.,
Worte des Br. Feßler; dieſer enthaͤlt faſt lauter
Aufſaͤtze des wuͤrdigen Herausgebers, die von ſeinem
gegenwaͤrtigen Standpunkt in der Maurerei zeugen.


Der Roman: Bruchſtuͤcke aus Franz Hell’s
maureriſchem Leben iſt beendigt. Nach einer naͤhe-
ren Expoſition der Seelwerthſchen Schule in
der Maurerei (wie er ſie nennt), wobei zugleich
die Geſchichte Dornfelds, der durch die Maure-
rei verfuͤhrt, und wieder gebeſſert wurde, ſo wie
die Abweiſung eines braven Iſraeliten eingeſchaltet
wird, geht Hell endlich den letzten Aufſchluͤſſen
durch Br. S **** in der Reſidenz entgegen. Dieſer
fuͤhrt ihn dann auf den Gipfel des Berges, und
er ruft S. 96. aus: „Sei mir dreimal geſegnet,
Du Hehre in reinerem Lichte, ich verehre Dich,
wo mein Geiſt reine erhabene Offenbarungen faßt,
Zweites Baͤndch. Y
[338] aber ich ehre auch da Deine Weisheit, wo ich noch
nicht ihre Tiefen zu ergruͤnden vermag.“ ꝛc. und
ſchaut von dieſem Gipfel nun belehrend auf alle
ſeine Verirrungen zuruͤck. — Was nun unſer
Hell, bei dem es uͤbrigens noch nicht gaͤnzlich hell
zu ſeyn ſcheint, gefunden hat, ſagt er uns natuͤrlich
nicht, und in ſofern endigt ſich dieſer Maurer Ro-
man, wie alle uͤbrigen. Unſchuldiger iſt er auch
als z. B. St. Nicaise, denn er fuͤhrt uns am
Ende, wo die ſonnigte Hoͤhe glaͤnzt, nicht in ein
Kloſter, ſondern in die — Logen, und zu einem
erleuchteten. Bruder. Sein Rath iſt der: Licht-
begieriger Bruder! halte Dich an die Rituale und
ſogenannten Akten, wie ſie ſind, kuͤmmere Dich
nicht um Buͤcher, und die Nebenwege die Dich
Einzelne, angeblich erleuchtete BB. fuͤhren wollen,
beſuche die LL. fleißig, gieb wohl auf alles acht
und — Dein Glaube wird belohnt werden! —
Wer kennt nicht dieſe Sprache, und das Syſtem,
welches ſie in ſeinen Stellvertretern fuͤhrt? und
wer wird nicht mit uns uͤberraſcht ſeyn, ſie in dem
Munde des denkenden und achtungswerthen Ver-
faſſers wieder zu finden?


Wohl moͤchte er Recht und Fug haben, ſo zu
rathen, wenn vorerſt, ohne Ruͤckſicht auf ein neues
oder altes Syſtem, ausgemacht waͤre, was reine
wahre Maurerei iſt, wohl moͤchte er dann dem
Suchenden rathen, daran und nur daran halte
Dich, und Du wirſt wiſſen und im Innern
fuͤhlen, was Maurerei iſt, und damit Du in
Deinem Wiſſen und Glauben geſtaͤrkt werdeſt, ſo
[339] lies, wo Du kannſt und darfſt, was die einfache
und erhabene Sache fuͤr unverdiente Schickſale
erfuhr. — Aber durch obigen Rath iſt nichts
gewonnen. Ihn leſen Bruͤder aller Sekten und
Syſteme. „Alſo in meiner L. werd’ ichs finden,“
ſagt dieſer. „In meiner Loge iſts zu ſuchen,“
ſagt jener: „Nun will ich in meiner L. recht
aufmerkſam ſeyn!“ ſagt der dritte, und ſo der hun-
dertſte, und alle hoͤren Etwas, nach Maasgabe
der Syſteme, und der zeitigen Wortfuͤhrer Ver-
ſchiedenes. Wer hoͤrt nun das Rechte? wer trift
wenigſtens das Leitende? — O guter Hell, Du
wirſt tuͤchtige und gerechte Syſtemmaͤnner bilden,
Maurer nicht; und nach Dir, wie vor Dir,
werden tauſende uͤber dem glaͤubigen Betrachten
der Worte der Akten hinſterben, und fuͤr einen
[...]ellen Blick in die Myſterien der ehrwuͤrdigen
Kunſt auf immer verdorben ſeyn.


Stelle Dir vor, ein Juͤngling kaͤme zu Dir,
und baͤte Dich um Unterricht in der Mythologie,
um Aufſchluß z. B. uͤber die Fabel des Jupiter.
Du reichteſt ihm gefaͤllig aus Deiner Bibliothek den
Apollodor, oder den Damm, den Ramler, den Moritz
oder Irgend einen der Mythographen. „Lies und
ſtudiere!“ ſagſt Du. Der Juͤngling ſtudirt mit
der hoͤchſten Anſtrengung. Nach einiger Zeit kommt
er zuruͤck, und ſagt mit kindlicher Aufrichtigkeit:
Ich weiß freilich eine Menge Fabeln vom Jupiter,
ich kann ſie herſagen, aber ich verſtehe ſie nicht,
es iſt darinn keine Einheit, kein Zuſammenhang,
kein Geiſt; ich bin an Worten und einigen Ge-
[340] ſchichten, nicht an Ideen reicher geworden, und
vom Jupiter weiß ich in der That Nichts. Der
Jupiter des einen iſt nicht der des andern, Homer
hat einen der zu dem der doriſchen und aeoliſchen
Dichter nicht paßt, und ſo geht es fort, die eine
Fabel verwirrt die andere, und zuletzt kehren ſie in
ein Chaos zuruͤck. „Du haſt noch nicht den gehoͤ-
rigen Blick, antworteſt Du, wenn dieſer Dir kommt,
ſo wird Dir alles aufgethan ſeyn!“ — Der Juͤng-
ling ſtudirt aufs neue, und ſinnt unablaͤſſig, und
ſtrengt ſeinen Verſtand und ſeine Phantaſie an,
um Einheit in die Verwirrung zu bringen. End-
lich uͤberraſcht er Dich mit ſeiner gluͤcklichen und
ſcharfſinnigen Entdeckung, und Du — wenn Du
die Mythologie kennſt — biſt erſtaunt, nicht
einen wahren Gedanken in ihr zu finden
.
Laß ihn das Geſchaͤft fortſetzen, Hell! wenn Du
grauſam genug dazu biſt, und Du wirſt immer
den gleichen Erfolg ſehen, denn Du kannſt
ſelbſt nichts anders
. Endlich fuͤhrt das Gluͤck
den Armen zu einem beſſeren Lehrer, oder auch Du
ſelbſt, wenn Du es kannſt, wirſt dieſer beſſere
Lehrer und ſprichſt: Die Fabeln vom Jupiter, die
Du nun von den Mythologen gelernt haſt, ſind
nicht zu einer Zeit und an einem
Orte
entſtanden. Die aͤlteſte einfache Mythe, die wir
kennen iſt die, z. B. die ioniſche; dieſe iſt vermehrt
worden durch voͤllig ungleichartige, z. B. die
cretenſiſchen, und veraͤndert in ſpaͤteren Zeiten
durch die lyriſchen, dramatiſchen u. a. Dichter nach
ihrem beſonderen Zweck
. Jupiter iſt ein
[341] Collectiv-Name, der eine Menge Jupiters bezeichnet,
die nur das gemein haben, daß ſie den hoͤchſten der
neuen Goͤtter-Familie bezeichnen. Darum trenne
das Spaͤtere von dem Fruͤheren, das Fremde von
dem Einheimiſchen, und loͤſe das anſcheinende
Ganze, welches ein formloſes, unzuſam-
menhaͤngendes Weſen iſt, mit Huͤlfe einer
verſtaͤndigen kritiſchen Scheidekunſt auf
.
Lies ſodann mit dem wahren Blick die Alten ſelbſt,
und Du wirſt die Mythen beſſer verſtehen lernen,
als aus irgend einer Fabellehre.


Die Anwendung von dieſer Vergleichung, wird
der Kenner leicht zu machen wiſſen, ſo wie er die
Wahrheit dieſer Winke laͤngſt erkannt hat. — Auch
der Br. S. macht nichts gut, der hier an der Spitze
der hoͤchſten Aufſchluͤſſe ſteht, denn nach allen Anzeigen
fuͤhrt er den guten Franz Hell doch wohl den hoͤheren
Graden zu, und macht ihn hoͤchſtens zum J. V. —
Dieſes Heil aber kennen die Leſer der Eleuſinien
ſchon etwas naͤher.


Sehr gut iſt die, nur etwas zu weitlaͤuftige und
trockne Abhandlung: Ueber die Beſchuldigungen, die
dem Frei-Maurer-Orden in den neueſten Zeiten ge-
macht worden ſind, in Beziehung auf den von der Bata-
viſchen Bruͤderſchaft deshalb ausgeſetzen Preis, auf
die beſte Widerlegungsſchrift S. 151 — 218. worinn
die Zweckloſigkeit dieſer Preisaufgabe ſehr wohl aus-
einandergeſetzt, und dagegen vorgeſchlagen wird: den
Preis lieber fuͤr die Gegner zum Beweiß der Beſchuldi-
gungen gegen die Frei-Maurer-Bruͤderſchaft aus-
zuſetzen, und im Fall Concurrenz-Schriften einliefen,
[342] einen oͤffentlichen, allgemein geachteten Gerichtshof
zum Schiedsrichter zu machen.


Sodann folgt eine Abhandlung mit der Ueber-
ſchrift: Hat die Frei-Maurerei Geheimniſſe?
von S. 219 — 251. Sie iſt ganz im Geiſte der letzten
Fortſetzung des Romans Franz Hell geſchrieben, und
ruht auf einem eben ſo vagen, ſchwankenden Stand-
punkte, als jene. So lange der Verf. von dem Nicht-
geheimniß
der Bruͤderſchaft ſpricht, hat er ganz
recht; aber [ſobald] er nun S. 238. das Geheimniß ent-
haͤllt, wenn er z. B. ſagt: Alle befehlen, denn alle
Vollendete concurriren zu jedem Geſetze, alle gehorchen
den Geſetzen, die allein Gewalt haben. Ehre und
Achtung und Gehorſam dem Geſetz, und Liebe den
Bruͤdern, den Starken wie dem Schwachen; ſcho-
nende Nachſicht, zuvorkommende Aufmunterung,
jedem ſeine Veredlung zu erleichtern ꝛc. ſo hat er zwar
einen Theil der maureriſchen Geſinnung aus-
geſprochen, aber das maureriſche Geheimniß nicht ver-
rathen. Dieſer Gegenſtand will gruͤndlicher behandelt
ſeyn, als es vor dem großen Publikum geſchehen kann.
Der Schluß des Aufſatzes iſt vortrefflich, und der Verf.
verdient dafuͤr einen bruͤderlichen Haͤndedruck.


Unter den Briefen eines reiſenden Maurers von
S. 257. an, iſt beſonders der zweite merkwuͤrdig, der
das Schickſal erzaͤhlt, welches der Deput. Groß-Mei-
ſter der Gr. L. R. Y. bei dieſer L. gehabt hat. Man
muß dieſes ſelbſt leſen, denn es leidet keinen Auszug;
die Nachrichten ſcheinen, nach einigen Ausdruͤcken und
Partikularitaͤten zu ſchließen, authentiſch zu ſeyn,
indeß ſagt der Verf. ſelbſt S. 278, daß ſeine Relation
unvollſtaͤndig ſey. Sonderbar iſt es uns vorgekommen,
daß der Reiſende den Br. Feßler einen „aͤchten Juͤn-
ger Kant’s“ nennt; ſoviel wir den wuͤrdigen Mann
kennen, gehoͤrt er keiner Schule an.


Außer Miscellen, einigen Gedichten und
Aphorismen finden wir noch Recenſionen
uͤber die maureriſchen Schriften von 1801., uͤber
[343] welche wir nicht abermals eine Recenſion ſchreiben
wollen. Wohl haͤtten wir gewuͤnſcht, daß der
Herausgeber ſchon die Literatur von 1802. abge-
handelt haͤtte, weil wir ſodann das Vergnuͤgen
gehabt haͤtten, von einem ſo denkenden Maurer das
erſte Baͤndchen der Eleuſinien beurtheilt und ge-
wuͤrdigt zu ſehen.


2.


Es iſt ein Buch erſchienen, unter dem Titel:
Moraliſcher Taſchenſpiegel fuͤr Frei-
Maurer und fuͤr die, welche es nicht
ſind. Inspice te in speculo.
5803. 8.


Der Verf. ſagt in der Vorrede: „Es ſei noch
keine vollſtaͤndige Sittenlehre fuͤr Frei-Mau-
rer erſchienen. Das Publikum ſelbſt verlange viel
von einem Maurer, es ſei daher dieſen wichtig, ihre
Pflichten immer genauer kennen zu lernen. Dem
Nichtmaurer diene ein kurzes maureriſches Moral-
ſyſtem, nicht blos zu eigener Belehrung oder Er-
innerung, ſondern auch zur Darſtellung der herrſchen-
den Denkungsart in dem O. — Reine Sittlichkeit ſey
Geiſt und Geſinnung der Maurerei. Dieſes Reele ſey
kein Geheimniß u. ſ. w. Die Grundſaͤtze habe er von
Gellert, Feder, Ferguſon, Abbt, Garve, und
Kant entlehnt, er ſey aber kein Freund des katego-
riſchen Imperavies
, und er glaube, der Eudaͤmo-
nismus werde fortdauern.“


Die Unternehmung iſt gut gemeint, und in dem
Sinne des Verf. mit Fleiß ausgefuͤhrt; aber er hat
folgende Saͤtze nicht erwogen:


1) es giebt keine Moral fuͤr Frei-Maurer, ſo wie
es keine maureriſche Moralitaͤt giebt.


2) Die Moralitaͤt und Beſſerung kann nicht ge-
lehrt werden, ſie iſt das unantaſtbare Heiligthum, in
[344] welches nur der einzelne Menſch als Hoherprieſter
eingeht.


3) Es giebt aber eine maureriſche Anſicht der Welt,
der Religion, der Natur ꝛc. und jeder erwirbt ſich ein
Verdienſt, der dieſe Anſicht uͤberall anwendet, cultivirt
und verbreitet.


4) Es giebt endlich auch beſondere Pflichten, die
der Maurer als ſolcher, in ſeinen Logen-Verhaͤlt-
niſſen
hat, wobei man aber nicht fragen darf, in wel-
cher Abſicht er ſie ausuͤbe, welches, als zur Moralitaͤt
gehoͤrig, ſeinem Gewiſſen uͤberlaſſen bleibt.


Statt deſſen hat der Verf. nach der gewoͤhnlichen
ſchwankenden Manier, die Lehre von den Pflichten
gegen Gott, gegen ſich ſelbſt, und gegen andere behan-
delt, und dieſe Moral fuͤr alle Menſchen, eine maure-
riſche
genannt; er hat gutmuͤthig geglaubt, den Mau-
rern einen Spiegel vorzuhalten, in welchem die Mau-
rer ſich in ihrer wahren Geſtalt, die Nichtmaurer aber
jene in einer guten erblicken ſollen; er hat gemeint, da-
durch etwas zur Beſſerung und Belehrung ſeiner BB.
beizutragen, und, ſtatt in das maureriſche Weſen einzu-
greifen, und die Dinge und Verhaͤltniſſe mit maure-
riſchem Blick zu betrachten, ſtatt die BB. uͤber den
Umfang und die Grenzen ihrer Logenpflichten zu be-
lehren, welches eine ſehr verdienſtliche Arbeit geweſen
waͤre, — eine Pflichtenlehre vorgetragen, die durch
ihren Grundſatz (die Gluͤckſeeligkeit) allen Pflichtbe-
griff zerſtoͤrt, dadurch unmoraliſch iſt, und mit der
Maurerei nicht zuſammenhaͤngt.


Wir bezeugen uͤbrigens der Denkungsart des wuͤr-
digen Br. unſere Achtung, und wuͤnſchen, daß er mit
unbefangenem Geiſte, die im erſten und zweiten Baͤnd-
chen der Eleuſinien gelieferten Briefean Konſtant
leſen und beherzigen moͤge.

[][][]
Notes
*)
Berlin 1802. bei Johann Wilhelm Schmidt.
Preis 1 Thlr. 12 Gr.
*)
Daruͤber moͤchte wohl jede Erklaͤrung uͤber-
fluͤſſig ſeyn! der erſte Band der E. mit ſeinen 251.
Seiten, liegt ja gedruckt vor den Augen des Publi-
kums, und dieſes wird jenen gemeinen Ausdruck zu
wuͤrdigen wiſſen. d. H.
**)
Durch ein Verſehen des Herausgebers ſteht
ſein Name nicht bei der trefflichen Schilderung
S. 179. bis 197.
*)
Noch iſt dieſer zweite Theil nicht unter der
Preſſe. Wichtige Gruͤnde noͤthigen den Verfaſſer
den Praͤnumerations-Termin bis Junius d. l. J.
zu verlaͤngern. Und da von dem erſten Theile keine
Exemplare mehr zu haben ſind, ſo wird auch dieſer wie-
der neu aufgelegt, wenn ſich bis Ende Junius eine
hinlaͤngliche Anzahl praͤnumerirender Bruͤder dazu
meldet. Jede Loge, und jeder Frei-Maurer kann
auf den erſten 32 Bogen ſtarken Theil, 1 Thlr. 8 Gr.
und auf den zweiten 38 Bogen ſtarken Theil, 1 Thlr.
12 Gr. Courant Praͤnumeration annehmen, und un-
*)
ter Verſicherung, daß die Praͤnumeranten Maurer
ſind, entweder an Herrn Sander, Buchhaͤndler in
der breiten Straße zu Berlin, oder an den, den
Logen bekannt gemachten Br. zu Dresden einſen-
den. Nach dem letzten Junius kann weder Praͤnu-
meration angenommen werden, noch irgend jemand
ein Exemplar erhalten, weil nicht mehr Exemplare,
als die Zahl der Praͤnumeranten fordert, gedruckt
werden ſollen. A. d. V.
*)
Das heißt: Der muß ſich vom Herrn von Held
in oͤffentlichen Flugſchriften, Ideen, Plaͤne, Abſich-
ten, Motive, Reden und Thaten, aufflicken und an-
kleiſtern laſſen, an die der ſich Abloͤſende, ſeiner gan-
zen Individualitaͤt nach, nie gedacht hat.
*)
Seine Rede wird buchſtaͤblich in F. Maurer.
Schriften abgedruckt und commentirt.
*)
Vergl. Feßlers Schriften S. 450. 51.
*)
Ein Urtheil uͤber eine ſolche Verfaſſung, ſ. im
angef. Buche S. 296 und 97.
*)
Wieder ein ganz aͤhnlicher Fall iſt, und zwar
weitlaͤuftiger, beſchrieben in Br. Feßlers Schr.
von S. 451—477.
*)
Dieſe hier accommodirte Stelle, ſteht im ange-
fuͤhrten Werke S. 302. wo man uͤberhaupt von S.
301 — 306. mit Nutzen nachleſen kann.
**)
Dennoch war das, was er an dem revidirten
Grundvertrage und den Geſetzen that, wohl das Meiſte
und Vorzuͤglichſte.
*)
Von Geld-Angelegenheiten war uͤberall nicht
die Rede, denn Br. A. hat nie eine Kaſſe verwaltet.
Und doch hatte man, jedoch nur auswaͤrts, wo
man die Verhaͤltniſſe eben nicht kannte, bruͤderlich
ausgeſtreut, Br. A. habe aus der Logen-Kaſſe an
3000 Thlr. in ſeinen Nutzen verwandt. Wie gluͤck-
lich waͤre die Loge, wenn ihr eine ſolche Summe zu
ſtehlen nur moͤglich waͤre! — Aber, wie geſagt,
Br. A. hat in die Kaſſen wohl richtig gezahlt,
aber nie eine derſelben unter den Haͤnden gehabt.
*)
Dieſes hier angedeutete Werk ſoll aus 6 Baͤn-
den in Quart beſtehen, und vorzuͤglich folgendes ent-
halten: 1) die vollſtaͤndigſte Ordens-Chronik der Frei-
Maurer, 2) die Statuten vor 1314. und von 1717. ꝛc.
nebſt mehreren, die St.Joh. und St.Andreas L.
betreffend, 3) Von Oekonomie-Tafel-Trauer LL.,
den alten Katechismus, L. Bibliothek und Verzeichniß
4) 12 Reden und eine Geſchichte des T. H. O.
5) Rituale der 10 (!) Gr. des Frei-Maurer-Ordens,
und vollſtaͤndigen Schluͤſſel aller Hieroglyphen (blos
fuͤr BB.) 6) die zu dem ganzen Werk gehoͤrigen
Kupfer. Daß der Hr. Herausgeber ſeine eigene
Anſichten hat, ſieht man ſchon aus dem hier mitge-
theilten Aufſatze; doch wuͤrde das Werk, wegen der
Aktenſtuͤcke aus dem Clermontiſchen Collegio zu
Paris, „uͤber den im J. 1314. (!) in Schottland ge-
ſtifteten St.Andreas oder jetzigen Frei-Maurer-
Orden (!), welche der im J. 1685. nach Frankreich
gefluͤchtete JacobII. hier hinterlies,“ die der Herausg-
kaͤuflich an ſich gebracht haben, und hier abdrucken laſſen
will, fuͤr jedes Logen-Archiv von Wichtigkeit ſeyn. Es
waͤre in hiſtoriſcher Ruͤckſicht wohl zu wuͤnſchen,
daß die Unternehmung zu Stande kaͤme, und durch
Subſcription (von 6 — 7 Thlr. fuͤr den Band, nebſt
2 Louisd’or fuͤr die Kupfer) befoͤrdert wuͤrde. Der Verf.
verſendet eine ausfuͤhrliche gedruckte Ankuͤndigung.
d. H.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Holder of rights
Kolimo+

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2025). Collection 1. Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bhtn.0