[][][][][][][][][[I]]
Vollſtändiger Lehrbegriff
der
höhern Analyſis


Zweyter Theil.
Die Integralrechnung
.

Göttingen,:
Im Verlage bey Vandenhoek und Ruprecht.
1818.

[[II]][[III]]

Inhalt
des

zweyten Theiles dieſer höhern Analyſis.


  • Integralrechnung.
    Vorbegriffe und Grundformeln §. 103. 104. 105.
  • Erſtes Kapitel.
  • Integrirung rationaler Differenziale. Die Formel d y =
    X d x
    zu integriren; wenn X eine algebraiſche ra-
    tionale ganze Function von x iſt. §. 107.
  • Die Formel zn integriren, wenn M, N der-
    gleichen Functionen ſind §. 109-118.
  • Reductionsformeln zu dieſem Behufe §. 119-124.
  • Zweytes Kapitel.
  • Integration irrationaler Differenziale. Das Integral
    zu [finden], wenn M, N irrationale
    Functionen von x ſind. §. 125-128. Wenn M, N keine
    andern irrationalen Größen als √(α+βx+γx2)
    oder Potenzen davon, enthalten §. 129-130.
  • Noch einige Formen von irrationalen Differenzialen, wel-
    che ſich rational machen und integriren laſſen. §. 131-
    133.
  • Integrale welche von elliptiſchen oder hyperboliſchen Bo-
    gen abhängen. §. 134.
  • Drittes Kapitel.
  • Integration der Differenzialformeln, in welchen exponen-
    tial- oder logarithmiſche Functionen vorkommen.
    Dahin gehörige Reductionsformeln. §. 135-144.
  • Integrallogarithmen. Hieher gehörige Vemühungen der
    Hrn. Soldner, Valberga-Caluſo, Beſſel
    u. a. §. 145-149.
  • Viertes Kapitel.
  • Integration von Differenzialen, welche Kreisfunctionen
    enthalten, nebſt dahin gehörigen Neductionsformeln.
    §. 151-162.
  • Integration durch Reihen §. 163. 164. Johann Ber-
    noulli, Taylor
    ꝛc.
  • Integrale innerhalh beſtimmter Werthe der veränderli-
    chen Größe x §. 165.
  • Fünftes Kapitel.
  • Integration von Differenzialgleichungen P d x + Q d y = o
    worin P, Q, Functionen von x und y bedeuten.
  • Bedingungsgleichungen für dieſen Fall §. 166. Wenn
    dieſe ſtatt finden, die Integration zu bewerkſtelligen
    §. 167-172.
  • Integrirende Factoren §. 173-179.
  • Wenn P, Q gleichartige Functionen von x, y ſind, die
    Integralgleichung von P d x + Q d y = o zu finden
    §. 179.
  • Transſcendentiſche Integrale können in manchen Fällen
    durch algebraiſche Formen dargeſtellt werden. §.
    179. 4.
  • Integrirende Factoren für gleichartige Differenzialglei-
    chungen. §. 180.
  • Gleichuugen welche nicht gleichartig ſind, können in man-
    chen Fällen durch geſchickte Subſtitutionen in gleich-
    artige verwandelt werden. §. 181-182.
  • Integration durch Abſonderung der veränderlichen Grö-
    ßen. §. 183.
  • Die Riccatiſche Differenzialgleichung §. 184-186.
  • Sechstes Kapitel.
  • Von den beſondern Auflöſungen und particulären
    Integralen
    gewiſſer Differenzialgleichungen. §.
    187. nebſt Beyſpielen.
  • Zu unterſuchen ob eine ſolche Gleichung beſondere Aaflö-
    ſungen zuläßt, und ſolche zu finden. §. 189.
  • Siebentes Kapitel.
  • Von den Integralen ſolcher Differenzialgleichungen wie
    X d x + Y d y = o, worin X und Y, ſymmetriſche
    Functioneu von x, y ſind. §. 191.
  • Ferner tranſcendentiſche Gleichungen durch algebraiſche
    auszudrücken. §. 192.
  • Das Integral vou zu finden, wenn
    X, Y dergleichen ſymmetriſche Functionen ſind. §.
    193-196.
  • Achtes Kapitel.
    Die Formen von Differenzialgleichungen auszumitteln,
    wenn ſolche durch gegebene Factoren ſollen integrirt
    werden können, oder auch die Formen integrirender
    Factoren ſelbſt zu finden. §. 197-201.
  • Neuntes Kapitel.
  • Integrationen durch Annäherungsmethoden. Werthe der
    Integrale innerhalb beſtimmter Gränzen z. B. von
    x = a bis x = b. Durch Interpolation. §. 202.
  • Montucla, Coteſius. §. 202. 34.
  • Anwendung einer ähnlichen Methode um in einer Glei-
    chung wie y = funct. x, wo funct. x jede alge-
    braiſche oder tranſcendentiſche gegebene Function von
    x bedeutet, für einen gegebenen numeriſchen Werth
    von y, den zugehörigen Werth von x zu finden.
    §. 203.
  • Zebntes Kapitel.
  • Integration der Differenzialgleichungen vom zweyten
    Grade. , wo
    Q, R, S, T Functionen von x, y, und , be-
    deuten. Es muß hiebey irgend ein Differenzial als
    conſtant angenommen werden. §. 204. 6.
  • Reducirte Gleichungen für dieſe Fälle. §. 204. 7. ꝛc.
  • Wenn die vorgegebene Differenzialgleichung ſo beſchaffen
    iſt, daß die aus ihr entſtehende reducirte, keine
    andern Größen als und enthält,
    die Integration zu bewerkſtelligen. §. 205-210.
  • Wenn dle reducirte bloß die Größen x, p, q, oder y,
    p, q, enthält, die Integration zu bewerkſtelligen.
    §. 211-214.
  • Wenn alle vier Größen x, y, p, q, darin vorkommen.
    §. 215-217.
  • Differenzialgleichungen vom zweyten Grade, in andere
    von einer ähnlichen Form zu verwandeln, welche ſo
    beſchaffen ſind, daß wenn ihre Integrale gefunden
    werden können, dadurch auch die Integrale der vor-
    gegebenen bekannt werden. §. 218.
  • Rutzen der Particulärintegrale, um die vollſtändigen zu
    flnden. §. 218-221. (Bey dieſer Gelegenheit noch
    über die Riccatiſche Gleichung, ebendaſ. §. 221.)
    Nutzeu den Reihen unterweilen hiebey gewähren.
    §. 222.
  • Eilftes Kapitel.
  • Ueber einige Fälle von Integrationen höherer Differen-
    zialgleichungen.
    Die Gleichungen
    zu integriren, wenn N, M bloß Functionen von
    den niedrigern Differenzialquotienten in jeder dieſer
    Gleichungen ſind. §. 225-226.
  • Die Gleichung zu integriren, wenn X
    eine bloße Function von x iſt. §. 227.
  • zu integriren. §. 228.
  • zu integriren, wenn X, X
    bloß Functionen von x ſind. §. 229.
  • Noch ein etwas zuſammengeſetzter Fall. §. 230.
  • Die Differenzialgleichung ꝛc.
    = o zu integriren. §. 232.
  • Ferner zu in-
    tegriren. §. 233.
  • Noch eine hieher gehörige Integeation. §. 234.
  • Zwölftes Kapitel.
  • Integration von Differenzialgleichungen worin mehr als
    zwey veränderliche Größen vorkommen. Zuerſt wenn
    3 veränderliche Größen vorkommen.
  • Bedingungen der Integrabilität §. 235 u. f. nebſt den
    Vorſchriften zur Jategration ſelbſt. Daſ. Iter Fall
    und IIter Fall nebſt Beyſpielen.
  • Wenn mehr als drey veränderliche Größen vorkommen.
    §. 236.
  • Dreyzehntes Kapitel.
  • Auflöſung oder Integration der Gleichungen mit partiel-
    len Differenzialen.
  • Vorbereitung und Entwickelung der Begriffe §. 237. nebſt
    Beyſpielen.
  • Integration lineärer Gleichungen mit partiellen Differen-
    zialen, wenn nur drey veränderliche Größen x, y,
    z vorkommen. §. 238-240.
  • Erläuterung durch einzelne Fälle und Beyſpiele. §. 241-
    244.
  • Wenn die lineären Gleichungen mehr als drey veränder-
    liche Größen enthalten. §. 245.
  • Integration von Gleichungen, welche nicht lineär ſind.
    §. 246-248.
  • Integration von Gleichungen mit höhern partiellen Dif-
    ferenzialen als vom erſten Grade. §. 250.
  • Ueber die unbeſtimmten Functionen, welche bey allen
    dieſen Integrationen vorkommen. §. 251.
  • Hrn. Hofr. J. F. Pfaffs allgemeine Methode, die li-
    neären Gleichungen zu integriren. §. 252.
[[1]]

Höhere Analyſis.


Zweyter Theil.
Integralrechnung
.


Höh. Anal.II.Th. A
[[2]][[3]]

Integralrechnung.


Vorbegriffe und Grundformeln.


§. 103.

I.Die Integralrechnung iſt das Umge-
kehrte der Differenzialrechnung. So wie dieſe
aus einer gegebenen Gleichung zwiſchen zwey oder
mehr veränderlichen Größen, das Verhalten der
Differenziale dieſer Größen, von welcher Ordnung
auch die Differenziale ſeyn mögen, alſo die Dif-
ferenzialgleichung
zu finden lehrt, ſo wird
umgekehrt in der Integralrechnung das Verfah-
ren gezeigt, aus einer vorgegebenen Differenzial-
gleichung die Gleichung zwiſchen den veränderli-
chen Größen ſelbſt zu finden, aus welcher jene
Differenzialgleichung entſtehen würde. Das Ver-
fahren, dieſe Aufgabe zu bewerkſtelligen, nennt man
die Integration, und die erhaltene Gleichung
A 2die
[4]Zweyter Theil.
die Integralgleichung, oder auch ſchlechtweg
das Integral der vorgegebenen Differenzial-
gleichung.


II. Nehmen wir erſtlich eine Differenzial-
gleichung zwiſchen zwey veränderlichen Größen
x, y, ſo wird ſich ſolche allemahl durch P d x +
Q d y = o
ausdrücken laſſen, wo P, Q nach Ge-
fallen Funktionen von x und y allein, oder auch
von beyden veränderlichen Größen zugleich ſeyn
können.


III. Sind nun P und Q Funktionen von
x allein, ſo hat man
wenn — der Kürze halber mit X bezeichnet wird.


IV. Hier iſt alſo X eine Funktion von
x, und y das Integral von X d x d. h. hieje-
nige Funktion von x, welche differenziirt X d x
geben würde. Man zeigt dies Integral
durch den Buchſtaben
an

V. Dieſer Fall, daß P und Q, und folg-
lich auch X bloß allein eine Funktion von x (oder
eben ſo auch P, Q beyde bloß Functionen von y)
ſind,
[5]Integralrechnung. Vorbegriffe.
ſind, iſt der leichteſte in der Integralrechnung
daher denn auch gewöhnlich mit der Integration
ſolcher Differenziale der Anfang gemacht wird,
wenn gleich nach Beſchaffenheit der Function X,
je nachdem ſolche algebraiſch oder tranſcendent iſt,
auch hier oft manche Schwierigkeiten bey der In-
tegration ſich zeigen, ſo wie man denn überhaupt
leicht ſieht, daß es weit ſchwerer iſt, zu einem
vorgegebenen Differenzial das Integral zu finden,
als hingegen eine vorgegebene Function zu diffe-
renziiren, welche Operation man völlig in ſeiner
Gewalt hat.


VI. Eben ſo hat auch der Fall keine Schwie-
rigkeit, wenn P bloß allein eine Function von x,
und Q bloß allein eine Funktion von y wäre. Hier
iſt alsdann P d x bloß allein das Differenzial
einer Function von x, und Q d y bloß allein das
Differenzial einer Function von y, und wenn man
daher einen Ausdruck integriren kann, worinn
nur eine veränderliche Größe vorkömmt, d. h.
wenn man die einzeln Integrale P d x; Q d y
finden kann, ſo hat man, die Gleichung
wo C eine unveränderliche Größe bezeich-
net, (welche auch durch das Wort Constans an-
gedeu-
[6]Zweyter Theil.
gedeutet wird) als die Integralgleichung der vorge-
gebenen Differenzialgleichung P d x + Q d y = o
zu betrachten.


VII. Eben ſo iſt auch P d x + Q d y = o
leicht zu integriren, wenn P bloß eine Function
von y, und Q bloß eine Function von x wäre.
Denn man hätte alsdenn ; oder
, wo u. wieder
Differenziale, jedes nur von einer veränderlichen
Größe, darſtellen.


VIII. Sind aber P, Q, nach Gefallen ver-
miſchte Functionen von x und y, dann reichen
oft alle Kunſtgriffe nicht hin, die Integrale ſol-
cher Differenzialgleichungen zu finden. Ja es
können Differenzialgleichungen ſo beſchaffen ſeyn,
daß auch gar keine Relation zwiſchen den verän-
derlichen Größen ſtatt findet, woraus eine ſolche
Differenzialgleichung abgeleitet werden könnte, und
alſo ſolche Differenziale für bloße Chimären ge-
halten werden müſſen.


IX. Iſt nun endlich eine Differenzialgleichung
ſo beſchaffen, daß darinn ſogar auch höhere Dif-
feren-
[7]Integralrechnung. Vorbegriffe.
ferenziale, z. B. die Differenzialquotienten
oder auch Potenzen von vorkommen, ſo
entſtehen der Schwierigkeiten noch mehrere, um
die Integralgleichungen zu erhalten. Aber die
Integralrechnung iſt bis jetzt noch nicht zu dem
Grade der Vollkommenheit gelangt, um für jeden
Fall eine genügende Auflöſung geben zu können,
und was bis jetzt darinn geleiſtet worden, iſt un-
beträchtlich gegen dasjenige, was noch zu wünſchen
übrig iſt. Um wie viel größer noch die Schwie-
rigkeiten werden müſſen, wenn außer zwey ver-
änderlichen Größen, ſo gar noch mehrere vorkom-
men, bedarf keiner weitern Erinnerung.


X. Im gegenwärtigen Kapitel wollen wie
uns bloß mit der Integration der Differenzialglei-
chungen von der Form d y = X d x, wo X bloß
eine Function von x iſt, beſchäftigen, und alſo
zeigen, wie die Integrale
y = X d x
zu finden ſind, je nachdem X eine rationale, irra-
tionale oder auch eine tranſcendentiſche Function
von x ſeyn würde.


§. 104.
[8]Zweyter Theil.
§. 104.

1. Zur Grundlage der folgenden Unterſu-
chungen werden uns die vorzüglichſten in der Dif-
ferenzialrechnung gefundenen Differenzialformen
nützlich ſeyn.


2. So z. B. fanden wir, wenn die Function
vorgegeben war, wo C eine unveränderliche oder
Conſtante Größe bezeichnete, die Differenzialglei-
chung
Von dieſer iſt alſo umgekehrt
die Integralgleichung d. h.
dem In-
tegral von n A xn — 1 d x.


3. Man ſetze der Kürze halber n A = B;
n — 1 = m
alſo
ſo iſt , wegen
Von dem Differenzial B xm d x iſt alſo das Integral
= , wovon man ſich auch wieder
durch die Differenziation überzeugen kann.


4.
[9]Integralrechnung. Vorbegriffe.

4. Für B = 1 iſt d y = xm d x alſo
der Exponent m kann hier jede ganze bejahte,
verneinte oder auch gebrochene Zahl ſeyn.


5. Die conſtante Größe C muß je-
desmahl aus den Umſtänden der Aufga-
be, welche auf die angeführte Differen-
zialgleichung geführt hat, beſtimmt wer-
den
. Iſt z. B. die Aufgabe ſo beſchaffen, daß
für x = o auch y oder das Integral = o iſt,
ſo erhellet, daß in dieſem Falle auch die beſtän-
dige Größe C = o ſeyn würde.


Sollte aber z. B. y = a werden für x = o,
ſo würde C = a ſeyn müſſen, alſo
Wäre die Aufgabe ſo beſchaffen, daß y = a für
x = b würde, ſo hätte man, dieſe Werthe ſtatt
y und x in die Integralgleichung (3) geſetzt,
demnach
Mithin
[10]Zweyter Theil
Mithin, für jeden andern Werth von x
Oder
woraus man ſieht, daß für x = b; würklich
y = a wird, wie es die Bedingung der Auf-
gabe verlangte.


So werden auf eine ähnliche Weiſe die con-
ſtanten Größen in andern Integralen aus den
Bedingungen der Aufgabe beſtimmt.


6. Der einzige Fall wenn m = — 1 alſo (4)
wäre, würde für das Integral den Werth
geben, ein Ausdruck wobey ſich nichts denken läßt,
und der wegen xo = 1, unveränderlich, und zwar
eine unendliche Größe zu ſeyn ſcheint.


7. Indeſſen hat das Integral von oder
dennoch eine beſtimmte Bedeutung,
denn
[11]Integralrechnung. Vorbegriffe.
denn wir haben in der Differenzialrechnung (§.
26.) geſehen, daß der Ausdruck das
Differenzial des natürlichen Logarithmen von x be-
zeichnet, alſo iſt umgekehrt
Der Ausdruck . will alſo nur
andeuten, daß eine tranſcendente Größe wie log x
nicht als eine einzige Potenz der veränderlichen
Größe x angeſehen werden kann, und daß es an
und für ſich ungereimt iſt, einen Ausdruck wie ,
worinn xo = 1 eine unveränderliche Größe iſt,
differenziiren zu wollen.


8. Wir dürfen indeß, das oben gefundene
Integral nur auf eine
etwas andere Art ausdrücken, um zu eben der
Schlußfolge (7) zu gelangen.


9. Man ſetze (Differenzial R. §. 74. Beyſp.
II. 3.) das dortige u = xm + 1; ſo hat man we-
gen log u = (m + 1) log x;
u. ſ. w.
alſo
[12]Zweyter Theil.
alſo (8)
ꝛc.
Hier hat man alſo eine Reihe, welche allgemein
das Integral xm d x darſtellt, was auch m für
einen Werth haben mag, und unter welcher Form
das Integral auch öfters vortheilhaft gebraucht
werden kann. Für m = — 1 wird m + 1 = o
und
weil alle Glieder worin die höheren Potenzen von
log x vorkommen, wegen des Factors m + 1 = o
und deſſen Potenzen = o, wegfallen.


Es iſt alſo
einer conſtanten Größe
völlig wie (7), ſo daß alſo obige Reihe auch
ſelbſt die richtige Bedeutung von für den
Fall, daß m = — 1 iſt, darſtellt.


10. Uebrigens bedarf es keines Beweiſes,
daß es einerlei iſt zu ſchreiben B xm d x oder
Bxm d x wenn B einen unveränderlichen Factor
bezeichnet, wie in (3) ſtillſchweigend zum Grunde
liegt.


§. 105.
[13]Integralrechnung. Vorbegriffe.
§. 105.

Wir wollen nun die einzelnen Integrale, de-
ren Differenziale in der Differenzialrechnung be-
reits vorgekommen ſind, der Ordnung nach her-
ſetzen, um daraus weitere Folgerungen ableiten zu
können.


I.
II.

(§. 16. Differ.)
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.

XI.
[14]Zweyter Theil.
XI. (§. 34.)
XII. (§. 35.)
XIII. (§. 37.)
XIV. (§. 38.
XV. (§. 40.)
XVI. (§. 44.)
XVII. (§. 44. III.)
XVIII. (§. 44. IV.)
XIX. (§. 44. V.)
XX. (§. 45. VI.)
XXI.
(§. 45. VII.)
XXII.


Woraus wenn, man 2 φ = 90° + ψ ſetzt,
auch ſehr leicht erhält
XXIII. = Arc ſin x = — Arc coſ x (§. 46. I.)
XXIV.
[15]Integralrechnung. Vorbegriffe.
XXIV. = Arc tang x = — Arc cot x (§. 46. III.)
XXV.
= Arc ſec x = — Arc coſec x
(§. 46. V. VI.)


§. 106.

Aus dieſen Fundamentalformeln, laſ-
ſen ſich die Integrale von einer großen Menge zu-
ſammengeſetzterer Differenzialformeln ableiten, wie
nachſtehende Aufgaben ausweiſen. Daß übrigens
zu jedem Integrale das vorigen §es noch eine
conſtante Größe hinzugeſetzt werden kann, will ich
hiemit ein für allemahl erinnern.


Erſtes Kapitel.
Integrirung rationaler Differenziale.


§. 107.
Aufgabe.

Wenn X eine rationale ganze Funk-
tion von x bedeutet, die Formel
d x = X d x
zu integriren d. h. den Werth vony =
X d x
zu finden.


Aufg.
[16]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.

AufgI. In dieſem Fall läßt ſich X alle-
mahl durch eine endliche Reihe von der Form
X = a xm + b xn + c xμ + …
ausdrücken, wo m, n, μ, ν, … ganze Zahlen
ſeyn werden, und der Glieder ſo viel als man
will, ſeyn können.


II. Alſo hat man
d x = a xm d x + b xn d x + c xμd x ..


III. Mithin durch Integration aller einzeln
Differenziale dieſes Ausdrucks, das ganze Integral
y oder (a xm + b xn + c xμ ..) d x
= a xm d x + b xn d x + c xμd x ꝛc.
Conſt.

wo Conſt die hinzuzuaddirende, aus den Bedin-
gungen einer Aufgabe zu beſtimmende beſtändige
Größe bezeichnet.


Beyſpiele.

Beyſp. I. Es ſey
d y = 5 x3 d x + 7 x2 d x + 15 x7 d x ſo iſt das
Integral
y = \frac{5}{4} x4 + \frac{7}{3} x3 + \frac{15}{8} x8 + Conſt


Beyſp. II. Es ſey
d y = (5 + 7 x + 8 x2)3 d x. Hier muß man
von
[17]Integralrechnung.
von 5 + 7 x + 8 x2 erſt den Würfel machen,
ſodann jedes Glied in d x multipliciren und inte-
griren. Dies giebt nach gehöriger Rechnung
Und ſo in ähnlichen Fällen. Kommen unter den
einzeln Differenzialen negative Glieder, ſo wer-
den die Integrale davon auch negativ geſetzt.


Beyſp. III. In manchen Fällen iſt es un-
nöthig, einen Ausdruck wie (B. II.) erſt auf eine
Potenz zu erheben, z. B. wenn
d y = (a + b x)m d x
wäre. Hier könnte man zwar a + b x auf die
Potenz m erheben, und (a + b x)m durch eine
Reihe ausdrücken, jedes Glied mit d x multipli-
ciren und integriren (wie Beyſp. II.). Aber
kürzer findet man das Integral durch Hülfe einer
zweckmäßigen Veränderung des Differenzials.


Man ſetze der Kürze halber a + b x = u,
ſo wird b d x = d u; oder ; mithin
Höh. Anal.II.Th. Bd y
[18]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
alſo durch Integration oder, ſtatt
u den Werth a + b x wieder geſetzt,
Conſt.


Beyſp. IV. Wäre d y = (a + b xn)m xn — 1 d x,
ſo ſetze man wieder a + b xn = u; ſo iſt jetzt
n b xn — 1 d x = d u alſo mithin
;
wovon das Integral Conſt.
oder Conſt.
iſt.


Wäre die Größe von der eine Potenz zu
machen iſt, aber dreygliedrig, ſo laſſen ſich ſchon
dergleichen Vortheile nicht anbringen. Da muß
man alſo die Potenz würklich machen, wie
(Beyſp. II.), um integriren zu können.


§. 108.
[19]Integralrechnung.
§. 108.
Anmerkung.

In (§. 107. II.) wurden zwar m, n, μ, ..
zu ganzen Zahlen angenommen, man ſieht aber
leicht, daß dieſe Exponenten auch Brüche ſeyn
können, und auch für dieſen Fall die Integration
noch ſtatt finden wird.


Beyſp. Es ſey
ſo würde zwar die in d x multiplicirte Function
jetzt keine ganze rationale Function ſeyn, aber
wegen
wird dennoch das Integral, zufolge der allgemei-
nen Formel , wo m der Ord-
nung nach = + 2; — 3; ½; ⅔ geſetzt wird,
gefunden, nemlich,
oder
B 2y
[20]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
und ſo in andern Fällen.


§. 109.
Aufgabe.

Wenn eine rationale Bruchfunk-
tion von x bedeutet
, zu inte-
griren
.


Aufg. I. Einige leichtere Fälle ergeben ſich
ſchon aus (§. 105. VII. X. XXIV.) woraus ſich
denn in den folgenden §§en die ſchwerern herleiten
laſſen.


2. Man ſetze in (§. 105. VII.) x = b u,
ſo hat man d x = b d u mithin
alſo

3. Ein Differenzial von der Form
hat alſo zum Integral den Ausdruck .
Hier
[21]Integralrechnung.
Hier kann nun ſtatt u auch wieder jeder andere,
auf eine veränderliche Größe ſich beziehende Buch-
ſtabe geſetzt werden. Setzt man alſo jetzt x ſtatt
u ſo muß auch
ſeyn, ein Integral von einer etwas allgemeinern
Form als das

4. Man ſieht indeß, daß das allgemeinere
auch ohne Beyhülfe des neuen Buchſtabens u,
ſogleich aus dem letztern ſelbſt hätte abgeleitet wer-
den können. Denn da in dem Ausdrucke
ſtatt x überhaupt jede veränderliche Größe geſetzt
werden kann, ſo kann man dafür auch b x ſchrei-
ben. Dann verwandelt ſich aber d x in b d x,
und man erhält daher durch dieſe Subſtitution
ſogleich
Mithin
.
wo
[22]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
wo C die hinzuzuaddirende [Conſtans] bezeichnet.
Hier hätte alſo die Bruchfunction die Form
.


Soll das Integral für x = o auch
= o werden, ſo hat man für die Beſtimmung
der Conſtante C die Gleichung
alſo
demnach

5. Nach einem ähnlichen Verfahren ſetze
man in die Formel (§. 105. X.) ſtatt x den Werth
, alſo ſtatt d x den Werth ; ſo erhält
man
wor-
[23]Integralrechnung.
woraus ſehr leicht
folgt, wenn man Zähler und Nenner des hinter
dem Integralzeichen ſtehenden Differenzials mit
a2, und Zähler und Nenner der Größe, wovon
der Logarithme genommen wird, mit a multiplicirt.


Hier wäre alſo die Bruchfunction von der
Form


6. Eben ſo ſetze man in (§. 105. XXIV.)
ſtatt x ſo erhält man nach einer ähnlichen Rech-
nung wie (5) das allgemeinere Integral
Arc tang.


Hier wäre alſo


7. Wenn man in der Formel (5) c + x
ſtatt x ſetzt, ſo läßt ſich aus ihr noch eine allge-
meinere ableiten, denn man erhält erſtlich

8.
[24]Zweiter Theil. Erſtes Kapitel.

8. Wenn nun in dieſe der Kürze halber
a2 — b2 c2 = α
— 2 b2 c = β
b2 = γ

geſetzt wird, ſo laſſen ſich aus dieſen 3 Gleichun-
gen die Werthe von a, b, c, durch α, β, γ,
ausdrücken, und man erhält
.
Dies giebt denn (7) das Integral
.
welches noch allgemeiner als das Integral (7) iſt.


9. Es iſt nicht überflüſſig, hiebey zu be-
merken, daß es völlig einerley iſt, die Wurzel-
Größe √ (β2 + 4 α γ) bejaht oder verneint zu
nehmen. Ich will ſie der Kürze halber √ m
nennen, ſo läßt ſich leicht darthun, daß
denn es läßt ſich der negative Logarithme rechter
Hand des Gleichheitszeichens poſitiv machen, wenn
man den Bruch umkehrt, zu dem der Logarithme
gehört d. h. er läßt ſich ausdrücken durch
Multi-
[25]Integralrechnung.
Multiplicirt man nun Zähler und Nenner des
Bruchs von dem der Logarithme genommen iſt,
gemeinſchaftlich mit — 1, ſo erhält man denjeni-
gen linker Hand des Gleichheitszeichens.


10. Würde man in der zuletzt (8) gefunde-
nen Formel γ negativ nehmen, ſo erhielte man


Das Integral =
=.


11. Dieſer Logarithmiſche Ausdruck für das
Integral kann nach (§. 48.)
auch durch Kreisbogen dargeſtellt werden. Man
ſchreibe √ — 1. √ (4 α γβ2) ſtatt √ (β2
4 α γ) linker Hand des Logarithmenzeichens, und
ſtatt √ (β2 — 4 α γ) rechter
Hand deß Zeichens, weil dieſe Ausdrücke gleich-
gültig ſind, ſo erhält man den logarithmiſchen
Ausdruck (10)
jetzt ſetze man weiter ;
oder
[26]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
oder φ = einem Bogen deſſen Tangente =
iſt, ſo verwandelt ſich der zu-
letzt gefundene logarithmiſche Ausdruck in
oder in (§. 48. 1) d. h. in
den Ausdruck
. Arc tang.


12. Demnach kann für das Integral (10)
auch die eben gefundene Formel geſchrieben wer-
den, d. h. wenn der Kürze halber α + βx +
γx2 = X genannt wird, ſo hat man
wozu denn noch wie gewöhnlich eine Conſtans
addirt wird.


13. In dieſen zwey Ausdrücken für
können nun nach Gefallen, α, β, γ bejaht oder
ver-
[27]Integralrechnung.
verneint ſeyn. Fände ſich nun z. B. daß β2
4 α γ in dem logarithmiſchen Ausdruck (10) ver-
neint wäre, ſo würde √ (β2 — 4 α γ) eine ima-
ginäre Größe. Statt der imaginären Form die
der Logarithme erhält, nimmt man alsdann den
reellen Ausdruck (12) durch Kreisbogen, in wel-
chem nunmehr √ (4 α γβ2) eine mögliche
Größe iſt, kurz man wählt von beyden Ausdrük-
ken des Integrals allemahl denjenigen, der die
reelle Form hat, welches ſich in jedem Falle leicht
beurtheilen läßt.


14. Es verſteht ſich, daß der Kreisbogen der
in dem Integrale vorkömmt, allemahl in Deci-
maltheilen des Halbmeſſers 1 genommen werden
muß.


15. Der einzige Fall, wenn β2 — 4 α γ = o
wäre, bedarf noch einer Erläuterung. Alsdann
wäre nemlich
.
Ausdrücke, wobey ſich als Integrale nichts den-
ken läßt. Es zeigt ſich aber, daß in dieſem Falle
der Nenner α + βx + γx2 wegen β = 2 √ αγ
ein
[28]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
ein vollſtändiges Quadrat iſt, nemlich α +
2 √ αγ · x + γx2 oder (√ α + xγ)2
und daß ſich folglich
in
verwandelt, welches ſich nach (§. 107. B. III.)
integriren läßt, wenn man das dortige m = — 2;
a = √ α; b = √ γ ſetzt, wo ſich denn für das
Integral der Ausdruck
oder — oder — ergiebt,
wozu noch eine Conſt. addirt wird.


§. 110.

Zuſ. I. Es ſey ein Differenzial von
der Form
zu integriren
.
Man ſetze α + βx + γx2 = X, ſo hat man
log (α + βx + γx2) = log X und differenziirt
Mithin
x d x
[29]Integralrechnung.
Oder
Hier iſt alſo das Integral y oder
gefunden, wenn man ſtatt den Ausdruck (§.
109. 10. 12.) entweder in Logarithmen oder in
Kreisbogen genommen, noch ſubſtituirt.


Zuſ. II.Wäre
zu integriren
, wo A, B beliebige unveränder-
liche Coefficienten bedeuten, ſo ſetze man wieder
der Kürze halber α + βx + γx2 = X, und
man erhält
wo aus (§. 109. 12.) genommen wird.


§. 111.
[30]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
§. 111.

Zuſ. III. Es ſey eine rationale
Bruchfunktion
von x, und der Exponent von
x in dem Zähler M kleiner als im Nenner N,
ſo läßt ſich integriren, wenn
man die einfachen Factoren des Nen-
ners N weiß
, und dadurch den Bruch in
einfache von der Form
u. ſ. w.
zerlegt, deren Zähler A, B nach (§. 82.) gefun-
den werden können. Wird dann jeder dieſer ein-
fachen Brüche mit d x multiplicirt, und integrirt,
ſo erhält man y oder
u. ſ. w.
.
(§. 109. 2.).


§. 112.
[31]Integralrechnung.
§. 112.

Zuſ. IV.Kömmt im Nenner der
Bruchfunktion ein einfacher Factor

z. B. α + βxmehrere mahle vor, alſo
eine Potenz deſſelben
= (α + βx)n, ſo
zerlegt ſich die Bruchfunction in Brüche von der
Form
.
deren Zähler A, B, C ꝛc. nach §. 83 ꝛc. gefun-
den werden können, zu welchen Brüchen denn
noch diejenigen kommen, welche aus den übrigen
verſchiedenen Factoren des Nenners entſpringen,
und welche
heißen mögen, deren Zähler aus (§. 82.) beſtimmt
werden.


Jetzt wird alſo
wo die Integrale derjenigen Brüche in deren
Nen-
[32]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
Nennern die Potenzen vorkommen, ſämmtlich nach
(§. 107. Beyſp. III.) gefunden werden können,
wenn man ſtatt des dortigen m der Ordnung nach,
die negativen Exponenten — n; — (n — 1);
— (n — 2);
u. ſ. w. ſetzt.


§. 113.

Zuſ. V.Sind unter den einfachen
Factoren des Nenners N, imaginäre von
der Form
x — a (coſφ + ſinφ √ — 1);
x — a (coſφſinφ √ — 1), welche in
einander multiplicirt wie (§. 84.) den
quadratiſchen reellen, oder Trinomial
-
factor x2 — 2 a coſφ. x + a2geben wür-
den
, ſo entſteht (§. 84. 4) aus jedem ſolchen
Trinomialfactor ein Bruch von der Form
, mithin ein Integral
welches nach (Zuſ. II.) gefunden werden kann,
wenn man das dortige α = a2;β = — 2 a coſφ
und γ = 1 ſetzt, alſo ein Integral
= ½ A log (x2 — 2 a coſφ. x + a2)
+
[33]Integralrechnung.
wegen √ (4 α γβ2) = 2 a ſinφ.


Es wird nicht überflüſſig ſeyn, das letztere
durch einige Beyſpiele zu erläutern.


BeyſpielI.

1. Es ſey
zu integriren
.


2. Hier iſt alſo M = xm; N = xn — an.


3. Und die quadratiſchen oder Trinomial-
factoren von xn — an haben die allgemeine Form
(§. 48. XVIII.)
wo ſtatt 2 k jede gerade Zahl \< n geſetzt werden
kann.


4. Ich will der Kürze halber
ſetzen, und nun die Werthe von A, B nach (§.
84. 4) ſuchen.


Höh. Anal.II.Th. C5.
[34]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.

5. Zufolge des eben angeführten §es iſt jetzt
das dortige
(wegen ), in welchen Aus-
druck aber a (coſφ + ſinφ √ — 1) ſtatt x ge-
ſetzt werden muß. (§. 84. 1.). Dies giebt
(§. 48. VIII.)


6. Aber wegen iſt
(n — m — 1)
Mithin der Kürze halber = ζ
genannt
coſ (n — m — 1)φ = coſζ
ſin (n — m — 1)φ = — ſinζ


7. Man hat demnach
Vergleicht man dieſen Ausdruck mit dem (§. 84. 2)
A
[35]Integralrechnung.
ſo hat man
M = 1; m = o; ſodann ferner
L = n an — m — 1 coſζ; l = — n an — m — 1 ſinζ
woraus ſich nun (§. 84. 4)
Mithin
ergiebt.


8. Mithin entſteht nach (Zuſ. V.) aus jedem
Trinominalfactor des Nenners xn — an ein In-
tegral
½ log (x2 — 2 a coſφ. x + a2)
Arc tang + Conſt.


9. Die conſtante Größe kann welchen Werth
man will haben, und wird auch für jede andere
C 2Auf-
[36]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
Aufgabe bey der man auf ein Integral wie (8)
gekommen iſt, einen andern Werth bekommen.
In vielen Fällen iſt das Integral ſo beſchaffen,
daß es für x = o auch = o wird, welches denn
von der Natur der Aufgabe abhängt. Will man
die Conſt. nach dieſer Vorausſetzung beſtimmen,
ſo ſetze man das (8) gefundene Integral = o für
x = o, ſo erhält man
Arc tang.
Alſo die Conſtante
Arc tang
Setzt man nun der Kürze halber
Arc tang; Arc tang
ſo iſt das Integral (8) wenn es für x = o ver-
ſchwinden ſoll
Wenn K, K1, die obigen Factoren ;
bedeuten.


Nun
[37]Integralrechnung.

Nun hat man wegen = tangψ,
und = tangη; nach der bekannten tri-
gonometriſchen Formel
tang (η — ψ) =
Mithin
ηψ = — Arc tang
Daher iſt das Integral (8) wenn es für x = o
verſchwinden ſoll, nach Herſtellung der Werthe von
K, K1, gleich dem Ausdrucke
½ log
Arc tang

in welcher Formel ſo wie in (8) ζ und φ die
obigen Werthe (6. 4.) haben.


10. Um das bisherige mit einem Zahlen-
beyſpiele zu erläutern, ſo ſey in (1) m = o;
n =
[38]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
n = 5, alſo das Differenzial zu
integriren
.
Nach (§. 48. XVIII.) hat x5 — a5 die Factoren
x — a
x2 — 2 a x coſ
π + a2
x2 — 2 a x coſπ + a2

und x — a giebt nach dem Verfahren (§. 82. VI.)
den einfachen Bruch =
= welcher in d x multiplicirt und
integrirt, das Integral log giebt, wenn
die Conſtante ſo beſtimmt wird, daß das Inte-
gral für x = o verſchwinden ſoll, wie (§. 109. 4).


Für den Trinomialfactor x2 — 2 a x coſπ
+ a2 iſt in dem daraus entſtehenden Integrale
(9) φ = = ⅖ π und ζ oder
ebenfalls = ⅖ π zu ſetzen.


Für das aus dem Trinomialfactor x2 — 2 a x
coſ
π + a2 entſtehende Integral hat man in
(9) φ = = ⅘ π und auch ζ = ⅘ π. Ad-
dirt
[39]Integralrechnung.
dirt man nun die aus den angeführten Factoren
nach (9) ſich ergebenden Integrale zuſammen, ſo
erhält man das ganze Integral wie folgt.


wozu man nach Gefallen auch wieder eine andere
Conſtante ſetzen kann. Würde man die einzeln
Glieder dieſes Integrals mit den entgegengeſetzten
Zeichen nehmen, ſo erhielte man das Integral
weil offenbar = —
iſt.


BeyſpielII.

d y = zu integriren.


Verfährt man hier mit den Trinomialfacto-
ren des Nenners xn + an, welche die allgemeine
Form
x
[40]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
x2 — 2 a x coſπ + a2
haben (§. 48. XIX.) eben ſo wie im Beyſpiel I.
ſo wird ſich nach einer Rechnung die jeder leicht
ſelbſt vollführen kann, finden, daß jeder ſolcher
Factor ein Integral
= — log
+ Arc tang
geben wird, in welcher Formel aber jetzt
φ = π
und ζ =

ſind.


Statt 2 k + 1 kann jede ungerade Zahl,
welche \< n iſt, geſetzt werden. Iſt n ungerade,
ſo hat aber xn + an auch den einfachen Factor
x + a; aus welchem das Integral
· ½ log entſpringt, welches
denn noch zu denjenigen hinzugeſetzt werden muß,
welche aus den Trinomialfactoren entſtehen.


§. 114.
[41]Integralrechnung.
§. 114.

Zuſ. VI. Iſt in der Funktion (Zuſ. III.)
die höchſte Potenz von x in M höher als in N,
ſo läßt ſich M mit N dividiren und man erhält
zum Quotienten eine ganze Function T, und
wenn bey der Diviſion ein Reſt = R bleibt, auſ-
ſerdem noch die Bruchfunktion ; ſo daß =
T + und die höchſte Potenz von x in R nie-
driger als in N iſt. Dann iſt alſo
d x = T d x +
wo T d x nach (§. 107.) und d x nach
Zuſ. III. u. f. gefunden werden kann, weil nun
in R die höchſte Potenz von x niedriger als in
N iſt.


Z. B. Wäre ; ſo hat man
= x7 + x2 + ; und
d x = x7 d x + x2 d x +
=
[42]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
=
wo nach Beyſp. I. Zuſ. V. gefunden
werden kann, wenn man das dortige m = 2;
n = 5, a = 1 ſetzt.


§. 115.

Zuſ. VII.Wäred y = zu
integriren
, ſo ſetze man x = , ſo wird d x =
— und d y = — a— n · d u, oder
a—n = der Kürze halber mit bn bezeichnet,
d y = — bn · d u
welches ſich nach (§§. 113. 114.) integriren läßt,
nachdem man die ganze Funktion (wie Zuſ. VI.)
daraus abgeſondert hat. In dem erhaltenen In-
tegrale muß man alsdann ſtatt u wieder den Werth
ſetzen, um das Integral von zu
erhalten.


§. 116.
[43]Integralrechnung.
§. 116.

Zuſ. VIII.Durch eine ähnliche Sub-
ſtitution, kann das Integral des Diffe-
renzials auf die Integration
von

bn · d u
gebracht werden.


§. 117.

Zuſ. IX.Hätte man
d y =
zu integriren, ſo darf man nur das β von der
Potenz von x im Nenner wegſchaffen oder d y =
ſetzen, ſo läßt ſich dieſes nach (Zuſ. V.
B. II.) integriren, das dortige an = oder a =
geſetzt. Und ſo in ähnlichen Fällen, wo
die Potenz von x im Nenner, einen andern Factor,
als 1 haben würde.


§. 118.
[44]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
§. 118.

Zuſ. X. Ohne die Subſtitution x =
(§. 115.) zu gebrauchen, kann man auch nach (§. 83.)
die einfachen Brüche ſuchen, welche aus der Potenz
xm des Factors x im Nenner entſtehen. Z. B.
wäre zu integriren, ſo läßt ſich
die Bruchfunction in folgende
zerlegen,
wo A, B, C, D nach (§. 83.) gefunden werden
können. Die Funktion P ergiebt ſich dann nach
(II.) des eben angeführten §es durch die Di-
viſion, nachdem A, B, C, D, bereits gefunden
ſind. Die dortigen α, β haben hier die Werthe
0; 1; und das dortige S iſt hier 1 + x3. So
erhält man
= A + B + C
+ D +

=
[45]Integralrechnung.
= — + D log x
+

wo nach (§. 113. B. II.) gefunden
werden kann. Indeſſen mögte die Subſtitution
(§. 115.) doch wohl den Vorzug verdienen.


§. 119.
Aufgabe.

Es iſt ein Differenzial von der Form
d y = xm — 1 d x (a + b xn)p
vorgegeben, wom, n, pbeliebige Expo-
nenten, ganze bejahte, verneinte, ſelbſt
auch Bruchexponenten bedeuten können,
man ſoll daſſelbe auf verſchiedene an-
dere Differenziale reduciren, von deren
Integralen ſämmtlich das Integral des
vorgegebenen abhängt
.


Aufl. I. Man nenne der Kürze halber
a + b xn = z
alſo d y = xm — 1 zp d x
ſo erhellet nunmehr ſogleich, daß wenn man einen
Ausdruck wie
x
[46]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
xm zp = u
differenziiren würde, in dieſem Differenziale ſo-
gleich xm — 1 zp d x als Beſtandtheil vorkommen
würde. Denn man erhält
m xm — 1 zp d x + p xm zp — 1 d z = d u, oder


II. m xm — 1 zp d x + n b p xm + n — 1 zp — 1 d x
= d u
nachdem man nach (I.) n b xn — 1 d x ſtatt
d z geſetzt hat.


III. Würde man alſo auf beyden Seiten in-
tegriren und mit m dividiren, ſo erhielte man
xm — 1 zp d x = xm + n — 1 zp — 1 d x
wo ſtatt u ſein Werth xm zp geſetzt werden kann.


Das Integral xm — 1 zp d x (I.) wäre alſo auf
xm + n — 1 zp — 1 d x gebracht, in welchem der
Exponent von z um 1 niedriger iſt, welches bey
manchen Integrationen von erheblichem Vortheile
iſt. Wir wollen jetzt mit der Gleichung (II.) noch
einige Veränderungen vornehmen, ſo werden ſich
noch andere Differenziale ergeben, auf welche ſich
das vorgegebene xm — 1 zp d x bringen läßt.


IV. Man ſetze z . zp—1 oder (a + b xn)
zp — 1
ſtatt zp in das erſte Glied der Gleichung
(II.)
[47]Integralrechnung.
(II.) ſo wird m a zp — 1 xm — 1 d x + (m + p n)
b xm + n — 1 zp—1 d x = d u.


Weil nun p ganz willkührlich iſt, und von
den übrigen Größen gar nicht abhängt, ſo kann
man in die eben gefundene Gleichung auch p + 1
ſtatt p ſetzen, ſo verwandelt ſich zugleich u (I.) in
u' = xm (a + b xn)p + 1 und man erhält


V. m a zp xm — 1 d x + (m + n + n p)
b xm + n — 1 zp d x = d u'
abermahls eine Glei-
chung, worin das vorgegebene Differenzial xm — 1
zp d x
vorkömmt.


VI. Ferner ſetze man in das zweite Glied
der Gleichung (II.) z — a ſtatt b xn (I.), ſo er-
giebt ſich
(m + n p) xm — 1 zp d x — n p a xm — 1 zp — 1 d x = d u


VII. Da nun aber auch m von den übri-
gen Größen unabhängig iſt, ſo ſetze man in (II.)
m — n
ſtatt m, und p + 1 ſtatt p, ſo ver-
wandelt ſich u in xm — n zp + 1 = u'', und man
erhält aus (II.) die neue Gleichung


VIII. (m — n) xm — n — 1 zp + 1 d x + n b
(p + 1) xm — 1 zp d x = d u''.


IX.
[48]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.

IX. Sodann aus (V.) m — n ſtatt m ge-
ſetzt, wodurch u' ſich in u''' = xm — n zp + 1 ver-
wandelt, die Gleichung (m — n) a zp xm — n — 1 d x
+ (m + n p) b xm — 1 zp d x = d u'''.


X. Endlich wird aus (VI.), p + 1 ſtatt p
geſetzt, wodurch u ſich in u'''' = xm zp + 1 ver-
wandelt, die Gleichung (m + n (p + 1))
xm — 1 zp + 1 d x — n (p + 1) a xm — 1 zp d x =
d u''''.


XI. In jeder der 6 gefundenen Gleichungen
(II. V. VI. VIII. IX. X.) befindet ſich nun
das in (I.) vorgegebene Differenzial xm — 1 zp d x
oder xm — 1 (a + b xn)p d x = d y.


Man ſchaffe dies Differenzial in jeder der
angeführten Gleichungen auf die linke Seite des
Gleichheitszeichens, integrire dann auf beyden
Seiten, und ſtelle die Werthe von u, u', u'' ꝛc.
her wie in (III.), ſo wird man nachſtehende 6
Gleichungen erhalten, welche in der Integralrech-
nung von dem weitläuftigſten Gebrauche ſind.
Ich will zugleich ſtatt xm — 1 zp d x d. h. ſtatt
xm — 1 (a + b xn)p d x den Buchſtaben y ſchrei-
ben, weil das Differenzial mit d y bezeichnet wurde.


Alſo hat man


Nro.
[49]Integralrechnung.

Nro. I.
xm — 1 d x (a + b xn)p oder
y = xm + n — 1 zp — 1 d x
aus (III.)


Nro. II.
y = xm + n — 1 zp dx
aus (V.)


Nro. III.
y = xm — 1 zp — 1 d x
aus (VI.)


Nro. IV.
y = xm — n — 1 zp + 1 d x
aus (VIII.)


Nro. V.
y = xm — n — 1 zp d x
aus (IX.)


Höh. Anal.II.Th. DNro.
[50]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.

Nro. VI.
y = — xm — 1 zp + 1 d x
aus (X.)


In allen dieſen 6 ſogenannten Reductions-
formeln
bedeutet z die Binomialgröße a + b xn,
und jede Formel zeigt wie das Integral xm — 1 d x
(a + b xn)p = y (I.)
von der Integration derjeni-
gen Differenziale abhängig iſt, welche ſich in jeder
der gefundenen Formeln rechter Hand des Gleich-
heitszeichens befinden.


Die Größe zunächſt rechter Hand des Gleich-
heitszeichens, wird der algebraiſche Theil des
Integrals y, und die mit bezeichnete Größe der
ſummatoriſche oder auch involutoriſche
Theil genannt.


Wir wollen jetzt den Gebrauch der beyge-
brachten Formeln durch einige zu gegenwärtigen
Kapitel gehörige Beyſpiele erläutern.


§. 120.

BeyſpielI. 1. Es ſey p negativ aber
eine ganze Zahl = — μ, ſo erhalten wir, wenn
m,
[51]Integralrechnung.
m, n auch ganze Zahlen ſind, ein rationales Dif-
ferenzial oder , für deſſen
Integral y = ſich nach (Nro. VI.)
der Ausdruck
y =
ergiebt.


Die Integration des Differenzials
iſt alſo auf diejenige von gebracht, wo
im Nenner des letztern der Exponent von z um 1
geringer iſt, als im Nenner des erſtern.


2. Begreiflich kann nun wieder auf eine
ähnliche Weiſe auf ge-
bracht werden. Man ſetze nemlich in (1) μ — 1
ſtatt μ, ſo verwandelt ſich das dortige y =
in y' = , und man er-
hält
y' = +


D 23.
[52]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.

3. Wird alſo dies ſtatt in den
Ausdruck für y (1) ſubſtituirt, ſo ergiebt ſich y
oder

wo A =
und C = gefunden
wird.


Auf dieſe Art iſt alſo auf
gebracht. Setzt man dieſe Schlüſſe
weiter fort, ſo läßt ſich zuletzt auf
bringen, dergeſtalt, daß wenn das
Integral d. h. bekannt
iſt, man auch das Integral als
bekannt oder gefunden anſehen kann.
läßt ſich aber nach (§. 117.) inte-
griren:


Aus
[53]Integralrechnung.

Aus (1) erhellet übrigens, daß μ immer
\> 1 ſeyn muß, denn für μ = 1 würde der al-
gebraiſche und ſummatoriſche Theil unendlich, in
welchem Falle die Reductionsformel (1) ſo wie ſie
da ſteht, geradezu nicht gebraucht werden kann,
ohngefähr wie (§. 104. 6).


Beyſp. II. Es ſey m = n + 1, ſo iſt
nach (Nro. V.).
y = zp d x


Aber für m = n + 1 iſt y = xn zp d x
= xn (a + b xn)p d x; hat man alſo zp d x
oder (a + b xn)p d x, ſo iſt auch xn
(a + b xn)p d x
als bekannt anzuſehen.


Den vorzüglichſten Nutzen der gefundenen
Reductionsformeln werden wir aber erſt bey der
Integration der irrationalen Differenziale wahr-
nehmen.


§. 121.
Aufgabe.

Reductionsformeln für das Inte-
gral

y = xm (α + βx + γx2)p d x
zu finden.


Auf-
[54]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
Auflöſung.

1. Man ſetze der Kürze halber
α + βx + γx2 = z
und differenziire den Ausdruck u = xm zp + 1 ſo
hat man
d u = m xm — 1 zp + 1 d x + (p + 1) xm zp d z


2. Oder wegen d z = (β + 2 γx) d x
d u = m xm — 1 zp + 1 d x + (p + 1)
βxm zp d x
+ 2 (p + 1)γxm + 1 zp d x


3. In das erſte Glied dieſer Gleichung rech-
ter Hand des Gleichheitzeichens ſetze man ſtatt
zp + 1 den gleichgültigen Ausdruck zp . z oder
zp (α + βx + γx2), ſo wird man nach einer
leichten Rechnung erhalten
d u = mαxm — 1 zp d x + (m + p + 1)βxm zp d x
+ (m + 2 p + 2)γxm + 1 zp d x


4. Nun iſt ferner
xm — 1 zp + 1 = xm — 1 zp (α + βx + γx2)
= αxm — 1 zp + βxm zp + γxm + 1 zp
demnach γxm + 1 zp = xm — 1 zp + 1αxm — 1 zp
βxm zp.


5. Dieſer Werth ſtatt γxm + 1 zp in das
letzte Glied der Gleichung (3.) ſubſtituirt, giebt
d u
[55]Integralrechnung.

6. Man hat alſo für du die 3 Gleichun-
gen (2. 3. 5.). In jeder derſelben befindet ſich
das in der Aufgabe vorkommende Differenzial
xm z p d x. Integrirt man demnach oberwähnte 3
Gleichungen und reſtituirt zugleich den Werth von
u, ſo erhält man für
folgende Formeln
I.
II.
III.


§. 122.
[56]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
§. 122.

Iſt p eine ganze bejahte Zahl, ſo wird ge-
wöhnlich von dieſen Reductionsformeln kein be-
ſonderer Gebrauch gemacht. — In ſolchem
Falle verwandelt man lieber (α + βx + γx2) p
in eine Reihe, multiplicirt jedes Glied dieſer
Reihe mit xm d x, und integrirt auf die gewöhn-
liche Weiſe, als daß man ſich der gefundenen
Formeln bediente, die jedoch auch ſelbſt für den
Fall daß p eine ganze bejahte Zahl iſt, unter-
weilen Vortheile gewähren.


Aber wenn p negativ oder ein Bruch iſt,
dann ſind jene Reductionsformeln unentbehrlich,
um Integrale in endlichen Ausdrücken zu erhal-
ten. In gegenwärtiges Kapitel gehört nur der
Fall, wenn p zugleich eine ganze Zahl iſt.


Es ſey alſo p = — μ, ſo verwandelt ſich
die Formel (III.) in y oder

Hier iſt alſo auf zwey ähnliche
Integrale gebracht, wo aber in jedem wenigſtens
ein
[57]Integralrechnung.
ein Exponent um einen Grad niedriger als in dem
vorgegebenen iſt, und welche ſich auf eine ähn-
liche Art noch weiter reduciren laſſen, ſo daß,
wenn m eine ganze bejahte Zahl iſt, man durch
Fortſetzung dieſer Reduktionen das Integral
endlich auf bringen wird, deſſen
Werth denn aus (§. 109. 8 ꝛc.) genommen wer-
den kann.


Es ſey z. B. m = 1, ſo iſt
I)


Aber aus der zweyten Formel (§. 121. 6)
wird für m = o, und p = — μ, das Integral
y oder
Alſo
II)
III)
[58]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
III) In dieſer Formel iſt alſo auf
gebracht; dies ferner auf zu brin-
gen, ſubſtituire man den (II.) gefundenen Werth
von in (I.) ſo ergiebt ſich
IV) So erhellet alſo, daß ſowohl (II.),
als auch (III.), ſich zuletzt auf müſ-
ſen reduciren laſſen, wenn μ eine ganze Zahl und
zwar \> 1 iſt. Für μ = 1 würden wegen μ — 1
= o die Integraltheile rechter Hand des = Zei-
chens unendlich, und alſo nicht zu gebrauchen ſeyn.
Indeſſen hat man für μ = 1 die Integrale
und in (§§. 109. 110.) wo das dortige X
und das z des gegenwärtigen §es einerlei bedeuten.
V)
[59]Integralrechnung.
V) Wenn man die Reduction des Integrals ,
bis auf fortſetzt, ſo erhält man für das In-
tegral eine Reihe von folgender Geſtalt
in welcher die Koefſicienten, wenn der Kürze
halber
genannt wird, folgende Werthe haben
Und ſo laſſen ſich auf eine ähnliche Art Geſetze
bey andern Reductionsformeln auffinden, wenn
der Gebrauch ſolches erfordert, womit wir uns
aber nach dem Zweck des gegenwärtigen Buches
nicht beſchäftigen können. Man ſehe dergleichen in
Meier Hirſch Integraltafeln. (Berlin 1810.)
welche vortreffliche Sammlung von Integralfor-
meln jedem Rechner empfohlen werden darf.


§. 123.
[60]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
§. 123.
Aufgabe.

Y und X ſeyen Funktionen von x
(oder X, Y, überhaupt zwey veränderliche Grö-
ßen), es iſt gegeben das IntegralX d Y,
man ſoll daraus das IntegralY d X
finden.


Aufl. Weil d (X Y) = X d Y + Y d X
(§. 8. Differ.) ſo hat man
demnach


Anm. Dieſe Reductionsformel iſt von ſehr
weitläuftigen Gebrauche, wie wir in der Folge
ſehen werden. Denn oft iſt es leichter, das In-
tegral X d Y als das Y d X zu finden, oder
X d Y iſt von einer einfachern Form als Y d X,
da iſt es alſo vortheilhaft, die Integration von
Y d X auf die von X d Y zu reduciren.


In der That iſt die vorhergehende Aufgabe
eine Art der Anwendung der gegenwärtigen.


Z. B. Es ſey xm—1 z p d x vorgegeben und
z wie im vorhergehenden § = α + βx + γx2.


Man
[61]Integralrechnung.

Man ſetze ſo
hat man demnach we-
gen
oder wegen
Oder p + 1 ſtatt p geſetzt
welches in der That keine andere Gleichung als
die erſte von denen (§. 121. 6) iſt; wenn man da-
ſelbſt das Glied auf die linke
Seite ſchafft.


§. 124.
Anmerkung.

Die bisherigen Fälle werden hinreichend ſeyn,
den Leſer über die vorzüglichſten Kunſtgriffe zu
beleh-
[62]Zweyter Theil. Erſtes Kapitel.
belehren, welche bey der Integration rationaler
Differenziale, und zwar insbeſondere ſolcher, bey
denen die in d x multiplicirte Funktion, eine ra-
tionale Bruchfunktion iſt, angewandt werden
können. Die Hauptſache iſt alſo immer, daß die
einfachen oder Trinomialfactoren des Nenners N
bekannt ſeyn müſſen, oder welches auf eins hin-
ausläuft, daß man die Wurzeln der Gleichung
N = o im allgemeinen anzugeben wiſſe. Da
aber dieſe Aufgabe bis jetzt noch nicht allgemein
aufgelößt werden kann, ſo begnügen wir uns mit
dem bisher von der Integration der rationalen
Differenziale beygebrachten, und wenden uns nun
zur Integration derjenigen Differenziale, wie
X d x, worinn X eine irrationale Function von
x iſt.


Zweytes
[63]Integralrechnung.

Zweytes Kapitel.
Von der Integration der irrationalen
Differenziale.


§. 125.
Aufgabe.

Das Integral d x zu finden,
wenn M und N Funktionen von x ſind,
welche bloß aus einfachen Potenzen von
x mit gebrochenen Exponenten beſtehen,
worunter jedoch auch ganze Exponenten
ſeyn können
.


Aufl. 1. Es iſt am beſten, die Aufgabe
ſogleich mit einem Beyſpiele zu erläutern.


Es ſey alſo z. B. das irrationale Differenzial
welches mit
auf eins hinausläuft, zu integriren.


2. Man
[64]Zweiter Theil. Zweytes Kapitel.

2. Man bringe die gebrochenen Exponenten nach
der Arithmetik unter den kleinſten gemeinſchaftli-
chen Nenner, ſo hat man auch

3. Um nun ſtatt dieſes Differenzials mit
Bruchexponenten, ein rationales zu erhalten, wel-
ches nach den Regeln des vorigen Kapitels in-
tegrirt werden kann, ſo ſetze man oder
x = u30; mithin d x = 30 u29 d u; dann wird
Oder im Zähler und Nenner mit u24 dividirt
d. h. wenn man aus der in 30 d u multiplicirten
Bruchfunction, die darinn enthaltene ganze
Function vermittelſt der Diviſion entwickelt
wo
[65]Integralrechnung.
wo
gefunden werden.


4. So wäre alſo nun das irrationale Diffe-
renzial (1.) auf eine rationale Form (3.) gebracht,
vermöge der man erhält
wo denn der letzte ſummatoriſche Theil nach den
Regeln des 111 §es Zuſ. III. gefunden werden
kann.


In das erhaltene Integral muß hierauf überall
d. h. ſtatt u geſetzt werden, um es wie-
der durch x auszudrücken, wodurch dann freylich
die einzeln Glieder wie A u20; B u15 ꝛc. ꝛc. wie-
der irrational werden.


Höh. Anal.II.Th. EDies
[66]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.

Dies Beyſpiel wird zeigen, wie in andern
ähnlichen Fällen zu verfahren ſeyn würde.


Iſt nemlich überhaupt ein Differenzial, wor-
in Wurzelgrößen vorkommen, auf eine rationale
Form gebracht, ſo ſieht man die Integration nach
den Vorſchriften des vorigen Kapitels als vol-
lendet an.


§. 126.

Weit ſchwerer iſt es, ein irrationales Diffe-
renzial rational zu machen, wenn
zuſammengeſetzte Wurzelgrößen z. B. ;
; ;
u. ſ. w. in M u. N vorkommen. Bis
jetzt hat man noch kein allgemeines Verfahren,
ſolche irrationale Differenziale rational zu machen,
und das Integral in endlichen Ausdrücken zu er-
halten, wenn höhere Wurzeln als die vom zwey-
ten Grade, vorkommen, und die Größe x unter
dem Wurzelzeichen, über die zweyte Potenz geht-
Aber auch dann kann das Differenzial nur unter
gewiſſen Einſchränkungen rational gemacht, und
integrirt werden. Wir wollen einige der vorzüg-
lichſten Fälle hier in einzeln Aufgaben behandeln.


§. 127.
[67]Integralrechnung.
§. 127.
Aufgabe.

Es ſeyen M, N, irrationale Funktionen
von von folgender Form
wo m einen gemeinſchaftlichen Nenner
aller Bruchexponenten bedeute, man
ſoll das Differenzial
rational machen, und integriren
.


Aufl. Man ſetze oder
ſo wird und
und folglich
E 2wel-
[68]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
welches Differenzial jetzt eine rationale Form hat,
nnd nach den Regeln des vorigen Kapitels inte-
grirt werden kann, weil die Exponenten m, α,
β ꝛc. ſämmtlich als ganze Zahlen betrachtet werden.


§. 128.

Zuſ. I. Es iſt klar, daß M und N außer
den angegebenen Irrationalgrößen, auch rationale
Potenzen von x enthalten können, und durch die
Subſtitution dennoch das Diffe-
renzial rational bleibt, und integrirt
werden kann.


Zuſ. II. Haben die Bruchexponenten in M
und N keinen gemeinſchaftlichen Nenner, ſo kann
man ſie doch alle unter einen ſolchen bringen, und
dann nach der Anleitung der Aufgabe verfahren.
Daher alſo integrabel ſeyn wird, was auch
M und N für Potenzen von enthalten
mögen. In dem gefundenen durch u ausgedrück-
ten Integrale, wird dann überal wiederum
(a
[69]Integralrechnung.
ſtatt u geſetzt, um das Integral
durch x ausgedrückt zu erhalten.


BeyſpielI.

zu integriren.


Hier würde alſo der Aufgabe zufolge ſogleich
, woraus
und nach gehöriger Rechnung
folgt.


Um dies rationale Differenzial zu integriren,
zerlege man die Bruchfunction
in die Brüche ; ſo findet
man leicht
A'
[70]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
Dies giebt denn
Oder auch
Und folglich

Nun iſt nach (§. 109 8.) das dortige x = u;
α = b; β = o und γ = g geſetzt
Und eben ſo
Mithin

In welchem Ausdrucke ſtatt u wieder die
Größe zu ſetzen iſt, um das Inte-
gral
[71]Integralrechnung.
gral y durch x zu erhalten. Es verſteht ſich übri-
gens, daß zu dem gefundenen Integrale auch noch
eine Conſt. addirt werden kann.


Die Größen a, b, f, g können nach Gefal-
len bejaht oder verneint ſeyn. Sollten dann für
dieſen oder jenen Fall, die eben gefundenen loga-
rithmiſchen Theile imaginär werden, ſo können
ſolche nach (§. 109. ꝛc.) auch durch mögliche Kreis-
bogen ausgedrückt werden.


Z. B. Wäre g verneint, ſo würde ſich der
logarithmiſche Theil
auch ausdrücken laſſen durch
oder nach (§. 48. I. 1 ꝛc.) durch
Arc tang, wenn man das dortige
; und ſetzt. Und ſo in
andern Fällen.


BeyſpielII.

zu integriren,
wenn n eine ganze Zahl iſt
. Es iſt klar,
daß
[72]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
daß von der allgemeinen Form
nur darin unterſchieden iſt, daß in
letzterer f = 1, und g = o geſetzt werden muß,
um erſtere zu erhalten; daher alſo das vorgege-
bene Differenzial ebenfalls nach der Vorſchrift der
Aufgabe rational gemacht werden kann.


Man ſetzt alſo jetzt
oder ; Mithin und
, wodurch denn
wird, welches als ein rationales Differenzial leicht
integrirt werden kann.


Zuſ. Wäre z. B. alſo
zu integriren, ſo darf man nur in (Beyſp. I.)
f = 1, g = o ſetzen, und man erhält
d y
[73]Integralrechnung.
demnach
Oder wenn a negativ iſt
in welchen Ausdrücken ; oder,
wenn a verneint iſt, geſetzt
werden muß, um y durch x ausgedrückt, zu er-
halten.


§. 129.
Aufgabe.

zu integriren, wenn M
und N keine anderen Irrationalgrößen
als bloß die einzige
,
oder Potenzen davon z. B.
enthalten, wo m jede
ganze bejahte oder verneinte Zahl be-
deuten kann
.


Aufl. I. Die Größe zer-
fällt man aus der Lehre von den Gleichungen leicht
in die beyden Factoren
(a
[74]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
wo
und
iſt.


II. Um nun das angegebene Differenzial ra-
tional zu machen, ſetze ich oder
wo u eine neue veränderliche Größe bezeichne.


III. Alſo iſt auch

IV. Und wenn man in (II.) auf beyden Sei-
ten mit dividirt
Oder auch
Woraus


V. folgt.


VI.
[75]Integralrechnung.

VI. Dieſe Subſtitution ſtatt x rechter Hand
des Gleichheitszeichens in (III.) giebt
welcher Ausdruck demnach in Rückſicht auf die
veränderliche Größe u rational iſt.


VII. Ferner findet man aus (V.) durch Dif-
ferenziirung
ebenfalls rational.


VIII. So iſt denn endlich auch jede Potenz
von der Wurzelgröße, d. h.
mithin das ganze Differenzial d x rational,
was auch M und N für Potenzen von
√ (α + βx + γx2) enthalten mögen, und
kann demnach nach den Regeln des vorigen Ka-
pitels integrirt werden.


IX.
[76]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.

IX. Begreiflich können M, N außer den
Potenzen jener Irrationalgröße auch Potenzen von
x enthalten, nur müſſen die Exponenten ganze
Zahlen ſeyn.


§. 130.
Beyſpiele.

Beyſp. I.

zu integriren.


1. Man ſetze in dieſes Differenzial ſtatt d x
und √ (α + βx + γx2) die Werthe (§. 129.
VII. VI.) ſo erhält man
Mithin

2. Oder wenn man aus (§. 129. IV.) ſtatt u
den Werth ſetzt
.


3.
[77]Integralrechnung.

3. Man kann der Größe unter dem Logarith-
menzeichen auch noch eine andere Geſtalt geben,
wenn man Zähler und Nenner derſelben gemein-
ſchaftlich mit √ (a + 2 γx) + √ (b + 2 γx) mul-
tiplicirt. Man findet nach einer leichten Rechnung
.
Welcher Ausdruck wegen
(a + 2 γx) (b + 2 γx) = 4 γ (α + βx + γx2)
(§. 129. I.)
und a + b = 2 β; a — b = 2 √ (β2 — 4 α γ) ſich
in
verwandelt; daher denn auch
.
wird.


4. Da man in dieſem Ausdrucke von dem
Logarithmen des Zählers denjenigen des Nenners
abziehen müßte, der Nenner aber hier eine unver-
änderliche von x unabhängige Größe iſt, ſo kann
man den Logarithmen derſelben, ſogleich auch in die
Conſtante einrechnen, und demnach nur ſchlechtweg
log (β + 2γx+2 √ γ √ (α + βx+γx2)) + C.
ſetzen,
[78]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
ſetzen, wo denn dieſe Conſt. nach den Umſtänden
der Aufgabe, bey der man auf ein Differenzial wie
(1.) gekommen wäre, beſtimmt werden kann.


5. Wäre alſo z. B. die Aufgabe ſo beſchaffen,
daß für x = o auch y = o werden müſſe, ſo hätte
man um die Conſt. zu beſtimmen, die Gleichung
log (β + 2 √ γ α) + Conſt.
Alſo für dieſen Fall die
Conſt = — log (β + 2 √ γ α)
Mithin das Integral

6. Würde man für dieſen Fall die Conſt.
ſogleich in (3.) beſtimmen, ſo erhielte man
log + Conſt.
Alſo Conſt = — log
welcher Werth denn in (3.) ſubſtituirt, ebenfalls
das Integral y wie in (5.) giebt, welches nun
für x = o offenbar auch = o wird, weil die
Größe, vor der das Logarithmenzeichen ſteht, als-
dann den Werth 1 erhält, und log 1 = o iſt.


7.
[79]Integralrechnung.

7. Wenn in (5.) γ negativ iſt, ſo verwan-
delt ſich die imaginär werdende logarithmiſche Größe
in einen Kreisbogen.


Man ſetze nemlich in (1.) γ negativ, ſo iſt
für das Differenzial (2.)
Das Integral (2.)
Arc tang (§. 48. I. 3.) wenn
man der Kürze halber √ (a — 2 γx) = B und
√ (2 γx — b) = C ſetzt, in welchen Werthen jetzt
a = β + √ (β2 + 4 α γ); b = β — √ (β2 + 4 α γ)
iſt (§. 129. I.) wenn das γ a. a. O. negativ ge-
ſetzt wird.


Nun findet man leicht
2 B C = 2 √ (— a b + 2 γ(a + b) x — 4 γ2x2)
B2 — C2 = a + b — 4 γx

d. h. wenn man ſtatt a und b ihre eben angezeig-
ten Werthe ſetzt
2 B C = 4 √ γ √ (α + βxγx2)
B2 — C2 = 2 β — 4 γx

Dem-
[80]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
Demnach das Integral oder
Arc tang.
Eben dies Integral kann auch durch
Arc tang Arc tang
(§. 48. I. 2. 3.) ausgedrückt werden, wo a, b, die
angeführten Werthe bezeichnen.


Sodann kann es auch ausgedrückt werden
durch
Arc ſin; oder auch durch
Arc coſ; d. h. wenn man
ſtatt B, C die zugehörigen Werthe ſetzt, ſo iſt
auch
Arc ſin.
Arc coſ + Conſt.


Unter allen dieſen Formeln, wodurch das
Integral von ausgedrückt
wer-
[81]Integralrechnung.
werden kann, würde wohl die letztere durch den
Coſinus dargeſtellte für die Ausübung am einfach-
ſten und bequemſten ſeyn.


Bey verſchiedenen Schriftſtellern findet man
dieſe Formeln auch wohl noch in einer andern
Geſtalt, je nachdem man die Conſt., welche alle-
mahl auch einen Bogen bezeichnet, annimmt.


So z. B. iſt bekannt, daß, wenn t einen ge-
wiſſen Coſinus bezeichnet, (z. B. den obigen
es einerley iſt, zu ſchreiben.


Arc coſ t oder 90° — Arc ſin t;
alſo könnte das Integral y auch ſo geſchrieben
werden
y = — Arc ſin t + 90° + Conſt.
Oder wenn man 90° gleich mit in die Conſt.
hineinziehen will,
y = — Arc ſin + Conſt.
Arc ſin + Conſt.


Höh. Anal.II.Th. FBey-
[82]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
BeyſpielII.

zu integriren.


8. Man ſubſtituire ſtatt x, d x, und
√ (α + βx + γx2) die Ausdrücke durch u (§.
129. II. ꝛc.), ſo erhält man
d y = — 4 √ γ .
Nimmt man nun nach der Art wie
ähnliche Integrale bereits (§. 128. 2. Beyſp. I.)
vorgekommen ſind, ſo erhält man
Oder wenn man den Werth von
(§. 130. I.) ſubſtituirt, und zugleich in dem Coef-
ficienten die obigen Werthe von a und b
ſetzt (§. 129. I.)

9. Mithin wenn man Zähler und Nenner
der Größe von der der Logarithme genommen iſt,
gemein-
[83]Integralrechnung.
gemeinſchaftlich mit √ b √ (a + 2 γx) — √ a
√ (b + 2 γx) multiplicirt, und hierauf die Wer-
the von a und b herſtellt
.


In den Nennern dieſer beyden äquivalenten
Ausdrücke für y kömmt der Factor √ (β2 — 4 α γ)
einmahl verneint, einmahl bejaht vor. Da nun
der Logarithme deſſelben, als einer unveränderli-
chen d. h. von x unabhängigen Größe, allemahl
als ein Theil der anzuhängenden Conſtante ange-
ſehen werden kann, ſo können beyde Ausdrücke
für y ſchlechtweg auch ſo angeſetzt werden
.
Aber begreiflich wird die Conſt. in dem obern
Ausdrucke für y, nicht mit der in dem untern
einerley ſeyn können.


10. Wenn α verneint iſt, ſo wird die loga-
rithmiſche Größe imaginär, und verwandelt ſich
dann in einen Kreisbogen, deſſen Sinus, Coſi-
F 2nus
[84]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
nus oder Tangente auf folgende Art gefunden
werden kann.


Nachdem man √ α √ — 1 ſtatt √ — α ge-
ſetzt hat, läßt ſich das Integral (8) auch ſo aus-
drücken
Oder, ſtatt a b den Werth 4 α γ d. h. weil α
negativ iſt — 4 α γ geſetzt
Vergleicht man nun dieſe Formel mit der (§. 48.
I. 3.) log und ſetzt alſo
B = √ (2 αb x); C = √ (a x — 2 α)
ſo iſt (§. 48. I. 3. 4.)
oder ſtatt a, b, (§. 129. I.) ihre Werthe β +
√ (β2 + 4 α γ) und β — √ (β2 + 4 α γ) geſetzt,
weil das α negativ iſt
y
[85]Integralrechnung.
y = Arc coſ + Conſt.
wofür auch nach (7.) geſetzt werden kann
y = — Arc ſin + Conſt.
oder y = Arc ſin + Conſt.
wo denn freylich die Conſt. in beyden Integral-
Ausdrücken, von denen der erſte durch einen Co-
ſinus, der andere durch einen Sinus gegeben iſt,
nicht einerley ſeyn kann.


Würde man hier den Bogen durch ſeine
Tangente = (§. 48. I. 3.) beſtimmen
wollen, ſo würde die Formel für y minder einfach
ausfallen, daher ich ſie hier weglaſſe.


Anmerk. Für den Fall, daß α = o wäre,
kann der Integralausdruck (8.) geradezu nicht ge-
braucht werden. Aber für dieſen Fall iſt in (7.)
b = o (§. 129. I.) mithin d y = (8.)
alſo
(1.)
[86]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
(1.) oder wegen b = o und a = 2 β das Integral
+ Conſt.


BeyſpielIII.

d y = d x √ (α + βx + γx2)
zu integriren.


11. Man ſetzt ſtatt d x und √ (α+βx+γx2)
die obigen Ausdrücke durch u, ſo wird
rational, und könnte alſo nach den Vorſchriften
des vorigen Kapitels integrirt werden, weil ſämmt-
liche Factoren des Nenners (1 — u2)3 = (1 + u)3
(1 — u)3 bekannt ſind. Allein auf dieſem directen
Wege würde hier die Integration zu beſchwerlich
ausfallen, und daher bedient man ſich lieber der
oben (§. 122.) gefundenen Reductionsformeln um
kürzer zu dem Integrale zu gelangen.


12. Man bezeichne wie in (§. 122.) die Größe
α + βx + γx2 mit z, und laſſe das dortige μ
(daſ. III.) = ½ ſeyn, ſo wird
dar-
[87]Integralrechnung.
daraus folgt
d. h.
Da nun das Integral be-
reits aus dem erſten Beyſpiele bekannt iſt, ſo iſt
hiemit auch dasjenige des gegenwärtigen Beyſpiels
gefunden.


BeyſpielIV.

zu integriren (wo wieder der Kürze halber
α + βx + γx2 = z genannt werde).


13. Man ſetze in (§. 122. II.) m = 1, und
μ = ½ ſo hat man
d. h.

[88]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
Alſo iſt auch das Integral des gegenwärtigen Bey-
ſpiels auf dasjenige des 1ſten Beyſp. gebracht.


BeyſpielV.

zu integriren, wo m jede bejahte ganze
Zahl bedeute
.


14. Man bringe in der Reductionsformel
(§. 121. 6. II.) das dortige xm + 1 zp d x auf die
linke Seite des Gleichheitszeichens, ſo wird
Hier iſt alſo die Reduction eines Differenzials wie
xm + 1 zp d x auf zwey andere, worin die Poten-
zen von x um einen und zwey Grade niedriger ſind.


15.
[89]Integralrechnung.

15. Setzt man nun p = — ½, wodurch
z p = wird, ſo erhält man

16. So kann man nun weiter
reduciren, wenn man in die Formel (15.) ſtatt
m ſetzt m — 1; Sodann ferner
wenn man in (15.) ſtatt m ſetzt m — 2 u. ſ. w.
woraus denn erhellet, daß Formeln wie
u. ſ. w. kurz was m auch für eine ganze
Zahl ſeyn mag, ſich zuletzt immer auf ; und
, d. h. auf Integrale reduciren laſſen, die
bereits oben gefunden worden ſind, weil das z
wie
[90]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
wie immer bisher, die Größe α + βx + γx2
bezeichnet.


17. So ſey z. B. m = 1, ſo hat man ſo-
gleich (15.)
Wenn nun aus (Beyſp. IV.) ſubſtituirt
wird, ſo erhält man
wo aus (Beyſp. I.) genommen wird.


18. So erhält man nun ferner, wenn m
(15.) = 2 geſetzt wird, das Integral , aus
den bereits gefundenen und u. ſ. w.
und alle reduciren ſich zuletzt auf M. ſ.
Hirſch Integraltafeln Taf. 64.


19. Ich habe hier nur einige Beyſpiele zur
Erläuterung der obigen Reductionsformeln, und
ihres mannichfaltigen Gebrauchs geben wollen.
Wenn man ſie geſchickt anzuwenden weis, ſo läßt
ſich
[91]Integralrechnung.
ſich durch Hülfe derſelben jedes Differenzial von
der Form
integriren, m, n, mögen für ganze bejahte oder
verneinte Zahlen, welche man will, ſeyn. Es
laſſen ſich die Integrale davon ſämmtlich auf die
einfachern in den obigen Beyſpielen reduciren, wie
man in den angeführten Tafeln mit mehrerem
nachſehen kann, wobey ſich denn auch Geſetze oder
allgemeine Glieder wie z. B. (§. 122. V.) ange-
ben laſſen, wenn es der Gebrauch erfordern ſollte.


Für den Fall, daß γ = o iſt, werden die
Integrale nach (§. 127.) gefunden.


§. 131.
Anmerkung.

Noch über einige Formen von irrationa-
len Differenzialen, welche ſich ra-
tional machen laſſen
.


I. Aus den bisher gefundenen Integralen,
laſſen ſich durch Subſtitutionen, wieder viel
andere finden. Da z. B. jedes Differenzial von
der Form
d y
[92]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
d y = A xm d x [√ (α + βx + γx2)]n
allemahl integrabel iſt, wenn m, n ganze Zahlen
ſind, ſo wird, wenn man x = tμ ſetzt, wo μ
jeden Werth haben kann, auch jedes Diffe-
renzial von der Form

d y = Aμt(m + 1) μ — 1d t [√ (α + βtμ + γt2μ)]n
integrabel ſeyn, wenn m und n ganze Zah-
len ſind, und ſo in andern Fällen.


II. Man ſetze (m + 1) μ — 1 = k, ſo
wird m = — 1 Alſo iſt jedes Dif-
ferenzial von der Form

d y = tk d t √ (α + βtμ + γt2 μ)
allemahl integrabel, ſobald — 1
eine ganze Zahl iſt, was auch k, μ für
ganze bejahte oder verneinte Zahlen,
oder auch Brüche ſeyn mögen
.


Auch könnte ſelbſt die Wurzelgröße noch auf
eine Potenz n erhoben ſeyn, nur müßte der Ex-
ponent n eine ganze Zahl ſeyn.


III. Das (II.) gefundene Differenzial kann
nemlich durch die Subſtitution tμ = x oder t = x,
alle-
[93]Integralrechnung.
allemahl wieder auf die integrable Form (I.) zu-
rückgeführt werden.


IV. Ferner ſetze man in (§. 128. Beyſp. II.)
x = tm, wo t, wie vorhin, eine neue veränderliche
Größe bezeichne, ſo wird das dortige Differenzial,
in eines von der Form t(n + 1) m — 1 d t (a + b tm)
verwandelt. Dieſes wird alſo allemahl rational
gemacht, und folglich integrirt werden können,
wenn n eine ganze Zahl iſt, wie a. a. O. voraus
geſetzt worden


Nun ſey der Kürze halber (n + 1) m — 1 = k,
ſo wird n = — 1


V.Alſo wird ein Differenzial von
der Form

d y = tk d t ( a + b tm)
allemahl auf dasjenige in (§. 128. Beyſp.
II.) reducirt, und wie dort integrirt wer-
den können, wenn
— 1 d. h.
eine ganze Zahl iſt.


Durch die Subſtitution tm = x, oder t = x
wird nemlich dies Differenzial wieder in dasjenige
(§.
[94]Zweiter Theil. Zweytes Kapitel.
(§. 128. Beyſp. II.) verwandelt, und wenn nun
eine ganze Zahl iſt, wie a. a. O. inte-
grirt werden können.


VI. Da ein Differenzial von der Form
d y = tk d t (a + b tm)
ſehr häufig vorkömmt, ſo kann hier auch noch be-
merkt werden, daß es rational gemacht,
und folglich integrirt werden kann,
wenn einer ganzen Zahl gleich
iſt
.


Denn man darf nur a + b tm = tm zν, alſo
oder ſetzen,
ſo verwandelt ſich das vorgegebene Differenzial in
eines von der Form
welches offenbar rational iſt, ſo bald
eine ganze Zahl wird, ſie ſey nun bejaht oder
verneint.


§. 132.
[95]Integralrechnung.
§. 132.
Aufgabe.

Es ſey
Man ſoll die Integration dieſes Diffe-
renzials auf die Integration von an-
dern reduciren, welche einfacher, als
das vorgegebene ſind
.


Aufl. I. Man bedient ſich dazu der Re-
ductionsformeln (§. 119. XI.) wenn man in den-
ſelben ſetzt, wo ſich denn nach Beſchaffen-
heit der Exponenten m, n, je nachdem dieſel-
ben bejaht oder verneint ſind, leicht ergiebt, welche
von den daſigen Formeln am beſten angewandt
werden kann, den vorgegebenen Zweck zu erfüllen.


II. Iſt z. B. m — 1 eine ganze bejahte
Zahl, ſo wie auch n, ſo würde nach (§. 119.
XI. Nro. V.) das angegebene Differenzial auf das
einfachere x m—n—1 d x oder
gebracht werden, welches offenbar einfacher als
das vorgegebene iſt, weil der Exponent m — n — 1
\< m — 1
iſt.


III.
[96]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.

III. Wäre aber z. B. m verneint und n be-
jaht, ſo würde die Formel (§. 119. XI. Nro. II.)
angewandt werden müſſen, weil nunmehr das
Differenzial xm + n — 1 z p d x einfacher als dasje-
nige der Aufgabe ſeyn würde.


IV. Und ſo würden denn auch die Fälle leicht
zu beurtheilen ſeyn, wenn poſitiv oder ne-
gativ angenommen würde.


Beyſp. I. Reductionsformel für das In-
tegral von
wenn m eine ganze bejahte Zahl iſt.


Hier wäre p = — ½; n = 2; a = 1; b = — 1
Und nun nach der Reductionsformel Nro. V.
weil das dortige z hier = 1 — x2.


Da nun m jede ganze Zahl alſo auch m + 1
bedeuten kann, ſo erhält man auch, m + 1 ſtatt
m geſetzt,

[97]Integralrechnung.

So wäre alſo das Integral, worin der Ex-
ponent von x = m iſt, auf ein ähnliches redu-
cirt, worin der Exponent von x = m — 2 alſo
um zwey Grade niedriger iſt.


So kann nun auf eine ähnliche Art ferner
auf und dieſes weiter
auf ꝛc. gebracht werden.


Es iſt klar, daß auf dieſe Art das In-
tegral zuletzt auf ,
oder auch auf
Arc ſin x (§. 105. XXIII.) wird reducirt werden
können, je nachdem m eine ungerade oder gerade
Zahl ſeyn wird.


Beyſp. II. Wäre dagegen m eine ver-
neinte Zahl alſo das vorgegebene Differenzial
ſo erhält man für deſſen Integral nach (§. 119.
XI. Nro. II.) das dortige m negativ genommen
Höh. Anal.II.Th. G
[98]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
oder m — 1 ſtatt m geſetzt

Je nachdem alſo m gerade oder ungerade iſt,
wird die Integration des Differenzials
endlich auf oder
gebracht, deren Werthe man aus (§. 130. B. I.
II.
) hat, wenn man die dortigen α = 1, β = 0
und γ = — 1 ſetzt, nemlich
weil man die log 2 als einen Theil der Conſt.
ſelbſt anſehen kann.


§. 133.
[99]Integralrechnung.
§. 133.
Aufgabe.

zu integriren, wenn M,
N, keine andere Irrationalgrößen, als
bloß die einzige enthalten,
und außerdem in M und N nur Potenzen
von xn mit ganzen Exponenten z. B. x 2 n;
x3 n; xm n
vorkommen
.


Aufl. 1. Man ſetze.
oder
mithin


2. So hat man
oder auf beyden Seiten Logarithmen genommen

3. Mithin differenziirt
G 2Oder
[100]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
Oder

4. Setzt man dieſe rationalen Werthe von
, von x n und von in den Aus-
druck , ſo wird derſelbe rational und kann
demnach nach den Regeln des erſten Kapitels in-
tegrirt werden.


5. Beyſpiel
zu integriren.


Weil ſo hat man auch
welches wegen μ = 1 und ν = 2, nach den an-
geführten Subſtitutionen ſich in
Oder in
d y
[101]Integralrechnung.
verwandelt, wovon nun freylich das Integral et-
was zuſammengeſetzt ausfallen wird.


6. Für m = o hätte man
welches völlig wie (§. 128. Beyſp. I.) zum Inte-
grale giebt
in welchem Ausdrucke ſtatt z geſetzt werden muß
, um das Integral y durch x aus-
gedrückt zu erhalten.


Sollten, wenn a, b, f, g nicht alle bejaht
ſind, logarithmiſche Theile des gefundenen Inte-
grals
[102]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
grals imaginär werden, ſo verwandelt man ſolche
wie aus (§. 130. Beyſp. II.) zu erſehen iſt, in
Kreisbogen.


7. Man ſetze m n — 1 = k, alſo ,
ſo hat man das Differenzial
welches durch die angeführte Subſtitution ſich in
verwandelt, worinn nunmehr ge-
dacht werden muß.


Sind demnach k und n in dem vorgegebe-
nen Differenziale ſo beſchaffen, daß eine
ganze Zahl iſt, wie auch k, n, bejaht, ver-
neint, oder auch Brüche ſeyn mögen, ſo läßt ſich
das Differenzial allemahl in ein rationales ver-
wandeln, weil alsdann auch m — 1 und m + 1
ganze Zahlen ſind.


8. Dies gilt überhaupt auch für das allge-
meinere Differenzial
d y
[103]Integralrechnung.
wie aus obigem ſehr leicht abzuleiten iſt.


9. Für k = o hat man das Differenzial
dies kann alſo nur rational gemacht werden, wenn
n = 1 iſt.


10. Aus dem bisherigen erhellet nun auch,
warum in den Functionen M, N der obigen Auf-
gabe überhaupt keine andere Potenzen von x vor-
kommen dürfen, als unter der Form x m n, ſo
daß m eine ganze Zahl iſt.


§. 134.
Anmerkung.

1. Dies ſind ohngefähr die vorzüglichſten ir-
rationalen Differenziale, wovon die Integration
in endlichen Ausdrücken noch in unſerer Gewalt
iſt. Enthielten die Functionen M, N (§.
133.) Irrationalgrößen von einer Form wie
, oder von noch
zuſammengeſetztern Formen, ſo hängen die Inte-
grale im Allgemeinen nicht mehr bloß von
Logarithmen oder Kreisbogen, ſondern auch von
andern
[104]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
andern tranſcendentiſchen Functionen ab, für welche
man aber noch keine ſolche Tafeln, wie für die
Logarithmen und trigonometriſchen Functionen hat.
Dies iſt auch meiſtens der Fall, wenn M, N
außer einer Irrationalgröße wie ,
auch noch andere von dieſer Form z. B.
enthalten würden. So iſt
z. B. nur das Differenzial
allgemein weder durch Logarithmen noch Kreisbogen,
noch ſonſt durch trigonometriſche Functionen integra-
bel, weil es ſich auf keinerley Weiſe rational machen
läßt. Aber man würde es durch elliptiſche oder
hyperboliſche Bögen ausdrücken können, für welche
man aber bis jetzt keine ſo bequeme Tafeln, wie
für die Kreisbögen, Logarithmen u. d. gl. hat,
daher von ſolchen Ausdrücken wenig Nutzen zu er-
warten ſteht.


2. Um indeſſen doch die Sache durch ein
Beyſpiel zu erläutern, ſo will ich das Differenzial
nehmen, worin ich γ und η als poſitiv betrachte.
Nun
[105]Integralrechnung.
Nun bezeichne a die große Axe einer Ellipſe, oder
überhaupt die eine Axe, und b die andere, x eine
Abſciſſe aus dem Mittelpunkte auf der Axe a, und
s den zugehörigen Bogen der Ellipſe, ſo findet
man leicht für das Differential dieſes Bogens den
Ausdruck

(M. ſ. den 57ten §. meiner Stereometrie,
oder des Vten Theiles meiner pract. Geom.)


Ein Differenzial, wie dieſes, hat alſo zum In-
tegrale einen elliptiſchen Bogen = s deſſen Ab-
ſciſſe = x iſt, welches man kurz ſo ausdrücken
könnte.


(Arcus ellipseos abſcissae x).


Mit dieſem Differenziale vergleiche man nun
das obige, und ſetze alſo
ſo
[106]Zweyter Theil. Zweytes Kapitel.
ſo erhält man
demnach iſt y oder
Für die Axen der Ellipſe die eben gefundenen Wer-
the a und c geſetzt.


Hätte man alſo Tafeln für elliptiſche Bögen,
aus denen man ſo gleich für eine Ellipſe deren
eine Axe , die andere
ſeyn würde, den der Abſciſſe x entſprechenden Bo-
gen s herausnehmen könnte, ſo würde dieſer den
Werth des Integrals ausdrücken.


Allein dergleichen Tafeln hat man noch nicht,
und daher hilft alſo ein Ausdruck wie Arc. ellipſ.
abſc. x
nicht viel zur Ausübung, und man muß
ſich alſo, um den elliptiſchen Bogen zu finden,
mit den unendlichen Reihen begnügen, welche ich
a. a. O. für die Rectification der Ellipſe gegeben
habe, oder man muß den Werth des Bogens
durch die bequemen Annäherungsmethoden, welche
ich a. a. O. §. 61. gegeben habe, zu beſtimmen
ſuchen.


Drittes
[107]Integralrechnung.

Drittes Kapitel.
Integration der Differenzialformeln, worinn
Exponential- und logarithmiſche Functionen
vorkommen.


§. 135.
Aufgabe.

d y = a x d x;und zu in-
tegriren
.


Aufl. 1. Für die erſte Differenzialformel
d y = a x d x hat man das Integral ſogleich nach
(§. 105. XI.) nemlich
.


2. Um aber das Integral
zu finden, oder vielmehr auf eine bekannte alge-
braiſche oder tranſcendente Ferm zu bringen, hat
man bis jetzt noch kein Mittel gefunden. Das
Integral hängt von einer tranſcendenten Function
ab,
[108]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.
ab, welche in einem endlichen Ausdrucke weder
durch Kreisbogen, noch durch Logarithmen, noch
ſonſt in einer bekannten Form hat dargeſtellt wer-
den können. Aber durch eine unendliche Reihe
läßt es ſich auf folgende Art finden.


Nach (§. 74. Beyſp. II. 2.) iſt, das dortige
c = x geſetzt,
ꝛc.
Multiplicirt man nun jedes Glied dieſer Reihe
mit , und integrirt, ſo wird
ꝛc.
eine Reihe deren allgemeines Glied
iſt.


Dieſe Reihe nähert ſich für kleine Werthe
von x ſehr ſchnell, aber für große langſam. Hätte
man Tafeln, welche den Werth dieſer Reihe für
jedes x darſtellten, ſo würde man das Integral

[109]Integralrechnung.
, wie andere tranſcendente Größen z. B.
Arc ſin x; log x; nur ſogleich aus den Tafeln
herausnehmen, und alſo auch andere Integrale,
welche ſich auf bringen ließen, als auf-
gelößt betrachten können. Zum Behuf der Be-
rechnung ſolcher Tafeln, wäre zu wünſchen, daß
man die angeführte Reihe auf eine andere ſich ſtär-
ker nähernde reduciren könnte (M. ſ. hievon noch
weiter unten §§ 145 ꝛc.).


§. 136.
Aufgabe.

Wenn X eine beliebige Function
von x bedeutet, das Integral
X a x d x
zu finden.


Aufl. 1. Man ſetze in obige Reductions-
formel (§. 123.) nach der auch
X d Y = X Y — Y d X iſt
d Y = a x d x alſo

ſo erhält man
X d Y oder .
Wird
[110]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.
Wird nun d X = P d x geſetzt, ſo iſt
und es wäre demnach die Integration des Diffe-
renzials X a x d x auf die Integration eines andern
ähnlichen P a x d x gebracht, welches letztere viel-
leicht einfacher, als das erſtere ſeyn könnte, und
ſich daher leichter integriren ließe.


2. Man ſetze d P = Q d x, ſo würde nach
einer ähnlichen Reduction
alſo P a x d x auf Q a x d x reducirt, welches
vielleicht noch einfacher als P a x d x ſeyn könnte.


3. Dies gäbe denn durch Subſtitution

4. Setzt man dieſe Reductionen auf die an-
gezeigte Art fort, indem man d Q = R d x,
d R = S d x; d S = T d x ꝛc. ſetzt, ſo erhält man

5.
[111]Integralrechnung.

5. Alſo das Integral X a x d x auf T a x d x
reducirt, welches letztere denn nach Beſchaffenheit
der Umſtände leichter als das erſtere integrirt wer-
den könnte.


§. 137.

Zuſ. I. Man ſieht leicht, daß in obigen
Reductionen die Functionen P, Q, R ꝛc. durch
fortgeſetzte Differenziirung der urſprünglichen X ent-
ſtehen. Es iſt nemlich
u. ſ. w.


Zuſ. II. Aus (§. 136. 4.) findet ſich um-
gekehrt
Hier wäre alſo T a x d x auf X a x d x reducirt,
wo aber nunmehr S, R, Q, P, Integrale be-
zeichnen, nemlich
S = T d x; R = S d x = d x T d x
Q = R d x = d x d x T d x
u. ſ. w.

Hat man alſo nur dieſe Integrale in ſeiner Ge-
walt, ſo daß ſie ſich nach den bereits in obigen
Kapiteln vorgetragenen Vorſchriften in endlichen
Formen darſtellen laſſen, ſo kann die angeführte
Re-
[112]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.
Reduction gleichfalls von Nutzen ſeyn, indem das
Integral X a x d x vielleicht einfacher als das er-
ſtere T a x d x ſeyn könnte.


§. 138.
Beyſpiele.

I. x n a x d xzu finden, wenn n eine
ganze poſitive Zahl iſt
.


Hier iſt X = x n; alſo P = n x n — 1; Q =
n (n — 1) x n — 2; R = n (n — 1) (n — 2) x n — 3;

Wenn man dies weiter fortſetzt, ſo wird endlich
x n a x d x auf o . a x d x d. h. auf ein Integral
= o reducirt, und man hat daher
bis die Reihe abbricht.


Alſo z. B. für n = 3

II.zu finden; (n = einer gan-
zen Zahl)
Man ſetze ; Aber wollte
man
[113]Integralrechnung.
man hier die Methode (§. 136. 4.) anwenden,
ſo würde man immer auf ein Integral kommen,
welches zuſammengeſetzter als das vorgegebene ſeyn
würde, indem z. B. T eine höhere Potenz von x
im Nenner enthalten würde, als ſich dergleichen
im Nenner von X vorfindet. Man bedient ſich
alſo in dieſem Falle vortheilhafter der Reduction
(§. 137. Zuſ. II.).


Nemlich man ſetze daſelbſt ; ſo iſt
; Hieraus weiter

Setzt man dieſes weiter fort, ſo wird alſo
T a x d x oder endlich auf re-
ducirt, und man erhält, wenn der Kürze halber
ꝛc.
geſetzt wird,
Höh. Anal.II.Th. H
[114]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.

Wollte man weiter auf d. h.
auf a x d x reduciren, ſo würde man auf einen
in a x d x zu multiplicirenden unendlich großen
Factor nemlich
kommen, woraus ſich nichts weiter ſchließen läßt,
daher man es bey dem Integrale , für
welches wir oben (§. 135. 2.) einen Ausdruck
durch eine unendliche Reihe angegeben haben, be-
wenden laſſen muß. Denn durch einen endlichen
Ausdruck läßt ſich dieſes Integral nicht darſtellen.


§. 139.

Zuſ. III. Findet man zu einem gewiſſen
Zwecke unendliche Reihen brauchbar, ſo kann
das Integral X a x d x auch auf folgende Art
gefunden werden. Wegen
u. ſ. w.
Wird
[115]Integralrechnung.
Wird
wo alſo X ax d x durch die Integrale X d x,
X x d x ꝛc. beſtimmt wird.


Zuſ.IV. Iſt X eine rationale ganze Fun-
ction von x, ſo wird nach den Vorſchriften (§.
136. ꝛc.) das Integral X ax d x überhaupt we-
nig Schwürigkeit haben. Iſt aber X eine Bruch-
function, oder gar eine irrationale Function, ſo
wird das Integral in den meiſten Fällen ſehr
beſchwerlich und weitläuftig ausfallen. Ich be-
gnüge mich daher, hier bloß einige der einfachſten
und am häufigſten vorkommenden Fälle in Bey-
ſpielen erläutert zu haben.


§. 140.
Aufgabe.

Wenn X eine Funktion von x be-
deutet, das Integral X d x (log x)n zu
finden
.


Aufl. 1. Man ſetze X d x = d Y alſo
X d x = Y ſo erhält man zufolge der Reductions-
formel (§. 136.) in der man das dortigeX
hier (log x)n bedeuten läßt
H 2
[116]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.

2. Man ſetze weiter = d P, oder
= P, ſo iſt auf eben die Art
d. h. d P (l x)n — 1 = (l x)n — 1 P
— (n — 1)

demnach
X d x (l x) n = (l x)n Y — n (l x) n — 1 P
+


3. Wenn man nun dieſe Reduction weiter
fortſetzt, nemlich = Q; = R ꝛc.
ſetzt, ſo findet ſich
X d x (l x)n = (l x)n Y — n (l x)n — 1 P
+ n (n — 1) (l x)n — 2 Q
— ꝛc.
ſo, daß alſo das vorgegebene Integral X d x (l x)n
bloß von den Integralen X d x = Y; = P

[117]Integralrechnung.
= Q u. ſ. w. abhängt, und daher gefun-
den werden kann, wenn nur dieſe letztern Y, P,
Q,
in unſerer Gewalt ſtehen.


§. 141.
Beyſpiele.

I. Es ſey X = x m ſo iſt Y = X d x =
x m d x = ; = P =
und ſo weiter Q = ; R =
ꝛc. Mithin
xm d x (l x) n = x m + 1 (A (l x)n — B (l x)n — 1
+ C (l x) n — 2
ꝛc.)
wenn der Kürze halber
= A; = B; = C ꝛc.
geſetzt wird.


II. Wenn in dieſer Formel m = — 1 iſt,
ſo werden die Integrale Y = x m d x =

[118]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.
= P u. ſ. w. ſelbſt logarithmiſch, nemlich
Y = = l x; P =
Q =
daher
u. ſ. w. = (l x)
Nun iſt aber auch geradezu
wie aus der Differen-
ziation erhellet, daher auch
ꝛc.


III. Wäre n verneint, ſo verwandelt ſich
X d x (l x)n in . In dieſem Falle wür-
den die Reihen wie I. und (§. 140. 3.) unendlich.
Um das Integral in einem endlichen Ausdrucke
zu erhalten, dient unterweilen folgende Reduction.


§. 142.
[119]Integralrechnung.
§. 142.
Aufgabe.

Das Differenzial zu integri-
ren, wenn X = einer Function von
x.


Aufl. 1. Es iſt = X x
und oder
. Man laſſe
alſo in der Reductionsformel (§. 136.) nemlich
X d Y = X YY d X
das X hier die Function X x, und das Y
hier das — bedeuten, ſo er-
hält man die Reduction
wenn man der Kürze halber = P ſetzt.


2.
[120]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.

2. Hier kann man nun auf eine ähnliche Art
auf und ſo weiter
auf ꝛc. reduciren, indem man der Ord-
nung nach = Q; = R ꝛc. ſetzt.
So gelangt man endlich auf ein Integral von der
Form , worin in dem Nenner bloß die
erſte Potenz von l x vorkömmt, und bey welchem
man es bewenden laſſen muß. — Kann ſodann
nur in einer endlichen Form dargeſtellt
werden, ſo iſt hiemit auch gefunden.


Beyſpiele.

I.Es ſey zu integriren; ſo iſt
X = xm; X x = xm + 1 und = P =
(m + 1) xm; P x = (m + 1) xm + 1
; =
Q = (m + 1)2 xm u. ſ. w. Dies giebt denn
nach gehörigen Subſtitutionen für das Integral
nach-
[121]Integralrechnung.
nachfolgenden Ausdruck
wenn der Kürze halber
= A; = B; = C:
= D u. ſ. w.
geſetzt wird.


II. Es käme alſo nur darauf an, das letzte
Integral in einem endlichen Ausdrucke
darzuſtellen. Aber wollten wir nun auch hier eine
Reductionsformel angeben, wodurch auf
; u. ſ. w. reducirt wür-
de, ſo käme man endlich zwar auf ; aber
dieſes Integral läßt ſich auf keinen endlichen Aus-
druck bringen, ſo wenig als das obige (§. 135. 2.)
auf deſſen Form auch das gegenwärtige
oder
[122]Zweiter Theil. Drittes Kapitel.
oder ſelbſt ſich bringen läßt. Denn ſetzt
man log x = ; alſo x = mithin
d x = ; xm = ſo erhält man
nach gehöriger Subſtitution
mithin die obige Formel (§. 135. 2.), wenn man
das dortige a hier e (oder die Zahl deren natür-
licher Logarithme = 1 iſt) und das dortige x hier
y bedeuten läßt.


Es wäre demnach, wegen log a = log e = 1
= log y + y + ꝛc.
Oder ſtatt y wieder (m + 1) l x geſetzt,
= l (m + 1) + II x + (m + 1) l x
+ ꝛc.
durch eine unendliche Reihe gefunden.


§. 143.
[123]Integralrechnung.
§. 143.

Zuſ.I. Für m = o, wäre demnach
= l l x + l x + ꝛc.
Es verſteht ſich, daß zu dieſem Integrale, wie
zu allen bisherigen (§§. 135 — 142.), noch eine con-
ſtante Größe hinzuaddirt werden muß, welche
denn aus den Umſtänden einer Aufgabe, welche
auf ein ſolches Integral geführt hätte, zu beſtim-
men iſt.


Anmerk. Für m = — 1 hat man das In-
tegral = l l x (§. 105. IV.) ohne weitere
Reihe.


§. 144.

Zuſ.II. Da in der (Zuſ. I.) gefundenen
Integralreihe der l l x betrachtet werden kann, als
das Integral ſo wohl von d log (+ l x) als
auch von d log (— l x), indem in beyden Fäl-
len das Differenzial ſeyn würde = + , ſo
iſt klar, daß eigentlich geſetzt werden muß
= log (± l x) + l x + ꝛc. + C.
wo
[124]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.
wo denn log (± l x) mit dem untern Zeichen ge-
nommen werden muß, wenn x \< 1 iſt, alſo l x
ſchon für ſich allein negativ ſeyn würde, wodurch
denn — l x zu einer poſitiven Größe wird.


§. 145.
Anmerkung.

I. Das Integral bezeichnet eine trans-
ſcendente Function von x, welche von Herrn
Soldner der Integral-Logarithme von x
genannt wird. Da dies Integral nicht ſelten vor-
kömmt, ſo hat er die verdienſtliche Mühe über-
nommen, Tabellen für dasſelbe zu berechnen, und
ſie in einer Schrift Théorie et Tables d’une
nouvelle fonction tranſcendante
(à Munic.

1809.) dem Publicum mitzutheilen. Er bezeich-
net dieſe Function mit l i. x (logarithmus
integralis ipsius x)
, worin ihm denn auch an-
dere, welche ſich mit dieſer Function beſchäftigt
haben, z. B. Hr. Beſſel (Königsberger
Archiv für Naturwiſſenſchaft und Math
.
B. I. Königsb. 1812.) Hr. Butzengeiger in
v. Zachs monatl. Correſp. Sept. 1812. S.
285.) gefolgt ſind. Valberga-Caluſo(Me-
morie
[125]Integralrechnung.
morie di Matematica e di Fisica della societa
Italiana. Tom. XII. P. I. p. 268.)
nennt die
Function den Logo-Logarithmen von x,
ſo wie die Function den Logarithmen von x
bezeichnet.


II. Zum Behuf der leichtern Berechnung der
Tafeln für die Integral- oder Logo-Logarithmen,
haben ſich obgedachte Schriftſteller bemüht, mit
obiger Reihe
l i. x = log (± l x) + l x + ꝛc. + C.
noch andere zu verbinden, welche ſchneller ſich nä-
hern, oder auch aus einem bereits berechneten
Integral-Logarithmen leicht einen andern zu fin-
den, gebraucht werden können. Begreiflich kann
hier wieder das Tayloriſche Theorem angewandt
werden.


Man laſſe die φx (§. 72.) hier den Inte-
gral-Logarithmen von x alſo l i. x bedeuten, ſo
hat man
l i (x + c) = l i. x + ꝛc.
Berech-
[126]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.
Berechnet man alſo die in c, c2 u. ſ. w. multipli-
cirten Differenzialquotienten, ſo giebt die gefun-
dene Reihe den Integral-Logarithmen von x + c,
wenn derjenige von x gegeben iſt.


III. Weil
d (l i . x) = ; oder
ſo hat man
u. ſ. w.


IV. Hier läßt ſich nun leicht jedes folgende
Differenzial aus dem vorhergehenden ableiten.


Man ſetze allgemein
; ☉
und
; ☽
ſo
[127]Integralrechnung.
ſo findet ſich, wenn man die Reihe ☉ differen-
ziirt und mit der Reihe ☽ vergleicht, durch eine
leichte Rechnung


  • A = — (n + 1) A
  • B = — (n A + n B)
  • C = — (n B + (n — 1) C)
  • D = — (n C + (n — 2) D)

u. ſ. w.


V. Um alſo z. B. aus
(III.)
den Ausdruck für zu finden, ſo hat
man für n = 2 vermöge der Rechnung (III.)
A = + 2; B = + 1; C = o, D = o
u. ſ. w.
Demnach (IV.)


  • A = — 3. A = — 6
  • B = — (2 A + 2 B) = — 6
  • C = — (2 B + 1 C) = — 2
  • D = — (2 C + o D) = o

und ſo alle folgenden Coeffefficienten = o
Daher oder
d
[128]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.

VI. Subſtituirt man alſo dieſe, und ſo alle
folgenden Werthe in den Ausdruck für l i. (x + c)
in (II), ſo ſieht man leicht, daß dieſes li. (x + c)
durch eine deſto ſtärker ſich nähernde Reihe gefun-
den wird, je größer x und je kleiner c iſt. Die
Anwendung auf die Berechnung der Tafeln er-
giebt ſich hieraus von ſelbſt, und würde hier zu
weitläuftig ſeyn. Die von andern angegebenen
Näherungsreihen führen nicht viel ſchneller zum
Zweck.


VII. Zur Berechnung der Tafeln für die
Function l i x oder kann auch die Appro-
ximationsmethode unten im 202ten § nützlich ſeyn.


§. 146.
Anmerkung.

Soll das in (§. 144.) angegebene Integral
für x = o verſchwinden, ſo hat es ſeine Schwie-
rigkeiten, die Conſt. für dieſen Fall zu beſtimmen.
Man ſetze x = , ſo iſt oder
l
[129]Integralrechnung.
+ C.
weil in dieſem Falle das untere Zeichen in (§.
144.) zu nehmen iſt, wodurch log (— l x) = l l u
wird. Soll nun für x = o d. h. für u = ∞
das Integral verſchwinden, ſo erhält man
Conſt. = — l l ∞ + l ∞ — u. ſ. w.
Iſt nun gleich jedes Glied dieſer Reihe unendlich,
ſo können doch alle Glieder zuſammen, wegen der
abwechſelnden Zeichen immer noch einer endlichen
Größe gleich ſeyn, welche zu beſtimmen ein eige-
ner Weg eingeſchlagen werden muß, worüber
man in der oben angeführten Soldneriſchen
Schrift das weitere nachſehen kann. Zur Erläu-
terung vergleiche man hiemit (§. 81.).


Hr. S. findet dieſe Conſt. = o, 5772156.
Daher hat man überhaupt.
l i. x = log (± l x) + l x + …
+ o, 5772156.


Höh. Anal.II.Th. J§. 147.
[130]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.
§. 147.

Zuſ.III. Da = l i. x, ſo iſt,
wenn man log x = y alſo x = ey mithin d x =
ey d y
ſetzt
;
Mithin
= l i. ey
d. h. der Integral-Logarithme von ey, welchen man
alſo aus den Tafeln nehmen kann, wenn y folglich
auch ey als Zahl gegeben iſt. So dienen alſo die
Tafeln für die Integral-Logarithmen auch zur Be-
rechnung derjenigen Integrale, welche von dem
angezeigten abhängig ſind, wie z. B. die
obigen (§. 142. B. I. §. 138. II.).


§. 148.

So hatten wir ferner (§ 142. im dortigen
Beyſpiel no. II.) = l i. ey,
wenn log x = alſo y = (m + 1) log x =
log
[131]Integralrechnung.
log (xm + 1), mithin ey = xm + 1 geſetzt wurde.
Es iſt demnach
= l i. xm + 1
welchem Integral-Logarithmen alſo auch die oben
(§. 142.) für gefundene unendliche Reihe
gleich iſt.


§. 149.
Anmerkung.

Mehrere von Integral-Logarithmen abhängige
Integrale betrachtet Hr. Prof. Beſſel in oben
angeführter Abhandlung. So findet ſich z. B.
durch eine leichte Rechnung
d. h. = dem Integral-Lo-
garithmen von .


§. 150.
Aufgabe.

Das Integral xμxd x zu finden.


Aufl.I. Nach (§. 74. Beyſp. II. 2.) iſt
für jede Zahl u
J 2u
[132]Zweyter Theil. Drittes Kapitel.
u = 1 + log u + ꝛc.


II. Nun ſey u = xμx alſo log u = μx l x
Mithin
xμx = 1 + μx l x + ꝛc.
ſo iſt
xμxd x = x + μ ∫x l x d x + x2 (l x)2 d x ꝛc.
Wo denn die einzelnen Integrale x l x d x;
x2 (l x)2 d x u. ſ. w. nach (§. 141.) gefunden
werden können, wenn man in die dortige allge-
meine Formel xm d x (l x)n, der Ordnung nach
ſtatt m, n die Zahlen 1, 2, 3, ꝛc. ſetzt.


Zuſ. Dieſelbe Methode führt auch auf das
Integral xν . xμxd x; denn man erhält
xν . xμxd x = xνd x + μ ∫xν + 1l x d x
+ xν + 2(l x)2 d x
u. ſ. w. welche einzelne Integrale denn gleichfalls
nach (§. 141.) gefunden werden können.


Mehrere Integrationen von Differenzialen
mit Exponentialgrößen hier auszuführen, würde
eine überflüſſige Arbeit ſeyn, da die bereits an-
geführ-
[133]Integralrechnung.
geführten bey weitem die brauchbarſten ſind, wel-
che in der Ausübung vorkommen, und viel andere
ſich durch geſchickte Subſtitutionen auf die ange-
führten reduciren laſſen.


Viertes Kapitel.
Integration von Differenzialen, worin
Kreisfunctionen vorkommen.


§. 151.

Zur Grundlage dienen die oben (§. 105.
XIV-XXV.) angeführten Formeln.


Aufgabe.


Das Integral dφſinφmcoſφn zu
finden
.


Aufl.I. Wenn man ein Product von der
Form ſinφμcoſφν differenziirt, ſo erhält man
d ſinφμcoſφν = μdφſinφμ — 1coſφν + 1
νdφſinφμ + 1coſφν — 1
oder ſtatt coſφν + 1 geſetzt coſφν — 1coſφ2 =
coſφν — 1 (1 — ſinφ2);
d ſinφμcoſφν = μdφſinφμ — 1coſφν — 1
— (μ + ν) dφſinφμ + 1coſφν — 1
Wor-
[134]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
Woraus die Reduction
dφſinφμ + 1coſφν — 1 = — ſinφμcoſφν
+ dφſinφμ — 1coſφν — 1
folgt.


II. Man hätte aber in den anfänglichen Dif-
ferenzial-Ausdruck (I.) auch ſtatt ſinφμ + 1 ſetzen
können ſinφμ — 1ſinφ2 oder ſinφμ — 1 (1 — coſφ2)
ſo würde man auf eine ähnliche Weiſe auch eine
Reductionsformel von der Geſtalt
dφſinφμ — 1coſφν + 1 = ſinφμcoſφν
+ dφſinφμ — 1coſφν— 1
erhalten.


III. Man ſetze nun in die erſte Reductions-
Formel μ + 1 = m;ν — 1 = n. Sodann in die
zweyte μ — 1 = m;ν + 1 = n, ſo erhält man
in (I.) die Reduction
dφſinφmcoſφn = —
dφſinφm — 2coſφn (☽)
Und
[135]Integralrechnung.
Und in (II.)
(☉)


IV. In dieſen Formeln ſetze man nun und
zwar in die erſte m — 2 ſtatt m, in die zweyte
n — 2 ſtatt n, ſo können die Integraltheile rech-
ter Hand des Gleichheitszeichens auf eine ähnliche
Weiſe ferner auf
dφſinφm—4coſφn und dφſinφmcoſφn — 4
ſodann dieſe auf eine ähnliche Art wieder auf
dφſinφm — 6coſφn und dφſinφmcoſφn — 6
gebracht werden, durch welche Fortſetzung der
Rechnung denn endlich das vorgegebene Integral
entweder auf dφcoſφn oder dφſinφm oder
auf dφſinφcoſφn oder auf dφſinφmcoſφ
reducirt wird, deren beyde letztere ohne weitere
Rechnung integrabel ſind, nemlich
dφſinφcoſφn = — coſφn + 1 + C.
dφcoſφſinφm = ſinφm + 1 + Conſt.
Die erſtern dagegen laſſen ſich durch fortgeſetzte
Reductionen zuletzt auf dφ = φ + Conſt. oder
auf
[136]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
auf dφcoſφ = ſinφ + C; dφſinφ =
coſφ + Conſt. reduciren, wie aus folgender
Rechnung ſich ergiebt.


Beyſpiele.

V. Man ſetze m = o, alſo ſinφm = 1, ſo hat
man aus (III. ☉).
Und wenn man in (III. ☽) n = o ſetzt
Setzt man in die erſte dieſer Formeln nunmehr
n — 2 ſtatt n, und in die zweyte m — 2 ſtatt
m, ſo wird auf eine ähnliche Art das Integral
dφcoſφn—2 auf dφcoſφn—4 und dφſinφm—2
auf dφſinφm—4 gebracht; ſo denn dieſe ferner
auf zwey andere, worin die Exponenten von coſφ
und ſinφ wieder um zwey Grade niedriger ſind
u. ſ. w. So kömmt man denn endlich auf
dφſinφo = dφ = φ + Conſt. oder wenn
m ungerade iſt auf dφſinφ = — coſφ + C.
Und eben ſo auf dφcoſφo = φ + Conſt.
oder auf dφcoſφ = ſinφ + Conſt.


Wenn man die Rechnung, deren Gang hier
nur angedeutet iſt, vollſtändig durchführt, ſo wird
man folgende Formeln erhalten

[137]Integralrechnung.
dφſinφm = — coſφ (ſinφm—1 + A ſinφm—3
+ B ſinφm — 5 ....)
+ Mφ + Conſt.
dφcoſφn = ſinφ (coſφn — 1 + A' coſφn — 3
+ B' coſφn — 5 ....)
+ M'φ + Conſt.

Wo A, B, C u. ſ. w. folgende Werthe haben
u. ſ. w.
Die Coefficienten A', B' ꝛc. M' werden durch ähn-
liche Ausdrücke gefunden, nur daß man in ihnen
n ſtatt m ſetzen muß. Jede der angegebenen Rei-
hen wird ſo weit fortgeſetzt, bis man auf dasjeni-
ge Glied kömmt, worin ſinφ und coſφ die klein-
ſten bejahten Exponenten erhalten. Sind m, n
ungerade Zahlen, ſo fallen die Glieder Mφ; M'φ
gänzlich weg.


Beyſp.
[138]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.

Beyſp. Für m = 6. Hier wäre ſchon
m — 5 = 1 alſo ſinφm — 3 = ſinφ, daher in
der Reihe der Coefficienten nur A und B in Be-
trachtung kommen. Nemlich A = ; B =
Alſo
wo, wie zu allen Integralen, wenn es auch nicht
immer angezeigt iſt, noch eine Conſt. hinzuge-
dacht werden muß.


Für m = 7. Hier würde man die Coef-
ficienten nur bis auf den dritten zu berechnen
nöthig haben. Nemlich A =
C = ; der Werth von M würde = o.
Daher
Und
[139]Integralrechnung.
Und ſo in ähnlichen Fällen für dφcoſφn.
Aus dem bisherigen ergeben ſich alle die ſpeciel-
len Fälle, worüber man in den oben (§. 122. IV.)
angeführten Integraltafeln das weitere aufſuchen
kann, wenn man es zum Gebrauche nöthig findet.


§. 152.
Anmerkung.

1. Bekanntlich kann jede Potenz eines Si-
nus oder Coſinus in eine endliche Reihe von Si-
nuſſen oder Coſinuſſen vielfacher Winkel verwan-
delt werden z. B.
coſφn = αcoſ nφ + βcoſ (n — 2)φ + γcoſ (n — 4)φ
u. ſ. w. wo n jede gerade oder ungerade Zahl be-
deuten kann. Sodann
ſinφm = α'coſ mφ + β'coſ (m — 2)φ + γ'coſ (m — 4)φ
u. ſ. w. wenn m gerade iſt, und
ſinφm = α''ſin mφ + β''ſin (m — 2)φ + γ''ſin (m — 4)φ
u. ſ. w. wenn m ungerade iſt.


2. Das Geſetz der Coefficienten α, β, α',
β'
ꝛc. kann man in Klügels analytiſcher
Trigonometrie
§. XXXV ꝛc. und ähnlichen
Schriften nachſehen.


3.
[140]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.

3. Ein Produkt wie ſinφmcoſφn wird ſich
alſo durch lauter Partialproducte von der Form
coſ aφcoſ bφ oder coſ aφſin bφ, mithin das
Differenzial dφſinφmcoſφn in lauter Differen-
ziale von der Form dφcoſ aφcoſ bφ oder
dφcoſ aφſin bφ zerlegen laſſen, deren Integrale
ſich ohne Schwürigkeit finden laſſen. Denn z. B.
wegen
coſ aφcoſ bφ = ½ coſ (a + b)φ + ½ coſ (a — b)φ
iſt
dφcoſ aφcoſ bφ = ½ dφcoſ (a + b)φ
+ ½ dφcoſ (a — b)φ
und
u. ſ. w. Daher dieſe Integrationsmethode durch
vielfache Winkel, der obigen (§. 151.) wohl noch
vorzuziehen ſeyn mögte.


Beyſpiel. dφcoſφ3ſinφ2 zu finden.


Es iſt coſφ3 = ¼ coſ 3 φ + ¾ coſφ
ſinφ2 = 1 — coſφ2 = — ½ coſ 2 φ + ½
Alſo
[141]Integralrechnung.
Alſo beyde Ausdrücke in einander multiplicirt,
coſφ3ſinφ2 = — ⅛ coſ 3 φcoſ 2 φ — ⅜ coſ 2 φcoſφ
+ ⅛ coſ 3 φ + ⅜ coſφ

Demnach
dφcoſφ3ſinφ2 = — ⅛ dφcoſ 3 φcoſ 2 φ
— ⅜ dφcoſ 2 φcoſφ
+ ⅛ dφcoſ 3 φ
+ ⅜ dφcoſφ

welche Partial-Integrale denn leicht nach obiger
Vorſchrift gefunden werden können. Z. B. für
dφcoſ 3 φcoſ 2 φ iſt obiges a = 3, b = 2
Daher
dφcoſ 3 φcoſ 2 φ = ½ . ⅕ ſin 5 φ + ½ . ſinφ
Beſondere Fälle dieſer Integrationsmethode ſ. m.
in obigen IntegraltafelnTab. V. S. 266 u. f.


§. 153.
Aufgabe.

Die Integrale;
zu finden.


Aufl. I. Man ſetze in die Reductionsfor-
mel ☉ (§. 151 III.) n negativ, ſo erhält man

[142]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
Und nun n — 2 ſtatt n geſetzt
Woraus die Reduction
folgt, in welcher das Integral rechter Hand des
Gleichheitszeichens, im Nenner eine Potenz von
coſφ enthält, welche um zwey Grade niedriger
iſt, als in dem Integrale linker Hand des Gleich-
heitszeichens.


II. Ferner ſetze man in die Reductionsfor-
mel ☽ (§. 151. III.) m negativ, und verfahre
auf eine ähnliche Art wie in (I.), ſo erhält man
die Reduction

[143]Integralrechnung.
wo jetzt in dem Integrale rechter Hand des Gleich-
heitszeichens, im Nenner eine Potenz vom ſinφ
um zwey Grade niedriger vorkömmt.


III. Es erhellet hieraus, daß obige Inte-
grale durch fortgeſetzte Reductionen ſich endlich auf
dφſinφm oder auf dφcoſφn, oder falls m
und n ungerade ſind, auf ;
werden reduciren laſſen. Die erſtern ſind nach
(§. 151. V.) und die letztern auf folgende Art
zu finden.


IV. Man ſetze in obige Reductionsformel
(§. 151. III. ☽) n = — 1, ſo hat man
Aus welcher Formel alſo erhellet, daß durch
Fortſetzung dieſer Arbeit, ſich endlich
auf = dφtangφ = log ſecφ (§. 105.
XXI.)
[144]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
XXI.) oder auf = log tang (45° + ½ φ)
(§. 105. XXII.) = — log tang (45° — ½ φ)
wird reduciren laſſen.


V. Setzt man dagegen in (§. 151. III. ☉)
m negativ = — 1 ſo wird
welche Integration alſo endlich auf =
log tang ½ φ (§. 105. XXII. das dortige φ = ½ ψ
geſetzt) oder auf = dφcotφ =
log ſinφ zurückgebracht wird. Einzelne Fälle des
bisherigen ſ. m. in obigen Integraltafeln.


§. 154.
Aufgabe.

Das Integral zu fin-
den
.


Aufl. I. Man ſetze (§. 153. I.) das dortige
m negativ, ſo ergiebt ſich ſogleich

[145]Integralrechnung.

II. Oder auch daſelbſt (II.) n negativ geſetzt

III. Woraus denn erhellet, daß durch Fort-
ſetzung dieſer Reductionen, das vorgegebene In-
tegral ſich endlich auf
= log tang ½ φ (§. 153. V.) oder
auf = log tang (45° + ½ φ) oder
auf = log tangφ
wird bringen laſſen. (Beyſpiele in den angeführ-
ten Integraltafeln).


§. 155.

Zuſ. I. Ferner hat man nach dieſen For-
meln die Reductionen für die einzeln Fälle
Höh. Anal.II.Th. K
[146]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
aus (§. 154. II.) wenn n = o geſetzt wird. Und
aus (§. 154. I.) wenn man das dortige m = o
ſetzt.


§. 156.

Zuſ. II. Iſt in der erſten von dieſen bey-
den Formeln (§. 155.) m = 1, ſo bedarf es kei-
ner weitern Reduction, indem ſogleich aus
(§. 154. III.) bekannt iſt. Eben ſo iſt auch in
der zweyten (§. 155.) für n = 1 ſogleich auch
aus (§. 154. III.) bekannt.


§. 157.
Anmerkung.

Die Reductionsformeln für dφſinφmcoſφn,
wie auch m und n bejaht oder verneint, ganze
oder gebrochene Zahlen ſeyn mögen, laſſen ſich
auch aus denen (§. 119. XI.) ableiten.


Man
[147]Integralrechnung.

Man ſetze ſinφ = x; ſo iſt d x = dφcoſφ;
(1 — x2) oder (1 — x2)½ = coſφ alſo
dφſinφmcoſφn oder dφcoſφſinφmcoſφn—1 =
d x . xm . (1 — x2) welches Differenzial unter
der obigen Form (§. 119.) enthalten iſt, wenn man
ſtatt des dortigen m ſetzt m + 1
‒ ‒ ‒ a ‒ 1
‒ ‒ ‒ b ‒ — 1
‒ ‒ ‒ n ‒ 2
‒ ‒ ‒ p
Wird daher in obige Reductionsformeln d x =
d
φcoſφ; z = a + b xn = 1 — x2 = coſφ2; x =
ſin
φ, und ſtatt m, a, b, n, p die angezeigten
Werthe geſetzt, ſo erhält man 6 Reductionsfor-
meln für dφſinφmcoſφn von denen wir bis-
her nur viere zu unſerem Zwecke gebraucht haben.


Dieſe 6 Reductionsformeln hat Hr. Meier
Hirſch
in ſeinen Integraltafeln. S. 261.


§. 158.
Aufgabe.

Das Integral zu fin-
den
.


K 2Aufl.
[148]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.

Aufl. Man ſetze a + b coſφ = x, ſo iſt
b dφſinφ = d x; und wegen ſinφ =
,
das Differenzial
Mithin
Woraus denn erhellet, daß das vorgegebene In-
tegral auf die Integrationsregeln der Aufgabe (§.
129.) zurückgeführt iſt, und alſo jedesmahl, wenn
n eine ganze Zahl iſt, durch einen endlichen Aus-
druck dargeſtellt werden kann. Das weitere De-
tail führt aber auf ſehr zuſammengeſetzte Aus-
drücke, und würde hier zu weitläuftig zu entwik-
keln ſeyn.


Beyſpiel.

Für n = 1 iſt
Ich will dies Integral y nennen; Man findet
es nach (§. 130. Beyſp. II. 9.) wenn man das dor-
tige α = b2 — a2; β = 2 a; γ = — 1 ſetzt.
Stellt
[149]Integralrechnung.
Stellt man hierauf zugleich den Werth von x her,
ſo ergiebt ſich nach gehöriger Rechnung


I.Für den Fall, daß α poſitiv alſo
b2 \> a2 iſt
,
dafür kann man, wegen des Factors 2 b im Zäh-
ler, wovon der Logarithme in die noch hinzuzuad-
dirende Conſtante gezogen werden kann, ſchlecht-
weg ſetzen
Wenn man hier den Zähler und Nenner der
Größe, wovon der Logarithme genommen iſt, ge-
meinſchaftlich mit b + a coſφ + ſinφ √ (b2 — a2)
multiplicirt, ſo wird man für das Produkt des
Nenners finden — (a + b coſφ)2 daher auch
wird. Da nun hier die negative Größe, wovon
der Logarithme genommen wird, angeſehen wer-
den kann, als eine poſitive multiplicirt mit — 1,
und der Logarithme dieſes Factors — 1 mit in
die
[150]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
die Conſtante gezogen werden kann, ſo erhält man
auch y oder
.


II.Für den Fall, daßα (I.) negativ,
alſo b2 \< a2 ſeyn würde
, wird nach (§. 130.
Beyſp. II. 10.)
.
Hier kann, wenn mit dem Buchſta-
ben t bezeichnet wird, ſtatt Arc coſ — t auch
geſchrieben werden 180° — Arc coſ t, mithin
ſtatt — Arc coſ — t der Ausdruck Arc coſ t
180°, wo denn der auf 180° ſich beziehende In-
tegraltheil zur Conſtante gerechnet werden kann.
Daher erhält man y oder
.
wo denn dieſe Conſt. mit der im vorigen Aus-
drucke freylich nicht einerley Werth haben kann.


III.Für den Fall, daß b = a alſo
b2 — a2 = o ſeyn würde, können die gefunde-
nen
[151]Integralrechnung.
nen Integrale nicht angewandt werden. Aber
dann hat man geradezu

§. 159.
Anmerkung.

Eine noch allgemeinere Formel als die vorher-
gehende wäre ; oder auch
;
u. d. gl.


Alle dieſe laſſen ſich auch durch folgende Sub-
ſtitution in Ausdrücke verwandeln, welche ſich
nach den bereits bekannten Vorſchriften integriren
laſſen.


Man ſetze ſinφ = alſo coſφ =
; tang ½ φ = y.
So wird erſtlich
d
[152]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
Ein Ausdruck, welcher ohne Mühe nach (§. 109.
10) integrirt werden kann. Da nun aber auch
ſinφn = ; coſφn = ra-
rionale algebraiſche Funktionen von y ſind, ſo
ſind alſo auch z. B.
u. d. gl. auf Differen-
ziale gebracht, deren Integration, wenn ſie in
der Ausübung vorkommen ſollte, ſich nach den
bereits erklärten Regeln, bewerkſtelligen läßt,
wobey denn m, n nach Gefallen bejaht oder ver-
neint ſeyn können. Sind m und n keine ganze
Zahlen, ſondern Brüche, ſo ſind dergleichen
Differenziale durch die angeführten Subſtitu-
tionen doch wenigſtens auf algebraiſche Formen
reducirt.


Verſchiedene einzelne Fälle, unter andern auch
nach Reductionsmethoden entwickelt, kann man in
Euler’sInstitut Calc. Integr. in den bereits
öfter angeführten Integraltafeln u. d. gl. nachſchla-
gen. Anwendungen von Integralen dieſer Art
kommen in der Aſtronomie häufig vor. Man
kann
[153]Integralrechnung.
kann ſie auch durch Sinuſſe und Coſinuſſe viel-
facher Winkel, wie z. B. die obigen (§. 152.)
ausdrücken, wovon aber die Ausführung hier zu
weitläuftig ſeyn würde.


§. 160.
Aufgabe.

Die IntegraleX d x Arc ſin x; X d x
Arc coſ x
u. d. gl zu finden, wenn X nach
Gefallen eine algebraiſche Function von
x bedeutet
.


Aufl. I. Man ſetze X d x = Y; ſo iſt
Y ein Integral, welches nach den vorhergehenden
Regeln (Kap. I. II.) als bekannt angeſehen wer-
den kann.


II. Alſo X d x Arc ſin x = d Y Arc ſin x,
und wegen d Arc ſin x = , nach be-
reits oft angewandten Reductionsformen
X d x Arc ſin x = Y Arc ſin x
läßt ſich alſo das reducirte Differenzial
integriren, ſo iſt auch das in der Aufgabe vor-
gegebene gefunden.


III.
[154]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.

III. Auf eine ähnliche Weiſe wird auch
X d x Arc coſ x = Y Arc coſ x +
X d x Arc tang x = Y[A]tang x
u. ſ. w. gefunden.


M. ſ. Hirſch Integraltafeln, nebſt mehre-
ren einzeln Fällen S. 289.


§. 161.
Aufgabe.

Das Integral∫ φndφſinφ oder ∫ φndφcoſφ
u. d. gl. zu finden.


Aufl. I. Man ſetze dφſinφ = — coſφ = Y,
ſo iſt ∫ φndφſinφ = ∫ φnd Y = φnY —
n
Yφn—1dφ, nach (§. 136.) das dortige
X = φn geſetzt.
Alſo
∫ φndφſinφ = — φncoſφ + n∫ φn—1dφcoſφ
Und nun weiter wegen dφcoſφ = ſinφ nach
einer ähnlichen Reductionsart
∫ φn—1dφcoſφ = φn—1ſinφ — (n — 1) ∫ φn—2dφſinφ
Daher
[155]Integralrechnung.
Daher
∫ φn dφſinφ = — φn coſφ + nφn — 1 ſinφ
n (n — 1)∫ φn—2 dφſinφ


II. Auf eine völlige ähnliche Weiſe wird
∫ φn dφcoſφ = φn ſinφ + nφn — 1 coſφ
n (n — 1)∫ φn — 2 dφcoſφ
gefunden, woraus demnach erhellet, daß die vor-
gegebenen Integrale ſich endlich auf ∫ φo dφcoſφ
= ſinφ; oder ∫ φdφcoſφ = φſinφ + coſφ,
oder auf ∫ φo dφſinφ = — coſφ; oder auf
∫ φdφſinφ = — φcoſφ + ſinφ reduciren laſſen.


III. Für ∫ φn dφtangφ läßt ſich kein end-
licher Ausdruck darſtellen. Aber durch eine un-
endliche Reihe läßt ſich das Integral leicht fin-
den, wenn man tangφ auf die bekannte Art
durch den Bogen φ ausdrückt, wofür man die
Reihe φ + Aφ3 + Bφ5 ꝛc. hat, deren Coef-
fieienten A, B ꝛc. man in Klügels anal. Trigo-
nometrie
(5. Kap. I. 110.) nachſehen kann.
Wird nun jedes Glied dieſer Reihe mit φn dφ
multiplicirt und integrirt, ſo erhält man
∫ φn dφtangφ ꝛc.
Man kann für ∫ φn dφtangφ auch noch andere
Rei-
[156]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
Reihen finden, ich will es aber bey der angezeig-
ten bewenden laſſen.


IV. Setzt man in (I.) und (II.) n negativ,
ſo erhält man (I.)
alſo
Oder wenn man jetzt ſtatt n ſetzt n — 2

Auf eine ähnliche Weiſe wird auch in (II.)
auf reducirt, woraus denn
erhellet, daß durch fortgeſetzte Reductionen die
Integrale ; ſich zuletzt auf
; , oder wenn n eine ge-
rade
[157]Integralrechnung.
rade Zahl und \> 2 iſt, auf ;
werden bringen laſſen. Aber dieſe
letztern vier einfachen Integrale laſſen ſich in kei-
ner endlichen Form darſtellen, und hängen von
transſcendentiſchen Functionen ab, für welche
bis jetzt noch keine Tafeln wie für die Logarith-
men und trigonometriſchen Functionen berechnet
ſind.


Drückt man aber z. B. ſinφ durch die un-
endliche Reihe
u. ſ. w. aus, ſo erhält man leicht
u. ſ. w., welcher Ausdruck auch durch unmögliche
Integral-Logarithmen dargeſtellt werden kann,
wenn man ſin ſetzt,
indem man nach einer leichten Rechnung erhält
unter welcher Form aber das Integral von keinem
Nutzen iſt.


§. 162.
[158]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
§. 162.
Aufgabe.

Die Integraleemφdφſinφn;
emφdφcoſφnzu finden.


Aufl. I. Man ſetze in der bekannten Re-
ductionsformel Y d X = X YX d Y die Aus-
drücke d X = emφdφ alſo und Y =
ſin
φn, ſo erhält man die Reduction

II. Und nun weiter nach einer ähnlichen Re-
duction indem man d X = emφdφ wie vorhin,
aber Y = ſinφn—1 coſφ ſetzt
Oder wenn man coſφ2 = 1 — ſinφ2 ſetzt, und
dann das herauskommende Integral in (I.) ſub-
ſtituirt, nach einer leichten Rechnung

[159]Integralrechnung.

III. Für n = o iſt ; für
n = 1 aber
Auf dieſe laſſen ſich nun vermöge der Reductions-
formel (II.) alle übrigen bringen, wenn n eine ganze
Zahl iſt.


IV. Nach einer ähnlichen Rechnung findet
ſich
wo für die einzeln Fälle n = o, und n = 1 die
Integrale ebenfalls ſich geradezu aus der For-
mel ergeben.


§. 163.
Anmerkung.

Auch die noch allgemeinern Integrale z. B.
emφdφſinφn coſφk laſſen ſich aus den ange-
führ-
[160]Zweiter Theil. Viertes Kapitel.
führten ableiten, wenn man ſinφn, coſφk durch
Sinuſſe und Coſinuſſe vielfacher Winkel ausdrückt.
M. ſ. EulersInst. Calc. integr. §. 271. und
die bereits öfter angeführten Integraltafeln S. 296.
Das bisherige mag hinreichen, die in der Aus-
übung am meiſten vorkommenden Integrale mit
transſcendenten Functionen, entwickelt zu haben.


In Fällen, wo Integrale ſich in keinem end-
lichen Ausdrucke darſtellen laſſen, begnügt man
ſich mit unendlichen Reihen, dergleichen wir
ſchon bey mehreren Aufgaben entwickelt haben,
welche aber in der Ausübung nur für die Fälle
brauchbar ſind, wenn ſie ſich ſchnell genug nähern.


Da ſich jede Function y von x allemahl in
eine Reihe von der Form
y = A xα + B xβ + C xγ u. ſ. w.
verwandeln läßt, ſo iſt dadurch alſo auch allgemein
u. ſ. w.
durch eine Reihe gegeben.


Ex. Es ſey
ſo iſt
(1 —
[161]Integralrechnung.
ꝛc.
Dies alſo mit d x multiplicirt und integrirt, giebt
ꝛc.
Alſo das Integral = Arc ſin x
(§. 105. XXIII.) durch eine Reihe, welche demnach
zeigt, auf welche Weiſe der Bogen aus ſeinem
Sinus = x berechnet werden kann.


So iſt auf eine ähnliche Weiſe
= Arc tang x (§. 105. XXIV.) wie
wir auch auf eine andere Art ſchon oben (§. 74.
Beyſp. III. 6.) gefunden haben.


Es iſt unnöthig, dieſe Art, die Integrale
durch Reihen zu finden, noch durch andere Bey-
ſpiele zu erläutern.


Hier iſt noch ein anderes Verfahren, In-
tegrale durch Reihen auszudrücken.


Höh. Anal.II.Th. L§. 164.
[162]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
§. 164.
Aufgabe.

Das Integraly d xwoyeine
Funktion von
xbezeichne, durch eine
Reihe auszudrücken
.


Aufl. I. Nach der bekannten Reductions-
formel (§. 123.) iſt
y d x = x y —x d y
Nun ſey d y = p d x, ſo iſt
x d y = p x d x = ½ x2 p — ½x2 d p
nach einer ähnlichen Reduction. Alſo
y d x = x y — ½ x2 p + ½x2 d p
Man ſetze nun weiter d p = q d x; d q = r d x
u. ſ. w. ſo wird man durch Fortſetzung dieſes Re-
ductionsverfahrens endlich finden
u. ſ. w. oder wegen ; ;

[163]Integralrechnung.
.
welches eine von Johann Bernoulli (Opp.
Tom. II. p.
488.) zuerſt angegebene Integra-
tionsreihe iſt.


Man kann auch daraus den Tayloriſchen
Lehrſatz ableiten.


Wenn die Function y durch deren ſucceſſive
Differenziationen das Integral y d x auf die
angezeigte Art ausgedrückt wird, nur etwas ver-
wickelt iſt, ſo werden auch die Differenziale ,
meiſt ſehr unbequem ausfallen. Indeſſen
iſt die angezeigte Reihe an und für ſich merkwür-
dig, und kann ſonſt zu manchen nützlichen Fol-
gerungen Gelegenheit geben.


Aufl. II. Es iſt auch
wo u eine willkührliche Function von x bedeute,
deren Differential man conſtant ſetze.


L 2Man
[164]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.

Man nenne x d u = d p, oder x d u = p
ſo hat man oder
, weil wenn d u
conſtant iſt Demnach
Nun werde auf eine ähnliche Art p d u = d q,
hierauf weiter q d u = d r ꝛc. geſetzt, ſo erhält
man durch Fortſetzung des angezeigten Verfahrens
.
wo man die Function u ſo wählen kann, daß die
Differenzialquotienten ; ꝛc. einfacher aus-
fallen, als jene ; in der Bernoulli-
ſchen Formel. Dies Verfahren lehrt Taylor in
ſeiner Methodus incrementorum eto. p. 38.


Aufl.
[165]Integralrechnung.

Aufl. III. Man kann auch nach Taylor
ſetzen, wo w wieder eine
Function von x bedeute, deren Differenzial d w
man conſtant ſetze. Wird nun der Kürze halber
jetzt y d w = d p; p d w = d q u. ſ. w. geſetzt,
ſo erhält man nach einem ähnlichen Verfahren
wie (II.)
wo denn die Function w ebenfalls ſo zu wählen
iſt, daß die Differenzialquotienten ;
u. ſ. w. leicht zu finden ſind.


Beyſpiele.

Für Aufl. I. ſey , ſo iſt y d x =
= log (1 + x). Dieſen Logarithmen
durch eine Reihe auszudrücken, hat man (I.)
; ;
u. ſ. w. Dies giebt y d x oder
ꝛc.
wo
[166]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
wo keine Conſtante hinzuzufügen iſt, weil für
x = o auch l (1 + x) = log 1 = o wird. Dieſe
Reihe die Logarithmen zu berechnen, kann andern,
die wir bereits oben (§. 74) gegeben haben, noch
mit Nutzen beygefügt werden.


Für Aufl. II. ſey y = (log x)n alſo
y d x = d x (log x)n durch eine Reihe auszu-
drücken. Vors erſte hat man
; alſo
; ſetzt man nun x d u =
d x = d p
, ſo erhält man hier den Vortheil, daß
alſo durch eine
leichte Differenziation
;
u. ſ. w. wird.


Ferner
[167]Integralrechnung.

Ferner erhält man x d u = p = x; q =
p d u = x d u = p = x; r = q d u =
x d u = x u. ſ. w. alle folgenden Integrale = x.
Mithin, dieſe Werthe in die Aufl. II. ſubſtituirt,
y d x oder
u. ſ. w.)
wo wenn n eine ganze Zahl iſt, die Reihe ab-
bricht, hingegen unendlich wird, wenn n ein Bruch
oder negativ iſt. Die hinzu zu addirende Conſt.
wird, wenn d x (log x)n für x = 1 verſchwinden
ſoll = o werden, für den Fall, daß n eine be-
jahte ganze Zahl iſt.


Wäre n verneint, ſo würde .
welche Reihe aber für die Ausübung von wenig
Nutzen iſt.


Für Aufl. III. ſey y = √ (a2 — x2) alſo
y d x = d x √ (a2 — x2) durch eine Reihe aus-
zudrük-
[168]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
zudrücken. Es iſt erſtlich .
Setzt man nun d w = x d x, ſo hat man d w =
— d y
√ (a2 — x2) = — y d y, alſo y d w =
— y2 d y
und ; q = p d w
und ſo ferner
u. ſ. w. Sodann
weiter
;
u. ſ. w.
Dieſe Werthe in die Reihe Aufl. III. ſubſtituirt,
geben
.
wo ſtatt y geſetzt werden muß √ (a2 — x2).


§. 165.
[169]Integralrechnung.
§. 165.
Integrale innerhalb beſtimmter Werthe der
veränderlichen Größe
x.

1. Wenn die zu einem Integrale X d x
(wo X eine beliebige Function von x vorſtelle)
hinzuzuſetzende Conſtante ſo beſtimmt wird, daß
das Integral für x = a den Werth A erhält,
hierauf aber, wenn x = b geſetzt wird, der Werth
des Integrals = B wird, ſo nennt man B — A
den Werth des Integrals von x = a bis x = b
d. h. B — A drückt den Werth deſſelben aus,
innerhalb der Werthe b, a, welche man der ver-
änderlichen Größe x ertheilt hat.


2. Sehr häufig beſtimmt man das Integral
X d x ſo, daß es für x = a = o ſelbſt = o
werden ſoll, in welchem Falle alſo A = o iſt,
und folglich B den Werth des Integrals von x = o
bis x = b ausdrückt.


3. Nun ſetze man, durch irgend eine Re-
duction ſey das Integral X d x auf W + V d x
gebracht worden (wo W und V wieder Functio-
nen von x bedeuten), ſo daß X d x = W + V d x
ſey. Wäre nun die Function W ſo beſchaffen,
daß ſie von x = o bis x = b auch verſchwände,
ſo wäre innerhalb dieſer Gränzen das Integral

[170]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
X d x ſchlechtweg nur = V d x. Daher alſo
öfters die Integrale zweyer ganz verſchiedener Dif-
ferenziale z. B. von x = o bis x = b gleichen
abſoluten Werth haben können, wie folgende
Beyſpiele ausweiſen.


BeyſpielI.

4. Es ſey alſo
ſo wird nach der Reduction (§. 119. XI. Nro. V.)
wenn man das dortige a; p; n; b
hier b2; — ½; 2; — 1
bedeuten läßt,

5. Hier verſchwindet nun der Theil
ſo wohl für x = o, als
auch für x = b, daher iſt der Werth des
Integrals von x = o bis

x = b, ſchlechtweg nur
wo
[171]Integralrechnung.
wo alſo das obige V d x oder hier
ebenfalls von x = o
bis x = b zu nehmen iſt.


6. Setzt man m + 2 ſtatt m, ſo iſt auf eine
ähnliche Art
von x = o bis x = b genommen.


7. Hier hat man nun erſtlich für die einfachern
Fälle
aus (§. 130. Beyſp. I. 7.) das dortige α = b2;β = o
und γ = 1 geſetzt) welches für x = o verſchwin-
det, und für x = b, ſich in Arc ſin 1 verwandelt.
Aber Arc ſin 1 = 90° oder (in Decimaltheilen
des Halbmeſſers 1) = ½ π; Alſo iſt von x = o
bis x = b
.


II.
[172]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.

II..
ſoll dies für x = o verſchwinden, ſo iſt Conſt. =
b.
Mithin
welches nun für x = b den Werth
erhält.


8. Hieraus ergiebt ſich nun weiter für die
zuſammengeſetztern Fälle, alſo (6.) für m = 1
(7. I.)
für m = 2

9. Ferner für m = 3

10. Und für m = 4
.
Wel-
[173]Integralrechnung.
Welches man auf dieſe Art bis auf jeden Werth
von m fortſetzen kann. Man findet auf dieſe
Art allgemein von x = o bis x = b
Andere Beyſpiele für algebraiſche Functionen ſ.
m. in Eulers Integralrechnung Cap. VIII. in
Hirſch Integraltafeln S. 248 ꝛc. Jetzt noch
ein Beyſpiel wo die Function X tranſcendente
Größen enthält.


BeyſpielII.

Es ſey der Werth des Integrals d x ſin xm
von x = o bis x = 90° = ½ π (wo π den hal-
ben Umkreis in Decimaltheilen des Halbmeſſers 1,
alſo die Ludolphiſche Zahl ausdrücke) zu finden.


1. Nach (§. 151. V.) iſt erſtlich

2. Iſt nun m — 1 eine ganze bejahte Zahl,
ſo verſchwindet der Theil
ſo
[174]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
ſo wohl für x = o, als auch für x = 90° = ½ π,
und man hat daher ſchlechtweg für dieſen Fall,
von x = o bis x = ½ π,
.


3. Iſt nun z. B. m = 2, ſo hat man (2.)
d x ſin x2 = ½ d x = ½ x + Conſt.
Soll dies Integral für x = o verſchwinden, ſo
muß die Conſt. = o ſeyn. Dann iſt der Werth
des Integrals für x = ½ π, ſogleich = ¼ π; und
daher iſt von x = o bis x = ½ π das Integral

4. Für m = 3 wird nunmehr (2)
d x ſin x3 = ⅔ d x ſin x = — ⅔ coſ x + C.
Dieſe Conſtante C wird für den Fall, daß das
Integral für x = o verſchwinden ſoll, dem Werthe
+ ⅔ gleich. Demnach iſt
d x ſin x3 = — ⅔ coſ x + ⅔
welches Integral nunmehr für x = ½ π den Werth
+ ⅔ erhält; demnach iſt von x = o bis x = ½ π
d x ſin x3 = + ⅔.


5.
[175]Integralrechnung.

5. Hieraus nun weiter für m = 4
d x ſin x4 = ¾ d x ſin x2 = ; (3.)
Und für m = 5
d x ſin x5 = ⅘ d x ſin x3 = ; (4.)
u. ſ. w.


6. Man ſieht aus dieſen Beyſpielen, wie
überhaupt Integrale für beſtimmte Werthe der
veränderlichen Größe x, oder vielmehr innerhalb
beſtimmten Werthen derſelben, durch gehörige Be-
ſtimmung der Conſtanten erhalten werden, wel-
ches denn eigentlich nicht weiter hieher, ſondern
zu Anwendungen der Integralrechnung gehört, ſo
wie auch die mannichfaltigen Folgerungen, welche
ſich aus Combinationen ſolcher beſtimmten Inte-
grale ableiten laſſen.


7. So z. B. iſt, wenn man die Integrale
von x = o bis x = b nimmt, das Produkt
Aus (Beyſp. I. 10.), und ſo auch der Quotient

[176]Zweyter Theil. Viertes Kapitel.
= dem Bruche
.
Welches merkwürdige Sätze darbietet, dergleichen
man viele in EulersInst. Calc. integr. (Cap.
VIII. IX.)
nachſehen kann, und welche gleichfalls
als Anwendungen der Integralrechnung zu be-
trachten ſind. Die gegebenen Beyſpiele mögen
hinreichen. Von Anwendungen der Integralrech-
nung auf die Lehre von den Reihen, handelt um-
ſtändlich Lacroixtraité des differences et
des séries, faisant suite au Traité du Cal-
cul differentiel et integral
. à Paris
1801.


Fünftes
[177]Integralrechnung.

Fünftes Kapitel.


Integration von Differenzialgleichungen des
erſten Grades, wie P d x + Q d y = o, (§.
103. VIII.), wenn P und Q nach Gefallen
Functionen von x und y ſind, oder auch
nur eine von beyden Größen P oder Q
eine Function von x und y iſt.


§. 166.

Vorbereitung. I. Wenn Z eine Function
von x und y bedeutet, durch deren Differenziirung
der Ausdruck P d x + Q d y entſtehen würde, ſo
iſt klar, daß Z = Conſt. die Integralgleichung
von P d x + Q d y = o ſeyn wird. Denn wenn
die Function Z einer unveränderlichen Größe gleich
iſt, ſo iſt ihr Differenzial d Z = o d. h. P d x
+ Q d y = o
; Alſo umgekehrt von P d x + Q d y
= o
die Integralgleichung Z = Conſt.


II. Wenn nun aber P d x + Q d y ein würk-
liches Differenzial einer aus x und y zuſammen-
geſetzten Function Z iſt, ſo muß nothwendig nach
(§. 58.) ſeyn. Umgekehrt alſo,
Höh. Anal.II.Th. Mwenn
[178]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
wenn bey einer Differenzialgleichung P d x +
Q d y = o
die Functionen P und Q, ſo beſchaf-
fen ſind, daß , ſo muß einer ſol-
chen Differenzialgleichung auch eine Integralglei-
chung Z = Conſt. entſprechen.


III. Indeſſen könnten die Differenzialquotien-
ten und auch von ungleichem
Werthe ſeyn, und dennoch würde der Differen-
zialgleichung P d x + Q d y = o eine Integral-
gleichung, oder vielmehr eine endliche Gleichung
zwiſchen x und y entſprechen können.


Es ſey z. B. 3 y d x + 2 x d y = o, alſo
P = 3 y; Q = 2 x; mithin = 3;
= 2, alſo nicht ; und dennoch iſt
die endliche Gleichung zwiſchen x und y, wor-
aus jene Differenzialgleichung entſtehen würde,
x3 y2 = Conſt. alſo die Function Z = x3 y2.
Denn wenn man die Gleichung Z = Conſt., oder
x3 y2 = Conſt. differenziirt, ſo iſt
3 x2 y2 d x + 2 x3 y d y = o (☉)
oder
[179]Integralrechnung.
oder durchaus mit x2 y dividirt,
3 y d x + 2 x d y = o (☽)
welches die vorgegebene Differenzialgleichung iſt.


IV. Aus dieſem Beyſpiele erhellet nun zu-
gleich die Urſache, warum der Gleichung (☽) wor-
in P = 3 y und Q = 2 x iſt, der Character
nicht entſpricht, da hingegen in
der Gleichung (☉) worin P = 3 x2 y2; und Q
= 2 x3 y
iſt, allerdings = 6 x2 y
iſt. Durch Weglaſſung des gemeinſchaftlichen
Factors x2 y in (☉), iſt nemlich der Ausdruck
3 y d x + 2 x d y für ſich allein nicht mehr ein voll-
ſtändiges Differenzial der Function Z = x3 y2;
wenn gleich die endliche Gleichung Z = Conſt.
oder x3 y2 = Conſt. ſo wohl der Differenzialglei-
chung (☉) als auch der abgekürzten (☽) ein Ge-
nüge leiſtet, und alſo als Integralgleichung von
allen beyden angeſehen werden muß.


V. Man ſieht alſo hieraus, wie öfters Dif-
ferenzialgleichungen P d x + Q d y = o die Bedin-
gung fehlen kann, ohne daß
M 2man
[180]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
man darum ſchließen darf, einer ſolchen Gleichung
entſpreche keine Integralgleichung. Denn öfters
darf man P und Q nur gemeinſchaftlich in einen
gewiſſen Factor L (wie z. B. die Gleichung (☽)
nur mit x2 y) multipliciren, um ſogleich eine neue
Gleichung L . P d x + L . Q d y = o zu erhalten,
für welche wird, wie
z. B. in der Gleichung (☉), wo L . P = x2 y . 3 y;
und L . Q = x2 y . 2 x wird, ſo bald in (☽) wor-
in P = 3 y und Q = 2 x iſt, mit dem Factor x2 y,
wieder multiplicirt wird.


VI. Ich nehme jetzt an, daß entweder ur-
ſprünglich in einer Differenzialgleichung wie P d x
+ Q d y = o
, iſt, oder eine vor-
gegedene Differenzialgleichung, erſt durch die Mul-
tiplication mit einem gewiſſen Factor in eine ſolche
wie P d x + Q d y = o verwandelt worden iſt,
daß wird, und zeige nun zuerſt,
wie in ſolchen Fällen die Integralgleichung gefun-
den werden kann.


§. 167.
[181]Integralrechnung.
§. 167.
Aufgabe.

Wenn in einer Differenzialgleichung
P d x + Q d y = o
iſt, die Integralgleichung
zu finden
.


Aufl. I. Weil unter der Bedingung ;
der Ausdruck P d x + Q d y ein vollſtän-
diges Differenzial einer Function von x und y iſt,
welche ich mit Z bezeichnen will, ſo hat man
d Z = P d x + Q d y


II. Jetzt integrire man P d x ſo, daß man
nur x als eine veränderliche Größe, y hingegen
einſtweilen als eine unveränderliche anſieht, und
nenne das Integral = V.


III. Dieſes V gedenke man ſich hierauf dif-
ferenziirt, indem man nun wieder x und y als ver-
änderliche Größen behandelt, ſo wird ſich ergeben
d V = P d x + G d y
weil
[182]Zweiter Theil. Fünftes Kapitel.
weil wenn y unveränderlich alſo d y = o iſt, d V
bloß dem P d x gleich ſeyn muß (II.).


IV. In ſo fern nun aber d V ein vollſtändi-
ges Differenzial einer Function von x und y iſt,
hat man . Auch iſt G für ſich
allein, bloß dem partiellen Differenzialquotienten
gleich.


V. Nun ſey Q = G + H, wo G =
durch die Differenziation aus (IV.) bekannt iſt, ſo
hat man (I.)
d Z = P d x + (G + H) d y
alſo wegen die Gleichung

VI. Nun iſt aber aus (IV.) auch
Mithin (V.) ;
alſo = o d. h. H kann keine Function von
x,
[183]Integralrechnung.
x, ſondern bloß von y ſeyn, weil wenn H auſ-
ſer der veränderlichen Größe y auch x enthielte,
die Differenziation nach x, alſo der Quotient
nicht = o ſeyn würde.


VII. Iſt alſo wie gezeigt worden H = Q — G
bloß eine Function von y, ſo hat man auch das
Integral H d y. Demnach (V.)
Z = (P d x + G d y) + H d y.
= V + H d y (III.).


VIII. Alſo endlich Z = Conſt. d. h.
V + H d y = Conſt.
die Integralgleichung von P d x + Q d y = o.


§. 168.

ZuſatzI. Man ſieht aus dem Gange die-
ſes Verfahrens, daß man auf eine ähnliche Art
auch Q d y hätte integriren können, ſo daß man
hiebey bloß x als eine unveränderliche Größe anſähe.
Wäre ſolchergeſtalt Q d y = U gefunden worden,
(wie in (II.) das P d x = V) und differenziirte
hierauf U, ſo daß man x und y beyde als ver-
änderlich betrachtete (wie in (III.) das V) ſo fin-
det ſich, (wenn d U = Q d y + K d x wird), daß
P —
[184]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
P — K = H' nur allein eine Funktion von x ſeyn
kann, (wie in VII. H bloß eine Funktion von y
war), und daß ſodann auf eine ähnliche Art die
Integralgleichung von P d x + Q d y = o auch
U + H' d x = Conſt. ſeyn müſſe.


§. 169.

Zuſ. II. Wenn in (§. 167. II.) P d x ſo
integrirt werden ſoll, daß man bloß x als eine ver-
änderliche Größe anſieht, ſo will ich dies durch
x P d x andeuten. Eben ſo, wenn in (Zuſ. I.)
Q d y ſo integrirt werden ſoll, daß man bloß y
als veränderlich anſieht, ſo werde dies durch
y Q d y angedeutet.


Wenn demnach in einer Differen-
zialgleichung
P d x + Q d y = o;
iſt, ſo iſt die Regel um die Inte-
gralgleichung von
P d x + Q d y = ozu
finden, kurz folgende
.


Man ſuche das Integral x P d x = V; oder
auch y Q d y = U, und hierauf die partiellen Dif-
ferenzialquotienten
(d
[185]Integralrechnung.
= G oder auch
= K

Wird nun Q — G = H; P — K = H' geſetzt, ſo
iſt die geſuchte Integralgleichung entweder
V + H d y = Conſt.
Oder U + H' d x = Conſt.
Einige Beyſpiele werden dies vollkommen erläutern.


§. 170.

BeyſpielI. Es ſey die Gleichung fol-
gende
(αx + βy + γ) d x + (βx + δy + ε) d y = o
ſo hat man P = αx + βy + γ; Q = βx + δy + ε
und = β, woraus erſtlich die un-
mittelbare Integrabilität der vorgegebenen Differen-
zialgleichung erhellet. Um nun die Integralgleichung
zu erhalten, ſo iſt erſtlich (§. 169.)
x P d x oder x (αx + βy + γ) d x
= ½ αx2 + βy x + γx = V;

und nun durch partielle Differenziirung
βx;
[186]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
βx; Daher G = β x, und H = Q — G = δ y + ε,
H d y = ½ δ y2 + ε y; Demnach die Integral-
gleichung V + H d y = Conſt. d. h.
½ α x2 + β y x + γ x + ½ δ y2 + ε y = Conſt.
Daſſelbe würde man bekommen, wenn man nach
dem zweyten Verfahren U + H' d x = Conſt.
berechnen würde.


Beyſp. II. Die Integralgleichung von
oder von
= o
zu finden.


Hier iſt alſo
P = ; Q =
und man findet aus
daß die vorgegebene Gleichung an ſich integrabel
iſt. Nun iſt aus (§. 130. B. I. die dortigen
γ = 1; β = o und α = y2 geſetzt)

[187]Integralrechnung.
= log (2 x + 2 √ (x2 + y2)) = V
oder auch V = log 2 + log (x + √ (x2 + y2))
Mithin oder
G =
d. h. Zähler und Nenner gemeinſchaftlich mit
x + √ (x2 + y2) multiplicirt,
G =
Demnach
H = Q — G = o; und H d y = o
Folglich die Integralgleichung ſchlechtweg V = C.;
oder weil man den log 2 in dem Werthe von V
ſogleich zur Conſt. rechnen kann
log (x + √ (x2 + y2)) = Conſt.


§. 171.
Anmerkung.

Da aus der Gleichung (§. 167.)
d V = P d x + G d y
d)
[188]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
war, ſo hat man auch ,
mithin
Aber G nach x differenziiren, den Differenzial-
quotienten wieder in d x multipliciren, und
d x wieder nach x integriren, will weiter
nichts ſagen, als G unverändert laſſen. Alſo iſt
in der That , nichts anders als die
ungeänderte Function G ſelbſt. Demnach iſt auch
= G
Man kann alſo den Werth von G auch erhalten,
wenn man P nach y differenziirt, den Differen-
zialquotienten in d x multiplicirt, und hier-
auf d x nach x integrirt, welches Verfah-
ren den Werth von G oft leichter und kürzer giebt,
als wenn man es erſt nach (§. 167. II.) aus der
Differenziation von V ableitet.


So
[189]Integralrechnung.

So iſt z. B. in (§. 170. Beyſp. I.) = β
und daher auch
G = d x = xβ d x = β x.


Eben ſo iſt auch K = d y bey der
zweyten Integrationsmethode (§. 168.).


§. 172.
Aufgabe.

Wenn in einer Differenzialgleichung
P d x + Q d y = onicht iſt,
die Integralgleichung zu finden
.


Aufl. In dieſem Falle ſuche man, ob ſich
ein Factor L finden läßt, welcher in P d x + Q d y
multiplicirt den Ausdruck L P d x + L Q d y zu
einem vollſtändigen Differenziale einer Function
von x und y, welche ich Z nennen will, macht.
Iſt dieſes der Fall, ſo verfahre man hierauf nach
der vorhergehenden Aufgabe, in welcher man
L P ſtatt P und L Q ſtatt Q gebraucht, um
die Integralgleichung zu erhalten.


§. 173.
[190]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
§. 173.

Leider hat man aber bis jetzt noch kein allge-
meines Verfahren, um einen ſolchen integri-
renden Factor
L zu finden. Folgendes kann
indeſſen in manchen Fällen datu brauchbar ſeyn.


Weil d Z = L P d x + L Q d y ein vollſtän-
diges Differenzial ſeyn ſoll, ſo muß ſeyn
d. h.
Oder
Den Factor L zu finden, käme es alſo darauf an,
dieſer Differenzialgleichung ein Genüge zu leiſten,
wozu aber bis jetzt ſich noch keine allgemeine Me-
thode dargeboten hat. Wenn man indeſſen in
dieſe Gleichung ſtatt Q den Werth — aus
der vorgegebenen Differenzialgleichung ſetzt, ſo
erhält man
Nun
[191]Integralrechnung.
Nun iſt aber
d L =
was auch L für eine Function von x und y ſeyn
mag, wie das Z (§. 17. VII.); demnach
P d L = L d y
Oder wenn man der Kürze halber
= M
ſetzt
= — M d y, alſo log L = — M d y
Mithin L = e M d y, wenn e die Zahl bedeutet,
deren natürlicher Logarithme = 1 iſt.


Auf eine ähnliche Art, findet man auch, wenn
= N
geſetzt wird
L = e N d x
Es kann alſo der Factor L unmittelbar gefunden
werden, wenn entweder M bloß einer Function von
y;
[192]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
y; oder N bloß einer Function von x gleich iſt,
welche Fälle denn freylich ſelten ſind.


§. 174.
Aufgabe.

Die Differenzialgleichungd y + X y d x
= X d xoder (X y — X) d x + d y = ozu
integriren, wo X, X bloß Functionen von
x bedeuten
.


Aufl. 1. Für dieſe Differenzialgleichung
wäre alſo P = X y — X; Q = 1; alſo = X
= o, mithin das N im vorhergehenden
(§.) hier bloß einer Function von x gleich; nem-
lich N = X; Alſo der integrirende Factor L =
e X d x
; Um nun die Integration zu bewerkſtelligen
(§. 172.) ſuche man erſtlich (§. §. 167. 169. 172.)
V = x L P d x oder x e X d x (X y — X) d x,
ſo erhält man
V = y e X d x X d x e X d x X d x
oder wegen e X d x X d x = e X d x (§. 36.)
V = y e X d x e X d x X d x
Fer-
[193]Integralrechnung.
Ferner (§. 171. 172.)
G = d x, oder auch G =
(§. 169.) = e X d x; und nun H = Q — G; oder
eigentlich = L . Q — G (§. 172.) = e X d x
e X d x = o.


2. Demnach iſt die Integralgleichung ſogleich
folgende
V = Conſt. oder
y e X d x e X d x X d x = Conſt. d. h.
y = e X d x . (Conſt. + e X d x X d x)

in welcher Formel demnach die Integrale e X d x
und e X d x X d x, wenn X und X gegeben ſind,
nach den Vorſchriften (Kap. I‒IV.) gefunden wer-
den können, oder doch als gefunden angeſehen
werden.


§. 175.

Zuſ. I. Es erhellet, daß dieſelbe Auflöſung
bleiben würde, man die Differenzialgleichung
d Y + X Y d x = X d x
hätte, wo ſtatt y in der vorigen, nur Y oder eine
Function von y geſetzt wäre. Dann würde die
Integralgleichung ſeyn
Höh. Anal.II.Th. NY
[194]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
Y = e X d x (C + e X d x X d x)
z. B. für Y = wäre d Y = —
Demnach wäre von der Differenzialgleichung
und folglich auch, wenn man auf beyden Seiten
mit yn multiplicirt, von der Differenzialgleichung
(n — 1) d y + y X d x = yn X d x
oder auch von der Differenzialgleichung
(☉)
die Integralgleichung
= e X d x (C + e X d x X d x). (☽)


§. 176.

Zuſ. II. Man ſetze in die eben gefundenen
Gleichungen (☉) und (☽) — (n — 1) X ſtatt X
und — (n — 1) X ſtatt X, ſo hat man von der
Differenzialgleichung
d y + y X d x = yn X d x
die Integralgleichung
1
[195]Integralrechnung.
oder wenn man ſtatt C auch ſetzt (n — 1) C

§. 177.

Zuſ. III. Wäre die Gleichung
F d y + F' y d x = F'' d x
zu integriren, und F, F', F'' bloß Functionen
von x, ſo darf man nur durchaus mit F dividi-
ren, um dieſe Gleichung auf die Form des 174 §es
zu bringen, indem das dortige X nun und
ſeyn würde.


§. 178.

Zuſ. IV. Wäre die Gleichung
(Y x — Y) d y + d x = o
zu integriren, und Y, Y bloß Functionen von y,
ſo iſt klar, daß dieſe Integration eben ſo wie die
(§. 174.) zu bewerkſtelligen iſt, indem man nur
ſtatt der obigen Größen X; X, y, x
hier Y; Y; x, y
N 2zu
[196]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
zu ſetzen braucht, weil beyde Differenzialgleichun-
gen nur in den Buchſtaben verſchieden ſind. Der
integrirende Factor L würde alſo ſeyn eY d y, und
das Integral ſelbſt
x = eY d y (C + eY d y Y d y).


§. 179.
Aufgabe.

Wenn in einer Differenzialgleichung
P d x + Q d y = o die Functionen P, Q,
gleichartige von x und y ſind, (Einleit
.
§. IV. ꝛc.) die Integralgleichung zu finden.


Aufl. I. Man ſetze in dieſe Functionen
y = w x, ſo werden P und Q ſich in W xn und
W xn verwandeln, ſo daß W, W bloß Functio-
nen von w werden. Setzt man nun zugleich
d y = w d x + x d w, ſo erhält man ſtatt der vor-
gegebenen Differenzialgleichung die neue
W xn d x + W xn (w d x + x d w) = o
d. h.
(W + W w) d x + W x d w = o
oder auch
eine
[197]Integralrechnung.
eine Differenzialgleichung, in welcher die verän-
derlichen Größen von einander abgeſon-
dert ſind
, d. h. worinn d x bloß in eine Fun-
ction von x (hier in ), und d w bloß in eine
Function von w multiplicirt iſt, welche daher nach
(§. 103.) ohne weiteres integrabel iſt, nemlich
oder
.


II. Hat man nun das Integral rechter Hand
gefunden, ſo ſetzt man in daſſelbe wieder ſtatt
w, ſo hat man die geſuchte Integralgleichung
zwiſchen x und y.


Beyſpiel. 1. Es ſey
(αx + βy) d x + (γx + δy) d y = o
ſo hat man
P = άx + βy = (α + βw) x
Q
= γx + δy = (γ + δw) x

Alſo W = α + βw; W = γ + δw; und xn
hier = x. Demnach
log
[198]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
welches Integral rechter Hand des Gleichheitszei-
chens nach (§. 110. Zuſ. II.) gefunden werden kann,
wenn man die dortigen x; A; B; α; β; γ
hier w;δ; γ; α; β + γ; δ
bedeuten läßt.


2. Dies Integral wird logarithmiſch, wenn
(β + γ)2 — 4 α δ eine bejahte Größe iſt, hinge-
gen ein Kreisbogen nebſt einem Logarithmen, wenn
(β + γ)2 — 4 α δ verneint iſt. (§. 109. 13.).


3. Im erſtern Falle ſey das dortige X oder hier
α + (β + γ) w + δw2 = W', ſo iſt das dortige
(§. 110. Zuſ. II.) oder hier
,
wo
und man hat die Integralgleichung (1.)
.
in welcher alle Theile logarithmiſch ſind, weil man
ſtatt
[199]Integralrechnung.
ſtatt C oder der Conſtante auch log C ſchreiben
kann.


4. Wenn gleich dieſe Gleichung eine trans-
ſcendentiſche
(Differenzialrechnung. Einlei-
tung §. VI.) zu ſeyn ſcheint, ſo iſt ſie doch alge-
braiſch
, weil ſie ſo eingerichtet werden kann,
daß das Logarithmenzeichen durchaus wegfällt.


Man ſetze der Kürze halber
ſo hat man
log x + ½ log W' + μlog W'' — log C = o
d. h.
alſo xW'. (W'')μ = C
Werden endlich ſtatt W', W'' die obigen Werthe
geſetzt, und zugleich in denſelben ſtatt w der Quo-
tient hergeſtellt, ſo hat man die geſuchte In-
tegralgleichung zwiſchen y und x.


Die Gleichung wird aber nicht algebraiſch,
wenn (β + γ)2 — 4 α δ verneint iſt, weil in die-
ſem
[200]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
ſem Falle das Integral
nicht logarithmiſch bleibt, ſondern ſich in einen
Kreisbogen verwandelt, welcher mit den übrigen
logarithmiſchen Theilen kein algebraiſches mögli-
ches Reſultat bewirkt. Dies letztere kann jedes-
mahl nur dann geſchehen, wenn die einzelnen Theile
einer Integralgleichung gleichnahmigte trans-
ſcendente Größen
ſind. Z. B. alle loga-
rithmiſch
ſind, oder alle aus Kreisbogen
beſtehen u. d. gl.


§. 180.

Zuſ. Für jede Differenzialgleichung P d x
+ Q d y = o
in welcher P, Q, gleichartige Fun-
ctionen von x und y ſind, läßt ſich auch ein in-
tegrirender Faktor L finden, ſo daß
L P d x + L Q d y = d Z
ein vollſtändiges Differenzial und L ſelbſt eine
gleichartige Function von x und y wird. Denn
ſetzt man P und Q ſeyen gleichartige Functionen
von der Dimenſion n, ſo daß ſie nach der obigen
Subſtitution y = w x, ſich in W xn und W xn
verwandeln würden, und L ſey eine dergleichen Fun-
ction von der Dimenſion λ, ſo ſind L P, und L Q
von
[201]Integralrechnung.
von der Dimenſion λ + n, Z dagegen von der
Dimenſion λ + n + 1. Daher nach (§. 62.)
L P x + L Q y = (λ + n + 1) Z, weil die obi-
gen P, Q, m (§. 62.); hier L P; L Q;λ + n + 1
ſind. Nun muß aber Z = Conſt. ſeyn, wenn
der Differenzialgleichung P d x + Q d y = o, oder
L P d x + L P d y = o eine Genüge geſchehen ſoll;
Alſo hat man L P x + L Q y = (λ + n + 1) Conſt.
oder ſchlechtweg L P x + L Q y = A wo A auch
wieder eine Conſtante bezeichnet; folglich L =
. Nimmt man dieſes A = 1; ſo iſt
ſogleich ein integrirender Factor,
und A = 1 zu nehmen, iſt immer verſtattet, weil
es gleichgültig iſt, was für eine conſtante Größe
man das A bedeuten laſſen will, indem es bey
dem integrirenden Factor nur auf den veränderli-
chen Multiplicator ankömmt, durch
welchen die Integration eigentlich geſchiehet.


So würde alſo z. B. für die Differenzial-
gleichung (αx + βy) d x + (γx + δy) d y = o
der integrirende Factor
L =
[202]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
und die Gleichung
würde nun nach (§. 167. 168.) zu integriren ſeyn,
womit wir uns aber hier nicht beſchäftigen wollen,
da die Integration von
(αx + βy) d x + (γx + δy) d y = o
bereits durch Abſonderung der veränderlichen Grö-
ßen bewerkſtelliget worden iſt (§. 179. II.), welches
bey gleichartigen Gleichungen immer der einfachere
Weg zu ſeyn ſcheint.


Ueberhaupt hat die Integration durch Bey-
hülfe eines integrirenden Factors nur in dem Falle
Nutzen, wenn die vorgegebenen Gleichungen we-
der gleichartige ſind, noch die veränderlichen Grö-
ßen ſich darin abſondern laſſen, vorausgeſetzt, daß
ein ſolcher Factor ſich finden läßt.


§. 181.
[203]Integralrechnung.
§. 181.
Anmerkung.

I. Gleichungen, welche nicht gleichartig ſind,
können es unterweilen durch geſchickte Subſtitu-
tionen
werden. So können auch durch derglei-
chen Subſtitutionen manche Differenzialgleichun-
gen in denen die veränderlichen Größen nicht ab-
geſondert werden können, ſich in andere verwan-
deln, worin dieſe Abſonderung ſtatt findet. Aber
in den meiſten Fällen iſt der Weg der Subſtitu-
tion nur ein bloßes Umhertappen, und man er-
räth oft nur mit Mühe, durch welche Subſtitution
man dem Zwecke ein Genüge leiſten kann.


II. So z. B. die Gleichung
d x (αx + βy + γ) + d y (δx + s y + ζ) = o
gleichartig zu machen, ſetze man
αx + βy + γ = r;δx + εy + ζ = s
ſo wird αd x + βd y = d r;δd x + εd y = d s
mithin
Subſtituirt man dieſe Werthe in die vorgegebene
Gleichung, ſo wird ſie nach Weglaſſung des ge-
mein-
[204]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
meinſchaftlichen Factors aε — β δ in folgende
gleichartige übergehen
(εrδs) d r + (αsβr) d s = o


III. Ferner ſey z. B.
(A x— 4 + y2) d x + d y = o
Man ſetze
alſo und
y = t — t2 z alſo d y = d t — 2 t z d t — t2 d z

wo t und z neue veränderliche Größen vorſtellen,
ſo verwandelt ſich die vorgegebene Gleichung nach
gehöriger Subſtitution in
(z2 + A) d t + d z = o
oder in
worin die veränderlichen Größen von einander ge-
ſondert ſind.


Wenn A bejaht iſt, ſo wäre dann die Inte-
gralgleichung
= Conſt. Oder (§. 109. 6.)
t +
[205]Integralrechnung.
Arc tang = Conſt.
Und wenn A verneint iſt
= Conſt. d. h. (§. 109. 5.)
log = Conſt.
Um nun die Werthe von x und y wieder herzuſtel-
len, ſetzt man ſtatt t und oder
d. h. x — x2 y ſtatt z, ſo wird, wenn A poſitiv
iſt, die Integralgleichung
Arc tang = Conſt.
und wenn A verneint iſt
log = Conſt.
Folgende Aufgabe wird den Weg der Subſti-
tution
noch mehr erläutern.


§. 182.
Aufgabe.

Zu beſtimmen, unter welchen Um-
ſtänden die Differenzialgleichung

(A
[206]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
ſich in eine gleichartige verwandeln läßt,
falls ſie nicht ſchon an und für ſich
gleichartig, alſo a + α = b + β = c + γ =
e + ε wäre
.


Aufl. I. Man ſetze y = uμ alſo d y =
μuμ — 1d u ſo wird aus der vorgegebenen Glei-
chung folgende
d u = o


II. Soll nun dieſe neue Gleichung gleichartig
ſeyn, ſo muß ſeyn
α + μa = β + μb = γ + μc + μ — 1 = s + μe + μ — 1


III. Aus α + μa = β + μb folgt
und aus γ + μc + μ — 1 = ε + μe + μ — 1
ebenfalls ; Sodann aus β + μb =
γ + μc + μ — 1 auch
Alſo müſſen folgende zwey Gleichungen
α
[207]Integralrechnung.
und
Mithin auch
ſtatt finden, wenn durch die Subſtitution,
y = uμ = u die vorgegebene Differenzialglei-
chung ſoll können in eine gleichartige verwandelt
werden. Die Exponenten α, β, γ, ꝛc. können
hiebey nach Gefallen, bejaht, verneint, ganze
Zahlen oder auch Brüche ſeyn.


Einzelne Bemerkungen, wenn z. B. α = β;
oder a = b; oder e = c u. d. gl. ſeyn würden,
übergehe ich hier der Kürze halber, da jeder leicht
ſelbſt ſehen wird, unter welchen Umſtänden dann
die gefundenen zwey Gleichungen (III.) würden ſtatt
finden können.


Durch eine ähnliche Subſtitutionsart können
auch für andere Gleichungen z. B.
die Bedingungsgleichungen zwiſchen den Exponen-
ten
[208]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
ten gefunden werden, daß die vorgegebene Glei-
chung in eine gleichartige verwandelt werden kann.


IV.Beyſpiel. Zu finden, unter welchen
Umſtänden die Gleichung
(A xm + B y2) d x + C d y = o
ſich gleichartig machen läßt.


Für dieſen Fall ſind die obigen Exponenten ꝛc.
α = m; a = o;β = o, b = 2; γ = c = ε = e = o.
A = C; B = o


Alſo
unbeſtimmt
Wenn alſo nicht μ oder d. h.
= — 1, alſo m = — 2 iſt, ſo kann obige
Gleichung nicht gleichartig gemacht werden. Um
alſo, m = — 2 geſetzt,
(A x— 2 + B y2) d x + C d y = o
gleichartig zu machen, ſetzt man y = u— 1, we-
gen
[209]Integralrechnung.
gen . Dann erhält man die gleich-
artige
(A x— 2 + B u— 2) d x — C u— 2 d u = o
Um nun zu integriren, ſetzt man u = z x, ſo er-
giebt ſich die abgeſonderte Gleichung
wo denn auf beiden Seiten leicht integrirt wer-
den kann.


§. 183.
Aufgabe.

Die obige Gleichung (§. 176.)
d y + y X d x = yn X d x
oder (y X — yn X) d x + d y = o
durch Abſonderung der veränderlichen
Größen zu integriren
.


Aufl. I. Man bediene ſich der Subſtitu-
tion y = z u, wo z, u neue veränderliche Grö-
ßen ſind, die man ſo beſtimmen muß, daß die
neue Differenzialgleichung, welche man durch er-
wähnte Subſtitution aus der erſtern erhält, eine
Abſonderung der veränderlichen Größen zuläßt.


Höh. Anal.II.Th. OII.
[210]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.

II. Dieſe neue Gleichung würde ſeyn
X z u d x — X zn un d x + z d u + u d z = o


III. Man ſetze, um z und u zu beſtimmen,
X z u d x + z d u = o alſo auch
u d z — X zn un d x = o

ſo hat man aus der erſtern dieſer zwey Gleichungen
X u d x + d u = o; oder abgeſondert
mithin log u = — X d x; u = eX d x; dies
ſtatt u in die zweyte Gleichung ſubſtituirt, giebt
worin die veränderlichen Größen ebenfalls von ein-
ander abgeſondert ſind, weil u eine Function von
x iſt, wie wir eben gefunden haben. Durch In-
tegration erhält man
= X un — 1 d x + Conſt.
Statt z ſetzt man hierauf , ſo wird die Inte-
gralgleichung zwiſchen y und x folgende
1
[211]Integralrechnung.
( X un — 1 d x + C.)
welche, in ſo fern ſtatt + C auch — C geſetzt
werden kann, weſentlich mit der obigen Gleichung
(§. 176.) einerlei iſt, ſo bald man ſtatt u die
gefundene Function eX d x ſubſtituirt, wodurch
= e(n — 1)X d x und X un — 1 d x =
X e— (n — 1)X d xd x wird (wie §. 176.).


§. 184.

Die bisher angeführten Fälle von Integra-
tionen ſind faſt die einzigen etwas allgemeinen,
bey denen es geglückt hat, etwas unmittelbar durch
den Weg der integrirenden Factoren, oder der Ab-
ſonderung der veränderlichen Größen, oder der
Subſtitutionen zu leiſten, falls bey einer vorge-
gebenen Differenzialgleichung P d x + Q d y = o
nicht die Bedingung der unmittelbaren Integrabi-
lität nemlich ſtatt findet. Ju
beſondern Fällen kann man zwar verſuchen, ob
eine Differenzialgleichung durch dieſe oder jene
Subſtitution einfacher gemacht, oder auf eine der
bekannten Formen, die ſich integriren laſſen, zu-
rückgeführt werden kann, aber in den wenigſten
O 2Fällen
[212]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
Fällen wird es glücken, eine ſolche Subſtitution
zu finden, zumahl wenn Gleichungen aus mehr
als drey Gliedern beſtehen, höhere Potenzen der
veränderlichen Größen, oder gar transſcendente
Functionen enthalten. Daher die ganze Integral-
rechnung von dieſer Seite noch ſehr unvollkommen
iſt, und ihrer Natur nach kaum in mehr als in
einer Sammlung von einigen leichtern Fällen be-
ſtehen kann.


Zu den Differenzialgleichungen mit denen
ſich die Analyſten viel beſchäftiget haben, gehört
unter andern auch die obige
(A xm + y2) d x + d y = o
oder die noch etwas allgemeinere
(A xm + B y2) d x + C d y = o
eine dem Anſehen nach zwar ſehr einfache, aber
für jeden Werth von m dennoch ſo ſchwürige Glei-
chung, daß ſie nur für wenige, in der Ausübung
kaum vorkommenden Fälle, eine Integration zuläßt.


Der berühmte Giacomo Riccati hatte
dieſe Gleichung, die von ihm auch die Riccati-
ſche
genannt wird, zuerſt in den Actis Erudi-
torum
(1722. Tom. VIII. ſupl.)
in Anſprache
gebracht, aber nach allen Bemühungen, die ſich
die
[213]Integralrechnung.
die Analyſten gegeben haben, ſie allgemein zu in-
tegriren, ſo daß das Integral ſich in einem end-
lichen Ausdrucke darſtellen ließe, hat man doch
nur ſo viel gefunden, daß der Exponent m unter
der Form — (k = einer ganzen Zahl)
begriffen ſeyn müſſe, wenn nach einer gleichwohl
noch immer ſehr mühſamen Rechnung, ein end-
licher Ausdruck für das Integral ſoll erhalten
werden können.


Die inſtructivſte Art, dieſes zu entwickeln,
iſt folgende.


§. 185.
Aufgabe.

Die Werthe des Exponenten m zu
finden, für welche die Differenzial-
gleichung

(A xm + B y2) d x + C d y = o (☉)
eine Integration zuläßt.


Aufl. I. Wir wollen uns ſtatt dieſer Glei-
chung eine andere von derſelben Form gedenken,
nur daß ſtatt x, y, zwey andere veränderliche
Größen u, z, gebraucht werden ſollen, alſo
(A
[214]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
(A un + B z2) d u + C d z = o (☽)
Man ſucht das Verhalten zwiſchen den Exponenten
n, m, in beyden Gleichungen, daß wenn für
einen gewiſſen Werth von n die Gleichung (☽)
integrabel iſt, ſie ſich durch eine ſchickliche Sub-
ſtitution in die Gleichung (☉) verwandele, alſo
dadurch auch dieſe als integrirt angeſehen werden
könne.


II. Eine zu dieſem Zweck taugliche Subſti-
tution iſt, wenn man u = a xμ und z = b xν
+ ſetzt, und nun die Exponenten μ, ν, ρ,
nebſt den Coefficienten a, b, c ſo beſtimmt, daß
nach geſchehener Subſtitution ſich die Gleichung
(☽) in die (☉) verwandele.


III. Nun iſt
d u = μa xμ — 1d x
d z
= νb xν — 1d x +


IV. Subſtituirt man dieſe Werthe (II. III.)
ſtatt u, z, d u, d z in die Gleichung ☽ und di-
vidirt ſolche hierauf mit , oder multiplicirt ſie
mit
[215]Integralrechnung.
mit , ſo ergiebt ſich nach gehöriger Rechnung
und Verſetzung der Glieder

    • μa c2B . xρ+μ-1
      • + μa b2B . x2ν+μ-1-ρ
      • + νb C . xν-1-ρ
      y2
      • + 2μa b c B . xν+μ-1
      • + ρc C . x-1
      y
    • + μan+1A . xnμ + μ-1-ρy2
    dx — Ccdy=o

V. Soll dieſe Gleichung mit (☉) überein-
kommen, ſo ſetze man in ihrem erſten Gliede
1) μc2 a B = A und ρ + μ — 1 = m
und damit die folgenden zwey in y2 multiplicirten
Glieder wegfallen
2) μa b2 B + νb C = o;[und] 2 ν + μ — 1 — ρ = ν — 1 — ρ
oder ν + μ = o
Damit ferner die in y multiplicirten zwey Glieder
wegfallen
3) 2 μa b c B + ρc C = o und ν + μ — 1 = — 1
oder ν + μ = o wie (2)
Sodann damit das letzte Glied dem B y2 in der
Gleichung (☉) gleich werde
4)
[216]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.
4) μan + 1A = B und nμ + μ — 1 — ρ = o
Endlich damit das in d y multiplicirte Glied mit
dem in (☉) übereinkomme
5) — C c = C; d. h. c = — 1


VI. Um nunmehr aus dieſen Gleichungen,
die Werthe von μ, ν, ρ, m, a, b, c zu finden,
nehme man zuvörderſt die Gleichungen (V. 2. 3.),
ſo erhält man aus der erſten (2)
= — C und aus (3) = — C
Daher , und
folglich wegen ν = — μ (2); ρ = — 2 μ.


VII. Dieſer Werth von ρ in die Gleichung
(1) ρ + μ — 1 = m ſubſtituirt giebt μ = — (m + 1).
Alſo ρ = — 2 μ (VI.) = 2 (m + 1).


VIII. Dieſe Werthe von μ und ρ in die
Gleichung nμ + μ — 1 — ρ = o (V. 4.) geſetzt,
geben
n (m + 1) + m + 2 + 2 (m + 1) = o
woraus m = — folgt.
Mithin
[217]Integralrechnung.
Mithin μ = — (m + 1) (VII.) =
ρ = — 2 μ = —
ν = — μ = —


IX. In Rückſicht auf die Coefficienten a,
b, c war erſtlich c = — 1 (V. 5.), welches in
die Gleichung (V. 1.) nemlich μc2 a B = A, ſub-
ſtituirt
giebt
Aber aus (V. 4.) iſt auch = μan + 1 Mithin
= μan + 1; folglich an + 2 = = (n + 3)2
d. h.


X. Und nun endlich aus der Gleichung
a b B = — C (VI.)
nach gehöriger Subſtitution der für μ, ν, a, ge-
fundenen Werthe
b = (n + 3) .


XI.
[218]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.

XI. Sind alſo die Größen A, B, C, n,
in der Gleichung (☽) gegeben, und weis man
einen Werth von n, für welchen dieſe Gleichung
integrabel iſt, ſo erhält man hieraus einen Werth
für m = — , für welchen auch die Gleichung
(☉) integrabel wird. Nun iſt ſogleich für n = o
die Gleichung (☽) integrabel, weil ſie alsdann
heißt
(A + B z2) d u + C d z = o
wo die veränderlichen Größen leicht von einander
geſondert ſind.


Alſo iſt die Gleichung (☉) integrabel für
m = — \frac{4}{3}. Man darf nemlich nur in das erhal-
tene Integral (☽) ſtatt u und z die Werthe a xμ
und b xν + (wo a, b, c, μ, ν, ρ für
n = o die Werthe a = 3; b = ⅓ ; c = — 1;
μ = ⅓ ρ = — ⅔ ν = — ⅓ bekommen) ſubſtitui-
ren, um das Integral von (☉) zu erhalten.


Aber dies Integral von (☉) wenn man in
daſſelbe u ſtatt x, und z ſtatt y ſetzen würde, iſt
nun auch wieder das Integral von (☽) für
n =
[219]Integralrechnung.
n = — \frac{4}{3}, weil dieſe der Form nach völlig mit
(☉) einerlei iſt.


Setzt man alſo in (☽) jetzt n = — \frac{4}{3} = dem
vorher gefundenen Werthe von m, ſo ergiebt ſich
ein neues m = — , für welches
(☉) abermahls integrabel wird. Dieſen gefundenen
Werth ſetze man wieder in die Gleichung (☽) ſtatt
n, ſo erhält man zum dritten, male einen Werth
von m = — für welchen (☉)
integrabel wird.


XII. Wenn man dieſe Schlüſſe fortſetzt, ſo
wird man finden, daß die für m erhaltenen Wer-
the — \frac{4}{3}; — \frac{8}{5}; — \frac{12}{7} ꝛc. ſämmtlich unter der
allgemeinen Form m = — enthalten ſind,
wo k jede ganze bejahte Zahl bedeuten kann.


XIII. Wenn man in (II.) b = o;ρ = o,
alſo u = a xμ und z = ſetzt, ſo wird die Glei-
chung (IV.) folgende

    • μan + 1A xnμ + μ — 1y2
    • + μc2a B xμ — 1
    dx—Ccdy=o

XIV.
[220]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.

XIV. Auch dieſe kann mit (☉) übereinkom-
men, wenn man ſetzt
μc2 a B = A;μ — 1 = m
μan + 1A = B; nμ + μ — 1 = o
C c = C; alſo c = — 1


XV. Aus μ — 1 = m und nμ + μ — 1 = o
folgt dann μ = m + 1 und n (m + 1) + m = o
oder m = — , folglich μ = m + 1 = 1 —
. Aus den beyden andern Glei-
chungen erhält man, c = — 1 geſetzt,
Demnach und


XVI. Hieraus erhellet alſo, daß durch die
Subſtitutionen
und
die Gleichung
(A un + B z2) d u + C d z = o ([⊃])
ſich
[221]Integralrechnung.
ſich in
(A xm + B y2) d x + C d y = o
d. h. in
(A x + B y2) d x + C d y = o (☉)
verwandelt.


XVII. Nun iſt aber die Gleichung (☽) in-
tegrabel, wenn der Exponent n die Form n = —
hat (XII.) weil wenn die Gleichung
(A xm + B y2) d x + C d y = o
für m = — integrabel iſt (XII.), noth-
wendig die ihr ähnliche
(A un + B z2) d u + C d z = o
auch für n = — integrabel ſeyn muß.
Iſt aber (☽) integrabel für n = — , ſo
wird auch (☉) wieder integrabel ſeyn für
d. h. für

XVIII.
[222]Zweyter Theil. Fünftes Kapitel.

XVIII. Alſo iſt die Gleichung
(A xm + B y2) d x + C d y = o
allemahl integrabel für
m = — ; oder m = —
Setzt man in dem zweyten Falle
k = 1; 2; 3; 4 u. ſ. w.
ſo ſind die entſprechenden Werthe von
m = — 4; — \frac{8/3}; — \frac{12/5}; — \frac{16/7} u. ſ. w.
Für den Fall m = — 4 und B = C = 1 iſt das
Integral oben (§. 181. 3.) angegeben worden. Es
läßt ſich aber aus dem Integral der obigen Glei-
chung
(A x— 4 + y2) d x + d y = o
leicht auch das Integral der allgemeinern
(A x— 4 + B y2) d x + C d y = o
ableiten, womit wir uns aber hier nicht weiter be-
ſchäftigen wollen.


XIX. Die Werthe von m (XVIII.) nähern
ſich immer mehr und mehr der — 2. Nemlich
für k = ∞ wird
m = — = — 2;
Alſo
[223]Integralrechnung.
Alſo iſt auch
(A x— 2 + B y2) d x + C d y = o
integrabel, wie bereits oben (§. 182. IV.) auf eine
andere Art gefunden worden iſt.


§. 186.
Anmerkung.

Wenn man den Verſuch machen will, ſo
wird ſich zeigen, daß aus der Gleichung (IV.) wie
auch die einzelnen Glieder derſelben mit (☉) vergli-
chen werden mögen, doch keine andern integrablen
Fälle, als die bisher gefundenen, für die Gleichung
(☉) zum Vorſchein kommen, und andere Subſtitu-
tionen führen zu keinem Reſultat. Da die von mir
gewählte Methode, dieſe integrablen Fälle zu ent-
wickeln, den Kunſtgriff enthält, eine Gleichung
wie (☽) durch eine geſchickte Subſtitution in eine
andere ihr ähnliche (☉), nur mit einem andern
Exponenten m, zu verwandeln, und ein ſolcher
Kunſtgriff auch bey andern Integrationen nützliche
Dienſte leiſten kann, ſo habe ich denſelben nicht
übergehen wollen, wenn gleich die integrablen
Fälle der Gleichung (☉) ſich auch auf anderen,
vielleicht kürzeren, aber minder inſtructiven Wegen
herausbringen laſſen z. B. in Euleri Instit. Cal.
integr.
§. 436.


Sechstes
[224]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.

Sechstes Kapitel.
Von den beſondern Auflöſungen gewiſſer
Differenzialgleichungen.


§. 187.

1. Von einer Differenzialgleichung d y = p d x
oder d y — p d x = o, welche ich der Kürze halber
auch wohl mit W = o bezeichnen will, und worin
p eine Funktion von x und y ſey, habe man eine
Integralgleichung Z + C = o gefunden, worin Z
den veränderlichen von x, y abhängigen Theil des
Integrals, und C die durch die Integration hin-
zugekommene Conſtante bezeichne.


2. Eine ſolche der Differenzialgleichung W = o
eine Genüge leiſtende Gleichung Z + C = o, wor-
in C eine in W = o nicht vorkommende unverän-
derliche Größe bezeichnet, wird die vollſtändige
Integralgleichung
, oder auch nur ſchlechthin
das vollſtändige Integral (integrale com-
pletum
) von W = o genannt.


3. Je nachdem die Conſtante C in der Glei-
chung Z + C = o dieſen oder jenen beſondern
Werth
[225]Integralrechnung.
Werth nach den Bedingungen der Aufgabe, welche
auf die Differenzialgleichung W = o geführt hatte,
erhält, verwandelt ſich Z + C = o in ein ſo genann-
tes beſonderes Integral (integrale parti-
culare
) dergleichen es alſo unzählige giebt, in ſo
ferne im allgemeinen für C jeder von x und y un-
abhängige Werth gedacht werden kann. Auch
wenn man ſich gar keine Conſtante hinzugeſetzt ge-
denkt, alſo C = o iſt, ſo iſt Z = o ein particulä-
res Integral.


4. Aber außer ſolchen beſondern Integralen,
welche einer Differenzialgleichung W = o entſpre-
chen, laſſen ſich unterweilen auch Gleichungen zwi-
ſchen x und y angeben, welche für keinen Werth
der in der wahren Integralgleichung Z + C = o
vorkommenden Conſtante C, als beſondere Inte-
grale von W = o angeſehen werden können, und
dennoch der Differenzialgleichung W = o ein Ge-
nüge leiſten, mithin gleichfalls als Auflöſungen der
Aufgabe, welche auf die Differenzialgleichung
W = o geführt hatte, angeſehen werden müſſen.


5. Um die Möglichkeit dieſes ſcheinbaren Pa-
radoxons deſto einleuchtender zu machen, ſoll uns
die Differenzialgleichung
Höh. Anal.II.Th. Pd y
[226]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.
Oder auch
(☉)
dienen, welche man ſogleich aus der Differenziation
der endlichen Gleichung
y + C = √ (x2 + y2 — b2) oder auch
y (x2 + y2 — b2) + C = o

erhalten würde, und welche endliche Gleichung alſo
als das wahre vollſtändige Integral jener Diffe-
renzialgleichung zu betrachten iſt, in ſo ferne ſie
eine conſtante Größe C enthält, welche in der
Differenzialgleichung ſelbſt nicht vorkömmt.


6. Wenn man nun aber jene Differenzialglei-
chung (☉) einer nähern Betrachtung unterwirft,
ſo zeigt ſich, daß ihr auch ein Genüge geſchieht,
wenn man ſchlechweg ohne würkliche Integration
(x2 + y2 — b2) = o oder auch x2 + y2 — b2 = o
ſetzt, alſo dieſe endliche Relation zwiſchen x und y,
welche ich mit U = o bezeichnen will, annimmt.
Denn aus ihr folgt x d x + y d y = o oder d y =
— d x
, und eben dies folgt auch aus der obi-
gen
[227]Integralrechnung.
gen Differenzialgleichung (5) wenn man in ihr
(x2 + y2 — b2) = o ſetzt.


7. Beyde Gleichungen y + C — √ (x2 + y2 — b2)
= o
(oder Z + C = o) und x2 + y2 — b2 = o
(oder U = o) thun alſo der Differenzialgleichung
(5) ein Genüge, und doch kann die Gleichung
U = o nie als ein Integrale particulare von
Z + C = o angeſehen werden; denn man mag in
der vollſtändigen Integralgleichung Z + C = o der
Conſtante C welchen Werth man will ertheilen, ſo
wird der Ausdruck U nie aus Z + C entſtehen
können.


8. Eine Gleichung wie U = o, welche einer
Differenzialgleichung W = o ein Genüge leiſtet,
ohne daß ſie als particuläres Integral von
ihr angeſehen werden kann, nennt man eine be-
ſondere Auflöſung
(Solutio particularis) von
W = o.


9. Soll eine ſolche Gleichung wie U = o als
eine beſondere Auflöſung von W = o angeſehen
werden können, ſo muß ſie


I. Der Differenzialgleichung W = o ein Ge-
nüge leiſten.


P 2II.
[228]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.

II. Muß der Functionalausdruck U nie aus
dem wahren Integralausdruck Z + C entſtehen
können, welchen Werth man auch der Conſtante C
ertheilen mag, d. h. jener Ausdruck U muß we-
ſentlich
von Z + C unterſchieden ſeyn.


10. Man ſetze, aus einer ſolchen beſondern
Gleichung wie U = o, folge durch Differenziation
d y = v d x. Heißt nun die vorgegebene Differen-
zialgleichung W = o oder d y = p d x (1) ſo folgt
aus (9. I), daß für U = o die Gleichung d y =
p d x
ſich in d y = v d x verwandeln muß, wenn
U = o der Differenzialgleichung W = o ein Ge-
nüge leiſten ſoll.


11. In ſo fern aber nun U = o und Z + C
= o
zwey weſentlich verſchiedene Functional-
gleichungen ſeyn müſſen (9. II.) ſo können in den
daraus entſpringenden Differenzialgleichungen d y =
v d x
und d y = p d x, die Functionen p und v
zwar nicht einerlei ſeyn, aber p muß ſich doch in
v verwandeln können, ſo bald man U = o ſetzt (10).


So war z. B. in (5.)
Und in (6) v = —
p
[229]Integralrechnung.
p entſtand aus der Differenziation von Z + C = o
(5.) und v aus der von U = o (6). Für U = o
verwandelt ſich p in v.


12. Weil demnach das p oder aus der
wahren Integralgleichung Z + C = o abgeleitet,
mit dem v oder , welches aus U = o entſpringt,
nicht einerley ſeyn kann, als nur für den beſondern
Fall, in welchem U = o eine beſondere Auflöſung
(8) von d y = p d x iſt, ſo erhellet, daß das p
allemahl eine Function von der Form p = v + UμL
wird ſeyn müſſen (wo L auch wieder eine Function
von x und y bedeuten kann) wenn für U = o ſich
p ſoll in v verwandeln können. Aber μ wird hie-
bey allemahl einen bejahten Exponenten bedeuten
müſſen, damit für U = o, der Ausdruck Uμ nicht
unendlich werde.


13. Der Ausdruck p = v + UμL wird alſo
nicht allein das wahre p oder aus der Glei-
chung Z + G = o, ſondern auch das v oder
aus der Gleichung U = o ausdrücken, weil für
U = o, ſich p in v verwandelt (11).


14.
[230]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.

14. Nun folgt aber durch die Differenziation
weiter
d p = d v + μL Uμ — 1d U + Uμd L
oder auch

15. Dies oder muß nun offenbar
einen unbeſtimmten Werth erhalten, weil es nicht
allein dem wahren aus der Gleichung Z + C
= o
, ſondern auch dem oder aus U = o,
entſprechen muß, und Z + C; U; zwey ganz ver-
ſchiedene Functionalausdrücke ſind.


16. Man ſieht aber leicht, daß der für
gefundene Ausdruck
nur unbeſtimmt werden kann, wenn der bejahte
Exponent μ (12.) kleiner als 1 iſt. Denn als-
dann verſchwindet für U = o zwar das Glied
aber das andere μL wird zu einer unbe-
ſtimm-
[231]Integralrechnung.
ſtimmten Größe = , wie ſichs gebührt, wenn
der für gefundene Ausdruck, auch das
aus Z + C = o ſoll bedeuten können.


17. Wäre nemlich μ = 1 oder \> 1, ſo würde
für U = o auch das Glied μL ver-
ſchwinden, alſo blos = werden, d. h.
bloß dem aus der Gleichung U = o abgeleiteten
(15.) entſprechen.


18. Wenn alſo außer der wahren Integral-
gleichung Z + C = o der vorgegebenen Differen-
zialgleichung, auch noch eine beſondere Auflöſung
U = o ſoll ſtatt finden können, ſo muß das p oder
aus jener Differenzialgleichung, ſich allemal auf
die Form v + UμL bringen laſſen, und μ muß
dann \< 1 ſeyn, damit oder
überhaupt einen unbeſtimmten Werth = erhalte,
mit-
[232]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.
mithin ſo wohl das aus der Integralgleichung
Z + C = o als auch dasjenige aus der beſondern
Auflöſung U = o bedeuten könne.


19. Umgekehrt, ſucht man aus der vorgegebe-
nen Differenzialgleichung = p, den Werth von
und ſetzt ſolchen = , ſo läßt ſich auf dieſem
Wege auch ausfinden, ob es Gleichungen wie
U = o giebt, welche als beſondere Auflöſungen der
vorgegebenen Differenzialgleichung angeſehn wer-
den können, und die bisherigen Principien werden
dann ausweiſen, ob ein ſolches U = o auch würk-
lich für eine ſolche beſondere Auflöſung gehalten
werden kann, oder ob es nicht vielleicht auch bloß
ein particuläres Integral, oder die wahre Inte-
gralgleichung Z + C = o ſelbſt ſeyn könnte.


Es kann hiebey entweder das wahre Inte-
gral Z + C = o ſelbſt bekannt ſeyn, in welchem
Fall die Unterſuchung am leichteſten ausfällt, oder
man kann es auch als unbekannt anſehen, wie fol-
gende Aufgaben ausweiſen, welche alles bisherige
noch vollkommen deutlich machen werden.


§. 188.
[233]Integralrechnung.
§. 188.
Aufgabe.

Von einer Differenzialgleichung
W = o ſey die wahre Integralgleichung
Z + C = o bekannt, oder auch unbekannt,
und eine Gleichung U = o thue der Dif-
ferenzialgleichung W = o ein Genüge, zu
unterſuchen, ob U = o nur ein beſonderer
Fall von Z + C = o alſo nur ein particulä-
res Integral von W = o ſeyn wird, oder
ob U = o für eine beſondere Auflöſung
von W = o wird gehalten werden müſſen
.


Aufl. Erſter Fall, wenn die wahre In-
tegralgleichung Z + C = o gegeben iſt.


I. In dieſem Falle unterſuche man nur, ob
durch irgend einen Werth der Conſtante C ſich
Z + C in U verwandeln kann. Findet ſich die-
ſes, ſo iſt U = o bloß ein particuläres Integral von
W = o, und keine beſondere Auflöſung (§. 187. 3.).


Zweyter Fall. Wenn die wahre Inte-
gralgleichung Z + C = o nicht bekannt iſt.


II. Dann ſuche man aus der Differenziation
von U = o, den Werth von oder v, und ſo
aus
[234]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.
aus der vorgegebenen Differenzialgleichung W = o
den Werth von oder p, ſo wird p — v aller
mahl = UμL werden (§. 187. 12.).


Findet ſich dann μ \< 1 ſo wird U = o nur
eine beſondere Auflöſung von W = o ſeyn. Iſt
aber μ = oder \> 1, ſo kann U = o nur ein par-
ticuläres Integral von W = o ſeyn, und würde
aus der wahren Integralgleichung Z + C = o,
falls ſie bekannt wäre, durch eine gehörige Be-
ſtimmung der Conſtante abgeleitet werden können.


Beyſpiele werden dieſes vollkommen erläutern.


I.Beyſpiel.

Die Differenzialgleichung W = o ſey die obige
Ihr leiſtet ein Genüge, wie wir oben geſehen ha-
ben, die Gleichung U = o, oder x2 + y2 — b2
= o
, aber ſie kann für keinen Werth der Conſtante
C aus der wahren Integralgleichung y + C
(x2 + y2 — b2) = o abgeleitet werden, und
darum iſt x2 + y2 — b2 = o bloß eine beſondere
Auflöſung von W = o.


Wäre
[235]Integralrechnung.

Wäre aber auch die wahre Integralgleichung
Z + C = o nicht bekannt, ſo wird ſich aus obigen
Betrachtungen dennoch ergeben, daß x2 + y2 — b2
= o
, nur eine beſondere Auflöſung von W = o
ſeyn kann.


Nemlich aus W = o, oder der vorgegebenen
Differenzialgleichung, iſt erſtlich oder P =
; Und nun aus der Dif-
ferenziation von U = o oder x2 + y2 — b2 = o
der Werth von oder v = — Mithin
p — v =
wenn die Funktion
der Kürze halber mit L bezeichnet wird.


Vergleicht man dies p — v = U½L mit der
obigen Form p — v = UμL, ſo iſt μ = ½ alſo be-
jaht und \< 1. Mithin iſt U = o d. h. x2 + y2
b2
[236]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.
b2 = o bloß eine beſondere Auflöſung von
W = o.


II.Beyſpiel.

Es ſey die Gleichung W = o folgende
d x (1 — y2) — d y (1 — x2) = o
Dieſer geſchieht ſogleich ein Genüge, wenn man
y = x alſo y — x = o ſetzt.


Um aber zu unterſuchen, ob dies y — x = o
oder U = o eine beſondere Auflöſung von W = o
ſeyn wird, ſo iſt erſtlich aus der vorgegebenen Dif-
ferenzialgleichung der Werth von oder p =
; und aus der Differenziation von U = o
oder y — x = o der Werth von oder v = 1.
Demnach
p — v =
Oder auch
p — v = (y — x)
= U . L wenn = L.

Dies
[237]Integralrechnung.
Dies mit der obigen Form
p — v = Uμ . L
verglichen, giebt μ = 1 alſo poſitiv und = 1.
Demnach kann y — x = o keine beſondere Auflö-
ſung von W = o, ſondern bloß ein particuläres
Integral ſeyn.


Dies ergiebt ſich auch, wenn man die vorge-
gebene Differenzialgleichung würklich integrirt.
Denn man hat durch Abſonderung der veränderli-
chen Größen
Alſo durch Integration (§. 105. X.)
½ log = ½ log + C
Mithin für eine Conſtante C = o ſchlechtweg
oder y — x = o. Es iſt alſo y — x = o
oder y = x bloß ein particuläres Integral (§.
187. 3.).


III.Beyſpiel.

Es ſey die Gleichung W = o folgende
d y — d x — d x (y2 — x2) = o
Oder
[238]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.
Oder auch d y — d x (y2 — x2 + 1) = o
Ihr leiſtet ein Genüge die Gleichung y = x, oder
y — x = o. Ob nun dies eine beſondere Auflö-
ſung ſeyn wird, zeigt ſich wie folgt.


Erſtlich iſt jetzt
p = = y2 — x2 + 1 aus W = o
ſodann
v = = 1 aus y — x oder U = o
Mithin p — v = y2 — x2 = (y — x) (y + x)
= U . L wenn y + x = L
dies mit p — v = UμL verglichen, giebt wiederum
μ = + 1 alſo nicht \< 1. Demnach iſt y — x = o
oder U = o auch nur ein particuläres Integral
von W = o.


Dies erhellet auch wieder aus der Integra-
tion von W = o. Um dieſe zu bewerkſtelligen, ſetze
man y = x —, ſo verwandelt ſich durch eine leichte
Rechnung die Gleichung W = o in
d q + 2 q x d x = d x
Dieſe wird integrabel durch den Factor , und
man erhält

[239]Integralrechnung.
(d q + 2 q x d x) = d x + C
oder q = d x + C
Mithin, ſtatt q wieder geſetzt,
d x + C
oder y = x
Setzt man hier die Conſtante C = ∞, ſo ver-
ſchwindet der Theil rechter Hand x, und es wird
bloß y = x oder y — x = o ein particuläres In-
tegral.


IV.Beyſpiel.

Es ſey W = o oder d y — d x (1 — √ (y2 — x2)),
= o
. Auch dieſer geſchteht ein Genüge für y = x
oder y — x = o.


Aber jetzt iſt
= p = 1 — √ (y2 — x2) aus W = o
und = v = 1 aus y — x oder U = o
Mit-
[240]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.
Mithin
p — v = — √ (y2 — x2) = — (y — x)½ (y + x)½
= U½ . L für L = — (y + x)½
Dies mit p — v = UμL verglichen, giebt μ = ½ alſo
\< 1. Folglich kann U = o oder y — x = o nur
eine beſondere Auflöſung ſeyn, und würde für kei-
nen Werth der Conſtante C aus der wahren In-
tegralgleichung, falls ſolche bekannt wäre, abge-
leitet werden können.


V.Beyſpiel.

Es ſey W = o oder d y — d x (1 — √ (y — x))
= o
welcher Gleichung ebenfalls durch y = x oder
y — x = o ein Genüge geſchieht. Ob nun y — x
= o
ein particuläres Integral, oder eine beſondere
Auflöſung, ſeyn wird, ſo hat man für dieſe Unter-
ſuchung jetzt aus W = o den Werth von = p
= 1 — (y — x); und aus y — x oder U = o,
den Werth von = v = 1; alſo p — v =
(y — x) = U½ . L wenn L = — 1 geſetzt wird.
Folglich μ = ½ kleiner als 1, demnach y — x = o
nur eine beſondere Auflöſung.


Die
[241]Integralrechnung.

Die wahre Integralgleichung zu erhalten, ſetze
man in W = o, z2 ſtatt y — x oder z ſtatt
(y — x), ſo erhält man, ſtatt W = o, die Dif-
ferenzialgleichung
2 z d z + z d x = o.
oder 2 d z + d x = o Mithin durch Integration
2 z = — x + C d. h.
2 √ (y — x) = — x + C
Hier mag man der Conſtante C welchen Werth
man will, ertheilen, ſo wird ſich dieſe Gleichung
nie in y — x = o verwandeln, daher y — x = o
nie ein particuläres Integral von W = o ſeyn kann.


§. 189.
Aufgabe.

Zu unterſuchen, ob eine vorgegebene
Differenzialgleichung W = o oder d y —
p d x = o
beſondere Auflöſungen zuläßt,
und ſolche zu finden
.


Aufl. Man ſetze oder un-
beſtimmt, und ſehe zu, ob ſich hieraus Gleichun-
gen ergeben, welche für beſondere Auflöſungen ge-
halten werden können.


Höh. Anal.II.Th. QI.
[242]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.
I.Beyſpiel.

Es ſey W = o oder d y — d x (1 — (y — x))
= o
ſo hat man
= p = 1 — (y — x)
Alſo
oder, ſtatt ſeinen Werth 1 — (y — x) ſubſti-
tuirt,
Man muß alſo dieſen Ausdruck = , alſo √ (y—x)
= o
, und 2 √ (y — x) = o ſetzen; da beyden
Gleichungen ein Genüge geſchieht durch y — x = o,
ſo iſt würklich ſogleich y — x = o eine beſondere
Auflöſung von W = o, wie auch bereits aus dem
obigen (§. 188. Beyſp. V.) erhellet.


II.Beyſpiel.

1. Es ſey W = o die obige (Beyſp. I. §. 188.)
d y — = o
ſo
[243]Integralrechnung.
ſo hat man
und durch Differenziation, wenn man der Kürze
halber die Wurzelgröße √ (x2 + y2 — b2) mit R
bezeichnet

2. Demnach muß ſeyn
(R — y) R — x2 + (R — y) = o. (☉)
Und R (R — y)2 = o. (☽)


3. Die Gleichung (☽) giebt entweder R = o;
oder R — y = o. Welche von beyden eine beſon-
dere Auflöſung von W = o ſeyn wird, entſcheidet
ſich auf folgende Art.


4. Man nehme erſtlich R = o d. h.
(y2 + x2 — b2) = o und ſehe zu, ob dadurch
auch (☉) = o wird. Nun iſt aber, wenn man
in (☉) den Werth von
Q 2ſub-
[244]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.
ſubſtituirt, die Gleichung ☉ auch folgende
(R — y) R — x2 + = o
welche für R = o, ſich in — x2 + alſo
würklich in o verwandelt.


5. Wenn alſo R = o oder √ (y2 + x2 — b2)
= o
d. h. y2 + x2 — b2 = o der Gleichung
W = o würklich ein Genüge leiſtet, welches nun
der Fall iſt, ſo iſt y2 + x2 — b2 = o eine beſon-
dere Auflöſung, weil bey dieſer Vorausſetzung
wird.


6. Ob nun auch R — y = o eine beſondere
Auflöſung ſeyn könnte, entſcheidet ſich wieder aus
(4.). Setzt man in die dortige Gleichung (☉)
R — y = o, ſo müßte auch würklich
x2 + = o
d. h. — x2 + x2 . = o ſeyn, d. h. — x2 + x2 .
den beſtimmten Werth o haben. Da dies aber
nicht der Fall iſt, ſondern das Glied x2 . un-
beſtimmt
[245]Integralrechnung.
beſtimmt bleibt, ſo kann die Gleichung R — y = o
d. h. — y + √ (y2 + x2 — b2) = o keine beſon-
dere Auflöſung von W = o ſeyn.


Da aber jedoch dieſe Gleichung der vorgege-
benen W = o ein Genüge leiſtet, ſo iſt ſie ein
particuläres Integral derſelben, wie auch aus (§.
188. Beyſ. I.) erhellet, wenn man die dortige
Conſtante C = o ſetzt.


III.Beyſpiel.

Es ſey W = o die Gleichung
d y — d x (1 + y2 — x2) = o,
Alſo = 1 + y2 — x2
Mithin
— 2 x = 2 y (1 + y2 — x2) — 2 x
Da dieſer Ausdruck keinen Diviſor hat, alſo nie
zu einer unbeſtimmten Größe werden kann, ſo
läßt die Gleichung W = o auch keine beſondere
Auflöſung zu.


Da ihr jedoch die Gleichung y = x oder y — x
= o
ein Genüge leiſtet, ſo iſt zuverläſſig y — x
ein
[246]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.
ein particuläres Integral, wie auch bereits oben
(§. 188. B. III.) gefunden worden iſt.


IV.Beyſpiel.

Es ſey W = o die Gleichung
x d y — d x √ (y2 — x2) = o
ſo hat man
Alſo
oder, ſtatt ſeinen Werth ſubſti-
tuirt,
Demnach müſſen folgende zwey Gleichungen ſtatt
finden
y √ (y2 — x2) — y2 = o (☉)
x2 √ (y2 — x2) = o (☽)

falls es beſondere Auflöſungen von W = o ſoll ge-
ben können.


Nun
[247]Integralrechnung.

Nun bietet die Gleichung (☽) folgende zwey
Gleichungen dar. Nemlich entweder x2 = o; oder
(y2 — x2) = o.


Aus der erſtern folgt x = o, welcher Werth
auch würklich der Gleichung (☉) ein Genüge lei-
ſtet, daher wird x = o, da es auch der Gleichung
W = o entſpricht, für eine beſondere Auflöſung
von W = o genommen werden müſſen.


Aber aus (y2 — x2) = o folgt gar nichts.
Denn weder geſchieht dadurch der Gleichung (☉)
ein Genüge, noch auch der Gleichung W = o; da-
her alſo nur die angeführte beſondere Auflöſung
x = o ſtatt findet, wenn man anders ſo etwas wie
x = o, was kein eigentliches Verhalten zwiſchen
zwey veränderlichen Größen ausdrückt, eine
beſondere Auflöſung nennen will.


V.Beyſpiel.

Es ſey die Gleichung W = o folgende
(a — x)n d y — d x = o
Alſo
Alſo muß folgenden zwey Gleichungen ein Genüge
geſche-
[248]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.
geſchehen, wenn eine beſondere Auflöſung von
W = o ſoll ſtatt finden können, nemlich
n (a — x)n — 1 = o (☉)
(a — x)2 n = o (☽)

die Gleichung (☽) giebt ſogleich a — x = o wo-
bey n poſitiv ſeyn muß, weil ſonſt (a — x)2 n un-
endlich, und alſo nicht = o ſeyn könnte. Eben
dieſe Gleichung a — x = o, thut aber auch der
Gleichung (☉) ein Genüge, falls n \> 1 oder
auch nur = 1. Iſt alſo n \> 1 oder = 1,
ſo iſt a — x = o eine beſondere Auflöſung von
W = o, wie ſich nun auch durch die Subſtitution
x = a in die Gleichung W = o ergiebt, indem
(a — x)n d y = o wird, und d x = d a gleichfalls
= o, weil a eine unveränderliche Größe iſt. Iſt
aber n \< 1 ſo iſt a — x = o ein particuläres In-
tegral. Zu mehrerer Erläuterung dient folgendes.
Die wahre Integralgleichung iſt.
y = + C
Soll nun für x = a der Ausdruck rechter Hand
des Gleichheitszeichens einer endlichen Größe y
gleich ſeyn können, ſo wird, weil das Glied
, falls n = 1 oder \> 1, für
x = a
[249]Integralrechnung.
x = a unendlich wird, auch C unendlich, und
zwar negativ unendlich werden müſſen, in wel-
chem Falle denn beyde Glieder zuſammen, immer
eine endliche Größe, und zwar welche man will,
mithin auch die Werthe von y, als einer ver-
änderlichen
endlichen, geben können. Es iſt
alſo im allgemeinen die Gleichung
y = + C
für a = x, und C = ∞, immer eine unbeſtimmte,
aus welcher nie eine beſtimmte wie a — x = o ent-
ſtehen kann; Es kann alſo auch a — x = o nicht
als ein beſonderer Fall von der angegebenen In-
tegralgleichung betrachtet werden d. h. wenn
n = \> 1, ſo iſt a — x = o nur eine beſondere Auf-
löſung von W = o. Iſt n \< 1 ſo können für
x = a beyde Gleichungen ☉, ☽, nie mit einander
beſtehen, mithin giebt es für dieſen Fall keine be-
ſondere Auflöſungen für W = o.


§. 190.

Die bisherigen Beyſpiele mögen hinreichen,
das Verfahren, die beſondern Auflöſungen einer
Differenzialgleichung zu finden, und von particu-
lären Integralen zu unterſcheiden, ins Licht zu
ſetzen. Hiebey wäre ſehr zu wünſchen, daß man
eine
[250]Zweyter Theil. Sechstes Kapitel.
eine Methode hätte, insbeſondere aus einem par-
ticulären Integrale, die vollſtändige Integralglei-
chung zu finden. Aber bis jetzt hat dies nur in
wenigen Fällen gelingen wollen, indem man hie-
bey meiſtens auf Differenzialgleichungen gelangt,
welche eben ſo viel Schwierigkeit haben, als die
vorgegebene ſelbſt. Man kann in ſolchem Falle
nur durch Beyhülfe von Reihen, die vollſtändigen
Integrale finden, womit aber in vielen Fällen nicht
mehr gedient iſt, als mit andern Methoden, Inte-
grale durch Reihen auszudrücken. M. ſ. indeſſen
hierüber La CroixTraitè du Calcul diffe-
rentiel et intégral
§. 585 ꝛc. wo auch verſchie-
dene von Trembley angegebenen Kunſtgriffe er-
läutert ſind, welche aber auf nichts allgemeines
führen, und daher hier von mir weggelaſſen werden.


Zum Schluſſe bemerke ich hier noch eine Ei-
genſchaft der Multiplicatoren, wodurch Differen-
zialgleichungen integrabel werden, nemlich daß dieſe
Multiplicatoren unter gewiſſen Umſtänden zu Par-
ticular-Integralen ſelbſt werden. Es ſey L der
Multiplicator oder integrirende Factor, wodurch
die Differenzialgleichung P d x + Q d y = o inte-
grabel werde, ſo wird L = o allemahl ein parti-
culäres Integral ſeyn, außer wenn für dieſe Vor-
aus-
[251]Integralrechnung.
ausſetzung P oder Q unendlich werden. M. ſ.
hierüber, ſo wie noch über einige andere hiebey
zu erörternde Umſtände EuleriCalc. integr.
P. I.
§. 572 ꝛc. und noch ausführlicher La Croix
Tr. du Calc. diff. et intégral
§. 590. Es
laſſen ſich dieſe Sätze leicht aus den vorhergehen-
den Principien ableiten.


Siebentes Kapitel.


Von den Integralen ſolcher Differenzial-
gleichungen worin die veränderlichen Größen
völlig auf einerlei Art enthalten ſind.


§. 191.

Es ſey X d x + Y d y = o eine Differenzial-
gleichung worin X bloß einer Function von x, und
Y bloß einer Function von y gleich ſey. Wenn
nun die Integrale X d x, Y d y nicht algebraiſch
ſondern tranſcendent wären, im letztern Falle jedoch
nur aus einerlei Art von transſcendenten Größen
beſtänden, z. B. durchaus logarithmiſch wären,
oder nur aus Kreisbogen beſtänden, ſo wird die
Inte-
[252]Zweiter Theil. Siebentes Kapitel.
Integralgleichung von X d x + Y d y = o dennoch
bloß algebraiſch ſeyn.


Es ſey z. B.
= o
alſo X = ; Y =
ſo hat man ferner
= log (a + x); = log (b + y)
beyde logarithmiſch, alſo transſcendent, aber die
Integralgleichung, nemlich
log (a + x) + log (b + y) = C
worin die Conſtante auch logarithmiſch genommen
alſo = log A geſetzt werden kann, wird dennoch
bloß algebraiſch ſeyn. Denn man hat
log (a + x) + log (b + y) = log A d. h.
log (a + x) (b + y) = log A

mithin durch Weglaſſung des gemeinſchaftlichen lo-
garithmen-Zeichens, ſchlechtweg die algebraiſche
Gleichung
(a + x) (b + y) = A.
Daſ-
[253]Integralrechnung.
Daſſelbe würde auch der Fall ſeyn, wenn allge-
meiner
X d x = log X
Y d y = log Y

gefunden worden wären, ſo daß X und Y bloß
algebraiſche Functionen von x und y wären, dann
wäre von der Differenzialgleichung
X d x + Y d y = o
die Integralgleichung ſchlechtweg algebraiſch, nem-
lich
X . Y = Conſt.


§. 192.

Ferner ſeyen X d x, Y d y ſo beſchaffen,
daß ſie bloß aus Kreisbogen beſtänden z. B.
X d x = Arc ſin X oder Arc tang X
Y d y = Arc ſin Y oder Arc tang Y

wo X, Y, wieder die obige Bedeutung hätten,
ſo wird auch für dieſe Fälle das Integral von
X d x + Y d y = o
bloß algebraiſch ſeyn.


1. Geſetzt es ſey X d x = Arc ſin X; Y d y =
Arc ſin
Y, ſo iſt die Integralgleichüng von
X d x
[254]Zweyter Theil. Siebentes Kapitel.
X d x + Y d y = o folgende


Arc ſin X + Arc ſin Y = Arc ſin C
weil auch die Conſtante, als ein Bogen deſſen Si-
nus = C, betrachtet werden kann.


2. Nun ſetze man der Kürze halber
Arc ſin X = u; Arc ſin Y = w
ſo iſt X = ſin u; Y = ſin w
√ (1 — X2) = coſ u; √ (1 — Y2) = coſ w


3. Demnach
ſin (u + w) = ſin u coſ w + ſin w coſ u
= X √ (1 — Y2) + Y (1 — X2)

oder
u + w = Arc ſin (X (1 — Y2) + Y (1 — X2))
Demnach verwandelt ſich obige Integralgleichung
(1) in folgende u + w = Arc ſin C, oder
Arc ſin (X √ (1 — Y2) + Y (1 — X2)) = Arc ſin C
oder ſchlechtweg in die algebraiſche
X √ (1 — Y2) + Y (1 — X2) = C


4. Wäre z. B. die vorgegebene Differenzial-
gleichung
= o
ſo
[255]Integralrechnung.
ſo hätte man erſtlich aus §. 130. 7. (die dortigen
α = a2; β = o; und γ = 1 geſetzt)
Demnach
Folglich die geſuchte Integralgleichung

5. Man ſieht leicht, wie auf eine ähnliche
Art zu verfahren wäre, wenn X d x; Y d y
durch Bogen gegeben wären, deren Tangenten
Functioneu von x und y ſeyn würden.


6. Die bisherigen Betrachtungen laſſen ſich
leicht noch allgemeiner darſtellen. Hätte man nem-
lich von P d x + Q d y = o, wo P, Q vermiſchte
Functionen von x und y bedeuten mögen, eine In-
tegralgleichung von der Form
log
[256]Zweyter Theil. Siebentes Kapitel.
log S + log T = log C
oder z. B.


Arc ſin S + Arc ſin T = Arc ſin C
u. d. gl. gefunden, wo S, T auch wieder aus x und
y zuſammengeſetzte Functionen wären, ſo würde
man dafür völlig wie in (§. 191.) nur ſchlechtweg
die algebraiſchen Gleichungen
S . T = C
und S √ (1 — T2) + T √ (1 — S2) = C
ſetzen können.


7. Auch Integralgleichungen von der Form
Arc ſin S + Arc tang T = Arc ſin C
laſſen ſich algebraiſch ausdrücken, weil ſtatt Arc
tang T
geſetzt werden kann Arc ſin
nach der bekannten trigonometriſchen Formel

8. Hätte man eine Integralgleichung von der
Form
m Arc ſin S + n Arc ſin T = Arc ſin C
ſo läßt ſich auch dieſe in eine endliche algebraiſche
ver-
[257]Integralrechnung.
verwandeln, wenn m, n ganze Zahlen ſind, wor-
auf eine ſolche Gleichung immer gebracht werden
kann, indem man für den Fall, daß jene Coeffi-
cienten Brüche wären, nur die Gleichung durch-
aus mit dem Produkt der Nenner dieſer Brüche
multipliciren dürfte.


Denn man ſetze Arc ſin S = u; Arc ſin T
= w
ſo hat man S = ſin u; T = ſin w, und
man kann nach bekannten Formeln aus S und T
den Sinuſſen der einfachen Winkel u, w, die
Sinuſſe von m . u und n . w berechnen.


Man ſetze ſin m u = S; ſin n w = T, ſo
hat man S und T aus S und T.


Hierauf hat man denn m . u = Arc ſin S;
n . w = Arc ſin T; d. h. m Arc ſin S = Arc ſin S;
und n Arc ſin T = Arc ſin T.


Dieſe Werthe in die Gleichung ( [...].) ſubſti-
tuirt, ſo hat man
Arc ſin S + Arc ſin T = Arc ſin C
oder die algebraiſche
S √ (1 — T2) + T √ (1 — S2) = C
wie oben (6.).


Höh. Anal.II.Th. R9.
[258]Zweyter Theil. Siebentes Kapitel.

9. Ich will mich bey dieſen und ähnlichen
tranſcendentiſchen Integralgleichungen, welche ſich
auf algebraiſche reduciren laſſen, nicht länger ver-
weilen, da ſie keiner weitern Erläuterung bedürfen.


10. Wenn aber für eine Differenzialgleichung
P d x + Q d y = o keine endliche Integralgleichung
von bekannten tranſcendenten Formen aufgefunden
werden kann, oder vielmehr die Integralgleichung
von andern tranſcendenten Größen als den bisher
bekannten abhängen würde, ſo kann dennoch in ge-
wiſſen Fällen eine algebraiſche Gleichung ſtatt fin-
den, zn deren Ausmittelung aber beſondere Kunſt-
griffe erforderlich ſind.


11. So kann z. B. das Integral
für ſich weder durch Logarithmen noch durch Kreis-
bogen dargeſtellt werden, und eben dies iſt auch
der Fall für
Aber dennoch läßt ſich für eine Differenzialglei-
chung von der Form
d x
[259]Integralrechnung.
ein endliches algebraiſches Integral auffinden, wie
wir nachher ſehen werden, und ſo in mehreren
andern Fällen, wenn in der allgemeinen Differen-
zialgleichung P d x + Q d y = o, Q eine Function
von y bedeutet, welche derjenigen von x nemlich
P völlig ähnlich iſt d. h. wenn P und Q wie
z. B. obige Ausdrücke
Functionen von x, y bezeichnen, welche in nichts
als in den veränderlichen Größen, von einander
unterſchieden ſind.


12. Man hat für einige Fälle ſolcher Dif-
ferenzialgleichungen mit ähnlichen, oder wie ich
ſie hier nennen will, ſymmetriſchen Functio-
nen
P, Q, Integrationsmethoden aufgefunden.
M. ſ. z. B. Euleri Calc. Integr. §. 580 ꝛc. und
La Granges Methode in den Mem. de l’Ac.
de Turin ann.
1766. 1769. Auch über dieſe
letztere, Eulers abgekürztes Verfahren in den
Comm. Ac. Petrop. ad ann. 1778. Von die-
ſen ſoll hier einiges zur Probe mitgetheilt werden.


R 2§. 193.
[260]Zweyter Theil. Siebentes Kapitel.
§. 193.
Aufgabe.

Das Integral der Gleichung
zu finden, wenn X, Y folgende ſymme-
triſche Functionen ſind
.
X = α + 2 βx + γx2 + δx3 + εx4
Y
= α + 2 βy + γy2 + δy3 + εy4.


Aufl. 1. Man betrachte x und y als Fun-
ctionen einer andern veränderlichen Größe t, de-
ren Differenzial d t man unveränderlich annehme,
und ſetze ; mithin auch


2. So hat man
Mithin

3. Nun ſey der Kürze halber x + y = p;
x — y = q
, ſo hat man d x + d y = d p; d x — d y
= d q
alſo
d x
[261]Integralrechnung.
d x2 — d y2 = d p . d q.
Und
.


4. Aber X — Y = 2 β (x — y) + γ (x2 — y2)
+ δ (x3 — y3) + ε (x4 — y4)
(1) = 2 βq + γq p + ¼ δ(3 p2 + q2) q + ½ εp q (p2 + q2)
nach dem man überall ½ (p + q) ſtatt x und ½ (p — q)
ſtatt y geſetzt hat.


5. Dies in die Gleichung
(3) ſubſtituirt, giebt
= 2 β + γp + ¼ δ(3 p2 + q2) + ½ εp (p2 + q2)


6. Ferner wird aus den Gleichungen
= X und , durch Differenziation, wo-
bey d t als conſtant (1), d x und d y aber als
veränderlich angeſehen werden
= 2 β + 2 γx + 3 δx2 + 4 εx3
= 2 β + 2 γy + 3 δy2 + 4 εy3


7.
[262]Zweyter Theil. Siebentes Kapitel.

7. Hieraus erhält man durch Addition und
Subſtitution von d d p ſtatt d d x + d d y, die
Gleichung
= 2 β + γ (x + y) + \frac{3}{2}δ (x2 + y2) + 2 ε (x3 + y3)
oder, ſtatt x, y ihre Werthe ½ (p + q); ½ (p — q)
geſetzt,
= 2 β + γp + ¾ δ (p2 + q2) + ½ ε (p3 + 3 p q2)


8. Hievon die Gleichung (5) abgezogen, ſo
kömmt, auf beyden Seiten zugleich mit q2 dividirt,
oder mit 2 d p multiplicirt

9. Nun iſt aber
das Differenzial von , folglich weil d t mit-
hin auch d t2 conſtant iſt (1) das Integral auf
der linken Seite der Gleichung ;
auf der rechten Seite = δp + εp2 + C.


10.
[263]Integralrechnung.

10. Demnach hat man
= δp + εp2 + C
oder, auf beyden Seiten die Wurzel ausgezogen,
= (δp + εp2 + C)
oder
= q √ (δp + εp2 + C)


11. Subſtituirt man endlich ſtatt p, q ihre
Werthe x + y; x — y, und ſtatt den Aus-
druck = X + √ Y (2) ſo hat man
die algebraiſche Integralgleichung
X + √ Y = (x — y) (C + δ (x + y) + ε (x + y)2)
worin alſo C eine willkührliche oder nach den Um-
ſtänden der Aufgabe, welche auf die Differenzial-
gleichung geführt hatte, zu be-
ſtimmende Conſtante bezeichnet.


§. 194.
[264]Zweyter Theil. Siebentes Kapitel.
§. 194.
ZuſatzI.

Nimmt man in der Differenzialgleichung
die Y negativ, ſo kömmt auf eine ähnliche Art
für die Differenzialgleichung die
Integrale
XY = (x — y) √ (C + δ (x + y) + ε (x + y)2)


§. 195.
ZuſatzII.

Sind δ und ε = o alſo
X = (α + 2 βx + γx2)
Y = (α + 2 βy + γy2)

ſo hat man für die Integralgleichung von
den Werth
X ± Y = (x — y) √ C
Je nachdem man alſo für die Coefficienten α, β,
γ
ꝛc. dieſe oder jene Werthe annimmt, hat man
für alle Fälle ein algebraiſches Integral, die Dif-
feren-
[265]Integralrechnung.
ferenziale mögen für ſich, welche be-
kannte oder unbekannte, algebraiſche oder tranſcen-
dente Integrale haben.


In manchen Fällen laſſen ſich die gefundenen
Integralgleichungen noch auf einfachere bringen,
womit ich mich aber jetzt nicht weiter beſchäftigen
will, da es mir hinlänglich iſt, hier bloß das Ver-
fahren ſelbſt gezeigt zu haben, auf eine directe
Weiſe
jene Integralgleichungen auszumitteln.
Es wäre zu wünſchen, daß das angezeigte Ver-
fahren auch anwendbar wäre, wenn die Functio-
nen X, Y auch noch höhere Potenzen von x und
y als die vierte enthielten.


§. 196.
ZuſatzIII.

Wenn man die gefundenen Integralgleichun-
gen rational macht, ſo wird man finden, daß ſie
ſich auf die Form
A + B (x + y) + C (x2 + y2) + D x y
+ E x y (x + y) + F x2 y2 = o

welche in Bezug auf die veränderlichen Größen x,
y gleichfalls ſymmetriſch iſt, reduciren laſſen.


Man
[266]Zweyter Theil. Achtes Kapitel.

Man kann umgekehrt eine ſolche Form für das
Integral annehmen, und die Coefficienten A, B, ꝛc.
durch α, β, γ ꝛc. beſtimmen. Aber dieſe gleich-
falls von Eulern ausgeführte Methode iſt weder
ſo direct noch einfach als die obige von La Grange
angegebene.


Achtes Kapitel.


Die Form einer Differenzialgleichung zu finden,
wenn die Form eines Factors gegeben iſt,
wodurch die Gleichung integrabel
ſeyn ſoll.


§. 197.

Wir haben bereits oben (§§. 173. 174 ꝛc.)
in mehreren Beyſpielen geſehen, wie Differenzial-
gleichungen P d x + Q d y = o, in denen nicht
als Bedingung der Integrabilität
ſtatt findet, doch durch einen Factor L integrabel
werden können, wenn dieſer ſo beſchaffen iſt, daß
wird.


Da
[267]Integralrechnung.

Da jedoch keine allgemeine Methode bekannt
iſt, einen ſolchen integrirenden Factor L zu fin-
den, wenn P und Q gegeben ſind, ſo hat man
umgekehrt geſucht, von welchem Verhalten die
Functionen P und Q ſeyn müſſen, wenn die Form
des Factors L gegeben iſt, wodurch die Integra-
tion ſoll ſtatt finden können. Wenn gleich dieſe
umgekehrte Methode, die Allgemeinheit ſolcher Dif-
ferenzialgleichungen ſehr beſchränkt, ſo iſt es doch
erforderlich, hier einiges davon beyzubringen, da-
mit es nicht ſcheine, etwas übergangen zu haben,
von deſſen Nutzen für die Integralrechnung über-
haupt, wir uns jedoch nicht ſehr überzeugen können.


§. 198.
Aufgabe.

Es ſey gegeben eine Differenzial-
gleichung von der Form

X Y d x + (X' + Y') d y = o
worin X, X' Functionen von x, und Y,
Y' Functionen von y bedeuten, man ſoll
unterſuchen, welches Verhalten jene
Functionen haben müſſen, wenn die vor-
gegebene Gleichung durch einen Factor
L = Y, welcher bloß einer Function von
y gleich ſey, ſoll integrirt werden können
.


Aufl.
[268]Zweyter Theil. Achtes Kapitel.

Aufl. 1. Wegen P = X Y; und Q = X' + Y'
muß alſo ſeyn
d. h.


2. Differenziirt man nun auf der linken Seite
dieſer Gleichung bloß in Rückſicht auf y, und auf
der rechten bloß in Rückſicht auf x, ſo erhält man
ſchlechtweg

3 Alſo muß ſeyn
und


4. Dies giebt erſtlich d X' = X d x oder
X' = X d x + A wo A eine willkührliche Con-
ſtante bezeichnet.


5. Ferner d (Y Y) = Y d y (3.), alſo Y Y =
Y d y + B. Mithin , wo dem-
nach die Function Y gefunden iſt, wenn diejenige
des Factors Y als bekannt angeſehen wird.


6.
[269]Integralrechnung.

6. Subſtituirt man die gefundenen Ausdrücke
in die vorgegebene Differenzialgleichung, ſo iſt
allemahl integrabel durch den integrirenden Factor
Y, was auch Y' für eine Function von y ſeyn mag.


6. Wäre nicht der integrirende Factor Y,
ſondern die Function Y gegeben, ſo iſt wegen
(3) auch
Mithin Iog Y Y = + B
d. h. Y Y =
oder Y =


7. Es iſt alſo die Differenzialgleichung
X Y d x + (A + Y' + X d x) d y = o
allemahl integrabel durch den Factor
oder
[270]Zweyter Theil. Achtes Kapitel.
oder auch ſchlechtweg durch den Factor
welcher von Y' ganz unabhängig iſt.


§. 199.
Aufgabe.

Die Bedingungen zu beſtimmen, un-
ter denen die Differenzialgleichung

X Y d x + (X' + Y') d y = o
integrirt werden kann durch einen Factor
X welcher bloß einer Function von x
gleich ſey
.


Aufl. 1. Verfährt man wie oben (§. 198.)
und ſetzt
d. h.
(☉)
ſo erhellet ſogleich, daß dieſer Bedingung ein Ge-
nüge geſchiehet, wenn folgende Gleichungen, durch
welche ein Verhalten zwiſchen den in ihr vorkom-
men-
[271]Integralrechnung.
menden Functionen beſtimmt werden kann, ſtatt
finden
I)
wodurch denn alles von x abhängige ſich durch Di-
viſion auf beyden Seiten der Gleichung (☉) auf-
hebt, und ſchlechtweg
II)
wird, woraus das Verhalten zwiſchen den Functio-
nen Y, Y' gefunden werden kann.


2. Die erſte Gleichung giebt ſo-
gleich , mithin log X = X d x und
X = eX d x wodurch alſo der integrirende Factor
X bekannt wird, wenn die Function X gegeben iſt.


3. Aus der zweyten Gleichung in (I.) nemlich
oder
d X' X = d X hat man X' X = X + A

Alſo X' = = eX d x (eX d x + A)
oder X' = 1 + A eX d x


4.
[272]Zweyter Theil. Achtes Kapitel.

4. Endlich iſt aus der Gleichung (II.)

5. Dieſe Ausdrücke ſtatt X', Y' in die vor-
gegebene Differenzialgleichung ſubſtituirt, geben die
Gleichung
welche denn allemahl durch den Factor eX d x inte-
grirt werden kann.


6. Iſt der integrirende Factor X gegeben, ſo
beſtimmen ſich daraus die Functionen
(2) und (3).


Iſt demnach eine Gleichung von der Form
gegeben, ſo iſt ſolche allemahl durch den Factor X
integrabel, welches auch ohnehin ſogleich daraus
erhellet, daß ſie ſich durch die Multiplication mit
X in
Y d X + X d Y + A d y = o
ver-
[273]Integralrechnung.
verwandelt, wovon das Integral
Y X + A y + C = o
iſt.


7. Eine andere Form von Differenzialglei-
chung, welche durch die Multiplication mit einer
Function von x, integrabel werden würde, ergiebt
ſich, wenn man in der Gleichung (☉) die Functio-
nen X X; ; conſtanten Größen gleich
ſetzt, alſo z. B.
dadurch wird alsdann (☉) in
verwandelt, woraus ſich das Verhalten der Functio-
nen Y, Y' ergiebt.


Aus würde man erhalten X =
A x + D. Sodann aus X X = C die Function
; und endlich aus
die Funktion .
Höh. Anal.II.Th. SSo-
[274]Zweyter Theil. Achtes Kapitel.
Sodann
Setzt man dieſe Werthe ſtatt X, X', Y' in die
vorgegebene Differenzialgleichung, ſo erhält man
welche demnach durch den Factor A x + D inte-
grabel wird.


§. 200.
Aufgabe.

Das Verhalten der Functionen X,
Y; X', Y' in obiger Differenzialgleichung
zu beſtimmen, daß ſolche durch einen
Factor X Y = dem Produkt einer Fun-
tion von x in eine Function von y, inte-
grabel werde
.


Aufl. 1, Setzt man ſtatt L in (§. 198. 1.)
den erwähnten Factor X Y, ſo ergiebt ſich die
Gleichung

2. Würde man hier wieder
ſetzen
[275]Integralrechnung.
ſetzen, ſo erhielte man eine Gleichung
wodurch das Verhalten zwiſchen den Functionen
Y, Y, Y' ausgedrückt wird, ſo wie in jenen Glei-
chungen dasjenige zwiſchen X, X', X, enthalten iſt.


3. Aus den Gleichungen (2) zwiſchen den
Functionen X, X', X, welche mit denen in (§.
199. 1.) ganz überein kommen, erhält man wieder
wie oben (§. 199. 3.)
X = e X d x; X' = 1 + A e X d x


4. Und aus der Gleichung (2) zwiſchen den
Functionen von y, wenn man auf beyden Seiten
mit Y Y dividirt,
alſo log Y
d. h. Y Y = oder

S 25.
[276]Zweyter Theil. Achtes Kapitel.

5. Setzt man ſtatt X' den gefundenen Werth
(3.) in die vorgegebene Differenzialgleichung
X Y d x + (X' + Y') d y = o
ſo iſt
X Y d x + (1 + A e X d x + Y') d y
allemahl integrabel durch den Factor
.


6. Sind dagegen X und Y gegeben, ſo wird
(3) und (2)
daher iſt auch die Gleichung
oder auch
allemahl durch die Multiplication mit X Y integra-
bel, was auch Y für eine Function von y ſeyn mag.


7.
[277]Integralrechnung.

7. Man könnte auch zwiſchen den Functionen
X, X, X' wie oben die Gleichungen (§. 199. 7.)
feſtſetzen und darnach verfahren. Ich will aber
dies der Kürze halber übergehen.


§. 201.
Aufgabe.

Es iſt eine Differenzialgleichung von
der Form

P y d x + (y + Q) d y = o
worin P, Q Functionen von x bedeuten,
vorgegeben, das Verhalten dieſer Fun-
ctionen zu finden, wenn jene Gleichung
durch einen Factor L von der Form

, worinn M, N gleichfalls
Functionen von x bedeuten, integrabel
ſeyn ſoll
.


Aufl. 1. Vermöge obiger Principien (§. 197.) muß
alſo das Differenzial von wor-
in man blos y als veränderlich anſieht, gleich ſeyn
dem Differenzial von wenn
man darin blos x als veränderlich betrachtet.
Durch
[278]Zweyter Theil. Achtes Kapitel.
Durch Gleichſetzung dieſer beyden Differenziale, er-
giebt ſich nach gehöriger Rechnung
oder wenn man die einzeln Produkte entwickelt,
und nach den Potenzen von y ordnet

2. Dies giebt die drey Gleichungen
2 P d x + d Q — d M = o
P M d x + M d Q — d N — Q d M = o
N d Q — Q d N = o


3. Die letzte dieſer Gleichungen, giebt ſogleich
Alſo log N = log Q + logα
oder N = αQ
wo α eine beliebige Conſtante bedeutet.


4.
[279]Integralrechnung.

4. Setzt man dieſen Werth von N in die
zwey andern Gleichungen, ſo erhält man
I) 2 P d x + d Q — d M = o
II) P M d x + M d Q — Q d M
αd Q = o

Und wenn man d x aus beyden wegſchafft
welche Gleichung mit (2 αM)2 dividirt und in-
tegrirt
giebt, wo β wieder eine beſtändige Größe be-
zeichnet.


5. Alſo wird
Q = Mα + β (2 αM)2
welches in die Gleichung (4. I.) ſubſtituirt
2 P d x = 2 β (2 αM) d M
Alſo
Und N = αQ = (Mα + β (2 αM)2) α giebt.


6. Nimmt man alſo die Function M nach
Gefallen an, ſo ſind auch die Functionen N, P, Q
bekannt,
[280]Zweyter Theil. Achtes Kapitel.
bekannt, oder vielmehr was für ein Verhalten zwi-
ſchen denſelben ſtatt finden muß, daß die vorgege-
bene Differenzialgleichung durch einen Factor von
der vorgegebenen Form integrabel werde.


7. Es ſey z. B. M = 2 αX; ſo wird
P d x = — βX d X
Q
= αX + βX2
N = α2αX + α βX2

Alſo wird die Differenzialgleichung
βy X d X + (αX + βX2 + y) d y = o
allemahl integrabel vermittelſt des Factors

8. So könnten auch P oder Q gegeben ſeyn,
und daraus die übrigen Functionen beſtimmt wer-
den. Aber die daraus ſich ergebenden Werthe ſind
für die Anwendung auf einzelnere Fälle nicht be-
quem.


Das bisherige mag hinreichen, einen Begriff
von der Art zu geben, wie andere ähnliche Aufga-
ben aufzulöſen ſind, worüber man umſtändlicher in
EulersInst. Calc. Integr. §. 493 ꝛc. nachſehen
kann. Man wird aber auch daraus ſchon hinlänglich
bemer-
[281]Integralrechnung.
bemerken, daß die Differenzialgleichungen, welche
auf dieſe Art zum Vorſchein kommen, eben von
keiner ſehr großen Allgemeinheit ſind.


Neuntes Kapitel.
Integration durch Annäherungsmethoden.


§. 202.

1. Es ſey v eine Function von x und das
Differenzial v d x von der Beſchaffenheit, daß das
Integral y = v d x unmittelbar in einem endli-
chen Ausdrucke nicht dargeſtellt werden kann, ſo
muß man ſich in dieſem Falle begnügen, es durch
Annäherung zu beſtimmen, wozu mehrere Metho-
den ſich darbieten, welche aber für den würklichen
Gebrauch nicht immer gleich anwendbar ſind. Fol-
gendes ſcheint mir für die Ausübung das brauch-
barſte zu ſeyn.


2. Wenn von dem Integrale v d x die Rede
iſt, ſo verlangt man es immer innerhalb gewiſſer
Gränzen z. B. von x = o, bis x = a, oder auch
von x = a, bis x = b. Innerhalb ſolcher Grän-
zen
[282]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.
zen kann es nun durch Näherung gefunden wer-
den, wenn gleich das Differenzial v d x an und
für ſich nicht integrabel iſt.


3. Man betrachte nemlich v als die Ordinate
einer krummen Linie für die unbeſtimmte Abſciſſe x,
ſo drückt bekanntlich v d x das Flächen-Element zwi-
ſchen zwey unendlich nahen oder um d x von ein-
ander abſtehenden parallelen Ordinaten v aus, und
das Integral y = v d x die ganze Fläche für die
Abſciſſe x.


4. Man ſetze für x = a habe das Integral
y oder v d x alſo die Fläche, welche der Abſciſſe
x zugehört, den Werth Y, ſo daß demnach für
x = a; der Werth von y = Y ſey. Iſt nun b (2)
= a + c
, ſo wird nach dem Tayloriſchen Lehrſatz
für x = a + c, das Integral v d x oder
wo in die Differenzialquotienten ; ſtatt x
der Werth von a geſetzt werden muß.


5. Alſo würde das Integral v d x von x
= a
bis x = b = a + c den Werth
y —
[283]Integralrechnung.
ꝛc.
haben, wo das, was rechter Hand des Gleichheits-
zeichens ſteht, auf bloßen Differenziationen beruht,
und alſo berechnet werden kann, wenn gleich die
Integralwerthe y, Y, linker Hand des Gleich-
heitszeichens, für ſich allein nicht darſtellbar ſeyn
würden.


6. Es iſt nemlich wegen y = v d x; der
Differenzialquotient ; ;
u. ſ. w. Demnach der Werth des Inte-
grals v d x von x = a, bis x = a + c durch die
Reihe
ꝛc.
gegeben, wo in die Function v, und ihre Diffe-
renzialquotienten ꝛc. ebenfalls a ſtatt x geſetzt
werden muß.


7. Soll die angeführte Reihe ſich nähern, ſo
darf o nur klein genommen werden, auch muß die
Function v ſo beſchaffen ſeyn, daß die Differen-
zial-
[284]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.
zialquotienten u. ſ. w. für x = a nicht zu groß,
oder einige derſelben vielleicht gar unendlich werden.


8. Iſt der Werth von c ſo groß, daß jene
Reihe ſich nicht ſchnell genug nähern würde, ſo
muß man ſich das c in kleine Theile eingetheilt
vorſtellen, und das ganze Integral von x = a bis
x = a + c theilweiſe beſtimmen.


9. Geſetzt, man theile das Abſciſſen-Intervall
c in n gleiche Theile, und nehme ; das
Integral v d x von x = a bis
heiße Y', ſo hat man
ꝛc.


10. Iſt demnach c ſehr klein, ſo kön-
nen die erſten Glieder dieſer Reihe ſchon hinläng-
lich ſeyn, den Werth von Y', ſo genau zu geben,
als man ihn zu einer gewiſſen Abſicht braucht.


11. Nun ſuche man auf eine ähnliche Weiſe
das Integral von c bis c d.
h.
[285]Integralrechnung.
h. von x = a + ω bis x = a + 2 ω. Weil alſo
jetzt der Werth von x, wieder um ω größer iſt,
ſo erhält man für das Integral von x = a + ω
bis x = a + 2 ω wieder die obige Reihe
ꝛc.
nur daß man jetzt in die Function v, und ihre
Differenzialquotienten nicht a ſtatt x, ſondern
a + ω ſtatt x ſetzen muß. Ich will unter dieſen
Umſtänden den Werth der Reihe mit Y'' be-
zeichnen.


12. Wenn man auf dieſe Art weiter verfährt,
ſo erhält man ferner ein Theil-Integral Y''' von
x = a + 2 ω bis x = a + 3 ω; ein YIV von x =
a
+ 3 ω bis x = a + 4 ω u. ſ. w. Endlich ein
YN von x = a + (n — 1)ω bis x = a + nω =
a + c, deren Summe Y' + Y'' + Y''' … + YN
denn das ganze Integral v d x von x = a bis
x = a + nω geben wird.


13. Um das ganze in die Kürze zuſammenzu-
faſſen, ſo ſeyen A, A', A''; … die Werthe von
v, wenn man der Ordnung nach a, a + ω,
a + 2 ω, u. ſ. w. ſtatt x ſetzt. Auf eine ähnliche
Weiſe ſeyen B, B', B'' …; C, C', C'' ꝛc. die
Werthe
[286]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.
Werthe der Differenzialquotienten ;
u. ſ. w., wenn man man die angeführten Werthe
ſtatt x ſetzt, ſo hat man
Y' = Aω + Bω2 + Cω3 ....
Y'' = A'ω + B'ω2 + C'ω3 ....
Y''' = A''ω + B''ω2 + C''ω3
u. ſ. w.
YN = AN — 1ω + BN — 1ω2 + CN — 1ω3


14. Demnach das Integral v d x von x = a
bis x = a + nω, nemlich
Y' + Y'' + Y''' .. + YN = A ω + B ω2 + C ω3 ....
wenn der Kürze halber
A + A' + A'' .. + AN — 1 = A
B + B' + B'' .. + BN — 1 = B
u. ſ. w.

geſetzt wird.


15. Je kleiner man nun das Intervall α
nimmt, und je kleiner die Coefficienten A, B ꝛc.
ſelbſt ausfallen, welches denn auf die Beſchaffen-
heit der Function v und ihrer Differenzialquotien-
ten ankömmt, mit deſto weniger Gliedern jener
Reihe A ω + B ω2 ꝛc. wird man ausreichen, um
einen
[287]Integralrechnung.
einen angenäherten Werth des geſuchten Integrals
zu erhalten.


16. In vielen Fällen, wird es hinreichend ſeyn,
ſich mit dem erſten Gliede A ω = (A + A' + A'' …) ω
zu begnügen, wo denn die einzeln Producte Aω,
A'ω; A''ω ꝛc. die Flächenräume einzelner Paral-
lelogrammen ausdrücken, deren Höhen, der Ord-
nung nach, die Ordinaten A, A', A'' ꝛc. für die
Abſciſſen a, a + ω, a + 2 ω …; und die Grund-
linien das Abſciſſen-Intervall ω, um welches jede
Ordinate von der nächſten abſteht, ſeyn würden,
woraus denn ſchon von ſelbſt ſich ergiebt, daß wenn
A, A', A'' … nicht ſehr ſchnell wachſen, und ω
klein iſt, jene Summe von Parallelogrammen nem-
lich A ω = Aω + A'ω ꝛc. ſchon allein das Inte-
gral v d x von x = a bis x = a + nω ziemlich
genau gegeben wird. Wachſen aber die Ordina-
ten A, A' ꝛc. ſehr ſchnell, ſo wird man auch
das zweyte Glied B ω2 mit in Rechnung bringen
müſſen, um einen noch mehr genäherten Werth des
Integrals zu erhalten, u. ſ. w.


17. Einen etwas genauern Werth als in (16.)
für das Integral v d x von x = a bis x = a
+ n
ω zu erhalten, betrachte man die einzelnen
Flächenräume zwiſchen den um das Abſciſſen-Inter-
vall
[288]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.
vall ω, von einander öbſtehenden Ordinaten A, A',
A'' ꝛc. nicht als Parallelogrammen, wie in (16.)
ſondern als Trapezien. Dies giebt ſodann für
den Werth des Integrals v d x zwiſchen v = A;
und v = AN den genauern Ausdruck
ω + ω + … ω
Oder
ω.
Wo man denn die Ordinaten A, A' . : . AN — 1
unmittelbar aus der Function v berechnet, wenn
man der Ordnung nach, ſtatt x ſetzt a; a + ω;
a + 2 ω; … a + (n — 1)ω.


18. Dies Verfahren, einen angenäherten
Werth für das Integral zu erhalten, iſt für die
meiſten Fälle hinreichend, da hingegen die Anwen-
dung der obigen Reihe A ω + B ω2 .... beſchwer-
lich wird, wenn die Differenzialquotienten, aus
denen man die Coefficienten B, C ꝛc. ableitet (13),
in ſehr unbequemen Ausdrücken beſtehen würden.


19. Ein anderes Verfahren, angenäherte
Werthe von Integralen zu finden, beruht auf In-
terpolationsmethoden, unter denen mir folgende die
brauchbarſte ſcheint.


20.
[289]Integralrechnung.

20. Man berechne der Ordnung nach, aus der
Function v, die Ordinaten A, A', A'' .... (17.)
und ſetze A' — A = α; A'' — 2 A' + A = β;
A''' — 3 A'' + 3 A' — A = γ;
AIV — 6 A''' + 6 A'' — 4 A' + A = δ

u. ſ. w. wo in jedem Werthe wie β, γ, δ ꝛc. die
Zahlcoefficienten nach dem binomiſchen Lehrſatze aus
der zweyten, dritten, vierten u. f. Potenz eines
Binomii genommen werden, ſo ſind α, β, γ, δ, ꝛc.
die erſten Glieder der erſten, zweyten, dritten u. f.
Differenzreihen, welche man aus der Hauptreihe
A, A', A'' ꝛc. machen würde. M. ſ. (Käſtners
Anal. endl. Größen §. 724. ꝛc.).


21. Aus dieſen Werthen von α, β, γ,
δ ..; kann auch umgekehrt, wieder jedes Glied,
A', A'', A''', ꝛc. abgeleitet werden. Z. B.
A' = A + α
A'' = A + 2 α + β
A''' = A + 3 α + 3 β + γ
AIV = A + 4 α + 6 β + 4 γ + δ
u. ſ. w.

Wo die Zahlcoefficienten wieder aus dem binomi-
ſchen Lehrſatz genommen werden.


Höh. Anal.II.Th. T22.
[290]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.

22. Geſetzt nun, v bedeute die Ordinate,
welche der Abſciſſe x = a + t . ω zugehöret (17), ſo
würde nach dem eben (21) angeführten Geſetze
γ ꝛc.
ſeyn, wo t, ; ꝛc. die
Coefficienten der Potenz t eines Binomii darſtel-
len. Z. B. für x = a + 4 ω; alſo für t = 4 iſt
v = AIV = A + 4 α + 6 β + 4 γ + δ, wie oben.


23. Iſt auf dieſe Art t eine ganze Zahl, ſo
giebt die angeführte Reihe (22) unmittelbar jedes
Glied der Hauptreihe (20) völlig genau.


24. Iſt aber t keine ganze Zahl z. B. t \< 4
aber \> 3, ſo daß t zwiſchen 3 und 4 fällt, ſo
giebt die Reihe (22.) Glieder, welche zwiſchen
A''' und AIV fallen würden, ſogenannte einge-
ſchaltete
oder Interpolations-Glieder,
und ſo in der ganzen Reihe der Ordinaten von
x = a bis x = a + tω.


25. Man kann ſich alſo vorſtellen, daß die
Gleichung zwiſchen v und t, welche in obiger Reihe
(22.) dargeſtellt iſt, die Werthe von v innerhalb
den Gränzen x = a, und x = a + tω ausdrücke,
oder
[291]Integralrechnung.
oder vielmehr, wenn man ein ſolches vunmit-
telbar
aus einem ſolchen x = a + tω durch die
Subſtitution dieſes Werthes von x in die vorge-
gebene Function v berechnen würde, das ſo er-
haltene v ſehr nahe mit dem aus obiger Reihe be-
rechnetem v übereinkommen würde. In der That
wird dies auch deſto richtiger zutreffen, je näher
man ſich die Ordinaten, A, A', A'' … neben
einander gedenkt, je kleiner alſo das Abſciſſeninter-
vall ω zwiſchen jeden nächſt auf einander Ordina-
ten angenommen wird.


26. Um nun das Integral v d x von x = a
bis x = b = a + tω zu finden, ſo iſt wegen x = a
+ t
ω überhaupt d x = ωd t alſo v d x = ω v d t
+ Conſt
. dieſe Conſtans ſo genommen, daß das
Integral v d t für t = o verſchwindet. Dann
wird es den Werth von v d x darſtellen von x = a
bis x = a + tω.


27. Statt v nunmehr obige Reihe (22) ſub-
ſtituirt, ſo iſt
u. ſ. w.


T 228.
[292]Zweiter Theil. Neuntes Kapitel.

28. Wir wollen hier nur einige dieſer Inte-
grale entwickeln
Erſtlich iſt A d t = A t
Wenn man auf eine ähnliche Art erſt die Pro-
ducte t (t — 1) (t — 2); t (t — 1) (t — 2) (t — 3)
entwickelt, und dann integrirt; ſo erhält man für
t (t — 1) (t — 2) d t den Ausdruck
(t4 — 4 t3 + 4 t2)
Für t (t — 1) (t — 2) (t — 3) d t
den Werth
(6 t5 — 45 t4 + 110 t3 — 90 t2)
u. ſ. w.


29.
[293]Integralrechnung.

29. Alle dieſe einzelnen Integrale verſchwin-
den ſelbſt für t = o, daher auch die dem ganzen
Integrale ω v d t (26) hinzuzufügende Conſt. = o
iſt. Daher hat man ſchlechtweg v d x oder
u. ſ. w.


30. Will man nun z. B. das Integral v d x
von x = a bis x = b = a + c bloß vermittelſt dreyer
Werthe von v finden, ſo gedenkt man ſich das In-
tervall c bloß in zwey Theile abgetheilt, ſetzt alſo
c = 2 ω; wo denn t = 2 wird; und ω = ½ c.


31. Weil für dieſen Fall die Function v (22)
nur bis zum Gliede, worin der Coefficient β vor-
kömmt, gehen würde, indem für t = 2 ſchon alle
folgenden Glieder wegfallen würden, ſo wird das
Integral ω v d t auch nur bis zum Coefficienten
β hingeſchrieben werden müſſen, d. h. es wird für
t = 2, das Integral ω v d t auch nur ſeyn
=
[294]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.
welches ich mit T'' bezeichnen will.


32. Auf eine ähnliche Art wird für t = 3,
alſo für den Fall, daß das Intervall c in 3 Theile
getheilt, und der Werth des Integrals ω v d t,
vermittelſt 4 Ordinaten oder Werthe von v be-
ſtimmt werden ſoll, das Integral
T''' = ⅛ (24 A + 36 α + 18 β + 3 γ) ω


33. Und für t = 4 der Werth des Integrals
TIV = \frac{1}{45} (180 A + 360 α + 300 β + 120 γ + 14 δ) ω
Wo denn das ω in dem Werthe von T'' = ½ c,
in dem Werthe von T''' = ⅓ c, und in dem von
TIV = ¼ c geſetzt werden muß.


34. Setzt man endlich in die für T'', T''', TIV
geſundenen Ausdrücke, ſtatt α, β, γ, δ die obi-
gen Werthe (20) ſo erhält man
T'' = ⅓ (A'' + 4 A' + A) ½ c
T''' = ⅜ (A''' + 3 (A'' + A') + A) ⅓ c
TIV = \frac{1}{45} (14 (AIV + A) + 64 (A''' + A') + 24 A'') ¼ c


35. Man könnte auf eben dieſe Art, auch
für t = 5, t = 6 u. ſ. w. die Rechnung anſtellen.
M. ſ. Montucla Hist. de Math. Tom. III. P.
201. woſelbſt die Werthe des Integrals bis auf
t =
[295]Integralrechnung.
t = 6 auf folgende Art angegeben ſind, nemlich
für t = 5
TV = \frac{5}{288} (19(Av+A)+75(AIV+A')+50(A'''+A''))⅕c

und für t = 6
t = 6

    • TVI = \frac{6}{840} (41 (AVI+A) + 216 (AV + A')
    • + 27 (AIV + A'') + 272 A'''
    ⅙ c

In Cotesii Harmonia mensurarum am
Schluſſe der Abhandlung de methodo diffe-
rentiali,
welche einen Theil jenes Werkes aus:
macht, ſind die Werthe des Integrals bis auf
t = 10 angegeben.


36. Das Geſetz der Zahlcoefficienten in A,
A', A'' ꝛc. iſt ſehr leicht aus der Reihe (27.)
ſelbſt zu entwickeln, wenn man in dieſelbe ſtatt
α, β, γ, δ ꝛc. die Ordinaten-Ausdrücke (20.)
ſogleich ſelbſt ſubſtituirt, und dann alles abſondert
was in A, oder in A', A'' ꝛc. gemeinſchaftlich
multiplicirt iſt. Man nenne für ein gewiſſes t den


  • Werth des Integrals d t =a
  • ‒ ‒ ‒ t d t = b
  • ‒ ‒ ‒ d t = c
  • ‒ ‒ ‒ d t = d

u. ſ. w.
ſo
[296]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.
ſo iſt, wenn man z. B. die Coefficienten für t = 4
berechnen wollte


  • der Coefficient von A = a — b + c — d + e
  • ‒ ‒ ‒ A' = b — 2 c + 3 d — 4 e
  • ‒ ‒ ‒ A'' = c — 3 d + 6 e
  • ‒ ‒ ‒ A''' = d — 4 e
  • ‒ ‒ ‒ AIV = e

wo die in einerley Buchſtaben z. B. e multiplicir-
ten Zahlen 1; 4; 6; 4; 1 offenbar wieder Bi-
nominalcoefficienten, hier z. B. von der 4ten Po-
tenz (wegen t = 4) ſind; die Coefficienten in d ſind
(für dieſen Werth von t) der Ordnung nach 1;
3; 3; 1 die Binominalcoefficienten der dritten
Potenz u. ſ. w.


37. Auch laſſen ſich noch Abkürzungen aus-
mitteln z. B. jedes folgende Integral wie d, aus
dem nächſt vorhergehenden zu beſtimmen u. d. gl.
womit ich mich aber hier nicht weiter aufhalten
will. Auch ergiebt ſich leicht aus der nähern Un-
terſuchung, daß je zwey Ordinaten z. B. oben (35)
AVI und A; AV und A'; AIV und A'' ꝛc. welche
allemahl von den äußerſten gleichweit abſtehen, ei-
nerlei Zahlcoefficienten erhalten. (So z. B. oben
AVI und A den Coefficienten ; AV und A'
den
[297]Integralrechnung.
den Coefficienten ; AIV und A'' den Coeff.
u. ſ. w.) wodurch denn die Rechnung auch
wieder um die Hälfte abgekürzt wird. Hat man
alſo z. B. in (36.) die Coefficienten von AIV, A''',
A'' berechnet, ſo iſt es überflüſſig, auch die von
A' und A zu berechnen, denn für t = 4 wird z. B.
a — b + c — d + e (als Coeff. von A) = e (als
Coefficient von AIV) indem a — b + c — d = o
wird, und ſo in andern Fällen.


38. Es wird nicht überflüſſig ſeyn, das bis-
herige mit einem Beyſpiele zu erläutern.


Geſetzt, man ſolle das Integral von
x = 1 bis x = 2 finden, ſo iſt (30) a = 1 und
das Intervall c = 1.


Wir wollen uns ſolches in 6 gleiche Theile
eingetheilt vorſtellen, ſo iſt die Ordinate


  • v oder A = = 1 für x = 1
  • ‒ ‒ A' ‒ ‒ = \frac{6}{7} für x = 1 + ⅙
  • ‒ ‒ A'' ‒ ‒ = ¾ ‒ ‒ = 1 + \frac{2}{6}
  • ‒ ‒ A''' ‒ ‒ = ⅔ ‒ ‒ = 1 + \frac{3}{6}
  • ‒ ‒ AIV ‒ ‒ = ⅗ ‒ ‒ = 1 + \frac{4}{6}
  • ‒ ‒ AV ‒ ‒ = \frac{6}{11} ‒ ‒ = 1 + \frac{5}{6}
  • ‒ ‒ AVI ‒ ‒ = ½ ‒ ‒ = 2

Sub-
[298]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.

Subſtituirt man dieſe Werthe in den Ausdruck für
TVI (35.), ſo findet ſich, wegen ω = ⅙ c = ⅙
nach gehöriger Rechnung TVI = o, 693147..
Nun iſt aber = log nat x; demnach iſt
TVI = dem natürlichen Logarithmen von x = 2,
weil für x = 1; log nat x = o iſt.


Sucht man in den Tabellen den natürlichen
Logarithmen von 2 auf, ſo ſtimmt er bis auf 6
Decimalſtellen mit dem eben gefundenen Werthe
von TVI überein, woraus denn erhellet, daß die
angeführte Approximationsmethode für die Aus-
übung (1) insbeſondere in Fällen, wo gewiſſe In-
tegrale von tranſcendenten Größen, für welche
man noch keine Tafeln hat, abhängen würden,
ſehr brauchbar iſt. So könnte man ſich z. B.
auch derſelben zur Berechnung der Integralloga-
rithmen (§. 145.) bedienen.


§. 203.

1. Die oben angeführte Approximationsme-
thode iſt nun auch auf Differenzialgleichungen über-
haupt anwendbar, wobey man aber annehmen
muß, daß das Integral y = v d x, wo jetzt v
eine
[299]Integralrechnung.
eine Function von beyden veränderlichen Größen
x und y bezeichne, für x = a bekannt ſey. Heißt
es für dieſen Werth von x = Y, ſo iſt der Werth
deſſelben von x = a bis x = a + ω = a + c
folgender (§. 202. 9.)
u. ſ. w.
wo in die Functionen v, , ſtatt x über-
all a, und ſtatt y überall Y geſetzt werden muß.


Der zu x = a + ω gehörige Werth von y
würde alſo nunmehr ſeyn = Y + Y'.


2. Nun laſſe man x wieder um ω wachſen,
ſo wird der Werth des Integrals von x = a + ω
bis zu x = a + 2 ω gefunden, nemlich
ꝛc.
wo aber jetzt in die Functionen v, ; ꝛc. über-
all a + ω ſtatt x und Y + Y' ſtatt y geſetzt wer-
den muß.


Dies giebt denn den Werth des Integrals
y = Y + Y' + Y'' für x = a + 2 ω.


3.
[300]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.

3. Und ſo kann man dieſes Annäherungsver-
fahren bis zu x = a + n ω fortſetzen.


Es ſey z. B. die Differenzialgleichung d y =
(x2 + y2) d x
vorgegeben, ſo hat man
daher u. ſ. w.
.
Aus dieſem Werthe von Y', wird ſodann weiter
Y'' ꝛc. abgeleitet. Wenn ω klein iſt, kann von
jeder dieſer Reihen für Y', Y'' ꝛc. nur das erſte
Glied als Annäherung genommen werden, ſo wie
denn überhaupt auch alle obigen Bemerkungen in
gegenwärtigen Falle ſtatt finden.


Ohne Annäherungsmethoden würde der Werth
von y für x = a + c geradezu durch obige Reihe
(1.) gegeben ſeyn, nemlich v d x oder
wo in die Functionen v, ꝛc. überall a ſtatt x
und Y ſtatt y geſetzt werden muß.


Anmer-
[301]Integralrechnung.
Anmerkung.

I. Man kann eine ähnliche Approximations-
methode auch anwenden, um in einer Glei-
chung wie y = F x wo F x jede algebrai-
ſche oder auch tranſcendente Function
von x bedeuten kann, für einen gegebe-
nen numeriſchen Werth von y, den zuge-
hörigen Werth von x zu finden
, wenn
man nur ohngefähr dieſen Werth kennt, wel-
ches durch einige Verſuche in den meiſten Fällen
nicht ſchwer auszumitteln iſt.


II. Man ſetze der gegebene Werth von y ſey
= b und das x für welches ybeynahe= b
wird, ſey x = a. Dieſer ohngefähre Werth von
y für x = a heiße b', und das x für welches y
genau = b wird, ſey = a + c; ſo hat man nach
dem Tayloriſchen Lehrſatz
wo in die Differenzialquotienten ;
u. ſ. w. überall a ſtatt x geſetzt werden muß.


III. Weil nun b' ſchon ein approximirten
Werth von b ſeyn ſoll, ſo werden die noch hinzu-
zu-
[302]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.
zuſetzenden Glieder u. ſ w. um völlig ge-
nau das b zu erhalten, ſelbſt nur geringe ſeyn,
weil zu x = a nur noch ein geringes c hinzuzu-
ſetzen iſt, um das wahre x = a + c zu erhalten,
für welches y = b wird.


IV. Man laſſe daher die in c2, c3 ꝛc. mul-
tiplicirten Glieder weg, ſo iſt nun beynahe
oder wenn für x = a den Werth m erhält
b = b' + c . m; Mithin .


V. Alſo iſt das approximirte x = a + c, wel-
chen Werth ich mit a' bezeichnen will.


VI. Man hat alſo nunmehr einen Werth von
x, nemlich a', für welchen y noch genauer = b
wird, als vorhin da man ſtatt x nur a ſetzte.


VII. Mit dieſem gefundenen a' kann man nun
die obige Rechnung (IV.) von neuen anfangen, und
ſo wieder ein c beſtimmen, welches zu a' addirt, ei-
nen approximirtern Werth von x giebt, und ſo kann
man
[303]Integralrechnung.
man dieſes Verfahren fortſetzen, bis man ein x er-
hält, für welches y = b wird, mit einem ſo gerin-
gen Fehler als man will.


VIII. Einige Beyſpiele werden die Sache am
beſten erläutern.


BeyſpielI. Es ſey y = x — ſin x.


Man verlangt den Werth des Bogens x für
welchen der Bogen y = b = 120° ſeyn ſoll. Eine
leichte Ueberrechnung wird zeigen, daß wenn man
x = a = 150° ſetzt, an dem Werthe von y nicht
viel gefehlt wird. Es verſteht ſich, daß hier die
Bogen bey der Berechnung, in Decimaltheilen des
Halbmeſſers = 1 ausgedrückt werden müſſen, weil
ſin x in ſolchen Decimaltheilen genommen wird.


Aus hieher gehörigen Tafeln iſt nemlich in
Decimaltheilen des Halbmeſſers der [Bogen]b =
2,09439.


Ferner a = 2,61799
ſin a = 0,50000 = ſin 150° = ſin 30°
alſo a — ſin a = 2,11799 = b' = dem Werthe
von y für x = a (III.), welcher von dem gegebenen
y oder b = 2,09439 nicht viel unterſchieden iſt.


Man hat nemlich b — b' = — 0,02360.


Um
[304]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.

Um nun einen genauern Werth von x zu er-
halten, hat man erſtlich (we-
gen F x = x — ſin x) = 2 ſin ½ x2, welches für
x = a = 150°, ſich in 2 ſin ½ a2 = 2 (ſin 75°)2
= m
verwandelt (IV.).


Demnach
Oder
wie man leicht durch Logarithmen findet.


Dieſer Bogen c in Decimaltheilen des Halb-
meſſers, entſpricht einem Bogen von 43′ . 29″ in
Gradtheilen. Alſo würde das verbeſſerte x =
a + c = 150° — 43′ . 29″ = 149° . 16′ . 31″ = a'
.


Wir wollen hier die Secunden weglaſſen,
und a' bloß = 149° . 16′ ſetzen, um ein noch-
mahs verbeſſertes x zu erhalten. Die Weglaſ-
ſung jener Secunden hat auf das Endreſultat
keinen Einfluß, denn wir rechnen jetzt ſo, als wenn
wir ſtatt a = 150° ſogleich richtiger 149° . 16′
genommen hätten.


Man führe alſo obige Rechnung von neuen,
nur mit dem Unterſchiede, daß man ſtatt a nicht
150° ſondern richtiger 149° . 16′ nimmt.


Es
[305]Integralrechnung.

Es iſt alſo jetzt in Decimaltheilen des
Halbmeſſers, a = 149° . 16′ = 2,60519
ſin a = ſin 30° . 44′ = 0,51104
alſo a — ſin a = 2,09415 = b'

welches b' jetzt von b = 2,09439 nur um die kleine
Differenz b — b' = 0,00024 unterſchieden iſt.


Daraus wird denn in Decimaltheilen des
Halbmeſſers das
oder, ſtatt ½ a jetzt 74° . 38′, oder auch nur
ſchlechtweg 75° geſetzt, der Bogen c = 0,00013
welches in Gradtheilen 27″ beträgt.


Demnach iſt der Werth von x für welchen
y = 120° wird = a + c = 149° . 16′ . 27″, und
an dieſem wird kaum in Decimaltheilen von Se-
cunden noch etwas zu verbeſſern ſeyn.


Beyſp. II. Es ſey y = x + 4 log x wo
der Logarithme briggiſch genommen werden ſoll;
man verlangt den Werth von x für welchen y =
b = 106
werde.


Ein geringer Ueberſchlag wird zeigen, daß
wenn man x = 100 ſetzt, der Aufgabe beynahe
Höh. Anal.II.Th. Uein
[306]Zweyter Theil. Neuntes Kapitel.
ein Genüge geſchieht. Denn wegen log 100 = 2
würde für x = 100, der Werth von y = 100 +
4 . 2 = 108
.


Wir wollen alſo x oder a jetzt = 100 neh-
men, ſo iſt das entſprechende y oder b' = 108;
demnach b — b' = 106 — 108 = — 2.


Weil nun jetzt F x = x + 4 log brigg x; ſo iſt
wenn M = 0,43429 den Mo-
dulus des briggiſchen Syſtems (§§. 21. u. 74.)
bezeichnet.


Alſo wird für x = a = 100, der Werth von
(IV.) oder
alſo die Verbeſſerung (IV.)
Mithin das verbeſſerte x = 100 — 1,965 .. oder
x = 98,03415.


Mit dieſem verbeſſerten x könnte man nun ein
weiter verbeſſertes erhalten. Allein es wird ſich
zeigen, daß wenn man dieſes x in die Gleichung
y = x + 4 log x ſubſtituirt, ein y = 105,99967
her-
[307]Integralrechnung.
herauskömmt, welches von dem gegebenen y = 106
nur um eine Kleinigkeit unterſchieden iſt. Daher
wir die weitere Rechnung hier weglaſſen.


Dieſe und ähnliche Aufgaben, in einer Glei-
chung wie y = F x, für ein gegebenes y den Werth
von x zu finden, ſind in der Integralrechnung
von häufiger Anwendung z. B. unten (§. 225. 16.
u. an a. O.) daher ich hier das nöthige davon an-
führen mußte.


Zehntes Kapitel.
Integration der Differenzialgleichungen vom
zweyten Grade.


§. 204.

1. Wenn eine Differenzialgleichung zwiſchen
zwey veränderlichen Größen x und y ſo beſchaffen
iſt, daß darinn bloß der erſte Differenzialquotient
vorkömmt, ſo heißt dieſe Gleichung vom er-
ſten Grade
. Mit dieſen haben wir uns in den
vorhergehenden Kapiteln beſchäftigt, nur daß wir
U 2darinn
[308]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
darinn immer nur als in der erſten Potenz
vorkommend betrachtet haben.


2. Aber wenn die vorgegebene Gleichung auch
Potenzen von enthielte, ſo würde man ſie
doch immer als nur vom erſten Grade behandeln.


Wäre z. B. die vorgegebene Gleichung fol-
gende
d y2 + Q d y d x + R d x2 = o
oder
wo Q und R Functionen von x, y bedeuten, ſo
hätte man nur eine quadratiſche Gleichung aufzu-
löſen, nemlich
zu ſetzen, um nun nach den bereits in den vorher-
gehenden Kapiteln vorgetragenen Regeln, die In-
tegration bewerkſtelligen zu können, wofern ſolche
anders ausführbar iſt, ſey es durch einen integri-
renden Factor, oder durch die andern bereits ange-
führten Mittel.


3.
[309]Integralrechnung.

3. Kämen höhere Potenzen von als die
zweyte vor, ſo vereinigt ſich die Schwierigkeit der
Integration, noch mit der der Auflöſung von Glei-
chungen höherer Grade, für welche man außer der
cubiſchen und biquadratiſchen noch keine allgemeine
Vorſchriften hat, daher alſo in den wenigſten Fäl-
len die Integration anders als durch den Weg der
Reihen zu bewerkſtelligen ſeyn wird.


4. Wenn außer dem Differenzialquotienten
auch die Differenzialquotienten in
einer Differenzialgleichung vorkommen, ſo wird
ſolche vom zweyten Grade genannt. Die In-
tegration würde aber oft unendliche Schwierigkei-
ten haben, wenn die Differenzialgleichung auch
höhere Potenzen von enthalten ſollte.
Wir wollen uns begnügen, dieſe Differenzialquo-
tienten nur in ihrer erſten Potenz anzunehmen, in
welchem Falle denn eine Differenzialgleichung die-
ſer Art, nur in folgender Form
enthalten ſeyn wird, wo Q, R, S, T, nach Ge-
fallen
[310]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
fallen Functionen von x, y, und , ſeyn kön-
nen, aber nicht ſelbſt die Differenzialquotienten
; enthalten dürfen, weil, wenn z. B.
Q ſelbſt ſchon enthielte, das Produkt
ſchon eine höhere Potenz von enthalten
könnte, welche Fälle wir ihrer Schwierigkeit we-
gen hier bey Seite ſetzen. Höchſtens möchte
nur die zweyte Potenz von enthal-
ten, um nicht durch die Auflöſung höherer Glei-
chungen in den meiſten Fällen an der Integration
gehindert zu werden, wie in (3.).


5. Aus dem vorhergehenden (§§. 53. 54. ꝛc:)
iſt aber nun klar, daß wenn eine ſolche Differen-
zialgleichung wie (4.) eine beſtimmte Bedeutung
haben ſoll, in dem Ausdrucke linker Hand des
Gleichheitszeichens irgend ein Differenzial als con-
ſtant angeſehen werden muß, wodurch die Unbe-
ſtimmtheit der Differenzialquotienten
oder ihrer Relation zu aufgehoben wird.


6.
[311]Integralrechnung.

6. Erſter Fall. Man nehme an, daß das
Differenzial d x conſtant ſey, ſo iſt d d x = o alſo
ſchlechtweg
Setzt man nun ; ſo wird
welches ich mit q bezeichnen will.


Demnach heißt jene Gleichung jetzt
Q q + S p + T = o
und hat alſo nun eine beſtimmte Bedeutung, in-
dem q vermittelſt der Gleichung durch p
oder beſtimmt iſt. Ohne ein ſolches Differen-
zial conſtant zu ſetzen, würden die Functionen
keine beſtimmten Relationen gegen ein-
ander haben können, wie doch der Fall ſeyn muß,
ſo bald zwiſchen y und x eine gewiſſe durch eine
endliche Gleichung ausgedrückte Relation möglich
ſeyn ſoll.


7. Eine ſolche Gleichung wie Q q + S p
+ T = o
, welche aus der vorgegebenen Differen-
zial-
[312]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
zialgleichung (4) dadurch entſpringt, daß man der
Kürze halber und ſetzt, und ein
gewiſſes Differenzial conſtant annimmt, werde ich
künftig eine reducirte Gleichung nennen, und
ſie der Kürze halber mit Z' = o bezeichnen, wo
demnach Z' eine Function von x, y, p, q bedeu-
ten wird, welche ſich durch die obigen Subſtitu-
tionen aus der vorgegebenen Differenzialgleichung
(4), welche ich mit Z = o bezeichnen will, ergiebt.


8. Zweyter Fall. Es werde das Diffe-
renzial d y conſtant geſetzt. Dann verwandelt ſich
die Gleichung (4) oder Z = o, in
weil jetzt das Glied , wegen
wegfällt.


Setzt man nun wieder , ſo wird,
wenn d y conſtant iſt, durch Differenziation
= d p, alſo
wegen
d p
[313]Integralrechnung.
d p = q d x (7.). Demnach . Dies
in die obige Gleichung Z = o ſubſtituirt, giebt
für die reducirte Gleichung Z' = o den Ausdruck
die alſo wieder von einer beſtimmten Bedeutung iſt.


9. Dritter Fall. Es geſchieht ſehr oft,
daß man nach der Beſchaffenheit einer Aufgabe, das
Differenzial d s = √ (d y2 + d x2) conſtant ſetzt,
In dieſem Falle iſt erſtlich
= d x √ (1 + p2) und ; mit-
hin durch Differenziation, wobey d s conſtant ge-
ſetzt wird,
Mithin
oder wegen ,
und wegen
d d x
[314]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
Ferner hat man wegen
weil d s conſtant iſt. Mithin
(wegen ) oder
d d y = d s ((1 + p2)— ½ d p — p2 d p (1 + p2)— \frac{3}{2})
demnach
d. h. wenn man ſtatt ſetzt (1 + p2)½ und q
ſtatt (7.)
Werden nun dieſe Ausdrücke für und
in die Gleichung Z = o (4.) ſubſtituirt, ſo er-
giebt
[315]Integralrechnung.
giebt ſich die reducirte Gleichung Z' = o oder
+ S p + T = o.


10. Vierter Fall. Wenn überhaupt wel-
ches Differenzial d t man will, conſtant geſetzt
wird, wo t eine beliebige Function von x und y
ſeyn mag. Man ſetze = u, ſo wird weil t
eine Function von x und y ſeyn ſoll, die durch
Differenziation entſtehende Größe u einer Function
von x, y und oder p, gleich ſeyn.


11. Iſt nun d t conſtant, ſo hat man wegen
d x = d t . = und wegen d y = d t =
d t . = d t durch Differenziation
d d x = d t . d = — d t .
d d y = d t .


12. Weil nun u durch x, y und p gegeben
iſt, ſo wird ſeyn (10)
d u
[316]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
d u = μd x + v d y + πd p
wo μ, ν, π auch wieder Functionen von x, y, p
ſeyn werden.


13. Demnach auch
d u = d x
= (μ + νp + πq) d x

Alſo
= — (11.)
= — u . (μ + νp + πq)
= —

Und
= (u d p — p d u) (11)
=
= (u q — p (μ + νp + πq))
= q


14.
[317]Integralrechnung.

14. Dieſe Ausdrücke für und
in die Gleichung Z = o (4. 7) ſubſtituirt, geben die
reducirte Gleichung Z' = o oder
Q q — + S p + T = o
Aus dieſer allgemeinen reducirten Gleichung laſſen
ſich auch leicht wieder diejenigen für obige ſpeciel-
lere Fälle ableiten, womit ich mich aber hier nicht
weiter beſchäftigen will.


Die Anwendung dieſer Sätze auf die Inte-
gration von Differenzialgleichungen des zweyten
Grades, wird nun in folgenden Aufgaben und Bey-
ſpielen klar werden.


§. 205.
Aufgabe.

Wenn die vorgegebene Differenzial-
gleichung Z = o (§. 204. 4) ſo beſchaffen
iſt, daß die reducirte Gleichung Z' = o
keine anderen Größen als p und q ent-
hält, die Integralgleichung zu finden
.


Aufl. 1. In dieſem Falle läßt ſich aus der
Gleichung Z' = o, q durch p finden, d. h. q wird
gleich
[318]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
gleich ſeyn einer Function von p, welche ich durch
P bezeichnen will. Weil nun zugleich q =
iſt; ſo hat man = P mithin d x = und
durch Integration x = + A; Ferner iſt
d y = p d x = und durch Integration
y = + B


2. Hier ſind alſo die veränderlichen Größen
x, y, durch p und die durch die Integration ſich
ergebenden Conſtanten A, B gefunden. Eliminirt
man hierauf aus den zwey Gleichungen
x = + A
y
= + B

die Größe p, ſo hat man die geſuchte vollſtän-
dige
Integralgleichung zwiſchen x und y, weil
dieſe Gleichung zwey conſtante Größen A und B
enthalten wird, dergleichen ein jedes Integral ent-
halten muß, wenn es als ein vollſtändiges der
vorge-
[319]Integralrechnung.
vorgegebenen Differenzialgleichung vom zweyten
Grade ſoll angeſehen werden können.


Einige Beyſpiele.
§. 206.

Beyſp. I. 1. Es ſey die vorgegebene Dif-
ferenzialgleichung Z = o folgende
a d d y = d y . d x
oder = o. Man verlangt die In-
tegralgleichung, unter der Vorausſetzung, daß das
Differenzial d x conſtant angenommen werde.


Aufl. Man vergleiche dieſe Differenzialglei-
chung mit der allgemeinen Form (§. 204. 4.) ſo
hat man Q = a; = o (wegen d d x = o);
S = — 1; T = o. Demnach die reducirte Glei-
chung (§. 204. I. Fall)
Q q + S p + T = o
d. h. a q — p = o; oder q = ; Mithin P
(§. 205. 1.) = und (§. 205. 2.)
x
[320]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
x = + A = a + A = a log p + A
y
= + B = ad p + B = a p + B


2. Um aus dieſen zwey Gleichungen die
Größe p zu eliminiren, hat man erſtlich p = ;
demnach x = a log + A welches denn die
geſuchte Integralgleichung iſt.


3. Anmerkung. Eben dies würde auch
auf folgende Art gefunden werden können. Es iſt
aus der vorgegebenen Differenzialgleichung auch
d y = , und folglich wenn d x conſtant iſt
y = + B, mithin d x = und durch
abermalige Integration x = a log (y — B) + C.


Setzt man nun dieſe Conſt = A — a log a,
ſo wird x = a log + A wie oben.


4. Beyſp. II. Es ſey
die
[321]Integralrechnung.
die zu integrirende Gleichung, und d x con-
ſtant.


Aufl. Man bringe dieſe Gleichung zuerſt
auf die allgemeine Form (§. 204. 4.) indem man
den Nenner wegſchafft, und auf beyden Seiten
mit d x3 dividirt. Dies giebt denn nach einer
leichten Ueberſicht
Oder
Dies nun mit der allgemeinen Form (§. 204. 4.)
verglichen, giebt
Q = a; = o (wegen d d x = o)
S = o; T = = (1 + p2),

wegen = p.
Mithin die reducirte Gleichung (§. 204. 6. I. Fall)
a q + (1 + p2) = o
Oder q = — (1 + p2).


Höh. Anal.II.Th. XFolg-
[322]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.

Folglich die Function P (§. 205. 1.)
= — (1 + p2)
Und
= — a p (1 + p2)—½ + A
= — + A

Und
Aus welchen beyden Gleichungen durch eine leichte
Elimination der Größe p, die geſuchte Integral-
gleichung
(A — x)2 + (y — B)2 = a2
gefunden wird.


5. Anmerkung. Wenn x, y die recht-
winklichten Coordinaten einer Curve bedeuten, ſo
drückt die vorgegebene Formel
(d x
[323]Integralrechnung.
den Halbmeſſer der Krümmung aus (§. 99. 6.).
Wenn alſo dieſer einer conſtanten Größe a gleich
ſeyn ſoll, ſo iſt die Gleichung für die Curve die
eben gefundene
(A — x)2 + (y — B)2 = a2.
Und man ſieht, daß ſie zu einem Kreiſe gehört,
deſſen Halbmeſſer = a, wobey die Abſciſſenlinie in
einem Abſtande = B vom Durchmeſſer des Krei-
ſes, und der Anfangspunct der Abſciſſen in einem
Abſtande = A vom Mittelpunkte des Kreiſes, ge-
dacht werden muß.


6. Beyſp. III. Es ſey die zu integrirende
Gleichung folgende
und das Differenzial d s = (d x2 + d y2)
werde conſtant angenommen.


Aufl. Wenn dieſe Gleichung auf die allge-
meine Form (§. 204. 4.) gebracht wird, ſo heißt
ſie auch
X 2Dem-
[324]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
Demnach iſt jetzt das dortige
Q = o; R = a; S = o; T = —
= — p2 (1 + p2) und daher die reducirte
Gleichung (§. 204. 9.)
+ p2 (1 + p2) = o
woraus ſehr leicht
q = —
folgt.


Alſo iſt jetzt die Function P = —
daher (§. 205. 1.)
dies zu integriren, ſetze man 1 + p2 = u2 ſo iſt
p d p = u d u und
Aber
Daher
[325]Integralrechnung.
Daher
Alſo
d. h.
Ferner wird
Hieraus dann
oder
,

welches ſtatt p2 in den eben gefundenen Werth
von x ſubſtituirt, die geſuchte Integralgleichung
zwiſchen den veränderlichen Größen x und y geben
wird,
[326]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
wird, welche wir ſelbſt aber hieher zu ſetzen, nicht
nöthig finden.


§. 207.
ZuſatzI.

Wenn eine vorgegebene Differenzialgleichung
Z = o ſo beſchaffen iſt, daß die daraus entſtehende
reducirte Gleichung Z' = o, keine anderen Größen
als x und p enthält, woraus p = einer Function
von x wird, welche ich mit X bezeichnen will, ſo
hat man wegen p = X ſogleich = X oder
d y = X d x und y = X d x + A, als geſuchte
Integralgleichung, indem das Integral X d x
nach den Vorſchriften (Kap. I-IV. §. 107. ꝛc.) ge-
funden werden kann.


§. 208.
ZuſatzII.

Eben ſo, wenn die reducirte Gleichung Z' = o,
bloß y und p enthielte, alſo p = einer Function
von y wäre, welche ich mit Y bezeichnen will, ſo
hätte man = Y oder d x = und durch
Integration ſogleich
x
[327]Integralrechnung.
x = + B
als geſuchte Integralgleichung, wo ebenfalls
nach den Vorſchriften (Kap. I. ꝛc.) gefunden wird.


§. 209.
ZuſatzIII.

Wenn dagegen in der reducirten Gleichung
Z' = o bloß die Größen q und x vorkommen,
alſo q = einer Function von x wäre, welche ich
mit X bezeichnen will, ſo hätte man, wegen q = X
auch = X d. h. p = X d x + A; Mithin
= X d x + A; Folglich durch abermahlige
Integration, die geſuchte Integralgleichung
y = d xX d x + A x + B


§. 210.
ZuſatzIV.

Eben ſo wenn (§. 209.) q bloß einer Function
von y, welche ich mit Y bezeichnen will, gleich wäre,
ſo hätte man wegen q = Y auch = Y, oder
d x
[328]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
d x = Mithin p d x = ; Aber p d x =
d y
mithin d y = oder Y d y = p d p; Folg-
lich auf beyden Seiten integrirt
½ p2 = Y d y + A
oder p = ( 2 Y d y + 2 A)
Mithin = (2 Y d y + 2 A)
für die geſuchte Integralgleichung.


Beyſp. Geſetzt es wäre
zu integriren und d x conſtant, ſo wäre erſtlich bey
der Vergleichung mit der allgemeinen Form (§.
204. 6.) Q = 1; S = o; T = — a y alſo die
reducirte Gleichung (§. 204. 6.)
q — a y = o d. h. q = a y
Mithin Y = a y; alſo Y d y = ay d y = ½ a y2;
Hier-
[329]Integralrechnung.
Hieraus 2 Y d y = a y2, und
= log (2 a y + 2 a (a y2 + 2 A)) + B
wie man leicht aus (§. 130. 4.) findet, wenn man
ſtatt des dortigen x den Buchſtaben y, ſodann a
ſtatt γ, und 2 A ſtatt α, und β = o ſetzt.


Es iſt überflüſſig, auch für die Fälle (Zuſ. I.
II. III.
) Beyſpiele zu geben, da ſie leicht ſind, und
keine weitere Erläuterung bedürfen.


§. 211.
Aufgabe.

Wenn in der reducirten Gleichung
Z' = o bloß die Größen x, p und q vor-
kommen, aber nicht y, die Integralglei-
chung zu finden
.


Aufl. I. Auch dieſer Fall hat keine Schwie-
rigkeit. Denn ſetzt man in die Gleichung Z' = o
ſtatt q den Werth , ſo verwandelt ſie ſich bloß
in eine Differenzialgleichung vom erſten Grade,
zwiſchen x und p. Iſt alſo dieſe nach den Re-
geln
[330]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
geln (Kap. V u. f.) integrabel, ſo erhält man eine
endliche Gleichung zwiſchen p und x, und p wird
demnach einer Function von x gleich ſeyn, welche
ich mit X bezeichnen will, und aus der Gleichung
zwiſchen p und x entwickelt werden kann.


Folglich hat man p = X + A (wo A die
durch die Integration hinzugeſetzte Conſtante be-
zeichnet) oder = X + A. Mithin durch aber-
malige Integration
y = (X + A) d x + B
welches alſo die geſuchte Integralgleichung iſt.


II. Es könnte geſchehen, daß aus der Gleichung
zwiſchen p und x (I.) die Größe x leichter durch
p, als p durch x ſich ausdrücken ließe. In die-
ſem Falle ſey x = P + C alſo P eine Function
von p. So hätte man demnach d x = P' d p wo
P' aus der Differenziation von P ſich ergäbe,
dann ferner p d x oder d y = P' p d p und y =
P' p d p + B; woraus demnach y durch p ge-
funden wird. Weil nun auch x durch p aus der
Gleichung x = P + C bekannt iſt, ſo läßt ſich
hieraus durch Elimination der Größe p, aus bey-
den Gleichungen ebenfalls die geſuchte Integral-
gleichung zwiſchen x und y finden.


§. 212.
[331]Integralrechnung.
§. 212.
Zuſatz.

Da für den Fall, daß d x conſtant iſt, die
reducirte Gleichung Z' = o die Form (§. 204. 6.)
Q q + S p + T = o
hat, ſo erhellet, daß wenn Q, S, T bloß Fun-
ctionen von x, p und q ſind, die Differenzialglei-
chung Z = o (§. 204. 4.) allemahl integrabel ſeyn
wird, was auch R für eine Function jener Grö-
ßen ſeyn mag, weil für d x = Conſt., das Glied
aus der Gleichung Z = o allemahl weg-
fällt. Wird dagegen d y conſtant geſetzt, ſo heißt
die reducirte Gleichung (§. 204. 8.)
— + S p + T = o
und dieſe iſt demnach allemahl integrabel, wenn
R, S, T Functionen von x, p, q ſind. Q kann ſeyn
was es will.


Dieſe Betrachtungen laſſen ſich auch auf die
Fälle (§. 204. 9 10.) leicht anwenden.


§. 213.
Anmerkung.

Bey der Aufgabe des 211ten §es wird an-
genommen, daß die Differenzialgleichung vom er-
ſten
[332]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
ſten Grade zwiſchen p und x (§. 211. I.) integra-
bel ſey. Es könnte aber ſeyn, daß ſie es nicht
wäre, weil im allgemeinen nur wenig Differen-
zialgleichungen vom erſten Grade in unſerer Ge-
walt ſtehen, und außer den (Kap. V.) vorgekom-
menen etwas allgemeinern Fällen, wenig andere be-
kannt ſind, welche eine Integration zuließen. In-
deſſen erinnere ich hier ein für allemahl, daß man
eine Differenzialgleichung von einem höhern Grade
als integrirt anſieht, wenn ihre Integration auf
diejenige eines niedrigern Grades gebracht iſt, die
letztere mag nun eine Integration zulaſſen oder nicht.
Im letztern Falle nimmt man denn ſeine Zuflucht zu
Reihen, oder Annäherungsmethoden, ſo gut man
ſich helfen kann.


§. 214.
Aufgabe.

Wenn in der reducirten Gleichung
Z' = o kein x, ſondern bloß die Größen
y, p, q vorkommen, die Integralglei-
chung zu finden
.


Aufl. 1. Man ſetze in die Gleichung Z' = o
überal ſtatt q (denn es iſt q = und
p
[333]Integralrechnung.
p = ; daher q = ), ſo verwandelt ſich
Z' = o bloß in eine Differenzialgleichung vom
erſten Grade zwiſchen p und y, aus welcher ſich
durch Integration das Verhalten zwiſchen p und
y ergiebt, vermittelſt deſſen p durch y oder y durch
p gefunden werden kann.


2. Läßt ſich p am bequemſten durch y aus-
drücken, ſo ſey p = Y, wo Y wieder eine Function
von y bezeichne. Dann hat man alſo = Y
d. h. d x = und x = + A als geſuchte
Integralgleichung.


3. Iſt aber die Gleichung zwiſchen p und y
von der Beſchaffenheit, daß ſich y bequemer durch
p ausdrücken läßt, ſo ſey y = P. Dann iſt durch
Differenziation d y = d P = P' d p und alſo P'
durch p gefunden.


4. Dies giebt dann weiter d y oder p d x =
P' d p
alſo
d x = und x = + B
woraus auch x durch p gefunden iſt. Eliminirt
man
[334]Zweiter Theil. Zehntes Kapitel.
man hierauf aus den gefundenen Gleichungen für
y und x, die Größe p, ſo wird dadurch auch die
geſuchte Integralgleichung zwiſchen x und y er-
halten, und dieſe Gleichung iſt vollſtändig, weil
ſchon die erſte Integration, woraus das Verhal-
ten zwiſchen p und y gefunden wird (1.) eine ge-
wiſſe conſtante Größe = A in ſich faſſet.


§. 215.
Aufgabe.

Wenn die reducirte Gleichung Z' = o
ſo beſchaffen iſt, daß alle vier Größen
x, y, p, q darin vorkommen, die Inte-
gration zu bewerkſtelligen
.


Aufl. Dieſer Fall, als der allgemeinſte, ver-
ſtattet nur wenig Auflöſungen, wenn man nicht zu
Annäherungsmethoden oder Reihen ſeine Zuflucht
nehmen will.


I. Der leichteſte Fall iſt, wenn die reducirte
Gleichung Z' = o ſo beſchaffen iſt, daß durch zwey
einfache und bequeme Subſtitutionen z. B.
y = u x; q = z x;
oder y = ; q = oder auch = z x

oder
[335]Integralrechnung.
oder p = u y; q = z y u. d gl.
(wo u, z ein paar neue veränderliche Größen be-
zeichnen), eine von jenen vier Größen x, y, p,
q
aus der Gleichung herausgeht, und ſich dadurch
Z' = o nur in eine Gleichung von drey veränder-
lichen Größen z. B. q, u, z; oder x, u, z und
d. gl. verwandelt.


II. Da indeſſen auch die Entwickelung aller
einzeln Fälle und Combinationen, welche hier ſtatt
finden können, ſchon zu umſtändlich ſeyn würde,
ſo mag es hier hinreichen, nur durch ein paar der-
ſelben den Weg zu zeigen, wie mit den gehörigen
Veränderungen auch in andern Fällen zu verfah-
ren ſeyn möchte. Geſetzt alſo:


III.Erſter Fall. 1. Durch die Subſtitu-
tion y = u x; entfernte ſich x aus der Glei-
chung Z' = o, ſo wird ſich ſolche bloß in eine
Gleichung zwiſchen p, u, und z verwandeln, aus
welcher jede von dieſen 3 Größen durch die beyden
übrigen beſtimmt iſt.


2. Nun folgt aber aus den Gleichungen
d y = p d x; d p = q d x
und
[336]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
und y = u x;
erſtlich d y = u d x + x d u = p d x
oder x d u = (p — u) d x Mithin
Ferner d. h. .


3. Alſo (2.) oder
z d u — p d p + u d p = o.


4. Da nun aus der Gleichung Z' = o zwi-
ſchen p, u, z (1.) die Größe z durch p und u be-
ſtimmt iſt, ſo wird die Gleichung (3.) bloß zu ei-
ner Differenzialgleichung vom erſten Grade zwi-
ſchen p, u, durch deren Integration (falls ſie
in unſerer Gewalt ſteht) p durch u oder auch u
durch p gefunden wird.


5. Hieraus findet ſich dann aus der Gleichung
(2.) durch abermahlige Integration
auch x durch u oder p, und endlich aus der Glei-
chung d y = p d x auch y durch u oder p, wor-
aus
[337]Integralrechnung.
aus denn durch Elimination auch endlich die ge-
ſuchte Integralgleichung zwiſchen x und y abge-
leitet werden kann.


IV.Zweyter Fall. Durch die Subſtitu-
tion p = u y; und q = z y entferne ſich die Größe
y aus der reducirten Gleichung Z' = o.


1. Dann wird alſo Z' = o bloß eine Glei-
chung zwiſchen x, z, u ſeyn, aus der jede Größe
durch die beyden übrigen beſtimmt ſeyn wird.


2. Jetzt folgt aber aus den Gleichungen
d y = p d x; d p = q d x
und p = u y; q = z y

erſtlich d y = u y d x, und d p = z y d x
d. h. u d y + y d u = z y d x
oder ſtatt d y den Werth u y d x geſetzt
u2 d x + du — z d x = o.


3. Weil nun aus der Gleichung Z' = o
die Größe z durch x und u bekannt iſt (1), ſo iſt
u2 d x + d u — z d x = o
bloß eine Differenzialgleichung vom erſten Grade
zwiſchen u und x, woraus u durch x oder x durch
u beſtimmt werden kann.


Höh. Anal.II.Th. Y4.
[338]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.

4. Iſt nun x durch u oder u durch x gefunden,
ſo hat man aus der Gleichung auch y
durch u oder x, woraus ſich denn durch Elimination
auch die Gleichung zwiſchen y und x ableitet.


V.Dritter Fall. Wenn die reducirte
Gleichung Z' = o ſo beſchaffen iſt, daß p, q,
und y nur in der erſten Potenz darin vorkommen,
oder doch die Exponenten von p, q, y in jedent
Gliede einerley Summe ausmachen, ohngefähr
wie in einer gleichartigen Gleichung zwiſchen p,
q, y
, ſo ſetze man , wo e die Baſis
der natürlichen Logarithmen, und u eine beliebige
andere veränderliche Größe bezeichne. Dann hat
man ; d. h. oder
und oder , und
man wird finden, daß durch dieſe Subſtitution aus
Z' = o bloß eine Differenzialgleichung vom erſten
Grade zwiſchen u und x zum Vorſchein kommen
wird, woraus u durch x, oder x durch u beſtimmt
wird, falls dieſe Differenzialgleichung in unſerer Ge-
walt ſteht. Iſt auf dieſe Art u durch x oder x durch
u gefunden, ſo iſt alsdann auch , durch
x
[339]Integralrechnung.
x oder u bekannt, woraus denn die geſuchte Glei-
chung zwiſchen y und x erhalten wird.


VI.Vierter Fall. 1. So läßt ſich auch
unterweilen vortheilhaft die Subſtitution
gebrauchen, um x aus der Gleichung Z' = o
wegzuſchaffen, und eine Gleichung zwiſchen u und
y zu erhalten, woraus y durch u, oder u durch y,
mithin auch
durch u oder y gefunden werden kann.


2. Denn man erhält
Mithin oder
Folglich oder
d. h. ſtatt d x ſeinen Werth geſetzt

Y 23.
[340]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.

3. Iſt alſo die Gleichung Z' = o ſo beſchaf-
fen, daß wenn man ſtatt x, p, q die angegebe-
nen Ausdrücke ſubſtituirt, die Exponentialgrößen
daraus wegfallen, ſo erhält man bloß eine Diffe-
renzialgleichung vom erſten Grade (frey von einem
involutoriſchen Integrale, dergleichen
ſeyn würde), woraus u durch y oder y durch u
beſtimmt werden kann u. ſ. w.


VII.Fünfter Fall. Iſt in der Gleichung
Z' = o, die Größe y bloß in der erſten Potenz
vorhanden, ſo iſt die Subſtitution y = z u brauch-
bar, wo z, u, ein paar neue von einander unab-
hängige veränderliche Größen bedeuten. Denn da-
durch iſt
d y = z d u + u d z;
und folglich p oder
Ferner
Da nun z und u von einander unabhängig ſind,
ſo
[341]Integralrechnung.
ſo kann man irgend eine Relation für ſie annehmen,
wodurch die Gleichung Z' = o, nachdem ſtatt y, p,
q
die gefundenen Ausdrücke ſubſtituirt worden ſind,
in zwey einzelne Gleichungen zerfällt wird, die ſich
beſſer, als die durch y und x ausgedrückte, be-
handeln laſſen.


VIII. Dies ſind ohngefähr die vorzüglichſten
Kunſtgriffe, vermittelſt deren man es verſuchen
kann, eine vorgegebene Differenzialgleichung vom
zweyten Grade zu integriren. In beſondern Fäl-
len bieten ſich zwar, wenn man darüber nachden-
ken will, auch wohl noch andere Kunſtgriffe und
Subſtitutionen dar, aber dieſe ſind denn oft auch
nur auf dieſe Fälle beſchränkt, und daher zu ſpe-
ciell, um in einem Lehrbegriffe der Integralrech-
nung aufgenommen werden zu können. Wenn
gleich die bisher vorgetragenen ſich auch nur auf ſpe-
eielle Fälle beziehen, ſo haben ſie doch einigen Cha-
racter der Allgemeinheit, und was ſich durch ſie
nicht bewerkſtelligen läßt, wird ſelten auf einem
andern Wege glücken. Ich will nun das bishe-
rige durch einige Beyſpiele erläutern.


§. 216.
Beyſpiele.

Beyſp. für FallI. (§. 215.).
Es
[342]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
Es ſey n x3 d d y = (y d x — x d y)2
d. h.
zu integriren, und das Differenzial d x conſtant
angenommen.


Es iſt alſo die reducirte Gleichung (§. 204. 7.)
n x3 q = (y — p x)2
Aus der Beſchaffenheit derſelben erhellet nun ſogleich,
daß wenn man y = u x und ſetzt, auf
beyden Seiten des Gleichheitszeichens das x2 als
gemeinſchaftlicher Factor erſcheint, und daher durch
Diviſion aus der Gleichung herausgeht, wodurch
ſchlechtweg n z = (u — p)2 = (p — u)2, alſo
erhalten wird.


Dies ſtatt z in die Gleichung (§. 215. Fall I.
3.) ſubſtituirt giebt.
oder
d. h. n d p = (p — u) d u
Nun
[343]Integralrechnung.
Nun ſetze man p — u = t, ſo verwandelt ſich die
eben gefundene Differenzialgleichung in
n d u + n d t = t d u
woraus ; alſo durch Integration
u = n log (t — n) + Conſt.
folgt.


Nun kann man dieſe Conſt. ſelbſt logarith-
miſch nehmen, alſo z. B. = n logα ſetzen; dies
giebt denn
u = n log (α (t — n))
Hieraus ergiebt ſich denn ferner (Fall I. 2.)
oder alſo
log x = log (t — n) — log t + logβ
wo logβ die hinzuzuſetzende Conſtante bezeichnet.
Mithin
Oder .


Hier-
[344]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.

Hieraus wird denn und
; Mithin
und u x oder als geſuchte
Integralgleichung.


Beyſp. für FallII. (§. 215.).
Es ſey d x conſtant und die Gleichung
d. h.
zu integriren. Alſo iſt die reducirte Gleichung (§.
204. 7.)
Aus welcher ſich ſogleich von ſelbſt ergiebt, daß
wenn man p = u y; q = z y ſetzt, in jedem Gliede
y2 vorkommen, und daher durch Diviſion, aus
der Gleichung weggehen würde.


Man
[345]Integralrechnung.

Man erhält auf dieſe Art ſchlechtweg
Alſo
welches ſtatt z in die Gleichung (Fall II. 2.) ſub-
ſtituirt, geben wird
d. h.
alſo durch Integration
oder
Demnach
d. h.
Mithin
und
[346]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
und integrirt wenn der
Kürze halber geſetzt worden iſt.


Dies giebt wegen
wo D eine zweyte Conſtante bezeichnet, ſtatt deren
auch log D geſetzt werden kann, wodurch man
denn die Gleichung
als geſuchtes Integral erhält.


Beyſp. für FallIII. §. 215.).


1. Es ſey die Gleichung
d d y + A d x d y + B y d x2 = o
oder
zu integriren, wobey d x conſtant angenommen
wird. Die reducirte Gleichung iſt alſo (§. 204. 7.)
q + A p + B y = o
wor-
[347]Integralrechnung.
worinn q, p, y überall nur in der erſten Potenz
vorkommen.


2. Setzt man nun (Fall III.) ſo
wird wegen
;
und
aus allen Gliedern der Gleichung (1.) die Expo-
nentialgröße durch Diviſion weggehen, und
man erhält
Oder
Nun iſt ferner aus
d. h.


3. Integrirt man dieſe zwey Gleichungen,
ſo hat man
x
[348]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
wo die Integrale rechter Hand des Gleichheitszei-
chens nach (§. 109. 10. u. §. 110) gefunden wer-
den können; Iſt hierauf x durch u, und y durch
u gefunden, ſo ergiebt ſich durch Elimination der
Größe u, auch die Gleichung zwiſchen y und x,
welches aber hier zu weitläuftig ſeyn würde, aus-
zuführen.


Da die reducirte Gleichung
q + A p + B y = o
kein x enthält, ſo hätte ſie auch nach der Aufgabe
(§. 214.) behandelt werden können.


Beyſp. für FallIV. (§. 215.).


1. Es ſey
und d x conſtant. Alſo die reducirte Gleichung
Setzt man nun
x
[349]Integralrechnung.
ſo wird jedes Glied dieſer Gleichung die Exponen-
tialgröße
als Factor bekommen, welcher denn durch Diviſion
aus der Gleichung weggeht, wodurch ſchlechtweg
nach Fall IV. 2. erhalten wird
d. h. u d u + 2 u d y + y d y = o.


2. Da dies eine gleichartige Gleichung iſt,
ſo ſetze man y = w u (§. 179.) und man erhält
d u + 2 d y + w d y = o
oder d u + (w + 2) d y = o
d. h. ſtatt d y den Werth w d u + u d w geſetzt
((w + 2) w + 1) d u + (w + 2) u d w = o
oder (w + 1)2 d u + (w + 2) u d w = o
d. h.
oder w + 1 + 1 ſtatt w + 2 geſetzt
Mit-
[350]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
Mithin
wo C die Conſtante bezeichnet, welche durch die
Integration hinzukömmt.


3. Setzt man in dieſe Gleichung ,
ſo iſt auch
Oder auch
Nun iſt ferner aus
d. h.
oder ſtatt den obigen Werth geſetzt
Alſo
[351]Integralrechnung.
Alſo Mithin
und
Alſo die geſuchte Integralgleichung
oder

Beyſp. für FallV.


1. Es ſey
d d y + P d x d y + Q y d x2 = X d x2
P, Q, X Functionen von x, und d x conſtant.
Die reducirte Gleichung iſt nunmehr
q + P p + Q y — X = o.


2. Setzt man nun y = z u, alſo ſtatt p, q,
die Ausdrücke (Fall V. §. 215.), ſo nimmt dieſe
Gleichung folgende Form an
z d d u
[352]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.

3. Weil nun z und u von einander unab-
hängig ſind, ſo iſt es verſtattet, die eben gefun-
dene Gleichung in zwey andere zu zertheilen. Man
nehme die Glieder worinn z als Factor vorkömmt,
und ſetze ſie zuſammen = o, ſo ergiebt ſich, wenn
man zugleich mit z dividirt
wodurch denn zugleich die zweyte Gleichung
erhalten wird.


4. Iſt nun die Gleichung (☉), welche in
Vergleich der vorgegebenen (1.) immer als einfa-
cher zu betrachten iſt, auflösbar, ſo daß u durch x
beſtimmt werden kann, ſo läßt ſich nun vermittelſt
der Gleichung (☽) auch z durch x und folglich auch
y = z u durch x beſtimmen.


5.
[353]Integralrechnung.

5. Denn die Gleichung (☽), welche auch
durch
u d d z + 2 d z d u + P u d z d x = X d x2
ausgedrückt werden kann, verwandelt ſich, wenn
man der Kürze halber d z = s d x ſetzt, in eine
Differenzialgleichung vom erſten Grade, nemlich
u d s + 2 s d u + P u s d x = X d x
Oder

6. Vergleicht man dieſe Gleichung mit der
(§. 174.), ſo hat man, weil u eine Function von
x iſt (4.) mithin auch und Fun-
ctionen von x ſind,
die dortigen y; X; X (§. 174.)
hier
Mithin das dortige hier
, weil wenn man nennt;
log (u2) = log t oder u2 = t = e log (u 2) iſt.


Höh. Anal.II.Th. Z7.
[354]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.

7. Subſtituirt man nun die übrigen Werthe
(6.) in die Integralgleichung (§. 174. 2), ſo er-
hält man für die Integralgleichung (5.) folgende
d. h. wenn man die Function der Kürze hal-
ber mit T bezeichnet
woraus s d x oder (5.)
folgt, wenn B eine zweyte Conſtante bezeichnet.


8. Mithin iſt u z oder (2.)
als Function von x gefunden, weil u als durch x
gegeben angeſehen wird (4.).


9. Es kömmt alſo alles auf die Gleichung
(☉) d. h. wenn man ſetzt,
auf eine reducirte Gleichung von der Form
q' + P p' + Q u = o
an,
[355]Integralrechnung.
an, um die Function u (4.) zu finden, und damit
die Gleichung (1.) integriren zu können, d. h. in
(8.) das Verhalten zwiſchen y und x zu finden.


10. Die Gleichung (9.) läßt ſich aber auf eine
vom erſten Grade bringen, wenn man u = e w d x
ſetzt, wo w eine neue veränderliche Größe bezeich-
net. Denn man erhält
d. h. ſtatt u, p', q' dieſe Ausdrücke ſubſtituirt
und durchaus mit e w d x dividirt
d. h.
d w + w2 d x + P w d x + Q d x = o
Iſt aus dieſer Differenzialgleichung vom erſten
Grade w durch x gefunden, ſo hat man durch
Integration auch u = e w d x, wo man das Inte-
gral w d x bloß ohne zugeſetzte Conſtante braucht.
Denn es iſt hinlänglich wenn u nur als ein par-
ticuläres Integral d. h. als eine Function von x
ohne Hinzuſetzung einer Conſtante genommen wird,
Z 2um
[356]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
um dennoch die vollſtändige Integralgleichung zwi-
ſchen y und x in (8.) zu erhalten, indem die da-
zu erforderlichen zwey Conſtanten ſich ſchon in die-
ſer Gleichung (8.) ſelbſt befinden.


11. In allen Fällen in welchen alſo die
Gleichung
d w + w2 d x + P w d x + Q d x = o
integrabel iſt, wird auch die Differenzialgleichung
vom zweyten Grade
d d y + P d x d y + Q y d x2 — X d x2 = o (1)
integrabel ſeyn, die demnach auf jene vom erſten
Grade, durch die angeführten Subſtitutionen re-
ducirt iſt, und ſo als aufgelößt betrachtet wird
(§. 213.).


Zuſatz.

12. Iſt in der Gleichung
d d y + P d x d y + Q y d x2 = X d x2
X = o, ſo hat man bloß die Gleichung
d d y + P d x d y + Q y d x2 = o
Aber dieſe Gleichung iſt jetzt keine andere als die
obige (☉) (3.) welche mit d x2 multiplicirt ſich in
d d u + P d x d u + Q u d x2 = o
ver-
[357]Integralrechnung.
verwandelt, und ſo der Form nach völlig mit
d d y + P d x d y + Q y d x2 = o
übereinkömmt, nur daß u ſtatt y ſteht. Man
braucht alſo in dieſem Falle nicht erſt die Function
u zu ſuchen, um y nach (8.) durch x zu finden,
ſondern ſetzt jetzt ſogleich y = e w d x, und inte-
grirt die Gleichung (10.)
d w + w2 d x + P w d x + Q d x = o
ſo wird w durch x, mithin auch y = e w d x durch
x gefunden ſeyn.


13. Setzt man auch P = o, ſo hat man bloß
die Gleichung
d d y + Q y d x2 = o
deren Integral alſo auf dasjenige der Gleichung
d w + w2 d x + Q d x = o
ankömmt, welche wenn z. B. Q = a xm wäre,
in dieſem Falle mit der obigen Riccatiſchen
(§. 184.) übereinſtimmen würde.


§. 217.

Da die Integration einer Gleichung von der
Form
d d y + P d x d y + Q y d x2 = o
worin
[358]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
worin P und Q Functionen von x ſind, ſo häufig
vorkömmt, und auch die Integration der obigen
etwas allgemeinern (§. 216. Fall V.) von ihr ab-
hängig iſt, ſo hat man ſich vorzüglich mit ihr be-
ſchäftigt, und unter andern auch Differenzialglei-
chungen geſucht, welche dieſelbe Form als die an-
geführte haben, und von der Beſchaffenheit ſind,
daß wenn ihre Integrale gefunden werden können,
dadurch auch diejenigen der vorgegebenen Gleichung
bekannt werden. Es iſt hier hinlänglich, die Sache
nur durch eine Aufgabe dieſer Art zu erläutern.


§. 218.
Aufgabe.

Eine Gleichung von der (§. 217.) an-
gegebenen Form in eine ähnliche zu ver-
wandeln
.


Aufl. 1. Man ſetze y = z e N d x, wo z,
und N ein paar andere veränderliche Größen be-
zeichnen, ſo erhält man, wenn d x conſtant iſt,
d y = (d z + N z d x) e N d x
d d y = (d d z + N d x d z + z d N d x) e N d x
+ (d z + N z d x) N d x e N d x


2.
[359]Integralrechnung.

2. Dieſe Werthe von y, d y, und d d y, in
die Gleichung (§. 217.)
d d y + P d x d y + Q y d x2 = o
ſubſtituirt, geben, wenn man der Kürze halber
2 N + P = L
+ N2 + N P + Q = M

ſetzt, die transformirte Gleichung
d d z + L d x d z + M z d x2 = o
welche nur in den Buchſtaben von der vorgegebe-
nen unterſchieden, und ihr alſo ganz ähnlich iſt.
Man kann hiebey ſtatt N eine beliebige Function
von x annehmen.


3. Eine andere brauchbare Subſtitution iſt,
wenn man ſetzt.


Wird der Kürze halber genannt,
ſo iſt log y = — U d x, demnach
y = e U d x
Alſo d y = — U d x . e U d x
und da d x conſtant iſt
d d y = (U2 d x2 — d U d x) e U d x
Dieſe
[360]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
Dieſe Werthe in die Gleichung
d d y + P d x d y + Q y d x2 = o
ſubſtituirt, geben
(☽)
Nun iſt
.


4. Setzt man demnach ſtatt U und ihre
Werthe in die Gleichung (☽) (3.), ſo wird
d d z — d x d z + Q z d x2 = o
eine Gleichung welche auch wieder, der Form nach,
mit der vorgegebenen übereinſtimmt.


5. Sind nun ſolche transformirte Gleichun-
gen integrabel, ſo daß z durch x gefunden werden
kann, ſo iſt dadurch auch vermöge der Gleichungen
y = z e N d x in (1.)
oder log y = — in (3.)
das Integral der Gleichung
d d y + P d x d y + Q y d x2 = o
bekannt.


6.
[361]Integralrechnung.

6. Und umgekehrt, iſt dieſe Gleichung (5.)
integrabel, ſo laſſen ſich daraus auch durch Trans-
formation wieder unzählige andere integrable Glei-
chungen (2. 4.) ableiten. Indeſſen iſt der daraus für
die Integralrechnung entſtehende Vortheil bisher
von keinem beſonderen Belange geweſen. Daher ich
es für überflüſſig halte, die Sache noch durch Bey-
ſpiele zu erläutern, die ſich jeder leicht ſelbſt ma-
chen kann. M. ſ. Euleri inst. Calc. Integr.
§. 993. sq.


§. 219.

I. Etwas bedeutender iſt der Vortheil, wel-
chen Particulärintegrale (§. 187.) in man-
chen Fällen zur Auffindung der vollſtändigen In-
tegrale darbieten. Es ſey z. B. wieder
d d y + P d x d y + Q y d x2 = o (☉)
und y = T; y = V zwey particuläre Integrale
oder auch nur beſondere Auflöſungen (§. 187. 8.)
welche der Gleichung (☉) ein Genüge leiſten, ſo
wird auch, wenn α, β, ein paar conſtante Grö-
ßen bezeichnen, das Integral y = αT + βV
der Gleichung (☉) ein Genüge leiſten, und dies
letztere wird ein vollſtändiges Integral ſeyn, weil es
für die vorgegebene Differenzialgleichung vom zwey-
ten Grade, wie ſichs gehört, zwey conſtante Grö-
ßen
[362]Zweiter Theil. Zehntes Kapitel.
ßen enthält, vorausgeſetzt, daß βV nicht etwa
ein Multiplum von αT iſt z. B. = nαT, in
welchem Falle y = (α + nα) T = (1 + n) αT
ſeyn würde, wo (1 + n) α wieder nur als eine
Conſtante, alſo y = (1 + n) αT auch nur als ein
particuläres Integral zu betrachten wäre.


II. Denn leiſten y = T und y = V der Glei-
chung (☉) ein Genüge, ſo wird ſeyn
d d T + P d x d T + Q T d x2 = o
und d d V + P d x d V + Q V d x2 = o


III. Iſt nun in (☉) y = αT + βV, ſo hat
man ebenfalls

    • α(d d T + P d x d T + Q T d x2)
    • + β(d d V + P d x d V + Q V d x2)
    = o


weil die in den Klammern eingeſchloſſenen Aus-
drücke (II.) = o ſind. Daher iſt alſo auch y =
αT + βV ein Integral, und zwar ein vollſtän-
diges, wenn T, V nicht gegenſeitige Multipla von
einander ſind d. h. einer conſtanten Größe
gleich iſt.


IV.Beyſp. I. 1. Oben (§. 216. Fall III.)
fanden wir für die Differenzialgleichung
d d y + A d x d y + B y d x2 = o
durch
[363]Integralrechnung.
durch die Subſtitution y = e u d x, die Glei-
chung
d u + (u2 + A u + B) d x = o
Dieſer geſchieht nun offenbar ein Genüge, wenn
u2 + A u + B = o geſetzt wird. Denn da-
durch wird u = — ½ A = √ (¼ A2 — B) eine
conſtante Größe, alſo auch d u = o, mithin der
ganze Ausdruck linker Hand des Gleichheitszeichens
der angeführten Gleichung = o.


2. Man ſetze
— ½ A + A2 — B) = m
— ½ A — √ (¼ A2 — B) = n

ſo iſt demnach y = e m d x ein particuläres Inte-
gral, und ſo auch y = e n d x, folglich
y = αe m d x + βe n d x d. h.
y = αem x + βen x

das vollſtändige Integral der vorgegebenen Diffe-
renzialgleichung, welches man weniger leicht und
einfach durch die Integrationsmethode (§. 215.
Fall III.) würde entwickelt haben.


3. Subſtituirt man ſtatt m, n die ange-
gebenen Werthe, und ſetzt der Kürze halber
√ (¼ A2 — B) = k, ſo wird auch
y = (αek x + βe— k x) e— ½ A x


4.
[364]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.

4. Für den Fall, daß B \> ¼ A2; alſo k
eine imaginäre Größe ſeyn würde, welche ich
= μ √ — 1 ſetzen will, wird
y = (αeμx — 1 + βeμx — 1) e— ½ A x


5. Da es willkührlich iſt, welche Form man
den conſtanten Größen α, β geben will, ſo ſetze
man in die letztere Gleichung
ſo daß δ, γ zwey andere Conſtanten bezeichnen,
und man erhält nach gehöriger Subſtitution und
mit der Bemerkung, daß
und = ſinμx iſt (§. 48. V.)
y = (γcoſμx + δſinμx) e— ½ A x.


6. Für den Fall, daß A2 — B) = o
alſo B = ¼ A2 ſeyn würde, wird k = o, mithin
y
[365]Integralrechnung.
y = (α + β) e— ½ A x
bloß ein particuläres Integral, weil α + β bloß
als eine Conſtante zu betrachten iſt, und jedes
vollſtändige Integral einer Differenzialgleichung
vom zweyten Grade zwey Conſtanten enthalten
muß (§. 205. II.).


7. Die Integralgleichung muß für dieſen Fall
beſonders geſucht werden. Man ſetze in die Glei-
chung (1.) B = ¼ A2, ſo hat man
d u + (u2 + A u + ¼ A2) d x = o
d. h.
d u + (u + ½ A)2 d x = o
oder
d x = —
oder integrirt
x = + C
alſo
u = — ½ A
und
eu d x oder y =
oder
[366]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
oder auch
y =
weil , in welcher Gleichung al-
ſo C, D die zwey Conſtanten ſind, welche ſich in
dem Integrale befinden müſſen, wenn es vollſtän-
dig ſeyn ſoll.


8. Will man das A2B) = o als
eine unendlich kleine Größe betrachten, ſo könnte
man in (5.) coſμx = 1, und ſinμx = μx
ſetzen, wodurch für den Fall, daß ¼ A2 = B wäre,
y = (γ + δ μx) e— ½ A x
oder, ſtatt δ μ wieder eine Conſtante ε geſetzt,
y = (γ + εx) e— ½ A x
würde, welche Gleichung denn der Form nach mit
der vorhin geſundenen
y =
über-
[367]Integralrechnung.
übereinkömmt, wenn man = ε und — = γ
ſetzt.


9. Man ſieht hieraus, daß wenn μ oder
A2 — B) = o iſt, man in dem Integrale
(8.) das δ nur als eine unendlich große Größe be-
trachten darf, wodurch denn das δ μ zu einer end-
lichen Conſtante ε erwächſt, und das Integral alſo
auch für den Fall, daß B = ¼ A2 iſt, ſeinen ge-
hörig vollſtändigen Ausdruck erhält.


Wem indeſſen dieſe Art der Darſtellung nicht
gefällt, der wähle die directe Integrationsmethode
(7.).


V.BeyſpielII. Es ſey
zu integriren, d x als conſtant betrachtet.


1. Man ſetze y = xμ, ſo wird nach gehö-
riger Differenziation und Subſtitution in die an-
geführte Gleichung, herauskommen
μ (μ — 1) + μA + B = o
oder μ2 + μ (A — 1) + B = o
wor-
[368]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
woraus
μ = — ½ (A — 1) + (¼ (A — 1)2B)
oder auch
μ = — ½ (A — 1) — (¼ (A — 1)2B)
folgt. Man nenne
(¼ (A — 1)2B) = k
ſo ſind
y = x— ½ (A — 1) + k
und y = x— ½ (A — 1) — k
die Particulärintegrale, mithin
y = αx— ½ (A — 1) + k + βx— ½ (A — 1) — k
oder
y = (αxk + βx— k) x— ½ (A — 1)
das vollſtändige Integral der vorgegebenen Diffe-
renzialgleichung.


Für A = — 1; B = + 1, wird √ (¼ (A — 1)2) = B)
alſo k = o; für dieſen Fall hat man die obige Dif-
ferenzialgleichung (§. 216. Fall IV)
für
[369]Integralrechnung.
für welche daſelbſt die Integralgleichung direct ge-
funden worden iſt.


2. Nach dem Verfahren des gegenwärtigen
Beyſpiels würde für k = o, wieder nur ein Par-
ticulärintegral für y herauszukommen ſcheinen, wel-
ches jedoch, durch Kunſtgriffe wie im vorigen Bey-
ſpiele, auch in das vollſtändige würde verwandelt
werden können, womit ich mich aber hier nicht
aufhalten will.


VI.BeyſpielIII.


1. Die Gleichung
d d y + A xm y n d x d y + B xμyνd x2 = o
zu integriren, d x conſtant angenommen.


Man ſetze y = xρ, ſo wird nach gehöriger
Differenziation und Subſtitution
ρ (ρ — 1) xρ — 2 + ρA xm + nρ + ρ — 1 + B xμ + ν ρ = o


2. Man wähle die Exponenten m, n, μ, ν
ſo, daß ρ — 2 = m + nρ + ρ — 1 = μ + ν ρ
iſt, ſo hat man:


3. die Gleichung
ρ (ρ — 1) + ρA + B = o
Höh. Anal.II.Th. A awo-
[370]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
wodurch
ρ = — ½ (A — 1) + (¼ (A — 1)2B)
oder
ρ = — ½ (A — 1) — √ (¼ (A — 1)2B)
wird, alſo wie Beyſpiel (II.) die vollſtändige In-
tegralgleichung
y = (αxk + βx— k) x— ½ (A — 1)


4. Sobald alſo die obigen Gleichungen (2.)
zwiſchen den Exponenten ſtatt finden, d. h. wenn
man ρ aus ihnen eliminirt
iſt, ſo iſt die vorgegebene Differenzialgleichung auch
integrirbar.


5. Hätte man die Gleichung
d d y + A xm yn d x d y + B xμyνd x2
+ C xτd x2 = o

ſo würde man durch die Subſtitution y = xρ,
erhalten
ρ (ρ — 1) xρ — 2 + Aρxm + nρ + ρ — 1
+ B xμ + ν ρ + C xτ = o.

Hier wiederum alle Exponenten gleich geſetzt, alſo
ρ
[371]Integralrechnung.
ρ — 2 = m + nρ + ρ — 1 = μ + ν ρ = τ, ſo
wird ſchlechtweg
ρ2 + (A — 1) ρ + B + C = o
aus welcher Gleichung ρ beſtimmt werden kann,
woraus denn wieder die beyden Particulärintegrale
y, und daraus das vollſtändige, wie in obigen
Beyſpielen ſich ergeben.


Eliminirt man aus dieſen Gleichungen für die
Exponenten, die Größe ρ, ſo wird das Verhalten
der übrigen durch die Gleichungen
und
beſtimmt ſeyn, in welchen man immer drey Expo-
nenten nach Gefallen annehmen, und daraus die
übrigen zwey beſtimmen kann, welches denn eine
Menge integrabler Differenzialgleichungen giebt,
welche auf einem andern Wege, als den der par-
ticulären Integrale, oft ſchwer zu integriren ſeyn
mögten.


§. 220.

I. Zuweilen kann man auch nur aus einem
particulären Integrale das vollſtändige finden.


A a 2Es
[372]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.

Es ſey z. B. für die Gleichung
d d y + P d y d x + Q y d x2 = o
worin d x conſtant angenommen, y = T ein par-
ticuläres Integral, ſo daß T eine gewiſſe Fun-
ction von x bezeichne, welche ſtatt y geſetzt, der
vorgegebenen Differenzialgleichung ein Genüge leiſte.


2. Das vollſtändige Integral heiße nun
y = T z ſo wird ſich die Function z auf folgende
Art finden laſſen.


3. Weil nemlich y = T erſtlich ein particu-
läres Integral iſt, ſo wird ſeyn müſſen (1.)
d d T + P d T d x + Q T d x2 = o.


4. Sodann aber auch T z ſtatt y geſetzt

    • T d d z + 2 d T d z + P T d z d x
    • + z (d d T + P d T d x + Q T d x2)
    = o

5. Mithin wegen (3.) indem der in z multi-
plicirte Ausdruck ſchon für ſich allein = o iſt, auch
T d d z + (2 d T + P T d x) d z = o
Oder

6.
[373]Integralrechnung.

6. Man nenne der Kürze halber
ſo iſt log (T2) + P d x = R d x
Und in (5.)
d d z + R d x d z = o oder
d. h. wenn man = p ſetzt, + R p = o,
woraus ſehr leicht p = B eR d x gefunden wird,
wenn B eine Conſtante bezeichnet.


Setzt man hierin ſtatt R d x den oben ge-
fundenen Ausdruck, ſo wird p oder
d. h. wegen e— log (T2) =
Mithin
wenn C eine zweyte Conſtante bezeichnet.


7.
[374]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.

7. Alſo endlich das vollſtändige Integral nem-
lich T z oder
.


8. Für P = o wird die obige Gleichung jetzt
d d y + Q y d x2 = o.
Iſt alſo y = T ein particuläres Integral, ſo iſt
das vollſtändige
.


Beyſpiel.


9. Es ſey Q = — c2 x— 4 alſo
d d y — c2 x— 4 y d x2 = o
ſo iſt y = ein particuläres Integral, denn
man wird finden
und c2x— 4y d x2 =
demnach wirklich
d d y — c2 x—4 y d x2 = o.


Um
[375]Integralrechnung.

Um nun das vollſtändige Integral zu erhal-
ten, hat man jetzt .
Alſo
Mithin das vollſtändige Integral
oder da man ſtatt der conſtanten Größe auch
nur einen Buchſtaben A ſetzen kann
.


§. 221.

1. Particuläre Integrale zu finden,
kann oft die Methode der Reihen ſehr
nützlich ſeyn
. Wir wollen hier wieder die Dif-
ferenzialgleichung
d d y + Q y d x2 = o
für den Fall, daß Q = — c2 xm alſo
d d y — c2 xm y d x2 = o
iſt,
[376]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
iſt, zum Beyſpiel nehmen, weil ſie merkwürdig iſt,
in ſo fern mit ihr auch die Riccatiſche Gleichung
in Verbindung ſteht (§. 216. Fall V. 13.).


2. Wir haben oben (§. 185. XVIII.) geſe-
hen, daß die Riccatiſche Gleichung allemahl in-
tegrabel iſt, wenn der Exponent m unter der Form
oder
enthalten iſt. Für eben dieſe Fälle wird alſo auch
die vorgegebene Gleichung vom zweyten Grade (1.)
integrabel ſeyn müſſen.


3. Da alſo m negativ ſeyn muß, ſo ſetze
man es = — 4 λ, wodurch alſo die vorgegebene
Gleichung
heißen wird.


4. Wir wollen ſie nun für den gegenwärtigen
Zweck erſtlich in eine andere Form verwandeln, und
y = eu z ſetzen, ſo wird nach gehöriger Rechnung

Um
[377]Integralrechnung.

Um die Function u zu beſtimmen, ſetze man
das dritte und fünfte Glied zuſammen = o, d. h.
oder mit z gemeinſchaftlich dividirt
woraus
Alſo folgt.


5. Da nun die übrigen Glieder der Glei-
chung (4.) auch noch zuſammen = o ſind, ſo hat
man
d d z + 2 d z d u + z d d u = o
oder, ſtatt d u den gefundenen Werth
und folglich ſtatt d d u den Werth
geſetzt,
.


6. Hier wollen wir nun ſtatt z die Reihe
u.
[378]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
u. ſ. w. annehmen, welche ſich nach einiger Be-
trachtung als die einzige zweckmäßige darbietet,
um auf die gewöhnliche Art Gleichungen zu er-
halten, aus denen ſich die Coefficienten A, B, C
u. ſ. w. beſtimmen laſſen. Subſtituirt man nun
ſtatt z dieſe Reihe, ſo verwandelt ſich die Glei-
chung (5.) in eine Reihe von folgender Form
u. ſ. w. = o und es findet ſich
u. ſ. w.
Da nun dieſe Coefficienten A, B, C, D ꝛc.
= o ſeyn müſſen, ſo erhält man hieraus die Werthe
der Coefficienten A, B, C, D ꝛc.


7. Weil nun erſtlich A oder 2 λc A — 2 λc A
ſchon für ſich ſelbſt = o iſt, ſo bleibt A unbe-
ſtimmt und unſerer Willkühr überlaſſen. Aus den
übrigen Ausdrücken B = o; C = o, D = o ꝛc.
finden ſich nun für die Coefficienten B, C, D ꝛc.
folgende Werthe
B
[379]Integralrechnung.
u. ſ. w.
deren Geſetz des Fortgangs klar am Tage liegt.


8. Wenn λ dem Werthe von einem der fol-
genden Brüche
⅓; ⅔ ⅖ ⅗ \frac{3}{7}; \frac{4}{7}; \frac{4}{9}; \frac{5}{9} ꝛc.
welche ſämmtlich entweder unter unter der Form
oder enthalten ſind, gleich iſt,
ſo wird die für z angenommene Reihe allemahl
abbrechen. Z. B. für λ = \frac{4}{7} wird ſchon E = o,
mithin auch alle folgenden Coefficienten F, G ꝛc.
wodurch denn die integrablen Fälle (2.) der Glei-
chung
oder auch
noch
[380]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
noch um ſo mehr ins Licht geſetzt werden. Bloß
für den Fall 4 λ = 2 alſo für λ = ½ d. h. für
die Gleichung
d d y — c2 x— 2 y d x2 = o
welche doch auch integrabel iſt (§. 219. Beyſp. II.
das dortige A = o und B = — c2 geſetzt) würde
die für z angenommene Reihe (6.) lauter unend-
liche Werthe für die Coefficienten (7.) geben, wel-
ches anzeigt, daß für dieſen Fall die Reihe (6.)
nicht brauchbar iſt.


9. Für alle anderen Werthe von λ als die in
(8.) angeführten, werden die Coefficienten B, C,
D ꝛc. ohne Ende fortgehen, in welchen Fällen denn
z eine unendliche Reihe ſeyn wird.


10. Aber das Integral
. z
wird doch in jedem Falle nur ein particuläres ſeyn,
es mag für z eine endliche oder unendliche Reihe
ſtatt finden.


Denn wenn gleich in der für z angenomme-
nen Reihe der Coefficient A eine willkührliche Con-
ſtante iſt (7.) ſo fehlt uns zum vollſtändigen In-
tegra-
[381]Integralrechnung.
tegrale noch eine zweyte in der Differenzialglei-
chung ſelbſt nicht vorkommende Conſtante, weil die
folgenden Coefficienten B, C, D ꝛc. ſämmtlich
nur durch A ſelbſt beſtimmt werden.


11. Man könnte indeſſen aus dem gefunde-
nen Particulärintegrale (10.) wie in (§. 220.) auch
das vollſtändige ableiten, aber durch folgende Be-
trachtung wird ſich daſſelbe noch leichter ergeben.


12. Wir hatten nemlich oben (4.) die Glei-
chung
woraus wir durch Ausziehung der Quadratwurzel
ableiteten.


13. Es iſt aber klar, daß, da dieſe Qua-
dratwurzel zugleich negativ ſeyn darf, auch
hätte geſetzt werden können, wo
alſo der letztere Werth von d u herauskömmt, wenn
man in dem erſtern nur c als negativ betrachtet.


14. Hieraus ergeben ſich alſo eigentlich zwey
Particulärintegrale, eines wenn man ſo wohl in
dem Werthe von u, als auch in der obigen Reihe
z,
[382]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
z, oder vielmehr deren Coefficienten B, C, D
(7.) die Größe c poſitiv ſetzt, und dann ein zwey-
tes, wenn man c negativ annimmt, woraus denn
nach (§. 219.) ſehr leicht das vollſtändige Inte-
gral ſich ergiebt. Ein Beyſpiel wird die Sache
hinlänglich erläutern.


Beyſpiel.

15. Es ſey
zu integriren.


Hier iſt alſo
4 λ = \frac{8/5} oder λ = ⅖
alſo vors erſte
u = 5 c x;
Sodann für die Reihe z die Coefficienten (7.)
die folgenden Coefficienten werden alle = o.


16. Daher für ein poſitives c
und
[383]Integralrechnung.
und für ein negatives c

17. Alſo iſt das eine Particulärintegral = eu z
(§. 219.)
und das andere, c nur negativ genommen,
(§. 219.).


18. Demnach das vollſtändige Integral y =
αT + βV oder nach gehöriger Subſtitution von
T und V, wobey wir die willkührliche Größe A = 1
ſetzen wollen,
wo t der Kürze halber die Größe bezeichnet.


19. Anmerkung. Wäre die vorgegebene
Gleichung folgende
gewe-
[384]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
geweſen, ſo daß jetzt + c2 ſtatt des obigen — c2
ſtände, ſo würde das Integral y auch wieder der
obige Ausdruck ſeyn, nur mit dem Unterſchiede,
daß in demſelben ſtatt c geſetzt werden müßte
c √ — 1, für welchen Fall denn das Integral
nach einer ähnlichen Verwandlung wie oben (§.
219. IV. 5.) in den Ausdruck
übergeht, wo jetzt γ und δ die Conſtanten bezeich-
nen, wie a. a. O.


§. 222.

I. Man erſieht alſo aus dieſem Beyſpiele von
neuen den Nutzen der particulären Integrale zur
Auffindung der vollſtändigen, und wie ſolche Par-
ticulärintegrale unterweilen durch die Methode der
Reihen ſelbſt in endlichen Ausdrüken ſich darſtel-
len laſſen, welches denn immer der Fall iſt, wenn
für ſolche Reihen Coefficienten ſich ergeben, aus
deren Geſetz des Fortgangs wie oben (§. 221. 7.)
ſich abnehmen läßt, daß ſie irgendwo abbrechen,
die Reihe ſelbſt alſo nur aus einer endlichen Zahl
von
[385]Integralrechnung.
von Gliedern beſtehen wird. In ſo fern hat alſo
die Integration durch die Anwendung von Reihen
unterweilen ihren Nutzen, welches denn auch der
Fall iſt, wenn ſolche Reihen von der Beſchaffenheit
ſind, daß ſie ſich wenigſtens nähern, entweder für
kleine Werthe von x; oder auch für größere. Aber
mit divergirenden Reihen iſt der Integralrechnung
wenig gedient.


Um ſolche Reihen zu erhalten, kann man nach
Beſchaffenheit der Umſtände, entweder ſogleich für
y ſelbſt eine ſchickliche Reihe annehmen, durch de-
ren Subſtitution in die vorgegebene Differenzialglei-
chung, ſich dann taugliche Gleichungen für die Be-
ſtimmung der Coefficienten ergeben, oder man
kann auch öfters vortheilhafter ſtatt , oder wohl
ſelbſt ſtatt eine ſolche Reihe annehmen, end-
lich auch wohl die vorgegebene Differenzialgleichung
durch eine gewiſſe Subſtitution, wie z. B. oben
durch die Subſtitution y = eu z (§. 221. 4.) u. d. gl.
erſt brauchbar zur Auflöſung durch Reihen abändern,
aber immer wird es in einem vorkommenden Falle
der Einſicht und Ueberlegung des Analyſten über-
laſſen bleiben müſſen, auf welchem Wege er am
Höh. Anal.II.Th. B bleich-
[386]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
leichteſten und zweckmäßigſten zu ſeinem Ziele ge-
langen dürfte, indem ſich im Allgemeinen hierüber
wenig beſtimmte Regeln geben laſſen. Beyſpiele
für einzelne Fälle kann man in Käſtners Ana-
lyſis des Unendlichen
§. 419. beſonders in
Rückſicht des hiebey oft nützlichen Neutoniſchen
Parallelogramms
, in Eulersinstit. Calc.
integr
. §. 929-993. und bey andern Schriftſtel-
lern finden. Hier würden ſie eine unnütze Weit-
läuftigkeit verurſachen.


II. In dem oben gegebenen Beyſpiele für
(§. 221.)
bietet ſich zugleich noch eine andere Bemerkung an,
nemlich, daß es unterweilen vortheilhaft iſt, ſelbſt
durch Anwendung einer höheren Differenzialglei-
chung, das Integral einer niedrigern auszumitteln.
Wollte man nemlich das Integral der obigen Ric-
catiſchen
Differenzialgleichung vom erſten Grade
d w + w2 d x + Q d x = o (§. 216. Fall V. 13.)
oder, wenn wäre, das Inte-
gral der Differenzialgleichung
nach
[387]Integralrechnung.
nach der Methode (§. 185.) und für die dort ge-
fundenen integrabeln Fälle entwickeln, ſo würde
die Rechnung z. B. auch nur für λ = ⅖ (§. 185.
XI.) ſchon ziemlich weitläuftig ausfallen.


Dadurch aber, daß ſich dieſe Gleichung durch die
Subſtitution y = e w d x (§. 216. Fall V. 10. 11.)
oder umgekehrt in die Gleichung vom
zweyten Grade
verwandelt, deren Integral weit leichter nach der
obigen Methode (§. 221.) gefunden wird, iſt nun
auch leichter für jeden Werth von λ das Integral
von
gefunden.


Denn man darf, wenn y durch x gefunden iſt,
nur durch Differenziation den Ausdruck be-
rechnen, ſo hat man auch die Gleichung zwiſchen
w und x d. h. die Integralgleichung der vorgege-
benen vom erſten Grade.


B b 2§. 223.
[388]Zweyter Theil. Zehntes Kapitel.
§. 223.

So wie oben (§. 197 ꝛc.) die Formen von im
tegrirenden Factoren für Differenzialgleichungen
vom erſten Grade, oder auch umgekehrt die For-
men von Differenzialgleichungen geſucht wurden,
welche durch gegebene Factoren integrabel werden,
ſo hat man ähnliche Kunſtgriffe auch für Differen-
zialgleichungen vom zweyten Grade aufgeſucht.
Aber ſo wie ſchon jene für die vom erſten Grade,
nur von ſehr beſchränkten Nutzen ſind, ſo ſind es
noch mehr die letztern, und führen auf ſehr weit-
läuftige Rechnungen, die ohne etwas erhebliches
zu vermiſſen, hier ganz füglich weggelaſſen werden
können. M. ſ. indeſſen hierüber EulersInst.
Calc. integr.
§. 865-929.


Das bisherige wird ohngefähr die vorzüglich-
ſten Fälle enthalten, unter denen Differenzialglei-
chungen vom zweyten Grade eine Integration zu-
laſſen. Da ſchon dieſe von einem ziemlich be-
ſchränkten Umfange ſind, ſo wird ſich über die In-
tegrationen von Differenzialgleichungen noch höhe-
rer Grade noch um ſo weniger viel allgemeines ſa-
gen laſſen; daher wir uns begnügen, nur einige
der vorzüglichſten Fälle einer nähern Betrachtung
zu unterwerfen.


Eilf-
[389]Integralrechnung.

Eilftes Kapitel.
Ueber einige integrabele Fälle von höhern
Differenzialgleichungen.


§. 224.

1. Wir können hiebey ohngefähr einen Gang
befolgen, welcher mit dem oben (§. 204 ꝛc.) ange-
führten übereinſtimmt, und wollen dabey voraus-
ſetzen, daß allemahl das Differenzial d x als con-
ſtant angenommen werde. Wird ein anderes Dif-
ferenzial conſtant angenommen, ſo kann damit im
allgemeinen ſo verfahren werden, wie ſolches oben
bey den Gleichungen vom zweyten Grade ſchon um-
ſtändlich ausgeführt worden iſt, und welches hier
nur eine unnöthige Wiederholung verurſachen
würde.


2. Bedeuten nun T, S, R, Q u. ſ. w. ge-
wiſſe Functionen von x, y, ; u. ſ. w.
ſo wird allgemein jede Differenzialgleichung vom
nten Grade, ausgedrückt werden können durch
oder
[390]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
oder in reducirter Form durch
T + S p + R q + Q r … + N z = o
Wenn, wie bisher, die Differenzialquotienten
; , = s u. ſ. w.
genannt werden, wo der letzte durch den
Buchſtaben z ausgedrückt werde.


3. Der Einfachheit wegen mag dabey ange-
nommen werden, daß T und S bloß die Größen
x und y; R bloß die Größen x, y, p aber kein
q; Q bloß die Größen x, y, p, q aber kein r
enthalte u. ſ. w. Dies geſchieht deswegen, um Po-
tenzen des jedesmahligen höchſten Differenzialquo-
tienten, mithin die Schwierigkeiten zu vermeiden,
deren (§. 204. 3.) Erwähnung geſchehen iſt. Aber
ſelbſt unter dieſen Beſchränkungen bieten ſich den-
noch nur wenig integrable Fälle dar.


4. Von denjenigen einer Differenzialgleichung
vom zweyten Grade, iſt bereits im Vorhergehen-
den Kapitel geredet worden.


Bey denen von höhern Graden läßt ſich im
Allgemeinen wenig ausrichten, wenn die aus ihnen
entſte-
[391]Integralrechnung.
entſtehenden reducirten Gleichungen ſo beſchaffen
ſind, daß mehr als vier von den veränderlichen
Größen x, y, p, q u. ſ. w. darinn vorkommen.


Wir wollen hier nur einige leichtere Fälle et-
was näher betrachten.


§. 225.
Aufgabe.

Eine Differenzialgleichung vomnten
Grade zu integriren, wenn ſie von fol-
gender Form iſt
,
worinnN und Mbloß Functionen von
bezeichnen
.


Aufl. 1. Man kann die vorgegebene Glei-
chung auch ſo ausdrücken
worinn alſo ebenfalls einer Function von
d
[392]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
, welche ich mit M bezeichnen will, gleich
ſeyn wird.


2. Wird demnach mit z bezeichnet, und
mit z', ſo hat man die reducirte Gleichung
z — M z' = o
welche alſo nur die zwey veränderlichen Größen z
und z' enthält, weil M eine Function von
oder z' iſt.


3. Um nun die Integralgleichung alſo die
Gleichung zwiſchen x und y zu erhalten, ſo laſſe
man der Ordnung nach, z, z', z'', z''' … zN—1,
zN, die Differenzialquotienten ; ;
; … ; bedeuten,
dann iſt erſtlich
z''
[393]Integralrechnung.

4. In die Gleichung (2.) ſetze man nun ſo-
gleich ſtatt z, und man erhält = M z'
oder alſo durch Integration
wo demnach x durch z' gefunden wird, weil M z'
ebenfalls durch z' gegeben iſt (2.).


5. Nun iſt weiter
(3. 4.) alſo wo alſo auch z'' aus
z' ſich findet.


6. Weiter iſt (3. 4.)
und alſo ebenfalls durch z' be-
ſtimmt, weil bereits z'' durch z' gefunden iſt (5.).


7. Auf dieſe Weiſe gelangt man durch fort-
geſetzte Integrationen, immer auf niedrigere Diffe-
renzial-
[394]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
renzialquotienten, bis man endlich auf den niedrig-
ſten oder letzten nemlich kömmt (3.).


8. Alſo iſt nach dem eben gefundenen Geſetz
(5. 6.) erſtlich
gleich einer Function von z', und hieraus endlich
(7.)
gleichfalls einer Function von z' gleich.


9. Da nun auch (4.) einer Fun-
ction von z' gleich iſt, ſo erhält man durch Elimi-
nation der Größe z' aus den für y und x gefundenen
Gleichungen (8. 4.) auch diejenige zwiſchen x und y,
und dieſe wird eine vollſtändige Integralgleichung
ſeyn, weil ſie ſo viel conſtante Größen enthalten
wird, als durch ſo viel ſucceſſive Integrationen
man endlich die verlangte Relation zwiſchen y und
x erhält.


10. Ein Beyſpiel wird die Sache am beſten
erläutern.


Bey-
[395]Integralrechnung.

Beyſpiel. Es ſey
zu integriren. Vergleicht man dieſe Differenzial-
gleichung mit der obigen, ſo iſt
N = 1 + ; M = 1; n = 3
Demnach (1.)
;
z'' = ; folglich M = .


Und nun erſtlich
d. h.
x = z' + log z' + A; wo A die erſte willkühr-
liche Conſtante bezeichnet, deren das Integral der
vorgegebenen Differenzialgleichung vom dritten
Grade, drey enthalten muß, wenn es vollſtändig
ſeyn ſoll.


11. Nun ferner (5.)
z'' = = (1 + z') d z'
d. h. z'' = z' + ½ (z')2 + B.


12.
[396]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.

12. Und nun endlich, da dieſes z'' hier ſchon
den niedrigſten Differenzialquotienten bedeutet
= z' + ½ (z')2 + B
oder ſtatt d x ſeinen Werth oder
+ d z' geſetzt (4. 10.), und integrirt,
y = (B + 1) z' + ¾ (z')2 + ⅙ (z')3
+ B log z' + C.


13. Aus dieſen für x und y gefundenen Glei-
chungen läßt ſich aber die Größe z' nicht gut eli-
miniren, weil jede der beyden Gleichungen außer
z' auch die transſcendente Größe log z' enthält.


14. Will man daher y durch x beſtimmen,
ſo muß man zu Reihen ſeine Zuflucht nehmen.
In gegenwärtigen Beyſpiele würde es am be-
quemſten ſeyn, ſogleich für y ſelbſt eine Reihe an-
zunehmen, und aus der Beſchaffenheit der vorge-
gebenen Differenzialgleichung ergiebt ſich ſehr bald,
daß wenn man
y = A + B x + C x2 + D x3 + E x4 ꝛc.
mithin
d d y
[397]Integralrechnung.
= 2 C + 6 D x + 12 E x2 ꝛc.
= 6 D + 24 E x ꝛc.

ſetzt, und nun dieſe für die angegebenen Differen-
zialquotienten gefundenen Reihen, in die vorgege-
bene Differenzialgleichung (10.) ſubſtituirt, aus der
daraus reſultirenden Gleichungsreihe

    • 6 (1 + 2 C) D + 36 D2
    • — 2 C + 24 (1 + 2 C) E
    • — 6 D
    • x + 216 D E
    • + 60 (1 + 2 C) F
    • — 12 E
    • x2
    • .. = o


die Werthe der angenommenen Coefficienten ſehr
leicht beſtimmt werden können.


Nemlich
wo C eine willkührlich anzunehmende Größe, ſo
wie auch A und B in der für y angenommenen
Reihe dergleichen willkührliche Conſtanten (die drey
welche das vollſtändige Integral y enthalten muß)
bezeichnen.


Daraus dann ferner.


F
[398]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
u. ſ. w.


Es iſt alſo
y = A + B x + C x2 + D x3 + E x4 ꝛc.
eine vollſtändige Integralreihe, für die vorgegebene
Differenzialgleichung.


Ich habe dieſes Beyſpiel nur gewählt, um
anzudeuten, wie in ähnlichen Fällen auch die In-
tegration höherer Differenzialgleichungen durch Rei-
hen bewerkſtelligt werden kann, wenn es die Noth
erfordert. Was die Form der in jedem Falle
anzunehmenden Reihe betrifft, ſo muß dieſelbe ſo
beſchaffen ſeyn, daß wenn ſie in die vorgegebene
Differenzialgleichung ſubſtituirt wird, daraus eine
zur Beſtimmung der angenommenen Coefficienten
taugliche Gleichungsreihe entſpringt, welches denn
in den meiſten Fällen durch einiges Nachdenken,
durch Beyhülfe des Neutoniſchen Parallelogramms
u. d. gl. nicht ſchwer zu entwickeln iſt. Zugleich
muß die Reihe ſo beſchaffen ſeyn, daß ſo viel Coef-
ficienten unbeſtimmt bleiben (wie z. B. oben A,
B, C) als ſo viel willkührliche Conſtanten das In-
tegral enthalten muß. Sonſt iſt die gefundene
Integralreihe nur ein particuläres Integral.


Begreif-
[399]Integralrechnung.

Begreiflich kann denn eine ſolche Reihe für
die Ausübung nur in den Fällen brauchbar ſeyn,
wenn ſie ſich nähert. Mit diverdirenden Reihen,
würde dem Rechner nicht viel gedient ſeyn.


15. Wenn gleich die oben für x und y ge-
fundenen Ausdrücke (10. 12.) nicht ſo beſchaffen
ſind, daß daraus eine Gleichung mit einer endli-
chen Anzahl von Gliedern zwiſchen y und x abge-
leitet werden könnte, ſo ſind ſie doch zur Berech-
nung numeriſcher Werthe von y und x
brauchbar.


16. Man würde nemlich für ein gegebenes x
aus der Gleichung (10.)
x = z' + log z' + A
worinn auch A als gegeben angeſehen werden muß,
nach dem Verfahren (§. 203. Anmerkung daſ.
Beyſp. II.) erſt den Werth von z' beſtimmen, und
hieraus dann den Werth von y (12.); die willkühr-
lichen Conſtanten A, B, C, müſſen aus der Na-
tur der Aufgabe, für deren Auflöſung man die
obige Differenzialgleichung gefunden hatte, abge-
leitet werden, welches aber weiter zu entwickeln
nicht hieher gehört.


§. 226.
[400]Zweiter Theil. Eilftes Kapitel.
§. 226.
Aufgabe.

Die Differenzialgleichung
zu integriren, wenn N und M bloß Fun-
ctionen von bedeuten
.


Aufl. 1. Wenn man wieder wie in vori-
ger Aufgabe = M ſetzt, wo aber jetzt M eine
Function von bedeutet, ſo hat man nach
obigen Bezeichnungen erſtlich
z — M z'' = o


2. Nun iſt aber aus z = ; und z' =
, das Differenzial d x = ; dem-
nach z = und folglich (1.)
— M z'' = o oder
z' d z'
[401]Integralrechnung.
z' d z' = M z'' d z''. Mithin ½ (z')2 = M z'' d z''
wo M z'' d z'' gefunden werden kann, weil M
eine Function von d. h. von z'' iſt (1.).


3. Hieraus alſo
z' = (2 M z'' d z'')
oder wenn man ſtatt z' ſetzt,
und integrirt
.


4. Weiter iſt nun d z''' = z'' d x oder ſtatt
d x ſeinen Werth (3.) geſetzt
.


5. So kann man nun die Arbeit weiter fort-
ſetzen, bis man auf den letzten Differenzialquotien-
ten zN kömmt. Da dieſer nun = iſt, ſo
hat man
d y = z N d x =
Höh. Anal.II.Th. C cund
[402]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
und
welches denn ebenfalls einer Function von z'' gleich
iſt, weil der Ordnung nach, die Größen z''', z''''…
zN lauter Functionen von z'' werden.


6. Aus den für x und y gefundenen Glei-
chungen eliminirt man ſodann z'', oder verfährt,
wenn dies nicht angeht, wie in voriger Aufgabe
(16.) um für jedes x den zugehörigen Werth von
y zu finden.


§. 227.
Aufgabe.

Die GleichungX = ozu in-
tegriren, wenn X bloß eine Function
von x iſt
.


Aufl. 1. Man hat alſo jetzt
z — X = o
oder — X = o. Mithin d z' = X d x alſo
z' = X d x; hieraus weiter ſtatt z' geſetzt
und integrirt z'' = d x X d x, und nun
ſtatt
[403]Integralrechnung.
ſtatt z'' geſetzt und integrirt
z''' = d x d x X d x.


2. So gelangt man durch ſucceſſive Integra-
tionen endlich auf z N = mithin auf die ge-
ſuchte Integralgleichung
y = z N d x
wo z N durch die vorhergehenden Integrationen be-
reits als Function von x bekannt iſt.


Es bedarf keiner Erinnerung, daß jeder ein-
zelnen Integration allemahl eine willkührliche Con-
ſtante hinzuzufügen iſt.


§. 228.
Aufgabe.

Die Gleichung
zu integriren, wo X wieder eine Function
von x bezeichne
.


Aufl. 1. Die reducirte Gleichung iſt jetzt
z — X z' = o
C c 2oder
[404]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
oder ſtatt z geſetzt
X z' = o
d. h. = X d x, alſo integrirt
z' = eX d x.


2. Hieraus findet ſich dann weiter
d z'' = z' d x = d x e X d x
Alſo z'' = d x e X d x u. ſ. w. bis man auf den
letzten Differenzialquotienten z N = gelangt,
wodurch y = z N d x ebenfalls als Function von
x bekannt wird, indem z N durch die angeführten
ſucceſſiven Integrationen als Function von x ge-
funden iſt.


§. 229.
Aufgabe.

Die Gleichung
zu integriren, wo X und X entweder bloß

Fun-
[405]Integralrechnung.
Functionen von x, oder auch von x und
ſeyn können
.


Aufl. 1. Erſter Fall wenn X, X bloß
Functionen von x ſind.


Man ſetze z und z' ſtatt und
ſo hat man die reducirte Gleichung
z + X z' — X = o
oder + X z' — X = o
d. h. d z' + X z' d x = X d x.


2. Dieſe Gleichung wird integrabel, wenn
man ſie auf beyden Seiten mit e X d x multiplicirt,
und man erhält durch Integration
z' e X d x = X d x e X d x
Mithin z' = e X d x X d x e X d x
Hieraus findet man nun, wie bisher, durch die fer-
nern Integrationen die Werthe von z'', z''' .. z N
und endlich y = z N d x.


3. Zweyter Fall. Wenn X und X nicht
bloß Functionen von x ſondern auch von
oder
[406]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
oder z' wären, ſo wird die vorgegebene Differen-
zialgleichung vom höhern Grade, für alle Fälle in-
tegrabel ſeyn, für welche aus der Gleichung vom
erſten Grade nemlich
d z' + X z' d x = X d x
der Werth von z' durch Integration ſich finden
läßt. Wäre z. B. X = z' und X = a x n; alſo
d z' + (z')2 d x = a x n d x
ſo hätte man die Riccatiſche Gleichung, welche
denn für die integrirbaren Fälle nach (§. 221.)
behandelt werden müßte, um z' durch x zu erhal-
ten, woraus denn durch die fernern Integratio-
nen, auch z'', z''' .. und endlich y = z N d x
geſunden wird.


Läßt ſich dagegen z' durch x nicht vollſtändig
und bequem angeben, ſo muß man wieder die
Methode der Reihen anwenden, in welchem Falle
man lieber ſogleich für y ſelbſt eine Reihe annimmt.


§. 230.
Zuſatz.

Wäre die vorgegebene Differenzialgleichung
folgende
oder
[407]Integralrechnung.
oder z + X z' + X' z'' — X = o
ſo reducirt ſich ſolche wegen z = und z' =
auf eine vom zweyten Grade, nemlich
+ X' z'' — X = o
In allen Fällen, wo alſo dieſe letztere integrabel
iſt, wird es auch die erſtere ſeyn. X, X', X kön-
nen bloß allein Functionen von x, oder auch zu-
gleich von z'' bedeuten.


§. 231.
Anmerkung.

Außer den in den bisherigen Aufgaben be-
handelten höhern Differenzialgleichungen giebt es
nur wenig andere, welche eine Integration ohne
den Gebrauch von Reihen zuließen. Aber die in
folgenden zwey Aufgaben verdienen noch im All-
gemeinen angeführt zu werden.


§. 232.
Aufgabe.

Die Differenzialgleichung
zu
[408]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
zu integriren, wo X eine beliebige Fun-
ction von x, und A, B, C beſtändige Coef-
ficienten ſind. Die Gleichung kann bis
auf jeden beliebigen Differenzialquo-
tienten gehen
.


Aufl. I. Die reducirte Gleichung iſt, wenn
wir jetzt wieder wie ſonſt = p; = q
u. ſ. w. ſetzen
X + A y + B p + C q + D r ꝛc. = o (☉).


II. Um nicht zu weitläuftig zu ſeyn, wollen
wir annehmen, daß die Gleichung nur bis zum
dritten Differenzialquotienten r gehe. Geht ſie
noch höher hinauf, ſo bleibt das Verfahren, das
wir hier anwenden, ganz daſſelbe.


III. Dies Verfahren beſteht darinn, eine
nächſtniedrigere Differenzialgleichung, alſo hier eine
vom zweyten Grade zu ſuchen, durch deren Diffe-
renziation die vorgegebene vom dritten Grade ent-
ſtehen würde.


IV. Würden wir für dieſe nächſtniedrigere
Gleichung bloß die Form annehmen
X
[409]Integralrechnung.
X + αy + βp + γq = A
ſo daß X eine gewiſſe Function von x, und A eine
Conſtante bedeute, ſo würde durch Differenziation
derſelben auf keinerlei Weiſe die vorgegebene (☉)
entſtehen können, denn man würde erhalten
d. h. + αp + βq + γr = o
eine Gleichung worin kein y vorkömmt, da doch die
vorgegebene (☉) dieſe Größe y enthält.


V. Aber man gedenke ſich eine Gleichung von
folgender Form
eλx (X + αy + βp + γq) = A
wo λ eine conſtante Größe bezeichne, ſo erhält man
durch Differenziation
eine Gleichung, welche der Form nach mit (☉)
völlig übereinſtimmt, wenn man ſich (☉) ebenfalls
mit eλx multiplicirt gedenkt, wodurch man erhal-
ten würde
e
[410]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
eλx(X + A y + B p + C q + D r) = o (☽)
welches im Grunde immer noch dieſelbe Gleichung
(☉) iſt.


VI. Sollen alſo dieſe beyden Gleichungen mit
einander übereinſtimmen, ſo würde ſeyn müſſen
+ λ X = X
α λ = A
α + λ β = B
β + λ γ = C
γ = D

Aus welchen Gleichungen ſich die Größen X, α,
λ, β, γ, durch X, A, B, C, D beſtimmen
laſſen, ſo daß demnach die Gleichung (V.) durch
deren Differenziation die vorgegebene (☽) oder (☉)
entſtehen würde, hiemit völlig beſtimmt iſt.


VII. Aus
+ λ X = X, oder
d X + λ X d x = X d x

erhält man erſtlich, auf beyden Seiten mit eλx
multiplicirt und integrirt,
X
[411]Integralrechnung.
X eλx = eλxX d x
Alſo X = eλxeλxX d x.


VIII. Aus den übrigen Gleichungen (VI.) er-
giebt ſich ferner
γ = D
β = Cλ γ = CλD
α = Bλ β = BλC + λ2D

und wegen α λ = A, oder α = zuletzt die
Gleichung
A — Bλ + Cλ2Dλ3 = o
woraus ſich λ beſtimmen läßt, welches alſo drey
Werthe erhalten würde.


IX. Daraus werden denn auch die Werthe
von α, β, γ beſtimmt ſeyn, und hieraus die
Gleichung (V.)
A eλx = X + αy + βp + γq
oder
eλxeλxX d x — A eλx + αy + βp + γq = o
welche man als ein Integral von ☉ oder ☽ an-
zuſe-
[412]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
zuſehen hat, in ſo ferne ſie von einem nächſtnie-
drigern Grade iſt, als die vorgegebene ☉ oder ☽.


X. Setzt man die Function
eλxeλxX d x — A eλx = X'
ſo wäre alſo die angeführte nächſtniedrigere (IX.)
X' + αy + βp + γq = o.


XI. Aus dieſer kann man wieder, nach einem
ganz ähnlichen Verfahren, durch die Multiplication
mit einem Factor eμx eine nächſtniedrigere von
der Form
X'' + a y + b p = o
Und daraus endlich, wegen p = , durch die
Multiplication mit einem Factor eνx, eine Glei-
chung von der Form
X''' + a y = o
ableiten, welche man als die vollſtändige Inte-
gralgleichung von ☉ zu betrachten hat, weil bey
jeder ſucceſſiven Integration, conſtante Größen wie
A ꝛc. hinzukommen, deren ſo viel der Zahl nach
ſeyn werden, als von einem ſo hohen Grade die
vorgegebene Differenzialgleichung ☉ iſt.


XII.
[413]Integralrechnung.

XII. Dies mag hinreichen im allgemeinen zu
zeigen, daß eine Differenzialgleichung von der
Form
X + A y + = o
durch n ſucceſſive Integrationen allemahl auf eine
endliche Gleichung von der Form
X N + a y = o
reducirt werden kann, wo X N eine Function von
x, mit n willkührlichen Conſtanten bezeichnet, wel-
che durch die ſucceſſiven Integrationen hinzukommen.


XIII. Es läßt ſich zeigen, daß die drey Wur-
zeln der Gleichung (VIII.) überhaupt die Werthe
von λ, μ, ν, in den Exponentialgrößen eλx,
eμx, eνx, deren man ſich zur Integration be-
diente, ausdrücken, und ſo in andern Fällen (II.)
wo man für λ noch eine höhere Gleichung erhal-
ten würde. Den Beweis hievon und die weitere
Ausführung des bisherigen, muß man aber in
Schriften nachſehen, welche dieſem Gegenſtande
beſondere Abhandlungen gewidmet haben.


§. 233.
[414]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
§. 233.
Aufgabe.

Die Differenzialgleichung
X + A y + B x ꝛc. = o
welche bis zu jedem beliebigen Differen-
zialquotienten gehe, zu integriren
.


Aufl.I. Die reducirte Gleichung iſt jetzt
X + A y + B x p + C x2 q + D x3 r ꝛc. = o
Ich will ſie nur bis zum dritten Differenzialquo-
tienten nehmen, indem das Verfahren welches hie-
bey angewandt wird, auf dieſelbe Art auch für hö-
here Gleichungen gilt.


II. Anſtatt, daß wir die Differenzialgleichung
in vorigem § mit einer Exponentialgröße multipli-
cirten, werde die gegenwärtige nur in eine Potenz
von x nemlich mit xμ multiplicirt, wodurch ſie
weſentlich dieſelbe bleibt. Man ſchreibe alſo ſtatt
ihr
(X + A y + B x p + C x2 q + D x3 r) xμ = o
ſo wird, wenn A eine willkührliche Conſtante be-
zeichnet, die nächſtniedrigere in einer ähnlichen Form
ausgedrückt werden können durch
(X + αy + βx p + γx2 q) xμ + 1 = A.


III.
[415]Integralrechnung.

III. Denn man erhält durch Differenziation
eine Gleichung welche mit der vorgegebenen und
mit xμ multiplicirten (II.) ganz übereinſtimmt,
wenn man ſetzt
+ (μ + 1) X = X
(μ + 1) α = A
α + (μ + 2) β = B
β + (μ + 3) γ = C
γ = D

Aus welchen Gleichungen ſich die Größen X, α,
β, γ ſehr leicht finden laſſen.


IV. Man erhält nemlich aus
+ (μ + 1) X = X
durch Multiplication mit xμ + 1 und Integration
X xμ + 1 = X xμ + 1d x
alſo X = xμ — 1 X xμ + 1d x. Ferner
β = C — (μ + 3) γ = C — (μ + 3) D
α = B — (μ + 2) β = B — (μ + 2) C + (μ + 2)(μ + 3) D
da
[416]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
da nun auch , ſo wird
A — (μ + 1) B + (μ + 1) (μ + 2) C
— (μ + 1) (μ + 2) (μ + 3) D = o

eine Gleichung woraus ſich μ beſtimmen läßt, und
wodurch denn auch α, β, γ bekannt werden.


V. Setzt man nun
wo X durch die Integration aus (IV.) bekannt iſt,
ſo heißt die nächſtniedrigere Differenzialgleichung
(II.), durch deren Differenziation die vorgegebene
in (II.) entſtehen würde, auch
X' + αy + βx p + γx2 q = o
welche denn durch ein ähnliches Verfahren wieder
auf eine nächſtniedrigere
X'' + a y + b p = o
Und dieſe endlich auf
X''' + a y = o
gebracht wird, welche letztere als die vollſtändige
Integralgleichung der vorgegebenen (I.) zu betrach-
ten iſt.


Die
[417]Integralrechnung.

Die weitere Ausführung gehört gleichfalls
nicht hieher. M. ſ. Euleri inst. Calc. integr.
(§. 1138—1274.


§. 234.

I. Es können zuweilen Differenzialgleichun-
gen von höhern Graden vorkommen, welche ſchon
an und für ſich vollſtändige Differenziale von einer
nächſtniedrigern ſind, ohne daß man nöthig hätte,
ſie durch die Multiplication mit einem integriren-
den Factor, erſt dazu zu machen.


Geſetzt es wäre
M + N p + P q + Q r = o
eine ſolche Differenzialgleichung, wo p, q, r die
Differenzialquotienten ; ; und M,
N, P, Q, Functionen von x, y, p, q bedeuten
wie oben in der Differenzialrechnung (§. 69.)
Findet man, daß , und
ſelbſt ein vollſtändiger Differenzialquo-
tient, oder vielmehr μ = M d x ein Integral iſt,
welches ſich finden läßt, ſo hat man μ + νp +
πq = Const. als nächſtniedrigere Differenzialglei-
Höh. Anal.II.Th. D dchung,
[418]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
chung, in welcher die Functionen μ, ν, π durch
folgende Gleichungen beſtimmt ſind
π = Q
μ = M d x

(M. ſ. a. a. O. §. 68. IV.).


II. Es ſey z. B. die Differenzialgleichung
M d x + N d y + P d p + Q d q = o
oder mit d x dividirt
M + N p + P q + Q r = o
vorgegeben, in welcher
ſey, ſo findet ſich nach gehöriger Rechnung erſtlich
d Q
[419]Integralrechnung.
Und folglich
woraus man erkennt, daß die vorgegebene Diffe-
renzialgleichung, ein würkliches Differenzial einer
nächſtniedrigern iſt, indem auch zugleich
oder (d p ſtatt q d x und d y ſtatt p d x geſetzt)
ein darſtellbares Integral iſt.


III. Um nun die nächſtniedrigere Differenzial-
gleichung
μ + νp + πq = Conſt.
zu finden, ſo hat man (I.)
D d 2d.
[420]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
d. h.
Mithin wegen μ = M d x = die nächſtniedrigere
Differenzialgleichung mit Hinzufügung der Conſt.
Dieſe Gleichung läßt ſich nun abermahls integriren.


Denn man ſetze ſtatt q, ſo hat man
oder in dem negativen Gliede, p d x = d y geſetzt,
Hier iſt nun der Ausdruck linker Hand des Gleich-
heitszeichens ſogleich ein vollſtändiges Differenzial
nemlich von ; alſo hat man das Integral
Und nun endlich wegen
alſo
[421]Integralrechnung.
alſo
oder integrirt
für die vollſtändige Integralgleichung der vorgege-
benen Differenzialgleichung
M + N p + P q + Q r = o
welche wegen vom dritten Grade iſt,
und wenn man in die Functionen M, N, ꝛc. (II.)
ſtatt p, q die Differenzialquotienten ,
ſetzt, von einer ſehr complicirten Geſtalt ſeyn würde.


Es erhellet aus dieſem Beyſpiele der Nutzen
des obigen Lehrſatzes (§. 69. Differenz. R.), die
Integrabilität höherer Differenzialgleichungen zu
unterſuchen, und aus den daraus ſich ergebenden
Bedingungsgleichungen, die niedrigern Differen-
zialgleichungen, falls ſie würklich ſtatt finden, ſelbſt
zu entwickeln. Es kömmt darauf an, daß man
aus den vorgegebenen Gliedern einer höhern Dif-
ferenzialgleichung allemahl erſt ein ſolches M d x
herausſuche, welches an und für ſich integrabel iſt,
(I.), und dann nachſehe, ob die übrigen Glieder ſo be-
ſchaffen
[422]Zweyter Theil. Eilftes Kapitel.
ſchaffen ſind, daß der Gleichung
u. ſ. w. ein Genüge geſchiehet. Iſt dies der Fall,
ſo läßt ſich die höhere Gleichung auf eine nächſt-
niedrigere bringen. In manchen Fällen muß man
die höhere auch noch in einen integrirenden Factor
L ſich multiplicirt gedenken, daß nicht allein
L M d x integrabel bleibe, ſondern auch die Glei-
chung
ſtatt finden könne, aus welcher Betrachtung ſich
denn öfters auch ſchon ſelbſt die Form des integri-
renden Factors ergiebt, welches aber weiter aus-
zuführen, der Zweck des gegenwärtigen Werkes
nicht verſtattet.


Zwölf-
[423]Integralrechnung.

Zwölftes Kapitel.
Integration der Differenzialgleichungen, wor-
in mehr als zwey veränderliche Größen
enthalten ſind.


§. 235.
Aufgabe.

Die Differenzialgleichung
P d x + Q d y + R d z = o
zu integriren, wo P, Q, R, Functionen
von x, y, zbedeuten.


Aufl. 1. Erſter Fall, wenn der Aus-
druck P d x + Q d y + R d z ein würkliches oder
vollſtändiges Differenzial einer Function Z der drey
veränderlichen Größen x, y, z iſt, alſo nach (§.
63.) folgende Bedingungsgleichungen,
ſtatt finden.


2.
[424]Zweyter Theil. Zwölftes Kapitel.

2. In dieſem Falle kann man erſtlich das
Integral
(P d x + Q d y + R d z) = Z
nach einer Methode finden, welche der obigen für
Differenzialgleichungen zwiſchen zwey veränderli-
chen Größen (§. 167.) ganz ähnlich iſt.


3. Nemlich man integrire den Ausdruck
P d x + Q d y + R d z erſtlich ſo, daß man dar-
in z einſtweilen als eine unveränderliche Größe,
und nur x, und y als variabel betrachtet.


Weil unter dieſer Vorausſetzung d z = o iſt,
ſo hat man bloß P d x + Q d y, alſo einen Aus-
druck bloß zwiſchen zwey veränderlichen Größen,
zu integriren, weil nun die Größe z in den Fun-
ctionen P, Q als conſtant angeſehen wird.


Weil nun (1.) = iſt, ſo iſt
P d x + Q d y ein vollſtändiges Differenzial einer
Function V von den zwey veränderlichen Größen
x, y, und kann daher nach (§. 167.) würklich in-
tegrirt werden.


4. Man ſetze demnach (P d x + Q d y) = V,
und differenziire hierauf das gefundene Integral V
wie-
[425]Integralrechnung.
wieder, jedoch ſo, daß nun alle drey darin vor-
kommende Größen x, y, z, als variabel behan-
delt werden, ſo wird
d V = P d x + Q d y + G d z, und G =
als Function von x, y, z bekannt werden.


5. Daß das erwähnte Differenzial d V (4.)
würklich die Glieder P d x + Q d y enthalten muß,
iſt daraus klar, weil es ſich in P d x + Q d y
verwandeln muß (3.) wenn z als unveränderlich
angeſehen wird, und folglich d z = o iſt.


6. Nun ſey R = G + H alſo (1.)
d Z = P d x + Q d y + (G + H) d z
ſo hat man, weil dies Differenzial d Z, ſo wie
auch das in (4.) gefundene d V ein vollſtändiges
iſt, vermöge der Bedingungsgleichungen (1.)
.


7. Und eben ſo aus (4.)

8.
[426]Zweyter Theil. Zwölftes Kapitel.

8. Mithin durch Gleichſetzung der Werthe
von in (6. 7.),
Und eben ſo durch Gleichſetzung der Werthe von
in (6. 7.)

9. Aus dieſen partiellen Differenzialquotienten
; und
folgt nun von ſelbſt, daß H weder eine Function
von x noch von y ſeyn kann, weil ſonſt
und nicht = o ſeyn könnten.


10. Alſo wird H = R — G = R
bloß eine Function von z ſeyn.


11. Hieraus ergiebt ſich endlich wegen
d Z = P d x + Q d y + G d z + H d z (6.)
auch
[427]Integralrechnung.
auch d Z = d V + H d z (4.)
Mithin Z = V + H d z, wo H d z durch die
Integration gefunden wird, weil H bloß eine Fun-
ction von z iſt.


Dies Z muß aber nun einer conſtanten Größe
C gleich geſetzt werden, wenn d Z d. h.
P d x + Q d y + R d z = o
ſeyn ſoll.


Alſo hat man die Integralgleichung;
C = V + H d z;
wo V aus (4.) bekannt iſt.


12. Zweyter Fall. Wenn der Differen-
zialausdruck P d x + Q d y + R d z nicht gera-
dezu das Differenzial einer gewiſſen Function Z der
drey veränderlichen Größen x, y, z iſt, ſondern
erſt durch die Multiplication mit einem gewiſſen
integrirenden Factor M zu einem vollſtändigen Dif-
ferenziale werden würde.


13. In dieſem Falle hätte man alſo eigentlich
M P d x + M Q d y + M R d z = o
erſt als eine vollſtändige Differenzialgleichung zu
betrachten.


Kennte
[428]Zweyter Theil. Zwölftes Kapitel.

Kennte man nun den Factor M, wodurch
jetzt M P d x + M Q d y + M R d z = d Z wäre,
indem Z den endlichen Ausdruck bezeichnete, durch
deſſen Differenziation M P d x + M Q d y + M R d z
entſtehen würde, ſo würde man die Integralglei-
chung völlig wie nach dem Verfahren (10.) des
erſten Falles ausmitteln, nur mit dem Unter-
ſchiede, daß man ſtatt der obigen Functionen P,
Q, R, jetzt überall nur M P; M Q, M R ſich ge-
denken müßte.


14. Indeſſen könnte ſich der Fall ereignen,
daß die vorgegebene Gleichung
P d x + Q d y + R d z = o
auch nie durch irgend einen Factor zu einer voll-
ſtändigen Differenzialgleichung würde. In dieſem
Falle würde der Ausdruck
M P d x + M Q d y + M R d z
als Differenzial einer würklichen Fun-
ction betrachtet
, offenbar nur etwas Abſurdes
bezeichnen, und daher die Mühe ganz vergeblich
ſeyn, irgend ein Integral deſſelben auffinden zu
wollen.


15. Soll nemlich jener Ausdruck ein wirkli-
Differenzial ſeyn können, ſo müſſen jetzt die 3 Be-
dingungsgleichungen
(d
[429]Integralrechnung.
oder welches auf eins hinausläuft, folgende drey
ſtatt finden, aus welchen durch Elimination der
Größen ; ; eine neue Glei-
chung entſpringt, welche durchaus mit M dividirt,
und auf Null gebracht, von folgender Geſtalt ſeyn
wird
P. L + Q. M + R. N = o
wenn der Kürze halber
und geſetzt wird.


Dieſe
[430]Zweyter Theil. Zwölftes Kapitel.

Dieſe ſo eben gefundene Gleichung P. L +
Q. M + R. N = o zeigt alſo, was zwiſchen den
Functionen P, Q, R, für eine Relation ſtatt fin-
den muß, wenn die vorgegebene Differenzialglei-
chung P d x + Q d y + R d z = o keine Abſur-
dität in ſich enthalten, und mit einem gewiſſen
Factor M multiplicirt, als eine würkliche Diffe-
renzialgleichung ſoll betrachtet werden können.


16. Ehe man alſo an die Integration einer
ſolchen Differenzialgleichung denken kann, muß
man allemahl erſt vorher unterſuchen, ob ſie den
Bedingungsgleichungen (2.) oder auch der (15.)
P. L + Q. M + R. N = o
ein Genüge leiſtet.


Findet ſich, daß ſie geradezu denen (2.) ein
Genüge leiſtet, ſo iſt kein integrirender Factor er-
forderlich, und die Integration wird ſogleich nach
(11.) bewerkſtelligt.


17. Iſt dies aber nicht der Fall, ſo unter-
ſuche man, ob die Bedingungsgleichung P. L +
Q. M + R. N = o ſtatt findet. Dies iſt dann
ein Beweis, daß die vorgegebene Differenzial-
gleichung durch einen integrirenden Factor M ver-
vollſtändiget werden kann, und als Differenzial
einer
[431]Integralrechnung.
einer gewiſſen Integralgleichung betrachtet, keine
Abſurdidät in ſich faſſet.


18. Um indeſſen die Integration bewerkſtelli-
gen zu können, iſt dieſer Factor M an und für ſich
nicht erforderlich, deſſen Beſtimmung ohnehin oft
mit großen Schwierigkeiten verknüpft ſeyn würde,
da nicht einmahl bey Differenzialgleichungen, wel-
che nur zwey veränderliche Größen enthalten, ein
allgemeines Verfahren bekannt iſt, einen ſolchen
integrirenden Factor auszumitteln.


19. Da nemlich, wenn man z einſtweilen als
unveränderlich betrachtet, wegen d z = o, die
Differenzialgleichung
P d x + Q d y + R d z = o
ſich bloß in P d x + Q d y = o verwandelt, ſo
integrire man bloß den Ausdruck P d x + Q d y,
oder wenn ein integrirender Factor μ dazu erfor-
derlich iſt, den Ausdruck μ (P d x + Q d y) und
ſetze das Integral ∫ μ (P d x + Q d y) welches
der Kürze halber mit U bezeichnet werde, einer
Function von z gleich, welche ich mit C bezeichnen
will, und welche hier als die hinzuzuſetzende Con-
ſtante zu betrachten iſt; beſtimme hierauf dieſe Fun-
ction C dergeſtalt, daß wenn man die erhaltene
Inte-
[432]Zweyter Theil. Zwölftes Kapitel.
Integralgleichung U = C oder U — C = o diffe-
renziirt, ſo daß nun alle drey Größen x, y, z
als variabel behandelt werden, die herauskom-
mende Differenzialgleichung mit der vorgegebenen
P d x + Q d y + R d z = o
übereinſtimme, ſo wird man die wahre und voll-
ſtändige Integralgleichung erhalten, weil die er-
wähnte Function von z, nemlich C, auch eine ganz
unveränderliche d. h. von x, y, z unabhängige
Größe = a enthalten kann.


20. In manchen Fällen hält es etwas ſchwer,
dieſe Function C von z, aus jenen beyden Diffe-
renzialgleichungen gehörig zu entwickeln. Aber
man nimmt an, daß es allemahl eine ſolche Fun-
ction geben muß, wenn die vorgegebene Differen-
zialgleichung den Bedingungen der Integrabilität
(15.) entſpricht. Einen ganz überzeugenden Be-
weis davon habe ich indeſſen bey den Schriftſtel-
lern, welche dieſen Gegenſtand behandelt haben,
nicht gefunden, und hier würde es zu weitläuftig
ſeyn, dieſe Sache umſtändlich zu erörtern. Wenn
die Gleichung P d x + Q d y + R d z = o ſo-
gleich ohne einen Factor integrirt werden kann, ſo
iſt die Sache aus (1-11.) klar, wo H d z (11.)
dieſe Function C von z, ausdrückt. Die Sache
würde
[433]Integralrechnung.
würde auch klar ſeyn, wenn der Factor M be-
kannt wäre, wodurch die ganze Gleichung zu
einer vollſtändigen Differenzialgleichung würde.


21. Allein wenn man nach (19.) bloß die
Gleichung
P d x + Q d y = o integrirt, und
zwar, wenn es nöthig iſt, durch Beyhülfe eines Fa-
ctors μ, und dieſer Factor μ iſt nicht derjenige M
(13.) durch welchen die ganze Gleichung
P d x + Q d y + R d z = o
integrabel wird, ſo erfordert es einen beſondern Be-
weis, daß zu dem gefundenen Integrale von
P d x + Q d y oder von μ (P d x + Q d y) (19.)
ebenfalls nur eine Function vonz hinzuad-
dirt werden müſſe, um das Integral der ganzen
Gleichung P d x + Q d y + R d z = o, oder
auch M P d x + M Q d y + M R d z = o zu er-
halten. Dieſen Beweis finde ich bey keinem
Schriftſteller, welche dieſen Gegenſtand behandelt
haben. Der von La Croix (Tr. du Calc. diff.
et integr. a Paris
1798. §. 703.) gegebene Be-
weis, ſetzt offenbar ſchon zum voraus, daß ſein
dortiges = μR einer Function von z gleich
ſeyn müſſe, aber wenn daraus weiter die Glei-
chungen
Höh. Anal.II.Th. E e(d.
[434]Zweyter Theil. Zwölftes Kapitel.
abgeleitet werden, ſo ſieht man leicht, daß ſein
Factor μ kein anderer als der M ſeyn kann, wo-
durch die ganze Gleichung
P d x + Q d y + R d z = o
zu einer vollſtändigen Differenzialgleichung wird
(15.), in welchem Falle die Sache ohnehin klar iſt.
Der Beweis muß alſo anders geführt werden.


Wir wollen nun das Bisherige mit ein paar
Beyſpielen erläutern.


BeyſpielI.

22. Die Differenzialgleichung
(y + z) d x + (x + z) d y + (x + y) d z = o
zu integriren.
Hier iſt alſo P = y + z; Q = x + z; R = x + y
Mithin
(d P
[435]Integralrechnung.
;
.

Alſo iſt nach (1.) die vorgegebene Differenzialglei-
chung ſchon eine vollſtändige, und bedarf keines
Factors, um integrirt zu werden.


23. Wir haben nun ſogleich, z als unver-
änderlich betrachtet, den Werth von V oder (4.)
und nunmehr (10.)
Mithin auch H d z in (11.) = o.
Folglich (11) C = V oder C = y x + z x + z y,
ſogleich die wahre Integralgleichung, wo hier C
eine von x, y, z unabhängige Conſtante bedeutet.


BeyſpielII.

24. Es ſey die vorgegebene Diffe-
renzialgleichung

x d x — (y — z) d y + (y — z) d z = o.


E e 225.
[436]Zweyter Theil. Zwölftes Kapitel.

25. Hier wird man finden, daß ſie ebenfalls
den Bedingungsgleichungen (1.) ein Genüge lei-
ſtet; z alſo als unveränderlich betrachtet (3.), ſo
hat man
und nun (4.)
; Folglich .
Mithin H d z = z d z =
— ½ z2
; Alſo das geſuchte Integral C =
V
+ H d z (11.) oder
C = ½ x2 — ½ y2 + z y — ½ z2
d. h. 2 C = (x + y — z) (x — y + z).


BeyſpielIII.

26. Es ſey zu integriren
z d x + (z — z2) d y — (x + y) d z = o ()
dieſe Gleichung entſpricht nicht den Bedingungs-
gleichungen (1.). Aber ſie thut der Gleichung (15.)
ein Genüge.


Man hat nemlich (wegen P = z; Q = z — z2;
R = — (x + y))

L
[437]Integralrechnung.
Demnach
P L + Q M + R N = o
folglich giebt es würklich eine Gleichung zwiſchen
x, y, z, durch deren Differenziation die vorgege-
bene Differenzialgleichung (☉) entſtehen kann.


27. Um alſo das Integral zu finden, hat
man erſtlich nach (19.), z als unveränderlich be-
trachtet
U = (P d x + Q d y) = (z d x + (z — z2) d y)
d. h. U = z x + (z — z2) y
Auch iſt hier kein integrirender Factor μ (19.) nö-
thig geweſen.


28. Demnach die geſuchte Integralgleichung
U = C oder U — C = o d. h. z x + (z — z2) y —
C = o
, wo nunmehr C eine zu beſtimmende Fun-
ction von z bedeutet (19. 20.).


29.
[438]Zweiter Theil. Zwölftes Kapitel.

29. Wenn man dieſe Gleichung differenziirt,
ſo daß nunmehr alle drey Größen x, y, z als
variabel behandelt werden (19.), ſo erhält man
z d x + x d z + (z — z2) d y + y d z — 2 y z d z — d C = o
Oder
z d x + (z — z2) d y + (x + y — 2 y z) d z — d C = o (☽)
Ich bemerke hiebey, daß wenn zur Integration
von P d x + Q d y, ein integrirender Factor
erforderlich geweſen wäre, man nach einiger Ueber-
legung in jedem vorkommenden Falle bald finden
wird, womit die gefundene Differenzialgleichung
(☽) oder auch die vorgegebene (☉) multiplicirt
oder dividirt werden muß, damit beyde in Anſe-
hung der in d x und d y multiplicirten Glieder mit
einander übereinſtimmen, und alsdann deſto beſſer
mit einander verglichen werden können. Da hier
kein integrirender Factor erforderlich war, ſo ſtimmt
die gefundene Differenzialgleichung (☽) in den Glie-
dern z d x und (z — z2) d y ſogleich mit der vor-
gegebenen (☉) ſelbſt überein.


30. Sollen demnach beyde auch in den übri-
gen Stücken mit einander übereinſtimmen, ſo muß
ſeyn
(x + y — 2 y z) d z — d C = — (x + y) d z
oder 2 (x + y — y z) d z = d C.


31.
[439]Integralrechnung.

31. Verbindet man mit dieſer Gleichung die
obige (28.)
z x + (z — z2) y = C
ſo daß man aus ihr den Werth von
oder auch umgekehrt den Werth von
in jene für d C gefundene (30.) ſubſtituirt, ſo
wird allemahl eine neue Gleichung herauskommen,
worin weder x, noch y, ſondern bloß die Grö-
ßen, z, C, und die Differenziale d z, d C ent-
halten ſind. Dies folgt daraus, ſo bald C alle-
mahl eine Function von z iſt (20.).


32. Ueberhaupt ſuche man, auf welchem
Wege es ſonſt nach gehöriger Ueberlegung am
zweckmäßigſten erachtet wird, aus den beyden Glei-
chungen (30. 31.) die Größen x, y zu eliminiren.


Hier z. B. multiplicire man die für d C ge-
fundene Gleichung (30.) mit z, ſo wird ſogleich
2 (z x + y (z — z2)) d z = z d C
d. h. wegen z x + y (z — z2) = C (31.)
2 C d z = z d C oder
d.
[440]Zweyter Theil. Zwölftes Kapitel.
d. h. eine Gleichung, aus welcher x, y, eliminirt
ſind.


33. Nun findet man alſo durch Integration,
wenn a eine willkührliche Conſtante bezeichnet
2 log a z = log C
oder C = a2 z2.


Es iſt nunmehr die Function von z gefunden,
wodurch endlich die wahre Integralgleichung (28.)
ſich in
z x + (z — z2) y — a2 z2 = o
oder durchaus mit z dividirt in
x + (1 — z) y — a2 z = o
d. h. auch in
verwandelt, aus welcher letztern Form auch ſogleich
durch Differenziation, die vorgegebene Differen-
zialgleichung (☉) reſultirt.


34. In dieſem Beyſpiele war es leicht, aus
den beyden Gleichungen für d C und C (30. 31.)
die Größen x und y zu eliminiren. In andern
Fällen, zumahl wenn Potenzen von x und y vor-
kommen, iſt die Elimination oft mit Schwierigkei-
ten
[441]Integralrechnung.
ten verknüpft. Aber es iſt unnöthig, noch andere
Beyſpiele zu geben, da die Hauptpunkte, welche
man zu befolgen hat, aus dem angeführten (32.)
hinlänglich zu erſehen ſind.


35. Auch wird man ohne Mühe begreifen,
wie nach einem ähnlichen Verfahren auch die In-
tegralgleichung hätte ausgemittelt werden können,
wenn man, anſtatt z anfänglich als unveränderlich
zu betrachten, eine von den beyden andern Größen
x oder y, als unveränderlich behandelt hätte.


Hätte man z. B. x unveränderlich genommen,
ſo würde man jetzt das Integral (Q d y + R d z)
oder auch ∫ μ (Q d y + R d z) = U ſetzen, und
wenn dieſes gefunden iſt U = C oder U — C = o
als geſuchte Integralgleichung haben, nur mit dem
Unterſchiede, daß jetzt C eine nach ähnlichen Regeln
zu beſtimmende Function von x bezeichnen würde
u. ſ. w.


In jedem vorkommenden Falle, wird ſich nach
einiger Ueberlegung bald zeigen, durch welches der
angeführten Verfahren man am leichteſten zur ge-
ſuchten Integralgleichung wird gelangen können.


§. 236.

Auch bedarf es keiner weitern Erläuterung,
daß Differenzialgleichungen worin 4 veränderliche
Größen
[442]Zweyter Theil. Zwölftes Kapitel.
Größen vorkommen, nach einer ähnlichen Methode
zu behandeln ſind, wenn zuvor die Bedingungs-
gleichungen entwickelt ſind, aus denen man erken-
net, ob die vorgegebene Differenzialgleichung, auch
aus der Differenziation irgend einer endlichen Glei-
chung reſultiren kann, und alſo in ſo fern keine
Abſurdidät in ſich faſſet. Dies Alles würde uns
aber hier viel zu weit führen. Daher es bey dem
Angeführten ſein Bewenden haben mag, zumahl
da Fälle dieſer Art doch ſelten vorkommen. Noch
weniger können wir uns mit Differenzialgleichun-
gen von höhern Ordnungen zwiſchen 3 und meh-
reren veränderlichen Größen beſchäftigen, da ſchon
die Integrationsfälle ſo beſchränkt ſind, wenn nur
zwey veränderliche Größen vorkommen.


Selbſt die Differenzialgleichungen vom erſten
Grade zwiſchen drey veränderlichen Größen, ſetzen
ſchon voraus, daß die Differenziale zwiſchen 2 ver-
änderlichen Größen, wie z. B. die obigen Aus-
drücke (P d x + Q d y) oder ∫ μ (P d x + Q d y)
keiner weitern Schwierigkeit unterworfen ſind.


Wichtiger iſt die Lehre von der Integra-
tion der Differenzialgleichungen mit
partiellen Differenzialen
, wovon in dem
nächſten Kapitel das allgemeine vorkommen wird.


Drey-
[443]Integralrechnung.

Dreyzehntes Kapitel.
Auflöſung oder Integration der Gleichungen
mit partiellen Differenzialen.


§. 237.

1. Wenn z eine Function von zwey veränder-
lichen Größen x und y iſt, und man hat durch
Differenziation d z = P d x + Q d y, ſo ſind P,
Q, allemahl ein paar beſtimmte Functionen,
welche ſich auch durch die partiellen Differenziatio-
nen nemlich und erge-
ben würden (§. 17. III. IV.).


2. Wenn umgekehrt P und Q gegeben ſind,
und dieſelben haben das Verhalten gegen einander,
welches vollſtändigen Differenzialquotienten entſpre-
chen muß, ſo daß (§. 166.),
ſo erhält man durch Integration von P d x + Q d y,
auch wiederum z als beſtimmte Function von x
und y.


3. Es kommen aber in der Mathematik un-
terweilen Fälle vor, daß jene partielle Differenzial-
quo-
[444]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
quotienten ; (1.); nicht geradezu vor-
gegeben ſind, ſondern einer aus dem andern, erſt
vermittelſt einer Gleichung beſtimmt wird, ſo daß
der eine unbeſtimmt bleibt, oder vielmehr willkühr-
lich angenommen werden kann.


4. In dieſem Falle wird alſo auch z keine
völlig beſtimmte Function von x und y ſeyn kön-
nen, ſondern auch eine unbeſtimmte Function
enthalten müſſen.


5. Die Frage des gegenwärtigen Kapitels iſt
alſo folgende. Aus einem gegebenen Verhalten
zwiſchen P und Q d. h. aus einer Gleichung wel-
che zwiſchen den partiellen Differenzialquotienten
und vorgegeben ſeyn ſoll, die unbe-
ſtimmte Function z ſelbſt zu finden, welche jener
Gleichung ein Genüge leiſtet.


6. Dies nennt man die Integration von
Gleichungen mit partiellen Differenzia-
len
(Calcul a différences partielles) wovon
wir nunmehr das allgemeinſte auch noch betrach-
ten wollen.


7.
[445]Integralrechnung.

7. Gleichungen worin dieſe partiellen Diffe-
renzialquotienten nur allein in ihrer erſten Potenz
vorkommen, nennt man lineäre Gleichungen,
zum Unterſchiede von denen welche auch Potenzen
von ; ; oder auch Producte aus
beyden enthalten würden.


8. Die allgemeine Form ſolcher lineären Glei-
chungen zwiſchen partiellen Differenzialen würde
ſeyn
wo K, M, N, nach Gefallen Functionen von x,
y, z bedeuten mögen.


9. Es frägt ſich alſo, aus einer ſolchen Glei-
chung (8.), worin zwar K, M, N gegeben ſind, aber
einer von den partiellen Quotienten oder
unbeſtimmt bleibt, und alſo nach Gefallen
angenommen werden kann, die Größe z, als un-
beſtimmte Function von x, y, dergeſtalt zu be-
ſtimmen, daß jener Gleichung ein Genüge geſchehe.
Oder noch allgemeiner: eine endliche Gleichung
zwi-
[446]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
zwiſchen x, y, z zu finden, woraus eine partielle
Differenzialgleichung, wie die vorgegebene abge-
leitet werden kann.


10. Wir wollen künftig die partiellen Diffe-
renzialquotienten , , nicht mit den
großen Buchſtaben P, Q, ſondern bequemer mit
den kleinern p, q bezeichnen, wo demnach jetzt p, q,
nicht die Bedeutungen , , haben, unter
denen ſie ſo häufig bey den vorhergehenden Unter-
ſuchungen gebraucht worden ſind.


11. Setzt man ſtatt , , dieſe
Buchſtaben p, q, ſo werde ich die Gleichung (8.)
unter der Form K p + M q = N eine redu-
cirte
Gleichung nennen.


Um nun die Möglichkeit der Aufgabe (5[.]
9.) vorläufig durch ein paar Beyſpiele zu erläu-
tern, ſo wollen wir nur ein paar einfache Fälle zum
voraus ſchicken.


12. Erſtes Beyſp. Geſetzt es ſey K = r;
M = o; N =
einer Function von x, welche ich
mit X bezeichnen will.


Es
[447]Integralrechnung.

Es ſoll demnach eine Function z von zwey
veränderlichen Größen x und y geſunden werden,
daß der partiellen Differenzialgleichung ,
oder p = X ein Genüge geſchehe.


13. Man ſieht leicht, daß wenn in d z = p d x +
q d y
(1.10.) ſtatt p oder die Function X geſetzt
wird, in der Differenzialgleichung d z = X d x +
q d y
die Größe q d. h. der partielle Differenzial-
quotient unbeſtimmt bleibt, daß aber die
Gleichung d z = X d x + q d y integrirt werden
kann, ſo bald ſtatt q unbeſtimmt eine gewiſſe Fun-
ction von y geſetzt wird, welche ich mit Y bezeich-
nen will. Denn man erhält z = X d x + Y d y,
wo alſo, in ſo ferne Y als unbeſtimmt angeſehen
wird, auch Y d y eine unbeſtimmte Function von
y ſeyn wird, welche ich mit f y bezeichnen will.
Alſo iſt z = X d x + f y, die geſuchte un-
beſtimmte Integralgleichung. Denn man hat
; Aber iſt = o,
weil f y die Größe x nicht enthält. Demnach
ſchlechtweg wie das Beyſpiel verlangt.


14.
[448]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.

14. In der gefundenen Integralgleichung iſt
X d x der beſtimmte Integraltheil, ſo bald
die Function X gegeben iſt, und f y der unbe-
ſtimmte Integraltheil
, wofür jede belie-
bige Function
von y geſetzt werden kann.


15. Zweytes Beyſp. Es ſey in der all-
gemeinen Form (8) K = x; M = y; N = z.
Es ſoll alſoxſeyn.
Man ſucht die Function z, daß dieſer
Gleichung oder auch der reducirten

x p + y q = z
ein Genüge geſchehe.


16. Aufl. Man ſetze den Werth von
aus der reducirten Gleichung, in die
Differenzialgleichung d z = p d x + q d y, ſo
wird
y d z — z d y = p (y d x — x d y)


17. Nun dividire man auf beyden Seiten
mit y2, oder multiplicire mit dem integrirenden
Factor ſo wird
y d z
[449]Integralrechnung.
d. h. .


18. Weil nun in der reducirten Gleichung
zwiſchen p und q (15.) eine von den Größen p oder
q, nach Gefallen angenommen werden kann, ſo wol-
len wir in dem ſo eben gefundenen Ausdruck
für p eine willkührliche Function von ,
welche ich mit f bezeichnen will, nehmen. Dann
iſt durch Integration
wo nun das Integral offenbar auch
wieder eine Function von ſeyn wird, welche ich
mit bezeichnen will.


Höh. Anal.II.Th. F f19.
[450]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.

19. Alſo iſt die geſuchte Integralgleichung
oder
Hier iſt es nun willkührlich, was man ſtatt
für eine Function von ſetzen will, und hat man
nicht nöthig, ſie erſt aus einer Integration wie
abzuleiten.


20. Wäre z. B. , ſo
hat man d. h.
iſt die Gleichung zwiſchen x, y, z, wenn x p +
y q = z
ſeyn ſoll (15.). Denn man hat
alſo dieſe Werthe ſtatt p und q geſetzt, offenbar
d.
[451]Integralrechnung.
d. h. p x + q y = z (20) wie das Beyſpiel (15)
es verlangte.


Nach dieſen vorläufigen Erläuterungen wollen
wir nun etwas allgemeinere Aufgaben betrachten.


§. 238.
Aufgabe.

Aus der Gleichung
oder K p + M q = N
die endliche Gleichung zwiſchen x, y, z
zu finden, welche jener mit den partiel-
len Differentialquotienten, ein Genüge
leiſte, was auch K, M, N für gegebene
Functionen von x, y, z ſeyn mögen
.


Aufl. 1. Aus der endlichen, wiewohl noch
unbekannten Gleichung zwiſchen x, y, z, gedenke
man ſich den Werth von z, als einer Function von
x und y, entwickelt, ſo würde alsdann ſeyn d z =
p d x + q d y
.


2. In dieſe Differenzialgleichung ſetze man
den Werth von q aus der vorgegebenen Gleichung
F f 2zwi-
[452]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
zwiſchen den partiellen Differenzialquotienten, nem-
lich , ſo wird
oder
M d z — N d y = p (M d x — K d y).


3. Wir wollen nun


Erſter Fall annehmen, daß M, N, K
ſo beſchaffen ſind, daß der Ausdruck M d z — N d y
keine andern veränderlichen Größen als z und y,
und eben ſo M d x — K d y keine andern als x
und y enthalten.


4. Sind nun die Differenziale M d z — N d y,
M d x — K d y, entweder ſchon an und für ſich,
oder durch Beyhülfe integrirender Factoren L und
L' integrabel, ſo ſey das Integral (Mdz — Ndy)
oder auch L (M d z — N d y) = u; und eben ſo
(M d x — K d y) oder auch L' (Mdx — Kdy) = t,
ſo ſind vors erſte dieſe Functionen u und t als
bekannt anzuſehen.


5. Man hat ſodann umgekehrt wieder
L (M d z — N d y) = d u
L' (M d x — K d y) = d t

und
[453]Integralrechnung.
und folglich
Mithin (2.)
oder .


6. Weil nun p einen unbeſtimmten Werth hat,
und alſo willkührlich angenommen werden kann (§.
237. 3.), ſo läßt ſich p ſo annehmen, daß einer
willkührlichen Function von t gleich iſt, welche ich
mit f t bezeichnen will, wodurch denn
d u = d t . f t
alſo u = d t f t wird, wo das Integral d t f t
offenbar auch wieder eine willkührliche Function
F t von t bedeutet, in ſo ferne f t willkührlich an-
genommen iſt.


Alſo iſt die geſuchte Integralgleichung
u = F t
wo die Größen u und t durch die Integrationen
(4.)
[454]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
(4.) bekannt ſind, und in dieſe Gleichung ſubſti-
tuirt, das geſuchte Verhalten zwiſchen x, y und
z geben werden, wie nachher durch einige Bey-
ſpiele erläutert werden ſoll.


7. Zweyter Fall. Wenn K, M, N ſo
beſchaffen ſind, daß in den Differenzialen
M d z — N d y und M d x — K d y
alle drey Größen x, y, z vorkommen, in wel-
chem Falle denn dieſe Differenzialausdrücke weder
für ſich allein, noch auch durch Beyhülfe von
Factoren integrabel ſeyn würden.


8. Aber man begreift nunmehr folgendes.
Weil
als einer von den beyden partiellen Differenzial-
quotienten, nach Gefallen angenommen werden
kann, mithin einen unbeſtimmten Werth hat,
ſo muß auch der ihm entſprechende Ausdruck
, wie auch z, y, x von einander
abhängen, alſo je eine von dieſen Größen durch
die anderen beſtimmt werden mag, einen unbe-
ſtimmten Werth haben d. h. es muß
M
[455]Integralrechnung.
M d z — N d y = o und M d x — K d y = o ſeyn,
weil nur alsdann p = unbeſtimmt wird.


9. Geſetzt nun aus dieſen beyden Gleichungen
M d z — N d y = o und M d x — K d y = o
könne man auf irgend eine Art, entweder durch Eli-
mination je einer von den veränderlichen, oder durch
ſonſtige Verbindungen, ein paar neue Differenzial-
gleichungen
M d z + L d y + N d x = o
m d z + l d y + n d x = o

ableiten, welche entweder ſchon an und für ſich,
oder durch Beyhülfe von Factoren integrabel ſeyen,
ſo wird ſich aus dieſen die wahre Integralglei-
chung von
oder vielmehr das Verhalten von x, y, z welches
der angeführten Gleichung mit partiellen Differen-
zialquotienten, ein Genüge leiſtet, auf folgende Art
ausmitteln laſſen.


10. Es ſey erſtlich λ der integrirende Factor
von M d z + L d y + N d x. Iſt dieſer Aus-
druck ſchon ohne Factor integrabel, ſo würde man
ſich λ nur als = 1 gedenken müſſen.


11.
[456]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.

11. Man nenne das Integral
∫ λ (M d z + L d y + N d x) = u
ſo wird u eine aus x, y, z, vielleicht auch nur
aus x, y oder y, z ꝛc. zuſammengeſetzte Function
bezeichnen, welches denn auf die Beſchaffenheit
der Functionen M, L, N ankommen wird, um
die wir uns jetzt nicht nöthig haben, zu bekümmern.


12. Dieſe durch die Integration herauskom-
mende Function u wird man einer unveränderli-
chen Größe a gleich ſetzen müſſen, damit aus
u = a durch Differenziation wiederum die Glei-
chung d u = o d. h. λ (M d z + L d y + N d x) = o
oder M d z + L d y + N d x = o folge, wie es
ſich nach (9.) gebührt.


13. Eben ſo ſey der Ausdruck m d z +
l d y + n d x
(9.) durch den Factor ν integrabel und
∫ ν(m d z + l d y + n d x) = t
ſo wird nach ähnlichen Gründen auch die Function
t = b d. h. einer conſtanten Größe gleich geſetzt
werden müſſen.


14. Aber wenn gleich aus jeder der beyden
Gleichungen u = a; t = b; ſich ein Werth von
z als Function von x, y, a oder x, y, b würde
ablei-
[457]Integralrechnung.
ableiten laſſen, welcher den Gleichungen (9.) ein
Genüge leiſten würde, ſo iſt doch jedes ſolches z
nur ein beſtimmter, mithin nur ein particulärer
Werth, welcher den angeführten Gleichungen, und
mit ihnen auch der vorgegebenen partiellen Diffe-
renzialgleichung ein Genüge leiſten würde; denn
wenn ein gewiſſes Verhalten zwiſchen z, x, y
allgemein jener partiellen Differenzialgleichung
ein Genüge leiſten ſoll, ſo muß z nicht bloß einer
beſtimmten Function von x, y, wie ſolche aus
den Gleichungen u = a oder t = b ſich ergeben
würde, gleich ſeyn, ſondern eine unbeſtimmte Fun-
ction enthalten müſſen. Es muß alſo ein ſolches
Verhalten, d. h. eine ſolche Gleichung zwiſchen
z, y, x geſucht werden, daß darinn auch eine un-
beſtimmte Function von x und y vorkomme.


15. Dieſes wird ſich nun auf folgende Art
ausmitteln laſſen.


Aus der Gleichung (11.) hat man umgekehrt
durch Differenziation
M d z + L d y + N d x = .


16. In dieſe Gleichung ſetze man d z =
aus (9.) ſo wird
N
[458]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
Aber L d y + N d x = — M d z (9.)
Alſo
Oder auf beyden Seiten mit multiplicirt
M d z — N d y = — d u.


17. Eben ſo hat man aus
m d z + l d y + n d x = (13.)
Und aus d x = (9.) die neue Gleichung
Oder (wegen m d z + l d y = — n d x)
d. h. M d x — K d y = — d t.


18. Dieſe Werthe von M d z — N d y (16.)
und M d x — K d y (17.) ſubſtituire man in die
Gleichung (8.) ſo ergiebt ſich
M
[459]Integralrechnung.
d. h. d u = p d t.


19. Aus dieſer Gleichung erhellet nun, daß
die Functionen u, t ſelbſt von einander abhängig
ſind. Weil aber nun p unbeſtimmt iſt, ſo kann
man es ſo annehmen, daß p einer un-
beſtimmten Function von t gleich werde, welche
ich mit f t bezeichnen will. Und ſo hätte man denn
d u = f t . d t
Alſo u = (f t . d t)
wo klar iſt, daß dieſes Integral ſelbſt auch wieder
einer unbeſtimmten Function von t gleich ſeyn
wird, welche mit F t bezeichnet werde.


20. Aus den bisherigen Gleichungen hat man
alſo die Finalgleichung
u = F t
in welche man ſtatt u, t, die obigen durch die
Integration ſich ergebenden Ausdrücke, als Fun-
ctionen von x, y, z (11. 13.) zu ſetzen hat, um die
geſuchte unbeſtimmte Relation zwiſchen x, y, z zu
erhal-
[460]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
erhalten, wodurch allgemein der partiellen Diffe-
renzialgleichung
und in beſtimmten Fällen auch den Gleichungen
(9.) ein Genüge geleiſtet wird.


§. 239.
Anmerkung.

1. Die bisherige Auflöſungsmethode rechtfer-
tigt ſich auch durch das umgekehrte Verfahren.
Nemlich wenn die Functionen u, t durch x, y, z
als gefunden angeſehen werden, ſo wird daraus
zwiſchen den partiellen Differenzialen p = ;
q = auch wieder eine Gleichung von der
obigen Form nemlich K p + M q = N folgen.


Denn es wird ſeyn (§. 238. 10.)
I) d u = λ M d z + λ L d y + λ N d x
II) d t
= νm d z + νl d y + νn d x
d F t = f t . d t
oder der Kürze halber T ſtatt f t
und aus (II.) den Werth von d t ſubſtituirt
III) d F t = T d t = νm T d z + νl T d y + νn T d x.


2.
[461]Integralrechnung.

2. In dieſe drey Gleichungen ſetze man nun
p d x + q d y ſtatt d z, ſo erhält man
d u = λ (M q + L) d y + λ (M p + N) d x
d t
= ν(m q + l) d y + ν(m p + n) d x
d F t
= νT (m q + l) d y + νT (m p + n) d x.


3. Nun iſt wegen u = F t
d. h. aus (2.)
λ (M p + N) = νT (m p + n)
λ (M q + L) = νT (m q + l)

Oder wenn man aus beyden Gleichungen T eli-
minirt
d. h. (M l — L m) p + (N m — M n) q = L n — N l
welches mit der obigen Form
K p + M q = N
völlig übereinſtimmt, wenn der Kürze halber
M l — L m = K
N m — M n = M
L n — N l = N

geſetzt
[462]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
geſetzt wird, wo denn M, N, L, l ꝛc. aus den
Differenzialien d u, d t (12. 13.) bekannt ſind.


§. 240.
Zuſatz.

1. Es iſt alſo aus dem bisherigen klar, daß
alles auf die Gleichungen
M d z — N d y = o
M d x — K d y = o

ankömmt. Wenn dieſe ſo beſchaffen ſind, daß die
Ausdrücke M d z — N d y; M d x — K d y; ent-
weder geradezu, oder durch Beyhülfe von Facto-
ren integrabel ſind, oder ſich doch aus gedachten
Gleichungen ein paar andere ableiten laſſen, welche
integrirt werden können, um die Functionen u, t
oder auch die Gleichungen u = a, t = b, zu er-
halten (§. 238. 9-15.), ſo iſt
u = F t oder auch t = f u
allemahl die geſuchte Integralgleichung von
.


2. Aus den Gleichungen M d z — N d y = o
und M d x — K d y = o können nun für den
(Fall II. §. 238.) durch Elimination je einer von
den
[463]Integralrechnung.
den veränderlichen Größen ein paar neue Glei-
chungen erhalten werden, ſo daß in der einen bloß
z und x und in der andern bloß z und y, oder
auch bloß y und x enthalten ſind. Sind dieſe
Gleichungen integrabel, ſo ergiebt ſich aus der ei-
nen die Function u durch z und x, und aus der
andern die Function t durch z und y, oder auch
durch y und x, und dann hieraus die geſuchte In-
tegralgleichung u = F t; oder auch t = f u, wo
denn F t, f u willkührliche Functionen bedeuten.


3. Bey dieſer Eliminationsmethode kann es
geſchehen, daß man z. B. zwiſchen z und x, oder
z und y, oder y und x, auf eine Differenzialglei-
chung vom zweyten oder wohl noch höhern Grade
gelangt. Begreiflich hat dies auf die bisherigen
Schlüſſe (§. 238. 7. ꝛc.) keinen Einfluß. Denn
wenn gleich die Differenzialgleichungen (§. 238. 9.)
nur vom erſten Grade angenommen ſind, ſo erhel-
let doch leicht, daß wenn man auch welche vom
zweyten Grade gefunden hätte, ihre Integrale doch
immer zuletzt auf eine vom erſten Grade führen
würden, die denn unter der allgemeinen Form
(§. 238. 9.) würde enthalten ſeyn. Wenn in ei-
ner dieſer Gleichungen eine veränderliche Größe
fehlt, ſo darf man ſich den Coefficienten in ihr
Diffe-
[464]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
Differenzial nur = o gedenken. Fehlte z. B. in
der Gleichung M d z + L d y + N d x = o (§.
238. 9.) die Größe x, ſo daß nur z und y darin
vorkämen, ſo würde ſie nur heißen M d z + L d y
= o
; fehlte die Größe y, ſo würde ſie dagegen
heißen M d z + N d x = o u. ſ. w. Wenn nur
dieſe Gleichungen, oder auch die vom zweyten
Grade, aus welchen ſolche vom erſten Grade ent-
ſtehen würden, integrabel ſind, ſo werden dadurch
immer die Functionen u, t gefunden, auf deren
Beſtimmung allein alles ankömmt, um das In-
tegral der vorgegebenen Gleichung
zu erhalten.


4. Können die durch Elimination erhaltenen
Gleichungen ( [...]) nicht geradezu integrirt werden,
ſo muß man Reihen zu Hülfe nehmen, welches
aber meiſtens von keinen beſondern Nutzen iſt.


5. Uebrigens können nun aber die Gleichun-
gen M d z — N d y = o und M d x — K d y = o
unterweilen ſonſt noch auf eine ſchickliche Weiſe ver-
bunden werden, um auf andere integrable zu ge-
langen, aus welchen ſich die Functionen u, t ab-
leiten laſſen. Da aber dies nur in beſondern ſpe-
ciellen
[465]Integralrechnung.
ciellen Fällen geſchehen kann, und ſich darüber
nicht allgemeines darſtellen läßt, ſo begnüge ich
mich, hievon in der Folge etwa nur ein Beyſpiel
zu geben, ſo wie denn überhaupt alles bisherige
erſt durch Beyſpiele vollkommen erläutert wird.


§. 241.
Aufgabe.

Das Verhalten zwiſchen den drey
veränderlichen Größen x, y, z zu fin-
den, daß der Gleichung zwiſchen den
partiellen Differenzialen nemlich
worinn X und X gegebene Functionen
von x bedeuten, ein Genüge geſchehe,
oder kürzer, die vorgegebene Gleichung
mit partiellen Differenzialen zu inte-
griren
.


Aufl. 1. Bringt man dieſe Gleichung auf
die allgemeine Form (§. 238.) ſo hat man
oder auch die reducirte
X p — q = — X.


Höh. Anal.II.Th. G g2.
[466]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.

2. Demnach K = X; M = — 1; N = — X
woraus die beyden Gleichungen (§. 240. 1.) fol-
gende Geſtalt haben
d z + X d y = o; oder d z — X d y = o
d x — X d y = o; oder d x + X d y = o.


3. Aus der zweyten erhält man ſogleich durch
den integrirenden Factor
alſo + y = b; d. h. die bisherige Function
t = + y; wo das Integral nach
den bereits bekannten Methoden (Kap I-V.) ge-
funden wird, wenn die Function X gegeben iſt.


4. Wenn man ferner aus den beyden Glei-
chungen (2.) das Differenzial d y eliminirt, ſo
erhält man
d z + d x = o
Alſo ſogleich
z + d x = a
dem-
[467]Integralrechnung.
demnach die Function u = z + , wo das
Integral ebenfalls aus den gegebenen Fun-
ctionen X, X, nach den bekannten Methoden ge-
funden wird.


5. Folglich die geſuchte Gleichung zwiſchen x,
y, z aus u = F t (§. 240. 1.) folgende
oder
wozu noch eine beliebige Conſtante addirt werden
kann.


§. 242.
Aufgabe.

Für die vorgegebene Gleichung
oder
p + Y X q = Y Z X
worin die größeren Buchſtaben wie X, Y,
Z ꝛc. allemahl gegebene Functionen von

G g 2den
[468]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
den kleinern, x, y, z ꝛc. bedeuten, die In-
tegralgleichung zu finden
.


Aufl. 1. Hier iſt alſo K = 1; M = Y X;
N
= Y Z X. Demnach die beyden Gleichungen
(§. 240. 1.) folgende
I) Y X d z — Y Z X d y = o
II) Y X d x — d y = o
.


2. Multiplicirt man die untere derſelben mit
dem Factor , ſo wird X d x — = o alſo
X d x — = b.


3. Demnach wäre erſtlich die Function
t = X d x — , wo jedes Integral für ſich,
nach den vorhergehenden Vorſchriften (Kap. I-IV.)
gefunden werden kann.


4. Aus der gefundenen Integralgleichung (2.)
zwiſchen x und y, kann y als Function von
x entwickelt, oder doch als eine ſolche
Function von x betrachtet werden
, wenn
gleich jene Gleichung oft von der Beſchaffenheit
ſeyn kann, daß dieſe Entwickelung ihre Schwie-
rigkei-
[469]Integralrechnung.
rigkeiten hat, worum ich mich jetzt hier nicht wei-
ter bekümmere.


5. Aus der Gleichung (II.) ſetze man den
Werth von d y = Y X d x in die (I.) ſo erhält
man
d z — Y Z X d x = o.


6. In dieſer Gleichung kann jetzt Y als eine
Function von x betrachtet werden, wenn man den
Werth von y, als Function von x aus (4.), in
Y ſubſtituirt. Dieſe Function Y durch x ausge-
drückt, heiße X', ſo hat man


7. Durch den integrirenden Factor aus (5.)
— X' X d x = o
alſo — X' X d x = a.


8. Was hier linker Hand des Gleichheitszei-
chens ſteht, iſt die geſuchte Function u, woraus
denn aus u = F t, die Integralgleichung
folgt, wo denn insbeſondere aus dem Integral-
theile X' X d x, worin X' die Größe b nach (2.
4.)
[470]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
4.) enthalten wird, dieſe Größe b zu eliminiren,
d. h. X d x — ſtatt ihr zu ſetzen iſt (2.).
Einige beſondere Beyſpiele werden nun hinläng-
lich ſeyn, die Sache zu erläutern.


§. 243.
Beyſpiele zu vorigen §§en.

Beyſpiel I. zu §. 242.

I.Es ſey die vorgegebene Gleichung
folgende
odery p + x q = .


II. So hat man, um ſie auf die in der Auf-
gabe des vorigen §es gegebene Form zu bringen,
durch Diviſion mit y auch
.


III. Demnach Y = ; X = x; Y = ;
X = x und Z = n z.


IV.
[471]Integralrechnung.

IV. Hieraus (im vorigen §. 242. (2.))
X d x — = x d xy d y = ½ (x2 — y2).


V. Und folglich die Gleichung ½ (x2 — y2) = b,
woraus y = √ (x2 — 2 b) folgt.


VI. Folglich (§. 242. (5.))
(§. 242. 6.)
Und nun weiter
log z
oder b eliminirt, aus (V.) = ½ log y2 = log y
Hieraus endlich die geſuchte Integralgleichung
log z — log y = F ½ (x2 — y2); oder
log z — n log y = n F ½ (x2 — y2).


VII. Hier kann nun die willkührliche Function
von ½ (x2 — y2) oder welches auf eins hinaus-
läuft von x2 — y2, auch logarithmiſch genommen
werden, ſo daß für n F ½ (x2 — y2) ſchlechtweg
auch geſetzt werden kann log f (x2 — y2), wo
f
[472]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
f (x2 — y2) gleichfalls eine willkührliche Function
von x2 — y2 bedeutet. Dies giebt demnach
log z — n log y = log f (x2 — y2)
Oder welches daſſelbe iſt
z = yn f (x2 — y2)
ſo wie Euler die Integralgleichung ausdrückt
(Inst. Calc. iutegr. Vol. III. §. 189.). Es ver-
ſteht ſich, daß zur gefundenen Gleichung noch eine
willkührliche Conſtante C hinzugedacht werden muß.


Beyſpiel II. zu (§. 240. 5.)

VIII.Es ſey die vorgegebene Glei-
chung
oder
z p + q = x.


IX. Wenn man dieſe mit der allgemeinen
Form (§. 238.) vergleicht, ſo hat man K = z;
M = 1; N = x
; alſo die beyden Gleichungen (§.
240. 1.)
d z — x d y = o
d x — z d y = o

Unter dieſen iſt keine für ſich allein, auch durch
keinen Factor integrabel. Aber in ihrer Ver-
bin-
[473]Integralrechnung.
bindung unter einander (§. 240. 5.), und
zwar wenn man ſie hier zuſammenaddirt, erhält
man
d x + d z — (x + z) d y = o
eine Gleichung, welche unter der Form einer von
den beyden (§. 238. 9.) enthalten iſt, wenn man
das dortige M = 1; N = 1; und L = —
(x + z) ſetzt.


X. Multiplicirt man ſie in den Factor
ſo erhält man
d y = o
eine integrable Gleichung, wegen
= d log (x + z).
Demnach
log (x + z) — y = a.
Es iſt demnach die Function u = log (x + z) — y.


XI. Nimmt man nun aus (X.) den Werth
von d y = , und ſetzt ihn in die erſte
von den beyden Gleichungen (IX.), ſo erhält man
eine zweyte integrable, nemlich
d z
[474]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
oder auf beyden Seiten mit x + z multiplicirt
z d z — x d x = o
deren Integral ½ (z2 — x2) = b iſt. Demnach
iſt ½ (z2 — x2) oder auch ſchlechtweg z2 — x2
die geſuchte Function t.


XII. Und nun u = F t §. 240. oder
log (x + z) — y = F (z2 — x2)
die geſuchte Integralgleichung, welche ſich, in ſo
ferne die unbeſtimmte Function F (z2 — x2) auch
logarithmiſch = log f (z2 — x2) genommen wer-
den kann, auch durch
ausdtücken läßt, wo f (z2 — x2) ebenfalls eine
unbeſtimmte Function von z2 — x2 bezeichnet.


XIII. Die einfachſte Auflöſung würde demnach
ſeyn, wenn man f (z2 — x2) ſelbſt = z2 — x2 =
(z + x) (z — x)
ſetzte, wodurch denn
alſo z = x + e— y würde, welcher Werth von z
offenbar der vorgegebenen Gleichung
z
[475]Integralrechnung.
z + = x
ein Genüge leiſtet. Indeſſen würde ſtatt f (z2 — x2)
eine jede andere Function von z2 — x2 geſetzt
werden können.


XIV. Um zu zeigen, wie man auf unterſchie-
dene Art, durch Verbindung der beyden Gleichun-
gen (IX.), zu demſelben Reſultate gelangen kann,
ſo wollen wir einmahl aus den erwähnten zwey
Gleichungen, die Größe x eliminiren, um eine
zwiſchen z und y zu erhalten.


XV. Aus der erſtern (IX.) hat man nemlich
x = , alſo d x = , wenn man das Dif-
ferenzial d y conſtant annimmt.


XVI. Dieſen Werth von d x ſetze man in die
zweyte Gleichung (IX.), ſo hat man
z d y = o
Oder d d z — z d y2 = o
eine Differenzialgleichung vom zweyten Grade, de-
ren Integral nach (§. 219. Beyſp. I.) gefunden
wird, wenn man
die
[476]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
die dortigen y ; x ; A ; B
hier z ; y ; o ; — 1
bedeuten läßt. Man erhält auf dieſe Art
z = αey + βe— y
wo α, β willkührliche Conſtanten bezeichnen.


XVII. Aus dieſer Gleichung wird nun
oder auch z eyαe2 y = β.


XVIII. Mithin durch Differenziation und
nachheriger Diviſion mit ey
d z + z d y — 2 αey d y = o
Oder + z — 2 αey = o
d. h. (XV.) x + z — 2 αey = o
Oder log (z + x) = log 2 α + y
Mithin log (z + x) — y = log 2 α
welches auf einem andern Wege dieſelbe Gleichung
iſt, welche wir in (X.) gefunden hatten, wo das
dortige a auch = log 2 α geſetzt werden kann.


XIX. Um die zweyte Gleichung t = b zu
erhalten, kann man entweder nach (XI.) verfah-
ren, oder ſie aus (XVII.) und (XVIII.) ableiten.


Man
[477]Integralrechnung.

Man ſetze aus (XVIII.) den Werth von α =
in den Ausdruck (XVII.), ſo ergiebt ſich
½ (z — x) ey = β
oder log (z — x) + y = log 2 β dies mit
log (z + x) — y = log 2 α (XVIII.)

verbunden, giebt ſogleich
log (z — x) + log (z + x) = log 4 α β
d. h. z2 — x2 = 4 α β
Alſo die obige Gleichung ½ (z2 — x2) = b (XI),
wenn man die Conſtante b = 2 α β ſetzt.


XX. In der gefundenen Integralgleichung
(XII.) kann nun begreiflich noch eine willkührliche
Conſtante vorkommen, und muß darin enthalten
ſeyn, wenn ſie eine vollſtändige Integralgleichung
ſeyn ſoll. So kann man z. B. ſtatt F (x2 — y2)
allgemeiner ſetzen Fα (x2 — y2), wenn α eine ſol-
che Conſtante bezeichnet. Daher eigentlich
log (x + z) — y = Fα (z2 — x2)
die vollſtändige Integralgleichung iſt.


XXI. Begreiflich wird man das Verfahren
(IX-XII.) um die beyden Gleichungen u = a;
t = b
zu erhalten, dem letztern (XV-XX.) vor-
ziehen,
[478]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
ziehen, welches auf eine Differenzialgleichung vom
zweyten Grade führte, die man, ſo wie überhaupt
höhere Differenzialgleichungen, gerne zu vermeiden
ſucht.


XXII. Indeſſen läßt ſich in manchen Fällen
aus den beyden Gleichungen
M d z — N d y = o
M d x — K d y = o
(§. 240.)

eine von den 3 veränderlichen Größen nicht anders
eliminiren, ohne auf eine höhere Differenzialglei-
chung zu gelangen, wir wollen es noch durch fol-
gendes Beyſpiel erläutern.


BeyſpielIII.

XXIII.Es ſey die Gleichung
oder p + q = x
zu integriren.


Hier iſt alſo (§. 240.) K = ; M = 1; N = x;
alſo ſind die beyden Gleichungen (XXII.) folgende
d z — x d y = o
d x
d y = o.


XXIV.
[479]Integralrechnung.

XXIV. Aus dieſen zwey Gleichungen läßt
ſich am bequemſten die Größe x eliminiren. Nem-
lich wegen x = wird d x = wie oben
(XV.), welcher Werth in die zweyte Gleichung
geſetzt
d d zd y2 = o
giebt.


XXV. Hievon findet ſich nach (§. 219. Bey-
ſpiel II.) die Integralgleichung
z =
wenn man die dortigen
y ; x ; A ; B
hier z ; y ; o ; — 1
bedeuten läßt, wodurch k = ½ √ 5 wird; α β
ſind willkührliche Conſtanten.


XXVI. Aus dieſer Gleichung (XXV.) erhält
man ſogleich durch Differenziation, den Werth von
x = ; wir wollen aber der Kürze halber die
Exponenten = ν, alſo
z
[480]Zweiter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
z = αyμ + βyν (☉)
ſetzen, ſo wird oder
x = μ αyμ — 1 + ν βyν — 1 (☽).


XXVII. Aus dieſen zwey Gleichungen, (☉. ☽)
ſuche man die Conſtanten α, β auf eine Seite zu
ſchaffen; ſo ergeben ſich ſogleich die beyden geſuchten
Gleichungen u = a; und t = b; aus denen ſo-
dann u = F t, oder auch t = f u, die geſuchte
Integralgleichung wird. Verfährt man auf die
angezeigte Art, ſo wird nach gehöriger Rechnung
= (μ — ν) β
= (ν — μ) α

Läßt man alſo die conſtanten Größen (μ — ν) β,
und (ν — μ) α, die Werthe von a und b bedeu-
ten, ſo wird u = ; t = ;
demnach u = F t oder
die geſuchte Integralgleichung ſeyn, aus welcher
denn freylich der Werth von z, welcher der vor-
gege-
[481]Integralrechnung.
gegebenen Differenzialgleichung (XXIII.) ein Ge-
nüge leiſtet, erſt entwickelt werden kann, wenn
man für die unbeſtimmte Function
eine beſtimmte von annimmt.


§. 244.

I. Man wird nun aus dieſen Beyſpielen, zu
denen auch die Aufgaben §§. 241 u. 242. als nur
etwas allgemeinere gehören, ſehr leicht das Ver-
fahren überhaupt einſehen, welches bey der Inte-
gration lineärer Gleichungen zu beobachten iſt. In
EulersInstit. Calc. integr. Vol. III. kann man
noch eine große Menge einzelner Fälle und Bey-
ſpiele finden, welche ſämmtlich nach den allgemei-
nen Vorſchriften (§. 240.) ohne Mühe zu ent-
wickeln ſind, wenn gleich Euler faſt für jeden
einzelnen Fall, eine beſondere Auflöſungsart gege-
ben hat, welches die Ueberſicht des allgemeinen
Verfahrens erſchwert, welches, wie aus dem Bis-
herigen erhellet, auf die Ableitung der Functionen
u und t, aus den beyden Gleichungen
M d z — N d y = o
M d x — K d y = o
(§. 240. 1.)

Höh. Anal.II.Th. H hberuht,
[482]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
beruht, und von La Grange (Mem. de l’Ac.
de Berlin 1774 p. 253; 1779. p.
152 und 1789.
p. 174.) zuerſt gelehrt worden iſt. Man ſehe auch
deſſen Théorie des fonctions analytiques Nro.
101. etc.
Die (§. 238.) gewählte Darſtellungsart,
ſcheint mir aber die einfachſte und zweckmäßigſte
zu ſeyn.


II. Laſſen ſich aus den angeführten zwey Glei-
chungen
M d z — N d y = o
M d x — K d y = o

keine anderen ableiten, welche integrabel ſind, um
ſo die Functionen u, t zu beſtimmen, ſo iſt denn
an die Integration der partiellen Differenzialglei-
chung
K + M = N
freylich nicht weiter zu denken, man müßte denn
noch (§. 240. 4.) Reihen zu Hülfe nehmen wollen.


§. 245.

I. Man kann auf eine Art, welche der (§.
238. 7. ꝛc.) ganz ähnlich iſt, beweiſen, daß wenn
eine lineäre Gleichung zwiſchen partiellen Differen-
zialien von noch mehr veränderlichen Größen z. B.
K
[483]Integralrechnung.
K + M + L = N
wo z jetzt eine Function von drey veränderlichen
Größen x, y, r bedeutet, vorgegeben iſt, die
Integralgleichung nach einem ähnlichen Verfahren
aufgefunden werden kann.


II. Man formire nemlich aus den Coeſſicien-
ten K, M, L, N, welche nach Gefallen Functio-
nen von x, y, r, z, ſeyn mögen, folgende drey Glei-
chungen
M d z — N d y = o
M d x — K d y = o
M d r — L d y = o

Und ſuche ſie nun ſo unter einander zu verbinden,
daß man aus ihnen drey neue Gleichungen erhält,
welche entweder geradezu, oder durch Beyhülfe
von Factoren ꝛc. integrirt werden können. Die
daraus erhaltenen Integralgleichungen ſeyen (wie
bisher bey zwey veränderlichen Größen, wovon z
eine Function war), jetzt
u = a; t = b; w = c
ſo daß u, t, w die vermittelſt der Integration
gefundenen, und durch z, x, y, r gegebenen Aus-
drücke; a, b, c aber drey conſtante Größen be-
H h 2zeichnen,
[484]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
zeichnen, ſo wird aus dieſen drey partiellen Inte-
gralgleichungen (§. 238. 14.) die vollſtändige Inte-
gralgleichung
u = F (t, w); oder auch w = f (t, u)
oder auch t = φ (w, u)
erhalten, wo denn in jeder von dieſen Gleichun-
gen die Buchſtaben F, f, φ willkührliche Functio-
nen der hinter ihnen ſtehenden Größen, t, u, w
(welche denn wieder durch z, x, y, r gegeben
ſind) bezeichnen, dergeſtalt, daß alſo z. B. u =
F (t
, w) eine willkührliche Gleichung zwiſchen den
Größen u, t, w bezeichnet, aus der alsdann der
jedesmahlige Werth von z durch x, r, und y ent-
wickelt werden kann, wenn zuvor ſtatt u, w, t,
die oben erwähnten Ausdrücke durch z, y, x, r, ſub-
ſtituirt worden ſind. Durch Beyſpiele es zu er-
läutern, würde hier ganz überflüſſig ſeyn, da der-
gleichen Fälle doch wohl überhaupt auch ſehr ſelten
vorkommen.


III. Eben ſo ſelten iſt das Vorkommen von
Gleichungen, welche nicht lineär ſind (§. 237. 7.).
Es iſt hier hinlänglich, ihre Integration nur im
Allgemeinen zu zeigen, wobey wir denn annehmen,
daß ſolche Gleichungen nur drey veränderliche Grö-
ßen
[485]Integralrechnung.
ßen y, z, x, nebſt ihren partiellen Differenzialen
= p; = q; enthalten.


§. 246.
Aufgabe.

Es ſey W = o die vorgegebene Glei-
chung mit partiellen Differenzialen, ſo
daß alſo W nach Gefallen die Größen
x, y, z, p, q, auch wenn man will, Po-
tenzen von p und q enthalte. Man ſucht
die Relation zwiſchen den drey veränder-
lichen Größen x, y, z, welche der Glei-
chung W = o ein Genüge leiſte
.


Aufl. 1. Man ſuche aus der Gleichung
W = o die Größe q oder p; Ich will ſetzen q,
ſo wird q eine Function von x, y, z, p ſeyn.


Iſt die vorgegebene Gleichung W = o ſo
beſchaffen, daß um q (oder auch p) zu finden,
eine höhere Gleichung als eine quadratiſche oder
cubiſche aufzulöſen ſeyn würde, ſo vereinigen ſich
mit der gegenwärtigen Aufgabe die Schwierigkei-
ten, deren wir auch ſchon bey einer andern Gele-
genheit Erwähnung gethan haben, die wir aber
jetzt bey Seite ſetzen, da ſie nicht hieher gehören.


2.
[486]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.

2. In ſo fern alſo q als eine Function von
z, y, x, p anzuſehen iſt, hat man
d q = g d z + h d y + i d x + k d p
wo g, h, i, k auch Functionen von z, y, x, p
bezeichnen, welche durch die Differenziation von q
bekannt werden.


3. Weil aus dem geſuchten Verhalten zwi-
ſchen x, y, z
d z = p d x + q d y
iſt, und alſo p, q Functionen von x, y, z ſind,
ſo hat man (wie §. 17. 7.)
d p = d z + d y + d x.


4. Dieſen Werth von d p ſetze man in die
Gleichung (2.), ſo erhält man
d q =


5. Alſo (4.)
(d q
[487]Integralrechnung.
.


6. Wenn nun aber aus einem gewiſſen Ver-
halten, d. h. aus einer Gleichung zwiſchen x, y, z
(3.) die Differenzialgleichung
d z = p d x + q d y
oder p d x + q d y — d z = o
entſpringt, ſo findet bey derſelben folgendes Ver-
halten ſtatt
= o
wie man leicht aus (§. 235. 15.) findet, wenn
man die dortigen Größen
P ; Q ; R ;
hier p ; q ; — 1
bedeuten läßt, wodurch denn die dortige Gleichung
R N + Q M + P L = o, ſich in die eben an-
gezeigte verwandelt.


7. Setzt man in dieſelbe ſtatt u.
die Ausdrücke (5.) ſo verwandelt ſie ſich in
k
[488]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
= — (i + g p)
welches offenbar nur eine lineäre Gleichung in
Beziehung auf die veränderliche Größe

p iſt, weil die partiellen Differenzialquotienten
nur in der erſten Po-
tenz vorkommen. Auch enthält ſie nur 4 verän-
derliche Größen, nemlich x, y, z und diejenige p,
von welcher die partiellen Differenziale genommen
ſind, weil k, i, g, q lauter Functionen von x,
y, z, p ſind (2.).


8. Man ſehe alſo zu, ob die (7.) gefundene
Gleichung nach (§. 245.) integrirt werden kann,
d. h. ob man aus ihr eine Gleichung von der Form
u = F (t, w) erhalten kann, wo u, t, w Fun-
ctionen von x, y, z, p ſind, welche man aus den
Gleichungen (§. 245. II.) in welchen aber jetzt P
ſtatt z und z ſtatt r geſetzt wird, auf die daſelbſt
angezeigte Weiſe, zu beſtimmen ſuchen muß.


9. Aus der gefundenen Gleichung u = F (t, w),
in der ſtatt F (t, w) jede beliebige Function der
durch x, y, z, p gefundenen Größen t und w
geſetzt werden kann, entwickele man nun die Größe
p welches aber nicht eher geſchehen kann, als bis
man
[489]Integralrechnung.
man ſtatt der unbeſtimmten F (t, w) eine beſtimmte
geſetzt hat, ſo erhält man p durch x, y, z, und
mithin auch q durch x, y, z, weil q aus der
vorgegebenen Gleichung W = o durch x, y, z,
p, bekannt iſt (1.).


10. Die für p und q gefundenen Werthe ſetze
man alsdann in die Gleichung d z = p d x + q d y
und integrire ſolche, ſo wird man eine Relation
zwiſchen x, y, z erhalten, aus der ſich alsdann
z als Function von x und y ergiebt, welche der
Gleichung W = o ein Genüge leiſten wird, und
dergleichen Werthe von z erhält man ſo viele, als
aus ſo viel unterſchiedenen Beſtimmungen, welche
man der willkührlichen Function F (t, w) ertheilt,
die jedesmahligen Werthe von p und q, zum Behuf
der zu integrirenden Gleichung d z = p d x + q d y,
abgeleitet werden.


11. Man findet alſo z nicht unmittelbar, als
unbeſtimmte Function von x und y, ſondern mit-
telbar aus den Werthen von p, q, welche jedes-
mahl aus F (t, w) reſultiren (9.), nachdem man
der F (t, w) eine beſtimmte Bedeutung gegeben hat.
In ſo ferne iſt alſo doch z immer auch als eine
unbeſtimmte Function von x und y zu betrachten.


12.
[490]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.

12. Die Gleichungen ſelbſt, aus denen durch
Integration die Größen u, t, w beſtimmt werden,
ergeben ſich nun, wenn man in (§. 245. I. II.)
ſtatt der dortigen Größen K, M, L, N, z, r
hier k; — 1; p k — q; — (i + g p); p; z
ſetzt. Man erhält demnach folgende drey Glei-
chungen
d p + (i + g p) d y = o
d x + k d y = o (§. 245. II.)
d z + (p k — q) d y = o

in welchen i, g, k, q als lauter Functionen von
x, y, z, p (oder einigen dieſer Größen) aus (2.)
gefunden werden.


13. Es iſt hinlänglich, die Sache durch ein
einziges Beyſpiel zu erläutern.


14. Beyſpiel. Es ſey
= P x + P; oder q = P x + P
zu integriren, wo P, P, nach Gefallen Functio-
nen von p oder von ſeyn können.


Aufl. Jetzt hätte man alſo (2.)
d q = P d x + (P' x + P') d p
wenn
[491]Integralrechnung.
wenn der Kürze halber d P = P' d p; d P = P' d p
geſetzt iſt.


15. Man hat alſo für gegenwärtiges Bey-
ſpiel in (2.)
g = o; h = o; i = P; k = P' x + P'.


16. Demnach in (12.) die drey Gleichungen
I) — d p + P d y = o
II)
d x + (P' x + P') d y = o
III)d z + (p (P' x + P') — P x — P) d y = o.


17. Aus (I.) ergiebt ſich durch Multiplica-
tion mit dem Factor , und Integration, ſogleich
welches alſo die erſte Gleichung u = a iſt, wenn
geſetzt wird.


18. Aus (16. I und 16. II.) das d y eliminirt,
ſo ergiebt ſich
oder wegen P' d p = d P und P' d p = d P (14.)
P d x + x d P + d P = o
alſo
[492]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
alſo integrirt
P x + P = b
dies wäre denn, P x + P = t geſetzt, die zweyte
Gleichung t = b.


19. Ferner iſt aus der Differenzialgleichung
(18.)
P' x + P' = —
und aus (16. I.) d y = ; dieſe Werthe in (16.
III.) ſubſtituirt, geben
d z — p d x — x d p — = o
alſo integrirt
z — p x — = c
welches denn die dritte Gleichung w = c wäre.


20. Hieraus ergiebt ſich denn die allge-
meine
Gleichung u = F (w, t) oder auch w =
F (u
, t) d. h.
aus welcher denn der Werth von p durch x, y, z
entwickelt werden kann, ſo bald man der durch F
ange-
[493]Integralrechnung.
angezeigten unbeſtimmten Function eine beſtimmte
Bedeutung giebt, wenn anders nach gehöriger
Subſtitution, der durch p gefundenen Integrale
, die ganze Gleichung von der Be-
ſchaffenheit iſt, daß um p zu finden, keine cubiſche
oder höhere Gleichung ꝛc. aufzulöſen ſeyn würde.
Das übrige was nun noch zu thun iſt, iſt bereits
in (10.) angeführt worden.


21. Da indeſſen ſchon jede von den Gleichun-
gen u = a; t = b; w = c in Beziehung auf die
Gleichung (7.) als ein particuläres Integral zu
betrachten iſt, ſo ergiebt ſich auch aus jeder der-
ſelben in Verbindung mit d z = p d x + q d y,
ſchon allein ein Verhalten zwiſchen x, y, z wel-
ches der vorgegebenen Differenzialgleichung q =
P x
+ P (14.) ein Genüge leiſtet.


22. Es ſey z. B. P = p; P = p2 alſo
q = p x + p2 die vorgegebene Gleichung, ſo
hätte man nach (17.)
log p + y = a
oder auch log = log a weil ſtatt der Conſtante
a auch log a geſetzt werden kann. Dies giebt
denn
[494]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
denn p = ; alſo
q = p x + p2 = und nun
d z = p d x + q d y oder
Mithin integrirt
welches Verhalten zwiſchen x, y, z, offenbar der
Differenzialgleichung q = p x + p2 oder
ein Genüge leiſtet; denn man hat
; alſo offenbar

23. Wenn man eben ſo mit der Gleichung
t = b oder P x + P = b (18.) d. h. p x + p2 = b
verfährt, und daraus p = — ½ x + (¼ x2 + b)
beſtimmt,
[495]Integralrechnung.
beſtimmt, wodurch q = p x + p2 (22.) = b
wird, ſo hat man d z = p d x + q d y oder
d z = (— ½ x + √ (¼ x2 + b)) d x + b d y
woraus man durch Integration leicht den Werth
von z findet, welcher ebenfalls der vorgegebenen
Gleichung
ein Genüge leiſten wird.


§. 247.
Anmerkung. I.

1. Es könnte der Fall ſeyn, daß in (§. 246.
1.) aus der Gleichung W = o, ſich leichter P
durch x, y, z, q, als q durch x, y, z, p, be-
ſtimmen ließe. In dieſem Falle würde man alſo
die erſte Beſtimmung nehmlich des p durch x, y,
z, q, der letztern vorziehen.


2. Man ſieht aber leicht, daß alsdann alle
Schlüſſe wie bisher bleiben, nur mit dem Unter-
ſchiede, daß ſtatt der Größen K, L, M, N in
§. 246. 12. ſich jetzt etwas andere Werthe durch
die Rechnung ergeben.


Würde
[496]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.

Würde alſo die Gleichung (§. 246. 2.) jetzt
heißen
d p = g d z + h d y + i d x + k d q
So wäre die in (§. 246. 7.) jetzt
Und in (§. 246. 12.)
k d q + (h + g q) d y = o
k d x + d y = o
k d z — (k q — p) d y = o

Alles übrige bleibt dann mit den bisherigen Vor-
ſchriften übereinſtimmend, um aus dieſen drey
Gleichungen, die Integrale
u = a; t = b; w = c
abzuleiten, wo jetzt aber u, t, w, die Größen x,
y, z, q enthalten, ſo daß nun aus der Gleichung
u = F (t, w)
die Größe q entwickelt werden kann, aus welcher
ſich dann vermöge der Gleichung W = o auch p
findet, wodurch endlich durch Beyhülfe der Glei-
chung d z = p d x + q d y das geſuchte Verhal-
ten zwiſchen x, y, z, welches der Differenzialglei-
chung W = o ein Genüge leiſtet, gefunden wer-
den kann.


§. 248.
[497]Integralrechnung.
§. 248.
AnmerkungII.

Da die bisherigen Vorſchriften für die In-
tegration partieller Differenzialgleichungen vom er-
ſten Grade, ſo kurz ich mich auch gefaßt habe,
um die Auflöſungen, ſo weit ſie ausführbar ſind,
in einiger Allgemeinheit darzuſtellen, dennoch ſchon
einige Bogen ausfüllen, ſo würde das gegenwärtige
Werk gar zu weitläuftig ausfallen, wenn ich mich
auch mit den partiellen Differenzialgleichungen von
höhern Graden, d. i. ſolchen, worin auch partielle
Differenzialquotienten z. B.
u. d. gl. vorkommen würden, beſchäftigen wollte.
Ich bin überzeugt, daß derjenige, welcher ſich mit
dem Innhalte des gegenwärtigen Kapitels recht be-
kannt gemacht hat, keine großen Schwierigkeiten
finden wird, auch dasjenige zu verſtehen, was in
EulersInst. Calc. integr. in La Croix’s
Werke u. a. Schriften, von ſolchen höhern Diffe-
renzialgleichungen gelehrt wird. Man wird finden,
daß es meiſtens nur einzelne leichtere integrable Fälle
ſind, womit ſich die gedachten Schriftſteller beſon-
ders beſchäftigt haben, und daß dieſe dennoch ſchon
zu ganzen Kapiteln anwachſen. Ich übergehe ſie
daher, und begnüge mich nur, noch etwas von den
Höh. Anal.II.Th. J ipar-
[498]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
partiellen Differenzialgleichungen des zweyten Gra-
des zur Erläuterung beyzufügen, für welche ein
ganz ähnliches Verfahren als das bisherige in An-
wendung gebracht wird.


§. 249.
Aufgabe.

Die Gleichung mit partiellen Dif-
ferenzialen vom zweyten Grade
zu integriren, wenn R, S, T, V bloß
Functionen von x, y ſind
.


Aufl. I. Die Bedeutung der Ausdrücke
; iſt erſtlich aus
(§§. 58. u. 66.) klar. Man ſoll alſo eine ſolche
Function z von x und y finden, daß dem in der
vorgegebenen Gleichung ausgedruckten Verhalten
zwiſchen den partiellen Differenzialquotienten vom
zweyten Grade, ein Genüge geſchehe. Dazu bie-
tet ſich denn folgendes dar.


II.
[499]Integralrechnung.

II. Vors erſte iſt d z = p d x + q d y,
wenn man ſich z als eine entwickelte Function von
x und y gedenkt (§. 238. 1.), wo denn p und q
als Functionen von x und y zu betrachten ſind.


III. Man hat ſodann
und weil d z = p d x + q d y eine vollſtändige
Differenzialgleichung iſt, auch
(§. 58.).


IV. Weil p, q Functionen von x, y ſind
(II.) ſo ſey
d p = r d x + s d y
d q = ρ d x + t d y

ſo iſt
.


V. Demnach (III.) s = ρ und folglich (IV.)
d p = r d x + s d y
d q = s d x + t d y

daher (III.)
J i 2und
[500]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
und d. h.
Endlich wegen (IV.) und
der Werth von .


VI. Dadurch verwandelt ſich denn die Glei-
chung unſerer Aufgabe in folgende reducirte
R r + S s + T t = V.


VII. In dieſe ſetze man nun ſtatt r den Aus-
druck (IV.) und ſtatt t den Ausdruck
(V.), ſo fallen zwey von den unbeſtimm-
ten Differenzialquotienten nemlich r und t weg, und
die Gleichung (VI.) verwandelt ſich, nach gehöriger
Rechnung und Abſonderung von s, in
.


VIII. Da ſolchergeſtalt von den drey Größen
r, s, t der Gleichung (VI.), s unbeſtimmt bleibt,
und alſo willkührlich angenommen werden kann,
ſo geſchieht dieſem eine Genüge wenn man
R
[501]Integralrechnung.
R d y2 — S d y d x + T d x2 = o
Und R d p d y + T d q d x — V d x d y = o
ſetzt, weil ſich dann s in verwandelt, welches
unbeſtimmt iſt, und jeden Werth haben kann.


Aus dieſen zwey Gleichungen muß man nun
eine endliche Relation zwiſchen den Größen p, q,
y und x abzuleiten ſuchen, woraus denn weiter
nach (§. 247.) die Gleichung zwiſchen z, y und
x ſich ergiebt. Dieſes Verhalten zwiſchen p, q,
y, x kann nun durch folgende Betrachtungen auf-
gefunden werden.


IX. Die erſtere von den Gleichungen (VIII.)
iſt, wenn man ſie mit R d x2 dividirt, eine qua-
dratiſche, nemlich
woraus für folgende zwey mit m und n be-
zeichneten Werthe ſich ergeben
wo
[502]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
wo demnach m und n Functionen von x, y ſeyn
werden, in ſo ferne ſie ſich auf die angezeigte Art,
aus R, S, T, als Functionen von x und y, be-
ſtimmen.


X. Die (IX.) angeführte quadratiſche Glei-
chung zerfällt alſo in die beyden einfachern
m = o und — n = o
d. h. in
d y — m d x = o und d y — n d x = o.


XI. Damit alſo s ſich in verwandele (VIII.),
müſſen entweder die beyden Gleichungen
R d p d y + T d q d x — V d x d y = o (VIII.)
d y — m d x = o.


XII. Oder folgende zwey
R d p d y + T d q d x — V d x d y = o
d y — n d x = o

ſtatt finden. Jedes Paar von dieſen Gleichungen
dient nunmehr, um das geſuchte Verhalten zwi-
ſchen p, q, y, x (VIII.) zu finden.


XIII. Wir wollen zu dieſem Zweck das erſte
Paar (XI.) zum Grunde legen. Die zweyte Glei-
chung
[503]Integralrechnung.
chung deſſelben nemlich d y — m d x = o, enthält
bloß die veränderlichen Größen y und x, weil m
eine Function dieſer Größen iſt (IX).


XIV. Kann dieſe Gleichung entweder für ſich,
oder durch Beyhülfe eines integrirenden Factors λ
integrirt werden, ſo ſey die Function ∫λ (d y — m d x)
der Kürze halber = T, und A eine conſtante Grö-
ße, ſo iſt erſtlich T = A die Integralgleichung von
d y — m d x = o.


XV. Aus dieſer Gleichung T = A, worinn
T eine Function von x und y iſt, läßt ſich nun-
mehr y durch A und x beſtimmen, und in die Fun-
tionen R, T, V der erſten Gleichung in (XI.) ſub-
ſtituiren. Setzt man nun zugleich m d x ſtatt d y,
ſo verwandelt ſie ſich in
R m d p + T d q — V m d x = o
welche keine andern veränderlichen Größen als p, q,
x enthalten wird.


XVI. Iſt nun dieſe Gleichung entweder ſchon
an und für ſich, oder durch Beyhülfe eines Factors
μ integrabel, ſo ſetze man das Integral
∫ μ (R m d p + T d q — V m d x) = B
dann iſt, wenn B wiederum eine Conſtante bedeu-
tet
[504]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
tet, V = B die Integralgleichung von (XV.) in
welche ſodann auch wieder y — m x ſtatt A geſetzt
werden muß, weil das Integral V dieſe Conſtante
A enthält (XV.).


XVII. Aus den beyden für T und V gefun-
denen Ausdrücken, folgt dann umgekehrt
d y — m d x =
Und
R m d p + T d q — V m d x =
Oder auch wenn man die letztere mit d x multipli-
cirt, und dann zugleich wieder d y ſtatt m d x ſetzt
R d p d y + T d q d x — V d x d y =
Oder auch
.


XVIII. Mithin iſt wegen
der Ausdruck für s (VII.) nemlich
d
[505]Integralrechnung.
(VII.)
auch folgender
(d y — n d x) (XVII.)
Woraus


XIX.
folgt.


Da nun s unbeſtimmt iſt (VIII.), ſo kann man
es ſo ſich genommen denken, daß der in d T multi-
plicirte Ausdruck (XIX.) einer willkührlichen Fun-
ction von T gleich wird, welche ich mit φ T be-
zeichnen will. Dies giebt demnach
d V = d T . φ T oder V = d T . φ T
welches Integral nothwendig auch eine unbeſtimmte
oder willkührliche Function von T ſeyn wird, wel-
che ψ T heißen mag. Demnach iſt
V = ψ T
eine Gleichung zwiſchen p, q, y, und x, weil V
und T durch dieſe Größen beſtimmt ſind (XIV—
XVI.
), woraus ſich denn nach (§. 238.) das ge-
ſuchte Verhalten zwiſchen z, y, x finden läßt.


Man
[506]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.

Man würde zu demſelben Endreſultate gelan-
gen, wenn man das zweyte Paar (XII.) von den
obigen Gleichungen zum Grunde legen wollte.


Wir wollen nun das Ganze durch ein Bey-
ſpiel erläutern.


Beyſpiel.

XX. Es ſeyen R, S, T unveränderliche Grö-
ßen, nemlich R = A; S = B, T = C und V eine
beliebige Function von x oder y oder auch von bey-
den zugleich, ſo wäre die zu integrirende Gleichung
.


XXI. Unter dieſer Vorausſetzung werden nun
erſtlich auch m und n conſtante Größen, nemlich
(IX.)
Und daher m n = oder n = .


XXII. Dann hat man
T = y — m x (XIV.)
weil
[507]Integralrechnung.
weil hier das Differenzial d y — m d x ſogleich
ohne einen Factor integrabel iſt.


XXIII. Ferner iſt hier
V = (A m d p + C d q — m V d x)
= A m p + c q — m V d x

wo V d x gefunden wird, indem man in die Fun-
ction V ſtatt y erſtlich ſetzt A + m x (XV.) hier-
auf V d x integrirt, und aus dem gefundenen In-
tegrale das A durch die Subſtitution A = y — m x
wiederum wegſchafft. Wir wollen den ſolcherge-
ſtalt für V d x gefundenen Ausdruck der Kürze
halber mit W bezeichnen, und ſo wäre denn die
zwiſchen x, y, p, q gefundene Gleichung, nem-
lich V = ψ T (XIX.) [folgende]
A m p + C q — m W = ψ (y — m x)
Oder auch
Da nun A m ein conſtanter Diviſor iſt, ſo bleibt
die Größe rechter Hand des Gleichheitszeichens
immer auch noch eine unbeſtimmte Function von
y — m x für welche ich das Zeichen ψ beybehalten
will. Da nun auch = n iſt (XXI.), ſo kann
man
[508]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
die gefundene Gleichung kürzer ſo ausdrücken
p + n q = + ψ (y — m x)
Aus dieſer muß nun nach (§. 238.) die geſuchte
Gleichung zwiſchen z, y, x geſucht werden.


XXIV. Wird dieſe Gleichung mit der obi-
gen (§. 238.) verglichen, ſo iſt das dortige K hier
= 1; M = n; N = + ψ (y — m x). Mit-
hin erhält man für die dortigen Gleichungen (§.
240.) hier
n d zd yψ(y — m x) . d y = o
n d x — d y = o
; oder d y — n d x = o.


XXV. Hier iſt nun ſogleich die Function
(d y — n d x) d. h. y — n x = t (§. 240.) und
t = b oder y — n x = b die Integralgleichung
von d y — n d x = o.


XXVI. Aus dieſer Gleichung ſetze man den
Werth von y = n x + b in die Functionen W
und ψ(y — m x) (XXIV) und nenne das Inte-
gral W d y oder W n d x = n W d x = n W',
wo nach geſchehener Integration in W' die Größe
b durch die Subſtitution b = y — n x wieder eli-
minirt
[509]Integralrechnung.
minirt werde, ſo hat man, wenn in ψ(y — m x) d y
ebenfalls erſt n x + b ſtatt y, und n d x ſtatt d y
geſetzt, und dann integrirt wird, für das Integral
der erſten der beyden Gleichungen (XXIV.) den
Ausdruck
n z — — ∫ ψ(b + (n — m) x) n d x = a
Hier ſetze man auf einen Augenblick b +
(n — m) x = v;
ſo hat man (n — m) d x = d v
oder d x = , mithin
∫ ψ(b + (n — m) x) n d x = ∫ ψv . d v
wo denn ∫ ψv . d v offenbar auch wieder eine un-
beſtimmte Function von v iſt, mithin auch der
ganze Ausdruck rechter Hand des Gleichheitszei-
chens. Man hat alſo
,
wo ſtatt als einer conſtanten Größe, ſchlechtweg
auch nur a geſetzt werden kann. Alſo wegen
∫ ψv . d v = f v = f (b + (n — m) x)
= f (y — m x)
endlich
z
[510]Zweiter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
z — — f (y — m x) = a.


XXVII. Dies wäre denn die zweyte Glei-
chung u = a (§. 240.). Demnach u = F t, oder
z — — f (y — m x) = F (y — n x) d. h.
z = + F (y — n x) + f (y — m x)

die geſuchte Gleichung zwiſchen z, y, x, welche
demnach zwey unbeſtimmte Functionen, diejenigen
nemlich, welche mit F und f bezeichnet ſind, ent-
hält, welches allemahl der Fall iſt, wenn die vor-
gegebene Differenzialgleichung, wie (§. 249.) eine
vom zweyten Grade iſt, und die gefundene Inte-
gralgleichung für eine vollſtändige ſoll gehalten
werden können, da hingegen eine vollſtändige In-
tegralgleichung von einer Differenzialgleichung des
erſten Grades wie (§. 238.) nur eine unbeſtimmte
Function enthält.


§. 250.

1. Man ſieht aus dem bisherigen, daß das
Weſentliche dieſer Integrationsmethode darauf be-
ruht, eine Differenzialgleichung vom zweyten Grade,
wie die reducirte
R
[511]Integralrechnung.
R r + S s + T t = V
des vorigen Paragraphes (daſ. VI.), auf eine vom
erſten Grade zwiſchen p und q, wie die (§. 238.)
oder (§. 249. XXIII.) zu bringen. Für Glei-
chungen von höhern Graden, wird auf eine ähn-
liche Weiſe verfahren, die nächſtniedrigern zu er-
halten, aber es würde zu weitläuftig ſeyn, dies
alles auszuführen. Einzelne hieher gehörige Fälle
kann man a. a. O. §. 248. nachſehen.


2. Auch die Gleichung (§. 249.) iſt nur ein
einzelner etwas allgemeinerer Fall, weil angenom-
men iſt, daß, R, S, T, V bloß Functionen von
x und y ſind, und außer den Differenzialquotien-
ten vom zweyten Grade, nicht auch welche vom er-
ſten Grade wie = p, = q darinn
vorkommen. Enthalten die Functionen R, S, T,
V, auch die Größen z, p, q ſo kann man zwar
im allgemeinen auch nach einer ähnlichen Methode
wie (§. 249. VII ꝛc.) verfahren, aber die Glei-
chungen, welche man alsdann wie daſelbſt (VIII.)
erhält, ſind in den wenigſten Fällen von der Be-
ſchaffenheit, daß ſich durch ihre Verbindung oder
ſonſt durch Elimination einer der darin vorkom-
menden veränderlichen Größen, eine brauchbare
Glei-
[512]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
Gleichung zwiſchen p und q wie die obige (§. 249.
XIX.) ergäbe. Einzelne integrable Fälle kann
man bey Euler und La Croix nachſehen.


3. So enthält auch ſchon das Beyſpiel (XX.)
mehrere einzelne Fälle.


Wäre z. B. B = o; A = 1, C = — 1;
V = x y
alſo
zu integriren, ſo hat man (§. 249. XXI.)
m = + 1; n = — 1
W = V d x = x y d x, wo ſtatt y geſetzt wer-
den muß A + x (§. 249. XXIII.). Alſo
W = (A x + x2) d x = ½ A x2 + ⅓ x3
oder ſtatt A wieder y — x geſetzt
W = ½ x2 (y — x) + ⅓ x3 = ½ x2 y — ⅙ x3
Hieraus ferner
W' = W d x = (½ x2 y d x — ⅙ x3 d x)
wo ſtatt y geſetzt werden muß b — x (§. 249.
XXVI.)
demnach
W' = ½ x2 (b — x) d x — \frac{1}{24} x4
= ⅙ x3 b — ⅛ x4 — \frac{1}{24} x4 = ⅙ x3 b — ⅙ x4
Oder, ſtatt b wieder y + x geſetzt,
W'
[513]Integralrechnung.
W' = ⅙ x3 y.
Demnach die Integralgleichung (§. 249. XXVII.)
folgende
z = ⅙ x3 y + F (y + x) + f (y — x)
Nähme man z. B. ſtatt F (y + x) die Größe y + x
ſelbſt an, ſo wie auch y — x ſtatt f (y — x), ſo iſt
z = ⅙ x3 y + 2 y
welche Gleichung offenbar der
ein Genüge leiſtet, denn man findet
Alſo offenbar
Andere einzelne Fälle hier zu entwickeln, will ich
jedem nach der gegebenen Anleitung ſelbſt überlaſſen.


4. Der einzige Fall wenn A = o wäre, ver-
dient noch eine Erläuterung, weil dann in
Höh. Anal.II.Th. K kdem
[514]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
dem für z gefundenen Ausdrucke eine unendliche
Größe wird, ſo wie auch in dieſem Falle die Wer-
the von m und n (§. 249. XXI.) unendlich werden.


5. Für dieſen Fall muß man zu den urſprüng-
lichen Gleichungen (§. 249. VIII.) ſelbſt zurückge-
hen. Iſt das dortige R oder A in dem Bey-
ſpiele (§. 249. XX.) = o; S = B; T = C, ſo
verwandeln ſich die beyden Gleichungen daſelbſt in
B d y + C d x = o
C d q — V d y = o.


6. Aus der erſtern wird ſogleich — B y + C x
= A alſo die Function T = — B y + C x.


7. Die zweyte Gleichung (5.) wird (d x
ſtatt d y und ſtatt y in V geſetzt)
Oder
wo jetzt in dem Integrale W = V d x, die Grö-
ße A wieder eliminirt werde, wodurch denn die
Function W ſich in die obige V ver-
wandelt.


8.
[515]Integralrechnung.

8. Man hat alſo nunmehr die Gleichung
V = ψ T (§. 249. XIX.)
oder
d. h. .


9. Wird dieſe Gleichung mit der (§. 238.)
verglichen, ſo iſt das dortige M = 1, K = o
, woraus die bey-
den Gleichungen (§. 240.) ſich in folgende ver-
wandeln
d x = o.


10. Aus der letztern d x = o, folgt x = b
alſo die Function t (§. 240) = x.


11. Setzt man hierauf in die Functionen W
und ψ (C x — B y) überall b ſtatt x, und inte-
grirt hierauf die erſte Gleichung (9.), in der alſo
bloß y als variabel behandelt wird, ſo erhält man
wo denn nach ähnlichen Schlüſſen wie oben (§.
K k 2249.
[516]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
249. XXVI) auch das Integral ∫ ψ(C b — B y) d y
einer unbeſtimmten Function von C b — B y d. h.
von C x — B y gleich iſt, welche ich mit f (Cx — By)
bezeichnen will.


Demnach iſt die geſuchte Integralgleichung
von
folgende u = F t oder
Oder
.


12. So wird man bey ähnlichen einzeln Fäl-
len, immer leicht dieſe oder jene Schwierigkeiten
heben können, wenn man zu den urſprünglichen
Gleichungen wie z. B. oben (§. 249. VIII.) ſelbſt
zuruckgeht. Daher ich es bey dem bisher Beyge-
brachten bewenden laſſen will.


§. 251.

Was die unbeſtimmten Functionen betrifft,
welche in die bitherigen Integrale von Gleichun-
gen
[517]Integralrechnung.
gen mit partiellen Differenzialen eingehen, ſo iſt
zu bemerken, daß es nun zwar der bloßen Rechnung
nach, und um der vorgegebenen Gleichung mit par-
tiellen Differenzialen ein Genüge zu leiſten, in un-
ſerer Willkühr ſteht, welche Geſtalt man ſolchen
Functionen ertheilen will, daß aber bey der würk-
lichen Anwendung einer ſolchen Integralgleichung
auf phyſiſche Gegenſtände, ſolche willkührliche Fun-
ctionen eben ſo den beſondern Bedingungen einer
Aufgabe gemäß näher beſtimmt werden müſſen, als
es bey den Integralen gewöhnlicher Differenzial-
gleichungen mit denjenigen willkührlichen Conſtan-
ten der Fall iſt, welche ſolche Integrale enthalten.


So wie alſo z. B. in dem Integrale y =
X d x + Const., im Allgemeinen nichts die Be-
ſtimmung der willkührlichen Conſtante C einſchrän-
ken darf, wenn jenes Integral auf jeden beſondern
Fall ſoll angewandt werden können, ſo muß es
auch in unſerer Gewalt ſtehen, die willkührlichen
Functionen in den Integralen partieller Differen-
zialgleichungen, jedesmahl ſo beſtimmen, wie
es die Natur einer Aufgabe erfordert. Aber es
würde nicht hieher gehören, dies durch einige ſolche
Aufgaben ſelbſt noch weiter zu erläutern, da dies
zu Anwendungen der Integralrechnung gehören
würde,
[518]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
würde, womit wir uns hier um ſo weniger beſchäf-
tigen können, als ſie auch zur Erläuterung der bis-
her beygebrachten Integrationsmethoden ſelbſt,
nichts weiter beytragen.


§. 252.
Anmerkung.

Eine lehrreiche Abhandlung über die Inte-
gration ſowohl der gewöhnlichen Differenzialglei-
chungen vom erſten Grade, als auch derer mit par-
tiellen Differenzialen deſſelben Grades, von ſo viel
veränderlichen Größen als man will, hat ohnlängſt
Hr. Hofr. J. F. Pfaff in den Abhandlun-
gen der Acad. der Wiſſ. in Berlin von
den Jahren
1814-1815. (Berlin 1818.) mit-
getheilt. Wer das Bisherige wohl verſtanden hat,
wird keine Schwierigkeit finden, ſich auch mit dem
Geiſte der von Hrn. P f. gewählten Methode be-
kannt zu machen.


I. Wir wollen das weſentliche derſelben nur
durch eine partielle Differenzialgleichung zwiſchen
vier veränderlichen Größen u, x, y, z erläutern.


Sie heiße
oder
[519]Integralrechnung.
oder K p + L q + M r = N (☉)
wo K, L, M, N gegebene Functionen von u, x,
y, z bedeuten.


II. Aus dieſer Gleichung in Verbindung mit
d u = p d x + q d y + r d z
können nunmehr nach dem eigenthümlichen Verfah-
ren des Hrn. Verf. welches aber in der Abhandlung
ſelbſt nachgeſehen werden muß, zwiſchen den 6
Größen x, u, p, q, y, z, welche in der Glei-
chung d u = p d x + q d y + r d z (worin r aus
(☉) durch die übrigen Größen y, x, u, p, q, z,
bekannt iſt) vorkommen, fünf Gleichungen von fol-
gender Form abgeleitet werden


  • d x = X d z
  • d y = Y d z
  • d u = U d z
  • d p = P d z
  • d q = Q d z

in welchen die Functionen X, Y, U, P, Q ſich
ſich aus der Differenziation von
finden laſſen.


III.
[520]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.

III. Iſt nemlich durch Differenziirung
d r = r' d x + r'' d y + r ''' d z + riv d u
+ rv d p + rvi d q

wo demnach r', r'', r''', ꝛc. bekannte Functionen
von x, y, u, p, q, z ſeyn werden, ſo beſtim-
men ſich nach dem Verfahren des Verfaſſers, die
Functionen X, Y, U ꝛc. bloß durch die bekann-
ten r, r', r'', ſo wie auch durch p, q, und kön-
nen alſo auch als bekannte Functionen der 6 Grö-
ßen x, y, u, z, p, q betrachtet werden.


IV. Die (II.) angeführten 5 Gleichungen ent-
halten alſo 6 Größen, nemlich x, y, u, z, p, q.


Durch Elimination laſſen ſich aus denſelben
fünf andere Differenzialgleichungen ableiten, deren
jede vom fünften Grade ſeyn, aber nur zwey ver-
änderliche Größen enthalten wird, nemlich eine
ſolche Gleichung zwiſchen x und z; zwiſchen y und
z; zwiſchen u und z; u. ſ. w.


V. Kann jede dieſer Gleichungen vom fünften
Grade integrirt werden (welches denn als eine Vor-
ausſetzung angeſehen wird) ſo wird das vollſtändige
Integral von jeder derſelben fünf conſtante Größen
a, b, c, e, g enthalten, welche man in jedem
ſolchen Integrale dieſelben ſeyn läßt, da es will-
kühr-
[521]Integralrechnung.
kührlich iſt, wie man ſie annehmen oder vielmehr
bezeichnen will.


VI. Auf dieſe Art würde man alſo fünf Inte-
gralgleichungen, nemlich


  • zwiſchen x, z, a, b, c, e, g
  • y, z, ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
  • u, z, ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
  • p, z, ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
  • q, z, ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

erhalten, aus welchen wiederum a, b, c, e, g,
durch x, y, z, u, p, q gefunden, oder viel-
mehr als bekannte Functionen von x, y, z ꝛc. an-
geſehen werden können. Man hat alſo


  • a = f (x, y, z, u, p, q)
  • b = F (x, y, z, u, p, q)
  • c = φ (x, y, z, u, p, q)
  • e = F (x, y, z, u, p, q)
  • g = f (x, y, z, u, p, q)

wo durch f, F, φ ꝛc. ſolche Functionen angedeu-
tet werden.


VII. Aber dieſe 5 Größen a, b, c, e, g,
ſind ſelbſt wieder durch drey beſondere Gleichun-
gen von einander abhängig, welche der Verf. zu
Höh. Anal.II.Th. L lfinden
[522]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
finden lehrt, und durch Hülfe deren je zwey dieſer
Größen z. B. e, g, willkührlich angenommen,
und daraus die übrigen a, b, c gefunden werden
können, ſo daß demnach a, b, c, wieder für ſich
als Functionen von e, g angeſehen werden können.


VIII. Obige fünf Integralgleichungen ent-
halten demnach eigentlich nur folgende Größen
e, g, x, y, z, u, p, q; und es können aus
dieſen 5 Gleimungen, vier dieſer Größen, nemlich
e, g, p, q eliminirt werden, wodurch denn end-
lich eine Gleichung zwiſchen x, y, z, u, erhal-
ten wird, welche das geſuchte Verhalten dieſer
Größen ausdrückt, wodurch der (I.) vorgegebenen
Gleichung mit partiellen Differenzialen ein Genüge
geleiſtet wird.


IX. Die erhaltene Integralgleichung wird,
weil e, g willkührlich angenommen werden (VI.),
auch zwey unbeſtimmte Functionen von x, y, z, u
enthalten, wie es der Natur einer Gleichung mit
partiellen Differenzialen zwiſchen 4 veränderlichen
Größen wie (VI.), gemäß iſt.


X. Ein ähnliches Verfahren findet bey der
Integration von Gleichungen mit partiellen Diffe-
renzialen von noch mehr veränderlichen Größen
ſtatt,
[523]Integralrechnung.
ſtatt, nur daß man durch die Elimination wie (IV.)
auf Differenzialgleichungen von noch höhern Gra-
den, und in (VII.) auf noch mehr Hülfsgleichun-
gen zwiſchen den Größen, a, b, c ꝛc. gelangt,
welches denn in der Abhandlung des Verf. mit
mehrern nachgeſehen werden kann.


XI. Es wird alſo bey dieſem Verfahren des
Verf. vorausgeſetzt, daß man die Integration von
gewöhnlichen Differenzialgleichungen, aber höherer
Grade, in ſeiner Gewalt habe. Sind ſolche nicht
integrabel, ſo können auch die Integrale der vor-
gegebenen Gleichungen mit partiellen Differenzialen,
nicht weiter dargeſtellt und entwickelt werden. Es
verhält ſich hier im allgemeinen wie (§. 240. 1.)
mit den Gleichungen
M d z — N d y = o; M d x — K d y = o
Oder
;
Oder auch
welche eine Aehnlichkeit mit denen (II.) haben.
L l 2Läßt
[524]Zweyter Theil. Dreyzehntes Kapitel.
Läßt ſich eine daraus durch Elimination abgeleitete
Gleichung vom zweyten Grade, wie z. B. (§.
243. XVI.) nicht integriren (welches nun freylich
in dem daſigen Beyſpiele nicht der Fall war), ſo
muß man auch Verzicht darauf thun, das Integral
der vorgegebenen Gleichung mit partiellen Differen-
zialen weiter darſtellen und entwickeln zu wollen,
wenn man nicht zu Reihen ſeine Zuflucht nehmen
will. Indeſſen iſt denn doch die Methode des Hrn.
Verf. in ſo fern immer lehrreich, indem man dar-
aus erſieht, daß die Integration von Gleichun-
gen mit partiellen Differenzialen, immer
auf diejenige von gewöhnlichen Differen-
zialgleichungen
, wenn ſie auch von höhern
Graden ſind, reducirt werden kann, und deren In-
tegration von allen Schriftſtellern, welche ſich mit
partiellen Differenzialgleichungen beſchäftiget haben,
poſtulirt wird, ohngefähr wie man Differenzialglei-
chungen vom zweyten Grade als aufgelößt anſieht,
wenn man ſie auf welche vom erſten Grade redu-
cirt hat, ſo große Schwierigkeiten auch die letztern
oft haben mögen.


Beyſpiele hat der Verf. nicht gegeben, ſon-
dern ſich nur überall auf das allgemeine ſeiner Me-
thode beſchränkt, welcher er denn noch mehrere
merk-
[525]Integralrechnung.
merkwürdige Relationen beyfügt, welche zwiſchen
den obigen Functionen (VI.) ſelbſt ſtatt finden.


§. 253.

Die bisher in der Integralrechnung vorgetra-
genen Lehren werden meiſtens für jede Art der
Anwendung hinreichend ſeyn. Aber von Anwen-
dungen ſelbſt kann natürlich in einem Werke wel-
ches ſich bloß mit den Hülfsmitteln des Calculs,
und den vorzüglichſten Kunſtgriffen deſſelben be-
ſchäftigt, nicht die Rede ſeyn. Einige Anwendun-
gen auf Gegenſtände der Geometrie, findet man im
Vten Theil meiner practiſchen Geometrie, welcher
die Stereometrie zum Gegenſtande hat. Die hö-
here Mechanik, Hydrodynamik, Aſtronomie und
mehr andere Theile der Mathematik geben Bey-
ſpiele genug, wie unentberlich die höhere Analyſis
iſt, um die darin vorkommenden tiefern Unterſu-
chungen mit Leichtigkeit überſehen zu können. Wer
das bisher Vorgetragene wohl verſtanden, und
ſich gehörig geläufig gemacht hat, wird auch ohne
Mühe einzelne noch ſchwerere Fälle von Integra-
tionen die bey ſolchen Anwendungen vorkommen,
verſtehen. Eine kurze Geſchichte der Differenzial-
und Integralrechnung findet man ſehr gut in Klü-
gels mathematiſchen Wörterbuche
unter
den
[526]Zweyt. Th. Dreyzehnt. Kap. Integralr.
den Artikeln Differenzialrechnung, Inte-
gralrechnung, partielle Differenziale
ꝛc.


Die vielen einzeln Abhandlungen wodurch
vorzüglich die Hrn. Joh. Bernoulli, Euler,
Condorcet, Clairaut, Alembert, La
Grange, La Place, Trembley
und mehr
andere, den von Leibnitz und Neuton ohnge-
fähr zu gleicher Zeit erfundenen Differenzial- und
Integralcalcul erweitert haben, findet man in un-
ſeres Hrn. Hofr. Reuß höchſt brauchbaren Re-
pertorium Commentationum a societatibus
litterariis editarum. Tom. VII. p. 110 ‒ 133.
Gottiugae
1808.


Ende der Integralrechnung.


Druck-[]

Appendix A Druckfehler.


  • Seite 7. Zeile 14 ſtatt gegenwärtigen ließ I-III. Kapitel.
  • — 16. Z. 1 ſt. Aufg. l. Aufl.
  • — 16. Z. 8 ſt. d x = l. d y =
  • — 19. Z. 18 ſt. ⅖ x3 l. ⅔ x\frac{3}{2}.
  • — 29. Z. 1 ſt. l.
  • — 48. Z. 13 ſt. (a + b xn) d x l. (a + b xn) p d x.
  • — 51. Z. 17 ſt. y' = — l. y' = +
  • — 94. Z. 15 muß das d z weiter herunter auf die Zeile.
  • — 103. Z. 19 ſt. δx2 l. δx3.
  • — 121. Z. 6. ſt. (m + 1)4 l. (m + 1)3.
  • — 154. Z. 3. ſt. Y tang x l. Y Arc tang x.
  • — 170. Z. 13. ſt. = l. = —.
  • — 242. Z. 8. ſt. l. .
  • — 291. Z. 16 ſt. t = v l. t = o.
  • — 464. Z. 16 ſt. (1) l. (2).
  • — 500. Z. 10 ſt. Differenzialquotien l. Differenzialquo-
    tienten.

NB.
[]
  • NB. Noch iſt zu bemerken, daß in Ausdrücken wie
    Arc ſin x; Arc tang x u. d. gl. (Differenzialrech-
    nung §. 46. und ſo überall in der Integralrech-
    nung z. B. §. 109. 12.) die Bogen immer in De-
    cimaltheilen des Halbmeſſers
    1 genommen
    werden müſſen. Z. B. für Arc ſin ½ d. h. einen
    Bogen deſſen Sinus = ½ = 0, 5 iſt, ſchreibt
    man nicht 30° ſondern nach Vegas Tafeln (lo-
    garithmiſche trigonometriſche u. a. zum Gebrauch
    det Math. eingerichtete Tafeln und Formeln. Wien
    1783. Daſelbſt die VIIte Tafel) den Decimalbruch
    0,523598 … welcher in Decimaltheilen des Halb-
    meſſers dem Bogen von 30° entſpricht.

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TextGrid Repository (2025). Mayer, Johann Tobias. Vollständiger Lehrbegriff der höhern Analysis. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bht7.0