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Des Knaben
Wunderhorn
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Alte deutſche Lieder



Zweyter Band.

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Wunderhorn.

Alte deutſche Lieder


II.

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Heidelberg.: bey Mohr und Zimmer1808.

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Des Knaben
Wunderhorn
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Alte deutſche Lieder



Zweyter Band.


Heidelberg,:
beyMohr und Zimmer.
1808.
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Des Knaben
Wunderhorn
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2. Band. 1.
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Zueignung.


Laſſet uns Mayen und Kraͤnze bereiten,

Sehet, ach ſehet die froͤhligen Zeiten!

Sehet ihr Bruͤder und merket hierbey,

Welche Veraͤnderung ſolches nur ſey.

Laſſet uns Weinen und Trauren vertreiben,

Klagen und Zagen ſoll heute verbleiben,

Klagen und Zagen verjaget jetzund,

Heute ſeyd luſtig und machet es kund.

Laſſet uns Zucker und Honig beſtellen,

Laſſet uns holen die guten Geſellen,

Laſſet herbringen den Spaniſchen Wein,

Weil wir anjetzo beyſammen hier ſeyn.

Laſſet uns Birkene-Mayer beſtellen

Daß wir euch ſchenken ihr guten Geſellen,

Laſſet den Birkenen-Mayer umgehn,

Laſſet die Glaͤſer nicht ſtille ſo ſtehn.

Laſſet die Lauten und Geigen erklingen,

Laſſet uns eilen zum Tanze zu ſpringen,

Nehmet die Kegel und Boſſel in acht,

Laſſet uns ſpielen, bis kommet die Nacht.

[4]
Laſſet uns geiſtliche, weltliche Lieder

Klingen und ſingen ihr herrlichen Bruͤder,

Laſſet uns letzen: Die Jugend vergeht,

Wehmuth und Trauren im Alter entſteht.

Abendreihen.


(Lobwaſſer der lutheriſche. Rotenburg an der Tauber 1608. S.377.)


Wie ſteht ihr allhie und wartet mein,

Und meint, ich ſoll eure Vorſingerin ſeyn,

Soll ich denn nun ſingen, ſo hoͤret mir zu,

Im Geſetz iſt weder Raſt noch Ruh.

Das Geſetz richtet nichts denn Zoren an,

Und kein Menſch lebet, der es halten kann,

Nun muß es dennoch erfuͤllet ſeyn,

Darum ſchickt Gott ſeinen Sohn herein.

Derſelbig iſt worden unſer Schild,

Er hat des Vaters großen Zorn geſtillt,

Denn er hat dem Geſetz genug gethan,

Fuͤr jedermann, der nur glauben kann.

Es hat ihn koſtet ſein roſenfarbig Blut,

Am Kreutz trug er alles uns zu gut,

Des ſaget Lob und Dank in Ewigkeit,

Daß er uns behuͤt vor allem Leid. Amen.

Zweifel an menſchlicher Klugheit


(Taulers Nachfolge des armen Lebens Chriſti. Frankfurt 1621. S.133.)


Der Vater vom Himmelreich ſpricht,

Menſch ſteh ſtill und fuͤrcht mich,

[5]
Gehſt du fuͤr dich,

So thuſt du thoͤricht,

Mein rechte Hand die ſchlaͤgt dich.

So ſpricht Gott der Sohn: Menſch!

Kehr dich um und merk mich,

Du gehſt unweißlich,

Ich warn dich.

So ſpricht Gott der heilige Geiſt: Menſch

Laß deinen Willen fleiſchlich

In meinen Willen geiſtlich,

So thuſt du ſeliglich,

Das rath ich!

In Gottes Namen,

Amen.

Die Wahrheit.


(Altes Manuſcript.)


Vier Jungfraͤulein von hohem Stamm,

Die waren bei einander,

Ignis Feuer die erſt mit Nahm,

Aqua Waſſer die ander:

Aer die Luft, ſo hieß die dritt,

Dann Veritas die Wahrheit,

Die ſtand da in des Gartens Mitt,

Und leuchtete in Klarheit.

Ich ſehne mich gar oft nach euch,

Sprach ſie mit klugen Sinnen,

[6]
Drum ſaget mir, eh ich entfleug,

Wo ſoll ich euch ſtets finden?

Das Feuer ſprach: Schlag an ein Stein

Mit guten Schwerdtes Spitzen,

So werd ich ſchnelle bei dir ſein,

Und freudig Funken ſpritzen.

Das Waſſer ſprach: Wo Binſen ſtehn,

Da ſollſt du nach mir graben,

Du wirſt mich bei der Wurzel ſehn,

Da will ich dich erlaben.

Die Luft ſprach: Wenn an einem Baum

Die Blaͤttlein gehn und nicken,

Da bin ich auch in ſelbem Raum,

Und will dich bald erquicken.

All drei ſie ſprachen wonnſamlich:

Du edele Warheite!

Wo ſollen wir dann finden dich?

Die Wahrheit ſprach: Im Leide.

O ihr Schweſtern Mord uͤber Mord!

Kein eigen Haus mir bleibet,

Man findet mich nicht hier, nicht dort,

Ein jeder mich vertreibet.

Ich pocht auch bei Gelehrten an,

Weil ehrlich iſt ihr Wandel,

Doch iſt ihr Werk ein Lug und Wahn

Und ſpaͤrlich nach dem Handel.

Sie fingen mich und banden mich,

Begoſſen mich mit Dinten,

[7]
In mein ſchneeweißes Angeſicht,

Ich muſte ſchier erblinden.

Mit Buͤchern ſchlugen ſie mich dumm,

Und krazten mich und krallten,

Und zogen mich beim Haar herum,

Zur Thuͤr hinaus mich brallten.

Sie wollte klagen noch viel mehr,

Ein Thuͤrlein thaͤt erklingen,

Ein Critikus kam ganz grad daher,

Davon that ſie ſich ſchwingen.

Wuͤrde der Schreiber.


(Moraliſche Gaſſenhauer. S. 18.)


Papiers Natur iſt Rauſchen,

Und rauſchen kann es viel,

Leicht kann man es belauſchen,

Denn es ſtets rauſchen will.

Es rauſcht an allen Orten,

Wo ſein ein Bißlein iſt,

Alſo auch die Gelehrten

Rauſchen ohn alle Liſt.

Aus Lumpen thut man machen,

Des edlen Schreibers Zeug,

Es moͤcht wohl jemand lachen,

Fuͤhrwahr ich dir nicht leug.

Alt Hadern rein gewaſchen,

Dazu man brauchen thut,

[8]
Hebt manchen aus der Aſchen,

Der ſonſt litt groß Armuth.

Die Feder hintern Ohren,

Zum Schreiben zugeſpitzt,

Thut manchen heimlich zornen,

Voran der Schreiber ſitzt.

Vor andern Knaben allen,

Weil man ihn Schreiber heißt,

Thut Fuͤrſten wohl gefallen,

Die lieben ihn allermeiſt.

Den Schreiber man wohl nennet

Ein edlen theuren Schatz,

Wiewohl mans ihm nicht goͤnnet

Dennoch haͤlt er den Platz.

Vorm Schreiber muß ſich biegen

Oft mancher ſtolze Held,

Und in den Winkel ſchmiegen,

Obs ihm gleich nicht gefaͤllt.

Letzter Zweck aller Kruͤppeley.


(Altes Manuſcript.)


O ſuͤße Hand Gottes!

Ermuntre mein Herz,

Mach, daß ich mein Ungluͤck

Ertrage mit Scherz.

Es duͤnkt mich, als wenn Gott,

Balon mit mir ſchluͤg.

[9]
Je ſtaͤrker er ſchlaͤget,

Je hoͤher ich flieg.

Ich als ein klein Baͤumlein,

Im Garten da bin,

Gott ſelbſt iſt der Gaͤrtner,

Und bigt mich zu ihm,

Er ſtutzet und butzet

Noch immer mein Zweig,

Daß ich ſoll aufwachſen,

Und hoͤher aufſteig.

Ich muß es bekennen,

Gott hobelt mich ſehr,

Er ſchneidt mich, er haut mich,

Doch faͤllt mirs nicht ſchwer,

Willſt wiſſen warum?

Ich halte dafuͤr,

Gott wollt ja gern ſchnitzeln,

Ein Engel aus mir.

Es kraͤnket mich gar nicht,

Daß ein Kruͤppel ich bin,

Wer weiß ob nicht eben

Ein Gluͤcksſtern darin.

Gott iſt ja ſo gar ſehr

In die Kruͤpplein verliebt,

Weil er fuͤr ſich ſelbſten

Sein Kurzweil drin geuͤbt.

[10]

Verſpaͤtung.


(Muͤndlich.)


Mutter, ach Mutter! es hungert mich

Gieb mir Brod, ſonſt ſterb ich.

Warte nur mein liebes Kind!

Morgen wollen wir ſaͤen geſchwind.

Und als das Korn geſaͤet war,

Rief das Kind noch immerdar:

Mutter, ach Mutter es hungert mich

Gieb mir Brod, ſonſt ſterb ich.

Warte nur mein liebes Kind!

Morgen wollen wir aͤrndten geſchwind.

Und als das Korn geaͤrntet war

Rief das Kind noch immerdar:

Mutter, ach Mutter! es hungert mich,

Gieb mir Brod, ſonſt ſterbe ich.

Warte nur mein liebes Kind!

Morgen wollen wir dreſchen geſchwind.

Und als das Korn gedroſchen war,

Rief das Kind noch immerdar:

Mutter, ach Mutter! es hungert mich,

Gieb mir Brod, ſonſt ſterbe ich.

Warte nur mein liebes Kind!

Morgen wollen wir mahlen geſchwind.

Und als das Korn gemahlen war,

Rief das Kind noch immerdar:

Mutter, ach Mutter! es hungert mich,

Gieb mir Brod, ſonſt ſterbe ich.

[11]
Warte nur mein liebes Kind!

Morgen wollen wir backen geſchwind.

Und als das Brod gebacken war,

Lag das Kind ſchon auf der Bahr.

Urlicht.


(Muͤndlich.)


O Roͤschen roth,

Der Menſch liegt in groͤſter Noth,

Der Menſch liegt in groͤſter Pein,

Je lieber moͤgt ich im Himmel ſeyn.

Da kam ich auf einen breiten Weg,

Da kam ein Engellein und wollt mich abweiſen,

Ach nein ich ließ mich nicht abweiſen.

Ich bin von Gott, ich will wieder zu Gott,

Der liebe Gott wird mir ein Lichtchen geben,

Wird leuchten mir bis in das ewig ſelig Leben.

Subroſa.


(Muͤndlich.)


Mitten im Garten iſt

Ein ſchoͤnes Paradies,

Iſt ſo ſchoͤn anzuſehn,

Daß ich moͤcht' drinnen gehn.

Als ich im Gaͤrtlein war,

Nahm ich der Bluͤmlein wahr,

Brach mir ein Roͤſelein,

Das ſollt mein eigen ſein.

[12]
Das Roͤſlein glaͤnzt ſo fein,

Wie Gold und Edelſtein

War ſo fein uͤberguͤldt,

Daß es mein Herz erfuͤllt.

Ich nahm das Roͤſlein fein,

Schloß es ins Kaͤmmerlein,

Stellt es an einen Ort,

Da es ja nicht verdorrt.

Komm ich ins Kaͤmmerlein,

Find nicht mein Roͤſelein,

Als ich herummer ſah,

Sitzt ein ſchoͤn Jungfrau da.

Sprach, ach erſchrick nur nicht,

Denn ich bin dir verpflicht,

Denn ich bin dir vertraut,

Denn ich bin deine Braut.

Die traurig praͤchtige Braut.


(Muͤndlich.)


Komm heraus, komm heraus du ſchoͤne, ſchoͤne Braut,

Deine gute Tage ſind alle alle aus.

O Weyele Weh! O Weyele Weh!

Was weinet die ſchoͤne Braut ſo ſehr,

Mußt die Jungfern laſſen ſtehn,

Zu den Weibern muſt du gehn.

Lege an, lege an auf kurze kurze Zeit

Darfſt du ja wohl tragen das ſchoͤne Hochzeitskleid.

O Weyele weh! o Weyele weh!

[13]
Ach was weinet die ſchoͤne Braut ſo ſehr!

Muſt dein Haͤrlein ſchließen ein

In dem weiſſen Haͤubelein.

Lache nicht, lache nicht, deine rothe rothe Schuh

Werden dich wohl druͤcken, ſind eng genug dazu.

O Weyele weh, o Weyele weh!

Ach was weinet die ſchoͤne Braut ſo ſehr.

Wenn die andern tanzen gehn

Wirſt du bei der Wiege ſtehn.

Wincke nur wincke nicht, ſind gar leichte leichte Winck

Bis du an dem Finger einen goldnen Hochzeit-Ring.

O Weyele weh, o Weyele weh!

Ach was weinet die ſchoͤne Braut ſo ſehr!

Goldne Ketten legſt du an,

Mußt in ein Gefaͤngniß gahn.

Springe heut, ſpringe heut deinen letzten letzten Tanz,

Morgen kannſt du weinen auf den ſchoͤnen Hochzeitkranz,

O Weyele weh, o Weyele weh!

Ach waß weinet die ſchoͤne Braut ſo ſehr!

Muſt die Blumen laſſen ſtehn.

Auf den Acker muſt du gehn.

Familiengemaͤlde.


(Friderici Ehren-Liedlein. Roſtock 1614. XXIV.)


An allem Ort und Ende,

Soll der geſegnet ſein,

Den Arbeit ſeiner Haͤnde,

Ernaͤhret ſtill und fein,

[14]
Gott will ihm dazu geben,

Ein Ehfrau tugendreich,

Die einr fruchtbaren Weinreben

Sich ſoll verhalten gleich.

Recht wie junge Oehlzweige

Wachſen und gruͤnen friſch,

So ſollen in der Reihe,

Die Kindlein um den Tiſch,

Gar fein und hoͤflich ſtehen,

In Zucht und guter Sitt,

Der Vater ſoll ſie ſehen,

Im dritt und vierten Glied.

Das Wappenſchild.


(Fliegendes Blat.)


Stuͤrmt, reißt und raſt ihr Ungluͤckswinde,

Zeigt eure ganze Tiranney,

Zerbrecht, zerſchlagt ſo Zweig als Rinde,

Und werft den Hofnungsbaum entzwey;

Dies Hagelwetter

Trift Stamm und Blaͤtter,

Die Wurzel bleibt,

Bis Sturm und Regen

Ihr Wuͤthen legen,

Daß ſie von neuem gruͤnt und Aeſte treibt.

Mein Herz giebt keinem Diamanten,

Mein Geiſt der Eiche wenig nach;

Wenn Erd und Himmel mich verbannten,

[15]
So trotz ich doch dem Ungemach:

Weicht falſche Freunde,

Schlagt bittre Feinde,

Mein Heldenmuth

Iſt nicht zu daͤmpfen;

Drum will ich kaͤmpfen,

Und ſehn was die Geduld fuͤr Wunder thut.

Die Liebe ſchenkt aus goldnen Schaalen

Mir einen Wein zur Tapferkeit,

Verſpricht mir guten Sold zu zahlen

Und fuͤhrt mich muthig in den Streit;

Da will ich ſiegen,

Hier will ich kriegen;

Ein gruͤnes Feld

Dient meinem Schilde

Zum Wappenbilde,

Allwo ein Palmenbaum zwey Anker hebt.

Rheiniſcher Bundesring.


(Mitgetheilt von Frau von Pattberg.)


Bald gras ich am Neckar,

Bald gras ich am Rhein,

Bald hab ich ein Schaͤtzel,

Bald bin ich allein.

Was hilft mir das Graſen

Wann die Sichel nicht ſchneidt,

Was hilft mir ein Schaͤtzel,

Wenn's bei mir nicht bleibt.

[16]
So ſoll ich dann graſen

Am Neckar am Rhein,

So werf ich mein goldiges

Ringlein hinein.

Es flieſſet im Neckar,

Und flieſſet im Rhein,

Soll ſchwimmen hinunter

Ins tiefe Meer n'ein.

Und ſchwimmt es das Ringlein,

So frißt es ein Fiſch,

Das Fiſchlein ſoll kommen

Aufs Koͤnig ſein Tiſch.

Der Koͤnig thaͤt fragen,

Wems Ringlein ſoll ſein?

Da thaͤt mein Schaz ſagen,

Das Ringlein g'hoͤrt mein.

Mein Schaͤzlein thaͤt ſpringen,

Berg auf und Berg ein,

That mir wiedrum bringen,

Das Gold Ringlein fein.

Kannſt graſen am Neckar,

Kannſt graſen am Rhein,

Wirf du mir immer

Dein Ringlein hinein.

[17]

Schwimm hin, ſchwimm her du Ringlein.


(Muͤndlich.)


Nichts ſchoͤneres kann mich erfreuen,

Als wenn es der Sommer angeht,

Da bluͤhen die Roſen im Mayen,

Trompeter die blaſen ins Feld.

Trompeter die haben's geblaſen;

Soldaten marſchieren in's Feld,

Sie ziehen dem Feinde entgegen,

Zum Streite wohl ſind ſie beſtellt.

Dort drunten in's Kaiſers Schloßgarten,

Da ſtehet ein Feigenbaum,

Da muͤſſen wir alle ablegen

Piſtolen und Saͤbelgezeug.

Ach Schaͤtzel was hab ich erfahren,

Daß du jetzt willſt reiſen von hier,

Willſt reiſen in's fremde Land nauſe,

Wann kommſt du wieder zu mir?

Und da ich im fremden Land drauſen war,

Gedacht ich gleich wieder nach Haus;

Ach waͤr ich zu Hauſe geblieben,

Und haͤtte gehalten mein Wort!

Und als ich wieder nach Hauſe kam,

Feins Liebchen ſtand unter der Thuͤr;

Gott gruͤß dich du Huͤbſche, du Feine,

Von Herzen gefalleſt du mir!

2 Band. 2.
[18]
Ich brauche dir nicht zu gefallen,

Ich habe ſchon laͤngſt einen Mann,

Dazu einen huͤbſchen und feinen,

Der mich wohl ernaͤhren kann.

Was zog er aus ſeiner Taſche?

Ein Meſſer war ſcharf und war ſpitz;

Er ſtach es feins Liebchen ins Herze,

Das rothe Blut gegen ihn ſpritzt.

Er zog es gleich wieder herauſe,

Vom Blute da war es ſo roth,

Haſt du nun gelitten die Schmerzen,

So will ich auch leiden den Tod.

Da nun das Liebchen geſtorben,

Wo begrabt man ſie denn hin?

In ihres Vaters Schloßgarten,

Wo weiſſe Lilien bluͤhn.

Was zog er da von ſeinem Finger?

Ein Ringlein, das war von Gold,

Er warf es ſogleich in das Waſſer,

Die Wellen, die geben den Schein.

Schwimm hin, ſchwimm hin, du Ringlein,

Schwimm hin in das Meer hinein,

Und gruͤß mir mein Vater und Mutter,

Und ſag, ich komm nimmermehr heim.

[19]

Lenore.


(Buͤrger hoͤrte dieſes Lied Nachts in einem Nebenzimmer.)


Es ſtehn die Stern am Himmel,

Es ſcheint der Mond ſo hell,

Die Todten reiten ſchnell:

Mach auf mein Schatz dein Fenſter,

Laß mich zu dir hinein,

Kann nicht lang bey dir ſeyn;

Der Hahn der thaͤt ſchon kraͤhen,

Er ſingt uns an den Tag,

Nicht lang mehr bleiben mag.

Weit bin ich her geritten,

Zweihundert Meilen weit,

Muß ich noch reiten heut;

Herzallerliebſte meine!

Komm ſetz dich auf mein Pferd,

Der Weg iſt reitens werth:

Dort drin im Ungerlande

Hab ich ein kleines Haus,

Da geht mein Weg hinaus.

Auf einer gruͤnen Haide,

Da iſt mein Haus gebaut,

Fuͤr mich und meine Braut.

Laß mich nicht lang mehr warten,

Komm Schatz zu mir herauf,

Weil fort geht unſer Lauf.

[20]
Die Sternlein thun uns leuchten,

Es ſcheint der Mond ſo hell,

Die Todten reiten ſchnell.

Wo willſt mich dann hinfuͤhren?

Ach Gott! was haſt gedacht

Wohl in der finſtern Nacht?

Mit dir kann ich nicht reiten,

Dein Bettlein iſt nicht breit,

Der Weg iſt auch zu weit.

Allein leg du dich nieder,

Herzallerliebſter ſchlaf!

Bis an den juͤngſten Tag.

Der Churmainzer Kriegslied,


(Aus dem Revolutionskriege.)


Auf einem ſchoͤnen gruͤnen Raſen,

Da ließ Albin zur Mahlzeit blaſen,

Als ein General und Feldmarſchall;

Sie ruͤhren die Trommeln und ſchlagen den Laͤrmen,

Und laſſen die feurigen Bomben ſchon ſchwaͤrmen,

Die blutige Mahlzeit geht ſchon an.

Laß Pauken und Trompeten ſchallen,

Laß alle Kanonen auf einmal knallen,

Auf daß ſich empoͤrt die ganze Welt.

Laß Bomben und Haubizen blitzen,

Die Feſtung Mainz, die muß ſchon ſchwitzen,

Bis das Feuer das Koſtheim verzehrt.

[21]
Gerechter Gott! ſechs Jahr verfloſſen,

Haben wir Churmainzer viel Blut vergoſſen,

Und iſt zu hoffen noch keine Ruh.

Herr Albini hat Grimmen und Zorn,

Er ſaß zu Pferd mit Stieflen und Sporn:

Schießt und haut und ſtecht nun todt.

O ihr Grenadiere! zum Aufmarſchieren,

Mit blutigen Fahnen zum Abmarſchieren,

Auf dieſen ſtolzen Franken los!

Friſch gewagt, iſt halb gewonnen,

Nicht verzagt, es wird ſchon kommen,

Wenn's Churmainz gehoͤren ſoll.

O ihr Churmainzer all zuſammen,

Zu Pferd, zu Fuß in Gottes Namen,

Ergreift den Feind nur herzhaft an,

Gott der Herr wird uns beſchuͤtzen,

Seinen Schutz und Seegen ſchicken,

General Albini fuͤhrt uns an.

Der Ueberlaͤufer.


(Muͤndlich.)


In den Garten wollen wir gehen,

Wo die ſchoͤnen Roſen ſtehen,

Da ſtehen der Roſen gar zu viel,

Brech ich mir eine, wo ich will.

Wir haben gar oͤfters beyſammen geſeſſen,

Wie iſt mir mein Schatz ſo treu geweſen,

[22]
Das hat ich mir nicht gebildet ein,

Daß mein Schatz ſo falſch koͤnnt ſeyn.

Hoͤrt ihr nicht den Jaͤger blaſen,

In dem Wald auf gruͤnem Raſen?

Den Jaͤger mit dem gruͤnen Huth,

Der meinen Schatz verfuͤhren thut?

Hoͤrt ihr nicht den Trompeter blaſen,

In der Stadt auf der Parade?

Der Trompeter mit dem Federbuſch,

Der mir meinen Schatz verrathen thut.

Einquartierung.


(Fliegendes Blat.)


Jackele guck zum Fenſter n'aus,

Moin i hoͤr aͤin Drommen,

Anneſe gang beſchleuiß das Haus,

Glaub Soldaten kommen,

Sind gau g'wiß Huſaren,

Lueg obs kannſt erfahren,

Noin ſie ſind nit ſo anthaun,

Potz i waiß und kenn ſie ſchaun.

Ei pfui Teuffen, wie ſehns drein:

I kan nit gnug gucken,

Werden wol Tralpatſchen ſein,

Was haunds auf den Rucken?

Sieht als wie ein Pruͤgel,

Baͤrt haunds wie die Igel,

[23]
Hoſen wie die Schweizer an,

Helf is Gott! mein lieber Mann.

Was kommen denn dort fuͤr Ruf?

Horch wie ſie ſchau murren:

Marrei gang und mach mir uff,

I glaub es ſeind Panduren.

Was muß i gau kochen,

Daß nit mit mir pochen,

Knoͤpfle und ein duͤrre Wurſt.

Mann gang, frag ob ſie's nit durſt?

Weib was denkſt, loß mi ungkeit,

Schweig du alter Fetzen,

Waiß ſchau, was es ſind fuͤr Leut,

Darf nit mit ſie ſchwaͤtzen,

Kann ſie nit verſtande,

Kunt'n mi haue zu ſchande,

Mi und di und au den Bue,

Und haͤtt no den Spott darzue.

Ei ſo ſchlag der Plunder drein,

Was ſind das fuͤr Gſellen:

Marrei gang und hoi du Wein;

Annele thu aufſtellen,

Thu fein tapfer tennaͤ,

Los Kraut nit verbrennaͤ,

Schnid a faͤlle duͤrre Speck,

Goſt dahaͤr wie oine Schneck.

Weib I gang gau uͤber Feld,

Daß ſie mi nit ſehaͤ,

[24]
Wenn ſie woͤlle hau no Geld,

Dort im Trog thut ſtehaͤ,

Anderthalbe Gulde,

Und dem Wirt bleibs ſchulde,

Will ihm geben Korn dafuͤr,

Hol der Velte das Quartier.

Soldatengluͤck.


(Fliegendes Blat.)


Friſch auf ins weite Feld!

Zu Waſſer und zu Lande

Bin ich Soldat fuͤr's Geld.

Wenn alle Menſchen ſchlafen,

Soldaten muͤſſen wachen,

Dazu ſind ſie beſtellt.

Der Koͤnig traͤgt die Kron,

In ſeiner Hand den Scepter,

Wenn er ſitzt auf dem Thron,

Ein langes Schwerdt zur Seite,

Zu gehen mit zum Streite,

Auf Frieden und Pardon.

Ein Adeliche Dam,

Die ſchlaͤft bei ein'm Soldaten,

Aus lauter Liebes-Flamm,

Es klingt ihr in den Ohren

Soldaten ſind gebohren

Aus ritterlichem Stamm.

[25]
Soldat du edles Blut,

Weil du biſt hochgebohren

Aus lebensfriſchem Muth,

Wenn ſchon die Kugeln ſauſen

Laß dir davor nicht grauſen,

Wems gluͤckt, der kommt davon.

Das Luſtlager.


(Muͤndlich.)


Reiter. Hoͤr Bauer, was ich ſage,

Das Quartier und das iſt aus,

Wenn du'n Trompeter hoͤrſt blaſen;

So komm und weck mich auf.

Und ſattle mir mein Pferdchen

Und leg zur Hand mein Schwerdt,

Den Mantel thu drauf binden,

Daß ich bald fertig werd.

Maͤdchen. Wer ſtehet draußen vor meinem Fenſter,

Wer ſteht draußen vor meiner Thuͤr?

Iſt es der Schoͤnſte, der Angenehmſte,

Der noch heute will von hier?

Reiter. Jungfrau, ich bitt ſie ganz unterthaͤnig,

Ach eroͤffnen ſie mir die Thuͤr,

Dieweil nunmehr die Zeit verfloſſen,

Und ich abſcheiden muß von hier.

Maͤdchen. Mein Vater liegt im obern Zimmer,

In ſein Schlafkaͤmmerlein ruhet er,

[26]
Er hat ein Brieflein in ſeiner Taſche,

Die Antwort ſteht geſchrieben darin.

Reiter. Truͤbe Wolken an dem Himmel,

Tauſend Seufzer ſchick ich zu dir,

Dieweil ich muß fort an einen andern Ort,

Lebe wohl zu tauſend guter Nacht.

Maͤdchen. Ich trage Ketten mein ganzes Leben,

Wer mich kann retten aus meiner Qual,

Dem will ich zeigen, daß ich ſein eigen,

Und ihm getreu will ſeyn bis an mein Grab.

Reiter. Sterbe nicht mein Kind, das bitt ich dich,

Sonſt iſt verlohren all mein Freud,

Alle Berge und Thaͤler zuſammenfallen,

Eh ich dir mein Kind untreu will ſeyn.

Der Tag kommt hergeſchlichen,

Die Sonne blickt herfuͤr,

Nachdem die Nacht verſtrichen,

Der Bauer tritt an die Thuͤr.

Bauer. Sie blaſen wacker drauf,

Herr mein Soldat! ſteh auf,

Das Pferd iſt ſchon geſattelt,

Der Mantel gebunden drauf.

Das Pferdchen muß ihn tragen

Wohl vor das hohe Haus,

Mit ihren ſchwarzen Augen

Schaut Liebchen zum Fenſter n'aus.

Was thaͤt er ihr zu Ehren?

Schoß Pulver in die Luft,

[27]
Daß man den Knall thaͤt hoͤren,

Wie ein Piſtole pufft.

Reiter. Hoͤr Pferdchen, was ich ſage,

Hoͤr Pferdchen, was ich ſag,

Heut Nacht muſt du mich tragen

Zuruͤck vor Liebchens Thuͤr.

Reiterlied.


(Venusbluͤmlein von Metzger. Nuͤrnberg 1612.)


Nach Reitersbrauch ich reite

Mein Roͤßlein in das Feld,

Tumml das auf gruͤner Heide

Werfs rumm auf alle Seiten,

Mit Spornſtreich mach' ich's ſpringreich,

Das mir dann wol gefaͤllt.

Wann es hoͤflich thut traben,

Lacht mir das Herze mein,

Artlich Tugend und Gaben

Mein Roß an ſich thut haben,

Auf alle Weiſ' erlangt es Preiß,

Zierlich ſein Spruͤnge ſein.

Im Rennen nicht ſeines gleichen,

Schnell laͤuft es wie der Wind,

Maͤnnlich ſichs thut erzeigen,

Mit Schlagen und mit Beiſſen;

Gegen ſein Feind ich ſage heint,

Seinesgleichen man nicht findt.

[28]
Wenn ich bin ans heimreiten,

Schenk ich meim Buhl ein Trab,

Dann wirfts den Kopf auf die Seiten,

Trit auf mit engem Schreiten,

Und trabet vor meins Buhlens Thuͤr,

Sie ſchaut zum Fenſter r'aus.

Thut mich freundlich anlachen,

Wuͤnſcht mir einen guten Tag,

Was ſollt mich in den Sachen

Denn dies froͤlicher machen.

Mein Roß und Schatz bei mir han Platz,

Ohn die ich nicht ſeyn mag.

Die Marketenderin.


(Muͤndlich.)


Es hat ſich ein Maͤdchen in'n Faͤhndrich verliebt,

Er ſpricht ihr von Ehre und heirath ſie nicht,

Wenn der Faͤhndrich die Fahne thut ruͤhren,

Thut ſich ihr Herzchen vor Freuden floriren.

Der Tambur die Trummel im Wirbel ſchon ruͤhrt,

O wunderſchoͤn Maͤdchen muſt leiden groß Noth,

Da heißt es, Soldaten in's Feld muͤßt marſchieren,

Bald haben wir kein Geld, bald haben wir kein Brod.

Bald haben wir kein Brod, bald haben wir kein Geld,

O du wunderſchoͤn Maͤdel! ſo geht es im Feld,

Und wenn der Feind kommt und bringet uns um,

Bleib bei der Armee und halt dich fein frumm.

[29]

Waͤr ich ein Knab geboren.


(Muͤndlich.)


Es wollt ein Maͤdel graſen,

Wollt graſen im gruͤnen Klee,

Begegnets ihm ein Reiter,

Wollts haben zu der Eh.

Ach komm, du hurtig Maͤdel,

Und ſetz dich zu mir her.

„Ach wollt ich duͤrft mich ſetzen,

„Kein Gras hats Zicklein mehr.

Der Reiter ſpreit den Mantel,

Wohl uͤber den gruͤnen Klee:

Komm du mein wackeres Maͤdel,

Und ſetz dich zu mir her.

„Ich wollt, ich duͤrfte ſitzen,

„Das Zicklein hat kein Gras,

„Hab gar ein zornig Mutter,

„Sie ſchlaͤgt mich alle Tag.“

Haſt du ein zornig Mutter,

Und ſchlaͤgt dich alle Tag,

Verbind den kleinen Finger,

Und ſag, er ſey dir ab.

„Wie wollt ich duͤrfen luͤgen,

„Steht mir gar uͤbel an,

„Viel lieber wollt ich ſprechen,

„Der Ritter waͤr mein Mann.

[30]
„Ach Mutter, liebe Mutter,

„Ach gebt mir einen Rath,

„Es reitet mir alle Tage

„Ein hurtiger Ritter nach.“

Ach Tochter! liebe Tochter!

Den Rath, den geb ich dir,

Laß du den Reiter fahren,

Bleib du das Jahr bey mir.

„Ach Mutter! liebe Mutter!

„Der Rath, der iſt nicht gut,

„Der Ritter iſt mir lieber,

„Als all dein Hab und Gut.

Iſt dir der Reiter lieber,

Als all mein Hab und Gut,

So bind dein Kleid zuſammen,

Und lauf dem Reiter zu.

„Ach Mutter! liebe Mutter!

„Der Kleider hab ich nicht viel,

„Gieb mir nur hundert Thaler,

„So kauf ich, was ich will.“

Ach Tochter! liebe Tochter!

Der Thaler hab ich nicht viel,

Dein Vater hats verruſchelt

In Wuͤrfel- und Kartenſpiel.

„Hats denn mein Vater verruſchelt

„In Wuͤrfel- und Kartenſpiel,

„So ſey es Gott erbarmet,

„Daß ich ſein Tochter bin.“

[31]
„Waͤr ich ein Knab geboren,

„Ich wollte ziehn ins Feld,

„Ich wollt die Trommel ruͤhren,

„Dem Kaiſer um ſein Geld.“

Abſchied fuͤr immer.


(Muͤndlich.)


Heute marſchieren wir,

Morgen marſchieren wir,

Zu dem hohen Thor hinaus,

Ey du wacker ſchwarzbraun Maͤgdlein,

Unſre Lieb iſt noch nicht aus.

Reiſt du ſchon fort?

Reiſt du denn ſchon fort?

Kommſt du niemals wieder heim?

Und wenn du kommſt in ein fremdes Laͤndchen,

Liebſter Schatz vergiß mein nicht.

Trink du ein Glaͤschen Wein,

Zur Geſundheit mein und dein,

Kauf mir einen Strauß am Huth,

Nimm mein Tuͤchlein in die Taſche,

Deine Thraͤnlein mit abwaſch.

Es kommt die Lerche,

Es kommt der Storch,

Es kommt die Sonne ans Firmament.

In das Kloſter will ich gehn,

Weil ich mein Schaͤtzchen nicht mehr thu ſehen,

Weil nicht wiederkommt mein Schatz!

[32]
„Dorten ſind zwey Turteltaͤubchen,

„Sitzen auf dem duͤrren Aſt,

„Wo ſich zwey Verliebte ſcheiden,

„Da verwelket Laub und Gras,

„Was bat mich ein ſchoͤner Garten,

„Wenn ich nichts darinnen hab,

„Was bat mich die ſchoͤnſte Roſe,

„Wenn ich ſie nicht brechen ſoll,

„Was bat mich ein jung friſch Leben,

„Wenn ichs nicht der Lieb ergeb?“

Großer Kriegshymnus in der Gelehrten-
Republik.


(Filipp Zeſens Fruͤhlingsluft. S. 45.)


Sollt ich ein Feldherr ſeyn und Kriegesheere fuͤhren,

So wollt ich ſtracks auszieren

Das ganze Kriegesheer

Mit einem ſolchen Volk, das hold den Buͤchern waͤr,

Die Studenten muͤſten ſeyn

Meine beſte Burſch und Fuͤhrer,

Die Gelehrten Feindausſpuͤrer;

Foͤbus Voͤlker in gemein

Muͤſten die Feinde verjagen und daͤmpfen,

Muͤſten uns helfen und ritterlich kaͤmpfen.

Buͤchsmeiſter ſollten ſeyn die ſuͤßen Muſikanten,

Die Helikons Verwandten,

Der Orgeln Freudenſchall,

Sollt an Trompetenſtatt erklingen uͤberall,

[33]
Bachus und ſein Kammerad,

Ceres ſollten uns wohl geben

Brod und Speis und Wein zu leben;

Friſchen uns nach Krieges-Rath,

Muſen und Grazien muͤſten mitkaͤmpfen,

Muͤſten die Feinde verjagen und daͤmpfen.

Die Feder ſollte mir anſtatt der Schwerdter dienen,

Wir wollten uns erkuͤhnen

In alle Welt zu gehn.

Mich deucht, ich wollte wohl mit dieſem Volk beſtehn,

In Gefahr und Kriegesnoth;

Schriftgelehrte und Juriſten

Muͤſten ſich zu ſtreiten ruͤſten,

Die, vor denen flieht der Tod,

Muͤſten uns helfen auch ritterlich kaͤmpfen,

Muͤſten die Feinde verjagen und daͤmpfen.

Wettſtreit des Kukuks mit der Nachtigal.


(Dozen Miscellaneen. I, S. 284.)


Einsmals in einem tiefen Thal

Der Kukuk und die Nachtigal

Thaͤten ein Wett anſchlagen,

Zu ſingen um das Meiſterſtuͤck:

„Gewinn es Kunſt, gewinn es Gluͤck,

„Dank ſoll er davon tragen.“

Der Kukuk ſprach: So dirs gefaͤllt,

Ich hab zur Sach ein Richter waͤhlt,

2. Band. 3.
[34]
Und thaͤt den Eſel nennen,

Denn weil er hat zwey Ohren groß,

So kann er hoͤren deſto bas,

Und was recht iſt, erkennen.

Sie flogen vor den Richter bald,

Wie ihm die Sache ward erzaͤhlt,

Schuf er, ſie ſollten ſingen:

Die Nachtigal ſang lieblich aus,

Der Eſel ſprach, du machſt mirs kraus,

Ich kanns in Kopf nicht bringen.

Der Kukuk drauf anfing geſchwind

Kukuk! ſein Sang durch Terz, Quart, Quint

Und thaͤt die Noten brechen;

Er lacht auch drein nach ſeiner Art,

Dem Eſel gefiels, er ſagt, nun wart,

Ein Urtheil will ich ſprechen.

Wohl ſungen haſt du Nachtigal,

Aber Kukuk ſingſt gut Choral,

Und haͤltſt den Takt fein innen;

Das ſprech ich nach mein hohen Verſtand,

Und koſtets gleich ein ganzes Land,

So laß ich dichs gewinnen.

Vom Buchsbaum und vom Felbinger.


[Felbinger ſo viel als Buche.]


(Altes Blat. Strasburg bei Jakob Froͤlich.)


Nun wollt ihr hoͤren neue Maͤhr

Vom Buchsbaum und vom Felbinger,

[35]
Sie zogen mit einander uͤber Feld,

Und kriegten wider einander.

Der Buchsbaum ſprach: Bin ich ſo kuͤhn,

Ich bleibe Sommer und Winter gruͤn,

Das thuſt du leidiger Felbinger nit,

Du verlierſt dein beſte Zweige.

Felbinger wie gefaͤllt dir das?

Der Felbinger ſprach: Bin ich ſo fein,

Aus mir macht man die lange Zaͤun,

Wohl um das Korn und um den Wein,

Davon wir uns ernaͤhren.

Buchsbaum wie gefaͤllt dir das?

Der Buchsbaum ſprach: Bin ich ſo fein,

Aus mir macht man die Kraͤnzelein,

Mich traͤgt auch manch ſchoͤns Jungfraͤulein,

Mit Freuden zu dem Tanze.

Felbinger, wie gefaͤllt dir das?

Der Felbinger ſprach: Bin ich ſo fein,

Aus mir macht man die Muͤlterlein,

Mich traͤgt manch ſchoͤne Jungfraue

Dem Metzger unter die Baͤnke.

Buchsbaum wie gefaͤllt dir das?

Der Buchsbaum ſprach: Bin ich ſo fein,

Aus mir macht man die Loͤffelein,

Mit Silber und rothem Gold beſchlagen,

Thaͤt mich fuͤr die beſten tragen.

Felbinger wie gefaͤllt dir das?

[36]
Der Felbinger ſprach: Bin ich ſo fein,

Aus mir macht man die Faͤſſelein,

In mich thut man den beſten Wein,

Roth, Welſch und Malvaſier.

Buchsbaum wie gefaͤllt dir das?

Der Buchsbaum ſprach: Bin ich ſo fein,

Aus mir macht man die Becherlein,

Aus mir trinkt manch ſchoͤn Jungfraͤulein

Mit ihrem rothen Munde.

Felbinger wie gefaͤllt dir das?

Der Felbinger ſprach: Bin ich ſo fein,

Aus mir macht man die Saͤttelein,

Auf mir reit mancher gute Geſell,

Wohl durch den gruͤnen Walde.

Buchsbaum wie gefaͤllt dir das?

Der Buchsbaum ſprach: Bin ich ſo fein,

Aus mir macht man die Pfeiffelein,

Auf mir pfeift mancher gute Geſell,

Im Feld wohl in den Kriegen.

Felbinger wie gefaͤllt dir das?

Der Buchsbaum ſprach: Bin ich ſo drat,

Ich ſteh dort mitten in der Matt,

Und halt ob einem Bruͤnnlein kalt,

Daraus zwei Herzlieb trinken.

Buchsbaum wie gefaͤllt dir das:

Der Buchsbaum ſprach: Biſt du ſo gerecht,

So biſt du mein Herr, und ich dein Knecht,

[37]
Der Sach geb ich dir alles Recht,

Das Spiel haſt du gewonnen. —

Leſer, wie gefaͤllt dir das?

Vom Waſſer und vom Wein.


(Muͤndlich.)


Ich weiß mir ein Liedlein, huͤbſch und fein,

Wohl von dem Waſſer, wohl von dem Wein,

Der Wein kanns Waſſer nit leiden,

Sie wollen wohl alleweg ſtreiten.

Da ſprach der Wein: Bin ich ſo fein,

Man fuͤhrt mich in alle die Laͤnder hinein,

Man fuͤhrt mich vor's Wirth ſein Keller,

Und trinkt mich fuͤr Muskateller.

Da ſprach das Waſſer: Bin ich ſo fein,

Ich laufe in alle die Laͤnder hinein,

Ich laufe dem Muͤller ums Hauße,

Und treibe das Raͤdlein mit Brauße.

Da ſprach der Wein: Bin ich ſo fein,

Man ſchenkt mich in Glaͤſer und Becherlein,

Und trinkt mich fuͤr ſuͤß und fuͤr ſauer,

Der Herr als gleich, wie der Bauer.

Da ſprach das Waſſer: Bin ich ſo fein,

Man traͤgt mich in die Kuͤche hinein,

Man braucht mich die ganze Wochen,

Zum Waſchen, zum Backen, zum Kochen.

[38]
Da ſprach der Wein: Bin ich ſo fein,

Man traͤgt mich in die Schlacht hinein,

Zu Koͤnigen und auch Fuͤrſten,

Daß ſie nicht moͤgen verduͤrſten.

Da ſprach das Waſſer: Bin ich ſo fein,

Man braucht mich in den Badſtuͤblein,

Darin manch ſchoͤne Jungfraue

Sich badet kuͤhl und auch laue.

Da ſprach der Wein: Bin ich ſo fein,

Buͤrgermeiſter und Rath insgemein

Den Hut vor mir abnehmen,

Im Rathskeller zu Bremen.

Da ſprach das Waſſer: Bin ich ſo fein,

Man gießt mich in die Flamm hinein,

Mit Spritz und Eimer man rennet,

Daß Schloß und Haus nicht verbrennet.

Da ſprach der Wein: Bin ich ſo fein,

Man ſchenkt mich den Doktoren ein,

Wenns Lichtlein nit will leuchten,

Gehn ſie bei mir zur Beichte.

Da ſprach das Waſſer: Bin ich ſo fein,

Zu Nuͤrnberg auf dem Kunſtbruͤnnlein,

Spring ich mit feinen Liſten

Den Meerweiblein aus den Bruͤſten.

Da ſprach der Wein: Bin ich ſo fein,

Ich ſpring aus Marmorbruͤnnelein,

Wenn ſie den Kaiſer kroͤnen,

Zu Frankfurt wohl auf dem Roͤmer.

[39]
Da ſprach das Waſſer: Bin ich ſo fein,

Es gehn die Schiffe groß und klein

Sonn, Mond auf meiner Straßen,

Die Erd thu ich umfaſſen.

Da ſprach der Wein: Bin ich ſo fein,

Man traͤgt mich in die Kirch hinein,

Braucht mich zum heiligen Sakramente,

Dem Menſchen vor ſeinem Ende.

Da ſprach das Waſſer: Bin ich ſo fein,

Man traͤgt mich in die Kirch hinein,

Braucht mich zur heiligen Taufen,

Darf mich ums Geld nicht kaufen.

Da ſprach der Wein: Bin ich ſo fein,

Man pflanzt mich in die Gaͤrten hinein,

Da laß ich mich hacken und hauen,

Von Maͤnnern und ſchoͤnen Jungfrauen.

Da ſprach das Waſſer: Bin ich ſo fein,

Ich laufe dir uͤber die Wurzel hinein,

Waͤr ich nicht an dich geronnen,

Du haͤttſt nicht koͤnnen kommen.

Da ſprach der Wein: Und du haſt Recht,

Du biſt der Meiſter, ich bin der Knecht,

Das Recht will ich dir laſſen,

Geh du nur deiner Straßen.

Das Waſſer ſprach noch: Haͤttſt du micht nicht erkannt,

Du waͤrſt ſogleich an der Sonn verbrannt! —

Sie wollten noch laͤnger da ſtreiten, —

Da miſchte der Gaſtwirth die beiden.

[40]

Klagred des Gott Bachus, daß der Wein
edel worden iſt
. 1545.


Bachus.
Ich bin der Gott Bachus genannt,

Den guten Schluckern wohlbekannt,

Die dienten mir ein lange Zeit;

Die Fuͤrſten, Herrn und Edelleut,

Dazu Moͤnche und auch Pfaffen,

Haben mit mir viel zu ſchaffen.

Allweg hat man mit mir groß Freud,

Man brauchet mich auch gegen Leid.

Durch mich hat mancher viel gewagt,

So er ſonſt war ſo gar verzagt,

Ich thaͤts als frey mit Huͤlf und Rath,

Des Weines war da fruͤh und ſpat,

Man ſang, man ſprang, man rang dazu,

Durch mich hat man kein Raſt noch Ruh

Mit Geigen, Pfeifen, Saitenſpiel,

Kein Schimpf noch Scherz war mir zu viel.

Ich richt auch etwan zu Unrug,

Daß einer den andern weicher ſchlug;

Und aber jetzt, zu dieſer Friſt,

Ein ander Ruͤſtung worden iſt.

Seither der Wein iſt edel worden,

Will er nicht mehr in gemeinen Orden,

Geſellt ſich ſtets zu großen Herren,

Die allweg ohne Trauren zehren.

Vor Zeiten war man wohlgemuth,

Ob es ſchon allweg nicht war gut,

[25[41]]
Sollt einer von der Kirbin gahn,

Sollt ſich nicht vollgeſoffen han!

Und wenn der Bauer kam zu Markt,

So war ihr keiner alſo karg,

Er trank vorher ein Maͤßlein Wein,

Er kam oft heim beim Mondenſchein,

Und ſang, daß die lieb Haide lacht,

Er wenig an ſein Schuldner dacht.

Nun aber jetzt hats den Beſcheid,

Es iſt mir wahrlich ſelber leid;

Wie geht der Wein, lugt wie er prangt,

Als wie ein Bildniß an der Wand,

Und hat ein Knecht, der geht ihm nach,

Ich denk er thuts nur ums zur Schmach,

Er zeigt ſein Helm und auch ſein Schild,

Und aufs gemeine Volk nur ſchilt,

Er iſt ein Herr nun mit Gewalt,

Kein Mann iſt jetzund alſo alt,

Sonſt bracht er große Abentheuer,

Doch jetzo iſt er viel zu theuer,

Daß niemand ihn bezahlen kann,

Er iſt nicht fuͤr gemeinen Mann.

Der Wein.
Ich laß mir das nicht zweymal ſagen,

Ich will hier gut Geſellen fragen.

Wie ſitzt ihr alſo traurig hier,

Als waͤrs vor Tag und ſonſt noch fruͤh?

Ich will euch einen Kurzweil machen,

Daß ihr allſammt muͤſt druͤber lachen.

[42]
Beſtlinkarg.
Ach edler, feſter, theurer Wein,

Ich wollt gern mit euch froͤhlich ſeyn,

Doch mag die Koſten ich nicht tragen,

Beſerg, ich darf ſo was nicht wagen.

Jobſt Weingans.
Ach Beſtlin, wie biſt du ein Mann,

Ich leider nicht ein Pfenning han,

Haͤtt ich ſo vieles Geld wie du,

So waͤr bei mir kein Raſt noch Ruh.

Beſtlinkarg.
Ich ſpar es auf fuͤr'n alten Mann,

Das Saufen will ein Reichen han.

Jobſt Weingans.
Dein Lebtag haſt kein guten Tag,

Denn du biſt karg und haſt dein Klag,

Leih du mir Geld und ich will ſaufen,

Sollt morgen ich den Rock verkaufen.

Beſtlinkarg.
Zeug du nur hin, mach kein Geſicht,

Ich werd dir wahrlich leihen nicht.

Der arme Heinz.
Was zankt ihr hier, ihr loſen Leut,

Ihr wißt nicht um die Armuth beyd,

Ich bin ein alter, kranker Mann,

Mein Lebtag ich gearbeit han,

Und waͤr mir noth, daß ich jetzt haͤtt'

[43]
Ein Truͤnklein nur vorm Tode ſpaͤt,

Soll ich nun ein halb Maͤßlein trinken,

Es thut mir ſehr im Seckel ſinken,

Trink ich ein Achttheil nur der Maaß,

So machts mir kaum die Zunge naß.

Ich glaub, es ſey ein rechte Straf

Die Gott uͤber uns Menſchen ſchaff,

Es ſey doch Gott ewig geklagt,

Daß er uns mit der Theure plagt,

Wir han doch leider oft getrunken,

Daß wir ſind unter die Baͤnk geſunken,

Und wenn die Zech nun hat ein End,

So gieng es heim dicht an die Waͤnd,

Je einer dann des andern lacht,

Wie hab ich ihn ſo voll gemacht;

Jetzt macht der Wein ſich gar zu kraus,

Man ſaͤuft ihn nicht im Ganzen aus

Der Wein.
Ihr lieben Herrn, ihr fehlet weit,

Die Herren und die Edelleut,

Die ſaufen noch, als waͤrens wild,

Wenn ſchon das Maaß ein Gulden gilt,

Waͤrt ihr bei mir, in mancher Zech,

Ihr ſaͤht wie man mir recht zuſpraͤch.

Kriegsmann.
Sagſt recht davon, wers Geld nur haͤtt',

Haͤtt ich das Geld, ichs wagen thaͤt,

Ich hab jetzund daran gedacht,

Du haſt mich um viel Pfenning bracht,

[44]
Mir duͤnkt auch wohl, was du vorher

Geweſen biſt, der du jetzt her

Mit deinen Schilden praͤchtig gehſt,

In Silber und in Gold da ſtehſt,

Und prangſt mit dir, als ſeyſt ein Fuͤrſt,

Drum daß uns allweg nach dir duͤrſt.

Du weiſt noch wohl zu dieſer Friſt,

Wo du vorzeit geweſen biſt,

Du fielſt auch manchmal mit mir hin,

Man ſchuͤtt dich oft auch untern Tiſch,

Ich ſah auch oft, du machſt Unruh,

Daß man dich aufs Diuppen ſchlug,

Und werd ich dich wiederum treffen,

So werd ich dich zum Fenſter n'aus werfen.

Der Wein.
Wenn du mich haſt, ſo halt mich faſt,

Kein Geld zum Weine du mehr haſt,

Ich mag nicht hoͤren euer Klagen,

Ihr wißt euch gar nicht zu betragen,

Wer mich will haben, muß mich zahlen,

Nach allem meinem Wohlgefallen.

Gen Worms zieh ich auf den Reichstag,

Da ich ein große Loſung hab;

Bey Fuͤrſten und bey Edelleuten

Thut man mit Fingern auf mich deuten,

Man thut mich in ein Prachtgeſchirr,

Und zieht mich allenhalb herfuͤr.

[45]
Beſtlin Karg, Joſt Weingans,

der Kriegsmann.

Wie ſoll ich mich ernaͤhren,

Ich armes Bruderlein,

Ich hab nicht viel zu zehren,

Zu theuer iſt der Wein,

Es iſt mir ungewohnt,

Beym Wein hab ich gewohnt,

Den Abend und den Morgen,

Bis er iſt hoch belohnt.

Der Wein iſt worden Ritter,

Altadlich im Gebluͤt,

Ich habe nicht geſtritten,

Der Wein hat mich bemuͤht,

Nun ſieht er mich nicht an,

Und iſt ein vornehm Mann,

Den ich einſt jung getreten,

Und jetzt noch tragen kann.

So wollt ich gern ihm ſingen,

Doch hat mein Stimm kein Ton,

Ich kanns zu Stand nicht bringen,

Wenn ich den Wein ſo ſchon';

Ich kann nicht froͤhlig ſeyn,

Zu theuer iſt der Wein,

Muß ich denn Waſſer ſaufen,

So ſchlafe ich gleich ein.

Kein Kurzweil iſt beym Waſſer,

Das red ich offenbar,

Bezeugs mit jedem Praſſer,

[46]
Die zechen durch das Jahr,

Der Wein iſt mir zu theur,

Verſauf ich Haus und Scheur,

Es iſt allein mein Schaden,

Es giebt mir niemand Steur.

Hoffarht will Zwang haben.


(Muͤndlich.)


O du verdammtes Adelleben!

O du verdammter Fraͤuleinſtand!

Jetzt will ich mich der Lieb ergeben,

Der Adel bricht mein Liebesband:

Ach dacht ich oft bey mir ſo ſehr,

Ach wenn ich nur kein Fraͤulein waͤr.

Zu Morgens fruͤh, wenn ich aufſtehe,

Da putzet gleich mich die Mamſell,

Ach wenn ich in mein Schnuͤrleib ſehe,

Ich das Gefaͤngniß mir vorſtell. Ach dacht etc.

O du Gefaͤngniß meines Leibes!

Die Bruſt in goldnen Ketten liegt,

O haͤtt ich doch des Zeitvertreibes,

Wovon die Kammerjungfer ſpricht. Ach dacht etc.

Denn wenn ich in die Kirch thu fahren,

So huͤtet ſtreng mich die Mamſell,

Da ſeh ich die verliebten Paare,

Und jede Dirn, wies ihr gefaͤllt. Ach dacht etc.

[47]
Will ich mit ſchoͤnen Knaben reden,

Sie neigen ſich in Demuth gleich,

Und merkens nicht, wie gern ich jedem

Sogleich den Mund zum Kuͤſſen reich. Ach dacht etc.

Was ſchoͤne Spaͤſſe muß ich ſehen

Von Knecht und Magd auf offner Straß,

Doch muß ich gleich vom Fenſter gehen,

Wenn die Mamſell erblickt den Spaß. Ach dacht etc.

Drum will ich meinen Stand verwandeln,

Will eine Bauerdirne ſeyn,

Damit ich nicht modeſt muß wandern,

Und krank ins Fraͤuleinſtift hinein;

Bald denke ich nun gar nicht mehr,

Daß ich ein Fraͤulein war und waͤr.

Zierlichkeit des Schaͤferlebens.


(Fliegendes Blat.)


Nichts kann auf Erden

Verglichen werden

Der Schaͤfers Luſt,

Auf gruͤnen Heiden,

Verbluͤmten Weiden,

Giebts wahre Freuden,

Mir iſts bewuſt.

Bey kuͤhlen Bronnen,

Bey heiſſer Sonnen

Beſtrahlet ſeyn,

[48]
Ohn Furcht der Waffen

Im Gruͤnen ſchlafen,

Bey meinen Schafen

Iſt Freud allein.

Bald geh ich leyren,

Bald wieder feyren,

Durch tiefe Thal,

Dann muß ich ſpringen

Mich ganz ausſingen,

Thut wieder klingen

Der Echo Schall.

Ums Schaͤferleben

Soll man gern geben,

Ich weiß nicht was,

Ich tauſch mit keinem

Und ſchlaf bey meinen

Herzliebſten Schaͤfchen

Im gruͤnen Gras.

Des Schaͤfers Tageszeiten.


(Fliegendes Blat.)


Ach! wie ſanft ruh ich hie

Bei meinem Vieh!

Da ſchlaf ich ſuͤß im Moos,

Dem Gluͤcke in dem Schoos,

Ganz ſorgenlos.

Wenn ich die praͤchtigen Schloͤſſer beſchau

[49]
Sind ſie doch nur mir,

So zu ſagen ſchier

Ein kuͤhler Thau.

Kommt denn das Morgenroth,

So lob ich Gott.

Dann mit der Feldſchallmey

Ruf ich das Laͤmmerg'ſchrey

Ganz nah herbey;

Da iſt kein Seufzen, kein trauriger Ton;

Denn die Morgenſtund

Fuͤhret Gold im Mund,

Baut mir ein'n Thron.

Kommt dann die Mittagszeit,

Bin ich voll Freud;

Da grast das liebe Vieh,

Geiß, Laͤmmer, Schaaf und Kuͤh,

Auf gruͤner Haid.

Setz' mich in Schatten hin, eſſe mein Brod.

Bey meinem Hirtenſtab

Schwoͤr ich, daß ich hab

Niemals ein Noth.

Endlich ſeh ich von fern

Den Abendſtern;

Dort draus am Waſſerfall

Schlaget die Nachtigall,

Giebt Wiederhall.

Freyheit in Armuth giebt Reichthum und Sieg,

Allem Pomp und Pracht

Sag ich gute Nacht

Und bleib ein Hirt.

2. Band. 4.
[50]

Laß rauſchen Lieb, laß rauſchen.


(Muͤndlich.)


Ich hoͤrt ein Sichlein rauſchen,

Wohl rauſchen durch das Korn,

Ich hoͤrt ein Maͤgdlein klagen,

Sie haͤtt ihr Lieb verlorn.

Laß rauſchen Lieb, laß rauſchen,

Ich acht nicht, wie es geht,

Ich thaͤt mein Lieb vertauſchen

In Veilchen und im Klee.

Du haſt ein Maͤgdlein worben

In Veilchen und im Klee,

So ſteh ich hier alleine,

Thut meinem Herzen weh.

Ich hoͤr ein Hirſchlein rauſchen

Wohl rauſchen durch den Wald,

Ich hoͤr mein Lieb ſich klagen,

Die Lieb verrauſcht ſo bald.

Laß rauſchen, Lieb, laß rauſchen,

Ich weiß nicht, wie mir wird,

Die Baͤchlein immer rauſchen,

Und keines ſich verirrt.

Luftelement.


(Muͤndlich.)


O Luft, du edles Element,

Fuͤhr hin mein Liedlein behend,

[51]
Mit ſeinem Hirtenſchall,

Ueber Berg und uͤber Thal;

Klopf leiſe an das Thor,

An meiner Fillis Ohr.

Den Dienſt mit treuem Fleiß verricht,

Soll Luſt dich aufhalten nicht,

Laß unterweges ſtehn

Die klaren Bruͤnnlein ſchoͤn,

Die gruͤnen Baͤumelein

Mit ihren Blaͤtterlein.

Gefaͤhrtin ſoll dir Echo ſeyn,

Sie wiederholet ſo rein,

Damit du nichts vergiſt,

Sie wiederholt mit Liſt

Die Worte mein ſo rein;

Muſt bald zuruͤcke ſeyn.

Weh' ihr nur in die Aeugelein,

O lachende Flammelein

Vor eurem Pfeil und Strahl,

Die Sternlein fallen ins Thal,

Des Himmels runde Scheib

Vor Euch ſtill ſtehen bleibt.

O ſpielend helle Demantlein,

Viel leuchtender als Karfunkelſtein,

Der ſeidnen Haͤrlein Duft

Vermeide fromme Luft,

Es haͤlt dich ſonſt zuruͤck

Der goldnen Ketten Gluͤck.

[52]
O Luft ſchlag an ihr kaltes Herz,

Dann kehrſt du zuruͤck mit Schmerz!

O Furcht Schwermuͤthigkeit,

O Hoffnung Sicherheit!

O Luft du edles Element

Fuͤhr hin mein Liedlein behend.

Feuerelement.


(Muͤndlich.)


Er. Du kannſt mir glauben liebes Herz,

Geh dich am Bronnen friſchen,

Wenn heut die Stern am Himmel ſind

Komm ich zu dir mein ſchoͤnes Kind,

Da denkſt du nicht der Schmerzen

Im Herzen.

Sie. Geh hin und nimm ein kuͤhles Bad,

Thu dich im Thau erlaben,

Wenn Feuer und Stroh beyſammen ſind,

Den Schnee darzwiſchen treibt der Wind,

So muß es dennoch brennen,

Ja brennen.

1. Epiſtel.


(Aus Franken.)


Ich habe mein Herz in deines hinein geſchloſſen,

Darin liegen begraben

Drei guͤldene Buchſtaben,

[53]
Der erſte iſt von rothem Gold,

Daß ich dir bin von Herzen hold;

Der ander iſt von Edelſtein,

Ich wollt du waͤrſt die Liebſte mein;

Der dritt, der iſt von Sammet und Seiden,

Du ſollſt all andere meiden;

So wuͤnſch ich dir ein guͤldenes Schlafkaͤmmerlein,

Von Kriſtall ein Fenſterlein,

Von Sammet ein Bett,

Von Zimmer eine Thuͤr,

Von Naͤgelein ein Riegel dafuͤr,

Von Muskaten eine Schwell

Und mich zu deinem Schlafgeſell.

Dieſes wuͤnſch ich der Huͤbſchen und Feinen,

Der Zarten und Reinen,

Der Tugendreichen,

So nicht ihres gleichen,

Wir wollen Freund ſein

Bis in das Grab hinein.

Hiermit biſt du tauſendmal gekuͤßt auf deine Hand,

Das geb ich dir zum Unterpfand,

Ich ſchick dir ein Gruß von Sammet und von Gold,

Du biſt mir lieb und ich dir hold,

So werd ich hernach dir Freund doch bleiben,

So lange die Roſſe den Wagen thun treiben,

So lange der Main ſchwimmet durch den Rhein,

So lange werd ich der Freund doch ſein;

Geſchrieben im Jahr,

Da die Liebe Feuer war,

Ob ſchon die Augen gleich weit von einander

[54]
Ein Herz doch allzeit liebet das andre,

Den Namen will ich nicht nennen,

Wenn du mich liebſt, wirſt du mich wohl kennen.

2. Epiſtel.


Einen freundlichen Gruß,

Der in das Herze ſoll und muß;

Der Gruß liegt begraben,

Zwiſchen zwey goldenen Buchſtaben,

Der eine heiß: Eine Perle fein,

Ich kann nicht Herzallerliebſte ſtets bey dir ſeyn!

Der andre heiß: Sammet und Seiden,

Mein Schatz ſoll andre Junggeſellen meiden.

Ich habe einen heimlichen Bothen ausgeſandt,

Der dir und mir iſt wohlbekannt,

Das Taͤublein thu ich bitten

Mit tugendlichen Sitten,

Daß es ſoll mein Bothe ſeyn

Und ſagen zu der Liebſten mein;

Ich gruͤß ſie heimlich in der Still

Und trau den falſchen Zungen nicht viel,

Gruͤße nur ihr Muͤndlein roth und weiß,

Welches iſt gezieret mit ganzem Fleiß,

Gruͤße ſie durch grasgruͤnen Klee,

Nach ihr thut mir mein Herz ſo weh.

Ich wuͤnſche ihr ſoviel gute Tage und Augenblick,

Als ich des Nachts Sterne am Himmel erblick.

Ich wuͤnſche meiner Herzliebſten ein Haus

Mich zu ihr immer ein und aus,

[55]
Von Kriſtallen eine Thuͤr,

Und von Naͤgelein einen Riegel dafuͤr;

Von Sammet und Seiden ein Bett,

Das iſt ihr zarter Leib wohl werth.

Wir leben beide auf dieſer Erden,

Ach, daß ſie bald mein eigen moͤcht werden.

Eh ich meine Herzvielgeliebte wollt laſſen,

Eh ſollt mein Herz ein Pfeil durchſtoßen;

Eh ich meine Herzallerliebſte wollt meiden,

Eh ſollt mein Herz eine Saͤge durchſchneiden.

Es kann keiner ſeyn ſo behend,

Der von der Liebe koͤnnt ſchreiben ein End;

Sie iſt mein Morgen und Abendſtern,

Meine Augen ſehn ſie allezeit gern;

Ich ſitze beym Trinken oder Eſſen,

So kann ich meine Herzallerliebſte nicht vergeſſen;

Wenn ich ſie ſeh voll Freuden ſchweben,

So freuet ſich mein ganzes Leben.

Herzallerliebſte, ich laß nicht von dir ab,

Bis man mich traͤget ins kuͤhle Grab.

Herz in Herz geſchloſſen,

Pfeil in Pfeil geſtoßen,

Lieb in Lieb verpflicht,

Herzallerliebſte verlaß mich nicht;

Denn mein Herz iſt ein Diamant,

Dein und meine Liebe ſcheidet niemand.

Keine Roſe, keine Nelke kann bluͤhen ſo ſchoͤn,

Als wenn zwey verliebte Seele beyſammen thun ſtehn.

Keine Feuer, keine Kohle kann brennen ſo heiß,

Als zaͤrtliche Liebe von der niemand weiß.

Setz du mir einen Spiegel in Herze hinein,

[56]
Damit du kannſt ſchauen, wie treu ich es mein.

Nun Taͤubchen ſchwing die Fluͤgel,

Bring frohe Botſchaft wieder.

Babeli ſieht den Wald vor lauter Baͤume
nicht
.


(Muͤndlich.)


Schwarzbrauns Babeli,

Steh auf und laß mich 'nein,

Ich bin allein,

Und bring dir Wein,

Laß mich in die Kammer 'nein:

Schwarzbrauns Babeli,

Mit deinen ſchwarzen Auͤgeli,

Steh auf und laß mich 'nein.

's ſind unſer eins, 's ſind unſer zwey,

Bringen dir ein Oſterey,

Schwarzbrauns Babeli

Steh auf und laß uns 'nein;

's ſind unſer zwey, 's ſind unſer drey,

Babeli komm geſchwind herbey.

Schwarzbrauns Babeli,

Steh auf, und laß 'uns 'nein.

's ſind unſer drey, 's ſind unſer vier,

Kaufen dir gut Wein und Bier,

Schwarzbrauns Babeli

Steh auf und laß uns 'nein;

's ſind unſer vier, 's ſind unſer fuͤnf,

[57]
Kaufen dir ein Dutzend Struͤmpf.

Schwarzbrauns Babeli

Steh auf und laß uns 'nein.

's ſind unſer fuͤnf, 's ſind unſer ſechs,

Kaufen dir ein Kreuzersweck,

Schwarzbrauns Babeli

Steh auf und laß uns 'nein.

's ſind unſer ſechs, 's ſind unſer ſieben,

Welchen will das Babeli lieben?

Schwarzbrauns Babeli

Steh auf und laß uns 'nein.

's ſind unſer ſieben, 's ſind unſer acht,

Wuͤnſchen dir eine gute Nacht,

Schwarzbrauns Babeli

Steh auf und laß uns 'nein.

's ſind unſer acht, 's ſind unſer neun,

Welcher darf zum Babeli 'nein?

Schwarzbrauns Babeli

Steh auf und laß uns 'nein.

's ſind unſer neun, 's ſind unſer zehn,

Moͤchten gern das Babeli ſehn,

Schwarzbrauns Babeli

Steh auf und laß uns 'nein.

's ſind unſer zehn, 's ſind unſer eilf,

Liebes Babeli komm und helf.

Schwarzbrauns Babeli

Steh auf und laß uns 'nein

's ſind unſer eilf, 's ſind unſer zwoͤlf,

Iſt ein ganze Heerde Woͤlf,

[58]
Schwarzbrauns Babeli

Steh auf und laß uns 'nein.

Laß uns in die Kammer 'nein,

Bringen dir ein Kanne Wein.

Schwarzbrauns Babeli,

Steh auf und laß uns 'nein.

Aus der Zeit, wo die Schaͤfereyen uͤberhand
nahmen
.


(Muͤndlich.)


Schaͤfer. Mein Freund! Ein guter Freund,

Der hier verſpaͤtet weint,

Erbittet ſich zur Gnad

Hier eine Ruheſtadt,

Weil er von dieſem Ort

Nicht mehr kann reiſen fort.

Nachtwaͤchter. Wer ſeyd ihr?

Schaͤfer. Ich bin ein treuer Hirt,

Aus Liebe und Begierd,

Seht an mein Hirtenſtab,

Den ich in Haͤnden hab,

Damit weid ich die Heerd

Wies mich der Vater lehrt.

Nachtwaͤchter. Wen ſucht ihr?

Schaͤfer. Ich ſuch aus treuem Sinn

Die edle Schaͤferinn,

Die ſich von meiner Heerd,

[59]
So ſchnoͤd hinweggekehrt,

Und ſich in dieſer Stadt

Gewiß verloren hat.

Nachtwaͤchter. Wenn ihr ein Schaͤfer ſeyd, ſo ge-

hoͤrt ihr zu eurer Heerd, wie bald iſts

geſchehen, daß ein Wolf kommt und zer-

trennt die ganze Heerd.

Schaͤfer. Wenn ſchon die ganze Heerd

Von ihm zertrennet waͤr,

So waͤr es nicht ſo viel,

Als wenn ich ohne Ziel

Sollt ohne Schaͤfrin ſeyn,

Und nunmehr ganz allein.

Nachtwaͤchter. Ihr werdet ſchon eine andre finden,

Was braucht ihr der ſo nachzulaufen?

Iſt ſie ſo gewaltig ſchoͤn?

Schaͤfer. Sie iſt vortreflich ſchoͤn

Wie eine Goͤtterin,

Ihr Auge iſt wie Feur,

Das macht ſie mir ſo theur,

Die liebliche Geſtalt

Iſt wie man Venus mahlt.

Nachtwaͤchter. Von Venus mag ich gar nichts wiſ-

ſen, Korporal heraus und Burſche

ins Gewehr und fuͤhrt den Kerl ans Licht.

Schaͤfer. Gewalt geht ſtets vor Recht,

Mein Treu bezahlt man ſchlecht,

[60]
Ich ſuch die ganze Nacht,

Man fuͤhrt mich [auf] die Wacht,

Adje man fuͤhrt mich hin

O edle Schaͤferin.

Nachtwaͤchter. Licht her, Kerl was winkt er mir? —

Ach ihre Majeſtaͤt! Sie ſind es! — Gnade,

machen ſie einen treuen alten Diener nicht un-

gluͤcklich!

Schaͤfer. Ihr ſollt mirs nicht anſehn,

Ihr koͤnnt mirs nicht anſehn,

Ein Schaͤfer will ich ſeyn,

Ein Schaͤfer ganz allein,

Ihr ſeyd einfaͤltge Schaf,

Und ich erlaß die Straf.

Naturtrieb.


(Eingeſandt.)


Wie die goldnen Bienlein ſchweben

Auf der bunten Blumenfahrt,

Hundert tauſend Kuͤße geben

All den Kraͤutlein mancher Art,

So in meines Herzens Grunde

Treibt es mich, nach deinem Munde,

Speiß und Wein,

Kuͤß und Freude,

Mehrt die Pein,

Die ich leide,

[61]
Ohne dich, mein Leben!

Durch Umfangen

Stillt dein Mund

Mein Verlangen,

Bin ich wund,

Kannſt du mir Geſundheit geben.

Selbſtgefuͤhl.


(Fliegendes Blat.)


Ich weiß nicht, wie mirs iſt,

Ich bin nicht krank und bin nicht geſund.

Ich bin bleſſirt und hab keine Wund.

Ich weiß nicht, wie mirs iſt,

Ich thaͤt gern eſſen und geſchmeckt mir nichts,

Ich hab ein Geld und gilt mir nichts.

Ich weiß nicht, wie mirs iſt,

Ich hab ſogar kein Schnupftaback,

Und hab kein Kreutzer Geld im Sack.

Ich weiß nicht, wie mirs iſt,

Heirathen thaͤt ich auch ſchon gern,

Kann aber Kinderſchrein nicht hoͤrn.

Ich weiß nicht, wie mir iſt,

Ich hab erſt heut den Doktor gefragt,

Der hat mirs unters Geſicht geſagt.

Ich weiß wohl, was dir iſt,

Ein Narr biſt du gewiß;

Nun weiß ich wie mir iſt!

[62]

Dies iſt das alte deutſche Uebel
Und wers nicht hat
, der nehms nicht uͤbel.


Welcher Mann ein Henn hat die nicht Eyer legt.

Und ein Sau die nicht Junge traͤgt,

Und ein Kuh die nicht Milch giebt,

Und ein Tochter die all Nacht ausliegt,

Und ein Sohn der allzeit gern ſpielt,

Und ein Frau die ihm heimlich abſtiehlt,

Und ein Magd die da geht mit einem Kind,

Fuͤrwahr der hat ein unnuͤtz Hausgeſind.

Doch iſt noch eine ſchlimmre Qual,

Die trit die Leute an auf einmal,

Auf den hohen Roſſen die Reitersknaben,

Die koͤnnen ihr nicht leicht enttraben,

Die kommt von freundlicher Botſchaft ſchicken,

Brieflein ſchreiben, Augen blicken,

Muͤndlein kuͤſſen, Haͤndlein greifen,

Lauten ſpielen, Nachtes Pfeifen,

Unter dem Tiſch die Fuͤßlein treten,

Untern Baͤnken die Knielein kneten,

Darnach dann zuſammen rucken

Und in die heimlichen Winkel ſchmucken,

Die rothen Waͤnglein dreſchen,

Die ſchwarzen Hemdlein waͤſchen,

Silbern Kleinod ſchenken,

Mit den Augbroͤlein wenken,

Aus der Kirchen ſich verſtehlen,

Und in engen Gaſſen ſich verhehlen,

All Stunden verbey laufen,

Heut ſchlagen, morgen raufen.

[63]
Wer nun ein ſolches Uebel hat,

Der merk, wie es hernach ihm gaht,

Sein Schlaf wird ihm genommen gar,

So muß er laufen her und dar

Gleich wie ein wuͤtender Hund,

Und kann geruhn zu keiner Stund.

Wann er ſoll zu Tiſche ſitzen,

So wird er vor Aengſten ſchwitzen,

Hat manchen ſeltſamen Gedank,

Zeit und Weil wird ihm lang

Und thut nichts als Hoͤlzlein ſchnitzen,

Mit denſelben die Waͤnd zerkritzen,

Henkt unter ſich ſein Haupt,

Von ihm wird gar niemand erfreut.

Fuͤß rutſchen, Teller ſtupfen,

Hand-Zwehlen knuͤpfen

Und auch die Glaͤſer klenken,

Manchen tiefen Seufzer ſenken,

Mit Meſſern Brod klopfen,

Und die Finger ropfen,

Dazu auch uͤber ſich ſehen,

Treibt er viel, es muß geſchehen,

Die Augen wirft er hin und dar

Und jetzt wird er der Metze Narr.

Alte Schuld und Schaden raͤchen,

Niemand mehr freundlich geſprechen

Und Tiſchlacken ſchaben,

Solche Zeichen muß er an ſich haben.

Was ander Leut thun iſt ihm ſchwer,

Er iſt ein rechter groß Martrer,

Und liegt ſtetig in großem Weh.

[64]
Zu Nacht lauft er in den Schnee,

So er dann hoͤrt des Metzen Stimm,

Dann ſticht ihn erſt des Uebels Grimm,

Von Froſt und Regen leidet er viel,

Alſo treibt der Thor ſein Saitenſpiel

Wohl hin uͤber die Wachen ganz.

Am Sontag ſchenkt ihm die Metz ein Kranz,

Der iſt nicht einer halben Haſelnuß werth,

Den die Metz dem Narren gewehrt,

So er nun [den] Kranz auftreit,

So duͤnkt er ſich zehenmal ſo breit

Und lauft damit in alle Gaſſen,

Er duͤnkt ſich ſtolz ohn alle maaßen.

Was ihm die Metz heiſt, muß er thun,

So kann er ohne Krieg nicht ruhn.

Welcher ſich des Uebels will erwehren,

Der ſoll ſich zu guten Geſellen kehren,

Wo ſie ſitzen bey dem kuͤhlen Wein

Und ſoll die Metze ein Metze laſſen ſeyn,

Bis daß ſie ihm werd gegeben zu der Eh,

Ihm wird dennoch wahrlich wohl weh,

Wenn er ein Jahr zu Hauſe ſitzt bey ihr,

Er wollt daß ſie ein Reutlinger Ochs waͤr,

Er gaͤb ſie wieder um das halbe Hauptgut,

Alſo ſpricht Nicklas Wohlgemuth.

[65]

Alte Prophezeihung eines nahen Krieges,
der aber mit dem Fruͤhling endet.


(Badiſche Wochenſchrift 1806. S. 256.)


Es wird am Sankt Mattheus Tag

Die Sonne treten in die Wag',

Des ſey die Armuth recht beklagt;

Der Friede wird ihr abgeſagt,

Und auch darzu dem ganzen Land.

Der alte Feind iſt wohl bekannt,

Er zieht daher von Mitternacht,

Mit großer Heereskraft und Macht,

Quartier macht ihm ein wild Geſind,

Der kalte Regen der rauhe Wind,

Dann fluͤchte jeder in die Gruben

Kartoffeln, Kraut, gelb, weiße Ruben.

Mit Erd ſoll man die Reben decken,

Wenn Froſch und Muͤcken ſich verſtecken;

Wenn Kroͤt und Natter ſich verkrochen

Dann wird der wilde Feind anpochen.

Vor ihm wird Storch und Schwalbe fliehen,

Der tapfre Kranich weiter ziehen,

Sein Vortrab koͤmmt mit kalten Reifen,

Dann ſoll das Volk zur Ruͤſtung greifen,

Schnell Fenſter und auch Ofen flicken,

Die Stuben verſtreichen und verzwiken,

Die Thuͤr mit Tuch und Filz beſchlagen,

Die Federbetten herbei auch tragen,

Das Dach mit Stroh und Ziegel beſſern,

Kein Krebs mehr fangen in Gewaͤſſern,

Kein G'ſell und Bub ſoll bei Ungnaden

2. Band. 5.
[66]
Sich fuͤrder mehr im Fluſſe baden.

Den Luſtgaͤrtnern wird abgeſagt,

Barfus, Hemdaͤrmel wird verjagt,

Die Nankinghoſen ziehn ab zu Haufen,

Die leinen Kittel auch entlaufen,

Die Strohhuͤt ſind betruͤbt und trauren,

Und von den Doͤrfern knarrn die Bauren,

Auf Karren leis das Holz herzu;

Die Koͤhler halten auch kein Ruh,

Sie bringen große Wagen voll Kohlen.

Dann zieht der Feind ganz unverholen

Daher mit kaltſchneidender Luft,

Wald und Heck ſtehn ganz in Duft,

Ein Nacht ſchnell Wonn und Freud zerſtoͤrt.

Nun endlich wird das Volk empoͤrt,

Das Vieh fluͤchten ſie in die Staͤll,

Das Volk ſich alſo wapnet ſchnell

In Pelz, Rauchmuͤtzen und Filzſoken,

Pelzſchu, Handſchu recht unerſchrocken,

Auch zieht es mit großem Heer

Dem Winter zu thun Gegenwehr.

Zaͤhnklappern, Zittern geht da los,

Huſch Huͤſch, iſt ein Geſchreie groß,

In weiß Montur kleidt ſich der Nachen,

In blau die Maͤuler, in roth die Naſen.

Der Feind wirft einen großen Schnee,

Sein Bruͤcken ſchimmert auf Fluß und See,

Er ſtickt die Fiſch boshafter weis;

Da haun wir Loͤcher in das Eis.

Der Feind bringt Schollen und Waſſerguͤß,

Schwellt an mit Eiſes Fluth die Fluͤß,

[67]
Thut ſich die Schiffahrt gar verbitten,

Dann raſſeln wir einher auf Schlitten,

Mit Froſt wird er das Muͤhlwerk ſtellen,

Aber der Muͤller wird ihn bald prellen,

Mit Feuerhacken, und auch Schlegeln,

Wird er ihn ſich vom Leibe flegeln,

Gießt Waſſer heiß ihm auf den Pelz,

Bis wieder ſich ſein Rad umwaͤlz.

Nachdem er ihm den Tag abbrach,

Daß man kaum acht Stund mehr ſah,

Steckt an das Volk Talglicht und Schleißen,

Den finſtern Winter wegzuſchweißen:

Und das wir all nicht gar erfrieren

Wirds gehn ans Heizen und Feuerſchuͤren,

Die Kohlpfann muß recht ſcharf heran,

Sich wehre tapfer jedermann.

Gar leicht manch Pelz, manch Rock verbrennt,

Manch Mann erfriert ſich Fuß und Haͤnd;

Der Feind wird thun gar großen Zwang,

Als aber die Schlacht waͤhret lang

Giebt ſich das froſtig Heer zur Flucht,

Jeder ein warme Stube ſucht.

Viel wollen gar in Ofen kriechen,

Andre draus nach Beut herumriechen,

Fuͤr Beute iſt ihnen zugeſchworen

Ein feuchte Nas, zwei rothe Ohren,

Hat nun der Feind ganz Oberhand

Und gaͤnzlich unter ſich das Land

Gewaltiglich in aller Graͤnze,

Schreibt bald das Volk um Huͤlf dem Lenze,

Daß er komm ſchnell in kurzen Tagen,

[68]
Und helf den Winter weiter jagen.

Da wird der Lenz bald naͤher gehn,

Wird laſſen warme Luͤftlein wehen,

Da wird der Winter werden ſchwach,

Mit Schnee und Froſt auch laſſen nach.

Der Fried kommt aus der Erde geſchoſſen

Auf Baͤumen und auf Buͤſchen ſproßen,

Frech werden ſchaun die gruͤnen Roͤslein,

Mit aufdringenden gruͤnen Graͤßlein.

Noch wird der Winter nicht gar fliehn,

Wirds Land mit Froſt noch uͤberziehn,

Und boͤslich nochmals uͤberſchreien:

Dann bringt der Lenz zur Hilf den Mayen,

Mit ſeinen linden warmen Luͤften,

Jetzt Wald, Berg, Thal erſt recht erkluͤften,

Den Winter werdens von ſich ſchuͤtten,

Die Baͤum und Hecken ſtehn in Bluͤthen,

Durch Bluͤmlein werden auf den Wieſen,

Die Maienregen ſich ergieſſen,

Es wird ganz gruͤn in Graß und Laub,

Da wird der Winter matt und taub

Nehmen uͤberwunden die Flucht.

Sein Nachtrab uns noch boͤs heimſucht,

Mit Ungewitter und kalten Reifen,

Wohl gar des Maien Bluͤth angreifen.

Dann ſcheint und ſchlaͤgt in Siegeswonne,

Mit blankem Schwerdesſtrahl die Sonne,

Und dann iſt gar der Feind verjagt,

Der Vieh und Leut haͤtt lang geplagt,

Doch wird er drohn mit hartem Brummen,

Er woll aufs Jahr ſchon wieder kummen.

[69]
Darum ſo ſeht euch alle vor,

Weil offen ſteht dem Feind das Thor

Und ſammelt alle Nothdurft ein,

Der Winter dringet ſchon herein,

Daß jeder ſich des Feinds erwehr

Geh er zur Ameis in die Lehr,

Sie ſammlet ein und leget hinter,

Daß ſie zu zehren hab im Winter.

Fruͤhlingserwartung.


(Muͤndlich.)


Schlagt ihr muntern Nachtigallen,

Laßt den hellen, reinen Ton,

Durch die dichten Straͤucher fallen,

Seyd gebeten ſinget ſchon:

Und ihr Schach Schimel und Hirſch

Und Eſra Saul und Muͤrſch,

Pincus, Moſes, Meyer

Koͤmmt zu dieſer Feyer,

Heut muß Fruͤhling ſeyn.

Klingts nicht wie neu Gold dies Singen,

Ach ſo ſuͤſſe kann wohl kaum

Aaronis Leibrock klingen

Mit den Cimbeln an dem Saum:

Und ihr Schach, Schimel und Hirſch

Und Eſra, Saul und Muͤrſch

Macht kein Streit und Haͤndel,

Bindt die Schuh mit Baͤndel,

Heut muß Fruͤhling ſeyn.

[70]

Der Schmiedegeſellen Gruß.


(Fliegendes Blat.)


Frage.
Gruͤß dich Gott mein Schmidt!

Antwort.
Dank dir Gott mein Schmidt!

Frage.
Mein Schmidt, wo ſtreichſt du her?

Daß deine Schuhe ſo ſtaubig,

Dein Haar ſo krauſig, dein Bart auf beiden Backen herausfaͤhrt

Wie ein zweiſchneidig Schlachtſchwerdt.

Du haſt eine feine meiſterliche Art,

Einen feinen meiſterlichen Bart,

Eine feine meiſterliche Geſtalt,

Du biſt weder zu jung noch zu alt.

Mein Schmidt biſt du Meiſter geweſen,

Oder denkſt du noch mit der Zeit Meiſter zu werden?

Antwort.
Mein Schmidt, ich ſtreich daher uͤbers Land,

Wie der Krebs uͤbern Sand,

Wie der Fiſch uͤbers Meer,

Daß ich mich junger Hufſchmidt auch ernaͤhr.

Mein Schmidt ich bin nicht Meiſter geweſen,

Ich denk aber mit der Zeit noch Meiſter zu werden,

Iſt es gleich nicht hier,

So iſt es anderswo ſchier,

Wenn es gleich iſt eine Meile von dem Ring,

Da der Hund uͤber Zaun ſpringt,

Da iſt auch gut Meiſter zu werden.

[71]
Frage.
Mein Schmidt, wie thuſt du dich nennen,

Wenn du hier und anderswo auf der Geſellen Herberge

kommſt,

Die Geſellen Lade offen ſteht,

Buͤchſe, Briefe, Siegel, Geld und Gut drinnen

Und drauſſen herum liegen, guͤnſtige Meiſter und Geſellen,

Jung und alt um den Tiſch herum ſitzen, und halten eine

feine ſtille Umfrage,

Gleich wie jetzt und allhier geſchiehet?

Antwort.
Mein Schmidt, ich thu mich nennen,

Ferdinand Silbernagel, das ehrliche Blut,

Dem Eſſen und Trinken wohl thut,

Eſſen und Trinken hat mich ernaͤhrt,

Daruͤber hab ich manchen ſchoͤnen Pfenning verzehrt,

All mein Vaters Gut,

Bis auf einen alten Filzhut,

Der liegt in der Koͤniglichen See- und Handlungs-Stadt

Danzig,

Unter des Herrn Vaters Dach;

Wenn ich aber voruͤbergeh,

So muß ich ſeiner lachen,

Er iſt mir weder zu gut noch zu boͤs,

Daß ich ihn nicht mag loͤſen, mein Schmidt wilſt du ihn loͤſen,

So will ich dir auch 3 Heller zur Beiſteuer ſchenken.

Frage.
Mein Schmidt, bedanke mich deines alten Filzhuts,

Ich habe ſelbſt einen der iſt nicht gut.

[72]
Aber Ferdinand Silbernagel iſt wohl ein feiner Name,

Er iſt wohl 100 Reichsthaler mehr als ein fauler Apfel

einen Pfenning werth,

Denſelben nimmt man und wirft ihn zum Fenſter hinaus,

Da kommt wohl ein grober, toller, voller Bauer mit ſei-

nen großen Hanrey Stefeln

Und bricht wohl 99 mahl den Hals daruͤber,

Und ſpricht nicht einmal ho ho!

Aber dich und deinen ehrlichen Namen wollen wir hier

behalten,

Er iſt auch wohl behaltens werth.

Mein Schmidt, wo haſt du ihn bekommen?

Haſt du ihn erſungen oder haſt du ihn erſprungen,

Oder haſt du ihn bey ſchoͤnen Jungfern bekommen?

Antwort.
Mein Schmidt, ich konte wohl ſingen,

Ich konte wohl ſpringen,

Ich konte wohl mit ſchoͤnen Jungfern umgehen, das alles

wollte nichts helfen,

Ich muſte meinen ehrlichen Namen um ein frei Wochlohn

kaufen,

Das Wochlohn wollte nicht recken,

Ich muſte die Mutterpfennige und das Trinkgeld auch

drein ſtecken.

Frage.
Mein Schmidt, in welcher Stadt oder Markflecken

Sind dir ſolch edle Wohlthaten wiederfahren?

[73]
Antwort.
Mein Schmidt, in der Koͤniglichen See- und Handlungs-

Stadt Danzig,

Da man mehr Gerſten zu Bier maͤlzt,

Als man Silber und Gold ſchmelzt.

Frage.
Mein Schmidt, kanſt du mir nicht zwei oder drei nennen,

Damit ich dich und deinen ehrlichen Namen moͤg erkennen?

Antwort.
Mein Schmidt, ich kan ſie dir wohl nennen,

Wenn du ſie nur thaͤteſt erkennen;

Es iſt da bey geweſen Gotthelf Springinsfeld, Andreas

Silbernagel, Gottlob Trifteiſen,

Mit dieſen dreien kan ichs bezeugen und beweiſen

Und iſt es dir nicht genug,

So bin Ferdinand Silbernagel der vierte

Und andere gute Geſellen mehr,

Die ich nicht alle herzaͤhlen kann.

Frage.
Mein Schmidt, war es dir nicht leid,

Daß es deren ſo viel waren?

Antwort.
Mein Schmidt es war mir nicht leid,

Daß es ihrer ſo viel waren,

Es war mir leid,

Das du und deine gute Neben-Geſellen nicht auch dabei

waren,

[74]
Daß die Stube oben ſo voll wie unten, und unten ſo

voll wie oben,

Und haͤtten einander zum Fenſter hinaus getrunken,

Und zum Kachelofen wieder herein,

Der Kopf haͤtte doch allezeit der vorderſte muſt ſein.

Frage.
Mein Schmidt, was waͤre dir mit meinem Kopfſchaden

gedient geweſen?

Waͤre es nicht beſſer geweſen,

Wir waͤren geweſen zu Koͤlln am Rhein,

Und haͤtten einander zugetrunken 24 Kannen Bier oder

Wein.

Indeſſen ſcheid ich von dir, und du von mir,

Und ich werde dich hinfort nicht fragen mehr.

Die Schmiede.


1600-1650.


Wenn jetzt die Schmieder zuſammen geloffen

Und angefangen, das Eiſen zu klopfen,

Kein ſolcher Geſang koͤmmt auf die Bahn

Wie dieſe Burſche heben an.

Mit Streichen im Dutzend einander ſie trutzen,

Keiner der lezte will ſein.

Sie ſchlagen eins Schlagens und thuen den zwagen,

Der leiſer ſchlaͤgt darein.

Mannichfaltig, geſtaltig, gewaltig

Die Haͤmmer hoch fliegen, das Eiſen zu biegen,

Die Zangen erlangen und fangen die Stangen,

[75]
Und werfens in die Kohlen, daß klinget, wiederſpringet,

In Mitten der Hitzen, daß glitzet widerſpritzet, —

Und alſo das Eiſen tauglich wird.

Weil nun die Haͤmmer auf dem Amboß rum ſpringen,

Die Blasbaͤlge dort in dem Ofen auch ſingen,

Und blaͤßt der Knecht, ſo lang er kann,

Bis daß die Kohlen recht angahn.

Inzwiſchen erfriſchen ſich wieder die Schmieder,

Da hebet das Schnaufen erſt an.

Sie reiſſen das Eiſen vom Heißen und ſchmeißen

Es auf den Ambos hinan,

Und laufen im Haufen mit Schnaufen,

Und ſchmieden eines Schmiedens zuſammen, mit Nahmen

Vulkanus, Pyramus, Joſt Cleußle, Thomas Faͤußle,

Dies wellen die Geſellen nit laſſen, dermaßen

Bis alles erbidmet in Mitten der Schmieden, —

Auch leztlich das Eiſen ſich ergiebt.

Nachdem nun das Eiſen genugſam gelitten,

Koͤmmt Wagner Franz vor die Schmiede geritten,

Er bringt mit ſich der Raͤder drey:

„Die muͤſſen flugs beſchlagen ſein!“

Giebt wieder ein Rummel, Gemummel und Tummel,

Doch mit Beſcheidenheit,

Denn reine und kleine, gar feine, ſubteile

Sind Haͤmmerlein da bereit,

Die faſſen ſie, ſpaſſen und laſſen dermaßen

Die Haͤmmerlein tanzen dem Franzen das ganze

Rad uͤber und uͤber, als gaͤlt es viel Stuͤber,

Und waͤhret das Springen, das Klingen und Singen

[76]
Bis daß ſie dem Waͤgner, beſchlagen die Raͤder —

Laß dies ein luſtiges Handwerk ſein.

Bald wieder die Schmieder zum Ambos hin ſtunden,

Es waren drei ruͤſtige kohlſchwarze Kunden,

Ein Kontrapunkt ſie ſingen an,

Kein Kantor es wohl beſſer kann.

Wohl Hammer um Hammer fiel wieder hernieder,

Gab ihnen den Takt darzu,

Sie ſchwangen mit Zangen und wandten die Stangen,

Es iſt doch nimmer genug.

Beſſer auffen Miſthaufen ihr Schnaufer, ihr Sauffer!

Die Haͤmmer thut ſchwingen, die Klingen muß ſpringen,

Thut wacker drauf klopfen, ihr Blocken, ihr Tropfen,

Noch hoͤher thut zuͤcken, den Ruͤcken fein buͤcken,

Jezt gehts ſchon viel raͤſcher, hui Freſſer wie Dreſcher, —

Laßt nach, die Stange iſt wohl gemacht.

Der Meiſter nun brachte drei andere Stumpen. —

Wohlan! nun zucket ihr Hudler und Lumpen!

Da habt ihr gar geringe Wahr,

Schlagt drauf der lezte bei 'nem Haar!

Drei Knappen wie Rappen im Schlagen diltappen,

Sie ſchlugen von oben herein.

Thut die Lenden ſchnell wenden, ſeit behend mit den Haͤnden,

Potz Dampf es muß nur ſo ſein.

Thut beſſer zu halten, ſonſt wird es erkalten,

Hui Strobel, mein Zobel ruͤck beſſer zum Hobel,

Hui Schlegel, ſchieb Kegel, ſpann d'Segel, netz 'n Flegel,

Ruͤck beſſer zum Ambos, Melampus, Schlampampus,

Merkt auf ihr Sautrigel, ihr holzrichte Pruͤgel! —

Ab, ab, hui Buben, alsgemach, ſchlagt ab!

[77]
Nun brachte der Meiſter voll Bier eine Buͤtſchen,

Sieh, wie die Bachanten, daruͤber her wuͤtſchen,

Und wie es zugieng bei dem Trunk.

Der ein zum andern ſprach: Du Funk!

Es gilt Flegel, gſegns Gott Schlegel, Proſt Luder, hui Bruder,

Druͤcks aus, laß nichts darin,

Na Schlaͤmvel, Haustraͤmpel, gieb rummer die Blaͤmpel,

Es gilt jezt eins im Ring.

Giebs weiter, Hochzeiter, Freibeuter, Bernhaͤuter,

Was machſt lang ein Geruͤmpel, du Simpel, du Simpel,

Thu die Gurgel aufſpannen, wie ein Wannen, Mußpfannen,

Fein ritterlich trinken, laß die Lanzen nit ſinken,

Die Augen zu drucken, mit vollem Hals ſchlucken,

Laß mir dies hurtige Bantſcher ſein!

Sie trankens wohl leer aus, wohl rein auf den Nagel,

Da brachte der Meiſter ein anderen Hagel;

Hui Buben ſtellt euch wieder ein,

Packt hurtig an es, es muß nur ſein,

Potz Velti zum ſchmeißen, wie oft muß ichs heißen,

Wie lang muß ich da ſtehn,

Schlagt alle zußammen, 's wird keiner erlahmen,

Jezt wirds erſt recht angehn.

Halt tapfer zu Drieſſel, Schwarzfuͤßel, Saurießel,

Sonſt ſoll euch Diebskragen der Hammerſtiel zwagen,

Daß euch moͤcht die Laugen uͤbertreiben die Augen,

Schmeißt, daß es erklinget, vom Ambos aufſpringet,

Daß die Funken vor Hitzen mit Glitzen aufſpritzen,

Her auf die Seiten, rum beſſer, wend her.

In dem es nun voͤllig erklingt in der Schmiede

Koͤmmt eilend ein Gaſt durch die Straſſe geritten,

[78]
Ein Rittersmann bekleidet ſtolz,

Viel ſchneller als ein Federbolz!

Er rennet und ſprenget, et hottet, fort trottet,

Gar geſchwind als wie der Wind:

Holla, Hoſta, alla Poſta, del queſta, la koſa,

Sa ſa ſa, Trarara.

Faule Haͤuter, ſchrie der Reiter, wo ſeid ihr, muß weiter,

Mit Spornen drein ſtechend, dem Klepper zuſprechend,

Weil die Rippen nit krachen, laͤßt ſich nicht irr machen.

Der Schmiede zukeſſelt, den Schecken anfeſſelt,

Wie wohl er ſich ſperret, die Augen verzerret. —

Zulezt der Gaul das Maul doch henkt.

Drauf tritt er heran vor die Schmiede Hoͤllen:

Kommt rauſſer, ihr Mauſſer, ihr roſtige Geſellen,

Und ſchaut doch meinem Klepper zu,

Er trabet wie des Muͤllers Kuh,

Flugs Naͤgel, Schwartvoͤgel, Zang, Zwikl und Schlegel.

Helft ſchnelle meim hinkenden Gaul,

Es ſoll euch nicht reuen, will ſchicken zum Braͤuer

Um Bier, ſeid nur nicht faul!

Die drei Noren, wie Mohren, ſchwarz hinten und vornen

Solch Rede erfriſchet, ein jeder 's Maul wuͤſchet,

Waren lauter Courage, Pourage, Bomperfage.

Wohl hinten ſie guckten, den Rukken tief buckten,

Und ſchauten dem Schimmel, zu innerſt in Himmel; —

Wohl hinten mein Schimmel heb auf.

Der Schimmel thut munter den Hinterfuß heben,

Dem Strobel Baslesmanes vor die Goſchen zu geben,

Daß er wohl dreimal tumlet rum,

Und zog ein Maul ſo ziemlich krum,

[79]
Den Schimmel anſchielet und grillet und billet,

Als thaͤt ihm ſein Maͤulchen ſehr weh.

Sie lachten, daß ſie krachten, viel Poſſen erſt machten,

O he mein Bleſſel jezt ſteh!

Sa, Sa, Sa mein Schimmel mach nicht viel Getuͤmmel,

Mußt hinten fein eben dem Strobel aufheben,

Hui Strobel, du Freſſer, greif zu dem Hufmeſſer,

Nimm Naͤgel und Zangen du rußige Stangen,

Greif zu dem Hufeiſen, es wird dich nicht beißen; —

Steh ſtill mein hinkender Bleſſel ſteh!

Mein Strobel tritt wieder wohl hinter die Gurren,

Die hebet wohl an mit dem Magen zu murren,

Dem Strobel zu Ehren ein Muſik bracht,

Des wird von andern er verlacht.

Was gaffts lang ihr Luͤmmel, disputirt mit dem Schimmel,

Helft heben den ſchaͤbichten Gaul,

Keine bratene Tauben, koͤnnt keklich mirs glauben

Euch fliegen wird hier in das Maul!

Knollfinken, potz Himmel, halt beſſer den Schimmel,

Um die Buͤtſche voll Hopfen thut klopfen ihr Tropfen!

Um die Wekken darneben, die der Ritter wird geben,

Thut nieten und feilen, thut waker drauf eilen,

Das Eiſen auftragen, das Roß wohl beſchlagen; —

's iſt recht mein Schimmel! ſezt nieder, ſteh!

Drauf kam ein gut Bauer vor die Schmiede geritten

Und thaͤt des Schmieds Joͤrgen herzinniglich bitten:

O Molle huͤbſche Stiefelein

Mach meinem Rolle an die vier Bein,

Von Stahel und Eiſen mit Riemen zum greifen

Auf die allergeſchmeidigſte Sitt,

[80]
Mit Rahmen gedoppelt, daß er nicht ſtollhoppelt,

Auch um den mindeſten Tritt,

Allamodiſch, Heroiſch, Sklavoniſch, Saphoiiſch,

Mit braunen Galaunen, mit Knoͤpfen wie Pflaumen

Von haͤnfener Seiden, kohlſchwarz wie ein Kreiden,

Korteſiſche Stoͤtzlein, Maltheſiſche Pantoͤfflein.

Haſengaͤrniſch geſchnuͤret, Palermiſch ſtafieret,

Noch Geld, noch Kunſt laß dauern dich!

Schmied Jodel ſprach zu ihm: Mein Tolle, mein Knolle,

Vier Stiefelein will ich nun machen deim Rolle.

O Tilli Matelle miß ihm Hoſen an,

Und Ueberſchlaͤglein daran

Von ſtuͤrtzenem Luͤndiſch, das ziert ihn ausbuͤndiſch,

Troz einem Edelmann

Mit Knoͤpfen und Borten, mailaͤndiſcher Sorten,

So ſchoͤn mans finden kann.

Das Wammes von Falten zu Falten geſpalten

Um die Lenden geputzet, aufgemutzet, geſtutzet.

Mit ſtrohernen Rinken zur Rechten und Linken

Von Oben und Unten recht zimpferlich gebunden,

Zippergekiſche Taͤtzlein, vier Blaͤtzlein vors Laͤtzlein;

Das laß mir einen tollen Rolle ſein.

Fritz Knolle ſprach da wohl mit Lachen zur Sachen:

Mein Schmid fang nur tapfer an Hoſen zu machen,

Ein bomeſinenes Maͤntelein,

Miß gleich zum Wammes obendrein,

Mach Wammes und Hoſen nach Art der Franzoſen,

Einen tuͤrkiſchen Bund auch darzu,

Mach Feder und Boſchen ſollt es mich gleich koſten

Meine alleruraͤlteſte Kuh,

[81]
Mach Maſchen, Kamaſchen, zwo Flaſchen, drei Taſchen,

Papierene Kraͤgen fuͤr Wind und fuͤr Regen,

Acht krumme Duſecken nach Art der Polaͤken,

Viſigungiſche Spoͤrlein, an die Oehrlein zwei Perlein,

Zwen Spanner und Buͤxen von Brixen und Grixen; —

O Rolle, wie koͤnnteſt du toller ſein!

Schmidt Jodel ſprach da zum Bauren mit Lauren:

O Bauer kein Arbeit ſoll warlich mich dauern,

Mein Kunſt paſſiert, wird ſie geſchmiert,

Den Riemen zieh, den Sackel aufſchnuͤrt,

Neunzehen Duplonen fuͤr die Hoſen muſt du lohnen,

Dem Schmiedeknecht eine Zechin,

Fuͤr Stiefel und Sporn acht Scheffel gut Korn,

Der Magd eine Juppe zu Gewinn,

Fuͤr Boſchen ein Groſchen, gute Sorten fuͤr Borten,

Fuͤr Knoͤpf und fuͤr Stoͤklein vier ſchweinerne Boͤcklein,

Fuͤr Mantel und Wammes, ein Wilds und ein Zahmes,

Kamaſchen und Klappen, neun Dicken drei Rappen,

Zipfel, Aermlein und Tatzen, fuͤnf Piaſter neun Batzen;

Kein Pfenning ich minder nehmen kan.

Da moͤcht dem Fritz Knoͤlle vor Freuden und Lachen

Schier gar naͤchſt das zarte Herzbaͤndelein krachen,

Und ſprach: Ein guten Muth dir hab!

Ich zieh' kein halben Heller ab,

Nimm' deine Duplonen, doch muſt' dich nicht ſchonen

Staffier nur meinen Rolle aus,

Mit Stiefel und Kappen verſieh mir den Rappen,

Ich geh auch nicht zuvor nach Haus,

Mit Hutzlen und Bohnen, will ich dich belohnen,

Mit Haber und Weitzen, zwoͤlf Klafter zum Heitzen,

2. Band. 6.
[82]
Fuͤnf Wagen voll Kohlen, kannſt auch bei mir holen,

Teichmiſpeln und Biren will ich dir zufuͤhren,

Mit Kaͤſe und Ankhen gar hoͤflich abdanken,

Dem Buben ein Saufell werden ſoll.

Taille douce eines ſuͤßen Herrn in bittrer
Manier von 1650
.


Hoͤrt zu, ein neuer Pantalon iſt auf dem Markt an-

kommen,

Den Charletan jagt er davon, hat ſelbſt den Platz ge-

nommen,

Der ſeltſam Kund in einer Stund wird tauſend Poſſen

reißen,

Biſt du ein Mann, trutz ſchau ihn an und's Lachen thu'

verbeißen.

Was iſt das fuͤr ein Strobelhaar, ſind's Igel oder

Ratzen?

Vielleicht nur einmal in dem Jahr thu'n kaͤmmen ihn die

Katzen.

Sein Haar iſt g'wiß ein Storchenneſt, krumm hin und

wieder bogen,

Er hat ein Schopf wie ein Wiedhopf, viel Volks darein

erzogen.

Am linken Ohr haͤngt ihm herab ein a la Mode Zot-

ten,

Den darf er gar nicht ſtutzen ab, bey Leibſtraf iſts ver-

boten,

[83]
Duͤnkt ihm ſehr toll, wie ihm die Woll herumſchwebt vor

den Augen,

Iſt lang und dick, fuͤr einen Strick thu't es dem Henker

taugen.

Bald flicht er ihn wie einen Zopf, thut ihn zuſammen-

drehen,

Laͤſt rauſſer ſchaun ein'n kleinen Schopf, damit man ihn

thut kennen,

Er bindt darein ein Neſtel ein, das er bey'm Kraͤmer

funden,

Ein Dama nennt, die ihn nit kennt; ſagt, hab's ihm

eingebunden.

Der Huth iſt voller Federbuͤſch, als ob er wollte flie-

gen,

Er gaͤb ein'n guten Flederwiſch, damit man kehrt die

Stiegen,

Er macht's mit Fleiß hell gelb halb weiß fein ſcheckigt wie

die Narren,

Er ſchmieget ſich ſchoͤn, und fliegt davon, will hier nicht

laͤnger harren.

Der Bart iſt ſpitzig uͤberaus, krum hin und her gezo-

gen,

Mich daͤucht es ſey ein Fledermauß ihm fuͤr das Maul

geflogen,

Mich duͤnkt wie daß ihm bey der Nas die Fluͤgel ſie

ausbreite.

Ein ſchoͤne Art von Ratzenbart, thu't Noth, daß man ihn

ſchneide.

[84]
Das Streichen waͤhrt den ganzen Tag und ſonderlich am

Morgen

Bis er ſich ſchickt, macht ihm viel Plag, und wunder-

große Sorgen,

Muß ſpitzig ſeyn, ein Naͤdelein koͤnnt man damit ein-

foͤdel'n,

Es hat kein End, all beyde Haͤnd haben daran zu

knoͤdel'n.

Ein Leilach, wenn's erklecken kann, braucht er fuͤr einen

Kragen,

Ein Haſengarn haͤngt unten dran, Zahmwildprett drinn

zu jagen,

Er dient ihm ſtatt als Fazolett, das Maul thut er dran

putzen,

Staͤrkt ihn mit Schmutz, der Hudelbutz, mit Falten thut

er ſtutzen.

Um ſeinen Hals traͤgt er zumal ein breite rothe Bin-

den,

Damit ihn kein Catharr befall, er koͤnnt ſonſt nicht mehr

ſchlingen,

Das Haͤlsle das iſt weiß und rein; es moͤchts die Sonn

verbrennen,

Der loſe Tropf verdeckt den Kropf, man moͤg't den Schelm

ſonſt kennen.

Zu dem Reitmantel, den er traͤgt, kaum zwanzig Ellen

klecken,

In Ermeln, die er uͤberſchlaͤgt, koͤnnt er zwei Dieb ver-

ſtecken.

[85]
Das Tuch iſt roth, es waͤre noth, wenns giebt ein'n

großen Regen,

Daß allemal ein Futteral er druͤber thaͤt anle-

gen.

Da braucht es Muͤh und Arbeit viel den Mantel recht zu

tragen,

Wenn er hinauf ihn ziehen will; ſo runzelt er den Kra-

gen,

Er muß allzeit auf einer Seit, gar weit hinunter han-

gen,

Liegt viel daran, daß man auch kann in ſchoͤnem Wam-

mes prangen.

Das Wammes wie ein Vogelhaus zerhauen und zerſto-

chen,

Ach Gott wie mancher Vogelſtrauß iſt aus und eingekro-

chen,

Es iſt darbey ein Vortheil neu, kanns nit beſſer zer-

reißen,

Er beſſerts noch, giebt nur ein Loch, wenn zwei zuſam-

menſchleißen.

Damit er noch mehr Luft empfang, thut er die Knoͤpf

aufſchließen;

Im Winter iſt ihm heiß und bang, er wuͤrd ſonſt ſchwitzen

muͤſſen.

Der Neſtel viel ohn' Maaß und Ziel ſind um und um

herbunden,

Er geb wohl ab ein Neſtel Schwab, wie man ſchon laͤngſt

hat funden.

[86]
Die Taͤtzle wie die Pattenfleck, jetzt auf jetzt nieder ſchlin-

gen,

Wann er die Haͤnd' vom Leib hin rek't, thu'n hin und

wieder ſchwingen,

Hat Haͤndſche an, die man wohl kann ein halbe Meil

weit ſchmecken,

Wo das nit waͤr; ſo roͤche er gleich allen andern

Boͤcken.

Er weiß gar nit mehr wie er ſoll den Degen jetzt an-

henken,

Er will ſich nirgend ſchicken wol, hat zwanz'gerley Be-

denken,

Thu't ihn vielmehr ganz hinten her, als an der Seite

tragen,

Es leben noch all, die er zumal in einem Streich er-

ſchlagen.

Die Bloderhoſen um die Bein ſind weiter als um d' Len-

den,

Die krumme Schenkel ſieht man nie, damit ſie ihn nit

ſchaͤnden,

Ein Spangen weit, drey Finger breit ſind ſie am End

aufſchnitten,

Dort kratzt er ſich, wenn er ein Stich von [einem] Floh

erlitten.

Groß Fiſcherſtiefel hat er an, ſo weit als ein Waſch-

kuͤbel,

Nit g'nugſam er d'rein prangen kann, wiewohl ſie ſtehn

gar uͤbel.

[87]
Ein Regenfaß kann man zum Spaß gar leicht daraus

formiren,

Sie waklen nicht, ſind feſt gericht, auf Stoͤcklein ſich

fundiren.

Groß Sporenleder hat er an, gar weit ein halbe

Ellen,

Gallotſchen hangen unten dran, mag alles nit erzaͤh-

len,

Wie ein Pflugrad er Spornen hat, mit Reſonant hell

klingen,

Wie wohl er ſie, vielleicht gar nie aufs Pferd hinauf thut

ſchwingen.

Der trutzig Gſell tritt da herein, als wollt er alle

freſſen,

Iſt allzeit doch beim Sonnenſchein beim Ofen hinge-

ſeſſen.

Die deutſche Sprach iſt all ſein Sach, kann kein Hund

anders loken;

Sein Vater ſizt und Stecken ſchnizt, ſein Mutter ſpinnt

am Rocken.

Koͤmmt er zur Burſt (Geſellſchaft), thut er zur Stund

Baſalamana ſchneiden,

Zieht ſeinen Huth, faͤhrt zu dem Mund, ſagt Servitor

von weitem.

Macht Corteſie, biegt doch die Knie, gar nicht oder gar

wenig,

Das Haupt er buckt, die Achſeln zuckt nnd ſtellt ſich un-

terthaͤnig.

[88]
Wann er dann in die Kirche geht, auf ein Fuß kniet er

nieder,

Er macht kein Kreuz, ſpricht kein Gebet, er gafft nur hin

und wieder,

Er dreht ſein Bart zuſammen hart, ſtreicht die Razzen-

ſchnauz zur Seiten,

Gar weit von hinn mit feinem Sinn thut er ſpazieren

reiten.

Sein Red' iſt lauter Phantaſie, viel ſchwaͤtzen und viel

luͤgen,

Er luͤgt daher ohn alle Scheu, bis ſich die Balken

biegen,

Erzaͤhlet frei, wie daß er ſey in fremdem Land' ge-

weſen,

Er koͤnn viel Sprach, kann allem nach ja kaum ein Buch-

ſtab leſen.

Er luͤgt daher manch Ritterthat, die er nit hat be-

gangen,

Wie er belagert jene Stadt und jenen Kriegsmann

g'fangen,

In einem Streich hab er zugleich zwei Kuͤraſſier er-

ſchlagen,

Kein todten Hund hat er verwundt, er thet daran ver-

zagen.

Wann er dann auf die Fechtſchul geht, ſich da zu

exerziren,

Und einer ihm entgegen ſteht, die Wehr thut preſen-

tiren,

[89]
Da zuckt er zwar, darf doch nit gar, er thut zu leztens

wagen,

Faͤngt fechten, er muß wohl dran, man thaͤt ihn ſonſt

ausjagen.

Jezt nimmt er ein Poſtur an ſich, jezt ſpaniſch, jezt

franzoͤſiſch,

Paſſiert jezt durch, jezt uͤber ſich, haut drein zulezt po-

laͤckiſch,

Weil er nichts kann, ſo geht er an, und thut die Naſ'

verſtoſſen,

Das rothe Blut verderbt den Muth, ihm ſchmecken nit

ſolch Poſſen.

Auf dem Tanzboden laͤßt er ſich im Jahr nit zweimal

ſehen,

Huͤpft in die Hoͤh ganz wunderlich, kann nichts als rum-

mer drehen,

Macht Capriol, als waͤr er toll, thut hin und wieder

fallen,

Hurtig dazu, gleich einer Kuh, faͤllt nieder, das thut

knallen.

Die Reitſchul ſucht er ſelten heim, er thut vorbei nur

ſchnurren,

Er hat ein hinkend Pferd daheim, ein alte Kraͤmer

Gurren,

Giebt ihr kein Heu, kein Futterei, laͤßt ſie nur ewig

graſen,

Sie geht den Zelt bis daß ſie faͤllt, den vierten Schritt

auf d' Naſen.

[90]
Hiemit ſo end ich mein Geſang, vom Allomodo ge-

ſungen,

Wer es nit leiden mag der gang und binde mir die

Zungen,

Der Eitelkeit zu dieſer Zeit, dienen viel ſolcher Lap-

pen,

Die dazumal verdienen all eine große Narrenkap-

pen.

Fuhrmannslied auf der Weinſtraſſe.


(Wahrſcheinlich aus dem ſiebzehnten Jahrhunderte.)


Zieh, Schimmel, zieh!

Im Dreck bis an die Knie;

Schieb dich fein in dieſen Karren,

Wir wollen an den Neckar fahren.

Zieh, Schimmel, zieh!

Mein lieber Schimmel mein,

Dort lad ich lauter Wein,

Mein Schimmel geht die Weinſtraß gern,

Hat's g'wiß von ſeinem Herrn gelernt.

Zieh, Schimmel, zieh!

Hot, Schimmel, hot, fein flugs!

Mein Schimmel nicht zuruks,

Wir muͤßen durch den Strudel ſetzen,

Mein Schimmel d'mußt d'Fuͤß einnetzen.

Zieh, Schimmel, zieh!

Setz an, Schimmel, ſetz an!

Spann alle Kraͤften d'ran!

[91]
Da giebts ein'n ſteinigen Holzweg 'nauf,

Mein Schimmel da gilt's ſchnauffen d'rauf.

Zieh, Schimmel, zieh!

Adelich iſt ſein Natur,

Er iſt kein Bauern Gurr,

Er iſt nit laͤngſt im Krieg g'weſen,

Und iſt auf ihm ein Hauptmann g'ſeſſen;

Zieh, Schimmel, zieh!

Er war ein Kyrriſir,

Bey Gott ein ſtolzes Thier,

Am Haupt trug er ein Federbuſchen,

Nahm ein, theilt aus viel guter Huſchen,

Zieh, Schimmel, zieh!

Wenn es gab ein Gefecht,

Zum Fliehen war er recht,

Und wann man ſich recht wollte wehren,

Da riß er aus mit ſeinem Herren.

Zieh, Schimmel, zieh!

Mein Schimmel iſt kein Narr,

Wuſt wohl fuͤr wen er war,

Waͤr er nit laͤngſt davon geflogen,

So haͤt man ihm den Pelz abzogen,

Zieh, Schimmel, zieh!

Truz allen Schimmeln truz,

An ihm iſt alles nutz,

Ich kann ihm alle Rippen zaͤhlen,

Und ſehen wann ihm eins will zerſchnellen,

Zieh, Schimmel, zieh!

[92]
Er hat ein gleichen Schritt,

Faͤllt nur den vierten Tritt,

Und wenn er ſtolz will gallopiren

So geht er auf dem Maul ſpazieren;

Zieh, Schimmel, zieh!

Ein recht demuͤthig Pferd,

Kuͤßt oftermal die Erd,

Er taugt gar wohl zu Rittertaͤnzen

Und iſt gut zu den Reverenzen,

Zieh, Schimmel, zieh!

Jezt wird er allgemach,

Ein kleines Roͤßlein ſchwach,

Er kann kein Offizier mehr tragen,

Doch iſt er recht in meinem Wagen.

Zieh, Schimmel, zieh!

Er iſt noch wohlgeſtalt,

Iſt nit zu jung noch zu alt,

Er iſt mit meinem Weib geboren,

Hat erſt den zehnten Zahn verlohren.

Zieh, Schimmel, zieh!

Das Huͤftbein haͤngt empor,

Es langt ihm 'rab das Ohr,

Ich kann ihn bey demſelben lenken,

Und den Huth an die Rippen henken.

Zieh, Schimmel, zieh!

Ey du holdſel'ger Dieb,

Biſt mir von Herzen lieb;

Ich will mich ſehr um dich bewerben,

[93]
Und dich nicht laſſen Hunger ſterben.

Zieh, Schimmel, zieh!

Wart nur, mein Schimmel, wart!

Das Stroh iſt dir zu hart,

Morgen wollen wir Haber dreſchen;

So hat mein Schimmel Futter z'freſſen.

Zieh, Schimmel, zieh!

Nun iß, mein Schimmel, iß!

Fehlt es dir an dem Biß!

Sollt' dich der Haber in d'Lungen ſtechen,

So laß ich ihn beym Muͤller brechen,

Zieh, Schimmel, zieh!

So haſt du's alle Tag,

So lang ich es vermag,

So lang du wirſt ein Ader ruͤhren,

Laß ich dich nicht zum Schinder fuͤhren.

Zieh, Schimmel, zieh!

1. Schlacht bey Leipzig.


(Fliegendes Blat jener Zeit.)


Ich hab den Schweden mit Augen geſehn,

Er thut mir wohlgefallen,

Geliebt mir in dem Herzen mein,

Vor andern Koͤnigen allen.

Er hat der ſchoͤnen Reiter ſoviel,

Laͤſt ſich nicht lang vexieren,

Er hat der ſchoͤnen Stuͤck ſo viel,

Viel tauſend Musketierer.

[94]
Das Frankenland iſt ein ſchoͤnes Land,

Es hat viel ſchoͤne Straſſen,

Es hat ſo mancher brave Soldat,

Sein junges Leben gelaſſen.

Das Sachſenland iſt ein einiges Land,

Es dienet Gott dem Herren,

Und wenn wir kommen ins Bayerland,

Frey tapfer wollen wir uns wehren.

Der Oberſt Baudiß beym Schweden thut ſeyn,

Und thut ſich tapfer halten,

Iſt unverzagt mit dem Pappenheim

Ein Schlacht, zwey, drey zu halten.

Der Tilly hat ein Garn geſpannt,

Es wird ihm bald zerreiſſen,

Der Schwede iſt bekannt im Land,

Wohl in dem Lande Meiſſen.

Mit ihren Karthaunen und Stuͤcken groß,

So tapfer thun unter ſie krachen,

Und geben dem Garn ſo manchen Stoß,

Daß alle Faͤden brachen.

Der Tilly ins Land zu Meiſſen zog,

Er freut ſich ſehr von Herzen,

Und wie er wieder weichen muß,

Thaͤt er ſich ſehr entſetzen.

Nun weiß ich noch ein Cavallier

Der wird genannt der Holle,

Vom ſpanſchen Wein und Malvaſier

Da kriegte er die Kolke.

[95]
Das Confeckt wohl vergiftet war,

Ich thus mit Wahrheit ſagen,

Der Schwed dem Tilly ſchor den Bart,

Und aus dem Land thut jagen.

Wie liefen die Krabaten davon,

Dazu die Welſchen Bruͤder:

„Ade Leipzig behalt deine Mahlzeit,

„Zu dir komm ich nicht wieder.“

Alſo hat dieſes Lied ein End,

Das ſey zu Ehren geſungen

Dem Koͤnig in Schweden gar behend,

Der Tilly iſt ihm entſprungen.

2. Schlacht bey Leipzig.


(Parodie des vorigen S. 90 aus einem alten fliegenden Blatte.)


Zeuch Fahler zeuch,

Balde wolln wirn Tylli dreſchen,

Wolln ihn gebn in Kraut zu freſſen.

Zeuch Fahler zeuch.

Fleuch Tilly fleuch,

Aus Unterſachſ'n nach Halle zu,

Zum neuen Krieg kauf neue Schuh,

Fleuch Tilly fleuch.

Fleuch Tylli fleuch,

Das Confeckt iſt vergiftet worden,

Du biſt nun in der Haſen Orden,

Fleuch Tylli fleuch.

[96]

Guſtav Adolphs Tod.


Nach Weckherlin.


Ach koͤnnt ich meine Stimm dem Donner gleich er-

heben,

Daß ſie, die weite Welt erſchreckend, moͤg erbeben,

Wollt ich erſteigen bald, troſtlos und ruhelos

Den allerhoͤchſten Berg, zu alles Geiſts verwundern,

Mir uͤberlauter Macht aus meiner Bruſt ausdundern:

Guſtav der Groß iſt todt, todt iſt Guſtav der Groß.

Ihn hat das wilde Meer der Schweden Schatz getragen,

Zu uns ſo ſtill und glat, dem Meerzug nicht zu ſchaden,

Ihm war ſo lieb und werth des Koͤnigs Gegenwart,

Der Wind enthielt ſich auch von allem Sturm und Raſen,

Erfreuend ſich allein die Segel aufzublaſen,

Beguͤnſtigend nach Wunſch des Helden Ueberfahrt.

Das Waſſer rauſchte tief von Schiffen wie verborgen,

Als auf dem Hauptſchif hoch der Held voll Treu und

Sorgen

Betrachtet hin und her des deutſchen Reichs Zwietracht,

Sah auf des Kieles Schaum drey Baltiſche Syrenen,

Die reich mit Bernſtein Haar und Arm und Bruſt be-

ſchoͤnen,

Und die ihr Lieb und Leid ihm alſo vorgebracht.

„Fahr fort, du edler Held, du ſiegſt in Noth, wir

ſchwaͤtzen;

„Der Frommen Aug wird Freud, das unſre Leiden

netzen,

„Ach daß ſie wie wir dir auch nach dem Tod getreu.

[97]
„Denn du, nachdem dein Lauf wie Herkules beendet,

„Sollſt werden dieſer Welt, die dein nicht werth, ent-

wendet,

„So hoch wird ſeyn dein Werk, zu machen Deutſchland

frey.“

Hiemit die Morgenroͤth ihr Gold am Leib am Fluͤgel

Entdeckte Maſten dort, ihm nahen Landes-Huͤgel,

Sanft leget ſich der Wind und bringt das Schiff ans

Land,

Aus welchem als der Held auf das Geſtad geſprungen,

Hat knieend er zum Dank mit eifrig frommer Zungen

Erhoben ſein Gebet, ſein Herz, Geſicht und Hand.

„Geſegnet biſt du Held, geſegnet wir Soldaten,

„Die dienend unter dir, theilhaftig deiner Thaten!

Sang bald der ganze Hauf mit einem Mund und Muth,

Kein Gluͤck, kein Ungluͤck je konnt wider dich vermoͤgen,

Und nichts kann dein Gemuͤth und Angeſicht bewegen,

Umſonſt iſt wider dich des Feinds Gewalt, Liſt, Muth.

Gleich wie der Amboß ſich nicht fuͤrchtet vor den Strei-

chen,

Wie Meereswellen nie den kuͤhnen Fels erweichen,

Alſo veraͤndert dich kein Ernſt, Gefahr und Scherz,

Wie Fluͤſſe ſich ins Meer ohn Abnahm ſtets ergieſſen,

Ins Meer ohn Zunahm ſtets die vollen Stroͤme flieſſen,

Alſo ſich und der Welt iſt gleich des Helden Herz.

Mit ſchlechtem Brod und Trank geſaͤttiget zu werden,

Als Trinkglas ſeinen Helm, als Ruhbett harte Erde,

Als Pfuͤhl den naͤchſten Stein, ja auch wohl Schnee und

Eis,

2. Band. 7.
[98]
Als Bad den wilden Fluß, ganz zaglos zu gebrauchen,

Sein Werk zu ſetzen fort in Hitze, Froſt und Regen,

Sich ſelber gleich und fromm, ſo war des Koͤnigs Weis.

„Es walt der liebe Gott, Gott mit uns wie vor Zeiten,

„O Jeſu, Jeſu hilf, hilf Jeſu mir heut ſtreiten

„Zu deines Namens Ehr, zu ſteuern Feindes Macht!“

Alſo hat er ſein Volk anfuͤhrend mehr ergoͤtzet,

Und mitten in die Feind, ſtets ſiegreich, ſelbſt geſetzet,

Da er bald manche That und ſeinen Tag vollbracht.

Gleich wie ein Sturmwind dort, die Windsbraut hier

entſtehet,

Und Hecken, Baͤum und Thuͤrm urploͤtzlich ſtracks um-

wehet,

Ein trauriges Gewoͤlk, ganz finſter ſchwarz und dick,

Dem Trauerſchleier gleich mit Dunſt und Rauch erfuͤllet,

Den Tag, das Firmament, die Sonne ſelbſt verhuͤllet,

Verblindet das Geſicht in einem Augenblick.

Bald mancher Donnerſchlag mit Strahlen ganz beladen,

Durchſtuͤrmet das Gewoͤlk und Land mit Brunſt und

Schaden,

Bald feurig iſt die Luft, bald finſter um und um,

Die Wolken brechen ſich, dann fallet ein Schlagregen,

Verhaͤrtet ganz in Eis, das bald mit tauſend Schlaͤgen

Zerſchmettert Frucht und Volk, und wer nicht ſchreit iſt

ſtumm.

Alſo und graͤulicher mit Krachen, Schallen, Knallen,

Sind bald die beyden Heer einander angefallen,

Da war die Luft alsbald voll Feuer, Rauch und Dampf,

Der Grund erſchuͤttert ſchon von Boͤllern und Karthaunen,

[99]
Darob die Thier und Leut erſtummen und erſtaunen,

Als ob der Himmel ſelbſt und Erde hier im Kampf.

Damals hat unſer Held, indem es Feuer regnet,

Mit ſeinem theuren Blut, ſiegreich die Welt geſegnet,

Da denn das Firmament bald kroͤnet ſeine Stirn,

Damals iſt unſer Held, ich ſprechs, uns zu bewahren,

Als wahrer Herkules dem Himmel zugefahren,

Da er denn leuchtet klar, ein neues Nordgeſtirn.

Kaum, kaum war das Geruͤcht, das niemals ſtumm, ge-

hoͤret,

Daß Guſtav Adolph ſchon der Goͤtter Zahl vermehret,

Vermehrt ſich auch des Heeres Grimm und Staͤrk und

Macht,

Mit ganz gerechtem Zorn ihr Muth und Herz iſt wachſen,

Vor allen troͤſtet ſie Bernhardt der Held aus Sachſen,

Daß, der nicht ſterblich mehr, ihr Schutzherr, ſie be-

wacht.

Daher des Helden Stell gebuͤhrlich zu vertreten,

Hat er, als heimlich ſie den Stern ſchon angebetet,

Begierig ſie gefuͤhrt auf den ſiegtrunknen Feind,

Geſchleifet auf den Grund ohn alle Gnad und Dauern,

Des Feindes Eiſenthuͤrm, lebendig ſtarke Mauern,

Da half kein Herrenſtand, da galt kein Geld noch Freund.

Ein Regen dick von Bley, Stein, Erz und Feuer-

ſchloſſen,

Mit ſchwarzem Dunſt und Brunſt wird wieder ausgegoſſen,

Mit ſcheuslich herbem Tod, trift auf des Feindes Heer,

Des Nordſterns Einfluß kan der Feind nicht mehr ver-

meiden,

[100]
Er muß, er muß nun gleich des Lebens Schiffbruch lei-

den,

In ſeinem auf dem Feld noch raſend blutgem Meer.

Damals der bleiche Feind, auf den der Nordſtern ſchieſſet,

Hat ſeine Tiranney, den Blutdurſt ſchwer gebuͤſſet,

Mit ſeinem eignen Blut, das da bey Luͤtzen fließt,

Darauf des Helden Heer mit aufgehobnen Haͤnden

Erfleht von Gott mit Lob, ſein Werk auch zu vollenden,

Stark durch des Sternes Kraft, der hell die Sieger

gruͤßt.

Ja ſieg- und troſtreich iſts erhoͤret und gewaͤhret

Befand es ſich alsbald und immerdar uns lehret,

Daß lang in Eitelkeit zu leben ganz umſonſt,

Denn unſerm Lebenslauf ein kurzes Ziel geſtecket,

Nur der, der druͤber hin ſein Lob durch That erſtrecket,

Der iſt den Goͤttern gleich, der hat der Tugend Kunſt.

Die vermeinte Jungfrau Lille.


(Muͤndlich.)


Prinz Eugen. Lill, du allerſchoͤnſte Stadt,

Die du biſt ſo fein und glat,

Meine Lieb, die brennt in Flammen,

Dich lieb ich vor allen Damen,

Lill, du allerſchoͤnſte Stadt.

Stadt Lille. Lieber Herr, was ſaget ihr,

Wer ſeyd ihr, was macht ihr hier,

Was die Reiter, die Soldaten,

[101]
Eure tapfern Kameraden,

Liebſter das erzaͤhlet mir?

Prinz Eugen. Ich bin der Savoyer Held

Bekannt genug in aller Welt,

Prinz Eugen bin ich genennet,

Der zu dir in Liebe brennet,

Lill, du allerſchoͤnſte Braut.

Stadt Lille. Lieber Herr, fort packet euch,

Gehet in das deutſche Reich,

Denn ich habe zum Galanten,

Zum Gemahl und Careſſanten,

Koͤnig Ludwig von Frankreich.

Prinz Eugen. Liebſte deine Schoͤnheit groß

Ziehet mich in deinen Schooß,

Mit Gewalt will bey dir ſchlafen,

Schrecken dich nicht meine Waffen,

Machen Hochzeitfeuer an.

Stadt Lille. Lieber Herr von großer Macht,

Glaubet mir, ihr ſeyd verlacht,

Meine Werk und Baſtionen

Citadell und halbe Monden,

Bouffler ſchuͤtzet meine Ehr.

Prinz Eugen. Halt das Maul und ſchweige ſtill,

Hoͤr was ich dir ſagen will,

Hab ich nicht in Ungerlanden

Tuͤrken ſchon gemacht zu ſchanden,

Hundert tauſend, noch viel mehr.

[102]
Stadt Lille. Lieber Herr, das glaub ich wohl,

Daß ihr damals waret toll,

Aber ihr habt nichts zu ſchaffen

Jezo mit den tuͤrkſchen Affen,

Sondern mit dem Lilien Glanz.

Prinz Eugen. Ihr Conſtabler friſch daran,

Feuert hundert tauſend Mann,

Donnert daß es kracht in Flammen,

Daß kein Stein haͤlt mehr zuſammen,

Lill, du ungluͤckſelig Weib.

Stadt Lille. Meint ihr denn, daß mein Vandom,

Mir nicht bald zu Huͤlfe komm,

Der mit hundert tauſend Franzen,

Den Hollaͤndern lehrt das Tanzen,

Eh mein Kraͤnzlein mir verbrannt.

Prinz Eugen. Lill, mein Engel und mein Lamm,

Ich weiß dir den Braͤutigam,

Kaiſer Karl, der Weltbekannte,

Ich bin nur ſein Abgeſandte,

Und des Kaiſers General.

Stadt Lille. Ey wohlan, ſo laß es ſeyn,

Karle ſey der Liebſte mein,

Denn der Ludewig veraltet,

Und die Lieb iſt ganz erkaltet,

Karl iſt noch ein junger Held.

[103]

Halt dich Magdeburg.


(Flugblat aus der Reformationszeit.)


O Magdeburg halt dich feſte,

Du wohlgebautes Haus,

Es kommen viel fremde Gaͤſte,

Die wollen dich treiben aus.

Die Gaͤſte die da kommen,

Die kennt man weit und breit,

Chriſtum thun ſie verfolgen,

Iſt allen Chriſten Leid.

Die Moͤnche und die Pfaffen

Samt alle Nonnenknecht,

Hilf Chriſt, daß wir ſolch Affen

Empfangen moͤgen recht.

Gott wird ſie wollen daͤmpfen,

Ihr Luͤgen richten dann,

So wollen wir auch kaͤmpfen,

So lang wirs Leben han.

„So will ich nicht verzagen,

„Ich armes Maͤgdelein,

„Chriſtum will ich es klagen,

„Der wird mein Schutzherr ſein.

„Magdeburg bin ich genennet,

„Ganz frei und wohl bekant,

„Ich trau auf Chriſt vom Himmel,

„Mir hilft ſeine gewaltige Hand.

[104]
„Die Mittel will ich brauchen,

„Die mich mein Braͤutgam lehrt,

„Vor dieſem beſchornen Hauffen,

„Bin ich noch unverſehrt.

In Magdeburg der Reinen,

Iſt manches Chriſten Seel,

Sie ruft zu Gott im Himmel,

Klagt ihm ihr Ungefell.

In Magdeburg wird gelehret,

Gotteswort rein lauter und klar,

Gelobet wird Gott der Herre

Mit Pſalmen immerdar.

In Magdeburg der Guten,

Iſt manch Jungfraͤulein ſtolz,

Sie beten von ganzem Gemuͤthe,

Und ſind keinem Spanier hold.

In Magdeburg der Feſten,

Iſt manch Jungfraͤulein fein,

Sie bitten fuͤr die Chriſten,

Den Spaniern ſind ſie feind.

In Magdeburg der Freien,

Iſt mannig Kindlein zart,

Es ruft zu Gott dem Herren,

Daß er die Stadt bewahrt.

In Magdeburg der Werthen,

Da ſind der Kriegsleut viel,

Zu Fuß und auch zu Pferden,

Treiben ſie Ritterſpiel.

[105]
In Magdeburg ohne Sorgen,

Da ſitzen drei Jungfraͤulein,

Die winden alle Morgen

Von Palm drei Kreuzelein.

Das eine Gott dem Vater,

Das ander Gott dem Sohn,

Das drit dem heiligen Geiſte,

Gott woll ihn Beiſtand thun.

Zu Magdeburg auf dem Thore,

Da ſitzen drey Jungfraͤulein,

Die machen alle Morgen

Drey Rautenkraͤnzelein.

Das eine Herzog Hanſen

Dem Fuͤrſten hochgeborn,

Graf Albrechten von Mansfeld

Das andre iſt erkorn.

Das dritt, das iſt verſprochen,

Dem Held noch unbekannt,

Der laͤßt nichts ungerochen,

Wagt drauf ſein Land und Leut.

Dem Kaiſer wollen wir geben

Jezt und zu aller Friſt,

Was ihm gebuͤhret eben

Und nicht, was Gottes iſt.

Zu Magdeburg auf der Mauren,

Da liegen der Buͤchſen viel,

Sie klagen alle Morgen

Ueber falſcher Chriſten Spiel.

[106]
Zu Magdeburg auf der Bruͤcken,

Da liegen zwei Huͤndlein klein,

Dafuͤr ſich muͤſſen buͤcken,

All die da wollen hinein.

Zu Magdeburg auf dem Marke,

Da liegen zwei Faß mit Wein,

Und wer davon ſoll trinken,

Der muß ein Deutſcher ſein.

Zu Magdeburg auf dem Marke,

Da ſtehet ein eiſern Mann,

Wollen ihn die Pfaffen haben,

Manch Spanier muß daran.

Zu Magdeburg auf dem Rathhaus

Da liegt ein gulden Schwerdt,

Koͤnnt das ein Moͤnch gewinnen,

Waͤr mancher Kappe werth.

Hierbey ſteht auf dem Platze

Ein groſſer, eiſern Mann,

Derſelb nimmt acht der Hatze

Und ſieht kein Spanier an.

Zu Magdeburg auf dem Markte,

Da ſind der Landsknecht viel,

Die miſchen friſche Karten,

Die Seeſtaͤdt ſehn zu dem Spiel.

Dies Liedlein hat geſungen

Ein Landsknecht friſch und frey,

Zur Stund da viel Kronen klungen,

Daß Gott ſtets bey uns ſey.

[107]
Es iſt ſo wohl geſungen,

Mit friſchem freien Muth

Vor drey ſo edlen Fuͤrſten,

Gott behalt ſie in ſeiner Huth.

Die Magdeburger Fehde.


(Cyriacus Spangenberg's Chronik von Aſchersleben. Eisleben, Petri 1572.)


Ein guten Rath will ich euch geben,

„Mit Gottes Huͤlf wollen wir widerſtreben,

„Wolln unſre Stadt befeſtigen,

„Und harrn damit auch nicht zu lang,

„Es kommen fremde Gaͤſte.“

Arndt Jordan der Burgermeiſter genannt,

Und Lindow, der auch wohl bekannt,

Sie haben dazu geſchworen,

Verhegen die Stadt mit Treuen wohl,

Sie ſind dazu erkoren.

Der Biſchof ſprach hinwiederum;

„Die Feſte ſollt ihr ganz abthun,

„Die ihr habt aufgerichtet,

„Das will ich von euch haben alſo

„Des ſeyd von mir berichtet.“

Die Pfaffen treiben Wunderſpiel,

Der Wolltag halten ſie zuviel,

Die haben ſich gar betrogen,

Beflecken gar ihr eigen Neſt,

Und ſind daraus geflogen.

[108]
Und dieſer Biſchof ich merken kann,

Das iſt auch wohl ein kluger Mann,

Ich wills alſo bewinden,

Welch Vogel ſich ſelbſt die Federn ausrupft,

Den wird der Winter zwingen.

„Gedenke edler Fuͤrſte gut,

„Gedenkt an euren eignen Muth,

„Kuͤrzlich will ichs entdecken,

„Die edele Stadt Magdeburg

„Iſt frey auf allen Ecken.“

Der Burgermeiſter alſo ſprach,

Als er vor die Gemeine trat:

„Berichtet, denn ich frage,

„Uns will ein Krieg hieraus entſtehn.

„Was thut ihr hiezu ſagen.“

Die Gemeinde ſprach auch wiederum,

Gebt euren treuen Rath dazu,

Dabey ſo wolln wir bleiben,

Wir haben des Gelds und Guts genug,

Wir wagens mit unſerm Leibe.

„Wenn die Bachmuͤhlen ſtille ſtehn,

„Die großen Waſſer in Wellen gehn,

„Das iſt allzeit zu loben,

„Der Sperling flieget in den Dohm,

„Der Falke ſchwebet oben.

„Ihr lieben Buͤrger lobelich

„Nun merket mich auch allzugleich.

„Was ich euch hab geſungen,

[109]
„Welcher Vogel welcher bauet hoch,

„Behaͤlt wohl ſeine Jungen.

„Das ich nun ſage und dich warn,

„Magdeburg du biſt ein wilder Arn,

„Dein Fluͤgel fied unverhanen,

„Du fleugſt den Wald wohl auf und ab,

„Das mag man auch wohl ſchauen.“

Die Buͤrger ſchrien alle dicht:

„Magdeburg iſt kein Haaſe nicht;

„Es iſt ein kuͤhner Loͤwe,

„Den Winden zerbricht er ihre Fuͤß,

„Das reden wir mit Vertrauen.“

Die Pfaffen hattens nicht wohl bedacht,

Han ihren Herrn in Schaden gebracht,

Und kraͤnken ihre Feſte,

Wo ſie vorher ſind Herren geweſt,

Nun ſind ſie worden Gaͤſte.

Sie laufen weg, das war nicht gut,

Das macht ihr groſſer Uebermuth,

Denn nach der Alten Weiſe,

Wenn unſer Eſel Haber frißt,

So tanzt er auf dem Eiſe.

Der Biſchof kam von Hildesheim,

Bracht mit die Stiftsgenoſſen ſein,

Die von ihm hatten Lehen,

Nach Magdeburg wohl in das Land,

Und wollten Sold verdienen.

[110]
Auf einem Dienſtag das geſchah,

Magdeburgs Panier man ſchweben ſah,

Wohl auf dem weiten Felde,

Da war manch ſtolzer Kriegesmann

Bey den friſchkuͤhnen Helden.

Magdeburg biſt du uns wohl bekannt,

Du traͤgſt eine Krone uͤber das Land,

Dein Lob, das will ich preiſen,

Dein Treue, die iſt offenbar,

Mit Geſang will ichs beweiſen.

Arndt Jordan der Buͤrgermeiſter genannt,

Im Feld iſt er gar wohl bekannt,

Er iſt alſo verwegen,

Er will ſelbſt an der Spitze ſeyn,

Und warten da der Schlaͤge.

Die Fuͤrſten zogen ſchnell davon,

Im Kriege wollten nicht beſtohn,

Wohl in der rechten Stunde,

Der Buͤrger Banner ſchwebet dar,

Der Fuͤrſten ihr war verſchwunden.

Ein Fuͤrſte zu dem andern trat:

„Ach lieber Ohm nun gebet Rath,

„Waͤrn wir bey unſern Freunden,

„Dieſer See iſt uns gar zu tief,

„Wir koͤnnen ihn nicht gruͤnden.“

Bringen wir das Schif auf den Strom,

Ich fuͤrcht es moͤcht zu Grunde gehn,

Wir muͤſſen ein Pfand hier laſſen,

[111]
Schnell Rath wird hier der beſte ſeyn,

Wir reiten unſre Straſſen.

Der Biſchof von Hildesheim ſprach:

„Kaͤm ich wieder in meine Stadt,

„Wollt mich des freuen mehrn.

„Dieſer Hechte wir eſſen nicht,

„Die Graͤten ſtechen ſehre.“

Klage der Churfuͤrſtin, Frauen Sybille
von Sachſen
.


(Von Peter Watzdorf aus der Reformationszeit.)


Ach Gott mich thut verlangen,

Nach dem, der jezt gefangen,

Den liebſten Fuͤrſten mein,

Daß ich ihn ſo muß meiden,

Bringt mir ein herzlich Leiden;

Ach Gott hilf ihn aus dieſer Pein.

Er iſt in Kaiſers Haͤnden,

Mein Gott thu es bald wenden,

Dem Kaiſer gieb den Muth,

Daß er recht thu bedenken,

Woher komm dieſes Zaͤnken,

Dem Fuͤrſten geb wieder ſein Gut.

Ob er was haͤtt verbrochen,

Fuͤrwahr iſt g'nug gerochen,

Land, Leut hat man verderbt,

[112]
Den Fuͤrſten abgefuͤhret,

Mein Herz damit geruͤhret,

Der Chur hat man ihn enterbt.

Klagelied Philip Landgrafs aus Heſſen
im Jahre 1550.


(Fliegendes Blat.)


Schwer, langweilig iſt mir mein Zeit,

Mein Herz mich treibt zu Klagen,

Viel Untreu, Mißgunſt, Haß und Neid,

Ach ich jezund muß tragen,

Viel falſcher Liſt zu dieſer Friſt

Wird mir zu lang mit Schmerzen,

Daß ich oft klag

All Nacht und Tag,

Doch denk ich Gotts im Herzen.

Schwer, langweilig iſt mir mein Zeit,

In Trauren bin ich ſitzen,

All meine Freund mir weichen weit,

Mich ſtellen an die Spitzen,

Zu denen ich hab ſtetiglich

Mich aller Treu verſehen,

Die ſetzen gar

Mich in Gefahr,

Niemand will bey mir ſtehen.

Schwer, langweilig iſt mir mein Zeit,

Ach Gott mich wollſt ergoͤtzen,

Steh du allzeit auf meiner Seit,

[113]
Auf dich mein Hoffen ſetze,

Sieh zu mein Gott, wie ich ein Spott

Bin unter meinen Feinden,

Ich ruf hinauf,

Ach Herr wach auf,

Laß deine Guͤt erſcheinen.

Schwer, langweilig iſt mir mein Zeit,

Wie iſt es mir doch kommen,

All meine Macht und Herrlichkeit

Haſt du von mir genommen;

So weiß ich doch, wie tief und hoch,

Dein Gnad ſich ſtreckt am Ende,

Wie weit und breit

Barmherzigkeit,

Die wolleſt du mir ſenden.

Schwer, langweilig iſt mir mein Zeit,

In Hoffnung thu ich harren,

Gedanken ſind mir Herzeleid,

Ach Gott kehr um die Karten,

Fuͤhr mich doch auf geradem Weg

Zu meinem Land und Leuten,

Zu Kindern mein

Ach fuͤhr mich heim,

Ach Gott thu fuͤr mich ſtreiten.

Schwer, langweilig iſt mir mein Zeit,

Ich wollt mein Hoͤrnlein gellte,

In Jaͤger weis, nach gutem Bruch,

Durchs Holz und auch im Felde;

So Gottes Wort, mein hoͤchſter Hort,

2 Band. 8.
[114]
In meinem Land ſollt klingen,

Und huͤten fein,

Die Schaͤflein mein,

Und Gottes Lob beſingen.

Schwer, langweilig iſt mir mein Zeit,

Gott oͤffne deine Ohren,

Denn meine Stimm iſt ſchwach vor Leid,

Mein Ruf iſt nicht verloren,

Mein Herz und Muth, mein Leib und Gut

Ergeb ich ihm bey Zeiten,

Ich bin gewiß

Zu dieſer Friſt,

Er wird wohl fuͤr mich ſtreiten.

Schwer, langweilig iſt mir mein Zeit,

In Brabant muß ich warten,

Verheiſſen iſt mir Gnadgeleit,

Wie gruͤn iſt nun mein Garten,

Gott gabs, Gott nahms in Lieb und Leid,

Wie es ſich ſchickt auf Erden,

Wies Gott gefaͤllt

Von ihm beſtellt,

Sonſt kann nichts anders werden.

Schwer, langweilig iſt mir mein Zeit,

Zu Oudenar in Mauern,

Bin ich in Elend und in Leid

Mit ſchwerem Mund und Trauern,

Ade mein Kind und Land und Leut,

Bald iſt es uͤberwunden,

Fuͤr meine Noth

[115]
Beſcheer euch Gott

So viele ſel'ge Stunden.

Reue.


(Gaſſenhauer, moraliſch veraͤndert von Knauß. S. 22.)


Schwer, langweilig iſt mir mein Zeit,

Seit mich die Suͤnd thut ſcheiden

Von dir mein Gott, du hoͤchſte Freud,

Dafuͤr muß ich viel leiden.

Mein Leiden iſt groß jeder Friſt

Und wird mir lang mit Schmerzen,

Daß ich oft klag,

Es ſcheint kein Tag,

Mein Suͤnd mich reut von Herzen.

Sehnſucht.


(Aus einem Muſikbuche.)


Schwer, langweilig iſt mir mein Zeit,

Seit ich mich thaͤte ſcheiden,

Von dir mein Schatz und hoͤchſte Freud,

Ich merk, daß ich muß leiden,

Ach weh der Friſt, zu lang ſie iſt,

Wird mir zu lang in Schmerzen,

Daß ich oft klag,

Es ſcheint kein Tag,

Des wird gedacht im Herzen.

[116]

Das Lied vom Landgrafen.


(Lebensbeſchreibung Sebaſtian Schaͤrtlins. Frankfurt, 1777. Beylagen
S. 34.)


Zu ſingen will ich fangen an,

Zum Lob der Kayſerlichen Kron,

Dem Landgrafen zu Leide,

Wie es ihm dann ergangen iſt

Vor Ingolſtadt, in kurzer Friſt,

Das machte uns viel Freude.

An einem ſchoͤnen Morgen fruh,

Der Landgraf ruͤckte ſchnell herzu,

Sein Lager thaͤt er ſchlagen

In weitem Feld vor Ingolſtadt,

Er meint der Roͤmiſch Kaiſer drat

Wuͤrd ihn von Stund an fliehen.

Zu morgen hub er zu ſchieſſen an

Wol uͤber die Kaiſerlichen Kron,

Mit Kartaunen und Schlangen,

Das trieb er wohl drey ganze Tag,

Die weil er dann vor Ingolſtadt lag,

Der Schimpf der wolt ſich machen.

So will ich auch nicht grauſen ſchon!

Da ſprach die Kaiſerliche Kron,

Meins Ungluͤcks muß ich lachen;

Schieß her, ſchieß her, lieber Landgraf,

Mein Gluͤck das ſteht in Gotteskraft,

Erſt wolln wir tapfer fechten.

[117]
Der Kaiſer die ganze Schanz ausreit,

Der Buͤchſen-Meiſter in kurzer Zeit

Thaͤt da gar tapfer ſchieſſen,

Wol unter die Landgraͤfiſchen Reiter gut,

Sie ſchoſſen hinauf mit friſchem Muth,

Es thaͤt ſie ſehr verdrieſſen.

„O Ingolſtadt du gemauert Hauß,

„Das haͤtt ich dir doch nit vertraut,

„Das du zu mir haͤtſt geſchoſſen.“

So ſprach der Landgraff zum Schertel gut,

„Die Stadt iſt uns nit wolgemut,

„Wir wollen nicht darauf bauen.

Der Landgraf warf die Augen auf,

Aus mancher Buͤchſe gieng der Rauch,

Ich hoͤr das man thut ſchieſſen;

Da ſprach der Landgraf zum Schertel gewandt:

„Wir verſchieſſen Leut, Ehr und Land,

„Nit laͤnger woͤlln wir harren.“

Der Kaiſer ſprach die Deutſchen an,

Verhieß ihn auch bey ſeiner Kron,

Von hier wollt er nit weichen,

Dieweil ihm Gott das Leben leiht,

Gluͤck, Ehr und Sieg in Ewigkeit,

Chriſtus von Himmelreichen.

Der Schertel ſprach die Reiſigen an:

„Wendt euch ihr lieben Reitersmann,

„Weicht ab von dieſem Schieſſen,

[118]
„Sonſt werden wir auf dieſen Tag,

„Dieweil kein Widerſtand helfen mag,

„Viel Reiſigen Zeug verlieren.“

Der Landgraf und Schertel wurden zu Rath,

Und wie ſie thaͤten dieſer That,

Der Kaiſer hat ſich verhauen,

Fallen wir in ſein Lager ſtark,

Die Reiſigen die ſind ſo arg,

Iſt ihn nit wol zu vertrauen.

Der Landgraf hat ſehr lang geflucht,

Sich am Roͤmiſchen Kaiſer verſucht,

Ich mein er hab ihn funden,

Ich ſag dir lieber Landgraf gut,

Uebermuth der thut kein Gut,

Der Kaiſer iſt kein Kindlein.

Dem Landgrafen kamen neue Mehr,

Wie daß das Heer von Pirn kummen waͤr

Anſtatt des Kaiſers Schweſter,

Da ſprach der Landgraf zum Schertel gut:

Das iſt uns nit wol zu mut,

Es ſind uns fremde Gaͤſte.

Der Landgraf der ließ zuͤnden an

All Lager, ruckt im Rauch davon,

Der Rauch iſt weit geflogen:

„O Ingolſtadt, ich muß dich lan,

„Haͤt ich die Sach recht griffen an,

„Der Teufel hat mich betrogen.“

[119]
Der Landgraf nahm die Wacht in Hut,

Dieweil er macht ein Schiffbruck gut,

Daruͤber eilt er balde,

Er eilt dahin auf Neuburg zu,

Da ſelbſt, da war nit lang ſein Ruh,

Der Kaiſer thaͤt ihn ſuchen.

Noch haͤt er weder Raſt noch Ruh,

Auf Donauwerd da ruckt er zu,

Woll inn ſein alte Schanze,

Daſelbſt, da wollt er warten ſein

Des Kaiſers bei dem kuͤhlen Wein,

Sich halten auf Finanze.

Kein Lanzknecht weiß zu dieſer Friſt,

Wo der Landgraf hinkummen iſt,

Der Kaiſer hat ihn vertrieben,

Ich ſag dir lieber Landgraf mein,

Dein Kriegen haͤtſt wol laſſen ſein

Daheim waͤrſt du wohl blieben.

Des Koͤnig Ladislaus Ermordung
im Jahre 1457.


(Senkenberg Selecta Juris. Tom. V.)


Von einem Koͤnig lobeſan,

Koͤnig Lasla iſt ſein Nahme,

Ein Koͤnig aus Oeſterreiche,

Ja ſpricht man in der Chriſtenheit,

Man findt nicht ſeines Gleiche.

[120]
Er war in ſeinen jungen Tagen, (17 Jahr)

Die Ungarn hieſſen ihn einen deutſchen Knaben,

Das haben wir wohl vernommen,

Daß er zu Ofen iſt ausgeritten,

Zu Prag iſt er umkommen.

Er ſchickte aus nach weiblicher Ehr,

Und wollt erwerben Freundſchaft mehr,

Gar fein in Frankenreiche,

Nach einer Jungfrau ſaͤuberlich,

Man findt nicht ihres Gleiche.

Der Koͤnig in Frankreich einen Brief ausſandt,

Der kam Koͤnig Lasla in ſeine Hand,

Wie er ihn leſen ſollte;

Und wie ihm der Koͤnig in Frankreich,

Seine Tochter geben wollte.

Er ſchrieb: Koͤnig Lasla du lieber Sohn,

Du weißt wohl, was du ſollteſt thun,

Die Ketzer ſollt du vertreiben,

Und ſo wird dir Ehr und Lob geſagt,

Wo du im Land ſollt bleiben.

Koͤnig Lasla des Briefes aufn Tiſch vergaß,

Zur Hand ihm ein falſcher Ketzer ſaß,

Er erſchrack der Maͤhre gar ſehre;

Wie bald er zu dem Rockenzahn lief,

Verkuͤndigt ihm die Maͤhre.

Und da der Rockenzahn die Maͤhr erhoͤrt,

Er ruft den Ketzer an einen Ort,

Er begunnt ihm dieſe Red zu melden,

[121]
Da huben die falſchen Ketzer an,

Koͤnig Lasla zu ſchelten.

Sie ſchelten ihn aus ihres Herzensgrund:

Wie deucht euch um den deutſchen Hund,

Sollt er uns hier vertreiben?

Wir wollen ihm nehmen ſein junges Leben,

Er mag uns nicht entweichen.

Und da der Rath nun war verbracht,

Den ſie uͤber Koͤnig Lasla hatten gemacht,

Wie ſie ihn toͤdten wollten,

Sie hatten alle zuſammen geſchworn,

Wie ſie einander helfen wollten.

Sie gewinnen die Riegel und auch die Thuͤr,

Unter einer Decke zogen ſie ihn herfuͤr,

Koͤnig Lasla den viel werthen;

Der erſte der nahm ihn beim Haar

Und warf ihn auf die Erden.

Er fiel wol nieder auf ſeine Knie:

„Gnad mir edler Herr allhie,

„Gnad mir meines Lebens;

„Und alles was ich hie gewann,

„Das will ich hie aufgeben.“

Er ſah ſie alle barmherzig an:

„Nun hab ich irgend ein treuen Mann,

„Der mir ſein Huͤlf hier thaͤte?

„Sind mir denn alle treulos worden,

„Mein allerbeſten Raͤthe?

[122]
„Girſig, lieber Vater mein,

„Nur laß mich bei dem Leben ſein;

„Ich will dirs immer gedenken,

„Mein Schweidnitz ſoll dein eigen ſeyn,

„Und Breslau will ich dir ſchenken.“

„Schweig Koͤnig Lasla! es mag nicht ſein,

„Dein Schweidnitz iſt vorhin ſchon mein,

„Breslau will ich gewinnen;

„Hilft mir das ganze Boͤhmerland,

„Ein Koͤnig bin ich drinnen.“

„Nun! ſchneid mir ein graue Kutten an,

„Ich will in ein Kloſter gahn,

„Zu meines Vaters Ruhe;

„Es bleib ein Koͤnig wer da will,

„Immer und ewigliche.“

Sein guter Rath half ihm nicht ſehr,

Sie hatten vergeſſen Treu und Ehr,

Die Herrn aus Boͤhmerlande,

Daß ſie Koͤnig Lasla getoͤdtet han,

Das haben ſie große Schande.

Auf die Erde haben ſie ihn hingeſtreckt,

Mit einem Kiſſen haben ſie ihn erſteckt,

Sein Genick haben ſie ihm gebrochen.

Wer wollt nicht Gott vom Himmel klagen,

Er laͤßt nichts ungerochen.

Und da er nun geſtorben war,

Es gluͤhet als ein Roſen gar,

Wol unter ſeinen Augen,

[123]
Da ihm das Blut von Wangen abrann,

Dran hatten ſie keinen Glauben.

Es war bis an den dritten Tag,

Daß er da unbegraben lag,

Man ließ ihn niemand ſchauen,

Und da man ihn zu Grabe trug,

Da weinten Mann und Frauen.

Da ſprach ein Ketzer unter ihnen:

„Nun hebt ihn auf und tragt ihn hin,

„Den Koͤnig aus deutſchen Landen,

„Sollt er uns hie vertrieben han,

„Das waͤr uns eine große Schande.“

Und da ſprach er: „Sieh Gierſig,

„Der Koͤnig in Boͤhmen bin ich,

„Koͤnig Lasla iſt geſtorben,

„Um ſeines falſchen Glaubens willen,

„Darum iſt er verdorben.“

Da ſprach er, der Rockenzahn:

„Eine neue Sitte nehm ich an,

„Oeſtreich will ich zerſtoͤren;

„Denn ihren Glauben weiß ich wohl,

„Ihr Herzog will ich werden.“

Der Girſig der iſt hochgeborn,

Recht als ein Sau iſt er beſchoren,

Wer iſt der ihm wohl gleiche,

Mit Rauben, mit Stehlen, mit Bannerey,

Damit er worden reiche.

[124]
Koͤnig Lasla war ein junger Mann,

Er wollt den Girſig bei ſich han,

Er hat ihn auserkohren;

Ja ich ſprechs auf die Treue mein,

Er iſt ihm treulos worden.

Koͤnig Lasla du viel edles Blut,

Gott erhalte dich in ſeiner Hut,

Mit ſeinem lieben Kinde,

Daß du alſo verſchieden biſt,

Mit deinem Hofgeſinde.

Die Schlacht am Kremmerdamm.


(Aus Buchholz's Geſchicht der Churmark Brandenburg. Berlin, 1765.
II. T. S. 383.)


Als Barnim de faſt luͤtke Mann,

Averſt im Kriege nicht quade,

Am langen Damme kam heran,

Ging he flietig tho Rade.

He ſprack: Dat is en garſtig Lock,

Da muͤtten wie nich dorch rieden,

Et moͤgt uns koſten unſen Rock,

Wie willen man hier bliven.

Wie willen ſchrieven ut de Stuͤr,

De uns de nich will geven,

Den willen wie bruͤden mit det Fuͤr,

Un nah det Veh em ſtreven.

[125]
Det Rath gefehl em allen wol,

Se fingen an tho graven,

Se mackten in de Erden holl,

Brachten det unnerſt baven.

Marckgraf Ludwig de tappre Held,

Heelt up den Kremmſchen Huven,

Un dachte, dat ſick da int Feld,

De Pamern ſchoͤllen truven.

Da averſt kener kam hervaͤr,

Liet he rupen ſienen Peter,

Un ſprack: Krieg diene Trompet her,

Ried hen, als en Trumpeter.

Det ſegge Hertog Barnim an,

Ich hedde grot Verlangen,

Em as den Gaſt, un ſienen Mann,

Im Felde tho emfangen.

Wo averſt em det nich behagt,

So will ick em tho ſpraͤcken,

Un ock im Luge ſien unverzagt,

De Lanz mit em tho braͤcken.

De Hertog ſprack: He were da,

Un lichtlich ock tho finnen,

Det ſpoͤt det ſtuͤnde op de Wah,

Woll ſiehn, we werd gewinnen.

Drup ging et up den Damm hinab,

De was vull luter Koͤppe,

Et gaf da manchen harten Knap,

De Schall ging in de Zoͤppe.

[126]
De Maͤrcker kunnen nich beſtahn,

De Lug was ehr verderven,

Da mußte mancher liggen gahn,

Un ohne Wunne ſterven.

Druͤm wecken ſe up duͤſſe Siet,

Un menen da tho fechten;

De Pamer folgt im vullen Tritt,

Schlog Heeren mit den Knechten.

Tho Cremmen ging em det nich an,

He mußte buten blieven,

Det Fotvolck ſtund da Mann vor Mann,

Hulp em thoruͤgge drieven.

Se ſchoten up de Strat hin ut,

De men van Pamern Crewelt,

Un foͤhlen em ſo up de hut,

Det em det Hare wewelt.

Det ſprack Schwerin, deit hier kein got,

Lat uns den Damm erfaten,

Oder wie weren unſe Blot,

Hier alle moͤtten laten.

Se treckten wedder hen thom Damm,

Un ſammlten oͤre Buͤtte.

Da mit de Krieg en Enne namm,

Da voͤr uns Gott behuͤde.

[127]

Der politiſche Vogel.


(Altes fliegendes Blat.)


Als ich einmahl ſpazieren ging,

In einen Luſtgarten hinein,

Zu uͤberdenken, was ich meint,

Wo ſchoͤne Lufthaͤuſer ſein,

Hoͤrt ich es ein Voͤglein ſingen,

Verſtund es auch gar wohl,

Von unbekannten Dingen,

Was dieſes Jahr geſchehen ſoll,

Was dieſes Jahr geſchehen ſoll.

Das Voͤglein in dem Strauſſe ſaß,

Und ſchauet den Adler an:

Ach Adler es wird dieſes Jahr,

Ein fremder Gaͤrtners Mann,

Dich aus dem Garten vertreiben,

Sammt deinen Geſellen all,

Nicht laͤnger ſollt du es verbleiben,

Des Adlers wartet Gewalt,

Des Adlers wartet Gewalt.

So bald der Adler dies vernahm,

Schwingt er ſich in die Luft,

Zu ſchauen was auf mehr umſchwebt

Franzoͤſiſch und Spaniſcher Luft,

In Garten will eindringen

Ein fremder Gaͤrtners Mann,

Und will einpflanzen die Lilien,

Anſtatt der Tulipan,

Anſtatt der Tulipan.

[128]
Bei Parmen und Caſtellen

Hat man die Kugel geſpuͤrt,

Ein Stein moͤgt es erbarmen,

Wie man auf uns hat zielt,

Drei Prinzen und neun Generalen,

Wie auch der Feldmarſchall,

Sind ſchon zu Boden gefallen,

Der Gemeinen ohne Zahl,

Der Gemeinen ohne Zahl.

Der Safoier ſchlug ein Rebell,

Vermeinte ſicher zu ſein,

Die Deutſchen aber Pif, Paf, Puf,

Und fielen ins Lager hinein,

Dort hatten ſie alles verlaſſen,

Sammt Lager, Stuck und Zelt,

Im Hemd davon geloffen,

Den Deutſchen bleibt das Feld,

Den Deutſchen bleibt das Feld.

So bald der Franzos nach Safoien kam,

Da war der Safoier ſo froh,

Da zog er erſt ſein Hoſen an,

Da kammpelte die Maus das Stroh,

Er thaͤt ſich reſolviren,

Und ſchwur bei ſeinem Gott,

Sollt er auch alles verlieren,

Wollt raͤchen dieſen Spott,

Wollt raͤchen dieſen Spott.

[129]

Wilhelm Tell.


(Fliegendes Blat.)


Wilhelm bin ich der Telle,

Von Heldenmuth und Blut,

Mit meinem G'ſchoß und Pfeile

Hab ich die Freiheit gut

Dem Vaterland erworben,

Vertrieben Tyranney,

Einen feſten Bund geſchworen

Haben unſre Geſellen drey.

Uri, Schweiz und Unterwald,

Befreiet von dem Reich,

Litten großen Zwang und Gewalt

Von Voͤgten unbillig.

Kein Landmann durft nicht ſprechen,

Dies iſt mein eigen Gut,

Man nahm ihm alſo freche

Die Ochſen von dem Pflug.

Dem der ſich wollte raͤchen,

Und ſtellen in die Wehr,

Thaͤt man die Augen ausſtechen,

Und hoͤrte Bosheit mehr.

Zu Altdorf bei der Linden

Der Vogt ſteckt auf ſein Hut,

Er ſprach, den will ich finden,

Der ihm kein Ehr' anthut.

2. Band. 9.
[130]
Das hat mich verurſachet,

Das ich mein Leben g'wagt,

Den Jammer ich betrachtet,

Des Landmanns ſchwere Klag:

Viel lieber wollt ich ſterben,

Dann leben in ſolcher Schand,

Dem Vaterland erwerben

Wollt ich den freien Stand.

Den Filz wollt ich nicht ehren,

Den aufgeſteckten Hut;

Das ſchmerzte den Zwingherren

In ſeinem Uebermuth;

Er faßt ein Anſchlag eitel,

Daß ich muͤſt ſchieſſen geſchwind,

Ein Apfel von dem Scheitel

Meinem herzliebſten Kind.

Ich bat Gott um ſein Guͤte,

Und ſpannte auf mit Schmerz,

Vor Angſt und Zwang mir blut'te

Mein vaͤterliches Herz:

Den Pfeil konnt ich wohl ſetzen,

Bewahret war der Knab,

Ich ſchoß ihm unverletzet

Vom Haupt den Apfel ab.

Auf Gott ſtund all mein Hoffen,

Der leitet meinen Pfeil,

Doch haͤtt' mein Kind getroffen,

Haͤtt' ich fuͤrwahr in Eil

[131]
Den Bogen wieder geſpannt,

Und geſchoſſen an den Ort

Den gottloſen Tyrannen,

Zu raͤchen ſeinen Mord.

Das hat der Bluthund geſchwinde,

Gar wohl an mir gemerkt,

Das ich ein Pfeil dahinten

In meinem Goͤller geſteckt;

Was ich damit thaͤt meinen,

Wollt er ein Wiſſen han,

Ich konnts ihm nicht verneinen,

Zeigt ihm mein Meinung an.

Er hat mir zwar verſprochen,

Er wollt mir thun kein Leid,

Jedoch er hat gebrochen

Sein Wort und auch ſein Eid;

Ja zu derſelben Stunden

Mit Zorn er mich angriff,

Er ließ mich hart gebunden,

Hinfuͤhren in ein Schiff.

Ich klagte meinem Geſinde,

Das ich ſie muß verlahn,

Mich jammert Weib und Kinde

Mit manchem Bidermann;

Ich meint ſie nicht mehr zu finden,

Vergoß ſo manche Thraͤn,

Vor Herzleid mocht verſchwinden;

Des lachet der Tyrann.

[132]
Er wollt mich han zur Buſſe

Beraubt des Sonnenſcheins,

Zu Kuͤßnacht auf dem Schloſſe

Mich ewig ſperren ein,

Mit Trotzen und mit Pochen

Fuͤhrten ſie mich dahin;

Das ließ Gott nicht ungerochen,

Und half dem Diener ſein.

Dem Wind thaͤt er gebieten,

Der kam im Sturm daher;

Der See fing an zu wuͤten,

Das Schiff ſtund in Gefahr;

Der Vogt hieß mich losbinden,

Und an das Ruder ſtehn,

Er ſprach hilf uns geſchwinde,

Mir und dir ſelbſt davon.

Das thaͤte ich erſtatten,

Und ſaͤumte gar nicht lang,

Als ich kam zu den Platten,

Zum Schiff hinaus ich ſprang;

Ich eilte wunderſchnelle

Durch hoh'e Berg hinan,

Den Winden und den Wellen

Befahl ich den Tyrann.

Er bruͤllte wie ein Loͤwe,

Und ſchrie mir zornig nach,

Ich achtete nicht ſein Drohen,

Zu fliehen war meine Sach;

[133]
Ja in der hohlen Gaſſen

Wollt raͤchen ich den Trutz,

Mein Armbruſt thaͤt ich faſſen

Und ruͤſtet mich zum Schuß.

Der Vogt kam jetzt geritten

Hin auf die Gaſſe hohl,

Ich ſchoß ihn durch die Mitten,

Der Schuß war gerathen wohl;

Zu todt hab ihn geſchoſſen

Mit meinem Pfeile gut,

Er fiel bald ab dem Roſſe,

Des war ich wohl zu Muth.

Als David aus der Schlinge

Den großen Goliath,

Mit einem Stein geringe,

Zu Boden geworfen hat,

Als gab mir Gott der Herr

Sein Gnad und auch ſein Macht,

Das mich mit Gewalt erwehre,

Den Wuͤtrich hab umbracht.

Mein Geſell hats auch gewaget,

Bewieſen ſeine That,

Den Landberger gezwaget

Mit einer Axt im Bad;

Der ſein Eheweib mit Zwange

Wollt haben zum Muthwill,

Des ſchont er ihn nicht lange,

Schlug ihn zu tod in Eil.

[134]
Kein ander Gut noch Beute

Begehrten wir ins gemein,

Denn die Gewalt auszureiten,

Das Land zu machen rein;

Wir fanden ja kein Rechte,

Kein Schirm, kein Obrigkeit,

Darum muſten wir fechten,

Gottes Gnad war uns bereit.

Da fing ſich an zu wehren

Ein werthe Eidgenoßſchaft;

Man grif gar bald zum Gewehren,

Der Feind der kam mit Kraft;

Den Ernſt wir da nicht ſparten,

Und ſchlugen tapfer drein,

Wohl an dem Morgarten,

Der Letzt wollt keiner ſein.

Wir ſchlugen da den Adel

Mit aller ſeiner Macht,

Geſtraͤuft han wir den Wadel

Dem Pfau, der uns veracht;

Ein Pfeil hat uns gewarnet,

Das Gluͤck ſtund auf der Wag,

Gar ſauer han wir erarnet

Zwei Sieg an ſelbem Tag.

Der Feind that uns angreifen

Mehr dann an einem Ort,

Den Schimpf macht er uns reife,

Wir muſten laufen fort,

[135]
An Bruͤnig zu dem Streite

Zu helfen Freunden gut,

Da gab der Pfau die Weite,

Es koſt viel Schweiß und Blut.

Das merket fromm Eidgenoſſen,

Gedenket oft daran,

Was Blut fuͤr euch vergoſſen,

Laßt euch zu Herzen gahn;

Die Freiheit thut euch zieren,

Darum gebt Gott die Ehr,

Und ſollt ihr die verlieren,

Sie wuͤrd euch nimmermehr.

Die Muͤh iſt wohl gepflanzet,

Mit euer Vaͤter Blut,

Die Freiheit der edle Kranze,

Den haltet wohl in Hut;

Den wird man euch abſtechen

Sogleich zur ſolchen Zeit,

Wenn Treu und Glaub wird brechen

Durch Eigennutz und Geiz.

Mir iſts, ich ſehe kommen

So manchen Herren ſtolz,

Bringen ein große Summe

Des Gelds und roten Golds,

Damit euch abzumaͤrkten,

Zu kaufen eure Kind,

Die kein Wort koͤnnen reden,

Noch in der Wiege ſind.

[136]
Ich thu euch deſſen warnen,

Weil Warnung noch hat Plaz,

Geſpannt ſind euch die Garne,

Die Hund ſind auf der Hatz;

Gedenket an mein Treue,

Kein Tell kommt nimmermehr,

Kein Freund alt und neue,

Giebt euch ein beſſer Lehr.

Thut euch zuſammen halten

In Fried und Einigkeit,

Als eure frommen Alten,

Betrachtet Bund und Eid;

Laßt euch das Geld nicht muͤſſen,

Die Gaben machen blind,

Damit ihr nicht muͤßt buͤſſen,

Und dienen zulezt dem Feind.

Nehmt hin fromm' Eidgenoſſen,

Die noch aufrichtig ſind,

Dieß Lied hiemit beſchloſſen,

Thuts ſchlagen nicht in Wind;

Ein Urner hats geſungen,

Gedichtet und vermehrt,

Zur Warnung, Lehr der Jungen,

Dem Vaterland verehrt.

[137]

Schloß Orban.


(Aus einem laͤngeren Gedichte bey Diebold Schilling Burgund. Krieg.
Bern, 1743. S. 183.)


Der Winter wollte lang bey uns ſeyn,

Des trauerte manches Voͤgelein,

Das jezt gar froͤhlig ſinget,

Auf gruͤnem Zwerg hoͤrt mans im Wald

Gar ſuͤſſiglich erklingen.

Der Zweig hat gebracht gar manches Blat,

Danach man groſſes Verlangen hat,

Die Heid' iſt worden gruͤne;

Darum ſo iſt gezogen aus

Gar mancher Mann ſo kuͤhne.

Einer zog auf, der andre ab,

Das hat genommen gar wilde Hab,

Der Schimpf hat ſich gemachet,

Des hat der Herzog von Burgund

Gar wenig mehr gelachet.

Man iſt gezogen in ſein Land,

Ein Stadt iſt Ponterlin genannt,

Da iſt der Reigen anfangen,

Darin ſo ſieht man Wittwen viel

Gar trauriglichen prangen.

Der Baͤr eilt ihnen nach mit der Fahn,

Er brannt, als er vormals gethan,

Den Welſchen da zum Leide,

Da er das Dorf gezuͤndet an,

Da zog er auf weite Heide.

[138]
Da nun der Zug gen Orban kam,

Da brannt die Stadt in Feuers Flamm,

Wann ſie ſich haͤtten ergeben

An die frommen Herren von Bern!

Das war dem Schloß nicht eben.

Darum ſie es gezuͤndet an,

Das hat entgolten mancher Mann,

Der in das Schloß iſt kommen,

Die Eidgenoſſen in der Stadt

Sie loͤſchten das Feuer zum Frommen.

Geſellen nahmen den Kirchthurm ein,

Und ſchoſſen zu den Welſchen herein,

Daß es ſo laut erkrachet,

Wiewohl es war ein groſſer Ernſt

Des Schieſſens mancher lachet.

In dem da ſtuͤrmt man an das Schloß,

Man achtet gar kein Wurfgeſchoß,

Sie hauen ein Loch in die Mauren,

Dadurch ſchluͤpft mancher kuͤhne Mann,

Um ſich hat er kein Trauren.

Die von Bern ſtuͤrmten vorne dran

Und die von Baſel hinten an,

Sie kamen darin mit Genoſſen,

Das Faͤhnlein von Luzern, weiß und blau,

Sah man gar bald im Schloſſe.

Da nun die Welſchen ſahen klar,

Wie ſchnell das Schloß erſtiegen war,

Sie warfen ab die Wehrn,

[139]
Und baten, daß man auf ſollt nehmen,

Durch Gott und unſer Frauen Ehrn.

Haͤtten ſie das beyzeit gethan,

Man haͤtt ſie alleſamt leben gelahn,

Jezt wollt man ſie nicht ehren;

Da nun die Welſchen ſehen das,

Begannen ſie ſich zu wehren.

Sie hatten ein Thurm eingenomm'n,

Da konnt man lang nicht zu ihn komm'n

Da waren viele innen,

Sie wehrten ſich gar lange Zeit,

Und mocht ihr keiner entrinnen.

Da fuͤgt ſich das man zu ihn kam,

Inwendig im Thurm man aufhin klam,

Viel hoͤher als ſie waren,

Man warf ihr eben viel zu todt,

Und traf ſie uͤber den Ohren.

Es geſah nie kein'm Mann groͤſſer Noth,

Man warf ſie lebendig und todt,

Allſamt uͤber die Zinnen,

Das Schloß Orban man alſo thaͤt

Den Welſchen abgewinnen.

Darin waren mehr denn hundert Mann,

Die all ihr Leben muſten lahn,

Darin will ich nicht luͤgen,

Man lehrt ſie uͤber die Mauer all

Ohn alles Gefieder fliegen.

[140]
Noch iſt ein ſtark Schloß Jungi genannt,

Dem ward es auch gar bald bekannt,

Wie es zu Orban ergangen,

Da waren viel der Welſchen auf,

Herab hatten ſie Verlangen.

Man zog gen Jungi in die Stadt,

Nach dem Schloß man groß Verlangen hat;

Da man kam dargeſchlichen,

Da waren die Welſchen alle daraus

In welſche Land gewichen.

Der Baͤr war gelaufen aus dem Hoͤhl,

Es iſt ihm ergangen alſo wehl,

Wieder heim iſt er geſprungen,

Gott geb ihm fuͤrbas Gluͤck und Heil,

Hat uns Veit Weber geſungen.

Herr Burkhart Muͤnch.


In Roſen baden. Spruͤchwort.


(Nach Lycoſthenes Pſellionoros Luſtgarten. Straßburg, bey Carolo. 1621
S. 678.)


Es war Herr Burkhart Muͤnch bekannt

Als tapfrer Kriegsmann in dem Land,

Mit dem Delphin aus Frankereich

Er kam mit ſtarker Macht zugleich.

Nicht weit von Baſel fiel zumal

Der Eidgenoſſen groſſe Zahl,

So daß ſein Feind fuͤr diesmal zwar

Erleget und entflohen war.

[141]
Da ritt Herr Burkhart Muͤnch frey fort,

Dort auf die Wahlſtadt an den Ort,

Auch uͤber todte Koͤrper all

Und triumphirt mit lautem Schall.

Und auf der Wahlſtadt einen fand,

Der ihm zuvor war wohlbekannt,

Der ſeine Wunden ſchwer ertrug,

Alsbald er ſein Viſier aufſchlug.

Und ſprach: „Schau heut zu Tag hiebey,

„Da baden wir in Roſen frey.“

Solch Wort erhoͤrt ein Eidgenoß,

Dem dieſe Schmach gar ſehr verdroß.

Daß er zu raͤchen ſie gedacht:

„Ich moͤcht nur haben ſo viel Macht,

„Weil ich doch lieg zum todt verwundt.“

Alſo er ſich ermahnt zur Stund.

Da richtet er an einem Stein

Sich auf die Kniee ganz allein,

Und warf denſelben ſcharfen Stein

Herrn Burkhart in den Helm hinein.

Da ſank Herr Burkhart unverzogen,

Und ſtarb an ſeinem Sattelbogen,

Das Roß gieng mit dem Ritter durch

Und bracht ihn ſterbend in die Burg.

„Wie haͤngt der Ritter auf dem Roß?

„Sein Panzer iſt ja roſenroth!

„Legt ihn nur auf den Kirchhof fein,

„Da wachſen viele Roͤſelein.“

[142]
So ward die Ros in ihrem Blut,

Die frech erwuchs mit Uebermuth,

Gar bald zu nicht durch fromme Haͤnd,

Das Roſenbad Gott von uns wend.

Zug nach Morea.


(Fliegendes Blat aus der Schweiz, mitgetheilt von H. Prof. Blumenbach.)


Was haben die Urner und Zuger gethan,

Sie wollen ein Zug gen Morea han,

Gen Morea wollens dingen,

Sie wollen dingen achttauſend Mann,

Wider den Tuͤrken wollens kriegen.

Sie zogen durchs freye Amt hinab,

Sie fanden gar manchen jungen Soldat,

Sie lieſſens all roth bekleiden, ſie fuͤhren uͤber den Zuger-

See,

Sie lugen umher und das thut weh:

He der Krieg moͤgt manchem verleiden.

Sie zogen zu Zug wohl aus der Stadt,

Und ein gut Geſell zum andern ſprach:

„Ich habs gar eben gerechnet,

„Wir muͤſſen ziehn dem Tuͤrken zu,

„He ich mein, mein Herz muͤſt brechen!“

Wie ſie aus den Schiffen heraus dann ſteigen,

Die Hauptleut thun ihnen die Haͤnd all reichen,

Sie thaͤtens in Glieder ſtellen,

Der ein Hauptmann zum andern ſprach:

„He wie han wir die bravſten Geſellen.“

[143]
Der ein Hauptmann zum andern ſeit:

„Heut Nacht wend wir noch gen Uri hinein, wir muͤſſen

tapfer laufen.“

Der ein Hauptmann zum andern ſprach,

Wie ihm gefiele dieſe Sach:

He die Geſellen wollen wir verkaufen.

Sie zogen uͤber den Gotthard auf,

Die jungen Soldaten ſchreien uͤberlaut,

Es wolt ſie all ſchier gereuen,

Der ein gut Geſell zum andern ſprach:

He keim Hauptmann iſt mehr zu trauen.

Sie fahren uͤber den langen See,

Sie ſehen das Vaterland nimmermehr,

Sie thaͤten ſchier all weinen,

Der ein gut Geſell zum andern ſprach:

He waͤren wir nunmehr daheime.

Und wie ſie kamen zu der Meerſtangen,

Es thut die Schweizerſoldaten plangen:

„Wie weit muͤnd wir von hinnen,

„Wann ich denke an mein Vaterland,

„He mein Herz moͤcht mir zerſpringen!“

Sie reiſen eine weite Reiß,

Der ein gut Geſell zum andern ſchreit:

Wie weit muͤnd wir noch reiſen?

Der Hauptmann zu den Soldaten ſprach:

He Venedig will ich bald zeigen.

Der Wachmeiſter iſt ein munterer Mann,

Er hat die bravſten Soldaten g'han,

[144]
Zu Venedig war er der erſte,

Sie haben ihm geben viel Gut und Geld:

He ein guldene Ketten veſt.

Und wie ſie kamen zu dem Meer,

Da haben die Schweizer Galeeren geſehn,

Sie ſitzen darneben nieder:

„Hend wir was gutes gehan im Vaterland,

„He auf dem Meer wirds uns eintreiben.“

Und wie der Hauptmann die Red vernahm,

Und er zu den Soldaten ſprach,

Zu denen Schweizerknaben:

„Wir ſind verſorgt mit Speiß und Trank,

„He kein Hunger muͤſſen wir haben.“

Und wie ſie kamen in die Stadt Morea,

Dort wollten ſie ihr Lager han,

Dort hend ſie ihre Lager:

„Wenn der Bluthund das vernehmen thut,

„He er wird uns bald Antwort geben.“

Es ſtund nicht mehr denn ein Monat an,

Dem Tuͤrken wurd es kund gethan,

Es waͤren Chriſten vorhanden,

Es waͤren da viel tauſend Mann,

He ſo fern aus fremden Landen.

Der Tuͤrk der ſchickt ein Boten dar,

Ob ſie wollten die Stadt Morea han?

Sie ſollten Antwort geben,

So woll er ziehn mit ihnen ins Feld,

He koſt manchem Schweizer ſein Leben.

[145]
Und wie die Chriſten das vernahmen,

Und ſie je laͤnger je keker waren,

Sie bruͤllten wie die Loͤwen:

„Hilf Jeſu Chriſt wir bitten dich,

„He wie heut thut der Bluthund draͤuen.“

Sie laufen Sturm ein halber Tag,

Der Hauptmann zu den Soldaten ſprach:

„Seid ihr doch nicht erſchrocken,

„Ruft heut nur Gottes Namen an,

„Euere Suͤnd wird euch nachgelaſſen.“

Und da ſie kamen in Stadt Weiſſenburg,

Der Tuͤrk mit feurigen Kugeln ſchoß,

Er wollt die Chriſten daͤmmen,

Er grub wohl unter dem Boden durch,

He in die Luft wollt er ſie ſprengen.

Von Weiſſenburg eine weite Reis,

Der ein gut Geſell zum andern ſeit:

„Wie weit muͤnd wir noch reiſen?

„Wir wollen ziehn zum heiligen Grab,

„Der Hauptmann habs ihnen verheiſſen.“

Conradin von Schwaben.


(Nach der Chronik der Hohenſtaufen. S. 492.)


Als Conradin zu Jahren kam,

Ein ſchnelle Sach ſich bald vernahm,

Er wollt ſich maͤnnlich halten,

Alle Erblaͤnder nehmen ein,

Die von den Aeltern eigen ſein,

2 Band. 10.
[146]
Die wollt er frey verwalten.

Daß er ſie frey und eigen haͤtt

Um Kriegsvolk thaͤt er ſchreiben

Im Koͤnigreich, Fuͤrſtenthuͤm und Staͤdt,

Da ſoll niemand ausbleiben,

Sondern ihm treuen Beyſtand thun,

Bis er ein Heer zuſammenbracht,

Hat er kein Raſt und konnt nicht ruhn.

Als nun Papſt Clemens ſolches vernahm,

Der Sache bald zuvor auch kam,

Thaͤt auch ein Kriegsherr verſchreiben.

Und ſchrieb dem Grafen Karl gleich,

Dem Bruder des Koͤnigs in Frankenreich,

Er ſollte nicht ausbleiben,

Sondern Konrad wehren thun,

Und alle Paͤß verlegen.

Graf Karl thaͤts alsbald nun,

Er zog ihm ſtraks entgegen,

Und machte durch Verraͤtherey,

Daß er Neapel genommen ein,

Eh Conradin noch kam herbey.

Karl der ſchicket aus gar viel

Verraͤther in geheimer Still,

Sie ſollten Sperl einnehmen,

Denn Karl ließ gar viel darauf gehn,

In Papſtes Namen iſts geſchehn,

Den Conradin zu daͤmmen;

Der Papſt verhieß ihm groſſes Gut,

Wenn er ihn moͤcht beſtreiten,

Derhalben hielt er gute Hut,

[147]
Er ließ groß Gut erbiethen,

So die Verraͤtherey gemacht,

Die Steg und Weg daſelbſt er wußt,

Da ruͤckt er bey in tiefer Nacht.

Conradin mit ſeinem Heer

Auf die Nacht da einkehrt.

Zu Morgens wollt er ruͤcken

Ja ins Koͤnigreich Neapel ein!

Ließ ausrufen mit heller Stimm,

Sein Red wollt er nicht zucken,

Eh muͤß ihm drauf gehn Leib und Gut,

Er wolle es drauf ſetzen! —

Die Landsknecht ſind nun wohlgemuth:

Die Reiſ' ſoll uns ergoͤtzen!

Sie konnten ſich nicht ruͤſten mehr,

Hineinzuruͤcken in das Land,

Als ſchon der Feind vorhanden waͤr.

Nun hoͤret zu, wie es ergieng,

Als ſich der Schimpf mit Ernſt anfieng,

Die Schanz ward haſtlich uͤberſehen.

Conradin hat geſiegt im Anfang,

Da uͤber die Beut die Ordnung ſank,

Da war der Schaden geſchehen,

Sie waren uͤbereilet ſchon

Von ihrem Gegentheile,

Deshalb empfingen boͤſen Lohn,

Ihre Haut war ihnen feile,

Der Vortheil uͤbergeben ward,

Das Spiel, das war verloren ſchon,

Vermißt ward ihnen hier die Kron.

[148]
Es koſtet manchen ſtolzen Mann,

Der ſeine Haut wollt ruͤcken dran,

Zu retten ſeinen Herren,

Und ihm ein treuen Beyſtand thun

In Noͤthen gaͤnzlich nicht verloren,

Mit Tapferkeit zu wehren.

Es konnt damit doch nichts mehr ſeyn,

Sie waren uͤberlaͤnget,

Der Feind drang bald auf ſie herein,

Daß ſie wurden zerdraͤnget,

Noch dennoch war ihr Herz ſo gut,

Eh einer ſeinen Herrn laſſen wollt,

Vergoſſen ſie ihr eigen Blut.

O Jammer uͤber Jammersnoth,

Wie viel der Kriegsleut blieben todt,

Noch dennoch ward gefangen

Ihr Herr, fuͤr den ſie Gut und Blut

Daran geſetzt aus freyem Muth,

Der muß nun von hindannen

Mit einem Herzog zu Oeſterreich,

Friedrich ward er genennet,

Sie wurden beyd hinweg zugleich

Gefuͤhret unzertrennet,

In die Hauptſtadt, die ward genannt

Neapel von dem Koͤnigreich,

Gefangen ſaſſens in ihrem Land.

Als Conradin gefangen war,

Wurd er gehalten grauſam hart,

Mit ſamt dem Herzog Friedrich,

Verſpottet, jaͤmmerlich traktirt,

[149]
Zu einem Schauſpiel umgefuͤhrt,

Und was man konnt erdichten. —

Den vorgen Tag der Held ging zu

Durch Berg und Thal mit glaͤnzenden Heer;

Der Papſt hat weder Raſt noch Ruh,

Vor Neid konnt er nicht warten mehr,

Aus eitel Gift und grimmen Zorn

Gab er Befehl, daß man ſollt ſchnell

Mit ihnen zum Gericht fortfahrn.

Man fuͤhrt herfuͤr die Fuͤrſten beyd,

Wer hat geſehen ſolches Leid

Bey Denken aller Zeiten,

Da auf die Wahlſtadt, die da war

Bereitet ihnen alſo baar,

Oeffentlich vor allen Leuten,

Man ſchlug ihnen beiden ihr Haͤupter ab,

Da war gar kein Erbarmen,

Es muſt daran der junge Knab

Mit ſeinen ſchneeweiſſen Armen,

Als er alt war ſechzehen Jahr,

Durch den Papſt Clemens den vierten

Iſt das geſchehen offenbar.

Der alte Lanzknecht.


(Fliegendes Blat.)


Wohl auf ihr Lanzknecht alle,

Seyd froͤhlich, ſeyd guter Ding,

Wir wollen Gott den Herren

Dazu den edlen Koͤning,

[150]
Er legt uns ein gewaltigen Haufen ins Feld,

Es ſoll kein Lanzknecht trauren um Geld,

Er will uns ehrlich lohnen

Mit Stuͤwern und Sonnenkronen.

Der Herzog aus Burgunde,

Derſelbig treuloſe Mann,

Wollt uns den edlen Franzoſen

Schaͤndlich verrathen han,

Das ſchaffet Gott durch ſeine Guͤt,

Gott woll uns den edlen Koͤnig behuͤt,

Er iſt ein edler Herre,

Wir dienen ihm allzeit gerne.

Beym Bauren muß ich dreſchen

Und eſſen ſaure Milch,

Beym Koͤnig trag ich volle Fleſchen,

Beym Bauren ein groben Zwilch,

Beym Koͤnig tret ich ganz tapfer ins Feld,

Zieh daher als ein freyer Held,

Zerhauen und zerſchnitten,

Nach adelichen Sitten.

Es ſoll kein Lanzknecht garten

Vor eines Bauren Haus,

Denn er muß rotten und harken,

Daß ihm der Schweiß bricht aus,

Dazu das Mark in ſeim Gebein;

Viel lieber diene ich dem Koͤnig allein,

Denn einem reichen Bauren,

Er giebt uns das Geld mit Trauren.

[151]
Der uns dies neue Liedlein ſang

Von neuem geſungen hat,

Das hat gethan ein Lanzknecht gut,

Iſt gelegen vor mancher Stadt,

In mancher Feldſchlacht iſt er geweſen,

In vielen Stuͤrmen hat er geneſen,

Dem edlen Koͤnig zu Ehren,

Sein Lob iſt weit und ferne.

Henneke Knecht.


(Baringii descriptio salae principatus Calemb. Lemgo 1744. II. 153.)


Henneke Knecht, was willſt du thun,

Willſt du verdienen dein alten Lohn,

Ueber Sommer bey mir bleiben,

Ich geb dir ein Paar neue Schuh,

Den Pflug kannſt du wohl treiben.

Henneke ſprach ein trozig Wort,

Ich will keim Bauern dienen fort,

Solcher Arbeit will ich trutzen,

Ich will mich geben auf die See,

Des hab ich groͤſſern Nutzen.

Das Weib ſprach auch ein haſtig Wort:

Wie biſt du Kerl auch ſo bethoͤrt,

Willſt du ein Schiffmann werden,

Hakken, reuten iſt dein Art

Und pfluͤgen in der Erden.

[152]
Henneke ward bey ſich ſelbſt zu Rath,

Er kauft fuͤr ſeinen Haberſack

Ein Armbruſt, gut von Preiſe,

Kurz Kleider laͤßt ſich meſſen an,

Recht nach der Krieger Weiſe.

Er nahm die Armbruſt auf den Nack,

Den Koͤcher er im Guͤrtel ſtach,

Das Schwerdt an ſeine Seite,

So ging er dann mit Sack und Pack,

Nach Bremen thaͤt er ſchreiten.

Als Henneke nach Bremen kam,

Thaͤt er vor einem Schiffer ſtahn,

Sprach: Schiffer lieber Herre,

Wollt ihr mich wohl zum Schiffmann han,

Fuͤr einen Ruderere?

Ich will dich gerne nehmen an,

Kannſt du als Schiffknecht mir beſtahn,

Wohl recht an Schiffes Borde,

Ich hoͤr an deinen Worten wohl,

Du biſt von Bauern Arte.

Henneke ſchwor einen theuren Eid:

Kein anderer Kerl iſt weit und breit

Zu allem Thun und Sachen;

Ich bin in meinem Muth ſo frey,

Recht als ein wilder Drachen.

Da Henneke Knecht kam auf die See,

Stand er als ein verzagtes Reh,

Kein Wort konnt er nicht ſprechen,

[153]
Er dachte hin, er dachte her,

Sein Herz wollt ihm zerbrechen.

Er lehnt ſein Haupt an Schiffesbord,

Ein Armes lang ſprach er kein Wort,

Wohl zu derſelben Stunden:

Was mir das Weib vorhergeſagt,

Das hab ich nun gefunden.

Der Wind, der weht, der Hahn, der kraͤht,

Das Wetter, das war gar unſtaͤt,

Das Meer ganz ungeheure,

Haͤtt ich den Pflug in meiner Hand,

Dem wollt ich wohl bald ſteuren.

Iſt denn nun niemand hier bekannt,

Der mich bringt in das Sachſenland,

Wohl zwiſchen Diſter und Leine,

Wohl zu des edlen Fuͤrſten Haus,

Das Haus zum Lauenſteine.

Auch iſt nun hier niemand bekannt,

Der mich bringt ins Braunſchweiger Land,

Ich will ihn wohl belohnen,

Ich will ihm geben mein Haberſack,

Dazu ein Scheffel Bohnen.

Der uns das Liedchen hat erdacht,

Hat Henneken von der See gebracht,

Daß ihn die Laͤus nicht freſſen,

Er warnt auch all Geſellen gut,

Daß ihr nicht ſeid vermeſſen.

[154]

Zwey Schelme.


(Fliegende Blaͤtter.)


Es traͤgt ein Jaͤger ein gruͤnen Huth,

Er traͤgt drey Federn auf ſeinem Huth,

Juchhey, Raſſey! Heſaſa, Faldrida!

Er traͤgt drey Federn auf ſeinem Huth.

Die eine war mit Gold beſchlagen,

Das kann ein jeder Jaͤger tragen:

Juchhey u. ſ. w.

Der Jaͤger der jagt ein wildes Schwein

Bey Nacht, bey Tag, bey Mondenſchein:

Juchhey u. ſ. w.

Er jagt uͤber Berg und tiefe Straus,

Er jagt ein ſchwarzbraunes Maͤdel heraus:

Juchhey u. ſ. w.

Wonaus, wohin, du wildes Thier,

Ich bin ein Jaͤger und fang dich ſchier?

Juchhey u. ſ. w.

Du biſt ein Jaͤger und faͤngſt mich nicht,

Du kennſt meine krumme Spruͤnglein noch nicht:

Juchhey u. ſ. w.

Deine krumme Spruͤnge kenn ich gar wohl,

Leid iſts mir, daß ich dich fangen ſoll:

Juchhey u. ſ. w.

Er warf ihr das Baͤndlein an den Arm.

Jezt bin ich gefangen, daß Gott erbarm:

Juchhey u. ſ. w.

[155]
Er nahm ſie bey ihrem rothen Rock,

Er ſchwang ſie hinter ſich auf ſein Roß:

Juchhey u. ſ. w.

Er ritt vor ſeiner Frau Mutter Haus,

Frau Mutter ſchaute zum Fenſter hinaus:

Juchhey u. ſ. w.

Sey mir willkommen, o Sohne mein,

Was bringſt du fuͤr ein wildes Schwein:

Juchhey u. ſ. w.

Frau Mutter, es iſt kein wildes Schwein,

Es iſt ein zartes Jungfraͤuelein:

Juchhey u. ſ. w.

Iſt es ein zartes Jungfraͤuelein,

So ſoll ſie mir willkommen ſeyn:

Juchhey u. ſ. w.

Sie ſetzt das Jungfraͤulein an den Tiſch,

Sie trug ihr auf gut Wildpret und Fiſch:

Juchhey u. ſ. w.

Sie trug ihr auf den beſten Wein,

Das Jungfraͤulein wollt nicht froͤhlich ſeyn:

Juchhey u. ſ. w.

Ey iß und trink, gehab dich wohl,

Du darfſt nicht ſorgen, wers zahlen ſoll:

Juchhey u. ſ. w.

Ders zahlen ſoll, und der bin ich,

Ich hab kein lieberes Schaͤtzel als dich:

Juchhey u. ſ. w.

[156]
Eur Herzallerliebſte will ich nicht ſeyn,

Ich bin des Edelmanns Toͤchterlein:

Juchhey u. ſ. w.

Und biſt du des Edelmanns Toͤchterlein,

So ſollſt du mir des lieber ſeyn:

Juchhey u. ſ. w.

Er fuͤhrt ſie wohl vor des Goldſchmidts Haus,

Der Goldſchmidt ſchaut zum Fenſter hinaus:

Juchhey u. ſ. w.

Ach allerliebſter Goldſchmidt mein,

Schmied meinem Schatz ein Ringelein:

Juchhey u. ſ. w.

Schmied ihr den Ring an die linke Hand,

Ich nehm ſie mit ins fremde Land:

Juchhey u. ſ. w.

Ins fremde Land da will ich nicht,

Du biſt ein Schalk, ich trau dir nicht:

Juchhey u. ſ. w.

Sie gingen miteinander den Berg hinauf,

Er ſetzte ſie nieder an einem Baum:

Juchhey u. ſ. w.

Er bricht herab einen gruͤnen Zweig,

Und machet das Maͤdel zu ſeinem Weib:

Juchhey u. ſ. w.

Da lachet das Maͤdel ſo ſehr vermeſſen:

Ach edler Jaͤger, eins hab ich vergeſſen:

Juchhey u. ſ. w.

[157]
Wenn mich mein Mutter nun jaget hinaus,

Wo lag denn deiner Frau Mutter ihr Haus:

Juchhey u. ſ. w.

Der Mutter ihr Haus ſteht unten am Rhein,

Es iſt gebauet von Marmelſtein:

Juchhey u. ſ. w.

Es hat weder Weg, es hat weder Steg,

Feins Maͤdel ſcher dich deiner Weg:

Juchhey u. ſ. w.

Ich bin ein Schelm, du trauſt mir nicht,

Du biſt nicht ehrlich, ich werf auf dich:

Juchhey u. ſ. w.

Als ſie ein Stuͤckwegs hinaus kommt gegangen,

Ihr Mutter begegnet ihr mit der Stangen:

Juchhey u. ſ. w.

Wo biſt du geweſen, du faule Haut,

Du biſt wohl geweſen des Jaͤgers Braut:

Juchhey u. ſ. w.

Wann andre Maͤdchen zu Tanz gehn und ſpringen,

Du muſt bey der Wiege ſtehn und ſingen:

Juchhey u. ſ. w.

Man ſingt bey Meth und kuͤhlem Wein,

Wohl von dem zarten Kindelein:

Juchhey u. ſ. w.

Schlaf ein, ſchlaf ein feins Kindlein mein,

Wo wird wohl dein Vater der Jaͤger ſeyn?

Juchhey, Raſſey! Heſaſa, Faldrida!

Im Elſaß da wirſt du ihn finden.

[158]

Der Bayriſche Hieſel.


(Fliegende Blaͤtter.)


Ey du mein liebe Threſel,

Ich bin nun wieder da,

Zu Nacht ſollſt mich behalten,

Gelt ſchlag mirs nicht ab.

Ey Bayriſcher Mathieſel

Zieh aus deinen Rock,

Sez dich ein Weil nieder,

Bis ich dir was koch.

Ey du mein liebe Threſel,

Es hungert mich nicht,

Ich bin gar weit gangen,

Darum bin ich muͤd.

Warum biſt du gangen

Und biſt allzu muͤd?

Drey Hirſch hab ich ſchoſſen,

Die hab ich bey mir.

Ey ſollt dich nicht hungern,

Ey durſtet dich nicht?

Mein Hund haͤlt die Wache,

Das beſt ihm zuricht.

Ey Bayeriſcher Mathieſel

Zieh aus deine Schuh,

Leg dich ein Weile nieder

Und deck dich warm zu.

[159]
Ey du mein liebe Threſel,

Allein kanns nicht ſeyn,

Wenn ich im Bette liege,

Muſt auch bey mir ſeyn.

Wenn die Kuh iſt gemolken,

Die Milch iſt geſaiht,

So will ich ſchon kommen,

Da iſt es noch Zeit.

Sie ſchliefen zuſammen

Die zeitlange Nacht,

Bis daß manch ſchoͤn Hirſchlein

Am Fenſter rum graſt.

„Ey Treſel ſollſt aufſtehn,

„Bring Krapfen heraus,

„Zwoͤlf Jaͤger ſind drauſſen

„Geſchwind mach uns auf.“

Ey meine liebe Jaͤger

Euch laß ich nicht ein,

Ich thu mich ſtets fuͤrchten

Und bin ganz allein.

„Ey du mein liebe Threſel

„Du fuͤhrſt uns nur blind,

„Dein Bayriſcher Matthieſel

„Iſt auch bey dir drin.“

Ey Bayriſcher Matthieſel,

Du kunſtreicher Kund,

Zwoͤlf Jaͤger ſind drauſſen

Und drey groſſe Hund.

[160]
Ey du mein liebe Threſel

Laß mir ſie herein,

Ich thu mich nicht fuͤrchten,

Wenns noch ſoviel ſeyn.

Ey Bayriſcher Matthieſel

Zieh an deinen Rock,

Du muſt mit uns nun gehen

In Graftilands Schloß.

Und eh ich mit euch gehe,

Mein Leben ich mag,

Hab noch funfzig Gulden,

Die geb ich euch dann.

Ja deine funfzig Gulden,

Die ſind uns ſchon recht,

Die wollen wir kriegen,

Und waͤrs noch viel mehr.

Ey meine liebe Jaͤger

Noch eins ich nur frag,

Ob ich wohl im Heimgehn

Ein Gemslein mir jag?

Ey ihr meine liebe Jaͤger

Jezt geht es zum Schluß,

Gehn wir nicht zuſammen

So giebts kein Verdruß.

Sechs Jaͤger ſind drauſſen,

Sechs Jaͤger ſind drin,

Sechs hat er geſchoſſen,

Sechs laufen davon.

[161]
Der Hund thaͤt ſie fangen,

Sie fallen aufs Knie.

Die Threſel thut bitten:

„Die thun dirs wohl nie!“

„Ey Bayriſcher Matthieſel

„Das Leben uns ſchenk,

„Wir tragen dir die Hirſche

„So weit du gedenkſt.“

Trotz Jaͤger auf Almen,

Merkt gruͤn iſt mein Huth,

Drauf Schildbahnenfedern

Und Gemsbart mit Blut.

Icarus.


(Mitgetheilt, wahrſcheinlich nicht ſehr alt.)


Mir traͤumt, ich floͤg gar bange

Wohl in die Welt hinaus,

Zu Straßburg durch alle Gaſſen

Bis vor Feinsliebchens Haus

Feinsliebchen iſt betruͤbt,

Als ich ſo flieg und rennt:

Wer dich ſo fliegen lehrt,

Das iſt der boͤſe Feind.

Feinsliebchen, was hilft hier luͤgen,

Da du doch alles weiſt,

Wer mich ſo fliegen lehrt,

Das iſt der boͤſe Geiſt.

2. Band. 11.
[162]
Feinsliebchen weint und ſchreiet,

Daß ich vom Schrey erwacht,

Da ſaß ich ach! in Augsburg

Gefangen auf der Wacht.

Und morgen muß ich hangen,

Feinslieb mich nicht mehr ruft,

Wohl morgen als ein Vogel

Schwank ich in freyer Luft.

Ruhe in Gotteshand.


(Procopii Mariale festivale. p. 120.)


Gleich wie des Noah Taͤubelein

Ihr Fuͤßlein nicht wollt ſudeln ein,

Im Letten dieſer Welt;

Sie floh dem Patriarchen zu,

In ſeiner Hand da fand ſie Ruh,

Sonſt nirgends in dem Feld,

Alſo in dieſem Suͤnden-Land,

Maria ſtund in Gottes Hand,

Der Feind erjagt ſie nicht,

Ihr Leib und Seel wohl angefuͤhrt,

Zum Boͤſen keine Neigung ſpuͤrt,

Sieh an ihr Angeſicht.

[163]

Wieben Peter. (1539)


(Dithmarſiſche Kronick. S. 209.)


Will jy hoͤren en nie Gedicht,

Wat kortelich is uthgericht,

Darvan will ick jy ſingen,

En Mann is Wieben Peter genandt,

De Dithmarſcher wolde he dwingen.

He toͤg wol ut ſin Vaterland,

Darup het he gerovet und gebrant,

Mit Gewalt veel Gudes genahmen,

Etliche gefangen und weggefoͤhrt,

Is nu to Uhtdracht kamen.

He hefft ſick Hans Pommerening genannt,

Hefft Schaepſtette ſulveſt abgebrannt,

Mit ſienen Broder und Knechten,

Dat wareden de Acht and Vertig gewahr,

De Sacke muͤſte he verfechten.

Darna wart he gefangen fzon,

Dat man em ſzolde geven ſin Lohn,

Na ſinen Verdenſt und Rechte,

To Rendsburg ward he gefunden loß

Van adelichem Geſchlechte.

Idt wahrde nicht gar lange Tydt

Toͤg he in duͤtſchen Lande wiht

Na Carol dem Roͤmiſchen Kaiſer,

Ammer ſine Mandata to hahlen dar,

Ungluͤck war ſine Reiſe.

[164]
Den Acht und Vertig is Badeſchop gekohmen,

Wieben Peter hedde Knechte angenohmen

To Jevern in Frehen Lande,

Darmit wolde he up de Dithmarſcher nehmen,

Und dohn enen weh und bange.

Upenen Sonnavent edt idt geſchah,

De was van Hemmelfarthsdag,

Her Hoͤwetmann hebben ſe kohren

Bohles Johann en framme Mann,

De Schantze wolde he wohren.

Rode Reimar, Klaus Fake, ſin ock erwaͤhlt,

Reinhold Gerdt en frammer Held,

Dad beſte deden ſe raden,

Se ſegelden all uth gegen de Floth,

To hilligen Lande quemen ſe drade.

Se hedden en Schipken ruͤſtet uth

Mit Viktualien en buͤſſen Kruͤth,

Mit Speiſen und grote Geſchuͤtte,

En Jagteken, dat was darmit,

Dat wart en ock wohl nuͤtte.

Se ſegelten to hillige Land langſt dat Klieff,

Dar Wiebe Peters opſtahnde blief,

Dat dehde em doch ken baten,

Johann ſin Broder was darby,

De moſte dar ſin Levend laten.

Se lepen dar friſchlich an dat Land,

Wieben Peters twe Baten uth geſandt,

De hoͤret Luͤde to ſtuͤhren,

[165]
De ene was Vaget, de ander Paſtor

Des Nahme het Hr Ludert.

He wolde ſick gern gefangen geven,

Wolden ſe em friſten ſin junge Leven,

Und nehmen em gefangen,

Wol up des loͤfligen Koͤnigs Recht,

Darnach ſtand ſein Verlangen.

Bohles Johann ſprack altohand:

De Dithmarſcher hebben my uth geſandt,

He ſpall ſich fangen geven,

Hefft he den Kopmann ken Leed gedahn,

Friſten ſchall he ſin Leven.

Haͤnſchen wol to Peter ſprack:

Ik fuͤrchte alhier grot Ungemack,

Ach Peter gift dy gefangen.

Peter hof up ſinne witte Hand

Schleg Haͤnſchen by de Wangen.

He ſettede de Kanne vaͤr ſinen Mund,

He drunk ſe ut bet up den Grund,

Ehn Faͤhnlin he ſo drahde,

Dar to en Schwerd umb Hoͤvet ſchwank,

Hedde men de Spiſſe to bade.

De Dithmarſcher lepen an dat Klieff

Wieben Peter mit Hanſen beſtande blief,

Dat dehte em keen baten,

Twen andern Geſellen waren ock darby,

Ehr Leven moſten ſe laten.

[166]
Do hefft he man yeer Schoͤte gedahn,

Darmet is he na der Kerken gahn,

Den Boͤhne hefft he erkaren

Mit ſinen Bruder und Knechten dar,

Sin Leven hefft he verlahren.

Dat Scheten wahret en gantze Stund

Wol in der Kerken to hillige Land,

Ener ward gefangen nahmen,

Vaͤrt gantze Land ward he gefoͤhrt,

Is em to Unfall gekamen.

De Acht und vertig ſchleten en Rath,

Wegen der dreer doden drad,

Wo men et damit ſcholde macken,

Wieben Peters ſcholde up en Rad,

Syn Hoͤvet openen Stacken.

De uns dat nie Liedlein ſank,

Reinhold Junge is he genannt,

He hefft idt gar ſchoͤn geſungen,

He was van twintig Jahre oldt

Den Rey hefft he geſprungen.

Jarren Reimer de was daby,

Reinhold Junge de ſprach het fry,

Se hebben idt gar wohl geſungen,

Se drinken vol lever guth Beer eſte Win,

Denn Wather uth den Brunnen.

[167]

Zugvoͤgel.


(Procopii Mariale Festivale. p. 448.)


Ach wie ſo ſchoͤn, wie huͤbſch und fein

Sind deine Tritt Maria rein

In deinem Schuͤhlein leis dahin,

Ach Jungfrau, was haſt du im Sinn?

Du weiſt, was unterm Herzen tragſt,

Mich wundert, wie du eilen magſt?

„Hoͤr mich nun an, du frommes Weib,

„Ich trag in meinem reinen Leib,

„Ich trag in mir das ew'ge Wort,

„Beſchwert mich nicht, ja hilft mich fort;

„Gleich wie die Federn dem Voͤgelein

„Nicht hinderlich, nein huͤlflich ſeyn,

„Die Ruder keinem Schiff zur Laſt,

„Nein treibens, daß es ohne Raſt

„Hinſchwanket, ſchwebet ganz allein

„Und bringt den Sohn des Herren heim.“

Die Seeraͤuber.


(Quartalſchrift fuͤr aͤltere Literatur. Leipzig, 1784. 1. Q. S.29.)


Stoͤrtebecher und Goͤdte Michael,

Die raubten beide zu gleichem Theil

Zu Waſſer und nicht zu Lande,

Bis das es Gott vom Himmel verdroß,

Des muſten ſie leiden große Schande.

Sie zogen vor den Heidniſchen Soldan,

Die Heiden wolten ein Wirthſchaft han;

[168]
Seine Tochter wolt er berathen,

Sie riſſn und ſpliſſen wie zwei wilde Thier,

Hamburger Bier trunken ſie gerne.

Stoͤrtebecher der ſprach alzuhand:

Die Weſt-See iſt mir wol bekannt,

Das will ich uns wol holen;

Die reichen Kaufleut von Hamburg

Die ſollen das Gelach bezahlen.

Sie liefen oſtwerts laͤngſt des Lick:

Hamburg, Hamburg thu deinen Fleiß,

An uns kannſt du nichts gewinnen,

Was wir auch wollen bei dir thun,

Das wolln wir bald beginnen.

Und das erhoͤrt ein ſchneller Both,

Der war von klugem Rath,

Kam in Hamburg gelaufen,

Er fragte nach des aͤltſten Buͤrgemeiſtern Haus,

Den Rath fand er zu Hauſſe.

„Ihr lieben Herrn all durch Gott,

„Nehmt dieſe Red nicht auf fuͤr Spott,

„Die ich euch wil ſagen,

„Die Feinde liegen euch nahe bei,

„Sie liegen am wilden Have.

„Die Feinde liegen euch hart vor der Thuͤr,

„Des habt ihr edlen Herrn zweier Kuͤhr,

„Sie liegen dar' am Sande,

„Laſt ihr ſie wieder von hinnen ziehn,

„Des habt ihr Hamburger Schande.“

[169]
Der aͤltſte Burgermeiſter ſprach allzuhand:

„Gut Geſell du biſt uns unbekannt,

„Woruͤber ſolln wir dir glaͤuben?“

„Des ſolt ihr edlen Herren thun,

„Bei meinem treuen Eide.

„Ihr ſollet mich ſetzn auf das Vorkaſtel,

„Bis das ihr eure Feinde ſeht

„Wohl zu derſelben Stunde,

„Und ſpuͤret ihr einigen Wankel an mir,

„So ſenket mich zu Grunde.“

Die Herrn von Hamburg zogen aus,

Sie gingen zu Segel mit der Fluth,

Wol nach dem neuen Werke,

Vor Nebel konnten ſie nicht ſehn,

So finſter waren die Schwerken.

Die Schwerken brachen durch,

Die Wolken wurden klar,

Sie ſegelten fort und kamen dar,

Groſſen Preis wollten ſie erwerben,

Stoͤrtebecher und Goͤdte Michael muſten darinnen

ſterben.

Sie hatten einen Hoͤlck mit Wein genommen,

Darmit waren ſie auf die Weſer gekommen,

Dem Kaufmann dar zu leide,

Sie wollten darmit in Flandern,

Sie muſten dar noch ſcheiden.

Hoͤrt auf Geſelle, trinket nun nicht mehr,

Dort laufen drey Schiffe in jener See,

[170]
Uns grauet vor den Hamburger Knechten,

Kommen uns die von Hamburg an Bord,

Mit ihnen muͤſſen wir fechten.

Sie brachten die Buͤchſen an den Bord,

Zu allem Schieſſen gingen ſie fort,

Da hoͤrt man die Buͤchſen klingen;

Da ſah man ſo manchen ſtolzen Held

Sein Leben zu Ende bringen.

Sie ſchlugen ſich drei Tag und auch drei Nacht,

Hamburg dir iſt ein Boͤſes gedacht

All zu derſelben Stunde,

Das uns iſt lang zuvor geſagt,

Das kommen wir hie zu Funde.

Die bunte Kuh aus Flandern kam,

Wie bald ſie das Geruͤcht vernahm,

Mit ihren ſtarken Hoͤrnern,

Sie ging ſich brauſen durch die See,

Den Hoͤlck wollte ſie verſtoͤren.

Der Schiffer ſprach zu dem Steurmann,

Treib auf das Ruder zum Steurbort an,

So bleibt der Holck bei dem Winde,

Wir wollen ihn laufen ſein Vorkaſtel entzwei,

Das ſoll er wol empfinden.

Sie liefen ihm ſein Vorkaſtel entzwei.

„Trauen, ſprach ſich Goͤdte Michael,

„Die Zeit iſt nun gekommen,

„Daß wir muͤſſen fechten um unſer beider Leib,

„Es mag uns ſchaden oder frommen.“

[171]
Stuͤrzebecher ſprach ſich allzuhand:

„Ihr Herrn von Hamburg thut uns kein Gewalt,

„Wir wollen euch das Gut aufgeben,

„Wollt ihr uns ſtehen fuͤr Leib und Geſtalt

„Und friſten unſer junges Leben?“

„Ja traun, ſprach ſich Herr Simon von Utrecht,

„Gebet euch gefangen auf ein Recht,

„Laſt euch das nicht verdrieſſen,

„Habt ihr dem Kaufmann kein Leid gethan,

„So werdet ihrs wol genieſſen.“

Da ſie gegen die Richtſtadt kamen,

Nicht viel Gutes ſie da vernahmen,

Sie ſahn die Koͤpfe ſtecken.

„Ihr Herren, das ſind unſere Mitkompans!“

So ſprach ſich Stuͤrzebecher.

Sie wurden zu Hamburg in die Haft gebracht,

Sie ſaſſen nicht laͤnger als eine Nacht,

Wohl zu derſelben Stunde,

Ihr Todt wurd alſo ſehr beklagt,

Von Frauen und Jungfrauen.

„Ihr Herrn von Hamburg wir bitten um eine

Bitt,

„Die wolt ihr uns verſagen nicht,

„Und mag euch auch nicht ſchaden,

„Daß wir moͤgen den Trauerberg

„Angehn in unſerm beſten Gewande.“

Die Herrn von Hamburg thaͤten die Ehr,

Sie lieſſen ihn Pfeiffen und Trummeln vorgehn,

[172]
Sie haͤttens wol lieber entbehret,

Ja waͤren ſie wieder in der Heidenſchaft geweſt,

Sie waͤren nicht wiederkehret.

Der Scharfrichter hieß ſich Roſenfeld,

Er haute ſo manchen ſtolzen Held

Mit einem friſchen Muthe,

Er ſtund mit ſeinen geſchnuͤrten Schuen

Zu den Enkel in dem Blute.

Hamburg, Hamburg, des geb ich dir den Preiß,

Die Seeraͤuber waren nie ſo weiß,

Um deinet Willen muſten ſie ſterben,

Das machſt du von Gold ein Krone tragn,

Den Preiß haſt du erworben.

Inſchrift.


(Procopii Mariale Festivale.)


Hoͤr mich du arme Pilgerin,

Die zu Wallfahrten haſt den Sinn,

Nicht wolleſt du voruͤber gehen,

Bey dieſem Bilde bleibe ſtehen,

Erfriſch allhier die muͤden Fuͤß,

Maria hier die Mutter ſuͤß

Ganz ruhig ſtehet und wartet,

Ob du biſt gut geartet.

Haſt du ihr nichts zu geben mehr,

Laß ihr nur eine fromme Zaͤhr,

Thu ſie mit naſſen Augen

Ganz ſinniglich anſchauen,

[173]
Ohn Zweifel wirds ihr lieber ſeyn,

Denn Silber, Gold und Edelſtein,

Sie wird die Treue haben,

Dich wieder zu begaben.

Hans Steutlinger.


(Eingeſandt.)


Was wollen wir ſingen und heben an,

Von einem Hans Steutlinger,

Hat aus dem Adel geheurathet,

Hat geheurath ein adliche Frau.

Ei Knechte lieber Knechte mein,

Sattel mir und dir zwei Pferd,

Gen Freiburg wollen wir reiten,

Gen Offenburg haben wir guten Weg.

Und da ich in Freiburg eine kam,

Fuͤrs jungen Herrn Friedrich ſein Hauß,

Da ſchaute der junge Herr Friedrich

Zum obern Fenſter heraus.

Hans Steutlinger, lieber Hans Steutlinger,

Kommt zu mir jezt herein,

Steigt ab jezt von euerem Sattel,

Helft eſſen die wildeſten Schwein.

Vom Sattel will ich wohl ſteigen,

Will treten auch zu euch hinein,

Wenn ihr mir wollet verheißen,

Daß ich kein Gefangner mehr ſey.

[174]
Sie gaben dem Hans Steutlinger gute Wort,

Bis ſie ihn brachten oben an Tiſch:

Ei iß und trink Hans Steutlinger,

Dein Leben wird nimmermehr friſch.

Wie kann ich eſſen und trinken,

Wie kann ich nur froͤhlich ſein,

Mein Herz moͤgt mir verſinken

Beim Meth und beim kuͤhleſten Wein.

Hans Steutlinger, wem vermacht ihr euer Weib,

Ich vermach ſie dem lieben Herrn Friederich,

Dem vermach ich ihren untreuen Leib,

Der ſieht ſie viel lieber noch als ich.

Hans Steutlinger, lieber Hans Steutlinger,

Wem vermacht ihr eure Kind?

Ich vermach ſie dem lieben Gott ſelber,

Der weiß am beſten, wem ſie ſind.

Hans Steutlinger, lieber Hans Steutlinger,

Wem vermachet ihr euer Gut?

Ich vermachs den armen Leuten,

Die Reichen haben ſelber genug.

Der Maria Geburt.


(Procopii Mariale Festivale I.S. 228.)


Gleich wie die lieb Waldvoͤgelein,

Mit ihren Stimmen groß und klein

Fruͤh morgens lieblich ſingen,

[175]
Sobald anbricht die Morgenroͤth,

Wenns purpurfarb am Himmel ſteht,

In Berg und Thal ſie klingen.

Alſo ihr Menſchen kommt herbey,

Laßt hoͤren eure Melodey,

Das Kindelein zu gruͤſſen.

Heut froͤhlig ſein Geburtstag faͤllt,

Sankt Anna bringt es auf die Welt,

Es laſſet euch genieſſen.

Die Morgenroͤth ſo kuͤhl und naß,

Die ſchoͤnen Blumen, Laub und Gras

Sich alle freundlich neigen,

Weil dieſes Kind mit Guͤtigkeit

Erquicket ihre Mattigkeit,

Sie ihren Dank ſo zeigen.

Alſo, weil wie der Morgenthau,

Heut aufgeht unſre liebe Frau

Zum Troſt der armen Seelen,

In Demuth gruͤß ſie jedermann,

Denn ſie iſts, die uns troͤſten kann

In aller Trauer Quaͤlen.

Von dem Hammen von Reyſtett, wie ihn der
Peter von Zeytenen gefangen hat
.


(Altes fliegendes Blat von H. P. Graͤter.)


An einem Montag es geſchah,

Daß man Hammen von Reyſtett reiten ſah,

Durch einen gruͤnen Walde,

Peter von Zeitenen begegnet ihm balde.

[176]
Alsbald er Junker Hammen erſah:

Ja Hammen Gott geb dir ein guten Tag,

Und einen guten Morgen,

Du reiteſt in groſſen Sorgen.

Hammen gieb dich willig darein,

Deren von Ulm muſt du Gefangner ſeyn,

Wolteſt mir mein Huͤtlein rucken,

Das dein will ich dir zucken.

Peter, wenn es nicht anders mag ſeyn,

So bitt ich dich durch den Adel mein,

Zieh aus dein ſcharfen Degen,

Nimm mir mein edles Leben.

Hammen das thu ich nicht,

Dein edles Leben nehm ich nicht,

Ich will dich weder hauen noch ſtechen,

Die von Ulm muͤſſen mich raͤchen.

Sie banden ihm Haͤnd, ſie banden ihm Fuͤß,

Und warfen ihn auf ein hohes Roß,

Und eilten mit ihm ſehre,

Sie furchten viel Landsherren.

Dem Fraͤulein von Oeſterreich kam die Mehr,

Wie Hammen zu Ulm gefangen leg,

Es wollt nicht laͤnger beiten,

Gen Ulm wollt ſie bald reiten.

Da ſie gen Ulm eine reit,

Der Burgermeiſter ihr entgegen ſchreit:

Nach adelichen Sitten

Werd ihr fuͤr Hammen bitten.

[177]
Das Fraͤulein auf das Rathhauß trat,

Der Buͤrgermeiſter neben ihr ſaß,

Ihr ſeyd meine gnaͤd'gen Herren,

Das Fraͤulein ſollet ihr ehren.

Dem Fraͤulein ward all ihr Bitt verziehen,

Es blieb der ganze Rath verſchwiegen,

Das Urtheil ward gegeben,

Daß Hammen nicht blieb am Leben.

Das Fraͤulein auf zum Thurme trat:

Ach Hammen Gott geb dir ein guten Tag,

Und einen guten Morgen,

Du liegſt in groſſen Sorgen.

Hammen gieb dich willig darein,

Es geht dir an das junge Leben dein,

Ich bin vor den Rath getreten,

Und hab fuͤr dich gebeten.

Genade mir Frau von Oeſterreich,

Dir werde Gott vom Himmelreich

Bewahr euch eure Ehre,

Euch und andern Fraͤulein mehre.

Ich bitt euch alſo fleiſſiglich,

Betet fuͤr mich, daß man mich

Laß einmauern, ſo will ich ſchlieſſen

Mein Leben dann mit Buͤſſen.

Das Fraͤulein die Red vor die Herren bracht,

Das Fraͤulein ward von ihnen veracht,

Kein Gnad mocht ſie erwerben:

Jungherr Hammen muß ſterben.

2. Band. 12.
[178]
Da man Hammen aus den Thurm fuͤhrt,

Man legt ihm an einen grauen Rock,

Man zog ihm aus ſeine Schuhe,

Seine Suͤnd thaten ihm ſehr reuen.

Da Hammen vor des Herrn Marterbild kam,

Nun hoͤret zu was Hammen ſprach,

Er fiel nieder auf ſeine Knie,

Er bat die Gemein, daß man ihm verziehe.

Meiſter laß mir wohl der Weil,

Meiſter ihr ſollt mich nicht uͤbereiln,

Ich will euch ritterlich halten,

Den werthen Gott laſſet walten!

Da man Hammen ſein Haupt abſchlug,

Bald man ihn zu einem Borne trug,

Man legt ihn dahin mit Fleiſſe

In zwei Leilachen waren weiſſe.

Man legt ihn auf einen hangenden Wagen,

Man that ihn zu ſeinen drey Schweſtern tragen,

Durch einen gruͤnen Walde,

Zu ſeinen drey Schweſtern balde.

Die juͤngſte Schweſter das vernahm,

Daß da ihr todter Bruder kam,

In einer kurzen Stunde

Dreymal war ihr geſchwunden.

„Ihr Herren von Ulm wie iſt euch ſo gach,

„Fuͤrchtet ihr nicht noch groͤſſre Schmach,

„Die euch daraus moͤcht kommen,

„Ueber euch und eure Frommen.

[179]
„Ihr Herren wiſſet was das bedeut,

„Das Kindlein in der Wiegen leit,

„Das noch kein Wort kann ſprechen,

„Sein Vater den muß es raͤchen.“

Maria, Gnadenmutter zu Freyberg.


Wunderſchoͤn Praͤchtige,

Große und Maͤchtige,

Liebreich holdſelige, himmliſche Frau,

Welcher auf ewiglich,

Kindlich verbinde mich,

Ja mit Leib und Seel gaͤnzlich vertrau.

Billig mein Leben,

Alles beyneben,

Alles, ja alles, was immer ich bin,

Geb ich mit Freuden, Maria, dir hin.

Weil du ganz mackellos

Hat Gott dich Gnaden-Ros,

Der himmliſch Vater ſein Tochter genannt,

Ja auch der goͤttlich Sohn,

In ſeinem hoͤchſten Thron

Sich zu dir, dich als Mutter bekannt,

Endlich die Ehren

Noch zu vermehren

Als dir als ſeiner erwaͤhlten Braut,

Heiliger Geiſt ſich dir ſelber vertraut.

Die Sonn begleitet dich,

Es unterwirfet ſich,

[180]
Zu deinen Fuͤßen der ſilberne Mond,

Kein Unvollkommenheit

Mindert dein Herrlichkeit,

Um dein Haupt machen die Sterne ein Kron;

Alles was lebet,

Alles was ſchwebet,

Alles was Himmel und Erde ſchraͤnkt ein,

Muß deiner Majeſtaͤt unterthan ſeyn.

In dieſem Jammerthal

Seufzen wir allzumahl,

Zu dir, o Jungfrau, in Elend und Noth;

Maria du allein,

Wollſt unſre Mutter ſeyn,

Wenn die Seel ſcheidet vom Leib der Tod,

Wenn wir hinreiſen,

Thu uns erweiſen

Gnad und Barmherzigkeit bey deinem Thron,

Bitt fuͤr uns Jeſum dein goͤttlichen Sohn.

Von dem Schittenſamen und ſeinem falſchen
Knechte, im Ton vom Koͤnig Paris.


(Altes fliegendes Blat.)


Was wollen wir aber ſingen?

Von einem Edelmann,

Wollt die von Nuͤrnberg zwingen,

Doch ihm ſein Kunſt zerrann.

Schittenſamen war er genannt,

Er hat die von Nuͤrnberg oft griffen an,

Beraubt und auch gebrannt.

[181]
Zwar es war ſein Ungewinn,

Er bekriegt ſie wider Recht,

Was hatten die von Nuͤrnberg im Sinn,

Sie dachten es wird ihm ſchlecht,

Sechs hundert Gulden boten ſie feil,

Wer ihnen den Schittenſamen braͤcht,

Daß er ihnen wuͤrde zu Theil.

Der Schittenſamen haͤtt einen Knecht,

Dem thats der Gulden Noth,

Er diente ſeinem Herrn nit recht,

Er gab ihn in den Tod,

Davon ward ihm ſein Sekel ſchwer,

Sein Herz war aller Untreu voll,

Und aller Frommheit leer.

Er nahm ſich vor ein falſchen Sinn,

Wie er den Dingen thaͤt,

Er gieng zu ſeinem Herren hin,

Haͤtt' mit ihm heimlich Red:

Ich weiß ein reichen Nuͤrnberger Bauren,

So ihr dazu nun helfen wollt,

So wollen wir ihn erlauren.

Der Schittenſamen hinwieder ſprach:

Wo ſizt der Bauer im Land? —

Er ſizt nit fern vom Nuͤrnberger Wald.

Da ſpricht der Knecht zur Hand:

All ſein Gelegenheit weiß ich wohl,

Sechs hundert Gulden muß er uns geben,

Wenn ich ihn bringen ſoll.

[182]
Der Schittenſamen hinwieder ſpricht:

Nun ſind doch euer wohl drei,

Bringt ihr den Bauren in meine Gewalt,

Euer Theil iſt auch dabei,

Ich reite nit gern ſo fern hinzu,

Wollt ihrs zu Fuße wagen,

Mein Urlaub habt dazu.

Der untreu Knecht, der konnt ſich regen,

Mit ſeiner Schalkheit groß,

Er ſprach: Herr ſo reit uns entgegen,

Und gebt uns auch ein Loſ',

Nur ein halb Meil hinzu.

Der Schittenſamen wieder ſprach:

Das will ich gerne thun.

Der ein Knecht nahm der Red ſich an,

Er ſprach, ich weiß ein Rath,

Wir laſſen ein Fraͤulein mit uns gahn,

Das bringt uns Wein und Brod,

Wenn uns der Bauer nicht kaͤm bald,

Und wir die Nacht verziehen,

Und bleiben im Nuͤrnberger Wald.

Sie nahmen ihr Spieß und auch ihr Wehr

Und zogen uͤber Feld,

Der Schittenſamen gab ihnen Weis und Lehr,

Er meint, es braͤcht ihm Geld.

Er wuͤnſcht ihnen allen Gluͤck und Heil,

Er ſprach, ſie ſolltens friſchlich wagen

Auf einen gleichen Theil.

[183]
Das Fraͤulein lieſſen ſie mit gehn,

Bis daß ſie Nuͤrnberg ſahen,

Sie ſezten ſich nieder und ruheten,

Die Glocken hoͤrten ſie ſchlagen,

Da war es in der neunten Stund,

Der Pfundſtein zum Fraͤulein ſprach

Aus ſeinem falſchen Mund.

Geh hin und bring uns Wein und Brod,

Daß wir uns des Hungers erwehren,

Wuͤrden uns des Bauren Gulden roth,

Wir wollten lang darvon zehren,

Ich hofft der Bauer wird uns ſchier,

Iſt dir der Frankenwein zu ſauer,

So bring uns ein Malvaſier.

Das Fraͤulein hob ſich aus dem Wald,

Wohl uͤber Stock und Stauden,

Das Thor zu Nuͤrnberg fand ſie bald

Mit Laufen und mit Schnaufen.

Auf das Rathhaus war ihr Gang,

Da ſie den Burgermeiſter fand,

Die Stadtknecht giengen ihr nach.

Sie ſagt ihnen all Gelegenheit,

Sie fuͤhrt ſie auf ein Ort,

Der Burgermeiſter war doch geſcheidt,

Er merkt auf ihre Wort,

Haͤlt ſich dennoch nicht ganz daran,

Denn Frauen Liſt und Worte

Betriegen manchen Mann.

[184]
Doch macht er bald, daß es geſchah,

In einer halben Stund,

Daß man wohl manchen Reiter ſah,

Freudig von Herzensgrund,

Mit ihren Harniſchen bekleidt,

Und was zum Dienſt gehoͤret,

Das war gar bald bereit.

Sie ritten vor den gruͤnen Wald

Hinaus die unverzagten Mann,

Drei Geſellen auf der Lauer bald,

Die griffen ſie friſchlichen an,

Zwei fuͤhrten ſie gen Nuͤrnberg ein,

Ins Rathhaus unter die Erden,

Da muſt ihr Herberg ſein.

Den dritten ſezt man auf ein Pferd,

Um ihn manch Reiter gut,

Er ſollt ihnen zeigen Weg und Faͤhrt,

Ihm folgt ein Hinterhut,

Ihr Harniſch war lauter und erklang,

Sie ritten durch manchen gruͤnen Wald,

Da mancher Vogel in ſang.

Sie ritten bis zum dritten Tag,

Eh daß ſie kamen dar,

Sie hielten bei einander im Hag,

Niemand ward ihrer gewahr,

Bis daß ſie ſahen das Raͤuberſchloß,

Sie zogen doch nit gar daran,

Sie ſtellten auf ihre Geſchoß.

[185]
Der Knecht ſich aus dem Sattel ſchwang,

Er gieng des Wegs ein Theil;

Es gelang ihm auch, darnach er rang,

Er entbot ſeinem Herrn in Eil,

Er ſollt zu ihm reiten in den Wald,

Sie haͤtten ein Wildbret gefangen,

Die Muͤh wird ihm bald bezahlt.

Der Schittenſamen nit anderſt dacht,

Als er die Red vernahm,

Er meint, ſie haͤtten den Bauren gebracht,

Er wollte ihn machen zahm,

Drum ritt er ihnen entgegen bald,

Da fingen ihn die Nuͤrnberger Reiter,

Die hielten auf ihn im Wald.

Da fuͤhrten ſie ihn gen Nuͤrnberg ein,

Da ſchaute ihn mancher Mann,

Weiß nicht weß ſich die Herrn beſannen,

Sah einer den andern wohl an,

Schlechten Empfang haͤtt da Schittenſam

Von einem Buͤrger, der hieß Loͤffelholze,

Der ſprach: Willkomm ins Teufelsnahm.

Man fuͤhrt ihn zu der Herberg ſein,

Da mancher gefangen drin liegt,

Darin ſteht ein Kapelle fein,

Da man die Raͤuber in wiegt,

Darin da dehnet man ihm ſein Haut,

Was er den von Nuͤrnberg haͤtt gethan,

Das ſagt er uͤberlaut.

[186]
Darnach fuͤhrt man ihn vor Gericht

Und ſeiner Knecht wohl zween,

Es war ein boͤſe Zuverſicht,

Sie hoͤrten die Urtheil gehn,

Der Herr ward urtheilt in das Feuer,

Die Knecht die ſollt man koͤpfen,

Das Lachen war ihnen theuer.

Das Leben ward ihnen abgeſagt,

Es mocht nicht anders geſein,

Die Knecht traten dem Herrn voraus,

Bis zu dem Rabenſtein,

Ueber ein Schwerdt vergoſſen ſie ihr Blut,

Des auch der Schittenſamen begehrte,

Es mochte ihm nicht werden zu gut.

Er ward in einem Feuer verbrannt,

Daß weiß noch mancher Mann,

Darin da nahm ſein Leben ein End,

Gott ſehe ſein Marter an,

Gott geb der Seel die ew'ge Ruh,

Darum iſt das mein treuer Rath,

Daß niemand Unrecht thu.

Der uns das Liedlein neues ſang,

Von Neuem geſungen hat,

Er hats geſchickt einem weiſen Rath

Zu Nuͤrnberg in der Stadt,

Hans Kugler iſt er genannt,

Er war ihr ſteter Diener,

Und dienet ihnen all zur Hand.

[187]

Das Prager Lied.


1636.


O allerſchoͤnſtes Jeſulein,

Du Prageriſches, lieb und klein,

Klein an Geſtalt, groß in der Macht,

Wie in Erfahrnuß ſchon gebracht.

Du Zierd des ganzen Erdenreich,

Mit deiner Huͤlf nicht von uns weich,

Weil du zu uns ankommen biſt,

Demuͤthig ſey von uns gegruͤßt.

Du kommſt zu uns aus Boͤhmen Land,

Ach, mach dein Huͤlf auch hier bekannt,

Wir fallen dir zu Fuͤßen all,

Dein Gnad uns zeige uͤberall.

O allerſchoͤnſtes Jeſulein,

Wie konnt es denn doch moͤglich ſein,

Daß man ſo wenig dich geacht,

So lang dich in Vergeſſung bracht?

Sieben Jahr dauerte dein Elend,

Zerbrochen wurden dir deine Haͤnd,

Bis endlich deiner Gnaden Strahlen

Auf einen treuen Diener gefallen.

Der ohngefaͤhr zu Prag ankam,

Und dein Abweſenheit wahrnahm;

Cirillus ware er genannt,

Dem deine Gnaden ſchon bekannt.

[188]
Er ſuchte dich gleich einem Schaz,

Durchgehet alle Ort und Plaz,

Verworfen durch der Juden Liſt,

Findt er dich unter Staub und Miſt.

Mit Jubel und auch Herzens Freud

Er dich erblicket hat mit Freud,

Gruͤßte dich mit Herz und Mund,

Nicht gnug dich bedauern kund.

Nach Moͤglichkeit thaͤt er dich ehren,

Er muſte auch von dir anhoͤren:

„Gebt mir nur meine Haͤndelein,

„So geb ich euch den Segen mein.“

Dies muß die ganze Prager Stadt

Bekennen, dies erfahren hat,

Wie du vom Schweden ſie erloͤßt,

Der in ihr feindlich war zuerſt.

Auch zu der großen Peſten Zeit

Haſt du ſie von der Peſt befreit,

O Jeſulein ſtreck aus deine Hand,

Beſchuͤz das liebe Vaterland.

[189]

Die loͤbliche Geſellſchaft Moſelſar.


(Phil. v. Sittewald Strafſchriften II. T. S. 661.)


Die loͤbliche Geſellſchaft zwiſchen Rhein

Und der Moſel allzeit ruͤſtig ſeyn,

Nach Unfall ſie nicht fragen,

Das Terich (Land) hin und her,

Langes durch und die quer,

Zu Fuß und Pferd durchjagen,

Friſch ſie es wagen,

Kein Scheuen tragen.

Ueber hohe Berg, durch tiefe Thal,

Fallen ſie oftmals ein wie der Strahl,

All Weg ohn Weg ſie finden,

Zu duͤſtrer Nachteszeit

Wann ſchlunen (ſchlafen) ander Leut,

Sie alles fein aufbinden,

Ohn Licht anzuͤnden,

Bleibt nichts dahinten.

Laffel, der weiß gar fein auszuſehn,

Wo irgend in einem Gfar Klebis (Pferd) ſtehn,

Wanns waͤr auf zwanzig Meilen,

Beym hellen Mondenſchein,

Die Gleicher (Mitgeſell) ins gemein,

In einer kurzen Weilen

Sie uͤbereilen,

Und redlich theilen.

Battrowitz, der alcht (geht) zur Hinterthuͤr hinein,

Bobowitz ſazt ſich hinter ein Haufen Stein,

Mit den andern Geſellen,

[190]
Den Quien (Hund) ruft er klug,

Und brockt ihm Lehm (Brodt) gnug,

Daß ſie nicht ſollen bellen,

Bis auf den Staͤllen

Die Klebis ſchnellen.

Wann ſie nun haben die Hautzen Roß,

So reiten ſie nach dem neuen Schloß:

Iſt jemand der will kaufen?

Der Putzjakala

Iſt muͤd und liegt da,

Weil er ſich lahm gelaufen,

Schier nicht kann ſchnaufen,

Drum will er ſaufen.

Herr Wirth: Nun ſo laß uns luſtig ſeyn,

Lang mir den Gleſtrich (Glas) vom beſten Wein,

Um Drulmeß (Pfennig) darfſt nicht ſorgen;

Ein halbe gute Nacht

Uns all zu Sontzen (Edelleuten) macht,

Du kannſt uns ja bis morgen

Die Irtin (Zeche) borgen,

Der Hautz (Bauer) muß ſorgen.

Iſt das nicht wunderlich Geſind,

Daß der Hautz ſein Schuh mit Weiden bindt,

Und da die Zech muß zahlen,

So lang er hat ein Kuh,

Die Klebis auch dazu,

Die Rappen mit den Fahlen,

Wir allzumalen

Durch Giel (Mund) vermalen.

[191]

Das ſchoͤne Kind.


(Muͤndlich.)


Wie war ich doch ſo wonnereich,

Dem Kaiſer und dem Koͤnig gleich

In meinen jungen Jahren,

Als Julia das ſchoͤne Kind,

Schoͤn wie die lieben Engel ſind,

Und ich beyſammen waren.

Die Mutter nannt mich Braͤutigam,

Wir wurden gar nicht roth vor Scham,

Wir mochten gern ſo ſpielen,

Doch Julia das ſchoͤne Kind,

Das gieng ſchon fort im kalten Wind,

Und mochte es nicht fuͤhlen.

Nun bin ich gar nicht wonnereich,

Dem alten Manne bin ich gleich,

Und bin doch jung von Jahren,

Ich bin ein Koͤnig ohne Land,

Denn Julia an deiner Hand,

Da tanzen Engelſchaaren.

Schuld.


(Muͤndlich.)


Es ging ein Knab ſpazieren,

Zu Augsburg in den Wald,

Da begegnet ihm ein Maͤgdlein,

War achtzehn Jahre alt,

Gar ſchoͤn war ſie geſtallt.

[192]
Er nahm das Maͤdel gefangen,

Gefangen muſt du ſein!

Er zog ihr aus die Kleider,

Und ſchlug ſie alſo ſehr,

Hat ihr genommen die Ehr.

Zu Augsburg in dem Wirthshaus

Saß er bei Speis und Trank;

Da kam daſſelb'ge Maͤgdlein,

Griff ihn an ſeine Hand,

Schloß ihn in Ketten und Band.

Zu Augsburg auf dem Thurme,

Wo er gefangen ſaß,

Da kam ſeine liebſte Frau Mutter:

Mein Sohn was machſt du da?

Was haſt du da gemacht?

Was ich allhier wohl mache,

Das darf ich euch ſchon ſag'n:

Ich hab das ſchwarzbraun Maͤgdelein

Geſchlagen alſo ſehr,

Hab ihr genommen die Ehr.

Ach Juͤngling! liebſter Juͤngling,

Iſt das nicht Schand und Spott?

Dein Kopf der gehoͤrt an Galgen,

Dein Koͤrper auf das Rad,

Weil du's verſchuldet haſt.

Ach Mutter, liebſte Mutter mein!

Iſt denn der Bericht ſchon da?

So beſtellt mir Roß und Wagen,

[193]
Ich geh nicht mehr zu Fuß,

Weil ich weiß, daß ich ſterben muß.

Ihr lieben Herrn von Augsburg!

Noch eine Bitt an euch:

Den Kirchhof thut mir ſchenken,

Dazu ein ſeidenes Kiß'n,

Wo's gut drauf raſten iſt.

Ach Juͤngling, liebſter Juͤngling mein!

Das geht nicht bei der Stadt,

Der Kopf gehoͤrt an Galgen,

Der Koͤrper auf das Rad,

Weil dus verſchuldet haſt!

Trit zu.


Wann alle Waͤſſerlein flieſſen,

Soll man trinken,

Wann ich mein Schatz nicht rufen darf, ju ja rufen darf,

So thu ich ihm winken.

Winken mit den Augen,

Und treten mit dem Fuß,

S'iſt eine in der Stuben, ju ja Stuben,

Und die mir werden muß.

Warum ſoll ſie mir nicht werden,

Denn ich ſeh ſie gern,

Sie hat zwei blaue Aeugelein, ju ja Aeugelein,

Sie glaͤnzen wie zwey Stern.

2 Band. 13.
[194]
Sie hat zwey rothe Baͤckelein,

Sind roͤther als der Wein,

Ein ſolches Maͤdel findt man nicht, ju ja findt man nicht,

Wohl unter dem Sonnenſchein.

„Ach herziger Schatz, ich bitt dich drum,

Laß mich gehen!

Denn deine Leute ſchmaͤhen mich, ju ja ſchmaͤhen mich,

Ich muß mich ſchaͤmen!“

„Was frag ich nach den Leuten,

Die mich ſchmaͤhen;

Und ſo lieb ich noch einmal, ju ja noch einmal,

Die ſchoͤnen Maͤdchen.“

Des Bauerwirths Heimkehr.


(Muͤndlich.)


Es wollt ein Fuhrmann uͤber Land fahren,

Er wollt drey Eimer Wein aufladen,

Ein ſuͤſſen und ein ſauern,

Altemeralte ein ſuͤſſen und ein ſauern.

Und da er uͤber die Bruͤck hinein fuhr,

Da brach ihm ſein Geiſſel und auch ſein Schnur,

Schwarzbraune ließ er laufen:

Altemeralte u. ſ. w.

Er kam wohl vor der Frau Wirthin ihr Haus,

Frau Wirthin ſchauet oben heraus

Mit ihren ſchwarzbraunen Augen:

Altemeralte u. ſ. w.

[195]
Frau Wirthin habt ihr nicht ſoviel Gewalt,

Daß ihr ein'n Fuhrmann uͤber Nacht behalt.

Dazu vier Roß und Wagen:

Altemeralte u. ſ. w.

Ey ſo viel Gewalt, das hab ich wol,

Ich weiß nur nicht wie ich mich halten ſoll,

Mein Mann iſt nicht daheime:

Altemeralte u. ſ. w.

Er iſt fort, iſt uͤber Feld,

Er hat einen Beutel, darin iſt kein Geld,

Er wird bald wieder kommen:

Altemeralte u. ſ. w.

Und da das Wirthlein heime kam,

Frau Wirthin hatt' einen andern Mann,

Sehr uͤbel thaͤt er ſie ſchlagen:

Altemeralte u. ſ. w.

„Ey wollt ihr mich ſo uͤbel ſchlagen,

„So will ichs meinem Vater ſagen.

„Dazu will ichs ja wagen:

Altemeralte u. ſ. w.

Willt fort, willt nimmer wieder kommen,

So laß du mir die Schluͤſſel zukommen,

Die Schluͤſſel zu deinen Kaͤſten:

Altemeralte u. ſ. w.

Frau Wirthin war ſo voller Liſt,

Sie ſchiebet die Schluͤſſel wohl zwiſchen die Bruͤſt,

Sie ſprach, ſie habs verloren:

Altemeralte u. ſ. w.

[196]
Ey haſt du dann die Schluͤſſel verloren,

So haben wir gute Aexte und Bohrer,

Die Kiſte koͤnnen wir aufhauen:

Altemeralte u. ſ. w.

Und da die Kiſte offen war,

Darinnen war ein junger Knab,

Er bluͤht, als wie die Roſen:

Altemeralte u. ſ. w.

Ey Bauerwirthlein laß mich lange leben,

Ich will dir hundert Thaler geben,

Dazu will ichs euch ja geben:

Altemeralte u. ſ. w.

Das glaubſt du nur nicht.


(Muͤndlich.)


In den finſtern Waͤldern,

Da die Wolken ſchwarz,

In den Dieſtelfeldern

Fuͤhl ich mich ſo wahr,

Wo die Voͤglein luſtig ſeyn,

Ach da fuͤhlt mein Herz nur Pein:

Das glaubſt du nur nicht!

O ihr hohen Berge

Fallet auf mich zu,

Und den Muͤden berget

In der kuͤhlen Ruh,

Tauſend Seufzer ſchick ich dir

Durch die kuͤhlen Winde hier:

Das glaubſt du nur nicht!

[197]
Das iſt uͤbertrieben!

Sageſt du mir ſtets;

Ach was iſt das Lieben,

Nimmermehr geraͤths:

Ich will es nun laſſen ganz,

Du biſt eine dumme Gans:

Das glaubſt du nur nicht.

Die Mordwirthin.


(Muͤndlich.)


Es waren drei Soldaten-Soͤhn,

Sie haben Luſt im Krieg zu gehn,

Wohl ins Soldaten Leben.

Sie bleiben aus eine kleine Weil,

Sie machen ſich Geld und Brod dabei,

Auch Ungriſche Dukaten.

Sie haben ſich ganz kurz bedacht,

Und haben ſich wieder nach Haus gemacht,

Frau Wirthin ſprang entgegen:

„Frau Wirthin hat ſie die Gewalt,

Ein'n Reiter uͤber Nacht aus zu behalten,

Dazu und auch gaſtiren?“

Warum werd ich die Gewalt nicht hab'n,

Einen Reiter uͤber Nacht zu behalten,

Dazu und auch gaſtiren?

Der Reiter ſezt ſich oben an den Tiſch,

Sie mag mir auftragen was ſie will,

Ich kanns ja wohl bezahlen.

[198]
Sie traͤgt ihm auf gebackne Fiſch,

Und einen Schweinebraten,

Und als es war, als da man ſchlief:

Ach Mann ich kann nicht ſchlafen!

Sie macht das Pfaͤnnchen mit Fette heiß,

Und ſchuͤtt's dem Reiter in Hals hinein.

Kriegt ihn an ſeiner ſchneeweiſſen Hand

Und ſchleift ihn in Keller in kuͤhlen Sand:

Da kannſt du liegen

Bis morgen Mittag verſchwiegen;

Des Morgens als ſein Kammerad kam:

Wo iſt der Reiter?

„Der Reiter und der iſt weiter,

„Der Reiter der kann weiter ſein,“

Er kann in eurem Hauſe ſein.

Hat ſie den Reiter was Leids gethan,

So hat ſie's ihrem lieben Sohn gethan,

Der aus dem Krieg iſt kommen.

Sie hat ſich in den Brunnen geſprengt,

Er hat ſich in die Scheuer gehaͤngt,

Muͤſſen an einem Tag drei ſterben.

[199]

Gruß.


(Muͤndlich.)


So viel Stern am Himmel ſtehen,

So viel Schaͤflein als da gehen

In dem gruͤnen Feld.

So viel Voͤgel als da fliegen,

Als da hin und wieder fliegen,

So viel mal ſey du gegruͤßt.

Soll ich dich dann nimmer ſehen,

Ach das kann ich nicht verſtehen,

O du bittrer Scheidens Schluß.

Waͤr ich lieber ſchon geſtorben,

Eh ich mir ein Schaz erworben,

Waͤr ich jetzo nicht betruͤbt.

Weiß nicht, ob auf dieſer Erden

Nach viel Truͤbſal und Beſchwerden

Ich dich wieder ſehen ſoll.

Was fuͤr Wellen, was fuͤr Flammen

Schlagen uͤber mir zuſammen,

Ach wie groß iſt meine Noth.

Mit Geduld will ich es tragen,

Alle Morgen will ich ſagen:

O mein Schaz wann kommſt zu mir.

Alle Abend will ich ſprechen,

Wenn mir meine Aeuglein brechen:

O mein Schaz gedenk an mich.

[200]
Ja ich will dich nicht vergeſſen,

Wann ich ſollte unterdeſſen

Auf dem Todbett ſchlafen ein.

Auf dem Kirchhof will ich liegen

Wie das Kindlein in der Wiegen,

Das die Lieb thut wiegen ein.

Inkognito.


(Muͤndlich.)


Es kamen drey Diebe aus Morgenland,

Die geben ſich fuͤr drey Grafen aus,

Sie kamen vor der Frau Wirthin Haus:

„Frau Wirthin hat ſie es dieſe Gewalt,

„Daß ſie uͤber Nacht drey Grafen b'halt?“

„Wenn ich es dieſe Gewalt nicht haͤtt,

„Was waͤr mir denn die Wirthſchaft nutze?“

Der erſte that die Pferde in Stall,

Der andere ſchwenkt das Futter hinein,

Der dritte trat zur Kuͤche hinein,

Und kuͤßte der Frau Wirthin ihr Maͤdlein,

Oder iſt es ihr getreues Toͤchterlein?

Es iſt mein getreues Toͤchterlein,

Es ſoll euch zapfen Bier und Wein.

Der erſte ſprach: Das Maͤgdlein iſt mein,

Ich hab ihm gegeben ein Ringelein!

Der andere ſprach: Das Maͤdchen iſt mein,

Ich hab ihm gegeben ein Glas voll Wein.

Der dritte ſprach: Das Maͤdchen waͤr werth,

Daß wir es theilten mit unſerem Schwerdt.

[201]
Sie gaben der Frau Wirthin einen ſuͤßen Getrank,

Daß ſie vom Stuhl ins Bette hinſank.

Das Maͤgdlein greift der Mutter wohl an den Mund:

Ach Mutter leb jetzt noch eine Stund!

Es greift der Mutter wohl an die Bruſt:

Ach Gott wenn das mein Vater wußt!

Es greift der Mutter wohl an die Haͤnd:

Ach Mutter du biſt am letzten End!

Es greift der Mutter wohl an die Fuͤß:

Ach Mutter was iſt der Schlaf ſo ſuͤß.

Sie legten es auf einen viereckten Tiſch

Und theilten es wie ein Waſſerfiſch,

Und wo ein Troͤpfchen Blut hinſprang,

Da ſaß ein Engel ein Jahr und ſang.

Und wo der Moͤrder das Schwerdt hinlegt,

Da ſaß ein Rabe ein Jahr und kraͤht.

Der Geiſt beym verborgnen Schatze.


(Muͤndlich.)


Ich habe einen Schatz und den muß ich meiden,

Muß von ihm gehn, kein Wort mit ihm zu reden,

Das Herze in dem Leibe moͤchte mir vergehn,

Den Sonntag, den Montag in aller fruh,

Schickt mir mein Schatz die traurige Botſchaft zu,

Ich ſollte ihn begleiten bis in das kuͤhle Grab,

Dieweil er mich ſo treulich geliebet hat.

Ich habe ein Herz, iſt haͤrter als ein Stein,

Wo tauſend Seufzer verborgen ſeyn,

Viel lieber waͤr mirs, ich laͤg in einem Grab,

So kaͤm ich ja von allem meinem Trauren ab.

[202]

Hoͤlliſches Recht.


(Muͤndlich.)


Es ging ein Hirt gar fruͤh austreiben,

Er hoͤrt' ein kleines Kindlein ſchreien.

Kindelein ich hoͤr' dich und ſeh dich nicht.

„Ich bin in einem hohlen Baum

„Und mit eichenen Ruͤthlein g'deckt.

„Ach Alter nimm mich mit zu Haus,

„Mein' Mutter hat Hochzeit zu Haus.“

Als er das Kind zur Thuͤr nein bracht:

„Gruͤß euch Gott ihr Hochzeitgaͤſt,

„Dieweil die Braut mein Mutter iſt.“

Wie ſoll ich denn dein Mutter ſein,

Ich trage ja ein Kraͤnzelein?

„Tragſt du ein Kraͤnzelein roſenroth,

„Du haſt ſchon drei Kinder todt.

„'s erſt haſt ins Waſſer geſchmiſſen,

„'s ander haſt in Miſt vergraben,

„'s dritt' in einen holen Baum,

„Und mit eichenen Ruͤthlein zugedeckt.“

Ach wie kann das moͤglich ſeyn!

Kam der Teuffel zum Fenſter hinein,

Und nahm ſie bei ihrer ſchneeweiſſen Hand,

Thut mit ihr den Ehrentanz

Und fuͤhrt ſie in die hoͤlliſche Pein.

[203]

Wechſelgeſang.


(Muͤndlich.)


Nachtigall.
Jungfrau merk auf meinen Schall,

Ich bin die Frau Nachtigall,

Schwing mich uͤber ein hohes Haus,

Ein wackrer Herr, der ſchickt mich aus,

Er ſchickt euch einen ſchoͤnen Gruß.

Nun hoͤrt, was ich noch ſagen muß.

Er ſah im Blumengarten euch,

In Lieb entbrannt ſein Herze gleich,

Viel Gut und Ehr hat er umſonſt,

Weil nichts freut als eure Gunſt,

Nehmt dieſen Ring doch von ihm an,

Daß er ſich wieder freuen kann.

Jungfrau.
Gehoͤret hab ich deinen Schall,

Und daß du biſt Frau Nachtigall,

Schwingſt dich uͤber ein hohes Hauß,

Ein wackrer Herr, der ſchickt dich aus,

Und ſchickt mir einen ſchoͤnen Gruß,

Nun hoͤre, was ich ſagen muß.

Den Ring ſteck ich an Finger hier,

Und ſchick die Roſe ihm dafuͤr,

Es war die Roſe meine Luſt,

Ich trug ſie wohl an meiner Bruſt,

Zwar hat ſie einen Dorn, der ſticht,

Doch treue Lieb fuͤrcht Dornen nicht.

[204]

Weltlich Recht.


(Reichardts muſikaliſche Zeitung. 1806. Nro. 10. S. 40.)


Joſeph, lieber Joſeph, was haſt du gedacht,

Daß du die ſchoͤne Nanerl ins Ungluͤck gebracht.

Joſeph, lieber Joſeph, mit mir iſts bald aus,

Und wird mich bald fuͤhren zu dem Schandthor hinaus.

Zu dem Schandthor hinaus, auf einen gruͤnen Platz,

Da wirſt du bald ſehen, was die Lieb hat gemacht.

Richter, lieber Richter, richt nur fein geſchwind,

Ich will ja gern ſterben, daß ich komm zu meinem Kind.

Joſeph, lieber Joſeph, reich mir deine Hand,

Ich will dir verzeihen, das iſt Gott wohl bekannt.

Der Faͤhndrich kam geritten und ſchwenket ſeine Fahn,

Halt ſtill mit der ſchoͤnen Nanerl, ich bringe Pardon.

Faͤhndrich, lieber Faͤhndrich, ſie iſt ja ſchon todt:

Gut Nacht, meine ſchoͤne Nanerl, deine Seel iſt bei Gott.

Ein gut Gewiſſen iſt das beſte Ruhekiſſen.


(Muͤndlich.)


Ich ging wohl bey der Nacht,

Die Nacht, die war ſo finſter,

Daß man kein Stich mehr ſah.

Ich kam vor eine Thuͤr,

Die Thuͤr, die war verſchloſſen,

Der Riegel war ſchon fuͤr.

[205]
Es ſind der Toͤchter drey,

Die allerjuͤngſte drunter,

Sie ließ den Knaben hinein.

Sie ſtellt ihn hinter die Thuͤr,

Bis Vater und Mutter ſchlafen,

Sie zieht ihn wieder herfuͤr.

Sie fuͤhrt ihn die Stiege hinauf,

Sie fuͤhrt ihn in die Kammer,

Zum Kammerladen ſchmeiſt ſie ihn naus.

Er fiel auf einen Stein,

Er fiel das Herz im Leib entzwey,

Dazu das linke Bein.

Er kruͤpelt uͤber ein Steg,

Da kam ein altes Weib daher,

Sie zog ihn aus dem Weg.

Der Pater kam dazu,

Er nahm ihn auf den Buckel,

Und beichtet ihn zur Ruh.

Wenns mir auch ſo ſollt gehen,

So hohl der Teufel das Buhlen,

Das Maͤgdlein laß ich ſtehn.

[206]

Die ſchweren Brombeeren.


(Vielfach ſchriftlich und muͤndlich.)


Es wollt ein Maͤgdlein fruͤh aufſtehn,

Drey Stuͤndelein vor dem Tag,

Wollt in den gruͤnen Wald n'aus gehn,

Brombeerlein brechen ab.

Und als ſie in den Wald nein kam,

Begegnet ihr Jaͤgers Knecht.

Ey Maͤdchen ſcher dich weg nach Haus,

Dem Herren iſt das nicht recht.

Und als das Maͤdchen ruͤckwaͤrts kam,

Begegnet ihr Jaͤgers Sohn:

„Ey Maͤdchen brech dir ohne Scham,

„Ein Schooß voll goͤnn ich dir ſchon.“

„Ein Schooß voll den begehr ich nicht,

„Ein Handvoll hab ich genug.“

Die Brombeeren ſtanden da ſo dicht,

Sie ſuchten da immerzu.

Und als ein halbes Jahr um war,

Brombeerlein wurden groß,

Und als ein drey Vierteljahr um waren,

Ein Kindlein auf dem Schooß.

Ach Gott ſind das die Brombeerlein,

Die ich mir gebrochen hab,

Komm her du falſches Jaͤgerlein,

Hilf tragen mich ins Grab.

[207]

Kinderey.


(Muͤndlich.)


Als ſich der Hahn thaͤt kraͤhen,

Da war es noch lange nicht Tag,

Da gingen die jungen Geſeellchen

Spazieren die ganze Nacht.

Und als ſie lange gegangen,

Da wollten ſie gerne herein:

Er. Steh auf, ſteh auf Feinsliebchen,

Steh auf und laß mich ein.

Sie. Ich ſteh noch nicht auf fuͤrwahr,

Ich laß dich fuͤrwahr nicht herein,

Ich kenne dich ja an der Sprache,

Daß du es mein Schaͤtzchen nicht ſeyſt.

Er. Kennſt du es mich an der Sprache,

Daß ich es dein Schaͤtzchen nicht ſey,

So ſtecke du an nur dein Kerzchen,

Dann ſieheſt du, wer ich bin.

Sie. Kein Fuͤnkchen mehr in der Aſche iſt,

Mein Kerzchen iſt laͤngſt ausgebrannt,

Adi, Adi mein Engelsſchaͤtzchen,

Jezt reiſ' ich nach Engelland.

Er. Nach Engelland will ich dich fahren,

Ich bin ein Schiffmann gut,

Du biſt in deinen Jahren

Noch immer kindiſch genug.

[208]

Vorladung vor Gottes Gericht.


(Muͤndlich.)


Es ſprach eine Mutter zu ihrem Sohn:

„Muſt heirathen, was ſagſt du dazu,

„Du muſt eine andre heirathen,

„Dein feines Lieb muſt du nun laſſen.“

„Ach nein, ach nein, das kann nicht ſeyn,

„Daß ich muß ſcheiden von meinem Schaͤtzelein,

„Wir haben einander genommen,

„Koͤnnen nicht mehr von einander kommen.“

„Habeſt du genommen, wen du willt,

„Du biſt mein Kind und folgeſt mir nit?“

Ey Mutter, jezt will ich dir folgen,

Ey geh es mir, wie es auch wolle.

Und da es war am Hochzeittag,

Und alle Leut ſo luſtig warn,

Der gute Geſell war ſo betruͤbet

Von wegen ſeiner andern Herzliebſten.

Es ſtand nicht laͤnger als drey Tage an,

Der gute Geſell ſo toͤdtlich krank war,

Er kaͤm ſeiner Liebſten vor den Laden,

Ein Gott behuͤt will er von ihr haben.

Sie aber gab einen harten Fluch,

Davon er ſchon hatte zu viel und genug;

Ich will ihn meinen Aeltern aufladen,

Ich will beyde aufs juͤngſte Gericht laden.

[209]
In zweyen Monden und das werd wahr,

Ich lad ſie vor Gottes Gericht ſo gar.

In zweyen Monden ſie ſtarben znſammen,

Ihr Weinen thaͤt loͤſchen die hoͤlliſchen Flammen.

Eigenſinn.


(Aus Hr. v. Stromers Familienbuche vom Jahre 1581.)


Haſt du's nicht gefiſchet,

So fiſch es aber noch,

Hat ſie der Schimpf gereuet,

So thu' ers aber noch.

Iſt es denn Ungluͤck heuer alles mein,

Ade du ſchoͤnes Liebelein,

Du muſt mein eigen ſeyn.

Weiß ich mir ein Maͤdelein

Auf dieſer Erden,

Iſt ſie mir beſchert,

So muß ſie mir auch werden,

Wohl uͤber allen Dank,

Geſchieht es aber heuer nicht,

So geſchieht es uͤberlang.

Da kauft er ihr ein Guͤrtlein ſchmal,

Das war geſprenkelt uͤberall,

Es hing geſprenkelt wohl auf den Fuß,

Es reut mich, daß ich ſterben muß.

Sterb ich denn ſo bin ich todt,

So graͤbt man mich in die Roͤslein roth,

2. Band. 14.
[210]
Inne die Roſen, inne den Klee,

Kein ſolch braun Maͤdlein bekomm ich nimmer-

mehr.

Von der Erden wohl in das Haus,

Schau liebe Frau Mutter wie bin ich ſo groß,

Da kauft er ihr ein Ringelein von Gold,

Ach ja du ſchoͤnes Maͤdelein, wie bin ich dir

ſo hold.

Da war bedecket ein Bettlein mit Fleiß,

Da begruͤßt er das Maͤgdlein mit ganzem Fleiß,

Er drucket ſie mit lieblicher Art,

Hat mir daſſelbe Maͤgdelein drey Jahr zu Lieb

gewart.

Zucht bringt Frucht.


(Fliegendes Blat.)


Es flohen drei Sterne wohl uͤber den Rhein,

Es haͤtt' eine Wittwe drey Toͤchterlein;

Die eine ſtarb wie es Abend war

Und die Sonne nicht mehr ſchiene klar,

Die Andre um die Mitternacht,

Die dritte um die Morgenwacht.

Sie nahmen ſich all einander die Haͤnd

Und kamen vor den Himmel behend,

Sie klopften leiſe au die Thuͤr,

Sankt Petrus ſprach: Wer iſt dafuͤr?

Es ſtehn drei arme Seelen hier,

Ach, macht bald auf die Himmelsthuͤr.

[211]
Er ſprach: Ich muß erſt zeigen an,

Welch' von euch ſoll in Himmel gahn,

Drauf ging er hin und fragte nach,

Die Himmelsſtimme alſo ſprach:

Die aͤltſten zwei ſollen hier ein gehn,

Die juͤngſte muß bleiben ſtehn.

Sie ſchrie und ſprach: Was hab ich gethan,

Daß ich hier bleiben ſoll beſtahn?

Sankt Petrus ſprach: Weil du veracht

Gotts Wort, deine Seele nicht bedacht,

So geh nun hin und ſiehe zu,

Wo du findeſt in der Hoͤllen Ruh.

Denn wenn du in die Kirch ſolltſt gehn,

So bliebſt du vor dem Spiegel ſtehn,

Dein Haupt bekroͤnt, dein Haar geſchmiert,

Und dich hoffaͤrtig ausgeziert:

Drum geh nur fort und packe dich,

Die Hoͤlle wird aufnehmen dich!

Als ſie nun vor die Hoͤlle kam,

Da klopfte ſie gar grauſam an,

Der Satan ſprach: Wer iſt allhier?

Es iſt eine arme Seel dafuͤr!

Drauf ſprang er auf, und ließ ſie ein,

Und ſchenkt ihr ein ein gluͤhnden Wein.

Als ſie nun aus dem Becher trank,

Das Blut ihr aus den Naͤgeln ſprang,

Er bracht ſie in den hoͤlliſchen Pfuhl,

Und ſezt ſie auf ein gluͤhenden Stuhl,

[212]
Ja ihre Qual war uͤbergroß,

Sie kriegte manchen harten Stoß.

Sie ſprach: Das iſt mein Mutter Schuld,

Daß ſie mein Bosheit hat erduldt,

Und mich in Frevel laſſen gehn,

Nicht einmal ſauer drum geſehn,

Da meine Schweſtern im Himmelsſaal,

So ſiz ich in der Hoͤllen-Qual.

Was hilft mir nun mein Uebermuth,

Mein Reichthum, Ehre, Geld und Gut?

Was hilft mir nun all Zierd und Pracht?

Ach haͤtt' ich nie daran gedacht!

So ſaͤß ich nicht in dieſer Flammen,

Da alle Qualen ſchlagen zuſammen.

Das wackre Maidlein.


(Altes fliegendes Blat. Nuͤrnberg bei Valentin Neiber, 1500.)


Es war ein wacker Maidlein wohlgethan,

Sie ging an ihres Vaters Zinne ſtahn,

Sie ſah daraus,

Sie ſah dahere reiten

Ihrem Herzen einen Troſt.

Ach Maidelein voll der Wonne,

Falbet euch die Sonne,

Daß ihr ſeyd worden bleich,

Hat euch ein andrer lieber dann ich,

Das reuet mich.

[213]
Warum ſollt ich nicht werden bleich,

Ich trag alle Tag groß Herzeleid,

Allein ſchoͤns Lieb um dich,

Daß du mich verkiefen willt,

Das reuet mich.

Warum ſollt ich dich verkiefen,

Ich hab dich noch viel lieber

Als alle Freunde mein,

Ach Maidelein laß dein Sorgen

Und folge du mir.

Worin ging ſie ihm entgegen?

In eim ſeiden Hemdlein war wohl genaͤht,

Das war ſo fein,

Darin ging ſie geſchnuͤret

Das wacker Maidelein.

Er nahm ſie bey ihrer ſchneeweißen Hand,

Er fuͤhrt ſie durch den gruͤnen Wald,

Da brach er ihr einen Zweig,

Sie kuͤſſet ihn auf ſeinen rothen Mund,

Das wackre Maidelein.

Und da es kam zur halben Mitternacht

Der gute Held nahm Urlaub von der Magd,

Derſelbig gute Held

Die Treu, die er ihr gelobet hat,

Die hielt er nicht.

Und waͤr ich weiſſer denn ein Schwan,

Ich wollt mich ſchwingen uͤber Berg und tiefe Thal,

Wollt fahren uͤber'n Rhein,

[214]
Und wuͤßten das all die Freunde mein,

Sie ſaͤngen mir ein Liedelein.

Es iſt der Menſchen weh und ach
So tauſendfach
.


(Muͤndlich.)


Wie bin ich krank,

Gebt mir nur einen Trank,

Nur keine Pulver,

Und keine Pillen,

Die koͤnnen meinen Schmerz nicht ſtillen:

Wie bin ich krank!

Wie bin ich matt!

Kaum eß ich mich nur ſatt;

Des Fiebers Wuͤten

Durchwuͤhlt den Koͤrper,

Schwaͤcht alle Glieder:

Wie bin ich matt!

Ich ſterbe ja,

Drum gute Nacht;

Mein Teſtament iſt gemacht,

Sag meiner Phillis,

Sag mein Verlangen,

Dort ſeh ich ſie, ſie kommt gegangen,

Kuͤß mir den Mund:

Ich bin geſund.

[215]

Ruͤckfall der Krankheit.


Soll ich denn ſterben,

Bin noch ſo jung?

Wenn das mein Vater wuͤßt,

Daß ich ſchon ſterben muͤßt,

Er thaͤt ſich kraͤnken

Bis in den Tod.

Wenn es die Mutter wuͤßt,

Wenn es die Schweſter wuͤßt,

Thaͤten ſich haͤrmen

Bis in den Tod.

Wenn es mein Maͤdel wuͤßt,

Daß ich ſchon ſterben muͤßt,

Sie thaͤt ſich kraͤnken

Mit mir ins Grab.

Unerſchoͤpfliche Gnade.


(Muͤndlich.)


Maria fuͤhrt einen Reihen Kindlein klein,

Da kam eine arme Seele:

Maria, laß mich nein!

Ich kann dich nicht rein laſſen,

Dein Ehr haſt du verſchlafen,

Dazu dein Kraͤnzelein.

Hab ich mein Ehr verſchlafen,

Dazu mein Kraͤnzelein,

[216]
Warum ſollt's Gott nicht erbarmen,

Warum ſollt's Gott nicht erbarmen,

Daß ich verlohren ſoll ſeyn.

Da kam ſie vor die Hoͤlle,

Gar traurig klopft ſie an.

Es hoͤren ſie all die Teufel,

Sie hießen ſie einergehn.

Der erſte der macht's Thuͤrle auf

Der andre ſucht einen Stuhl,

Der dritte der blaſt's Feuer auf,

Der viert ſchuͤrt wacker zu.

Was hat ſie vor ihren Aeuglein ſtehn,

Ein kleines Kindelein;

Hat ſie das Kind getoͤdtet

Hat ſie das Kind getoͤdtet,

So muß ſie leiden Pein.

Hab' ich das Kind getoͤdtet,

Hab' ich das Kind getoͤdtet,

Und muß ich leiden Pein,

Warum ſollt's Gott nicht erbarmen,

Warum ſollt's Gott nicht erbarmen,

Daß ich verloren ſoll ſeyn.

Staͤndchen.


(Fliegende Blaͤtter.)


Liegſt du ſchon in ſanfter Ruh

Und thuſt dein ſchwarzbraun Aeuglein zu,

[217]
Und die zarte Gliederlein

Wohl in ein Federbett gewickelt ein.

Waͤlder, Felder ſchweigen ſtill,

Und niemand iſt der mit mir ſprechen will,

Alle Fluͤß haben ihren Lauf,

Und niemand iſt, der mit mir bleibet auf.

Heut hab ich die Wach allhier,

Schoͤnſte vor deiner verſchloßnen Thuͤr,

Sonn und Mond, dazu das Firmament,

Schaun wie mein junges Herz vor Liebe brennt.

Hoͤrſt du nicht die Seufzer ſchallen,

Schoͤnſte vor deinem Slafcaͤmmerlein fallen,

Steheſt du nicht auf und laͤſſeſt mich nicht ein,

Wie koͤnteſt du ſo unbarmherzig ſeyn.

Harfenklang und Saitenſpiel,

Hab ich laſſen ſpielen ſo oft und viel,

Ich hab es laſſen ſpielen ſo oft und viel,

So daß mir keine Saite mehr klingen will.

Berg und Huͤgel auch dieſes Thal,

Schreien uͤber mich auch hunderttauſendmal,

Froh wollt ich ſeyn, wenns dir und mir wohlgeht,

Obſchon mein treues Herz in Trauren ſteht.

Gute Nacht, gute Nacht! Frau Nachtigall

In dem Thal, tauſendmal, uͤberall,

Gruͤße ſie aus meinem Herzensgrund,

Aus meinem Herzen, mit deinem Mund.

[218]
Hoͤrſt du wohl den Schuß hier fallen,

Schoͤnſte vor dem Schlafkaͤmmerlein ſchallen,

Ach warum ließeſt du mich nicht herein,

Konnteſt ach ſo unbarmherzig ſeyn.

Gehtes dir wohl, ſo denke an mich,

Gehtes dir uͤbel, ſo kraͤnket es mich

Froh wollt ich ſeyn, wenns dir und mir wohlgeht,

Obgleich mein treues Herz in Blute ſteht.

Roſenkranz
Tritt an den Tanz
.


(Mitgetheilt von H. Nehrlich.)


Es ſtarben zwey Schweſtern an einem Tag,

Sie wurden an einem Tag begraben.

Und als ſie kamen vors himmliſche Thor,

Sanct Petrus ſprach: Wer iſt davor

Es ſind davor zwey arme Seelen,

Sie moͤchten gern bei Gott einkehren.

Die erſte die ſoll zu ihm gehn,

Die zweyte ſoll den breiten Weg gehn.

Der breite Weg gar boͤſe ſteht,

Der zu der leidigen Hoͤll eingeht.

Und da ſie den breiten Weg auffe kam,

Begegnet ihr die heilige Frau.

[218[219]]
Wo'naus, wohin du arme Seele,

Wir wollen jetzt bei Gott einkehren?

Ich hab ja ſchon bei Gott eingekehrt,

Er hat mir hinausgewehrt.

Was haſt du dann fuͤr Suͤnd gethan,

Daß du nicht darfſt in Himmel gahn?

Ich hab ja alle Samſtag Nacht,

Ein Roſen Kraͤnzlein 'naus gemacht.

Haſt du ſonſt keine Suͤnd gethan,

Darfſt du mit mir in Himmel gahn.

Und als ſie kamen vors himmliſche Thor,

Sanct Petrus ſprach: Wer iſt davor?

Es iſt davor eine arme Seele,

Sie moͤchte gern bei Gott einkehren.

Maria nahm ſie bei der Hand,

Und fuͤhrt ſie ins gelobte Land.

Da ward ihr gleich ein Stuhl bereit't,

Von nun an bis in Ewigkeit.

Suͤndenlaſt.


(Muͤndlich.)


Es ſterben zwei Bruͤder in einem Tag,

Ein armer und ein reicher,

Der reiche, der wird in die Hoͤlle begraben,

Der arme in den Himmel.

[220]
Und da der Reiche begraben ward,

Saß er in großer Hitze,

Sah er ſeinen herzgeliebten Bruder,

In der ewigen Freude ſitzen.

Ach Bruder herzliebſter Bruder mein,

Reich mir ein Troͤpflein Waſſer,

Wohl auf meine Zunge, wohl auf meinen Mund,

Das mich erquicken moͤge.

Ach Bruder, herzliebſter Bruder mein,

Kein Troͤpflein ſoll dir werden,

Du haſt den Armen das Brod verſagt,

Haſts Hunden und Schweinen gegeben.

Hab ich den Armen das Brod verſagt,

Habs Hunden und Schweinen gegeben,

Mein großes Gut trieb Uebermuth,

Kann es nicht mit mir nehmen.

Wenn Berg und Thal aufeinander ſtaͤnd,

Viel lieber wollt ich ſie tragen,

Als daß ich ſoll ſtehn vor dem juͤngſten Gericht,

Soll alle meine Suͤnden beklagen.

Und kaͤm alle Jahr ein Voͤgelein,

Und naͤhm nur ein Schnaͤblein voll Erden,

So wollt ich doch die Hoffnung haben,

Daß ich koͤnnt ſeelig werden.

Amen, Amen, ſteht auch dabei,

Gott helf uns allen zuſammen,

Wohl hier und dort aus aller Noth,

Durch Jeſum Chriſtum Amen.

[221]

Wo's ſchneiet rothe Roſen,
Da regnet
's Thraͤnen drein.


(Muͤndlich.)


Wohl heute noch und Morgen,

Da bleibe ich bei dir;

Wenn aber koͤmmt der dritte Tag,

So muß ich fort von hier.

Wann koͤmmſt du aber wieder,

Herzallerliebſter mein;

Und brichſt die rothen Roſen,

Und trinkſt den kuͤhlen Wein?

Wenns ſchneiet rothe Roſen,

Wenns regnet kuͤhlen Wein;

So lang ſollſt du noch harren,

Herzallerliebſte mein.

Ging ſie ins Vaters Gaͤrtelein,

Legt nieder ſich, ſchlief ein;

Da traͤumet ihr ein Traͤumelein,

Wies regnet kuͤhlen Wein.

Und als ſie da erwachte,

Da war es lauter Nichts;

Da bluͤhten wohl die Roſen,

Und bluͤhten uͤber ſie.

Ein Haus thaͤt ſie ſich bauen,

Von lauter gruͤnem Klee;

Thaͤt aus zum Himmel ſchauen,

Wohl nach dem Roſenſchnee.

[222]
Mit gelb Wachs thaͤt ſies decken,

Mit gelber Lielie rein,

Daß ſie ſich koͤnnt verſtecken,

Wenns regnet kuͤhlen Wein.

Und als das Haus gebauet war,

Trank ſie den Herrgotts Wein,

Ein Roſenkraͤnzlein in der Hand,

Schlief ſie darinnen ein.

Der Knabe kehrt zuruͤcke,

Geht zu dem Garten ein,

Traͤgt einen Kranz von Roſen,

Und einen Becher Wein.

Hat mit dem Fuß geſtoßen

Wohl an das Huͤgelein,

Er fiel, da ſchneit' es Roſen,

Da regnets kuͤhlen Wein.

Des Pfarrers Tochter von Taubenheim.


Da drunten auf der Wieſen

Da iſt ein kleiner Platz,

Da thaͤt ein Waſſer fließen,

Da waͤchſt kein gruͤnes Gras.

Da wachſen keine Roſen,

Und auch kein Rosmarein,

Hab ich mein Kind erſtochen

Mit einem Meſſerlein.

[223]
Im kuͤhlen Waſſer fließet

Sein roſenrothes Blut,

Das Baͤchlein ſich ergießet

Wohl in die Meeresfluth.

Vom hohen Himmel ſehen

Zwei blaue Aeugelein,

Seh ich mein Englein ſtehen

In einem Sternelein.

Dort droben auf dem Berge

Da ſteht das hohe Rad,

Will ich mich drunter legen

Und trauern fruͤh und ſpat.

Haſt du mich denn verlaſſen

Der mich betrogen hat,

Will ich die Welt verlaſſen,

Bekennen meine That.

Der Leib der wird begraben,

Der Kopf ſteht auf dem Rad,

Es freſſen den die Raben

Der mich verfuͤhret hat.

Der Traum.


In des Regenbogen uͤberlangem Ton.
(Altes Manuſcript.)


Ein mal lag ich

In Schlafes Qual,

Mich daͤucht ich war

[224]
Auf einem Berg

Vor eime koͤniglichen Pallaſt,

Der war durchhauen pur

Nach meiſterlichen Sinnen,

Bildwerk zierlich

Stand uͤberall

Am Pallaſt ſtolz,

Der war von Marmorquader;

Fein war das Dach

Von Kupfer braun,

Berillen klar

Das Fenſterwerk.

Zu oberſt von der Burg her glaſt

Von Gold ein Sonnenuhr,

Guͤlden waren die Zinnen.

Ringweis ich ſah

Darum einen Zaun

Von Zederholz,

Die Pforte war Albater.

Ich trat auf die Schlagbruͤcke,

Und ſah ein Tanz

Von minniglichen Bilden

In dieſem Pallaſt ſchoͤn;

Da gieng ich ſtehn

Zu dieſer Pforten,

Und blickte heimlich hinein,

Die klaren Aeuglein ſpielten,

Freundliche Wort

Wurden gehort.

Die adelichen Jungen

Nach den Trometen (Floͤten)

[225]
Hoͤfelich ſprungen,

Ihr jedes hat

Von Sammt ein Wad,

Ein koͤſtlich Schauben,

Ring, Ketten, goldne Borten.

Heidniſch war der Frauen Geberd,

Darauf jede mit Roſenkraͤnz;

Der Maͤnner fuͤrſtliches Gewand,

Von Sammet, Seiden und Taffant,

Damaſt und gulden Stuͤcken

Von Perlen glaͤnzen, Kraͤnzen

Auf den Hauben.

Im Herzen mein

Dacht, moͤgt ich bei der Schaare ſein!

Ich wolt mich miſchen unter ſunder

und that gehn,

Das war mir frei geluͤcken.

2.
Ich kam hinein,

Und ſah die Tiſch

Mit Pfeler Tuch

Bedecket all,

Mit Teppich war der Saal geziert,

Mitten ſtund im Pallaſt

Ein kaiſerlich Kredenze

Von Zipperwein,

Wilprett und Fiſch,

Bereitet war

So uͤberkoͤſtlich Speiſe,

Solch mannich Blum

2. Band. 15.
[226]
War da geſtreut,

Himmliſcher Geruch

War in dem Saal.

Zu Tiſch

Manichem edlen Gaſt

Zu groſer Reverenze

Ein groſe Summ

Der Dienſteleut

Dienten der Schaar,

Nach Art hoͤfelicher Weiſe.

Als ein End haͤtt' das Mahle,

Standen ſie auf,

Ein Sommer Reihen ſprungen,

Gar lieblicher Geſang

Mit Freud erklang.

Ihr Melodeye

Die konkerdiret luſtiglich

Gleich engeliſchen Zungen.

Auch ſah ich viel

Der Ritterſpiel

Von Rittern und von Knechten,

Mit Laufen, Springen, Ringen,

Kaͤmpfen, Fechten

Kuͤnſtlich, gelenk,

Mit viel Gepraͤng.

Nach dem einlieſen

Sie auch ein Mummereye.

Verputzet, daß man ſie nit kennt,

Zumal ein wohl gezierter Hauf,

Die haͤtten ein Maruscatanz,

Ihr zween ſah ich geruͤſtet ganz,

[227]
In Harniſch uͤber alle,

Die koͤnnten ſtechen, brechen

Mit den Spießen

Gar ritterlich.

In einen Winkel ſchmiegt ich mich,

Mein Herz vor Freuden kittert, zittert,

Hupfet, ſprang

Von Wonn in dieſem Saale.

3.
Schau, indem kam

Hinein der Tod,

Mit ſich er trug

Ein Senſe ſcharf,

Und ſchlich grauſam hinein den Saal,

Und maͤhet ab und auf,

Bald ſtarbe, wen er trafe,

Ein Ende nahm

Die froͤhlich Rott

Jederman floh,

Und aus dem Saal ſich machet,

Traurig Geſchrei

War ihr Geſang,

Der Tod ſie ſchlug,

Zu Haufen warf,

Da ward manch rothes Muͤndlein fahl,

Groß ward der Todten Hauf,

Alſo dauͤcht mich im Schlafe,

Wie daß ich frei

Herab da ſprang

In Graben hoch,

[228]
Indem ich aufgewachet,

Und dauͤcht mir heimlich eben;

Der Traum bedeut

Die Wolluſt dieſer Welte.

Der Pracht, Gewalt und Ruhm

Iſt als ein Blum

In ihrer Zierde

Durch Regen ſanft und kuͤhlen Thau,

Aufwaͤchſet in dem Felde,

So Reifes Duft

Und kalte Luft

Geſchwind uͤber ſie thut blaſen,

Bald ſie verſchmoret, dorret

In der Maſen,

Reichthum und Kunſt,

Freud, Lieb und Gunſt,

Ehr und Gewalte,

Gepraͤng, Geſchmuck und Wuͤrde,

Auf dieſer Erde aller Stand

Steht es in Gluͤck und bluͤhet heut,

So ſchwindet es doch Morgen ab,

Und ſinket endlich in das Grab,

Was Fleiſch und Blut konnt geben,

Das muß verderben, ſterben

Jung und alte

Mann unde Frau,

Auf das Vergaͤnglich hier nit bau,

Das als ein Traume, Schaume

Kommet um;

Fleuch, zeuch zum ewgen Leben.

[229]

Gedankenſtille.


Voͤgel thut euch nicht verweilen,

Kommet, eilet ſchnell herzu,

Woͤlfe hoͤret auf zu heulen,

Denn ihr ſtoͤret meine Ruh.

Goͤtter kommt und helft mir klagen,

Ihr ſollt alle Zeugen ſeyn,

Duͤrft ich es den Luͤften ſagen

Und entdecken meine Pein.

Wehet nur ihr ſanften Winde,

Baͤchlein rauſchet nicht ſo ſehr,

Flieſt und wehet jetzt gelinde

Gebt doch meinem Lied Gehoͤr.

Aeſt und Zweige thut nicht wanken,

Baͤum und Blaͤtter haltet ſtill,

Weil ich jetzo in Gedanken,

Euch mein Lied entdecken will.

Der Bremberger.


Fliegendes Blat.


1.
Mit Urlaub Frau um euren werthen Dieſtmann

Geheiſſen war der Bremberger

Ein edler Ritter weiſe,

In ſeinem Ton ich euch wohl ſingen kann,

Darin mir niemand verdenke,

[230]
Sein Lob immer preiſe

Er hat geſungen mannigfalt,

Das red ich auf die Treue mein

Von einer ſchoͤnen Frauen.

An ihm geſchah groſſe Gewalt,

Daß er verlor das Leben ſein,

Sein Leib der ward ihm zerhauen.

Der Herr der ſprach: „Du haſt mir lieb die Fraue

mein

„O Bremberger es geht dir an das Leben dein!“

Sein Haupt das ward ihm abgeſchlagen

Zu derſelben Stund,

Das Herz er in dem Leibe trug,

Das aß der Fraue rother Mund.

2.
Der Herr der ſprach: „Frau koͤnnt ihr mich beſchei-

den nun,

„Was ihr jetzund gegeſſen hand,

„Daß euchs der lieb Gott lohne.“

Die Frau die ſprach: „Und das weiß ich ſicher

nicht

„Ich wollts alſo gern wiſſen thnn,

„Es ſchmecket mir alſo ſchoͤne.

Er ſprach: „Fuͤrwahr glaub du mirs,

„Es iſt geweſen Brembergers Herz,

„Er trugs in ſeinem Leibe

„Und bracht dir viel Schimpf und Scherz,

„Es konnt dir machen Freuden viel

„Und konnt dir Leid vertreiben.“

[231]
Die Frau ſprach: „Hab ich gegeſſen das mir Leid vertrie-

„ben hat

„Und ſollt meiner armen Seel nimmer werden Rath,

„So thu ich einen Trunk darauf zu dieſer Stund

„Von Eſſen und von Trinken kommt nimmer mehr in

„meinen Mund.“

3.
Die Frau ſtand auf, ſie eilet von dem Tiſche

Verbarg ſich in ihr Gemach,

Und dacht ihrs Herzeus Schwere:

„Hilf Maria du himmliſche Koͤnigin

„Daß mir nie ſo Leid geſchah

„Ja an dem Brembergere.

„Um meinetwillen litt er Noth,

„Da war er gar unſchuldig an,

„Es muß mich immer reuen, um ihn ſo leid ich hier den

„Tod

„Meines Leibes er nie gewaltig ward,

„Red ich bey meinem Treuen;

„Es kam mir nie ſo nah, daß mir von ihm ward ein

Umbefang,

„Des trauer ich ſehr, mir iſt mein Leben worden krank,

„Sich hat verkehrt Herz, Muth und all mein Sinn,

„Und wenn meins Lebens nimmer iſt,

„So ſcheid mein arme Seel von mir dahin.

4.
Nun wollt ihr hoͤren, wie lang die Frau des Lebens pflag,

Ohn Eſſen und Trinken hat ſie kein Noth,

Als ich euch will beſcheiden.

[232]
Fuͤrwahr ſie lebt bis an den eilften Tag,

Da ſchied die Zart, die Werth davon,

Dem Herrn geſchah groß Leiden.

„Ach Gott wie ſoll es mir ergahn,

„Daß ich die liebſte Fraue mein

„So unehrlich hab verrathen

„Und ihren werthen Dienſtmann,

„Ich fuͤrcht es wird mir viel zu ſchwer

„Mein Seel die muß leiden Noth.“

Der Herr der ſtand und ſah den groſſen Jammer an:

„O Herre Gott, daß ich ſie beyde ſamt verrathen han!“

Der Herr ein Meſſer in ſein eigen Herz ſtach,

Es wende dann Maria und ihr liebes Kind

Sein Seel muß leiden Ungemach.

Die Herzogin von Orlamuͤnde.


Nach einer chronikaliſchen Erzaͤhlung von Nikolaus Dumman, abgedruckt
in Ch. Ph. Weldenfels Selecta antiquit lib. II. c. XXXIII. p. 469,
Herr Heinze bemerkte, daß die Kinder in der Niederlauſitz ſich der
Worte beym Abzaͤhlen bedienen: Engel, Bengel laß mich leben,
ich will dir einen ſchoͤnen Vogel geben.


Albert Graf von Nuͤrnberg ſpricht:

„Herzogin ich liebe nicht;

„Bin ein Kind von achtzehn Jahren

„Und im Lieben unerfahren,

„Wuͤrde doch zum Weib dich nehmen,

„Doch vier Augen mich beſchaͤmen;

„Wenn nicht hier vier Augen waͤren,

„Die das Herze mein beſchweren.“

[233]
Orlamuͤndens Herzogin

Spricht zu ſich in ihrem Sinn:

„Witwe bin ich ſchoͤn vor allen,

„Aller Fuͤrſten Wohlgefallen;

„Wenn nicht hier vier Augen waͤren,

„Wuͤrde ſeine Lieb mich ehren.“

„Kinder ihr vom ſchlechten Mann,

„Der mich hielt in ſtrengem Bann;

„Weil ihr meine Land ererbet

„Wenn ihr nicht unmuͤndig ſterbet.“

Alſo Oehl in Flammen wuͤthet,

Das ſtatt Waſſer aufgeſchuͤttet.

Alſo deutet ſie die Rede

Auf zwey eigne Kinder ſchnoͤde,

Die im Saal zum Spiel abzaͤhlen,

Unter ſich den Engel waͤhlen:

„Engel, Bengel, laß mich leben,

„Ich will dir den Vogel geben.“

Nadeln aus dem Wittibſchleyer

Zieht ſie, daß er falle freyer,

Zu dem wilden Hager ſpricht:

„Nimm die Nadeln und verricht,

„Schwarzer Hager, du mein Freyer

„Fuͤrchteſt nicht den ſchwarzen Schleyer,

[234]
„Fuͤrchteſt du nicht auch vier Augen,

„Die zum Zuſehn hier nicht taugen,

„Setz' dich mit zu ihren Spielen,

„Daß ſie keine Schmerzen fuͤhlen,

„Daß die Wunden niemals ſprechen,

„Muſt du in das Hirn ſie ſtechen,“

Herulus zum Hager ſpricht,

Eh der ihm das Hirn einſticht:

„Lieber Hager, laß mich leben,

„Will dir Orlamuͤnde geben,

„Auch die Plaſſenburg die neue,

„Und es ſoll mich nicht gereuen.“

Herula zum Hager ſpricht,

Eh er ihr das Hirn einſticht:

„Lieber Hager laß mich leben,

„Will dir meine Docken geben,

„Engel, Bengel laß mich leben,

„Will dir meinen Vogel geben.“

Hager ſich als Moͤrder nennt,

Eh er ſich das Hirn einrennt.

„Gott ach Gott, wo werd ich ruhen,

„Hoͤre ſchon den Vogel rufen,

„Gott ach Gott, wo ſoll ich fliehen,

„Sehe ſchon den Vogel ziehen.“

[235]
Albert ſpricht zur Herzogin:

„Das war nicht der Rede Sinn,

„Meinte unſre eignen Augen,

„Wie wir nicht zuſammen taugen.“

Beyde Kinder unverweſet

Liegen noch im Marmorſarge,

Als waͤr heut der Mord geweſen,

Recht zum Trotze allem Argen.

Auf dieſe Gunſt machen alle Gewerbe
Anſpruch
.


Es war einmal ein Zimmergeſell,

War gar ein jung friſch Blut,

Er baut dem jungen Markgrafen ein Haus,

Sechshundert Schaulaͤden hinaus.

Und als das Haus gebauet war,

Legt er ſich nieder und ſchlief,

Da kam des jungen Markgrafen ſein Weib,

Zum zweiten und drittenmal rief.

„Steh auf, ſteh auf gut Zimmergeſell,

„Denn es iſt an der Stund

„Haſt du ſo wohl ja gebauet das Haus

„So kuͤß' mich an meinen Mund.“

„Ach nein, ach nein, Markgraͤfin fein,

„Das waͤr uns beiden ein Schand,

„Und wenn es der junge Markgrafe erfuͤhr,

„Mußt ich wohl meiden das Land.“

[236]
Und da die beiden beiſammen waren,

Sie meinen ſie waͤren allein,

Da ſchlich wohl das aͤlteſte Kammerweib her,

Zum Schluͤſſelloch ſchaut ſie hinein.

„Ach edler Herr, ach edler Herr!

„Groß Wunder, zu dieſer Stund

„Da kuͤßet der jung friſche Zimmergeſell,

„Die Frau Markgraͤfin an Mund.“

„Und hat er gekuͤßt meine ſchoͤne Frau,

„Des Todes muß er mir ſein,

„Ein Galgen ſoll er ſich ſelber baun

„Zu Schafhauſen draus an dem Rhein.“

Und als der Galgen gebauet war,

Sechshundert Schauladen hinaus,

Von lauter Silber und Edelgeſtein,

Steckt er darauf ein Straus.

Da ſprach der Markgraf ſelber, wohl

Wir wollen ihn leben lan,

Iſt keiner doch unter uns Allen hier

Der dies nicht haͤtte gethan.

Was zog er aus der Taſche heraus

Wohl hundert Goldkronen ſo roth,

Geh mir, geh mir aus dem Land hinaus,

Du findeſt wohl uͤberall Brod.

Und als er hinaus gezogen war,

Da ging er uͤber die Haid,

Da ſteht wohl des jungen Markgrafen ſein Weib,

In ihrem ſchneeweißen Kleid.

[237]
Was zog ſie aus der Taſche gar ſchnell,

Viel hundert Duckaten von Gold:

„Nimms hin, du ſchoͤner du feiner Geſell.

„Nimms hin zu deinem Gold.

„Und wenn dir Wein zu ſauer iſt,

„So trinke du Malvaſier,

„Und wenn mein Muͤndlein dir ſuͤßer iſt

„So komme nur wieder zu mir.

Albertus Magnus.


Von den Geheimniſſen der Weiber.


Die Koͤnigin blickt zum Laden aus,

Ein Juͤngling ſtand wohl vor dem Haus,

Sie winkt ihm da,

Daß er ſollt zu ihr kommen.

Der Juͤngling kam heimlichen dar,

Er ſprach: Zart edle Fraue klar,

Kein Mann ſoll ſich

In eurem Dienſt verſaͤumen.

Da ſprach die Koͤnigin hochgebohr'n:

In meinem Dienſt haſt du geſchwor'n

Leibeigen dich,

Das ſollſt du nun erkennen.

Dein Willen mach dem Meinen gleich,

So wird mein Herz ganz Freudenreich,

Lieblich Begier,

Die will ich dir bekennen.

[238]
Er wußt nicht, was ſie damit meint,

Sie haͤtt' ſich nah mit ihm vereint,

Sein Freiheit er

Vor ihr nicht konnt erhalten.

Sie blickt ihm in das Herz hinein,

Mein's Leibs muſt du gewaltig ſeyn,

Der Ehren ſein

Haͤtt' er da kein Gewalte.

Und als der Tag ſich anebrach,

Die Koͤnigin wohl zu ihm ſprach,

Deins Leibs hab ich

Begehrt, der iſt mir worden.

Geb dich davon, ſaum dich nicht lang', —

Gar bald er in die Kleider ſprang,

Er wußt auch nicht,

Daß ihm folgt nach ein Morde.

Sie nahm ihn faͤlſchlich bei der Hand,

Hin auf ein Brett ſie ihn da ſandt,

Zuckt an der Schnur,

Das Brett thaͤt mit ihm fallen.

Wohl in ein Waſſer ungeheur,

Darin verdarb der fromm und theuer,

Das falſche Weib

Ließ freudig Lachen ſchallen.

Aus ihrer Lieb fuͤhrt nur ein Weg,

Der fuͤhrte auf den Todesſteeg,

Die ihr vertraut,

Acht Juͤngling noch gar freie.

[239]
So warens mit dem erſten neun,

Die Zahl war ihr noch viel zu klein,

Den zehnten auch

Sucht ſie in falſcher Treue.

Er war ein hochgelehrt Student,

Ihr Complexion er gar wohl kennt',

Er wußt gar wohl

Sie konnt ihn nicht betriegen.

Er blickt ſie an durch Kunſtes Glas,

Er ſah wie ſie naturet war,

Er warb um ſie,

Ihr Liſt mußt ihm erliegen.

Er zwang ihr Herz mit ſeiner Kunſt,

Er zwang ihr Herz in Liebesbrunſt,

Die Koͤniginn

Wollt ſehnlich ihn umfangen.

Da ſagt er ihr ein hartes Wort,

Neun Juͤngling ſeh ich ſchweben dort,

Die warnen mich,

O Weib, das bringt mir Bangen.

Ein Waſſer braußet unter mir,

Dein Bett ein boͤſes Schiflein ſchier,

Will ſchlagen um,

Will jenen mich geſellen.

Du fuͤhreſt falſche Segellein,

Du glaubſt, ich ſollt der zehnte ſein,

Du Moͤrderin

Willſt toͤdten mich in Wellen.

[240]
Groß Zorn das Weib der Red empfand,

Sie ließ ihm binden Fuß und Hand:

Ihr Diener mein,

Thut mir den Mann ertraͤncken.

Er blickt ſie an, ganz ſtill gemuͤth,

Er wußt wohl, daß er war behuͤt,

Man hob ihn auf,

Und wollt ihn ſchon verſencken.

Da brachen ſeine Strick zur Stund,

Er ſprang hinab frei und geſund,

Im tiefen See

Konnt er gar luſtig ſchweben.

Ganz aufrecht als ein Federbolz,

Trat er darin das Waſſer ſtolz.

Wer ihn ermordt,

Dem will ſie ſich ergeben.

Des faßt manch boͤſer Knabe Luſt,

Manch Armbruſt zielt nach ſeiner Bruſt;

In Voͤgelein

Die Pfeil ſich da verkehren,

Und ſchwebten um ihn auf und ab.

Die Koͤniginn rief da herab:

O haͤtt ich dich,

Ich wollt dein Kunſt zerſtoͤren.

Frau Koͤniginn, er zu ihr ſprach,

Ich trage um neun Knaben Rach,

Neun Voͤgelein

Die Pfeil ſich um mich ſchwingen.

[241]
Nach einem Wald ſteht mir mein Sinn,

Darin ich euer Vogler bin,

So viel ich fang,

Von euch lehr ich ſie ſingen.

Da ſchwang er ſich zum Wald hindan,

Ihm ſahen nach viel Weib und Mann,

Die Koͤniginn

Ward bleich an ihren Wangen.

Er ſetzt ſich in den gruͤnen Plan,

Viel Voͤgelein ſich zu ihm nahn,

Mit Liſten braucht

Er keinen nicht zu fangen.

Er ſchwang ſich in die Luͤfte klar

Um ihn die laute Vogelſchaar,

Ließ nieder ſich

Auf eines Thurmes Zinne.

Den Voͤglein in die Schnaͤbel band

Er Brieflein all, darinnen ſtand:

Neun mordete

Die Koͤniginn um Minne.

Die fliegen wohl durch Stadt und Land,

Man fieng ſie alle mit der Hand,

Da ward die Schand

Wohl allen offenbare.

Ein Vogel bunt in Sonderheit,

Des haͤtt die Koͤniginn ein Freud,

Sie griff nach ihm,

Er ſezt ſich auf ihr Haare.

2. Band. 16.
[242]
Er ließ ihr fallen auch mit Liſt,

Den Zettel zwiſchen ihre Bruͤſt,

Und flog von dann,

Da las ſie ihre Schande.

Das Zettelein ſie da zur Stund

Zerriß mit ihrem rothen Mund,

Wohl hin und her

Sie ihre Haͤndlein wandte.

Ihr Schuld kam da wohl klar an Tag,

Der Kuͤnſtler fuͤhrt die erſte Klag:

Frau Koͤniginn,

Albertus iſt mein Namen.

Albertus Magnus heiße ich,

Sanktus nennt auch die Kirche mich,

Du haſt um mich

Dein Buhlerkunſt verloren.

Ein weiſer Meiſter heiße ich,

Du wolltſt im Zorn ertraͤnken mich.

Da ſchrie ſie laut:

„O Weh daß ich gebohren!

„O Weh daß ich gebohren bin!

Schrie da die edle Koͤniginn,

Verzweifelung

Kam da in ihre Sinnen.

Albertus macht ſie da wohl zahm,

Sie ſtand vor ihm in groſer Scham,

Er redt zu ihr

Und ließ ſie Muth gewinnen.

[243]
Zur Hand gewann ſie Reu und Leid,

Zerriß ihr koͤnigliches Kleid,

Und legt ſich an

Wohl einen grauen Orden.

Albertus lehrt ſie in der Beicht,

Wie ſie Verſuͤhnung wohl erreicht,

Mit ſtrenger Buß,

Um ihre Schuld und Morden.

Vor ihrer Zell wohl achtzehn Jahr,

Neun Voͤgel ſangen traurig gar,

Den gab ſie Speiß,

Und weinet bitterlichen.

Und da die Zeit verſtrichen war,

Da waren es neun Engel klar,

Die fuͤhren ſie

Wohl in das Himmelreiche.

Waͤchter huͤt dich bas.


(Fliegendes Blatt. Nuͤrnberg bei Valentin Neuber um 1596.)


Es wohnet Lieb bey Liebe,

Dazu groß Herzeleid,

Ein edle Herzoginne,

Ein Ritter hochgemayt,

Sie haͤtten einander von Herzen lieb,

Daß ſie vor groſſer Hute

Zuſammen kamen nie.

[244]
Die Jungfrau, die war edel,

Sie thaͤt ein Abendgang,

Sie ging gar traurigliche,

Da ſie den Waͤchter fand;

O Waͤchter mein trit her zu mir,

Selig will ich dich machen,

Duͤrft ich vertrauen dir.

Ihr ſollet mir vertrauen

Zart edle Jungfrau fein,

Doch fuͤrcht ich nichts ſo ſehre,

Als eures Vaters Grim.

Ich fuͤrchte eures Vaters Zorn,

Wo es mir miſſelungen,

Mein Leib hab ich verlorn.

Es ſoll uns nicht mißlingen,

Es ſoll uns wohl ergehn,

Ob ich entſchlafen wuͤrde,

So weck mich mit Getoͤn,

Ob ich entſchlafen waͤr zu lang,

O Waͤchter, traut Geſelle,

So weck mich mit Geſang.

Sie gab das Geld dem Alten,

Den Mantel an ſein Arm.

„Fahrt hin mein ſchoͤne Jungfraue

„Und daß euch Gott bewahr,

„Daß er euch wohl behuͤt!“

Es kraͤnkt demſelben Waͤchter

Sein Leben und Gemuͤth.

[245]
Die Nacht, die war ſo finſter,

Der Mond gar luͤtzel ſcheint,

Die Jungfrau, die war edel,

Sie kam zum hohlen Stein,

Daraus da ſprang ein Bruͤnnlein kalt,

Auf gruͤner Linde druͤber

Frau Nachtigal ſaß und ſang.

„Was ſingeſt du Frau Nachtigal,

„Du kleines Waldvoͤgelein,

„Woll mir ihn Gott behuͤten,

„Ja da ich warte ſein,

„So ſpar mir ihn auch Gott geſund,

„Er hat zwey braune Augen,

„Dazu ein rothen Mund.“

Das hoͤrt ein Zwerglein kleine,

Das in dem Walde ſaß,

Es lief mit ſchneller Eile

Da es die Jungfrau fand.

Ich bin ein Bot zu euch geſandt,

Mit mir ſollt ihr gleich gehen,

In meiner Mutter Land.

Er nahm ſie bey den Haͤnden,

Bey der ſchneeweiſſen Hand,

Er fuͤhrt ſie an das Ende,

Wo er ſein Mutter fand.

„O Mutter, die iſt mein allein,

„Ich fand ſie naͤchten ſpaͤt

„Wohl bey dem hohlen Stein.

[246]
Und da des Zwergleins Mutter

Die Jungfrau recht anſah:

„Geh fuͤhr ſie wieder geſchwinde,

„Da du ſie funden haſt.

„Du ſchaffſt gros Jammer und gros Noth,

„Eh morgen der Tag hergehet,

„So ſind drey Menſchen todt.“

Er nahm ſie bey den Haͤnden,

Bey der ſchneeweiſſen Hand,

Er fuͤhrt ſie an das Ende,

Wo er ſie funden hat.

Da lag der Ritter verwundet in Tod,

Da ſtand die ſchoͤne Jungfraue,

Ihr Herz litt groſſe Noth.

Sie zog aus ſeinem Herzen

Das Schwerdt und ſtieß es in ſich:

„Und hat es dich erſtochen,

„So ſtech ichs auch in mich;

„Es ſoll nun nimmer kein Koͤnigs Kind

„Um meinetwillen ſterben,

„Sich morden mehr um mich.“

Und da es morgen taget,

Der Waͤchter hub an und ſang:

„So ward mir nie kein Jahre,

„Kein Nacht noch nie ſo lang,

„Denn dieſe Nacht wollt nicht vergehn.

„O reicher Chriſt vom Himmel,

„Wie wird es mir ergehn.“

[247]
Und das erhoͤrt die Koͤnigin,

Die auf dem Bette lag.

„O hoͤret edler Herre,

„Was iſt des Waͤchters Klag,

„Wie ihm die Nacht doch haͤtt gethan,

„Ich fuͤrcht, daß unſre Tochter,

„Die hab nicht recht gethan.“

Der Koͤnig zu der Koͤniginn ſprach:

„Zuͤnd an ein Kerzlein Licht,

„Und [lug] in alle Burge,

„Ob ihr ſie findet nicht,

„Kannſt du ſie in dem Bett nicht ſehn,

„So wirds demſelben Waͤchter

„Wohl an ſein Leben gehn.“

Die Koͤniginn war geſchwinde,

Sie zuͤndt ein Kerzlein Licht,

Sie lugt in alle Burgen,

Sie fand die Tochter nicht.

Sie thaͤt ins Bette ſehn,

O reicher Chriſt vom Himmel

Wie wird es heut ergehn.

Sie lieſſen den Waͤchter fahen,

Sie legten ihn auf den Tiſch,

In Stuͤcken thut man ihn ſchneiden,

Gleich wie ein Salmenfiſch.

Und warum thaͤten ſie ihm das,

Daß ſich ein andrer Waͤchter

Sollt huͤten deſto bas.

[248]

Truͤmmeken Tanz.


(Altes Tanzlied, Dithmarſiſche Kronik Seite 108.)


Herr Hinrich und ſiene Broͤder alle dree, voll grone,

Se buuden een Schepken tor See, um de adlige Roſen-

blome,

Do dat Schepken rede was, voll grone,

Se ſetten ſick darin, ſe foͤhrde alle daher, um de adliche

Roſenblome

Do ſe Weſtwerts averkemen, voll grone,

Do ſtond dar een Goldſchmits Soͤhne vor de Doͤhr, mit

de adlige Roſenblome,

Weſet mir willkommen, ji Herren alle dree gar huͤbſch

und ſchone

Will ji Mede, efte will ji nun Wien, ſprach de adlige

Roſenblome,

Wy willen neen Mede, wy willen neen Wien, voll grone

Wy willen en Goldſchmits Tochter han, de van de adlige

Roſenblome.

Des Goldſchmits Tochter krieg ji nig, gar huͤbſch und

ſchone,

Se is Luͤtke Leicke al to geſegt, de adlige Roſenblome.

Luͤtke Leicke de krieg ſe nig, voll grone,

Dar will wy dree unſe Halſe um wagen, um de adlige

Roſenblome.

Luͤtke Leicke tog ut ſien blankes Schwerd, voll grone,

He houde Herr Hinrich ſien luͤtgen Finger af, um de ad-

lige Roſenblome.

Herr Hinrich tog ut ſien blankes Schwerd, gar huͤbſch

und ſchone,

He houde Luͤtke Leicke ſien Hoͤvende wedder af, um de

adlige Roſenblome.

[249]
Ligge du aldar ein kruſe Kroll, voll grone,

Myn Hert is hundert tuſend Freuden voll, um de adlige
Roſenblome,

Luͤtke Leicke ſiene Kinder wenden all ſo ſehr voll grone,

Morgen ſchallen wy unſern Vader begraven, um de ad-
lige Roſenblome.

Springel- oder Lange-Tanz.


(Dithmarſiſche Kronik.)


Dat geit hir gegen den Sommer, gegen de leve Som-
mertidt,

De Kinderken gahn ſpehlen an dem Dahl, dat ſprack en
Wyff.

„Ach Moͤnnecken min leve Meder, moſte ick aldar tom
Aventanz gahn

„Dar ick hoͤr de Pipen gahn und de leven Trummel
ſchlan!“

Ach neen! min Tochter nichten dat, du ſchalt, du ſchalt
ſchlaapen gahn.

„Ach Moͤnnecken min, dat deit my de Noth, dat deit my
de Noth.

„Kann ick tom Avend-tanz nich, ſo mut ick ſterven doth.“

Ach neen du myn Dochter, alleen ſchalſt du nich gahn,

So weck op dienen Broder und lath em mit dy gahn.

„Min Broder is junk, is man en Kind, ick weck em
altes nicht,

„Vielmehr weck ick een andern Mann, den ick ſprecken
ſchall.“

O Dochter myn, Gott geve dy grot Heil, Gott geve dy
grot Heil,

[250]
Nu ick dy nich ſtoͤren kan, ſo gah du all dar hen.

Do he tom Avenddanz kahm, to de Kinder ſpeele gahn,

Se leth er Ogen herummer gahn, ehr ſe den Richter fand,

De Richter de was grot, he toeg aff ſynen Hoet,

He toeg aff ſynen Hoet, he kuͤſſede ſe voͤr den Mund

An den Tanz dar ſe ſtund.

Alle bey Gott, die ſich lieben.


(Muͤndlich.)


Es hatt' ein Herr ein Toͤchterlein,

Mit Nahmen hieß es Annelein,

Ein Herrn wollt man ihr geben,

Frau Markgraͤfin ſollte es werden.

Ach Vater ich nehm noch keinen Mann,

Ich bin nicht aͤlter dann elf Jahr,

Ich bin ein Kind und ſterb fuͤrwahr.

Es ſtund nicht an ein halbes Jahr,

Das Fraͤulein mit dem Kinde ging,

Sie bat ihren Herrn im Guten,

Er ſollt jezt holen ihre Mutter.

Und als er in den finſtern Wald eintrit,

Ihm ſeine Schwieger entgegen ſchritt:

„Wo habt ihr dann euer Fraͤulein?“

Mein Fraͤulein liegt in großer Noth,

Fuͤrcht, wenn wir kommen, ſei ſie ſchon todt;

Mein Fraͤulein liegt in Ehren

Ein Kind ſoll ſie gebaͤhren.

Und als er uͤber die Heide ritt,

Ein Hirtlein hoͤrt er pfeifen,

Ein Gloͤcklein hoͤrt er laͤuten.

[251]
Ei Hirtlein, liebes Hirtlein mein,

Was laͤutet man im Kloͤſterlein,

Laͤutet man um die Veſperzeit,

Oder laͤutet man um eine Todten Leich?

Man laͤutet um eine Todten Leich!

Es iſt dem jungen Markgrafen

Sein Fraͤulein mit dem Kind entſchlafen.

Und als er zu dem Thor einritt,

Und als er in den Hof einritt,

Drei Lichter ſieht er brennen,

Drei Schuͤler Knaben ſingen.

Und als er in die Stube kam

Sein Fraͤulein in der Bahre lag,

Das Kindlein in ihren Armen lag.

Er kuͤßt ſie an ihren bleichen Mund,

Jezt biſt du todt und nimmer geſund.

Er kuͤßt ſein Kindlein an ihrem Arm,

Das Gott erbarm, das Gott erbarm.

Die Mutter die war ganz allein,

Die ſezt ſich an ein harten Stein,

Vor Leid brach ihr das Herz entzwei.

Da zog er aus ſein glitzerich Schwerd,

Und ſtachs ſich ſelber durch ſein Herz:

Er ſprach, iſts nicht ein Straf von Gott,

Vier Leichen in eines Fuͤrſten Schloß.

Es ſtand nicht laͤnger als drei Tag,

Drei Lilien wuchſen auf des Fraͤuleins Grab,

Die erſte weiß, die andre ſchwarz.

[252]
Die ſchwarz dem kleinen Kindlein war,

Weil es noch nicht getaufet war;

Auf der dritten war wohl geſchrieben:

Sie ſind all bei Gott, die ſich lieben.

Den Herrn, den graͤbt man wieder aus,

Legt ihn zum Annelein ins Gotteshaus,

Da liegen vier Leichen zuſammen,

Das Gott erbarme. Amen!

Edelkoͤnigs-Kinder.


(Mitgetheilt von H. Schloſſer.)


Es waren zwei Edelkoͤnigs-Kinder,

Die beiden die hatten ſich lieb,

Beiſammen konten ſie dir nit kommen,

Das Waſſer war viel zu tief.

Ach Liebchen koͤnteſt du ſchwimmen,

So ſchwimme doch her zu mir,

Drey Kerzlein wollt ich dir anſtecken,

Die ſelten auch leuchten dir.

Da ſaß ein loſes Noͤnnechen,

Das that, als wenn es ſchlief,

Es that die Kerzlein ausblaſen,

Der Juͤngling vertrank ſo tief.

Ach Mutter herzliebſte Mutter,

Wie thut mir mein Haͤuptchen ſo weh,

Koͤnt ich ein kleine Weile

Spazieren gehn laͤngſt der See.

Ach Tochter herzliebſte Tochter,

Allein ſolſt du da nit gehn,

[253]
Weck auf deine juͤngſte Schweſter,

Und laß ſie mit dir gehn.

Ach Mutter herzliebſte Mutter,

Mein Schweſter iſt noch ein Kind,

Sie pfluͤckt ja all die Blumen,

Die in dem gruͤnen Wald ſind.

Ach Mutter herzliebſte Mutter,

Wie thut mir mein Haͤuptchen ſo weh,

Koͤnt ich eine kleine Weile

Spaziren gehn laͤngſt der See.

Ach Tochter, herzliebſte Tochter,

Alleine ſollſt du da nit gehn,

Weck auf deinen juͤngſten Bruder,

Und laß ihn mit dir gehn.

Ach Mutter, herzliebſte Mutter,

Mein Bruder iſt noch ein Kind,

Er faͤngt ja alle die Haaſen,

Die in dem gruͤnen Wald ſind.

Die Mutter und die ging ſchlafen,

Die Tochter ging ihren Gang,

Sie ging ſo lange ſpazieren,

Bis ſie ein Fiſcher fand.

Den Fiſcher ſah ſie fiſchen,

Fiſch mir ein verdientes roth Gold,

Fiſch mir doch einen Todten,

Er iſt ein Edelkoͤnigs-Kind.

Der Fiſcher fiſchte ſo lange,

Bis er den Todten fand,

[254]
Er grif ihn bei den Haaren,

Und ſchleift ihn an das Land.

Sie nahm ihn in ihre Arme,

Und kuͤßt ihm ſeinen Mund:

Adie mein Vater und Mutter,

Wir ſehn uns nimmermehr.

Die Braut von Beſſa.


(Kornmans Frau Veneris Berg. Frankfurt am Main 1614. S. 365.)


Zu Felsberg bat mich Kledte,

Ich ſolt ihm ſchreiben recht,

Was ich geſehen haͤtte,

Von manchem ſtolzen Knecht,

In einem Dorf hies Beſſa,

Da war ein groß Kuͤrmes,

Darzu ein groſſer Tanz

Um einen Ketten-Kranz.

Ich kam einmal gen Beß,

Auf einen Sonntag fruͤh,

Da war ein groß Kuͤrmes,

Davon ich ſingen will,

Ich ward gar ſchoͤn empfangen,

Von ein'm der hieß Hans Lange,

Mit dem ich ziehen pflegt

Gar manche liebe Taͤg.

Er bracht mich unter ein Linde,

Die war unterſchieden recht,

Da fand ſich ein wuͤſt Geſinde,

Das waren die Eiſern Knecht,

[255]
Die haͤtten ſich bezeichnet mit Weiden,

Kein Hochmuth wollen ſie leiden,

Sie ſprungen auf den Plan,

Ein jeder wolt den Vorreihen han.

Die andern trugen Berken,

Das war alſo gethan,

Das einer den andern ſoll merken,

Wann ſich erhuͤb ein Schlan,

Die dritten trugen Hopfen

Am Hals und auch am Kopf,

Truz wer ſie zornig maͤcht,

Und ſie zum Zanke braͤcht.

Wohl an demſelbigen Tanze,

Sahe man ein wunder ſchoͤne Magd,

Sie kunt gar wohl umſchwanzen,

Vor allen wohlbehagt,

Sie kunt gar wol begaffen

Mit Moͤnchen und mit Pfaffen,

Sie wolt kein andern han,

Als Eiſſerer Henzen Sohn.

Sie hieß die Riebel feiſte,

Das war ganz offenbar.

Viel Spott thaͤt ſie beweiſen,

An manchem Knecht fuͤrwahr,

Es hofft ein jeder Knabe

Kundſchaft mit ihr zu haben,

Dadurch wuchs ihr der Muth,

Keinem Geringen thaͤt ſie gut.

Sie war ſo ſchoͤn gezieret,

Den Sternen ward ſie gleich,

[256]
Darzu konnt ſie vexieren

Die Knaben meiſterlich,

Sie war von ſolcher Schanze,

Daß jeder wolt mit ihr tanzen,

Dadurch zulezt geſchah,

Groß Leid und Ungemach.

Da kam ein ſtolzer Knabe,

Der hieß Bellerſtein,

Den Vortanz wolt er haben,

Mit der ſchoͤnen Magd allein,

Er ſprach: Mich thun verdrießen,

Die Helleparten und die Spieſſe,

Der ſehe ich alſo viel,

Daß ich nicht tanzen will.

Ein Zank erhub ſich balde,

Durch die Eiſſern und Beſſar Knecht,

Ein jeder wolt den Plaz behalten,

Sie waren all kuͤhn und frech,

Sie begundten ſich zu ſchlagen,

Die Beſſar waren zagen,

Sie machten die Flucht darvon,

Die Eiſſern behielten den Plan.

Wol an demſelben Tanze,

Sag ich wohl auf mein Eid,

Waren vier und vierzig Knechte,

Waren alle roth Luͤndſch gekleidt,

In gelben Wammes und Hoſen,

Sie ſprungen als waͤren ſie raſend,

Sie machten ſich ſo breit,

Zum Streit waren ſie bereit.

[257]
Großen Hochmuth thaͤten ſie treiben,

Mit Trotzen, Keiben und Schlan,

Das wolt ich bald aufſchreiben,

Und nicht vergeſſen lan,

Sie thaͤten ſich bald bedenken,

Ein Trinkgeld wolten ſie mir ſchenken,

Sie brachtens zu mir her,

War gar nicht mein Beger.

Sie thaͤten mich bald fragen:

Ob ich der Schreiber waͤr?

Das ſolt ich kurzum ſagen,

Dazu ward mir nicht her.

Ich gab ihn gute Worte,

Als die keiner nie erhoͤrte,

Ich macht mich bald darvon,

Ihr Klopfen an mich kam.

Sie wolten mich lernen ſchreiben,

Die zornig Burſche Art,

Bei ihn war nicht zu bleiben,

Sie waren mir viel zu gelahrt;

Ihr Buchſtaben thaten ſie ziehen

Mit Schlaͤgen und großen Striemen,

Ich macht mich bald darvon,

Begert von ihn kein Lohn.

Der uns dies Lied thut ſingen,

Will ich berichten bald,

Von dannen mußt er entſpringen,

Sonſt er nicht worden alt,

2. Band. 17.
[258]
Er ging mit kurzen Schritten,

Recht nach der Haſen Sitten,

Ja lauffete uͤber Nacht.

Ade zu guter Nacht.

Die Tartarfuͤrſtin.


(Aus einer Handſchrift mitgetheilt von H. D. Hinze.)
(Ein in Preuſſen ſehr gewoͤhnliches Volksblatt: Der im Jahre 1656 geſche-
hene Einfall der Tartarn in Preuſſen, von Johann Melitor, aus
dem Polniſchen ins Deutſche uͤberſezt. Elbing 1793. giebt in Ver-
ſen einen Bericht, der aber ohne Einzelheit auf alle kriegeriſche Ein-
faͤlle paßt.)


Was wollt ihr aber hoͤren,

Was wollt ihr, daß ich ſing?

Wohl von der Tartarfuͤrſtin,

Wie's der zu Neumark ging.

Nach Breſſelau in Schleſien

Ein große Reiß ſie macht,

Nach Reumark kam ſie gefahren

Und blieb allda zur Nacht.

Da ſprach der Wirth zum andern:

„Ein Heydin wohnt bey mir,

„Sie hat Gold, Edelſteine,

„Die laß ich nicht von hier.“

„Gut Nacht, O Fuͤrſtin ſchoͤne,

„Ihr lebt nicht bis zum Tag.“

Und wandte ſich behende,

Gab ihr den Todesſchlag.

Und all ihr Hofgeſinde

In tiefem Schlaf er fand,

[259]
Und wuͤrgt ſie groß und kleine

Mit ſeiner eignen Hand.

Mit ſeinen eignen Haͤnden

Begrub er ſie allzumal

Gar tief in kalten Keller,

Ihr Gold und Gut er ſtahl.

Er zeigte drauf den andern

Sein Hand von Blut ſo roth,

Von Gold und Edelſteinen

Die Haͤlft er ihnen bot.

Die nahmen ſie ſo gerne

Und ſchwiegen von der That,

Doch was nicht fruͤh geraͤchet,

Das ſtraft der Himmel ſpat.

Der Tartarfuͤrſt, der hoͤrte

In Neumark iſt mein Kind

Gemordet und beraubet,

Den Koͤrper man noch findt.

Da rief et ſeinen Haufen;

„Auf nehmet Spieß und Schwerd,

„Nach Schleſien wir ziehen,

„Es iſt des Ziehens werth.“

So kamen ſie in Schaaren

Ins ganze Schleſier Land,

Und ſengten, brannten, ſtahlen,

Der Welt iſts wohlbekannt.

Der Fuͤrſtin Tod zu raͤchen

Bey Wahlſtadt ging es truͤb,

[260]
Zur Ehr der Heidenfuͤrſtin

Der Chriſten Herzog blieb.

So ward am Land geraͤchet

Was Neumark hat gethan,

Herr Gott mich ſelbſt regiere

Fang ich allein was an.

Kloſter Trebnitz.


(Mitgetheilt von H. D. Hinze.)


Der edel Herzog Heinrich zu Pferd

Stuͤrzt in den Sumpf gar tief, tief, tief.

Seines Lebens er ſich ſchier verwehrt,

Als Gott ſein Engel rief, rief, rief.

Der Engel nahm ein Koͤhlertracht,

Und trat zum Sumpf hinan, an, an.

Und ſchnell dem Herrn ein Aeſtlein bracht:

„Da halt der Herr ſich dran, dran, dran.

Und als der Herzog g'rettet war,

Da kniet er freudig hin, hin, hin.

„O Herr wie iſt es wunderbar,

„Daß ich gerettet bin, bin, bin.“

„Und bin ich denn gerettet nun,

„Bau ich ein Kloſter dir, dir, dir,

„Daß man dir dien in Fried und Ruh,

„Auf dieſem Flecklein hier, hier, hier.

Das Kloſter war gar ſchoͤn gebaut,

Des freut ſich wer es ſah, ſah, ſah.

Und manche fromme Gottesbraut,

Kam hin von fern und uah, nah, nah.

[261]
„Was begehrt ihr edle Jungfrauen mehr?

„Der Herzog fragt ſie dann, dann, dann.

„Wir b'duͤrfen nichts und nimmermehr

„Dieweil wir alles han, han, han.

„Und weil euch denn nichts noth mehr iſt,

„So ſey denn dieſer Nam, Nam, Nam,

„Trebnitz, das hieß, wir b'duͤrfen nichts,

„Den Namen es bekam, kam, kam.“

Herzog Hans von Sagan, und die Glogau-
ſchen Domherrn
.


(Mitgetheilt von H. D. Hinze.)


Hannes der Herzog zu Sagan

Der Grimme lag in ſchwerem Bann,

Der Biſchof *) wollt ſich raͤchen,

Den Bann ließ uͤber ihn ſprechen.

„Und lieg ich auch in tiefem Bann,

So kehr ich mich kein Daumen dran:

Thaͤt Herzog Hannes ſagen,

Die Domherrn will ich fragen.

„Ihr Glogſchen Domherrn kommt herbey,

„Laßt mit euch reden frank und frey,

„Kommt ihr zu meinen vier Pfaͤhlen,

„Ihr koͤnnts euch ſelber waͤhlen.“

„In euern vier Pfaͤhlen gehts nicht an,

„Dieweil ihr ſeyd in ſchwerem Bann,

„Ruft uns zu andern Orten,

„Da wollen wir eurer warten.

[262]
Er b'ſtellt ſie auf die Bruͤcke ſchlau,

Die werthen Domherrn von Glogau,

Der Herzog kam gegangen,

Die Rede thaͤt er anfangen.

Sie ſprachen viel und mancherley

Riz, Raz, da ging der Boden entzwey,

Wohl hinter ihrem Ruͤcken

Zerſaͤgte man die Bruͤcken.

„Nun ſeht euch um, ihr Herrn gemach,

Der Herzog grimmen Tones ſprach,

„Ihr Herren wollt ihr ſingen,

„Ihr Herren wollt ihr ſpringen?

Die Herren ſahn die Waſſersnoth,

Sie ſahen vorn und hinten Tod:

„Es muß euch wohl gelingen

„Herr Hans, wir wollen ſingen.

Und darauf gingen all nach Haus,

Der Herzog lacht ſie luſtig aus:

Sein Spas, der war gelungen,

Mein Lied, das iſt geſungen.

Der Pfalzgraf.


(Der erſchoſſene Pfalzgraf, wahrſcheinlich des Churfuͤrſten Philip Wilhelms
Sohn, Pfalzgraf Friedrich Wilhelm, erſchoſſen vor Mainz, 1689 den
den 30. Julv.)


Es reitet die Graͤfin weit uͤber das Feld,

Mit ihrem gelbhaarigen Toͤchterlein fein,

Sie reiten wohl in des Pfalzgrafen ſein Zelt,

Und wollen fein froͤlich und luſtig ſein.

[263]
Frau Graͤfin, was jagt ihr ſo fruͤh ſchon hinaus?

O reitet mit eurem fein Liebchen nach Haus,

Der Pfalzgraf kommt ſelber gleich zu euch hinab,

Sie tragen ihn morgen hinunter ins Grab:

Es hat ihn eine Kugel ſo toͤdtlich verwundt,

Da ſtarb er ſogleich in der naͤmlichen Stund,

Da ſchickt er dem Fraͤulein ein Ringelein fein,

Soll ſeiner beim Scheiden noch eingedenk ſein.

Hat dich o Pfalzgraf, die Kugel getroffen,

Waͤr ich viel lleber im Neckar erſoffen;

Traͤgt man den Liebſten zum Kirchhof herein,

Steig ich wohl mit ihm ins Brautbett hinein.

Will reichen ihm meinen jungfraͤulichen Kranz,

Will ſterben und ſcheiden von Guͤter und Glanz;

Lieb Mutter, ſez du mir den Kranz in das Haar,

Auf daß ich ſchoͤn ruhen kann auf der Bahr.

Steck mir an den Finger das Ringlein fein,

Es mit mir ſoll liegen ins Grab hinein,

Ein ſchneeweiſſes Hemdelein zieh du mir an,

Auf daß ich kann ſchlafen bei meinem Mann.

Auf Toͤchterleins Grab ſollſt legen ein Stein,

Drauf ſollen die Worte geſchrieben ſeyn;

Hier ruhet der Pfalzgraf und ſeine Braut;

Da hat man den beiden das Brautbett gebaut.

Die Nachtwandler.


Konrad, der Degenfelder hat

Sein edles Fraͤulein in die Stadt

[264]
Zur Hochzeit mitgenommen,

In ein Geſpraͤch gar mancherley

Sind da die Frauen kommen.

Jakob von Guͤltlings Frau zeigt an:

„Viel Tugend hat mein Edelmann,

„Viel Tugend thut er uͤben,

„Er iſt beſonnen, hat Vernunft,

„Er thut mich herzlich lieben.

„Doch leget er ſich trunken nieder,

„Er oft gar ſchnell erwachet wieder,

„Ein'n Streich hat er empfangen

„Vor Maſtrich in dem Niederland,

„Der thut ihm noch anhangen.

„Dann ſpringt er von dem Bett herab,

„Daß ich mich oft verwundert hab,

„Wehrt ſich um Leib und Leben,

„Doch thut er ſich auf freundlich Wort

„Ganz ſtille niederlegen.

Des Degenfelders Frau zeigt an:

„Die Tugend liebt mein Edelmann,

„Doch thut er dies oft uͤben,

„Im Schlafe geht er manche Nacht,

„Thut mich damit betruͤben.“

Indem ſie dies Geſpraͤch vollendt,

Ging ſchier die Hochzeit auch zu End,

Da ging es an ein Scheiden,

Allein die beiden edlen Fraun

Lebten da laͤnger in Freuden.

[265]
Junker Jakob ward luſtig gemacht,

Daß er iſt blieben uͤber Nacht,

Doch gar mit groſſen Bitten,

Viel lieber waͤr er mit Geſind

Zur Wohnung gleich geritten.

Mit Trinken ſezt man ſtark an ihn,

Der Junker dacht in ſeinem Sinn:

„Ich muß mich wohl vorſehen,

„Daß ich die Sach nicht mach zu grob,

„Will mich bey Zeit ausdrehen.“

Sie lebten all in Freuden groß,

Den Degenfeld die Frau umſchloß,

Und kuͤßte ihn vor allen;

Sobald die andern ſolches ſahn,

Hats ihnen wohlgefallen.

Junker Jakob ſaß an dem Tiſch,

Den Degenfeld an der Hand erwiſcht;

Aus Lieb thaͤt er ſie druͤcken,

Sprach ihm daneben freundlich zu,

Thaͤt ſich an ihn auch ſchmuͤcken.

Ein Umtrunk bald herummer ging,

Junker Jakob wieder anfing,

Hat ganz freundlich gebeten;

„Den bring ich euch zur guten Nacht.“

Vom Tiſch iſt er getreten.

Als bald er ſich zur Ruh begab,

Sein Knecht zog ihm die Kleider ab;

[266]
In einer Kammer kleine

Befahl er ſich dem lieben Gott,

Legt ſich ins Bett alleine.

Zu plaudern noch Herr Konrad kam,

Doch als er Guͤltlings Schlaf vernahm,

Wollt er ihn nicht erwecken,

Und als er noch ein Bett erſah,

Thaͤt er hinein ſich ſtrecken.

Da es nun war um Mitternacht,

Der Teufel hat ſein Spiel gemacht,

In dieſer Kammer kleine,

Da die zween Junker gelegen ſind,

Der Mond ſchien hell und reine.

Konrad von Degenfeld aufſteht,

Und in dem Schlaf nachtwandeln geht,

Wie er ſonſt oft thut pflegen,

Das Deckbett ſchlug er um ſich rum,

Darunter er gelegen.

Jakob erwacht und blicket hin,

Konrad geht ſtill im Schlaf auf ihn,

Als wollt er ihn verfolgen,

Da ſpringt er auf vor dem Geſpenſt

Und ſucht nach ſeinem Dolche.

Er tappt umher, und auf der Erd

Greift er des Degenfelders Schwerdt,

Thuts gegen ihn erheben:

„Nun ſteh und ſage, wer du biſt,

„Sonſt geh ich dir ans Leben.“

[267]
Als Konrad noch kein Antwort gab,

Entſetzt ſich Guͤltling ſehr darob,

Wehrt ſich um Leib und Leben,

Vermeint es waͤr ein Teufelsſpuck,

Thaͤt viele Stich ihm geben.

Toͤdtlich verwundet ſinkt zur Erd

Der edle Degenfelder werth,

Indem da thut erwachen

Der Schultheis und das Hausgeſind,

Niemand wußt von den Sachen.

Ein Lichtlein ſchlaͤgt er an geſchwind,

Der Kammer eilt er zu geſchwind,

Junker Jakob thaͤt anfangen;

„Was iſt das fuͤr ein Teufelsſpuck

„Der mich hat angegangen.“

Das Licht nimmt er in ſeine Haͤnd,

Und es zur Erde niederwendt,

Als er den Mord geſehen,

Da ſchrie er Jammer immerfort:

„Ach Gott, wie iſt mir geſchehen!“

Erſt wollte er's ganz glauben nicht,

Dem Konrad kuͤßt er das Geſicht,

Der Schultheis ſchrie mit Bangen:

„Herr Jakob gieb dich mir geſchwind.“

Herr Jakob ward gefangen.

Bis Morgens fruͤh ein Stund vor Tag,

Dem Ritter man das Urtheil ſprach,

Da ward das Thor geſchloſſen,

[268]
Die Fuhrleut, fremde Wandersleut

Hat man hinaus gelaſſen.

Darnach ſie wurden zugeſperrt,

Viel Buͤrger mußten wohlbewehrt

Zum Markte eilend kommen,

Die ganze Stadt des Wunder nahm,

Wie ſie das hat vernommen.

Ein ſchwarzes Tuch ward da bereit,

Und mitten auf den Markt geſpreit,

Auch eine Bahr daneben,

Herr Jakob nahm ſeinen Mantel ab,

Thaͤt ihn ſeinem Jungen geben,

Ein ſeidnes Tuch war da zur Hand,

Die Augen er ſich ſelbſt verband,

Und thaͤt aufs Tuch hinſchreiten,

Darauf kniet er mit Heldenmuth,

Stellt beyde Haͤnd in die Seiten.

Indem der Meiſter ſein Werk verricht,

Trit ihm der Teufel unters Geſicht,

Das ſag ich unverholen,

Wie gern haͤtt er ihm Leib und Seel

In dieſer Stunde geſtohlen.

Er aber beſtaͤndig blieben iſt

In dem Vertraun auf Jeſum Chriſt,

Iſt ritterlich geſtorben,

Die ewge Freud und Seligkeit

Hat er damit erworbin.

In die Bahr hat man ihn gelegt,

Mit einem ſchwarzen Tuch bedeckt,

[269]
Die ganze Gemeind thaͤt klagen,

Er ward von ehrlichen Leuten da

Ganz traurig weggetragen.

Das vierte Gebot.


(Altes Manuſcript.)


Im Land zu Frankereiche

Ein alter Konig ſaß,

Der all ſein Land und Reiche

An ſeinen Sohn da gab.

Das war aus Alters Schwaͤche,

Daß er ſich des verwandt,

Der Sohn thaͤt ihm verſprechen,

Ich naͤhre dich zur Hand.

Der Sohn gar bald ſich nahme

Ein Hausfrau minniglich

Die war dem Vater grame,

Sprach alſo klaͤgelich:

Der alt Mann thut ſtets huſten,

Bei Tiſch, das graut mir ſehr,

Und nimmt mir Eſſens Luſten,

Macht mir die Zunge ſchwer.

Der Sohn thaͤt ihren Willen,

Ließ auch den Vater ſein

Da legen in der Stillen

Unter die Stiege hinein.

Ein Bett darinnen ſtunde,

Von Heu und auch von Stroh,

[270]
Recht als [ein] andrer Hunde

Viel Jahre lag er ſo.

Die Konigin thaͤt ſich legen,

Gebahr ein Sohne gut,

Der ward ein ſtolzer Degen,

Und haͤtt ein frommen Muth.

Als der die Sach erkannte,

Bracht er zu aller Stund

Seim Anherrn Speiß und Tranke,

Was er nur finden kunt.

Er bat ihn an eim Taae

Um eine Roßdeck alt,

Daß er nit kalt da lage,

Der fromm Juͤngling lief bald.

Da er zum Roßſtall kame,

Ein Roßdeck, die war gut,

Er von dem Pferd da nahme,

Zerriß ſie mit Unmuth.

Sein Vater ihn da fraget:

Was ihm die Roßdeck thaͤt:

„Ich bring ſie halb, er ſaget

„Deim Vater an ſein Bett.“

Das Halbtheil ich behalte

Fuͤr dich, wenn du da ruhſt,

Wo deinen Vater alte,

Du jezt verſperren thuſt.

[271]

Traure nicht, traure nicht,
Um dein junges Leben,
Wenn ſich dieſer niederlegt,
Wird ſich jener heben.


(Muͤndlich.)


Es ritt ein Herr und auch ſein Knecht,

Sie ritten miteinander einen Winter weiten Weg.

Sie kamen an einen Feigenbaum,

Lieb Knecht ſteig, ſchau dich ume auf dem duͤrren Fei-

genbaum.

Es iſt, lieb Herr, es iſt zu viel,

Mein Kraft iſt mir entſchwunden, die Aeſtlein ſind auch

duͤrr.

Lieb Knecht ſo halt mein Roß am Zaum,

Ich will wohl ſelber ſteigen auf den duͤrren Feigenbaum.

Und da er auf den Baum nauf trat,

Die Aeſtlein waren duͤrre, er fiel ins gruͤne Gras.

Lieb Herr, nun liegſt du halber tod

Wo ſoll ich mir nun ausnehmen, mein ſchwer, verdien-

ten Lohn?

Lieb Knecht, fuͤr deinen Lohn und Werth,

Dafuͤr ſollſt du wohl nehmen mein Rappelbraunes Pferd.

Dein Rappelbraun Pferd, das mag ich nit,

Ich weiß mir noch was Andrrs, das mir lieber lieber iſt.

Lieb Knecht, fuͤr deinen Lohn und Werth,

Dafuͤr ſollſt du wohl nehmen, mein Silberreiches Schwerdt.

[272]
Dein Silberreiches Schwerd das mag ich nit,

Ich weiß mir noch was Anders, das mir lieber lieber iſt.

Lieb Knecht, ſo nimm mein wunderſchoͤnes Weib,

Dazu den jungen Markgraf, der in der Wickelwiege leit.

Lieb Herr, jetz reit ich, ſchau um ein Grab,

Daß man euch mit den Schuͤlern zur Kirche eintrag.

Und da ſie an die Kirche kamen,

Da fiengen alle Gloͤckelein, zu laͤuten laͤuten an.

Sie laͤuten ſo huͤbſch, ſie laͤuten ſo fein,

Sie laͤuten dem Markgrafen ins Himmels Reich hinein

Ins Paradeis, ins Himmelreich,

Da ſitzen die Markgrafen den Engelein zugleich.

Der grobe Bruder.


Kuchlebu, Schifflebu fahren wohl uͤber den Rhein,

Bey einem Markgrafen, da kehren ſie ein.

„Guten Morgen, junger Markgraf, guten Morgen,

„Wo haſt du dein adelich Schweſterlein verborgen?“

Was fragſt du nach meinem adelichen Schweſterlein

klein,

Es moͤchte mir viel zu huͤbſch und zu adelich ſeyn.

„Warum moͤcht es mir viel zu huͤbſch und zu ade-

lich ſeyn,

„Es geht mit einem Kindelein klein.“

[273]
Geht es mit einem Kindelein klein,

So ſoll es auch nicht mehr mein Schweſterlein ſeyn.

Er ſchickte ſogleich Roß und Wagen,

Und ließ ſein adelichs Schweſterlein hertragen.

Sie verſprach der Kindsmagd ein Paar neue Schuh,

Soll ihrem Kindlein die Sach recht thun.

Verſprach dem Kutſcher ein Paar ſilberne Sporen,

Er ſoll auch tapfer in Hof nein fahren.

Und da ſie in den Hof nein kamen,

Da ſagt der Bruder ihr gleich willkommen:

„Liebes adeliches Schweſterlein mein,

„Wo haſt du dein Kindelein klein?“

Ich hab fuͤrwahr kein Kindelein klein,

Die Leute gehn mit Luͤgen auf mich ein.

Er nahm ſie bey ihrer ſchneeweiſeſten Hand,

Und fuͤhrt ſie auf Ulm zu dem Tanz.

„Ihr Muſikanten macht mir auf einen langen Tanz,

Mein Schweſter iſt hier im Naͤgelkranz.

Der Tanz der waͤhrte dritthalbe Stund,

Bis ihr die Milch aus den Bruͤſten rausſprung.

Der Bruder nahm ſie bey der ſchneeweiſeſten Hand

Und fuͤhrt ſie in ſein Schlafzimmer alsbald.

Und ſprang mit Stiefel und Sporen auf ſie,

Daß ſie vor groſſem Schmerze laut ſchrie.

2. Band. 18.
[274]
Hoͤr auf, hoͤr auf, grober Bruder mein,

Es iſt ja genug, das Kind iſt nicht dein.

Es gehoͤrt ja dem Koͤnig in Engeland zu!

„Ach haͤttſt du es baͤlder geſaget nur!

Haͤtt ich fuͤrwahr einen Schwager gehabt,

Iſt dir noch zu helfen, mein Schweſterlein ſags?

Warum wird es mir zu helfen ſeyn,

Man ſieht auf Lung und Leber hinein!

Es ſtand nicht laͤnger an als dritthalbe Tag,

Da war der Koͤnig von England ſelber da.

„Willkommen, willkommen junger Markgraf mein,

Wo haſt du dein adelich Schweſterlein klein.

Es liegt im kuͤhlen Grab und da liegts,

Daß du es nimmermehr hier wiederſiehſt.

Was zog der Koͤnig? Sein glitzeriges Schwerdt,

Und ſtach es dem jungen Markgrafen durchs Herz.

Er ſtach es ins Herz, ſo tief als er kann;

„Sieh an das haſt du deiner Schweſter gethan.

Er nahm ſein Kind froh in den Arm:

„Jezt haſt keine Mutter mehr, daß Gott erbarm!“

Die wiedergefundene Koͤnigstochter.


(v. Seckendorfs Muſenalmanach ſ. 1808, S. 29.)


Es hat ein Koͤnig ein Toͤchterlein,

Mit Namen hieß es Annelein;

Es ſaß an einem Rainelein,

Las auf die kleinen Steinelein.

[275]
Es kam ein fremder Kraͤmer in's Land,

Er wurf ihm dar ein ſeidnes Band: :,:

Jezt muſt du mit mir in fremde Land.

Er trugs vor einer Frau Wirthin Haus,

Er gabs fuͤr einen Bankert aus:

Frau Wirthin, liebe Frau Wirthin mein,

Verdinget mir mein Kindelein.

O ja! o ja! das will ich wohl,

Ich will ihm thun doch alſo wohl, :,:

Gleich wie ein' Mutter eim Kind thun ſoll.

Und als die Jahrszeit ummen war,

Und es zu ſeinen Jahren kam:

Es wollt ein Herr ausreiten

Und er wollt ausgahn weiben.

Er ritt vor einer Frau Wirthin Haus

Die ſchoͤne Magd treit ihm Wein heraus:

Frau Wirthin, liebe Frau Wirthin mein! :,:

Iſt das euer Toͤchterlein?

Oder iſt es eures Sohnes Weib?

Daß es ſo wunderſchoͤn mag ſeyn. :,:

Es iſt doch nicht mein Toͤchterlein,

Es iſt doch nicht meines Sohnes Weib,

Es iſt nur mein armes Suͤdeli,

Es weiſt meinen Gaͤſten die Stuͤbeli.

Frau Wirthin, liebe Frau Wirthin mein,

Erlaubet mir ein Nacht oder drei, :,:

So lang das euer Willen mag ſeyn!

[276]
O ja! o ja! das will ich wol,

Es ſoll doch euch erlaubet ſein, :,:

So lang das euer Willen mag ſeyn.

Er nahm ſchoͤn Annelein bei der Hand,

Er fuͤhrt es in eine Schlafkammer lang,

Er fuͤhrt es vor ein ſchoͤnes Bett,

Ob es die Nacht bei ihm ſchlafen woͤlt.

Der Herzog zog aus ſein goldiges Schwerdt,

Er leit es zwiſchen beide Herz!

Das Schwerd ſoll weder hauen noch ſchneiden,

Das Annelein ſoll ein Maͤgedli bleiben.

Ach Annelein kehr dich umher!

Nun klag mir deinen Kummer ſchwer',

Klag mir alles was du weiſt,

Was du in deinem Herzen treiſt.

Sag, wer iſt dein Vater? Sag' wer iſt deine

Mutter?

„Der Herr Koͤnig iſt mein Vater, Frau Koͤnigin iſt

meine Mutter,

Ich hab einen Bruder heißt Mannigfalt,

Gott weiß wohl wo er umherfahrt.

Und iſt dein Vater ein Koͤnig,

Und iſt dein Mutter eine Koͤniginn,

Haſt du einen Bruder heiſt Mannigfalt;

Jezt hab ich mein Schweſterlein an meiner Hand.

Und wie es Morgens Tage ward

Frau Wirthin vor die Kammer trat:

[277]
Steh auf du ſchnoͤde Magd, ſteh' auf,

Fuͤll deinen Gaͤſten die Haͤfelein auf!

„O nein! laß du ſchoͤn Annelein in Ruh,

Fuͤll deine Haͤfelein ſelber zu, :,:

Mein' Schweſter Annelein mus's nimmer mehr thuu:

Er ſaß wol auf ſein hohes Pferd,

Und er ſein Schweſterlein hinter ihm nahm,

Er nahm ſchoͤn Annelein beym Guͤrtelſchloß,

Er ſchwungs wol hinter ſich auf ſein Roß.

Und wie er durch den Hof einrit,

Sein Mutter ihm entgegen ſchrit:

Bis mir Gott willkommen du Sohne mein,

Und auch dies zarte Fraͤuelein!

Es iſt doch nicht mein Fraͤuelein, :,:

Es iſt doch nur euer liebes Kind,

Was wir ſo lang verlohren gehan.

Sie ſetzen ſchoͤn Annelein oben an Tiſch,

Sie geben ihm geſotten und gebratne Fiſch,

Sie ſtecken ihm an einen guͤldnen Ring:

Jezt biſt du wieder mein Koͤnigskind!

Der Staar und das Badwaͤnnelein.


(in der Spinuſtube eines heſſiſchen Dorfs aufgeſchrieben.)


Herr Konrad war ein muͤder Mann,

Er band ſein Roß am Wirthshaus an.

Das Maͤgdlein ſprach, ſteig ab, ſteig ab,

Ihre Aeuglein ſchwankten auf und ab.

[278]
Ach Jungfer liebſte Jungfrau mein,

Schenk mir ein Becher kuͤhlen Wein ein,

Ach Herre, lieber Herre mein!

Ich bring ein Becher kuͤhlen Wein.

Trink ab, trink ab du rother Mund,

Trink aus den Becher auf den Grund.

Frau Wirthin, liebe Frau Wirthin mein,

Iſt dies fuͤrwahr euer Toͤchterlein?

Mein Toͤchterlein iſt ſie nicht fuͤrwahr,

Sie iſt mein Magd fuͤr immerdar.

Wollt ihr mir ſie leihen auf eine Nacht?

So will ich euch geben des Goldes Macht.

Wollt ihr mir geben des Goldes Macht,

Will ich ſie euch leihen auf eine Nacht.

Nun richt dem Herrn ein Fußbad an,

Mit Rosmarin und Majoran.

Sie ging in Garten und brach das Kraut,

Da ſprach der Staar, „o weh du Braut,

„In dem Badwaͤnnelein iſt ſie hergetragen,

„Darin muß ſie ihm die Fuͤße zwagen,

„Der Vater ſtarb in Leid und Noth,

„Die Mutter graͤmt ſich ſchier zu todt.

„O weh du Braut! du Findelkind,

„Weißt nicht wo Vater und Mutter ſind.

[279]
Da trug ſie das Badwaͤnnelein,

Wohl in des Herrn Schlafkaͤmmerlein.

Sie fuͤhlt hinein, obs nit zu warm,

Und weint dazu, das Gott erbarm!

Ach meine Braut was weinſt du dann?

Bin ich dir nicht gut fuͤr einen Mann,

Du biſt mir gut fuͤr einen Mann,

Ich wein uͤber, was der Staar mir ſang.

Ich war im Garten und brach das Kraut,

Da ſang der Staar: o weh du Braut!

In dem Badwaͤnnelein iſt ſie hergetragen,

Darin muß ſie ihm die Fuͤße zwagen.

Der Vater ſtarb in Leid und Noth,

Die Mutter graͤmt ſich ſchier zu todt.

O weh du Braut, du Findelkind,

Weißt nicht, wo Vater und Mutter ſind.

Da ſah der Herr das Badwaͤnnelein an,

Da war das burgundiſche Wappen dran.

Das iſt meines Herrn Vaters Schild allein,

Wie kommt dies Waͤnnlein ins Wirthshaus herein?

Da ſang der Vogel am Fenſterladen:

„In dem Badwaͤnnelein iſt ſie hergetragen

„O weh du Braut, du Findelkind!

„Weiſt nicht, wo Vater und Mutter ſind.

[280]
Herr Konrad ſah an ihren Hals,

Da hatte ſie ein Muttermahl.

Gruͤß Gott, gruͤß Gott mein Schweſterlein.

Dein Vater iſt Koͤnig an dem Rhein.

Chriſtina heißt deine Mutter,

Konrad dein Zwillingsbruder.

Da knieten ſie nieder auf ihre Knie,

Und dankten Gott bis morgens fruͤh.

Daß er ſie hielt von Suͤnden rein,

Durch den Staar und das Badwaͤnnelein.

Und als zu morgen kraͤht der Hahn,

Frau Wirthin faͤngt zu rufen an.

Steh auf, ſteh auf du junge Braut,

Kehr deiner Frau die Stube aus.

Sie iſt fuͤrwahr keine junge Braut,

Sie kehrt der Wirthin die Stube nicht aus.

Herein Frau Wirthin nur herein,

Nun bringt uns einen Morgenwein.

Und als die Wirthin zur Stube eintrat,

Herr Konrad ſie gefraget hat:

Woher habt ihr das Jungfraͤulein?

Sie iſt eines Koͤnigs Toͤchterlein.

Die Wirthin ward bleich als die Wand,

Der Staar verrieth da ihre Schand.

[281]
In einem Luſtgarten im gruͤnen Gras

Das Kind in dem Badwaͤnnelein ſaß.

Da hat die boͤſ' Zigeunerin

Geſtohlen das zarte Kindelein.

Herr Konrad war ſo gar entruͤſt,

Sein Schwerdt er durch ihre Ohrlein ſpießt.

Er bat ſein Schweſterlein um einen Kuß,

Ihr Muͤndelein reicht ſie ihm mit Luſt.

Er fuͤhrt ſie bey der ſchneeweißen Hand

Und hob ſie auf den Sattel bald.

Das Waͤnnelein trug ſie auf dem Schooß,

Da ritt er vor der Frau Mutter Schloß.

Und als er in das Thor eintritt,

Die Mutter ihm entgegen ſchritt.

Ach Sohne, lieber Sohne mein,

Was bringſt du fuͤr eine Braut herein.

Sie fuͤhrt das Waͤnnelein ja zur Hand,

Als ob ſie mit einem Kinde gang.

Es iſt fuͤrwahr keine junge Braut.

Es iſt euer Tochter Gertraut

Und als ſie von dem Sattel ſprang,

Die Mutter in ein Ohnmacht ſank.

Und als ſie wieder zu Sinnen kam

Ihr Tochter ſie in die Arme nahm.

[282]
Laß ſie ſichs eine Freude ſein,

Ich bin Gertraut ihr Toͤchterlein.

Heut ſind es fuͤrwahr 18 Jahr,

Daß ich der Frau Mutter geſtohlen war.

Und ward getragen uͤbern Rhein

In dieſem kleinen Badwaͤnnelein.

Und als ſie ſprach, da kam der Staar,

Und ſang die Sach ganz offenbar.

Und ſang: O weh mein Ohr thut weh,

„Ich will keine Kinder ſtehlen mehr.“ —

„Ach Goldſchmidt lieber Goldſchmidt mein,

„Nun ſchmiede mir ein Gitterlein.“

„Schmied mirs wohl vor das Badwaͤnnlein,

„Das ſoll des Staaren Wohnung ſeyn.“

Die Entfuͤhrung.


[v. Seckendorfs Muſenalmanach auf 1808. S. 16.]


Ich bin durch Frauen Willen

Geritten in fremde Land,

Mich hat ein edler Ritter

Zu Boten hergeſandt.

Der entbeut euch ſein viel werthen Gruß,

Nun entbiet't ihm was ihr woͤllet,

Von euch, ſo hat er Freuden g'nug.

Was ſoll ich ihm entbieten?

Redt als das Maͤgdlein rein,

[283]
Saͤh ich den Held mit Augen,

Daß erfreuet das Herze mein.

Und ſiehſt du dort die Linden,

Wohl vor der Burge ſtahn,

Da heiß dann deinen Herren

Des Abends ſpaͤt darunter gahn.

Da will ich mit ihm koſen,

Und ſagen meinen Muth;

Ich bin vor großen Sorgen

Sicher wol behut't.

Da der edel Ritter

Da unter die Linden kam,

Was fand er unter der Linden?

Ein Maͤgdlein die war wolgethan.

Ab zog er den Mantel ſein,

Er warf ihn in das Gras.

Da lagen die zwey die lange Nacht,

Bis an den lichten Tag.

Er halſt, er kuͤßt, er druͤcket,

Sie lieblich an ſein Leib;

Du biſt auf meine Treue,

Das allerliebſte Weib.

Nun iſt dir dein Will an mir zergangen,

Redt als das Maͤgdlein rein,

So thuſt du wol dem geleiche,

Sam du mir treu wollſt ſein.

Und kehrſt mir bald den Ruͤcken

Und reiſt dahin von mir.

So thu ich als ein kleines Kind,

Und wein, ach edler Herr! nach dir.

[284]
So verbiet ich euren Augen

Ihr wunder ſchoͤnes Weib!

Daß ſie nach mir nicht weinen,

Ich komm her wieder in kurzer Zeit.

Und ſiehſt du dort mein Roͤßlein

Nach dem Zuͤgel ſchlagen,

Das ſoll uns, mein allerliebſtes Lieb!

Aus groͤßten Noͤthen tragen.

Da hub ſich in der Burge,

Wol wunder großer Schall,

Der Waͤchter an der Zinne,

Der ſang: die Burg iſt aufgethan!

Hat jemand hier verloren,

Der ſoll ſein nehmen wahr.

Da ſprach der Edel von Kerenſtein:

Ich hab mein' ſchoͤne Tochter verloren,

Darum ſo haſt du Waͤchter genommen das rote

Gold,

Darum ſo muſt du leiden den bittern Tod.

Nun weiß es Chriſt vom Himmel wol

Daß ich unſchuldig bin,

Und iſt mein ſchoͤn Jungfraue,

Mit einem andern dahin,

Das war ihr beider Wille,

Sie waren einander lieb.

Der Waͤchter an der Zinne,

Der ſang ſo wol ein Tagelied.

[285]

Der Koͤnig aus Mayland.


[Mitgetheilt von H. v. Weſtenberg in Conſtanz.]


Weiß mir e Herr, haͤtt ſiebe Suͤh

Und nune einzig Toͤchterli.

Der Herre ſtellt e Gaſtmal a,

Er ladt viel fremdi Herre dra.

Er ladt viel fremdi Herre ni,

De Koͤnig us Mailand au darbi.

Di Tochter haͤt e Haar, iſt gelber weder Gold,

Darum wird ihre der Koͤnig us Mailand hold,

Das Maͤgdli woͤlt ge ſchlafe go,

Tritt ihr der Koͤnig us Mailand no,

Und doner hot ſie Wille getho,

Sizt er ufs Roſſ, und ritt darvo.

In vierzig Woche will er wider ko.

Die vierzig Woche ſind umme,

Der Koͤnig iſt nie kumme.

Dem Maͤgdli wurds im Siteli weh

Zu einem kleine Kindele.

„Ach! Bruder! liebe Bruder mi!

Erlaub du mir di Kaͤmmerli!

Erlaub mir di Schlofgade,

Klei Kindli mueni habe!“ —

„„Ach Schweſter, liebi Schweſter mi!

Schlafkaͤmmerli ſoll di eige ſy;

Ich will dir ge' viel Gut und Geld

Bring du di Kindli recht ufd' Welt.““

„Ach Bruder liebe Bruder mi!

Und haͤtti numme ne Wiber dry!“ —

„„Ach Schweſter liebi Schweſter mi,

D' Wiber muͤend gli vorhande ſy.““ —

[286]
Und do das Kind gebohre war,

Die eine zu der andere ſprach:

„Das Kind iſt huͤbſch und minniglich

Es ſieht dem Koͤnig us Mailand glich.“

Die Mutter an de Waͤnde

Erloſet de' Reden en Ende.

Sprung duͤr die Stege uf und ab,

Bis daß ſie zus Maͤgdlis Vater kam.

„Haͤnt aiſter geſproche eui Tochter ſey fromm,

Izt haͤtt ſie gebohre en junge Sohn.

Und waͤr' die Tochter eu wie mi,

Die Red' muß uns verſchwige ſy;

Das Kind iſt wuͤeſt und gruͤſiglich

Es ſieht em leidige Teufel glich.“ —

Der Vater fiel in e groſſe Zorn,

Er ſprung wohl uf die Mure

Ruft alle ſine Nachbure:

„Nachbure, liebi Nachbure mi,

Muͤend mir e Galge mure;

Dra mue' mi Tochter verfuhle.

Ich will ſie laſſe haͤnke,

Ihr' junge Soh vertraͤnke.“ —

Der Brude an de Waͤnde

Erloſet de Reden en Ende.

Erloſet von Anfang bis zum End

Bis ihm ſini Aeugli Waſſer gend.

„Ach! Schweſter! Liebi Schweſter mi,

Mir haͤnde zornigs Vaͤterli;

Er will di laſſe haͤnke,

Din junge Soh vertraͤnke.“ —

Es Maͤgdli ſezt ſie uf im Bett

[287]
Es heiſcht Dinte und Federe her,

Es thut e Briefli ſchreibe

Sim Herrn in Mailand ine.

„Ach! Bruder, liebe Bruder mi

Haͤtt ich e kleines Boͤthemli,

Mueßt mir es Briefli trage

Mim Herre in Mailand ſage.“ —

„Lieb Schweſter, liebi Schweſter mi,

Das Boͤthemli will i ſelber ſy,

Will dir das Briefli trage,

Dim Herre in Mailand ſage.““ —

Do ner is Mailand ine kam

Er ſo zu ſelbigem Diener ſprach:

„Ach Diener, liebe Diener mi

Moͤcht euer Herr dahaime ſy? —

„„O nei! min Herr iſt nit dahai,

Min Herr der iſt geritten us

Umme zarts Jungfraͤuli us.““ —

Der Both der kehrt ſie nit dara,

Bis er zum Herr ind' Stube tratt, —

Was zog er us ſim Buſe? —

„Sieh hi! ſieh hi! min Herre mi,

Darinn kannſt ſehe, wer ih bi.“ —

Ehb er das Briefli ganz leſe kann

Die Thraͤner ihm ind' Schoos aberann.

„Stehn't uf! ſtehnt uf ihr Ritter uf

Wir muͤend an Rhinſtrom ritten us;

Ume zartes Jungfraͤuli us,

Und du min liebe Diener mi

Gang ſattle mir mi Pferdeli,

Und ſattle mir das beſte Pferd,

[288]
Das unter vierthalb hundert waͤr.“ —

Und dones war am Frytig fruͤh

Sie fuͤhret das Maͤgdli us ſo fruͤh.

Frumm Maͤgdli wend ſie henke,

Sin junge Soh vertraͤnke. —

Und dones uf die Laiter kam

Und es de Nachrichter treuli bath.

„Nachrichter, liebe Nachrichter mi —

O wart du nune kleine Wil,

Ih ghoͤr e ſcharfe Reitery,

Ih hoffs es moͤcht ein drunter ſy,

Moͤcht meines Kindlis Vater ſy.“ —

Der Nachrichter iſt en barmherzige Ma,

Er warte vierthalb Stunden ab,

Er wartet vierthalb Stund

Bis das die Schaar vo Ritter kumt.

Er wuͤnſchet allen e gute Tag,

Dazu nen gute Morge.

„Wen wender ſo fruͤh verſorge? —

In unſerm Land iſts nit der Bruch

Daß mas Wibervolk thut henken uf.“

Was zog er us ſim Buſe? —

Voll Wunder! — Ein ſchoͤnes Thuͤcheli.

„Sieh hi! ſieh hie! Brun Maidli mi!

Wickle du di kleis Kindli dri!“ —

Was zieht er us ſi'r Scheide? —

Voll Wunder! — Ein ſchoͤnglaͤnziges Schwerdt,

Er ſtach ſin Schwaͤgerin uf die Erd.

„Wenn ih den Adel nit nieſſe moͤcht,

So ſtaͤch ih min Schwaͤher wohl uf die Erd.

Ach! Anni — magſts ritten erlide? —

[289]
Magſt zu mir uf mi Pferd ſtige? —

Du mußt nu ritte ne halbi Stund

Bis das die Gutſche gegen us kunt!“

„„Worum woͤtt is Ritte nit beſſer erlide,

Als uf de hohe Galgen uf ſtige!““ — —

Es ſtoht nit me als e halb Johr a,

Der Koͤnig ſtellt e Gaſtmahl a. —

„Ach: Anneli, liebs Anneli mi

Woͤnmer lode die Vaͤterli au dri? —

„„O Nei! O Nei! Min Herr o nei!

Woͤnd lade mi Vaͤterli nit drei!““ —

„Es fliegt e Voͤgeli nit ſo hoch

Es lot ſie wieder nieder.

Wenn ſcho di Vaͤterli zornig iſt,

Der Zorn, der let ſie wieder.“

Graf Friedrich.


[Fliegendes Blat aus der Schweiz.]


Graf Friedrich thaͤt ausreiten

Mit ſeinen Edelleuten,

Wollt' holen ſeine liebe Braut,

Die ihm zur Ehe war vertraut.

Als er mit ſeinem hellen Hauf

Ritt einen hohen Berg hinauf

An einem kleinen Weg,

Kam er auf einen ſchmalen Steg.

In dem Gedraͤng dem Grafen werth

Schoß aus der Scheid ein ſcharfes Schwerdt,

Verwundet ihm ſein liebe Braut

Mit groſem Schmerz ſein's Herzens traut.

2. Band. 19.
[290]
Alſo zog er bald ſein Hemmed weiß

Druket 's ihr in die Wunden mit Fleiß,

Das Hemmed war mit Blut ſo roth,

Als ob mans draus gewaſchen haͤtt'.

Er gab ihr gar ſehr freundlich Wort',

Man hat nie groͤßer Klag gehoͤrt,

Die von eim Manne kommen ſchon,

Als von dem Grafen wolgethan.

Graf Friedrich edler Herre,

Ich bitt' euch gar ſehre,

Sprecht ihr zu eurem Hofgeſind,

Daß ſie nicht reiten ſo geſchwind!

Graf Friedrich ruft ſeinen Herren:

Ihr ſollt nicht reiten ſo ſehre!

Meine liebe Braut iſt mir verwundt,

O reicher Gott, mach ſie mir geſund!

Graf Friedrich zu ſeinem Hof einrit

Sein Mutter ihm entgegen ſchrit:

Bis Gott willkomm du Sohne mein,

Und All' die mit dir kommen ſein!

Wie iſt dein liebe Braut ſo bleich,

Als ob ſie ein Kindlein hab gezeugt;

Wie iſt ſie alſo inniglich,

Als ob ſie ein's Kindleins ſchwanger ſei!

Ei ſchweig mein Mutterlein ſtille,

Und thu's um meinet wille!

Sie iſt Kindshalben nicht ungeſund

Sie iſt bis auf den Tod verwundt.

[291]
Da es nun war die rechte Zeit,

Ein koͤſtlich Wirtſchaft war bereit,

Mit aller Sach' verſehen wol,

Wie eins Fuͤrſtenhochzeit ſeyn ſoll.

Man ſezt die Braut zum Tiſche,

Man gab ihr Wildpret und Fiſche,

Man ſchenkt ihr ein den beſten Wein,

Die Braut die mocht nicht froͤlig ſeyn.

Sie mocht weder trinken noch eſſen,

Ihr's Unmuths konnt ſie nicht vergeſſen,

Sie ſprach: Ich wollt es waͤr die Zeit,

Daß mir das Bettlein wuͤrd berei't.

Das hoͤret die uͤbel Schwieger,

Sie redt gar bald hin wieder:

Hab ich das mein Tag nie gehoͤrt,

Das eine Braut zu Bett begehrt.

Ei ſchweig mein Muͤtterlein ſtille!

Hab daran kein'n Unwillen!

Sie redt es nicht aus falſchem Grund,

Sie iſt todtkrank zu dieſer Stund.

Man leuchtet der Braut zu Bette

Vor Unmuth ſie nichts red'te,

Mit brennenden Kerzen und Fakeln gut,

Sie war traurig und ungemuth.

Man leuchtet der Graͤfin ſchlafen

Mit Rittern und mit Grafen,

Mit Ritter nnd mit Reitern,

Mit lauter Edelleuten.

[292]
Graf Friedrich edler Herre

So bitt ich euch ſo ſehre:

Ihr wollt thun nach dem Willen mein,

Laßt mich die Nacht ein Jungfrau ſein!

O allerliebſte Gemahle mein!

Der Bitt' ſollt du gewaͤhret ſein.

Mein Schaz! mein Troſt, mein ſchoͤnes Lieb,

Ob deinem Schmerzen ich mich betruͤb.

Du herzigs Lieb! mein hoͤchſter Hort,

Ich bitt dich: hoͤr mich nur ein Wort!

Hab ich dich toͤdlich wund erkennt,

Verzeih mir das vor deinem End!

Ach allerliebſter Gemal und Herr!

Bekuͤmmert euch doch nicht ſo ſehr!

Es iſt euch alles verziehen ſchon,

Nichts Arges habt ihr mir gethan.

Sie keht ſich gegen die Waͤnde,

Und nahm ein ſeeligs Ende,

In Gott endt ſie ihr Leben fein,

Und blieb ein Jungfrau, keuſch und rein.

Zu Morgens wollt ſie haben

Ihr Vater reichlich begabet,

Da war ſie ſchon verſchieden

In Gottes Nahmen und Frieden.

Ihr Vater fragt all' Umſtaͤnde,

Wie ſie genommen haͤtt' ein Ende?

Graf Friedrich ſprach: Ich armer Mann

Bin, Gott ſei's klagt! ſelbſt ſchuldig dran.

[293]
Der Braut Vater ſprach in Unmuth:

Haſt du verderbet ihr junges Blut,

So muſt du auch darum aufgeben

Durch meine Hand dein junges Leben.

Indem ſo zog er aus ſein Schwerdt,

Er ſtach den edlen Grafen werth,

Mit großen Schmerzen durch ſeinen Leib,

Daß er tod auf der Erden bleib.

Man band ihn an ein hohes Roß,

Man ſchleift ihn durch das tiefe Moos,

Darin man ſeinen Leib begrub;

Kuͤrzlich zu bluͤhen er anhub.

Es ſtund an bis den dritten Tag,

Da wuchſen drei Lilien auf ſeinem Grab

Darauf da ſtund geſchrieben:

Er waͤr bei Gott geblieben.

Ein Stimm vom Himmel kam herab,

Man ſollt ihn nehmen aus dem Grab!

Der ſchuldig war an ſeinem Tod,

Der muß darum leiden ewig Noth.

Man grub ihn wieder aus dem Moos,

Man fuͤhrt ihn auf ſein beſtes Schloß,

Zu ſeiner Braut man ihn begrub,

Sein liebliche Farb ſich erhub.

Er war bei dreien Tagen ſchon todt,

Noch bluͤhte er als ein' Roſe roth

Unter ſeinem Angeſicht fuͤrwahr,

Sein ganzer Leib war weis und klar.

[294]
Ein groß Wunder auch da geſchah,

Das mancher Menſch glaubhaftig ſah:

Sein Lieb er mit Armen umfing,

Ein Red aus ſeinem Munde ging.

Und ſprach: Gott ſei gebenedeit!

Der geb uns heut die ewig' Freud!

Seit ich bei meinem Bulen bin,

Fahr ich mit leichtem Muth dahin.

Graf Friedrich.


(Mitgetheilt von H. von Weſtenberg.)


(In einer Abſchrift dieſes Liedes, das uns in mehreren Dialekten doch
nie ſo vollſtaͤndig wie hier zugekommen, wirft der Sohn der Mutter
nachher vor: Ach Mutter, du muſt mein Ehr nicht abſchneiden, du
haſt mirs fuͤrwahr ſchon dreymal ſo gemacht, wann ich aufs Weiben
ausgeh. Auch erſticht er ſich darin ſelbſt.)


Grof Friederich woͤtti*) wibe,

Si Mutterli waͤr nit z'friede.

Thut ihm de Dege fege

Mit lauter Gift und Schwebel.

Graf Friederich woͤtt usrite

Mit vielen Edelluͤte,

Woͤtt hole ſei liebi Braut

Wo nihm zur Eh' waͤr vertraut. —

Er wurd gedrungen e' boͤſe Weg.

Do ſchießt us der Scheid ſi' glaͤnzig Schwerdt,

Siner liebe Braut in rechte Fuß.

„Izt weiß i daß ſie ſterbe muß!“—

[295]
Bald zug er aus ſie Hemdli weiß

Er drukt es in die Wunde mit Fleiß.

Das Hemdli war vom Blut ſo roth

Als ob mes drinn gewaſche haͤtt.

Und doner in de' Hof nei ritt

Si Mutter ihm entgege ſchritt; —

„Bis mir Gottwillche Sohn dahai!

Mit deinem bleiche Braͤuteley! —

Wie iſt doch deine Braut ſo bleicht

Als ob ſie ne Kindli haͤtt geſaͤugt,

Wie ſieht ſie nit ſo hoͤniglich

Als ob ſie gar ſcho ſchwanger iſt.“

„„Nu ſtille mi Mutterli ſtille! —

Sie red't's nit us Uwille! —

Sie iſt Kindshalbe nit ugſund,

Sie iſt bis auf de Tod verwundt.““ —

Sie fuͤhret die Braut zum Tiſch,

Bringet ihr viel Braͤt und Fiſch,

Sie ſchenket ihr i vom beſte Wi,

Das Braͤutli moͤcht nit luſtig ſy;

Moͤcht weder trinke noch eſſe,

Ihres Unmuths nit vergeſſe.

Sie ſprach, ſie woͤll's zu ner andern Zeit.

Als ihre ne Bettli waͤr bereit.

Sie fuͤhret die Braut zu Betli,

Vor Unmuth ſie nit redti.

Mit Lichter und mit Leuchter

Mit lauter Edelleute.

Sie fuͤhret die Braut ge ſchlofe

Mit Reuter und mit Grofe;

Mit brennede Kirze und Fakle gut,

[296]
Die Braut iſt krank, iſt uͤbel zu muth.

„Gemahli lieb Gemahli und Schatz,

Ich bitt eu um en einziges Gſatz,

Hab ich eu toͤdtli verwunde koͤnnt,

Verzeihet mer das vor eurem End!“

„„Gemahl, lieber Gemahl und Herr!

Bekuͤmmeret eu do nit ſo ſehr,

Es iſt eu alles verziehe ſcho,

Nix Arges habet ihr mir getho.

Gemahl lieber Gemahl lond mi

Heut Naͤchte no ne Jungfrau ſy.

Und dieſe Nacht alleini

Und fuͤrderhi me keini! —

So lang mir Gott wills Lebe lo',

Fuͤr dos bin ih eu untertho. —““

— — — — —

— — — — — — *)

Sie kehrt ſi' gegen d' Waͤnde,

Izt fallt ſie ſchon ins Ende.

In Gott haͤtt ſie ihrs Lebe frey.

Iſt bliebe au e Jungfrau rei'.

Und wurd am Morge begrabe.

Ihr Vater woͤtt ſie begabe,

Haͤtt gmeint er kaͤm zu einer Hochzeit

Izt kommt er zu einer Todenleich.

Der Vater erfraget alli Umſtaͤnd,

Wie ſie hai gnommen e ſeligs End.

Grof Friedrich ſprach: „Ich armer Ma,

[297]
Vor Gott iſt Klage, bi ſchuldig dara!“

Der Vater ſprach in wilder Wuth:

„Haſt du verurſacht ihr unſchuldigs Blut,

So mußt du au darum aufgebe

Durch mei Hand dei jugendlich Lebe.“

Er zog wohl us ſei glaͤnziges Schwerdt

Und ſtichts dem adeliche Grofe durs Herz,

Mit groſſer Gwalt dur ſeinen Leib,

Bis daß er tod auf der Erde leit.

Sie vergrabet d Braut uf das veſte Schloß,

Grof Friedrich in e tiefes Moos.

Dahin man ſeinen Leib vergrub,

Allda es kuͤrzlich zu bluͤhen erhub.

Und dones waͤr am dritte Tag

So wachſet drey Lilie uf ſim Grab.

Darinne ſtund geſchriebe;

Bey Gott ſey er gebliebe.

Sie nemmet Grof Friedrich us dem Moos,

Sie fuͤhret ihn uf ſei veſtes Schloß,

Zu ſeiner Braut man ihn vergrub,

Und kuͤrzlich zu bluͤhe das erhub,

Er iſt de dritte Tag ſcho todt,

Er bluͤhet wie'ne Roſe roth,

Ein groſſes Wunder au geſchah,

Das menger Menſch glaubhaftig ſah.

Mit weiſſen Armen er ſie umfieng,

Ein Red' us ſeinem Munde gieng:

„Ich danke eu ihr liebe Leut,

Daß ihr mi zu meim Schaz geleit;

Weil ih by meiner Buhle by

Fahr ich us dieſer Welt dahi,

[298]
Mit leichter und mit ringer Gemuͤth

Laß ih dahinde mein uſchuldig Gebluͤt,

Ich fahr us dieſer Welt dahi

Us aller Noth erlediget bi.“ —

Der Faͤrber. *)


(Mitgetheilt von H. v. Weſtenberg.)


Kummet her! kummet her ihr jungi Leut',

Und ſtill und ſtille 'ne kleini Zeit,

Und hoͤret was will i eu ſinge! —

Was dieß Johr ſich begebe hat

Zu Miltau in der werthe Stadt,

So gar viel traurige Dinge.

Ein kunſtreicher Mahler in dieſer Stadt

Mit ſeiner Frauen erzoge hat

Ei' Tochter und die iſt ſchoͤ' beſtellt,

Und ſie iſt billig zu lobe,

Es lobet ſie nu jederma,

Ma' bhalt ſie ſehr in Ehre,

Sie ſchicket ſie ind' Schul und Lehre,

Ka' ſchriben und leſe nach Begehre,

Man brucht ſie nit lang zu weiſe.

Jeztunter e' braune Faͤrber kam,

Thaͤt ſie zur Eh' begehre.

Der Mahler ſprach: „Es hat no' Zeit,

[299]
Noch all' e Jahre zwey oder drey;

Sie muß no' laͤnger warte.“ —

Die Mutter ſprach: „Schaͤmt ihr uͤch nit,

Weil ſie noch jung und naͤrriſch iſt.“ —

Sie thaͤt der Sache wehre.

Es wur' ihm rund abg'ſchlage.

Das thut ihr i' dem Herze ſo weh,

Die Antwort ſie verdroſſe,

Weil ſie ſo heimli haͤtt' die Eh'

Dem Faͤrber ſcho verſproche.

Er geit ihr au' en ehlige Pfand,

E' ſchoͤ' Goldſtuͤck wohl uf die Hand.

Dabey haͤt ſie verſproche,

Sie woͤll no warte drey, vier Johr,

Bis das er wieder kaͤm gelofe,

Dabey ſoll es nu bleibe.

„Ade! mei Kind! izt mu' ni fort,

Mei Herz iſt voller Leide.

Sie heißt ihn i Gottsname bald,

Durch Berg und Thal und Waſſer und Lan[d]

Zu ihre wieder kumme.

Er goht nach ſeines Vaters Haus,

Den Abſchied thut er nemme.

Der Vater geit ihms Gleit hinaus

Wie wackere Handwerksg'ſelle.

Und do der Faͤrber waͤr eweg,

Waͤr' niene meh vorhande,

Thut ſich e' reiche Wittma dar,

Viel Gut haͤt er beyſamme.

Die Tochter ſprach: „O Eltere ni bitt,

Mir kommet nit zuſamme.

[300]
Will lieber bleibe ganz alley,

Kei Wittma' mag ih nit nemme.“ —

Der Vater ſprach: „Du mußte ha,

Ih thu di nit lang frage.

Er ließ ſie au zuſamme bald,

Die Tochter mit dem alte Ma,

Zu ihrem groͤſte Schade.

Sie wurde krank wohl a der Staͤtt,

Ma muß ſie legen i das Bett,

Empfindt ſie Weh und Schmerze.

Sie war ſo voller Kuͤmmerniß,

Und durf's au Niemed klage,

Wenn ſie ſonoft as Goldſtuͤck denkt,

Wo nihre der Faͤrber haͤtt gebe.

Sie wurdi krank und kraͤnker je,

Thaͤt nimmer uferſtehe. —

Zu Preuß dort in der Roſen, am Tag,

Bey der Nacht haͤtt er ſie g'ſehn.

Er hoͤrt ſie klaͤgeli weine.

Er ſieht ſie ineme weiſe Kleid,

„Das iſt mi Brut, ihr helle Schei

Was iſt ihr doch geſchehe?!“

Und dones morndriges Tages war,

Er ließ ſi ſetze uf die Poſt,

Hhut nacher Moldau jage.

Allein er kommt ja viel zu ſpat,

Si Braut iſt ſcho vergrabe. —

Er goht wohl uf de Kilihof,

Nimmt Haue und Spad ſo viel er mag,

Er thut ſi nit lang weile,

Er grabt die Todtebahr heraus,

[301]
Die Tode thut ſi richten auf,

Sie ſtellt ſie uf die Erde,

„Ach Gott! ach Gott! warum bin i do!

Wer thut mi izt erquaͤle?!“ —

Der Faͤrber ſprach: „Kennt ihr mi nit,

Der eu das Goldſtuͤck haͤtt gebe,

Wienihr mir haͤnd ſo treuiglich,

Wienihr mir haͤnd verſproche,

Ihr woͤllet no warte dry vier Johr,

Bis daß ih wieder kaͤm geloffe.“ —

Er nimmt ſie by der wiſe Hand,

Thut ſie nach Hauſe fuͤhre,

Zun ihrem erſte Braͤutigam,

Wienes ſi thut gebuͤhre.

Er klopfet a der Thuͤre a

Mit ungehoͤfligem Herze,

Der Junge haͤtt ihm aufgethan,

In d'Stube thaͤt er ſie fuͤhre.

Er wuͤnſcht dem Hochzeiter e guti Zeit

Mit ungehoͤflichem Herze:

Do bring i eueri Liebi hai

Wohl us der kuͤhligen Erde.“ —

Der Hochzeiter verſchrikt, fallt in Ohmacht,

Und ſtirbt au no i der ſelbige Nacht

Empfindet ſie Weh und Schmerze.

Izt wartet ſie none halbes Jahr,

So lieſſet ſi das neue Paar

Druf no der Kilche fuͤhre.

Und das iſt ein ſeltami Eh

Wo dieſe drey Perſone,

[302]
Desgleiche nie geſchehe waͤr,

Noch niemal waͤr vernomme.

Die Melodie — nach welcher dieſe Romanzen geſungen wurden,
war mehr rhytmiſche Deklamation, als Melodie. Ein Linienpaar
war der Satz des Rhytmus wovon die erſte Linie die Kadenz, die
zweite das Finale machte.


Des edlen Helden Thedel Unverferden von
Walmoden Thaten
.


I. Die Taufe.


(Nach den Reimen von Georg Thym. Wolfenbuͤttel 1563.)


Es hat gewohnt ein Edelmann,

Des Tugend kannte jedermann

Nicht ferne vom Braunſchweigſchen Land,

Aſchen von Walmoden genannt.

Gott ſegnete des Aſchen Weib

Im heilgen Stand mit fruchtbarem Leib,

Sie hat ein Soͤhnlein ihm geboren,

Der war zu Groſſem auserkoren.

Die Aeltern ſein aus Griechenland

Theodulus ihn han genannt,

Verkuͤrzt man aber Thedel ſpricht,

Von Gott ein Knecht, keins andern nicht.

Zur Schule ward er fruͤh geſandt,

Die Sprachen lernt aus allem Land.

In fremde Land ging nach Paris,

Damit er ward der Kunſt gewiß.

Da Thedel war ſo lange Zeit

In fremdem Land geweſen weit,

[303]
Kam endlich wieder heim nach Hauß,

Der Vater gab nen groſſen Schmaus.

Da ward getauft ſein Schweſterlein,

Er muß dabey Taufzeuge ſeyn.

Er konnt Latein, verſtand ſo drat,

Die Tauf, die Chriſtus ſetzen that.

Die Worte, die der Prieſter las,

Aus ſeinem Herzen nicht vergas,

Und als die Mahlzeit war geſchehen,

Ließ er den Pfarrherrn zu ſich gehen,

Er ſprach: „Mir iſt gezeiget an,

„Daß ihr mich auch getaufet han,

„Habt ihr da auch die Wort geleſen,

„Die bey der Schweſter Tauf geweſen. —

„Ich ſage euch bey Jeſu Chriſt

„Der unſrer aller Mittler iſt,

„Bey euch ſind keine andre Wort

„Gebraucht als heut an dieſem Ort,

„So wird euch Gott vom Himmels Thron

„Beyſtand geben durch ſeinen Sohn!“

„Ehrwuͤrdger Herr, bin ich alſo

„Getauft, ſo bin ich herzlich froh,

„Seit ich das bin von euch bericht,

„Ich fuͤrchte mich vor keinem nicht,

„In Kampf und Streit in Gottes Namen,

„Ich ſchlag den Teufel ſelbſt zuſammen.“

Den Teufel das gar ſehr verdroß,

Daß Thedels Glauben war ſo groß.

[304]

II. Das ſchwarze Pferd.


Des Junker Thedels fromme Eltern

Entſchlafen ſind in Gott dem Herren,

Sie lieſſen ihm Lotter das Haus,

Unter dem Barenberg ſiehts heraus.

Von ungefaͤhr ging er einmal

Mit ſeinem Schreiber in das Thal,

Zur wilden Hayd, genant die Haard,

Da man viel Wildes wird gewahr,

Sie wollten Haſen, Fuͤchſe fangen,

Von Reutern bald die Felder klangen.

Der Thedel ſah da viel Bekannte,

All gute Freund vom Vaterlande,

All die geſtorben lange Zeit,

Er war von ihnen nicht ſehr weit.

Vor ihnen reitet ſchwarz ein Mann,

Mit einer groſſen ſchwarzen Fahn,

Auf einem feinen ſchwarzen Pferd,

Das trabt daher ſeltſam Geberd.

Herr Thedel war ganz unerſchrocken

Die Springſchnur gab und auch die Klocken

Dem Schreiber ſein, zu dem er ſprach:

„Stell du die Garn all fein gemach,

„Der Reiter will ich nehmen wahr,

„Ein Wunder ich vielleicht erfahr!

Im Hinterhalt er droben ſah,

Fuͤnf Reiter, kam ein Reiter nach,

Derſelbe ſaß bey ſeiner Reis,

Auf einer ſchwarz dreybeingen Geis,

Derſelbe ſprach: „Gevatter mein,

[305]
„Was ſucht und macht ihr hier allein,

„Habt ihr nicht Luſt und Lieb darin:

„So zieht zum heilgen Grabe hin

„Auf meiner ſchwarz dreibeingen Geis,

„Sitzt hinter mir auf dieſer Reis,

„Verdienet euch das ſchwarze Pferd,

„Das jezt der ſchwarze Mann herkehrt,

„Doch muͤßt ihr auf dem Weg nicht ſprechen,

„Das wuͤrde gleich den Hals euch brechen.

„Und ſeyd ihr dann am heilgen Grab,

„So ſteiget nach Gefallen ab,

„Wenns euch gefaͤllt, moͤgt ihr ein Schild

„Da haͤngen laſſen und ein Bild:

„Ihr koͤnnt da thun nach eurer Macht

„Und bleiben bis zur andern Nacht.

„Wenn aber dann zum drittenmal

„Wir umgezogen uͤberall,

„Dann duͤrfet ihr euch nicht verweilen,

„Und muͤßt zur Stunde mit mir eilen,

„Sonſt moͤget ihr zu eurem Frommen

„Zuſehn, wie ihr nach Haus moͤgt kommen.“

Bald ſprach der Thedel unverſehrt:

„Die chriſtliche Taufe ſey verehrt,

„Ich bin von aller Teufels Liſt

„Erkauft durch meinen Jeſu Chriſt,

„Willſt du mich hier zuruͤcke bringen,

„So thu ich um das Pferd ſchon ringen.“

Bald auf die Ziege ſprang der Held,

Und macht ſich unverzagt ins Feld,

Und da ſie ſind ans Meer gekommen,

Den Teufel hieß es gleich willkommen!

2 Band. 20.
[306]
Der Teufel ſprach zum Unverfehrden:

„Nun ſoll es gar nicht lange werden,

„Laßt euer Ruͤtteln, ſitzet ſtill,

„Ich uͤber die Pfuͤtze ſpringen will.“

Nun kamen ſie zum heilgen Grab,

Sie ſtiegen von der Geiße ab.

Der Teufel blieb fuͤr ſich allein,

Herr Thedel ging in Jeruſalem ein,

Da ließ er zum Gedaͤchtniß ſein

Sich mahlen dort ein Schild ſo fein,

Was ich allda noch hab geſehen,

Hoch in der Kirche thut es ſtehen.

All ſeine Wunder beichtet gern,

Geht auch zum Nachtmal unſres Herrn,

Und dann beſah er alles mein ich,

Ward auch gewahr den Herzog Heinrich,

Der damals mit dem Loͤwen ſein,

Und einem Grus im Dom erſcheint:

„Wie geht es unſerm lieben Gemahl

„Mit unſern Kindern auf dem Saal?

Der Unverfehrt war da bekannt,

„Es ſteht noch wohl im ganzen Land,

„Doch ſagt man, daß ihr ſeyd ertrunken,

„Mit Rittern und mit Gut verſunken,

„Die Herzogin will ſich vermaͤhlen,

„Den Pfalzgraf thut ſie ſich erwaͤhlen.“

Darob erſchrak der Herzog ſehr,

Und bat ſogleich den Unverfehrt,

Zur Mahlzeit ſollt er zu ihm kommen,

Und Briefe wuͤrd er da bekommen.

Darauf gab Thedel ſein Bericht:

[307]
„Mein gnaͤdger Herr ſehr weiſe ſpricht,

„Kanns eurer Gnaden nicht abſchlagen,

„Denn ich hab einen leeren Magen,

„Mir ſind die Wirth auch unbekannt,

„Auch hab ich nicht viel Geld, noch Pfand.“

Als nun der Fuͤrſt zur Herberg kam,

Der Marſchall ſprach: „In Gottes Nam

„Herr Wirth laßt decken, gebt zu Eſſen,

„Vom beſten Wein laßt uns einmeſſen,

„Mein Herr hat Botſchaft uͤberkommen,

„Die hat ihm alle Sorg benommen.“

Dem Unverfehrt ſie gaben all

Den Handſchlag recht mit lautem Schall,

Er muß erzaͤhlen gar mit Fleiß,

Sie hoͤrtens an mit froher Weis,

Sie fragten alle nach ſeinem Pferd,

Er that, als ob ers nicht gehoͤrt.

Als nun die Mahlzeit ging zu Ende,

Der Kanzler kam, die Brief in Haͤnden,

Ein Jeder bracht ſein Briefelein,

Das eine groß, das andre klein.

Wegfertig war Herr Thedel ſchon,

Nahm Abſchied ging dann in den Dom.

Als nun die Mitternacht heran,

Da kam der Teufel klopfet an

Und fragt: Was magſt du an dem Ort?

Herr Thedel ſchweigt und ſagt kein Wort.

Der Teufel klopft zum drittenmahl,

Da betet er recht laut einmal.

Der Teufel ſchrie mit lauter Stimm:

„Du wacheſt noch, umſonſt mein Grimm:

[308]
„Dein Glauben iſt ſo ganz und gar,

„Daß ich dir bringe kein Gefahr.

Da gab er auf den Unverfehrt,

Und ſchenkt ihm gleich das ſchwarze Pferd.

Der ritt von dannen immerfort

Bis zu der Haard, nach jenem Ort,

Wo er den Schreiber laſſen thaͤt,

Beym Haſengarn zu Abends ſpaͤt.

Dem lags gar uͤbel in dem Sinn,

Daß er nicht wußt wo aus, wo hin,

Nach Lotter er getraut ſich nicht,

Weil er vom Herren ohn Bericht.

Der Junker ſprach: „Gott ſey geehrt,

„Wie haſt du Schreiber dich verfehrt,

„Wovon biſt du geworden grau?“

Der Schreiber ſprach: „Da ich euch ſchau,

„Wie ihr ſo ſtark und unverſehrt

„Gewonnen habt das ſchwarze Pferd,

„So hab ich all mein Leid vergeſſen.“

Herr Thedel ſprach: „So haͤng indeſſen

„Das Haſengarn wohl auf dein Pferd.

„Ich reit zu meiner Hausfrau heim,

„Die mag in groſſen Aengſten ſeyn.“

Die Hausfrau ihm entgegen ging,

Mit ihren Armen ihn umfing,

Und fragt ihn wo er blieben waͤr:

„Ich hab gejagt bey meiner Ehr!

Da nun die Mahlzeit war gethan,

Da fing die Hausfrau wieder an,

Sprach: „Lieber Junker Unverfehrt;

„Woher habt ihr das ſchwarze Pferd,

[309]
„Das ſo gewaltig ſchlaͤgt und beiſſet,

„Den Haber an die Erden ſchmeiſſet,

„Nichts frißt als gluͤhende Kohlen und Dorn,

„Beym Heu geraͤth in groſſen Zorn;

„Es ſattelt ſich auch gar zu ſchwer“

Herr Thedel ſagt:„Bey meiner Ehr

„Ich habs gefunden auf der Haard.“

Denn er gedachte wohl daran,

Was ihm geſagt der ſchwarze Mann:

Ihm ſolle alles Gluͤck zukommen,

So lang er ſich in acht genommen,

Doch wenn er ſagt, wie ers gekriegt,

Der Tod ihn in drey Tag beſiegt.

III.Der gehangene Pferdedieb.


Der edle Thedel Unverſehrt

Nach Braunſchweig eilt auf ſeinem Pferd,

Zu Herzog Heinrichs Ehgemahl,

Und ihren Kindern ſprach im Saal:

„Der Herzog wuͤnſcht euch ſo viel gute Nacht

„Als manch roth Muͤndlein in dem Jahre lacht,

„So viel als gruͤne Grasſtiel ſind,

„Die man am Weg zum Grabe findt,

„Von wo er dieſe Briefe ſandt,

„Die uͤbergiebt euch meine Hand.“

Die Fuͤrſtin kuͤßt die Brief fuͤrwahr,

Mit Weinen, Seufzen ſpricht ſie dar:

„Gott lohn es dir, mein edler Herr,

„Ich glaubt ihn todt und weinte ſehr,

„Aus ſeinen Schreiben ich befind,

[310]
„Wohl wie ſie zupetſchieret ſind,

„Du ſollſt hier trinken und auch eſſen

„Nach Nothdurft, bis wir ſie geleſen.“

Die Fuͤrſtin war ſehr guter Ding,

Ließ bringen einen goldnen Ring,

Auch einen Kranz von Golde gut,

Der ſaß auf einem neuen Huth,

Sie wurd gereitzt zur Froͤhligkeit,

Daß ſie ihm gab ein neues Kleid,

All das dem Thedel zum Geſchenk,

Daß er ihr Gnaden bey gedenk.

Dann ſagt ſie ihm:„Ein gutes Pferd

„Muͤßt ihr wohl haben Unverfehrt,

„Daß ihr in zweyen Tagen hier? —

„Dafuͤr gebt Gott die Ehr, nicht mir!“

Die Fuͤrſtin gab ihm ihre Hand,

Eh dann ſie ihn von dannen ſandt,

Der Thedel in die Herberg ging,

Zu ſagen alſo gleich anfing:

„Ihr Knechte, daß wir reiten, trachtet,

„Herr Wirth genau die Rechnung machet.“

Der Wirth ſprach:„Zieht in Gottes Geleit,

„Die Fuͤrſtin hat bezahlet heut.“

Da nahm er guͤtlich ſein Abſchied

Zum Graf von Schladen er hinritt,

Doch fand er ihn nicht gleich zu Haus,

Er mußte vor das Thor hinaus,

Gericht ward da geſprochen,

Der Stab war ſchon gebrochen.

„Der Pferdedieb iſt ſchon gehangen,

„Laßt euch um euer ſchoͤn Pferd nicht bangen.“

[311]
Der Graf ihn fuͤhrt zu ſeinem Schloß,

Und freut ſich uͤbers ſchwarze Roß.

Das ſchwarze Roß, Herr Thedel ſpricht,

Das fuͤrcht ſelbſt hoͤllſches Feuer nicht.

Es iſt wie ich, ich mach kein Kreutz

Wie auch der Teufel mir einheitz.

Das thaͤt dem Teufel ſehr verdrießen,

Er meint, das ſoll der Thedel buͤßen,

Und als es auf den Abend kam,

Der Boͤs den Dieb vom Galgen nahm,

Und ſetzt ihn auf die Heimlichkeit,

Der Teufel war voll Froͤhlichkeit,

Und hat in ſeinem Sinn gedacht,

Wie er ihn ſchon zu Fall gebracht,

Daß Thedel dann ein Kreutz wuͤrd machen,

Saͤh er alſo den Ort bewachen,

Denn Thebel hat verlobt fuͤrwahr,

Daß er in groͤßter Todesgefahr

Kein Kreutz vorm Teufel machen wollt,

Denn Gottes Wort ihm alles golt.

Da es nun in die Nacht nein kam,

Vom Grafen Thedel Abſchied nahm:

Es wurden Licht geſtecket an,

In die Latern, daß er hinan

Von Dienern wuͤrd zu Bett gebracht.

Er ſchickt ſie fort mit: „Gute Nacht!“

Begehrt dann auf die Heimlichkeit,

Und macht ſich auch dazu bereit.

Der Held war kuͤhn und unverzagt.

Er fand da, was ihm bas behagt

Den todten und gehangnen Dieb,

[312]
Daſſelbe war ihm gar ſehr lieb,

Nahm ihn beym Kopf und bey den Haaren,

Und ſagt: Dich will ich wohl bewahren!

Und ſetzt ihn von dem Hohlaltar,

Daß ſein ein andrer wuͤrd gewahr.

Der Schreiber kam da hergeſchlichen,

Wollt ſeine Sachen auch ausrichten.

Als der erblickt den todten Dieb,

So wars ihm ganz und gar nicht lieb,

Fing auch gar ſehr zu rufen an,

Konnt gar nicht laufen mehr der Mann,

Waͤr auch geſtorben zu der Zeit,

Doch Thedel half ihm aus dem Leid.

Herr Thedel Morgens fruͤh aufſtund

Und thaͤts dem Graf von Schladen kund,

Als er die Morgenſuppe aß

Und ſeinen Aerger ganz vergaß.

Darauf der Graf gar ſelbſt hinging,

Um anzuſehn das ſeltſam Ding.

Hat auch dem Schloßvogt anbefohlen,

Den Henker gleich zur Stell zu holen:

„Er hat ſein Geld gekriegt dafuͤr,

„Und muß nun thun auch ſeln Gebuͤhr

Alsdann zum Unverfehrden ſpricht:

„Die Nacht haſt du geſchlafen nicht,

„Ich haͤtt nicht bleiben koͤnnen die Nacht,

„Ich haͤtte mich gleich fort gemacht.“

Der Unverferd alſo darnach:

„Ich war ſehr muͤd und blieb nicht wach,

„Gott lebt, ich fuͤrcht den Teufel nicht.

„Der Dieb war todt und gar nicht ſpricht,

[313]
„Ich habe meine Seel und Leben

„Gott einzig in die Haͤnd gegeben.

IV.Die Feder im Bart.


Nicht aber lang zu dieſer Zeit

Im ganzen Land iſt große Freud,

Der Herzog Heinrich iſt zuruͤck,

Und hat geſtoͤrt der Freier Gluͤck,

Und nach dem Meßhauß in der Stadt,

Er allen Adel zu ſich bat.

Auch Thedel kam im neuen Kleid,

Der Herzog ihn erkannt von weit,

Auch gab ihm ſeine Gnad die Hand,

Und dankte ihm, wie allbebkannt.

Sie aſſen, tranken allzumal,

Und waren guter Ding im Saal,

Auch uͤber Eſſen ward geſungen,

Darnach gerungen und geſprungen,

Getanzt, gefochten und tornirt,

Auf Trommel und auf Pfeif hofirt;

Herr Thedel wollt dabey ſtets ſeyn,

Und ſollts ihm koſten Arm und Bein.

Im Rennen, Torniern und Stechen,

Im Schwerdt und Spieß zerbrechen

Ward keiner mehr geſehen,

Der ihn noch wollt beſtehen.

Es rief ein jeder Edelmann,

Daß er das beſte hab gethan.

Der Herzog gab ein Kleinod fein,

[314]
Gemacht aus Gold und Edelſtein,

Und ſagt, daß er Gefallen hab

An ſeinem Roß, ſchwarz wie ein Rab,

Weil er von ſeinem ſchwarzen Pferd

Noch nie gefallen auf die Erd.

Herr Thedel ſprach: „Es iſt dies Pferd

„Weils Nachricht bracht der Fuͤrſtin werth,

„Von euch Herr Herzog mir ſehr theuer,

„Drum haſſens ihre Raͤth und Freyer.“

Der Fuͤrſt fing ihn zu loben an,

Und pries ihn da vor jedermann.

Ein Jungfraͤulein reicht ihm den Kranz

Und fuͤhret ihn ſo drat zum Tanz,

Und wie er zu dem Tanz hintrat

Gedacht er in dem Herzen drat:

„Ich dank dir Gott zu dieſer Friſt,

„Daß du mein Huͤlf und Troͤſter biſt,

„Herr Jeſu Chriſt, Lob, Ehr und Preis,

„Dem heilgen Geiſt in gleicher Weis!“

Als nun der Thedel unverfehrt

Vor andern ward ſo hochgeehrt,

Da ward ein Neider aus dem Freund,

Der wollt ihm ſchlimmer als der Feind,

Der Herzog fragt: „Ob Unverfehrt

„Wohl irgend zu erſchrecken waͤr?

Der Neider ſprach: Ich hab eins funden,

Wenn morgen kommt zur Kirch die Stunde

Steckt eine Feder duͤnn und klein

In eures Bartes Haar hinein,

Wird dann Herr Thedel zu euch kommen,

Er haͤtt ſie gern herausgenommen;

[315]
Ihr gebt das zu, doch greift er drin,

Die Feder aus dem Bart zu ziehn,

So beiſſet ſchnell nach ſeiner Hand,

Ich ſetze meine Seel zum Pfand,

Er wird die Hand zuruͤcke ziehn,

Und in dem erſten Schrecken fliehn.

Dem Fuͤrſten wohl gefiel der Rath,

Den ihm der Mann gegeben hat,

Die Feder in den Bart er ſteckt,

Wie er vom Schlafe war erweckt,

Als morgens er zur Kirche ritt,

Er nahm ſein Hausgeſinde mit,

Auch unſer fromme Thebel kam

Und ſeine Stell beym Fuͤrſten nahm,

Fein tapfer kam daher getreten,

Mit ſeines Fuͤrſten erſten Raͤthen

Und ward der Feder bald gewahr,

Die in des Fuͤrſten Bart ſteckt dar.

Der unerſchrockne Unverfehrt

Trat da zu ihm, wohl vor ſein Pferd,

Der Fuͤrſt ſich da nicht anders ſtellt,

Als ob er ihm zuſprechen woͤllt,

Und neiget ſich zum Unverfehrt,

Der ihm mit ſittlicher Geberd,

Nach ſeiner Feder taſten thaͤt,

Meint, daß er ſie ergriffen haͤtt;

Der Herzog biß ihm nach der Hand,

Dafuͤr er auf der Backe fand,

Ein Schlag, und der war uͤber gut,

Das thaͤt er aus bewegtem Muth.

Herr Thedel ſprach mit zorngem Mund:

[316]
„Sind eure Gnaden worden ein Hund?“

Der Fuͤrſt allda ſprach zu der Friſt:

„Ganz recht von dir geſchehen iſt,

„Wenns uns ein andrer haͤtt gethan,

„Wir wolltens ungeſtraft nicht lahn,

„Von einem Narren iſts gekommen,

„Daß ſchlechten Rath wir angenommen,

„Der uns den Rath gegeben hat,

„Der packe ſich von Hof und Stadt,

„Du Thedel, unerſchrockner Mann

„Haſt recht bezahlt und gut gethan.“

V.Der Biſchof giebt das Salz.


Da er nun Abſchied hat genommen,

Nach Lotter wiederum gekommen,

Wollt eine Zeitlang ruhen fein

Bey ſeiner Frau und Kinderlein,

Der Biſchof ihm von Halberſtadt

Die Freundſchaft aufgeſaget hat,

Er mocht wohl ſeyn der Narr geweſen,

Der ſchlechten Rath dem Fuͤrſt gegeben.

Er wollt nicht ruhen, bis er braͤcht

Um alle Guͤter ſein Geſchlecht.

Herr Thedel ſprach: „Ich freue mich,

„Der Biſchof hat vielmehr als ich,

„Das man ihm nehmen kann und rauben,

„Das ſag ich ihm mit gutem Glauben.“

Mit Reitern hat er ſich bemannt,

Drey hundert ſtarke Maͤnner fand,

[317]
Wohl uͤber funfzig Doͤrfer und Staͤdt,

Des Junker Thedels Panner weht,

Und gingen nun den geraden Weg

Und nahmen alles Vieh hinweg;

Der Biſchof auch gefangen ward,

Und ſitzt in Lotter wohl ein Jahr,

Er wollt das Vieh gern wieder haben,

Und mußt dazu das Salz bezahlen.

VI.Zug nach Liefland, Heidentaufe, Tod.


Nach dieſem Zug des Thedels Weib,

Verſchied aus dieſer Zeitlichkeit.

Er brachte ſie mit groſſer Pracht

Bey Fackelſchein in ſchwarzer Nacht,

Nach Goslar in die Kaiſerſtadt,

Berief da einen edlen Rath

Und uͤbergab da ſeinem Sohn

Die Guͤter all und zog davon.

Er zog auf ſeinem ſchwarzen Pferd

Zum Orden von dem heilgen Schwerdt

Nach Liefland, Heyden zu bekehren,

Darin war er ganz unverfehren,

In kurzer Zeit das ganz Liefland

Kam meiſt durch ihn in Ordenshand.

Der Deutſchmeiſter ihn den Unverfehrt

Vor allen hielt ſo lieb und werth,

Er ließ den Heiden keine Ruh,

Er taufte ſie nur immer zu,

Es mußten dran, arm oder reich,

[318]
Jung, alt, groß, klein wohl alle gleich.

Der Teutſchmeiſter da zu wiſſen begehrt,

Wie er gekommen zu dem Pferd,

Das ſicher ihn in den Gefahren

Vor allen andern kann bewahren.

Herr Thedel bat, davon zu ſchweigen,

Am dritten Tag es wuͤrd ſich zeigen,

Wenn er es haͤtt bekannt gemacht,

Er wuͤrd verſcheiden in der Nacht,

Doch wuͤrd er treu der Ordenspflicht,

Es ſagen, wie er es gekriegt.

Der Meiſter ſich verwundert ſehr,

Steht doch nicht ab von Ordensehr,

Hofft, daß Herr Thedel koͤnn entgehen,

Will vom Befehle nicht abſtehen.

Herr Thedel bat um vierzehn Tag,

Daß er der Welt den Abſchied ſag,

Empfing das heilge Sakrament,

Bereitet ſich zum lezten End,

Beſteiget dann ſein ſchwarzes Pferd,

Erzaͤhlt ſein Leben unverfehrt,

Da geht das Pferd gleich mit ihm durch,

Drey Tage irrt er im Gebirg,

Die dritte Nacht beym Chriſtusbild

Er ſinkt herab, entſchlafen mild.

Alſo kam er aus dem Elend,

Alſo hat die Geſchicht ein End.

[319]

Tragoͤdie.


(Nach Joh. Georg Tibranns Narration von Wallfahrten. Conſtanz bey
Straub 1598.)


Ein Graf von frommem edlem Muth,

An Sitten hochgeehrt und gut,

Ging taͤglich in die Kirch zur Zeit,

Von ſeiner Burg nicht ſonder weit.

Und einmal trug es ſich da zu,

Daß er ſich niederſetzt in Ruh,

Entſchlaͤft er betend vorm Altar

Der Sankt Kathrina heilig war.

Ein Jungfrau ſah er vor ſich ſtehn,

Mit einer Krone blinkend ſchoͤn,

Wie Spinngeweb voll Himmelsthau

Wenn Morgenlicht auf Roſen ſchaut,

Von Demant ſchien es eine Laube,

Voll Strahlen ſchien hindurch der Glaube.

An ihrer Seite konnt er ſchauen

Zwey ſchoͤne ſtehende Jungfrauen,

Doch wie viel ſchoͤner die Gekroͤnte

Aus tauſend bunten Voͤgeln toͤnte.

Der Juͤngling fuͤrcht ſich vor dem Wunder,

Er neigt ſich, ſchlaͤgt die Augen unter.

Sie ſprach: Da du doch edel biſt,

„Wie zeigſt du dich unadelich,

„Wir kommen darum, wie wir ſollen,

„Daß wir dich jezt anſehen wollen;

„So deckſt du deine Augen zu,

„In dieſer deiner muͤden Ruh,

„Willt du dir ein Gemahl gern freyen,

[320]
„Hier unter uns erwaͤhl von dreyen!“

Da er nun dieſe Wort gehoͤrt,

Aus ſeinem Schlaf geſchwind auffaͤhrt,

Erwacht mit himmliſcher Lieb durchgoſſen,

Seine Auge rannen von ihm erſchloſſen;

Ein Jungfrau ſprach zu ihm da gnaͤdig:

„Nimm die, ſo jezt mit dir geredet,

„Dann wie ſie ſchoͤner iſt als wir

„Kann ich jezund verſprechen dir,

„Alſo iſt ſie vor Gott auch hoͤher,

„Und deiner Bitt Gewaͤhrung naͤher,

„Ihr Name iſt dir wohlbekannt,

„Sankt Katarina iſt genannt.“

Darauf der Juͤngling ſie thaͤt gruͤſſen,

Und fiel der Jungfrau ſtill zu Fuͤſſen,

Hub an zu weinen inniglich,

Und bat die Heilige demuͤthlich,

Sie wolle ſeiner ſich des Armen

Allzeiten uͤber ihn erbarmen.

Sie ſetzt' ihm auf ein Roſenkranz,

Der gab von ſich ein Sonnenglanz,

Und ſprach: „Nimm dieſen Kranz der Liebe

„Von mir, die du ſollſt ſtetig uͤben!“

Verſchwand alſo vor ſeinen Augen,

Mit ihren zweyen Beyjungfrauen.

Da nun der Graf jezund erwacht,

Hat er des Roſenkranz gedacht,

Auf ſeinem Haupt thaͤt er den finden,

Thaͤt ihn mit Wohlgeruch umwinden.

Nachdem es aber ſich begab,

Daß man dem Grafen ſehr oblag,

[321]
Und wider Willen muß er freyen,

Das ihm doch uͤbel thaͤt gereuen! —

Ihm ward in ſeinem jungen Leben

Ein ſchoͤne edle Jungfrau gegeben,

Ließ doch von der Gewohnheit nicht

All Tag er Katharinen bitt,

Daß ſie ihn darum nicht woll haſſen,

In ſeinen Noͤthen nicht verlaſſen.

Da nun ſein Hausfrau ſchwanger ging,

Sie einen Argwohn auch empfing,

Wenn er ging nach Kathrinen Kirche

Thaͤt ſie in ihrem Herzen fuͤrchten,

Er moͤcht vielleicht in dieſen Tagen

Ein lieber dann ſie ſelber haben.

Einsmals beſtellt ſie eine Magd,

Zu der ſie dieſe Worte ſagt:

„Wo geht mein Herr all Morgen hin?“

Die Magd ſagt ihr aus boͤſem Sinn:

„Ich weiß wohl, wo er hingegangen,

„Hat nach des Pfaffen Schweſter Verlangen.“

Die Frau ward ob dem Wort betruͤbt,

Weil ſie den Grafen allein nur liebt,

Da nun der Graf zuruͤcke kam,

Der Frauen Traurigkeit vernahm,

Fragt er, warum ſie traurig waͤr,

Sie ſagt, ſie hoͤrte boͤſe Maͤhr,

Wie er ging taͤglich umher buhlen,

Zu des Pfarrers Schweſter in die Schulen.

Er ſagt: „Du haſt nicht recht gehoͤrt,

„Oder biſt ſonſt worden bethoͤrt,

„Die ich lieb hab in meiner Pflicht,

2. Band. 21.
[322]
„Die iſt des Pfarrers Schweſter nicht,

„Es iſt ein andere der Friſt,

„Die tauſendmal viel ſchoͤner iſt.

Stand alſo auf von ſeinem Bett,

Als wenn er noch zu buhlen haͤtt,

Ging doch nur wieder von ihr hin,

Wie vor auch zu Sankt Katharin.

Ob dieſer Antwort das Gemuͤth

Der Graͤfin war ſo tief betruͤbt,

Sie ſprang im Zorn vom Bett herab

Und ſtach ſich ſelbſt die Kehle ab.

Der Graf von dem Gebet heimkam,

Die Trauerbotſchaft nun vernahm,

Sah ſein Gemahl des Tods verſchieden

Und dort im Blut umwaͤlzet liegen,

Erſchrack er ſehr, ſein Herz ward kuͤhl,

Daß er in ein Ohnmacht hinfiel.

Da er nun wieder zu ſich kam

Hub bitterlich zu weinen an,

Klopft an ſein Herz, rauft aus ſein Haar,

Und ſprach zu ſich in der Gefahr:

„O heilge, heilge Katharin,

„Sieh an, in welcher Noth ich bin,

„Ach ich hab meine Treu verloren,

„Und bin meinneidig an dir worden.“

Mit dieſen Worten lief er hin

Zur Kirche der Sankt Katharin,

Mit Seufzen er ſein Bitt vorbracht,

Bis um ihn her war dunkle Nacht,

Und traurig praͤchtig Stern bey Stern,

Durchs Kirchenfenſter ſah von fern.

[323]
Mit ihren Jungfrauen da erſchien,

Die heilge Jungfrau Katharin,

Dem Grafen, der vor dem Altar,

Da lag und halb entſchlafen war.

Ging zu ihm hin, wiſcht ſeine Augen

Mit ihren beyden Beyjungfraueu.

Sie ſprach zu ihm: „Haſt unrecht gethan,

„Daß du mich ſo verlaſſen Mann,

„Auf dich genommen andre Laſt,

„Dein Treu an mir gebrochen haſt,

„Doch haſt du mich ziemlicher maſſen

„Geliebt und mich nicht gar verlaſſen.

„Steh auf und geh mit Freuden heim,

„Dir ſoll diesmal geholfen ſeyn.

„Dein Hausfrau iſt lebendig worden,

„Hat eine Tochter dir geboren.

„Die wird dir lange Zeit nachleben,

„Der ſollſt du meinen Namen geben,

„In ihrem Gebet wird ſie ſich uͤben,

„Daß Gott der Herr ſie ſehr wird lieben,

„Alſo, daß ſie in einem Jahr

„Den Großvater aus groſſer Gefahr

„Des Fegefeuers erloͤſen wird,

„Der immer noch im Feuer irrt.“

Sie neigt ſich ihm, wiſcht ſeine Augen,

Die Thraͤnen ihr Haͤnd einſaugen.

Doch wie der Bircken weiſſe Rinde,

So waͤchſt ein Handſchuh davon geſchwinde

Auf ihren Haͤnden weiß wie Schnee,

Den ſtreift ſie ab, als ſie zur Hoͤh,

Der faͤllt und weckt ihn am Altar.

[324]
Da er vor Kummer ſchlafen war,

Er findet einen Handſchuh weiß,

Wie niemand ihn zu weben weiß.

Ein Bote kam: Herr kommt heruͤber,

Denn euer Gemahl, die lebet wieder,

Und hat in dieſe Welt geboren

Ein ſchoͤne Tochter auserkohren.

Ob dieſer froͤhligen Botſchaft

Erhielt der Graf zuruͤck die Kraft,

Stand auf und dankte Katharin,

Den Handſchuh ſteckt zum Helme kuͤhn,

Zog wiederum zu ſeiner Frauen,

die er mit Freuden an thut ſchauen,

Und kuͤßt das Kind, umfaͤngt das Weib,

Druͤckt ſie zu ſich an ſeinen Leib,

Fing an zu weinen gleich dem Kind,

Bat um Verzeihung ſeiner Suͤnd,

Die Graͤfin ſprach: „Wir ſollen loben

„Sankt Katharin im Himmel droben,

„Denn da ich mich vor Leid getoͤdtet,

„Und lag in allen meinen Noͤthen,

„Zu mir ſchon kamen hoͤllſche Knaben,

„Mein Seel ſie wollten genommen haben,

„Da hat die heilge Katharin

„Fuͤr mich gebeten; Gott verziehn,

„Daß er den Leib der Seel noch lieſſe,

„Daß ſie in ihm noch koͤnnte buͤſſen. —

Die Graͤfin ließ ein Kloſter bauen,

Die Tochter im Gebet zu ſchauen,

Der Graf zog ins gelobte Land

Vom Handſchuh groſſe Kraft empfand,

[325]
Den Roſenkranz, den Handſchuh weiß

Ins Kloſter gab nach ſeiner Reis.

Dorothea und Theophilus.


(Muͤndlich.)


Gleich wie ein fruchtbarer Regen

Iſt der Martyrer Blut,

Und Frucht durch Gottes Segen

Reichlicher bringen thut.

Durchs Kreutz die Kirche dringet

Und waͤchſt ohn Unterlaß,

Durch Tod zum Leben ringet,

Wer herzlich glaubet das.

Aus guter Zucht und Namen

Erſchwingt ſich gute Art,

Von Gott die Frommen kamen,

Der frommen Kinder wart't.

Iſt Dorothea geboren

Von Aeltern keuſch und rein,

So geht ſie nicht verloren,

Und bleibt ſie auch allein.

Die Heyden wollten zwingen

Sie zur Abgoͤtterey,

Dem Feind wollts nicht gelingen,

Chriſtum bekannt ſie frey,

Ein Urtheil ward gefaͤllet

Verdient haͤtt ſie den Tod,

Ritterlich ſie ſich ſtellet,

Und ſchrie ernſtlich zu Gott.

[326]
Und Theophil dem Kanzler

Dem jammert die Jungfrau ſehr;

Er ſprach: O ſchon dein Leben,

Verlaß die falſche Lehr,

Und friſt dein junges Leben!

Drauf Dorothea ſpricht:

„Ein beßres wird er geben

„Und das vergehet nicht.

„Zum ſchoͤnen Paradieſe

„Komm ich nach meinem Tod,

„Daß ſie ſich Chriſtum wieſen,

„Stehn da viel Roͤslein roth,

„Draus wird mir Chriſt, mein Herre

„Machen ein Ehrenkranz,

„Der Tod geliebt vielmehre,

„Als ſo ich ging zum Tanz.“

Doch Theophil die Rede

Erklaͤrt fuͤr lauter Spott,

Sprach: Liebe Dorothea,

Wenn du bey deinem Gott

Schick mir auch Aepfel und Roſen

Aus Chriſti Garten ſchoͤn! —

„Ja, ſprach ſie, heilge Roſen

„Die ſollſt du wahrlich ſehn.“

Das Fraͤulein war gerichtet,

Da klopft es an ſein Haus,

Der helle Morgen lichtet,

Ein Knaͤblein ſtehet draus,

Geſchwingt mit goldnen Fluͤgeln

Reichts Roſenkoͤrbchen dar,

Verſchwindet auf den Huͤgeln,

[327]
Von wo es kommen war.

Und auf den Roſenblaͤttern

Da ſteht geſchrieben klar:

„Mein Chriſtus iſt mein Retter,

Und er mir gnaͤdig war,

„Ich leb in Freud und Wonne,

„In ewger Herrlichkeit! —

„Mein Irrthum iſt zerronnen!“

Theophilus ſagt mit Freud,

Bald fing er an zu preiſen

Dich Chriſtus wahren Gott,

Und ließ ſich unterweiſen

Wohl in des Herrn Gebot,

Hat heilge Tauf empfangen

Und Chriſtum frey bekennt,

Zur Marter iſt gegangen

Und mit der Ros verbrennt.

St. Jakobs Pilgerlied.


[v. Seckendorfs Muſenalmanach fuͤr 1808. S. 11.]


Wer das Elend bauen woͤll,

Der heb' ſich auf und ſey mein G'ſell,

Wol auf Sankt Jakobs Straſſen.

Zwei Paar Schuh, der darf er wol,

Ein Schuͤſſel bey der Flaſchen.

Ein breiten Huth, den ſoll er han,

Und ohne Mantel ſoll er nit gahn

Mit Leder wol beſezet,

[328]
Es ſchnei' oder regen' oder wehe der Wind

Daß ihn die Luft nicht nezet.

Sack und Stab iſt auch dabey,

Er lug, das er gebeichtet ſey,

Gebeichtet und gebuͤſſet.

Kommt er in die welſche Land,

Er findt keinen deutſchen Prieſter.

Ein deutſchen Prieſter findt er wol,

Er weiß nit wo er ſterben ſoll,

Oder ſein Leben laſſen.

Stirbt er in dem welſchen Land,

Man graͤbt ihn bei der Straſſen.

So ziehen wir durch Schweizerland hin,

Sie heiſſen uns Gott wallkumm! ſin,

Und geben uns ihr Speiſe.

Sie legen uns wol und decken uns warm,

Die Straſſen thun ſie uns weiſen.

So ziehen wir durch die welſche Land,

Die ſind uns Bruͤdern unbekannt,

Das Elend muͤſſen wir bauen,

Wir ruffen Gott und St. Jakob an,

Und unſre liebe Frauen.

So ziehen wir durch der armen Gecken Land.

Man giebt uns nichts denn Aepfeltrank,

Die Berge muͤſſen wir ſteigen.

Gaͤb man uns Aepfel und Birn genug,

Wir eſſens fuͤr die Feigen.

[329]
So ziehen wir durch Sofei hinein

Man giebt uns weder Brod noch Wein;

Die Saͤck ſtehn uns gar leere;

Wo ein Bruder zu dem andern kommt,

Der ſagt ihm boͤſe Maͤhre.

So ziehen wir zu St. Spiritus ein,

Man giebt uns Brod und guten Wein,

Wir leben in rechten Schallen,

Langedocken und Hiſpanien,

Das loben wir Bruͤder allen.

Es liegen fuͤnf Berg im welſchen Land,

Die ſind uns Pilgram wol bekandt,

Der erſt' heißt Runzevale,

Und welcher Bruder daruͤber geht

Sein Backen werden ihm ſchmale.

Der eine heißt de Monte Caſtein,

Der Pfortenberg mag wol ſein Bruder ſein,

Sie ſind einander faſt gleiche.

Und welcher Bruder daruͤber geht,

Verdient das Himmelreiche.

Der vierte heißt der Rabanel,

Daruͤber lauffen die Bruͤder und Schweſtern gar

ſchnell,

Der fuͤnft heißt in Alle Fabe,

Do leit viel manches Biedermann Kind,

Aus deutſchem Land begraben.

Der Koͤnig von Hispanien der fuͤhrt ein Kron,

Er hat gebaut drei Spital gar ſchon,

[330]
In St. Jakobs Ehren,

Und welcher Bruder darein kommt,

Man beweiſt ihm Zucht und Ehre.

Es war dem Spitalmeiſter nit eben,

Vierthalbhundert Bruͤder hat er vergeben,

Gott ließ nicht ungerochen.

Zu Burges ward er an ein Kreuz geheft,

Mit ſcharfen Pfeilen durchſtochen.

Der Koͤnig der war ein Biedermann,

In Pilgramkleider legt er ſich an,

Sein Spital wollt er beſchauen,

Was ihm die deutſchen Bruͤder ſagten,

Das wollt er nit glauben.

Da ging er in das Spital ein,

Er hies ihm bringen Brod und Wein,

Die Suppe die war nit reine;

Spitalmeiſter, lieber Spitalmeiſter mein!

Die Brod ſind viel zu kleine.

Der Spitalmeiſter war ein zornig Mann:

Der Greulich hat dich herein gethan,

Das nimmt mich nimmer Wunder!

Und waͤrſt du nit ein welſcher Mann,

Ich vergaͤb dir, wie die deutſchen Hunde!

Und da es an den Abend kam,

Die Bruͤder wollten ſchlafen gahn,

Der Pilgram wollt ſchlafen alleine:

Spitalmeiſter, lieber Spitalmeiſter mein

Die Bett ſind gar nicht reine.

[331]
Er gad dem Pilgram ein' Schlag,

Daß er von Herzen ſehr erſchrack,

Er thaͤt zu dem Spital auslaufen,

Die andern Bruͤder thaͤten

Den Spitalmeiſter ſehr raufen.

Do es an den Morgen kam,

Man ſah viel gewapneter Mann,

Zu dem Spital eindringen,

Man fing den Spitalmeiſter

Und all ſein Hausgeſinde.

Man band ihn auf ein hohes Roß,

Man fuͤhrt ihn gen Burgoes auf das Schloß,

Man thaͤt ihn in Eiſen einſchließen,

Es thaͤt den Spitalmeiſter

Gar ſehr und hart verdrieſſen.

Der Spitalmeiſter haͤtt ein Toͤchterlein,

Es mocht recht wol ein Schaͤlkin ſein.

Es nimmt mich immer [Wunder],

Das der liebſte Vater mein,

Soll ſterben wegen der deutſchen Hunde.

Es ſtund ein Bruder nahe dabey,

Nun ſoll es nit verſchwiegen ſein,

Ich will es ſelber klagen!

Da ward daßelbig Toͤchterlein

Unterm Galgen begraben.

Sieh Bruder, du ſollſt nit ſtille ſtahn,

Vierzig Meil haſt du noch zu gahn;

Wol in St. Jakobs Muͤnſter.

[332]
Vierzehn Meil hin unter baß

Zu einem Stern, heißt Finſter.

Den finſtern Stern wollen wir lan ſtahn,

Und wollen zu Salvator eingahn,

Groß Wunderzeichen anſchauen.

So rufen wir Gott und St. Jakob an,

Und unſre liebe Frauen.

Bei St. Jakob vergiebt man Pein und Schuld,

Der liebe Gott ſei uns allen hold,

In ſeinem hoͤchſten Throne,

Der St. Jakob dienen thut,

Der lieb Gott ſoll ihm lohnen.

Der Pilgrim.


(Procopii Paschale. p. 263.)


Der Geiſtliche.
Winter iſt hin, der Pilgrim zieht ins Feld,

Im Fruͤhling er ſich umſchaut in der Welt,

Wo er hinkommt, find er kein bleibend Staͤdt,

Fuͤhlet ers jezt, was ihn da fuͤhren wohl thaͤt,

Im Sinn ihm liegen nur heilige Oerter,

Wohin er auch zieht, dahin nur begehrt er,

Von ſeinem Vorhaben zuruͤcke nicht weichet,

Bis er das Veterland endlich erreichet.

Geiſtlicher Pilgrim, halt dich nicht auf,

Laß dich nicht hindern, weit iſt dein Lauf,

Hie in kein Ding verliebe dich ſehr,

[333]
Sonſt machen ſie dir die Reiſe nur ſchwer,

All falſchen Betrug im Geſang der Sirenen,

Liebkoſen der Welt du weißt zu verhoͤhnen,

Ach biſt du ermuͤdet, wie rauh ſind die Wege,

Wie wird es ſo dunkel, wie ſchmal ſind ſie Stege.

Der Pilgrim.
Ich bin ein Pilgrim, reiſ' ins heilige Land,

Ob ich komm wieder, das iſt Gott bekannt,

Nach Rom, Lorett in Italia,

Auch nach St. Jakob in Galitia.

Gott mich begleite, daß ichs gluͤcklich ende,

Mein Muͤh und Zeit zu ſeinem Dienſt anwende,

All Tritt und Schritt geſchehen ihm zu Ehren,

Er geb mir Gnad, daß ich moͤg wiederkehren.

Viel muß ich leiden auf der Wanderſchaft,

Ach lieber Herr verleih mir Staͤrk und Kraft,

Denn der Gefahr ich unterworfen bin,

Hilft nichts dafuͤr, ich ſchlag mirs aus dem Sinn.

Mein ſchweres Buͤndel muß ich ſelber tragen,

Weiß keinen Weg, darum muß ich oft fragen,

Groß Ungewitter, Ungelegenheiten,

Mich werden plagen, ich ſehs ſchon von weiten.

Der bittre Hunger mir die Kraͤfte frißt,

Der taͤglich Durſt mein ſteter Gleitsmann iſt,

Bey langem Tag, wohl in dem Sommer heiß

Thu ich vergieſſen manchen Tropfen Schweis.

Geld hab ich nicht, davon ich moͤchte zehren,

Doch trau ich Gott, der wird mir Speis beſcheren.

Die muͤden Fuͤß mich machen ſchier verzagen,

Gern haͤttens, daß ich ſie am Hals thaͤt tragen.

[334]
Komm ich zu einem klaren Waſſerbach,

Bald um ein gutes beſſer wird mein Sach,

Ich halt mich auf dabey, leg die Buͤrd,

Mir iſt, als wenn ich neu geboren wuͤrd,

Ich tret hinein und thu mich recht abkuͤhlen,

Faſt alle Glieder mein das Kuͤhl bald fuͤhlen,

Ich ſpruͤtz mirs ins Geſicht und thu mich waſchen,

Und fuͤll wohl auch damit mein Pilgertaſchen.

Ein gruͤnen Baum ich ſeh gar ſchattenreich,

Darunter ich mich niederlaſſe gleich,

Ich ſchau hinauf, ob er von Obſt hat was,

Mit Stein und Pruͤgeln ich ihm abnehm das.

Den matten Koͤrper thu ich wacker laben,

Die Saͤck ich voll anſchieb, wenn ichs kann haben,

Damit den Durſt und Hunger ich vertreibe,

Und dergeſtalt ich noch bey Kraͤften bleibe.

Im gruͤnen Gras nehm ich ein wenig Ruh,

Ein ſuͤſſer Schlaf bekommt wohl auch dazu,

Dann ſteh ich auf und ſetze fort mein Reis,

Die erſte Nachtherberg ich ſelbſt nicht weiß,

Ich bin erquickt, drum friſch darauf ich ſpringe,

Bin [luſtig], guter Ding und mir eins ſinge

Was werd ich eſſen, Abends oder Morgens,

Drum laß ich Gott und klein Waldvoͤglein ſorgen.

Der Geiſtliche.
In dieſem Leben ſind Pilgrim wir all,

Niemand ſich ſchaͤtze beſſer zumal,

Die anderen Ding ſind all hier daheim,

Warum, ſie ſind nur von Erde und Leim:

[335]
Aber der edle Menſch iſt hier Fremdling,

Muß von hinnen wandern oft gaͤhling,

Iſt fuͤr die beſſere Welt doch erſchaffen,

Zum Vaterland eilt er zum Himmel rechtſchaffen,

Ein neues Pilgerlied.


(Aus den Siebziger Jahren, mitgetheilt von H. F. Schloſſer.)


An welcher Zelle knien nun

Mein ſuͤſſer Pilgerknab,

Ach wo! ach wo! in welchen Sand

Druͤckt er den Dornen Stab?

Wo druͤckt ſein rother Mund ein Kuß,

Aufs heilige Gewand,

Und welchen Bruder gruͤſſet er

Mit ſeiner frommen Hand.

Ihr Engel ſingt ihm alle gar

Wo er im Schlummer ruht,

Den Roſenkranz in ſeiner Hand,

Die Muſcheln auf dem Hut.

Ach ſuͤßes Aug, ſo fromm und rein,

So ſchwarz als Holderbeer!

Ach duͤrft ich ſeine Schweſter ſein,

So heilig ſein wie Er!

Fremd iſt die Welt mir weit und breit,

Irr ich ohn Raſt und Ruh,

Klein iſt die Welt, und mein und mein,

Wenn ich Ihn finden thu.

[336]

Von der Belagerung der Stadt Frankfurt,
ein Lied im Ton: Friſch auf in Gottes
Namen
. 1552.


(Fliegendes Blatt, gedruckt in Frankfurt.)


(Die unterſtrichene Worte ſind Namen von Schanzen und Geſchuͤtz.)


Die Sonn mit klarem Scheine

Erglaſtet uͤberall,

Die kuͤhlen Bruͤnnlein reine

Erluſten Berg und Thal,

Viel ſuͤßer Luͤftlein Guͤte

Von Auf- und Niedergang,

Aus freyer Stimm, Gemuͤthe,

Der hell Waldvoͤglein Bluͤthe

Frau Nachtigall erklang.

Des Walds, der Bluͤmlein Ziere

Gab Wonn und Freudigkeit,

In deutſchem Landreviere

War ſtille Sicherheit.

Der guͤtig Herr und Gotte

Sohn, Vater, heilger Geiſt

Erloͤß aus aller Nothe,

Aus Teufels Macht und Tode

Sein goͤttlich Gnad uns reißt.

Stadt Frankfurt an dem Mayne!

Dein Lob iſt weit und breit,

Treu, Ehr und Glauben reine,

Mannliche Redlichkeit

Haſt du mit deinem Blute

Erhalten ritterlich.

[337]
Vertrau dem Herrn, du Gute,

Er hilft unſchuldgem Blute,

Des ſollſt du freuen dich.

Ich ritt an einem Morgen

Mit Luſt in gruͤnem Wald,

Nach Wildes Spur ohn Sorgen,

Da ſah ich mannichfalt

Von fernen einherbrechen

Viel Reuter und Landsknecht gut,

Mit Schießen, Rennen, Stechen,

Daß mancher zahlt die Zechen

Gar theuer mit ſeinem Blut.

Die Stadt ſie thaͤten beſchießen,

Des achten wir gar klein,

Man ließ ſie's wieder genießen,

Schenkt ihnen tapfer ein.

Aus Stuͤcken, neuen und fuͤrnen

Hieß ſie Gott willkomm ſeyn;

Es gab Koͤpf, Bein und Hirnen,

Ich mag nicht ſolcher Birnen,

Gott helf ihnen all aus Pein!

Der Rehbock ſein Gehuͤrne

Maͤnnlichen richtet auf,

Zerſtieß manch harte Stirne

So fern in ſchnellem Lauf.

Der Kauz in gruͤner Auen

Auf ſeinem Zweiglein ſchoͤn,

Thaͤt manchen Vogel krauen,

Daß er ſich mußte rauen,

Die Federn laſſen gehn.

2. Band. 22.
[338]
Ein Landsknecht ſchrie von ferne

Jetzt wehr dich unſer Hahn,

O Bruͤder und Schweſter gerne

Iſt Beyſtand euch gethan,

Es fliehen Stephans Pfeile

Viel ſcharfer Nadeln geſchwind,

Die alte Schlang mit Weilen

Thut's Oechslein uͤbereilen:

Her, her ihr boͤſen Kind!

Der Singerin Stimm ſo reine,

Ihres Liedleins Anefang

Hoͤrt man am Affenſteine,

Am Muͤhlenberg entlang.

Mit ihren Geſpielen allen

Haͤlt ſie den Abendtanz,

Thaͤt mancher uͤbel fallen

Von Bollwerken und Wallen,

Erwart't nit dieſer Schanz.

Es waͤhrt manch Nacht und Tagen,

Iſt unſrer Suͤnden Schuld,

Dem Herren wollen wirs klagen

Und warten mit Geduld.

Frankfurt mit den Genoſſen

Warſt du ſo gar verlorn,

Mit Feuer und Kugel beſchoſſen,

Allein du traͤgſt entſchloſſen

Die kayſerliche Kron.

[339]

Aus einem aͤhnlichen Lied im Ton der
Schlacht von Pavia
.


Frankfurt, die hochgelobte Stadt!

Sag mir, wie ſie's verdienet hat,

Um Fuͤrſten und groß Herren,

Sechs Fuͤrſten kamen auf eine Zeit,

Die wollten ſie umkehren.

Kaiſer Karl, der hielt die Stadt in Hut,

Verſammelt da ein Haufen gut,

Von Reutern und Landsknechten,

Die waren ſtets ganz wohlgemuth

Mit ihm ums Blut zu fechten.

Konrad von Hanſtein, dem edlen Held,

Dem war die Stadt anheim geſtellt

Zu frommen treuen Haͤnden,

Der hielt ſich wohl; drum alle Welt

Ihn preißt in allen Landen.

Die Fuͤrſten ſchoſſen Tag und Nacht,

Bewieſen ihre große Macht,

Und ließen ſich nichts dauren,

Die Tauben in ihren Haͤuslein klein

Die mußten darum trauren.

Zu Nuͤrnberg in der werthen Stadt

Ein Ocklesmann ſein Wohnung hat,

Kann gut Pilullen machen,

Die hoͤrt man hie ſtets fruͤh und ſpat

Mit großer Macht herkrachen.

Der Unfall fahr ihm in die Haͤnd,

Und ſchlag den Kopf ihm um die Waͤnd,

Mit ſeiner großen Taſchen!

[340]
Ich mein, der Marggraf ſey ein Mann,

Der koͤnn ihm daraus naſchen.

Aber Markgraf, wie gefiel es dir?

Willſt du nicht kommen wieder ſchier?

Den Wein wollen wir dir ſchenken,

Den Mecklenburg bring auch mit dir,

So ſpringen wir uͤbrr die Baͤnke.

Ein'n Hahn wir dir bereitet han,

Ein Rehbock ſteht auch auf dem Plan,

Ein Kauz in freyer Schanzen,

Ein Lanzknecht der iſt wohlgemuth,

Der wollt gern mit dir tanzen.

Es iſt auch neulich kommen her,

Ein Thier, das heißt der leidig Baͤr,

Den fuͤhrt boͤs Els am Stricke,

Der Bauer mit ſeim groben Sack,

Die werden dich wohl zwicken,

Sie haben ſich all wohlbedacht,

Ein Sack mit Ingwer mit ſich bracht,

Viel Lorbern und Muskaten,

Wann dir darnach der Bauch thut weh,

Sie koͤnnen ihrer wohl entrathen.

Ich wollt, daß nie dem wohl erging,

Der Unluſt und groß Krieg anfing,

Zu verderben Staͤdt und Lande,

O Gott, wer raͤcht der Armen Blut?

Es ſteht in deinen Handen.

Man ſpricht: Arm Leut druͤckt jedermann,

Das wir dann jetzt vor Augen han,

Kein Freund will ſie erretten,

[341]
Man ſchickt eh Pulver und grob Geſchuͤtz,

Daß man ſie moͤg zertreten.

Gott aber ſieht mit Macht darein,

Und wehrt des Teufels falſchen Schein,

Und ſeinen boͤſen Tuͤcken,

Er wird ohn Zweifel den Kaiſer gut

Nicht laſſen unterdruͤcken.

Wunderliche Zumuthung.


(Geſchichte des Lutheriſchen Geſangbuchs von Schmidt. Altenburg 1707, S. 276.)


Einsmals zu Frankfurt an dem Main

Viel Fuͤrſten thaͤten ziehen ein,

Ihrer lutheriſchen Religion gemaͤß,

Nach dem Stift zu St. Barthelmaͤs.

Als dieſer Schluß ward offenbar,

Vom Volk ein großer Zulauf war;

Da nun ein Zeichen ward gelaͤut,

Dadurch die Predigt angedeut,

Siehe, da kam ein Prieſter dar,

Der dem Papſtthum anhaͤngig war:

Trat auf die Kanzel ſtracks hinauf.

Des wundert ſich des Volkes Hauf,

Thaͤt ſich doch nicht beſinnen lang,

Sondern fing bald an den Geſang:

Nun bitten wir den H. Geiſt

Um den rechten Glauben allermeiſt.

Da nun der Geſang vollendet was,

Das Evangelium er las,

[342]
Das Volk mit Fleis ſolchs hoͤret an,

Doch, da ers wolt erklaͤren dann,

Woltens nicht hoͤren uͤberall

Fingen an mit froͤlichem Schall:

„Nun freut euch lieben Chriſten gemein

„Und laßt uns froͤlich ſpringen.

Der Pfaff ſtand, wundert ob den Sachen,

Weil man am Geſang kein End wolt machen;

Da ſtand er und ward gleich erſtart,

Letzlich er halb unſinnig ward,

Lief von der Kanzel ungeſtuͤm,

Und ging mit großem Zorn und Grimm,

Zu einem Juͤlichſchen Fuͤrſten dar,

Denn ſonſt noch kein Fuͤrſt drinnen war,

Klagt ihm, er wuͤrd von ſeinem Ort

Mit Gewalt, ohn Recht gedrungen fort,

Und koͤnnt ſein Amt verrichten nicht,

Das wollt er klagen ihm hiermit,

Und ſollt er ihm auf dieſe Klag

Zeugniß geben am Juͤngſten Tag.

Der Fuͤrſt ſprach: „Lieber Prieſter mein,

„Die Fuͤrſten kamen uͤberein,

„Daß ſie wolten an dieſem Ort,

„Anhoͤren das Goͤttliche Wort,

„Von einem, welcher zugethan

„Ihrem Glauben und Religion,

„Solchem, der Fuͤrſten Schluß gemein,

„Solt ihr nicht widerſtanden ſein.

„Zudem koͤmmt mir beſchwerlich fuͤr,

„Daß ihr habt zugemuthet mir,

„Ich ſoll von dieſer eurer Klag

[343]
„Zeugniß geben am Juͤngſten Tag,

„Denn dort entweder werdet ihr

„Nicht kommen wiederum zu mir,

„Oder, wenn ſolches ſchon geſchicht,

„So werd ich euch doch kennen nicht.“

Hierauf lief der Pfaff davon mit Grimm,

Und warf die Sanduhr ungeſtuͤmm

Beim Altar aufn Boden hin;

Flucht und ſchwoͤrt mit tollem Sinn.

Das Volk insgemein ob dieſen Sachen,

Muſte des tollen Pfaffen lachen:

„Nun bitten wir den heilgen Geiſt

„Um den rechten Glauben allermeiſt.“

Georg von Fronsberg.


1. Wie das Kriegsvolk von Georg von Frons-
berg ſingt.


(Spangenbergs Adelsſpiegel. Zinkgraͤfs Apophtegmen)


Georg von Freundsberg, von großer Staͤrk,

Ein theurer Held, behielt das Feld,

In Streit und Fehd, den Feind beſteht,

In aller Schlacht er Gott zulegt die Ehr und Macht.

Er uͤberwand mit eigner Hand

Venediſch Pracht, der Schweizer Macht,

Franzoͤſiſch Schaar legt nieder gar,

Mit groſſer Schlacht den paͤbſtſchen Bund zu Schanden

macht.

[344]
Der Kaiſer Ehr, macht er ſtets mehr,

Ihr Land und Leut beſchuͤzt allzeit,

Mit großer Gefahr er ſieghaft war,

Ganz ehrenreich, man findt nicht bald, der ihm ſey gleich.

2. Wie Georg von Fronsberg von
ſich ſelber ſang
.


Mein Fleiß und Muͤh, ich nie hab geſpart,

Und allzeit gewahrt, dem Herren mein;

Zum Beſten ſein ſchickt ich mich drein,

Gnad, Gunſt verhofft, dochs Gemuͤth zu Hof

Verkehrt ſich oft.

Wer ſich zukauft, der lauft weit vor,

Und koͤmmt empor' doch wer lang Zeit

Nach Ehren ſtreit, muß dannen weit,

Das ſehr mich kraͤnkt, mein treuer Dienſt

Bleibt unerkennt.

Kein Dank noch Lohn davon ich bring,

Man wiegt mich gring, und hat mein gar

Vergeſſen zwar, groß Noth, Gefahr

Ich beſtanden han, was Freude ſoll

Ich haben dran?

Galantes dreiſſigjaͤhriges Kriegslied.


Amor, erheb dich edler Held!

Begebe dich mit mir ins Feld,

[345]
Friſch auf!

Mein Liebchen iſt geruͤſt'

Als ob ſie mit mir ſtreiten muͤſt',

Sie hat nichts Guts im Sinn.

Jezt zieh ich wider die ins Feld,

Die mir die Liebſt iſt in der Welt,

Friſch auf!

Gott weiß, ich bin bereit,

Mit ihr zu leben ohne Streit,

Wenn ſie nur ſelber wollt'.

Was all ihr Gott verliehen hat

Vor andern Frau'n aus großer Gnad,

Friſch auf!

Das ſetzt ſie wider mich,

Mich zu vertilgen eigentlich,

Der ich doch nichts verſchuldt.

Ihr Leib von Gott gar ſchoͤn bereit

Die Feſtung iſt, darum ich ſtreit',

Friſch auf!

Ihr zarte Bruͤſtelein

Zwei maͤchtige Baſteien ſein,

Worauf ſie ſich verlaͤßt.

Ihr Faͤhnlein iſt der Uebermuth,

Damit ſie mich verachten thut,

Friſch auf!

Ihr zarter rother Mund,

Iſt Spieß und Schwerdt, ſo mich verwundt,

Ja oͤfters bis in Tod.

[346]
Trabanten, Fußknecht, Reiterei

Sind Ungnad, Falſchheit, Tirannei.

Friſch auf!

Ihr klare Aeugelein,

Die ſind zwei Feuerkuͤgelein,

Damit ſie mich verblendt.

So Gott mir goͤnnet Gluͤck und Preis

Daß ich das Faͤhnlein niederreiß,

Friſch auf!

Ich hoff' damit zu ſieg'n,

Herzlieb, du mußt doch unterlieg'n

Und geben mir den Preis.

Die Waffen ſind, womit ich ſtreit,

Kunſt, Tugend, Ehr und Froͤmmigkeit,

Friſch auf!

So ſoll ihr Spies und Schwerd

So mich vor Zeiten hat verſehrt

Meinen Schaden machen heil.

Denn nimmer haſt du die Gewalt,

Daß ſich dein Liſt gen mir erhalt,

Friſch auf!

Geliebt dir Froͤmmigkeit,

Kunſt, anrgend, Ehr, ſo wird der Streit

Durch mich gewonnen ſeyn.

Wo aber du nach Reichthum freiſt,

Schau, daß du nie den Kauf bereuſt,

Friſch auf!

O Weh! Ein alter Mann

[347]
Hat einen Sack voll Thaler an,

Der wird dich fuͤhren hin.

Ein wenig denke nach, mein Schatz,

Eh du koͤmmſt auf den Muſterplatz,

O Weh!

Wenn du mich nun beſiegſt,

Und dann bei deinem Alten liegſt,

Wie wird dir ſein zu Muth!

Herzallerliebſtes Engellein,

Bedenk, was dir zu thun mag ſein,

O Weh!

Wirſt du einmal verfuͤhrt,

Mein junger Leib dir nimmer wird,

Du bringſt mich auch in Tod.

Ruͤhre nicht Bock, denn es brennt.


(Aus der Zeit Simon Dachs.)


Bons dies, Bock!

Dei Grats, Block!

Wie viel Tuch zum Rock?

Sieben Ellen,

Wann ſoll ich ihn haben?

Gleich auf der Stelle,

Auf den Sonntag Abend,

Sprach der Geſelle.

Sonntag kam, Block kam.

Bons dies, Bock!

Dei Grats, Block!

[348]
Nun wo iſt mein Rock?

Nicht genug Tuch,

Sieben Ellen kein Rock?

Waß ſolls dann werden Bock?

Ein Wammes, Block!

Wann ſoll ich ihn haben?

Gleich auf der Stelle,

Auf den Sonntag Abend,

Sprach der Geſelle.

Sonntag kam, Block kam.

Bons dies Bock!

Dei Grats Block!

Wo iſt nun mein Wamms Bock?

Nicht genug Tuch,

Sieben Ellen kein Wamms, kein Rock?

Waß ſolls dann werden, Bock?

Ein paar Hoſen, Block.

Wann ſoll ich ſie haben?

Gleich auf der Stelle,

Auf den Sonntag Abend,

Sprach der Geſelle.

Sonntag kam, Block kam.

Bons dies Bock!

Dei Grats Block!

Wo ſind nun die Hoſen Bock?

Nicht Tuch genug,

Sieben Ellen nicht Hoſen, nicht Wamms, nicht

Rock?

Was ſolls dann werden, Bock?

Ein paar Struͤmpfe Block!

[349]
Wann ſoll ich ſie haben?

Gleich auf der Stelle,

Auf den Sonntag Abend,

Sprach der Geſelle.

Sonntag kam, Block kam.

Bons dies Bock!

Dei Grats Block!

Wo ſind nun die Struͤmpfe Bock?

Nicht Tuch genug,

Sieben Ellen nicht Struͤmpf, nicht Hoſen, nicht

Wamms, nicht Rock?

Waß ſolls dann werden Bock?

Ein paar Handſchuh Block,

Wann ſoll ich ſie haben?

Gleich auf der Stelle,

Auf den Sonntag Abend,

Sprach der Geſelle.

Sonntag kam, Block kam.

Bons dies Bock!

Dei Grats Block!

Wo ſind nun die Handſchuh Bock?

Nicht Tuch genug,

Sieben Ellen nicht Handſchuh, nicht Struͤmpfe, nicht

Wamms, nicht Rock?

Waß ſolls dann werden Bock?

Ein Daͤumling Block!

Wann ſoll ich ihn haben?

Gleich auf der Stelle,

Auf den Sonntag Abend,

[350]
Sprach der Geſelle.

Sonntag kam, Block kam.

Bons dies Bock!

Dei Grats Block!

Wo iſt nun mein Daͤumling Bock?

Nicht Tuch genug,

Sieben Ellen nicht Daͤumling, nicht Handſchuh, nicht

Struͤmpf, nicht Hoſen, nicht Wamms, nicht Rock?

Was ſolls dann werden Bock?

Noch ein Viertel

Wirds ein Guͤrtel Block,

Wann ſoll ich ihn haben?

Gleich auf der Stelle,

Auf den Sonntag Abend

Sprach der Geſelle.

Sonntag kam, Block kam.

Bons dies Bock!

Dei Grats Block?

Wo iſt mein Guͤrtel Bock?

Das Tuch iſt zerbrochen,

Ihr tragts ſchon acht Wochen,

Block thaͤt zum Kramer laufen,

Thaͤt ein neues Tuch kaufen.

Und waͤr der Block nicht geſtorben,

Der Bock haͤtt ihn verdorben.

Streit zwiſchen dem blinden Cupido und
einem Waldbruder
.


(Fliegendes Blat.)


Cupido. Willkomm mein lieber Eremit!

Was machſt in dieſer finſtern Huͤtt?

[351]
Wie kommts, daß der verdrieslich Wald

Dir beſſer als die Stadt gefallt?

Soll dann ein ſo betruͤbter Stand

Das grob und rauhe Klauſnerg'wand

Den ſchoͤnſten Kleidern von Drador

Und Silber gehen vor.

Eremit. Ein G'muͤth, ſo nach dem Himmel tracht,

Acht' kein Geſchmuck noch Kleiderpracht,

Ein Huͤtt ſo mich bedecken kann,

Iſt ſtattlich gnug fuͤr mein Perſon:

Dazu wo findt man groͤßre Freud,

Als in der ſuͤßen Einſamkeit?

Da kann man in vergnuͤgter Ruh

Sein Leben bringen zu.

Cupido. Ja, ja, haſt recht, ich ſtimm dir bey

Daß es kein gemeiner Wolluſt ſey,

Zubringen ſeine Lebenszeit

In Waͤldern mit der Jagdbarkeit,

Wo man die Hirſchen und die Reh

Sieht luſtig ſpringen in die Hoͤh,

Doch aber ſo verſchloſſen ſein,

Das geht mir gar nicht ein.

Eremit. Iſt nur ein ſchnoͤde Eitelkeit

Das irdiſch Geſchuͤtz und Jagdbarkeit,

Ein rein anmuͤthig Klausnerg'muͤth,

Das iſt allein mein Jagdgebieth,

Mit dem Brevier ſo mein Geſchoß,

Geh ich auf gutes Waidwerk los,

Bring meiner Seele einen Schmaus

Von dieſer Jagd nach Haus.

[352]
Cupido. Haſt du Luſt zu dem Brevier,

Wie gefallt dir das? hab eins bei mir,

Das braucht ſo viel Durchblaͤttern nicht.

Verlaß den Wald und gehe mit,

Ich will dich fuͤhren in die Stadt,

So ſchoͤne Plaͤz und Haͤuſer hat,

Dort leben kannſt in guter Ruh,

Komm! ſchlag dein Huͤtte zu.

Eremit. Wer Gott recht liebt, ihm dienen will,

Dem iſt das Beten nicht zu viel,

Das Faſten und die Geiſſelſtreich,

Die bringen mich ins Himmelreich;

Drum geh nur fort verfuͤhriſch Kind,

Dein Rath iſt nichts als ungeſinnt,

Laß mich in meiner Klauſnerey

Der Andacht wohnen bey.

Cupido. Du biſt der erſt mein Eremit!

Der mich verſtoͤßt aus ſeiner Huͤtt,

Du biſt da wie im Himmel drein,

Quaͤl dich einmal ein Gott zu ſeyn,

Du haſt wohl nicht dazu den Muth,

Ich bin ein armes, junges Blut,

Und muß mich wagen in die Welt,

Als Gott bin ich beſtellt.

Eremit. Wenn dem ſo iſt, gieb mir den Pfeil,

Die Voͤgel ſchieß ich zum Kurzweil,

Bleib hier mit Kutt und mit Brevier,

Dir reuet's bald, es iſt halb vier,

Da kommt die alte Schaͤferin,

[353]
Hoͤr an die Beicht mit frommem Sinn,

So viel ihr ſind, ſie ſind verliebt

In jeden Eremit.

Die feindlichen Bruͤder.


(Handſchrift mit Noten. 1600-1700.)


(Der lieben Dummheit muß hiebey bemerkt werden, daß dieß ein
Scherz, wenn ſie weiß was ein Scherz iſt, kein Schimpf
gegen Schiller ſey.)


Don Geishaar.
Muͤller, warum thuſt erbleichen?

Weiße Farb bezuͤchtigt dich,

Aller Muth will von dir weichen,

Was iſt dir, dich frage ich,

Diebſtaͤhl dir vielleicht einfallen

Die begangen haſt beim Mahlen,

Weiſſer Muͤller ohne Scham,

Weil du fuͤhrſt ein Diebesnahm.

Don Mahlmehl.
Schneiderlein, was thuſt du fragen?

Warum ich ganz weiß erſchein,

Sollteſt mir zuvor erſt ſagen,

Was bedeut' die Roͤthe dein?

Roth biſt du vor lauter Fleckel,

Die geſtohlen du Geisboͤckel,

Schneider groſſen Diebſtahl uͤbt,

Gar nichts als den Abſchnitt liebt.

2. Band. 23.
[354]
Don Geishaar.
Mehldieb ſei nicht alſo trutzig,

Halte mir nicht Diebſtahl fuͤr,

Mache dich nicht ſo unnuͤtzig,

Kehre nur vor deiner Thuͤr,

Schwarzmehl du fuͤr weiß thuſt geben,

Davon ſtiehlſt du noch daneben,

Ja die Kleien ſtiehlſt du auch,

Das iſt ja der Muͤller Brauch.

Don Mahlmehl.
Was thut doch der Geißbock mecken,

Faͤngt da mit mir Haͤndel an,

Will ihn in ein Beutel ſtecken,

Haͤngen auf am Hoſenband.

Diebſtahl will er mir vorſtoſſen,

Der doch voller Diebespoſſen,

Sag, wie iſt das Kleid doch dein,

Da's geſtohlne Fleckel ſein.

Don Geishaar.
Seckelleerer, magſt ſo luͤgen

Schweige mir nur alsbald ſtill,

Sonſten deinen Mehlmuth biegen,

Ich mit meiner Elle will,

Meinſt, ich pfleg vom Raub zu leben,

Weil du es ſo macheſt eben,

Dein Kropf iſt Diebſtahli voll

Weil dein Kopf ſchmirali toll.

Don Mahlmehl.
Brauch die Elle nur zum meſſen,

Fleckeldieb und nicht fuͤr mich,

[355]
Doppelt meſſen thu vergeſſen,

Hiezu mahnt Don Mahlmehl dich,

Doppelt Tuch und doppelt Seiden

Doppelt Knoͤpf brauchſt beim Zuſchneiden,

Ja noch dieſes nicht erkleckt,

Weiter ſich dein Geitz erſtreckt.

Don Geishaar.
Muͤller, Mahler, Rockenſtehler

Sag, womit erhaͤlſt dein Schwein,

Kaufſt Getraid nicht um ein Heller,

Muß doch fett wie du ja ſein.

Andre muͤſſen ſich ernaͤhren,

Du thuſt fremdes Gut verzehren

Gleich ein Habicht Raͤuber lebſt,

Und in lauter Diebſiahl ſchwebſt.

Don Mahlmehl.
Wie prangſt du mit Silberknoͤpfen,

Mit Seiden ausgenaͤhtem Tuch,

Weib und Tochter auch mit Schoͤpfen,

Mit Spitz, Baͤndern, hohem Schmuck,

Dann dies ſind geſtohlne Waaren,

Die da zieren Hoffahrts Narren,

Biſt ein rechter Papagai,

Iſt nichts dein, als das Geſchrei.

Don Geishaar.
Mein Muͤhleſel thu betrachten,

Zieh dich bei der Naſen doch,

Deinen Kropf thu beobachten

Mit demſelben hurtig poch,

[356]
Die Natur hat dir ihn geben,

Daß du ſollſt bezeichnet leben.

Dieſer iſt ein Ueberfluß,

Gleich wie dir dein Diebsgenuß.

Don Mahlmehl.
Haͤttſt ein Kropf, du waͤreſt ſchwerer,

Duͤrfſt nicht tragen 's Boͤgeleis,

Der Wind dich hinweht du Leerer,

Du verſchuͤtteſt deine . . . .!

Geh du deine Finger reiben,

Daß du kannſt die Zeit vertreiben,

Unrecht Gut heraus dir faͤhrt,

Geſunder Haut biſt du nicht werth.

Don Geishaar.
Eines muß ich dich noch fragen,

Warum machſt die Saͤck ſo leer,

Werden voll dir zugetragen,

Kehren heim nicht halb ſo ſchwer.

Geld brauchſt du fuͤr deine Kinder,

Die nicht kluͤger als die Rinder,

Oder fuͤr dein Lumpgeſind,

Wenns nicht durch die Gurgel rinnt.

Don Mahlmehl.
Sag mir auch du Fingerreiber,

Zu was ſo viel Futter iſt,

Doch nicht ſo viel Diebſtahl treibe,

Schau man kennt ſchon deine Liſt,

Steifleinwand, Kameelhaar eben

Muß man dir ja doppelt geben,

[357]
Damit kleideſt du die dein,

Ach laß doch das Stehlen ſein.

Chor Don Geishaars.
Waitzendieb, Roggendieb, Gerſtendieb,

Korndieb, Kleiendieb, Breiendieb,

Erbſendieb, du, du, du Linſendieb,

Graubendieb du, du, du Mehlbeutel,

Luͤgenveitel, Waſſerkropf, Eſelsknopf,

Muͤhlnarr, du, du, du Me Me Mehldieb,

Du biſt ein Dieb, ja ja ja, nein nein nein,

Ich nicht, du du du.

Chor Don Mahlmehls.
Tuchdieb, Zeugdieb, Hoſendieb, Seidendieb,

Fadendieb, Bordendieb, Saͤckeldieb,

Fleckeldieb, du, du, du Kameelhaardieb,

Mancheſterdieb, du, du, du Knopfdieb,

Fingerreiber, Bocktreiber, Ziegenbart,

Armer Tropf, meck meck meck, Ziegenknopf,

Du biſt ein Dieb, meck meck meck, ja ja ja,

Ich nicht, du, du, du!

Chor Don Geishaars.
Es iſt ein Dieb da!

Chor Don Mahlmehls.
Es iſt ein Bock da!

Chor Don Geishaars.
Wer iſt er?

Chor Don Mahlmehls.
Wer iſt er?

[358]
Chor Don Geishaars.
Der Mahlmehl.

Chor Don Mahlmehls.
Der Geishaar.

Nun gehen mir alten ſeeligen Manne erſt
die Augen auf
.


(Docen Miscellaneen i. S. 272.)


Als Jupiter gedacht,

Er haͤtte Himmel und Erd,

Ganz fertig ausgemacht,

Und was darin gehoͤrt,

Da ſah er hin und her,

Beſinnt ſich endlich fein,

Es muͤßt ſeyn etwas mehr,

So da gehoͤrt darein.

Der Sachen ha ha Cupido lacht,

Sprach: Alter du haſt nicht alles gemacht,

Beſinn dich fein wohl, beſinn dich fein wohl,

Das Beſte fehlt hier, das billig ſeyn ſoll!

Solches Jenen verdroß hart,

Daß er von dieſem Kind,

Spoͤttlich verlachet ward,

Da nahm er in ſein Sinn,

Erſchafft ein Kreatur

Ein ſchoͤn jungfraͤulich Bild,

Welche ſchoͤne Figur

Er fuͤr ſein Kunſtwerk hielt.

[359]
Der Sachen ha ha Cupido lacht:

Du haſt alles recht wohl gemacht,

Des freu ich mich ſehr, des freu ich mich ſehr;

Ach Lieber mach doch der Dinge noch mehr.

Welches Jovi Freuden bracht,

Daß dieſes Kind nackend und blaß,

Ihn ſehr freundlich anlacht,

Drum ſetzt ers in ſein Schooß,

Das Bild entſchlief ſo bald,

Er haͤtts gekuͤßt ſo gern,

Wolls aber mit Gewalt,

Nicht aus dem Schlaf verſtoͤrn.

Der Sachen ha ha Cupido lacht,

Sprach: Alter kuͤß fort, bis ſie erwacht,

Laß alſo nicht ruhn, laß alſo nicht ruhn,

Es iſt ihr nicht um den Schlaf zu thun.

Dein Liebelein ſchlaf oder wach,

So kuͤß ſie immerfort,

Dir kein Gedanken mach,

Sondern glaub meinem Wort,

Kuͤß ſie ſo oft und wohl,

Ich will verwetten was,

Ob ſie dich ſchelten ſoll,

Sondern ſprechen, kuͤß nur bas!

Der Sachen, ha ha, Cupido lacht,

Zwey Lieblein ſcherzen die ganze Nacht,

Laß alſo frey gehn, laß alſo frey gehn,

Ach Kinder was wird noch draus entſtehn.

Darum ſchoͤnes Liebelein,

Laß mich dir nun kuͤſſen auch

[360]
Dein werthes Muͤndelein,

Weils iſt ein alter Brauch,

Der muß abkommen nicht,

Weils iſt ein ehlich Pflicht,

Und wenns in Ehren geſchieht,

So kanns ja ſchaden nicht.

So haben die Alten einander gekuͤßt,

Bis aus Zwey ein Drey worden iſt.

So laßt uns nun auch halten den Gebrauch,

So lang wir leben auf dieſer Erd.

Ehrenſache und Satisfaction zu Guͤnzburg.


(In des guten Kerls Ton.)


(Altes Manuſcript.)


Zu Guͤnzburg in der werthen Stadt,

Als ihre Zunft den Jahrstag hat,

Die Schneider alle kamen,

Die Meiſter ſaͤmmtlich jung und alt,

Die Geſellen auch in ſchiefer Geſtalt

Da in der Kirch zuſammen.

Der Teufel aber hat kein Ruh,

Baut ſein Capelle auch dazu,

Als ſie zum Opfer gehen,

Da hat man mitten in der Schaar

Ein großen Geißbock offenbar

In ihrer Mitt geſehen.

Der gieng ganz ſittſam neben her

Dem Opfer zu in aller Ehr,

[334[361]]
Und thaͤt ſich doch nit buͤcken,

Ein alter Meiſter hochgeſchorn

Der faßt da einen grimmen Zorn,

Und wollt daruͤber zuͤcken.

Wo fuͤhrt der Teufel den Bock daher,

Potz Elle, Fingerhut und Scheer,

Er koͤmmt mir recht und eben,

Gieng er nur beſſer her zu mir,

Ich wuͤſſte ſchon ein Kunſt dafuͤr,

Wollt ihm ein Maultaſch geben.

Der Geisbock haͤtt ſehr feine Ohrn,

Vermerkte bald des Schneiders Zorn,

Haͤtt doch nichts zu bedeuten,

Er machet ſich zugleich unnuͤtz,

Und biet dem Schneider einen Trutz,

Gieng friſch ihm an die Seiten.

Der Schneider abet hielt ſein Wort,

Es war grad an der Stiege dort,

Er griff den Bock beim Boſchen,

Er ſtieß denſelben hin und her,

Als wenns des Bocks ſein Mutter waͤr,

Gab ihm eins an die Goſchen.

Der Geißbock fiel die Stiegen ein,

Das mußt er alſo laſſen ſein

Und duͤrft ſich nicht wohl raͤchen,

Gieng bald darvon in aller Still,

Gedacht der Schneider ſind zu viel,

Sie duͤrften mich verſtechen.

[362]
Frau Burgarmeiſterin alldort

Stand in dem Stuhl an ihrem Ort,

Die hat der Bock erſehen,

Er gieng ganz traurig zu ihr hin,

Und klagte ihr in ſeinem Sinn,

Wie hart ihm waͤr geſchehen.

Er ſprach: Ich habs nit boͤs gemeint,

„Die weil die Schneider meine Freund,

„Hab ich fuͤr Recht ermeſſen,

„Daß ich mit Meiſter und Geſell

„Mich bei dem Jahrstag auch einſtell,

„Bin grob doch eingeſeſſen.

„Die Maultaſch hab ich nit erwart',

„Haͤtt ſonſt mein Fell ſo rauch und hart

„Gar wohl verſchonen koͤnnen,

„Jezt habe ich die Stoͤß davon,

„Die haͤngen mir mein Lebtag an,

„Das fuͤhl ich an dem Brennen.

„Wenn ich aufs Jahr noch hier verbleib,

„Bleib ich daheim und ſchick mein Weib,

„Kanns leichter uͤbertragen,

„Die iſt zumahl ein reine Geiß,

„Wie ſie und jedermann wohl weiß,

„Die duͤrften ſie nit ſchlagen.

Die Frau ſagt ihm auf ſein Begehrn:

„Geh nur mein Schatz, klags meinem Herrn,

„Dem Schneider bringts nicht Roſen.

Der Geisbock neiget ſich vor ihr,

[363]
Bedankt ſich auch auf ſein Manier

Mit Stutzen, Meckern, Stoßen.

Der Schneider ſchaut von ferne zu,

Des Bocks Anklag gab ihm Unruh,

Wolt ſchier darum verzagen,

Daß er den Bock, es war ihm leid,

Aus Zorn und Unbeſcheidenheit

Im Gotteshaus geſchlagen.

Wies endlich ablief noch zur Luſt,

Das iſt den Schneidern wohl bewußt,

Habs weiter nit beſchrieben,

So viel ich hab gehoͤrt davon,

Hat er dem Bock Abbitt gethan,

Dabei iſt es geblieben.

Ein guter Herr, der ſprach mich an,

Dem hab ich es zu lieb gethan,

Sein Bitt nit abgeſchlagen,

Und dieſe ſchoͤne Action

Ins guten Kerles Weiß und Ton

Alſo zuſamm getragen.

Schadenfreude.


[Rech Anakreon, nationaliſirte Antike. Philanders Strafreden I. S. 713.]


Hie auf dieſer Liebes Matt

Cupido vor dreien Tagen,

Weil er nichts zu ſchaffen hat,

Wollt ſein Zelt und Lager ſchlagen:

[364]
Ach Cupido kleiner Schelm,

Wie machſt du ſo große Wunden.

Als er nun ins Gruͤne kam,

Dieſes hier dort das wolt ſehen,

Venus bei der Hand ihn nahm,

Doch wolt er nicht mit ihr gehen, ach Cupidon. etc.

Lief bald vor das Bienen Haus,

Wolt ein wenig Honig lecken,

Eine kroch zum Korb heraus

Und flog nach dem jungen Gecken, ach Cupidon. etc.

Cupido bald her bald hin,

Haͤtt ſich gern vor ihr verkrochen,

Doch die Bien flog ſtets auf ihn,

Bis er von ihr war geſtochen, ach Cupidon. etc.

Als er ſeinen Finger ſchaut,

Wie er armsdick aufgeloffen,

Fing er an zu ſchreien laut:

O weh Mutter, ich bin troffen! Ach Cupidon. etc.

O Weh liebe Mutter bald,

Ich muß an dem Stich verderben,

O Weh, ich lauf in den Wald,

Laſſe mich drinn Hungers ſterben. Ach Cupidon. etc.

Helft und helft ihr nicht geſchwind,

Stuͤrz ich mich in einen Brunnen,

Wie bald kann ein armes Kind

Als ich, in der Hitz verbrennen, Ach Cupidon, etc.

[365]
Rach o liebſte Mutter Rach,

Ich werd noch verzweiffeln muͤſſen,

Helft, ich ſpring ſonſt in den Bach,

Oder will mich ſelbſt erſchieſſen, ach Cupidon. etc.

Venus ſprach vor Zorn kein Wort,

Endlich nahm ein Hand voll Ruthen,

Wart, ich will dich bringen fort,

Daß dir ſoll der Hintern bluten, ach Cupidon. etc.

Hab ich dirs nicht vor geſagt,

Du ſolt ſtupfens muͤſſig gehen,

Wer nicht folgen will der wagt.

Komm her, laß den Finger ſehen, ach Cupidon, etc.

Ey du ungerathner Sohn,

Dir iſt eben recht geſchehen,

Das iſt dein verdienter Lohn,

Wilt nicht mit der Mutter gehen, ach Cupidon. etc.

Indem buͤkt ſie ihn herum:

Halt ich will dich lehren ſitzen,

Gß' gß' noch einmal ſo kum,

Dann will ich dich beſſer fitzen, ach Cupidon. etc.

Cupido fiel auf die Erd,

Ha! wie that ihn das verdrieſſen,

Und wie ein zaumloſes Pferd,

Schlug um ſich mit Haͤnd und Fuͤßen, da Cupidon. etc.

Ach mein, klag dich nicht ſo ſehr,

Sprach ſie, und bald laß die Poſſen,

Denk daß du wohl andre mehr

Unverſchuldet haſt geſchoſſen, ha Cupidon. etc.

[366]
Deine Pfeil ſind voller Gift,

Und gehn richtig zu dem Herzen,

Was aber den Finger trift,

Das iſt nur ein Kinderſcherzen. Ha Cupidon. etc.

Thuts dir ſchon ein wenig weh,

Darfſt dir drum nicht laſſen bangen,

Eh du dreimal Steh und Geh,

Sagſt, ſo wird es ſein vergangen. Ach Cupidon. etc.

Wen der loſe Vorwiz ſticht,

Und ſolch Leckerey will treiben,

Dem gerath es anders nicht,

Drum ſollſt bei der Mutter bleiben.

Ach Cupidon kleiner Schelm,

Wie magſt du ſo große Wunden!

Du Stupfer, du Hauſer,

Du Rupfer, du Zaußer,

Du Lecker, du Lauſer,

Du Schlecker, du Mauſer,

So ſoll es dir gehn,

Recht iſt dir geſchehn,

So ſoll es dir gehn!!!

Rinaldo Rinaldini.


Es wollt ein Schneider wandern,

Am Montag in der Fruh,

Begegnet ihm der Teufel,

Hat weder Struͤmpf noch Schuh':

[367]
He, he du Schneidergeſell,

Mußt wieder aus der Hoͤll,

Wir brauchen nicht zu meſſen;

Es gehe wie es woͤll.

Nachdem er all gemeſſen hat,

Nahm er ſeine lange Scheer

Und ſtuzt den Teufflen d' Schwaͤnzlein ab

Sie huͤpfen hin und her.

He, he du Schneiderg'ſell,

Pack dich nur aus der Hoͤll,

Wir brauchen nicht das Stuzen,

Es gehe wie es woͤll.

Da zog er's Buͤgeleiſen raus,

Und warf es in das Feuer,

Er ſtreicht den Teuflen die Falten aus,

Sie ſchrieen ungeheuer:

He, he du Schneider G'ſell,

Geh du nur aus der Hoͤll,

Wir brauchen nicht zu buͤgeln,

Es gehe wie es woͤll.

Er nahm den Pfriemen aus dem Sack,

Und ſtach ſie in die Koͤpf,

Er ſagt, halt ſtill, ich bin ſchon da,

So ſezt man bei uns Knoͤpf:

He, he, du Schneiderg'ſell,

Geh einmal aus der Hoͤll,

Wir brauchen nicht zu kleiden,

Es geh nun wie es woͤll.

[368]
Drauf nahm er Nadl und Fingerhut,

Und faͤngt zu ſtechen an,

Er flickt den Teufeln die Nasloͤcher zu.

So eng er immer kan:

He, he du Schneidergeſell,

Pack dich nur aus der Hoͤll,

Wir koͤnnen nimmer riechen,

Es geh nun wie es woͤll.

Darauf faͤngt er zu ſchneiden an,

Das Ding hat ziemlich brennt,

Er hat den Teuflen mit Gewalt

Die Ohrlappen aufgetrennt:

He, he, du Schneiderg'ſell,

Marſchir nur aus der Hoͤll,

Sonſt brauchen wir den Bader,

Es geh nun wie es woͤll.

Nach dieſem kam der Lucifer,

Und ſagt: es iſt ein Graus,

Kein Teufel hat kein Schwaͤnzerl mehr,

Jagt ihn zur Hoͤll hinaus:

He, he, du Schneiderg'ſell,

Pack dich nur aus der Hoͤll,

Wir brauchen keine Kleider,

Es geh nun wie es woͤll.

Nachdem er nun hat aufgepackt,

Da war ihm erſt recht wohl,

Er huͤpft und ſpringet unverzagt,

Lacht ſich den Buckel voll,

[369]
Ging eilends aus der Hoͤll,

Und blieb ein Schneiderg'ſell;

Drum holt der Teufel kein Schneider mehr,

Er ſtehl ſo viel er woͤll.

Hans in allen Gaſſen.


[Fliegendes Blat]


Ich will einmal ſpaziren gehn,

Und ſuchen meine Freud,

Begegnet mir ja alſobald,

Ha ha, ja ja, ja alſobald,

Ein Knaͤblein war ſchoͤn bekleidt.

Zwei Fluͤglein thaͤt er tragen,

Ein Bogen in ſeiner Hand,

Er thaͤt gleich zu mir ſagen,

Ha ha, ja ja, ja ſagen,

Schenk mir dein Herz zum Pfand.

Was thuſt du da, du kleiner Bub?

Was machſt du hier im Wald?

Du g'hoͤrſt nach Haus in deine Ruh,

Ha ha, ja ja, in deine Ruh,

Die Nacht iſt dir zu kalt.

Seine Aeuglein hat er verbunden,

Mit einem ſchwarzen Flor,

Du machſt mir ja viel Wunden,

Ha ha, ja ja, viel Wunden,

Du kleiner Kupido.

2. Band. 24.
[370]
Itzt will ich erſt recht lieben,

Weils die Leut verdrieſſen thut,

Ich wills nicht mehr aufſchieben,

Ha ha, ja ja, aufſchieben,

Wills nehmen fuͤr mein Buß.

Das zarte Weſen.


(Altes Manuſcript.)


Zu Backnang wohnt ein Schneiderlein,

Es hat ein einzigs Geiſelein,

Er bracht ihm Gras, er bracht ihm Kraut,

Das beſt', das er im Garten baut.

Da ward das zarte Weſen krank,

Der Schneider war in groſſem Leid,

Als ſie den Tod mußt leiden:

„Mein edle Geiß, die Haͤddel heißt,

„Hat manches Kraut gefreſſen.

„Jezt muß ich gar vor Herzeleid

„Mein ſuͤße Geiß vergeſſen!“

Der Stadtknecht gieng am Zaune nah,

Sobald, als er die Geiß erſah:

„Potz Kreutz! was ſeh ich liegen!

„Das waͤr' jezt eine gute Sach,

„Wenn es nur blieb verſchwiegen.

„Der Stadtknecht zeigts dem Metzger an:

„Ei guten Abend Metzger du,

„Beim Bettelhaus, da liegt ein Rehbock,

„Die Haut iſt abgezogen.

„Das waͤr ein gute Sach fuͤr uns,

„Wenn es nur bleibt verſchwiegen.“

[371]
Der Metzger in die Metzel kam,

Sein Guͤrtel und Meſſer mit ſich nahm,

Ein weiſſen Schurz darneben.

Die Pfarrerin mit dem Gelenk heim gieng,

Die Voͤgtin macht ein Braten,

Es habens kauft mehr als zehn Frau'n,

Iſt reiſſend abgegangen.

Die Backnanger Herrn ſind zuſammen geſeſſen,

Das zarte Weſen als einen Rehbock gegeſſen,

Ein Guckuck fuͤr eine Taube,

Und blaue Schleen fuͤr Trauben.

Das Backnanger Liedlein lautet nit wohl,

Man ſchlaͤgt einem gleich den Buckel voll,

Sie konnten das zarte Weſen nit verdauen.

Weibliche Selbſtſtaͤndigkeit.


(Muͤndlich.)


Wer noch in Freiheit leben will,

Der komm mit mir zum Walde,

Diana raſt und raſtet ſtill,

Und rufet alſobalde:

Frau Echo ſchlaͤgt den Triller drein,

Daß mir mein Herz zerſpringt,

Weil auf der Sait Diana ſpielt,

Und mir ein Liedlein ſingt.

Und als ich in Gedanken da

Schier ganz verwirret ware,

[372]
Da kam ein Wildpretſchuͤtz mir nah,

Dazu ein junger Knabe.

Er nennet mich bei meinem Nam,

Und ſchaut mich herzlich an:

Wie kommen wir allhier zuſamm,

Sprach er, o Schaͤfersdam?

Ich gab zur Antwort: Kleiner Bu,

Was thuſt du hier im Walde,

Heraus gehoͤrſt du in die Ruh,

Die Nacht iſt dir zu kalte!

Mein Feuer habe ich bey mir!

Und ſeufzet allſogleich,

Wen auf der Sait Diana ſprelt

In ihrem edlen Reich.

Sie fuͤhrt ihn ins Gebuͤſch hinein,

Zum gruͤn tapzierten Saale,

Sie bleibt nicht lange ſo allein,

Und ſtrickt am Vogelgarne,

Das Feuer lockt die Flora hin,

Die Blumen ſehn hinein,

Ich bleib mit meinem freien Sinn

Wohl in dem Wald allein.

Das Erbbegraͤbniß.


(Altes Manuſcript.)


Das Schneiderlein ſah am Wege ſtehn

Eine alte verzottelte Geiß,

Da ſprach dieſelbige; Zick, Zick, Zick,

[373]
Bock, Bock, Bock, Meck, Meck, Meck,

Da wards dem Schneiderlein heiß.

Das Schneiderlein fing zu laufen an,

Lauft in das Wirthshaus hinein,

Da ſprach derſelbige: Zick, Zick, Zick,

Bock, Bock, Bock, Meck, Meck, Meck,

Schenkt mir ein halb Maas ein.

Das Schneiderlein fing zu ſaufen an,

Sauft aus den Fingerhut,

Da ſprach derſelbige: Zick, Zick, Zick,

Bock, Bock, Bock, Meck, Meck, Meck,

Wie ſchmeckt der Wein ſo gut.

Das Schneiderlein fing zu tanzen an,

Tanzt in der Stuben herum,

Da fiel derſelbige Zick, Zick, Zick,

Bock, Bock, Bock, Meck, Meck, Meck,

Vor Ohnmacht gar bald um.

Das Schneiderlein wurde begraben dann

In ein hohle verzottelte Geiß,

Da ſprach derſelbige Zick, Zick, Zick,

Bock, Bock, Bock, Meck, Meck, Meck,

Wie iſt die Hoͤlle ſo heiß.

Der Paß.


[Fliegendes Blatt.]


Schoͤns Salzburger Maͤdl,

Mit dem krauſen Haͤrl,

[374]
Thuſt mir uͤberaus gefallen,

Wann ich dich ſeh gehen,

Bleib ich allzeit ſtehen,

Und betrachte dich vor andern allen,

Deine ſchwarze Hauben

Sticht mir in die Augen,

Mit deinen guͤldnen Borten;

Bin ich z'Haus allein,

Fallt mirs wieder ein,

Dirnerl waͤr ich bey dir dorten.

Wenn ich fragen darf,

Mein, wer iſt der Herr,

Denn es iſt nicht allzeit zu trauen,

Mein Herr iſt ſehr boͤs,

Giebt der Frau oft Stoͤß,

Daß ſie nicht auf mich thut ſchauen! —

Weil du mich thuſt fragen,

Will ich dirs wohl ſagen:

Ich bin einer von den Liebesgoͤttern,

Alle Schaͤfersleut

Auf der gruͤnen Haid

Heiſſen mich auch einen Vettern.

Flußuͤbergang.


(Altes Manuſcript.)


Es hatten ſich ſiebenzig Schneider verſchworen,

Sie wollten zuſammen ins Niederland fahren,

Da naͤhten ſie einen papierenen Wagen,

Der ſiebenzig tapfere Schneider konnt tragen,

[375]
Die Zottelgeiß ſpannten ſie dran,

Hott Hott, Meck Meck, ihr luſtigen Bruͤder,

Nun ſetzt euer Leben daran.

Sie fuhren, da trat wohl an einem Stege

Den Schneidern der Geiß ihr Boͤcklein entgegen,

Und ſchaute die Meiſter gar trotziglich an,

Darunter war aber ein herzhafter Mann,

Der zog wohl den kupfernen Fingerhut an,

Und zog eine roſtige Nadel heraus,

Und ſtach das Geißboͤcklein daß es ſprang.

Da ſchuͤttelt das Boͤcklein gewaltig die Hoͤrner,

Und jagte die Meiſter durch Diſtel und Doͤrner.

Zerriß auch dem Held den Manſcheſternen Kragen,

Erbeutet viel Ellen und Scheren im Wagen,

Und weil acht und ſechzig geſprungen in Bach,

So hat nur ein einz'ger ſein Leben verloren,

Weil er nicht konnt ſpringen, er war zu ſchwach.

Kupido die Fledermaus.


Als ich verwichen lag in ſanfter Ruh,

Da klopft an meiner Thuͤr,

Und kommet auch zu mir,

Ein kleiner Bue!

Schneeweiß iſt er gekleidt, von Angeſicht blind,

Er ſtellt ſich an die Wand,

Ein Fackel in der Hand,

Das loſe Kind!

[376]
Was das bedeuten ſoll, ſchrie ich darauf,

Schweig ſtill, es geſchieht dir nichts!

Schweig ſtill, ich thu dir nichts,

Sprach er darauf?

Er geht zum Bette hin, der kleine Fratz,

Er bittet mich gar ſchoͤn,

Sollt aus dem Wege gehn,

Sollt machen Platz.

Ey du verdammtes Kind! was bildſt dir ein,

Willſt ſchon im Bette liegen,

Gehoͤrſt noch in die Wiegen,

In die Wickel hinein.

Scheer dich vom Bett und geh nach Haus

Anſtatt der Liebesglut

Gehoͤrt dir noch die Ruth,

Du Fledermaus!

90 x 9 x 99.


(Fliegendes Blat.)


Es waren einmal die Schneider,

Die hatten guten Muth,

Da tranken ihrer neunzig,

Neun mal neun und neunzig

Aus einem Fingerhut.

Und als die Schneider verſammelt waren,

Da hielten ſie einen Rath,

Da ſaſſen ihrer neunzig,

[377]
Neun mal neun und neunzig,

Auf einem Kartenblat.

Und als die Schneider nach Hauſe kamen,

Da koͤnnen ſie nicht hinein,

Da ſchlupften ihrer neunzig,

Neun mal neun und neunzig

Zum Schluͤſſelloch hinein.

Und als die Schneider recht luſtig waren,

Da hielten ſie einen Tanz,

Da tanzten ihrer neunzig,

Neun mal neun und neunzig

Auf einem Geiſenſchwanz.

Und als ſie auf der Herberg waren,

Da hielten ſie einen Schmauß,

Da fraßen ihrer neunzig,

Neun mal neun und neunzig,

An einer gebacknen Maus.

Und als ein Schnee gefallen war,

Da hielten ſie Schlittenfahrt,

Da fuhren ihrer neunzig,

Neun mal neun und neunzig

Auf einem Geiſenbarth.

Und als die Schneider nach Hauſe wollen,

Da haben ſie keinen Bock,

Da reiten ihrer neunzig,

Neun mal neun und neunzig

Auf einem Haſelſtock.

[378]
Und als die Schneider nach Hauſe kamen,

Da ſaßen ſie beim Wein,

Da tranken ihrer neunzig,

Neun mal neun und neunzig

An einem Schoͤpplein Wein.

Und als ſie all beſoffen warn,

Da ſah man ſie nicht mehr,

Da krochen ihrer neunzig,

Neunmal neun und neunzig

In eine Lichtputzſcheer.

Und als ſie ausgeſchlafen hatten,

Da koͤnnen ſie nicht heraus,

Da wirft ſie alle neunzig,

Neun mal neun und neunzig

Der Wirth zum Fenſter hinaus.

Und als ſie vor das Fenſter kamen,

Da fallen ſie um und um,

Da kommen ihrer neunzig,

Neun mal neun und neunzig

In einem Kandel um.

Cupido und die Magd.


Cupido. Als ich bei dunkler Nacht

War auf der Liebesjagd,

Wollt fangen in der Still

Der Herzen viel,

Da thaͤt ſich offerirn

[379]
Ein ſchoͤne Bauersdirn,

Als ich ſie ſchlafend fand,

Mein Bogen ſpannt,

Und ſchoß in ſchneller Eil,

Ihr Herz mit Liebespfeil.

Magd. Tauſend Sapperlot,

I mein gar, mein Jackerl brennt,

G'ſchoſſe bin i auch,

An irgend einem End,

I ſchmeck ſchon a Rauch!

Cupido. In Scherz und Liebesluſt

Schieß ich nach deiner Bruſt.

Magd. Schau, der Narr is g'ſcheid,

Schießt mer dann uff die Leut

So grad fuͤr Geſpaß,

Daß Gott erbaͤrmel!

Schieß mer brav in Ermel,

Do triffſt mi nit uff die Naſ.

Cupido. Maͤgdlein treib du kein Spott,

Ich bin der Liebesgott,

Der nach deinem Herzen tracht',

Mich nit veracht,

Sonſt brauch ich mein Gewalt,

Du wirſt's erfahren bald,

Daß ich auch jedermann

Bezwingen kann,

Mit meinen Pfeilen ſpitz.

Magd. Was ſchert mich dein Bolz,

Schieß dir im Holz

[380]
Kleine Voͤgle z'ſammen,

Erdbeer oder Schwammen,

Dir zum Futter ſuch.

Cupido. Ich hab Speiß und Fruͤchten gnug,

Dich nur zu lieben ſuch.

Magd. Ey du kleiner Diab!

Was verſtehſt du von der Liab,

Biſcht hintern Ohren

Noch nit trucke woren,

Machſt noch in die Wiegen.

Cupido. Weil du mich dann verachſt,

Und meiner Worte lachſt,

So ſollſt mit Liebespein

Du ganz umgeben ſeyn.

Wenn dein Herz in Flammen brinnt,

Denk an das kleine Kind,

Das dir ſo zugeſetzt,

So daß die Liebesglut

Dich ſchier verzehren thut.

Magd. Sollſt mirs nur probieren,

Ich will dirs Fleiſch kuriren,

Will dir dein Spiegellein

Mit Ruthen kehren rein.

Cupido. Niemand mich fangen kann,

Weil ich hab Fluͤgel an.

Magd. So kannſt Zauberey,

Fliegſt in Luͤften frey,

[381]
Wie ein geropte Gans?

Du Spatzenhirn.

Cupido. Du ſtolze Bauerndirn!

Laͤßt gar kein Luſt verſpuͤren

Vor meinen betruͤbten Sinn,

So geh nur hin,

Nimm nur den Veit,

Gieb acht, daß dichs nit reut,

Wenn du ſuchſt in Muͤh und Noth

Dein Stuͤcklein Brod.

Mußt Dreſchen, Butterruͤhren,

Mußt Gras und Miſt ausfuͤhren.

Magd. Dreſchen iſt meine Freud,

Miſtfuͤhren thut der Veit,

Wenn dann die Sennrin kommt,

Hat er die Spielleut g'holt,

Fuͤhrt mich zum Bier.

Cupido. So bleib beim Bauergeſind,

Bauernmenſch du biſt blind.

Magd. Ich ſieh wohl gnu fuͤr mi,

Schau nur du fuͤr di,

Sag ders mit eim Wort

Scher di wieder fort,

S'iß nix mit mi.

Meine Reiſe auf meinem Zimmer.


(Fliegendes Blat.)


Der Schneider Franz, der reiſen ſoll,

Weint laut und jammert ſehr:

[382]
„O! Mutter lebet ewig wohl,

„Euch ſeh ich nimmermehr!“

Die Mutter weint entſetzlich:

„Das laß ich nicht geſchehen,

„Du darfſt mir nicht ſo ploͤzlich

„Aus deiner Heimath gehn.“

O! Mutter, nein, ich muß von hier,

Iſt das nicht jaͤmmerlich!

„Mein Kind, ich weiß dir Rath dafuͤr,

„Verbergen will ich dich.

„In meinem Taubenſchlage,

„Verberg ich dich mein Kind,

„Bis deine Wandertage

„Geſund voruͤber ſind.“

Mein guter Schneider merkt ſich dies,

Und thut als ging er fort,

Nahm klaͤglich Abſchied und verließ

Sich auf der Mutter Wort,

Doch Abends nach der Glocke,

Stellt er ſich wieder ein,

Und ritt auf einem Bocke

Zum Taubenſchlag hinein.

Da ging er, welch ein Wanderſchaft,

Im Schlage auf und ab,

Und wartete bis ihm zur Kraft

Die Mutter Nudeln gab,

Beim Tag war er auf Reiſen,

Und auch in mancher Nacht,

[383]
Da hat er mit den Maͤuſen

Und Ratten eine Schlacht.

Einſt hatte ſeine Schweſter Streit,

Nicht weit von ſeinem Haus,

Er hoͤrt wie die Bekaͤmpfte ſchreit,

Und gukt zum Schlag hinaus,

Mein Schneiderlein ergrimmte,

Macht eine Fauſt und droht:

„Waͤr ich nicht in der Fremde,

„Ich ſchluͤge dich zu todt.“

Kerbholz und Knotenſtock.


(Fliegendes Blatt.)


Seyd luſtig und froͤhlich

Ihr Handwerksgeſellen,

Denn es kommt die Zeit,

Die uns all erfreut;

Sie iſt ſchon da!

Wir haben uns beſonnen,

Feierabend genommen

In der Still,

Reden nicht zu viel,

Brauchen nicht viel Wort!

Wir haben uns beſonnen,

Wo wir werden hinkommen,

Reiſen iſt kein Schand,

Zu Waſſer und zu Land,

Gehn auch Abends zu Bier.

[384]
Wir haben uns beſonnen,

Wo wir werden hinkommen,

In das Oeſterreich,

Gilt uns alles gleich,

Wien iſt die Hauptſtadt!

Kaiſer, Koͤniginn zu ſehn,

Etwas zu erlernen,

Von Beſcheidenheit,

Von der Hoͤflichkeit,

Wie auch von Manier!

Preßburg in Ungarn,

Hat uns bezwungen,

Breslau in der Schleſing,

Bin ich ſchon geweſen,

Das gefaͤllt mir wohl.

Moskau in Rußland,

Allerlei Leder ſind mir da bekannt,

Juchten und Korduan,

Zucker und Marzipan

Ißt man allda zum Fruͤhſtuͤck.

Botzen in Elliſchland,

Inſpruck im Tirolerland,

Setz mich auf das Meer

Fahre hin und her,

Nach Holland hinein.

Amſterdam in Holland,

Schoͤne Farben ſind uns wohlbekannt,

Gruͤn und blau,

[385]
Scharlachroth,

Karmaſinfarbroth.

Haben einen weiten Gang

Fort in das Tirooolerland,

Frankreich in Paris,

Wo ich meine Stiefel ließ,

Iſt allda ein Lazareth!

Dresden in Sachſen,

Wo die ſchoͤnen Maͤdel auf den Baͤumen wachſen,

Haͤtt' ich dran gedacht,

Haͤtt' ich eine mitgebracht,

Fuͤr den Altgeſellen auf der Poſt.

Prag in Boͤhmen, mag ich auch nicht ſeyn,

Seyn ſo viele Juden darein,

Alle liebe Tag

Iſt es eine Klag,

Daß eine Mordthat geſchach.

Dreißig tauſend groß und klein

Studitutidenten thun drin ſeyn,

Jederzeit

Iſt es ihre Freud,

Wenn ſie machen brave Beut.

Koͤnnen Juden vexiren,

Recht tribuliren,

Sie gehen her

Mit Schweinenſchmeer

Schmieren ſie ihnen die Baͤrt.

2. Band. 25.
[386]
Haben noch einen harten Stand

Bis nunter ins Kravattenland,

Sitz ich auf der Sau

Und herummer ſchau,

Belgrad iſt ſchon da.

Nun adje Heidelberg,

Biſt eine rechte Staatsherberg,

Iſt ganz ſtill,

Wenn man will

Singen die ganze Nacht.

Nun adje du werthe Stadt,

Weil es ausgeregnet hat,

Mit dem Parableh

Geh ich nach der See,

Wenn ich komm vom großen Faß.

Rechenexempel.


(Fliegende Blaͤtter.)


Bruder Liederlich,

Was ſaufſt dich ſo voll?

O du mein Gott,

Was ſchmeckts mir ſo wohl.

Am Montag

Muß verſoffen ſeyn,

Was Sonntag

Uebrig war vom Wein.

[387]
Am Dienſtag

Schlafen wir bis neun,

Ihr liebe Bruͤder

Fuͤhrt mich zum Wein.

Am Mittwoch

Iſt mitten in der Wochen,

Haben wir das Fleiſch gefreſſen,

Freß der Meiſter die Knochen.

Am Donnerſtag

Stehn wir auf um vier,

Ihr lieben Bruͤder,

Kommt mit zum Bier,

Am Freytag

Gehen wir ins Bad,

Alle Lumperey

Waſchen wir ab.

Am Samſtag

Da wollen wir ſchaffen,

Spricht der Meiſter:

Koͤnnts bleiben laſſen.

Am Sonntag

Vor dem Eſſen

Spricht der Meiſter:

„Jezt wollen wir rechnen.

„Die ganze Woche

„Haſt du gelumpt,

„Haſt du geſoffen,

„Null fuͤr Null geht auf.

[388]
Nun will ich nicht mehr leben,

Mit dir Geſelle mein.

Urlaub will ich dir geben,

Weil du nicht bleibſt daheim.

Du haſt die ſieben Tag

Gefeiert mit [Spazierengehen],

So ich nicht leiden mag.

Bruder Liederlich.
Gar willig und mit Freuden

Will ich jezt ziehn davon,

Will ſolche Krauter meiden,

Dies alſo machen thun,

O Kraut, o Meiſter Kraut,

Des Tags ſoll zweymal freſſen,

In meine zarte Haut.

Meiſter.
Egyptiſch ſoll dich plagen

Der Sonn und Mondenſchein,

Ein Buͤndel ſchwer zu tragen

Soll dir Geſellſchaft ſeyn,

Dazu ein ſchlimmer Weg,

Darauf du jezt ſollſt wandern,

Bis uͤber die Schuh im Dreck.

Bruder Liederlich.
Wie biſt du ſo vermeſſen,

Hoͤr zu du Krauter mein,

Du giebſt zwar wohl zu freſſen,

Viel Supp und wenig Fleiſch,

Und alle Tag zwey Kraut,

[389]
Das macht in einem Jahre

Sieben hundert dreiſſig Kraut.

Meiſter.
Was ſoll ich dir belohnen,

Wenn du's verdieneſt nicht?

Den Buckel thuſt du ſchonen,

Daſt dir nicht Weh geſchieht;

Thuſt alle Stund ein Schlag,

Die Hand magſt nicht aufheben,

Drum ich dich nimmer mag.

Bruder Liederlich.
Die Frau hat mich geliebet,

Und auch die Tochter dein,

Der Abſchied mich betruͤbet,

Bringt mich in ſchwere Pein,

Macht mir mein Herz verwundt,

Wann ich an ſie gedenke,

Und ihren rothen Mund.

Meiſter.
Mein Weib kann dir nicht helfen,

Weil ſie nicht Meiſter iſt,

Laß nur die Lieb verwelken,

Wann abgereiſet biſt,

Geh, nimm dein Kleid an Leib,

Und laß das Lieben bleiben,

Bey deines Meiſters Weib.

[390]

Trutz den Meiſtern.


(Fliegendes Blat.)


Drum ihr Geſellen halt euch gut,

Zu Hamburg das junge Blut,

Thut die Meiſter ſcheren;

Rommodedom und Faldrida,

Thut die Meiſter ſcheren.

Sagt in vierzehn Tage auf,

Reiſet fort mit ſchnellem Lauf,

Thut die Welt durchreiſen; Romod. etc.

So ihr an Ort und Stelle werd kommen,

Sagt die Meiſter habn genommen

Geld aus unſerer Lade; Romod. etc.

Den Geſellen, die davon ſprechen,

Wollen wir den Hals zerbrechen,

Ja ſie ſollen ſchweigen; Romod. etc.

Geſellen gingen nach Altona hinaus,

Lebten da in Saus und Schmauß,

Auf des Meiſters Gelder: Romod. etc.

Als ſie ein Vierzehn Tage gelegen,

Wollten ſie das Geld erlegen,

Wollten ſie es wohl aͤndern: Romod. etc.

Geſellen thaͤten ſich reſolviren,

Nach der Herberg zu ſpaziren,

Thaͤten da brav ſaufen: Romod. etc.

[391]
Thuͤren wurden zugemacht,

Trommel geſchlagen, daß es kracht,

Buͤrger ſchlugen Laͤrmen: Romod. etc.

Vor die Herberg kamen an

Mehr als dreißig tauſend Mann,

Buͤrger und Soldaten: Romod. etc.

Tiſchler gaben ſich gefangen,

Kamen den Herren entgegen gegangen,

Fragten was ſie wolten: Romod. etc.

Wir verlangen nicht mehr als Recht,

Oder es wird Hamburg ſchlecht,

Dieſes Jahr ergehen: Romod. etc.

Schornſteinfeger fuhren fort:

Tiſchler ſaget nur ein Wort,

Sollen wir drein werfen: Romod. etc.

Tiſchler kamen aus Areſt,

Lieſſen ſich aufs allerbeſt

Die Trompeten blaſen: Romod. etc.

Andre Handwerker allzumal

Riefen Vivat uͤberall,

Es leben unſre Bruͤder: Romod. etc.

Nun Adjeu mein Lied iſt aus,

Meiſter muͤſſen gehn nach Haus,

All ihr Gut verkauffen: Romod. etc.

Wer hat uns dis Lied erdacht,

Das haben brave Burſchen gemacht,

[392]
Die die Welt durchreiſen,

Rommodedom und Faldrida,

Die die Welt durchreiſen.

Der Haberſack.


[Altes fliegendes Blat aus 1500.]


Und wollt ihr hoͤren ſingen,

Ich ſing ein neues Lied,

Von einem feinen Fraͤulein,

Und wie es dem ergieng,

Sie war genannt der Haberſack,

Gott geb ihr einen guten Morgen,

Und einen guten Tag,

Tag und Tag und aber Tag

Mit der ich heut Nacht ſprach.

Das Fraͤulein, das war weiſe,

Mit ſeinen Worten klug,

Wie bald nahm ſie den Haberſack,

Ihn zu der Muͤhle trug,

Nun ſeh, du lieber Muͤller mein,

Den Haber ſollſt du mahlen wohl,

Wohl um den Willen mein,

Dein und mein und aber dein,

Es ſoll verſchwiegen ſein.

Der Muͤller nahm den Haber

Und ſchuͤtt ihn auf die Rell,

Er konnt ihn nie gemalen,

Es war ſein Ungefaͤll,

[393]
Er mahlt die Nacht, bis an den Tag,

Gott geb ihm einen guten Morgen,

Und einen guten Tag,

Tag und Tag und aber Tag,

Mit der ich heut Nacht ſprach.

Der Muͤller nahm die Stiefel,

Streift ſie an ſeine Bein,

Er gieng die Gaſſen auf und ab,

Und fang ein Liedlein klein,

Er ſang ein Lied vom Haberſack,

Gott geb ihr ein guten Morgen,

Und einen guten Tag,

Tag und Tag, und aber Tag,

Mit der ich heut Nacht ſprach.

Das hoͤrt des Muͤllers Knechte

In ſeinem Kaͤmmerlein,

Er dacht in ſeinem Sinne,

Es waͤr ein Fraͤulein fein,

Es waͤr ein Fraͤulein minniglich,

Wollt Gott ſollt ich ſie ſchauen,

Wohl durch den Willen mein,

Dein und mein und aber dein,

Es ſollt verſchwiegen ſein.

Muͤllerlied.


[Altes fliegendes Blat aus 1500.)


Der Muͤller auf ſeim Roͤßlein ſaß,

Gar wohl er in die Muͤhle ſah,

[394]
Er thaͤt dem Annely winken,

O Annelin, liebſtes Annelin mein,

Hilf mir den Wein austrinken.

Und da der Wein austrunken war,

Da kam ein grober Bauer dar,

Er bracht dem Muͤller Saͤcke,

Der Muͤller dacht in ſeinem Sinn,

Haͤtt Korn ich drein gemeſſen.

Der Muͤller in die Muͤhle trat,

Er wuͤnſcht den Saͤcken guten Tag,

Thaͤt in die Lauten ſchlagen,

Und welcher Sack nit tanzen will,

Den nimmt er bei dem Kragen.

Das Baͤurlein in die Muͤhle trat,

Er wuͤnſcht dem Muͤller guten Tag,

Darzu ein guten Morgen,

Dank hab, Dank hab du grober Baur,

Was willſtu bei mir holen.

Das Bauerlein in die Muͤhle ſchreit,

Muͤller haſt mir das Mehl bereit?

Du haſt mirs halber geſtolen,

Du luͤgſt, du luͤgſt du grober Bauer,

Iſt mir in der Muͤhl verſtoben.

Das Baͤurlein aus der Muͤhle trat,

Das Annelein ihm die Wahrheit ſagt,

Du haſt der Kleie vergeſſen,

Ach nein, ach nein, liebs Annelin,

Des Muͤllers Schwein han's geſſen.

[395]
Der Muͤller haͤtt die fettſten Schwein,

Die in dem Lande moͤgen ſeyn,

Er maͤſts aus Bauern Saͤcken.

Da muß ſich mancher arme Bauer

Sein Maͤgd und Knecht fruͤh wecken.

Der Muͤller war ſogar verwegen,

Er iſt dem Bauer in Weg gelegen,

Es hat ihn ſehr verdroſſen,

Daſſelbig that das Muͤllerlein gut,

Iſt ihm gar uͤbel erſchoſſen.

Der Muͤller gaͤb ein Batzen drum,

Daß man ihms Liedlein nimmer ſung,

Er thuts gar uͤbel haſſen,

Singt man das in der Stuben nit,

So ſingt mans auf der Gaſſen.

Der uns das Liedlein neu geſang,

Ein grober Bauer iſt er genannt.

Er hats gar wohl geſungen,

Er hat drei Saͤck in die Muͤhle gethan,

Sind ihm zwey wiederkommen.

Das ſchwerſte Leiden.


[Albertini Narrenhaß. Augsburg 1617]


Es iſt auf Erden kein ſchwerers Leiden,

Als wann ſich einer auf ein neu's muß kleiden.

Ein neues Paar Schuh,

Ein Wammes darzu

[396]
Ein Rock dabei, hat kein Falten.

Die Hoſen ſind hinten und vorne zerſpalten,

Die Struͤmpf haͤngen wohl uͤber die Schuh,

Gleichwie ich auch thue,

Hab ich kein anders zu kaufen.

Wann ich uͤber die Gaſſen gehe,

Der Wind thut mir von Herzen wehe,

Man ſiehet mir hinten und vorne ein,

Das ſtehet nicht fein,

Ein jeder thut meiner lachen.

Linz iſt gar eine feine Stadt,

Darin es gar viel Schneider hat,

Haͤtt' ich Geld, ſo zoͤge ich hinein,

Und kaufet ein.

Alſo muß ichs laſſen bleiben.

Alſo geſchicht den koſtfreien Geſellen,

Wann ſie ſtets banketieren woͤllen,

Freſſen und ſaufen wohl bei dem Wein,

Wollen die beſten ſeyn,

Fuͤr einen jeden thun ſie auszahlen.

Dies Liedlein iſt den jungen Geſellen gemacht;

Die gern ſpaziren gehn bei der Nacht,

Wenig erwerben,

Und viel verderben.

Habt ihr den krummen Peter lange nicht
geſehen
.


(Muͤndlich.)


Hab ich dann ſchon rothe Haar, rothe Haar,

Leid ich d'rum noch kein Gefahr.

[397]
Rothe Haar die Leut nicht ſchaͤnden,

S'iſt, daß mich die Leute kennen,

Hab ich dann ſchon rothe Haar, rothe Haar,

Leid ich d'rum noch kein Gefahr.

Hab ich ſchon ein ſchieles Aug, ſchieles Aug,

Krieg ich doch ein ſchoͤne Frau.

Mancher hat zwey ſchoͤne Augen,

Muß doch durch die Brille ſchauen,

Wann ich ſchon ein wenig ſchiel, wenig ſchiel,

Brauche ich doch keine Brill.

Hab ich ſchon ein ſtumpfe Nas, ſtumpfe Nas,

Bin ich doch ein ſchlauer Haas.

Kann doch ſchoͤn die Teller lecken,

Bleibt mir keiner am Naͤschen ſtecken,

Hab ich ſchon ein ſtumpfe Nas, ſtumpfe Nas,

Bin ich doch ein ſchlauer Haas.

Hab ich ſchon ein krummen Fuß, krummen Fuß,

Weiß ich, daß ich huͤpfen muß,

Mancher hat fein grade Glieder,

Hinkt und huͤpft doch hin und wieder,

Hab ich einen krummen Fuß, krummen Fuß,

Weiß ich, daß ich huͤpfen muß.

Leb ich ſchon inkognito, inkognito,

Scher ich mich auch nichts darum,

Gut gelebt und ſeelig geſtorben,

Iſt dem Teufel die Rechnung verdorben,

Leb ich ſchon inkognito, inkognito,

Scher ich mich auch nichts darum.

[398]

Das Weberlied.


Fruͤhmorgens, wenn der Tag bricht an,

Hoͤrt man uns ſchon mit Freuden

Ein ſchoͤnes Liedlein ſtimmen an,

Und wacker drauf arbeiten.

Die Spule die iſt unſer Pflug,

Das Schifflein iſt das Pferde,

Und damit machen mir gar klug

Das ſchoͤnſte Werk auf Erden.

Gar manche Jungfrau freundlich ſpricht:

Mach mir gut Tuch zu Betten,

Das Garn iſt auch ſchon zugericht,

Zu Tiſchtuch und Servietten.

Webt mir die ſchoͤnſten Bilder drein,

Macht mir darin kein Neſte,

Das Trinkgeld ſollt ihr haben fein,

Webt mirs aufs allerbeſte.

Und wenn ein Kriegsheld zieht ins Feld

Mit ſeinen Wehr und Waffen,

So ſchlaͤgt er auf ein Leinwandzelt,

Darunter thut er ſchlafen.

Die ſchoͤnſte Arbeit weben wir

Von Seiden, Flachs und Wolle,

Dem Faͤhndrich weben wir's Panier,

Daß ers erhalten ſolle.

Und iſt die Leinwand nichts mehr werth,

Und iſt die Fahn verloren,

So koͤmmt ſie erſt in rechten Werth,

[399]
Papier rauſcht vor den Ohren,

Man druckt darauf das Gotteswort,

Und ſchreibt darauf mit Dinten,

Des Webers Werk waͤhrt immer fort,

Kein Menſch kann es ergruͤnden.

Conſtruction der Welt.


(Muͤndlich.)


Als Gott die Welt erſchaffen

Und allerhand Gethier,

Konnt er nicht ruhig ſchlafen,

Er hat noch etwas fuͤr;

Wann nur ein Menſch auf Erden,

Dacht er in ſeinem Sinn,

Die Welt muß voller werden,

Es ſey noch etwas drinn.

Dem koͤnnt wohl alles nutzen

So ſchoͤn gemacht voraus,

Drauf nahm er einen Butzen

Und macht ein Maͤnnlein draus;

Er ſchnipt ihn in die Hoͤhe,

Blies ihn ein biſſel an,

Da ſah er vor ſich ſtehen

Adam! den erſten Mann.

Der Stein, wo Adam ſaße,

Der war ſehr kalt und naß,

Es fror ihn ans Geſaße,

Drum legt er ſich ins Gras;

[400]
Gott Vater ſchaut vom Himmel,

Und ſchaut dem Adam zu,

Gedacht bey ſich ſchon immer:

Was macht mein groſſer Bu?

Ich darf ihn ja nicht ſchlagen,

Es iſt ein jung friſch Blut,

Ein Weib muß ich ihm ſchaffen,

Sonſt thut er mir kein gut.

Dann kommt er hergeſchlichen,

Daß mans konnt merken ſchier,

Fein geſchwind nahm er ein Rippe,

Aus Adams Seit herfuͤr.

Adam, der thut erwachen,

Und hat das Ding geſpuͤrt,

Es war ihm nicht ums Lachen,

Drum er ſo heftig ſchrie:

O Herr! Wo iſt mein Rippen?

Ich bin kein ganzer Mann,

Wann ich daran will dippen,

So iſt kein Ripp mehr da.

Adam ſey nur zufrieden,

Schlaf fort in guter Ruh,

Vor Schaden dich will b'huͤten,

Ich ſtell dirs wiedrum zu.

Ein Weib will ich draus machen,

Ein wunderliches Thier,

Du ſollſt mir druͤber lachen,

Schau gſchwind, da ſtehts ſchon hier!

[401]
Kannſt du ſo ſchoͤne Sachen

O lieber Gott und Herr!

Aus meinen Rippen machen,

So nimm der Rippen mehr;

Komm her mein liebe Rippe,

Sey tauſendmal willkomm,

Geh hin und nimm die Schippe,

Und grab die Erd herum.

Eins will ich euch noch ſagen,

Den Baum laßt mir mit Fried,

Die Frucht ſo er thut tragen

Sollt ihr verkoſten nit.

Ihr ſollt des Tods gleich ſterben,

Zum Garten naus gejagt,

Ins Elend und Verderben,

Zum Garten naus gejagt.

Ach Gott, was ſchoͤne Aepfel,

So roth als wie ein Blut,

Sie waͤr'n recht in mein Kroͤpfel,

Ich glaub ſie ſeynd recht gut!

Braͤucht nicht lang zu ſtudieren,

Koͤnnt bald ein Doktor ſeyn;

Braͤucht nicht lang zu ſtudieren,

Koͤnnt bald ein Doktor ſeyn.

Darauf die Schlang ſich kruͤmmet

An die verbotne Frucht,

Anbey ganz lieblich ſinget:

Glaubt nicht daß dieſer Fluch

An euch erfuͤllt ſoll werden,

2 Band. 26.
[402]
Viel lieber wird euch ſeyn

Das Leben hier auf Erden,

Wie Goͤtter koͤnnt ihr ſeyn.

Mit Gott das laß du bleiben,

Fangſt ſchoͤne Haͤndel an,

Er iſt im Stand, thut treiben

Uns gleich zum Garten naus.

Adam wo biſt hinkrochen?

O weh er ruft uns ſchon;

Adam wo biſt hinkrochen?

O weh er ruft uns ſchon.

O Herr! thut mich verſchonen,

Ich kann ja nichts dafuͤr,

Die Rippe hats gethan,

Die Schlang hat uns verfuͤhrt.

Die Schlang hat uns verſprochen,

Wir koͤnnten was beſſers ſeyn,

Drauf dachten wir wolltens wagen,

Und haben halt biſſen drein.

Kriech mit mir unters Gebuͤſche,

Geſchwind laßt uns bedecken,

Sonſt thut er uns erwiſchen,

Wann er herein thut treten.

Adam wo biſt hingangen?

O weh! er ruft uns ſchon!

Adam wo biſt hingangen?

O weh! er ruft uns ſchon!

Untreues Lumpeng'ſindel,

Wie uͤbel habt ihr g'haußt;

[403]
Geſchwind macht euren Buͤndel.

Packt euch zum Garten naus;

In Arbeit ſollſt du ſchwitzen,

Weil dieſes haſt gethan,

Und bey dem Rocken ſitzen,

Das iſt der Suͤnden Lohn.

Die Eva wollt nicht gehen,

Die rief ſich ihren Mann,

Der wollt ihr nicht beyſtehen,

Da gieng das Zanken an. —

Jezt wird das groͤßte Wetter

Um meinen Hals hergehn,

Haͤtt ich das alte Leder

Mein Lebtag nicht geſehn!

Zu Fuß ſollſt du nicht laufen,

Ich ſags bey meiner Treu,

Was Schoͤns will ich dir kaufen,

Wenn Kirchweih kommt herbey.

Und kriegſt du mir erſt Kinder,

Wohl uͤbers Jahr hinaus,

So waſch ich dir die Windel

Und kehr die Stuben aus.

Ausſicht in die Ewigkeit.


[Fliegendes Blat]


O wie gehts im Himmel zu

Und im ewigen Leben,

[404]
Alles kann man haben gnug,

Darf kein Geld ausgeben,

Alles darf man borgen,

Nicht fuͤrs Zahlen ſorgen;

Wenn ich einmal drinnen waͤr,

Wollt nicht mehr heraus begehr.

Faͤllt im Himmel Faſttag ein,

Speiſen wir Forellen,

Peter geht in Keller nein,

Thut den Wein beſtellen;

David ſpielt die Harpfen,

Ulrich bratet Karpfen,

Margareth backt Kuͤchlein gnug,

Paulus ſchenkt den Wein in Krug.

Lorenz hinter der Kuͤchenthuͤr,

Thut ſich auch bewegen,

Tritt mit ſeinem Roſt herfuͤr,

Thut Leberwuͤrſt drauf legen,

Dorthe und Sabina,

Liesbeth und Cathrina

Alle um den Heerd rum ſtehn,

Nach den Speiſen ſie auch ſehn.

Jezt wolln wir zu Tiſche gehn,

Die beſte Speis zu eſſen,

Die Engel um den Tiſch rum ſtehn,

Schenken Wein in'd Glaͤſer.

Sie thun uns invitiren,

Der Barthel muß tranſchieren,

Joſeph legt das Eſſen vor,

Caͤcilia b'ſtellt ein Muſikchor.

[405]
Martin auf dem Schimmel reit,

Thut fein gallopiren,

Blaſi haͤlt die Schmier bereit,

Thut die Kutſchen ſchmieren,

Waͤren wir ja Narren,

Wenn wir nicht thaͤten fahren,

Und thaͤten alle weil zu Fuße gehn,

Und ließen Roß und Kutſche ſtehn.

Nun adje du falſche Welt,

Du thuſt mich verdrießen,

Im Himmel mir es beſſer g'faͤllt,

Wo alle Freuden flieſſen.

Alles iſt verfaͤnglich,

Und alles iſt vergaͤnglich,

Wenn ich einmal den Himmel hab,

Huſt' ich auf die Welt herab.

Das neue Jeruſalem.


[Fliegendes Blatt.]


Wer hat Luſt mit mir zu ziehen

Nach der Stadt Jeruſalem,

Denn darinnen kann man ſehen

Was der weiſe Salomon

Hat gebauet Schloͤſſer, Kirchen,

Alles iſt von Stein und Holz,

Alles uͤberzogen worden

Mit dem Silber und rothen Gold.

[406]
Der Glanz iſt nicht auszuſprechen

Von der Stadt Jeruſalem,

David ſpielet auf der Harfe,

Benjamin ſpielt Floͤttrawaͤr,

Iſaak tanzet mit Rebekka,

Jakob mit der ſchoͤnen Rahel.

Zu der groſſen Freudenwonne,

Auf dem Schloß Jeruſalem.

O Jeruſalem du ſchoͤne,

O wie ſchoͤne glaͤnzeſt du,

Ey waͤrſt du nur in der Naͤhe,

So waͤr ich ſchon laͤngſt bey dir.

Ach wenn ich ein Engel waͤre,

Daß ich heut noch fliegen koͤnnt,

In die Hoͤh wollt ich mich ſchwingen,

Und fliegen nach Jeruſalem.

So lang ſich mein Herz beweget,

Und ein warmes Troͤpflein Blut,

In den blauen Adern reget,

Bleib ich dir mein Engel gut.

Schnuͤtzelputz-Haͤuſel.


[Buͤſching und von der Hagen Sammlung deutſcher Volkslieder. Berlin
1807. S. 59.]


So geht es in Schnuͤtzelputz Haͤuſel,

Da ſingen und tanzen die Maͤuſel,

Und bellen die Schnecken im Haͤuſel.

In Schnuͤtzelputz Haͤuſel da geht es ſehr toll,

[407]
Da ſaufen ſich Tiſch und Baͤnke voll,

Pantoffeln unter dem Bette,

So geht es in Schnuͤtzelputz Haͤuſel etc.

Es ſaſſen zwei Ochſen im Storcheneſt.

Die hatten einander gar lieblich getroͤſt't,

Und wollten die Eier ausbruͤten.

So geht es in Schnuͤtzelputz Haͤuſel etc.

Es zogen zwei Stoͤrche wohl auf die Wacht,

Die hatten ihre Sache gar wohl bedacht,

Mit ihren großmaͤchtigen Spieſſen.

So geht es in Schnuͤtzelputz Haͤuſel etc.

Ich wuͤßte der Dinge noch mehr zu ſagen,

Die ſich in Schnuͤtzelputz Haͤuſel zutragen,

Gar laͤcherlich uͤber die Maßen.

Raͤthſel um Raͤthſel.


Ei Jungfer ich will ihr

Was aufzurathen geben,

Und wenn ſie es errathet

So heurath ich ſie.

Was fuͤr eine Jungfer

Iſt ohne Zopf?

Was fuͤr ein Thurm

Iſt ohne Knopf?

„Die Jungfer in der Wieg

„Iſt ohne Zopf,

„Der Babiloniſch Thurm

„Hat keinen Knopf.“

[408]
Was fuͤr eine Straße

Iſt ohne Staub?

Welcher gruͤne Baum

Iſt ohne Laub?

„Die Straße auf der Donau

„Iſt ohne Staub,

„Der gruͤne Tannenbaum

„Iſt ohne Laub.“

Was fuͤr ein Koͤnig

Iſt ohne Thron?

Was fuͤr ein Knecht

Hat keinen Lohn?

„Der Koͤnig in der Karte

„Hat keinen Thron,

„Der Knecht an dem Stiefel

„Hat keinen Lohn.“

Was fuͤr ein Koͤnig

Iſt ohne Land?

Was fuͤr ein Waſſer

Iſt ohne Land?

„Der Koͤnig auf dem Schilde

„Iſt ohne Land,

„Das Waſſer in den Augen

„Iſt ohne Sand.

Was fuͤr eine Scheere

Hat keine Schneid?

Was fuͤr eine Jungfer

Geht ohne Kleid?

[409]
„Die ſchwarze Lichtputzſcheer

„Hat keine Schneid,

„Die Jungfer in dem Meer

„Die hat kein Kleid.

Welches ſchoͤne Haus

Hat weder Holz noch Stein?

Welcher gruͤne Straus

Hat keine Bluͤmelein?

„Das kleine Schneckenhaus

„Hat weder Holz noch Stein,

„Der Straus an dem Wirthshaus

„Hat keine Bluͤmelein.“

Was fuͤr ein Herz

Thut keinen Schlag?

Und was fuͤr ein Tag

Hat keine Nacht?

„Das Herz an einer Schnalle

„Thut keinen Schlag,

„Der allerjuͤngſte Tag

„Hat keine Nacht.

Ei Jungfer ich kann ihr

Nichts aufzurathen geben,

Und iſt es ihr wie mir

So heurathen wir.

„Ich bin ja keine Schnalle,

„Mein Herz thut manchen Schlag,

„Und eine ſchoͤne Nacht

„Hat auch der Hochzeitstag.“

[410]

An den Meiſtbiethenden gegen gleich baare
Bezahlung.


Lieber Schatz, wohl nimmerdar

Will ich von dir ſcheiden,

Kannſt du mir aus deinem Haar

Spinnen klare Seiden.

Soll ich dir aus meinem Haar

Spinnen klare Seiden,

Sollſt du mir von Lindenlaub

Ein neu Hemdlein ſchneiden.

Soll ich dir aus Lindenlaub

Ein neu Hemdlein ſchneiden,

Mußt du mir vom Krebſelein

Ein paar Scheeren leihen.

Soll ich dir vom Krebſelein

Ein paar Scheeren leihen,

Mußt du tauſend Krebſelein

Durch den Neckar treiben.

Soll ich tauſend Krebſelein

Durch den Neckar treiben,

Mußt du mir die Schrittlein zaͤhlen,

Die die Krebslein ſchreiten.

Soll ich dir die Schrittlein zaͤhlen,

Die die Krebslein ſchreiten,

Muſt du mir die Bruͤcke ſchlagen

Von einem kleinen Reife.

[411]
Soll ich dir die Bruͤcke ſchlagen

Von einem kleinen Reife,

Mußt du mir den Siebenſtern

Am hellen Mittag weiſen,

Soll ich dir den Siebenſtern

Am hellen Mittag weiſen,

Mußt du auf den Muͤnſterthurm

Mit mir zu Pferd auch reiten.

Soll ich auf den Muͤnſterthurm

Mit dir zu Pferd auch reiten,

Mußt du mir die Spornen machen,

Wohl von dem glatten Eiſe.

Soll ich dir die Spornen machen,

Wohl von dem glatten Eiſe,

Mußt du ſie an die Fuͤße ſchlagen,

Am heißen Sonnenſcheine.

Soll ich ſie an die Fuͤße legen

Am heißen Sonnenſcheine?

Muß du mir eine Peitſche drehen

Von Waſſer und von Weine.

Soll ich dir eine Peitſche drehen,

Von Waſſer und von Weine,

Mußt du mir den Rieſenſtein

Zu klarem Staube reiben.

Soll ich dir den Rieſenſtein

Zu klarem Staube reiben,

Mußt du mir den Apfel roth

Wohl um die Welt rum treiben.

[412]
Soll ich dir den Apfel roth

Wohl um die Welt rum treiben,

Mußt du ziehen uͤbers Meer,

Und doch auch bei mir bleiben.

Soll ich ziehen uͤbers Meer,

Und doch auch bei dir bleiben,

Mußt du deine Mutter geben

Als Jungfrau mir zum Weibe.

Soll ich meine Mutter geben

Als Jungfrau dir zum Weibe,

Lieber will ich dir ein Kindlein geben,

Und keine Jungfrau bleiben.

Fuge.


[Hackenbergers deutſche Geſaͤnge. Danzig 1610.p 20.]


Ein Muſikant wollte froͤhlich ſeyn,

Es thaͤt ihm wohl gelingen,

Er ſaß bey einem guten Wein,

Da wollt er luſtig ſingen,

Bekannt iſt weit und breit der Wein,

Gewachſen hin und her am Rhein,

Macht ſittlich modulieren,

Thut manchen oft verfuͤhren.

Davon ſezt er ein Liedlein klein,

Das thut er wohl betrachten,

Und miſchet gute Fugen ein,

Niemand konnts ihm verachten.

[413]
Er dacht in dem Gemuͤthe ſein,

Ey waͤren tauſend Kronen mein,

Und alle Jahr ein Fuder Wein,

Das koͤnnten gute Fugen ſeyn.

Saͤuberliches Maͤgdlein.


[Frankens muſikaliſches Convivium. 1622.]


Wo find ich deines Vaters Haus

Saͤuberliches Maͤgdlein?

Geh das Gaͤßlein ab und aus,

Schweig ſtill und laß dein Fragen ſeyn.

Wo bellet dann das Huͤndlein dein: Saͤub. etc.

Ruf den Waͤchter leiſe ein: Schweig etc.

Wo knarret dann das Thuͤrlein dein, Saͤub. etc.

Nimm den Haspen in die Hand: Schweig etc.

Wo ſchimmert dann das Feuer dein: Saͤub. etc.

Geuß ein wenig Waſſer drein: Schweig etc.

Wo find ich dann das Kaͤmmerlein: Saͤub. etc.

Bey der Kuͤche an der Wand: Schweig etc.

Wo leg ich hin dein Hemdelein: Saͤub. etc.

Weißt dus nit, ſo nimms nicht rein: Schweig etc.

Wie ſoll ich auf den Morgen thun: Saͤub. etc.

Zieh dich an und geh darvon: Schweig. etc.

[414]

Trinklied.


[Eraſmus Widtmanns muſikaliſche Kurzweil. Nuͤrnberg 1623.]


Zu Klingenberg am Maine,

Zu Wuͤrzburg an dem Steine,

Zu Bacherach am Rhein

Hab ich in meinen Tagen

Gar oftmals hoͤren ſagen,

Soll'n ſein die beſten Wein.

Jung ſchenk mir ein

Ein Glaͤslein fein,

Und bring mirs her,

Wie ichs begehr.

Mein lieber Herr!

Ich will euch dieſen bringen,

Froͤlich und guter Dingen.

Friſch auf ihr Herrn! her und dran,

Das Faͤßlein hat kein'n Panzer an.

Bin ich ſchon nit am Maine,

Zu Wuͤrzburg an dem Steine,

Noch dieſesmal am Rhein,

Sein dennoch andre Reben,

Die auch gut Saͤftlein geben,

Lieblich und edle Wein.

Jung ſchenk mir ein

Ein Glaͤslein Wein,

Und bring mir's her,

Wie ichs begehr.

Mein lieber Herr!

Ich kanns euch nit abſchlagen,

Will's kecklich mit euch wagen,

[415]
Friſch auf ihr Herrn? her und dran,

Das Faͤßlein hat kein Panzer an.

Im Wirtenberger Lande

Iſt weit und breit bekannte,

Das edle Nekarthal,

Da waͤchſt ein geſunder Safte,

Der giebt uns gute Kraͤfte,

Mit Freuden oftermal.

Jung! ſchenk mir ein

Ein Glaͤslein Wein,

Und bring mir's her,

Wie ichs begehr.

Mein lieber Herr!

Ich bitt ihr woͤllt mit Freude

Fein redlich thun Beſcheide.

Friſch auf ihr Herren! her und dran,

Das Faͤßlein hat kein'n Panzer an.

Und kann ein Land nit haben

Des edlen Weines Gaben,

So fuͤhrts der Fuhrmann drein,

Darum an allen Orten

Von viel und manchen Sorten

Wird gefunden guter Wein.

Jung! ſchenk mir ein

Ein Glaͤßlein Wein,

Und bring mirs her,

Wie ichs begehr.

Mein lieber Herr!

Ich will es jenem bringen,

Thut ihr ein' Weile ſingen:

[416]
Friſch auf ihr Herrn! her und dran,

Das Faͤßlein hat kein'n Panzer an.

Im fruchtbarn Taubergrunde

Waͤchſt Wein ſtark und geſunde,

Auch an viel Orten mehr,

Dabei wir froͤhlich ſingen,

Und oft mit Freuden ſpringen,

Gut Wein jagt Trauern fern.

Jung! ſchenk mir ein

Ein Glaͤßlein Wein,

Und bring mir's her,

Wie ichs begehr.

Mein lieber Herr!

Das Waſſer g'hoͤrt dem Fiſche,

Der Wein dem Menſchen friſche.

Friſch auf ihr Herren! her und dran,

Das Faͤßlein hat kein'n Panzer an.

In Oeſterreich und Steier

Sind gewachſen fern und heuer,

Geſund und gute Wein,

So die Leut luſtig machen,

Daß ſie ſingen und lachen,

Tag und Nacht froͤhlich ſeyn.

Jung! ſchenk mir ein

Ein Glaͤßlein Wein,

Und bring mir's her

Wie ichs begehr.

Mein lieber Herr!

Jung! thu das Glaͤslein ſchwenken,

[417]
Ein friſches einzuſchenken.

Friſch auf ihr Herrn! her und dran!

Das Faͤßlein hat kein'n Panzer an.

Trinklied.


[Mitgetheilt von H. C. Bertuch.]


Ich ging einmal nach Graßdorf nein,

Da kam ich vor die Schenke,

Und da ich vor die Schenke kam,

Da fing mich an zu durſten.

Der Wirth der ſezt mich oben an,

Er dacht ich waͤr der beſte.

Ey Mutter Gottes ja

Maynbluͤmlein bla,

Wie lachten die andern Gaͤſte.

Und weil ich nun gegeſſen hatt'

Da ſollt' ich auch bezahlen,

Da fragt ich, was die Mahlzeit koſt',

Da ſprach der Wirth ein Thaler,

Ey Mutter Gottes ja

Maynbluͤmlein bla,

Da hatt' ich keinen Thaler.

Der Wirth der zog mein Roͤckle aus,

Und jagt mich in die Scheune,

Ey Mutter Gottes ja, Maynbluͤmlein bla,

Wie lang war mir die Weile.

Und als es gegen Morgen kam,

Da traͤufelts von dem Dache,

Ey Mutter Gottes ja

2. Band. 27
[318[418]]
Maynbluͤmlein bla,

Da mußt ich ſelber lachen.

Und als es gegen Mittag kam,

Da zog der Wirth mir's Kaͤpple aus,

Und jagt mich auf die Straße.

Und als ich auf die Straße kam,

Die Schuh warn ſehr zerbrochen,

Ey Mutter Gottes ja

Maynbluͤmlein bla,

Da lief ich auf den Socken.

Trinklied.


[Kriegers Arien. Dresden 1667]


Der edle Wein

Iſt doch der beſte Schieferdecker,

Sein ſchiefer Schein

Macht alle Menſchen etwas kecker,

Ich wundre mich,

Daß er ſo klettern kann und ſteigen,

Und macht daß ſich

Die großen Haͤupter vor ihm neigen.

Der muntre Trank

Kann ohne Leiter weiter kommen,

Wenn er ſo blank

Die Stirnenburg hat eingenommen,

Als mancher, der

Mit Huͤlfe ſich hinan will bringen,

Und ohn Gefahr

Die Haͤlfte noch weiß zu erzwingen.

[419]
Drum bleibts dabey,

Er hegt ein recht vergoͤttert Leben,

Weil er ſo frey

Kann in die Luͤfte ſchweben.

Und wenn wir ihn

In unſre hohlen Haͤlſe laſſen

Mit Pracht einziehn,

Empfinden wir ihn gleichermaſſen.

Dann manches Haus,

So ſchwer es ſonſt auf Saͤulen ſtehet,

Faͤhrt mit hinaus,

Es merket, daß es leichter gehet,

Sobald der Wein

Durch ſeine Pfort iſt eingezogen,

So ſtimmt es ein,

Und meint es ſey ſchon hochgeflogen.

Wenn dies geſchicht,

So koͤnnte doch kein Haus beſtehen,

Wenn Morpheus nicht,

Der Baukunſt an die Hand zu gehen,

Vor andren waͤr

Erfahren und ſo weit gekommen,

Daß ihm die Ehr

Von Sterblichen noch nie genommen.

Dann wenn der Wein

Aufleget gar zu ſchwere Daͤcher,

So muß es ſeyn,

Daß ſie beſchweren die Gemaͤcher,

Macht er Verdruß,

[420]
So mag er Schieferdecker bleiben,

Doch Morpheus muß

Den Bau erhalten und forttreiben.

Hum fauler Lenz.


[Mitgetheilt von H. Spangenberg.]


Es wollt eine Frau zu Weine gahn. Hum fauler

Lenz.

Und wollt den Mann nicht mit ſich han. Ha ha ha.

Du mußt zu Hauſe bleiben. Hum etc.

Sollſt Kuͤh und Kaͤlber treiben. Ha etc.

Ach Mann, was haſt du dann gethan. Hum etc.

Du haſt den Rahm gefreſſen ab. Ha etc.

Und haſt die Molken laſſen ſtahn. Hum etc.

Dafuͤr mußt du jezt Pruͤgel han. Ha etc.

Die Frau ergrif den Plaul. Hum etc.

Und ſchlug den Mann aufs Maul. Ha etc.

Der kroch zum Huͤhnerloch hinaus. Hum etc.

Wohl in das naͤchſte Nachbarhaus. Ha etc.

Ach Nachbar, ich muß klagen. Hum etc.

Mein Frau hat mich geſchlagen. Ha etc.

So iſt mir geſtern auch geſchehn. Hum etc.

So will ich wieder heime gehn. Ha. etc.

[421]

Trinklied.


[Poetiſches Luſtgaͤrtlein. Gedruckt 1645. S. 21.]


Wer fragt danach,

Aus dem Gelag,

Hab ich mir vorgenommen,

Den ganzen Tag,

So lang ich mag,

Auch morgen nicht zu kommen.

Herr Wirth, gebt ihr

Die Freyheit mir,

Mich luſtig zu erzeigen,

So ſeht nur an,

Wie wohl ich kann

Die friſchen Glaͤſer neigen.

Dies iſt der Trank,

Der Unmuth zwang,

Durch den wir luſtig werden,

Der unſern Geiſt

Der Pein entreißt,

Giebt freudige Geberden.

Er thut uns kund

Des Herzens Grund,

Macht Bettler gar zu Fuͤrſten,

Wir werden kuͤhn

Und friſch durch ihn,

Daß uns nach Blut muß duͤrſten.

Sein ſuͤßer Saft

Giebt denen Kraft

Zu reden, die ſonſt ſchweigen,

[422]
Macht uns bereit,

Barmherzigkeit

Den Armen zu erzeigen,

Wie auch beherzt,

Das was uns ſchmerzt

Zu eifern und zu laͤſtern,

Ertheilt die Kunſt

Und alle Gunſt

Der dreymal dreyen Schweſtern.

Daher man ſieht,

Wenn wir hiemit

Die Naſe ſchon begoſſen,

Wie dann der Fluß

Des Pegalus

Kommt auf uns zugeſchoſſen,

Der will dann ein

Poete ſeyn,

Der kann viel Streitens machen

Von der Natur,

Der redet nur

Von Gottes hohen Sachen.

Dort hat ein Paar

Sich bey dem Haar,

Der greift nach ſeinem Degen,

Der ſteht und ſpeit,

Der jauchzt und ſchreit

Und kann ſich kaum noch regen.

Der ſaͤuft dem zu

Auf einen Du,

Der ſchwatzt von ſeinen Kriegen,

[423]
Der ſitzt und weiſt

Wo er gereiſt,

Und ſcheut ſich nicht zu luͤgen.

Auch mir wird izt

Der Kopf erhitzt,

O Wein, von deinen Gaben,

Die Zunge ſingt

Die Seele ſpringt,

Die Fuͤſſe wollen traben,

Wohlan noch baß

Durch dieſes Glas

Will ich auf dich jezt zielen,

Du deutſches Blut

Laß mir ein gut

Rundadinella ſpielen.

Trinklied.


[1500 - 1550.]


Die liebſte Buhle, die ich han,

Die liegt beim Wirth im Keller,

Sie hat ein hoͤlzern Roͤcklein an,

Und heißt der Muskateller.

Sie hat mich naͤchten trunken gemacht,

Und froͤhlich mir den Tag vollbracht,

Drum wuͤnſch ich ihr ein gute Nacht.

Sie hat mich auch ſo angelacht,

Daß ich die Sprach verlohren,

[424]
Und hat mir geſtern Bauchweh gemacht

Wohl zwiſchen meinen Ohren,

Drum thu ich ihr ein Poſſen heut,

Und bring zu ihr ein andre Maid,

Die mag mit ihr beſtehn den Streit.

Nun Maͤgdlein halt dein Kraͤnzlein feſt,

Daß du nicht koͤmmſt zum weichen,

Mein Wein thut heut gewiß ſein Beſt,

Gar ſanft wird er einſchleichen.

Mein Herz haͤlt Waſſer als ein Sieb,

Mein Buhl, er iſt mir gar zu lieb.

Steig ein, ſchleich ein du lieber Dieb.

Soll ich mein Kraͤnzlein halten feſt,

Das ſein haͤngt an der Pforten,

Viel lieber waͤr ich nie geweſt

In dieſem ſchweren Orden.

Dein Buhl dreht mir die Sinnen all,

Das Glaͤslein hat ein glatten Schall,

Gieb acht mein Knab, daß ich nit fall.

Und wenn er in ein faul Faß kaͤm,

So muͤßt mein Wein verſauren,

Und wenn ich eine andre naͤhm,

So muͤßt mein Herz vertrauren;

Drum will mein Buhl mir ſtehen bei,

Er lehrt mich ſagen alſo frei,

Daß ich dich mein mit ſteter Treu.

Und waͤr ein Faͤßlein noch ſo rein,

So findt man Druſen drinnen,

[425]
Und waͤr ein Knabe noch ſo fein,

Iſt er doch falſch von Sinnen.

Mit Spinnen voll ein Zuckerlad,

O Weh, der mich verfuͤhret hat

Auf dieſen ſteilen Rebenpfad.

Ach Maͤgdlein laß dein Weinen ſeyn,

Bis daß geweint die Reben,

Und bringſt du mir ein Knaͤbelein,

Ein Winzer ſoll es geben,

Und bringſt du ein klein Maͤgdelein,

Solls naͤhen mit der Nadel fein

Den Schlemmern ihre Hemdelein.

Das dumme Bruͤderlein.


[1500 - 1550]


Wo ſoll ich mich hinkehren,

Ich dummes Bruͤderlein,

Wie ſoll ich mich ernaͤhren

Mein Gut iſt viel zu klein;

Wie wir ein Weſen han,

So muß ich bald daran,

Was ich heut ſoll verzehren

Iſt geſtern ſchon verthan.

Ich bin zu fruͤh geboren,

Wo heute ich hinkomm,

Mein Gluͤck das kommt erſt morgen,

Haͤtt ich den Schatz im Dom,

[426]
Dazu den Zoll am Rhein,

Und waͤr Venedig mein,

So waͤr es all verloren,

Es muͤßt verſchlemmet ſeyn.

Was hilft, daß ich mag ſparen,

Vielleicht verloͤr ichs gar,

Sollt mirs ein Dieb ausſcharren,

Es reute mich ein Jahr,

Ich weis, mein Gut vergeht

Mit Schlemmen fruͤh und ſpaͤt,

Doch der hat einen Sparren,

Dem was zu Herzen geht.

Ich laß die Voͤgel ſorgen

In dieſem Winter kalt,

Will uns der Wirth nicht borgen,

Den Rock geb ich ihm bald,

Sein Wein, der mich erzog,

Hat nur ein hoͤlzern Rock,

Will mich als Faß ihm borgen,

In meinem rothen Rock.

Ruͤck an den Schweinebraten,

Dazu die Huͤhner jung,

Darauf mag bas gerathen

Ein friſcher kuͤhler Trunk,

Mein Freund, du guter Wein,

Willkommen, du biſt mein,

Mir iſt ein Beut gerathen,

Das muß verſchlemmet ſeyn.

[427]
Drey Wuͤrfel, eine Karte,

Das iſt mein Wappen frey,

Sechs huͤbſche Fraͤulein zarte

An jeder Seite drey,

Komm her du ſchoͤnes Weib,

Mein Herz freut ſich im Leib,

Du mußt heut auf mich warten,

Der Wein iſt Zeitvertreib.

Trinklied.


[1500 - 1550.]


Dort unten an dem Rheine,

Da iſt ein Berg bekannt,

Der traͤgt ein guten Weine,

Ruͤdesheimer genannt,

Der hat ein geiſtlich Art an ſich,

Macht aͤußerlich und innerlich.

Ein Kloͤſterlein wir bauen

Dort aus der Maßen gut,

Von lauter ſchoͤn Jungfrauen,

Liegt gar in großer Armut,

Darin manch Bruder trinkt kein Geld,

Und ißt kein Wein, daß er den Orden haͤlt.

Ein Abt den thun wir weihen,

Der hat der Huͤhner viel,

Die gachſen all und ſchreien,

Wer nur die Eier will,

Ka, ka, ka, ka, ka, ka ney

Backen wir ein Kuͤchelein zu dem Wein.

[428]
Kartheuſer ſind uns zu wider,

Zur Zeit wenn ſie aufſtehn,

Dann legen wir uns nieder,

Und putzen uns die Zaͤhn.

Kartheuſer ſind uns ungemaͤs,

Wir eſſen kein Brod und ſie kein Kaͤs.

Gloria! ihr Bruͤder alle,

Profiziat ihr Herrn,

Kapitel wollen wir halten,

Bis zu dem Morgenſtern.

Nun reſonet in Laudibus,

Wer uͤbrig bleibt, bezahlen muß.

Trinklied.


[1500 - 1550.]


Man ſagt wohl in dem Mayen,

Da ſind die Bruͤnnlein geſund,

Ich glaubs nicht meiner Treuen,

Es ſchwenkt eim nur den Mund,

Und thut im Magen ſchweben,

Drum will mirs auch nicht ein,

Ich lob die edlen Reben,

Die bringen uns gut Wein.

Wo Heu waͤchſt auf der Matten,

Dem frag ich gar nichts nach,

Es hab Sonn oder Schatten,

Iſt mir geringe Sach.

Gut Heu, das waͤchſt an Reben,

[429]
Daſſelbig wolln wir han,

Gut Streu thut es auch geben,

Das weiß wohl Weib und Mann.

Und wer es nicht kann kauen,

Der geh auch nicht zum Wein,

Doch ſeh ich an dem Hauen

Daß wir gut Maͤher ſein:

Wir rechens mit den Zaͤhnen,

Und worflens mit dem Glas,

Der Magen muß ſich dehnen,

Daß ers in Scheuer laß.

Wir han gar kleine Sorgen

Wohl um das roͤmiſch Reich,

Es ſterb heut oder morgen,

Das gilt uns alles gleich;

Und gieng es auch in Stuͤcke,

Wenn nur das Heu geraͤth,

Daraus drehn wir ein Stricke

Der es zuſammen naͤht.

Die Speckſupp iſt gerathen,

Den Schlaftrunk bringt uns her,

Iſt noch ein Weck am Laden,

Er iſt nit ſicher mehr,

Ein Kaiſer ſteckt zum Spieſe,

Ein Kuͤnglein in Paſtet,

Arm Ritter macht recht ſuͤße,

Bis daß der Hahn gekraͤht.

Das Liedlein will ſich enden,

Wo iſt daheime nu?

[430]
Tapt hin nur an den Waͤnden,

Und legt das Heu zur Ruh,

Der Wagen ſchwankt hereine,

Sie han geladen ſchwer,

Er braͤch, wenn nicht am Rheine

Der Strick gewachſen waͤr.

Ich bind mein Schwerdt zur Seiten,

Und mach mich bald davon,

Hab ich dann nit zu reiten,

Zu Fuße muß ich gon,

Ich taumle als ein Gaͤnſelein,

Das ziehet auf die Wacht,

Das thut das Heu und auch der Wein,

Ade zur guten Nacht.

Evoe.


[1500-1550].


Freut euch ihr lieben Knaben!

Der Herbſt erzeigt ſich wohl,

Die lang getrauert haben,

Heut wollen wir werden voll.

Wir haben vormals den ſauren Wein

Gar theuer genommen an,

Das wollen wir heute bringen ein,

Der ſuͤße Moſt, der neue Wein,

Wird uns gar gern eingahn.

Was wir verſaͤumet haben,

Das machen wir nun gleich,

[431]
Mit Wein wollen wir uns laben

Hier und in Oeſterreich,

In einer neuen Krauſen

Wollen wir ihn nehmen an,

Ob ihm ſoll uns nit grauſen,

Bis uns der Kopf thut ſauſen,

Nit eh gehn wir davon.

In einem Keller tiefe,

Wollen wir uns ſenken ein;

Darnach dem Wirthsknecht rufen:

Trag her ein kuͤhlen Wein!

Von dir wollen wir nit weichen,

Bis daß wir werden voll,

Laß uns nur Wein herreichen,

Geſellen, ich will euch zeigen,

Der Wein thut was er ſoll.

Wirthsknecht, nun merk uns eben,

Was unſer Meinung ſey,

Kein Pfenning wir dir geben,

Du bringſt uns dann herbey

Ein guten feiſten Braten,

Den wollen wir gern haben,

Wir moͤgen ſein nicht gerathen,

Eine gute Henne geſotten,

Die fuͤgt wohl ſolchen Knaben,

Ein Bergwerk haben wir funden,

Das macht uns heut noch reich,

Das bringt uns Freud und Wonne,

Zu Wien in Oeſterreich,

[432]
Da finden wir aufgeſchlagen

Gar manche Grube fein,

Da fuͤllen wir unſern Kragen,

Den Bauch und auch den Magen

Wohl bei dem Oſterwein.

Wohl auf ihr lieben Geſellen,

Wohl in das Bergwerk ein,

Die alle Morgen woͤllen

Trinken gut Wermuthwein,

Das ſind die rechten Geſellen,

Die in das Bergwerk fahrn,

Es ſind die rechten Knappen,

Sie ſitzen in einer Kappen,

Gott woll ſie all bewahrn.

Den Herren allen gleiche,

Wuͤnſch ich viel Gluͤck und Heil,

Die heut von Oeſterreiche

Bringen ein rechtes Theil

Des Erzes aus der Grube,

Die Noe funden hat,

Sie erfreut gar manchen Buben,

Um Sorg gaͤb er kein Ruben,

Sein Herz in Freuden ſtaht.

Wir haben uns vermeſſen,

Gut Geſellen allgemein,

Wir ſollen nit vergeſſen

Der Fuhrleut groß und klein,

Die in das Elſas fahren,

Und bringen rheinſchen Wein,

[433]
Ihr Lob wolln wir nit ſparen,

Gott woll ſie all bewahren,

Maria die Koͤnigein.

Dazu die Franken alle,

Die bauen guten Wein,

Gott gruͤß ſie mit reichem Schalle,

Ihr Lob das iſt nit klein,

Dazu die Fuhrleut gute,

All die gen Frankfurt fahrn,

Gott habs in ſeiner Hute,

Maria die viel gute

Woll ſie allzeit bewahrn.

Im Wirthshaus iſt gut leben,

Wenn koͤmmt der heurig Wein,

Da wollen wir dann ſtreben,

Und wollen froͤhlich ſein,

Bratwuͤrſt, jung Schwein und Hahnen

Soll man uns tragen her,

Und andre Gericht und Nahmen

So kommen wir zuſammen

All voll und ſelten leer.

Reich' Wuͤrfel her und Karten,

Ein Bretſpiel wolln wir han,

So moͤgen wir erwarten,

Den nuͤchtern Morgenhahn,

Dann wollen wir noch haben

Ein guten Salvewein,

2. Band. 28.
[434]
Damit wir uns erlaben,

Gott behuͤt die frommen Knaben,

Die ſtets voll wollen ſeyn.

Einladung zur Martinsgans.


[Simon Dachs Zeitvertreiber. 1700.]


Wann der heilge Sankt Martin

Will der Biſchofsehr entfliehn,

Sitzt er in dem Gaͤnſeſtall

Niemand findt ihn uͤberall,

Bis der Gaͤnſe groß Geſchrey

Seine Sucher ruft herbey.

Nun dieweil das Gickgackslied

Dieſen heilgen Mann verrieth,

Dafuͤr thut am Martinstag

Man den Gaͤnſen dieſe Plag,

Daß ein ſtrenges Todesrecht

Gehn muß uͤber ihr Geſchlecht.

Drum wir billig halten auch

Dieſen alten Martinsbrauch,

Laden fein zu dieſem Feſt

Unſre allerliebſte Gaͤſt

Auf die Martinsgaͤnslein ein,

Bey Muſik und kuͤhlem Wein.

[435]

Eine gute, auserwaͤhlte, hochgelobte
Buttermilch
.


[Altfliegendes Blat. Strasburg bei Jakob Froͤlich. 1500-1550.]


Vielleicht indiſchen Urſprungs?


Eins Bauren Sohn haͤtt' ſich vermeſſen,

Er wollt ein gute Buttermilch eſſen,

Ein auserwaͤhlte Milch, ein hochgelobte Milch,

Ein abgefeimte Milch, des Milry Milch, ein gute But-

termilch.

Man trug ihm her ein ſaures Kraut,

Die Buttermilch traf ihn bas in die Haut,

Ein auserwaͤhlte Milch, ein hochgelobte Milch,

Ein abgefeimte Milch, des Milry Milch, ein gute But-

termilch.

Man trug ihm her ein Schweinebraten,

Die Buttermilch war ihm bas gerathen,

Ein auserwaͤhlte Milch, ein hochgelobte Milch,

Ein abgefeimte Milch, des Milry Milch, ein gute But-

termilch.

Man trug ihm her gut Aepfel und Birn,

Die Buttermilch lag ihm ſtets im Hirn,

Ein auserwaͤhlte Milch, ein hochgelobte Milch,

Ein abgeſeimte Milch, des Milry Milch, ein gute But-

termilch.

Man bracht ihm her gut Haͤring friſch,

Die Buttermilch war ihm ein beſſer Fiſch,

Ein auserwaͤhlte Milch, ein hochgelobte Milch,

Ein abgeſeimte Milch, des Milry Milch, ein gute But-

termilch.

[436]
Man trug ihm her die Waldvoͤgelein,

Die Buttermilch daͤucht ihm, beſſer zu ſeyn,

Ein auserwaͤhlte Milch, ein hochgelobte Milch,

Ein abgefeimte Milch, des Milry Milch, ein gute But-

termilch.

Bergreihen.


[Nuͤrnberg 1543.]


Ach Gott, was wollen wir aber heben an,

Daß wir das recht und wohl erſinnen,

Wir wollens auch nicht unterwegen lahn,

Von den Hauern da wollen wir ſingen,

Sie hauen das Silber, das Gold mit Fleis,

Sogar aus feſtem Geſteine,

Gott weiß wohl wo es liegt.

Ein Hauer in die Grube fuhr,

Aus friſchem freiem Muthe,

Man ſieht wohl, daß er Eiſen fuͤhrt,

Darum gewinnt ihr das Gute,

Wenn er koͤmmt wieder wohl auf ſein Ort,

Wenn er an Gott gedenkt,

So iſt er fein wohl behuͤt.

Wenn er nun ſizt und will beſtechen,

Die ganze Woche ſo ſehr,

Hilf lieber Gott, das Erz woll brechen,

Wir ringen ja faſt nach Erze,

Gott hat es nur ſelber verriegelt gar ſchon,

Fuͤr manchen gar verſchloſſen,

Es bauet mancher Mann uͤber das Jahr.

[437]
Er wird des gar hart verdroſſen,

Gott will es uns wieder aufriegeln gar ſchoͤn,

Der Hauer mit ſeinen Haͤnden,

Er getraut des zu genießen zwar,

Wenn uns nun Gott ein Gluͤck gaͤb,

Daß wir das Erz begreifen,

Unſer Lob ſteht auf dem Bergwerk ſo breit,

Wir achten keines harten Reifes,

Wir ſitzen gar gern bei gutem Getraͤnk,

Wies Menſchenbild geneuſſet,

Der Malvaſier oder Rheiniſche Wein,

Den trinken gar gerne die Reichen.

Wenn nun die Hauer kommen dar,

Wenn uns die Herren erkennen,

Unſer Lob, das preiſet man gar,

Herr Wirth, die Stube iſt uns viel zu enge,

Auch ruͤcken wir Tiſche und Baͤnke,

Wir begießen das Floͤtz recht uͤberall,

Sieht man die Auͤglein herwanken,

Dazu kommen uns die Fiedler dar,

Man hoͤrt die Saiten klingen,

Dazu die werthen Pfeifferlein gut,

Man ſieht die Hauer herſpringen,

Dazu die Jungfraͤulein ſaͤuberlich,

Sie tragen roſenfarbe Muͤndlein,

Ihre Waͤnglein ſind Lilien weis,

Der gewaltige Muͤnzerhof iſt uns viel zu enge,

Darauf wir das Silber bringen,

Merkt auf ihr werthen Muͤnzer gut,

Helft mir die Hauer erkennen,

Sie hauen das Silber aus der alten Wand,

[438]
Die Gott der Herr ſelber gebauet hat,

Mit ſeiner ſelbſt Gewalt.

Auf dem Berg findet man,

Manchen guten Berggeſellen,

Der wohl des Bergs geneuſſet,

Wo findet man denn einen beſſern Berg,

Da uns das Silber rausfleuſſet,

Damit ſo preiſen wir St. Annaberg,

Er iſt geziert alſo ſchoͤn,

Man lobt ihn in aller Welt,

Damit ſo preiſen wir St. Joachims Thal,

Er iſt geziert alſo ſchoͤn,

Man ſinget ihn in der Hauer Thon,

Damit ſo preiſen wir dem Kaiſer ſeine Kron,

Sie iſt geziert alſo ſchon,

Man ſinget ſie in der Hauer Thon.

Braunbier, brauniſch kurirt.


[Fliegendes Blatt.]


Bauer. Herr Doktor, ich will fragen,

Seht dieſes Glas voll Bier,

Ihr koͤnnet mir wohl ſagen,

Was fehlt dem Bier allhier?

Es thut ſich ganz entfaͤrben,

Die Kraͤfte ſind auch hin,

Wenn es vor mir ſollt ſterben,

Ein arme Wais ich bin.

Doktor. Hoͤrt Bauer, kanns nicht ſagen,

Hab nicht auf das ſtudirt,

[439]
Ihr muͤßt nur weiter fragen,

Vielleicht ſagts euch der Wirth.

Will doch ein wenig ſehen,

Ob ich nichts kennen kann;

Weiß ſchon was ihm geſchehen,

Die Waſſerſucht iſt dran.

Bauer. Jezt merk ich ſchon den Poſſen,

Es iſt ein Fehler drin,

Man hat das Bier vergoſſen,

Sonſt waͤr es nicht ſo duͤnn;

Das Malz iſt ihm verronnen,

Und Waſſer hat's fuͤr drei,

Der Wirth hat nah zum Bronnen,

Was rathet ihr dabey?

Doktor. Das ein will ich euch rathen,

Ihr muͤßt halt folgen mir,

Ich wett mit euch Dukaten,

Ihr kriegt das beſte Bier.

Geſchwind zum Wirth thut laufen,

Er macht euch Bier nach Wunſch,

Das Waſſer gebt zu kaufen,

Die Gerſte gebt umſonſt.

Bauer. Herr Doktor, ich muß lachen,

Der Handel geht nicht an,

Wenn er nur Bier thaͤt machen,

Das mans blos trinken kann,

Das wollen wir halt hoffen,

Im Waſſer gehts nicht zu Grund,

[440]
Das Bier waͤr laͤngſt verſoffen,

Wenn es nicht ſchwimmen kunnt.

Sehnſucht nach dem Eſel mit dem Gelde.


[Paul Sartorius neue deutſche Liedlein. Nuͤrnberg 1601.]


Friſch auf ihr lieben Geſellen, ein neue Zeitung gut,

Hab ich euch ſagen woͤllen, faßt einen guten Muth,

Der mit dem Geld wird kommen, hab ich fuͤr gewiß ver-

nommen,

Mit einer groſen Summen, das wird uns bringen From-

men.

Laßt uns nun froͤhlich ſingen, ob dieſer Botſchaft

gut,

Und dem zu Lohn eins bringen, der's uns verkuͤnden thut,

Ich rieth zu dieſen Dingen, daß wir entgegen giengen,

Und freundlich den empfiengen, der uns das Geld thut

bringen.

So wolln wir friſch aufſtehen, weil ihrs fuͤr rathſam

acht,

Und ihm entgegen gehen, daß er auf uns ſey bedacht,

Laßt eilends uns fortlaufen, und ihm die Federn raufen,

Er moͤcht zuruͤck ſonſt zaufen, und ſich von uns abſchraufen.

He luſtig Compagnia! ich hoͤr den Eſel wohl,

Er ſchreit nur I, A, I, A, die Truhen ſind gewiß voll,

Es wird uns noch gelingen, drum ſeyd nur guter Dingen,

Vor Freude laßt uns ſpringen, das Geld wird man uns

bringen.

[441]

Ach wenn ſie das Roͤſſel doch langſam gehn
lieſſen
.


(Aus dem Bayriſchen 1650-1700.)


Schlimm Leut ſind Studenten, man ſagts uͤberall,

Obwohl ſie ſchon kommen im Jahr nur einmal,

So machens ins Dorf ſo viel Unruh und Miſt,

Daß uns die erſte Woche ſchon weh dabey iſt.

Wir muͤſſen nur ſorgen auf Mariengeburt,

Es wuͤnſcht auch ein jeder, daß Galli bald wird,

Da kommens mit Degen und Buͤchſen daher,

Und machen im Dorfe ein jaͤmmerlich Geſcher.

Nichts iſt vor ihnen ſicher, kein Henne, kein Taube,

Als waͤrens erſchaffen zum Pluͤndern und Raube,

Darf ihnen kein Gans auf die Wieſen naus trauen,

Studenten thun ihr gleich den Kragen weghauen.

Sind Gaͤrten mit Brettern und Riegeln umzaͤunt,

So thun ſies zerbrechen, daß die Sonne durchſcheint,

Sie ſteigen um die Aepfel, zerreiſſen die Baͤum,

Waͤr zufrieden, truͤg jeder nur ein Taſche voll heim.

Mit Feuer und Pulver ſinds gar ſehr gefaͤhr,

Daß oft eim ſein Haͤuſel verbrennet gar waͤr,

Laſſen pulverne Froͤſchle einem hupfen aufs Dach,

Wenns brennet, ſo fragens kein Teufel danach.

Hat einer beym Haͤuſel ein wachbaren Hund,

Der ſonſt von der Kette nicht abkommen kunt,

Sie laſſen ihn laufen, es waͤr ja nicht noth,

„Potz Hagel da ſchießt's ja!“ der Pudel iſt todt.

[442]
Studenten im Wirthshaus, ſinds aus der Weis

friſch,

Sie brauchen allein ein großmaͤchtigen Tiſch,

Sie ſaufen und ſchreien als g'hoͤrt das Haus ihn'n,

Und ſaufen und ſchreien ſich blitzblau und gruͤn.

Bald redens lapodeiniſch, ich kanns nicht verſtehn,

Doch iſts leicht zu rathen, auf uns muß es gehn,

Bald tanzens und ſpringens und hupfens am Fleck,

Und nehmen den Knechten den Tanzboden weg.

Und ſchmeiſſen die Knecht ſie auch alle heraus,

So laufens wie die Maͤus auf die Straſſen hinaus,

Und machen ein Haufen und grauſam Gefecht,

Und hauen und ſtechen und ſchreien erſt recht.

Ziehn naus auf die Felder und geben kein Fried,

Iſt grad wie ein Wetter, ſo ſpielens damit,

Da tretens die Aecker, verſtehn nicht was 's iſt,

Wenn einer ſchwarz Brod um ſein Handarbeit frißt.

Sind Roß auf der Weide, und raſten ein Weil,

So nehmens Studenten, es iſt gar ein Graͤul,

Und hauens in die Seiten mit allbeiden Fuͤſſen:

Ach wenn ſie das Roͤſſel doch langſam gehn lieſſen!

Kriegslied.


(Chriſtoph Demantius ſieben und ſiebenzig Taͤnz. Nuͤrnberg 1601.)


Ach Jungfrau klug von Sinnen,

Still deinen Uebermuth,

Acht nicht ſo gar geringe

[443]
Das edle Studentenblut.

Wer iſts, der ihn'n mag gleichen,

An Tugend, Muth und Ehr,

Laß du ſie nur hinſchleichen,

Weil keiner dich begehrt.

Du magſt nur immer loben

Die Reuter voll und wild,

Du koͤmmſt noch auf den Kloben,

Und auf ihr Narrenſchild,

Dir gefaͤllt ihr Sakramenten

Um Gottes Wunden all,

Viel baß als der Studenten

Geſang und Lautenſchall.

Als ich wohl ſah, vom Zaune

Die Urſach gebrochen haſt,

Biſt du nit guter Laune,

Iſts uns ein leichte Laſt,

Lauf hin in Stall nach Miſte,

Deins Gleichens man wohl findt,

Und dich nach Gefalln erluͤſte,

Bei tollem Reuter-Geſind.

Sie koͤnnen es nehmen, wie ſie wollen.


(Nikolaus Roſthius liebliche Galliarden. 1593.)


Ein Maͤgdlein jung gefaͤllt mir wohl,

Von Jahren alt, weis wie ein Kohl,

Schoͤn wie ein Rab ihr gelbes Haar,

Triefdunkel ſind die Aeuglein klar.

[444]
Die Stirn rund wie ein Falten Rock,

Feiſt ausgedoͤrrt die Baͤcklein ſchmuck.

Blauroth iſt ihr das Muͤndlein weiß,

Schoͤn haͤßlich ich ſie ſchelt und preiß.

Schneeweiß ſind ihre ſchwarze Haͤnd

Wie eine Schneck ihr Gang behend,

Wie ein Kettenhund ſie freundlich redt,

Sauhoͤflich, wenn ſie geht und ſteht.

Ein ſolches Maͤgdlein haͤtt ich gern,

Nah bei ihr zu ſeyn ſehr weit und fern,

Sie oft zu herzen nimmermehr,

Gott nehm ſie bald! iſt mein Begehr.

Das naive Kammermaͤdchen an den Studioſus
der zweyten Potenz.


(Muͤndlich.)


Jezt bin ich wiederum recht vergnuͤgt,

Weil mein Schatz bei mir iſt,

Und ſo viele Treu verſpricht,

Redet mit mir,

Redet von der Wahrheit,

Redet von der Treuheit,

Redt von der Welt Suͤßigkeit,

Redt von der Welt End.

Wollt ihr wiſſen was es macht,

Daß mich mein Schatz verlacht,

Und ich im ſchwarzen Regiſter muß ſtehn?

Du kannſt leicht denken,

[445]
Wie es mich thut kraͤnken,

Wenn ich eine andere muß bei dir ſehn ſtehn;

Denn du biſt hochgeſinnt,

Haſt doch nichts hinter dir,

Als nur die Kleider, die du traͤgſt,

Wirſt ausgelacht,

Eine Arme, die magſt du nicht,

Eine Reiche, die kriegſt du nicht;

O weh, wie wird dirs noch gehn!

Die Schwaͤbiſche Tafelrunde.


(Altes Manuſcript. 1500-1550.)


Neun Schwaben giengen uͤber Land,

Zu einer Dornenhecken,

Alda der Jokel ſtille ſtand,

Thaͤt Abentheuer ſchmecken.

Es ſchlief ein Haas ganz ſtarr im Gras,

Die Ohren thaͤt er recken,

Die Augen offen, hart wie Glas,

Es war ein rechter Schrecken.

Haͤtt jeder ein Gewehr, gewiß

Er wollts fuͤr'n andern ſtrecken,

So hattens all neun nur ein Spieß,

Wer darf den Haas mit wecken.

Drum hieltens einen Kriegesrath,

All neun ganz einig ſchiere,

Sie wollten thun ein kuͤhne That

An dem grauſamen Thiere.

[446]
All neun an ihrem Schwabenſpies

Stehn maͤnnlich hint'r einander,

Du Jokel biſt der vorderſt g'wiß,

Sprach einer zu dem ander.

Du Ragenohr, geh du voran!

Der vorderſt thaͤt auch ſprechen:

Ich muß dahinten vorne ſtahn,

Ich ſchieb, du mußt nur ſtechen.

Der vorderſt ſprach: waͤrſt du vorn dran,

Du ſpraͤchſt nit mein Geſelle,

Du Ragenohr, geh du voran,

Hier iſt ein harte Stelle.

Der Haas erwacht ob ihrem Streit,

Gieng in den Wald hinſchweifen,

Der ſchwaͤbiſch Bund thaͤt als ein Beut

Des Haaſen Panner ergreifen.

Sie wollten auch dem Feind zur Flucht

Ein goldne Bruͤcken ſchlagen,

Und han da lang ein Fluß geſucht,

Und kunnten kein erfragen.

Da ſtand ihn'n auch ein See im Weg,

Der bracht ihn'n groſſe Sorgen,

Weil in dem Gras, nit weit vom Steg

Ein Froſch ſaß unverborgen.

Der immerdar geſchrieen hat

Mit der quaterten Stimme,

Wadwad, Wadwad, Wadwad, Wadwad,

Da giengs dem Ragenohr ſchlimme.

[447]
Glaubt, daß der Spiritus ihm rief

Wad, wad! er koͤnnt durchwaden,

Da thaͤt er in dem Waſſer tief

Erſaufen ohn zu baden.

Sein Schaubhut auf dem Waſſer ſchwamm,

Da lobten ihn die andern:

Seht bis an Hut, der gut Landsmann!

Durchs Waſſer thut er wandern.

Der Froſch ſchrie wieder Wadwad, Wad,

Der Jokel ſprach: uns allen

Der Landsmann ruft auf ſeinen Pfad,

Wir ſollen nit lang kallen.

Wir ſollen wahrlich jezt vielmeh

Alsbald ohn Kriegesrathe,

Wohl alle ſpringen in den See,

Weil wir noch ſehn den Pfade.

So richt ein Froſch neun Schwaben hin,

Die ſchier beſiegt ein Haaſen,

Drum haſſen Schwaben immerhin

Die Froͤſch und auch die Haaſen.

Eine Kaſtanie.


(Muͤndlich.)


Jockel. Guck, Baſtel, waß ich funden han,

Es hat ein Igels Pelzlein an,

Ein braunes ledern Koller drunter,

Mit Woll gefuͤttert, guck! lug! Wunder!

[448]
Wie glatt liegt ihm an Hoſ' und Hemd.

Au, Au! mich duͤnkt, s' ſchmeckt unverſchaͤmt,

Doch lug! indem ich ſchaͤl' den Kern,

So ſchmeckt es ſuͤß, das eß ich gern!

Baſtel. Mein Jockel, dieſes heißt ein Kaͤſten,

Wir Schwaben wiſſens doch am beſten.

Drum nennen wir dies Iglein fein,

Wenns geſchaͤhlt iſt aus dem Pelzlein ſein,

Ein Nuͤßlein in eim Lederlein.

Jockel. Ei das war mir ein Schneiderlein,

Ders naͤhen konnte alſo fein!

Ygels Art.


(Aus einem Liederbuche der Ygel 1500-1600.)


Ygels Art iſt manchem bekannt,

Thut weit hin und her wandern,

Singers Lied durch Stadt und Land

Sich ſingt einer zum andern,

Ygel auch hat dieſen Gebrauch,

Dabey Stacheln zu ſpitzen.

Manchem Hund zerſticht er das Maul

So auch Singer mit Witzen.

Yglein er ſetzt jaͤhrlich ſo fromm,

Sie muͤſſen ſelbſt ſich ernaͤhren,

Bald du holder Sommergaſt komm,

Schwalbe in Zucht und Ehren!

[][][]
Notes
*)
Rudolph I. Biſchof von Breslau ſt. 1482.
*)
wollte
*)
Die Saͤngerin, ein 76 jaͤhriges Bauernweib, wußte ſich hier einiger
Reimpaare nicht zu erinnern.
*)
Der Dialekt, in der dieſe Romanzen geſungen wurden, iſt nicht ganz
die laͤndliche Volksſprache — des hauenſteiniſchen Schwarzwalds;
ſondern es iſt die Volksſprache, die das Hochdeutſche zu ſprechen affektirt.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 1. Des Knaben Wunderhorn. Des Knaben Wunderhorn. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bhrw.0