zu
Befoͤrderung der Humanitaͤt.
[[3]]
zu
Befoͤrderung der Humanitaͤt.
bei Johann Friedrich Hartknoch.
14.
Mehrmals finde ich in Ihren Briefen den
Geiſt der Zeit genannt; wollen wir uns
einander nicht dieſen Ausdruck aufklaͤren?
Iſt er ein Genius, ein Daͤmon? oder
ein Poltergeiſt, ein Wiederkommender aus
alten Graͤbern? oder gar ein Lufthauch der
Mode, ein Schall der Aeolsharfe? Man
haͤlt ihn fuͤr Eins und das Andre.
Woher kommt er? wohin will er? wo
iſt ſein Regiment? wo ſeine Macht und Ge-
walt? Muß er herrſchen? muß er dienen?
kann man ihn lenken?
A 3
[6]
Hat man Schriften daruͤber? Wie lernt
man ihn aus der Erfahrung kennen? Iſt
er der Genius der Humanitaͤt ſelbſt?
oder deſſen Freund, Vorbote, Diener?
[7]
15.
Warum ſollte ich Ihnen auf Ihren lako-
niſchen Brief nicht eben ſo raͤthſelhaft ant-
worten, als Sie gefragt haben?
„Was iſt der Geiſt der Zeiten?“ Aller-
dings ein maͤchtiger Genius, ein gewaltiger
Daͤmon. Wenn Averroës glaubte, daß das
ganze Menſchengeſchlecht nur Eine Seele
habe, an welcher jedes Individuum auf
ſeine Weiſe, bald thaͤtig, bald leidend
Theilnehme: ſo wuͤrde ich dieſe Dichtung
eher auf den Geiſt der Zeit anwenden. Wir
ſtehen alle unter ſeinem Gebiet bald thaͤtig,
bald leidend.
„Iſt er ein Schall der Aeoͤlsharfe? ein
Lufthauch der Mode?“ Die fluͤchtige Mode
A 4
[8] iſt ſeine unaͤchte Schweſter; er iſt ihr nicht
gewogen, lernt aber auch von ihr, und hat
mit ihr zuweilen lehrreichen Umgang. Deſto
entſchiedner haſſet er ſeinen wahren Feind
und Verlaͤumder, den Geiſt des Aufruhrs,
der Zwietracht, den unreinen, abgeſchmack-
ten Poͤbelſinn und Wahnſinn. Wo dieſer
ſich hoͤren laͤßt, in welchen Geſellſchaften
und Kreiſen er ihn auch nur vermuthet,
fliehet er vor ihm und verachtet ſelbſt die
Lehre aus ſeinem Munde. Die Stimme
des gelaͤuterten Zeitgeiſtes iſt verſtaͤndig,
uͤberredend, ſanft, freundlich. Bald laͤßet
ſie ſich wie ein Laut auf der Aeolsharfe hoͤ-
ren; bald toͤnt ſie in vollen Choͤren. Der
gelaͤuterte Geiſt der Zeiten (moͤchte ich mit
jenem alten Buche ſagen,) iſt „heilig, einig,
„mannichfalt, ſcharf und behende, rein und
„klar, ernſt und frei, wohlthaͤtig, leutſelig,
„veſt, gewiß, ſicher. Er vermag alles, ſie-
[9] „het alles, und gehet durch alle Geiſter,
„wie verſtaͤndig, lauter und ſcharf ſie ſind.“
„Woher kommt er?“ Wie ſein Name
ſagt, aus dem Schoos der Zeiten. Der
menſchlichen Natur einwohnend hatten ihn
einſt in unſerm rauheren Klima die Pfaͤfferei
und der wilde Kriegsgeiſt lange unterdruͤckt
gehalten; ſie ſchloſſen ihn ein in Hoͤlen,
Thuͤrme, Schloͤſſer und Kloͤſter. Er ent-
kam; die Reformation machte ihn frei;
Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, am meiſten aber
die Buchdruckerei gaben ihm Fluͤgel. Seine
ernſte Mutter, die ſelbſtdenkende Phi-
loſophie hat ihn, zumal an den Schrif-
ten der Alten, unterwieſen; ſein ernſter
Vater, der muͤhſame Verſuch hat ihn
erzogen, und durch die Vorbilder der wuͤr-
digſten, groͤßten Maͤnner gereift und ge-
ſtaͤrket. Er iſt kein Kind mehr, wiewohl er
bei jeder neuen Begebenheit ein Kind ſchei-
A 5
[10] net; alle Erfahrungen voriger Zeiten ſind
in ſeine Seele gedruͤckt, ſind auf ſeine Glie-
der verbreitet.
„Wohin will er?“ Wohin er kommen
kann. Er hat aus den vorigen Zeiten ge-
ſammlet, ſammlet aus den jetzigen, und
dringt in die folgenden Zeiten. Seine Macht
iſt groß, aber unſichtbar; der Verſtaͤndige
bemerkt und nutzt ſie; dem Unweiſen wird
ſie, meiſtens zu ſpaͤt, nur in erfolgten Wir-
kungen glaubhaft.
„Muß der Geiſt der Zeit herrſchen oder
dienen?“ Er muß beides an Stelle und
Ort. Der Weiſe giebt ihm nach, um zu
rechter Zeit ihn zu lenken; wozu aber eine
ſehr behutſame, ſichre Hand gehoͤret. In-
deſſen wird er offenbar gelenkt; nicht von
der Menge, ſondern von wenigen, tiefer
als andre blickenden, ſtandhaften und gluͤck-
lichen Geiſtern. Oft leben und wirken dieſe
[11] in der groͤßeſten Stille; aber Einer ihrer
Gedanken, den der Geiſt der Zeiten auffaßt,
bringt ein ganzes Chaos der Dinge zur
Wohlgeſtalt und Ordnung. Gluͤcklich ſind
Die, denen die Vorſehung ſolch einen er-
habnen Platz gab, in welchem Stande ſie
auch leben; ſelten wird dieſer Platz durch
Muͤhe erſtrebt, ſelten durch lautes Geraͤuſch
angekuͤndigt, meiſtens nur in Folgen be-
merkt; oft muͤſſen die großen Lenker auch
viel wagen, viel leiden.
„Hat man Schriften uͤber den Geiſt der
Zeiten?“ Das weiß ich nicht; am beſten
lernt man ihn aus Geſchichten, die im Geiſt
ihrer Zeiten geſchrieben ſind und aus der
Erfahrung kennen, wo Eins das Andre er-
laͤutert. Ohne nachdenkende Erfahrung
verſteht man die Buͤcher nicht; dieſe wie-
derum machen uns auf den lebendigen Geiſt
der Zeiten aufmerkſam. Das Rad rollet
[12] fort, iſt immer daſſelbe, und zeigt immer
eine andre Seite.
„Geiſt der Zeiten, iſt er der Genius der
Humanitaͤt ſelbſt; oder deſſen Freund, Vor-
bote, Diener?“ Ich wollte, daß er das
Erſte waͤre, glaube es aber nicht; das Letzte
hoffe ich nicht nur, ſondern bin deſſen faſt
gewiß. Daß er ein Freund, ein Vor-
bote, ein Diener der Humanitaͤt
werde, wollen auch wir an unſerm unmerk-
lichkleinen Theile befoͤrdern.
[13]
16.
Schwerlich wird unſer Freund mit der
raͤthſelhaften Aufloͤſung ſeines Raͤthſels be-
friediget ſeyn; alſo darf ich in einem offe-
nern, wenn auch etwas ſchwereren Tone
fortfahren.
Was Geiſt iſt, laͤßt ſich nicht beſchrei-
ben, nicht zeichnen, nicht mahlen; aber
empfinden laͤßet es ſich, es aͤußert ſich durch
Worte, Bewegungen, durch Anſtreben,
Kraft und Wirkung. In der ſinnlichen
Welt unterſcheiden wir Geiſt vom Koͤrper,
und eignen Jenem alle das zu, was den
Koͤrper bis auf ſeine Elemente beſeelet, was
Leben in ſich haͤlt und Leben erwecket, Kraͤfte
[14] an ſich zieht und Kraͤfte fortpflanzet. In
den aͤlteſten Sprachen alſo iſt Geiſt der
Ausdruck unſichtbarer ſtrebender Gewalt;
dagegen Leib, Fleiſch, Koͤrper, Leich-
nam entweder die Bezeichnung todter Traͤg-
heit, oder einer organiſchen Wohnung, eines
Werkzeuges, das der einwohnende Geiſt als
ein maͤchtiger Kuͤnſtler gebrauchet.
Die Zeit iſt ein Gedankenbild nachfol-
gender, in einander verketteter Zuſtaͤnde;
ſie iſt ein Maas der Dinge nach der Folge
unſrer Gedanken; die Dinge ſelbſt ſind ihr
gemeſſener Inhalt.
Geiſt der Zeiten hieße alſo die
Summe der Gedanken, Geſinnungen, An-
ſtrebungen, Triebe und lebendigen Kraͤfte,
die in einem beſtimmten Fortlauf der Dinge
mit gegebnen Urſachen und Wirkungen ſich
aͤußern. Die Elemente der Begebenheiten
ſehen wir nie; wir bemerken blos ihre Er-
[15] ſcheinungen, und ordnen uns ihre Geſtalten
in einer wahrgenommenen Verbindung.
Wollen wir alſo vom Geiſt unſrer
Zeit reden: ſo muͤſſen wir erſt beſtimmen,
was unſre Zeit ſei, welchen Umfang wir
ihr geben koͤnnen und moͤgen. Auf unſrer
runden Erde exſiſtiren auf einmal alle Zei-
ten, alle Stunden des Tages und Jahres,
vielleicht auch alle Zuſtaͤnde des menſchli-
chen Geſchlechts; wenigſtens koͤnnen wir
vorausſetzen, daß ſie exſiſtirt haben und exſi-
ſtiren werden. Alle Modificationen wech-
ſeln auf ihr, haben gewechſelt und werden
wechſeln, nachdem der Strom der Begeben-
heiten langſamer oder ſchneller die Wellen
treibet.
Wenn wir uns demnach auf Europa
bezirken: ſo iſt Europa auch nur ein Gedan-
kenbild, das wir uns etwa nach der Lage
ſeiner Laͤnder, nach ihrer Aehnlichkeit, Ge-
[16] meinſchaft und Unterhandlung zuſammen-
ordnen. Denken wir uns das einſt oder
jetzt katholiſche, oder uͤberhaupt das chriſt-
liche Europa: ſo iſt auch in ihm nach
Laͤndern und Situationen der Geiſt der Zeit
ſehr verſchieden. Er aͤndert ſich ſogar mit
Claſſen der Einwohner, geſchweige mit ih-
ren Beduͤrfniſſen, Neigungen und Einſich-
ten. Ein einziger Umſtand, eine vielleicht
falſche oder uͤbertriebene Nachricht, kurz ein
Wind und Wahn ſtimmt oft die Denkart
und Meinung eines ganzen Volkes.
Wenn alſo unſer Freund vom Geiſt der
Zeiten als einem verſtaͤndigen, ſcharfen,
klaren Weſen ſprach: ſo kann er damit nur
die Grundſaͤtze und Meinungen der ſcharf-
ſichtigſten, verſtaͤndigſten Maͤnner
gemeint haben. Sie machten ſich vom
Wahne des Poͤbels los, und laſſen ſich nicht
nach jedem Winke lenken. So wenig ihrer
hie
[17] hie und da ſeyn moͤgen; um ſo veſter ſind
ſie in ſich ſelbſt, um ſo ſtandhafter hangen
ſie mit andern zuſammen, und bilden aller-
dings eine Kette im Fortgange der Zeiten.
Das Leſen der Alten und Neuern, Geſpraͤ-
che und eine gemeinſchaftliche Bemerkung
deſſen, was vorgegangen iſt und taͤglich
vorgeht, binden ſie veſt und veſter an ein-
ander; ſie machen wirklich eine unſichtbare
Kirche, auch wo ſie nie von einander gehoͤrt
haben. Dieſen Gemeingeiſt des aufgeklaͤr-
ten oder ſich aufklaͤrenden Europa auszu-
rotten iſt unmoͤglich; wozu waͤre aber auch
die unnuͤtze Muͤhe? Je aufgeklaͤrter er iſt,
gewiß deſto weniger iſt er ſchaͤdlich. Wo er
irrt, kann er nur durch Wahrheit, nicht
durch Zwang gebeſſert werden: denn Geiſt
allein kann mit Geiſt kaͤmpfen.
Erlauben Sie mir zu Ende meines Brie-
fes auch ein Raͤthſel. Irre ich nicht, ſo
Zweite Samml. B
[18] ſind drei Hauptbegebenheiten oder
Epochen Europa's, an denen dieſer
Europaͤiſche Weltgeiſt haftet. Eine iſt laͤngſt
voruͤber; ſie dauerte fuͤnf bis achthundert
Jahre und kommt hoffentlich nie wieder.
Die zweite iſt geſchehen und geht in ihren
Wirkungen fort; ihr Werth iſt anerkannt,
und muß, der Natur der Sache nach, im-
mer mehr anerkannt werden. Ueber der
dritten bruͤtet der Weltgeiſt, und wir wol-
len ihm wuͤnſchen, daß er in ſanfter Stille
ein gluͤckliches Ei ausbruͤten moͤge. Es
iſt aber ein gewaltiggroßes Straußen-Ei;
der gluͤhende Sand und die allmaͤchtige
Sonne moͤgen es ihm ausbruͤten helfen!
[19]
17.
Laſſen Sie uns zuſehen, ob ich Ihr Raͤth-
ſel inne habe. Die erſte Begebenheit, an
welcher der Europaͤiſche Zeitgeiſt haftet, iſt
die Bepflanzung unſres Welttheils
nach den Roͤmiſchen Zeiten, die po-
litiſche und religioͤſe Organiſa-
tion der Voͤlker, die jetzt Europa be-
wohnen. Sie iſt der Einſchlag zum Gewe-
be; die meiſten zweifelhaften Fragen der
folgenden Zeiten bezogen ſich auf die Ein-
richtung, die damals gemacht ward. Einen
Theil dieſer Fragen hat die zweite große Be-
gebenheit, die Wiederauflebung der
Wiſſenſchaften und die Reforma-
tion aufgeloͤſet; vom eilften bis zum ſech-
B 2
[20] zehnten Jahrhunderte hat die Zeit uͤber vie-
les entweder ſchon entſchieden und entſchei-
det noch, oder ſie ſammlet Kraͤfte und Athem,
um kuͤnftig entſcheiden zu koͤnnen. Wahr-
ſcheinlich iſt das die dritte Begebenheit, von
der Sie reden.
Merken Sie ſich aber, m. Fr., Eins.
Bei der Reformation war groͤßtentheils von
blos geiſtigen Guͤtern, von Freiheit des
Gewiſſens und Denkens, von Glaubensar-
tikeln und Religion die Rede: denn an den
Gebrauch der Kirchenguͤter wollen wir nicht,
koͤnnen auch nicht allemal mit billigendem
Vergnuͤgen denken. Die fortgehende Cul-
tur des Menſchengeſchlechts, die aus der
Erweckung der Wiſſenſchaften entſprang, iſt
auch ein geiſtiges Gut; man kann ihren
Fortgang hemmen, aber nicht vernichten.
Eine andre Beſchaffenheit ſcheinet es mir
mit der Reformation zu haben, von der
[21] jetzt die Rede ſeyn ſoll; wie waͤre es, wenn
wir daruͤber den alten Reformator
ſelbſt hoͤrten?
Luthers Gedanken von der Regiments-
aͤnderung.
„Des weltlichen Regiments Werk und
Ehre iſt, daß es aus wilden Thieren Men-
ſchen macht, und Menſchen erhaͤlt, daß es
nicht wilde Thiere werden.
„Meineſt du nicht, wenn die Voͤgel und
Thiere reden koͤnnten, und das weltliche
Regiment unter den Menſchen ſehen ſoll-
ten; ſie wuͤrden ſagen: o ihr Lieben, ihr
ſeyd nicht Menſchen, ſondern Goͤtter gegen
uns. Wer will dies Regiment nun erhal-
ten, ohne wir Menſchen, denen es Gott
befohlen hat, und die ſein auch ſelbſt wahr-
lich bedoͤrfen? Die wilden Thiere werdens
nicht thun; Holz und Steine auch nicht.
B 3
[22] Welche Menſchen aber koͤnnens erhalten?
Fuͤrwahr nicht allein, die mit der Fauſt
herrſchen wollen, wie jetzt viel ſich laſſen
duͤnken: denn wo die Fauſt allein ſoll re-
gieren, da wird gewiß zuletzt ein Thierwe-
ſen draus, daß wer den andern uͤbermag,
ſtoße ihn in den Sack; wie wir vor Au-
gen wohl Exempel gnug ſehen, was Fauſt
ohne Weisheit und Vernunft Gutes ſchafft.
Darum ſagt auch Salomo: „Weisheit muͤße
„regieren und nicht die Gewalt. Weisheit
„iſt beſſer, denn Harniſch oder Waffen.
„Weisheit iſt beſſer, denn Kraft;“ daß
kurzum nicht Fauſtrecht, ſondern Kopf-
recht regieren muß unter den Boͤſen ſo-
wohl, als unter den Guten.“
An einem andern Ort ſagt er: „Ehe
das geſchehen wird, daß Kaiſer, Koͤnige
und Fuͤrſten mit dem ganzen Reich dazu
thaͤten, das Regiment zu beſſern, wollen
[23] wir den oberſten Herrn aller Herren oben
in den Wolken ſehen kommen und mit ihm
davon fahren. Indeß mag das Regiment,
der boͤſe Pelz, ein plumpes Regiment blei-
ben, und (die Perſonat ungemenget!) Gott
befohlen laſſen ſeyn, welchen er will her-
vorziehen und erheben. Aenderung der Re-
giment und Rechte gehen ohn groß Blut-
vergießen nicht ab, wie alle Hiſtorien zeu-
gen; und ehe man in Deutſchland eine
neue Weiſe des Reichs anrichtete, ſo wuͤr-
de es dreimal verheeret.“
„Wiewohl mich auch zuweilen duͤnkt,
daß die Regiment und Juriſten wohl auch
eines Luthers beduͤrften; aber ich beſor-
ge, ſie moͤchten einen Muͤnzer kriegen;
darum ich nicht hoffen kann noch will,
daß ſie einen Luther kriegen werden. Es
iſt nicht zu rathen, daß man es aͤndere;
ſondern flicke und pletze daran, wer kann,
B 4
[24] weil wir leben, ſtrafe den Misbrauch, und
lege Pflaſter auf die Blattern. Wird man
die Blattern ausreißen mit Unbarmherzig-
keit: ſo wird den Schmerzen und Schaden
niemand mehr fuͤhlen, denn ſolche kluge
Barbierer. Aendern und Beſſern ſind zweier-
lei. Eines ſteht in der Menſchen Haͤnden
und in Gottes Verhaͤngen, das andre in
Gottes Haͤnden und Gnaden.“
Ferner ſagt er: „Wenn das natuͤrliche
Recht und Vernunft in allen Koͤpfen ſteck-
te, die Menſchenkoͤpfen gleich ſind, ſo koͤnn-
ten die Narren, Kinder und Weiber eben
ſo wohl regieren und kriegen als David,
Auguſtus, Hannibal, und muͤßten Phor-
mionen ſo gut ſeyn, als Hannibals; ja
alle Menſchen muͤßten gleich ſeyn und kei-
ner uͤber den andern regieren. Welch ein
Aufruhr und wuͤſt Ding ſollt hieraus wer-
den? Aber nun hats Gott alſo geſchaf-
[25] fen, daß die Menſchen ungleich ſind, und
einer den andern regieren, einer dem an-
dern gehorchen ſoll. Zween koͤnnen mit
einander ſingen (d. i. Gott alle gleich lo-
ben;) aber nicht mit einander reden (d. i.
regieren). Einer muß reden, der andre
hoͤren. Darum findet ſichs auch alſo, daß
unter denen, die ſich natuͤrlicher Vernunft
und Rechts vermeſſen und ruͤhmen, gar
viel weidliche und große natuͤrliche Narren
ſind; denn das edle Kleinod, ſo natuͤrlich
Recht und Vernunft heißt, iſt ein ſelten
Ding unter Menſchenkindern.
Aber das iſt der Teufel und Plage in
der Welt, daß wir in allen Dingen, an
leiblicher Staͤrke, Groͤße, Schoͤne, Guͤtern,
Geſicht, Farbe, unter einander ungleich
ſind; und allein in der Weisheit und Gluͤck
alle wollen gleich ſeyn, da wir doch am
allerungleichſten unter einander ſind. Und
B 5
[26] was noch wohl aͤrger iſt, ein jeglicher will
hierinn uͤber den andern ſeyn; und kann
den ſchaͤndlichen Narren und Kluͤglingen
niemand nichts rechts thun, wie Salomon
ſpricht! „ein Narr duͤnkt ſich kluͤger ſeyn,
denn ſieben Weiſen, die das Recht ſetzen.“
Alſo ſchreibt auch Plato, es ſei zweier-
lei Recht, Naturrecht und Geſetzrecht; ich
wills das geſunde Recht und das kran-
ke Recht nennen. Denn was aus Kraft
der Natur geſchieht, das gehet friſch hin-
durch, auch ohn alles Geſetz, reißt auch
wohl durch alle Geſetze. Aber wo die Na-
tur nicht da iſt und ſolls mit Geſetzen her-
ausbringen, das iſt Bettelei und Flick-
werk; geſchieht gleichwohl nicht mehr, denn
in der kranken Natur ſteckt. Als wenn
ich ein gemein Geſetz ſtellete: man ſoll zwo
Semmel eſſen und ein Roͤſel Wein trin-
ken zur Mahlzeit. Kommt ein Geſunder
[27] zu Tiſch, der frißet wohl vier oder ſechs
Semmel, und trinket eine Kanne oder zwo,
und thut mehr denn das Geſetz giebt.
Kommt ein Kranker dazu, der ißt eine
halbe Semmel und trinkt drei Loͤffel voll,
und thut doch nicht mehr an ſolchem Ge-
ſetz, denn ſeine kranke Natur vermag; oder
muß ſterben, wo er ſoll das Geſetz halten.
Hier iſts nun beſſer, ich laſſe den Geſun-
den ohn alles Geſetz eſſen und trinken,
was und wieviel er will; dem Kranken
gebe ich Maas und Geſetze, wieviel er kann,
daß er dem Geſunden nicht nachmuͤße.
Nun iſt die Welt ein krank Ding und
eben ein ſolcher Pelz, da Haut und Haar
nicht gut an iſt. Die geſunden Helden ſind
ſelten und Gott giebt ſie theuer, und muß
doch regiert ſeyn, wo Menſchen nicht ſol-
len wilde Thier werden. Darum bleibts
in der Welt gemeiniglich eitel Flickwerk
[28] und Bettelei; und iſt ein rechter Spital,
da es beide Fuͤrſten und Herrn und allen
Regierenden fehlet an Weisheit und Muth
d. i. an Gluͤck und Gottes Treiben, wie
den Kranken an Kraft und Staͤrke. Dar-
um muß man hie flicken und pletzen, ſich
behelfen aus den Buchſtaben oder Buͤchern,
mit der Helden Recht, mit Spruͤchen und
Exempeln; und muͤſſen alſo der ſtummen
Meiſter (d. i. der Buͤcher) Schuͤler ſeyn
und bleiben. Und machens doch nimmer-
mehr ſo gut, als daſelbſt geſchrieben ſte-
het; ſondern kriechen hienach und halten
uns dran als an den Baͤnken oder Stek-
ken, folgen auch daneben dem Rath der
Beſten, ſo mit uns leben; bis die Zeit
kommt, daß Gott wieder einen geſunden
Helden oder Wundermann giebt, unter
deſſen Hand alles beſſer gehet, oder ja ſo
gut als in keinem Buch ſtehet, der das
[29] Recht entweder aͤndert oder alſo meiſtert,
daß es im Lande alles gruͤnet und bluͤhet,
mit Friede, Zucht, Schutz, Strafe, daß es
ein geſund Regiment heißen mag; und den-
noch daneben bei ſeinem Leben aufs hoͤchſte
gefuͤrchtet, geehret, geliebt und nach ſei-
nem Tod ewiglich geruͤhmet wird. Und
wenns ein Kranker oder Ungleicher dem-
ſelben wollt nachthun und gleich oder beſſer
ſeyn, den hat Gott gewiß zur Plage der
Welt geſchickt, wie die Heiden auch ſchrei-
ben: der Helden Kinder ſind eitel Plagen.
Denn was hilft große hohe Weisheit
und treflich herzlich guter Muth oder Mei-
nung, wenns nicht die Gedanken ſind, die
Gott treibt und Gluͤck dazu giebt? Es ſind
doch eitel Fehlgedanken und vergebliche
Meinungen, ja auch wohl ſchaͤdliche und
verderbliche. Darum iſts ſehr wohlgeredt:
„die gelehrten, die verkehrten.“ Jt. „ein
[30] weiſer Mann thut keine kleine Thorheit.“
Und zeigen alle Hiſtorien auch der Heiden,
daß die weiſen und gutmeinenden Leute
haben Land und Leute verderbet. Welches
alles geſagt iſt von den Selbſtweiſen oder
kranken Regierenden, die Gott nicht ge-
trieben, noch Gluͤck dazu gegeben hat; und
habens doch wollen ſeyn. Alſo iſt ihnen
das Regiment zu hoch geweſt, habens nicht
koͤnnen ertragen noch hinausfuͤhren, ſind
alſo drunter erdruckt und umkommen, als
Cicero, Demoſthenes, Brutus, die doch aus
der Maaſſen verſtaͤndige und hochweiſe Leute
waren, daß ſie mochten heißen Licht in
natuͤrlichem Recht und Vernunft; und ha-
ben zuletzt das elende Klaglied ſingen muͤſ-
ſen: „ich haͤtt' es nicht gemeinet.“ Ja Lie-
ber! das gute Meinen macht viel Leute
weinen. Summa, es iſt eine hohe Gabe,
wo Gott einen Wundermann giebt, den
[31] er ſelbſt regiert; derſelbe mag ein Koͤnig,
Fuͤrſt und Herr heißen mit Ehren, er ſei
ſelbſt Herr oder Rath zu Hofe. Darum
ſpricht auch Salomo: zu laufen hilft
nicht ſchnell ſeyn; zum Streit hilft
nicht ſtark ſeyn; zum Reichthum
hilft nicht klug ſeyn; Angenehm
ſeyn, dazu hilft nicht, alles wohl
koͤnnen; ſondern es liegt alles an
der Zeit und am Gluͤck.“ Was iſt das
anders geſagt, denn ſo viel: Weisheit mag
da ſeyn, hohe Vernunft mag da ſeyn,
ſchoͤne Gedanken und kluge Anſchlaͤge moͤ-
gen da ſeyn; aber es hilft nichts, wenn
ſie Gott nicht giebt und treibt, ſondern
gehet alles hinter ſich.“ So weit Luther.
[32]
18.
Luther war ein patriotiſcher großer Mann.
Als Lehrer der Deutſchen Nation, ja als
Mitreformator des ganzen jetzt aufgeklaͤr-
ten Europa iſt er laͤngſt anerkannt; auch
Voͤlker, die ſeine Religionsſaͤtze nicht an-
nehmen, genießen ſeiner Reformation Fruͤch-
te. Er griff den geiſtlichen Deſpotismus,
der alles freie geſunde Denken aufhebt
oder untergraͤbt, als ein wahrer Herkules
an, und gab ganzen Voͤlkern, und zwar
zuerſt in den ſchwerſten, den geiſtlichen
Dingen den Gebrauch der Vernunft wie-
der. Die Macht ſeiner Sprache und ſei-
nes biedern Geiſtes vereinte ſich mit Wiſ-
ſen-
[33] ſenſchaften, die von und mit ihm auflebten,
vergeſellſchaftete ſich mit den Bemuͤhungen
der beſten Koͤpfe in allen Staͤnden, die zum
Theil ſehr verſchieden von ihm dachten; ſo
bildete ſich zuerſt ein populares litera-
riſches Publikum in Deutſchland und
in den angrenzenden Laͤndern. Jetzt las
was ſonſt nie geleſen hatte; es lernte leſen,
was ſonſt nicht leſen konnte. Schulen und
Akademieen wurden geſtiftet, Deutſche geiſt-
liche Lieder geſungen, und in Deutſcher
Sprache haͤufiger als ſonſt gepredigt. Das
Volk bekam die Bibel, wenigſtens den Ka-
techismus in die Haͤnde; zahlreiche Sekten
der Wiedertaͤufer und andrer Irrlehrer ent-
ſtanden, deren viele, jede auf ihre Weiſe,
zu gelehrter oder popularer Eroͤrterung ſtrei-
tiger Materien, alſo auch zu Uebung des
Verſtandes, zu Politur der Sprachen und
des Geſchmacks beitrug. Waͤre man ſeinem
Zweite Samml. C
[34] Geiſt gefolgt, und haͤtte in dieſer Art freier
Unterſuchung auch Gegenſtaͤnde beherzigt,
die zunaͤchſt nicht in ſeiner Moͤnchs- und Kir-
chen-Sphaͤre lagen, daß man naͤmlich auf
ſie die Grundſaͤtze anwendete, nach denen
Er dachte und handelte. — Doch was nuͤtzt
es, vergangne Zeiten zu lehren oder zu ta-
deln? Laßet uns ſeine Denkart, ſelbſt ſeine
deutlichen Winke, und die von ihm eben ſo
ſtark als naiv geſagten Wahrheiten fuͤr unſre
Zeit nutzen und anwenden! Ich habe mir
aus ſeinen Schriften eine ziemliche Anzahl
Spruͤche und Lehren angemerkt, in denen er
(wie er ſich ſelbſt mehrmals nannte) ſich
wirklich als Eccleſiaſtes, als Prediger
und Lehrer der Deutſchen Nation darſtellt.
Neulich fuͤhrte ich an, was er von der Re-
gimentsveraͤnderung dachte; laßet
uns jetzt hoͤren, was er vom Poͤbel und von
den Tyrannen haͤlt.
[35]
Luthers Gedanken vom Poͤbel und von
den Tyrannen.
„Die Heiden, weil ſie nicht erkannt ha-
ben, daß weltliches Regiment Gottes Ord-
nung ſei, (denn ſie habens fuͤr ein menſch-
lich Gluͤck und That gehalten,) die haben
friſch darein gegriffen, und nicht allein bil-
lig, ſondern auch loͤblich gehalten, unnuͤtze,
boͤſe Obrigkeit abzuſetzen, zu wuͤrgen und
zu verjagen. Es iſt aber dahinten eine boͤſe
Folge oder Exempel, daß wo es gebilligt
wird, Tyrannen zu morden oder zu verja-
gen, reißt es bald ein, und wird ein ge-
meiner Muthwille daraus, daß man Ty-
rannen ſchilt, die nicht Tyrannen ſind, und
ſie ermordet, wie es dem Poͤbel in Sinn
kommt; als uns die roͤmiſchen Hiſtorien
wohl zeigen, da ſie manchen feinen Kaiſer
toͤdteten, allein darum, daß er ihnen nicht
C 2
[36] gefiel, oder nicht ihren Willen thaͤt und ließ
ſie Herren ſeyn. Man darf dem Poͤbel nicht
viel pfeifen, er tollet ſonſt gern; und iſt bil-
liger, demſelben zehn Ellen abbrechen, denn
Eine Hand breit, ja eines Fingers breit
einraͤumen in ſolchem Fall: Denn der Poͤbel
hat und weiß keine Maaſſe, und ſteckt in
einem jeglichen mehr denn fuͤnf Tyrannen.
Die Rache iſt mein, ſagt Gott, ich
will vergelten! Ein boͤſer Tyrann iſt
leidlicher, dann ein boͤſer Krieg; welches du
mußt billigen, wenn du deine eigne Ver-
nunft und Erfahrung fragſt. Gott laͤßt
einen Buben regieren um des Volks Suͤnde
willen. Gar fein koͤnnen wir ſehen, daß ein
Bube regiert; aber das will niemand ſehen,
daß er um des Volks Suͤnde willen regieret.
Laß dich nicht irren, daß die Obrigkeit boͤſe
iſt; es liegt ihr die Strafe und Ungluͤck naͤ-
her, denn du begehren moͤchteſt.
[37]
— „Obrigkeit aͤndern und Obrigkeit beſ-
ſern, ſind zwei Dinge, ſo weit von einan-
der als Himmel und Erde. Aendern mag
leichtlich geſchehen; beſſern iſt mißlich und
gefaͤhrlich. Warum? Es ſtehet nicht in
unſerm Willen und Vermoͤgen, ſondern al-
lein in Gottes Willen und Hand. Der tolle
Poͤbel aber fragt nicht viel, wie es beſſer
werde, ſondern daß es nur anders werde;
wenn es denn aͤrger wird, ſo will er aber-
mal ein Anderes haben. So kriegt er denn
Hummeln fuͤr Fliegen, und zuletzt Horniße
fuͤr Hummeln. Und wie die Froͤſche vorzei-
ten auch nicht mochten den Klotz zum Herren
leiden, kriegten ſie den Storch dafuͤr, der
ſie auf den Kopf hackte und fraß ſie. Es iſt
ein verzweifelt, verflucht Ding um einen
tollen Poͤbel, welchen niemand ſo wohl
regieren kann, als die Tyrannen; dieſelbi-
gen ſind der Knittel, dem Hunde an den
C 3
[38] Hals gebunden. Sollten ſie beſſerer Weiſe
zu regieren ſeyn, Gott wuͤrde auch andre
Ordnung uͤber ſie geſetzt haben, denn das
Schwert und die Tyrannen. Das Schwert
zeigt wohl an, was es fuͤr Kinder unter ſich
habe, naͤmlich eitel verzweifelte Buben, wo
ſie es thun doͤrften.“
— „Deßgleichen will ich und kann auch
nicht getroͤſtet haben unſre Nephilim, die
Tyrannen, Wuchrer und Schelmen unter
dem Adel, die ſich laſſen duͤnken, Gott habe
uns das Evangelium darum gegeben, daß
ſie moͤgen geizen, ſchinden, und allen Muth-
willen treiben, ihre Fuͤrſten pochen, Land
und Leute druͤcken, und Alles in Allem ſeyn
wollen; das ihnen nicht befohlen, ſondern
verboten iſt. Dieſe ſind es, ſo dazu helfen,
daß Gottes Zorn den Tuͤrken zum Dreſcher
uͤber uns, uͤber ſie ſelbſt auch ſchicket, wo
ſie nicht Buße thun werden. Denn unmoͤg-
[39] lich iſts, daß Deutſchland ſollte ſtehen blei-
ben, auch untraͤglich und unleidlich, wo
ſolche Tyrannei, Wucher, Geiz, Muthwille
des Adels, Buͤrgers, Bauers und aller
Staͤnde ſo ſollten bleiben und zunehmen; es
behielte zuletzt der arme Mann keine Rinde
vom Brot im Hauſe, und moͤchte lieber oder
ja ſo gern unter den Tuͤrken ſitzen, als unter
ſolchen Chriſten. Es ſtellen und zieren ſich
faſt der mehrere Theil des Adels ſo laͤſterlich
und ſo ſchaͤndlich, daß ſie damit dem gemei-
nen Mann boͤſes Blut und argen Wahn
machen, als ſei der ganze Adel durch und
durch kein Nutze.“
— „Woher werden Tyrannen? Weil ſie
ihr Vertrauen auf ihre Macht ſetzen. Alle
Weltweiſen haben geklagt uͤber die Beſchwe-
rung, ſo im Regiment iſt; und daher pfle-
gen auch die Tyrannen zu kommen, welche,
wenn ſie ſehen, daß ihre Rathſchlaͤge und
C 4
[40] ihr Thun, das alles ſehr fein verordnet,
keinen Fortgang oder Gluͤck haben, oder
daß ihnen andre Widerſtand thun, ſo wer-
den ſie gar toll und unſinnig, und werden
aus frommen Fuͤrſten Tyrannen, die mit
Gewalt und andrer Leute Schaden, (welche
ſie meinen, daß ſie ihnen im Wege liegen,)
ſich unterſtehen, hindurchzubrechen und da-
mit ihre Gewalt zu erhalten: denn es ſind
nicht tapfere Helden, die ſich ſelbſt zwingen
koͤnnten, ſondern hangen und folgen ihren
Begierden nach.“
— „Alſo werden auch zur Zeit des An-
tichriſts etliche ſeyn, welche ſo genau auf den
Frommen Achtung geben werden, ob er et-
was aus Unvorſichtigkeit rede oder thue, das
ſie entweder mit Gewalt oder mit Liſt koͤn-
nen verdrehen, oder gewaltſamer Weiſe auf
ſo einen Verſtand ziehen, der wider den hei-
ligen Sitz der Beſtie ſei, damit ſie alſobald
[41] nach Gewohnheit unſrer Papiſten ſchreien
koͤnnen „zum Feuer!“ da doch derjenige,
der es geſagt, entweder niemals daran ge-
dacht, oder es doch niemals hat oͤffentlich
vorbringen wollen. Ja wenn auch der
Fromme etwas mit aller moͤglichſten Vor-
ſicht geredet hat, und ſich keiner Gefahr be-
fuͤrchten koͤnnen: ſo wird doch dieſes der
Gottloſen Amt ſeyn, die beſten Reden zu
verlaͤſtern und in den unſchuldigen Sylben
Gift, wie die Spinne in den Roſen, zu
finden. Dieſes thun ſie ihrem Beduͤnken
nach nicht aus unweiſer Abſicht, (ſintemal
ſie dieſes aus der Erfahrung als eine gewiße
Sache haben, daß es um ein tyranniſches
Reich nicht gar zu ſicher und gluͤcklich ſtehe)
wenn ſie nur diejenige zu Grunde richten,
die entweder als Schuldige koͤnnen uͤber-
wieſen, oder doch der faͤlſchlichen Anklage
koͤnnen verdaͤchtig gemacht werden; ſondern
C 5
[42] man muͤße auch allen andern zum Exempel
und Schrecken diejenigen plagen, die ſich
nichts weniger befuͤrchtet, als daß ſie ein-
mal in dergleichen Fallſtricke und Netze ver-
fallen ſollten. Daß alſo niemand iſt, der
ſich nicht fuͤr einem Tyrannen zu fuͤrchten
habe, wenn er ſich gleich auf ſein gut Ge-
wiſſen verlaſſen kann und ſich keines boͤſen
Anſchlags wider den Tyrannen bewußt iſt.“
So weit abermals Luther. Bewahre der
Himmel uns vor ſolchen Zeiten! denn leider
es iſt nur Ein Ding, Poͤbelſinn und Tyran-
nei, mit zwei Namen genannt, wie die
rechte und linke Seite.
[43]
19.
Treu und Glaube iſt der Eckſtein aller
menſchlichen Geſellſchaft. Auf Treu und
Glaube ſind Freundſchaft, Ehe, Handel
und Wandel, Regierung und alle andre Ver-
haͤltniſſe zwiſchen Menſchen und Menſchen
gegruͤndet. Man untergrabe dieſen Grund;
alles wankt und ſtuͤrzt; alles faͤllt aus ein-
ander.
Es giebt keine einſeitigen Pflichten und
einſeitige Rechte. Pflichten und Rechte
gehoͤren zuſammen, wie die obere und un-
tere, wie die rechte und linke Seite. Was
hier convex iſt, iſt dort concav; und bleibt
dieſelbe Sache, derſelbe Koͤrper.
[44]
Laßet Staaten, laßet Staͤnde gegen ein-
ander Treu und Glauben verlieren; wer
ſeinen Pflichten entſagt, verliert die Rechte,
die der Pflicht anklebten; er taͤuſcht und
wird getaͤuſchet; er handelt einſeitig, ſo
wird man auch gegen ihn handeln.
Manche Vorzuͤge des Geiſtes und der
Lebensweiſe hat man unſrer Nation abſpre-
chen wollen; das Lob, das man ihr, das
man ihren braven Maͤnnern, ihren guten
Regenten und Helden durch alle Zeiten zu-
geſtand, war die ſo genannte Deutſche
Biederkeit, Treu und Glaube.
Ihre Worte galten mehr als geſiegelte Brie-
fe und Eidſchwuͤre; der Herr bauete auf
ſeine Unterthanen, Unterthanen auf ihren
Herren; wenigſtens iſt dieſes der Schild,
den die meiſten alten Spruͤche und Apoph-
thegmen der Deutſchen vor ſich tragen.
[45]
Laßet uns hoͤren, was zu ſeiner Zeit der
alte Luther daruͤber ſaget:
Deutſche, Deutſchland.
Es iſt zwar eine gemeine Klage in allen
Staͤnden und Leben uͤber falſche verlogne
Leute, wie man ſpricht: „es iſt keine Treu
noch Glauben mehr.“ Die alten Roͤmer
haben ſolch Laſter an den Griechen getadelt,
wie auch Cicero ſagt: „ich gebe den Grie-
chen, daß ſie gelehrte, weiſe, kunſtreiche,
geſchickte, beredte Leute ſind; aber Treu und
Glauben achtet das Volk nicht.“ Wohlan,
es hat auch ſolch untreu falſch Volk itzt lange
her ſeine Strafe gelitten vom Tuͤrken, der ſie
auch baar-uͤber bezahlet. Welſchland hat es
nachher auch gelernet, daß ſie doͤrfen zuſagen
und ſchwoͤren was man will und darnach ſpot-
ten, wenn ſie es halten ſollen. Darum haben
[46] ſie auch ihre Plage redlich, und muͤßen beide
Griechen und Wahlen Exempel ſeyn des
andern Gebots Gottes, da er ſpricht: „Er
ſolle nicht ungeſtraft bleiben, wer Gottes
Namen misbraucht.“ Uns Deutſche hat
keine Tugend ſo hoch geruͤhmet und wie ich
glaube bisher ſo hoch erhoben und erhalten,
als daß man uns fuͤr treue, wahrhaftige,
beſtaͤndige Leute gehalten hat, die da haben
Ja Ja, kein Nein laßen ſeyn, wie deß viel
Hiſtorien und Buͤcher Zeugen ſind. Wir
Deutſche haben noch ein Fuͤnklein (Gott
wolle es erhalten und aufblaſen) von der-
ſelben alten Tugend, naͤmlich, daß wir uns
dennoch ein wenig ſchaͤmen, und nicht gerne
Luͤgner heißen, nicht dazu lachen, wie die
Wahlen und Griechen, oder einen Scherz
daraus treiben. Und obwohl die Welſche
und Griechiſche Unart einreißet, ſo iſt den-
noch gleichwohl noch das uͤbrige bei uns, daß
[47] kein ernſter, graͤulicher Scheltwort jemand
reden oder hoͤren kann, denn ſo er einen
Luͤgner ſchilt oder geſcholten wird. Und mich
duͤnkt, (ſoll es duͤnken heißen) daß kein
ſchaͤdlicher Laſter auf Erden ſei, denn Luͤgen
und Untreu beweiſen; welches alle Gemein-
ſchaft der Menſchen zertrennet. Denn Luͤ-
gen und Untreue zertrennet erſtlich die Her-
zen; wenn die Herzen getrennet ſind, ſo
gehen die Haͤnde auch von einander; wenn
die Haͤnde von einander ſind, was kann man
da thun oder ſchaffen? Darum iſt auch in
Welſchland ſolch ſchaͤndlich Trennen, Zwie-
tracht und Ungluͤck. Denn wo Treu und
Glauben aufhoͤret, da muß das Regiment
auch ein Ende haben. Gott helf' uns Deut-
ſchen!
[48]
20.
Iſt Ihnen eine Ode Klopſtocks zu Geſicht
gekommen, die waͤhrend des letzten Nord-
amerikaniſchen Seekrieges erſchien, und auch
ſchon damals in der Art dieſen fuͤrchterlichen
Krieg zu fuͤhren, Spuren einer zuneh-
menden Humanitaͤt bemerkte? Sie
wird Ihnen angenehm ſeyn, auch nur als
ein poetiſcher Traum, als das Gemaͤhlde
einer Gluͤckweißagenden Phantaſie, gewiß
aber noch mehr als eine Prophetenſtimme
der Zukunft betrachtet:
Ein
Zweite Samml. D
Was Klopſtock beim Seekriege bemerkt,
ließe es ſich proſaiſch nicht auch beim Land-
D 2
[52] kriege, noch mehr aber beim Handel, bei
jeder Art des Gewerbs und Fleißes, ſelbſt
in der Art der Erhebung oͤffentlicher Gefaͤlle
und Laſten, bei Behandlung ſtehender Heere
zu Friedenszeiten, (dieſem entſetzlichen Druck
der Menſchheit,) bei Einrichtung oͤffentli-
cher Gebaͤude, inſonderheit der Gefaͤngniße
und Krankenhaͤuſer, bei Behandlung der
Krankheiten und einer der aͤrgſten Krank-
heiten unſres Welttheils, der Rechtshaͤndel
und rechtlichen Strafen, noch klaͤrer endlich
in Behandlung der Wiſſenſchaften, Ein-
richtungen der Policei, oͤffentlichen Religion,
Erziehung und des ganzen haͤuslichen Lebens
bemerken? Durch Noth gezwungen, wider
unſern Willen muͤßen wir einmal, Gott
gebe bald, vernuͤnftigere, billigere Men-
ſchen werden.
[53]
21.
Verzeihen Sie, meine Freunde, daß ich
Ihrem hoffnungsvollen Glauben an den
Geiſt der Zeiten nur furchtſam und zweifelnd
beitrete. Denn ſobald man dem Wort ſeine
magiſche Geſtalt nimmt, was bedeutet es
mehr, als die herrſchenden Meinun-
gen, Sitten und Gewohnheiten un-
ſres Zeitalters; und ſollten dieſe eines
ſo hohen Lobes werth ſeyn? Sollten ſie ſo
große und ſichre Hoffnungen fuͤr die Zukunft
gewaͤhren?
D 3
[54]
Mir iſt wohl bekannt, was fuͤr ſchoͤn
klingende Worte ſeit geraumer Zeit in
Schriften und Geſellſchaften im Umlaufe
ſind; ſehen Sie aber auf die Grundſaͤtze
der Menſchen, die in Handlungen zur taͤg-
lichen Lebensweiſe uͤbergehen, was finden
Sie da? Alle wahre, thaͤtige Geſinnungen
zum Beſten des Ganzen ſind ihrer Natur
nach mit Aufopferung verbunden; und wer
opfert zu unſrer Zeit gern auf? Verſuchen
Sie's einmal, und bringen die kleinſte Sa-
che, die Muͤhe, Geld, Entſagung von
Privatvortheilen, am meiſten von der Eitel-
keit fodert, zu Stande; und Sie werden
gewahr, daß Sie ein Saitenloſes Clavier
ſpielen. Die lautſten Patrioten ſind oft die
engherzigſten Egoiſten; die waͤrmſten Ver-
theidiger des Guten ſind nicht ſelten die
kaͤlteſten Seelen; Adler in Worten, in
Handlungen Laſtthiere der Erde.
[55]
Hoffen Sie viel, ſehr viel von aufge-
klaͤrten, guten Fuͤrſten; das Unmoͤgliche
aber hoffen Sie nie. Auch ſie ſind Men-
ſchen; und nach ihrer gewoͤhnlichen Erzie-
hung iſts oft zu bewundern, daß ſie es noch
blieben. Sie tragen die Feßeln ihres
Standes; die engſte Feßel iſt ihre eigne von
Kindheit auf gewonnene Denkart. Selten
giebt es einen Friederich, der ſich uͤber das
Gewohnte ſeiner Zeit fruͤh und doch mit
Weisheit hinausſetzt; ſelten! Zudem be-
duͤrfen ſie als Regenten gnugſame Kenntniß
der Dinge, Ueberlegung mit andern, zur
Ausfuͤhrung Werkzeuge. Wenn ſie dieſe
nun nicht finden, wenn dieſe ſie hintergehen
und taͤuſchen, wenn ſie endlich aus Miß-
trauen zu dieſen unſchicklicher Weiſe ſelbſt
zur Sache greifen; ſo wird die Geſchichte
Joſephs II. daraus, der mit den reinſten,
nothwendigſten, beſten Abſichten von der
D 4
[56] Welt im Hafen ſelbſt ſcheiterte. Ach, es
muß ein Gott vom Himmel kommen, oder
außerordentlich-gute und große, das iſt,
wahrhaftig goͤttliche Menſchen ſenden; oder
die Verbeßerung der Welt auf dem gewoͤhn-
lichen Wege der Zeit geht ſehr langſam.
Laßen Sie mich die herrſchenden Geſin-
nungen andrer Staͤnde und Innungen nicht
durchgehn. Jede Zunft hat ihren Zunft-
geiſt; der feßelt, zumal in unſern Zeiten,
auch den beſten Gemuͤthern Herzen und
Haͤnde. Man fuͤhlt die Waͤnde des alten
Syſtems erſchuͤttert, und fuͤrchtet den Fall
des ganzen Gebaͤudes; um ſo mißtrauiſcher
haͤlt man ſich alſo an jeden Balken, an jeden
Span des Balkens, und glaubt, mit ihm
ſchon gehe alles verloren. Das alte Schwert
iſt verroſtet; deſto aͤngſtlicher putzt man Griff
und Scheide.
[57]
Ans Volk, wollen wir eher mit Be-
dauren und Großmuth, als mit Stolz und
Zuverſicht denken. Jahrhunderte lang iſts
unerzogen geblieben; daß es erzogen werde,
kann unſer einziger Wunſch ſeyn, nicht daß
es herrſche, nicht daß es gebiete und lehre.
Die Beßerung muß vom Haupt kommen,
nicht von Fuͤßen und Haͤnden; ich kenne
nichts abſcheulicheres, als eines wahnſinni-
gen Volks Herrſchaft.
Laßen Sie ſich auch die Stimmen unſrer
Philoſophen nicht bis zur Taͤuſchung be-
zaubern; die waͤrmſten ſind nicht immer die
helleſten Koͤpfe. Von ihren Wuͤnſchen,
vom Anſchein der guten Sache eingenom-
men, vom thaͤtigen Leben und von der
wahren Geſtalt der Dinge entfernt, ge-
fallen ſie ſich in Spekulationen; oder als
der zarteſte empfindlichſte Theil des Publi-
kums troͤſten ſie ſich uͤber das, was nicht
D 5
[58] iſt, mit Traͤumen, was ſeyn ſollte, alſo
auch ſeyn wird. Der kranke, zarte, faſt
nur in der Einbildung lebende Roußean,
hat er mit ſeinen ſtark-ausgedruͤckten, rege-
gefuͤhlten Viſionen mehr Nutzen oder mehr
Schaden gebracht? Ich wage es nicht zu
entſcheiden.
Wie ich fuͤrchte, ſtrebt der Geiſt unſrer
Zeiten vorzuͤglich zur Aufloͤſung hin.
Dem Einen Theil der Welt ſollen alle Bande
aufhoͤren; Alles ſoll leicht und luſtig wer-
den, weil wir des Alten ſatt, traͤge und
erſchlaft ſind. Der andre Theil der Men-
ſchen, der ſich im Beſitz, leider auch oft
mit Haͤrte und Uebermuth fuͤhlet, verachtet
die Beſchwerden der andern, und ſcheint
die Trommeten vor Jericho zu erwarten.
Ein nicht erfreulicher Zuſtand. Ich kenne
keine ſchlimmere Jahrszeit, als die, in
welcher alle Elemente gegen einander zu ſeyn
[59] ſcheinen, wenn Kaͤlte, Regen und Sturm-
winde toben.
Selten hat eine Verfaßung, welche es
auch ſey, vom Grundgeſetz ihrer Entſtehung
ſich ſo weit abbiegen koͤnnen, daß ſie ohne
Sturz ihre Baſis haͤtte verlaßen moͤgen.
Die Staaten Europa's ſind auf ein Syſtem
kriegeriſcher und religioͤſer Eroberung ge-
gruͤndet; die Pfeiler dieſes Syſtems wanken;
die Zeit nagt an ihnen; ſtuͤrzen ſie, ſo,
fuͤrchte ich, geht unter den Truͤmmern des
Schlechteren auch das Beſte mit unter. Ver-
goͤnnen Sie mir alſo, daß ich vom Geiſt
unſrer Zeiten hinwegſehe, und mich noch
etwas weiterhin an einige Gedanken des
alten Philoſophen zu Sans-Souci halte,
der auch die Welt kannte.
[60]
Fortſetzung
einiger Gedanken FriedrichsII.
„Ich bin durch ein Land gereiſet, wo
die Natur gewiß nichts geſpart hat, den
Boden fruchtbar, die Gegend lachend zu
machen; aber es ſcheint, daß ſie ſich an
Bildung der Pflanzen, Hecken und Fluͤße,
die die Gegend verſchoͤnen, erſchoͤpft und
nicht Kraft gnug gehabt habe, unſer Ge-
ſchlecht daſelbſt auch ſo vollkommen zu ma-
chen. Ich habe faſt ganz Weſtphalen auf
unſrer Reiſe geſehen; und gewiß, wenn
Gott ſeinen goͤttlichen Hauch dem Men-
ſchen verlieh, ſo muß dieſe Nation davon
wenig bekommen haben, daß man faſt
fragen moͤchte, ob dieſe Menſchengeſtal-
ten denkende Menſchen ſind oder nicht?
(1738.)
[61]
„Ihr habt Recht, daß die, die am
conſequentſten handeln ſollten, d. i., die
Koͤnigreiche regieren, und mit Einem Wort
uͤber das Gluͤck und Ungluͤck der Voͤlker ent-
ſcheiden, oft die ſind, die ſich am meiſten
dem Ungefaͤhr uͤberlaßen. Das macht, dieſe
Koͤnige, Fuͤrſten, Miniſter ſind Menſchen
wie andre; der ganze Unterſchied, den das
Gluͤck zwiſchen ſie und Leute von geringerem
Range geſetzt hat, iſt, daß ſie wichtigere
Geſchaͤfte betreiben. Ein Stral Waſſer,
der drei Fuß, ein andrer, der hundert Fuß
hoch ſteigt, ſind beides Waſſerſtralen, nur
mit verſchiedner Kraft emporgetrieben. Eine
Koͤniginn von England, mit einem weib-
lichen Hofe umgeben, wird in ihrer Regie-
rung immer etwas Weibliches zeigen, Phan-
taſieen und Launen.“ (1738.)
[62]
„Nichts zeigt ſo ſehr die Verſchiedenheit
unſrer von den alten Zeiten, als die Art,
wie das Alterthum große Maͤnner behan-
delte und wie wir ſie behandeln. Große
Geſinnungen, Erhabenheit der Seele, Feſtig-
keit gelten jetzt fuͤr chimaͤriſche Tugenden.
„Er will den Roͤmer machen, ſagt man;
davon iſt man zuruͤckgekommen; das iſt
außer der Zeit.“ Deſto ſchlimmer! Die
Roͤmer, die ſich dieſer Tugenden anmaßten,
waren große Maͤnner; warum ſollten wir
ſie nicht nachahmen in dem, was Lob ver-
dienet? (1738.)
Unter hunderten, die zu denken glauben,
iſt kaum Einer, der ſelbſt denkt. Die an-
dern haben nur zwei oder drei Ideen, die
[63] ſich in ihrem Hirn umher drehen, ohne neue
Formen zu erhalten; und auch dieſer Eine
unter den hunderten denkt vielleicht, was
ein andrer gedacht hat; ſein Genie, ſeine
Einbildungskraft iſt nicht ſchaffend. Ein
ſchoͤpferiſcher Geiſt vervielfaͤltiget Ideen,
faßt zwiſchen Gegenſtaͤnden Beziehungen
auf, die der unaufmerkſame Menſch kaum
bemerket. Staͤrke des geſunden
Verſtandes iſt, nach meiner Meinung,
der weſentliche Theil eines Mannes von
Genie. Mittheilen laͤßt ſich dies koſtbare
und ſeltne Talent nicht; die Natur ſcheint
damit zu geizen; um es Einmal zu ver-
leihen, nimmt ſie ſich ein Jahrhundert
Friſt.
„Der Vice-Gott der ſieben Berge hat
Avignon wieder bekommen; ein ſolcher Zug
[64] von Freigebigkeit iſt ſelten bei den Regenten.
Ganganelli wird daruͤber in die Fauſt
lachen und bei ſich ſelbſt ſagen: „auch die
Pforten der Hoͤlle ſollen ſie nicht uͤberwaͤlti-
gen!“ Und das geſchieht im philoſophiſchen,
im achtzehnten Jahrhundert! Wohlan nun,
ihr Herren Philoſophen, beſtrebt euch, be-
ſtreitet den Irrthum, haͤuft Gruͤnde auf
Gruͤnde, um ihn in Staub zu legen; nie
werdet ihr es verhindern, daß nicht viele
Schwache uͤber wenige Starke den Sieg
davon tragen ſollten. Werfet die Vorur-
theile zur Thuͤr hinaus; ſie kommen zum
Fenſter hinein. Ein Andaͤchtler an der
Spitze des Staats, ein Ehrſuͤchtiger, den
ſein Intereße mit dem Intereße der Kirche
bindet, wirft an Einem Tage um, was
zwanzig Jahre eurer Arbeiten kaum voll-
fuͤhrt haben.“ (1771.)
„Ich
[65]
„Ich wuͤnſche Euch zum neuen Miniſter
des Allerchriſtlichſten Koͤniges Gluͤck. Man
ſagt, es ſey ein Mann von Geiſt; wenn er
es iſt, wird er weder die Imbecillitaͤt, noch
die Schwachheit haben, Avignon dem Pabſt
zuruͤckzugeben. Man kann ein guter Ka-
tholik ſeyn, und doch dem Statthalter Got-
tes ſeine zeitlichen Beſitzthuͤmer nehmen,
die ihn zu ſehr von ſeinen geiſtlichen Pflich-
ten zerſtreuen, und ihn oft in Gefahr ſeiner
Seligkeit ſetzen. Wie fruchtbar auch unſer
Jahrhundert an Philoſophen ſeyn moͤge,
die unerſchrocken, wirkſam und eifrig Wahr-
heiten verbreiten; ſo muß man ſich doch
nicht verwundern, daß der Aberglaube auch
ſein Werk forttreibet. Seine Wurzeln haben
alles umſchlungen; er iſt ein Kind der
Furcht, der Schwachheit und der Unwiſſen-
heit; dieſe Dreieinigkeit herrſcht in gemeinen
Zweite Samml. E
[66] Seelen ſo allgewaltig, als eine andre in
den Schulen der Theologen. Welche Wider-
ſpruͤche vereinigen ſich nicht im Gemuͤth des
Menſchen! Laß einen Schelm ſich vorneh-
men, Menſchen zu betruͤgen; er wird Glau-
bende finden. Der Menſch iſt zum Irren
gemacht; Irrthum kommt von ſelbſt in
ſeinen Geiſt; einige Wahrheiten entdeckt er
nur durch unendliche Muͤhe. (1771.)
„Die Welt wird von Gevattern und
Gevatterinnen regiert; manchmal, wenn
man gnug Data hat, kann man die Zu-
kunft errathen, oft betruͤgt man ſich aber.
„Als ein aͤchter Schuͤler der Encyklopaͤ-
diſten predige ich den allgemeinen Frieden,
wie wenn ich ein Apoſtel des Abbts St.
[67] Pierre waͤre, und vielleicht werde ich nicht
mehr ausrichten als er. Ich ſehe, daß es
den Menſchen leichter wird, Boͤſes als Gu-
tes zu thun; ich ſehe, daß eine ungluͤckliche
Verkettung der Umſtaͤnde uns wider unſern
Willen dahinreißt, und mit unſern Projekten
ſpielt, wie der Sturmwind in dem fliegen-
den Sande. Indeßen geht der ordentliche
Gang der Dinge fort.“ (1773.)
„Ich habe den Artikel Krieg in den
encyklopaͤdiſchen Fragen geleſen. Wie? ein
Fuͤrſt, der ſeine Truppen in blaues Tuch
kleidet, und ihnen Huͤte mit weißen Schnuͤ-
ren giebt, der ſie ſich kehren laͤßt rechtsum
und linksum, kann er ſie Ehrenhalber einen
Feldzug thun laſſen, ohne den Ehrentitel
eines Anfuͤhrers von Taugenichten zu ver-
dienen, die nur aus Noth gedungene Henker
E 2
[68] werden, um das ehrbare Handwerk der
Straßenraͤuber zu treiben? Die Philoſophen
muͤßen Miſſionare auf Bekehrungen aus-
ſchicken, um unvermerkt die Staaten von
den großen Armeen zu entladen, die ſie in
den Abgrund ſtuͤrzen, daß nach und nach
keiner uͤbrig ſey, der ſich ſchlage. Kein
Landesherr, kein Volk wird ſodann die un-
gluͤckliche Leidenſchaft zu kriegen mehr haben,
deren Folgen ſo verderblich ſind; jedermann
wird eine Vernunft aͤußern, ſo vollkommen
als eine geometriſche Demonſtration. Ich
bedaure ſehr, daß mein Alter mich eines
ſo ſchoͤnen Anblicks beraubet, von dem ich
nicht einmal die Morgenroͤthe erleben wer-
de. Beklagen wird man mich und meine
Zeitgenoßen, daß wir in einem Jahrhun-
dert der Finſterniß lebten, an deſſen Ende
zuerſt die Daͤmmerung der vervollkommeten
Vernunft anbrach. Alles haͤngt ja von der
[69] Zeit ab, in der ein Menſch auf die Welt
tritt. (1773.)
„Gegen das viertaͤgige Fieber und gegen
den Krieg deklamiren, iſt gleich vergebliche
Arbeit. Die Regierungen laſſen die Philo-
ſophen ſchreien, und gehen ihren Weg; das
Fieber nimmt davon auch keine Kunde. Es
hat Kriege gegeben, ſo lange die Welt iſt;
und wird Kriege geben, wenn wir nicht
mehr hier ſind. Ein Arzt muß das Fieber
wegſchaffen, nicht daruͤber ſatyriſiren.“
„Ludwig XV. iſt nicht mehr. Es war
ein guter Mann, der nur Einen Fehler
hatte, daß er Koͤnig war. Laßet ſeinen
Schatten in Friede. Man darf empfindlich
ſeyn uͤber das Unrecht, das man leidet;
man muß aber auch zu verzeihen wiſſen.
E 3
[70]
Die finſtre, gallichte Leidenſchaft der Rache
ziemt nicht fuͤr Menſchen, die ſo kurz exſiſti-
ren. Wir muͤßen wechſelſeitig einander
unſre Thorheiten vergeſſen, und uns auf
den Genuß des Gluͤcks einſchraͤnken, das
unſre Natur uns goͤnnet.“
Wenn Turenne und Louvois die Pfalz
in die Aſche legten, wenn der Marſchall
von Belle-Isle im letzten Kriege den Vor-
ſchlag that, ganz Heßen zu verwuͤſten: ſo
ſind ſolche Ausſchweifungen ein ewiger Vor-
wurf der franzoͤſiſchen Nation, die, ſo artig
ſie iſt, ſich zuweilen Grauſamkeiten erlaubt
hat, die nur fuͤr die aͤrgſten Barbaren ge-
hoͤrten. Ludwig XV. indeſſen verwarf den
Vorſchlag des Marſchall Belle-Isle, und
zeigte ſich hierinn groͤßer, als ſein Vor-
fahr.
[71]
„Beim Leben der Koͤnige iſt ſchwerer
uͤber ſie zu urtheilen, als nach ihrem Tode;
ein einziger Umſtand veraͤndert oft die
Sache ſo, daß man billigen muß, was man
vorher verdammte. Ludwig XIV. ward bei
ſeinen Lebzeiten getadelt, daß er den Suc-
ceßionskrieg unternahm; jetzt laͤßt man ihm
Gerechtigkeit wiederfahren, und jeder Un-
partheiiſche geſtehet ein, daß er niedrig ge-
handelt haͤtte, wenn er das Teſtament des
Koͤniges von Spanien nicht haͤtte annehmen
wollen. Jeder Menſch macht Fehler, alſo
auch die Fuͤrſten; der wahre Weiſe der
Stoiker und der vollkommene Fuͤrſt haben
nicht [exiſtirt] und werden nicht exſiſtiren.
Fuͤrſten wie Karl der kuͤhne, Ludwig XI.,
Alexander VI., Ludwig Sforzia ſind die
Geißeln ihrer Voͤlker und der Menſchheit;
ſolche Fuͤrſten aber exſiſtiren jetzt nicht in
E 4
[72] unſerm Europa. Wir haben ſchwache Re-
genten, nicht aber Ungeheuer, wie im
14ten und 15ten Jahrhundert. Schwaͤche
iſt ein unverbeßerlicher Fehler; man muß
ſich deßhalb an die Natur, nicht an die
Perſon halten. Ich gebe zu, ſie thun aus
Schwachheit Boͤſes; in Erbreichen iſts aber
einmal ein nothwendiges Uebel, daß auch
ſolche Weſen an der Spitze der Nation
ſtehen: denn in keiner Familie folgen große
Maͤnner in Einer Reihe unverruͤckt auf ein-
ander. Glaubt mir! menſchliche Einrich-
tungen werden nie zu einem gewiſſen Grade
der Vollkommenheit kommen; man muß ſich
mit dem Beinahe gnuͤgen, und gegen un-
abaͤnderliche Mißbraͤuche nicht gewaltſam
declamiren.
„Ich wuͤnſche der franzoͤſiſchen Nation
Gluͤck uͤber die Wahl, die Ludwig XVI. an
[73] Miniſtern gemacht hat. Die Voͤlker, hat
ein Alter geſagt, werden nicht gluͤcklich ſeyn,
als wenn Weiſe ihre Koͤnige ſeyn werden.
Die franzoͤſiſchen Miniſter, wenn ſie gleich
nicht Koͤnige ſind, gelten doch fuͤr dieſelben
an Anſehen und Gewalt. Euer Koͤnig hat
die beſten Geſinnungen von der Welt, er
will das Gute; nichts iſt fuͤr ihn mehr zu
fuͤrchten, als die Peſt der Hoͤfe, die ihn
mit der Zeit umkehre und verderbe. Er iſt
jung; er kennt die Liſten und Feinheiten
nicht, dadurch die Hofleute ihn in ihr In-
tereße zu ziehen, ihn fuͤr ihren Haß oder
ihre Ehrſucht einzunehmen ſuchen werden.
Von Kindheit an iſt er in der Schule des
Fanatismus und der Imbecillitaͤt geweſen;
dies muß fuͤrchten machen, daß er ſich nicht
getraue, ſelbſt zu unterſuchen, was man
ihn verehren gelehrt hat.
E 5
[74]
„Was Ihr von unſern Deutſchen Bi-
ſchoͤfen ſagt, iſt nur zu wahr; ſie werden
fett von den Zehnden aus Zion. Aber im
heiligen Roͤmiſchen Reich machen das Her-
kommen, die goldne Bulle und dergleichen
alte Thorheiten die eingefuͤhrten Mißbraͤuche
ehrwuͤrdig. Man ſiehet ſie, zuckt die Schul-
tern, und die Sachen gehen ihren Gang
fort. Den Fanatismus zu vermindern,
muß man an die Biſchoͤfe noch nicht ruͤhren;
aber die Moͤnche, inſonderheit die Bettel-
moͤnche muß man vermindern. Damit
wird das Volk kuͤhler, und wird den Maͤch-
tigen uͤberlaßen, die Biſchoͤfe allgemach zum
Beſten des Staats zu diſponiren. Dies iſt
der gangbare Weg. Allmaͤlich und ohn'
alles Geraͤuſch das Gebaͤude der Unvernunft
untergraben, heißt es ſelbſt fallen machen.
In der Lage, in welcher der Pabſt iſt, muß
[75] er Bullen und Breve geben, wie ſeine ge-
liebten Soͤhne ſie irgend verlangen; dieſe
Macht auf den idealiſchen Credit des Glau-
bens gebauet, mindert ſich wie ſich der
Glaube mindert; und wenn an der Spitze
der Nationen nur einige Miniſter ſind, die
ſich uͤber die gemeinen Vorurtheile erheben,
ſo macht der heil. Vater banquerout. Schon
ſind ſeine Wechſel und Papiere zur Haͤlfte
im Mißkredit. Ohne Zweifel wird die
Nachwelt den Vortheil genießen, frei den-
ken zu koͤnnen, und keine Auftritte mehr
zu ſehen, wie ſie Toulouſe und Amiens
zeigten.
„Ich kenne weder Turgot noch Males-
herbes; wenn ſie wahre Philoſophen ſind,
ſind ſie an ihren Platz. Weder Vorurtheil,
noch Leidenſchaft gilt in den Geſchaͤften;
[76] die einzige erlaubte Leidenſchaft iſt fuͤrs ge-
meine Beſte. So dachte Mark-Aurel, und
ſo ſoll jeder Regent denken, der ſeine Pflicht
erfuͤllen will.
„Die Regierung in Penſylvanien, wie
ſie jetzt eingerichtet iſt, gefaͤllt Euch; ſie iſt
nur Ein Jahrhundert alt, laßt ſie noch
fuͤnf oder ſechs Jahrhunderte fortdauren,
und Ihr kennet ſie nicht mehr. So wahr
iſt es, daß Unbeſtand eines der beſtaͤndig-
ſten Geſetze der Welt ſey. Laß Philoſophen
die weiſeſte Regierung gruͤnden; ſie wird
daſſelbe Schickſal haben; und ſind die Phi-
loſophen vor Irrthum immer geſichert ge-
weſen? Sie haben ihn ſelbſt oft auf die
Bahn gebracht, wie des Ariſtoteles ſub-
ſtantielle Formen, der Galimathias des
[77] Plato, Deskartes Wirbel und Leibniz
Monaden zeigen. Was ließe ſich nicht von
den Paradoxen ſagen, mit denen Roußeau
(wenn man ihn unter die Philoſophen rech-
nen kann,) Europa beſchenkt hat; und
doch hat er manchen guten Vaͤtern das
Hirn ſo weit verruͤckt, daß ſie ihren Kin-
dern die Erziehung ſeines Emils geben.
Aus allen dieſen Beiſpielen folgt, daß ohn-
geachtet der guten Abſichten, ohngeachtet
aller angewandten Muͤhe, die Menſchen
in keiner Sache zur Vollkommenheit ge-
langen werden.
„Ich wuͤnſche Euch zu Eurer guten Mei-
nung von der Menſchheit Gluͤck; ich, der
ich aus Pflicht meines Standes dieſe Gat-
tung Geſchoͤpfe auf zwei Beinen ohne Fe-
[78] dern, ſehr gut kenne, muß euch voraus-
ſagen, daß alle Philoſophen der Welt das
menſchliche Geſchlecht von dem Aberglauben
nicht frei machen werden, an dem es haͤngt.
Die Natur hat dieſes Ingrediens in die
Compoſition der ganzen Gattung gemiſcht;
eine Furcht, eine Schwaͤche, eine Leicht-
glaͤubigkeit, eine Uebereilung des Urtheils
ziehet die Menſchen durch einen natuͤrlichen
Hang in das Syſtem des Wunderbaren;
und es giebt nur wenig philoſophiſche
Seelen, die ſtark genug gebauet ſind, um
die tiefen Wurzeln der Vorurtheile, die die
Erziehung in ſie ſchlug, zu zerſtoͤren. Dieſen
hat ſein geſunder Verſtand von einigen
Volksirrthuͤmern losgemacht, er empoͤrte
ſich gegen Ungereimtheiten; jetzt kommt der
Tod ihm naͤher, und aus Furcht faͤllt er in
den Aberglauben zuruͤck; er ſtirbt als
Kapuziner. Bei jenem haͤngt ſeine Art zu
[79] denken von einer guten oder uͤbeln Ver-
dauung ab. Es iſt alſo nicht gnug, Men-
ſchen den Trug zu entnehmen; man muͤßte
ihnen auch eigne Staͤrke des Geiſtes ein-
hauchen koͤnnen; oder Empfindlichkeit und
der Schrecken des Todes werden auch uͤber
die ſtaͤrkſten, nach aller Methode vorge-
tragenen Vernunftlehren triumphiren. Ihr
glaubt, weil Quaker und Socinianer eine
einfachere Religion feſtgeſtellet haben, man
dieſe noch mehr ſimplificiren und auf ſolchen
Grund einen neuen Glauben auffuͤhren
koͤnnte; ich komme aber auf mein Voriges
zuruͤck, und bin uͤberzeugt, daß wenn dieſe
Heerde Neuglaubender angewachſen waͤre,
ſie in kurzem einen neuen Aberglauben in
die Welt ſtellen wuͤrde; es ſey denn, daß
ſie nur aus Seelen, frei von Furcht und
Schwachheit beſtuͤnde. Und dieſe ſind nicht
die gemeinſten. Das glaube ich indeß, daß
[80] die Stimme der Vernunft, wenn ſie ſich
gegen den Fanatismus immer ſtaͤrker er-
hebt, die zukuͤnftige Generation duldſamer,
als die jetzige iſt, machen kann; und auch
das iſt ſchon viel gewonnen.“
[81]
22.
Gern geben wir Ihnen den groͤßeſten
Theil Ihrer Zweifel, die Sie mit dem
Anſehen des großen Koͤniges unterſtuͤtzt
haben, zu; aber was folgt daraus? Sol-
len wir, wenn wir auch Urſache haͤtten, an
der hoͤchſten Vollendung des edelſten Werks
zu zweifeln, dies Werk deßwegen aufge-
ben, und an der guten Sache verzweifeln?
Das wollte der große Koͤnig nicht; er blieb
ſeiner Pflicht getreu, und ließ die Hand
nicht vom Steuer, wenn er gleich wußte,
daß er ſein Schiff nicht ewig regieren koͤnnte.
Zu dieſer Thaͤtigkeit munterte er ſeine
Zweite Samml. F
[82] Freunde auf, hielt ſeine Unterthanen an; ſie
war ihm die Seele des Lebens. Auch ſahe
er wohl, daß die Zeit fortruͤckte. Es ſchei-
net, (ſagt er im Jahr 1777.) daß Europa
jetzt im Zuge iſt, ſich uͤber alle Gegenſtaͤn-
de, die auf das Wohl der Menſchheit am
meiſten Einfluß haben, aufzuklaͤren, und
man muß Euch das Zeugniß geben, daß
Ihr mehr als Einer unſrer Zeitgenoſſen
dazu beigetragen habt, es mit der Fackel
der Philoſophie zu erleuchten.“ Wenn er
auf ſeinem Standpunkt, dazu im hoͤchſten
Alter nicht in jede brauſende Hoffnung
der Encyklopaͤdie einſtimmen konnte, ſo war
dies nicht nur ihm verzeihlich, ſondern ſehr
vernuͤnftig. Der Menſchheit zu viel und
zu wenig zutrauen wollen; beides iſt ſchaͤd-
lich.
Daß es zu unſrer Zeit edle, gute, große,
ſelbſt aufopfernde Seelen gebe, dieſen Glau-
[83] ben wird mir niemand rauben: denn ich
habe ihn durch Erfahrung bewaͤhret. Daß
ſelbſt dieſe Großmuth aber, wie alles Andre,
das Gewand der Zeit tragen muͤße, kann
uns nicht unerwartet ſeyn. Weil wir ſo-
gar viel beduͤrfen, ſind wir von gar viel
Feßeln gebunden; daß dieſe druͤckenden
Feßeln aber wenigſtens der Großmuth loſer
gemacht werden moͤchten, wer wuͤnſchet
dies mehr als die aͤchte Humanitaͤt ſelbſt?
Faſt kann ſie ihres Wunſches auch nicht
ungewiß ſeyn, da bei dem immer wachſen-
den unerſaͤttlichen Beduͤrfniß die Natur der
Dinge ſelbſt einen neuen Anfang herbeizu-
fuͤhren ſcheinet. Wenn jeder Einzelne fuͤhlt,
er koͤnne in ſeinem jetzigen Verhaͤltniß der
leidenden Menſchheit nicht zu Huͤlfe kom-
men, wie er ſollte; ſo werden, ſo muͤßen
ſich dieſe Verhaͤltniſſe mit der Zeit aͤndern.
Die Natur ſelbſt arbeitet daran, und keine
F 2
[84] menſchliche Kraft kann es hindern. Iſt
das Salz, das den Koͤrper wuͤrzen ſoll,
abgeſchmackt; wozu iſt es nach dem Evan-
gelium nuͤtz, als daß man es hinauswer-
fe, und laße es die Leute zertreten?
Auch daruͤber wollen wir uns alſo nicht
wundern, wenn gewiſſe alte Aeſte und
Zweige unſerer Verfaſſung nicht mehr ſo
viel Cultur erhalten, als ehmals. Man
fuͤhlt, daß ſie duͤrre Aeſte ſind und wuͤnſcht
junge Sproßen an ihre Stelle. Laßet uns
die beklagen, die als fruchtbare Zweige
auf einem duͤrren Aſt ſtehen; laßet uns
die tadeln, die den Aſt verdorren ließen
oder ihm ſeinen Saft entzogen; die Ach-
tung und Meinung der Zeit aber kann ſich
nur nach dem was da iſt, nicht was es
ehemals war oder kuͤnftig ſeyn wird, ge-
ſtalten. Jedes der Menſchheit erwieſene
Unrecht raͤchet aufs fuͤrchterlichſte ſich ſelbſt;
[85] und wehe, wem der Glaube oder Nicht-
glaube hieran mit Spott und Verachtung
in die Hand kommt.
Staͤnde veralten; mithin verjuͤngen ſich
auch Staͤnde. Es iſt Ein und daſſelbe
Geſetz der Natur, das dieſe Seite des Ra-
des hinunter, jene emporkehrt. Neuen
Moſt, ſagt das Evangelium, faße man
in neue Schlaͤuche; ſo werden ſie
beide erhalten.
Was hilft es, gegen die Vorurtheile
der Erziehung Klage erheben? Man beßre
die Erziehung, ſo fallen die Klagen weg.
Philoſophie aber kann dies nicht allein
thun; ſie iſt nur der linke Arm, Regie-
rung iſt der rechte Arm der Menſchheit.
Nur mit beiden laͤßt ſich das große Werk,
und alsdann ſehr leicht vollfuͤhren.
Was nuͤtzt es, uͤber ungeſchaffene oder
halbgeſchaffene Menſchen zu klagen, deren
F 3
[86] Ausbildung ja uns allein uͤberlaſſen ward?
Dem traͤgen Erdklos hauche Othem des
Lebens ein; er wird ſich munter bewegen,
und dir froͤlich danken.
Iſts gnug, auch in der Regierung der
Voͤlker Uebel zu bedauren, die wir heilen,
denen wir zuvorkommen koͤnnen? Laßet
Staͤnde, laßet Menſchen in allen Aemtern
und Bedienungen human und gerecht, groß,
gut und billig denken; der Regent kann
nicht anders, als mit und gleich ihnen den-
ken. Denn nur aus einzelnen Theilen be-
ſteht das Ganze; verbeſſern ſich die Theile,
und halten zuſammen; das Ganze wird
gut, ehe mans merket.
Tadeln Sie mir alſo nicht meine Phi-
loſophen, auch bei ihren kraͤnklichen Kla-
gen, oder bei ihren uͤberſpannten Wuͤn-
ſchen. Iſt nicht der kraͤnkliche Theil des
Koͤrpers der Witterung am meiſten em-
[87] pfindlich? Der Hygrometer muß zart, das
Queckſilber muß in einer glaͤſernen Roͤhre
verſchloſſen ſeyn, wenn ſie ihr Amt thun
ſollen. Anderntheils muß wer andre er-
muntern, entflammen will, ſelbſt warm
und munter ſeyn. Der kaͤltere Beobachter
oder Geſchaͤftsmann wird ihn ſchon zurecht-
weiſen.
Welch ein Ungluͤcksprophet ſind Sie
aber, daß Sie das barbariſche Kriegs- und
Eroberungsſyſtem fuͤr die unerſchuͤtterliche
Grundveſte Europa's halten? Das hat der
große Koͤnig nicht gemeint, ſo manchen
Einfall er ſich zumal in juͤngern Jahren
uͤber den guten Abbt St. Pierre erlaubte.
Waͤre dieſe traurige Behauptung wahr,
was koͤnnte man anders ſagen, als: zum
Wohl der Menſchheit gehe das ungluͤckli-
che Europa unter! Hat es nicht lange
gnug ſich ſelbſt und die Welt beunruhigt?
F 4
[88] Triefen nicht alle Laͤnder vom Blut derer,
die es erſchlug, vom Schweiß derer, die
es als Sklaven quaͤlte? Auf den Tafeln
der Natur ſtehet das große Geſetz der Bil-
ligkeit und Wiedervergeltung geſchrieben:
„man mache gut, was man boͤſe
gemacht hat; oder buͤße durch eig-
ne Verbrechen.“ Ich hoffe das Erſte.
Europa wird gut machen, was es im Tau-
mel der Leidenſchaft, unter den Huͤllen des
Aberglaubens und der Barbarei, unter dem
Joch der Vorurtheile und des Deſpotis-
mus boͤſe gemacht hat; und die ganze
Menſchheit wird ſich ſeiner klaͤreren Ver-
nunft, ſeiner geſetzteren Billigkeit, ſeines
richtigern Calculs freuen.
Denken Sie ſich eine Gattung Thiere,
die nicht Beduͤrfniſſes, ſondern des Ver-
gnuͤgens, der Kunſt, der Raſerei eines
Einzigen ihrer Art wegen, ſich ſelbſt auf-
[89] riebe; was wuͤrden Sie vom Urheber der
Natur ſagen? Sich ſelbſt zu regieren,
einander zur Gluͤckſeligkeit zu helfen, dazu
iſt das menſchliche Geſchlecht gemacht; nicht
einander zu ſieden, zu braten, und kuͤnſt-
lich zu morden.
Der große Friederich nannte die Kriege
Fieberanfaͤlle der Menſchheit. Dem Fieber
ruft man einen Arzt; auch dies Fieber wird
ſeinen Arzt finden, der ſeine Anfaͤlle we-
nigſtens lindre und mindre. Denn das
Menſchengeſchlecht dauert fort; was Eine
Zeit nicht thun konnte, kann die andre.
Plus vltra, iſt der Spruch der Menſchheit,
plus vltra! Kein Herkules hat an ihre
letzten Saͤulen gereicht; niemand wird ſie
erreichen.
[90]
23.
Iſts Braga's Lied im Sternenklang,
Iſts, Tochter Dval's, *) dein Weihgeſang,
Was rings die alte Nacht verjuͤngt,
Und mich, ach meinen Staub durchdringt? —
— Kann dies die Staͤte ſeyn, wo wir
Ins Thal des Schweigens flohn? —
Wie reizend, wie bezaubernd lacht
Die heitre Gegend, wie voll ſanfter Pracht!
In ſchoͤn'rer Majeſtaͤt, in reiferm Strale
Glaͤnzt dieſe Sonne. Milder fließt vom Thale
Mir fremder Bluͤthen Fruͤhlingsduft,
Und Balſamgeiſter ſteigen durch die Luft. —
[91]
In ſanfter aͤtheriſcher Muſik ſchallten
dieſe Worte um mein Ohr, indeß mein
ſchlummerndes Auge im Traum ein ſehr
erfreuliches Geſicht ſahe. An der Hand
eines ehrwuͤrdigen Barden erſchien ein alt-
deutſcher Druide. Der Druide ſuchte ver-
gebens ſeinen laͤngſt zerſtoͤrten heiligen Hain,
ſeine zertruͤmmerte Opferſtaͤte. Der Barde
ſuchte die verlohrnen Fußtapfen ſeiner Hel-
den; er ſah neue Geſetze, neue Anſtalten
[92] fuͤr Ruhe, Ordnung, Recht und Wohlſtand
der Menſchen; Gaͤrten und Fluren lachten
um ihn her; neue Lieder erklangen, nicht
blutige Heldenlieder. Da ergrif er ſeine
laͤngſt verſtummte Harfe; er ſang die Toͤ-
ne, deren einzelne Laute ich eben aus der
Erinnerung angefuͤhrt habe, und das Ge-
ſicht zog voruͤber. *)
Nur die zauberiſche Gegend blieb vor
meinem Auge; ich wachte und traͤumte.
Was ich ſah, war die jetzige Welt und
die Zukunft; ich glaubte, (ſo miſchen wir
im Traum die Dinge unter einander!) mit
phyſiſch-moraliſchen Geiſt von der unmit-
[93] telbarſten Gegenwart der Dinge auf ihre
Folgen zu ſchließen; oder vielmehr nicht
zu ſchließen, weil in der wachenden Er-
ſcheinung Gegenwart und Zukunft nur Eins
war. Es war die Blume in voller Geſtalt;
es war der Baum mit allen ſeinen Fruͤch-
ten. Ach, ſprach ich zu mir ſelbſt, Ephe-
meren, die wir glauben, mit uns gehe
Himmel und Erde unter! Blinde, die ſo
ſelten gewahr werden, woran ſie ſelbſt ar-
beiten, und was ſich vor ihnen entwickelt.
Die Gegenwart iſt ſchwanger von der Zu-
kunft; das Schickſal der Nachwelt iſt in
unſrer Hand, wir haben den Faden ge-
erbt, wir weben ihn, und ſpinnen ihn wei-
ter.
Wollen Sie, m. Freunde, etwas aus
dieſem meinem wachenden Traume wiſſen?
Hier ſind einige Zuͤge, von denen ich Ih-
nen kuͤnftig genaue Rechenſchaft zu geben
[94] hoffe: *) Denn, wie Sie wiſſen, Traͤume
werden nur aus Erfahrungen, und das
Grundgewebe dieſer Hoffnungen ſind ſehr
uͤberdachte Gedanken.
Ich ſtellte mir den Zuſtand der kuͤnfti-
gen Literatur aus dem Zuſammenhange
der jetzigen und der vergangenen vor; ich
ſah die Morgenroͤthe eines ſchoͤnen werden-
den Tages. Was erfindſame, fleißige Gei-
ſter unſrer Zeit und der Vorzeit Nuͤtzliches
verſuchten, begannen, thaten, ſah ich von
der Nachwelt gebraucht und uͤbertroffen.
Sie berichtigte Erfindungen, auf Anlagen
bauete ſie; ſie ſchuf ſich gleichſam neue
Organe; die ganze Anſicht der Dinge war
veraͤndert.
Unſre Bemuͤhungen, die Alten in ih-
rem Geiſt zu leſen, waren nichts weniger,
[95] als verkannt; ich hoͤrte den Namen eini-
ger meiner Freunde mit Liebe und Hoch-
achtung nennen. Man war aber weiter
gekommen; man dachte, und ſchrieb wie
die Alten. Zeiten, denen aͤhnlich, in denen
die edelſten Griechen und Roͤmer ſchrieben,
waren erſchienen; man ſchrieb, was man
ſah und that; und ſchrieb merkwuͤrdige
Dinge. Der Feldherr und Buͤrger, der
Philoſoph und Staatsmann trennten ſich
nicht von einander.
Zeiten waren gekommen, in denen nicht
Strafen allein, ſondern auch oͤffentliche
Ehren und Belohnungen waren. Da leb-
ten Kuͤnſtler, da ſangen Dichter. Es war
Griechenland und war es auch nicht: denn
drittehalb Jahrtauſende waren nicht um-
ſonſt verfloſſen in dem immer auf einan-
der bauenden Tempel der Zeiten. Mein
Herz erhob ſich, da ich aus meinen Tagen
[96] einzelne Laute meiner Bekannten und Freun-
de hoͤrte.
Ich ſah ein Theater, wie ichs zu unſrer
Zeit nicht geſehen hatte, dem Griechiſchen
ſehr aͤhnlich. Sogar der Chor erſchien
auf demſelben wieder, als Zeuge einer all-
gemeinen Theilnehmung an dem was ver-
handelt ward; unſerer Zeit fremde.
Ich bemerkte den Zuſtand der Philoſo-
phie; Maͤnner, die mir theuer geweſen
waren, erblickte ich als Geſetzgeber und
Einrichter der Nachwelt. Meine ganze
Seele war wie in den Tagen meiner Ju-
gend.
Geſetze endlich, Regierungen, der Zu-
ſtand der Menſchheit waren ſo, und ſo
leicht veraͤndert, daß ich mich wunderte,
wie wir das alles gewußt, gekannt und
nicht angewandt haben konnten. Auch
hier nannte man mir heilige, verehrte Na-
men
[97] men meiner und der Vorzeit, die ich ge-
liebt hatte. Allenthalben, auch im Tem-
pel der Religion, verehrte man Eine Goͤt-
tinn, aber nicht mit Worten, ſondern in
Thaten und Seele, die Humanitaͤt. In-
dem auch ich ſie anbeten wollte, riß mich
ein neues Traumgeſicht fort.
Durch Sturm und Wellen, uͤber Felſen
und Wuͤſten kam ich zum Sitze des alten
Menſchenfreundes, Prometheus. Er
war nicht mehr an ſeinen Felſen geſchmie-
det; kein Adler zehrete mehr an ſeiner nim-
merverzehrten Leber. Gewalt und Staͤr-
ke, die ihn einſt angeſchmiedet hatten, die-
neten ihm; die vom Stachel der Liebe um-
hergetriebene Jo ſaß in menſchlich-goͤttli-
cher Geſtalt ruhig zu ſeiner Seite. Der alte
Ocean auf ſeinem gefluͤgelten Roß und die
Zweite Samml. G
[98] Oceaniden auf ihrem Wagen, alle Menſchen-
freundlichen Nymphen und Pflegerinnen der
Erde waren um ihn verſammlet, und er
ſprach:
„Meine Vorſicht konnte mich nicht truͤ-
gen, denn ich wußte, was ich den Menſchen
gegeben hatte mit meinem Geſchenk. Un-
ſterblichkeit iſt nicht fuͤr ſie auf Erden;
aber mit dem Licht, das ich ihnen vom
Olympus holte, hatten ſie Alles. Traͤge
Geſchoͤpfe, daß ſie ſo lang' in der Daͤmme-
rung gingen; endlich haben ſie das Mittel
gefunden, das in ihnen ſelbſt lag, die Ver-
nunft. Sie giebt das Maas und die
Waage, ſich ſelbſt zu regieren, Leidenſchaf-
ten, auch die ſtaͤrkſten und haͤrteſten zu uͤber-
winden, und allein meiner Mutter The-
mis zu gehorchen. Lange litt ich mit ihren
Leiden; darum war ich an den Felſen ge-
ſchmiedet, die Zeit und ein edler Goͤt-
[99]terſohn, der Sohn meines aͤrgſten Fein-
des, haben mich befreiet.“ Das Traum-
bild verſchwand und ich erwachte.
Multa renaſcentur quae iam cecidere, ca-
dentque
Quae nunc ſunt in honore —
Alter erit tum Typhis, et altera quae vehat
Argo
Delectos heroas: erunt etiam altera bella,
Atque iterum ad Troiam magnus mittetur
Achilles.
[100]
24.
Ich fuͤrchte, Ihr armer Prometheus wird
lange noch die Feſſeln tragen, die ihm Ge-
walt und Staͤrke anlegten. Um indeſſen
nicht alte Zweifel zu wiederholen, lege ich
Ihnen nur noch Eine, aber eine Hauptfra-
ge vor:
„Waͤre die ganze Idee einer fortgehen-
den, oder fortſchreitenden Vervollkommung
des Menſchengeſchlechts nicht ein bloßer
Traum?“ Prometheus wußte ſeinen armen
Kranken kein anderes Heilmittel zu geben,
als die taͤuſchende, blinde Hoffnung.
„Welche andre Gattung der Geſchoͤpfe
laͤßt ſich vervollkommen? Und fuͤr wen?
[101] fuͤr ſich, oder fuͤr andre? Welchen Beruf
alſo, welche Sicherheit daruͤber haͤtte der
einzige Menſch fuͤr ſich?
„Und wo ſteht ſein Ziel der Vollkommen-
heit? Die Linie dahin, iſt ſie eine Aſym-
ptote? eine Ellipſe? eine Cykloide? oder
welch eine andre Curve?“
„Das menſchliche Geſchlecht beſteht nur
in einzelnen Menſchen. Werden wir voll-
kommner gebohren, als unſre Vorfahren?
vollkommner erzogen? Und wenn dies auch
waͤre; der einzelne Menſch waͤchſt, culmi-
nirt und geht ruͤckwaͤrts. Ein andrer tritt
an ſeine Stelle, waͤchſt, culminirt und geht
ruͤckwaͤrts. Er nimmt, was er etwa erwor-
ben hatte, ins Grab; der andre hat neue
Muͤhe im Erwerben, und eben den Aus-
gang.“
„Was heißt Vervollkommung? Heißts
Vermehrung der Kraͤfte? Dieſe bleiben in
G 3
[102] dem den Menſchen von der Natur beſtimm-
ten Maas und Kreiſe. Der Menſch, ſo oft
man ihn auch einen Gott, oder einen Engel
nennete, kann nie ein Gott oder ein Engel
werden.“
„Oder waͤre Vervollkommung eine Ver-
mehrung von Werkzeugen und Mitteln zum
Gebrauch menſchlicher Kraͤfte? So kommt
es immer doch darauf an, ob ſie gut ge-
braucht werden: denn in den Haͤnden des
Boͤſewichts ſind vermehrte Mittel, vermehr-
te Uebel.“
„Alſo veraͤnderte ſich die Frage dahin:
„wird das menſchliche Geſchlecht (nicht cul-
tivirter, ſondern) moraliſch-beſſer? Beſſer
in Neigungen? in Grundſaͤtzen? in Anwen-
dung dieſer Grundſaͤtze zu Ordnung der Nei-
gungen? zu Bezwingung der Leidenſchaften?
zu mehrerer und ſchwererer Tugenduͤbung?
Getraueten Sie ſich dieſes zu behaupten?“
[103]
„Und woher behaupteten Sies? aus der
Natur der Sache? aus dem Weſen der
Menſchheit? aus der Geſchichte und Erfah-
rung?“
„Ziehen Sie die Zuſammenordnung der
Menſchen auf unſerm Erdball klimatiſch,
local, politiſch, und wie Sie ferner wollen,
in Erwaͤgung; bemerken Sie den Wechſel
der Dinge in Reichen, in Staaten, in Fa-
milien, in Staͤnden; allenthalben werden
Sie zwar Macht, Reichthum, Trieb, Lei-
denſchaft, blinde Neigung herrſchend fin-
den; aber auch erleuchtete Vernunft, Weis-
heit, Guͤte? und zwar nach dem Fortgange
der Zeiten mit wachſendem Lichte?“
„Chronologiſch und genealogiſch haͤngt
freilich das Menſchengeſchlecht zuſammen,
oder ruͤcket fort; aber auch dynamiſch?
rationell? moraliſch?“
G 4
[104]
„Und verloͤre unſer Geſchlecht dabei, wenn
es nicht fortruͤckte? Der einzelne Menſch
nicht: denn der lebt auf ſeiner Stelle und
kommt nicht wieder. Das Ganze auch nicht;
dies lebt nur in einzelnen Theilen. Die
wachſende Vollkommenheit des Ganzen waͤre
ein Ideal, das keinem zu gut kommt, das
nur in einem alles uͤberſehenden Geiſt exſi-
ſtiren koͤnnte, etwa im Geiſt des Schoͤp-
fers; und was waͤre fuͤr dieſen ein ſolches
Spielwerk?“
Vergoͤnnen Sie alſo, daß ich mit Leſ-
ſing den ganzen Traum von wachſender
Vollkommenheit unſeres Geſchlechts fuͤr ei-
nen heilſamen Trug annehme. Der
Menſch muß nach etwas Hoͤherem ſtreben,
damit er nicht unter ſich ſinke. Er muß vor-
waͤrts getrieben werden, damit er nur von
der Stelle komme, und nicht in Traͤgheit
ermatte. Der Wahn einer Perfectibilitaͤt
[105] und der Trieb dazu ſcheinet ihm nur als Ver-
wahrungsmittel gegen die Unthaͤtigkeit und
Verſchlimmerung gegeben. Er geht wie in
der Muͤhle das blinde Pferd, oder wie die
kletternde Ziege.
Shakeſp.
[106]
25.
Alle Ihre Fragen uͤber den Fortgang unſ-
res Geſchlechts, die eigentlich ein Buch er-
forderten, beantwortet, wie mich duͤnkt,
ein einziges Wort, Humanitaͤt, Menſch-
heit. Waͤre die Frage: ob der Menſch mehr
als Menſch, ein Ueber- ein Außermenſch
werden koͤnne und ſolle? ſo waͤre jede Zeile
zu viel, die man deßhalb ſchriebe. Nun
aber, da nur von den Geſetzen ſeiner
Natur, vom unausloͤſchlichen Cha-
rakter ſeiner Art und Gattung die
Rede iſt: ſo erlauben Sie, daß ich ſogar
einige Paragraphen ſchreibe.
[107]
Ueber den Charakter der Menſchheit.
1.
Vollkommenheit einer Sache kann
nichts ſeyn, als daß das Ding ſei, was es
ſeyn ſoll und kann.
2.
Vollkommenheit eines einzelnen Men-
ſchen iſt alſo, daß er im Continuum ſeiner
Exſiſtenz Er ſelbſt ſei und werde. Daß er
die Kraͤfte brauche, die die Natur ihm als
Stammgut gegeben hat; daß er damit fuͤr
ſich und andre wuchere.
3.
Erhaltung, Leben und Geſund-
heit iſt der Grund dieſer Kraͤfte; was die-
ſen Grund ſchwaͤchet, oder wegnimmt, was
Menſchen hinopfert, oder verſtuͤmmelt; es
[108] habe Namen, wie es wolle, iſt unmenſch-
lich.
4.
Mit dem Leben des Menſchen faͤngt ſeine
Erziehung an: denn Kraͤfte und Glieder
bringt er zwar auf die Welt, aber den Ge-
brauch dieſer Kraͤfte und Glieder, ihre An-
wendung, ihre Entwicklung muß er lernen.
Ein Zuſtand der Geſellſchaft alſo, der die
Erziehung vernachlaͤßigt, oder auf falſche
Wege lenkt, oder dieſe falſche Wege beguͤn-
ſtigt, oder endlich die Erziehung der Men-
ſchen ſchwer und unmoͤglich macht, iſt inſo-
fern ein unmenſchlicher Zuſtand. Er beraubt
ſich ſelbſt ſeiner Glieder und des Beſten, das
an ihnen iſt, des Gebrauchs ihrer Kraͤfte.
Wozu haͤtten ſich Menſchen vereinigt, als
daß ſie dadurch vollkommenere, beſſere, gluͤck-
lichere Menſchen wuͤrden?
[109]
5.
Unfoͤrmliche alſo oder ſchiefaus-
gebildete Menſchen zeigen mit ihrer trau-
rigen Exſiſtenz nichts weiter, als daß ſie in
einer ungluͤcklichen Geſellſchaft von Kindheit
auf lebten: denn Menſch zu werden, dazu
bringt jeder Anlage gnug mit ſich.
6.
Sich allein kann kein Menſch leben,
wenn er auch wollte. Die Fertigkeiten, die
er ſich erwirbt, die Tugenden oder Laſter,
die er ausuͤbt, kommen in einem kleinern
oder groͤßeren Kreiſe andern zu Leid oder
zur Freude.
7.
Die gegenſeitig-wohlthaͤtigſte
Einwirkung eines Menſchen auf
den Andern Jedem Individuum zu ver-
ſchaffen und zu erleichtern; nur dies kann
[110] der Zweck aller menſchlicher Verei-
nigung ſeyn. Was ihn ſtoͤrt, hindert
oder aufhebt, iſt unmenſchlich. Lebe der
Menſch kurz oder lange, in dieſem oder je-
nem Stande; er ſoll ſeine Exſiſtenz genießen
und das Beſte davon andern mittheilen;
dazu ſoll ihm die Geſellſchaft, zu der er ſich
vereinigt hat, helfen.
8.
Gehet ein Menſch von hinnen, ſo nimmt
er nichts als das Bewußtſeyn mit ſich, ſei-
ner Pflicht, Menſch zu ſeyn, mehr oder
minder ein Gnuͤge gethan zu haben. Alles
andre bleibt hinter ihm, den Menſchen.
Der Gebrauch ſeiner Faͤhigkeiten, alle Zin-
ſen des Capitals ſeiner Kraͤfte, die das ihm
geliehene Stammgut oft hoch uͤberſteigen,
fallen ſeinem Geſchlecht anheim.
[111]
9.
An ſeine Stelle treten junge, ruͤſtige
Menſchen, die mit dieſen Guͤtern forthan-
deln; ſie treten ab, und es kommen andre
an ihre Stelle. Menſchen ſterben, aber die
Menſchheit perennirt unſterblich. Ihr Haupt-
gut, der Gebrauch ihrer Kraͤfte, die Aus-
bildung ihrer Faͤhigkeiten iſt ein gemeines,
bleibendes Gut; und muß natuͤrlicher Weiſe
im fortgehenden Gebrauch fortwachſen.
10.
Durch Uebung vermehren ſich die
Kraͤfte, nicht nur bei Einzelnen, ſondern
ungeheuer mehr bei Vielen nach und mit
einander. Die Menſchen ſchaffen ſich immer
mehrere und beſſere Werkzeuge; ſie lernen
ſich ſelbſt einander immer mehr und beſſer
als Werkzeuge gebrauchen. Die phyſi-
ſche Gewalt der Menſchheit nimmt
[112] alſo zu: der Ball des Fortzutreibenden wird
groͤßer; die Maſchienen, die es forttreiben
ſollen, werden ausgearbeiteter, kuͤnſtlicher,
geſchickter, feiner.
11.
Denn die Natur des Menſchen iſt
Kunſt. Alles, wozu eine Anlage in ſei-
nem Daſeyn iſt, kann und muß mit der Zeit
Kunſt werden.
12.
Alle Gegenſtaͤnde, die in ſeinem
Reich liegen, (und dies iſt ſo groß als die
Erde) laden ihn dazu ein; ſie koͤnnen und
werden von ihm, nicht ihrem Weſen nach,
ſondern nur zu ſeinem Gebrauch erforſcht,
gekannt, angewandt werden. Niemand iſt,
der ihm hierinn Grenzen ſetzen koͤnne; ſelbſt
der Tod nicht: denn das Menſchengeſchlecht
ver-
[113] verjuͤnget ſich mit immer neuen Anſichten der
Dinge, mit immer jungen Kraͤften.
13.
Unendlich ſind die Verbindungen, in
welche die Gegenſtaͤnde der Natur ge-
bracht werden koͤnnen; der Geiſt der Er-
findungen zum Gebrauch derſelben iſt alſo
unbeſchraͤnkt und fortſchreitend.
Eine Erfindung weckt die andre auf; Eine
Thaͤtigkeit erweckt die andre. Oft ſind mit
Einer Entdeckung tauſend andre, und zehn-
tauſend auf ſie gegruͤndete, neue Thaͤtig-
keiten gegeben.
14.
Nur ſtelle man ſich die Linie dieſes
Fortganges nicht gerade, noch einfoͤr-
mig; ſondern nach allen Richtungen, in
allen moͤglichen Wendungen und Winkeln
Zweite Samml. H
[114] vor. Weder die Aſymptote, noch die El-
lipſe und Cykloide moͤgen den Lauf der
Natur uns vormahlen. Jetzt fallen die
Menſchen begierig uͤber einen Gegenſtand
her; jetzt verlaſſen ſie ihn mitten im Werk;
entweder ſeiner muͤde, oder weil ein an-
drer neuerer Gegenſtand ſie zu ſich hin-
reißt. Wenn dieſer ihnen alt geworden
iſt, werden ſie zu jenem zuruͤckkehren; oder
dieſer wird ſie gar auf jenen zuruͤckleiten.
Denn fuͤr den Menſchen iſt Alles in der
Natur verbunden, eben weil der Menſch
nur Menſch iſt und allein mit ſeinen Or-
ganen die Natur ſiehet und gebrauchet.
15.
Hieraus entſpringt ein Wettkampf
menſchlicher Kraͤfte, der immer vermehrt
werden muß, je mehr die Sphaͤre des Er-
kenntniſſes und der Uebung zunimmt. Ele-
[115] mente und Nationen kommen in Verbin-
dung, die ſich ſonſt nicht zu kennen ſchie-
nen; je haͤrter ſie in den Kampf gerathen,
deſto mehr reiben ſich ihre Seiten allmaͤ-
lich gegen einander ab, und es entſtehen
endlich gemeinſchaftliche Productionen meh-
rerer Voͤlker.
16.
Ein Conflict aller Voͤlker unſrer
Erde iſt gar wohl zu gedenken; der Grund
dazu iſt ſogar ſchon geleget.
17.
Daß zu dieſen Operationen die Natur
viel Zeit, mancherlei Umwandlungen be-
darf, iſt nicht zu verwundern; ihr iſt kei-
ne Zeit zu lang, keine Bewegung zu ver-
flochten. Alles was geſchehen kann und
ſoll, mag nur in aller Zeit, wie im gan-
H 2
[116]zen Raum der Dinge zu Stande ge-
bracht werden; was heute nicht wird, weil
es nicht geſchehen kann, erfolgt morgen.
18.
Der Menſch iſt zwar das erſte, aber
nicht das einzige Geſchoͤpf der Erde; er
beherrſcht die Welt, iſt aber nicht das Uni-
verſum. Alſo ſtehen ihm oft die Ele-
mente der Natur entgegen, daher
er mit ihnen kaͤmpfet. Das Feuer zer-
ſtoͤrt ſeine Werke; Ueberſchwemmungen be-
decken ſein Land; Stuͤrme zertruͤmmern
ſeine Schiffe, und Krankheiten morden ſein
Geſchlecht. Alle dies iſt ihm in den Weg
gelegt, damit ers uͤberwinde.
19.
Er hat dazu die Waffen in ſich. Seine
Klugheit hat Thiere bezwungen, und ge-
[117] braucht ſie zu ſeiner Abſicht; ſeine Vor-
ſicht ſetzt dem Feuer Grenzen und zwingt
den Sturm, ihm zu dienen. Den Fluthen
ſetzt er Waͤlle entgegen und geht auf ihren
Wogen daher; den Krankheiten und dem
verheerenden Tode ſelbſt ſucht und weiß er
zu ſteuren. Zu ſeinen beſten Guͤtern
iſt der Menſch durch Unfaͤlle gelangt,
und tauſend Entdeckungen waͤren ihm ver-
borgen geblieben, haͤtte ſie die Noth nicht
erfunden. Sie iſt das Gewicht an der
Uhr, das alle Raͤder derſelben treibet.
20.
Ein Gleiches iſts mit den Stuͤrmen in
unſrer Bruſt, den Leidenſchaften der
Menſchen. Die Natur hat die Charaktere
unſeres Geſchlechts ſo verſchieden gemacht,
als dieſe irgend nur ſeyn konnten: denn
alles Innere ſoll in der Menſchheit her-
H 3
[118] ausgekehrt, alle ihre Kraͤfte ſollen ent-
wickelt werden.
21.
Wie es unter den Thieren zerſtoͤren-
de und erhaltende Gattungen giebt;
ſo unter den Menſchen. Nur unter jenen
und dieſen ſind die zerſtoͤrenden Leiden-
ſchaften die wenigern; ſie koͤnnen und
muͤſſen von den erhaltenden Neigungen
unſrer Natur eingeſchraͤnkt und bezwun-
gen, zwar nicht ausgetilgt, aber unter eine
Regel gebracht werden.
22.
Dieſe Regel iſt Vernunft, bei Hand-
lungen Billigkeit und Guͤte. Eine
Vernunftloſe, blinde Macht iſt zuletzt im-
mer eine ohnmaͤchtige Macht; entweder zer-
ſtoͤrt ſie ſich ſelbſt, oder muß am Ende dem
Verſtande dienen.
[119]
23.
Deßgleichen iſt der wahre Verſtand im-
mer auch mit Billigkeit und Guͤte
verbunden; ſie fuͤhret auf ihn, er fuͤhret
auf ſie; Verſtand und Guͤte ſind die bei-
den Pole, um deren Achſe ſich die Kugel
der Humanitaͤt beweget.
24.
Wo ſie einander entgegengeſetzt ſchei-
nen, da iſts mit einer oder dem andern
nicht richtig; eben dieſe Divergenz
aber macht Fehler ſichtbar, und bringt
den Calcul des Intereſſe unſres Geſchlechts
immer mehr zur Richtigkeit und Beſtimmt-
heit. Jeder feinere Fehler giebt eine
neue, hoͤhere Regel der reinen all-
umfaſſenden Guͤte und Wahrheit.
H 4
[120]
25.
Alle Laſter und Fehler unſres Geſchlechts
muͤſſen alſo dem Ganzen endlich zum
Beſten gereichen. Alles Elend, das aus
Vorurtheilen, Traͤgheit und Unwiſſenheit
entſpringt, kann den Menſchen ſeine Sphaͤ-
re nur mehr kennen lehren; alle Aus-
ſchweifungen rechts und links ſtoßen ihn
am Ende auf ſeinen Mittelpunkt zuruͤck.
26.
Je unwilliger, hartnaͤckiger, traͤger das
Menſchengeſchlecht iſt, deſto mehr thut es
ſich ſelbſt Schaden; dieſen Schaden muß
es tragen, buͤßen und entgelten; deſto ſpaͤ-
ter kommts zum Ziele.
27.
Dies Ziel ausſchließend jenſeit des
Grabes ſetzen, iſt dem Menſchengeſchlecht
[121] nicht foͤrderlich, ſondern ſchaͤdlich. Dort
kann nur wachſen, was hier gepflanzt iſt,
und einem Menſchen ſein hieſiges Daſeyn
rauben, um ihn mit einem andern außer
unſrer Welt zu belohnen, heißt den Men-
ſchen um ſein Daſeyn betruͤgen.
28.
Ja dem ganzen menſchlichen Geſchlecht,
das alſo verfuͤhrt wird, ſeinen Endpunkt
der Wirkung verruͤcken, heißt ihm den Sta-
chel ſeiner Wirkſamkeit aus der Hand drehn,
und es im Schwindel erhalten.
29.
Je reiner eine Religion war, deſto
mehr mußte und wollte ſie die Humanitaͤt
befoͤrdern. Dies iſt der Pruͤfſtein ſelbſt der
Mythologie der verſchiednen Religionen.
H 5
[122]
30.
Die Religion Chriſti, die Er ſelbſt
hatte, lehrte und uͤbte, war die Huma-
nitaͤt ſelbſt. Nichts anders, als ſie; ſie
aber auch im weitſten Inbegrif, in der
reinſten Quelle, in der wirkſamſten An-
wendung. Chriſtus kannte fuͤr ſich keinen
edleren Namen, als daß er ſich den Men-
ſchenſohn d. i. einen Menſchen nannte.
31.
Je beßer ein Staat iſt, deſto angele-
gentlicher und gluͤcklicher wird in ihm die
Humanitaͤt gepfleget; je inhumaner,
deſto ungluͤcklicher und aͤrger. Dies geht
durch alle Glieder und Verbindungen deſ-
ſelben von der Huͤtte an bis zum Throne.
32.
Der Politik iſt der Menſch ein Mit-
tel; der Moral iſt er Zweck. Beide
[123] Wiſſenſchaften muͤſſen Eins werden, oder
ſie ſind ſchaͤdlich wider einander. Alle da-
bei erſcheinende Diſparaten indeß muͤſſen
die Menſchen belehren, damit ſie, wenig-
ſtens durch eigenen Schaden klug werden.
33.
Wie jeden aufmerkſamen einzelnen
Menſchen das Geſetz der Natur zur Hu-
manitaͤt fuͤhret; ſeine rauhen Ecken wer-
den ihm abgeſtoßen, er muß ſich uͤberwin-
den, andern nachgeben, und ſeine Kraͤfte
zum Beſten andrer gebrauchen lernen: ſo
wirken die verſchiedenen Charaktere
und Sinnesarten zum Wohl des groͤſ-
ſeren Ganzen. Jeder fuͤhlt die Uebel der
Welt nach ſeiner eigenen Lage; er
hat alſo die Pflicht auf ſich, ſich ihrer von
dieſer Seite anzunehmen, dem Mangelhaf-
ten, Schwachen, Gedruckten an dem Theil
[124] zu Huͤlfe zu kommen, da es ihm ſein
Verſtand und ſein Herz gebietet. Ge-
lingts, ſo hat er dabei in ihm ſelbſt die
eigenſte Freude; gelingts jetzt und ihm
nicht, ſo wirds zu anderer Zeit einem an-
dern gelingen. Er aber hat gethan, was
Er thun ſollte und konnte.
34.
Iſt der Staat das, was er ſeyn ſoll,
das Auge der allgemeinen Ver-
nunft, das Ohr und Herz der all-
gemeinen Billigkeit und Guͤte: ſo
wird er jede dieſer Stimmen hoͤren, und
die Thaͤtigkeit der Menſchen nach ihren
verſchiednen Neigungen, Empfindbarkeiten,
Schwaͤchen und Beduͤrfniſſen aufwecken und
ermuntern.
35.
Es iſt nur Ein Bau, der fortge-
fuͤhrt werden ſoll, der ſimpelſte, groͤßeſte;
[125] er erſtrecket ſich uͤber alle Jahrhunderte
und Nationen; wie phyſiſch, ſo iſt auch
moraliſch und politiſch die Menſchheit
im ewigen Fortgange und Stre-
ben.
36.
Die Perfectibilitaͤt iſt alſo keine
Taͤuſchung; ſie iſt Mittel und Endzweck zu
Ausbildung alles deſſen, was der Charak-
ter unſres Geſchlechts Humanitaͤt ver-
langet und gewaͤhret.
Hebet eure Augen auf und ſehet. Al-
lenthalben iſt die Saat geſaͤet; hier ver-
weſet und keimt, dort waͤchſet ſie und reift
zu einer neuen Ausſaat. Dort liegt ſie
unter Schnee und Eiſe; getroſt! das Eis
ſchmilzt; der Schnee waͤrmt und decket die
[126] Saat. Kein Uebel, das der Menſchheit
begegnet, kann und ſoll ihr anders als
erſprießlich werden. Es laͤge ja ſelbſt an
ihr, wenn es ihr nicht erſprießlich wuͤrde:
denn auch Laſter, Fehler und Schwachhei-
ten der Menſchen ſtehen als Naturbege-
benheiten unter Regeln, und ſind oder ſie
koͤnnen berechnet werden. Das iſt mein
Credo. Speremus atque agamus.
[127]
26.
Neulich ſprach Jemand von einer Geſell-
ſchaft, von der er ſonderbare Dinge be-
hauptete. Er ſagte, „ihre wahre Thaten
„ſeyn ſo groß, ſo weit ausſehend, daß
„ganze Jahrhunderte vergehen koͤnnten,
„ehe man ſagen duͤrfte: das haben ſie ge-
„than! Gleichwohl haͤtten ſie alles Gute
„gethan, was noch in der Welt iſt (merke
„wohl, ſagte er: in der Welt!) und fuͤh-
„ren fort, an alle dem Guten zu arbeiten,
„was noch in der Welt werden wird, (merke
[165[128]] „wohl, ſagte er, in der Welt!) Und,
„(ſetzte er hinzu,) die wahren Thaten dieſer
„Geſellſchaft zielen dahin, um groͤßtentheils
„alles, was man gemeiniglich gute Thaten
„nennt, entbehrlich zu machen.“
Wer war begieriger uͤber dieſes Raͤthſel
als ich? Und hier iſt ungefaͤhr unſer Ge-
ſpraͤch daruͤber.
Geſpraͤch
uͤber eine unſichtbar-ſichtbare Geſellſchaft.
Er. Wofuͤr haͤltſt du die buͤrgerliche Geſell-
ſchaft der Menſchen?
Ich. Fuͤr etwas ſehr Gutes.
Er. Ohnſtreitig. Aber haͤltſt du ſie fuͤr
Zweck oder fuͤr Mittel? Glaubſt du, daß
die Menſchen fuͤr die Staaten erſchaffen
wor-
[129] worden? oder daß die Staaten fuͤr die
Menſchen ſind?
Ich. Jenes ſcheinen einige behaupten zu
wollen, dieſes aber mag wohl das Wah-
rere ſeyn.
Er. So denke ich auch. Die Staaten ver-
einigen die Menſchen, damit durch dieſe
und in dieſer Vereinigung jeder einzelne
Menſch ſeinen Theil von Gluͤckſeligkeit
deſto beßer und ſichrer genießen koͤnne.
Das Totale der einzelnen Gluͤckſeligkeiten
aller Glieder iſt die Gluͤckſeligkeit des
Staats. Außer dieſer giebt es gar keine.
Jede andre Gluͤckſeligkeit des Staats,
bei welcher auch noch ſo wenig einzelne
Glieder leiden, iſt Bemaͤntelung der Ty-
rannei. Anders nichts. —
Zweite Samml. I
[130]
Ich. Gut alſo! Das buͤrgerliche Leben des
Menſchen, alle Staatsverfaßungen ſind
nichts als Mittel zur menſchlichen Gluͤck-
ſeligkeit. Was weiter?
Er. Nichts als Mittel, und Mittel menſch-
licher Erfindung; ob ich gleich nicht
laͤugnen will, daß die Natur alles ſo ein-
gerichtet, daß der Menſch ſehr bald auf
dieſe Erfindung gerathen muͤßen. Nun
ſage mir, wenn die Staatsverfaſſungen
Mittel, Mittel menſchlicher Erfindungen
ſind: ſollten ſie allein von dem Schickſale
menſchlicher Mittel ausgenommen ſeyn?
Ich. Was nenneſt du Schickſale menſchlicher
Mittel?
Er. Das, was unzertrennlich mit menſch-
lichen Mitteln verbunden iſt, daß ſie nicht
unfehlbar ſind. Daß ſie ihrer Abſicht
nicht allein nicht entſprechen, ſondern
[131] auch wohl gerade das Gegentheil davon
bewirken.
Ich. Ich glaube dich zu verſtehen. Aber
man weiß ja wohl, woher es kommt,
wenn ſo viel einzelne Menſchen durch die
Staatsverfaſſung an ihrer Gluͤckſeligkeit
nichts gewinnen. Der Staatsverfaſſun-
gen ſind viele; eine iſt alſo beßer, als
die andre; manche iſt ſehr fehlerhaft,
mit ihrer Abſicht offenbar ſtreitend; und
die beſte ſoll vielleicht noch erfunden
werden.
Er. Das ungerechnet! Setze die beſte
Staatsverfaſſung, die ſich nur denken
laͤßt, ſchon erfunden; ſetze, daß alle
Menſchen in der ganzen Welt dieſe beſte
Staatsverfaſſung angenommen haben:
meynſt du nicht, daß auch dann noch,
ſelbſt aus dieſer beſten Staatsverfaſſung,
I 2
[132] Dinge entſpringen muͤßen, welche der
menſchlichen Gluͤckſeligkeit hoͤchſt nach-
theilig ſind, und wovon der Menſch in
dem Stande der Natur ſchlechterdings
nicht gewußt haͤtte?
Ich. Es wuͤrde dir ſchwer werden, eins
von jenen nachtheiligen Dingen zu
nennen —
Er. Die auch aus der beſten Staatsver-
faſſung nothwendig entſpringen muͤßen?
O zehne fuͤr eines.
Ich. Nur Eines erſt.
Er. Wir nehmen alſo die beſte Staatsver-
faſſung fuͤr erfunden an; wir nehmen an,
daß alle Menſchen in der Welt in dieſer
beſten Staatsverfaſſung leben; wuͤrden
deßwegen alle Menſchen in der Welt nur
Einen Staat ausmachen?
[133]
Ich. Wohl ſchwerlich. Ein ſo ungeheurer
Staat wuͤrde keiner Verwaltung faͤhig
ſeyn. Er muͤßte ſich alſo in mehrere kleine
Staaten vertheilen, die alle nach den
naͤmlichen Geſetzen verwaltet wuͤrden.
Er. Und jeder dieſer kleineren Staaten
haͤtte ſein eignes Intereße? jedes Glied
deſſelben haͤtte das Intereße ſeines
Staats?
Ich. Wie anders?
Er. Dieſe verſchiedenen Intereße wuͤrden
oͤfters mit einander in Colliſion kommen,
ſo wie jetzt; und zwei Glieder aus zwei
verſchiedenen Staaten wuͤrden einander
eben ſo wenig mit unbefangenem Ge-
muͤth begegnen koͤnnen, als jetzt ein Deut-
ſcher einem Franzoſen, ein Franzoſe einem
Englaͤnder begegnet.
I 3
[134]
Ich. Sehr wahrſcheinlich.
Er. Das iſt: wenn jetzt ein Deutſcher
einem Franzoſen, ein Franzoſe einem
Englaͤnder begegnet, ſo begegnet nicht
mehr ein bloßer Menſch einem bloßen
Menſchen, ſondern ein ſolcher Menſch
begegnet einem ſolchen Menſchen, die
ihrer verſchiedenen Tendenz ſich bewußt
ſind, welches ſie gegen einander kalt,
zuruͤckhaltend, mißtrauiſch macht, noch
ehe ſie fuͤr ihre einzelne Perſon das ge-
ringſte mit einander zu ſchaffen und zu
theilen haben.
Ich. Das iſt leider wahr.
Er. Nun ſo iſt es denn auch wahr, daß
das Mittel welches die Menſchen ver-
einiget, um ſie durch dieſe Vereinigung
ihres Gluͤcks zu verſichern, die Menſchen
zugleich trennet. Tritt einen Schritt
[135] weiter. Viele von den kleinern Staaten
wuͤrden ein ganz verſchiedenes Klima,
folglich ganz verſchiedene Beduͤrfniße und
Befriedigungen, folglich ganz verſchiedene
Gewohnheiten und Sitten, folglich ganz
verſchiedene Sittenlehren, folglich ganz
verſchiedene Religionen haben?
Ich. Das iſt ein gewaltiger Schritt.
Er. Haͤtten ſie das; ſo wuͤrden ſie auch,
ſie moͤchten heißen, wie ſie wollten, ſich
unter einander nicht anders verhalten,
als ſich unſre Chriſten und Juden und
Tuͤrken von jeher unter einander verhal-
ten haben. Nicht als bloße Menſchen
gegen bloße Menſchen; ſondern als
ſolche Menſchen gegen ſolche Men-
ſchen, die ſich einen gewiſſen geiſtigen
Vorzug gegen einander ſtreitig machen,
und darauf Rechte gruͤnden, die dem
I 4
[136] natuͤrlichen Menſchen nimmermehr ein-
fallen koͤnnten.
Ich. Allenfalls daͤchte ich doch, ſo wie du
angenommen haſt, daß alle Staaten
einerlei Verfaſſung haͤtten, daß ſie auch
wohl alle Einerlei Religion haben koͤnn-
ten. Ja ich begreife nicht, wie Einerlei
Staatsverfaßung ohne Einerlei Religion
auch nur moͤglich iſt.
Er. Ich eben ſo wenig. Auch nahm ich
jenes nur an, um dir deine Ausflucht
abzuſchneiden. Eines iſt zuverlaͤßig eben
ſo unmoͤglich, als das andre. Ein Staat,
mehrere Staaten. Mehrere Staaten,
mehrere Staatsverfaſſungen. Mehrere
Staatsverfaſſungen, mehrere Religio-
nen. — Nun ſieh da das zweite Un-
heil, welches die buͤrgerliche Geſellſchaft
ganz ihrer Abſicht entgegen verurſacht.
[137] Sie kann die Menſchen nicht vereinigen,
ohne ſie zu trennen; nicht trennen, ohne
Kluͤfte zwiſchen ihnen zu befeſtigen, ohne
Scheidemauern durch ſie hinzuziehen. Laß
mich noch das dritte hinzufuͤgen. Nicht
gnug, daß die buͤrgerliche Geſellſchaft die
Menſchen in verſchiedene Voͤlker und
Religionen theilet und trennet. Dieſe
Trennung in wenige große Theile, deren
jeder fuͤr ſich ein Ganzes waͤre, waͤre doch
immer noch beßer als gar kein Ganzes. —
Nein; die buͤrgerliche Geſellſchaft ſetzt
ihre Trennung auch in jedem dieſer Theile
gleichſam bis ins Unendliche fort.
Ich. Wie ſo?
Er. Oder meynſt du, daß ein Staat ſich
ohne Verſchiedenheit von Staͤnden
denken laͤßt? Er ſey gut oder ſchlecht,
der Vollkommenheit mehr oder weniger
I 5
[138] nahe; ohnmoͤglich koͤnnen alle Glieder
unter ſich das naͤmliche Verhaͤltniß ha-
ben. — Wenn ſie auch alle an der Geſetz-
gebung Antheil haͤtten; ſo koͤnnen ſie doch
nicht gleichen Antheil haben, wenigſtens
nicht gleich unmittelbaren Antheil. Es
wird alſo vornehmere und geringere Glie-
der geben. — Wenn Anfangs auch alle
Beſitzungen des Staats unter ſie gleich
vertheilet worden: ſo kann dieſe gleiche
Vertheilung doch keine zwei Menſchenalter
beſtehen. Es wird bald reichere und
aͤrmere Glieder geben.
Ich. Das verſteht ſich.
Er. Nun uͤberlege, wie viel Uebel es in
der Welt wohl giebt, die in dieſer Ver-
ſchiedenheit der Staͤnde ihren Grund nicht
haͤtten.
[139]
Ich. Wenn ich dir doch widerſprechen koͤnn-
te! Aber was willſt du damit? Mir das
buͤrgerliche Leben dadurch verleiden?
Mich wuͤnſchen machen, daß den Men-
ſchen der Gedanke, ſich in Staaten zu
vereinigen, nie moͤge gekommen ſeyn?
Er. Verkennſt du mich ſo weit? Wenn die
buͤrgerliche Geſellſchaft auch nur das Gute
haͤtte, daß allein in ihr die menſchliche
Vernunft angebauet werden kann; ich
wuͤrde ſie auch bei weit groͤßern Uebeln
noch ſegnen.
Ich. Wer des Feuers genießen will, muß
ſich den Rauch gefallen laſſen.
Er. Allerdings. Aber weil der Rauch bei
dem Feuer unvermeidlich iſt, durfte man
darum keinen Rauchfang erfinden? Und
der den Rauchfang erfand, war der dar-
[140] um ein Feind des Feuers? Sieh, dahin
wollte ich.
Ich. Wohin? Ich verſtehe dich nicht.
Er. Das Gleichniß war doch ſehr paßend. —
Wenn die Menſchen nicht anders in
Staaten vereinigt werden konnten, als
durch jene Trennungen, werden ſie dar-
um gut, jene Trennungen?
Ich. Das wohl nicht.
Er. Werden Sie darum heilig, jene Tren-
nungen?
Ich. Wie heilig?
Er. Daß es verboten ſeyn ſollte, Hand an
ſie zu legen.
Ich. In Abſicht..
Er. In Abſicht, ſie nicht groͤßer einreißen
zu laſſen, als die Nothwendigkeit erfor-
[141] dert. In Abſicht, ihre Folgen ſo un-
ſchaͤdlich zu machen, als moͤglich.
Ich. Wie koͤnnte das verboten ſeyn?
Er. Aber geboten kann es doch auch nicht
ſeyn; durch buͤrgerliche Geſetze nicht ge-
boten. Denn buͤrgerliche Geſetze erſtrecken
ſich nie uͤber die Grenzen ihres Staats.
Und dieſes wuͤrde nun gerade außer den
Grenzen aller und jeder Staaten lie-
gen. — Folglich kann es nur ein opus
ſuper erogatum ſeyn, und es waͤre blos zu
wuͤnſchen, daß ſich die Weiſeſten und Be-
ſten eines jeden Staats dieſem operi
ſuper erogato freiwillig unterzoͤgen.
Ich. Recht ſehr zu wuͤnſchen.
Er. Recht ſehr zu wuͤnſchen, daß es in
jedem Staat Maͤnner geben moͤchte, die
uͤber die Vorurtheile der Voͤlkerſchaft
[142] hinweg waͤren und genau wuͤßten, wo
Patriotismus Tugend zu ſeyn aufhoͤret.
Ich. Recht ſehr zu wuͤnſchen!
Er. Recht ſehr zu wuͤnſchen, daß es in
jedem Staat Maͤnner geben moͤchte, die
dem Vorurtheil ihrer angebohrnen
Religion nicht unterlaͤgen; nicht glaub-
ten, daß alles nothwendig gut und wahr
ſeyn muͤße, was ſie fuͤr gut und wahr
erkennen.
Ich. Recht ſehr zu wuͤnſchen!
Er. Recht ſehr zu wuͤnſchen, daß es in
jedem Staat Maͤnner geben moͤchte, wel-
che buͤrgerliche Hoheit nicht blen-
det, und buͤrgerliche Geringfuͤgigkeit
nicht eckelt; in deren Geſellſchaft der
Hohe ſich gern herablaͤßt, und der Ge-
ringe ſich dreiſt erhebet.
Ich. Recht ſehr zu wuͤnſchen!
[143]
Er. Und wenn er erfuͤllt waͤre, dieſer
Wunſch? Nicht blos hier und da; nicht
blos dann und wann. Wie wenn es der-
gleichen Maͤnner jetzt uͤberall gaͤbe? zu
allen Zeiten nun ferner geben muͤßte?
Ich. Wollte Gott!
Er. Und dieſe Maͤnner nicht in einer un-
wirkſamen Zerſtreuung lebten? nicht im-
mer in einer unſichtbaren Kirche?
Ich. Schoͤner Traum!
Er. Daß ich es kurz mache. Und dieſe
Maͤnner die *** waͤren?
(Hier nannte er mir den Namen der
Geſellſchaft; doch ohne mich im mindeſten
zu ihr einzuladen. Er, der aufrichtigſte
Mann, geſtand ſelbſt, daß die genannten
Abſichten zu ihrem Geſchaͤft nur ſo
mit gehoͤrten; daß „dies Geſchaͤft nichts
„willkuͤhrliches, nichts entbehrliches, ſon-
„dern etwas nothwendiges ſey, darauf
[144] „man durch eignes Nachdenken eben ſo-
„wohl verfallen koͤnne, als man durch
„andre darauf gefuͤhrt wird; daß Worte,
„Zeichen und Gebraͤuche, daß die ganze
„Aufnahme in dieſe Geſellſchaft nichts
„Nothwendiges, nichts Weſentliches ſey;“
und durch dieſe Winke geleitet war ich
auf ſicherm Wege. Es begann zwiſchen
uns ein zweites Geſpraͤch, ohngefaͤhr
folgendermaſſen:
Ich. Wenn es auch außer deiner Geſell-
ſchaft eine andre, freiere Geſellſchaft
gaͤbe, die das große Geſchaͤft, wovon
wir ſprachen, nicht als Nebenſache, ſon-
dern als Hauptzweck; nicht verſchloſſen,
ſondern vor aller Welt; nicht in Gebraͤu-
chen und Sinnbildern, ſondern in klaren
Worten und Thaten; nicht in zwei oder
drei Nationen, ſondern unter allen auf-
geklaͤrten Voͤlkern der Erde triebe; nicht
wahr,
[145] wahr, ſo entließeſt du mir die Aufnahme
in deine kleine Geſellſchaft?
Er. Herzlich gern. Das Nitrum muß ja
wohl in der Luft ſeyn, ehe es ſich als
Salpeter an den Waͤnden einer dunkeln
Kammer anſetzt.
Ich. Zumal wenn ich in dieſer Geſellſchaft,
die zu allen Zeiten exſiſtirt hat und exſiſti-
ren wird, laͤngſt gelebt, und in ihr mein
Vaterland, meine innigſte Freunde ge-
funden haͤtte?
Er. Deſto beßer.
Ich. Und in meiner Geſellſchaft nichts von
dem zu befuͤrchten waͤre, was ich in der
deinigen immer noch beſorgen muß; wo
nicht Trug fuͤr Wahrheit, ſo wenigſtens
paͤdagogiſche Anleitung, Pedanterie des
Herkommens, Aufhalt?
Zweite Samml. K
[146]
Er. Ganz nach meinem Sinn; aber nenne
mir deine Geſellſchaft.
Ich. Die Geſellſchaft aller denken-
den Menſchen in allen Welt-
theilen.
Er. Groß genug iſt ſie; aber leider eine
zerſtreute, unſichtbare Kirche.
Ich. Sie iſt geſammelt, ſie iſt ſichtbar.
Fauſt oder Guttenberg war, wie ſoll ich
ſagen? ihr Meiſter vom Stuhl, oder
vielmehr ihr erſter dienender Bruder.
Ich treffe in ihr alles an, was mich uͤber
jede Trennung der buͤrgerlichen Geſell-
ſchaft erhebt, und mich zum Umgange
nicht mit ſolchen und ſolchen Men-
ſchen, ſondern mit Menſchen uͤber-
haupt, nicht nur einfuͤhrt, ſondern auch
bildet.
[147]
Er. Ich verſtehe dich wohl. Seitdem die
Buchdruckerei ihre Worte und Zeichen
in alle Welt ſendet, ſollte es, meynſt du,
keine geheime Worte und Zeichen mehr
geben. Indeßen ſtiftet auch die Buch-
druckerei nur eine idealiſche Geſellſchaft.
Ich. Wie es in dieſen Dingen ſeyn muß.
Ueber Grundſaͤtze koͤnnen ſich nur Geiſter
einander erklaͤren; die Zuſammenkunft
der Koͤrper iſt ſehr entbehrlich, wenn ſie
nicht zugleich auch meiſtens ſehr zer-
ſtreuend und verfuͤhreriſch waͤre. Im
Umgange mit Geiſtern auf Fauſts Man-
tel bleibt meine Seele frei; ſie kann jedes
Wort, jedes Bild pruͤfen.
Er. Und ſie heben dich uͤber alle Vorur-
theile der Staaten, der Religion, der
Staͤnde?
K 2
[148]
Ich. Voͤllig. Entweder denke ich bei meinen
Geſellſchaftern Homer, Plato, Xeno-
phon, Tacitus, Mark-Antonin,
Baco, Fenelon gar nicht daran, zu
welchem Staat oder Stande ſie gehoͤrten,
welches Volkes und welcher Religion ſie
waren; oder wenn ſie mich daran erin-
nern, geſchiehets gewiß mit weniger
Stoͤrung, als es in deiner ſichtbaren Ge-
ſellſchaft je geſchehen kann und mag.
Er. Gewiß.
Ich. Und kann darauf rechnen, daß ſich in
dieſer Geſellſchaft, an eben dieſen Grund-
ſaͤtzen und Lehren alle edlen Geiſter der
Welt mit mir vereinigen.
Er. Und du kannſt ſelbſt mit ihnen ſprechen,
dich ihnen vernehmlich und hoͤrbar ma-
chen auf eben dem Wege.
[149]
Ich. Wenn ichs wie Du koͤnnte! Ich ſprach
mit deinem Geiſt, ehe ich deine Perſon
ſah; ich kannte dich, ohne von einer ge-
heimen Geſellſchaft zu ſeyn, am Wort,
am Griff, am Schlage. Deine und an-
drer Thaten haben laͤngſt und ſicherer
bei mir bewirkt, was Gebraͤuche und Zei-
chen nur ſehr unſicher und langſam bewir-
ken koͤnnten; ſie haben mich uͤber jedes
Vorurtheil von Staatsverfaſſung, ange-
bohrner Religion, Rang und Staͤnden
laͤngſt erhoben.
Er. Welche Thaten?
Ich. Poeſie, Philoſophie und Ge-
ſchichte ſind, wie mich duͤnkt, die drei
Lichter, die hieruͤber Nationen, Sekten
und Geſchlechter erleuchten; ein heili-
ges Dreieck! Poeſie erhebt den Men-
ſchen durch eine angenehme, ſinnliche Ge-
K 3
[150] genwart der Dinge uͤber alle jene Tren-
nungen und Einſeitigkeiten. Philoſophie
giebt ihm veſte, bleibende Grundſaͤtze
daruͤber; und wenn es ihm noͤthig iſt,
wird ihm die Geſchichte naͤhere Maximen
nicht verſagen.
Er. Ob aber auch dieſe Grundſaͤtze, dieſe
Maximen und Anſchauungen Thaten
wirkten? Gaͤbe nicht die Geſellſchaft einen
Antrieb mehr?
Ich. Ich nehme dir deine eignen Worte aus
dem Munde. „Sage mir nichts, von
der Menge der Antriebe. Lieber einem
einzigen Antriebe alle moͤgliche intenſive
Kraft gegeben! — Die Menge ſolcher
Antriebe iſt wie die Menge der Raͤder in
einer Maſchiene. Je mehr Raͤder, deſto
wandelbarer.“
[151]
Er. Und was waͤre dein einziger An-
trieb?
Ich. Humanitaͤt. Gaͤbe man dieſem
Begriff alle ſeine Staͤrke, zeigte man ihn
im ganzen Umfange ſeiner Wirkungen,
und legte ihn als Pflicht, als unumgaͤng-
liche, allgemeine, erſte Pflicht ſich und
andern ans Herz; alle Vorurtheile von
Staatsintereße, angebohrner Religion,
und das thoͤrichtſte Vorurtheil unter allen,
von Rang und Stande wuͤrden —
Er. Verſchwinden? Da irreſt du dich
ſehr.
Ich. Nicht verſchwinden; aber gedaͤmpft,
eingeſchraͤnkt, unſchaͤdlich gemacht wer-
den; was Deine genannte und vielleicht
Verdienſtvolle Geſellſchaft ja auch nur
bewirken konnte, wenn ſie es bewirken
K 4
[152]wollte. Weißt du es nicht beßer als
ich, daß alle dergleichen Siege uͤber das
Vorurtheil von innen heraus, nicht von
außen hinein erfochten werden muͤßen?
Die Denkart macht den Menſchen, nicht
die Geſellſchaft; wo jene da iſt, formt
und ſtimmt ſich dieſe von ſelbſt. Setze
zwei Menſchen von gleichen Grund-
ſaͤtzen zuſammen; ohne Griff und Zeichen
verſtehen ſie ſich, und bauen in ſtillen
Thaten den großen, edlen Bau der Hu-
manitaͤt fort. Jeder, nachdem er kann,
in ſeiner Lage, praktiſch; er freuet ſich
aber auch am Werk andrer Haͤnde, weil
er uͤberzeugt iſt, daß dies unendliche,
unabſehliche Gebaͤude nur von allen
Haͤnden vollfuͤhrt werden kann, daß
alle Zeiten, alle Beziehungen
dazu erfordert werden, mithin ein Jeder
einen Jeden nicht einmal kennen darf,
[153] kennen ſoll, geſchweige, daß er ihn durch
Eidſchwuͤre, durch Geſetze und Symbole
baͤnde.
Er. Du biſt auf dem rechten Wege; auf
ihm giebt es freie Arbeit. Kein wahres
Licht laͤßt ſich verbergen, wenn man es
auch verbergen wollte; und das reinſte
Licht ſucht man nicht eben in den Gruͤften.
Ich. Alle ſolche Symbole moͤgen einſt gut
und nothwendig geweſen ſeyn; ſie ſind
aber, wie mich duͤnkt, nicht mehr fuͤr un-
ſre Zeiten. Fuͤr unſre Zeiten iſt gerade das
Gegentheil ihrer Methode noͤthig, rei-
ne, helle, offenbare Wahrheit.
Er. Ich wuͤnſche dir Gluͤck. Glaubſt du
aber nicht, daß man auch dem Wort
Humanitaͤt einen Fleck anhaͤngen
werde?
K 5
[154]
Ich. Das waͤre ſehr inhuman. Wir ſind
nichts als Menſchen; ſey du der Erſte
unſrer Geſellſchaft *).
Appendix A Inhalt
der zweiten Sammlung.
- Br. 14. Was iſt der Geiſt der Zeit? S. 5.
- — 15. Beantwortung der Frage S. 7.
- — 16. Beantwortung eines andern S. 13.
- — 17. Fortſetzung. Luthers Gedanken
von der Regimentsveraͤnderung S. 19. - — 18. Luther ein Lehrer der Deutſchen
Nation. Seine Gedanken vom
Poͤbel und von den Tyrannen S. 32. - — 19. Vom Eckſtein der menſchlichen Ge-
ſellſchaft. Lob der Deutſchen von
Luther S. 43. - — 20. Klopſtocks Ode uͤber den Nordame-
rikaniſchen Seekrieg S. 48. - Br. 21. Zweifel uͤber den Geiſt der Zeiten.
Fortſetzung einiger Gedanken
Friedrichs II.S. 53. - — 22. Beantwortung dieſer Zweifel S. 81.
- — 23. Ein Traum, und ein Geſicht der
Zukunft S. 90. - — 24. Ueber die fortſchreitende Ver-
vollkommung des Menſchenge-
ſchlechts, Fragen und Zweifel S. 100. - — 25. Beantwortung dieſer Fragen. Lehr-
ſaͤtze uͤber den Charakter der
Menſchheit S. 106. - — 26. Ueber eine unſichtbar-ſichtbare Ge-
ſellſchaft, zwei Geſpraͤche S. 127.
[]
Appendix B Buͤcher-Anzeigen.
In dem Verlage Hartknochs in Riga, wird in
zukuͤnftiger Oſtermeſſe der erſte Band eines aus zwey
Baͤnden beſtehenden erlaͤuternden Auszuges aus den
critiſchen Schriften des Hrn. Profeſſor Kant erſchei-
nen. Daß durch eine vielfache Behandlung der tie-
fen Unterſuchungen des großen Weltweiſen und durch
freye Mittheilung der Reſultate des Nachdenkens
man ſich dem Ziel der faßlichſten Darſtellung der-
ſelben naͤhern werde, laͤßt ſich erwarten. Der Ver-
faſſer der angekuͤndigten Schrift hat dieſes Ziel vor
Augen gehabt und ſeine Bemuͤhungen duͤrften viel-
leicht nicht ganz vergeblich ſeyn.
Gemaͤhlde von St. Petersburg von
Heinrich Storch. 8. 2Thle mit Kupfern
von Chodowiecky. Dieſes ſehr intereſſante
Werk erſcheint bald nach der Oſtermeſſe und zugleich
eine Franzoͤſiſche Ueberſetzung deſſelben von einem
ſchon ruͤhmlich bekannten Gelehrten in der Schweiz.
Das Studium der Geographie hat in unſerm
Zeitalter durch vortrefliche Karten eine groſse
Erleichterung bekommen und ist unter den gebil-
deten Staͤnden allgemeiner geworden. Ich mache
mir daher die Hoffnung, daſs die Ankuͤndigung
Eines Atlaſſes von Liefland
vielen Beyfall und Aufmunterung erhalten wird;
zumahl, da wir bis jetzt noch keine richtige Karte
von dieſer groſsen und bluͤhenden Provinz haben.
Herr Graf von Mellin hat ſich ſeit meh-
rern Jahren mit der Verfertigung dieſes Atlaſſes
beſchaͤftiget und mit patriotiſchem Fleiſs, mit
unermuͤdeter Geduld und mit groſsem Aufwand
von Koſten und Zeit ein Werk vollendet, wel-
ches in Abſicht der Genauigkeit und der ganzen
Ausfuͤhrung muſterhaft und einzig in ſeiner Art
iſt. Der Stich iſt von der Meiſterhand des Herrn
Jaͤcks und der Schoͤnheit des Werks vollkommen
[] angemeſſen, wovon man ſich durch das erſte
Blatt, welches in der Oſtermeſſe 1792. erſchie-
nen iſt, augenſcheinlich uͤberzeugen kann. Die-
ſes erſte Blatt ſtellt den Rigiſchen Kreis mit al-
len Doͤrfern, (deren lettiſche Volksbenennungen
beygefuͤgt ſind,) Hoflagern, Muͤhlen, Poſt- und
Landſtraſsen, alle Communicationswege von ei-
nem Guthe zum andern auf das genaueſte dar.
Jeder Kenner ſiehet leicht, daſs bey einer ſo aͤu-
ſserſt muͤhſamen Arbeit, die Vollendung des
Ganzen ſich nicht genau angeben laͤſst; indeſ-
ſen hoff' ich innerhalb zwey Jahren den ganzen
Atlas fertig zu liefern. Er wird aus zehn Blaͤt-
tern beſtehn, denen noch die Karte von Alt-
liefland nach der Eintheilung Heinrich des Let-
ten bis 1552 beygefuͤgt wird. Der Wendenſche,
Wolmarſche, Werroſche Kreis ſind bereits in
den Haͤnden des Herrn Jaͤcks und werden naͤch-
ſtens fertig. Alsdann folgen die uͤbrigen Kreiſe
und zuletzt die Generalkarte des ganzen Gou-
vernements.
Das Format iſt groſs Royal und die Abdruͤcke
ſind auf Papier Velin. Das erſte Blatt koſtet
1 Rthlr. in Ld'or a 5 Rthlr. Ich erſuche die
Liebhaber beym Ankauf des erſten Blattes auf
die folgenden, welche nach Verhaͤltniſs etwas
mehr oder weniger koſten werden, zu ſubſcri-
biren. In Deutſchland iſt dieſe Karte bey
Herrn Vieweg ſen. in Berlin
Herrn Voſs und Leo in Leipzig und
Herrn Fauche in Hamburg
zu haben.
[]
Folgende Buͤcher ſind zur Oſter-Meſſe 1793.
bei Fr. Vieweg dem aͤlteren erſchienen und
in allen Buchhandlungen zu haben.
Betrachtungen uͤber die franz. Revolution, nach dem
Engl. des Hrn Burke, neubearbeitet, mit einer
Einleitung, Anmerkungen und politiſchen Ab-
handlungen, von Fr. Gentz, gr. 8. 2Bd. 2thl. 12 gr.
Bibliothek kleiner Originalwerke der Deutſchen.
3tes Baͤndchen mit einem Kupfer. 12mo. 1thl.
Friedrich von Zoliern und ſeine ſchoͤne Elſe. Stamm-
eltern des koͤnigl. preuß. Hauſes. Dramatiſch be-
arbeitet von Albrecht. 8. Mit Kupfern. 1ter.
Theil. 20 gr.
Fr. von Kleiſt, das Glück der Liebe, gr. 8.
Mit den Portraͤts des Hrn. und der Frau von
Kleiſt, von Bolt. 12 gr.
— — Zamori, oder die Philoſophie der Liebe.
gr. 8. Mit einem Kpf. nach Chodowiecki von Cl.
Kohl. 1thl. 6 gr.
— — Daſſ. Werk auf geglaͤttetem Schweizer-
papier. 1thl. 18 gr.
Miltons, Johann, verlohrnes Paradies, uͤberſetzt
von S. G. Burde 8. 2Thle mit einem Kupf.
nach Chodowiecki von Bolt 1thl. 16 gr.
— — Daſſelbe Buch auf geglaͤttetem Schwei-
zerpapier. 2thl. 16 gr.
Meyer, J. L. W. Spiele des Witzes und der Phan-
taſie. 8. Mit einem Kupfer von Meil. 16 gr.
Monatſchrift, Deutſche fuͤrs Jahr 1793. Januar
bis May. gr. 8. Mit Kupfern. Jedes Stuͤck. 8 gr.
Pyl, Dr. J. T. Repertorium fuͤr die oͤffentliche und
gerichtliche Arzneywiſſenſchaft. 3. Bandes 2.
Stuͤck. gr. 8. 12 gr.
Reinhard, Dr. F. V. vom Werth der Kleinig-
keiten in der Moral. (Als ein Anhang zu deſſen
Syſtem der chriſtlichen Moral.) Mit Zuſaͤtzen
des Verfaſſers. Aus dem Lateiniſchen mit Anmerk.
von J. C. J. Eck. gr. 8. 18 gr.
[]
Sangerhauſen, C. F. Moral fuͤr Preußens
Krieger, in Vorleſungen, 8. 16 gr.
Sprengel, C. K. das entdeckte Geheimniß der Na-
tur im Bau und in der Befruchtung der Blu-
men. Mit 26 Kupfertaf. welche mehrere hun-
dert einzelne Abbildungen enthalten. Nach der
Natur vom Verfaſſer ſelbſt gezeichnet, und von
Capieur und andern Kuͤnſtlern in Kupfer geſto-
chen. gr 4. 3thl. 16 gr.
Starcke Gemaͤhlde aus dem haͤuslichen Leben und
Erzaͤhlungen 1. Samml. 8. Mit einem Kupf.
nach Chodowiecki. 21 gr.
Tieftrunk, Dr. J. H. Dilucidationes ad theo-
reticam relig. chriſt. partem, ita ut libelli a
D. S. F. N. Morus V. C. editi ct, epitome theo-
logiae chriſtianae, inſcripti potiſſimum ratio
ſit habita. Vol. r. 8 maj. 1thl.
Verſuch einer Geſchichte der Religions- und Kir-
chenverbeſſerung D. M Luthers, fuͤr Studie-
rende. Mit einer Vorrede von J. H. Tieftrunk.
8. 1ſter Theil.
von Wolff, P. B. Praktiſche Bemerkungen
uͤber die Anwendbarkeit der Koppelwirthſchaft
in den Preuß. Staaten. Ein Acceſſit. Nebſt
Anmerk uͤber die vom Herrn Kurator der Aka-
demie am 27. Sept. 1792. dieſen Gegenſtand be-
treffend, gehaltene Vorleſung. gr. 8. 12 gr.
[][][]
der Dichtkunſt. A. d. H.
dicht eines Skalden. Koppenhagen und
Leipzig 1766.
Anlagen entwickelt. A. d. H.
Leßings Ernſt und Falk, Geſpraͤche fuͤr
Freimaurer, Wolfenbuͤttel 1781. genom-
men, denen der zweite Theil des Geſpraͤchs eine
andre Wendung giebt. A. d. H.
- Lizenz
-
CC-BY-4.0
Link zur Lizenz
- Zitationsvorschlag für diese Edition
- TextGrid Repository (2025). Herder, Johann Gottfried von. Briefe zu Beförderung der Humanität. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bhrt.0