[[1]]
Die Leiden
des
jungen Werthers.


Erſter Theil.

[figure]


Leipzig. ,
in der Weygandſchen Buchhandlung.
1774.

[[2]][[3]]

Was ich von der Geſchichte des ar-
men Werthers nur habe auffin-
den koͤnnen, habe ich mit Fleiß
geſammlet, und leg es euch hier vor, und weis,
daß ihr mir’s danken werdet. Jhr koͤnnt ſei-
nem Geiſt und ſeinem Charakter eure Bewun-
derung und Liebe, und ſeinem Schickſaale eure
Thraͤnen nicht verſagen.


A 2Und
[[4]]

Und du gute Seele, die du eben den
Drang fuͤhlſt wie er, ſchoͤpfe Troſt aus ſei-
nem Leiden, und laß das Buͤchlein deinen
Freund ſeyn, wenn du aus Geſchick oder eig-
ner Schuld keinen naͤhern finden kannſt.



[[5]]
[figure]


Wie froh bin ich, daß ich weg bin!
Beſter Freund, was iſt das Herz des
Menſchen! Dich zu verlaſſen, den
ich ſo liebe, von dem ich unzertrennlich war, und
froh zu ſeyn! Jch weis, Du verzeihſt mir’s.
Waren nicht meine uͤbrigen Verbindungen recht
ausgeſucht vom Schickſaal, um ein Herz wie das
meine zu aͤngſtigen? Die arme Leonore! Und doch
war ich unſchuldig! Konnt ich dafuͤr, daß, waͤh-
rend die eigenſinnigen Reize ihrer Schweſter mir
einen angenehmen Unterhalt verſchafften, daß eine
Leidenſchaft in dem armen Herzen ſich bildete! Und
doch — bin ich ganz unſchuldig? Hab ich nicht
A 3ihre
[6]
ihre Empfindungen genaͤhrt? Hab ich mich nicht
an denen ganz wahren Ausdruͤcken der Natur, die
uns ſo oft zu lachen machten, ſo wenig laͤcherlich ſie
waren, ſelbſt ergoͤzt! Hab ich nicht — O was
iſt der Menſch, daß er uͤber ſich klagen darf! —
Jch will, lieber Freund, ich verſpreche Dir’s, ich
will mich beſſern, will nicht mehr das Bisgen Ue-
bel, das das Schickſaal uns vorlegt, wiederkaͤuen,
wie ich’s immer gethan habe. Jch will das Ge-
genwaͤrtige genießen, und das Vergangene ſoll mir
vergangen ſeyn. Gewiß Du haſt recht, Beſter:
der Schmerzen waͤren minder unter den Menſchen,
wenn ſie nicht — Gott weis warum ſie ſo gemacht
ſind — mit ſo viel Emſigkeit der Einbildungskraſt
ſich beſchaͤftigten, die Erinnerungen des vergangenen
Uebels zuruͤckzurufen, ehe denn eine gleichguͤltige
Gegenwart zu tragen.


Du biſt ſo gut, meiner Mutter zu ſagen, daß
ich ihr Geſchaͤfte beſtens betreiben, und ihr ehſtens
Nachricht davon geben werde. Jch habe meine
Tante geſprochen, und habe bey weiten das boͤſe
Weib nicht gefunden, das man bey uns aus ihr
macht, ſie iſt eine muntere heftige Frau von dem
beſten
[7]
beſten Herzen. Jch erklaͤrte ihr meiner Mutter
Beſchwerden uͤber den zuruͤckgehaltenen Erbſchafts-
antheil. Sie ſagte mir ihre Gruͤnde, Urſachen
und die Bedingungen, unter welchen ſie bereit waͤre
alles heraus zu geben, und mehr als wir verlang-
ten — Kurz, ich mag jezo nichts davon ſchreiben,
ſag meiner Mutter, es werde alles gut gehen.
Und ich habe, mein Lieber! wieder bey dieſem klei-
nen Geſchaͤfte gefunden: daß Mißverſtaͤndniſſe und
Traͤgheit vielleicht mehr Jrrungen in der Welt ma-
chen, als Liſt und Bosheit nicht thun. Wenig-
ſtens ſind die beyden leztern gewiß ſeltner.


Uebrigens find ich mich hier gar wohl. Die
Einſamkeit iſt meinem Herzen koͤſtlicher Balſam in
dieſer paradiſiſchen Gegend, und dieſe Jahrszeit
der Jugend waͤrmt mit aller Fuͤlle mein oft ſchau-
derndes Herz. Jeder Baum, jede Hecke iſt ein
Straus von Bluͤten, und man moͤchte zur Mayen-
kaͤſer werden, um in dem Meer von Wohlgeruͤchen
herumſchweben, und alle ſeine Nahrung darinne
finden zu koͤnnen.


Die Stadt iſt ſelbſt unangenehm, dagegen rings
umher eine unausſprechliche Schoͤnheit der Natur.
A 4Das
[8]
Das bewog den verſtorbenen Grafen von M ..
einen Garten auf einem der Huͤgel anzulegen, die
mit der ſchoͤnſten Mannigfaltigkeit der Natur ſich
kreuzen, und die lieblichſten Thaͤler bilden. Der
Garten iſt einfach, und man fuͤhlt gleich bey dem
Eintritte, daß nicht ein wiſſenſchaftlicher Gaͤrtner,
ſondern ein fuͤhlendes Herz den Plan bezeichnet,
das ſein ſelbſt hier genießen wollte. Schon man-
che Thraͤne hab ich dem Abgeſchiedenen in dem ver-
fallnen Cabinetgen geweint, das ſein Lieblingsplaͤz-
gen war, und auch mein’s iſt. Bald werd ich
Herr vom Garten ſeyn, der Gaͤrtner iſt mir zu-
gethan, nur ſeit den paar Tagen, und er wird ſich
nicht uͤbel davon befinden.



Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze See-
le eingenommen, gleich denen ſuͤßen Fruͤhlings-
morgen, die ich mit ganzem Herzen genieſſe. Jch
bin ſo allein und freue mich ſo meines Lebens, in
dieſer Gegend, die fuͤr ſolche Seelen geſchaffen iſt,
wie die meine. Jch bin ſo gluͤcklich, mein Beſter,
ſo
[9]
ſo ganz in dem Gefuͤhl von ruhigem Daſeyn ver-
ſunken, daß meine Kunſt darunter leidet. Jch
koͤnnte jetzo nicht zeichnen, nicht einen Strich, und
bin niemalen ein groͤſſerer Mahler geweſen als in
dieſen Augenblicken. Wenn das liebe Thal um
mich dampft, und die hohe Sonne an der Ober-
flaͤche der undurchdringlichen Finſterniß meines Wal-
des ruht, und nur einzelne Strahlen ſich in das
innere Heiligthum ſtehlen, und ich dann im hohen
Graſe am fallenden Bache liege, und naͤher an
der Erde tauſend mannigfaltige Graͤsgen mir merk-
wuͤrdig werden. Wenn ich das Wimmeln der kleinen
Welt zwiſchen Halmen, die unzaͤhligen, unergruͤndli-
chen Geſtalten, als der Wuͤrmgen, der Muͤckgen, naͤ-
her an meinem Herzen fuͤhle, und fuͤhle die Gegenwart
des Allmaͤchtigen, der uns all nach ſeinem Bilde
ſchuf, das Wehen des Allliebenden, der uns in ewi-
ger Wonne ſchwebend traͤgt und erhaͤlt. Mein
Freund, wenn’s denn um meine Augen daͤmmert,
und die Welt um mich her und Himmel ganz in
meiner Seele ruht, wie die Geſtalt einer Gelieb-
ten; dann ſehn ich mich oft und denke: ach koͤnn-
teſt du das wieder ausdruͤcken, koͤnnteſt du dem
A 5Papier
[10]
Papier das einhauchen, was ſo voll, ſo warm in
dir lebt, daß es wuͤrde der Spiegel deiner Seele,
wie deine Seele iſt der Spiegel des unendlichen
Gottes. Mein Freund — Aber ich gehe dar-
uͤber zu Grunde, ich erliege unter der Gewalt der
Herrlichkeit dieſer Erſcheinungen.



Jch weis nicht, ob ſo taͤuſchende Geiſter
um dieſe Gegend ſchweben, oder ob die
warme himmliſche Phantaſie in meinem Her-
zen iſt, die mir alles rings umher ſo paradiſiſch
macht. Da iſt gleich vor dem Orte ein Brunn’,
ein Brunn’, an den ich gebannt bin wie Meluſine
mit ihren Schweſtern. Du gehſt einen kleinen
Huͤgel hinunter, und ſindeſt dich vor einem Ge-
woͤlbe, da wohl zwanzig Stufen hinab gehen, wo
unten das klarſte Waſſer aus Marmorfelſen quillt.
Das Maͤuergen, das oben umher die Einfaſſung
macht, die hohen Baͤume, die den Platz rings um-
her bedecken, die Kuͤhle des Orts, das hat alles
ſo was anzuͤgliches, was ſchauerliches. Es ver-
geht
[11]
geht kein Tag, daß ich nicht eine Stunde da ſizze.
Da kommen denn die Maͤdgen aus der Stadt
und holen Waſſer, das harmloſeſte Geſchaͤft und
das noͤthigſte, das ehmals die Toͤchter der Koͤnige
ſelbſt verrichteten. Wenn ich da ſizze, ſo lebt die
patriarchaliſche Jdee ſo lebhaft um mich, wie ſie
alle die Altvaͤter am Brunnen Bekanntſchaft ma-
chen und freyen, und wie um die Brunnen und
Quellen wohlthaͤtige Geiſter ſchweben. O der
muß nie nach einer ſchweren Sommerlagswanderung
ſich an des Brunnens Kuͤhle gelabt haben, der das
nicht mit empfinden kann.



Du fragſt, ob Du mir meine Buͤcher ſchikken
ſollſt? Lieber, ich bitte dich um Gottes wil-
len, laß mir ſie vom Hals. Jch will nicht mehr
geleitet, ermuntert, angefeuret ſeyn, brauſt die-
ſes Herz doch genug aus ſich ſelbſt, ich brauche
Wiegengeſang, und den hab ich in ſeiner Fuͤlle ge-
funden in meinem Homer. Wie oft lull ich mein
empoͤrendes Blut zur Ruhe, denn ſo ungleich, ſo
unſtet
[12]
unſtet haſt Du nichts geſehn als dieſes Herz. Lie-
ber! Brauch ich Dir das zu ſagen, der Du ſo oft
die Laſt getragen haſt, mich vom Kummer zur Aus-
ſchweifung, und von ſuͤſſer Melancholie zur ver-
derblichen Leidenſchaft uͤbergehn zu ſehn. Auch
halt ich mein Herzgen wie ein krankes Kind, all ſein
Wille wird ihm geſtattet. Sag das nicht weiter,
es giebt Leute, die mir’s veruͤbeln wuͤrden.



Die geringen Leute des Orts kennen mich ſchon,
und lieben mich, beſonders die Kinder. Eine
traurige Bemerkung hab ich gemacht. Wie ich im
Anfange mich zu ihnen geſellte, ſie freundſchaftlich
fragte uͤber dieß und das, glaubten einige, ich wollte
ihrer ſpotten, und fertigten mich wol gar grob ab.
Jch ließ mich das nicht verdrieſſen, nur fuͤhlt ich,
was ich ſchon oft bemerkt habe, auf das lebhafteſte.
Leute von einigem Stande werden ſich immer in
kalter Entfernung vom gemeinen Volke halten, als
glaubten ſie durch Annaͤherung zu verlieren, und
dann giebts Fluͤchtlinge und uͤble Spasvoͤgel, die
ſich
[13]
ſich herabzulaſſen ſcheinen, um ihren Uebermuth
dem armen Volke deſto empfindlicher zu machen.


Jch weiß wohl, daß wir nicht gleich ſind, noch
ſeyn koͤnnen. Aber ich halte dafuͤr, daß der, der
glaubt noͤthig zu haben, vom ſogenannten Poͤbel
ſich zu entfernen, um den Reſpekt zu erhalten, eben
ſo tadelhaft iſt, als ein Feiger, der ſich fuͤr ſeinem
Feinde verbirgt, weil er zu unterliegen fuͤrchtet.


Lezthin kam ich zum Brunnen, und fand ein
junges Dienſtmaͤdgen, das ihr Gefaͤß auf die un-
terſte Treppe geſetzt hatte, und ſich umſah, ob keine
Cameraͤdin kommen wollte, ihr’s auf den Kopf zu
helfen. Jch ſtieg hinunter und ſah ſie an. Soll
ich ihr helfen, Jungfer? ſagt ich. Sie ward roth
uͤber und uͤber. O nein Herr! ſagte ſie. — Ohne
Umſtaͤnde — Sie legte ihren Kringen zurechte,
und ich half ihr. Sie dankte und ſtieg hinauf.



Jch hab allerley Bekanntſchaft gemacht, Geſell-
ſchaft hab ich noch keine gefunden. Jch weiß
nicht, was ich anzuͤgliches fuͤr die Menſchen haben
muß,
[14]
muß, es moͤgen mich ihrer ſo viele, und haͤngen
ſich an mich, und da thut mirs immer weh, wenn
unſer Weg nur ſo eine kleine Strecke mit einander
geht. Wenn Du fragſt, wie die Leute hier ſind?
muß ich Dir ſagen: wie uͤberall! Es iſt ein ein-
foͤrmig Ding um’s Menſchengeſchlecht. Die mei-
ſten verarbeiten den groͤſten Theil der Zeit, um zu
leben, und das Bisgen, das ihnen von Freyheit
uͤbrig bleibt, aͤngſtigt ſie ſo, daß ſie alle Mittel
aufſuchen, um’s los zu werden. O Beſtimmung des
Menſchen!


Aber eine rechte gute Art Volks! Wann ich
mich manchmal vergeſſe, manchmal mit ihnen die
Freuden genieße, die ſo den Menſchen noch gewaͤhrt
ſind, an einem artig beſetzten Tiſch, mit aller Offen-
und Treuherzigkeit ſich herum zu ſpaſſen, eine Spa-
zierfahrt, einen Tanz zur rechten Zeit anzuordnen
und dergleichen, das thut eine ganz gute Wuͤrkung
auf mich, nur muß mir nicht einfallen, daß noch
ſo viele andere Kraͤfte in mir ruhen, die alle un-
genutzt vermodern, und die ich ſorgfaͤltig verbergen
muß. Ach das engt all das Herz ſo ein — Und
doch!
[15]
doch! Misverſtanden zu werden, iſt das Schickſal
von unſer einem.


Ach daß die Freundin meiner Jugend dahin iſt,
ach daß ich ſie je gekannt habe! Jch wuͤrde zu mir
ſagen: du biſt ein Thor! du ſuchſt, was hienieden
nicht zu finden iſt. Aber ich hab ſie gehabt, ich
habe das Herz gefuͤhlt, die große Seele, in deren
Gegenwart ich mir ſchien mehr zu ſeyn als ich war,
weil ich alles war was ich ſeyn konnte. Guter
Gott, blieb da eine einzige Kraft meiner Seele un-
genutzt, konnt ich nicht vor ihr all das wunderbare
Gefuͤhl entwickeln, mit dem mein Herz die Natur
umfaßt, war unſer Umgang nicht ein ewiges We-
ben von feinſter Empfindung, ſchaͤrfſtem Witze,
deſſen Modifikationen bis zur Unart alle mit dem
Stempel des Genies bezeichnet waren? Und nun —
Ach ihre Jahre, die ſie voraus hatte, fuͤhrten ſie
fruͤher an’s Grab als mich. Nie werd ich ihrer
vergeſſen, nie ihren feſten Sinn und ihre goͤttliche-
Duldung.


Vor wenig Tagen traf ich einen jungen V
an, ein offner Junge, mit einer gar gluͤcklichen
Geſichtsbildung. Er kommt erſt von Akademien,
duͤnkt
[16]
duͤnkt ſich nicht eben weiſe, aber glaubt doch, er
wuͤßte mehr als andere. Auch war er fleißig, wie
ich an allerley ſpuͤre, kurz er hatt’ huͤpſche Kennt-
niſſe. Da er hoͤrte, daß ich viel zeichnete, und
Griechiſch konnte, zwey Meteore hier zu Land,
wandt er ſich an mich und kramte viel Wiſſens
aus, von Batteux bis zu Wood, von de Piles zu
Winkelmann, und verſicherte mich, er habe Sulzers
Theorie den erſten Theil ganz durchgeleſen, und be-
ſitze ein Manuſcript von Heynen uͤber das Stu-
dium der Antike. Jch ließ das gut ſeyn.


Noch gar einen braven Kerl hab ich kennen ler-
nen, den fuͤrſtlichen Amtmann. Einen offenen,
treuherzigen Menſchen. Man ſagt, es ſoll eine
Seelenfreude ſeyn, ihn unter ſeinen Kindern zu ſe-
hen, deren er neune hat. Beſonders macht man
viel Weſens von ſeiner aͤltſten Tochter. Er hat
mich zu ſich gebeten, und ich will ihn ehſter Tage
beſuchen, er wohnt auf einem fuͤrſtlichen Jagdhofe,
anderthalb Stunden von hier, wohin er, nach dem
Tode ſeiner Frau, zu ziehen die Erlaubniß erhielt,
da ihm der Aufenthalt hier in der Stadt und dem
Amthauſe zu weh that.


Sonſt
[17]

Sonſt ſind einige verzerrte Originale mir in
Weg gelaufen, an denen alles unausſtehlich iſt,
am unertraͤglichſten ihre Freundſchaftsbezeugungen.


Leb wohl! der Brief wird dir recht ſeyn, er
iſt ganz hiſtoriſch.



Daß das Leben des Menſchen nur ein Traum
ſey, iſt manchem ſchon ſo vorgekommen, und
auch mit mir zieht dieſes Gefuͤhl immer herum.
Wenn ich die Einſchraͤnkung ſo anſehe, in welche
die thaͤtigen und forſchenden Kraͤfte des Menſchen
eingeſperrt ſind, wenn ich ſehe, wie alle Wuͤrkſam-
keit dahinaus laͤuft, ſich die Befriedigung von Be-
duͤrfniſſen zu verſchaffen, die wieder keinen Zwek
haben, als unſere arme Exiſtenz zu verlaͤngern, und
dann, daß alle Beruhigung uͤber gewiſſe Punkte
des Nachforſchens nur eine traͤumende Reſignation
iſt, da man ſich die Waͤnde, zwiſchen denen man
gefangen ſizt, mit bunten Geſtalten und lichten
Ausſichten bemahlt. Das alles, Wilhelm, macht
mich ſtumm. Jch kehre in mich ſelbſt zuruͤk, und
finde eine Welt! Wieder mehr in Ahndung und
Bdunkler
[18]
dunkler Begier, als in Darſtellung und lebendiger
Kraft. Und da ſchwimmt alles vor meinen Sin-
nen, und ich laͤchle dann ſo traͤumend weiter in
die Welt.


Daß die Kinder nicht wiſſen, warum ſie wol-
len, darinn ſind alle hochgelahrte Schul- und Hof-
meiſter einig. Daß aber auch Erwachſene, gleich
Kindern, auf dieſem Erdboden herumtaumeln, gleich-
wie jene nicht wiſſen, woher ſie kommen und wo-
hin ſie gehen, eben ſo wenig nach wahren Zwekken
handeln, eben ſo durch Biskuit und Kuchen und
Birkenreiſer regiert werden, das will niemand gern
glauben, und mich duͤnkt, man kann’s mit Haͤn-
den greifen.


Jch geſtehe dir gern, denn ich weis, was du
mir hierauf ſagen moͤchteſt, daß diejenige die gluͤk-
lichſten ſind, die gleich den Kindern in Tag hinein
leben, ihre Puppe herum ſchleppen, aus und an-
ziehen, und mit großem Reſpekte um die Schubla-
de herum ſchleichen, wo Mama das Zuckerbrod
hinein verſchloſſen hat, und wenn ſie das gewuͤnſch-
te endlich erhaſchen, es mit vollen Bakken verzeh-
ren, und rufen: Mehr! das ſind gluͤkliche Ge-
ſchoͤpfe!
[19]
ſchoͤpfe! Auch denen iſts wohl, die ihren Lumpen-
beſchaͤftigungen, oder wohl gar ihren Leidenſchaf-
ten praͤchtige Titel geben, und ſie dem Menſchen-
geſchlechte als Rieſenoperationen zu deſſen Heil und
Wohlfahrt anſchreiben. Wohl dem, der ſo ſeyn
kann! Wer aber in ſeiner Demuth erkennt, wo
das alles hinauslaͤuft, der ſo ſieht, wie artig jeder
Buͤrger, dem’s wohl iſt, ſein Gaͤrtchen zum Para-
dieſe zuzuſtuzzen weis, und wie unverdroſſen dann
doch auch der Ungluͤkliche unter der Buͤrde ſeinen
Weg fortkeicht, und alle gleich intereſſirt ſind, das
Licht dieſer Sonne noch eine Minute laͤnger zu
ſehn, ja! der iſt ſtill und bildet auch ſeine Welt
aus ſich ſelbſt, und iſt auch gluͤklich, weil er ein
Menſch iſt. Und dann, ſo eingeſchraͤnkt er iſt,
haͤlt er doch immer im Herzen das ſuͤſſe Gefuͤhl
von Freyheit, und daß er dieſen Kerker verlaſſen kann,
wann er will.



Du kennſt von Alters her meine Art, mich an-
zubauen, irgend mir an einem vertraulichen
Orte ein Huͤttchen aufzuſchlagen, und da mit aller
B 2Ein-
[20]
Einſchraͤnkung zu herbergen. Jch hab auch hier
wieder ein Plaͤzchen angetroffen, das mich ange-
zogen hat.


Ohngefaͤhr eine Stunde von der Stadt liegt
ein Ort, den ſie Wahlheim*) nennen. Die Lage
an einem Huͤgel iſt ſehr intereſſant, und wenn man
oben auf dem Fuͤßpfade zum Dorfe heraus geht,
uͤberſieht man mit Einem das ganze Thal. Eine
gute Wirthin, die gefaͤllig und munter in ihrem
Alter iſt, ſchenkt Wein, Bier, Caſfee, und was
uͤber alles geht, ſind zwey Linden, die mit ihren
ausgebreiteten Aeſten den kleinen Plaz vor der
Kirche bedecken, der ringsum mit Bauerhaͤufern
Scheuern und Hoͤfen eingeſchloſſen iſt. So ver-
traulich, ſo heimlich hab ich nicht leicht ein Plaͤzchen
gefunden, und dahin laß ich mein Tiſchchen aus
dem Wirthshauſe bringen und meinen Stuhl, und
trinke meinen Caffee da, und leſe meinen Homer.
Das
[21]
Das erſtemal als ich durch einen Zufall an ei-
nem ſchoͤnen Nachmittage unter die Linden kam,
fand ich das Plaͤzchen ſo einſam. Es war alles
im Felde. Nur ein Knabe von ohngefaͤhr vier
Jahren ſaß an der Erde, und hielt ein andres et-
wa halbjaͤhriges vor ihm zwiſchen ſeinen Fuͤſſen
ſitzendes Kind mit beyden Armen wider ſeine
Bruſt, ſo daß er ihm zu einer Art von Seſſel
diente, und ohngeachtet der Munterkeit, womit er
aus ſeinen ſchwarzen Augen herumſchaute, ganz
ruhig ſaß. Mich vergnuͤgte der Anblik, und ich
ſezte mich auf einen Pflug, der gegen uͤber ſtund,
und zeichnete die bruͤderliche Stellung mit vielem
Ergoͤzzen, ich fuͤgte den naͤchſten Zaun, ein Ten-
nenthor und einige gebrochne Wagenraͤder bey, wie
es all hintereinander ſtund, und fand nach Ver-
lauf einer Stunde, daß ich eine wohlgeordnete ſehr
intereſſante Zeichnung verfertigt hatte, ohne das
mindeſte von dem meinen hinzuzuthun. Das be-
ſtaͤrkte mich in meinem Vorſazze, mich kuͤnftig allein
an die Natur zu halten. Sie allein iſt unend-
lich reich, und ſie allein bildet den großen Kuͤnſt-
ler. Man kann zum Vortheile der Regeln viel
B 3ſagen,
[22]
ſagen, ohngefaͤhr was man zum Lobe der buͤrger-
lichen Geſellſchaft ſagen kann. Ein Menſch, der
ſich nach ihnen bildet, wird nie etwas abgeſchmak-
tes und ſchlechtes hervor bringen, wie einer, der
ſich durch Geſezze und Wohlſtand modeln laͤßt,
nie ein unertraͤglicher Nachbar, nie ein merkwuͤr-
diger Boͤſewicht werden kann; dagegen wird aber
auch alle Regel, man rede was man wolle, das
wahre Gefuͤhl von Natur und den wahren Aus-
druk derſelben zerſtoͤren! ſagſt du, das iſt zu hart!
Sie ſchraͤnkt nur ein, beſchneidet die geilen Re-
ben ꝛc. Guter Freund, ſoll ich dir ein Gleichniß
geben: es iſt damit wie mit der Liebe, ein jun-
ges Herz haͤngt ganz an einem Maͤdchen, bringt
alle Stunden ſeines Tags bey ihr zu, verſchwen-
det all ſeine Kraͤfte, all ſein Vermoͤgen, um ihr je-
den Augenblik auszudruͤkken, daß er ſich ganz
ihr hingiebt. Und da kaͤme ein Philiſter, ein
Mann, der in einem oͤffentlichen Amte ſteht, und
ſagte zu ihm: feiner junger Herr, lieben iſt menſch-
lich, nur muͤßt ihr menſchlich lieben! Theilet eu-
re Stunden ein, die einen zur Arbeit, und die
Erholungsſtunden widmet eurem Maͤdchen, berech-
net
[23]
net euer Vermoͤgen, und was euch von eurer
Nothdurft uͤbrig bleibt, davon verwehr ich euch
nicht ihr ein Geſchenk, nur nicht zu oft, zu ma-
chen. Etwa zu ihrem Geburts- und Namens-
tage ꝛc. — Folgt der Menſch, ſo giebts einen brauch-
baren jungen Menſchen, und ich will ſelbſt jedem
Fuͤrſten rathen, ihn in ein Collegium zu ſezzen,
nur mit ſeiner Liebe iſt’s am Ende, und wenn
er ein Kuͤnſtler iſt, mit ſeiner Kunſt. O meine
Freunde! warum der Strom des Genies ſo ſel-
ten ausbricht, ſo ſelten in hohen Fluthen herein-
brauſt, und eure ſtaunende Seele erſchuͤttert. Lie-
ben Freunde, da wohnen die gelaßnen Kerls auf
beyden Seiten des Ufers, denen ihre Gartenhaͤus-
chen, Tulpenbeete, und Krautfelder zu Grunde ge-
hen wuͤrden, und die daher in Zeiten mit daͤm-
men und ableiten der kuͤnſtig drohenden Gefahr
abzuwehren wiſſen.



Jch bin, wie ich ſehe, in Verzuͤkkung, Gleichniſſe
und Deklamation verfallen, und habe druͤber
vergeſſen, dir auszuerzaͤhlen, was mit den Kindern
B 4weiter
[24]
weiter worden iſt. Jch ſaß ganz in mahleriſche
Empfindungen vertieft, die dir mein geſtriges Blatt
ſehr zerſtuͤkt darlegt, auf meinem Pfluge wohl
zwey Stunden. Da kommt gegen Abend eine
junge Frau auf die Kinder los, die ſich die Zeit
nicht geruͤhrt hatten, mit einem Koͤrbchen am Arme,
und ruft von weitem: Philips, du biſt recht
brav. Sie gruͤßte mich, ich dankte ihr, ſtand auf,
trat naͤher hin, und fragte ſie: ob ſie Mutter
zu den Kindern waͤre? Sie bejahte es, und in-
dem ſie dem Aelteſten einen halben Wek gab, nahm
ſie das Kleine auf und kuͤßte es mit aller muͤtter-
lichen Liebe. Jch habe, ſagte ſie, meinem Philips
das Kleine zu halten gegeben, und bin in die
Stadt gegangen mit meinem Aeltſten, um weis
Brod zu holen, und Zukker, und ein irden Brey-
pfaͤnnchen; ich ſah das alles in dem Korbe, deſ-
ſen Dekkel abgefallen war. Jch will meinem Hans
(das war der Nahme des Juͤngſten) ein Suͤppchen
kochen zum Abende, der loſe Vogel der Große hat
mir geſtern das Pfaͤnnchen zerbrochen, als er ſich
mit Philipſen um die Scharre des Brey’s zankte.
Jch fragte nach dem Aeltſten, und ſie hatte mir
kaum
[25]
kaum geſagt, daß er auf der Wieſe ſich mit ein
Paar Gaͤnſen herumjagte, als er hergeſprungen
kam, und dem zweyten eine Haſelgerte mitbrach-
te. Jch unterhielt mich weiter mit dem Weibe,
und erfuhr, daß ſie des Schulmeiſters Tochter ſey,
und daß ihr Mann eine Reiſe in die Schweiz ge-
macht habe, um die Erbſchaft eines Vettern zu ho-
len. Sie haben ihn drum betruͤgen | wollen, ſagte
ſie, und ihm auf ſeine Briefe nicht geantwortet,
da iſt er ſelbſt hineingegangen. Wenn ihm nur
kein Ungluͤk paſſirt iſt, ich hoͤre nichts von ihm.
Es ward mir ſchwer, mich von dem Weibe loszu-
machen, gab jeden: der Kinder einen Kreuzer, und
auch fuͤr’s juͤngſte gab ich ihr einen, ihm einen
Wek mirzubringen zur Suppe, wenn ſie in die
Stadt gieng, und ſo ſchieden wir von einander.


Jch ſage dir, mein Schaz, wenn meine Sinnen
gar nicht mehr halten wollen, ſo linderts all den
Tumult, der Anblik eines ſolchen Geſchoͤpfs, das
in der gluͤklichen Gelaſſenheit ſo den engen Kreis
ſeines Daſeyns ausgeht, von einem Tag zum an-
dern ſich durchhilft, die Blaͤtter abfallen ſieht, und
nichts dabey denkt, als daß der Winter koͤmmt.


B 5Seit
[26]

Seit der Zeit bin ich oft draus, die Kinder
ſind ganz an mich gewoͤhnt. Sie kriegen Zukker,
wenn ich Caffee trinke, und theilen das Butterbrod
und die ſaure Milch mit mir des Abends. Sonn-
tags fehlt ihnen der Kreuzer nie, und wenn ich
nicht nach der Betſtunde da bin, ſo hat die Wir-
thin Ordre, ihn auszubezahlen.


Sie ſind vertraut, erzaͤhlen mir allerhand,
und beſonders ergoͤzz’ ich mich an ihren Leidenſchaf-
ten und ſimplen Ausbruͤchen des Begehrens, wenn
mehr Kinder aus dem Dorfe ſich verſammeln.


Viel Muͤhe hat mich’s gekoſtet, der Mutter
ihre Beſorgniß zu benehmen: „Sie moͤchten den
Herrn inkommodiren.‟



Warum ich dir nicht ſchreibe? Fragſt du das
und biſt doch auch der Gelehrten einer.
Du ſollteſt rathen, daß ich mich wohl befinde, und
zwar — Kurz und gut, ich habe eine Bekannt-
ſchaft gemacht, die mein Herz naͤher angeht. Jch
habe — ich weis nicht.


Dir
[27]

Dir in der Ordnung zu erzaͤhlen, wie’s zu-
gegangen iſt, daß ich ein’s der liebenswuͤrdigſten
Geſchoͤpfe habe kennen lernen, wird ſchwerer hal-
ten, ich bin vergnuͤgt und gluͤklich, und ſo kein
guter Hiſtorienſchreiber.


Einen Engel! Pfuy! das ſagt jeder von der
ſeinigen! Nicht wahr? Und doch bin |ich nicht
im Stande, dir zu ſagen, wie ſie vollkommen iſt,
warum ſie vollkommen iſt, genug, ſie hat all mei-
nen Sinn gefangen genommen.


So viel Einfalt bey ſo viel Verſtand, ſo viel
Guͤte bey ſo viel Feſtigkeit, und die Ruhe der Seele
bey dem wahren Leben und der Thaͤtigkeit. —


Das iſt alles garſtiges Gewaͤſche, was ich da
von ihr ſage, leidige Abſtraktionen, die nicht einen
Zug ihres Selbſt ausdruͤkken. Ein andermal —
Nein, nicht ein andermal, jezt gleich will ich
dir’s erzaͤhlen. Thu ich’s jezt nicht, geſchaͤh’s nie-
mals. Denn, unter uns, ſeit ich angefangen ha-
be zu ſchreiben, war ich ſchon dreymal im Be-
griffe die Feder niederzulegen, mein Pferd ſatteln
zu laſſen und hinaus zu reiten, und doch ſchwur
ich mir heut fruͤh nicht hinaus zu reiten — und
gehe
[28]
gehe doch alle Augenblikke ans Fenſter zu ſehen,
wie hoch die Sonne noch ſteht.


Jch hab’s nicht uͤberwinden koͤnnen, ich mußte
zu ihr hinaus. Da bin ich wieder, Wilhelm, und
will mein Butterbrod zu Nacht eſſen und dir ſchrei-
ben. Welch eine Wonne das ſuͤr meine Seele iſt,
ſie in dem Kreiſe der lieben muntern Kinder ihrer
acht Geſchwiſter zu ſehen! —


Wenn ich ſo fortfahre, wirſt du am Ende
ſo klug ſeyn wie am Anfange, hoͤre denn, ich will
mich zwingen ins Detail zu gehen.


Jch ſchrieb dir neulich, wie ich den Amtmann
S. habe kennen lernen, und wie er mich gebeten
habe, ihn bald in ſeiner Einſiedeley, oder vielmehr
ſeinem kleinen Koͤnigreiche zu beſuchen. Jch ver-
nachlaͤßigte das, und waͤre vielleicht nie hingekom-
men, haͤtte mir der Zufall nicht den Schaz ent-
dekt, der in der ſtillen Gegend verborgen liegt.


Unſere jungen Leute hatten einen Ball auf
dem Lande angeſtellt, zu dem ich mich denn auch
willig finden ließ. Jch bot einem hieſigen guten,
ſchoͤnen, weiters unbedeutenden Maͤdchen die Hand,
und es wurde ausgemacht, daß ich eine Kutſche
nehmen,
[29]
nehmen, mit meiner Taͤnzerinn und ihrer Baaſe
nach dem Orte der Luſtbarkeit hinausfahren, und
auf dem Wege Charlotten S. mitnehmen ſollte.
Sie werden ein ſchoͤnes Frauenzimmer kennen ler-
nen, ſagte meine Geſellſchafterinn, da wir durch
den weiten ſchoͤn ausgehauenen Wald nach dem
Jagdhauſe fuhren. Nehmen ſie ſich in Acht, ver-
ſezte die Baaſe, daß Sie ſich nicht verlieben!
Wie ſo? ſagt’ ich: Sie iſt ſchon vergeben, ant-
wortete jene, an einen ſehr braven Mann, der
weggereiſt iſt, ſeine Sachen in Ordnung zu brin-
gen nach ſeines Vaters Tod, und ſich um eine
anſehnliche Verſorgung zu bewerben. Die Nach-
richt war mir ziemlich gleichguͤltig.


Die Sonne war noch eine Viertelſtunde
vom Gebuͤrge, als wir vor dem Hofthore anfuh-
ren, es war ſehr ſchwuͤhle, und die Frauenzimmer
aͤuſſerten ihre Beſorgniß wegen eines Gewitters,
das ſich in weisgrauen dumpfigen Woͤlkchen rings
am Horizonte zuſammen zu ziehen ſchien. Jch
taͤuſchte ihre Furcht mit anmaßlicher Wetterkunde,
ob
[30]
ob mir gleich ſelbſt zu ahnden anfieng, unſere Luſt-
barkeit werde einen Stoß leiden.


Jch war ausgeſtiegen. Und eine Magd, die
an’s Thor kam, bat uns, einen Augenblik zu ver-
ziehen, Mamſell Lottchen wuͤrde gleich kommen. Jch
gieng durch den Hof nach dem wohlgebauten Hauſe,
und da ich die vorliegenden Treppen hinaufgeſtie-
gen war und in die Thuͤre trat, fiel mir das rei-
zendſte Schauſpiel in die Augen, das ich jemals
geſehen habe. Jn dem Vorſaale wimmelten ſechs
Kinder, von eilf zu zwey Jahren, um ein Maͤd-
chen von ſchoͤner mittlerer Taille, die ein ſimples
weiſſes Kleid mit blaßrothen Schleifen an Arm
und Bruſt anhatte. Sie hielt ein ſchwarzes Brod
und ſchnitt ihren Kleinen rings herum jedem
ſein Stuͤk nach Proportion ihres Alters und Appe-
tites ab, gabs jedem mit ſolcher Freundlichkeit,
und jedes rufte ſo ungekuͤnſtelt ſein: Danke! in-
dem es mit den kleinen Haͤndchen lang in die Hoͤh
gereicht hatte, eh es noch abgeſchnitten war, und
nun mit ſeinem Abendbrode vergnuͤgt entweder
wegſprang, oder nach ſeinem ſtillern Charakter ge-
laſſen davon nach dem Hofthore zugieng, um die
Frem-
[31]
Fremden und die Kutſche zu ſehen, darinnen ihre
Lotte wegfahren ſollte. Jch bitte um Vegebung,
ſagte ſie, daß ich Sie herein bemuͤhe, [und] die Frauen-
zimmer warten laſſe. Ueber dem Anziehen und
allerley Beſtellungen fuͤr’s Haus in meiner Ab-
weſenheit, habe ich vergeſſen meinen Kindern ihr
Veſperſtuͤk zu geben, und ſie wollen von nieman-
den Brod geſchnitten haben als von mir. Jch
machte ihr ein unbedeutendes Compliment, und
meine ganze Seele ruhte auf der Geſtalt, dem
Tone, dem Betragen, und hatte eben Zeit, mich
von der Ueberraſchung zu erholen, als ſie in die
Stube lief ihre Handſchuh und Faͤcher zu nehmen.
Die Kleinen ſahen mich in einiger Entfernung ſo
von der Seite an, und ich gieng auf das juͤngſte
los, das ein Kind von der gluͤklichſten Geſichts-
bildung war. Es zog ſich zuruͤk, als eben Lotte
zur Thuͤre herauskam, und ſagte: Louis, gieb dem
Herrn Vetter eine Hand. Das that der Knabe
ſehr freymuͤthig, und ich konnte mich nicht ent-
halten, ihn ohngeachtet ſeines kleinen Roznaͤs-
chens herzlich zu kuͤſſen. Vetter, ſagt’ ich, in-
dem ich ihr die Hand reichte, glauben Sie, daß
ich
[32]
ich des Gluͤks werth ſey, mit Jhnen verwandt zu
ſeyn. O! ſagte ſie, mit einem leichtfertigen Laͤcheln-
unſere Vetterſchaft iſt ſehr weitlaͤuftig, und es waͤ-
re mir leid, wenn ſie der Schlimmſte drunter ſeyn
ſollten. Jm Gehen gab ſie Sophien, der aͤltſten
Schweſter nach ihr, einem Maͤdchen von ohnge-
faͤhr eilf Jahren, den Auftrag, wohl auf die Klei-
nen Acht zu haben, und den Papa zu gruͤſſen,
wenn er vom Spazierritte zuruͤkkaͤme. Den Klei-
nen ſagte ſie, ſie ſollten ihrer Schweſter Sophie
folgen, als wenn ſie’s ſelbſt waͤre, das denn auch
einige ausdruͤklich verſprachen. Eine kleine nas-
weiſe Blondine aber, von ohngefaͤhr ſechs Jahren,
ſagte: du biſt’s doch nicht, Lottchen! wir haben
dich doch lieber. Die zwey aͤltſten der Knaben
waren hinten auf die Kutſche geklettert, und auf
mein Vorbitten erlaubte ſie ihnen, bis vor den
Wald mit zu fahren, wenn ſie verſpraͤchen, ſich
nicht zu necken, und ſich recht feſt zu halten.


Wir hatten uns kaum zurecht geſezt, die
Frauenzimmer ſich bewillkommt, wechſelsweis uͤber
den Anzug und vorzuͤglich die Huͤtchen ihre An-
merkungen gemacht, und die Geſellſchaft, die man
zu
[33]
zu finden erwartete, gehoͤrig durchgezogen; als Lotte
den Kutſcher halten, und ihre Bruͤder herabſteigen
lies, die noch einmal ihre Hand zu kuͤſſen begehr-
ten, das denn der aͤltſte mit aller Zaͤrtlichkeit, die
dem Alter von funſzehn Jahren eigen ſeyn kann,
der andere mit viel Heftigkeit und Leichtſinn that.
Sie ließ die Kleinen noch einmal gruͤßen, und
wir fuhren weiter.


Die Baaſe fragte: ob ſie mit dem Buche
fertig waͤre, das ſie ihr neulich geſchickt haͤtte. Nein,
ſagte Lotte, es gefaͤllt mir nicht, ſie koͤnnens wieder
haben. Das vorige war auch nicht beſſer. Jch
erſtaunte, als ich fragte: was es fuͤr Buͤcher waͤren
und ſie mir antwortete: *) — Jch fand ſo viel Cha-
rakter in allem was ſie ſagte, ich ſah mit jedem
CWorte
[34]
Wort neue Reize, neue Strahlen des Geiſtes aus
ihren Geſichtszuͤgen hervorbrechen, die ſich nach
und nach vergnuͤgt zu entfalten ſchienen, weil
ſie an mir fuͤhlte, daß ich ſie verſtund.


Wie ich juͤnger war, ſagte ſie, liebte ich nichts
ſo ſehr als die Romanen. Weis Gott wie wohl
mir’s war, mich ſo Sonntags in ein Eckgen zu
ſezzen, und mit ganzem Herzen an dem Gluͤkke und
Unſtern einer Miß Jenny Theil zu nehmen. Jch
laͤugne auch nicht, daß die Art noch einige Reize
fuͤr mich hat. Doch da ich ſo ſelten an ein Buch
komme, ſo muͤſſen ſie auch recht nach meinem Ge-
ſchmakke ſeyn. Und der Autor iſt mir der liebſte,
indem ich meine Welt wieder finde, bey dem’s
zugeht wie um mich, und deſſen Geſchichte mir
doch ſo intereſſant ſo herzlich wird, als mein ei-
gen haͤuslich Leben, das freylich kein Paradies,
aber doch im Ganzen eine Quelle unſaͤglicher
Gluͤkſeligkeit iſt.


Jch bemuͤhte mich, meine Bewegungen uͤber
dieſe Worte zu verbergen. Das gieng freylich
nicht weit, denn da ich ſie mit ſolcher Wahrheit
im
[35]
im Vorbeygehn vom Landprieſter von Wakefield
vom *) — reden hoͤrte, kam ich eben auſſer mich
und ſagte ihr alles was ich mußte, und bemerkte
erſt nach einiger Zeit, da Lotte das Geſpraͤch an
die andern wendete, daß dieſe die Zeit uͤber mit
offnen Augen, als ſaͤßen ſie nicht da, da geſeſſen
hatten. Die Baaſe ſah mich mehr als einmal
mit einem ſpoͤttiſchen Naͤsgen an, daran mir aber
nichts gelegen war.


Das Geſpraͤch fiel auf das Vergnuͤgen am
Tanze. Wenn dieſe Leidenſchaft ein Fehler iſt, ſag-
te Lette, ſo geſteh ich ihnen gern, ich weis nichts
uͤber’s Tanzen. Und wenn ich was im Kopfe
habe, und mir auf | meinem verſtimmten Kla-
viere einen Contretanz vortrommle, ſo iſt alles
wieder gut.


C 2Wie
[36]

Wie ich mich unter dem Geſpraͤche in den
ſchwarzen Augen weidete, wie die lebendigen Lip-
pen und die friſchen muntern Wangen meine gan-
ze Seele anzogen, wie ich in den herrlichen
Sinn ihrer Rede ganz verſunken, oft gar die Wor-
te nicht hoͤrte, mit denen ſie ſich ausdrukte! Da-
von haſt du eine Vorſtellung, weil du mich kennſt.
Kurz, ich ſtieg aus dem Wagen wie ein Traͤumen-
der, als wir vor dem Luſthauſe ſtill hielten, und
war ſo in Traͤumen rings in der daͤmmernden
Welt verlohren, daß ich auf die Muſik kaum ach-
tete, die uns von dem erleuchteten Saale herun-
ter entgegen ſchallte.


Die zwey Herren Audran und ein gewiſſer
N. N. wer behaͤlt all die Nahmen! die der Baa-
ſe und Lottens Taͤnzer waren, empfiengen uns am
Schlage, bemaͤchtigten ſich ihrer Frauenzimmer und
ich fuͤhrte die meinige hinauf.


Wir ſchlangen uns in Menuets um einan-
der herum, ich forderte ein Frauenzimmer nach
dem andern auf, und juſt die unleidlichſten konn-
ten nicht dazu kommen, einem die Hand zu rei-
chen, und ein Ende zu machen. Lotte und ihr
Taͤnzer
[37]
Taͤnzer fiengen einen engliſchen an, und wie wohl
mir’s war, als ſie auch in der Reihe die Figur
mit uns anfieng, magſt du fuͤhlen. Tanzen muß
man ſie ſehen. Siehſt du, ſie iſt ſo mit ganzem
Herzen und mit ganzer Seele dabey, ihr ganzer
Koͤrper, eine Harmonie, ſo ſorglos, ſo unbefan-
gen, als wenn das eigentlich alles waͤre, als wenn
ſie ſonſt nichts daͤchte, nichts empfaͤnde, und in
dem Augenblikke gewiß ſchwindet alles andere
vor ihr.


Jch bat ſie um den zweyten Contretanz, ſie ſag-
te mir den dritten zu, und mit der liebenswuͤrdig-
ſten Freymuͤthigkeit von der Welt verſicherte ſie
mich, daß ſie herzlich gern deutſch tanzte. Es iſt
hier ſo Mode, fuhr ſie fort, daß jedes paar, das
zuſammen gehoͤrt, beym Deutſchen zuſammen bleibt,
und mein Chapeau walzt ſchlecht, und dankt mir’s,
wenn ich ihm die Arbeit erlaſſe, ihr Frauenzim-
mer kann’s auch nicht und mag nicht, und ich
habe im Engliſchen geſehn, daß ſie gut walzen, wenn
ſie nun mein ſeyn wollen fuͤrs Deutſche, ſo gehn
ſie und bitten ſich’s aus von meinem Herrn, ich
will zu ihrer Dame gehn. Jch gab ihr die Hand
C 3drauf,
[38]
drauf und es wurde ſchon arrangirt, daß ihrem Taͤn-
zer inzwiſchen die Unterhaltung meiner Taͤnzerinn
aufgetragen ward.


Nun giengs, und wir ergoͤzten uns eine
Weile an mannchfaltigen Schlingungen der Arme.
Mit welchem Reize, mit welcher Fluͤchtigkeit beweg-
te ſie ſich! Und da wir nun gar an’s Walzen
kamen, und wie die Sphaͤren um einander herum-
rollten, giengs freylich anfangs, weil’s die wenigſten
koͤnnen, ein bisgen bunt durch einander. Wir wa-
ren klug und lieſſen ſie austoben, und wie die un-
geſchikteſten den Plan geraͤumt hatten, fielen wir
ein, und hielten mit noch einem Paare, mit Audran
und ſeiner Taͤnzerinn, wakker aus. Nie iſt mir’s
ſo leicht vom Flekke gegangen. Jch war kein Menſch
mehr. Das liebenswuͤrdigſte Geſchoͤpf in den Ar-
men zu haben, und mit ihr herum zu fliegen wie
Wetter, daß alles rings umher vergieng und —
Wilhelm, um ehrlich zu ſeyn, that ich aber doch
den Schwur, daß ein Maͤdchen, das ich liebte, auf
das ich Anſpruͤche haͤtte, mir nie mit einem andern
walzen ſollte, als mit mir, und wenn ich druͤber
zu Grunde gehen muͤßte, du verſtehſt mich.


Wir
[36[39]]

Wir machten einige Touren gehend im Saale,
um zu verſchnauffen. Dann ſezte ſie ſich, und die
Zitronen, die ich weggeſtohlen hatte beym Punſch
machen, die nun die einzigen noch uͤbrigen waren,
und die ich ihr in Schnittchen, mit Zukker zur Erfri-
ſchung brachte, thaten fuͤrtrefliche Wuͤrkung, nur
daß mir mit jedem Schnittgen das ihre Nachbarinn
aus der Taſſe nahm, ein Stich durch’s Herz gieng,
der ich’s nun freylich Schanden halber mit praͤ-
ſentiren mußte.


Beym dritten Engliſchen waren wir das zwey-
te Paar. Wie wir die Reihe ſo durchtanzten, und
ich, weis Gott mit wie viel Wonne, an ihrem Arme
und Auge hieng, das voll vom wahrſten Ausdrukke
des offenſten reinſten Vergnuͤgens war, kommen wir
an eine Frau, die mir wegen ihrer liebenswuͤrdi-
gen Mine auf einem nicht mehr ganz jungen Ge-
ſichte, merkwuͤrdig geweſen war. Sie ſieht Lotten
laͤchelnd an, hebt einen drohenden Finger auf, und
nennt den Nahmen Albert zweymal im Vorbey-
fliegen mit viel Bedeutung.


Wer iſt Albert, ſagte ich zu Lotten, wenns
nicht Vermeſſenheit iſt zu fragen. Sie war im
C 4Begriff
[40]
Begriffe zu antworten, als wir uns ſcheiden mußten
die groſſe Achte zu machen, und mich duͤnkte eini-
ges Nachdenken auf ihrer Stirne zu ſehen, als wir
ſo vor einander vorbeykreuzten. Was ſoll ich’s ih-
nen laͤugnen, ſagte ſie, indem ſie mir die Hand zur
Promenade bot. Albert iſt ein braver Menſch, dem
ich ſo gut als verlobt bin! Nun war mir das
nichts neues, denn die Maͤdchen hatten mir’s auf
dem Wege geſagt, und war mir doch ſo ganz neu,
weil ich das noch nicht im Verhaͤltniſſe auf ſie, die
mir in ſo wenig Augenblikken ſo werth geworden
war, gedacht hatte. Genug ich verwirrte mich, ver-
gaß mich, und kam zwiſchen das unrechte Paar
hinein, daß alles drunter und druͤber gieng, und Lot-
tens ganze Gegenwart und Zerren und Ziehen noͤ-
thig war, um’s ſchnell wieder in Ordnung zu
bringen.


Der Tanz war noch nicht zu Ende, als die
Blizze, die wir ſchon lange am Horizonte leuchten ge-
ſehn, und die ich immer fuͤr Wetterkuͤhlen ausge-
geben hatte, viel ſtaͤrker zu werden |anfiengen, und
der Donner die Muſik uͤberſtimmte. Drey Frauen-
zimmer liefen aus der Reihe, denen ihre Herren
folgten,
[41]
folgten, die Unordnung ward allgemein, und die
Muſik hoͤrte auf. Es iſt natuͤrlich, wenn uns ein
Ungluͤk oder etwas ſchroͤkliches im Vergnuͤgen uͤber-
raſcht, daß es ſtaͤrkere Eindruͤkke auf uns macht, als
ſonſt, theils wegen dem Gegenſazze, der ſich ſo leb-
haft empfinden laͤßt, theils und noch mehr, weil un-
ſere Sinnen einmal der Fuͤhlbarkeit geoͤffnet ſind
und alſo deſto ſchneller einen Eindruk annehmen.
Dieſen Urſachen muß ich die wunderbaren Grimaſ-
ſen zuſchreiben, in die ich mehrere Frauenzimmer
ausbrechen ſah. Die Kluͤgſte ſezte ſich in eine
Ekke, mit dem Ruͤken gegen das Fenſter, und hielt
die Ohren zu, eine andere kniete ſich vor ihr nie-
der und verbarg den Kopf in der erſten Schoos, ei-
ne dritte ſchob ſich zwiſchen beyde hinein, und um-
faßte ihre Schweſterchen mit tauſend Thraͤnen. Ei-
nige wollten nach Hauſe, andere, die noch weniger
wußten was ſie thaten, hatten nicht ſo viel Beſin-
nungskraft, den Kekheiten unſerer jungen Schluk-
kers zu ſteuern, die ſehr beſchaͤftigt zu ſeyn ſchie-
nen, alle die aͤngſtlichen Gebete, die dem Himmel
beſtimmt waren, von den Lippen der ſchoͤnen Be-
draͤngten wegzufangen. Einige unſerer Herren hat-
C 5ten
[42]
ten ſich hinab begeben, um ein Pfeifchen in Ruhe
zu rauchen, und die uͤbrige Geſellſchaft ſchlug es
nicht aus, als die Wirthinn auf den klugen Ein-
fall kam, uns ein Zimmer anzuweiſen, das Laͤden
und Vorhaͤnge haͤtte. Kaum waren wir da ange-
langt, als Lotte beſchaͤftigt war, einen Kreis von
Stuͤhlen zu ſtellen, die Geſellſchaft zu ſezzen, und
den Vortrag zu einem Spiele zu thun.


Jch ſahe manchen, der in Hoffnung auf ein
ſaftiges Pfand ſein Maͤulchen ſpizte, und ſeine Glie-
der rekte. Wir ſpielen Zaͤhlens, ſagte ſie, nun gebt
Acht! Jch gehe im Kreiſe herum von der Rech-
ten zur Linken, und ſo zaͤhlt ihr auch rings herum
jeder die Zahl die an ihn kommt, und das muß
gehn wie ein Lauffeuer, und wer ſtokt, oder ſich
irrt, kriegt eine Ohrfeige, und ſo bis tauſend. Nun
war das luſtig anzuſehen. Sie gieng mit ausge-
ſtrektem Arme im Kreiſe herum, Eins! fieng der er-
ſte an, der Nachbar zwey! drey! der folgende und
ſo fort; dann fieng ſie an geſchwinder zu gehn,
immer geſchwinder. Da verſahs einer, Patſch ei-
ne Ohrfeige, und uͤber das Gelaͤchter der folgende
auch Patſch! Und immer geſchwinder. Jch ſelbſt
kriegte
[43]
kriegte zwey Maulſchellen und glaubte mit innigem
Vergnuͤgen zu bemerken, daß ſie ſtaͤrker ſeyen, als
ſie ſie den uͤbrigen zuzumeſſen pflegte. Ein allge-
meines Gelaͤchter und Geſchwaͤrme machte dem
Spiele ein Ende, ehe noch das Tauſend ausgezaͤhlt
war. Die Vertrauteſten zogen einander beyſeite,
das Gewitter war voruͤber, und ich folgte Lotten
in den Saal. Unterwegs ſagte ſie: uͤber die Ohr-
feigen haben ſie Wetter und alles vergeſſen! Jch
konnte ihr nichts antworten. Jch war, fuhr ſie
fort, eine der Furchtſamſten, und indem ich mich
herzhaft ſtellte, um den andern Muth zu geben,
bin ich muthig geworden. Wir traten an’s Fen-
ſter, es donnerte abſeitwaͤrts und der herrliche
Regen ſaͤuſelte auf das Land, und der erquikkend-
ſte Wohlgeruch ſtieg in aller Fuͤlle einer warmen
Luſt zu uns auf. Sie ſtand auf ihrem Ellenbo-
gen geſtuͤzt und ihr Blik durchdrang die Gegend,
ſie ſah gen Himmel und auf mich, ich ſah ihr Au-
ge thraͤnenvoll, ſie legte ihre Hand auf die mei-
nige und ſagte — Klopſtock! Jch verſank in dem
Strome von Empfindungen, den ſie in dieſer Loo-
ſung uͤber mich ausgoß. Jch ertrugs nicht, neig-
te
[44]
te mich auf ihre Hand und kuͤßte ſie unter den
wonnevolleſten Thraͤnen. Und ſah nach ihrem
Auge wieder — Edler! haͤtteſt du deine Vergoͤt-
terung in dieſem Blikke geſehn, und moͤcht ich nun
deinen ſo oft entweihten Nahmen nie wieder
nennen hoͤren!



Wo ich neulich mit meiner Erzaͤhlung geblieben
bin, weis ich nicht mehr, das weis ich, daß
es zwey Uhr des Nachts war, als ich zu Bette
kam, und daß, wenn ich dir haͤtte vorſchwaͤzzen koͤn-
nen, ſtatt zu ſchreiben, ich dich vielleicht bis an
Tag aufgehalten haͤtte.


Was auf unſerer Hereinfahrt vom Balle paſ-
ſirt iſt, hab ich noch nicht erzaͤhlt, hab auch heute
keinen Tag dazu.


Es war der liebwuͤrdigſte Sonnenaufgang.
Der troͤpfelnde Wald und das erfriſchte Feld um-
her! Unſere Geſellſchafterinnen nikten ein. Sie
fragte mich, ob ich nicht auch von der Parthie ſeyn
wollte, ihrentwegen ſollt ich unbekuͤmmert ſeyn.
So lang ich dieſe Augen offen ſehe, ſagt’ ich, und
ſah
[45]
ſah ſie feſt an, ſo lang hats keine Gefahr. Und
wir haben beyde ausgehalten, bis an ihr Thor, da
ihr die Magd leiſe aufmachte, und auf ihr Fra-
gen vom Vater und den Kleinen verſicherte, daß
alles wohl. ſey und noch ſchlief. Und da verließ
ich ſie mit dem Verſichern: ſie ſelbigen Tags noch
zu ſehn, und hab mein Verſprechen gehalten, und
ſeit der Zeit koͤnnen Sonne, Mond und Sterne
geruhig ihre Wirthſchaft treiben, ich weis weder
daß Tag noch daß Nacht iſt, und die ganze Welt
verliert ſich um mich her.



Jch lebe ſo gluͤkliche Tage, wie ſie Gott ſeinen
Heiligen ausſpart, und mit mir mag werden
was will; ſo darf ich |nicht ſagen, daß ich die Freu-
den, die reinſten Freuden des Lebens nicht genoſ-
ſen habe. Du kennſt mein Wahlheim. Dort bin
ich voͤllig etablirt. Von dort hab ich nur eine hal-
be Stunde zu Lotten, dort fuͤhl ich mich ſelbſt
und alles Gluͤk, das dem Menſchen gegeben iſt.


Haͤtte ich gedacht, als ich mir Wahlheim
zum Zwekke meiner Spaziergaͤnge waͤhlte, daß es ſo
nahe
[46]
nahe am Himmel laͤge! Wie oft habe ich das
Jagdhaus, das nun alle meine Wuͤnſche einſchließt,
auf meinen weiten Wandrungen bald vom Berge,
bald in der Ebne uͤber den Fluß geſehn.


Lieber Wilhelm, ich habe allerley nachgedacht,
uͤber die Begier im Menſchen ſich auszubreiten,
neue Entdekkungen zu machen, herumzuſchweifen;
und dann wieder uͤber den innern Trieb, ſich der
Einſchraͤnkung willig zu ergeben, und in dem Glei-
ſe der Gewohnheit ſo hinzufahren, und ſich weder
um rechts noch links zu bekuͤmmern.


Es iſt wunderbar, wie ich hierher kam und
vom Huͤgel in das ſchoͤne Thal ſchaute, wie es mich
rings umher anzog. Dort das Waͤldchen! Ach
koͤnnteſt du dich in ſeine Schatten miſchen! Dort
die Spizze des Bergs! Ach koͤnnteſt du von da
die weite Gegend uͤberſchauen! Die in einander
gekettete Huͤgel und vertrauliche Thaͤler. O koͤnnte
ich mich in ihnen verliehren! — Jch eilte hin!
und kehrte zuruͤk, und hatte nicht gefunden was ich
hoffte. O es iſt mit der Ferne wie mit der Zu-
kunft! Ein groſſes daͤmmerndes Ganze ruht vor
unſerer Seele, unſere Empfindung verſchwimmt ſich
darinne,
[47]
darinne, wie unſer Auge, und wir ſehnen uns, ach!
unſer ganzes Weſen hinzugeben, uns mit all der
Wonne eines einzigen groſſen herrlichen Gefuͤhls
ausfuͤllen zu laſſen. — Und ach, wenn wir hinzu-
eilen, wenn das Dort nun Hier wird, iſt alles vor
wie nach, und wir ſtehen in unſerer Armuth, in
unſerer Eingeſchraͤnktheit, und unſere Seele lechzt
nach entſchluͤpftem Labſale.


Und ſo ſehnt ſich der unruhigſte Vagabund
zulezt wieder nach ſeinem Vaterlande, und findet
in ſeiner Huͤtte, an der Bruſt ſeiner Gattin, in
dem Kreiſe ſeiner Kinder und der Geſchaͤfte zu ih-
rer Erhaltung, all die Wonne, die er in der weiten
oͤden Welt vergebens ſuchte.


Wenn ich ſo des Morgens mit Sonnen-
aufgange hinausgehe nach meinem Wahlheim, und
dort im Wirthsgarten mir meine Zukkererbſen ſelbſt
pfluͤkke, mich hinſezze, und ſie abfaͤdme und dazwi-
ſchen leſe in meinem Homer. Wenn ich denn in
der kleinen Kuͤche mir einen Topf waͤhle, mir
Butter ausſteche, meine Schoten an’s Feuer ſtelle,
zudekke und mich dazu ſezze, ſie manchmal umzu-
ſchuͤtteln. Da fuͤhl ich ſo lebhaft, wie die herrli-
chen
[48]
chen uͤbermuͤthigen Freyer der Penelope Ochſen
und Schweine ſchlachten, zerlegen und braten. Es
iſt nichts, das mich ſo mit einer ſtillen, wahren
Empfindung ausfuͤllte, als die Zuͤge patriarchali-
ſchen Lebens, die ich, Gott ſey Dank, ohne Affek-
tation in meine Lebensart verweben kann.


Wie wohl iſt mir’s, daß mein Herz die ſimple
harmloſe Wonne des Menſchen fuͤhlen kann, der
ein Krauthaupt auf ſeinen Tiſch bringt, das er
ſelbſt gezogen, und nun nicht den Kohl allein, ſon-
dern all die guten Tage, den ſchoͤnen Morgen, da
er ihn pflanzte, die lieblichen Abende, da er ihn
begoß, und da er an dem fortſchreitenden Wachs-
thume ſeine Freude hatte, alle in einem Augenblik-
ke wieder mit genieſt.



Vorgeſtern kam der Medikus hier aus der Stadt
hinaus zum Amtmanne und fand mich auf
der Erde unter Lottens Kindern, wie einige auf
mir herumkrabelten, andere mich nekten und wie
ich ſie kuͤzzelte, und ein groſſes Geſchrey mit ihnen
verfuͤhrte. Der Doktor, der eine ſehr dogmatiſche
Dra-
[49]
Dratpuppe iſt, und im Diskurs ſeine Manſchet-
ten in Falten legt, und den Kraͤuſel bis zum Na-
bel herauszupft, fand dieſes unter der Wuͤrde eines
geſcheuten Menſchen, das merkte ich an ſeiner Na-
ſe. Jch lies mich aber in nichts ſtoͤren, lies
ihn ſehr vernuͤnftige Sachen abhandeln, und baute
den Kindern ihre Kartenhaͤuſer wieder, die ſie zer-
ſchlagen hatten. Auch gieng er darauf in der
Stadt herum und beklagte: des Amtmanns Kin-
der waͤren ſchon ungezogen genug, der Werther
verduͤrbe ſie nun voͤllig.


Ja, lieber Wilhelm, meinem Herzen ſind die
Kinder am naͤchſten auf der Erde. Wenn ich ſo
zuſehe und in dem kleinen Dinge die Keime aller
Tugenden, aller Kraͤfte ſehe, die ſie einmal ſo noͤ-
thig brauchen werden, wenn ich in dem Eigenſinne,
alle die kuͤnftige Standhaftigkeit und Feſtigkeit des
Charakters, in dem Muthwillen, allen kuͤnftigen gu-
ten Humor und die Leichtigkeit, uͤber alle die Ge-
fahren der Welt hinzuſchluͤpfen, erblikke, alles ſo un
verdorben, ſo ganz! Jmmer, immer wiederhol ich
die goldnen Worte des Lehrers der Menſchen:
wenn ihr nicht werdet wie eines von dieſen! Und
Dnun,
[50]
nun, mein Beſter, ſie, die unſers gleichen ſind, die
wir als unſere Muſter anſehen ſollten; behandeln
wir als Unterthanen. Sie ſollen keinen Willen
haben! — Haben wir denn keinen? und wo
liegt das Vorrecht? — Weil wir aͤlter ſind und
geſcheuter? — Guter Gott von deinem Himmel, alte
Kinder ſiehſt du, und junge Kinder und nichts wei-
ter, und an welchen du mehr Freude haſt, das hat
dein Sohn ſchon lange verkuͤndigt. Aber ſie glau-
ben an ihn und hoͤren ihn nicht, das iſt auch was alt’s,
und bilden ihre Kinder nach ſich und — Adieu,
Wilhelm, ich mag daruͤber nicht weiter radotiren.



Was Lotte einem Kranken ſeyn muß, fuͤhl ich
an meinem eignen armen Herzen, das uͤbler
dran iſt als manches, das auf dem Siechbette
verſchmachtet. Sie wird einige Tage in der Stadt
bey einer rechtſchaffenen Frau zubringen, die ſich
nach der Auſſage der Aerzte ihrem Ende naht,
und in dieſen lezten Augenblikken will ſie Lotten
um ſich haben. Jch war vorige Woche mit ihr
den
[51]
den Pfarrer von St. .. zu beſuchen, ein Oertgen, das
eine Stunde ſeitwaͤrts im Gebuͤrge liegt. Wir
kamen gegen viere dahin. Lotte hatte ihre zwey-
te Schweſter mitgenommen. Als wir in den, von
zwey hohen Nußbaͤumen uͤberſchatteten, Pfarrhof
traten, ſaß der gute alte Mann auf einer Bank
vor der Hausthuͤre, und da er Lotten ſah, ward
er wie neubelebt, vergaß ſeinen Knotenſtok, und
wagte ſich auf ihr entgegen. Sie lief hin zu ihm,
noͤthigte ihn ſich niederzuſezzen, indem ſie ſich zu
ihm ſezte, brachte viel Gruͤſſe von ihrem Vater,
herzte ſeinen garſtigen ſchmuzigen juͤngſten Buben,
das Quakelgen ſeines Alters. Du haͤtteſt ſie ſehen
ſollen, wie ſie den Alten beſchaͤftigte, wie ſie ihre
Stimme erhub um ſeinen halb tauben Ohren
vernehmlich zu werden, wie ſie ihm erzaͤhlte von
jungen robuſten Leuten, die unvermuthet geſtorben
waͤren, von der Vortreflichkeit des Carlsbades, und
wie ſie ſeinen Entſchluß lobte, kuͤnftigen Sommer
hinzugehen, und wie ſie fand, daß er viel beſſer
ausſaͤhe, viel munterer ſey als das leztemal, da
ſie ihn geſehn. Jch hatte indeß der Frau Pfar-
rern meine Hoͤflichkeiten gemacht, der Alte wurde
D 2ganz
[52]
ganz munter, und da ich nicht umhin konnte, die
ſchoͤnen Nußbaͤume zu loben, die uns ſo lieblich be-
ſchatteten, fieng er an, uns, wiewohl mit einiger Be-
ſchwerlichkeit, die Geſchichte davon zu geben. Den
alten ſagte er, wiſſen wir nicht, wer den gepflanzt
hat, einige ſagen dieſer, andere jener Pfarrer. Der
juͤngere aber dorthinten iſt ſo alt als meine Frau,
im Oktober funfzig Jahre. Jhr Vater pflanzte
ihn des Morgens, als ſie gegen Abend gebohren
wurde. Er war mein Vorfahr im Amte, und
wie lieb ihm der Baum war, iſt nicht zu ſagen,
mir iſt er’s gewiß nicht weniger, meine Frau ſas
drunter auf einem Balken und ſtrikte, als ich vor
ſieben und zwanzig Jahren als ein armer Stu-
dent zum erſtenmal hier in Hof kam. Lotte frag-
te nach ſeiner Tochter, es hieß, ſie ſey mit Herrn
Schmidt auf der Wieſe hinaus zu den Arbeitern,
und der Alte fuhr in ſeiner Erzaͤhlung fort, wie
ſein Vorfahr ihn lieb gewonnen und die Tochter
dazu, und wie er erſt ſein Vikar und dann ſein
Nachfolger geworden. Die Geſchichte war nicht
lange zu Ende, als die Jungfer Pfarrern mit dem
ſogenannten Herrn Schmidt durch den Garten her-
kam,
[53]
kam, ſie bewillkommte Lotten mit herzlicher Waͤrme,
und ich muß ſagen, ſie gefiel mir nicht uͤbel, eine
raſche, wohlgewachſne Bruͤnette, die einen die Kur-
zeit uͤber auf dem Lande wohl unterhalten haͤtte.
Jhr Liebhaber, denn als ſolchen ſtellte ſich Herr
Schmidt gleich dar, ein feiner, doch ſtiller Menſch,
der ſich nicht in unſere Geſpraͤche miſchen wollte,
ob ihn gleich Lotte immer herein zog, und was
mich am meiſten betruͤbte, war, daß ich an ſeinen
Geſichtszuͤgen zu bemerken ſchien, es ſey mehr Ei-
genſinn und uͤbler Humor als Eingeſchraͤnktheit
des Verſtandes, der ihn ſich mitzutheilen hinder-
te. Jn der Folge ward dieß nur leider zu deut-
lich, denn als Friedrike beym Spazierengehn mit
Lotten und verſchiedentlich auch mit mir gieng, wur-
de des Herrn Angeſicht, das ohne das einer braͤun-
lichen Farbe war, ſo ſichtlich verdunkelt, daß es
Zeit war, daß Lotte mich beym Ermel zupfte, und
mir das Artigthun mit Friederiken abrieth. Nun
verdrießt mich nichts mehr als wenn die Men-
ſchen einander plagen, am meiſten, wenn junge
Leute in der Bluͤthe des Lebens, da ſie am offen-
ſten fuͤr alle Freuden ſeyn koͤnnten, einander die
D 3paar
[54]
paar gute Tage mit Frazzen verderben, und nur
erſt zu ſpaͤt das unerſezliche ihrer Verſchwendung
einſehen. Mir wurmte das, und ich konnte nicht
umhin, da wir gegen Abend in den Pfarrhof zu-
ruͤkkehrten, und an einem Tiſche gebroktes Brod
in Milch aſſen, und der Diskurs auf Freude und
Leid in der Welt roulirte, den Faden zu ergrei-
fen, und recht herzlich gegen die uͤble Laune zu re-
den. Wir Menſchen beklagen uns oft, fing ich
an, daß der guten Tage ſo wenig ſind, und der
ſchlimmen ſo viel, und wie mich duͤnkt, meiſt mit
Unrecht. Wenn wir immer ein offenes Herz haͤt-
ten das Gute zu genieſſen, das uns Gott fuͤr je-
den Tag bereitet, wir wuͤrden alsdenn auch Kraſt
genug haben, das Uebel zu tragen, wenn es kommt. —
Wir haben aber unſer Gemuͤth nicht in unſerer
Gewalt, verſezte die Pfarrern, wie viel haͤngt vom
Koͤrper ab! wenn man nicht wohl iſt, iſt’s einem
uͤberall nicht recht.— Jch geſtund ihr das ein.
Wir wollens alſo, fuhr ich fort, als eine Krank,
heit anſehen, und fragen ob dafuͤr kein Mittel
iſt! — Das laͤßt ſich hoͤren, ſagte Lotte, ich glau-
be wenigſtens, daß viel von uns abhaͤngt, ich weis
es
[55]
es an mir, wenn mich etwas nekt, und mich ver-
druͤßlich machen will, ſpring ich auf und ſing ein
paar Contretaͤnze den Garten auf und ab, gleich
iſt’s weg. — Das war’s was ich ſagen wollte,
vorſezte ich, es iſt mit der uͤblen Laune voͤllig wie
mit der Traͤgheit, denn es iſt eine Art von Traͤg-
heit, unſere Natur haͤngt ſehr dahin, und doch, wenn
wir nur einmal die Kraft haben uns zu erman-
nen, geht uns die Arbeit friſch von der Hand,
und wir finden in der Thaͤtigkeit ein wahres Ver-
gnuͤgen. Friederike war ſehr aufmerkſam, und der
junge Menſch wandte mir ein, daß man nicht Herr
uͤber ſich ſelbſt ſey, und am wenigſten uͤber ſeine
Empfindungen gebieten koͤnne. Es iſt hier die Fra-
ge von einer unangenehmen Empfindung, verſezt
ich, die doch jedermann gern los iſt, und niemand
weis wie weit ſeine Kraͤfte gehn, bis er ſie ver-
ſucht hat. Gewiß, einer der krank iſt, wird bey
allen Aerzten herum fragen und die groͤßten Re-
ſignationen, die bitterſten Arzneyen, wird er nicht
abweiſen um ſeine gewuͤnſchte Geſundheit zu er-
halten. Jch bemerkte, daß der ehrliche Alte ſein
Gehoͤr anſtrengte um an unſerm Diskurs Theil
D 4zu
[56]
zu nehmen, ich erhub die Stimme, indem ich die
Rede gegen ihn wandte. Man predigt gegen ſo
viele Laſter, ſagt ich, ich habe noch nie gehoͤrt daß
man gegen die uͤble Laune vom Predigtſtuhle ge-
arbeitet haͤtte *) — Das muͤßten die Stadtpfar-
rer thun, ſagt er, die Bauern haben keinen boͤſen
Humor, doch koͤnnts auch nichts ſchaden zuweilen-
es waͤre eine Lektion fuͤr ſeine Frau wenigſtens,
und den Herrn Amtmann. Die Geſellſchaft lach-
te und er herzlich mit, bis er in einen Huſten
verfiel, der unſern Diskurs eine Zeitlang unterbrach,
darauf denn der junge Menſch wieder das Wort
nahm: Sie nannten den boͤſen Humor ein La-
ſter, mich daͤucht, das iſt uͤbertrieben. — Mit
nichten gab ich zur Antwort, wenn das, womit
man ſich ſelbſt und ſeinen Naͤchſten ſchadet, den
Namen verdient. Jſt es nicht genug, daß wir
einander nicht gluͤklich machen koͤnnen, muͤſſen wir
auch noch einander das Vergnuͤgen rauben, das je-
des Herz ſich noch manchmal ſelbſt gewaͤhren kann.
Und
[57]
Und nennen ſie mir den Menſchen, |der uͤbler Lau-
ne iſt und ſo brav dabey ſie zu verbergen, ſie al-
lein zu tragen, ohne die Freuden um ſich her zu
zerſtoͤren; oder iſt ſie nicht vielmehr ein innerer
Unmuth uͤber unſre eigne Unwuͤrdigkeit, ein Mis-
fallen an uns ſelbſt, das immer mit einem Neide
verknuͤpft iſt, der durch eine thoͤrige Eitelkeit auf-
gehezt wird: wir ſehen gluͤkliche Menſchen die
wir nicht gluͤklich machen, und das iſt unertraͤg-
lich! Lotte laͤchelte mich an, da ſie die Bewegung
ſah mit der ich redte, und eine Thraͤne in Frie-
derikens Auge ſpornte mich, fortzufahren. Weh
denen ſagt ich, die ſich der Gewalt bedienen, die
ſie uͤber ein Herz haben, um ihm die einfachen
Freuden zu rauben, die aus ihm ſelbſt hervorkei-
men. Alle Geſchenke, alle Gefaͤlligkeiten der Welt
erſezzen nicht einen Augenblik Vergnuͤgen an ſich
ſelbſt, den uns eine neidiſche Unbehaglichkeit un-
ſers Tyrannen vergaͤllt hat.


Mein ganzes Herz war voll in dieſem Au-
genblikke, die Erinnerung ſo manches Vergangenen
draͤngte ſich an meine Seele, und die Thraͤnen ka-
men mir in die Augen.


D 5Wer
[58]

Wer ſich das nur taͤglich ſagte, rief ich aus:
du vermagſt nichts auf deine Freunde, als ihnen
ihre Freude zu laſſen und ihr Gluͤk zu vermeh-
ren, indem du es mit ihnen genieſſeſt. Vermagſt
du, wenn ihre innre Seele von einer aͤngſtigen-
den Leidenſchaft gequaͤlt, vom Kummer zerruͤttet
iſt, ihnen einen Tropfen Linderung zu geben?


Und wenn die lezte bangſte Krankheit dann
uͤber das Geſchoͤpf herfaͤllt, das du in bluͤhenden
Tagen untergraben haſt, und ſie nun da liegt in
dem erbaͤrmlichen Ermatten, und das Aug gefuͤhl-
los gen Himmel ſieht, und der Todesſchweis auf
ihrer Stirne abwechſelt, und du vor dem Bette
ſtehſt wie ein Verdammter, in dem innigſten Ge-
fuͤhl, daß du nichts vermagſt mit all deinem Ver-
moͤgen, und die Angſt dich inwendig krampft, daß
du alles hingeben moͤchteſt, um dem untergehenden
Geſchoͤpf einen Tropfen Staͤrkung, einen Funken
Muth einfloͤſen zu koͤnnen.


Die Erinnerung einer ſolchen Scene, da ich
gegenwaͤrtig war, fiel mit ganzer Gewalt bey die-
ſen Worten uͤber mich. Jch nahm das Schnupf-
tuch vor die Augen, und verlies die Geſellſchaft,
und
[59]
und nur Lottens Stimme, die mir rief: wir woll-
ten fort, brachte mich zu mir ſelbſt. Und wie ſie
mich auf dem Wege ſchalt, uͤber den zu warmen
Antheil an allem! und daß ich druͤber zu Grunde
gehen wuͤrde! Daß ich mich ſchonen ſollte! O der
Engel! Um deinetwillen muß ich leben!



Sie iſt immer um ihre ſterbende Freundinn, und
iſt immer dieſelbe, immer das gegenwaͤrtige
holde Geſchoͤpf, das, wo ſie hinſieht, Schmerzen lin-
dert und Gluͤckliche macht. Sie gieng geſtern
Abend mit Mariannen und dem kleinen Malgen
ſpazieren, ich wußt es und traf ſie an, und wir
giengen zuſammen. Nach einem Wege von andert-
halb Stunden kamen wir gegen die Stadt zuruͤck,
an den Brunnen, der mir ſo werth iſt, und nun
tauſendmal werther ward, als Lotte ſich auf’s
Maͤuergen ſezte. Jch ſah umher, ach! und die
Zeit, da mein Herz ſo allein war, lebte wieder vor
mir auf. Lieber Brunn, ſagt ich, ſeither hab ich
nicht mehr an deiner Kuͤhle geruht, habe in eilen-
dem
[60]
dem Voruͤbergehn dich manchmal nicht angeſehn.
Jch blikte hinab und ſah, daß Malgen mit einem
Glaſe Waſſer ſehr beſchaͤftigt heraufſtieg. Jch ſahe
Lotten an und fuͤhlte alles, was ich an ihr habe.
Jndem ſo kommt Malgen mit einem Glaſe, Ma-
rianne wollt es ihr abnehmen, nein! rufte das
Kind mit dem ſuͤßten Ausdrukke: nein, Lottgen, du
ſollſt zuerſt trinken! Jch ward uͤber die Wahrheit,
die Guͤte, womit ſie das ausrief, ſo entzuͤkt, daß
ich meine Empfindung mit nichts ausdrukken konnte,
als ich nahm das Kind von der Erde und kuͤßte es
lebhaft, das ſogleich zu ſchreien und zu weinen an-
fieng. Sie haben uͤbel gethan, ſagte Lotte! Jch
war betroffen. Komm Malgen, fuhr ſie fort, in-
dem ſie es an der Hand nahm und die Stufen
hinabfuͤhrte; da waſche dich aus der friſchen Quelle
geſchwind, geſchwind, da thut’s nichts. Wie ich
ſo da ſtund und zuſah, mit welcher Emſigkeit das
Kleine mit ſeinen naſſen Haͤndgen die Bakken rieb,
mit welchem Glauben, daß durch die Wunderquelle
alle Verunreinigung abgeſpuͤlt, und die Schmach
abgethan wuͤrde, einen haͤslichen Bart zu kriegen.
Wie Lotte ſagte, es iſt genug, und das Kind doch
immer
[61]
immer eifrig fort wuſch, als wenn Viel mehr thaͤte
als Wenig. Jch ſage dir, Wilhelm, ich habe mit
mehr Reſpekt nie einer Taufhandlung beygewohnt,
und als Lotte herauf kam, haͤtte ich mich gern vor
ihr niedergeworfen wie vor einem Propheten, der
die Schulden einer Nation weggeweiht hat.


Des Abends konnt ich nicht umhin, in der
Freude meines Herzens den Vorfall einem Manne
zu erzaͤhlen, dem ich Menſchenſinn zutraute, weil
er Verſtand hat. Aber wie kam ich an. Er ſagte,
das waͤre ſehr uͤbel von Lotten geweſen, man ſolle
die Kinder nichts weis machen, dergleichen gaͤbe zu
unzaͤhlichen Jrrthuͤmern und Aberglauben Anlaß,
man muͤßte die Kinder fruͤhzeitig davor bewahren.
Nun fiel mir ein, daß der Mann vor acht Tagen
hatte taufen laſſen, drum ließ ich’s vorbey gehn,
und blieb in meinem Herzen der Wahrheit getreu:
wir ſollen es mit den Kindern machen, wie Gott mit
uns, der uns am gluͤklichſten macht, wenn er uns
im freundlichen Wahne ſo hintaumeln laͤßt.


am
[62]


Was man ein Kind iſt! Was man nach ſo ei-
nem Blikke geizt! Was man ein Kind iſt!
Wir waren nach Wahlheim gegangen, die Frauen-
zimmer fuhren hinaus, und waͤhrend unſrer Spa-
ziergaͤnge glaubt ich in Lottens ſchwarzen Augen —
Jch bin ein Thor, verzeih mir’s, du ſollteſt ſie
ſehn, dieſe Augen. Daß ich kurz bin, denn die
Augen fallen mir zu vom Schlaf. Siehe die
Frauenzimmer ſteigen ein, da ſtunden um die Kut-
ſche der junge W. .. Selſtadt und Audran,
und ich. Da ward aus dem Schlage ge-
plaudert mit den Kerlgens, die freylich leicht und
luͤftig genug waren. Jch ſuchte Lottens Augen!
Ach ſie giengen von einem zum andern! Aber auf
mich! Mich! Mich! der ganz allein auf ſie re-
ſignirt daſtund, fielen ſie nicht! Mein Herz ſagte
ihr tauſend Adieu! Und ſie ſah mich nicht! Die
Kutſche fuhr vorbey und eine Thraͤne ſtund mir
im Auge. Jch ſah ihr nach! Und ſah Lottens
Kopfputz ſich zum Schlag heraus lehnen, und ſie
wandte ſich um zu ſehn. Ach! Nach mir? —
Lieber!
[63]
Lieber! Jn dieſer Ungewißheit ſchweb ich! Das
iſt mein Troſt. Vielleicht hat ſie ſich nach mir
umgeſehen. Vielleicht — Gute Nacht! O was
ich ein Kind bin!



Die alberne Figur, die ich mache, wenn in Ge-
ſellſchaft von ihr geſprochen wird, ſollteſt du
ſehen. Wenn man mich nun gar fragt, wie ſie
mir gefaͤllt — Gefaͤllt! das Wort haß ich in
Tod. Was muß das fuͤr ein Kerl ſeyn, dem Lotte
gefaͤllt, dem ſie nicht alle Sinnen, alle Empfin-
dungen ausfuͤllt. Gefaͤllt! Neulich fragte mich ei-
ner, wie mir Oſſian gefiele.



Frau M. . iſt ſehr ſchlecht, ich bete fuͤr ihr Le-
ben, weil ich mit Lotten dulde. Jch ſeh ſie
ſelten bey meiner Freundinn, und heut hat ſie mir
einen wunderbaren Vorfall erzaͤhlt. Der alte M..
iſt ein geiziger rangiger Hund, der ſeine Frau im
Leben was rechts geplagt und eingeſchraͤnkt hat.
Doch
[64]
Doch hat ſich die Frau immer durchzuhelfen ge-
wußt. Vor wenig Tagen, als der Doktor ihr das
Leben abgeſprochen hatte, ließ ſie ihren Mann
kommen, Lotte war im Zimmer, und redte ihn
alſo an: Jch muß dir eine Sache geſtehn, die
nach meinem Tode Verwirrung und Verdruß ma-
chen koͤnnte. Jch habe bisher die Haushaltung
gefuͤhrt, ſo ordentlich und ſparſam als moͤglich, al-
lein du wirſt mir verzeihen, daß ich dich dieſe
dreyßig Jahre her hintergangen habe. Du be-
ſtimmteſt im Anfange unſerer Heyrath ein gerin-
ges fuͤr die Beſtreitung der Kuͤche und anderer
haͤuslichen Ausgaben. Als unſere Haushaltung
ſtaͤrker wurde, unſer Gewerb groͤſſer, warſt du
nicht zu bewegen, mein Wochengeld nach dem Ver-
haͤltniſſe zu vermehren, kurz du weißt, daß du in
den Zeiten, da ſie am groͤſten war, verlangteſt, ich
ſolle mit ſieben Gulden die Woche auskommen.
Die hab ich denn ohne Widerrede genommen und
mir den Ueberſchuß woͤchentlich aus der Looſung
geholt, da niemand vermuthete, daß die Frau die
Caſſe beſtehlen wuͤrde. Jch habe nichts verſchwen-
det, und waͤre auch, ohne es zu bekennen, getroſt
der
[65]
der Ewigkeit entgegen gegangen, wenn nicht dieje-
nige, die nach mir das Weſen zu fuͤhren hat, ſich
nicht zu helfen wiſſen wuͤrde, und du doch immer
drauf beſtehen koͤnnteſt, deine erſte Frau ſey damit
ausgekommen.


Jch redete mit Lotten uͤber die unglaubliche
Verblendung des Menſchenſinns, daß einer nicht
argwohnen ſoll, dahinter muͤſſe was anders ſtek-
ken, wenn eins mit ſieben Gulden hinreicht, wo
man den Aufwand vielleicht um zweymal ſo viel
ſieht. Aber ich hab ſelbſt Leute gekannt, die des
Propheten ewiges Oelkruͤglein ohne Verwunde-
rung in ihrem Hauſe ſtatuirt haͤtten.



Nein, ich betruͤge mich nicht! Jch leſe in ihren
ſchwarzen Augen wahre Theilnehmung an
mir, und meinem Schickſaale. Ja ich fuͤhle, und
darin darf ich meinem Herzen trauen, daß ſie —
O darf ich, kann ich den Himmel in dieſen Wor-
ten ausſprechen? — daß ſie mich liebt.


EUnd
[66]

Und ob das Vermeſſenheit iſt oder Gefuͤhl des
wahren Verhaͤltniſſes: Jch kenne den Menſchen
nicht, von dem ich etwas in Lottens Herzen fuͤrch-
tete. Und doch — wenn ſie von ihrem Braͤuti-
gam ſpricht mit all der Waͤrme, all der Liebe, da
iſt mir’s wie einem, der all ſeiner Ehren und Wuͤr-
den entſezt, und dem der Degen abgenommen wird.



Ach wie mir das durch alle Adern laͤuft, wenn
mein Finger unverſehns den ihrigen beruͤhrt,
wenn unſere Fuͤſſe ſich unter dem Tiſche begegnen.
Jch ziehe zuruͤck wie vom Feuer, und eine gehei-
me Kraft zieht mich wieder vorwaͤrts, mir wirds
ſo ſchwindlich vor allen Sinnen. O und ihre Un-
ſchuld, ihre unbefangene Seele fuͤhlt nicht, wie ſehr
mich die kleinen Vertraulichkeiten peinigen. Wenn
ſie gar im Geſpraͤch ihre Hand auf die meinige legt,
und im Jntereſſe der Unterredung naͤher zu mir
ruͤckt, daß der himmliſche Athem ihres Mundes
meine Lippen reichen kann. — Jch glaube zu
verſinken wie vom Wetter geruͤhrt. Und Wilhelm,
wenn
[67]
wenn ich mich jemals unterſtehe, dieſen Himmel,
dieſes Vertrauen — Du verſtehſt mich. Nein,
mein Herz iſt ſo verderbt nicht! Schwach! ſchwach
genug! Und iſt das nicht Verderben?


Sie iſt mir heilig. Alle Begier ſchweigt in ih-
rer Gegenwart. Jch weis nimmer wie mir iſt,
wenn ich bey ihr bin, es iſt als wenn die Seele
ſich mir in allen Nerven umkehrte. Sie hat eine
Melodie, die ſie auf dem Clavier ſpielt mit der
Kraft eines Engels, ſo ſimpel und ſo geiſtvoll, es
iſt ihr Leiblied, und mich ſtellt es von aller Pein,
Verwirrung und Grillen her, wenn ſie nur die er-
ſte Note davon greift.


Kein Wort von der Zauberkraft der alten
Muſik iſt mir unwahrſcheinlich, wie mich
der einfache Geſang angreift. Und wie ſie
ihn anzubringen weis, oft zur Zeit, wo ich mir
eine Kugel vor’n Kopf ſchieſſen moͤchte. Und all
die Jrrung und Finſterniß meiner Seele zerſtreut
ſich, und ich athme wieder freyer.


E 2am
[68]


Wilhelm, was iſt unſerm Herzen die Welt ohne
Liebe! Was eine Zauberlaterne iſt, ohne
Licht! Kaum bringſt Du das Laͤmpgen hinein,
ſo ſcheinen Dir die bunteſten Bilder an deine weiße
Wand! Und wenn’s nichts waͤre als das, als vor
uͤbergehende Phantomen, ſo machts doch immer
unſer Gluͤk, wenn wir wie friſche Bubens davor
ſtehen und uns uͤber die Wundererſcheinungen ent-
zuͤkken. Heut konnt ich nicht zu Lotten, eine un-
vermeidliche Geſellſchaft hielt mich ab. Was war
zu thun. Jch ſchikte meinen Buben hinaus, nur
um einen Menſchen um mich zu haben, der ihr
heute nahe gekommen waͤre. Mit welcher Unge-
dult ich den Buben erwartete, mit welcher Freude
ich ihn wieder ſah. Jch haͤtt’ ihn gern bey’m Kopf
genommen und gekuͤßt, wenn ich mich nicht ge-
ſchaͤmt haͤtte.


Man erzaͤhlt von dem Bononiſchen Stein, daß
er, wenn man ihn in die Sonne legt, ihre Strah-
len anzieht und eine Weile bey Nacht leuchtet. So
war mir’s mit dem Jungen. Das Gefuͤhl, daß
ihre
[69]
ihre Augen auf ſeinem Geſicht’ ſeinen Bakken,
ſeinen Rokknoͤpfen und dem Kragen am Suͤrtout
geruht hatten, machte mir das all ſo heilig, ſo
werth, ich haͤtte in dem Augenblikke den Jungen
nicht vor tauſend Thaler gegeben. Es war mir ſo
wohl in ſeiner Gegenwart — Bewahre dich Gott,
daß du daruͤber nicht lachſt. Wilhelm, ſind das
Phantomen, wenn es uns wohl wird?



Jch werde ſie ſehen: ruf ich Morgens aus, wenn
ich mich ermuntere, und mit aller Heiterkeit
der ſchoͤnen Sonne entgegen blikke. Jch werde ſie
ſehen! Und da hab ich fuͤr den ganzen Tag keinen
Wunſch weiter. Alles, alles verſchlingt ſich in die-
ſer Ausſicht.



Eure Jdee will noch nicht die meinige werden,
daß ich mit dem Geſandten nach *** gehen
ſoll. Jch liebe die Subordination nicht ſehr, und
wir wiſſen alle, daß der Mann noch dazu ein wi-
E 3driger
[70]
driger Menſch iſt. Meine Mutter moͤchte mich
gern in Aktivitaͤt haben, ſagſt du, das hat mich
zu lachen gemacht, bin ich jezt nicht auch aktiv?
und iſt’s im Grund nicht einerley: ob ich Erbſen
zaͤhle oder Linſen? Alles in der Welt laͤuſt doch
auf eine Lumperey hinaus, und ein Kerl, der um
anderer willen, ohne daß es ſeine eigene Leiden-
ſchaft iſt, ſich um Geld, oder Ehre, oder ſonſt was,
abarbeitet, iſt immer ein Thor.



Da Dir ſo viel daran gelegen iſt, daß ich mein
Zeichnen nicht vernachlaͤſſige, moͤcht ich lie-
ber die ganze Sache uͤbergehn, als Dir ſagen: daß
zeither wenig gethan wird.


Noch nie war ich gluͤklicher, noch nie meine
Empfindung an der Natur, bis auf’s Steingen,
auf’s Graͤsgen herunter, voller und inniger, und
doch — ich weis nicht, wie ich mich ausdruͤkken
ſoll, meine vorſtellende Kraft iſt ſo ſchwach, alles
ſchwimmt, ſchwankt vor meiner Seele, daß ich kei-
nen Umriß pakken kann; aber ich bilde mir ein,
wenn
[71]
wenn ich Thon haͤtte oder Wachs, ſo wollt ich’s
wohl herausbilden, ich werde auch Thon nehmen
wenn’s laͤnger waͤhrt, und kneten, und ſollten’s Ku-
chen werden.


Lottens Portraͤt habe ich dreymal angefan-
gen, und habe mich dreymal proſtituirt, das mich
um ſo mehr verdrieſt, weil ich vor einiger Zeit ſehr
gluͤklich im Treffen war, darauf hab ich denn ihren
Schattenriß gemacht, und damit ſoll mir genuͤgen.



Jch habe mir ſchon ſo manchmal vorgenommen,
ſie nicht ſo oſt zu ſehn. Ja wer das halten
koͤnnte! Alle Tage unterlieg ich der Verſuchung,
und verſpreche mir heilig: Morgen willſt du ein-
mal wegbleiben, und wenn der Morgen kommt,
find ich doch wieder eine unwiderſtehliche Urſache,
und eh ich mich’s verſehe, bin ich bey ihr. Ent-
weder ſie hat des Abends geſagt; Sie kommen
doch Morgen? — Wer koͤnnte da wegbleiben?
Oder der Tag iſt gar zu ſchoͤn, ich gehe nach Wahl-
heim, und wenn ich ſo da bin — iſt’s nur noch
E 4eine
[72]
eine halbe Stunde zu ihr! Jch bin zu nah in
der Atmoſphaͤre, Zuk! ſo bin ich dort. Meine
Großmutter hatte ein Maͤhrgen vom Magneten-
berg. Die Schiffe die zu nahe kamen, wurden
auf einmal alles Eiſenwerks beraubt, die Naͤgel
flogen dem Berge zu, und die armen Elenden ſchei-
terten zwiſchen den uͤbereinander ſtuͤrzenden
Brettern.



Albert iſt angekommen, und ich werde gehen, und
wenn er der beſte, der edelſte Menſch waͤre,
unter den ich mich in allem Betracht zu ſtellen
bereit waͤre, ſo waͤr’s unertraͤglich, ihn vor meinem
Angeſichte im Beſizze ſo vieler Vollkommenheiten zu
ſehen. Beſiz! — Genug, Wilhelm der Braͤuti-
gam iſt da. Ein braver lieber Kerl, dem man gut
ſeyn muß. Gluͤklicher weiſe war ich nicht bey’m
Empfange! Das haͤtte mir das Herz zerriſſen. Auch
iſt er ſo ehrlich und hat Lotten in meiner Gegen-
wart noch nicht einmal gekuͤßt. Das lohn ihm
Gott! Um des Reſpekts willen, den er vor dem
Maͤd-
[73]
Maͤdgen hat, muß ich ihn lieben. Er will mir
wohl, und ich vermuthe, das iſt Lottens Werk,
mehr als ſeiner eigenen Empfindung, denn darinn
ſind die Weiber fein, und haben recht. Wenn ſie
zwey Kerls in gutem Vernehmen mit einander hal-
ten koͤnnen, iſt der Vortheil immer ihre, ſo ſelten
es auch angeht.


Jndeß kann ich Alberten meine Achtung nicht
verſagen, ſeine gelaſſne Auſſenſeite, ſticht gegen die
Unruhe meines Charakters ſehr lebhaft ab, die ſich
nicht verbergen laͤßt, er hat viel Gefuͤhl und weis-
was er an Lotten hat. Er ſcheint wenig uͤble
Laune zu haben, und du weiſt, das iſt die Suͤn-
de, die ich aͤrger haſſe am Menſchen als alle andre.


Er haͤlt mich fuͤr einen Menſchen von Sinn,
und meine Anhaͤnglichkeit an Lotten, meine war-
me Freude, die ich an all ihren Handlungen ha-
be, vermehrt ſeinen Triumph, und er liebt ſie nur
deſto mehr. Ob er ſie nicht manchmal heimlich
mit kleiner Eiferſuͤchteley peinigt, das laß ich da-
hin geſtellt ſeyn, wenigſtens an ſeinem Plazze wuͤr-
de ich nicht ganz ſicher vor dem Teufel bleiben.


E 5Dem
[74]

Dem ſey nun wie ihm wolle, meine Freude
bey Lotten zu ſeyn, iſt hin! Soll ich das Thor
heit nennen oder Verblendung? — Was braucht’s
Nahmen! Erzaͤhlt die Sache an ſich! — Jch
wuſte alles, was ich jezt weis, eh Albert kam, ich
wuſte, daß ich keine Praͤtenſionen auf ſie zu machen
hatte, machte auch keine — Heiſt das, inſofern es
moͤglich iſt, bey ſo viel Liebenswuͤrdigkeiten nicht
zu begehren — Und jezt macht der Frazze groſſe
Augen, da der andere nun wirklich kommt, und ihm
das Maͤdgen wegnimmt.


Jch beiſſe die Zaͤhne auf einander und ſpot-
te uͤber mein Elend, und ſpottete derer doppelt und
dreyfach, die ſagen koͤnnten, ich ſollte mich reſigni-
ren, und weil’s nun einmal nicht anders ſeyn
koͤnnte. — Schafft mir die Kerls vom Hals! —
Jch lauſe in den Waͤldern herum, und wenn ich
zu Lotten komme, und Albert ſo bey ihr ſizt im
Gaͤrtgen unter der Laube, und ich nicht weiter
kann, ſo bin ich ausgelaſſen naͤrriſch, und fange
viel Poſſen, viel verwirrtes Zeug an. Um Got-
tes willen, ſagte mir Lotte heute, ich bitte Sie!
keine Scene wie die von geſtern Abend! ſie ſind
fuͤrch-
[75]
fuͤrchterlich, wenn ſie ſo luſtig ſind. Unter uns,
ich paſſe die Zeit ab, wenn er zu thun hat,
wutſch! bin ich draus, und da iſt mir’s immer
wohl, wenn ich ſie allein finde.



Jch bitte dich, lieber Wilhelm! Es war gewiß
nicht auf dich geredt, wenn ich ſchrieb: ſchafft
mir die Kerls vom Hals, die ſagen, ich ſollte mich
reſigniren. Jch dachte warlich nicht dran, daß du
von aͤhnlicher Meinung ſeyn koͤnnteſt. Und im
Grunde haſt du recht! Nur eins, mein Beſter, in
der Welt iſt’s ſehr ſelten mit dem Entweder Oder
gethan, es giebt ſo viel Schattirungen der Empfin-
dungen und Handlungsweiſen, als Abfaͤlle zwiſchen
einer Habichts- und Stumpfnaſe.


Du wirſt mir alſo nicht uͤbel nehmen, wenn
ich dir dein ganzes Argument einraͤume, und mich
doch zwiſchen dem Entweder Oder durchzuſtehlen
ſuche.


Entweder ſagſt du, haſt du Hofnung auf
Lotten, oder du haſt keine. Gut! Jm erſten Falle
ſuch
[76]
ſuch ſie durchzutreiben, ſuche die Erfuͤllung deiner
Wuͤnſche zu umfaſſen, im andern Falle ermanne
dich und ſuche einer elenden Empfindung los zu
werden, die all deine Kraͤfte verzehren muß. Be-
ſter, das iſt wohl geſagt, und — bald geſagt.


Und kannſt du von dem Ungluͤklichen, deſſen
Leben unter einer ſchleichenden Krankheit unauf-
haltſam allmaͤhlich abſtirbt, kannſt du von ihm ver-
langen, er ſolle durch einen Dolchſtos der Quaal
auf einmal ein Ende machen? Und raubt das
Uebel, das ihm die Kraͤfte wegzehrt, ihm nicht
auch zugleich| den Muth, ſich davon zu befreyen?


Zwar koͤnnteſt du mir mit einem verwand-
ten Gleichniſſe antworten: Wer lieſſe ſich nicht
lieber den Arm abnehmen, als daß er durch Zau-
dern und Zagen ſein Leben auf’s Spiel ſezte —
Jch weis nicht — und wir wollen uns nicht in
Gleichniſſen herumbeiſſen. Genug — Ja, Wil-
helm ich habe manchmal ſo einen Augenblik auf-
ſpringenden, abſchuͤttelnden Muths, und da, wenn
ich nur wuͤſte wohin, ich gienge wohl.


am
[77]


Jch koͤnnte das beſte gluͤklichſte Leben fuͤhren,
wenn ich nicht ein Thor waͤre. So ſchoͤne
Umſtaͤnde vereinigen ſich nicht leicht zuſammen, ei-
nes Menſchen Herz zu ergoͤzzen, als die ſind, in
denen ich mich jezt befinde. Ach ſo gewiß iſt’s,
daß unſer Herz allein ſein Gluͤk macht! Ein
Glied der liebenswuͤrdigen Familie auszumachen,
von dem Alten geliebt zu werden wie ein Sohn,
von den Kleinen wie ein Vater und von Lotten —
und nun der ehrliche Albert, der durch keine lau-
niſche Unart mein Gluͤk ſtoͤrt, der mich mit herz-
licher Freundſchaft umfaßt, dem ich nach Lotten das
liebſte auf der Welt bin — Wilhelm, es iſt eine
Freude uns zu hoͤren, wenn wir ſpazieren gehn
und uns einander von Lotten unterhalten, es iſt
in der Welt nichts laͤcherlichers erfunden worden
als dieſes Verhaͤltniß, und doch kommen mir druͤ-
ber die Thraͤnen oft in die Augen.


Wenn er mir ſo von ihrer rechtſchaffenen
Mutter erzaͤhlt, wie die auf ihrem Todbette Lot-
ten ihr Hauß und ihre Kinder uͤbergeben, und ihm
Lotten
[78]
Lotten anbefohlen habe, wie ſeit der Zeit ein ganz
anderer Geiſt Lotten belebt, wie ſie in Sorge fuͤr
ihre Wirthſchaft und im Ernſte eine wahre Mut-
ter geworden, wie kein Augenblik ihrer Zeit ohne
thaͤtige Liebe, ohne Arbeit verſtrichen, und wie den-
noch all ihre Munterkeit, all ihr Leichtſinn ſie nicht
verlaſſen habe. Jch gehe ſo neben ihm hin, und
pfluͤkke Blumen am Wege, fuͤge ſie ſehr ſorgfaͤltig
in einen Straus und — werfe ſie in den vor-
uͤberflieſſenden Strohm, und ſehe ihnen nach wie
ſie leiſe hinunterwallen. Jch weis nicht, ob ich
dir geſchrieben habe, daß Albert hier bleiben, und
ein Amt mit einem artigen Auskommen vom Ho-
fe erhalten wird, wo er ſehr beliebt iſt. Jn Ord-
nung und Emſigkeit in Geſchaͤften hab ich wenig
eines gleichen geſehen.



Gewiß Albert iſt der beſte Menſch unter dem
Himmel, ich habe geſtern eine wunderbare
Scene mit ihm gehabt. Jch kam zu ihm, um Ab-
ſchied zu nehmen, denn mich wandelte die Luſt an,
in’s
[79]
in’s Gebuͤrg zu reiten, von daher ich dir auch jezt
ſchreibe, und wie ich in der Stube auf und ab
gehe, fallen mir ſeine Piſtolen in die Augen. Borg
mir die Piſtolen, ſagt ich, zu meiner Reiſe. Meint-
wegen, ſagt er, wenn du dir die Muͤhe geben willſt
ſie zu laden, bey mir haͤngen ſie nur pro forma.
Jch nahm eine herunter, und er fuhr fort: Seit
mir meine Vorſicht einen ſo unartigen Streich ge-
ſpielt hat, mag ich mit dem Zeuge nichts mehr zu
thun haben. Jch war neugierig, die Geſchichte zu
wiſſen. Jch hielte mich, erzaͤhlte er, wohl ein Vier-
teljahr auf dem Lande bey einem Freunde auf, hat-
te ein paar Terzerolen ohngeladen und ſchlief ru-
hig. Einmal an einem regnigten Nachmittage, da
ich ſo muͤßig ſizze, weis ich nicht wie mir einfaͤllt:
wir koͤnnten uͤberfallen werden, wir koͤnnten die
Terzerols noͤthig haben, und koͤnnten — du weiſt
ja, wie das iſt. Jch gab ſie dem Bedienten, ſie
zu puzzen, und zu laden, und der dahlt, mit den
Maͤdgen, will ſie erſchroͤkken, und Gott weis wie,
das Gewehr geht los, da der Ladſtok noch drinn
ſtekt und ſchießt den Ladſtok einem Maͤdgen zur
Maus herein, an der rechten Hand, und zerſchlaͤgt
ihr
[80]
ihr den Daumen. Da hatt’ ich das Lamentiren,
und den Barbierer zu bezahlen oben drein, und
ſeit der Zeit laß ich all das Gewehr ungeladen.
Lieber Schaz, was iſt Vorſicht! die Gefahr laͤßt ſich
nicht auslernen! Zwar — Nun weißt du, daß
ich den Menſchen ſehr lieb habe bis auf ſeine Zwar.
Denn verſteht ſich’s nicht von ſelbſt, daß jeder all-
gemeine Saz Ausnahmen leidet. Aber ſo recht-
fertig iſt der Menſch, wenn er glaubt, etwas uͤber-
eiltes, allgemeines, halbwahres geſagt zu haben; ſo
hoͤrt er dir nicht auf zu limitiren, modificiren, und
ab und zu zu thun, bis zulezt gar nichts mehr an
der Sache iſt. Und bey dieſem Anlaſſe kam er ſehr
tief in Text, und ich hoͤrte endlich gar nicht weiter
auf ihn, verfiel in Grillen, und mit einer auffah-
renden Gebaͤhrde druckt ich mir die Muͤndung der
Piſtolen uͤbers rechte Aug an die Stirn. Pfuy
ſagte Albert, indem er mir die Piſtole herabzog,
was ſoll das! — Sie iſt nicht geladen, ſagt ich. —
Und auch ſo! Was ſoll’s? verſezt er ungedultig.
Jch kann mir nicht vorſtellen, wie ein Menſch ſo
thoͤrigt ſeyn kann, ſich zu erſchieſſen; der bloſſe
Gedanke erregt mir Widerwillen.


Daß
[81]

Daß ihr Menſchen, rief ich aus, um von einer
Sache zu reden, gleich ſprechen muͤßt: Das iſt
thoͤrig, das iſt klug, das iſt gut, das iſt boͤs! Und
was will das all heiſſen? Habt ihr deßwegen die
innern Verhaͤltniſſe einer Handlung erforſcht?
Wißt ihr mit Beſtimmtheit die Urſachen zu ent-
wikkeln, warum ſie geſchah, warum ſie geſchehen
mußte? Haͤttet ihr das, ihr wuͤrdet nicht ſo eil-
fertig mit euren Urtheilen ſeyn.


Du wirſt mir zugeben, ſagte Albert, daß
gewiſſe Handlungen laſterhaft bleiben, ſie moͤgen
aus einem Beweggrunde geſchehen, aus welchem
ſie wollen.


Jch zukte die Achſeln und gabs ihm zu.
Doch, mein Lieber, fuhr ich fort, finden ſich auch
hier einige Ausnahmen. Es iſt wahr, der Dieb-
ſtahl iſt ein Laſter, aber der Menſch, der, um ſich
und die Seinigen vom ſchmaͤligen Hungertode zu
erretten, auf Raub ausgeht, verdient der Mitlei-
den oder Strafe? Wer hebt den erſten Stein
auf gegen den Ehemann, der im gerechten Zorne
ſein untreues Weib und ihren nichtswuͤrdigen Ver-
fuͤhrer aufopfert? Gegen das Maͤdgen, das in ei-
Fner
[82]
ner wonnevollen Stunde, ſich in den unaufhaltſa-
men Freuden der Liebe verliert? Unſere Geſetze
ſelbſt, dieſe kaltbluͤtigen Pedanten, laſſen ſich ruͤhren,
und halten ihre Strafe zuruͤk.


Das iſt ganz was anders, verſezte Albert, weil
ein Menſch, den ſeine Leidenſchaften hinreiſſen, alle
Beſinnungskraft verliert, und als ein Trunkener,
als ein Wahnſinniger angeſehen wird. — Ach
ihr vernuͤnftigen Leute! rief ich laͤchelnd aus. Lei-
denſchaft! Trunkenheit! Wahnſinn! Jhr ſteht ſo
gelaſſen, ſo ohne Theilnehmung da, ihr ſittlichen
Menſchen, ſcheltet den Trinker, verabſcheuet den Un-
ſinnigen, geht vorbey wie der Prieſter, und dankt
Gott wie der Phariſaͤer, daß er euch nicht ge-
macht hat, wie einen von dieſen. Jch bin mehr
als einmal trunken geweſen, und meine Leiden-
ſchaften waren nie weit vom Wahnſinne, und bey-
des reut mich nicht, denn ich habe in meinem
Maaſſe begreifen lernen: Wie man alle auſſer-
ordentliche Menſchen, die etwas groſſes, etwas un-
moͤglich ſcheinendes wuͤrkten, von jeher fuͤr Trunke-
ne und Wahnſinnige ausſchreien muͤßte.


Aber
[83]

Aber auch im gemeinen Leben iſts unertraͤg-
lich, einem Kerl bey halbweg einer freyen, edlen,
unerwarteten That nachrufen zu hoͤren: Der
Menſch iſt trunken, der iſt naͤrriſch. Schaͤmt euch,
ihr Nuͤchternen. Schaͤmt euch, ihr Weiſen. Das
ſind nun wieder von deinen Grillen, ſagte Albert.
Du uͤberſpannſt alles, und haſt wenigſtens hier ge-
wiß unrecht, daß du den Selbſtmord, wovon wir
jetzo reden, mit groſſen Handlungen vergleichſt, da
man es doch fuͤr nichts anders als eine Schwaͤche
halten kann, denn freylich iſt es leichter zu ſterben,
als ein qualvolles Leben ſtandhaft zu ertragen.


Jch war im Begriffe abzubrechen, denn kein
Argument in der Welt bringt mich ſo aus der
Faſſung, als wenn einer mit einem unbedeutenden
Gemeinſpruche angezogen kommt, da ich aus gan-
zem Herzen rede. Doch faßt ich mich, weil ich’s
ſchon oͤfter gehoͤrt und mich oͤfter daruͤber geaͤrgert
hatte, und verſezte ihm mit einiger Lebhaftigkeit:
Du nennſt das Schwaͤche! ich bitte dich, laß dich
vom Anſcheine nicht verfuͤhren. Ein Volk, das un-
ter dem unertraͤglichen Joche eines Tyrannen ſeufzt,
darfſt du das ſchwach heiſſen, wenn es endlich auf-
F 2gaͤhrt
[84]
gaͤhrt und ſeine Ketten zerreißt. Ein Menſch, der
uͤber dem Schrekken, daß Feuer ſein Haus ergrif-
fen hat, alle Kraͤfte zuſammen geſpannt fuͤhlt, und
mit Leichtigkeit Laſten wegtraͤgt, die er bey ruhigem
Sinne kaum bewegen kann; einer, der in der Wuth
der Beleidigung es mit Sechſen aufnimmt, und
ſie uͤberwaͤltigt, ſind dir ſchwach zu nennen? Und
mein Guter, wenn Anſtrengung Staͤrke iſt,
warum ſoll die Ueberſpannung das Gegentheil
ſeyn? Albert ſah mich an und ſagte: nimm mirs
nicht uͤbel, die Beyſpiele die du da giebſt, ſchei-
nen hierher gar nicht zu gehoͤren. Es mag ſeyn,
ſagt ich, man hat mir ſchon oͤſter vorgeworfen,
daß meine Combinationsart manchmal an’s Rado-
tage graͤnze! Laßt uns denn ſehen, ob wir auf
eine andere Weiſe uns vorſtellen koͤnnen, wie es
dem Menſchen zu Muthe ſeyn mag, der ſich ent-
ſchließt, die ſonſt ſo angenehme Buͤrde des Lebens
abzuwerfen, denn nur in ſo fern wir mit empfin-
den, haben wir Ehre von einer Sache zu
reden.


Die menſchliche Natur, fuhr ich fort, hat ih-
re Graͤnzen, ſie kann Freude, Leid, Schmerzen, bis
auf
[85]
auf einen gewiſſen Grad ertragen, und geht zu
Grunde, ſobald der uͤberſtiegen iſt.


Hier iſt alſo nicht die Frage, ob einer ſchwach
oder ſtark iſt, ſondern ob er das Maas ſeines Lei-
dens ausdauren kann; es mag nun moraliſch oder
phyſikaliſch ſeyn, und ich finde es eben ſo wunder-
bar zu ſagen, der Menſch iſt feig, der ſich das Le-
ben nimmt, als es ungehoͤrig waͤre, den einen Fei-
gen zu nennen, der an einem boͤsartigen Fieber
ſtirbt.


Paradox! ſehr paradox! rief Albert aus. —
Nicht ſo ſehr, als du denkſt, verſezt ich. Du giebſt
mir zu wir nennen das eine Krankheit zum Todte,
wodurch die Natur ſo angegriffen wird, daß theils
ihre Kraͤfte verzehrt, theils ſo auſſer Wuͤrkung ge-
ſezt werden, daß ſie ſich nicht wieder aufzuhelfen,
durch keine gluͤkliche Revolution, den gewoͤhnlichen
Umlauf des Lebens wieder herzuſtellen faͤhig iſt.


Nun mein Lieber, laß uns das auf den Geiſt
anwenden. Sieh den Menſchen an in ſeiner Ein-
geſchraͤnktheit, wie Eindruͤkke auf ihn wuͤrken, Jdeen
ſich bey ihm feſt ſezzen, bis endlich eine wachſen-
F 3de
[86]
de Leidenſchaft ihn aller ruhigen Sinneskraft be-
raubt, und ihn zu Grunde richtet.


Vergebens, daß der gelaßne vernuͤnftige Menſch
den Zuſtand des Ungluͤklichen uͤberſieht, vergebens,
daß er ihm zuredet, eben als wie ein Geſunder, der
am Bette des Kranken ſteht, ihm von ſeinen Kraͤf-
ten nicht das geringſte einfloͤßen kann.


Alberten war das zu allgemein geſprochen, ich
erinnerte ihn an ein Maͤdgen, das |man vor weni-
ger Zeit im Waſſer todt gefunden, und wiederholt
ihm ihre Geſchichte. Ein gutes junges Geſchoͤpf,
das in dem engen Kreiſe haͤuslicher Beſchaͤftigun-
gen, woͤchentlicher beſtimmter Arbeit ſo herange-
wachſen war, das weiter keine Ausſicht von Ver-
gnuͤgen kannte, als etwa Sonntags in einem nach
und nach zuſammengeſchafften Puzze mit ihres glei-
chen um die Stadt ſpazieren zu gehen, vielleicht
alle hohe Feſte einmal zu tanzen, und uͤbrigens
mit aller Lebhaftigkeit des herzlichſten Antheils man-
che Stunde uͤber den Anlas eines Gezaͤnkes, einer
uͤbeln Nachrede, mit einer Nachbarin zu verplau-
dern; deren feurige Natur fuͤhlt nun endlich in-
nigere Beduͤrfniſſe, die durch die Schmeicheleyen der
Maͤn-
[87]
Maͤnner vermehrt werden, all ihre vorige Freuden
werden ihr nach und nach unſchmakhaft, bis ſie
endlich einen Menſchen antrifft, zu dem ein unbe-
kanntes Gefuͤhl ſie unwiderſtehlich hinreißt, auf
den ſie nun all ihre Hofnungen wirſt, die Welt
rings um ſich vergißt, nichts hoͤrt, nichts ſieht, nichts
fuͤhlt als ihn, den Einzigen, ſich nur ſehnt nach ihm,
dem Einzigen. Durch die leere Vergnuͤgen einer
unbeſtaͤndigen Eitelkeit nicht verdorben, zieht ihr
Verlangen grad nach dem Zwecke: Sie will die
Seinige werden, ſie will in ewiger Verbindung all
das Gluͤck antreffen, das ihr mangelt, die Vereini-
gung aller Freuden genieſſen, nach denen ſie ſich
ſehnte. Wiederholtes Verſprechen, das ihr die
Gewißheit aller Hofnungen verſiegelt, kuͤhne Lieb-
koſungen, die ihre Begierden vermehren, umfangen
ganz ihre Seele, ſie ſchwebt in einem dumpfen
Bewußtſeyn, in einem Vorgefuͤhl aller Freuden, ſie
iſt bis auf den hoͤchſten Grad geſpannt, wo ſie end-
lich ihre Arme ausſtrekt, all ihre Wuͤnſche zu um-
faſſen — und ihr Geliebter verlaͤßt Sie — Er-
ſtarrt; ohne Sinne ſteht ſie vor einem Abgrunde,
und alles iſt Finſterniß um ſie her, keine Ausſicht,
F 4kein
[88]
kein Troſt, keine Ahndung, denn der hat ſie ver-
laſſen, in dem ſie allein ihr Daſeyn fuͤhlte. Sie
ſieht nicht die weite Welt, die vor ihr liegt, nicht
die Vielen, die ihr den Verluſt |erſezzen koͤnnten,
ſie fuͤhlt ſich allein, verlaſſen von aller Welt, —
und blind, in die Enge gepreßt von der entſezli-
chen Noth ihres Herzens ſtuͤrzt ſie ſich hinunter,
um in einem rings umfangenden Tode all ihre
Quaalen zu erſtikken. — Sieh, Albert, das iſt
die Geſchichte ſo manches Menſchen, und ſag, iſt
das nicht der Fall der Krankheit? Die Natur
findet keinen Ausweg aus dem Labyrinthe der ver-
worrenen und widerſprechenden Kraͤfte, und der
Menſch muß ſterben.


Wehe dem, der zuſehen und ſagen koͤnnte:
Die Thoͤrinn! haͤtte ſie gewartet, haͤtte ſie die Zeit
wuͤrken laſſen, es wuͤrde ſich die Verzweiflung ſchon
gelegt, es wuͤrde ſich ein anderer ſie zu troͤſten
ſchon vorgefunden haben.


Das iſt eben, als wenn einer ſagte: der
Thor! ſtirbt am Fieber! haͤtte er gewartet, bis
ſich ſeine Kraͤfte erhohlt, ſeine Saͤfte verbeſſert,
der Tumult ſeines Blutes gelegt haͤtten, alles waͤ-
re
[89]
re gut gegangen, und er lebte bis auf den heu-
tigen Tag!


Albert, dem die Vergleichung noch nicht an-
ſchaulich war, wandte noch einiges ein, und| unter
andern: ich habe nur von einem einfaͤltigen
Maͤdgen geſprochen, |wie denn aber ein Menſch
von Verſtande, der nicht ſo eingeſchraͤnkt ſey, der
mehr Verhaͤltniſſe uͤberſaͤhe, zu entſchuldigen ſeyn
moͤchte, koͤnne er nicht begreifen. Mein Freund
rief ich aus, der Menſch iſt Menfch, und das
Bißgen Verſtand das einer haben mag, kommt we-
nig oder nicht in Anſchlag, wenn Leidenſchaft wuͤ-
thet, und die Graͤnzen der Menſchheit einen draͤn-
gen. Vielmehr — ein andermal, davon ſagt ich,
und grif nach meinem Hute. O mir war das
Herz ſo voll — Und wir giengen auseinander, oh-
ne einander verſtanden zu haben. Wie denn auf
dieſer Welt keiner leicht den andern verſteht.


F 5am
[90]


Es iſt doch gewiß, daß in der Welt den Men-
ſchen nichts nothwendig macht als die Liebe.
Jch fuͤhl’s an Lotten, daß ſie mich ungern verloͤh-
re, und die Kinder haben keine andre Jdee, als
daß ich immer morgen wiederkommen wuͤrde.
Heut war ich hinausgegangen, Lottens Clavier zu
ſtimmen, ich konnte aber nicht-dazu kommen, denn
die Kleinen verfolgten mich um ein Maͤhrgen, und
Lotte ſagte denn ſelbſt, ich ſollte ihnen den Willen
thun. Jch ſchnitt ihnen das Abendbrod, das ſie
nun faſt ſo gerne von mir als von Lotten annah-
men und erzaͤhlte ihnen das Hauptſtuͤckgen von
der Prinzeßinn, die von Haͤnden bedient wird. Jch
lerne viel dabey, das verſichr’ ich dich, und ich bin
erſtaunt, was es auf ſie fuͤr Eindruͤkke macht.
Weil ich manchmal einen Jnzidenzpunkt erfinden
muß, den ich bey’m zweytenmal vergeſſe, ſagen ſie
gleich, das vorigemal waͤr’s anders geweſt, ſo daß
ich mich jezt uͤbe, ſie unveraͤnderlich in einem ſin-
gen-
[91]
genden Sylbenfall an einem Schnuͤrgen weg zu
rezitiren. Jch habe daraus gelernt wie ein Au-
tor, durch eine zweyte veraͤnderte Auflage ſeiner
Geſchichte, und wenn ſie noch ſo poetiſch beſſer
geworden waͤre, nothwendig ſeinem Buche ſcha-
den muß. Der erſte Eindruk findet uns willig,
und der Menſch iſt ſo gemacht, daß man ihm das
abenteuerlichſte uͤberreden kann, das haftet aber
auch gleich ſo feſt, und wehe dem, der es wieder
auskrazzen und austilgen will.



Mußte denn das ſo ſeyn? daß das, was des
Menſchen Gluͤkſeligkeit macht, wieder die
Quelle ſeines Elends wuͤrde.


Das volle warme Gefuͤhl meines Herzens an
der lebendigen Natur, das mich mit ſo viel Wonne
uͤberſtroͤmte, das rings umher die Welt mir zu
einem Paradieſe ſchuf, wird mir jezt zu einem un-
er-
[92]
ertraͤglichen Peiniger, zu einem quaͤlenden Geiſte,
der mich auf allen Wegen verfolgt. Wenn ich
ſonſt vom Fels uͤber den Fluß bis zu jenen Huͤ-
geln das fruchtbare Thal uͤberſchaute, und alles
um mich her keimen und quellen ſah, wenn ich jene
Berge, vom Fuße bis auf zum Gipfel, mit hohen,
dichten Baͤumen bekleidet, all jene Thaͤler in ih-
ren mannichfaltigen Kruͤmmungen von den lieb-
lichſten Waͤldern beſchattet ſah, und der ſanfte Fluß
zwiſchen den liſpelnden Rohren dahin gleitete, und
die lieben Wolken abſpiegelte, die der ſanfte Abend-
wind am Himmel heruͤber wiegte, wenn ich denn
die Voͤgel um mich, den Wald beleben hoͤrte, und
die Millionen Muͤkkenſchwaͤrme im lezten rothen
Strahle der Sonne muthig tanzten, und ihr lezter
zukkender Blik den ſummenden Kaͤfer aus ſeinem
Graſe befreyte und das Gewebere um mich her,
mich auf den Boden aufmerkſam machte und das
Moos, das meinem harten Felſen ſeine Nahrung
abzwingt, und das Geniſte, das den duͤrren Sand-
huͤgel hinunter waͤchſt, mir alles das innere gluͤ-
hende, heilige Leben der Natur eroͤfnete, wie um-
faßt
[93]
faßt ich das all mit warmen Herzen, verlohr mich
in der unendlichen Fuͤlle, und die herrlichen Ge-
ſtalten der unendlichen Welt bewegten ſich alllebend
in meiner Seele. Ungeheure Berge umgaben mich,
Abgruͤnde lagen vor mir, und Wetterbaͤche ſtuͤrzten
herunter, die Fluͤſſe ſtroͤmten unter mir, und
Wald und Gebuͤrg erklang. Und ich ſah ſie wuͤr-
ken und ſchaffen in einander in den Tiefen der Er-
de, all die Kraͤfte unergruͤndlich. Und nun uͤber
der Erde und unter dem Himmel wimmeln die Ge-
ſchlechter der Geſchoͤpfe all, und alles, alles bevoͤl-
kert mit tauſendfachen Geſtalten, und die Men-
ſchen dann ſich in Haͤuslein zuſammen ſichern, und
ſich anniſten, und herrſchen in ihrem Sinne uͤber
die weite Welt! Armer Thor, der du alles ſo ge-
ring achteſt, weil du ſo klein biſt. Vom unzu-
gaͤnglichen Gebuͤrge uͤber die Einoͤde, die kein Fuß
betrat, bis ans Ende des unbekannten Ozeans,
weht der Geiſt des Ewigſchaffenden und freut ſich
jedes Staubs, der ihn vernimmt und lebt. Ach
damals, wie oft hab ich mich mit Fittigen eines
Kranichs, der uͤber mich hinflog, zu dem Ufer des
un-
[94]
ungemeſſenen Meeres geſehnt, aus dem ſchaͤumen-
den Becher des Unendlichen, jene ſchwellende Lebens-
wonne zu trinken, und nur einen Augenblick in
der eingeſchraͤnkten Kraft meines Buſens einen
Tropfen der Seligkeit des Weſens zu ſuͤhlen, das
alles in ſich und durch ſich hervorbringt.


Bruder, nur die Erinnerung jener Stunden
macht mir wohl, ſelbſt dieſe Anſtrengung, jene un-
ſaͤglichen Gefuͤhle zuruͤk zu rufen, wieder auszu-
ſprechen, hebt meine Seele uͤber ſich ſelbſt, und
laͤßt mir dann das Bange des Zuſtands doppelt
empfinden, der mich jezt umgiebt.


Es hat ſich vor meiner Seele wie ein Vorhang
weggezogen, und der Schauplatz des unendlichen
Lebens verwandelt ſich vor mir in den Abgrund
des ewig offnen Grabs. Kannſt du ſagen: Das
iſt! da alles voruͤbergeht, da alles mit der Wetter-
ſchnelle voruͤber rollt, ſo ſelten die ganze Kraft
ſeines Daſeyns ausdauert, ach in den Strom fort-
geriſſen, untergetaucht und an Felſen zerſchmettert
wird.
[95]
wird. Da iſt kein Augenblik, der nicht dich ver-
zehrte und die Deinigen um dich her, kein Augen-
blik, da du nicht ein Zerſtoͤhrer biſt, ſeyn mußt.
Der harmloſeſte Spaziergang koſtet tauſend tau-
ſend armen Wuͤrmgen das Leben, es zerruͤttet ein
Fustritt die muͤhſeligen Gebaͤude der Ameiſen, und
ſtampft eine kleine Welt in ein ſchmaͤhliches Grab.
Ha! nicht die große ſeltene Noth der Welt, dieſe
Fluthen, die eure Doͤrfer wegſpuͤlen, dieſe Erdbe-
ben, die eure Staͤdte verſchlingen, ruͤhren mich.
Mir untergraͤbt das Herz die verzehrende Kraft,
die im All der Natur verborgen liegt, die nichts ge-
bildet hat, das nicht ſeinen Nachbar, nicht ſich
ſelbſt zerſtoͤrte. Und ſo taumele ich beaͤngſtet! Him-
mel und Erde und all die webenden Kraͤfte um
mich her! Jch ſehe nichts, als ein ewig verſchlin-
gendes, ewig wiederkaͤuendes Ungeheur.


am
[96]


Umſonſt ſtrekke ich meine Arme nach ihr aus,
Morgens wenn ich von ſchweren Traͤumen auf-
daͤmmere, vergebens ſuch ich ſie Nachts in meinem
Bette, wenn mich ein gluͤklicher unſchuldiger Traum
getaͤuſcht hat, als ſaͤß ich neben ihr auf der Wieſe,
und hielte ihre Hand und dekte ſie mit tauſend
Kuͤſſen. Ach wenn ich denn noch halb im Tau-
mel des Schlafs nach ihr tappe, und druͤber mich
ermuntere — Ein Strom von Thraͤnen bricht
aus meinem gepreßten Herzen, und ich weine
troſtlos einer finſtern Zukunft entgegen.



Es iſt ein Ungluͤk, Wilhelm! all meine thaͤtigen
Kraͤfte ſind zu einer unruhigen Laͤſſigkeit ver-
ſtimmt, ich kann nicht muͤſſig ſeyn und wieder kann
ich nichts thun. Jch hab keine Vorſtellungskraft,
kein
[97]
kein Gefuͤhl an der Natur und die Buͤcher ſpeien
mich alle an. Wenn wir uns ſelbſt fehlen, fehlt
uns doch alles. Jch ſchwoͤre Dir, manchmal
wuͤnſchte ich ein Tagloͤhner zu ſeyn, um nur des
Morgens bey’m Erwachen eine Ausſicht auf den
kuͤnftigen Tag, einen Drang, eine Hofnung zu ha-
ben. Oft beneid ich Alberten, den ich uͤber die
Ohren in Akten begraben ſehe, und bilde mir ein:
mir waͤr’s wohl, wenn ich an ſeiner Stelle waͤre!
Schon etlichemal iſt mir’s ſo aufgefahren, ich woll-
te Dir ſchreiben und dem Miniſter, und um die
Stelle bey der Geſandtſchaft anhalten, die, wie Du
verſicherſt, mir nicht verſagt werden wuͤrde. Jch
glaube es ſelbſt, der Miniſter liebt mich ſeit lange,
hatte lange mir angelegen, ich ſollte mich employi-
ren, und eine Stunde iſt mir’s auch wohl drum
zu thun; hernach, wenn ich ſo wieder dran denke,
und mir die Fabel vom Pferde einfaͤllt, das ſeiner
Freyheit ungedultig, ſich Sattel und Zeug auflegen
laͤßt, und zu Schanden geritten wird. Jch weis
nicht, was ich ſoll — Und mein Lieber! Jſt
nicht vielleicht das Sehnen in mir nach Veraͤnde-
Grung
[98]
rung des Zuſtands, eine innre unbehagliche Un-
gedult, die mich uͤberall hin verfolgen wird?



Es iſt wahr, wenn meine Krankheit zu heilen
waͤre, ſo wuͤrden dieſe Menſchen es thun.
Heut iſt mein Geburtstag, und in aller Fruͤhe em-
pfang ich ein Paͤkgen von Alberten. Mir faͤllt
bey’m Eroͤfnen ſogleich eine der blaßrothen Schlei-
fen in die Augen, die Lotte vorhatte, als ich ſie
kennen lernte, und um die ich ſie ſeither etlichemal
gebeten hatte. Es waren zwey Buͤchelgen in duo-
dez dabey, der kleine Wetſteiniſche Homer, ein
Buͤchelgen, nach dem ich ſo oft verlangt, um mich
auf dem Spaziergange mit dem Erneſtiſchen nicht
zu ſchleppen. Sieh! ſo kommen ſie meinen Wuͤn-
ſchen zuvor, ſo ſuchen ſie all die kleinen Gefaͤllig-
keiten der Freundſchaft auf, die tauſendmal wer-
ther
[99]
ther ſind als jene blendende Geſchenke, wodurch uns
die Eitelkeit des Gebers erniedrigt. Jch kuͤſſe dieſe
Schleife tauſendmal, und mit jedem Athemzuge
ſchluͤrfe ich die Erinnerung jener Seligkeiten ein,
mit denen mich jene wenige, gluͤckliche, unwieder-
bringliche Tage uͤberfuͤllten. Wilhelm es iſt ſo, und
ich murre nicht, die Bluͤthen des Lebens ſind nur
Erſcheinungen! wie viele gehn voruͤber, ohne eine
Spur hinter ſich zu laſſen, wie wenige ſezzen Frucht
an, und wie wenige dieſer Fruͤchte werden reif.
Und doch ſind deren noch genug da, und doch —
O mein Bruder! koͤnnen wir gereifte Fruͤchte ver-
nachlaͤſſigen, verachten, ungenoſſen verwelken und
verfaulen laſſen?


Lebe wohl! Es iſt ein herrlicher Sommer, ich
ſizze oft auf den Obſtbaͤumen in Lottens Baumſtuͤk
mit dem Obſtbrecher der langen Stange, und hole
die Birn aus dem Gipfel. Sie ſteht unten und
nimmt ſie ab, wenn ich ſie ihr hinunter laſſe.


G 2am
[100]


Ungluͤklicher! Biſt du nicht ein Thor? Be-
truͤgſt du dich nicht ſelbſt? Was ſoll all dieſe
tobende endloſe Leidenſchaft? Jch habe kein Gebet
mehr, als an ſie, meiner Einbildungskraft erſcheint
keine andere Geſtalt als die ihrige, und alles in der
Welt um mich her, ſehe ich nur im Verhaͤltniſſe
mit ihr. Und das macht mir denn ſo manche gluͤk-
liche Stunde — Bis ich mich wieder von ihr
losreißen muß, ach Wilhelm, wozu mich mein Herz
oft draͤngt! — Wenn ich ſo bey ihr geſeſſen bin,
zwey, drey Stunden, und mich an der Geſtalt, an
dem Betragen, an dem himmliſchen Ausdruk ihrer
Worte geweidet habe, und nun ſo nach und nach
alle meine Sinnen aufgeſpannt werden, mir’s
duͤſter vor den Augen wird, ich kaum was noch
hoͤre, und mich’s an die Gurgel faßt, wie ein Meu-
chel-
[101]
chelmoͤrder, dann mein Herz in |wilden Schlaͤgen
den bedraͤngten Sinnen Luft zu machen ſucht und
ihre Verwirrung vermehrt. Wilhelm, ich weis oft
nicht, ob ich auf der Welt bin! Und wenn nicht
manchmal die Wehmuth das Uebergewicht nimmt,
und Lotte mir den elenden Troſt erlaubt, auf ihrer
Hand meine Beklemmung auszuweinen, ſo muß
ich fort! Muß hinaus! Und ſchweife dann weit
im Felde umher. Einen gaͤhen Berg zu klettern,
iſt dann meine Freude, durch einen unwegſamen
Wald einen Pfad durchzuarbeiten, durch die Hek-
ken die mich verlezzen, durch die Dornen die mich
zerreiſſen! Da wird mir’s etwas beſſer! Etwas!
Und wenn ich. fuͤr Muͤdigkeit und Durſt manchs-
mal unterwegs liegen bleibe, manchmal in der tie-
ſen Nacht, wenn der hohe Vollmond uͤber mir
ſteht, im einſamen Walde auf einem krumgewachs-
nen Baum mich ſezze, um meinen verwundeten
Solen nur einige Linderung zu verſchaffen, und
dann in einer ermattenden Ruhe in dem Daͤmmer-
ſcheine hinſchlummre! O Wilhelm! Die einſame
Wohnung einer Zelle, das haͤrine Gewand und
G 3der
[102]
der Stachelguͤrtel, waͤren Labſale, nach denen mei-
ne Seele ſchmachtet. Adieu. Jch ſeh all dieſes
Elends kein Ende als das Grab.



Jch muß fort! ich danke Dir, Wilhelm, daß Du
meinen wankenden Entſchluß beſtimmt haſt.
Schon vierzehn Tage geh ich mit dem Gedanken
um, ſie zu verlaſſen. Jch muß. Sie iſt wieder
in der Stadt bey einer Freundinn. Und Albert —
und — ich muß fort.


am
[103]


Das war eine Nacht! Wilhelm, nun uͤberſteh
ich alles. Jch werde ſie nicht wiederſehn.
O daß ich nicht an Deinen Hals fliegen, Dir mit
tauſend Thraͤnen und Entzuͤkkungen ausdruͤkken kann,
mein Beſter, all die Empfindungen, die mein Herz
beſtuͤrmen. Hier ſizz ich und ſchnappe nach Luft,
ſuche mich zu beruhigen, und erwarte den Morgen,
und mit Sonnen Aufgang ſind die Pferde beſtellt.


Ach ſie ſchlaͤft ruhig und denkt nicht, daß ſie
mich nie wieder ſehen wird. Jch habe mich los-
geriſſen, bin ſtark genug geweſen, in einem Ge-
ſpraͤche von zwey Stunden mein Vorhaben nicht
zu verrathen. Und Gott, welch ein Geſpraͤch!


Albert hatte mir verſprochen, gleich nach dem
Nachteſſen mit Lotten im Garten zu ſeyn. Jch
G 4ſtand
[104]
ſtand auf der Teraſſe unter den hohen | Caſtanien-
baͤumen, und ſah der Sonne nach, die mir nun
zum letztenmal uͤber dem lieblichen Thale, uͤber
dem ſanften Fluſſe untergieng. So oft hatte ich
hier geſtanden mit ihr, und eben dem herrlichen
Schauſpiele zugeſehen und nun — Jch gieng in
der Allee auf und ab, die mir ſo lieb war, ein
geheimer ſympathetiſcher Zug hatte mich hier ſo oft
gehalten, eh ich noch Lotten kannte, und wie freu-
ten wir uns, als im Anfange unſerer Bekannt-
ſchaft wir die wechſelſeitige Neigung zu dem Plaͤz-
gen entdekten, das wahrhaftig eins der roman-
tiſchten iſt, die ich von der Kunſt habe hervorge-
bracht geſehen.


Erſt haſt du zwiſchen den Caſtanienbaͤumen die
weite Ausſicht — Ach ich erinnere mich, ich ha-
be dir, denk ich, ſchon viel geſchrieben davon, wie
hohe Buchenwaͤnde einen endlich einſchlieſſen und
durch ein daran ſtoßendes Bosquet die Allee im-
mer duͤſtrer wird, bis zuletzt alles ſich in ein ge-
ſchloſſenes Plaͤzgen endigt, das alle Schauer der
Ein-
[105]
Einſamkeit umſchweben. Jch fuͤhl es noch wie
heimlich mir’s ward, als ich zum erſtenmal an ei-
nem hohen Mittage hinein trat, ich ahndete ganz
leiſe, was das noch fuͤr ein Schauplaz werden
ſollte von Seligkeit und Schmerz.


Jch hatte mich etwa eine halbe Stunde in |de-
nen ſchmachtenden ſuͤſſen Gedanken| |des Abſchei-
dens, des Wiederſehns geweidet; als ich ſie die
Teraſſe herauf ſteigen hoͤrte, ich lief ihnen entge-
gen, mit einem Schauer faßt ich ihre Hand und
kuͤßte ſie. Wir waren eben herauf getreten, als
der Mond hinter dem buͤſchigen Huͤgel aufgieng,
wir redeten mancherley und kamen unvermerkt dem
duͤſtern Cabinette naͤher. Lotte tratt hinein und
ſezte ſich, Albert neben ſie, ich auch, doch, meine
Unruhe lies mich nicht lange ſizzen, ich ſtand auf,
trat vor ſie, gieng auf und ab, ſezte mich wieder,
es war ein aͤngſtlicher | Zuſtand. Sie machte uns
aufmerkſam auf die ſchoͤne Wuͤrkung des Monden-
lichts, das am Ende der Buchenwaͤnde die ganze
Teraſſe vor uns erleuchtete, ein herrlicher Anblik,
G 5der
[106]
der um ſo viel frappanter war, weil uns rings eine
tiefe Daͤmmerung einſchloß. Wir waren ſtill, und
ſie fieng nach einer Weile an: Niemals geh ich im
Mondenlichte ſpazieren, niemals daß mir nicht der
Gedanke an meine Verſtorbenen begegnete, daß
nicht das Gefuͤhl von Tod, von Zukunft uͤber mich
kaͤme. Wir werden ſeyn, fuhr ſie mit der Stimme
des herrlichſten Gefuͤhls fort, aber Werther, ſol-
len wir uns wieder finden? und wieder erkennen?
Was ahnden ſie, was ſagen ſie?


Lotte, ſagt ich, indem ich ihr die Hand reichte
und mir die Augen voll Thraͤnen wurden, wir wer-
den uns wieder ſehn! Hier und dort wieder
ſehn! — Jch konnte nicht weiter reden — Wil-
helm, mußte ſie mich das fragen? da ich dieſen
aͤngſtlichen Abſchied im Herzen hatte.


Und ob die lieben Abgeſchiednen von uns wiſ-
ſen, fuhr ſie fort, ob ſie fuͤhlen, wann’s uns wohl
geht, daß wir mit warmer Liebe uns ihrer erin-
nern? O die Geſtalt meiner Mutter ſchwebt im-
mer
[107]
mer um mich, wenn ich ſo| am ſtillen Abend, un-
ter ihren Kindern, unter meinen Kindern ſizze,
und ſie um mich verſammlet ſind, wie ſie um ſie
verſammlet waren. Wenn ich ſo mit einer ſeh-
nenden Thraͤne gen Himmel ſehe, und wuͤnſche:
daß ſie herein ſchauen koͤnnte einen Augenblik,
wie ich mein Wort halte, das ich ihr in der Stunde
des Todes gab: die Mutter ihrer Kinder zu ſeyn.
Hundertmal ruf ich aus: Verzeih mir’s, Theuerſte,
wenn ich ihnen nicht bin, was du ihnen warſt.
Ach! thu ich doch alles was ich kann, ſind ſie
doch gekleidet, genaͤhrt, ach und was mehr iſt als
das alles, gepflegt und geliebet. Koͤnnteſt du un-
ſere Eintracht ſehn, liebe Heilige! du wuͤrdeſt mit
dem heiſſeſten Danke den Gott verherrlichen, den
du mit den lezten bitterſten Thraͤnen um die Wohl-
fahrt deiner Kinder batſt. Sie ſagte das! O Wil-
helm! wer kann wiederholen was ſie ſagte, wie
kann der kalte todte Buchſtabe dieſe himmliſche
Bluͤthe des Geiſtes darſtellen. Albert fiel ihr ſanft
in die Rede: es greift ſie zu ſtark an, liebe Lotte,
ich weis, ihre Seele haͤngt ſehr nach dieſen Jdeen,
aber
[108]
aber ich bitte ſie — O Albert, ſagte ſie, ich weis,
du vergißt nicht die Abende, da wir zuſammen
ſaßen an dem kleinen runden Tiſchgen, wenn der
Papa verreiſt war, und wir die Kleinen ſchlafen
geſchikt hatten. Du hatteſt oft ein gutes Buch,
und kamſt ſo ſelten dazu etwas zu leſen. War
der Umgang dieſer herrlichen Seele nicht mehr als
alles! die ſchoͤne, ſanfte, muntere und immer thaͤ-
tige Frau! Gott kennt meine Thraͤnen, mit de-
nen ich mich oft in meinem Bette vor ihn hin-
warf: er moͤchte mich ihr gleich machen.


Lotte! rief ich aus, indem ich mich vor ſie
hinwarf, ihre Haͤnde nahm und mit tauſend Thraͤ-
nen nezte. Lotte, der Segen Gottes ruht uͤber
dir, und der Geiſt deiner Mutter! — Wenn
ſie ſie gekannt haͤtten! ſagte ſie, indem ſie mir die
Hand druͤkte, — ſie war werth, von ihnen ge-
kannt zu ſeyn. — Jch glaubte zu vergehen, nie
war ein groͤſſeres, ſtolzeres Wort uͤber mich aus-
geſprochen worden, und ſie fuhr fort: und dieſe
Frau mußte in der Bluͤthe ihrer Jahre dahin, da
ihr
[109]
ihr juͤngſter Sohn nicht ſechs Monathe alt war.
Jhre Krankheit dauerte nicht lange, ſie war ruhig,
reſignirt, nur ihre Kinder thaten ihr weh, beſon-
ders das kleine. Wie es gegen das Ende gieng,
und ſie zu mir ſagte: Bring mir ſie herauf, und
wie ich ſie herein fuͤhrte, die kleinen die nicht
wußten, und die aͤlteſten die ohne Sinne waren,
wie ſie um’s Bett ſtanden, und wie ſie die Haͤnde
aufhub und uͤber ſie betete, und ſie kuͤßte nach ein-
ander und ſie wegſchikte, und zu mir ſagte: Sey
ihre Mutter! Jch gab ihr die Hand drauf! Du
verſprichſt viel, meine Tochter, ſagte ſie, das Herz
einer Mutter und das Aug einer Mutter! Jch
hab oft an deinen dankbaren Thraͤnen geſehen, daß
du fuͤhlſt was das ſey. Hab es fuͤr deine Ge-
ſchwiſter, und fuͤr deinen Vater, die Treue, den
Gehorſam einer Frau. Du wirſt ihn troͤſten.
Sie fragte nach ihm, er war ausgegangen, um
uns den unertraͤglichen Kummer zu verbergen, den
er fuͤhlte, der Mann war ganz zerriſſen.


Albert
[110]

Albert, du warſt im Zimmer! Sie hoͤrte je-
mand gehn, und fragte, und forderte dich zu ihr.
Und wie ſie dich anſah und mich, mit dem getroͤ-
ſteten ruhigen Blikke, daß wir gluͤklich ſeyn, zu-
ſammen gluͤklich ſeyn wuͤrden. Albert fiel ihr um
den Hals und kuͤßte ſie, und rief: wir ſinds!
wir werdens ſeyn. Der ruhige Albert war ganz
aus ſeiner Faſſung, und ich wußte nichts von mir
ſelber.


Werther, fieng ſie an, und dieſe Frau ſollte
dahin ſeyn! Gott, wenn ich manchmal ſo denke,
wie man das Liebſte ſeines Lebens ſo wegtragen
laͤßt, und niemand als die Kinder das ſo ſcharf
fuͤhlt, die ſich noch lange beklagten: die ſchwarzen
Maͤnner haͤtten die Mamma weggetragen.


Sie ſtund auf, und ich ward erwekt und er-
ſchuͤttert, blieb ſizzen und hielt ihre Hand. Wir
wollen fort, ſagte ſie, es wird Zeit. Sie wollte
ihre Hand zuruͤk ziehen und ich hielt ſie feſter!
Wir werden uns wiederſehn, rief ich, wir werden
uns finden, unter allen Geſtalten werden wir uns
erken-
[111]
erkennen. Jch gehe, fuhr ich fort, ich gehe willig,
und doch, wenn ich ſagen ſollte auf ewig, ich wuͤr-
de es nicht aushalten. Leb wohl, Lotte! Leb wohl,
Albert! Wir ſehen uns wieder. — Morgen
denk ich, verſezte ſie ſcherzend, ich fuͤhlte das
Morgen! Ach ſie wußte nicht als ſie ihre Hand
aus der meinigen zog — ſie giengen die Allee
hinaus, ich ſtand, ſah ihnen nach im Mondſcheine
und warf mich an die Erde und weinte mich aus,
und ſprang auf, lief auf die Teraſſe hervor und
ſah noch dort drunten im Schatten der hohen
Lindenbaͤume ihr weiſſes Kleid nach der Garten-
thuͤre ſchimmern, ich ſtrekte meine Arme hinaus,
und es verſchwand.


[figure]
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Notes
*)
Der Leſer wird ſich keine Muͤhe geben, die
hier genannten Orte zu ſuchen, man hat ſich
genoͤthigt geſehen, die im Originale befindli-
chen wahren Nahmen zu veraͤndern.
*)
Man ſieht ſich genoͤthigt, dieſe Stelle des
Briefs zu unterdruͤcken, um niemand Ge-
legenheit zu einiger Beſchwerde zu geben.
Ob gleich im Grunde jedem Autor wenig an
dem Urtheile eines einzelnen Maͤdgens, und
eines jungen unſteten Menſchen gelegen ſeyn
kann.
*)
Man hat auch hier die Namen einiger va-
terlaͤndiſchen Autoren ausgelaſſen. Wer
Theil an Lottens Beyfall hatte, wird es ge-
wiß an ſeinem Herzen fuͤhlen, wenn er die-
ſe Stelle leſen ſollte. Und ſonſt brauchts ja
niemand zu wiſſen.
*)
Wir haben nun von Lavatern eine trefliche
Predigt hieruͤber unter denen uͤber das Buch
Jonas.

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CC-BY-4.0
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TextGrid Repository (2025). Goethe, Johann Wolfgang von. Die Leiden des jungen Werthers. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bhpw.0