der
Pandecten
nach
Hellfeld
fuͤr meine Zuhoͤrer
verlegt bey Johann Jacob Palm
1791.
[][]
Vorrede.
Die Fortſetzung dieſes Werks, wovon ich hier
den zweyten Theil liefere, iſt einzig der auf-
munternden Stimme eines hochgeehrteſten juriſtiſchen
Publikums zuzuſchreiben, welches ein Buch von der
Art nicht nur fuͤr diejenigen, fuͤr welche es zunaͤchſt
beſtimmt iſt, ſondern auch ſelbſt fuͤr den practiſchen
Juriſten nicht unbrauchbar fand. Feindſelig oder
vielleicht nur unuͤberlegt war zwar der Anfall,
mit welchem ein von dieſer Seite ſchon bekannter
goͤttingiſcher Recenſent das Werk in ſeinem erſten
Keime zu erſticken wagte; allein der veraͤchtliche Blick,
mit welchem das entſcheidende Publikum laͤchelnd auf
dieſen dem jugendlichen Alter eines Mannes von
Genie leicht zu verzeihenden Schritt herabſahe, iſt
fuͤr mich die ehrenvolleſte Genugthuung. Durch die-
ſen Beyfall aufgerichtet, unterwerfe ich demnach ge-
troſt auch dieſen zweyten Band dem reifern Urtheil
dieſes einſichtsvollern Publikums, welches nicht
aus Leidenſchaft und unlautern Abſichten zu handeln
gewohnt iſt, ſondern nach richtigern Grund-
ſaͤtzen den Werth der Dinge beurtheilt.
Wenn dieſer Theil meines Commentars eine ge-
ringere Anzahl von Titeln und Buͤchern der Pan-
decten enthaͤlt, als man meinem Verſprechen gemaͤß
eigentlich haͤtte erwarten koͤnnen, ſo muß ich zu mei-
ner Rechtfertigung hier anfuͤhren, daß ich darunter
lediglich dem Verlangen eines großen Theils der
Herren Praͤnumeranten zu willfahren geſucht habe,
welche mir theils muͤndlich, theils ſchriftlich zu erken-
nen gaben, daß bey einer Abkuͤrzung und Zuſammen-
draͤngung des Ganzen in ſechs Baͤnde das Werk an
Gruͤnd-
[] Gruͤndlichkeit und Deutlichkeit verlieren wuͤrde. Maͤn-
ner von Anſehen und tiefer Einſicht haben mir in ih-
ren Zuſchriften verſichert, daß dieſer Commentar ge-
rade alsdann ſeiner Zweckmaͤſigkeit am vollkommen-
ſten entſprechen wuͤrde, wenn ich denſelben ſo fort-
ſetzen wolle, wie er angefangen worden iſt.
Dem Einwurfe des oben gedachten goͤttingiſchen
Herrn Recenſenten, daß denn doch dieſer Commen-
tar uͤber ein elendes Pandecten-Compendium geſchrie-
ben ſey, glaube ich nicht beſſer begegnen zu koͤnnen,
als wenn ich denſelben erſuche, den Titel dieſes Buchs
nochmals, jedoch ohne die gewoͤhnliche Fluͤchtigkeit,
anzuſehen, welcher ihn ſodann lehren wird, daß ich
nicht einen Commentar uͤber Hellfeld, ſondern
eine ausfuͤhrliche Erlaͤuterung der Pandecten
nach Hellfeld zu ſchreiben die Abſicht habe. Ueber-
dem wird es mir der Herr Recenſent nicht uͤbel neh-
men, wenn ich aus einem Schreiben eines meiner
gelehrten Freunde noch hinzufuͤge, daß willkuͤhrliches
Syſtem, und mit jedem Jahrzehnden veraͤnderte
Ordnung, ohne Ueberfluß an nuͤtzlichen Materialien,
pure Kinderey ſey. Wer meinen großen Hang zur
Theorie, ja meine recht eigentliche Lieblingsneigung,
in einem jeden Falle, wo es nur die Gelegenheit mit
ſich bringt, die Geſetze ſelbſt vor Augen zu nehmen,
und ſie zu erklaͤren, oder, um in dem Tone des neuen
Civiliſten zu ſprechen, dieſelben zu exegeſiren, aus
meinen Schriften erkannt hat, wird es mir gewiß
glauben, wenn ich offenherzig geſtehe, daß es mir
eine ungleich angenehmere Beſchaͤftigung geweſen waͤ-
re, uͤber Herrn Prof. Hugo Lehrbuch und Chreſto-
mathie des claſſiſchen Pandectenrechts zu commenti-
ren; allein wie wenig ein Buch von der Art ſein Gluͤck
je machen duͤrfte, mag eigene Erfahrung den Herrn
Verfaſſer lehren. Geſchrieben Erlangen den
4. Maͤrz 1791.
Fort-
[]
Fortgeſetztes Praͤnumeranten Verzeichniß.
Altdorf. Herr Juſtizrath Proͤgel. 1. Herr Kaſten und
- Juſtizrath Foͤrſt in Stauf. 2 Ex. Exempl. 3
- Bamberg Hr. Cand. Iur. Weber. Hr. Stadtvoigt Fe-
xer. Hr. Prof. von Reider. 3 - Bueg. Hr. Amtmann Neuper. 1
- Ellingen. Hr. D. Abel, der Balley Franken Secretair
und Kaſſen Verw. Hr. Canzliſt Groͤzner. Hr. Amts-
ſchreiber Vogel. Hr. Gentner, Amtsſchreiber in Mark-
tofingen. 4 - Erlangen. Hr. Stud. Rupprecht. Hr. Stud. Nagel.
Hr.Stud. Bayerlein. Hr.Stud.Hetzel. Hr.Stud. Ulrich.
Hr. Stud. Wunderer. Hr. Stud. Hehl, aus Eichſtaͤdt.
Hr. Bar. von Hettersdorf aus Ellingen. Hr. Stud.
Schlimbach. Hr. Stud. Gramberg aus Oldenburg. Hr.
Stud. von Wild, aus Eichſtaͤdt. Hr. Stud. Meuſel,
aus Erlang. Hr. Stud. Eſchenbach. Hr. Stud. John,
aus Anſpach. Hr. Stud. Will. Hr. Stud. Wild. 1 Un-
genannter. 18 - Farnbach. Hr. Hofrath Schmidt. 1
- Forchheim. Hr. Iur. Pract Schmidt. 1
- Hall, in Schwaben. Hr. Weis, Geh. Rath und Syndik.
Hr. Bonhoͤfer, (Ludwig Franz) Stadtſecretair. Hr.
Seyboth, Raths Adv. Hr. Hezel, Conſulent. 4 - Roſtock. Hr. D. Behrmann, noch 5
- Rothenburg. Hr. Regiſtrator C. L. Fr. Sauber. 1
- Wuͤrzburg. Hr. Pfriem, Iur. Pract. Hr. Riegel, Iur.
Pract. Hr. Cand. Schmidlin. 2 Ex. Hr. Graf von
Firmian. Hr. Cand. Lotz. Hr. Reuſſing. Hr. D. Becker.
Hr. von Ferrary, Stud. aus Regensburg. Hr. von
Brand, aus Wetzlar. Hr. Roſt, aus Zwing in Fran-
ken. Hr. von Requilé, aus Coblenz. Hr. Geiſtl. Rath.
Onymus. 14
[]
Verzeichniß
der juriſtiſchen Buͤcher, welche der Verleger dieſes
Buchs ſelbſt hat drucken laſſen und in Menge
zu haben ſind.
- Anweiſung die Rechtsgelahrheit auf Univerſitaͤten zu erlernen,
8. 1771 2 gr. - Beytraͤge zur Geſchichte der deutſchen Juſtizpflege, 4 Stuͤcke, 4.
1788 bis 89. jedes Stuͤck 10 gr. - Boellii (Car.) Proceſſus Germaniae ciuilis communis Theoria, 8.
1780. 6 gr. - — — Grundſaͤtze der in Teutſchland geltenden Rechte, in
Schreiben an einen jungen Herrn von Stande, 8. 1780 6 gr. - Buͤttner (H C.) obſeruationes ex iure matrimoniali, Sectio I.
IIda, 4. 1786. 4 gr. - Elſaͤſſers (C. F.) Leitfaden zum Gebrauch bey ſeinen Vorleſungen
uͤber die Theorie der Canzleypraxis, 8. 1782. 8 gr. - — — vermiſchte Beytraͤge vorzuͤglich zum Canzleyweſen, eine
Fortſetzung der juriſt. Beobachtungen von Gmelin und Elſaͤſſer,
gr. 8. 1783. 16 gr. - Entwicklung des Begriffs unſtandsmaͤßiger Ehen, hauptſaͤchlich
der teutſchen Reichsſtaͤnde aus teutſchen Gewohnheiten und
Geſetzen, 4. 1781. 16 gr. - Entwurf (tabellariſcher) von gerichtlichen Klagen, woher ſolche
entſpringen, wider wen ſie gehen, und worauf ſie zu richten,
Fol. 1786. 8 gr. - Erbe (C. F.) rechtliche Abhandlung uͤber den Hofdiebſtahl, 4.
1747. 3 gr. - Eſtor (Io. Geo.) de iurisdictione curiarum clientelarium germa-
nicarum et de cauſis feudalibus, 4. 1753. 4 gr. - Fiſcheri (D. Io Fr.) comment. iurid. hiſtoriam portionis matri-
cularis collectarum Imp. ſeren. Domus Saxoniae explicans, 4.
1776. 8 gr. - Gedanken uͤber die Nuͤrnbergiſche Steuerverfaſſung, Fol. 1786.
6 gr. - Gluͤcks (C. F.) Verſuch einer ausfuͤhrlichen Erlaͤuterung der Pan-
decten nach Hellfeld, ein Commentar, 1r und 2r Band, gr. 8.
1789 bis 90 jeder 1 Rthlr. 12 gr. - — — Ebendaſſelbe mit breitem Rand auf Schreibpapier, gr. 4.
jeder 3 Rthlr.
Gluͤck
[]
- Gluͤck (C. F.) opuſcula iuridica, 4 Faſeiculi, 8. maj. 1786—90.
3 Rthlr. - Gmelin (Chriſt.) uͤber die Praͤjudicialklage de partu agnoſcendo,
gr. 8. 1781. 6 gr. - Haͤberlins (Dr. C. F.) abgenoͤthigte Vertheidigung gegen die ihm
von einem Ungenannten in der Eheverbindungsſache des Gra-
fen von Spaur mit der Graͤfin zu Sayn-Wittgenſtein ge-
machte Vorwuͤrfe, 4. 1782. 3 gr. - — — Materialien und Beytraͤge zur Geſchichte, den Rechten
und deren Litteratur, 1 — 3tes Stuͤck, 8. 1784 bis 86. jedes
Stuͤck 8 gr. 1 Rthlr. - — — Anmerkungen uͤber Gemmingens Schrift, den deutſchen
Fuͤrſtenbund betreffend, 4. 1786. 3 gr. - Hallacheri principia iuris romani de praeſcriptione criminali
iunctis cogitatis nonnullis de abrogatione eius ſuadenda, 4.
1788. 4 gr. - Heinrichmeier (I. L.) de iuribus et conſuetudinibus forenſibus
circa ſtupra fornicationes, 8. 1786. 2 gr. - Iaegeri (C. F.) Diſſ. iurid. de emphyteuſi ſalinaria praeſertim Ha-
lae Sueuor. obtinente, 4. 1760. 2 gr. - Kleinſchrodt (G. H.) Abhandlung von dem Wilddiebſtahl, deſſen
Geſchichte, Strafe und Gerichtsſtand. gr. 8. 1790. 8 gr. - von Klenks Preißfrage: da die Staaten der geiſtlichen Reichs-
fuͤrſten, Wahlſtaaten, und die geſegnetſten Provinzen ſind, ſo
ſollten ſie von Rechtswegen die weiſeſte Regierung genieſen.
gr. 8. 1787. 8 gr. - Kluͤbers (J. L.) kleine juriſtiſche Bibliothek oder ausfuͤbrliche
Nachrichten von neuen kleinen juriſtiſchen Schriften mit un-
partheyiſchen Pruͤfungen, 1s bis 20tes Stuͤck, gr. 8. 1785-
1791. jedes Stuͤck 6 gr. - — — Verſuch uͤber die Geſchichte der Gerichtslehen, mit ei-
nigen Urkunden. gr. 8. 1785. 8 gr. - — — ſyſtematiſcher Entwurf der kaiſerlichen Wahlkapitulation.
gr. 8. 1790. 5 gr. - — — Acten zum Gebrauch ſeines praktiſchen Collegiums,
3 Stuͤcke, Fol. 1789. 9 gr. - — — de pictura contumelioſa, 4. maj. 1787. 5 gr.
- — — de nobilitate codicilium, 4. 1788. 8 gr.
- Krafts (S. A.) praktiſche Anmerkungen uͤber den Concurspro-
ceß. gr. 8. 1786. 1 Rthlr. 12 gr. - Landes-Conſtitution, Hochfuͤrſtl. Brandenburg Culmbachiſche,
Fol. 1745. 16 gr. - Lexicon. iuridicum verbale et reale lat. german. 4. 2 gr.
Litte-
[]
- Litteratur (neueſte juriſtiſche) angefangen von Gmelin und Elſaͤſſer,
und fortgeſetzt von Malblanc und Siebenkees, die Jahre 1777
bis 1780. 8. jedes Jahr in 2 Baͤnden, jeder Band 18 gr. - — — dieſelbe auf die Jahre 1781-84. von der Juriſten Fakul-
taͤt in Erl. ausgearbeitet, 8. jeder Jahrgang in 4 Stuͤcken,
jedes Stuͤck 9 gr. - Maders (Joh.) Reichsritterſchaftliches Magazin, 1ſter bis 13ter
Band. 8. 1781-86. jeder 1 Rthlr. 8 gr. - Materialien zur geiſt- und weltlichen Statiſtik des Niederrheini-
ſchen und Weſtphaͤliſchen Kreiſes und der angraͤnzenden Laͤnder,
nebſt Nachrichten zum Behuf ihrer aͤltern Geſchichte u. Rechte, - — — deſſelben 2ter Jahrg. 2 Baͤnde, gr. 8. 82. 1 Rthl. 16 gr.
1ſter Jahrgang in 12 Stuͤcken, gr. 8. 1781. jedes St. 8 gr. - Mayer (I. D. F.) Diſſ. iurid. ſiſtens collationem iuris communis
et patrii Onoldini de ſucceſſione ab inteſtato, 4. 1783. 3 gr. - Natur- und Voͤlkerrecht zum Unterricht Kaiſer Joſephs II. von
einem groſſen Staatsminiſter (Hrn. von Bartenſtein). gr. 8.
1790. 16 gr. - Rebmann (Joh[.] Chriſt.) vom gerichtlichen und [auſſergerichtlichen]
Verfahren in Rechnungsangelegenheiten. 4. 1789. 1 Rthlr. 4 gr. - — — von Einrichtung und Fuͤhrung des Cameralrechnungswe-
ſens und richt[i]ger Aufſtellung der Rechnungen, oder 2ter prak-
tiſcher Theil des vorhergehenden Buches, 4. 1791. 2 Rthlr. 16gr. - — — Vorſchlaͤge zu einer allgemeinen Reichsritterſchaftlichen
Brand [...][ſ]ecurationsgeſellſchaft, 4. 1789. 6 gr. - — — Etwas uͤbers Roͤmiſche Recht, 4. 1788. 2 gr.
- Rudolph. (D. I. C.) noua Commentatio de codice canonum quem
Hadrianus P. R. Carolo M. dono dedit, 8. 1778. 6 gr. - — — vindiciae territorialis poteſtatis Imp. rom. germ. aduer-
ſus exemtiones Nobilium, 2 Partes, 4. 1753—55. 2 Rthlr. 8 gr. - Schott (Chr. Fr.) Diſſertationes iuris naturalis edidit Aug. Lud.
Schott, 2 Tom. 8. 1784. 1 Rthlr. 8 gr. - — — Vorbereitung zur juriſtiſchen Praxis, beſonders in Ruͤck-
ſicht auf die Schreibart in rechtlichen Geſchaͤften, gr. 8. 1784.
20 gr. - — — kurzes juriſtiſches Woͤrterbuch als ein beſonderer Nach-
trag zur juriſt. Praxis, gr. 8. 1784. 8 gr. - Segeri (I. T[.]) Opuſcula iuris univerſi et hiſtoriae, edid. I. L. Klü-
ber, Tomus Imus 8. maj. 1789. 20 gr. - Tafinger (W. G.) de fundamento ſeparandi iuris naturae et phi-
loſophiae moral. 4. 1788. 2 gr. - — — Encyclopaͤdie und Geſchichte der Rechte in Teutſchland,
gr. 8. 1789. 22 gr.
Fortſetzung
des vierten Titels im erſten Buch de Conſtitutioni-
bus Principum.
§. 101.
Wirkungen eines Privilegiums.
Die Wirkungen eines Privilegiums ſind entweder all-
gemeine, welche ſelbiges mit jedem andern Geſetz ge-
mein hat, oder beſondere, welche in der beſondern Be-
ſchaffenheit der Privilegien ihren Grund haben, und
die dem Privilegirten durch daſſelbe ertheilte Befugniß,
und die Grenzen der Ausuͤbung betreffen. Zu den Wir-
kungen der erſtern Art gehoͤrt,
1) daß ein Privilegium erſt von der Zeit an gilt,
da es ertheilet worden iſt. Es kann daher auf Hand-
lungen, die ſchon vor der Ertheilung deſſelben geſchehen
ſind, ſo wenig, als ein Geſetz, gezogen werden. (§. 21.)
Denn die L 7 Cod. de Legib. redet ausdruͤcklich auch von
Conſtitutionen, zu denen Privilegien unzweifelhaft
gehoͤren. Man ſetze alſo, der Landesherr habe eine Hand-
werkszunft errichtet, und dieſer das ausſchlieſſende [Pri-
vilegium] ertheilet, eine gewiſſe Waare zu verfertigen, ſo
muͤſſen ſich zwar von nun an alle derſelben enthalten, wel-
che vorher, ſo lange es einem Jeden noch frey war, die-
ſe Arbeit verfertiget haben 1), es kann ihnen jedoch nicht
geweh-
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. A
[2]1. Buch. 4. Tit. §. 101.
gewehret werden, die vor der Bekanntmachung des Pri-
vilegiums verfertigte Waaren zu verkaufen. So wie in-
deſſen ein jedes andere Geſetz, ad praeterita erſtrecket
werden kann 2), wenn es der Regent fuͤr gut findet, ſo iſt
nun ſolches auch bey den Privilegien keinen Zweifel un-
terworfen.
2) Ein Privilegium legt allen andern Unterthanen
die negative Verbindlichkeit auf, demſelben nicht entge-
gen zu handeln, noch den Privilegirten in der Ausuͤ-
bung ſeines Privilegiums zu hindern. Soll jedoch dieſe
Verbindungskraft ſtatt finden, ſo muß das Privilegium
durch eine Inſinuation oder ſonſt gehoͤrig bekannt gemacht
worden ſeyn 3). Iſt dieſes geſchehen, welches auch durch
den Privilegirten ſelbſt bewuͤrket werden kann, z. B. wenn
der Buchhaͤndler das ihm wegen eines gewiſſen Verlags-
werks verliehene Privilegium auf dem Titel des Buchs
anzeigt, oder nach den Titelblatt ſelbſt abdrucken laͤßt,
ſo kann nicht nur gegen Jeden, der auf ſolche Art Wiſ-
ſenſchaft deſſelben erhalten hat, wegen einer Verletzung
deſſelben geklagt werden 4), ſondern es iſt auch eine jede
Handlung fuͤr null und nichtig zu halten, welche gegen
daſ-
[3]de Conſtitutionibus Principum.
daſſelbe unternommen worden iſt 5). Selbſt ein richter-
liches Erkenntniß iſt nichtig, wenn es dem ausdruͤcklichen
Inhalt eines Privilegiums zuwider laͤuft, in ſo fern ſolches
von dem Privilegirten im Gericht auf die gehoͤrige Art
iſt produciret worden 6). Gleichwie es jedoch von dem
Willen des Geſetzgebers abhaͤngt, die allgemeine Ver-
bindlichkeit eines Geſetzes in Anſehung eines und des an-
dern einzuſchraͤnken, und eine Ausnahme von der Regel
zu machen, ſo ſtehet ihm auch die Macht zu, die Wir-
kung eines Privilegiums in Anſehung eines oder des an-
dern dergeſtalt zu temperiren, daß gegen dieſen das Pri-
vilegium nicht gebraucht werden, ſondern derſelbe von der
Verbindlichkeit deſſelben befreyet ſeyn ſolle.
4) Privilegien gelten nur in dem Staat desjenigen
Regenten, der ſolche verliehen hat. Denn ſie ſind ein
Ausfluß der geſetzgebenden Gewalt, welche ihre Wirkung
nicht auſſer dem Lande des Regenten aͤuſſern kann. Wenn
demnach einer Akademie die peinliche Gerichtsbarkeit ver-
moͤge eines Privilegiums zuſtehet, ſo kann zwar in dem
Lande der peinliche Gerichtszwang einer ſolchen Univerſi-
taͤt durch keine Praͤvention gehindert werden, allein auſ-
ſer dem Territorium des Ertheilers iſt der Richter des
fori deprehenſionis zur Auslieferung nicht verbunden,
wenn derſelbe einen andern Territorialherrn, als die Aka-
demie, hat 7). Fuͤr Fremde ſind alſo in der Regel Pri-
vilegien nicht verbindlich, auſſer in ſo fern ſie in dem
Lande des Ertheilers gegen den Privilegirten ihr Recht
geltend zu machen ſuchen. So z. B. ſchuͤtzen landesherr-
A 2liche
[4]1. Buch. 4. Tit. §. 101.
liche Moratorien auch wider auswaͤrtige Glaͤubiger, wenn
ſie den Schuldner im Lande belangen wollen 8). Bis-
weilen machen es jedoch Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts noth-
wendig, Privilegien auch auſſer dem Staat des Erthei-
lers gelten zu laſſen. Dahin gehoͤren diejenigen, welche
dem Privilegirten eine gewiſſe Wuͤrde, oder Charakter
und Rang geben. Denn die von einem teutſchen Landes-
herrn verliehene Wuͤrde und der damit verknuͤpfte Rang,
wird bekanntermaßen auch auſſer ſeinem Lande, ſo wie
der vom Kaiſer ertheilte Adel, ſelbſt auſſer dem Reiche
anerkannt; ein gleiches gilt von akademiſchen Wuͤrden 9).
Aus der Natur des Privilegiums hingegen
folgt,
1) daß der Privilegirte ſich deſſelben bedienen koͤn-
ne, ſo weit es ihm verliehen worden iſt. Der Inhalt
des Privilegiums, und deſſen richtige Auslegung beſtimmt
alſo die Befugniß des Privilegirten 10). Jedoch darf
auch
2) das
[5]de Conſtitutionibus Principum.
2) das Privilegium dem ſchon vorher erworbenen
Recht eines Dritten keinen Eintrag thun, denn ein Pri-
vilegium iſt allemal zu verſtehen, ſalvo iure tertii
cuiuscunque quaeſito11). Ob nun gleich
3) die Wirkung eines Privilegiums ſich nicht ſo
weit erſtreckt, daß der Privilegirte andere, denen ein
gleiches Privilegium verliehen worden iſt, von dem Ge-
brauch deſſelben ausſchlieſſen koͤnne, weil der Regent
mehreren einerley Privilegien ertheilen kann, (§. 104.)
ſo ſtehet doch dem Privilegirten ohne Zweifel ein Ver-
bietungsrecht zu, vermoͤge deſſen er alle und jede,
welche nicht das naͤmliche Privilegium haben, das ihm
ertheilet iſt, von der Anmaßung einer ſolchen Befugniß, als
dem Privilegirten zuſtehet, ausſchlieſſen kann 12). Endlich
A 34) daß
[6]1. Buch. 4. Tit. §. 101.
4) daß der Privilegirte, wenn er ſelbſt keinen Ge-
brauch von der ihm durch ſein Privilegium verliehenen
Gerechtſame machen will, ſolche einen andern pachtweiſe
uͤberlaſſen koͤnne, hat wohl an ſich keinen Zweifel. Es
koͤnnen ſogar perſoͤnliche Privilegien verpachtet werden 13),
weil dadurch nicht das Recht des Privilegiums ſelbſt dem
Paͤchter abgetreten, ſondern ihm nur die Ausuͤbung deſ-
ſelben uͤberlaſſen wird 14). Allein eine andere Frage iſt,
ob auch das Recht des Privilegiums ſelbſt einem
andern dergeſtalt cediret werden koͤnne, daß es in der Per-
ſon des Privilegirten, oder auf der Sache deſſelben gaͤnz-
lich aufhoͤre, und auf die Perſon oder Sache des Ceßio-
nars uͤbergehe? Mich duͤnkt, daß dieſe Frage zu vernei-
nen ſey. Denn iſt das Privilegium ganz perſonell, ſo
laͤßt ſich ſolches von der Perſon, welcher es verliehen
worden iſt, nicht trennen 15), zumal wenn es einen ge-
wiſſen Zuſtand derſelben zum Grunde hat, wie z. B. das
privilegium aetatis, privilegium miſerabilium perſo-
narum, u. ſ. m. Hierher gehoͤrt die Stelle des Paulus16)
aus deſſelben libro ſing. de dotis repetitione: in omnibus
cauſis id obſervatur, ut ubi perſonae conditio locum
facit beneficio, ibi, deficiente ea, beneficium quoque
deficiat. Es kommt nicht darauf an, ob das perſoͤnliche
Privilegium auf die Erben gehe, oder nicht, denn die
Regel, quidquid poteſt ad heredes transmitti, illud quoque
eſt
[7]de Conſtitutionibus Principum.
eſt ceſſibile, findet nicht ohne allen Unterſchied ſtatt, wie
man z. B. ſchon daraus ſiehet, weil der Adel auf die
eheliche Deßcendenz fortgepflanzt wird, und dennoch nicht
cediret werden kann. Iſt indeſſen ein Privilegium ſo
perſonell, daß es nicht einmal auf die Erben gehet, ſo
hilft es auch dem Ceßionar nichts, wenn er ſich gleich
von dem Cedenten eine Vollmacht geben lieſſe, und auf
ſolche Art das ihm abgetretene Recht in des Cedenten
Namen, als procurator in rem ſuam, geltend machen
wollte 17).
Wenn nun aber das Privilegium ohne Ruͤckſicht
der Perſon, lediglich mit einer gewiſſen Sache oder For-
derung, an welcher daſſelbe klebt, verknuͤpft iſt, ſo ge-
het zwar ſolches mit der Sache oder Klage auf einen
jeden andern, welchem dieſelbe uͤberlaſſen und abgetreten
wird 18); aber von der Sache ſelbſt kann es dennoch
nicht getrennt, noch durch Ceſſion auf eine andere Sa-
che gebracht werden, weil dieſes gegen den Begrif eines
Real-Privilegiums ſtreiten wuͤrde. Denn ſolches kommt
blos dem Beſitzer der privilegirten Sache zu, und erreicht
nur mit der gaͤnzlichen Zerſtoͤrung derſelben ſeine End-
ſchaft 19).
A 4§. 102.
[8]1. Buch. 4. Tit. §. 102.
§. 102.
Noch einige Eintheilungen der Privilegien.
Da die hier zuerſt vom Verf. vorgetragene Einthei-
lung der Privilegien in guͤnſtige und unguͤnſtige
ſchon oben vorgekommen 20); ſo will ich hier nur noch
bemerken, daß die Meinung derjenigen, welche dieſe Ein-
theilung verwerfen, und entweder alle Privilegien fuͤr ver-
haßt 21), oder alle fuͤr favorabel halten wollen 22), offen-
bar irrig, und ſchon von andern widerlegt worden ſey 23).
Ferner werden die Privilegien in conventionel-
le und grazioͤſe eingetheilt, je nachdem dieſelben ent-
weder durch einen ordentlich verabredeten Vertrag, oder
ohne einem ſolchen durch die bloſe Gnade des Regenten
erworben worden ſind 24). Sind Privilegien der erſtern
Art unentgeldlich ertheilt worden, ſo werden ſie gratuita
genennt, iſt aber pacisciret worden, daß der Privilegirte
gegen Bezahlung einer beſtimmten Summe, oder gegen
ein anderes Aequivalent das Privilegium erhalten ſolle,
ſo [heißt] das unter einem ſolchen titulo oneroſo ertheilte
Privilegium ein conventionale oneroſum25).
End-
[9]de Conftitutionibus Principum.
Endlich pflegt man die Privilegien auch noch in
affirmative und negative einzutheilen. Erſtere
werden diejenigen genennt, wodurch dem Privilegirten
eine beſondere Gerechtſame, z. B. Monopo-
lium, Gerichtsbarkeit, iſt verliehen worden. Letztere aber
ſind ſolche, wodurch eine Befreyung von gewiſſen
Verbindlichkeiten (Steuerfreyheit), oder ein Aufſchub
in Anſehung derſelben (Moratorium oder Anſtandsbrief)
bewirkt werden ſoll 26).
§. 103.
Wer hat die Macht, Privilegien zu ertheilen?
Das Recht, Privilegien zu ertheilen, iſt ein Stuͤck
der geſetzgebenden Gewalt. Es kann alſo eigentlich nur
der Regent im Staat, welchem die geſetzgebende Gewalt
zuſtehet, Privilegien verleihen 27). Sehen wir jedoch
auf die heutige Verfaſſung unſers teutſchen Reichs, ſo
werden wir in Betref des Rechts Privilegien zu ertheilen,
die in ganz Teutſchland gelten ſollen, etwas
auſſerordentliches gewahr, was ſich mit jener Regel ſo
wenig, als mit der Grundverfaſſung des teutſchen Staats-
koͤrpers vereinbaren laͤßt. Denn wenn gleich vermoͤge
derſelben der Kaiſer ohne Zuthun der Staͤnde des Reichs
ſonſt keine geſetzgebende Gewalt ausuͤben darf, ſo ſtehet
A 5ihm
25)
[10]1. Buch. 4. Tit. §. 103.
ihm doch das Recht, Privilegien zu ertheilen, welche im
ganzen Reiche gelten, als ein beſonderes Reſervat
zu 28). Indeſſen ſind dem Kaiſer auch hierin durch die
Wahl-Capitulation allerhand Einſchraͤnkungen geſetzt
worden, welche aber, wenigſtens nicht uͤberall, befolget zu
werden pflegen. Die weitere Eroͤrterung liegt hier auſ-
ſer meiner Sphaͤre. Jedoch habe ich hier noch zweyerley
zu bemerken; I) daß der Werth eines aus kaiſerlicher
Verguͤnſtigung erlangten Rechts nicht ſowohl nach der
heutigen Beſchaffenheit der kaiſerlichen Gewalt, als nach
der Zeit, da das Recht verliehen worden, zu beurtheilen
ſey. Daher ſind aͤltere kaiſerliche Privilegien, anfangs
innerhalb der Grenzen der kaiſerlichen Machtvollkommen-
heit ertheilt, auch noch jetzt ordentlicher Weiſe guͤltig,
wenn gleich neuere Geſetze die kaiſerliche Gewalt ſeitdem
mehr eingeſchraͤnkt, oder wenigſtens vorjetzo, ob der Kai-
ſer ſolche Rechte annoch zu verleihen befugt ſey, gezwei-
felt werden koͤnnte 29). II) Da die Ausuͤbung und Wir-
kung kaiſerlicher Privilegien, die vom Kaiſer Mittelbaren
ertheilet worden ſind, der Landeshoheit ſubordinirt iſt, ſo
kann und darf von einem kaiſerlichen Privilegium nicht
eher Gebrauch im Lande gemacht werden, als wenn dem
Landesherrn, falls er ſolches verlangt, eine Anzeige da-
von
[11]de Conſtitutionibus Principum.
von gemacht, und daſſelbe von ihm anerkannt, oder gar
beſtaͤttiget worden iſt. Denn kein kaiſerliches Privile-
gium darf zur Schmaͤlerung oder zum Nachtheil der Lan-
deshoheit und Landesverfaſſung gereichen 30).
Ob bey erledigten Kaiſerthron auch die Reichs-
Vikarien in gleicher Maaße, wie der Kaiſer, Privi-
legien ertheilen koͤnnen, iſt zwar in dem bekannten Reichs-
geſetz, worin die Grundlage der Vikariats-Gerechtſame
ruhet, 31) nicht deutlich entſchieden; indeſſen, da man
h. z. T. auſſer jenem Geſetz, und was aus demſelben durch
eine gerechte Schlußfolge hergeleitet werden kann, auch
ein geſetzmaͤſiges Herkommen als rechtliche Norm zu
Beurtheilung der Reichs- Vikariats-Gerechtſame gelten
laͤßt, 32) ſo kann wenigſtens aus dieſem Grunde den Reichs-
Vikarien jenes Recht nicht abgeſtritten werden. 33) Es
fehlt daher nicht an Beyſpielen, daß die Reichs. Vika-
rien Univerſitaͤten beſtaͤtiget, Standes-Erhebungen er-
theilet,
[12]1. Buch. 4. Tit. §. 103.
theilet, Titulaturen gegeben, kaiſerliche Hofpfalzgrafen,
Doctoren und Notarien gemacht, Privilegia impreſſo-
ria ertheilet, Minderjaͤhrigen die Rechte der Volljaͤhrig-
keit (veniam aetatis) gegeben, ehrloſe fuͤr ehrlich erklaͤrt,
und uneheliche legitimiret haben. 34) In den einzelnen
Reichslanden kann jeder Reichsſtand vermoͤge der Landes-
hoheit ſeinen Unterthanen Privilegien ertheilen, 35) und
zwar iſt der Landesherr bey der Ausuͤbung dieſes Rechts
ordentlicher Weiſe durch die Concurrenz der Landſtaͤnde
nicht eingeſchraͤnkt, es waͤre denn, daß das Object des
Privilegiums ſo beſchaffen, daß dabey, vermoͤge der Lan-
desverfaſſung der ſtaͤndiſche Conſens erfordert werde. 36)
Dahingegen koͤnnen nun alle diejenigen, welchen keine
Landeshoheit, mithin auch keine geſetzgebende Gewalt zu-
ſtehet, keine Privilegien ertheilen. Hierher gehoͤren
I) Erbprinzen; das Privilegien eines Erbprinzen
kann wenigſtens fuͤr die Zeit, wo er noch nicht zur Re-
gierung gelangt, nicht gelten, ob es gleich denſelben in
der Folge, nachdem er zur Regierung gekommen, ver-
bindet, inſoferne nur derſelbe zur Zeit der Verleihung
ſchon im Stande geweſen iſt, ſich vermittelſt eines Ver-
trags verbindlich zu machen; 37)II) apanagirte
Herrn;
[13]de Conſtitutionibus Principum.
Herrn; III) unmittelbare Glieder des Reichs, die kei-
ne Reichsſtaͤnde ſind; und IV) mittelbare
Obrigkeiten und hohe Landes-Collegien, in ſo-
weit ihnen nicht etwa das Recht, ein geringes und nicht
viel bedeutendes Privilegium zu ertheilen, z. E. die Er-
gaͤnzung der Volljaͤhrigkeit, ausdruͤcklich verliehen wor-
den waͤre.
§. 104.
Kann ein Landesherr mehrern einerley Privilegien ertheilen?
Noch kann die Frage entſtehen, ob ein Landesherr
an einem Orte, wo er bereits einem ein gewiſſes Privi-
legium, z. B. das Privilegium der Gaſtgerechtigkeit ge-
geben, einem andern ebenfalls ein ſolches Privilegium zu
ertheilen, und alſo noch einen zweyten Gaſthof neben
dem erſten errichten zu laſſen, befugt ſey? 38) Die
Rechtsgelehrten ſind desfalls nicht einerley Meinung; 39)
mich duͤnkt jedoch, daß die bejahende Meinung unſers
Herrn Verfaſſers keinen gegruͤndeten Zweifel unterwor-
fen ſey. Denn unmoͤglich kann in einem zweifelhaften
Fall angenommen werden, daß ſich der Landesherr durch
die Ertheilung eines Privilegiums in ſeinen Hoheitsrech-
ten habe einſchraͤnken und die Haͤnde binden wollen; 40)
mit-
[14]1. Buch. 4. Tit. §. 104.
mithin iſt kein Privilegium im Zweifel ausſchlieſſend zu
verſtehen, 41) wenn nicht entweder der Landesherr ſich
hierzu durch einen Vertrag ausdruͤcklich verbindlich ge-
macht, daß er ſich ſeines Rechts, andern Einwohnern
deſſelbigen Orts ein aͤhnliches Privilegium zu ertheilen,
kuͤnftig nicht weiter bedienen wolle, oder das verliehene
Privilegium ſchon ſeiner Natur nach ausſchlieſſend
und ſo beſchaffen waͤre, daß es durch ein anderes aͤhn-
liches Privilegium vereitelt werden wuͤrde. Denn durch
das Privilegium ſoll ja der Privilegirte weiter nichts er-
langen, als in gewiſſer Ruͤckſicht nicht nach dem gemei-
nen Recht beurtheilt zu werden. Bleibt ihm dieſer Vor-
theil ungekraͤnkt, ſo hindert dem Landesherrn, einem
andern ein gleiches Privilegium zu ertheilen, ſonſt nichts,
als ſein ausdruͤckliches Verſprechen. Wie wenn ich aber
in einer Sache, die vorher jedem frey war, ein Privile-
gium bekomme, iſt dieſes nicht als ein excluſivum zu
zu betrachten? Nein, auch denn nicht, wenn gleich dem
Privilegium die Clauſel ausdruͤcklich waͤre einverleibt wor-
den, daß ſonſt niemand an demſelbigen Ort
eines ſolchen Rechts z. B. eines Gaſtungs und Her-
bergsrechts, ſich anmaßen ſolle; indem dieſe Stelle
offenbar nur den Sinn hat, daß kein anderer, nicht eben
ſo privilegirter Einwohner des Orts ſich eigenmaͤchtig je-
nem Privilegium zuwider unterfangen ſolle, Gaſtwirth-
ſchaft zu treiben; keinesweges aber kann ſie ſo ausgelegt
werden, daß der Privilegirte hierdurch ein privilegium
excluſivum haben, und auſſer ihm niemand ein aͤhnli-
ches Gaſthofs-Privilegium bekommen ſolle. Es kommt
auch
40)
[15]de Conſtitutionibus Principum.
auch nicht einmal in einigen Betracht, wenn durch die
Ertheilung eines neuen aͤhnlichen Privilegiums demjeni-
gen, der ſchon ein aͤlteres an dem Orte hat, einiger Ge-
winnſt entzogen werden ſollte. Denn da der Landesherr
in einem ſolchen Fall ſich ſeines Rechts bedient, ſo thut
er ihm nicht unrecht 42).
§. 105.
Von der Concurrenz mehrerer Privilegien, und beſonderer
Rechte.
Es iſt ferner in der Lehre von Privilegien eine Fra-
ge von praktiſcher Wichtigkeit, was Rechtens ſey, wenn
mehrere privilegirte Perſonen mit einan-
der concurriren, welche um ſo mehr naͤhere Eroͤrte-
rung verdient, je leichter man hierin durch Mißverſtand
der Geſetze irre gefuͤhrt werden kann. Die Rechtslehrer
pflegen hier als Regel feſtzuſetzen, daß, wenn mehre-
re privilegirte Perſonen mit einander con-
curriren, dieſelben nicht nach Maaßgabe ih-
rer Privilegien, ſondern nach gemeinem
Rechte muͤſſen beurtheilet werden43). Allein
pruͤft man dieſen Satz nach den Geſetzen, ſo findet man,
daß er ſein Daſeyn nicht geſetzlicher Beſtimmung, ſon-
dern blos dem Irrthum der Rechtslehrer verdankt, der
geſetzlichen Entſcheidung aber dergeſtalt zuwider laͤuft,
daß vermoͤge derſelben vielmehr der entgegen ſtehende
Satz: daß ein Privilegirter gegen den andern nach
ſeinem Privilegio allerdings zu beurtheilen ſey, wo
nicht
[16]1. Buch. 4. Tit. §. 105.
nicht wegen einer natuͤrlichen Unmoͤglichkeit eine
Ausnahme von der Regel ſtatt findet, angenommen
werden muͤſſe 44). Zwar pflegt zur Beſtaͤtigung jener
gemeinen Regel die Stelle aus Ulpianlib. 11. ad Edi-
ctum45) angefuͤhrt zu werden, in welcher dieſer roͤmiſche
Juriſt die Frage aufwirft, ob ein Minderjaͤhriger
gegen einen andern Minderjaͤhrigen von
der Rechtswohlthat der Reſtitution Ge-
brauch machen koͤnne? und weil Pomponius, deſ-
ſen Meinung Ulpian hier zuerſt anfuͤhrt, dieſes ſchlecht-
weg verneint, ſo glaubt man daraus folgern zu koͤnnen,
daß, ſo wie in einem ſolchen Colliſionsfall die Reſtitution
nicht in Anwendung komme, es in aͤhnlichen Faͤllen auch
in Anſehung der uͤbrigen Privilegien wenigſtens in der
Regel eben ſo gehalten werden muͤſſe; wenn nicht et-
wa der hier von Ulpian angegebene Fall, den ſie nur
als Ausnahme von der Regel gelten laſſen, eintrete;
daß
[17]de Conſtitutionibus Principum.
daß naͤmlich der eine Privilegirte bey dem im Streit be-
fangenen Geſchaͤfte Vortheil zu erlangen der andere
aber Schaden abzuwenden trachte. Allein bey naͤherer
Pruͤfung des gedachten Fragments zeigt ſich deutlich ge-
nug, daß es ſo wenig dem Ulpian als dem Pomponius
eingefallen, die unterbleibende Anwendung der Privilegien
im Colliſionsfall zur Regel zu machen, vielmehr erklaͤrt
ſich erſter ausdruͤcklich dahin, daß ſtets das Privilegium
der einen Parthey in Ausuͤbung kommen muͤſſe, und
zwar derjenigen, die aus dem Geſchaͤft Schaden erlitten;
und ſelbſt in dem Fall, wenn beyde Partheyen durch Aus-
uͤbung ihrer Rechtswohlthat Schaden von ſich abzuwen-
den ſuchen, alſo beyde in pari cauſa ſich befinden, ſtim-
men Ulpian und Pomponius darin uͤberein, daß ſodann
der Minderjaͤhrige in den vorigen Stand zu ſe-
tzen ſey, der etwas von dem andern empfangen, ohne
es zu ſeinem Nutzen zu verwenden 46).
Um
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. B
[18]1. Buch. 4. Tit. §. 105.
Um jedoch nun zur Beſtimmung derjenigen Grund-
ſaͤtze, aus welchen die Concurrenz der Privilegien zu be-
urtheilen iſt, naͤher zu ſchreiten, ſo wird es, um allen
Mißverſtand zu vermeiden, noͤthig ſeyn, die ſpeciellen,
oder eigentlich ſo genannte Privilegien, von den ge-
nerellen oder den beſondern Rechten zu unter-
ſcheiden. Wenn demnach der Landesherr mehrern Indi-
viduen gleiche Privilegien ertheilet hat, ſo ſind es entwe-
der ſolche, die neben einander ausgeuͤbt werden koͤnnen,
ohne ſich in ihrer Anwendung hinderlich zu ſeyn, oder
es ſind die Privilegien von der Art, daß die Ausuͤbung
des einen Privilegiums mit der Ausuͤbung des andern
nicht beſtehen kann. Im erſtern Fall verbleiben beyde
Privilegien in ihrer Kraft, und kann kein ius commune
eintreten. Keiner der Privilegirten kann und darf in
dieſem Fall den andern, der ein gleiches Privilegium hat,
verhindern, ſich deſſelben zu bedienen. Geſetzt alſo, Ca-
jus hat in einer Stadt das Recht erlangt, eine Apotheke
zu halten, Titius erhaͤlt hierauf ein gleiches Privilegium.
Hier ſind beyde Privilegien von der Art, daß ſie ſich in
ihrer Ausuͤbung nicht im Wege ſtehen, folglich bleiben
ſie beyde in ihrer Kraft, und keiner kann dem andern die
rechtmaͤſige Ausuͤbung ſeines Privilegiums verwehren.
Wenn nun aber, welches der andere Fall iſt, unter meh-
rern
46)
[19]de Conſtitutionibus Principum.
rern Privilegien eine wirkliche Colliſion eintritt, ſo
daß die Ausuͤbung des einen nicht ohne Abbruch des an-
dern geſchehen kann, z. B. der Fuͤrſt hat dem A. ein
Monopolium in ſeinem Lande ertheilet, eben dieſes hat er
auch an B. verliehen, ſo hat man in einem ſolchen Fall
darauf zu ſehen, ob das eine Privilegium aͤlter als das
andere iſt, oder ob die collidirenden Privilegien zu glei-
cher Zeit ertheilet worden, und alſo von gleichem Alter
ſind. Iſt erſteres, ſo ſtehet die Regel feſt, daß das
juͤngere Privilegium dem aͤltern weichen
muß47). Denn die Verleihung des juͤngern gereicht
hier offenbar zum Nachtheil des aͤltern, da doch bey Er-
theilung eines jeden Privilegiums die ſtillſchweigende Clau-
ſel: ſalvo iure tertii zum Grunde liegt 48). Auch die
Geſetzgeber ſelbſt geſtehen ausdruͤcklich, quod Principi
in cuiusquam iniuriam beneficia tribuere moris non
ſit49) Ja es fehlt nicht an deutlichen Geſetzen, wel-
che auch bey Colliſion gleicher Privilegien die Regel an-
nehmen, daß der Vorzug der Zeit den Vorzug des
Rechts beſtimme 50). Jedoch leidet dieſes billig eine
B 2Aus-
[20]1. Buch. 4. Tit. §. 105.
Ausnahme, wenn das aͤltere Privilegium nur auf eine
widerrufliche Art waͤre verliehen worden, in wel-
chem Fall alsdann daſſelbe durch die Ertheilung des
neuern fuͤr aufgehoben gehalten werden muß. Im zwey-
ten, aber faſt undenkbaren, Fall, wenn beyde Privile-
gien zu gleicher Zeit ertheilet worden, wuͤrde kein Grund
vorhanden ſeyn, weshalb einer dem andern die Ausuͤbung
ſeines Privilegiums verwehren koͤnnte, vielmehr muͤſſen
ſodann beyde Theile gegen einander nach gemeinem Rech-
te beurtheilet werden; das heißt hier, ſie bedienen ſich bey-
de ihres Privilegiums in ſo fern, daß ſie ſich zwar einan-
der nicht, aber doch alle andern von eben dem Rechte
ausſchlieſſen. Koͤnnen die Partheyen ſich hieruͤber in
Guͤte nicht vereinigen; ſo thun ſie, ſtatt einen Proceß
deßhalb anzufangen, beſſer, wenn ſie ſich ſupplicirend an
den Landesherrn unmittelbar wenden, und um hoͤchſte Be-
ſtimmung, wie es bey vorwaltender Colliſion mit der
Ausuͤbung ihrer Privilegien gehalten werden ſolle, an-
ſuchen 50).
Ich ſchreite nun zu der Lehre von der Concurrenz
der ſogenannten beſondern Rechte, wohin z. B. die
Rechte der Minderjaͤhrigen, Kirchen, Frauensperſonen,
u. ſ. w. gehoͤren 51). Auch hier koͤnnen wir zur Regel
annehmen, daß derjenige, welchem ein beſonderes Recht
zuſtehet, ſich deſſelben gegen den andern, der eine
glei-
[21]de Conſtitutionibus Principum.
gleiche Rechtswohlthat zu genieſſen hat, bedienen koͤn-
ne, ſo lange nicht der Fall eintritt, daß ſolches wegen
einer natuͤrlichen Unmoͤglichkeit nicht geſchehen kann.
Wir wollen jedoch die hierher gehoͤrigen einzelen Faͤlle
noch genauer entwickeln. Wenn iura ſingularia mit ein-
ander concurriren, ſo kommt es zufoͤrderſt darauf an, ob ſie
ſo beſchaffen, daß ſie einander in ihrer Anwendung nicht hin-
derlich ſind, weil nur eine Parthey in dem Fall ſich befindet,
wo ihr ein beſonderes Recht nach den Geſetzen zuſtehet, die
andere aber nicht; oder ob ſie wirklich mit einander collidi-
ren, d. i. ob ſie ſo beſchaffen ſind, daß der Gebrauch des
einen ohne Nachtheil des andern nicht beſtehen kann. Im
erſtern Fall hat es keinen Zweifel, daß die concurrirende
beſondern Rechte beſtehen, folglich derjenige, welchem ein
ius ſingulare zuſtehet, ſich ſeines Rechts gegen den an-
dern bedienen koͤnne, in ſo fern das beſondere Recht, ſo
der andere ebenfalls zu genieſſen hat, nicht darunter lei-
det. Dies koͤnnen folgende Faͤlle, die wir in unſern Ge-
ſetzen finden, beweiſen.
- 1) Eine Frauensperſon, wenn ſie ſich gleich bey einer an-
dern Frauensperſon fuͤr einen dritten verbuͤrgt hat,
kann dennoch die ihr nach dem Vellejaniſchen Senatus-
conſultum zuſtehende Rechtswohlthat ausuͤben 52). - 2) Wer in oͤffentlichen Geſchaͤften abweſend geweſen, kann
eine Wiederherſtellung ſeiner Rechte auch wider den-
jenigen erlangen, der aus gleicher Urſach abweſend ge-
weſen iſt 53).
B 33) Ein
[22]1. Buch. 4. Tit. §. 105.
- 3) Ein Minderjaͤhriger wird auch gegen den Fiskus mit
dem Wiederherſtellungsgeſuch gehoͤrt 54), wenn gleich
der Fiskus ſonſt auch die Rechte der Minderjaͤhrigen
zu genieſſen hat 55). - 4) Wenn eine Kirche gegen die andere verjaͤhren will, ſo
iſt auch hierzu eine Zeit von 40 Jahren erforderlich 56);
und - 5) derjenige, welcher einen befreyten Gerichtsſtand hat,
kann ſich dieſes Privilegiums auch gegen denjenigen
bedienen, welchem ebenfalls ein ſolcher befreyter Ge-
richtsſtand zuſtehet, ſo daß er vor demſelben belangt
werden muß 57).
Der Grund von dieſen Entſcheidungen iſt leicht ein-
zuſehen. Denn wenn gleich in den genannten Faͤllen bey-
de Partheyen privilegirt ſind, ſo befindet ſich doch nur
uͤberall die eine in dem Fall, wo ihr die Geſetze ein be-
ſonderes Recht geben, mithin wird die der andern Par-
they in einem aͤhnlichen Fall zuſtehende Rechtswohlthat
nicht geſchmaͤlert. So findet z. B. das Bellejaniſche
Senatus Conſultum nicht ſtatt bey der Frau, welche
das Geld anleihet, und zu deren Sicherheit die Buͤrg-
ſchaft geleiſtet wird, ſondern nur bey derjenigen, die
ſich
[23]de Conſtitutionibus Principum.
ſich verbuͤrgt hat; und eben ſo hat nur die Kirche
ſich ihrer Wohlthat zu erfreuen, gegen welche ver-
jaͤhrt wird, nicht welche verjaͤhrt; u. ſ. w. 58).
Wenn nun aber beyde Partheyen in dem Fall ſich
befinden, wo ihnen nach den Geſetzen ein beſonde-
res Recht zuſtehet, von der einen aber doch die ihr
zuſtehende Rechtswohlthat gegen die andere nicht ausge-
uͤbt werden kann, ohne derſelben zu nahe zu treten, und
ſelbige zu ſchmaͤlern; ſo iſt nun eine wahre Colliſion
dieſer Rechtswohlthaten vorhanden, bey welcher
man auf folgende Punkte zu ſehen hat.
I) Ob die colliditende Rechtswohlthaten von einer
oder von verſchiedener Art ſind. Iſt letzteres, ſo
verſteht ſich von ſelbſt, daß die ſchwaͤchere der
ſtaͤrkern weichen muͤſſe. Fuͤr die ſtaͤrkere Rechts-
wohlthat wird aber diejenige gehalten, welche die Geſetze
mehr beguͤnſtigen. Wir finden hiervon in den Geſetzen
mancherley Beyſpiele. So verliehrt das Vellejaniſche
Senatus Conſultum gegen einen Minderjaͤhrigen ſeine
B 4Kraft,
[24]1. Buch. 4. Tit. §. 105.
Kraft, wenn der Hauptſchuldner nicht bezahlen kann, fuͤr
welchen die Weibsperſon ſich verbuͤrgt hat 59). — Eben
ſo wenig kann auch das Macedonianiſche Senatus Conſul-
tum einem Minderjaͤhrigen entgegen geſetzt werden, wenn
dieſer einem andern, der zwar majorenn, aber noch in
vaͤterlicher Gewalt iſt, Geld in Anlehn gegeben hat 60).
Die Geſetze ſagen: magis aetatis ratio, quam Senatus con-
ſulti habenda eſt. Iſt ein beſonderes Recht blos nach dem
Beyſpiel eines andern eingefuͤhret worden, ſo ſtehet es der
eigenen Rechtswohlthat des andern nach, ſie ſey entwe-
der in der Minderjaͤhrigkeit, oder auch nur in einem Se-
natus Conſultum gegruͤndet. So z. B. kann auch den
Staͤdten das Macedonianiſche Senatus Conſultum ent-
gegen geſetzet werden 61). — Und wenn ein Minderjaͤh-
riger mit einer Kirche in Colliſion kommt, ſo hat das
Recht des Minderjaͤhrigen den Vorzug 62).
II) Wenn nun aber beſondere Rechte von gleicher
Art in Colliſion kommen, deren eins nicht mehr beguͤn-
ſtiget iſt, als das andere; ſo iſt entweder das Recht des
einem aͤlter und eher entſtanden, als das Recht des
andern, oder das Recht der beyden Partheyen iſt zuei-
ner Zeit, und durch einerley Geſchaͤft begruͤndet wor-
den. Im erſtern Fall entſcheidet der Vorzug der
Zeit, und das aͤltere Recht der einen Parthey hat
vor
[25]de Conſtitutionibus Principum.
vor dem juͤngern der andern Parthey den Vorzug 63).
So iſt z. B. das Vorzugsrecht der Kinder erſter Ehe
wegen des Brautſchatzes ihrer verſtorbenen Mutter ſtaͤr-
ker, als das ihrer Stiefmutter wegen ihres Eingebrach-
ten 64). Im letztern Fall, wenn beyde Partheyen bey dem
zur Sprache ſtehenden Geſchaͤfte Schaden erlitten, wel-
chen ſie durch Ausuͤbung ihrer Rechtswohlthat von ſich
abzuwenden ſuchen, mithin beyde in gleicher Lage ſich be-
finden; ſo iſt nach ausdruͤcklicher Vorſchrift der Geſetze
fuͤr den Beklagten zu ſprechen, und derſelbe nach ſeinem
beſondern Rechte zu beurtheilen. Hierher gehoͤrt folgen-
der vom Ulpian65) entſchiedener Rechtsfall. Wenn ein
Minderjaͤhriger von einem andern Minderjaͤhrigen Geld
aufnimmt, dies aufgeliehene Geld aber verſchwendet, oder
ſonſt keinen Nutzen davon gehabt hat, alſo nach erhobe-
ner Klage gegen die Anleihe Reſtitution ſucht, um einen
Schaden von ſich abzuwenden, der ihm durch Bezahlung
des nicht genutzten Geldes erwachſen wuͤrde; dann der
Klaͤger replicando auf die naͤmliche Rechtswohlthat aus
dem naͤmlichen Grunde ſich beruft; ſo ſoll in dieſem Col-
liſionsfall der Beklagte nur allein mit ſeinem Reſtitutions-
B 5Ge-
[26]1. Buch. 4. Tit. §. 105.
Geſuch gehoͤret, und Klaͤger damit abgewieſen werden.
Hier iſt es ſchlechterdings unmoͤglich, beyde Minderjaͤh-
rige zu ihrem beſondern Rechte zu verhelfen 66), folglich
muß das beſondere Recht auf Seiten des Beklagten vor-
gehen, welchen uͤberhaupt in Colliſionsfaͤllen die Geſetze
mehr beguͤnſtigen als den Klaͤger 67). Mit dieſer Ent-
ſcheidung ſtimmt auch Paulus68) auf das genaueſte
uͤberein, wenn er ſagt: Si minor viginti quinque annis
filiofamilias minori pecuniam credidit, melior eſt cauſa
con-
[27]de Conſtitutionibus Principum.
conſumentis: niſi locupletior ex hoc inveniatur litis
conteſtatae tempore is qui accepit. Hieraus erhellet
zugleich, daß wenn der Minderjaͤhrige, der das Geld
empfangen, ſolches wirklich zu ſeinem Nutzen verwandt
haͤtte, und folglich zur Zeit der Litis Conteſtation ſich
dadurch locupletior befaͤnde, derſelbe in dieſem Fall mit
der vorgeſchuͤtzten Einrede der Reſtitution nicht zu hoͤren,
vielmehr der minderjaͤhrige Glaͤubiger gegen die An-
leihe in den vorigen Stand einzuſetzen ſeyn wuͤrde69). Denn
hier trachtet der Beklagte bey dem zur Sprache ſtehenden
Geſchaͤfte nur etwas zu gewinnen. Er befindet ſich alſo
eigentlich nicht in dem Fall, in welchem die Geſetze den
Minderjaͤhrigen die Reſtitutions-Wohlthat geben. Wohl
aber der Klaͤger, welcher dadurch nur lediglich einen Scha-
den zu verhuͤten ſucht, den er durch die Nichtwiederbe-
zahlung der Anleihe erleiden wuͤrde. Folglich geſtatten
die Geſetze nur dieſem den Gebrauch ſeiner Rechtswohl-
that.
§. 106.
Von den mancherley Urſachen, da Privilegien aufhoͤren
koͤnnen.
Aller Grund von dem Verluſt verliehener
Privilegien iſt entweder in der Beſchaffenheit des
Privilegii ſelbſt, oder in dem Geſetzgeber, oder in der
privi-
[28]1. Buch. 4. Tit. §. 106.
privilegirten Perſon anzutreffen 69). Aus dem erſtern
Grunde faͤllt
- 1) das Privilegium weg, wenn ſolches nur auf eine ge-
wiſſe Zeit war ertheilet worden, und dieſe verfloſſen
iſt 70). Hierher gehoͤren z. B. Moratorien, oder
Anſtandsbriefe, welche gewoͤhnlich auf fuͤnf Jahre
eingeſchraͤnkt zu ſeyn pflegen. Daher der Name Quin-
quenellen71). - 2) Iſt ein Privilegium einzelnen Perſonen verlie-
hen worden, ſo gehet daſſelbe vermoͤge der Verlei-
hung entweder blos auf die Perſon, der es verlie-
hen worden iſt, oder auch zugleich auf derſelben Fa-
milie. Iſt jenes, ſo erreichet das Privilegium ſeine
Endſchaft, ſobald als diejenige Perſon, die ſolches er-
halten, entweder ſtirbt, oder auch in buͤrgerlicher
und rechtlicher Bedeutung fuͤr todt gehalten werden
muß.
[29]de Conſtitutionibus Principum.
muß. Waͤre aber dieſes, ſo muß das Privilegium weg-
fallen, ſobald die in gerader Linie von dem Erwerber
abſtammende Perſonen alle verſtorben ſind 72). - 3) Wenn ein Privilegium einer moraliſchen Perſon, ei-
ner Univerſitas, verliehen worden iſt, ſo kann ſolches
nur mit der Endſchaft der ganzen Geſellſchaft aufhoͤ-
ren. Es muß daher auch einer einzigen Perſon zu
gute kommen, die von der Geſellſchaft etwa noch uͤbrig
geblieben, und von dem Privilegium Gebrauch ma-
chen koͤnnte 73). - 4) Iſt ein Privilegium mit der Sache verbunden, die
jemand beſitzet, ſo gehet daſſelbe zwar auf einen jeden
Beſitzer, allein es erhaͤlt doch mit der gaͤnzlichen Zer-
ſtoͤhrung der Sache, woran es klebt, ſeine Endſchaft.
Sollte jedoch die Sache, womit ein Privilegium ver-
bunden, nur eine Veraͤnderung gelitten haben, ſo iſt,
im Fall bey der Verleihung nicht ein anders ausdruͤck-
lich feſtgeſetzet ſeyn ſollte, der Verluſt des Privilegiums
in keine Wege anzunehmen. Wird die zerſtoͤrte Sache
wieder hergeſtellt, z. B. der abgebrannte Gaſthof wie-
der aufgebauet, ſo lebt auch nach der Analogie des
Rechts das Privilegium wieder auf 74).
Endlich
- 5) Wenn ein Privilegium mit einem gewiſſen Stand
oder Wuͤrde verbunden iſt, ſo hoͤrt es auf, wenn die-
ſer Stand oder Wuͤrde verlohren gehet 75).
§. 107.
[30]1. Buch. 4. Tit. §. 107. u. 108.
§. 107. und 108.
In wie fern koͤnnen Privilegien wiederruffen werden?
Hiernaͤchſt kann nun auch der Grund von dem Ver-
luſt des verliehenen Privilegiums in dem Willen des
Geſetzgebers anzutreffen ſeyn, indem er das Privi-
legium wiederruft. In wie fern aber Privilegien
wiederruffen werden koͤnnen? iſt ſehr ſtreitig. Einige
raͤumen dem Landesherrn hierin ein freyes unumſchraͤnk-
tes Recht ein 76). Andere 77) machen einen [Unterſchied]
zwiſchen Privilegien, die lediglich ihren Grund in der
Gnade des Regenten haben, und ſolchen, die auf einem
Vertrage beruhen, wodurch ſich der Privilegirte anhei-
ſchig gemacht hat, dagegen etwas wieder zu leiſten. Sie
behaupten, daß zwar letztere nicht ohne eine beſondere und
gerechte Urſach, erſtere aber nach Gefallen widerrufen
werden koͤnnten. Denn die Gnade eines Regenten habe
keine beſtimmte Grenzen. Allein dieſer Grund iſt ſo we-
nig uͤberzeugend, als wenn andere Rechtsgelehrten ſagen,
gratioͤſe Privilegien haͤtten die Natur eines Precariums 78).
Denn indem der Regent ein Privilegium aufhebt, ertheilt
er keine Gnade. Alſo finden hier allerdings Grenzen
ſtatt
[31]de Conſtitutionibus Principum.
ſtatt 79). Zudem macht ja die Ertheilung und Anneh-
mung eines grazioͤſen Privilegiums wohl ohnſtreitig einen
Vertrag aus. Vertraͤge muͤſſen aber dem Staat eben
ſowohl als ſeinen Buͤrgern heilig ſeyn 80). Zwar kommt
ein grazioͤſes Privilegium mit einem Precarium darin
uͤberein, daß beydes eine Art der Freygebigkeit iſt, ſo aus
Gunſt gegen Jemanden ausgeuͤbt wird 81). Allein die
Widerruflichkeit unterſcheidet das Precarium deutlich ge-
nug von einer Schenkung, die an ſich unwiderruflich iſt.
Meiner Meinung nach kommt es bey der obigen Frage
darauf an, ob ſich der Ertheiler des Privilegiums den
Widerruf vorbehalten habe, oder nicht. Iſt erſteres, wel-
ches durch die Clauſeln: auf Wohlgefallen, bis auf
Widerruf, bis auf weitere Verfuͤgung, oder der uns,
unſern Erben und Nachkommen zuſtehenden Macht
zu mindern oder gar aufzuheben, vorbehaͤltlich, zu
erkennen gegeben wird, ſo kann dergleichen Privilegium
nach dem Wohlgefallen des Ertheilers zu aller Zeit wi-
derrufen werden. Denn ein ſolches Privilegium nimmt
die Natur eines Precarium an. So wie jedoch ein Pre-
carium nicht gleich mit dem Tode deſſen, der etwas auf
dieſe Art gegeben hat, aufhoͤrt 82), ſo iſt ein gleiches
auch
[32]1. Buch. 4. Tit. §. 107. u. 108.
auch von einem ſolchen Privilegium anzunehmen; es waͤ-
re denn, daß aus dem Inhalt deſſelben deutlich zu erſehen,
daß der Regent bey Ertheilung des Privilegiums blos auf
ſeine Perſon Ruͤckſicht genommen, welches inſonder-
heit auch daraus abzunehmen iſt, wenn er blos von ſich
und ſeinem Willen redet. In dieſem Falle hoͤrt das Pri-
vilegium allerdings mit dem Tode des Ertheilers auf,
ohne daß ein Widerruf des Nachfolgers noͤthig iſt 83).
Im letztern Fall, da Privilegien nicht ad beneplaci-
tum verliehen worden ſind, kann ſolche der Regent nur
alsdann aufheben, wenn entweder ſolche allgemeine Ur-
ſachen, die alle und jede Vertraͤge unguͤltig machen, vor-
handen ſind, z. B. Veraͤnderung der Umſtaͤnde, Nichter-
fuͤllung der Bedingung, unter welcher das Privilegium iſt
ertheilet worden; oder auch ein ertheiltes Privilegium dem
Wohl des Staats zuwider iſt. Nam ſalus reipublicae
ſuprema lex eſt. Und es iſt alsdann kein Unterſchied,
das Privilegium mag durch einen oneroͤſen oder lucrati-
ven Titel erworben worden ſeyn 84). Dem Recht und
der Billigkeit iſt es jedoch gemaͤß, einen ſolchen Unterthan,
der durch den Widerruf eines titulo oneroſo erworbe-
nen
[33]de Conſtitutionibus Principum.
nen Privilegiums ſein Recht verliehrt, den Schaden zu
erſetzen, den er hierdurch leidet; denn der Staat beſitzt
das Geld, was der Privilegirte fuͤr die Ertheilung des
Privilegiums zahlen muͤſſen, ſobald daſſelbe aufgehoben
worden iſt, ſine cauſa85), und kann es, ohne offenbare
Ungerechtigkeit, nicht behalten. Mit Zinſen kann indeſ-
ſen der Privilegirte ſein Geld nicht zuruͤckfordern, weil
er dafuͤr den Genuß des Privilegiums gehabt hat; auch
kommt der Gewinn, der ihm dadurch entgeht, in keinen
Betracht 86).
Nicht weniger iſt der Nachfolger in der Re-
gierung, er mag durch Erb- oder Wahlrecht dazu ge-
langt ſeyn, die von ſeinem Vorfahrer verliehene Privile-
gien, ſie moͤgen grazioͤſe oder convenzionelle ſeyn, in ſo
weit zu halten verbunden, als ſie dem Staat ſelbſt ver-
bindlich ſind 87). Denn der Regent ertheilt Privilegien
vermoͤge der Landeshoheit, und als Repraͤſentant ſeines
Landes. Dieſes Land und die damit verknuͤpfte Hoheit
kommt nach dem Tode des Regenten an deſſelben Nach-
folger. Hieraus folgt alſo, daß jeder Nachfolger in der
Landeshoheit verbunden iſt, die rechtmaͤſigen Regierungs-
handlungen ſeines Vorfahren, wenn Dritte daraus ein
unwi-
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. C
[34]1. Buch. 4. Tit. §. 109.
unwiderrufliches Recht erworben haben, mithin auch deſ-
ſen Privilegien, gelten zu laſſen 88).
§. 109.
Verluſt der Privilegien, wovon der Grund in dem Privilegir-
ten ſelbſt anzutreffen.
a) Mißbrauch des Privilegiums.
Endlich kann es Faͤlle geben, da in dem Privi-
legirten ſelbſt der Grund von dem Verluſt ſeines Pri-
vilegiums anzutreffen iſt. Dahin gehoͤrt
I) wenn er ſich ſeines Privilegiums unwuͤrdig macht.
Es kann dieß auf zweyerley Art geſchehen,
- a) durch Mißbrauch, oder zweckwidrige Anwendung
des Privilegiums 89). Soll jedoch der Mißbrauch den
Verluſt des Privilegiums nach ſich ziehen, ſo erfordert
man billig einen ſolchen, der ſich in dem Vorſatz gruͤn-
det, und welchen der Privilegirte ſo wenig abzulehnen
als durch ſcheinbare Gruͤnde zu ſchwaͤchen im Stande
iſt 90). Wegen einer bloßen, wenn gleich noch ſo groſ-
ſen, Unvorſichtigkeit, die ſich der Privilegirte bey der
Aus-
[35]de Conſtirutionibus Principum.
Ausuͤbung ſeines Privilegiums zu Schulden kommen
laſſen 91), pflegt gewoͤhnlicher weiſe nur auf die Be-
zahlung einer gewiſſen Geldbuße erkannt zu werden 92).
Ueberhaupt aber gehet durch Mißbrauch ein Privile-
gium weder gleich noch ipſo iure verlohren, ſondern
es wird nach geſchehener Unterſuchung auf den gaͤnzli-
chen Verluſt deſſelben der Regel nach erſt dann er-
kannt, wenn der Mißbrauch beſonders nachtheilige
Folgen fuͤr den Staat gehabt haben, und derſelbe ver-
ſchiedentlich, ſogar der deshalb an den Privilegirten
ergangenen Befehle, um ihn abzuſtellen, ungeachtet,
wiederholet ſeyn ſollte. Man erfordert daher billig,
daß der Privilegirte vorher gehoͤrig verwarnet, und
mit dem Verluſt ſeines Privilegiums bey ferner wie-
derholten Mißbrauch bedrohet worden ſey 93), wenn
C 2nicht
[36]1 Buch. 4. Tit. §. 110.
nicht etwa der Privilegirte ſich einer ſo ſtraͤflichen Hand-
lung ſchuldig gemacht, die allein ſchon die Strafe der
Privation verdiente z. B. veruͤbte Grauſamkeit eines
Gerichtsherrn gegen einen unſchuldig befundenen Ge-
richtsunterthan 94). - b) Werden nach ausdruͤcklicher Verordnung der kaiſerlichen
Wahlkapitulation Art. XXII. §. 11. 12. 13. auch die-
jenige ihrer Privilegien verluſtig erklaͤrt, welche kaiſer-
liche Begnadigungen erlanget, und innerhalb drey Mo-
naten hernach daruͤber ihre diplomata bey der Reichs-
canzley nicht ausgeloͤſet haben 95).
§. 110.
b) Begebung und Nichtgebrauch des Privilegiums.
Ferner II) leider es keinen Zweifel, daß ein Privile-
girter ſowohl ausdruͤcklich ſich ſeines Privilegiums
begeben, als durch ſeine Handlungen ſolches be-
weiſen koͤnne 96), und hierdurch das Privilegium verloh-
ren gehe. Nur in ſo fern das naͤmliche Privilegium
mehrern gemeinſchaftlich zuſtuͤnde, wuͤrde die Renuncia-
tion des einen den uͤbrigen Theilhabern nicht praͤiudici-
ren koͤnnen 97). Denn man kann nur ſeines Rechts
ſich
93)
[37]de Conſtitutionibus Principium.
ſich begeben 98). Es iſt auch uͤbrigens die Begebung al-
lemal nach der Strenge auszulegen 99). Es kann daher
aus dem bloßen Nichtgebrauch allein, wenn gleich der
Privilegirte Gelegenheit gehabt, ſich ſeines Privilegiums
zu bedienen, noch nicht gleich eine ſtillſchweigende Bege-
bung deſſelben fuͤr die Zukunft gefolgert werden, weil
mehr als eine Urſach vorhanden ſeyn kann, warum es in
einem gewiſſen Fall dem Privilegirten nicht gefiel, von
ſeinem Privilegium Gebrauch zu machen. Vielmehr iſt
die ſtillſchweigende Begebung im Zweifel nur von dem
gegenwaͤrtigen einzelen Fall zu verſtehen, in welchem ſich
der Privilegirte ſeines Privilegiums nicht bedient hat;
ſo lang nicht noch ein anderer Grund hinzutritt, woraus
ein gaͤnzlicher Verluſt des Privilegiums erwachſen kann 100).
C 3Es
[38]1. Buch. 4. Tit. §. 110.
Es fragt ſich alſo, ob und wenn Privilegien
durch den Nichtgebrauch verlohren gehen
koͤnnen? Die Rechtsgelehrten ſind deshalb verſchiede-
ner Meinung. Einige halten Privilegien fuͤr res merae
facultatis, die durch Nichtgebrauch anderer geſtalt nicht
erloͤſchen koͤnnten, als wenn von Seiten eines andern,
dem daran gelegen, daß das Privilegium aufhoͤre, ein
Widerſpruch geſchehen, und der Privilegirte ſich dabey
beruhiget habe. Nur diejenigen Privilegien nehmen ſie
aus, die nach ausdruͤcklicher Vorſchrift der Geſetze in An-
ſehung des Gebrauchs in eine beſtimmte Zeit waͤren ein-
geſchraͤnket worden 1). Z. B. das Privilegium, Markt
halten zu duͤrfen 2). Allein dieſe Theorie kann meines
Erachtens wenig Beyfall finden, wenn man ſich an den
Begriff einer rei merae facultatis noch erinnert, den ich
an
100)
[39]de Conſtitutionibus Principium.
an einem andern Ort meines Commentars 3) ſchon ent-
wickelt habe, und ſodann in Erwaͤgung ziehet, daß die
Geſetze ſelbſt den Grund, aus welchem Privilegien durch
Nichtgebrauch erloͤſchen, in einer ſtillſchweigenden
Begebung ſetzen 4). Es koͤnnen alſo Privilegien aller-
dings durch Nichtgebrauch ihre Endſchaft erreichen.
Nur fragt ſich’s, was dazu erfordert werde? Ich bin der
Meinung, daß ein Unterſchied zu machen ſey zwiſchen
affirmativen Privilegien, welche dem Privilegirten
die Befugniß geben, eine nach dem gemeinen Recht
ſonſt nicht geſtattete Handlung unternehmen zu duͤrfen,
und zwiſchen negativen Privilegien, welche den Pri-
C 4vile-
[40]1. Buch. 4. Tit. §. 110.
vilegirten von einer nach dem gemeinen Recht ſonſt zu
erfuͤllenden Verbindlichkeit befreyen. Privilegien der letz-
tern Art koͤnnen durch Nichtgebrauch anderer geſtalt nicht
erloͤſchen, als wenn die Erforderniſſe einer extinctiven Ver-
jaͤhrung vorhanden ſind. So wie nun zu einer ſolchen
Verjaͤhrung, auſſer den Zeitraum, binnen welchen man
keinen Gebrauch von ſeinem Recht gemacht, noch inſon-
derheit Handlungen erfordert werden, welche dem Recht
desjenigen, gegen welchen verjaͤhret wird, gerade zuwi-
derlaufen 5); ſo iſt nun auch zur extinctiven Praͤſcription
negativer Privilegien erforderlich, I) daß der Privilegir-
te dasjenige freywillig, und ohne ſich jemalen ſeines Pri-
vilegiums zu bedienen, geleiſtet und erfuͤllt haben muͤſſe,
wovon ihn das Privilegium befreyet; z. B. er hat dieje-
nigen Steuren, oder Zehnden und andere Abgaben frey-
willig entrichtet, wovon er doch vermoͤge ſeines Privile-
giums eine Befreyung erhalten. II) Daß durch dieſe
dem Privilegium zuwider unternommene Handlungen ein
Anderer, der nach dem gemeinen Rechte befugt iſt, alle
nicht eben ſo Privilegirte, zur Leiſtung derjenigen Schul-
digkeit anzuhalten, wovon der Privilegirte eine Befreyung
erhalten, in den Quaſi-Poſſeß geſetzt worden ſey, dieſe
Praͤſtation auch von dem Privilegirten zu verlangen; und
III) daß derſelbe dieſen Quaſi-Poſſeß eine ſo lange Zeit
hindurch ohne alle Weigerung des Privilegirten ausge-
uͤbt habe, als die Geſetze nach dem Unterſchied der Per-
ſon, gegen welche verjaͤhret wird, zu einer Verjaͤhrung
uͤberhaupt erfordern; alſo gegen eine Kirche 40 Jahr, ge-
gen
[41]de Conſtitutionibus Principum.
gen einen andern Privilegirten aber binnen 10 oder 20 Jah-
ren, es waͤre denn, daß das Privilegium einer ſol-
chen Perſon verliehen worden, welcher die Geſetze die
Rechte der Minderjaͤhrigen angedeihen laſſen, in welchem
Fall das ihr zuſtehende negative Privilegium erſt nach
30 Jahren erloͤſchen wuͤrde 6). Der Beweiß dieſer Theo-
rie liegt in den Cap. 6. und 15. X. de privilegiis. In
dem erſtern Kapitulum reſcribirt der Papſt AlexanderIII.
an das Ciftercienſer Kloſter St. Andraͤ folgender Geſtallt.
Si de terra, quam habetis in parochia canonicorum
de Plautio per XXX. annos eis decimas perſolviſtis:
eas ſibi de caetero integre perſolvatis. Licet enim
privilegiorum Rom. Eccleſ. beneficio fratribus Ciſter-
ciens. ordinis indultum fuerit, quod de laboribus ſuis
nullas decimas perſolvere debeant; de privilegio ta-
men indulto, tanto tempore vobis detrahere volui-
ſtis: cum liberum ſit unicuique ſuo iuri renuntia-
re, eoque modo non poteſtis vos in hac parte tueri.
Das andere Kapitulum iſt vom Papſt InnocenzIII.
wir wollen nur folgende Worte aus demſelben excerpiren.
Si abbas et monachi ſufficienter oſtenderint, quod a
Templariis decimas de terris praedictis per XL. an-
nos continuo perceperint ſine lite, vos ad praeſta-
tionem ipſarum Templarios compellatis. Cum enine
tanto tempore contra indulta privilegia decimas ſolverint, eis
renunciaſſe tacite praeſumuntur. In beyden Kapiteln iſt
von einem negativen Privilegium de non ſolvendis de-
cimis die Rede, dergleichen die Ciſtercienſer Moͤnche und
C 5Tem-
[42]1. Buch. 4. Tit. §. 110.
Tempelherrn von den Paͤpſten erhalten hatten. Erſtere
hatten demungeachtet dreyßig Jahre lang fuͤr ihre in der
Parochie der Canonicorum de Plautio gelegene Laͤnde-
reyen, und letztere ſchon vierzig Jahre die Zehenden ent-
richtet. Und nun, da ſie auf einmal dieſe Abgabe ver-
weigerten, ſpricht der Papſt, ſie ſeyen ſchuldig, den Ze-
henden ferner zu reichen, und moͤgen ſich nicht weiter auf
ihr Privilegium berufen; denn da ſie nun ſchon ſo lange
Zeit keinen Gebrauch davon gemacht, ſo haͤtten ſie ſich
deſſelben ſtillſchweigend begeben, und ihr Privilegium
durch extinctive Verjaͤhrung verlohren. — Es findet ſich
hierbey nur die einzige Schwierigkeit, wie Papſt Alexan-
derIII. die Ciſtercienſer Moͤnche ſchon wegen eines dreiſ-
ſigjaͤhrigen Nichtgebrauchs ihres Privilegiums fuͤr verlu-
ſtig erklaͤren koͤnnen, da doch gegen Kirchen und Kloͤſter
ſchon damalen die vierzigjaͤhrige Praͤſcription eingefuͤhrt
war 7). Einen Schreib- oder Druckfehler anzunehmen,
halte
[43]de Conſtitutionibus Principum.
halte ich bey der einſtimmigen Leſeart aller Handſchriften
und Ausgaben unſerer Decretalen fuͤr bedenklich 8). Es
muß alſo wohl einen andern Grund gehabt haben, wa-
rum der Papſt gegen das Ciſtercienſer Kloſter St. Andraͤ
eine dreyßigjaͤhrige Verjaͤhrung fuͤr hinreichend hielt.
Vielleicht hat Boͤhmer in der unten excerpirten Note 9)
die Sache am beſten getroffen.
Ich ſchreite zu den zweyten Fall, wenn von affir-
mativen Privilegien die Frage iſt. Dieſe koͤnnen durch
den bloßen Nichtgebrauch erloͤſchen 10), 1) wenn
es dem Privilegirten nicht an Gelegenheit gefehlet, von
ſeinem Privilegium Gebrauch zu machen 11); er auch 2)
in
[44]1. Buch. 4. Tit. §. 110.
in der Ausuͤbung deſſelben durch nichts gehindert wor-
den 12); gleichwohl 3) ſich deſſelben uͤberall freywillig nicht
bedienet hat 13); 4) dieſer Nichtgebrauch durch einen ſo
langen Zeitraum gedauert, als nach den Geſetzen erfor-
derlich iſt; und endlich auch 5) Jemanden daran gelegen
iſt, daß das Privilegium aufhoͤre 14). Nun fragt ſich’s
aber noch, welcher Zeitraum nach den Geſetzen erfordert
werde, wenn affirmative Privilegien durch bloßen Nicht-
gebrauch ſollen verlohren gehen? Dies iſt unter den
Rechtsgelehrten ſehr ſtreitig. Denn auſſer der L. 1. D.
de nundinis15) findet ſich keine ganz allgemeine und be-
ſtimm-
[45]de Conſtitutionibus Principum.
ſtimmte Entſcheidung jener Frage in unſern Geſetzen.
Kein Wunder, wenn daher die Rechtsgelehrten auch hie-
rin nicht einig ſind. Die meiſten ſowohl aͤltern als neuern
Rechtsgelehrten behaupten nun, daß affirmative Privile-
gien ſchon durch einen zehenjaͤhrigen Nichtge-
brauch erloͤſchen koͤnnen 16). Denn dies ſey wenigſtens
von dem Privilegium, Markt halten zu duͤrfen, nach der
angefuͤhrten L. 1. auſſer allem Zweifel. Warum ſollte
nun dieſes Geſetz nicht auch in Anſehung anderer Privi-
legien zur Richtſchnur dienen koͤnnen? Man muͤſſe in Er-
waͤgung ziehen, daß jenes Geſetz aus modestini libris
Regularum genommen ſey. In ſolchen Buͤchern aber
haͤtten die roͤmiſchen Rechtsgelehrten Regeln und Saͤtze
nach gemeinen Rechtsgruͤnden vorgetragen, keine Aus-
nahmen von den Geſetzen. So lange man nun nicht dar-
thun koͤnne, daß aus einem beſondern Grunde in Anſe-
hung des privilegii nundinarum jene rechtliche Dispoſi-
tion gemacht worden, ſo lange muͤſſe dafuͤr gehalten wer-
den, daß dieſelbe auf einem allen Privilegien gemeinen
Grundſatze beruhe. Hierzu komme endlich noch, daß auch
Dienſt-
[46]1. Buch. 4. Tit. §. 110.
Dienſtbarkeiten, welche doch eine gewiſſe Aehnlichkeit mit
den Privilegien haben, durch einen zehnjaͤhrigen Nicht-
gebrauch verlohren gehen 17).
Allein dieſer Gruͤnde ungeachtet fehlt es nicht an
Rechtsgelehrten 18), die aus nicht minder wichtigen Gruͤn-
den zur Regel annehmen, daß affirmative Privilegien
erſt durch einen Nichtgebrauch von dreyßig Jahren erloͤ-
ſchen, und bey dem Privilegium, Jahrmarkt zu halten,
nur eine Ausnahme von der Regel machen. Denn erſt-
lich redet doch die Verordnung ganz allgemein, nach
welcher Rechte und Anſpruͤche erſt binnen dreyßig Jah-
ren praͤſcribiret werden 19). Folglich muß ſie auch bey
Privilegien ihre Anwendung finden, ſo weit die Geſetze
keine Ausnahme in Anſehung derſelben gemacht haben.
Nun iſt die Ausnahme allemal ſtreng und nach den Wor-
ten zu erklaͤren. Zweytens folgt es nicht, weil die
L. 1. de nundirtis aus Modeſtins Rechtsregeln genom-
men iſt, ſo iſt dieſelbe eine allgemeine Vorſchrift fuͤr alle
Privilegien. Es waͤre wenigſtens unerklaͤrbar, warum
Modeſtin gerade der Jahrmaͤrkte beſonders gedacht
haben
[47]de Conſtitutionibus Principum.
haben ſollte. Die L. 1. kann allerdings allgemeine Re-
gel fuͤr die privilegia nundinarum ſeyn, und in ſo fern
in den libris Regularum der roͤmiſchen Juriſten einen
Platz verdienen; aber deswegen kann ſie doch auch Ausnahme
in Ruͤckſicht aller andern Arten von Privilegien ſeyn; dies
iſt kein Widerſpruch. Es Folgt auch nicht, daß Mode-
ſtin ſelbſt dieſe Ausnahme gemacht habe. Sie kann ei-
ne beſondere Verordnung eines roͤmiſchen Geſetzgebers
eben ſowohl als ein Gewohnheitsrecht zum Grunde ha-
ben. Wiſſen wir doch von mehreren roͤmiſchen Rechtsſaͤ-
tzen den eigentlichen Urſprung nicht. Drittens hat es
mit Jahrmaͤrkten die beſondere Beſchaffenheit, daß dieſel-
be den Kaufleuten des Orts zum Nachtheil gereichen,
indem dadurch Fremde des ihnen ſonſt nicht zuſtehenden
iuris commerciorum theilhaftig gemacht werden 20).
Solche Privilegien haben eher das Anſehen einer Dienſt-
barkeit. Deswegen ſind aber nicht alle Privilegien von
der Art. Denn Privilegien ſind vielfaͤlltig in der Ab-
ſicht ertheilet, das gemeine Beſte zu befoͤrdern. Sie thun
es auch oͤfters wirklich 21), und iſt daher vielmehr ihre
Conſervation, als deren Verluſt zu befoͤrdern. De-
nen Kirchen, und nach dem Gerichtsgebrauch auch Staͤd-
ten ſchadet jedoch nur ein vierzigjaͤhriger Nichtgebrauch 22).
Lib. I.
[48]1. Buch. 5. Tit. §. 111.
Lib. I. Tit. V.
De
Statu Hominum.
§. 111.
Entwickelung der Begriffe vom ius perſonarum, perſona, und
ſtatus hominis.
Mit dieſem Titel geht nun die eigentliche Lehre des
Pandecten-Rechts an. Dieſe reduciren die roͤmiſchen
Juriſten auf drey Hauptgegenſtaͤnde, Perſonen, Sa-
chen und Klagen23); und machen den Anfang mit
dem iure perſonarum, quia hominum cauſa omne ius
conſtitutum eſt, wie Hermogenian24) ſich hieruͤber aus-
druͤckt. Das Irrige der gewoͤhnlichen Erklaͤrungen vom
iure perſonarum und ſtatu haben auch ſchon andere
Rechtsgelehrten 25) eingeſehen, und ſich die Berichtigung
dieſer Lehre angelegen ſeyn laſſen, die in aller Abſicht
wichtig iſt. Nach der richtigern Theorie iſt nun Ius per-
ſona-
[49]de Statu Hominum.
ſonarumder Inbegriff derjenigen Rechte und
Verbindlichkeiten, die eigentlich und haupt-
ſaͤchlich Perſonen zu ihrem Gegenſtande ha-
ben, und ſich in der ihnen anklebenden ver-
ſchiedenen Qualitaͤt und Eigenſchaft, die
man den ſtatum nennt, gruͤnden. Es kommt
alſo hier auf die Eroͤrterung folgender vier Fragen an.
- I) Was iſt eine Perſon?
- II) Wie kann eine Perſon ein Gegenſtand des Rechts
ſeyn? - III) Was nennt man den Statum hominis? und
- IV) Wie vielerley iſt dieſer Status?
Soviel die erſte Frage anbetrift, ſo verſtehet man
zwar unter Perſon im weitlaͤuftigen Verſtande einen
jeden Menſchen; allein im Sinn des roͤmiſchen Rechts
unterſcheidet man zwiſchen Menſchen und Perſonen, und
nennt eine Perſon einen ſolchen Menſchen, der als ein
moraliſches oder freyhandelndes Weſen betrachtet, Rechte
und Verbindlichkeiten in der buͤrgerlichen Geſellſchaft hat.
Einer ſolchen Perſon wird eine Sache entgegen geſetzt,
worunter man im iuriſtiſchen Verſtande alles dasjenige
begreift, was dem Menſchen Nutzen bringt, und alſo ein
Gegenſtand menſchlicher Rechte ſeyn kann, dabey aber
keine Perſon iſt. Aus dieſem Begriff wird man ſogleich
einſehen, warum die roͤmiſchen Sclaven fuͤr keine Perſo-
nen, ſondern fuͤr Sachen gehalten wurden. Denn wenn
man ſie gleich fuͤr Menſchen erkannte, ſo hielt man ſie
doch darum fuͤr keine Perſonen, weil man ſie nicht
als moraliſche Weſen, ſondern als Dinge anſah, die blos
zum Nutzen und Gebrauche der Menſchen, eben ſo wie
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. Ddas
[50]1. Buch. 5. Tit. §. 111.
das Vieh, waͤren, und weil ſie uͤberall keine Rechte in der
buͤrgerlichen Geſellſchaft hatten 26).
In Anſehung der zweyten Frage, iſt zufoͤrderſt im
Allgemeinen zu bemerken, daß eine Perſon der Gegen-
ſtand eines Rechts alsdann ſey, wenn ſie dasjenige
iſt, worauf ſich ein Recht oder eine Verbindlichkeit un-
mittelbar bezieht; und das kann auf zweyerley Art
geſchehen. Es kann naͤmlich entweder dieſelbe Perſon,
welcher das Recht zuſtehet, auch zugleich der Gegenſtand
des Rechts ſeyn; oder es kann eine andere Perſon der
Gegenſtand eines ſolchen Rechts ſeyn. Im erſten Fall
iſt es ein ius in propriam perſonam; dahin gehoͤrt, daß
ich ein freyer Menſch bin, oder daß ich Majorenn und
mein eigener Herr bin, und keinen Curator brauche, ſon-
dern meinen Sachen ſelber vorſtehen kann. Im andern
Fall iſt es ein ius in perſonam alterius; dahin gehoͤren
z. B. die Rechte, welche ein Vater uͤber ſeinen Sohn,
ein Vormund uͤber ſeinen Muͤndel, u. dergl. hat. Die
vornehmſten Arten, wie ein Recht eine Perſon zum naͤch-
ſten Object haben kann, ſind:
1) Wenn ein Recht ſich auf die Geburt eines Men-
ſchen beziehet; z. B. daß der eine noch Embryo, der an-
dere ſchon geboren, der eine freyer 〃 der andere leibeig-
ner 〃 der eine ehelicher 〃 der andere unehelicher 〃 der eine
ehrlicher 〃 der andere unehrlicher Geburt und Herkunft iſt.
2) Wenn ein Recht ſich auf eine natuͤrliche Quali-
taͤt des Leibes oder der Seele bezieht; z. B. daß ein Menſch
maͤnn-
[51]de Statu Hominum.
maͤnnlichen der andere weiblichen Geſchlechts iſt, der eine
einen geſunden und untadelhaften Koͤrper hat, der andere
aber einen fehlerhaften und gebrechlichen Koͤrper, der ei-
ne den Gebrauch ſeiner Vernunft hat, der andere nicht.
3) Wenn ein Recht in der Freyheit, ſeine Hand-
lungen nach eigenem Wohlgefallen einzurichten, beſteht.
Z. B. daß Jemand ſui iuris iſt, und nicht mehr unter
vaͤterlicher Gewalt ſtehet, und deshalb Rechte hat, die die
filii familias nicht haben.
4) Wenn ein Recht in der Gewalt, die freyen Hand-
lungen eines andern zu dirigiren, beſtehet. Z. B. das
Recht der vaͤterlichen Gewalt, das Recht eines Vormunds
uͤber ſeinen Pupillen.
5) Wenn ein Recht den aͤuſſerlichen Zuſtand eines
Menſchen auf ſolche Art betrifft, daß ſeine Perſon dabey
hauptſaͤchlich in Betrachtung kommt. Hierher gehoͤren
diejenigen Rechte und Verbindlichkeiten, welche aus der
Lebensart eines Menſchen, der Beſchaffenheit ſeines Ge-
werbes, ſeiner Profeſſion und Handthierung, ferner aus
ſeinem guten Namen, oder der Religion, die einer hat,
entſtehen. Endlich
6) wenn die Rechte und Verbindlichkeiten aus einer
ſolchen Geſellſchaft herflieſſen, die ſich hauptſaͤchlich auf
die Perſonen beziehet, dergleichen die eheliche Geſellſchaft
iſt.
Die Rechte und Verbindlichkeiten, welche zum iu [...][e]
perſonarum gehoͤren, ſind alſo ſo mancherley, als eine
Perſon der Gegenſtand eines Rechts ſeyn kann, und thei-
len ſich daher in viele Claſſen. Eine jede dieſer Claſſen
ſetzt bey der Perſon, der dieſe Rechte und Verbindlich-
keiten zukommen, eine gewiſſe Qualitaͤt voraus, von
D 2wel-
[52]1. Buch. 5. Tit. §. 112.
welcher ſie abhangen. Eine ſolche Qualitaͤt nun,
um deren willen einem Menſchen gewiſſe Rechte und Ver-
bindlichkeiten zukommen, die zum iure perſonarum ge-
hoͤren, nennt man den Statum hominis27). Soviel zur
Beantwortung der dritten Frage. Endlich die vierte Fra-
ge, wie vielerley der ſtatus hominis ſey?
wird der folgende §. eroͤrtern.
§. 112.
Eintheilung des Status hominis.
Die Qualitaͤt, die man den ſtatum hominis nennt,
kann nun zweyerley ſeyn, entweder eine natuͤrliche, phyſi-
ſche Eigenſchaft, die der Menſch von Natur hat, oder
eine aͤuſſerliche moraliſche Eigenſchaft, die bey dem Men-
ſchen, welchem dieſelbe anklebt, ein gewiſſes geſellſchaftli-
ches Verhaͤltniß vorausſetzt, wovon Rechte und Verbind-
lich-
[53]de Statu Homanum.
lichkeiten abhangen. Hieraus entſtehet die Eintheilung
des ſtatus in naturalem und adventitium, wie ihn Ev.
otto28) nennt, oder civilem in weitlaͤuftigen Verſtande
genommen. Dieſer beyderley Status iſt nun wieder man-
cherley. Da wir jedoch vom ſtatu naturali29) erſt bey
dem §. 114. weiter handeln werden, ſo wollen wir jetzo
nur den ſtatum adventitium in ſeine Claſſen eintheilen.
Mich duͤnkt, es laſſe ſich dieſer moraliſche oder Ge-
ſellſchafts zu ſtand des Menſchen nach Verſchieden-
heit der beyden vorzuͤglichſten Geſellſchaften, in welchen
der Menſch ſich befindet, naͤmlich des buͤrgerlichen Staats,
und der Kirche, in den ſtatum civilem in eigentlichen
Verſtande und den ſtatum eccleſiaſticum eintheilen, je
nachdem jener ſtatus entweder darin beſteht, daß Jemand
Mitglied einer buͤrgerlichen Staatsgeſellſchaft iſt, und des-
halb gewiſſe Rechte und Verbindlichkeiten hat, die vom
Befinden im Staat abhangen, oder darin beſtehet, daß
Jemand Mitglied einer kirchlichen Geſellſchaft iſt, und
deshalb gewiſſe Rechte und Verbindlichkeiten in der Kir-
che hat. Hier handeln wir jedoch nur von dem erſtern,
denn die Lehre vom ſtatu eccleſiaſtico gehoͤrt ins Kirchen-
recht 30). So verſchieden nun auch der Status civilis
ſeyn kann, da ſich eine große Mannichfaltigkeit ſolcher
moraliſcher Eigenſchaften denken laͤſſet, welche Rechte und
D 3Ver-
[54]1. Buch. 5. Tit. §. 113.
Verbindlichkeiten im Staat wirken, ſo nahmen die Roͤ-
mer doch nur dreyerley Hauptgattungen an, und theil-
ten daher den ſtatum civilem ein in ſtatum libertatis, civi-
tatis, und familiae, je nachdem Jemand entweder ein freyer
Menſch, oder ein Buͤrger, oder ein Mitglied einer gewiſ-
ſen Familie iſt, er ſey nun entweder paterfamilias oder
filiusfamilias. In unſerm heutigen iure perſonarum
zaͤhlen wir jedoch mehrere ſtatus civiles. Z. B. daß ei-
ner in gutem Ruf ſtehet, ein anderer ehrlos oder unruͤch-
iſt, (ſtatus exiſtimationis) wovon libro III. Tit 2. Ferner
daß der eine von Adel der andere aber nur von buͤrger-
lichen Stande iſt, (ſtatus nobilitatis) desgleichen daß einer
ein Soldat, der andere keiner iſt, (paganus) u. ſ. f.
§. 113.
Verſchiedenheit des heutigen Begriffs von Perſon, und Ein-
theilung der Perſonen. Was iſt Rechtens, wenn ein
Menſch mehrere Perſonen vorſtellet?
Nur denjenigen, welcher einen ſolchen buͤrgerlichen
Zuſtand hatte, wovon die roͤmiſche Juriſten reden, nann-
ten die Roͤmer eine Perſon; den buͤrgerlichen Zuſtand
ſelbſt aber caput. Dieſe Benennung begriff alſo den Zu-
ſtand der Freyheit, des Buͤrgerrechts, und des Familien-
rechts unter ſich. Wer keinen von dieſen drey Civil-Staͤn-
den hatte, den ſahen ſie fuͤr keine Perſon an, ſondern
rechneten ihn zur Claſſe der Sachen. Dahin gehoͤrten
die roͤmiſchen Sclaven. Man ſagte von dieſen, ſie haͤt-
ten nullum caput31), und hielt ſie gleichſam fuͤr buͤrger-
lich
[55]de Statu Homanum.
lich tod 32). Denn ſie hatten gar keine buͤrgerliche Rech-
te im Staate. Heut zu Tage nehmen wir das Wort
Perſon in zweyerley Bedeutung, erſtlich fuͤr einen
Menſchen, mit einer gewiſſen Qualitaͤt betrachtet, in An-
ſehung welcher er beſondere Rechte und Verbindlichkeiten
in der buͤrgerlichen Geſellſchaft hat; und zweytens fuͤr
eine ſolche moraliſche Eigenſchaft ſelbſt, welche man den
ſtatum nennt; ſo z. B. ſagt man, ein Menſch habe meh-
rere Perſonen zugleich, wovon ich hernach reden werde.
Die Perſonen werden nun nach ihren mancherley Ver-
haͤltniſſen in der buͤrgerlichen Geſellſchaft verſchiedentlich
eingetheilt. Sie ſind
I) entweder Individual oder moraliſche Per-
ſonen. Naͤmlich alle moͤgliche Verhaͤltniſſe der Menſchen
gegen einander koͤnnen nur von zweyerley Art ſeyn; ein-
fach oder zuſammengeſetzt: je nachdem entweder
hier mehrere Menſchen mit ihrer Thaͤtigkeit ſich vereini-
gen, um damit ein Gemeinbeſtes zu befoͤrdern, oder dort
jeder derſelben ſein Individualbeſtes mit ungetheilter Thaͤ-
tigkeit fuͤr ſich beſorgt. Jeder einzelne Menſch nun, ſo-
fern er, auſſer dem Socialverhaͤltniſſe, fuͤr ſich als ein
ſelbſtſtaͤndiges moraliſches, freyhandelndes Subject be-
trachtet wird, das nach ſeinen ungetheilten Kraͤften
D 4ſein
31)
[56]1. Buch. 5. Tit. §. 113.
ſein eigenes Individualbeſtes zu bewuͤrken trachtet, wird
eine Individualperſon genannt. Hingegen mehrere
Menſchen zuſammen genommen, ſofern ſie, auſſer ihren
Individualverhaͤltniſſe, als Glieder einer Geſellſchaft be-
trachtet werden, und nach Maßgab der getroffenen Ver-
einigung, mit vereinten Kraͤften ein Gemeinbeſtes zu be-
wirken ſuchen, machen eine moraliſche Perſon oder Ge-
ſellſchaft aus 33).
II) Betrachtet man die Menſchen als Mitglieder ei-
nes Staats, ſo kann ihre Perſon entweder eine oͤffent-
liche oder privat Perſon ſeyn. Ein jedes ſelbſtſtaͤndi-
ges Subject im Staate, es ſey ein einzelner Menſch oder
eine ganze Geſellſchaft, im buͤrgerlichen Socialverhaͤlt-
niß gegen den Staat betrachtet, zu deſſen Wohl und Be-
ſten es ſeine Thaͤtigkeit anwendet, und deswegen beſon-
dere Rechte und Pflichten hat, ſtellt eine oͤffentliche
Perſon im Staate vor. Der Fuͤrſt hat dieſe, wie je-
der Staatsbeamte, nur mit dem Unterſchiede, daß der
Fuͤrſt, als Repraͤſentant des Staats, die, ſolcher Per-
ſon nach, habende Zuſtaͤndigkeiten iure proprio hat,
und darin freylich keine dergleichen Einſchraͤnkungen lei-
der, denen eine bloße Staatsbedienung unterworffen iſt,
als welche nur ein ius adminiſtratorium zum Grunde
hat. Auſſer dem Verhaͤltniſſe des Staats betrachtet, hat
hingegen jeder Buͤrger, ſelbſt der Fuͤrſt, nur eine
Privatperſon, wornach er Freyheit und Eigenthum hat,
und damit ſein eigenes Individual-Intereſſe und Beſtes
zu
[57]de Statu Hominum.
zu befoͤrdern berechtiget iſt 34). Ich bemerke endlich
noch,
III) daß ein Menſch oft mehrere Perſonen in ſich
vereinigen kann. In einem ſolchen Fall hat man ſtets
darauf zu ſehen, in welcher Perſon ein ſolcher Menſch
handelt. Denn nur die Rechte kommen in Betracht, die
ihm nach derjenigen Perſon zuſtehen, in Anſehung deren
er eine Handlung unternommen. Es ſchadet auch einem
ſolchen Menſchen dasjenige, ſo er in Anſehung der einen
Perſon zu thun verpflichtet war, nichts in Anſehung ſei-
ner andern Perſon. Man ſetze den Fall, daß Jemand
filiusfamilias und dabey Vormund eines Pupillen waͤre.
Der Vater enterbe ihn in ſeinem Teſtament, dem Pupillen
ſeines Sohnes aber vermache er ein Legat. So kann er
als Vormund fuͤr ſeinen Pupillen aus dem vaͤterlichen
Teſtament das Legat verlangen und in Empfang nehmen,
und hernach doch noch fuͤr ſich das Teſtament ſeines Va-
ters als ein pflichtwidriges (inofficioſum) anfechten 35),
ohne daß ihm die Einrede, er habe durch den Em-
pfang des Legats das Teſtament einmal als
guͤltig anerkannt, entgegen geſetzt werden kann.
Ein ſolcher Menſch kann auch buͤrgerliche Rechts-Hand-
lungen, zu deren Verrichtung ſonſt zwey verſchiedene
Perſonen erfordert werden, der Regel nach vor ſich ſelbſt
verrichten, wenn er beyde Perſonen vorſtellt. Ein ſchoͤ-
nes Beyſpiel hat Pauluslib. IV. ad Sabinum36): Si Con-
ſul vel Praeſes filiusfamilias ſit; poſſe eum apud ſe-
metipſum vel emancipari, vel in adoptionem dari,
D 5con-
[58]1. Buch. 5. Tit. §. 114.
conſtat. Am beſten hat dieſe Materie der unten ange-
fuͤhrte Herr37), auseinander geſetzt.
§. 114.
Verſchiedenheit des natuͤrlichen Zuſtandes der Menſchen.
I) Status nativitatis. Rechte der Embryonen.
Der natuͤrliche Zuſtand der Menſchen iſt ſehr
mannichfaltig, und es entſtehen daher verſchiedene Ein-
theilungen der Menſchen. Ich will hiervon zuerſt uͤber-
haupt, und hernach von jedem einzelen ſtatu naturali
ins beſondere handeln. Die vornehmſten Arten des na-
tuͤrlichen Zuſtandes der Menſchen ſammt denen daraus
herfließenden Eintheilungen der letztern ſind folgende:
I) Status nativitatis, nach welchem die Menſchen in
ſchon gebohrne, und ſolche, die noch Embryonen
ſind, eingetheilet werden, von dieſem wird ad hunc §.
gehandelt werden. Die Gebohrnen ſind entweder
lebendig, oder todgebohrne, wovon §. 115. Sie
ſind ferner entweder eheliche, oder uneheliche,
wovon §. 116.
II) Status ſexus, in Anſehung deſſen die Menſchen
entweder Manns- oder Weibsperſonen ſind. §. 117.
III) Status integritatis, nach welchem die Menſchen
- a) in Anſehung ihres koͤrperlichen Zuſtandes
- 1) in gebrechliche Perſonen, (Kruͤppel) und
ſolche die einen vollkommenen und untadel-
haften Koͤrper haben, und - 2) in Geſunde und Kranke;
- 1) in gebrechliche Perſonen, (Kruͤppel) und
b) in
[59]de Statu Hominum.
- b) in Anſehung des Zuſtands der Seele, in ſolche die
vernuͤnftig, und welche hingegen wahnſinnig
ſind, eingetheilet werden. Dieſen ſtatum hat un-
ſer Auctor ganz uͤbergangen; ich werde daher das
noͤthige ad §. 117. hinzufuͤgen. Endlich
IV) Status aetatis, nach welchen die Menſchen ent-
weder Minderjaͤhrige oder Majorenne ſind. Er-
ſtere werden wieder in puberes und impuberes, letzere aber
in ſenes, und ſolche, die es noch nicht ſind, eingetheilet,
wovon ad Tit. VI. §. 130. gehandelt werden wird.
Nun zuerſt vom Statu nativitatis. In Ruͤckſicht die-
ſes Zuſtandes theilt man die Menſchen in ſchon gebohr-
ne, und noch ungebohrne oder Embryonen ein,
und verſtehet unter den letztern jede von der Mutter noch
nicht abgeſonderte Leibesfrucht. Einen ſolchen Embryo
hielten zwar die aͤltern Roͤmer nach den Grundſaͤtzen der
Stoiker noch nicht fuͤr einen Menſchen, ſondern nur fuͤr
einen Theil der muͤtterlichen Eingeweide 38), daher man
auch die Abtreibung der Leibesfrucht nicht als einen Tod-
ſchlag, ſondern nur als eine Beleidigung fuͤr den Mann
anſahe 39), ſie waren indeſſen doch dafuͤr beſorgt, daß
dieſe
[60]1. Buch. 5. Tit. §. 114.
dieſe ſpes animantis, wie ſich der roͤmiſche Juriſt Mar-
cellus40) ausdruckt, nicht zerſtoͤret werden moͤge, weil
doch wenigſtens in Zukunft noch ein Menſch daraus wer-
den 41) und durch deſſelben Geburt der Staat einen Zu-
wachs erhalten kann 42). Daher verbieten ſchon die Ge-
ſetze der Pandecten, eine ſchwangere Perſon zu beerdi-
gen, wenn ſie nicht zuvor geoͤfnet, und die Frucht von
ihr genommen worden iſt 43). Es ſoll auch nach einer
Verordnung des K. Hadrian eine Verbrecherin, welche
ſchwanger iſt, nicht ehender als nach der Niederkunft hin-
gerichtet werden 44). Sie darf auch waͤhrend ihrer
Schwangerſchaft ſo wenig gefoltert, als mit der Tortur
bedraͤuet werden 45). Ja angeſehene Rechtsgelehrten wol-
len ſogar, daß zur Verhuͤtung eines Aborts und ande-
rer
39)
[61]de Statu Hominum.
rer Unfaͤlle einer ſchwangern Perſon nicht einmal ein
peinliches Urtheil eroͤfnet werden ſolle 46).
Ueberhaupt ſorgen die Geſetze fuͤr ein ungebohren
Kind eben ſo wohl, als ob es ſchon das Licht der Welt
erblickt haͤtte, wenn es auf deſſen eigene Vortheile an-
kommt 47). Denn ſo koͤnnen ſolche ungebohrne Kinder,
ja ſie muͤßen vom Vater zu Erben eingeſetzet werden,
wenn das Teſtament nicht unguͤltig ſeyn ſoll 48); Ferner
wenn der Erblaſſer eine Witwe hinterlaͤßt, welche ſchwan-
ger iſt, und die uͤbrige Erben auf die Theilung der Erb-
ſchaft dringen, ſo muß dem noch ungebohrnen Kinde
ſein Theil ſo gut, wie den ſchon gebohrnen, ausgeworffen
werden, und zwar nehmen die Geſetze hier den moͤglichen
Fall, daß drey Kinder zur Welt gebohren werden koͤnnen,
bey beſtimmung des Erbtheils an, und wollen daher,
daß fuͤr die noch ungebohrne Kinder drey Theile bis zur
Geburt aufbehalten werden ſollen 49). Auch kann der
Vater ſeinem noch ungebohrnen Kinde einen Vormund
im
[62]1. Buch. 5. Tit. §. 114.
im Teſtamente ernennen 50); nicht weniger demſelben
auf den Fall, da es nach ſeinem Tode lebendig zur Welt
gebohren wuͤrde, und unmuͤndig verſtuͤrbe, einen Folge-
Crben ſetzen 51). Noch ungebohrne Kinder, wenn ſie
außer der Ehe empfangen worden, ſind ferner auch ſchon
im Mutterleibe den ehelich gebohrnen gleichzuachten,
wenn ſich die Eltern waͤhrend der Schwangerſchaft hey-
rathen 52). Daß auch andere Rechte, z. B. Pfandrecht,
fuͤr ſelbige erworben werden koͤnnen, hat keinen Zwei-
fel 53). Ein Dritter hingegen kann durch ein ſolches
Kind vor deſſelben lebendiger Geburt kein Recht erwer-
ben 54). Es wird auch das Kind im Mutterleibe in ei-
nem ſolchem Fall nicht in Rechnung angenommen, da es
auf eine beſtimmte Anzahl von Kindern ankommt, wie
z. B. bey Ablehnung einer angetragenen Vormund-
ſchaft 55). Dem Embryon bleiben alſo alle vortheilhafte
Rechte bis zu ſeiner Geburt vorbehalten, in ſo fern naͤm-
lich ſolche nur Bezug auf ihn, nicht aber auf einen Drit-
ten haben. Jedoch wird billig vorausgeſetzt,
I) daß
[63]de Statu Hominum.
I) daß die Geburt des Kindes mit dem Zeitpunct
uͤbereinſtimme, da ihm das Recht angefallen, und daß
folglich damals die Frucht ſchon in Mutterleibe geweſen
ſey 56). Dieß wird nach der Zeit beurtheilt, in welcher
nach der von den Geſetzen angenommenen Beſtimmung
ein vollkommenes Kind zur Welt gebohren werden kann,
wovon ich beym folgenden §. reden werde.
II) Daß der Embryo als eine vollkommene und le-
bendige Geburt zur Welt komme 57). Was aber hierzu
erfordert werde, wird ebenfalls der folgende §. lehren;
und
III) daß dieſe Geburt eine menſchliche Geſtalt habe.
Denn eine Mißgeburt, (monſtrum, prodigium) hat
keine buͤrgerlichen Rechte 58). Ob aber eine Geburt fuͤr
ein Monſtrum zu halten ſey, wird aus dem Kopf beur-
theilt. Man nennt daher eine Mißgeburt diejenige Ge-
burt, welche keinen menſchlichen Kopf hat, ſondern den
Kopf eines unvernuͤnftigen Thieres z. B. einen Hunds-
oder Schweinskopf 59). Solche Mißgeburten werden in
unſern Geſetzen fuͤr keine Menſchen gehalten 60). Denn
die alten Philoſophen nahmen an, daß die der Vernunft
faͤhige Seele in dem Kopfe des Menſchen ihren Sitz
habe, und alſo nur vermittelſt deſſelben freye Handlun-
gen
[64]1. Buch. 5. Tit. §. 114.
gen hervorbringen koͤnne. Keine menſchliche Seele koͤnne
alſo mit einem ſolchen Koͤrper in Verbindung ſtehen, wel-
cher keinen menſchlichen Kopf hat. Solche monſtroͤſe
Geburten koͤnnen folglich auch nach den Geſetzen keine
menſchlichen Rechte erwerben, daher auch diejenigen weg-
fallen, welche ihnen die Geſetze, ehe ſie noch gebohren
waren, auf den Fall ihrer Geburt zueigneten, und koͤnnen
mithin durch ſie auf andere nicht weiter transmittiret
werden. So iſt die Vorſchrift unſerer Geſetze 61). Allein
verſchiedene unſerer Rechtsgelehrten wollen an der heuti-
gen Anwendung derſelben zweifeln 62). Sie haben ſich
durch die Meinung einiger neuern Aerzte 63) verleiten laſ-
ſen zu glauben, daß auch in einem Monſtrum eine ver-
nuͤnftige Seele wohnen koͤnne. Denn was aus menſch-
lichen Saamen erzeugt worden, das ſey Menſch. Die
Vorſchriften Juſtinians koͤnnten uns auch in rebus
phyſicis nicht verbinden, ſobald wir durch die Aerzte be-
lehret wuͤrden, daß ſie auf falſchen Grundſaͤtzen beruhe-
ten 64). Sogar unter den roͤmiſchen Juriſten habe es
ſchon Leute gegeben, die eben ſo gedacht, und deren Mei-
nung auch ins roͤmiſche Geſetzbuch aufgenommen worden
ſey
[65]de Statu Hominum.
ſey 65). — Ich kann mich jedoch von dieſer Meinung
nicht uͤberzeugen. Denn der Geiſt jener Geſetze iſt ohne
Zweifel dieſer, daß eine ſolche Mißgeburt darum von den
Rechten der Menſchen ausgeſchloſſen ſeyn ſolle, weil ihr
der Charakter der Menſchheit fehlt. Da nun
der Menſch von andern Thieren ſich vorzuͤglich darin un-
terſcheidet, daß er der Vernunft in einem hohen Grade
faͤhig iſt; dieſe Faͤhigkeit aber eine gewiſſe feine Organi-
ſation des Gehirns vorauszuſetzen ſcheint, ſo hat man da-
raus den richtigen Schluß gemacht, daß mit eben die-
ſer Organiſation der Charakter der Menſchheit ſo genau
verbunden ſey, daß er ohne ſie nicht beſtehen koͤnne. Da
aber dieſe Organiſation auf keine andere Art als aus dem
Bau des Schedels, in ſofern er mit dem bey Menſchen
gewoͤhnlichen uͤbereinſtimmt, vermuthet werden kann,
ſo muß man dieſen Theil der Phyſiognomonic hier zum
Grunde legen, und annehmen, daß nur in einem auf ge-
woͤhnliche Art gebaueten menſchlichen Schedel eine der
Vernunft guͤnſtige Organiſation des Hirns ſtatt finden,
in einem Schedel aber, deſſen Bau mit der Figur ande-
rer Thier-Schedel uͤbereinſtimmt, eine dem Denken un-
guͤnſtige Organiſation verknuͤpft ſey. Sodann iſt ja
uͤberhaupt die Geſtalt eines menſchlichen Angeſichts ein
ſo weſentliches Stuͤck der Menſchheit, daß ohne dieſelbe
eine Geburt ohnmoͤglich fuͤr eine menſchliche gehal-
ten werden kann, wenn man auch annehmen wollte, daß
in einem Monſtrum eine vernuͤnftige Seele wohnen koͤn-
ne. Allein auch dieſes laͤßt ſich nicht erweiſen. Quod
vero invincibiliter ignoramus, perinde eſt, ac ſi non
exiſte-
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. E
[66]1. Buch. 5. Tit. §. 114.
exiſteret. Zwar ſchlaͤgt Teichmeyer66) vor, man ſolle
warten, bis etwa mit der Zeit aus weitern Handlungen
einer ſolchen Geburt gewißer geſchloſſen werden koͤnne,
ob in ihr eine vernuͤnftige Seele wohne oder nicht?
Allein die Frage muß gemeiniglich bald entſchieden wer-
den, da ſolche Geburten ſelten lange leben, und wenn ſie
ſterben, ſogleich uͤber die Erbfaͤhigkeit geſtritten wird.
Endlich iſt die Stelle Ulpians67) worauf die Gegner
ſich beziehen, nichts weniger als ihrer Meinung guͤnſtig.
Denn ſie beziehet ſich, wie derſelben Ueberſchrift lehrt,
auf das Juliſche und Papiſche Geſetz, nach welchem
Belohnungen fuͤr fruchtbare, aber auch Strafen fuͤr un-
fruchtbare Ehen waren beſtimmt worden. Zu den letztern
gehoͤrte z. B. daß Ehegatten, die in einer unfruchtbaren
Ehe gelebt haben, mehr nicht als den zehenden Theil ih-
rer Guͤter von einander erben 68), und von dem, was
ihnen von Andern in einem letzten Willen war hinter-
laſ-
[67]de Statu Hominum.
laſſen worden, nur die Helffte bekommen ſollten 69). Die-
ſen Strafen entgiengen, wie billig, ſolche Eltern, die
zwar Kinder gezeugt, ſolche aber durch den Tod wieder
verlohren hatten. Ein jedes ſolches Kind, verſchafte den
Ehegatten bey ihrer kuͤnftigen Erbfolge unter ſich eine
Zulage von einer decima, ja drey derſelben machten die
Ehegatten faͤhig, ut inter ſe ſolidum capere poſſent,
wie Ulpian70) ſagt. Billig war es nun, dieſe Vorthei-
le auch ſolchen Ehegatten angedeihen zu laſſen, welche
zwar nach ihren Kraͤften moͤglichſt ſich beſtrebt, Kinder
zu erzeugen, allein doch nur eine Mißgeburt zur Welt ge-
bracht haben. Denn was koͤnnen ſie fuͤr dieſen Ungluͤcks-
fall 71)? Wie laͤßt ſich nun aber wohl hieraus der Schluß
E 2machen,
[68]1. Buch. 5. Tit. §. 114.
machen, daß auch eine Mißgeburt fuͤr einen Menſchen zu
halten, ſo Rechte erwerben, und ſolche auch wieder auf
andere transmittiren koͤnne.
Von den Mißgeburten ſind nun fehlerhafte Gebur-
ten wohl zu unterſcheiden, welche man portenta oder oſten-
ta72) nennt. Dahin muͤſſen diejenigen gerechnet wer-
den, deren Kopf zwar menſchlich, aber doch auf irgend
eine Art mißgeſtaltet iſt, z. B. deren Schedel ſchief, oder
ſpitz iſt, auch die eine haͤßliche Phyſiognomie des Geſichts
haben, verunſtaltete Naſe, Mund, Kinn u. ſ. w. Man
rechnet hierher auch mißgeſtaltete Geburtstheile; desglei-
chen
71)
[69]de Statu Hominum.
chen wenn die Geburt mehr oder weniger Glieder hat,
als ſonſt gewoͤhnlich iſt 73). Wo nun auf ſolche Art bey
einer Geburt einzelne Theile von der gewoͤhnlichen Zahl,
Figur, Groͤße, Verhaͤltniß, Verbindung, abweichen, der
Kopf uͤbrigens menſchlich iſt, ſo kann derſelben der Cha-
rakter der Menſchheit nicht abgeſprochen werden, welchen
auch ſelbſt thieriſche Glieder nicht umſtuͤrzen koͤnnen 74).
Solche fehlerhafte Geburten erlangen daher nicht nur alle
Rechte, welche Menſchen zuſtehen, ſondern bringen ſolche
auch, wenn ſie ſterben, wieder auf andere.
§. 115.
Eintheilung der gebornen in lebendig und todgeborne. Vita-
litaͤt, und davon abhangende Erbfaͤhigkeit
eines Kindes.
Geborne Menſchen ſind in Anſehung der Geburt wie-
der auf verſchiedene Art einzutheilen.
I) Koͤnnen ſie entweder lebendige oder todge-
borne ſeyn. Erſtere werden diejenigen genannt, welche,
nach ihrer gaͤnzlichen Abſonderung von Mutterleibe, Zei-
chen des Lebens von ſich gegeben haben. Dahingegen ein
todgebohrnes Kind ein ſolches genennt wird, wel-
ches noch vor der voͤlligen Abſonderung von Mutterleibe,
es ſey nun waͤhrend der Geburt, oder ſchon vorher, das
Leben verlohren hat. Eine ſolche tode Geburt tritt in
keine buͤrgerliche Rechte, und heißet daher auch nicht mit
E 3Recht
[70]1. Buch. 5. Tit. §. 115.
Recht ein Kind 75). Dies iſt nur ein Vorzug der le-
benden Geburt. Ein chriſtliches Begraͤbniß kann indeß
auch den todgebornen Kindern nicht abgeſprochen werden,
in ſo fern ſie von chriſtlichen Eltern ſind gezeugt wor-
den 76). Soll nun alſo ein Kind fuͤr lebendiggebo-
ren gehalten werden koͤnnen, ſo wird zweyerley dazu er-
fordert:
I) daß das Kind voͤllig und ganz geboren
ſey77). Ob es uͤbrigens auf die gewoͤhnliche natuͤrliche
Art zur Welt gekommen, oder ausgeſchnitten, oder mit
der Zange von der Mutter geholet worden, iſt nach den
Rechten gleich viel 78). Denn auch denen Ausſchnittlin-
gen legen unſere Geſetze die Rechte wirklich geborner Kin-
der ausdruͤcklich bey. So wird z. B. durch einen ſolchen
Aus-
[71]de Statu Hominum.
Ausſchnittling des Vaters Teſtament gebrochen 79). Er
kann die Querel eines pflichtwidrigen Teſtaments anſtel-
len 80); und wird zur muͤtterlichen Erbſchaft gelaſſen 81).
II) Daß das Kind, nach dem es voͤllig von
der Mutter abgeſondert iſt, deutliche Le-
benskennzeichen von ſich gebe. Nur ein Augen-
blick iſt hier in Ruͤckſicht auf die wirkliche Erwerbung
der aufbewahrten Rechte entſcheidend, wenn auch gleich
das Kind in den Haͤnden der Wehmutter, ſobald es nur
E 4aus
[72]1. Buch. 5. Tit. §. 115.
aus Mutterleibe heraus iſt, ſterben ſollte 82). Kennzei-
chen des Lebens bey neugebohrnen Kindern ſind nun
Stimme, Puls und gewiſſe Handlungen, die das geborne
Kind ausuͤbt. Hierher gehoͤrt oͤffnen und bewegen der
Augen, und freywillige Bewegung der Glieder 83). Zwar
wird von einigen Aerzten vorgegeben: daß das Bewegen
der Glieder auch als Zuckung bey einem in der Geburt
ſterbenden, und gleich darauf ans Tageslicht tretenden
Kinde ſtatt haben koͤnne 84); allein wenn gleich dieſe
Meinung als menſchenfreundlich in ſo fern alle Achtung
verdient, als ſie nur dahin zielt, bey der Unterſuchung
eines angegebenen Kindermords die deſſelben verdaͤchtige
Mutter mit der Tortur zu verſchonen, ſo verdient ſie doch
hier, wo blos von der Erbfaͤhigkeit des Kindes die Re-
de iſt, keinen Beyfall, indem in einem ſolchem Falle im Zwei-
fel immer eher anzunehmen iſt, daß die nach der Geburt ge-
ſehene Bewegungen des Kindes freywillig, als daß ſie con-
vulſiviſch geweſen, mithin das Kind allerdings lebendig ge-
bohren worden ſey. Uebrigens darf hier nicht unbemerkt
bleiben, daß uͤber die eigentlichen Lebenskennzeichen unter
den Secten der alten roͤmiſchen Juriſten ein Streit gewe-
ſen 85). Die Proculianer nahmen an, daß ein Kind
fuͤr todgebohren zu halten ſey, wenn es nach der Geburt
nicht geſchrien haͤtte. Die Sabinianer behaupteten hinge-
gen, daß ein lebendiges Kind auch ohne Stimme koͤnne ge-
bohren werden, wenn andere Zeichen des Lebens vorhan-
den
[73]de Statu Hominum.
den ſind. Juſtinian86) entſchied dieſen Streit, und
beſtaͤttigte die Meinung der letztern. Nach dieſer geſetz-
lichen Entſcheidung haͤlt man daher auch heutiges Tages
eine Geburt fuͤr lebendig, wenn ſie gleich keinen Laut,
E 5aber
[74]1. Buch. 5. Tit. §. 115.
aber doch durch Bewegung des Koͤrpers, der Augen, der
Arme, der Fuͤße, oder auf eine andere Art Zeichen des
Lebens von ſich gegeben hat.
Eine lebendige Geburt, welcher die Rechte eines
Kindes zugeeignet werden ſollen, muß jedoch nicht allein
Lebenszeichen von ſich geben, ſondern auch lebens-
faͤhig, (vitalis) ſeyn. Vitalitaͤt beſteht nun darin,
wenn eine Geburt in ihrer Ausbildung und Vervollkomm-
nung ſo weit gediehen, daß bey ihr die Moͤglichkeit, das
Leben außer der Mutter fortzuſetzen, vorhanden iſt 87).
Hat ſie hingegen denjenigen Grad der Ausbildung und
Vervollkommnung noch nicht erreicht, der zur Fortſetzung
des Lebens erfordert wird, ſo wird eine ſolche Geburt
eine unzeitige, ein Abortus, genennt, und dieſe iſt
nicht erbfaͤhig 88). Die Hauptfrage iſt nun, wie lange
ein Kind in Mutterleibe getragen werden muͤſſe, um je-
nen Grad der Ausbildung zu erreichen, der zur Lebens-
faͤhigkeit erfordert wird 89)? Die Geſetze beſtimmen da-
zu ein halbes Jahr, oder hundert, zwey und achtzig Ta-
ge
[75]de Statu Hominum.
ge 90) und erklaͤren nach der Meinung des Hippocra-
tes91), ein Kind fuͤr lebensfaͤhig, welches zu Anfang
des ſiebenten Monats iſt gebohren worden 92). Bey die-
ſer geſetzlichen Beſtimmung muß es nun auch heutiges
Tages um ſo mehr das Bewenden haben, da ſie ſelbſt
durch die Erfahrung beſtaͤttigt iſt. Denn Beyſpiele von
ſolchen Kindern, die im ſiebenten Monat gebohren und
wirklich aufgewachſen ſind, haben Schenck93) und
Schurig94) geſammlet. Hieraus folgt, daß eine Ge-
burt, die jenes Hippocratiſche Ziel in Mutterleibe nicht
erreicht hat, und im ſechsten, fuͤnften, ja vierten Monat
gebohren worden, fuͤr einen Abortus zu halten ſey.
Hierinnen ſtimmen auch die Zeugniſſe der beruͤhmteſten
ſowohl aͤltern 95) als neuern Schriftſteller 96) uͤberein.
Beſon-
[76]1. Buch. 5. Tit. §. 115.
Beſonders laͤßt ſich hieruͤber Zacchias97) heraus, wel-
cher behauptet, daß wenn ein Kind im ſechsten Monat
lebendig gebohren wuͤrde, und ſogar einige Tage lebte,
ſolches dennoch fuͤr einen Abortus gehalten, und von den
Rechten eines Kindes ausgeſchloſſen werden muͤſſe. Der
Grund hiervon iſt, weil die Erfahrung aller Zeiten ge-
lehrt hat, daß ein vor dem ſiebenten Monat gebohrner
Foͤtus niemals fortlebe, und einiges Alter erreiche, und
alſo einem Todtgebohrnen gleichgehalten werden muͤſſe.
Man huͤte ſich indeß, ein unreifes Kind mit einem
Abortus zu verwechſeln, oder ein vollkommen reifes
Kind mit einem ſolchen, das lebensfaͤhig iſt, fuͤr eins zu
hal-
96)
[77]de Statu Hominum.
halten. Denn unreif iſt jedes Kind, das vor der
gewoͤhnlichen Geburtszeit zur Welt kommt, und daher
Zeichen an ſich traͤgt, welche beweiſen, daß es im Mut-
terleibe nicht ſo weit vervollkommnet worden ſey, als es
einem ganz reifen Kinde zukommt 98). Nimmt man nun
an was durch unzaͤhlige Erfahrungen beſtaͤtigt iſt, daß
die Ausbildung und Vervollkommnung eines Foetus in
neun Monaten, oder in neun und dreyßig bis vierzig
Wochen, von der Empfaͤngniß an gerechnet, vollbracht
werde, nach deren Verlauf die Geburt des Kindes gewoͤhnlich
zu erfolgen pflegt 99), ſo kann freylich ein ſiebenmonat-
liches Kind fuͤr kein ſo vollkommen reifes Kind, als ein
neun monatliches gehalten werden, vielmehr wird erſteres
noch die Zeichen der Unvollkommenheit an ſich haben 100).
Da indeſſen nicht jedes unreife Kind ein Abortus iſt 1),
ſo ſchadet jene Unvollkommenheit der Erbfaͤhigkeit des
Kindes nichts, wenn nur das Kind wenigſtens denjenigen
Grad der Ausbildung erreicht hat, daß es eines weitern
Lebens
[78]1. Buch. 5. Tit. §. 115.
Lebens faͤhig waͤre 2). Und dafuͤr wird nach der von den
Geſetzen angenommenen Hippocratiſchen Meinung ein
ſieben monatliches Kind gehalten 3). Hat ein
Kind dieſes Alter im Mutterleibe erreicht, ſo kommt es
weiter nicht darauf an, wie lang das Kind nach der Ge-
burt gelebt habe. Es wird daher, wenn es auch, wie
Juſtinian4) ſagt, in den Haͤnden der Wehmutter, ſo-
bald es nur aus Mutterleibe heraus iſt, ſterben ſollte,
dennoch fuͤr Crbſchaftsfaͤhig zu halten ſeyn, und die Erb-
ſchaft nach ſeinem Tode auch auf ſeine Erben transmit-
tiren. Und damit ſtimmen auch die alten teutſchen Rech-
te 5) uͤberein, welche zur Erwerbung und Transmißion
der
[79]de Statu Hominum.
der Erbſchaft eines Kindes erfordern, daß das Kind die
vier Waͤnde des Hauſes beſchrien habe, weil ſolches
lautes Schreien des Kindes fuͤr ein vorzuͤgliches Kenn-
zeichen der Lebensfaͤhigkeit deſſelben gehalten wurde. Nach
dieſen Gruͤnden kann demnach der Widerſpruch derjenigen
Rechtsgelehrten 6) in keinen Betracht kommen, welche
ſich durch eine mißverſtandene Stelle des Ulpians7) ha-
ben irre fuͤhren laſſen, zu glauben, daß das Leben des
Kindes nach der Geburt allein ſchon zur Erbfaͤhigkeit ge-
nuͤge, wenn es gleich nicht lebensfaͤhig geweſen ſey. Denn
wenn Ulpian daſelbſt die Frage bejahend entſcheidet, ob
ein Kind, welches ſo weit gebohren iſt, daß man deutliche
Lebenskennzeichen an ihm verſpuͤhrt, (cum ſpiritu) das
Teſtament des Vaters unguͤltig mache, ſi non integrum
animal editum ſit? ſo iſt daſelbſt gar nicht von einer un-
zeitigen, ſondern von einer verſtuͤmmelten Geburt
die Rede, welche koͤrperliche Maͤngel hat 8). Eine ſolche
kann dennoch, dieſer Maͤngel ungeachtet, die Rechte eines
Kindes erlangen, wenn es nur ſonſt lebensfaͤhig iſt. Und
dieß iſt auch die Meinung der heutigen Rechtsgelehrten 9).
Noch iſt folgendes zu bemerken:
I) Ent-
[80]1. Buch. 5. Tit. §. 115.
I) Entſtehet Zweifel, ob ein Kind lebendig geboh-
ren worden ſey, und die Geburt iſt auf die gewoͤhnliche
Art, und zu der Zeit geſchehen, da das Kind fuͤr lebens-
faͤhig gehalten wird, ſo wird ein ſolches eher lebendig als
tod gebohren vermuthet 10). Jedoch findet dieſe Vermu-
thung nur in buͤrgerlichen Rechtsfaͤllen, nicht in peinli-
chen Sachen ſtatt, denn da kommt alles auf die gericht-
liche Beſichtigung der Geburt, und das Gutachten der
Aerzte an 11).
II) Wenn ein Kind vor den ſiebenten Monat ge-
bohren worden, aber doch ſo lange leben ſollte, bis jener
vorgeſchriebene Termin erfuͤllt iſt, und es ſtuͤrbe alſo erſt
nach Vollendung deſſelben, ſo iſt es der Billigkeit gemaͤß,
einer ſolchen Geburt die Kinds- und Erbrechte angedei-
hen zu laſſen 12)
III)
[81]de Statu Hominum.
III) Wenn maͤnnliche Zwillinge gebohren wer-
den, und man weiß nicht, welcher von beyden der Erſt-
gebohrne ſey; ſo will man im Zweifel dafuͤr halten, daß
der ſtaͤrkere fuͤr den Erſtgebohrnen gelten muͤſſe 13), aus
dem Grund, weil der lebhaftere, und ſtaͤrkere ſich den
Weg zuerſt bahne, und den Ausgang ſuche. Allein da
ſich eines Theils die mehrere oder mindere Staͤrke bey
neugebohrnen ſchwerlich ſchaͤtzen laͤſſet, andern Theils nur
die Lage in der Mutter die Erſtgeburt unter Zwillingen
beſtimmt 14), ſo kann wohl in einem wirklich zweifelhaf-
ten Falle nur durchs Loos die Erſtgeburt und derſelben
Recht entſchieden werden 15).
§. 116.
Unterſchied zwiſchen ehelich- und unehelich-gebohrnen.
Die Menſchen ſind II) in Anſehung der Geburt auch
noch in eheliche oder rechtmaͤſige und uneheliche oder
un-
12)
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. F
[82]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
unrechtmaͤſige einzutheilen 16). Erſtere werden diejeni-
gen genannt, welche aus einer rechtmaͤſigen, wahren,
oder vermeintlichen, Ehe ſind erzeugt worden. Diejeni-
gen hingegen, welche aus einem unehelichen Beyſchlaf,
oder einer ſolchen ehelichen Verbindung, welcher die Ge-
ſetze die rechtmaͤſigen Wirkungen einer Ehe nicht beyle-
gen 17), ſind erzeugt worden, werden uneheliche, un-
rechtmaͤſige Kinder genennt 18). Wenn Hellfeld
ſagt:
[83]de Statu Hominum.
ſagt: illegitimi dicuntur, qui ex illicito concubitu ex-
tra iuſtum matrimonium ſunt nati; ſo iſt dieſer Begriff
wenigſtens nach dem roͤmiſchen Rechte nicht richtig. Denn
die im Concubinate oder aus einer Sclaven-Ehe (Con-
tubernium) erzeugte Kinder wurden unſtreitig zur Claſſe
der unrechtmaͤſigen Kinder gerechnet 19), und doch waren
ſie nicht aus einem unerlaubten Beyſchlaf gebohren 20).
Die Worte ex illicito concubitu muͤſſen alſo ſchlechterdings
aus dem Begriff wegbleiben, wenn er nicht offenbar zu
eng werden ſoll. Solchemnach ſind nun uneheliche Kin-
der 21)
I) ſolche, die auſſer der Ehe erzeugt ſind, und
dieſe bekommen verſchiedene Namen, je nachdem ſie ent-
weder aus einer Blutſchande, oder aus einem Ehe-
bruch, oder von einer Hure, oder von einer Ge-
ſchwaͤchten unverleumdeten Weibsperſon, oder aus ei-
nem Concubinat gebohren worden ſind. Die unehelichen
Kinder der erſtern Art heiſſen inceſtuoſi, der andern,
F 2adul-
18)
[84]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
adulterini, der dritten vulgo quaeſiti,Hur-Kinder, der
vierten ſpurii im eigentlichen Verſtande, Jungfern-
Kinder, der fuͤnften naturales in eigentlicher Bedeu-
tung.
II) Die aus einer unrechtmaͤſigen Ehe erzeugt ſind.
Dahin rechnen die Roͤmer
a) die aus der ehelichen Geſellſchaft ſolcher Eltern
erzeugte Kinder, welche kein ius connubii, das iſt, die
Faͤhigkeit nicht hatten, eine roͤmiſche Ehe einzugehen,
oder fortzuſetzen; folglich
- 1) Kinder ſolcher Eheleute, die zwar freye Menſchen
aber keine roͤmiſche Buͤrger waren 22); - 2) die aus einem Contubernium oder Sclaven-Ehe er-
zeugte Kinder 23); - 3) die von roͤmiſchen Eheleuten waͤhrend der Gefangen-
ſchaft gezeugte Kinder 24).
b) Werden auch diejenigen Kinder im roͤmiſchen
Recht fuͤr unrechtmaͤſig erklaͤrt, welche aus einer ohne
Einwilligung des Vaters geſchloſſenen Ehe ſind gebohren
worden 25). Endlich
c) ſol-
[85]de Statu Hominum.
c) ſolche Kinder, die aus einer Ehe erzeugt ſind,
welcher es an der in den Geſetzen vorgeſchriebenen Form
mangelt 26). Zu welchen heutiges Tages inſonderheit
diejenigen zu zaͤhlen ſind, welche aus einer unter chriſt-
lichen Privatperſonen eingegangenen ſogenannten Gewiſ-
ſens-Ehe, das iſt, einer ſolchen, welche vermittelſt blo-
ſer Erklaͤrung des Eheconſenſes, ohne Beobachtung kirch-
licher Form, iſt geſchloſſen worden, gebohren ſind. Denn
Privatperſonen koͤnnen eine blos buͤrgerliche Ehe ohne die
kirchliche Form nicht ſchlieſſen 27)
Die Rechte ſolcher unehelich gebohrnen ſind nun
verſchieden;
I) im Verhaͤltniß gegen den Staat war die un-
eheliche Geburt nach roͤmiſchen Rechten mit keinen nach-
theiligen Folgen verknuͤpft. Auch uneheliche Kinder hat-
ten die Rechte der Buͤrger, wenn ſie nur von einer freyen
Mutter waren gebohren worden 28) denn die uneheliche
F 3geburt
[86]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
geburt folgt dem Stand der Mutter29). Sie konn-
ten daher, wenn ſie gleich aus einer Blutſchande geboh-
ren waren, doch zu den anſehnlichſten Staatsbedienun-
gen gelangen. Non enim impedienda eſt dignitas eius, qui
nihil admiſit, ſagt Papinian30). Ein Ausſpruch, wel-
cher der Denkungsart der Roͤmer Ehre macht. Nur al-
lein in dem Fall, da bey der Bewerbung um eine Ehren-
ſtelle ein unehelich gebohrner Competent mit einem ehelich
gebohrnen certirte, mußte der erſtere nachſtehen 31). Ob
ſich die Sache heutiges Tages anders verhalte, iſt ſtrei-
tig. Soviel iſt richtig, die alten teutſchen Rechte halten
die unehelichen Kinder nicht fuͤr Buͤrger des Staats, ſon-
dern fuͤr Fremde und Leibeigene 32). Sie waren Leibei-
gene der teutſchen Koͤnige und Kaiſer, und wurden des-
wegen auch Koͤnigs-Kinder genennt 33). Starben
ſie, ohne eheliche Leibeserben zu hinterlaſſen, ſo verfiel
ihre
[87]de Statu Hominum.
ihre Verlaſſenſchaft an die kaiſerliche und koͤnigliche Cam-
mer 34). Die aͤltern teutſchen Rechte erklaͤren ferner al-
le, die unehelich gebohren ſind, fuͤr anruͤchtig und recht-
los 35); die alſo weder zu weltlichen noch geiſtlichen Wuͤr-
den, ja nicht einmal zu Handwerken gelaſſen wurden.
Selbſt das paͤbſtliche Recht beguͤnſtiget dieſe Anruͤchtig-
keit unehelicher Kinder, da es dieſelben fuͤr irregulaͤr
erklaͤrt 36). Ob man nun wohl in unſern Tagen ange-
fangen hat, dieſe Anruͤchtigkeit unehelicher Kinder aus
guten Gruͤnden zu beſtreiten 37), ſo haben ſich doch jene
alte teutſche Gewohnheiten, aller Unbilligkeit ungeachtet,
in lebhaften Gebrauch erhalten, wie uns die taͤgliche Pra-
F 4xis
[88]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
xis lehrt 38). Daher haben die Teutſchen, um jenen
Schandfleck der unehelichen Geburt hinwegzuraͤumen, ſo-
gar eine eigene Art der Legitimation eingefuͤhrt, wel-
che keine weitere Wirkung hat, als daß ſie uneheliche Kin-
der faͤhig macht, in Guͤlden Zuͤnfte und andere Collegia
aufgenommen zu werden, und uͤberhaupt im Staat als
legitim zu paßiren; von welcher ich zu ſeiner Zeit ad
§. 145. handeln werde. Nur die ehemalige Leibeigen-
ſchaft der unehelichen Kindern mit ihren Folgen iſt heuti-
ges Tages groͤßtentheils erloſchen 39). Werden aber
Unehelichgebohrne
II) im Verhaͤltniß gegen die Eltern betrachtet, ſo
kommt es zuerſt darauf an, ob ſie aus einer blutſchaͤnde-
riſchen Ehe gebohren ſind, oder aus einem andern unrecht-
maͤſigen Beyſchlafe. Erſtere koͤnnen auf die Rechte der
Kinder nach roͤmiſchen Geſetzen gar keinen Anſpruch ma-
chen. Sie koͤnnen weder die Eltern beerben, noch von
ihnen Alimente fordern 40). Jedoch hat das canoniſche
Recht dieſe Strenge in ſofern gemildert, daß ſolchen
Kindern wenigſtens der nothduͤrftige Unterhalt von den
Eltern gereicht werden muß 41). Im letztern Fall findet
ein
[89]de Statu Hominum.
ein Unterſchied der Rechte ſolcher unehelicher Kinder in
Anfehung beyder Eltern ſtatt,
a) auf Seiten des Vaters.
- 1) Man erkennt ſie nicht fuͤr einen Theil der vaͤterli-
chen Familie 42); - 2) ſie ſind daher nicht in der vaͤterlichen Gewalt 43);
- 3) der Vater iſt ihnen nur den nothduͤrftigen Unter-
halt zu geben ſchuldig, in ſofern jener gewiß iſt 44); - 4) der Vater kann ſie nach Gefallen im Teſtament
uͤbergehen 45) und enterben, und ſtirbt er ohne Te-
ſtament, ſo ſuccediren nur in einem gewiſſen Fall
die aus dem Concubinat erzeugte Kinder in Sextan-
tem; andere uneheliche Kinder aber erben nach roͤ-
miſchen Rechten gar nichts wie in der Lehre
vom Erbrecht weiter ausgefuͤhrt werden wird.
F 5b) Auf
[90]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
b) Auf Seiten der Mutter findet zwiſchen ehelichen
und unehelichgebohrnen Kindern nach gemeinem Recht
kein Unterſchied der Rechte ſtatt. Eine Mutter darf auch
uneheliche Kinder in ihrem Teſtament nicht ohne recht-
maͤſige Urſach enterben, oder praͤteriren. Sonſt koͤnnen
ſie das Teſtament ihrer Mutter als pflichtwidrig anfech-
ten 47). Sie beerben auch, wie eheliche Kinder, die
Mutter, wenn ſelbige ohne Teſtament verſtirbt 48).
Es iſt nun noch uͤbrig, auch von den aͤchten oder
ehelichen Kindern zu handeln. Fuͤr ſolche hielten die
Roͤmer nur diejenigen Kinder, die ex iuſto matrimo-
nio ſ. ex iuſtis nuptiis erzeugt worden. Iuſtum matri-
monium aber beſtand nach dem aͤchten Begriff derſelben,
wie Ulpian49) bezeugt, darin, ſi inter eos, qui nup-
tias contrahunt, connubium ſit: et tam maſculus pu-
bes, quam femina potens ſit: et utrique conſentiant,
ſi ſui iuris ſunt; aut etiam parentes eorum, ſi in po-
teſtate ſunt. Connubium eſt uxoris iure ducendae
facultas. Connubium habent cives Romani cum ci-
vibus Romanis: cum Latinis autem et peregrinis
ita,
46)
[91]de Statu Hominum.
ita, ſi conceſſum ſit. Dieſe blos roͤmiſche Begriffe koͤn-
nen nun aber freylich heutiges Tages nicht mehr zum
Maaßſtab dienen, um darnach die aͤchte Geburt der Kin-
der zu beurtheilen. Wir rechnen demnach heutiges Ta-
ges zu den rechtmaͤſigen Kindern,
I) diejenigen, welche aus einer Ehe ſind gezeuget
worden, die nach Vorſchrift der Kirchengeſetze unter Chri-
ſten guͤltig geſchloſſen worden iſt 50).
II) Die aus einer nach Vorſchrift der buͤrgerlichen
Geſetze guͤltig geſchloſſenen Ehe gebohrne Kinder 51), da-
hin gehoͤren die rechtmaͤſigen Kinder ſolcher Eheleute,
welche keine Chriſten ſind, als Judenkinder, desgleichen
die aus einer ohne die prieſterliche Einſegnung vor der
Obrig-
[92]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
Obrigkeit errichteten, und gerichtlich beſtaͤttigten Ehe
gebohrne Kinder, wie z. B. in Holland gebraͤuchlich
iſt 52).
III) Die in einer vermeintlichen Ehe erzeugte
Kinder 53). Man nennt eine vermeintliche Ehe
(matrimonium putativnm) eine ſolche Ehe, die zwar we-
gen eines derſelben entgegenſtehenden oͤffentlichen vernich-
tenden Hinderniſſes an ſich betrachtet, null iſt, aber doch
darum, weil ſelbige zwiſchen Perſonen, denen entweder
beyderſeits, oder nur wenigſtens eines Theils dies Hin-
derniß nicht bekannt war, foͤrmlich geſchloſſen und voll-
bracht worden iſt, in der Zwiſchenzeit, und ſo lang ſie
nicht obrigkeitlich getrennt wird, alle rechtliche Wirkun-
gen hervorbringt, die nach gemeinen Rechten einer guͤl-
tigen wahren Ehe zukommen 54). Es wird alſo hierbey
jederzeit eine wirklich und foͤrmlich geſchloſſene Ehe zum
voraus geſetzt, daher einem unehelichen Beyſchlaf, geſetzt
auch, daß auf Seiten des einen ſchuldloſer Irrthum, oder
Mangel der Einwilligung, wie bey der Nothzucht, oder
einem andern ſtuprum involuntarium, weder Zurech-
nung noch Strafe ſtatt finden ließe, die Wirkung und
Rechte einer vermeintlichen Ehe nicht beygelegt, noch die
aus einem ſolchen Beyſchlaf erzeugte Kinder den recht-
maͤſi-
[93]de Statu Hominum.
maͤſigen und erbfaͤhigen Kindern gleichgeachtet werden
koͤnnen 55). Zu den rechtmaͤſigen Kindern werden endlich
IV) auch die von hohen Standesperſonen evangeli-
ſcher Religion 56), als von regierenden Reichsfuͤrſten oder
Reichsgrafen, aus einer ſogenannten Gewiſſens-Ehe
erzeugte Kinder nach der gemeinen Meinung der Rechts-
gelehrten, und dem Reichsherkommen gerechnet 57). Denn
evan-
[94]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
evangeliſche Reichsſtaͤnde, denen die biſchoͤflichen Rechte
in ihren Landen ſelbſt zukommen, ſind an die Kirchen-
form nicht ſo ſchlechterdings gebunden, daß ſie ſich nicht
davon dispenſiren koͤnnten 58). Es iſt auch kein Reichs-
geſetz vorhanden, welches ihnen die Verbindlichkeit, ſich
trauen zu laſſen, auferlegte. Es kann daher eine von
ſolchen hohen Standesperſonen vermittelſt bloßer Erklaͤ-
rung des wahren Eheconſenſes, ohne Beobachtung der
kirchlichen Form, wirklich geſchloſſene Ehe keinesweges
fuͤr unguͤltig oder unrechtmaͤſig gehalten werden, zumal
ſelbſt die hoͤchſten Reichsgerichte noch jederzeit fuͤr die
Wirkſamkeit einer ſolchen Gewiſſens-Ehe unter erlauch-
ten Perſonen erkannt, und die darinn erzeugte Kinder
fuͤr rechtmaͤſig erklaͤrt haben 59).
Ein Kind muß alſo aus rechtmaͤſiger Ehe erzeugt
ſeyn, wenn es fuͤr ein rechtmaͤſiges, eheliches Kind ge-
halten werden ſoll. Hierzu wird nun aber noch inſonder-
heit
57)
[95]de Statu Hominum.
heit erfordert, daß das Kind zu rechter Zeit gebohren
worden ſey. Es kommt demnach bey Beurtheilung der
Rechtmaͤſigkeit eines Kindes vorzuͤglich darauf an, zu wiſ-
ſen, welches der rechte Zeitpunkt der ehelichen Geburt ei-
nes Kindes ſey? Die Geſetze haben nun hierin zu Be-
gruͤndung einer rechtlichen Vermuthung fuͤr die Recht-
maͤſigkeit der Geburt einen doppelten Termin beſtimmt,
naͤmlich einen terminum a quo, und einen terminum
ad quem. Erſterer iſt der Anfang des ſiebenden Mo-
nats nach vollzogener Ehe 60); letzterer aber das Ende
des zehnten Monats 61). Wenn alſo ein Kind nur we-
nig-
[96]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
nigſtens zu Anfang des ſiebenden Monats nach einge-
gangener Ehe zur Welt kommt, ſo wird es nach rechtli-
cher Vermuthung fuͤr ehelich, und der Ehemann fuͤr deſ-
ſen Vater gehalten; und wenn eine Witwe, oder eine
geſchiedene Ehefrau noch binnen den naͤchſten zehen Mo-
naten nach des Mannes Tode oder nach der Eheſchei-
dung ein Kind zur Welt bringt, ſo paßirt dieſes auch
noch fuͤr des verſtorbenen oder geſchiedenen Ehemanns
Kind 62). Wenn in dieſen Faͤllen der Ehemann oder
deſſen Erben ein ſolches Kind, als ehelich und rechtmaͤ-
ſig, nicht erkennen wollen, ſo muͤſſen ſie dieſe, fuͤr das
Kind geſetzlich ſtreitende Vermuthungen, durch tuͤchtigen
Gegenbeweiß heben, auſſerdem genießt das Kind alle die
Rechte einer rechtmaͤſigen Geburt 63). Da indeſſen der
Geiſt jener geſetzlichen Beſtimmungen ohne Zweifel die-
ſer iſt, weil es phyſiſch moͤglich iſt, daß das Kind binnen
dieſer Zeit von dem Ehemann, der fuͤr den Vater deſſel-
ben gehalten wird, durch ehelichen Beyſchlaf hat gezeugt
werden koͤnnen 64), ſo folgt, daß, wenn dieſe Moͤglich-
keit
61)
[97]de Statu Hominum.
keit nach den unveraͤnderlichen Geſetzen der Natur ſchlech-
terdings nicht angenommen werden kann, das Kind fuͤr
legitim nicht zu halten ſey. Weil nun die gewoͤhnlich
angenommene Geburtszeit eines voͤllig reifen und ausge-
tragenen Kindes erſt nach neun und dreißig bis vierzig
Wochen, von der Empfaͤngniß an gerechnet, einfaͤllt 65),
mithin im ſiebenten Monat eine Frucht zwar ſchon ſo
vollkommen ſeyn kann, daß ſie auch wohl auſſer Mutter-
leibe eines weitern Lebens faͤhig waͤre, aber doch nimmer
die Reife eines vollkommenen neunmonatlichen Kindes er-
reicht haben, vielmehr jederzeit ſichtbare Merkmale der
Unvollkommenheit an ſich tragen wird 66); ſo iſt unlaͤug-
bar,
64)
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. G
[98]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
bar, daß, wenn entweder im ſiebenten Monat nach voll-
zogener Ehe ein vollkommen reifes Kind gebohren wuͤrde,
der Ehemann aber den fruͤhen Beyſchlaf ſo wenig einge-
ſtehen, als das Kind fuͤr das ſeinige anerkennen wollte,
oder die Witwe im zehnten Monat nach des Mannes To-
de ein noch unreifes Kind zur Welt gebracht haͤtte, ein
ſolcher Partus keinesweges nach rechtlicher Vermuthung
fuͤr ein aͤchtes Kind des Ehemanns gehalten werden koͤn-
ne
66)
[99]de Statu Hominum.
ne 67). Hieraus erhellet alſo, daß man bey rechtlicher
Beurtheilung der Rechtmaͤſigkeit eines Kindes
auf zweyerley zu ſehen habe; I) auf den Zeitpunkt
der Geburt, und II) auf die Beſchaffenheit des
Kindes, naͤmlich ob das Kind reif oder unreif ſey 68)?
Der eine Umſtand darf ſchlechterdings von dem andern
nicht getrennet werden, wenn nicht gegen die Abſicht der
Geſetze gehandelt, und offenbare Ungerechtigkeit veranlaſ-
ſet werden ſoll 69). Denn es wuͤrde ſonſt oft einem Mann
ein unrechtmaͤſiges Kind aufgedrungen werden, wenn
man den Ausſpruch jenes Geſetzes: ſeptimeſtris eſt legitimus,
ſo ſchlechthin ohne weitere Einſchraͤnkung anwenden duͤrfte;
und wenn gleich das Geſetz nach der Lehre des Hippocra-
tes ein ſiebenmonatliches Kind, als ein vollkommenes
(partum perfectum) annimmt; ſo kann doch dieſes von
einer ſolchen Vollkommenheit und Reife, dergleichen nur
ein neunmonatliches Kind faͤhig iſt, darum nicht verſtan-
den werden, weil eines theils eine ſolche Erklaͤrung nicht
mit dem Lehrſyſtem des Hippocrates70), als welcher
nur von einem lebensfaͤhigen Kinde redet, uͤbereinſtim-
men, andern Theils aber den unveraͤnderlichen Geſetzen
G 2der
[100]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
der Natur entgegenſtreiten wuͤrde 71). Nach Maasgebung
dieſer Grundſaͤtze koͤnnen nun noch allerhand wichtige
Rechtsfragen mit leichter Muͤhe entſchieden werden.
Man ſetze, eine Witwe habe ſich gleich im erſten
Monat nach des Mannes Tode wieder verheyrathet, und
nach ſieben oder acht Monaten, von dieſer zweyten Hoch-
zeit an gerechnet, ein Kind gebohren 72). Nun entſteht
die Frage, fuͤr weſſen Kind der Partus zu halten ſey? fuͤr
des verſtorbenen, oder des gegenwaͤrtigen Mannes Kind?
Es kommt darauf an: ob das nach ſieben oder acht Mo-
naten in der zweyten Ehe gebohrne Kind, voͤllig reif
ſey, oder nicht, im erſtern Fall iſt anzunehmen, daß es
von
70)
[101]de Statu Hominum.
von dem verſtorbenen erzeugt ſey; im zweyten Fall hinge-
gen erkennt es den zweyten Mann ſeiner Mutter fuͤr ſei-
nen Vater 73).
Ob eilfmonatliche oder noch ſpaͤtere Geburten recht-
maͤſig ſeyn koͤnnen? iſt eine Frage, welche ſowohl die
Federn der Aerzte als der Rechtsgelehrten beſchaͤftiget
hat 74). Nach den Geſetzen 75) und der Meinung der
neuern Aerzte 76) iſt ſie zu verneinen. Beyde ſtimmen
darinn uͤberin, daß der hoͤchſte Zeitpunct einer rechtmaͤſi-
gen Geburt der zehnte Monat nach des Mannes Tode oder
nach erfolgter Eheſcheidung, oder ſeit der Abweſenheit
des Mannes ſey. Da dies ſchon eine ſeltene Ausnahme
iſt, ſo darf jener Zeitpunct um deſto weniger weiter hin-
aus erſtrecket werden. Zwar hat man Beyſpiele von
zwoͤlf-dreyzehen-ja vierzehnmonatlicher Schwanger-
ſchaft wiſſen wollen, auch Gruͤnde aufgeſucht, um die
Moͤglichkeit einer ſolchen ſpaͤten Geburt zu vertheidigen;
G 3allein
[102]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
allein die meiſten dieſer Gruͤnde ſind ſo beſchaffen, daß
ſie vielmehr die Geburt befoͤrdern, wenn ſie auch dem
Wachsthum des Foͤtus nicht guͤnſtig ſind; ſie wuͤrden
alſo zwar ſoviel zuwege bringen, daß ein Kind mager,
kraͤnklich, und ſchwach auf die Welt kaͤme, aber weder an
der Reife ſelbſt wuͤrde etwas fehlen, noch wuͤrde die Ge-
burtszeit dadurch verzoͤgert werden. Ueberhaupt aber ha-
ben die meiſten Hiſtoͤrchen, wodurch die Moͤglichkeit ſol-
cher Verſpaͤtungen beſcheiniget werden will, ſo viel Ver-
daͤchtiges, daß man in der That nicht ſehr geneigt wird,
ihnen Glauben beyzumeſſen. Daher ſie auch Koͤderer77)
alle verwirft. Der Richter aber darf um ſo weniger da-
rauf achten, weil ihm der geſetzliche Termin eine eben ſo
noͤthige als ſichere Maasregel giebt, uͤber den er daher
nach eigener Willkuͤhr nicht hinaus gehen darf 78).
Weil indeſſen K. Juſtinian79) nur ein ſolches
Kind, ſo nach des Mannes Tode gegen dem Ende des
eilften Monats gebohren worden, fuͤr illegitim erklaͤrt;
ſo
[103]de Statu Hominum.
ſo wird nach der gemeinen Meinung 80) der Rechtsgelehr-
ten angenommen, daß ein im Anfang des eilften Monats
zur Welt gebohrnes Kind noch fuͤr rechtmaͤſig zu halten
ſey; ob es gleich nicht an Rechtsgelehrten fehlt, welche
mit mehrern Grunde behaupten, daß Juſtinian das alte
Recht hierin nicht abgeaͤndert habe 81).
Noch iſt jedoch zu bemerken uͤbrig, daß dasjenige,
ſo wir von dem zur Beurtheilung der rechtmaͤſigen Ge-
burt eines Kindes geſetzlich beſtimmten Zeitpunct geſagt
haben, nur alsdann hauptſaͤchlich ſeine Anwendung fin-
de, wenn hieruͤber ein Streit obwaltet, und die Frage
iſt, was im Zweifel nach rechtlicher Vermuthung an-
zunehmen ſey. Denn erkennt der Ehemann das ihm
von ſeiner rechtmaͤſigen Ehefrau gebohrne Kind fuͤr das
ſeinige, ſo hat es kein Bedenken, daß ein ſolches Kind
fuͤr ehelich und rechtmaͤſig zu achten ſey, es mag zu einer
Zeit in der Ehe gebohren worden ſeyn, zu welcher es wolle 82).
G 4In
[104]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
In ſolchem Fall verordnet Juſtinian83) daß nicht wei-
ter auf die Zeit der Conception, ſondern nur der Geburt
geſehen werden ſolle. Sancimus ſagt er 84), ut non
tempus conceptus, ſed partus inſpiciatur, propter
filiorum utilitatem. Kommt es uͤbrigens auf dem Be-
weiß der rechtmaͤſigen Herkunft eines Kindes an, ſo die-
nen hierzu die ſogenannten Geburtsbriefe, wodurch
die eheliche Geburt eines Menſchen von dem Richter des
Geburtsorts bezeuget wird 85). In Ermangelung der-
ſelben muß der Beweiß darauf gerichtet werden, daß die
Eltern des Kindes in rechtmaͤſiger Ehe gelebt, und das
Kind entweder waͤhrend derſelben gebohren worden, oder
falls es erſt nach aufgehobener Ehe zur Welt gekommen,
daß es binnen derjenigen Zeit gebohren worden ſey, wo
die Geſetze es noch fuͤr ein Kind des verſtorbenen oder
geſchiedenen Ehemanns gehalten wiſſen wollen. Als Be-
weißmittel koͤnnen in einem ſolchen Fall Zeugniſſe aus
den Kirchenbuͤchern, welche, in ſofern ſie von verpflichte-
ten Perſonen in Amts-Sachen ausgeſtellet werden, als
oͤffentliche Zeugniſſe gelten 86); oder auch andere ehrba-
re und glaubwuͤrdige Zeugen, als Wehmuͤtter, Ge-
vat-
[105]de Statu Hominum.
vattern, Nachbaren, welche von der Geburt des Kindes,
von deſſen Rechtmaͤſſigkeit die Frage iſt, genugſame Wiſ-
ſenſchaft haben, auch Domeſtiquen und Anverwandte 87),
gebraucht werden. Es iſt auch ſchon hinreichend, wenn
nur ſoviel dargethan werden kann, daß das Kind von
demjenigen, der fuͤr den rechtmaͤſigen Vater deſſelben aus-
gegeben wird, wie ein eheliches Kind ſey erzogen und ge-
halten worden 88). Denn hieraus entſtehet wenigſtens
eine rechtliche Vermuthung, welche ſo lange gilt, bis
ſie durch Gegenbeweiß entkraͤftet wird 89).
Ad verba: Minime vero nati ex deſponſatis. Noch
iſt die Frage zu eroͤrtern, ob Brautkinder fuͤr le-
gitim und erbfaͤhig zu halten ſind? Hieruͤber
iſt viel geſtritten worden. Man ſetze z. B. daß einer ge-
ſetzmaͤſig verlobten Braut der Braͤutigam vor der Copu-
lation abſtuͤrbe, und ſie ſich von ihm ſchwanger befaͤnde;
iſt das von ihr zur Welt gebrachte Kind fuͤr ehelich, und
folglich fuͤr den rechtmaͤſigen Erben ſeines Vaters zu hal-
ten? Fuͤr die bejahende Meinung ſtimmen die mehreſten
Rechtsgelehrten 90); und es iſt nicht zu laͤugnen, daß
G 5die-
[106]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
dieſelbe wenigſtens von Seiten der Billigkeit alle Empfeh-
lung verdient. Denn warum ſoll dem Kinde dieſer Um-
ſtand, daß die Trauung bey deſſen Eltern durch einen
Zufall unmoͤglich gemacht wurde, zum Nachtheil gerei-
chen? Man wuͤrde ja offenbar Brautkinder denen aus
einem Stuprum erzeugten Kindern gleich ſtellen, dies
aber ſcheint hart, und gegen die Abſicht der Geſetze zu
ſeyn, welche vielmehr den billigen Grund, daß durch den
Beyſchlaf zwiſchen guͤltig verlobten Perſonen der Ehekon-
ſens thaͤtig erklaͤret worden ſey, ſelbſt zu Gunſten ſolcher
Kinder anerkennen 91). Es iſt daher auch dieſe Lehre
durch den Gerichtsgebrauch 92), ja in einigen Landen ſo-
gar durch ausdruͤckliche Geſetze beſtaͤttiget worden 93) Daß
in-
90)
[107]de Statu Hominum.
indeſſen dieſe Meinung auch mit den Grundſaͤtzen einer
aͤchten Rechtstheorie uͤbereinſtimme, moͤchte wohl ſchwer-
lich erwieſen werden koͤnnen. Von dieſer Seite verdient
daher die verneinende Meinung der Rechtsgelehrten 94)
mehreren Beyfall. Denn Verloͤbniß iſt doch noch keine
Ehe, giebt auch kein Recht zum Beyſchlaf, mithin iſt
der von verlobten Perſonen anticipirte Concubitus eine
eben ſo leichtfertige Beywohnung, wie jedes Stuprum.
Rechtmaͤſige eheliche Kinder ſind nur diejenigen, welche
aus rechtmaͤſiger Ehe erzeugt ſind; eine ſolche aber laͤßt
ſich unter Proteſtanten ohne die prieſterliche Trauung,
und unter Catholiken ohne die Erklaͤrung des Ehekonſen-
ſes vor dem competenten Pfarrer und zwey Zeugen nicht
gedenken; ohne dieſe Form iſt nach heutigem Kirchen-
recht keine Ehe von buͤrgerlicher Wirkung, ſie iſt vielmehr
null und nichtig, und kann daher auch keine Rechtmaͤſig-
keit der Geburt den Kindern geben. Der Satz des roͤ-
miſchen Rechts: conſenſus facit nuptias95) findet heutiges
Ta-
[108]1. Buch. 5. Tit. §. 116.
Tages eben ſo wenig, als die Lehre der Decretalen, daß
ein Eheverloͤbniß durch die darauf erfolgte fleiſchliche Ver-
miſchung auch ohne Trauung in eine wahre Ehe verwan-
delt werde 96), ſtatt 97); mithin koͤnnen Stellen des roͤmi-
ſchen und kanoniſchen Rechts, die ſich auf jene Lehren
lediglich beziehen, auf unſere Zeiten nicht mehr angewen-
det werden. Es ſind auch wirklich die fuͤr die gegenſei-
rige Meinung angefuͤhrte Geſetzſtellen dieſer letztern Be-
hauptung gar nicht entgegen, ſie unterſtuͤtzen dieſelben
vielmehr noch buͤndiger. Denn in beyden oben angefuͤhr-
ten Texten ſowohl dem cap. 12. X. Qui filii ſint legitimi
als der L. 22. C. de nupt. liegt der Satz zum Grunde,
daß nur aus guͤltiger Ehe ein rechtmaͤſiges Kind gebohren
werde. Es war in beyden Texten die Frage von der
Rechtmaͤſigkeit der Geburt eines Kindes. Dieſe hing von
der Guͤltigkeit der Ehe ſeiner Eltern ab; und weil dieſel-
be durch Zeugen außer allen Zweifel geſetzt werden konn-
te, ſo wurde fuͤr das Kind erkannt. Hier iſt alſo von
keinen Brautkindern die Rede 98). Aber verdient denn
doch
[109]de Statu Hominum.
doch nicht wenigſtens die ganz unſchuldige Frucht eines
zu fruͤhen Beyſchlafs Mitleiden, und muß nicht die Sa-
che ſchon aus dieſer Urſach zu ihrem Beſten entſchieden
werden? O ja, Mitleiden verdienen allerdings Brautkin-
der; aber iſt denn das auch ein rechtlicher Grund ihnen
was zuzuſprechen, das ihnen von Rechtswegen nicht ge-
buͤhrt?
Ich laſſe es jedoch gelten, wenn in dem Fall, da der
Braͤutigam verurtheilt geweſen, die verlobte und geſchwaͤn-
gerte Braut zu ehelichen, und darauf, ehe ſolches geſche-
hen, verſtorben waͤre, das Kind durch ein rechtliches Er-
kenntniß fuͤr aͤcht und ſucceßionsfaͤhig rechtskraͤftig iſt er-
klaͤret worden 99). Denn ein rechtskraͤftiger Urtheilsſpruch
gilt auch in Sachen, die den Zuſtand der Perſon betref-
fen, fuͤr eine rechtliche Wahrheit 100).
§. 117.
[110]1. Buch. 5. Tit. §. 117.
§. 117.
II) Status ſexus. III) Status integritatis.
Ein anderer natuͤrlicher Zuſtand der Menſchen iſt
der Status ſexus, in Anſehung deſſen dieſelben entweder
maͤnnlichen oder weiblichen Geſchlechts ſind. Ob es
nicht noch eine dritte Menſchengattung gebe, naͤmlich ſol-
che, welche beyderley Geſchlechts zugleich ſind, iſt noch
nicht entſchieden. Man pflegt ſie Zwitter oder Herma-
phroditen zu nennen. Die Geſetze unſerer Pandecten ge-
denken ihrer an verſchiedenen Orten. Sie ſtellen den
Grundſatz feſt, daß man die Hermaphroditen zu demje-
nigen Geſchlechte rechnen muͤſſe, welchem ſie am aͤhnlich-
ſten ſind 1). Sind ſie alſo dem uͤberlegenen Geſchlechte
nach maͤnnlich, ſo werden ſie als Mannsperſonen anzuſe-
hen ſeyn. Waͤren aber die Kennzeichen des weiblichen
Geſchlechts, Geburtstheile, Stimme, Bruͤſte, und uͤbriger
koͤrperlicher Bau, bey ihnen herfuͤrſtechender, ſo wuͤrde
man ſie zu dieſem Geſchlecht rechnen muͤſſen. Nach Maaß-
gabe jenes Grundſatzes entſcheiden nun die Geſetze alle die
ſie betreffende Rechtsfragen, wobey es auf den Unterſchied
des Geſchlechts ankommt. Z. B. ob ein Hermaphrodit
als
[111]de Statu Hominum.
als Teſtaments-Zeuge gebraucht werden koͤnne 2)? Die
neuern Aerzte 3) wollen es jedoch gaͤnzlich laͤugnen, daß
es wahre Zwitter gebe. Die weitere Unterſuchung liegt
auſſer meiner Sphaͤre. Ich kehre alſo zu der obigen
Eintheilung der Menſchen in Manns- und Weibsper-
ſonen4) zuruͤck, und ſetze zufoͤrderſt als allgemeinen
Grundſatz voraus, daß ordentlicher Weiſe
Manns- und Weibsperſonen einerley Rech-
te zu genießen haben, in ſofern nicht die Ge-
ſetze ausdruͤcklich dem einen Geſchlecht vor
dem andern Vorzuͤge zugeſtehen5). Denn be-
ſondere Rechte ſind Ausnahmen, dieſe aber werden be-
kanntlich nicht vermuthet. Hieraus folgt, daß wenn ein
Ge-
[112]1. Buch. 5. Tit. §. 117.
Geſetz uͤberhaupt etwas verordnet, ohne die Weibsperſo-
nen auszunehmen, ſolches auch mit auf dieſelben zu er-
ſtrecken ſey 6). So z. B. kommen die den Erben zu Gun-
ſten verordnete Rechtswohlthaten allerdings den weibli-
chen Erben ſo gut als den maͤnnlichen zu ſtatten. Ja
wenn auch in einem Geſetz nur des maͤnnlichen Geſchlechts
vorzuͤglich waͤre gedacht worden, ſo iſt deswegen das weib-
liche nicht gleich fuͤr ausgeſchloſſen anzuſehen, wenn nicht
das Gegentheil entweder aus dem Geiſt und dem Gegen-
ſtande des Geſetzes, oder aus andern Geſetzen deutlich
erhellet 7). So z. B. hat das zwoͤlftafel Geſetz, welches
dem Paterfamilias das Recht, ein Teſtament zu machen,
giebt, die Materfamilias8) gewiß ſo wenig, als das
weibliche Geſchlecht von der Inteſtat-Erbfolge ausſchlieſ-
ſen wollen 9), wenn gleich die Ausdruͤcke ſuus heres
agnatus proximus vorzuͤglich das maͤnnliche Geſchlecht
andeuten 10). Dahingegen kann unter dem ausdruͤcklich
ge-
[113]de Statu Hominum.
genannten weiblichen Geſchlecht das maͤnnliche nicht be-
griffen werden 11). Pomponius haͤlt es wenigſtens fuͤr
eine Sache von ſchlimmen Folgen 12); und was Ley-
ſer13) dagegen angefuͤhrt hat, kann jenen rechtlichen
Satz nicht umſtoßen 14).
Es iſt nun alſo Ausnahme von der Regel, wenn
die Geſetze in manchen Stuͤcken dem maͤnnlichen Ge-
ſchlecht Vorzuͤge vor dem weiblichen geben, in andern
Faͤllen aber dem weiblichen Geſchlecht wieder Vortheile
zugeſtehen, an welchen das maͤnnliche keinen Antheil
nimmt. Der ſeel. Canzler Boͤhmer15) giebt die Re-
gel, daß in oͤffentlichen und Familien-Sa-
chen das maͤnnliche, in Privat-Sachen hin-
gegen, wo es auch die Schwaͤche des Ge-
ſchlechts ankommt, das weibliche Geſchlecht
mehr Vortheile zu genieſſen habe. So wer-
den Frauensperſonen bekanntermaßen zu Verrichtungen ei-
nes gerichtlichen Anwalds ſo wenig als eines peinlichen
Anklaͤgers zugelaſſen; ſie koͤnnen nicht zu oͤffentlichen
Aem-
10)
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. H
[114]1. Buch. 5. Tit. §. 117.
Aemtern gelangen; werden ferner in allen denienigen Faͤl-
len nicht als Zeuginn zugelaſſen, da die Geſetze der Feyer-
lichkeit des Geſchaͤftswegen mehr als zwey Zeugen erfor-
dern; ſie koͤnnen, auſſer einer Mutter und Großmutter,
nicht zu Vormuͤnderinn unmuͤndiger Kinder beſtellet wer-
den; ſie ſind der Gewalt ihrer Ehemaͤnner unterworfen;
haben an den Rechten der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt
keinen Antheil, in ſofern ſich dieſelbe vorzuͤglich uͤber das
Vermoͤgen der Kinder erſtreckt; eine Mutter kann daher
ihrem unmuͤndigen Kinde nicht pupillariter ſubſtituiren,
das iſt, demſelben auf den Fall, wenn es in der Unmuͤn-
digkeit ſterben wuͤrde, durch Teſtament einen Nacherben
ſetzen; bey der Succeßion in Familien Fideicommiſſe wer-
den ſie von dem Mannsſtamm des Stifters ausgeſchloſ-
ſen, u. d. m. In dieſen Faͤllen hat alſo das maͤnnliche
Geſchlecht vorzuͤglichere Rechte. Allein wenn Frauenzim-
mer eher muͤndig werden als Mannsperſonen, und daher
auch eher heyrathen und teſtiren koͤnnen; wenn ihnen die
Unwiſſenheit der Rechte nicht zugerechnet wird, in ſo-
fern ſie ſolche blos in der Abſicht vorſchuͤtzen, um einen
Schaden oder eine Strafe abzuwenden; wenn ferner die
Geſetze ihnen zur Sicherheit ihres Brautſchatzes ein mit
beſonderem Vorzuge begabtes Unterpfandsrecht in den
Guͤtern ihrer Ehemaͤnner geben; wenn ſie aus ihrer Buͤrg-
ſchaft nicht belangt werden koͤnnen; ſo ſind das Vorthei-
le, die die Geſetze den Frauenzimmern fuͤr den Manns-
perſonen zugeſtehen 16). Nicht unbillig fragt man ie-
doch,
[115]de Statu Hominum.
doch, welches die Quelle dieſer ſo verſchiedenen als beſon-
dern Rechte des ſchoͤnen Geſchlechts ſey 17)? Dieſe Fra-
ge wird von den Rechtslehrern nicht uͤbereinſtimmend be-
antwortet. Leyſer18) ſchreibt den Urſprung der mehre-
ſten weiblichen Rechte der Eiferſucht zu. Quiſtorp19)
hingegen glaubt, daß ſie vielmehr in einer beſondern Zaͤrt-
lichkeit und Hochachtung ihren Grund haͤtten. Allein es
haben ſchon andere 20) richtiger eingeſehen, daß ſich die
vorzuͤglichen Rechte des ſchoͤnen Geſchlechts nicht aus ei-
ner einzigen Quelle herleiten laſſen. Die Geſetzgeber ſelbſt
haben bey Beſtimmung dieſer beſondern weiblichen Rech-
te verſchiedene Gruͤnde ihrer Legislation angegeben. Die
erſte und vorzuͤglichſte Quelle iſt unſtreitig in dem in-
nern Charakter des weiblichen Geſchlechts
zu finden, vermoͤge welchem den Frauensperſonen eine
gewiſſe Schwaͤche des Geſchlechts und Schamhaftigkeit
H 2in
16)
[116]1. Buch. 5. Tit. §. 117.
in vorzuͤglichen Grade zugeſchrieben wird. Dieſe wird
in unſern Geſetzen nicht nur als die Urſach angegeben,
warum Frauenzimmer keine Buͤrgſchaft guͤltig uͤberneh-
men koͤnnen, ſondern warum ſie auch uͤberhaupt von oͤffen-
lichen Aemtern ausgeſchloſſen ſind 21). Unter jener
Schwaͤche des Geſchlechts, oder wie ſich die Geſe-
tze eigentlich ausdruͤcken, ſexus imbecillitas22), infirmi-
tas foeminarum23), iſt jedoch nicht Mangel des Ver-
ſtandes, als welcher ihnen von den Geſetzen keinesweges
abgeſprochen wird 24), auch nicht natuͤrliche Schwach-
heit des Koͤrpers zu verſtehen, ſondern vielmehr a) eine ge-
wiſſe gutmuͤthige Neigung, ſich andern gefaͤllig zu bewei-
ſen, eine den Frauenzimmern natuͤrliche Guͤte des Herzens,
vermoͤge welcher ſie ſich im Vertrauen auf die Redlichkeit
des Schuldners nur gar zu leicht pflegen bewegen zu laſſen,
eine Interceßion zu uͤbernehmen, wobey nur die gute Ab-
ſicht obwaltet, durch ein gegebenes Wort Jemand zu die-
nen, uͤbrigens aber kein wirklicher Schade befuͤrchtet
wird 25). Aus dieſem wahren Grunde will daher
der Vellejaniſche Rathſchluß nur das Frauenzimmer
in den Faͤllen ſchuͤtzen, wo ſie eine fremde Verbind-
lichkeit uͤbernahmen, und ſich aus bloßer Gefaͤlligkeit der
Gefahr unterzogen, etwas zu bezahlen, welches zu ver-
lieren ſie weder die Abſicht, noch anders woher eine Ver-
bind-
[117]de Statu Hominum.
bindlichkeit auf ſich haͤtten 26). b) Heißt auch Schwaͤ-
che des weiblichen Geſchlechts eine von der Er-
ziehung ſowohl als der dieſem Geſchlecht weſentlichen Be-
ſtimmung des Kindergebaͤhrens herruͤhrende Unfaͤhigkeit,
maͤnnliche Arbeiten, welche eine ausdauernde Anſtren-
gung des Koͤrpers, und oͤffentliche Aemter, welche Ein-
ſichten und Gelehrſamkeit erfordern, zu verſehen 27). Ich
erwaͤhnte oben der dem weiblichen Charakter eigenen
Schamhaftigkeit. Dieſe fuͤhren die Geſetze ſelbſt
an mehr als einem Orte als eine Quelle weiblicher Rech-
te an. Z. B. wenn der Praͤtor in ſeinem Edict den
Frauensperſonen vor Gericht als Fuͤrſprecherin zu er-
ſcheinen verbietet, ſo wird zum Grunde dieſes Verbots
angegeben, ne, contra pudicitiam ſexui congruentem, alie-
nis cauſis ſe immiſceant28). Eben dieſen Grund der
Keuſchheit fuͤhrt auch Juſtinian29) an, wenn er ver-
ordnet, daß keine Weibsperſon zur gefaͤnglichen Haft
gebracht, ſondern ſelbige auch in den groͤbſten Verbrechen
entweder nur in ein Kloſter geſteckt, oder anderer Wei-
H 3ber
[118]1. Buch. 5. Tit. §. 117.
ber Aufſicht uͤbergeben werden ſolle; naͤmlich ut non per
huiusmodi occaſiones inveniantur circa caſtitatem in-
iuriatae; obgleich dieſes heutiges Tages bey uns nicht
mehr im Gebrauch iſt 30).
Eine andere entferntere Quelle des beſondern weibli-
chen Rechts war, daß Weibsperſonen ehemals bey den
Roͤmern auf den Verſammlungen des Volcks nicht er-
ſcheinen durften, woraus theils eine dem ſchoͤnen Ge-
ſchlecht unſchaͤdliche Unwiſſenheit der Geſetze 31), theils
die Unfaͤhigkeit derſelben, bey einer feyerlichen Handlung
als Zeuginn gegenwaͤrtig zu ſeyn 32), herfließt.
Eine weitere Hauptquelle beſonderer weiblicher Rech-
te iſt die geſetzliche Oberherrſchaft des Ehe-
manns uͤber die Frau, und die uͤberhaupt durch die
Ehe entſtehende genaueſte und innigſte Vereinigung zwi-
ſchen Eheleuten. Denn ſo wie deshalb zwar die Frau
an der Wuͤrde und dem Stande des Mannes Antheil
nimmt, deſſen Namen fuͤhrt, und den naͤmlichen Ge-
richtsſtand hat; ſo entſtehen daraus auch wieder auf der
andern Seite manche unangenehme Folgen. Denn da
die Frau ſelbſt der Gewalt des Mannes unterworffen iſt 33),
ſo
[119]de Statu Hominum.
ſo kann ſie keine ſolche Gewalt uͤber ihre Kinder haben,
dergleichen die Geſetze nur dem Vater geben. Eine wich-
tige Folge davon iſt, daß Frauensperſonen keine ſuos
heredes haben koͤnnen 34), quia foeminae in poteſtate li-
beros non habent, wie Juſtinian35) ſagt. Da ferner die
Ehefrau durch ihre Verheyrathung den Namen ihrer
Familie, mit dem Namen, Stand und Wuͤrde ihres
Mannes vertauſcht, und die Kinder, welche die Haus-
mutter waͤhrend der Ehe zur Welt bringt, nicht zu ihrer,
ſondern allemal zur Familie des Vaters gerechnet wer-
den 36), ſo erhaͤllt hieraus der Ausſpruch Ulpians37)
ſein Licht, mulier familiae ſuae finis eſt; und eben dies
iſt auch der Grund, warum Frauensperſonen in Fami-
lien Fideicommiſſe und ſolche Guͤter, welche nach der
Abſicht des Erwerbers bey ſeiner Familie, das heißt, ſei-
nen maͤnnlichen Nachkommen unverſehrt verbleiben ſol-
len, ſo lang ein maͤnnlicher Succeſſor vorhanden iſt, weder
ſuccediren, noch ſolche Guͤter, wenn ſie auſſer der Fami-
H 4lie
[120]1. Buch. 5. Tit. §. 117.
lie veraͤuſſert worden ſind, retrahiren koͤnnen. Denn
durch ſie wird die Familie nicht erhalten.
Daß uͤbrigens manche weibliche Gerechtſame nur
Billigkeit zum Grunde haben, beweiſen die Worte
des K. Juſtinian38): Quis mulierum non miſereatur prop-
ter obſequia, quae maritis praeſtant, propter partus pericu-
lum et ipſam liberorum procreationem, pro quibus multa in
legibus noſtris inventa ſunt privilegia; ich will auch nicht
gerade laͤugnen, daß Zaͤrtlichkeit und Eiferſucht, vielleicht
auch Juſtinians Gemahlin die Theodora an einigen Vor-
zuͤgen und Rechten des ſchoͤnen Geſchlechts Antheil ha-
ben koͤnne 39).
Ein dritter natuͤrlicher Zuſtand iſt der Status inte-
gritatis, in Anſehung deſſen die Menſchen in vollkom-
mene, und unvollkommene Menſchen eingetheilt
werden 40). Erſtere ſind entweder vollkommen in Anſe-
hung der Eigenſchaften des Koͤrpers, oder in Anſehung
der Eigenſchaften der Seele; im erſtern Fall werden ſie
geſunde und tuͤchtige Leute, in zweyten Fall aber
vernuͤnftige genennt, worunter alſo diejenigen ver-
ſtanden werden, welche den voͤlligen Gebrauch des Ver-
ſtandes und der Vernunft haben. Die Geſetze 41) nen-
nen dieſen Zuſtand integritas mentis, den erſtern aber cor-
poris ſanitas. Unvollkommene Menſchen ſind ſolche, ent-
weder in Anſehung des Koͤrpers oder in Anſehung der
Seele. Im erſten Fall ſind ſolche Menſchen entweder
mit
[121]de Statu Hominum.
mit einem beſtaͤndigen und unheilbaren Mangel behaftet,
oder ſie laboriren nur an einem zeitigen Mangel der
Geſundheit. Im erſten Fall werden ſie fehlerhafte,
oder gebrechliche Perſonen, untuͤchtige Leute;
(vitioſi) z. B. Kruͤppel, Taube, Stumme, Blinde u. d.
im andern Fall aber Kranke42) genennt. Unvollkom-
mene in Anſehung der Seele, welche den voͤlligen Ge-
brauch des Verſtandes und der Vernunft nicht haben,
werden dementes43) im weitlaͤuftigen Sinn genennt, und
ſind wieder ſehr verſchiedener Art. Denn der Mangel
der geſunden Vernunft, und die Verwirrung der Seelen-
kraͤfte hat verſchiedene Grade, und es iſt ſchwer, einen
richtigen Maaßſtab zu finden, um die Grade des Verſtan-
des und deſſen Mangel, auch die Verdunkelung und Ver-
wirrung deſſelben deutlich zu beſtimmen. Man pflegt ſie
gemeiniglich in ſolche, die der Vernunft voͤllig beraubt
ſind, und ſolche, die zwar Vernunft, aber nur im gerin-
gen Grade haben, einzutheilen. Erſtere werden Sinn-
loſe, oder Wahnſinnige, mente capti44), inſani45),
H 5fa-
[122]1. Buch. 5. Tit. §. 117.
fatui46) genennt; und dieſe theilt man in furioſos, Tol-
le, Raſende, und dementes im eigentlichen Verſtande,
Alberne, Wahnwitzige ein; die letzteren unterſchei-
den ſich jedoch von den erſtern nur durch ein ruhigeres
Verhalten 47). Menſchen die nur einen geringen Ge-
brauch ihres Verſtandes und der Vernunft haben, wer-
den in Einfaͤltige, und kindiſche Perſonen ein-
getheilt. Erſtere haben zwar Vernunft und Beurthei-
lungskraft, allein nur im geringern Grade, als andere
Menſchen, inzwiſchen haben ſie Begriffe von Gegenſtaͤn-
den, die in die Sinne fallen, haben auch Begriffe vom
Guten und Boͤſen, und laſſen ſich durch Strafen in Zaum
halten, obwohl ſie ſelten Kennzeichen eines geuͤbten Ver-
ſtandes und einer reifen Beurtheilungskraft zu erkennen
geben. Kindiſche Perſonen hingegen haben nicht
mehr Verſtand als Kinder, und unterſcheiden ſich von
dieſen nur durch das Alter und den Gebrauch der Spra-
che, haben im uͤbrigen eine ſchwache Beurtheilungskraft
ſo daß ſie ſelten ihre Handlungen auf die gehoͤrige Art
und Weiſe verrichten, oder vernuͤnftig handeln, deſto haͤu-
figer und gewoͤhnlicher aber ſich unordentlich und ver-
kehrt in ihren Handlungen beweiſen. Solche Perſonen
werden daher mit den ſinnloſen in eine Claſſe geſetzt.
Unter dieſen Menſchen, die wir jetzt in Anſehung des
Status integritatis in vollkommene und unvoll-
kom-
[123]de Statu Hominum.
kommene eingetheilt haben, findet nun eine große Ver-
ſchiedenheit der Rechte ſtatt.
I) Kranke48) ſind entſchuldiget, wenn ſie eine
Vormundſchaft uͤbernehmen ſollen, auch wenn ſie einen ge-
richtlichen Termin verſaͤumen; ſie bekommen auf ihr Ge-
ſuch einen Curator; ſie duͤrfen ferner nicht gefoltert wer-
den, in ſofern ſie durch den Gebrauch der Tortur un-
vermeidlichen Lebensgefahren ausgeſetzt ſeyn wuͤrden.
Sind ſolche Perſonen mit anhaltenden ſchweren Krank-
heiten behaftet, ſo werden ſie zu den mitleidswuͤrdi-
gen Perſonen gerechnet, die einen befreyeten Gerichts-
ſtand zu genießen haben 49).
II) Kruͤppel und gebrechliche Perſonen ha-
ben ebenfalls in vielen Stuͤcken andere Rechte als ſolche
Menſchen, die einen vollkommenen und wohlgebildeten
Koͤrper haben 50). Denn erſtere ſind z. B. von der Lehns-
folge ausgeſchloſſen 51); koͤnnen zum geiſtlichen Stand
nicht ordinirt werden 52), u. d. m. Auch haben Tau-
be und Stumme, desgleichen Blinde bey Teſtamen-
ten, Contracten, und in andern Faͤllen, z. B. wenn es
auf Glaubwuͤrdigkeit und Tuͤchtigkeit zum Zeugnißable-
gen,
[124]1. Buch. 5. Tit. §. 117.
gen, oder auf Faͤhigkeit zum Amt eines Fuͤrſprechers vor
Gericht u. d. ankommt, manche beſondere Rechte, wo-
von wir zu ſeiner Zeit handeln werden 53).
III) Raſende, wahnwitzige und kindiſche
Perſonen koͤnnen keine rechtliche Geſchaͤfte und buͤr-
gerliche Handlungen guͤltig unternehmen, wozu der Ge-
brauch des Verſtandes erfordert wird, es waͤre denn, daß
ſolches zur Zeit eines vernuͤnftigen Zwiſchenraums (dilu-
cidi intervalli) geſchehe, doch muß dieſer Zwiſchenraum
ſo lange anhalten, bis die ganze Handlung vollendet iſt,
und vollſtaͤndig erprobet ſeyn 54). Nur zu einer ſolchen
Zeit, ſonſt nicht, koͤnnen ſie Vertraͤge ſchlieſſen, Teſta-
mente machen u. d. m. Zu oͤffentlichen Aemtern ſind
ſie jedoch ſchlechterdings untuͤchtig, ob ſie gleich vernuͤnf-
tige Zwiſchenraͤume haben. Solche Perſonen koͤnnen auch
keine Rechte erwerben, wobey es auf eigene Willenserklaͤ-
rung ankommt, z. B. keine Erbſchaft acquiriren, in ſo-
fern eine Antretung hierzu erforderlich iſt 55). Sie be-
kommen ferner einen Vormund; u. d. m. Einfaͤlti-
ge Perſonen hingegen koͤnnen zwar rechtliche Hand-
lungen guͤltig vornehmen, wobey es eben nicht auf hellen
Verſtand ankommt, z. B. einen Contract ſchließen, ein
Te-
[125]de Statu Hominum.
Teſtament errichten, doch iſt man geneigter die Einrede
des Betrugs und der liſtigen Ueberredung gegen ihre Ge-
ſchaͤfte gelten zu laſſen, als bey vollkommen vernuͤnftigen
Perſonen. Curatoren duͤrfen ihnen auch nur in dem
Fall beſtellet werden, wenn die Schwachheit des Verſtan-
des zu einer ſolchen Stufe der Bloͤdigkeit geſtiegen, daß
ſie die Verwaltung des eigenthuͤmlichen Vermoͤgens be-
hindert, ſonſt nicht 56). Vorzuͤglich wichtig iſt jedoch
der Unterſchied zwiſchen voͤllig wahnſinnigen, einfaͤltigen
und kindiſchen Leuten in peinlichen Faͤllen, wenn von Zu-
rechnung und Beſtrafung begangener Verbrechen die Re-
de iſt; die Ausfuͤhrung dieſes Puncts gehoͤrt aber nicht
hierher 57).
Zum Beſchluß dieſer Materie muß ich noch folgen-
de Anmerkungen hinzufuͤgen.
a) Im Zweifel vermuthet man von einem jeden, daß
er den voͤlligen Gebrauch des Verſtandes und der Ver-
nunft habe, bis das Gegentheil erwieſen iſt 58). Unſinn
und Wahnwitzigkeit wird daher nie praͤſumirt, ſondern
muß von dem erwieſen werden, der aus dieſem Grunde
auf
[126]1. Buch. 5. Tit. §. 117.
auf die Zernichtung eines rechtlichen Geſchaͤfts dringt 59).
Ob nun gleich die Albernheit aus den Handlungen und
aͤuſſerlichen Kennzeichen beurtheilt werden muß, ſo geben
jedoch alberne Verordnungen eines Teſtierers nicht immer
einen zureichenden Beweiß einer vermuthlichen Wahnſin-
nigkeit deſſelben, indem vielmehr unſere Geſetze zu Gun-
ſten der letzten Willensverordnungen ſolche vielfaͤltig fuͤr
nicht geſchrieben gehalten wiſſen wollen, um das Teſta-
ment bey Kraͤften zu erhalten 60).
b) Iſt es jedoch einmal entſchieden, daß ein Menſch
wirklich verruͤckt ſey, ſo vermuthet man, daß er es im-
mer ſey, bis erwieſen worden, daß er Zwiſchenraͤume
habe, wo er, von der Wahnwitzigkeit befreyt, ſeines
Verſtandes wieder maͤchtig iſt 61). Hierzu iſt das Zeug-
niß des Richters oder Notarius hinreichend, wenn das
Geſchaͤft des Bloͤdſinnigen, von deſſen Guͤltigkeit die
Frage iſt, zur Zeit eines ſolchen vernuͤnftigen Zwiſchen-
raums vor ſelbigen vollzogen worden iſt. Sonſt aber wird
das Zeugniß und Gutachten eines Arztes erfordert. Die-
ſes muß jedoch umſtaͤndlich die koͤrperliche Beſchaffenheit,
die Reden oder Handlungen enthalten, woraus der geſun-
de Verſtand geſchloſſen werden ſoll 62). Ein Beweiß,
der
[127]de Statu Hominum.
der ſich blos auf die Meinung gemeiner Zeugen gruͤndet,
iſt mißlich 63).
c) Es giebt Perſonen, welche in unſerm Rechte den
Verruͤckten gleich geachtet werden. Dahin gehoͤren die-
jenigen, welche fuͤr Verſchwender gerichtlich erklaͤrt
worden ſind 64). Dieſe Vergleichung gilt jedoch nur
in Abſicht der Verwaltung der Guͤter, nicht aber in Ab-
ſicht begangener Verbrechen 65). Endlich
d) zufaͤlliger Verluſt des Verſtandes beraubt nie-
manden ſeines Standes oder Wuͤrde, ſo wenig als der
Rechte an ſeinem ſonſtigen Vermoͤgen 66). Es werden
auch die von voͤllig vernuͤnftigen Perſonen guͤltig einge-
gangene Rechtshandlungen dadurch nicht unguͤltig, daß
ſie in der Folge ihren Verſtand verlohren haben 67).
Die Lehre von dem Unterſchied der Perſonen in Ab-
ſicht des Alters, welche der Ordnung nach eigentlich jetzt
abgehandelt werden ſollte, traͤgt unſer Verfaſſer erſt
im folgenden Titel vor.
§. 118.
[128]1. Buch. 5. Tit. §. 118.
§. 118.
Status civilis der Roͤmer. I. Status libertatis.
Der buͤrgerliche Zuſtand im Sinn des roͤmiſchen Ci-
vilrechts iſt nun dreyfach, entweder Zuſtand der Frey-
heit, (ſtatus libertatis) oder des Buͤrgerrechts, (civi-
tatis) oder der Familie (familiae). Von einem jeden
derſelben muß jetzt beſonders gehandelt werden. Zuerſt
alſo vom Zuſtande der Freyheit. In Abſicht auf die-
ſen ſind die Menſchen entweder freye, oder Sclaven.
(Servi) Letztere werden dlejenigen genennt, die ſich mit
Recht in dem Eigenthum und der Gewalt eines Herrn
befinden. Ich ſage mit Recht, denn wer mit Unrecht
in die Sclaverey gerathen, und darin gehalten wird, be-
findet ſich zwar in ſervitute, allein er iſt kein Servus68).
Was iſt nun aber Servitus? Juſtinian ſagt 69): ſer-
vituseſt conſtitutio iuris gentium, qua quis dominio alieno
contra naturam ſubiicitur. Conſtitutio iuris gentium
heißt hier, die Sclaverey iſt eine Anſtalt, die ſich bey
allen geſitteten Voͤlkern findet. Eben ſo erklaͤrt es auch
Cajus70). Contra naturam aber heißt nicht, ſie ſtrei-
tet gegen das Naturrecht, ſondern ſie iſt keine natuͤrliche,
ſondern blos zufaͤllige Qualitaͤt des Menſchen 71). Denn
von
67)
[129]de Statu Hominum.
von Natur ſind alle Menſchen freygebohren, wie Ju-
ſtinian an einem andern Orte ſeiner Inſtitutio-
nen72) ſagt. Sclaverey iſt alſo der zufaͤllige, bey
allen geſitteten Nationen bekannte, Zuſtand eines Men-
ſchen, daß er ſich in dem Eigenthum und der Gewalt ei-
nes Herrn befindet. Das Recht aber, uͤber einen Men-
ſchen und deſſen Kraͤfte, als uͤber ſeine eigenthuͤmliche
Sache zu ſeinem Nutzen nach Gefallen zu disponiren,
heißt dominica poteſtas. Der Sclaverey wird die Freyheit
entgegen geſetzt. Dieſe libertas, von welcher der
Name liber homo abſtammt, iſt aber, wie Juſtinian
ſagt 73)naturalis facultas eius, quod cuique facere libet,
niſi ſi quid vi aut iure prohibetur.Freye Menſchen
werden alſo diejenigen genennt, welche weder der Herr-
ſchaft noch dem Eigenthum eines andern rechtmaͤßig un-
terworfen ſind. Solche ſind nun entweder freygebohrne
oder freygelaſſene. Im folgenden §. wird die Lehre von
der roͤmiſchen Sclaverey weiter auseinander ge-
ſetzt.
§. 119.
Zuſtand der roͤmiſchen Sclaverey.
Bey allen Veraͤnderungen, die den Zuſtand der roͤ-
miſchen Sclaverey von Zeit zu Zeit betroffen haben, bey
allen Einſchraͤnkungen, die die neuere roͤmiſche Rechts-
gelehr-
71)
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. J
[130]1. Buch. 5. Tit. §. 119.
gelehrſamkeit der herrſchaftlichen Gewalt geſetzt hat 74),
iſt es doch immer Grundſatz des roͤmiſchen Rechts geblie-
ben, daß Sclaven zwar Menſchen, aber keine Per-
ſonen im Staate ſind 75). Als Menſchen betrachtet,
ließ man ihnen daher diejenigen Rechte angedeyen, die
nach dem Naturrecht unter Menſchen ſtatt finden 76).
So war es z. B. nicht erlaubt, einen fremden Sclaven
ohne rechtmaͤſige Urſach zu toͤdten. Hatte ihn Jemand
getoͤder, und es war aus Fahrlaͤßigkeit, oder aus einem
groben Verſehen geſchehen, ſo verfiel der Thaͤter in die
Strafe des Aquiliſchen Geſetzes 77); hatte er ihn aber
aus Vorſatz umgebracht, ſo wurde der Moͤrder eben ſo
nach dem Corneliſchen Geſetz vom Todtſchlag gerichtet,
als wenn er eine freye Perſon getoͤdtet haͤtte 78). So
beſtrafte ferner der Praͤtor die einem fremden Sclaven
zugefuͤgte Iniurie 79). Bey den Sclaven-Ehen kam
nicht
[131]de Statu Hominum.
nicht minder, wie bey Buͤrger-Ehen, Blutsfreundſchaft
und Schwaͤgerſchaft in Betracht 80). Auch das Zeug-
niß eines Sclaven war zulaͤßig, wenn es an andern Be-
weißmitteln mangelte 81), nur daß die Tortur bey
Sclavenzeugniſſen die Stelle des Eides vertreten muß-
te 82). Indeß konnte man doch dem Sclaven den
Eid deferiren, und ſchwur derſelbe, daß ſein Herr
nichts ſchuldig ſey, ſo konnte ſich hernach der Herr mit
der Einrede des Eides ſchuͤtzen 83). Sclaven wurden
auch aus ihren Vergehungen obligirt 84), ja ſie wurden
ſogar, wenn gleich nur naturaliter, d. i. nach dem Na-
turrecht, verpflichtet, wenn ſie einen Contract mit Je-
mand geſchloßen 85). Daher konnten ſich nicht nur an-
dere vor eine ſolche Schuld guͤltig verbuͤrgen 86), ſondern
hatte auch jemand vor den Sclaven bezahlt, oder hatte
der Sclave nach der Manumißion ſelbſt bezahlt, was er
ſchuldig war, ſo hatte keine Zuruͤckforderung ſtatt 87).
Nur keine buͤrgerlichen Rechte geſtattete man den
Sclaven im Staate. Quod attinet ad ius civile, ſagt
J 2Ulpi-
[132]1. Buch. 5. Tit. §. 119.
Ulpian88), ſervi pro nullis habentur. Sie konnten da-
her keine oͤffentlichen Aemter bekleiden 89), aus ihren Con-
tracten hatte keine buͤrgerliche Klage ſtatt, weder ſie ſelbſt
konnten klagen, noch von andern vor Gericht belangt werden.
Kurz, in Abſicht auf den Staat waren ſie keine Perſonen,
weil ſie kein buͤrgerliches Leben (caput) hatten, welches die
Roͤmer in dem Genuß der Rechte der Freyheit, der Buͤr-
gerrechte, und der Familienrechte ſetzten. Sie waren al-
ſo gleichſam buͤrgerlich tod 90). Man betrachtete ſie in
dieſer Ruͤckſicht nur als Sachen, die zum Nutzen und
Gebrauch der Menſchen waͤren. Der Sclave hatte daher
kein Eigenthum, ſetzte ihn jemand zum Erben ein, ſo
gehoͤrte die Erbſchaft dem Herrn. Er hatte eben deswe-
gen auch kein ius teſtamentifactionis, war im Commerz,
ſein Herr konnte ihn verkaufen, einem andern in Teſta-
ment vermachen, verſchenken, verpfaͤnden u. d. 91). Je-
doch darf der Unterſchied zwiſchen oͤffentlichen Scla-
ven (Servi publici populi Romani) die zum Eigen-
thum des geſammten Staats gehoͤrten, und privat
Sclaven nicht aus der Acht gelaſſen werden 92). Oef-
fent-
[133]de Statu Hominum.
fentliche Knechte des roͤmiſchen Staats konnten ein eige-
nes Vermoͤgen erwerben, und waren Teſtamentsfaͤhig;
ſie konnten wenigſtens uͤberdie Haͤlfte desjenigen, ſo ſie be-
ſaßen, einen letzten Willen errichten 93). Allein dieſes
fiel bey privat Sclaven weg. Nach dem aͤltern roͤmiſchen
Rechte hatte der Herr ſogar das Recht uͤber Leben und
Tod des Sclaven 94); allein der Mißbrauch grauſamer
Herren verurſachte, daß man es unter den Kaiſern ab-
ſchafte. Lex Petronia vom Jahr der Erb. Roms 737.
fuͤr deren Urheber man den Tribun L.petronius haͤlt 95),
verbot zuerſt, ſeine Sclaven nach eigenem Gefallen zum
Thiergefechte zu beſtimmen 96). Zadrian unterſagte
hierauf den Herren die Toͤdtung ihrer Sclaven gaͤnzlich;
haͤtte ein Sclave das Leben verwuͤrkt, ſo ſollte ihm der
Richter das Todes-Urtheil ſprechen 97). Antonin der
Fromme verordnete auch, daß ein Herr, der ohne Urſach
ſeinen Sclaven umgebracht, eben ſo beſtraft werden ſollte,
als wenn jemand einen fremden Sclaven getoͤdet haͤtte.
Nicht weniger ſollte ein Herr, der ſeinen Sclaven koͤrper-
lich mißhandelt, gezwungen werden ihn zu verkaufen 98).
Dahingegen waren aber auch Sclaven verbunden, ſelbſt
mit Aufopferung ihres eigenen Lebens, den Herrn zu ver-
theidigen 99). Sclaven, welche davon liefen, wenn ihr
J 3Herr
[134]1. Buch. 5. Tit. §. 119.
Herr angefallen wurde, da ſie ihn haͤtten helfen koͤnnen,
wurden am Leben geſtraft 100).
Man wurde uͤbrigens Sclave durch die Geburt von
einer ſclaviſchen Mutter, durch Gefangenſchaft im Krie-
ge, oder zur Strafe 1). Dahin gehoͤrte, wenn ein freyer
Menſch, uͤber zwanzig Jahre alt, ſich hatte als Sclaven
verkaufen laſſen, um den Kaͤufer zu betruͤgen 2), — wenn
eine freye Weibsperſon nicht von einem fremden Scla-
ven ablaſſen wollte, nachdem ihr der Herr dieſes Scla-
vens dreymal dieſen Umgang unterſagt hatte, vermoͤge ei-
nes gewiſſen Claudianiſchen Rathſchluſſes 3), welches je-
doch Juſtinian wieder aufhob 4); — wenn ein Freyge-
laſſener ſich undankbar gegen ſeinen Patron betrug 5), —
wenn ein roͤmiſcher Buͤrger eines peinlichen Verbrechens
wegen am Leben geſtraft werden ſollte. Im letztern Fal-
le mußte man den Delinquenten zuvor fuͤr einen Scla-
ven
[135]de Statu Hominum.
ven erklaͤren, und dieſe Art der Sclaverey hieß Servitus
poenae6). Eine Folge derſelben war die Confiscation der
Guͤter. Juſtinian hat ſie jedoch voͤllig aufgehoben 7).
Die Lehre von der Freylaſſung der Sclaven, folgt
erſt in 40. Buch der Pandecten nach.
§. 120.
Zuſtand der teutſchen Leibeigenſchaft.
Auch in unſern Teutſchland iſt die Eintheilung der
Menſchen in freye, liberos, und unfreye, ſervos, ſchon
von den aͤlteſten Zeiten her uͤblich geweſen 8). Zu den
letztern zaͤhlte man vorzuͤglich die Leibeigenen. Der Ur-
ſprung derſelben iſt nicht von den ehemaligen roͤmiſchen
Sclaven herzuleiten 9). Denn ſchon tacitus10) lehrt
uns einen zweyfachen Unterſchied der alten roͤmiſchen und
teutſchen Knechte. Erſtens; die alten teutſchen Knechte
J 4wur-
[136]1. Buch. 5. Tit. §. 120.
wurden nicht ſo, wie bey den Roͤmern, zu gewiſſen be-
ſtimmten haͤuslichen Geſchaͤften gebraucht, ſondern ein
jeder hatte ſeine eigene Wohnung, und ſtand nur ſeinem
Hausweſen vor. Zweytens; dem Leibherrn mußten ſie
von den ihnen anvertraueten Aeckern und Grundſtuͤcken
gewiſſe beſtimmte Abgaben an Getraide oder Vieh ent-
richten, das uͤbrige aber, und was ſie ſonſt durch ihren
Fleiß erwarben, war ihr Eigenthum. Roͤmiſche Scla-
ven hingegen hatten kein Eigenthum. Darinn haben
jedoch die Leibeignen der Teutſchen mit den Sclaven
der Roͤmer eine Aehnlichkeit, daß ſie fuͤr ihre Perſon im
Eigenthum ihres Herrn ſich befinden, und daher von dem-
ſelben veraͤuſſert werden koͤnnen, und zwar an einigen
Orten nur mit den Hoͤfen, worauf ſie geſetzt ſind, an
andern aber auch ohne das Gut. Sie muͤſſen ferner
fuͤr ihre Perſon dem Leibherrn gewiſſe Dienſte und Zin-
ſen leiſten. Uebigens iſt ihr Zuſtand nach der Verſchie-
denheit der Provinzen und Orte in Teutſchland ſehr ver-
ſchieden; in einigen haͤrter, in andern aber ertraͤglicher.
Da dieſe Materie eigentlich in das teutſche Recht gehoͤrt,
ſo will ich nur einige wenige Grundſaͤtze hiervon vortra-
gen, die als ganz allgemeine Wahrheiten gelten koͤn-
nen 11). Dahin gehoͤrt
I) daß
[137]de Statu Hominum.
I) daß ein Leibeigener ſeinen Hof, wo-
rauf er geſetzt iſt, nur ſo lange, als es dem
Gutsherrn gefaͤllig iſt, beſitze, und er, wenn
dieſer ihm den Hof wieder abzunehmen, und
ihn auf einen andern zu ſetzen, oder wohl
gar zu andern Geſchaͤften zu beſtimmen, vor
gut findet, hierunter ohne Wiederrede ge-
horſamen muͤſſe. Denn Leibeigene ſind bloße Wir-
the der ihnen eingeraͤumten Hoͤfe, das Eigenthum gehoͤrt
der Gutsherrſchaft. Dieſe muß alſo auch berechtiget ſeyn,
ihnen den Hof nach ihrem Gefallen aufzuſagen. Der
Leibeigne aber iſt verbunden, dasjenige Fach, wozu
ihn der Gutsherr beſtimmt hat, ſchlechterdings zu uͤber-
nehmen.
II) Leibeigene ſind nicht befugt, den ein-
mal in Beſitz habenden Hof dem Herrn wi-
der deſſen Willen aufzuſagen, ſondern muͤſ-
ſen in dem ſelben ſo lange, als es der Herr
verlangt, verbleiben. Dies ſetzt jedoch voraus,
daß das Gut von ſolcher Beſchaffenheit ſey, daß der Be-
ſitzer deſſelben darauf, wo nicht einen reichlichen, doch
wenigſtens nothduͤrftigen Unterhalt, vor ſich und die Sei-
nigen finde. Fluͤchtlinge kann der Herr, wo er ſie fin-
det, reclamiren, welches Recht das Beſatzungsrecht,
oder die Abforderung und Abfolgung der Leibeignen ge-
nennt wird 12).
J 5III)
[138]1. Buch. 5. Tit. §. 120.
III) Auch die Kinder der Leibeigenen
duͤrfen ohne ausdruͤckliche Einwilligung
der Herrſchaft, keine andere Lebensart,
als diejenige, worinn ſie gebohren wer-
den, erwaͤhlen, und koͤnnen ſich daher unter
dieſem Vorwande der Unterthaͤnigkeit
nicht entziehen. Haben ſie ſich wider der Herr-
ſchaft Willen zu einer Profeßion begeben, ſo hat es kei-
nen Zweifel, daß ſie als Fluͤchtlinge abgefordert werden
koͤnnen. Haͤtte ſich aber ein Unterthan ohne ausdruͤckli-
che Einwilligung des Gutsherrn dem Studiren gewidmet,
ſo kann zwar derſelbe, wenn er die Studien bereits ab-
ſolviret haben ſollte, wegen des Vorrechts der hoͤhern
Wiſſenſchaften, davon nicht zuruͤckgenommen werden; in-
zwiſchen liegt ihm doch allerdings ob, dem Herrn, wenn
ſolcher nach der Strenge mit ihm verfahren will, vor
ſeine Freylaſſung ein billiges Loßgeld zu erlegen. Denn
daß der Leibeigne auch hierdurch das dem Leibherrn auf
ſeine Perſon zuſtehende unwiderſprechliche Eigenthums-
recht wider deſſelben Willen nicht benehmen koͤnne, wird
mir jeder zugeben.
IV) Kein Leibeigener Unterthan, er ſey
maͤnnlichen oder weiblichen Geſchlechts
darf ſich ohne Vorbewußt und Einwilli-
gung der Gutsherrſchaft verheyrathen.
Fuͤr dieſen Conſeus muß er ein Stuͤck Geld bezahlen,
welches Bedemund, Frauenzins, Klauenthaler,ma-
ritagium, marchetta13), genennt wird. Solche Ehen ha-
ben die Wirkungen rechtmaͤſiger Ehen, und geben dem
leib-
[139]de Statu Hominum.
leibeigenen Ehemann die Rechte der vaͤterlichen Gewalt
uͤber ſeine Kinder. Jedoch darf er die Kinder wider des
Gutsherrn Willen nicht zu einer Lebensart beſtimmen und
erziehen, wodurch dem Herrn an ſeinen Rechten geſcha-
det wird. Es ſind auch die Eltern diejenigen Kinder,
deren ſie nicht ſelbſt zu ihren eigenen Dienſten beduͤrfen,
der Herrſchaft auf derſelben Verlangen vorzuͤglich in
Dienſt zu geben gehalten.
V) Leibeigene koͤnnen zu Erfuͤllung ih-
rer Schuldigkeit, welche in Verrichtung
der Leibdienſte, und Entrichtung des Leib-
zinſes beſtehen, durch angemeſſene Zuͤchti-
gungen genoͤthiget werden, welches man den
Dienſtzwang nennt. Eine wahre buͤrgerliche oder Cri-
minalgerichtsbarkeit ſtehet jedoch deshalb der Herrſchaft
uͤber ihre Leibeigene nicht zu, in ſofern ſie ihr nicht be-
ſonders verliehen worden iſt. Uebrigens haben die Leib-
eigne im Zweifel ungemeſſene Dienſte zu lei-
ſten 14). Jedoch koͤnnen allerdings Einſchraͤnkungen ſtatt
finden. Haͤufig ſind die Leibdienſte durch ausdruͤckliche
Geſetze, oder durch Gewohnheitsrechte, oder durch Ver-
traͤge beſtimmt.
VI) Aus der Verlaſſenſchaft des ver-
ſtorbenen Leibeigenen gebuͤhrt dem Leib-
herrn dasmortuarium, welches man im Teutſchen das
Hauptrecht, Trauerrecht, Weidmal, Erbrecht, die
todte Hand, Baulebung, den Sterbe-Fall u. ſ. f.
nennt
[140]1. Buch. 5. Tit. §. 120.
nennt 15). Was und wie viel aber der Herr bekommt,
iſt nicht uͤberall gleich. An einigen Orten beſtehet dieſer
Todtenzoll in der Haͤlfte, dem dritten oder vierten Theil
der Erbſchaft. An andern Orten hat der Herr das Recht,
eine einzelne Sache, und zwar die beſte von der Art, aus
dem Nachlaß des Leibeignen zu verlangen; an ſolchen
Orten wird alsdann dieſe Abgabe Budtheil oder Beſt-
theil, und wenn die einzelne Sache entweder das beſte
Pferd, der beſte Ochſe, oder unter dem ſonſt vorhande-
nen vierfuͤßigen Vieh das beſte Stuͤck iſt, Beſthaupt,
wenn ſie aber das beſte Kleid iſt, Gewandfall genennt.
Soviel uͤbrigens die gewoͤhnlichſten Entſtehungs-
arten der Leibeigenſchaft anbetrift, ſo ſind deren vor-
zuͤglich drey, Heyrath, Geburt und freywillige
Ergebung oder Addiction. Alſo
a) wenn eine vorhin freye Weibsper-
ſon einen leibeigenen Mann heyrathet, ſo
wird ſie hierdurch nach der Regel, vermoͤge
welcher das Weib den Stand des Mannes
annimmt, ebenfalls in die Leibeigenſchaft
gezo-
[141]de Statu Hominum.
gezogen. Denn die Leibeigenſchaft haftet eigentlich
auf dem Mann, und nach den Verbindlichkeiten, die
demſelben gegen die Herrſchaft obliegen, muß auch die
Verpflichtung, worinn deſſen ganze Familie in Anſehung
des Gutsherrn ſtehet, beurtheilet werden. An einigen
Orten wird jedoch auch eine freye Mannsperſon dadurch
leibeigen, wenn ſie wiſſentlich eine leibeigne Weibsperſon
heyrathet. Daher die Spruͤchwoͤrter entſtanden ſind:
trittſt du mein Huhn, wirſt du mein Hahn, oder die
unfreye Hand zieht die freye nach ſich.
b) Wenn Kinder von leibeigenen Eltern
ſind erzeugt worden, ſo werden ſie durch die
Geburt leibeigen, und zwar folgen die ehe-
lichen Kinder dem Vater, die unehelichen
aber der Mutter, nach der Regel: partus ſequitur
ventrem.
c) Wenn ein vorhin freyer Menſch ſich freywillig
in die Leibeigenſchaft begiebt, ſo kann ſolches auf zweyer-
ley Art geſchehen: 1) ausdruͤcklich durch einen Er-
gebebrief; 2) ſtillſchweigend, wenn er ſich an
einen ſolchen Orte, wo die Luft eigen macht, nie-
dergelaſſen, und daſelbſt Jahr und Tag gewohnt hat 16).
Die bloſe Annehmung eines der Leibeigenſchaft unterwor-
fenen Hofes iſt wenigſtens nicht uͤberall als eine ſtill-
ſchweigende Ergebung in die Leibeigenſchaft anzuſehen,
wenn nicht entweder beſondere Geſetze, oder der Gutsherr
ſelbſt bey Annehmung des Guts es zur Bedingung ge-
macht, daß der Annehmer ſich der Leibeigenſchaft unter-
wer-
[142]1. Buch. 5. Tit. §. 120.
werfe 17). Daß uͤbrigens die vor der Ergebung erzeugte
Kinder durch die Addiction des Vaters den Stand ihrer
Freyheit nicht verlieren, hat ſchon Mevius18) gruͤnd-
lich ausgefuͤhrt. Sollen dieſe ebenfalls als Leibeigene
angeſehen werden koͤnnen, ſo wird ſchlechterdings erfor-
dert, daß ſie in das Vornehmen ihres Vaters ihre
Einwilligung gegeben haben, und auch dieſe Ein-
willigung kann nur alsdann von Wirkung ſeyn, wenn
ſie zu der Zeit, da der Vater ſich ergeben hat, ſchon
ihre Volljaͤhrigkeit erreicht haben.
Denen Leibeigenen werden nun die Freyen entge-
gen geſetzt, welche unſere Vorfahren in Freygebohr-
ne, ingenuos, und Mittelfreye, libertinos, eintheil-
ten. Nur diejenigen werden im teutſchen Rechte Frey-
gebohrne genennt, welche nicht nur von freyen Eltern
in rechtmaͤſiger Ehe erzeugt worden ſind, ſondern deren
Großeltern von vaͤterlicher und muͤtterlicher Seite auch
ſchon eine freye Geburt gehabt haben 19). Von dieſen
ſagt man, daß ſie unbeſcholten an ihrer Geburt
waͤren, und nannte ſie, weil uͤber eine ſolche freye Geburt
nichts ging, Hoͤchſtfreye20). Dieſe waren entweder nohiles,
Ade-
[143]de Statu Hominum.
Adeliche im alten Verſtande, von welchen der
heutige hohe Adel in Teutſchland abſtammt; oder ingenui
militares,Ritterbuͤrtige, von denen der Urſprung
des heutigen niedern Adels ſich herſchreibt; oder miniſte-
riales, welche in nicht militaͤriſchen Dienſten ſtanden;
oder ingenui in ſpecie ſic dicti, zu welchen die freyen Buͤr-
ger und freyen Bauern gehoͤrten 21). Mittelfreye hin-
gegen wurden diejenigen genennt, welche entweder ſelbſt
erſt aus der Leibeigenſchaft auf rechtmaͤſige Art ſind ent-
laſſen worden, oder deren Eltern oder Großeltern, ent-
weder beyder, oder wenigſtens einer Seits, die Freylaſ-
ſung erhalten haben 22). Dieſe haben nun entweder ei-
ne vollkommene Freyheit durch die Manumißion erhal-
ten, oder eine unvollkommene Freyheit, wie die meiſten
Bauern in Teutſchland haben 23).
§. 121.
[144]1. Buch. 5. Tit. §. 121.
§. 121.
Zuſtand des heutigen Miethgeſindes.
Weder mit roͤmiſchen Sclaven, noch teutſchen Leib-
eigenen iſt des heutige Miethgeſinde zu verwechſeln.
Denn unſere Bediente, Maͤgde, Gutſcher, Koͤchinnen u. ſ. f.
ſind freye Leute, die ihre Dienſte einer Herrſchaft ver-
miethen, und von derſelben Lohn und Koſt erhalten 24).
Ihre Rechte und Verbindlichkeiten ſind lediglich aus dem
Mieth-Contract herzuleiten, den ſie mit ihrer Herrſchaft
geſchloſſen haben 25). Sie ſind ſchuldig, bey Leiſtung
der Dienſte die gehoͤrige Vorſichtigkeit zu beobachten,
thun ſie aus Mangel derſelben Schaden, ſo muͤſſen ſie
ſolchen erſetzen. Die Herrſchaft kann auch verlangen,
daß ſie die Miethzeit aushalten muͤſſen, und iſt berech-
tiget,
[145]de Statu Hominum.
tiget, ſie zu ihrer Schuldigkeit anzuhalten. Ob aber der
Herrſchaft auch das Recht zuſtehe, das Geſinde begange-
ner Vergehungen, oder ſeiner Halsſtarrigkeit wegen, zu
zuͤchtigen? wird von einigen verneinet 26), von den mei-
ſten aber beiahet 27). Aus der Natur des Mieth-Con-
tracts laͤßt ſich freylich kein Zuͤchtigungsrecht herleiten,
auch keine Geſetze ſprechen fuͤr die Herrſchaft 28). Da
inzwiſchen bey manchen rohen Leuten der Endzweck des
Mieth-Contracts unmoͤglich zu erreichen waͤre, wenn alle
Uebertretungen der Befehle des Herrn nur die Richter
ahnden duͤrften, ſo erlaubt man heutiges Tages der Herr-
ſchaft eine maͤßige Zuͤchtigung 29). Sollte jedoch dieſel-
be ihr Geſinde ohne Urſach mißhandeln, ſo hat es keinen
Zweifel, daß auch Bediente zur Anſtellung der Inju-
rien-
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. K
[146]1. Buch. 5. Tit. §. 122.
rien-Klage wider ihre Herrſchaft zuzulaſſen, und ihnen
alle rechtliche Genugthuung angedeyen muͤſſe 30).
§. 122.
Zuſtand der heutigen Bauern in Teutſchland. Begriff von
Bauer, Bauergut und Dorf.
Ein Mittelding zwiſchen vollkommen freyen Leuten
und Leibeigenen ſind, wenigſtens in der Regel, die heu-
tigen gemeinen Bauern in Teutſchland 31). Sie kommen
großentheils von den ehemals freygelaſſenen Leibeigenen un-
ſerer Vorfahren her; dies iſt wenigſtens die Meinung der
mehreſten teutſchen Rechtslehrer 32), und wenn gleich ric-
cius33), mit verſchiedenen andern beruͤhmten Rechts-
gelehr-
[147]de Statu Hominum.
gelehrten 34), hieran zweifeln wollen, ſo beweiſen doch
deren Gruͤnde nur ſo viel, daß nicht alle unſere Bauern
von ehemaligen Leibeigenen abſtammen, welches ihnen
auch niemand heutiges Tages abſtreiten wird 35). Es
kommt nun darauf an, wer eigentlich ein Bauer zu nen-
nen ſey? Wolff FriedrichSchroͤdter36) hat hier-
von eine eigene Disputation geſchrieben, worinn er §. IX.
die Bauern folgendermaßen beſchreibt: ſunt illi homines,
qui in rure vivunt, ruraque colunt. Allein ſchon Hr. Prof.
Weſtphal37) hat dagegen erinnert, daß der Bauer-
Knecht, der Dorf-Edelmann, Land-Paͤchter, Prieſter
und vielerley andere Leute dadurch zu Bauern gemacht
wuͤrden, die doch keine ſind. Dieſer gruͤndliche Rechts-
gelehrte behauptet vielmehr, daß lediglich der Beſitz eines
Bauergutes, oder der Bauerlaͤnderey, den Bauer mache,
alſo eigentlich derjenige ein Bauer zu nennen ſey, der
ein Bauergut, oder Bauerlaͤnderey beſitzt38).
K 2Es
[148]1. Buch. 5. Tit. §. 122.
Es kommt nicht darauf an, wie viel es ſey, obgleich der,
ſo zwey oder vier Pferde halten kann, im vorneh-
mern VerſtandeBauer heißt. Was iſt aber ein
Bauergut, Bauerlaͤnderey? Das iſt ein ſolches Gut
oder Land, ſo zum Ackerbau und Viehzucht be-
ſtimmt, zugleich auch den Steuern und Bauerbe-
ſchwerden unterworfen iſt 39). Bauerbeſchwerden
aber ſind Grundzins und Dienſte oder Froh-
nen40). Eine Gemeinheit von ſolchen Laͤnderbeſitzern,
oder Bauern, die zum Ackerbau und Viehzucht vereiniget
iſt, wird ein Dorf41) genennt, und dieſe Doͤrfer ſind
entweder unmittelbare, Reichsdoͤrfer42), oder mittel-
bare, Landdoͤrfer, je nachdem dieſelben entweder den
hoͤchſten Reichsgerichten unmittelbar, oder den Gerichten
in einem Lande unterworfen ſind. Letztere werden wieder
in
38)
[149]de Statu Hominum.
in Amtsdoͤrfer, und in Gerichtsdoͤrfer eingetheilt, von
welchen jene unter den herrſchaftlichen Beamten ſtehen,
dieſe aber den Patrimonialgerichten einer Gutsherrſchaft
unterworfen ſind. Darnach ſind die mittelbaren Bauern
entweder herrſchaftliche Bauern, welche auch
Amtsbauern, Kammerbauern genennt werden,
oder Gutsbauern, welche man auch adeliche Hinter-
ſaſſen, und Gerichtsbauern nennt.
Gemeine Bauern ſind nun von Leibeigenen darinn
unterſchieden, daß ſie in Anſehung ihres perſoͤnlichen Zu-
ſtandes freye Leute ſind. Ihre Pflichten und Abgaben
ruͤhren blos von ihren Beſitzungen her, und dauern da-
her auch nicht laͤnger, als ſie ſolche innen haben, oder an
den Ort ihrer Beſtimmung bleiben. Sie koͤnnen auch
wider ihres Herrn Willen wegziehen, und den Ort ihrer
Geburt und Beſtimmung verlaſſen.
Es giebt jedoch Bauern in Teutſchland, welche
manchmal von den ordentlichen Bauerverbindlichkeiten,
die in Zinſen und Frohnen beſtehen, entweder ganz oder
doch groͤßtentheils frey ſind, ſolche werden freye Bauern,
Freyſaſſen, Freymaͤnner, und ihre Guͤter Freyguͤter,
Freydingsguͤter genennt 43). Solche Bauern ſind je-
doch eine ſeltene Erſcheinung in Teutſchland, mithin
kann dem Bauer, wenn er eine dergleichen Freyheit vor-
ſchuͤtzen will, darunter keine rechtliche Vermuthung zu
ſtatten kommen, ſondern es ſtehet ihm vielmehr die Ver-
K 3muthung
[150]1. Buch. 5. Tit. §. 123.
muthung des Gegentheils entgegen 44). Denn Frey-
bauern waren auch bey unſern Vorfahren etwas ſeltenes.
Sie waren auch dazumal der Verfaſſung der teutſchen
Landwirthſchaft, und den zu alten Zeiten lebenden Guͤ-
terbeſitzern nicht angemeſſen. Dieſe ſuchten ihren Acker
nur blos durch ihre Knechte zu beſtellen. Nun haben
dieſe zwar, was ihre Perſonen anbetrift, hin und wieder
ihre Freyheit erhalten, die Guͤter aber ſind doch den vori-
gen Laſten unterworfen geblieben, folglich iſt die Vermu-
thung immer wider den Beſitzer. Da nun uͤberdieß auch
in unſern Tagen Freybauern noch immer den kleinſten
Theil derjenigen, die den Acker bauen, ausmachen, ſo
iſt offenbar, daß ein Bauer im zweifelhaften Falle ſich
mit keiner praeſumtione libertatis behelfen koͤnne, ſon-
dern derſelbe ſeinen vorgegebenen Zuſtand entweder durch
Briefe und Urkunden, oder durch Darthuung eines zur
rechtlichen Verjaͤhrung hinreichenden Beſitzes, erweißlich
machen muͤſſe.
§. 123.
Von Dienſten und Frohnen der teutſchen Bauern, und deren
mancherley Arten.
Alle Bauerguͤter, welche nicht die Natur und Kenn-
zeichen wahrer Freyguͤter an ſich haben, verpflichten ihre
Beſitzer, zum Nutzen der Gutsherrſchaft Dienſte zu ver-
richten, welche man Frohnen oder Frohndienſte nennt 45).
Man
[151]de Statu Hominum.
Man vermiſche dieſe Bauer-Frohnen nicht mit andern
Dienſten, die der Bauer entweder als Unterthan ſei-
nen Landesherrn leiſtet, z. B. Kriegsfuhren 46); oder die
er als Gemeinde-Mitglied zu thun hat, z. B.
Gemeinde-Wege, Gemeinde-Bruͤcken zu erhalten; oder
wozu er als Parochian verbunden iſt, z. B. bey dem
Bau der Kirche oder Pfarrwohnung, ferner bey Kirch-
viſitationen. Die Frohndienſte der Bauern ſind nun
von verſchiedener Art. Man theilt ſie
a) in Spann- oder Zugdienſte, und in Hand-
und Fußdienſte ein, je nachdem ſie entweder mit Zug-
vieh, oder ohne ſolches entweder mit der Hand, wie z.B.
das Schneiden oder Maͤhen des Getraides, Dreſchen, u. d.
oder blos zu Fuße, wie z. B. das Botenlaufen, verrichtet
werden. Diejenigen Bauern die zu Spanndienſten oder
auch zu Spann- und Handdienſten zugleich verpflichtet
ſind, werden Spaͤnner oder Anſpaͤnner, und an den
meiſten Orten im eigentlichen Verſtande Bauern genennt.
Nach dem allgemeinen Grundſatz, vermoͤge welchen die
Dienſte der Bauern nach der Groͤße ihres
Ackerwerks und nach dem Verhaͤltniß ihrer
Nahrungen eingerichtet ſeyn muͤſſen, theilt
man die Anſpaͤnner wieder ein in Vollſpaͤnner, Halb-
K 4ſpaͤn-
45)
[152]1. Buch. 5. Tit. §. 123.
ſpaͤnner und Viertelſpaͤnner, oder welches einerley iſt,
in Voll-Halb- und Viertelbauern ein. Denn die
Groͤße des Ackers, ſo die Bauern oder Spaͤnner beſitzen,
iſt oft ſehr verſchieden. Der eine beſitzt vier, der andere
drey, noch andere nur zwey, und einige wohl gar blos
eine Hufe. An einigen Orten, wo die Dienſte der
Bauern nicht nach Tagen, ſondern nach gewiſſen Arbei-
ten und Ackergeſchaͤften beſtimmt ſind, trift man noch ei-
ne andere Verſchiedenheit und Benennung der zu Ge-
ſpanndienſten verpflichteten Bauern an. Man theilt ſie
daſelbſt ein in Fuhrſpaͤnner, welche alles zu dem herr-
ſchaftlichen Ackerwerk benoͤthigte Fuhrwerk verrichten muͤſ-
ſen, Pflugſpaͤnner, welche alle Pflugarbeit auf dem
herrſchaftlichen Acker zu verrichten ſchuldig ſind, und
Eggſpaͤnner, welche alles Eggen, was zur Beſtellung
des herrſchaftlichen Ackers erfordert wird, beſtreiten muͤſ-
ſen. Eine Dienſteinrichtung, die alle Empfehlung und
Nachahmung verdient. Denn jeder Bauer hat dabey
ſeine beſtimmte Arbeit, und wenn er ſolche vollbracht hat,
kann er ohne weitere Hinderniſſe vor das Seinige ſor-
gen. An einigen Orten ſind die Bauern mit vier, an
andern mit drey und an vielen nur mit zwey Pferden zu
Hofe zu dienen verbunden. Hieraus entſteht abermals
der Unterſchied zwiſchen vierſpaͤnnigen, dreyſpaͤnnigen
und zweyſpaͤnnigen Bauern.
Diejenigen Bauern die nicht ſo viel Laͤnderey beſi-
tzen, daß ſie Zugvieh darauf halten koͤnnen, und daher
nur blos zu Hand- und Fußdienſten verbunden ſind, wer-
den Coßaͤthen, Kaͤtner, Hinterſaſſen, Gaͤrtner u. ſ. w.
genennt.
b) Sind
[153]de Statu Hominum.
b) Sind die Frohnen entweder Manns- oder
Weiberdienſte, oder ſolche, welche eben ſo gut von Weibs-
leuten, als Mannsperſonen verrichtet werden koͤnnen. Zu
der erſtern Claſſe gehoͤrt z. B. Holzfaͤllen, Hexelſchneiden,
Getraide einfahren u. d. m.; zu der zweyten gehoͤren al-
le Arten des Wietens oder Jaͤtens, und ſaͤmmtliche zur
Zubereitung des Flachſes erforderliche Geſchaͤfte, auch
das Garn- und Wollſpinnen u. d.; zu der dritten endlich
das Schneiden des Getraides, das Dreſchen und dergl.
Mannsdienſte werden jedoch ihren Werth nach, wenn
es auf deſſen Beſtimmung ankommt, weit hoͤher als Wei-
berdienſte geſchaͤtzt, und ein Gutsherr iſt daher dieſe vor
jene anzunehmen nicht verbunden.
c) Theilt man die Frohnen in ordentliche und
auſſerordentliche ein *). Jene ſind, welche zum oͤkono-
miſchen Gebrauch dienen, und jaͤhrlich vorkommen,
dieſe aber, welche einen ſolchen Endzweck nicht haben,
und nur manchmal verlangt werden. Zu letztern ge-
hoͤren Baufrohnen 47), Jagddienſte 48) u. d. Soviel
aber die ordentlichen Bauerdienſte anbetrift, ſo muͤſſen
die Anſpaͤnner pfluͤgen, eggen, Getraide und Heu ein-
fahren, Duͤnger auf dem Acker bringen, u. ſ. w. die
Handfroͤhner aber muͤſſen ſchneiden, dreſchen, graben,
behacken, Heu und Grummet machen, Miſt breiten,
pflanzen, Holz ſchlagen, Hexel ſchneiden, Boten laufen.
u. ſ. w.
K 5§. 124.
[154]1. Buch 5. Tit. §. 124.
§. 124.
Von gemeſſenen und ungemeſſenen Dienſten der teutſchen
Bauern.
Zuletzt theilt man die Bauerndienſte auch noch in
gemeſſene und ungemeſſene ein 49). Ungemeſ-
ſene Frohnen nennt man diejenigen, wo die Beſitzer der
Bauerhoͤfe zu allen Zeiten, wenn ſie von der Herrſchaft
gefordert werden, zu Dienſte erſcheinen, und alles, was
zur Beſtellung und Nutzen des herrſchaftlichen Guts er-
forderlich iſt, verrichten muͤſſen 50). Wenn hingegen die
Dienſte der Bauern entweder nach Tagen, oder nach ge-
wiſſen Arbeiten und Verrichtungen beſtimmt ſind, ſo
werden ſie geſetzte Dienſte, oder gemeſſene Frohnen
genennt 51). Wo nun gemeſſene Frohnen ſind, da muß
es auch bey der einmal gemachten Beſtimmung genau
bleiben, und kann alſo den Bauern nichts mehr aufer-
leget werden 52). Es kann in Anſehung ſolcher Dienſte
nicht einmal der Landesherr durch Geſetze Aenderungen
zum Nachtheil der Gutsherrſchaften machen, in ſofern
dieſelben ſchon ein ius quaeſitum haben, gewiſſe Froh-
nen auf eine gewiſſe Art zu fordern; es waͤre denn, daß
wegen der noͤthigen oͤffentlichen Abgaben, oder des elen-
den
[155]de Statu Hominum.
den Zuſtandes, in welchen die Bauern durch uͤbermaͤßi-
ge Dienſte gerathen ſind, das Beſte des Landes erforder-
te, eine Aenderung in Anſehung der bisherigen Bauern-
Dienſte vorzunehmen 53). Die Entſcheidungsnormen bey
Beſtimmung der gemeßenen Dienſte geben die Dienſtre-
giſter, desgleichen die Hof- und Annehmungsbriefe
der Unterthanen. Dieſe haben einen unſtreitigen Ver-
trag zwiſchen der Herrſchaft und ihren dienſtpflichtigen
Unterthanen zum Grunde. Die Herrſchaft eignet da-
durch einen ihrer Unterthanen den Beſitz eines unter ih-
rer Gerichtsbarkeit liegenden Bauernguths zu, und die-
ſer macht ſich dagegen anheiſchig, derſelben gewiſſe Dien-
ſte und Abgaben dagegen richtig zu leiſten. Die Dienſt-
regiſter, oder wie ſie auch an manchen Orten genennet
werden, die Dienſturbarien aber enthalten ein genaues
Verzeichniß ſowohl der Schuldigkeiten der Unterthanen
gegen die Herrſchaft, als auch desjenigen, was die letztere
denen erſtern beſonders an Deputat u. d. zu entrichten
verbunden iſt. In Ermangelung derſelben muß auch ein
vieljaͤhriges Herkommen und Obſervanz hierunter zur
Richtſchnur dienen. Auch die Verjaͤhrung kann zuweilen
ungemeſſene Dienſte in gemeſſene verwandeln, wenn die
Erforderniße derſelben vorhanden ſind. Haͤtte freylich
eine Bauerngemeinde, die ſonſt zu ungemeſſenen Dien-
ſten verpflichtet war, binnen 30 Jahren woͤchentlich nur
drey Tage gedienet, ſo wuͤrde dieſes zu einer Verjaͤhrung
der ungemeſſenen Dienſte noch nicht genug ſeyn, wenn
nicht auch zugleich erwieſen werden koͤnnte, daß die
Herrſchaft binnen dieſer Zeit zwar mehr Dienſt-Tage
gefordert, ſolche aber nicht geleiſtet worden waͤren, und
die-
[156]1. Buch. 5. Tit. §. 124.
dieſelbe ſich dabey ſeit rechtsverjaͤhrter Zeit beruhiget
haͤtte. Denn eine ſolche Praͤſcription erfordert, a) daß
die als verjaͤhrt angegebene Schuldigkeit wirklich gefor-
dert, ſolche aber b) von den Dienſtpflichtigen verwei-
gert worden ſey, und daß c) die Herrſchaft binnen
rechtsverjaͤhrter Zeit dazu ſtillgeſchwiegen habe 54). Der
bloſe Beſitz kann nur in poſſeſſorio ſchuͤtzen, in petito-
rio kommt er nicht mehr in Betracht.
Wie wenn es aber an den vorhin bemerkten Beſtim-
mungsgruͤnden mangeln ſollte, und die Herrſchaft des-
halb behauptet, daß ihr das Recht, ungemeſſene Dienſte
zu fordern, zuſtehe, die Bauern aber ſolche Dienſte zu
leiſten verweigern, ſo entſteher ſehr oft die Frage, ob
in einem ſolchen zweifelhaften Falle gemeſ-
ſene oder ungemeſſene Dienſte der Bauern
zu vermuthen? Die Rechtslehrer ſind in Entſcheidung
dieſer Frage nicht einig, und wir finden daruͤber dreyer-
ley Meinungen. Die meiſten glauben, daß in einem ſol-
chen Fall ungemeſſene Dienſte zu vermuthen waͤren 55)
Denn
[157]de Statu Hominum.
Denn die meiſten Bauern waren ehemals Leibeigene.
Als ſolche mußten ſie ungemeſſene Dienſte leiſten. Durch
ihre Loßlaſſung erhielten ſie nun zwar ihre natuͤrliche
Freyheit, allein in Anſehung ihrer Pflichten und Schul-
digkeiten wurde nichts geaͤndert. Die Freygelaſſenen be-
hielten die vorigen Guͤter unter der Bedingung, daß ſie
der Gutsherrſchaft ferner dienen, und den bedungenen
Zinnß fortgeben ſollten. Unſere heutige Bauern beſitzen
dieſe Guͤter noch; alſo liegt ihnen auch die Obliegenheit
zu Frohnen ob, weil dieſelbe mit dem Beſitz ihrer Guͤter
und dem Bauernſtand verknuͤpft iſt. Aufhebung oder
Einſchraͤnkung des Dienſtes iſt eine Aenderung und des
Bauers Einwendung. Er muß ſie alſo auch beweißen.
Die Vermuthung ſtreitet folglich immer fuͤr die Herr-
ſchaft. Dieß ſind die Gruͤnde fuͤr die gemeine Meinung.
Demungeachtet aber behaupten doch viel Rechtsgelehr-
te 56) das Gegentheil, ſie halten dafuͤr, daß ein Herr
ſeinen Bauern nur diejenigen Frohnen anſinnen duͤrfe,
deren rechtlichen Erwerb er darthun koͤnne. Die Ver-
muthung ſey alſo im zweifelhaften Fall nur fuͤr gemeſſene
Dienſte. Denn fuͤr die natuͤrliche Freyheit ſtreite die
Ver-
55)
[158]1. Buch. 5. Tit. §. 124.
Vermuthung, nicht fuͤr die Dienſtbarkeit 57). Nun aber
ſind Bauern freye Leute. Frohnen ſchraͤnken die Frey-
heit ein; Einſchraͤnkungen derſelben aber koͤnnen nicht
vermuthet, ſondern muͤſſen von dem, der einen Nutzen
hieraus zu ziehen glaubt, bewieſen werden. Zudem waͤ-
ren die Bauern ihren Urſprung nach keinesweges Leibei-
gene, ſondern meiſt freye, ja freygebohrne geweſen. Denn
ſollte der Zuſtand der heutigen Bauern aus einer geſche-
henen Freylaſſung herruͤhren, ſo muͤßte dieſelbe erſt er-
wieſen werden, welchen Beweiß man aber noch bis jetzt
vermiſſe. Geſetzt aber auch, daß durch Freylaſſung die
heutigen Bauern ihre Freyheit erlangt haͤtten, ſo wuͤrde
dennoch daraus nicht folgen, daß ſie ungemeſſene Dienſte
zu thun ſchuldig waͤren, weil nicht einmal alle Leibeigene
ohne Unterſchied ungemeſſene Dienſte geleiſtet haͤtten.
Ueberhaupt aber ſey der aͤchte hiſtoriſche Grund der Froh,
nen vielmehr aus wechſelsweiſen wirklichen oder ſtilſchwei-
genden Vertraͤgen der Guts- und Schutzherrn als aus
einer urſpruͤnglichen Leibeigenſchaft abzuleiten, wie denn
auch an Orten, wo die Leibeigenſchaft nie in Uebung ge-
weſen, Frohnleiſtungen angetroffen wuͤrden. Allein da-
gegen laͤßt ſich einwenden, daß hier von freyen Leuten,
die gar keine Frohnen thun, nicht die Rede ſey, ſondern
der Streit iſt von Bauern, die ſich zu frohnen nicht wei-
gern, und fragt ſich nur, ob ſie gemeſſene oder ungemeſ-
ſene
[159]de Statu Hominum.
ſene Frohnen thun muͤſſen. Sodann aber betrift ja die
Freyheit der Bauern nur ihre Perſon, nicht die Beſchwe-
tungen. Es iſt richtig, daß nicht alle Bauern von ehe-
maligen Leibeigenen abſtammen; aber doch die meiſten.
Dies lehrt uns die teutſche Geſchichte. Es iſt auch ſchon
von andern gruͤndlich erwieſen worden, daß theils eine
ausdruͤckliche theils eine ſtillſchweigende Freylaſſung ge-
ſchehen ſey 58). Und wenn gleich ehemals zuweilen Leib-
eigene gemeſſene Dienſte thaten, ſo war es doch nur Aus-
nahme von der Regel, ſo wie denn daraus, daß gemeſſene
Dienſte oft durch Vertraͤge zwiſchen den Bauern und
der Gutsherrſchaft beſtimmt worden ſind, noch nicht
folgt, daß aus dieſer Quelle alle Verbindlichkeit der heu-
tigen Bauern zu Frohnleiſtungen nur allein herzuleiten
ſey. Ueberhaupt hebt die heutige Verſchiedenheit der Ge-
wohnheiten nicht auf, daß etwas als die Regel vermu-
thet werde 59). Nun giebt es zuletzt noch Rechtsgelehr-
te, welche der Meinung ſind, daß in theſi weder die
Vermuthung fuͤr ungemeſſene noch fuͤr gemeſſene Dienſte
der Bauern behauptet werden koͤnne, ſondern alles auf
die Verſchiedenheit der Gegenden und Laͤnder ankom-
me 60). Allein da es uns eben darum zu thun iſt, in
einem
[160]1. Buch. 5. Tit. §. 124.
einem wirklich zweifelhaften Falle einen ſichern Grundſatz
zu haben, ſo ſiehet ein jeder wohl von ſelbſt ein, daß
durch dieſes Temperament nichts entſchieden werde. Ich
fuͤge hier noch folgende Bemerkungen hinzu.
I) Auch ungemeſſene Dienſte ſind nicht dem bloßen
Willkuͤr der Herrſchaft uͤberlaſſen. Der Bauer muß ſo
viel Zeit uͤbrig behalten, daß er ſeine eigne Wirthſchaft
beſorgen, und nicht nur ſeinen Lebensunterhalt ſich erwer-
ben, ſondern auch die herrſchaftlichen Abgaben entrichten
kann 61).
II) Beſchweren ſich die Bauern, daß die Herrſchaft
ihr Recht, ungemeſſene Dienſte zu fordern, mißbrauche,
ſo iſt nichts noͤthiger und billiger, als daß der Richter
dergleichen ungemeſſene Dienſte dergeſtalt maͤßige, daß
die Bauern dabey nicht zu Grunde gehen, die Herrſchaft
aber auch in ihren Gerechtſamen dadurch nicht allzuſehr
eingeſchraͤnkt werde. Die Billigkeit einer ſolchen richter-
lichen Ermaͤßigung iſt von allen Rechtslehrern anerkannt
worden 62). Es kommt nur darauf an, was bey dieſer
Ermaͤßigung fuͤr Grundſaͤtze anzunehmen ſind 63). Hier
hat nun der Richter auf zweyerley Ruͤckſicht zu nehmen;
einmal auf die in der herumliegenden Gegend eingefuͤhr-
te Gewohnheit, und zweytens auf die Moͤglichkeit, die
von
[161]de Statu Hominum.
von der Herrſchaft verlangte Dienſte leiſten zu koͤnnen.
Um jedoch dieſe Moͤglichkeit der geforderten ungemeſſenen
Dienſte auszumitteln, kommt es nicht ſowohl auf einen
oͤkonomiſchen Anſchlag der Bauerhoͤfe, als vielmehr da-
rauf an, daß
a) der Richter unterſuche, wie viel ein
Bauer, welcher uͤber die Unertraͤglichkeit
der ihm angemutheten ungemeſſenen Dien-
ſte klagt, von der in Beſitz habenden Nah-
rung ſowohl an Geſinde als Geſpann wirth-
ſchaftlich unterhalten koͤnne. Sodann liegt
ihm
b) ob, einen Ueberſchlag zu machen, wie
viele Zeit er mit ſeinem Geſinde und Ge-
ſpann zur Beſtreitung ſeiner eigenen noͤ-
thigen Wirthſchaftsgeſchaͤfte gebraucht.
Hat er ſich von dieſen beyden Stuͤcken vollkommen
orientiret, ſo wird ihm alsdann, die in Klage gebrachte
ungemeſſene Dienſte auf eine billige und gerechte Art zu
maͤßigen, nicht ſchwer fallen. Er darf nur diejenige Zeit,
die der Bauer zur Beſtellung ſeines eigenen Ackers noͤ-
thig hat, von den Dienſtragen des ganzen Jahrs abzie-
hen, ſo wird ſich von demjenigen, was die Herrſchaft
noch mit Recht an Dienſten fordern kann, der Calculus
von ſelbſt ergeben 64).
III)
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. L
[162]1. Buch. 5. Tit. §. 124.
III) Die Herrſchaft kann wider den Willen der
Bauern die Dienſte eben ſo wenig in Geld verwandeln,
als dieſelbe, ſtatt der zu leiſtenden Dienſte, ein Dienſt-
geld anzunehmen, verbunden iſt 65). Dieſen Satz recht-
fertiget die Vernunft und Analogie der Rechte von ſelbſt.
Denn ſo wenig der Schuldner wider Willen des Glaͤu-
bigers ihm eine andere Sache ſtatt der ſchuldigen hin-
geben kann, eben ſo wenig kann auch der Glaͤubiger von
dem Schuldner eine andere, als die ihm ſchuldige Sache,
fordern 66). Es ſind alſo auch hier ſowohl auf Seiten
des Dienſtherrn als der Dienſtpflichtigen gleiche Verbind-
lichkeiten und gleiche Rechte. Endlich
IV) wenn Unterthanen auch lange Zeit ſtatt der zu
leiſtenden Naturaldienſte jaͤhrlich ein gewiſſes Geld be-
zahlt haben, ſo koͤnnen ſie dennoch hernach allemal wieder
angehalten werden, die Dienſte in natura zu leiſten 67).
Denn
[163]de Statu Hominum.
Denn es blieb in einem ſolchen Fall doch immer in der
Herrſchaft Willkuͤhr, ob ſie die Dienſte in natura for-
dern, oder ſtatt derſelben ein gewiſſes Dienſtgeld anneh-
men wollte. Folglich kann denen Dienſtpflichtigen hier-
unter keine Verjaͤhrung zu ſtatten kommen. Vielmehr
iſt im Zweifel zu vermuthen, daß der Herr um ſeines
Vortheils willen bisher die Frohnen ſich habe in Gelde
abtragen laſſen. Es ſind jedoch folgende Faͤlle allerdings
auszunehmen, wo es bey dem Dienſtgelde bleiben muß:
naͤmlich a) wenn die Bauern ihren Gutsherrn, da er die
Frohnen in natura wieder gefordert hat, dieſelbe mit
dem Vorgeben, daß ſie hierzu nicht verbunden waͤren,
verweigert haben, und der Dienſtherr dreyßig Jahr da-
zu ſtille geſchwiegen 68). b) Wenn die Bauern die Lei-
ſtung der Dienſte dem Herrn gegen die Erlegung eines
gewiſſen jaͤhrlichen Geldes auf ewig abgekauft haben 69).
Weil aber ſolches ſo wenig aus der Laͤnge der Zeit, als
aus der immer aͤhnlichen Bezahlung einerley Summe des
Dienſtgeldes zu ſchlieſſen, ſondern die Vermuthung im-
mer fuͤr den Herrn iſt, daß er das Geld nicht aus Schul-
digkeit, ſondern aus eigenem Willkuͤhr genommen; ſo
ſind die Bauern ſchuldig, dieſes ihr Vorgeben zu erwei-
ſen, oder wenigſtens ſolche Umſtaͤnde fuͤr ſich beyzubrin-
gen, wodurch die fuͤr den Herrn ſtreitende Vermuthung
L 2auf-
67)
[164]1. Buch. 5. Tit. §. 125. u. 126.
aufgehoben wird 70). Endlich c) wenn ſeit undenklichen
Zeiten Dienſtgeld iſt gegeben worden, dergeſtalt, daß
niemand weiß, ob jemals Dienſte in natura ſind ent-
richtet worden 71). Noch mehrere dieſe Materie betref-
fende Rechtsfragen wird man beym Buri72) finden, ſo
wie denn auch unſer Hr. Autor ſelbſt §. 647 noch eine
eigentlich hierher gehoͤrige Frage vorbringt, welche wir
daſelbſt eroͤrtern werden.
§. 125 u. 126.
II. Status Civitatis. a) Vom roͤmiſchen Buͤrgerrecht. Unter-
ſchied zwiſchen Ius Quiritium und Ius Civitatis.
Der andere beſondere buͤrgerliche Zuſtand iſt der
Status civitatis73). Nach dieſem werden die Menſchen
in ſolche, welche das Buͤrgerrecht in einem Staate
haben, Cives, und ſolche, welche daſſelbe nicht haben,
Peregrinos, eingetheilt. Wir wollen zuerſt von dem
Roͤmi-
[165]de Statu Hominum.
Roͤmiſchen Buͤrgerrechte handeln, und den Unterſchied
zwiſchen Cives und Peregrinos nach dem Roͤmiſchen Rechts-
ſyſtem auseinander ſetzen 74). Der Begriff eines civis
romani war nicht immer der naͤmliche. Man muß die
Zeiten vor den Kr. Antoninus Caracalla, und die nach
denſelben unterſcheiden. Vor den Zeiten jenes Kai-
ſers gab man nur dem freyen Roͤmer den Namen
civis, der in Rom ſelbſt ſeinen Wohnſitz hatte, und ent-
weder durch die Geburt, wenn beyde Eltern ſchon
Buͤrger waren, oder durch die Manumißion auf
die alte hergebrachte Art vor der Obrigkeit, oder
in einem Teſtamente, oder durch Einzeichnung in die
Buͤrger-Rollen beym Cenſus, oder endlich durch eine
Gnade des Auguſts das Buͤrgerrecht erhalten.
Solche roͤmiſche Buͤrger wurden Quirites genennt, nicht
vom Quirin, wie Juſtinian75) lehrt, ſondern von der
Sabiner Hauptſtadt Cures76). Alle Nicht-Roͤmer, die
in Italien, den Municipien und in den roͤmiſchen Pro-
vinzen, alſo auſſerhalb Rom, wohnten, oder zwar in
Rom lebten, aber weder freye Menſchen waren, noch ein
Buͤrgerrecht hatten, hießen Peregrini. Zu dieſen rechne-
te man alſo vor den Zeiten Antonins auch Municipes und
Provinciales77). Die Quirites genoſſen nun ſehr anſehn-
L 3liche
[166]1. Buch. 5. Tit. §. 125. u. 126.
liche Rechte und Vorzuͤge vor den Nicht-Roͤmern, wel-
che in ihrem ganzen Umfang genommen das ius qui-
ritium in eminenten Verſtande, oder ius civitatis ro-
manae bildeten 78). Die Vorzuͤge des Iuris Quiritium
waren von doppelter Art; einmal ſolche, die ſich auf die
Verfaſſung und Regierung des roͤmiſchen Staats bezo-
gen, iura publica Quiritium, dahin gehoͤrten ius militiae,
cenſus, tribus, ſuffragiorum, munerum et honorum
publicorum; zum andern ſolche, welche die oͤffentliche
Einrichtung des Staats nicht betrafen, iura privata
Quiritium. Zu dieſen zaͤhlte man das ius ſacrorum,
agnationis, gentilitatis, uſucapionis, mancipii, connu-
bii, patriae poteſtatis, teſtamentifactionis, capiendi-
que ex teſtamento u. d. von welchen die angefuͤhrten
Schriftſteller Sigonius und Spannheim demjenigen,
der hiervon ein mehreres wiſſen will, weitere Aufklaͤrung
geben werden. Manche jener Vorrechte verſtattete man nun
zwar auch den Richt-Roͤmern, als denen Latinis, auch
manchen Municipien, und manchen Provinzen, allein im
Ver-
77)
[167]de Statu Hominum.
Verhaͤltniß gegen das ius Quiritium war es doch nur
ein ſehr unvollkommenes Buͤrgerrecht. ius quiritium
war daher ein volles roͤmiſches Buͤrgerrecht, ius civitatis
optimum maximum, und quirites hießen nur diejenigen,
welche das volle Buͤrgerrecht hatten, und von dieſen ſag-
te man, ſie waͤren optima lege cives Romani. Ein unvoll-
kommenes Buͤrgerrecht hingegen nannte man ſchlechtweg
ius civitatis79), dahin gehoͤrte z. B. ius latit, ius
italicum80). Kr. Antoninus Caracalla81), oder wie
andere wollen Marcus Aurelius82) gab allen frey-
gebohrnen Unterthanen des roͤmiſchen Reichs das
Buͤrgerrecht 83). Ob der große Gedanke eines allgemei-
nen Buͤrgerrechts vernuͤnftiger Menſchen unter dem Ge-
biete der Vernunft, oder Eigennutz ihn zu dieſer Ver-
ordnung veranlaſſet habe, laſſe ich dahin geſtellet ſeyn,
weil gewiß Niemanden daran etwas gelegen ſeyn wird.
Seit dieſer Zeit ward nur Auslaͤndern, Sclaven und
Freygelaſſenen, die nicht auf die alte hergebrachte Art
waren manumittiret worden, der Name Peregrini beyge-
legt. Bis endlich auch Juſtinian den Unterſchied zwi-
ſchen Freygebornen und Freygelaſſenen ganz aufhob, und
auch denen letztern das roͤmiſche Buͤrgerrecht ertheilte 84).
So blieben alſo nur noch Auslaͤnder und Sclaven in der
Claſſe der Peregrinorum, und in dieſer Ruͤckſicht war
L 4der
[168]1. Buch. 5. Tit. §. 127.
der Unterſchied inter Cives et Peregrinos auch noch un-
ter Juſtinian von Wirkung.
Uebrigens wurden die Rechte und Verbindlichkeiten
der Peregrinorum nach dem Ius Gentium beſtimmt, wie
ich an einem andern Ort dieſes Commentars ſchon ge-
zeigt habe 85).
§. 127.
b) Teutſches Buͤrgerrecht.
Wir haben auch ein teutſches Buͤrgerrecht, welches
in dem Inbegriff der Praͤrogativen beſtehet, ſo teutſche
Reichsgenoſſen fuͤr Fremden zu genieſſen haben. Denn
wenn gleich Kaiſer FriedrichII. in der Avth. Omnes
peregrini Cod. communia de Succeſſion. den Unterſchied
zwiſchen Fremden und Einheimiſchen quoad uſum iuris
communis aufgehoben hat, und alſo Fremden vermoͤge
dieſer Verordnung der Regel nach dieſelbigen Rechte, wie
den Buͤrgern zuſtehen, z. B. in Anſehung der Erbſchaf-
ten, ſo leidet doch dieſes Geſetz ſeine Ausnahme, wenn
durch gemeine Reichs- oder ſpecielle Landesgeſetze denen
einheimiſchen Buͤrgern in Teutſchland gewiſſe Vorrechte
vor den Auslaͤndern zugeſtanden werden. Und dieſe ſind
es eben, welche in ihren Umfange das teutſche Buͤr-
gerrecht ausmachen 86). Man nimmt nun in Teutſch-
land ein dreyfaches Buͤrgerrecht ein.
a) Ein
[169]de Statu Hominum.
a) Ein allgemeines teutſches Buͤrgerrecht, wel-
ches darinn beſteht, wenn jemand uͤberhaupt ein Teut-
ſcher, oder Mitglied des teutſchen Reichs iſt, und deshalb
gewiſſe Rechte und Vorzuͤge fuͤr Fremden zu genieſſen hat.
Dahin gehoͤrt, daß zu des Kaiſers und Reichs-Aemtern
nur Teutſche gelangen koͤnnen; Niemand vom Kaiſer
in Fuͤrſten- oder Grafenſtand erhoben werden kann, als
wer dem teutſchen Reich unterworfen iſt; auch die geiſt-
lichen Beneficien nur an Teutſche vergeben werden duͤr-
fen 87) u. ſ. m. Wer iſt denn aber im Sinne des teut-
ſchen Staatsrechts ein Teutſcher? Es kommt dabey nicht
immer nothwendig auf den Ort der Geburt oder des
Aufenthalts an, ſondern der Beſitz unmittelbarer
Reichsguͤter wird erfordert, um das Recht der Reichs-
ſtandſchaft erlangen oder ausuͤben zu koͤnnen. In dieſem
Betracht ſind Teutſche 1) auswaͤrtige wirkliche Beſitzer
eines mit der Reichsſtandſchaft begabten Landes; 2) auch
derſelben ſaͤmmtliche Stammsverwandte, welche Kraft
der kaiſerlichen Reichslehenbriefe, oder ſonſt ein ungezwei-
feltes Recht zur Erbfolge in ein ſolches teutſches Reichs-
land haben. Bey andern wird die teutſche Her-
kunft fuͤr hinreichend gehalten, jedoch wird bey dem
niedern Adel zugleich auf die teutſchen Ahnen geſe-
hen, um zu teutſchen geiſtlichen Wuͤrden in Erz- und
Hochſtiftern zu gelangen. Indes iſt manchmal durch
Poſtulation eine Ausnahme von der Regel gemacht
worden. 88).
L 5b) Ein
[170]1. Buch. 5. Tit. §. 127.
b) Ein Provinzial-Buͤrgerrecht, welches die Vor-
zuͤge der einheimiſchen Unterthanen eines teutſchen Lan-
desherrn fuͤr den Fremden z. B. in Erwerbung der Guͤ-
ter, in Befoͤrderungen, Stipendien u. d. in ſich begreift.
Endlich
c) ein Stadt-Buͤrgerrecht, worunter man den
Inbegriff von Rechten und Vorzuͤgen verſtehet, welche
die Buͤrger einer Stadt fuͤr andern Einwohnern, die kei-
ne Buͤrger ſind, zu genieſſen haben; z. B. das Recht ein
Haus zu beſitzen, buͤrgerliche Nahrung zu treiben, u.ſ.w 89).
Dieſes kann entweder ein volles oder nicht volles
Buͤrgerrecht ſeyn. Die das erſtere haben, werden
Stadt-Buͤrger, im Gegentheil die das letztere haben,
nur Schutzverwandte (incolae) genennt. Man er-
wirbt es durch die Geburt90), wenn der Vater zur
Zeit derſelben ſchon Buͤrger geweſen, oder durch die
Aufnahme. Daher ſind die Buͤrger in dieſer Ruͤck-
ſicht entweder gebohrne (originarii) oder aufgenom-
mene (recepti) 91). Das mehrere hiervon gehoͤrt in
das teutſche Staats- und Privatrecht.
§. 128.
[171]de Statu Hominum.
§. 128.
Von der capitis deminutione, und deren mancherley Eintheilung
und Wirkungen.
Die Roͤmer nannten den dreyfachen buͤrgerlichen Zu-
ſtand, naͤmlich den Zuſtand der Freyheit, des Buͤrger-
rechts, und der Familie, caput92); und den Verluſt
eines ſolchen buͤrgerlichen Zuſtandes capitis deminutio-
nem93). Dieſe war nun nach der Lehre des roͤmiſchen
Juriſten Paulus94) welche auch Juſtinian95) ange-
nommen, dreyerley; maxima, media und minima. Erſtere
beſtand in dem Verluſt aller den buͤrgerlichen Zuſtand
des Roͤmers beſtimmender Rechte, alſo in dem Verluſt
der Freyheit, des Buͤrger- und Familien-Rechts. Eine
ſolche Capitis Deminution erlitten diejenigen Buͤrger, ſo
in die Sclaverey verfielen, es mochte nun durch die Ge-
fan-
[172]1. Buch. 5. Tit. §. 128.
fangenſchaft, oder durch eine Strafe geſchehen. Die ca-
pitis deminutio media aber beſtand darin, wenn, der Frey-
heit unbeſchadet, nur das Buͤrgerrecht verlohren wurde.
Dieſe hinderte nicht, daß man in einer andern Republick
wiederum ein Buͤrgerrecht gewinnen konnte. Es war
vielmehr ehemals bey der aquae et ignis interdictione
darauf gerechnet, daß ein ſolcher in einer andern Repu-
blick das Buͤrgerrecht ſuchen, und eben dadurch das Roͤ-
miſche, indem man nach den Grundſaͤtzen des roͤmiſchen
Staatsrechts nicht in zwey Republicken zugleich Buͤrger
ſeyn konnte, verliehren ſollte 96). Nach dem neuern Rech-
te erlitten dieſe mittlere capitis deminutionem beſonders
diejenigen, welche ins Exilium geſchickt oder auf eine
Inſel verbannt wurden, (deportati) 97). Wer eine ſol-
che Capitis deminutionem maximam oder mediam er-
litten hatte, wurde in Abſicht auf den Staat fuͤr buͤrger-
lich todt gehalten, denn er hoͤrte dadurch auf, eine Per-
ſon im Staate zu ſeyn 98). Endlich die capitis deminu-
tio minima beſtand blos in dem Verluſt der Familienrech-
te, ohne daß dadurch die Freyheit oder das Buͤrgerrecht
verlohren gieng. Dieſe war wieder zweyerley. Entwe-
der man verlohr durch Arrogation, oder Legitimation
das eigene Familienrecht (ius familiae proprium), oder
man verlohr durch Emancipation oder Adoption das ge-
meinſchaftliche Familienrecht (ius familiae commune).
Das eigene Familienrecht hat ein Hausvater,
der nebſt ſeiner ehelichen Hausfrau, Kindern, Enkeln
und was ſonſt in der haͤuslichen Verfaſſung unter ſeinen
Befeh-
[173]de Statu Hominum.
Befehlen ſtehet, eine Familie ausmacht; aber auch dem-
jenigen wird ein eigenes Familienrecht zugeſchrieben, ja
ihm die Benennung Hausvater beygelegt, der in einer
Haushaltung die Herrſchaft d. i. das Recht zu befehlen
hat, wenn er auch gleich keine Kinder haͤtte, ja wohl gar
ſelbſt noch unmuͤndig waͤre 99). Ein gemeinſchaft-
liches Familienrecht aber haben diejenigen, welche
von einem gemeinſchaftlichen Ahnherrn abſtammen, und
aus einem Hauſe ſind, oder zu einem Geſchlecht gehoͤ-
ren, und uͤberhaupt Agnati genennet werden 100). Denn
ſolche werden nicht nur ſchon bey Lebzeiten des Patrisfa-
milias, unter deſſen Gewalt ſie ſtehen, gewiſſermaßen als
Miteigenthuͤmer von deſſelben Vermoͤgen angeſehen, und
erlangen daher durch die Erbfolge, welche ihnen auch
ohne Teſtament gebuͤhrt, eigentlich kein neues, ſondern
nur ein freyes Eigenthum an der Verlaſſenſchaft
ihres Vaters 1) weßhalb ſie auch ſui, oder domeſtici here-
des
[174]1. Buch. 5. Tit. §. 128.
des genennt werden 2), ſondern vermoͤge dieſes gemein-
ſchaftlichen Familienrechts beerben ſich auch dieſe Agnaten
unter einander ſelbſt 3). Wer ſich nun arrogiren
laͤßt, hoͤrt auf ſein eigener Herr (paterfamilias) zu ſeyn,
und kommt in eines andern Gewalt, er verliehrt alſo
dadurch das eigene Familienrecht. Wer hingegen
emancipirt wird, verliehrt hierdurch das gemein-
ſchaftliche Familienrecht, naͤmlich das ius ſui here-
dis, ehemals gieng dadurch auch das Agnationsrecht
zu Grunde, und der emancipirte wurde in Anſehung ſei-
ner Familie als ein extraneus angeſehen. In beyden
Faͤllen geſchahe alſo eine Capitisdeminution. Denn nicht
zu gedenken, daß ehemals niemand bey den Roͤmern eman-
cipirt werden konnte, niſi, wie Paulus4) ſagt, in imagina-
riam ſervilem cauſam deductus; denn die Emancipation ge-
ſchahe durch einen Verkauf; ſo war ja auch der capite
minutus gleichſam ein neuer Menſch geworden; denn
durch die Emancipation ward er ſelbſt Paterfamilias,
und Haupt einer eigenen Familie; durch Arrogation und
Adoption aber Theil und Mitglied einer andern Familie;
in Anſehung ſeines vorigen Familienzuſtandes war er alſo
gleichſam fuͤr buͤrgerlich tod zu halten 5). Ein Satz,
der fuͤr das Rechtsſyſtem der Roͤmer von den wichtigſten
Folgen war. Ehe ich jedoch dieſes weiter ausfuͤhre, muß
ich zufoͤrderſt noch einer andern Eintheilung der Capitis-
demi-
[175]de Statu Hominum.
deminution gedenken, welche Ulpian6) lehrt. Dieſer
theilt naͤmlich die capitis deminutionem ein in magnam
et minorem, und nennt die erſtere diejenige, wenn die
oͤffentliche Freyheit und das Buͤrgerrecht verlohren wird,
letztere aber diejenige, wenn nur blos die Familienrechte
veraͤndert werden. Nach dieſer Eintheilung betrachtete
man den Zuſtand des Roͤmers in doppelter Ruͤckſicht:
a) in Abſicht auf den Staat. In dieſer Ruͤckſicht hatte
er gleichſam eine doppelte Perſon, naͤmlich er war freyer
Menſch, und zugleich Buͤrger im Staate; und beydes
zuſammen machte den ſtatum publicum oder den eigentli-
chen ſtatum des roͤmiſchen Buͤrgers im eminentern Sinn
dieſes Worts aus 7). b) In Abſicht auf den Familien-
zuſtand betrachtet, war der roͤmiſche Buͤrger entweder
paterfamilias oder filiusfamilias, und dies machte ſeinen
ſtatum privatum aus. Der Verluſt des ſtatus publici
eines roͤmiſchen Buͤrgers war ſolchemnach capitis deminu-
tio magna, die Veranderung des ſtatus privati hingegen,
welche mit dem Verluſt des eigenen oder gemeinſchaft-
lichen Familienrechts verbunden war, wird capitis deminu-
tio minor vom Ulpian genennt. Von dieſer allein iſt
auch zu verſtehen, wenn eben dieſer Ulpian8) an einem
andern Orte ſagt: capitis minutio, ſalvo ſtatu contingens,
liberis nihil nocet ad legitimam hereditatem9). Denn das
Wort
[176]1. Buch. 5. Tit. §. 128.
Wort ſtatus wird hier in eminenten Verſtande pro ſtatu
civitatis genommen 10).
Die Wirkungen der roͤmiſchen Capitisdeminution
beſtanden nun in folgenden.
I) Der Capiteminutus verlohr hierdurch alle buͤrger-
liche Klagen und Rechte, die ihm vorher zuſtanden, aber
auch gegen ihn hatten keine buͤrgerliche Klagen weiter
ſtatt. Denn er wurde in Anſehung des durch die Capi-
pitisdeminution verlohrnen vorherigen Zuſtandes gleich-
ſam fuͤr buͤrgerlich tod gehalten. Hatte er capitis demi-
nutionem magnam erlitten, ſo mußten ſich die Glaͤubi-
ger an den Fiscus halten, der das Vermoͤgen des capite
minuti eingezogen hatte. Denen Glaͤubigern eines ſol-
chen Schuldners hingegen, der nur capitis deminutio-
nem minorem erlitten hatte, reſtituirte der Praͤtor ih-
re Klagen, wenn ſie deshalb implorirten 11). Daher iſt
nun zu begreifen, warum die Compilatoren der Pandecten
den Titel de capite minutis in die Materie von den Re-
ſtitutionibus in integrum gebracht haben.
II) Rechte, die durch den Tod erloͤſchen, z. B. uſus-
fructus, giengen auch durch die Capitisdeminution ver-
lohren; nach dem aͤltern roͤmiſchen Rechte ſogar durch
die geringſte, doch hat dies Juſtinian geaͤndert 12).
III)
[177]de Statu Hominum.
III) Die Capitisdeminution vertilgte jedoch nur buͤr-
gerliche, nicht die natuͤrlichen Rechte, quia civilis ratio na-
turalia iura corrumpere non poteſt13). Daher blieben
IV) Capite minuti aus ihren Verbrechen verpflich-
tet, die ſie vor erlittener Capitisdeminution veruͤbt hat-
ten 14). Endlich da
V) die geringe Capitisdeminution ſalvo ſtatu
publico geſchahe, und keine Veraͤnderung des buͤrgerli-
chen Zuſtands verurſachte, ſo hob dieſelbe iura publica
nicht auf 15). Es gieng daher durch eine ſolche Capitis-
deminution weder das obrigkeitliche Amt verlohren, ſo
der capite minutus bekleidete, noch wurde dadurch die
Vormundſchaft, welche derſelbe verwaltete, geendiget.
Nur allein die geſetzliche Vormundſchaft hoͤrte auf 16),
weil
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. M
[178]1. Buch. 5. Tit. §. 128.
weil ſich dieſelbe auf das Agnationsrecht gruͤndete, ſo
auch durch die geringe Capitisdeminution verlohren gieng.
Dies iſt die Urſach, warum der Titel von der Capitis-
deminution in den Inſtitutionen in die Lehre von der
Vormundſchaft mit eingeſchoben worden.
Gewiſſermaßen iſt dieſe Lehre auch noch heutiges Ta-
ges anwendbar. Capitis deminutio maxima kann in
den Gegenden Teutſchlands allerdings vorkommen, wo
die Leibeigenſchaft herrſcht. Zwar ſind unſere Leibeigene
von roͤmiſchen Sclaven ſehr verſchieden, allein es wird
mir doch ein jeder zugeben, daß ein Menſch ſeine Frey-
heit verliehre, wenn er in die Leibeigenſchaft geraͤth 17).
Man rechnet auch hierher, wenn ein Menſch auf Lebens-
lang zum Veſtungsbau, oder Zuchthauſe verurtheilt
worden. Denn auch dadurch geht die buͤrgerliche Frey-
heit unſtreitig verlohren; obgleich freylich auch hier die
Wirkungen der roͤmiſchen capitis deminutionis maxi-
mae nicht eintreten koͤnnen, weil eine roͤmiſche Sclave-
rey in Teutſchland nicht ſtatt findet. Soviel nun die
capitis deminutio media anbelangt, ſo laͤßt ſich dieſe
zwar heutiges Tages noch als moͤglich denken 18), in ſo-
fern
16)
[179]de Statu Hominum.
fern ſie in dem Verluſt des Buͤrgerrechts beſtehet, und
Jemand auch heutiges Tages ſein Buͤrgerrecht in Teutſch-
land uͤberhaupt, oder in einem teutſchen Reichsterrito-
rium z. B. durch Relegation verliehren kann; inzwiſchen
werden dadurch doch immer nur die beſondern buͤrgerli-
chen Rechte und Vortheile desjenigen Staats verlohren,
deſſen Buͤrger der Verwieſene zu ſeyn aufhoͤrt 19), nicht
aber die natuͤrlichen und gemeinen buͤrgerlichen Rechte,
als das Recht der Agnation und der Familie, das Suc-
ceßionsrecht, das Recht zu contrahiren, ein Teſtament zu
machen, die Rechte der vaͤterlichen Gewalt, u. d. als
welche heut zu Tage auch denen Fremden zugeſtanden
werden 20). Man pflegt zwar insgemein die Reichs-
acht der roͤmiſchen capitis deminutioni mediae h. z. T.
gleichzuachten; allein dieſe iſt noch aͤrger, als der Roͤmer
capitis deminutio maxima21). Denn ſie beraubt den
Geaͤchteten nicht nur aller buͤrgerlichen Rechte, ſondern
macht ihn auch vogelfrey. Jedermann kann ihn unge-
ſtraft toͤdten. Endlich ſoviel capitis deminutionem
minimam anbetrift, ſo erleiden dieſelbe auch noch heuti-
M 2ges
18)
[180]1. Buch. 6. Tit. §. 129.
ges Tages die Arrogirten und Legitimirten,
denn ſie hoͤren auf, ſui iuris zu ſeyn, und werden in die
vaͤterliche Gewalt gebracht; die Emancipirten aber
verliehren zwar, ſelbſt nach dem neuern roͤmiſchen Recht,
das Erbrecht nicht, allein doch das ius ſui heredis, mit-
hin leiden ſie wenigſtens zum Theil noch die Folgen der
capitis deminutionis minimae22).
Lib. I. Tit. VI.
De
his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
§. 129.
Entwickelung des Begrifs vom Familienzuſtand, und der
daher entſtehenden Eintheilung der Menſchen in homines
ſui und alieni iuris.
Der dritte beſondere buͤrgerliche Zuſtand nach dem roͤ-
miſchen Rechtsſyſtem iſt endlich der Status familiae.
Man verſtehet darunter den Zuſtand eines Buͤr-
gers, daß er entweder ein eigenes oder
ein gemeinſchaftliches Familienrecht hat.
(§. 128. S. 172 und 173.) familia heißt naͤmlich
hier eine Univerſitas von Perſonen und Sachen, die
zu dem Hausweſen eines Paterfamilias gehoͤren, und
daher ſeiner Herrſchaft und Gewalt unterworfen ſind 23).
Eine
[181]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
Eine Familie nach dieſem aͤchten roͤmiſchen Begriff be-
ſtehet alſo a) aus Perſonen. Dieſe ſind, wie Ul-
pian24) ſagt, paterfamilias, materfamilias, filiusfa-
milias, filiafamilias, nepotes, neptes u. ſ. w. Alle die-
ſe Perſonen werden zwar vermoͤge einer bekannten recht-
lichen Fiction als eine Perſon angeſehen 25), aber doch
mit dem Unterſchiede, daß dem Hausvater die Herrſchaft
und Gewalt in ſeinem Hausweſen zugeſchrieben wird.
Daher ſagt Ulpian26): Paterfamilias appellatur, qui
in domo dominium habet. Zur Familie in der ange-
fuͤhrten Bedeutung des Worts werden nun auch b) Sa-
chen gerechnet. Daher wird das geſammte Vermoͤgen
eines Hausvaters in unſern Geſetzen oft Familia ge-
nennt. So ſagen z. B. die Geſetze der 12 Tafeln:
Paterfamilias uti legaſſit ſuper familia ſua, ita ius eſto27),
M 3und
23)
[182]1. Buch. 6. Tit. §. 129.
und an einem andern Ort ſagen ſie: agnatus proximus
familiam habeto28). Die zur Familie gehoͤrige Sachen
waren jedoch bey den Roͤmern von zweyerley Art, eini-
ge zum Hausgottesdienſt, andere zur Hauswirthſchaft
und Oekonomie beſtimmt. Denn eine jede Familie hat-
te ihre Sacra privata, und dieſe waren von den Fami-
lienguͤtern unzertrennbar 29). Uebrigens war nicht nur
der haͤusliche Gottesdienſt, ſondern auch alles uͤbrige zum
Hausweſen gehoͤrige Vermoͤgen denen ſaͤmmtlichen eine
Familie ausmachenden Perſonen gemeinſchaftlich, obwohl
dem Hausvater, als dem Haupte der Familie, die Ver-
waltung und Dispoſition daruͤber allein zuſtund 30). Ihm
wird daher in dieſer Ruͤckſicht vom Ulpian in der oben an-
gefuͤhrten Stelle das Familieneigenthum zugeſchrieben, wel-
ches ſich auch uͤber das eigene Vermoͤgen der zu ſeiner Fa-
milie gehoͤrigen, und unter ſeiner Gewalt ſtehenden Per-
ſonen, erſtreckte, und mehr als ein bloſer Nießbrauch
war 31). Denn der Vater nahm nach des Hausſohns Tode
deſſelben Nachlaß iure peculii hin, und war nicht ſo-
wohl
[183]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
wohl als Erbe, ſondern wie ein ſucceſſor ex iure pro-
prio, iure aperturae oder conſolidationis, anzuſehen,
wenn gleich dieſes Vermoͤgen nicht vom Vater herruͤhrte,
ſondern im Krieg erworben worden. (peculium ca-
ſtrenſe32).
In Abſicht auf dieſen Familienzuſtand ſind nun die
Menſchen entweder ſui oder alieni iuris33). Die erſten
ſind ſolche Perſonen, die der Gewalt eines Patrisfami-
lias nicht unterworfen ſind, ſondern ein eigenes Familien-
recht haben 34); und dieſe ſind nach Unterſchied des Ge-
ſchlechts entweder patresfamilias oder matresfamilias35).
Diejenigen werden nun im Gegentheil homines alieni iuris
genennt, die der haͤuslichen Gewalt oder Herrſchaft eines
Paterfamilias unterworfen ſind, und dieſe ſind wieder
von zweyerley Art, entweder Soͤhne und Toͤchter, die
unter der vaͤterlichen Gewalt ſtehen, filii filiaeve fami-
lias36); oder Sclaven und Sclavinnen, die der herrſchaft-
M 4lichen
[184]1. Buch. 6. Tit. §. 129.
lichen Gewalt eines Paterfamilias unterworfen ſind; Ser-
vi et ancillae. Das Corpus der ſaͤmmtlichen Sclaven,
die ein Paterfamilias in ſeinem Hauſe hatte, wird daher
auch in unſern Geſetzen ſehr haͤufig Familia genennt 37)
Diejenigen Perſonen alſo, ſo weder der herrſchaftli-
chen noch vaͤterlichen Gewalt eines Hausvaters unterwor-
fen ſind, werden ſui iuris genennt, und dieſe ſind wieder
von zweyerley Art, entweder perfecte tales, wenn ſie das-
jenige Alter erreicht haben, nach welchen ſie fuͤr faͤhig
geachtet werden, ſich und ihrem Vermoͤgen ſelbſt vorzu-
ſtehen, ohne einen Vormund noͤthig zu haben; oder im-
perfecte tales, wenn ſie dieſe Faͤhigkeit noch nicht haben.
Dieſe letztern ſtehen unter der Tutel oder Curatel. Die
erſtern aber nicht, von dieſen ſagen daher unſere Geſetze,
neutro iure tenentur, das iſt, ſie ſtehen unter keiner Auf-
ſicht, ſondern ſind ſich ſelbſt uͤberlaſſen 38). Weil nun
unter der Tutel und Curatel Pupillen und Minderjaͤh-
rige ſtehen, Majorenne aber in der Regel keinen Vor-
mund bekommen, auſſer wenn ſie bloͤdſinnig oder Ver-
ſchwender ſind, ſo giebt dies unſern Autor Gelegenheit,
nun erſt die Lehre von der Eintheilung der Menſchen in
Anſehung ihres Alters vorzutragen, obgleich freylich die-
ſelbe eigentlich nicht hierher gehoͤrt.
§. 130.
[185]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
§. 130.
Eintheilung der Menſchen in Anſehung des Alters.
In Abſicht des Alters39) werden nun die Men-
ſchen in Minderjaͤhrige und Großjaͤhrige eingetheilt.
Jene ſind, die das fuͤnf und zwanzigſte Jahr ihres Al-
ters noch nicht zuruͤckgelegt haben (minores XXV. annis).
Solche minorenne Perſonen ſind ferner entweder noch
Kinder (infantes) oder ſolche, welche die Kinderjahre
bereits uͤberſchritten haben (infantia maiores). Kinder
heiſſen nach dem neuern roͤmiſchen Rechte diejenigen,
welche noch nicht ſieben Jahre alt ſind. Ich ſage nach
dem neuern roͤmiſchen Rechte, denn ehemals und
noch zu den Zeiten derjenigen Rechtsgelehrten, aus deren
Schriften die Pandecten compilirt worden ſind, nannte
man, ohne ein gewiſſes Alter zu beſtimmen, einen Men-
ſchen ſo lange ein Kind, bis er reden konnte 40). Kr.
M 5Ar-
[186]1. Buch. 6. Tit. §. 130.
Arcadius hob jedoch dieſe Ungewißheit des alten Rechts
auf, und verordnete, daß ein Menſch bis in das ſiebende
Jahr ſeines Alters fuͤr ein Kind gehalten werden ſollte 41);
bey welcher Beſtimmung es auch die nachfolgenden By-
zantiniſchen Kaiſere gelaſſen haben 42). Diejenigen, ſo
die Kinderjahre bereits uͤberſchritten haben, (infantia
maiores) werden wieder in Unmuͤndige (impuberes) und
Muͤndige (puberes) eingetheilt. Unmuͤndig iſt eine
Mannsperſon vor zuruͤckgelegten vierzehnten; eine Weibs-
perſon aber vor zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre. In peinli-
chen Faͤllen kommt jedoch dieſer Unterſchied des Geſchlechts
nicht in Betracht, denn in ſolchen werden alle diejenigen
noch fuͤr unmuͤndig gehalten, welche das vierzehnte
Jahr ihres Alters noch nicht erreicht haben 43). Dieſe
Impuberes ſind nun entweder infantiae proximi, oder pu-
bertati proximi. So gewiß aber die Geſetze dieſen Unter-
ſchied anerkennen 44), und ſo wichtig derſelbe in Anſe-
hung
40)
[187]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
hung ſeiner Wirkungen iſt 45), ſo wenig treffen wir je-
doch davon irgendwo in den Geſetzen eine deutliche und
gewiſſe Beſtimmung an. Kein Wunder, wenn daher
die Rechtsgelehrten uͤber dieſen Punct nicht mit einander
einverſtanden ſind 46). Den mehrſten Beyfall ſcheint je-
doch die Meinung des Accurſius gefunden zu haben 47).
Dieſer theilt die ganze Zeit von zuruͤckgelegter Kindheit
an, bis zur Pubertaͤt in zwey gleiche Theile. Haben Pu-
pillen die eine Haͤlfte dieſes Zeitraums zuruͤckgelegt, ſo
nennt er ſie pubertati proximos, in dem entgegen geſetzten
Fall aber infantiae proximos. Jedoch macht er einen Un-
terſchied in Anſehung des Geſchlechts, naͤmlich wenn ei-
ne unmuͤndige Weibsperſon noch nicht 9½, eine unmuͤndi-
ge Mannsperſon aber noch nicht 10½ Jahr alt iſt, ſo ſeyn
ſie infantiae proximi; haben ſie aber dieſe Jahre ſchon er-
reicht, pubertati proximi. Allein meines Erachtens laͤßt
ſich dieſer Maasſtab mit dem Geiſt der Geſetze nicht ver-
einbaren. Sehr weißlich nehmen die Geſetze hier keine
gewiſſe Zahl von Jahren an, ſondern wollen vielmehr al-
les auf das Maaß der Leibes- und Seelenkraͤfte ankom-
men laſſen, die ſich denn aber freylich bey dem einen jun-
gen Menſchen fruͤher bey dem andern ſpaͤter entwickeln.
So lange ſich nun alſo Unmuͤndige noch in dem Zuſtand
der
[188]1. Buch. 6. Tit. §. 130.
der ihrem zarten und jugendlichen Alter natuͤrlichen Ein-
falt und koͤrperlichen Schwaͤche befinden, wo man bey
ihren Handlungen ſo wenig eine Ueberlegung und Bos-
heit, als Kraͤfte zur Ausfuͤhrung derſelben annehmen
kann, vielmehr ihre Handlungen uͤberall noch das Ge-
praͤge der jugendlichen Leichtſinnigkeit und des Unverſtan-
des an ſich tragen, ſo ſind ſie, ohne daß es dabey auf
eine beſtimmte Zahl der Jahre ankommt, infantiae proxi-
mi, haben aber Unmuͤndige ſchon ein ſolches Maas von
Leibes- und Seelenkraͤften erreicht, daß man bey ihren
Handlungen Einſicht, bedachtſame Ueberlegung, ja Arg-
liſt und Bosheit wahrnimmt, ſo ſind ſie pubertati proxi-
mi. Dies iſt die Meinung eines Coraſius48), Goͤd-
daͤus49), Robertus50) und anderer 51) beruͤhmter
Rechtsgelehrten, welche JacobGothofred52) fuͤr die
allerrichtigſte haͤlt, und welcher auch JoſephAvera-
nius53) ſeinen Beyfall giebt. Sie iſt auch in Wahr-
heit
[189]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
heit diejenige Meinung, die ſowohl mit dem roͤmiſchen
als teutſchen Geſetzen am meiſten uͤbereinſtimmt. Denn
die Geſetze des roͤmiſchen Rechts unterſcheiden bey Unmuͤn-
digen, die die Kinderjahre ſchon zuruͤckgelegt haben, zwi-
ſchen ſolchen, welche Einſicht und Verſtand (intellectum)
haben, und ſolchen, die denſelben noch nicht haben 54);
desgleichen zwiſchen ſolchen, die einer Bosheit und eines
Verbrechens faͤhig ſind, und ſolchen, die es nicht ſind 55).
Sie erfordern ferner von einem pubertati proximo,
daß er nicht mehr weit von der Pubertaͤt entfernt ſey 56).
Hiermit ſtimmt auch die peinliche Gerichtsord-
nung Carls V.57) uͤberein, welche unter den pubertati
pro-
53)
[190]1. Buch. 6. Tit. §. 130.
proximis ſolche Perſonen verſtehet, die nahe bey vier-
zehn Jahren alt ſind.
Muͤndig (Puberes) werden nun hingegen Perſonen
maͤnnlichen Geſchlechts mit dem zuruͤckgelegten vierzehn-
ten, Perſonen weiblichen Geſchlechts aber mit dem eben-
falls zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre genennt. Warum
Weibsperſonen zwey Jahre eher die Pubertaͤt erreichen,
iſt wahrſcheinlich dieſe, weil ſie ehe die Zeugungsfaͤhig-
keit erlangen, und zum Eheſtande reif werden, als Manns-
perſonen, und da das Temperament allerdings auch auf
den Verſtand wirkt, ſo glaubten die Alten, daß ſie auch
eher geſcheid wuͤrden, als die Mannsperſonen 58). Ob
nun gleich die Pubertaͤt in Anſehung der Weibsperſonen
ſchon vor Juſtinian durch ein gewiſſes Geſetz, naͤmlich
durch die Lex Papia Poppaea beſtimmt war 59); ſo fehlte
es doch an einer ſolchen geſetzlichen Beſtimmung in An-
ſehung der maͤnnlichen Pubertaͤt vor den Zeiten Juſti-
nians
[191]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
nians gaͤnzlich, daher waren die roͤmiſchen Rechtsgelehr-
ten uͤber dieſen Punkt ſehr verſchiedener Meinung 60).
Die Caßianer wollten die Pubertaͤt bey Mannsperſonen
aus der Beſchaffenheit des Koͤrpers und der Zeugungs-
faͤhigkeit beurtheilt wiſſen, und glaubten daher, daß hier-
zu eine Beſichtigung noͤthig ſey 61). Die Proculejaner
hingegen hielten mit Hippocrates und den Stoikern,
ohne weitere Beſichtigung, uͤberhaupt ein Alter von vier-
zehn Jahren zur maͤnnlichen Pubertaͤt hinreichend 62).
Priscus, ob Neratius oder Javolenus? weiß
man nicht, ſuchte jene beyden ſtreitende Secten dadurch
zu vereinigen, daß er zwar in Anſehung der Ehemuͤn-
digkeit die Meinung der Caßianer, in allen uͤbrigen
Faͤllen hingegen, wo es ſonſt auf Muͤndigkeit ankommt,
z. B. bey Errichtung eines letztern Willens, die Mei-
nung der Proculejaner annahm, und auf ſolche Art
gleichſam das Mittel zwiſchen jenen zwey Extremen hielt.
Dieſe Meinung muß vor Juſtinians Zeiten den meiſten
Beyfall gefunden haben. Man ſiehet dies wenigſtens
daraus, weil uͤberall in den Geſetzen der Pandecten, wo
von der Muͤndigkeit der Mannsperſonen zu Errichtung
eines Teſtaments, Endigung der Tutel, und in andern
buͤrgerlichen Rechtsgeſchaͤften, auſſer der Ehemuͤndig-
keit,
[192]1. Buch. 6. Tit. §. 130.
keit, die Rede iſt, ein Alter von vierzehen Jahren erfor-
dert wird 63). Juſtinian billigte endlich die Lehre der
Proculejaner, und ſetzte feſt, daß eine Mannsperſon in
allen Faͤllen nach zuruͤckgelegten vierzehnten Jahre eben
ſo, wie eine Weibsperſon nach zuruͤckgelegten zwoͤlften
Jahre, fuͤr muͤndig gehalten werden ſolle 64). So lang
jedoch Weibsperſonen noch nicht das vierzehnte, Manns-
perſonen aber noch nicht das achtzehnte Jahr erreicht
haben, heißt dieſe Muͤndigkeit nur eine unvollkommene
(pubertas minus plena); haben ſie aber jenes Alter
erreicht, ſo faͤngt alsdann erſt die voͤllige Muͤndigkeit
an. Jedoch iſt dieſe letztere immer nur als eine Aus-
nahme
[193]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
nahme von der Regel anzuſehen. Der Regel nach wird
die unvollkommene Muͤndigkeit fuͤr hinreichend gehalten.
Die Ausnahme findet in folgenden Faͤllen ſtatt. a) Wenn
Jemand adoptiren will, ſo muß er 18 Jahr aͤlter ſeyn,
als das Kind 65). b) Wenn einer Perſon die Alimen-
te bis zur erlangten Muͤndigkeit verſprochen oder ver-
macht worden ſind 66). c) Darf keine Perſon von we-
niger als 18 Jahren zum richterlichen Amt gelaſſen wer-
den;
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. N
[194]1. Buch. 6. Tit. §. 130.
den; die Sentenz eines ſolchen noch nicht vollkommen
muͤndigen Richters gilt nicht. Es waͤre denn, daß er
vom Landesherrn geſetzt worden, in welchem Fall man
ſeine Faͤhigkeit nicht bezweifeln darf 67). d) Wenn zur
Entſcheidung eines Rechtshandels ein Eyd vor Gericht
abzuleiſten, in dieſem Fall wird nach dem Gerichtsge-
brauch bey dem Schwoͤrenden die voͤllige Muͤndigkeit er-
fordert 68). Auſſer dieſen Faͤllen kann endlich e) zuwei-
len ein beſonderes Geſetz, Vertrag oder Teſtament die
voͤllige Muͤndigkeit zur Bedingung feſtſetzen.
Ob nun gleich nach meiner Vorſtellungsart die
Minderjaͤhrigkeit eigentlich ein dreyfaches Alter in ſich
begreift, naͤmlich 1) die Kindheit, 2) das Alter der
Unmuͤndigkeit (pueritia, aetas pupillaris,) und 3)
die Muͤndigkeit oder Mannbarkeit (pubertas, ſ. ado-
leſcentia); 69) ſo darf ich doch nicht unbemerkt laſſen,
daß unſere Geſetze die Minderjaͤhrigkeit haͤufig
auch nur in zwey Hauptabſchnitte zertheilen, naͤmlich das
Alter der Unmuͤndigkeit, und das Alter der Muͤn-
digkeit; das erſtere nennen ſelbige aetas prima, und
dieſe begreift alsdann ſowohl die Jahre der Kindheit als
des Pupillaralters unter ſich; das andere hingegen wird
aetas ſecunda genannt 70). Beyde Alter ſind in Anſe-
hung
[195]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
hung ihrer Wirkungen und der davon abhangenden Rech-
te gar ſehr verſchieden. Dieſes wird ſich jedoch erſt in
der Folge zeigen. Hier will ich nur einige ganz allge-
meine Bemerkungen hinzufuͤgen.
I) Kinder werden wegen Mangel an Einſicht deſſen,
was ſie unternehmen, von den Geſetzen denen Raſenden
und Wahnſinnigen gleichgeachtet 71). Ihre Handlungen
koͤnnen daher weder Rechte noch Verbindlichkeiten wirken.
II) Unmuͤndige, die zwar uͤber die Jahre der Kind-
heit hinaus, aber doch der Kindheit naͤher, als der
Muͤndigkeit, (infantiae proximi) ſind, werden in An-
ſehung ſolcher Handlungen, die ihnen zum Nachtheil ge-
reichen, z. E. wenn ſie unerlaubte Handlungen begehen,
denen Kindern gleichgeachtet; iſt hingegen von der Faͤ-
higkeit, Rechte zu erwerben, und andere ſich zu verbin-
den, uͤberhaupt davon die Rede, was ihnen zum Nutzen
gereicht, ſo haben ſie dieſelben Rechte, welche denen pu-
bertati proximis zukommen 72).
III) Solche Unmuͤndige hingegen, welche der
Muͤndigkeit nahe ſind, (pubertati proximi) werden in
Anſehung der Moralitaͤt und Strafbarkeit unerlaubter
Handlungen mehr nach dem Rechte der Muͤndigen als
der Kinder beurtheilt. Man rechnet ihnen nicht nur gro-
be Nachlaͤßigkeit zu, ſondern ſie werden auch ſogar eines
boͤſen Vorſatzes faͤhig geachtet 73), inzwiſchen pflegt man
ſolche junge Delinquenten nicht leicht am Leben zu ſtra-
N 2fen
[196]1. Buch. 6. Tit. §. 130.
fen 74), wenn nicht etwa die Bosheit bey ih-
nen das Alter erfuͤllen moͤchte75). In An-
ſehung erlaubter Handlungen aber, wenn von deren Ver-
bindlichkeit die Rede iſt, hat es zwar keinen Zweifel, daß
ein ſolcher Unmuͤndiger mit Zuziehung ſeines Vormun-
des alle verbindliche Geſchaͤfte guͤltig eingehen koͤnne;
befindet ſich indeſſen derſelbe noch in vaͤterlicher Gewalt,
ſo kann er nach roͤmiſchen Rechten nicht verbindlich ge-
macht werden, wenn gleich der Vater das Geſchaͤft ge-
nehmiget 76). Es ſtimmen jedoch die heutigen Rechts-
lehrer darin uͤberein, daß heutiges Tages dieſer Unter-
ſchied nicht ſtatt finde, ſondern die Einwilligung des Va-
ters bey den rechtlichen Geſchaͤften eines Unmuͤndigen
eben
[197]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
eben ſo verbindlich, als die Auctoritaͤt des Vormunds,
ſey 77).
Die Minderjaͤhrigkeit dauert uͤbrigens nach roͤmi-
ſchen Rechten bis zum Ende des fuͤnf und zwanzigſten
Jahres. Dieſe Beſtimmung gruͤndet ſich auf das Laͤto-
riſche Geſetz 78), welches daher auch von den Alten lex
quinavicennaria79) genennet wird. Hier findet kein Un-
terſchied des Geſchlechts ſtatt, denn auch Weibsper-
ſonen, wenn ſie gleich fruͤher die Pubertaͤt erreichen,
werden doch, eben ſo wie Mannsperſonen, erſt nach zu-
ruͤckgelegten fuͤnf und zwanzigſten Jahre majorenn.
Die Alten nahmen naͤmlich hundert Jahre fuͤr das hoͤch-
ſte Ziel des menſchlichen Lebens an 80). Haͤtte nun der
Menſch das erſte Viertel dieſer Lebenszeit zuruͤckgelegt,
ſo habe er dasjenige Maas von Leibes- und Seelenkraͤf-
ten erlangt, welches erfordert werde, um ſich und ſein
Vermoͤgen ſelbſt zu dirigiren. So lehrten wenigſtens
Galen und Hippocrates, und es ſcheint, daß Laͤtorius
ihre Lehre befolgt habe 81). In Teutſchland iſt zwar
N 3die-
[198]1. Buch. 6. Tit. §. 130.
dieſer Termin der Majorennitaͤt nicht uͤberall angenom-
men; denn es giebt Laͤnder, wo die Großjaͤhrigkeit ſchon
vor dem 25. Jahre, zuweilen im 21ſten wie z. B. in
Sachſen, zuweilen auch noch fruͤher, eintritt; inzwiſchen
bleibt doch der roͤmiſche Termin immer die Regel, wo es
an beſondern teutſchen Vorſchriften mangelt.
Zuweilen ergaͤnzt auch der Landesherr den Mangel
der Volljaͤhrigkeit durch ein Privilegium, welches man
veniam aetatis nennt 82). Nach dem roͤmiſchen Rechte
werden hierzu wenigſtens 20 Jahre bey einer Manns-
perſon, und 18 Jahre bey einer Weibsperſon, im-
gleichen Zeugniſſe uͤber die gute Auffuͤhrung und den or-
dentlichen Lebenswandel des Supplicanten erfordert 83).
Wer dieſes Privilegium erhalten hat, wird hierdurch
zwar von der Curatel frey, ehe er noch 25 Jahr alt
iſt, und genießt in ſofern die Rechte der Volljaͤhrig-
keit, daß er nun alles ohne Curator thun kann, was er
zuvor nicht anders, als mit Einwilligung des Curators,
guͤltig thun konnte. Allein die freye Dispoſition uͤber
ſein unbewegliches Vermoͤgen bekommt der Impetrant
anders nicht, als wenn ihm ſolche zugleich und ausdruͤck-
lich
81)
[199]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
lich verliehen worden iſt. Dies nennt man die voll-
kommene oder auſſerordentliche Jahrgebung. Ohne
dieſelbe iſt die Einwilligung der Obrigkeit erforderlich,
wenn ein ſolcher Minderjaͤhriger, der durch ein landesherr-
liches Privilegium fuͤr majoreun erklaͤrt worden iſt, un-
bewegliche Guͤter verkaufen oder verpfaͤnden will 84).
Auch bleibt ihm der Charakter der Minderjaͤhrigkeit,
wenn von Uebernehmung einer Vormundſchaft 85), oder
eines andern oͤffentlichen Amts, wozu die geſetzliche Voll-
jaͤhrigkeit erfordert wird, die Rede iſt 86). Gleichwie
denn auch die venia aetatis demjenigen nichts hilft, dem
etwas unter der Bedingung der Großjaͤhrigkeit in einem
letzten Willen iſt vermacht oder geſchenket worden. Da-
her iſt ein ſolcher Menſch, der veniam aetatis erhalten
hat, in verſchiedener Ruͤckſicht majorenn und minorenn
zugleich 87).
Die Volljaͤhrigen werden nun wieder in junge und
alte Perſonen 88) eingetheilt. Wenn aber das Alter
(Senectus) ſeinen Anfang nehme, haben unſere Geſetze
nirgends allgemein beſtimmt; es war auch in der That
N 4nicht
[200]1. Buch. 6. Tit. §. 131.
nicht moͤglich, einen allgemeinen Termin fuͤr das eintre-
tende Alter feſtzuſetzen, weil die Erfahrung lehrt, daß
ſich daſſelbe bey dem einen fruͤher, bey dem andern ſpaͤter,
aͤuſſert. Es kommt alſo hierbey alles auf das Ermeſſen
des Richters an 89), welcher bey ſeinem Urtheil uͤber das
Alter eines Menſchen vorzuͤglich auf die Leibes- und Ge-
muͤthskraͤfte deſſelben zu ſehen hat 90); wenn nicht etwa
die gemeinen oder beſondern Rechte in dieſem oder jenem
Fall beſonders beſtimmt haͤtten, wenn ein Menſch fuͤr alt
gehalten werden ſolle. So z. B. nehmen die roͤmiſchen
Geſetze an, daß man nach zuruͤckgelegten ſechzigſten
Jahre zum Zeugungsgeſchaͤft nicht mehr aufgelegt ſey, und
erlauben daher, in einem ſolchen Alter zu adoptiren91).
Sie ſprechen ferner denjenigen, welcher ſiebenzig
Jahr alt iſt, von der Uebernahme der Vormundſchaften
frey 92) u. ſ. w. In Sachſen wird ein Menſch fuͤr alt
gehalten, wenn er das ſechzigſte Jahre uͤberſchritten hat 93).
§. 131.
Unterſchied zwiſchen Perſonen, die ſui iuris, aber noch minder-
jaͤhrig ſind, in Abſicht der Vormundſchaft.
Perſonen, welche von der vaͤterlichen Gewalt frey,
aber noch unmuͤndig ſind, werden Pupillen, Muͤndel
oder Muͤndlinge94) genennt. Solche junge Leute, wenn
ſie
[201]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
ſie auch uͤber die Jahre der Kindheit hinaus ſind, haben
doch noch nicht diejenige Ueberlegung und Einſicht, um
ſich ſelbſt, und ihrem Vermoͤgen vorzuſtehen. Sie koͤn-
nen in rechtlichen Geſchaͤften auch noch keinen vollkom-
menen und verbindlichen Conſens fuͤr ſich erklaͤren. Es
iſt vielmehr ein Mangel in ihrer Perſon vorhanden, der
durch die Auctoritaͤt eines Beyſtandes ergaͤnzet werden
muß. Pupillen muͤſſen alſo einen Vormund bekommen, der
die Aufſicht uͤber ihre Perſon und Guͤter fuͤhrt. Dies er-
heiſchet ſelbſt das Wohl des Staats, damit ſolche junge
und noch unverſtaͤndige Leute nicht um ihr Vermoͤgen kom-
men. Ob nun gleich Puberes nach roͤmiſchen Geſetzen
fuͤr ſolche Perſonen angeſehen werden, die ſich auch oh-
ne Beyſtand verbindlich machen koͤnnen 95); (perſonae in-
tegrae) ſo fehlt es ihnen doch an Erfahrung und genug-
ſamer Faͤhigkeit zu ihrer eigenen Leitung, ſie koͤnnen da-
her leicht hintergangen werden. Die Geſetze haben des-
wegen in Anſehung ihrer eine Curatel (cura mino-
rum) nicht nur einzufuͤhren fuͤr gut befunden, ſondern
geben ihnen auch im Fall erlittener Verletzung die Rechts-
wohlthat der Wiederherſtellung in vorigen Stand. Hier-
von wird zu ſeiner Zeit mit mehrern gehandelt werden.
§. 132.
Verſchiedener Zuſtand der hominum alieni iuris nach dem roͤmi-
ſchen Rechte.
Diejenigen Perſonen hingegen, welche der Gewalt eines
Hausvaters unterworfen ſind, (homines alieni iuris) waren
N 5bey
[202]1. Buch. 6. Tit. §. 132.
bey den Roͤmern theils Kinder vom Hauſe (filii filiaevefa-
milias,) theils Sclaven und Sclavinnen. Unter beyden
war ein merklicher Unterſchied. Sclaven wurden in Ab-
ſicht des Staats fuͤr keine Perſonen angeſehen, und hatten
uͤberall keine buͤrgerlichen Rechte im Staate. (S. 231.
u. folg.) 96). Allein Filii familias waren in Ruͤckſicht
des Staats freye Menſchen und Buͤrger. Sie hatten
alle Rechte und Pflichten roͤmiſcher Buͤrger. Sie konn-
ten daher oͤffentliche Aemter im Staate bekleiden; zu Vor-
muͤndern unmuͤndiger Kinder beſtellet werden 97), und
wenn ſie nur ſonſt iuſtae aetatis waren, mit allen und
jeden Perſonen auſſer der Familie Contracte ſchlieſ-
ſen, auch nach dem civil Recht daraus verpflichtet wer-
den 98). Bekleidete der Sohn ein obrigkeitliches Amt,
ſo hatte ihm in Sachen, die die Verwaltung deſſelben
angiengen, der Vater nicht nur nichts zu befehlen, ſon-
dern es konnte im Gegentheil der Sohn von Amtswegen
dem Vater Befehle ertheilen, und ihn zu ſeiner Schul-
digkeit anhalten 99). Allein im Verhaͤltniß gegen den
Paterfamilias, deſſen Gewalt beyde unterworfen waren,
finden wir eine Aehnlichkeit unter beyden. Doch getraue
ich mir nicht mit unſern Hrn. Verfaſſer zu behaupten,
daß ihr Zuſtand, in dieſem Verhaͤltniß betrachtet, voͤllig
gleich
[203]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
gleich geweſen. Es iſt wahr, daß Kinder, die der Vater
noch in ſeiner Gewalt hatte, in allen Faͤllen innerhalb der
Familie nicht als Perſonen angeſehen wurden, ſondern,
wie die Sclaven, ſich gewiſſermaßen in dem Eigenthum
des Vaters befanden 100); daher konnte der Paterfami-
lias durch ſeine Kinder, wie durch ſeine Sclaven, acqui-
riren 1); zwiſchen dem Vater und den Kindern, die noch
unter ſeiner Gewalt ſtanden, konnte keine buͤrgerliche
vollguͤltige Verbindlichkeit ſtatt finden 2); ſie konnten kei-
ne Vertraͤge unter einander ſchlieſſen 3); keinen gerichtlichen
Proceß mit einander fuͤhren 4). Denn Vater und Kin-
der wurden nicht als verſchiedene, ſondern als eine
Perſon angeſehen 5). Allein dem ungeachtet hatten
doch Kinder vom Hauſe Familienrechte, welche mit dem
wichtigſten Vortheilen verbunden waren. In dieſer
Ruͤck-
[204]1. Buch. 6. Tit. §. 133.
Ruͤckſicht wurden die Kinder ſchon bey Lebzeiten des Va-
ters gewiſſermaßen als Herrn des vaͤterlichen Vermoͤgens
angeſehen, und wurden daher nach des Vaters Tode ip-
ſo iure Erben deſſelben, ohne daß eine Erklaͤrung und
Erbſchaftsantretung hierzu noͤthig war 6). Alſo war
doch wohl, wenigſtens in Ruͤckſicht dieſes Familienrechts,
der Zuſtand der Kinder beſſer, als der Zuſtand der
Sclaven.
§. 133.
Roͤmiſche vaͤterliche Gewalt a) nach dem aͤltern roͤmiſchen
Rechte.
Da Filii und Filiaͤ Familias unter der vaͤterlichen
Gewalt ſtehen, ſo giebt uns dies Veranlaſſung, dieſe wich-
tige Lehre 7) jetzt abzuhandeln. Wir muͤſſen nun zufoͤr-
derſt die wahre Beſchaffenheit der roͤmiſchen vaͤterlichen
Gewalt mit ihren Veraͤnderungen und Modificationen
kennen lernen, die ſie durch die neuern roͤmiſchen Geſetze
erlitten hat.
Nach aͤltern roͤmiſchen Rechten war die vaͤterliche
Gewalt ein alleiniges Vorrecht des roͤmiſchen Hausva-
ters
[205]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
ters 8). Die Hausmutter hatte daran keinen Antheil 9).
Denn da der Paterfamilias als das Haupt der Fami-
lie angeſehen wurde, deſſen Herrſchaft alle zur Familie
gehoͤrige Perſonen unterworfen waren, ſo ſchien es un-
ſchicklich zu ſeyn, der Mutter einen Antheil an der vaͤter-
lichen Gewalt zu verſtatten, da ſie ſelbſt durch die Ehe
in eine ſo ſtrenge Gewalt des Mannes gekommen war,
daß ſie in Verhaͤltniß gegen denſelben nur wie eine Fi-
lia Familias betrachtet wurde 10). Dieſe vaͤterliche
Gewalt war nun Anfangs nach der Verfuͤgung des Ro-
mulus beynahe von graͤnzenloſen Umfange. Der Vater
hatte nicht nur die haͤusliche Gerichtsbarkeit uͤber ſeine
Kinder, und konnte ſogar ein Recht uͤber Leben und Tod
derſelben ausuͤben 11), weßhalb mit Recht die vaͤterliche
Gewalt eine maieſtas patria von den Alten 12) genennt
wird; ſondern auch ein voͤlliges Eigenthumsrecht ſtund
dem Vater uͤber die Perſon und das Vermoͤgen ſeiner
Kin-
[206]1. Buch. 6. Tit. §. 133.
Kinder zu 13). Denn er konnte die Kinder verkaufen,
ja den Sohn dreymal verkaufen, weil er das erſte und
zweytemal wieder in die vaͤterliche Gewalt zuruͤckfiel,
wenn ihn der Kaͤufer freyließ 14). Ferner dem Vater ge-
hoͤrte alles, was die Kinder waͤhrend der vaͤterlichen Ge-
walt
[207]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
walt erwarben 15). Sie hatten ſo wenig, als die Scla-
ven, ein Eigenthum. Der Vater konnte das Kind, wenn
es durch unerlaubte Handlungen Schaden anrichtete, no-
xae dare16), d. i. ſolches zum Schadens-Erſatz dem Be-
leidigten an Zahlungsſtatt uͤbergeben; er konnte auch,
wenn ein anderer das Kind bey ſich hatte, und es dem
Vater vorenthielt, daſſelbe iure Quiritium vindiciren 17),
oder das Interdictum de liberis exhibendis18) anſtellen,
welches nach der Meinung des Paulus19) gleichfalls ein
Eigenthum vorausſetzt. (proprietatis cauſam continet)
Durch die XII. Tafelgeſetze und Auctoritaͤt der roͤmiſchen
Rechtsgelehrten wurden dieſer vaͤterlichen Gewalt ſogar
Wirkungen beygelegt, die ſich noch nach des Vaters
Tode aͤuſſern. Dahin gehoͤrt das Recht des Vaters,
ſeinen unmuͤndigen Kindern einen Vormund im Teſta-
ment zu beſtellen, und denenſelben pupillariter zu ſubſti-
tuiren, d. i. ihnen einen Erben auf den Fall zu ſetzen,
wenn ſie in der Unmuͤndigkeit ſterben wuͤrden 20).
§. 134.
[208]1. Buch. 6. Tit. §. 134.
§. 134.
Begrif, und urſpruͤngliche Beſchaffenheit des Peculiums
der Kinder.
Ob nun gleich die Kinder, ſo lange ſie in der vaͤter-
lichen Gewalt waren, nach dem aͤltern roͤmiſchen Rechte
nichts Eigenes beſitzen konnten 21); ſo gab doch zuweilen
ein Vater ſeinem Sohne ein Stuͤck Geld in die Haͤnde,
oder er ſchafte ihm Waaren an, um damit zu handeln 22).
Ein ſolches Vermoͤgen, was eine Perſon, die unter der
Gewalt eines Hausvaters ſtand, von dem Vermoͤgen deſ-
ſelben abgeſondert, und auf Rechnung deſſelben beſaß,
hieß Peculium23). Ulpian24) nennt es puſilla pecunia,
ſive,
[209]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
ſive patrimonium puſillum, jedoch mehr um die urſpruͤng-
liche Beſchaffenheit und Unbedeutſamkeit deſſelben, als
den Urſprung des Worts dadurch anzuzeigen. Denn das
Wort ſelbſt kommt wohl eher von pecus her 25); weil
der Reichthum der Alten hauptſaͤchlich in Vieh beſtand.
Das Kind hatte jedoch nur die Verwaltung des ihm von
dem Vater uͤberlaſſenen Peculiums, und konnte zwar mit
andern daruͤber Vertraͤge ſchlieſſen 26), keinesweges aber
ſolches verſchenken 27). Denn Eigenthum und Gewinn
gehoͤrten dem Vater. Dieſer konnte es daher auch dem
Kinde nach ſeinem Gefallen wieder nehmen, und einem
Andern zuwenden 28). Daß dem Vater an den Ge-
ſchenken, ſo er ſeinen Kindern machte, das Eigenthum
verblieb, das gruͤndete ſich nun zwar, den roͤmiſchen Ge-
ſetzen nach, zunaͤchſt in der erdichteten Einheit der Per-
ſon und des Vermoͤgens, ſo zwiſchen beyden ſtatt fand;
allein es laͤßt ſich allerdings mit Grunde behaupten, daß
wenn auch jene Einheit der Perſonen und Guͤter nicht le-
gal geweſen waͤre, doch noch ein anderer Grund dazu,
ſowohl
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. O
[210]1. Buch. 6. Tit. §. 134.
ſowohl im Rechte der Natur, als in den roͤmiſchen Rech-
ten ſelbſt zu finden ſeyn wuͤrde. Denn wenn der Vater
ſeinen noch nicht ausgeſonderten Kindern, die ohnehin
noch alles Noͤthige von ihm zu erwarten und zu erhal-
ten berechtiget waren, ein Geſchenk machte, ſo konnte er
natuͤrlicher Weiſe dabey keine andere Abſicht haben, als
daß die Sache erſt dermaleinſt, wenn ſie von dem Va-
ter ausgeſondert, und ſich ſelbſt uͤberlaſſen waͤren, ihnen
gehoͤren ſollte. Es ſind alſo der Natur nach gleich An-
fangs nicht Geſchenke, ſondern blos zu kuͤnftigen Ge-
ſchenken beſtimmte Sachen. Dieſer natuͤrliche Rechts-
grundſatz wird auch ſchon von den Kaiſern Diocletian
und Maximian29) als richtig angenommen, wenn die-
ſelben folgendermaßen reſcribiren: non eſt incerti iu-
ris, in eum, qui in ſacris familiae tuae remanet, de-
ſtinationem magis paternae voluntatis factam, quam per-
fectam donationem perveniſſe. Hieraus laͤßt ſich auch
erklaͤren, warum dem Kinde das Peculium alsdann un-
wiederruflich verblieb, wenn es der Vater bey der Eman-
cipation deſſelben nicht zuruͤcknahm 30). Die Schenkung
die die Mutter ihren Kindern machte, ſo noch in vaͤterli-
cher Gewalt waren, war wenigſtens nach dem Rechte
der Pandecten 31) fuͤr die Kinder ohne Wirkung; und
das Eigenthum kam an den Vater. Was die Rechte
des Codex hierin geaͤndert, wird ad §. 136. gezeigt
werden.
§. 135.
[211]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
§. 135.
Einſchraͤnkungen der vaͤterlichen Gewalt nach dem neuern. roͤ-
miſchen Recht in Anſehung des Rechts die Kinder am Leben
zu ſtrafen, zu verkaufen, und ſolche dem Beleidigten
zur Entſchaͤdigung zu uͤberlaſſen.
Fragt man nun nach den Urſachen, warum man
dem Vater in jener Kindheit des roͤmiſchen Staats ſo
unbeſchraͤnkte Rechte uͤber die Perſon und Guͤter der Kin-
der, ja ſogar das Recht uͤber Leben und Tod derſelben
geſtattete; ſo wird ſich daraus ergeben, warum dieſe
graͤnzenloſe vaͤterliche Gewalt von keiner langen Dauer
habe ſeyn koͤnnen. Denn da eines Theils die Verfaſ-
ſung des Gerichtsweſens und die vollſtreckende Gewalt
noch ſchwankend und unbeſtimmt war; und andern Theils
die Policey, mit ihren gelinden Vorkehrungen, die Gele-
genheit zu ſittlichen Ausſchweifungen bey einem ſo rohen
Volke ſo wenig verhuͤten als vermindern konnte; ſo war
keine andere Stuͤtze der allgemeinen Sicherheit uͤbrig;
und man hatte mit Recht das Vertrauen, daß die dem Va-
ter in ſeinem Hauſe nachgelaſſene Herrſchaft zur Aufrecht-
erhaltung des noch ſchwantenden Staatsgebaͤudes das mei-
ſte beytragen wuͤrde, zumal die natuͤrliche Liebe vernuͤnftiger
Vaͤter gegen ihre Kinder den Geſetzgebern Buͤrge war,
daß die Eltern keinen Mißbrauch mit dieſem ihnen uͤber-
laſſenen Recht machen wuͤrden. Denn was Papinian32)
bey einer andern Gelegenheit ſagt: plerumque pietas pater-
ni nominis conſilium pro liberis capit, hat die Erfahrung
von jeher beſtaͤttiget. Allein, auch ohne jene Ruͤckſicht,
war es bey dem neu errichteten roͤmiſchen Staate natuͤr-
lich, daß die Haͤupter der Familien, deren jedes einen An-
theil an der geſetzgebenden Gewalt hatte, ſich die unbe-
ſchraͤnkte Herrſchaft in ihren Haͤuſern vorbehielten, die
O 2ſie
[212]1. Buch. 6. Tit. §. 135.
ſie in dem Stande ihrer Unabhaͤngigkeit auszuuͤben ge-
wohnt waren. Auch war es um der Auswaͤrtigen wil-
len nothwendig, die Rechte des roͤmiſchen Buͤrgers ſo
glaͤnzend, als moͤglich, zu machen, um Fremde anzurei-
zen, ſich dieſes Buͤrgerrechts theilhaftig zu machen, und
durch dieſes Mittel die Bevoͤlkerung des damals noch klei-
nen Staats zu befoͤrdern. So wie nun aber Geſetze mit
den Zeitumſtaͤnden ſich aͤndern, ſo wurden auch in der
Folge mit der veraͤnderten Staatsverfaſſung Roms die
Rechte der vaͤterlichen Gewalt ſehr eingeſchraͤnkt. Denn
ſo wurde i) dem Vater das Recht uͤber Leben und
Tod ſeiner Kinder gaͤnzlich genommen. Die ei-
gentliche Zeitperiode, zu welcher dieſes geſchehen, iſt un-
gewiß. Gerhard Noodt33) glaubt, es ſey zu den Zei-
ten der Kaiſer Valentinian, Valens und Gratian
geſchehen 34). CorneliusvanBynkershoͤk35) hinge-
gen meint, daß ſchon zu Trajans, Hadrians und An-
tonins des Frommen Zeiten dem Vater jenes Recht
genommen worden ſey. Allein da Hadrian nur den
Mißbrauch deſſelben beſtraft hat 36) ſo muß das Recht
ſelbſt zu ſeinen Zeiten wohl noch nicht abgeſchaft gewe-
ſen ſeyn; und wenn dem Vater durch verſchiedene Se-
natusconſulte unter Hadrian die Verbindlichkeit, ſeine
Kinder zu ernaͤhren, eingeſchaͤrft worden iſt 37), ſo laͤßt
ſich daraus nur ſo viel ſchlieſſen, daß der Vater nicht ha-
be tyranniſch uͤber das Leben und Tod der Kinder gebieten
duͤrfen. Soviel iſt indeſſen richtig, daß zu den Zeiten des
K. Alexander Severus dem Vater dieſes Recht nicht mehr
geſtat-
[213]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
geſtattet worden iſt. Denn Paulus38) gedenkt deſſel-
ben nur als eines ehemaligen Rechts, und K. Alexan-
der Severus39) giebt blos dem Vater ein Recht, die
Kinder zu zuͤchtigen. Wenn aber vaͤterliche Zuͤchtigun-
gen an dem ungerathenen Sohne nichts mehr fruchten,
ſondern zur Beſtrafung und Bezaͤhmung deſſelben ſchaͤr-
fere Ahndungen noͤthig ſeyn; ſo ſoll das Kind der Obrig-
keit uͤbergeben, und dieſer die Beſtimmung einer angemeſſe-
nen Strafe uͤberlaſſen werden. Jedoch iſt auch hierbey
dem Vater ein gewiſſes Beyſtimmungs- oder Einwilli-
gungsrecht vorbehalten worden, vermoͤge deſſen er durch
Interceſſion entweder Milderung oder Schaͤrfung der zu-
erkannten Strafe bewirken kann 40).
II) Wurde auch das Recht, die Kinder zu ver-
kaufen, eingeſchraͤnkt. Denn der dreymalige Verkauf
der Soͤhne ward durch die Rechtsgelehrten zum bloſen
Symbol, und als Foͤrmlichkeit bey Emancipation derſel-
ben beybehalten. Es kann ſeyn, daß man durch die
Grundſaͤtze der Stoicker von der Wuͤrde des Menſchen
zuerſt veranlaßt wurde, den Verkauf der Kinder fuͤr un-
ſchicklich zn halten. Kr. Conſtantin erlaubte nur allein
neugebohrne Kinder zu verkaufen, wenn die El-
tern in der aͤuſſerſten Armuth waͤren 41). Juſti-
nian hob endlich auch die Foͤrmlichkeit des Scheinkaufs
O 3bey
[214]1. Buch. 6. Tit. §. 136.
bey der Emancipation der Kinder auf 42). Nicht weni-
ger wurde
III) das Recht, die Kinder, wenn ſie durch
unerlaubte Handlungen Schaden anrichten,
zur Entſchaͤdigung zu uͤbergeben(noxae datio
filiorum filiarumque familias) aufgehoben 43). Welcher
Vater koͤnnte auch dieſes zugeben, ſagt Juſtinian, da
er bey der Ueberlaſſung des Sohnes jederzeit mehr, als
der Sohn, verliehret; bey den Toͤchtern aber die Vorſor-
ge fuͤr ihre Keuſchheit dergleichen nicht verſtattet.
§. 136.
Einſchraͤnkung der vaͤterlichen Gewalt durch Einfuͤhrung der
mancherley Arten von Peculien.
Beſonders aber iſt auch das Erwerbungsrecht des
Vaters durch Einfuͤhrung der mancherley Arten von
Peculien43) unter den roͤmiſchen Kaiſern ſehr einge-
ſchraͤnkt worden. Hier wollen wir jedoch nur uͤberhaupt
dieſe Gattungen aus einander ſetzen. Denn die Rechte
in Anſehung derſelben werden wir erſt im 15. Buch
Tit. I. kennen lernen. Man theilt nun das Peculium
oder Sondergut der Kinder, welche noch in vaͤterlicher
Gewalt ſind, nach der verſchiedenen Art und Weiſe, wie
es erworben wird, in militare und paganum ein. Pecu-
lium militare nennt man dasjenige Vermoͤgen, was Kin-
der per militiam ſagatam vel togatam erwerben. Mili-
tia ſagata heißt der Soldatenſtand oder Kriegsdienſt.
Unter der militia togata hingegen verſtehet man die Aus-
uͤbung freyer Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, ferner die Ver-
wal-
[215]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
waltung einer oͤffentlichen Civil- oder geiſtl. Bedienung. Da-
her iſt nun das militaͤriſche Peculium zweifach a) caſtrenſe,
welches der Sohn im Soldatenſtande und bey Gelegenheit
des Kriegsdienſtes erworben hat; b) quaſi caſtrenſe, was
Kinder durch freye Kuͤnſte und Wiſſenſchaften, oder durch
oͤffentliche Bedienungen und Wuͤrden, die ſie im Staat be-
kleiden, erworben haben. Zum peculium caſtrenſe rechnet
man 1) was der Vater ſeinem in Kriegsdienſt tretenden Soh-
ne zur Equipage geſchenkt hat 44); 2) was der Sohn als
Soldat im Krieg erbeutet, oder von ſeinem Sold erſpart
hat 45): 3) eine Erbſchaft oder Vermaͤchtniß, ſo ihm von
ſeinen Kriegskammeraden iſt hinterlaſſen worden 46). Iſt
ihm von andern eine Erbſchaft oder Legat zugefallen, ſo
wird dieſes kein peculium caſtrenſe47), wenn auch gleich
der Teſtierer ausdruͤcklich verordnet haͤtte, daß das Ver-
maͤchtniß fuͤr ein peculium caſtrenſe angeſehen werden
ſolle 48). Endlich gehoͤrt auch noch 4) dasjenige hierher,
was der Sohn mit dem Gelde, ſo er als Soldat verdient
hat, erkauft 49). Denn das peculium der Kinder iſt ei-
ne univerſitas juris50), bey welcher die Regel gilt: res
O 4in
[216]1. Buch. 6. Tit. §. 136.
in locum pretii ſuccedit. Zum peculium quaſi caſtrenſe
hingegen rechnet man 1) was der Vater oder ein anderer
dem Sohne zum Studieren geſchenkt oder vermacht hat 51).
2) Was ein Sohn als Advocat, oder Doctor oder als
practiſcher Arzt durch ſeine Kenntniſſe und Wiſſenſchaf-
ten erwirbt, oder als Schriftſteller verdient. 3) Was er
durch ſeine oͤffentliche Civilbedienung z. B. als Secreta-
rius, als Stall- oder Fechtmeiſter, u. ſ. w. oder durch
ſeine geiſtliche Wuͤrde oder auch nur bey Gelegenheit der-
ſelben erwirbt. 4) Was dem Sohne in Ruͤckſicht ſeiner
gelehrten Kenntniſſe und Wiſſenſchaften geſchenkt wird;
u. dgl. 52). Ehe ich weiter gehe, bemerke ich nur noch,
daß ſich der eigentliche Urſprung des peculii caſtrenſis
und quaſi caſtrenſis mit vollkommener Gewißheit nicht
beſtimmen laſſe. Den Urſprung des peculii caſtrenſis
wollen einige vom Julius Caͤſar, andere vom Kr. Au-
guſt herleiten, andere ſetzen ihm ſogar in die Zeiten der
freyen Republik 53). Das peculium quaſi caſtrenſe
hingegen betreffend, ſo halten verſchiedene den K. Theo-
doſius den Juͤngern fuͤr den Urheber deſſelben; allein
daß es weit aͤlter ſeyn muͤſſe, erhellet daraus, weil ſchon
Ulpian in verſchiedenen Stellen der Pandecten 54) deſ-
ſelben Erwaͤhnung thut 55).
Das
[217]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
Das peculium paganum, welches nun dem militari ent-
gegen geſetzet wird, iſt wieder zweyerley, entweder profecti-
ti [...]m oder adventitium[]. Unter dem erſtern verſtehet man
ſolche Guͤter, die den Kindern entweder vom Vater ſelbſt,
oder durch deſſelben Veranlaſſung und um des Vaters
Willen von andern zugefloſſen ſind 56). Dahin gehoͤrt,
wenn der Vater dem Sohn einen Handel etablirt, und
dieſer in der vaͤterlichen Gewalt verbleibt. Ferner wenn
der Vater fuͤr das Kind in die Lotterie einſetzt, ſo ge-
hoͤrt der Gewinnſt, wenn ſelbigen der Vater dem Kinde
laͤßt, zum peculio profectitio57). Auch wenn der Va-
ter Jemanden gedient hat, und letzterer um des Vaters
willen dem Kinde ein Geſchenk macht, weil der Vater
fuͤr ſeine Bemuͤhung nichts nehmen wollte, ſo wird die-
ſes Geſchenk zum peculio profectitio gerechnet 58). Die-
ſe Art des Peculiums iſt unſtreitig die aͤlteſte, wenn
man auch kein aͤlteres Beyſpiel deſſelben, als das, ſo
beym Plautus59) vorkommt, findet. Ob es uͤbrigens
ein peculium profectitium gebe, woran der Mutter das
Eigenthum zuſtehet? iſt ſtreitig. In der unten ange-
O 5fuͤh-
55)
[218]1. Buch. 6. Tit. §. 136.
fuͤhrten Schrift 60) wird ſolches beiahet. Allein ich kann
mich davon nicht uͤberzeugen. Das peculium profecti-
tium iſt ja unſtreitig eine Wirkung der roͤmiſchen vaͤter-
lichen Gewalt. An dieſer aber hat die Mutter weder
nach roͤmiſchen 61) noch teutſchen Rechten Antheil 62). Die
Schenkung, die die Mutter denen Kindern waͤhrend
der vaͤterlichen Gewalt macht, iſt nach der L. 25. Cod.
de donat. inter vir. et uxor. zwar wiederruflich, aber das
macht ſie noch zu keinem peculium profectitium. End-
lich dasjenige Vermoͤgen, das die Kinder anders woher,
als vom Vater oder durch denſelben erlangt haben, wird
peculium adventitium63) genennt. Dahin gehoͤren muͤt-
terliche Geſchenke, muͤtterliche Erbſchaft, oder was den
Kindern von muͤtterlichen Großeltern zufaͤllt, ferner die
Erwerbung der Kinder durch Handwerksdienſte, Gluͤcks-
ereigniſſe, und dergleichen 64). Den Urſprung deſſelben
leitet man von Conſtantin den Großen her 65). Allein
Galvan66) hat gezeigt, das es aͤlter ſey. Conſtantin
wollte
[219]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
wollte nur, daß das muͤtterliche Vermoͤgen der Kinder
Eigenthum verbleiben ſollte 67). Was aber die Kinder
von andern Perſonen erbten, war ſchon zu Ulpians Zei-
ten ihr peculium adventitium68). Juſtinian69) be-
ſtimmte durch eine allgemeine Conſtitution noch genauer,
was dazu gerechnet werden ſollte, wie ſchon oben gezeigt
worden iſt.
In Anſehung der Rechte dieſer mancherley Gattun-
gen von Peculien bemerken wir hier in der Kuͤrtze nur
ſoviel:
a) Daß das peculium profectitium, ſo lang die Kinder
in der vaͤterlichen Gewalt ſind, ganz der Dispoſition des
Vaters unterworfen ſey. Er hat das Eigenthum und
den Genuß. Die Kinder aber haben nichts als die Ad-
miniſtration deſſelben, und dieſe iſt nach dem Willkuͤhr
des Vaters ſtets wiederruflich 70).
b) Das peculium militare hingegen iſt ein freyes
Eigenthum der Kinder, und ſtehen ihnen dieſerhalb alle
Rechte eines Patrisfamilias zu. Sie koͤnnen daruͤber frey
ſowohl unter den Lebendigen, als auf den Todesfall dis-
poniren 71). Der Sohn kann alſo auch daruͤber ein Te-
ſta-
[220]1. Buch. 6. Tit. §. 136.
ſtament machen 72), und hat dabey das beſondere Recht,
daß gegen dieſes Teſtament keine querela inofficioſi ſtatt
findet, wenn auch gleich die naͤchſten Blutsfreunde darin
waͤren ausgeſchloſſen worden 73). Nur in Anſehung der-
jenigen Soͤhne, welche Geiſtliche ſind, hat Juſtinian
ein anders verordnet; dieſe ſollen ihren Kindern, und
wenn ſolche nicht vorhanden ſind, ihren Eltern wenigſtens
den Pflichttheil laſſen 74). Stirbt der Sohn ohne Teſta-
ment, ſo kann ſich der Vater das peculium caſtrenſe
nach neuern roͤmiſchen Rechten nicht mehr, wie ehedem 75),
iure peculii und vermoͤge der vaͤterlichen Gewalt anmaſ-
ſen, ſondern es faͤllt an die Inteſtaterben 76). Endlich
c) ſoviel das peculium adventitium anlangt, ſo ſte-
het den Kindern zwar das Eigenthum, dem Vater aber,
ſo lang die Kinder in deſſelben Gewalt ſind, die Ver-
wal-
71)
[221]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
waltung, und ein geſetzliches Benutzungsrecht zu 77). Ein
mehreres hiervon wird in dem Titel de peculio vorkommen.
Hier will ich nur noch bemerken, daß es Faͤlle gebe, in
welchen die Kinder auch in Anſehung ihrer Adventizien
ein freyes Eigenthum, obgleich nur unter den Lebendigen,
ausuͤben koͤnnen. Dahin gehoͤrt z. B. wenn dem Kinde
etwas mit einer den Nießbrauch des Vaters ausſchlieſſen-
den Bedingung iſt vermacht oder geſchenket worden; deß-
gleichen wenn der Sohn gegen den Willen des Vaters
eine ihm zugefallene Erbſchaft antritt, und andere mehr,
welche unſer Herr Auctor unten §. 910. anfuͤhren wird.
In dieſen Faͤllen, wo der Vater keinen Nießbrauch von
dem peculio adventitio ſeiner Kinder hat, nennt man
daſſelbe extraordinarium, irregulare, auch plenum78). Die-
ſe verſchiedenen Rechte der Peculien finden auch noch heu-
tiges Tages ſtatt 79).
§. 137. u. 138.
Heutige Beſchaffenheit der vaͤterlichen oder elterlichen Gewalt.
Wir haben nun die roͤmiſche vaͤterliche Gewalt nach
ihren mancherley Veraͤnderungen und Einſchraͤnkungen
ken-
[222]1. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.
kennen gelernt. Es iſt alſo nur noch uͤbrig, von der Be-
ſchaffenheit der heutigen vaͤterlichen Gewalt80) zu
handeln. Unſere heutige vaͤterliche Gewalt hat
durch Vermiſchung der roͤmiſchen und teutſchen Rechte
ihr Daſeyn erhalten; ſie ſtehet nicht dem Vater allein zu,
ſondern die heutigen Rechte und Sitten laſſen auch die
Mutter, ob zwar nicht gleichen, aber doch gewiß keinen
geringen Antheil, daran nehmen 81). Der Inbegriff al-
ler den Eltern uͤber die Kinder zuſtehenden, und fuͤr-
nehmlich auf den Zweck der Erziehung ſich beziehen-
den, Rechte iſt demnach die vaͤterliche oder vielmehr el-
terliche Gewalt nach heutigen Rechten. Bey Zer-
gliederung derſelben kommt es auf drey Fragen an:
I) Welche elterliche Rechte ſind gemeinſchaftlich? II) Wel-
che ſtehen dem Vater ausſchließlich zu? III) Was
nimmt ſonſt der Gerichtsgebrauch aus dem neuern Rechte
in Anſehung dieſer Lehre an, und was iſt davon in
Teutſchland nicht mehr zu gebrauchen.?
Die
[223]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
Die erſte Frage anlangend, ſo ſetzen wir als Grund-
ſatz des heutigen Rechts feſt, daß diejenigen Rechte
der elterlichen Gewalt, die ſich uͤber die Per-
ſon der Kinder erſtrecken, beyden Eltern ge-
meinſchaftlich zuſtehen. Dies iſt teutſchen Rechtens.
Denn wenn gleich nach dem neuern roͤmiſchen Recht 82)
der Mutter einige Gewalt uͤber ihre Kinder beygelegt
wird, ſo war doch dieſe in der That nur Schattenwerk 83).
Daher die neuern roͤmiſchen Geſetze noch uͤberall den Satz
einſchaͤrfen, daß eheliche Kinder in des Vaters
Gewalt ſeyen, und der Mutter keine vaͤter-
liche Gewalt uͤber ihre Kinder zuſtehe84).
Die nach heutigen Rechten beyden Eltern uͤber die Perſon
ihrer Kinder zuſtehenden Rechte und Pflichten beziehen
ſich nun uͤberhaupt auf alles, was die Sorge fuͤr die
Gluͤckſeeligkeit der Kinder erheiſcht. Beyden Eltern liegt
demnach
1) die Pflicht ob, ihre Kinder zu guten Menſchen
zu erziehen, und ſie zum buͤrgerlichen Leben zu bilden.
Beyde Eltern haben daher auch das Recht, die Hand-
lungen der Kinder zu leiten, in ſoweit es der Zweck der
Erziehung erfordert, und die dazu dienliche Verfuͤgungen
zu machen. In Anſehung des jedem der Eltern zuſtehen-
den Antheils an der Erziehung ihrer Kinder ſcheint uͤbri-
gens ſelbſt die Natur folgende Grenzlinie zu bezeichnen,
daß der Saͤugling, das noch ſtammelnde, noch mit un-
ge-
[224]1. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.
gewiſſen Schritten folgende Kind, wenigſtens bis nach
zuruͤckgelegten vierten Jahre, der alleinigen Aufſicht und
Pflege der Mutter zu uͤberlaſſen; weil der Vater nur
dann erſt ſeine Erziehung, ſeinen Unterricht anfangen
kann, wenn die Sprachorgane und mit ſelbigen die Ver-
ſtandskraͤfte ſich entwickeln. Ihr gebuͤhrt auch die Erzie-
hung der Toͤchter, in ſoweit ſolche die beſonderen weib-
lichen Geſchaͤfte in ſich faßt; und wenn daruͤber zwiſchen
Vater und Mutter Streit entſtehet, ſo iſt die Praͤſum-
tion fuͤr die Mutter, ſo lange der Vater nicht darthun
kann, daß es ihr an Kraͤften oder an Willen fehle, ihrer
Obliegenheit ein Genuͤge zu leiſten 85). Dahingegen kann
die Mutter bey den uͤbrigen Angelegenheiten der Toͤchter
ſowohl, als bey der Erziehung der Soͤhne, inſonderheit
wenn es auf den wichtigſten Schritt von beyden, wo-
durch ſie das vaͤterliche Haus verlaſſen, ankommt, nur
als Rathgeberin auftreten: dem Vater gebuͤhrt die Ent-
ſcheidung; und die Obrigkeit darf den Widerſpruch der
Mutter in einem ſolchen Fall nicht achten, ſo lange das
Kind ſelbſt ſich dem Willen des Vaters unterwirft 86).
Sollte aber das Kind auf Seiten der Mutter ſeyn; ſo
hat der Widerſpruch von beyden allerdings ſo viel Ge-
wicht, daß der Richter zwiſchen ſelbigen und dem Vater
entſcheiden muß 87). Da auch der Religionsunterricht
der Kinder ein ſehr wichtiges Stuͤck ihrer Erziehung iſt,
ſo entſtehet die Frage, in welcher Religion die Kinder
zu unterrichten, wenn die Eltern verſchiedener Religion
ſind
[225]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
ſind 88)? Dieſe wichtige Frage iſt auf dem Friedens
Executions Congreß zu Nuͤrnberg im Jahr 1650. 89) mit
beyder der katholiſchen und evangeliſchen Staͤnde Einſtim-
mung dahin entſchieden worden, daß die Kinder beyder-
ley Geſchlechts in des Vaters Religion erzogen werden
ſollen, bis ſie die Unterſcheidungsjahre 90) (annos diſcre-
tionis)
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. P
[226]1. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.
tionis) erreicht haben. Jedoch kann durch Ehevertraͤge
etwas anders feſtgeſetzt werden 91). So wie es denn
auch in manchen Laͤndern, z. B. in Heſſen, der Pfalz,
Oettingen, u. ſ. m. 92) beſondere Verordnungen giebt,
vermoͤge deren der Sohn in der Glaubenslehre des Va-
ters, die Tochter aber in der Religion der Mutter erzo-
gen werden muß 93). Zur Erziehung der Kinder gehoͤrt
auch ferner die Beſtimmung der kuͤnftigen Lebensart der-
ſelben 94). Koͤnnen ſich die Eltern hieruͤber guͤtlich nicht
vereinigen; ſo kommt es vorzuͤglich auf den Vater an, zu
beſtimmen, welche Handthierung oder Kunſt der Sohn
erler-
90)
[227]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
erlernen ſolle. Denn dieſem trauet man in einem ſol-
chen Fall eine reifere Beurtheilungskraft zu, daß er beſ-
ſer wiſſen muß, als die Mutter, welches mêtier der
Neigung und dem Talent des Sohnes am angemeſſeſten
iſt. So lang nun Kinder in dem Zuſtande der Unmuͤn-
digkeit ſich befinden, muͤſſen ſie den Unterricht, welchen
die Eltern ihnen geben, das Gewerbe, wozu ſie beſtimmt
werden, ohne Widerrede annehmen, und duͤrfen ſich
bey der Obrigkeit deßhalb nicht beſchweren, weil man
ihnen die gehoͤrige Beurtheilungskraft noch nicht zutrauen
kann. Allein haben ſie die Muͤndigkeit erreicht, ſo darf
ihr Widerſpruch bey der Wahl ihres kuͤnftigen Gewerbes
nicht ganz aus der Acht gelaſſen werden, weil darauf
das Gluͤck des kuͤnftigen Buͤrgers, und deſſen Mit-
wirkung zum allgemeinen Beſten beruhet. Es muß we-
nigſtens in ſolchem Fall uͤber die Rechtmaͤßigkeit der Wei-
gerung von dem Richter geurtheilt werden 95). Wenn
Eltern dem Kinde den Unterricht vorenthalten, deſſen
es bedarf, um dereinſt, nach ſeinem Stande und ſonſtigen
Verhaͤltniſſen, als ein brauchbares Mitglied der buͤrger-
lichen Geſellſchaft zu erſcheinen, ſo kann das Kind daruͤ-
ber bey der Obrigkeit Beſchwerde fuͤhren, und letzere iſt
befugt, dieſe Mißbraͤuche zu ahnden.
2) Beyde Eltern koͤnnen gleiche Ehrerbietung von
den Kindern verlangen 96). Kinder werden daher ſo wenig
gegen den Vater als gegen die Mutter mit ſolchen Klagen
und Rechtsmitteln gehoͤrt, welche der ſchuldigen Ehrerbie-
tung zuwider laufen, wohin z. B. das Geſuch der Wieder-
herſtellung in den vorigen Stand, inſonderheit die Klage
des Betrugs, ferner der Eyd vor Gefaͤhrde (iuramentum
ealumniae) und dergleichen zu rechnen ſind. Auch duͤr-
fen die Kinder ſo wenig gegen die Mutter als gegen den
P 2Va-
[228]1. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.
Vater zur Zeugniſſes-Ablegung genoͤthiget werden; und
die Mutter iſt ſo gut befugt, das Kind wegen einer
ihr zugefuͤgten groben Verbal oder Real-Iniurie zu ent-
erben, als der Vater.
3) Beyden Eltern ſtehet das Recht zu, die Kinder
zu zuͤchtigen 97). Dieſe Zuͤchtigung des ungehorſamen
Kindes darf ſich jedoch nie ſo weit erſtrecken, daß ſelbi-
ges elend und ſiech geſchlagen, mithin ein unbrauchbares
Mitglied der buͤrgerlichen Geſellſchaft werde. Indeß muß
doch allemal praͤſumirt werden, daß die Eltern aus Ue-
bereilung und Nachlaͤßigkeit gefehlet haben, wenn ſie die
Graͤnzen der kindlichen Zuͤchtigung uͤberſchritten haben
ſollten, indem das Band der Liebe, welches Eltern und
Kinder zuſammenknuͤpft, grobe und anhaltende Mißbraͤu-
che nicht vermuthen laͤßt. Daher darf die Obrigkeit we-
gen angeblicher Mißbraͤuche dieſer Art nicht von Amts-
wegen inquiriren, und die Eltern zur Rechenſchaft vor-
fordern: ſie muß erwarten, bis das gemißhandelte Kind,
oder deſſen Verwandte klagen; und ſo lange dies nicht
geſchiehet, ſind die Eltern allemal durch die gegruͤndete
Praͤſumtion geſchuͤtzt, daß ſie aus gerechten Urſachen ge-
ſtraft haben. Auch die Klage des Kindes iſt nicht an-
ders anzuhoͤren, als wenn ſie ſofort durch ſichtbare Merk-
male der erlittenen Mißhandlung oder durch Zeugniſſe
dargethan wird 98). In keinem Fall kann jedoch den
Eltern erlaubt werden, ordentliche Gefaͤngniſſe zur Be-
ſtrafung der Kinder anzulegen, und eine richterliche Ge-
walt uͤber ſie auszuuͤben. Denn die Teutſchen haben
nie dem Vater eine haͤusliche Gerichtsbarkeit uͤber ſeine
Kinder eingeraͤumt 99). Wenn es demnach auf ſchaͤrfe-
re
[229]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
re Ahndungen ankoͤmmt, ſo iſt die Huͤlfe der Obrigkeit
zu ſuchen. Dieſe muß zwar das Urtheil der Eltern an-
erkennen, wenn es gelinder iſt, als die ſonſt in den Ge-
tzen beſtimmte Strafe. Haͤrtere Urtheile aber ſind nach
den Geſetzen zu ermaͤßigen. Dies ſetzt jedoch voraus,
daß die geklagte Vergehung erwieſen ſey; und die bloße
Anzeige der Eltern, (welche zwar eine, dem halben Be-
weiß gleich kommende, Praͤſumtion wirkt) darf dem Rich-
rer in ſo wichtigen Faͤllen nicht zum alleinigen Anhalt
dienen 100). Es iſt daher eine ganz irrige Meinung ei-
niger Rechtslehrer 1), ob ihnen gleich unſer Auctor bey-
pflichtet, daß die Eltern befugt waͤren, die Einſperrung
ihres Kindes in ein Zuchthaus, ohne vorherige richter-
liche Unterſuchung und Erkenntniß zu verlangen, welche
von neueren Rechtsgelehrten mit Recht verworfen wird 2).
Wenn ein dritter beleidigter Buͤrger als Anklaͤger gegen
ein Kind auftritt, welches ſchon in dem Alter ſteht, da
ihm Verbrechen zugerechnet werden koͤnnen; ſo iſt ſelbi-
ges von den Eltern zur geſetzmaͤſigen Ahndung auszulie-
fern. Die Obrigkeit darf ihnen dieſes Strafrecht um
ſo weniger einraͤumen, da es gewiſſermaßen ihnen zur
Laſt zu legen iſt, wenn das ſchon zu den Jahren der Ver-
nunft gelangte Kind, welches ſie zur Beobachtung ſelbſt
der unvollkommenen Pflichten des Buͤrgers beſtaͤndig an-
fuͤhren ſollten, ſogar die heiligen Rechte des Menſchen
und des Buͤrgers verletzt 3). Ja die Eltern verdienen
ſelbſt daruͤber angeſehen und beſtraft zu werden, wenn
P 3ſie
[230]1. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.
ſie durch Anreitzung oder unverzeihliche Nachſicht die Ge-
legenheit zu ſolchen unerlaubten Handlungen ihrer Kinder
gegeben haben ſollten 4).
4) Kinder koͤnnen ohne der Eltern Einwilligung kei-
ne verbindliche Handlung unternehmen 5). Sie ſind
vielmehr bey allen Handlungen, welche auf die Erhal-
tung des Hausweſens, mithin auf die ganze Familie ſich
beziehen, zu voͤlligem Gehorſam den Eltern verpflichtet.
Alle Handlungen dieſer Art, welche ohne Einwilligung
der Eltern unternommen werden, ſind null und nichtig;
und kein Eyd, noch der dabey eintretende Schaden eines
dritten, kann ſolchen eine Verbindlichkeit geben 6). Des-
wegen koͤnnen Kinder, die noch unter der elterlichen Ge-
walt ſtehen, ohne Wiſſen und wider Willen der Eltern
eine guͤltige Eheverbindung nicht ſchlieſſen 7). Ob nun
gleich im Fall einer verſchiedenen Geſinnung der Eltern
des Vaters Einwilligung oder Nichteinwilligung dem
Willen der Mutter vorgehet, ſo iſt doch nach teutſchen
Rechten und Sitten der Mutter Einwilligung alsdann
unſtreitig fuͤr nothwendig zu halten, wenn der Vater ge-
ſtorben, oder verhindert iſt, ſeine Einwilligung zu erthei-
len 8).
5) Bey-
[231]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
5) Beyden Eltern ſtehet das Recht zu, von den
Kindern alle diejenigen haͤußlichen Dienſte zu ver-
langen, welche die Eltern ſelbſt verrichten9).
Schon der Zweck der Erziehung berechtiget die Eltern
hierzu, damit die Kinder vom Muͤſſigang abgehalten,
und zum Fleiß gewoͤhnt werden. Es findet auch hier
jene Theilung der elterlichen Gewalt ſtatt, deren ich
ſchon oben gedacht habe, daß bey den Dienſten des Sohns
vorzuͤglich der Wille des Vaters, bey den Dienſten der
Tochter aber der Wille der Mutter zur Richtſchnur die-
nen muß. Die Kinder ſind jedoch nur zu ſolchen haͤuß-
lichen Dienſten verbunden, die ſich fuͤr ſie ſchicken, mit-
hin nicht zu knechtiſchen oder Geſinde Dienſten, wodurch
das Kind unter den Stand, wozu es nach ſeiner Geburt
beſtimmt iſt, herabgewuͤrdiget werden, und die zu ſeinem
Unterricht und ſittlichen Ausbildung erforderliche Zeit
verliehren wuͤrde 10). Indeſſen kann ein beſonderer Noth-
fall auch hier eine Ausnahme von der Regel machen.
Ob das Kind auch zu kuͤnſtlichen und handwerks-
maͤſigen Arbeiten gehalten ſey? iſt eine Frage, die
von den Rechtsgelehrten verſchiedentlich entſchieden wird.
Unſer Herr Verfaſſer behauptet, kuͤnſtliche Dienſte koͤnnten
die Eltern nur in dem Fall verlangen, wenn ſie den Kindern
Alimente geben. Allein nach der Meinung Leyſers11)
koͤnnen die Eltern von den Kindern dergleichen Dienſte
gar nicht fordern. Ich glaube, daß das Kind allerdings
verpflichtet ſey, den Eltern mit ſeiner erlernten Profeßion
P 4und
[232]1. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.
und Wiſſenſchaft in ſo weit beyzuſtehen, als ſie deſſen
zum Unterhalt der Familie beduͤrfen. Denn die natuͤr-
liche Billigkeit erfordert dieſe gegenſeitige Unterſtuͤtzung,
und einigen Erſatz fuͤr den Aufwand, welchen die Eltern
bey dem Unterricht des Kindes gewagt hatten, und das,
was ſie dabey an haͤußlichen Arbeiten entbehren muſten 12).
In ſo weit kann auch das Kind keine Verguͤtung fordern;
zumal wenn daſſelbe ſeiner Jugend oder anderer Umſtaͤnde
halber, ein mehreres mit ſeiner Dienſtleiſtung nicht ver-
dienen koͤnnte, als denen Eltern die Erziehung und der
Unterhalt deſſelben koſtet 13). Wenn jedoch das Kind
ſchon ein ſolches Alter und Faͤhigkeit erreicht haͤtte, daß
es ſich ſelbſt mit ſeiner erlernten Profeſſion oder Kunſt
unter andern Leuten ſeinen Unterhalt zu verſchaffen im
Stande waͤre, ja noch mehr verdienen koͤnnte, als der
Unterhalt, den es dafuͤr von ſeinen Eltern genießt, aus-
macht; der Sohn bleibt aber bey den Eltern, und lei-
ſtet ihnen ſolche Dienſte, zu denen ſie ſonſt einen Faktor,
oder Handelsdiener, oder einen Geſellen halten und loh-
nen muͤßten; er erſpart ihnen alſo das Geſellenlohn, ſo
gebuͤhret einem ſolchen Kinde allerdings eine billige Be-
lohnung, die daſſelbe auch noch bey der kuͤnftigen Elter-
lichen Erbtheilung in Anregung bringen, und vorausfor-
dern kann, weil es zum Beſten der Miterben wirklich
gearbeitet hat 14).
6) Bey-
[233]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
6) Beyde Eltern haben ferner das Recht, die Her-
ausgabe und ungehinderte Verabfolgung ihres Kindes
von demjenigen zu verlangen, der ihnen daſſelbe wieder-
rechtlicher Weiſe vorenthaͤlt 15). Merkwuͤrdige Beyſpiele
hiervon wird man bey Faber16) und Moſer17) finden.
Es verſtehet ſich zwar von ſelbſt, daß auch hier die rich-
terliche Huͤlfe imploriret werden muͤſſe, und zwar muß
die Obrigkeit durch den kuͤrtzeſten Weg des Proceſſes die
Eltern wieder in den verlohrnen Beſitzſtand ſetzen. Aber
auch die Selbſthuͤlfe, welche dieſe in ſolchem Fall aus-
uͤben, iſt nicht ſo zu ahnden, wie die Selbſthuͤlfe zur
Wiedererlangung des Eigenthums; da nicht bloſe Eigen-
thumsrechte, ſondern ſelbſt Pflichten der Natur, und die
im Staate autoriſirte haͤußliche Gewalt der Eltern, eine
ſolche Anmaßung entſchuldigen 18). Endlich
7) iſt nach teutſchen und heutigen Rechten eine Mut-
ter ſo gut als der Vater befugt, ihren unmuͤndigen Kin-
dern in ihren letzten Willen einen Vormund zu beſtellen;
es findet auch in Anſehung der obrigkeitlichen Beſtaͤtti-
gung kein Unterſchied ſtatt 19).
Soviel hiernaͤchſt die oben (S. 222.) aufgeworfene
zweyte Frage betrift, ſo iſt folgendes Principium zu be-
merken: diejenigen Rechte der vaͤterlichen Ge-
P 5walt,
[234]1. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.
walt, welche dem Vater nach dem roͤmiſchen
Recht uͤber das den Kindern zuſtehende be-
ſondere Vermoͤgen eingeraͤumt werden, ſind
auch noch heutiges Tages beſondere und ei-
gene Rechte des Vaters, an welchen die
Mutter in der Regel keinen Antheil nimmt.
Nach dieſem Grundſatz hat daher
1) der Vater auch noch nach heutigen Rechten or-
dentlicher Weiſe den alleinigen Nießbrauch von den
Guͤtern der Kinder, ſo lange dieſelben in vaͤterlicher Gewalt
ſind 20). Der Mutter ſtehet ein ſolches Recht anders nicht
zu, als wenn ihr ſolches entweder die beſondern Statu-
ten und Geſetze eines Orts oder Landes geben 21), oder
die-
[235]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
dieſelbe nach des Mannes Tode die Erziehung und Ver-
pflegung der Kinder uͤbernimmt, in welchem Fall die
Mutter ſo viel Nutzen aus den Guͤtern der Kinder zu
ziehen berechtiget iſt, als jene erfordert. Ein anders iſt
der Nießbrauch, der wegen Gemeinſchaft der Guͤter dem
uͤberlebenden Ehegatten an dem geſammten Vermoͤgen
verbleibt. Dieſer hat mit der vaͤterlichen Gewalt keine
Verbindung.
2) Auch nur allein der Vater hat heutiges Tages
das Recht, den Kindern pupillariſch zu ſubſtitui-
ren, das heißt, ihnen durch Teſtament auf den Fall ei-
nen Erben zu ernennen, wenn ſie in der Unmuͤndigkeit
ſterben ſollten 22).
Was endlich die dritte Frage (S. 222.) anlangt,
ſo nimmt der heutige Gerichtsgebrauch faſt
alles an, was das neuere roͤmiſche Recht von
der vaͤterlichen Gewalt verordnet; und nur
dasjenige faͤllt heutiges Tages weg, was
aus dem ehemaligen Eigenthum des Vaters
uͤber ſeine Kinder, und der haͤußlichen Ge-
richtsbarkeit deſſelben auch ſelbſt im neuern
roͤmi-
21)
[236]1. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.
roͤmiſchen Recht noch uͤbrig geblieben. Denn
in Teutſchland hat nie der Vater ein Eigenthum oder
eine richterliche Gewalt uͤber ſeine Kinder gehabt 23).
Daher koͤnnen auch keine Folgen davon angenommen
werden. Alſo kann
1) der Vater nach heutigen Rechten ſeine neuge-
bohrne Kinder auch in der aͤuſſerſten Noth und Duͤrftig-
keit nicht verkaufen.
2) Eben deßwegen kann auch die den Eltern zuſte-
hende Klage, wodurch ſie die Verabfolgung ihrer Kin-
der von demjenigen verlangen, der ſie ihnen vorenthaͤlt,
keine eigentliche Vindications-Klage genennt wer-
den.
3) Auch die erdichtete Einheit zwiſchen Vater und
Kindern iſt in Teutſchland nicht zu gebrauchen 24). Es
gelten alſo Vertraͤge zwiſchen ihnen 25). Zwar wollen
verſchiedene heutige Rechtsgelehrten das Gegentheil darum
behaupten, weil das roͤmiſche Recht hierin durch kein
con-
[237]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
contraires teutſches Geſetz ſey aufgehoben worden 26).
Allein wenn gleich das roͤmiſche Recht allerdings als ein
ſubſidiariſches Geſetzbuch in der Regel eine guͤltige Richt-
ſchnur abgiebt, um vorkommende Faͤlle darnach zu ent-
ſcheiden; ſo kann es doch in ſolchen Vorſchriften, deren
weſentlicher Grund bey uns gaͤnzlich wegfaͤllt, nicht fuͤg-
lich zur Anwendung kommen. Daher denn auch die
mehreſten heutigen Rechtslehrer hierin mit mir uͤberein-
ſtimmen 27). Ein gleiches gilt auch von den Vertraͤgen,
welche Kinder, die noch unter vaͤterlicher Gewalt ſtehen,
nicht mit dem Vater, ſondern unter ſich eingehen; inſo-
fern nehmlich, wie von ſelbſt vorausgeſetzt wird, den
vaͤterlichen Rechten dadurch kein Eintrag geſchiehet 28).
Aus
[238]1. Buch. 6. Tit. §. 137. u. 138.
Aus eben der angefuͤhrten Urſache kann auch nach heuti-
gen Rechten ein Proceß zwiſchen Eltern und Kindern
ſtatt finden. Z. B. wenn das Kind uͤber grauſame Be-
handlung oder Verweigerung des noͤthigen Unterhalts
gegen den Vater Klage erhebt; oder wenn ſich der Vater
wiederrechtlich den Nießbrauch an ſolchen Guͤtern der
Kinder anmaßt, daran ihm nach gemeinem Recht kein
Uſusfructus zuſtehet, ſo kann das Kind desfalls bey der
Obrigkeit klagen 29). Ob das ius ſuitatis ſolcher Kinder,
die bis an den Tod ihres Vaters in deſſelben Gewalt ge-
blieben, vermoͤge deſſen ſie die vaͤterliche Erbſchaft ipſo
iure acquiriren, ja, ohne es gewußt zu haben, daß ih-
nen dieſelbe zugefallen, ſolche auf ihre Erben transmitti-
ren, heutiges Tages ceßire? iſt ebenfalls controvers.
Bocris30) behauptet dieſes. Allein hierin widerſpricht
die taͤgliche Praxis 31).
4) Da die Teutſchen dem Vater nie eine richterli-
che Gewalt uͤber ſeine Kinder eingeraͤumt haben, ſo iſt
die hierauf ſich beziehende actio tributoria heutiges Tages
ganz ungewoͤhnlich; wie ich Lib. XIV. Tit. 4. umſtaͤnd-
licher zeigen werde 32).
§. 139.
[239]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
§. 139.
Erwerbungsgruͤnde der vaͤterlichen Gewalt.
Die roͤmiſche oder buͤrgerliche vaͤterliche Gewalt
wird nun auf dreyerley Art erworben, naͤmlich durch
rechtmaͤſige Ehe, durch Legitimation und Adoption.
Da die Lehre vom Eherecht erſt im 23. Buch der Pan-
decten vorkommt, ſo begnuͤge man ſich vorjetzt mit folgen-
den Prinzipien.
1) Ueber Kinder, die man in rechtmaͤſiger Ehe ge-
zeugt hat, erwirbt man die vaͤterliche Gewalt ipſo iure33).
Denn die Geſetze halten die waͤhrend einer geſetzmaͤßigen
Ehe gebohrnen Kinder fuͤr Kinder ehelichen Herkom-
mens 34), und den Ehemann fuͤr den rechtmaͤſigen Va-
t[e]r derſelben 35), nach der bekannten Regel: Pater eſt,
quem iuſtae nuptiae demonſtrant. Es muͤſſen nur nicht
Gruͤnde einer phyſiſchen Unmoͤglichkeit eintreten, die die-
ſe rechtliche Vermuthung aus dem Wege raͤumen.
2) Wenn demnach der Fall vorkaͤme, daß Mann und
Frau nach Zeit und Ort dergeſtalt von einander entfernt
geweſen, daß ſich keine moͤgliche Vermiſchung denken lieſ-
ſe, und der Mann nach einer langen z. B. zehenjaͤhrigen
Abweſenheit ein jaͤhriges Kind zu Hauſe faͤnde, das ſei-
ne Frau unterdeſſen gebohren hat 36); oder wenn der
Mann
[240]1. Buch. 6. Tit. §. 139.
Mann durch langwierige ſchwere Krankheit und abgezehr-
te Kraͤfte ſeit langer Zeit auſſer Stand geſetzt war, der
Frau ehelich beyzuwohnen, und derſelbe dennoch zu ſei-
nem nicht geringen Erſtaunen die ganz unerwartete Ent-
deckung macht, daß ſeine Frau geſegneten Leibes iſt; ſo
kann weder in dem einem noch dem andern Fall das von
der Frau gebohrne Kind fuͤr ein rechtmaͤſiges Kind des
Ehemanns, noch dieſer fuͤr den Vater deſſelben gehalten
werden 37).
3) Auſſerdem iſt die Vermuthung des Geſetzes, daß
der Ehemann Vater des Kindes ſey, welches ſeine recht-
maͤſige Gattin waͤhrend der Ehe zur Welt gebracht hat,
ſo ſtark, daß dem Vater das dadurch erworbene Recht
der vaͤterlichen Gewalt auf keine Weiſe genommen wer-
den kann, wenn auch die Frau behaupten ſollte, daß das
Kind nicht von ihm, ſondern von einem andern im Ehe-
bruch mit ihr erzeugt ſey 38), dieſe Angabe der Mutter
auch dadurch wahrſcheinlich wuͤrde, daß ſie als eine aus-
ſchweifende Perſon oͤffentlich bekannt waͤre 39), ja ihre
Verſicherung eidlich 40) und unter den Geburtsſchmerzen
bekraͤftiget haͤtte 41). Denn kein Geſtaͤndniß darf zum
Nach-
[241]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
Nachtheil eines Dritten abzielen 42) und der Eid, der
ſich uͤberhaupt immer nach der Natur desjenigen Ge-
ſchaͤfts richtet, zu welchem er hinzugekommen 43), kann
von keiner Wirkung ſeyn, wenn das Geſtaͤndniß an ſich
unwirkſam iſt.
4) Wenn eine geſchiedene Frau ein Kind zur Welt
gebracht hat, ſo wird daſſelbe in Gemaͤßheit des Plancia-
niſchen Senatusconſults 44) alsdann fuͤr den Filius Fa-
milias des geſchiedenen Mannes angeſehen, wenn ſie ihre
Schwangerſchaft dem Mann binnen dreißig Tagen nach
aufgehobener Ehe gehoͤrig angezeigt, dieſer gegen die De-
nunciation ſeiner Frau nicht proteſtiret hat, und dann die
Niederkunft der Frau zu einer ſolchen Zeit eintritt, daß
man den Beyſchlaf, aus dem der Partus gezeugt wor-
den iſt, noch als eine eheliche Kohabitation des von ihr
geſchiedenen Gatten annehmen kann.
5) In wiefern der Ehemann dieſe fuͤr ihn und
den Stand des Kindes ſtreitende Vermuthungen auch wi-
der ſich gelten laſſen, und das von ſeiner rechtmaͤſigen
Frau zur Welt gebrachte Kind auch wider ſeinen Willen
fuͤr
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. Q
[242]1. Buch. 6. Tit. §. 139. u. 140.
fuͤr das ſeinige anerkennen muͤſſe, davon iſt hier die Fra-
ge noch nicht, ſondern gehoͤrt zum 3. Titel des XXV.
Buchs. Allein das iſt hier noch
6) anzumerken, daß nach dem roͤmiſchen Rechte
dem Großvater die vaͤterliche Gewalt uͤber die von ſeinem
Sohne in rechtmaͤſiger Ehe gezeugte Enkel zuſtehe, wenn
naͤmlich der Sohn ſelbſt noch nicht von der vaͤterlichen
Gewalt befreyet iſt 45); welcher Fall jedoch in unſern Ta-
gen ſeltner als zu der Roͤmer Zeiten vorkommen moͤchte.
§. 140.
Begrif der Legitimation nach roͤmiſchen, teutſchen und heu-
tigen Rechten. Kurze Geſchichte derſelben.
Die buͤrgerliche oder roͤmiſche vaͤterliche Gewalt wird
nun zweytens auch durch die Legitimation46) erworben.
Dieſe ſetzt unehelichgebohrne Kinder zum voraus,
welche von Geburt in vaͤterlicher Gewalt nicht ſind. Was
iſt
[243]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
iſt aber Legitimation? Unſer Herr Verf. ſagt, ſie ſey
diejenige Handlung, wodurch uneheliche Kinder mit Huͤl-
fe einer Fiction zu ehelichen Kindern gemacht werden.
Allein dieſer Begrif ſcheint mir nicht ganz adaͤquat. Wozu
jener Behelf der Fiction in dem allgemeinen Begrif der
Legitimation, da ſich eine ſolche Erdichtung nicht einmal
aus roͤmiſchen Rechten mit Beſtand darthun laͤßt? Legi-
timation uͤberhaupt iſt vielmehr eine ſolche Hand-
lung, wodurch uneheliche Kinder die Rechte
der ehelichgebohrnen ganz oder zum Theil
erlangen. Dieſe iſt nun von dreyerley Art, die roͤ-
miſche, die teutſche und die heutige Legitimation.
Nach dem roͤmiſchen Rechte wird die Legitimation, wie-
wohl man dieſes Wort in den roͤmiſchen Geſetzen eigent-
lich nicht findet 47), blos als ein modus acquirendi pa-
triam poteſtatem betrachtet, und darunter diejenige
buͤrgerliche Rechtshandlung verſtanden, wo-
durch Kinder, welche im Concubinate erzeuget
worden, in die vaͤterliche Gewalt ihres na-
tuͤrlichen Vaters, in welcher ſie von Geburt
nicht ſind, mit ihrer Einwilligung gebracht
werden, und hierdurch die Familienrechte
ehelich gebohrner Kinder erlangen. Dieſe roͤ-
miſche Legitimation wurde alſo blos als eine Wohlthat
Q 2fuͤr
[244]1. Buch. 6. Tit. §. 140.
fuͤr den Vater und zu deſſen Nutzen eingefuͤhrt. Sie
war vor K. Conſtantins Zeiten gar nicht uͤblich, nur
einige wenige Beyſpiele finden wir, da die roͤmiſchen Kai-
ſer zuweilen uneheliche Kinder aus bloßer Gnade und
extra ordinem durch ein Reſcript fuͤr legitim erklaͤrt
haben 48). Allein K. Conſtantin der Große verordne-
te zuerſt, daß wenn ein Roͤmer ſeine Concubine, falls
ſolche eine freye Perſon iſt, heyrathen wuͤrde, die mit
ihr erzeugten Kinder fuͤr ehelich gehalten werden, und
der Vater die vaͤterliche Gewalt uͤber ſie erhalten ſoll-
te 49). Die Abſicht des Kaiſers dabey war, den Con-
cubinat, welcher damalen ſo ſehr uͤberhand genommen
hatte, und welchen er den Grundſaͤtzen der chriſtlichen
Religion zuwider hielt, wenigſtens zu ſchwaͤchen, da er
denſelben auf einmal abzuſchaffen ganz unmoͤglich fand.
Er ſuchte alſo die Buͤrger, durch die ihnen verheiſſene
Wohlthat zu Schlieſſung rechtmaͤſiger Ehen mit ihren
Concubinen anzureizen 50). Und damit er ſeine Abſicht
deſto eher erreichen moͤchte, ſchraͤnkte er nicht nur das
Recht der natuͤrlichen Kinder, aus den Teſtamenten ih-
rer Eltern etwas erben zu koͤnnen, auſſerordentlich ein 51);
ſondern
[245]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
ſondern er wollte auch die Wohlthat der Legitimation nur
denenjenigen Eltern angedeihen laſſen, welche bereits im
Concubinate lebten, und ſchon vor ſeiner Geſetzgebung
darin Kinder erzeugt haͤtten 52).
Fuͤr eben dieſe Abſicht arbeiteten auch die Kaiſere
Zeno53), und Anaſtaſius54). Allein K. Juͤſtinus
gieng noch weiter. Er erneuerte nicht allein das Geſetz
des Anaſtaſius, ſondern er raͤumte auch eins der vor-
zuͤglichſten Hinderniſſe aus dem Wege, wodurch die loͤb-
liche Abſicht ſeiner Vorfahren oft vereitelt worden war.
Er verbot naͤmlich, uneheliche Kinder durch den Weg der
Arrogation in die vaͤterliche Gewalt zu bringen, und
ſolchen hierdurch die Familien Rechte in Anſehung ihres
Q 3natuͤr-
51)
[246]1. Buch. 6. Tit. §. 140.
natuͤrlichen Vaters mittheilen zu laſſen 55). Juſtinian
erweiterte im Gegentheil das Recht der Legitimation eben
ſo ſehr, als es ſeine Vorfahren zu Aufhebung des Con-
cubinats eingeſchraͤnkt hatten. Denn die Erfahrung hat-
te ihn gelehrt, daß alle Verfuͤgungen ſeiner Vorfahren
fruchtlos geweſen waren, ein Uebel auszurotten, was viel
zu tiefe Wurzeln geſchlagen hatte. Ueberdem war der
Unterſchied zwiſchen einer rechtmaͤſigen Ehefrau und einer
Concubine, ſeitdem die ehemalige Form und Feyerlichkeit
bey Schließung der roͤmiſchen Ehe auſſer Gebrauch ge-
kommen, ſo unbedeutend geworden, daß es jetzt ſchwer
war, beyde von einander zu unterſcheiden 56). Hierzu
kam, daß ſelbſt die Geiſtlichkeit den Concubinat verthei-
digte, und ſolchen durch Concilien-Schluͤße erlaubte,
ja durch ihr eigenes Beyſpiel lehrte, daß derſelbe wenig-
ſtens den Grundſaͤtzen der chriſtlichen Religion nicht zu-
wider laufe 57). Kurz dieſe und mehrere dergleichen
Gruͤnde 58) bewogen den K. Juſtinian, daß er nicht
nur
[247]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
nur das Recht, durch nachfolgende Ehe die mit einer
Concubine erzeugte Kinder zu legitimiren, als eine beſtaͤn-
dige und zu jeder Zeit guͤltige Art der Legitimation ein-
fuͤhrte 59), welche ſich auch auf die noch kuͤnftig im Con-
cubinat zu erzeugende Kinder erſtrecken ſolle; ſondern
auch auf den Fall, da die Ehe mit der Concubine nicht
ſtatt finden moͤchte, noch eine neue Art der Legitimation
durch Fuͤrſtliche Begnadigungper reſcriptum prin-
cipis) erfand 60). Wir werden davon zu ſeiner Zeit aus-
fuͤhrlicher handeln. Soviel vorjetzt vom Begrif und zur
Geſchichte der roͤmiſchen Legitimation. Nicht zum Nu-
tzen des Vaters, ſondern der Kinder iſt hingegen die
teutſche Legitimation eingefuͤhret worden, welche dem
Vater keine vaͤterliche Gewalt uͤber ſeine unehelichen Kin-
der giebt, ſondern blos den Schandfleck der unehelichen
Geburt tilgt, und die Kinder faͤhig macht, in Gilden,
Zuͤnfte, und andere Kollegien aufgenommen zu werden,
und uͤberhaupt im Staat als legitim zu paſſiren. Auch
von dieſer wird unten beym §. 145. ein mehreres vorkom-
men. Endlich die heutige Legitimation iſt diejenige
Handlung, wodurch uneheliche Kinder ſo-
wohl die Familienrechte ehelich gebohrner,
als auch gewiſſe buͤrgerliche Rechte, die ſie auſ-
ſerdem wegen Anruͤchtigkeit haͤtten entbehren
muͤſſen, erlangen, und zwar entweder beyde
zuſammen, oder nur letztere, mit Ausſchluß
der erſtern61). Daher iſt die Legitimation nach heu-
tigen Rechten entweder eine vollkommene (plena)
Q 4oder
[248]1. Buch. 6. Tit. §. 140.
oder eine unvollkommene (minus plena) 62). Noch
iſt die Frage kuͤrzlich zu eroͤrtern, ob die Legitimation
auſſer der Ehe gebohrner Kinder ſich in einer roͤmiſchen
Erdichtung gruͤnde 63)? nach der gewoͤhnlichen Lehre der
Rechtsgelehrten wird dieſe bejahet. Man ſagt, es wer-
de vermoͤge einer rechtlichen Fietion angenommen, als
ob ein auſſer der Ehe gebohrnes Kind in rechtmaͤſiger
Ehe erzeugt worden. Weil nun bey einer jeden Fiction
der Geſetze immer eine moraliſche Moͤglichkeit desjenigen
voraus geſetzet wird, ſo als wahr angenommen werden
ſoll, ſo koͤnnten nur blos ſolche uneheliche Kinder legiti-
miret werden, deren Eltern zur Zeit des Beyſchlafs und
der Conception eine rechtmaͤſige Ehe nach denen Geſetzen
freygeſtanden haͤtte. Daher komme es nun, daß keine
im Ehebruch, Blutſchande und andern dergleichen uner-
laubten Beyſchlaf erzeugte Kinder legitimirt werden koͤnn-
ten 64). Allein dieſer Theorie ſtehen ſtarke Zweifel ent-
gegen, daher ſie von vielen aͤltern und neuern Rechtsleh-
rern 65) als ungegruͤndet verworfen wird. Denn erſt-
lich
[249]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
lich wozu brauchten die roͤmiſchen Geſetzgeber den Behelf
einer Fiction, die die Legitimation als eine Wohlthat fuͤr
den Vater einfuͤhrten? War ihr Wille allein nicht kraͤftig
genug? Zwar bedienten ſich die roͤmiſchen Rechtsgelehrten
ſolcher Erdichtungen oͤfters, wenn ſie von der Strenge
der Geſetze abwichen, um ihre aufgeſtellten Saͤtze damit
zu coloriren 66); allein nicht von dieſen, ſondern von den
roͤmiſchen Kaiſern ſelbſt iſt ja die Legitimation eingefuͤhrt
worden. Konnten nun dieſe nicht ohne Fiction kraft
ihrer geſetzgebenden Gewalt den unehelichen Kindern
die Rechte ehelich gebohrner unter gewiſſen Beſtim-
mungen beylegen? Zweytens wuͤrde, wenn man eine
ſolche retrotractiviſche Fiction annehmen wollte, hier-
aus offenbar folgen, daß die aus einem Stuprum erzeug-
te Kinder (ſpurii) nach dem Civilrecht haͤtten legiti-
mirt werden koͤnnen, weil deren Eltern zur Zeit des
Beyſchlafs die Ehe frey ſtund; und doch erſtreckte ſich die
Wohlthat der Legitimation auf dieſe nach roͤmiſchen Rech-
ten nicht. Drittens hat Juſtinian vermoͤge der Nov. 78.
cap. 4. ſogar die Legitimation durch nachfolgende Ehe zu-
gelaſſen, wenn gleich die Mutter zur Zeit der Conception
oder der Geburt der Kinder noch Sclavin geweſen, wie reimt
ſich dieß mit jener retrotractiviſchen Erdichtung zuſam-
men? Selbſt diejenigen, welche ſie annehmen, muͤſſen
Q 5daher
65)
[250]1. Buch. 6. Tit. §. 141.
daher geſtehen, daß Juſtinian dieſelbe aufgehoben habe.
Es iſt alſo der ganze Streit daruͤber unnuͤtz 67).
§. 141.
Welche unehelichgebohrne koͤnnen legitimirt werden?
Es kommt nun in der weitern Abhandlung dieſer
Materie zuerſt auf die Frage an, welchen unehelich
gebohrnen die Wohlthat der Legitimation
eigentlich zu Theil werde? Unſer Verf. behauptet,
daß ſelbige nur denen im Concubinat und aus einem Stu-
prum erzeugten Kindern zu ſtatten komme. Allein we-
der adulterini noch inceſtuoſi koͤnnten legitimirt werden,
weil ſich bey ſolchen Kindern nicht fingiren laſſe, daß ih-
re Eltern zur Zeit des Beyſchlafs bereits in rechtmaͤſiger
Ehe gelebt haͤtten. Man muͤſſe auch die mit einer Hure
erzeugten Kinder (vulgo quaeſiti) von jener Wohlthat
ausſchlieſſen, weil bey dieſen der Vater faſt immer unge-
wiß
[251]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
wiß ſey. Mich duͤnkt, daß dieſe Theorie nur zum Theil
wahr, uͤbrigens aber auf ein falſches Principium ge-
bauet ſey. Man unterſcheide zufoͤrderſt das roͤmiſche
und canoniſche Recht, deren Grundſaͤtze hierin nicht mit
einander uͤbereinſtimmen. Nach dem roͤmiſchen Recht
konnten nur allein die im Concubinat 68) erzeugte Kinder
(naturales) legitimirt werden; andere unehelich gebohrne
nicht 69). Fragt man nach dem Grunde dieſer Verord-
nung, ſo laͤßt ſich hiervon dreyerley Urſach angeben. Denn
erſtlich ſollte die Legitimation das Mittel werden, den da-
mals ſo ſehr unter den Roͤmern in Schwange gehenden
Concubinat indirecte abzuſchaffen 70). Nun aber war aller
andere uneheliche Beyſchlaf, auſſer dem Concubinat, ſchon
an ſich geſetzwidrig. Sodann ſollte dieſelbe zugleich eine
Wohlthat fuͤr den Vater ſeyn, damit er dadurch die vaͤ-
terliche Gewalt uͤber ſeine uneheliche Kinder erlangen
moͤchte. Allein Wohlthaten ertheilen die Geſetze keinem
Verbrecher. Ueberdem iſt bey denen aus einem andern un-
ehelichen Beyſchlaf, auſſer dem Concubinat, erzeugten Kin-
dern der Vater entweder ungewiß, oder ein ſolcher, quem
habere non licet, wie Modeſtin71) ſich ausdruͤckt.
Nun darf aber das eine ſo wenig, als das andere bey ei-
ner roͤmiſchen Legitimation ſeyn. Alſo die aus einer
Blut-
[252]1. Buch. 6. Tit. §. 141.
Blutſchande, oder aus einem Ehebruch, oder mit einer
geſchwaͤchten honetten Weibsperſon aus einem Stuprum
erzeugte Kinder, waren nach roͤmiſchen Recht von der
Wohlthat der Legitimation ganz ausgeſchloſſen. Allein
nach dem canoniſchen Recht, welchem wir heutiges Ta-
ges in dieſer Materie ohne allen Zweifel den Vorzug ge-
ben, koͤnnen alle Arten von unehelichen Kindern legiti-
mirt werden, auch diejenigen, welche aus einem Stuprum,
Fornication, Ehebruch oder Inceſt gebohren worden
ſind 72). Dies hat nun zwar in dem Fall nicht den min-
deſten Zweifel, wenn die Legitimation ohne Ehe durch ein
landesfuͤrſtliches Reſcript 73) geſchiehet. Allein deſto mehr
wird daruͤber geſtritten, wenn die Legitimation durch eine
Ehe erfolgen ſoll. Hier ſind angeſehene Rechtsgelehrten 74)
der Meinung, daß das canoniſche Recht die Wohlthat
der Legitimation zwar in ſo fern weiter, als im roͤmiſchen
Recht geſchehen, ausgedehnet habe, daß nicht nur die im
Concubinat, ſondern auch aus einem Stuprum oder For-
nication (ſpurii et vulgo quaeſiti) erzeugte Kinder ſelbſt
durch die nachfolgende Ehe der Eltern legitimirt werden
koͤnn-
[253]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
koͤnnten 75). Allein die aus einem Ehebruch oder aus ei-
ner Blutſchande gebohrne Kinder habe auch ſelbſt das ca-
noniſche Recht von dieſer Wohlthat ausdruͤcklich ausge-
ſchloſſen, wenn gleich denen Eltern die Ehe waͤre erlaubt
worden. Unſer Autor ſcheint ebenfalls von dieſer Mei-
nung nicht abgeneigt zu ſeyn, wie aus den Noten y und
z erhellet. Die Vertheidiger derſelben gruͤnden ſich in der
bekannten Decretale des Pabſts AlexanderIII. cap. 6.
X. qui filii ſint legitimi, welche folgendermaßen lautet:
Tanta eſt vis matrimonii, ut, qui antea ſunt geniti,
poſt contractum matrimonium legitimi habeantur.
Si autem vir, vivente uxore ſua, aliam cognoverit,
et ex ea prolem ſusceperit; licet poſt mortem uxoris ean-
dem duxerit; nihilominus ſpurius erit filius, et ab heredi-
tate repellendus; praeſertim ſi in mortem uxoris pri-
oris alteruter eorum aliquid fuerit machinatus. Nun
ſpricht zwar dieſer Text ganz expreſſiv gegen die Legitima-
tion der im Ehebruch erzeugten Kinder durch die nachfol-
gende Ehe der Eltern; allein wir duͤrfen hierbey nicht aus
der Acht laſſen, daß die vorliegende paͤbſtliche Entſchei-
dung aus ſolchen Grundſaͤtzen gefloſſen ſey, welche von
den Paͤbſten der folgenden Zeit wieder abgeaͤndert worden
ſind. Man unterſcheide alſo die verſchiedenen Zeitperio-
den der paͤbſtlichen Verordnungen von einander, und
man wird bemerken, wie behutſam die Paͤbſte bey allmaͤh-
liger Erweiterung der Wohlthat, uneheliche Kinder durch
die Ehe der Eltern legitim zu machen, verfahren, und wie
ſie in Abaͤnderung der Vorſchriften des roͤmiſchen Rechts
nur ſtuffenweiſe fortgeruͤckt ſind. Es ſcheint, daß die da-
malen taͤglich immer mehr uͤber Hand genommene Miß-
braͤuche des Concubinats endlich auch ſelbſt die Aufmerk-
ſamkeit der Paͤbſte rege gemacht haben, um auch ihrer
Seits
[254]1. Buch. 6. Tit. §. 141.
Seits zu Ausrottung deſſelben dienliche Anſtalten zu tref-
fen. Der erſte Schritt hierzu, den ihnen die Klugheit
rieth, geſchahe dadurch, daß ſie den Satz aufſtellten, Con-
cubinat und Stuprum ſey von einander weiter nicht ver-
ſchieden. Um nun dieſem Satze mehr Publicitaͤt zu ge-
ben, war es eine nothwendige Folge, nunmehro auch
eben dasjenige von denen aus einem Stuprum erzeugten
Kindern gelten zu laſſen, was die roͤmiſchen Rechte inſon-
derheit von natuͤrlichen im Concubinat gebohrnen Kindern
verordnet hatten. Dies geſchahe zuerſt von Pabſt Alex-
anderIII. indem er die aus einem Stuprum oder For-
nication gebohrne Kinder wegen der Ehe ihrer Eltern fuͤr
legitim erklaͤrte 76); und dieſe neue Wirkung lediglich der
Kraft des Ehe Sacraments zuſchrieb 77). Eine
zweyte ganz natuͤrliche Folge aber hiervon war, daß dieſe
Wirkung der Ehelichmachung nur da Statt finden konn-
te, wo die Ehe ſelbſt unter den Eltern moͤglich war.
Nun war zu den Zeiten des Pabſts AlexanderIII. die
Ehe zwiſchen den Ehebrecher und der Ehebrecherin ſowohl
nach den Kirchenkanonen 78) als nach den roͤmiſchen Ge-
ſetzen 79) noch ſchlechterdings verboten, am wenigſten aber
wurde ſie geduldet, wenn der ehebrecheriſche Gatte gegen
den unſchuldigen Gatten Lebensnachſtellung verſucht hatte.
Und daß auch Pabſt AlexanderIII. dieſen Grundſaͤtzen
getreu
[255]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
getreu geblieben, erhellet aus ſeiner eigenen Verordnung
im cap. 1. X. de eo, qui duxit in matrimonium, quam pol-
luit per adulterium ganz deutlich. Wie konnte er nun al-
ſo bey den zu ſeiner Zeit herrſchenden Grundſaͤtzen anders
reſcribiren, als daß ein im Ehebruch erzeugtes Kind durch
die Ehe der Eltern nimmer legitimiret werden koͤnne, zu-
mal wenn, wie in dem cap. 6. noch angefuͤhret wird, der
Ehebrecher ſeiner unſchuldigen Ehegattin nach dem Leben
geſtanden haben ſollte? Der Grund der Entſcheidung war
hier offenbar kein anderer, als weil die Ehe an ſich
unter den Eltern nicht beſtehen konnte80).
Allein in der Folge der Zeit iſt unter InnocenzIII.
von jener Strenge der Kirchendisciplin etwas nachgelaſ-
ſen, und das ehemalige ganz allgemeine Verbot der Ehe
wegen vorher begangenen Ehebruchs nur auf zwey Faͤlle
eingeſchraͤnkt worden; naͤmlich a) wenn der ehebrechende
Gatte, noch zu Lebzeiten ſeines unſchuldigen Gatten, den
Mitverbrecher die Ehe verſprochen, und b) wenn derſelbe
ſeinem unſchuldigen Ehegatten nach dem Leben getrachtet
hatte 81). In allen uͤbrigen Faͤllen hingegen kann nach
dem neuern paͤbſtlichen Recht der untreue Ehegatte ſeinen
Mitverbrecher rechtmaͤſig heyrathen, ja eine ſolche Ehe
wird in cap. 6. X. de eo, qui duxit in matrim. quam poll.
per adult. ausdruͤcklich fuͤr ein legitimum matrimonium
erklaͤrt.
[256]1. Buch. 6. Tit. §. 141.
erklaͤrt. Hieraus folgt nun, deucht mir, von ſelbſt, daß
in einem ſolchen Fall, da die Ehe zwiſchen den Ehebre-
cher und der Ehebrecherin den Rechten nach ſtatt finden
kann, auch die im Ehebruch erzeugte Kinder hierdurch le-
gitimiret werden 82), und dies um ſo mehr, da die Wir-
kung der Legitimation in dem oben angefuͤhrten cap. 6.
X. qui filii ſint legit. der Kraft der Ehe lediglich zuge-
ſchrieben wird, mithin es ungereimt ſeyn wuͤrde, die Ehe
ſelbſt unter den Eltern geſetzlich zu erlauben, und ihr
doch die Wirkungen abzuſprechen. Aus eben den Gruͤn-
den trage ich auch kein Bedenken, mit Boͤhmer83),
Stryk84) und andern mehrern Rechtsgelehrten 85) zu
behaupten, daß nach canoniſchen und heutigen Rechten
die in Blutſchande erzeugte Kinder durch nachfolgen-
de Ehe ihrer Eltern legitimirt werden koͤnnen, in ſofern
naͤmlich dieſelbe durch Dispenſation zugelaſſen werden
kann.
§. 142.
[257]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
§. 142.
Erforderniſſe einer guͤltigen Legitimation.
I) Conſens der dabey intereßirten Perſonen.
Zur Guͤltigkeit einer jeden Legitimation wird nun
zweyerley erfordert. I) Die Einwilligung der Intereſſen-
ten; und II) die geſetzlich vorgeſchriebene Form. Soviel
den erſten Punct betrifft, ſo muͤſſen wir wieder das roͤ-
miſche Recht von dem canoniſchen und heutigen Rechte
wohl unterſcheiden. Nach roͤmiſchen Rechten wird ſowohl
die Einwilligung des Vaters als der Kinder erfordert.
Denn durch Legitimation erlangen die unehelichen Kinder
die Familienrechte der ehelichgebohrnen, mithin auch ein
Erbrecht in Anſehung ihres natuͤrlichen Vaters; nun
kann man doch dieſem wider ſeinem Willen keine Erben ob-
trudiren. Allein durch die Legitimation wird auch der
Zuſtand der unehelich gebohrnen in gewiſſer Abſicht ver-
ſchlimmert. Denn ſie hoͤren auf ſui iuris zu ſeyn, was
ſie vorher waren, und kommen in die vaͤterliche Gewalt
ihres natuͤrlichen Vaters. Iſt es nun, ſagt Juſti-
nian86), den Vaͤtern nicht erlaubt, die Kinder wider
ihren Willen aus der vaͤterlichen Gewalt zu entlaſſen,
ſo kann es auch eben ſo wenig recht ſeyn, ſie wider ih-
ren Willen in die vaͤterliche Gewalt zu bringen. Nach
canoniſchen und heutigen Rechten aber muͤſſen wir zwiſchen
der vollkommenen und unvollkommenen Legiti-
mation unterſcheiden. Zur letztern iſt die Einwilligung des
Vaters nicht erforderlich, ſondern ſelbige kann auch ohne die-
ſe auf das bloſe Anſuchen der Mutter oder des Vormunds
oder
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. R
[258]1. Buch. 6. Tit. §. 142.
oder der Kinder ſelbſt geſchehen. Denn ſie wird lediglich in
der Abſicht geſucht, daß der Flecken der Geburt gehoben wer-
de, und das Kind im Staat als legitim paßire 87). Iſt im
Gegentheil von einer vollkommenen Legitimation die Rede,
welche zugleich in der Abſicht geſchiehet, daß die unehe-
lichen Kinder dadurch die voͤlligen Familienrechte der ehe-
lich gebohrnen erhalten ſollen, ſo kommt es wieder darauf
an, ob ſelbige durch die Ehe der Eltern erfolgt, oder
durch ein landesherrliches Reſcript bewirkt wird. Im er-
ſten Fall wird heutiges Tages in Gemaͤßheit des canoni-
ſchen Rechts die Einwilligung der Kinder nicht fuͤr noͤ-
thig gehalten 88). Denn in dem cap. 6. X. qui filii ſint
legit. wird blos der Ehe dieſe Kraft allein zugeſchrieben,
daß die vorher auſſer derſelben erzeugten Kinder hierdurch
zu ehelichen Kindern gemacht werden. Nun koͤnnen die
Kinder durch ihren Widerſpruch die Ehe ihrer Eltern
keinesweges hindern, mithin auch die geſetzlich damit
verknuͤpfte Wirkung um ſo weniger hintertreiben, je mehr
die Legitimation fuͤr ſie vortheilhaft iſt. Hieraus folgt
aber auch zugleich, daß eine ausdruͤckliche Willenserklaͤ-
rung von Seiten der Eltern in Betref der Legitimation
ihrer unehelichen Kinder bey Schließung ihrer Ehe nicht
erfor-
[259]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
erfordert werde 89). Im letztern Fall bleibt es hingegen
bey der Verordnung des roͤmiſchen Rechts, und wird da-
her der Kinder Einwilligung, ſie ſey nun eine ausdruͤck-
liche oder ſtillſchweigende, hierzu auch heutiges Tages
erforderlich ſeyn, zumahl man Wohlthaten niemanden
aufzudringen pflegt 90).
§. 143.
II) Geſetzliche Form der Legitimation.
Hiernaͤchſt zweytens die Form der Legitimation
anlangend, ſo hatten die Roͤmer bekanntlich drey Arten
derſelben, naͤmlich die durch nachfolgende Ehe;
durch Beſtimmung zum Decurio; und durch ein
landesfuͤrſtliches Reſcript91). Die erſte iſt von
K. Conſtantin den Großen eingefuͤhrt worden, und ge-
ſchahe nach roͤmiſchen Rechten dadurch, wenn ein Roͤmer
die Concubine auf eine geſetzmaͤſige Art heyrathete, mit
R 2wel-
[260]1. Buch. 6. Tit. §. 143.
welcher er vorher auſſer der Ehe Kinder gezeugt hatte 92).
Vor den Zeiten Juſtinians ſetzte dieſelbe als Bedingung
vor-
[261]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
voraus, daß noch keine ehelichgebohrne Kinder vorhan-
den waren 93); allein Juſtinian dehnte ſie auch in ſo
fern mehr aus, daß er ſelbige ohne Unterſchied zuließ,
wenn gleich aus einer ſchon vorhergegangenen rechtmaͤſi-
gen Ehe Kinder vorhanden ſeyn ſollten 94). Nur daruͤber
ſtreitet man ſich noch, ob zu dieſer Art der Legitimation
ſchriftliche Ehepacten (inſtrumenta dotalia) erforderlich
geweſen ſeyn? Ich glaube aber, daß nach roͤmiſchen
Rechten dieſe Frage ſchlechterdings bejahet werden muͤſſe 95).
Denn einmal reden die Geſetze, die dieſes vorſchreiben,
ganz deutlich und uͤbereinſtimmend 96). Sodann hatte
R 3die-
92)
[262]1. Buch. 6. Tit. §. 143.
dieſes auch ſeinen guten Grund. Denn da der Con-
cubinat zu den Zeiten der Kaiſer der Ehe ſo aͤhnlich
war, daß man ihn ſchwer davon unterſcheiden konnte,
ſo war ein evidentes Zeichen unumgaͤnglich noͤthig, um
den Concubinat in eine rechtmaͤßige Ehe zu verwandeln.
Hierzu ſchickten ſich nun die inſtrumenta dotalia am be-
ſten, weil man die dos ſchon immer als ein aͤchtes Kenn-
zeichen einer rechtmaͤßigen Ehe angeſehen hatte 97). Heu-
tiges Tages finden jedoch in Anſehung der Legitimation
durch die nachfolgende Ehe mancherley Abweichungen
vom roͤmiſchen Recht ſtatt. Denn erſtens wird zu dieſer
Art der Legitimation nach canoniſchen und heutigen Rechten
nicht mehr erfordert, daß man mit der Perſon gerade
im Concubinat gelebet haben muͤſſe, die man ehelichen
will, ſondern es findet dieſelbe heutiges Tages uͤberhaupt
ſtatt, wenn Jemand die Perſon, mit der er im uneheli-
chen Beyſchlaf, es ſey im Stuprum, oder Ehebruch, oder
Inceſt Kinder erzeugt hat, auf eine rechtmaͤßige Art hey,
rathet. Es muß nur alſo eine rechtmaͤßige Ehe unter
den Eltern moͤglich ſeyn 98), und dieſe wirklich erfolgen.
Iſt dieſes, ſo kommt auf die Zeit, zu welcher die Ehe
geſchloſſen wird, nichts an, wenn ſie auch zur Zeit einer
toͤdlichen Krankheit, ja auf dem Sterbebette erſt erfolgen
ſoll-
[263]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
ſollte 99). Denn einmal iſt kein entgegenſtehendes Ge-
ſetz vorhanden; und dann iſt es doch auch bey einem toͤd-
lich kranken Menſchen immer noch zweifelhaft, ob er
wirklich ſterben werde; in einem ſolchen zweifelhaften
Falle aber muß in Gemaͤßheit des canoniſchen Rechts im-
mer eher fuͤr als wieder die Ehe geſprochen werden 100); zu-
mal wenn favorliberorum dabey in Betrachtung kommt 1).
Hiernaͤchſt ſtimmen zweytens darin alle heutige Rechtsge-
lehrte uͤberein, daß die Errichtung ſchriftlicher Ehepacten
zur Guͤltigkeit einer Legitimation durch nachfolgende Ehe
heutiges Tages nicht erfordert werde, ſondern hierzu die
zu Schlieſſung einer rechtmaͤßigen Ehe vorgeſchriebene
kirchliche oder buͤrgerliche Form genuͤge 2). Im Mittel-
alter gehoͤrte zwar unter die Feyerlichkeiten einer ſolchen
Ehe auch die Gegenwart der Kinder. Die Mutter pflegte
ſie waͤhrend der Trauung mit ihrem Mantel zu bedecken,
woher die Benennung Mantelkinder3), die noch im
R 4vori-
[264]1. Buch. 6. Tit. §. 143.
vorigen Jahrhundert nicht ungewoͤhnlich war 4). Es wur-
de auch wohl das Altartuch, oder eine andere zu den Ein-
ſegnungen der Eheleute beſonders beſtimmte Decke, wel-
che palla, oder pallium geheiſſen 5), uͤber ſie mit ausge-
breitet 6). Allein dieſer alte Gebrauch iſt nach und nach
abgekommen, daher heutiges Tages 7) die Gegenwart der
Kinder bey der Trauung nicht nothwendig erfordert wird.
Ob nicht auch durch nachfolgende Sponſalien eine Ehelich-
machung geſchehen koͤnne? iſt ſtreitig. Mevius8) und
Hommel9) haben dieſes zu behaupten geſucht. Erſterer
nimmt an, daß die prieſterliche Trauung zu Schlieſſung
der Ehe nicht weſentlich nothwendig, ſondern ſponſalia
de praeſenti hinreichend waͤren. Letzter aber beruft ſich
auf den Gerichtsgebrauch. Allein Hofacker10) und Puͤtt-
mann11) verwerfen dieſe Meinung, und, wie ich glaube,
mit Grund. Denn in den Geſetzen iſt ſie nicht gegruͤn-
det,
[265]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
det. Die Texte 12) des canoniſchen Rechts, welche den
ſponſalibus de praeſenti die Kraft der Ehe beylegen,
finden hier keine Anwendung; denn in denſelben wird
vorausgeſetzt, daß guͤltige Sponſalien vorhergegangen,
und der Beyſchlaf darauf gefolgt ſey. Es iſt auch uͤber-
haupt die Lehre des canoniſchen Rechts von den ſponſali-
bus de praeſenti durch das neuere Kirchenrecht, ſowohl
unter Katholicken als Proteſtanten in Teutſchland aufge-
hoben worden 13). Der vorgegebene Gerichtsgebrauch
aber iſt eben ſo ungegruͤndet. Die gemeine Meinung
ſtehet alſo feſt, daß auſſereheliche Kinder zwar durch nach-
folgende Ehe, aber keinesweges durch bloſe Verlobung
ihrer Eltern da, wo die prieſterliche Trauung zur Recht-
maͤſigkeit der Ehe nothwendig iſt, ehelich gemacht werden
koͤnnen.
Die zweyte Art der Legitimation per oblatio-
nem curiae hat den K. Theodoſius den juͤngern zum
Urheber 14). Sie beſtund darin, wenn ein Roͤmer ſeinen
natuͤrlichen Sohn zum Decurio beſtimmte, und ihn daher
in das Verzeichniß der Decurionen eintragen ließ; oder
ſeine natuͤrliche Tochter an einen Decurio verheyratete 15).
R 5De-
[266]1. Buch. 6. Tit. §. 143.
Decuriones oder Curiales hießen die Magiſtratsperſonen
in den Municipal-Staͤdten der Roͤmer. Dieſe machten
ein beſonderes Collegium aus, welches Curia genennt wur-
de. Ihr Amt war ſo laͤſtig, daß unter heidniſchen Kai-
ſern der Decurionat oft eine Strafe fuͤr Chriſten wurde 16).
Jederman ſcheuete ſich daher fuͤr dieſe Wuͤrde oder viel-
mehr Buͤrde. Man muſte alſo die Leute durch mancher-
ley Privilegien zum Decurionat zu reitzen ſuchen. Zu
dieſen gehoͤrte nun auch die Legitimation durch die
Beſtimmung zum Decurio. Dieſe Art der Legi-
timation faͤllt heutiges Tages gaͤnzlich weg, obwohl im
Mittelalter die Geiſtlichkeit die oblationem curiae coe-
leſti ſ. monaſterio an deren Stelle geſetzt zu haben
ſcheint 17). Denn ſie hielt dafuͤr, daß ein uneheliches
Kind, welches die Eltern dem Kloſterleben gewidmet, hier-
durch eben ſo, wie per oblationem curiae, legitimirt
werde 18). Daher hebt nach canoniſchen Rechten eine
feyerliche, von Staate und von der Kirche genehmigte
Profeß alle aus unehelicher Geburt entſtandene Weichhin-
derniſſe in ſo weit, daß der Profeßus die ordines und
Kirchen-Pfruͤnden, auch ohne weitere Diſpenſation, nur
keine Praͤlaturen und Domwuͤrden, zu erlangen faͤhig
wird 19).
Endlich die dritte Art der Legitimation geſchiehet
durch fuͤrſtliches Reſcript. Juſtinian fuͤhrte die-
ſelbe blos in den Faͤllen ein, wo die Ehe mit der Concu-
bine
[267]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
bine nicht moͤglich war 20); z. B. wenn die Concubine
geſtorben, oder ſich mit einem andern bereits verheyra-
thet hatte. Es durften auch keine ehelichen Kinder vor-
handen ſeyn, denn dieſen hat Juſtinian in ſeinen Ge-
ſetzen ein vollkommenes Recht beygelegt, daß keine Un-
ehelichgebohrnen zu ihren Nachtheile voͤllig legitimirt wer-
den ſollen. Deßgleichen ſollte nur der Vater ſich an den
Fuͤrſten wenden, und von ihm ein dergleichen Reſcript
auswirken, nicht die Mutter, auch nicht die unehelichen
Kinder, es waͤre denn, daß der Vater denen Kindern
in ſeinem Teſtamente befohlen haͤtte, um die Legitimation
beym Fuͤrſten anzuhalten 21). Dies hieß legitimatio per
teſtamentum, und war nichts anders, als eine Art der
Legitimation, die durch ein Fuͤrſtliches Reſcript geſchie-
het, indem die Kinder ſolche nur auf das im Teſtament
von ihrem Vater geſchehene Verlangen nachſuchten 22).
So nach roͤmiſchen Rechten. Allein unſere Regenten
pflegen ſich an dieſe Vorſchriften des K. Juſtinians
nicht ſonderlich zu binden 23). Wie konnte auch Juſti-
nian der geſetzgebenden Gewalt ſeiner Nachfolger Schran-
ken ſetzen? Daher findet die Legitimation per reſcriptum
heutiges Tages ſtatt, wenn es auch gleich moͤglich waͤre,
die Perſon zu heyrathen, mit welcher man die unehelichen
Kinder erzeugt hat 24). Auch ſtehet das Daſeyn der
ehe-
[268]1. Buch. 6. Tit. §. 143.
ehelichen Kinder ihr nicht mehr im Wege 25); obwohl in
dieſem Fall von den heutigen Rechtsgelehrten behauptet
wird, daß der Vater ſeinen unehelichen Kindern das Suc-
ceſſions-Recht nur alsdann beylegen laſſen koͤnne, wenn
beygebracht wird, daß der Pflichttheil der ehelich gebohr-
nen unverkuͤrzt erhalten werde 26). Nicht weniger koͤnnen
heutiges Tages alle Arten unehelicher Kinder per reſcrip-
tum principis legitimiret werden; auch die, welche aus
einem Ehebruch, Fornication, Inceſt, oder Stuprum ge-
bohren worden 27). Es kann endlich dieſe Legitimation
nach heutigen Rechten auch von den Kindern ſelbſt, oder
den Vormuͤndern ohne Einwilligung des Vaters geſucht
werden, in ſo fern ſie naͤmlich nur in der Abſicht geſche-
hen ſoll, daß der Flecken der unehelichen Geburt geho-
ben werde 28). Denn eine vollkommene Wirkung kann
ihr ohne die Einwilligung des Vaters nie zugeſchrieben
werden 29). Daß der Vater ſeinen Willen auch noch
heutiges Tages in ſeinem Teſtament erklaͤren koͤnne,
hat keinen Zweifel; dahingegen der Umſtand, daß
ein Vater das von ihm auſſer der Ehe erzeugte Kind
wie ein eheliches Kind im Hauſe gehalten und erzo-
gen, auch im Teſtament zum Erben ernannt habe, den
Rech-
[269]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
Rechten nach kein modus legitimandi iſt, wodurch daſ-
ſelbe die Rechte eines ehelichen Kindes ohne Fuͤrſtliches
Reſcript erhalten koͤnnte 30).
§. 144.
Von den Wirkungen der Legitimation a) nach roͤmiſchen
Rechten.
Die Wirkungen, welche die Legitimation nach roͤmi-
ſchen Rechten hervorbringt, ſind verſchieden. Sie aͤuſ-
ſern ſich
I) auf Seiten des Vaters darin, daß derſelbe
dadurch
a) die vaͤterliche Gewalt erlangt. Iſt nun
dieſe gleich vor und nach den Zeiten Conſtantins des
Großen ſehr gemindert worden, ſo iſt ſie doch immer
noch mit ſehr wichtigen Vortheilen verknuͤpft. Man den-
ke nur an die Rechte des Vaters in Anſehung des Pecu-
liums ſeiner Kinder.
b) Erhaͤlt auch dadurch der Vater ein neues
Erbrecht in Anſehung der legitimirten Kinder. Denn
wenn gleich der Vater den natuͤrlichen Kindern nach roͤ-
miſchen Rechten auch ſuccedirt, ſo iſt doch dieſes Erb-
recht ziemlich eingeſchraͤnkt, und beynahe ganz unbedeu-
tend, wie zu ſeiner Zeit in der Lehre von der Erbfolge
vorkommen wird. Allein den legitimirten Kindern ſucce-
dirt nun der Vater eben ſo, wie ſeinen ehelichen Kindern,
ohne Unterſchied, die Legitimation mag durch die Ehe
oder durch fuͤrſtliches Reſcript geſchehen ſeyn.
II)
[270]1. Buch. 6. Tit. §. 144.
II) Auf Seiten der Kinder beſtehen die Wirkun-
gen nach roͤmiſchen Rechten darin:
a) ſie leiden dadurch eine Capitis-Deminu-
tion, indem ſie der vaͤterlichen Gewalt unterworffen
werden.
b) Sie erlangen dadurch die Familienrechte in
Anſehung ihres natuͤrlichen Vaters. Dieſe werden auch
den Enkeln zu Theil, wenn nach dem Tode des natuͤr-
lichen Sohns, von welchem ſie in rechtmaͤßiger Ehe ſind
gezeugt worden, der Großvater ſeine Concubine geheyra-
thet 31). Ob die legitimirten Kinder auch den Adel des
Vaters erhalten, iſt nach roͤmiſchen Rechten wenigſtens
nicht zu bezweifeln. Denn Juſtinian 32) will ſchlech-
terdings, daß die einmal legitimirten Kinder von den
ehelichgebohrnen in gar nichts unterſchieden ſeyn ſollen.
Allein deſto mehrern Zweifeln iſt dieſe Frage nach dem
heutigen Recht unterworffen. Zwar behauptet Riccius33),
daß, wenn beyde Eltern von Adel waͤren, und dieſe her-
nach einander ehelichten, das von denſelben auſſer der
Ehe erzeugte Kind vermoͤge des erfolgten Eheverbindniſ-
ſes ebenfalls fuͤr aͤcht adelich gehalten werden muͤſſe; und
aus einem von Moſer34) angefuͤhrten Reichs-Hofraths-
Concluſo in Sachen von KuͤnspergcontraWoh-
ſern, nuncKuͤnsperg ſiehet man, daß auch der
Reichs-
[271]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
Reichshofrath denen durch nachfolgende Ehe legitimirten
Kindern hierin favoriſirt. Allein neuere Rechtsgelehrte 35)
widerſprechen dieſer Meinung aus ſo wichtigen Gruͤnden,
daß ich dieſen beyzutreten keinen Anſtand finde. Denn
nach teutſchen Rechten kann der Adel nur auf zweyerley
Art erworben werden; entweder durch eheliche Ge-
burt, wenn Kinder von einem adelichen Vater in recht-
maͤßiger Ehe ſind erzeugt worden 36) oder durch einen
Adelsbrief. Die Fiction, als ob das auſſer der Ehe
gebohrne, und durch nachfolgende Ehe legitimirte Kind,
waͤhrend derſelben erzeugt worden, iſt weder in den Ge-
ſetzen gegruͤndet, noch von den Teutſchen angenommen.
Ganz recht ſagt daher menestrier37): la baſtardiſe
eſt entierement exclüe des preuves de Nobleſſe d’Allemagne
et de Pays has.
c) erhalten auch legitimirte Kinder durch die Ehe-
lichmachung nach roͤmiſchen Rechten ein Erbrecht, ver-
moͤge deſſen ſie nicht nur dem Vater, ſondern auch denen
vaͤterlichen Anverwandten, wie eheliche Kinder und recht-
maͤßige Blutsfreunde ſuccediren 38). Die curiae oblati
ſuc-
[272]1. Buch. 6. Tit. §. 144.
ſuccedirten jedoch nur ihrem Vater, nicht aber den uͤbri-
gen Aſrendenten 39). Daß Kinder, welche durch die nach-
folgende Ehe der Eltern legitimirt worden, auch heuti-
ges Tages ſo gut als ehelich gebohrne ſuccediren, iſt auſ-
ſer Zweifel 40). Eben ſo gewiß iſt es auch, daß die von
dem Vater durch ein landesherrliches Reſcript ausgewirk-
te Ehelichmachung denen legitimirten Kindern ein voll-
kommenes Erbrecht in dem Fall mittheile, wenn keine
ehelichen Kinder vorhanden ſind, oder ſolche erſt nach ge-
ſchehener Legitimation gebohren worden 41). Sehr ſtrei-
tig iſt hingegen die Frage, ob der Regent durch ſein Re-
ſcript auch ad effectum ſucceſſionis legitimiren koͤnne,
wenn eheliche Kinder zur Zeit der verlangten Legitima-
tion bereits vorhanden ſind? Einige beiahen dieſe Frage,
und ſchreiben einer ſolchen landesherrlichen Ehelichmachung
die vollkommenſte Wirkung zu 42). Andere behaupten,
daß in dem vorliegenden Fall denen ehelichgebohrnen Kin-
dern der Pflichttheil zum voraus gebuͤhre 43). Noch an-
dere halten zwar dieſen Vorzug der ehelichen Kinder fuͤr
ungegruͤndet, jedoch duͤrften letztere durch eine ſolche Ver-
mehrung der Anzahl der Kinder an ihrem Pflichttheile
kei-
[273]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
keinen Schaden leiden 44). Es koͤnne daher, glauben
ſie, die Legitimation nicht bewirken, daß bey der kuͤnfti-
gen Succeſſion die ehelichen Kinder weniger erhalten, als
der Pflichttheil ausgemacht haben wuͤrde, wenn die Legi-
timation nicht erfolgt waͤre. Endlich giebt es Rechtsge-
lehrten, welche der Meinung ſind, daß die legitimirten
Kinder in dem bemerkten Fall gar kein Erbrecht erhiel-
ten 45); und dieſe Meinung iſt nach roͤmiſchen Rechten
wohl unſtreitig die richtigſte. Denn einmal ſoll die
Legitimation unehelicher Kinder durch fuͤrſtliches Re-
ſcript nach der Abſicht des K. Juſtinian46) in dem
Fall gar nicht ſtatt finden, wenn eheliche Kinder vorhan-
den ſind, gewiß aus keiner andern Urſach, als weil die-
ſen die Legitimation zum Nachtheil gereichen, und ihnen
durch Concurrenz der legitimirten Kinder ihr kuͤnftiges
Erbrecht geſchmaͤlert werden wuͤrde. Hieraus folgt von
ſelbſt, daß wenn dergleichen Legitimation demohngeachtet
geſchehen, ſolche denen legitimirten Kindern zum Nach-
theil der ſchon zur Zeit der geſchehenen Legitimation vor-
handen geweſenen ehelichen Kinder kein Erbrecht beylegen
koͤnne. Zum andern hat Juſtinian auch dem Vater
ausdruͤcklich unterſagt 47), ſeinen natuͤrlichen Kindern,
in
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. S
[274]1. Buch. 6. Tit. §. 144.
in dem Fall, da er zugleich ehelich gebohrne hat, durch
Schenkung oder Teſtament mehr, als ein Zwoͤlftheil, zu
hinterlaſſen. Kann alſo der Vater auch nicht durch
Schenkung, Teſtament und andere dergleichen Dispoſi-
tionen das Erbrecht der ehelichgebohrnen Kinder zum Vor-
theil der unehelichen ſchmaͤlern, ſo laͤßt ſich daraus ſchlieſ-
ſen, daß er letztere zum Nachtheil der erſtern auch nicht
durch ein Reſcript legitimiren laſſen koͤnne. Allein die
Frage iſt nur, ob dies auch bey uns noch ſtatt finden
koͤnne.?
Man muß, duͤnkt mich, hier zwey Fragen unterſchei-
den. Erſtlich: was im Zweifel zu vermuthen, daß der
Regent gewollt habe? Zweytens: ob ſich die Gewalt
des Regenten ſoweit erſtrecke, uneheliche Kinder auf des
Vaters Verlangen voͤllig und ad effectum ſucceſſionis
zu legitimiren, ohngeachtet eheliche Kinder vorhanden
ſind? Soviel die erſte Frage anbetrift, ſo glaube ich,
man muͤſſe im Zweifel immer vermuthen, daß der Regent
dasjenige gewollt habe, was dem gemeinen Rechte am ge-
maͤßeſten iſt. Hat daher der Vater den Umſtand, daß
eheliche Kinder vorhanden ſind, in ſeiner Supplic ver-
ſchwiegen, ſo daß die von demſelben ausgewirkte Legiti-
mation unter der Clauſel: ohngeachtet eheliche Kin-
der vorhanden, (non obſtantibus liberis legitimis)
nicht ertheilet worden iſt, ſo iſt das Reſcript fuͤr erſchlichen
zu halten, und kann den ehelichen Kindern um ſo weniger
praejudiciren, je bekannter es iſt, daß Privilegien ſine
praeiudicio et diminutione iuris tertii verſtanden wer-
den muͤſſen 48). Die zweyte Frage anlangend, ſo laſſen
ſich fuͤr die bejahende Meinung folgende Gruͤnde anfuͤh-
ren. Erſtens, iſt es auſſer allen Zweifel, daß ein Re-
gent
[275]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
gent heutiges Tages uneheliche Kinder durch ſein Reſcript
legitimiren koͤnne, es moͤgen eheliche Kinder vorhanden
ſeyn, oder nicht. Warum ſoll nun der Regent ſeinen
Reſcript nicht eben die Wirkung beylegen koͤnnen, die Ju-
ſtinian der Ehe beygelegt hat 49)? Man wende nicht
ein, daß nach dem Geſetz des Juſtinians der landesherr-
lichen Ehelichmachung keine vollkommene Wirkung zuge-
ſchrieben werden duͤrfe, wenn zur Zeit der verlangten Le-
gitimation ſchon eheliche Kinder vorhanden geweſen ſind.
Denn wie konnte Juſtinian der geſetzgebenden Gewalt
ſeiner Nachfolger Schranken ſetzen? Zweytens haben
eheliche Kinder eigentlich nur ein ius quaeſitum auf den
Pflichttheil; dieſer darf ihnen weder entzogen noch ge-
ſchmaͤlert werden. Das uͤbrige Vermoͤgen kann der Va-
ter zuwenden, wem er will. Hat nun gleich Juſtinian
dem Vater, wenn er zugleich ehelichgebohrne Kinder hat,
ſeinen natuͤrlichen Kindern, mehr, als ein Zwoͤlftheil,
zu hinterlaſſen nicht erlaubt, ſo bindet doch dieſe geſetz-
liche Vorſchrift keinesweges unſere Landesherrn, daß ſie
nun eben deswegen ſolche uneheliche Kinder auch nicht
vollkommen legitimiren duͤrften, zumahl heutige Rechts-
gelehrten uͤberhaupt noch daran zweifeln, ob jene Vor-
ſchrift bey uns, ſelbſt auf Seiten des Vaters, annoch
gelten koͤnne 50). Es laͤßt ſich alſo nach heutigen Rech-
ten wohl rechtfertigen, wenn unſer Verf. ſagt: his (ſc.
liberis legitimis) vero extantibus, non ſuccedunt legiti-
mati per reſcriptum, niſi pater id voluerit, et princeps di-
S 2ſerte
[276]1. Buch. 6. Tit. §. 145.
ſerte iuſſerit, nur ſetze man hinzu: modo liberis iam na-
tis legitima ſalva maneat.
§. 145.
b) Wirkungen der Legitimation nach teutſchen Rechten.
Auſſer den angefuͤhrten Wirkungen hat die Legitima-
tion auf Seiten der unehelichen Kinder in Teutſchland
auch noch dieſe Wirkung, daß ſie durch Ehelichmachung
von aller Anruͤchtigkeit, die ihnen von ihrer unehelichen
Geburt anklebt, befreyet werden, und daher der Regel
nach auf alle buͤrgerliche Rechte im Staat Anſpruch ma-
chen koͤnnen. Dieſe Wirkung konnte bey den Roͤmern
darum nicht ſtatt finden, weil uneheliche Kinder der buͤr-
gerlichen Rechte bey ihnen an ſich ſchon nicht verluſtig
waren. (§. 116.) Allein die Teutſchen dachten hierin
anders. Sie hielten dafuͤr, daß die uneheliche Geburt
einen Schandfleck mache, und daher ein uneheliches Kind
eine Art von Verachtung und Geringſchaͤtzung verdiene,
weshalb es unwuͤrdig ſey, in Zuͤnfte, Handwerke und an-
dere ehrliche Collegien aufgenommen zu werden. Um die-
ſen Flecken der unehelichen Geburt zu tilgen haben daher
die Teutſchen eine eigene Art der Legitimation eingefuͤhrt,
welche ſonſt weiter keine Rechte, alſo weder dem Vater
die vaͤterliche Gewalt, noch dem legitimirten Kinde die
Familienrechte giebt, ſondern daſſelbe nur blos in Abſicht
auf den Staat zu Erlangung buͤrgerlicher Rechte legitim
und faͤhig macht. Man nennt daher dieſe Art der Legiti-
mation die teutſche, oder unvollkommene, zum
Unterſchied der roͤmiſchen oder vollkommenen,
welche den legitimirten Kindern alle Rechte der ehelich-
gebohrnen mittheilt. Wir bemerken dabey, daß diejenige
Legitimation, welche durch die Ehe geſchiehet, ihrer Na-
tur
[277]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
tur nach allemal plena iſt, dahingegen diejenige, welche
durch ein fuͤrſtliches Reſcript heutiges Tages bewirkt wird,
zuweilen plena, zuweilen minus plena ſeyn kann. Es
moͤgen jedoch uneheliche Kinder durch nachfolgende Ehe,
oder durch Landesherrliches Reſcript ſeyn legitimirt wor-
den, ſo iſt in dem einen wie in dem andern Fall die Wir-
kung immer dieſe, daß ſie nicht nur, den ehelichen gleich,
verlangen koͤnnen, in Innungen, Handwerken und andern
Gemeinheiten aufgenommen zu werden 51), ſondern auch
faͤhig ſind, zu oͤffentlichen Ehrenſtellen und Wuͤrden zu
gelangen, ſofern nicht etwa vermoͤge beſonderer Geſetze ei-
ne rechte, natuͤrliche und eheliche Geburt ausdruͤcklich er-
fordert wuͤrde, wie z. B. zu Beiſitzerſtellen bey dem Kammer-
gericht 52), zu denen Legitimirte nicht admittiret werden 53).
§. 146.
Ausſchließung der Legitimirten von gewiſſen Rechten.
Vollkommen legitimirte Kinder erlangen durch die
Legitimation zwar die nach gemeinen Rechten mit der
rechtmaͤſigen Geburt verknuͤpfte Vortheile; allein diejeni-
gen werden ihnen nicht mitgetheilt, welche ihren
Grund in beſondern Vorrechten einer rechten
S 3Geburt
[278]1. Buch. 6. Tit. §. 146.
Geburt haben, in ſofern eheliche Competenten vorhan-
den ſind, welche ſchon vor geſchehener Legitimation und
gleich mit ihrer Geburt ein Recht darauf erworben ha-
ben. Denn die Legitimation muß immer ſalvo iure ter-
tii quaeſito verſtanden werden. Hieraus folgt,
1) daß legitimirte Kinder nicht in Lehen ſuccediren.
In den bekannten Text des longobardiſchen Lehnrechts
II. F. 26. §. 11. werden dieſelben in folgenden Ausdruͤ-
cken von der Lehenfolge ausgeſchloſſen: Naturales filii,
licet poſtea ſiant legitimi, ad ſucceſſionem feudi nec ſoli,
nec cum aliis admittuntur. Nun wird zwar dieſer Text
von den Rechtsgelehrten auf mancherley Art limitirt, in-
dem einige denſelben nur von ſolchen, die erſt nach dem
Anfall der Succeßion legitimirt worden, verſtehen wollen;
Andere hingegen zwiſchen Unehelichgebohrnen, die durch
nachfolgende Ehe, und denen, welche durch ein Reſcript
legitimirt worden ſind, einen Unterſchied machen, und je-
nen Text nur auf die letztern einſchraͤnken, erſtere hinge-
gen fuͤr Lehnsſucceßionsfaͤhig halten 54). Allein weder
der Zuſammenhang des Textes, und Allgemeinheit der
darin gebrauchten Ausdruͤcke, noch die Natur der Lehen,
vermoͤge welcher nur diejenigen, welche von dem erſten
Erwerber des Lehns durch Mannsperſonen im Wege
einer ordentlichen Ehe abſtammen, ein gegruͤndetes Recht
haben, in der gehoͤrigen Ordnung in demſelben zu ſucce-
diren, erlaubt hier eine dergleichen einſchraͤnkende Er-
klaͤrung
[279]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
klaͤrung 55). Jedoch gehoͤrt die weitere Eroͤrterung dieſer
Streitfrage nicht hierher.
2) Erlangen legitimirte Kinder das Recht der
Erſtgeburt nicht, wenn der Vater zur Zeit der Legitima-
tion ſchon eheliche Kinder hatte 56).
3) Koͤnnen auch legitimirte Kinder nicht in Fa-
milienfideicommißen ſuccediren 57). Doch findet hier, ſo
wie auch bey Lehen, alsdann unſtreitig eine Ausnahme
ſtatt, wenn diejenigen, denen durch Zulaſſung der legiti-
mirten Kinder ein Nachtheil erwaͤchſt, in die Succeßion
derſelben willigen.
Einige Rechtsgelehrten wollen die Legitimirten auch
von dem Anſpruche auf Familienſtipendien ausſchließen,
ſo lange ehelichgebohrne Agnaten, die Genußfaͤhig, vor-
handen ſind, es waͤre denn, daß diejenigen, die eigentlich
ein Recht auf ſolche Stipendien haben, es geſchehen laſ-
ſen wollten, daß den Legitimirten dieſelben ebenfalls zu
S 4Theil
[280]1. Buch. 6. Tit. §. 146. u. 147.
Theil wuͤrden 58). Allein Stipendien gehoͤren zu den
milden Stiftungen 59), denn ſie ſind zum Nutzen der
Studierenden beſtimmt, um ihnen die Studierkoſten zu
erleichtern. Nun ſind milde Stiftungen ſo zu erklaͤren,
daß niemand ohne erhebliche Urſach davon ausgeſchloſ-
ſen werde 60). Mithin, wer zu der Familie des Stif-
ters gehoͤrt, iſt berechtigt, auf das fuͤr dieſelbe geſtiftete
Stipendium Anſpruch zu machen. Vollkommen legitimir-
te erhalten aber die Familienrechte. Zudem wird das
Wort Familie bey Stipendien in einem ſo weiten Um-
fange genommen, daß auch Verwandte von Seiten der
Toͤchter darunter begriffen werden 61). Agnaten haben
alſo bey Familienſtipendien keinen Vorzug 62). Sie koͤn-
nen folglich auch die legitimirten Kinder hiervon nicht
ausſchlieſſen, da nicht zu erweiſen iſt, daß das Recht auf
Familienſtipendien ſeinen Grund in einem Vorrecht der
rechtmaͤſigen Geburt habe 63).
§. 147.
Wer hat das Recht, durch Reſcripte zu legitimiren?
Die Legitimation durch Reſcripte gehoͤrt unſtreitig
zu den Privilegien. Alſo muß ſie in der Regel bey dem
Regen-
[281]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
Regenten ſelbſt geſucht werden, wenn nicht derſelbe etwa
auch andern Perſonen oder gewiſſen Collegien die Ausuͤ-
bung dieſes Hoheitsrechts uͤbertragen. In Teutſchland
ſtehet das Recht, durch Reſcripte zu legitimiren,
1) dem Kaiſer zu. Die teutſchen Kaiſer haben
ſich dieſes Rechts, vermuthlich nach dem Beyſpiel der roͤ-
miſchen Kaiſer und Paͤbſte 64), ſchon ſeit dem XIII. Jahr-
hundert bedient. Aus dieſem Jahrhundert iſt wenigſtens
das aͤlteſte bis jetzt bekannte Beyſpiel von K. FriedrichII.
welcher die beyden Soͤhne der Graͤfin Margarethe
von Flandern, Johann und Balduin, die ſie mit ei-
nem Canonikus Burchard von Avesnis gezeugt hatte,
im Jahr 1243. durch ein Reſcript legitimirte 65). In
der Folge ertheilten ſie dieſes Recht auch den Hofpfalz-
grafen66). Daher pflegt heuriges Tages der Kaiſer
S 5dieſes
[282]1. Buch. 6. Tit. §. 147.
dieſes Hoheitsrecht auf eine doppelte Art auszuuͤben,
entweder ſelbſt und unmittelbar, oder durch die ſogenann-
ten kaiſerlichen Hofpfalzgrafen. Bey unehelichen Kin-
dern der Reichsunmittelbaren uͤbt naͤmlich der Kaiſer die-
ſes Recht allein aus, und er pflegt ſich daſſelbe in Hof-
pfalzgraf-Diplomen ausdruͤcklich vorzubehalten 67). Ein
merkwuͤrdiges Beyſpiel, aber nicht das neueſte, iſt, da
K. FerdinandIII. 1654. den vom Grafen Anton
von Oldenburg mit dem Fraͤulein von Ungnad erzeug-
ten Sohn legitimiret, und zum Grafen von Oldenburg
erhoben hat 68). Allein noch neuere Beyſpiele ſolcher
kaiſerlicher Legitimationen von den Jahren 1715, 1716,
und 1718, geben die Herren von Kuͤnsberg, von Greß,
und Graf von Sayn und Witgenſtein 69). Der Kai-
ſer
66)
[283]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
ſer uͤbt nun dieſes Hoheitsrecht heutiges Tages theils durch
die Reichshofcanzley, theils durch den, auch fuͤr
Gnadenſachen vorzuͤglich beſtellten, Reichshofrath70)
aus. Die auf ſolche Art bey dem Kaiſer ſelbſt ausge-
wirkte Legitimation behauptet ihre Guͤltigkeit uͤberall in
ganz Teutſchland. Bey den kaiſerlichen Pfalzgra-
fen kommt alles auf ihre Comitiv an 71). Dieſe be-
ſtimmt den Umfang ihrer Befugniſſe auch in Anſehung
der Legitimation unehelicher Kinder. Da nun hier von
der Ausuͤbung eines Hoheitsrechts die Rede iſt, ſo kann
in Gemaͤßheit unſerer ſchon bey anderer Gelegenheit deß-
halb geaͤuſſerten Grundſaͤtze (S. den I. Th. dieſes Com-
mentars §. 99. S. 547.) in einem zweifelhaften Falle
keine andere als eine einſchraͤnkende Erklaͤrung ſtatt fin-
den. Daher geben die Hofpfalzgraͤflichen Legitimationen
der Regel nach nur buͤrgerliche, nicht aber Familien- oder
Erbfolgsrechte; wenn nicht das Recht, vollkommen zu le-
gitimiren, aus der Comitiv deutlich erhellet 72). Allein
auch in dieſem Fall wird man den Hofpfalzgraͤflichen Le-
gitimationen die Wirkung der Erbfolge ohne landesherr-
liche Einwilligung nicht beylegen koͤnnen 73). Denn die
Landesherren koͤnnen unmoͤglich Eingriffe der Pfalzgrafen
in ihre Rechte zugeben, woraus nicht nur vielfaͤltig Nach-
theil
[284]1. Buch. 6. Tit. §. 147.
theil fuͤr andere Perſonen, ſondern auch fuͤr die Landes-
herren ſelbſt entſtehet 74). Kein Wunder, wenn daher
in einigen Laͤndern, z. B. in Kurſachſen, den Pfalzgra-
fen das Recht zu legitimiren, gar nicht geſtattet wird 75).
Hieraus folgt aber weiter, daß wenn auch in einem Lande
die Hofpfalzgraͤflichen Legitimationen zugelaſſen werden,
dieſelben dennoch, da ihr Endzweck ohnehin nur der buͤr-
gerliche gute Ruf iſt, den Rechten des Landesherrn, als
eines Dritten, nicht nachtheilig ſeyn, mithin auch einen
Landesherrn an der Ausuͤbung des Rechts, die Verlaſſen-
ſchaften der Uneheliggebohrnen an ſich zu ziehen, ſofern
naͤmlich ein ſolches in einem Lande eingefuͤhrt ſeyn ſollte,
nicht hindern koͤnnen 76).
2) Stehet auch den Reichsſtaͤnden das Recht
zu legitimiren in ihren Laͤndern unſtreitig zu 77). Der
Grund dieſes Rechts liegt in der denen Reichsſtaͤnden ver-
moͤge ihrer Landeshoheit zuſtehenden geſetzgebenden Ge-
walt, und dem daraus fließenden Recht, Privilegien zu
ertheilen. Daher iſt es ein offenbarer Irrthum, wenn
Gribner78) dieſes Befugniß den Reichsſtaͤdten nur als-
denn
[285]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
denn zugeſtehen will, wenn ſie daſſelbe durch kaiſerliche
Verguͤnſtigung, oder undenkliche Verjaͤhrung erlangt ha-
ben; da die Reichsgeſetze denſelben die Landeshoheit aus-
druͤcklich beylegen 79), es auch nicht an Beyſpielen fehlt,
daß ſie das Recht zu legitimiren, eben ſo wie andere Lan-
desherren, ohne allen Widerſpruch des Kaiſers, ausge-
uͤbt haben 80). Ja man kann ſolches ſogar den unmittel-
baren Reichsrittern nicht abſprechen 81). Denn ſowohl
die Reichsgeſetze als hoͤchſten Reichsgerichte geſtehen
denenſelben die landesherrlichen Rechte aus-
druͤcklich zu 82). So gewiß es nun iſt, daß die Le-
gitimation unehelicher Kinder zu den landesherrlichen
Rechten gehoͤrt, ſo wenig iſt daran zu zweifeln, daß
Landesherren auch uneheliche Kinder landſaͤßiger Gra-
fen und Edelleute legitimiren koͤnnen 83). Allein eine
andere Frage iſt, ob ihnen auch dieſes Recht in An-
ſehung ihrer eigenen auſſerehelichen Kinder zuſtehe?
Die Entſcheidung derſelben beruhet darauf, ob ſie die Lan-
des-
[286]1. Buch. 6. Tit. §. 147.
deshoheit uͤber dieſelben haben? Iſt nun die Mutter keine
reichsunmittelbare Perſon, ſo wird wohl niemand dem
Landesherrn das Recht, die mit derſelben erzeugte Kinder
zu legitimiren, abſprechen. Wie aber, wenn die Mut-
ter eine reichsunmittelbare Perſon iſt? Hierin iſt die
Praxis, wie Moſer84) geſteht, zwar ſehr ungewiß;
weil indeſſen Unehelichgebohrne dem Stand der Mutter
folgen, mithin ebenfalls fuͤr reichsunmittelbare Perſonen
zu halten ſind, ſo iſt zu behaupten, daß nur der Kaiſer
ſie legitimiren koͤnne 85). Eben ſo gewiß es nun auch,
daß ein Landesherr in einem fremden Lande dieſes Befug-
niß nicht ausuͤben koͤnne. Ob aber die von einem Lan-
desherrn in ſeinem Lande ertheilten Legitimationen ihre
Wirkungen auch in anderer Reichsſtaͤnde Landen und Ge-
bieten aͤußere, iſt ſehr ſtreitig. Die meiſten Rechtsge-
lehrten ſtreiten fuͤr die verneinende Meinung, weil die
geſetzgebende Gewalt ihre Kraft nicht auſſer dem Lande
des Geſetzgebers aͤuſſere, und daher keine vermoͤge der-
ſelben vorgenommene Handlung einen andern Regenten
oder deſſelben Unterthanen nothwendig verbinde 86). An-
dere bejahen hingegen jene Frage ſchlechthin 87); und
gruͤnden
[287]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
gruͤnden ſich theils auf die Regel: Quotiescunque de
conditione ac ſtatu perſonae incidit quaeſtio, viden-
dum eſt, quo inter ſuos quisque loco aeſtimetur;
(S. 1. Th. dieſes Commentars §. 74. S. 388.) theils
behaupten ſie, daß die genaue Verbindung, in welcher
ſich die ſaͤmmtlichen Staͤnde des teutſchen Reichs befinden, es
nothwendig erfordere, die von einem teutſchen Landesherrn
ertheilten Legitimationen auch in andern teutſchen Reichs-
landen zu reſpectiren. So viel iſt richtig, daß die be-
jahende Meinung der Klugheit gemaͤßer iſt; denn indem
ein Landesherr die rechtmaͤſigen Verfuͤgungen eines aus-
waͤrtigen Regenten auch in ſeinem Lande als guͤltig aner-
kennt, ſichert er zugleich ſeine eigenen Rechte, weil auſſer-
dem Retorſionen unvermeidlich ſind. Allein die Frage
iſt, ob die von einem Reichsſtand geſchehene Legitima-
tion auch auſſerhalb ſeines Landes reſpectirt werden
muͤſſe? Mir ſcheint Herrn Hofr. Hartlebens88) Ent-
ſcheidung die richtigſte zu ſeyn. Ich will ſie mit ſeinen
eigenen Worten anfuͤhren. Legitimatus a Principe ter-
ritorii A. pro legitimo ubique agnoſcendus erit, niſi
intereſſe publicum aliud exigat, et talis legitimatus
ex obtenta legitimatione ſua ius aliquod in praeiudi-
cium civium territorii B. evincere velit. Hinc, cum
talis legitimatus iura ſucceſſionis in alio territorio in
praeiudicium civium praetendere vult, merito actio-
nis ſuae repulſam patietur. Dieſe Entſcheidung iſt
auf den Grundſatz gebauet 89): quod quaeſtio de ſtatu
et qualitate ſubditorum temporariorum ex legibus
ipſorum patriis tam diu ſit diiudicanda, donec civi-
tatis, ubi ſubditus temporarius commoratur, inter-
ſit,
[288]1. Buch. 6. Tit. §. 147.
ſit, hu῀nc ſtatum aut qualitatem in eo non agnoſci.
Der Erweis dieſes Satzes iſt folgender: Demonſtratum
eſt in medit. 1. et 3. omne in ſubditos temporarios
imperium ex voluntatis ſubiectione tacita oriri, eius-
que ſubiectionis fundamentum eſſe ſalutem rerum
publicarum; proinde iniurium in ſubditos tempora-
rios fore principem, qui aliquid, quod huic pacto
tacito contrarium eſſet, ſtatueret. Fluit ex hoc,
quod, quando ſalus civitatis, in qua ſubditus tem-
porarius commoratur, non exigit ſtatum et qualita-
tem, quae ipſi vi legum patriarum competunt, in
eo non agnoſci, etiam voluntaria ſubiectio tacita
ſic explicari nequeat, ut huic ſtatui, et qualitati cen-
ſeatur renunciatum fuiſſe; proinde intuitu huius ſta-
tus et qualitatis ſubditus temporarius pro non ſub-
dito ſit habendus, ſicque ſtatum, qui ipſi vi legum
patriarum competit, etiam in alieno territorio reti-
neat. Aemulationem certe ſaperet, et omne ſocia-
litatis et commercii vinculum deſtrueretur, ſi ſub-
ditis temporariis negarentur qualitates illae perſo-
nales vi legum patriarum competentes, quas ipſi de-
negandi nulla prudens ratio ſuppetit. Ex his pro-
num erit, caſus in foro obvenientes decidere. Sic
nobilitatus ab uno Principe ubique pro nobili haben-
dus erit; reipublicae enim non intereſt, hanc quali-
tatem ei denegare, ſicque etiam ſubiectio tacita eo
extendi nequit, ut hinc huic praerogativae cenſea-
tur renunciatum. Aliud dicendum foret, ſi huic
nobilitati annexa eſſent privilegia in praeiudicium
tertii tendentia, v. c. quod Nobilis rigori cambiali
non ſit ſubiiciendus; hoc enim privilegium in Nobili
non agnoſci, ſicut reipublicae intereſt, ita etiam in
ſubdito temporario non erit agnoſcendum. Aus die-
ſen
[289]De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
ſen Grundſaͤtzen wird nun auch der andere Fall von der
Wirkung einer vom Landesherrn ertheilten Legitimation
auſſerhalb Landes entſchieden, wovon ich die hier folgen-
den Worte ſchon oben angefuͤhret habe. Man vergleiche
hiermit, was ich an einem andern Ort meines Commen-
tars (S. 3. dieſes zweyten Theils) uͤberhaupt von den
Wirkungen der Privilegien auſſer dem Territorium des-
jenigen Regenten, der ſolche ertheilet hat, geſagt habe 90).
Uebrigens laͤſſet ſich aus demjenigen, was ich von
dem Recht zu legitimiren geſagt habe, die Frage, wem
dergleichen Befugniß nicht zuſtehe, von ſelbſt entſchieden.
Man erinnere ſich nur an dasjenige, was davon an
einem andern Ort (S. 12.) in Anſehung der Privilegien
uͤberhaupt vorgekommen iſt.
Zuletzt traͤgt unſer Verfaſſer noch den Satz vor:
Quamnam vero legitimationem princeps concedere velit, an
plenam, an minus plenam, ab eius pendet voluntate. Hier-
bey entſtehet die Frage, ob der Landesherr auch ſolche
uneheliche Kinder, die aus einem Ehebruch oder einem
unehelichen inceſtuoſen Beyſchlaf ſind erzeugt worden, durch
ſein Reſcript vollkommen legitimiren koͤnne? Verſchiedene
Rechtsgelehrte wollen dieſes laͤugnen 91), allein, wie ich
glaube, ohne genugſamen Grund. Man hat auch hier
vergeſſen die Frage, was zu vermuthen ſey, daß der Re-
gent gewollt habe, von der, wie weit ſich ſeine Gewalt
erſtrecke,
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. T
[290]1. Buch. 7. Tit. §. 148.
erſtrecke, zu unterſcheiden. Wenn nun gleich im Zwei-
fel nicht leicht zu vermuthen, daß der Landesherr ſolchen
Kindern, die im Ehebruch oder Blutſchande ſind erzeugt
worden, durch ſeine Legitimation auch ein Erbrecht ha-
be mittheilen wollen, weil ſolche Kinder gewoͤhnlich nur
ad effectum delendae maculae legitimirt zu werden
pflegen 92); ſo iſt doch ſchlechterdings nicht zu begreiffen,
warum ein Landesherr nicht befugt ſeyn ſolle, ſolche Kin-
der auf ausdruͤckliches Anſuchen des Vaters plene zu le-
gitimiren, da doch der Vater ſie in ſeinem Teſtament zu
Erben einſetzen kann 93).
Lib. I. Tit. VII.
De
adoptionibus, emancipationibus, et
aliis modis, quibus (patria) poteſtas
ſolvitur.
§. 148.
Begriff und Eintheilung der Adoption.
Die roͤmiſche vaͤterliche Gewalt kann endlich nach Vor-
ſchrift der buͤrgerlichen Geſetze auch durch Annahme
an Kindes Statt oder Adoption94) erlangt werden.
Man glaube indeß nicht, daß die Adoption in jedem Fall
dieſe
[291]De adoptionibus, emancipationibus etc.
dieſe Wirkung haben muͤſſe. Denn wenn z. B. ein Herr
ſeinen Sclaven an Kindes Statt annahm 95) oder eine
Mutter zum Troſt fuͤr den Verluſt ihrer Kinder vom
Kaiſer die Erlaubniß erhielt, ein fremdes Kind zu adop-
tiren 96) ſo wirkte die Adoption in dieſen Faͤllen keine vaͤ-
terliche Gewalt. Eben ſo iſt es nach dem neuern roͤm.
Recht, wenn ich eine ſolche Perſon, die kein Deſcendent
von mir iſt, an Kindes Statt annehme. Allein die Adop-
tion kann auch eine Urſach werden, die vaͤterliche Gewalt
zu verlieren, wie unten §. 156. vorkommen wird. Was
iſt nun aber Adoption? Der Begriff unſers Hrn. Ver-
faſſers, nach welchem ſie diejenige feyerliche Hand-
lung iſt, da eine Perſon zum Sohn oder Toch-
ter angenommen wird, welche von Natur in
dieſem Verhaͤltniß nicht ſtehet; iſt ganz unrich-
tig. Denn ich kann ja meinen Sohn emancipiren, und
ihn hernach doch wider durch Adoption zum Sohn an-
nehmen 97). Vielmehr iſt Adoptiondiejenige buͤr-
gerliche Rechtshandlung, dadurch unter oͤf-
fentlicher Auctoritaͤt eine Perſon an Kindes
oder Enkels Statt angenommen wird, die,
als ſolche, die Kindesrechte vorher nicht hatte.
Alle Adoption muß alſo unter oͤffentlicher Aucto-
ritaͤt geſchehen. Denn nehme ich privatim ein fremdes
Kind an, erziehe, verpflege und halte ich auch ſolches,
wie mein Kind, ja erklaͤrte ich ſogar vor Zeugen, daß
ich daſſelbe fuͤr mein Kind annehmen wolle, ſo hat doch
T 2dieſe
[292]1. Buch. 7. Tit. §. 148.
dieſe Handlung die Rechte und Wirkungen der Adoption
nicht 98). Das auf ſolche Art angenommene Kind heißt
nicht adoptivus ſondern alumnus, ein Pflegkind99),
und kann auf diejenigen Rechte keinen Anſpruch machen,
welche die Geſetze den Adoptivkindern ertheilen. Dem
Pflegkinde ſtehet daher kein Erbrecht zu 100). Es kann
nicht einmal nach dem Tode ſeines Pflegvaters die Ali-
mente weiter fordern 1); auch iſt die Ehe mit einer alum-
na nicht verboten 2). Die Adoption durch Teſta-
ment, deren in unſern Geſetzen zwar nirgends, aber in
den roͤmiſchen Klaßikern 3) verſchiedentlich Erwaͤhnung ge-
ſchiehet, war keine wahre Adoption 4), ſondern nur Ein-
ſetzung
[293]De adoptionibus, emancipationibus etc.
ſetzung eines Erben unter der Bedingung, des Teſtirers
Namen anzunehmen 5). Auf Seiten des Teſtators war
ſie von keiner rechtlichen Wirkung, weil ſie als teſtamen-
tariſche Dispoſition erſt nach den Tode deſſelben gelten
konnte. Die auf ſolche Art Adoptirten erlangten hier-
durch auch weder Kindes- noch Familienrechte. Sie er-
hielten nur die Erbſchaft des Teſtirers, und ſeinen Na-
men; ja auch dieſen waren ſie zu fuͤhren, nicht in jedem
Fall verbunden 6). Daher ließ man zuweilen eine ſol-
che Adoption vom Volk durch eine Lex Curiata beſtaͤtti-
gen, wovon das Beyſpiel des Octavius bekannt iſt, den
Caͤſar in ſeinem Teſtament adoprirt hatte 7).
Die eigentliche oder wahre Adoption iſt nun zweyer-
ley, entweder Arrogation, wenn der Anzunehmende ein
homo ſui iuris, oder Adoption in engerer Bedeu-
tung, wenn derſelbe ein filius familias iſt 8). Wie die-
ſe beyde Arten in Anſehung ihrer Form und Wirkung
verſchieden ſind, wird unten an ſeinem Ort geſagt wer-
den.
§. 149.
Hauptgrundſaͤtze der Adption.
Bey der Adoption uͤberhaupt kommt es nun beſon-
ders auf folgende drey Hauptgrundſaͤtze an:
T 3I) Die
[294]1. Buch. 7. Tit. §. 149.
I)Die Adoption iſt nur ein ſubſidiari-
ſches Mittel, die vaͤterliche Gewalt zu erwer-
ben, und blos zum Behuf fuͤr die erfunden,
welche ſich keine Hoffnung auf leibliche Kin-
der mehr zu machen haben9).
II)Sie ahmet die Natur nach10); das
heißt, die Aufnahme an Kindesſtatt darf wieder kein na-
tuͤrliches Verhaͤltniß verſtoſſen. Es muß alſo der Natur
nach nicht unmoͤglich ſeyn, daß der Anzunehmende mein
Kind oder Enkel, wofuͤr er angenommen wird, ſeyn koͤnne.
Denn man fingirt, als ob Adoptans das Adoptivkind ge-
zeugt habe; oder das ſolches von ſeinem Deſcendenten
ſey gezeugt worden. Daher ſagt nun Cajus11): Adop-
tio naturae ſimilitudo eſt, ut aliquis filium habere poſſit,
quem non generaverit; und Javolen12) druckt ſich hie-
ruͤber folgender maßen aus: adoptio in bis perſonis locum
habet, in quibus etiam natura poteſt habere. Endlich
III)Die Adoption darf weder dem anzu-
nehmenden Kinde noch einem Dritten zum
Nachtheil gereichen.
Alle drey Saͤtze ſind fruchtbar an Folgen. Aus
dem erſten folgt,
1) daß diejenigen der Regel nach nicht adoptiren
koͤnnen, welche Alters halben ſelbſt zum Kinderzeugen
annoch tuͤchtig ſind. Dahin gehoͤren Mannsperſonen, die
das
[295]De adoptionibus, emancipationibus etc.
das ſechzigſte Jahr noch nicht zuruͤckgelegt haben. Denn
die roͤm. geſetze nehmen an, daß man bis in das ſech-
zigſte Jahr noch Kinder zeugen koͤnne 13). Da es indeſ-
ſen ganz wieder die Denkungsart des roͤm. Volks zu ſeyn
ſchien, daß man einen Menſchen zur Ehe und Kinderzeu-
gung noͤthigen wolle 14); ſo ſchraͤnken die Geſetze unſerer
Pandecten jenes ſechzigjaͤhrige Alter nur auf Arroga-
tionen ein, weil bey dieſen freylich der Staat immer
eher gefaͤhrdet iſt, als bey bloßen Adoptionen 15). Da-
her ſagt Ulpian16) in dieſer Ruͤckſicht: in adrogatio-
nibus cognitio vertitur, num forte minor ſexaginta
annis ſit, qui adrogat; quia magis liberorum creationi
ſtudere debeat17); jedoch werden auch hierbey noch Aus-
nahmen gemacht; niſi forte morbus aut valetudo in cauſa
ſit, aut alia iuſta cauſa adrogandi, veluti ſi coniunctam ſi-
bi perſonam velit adoptare. Bey den eigentlichen und
bloßen Adoptionen iſt alſo ein ſechzigjaͤhriges Alter in An-
ſehung des adoptirenden Vaters um ſo weniger erforder-
lich, da derſelbe nach neuern roͤm. Recht die vaͤterliche
Gewalt nur alsdann erlangt, wenn der Anzunehmende
ein Verwandter in abſteigender Linie iſt, ein anderer
T 4aber,
[296]1. Buch. 7. Tit. §. 149.
aber, der kein Deſcendent vom Adoptivvater iſt, in der Ge-
walt des leiblichen Vaters ohnehin verbleibt.
2) Folgert man insgemein aus jenem Satz, daß
auch diejenigen nicht adoptiren koͤnnen, welche ſchon ehe-
liche leibliche Kinder in ihrer vaͤterlichen Gewalt haben 18).
Allein daß dieſes wenigſtens nicht ohne Ausnahme zu ver-
ſtehen ſey, laͤßt ſich ſchon daraus abnehmen, weil an an-
dern Orten unſerer Pandecten die Frage entſchieden wird,
ob der Adoptivſohn ſeines Adoptivvaters leibliche Tochter
heyrathen duͤrfe 19)? Die Geſetze wollen alſo nur, daß
niemand ohne einem hinreichenden Grund frem-
de Kinder adoptire, der ſchon leibliche Kinder hat,
ne aut illorum, quos iuſtis nuptiis procreavit, deminuatur
ſpes, quem unusquisque liberorum obſequio parat ſibi; aut
qui adoptatus fuit, minus percipiat, quam dignum erit eum
conſequi. Hieraus folgt, daß wenn die Adoption denen
leiblichen Kindern zu keinem Nachtheil gereicht, derſelben
im Wege Rechtens nichts entgegenſtehe 20). Man ſetze
alſo, daß Jemand ein großes Vermoͤgen, und dazu nur
ein einziges Kind, eine Tochter, habe, durch welche ſein
Nahme nicht fortgepflanzt werden kann; oder daß dieſer
Vater einen bloͤdſinnigen, oder ungerathenen Sohn ha-
be, wer wollte wohl unter dieſen Umſtaͤnden daran zwei-
feln, daß es einem ſolchem Vater erlaubt ſey, ein frem-
des Kind zu adoptiren 21)? Und nun iſt es kein Wider-
ſpruch,
[297]De adoptionibus, emancipationibus etc.
ſpruch, wenn Paullus22) ſagt: filiae meae is, quem
adoptavi, frater fit: quoniam in familia mea eſt filia: nup-
tiis tamen etiam eorum prohibitis.
3) Folgt aus obigem erſten Grundſatze weiter, daß
diejenigen, welche der vaͤterlichen Gewalt nicht faͤhig
ſind, auch nicht eigentlich adoptiren koͤnnen. Daher
ſind Weibsperſonen zur wahren Adoption unfaͤhig 23).
Denn wenn gleich eine Mutter, die leibliche Kinder ge-
habt, und durch den Tod verlohren hat, nach einem ge-
wiſſen Reſcript der K. Diocletian und Maximian24) zu
T 5ihrem
21)
[298]1. Buch. 7. Tit. §. 149.
ihrem Troſt bey dem Landesherrn die Erlaubniß auswir-
ken kann, fremde Kinder anzunehmen, auch dieſe Adop-
rion denen Kindern die Pflichten der Liebe und Ehrfurcht
gegen ihre Adoptivmutter auflegt, und ihnen den Namen
derſelben, ja die Hoffnung, dieſelbe zu beerben, giebt,
ſo erlangt doch dadurch die Mutter nicht die Rechte der
roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt uͤber dieſe von ihr adoptir-
ten Kinder 25). Allein, ob dies auch noch heutiges Ta-
ges gelte, iſt ſtreitig. Unſer Verfaſſer meint, daß bey
uns einer Weibsperſon das Recht vollkommen zu adop-
tiren darum nicht abgeſprochen werden koͤnne, weil eine
Mutter der vaͤterlichen Gewalt nach heutigen Rechten faͤ-
hig ſey. Andere gehen noch weiter, und behaupten, daß
heut zu Tage Weibsperſonen auf jeden Fall guͤltig adop-
tiren koͤnnten, und daß dieſes Recht nicht mehr auf den
Fall eingeſchraͤnkt werde, da ſelbige bereits Kinder gehabt,
welche wieder geſtorben ſind 26). Ja Beck27) iſt der
Meinung, daß zu einer ſolchen Adoption nicht einmal die
landesherrliche Beſtaͤttigung bey uns erforderlich ſey. Ich
kann indeß keiner dieſer Meinungen beytreten. Denn
die erſte widerlegt ſich aus demjenigen, was ich oben von
dem
24)
[299]De adoptionibus, emancipationibus etc.
dem heutigen Gebrauch der roͤm. vaͤterlichen Gewalt ge-
ſagt habe, von ſelbſt. Bey der andern kommt alles da-
rauf an, ob der Landesherr die Adoption beſtaͤttiget.
Denn daß die Gewalt des Landesherrn ſich ſo weit erſtre-
cke, in einem ſolchem Fall Gnade fuͤr Recht ergehen zu laſſen,
wird Niemand laͤugnen 28). Der dritten Meynung end-
lich ſtehet entgegen, daß das roͤm. Recht keinesweges
durch den bloßen Gebrauch, ſondern durch ausdruͤckliche
Verordnungen teutſcher Reichsgeſetze angenommen wor-
den ſey, daher auch in jedem einzelnen Fall demſelben ge-
maͤß erkannt werden muß, wenn man nicht darthut, daß
etwas darin Enthaltenes ſich auf unſere Verfaſſung gar
nicht ſchickt, oder durch einen widrigen Gebrauch abge-
ſchaft worden, welches keinesweges zu vermuthen. Zwar
will ſich Beck auf die Auctoritaͤt einer Novelle des Kai-
ſers Leo des Philoſophen 29) berufen, in welcher allen
und jeden Weibsperſonen das Recht, auch ohne landes-
herrliche Genehmigung, zu adoptiren verſtattet worden;
allein da die Leoniſche Novellen bey uns in Teutſchland
nicht eingefuͤhrt ſind 30), ſo kann hieraus ein heutiger
Nichtgebrauch des roͤmiſchen Rechts ohnmoͤglich hergelei-
tet werden 31). Aus dieſem Grunde ſtimme ich lieber
der Meinung des Vicecanzler Strubens32) bey, wel-
cher bey der Adoption der Weibsperſonen auch noch heut
zu
[300]1. Buch. 7. Tit. §. 150.
zu Tage die landesherrliche Beſtaͤttigung fuͤr noͤ-
thig haͤlt.
§. 150.
Folgen aus den zweyten und dritten Grundſatz. Genauere Be-
ſtimmung der Regel: adoptio imitatur naturam.
Auch der zweyte Grundſatz: die Adoption ah-
met die Natur nach, iſt nicht minder fruchtbar an
Folgen. Es wird jedoch zuvoͤrderſt noͤthig ſeyn, den ei-
gentlichen Sinn dieſes Grundſatzes noch etwas genauer zu
beſtimmen, damit man ihn nicht weiter ausdehnt, als
die Abſicht der Geſetzgeber iſt. Schon Hermann Can-
negieter33) bemerkte gegen Huber, daß gedachter Grund-
ſatz nicht uͤberall, ſondern nur hauptſaͤchlich in den von
Tribonian §. 4. und 5. J. h. t. beſtimmten Faͤllen ſeine
Anwendung finde, in uͤbrigen aber nichts ſo ungereimtes
und unnatuͤrliches gedacht werden koͤnne, was nicht durch
Adoptionen zu bewerkſtelligen ſey. So z. B. iſt es ein
der Natur nach unaufloͤsbares Raͤthſel, daß ein Großva-
ter einen Enkel haben koͤnne, der ihm von zwey Soͤhnen
iſt erzeugt worden, und daß dem ungeachtet dieſes durch
Adoption moͤglich gemacht werden koͤnne, lehrt Ulpian34).
Ferner
[301]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Ferner, daß auch diejenigen, welche nie verheyrathet ge-
weſen, (coelibes) adoptiren koͤnnen, ſagt Paulus35);
und eben derſelbe haͤlt es nicht fuͤr wiederrechtlich, an
Enkelsſtatt zu adoptiren, wenn man gleich keinen Sohn
hat 36). Aber auch andere, blos hiſtoriſche Schriftſteller,
liefern uns Beyſpiele von ſolchen ungereimten Adoptionen.
So nahm Calligula ſeinen Bruder Tiberius an Soh-
nesſtatt an 37). Hieraus erhellet, wie ich glaube, deut-
lich, daß die Nachahmung der Natur in der
Adoption nicht ſo zu erklaͤren ſey, als ob alles dasjenige
zunaͤchſt und unmittelbar bey dem Adoptirenden da-
ſeyn und angetroffen werden muͤſſe, was der Natur
nach erfordert wird, wenn der Anzunehmende von der
Natur ſelbſt in dasjenige Familienverhaͤltnis und den-
jenigen Verwandſchaftsgrad geſetzt werden ſollte, in wel-
chen derſelbe durch die Adoption gebracht wird; nein,
ſondern es ſollen nur nicht ſolche Umſtaͤnde auf Seiten
des Adoptirenden, noch zwiſchen ihn, und denjenigen,
welchen er zum Sohn oder Enkel annehmen will, ſolche
Verhaͤltniſſe vorhanden ſeyn, unter welchen die bey der
Adoption zum Grunde liegende Fiction, daß erſter den
letztern gezeugt habe, oder letzter durch einen Deſcenden-
ten des erſtern ſey gezeugt worden, ſchlechterdings nicht
ſtatt finden koͤnnte, ſondern einen offenbaren Widerſpruch
enthalten wuͤrde 38). Hieraus folgt nun
1) Daß
[302]1. Buch. 7. Tit. §. 150.
1) Daß Caſtraten39), denen die zur Zeugung
noͤthigen Theile genommen worden, eben darum, weil ſie
zum Kinderzeugen unfaͤhig ſind, nicht adoptiren koͤn-
nen 40). Es hat zwar K. Leo41) denenſelben das Recht
zu
38)
[303]De adoptionibus, emancipationibus etc.
zu adoptiren aus Urſachen, die ich nicht weiter unterſu-
chen mag 42), ertheilt; allein da nur das roͤm. Juſtinia-
niſche Recht in Teutſchland eingefuͤhrt iſt, ſo kann jene
Leoniſche Verordnung in keinen Betracht kommen 43).
Daß jedoch der Landesherr durch ein Reſcript einem Ca-
ſtraten die Erlaubniß zu adoptiren ertheilen koͤnne, iſt
auſſer Zweifel. Wir muͤſſen aber von den Caſtraten die
Spadonen unterſcheiden, worunter im eigentlichen
Verſtande diejenigen verſtanden werden, die zwar die Zeu-
gungsglieder in der gehoͤrigen Beſchaffenheit haben, aber
dennoch kraͤnklicher Umſtaͤnde oder koͤrperlicher Gebrechen
halber zum Zeugungsgeſchaͤft untuͤchtig ſind 44). Solche
koͤnnen ſchon nach gemeinen Rechten adoptiren 45).
2) Ich kann keinen adoptiren, der aͤlter iſt, als
ich 46); ſondern wenn ich ein Kind an Sohnes oder
Tochter ſtatt annehmen will, ſo muß ich achtzehn Jahre
aͤlter, und will ich einen an Enkelsſtatt annehmen, ſo
muß ich ſechs und dreyßig Jahre aͤlter ſeyn 47). Warum
die Geſehe gerade die volle Pubertaͤt zur Adoption erfor-
dern,
[304]1. Buch. 7. Tit. §. 150.
dern, hat den ganz natuͤrlichen Grund, weil es nicht
genug iſt, daß jemand Kinder zeugen koͤnne, ſondern dabey
auch in einem ſolchen Alter ſtehen muß, daß nach rechtlicher
Fiction angenommen werden kann, er habe das Adoptiv-
kind ſelbſt gezeugt. Wird nun gleich eine Mannsperſon
nach zuruͤckgelegten vierzehnden Jahre fuͤr tuͤchtig gehalten,
Kinder zu erzeugen, ſo hat man doch ſelten ſchon vor
dem achtzehenden Jahre Kinder 48). Jedoch will Pu-
fendorf49) behaupten, daß heutiges Tages auf jenes
geſetzlich vorgeſchriebene Alter nicht mehr ſo genau geach-
tet, ſondern fuͤr hinreichend gehalten werde, wenn nur
der Adoptivvater Alters halber das angenommene Kind
zu gouverniren vermoͤge.
3) Darf auch die Adoption nicht auf beſtimmte
Zeit in ihrer Wirkung eingeſchraͤnkt werden. Denn man
zeugt nicht Kinder, daß ſie nur auf gewiſſe Zeit es ſeyn
ſollen 50). Jedoch hindert dieſes keinesweges, daß man
Adoptivkinder wieder emancipiren kann. Nur koͤnnen
ſie alsdann nicht von neuen an Kindesſtatt angenommen
wer-
[305]De adoptionibus, emancipationibus etc.
werden, wenn ſie einmal emancipiret worden ſind 51).
Hat man im Gegentheil ein leibliches Kind emancipirt,
ſo kann ein ſolches wieder adoprirt werden 52), und es
bleibt auch ſodann ein leibliches Kind ſeines Vaters 53).
4) Man kann auch keinen dergeſtalt adoptiren, daß
er vermoͤge rechtlicher Fiction als unſer Vater oder Bru-
der angeſehen werden koͤnne 54). Denn dieß laͤuft ge-
gen allen Begriff der Adoption, und ſtreitet gegen die
Vernunft, und Natur, daß ein Sohn den Vater oder
ein Bruder den andern gezeugt habe. Nun will zwar
Trell55) bey einer Adoption in locum fratris nichts wi-
dernatuͤrliches finden. Denn koͤnnen nicht zwey Freun-
de den Vertrag unter ſich errichten, daß einer bey den
andern Bruders Stelle vertreten ſolle, nicht anders, als
wenn ſie beyde von einem Vater und einer Mutter waͤ-
ren gezeugt worden? Allein wenn man dieſes auch zuge-
ben wollte, ſo kann doch dergleichen Vertrag keine wahre
Adoption genennt werden. Derſelbe wird auch weder Fa-
milien- noch Succeßionsrechte wirken, wenn nicht ſolches
ausdruͤcklich verabredet worden, und die landesherrliche
Beſtaͤtigung nebſt der Einwilligung derjenigen, die ein
Intereſſe dabey haben, hinzugekommen iſt. Trell nimmt
alſo das Wort Adoption in ganz uneigentlicher Bedeu-
tung. Der Nutzen einer ſolchen Annehmung an
Brudersſtatt ſoll auch nach ſeiner Meinung nur darin
beſtehen,
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. U
[306]1. Buch. 7. Tit. §. 150.
beſtehen, ut fratres adoptivi, wie er ſagt 56), iure ſociorum
et aequalitatis ſingularis inter ſe utantur.
Wir ſchreiten endlich zum dritten Axiom, vermoͤge
deſſen die Adoption weder dem Anzunehmenden
ſelbſt, noch einem Dritten zum Nachtheil ge-
reichen darf. Auch hieraus fließen wichtige Folgen
her. Denn ſo ſoll
1) ein Vormund ſeinen Pupillen nicht an Kindes-
ſtatt annehmen, weil ſonſt ein treuloſer Vormund, der
uͤbel gewirthſchaftet hat, und mit der Rechnung nicht be-
ſtehen kann, eine dergleichen Adoption zum Schaden ſei-
nes Pupillen leicht mißbrauchen koͤnnte, um von der Ab-
legung der Rechnung loßzukommen 57). Findet ſich da-
her nach vorhergegangener Unterſuchung, daß von dieſer
Seite kein Nachtheil fuͤr den Pupillen zu beſorgen, viel-
mehr die Adoption demſelben vortheilhaft ſey, ſo kann
ſie ohne allen Zweifel durch ein landesherrliches Reſcript
erlaubt werden.
2) Soll auch eben deswegen kein Armer einen rei-
chen adoptiren, denn man beſorgt, daß eine ſolche Adop-
tion bloß aus Intereſſe geſchehe. Sollte inzwiſchen des
Adoptirenden guter Lebenswandel, deſſelben bekannte red-
liche Neigung und aufrichtige Abſichten alle widrige Ver-
muthung ausſchlieſſen, ſo kann auch eine ſolche Adoption
zugelaſſen werden 58).
3) Kann man zum Nachtheil ſeines Sohnes kei-
nen Fremden als Enkel aufnehmen, weil man ſeinem Sohne
keinen
[307]De adoptionibus, emancipationibus etc.
keinen Erben wider ſeinen Willen aufdringen kann 59).
In dieſem Fall iſt daher die Einwilligung deſſelben ſchlech-
terdings nothwendig *), weil auſſerdem der adoptirte Enkel
nach dem Tode des Großvaters nicht in des Sohnes Ge-
walt kommt, mithin auch deſſelben Erbe nicht werden
kann 60).
4) Die Aufnahme eines Unmuͤndigen muß nicht
zum Nachtheil des von dem leiblichen Vater beſtimmten
Folge-Erbens geſchehen **). Endlich
5) kann die Beſtaͤtigung einer unguͤltigen Adoption
beym Landesherrn nicht ohne Einwilligung derjenigen ge-
ſucht werden, die hierdurch einen Schaden erleiden wuͤr-
den 61).
§. 151.
Wirkungen der Adoption.
Die Wirkungen der Adoption ſind verſchieden. Es
kommt zunaͤchſt darauf an, ob ſie von einer Manns-
perſon, oder von einer Weibsperſon geſchehen iſt.
Im letztern Fall wirkt ſie zwar keine roͤmiſche vaͤterliche
Gewalt, doch koͤnnen der Adoptivmutter diejenigen Rechte
der elterlichen Gewalt nicht abgeſprochen werden, welche
nach heutigen Rechten einer Mutter uͤber ihre leibliche
Kinder zuſtehen. (§. 137. u. 138.) Das angenommene
Kind erwirbt hierdurch ein Erbrecht, aber nur in Anſe-
hung der Mutter, nicht der muͤtterlichen Aſcendenten;
auch nur in Anſehung der erſtern alsdann, wenn ſie ohne
Teſtament verſtirbt 62). Die Mutter ſelbſt ſuccedirt je-
doch dem Adoptivkinde nicht 63). Iſt hingegen die An-
U 2nehmung
[308]1. Buch. 7. Tit. §. 151.
nehmung an Kindesſtatt von einer Mannsperſon geſche-
hen, ſo iſt zwiſchen Arrogation und eigentlicher
Adoption ein Unterſchied zu machen. Die erſtere be-
wirkt nach buͤrgerlichen Geſetzen
1) eine Verwandſchaft, die jedoch kein Recht
der Blutsfreundſchaft, ſondern nur ein Agnations-
recht giebt 64). Sie aͤuſſert ſich
a) zwiſchen den Arrogator und den arrogirten Kinde,
und zwar auf Seiten des erſtern unter dem Nahmen pa-
ternitas, auf Seiten des letztern aber unter dem Nahmen
Suitas65);
b) zwiſchen den arrogirten Kinde und den leiblichen
Kindern des Arrogators, unter dem Nahmen fraterni-
tas66) jedoch werden dieſe Geſchwiſter nur als conſan-
guinei angeſehen 67);
c) zwiſchen den arrogirten Kinde, und den Agna-
ten des Arrogators, unter dem eigentlichen Namen ag-
natio. Mit allen denjenigen aber, welche blos Cognaten
vom Arrogator ſind, contrahirt das angenommene Kind
keine Verwandſchaft. Die Mutter des Arrogirenden
wird alſo nicht als Großmutter des arrogirten Kindes
angeſehen, denn ſie iſt nur eine cognata von dem Arro-
gator,
[309]De adoptionibus, emancipationibus etc.
gator, und gehoͤrt uͤberdem im eigentlichen Verſtande
nicht zur Familie deſſelben, wie Paulus ſagt 68). (§. 129.)
Auch wird die Frau des aufnehmenden Vaters hierdurch
nicht in das Verhaͤltniß einer rechten Mutter geſetzt, ſon-
dern das angenommene Kind bleibt in der natuͤrlichen
Verbindung mit ſeiner leiblichen Mutter. Daher ſucce-
dirt auch das arrogirte Kind weder der Frau noch den
muͤtterlichen Aſcendenten des Arrogirenden 69), obwohl
die buͤrgerlichen Geſetze die Ehe unter ihnen verbieten 70).
2) Wirkt die Arrogation ein wechſelſeitiges
Erbrecht zwiſchen den Perſonen, zwiſchen welchen durch
dieſelbe ein Agnationsrecht entſtanden iſt 71). Das ar-
rogirte Kind ſuccedirt dem arrogirenden Vater iure ſui
heredis72); denen uͤbrigen Agnaten deſſelben aber iure
agnationis73). Der Unterſchied iſt, daß in dem letztern
Fall dem Arrogirten das ihm zuſtehende Erbrecht durch
Teſtament der Agnaten nach Willkuͤhr kann entzogen wer-
den, allein nicht in dem erſtern Fall, da er iure ſuitatis
dem Arrogator beerbt, wenn nicht eine rechtmaͤſige Enter-
bungsurſach vorhanden iſt 74). Denen leiblichen Kindern des
U 3Arro-
[310]1. Buch. 7. Tit. §. 151.
Arrogatoris ſuccedirt jedoch das arrogirte Kind eher nicht,
als wenn die Ordnung an den Halbgeſchwiſtern iſt 75).
3) Auf Seiten des Arrogatoris wirkt ferner die
buͤrgerliche Aufnahme an Kindesſtatt die vaͤterliche
Gewalt. Hat der Arrogirte Kinder, ſo werden auch
dieſe der vaͤterlichen Gewalt des Arrogatoris unterwor-
fen 76). Jedoch haben die Geſetze bey Ausuͤbung der-
ſelben dem Arrogator manche Einſchraͤnkungen in dem
Fall vorgeſchrieben, wenn der Arrogirte noch unmuͤndig
iſt. Z. B. in Anſehung der Pupillar-Subſtitution.
Denn ſo kann der arrogirende Vater dem aufgenomme-
nen Kinde keinen Folge-Erben ernennen, auſſer auf das
vierte Theil, was es nach der Verordnung des Divus
Pius aus ſeinem Vermoͤgen zu hoffen hat 77). Desglei-
chen in Anſehung der Emancipation, wovon zu ſeiner
Zeit ein mehreres.
4) Der arrogatus leidet zwar durch die Aufnahme
an Kindesſtatt eine Capitisdeminution, aber kei-
nen Verluſt an ſeiner buͤrgerlichen Wuͤrde, wenn gleich
Arrogator geringern Standes ſeyn ſollte 78). Daneben
aber erlangt das arrogirte Kind
5) den Namen79), Stand und Wuͤrde des
Arrogators 80) und uͤberhaupt die Rechte der Familie
in
74)
[311]De adoptionibus, emancipationibus etc.
in Anſehung des Wahlvaters, in ſofern ſie nicht vom
iure ſanguinis unmittelbar abhaͤngen 81). Ob das ar-
rogirte Kind auch den Geſchlechtsadel des Vaters erhal-
te? iſt nach roͤmiſchen Rechten ſtreitig. Die meiſten
wollen dieſes behaupten 82); allein andere glauben ſolches
mit mehreren Grunde verneinen zu koͤnnen 83). Die
letztere Meinung iſt wenigſtens nach den heutigen Rech-
ten die richtigſte, wie ich beym folgenden §. zeigen
werde.
Soviel endlich die Wirkungen der eigentlichen
Adoption anbetrift, ſo iſt nach dem juſtinianeiſchen
Recht ein Unterſchied, ob ſie von einem Aſcendenten
des Anzunehmenden z. B. dem Großvater vaͤterlicher oder
muͤtterlicher Linie, oder von einem andern geſchiehet 84).
Nur im erſtern Fall wirkt die Adoption nach neuern
Recht die vaͤterliche Gewalt; jedoch nur uͤber den
Adoptirten. Denn deſſelben Kinder bleiben in der Ge-
walt ihres leiblichen Großvaters 85). Es waͤre denn,
U 4daß
[312]1. Buch. 7. Tit. §. 151.
daß ſie erſt nach geſchehener Adoption waͤren gebohren
worden 86). Da ferner in dieſem erſtern Fall der Adop-
tirende ſeinen Enkel oder Enkelin an Sohnes oder Toch-
terſtatt annimmt, ſo wird durch eine ſolche Adoption eine
doppelte Verwandſchaft gewirkt, nehmlich eine buͤrgerli-
che und natuͤrliche zugleich, die in Abſicht auf die In-
teſtat-Erbfolge ihre beſondere Wirkung hat. Denn wenn
z. B. der muͤtterliche Großvater ſeinen Enkel adoptirt,
ſo bleibt zwar das natuͤrliche Verwandſchaftsverhaͤltniß,
vermoͤge welchem der Adoptirende der Großvater, das
angenommene Kind aber deſſelben Enkel iſt, allein es
tritt nun noch eine neue buͤrgerliche Verbindung hinzu,
nach welcher der Enkel civiliter als Sohn des adop-
tirenden Großvaters, der Großvater aber als deſſelben
Vater angeſehen wird. Dies hat weiter die Folge, daß
des Adoptirenden leibliche Tochter, welche nach natuͤrli-
chen Verwandſchaftsverhaͤltniß des adoptirten Kindes Mut-
ter iſt, jetzt civiliter als deſſelben Schweſter, der Adop-
tirte aber als frater civilis ſeiner leiblichen Mutter ange-
ſehen wird, obwohl die natuͤrliche Verbindung zwiſchen
Mutter und Sohn hierdurch im mindeſten nicht aufge-
hoben wird. Nun ſetze man den Fall, der adoptirende
Großvater ſtuͤrbe, ſo ſuccediren beyde, der Enkel und
deſſelben Mutter, in capita ab inteſtato. Der Enkel
als Adoptivſohn, deſſelben leibliche Mutter aber als Toch-
ter des Verſtorbenen. Der Enkel bekommt alſo jetzt als
Adoptivſohn die Halbſcheid der Verlaſſenſchaft, da er auſ-
ſerdem als Enkel von ſeiner Mutter wuͤrde ausgeſchloſſen
worden ſeyn. Man nehme ferner den Fall an, die Mut-
ter dieſes Enkels ſey ſchon vor dem Großvater oder, ei-
gentlich zu reden, vor ihrem Vater verſtorben, habe
aber
[313]De adoptionibus, emancipationibus etc.
aber auſſer dem adoptirten Enkel noch drey andere Kinder
hinterlaſſen. So bekommt der vom Großvater adoptirte
Enkel, tanquam filius civilis, die Halbſcheid, in die
andere Haͤlfte aber ſuccediren die nicht adoptirten Enkel,
als Repraͤſentanten des muͤtterlichen Stamms. Allein da
durch die Adoption die natuͤrliche Verbindung nicht aufge-
hoben wird, mithin vermoͤge derſelben der adoptirte Enkel
ein leiblicher Enkel vom Großvater bleibt, ſo wird er
nun auch noch als Enkel des verſtorbenen Großvaters mit
den uͤbrigen ſeinen Antheil an der andern Haͤlfte der groß-
vaͤterlichen Erbſchaft mit Recht verlangen koͤnnen 87).
Eine ſolche Adoption, die von einem Aſcendenten
geſchiehet, giebt ferner dem Adoptirten das ius ſui heredis,
was ihm auch nicht durch das Teſtament des Adoptiv-
vaters kann genommen werden, wenn nicht eine recht-
maͤſige Enterbungsurſach vorhanden iſt 88). Daß jedoch
der adoptirende Großvater den an Kindesſtatt angenom-
menen Enkel ebenfalls beerbe, iſt auſſer Zweifel, nur
muß das Band der Adoption nicht etwa durch Emanci-
pation getrennet worden ſeyn 89).
Wenn im Gegentheil die Adoption von einem an-
dern geſchehen, der nicht Aſcendent von dem angenomme-
nen Kinde iſt, ſo wirkt dieſelbe weder auf Seiten des
Adoptirenden die vaͤterliche Gewalt 90) noch auf Seiten
U 5des
[314]1. Buch. 7. Tit. §. 151.
des Adoptirten die Familienrechte, ſondern giebt letztern
nur das ius ſui heredis alsdann, wenn der Adoptivva-
ter ohne Teſtament verſtirbt. Denn macht dieſer ein
Teſtament, ſo kann er das adoptirte Kind gaͤnzlich
uͤbergehen 91). Der Adoptivvater bekommt aber durch
dieſe Adoption gar kein Erbrecht. Denn das Kind bleibt
in der Gewalt und Familie ſeines leiblichen Vaters, und
wird daher von deſſelben leiblichen Eltern beerbt 92). Die
Geſetze kennen auch hier wegen einer buͤrgerlichen Ver-
wandſchaft kein Ehehinderniß, als welches uͤberhaupt nach
neuern roͤmiſchen und canoniſchen Rechten nur durch die
Arrogation entſtehen kann 93).
Ich muß zuletzt noch etwas zur Erlaͤuterung der
Juſtinianiſchen Verordnung in L. 10. Cod. de adoptionibus
hinzufuͤgen, weil man dieſelbe insgemein fuͤr dunkler haͤlt,
als ſie wirklich iſt. Juſtinian erzaͤhlt im Eingange der-
ſelben, daß ein alter Streit unter den roͤmiſchen Rechts-
gelehrten uͤber eine zweifelhafte Rechtsfrage die Veran-
laſſung dazu gegeben habe. Die Streitfrage war dieſe,
ob ein adoptirtes Kind ſich gegen das Teſtament ſei-
nes leiblichen Vaters, darin ſelbiges von dieſem praͤ-
teriret
90)
[315]De adoptionibus, emancipationibus etc.
teriret worden, der Inofficioſitaͤtsklage bedienen koͤnne,
wenn das praͤterirte Kind zu der Zeit, da der leibliche
Vater ſtarb, ſich noch in der Gewalt und Familie des
Adoptivvaters befunden? Dieſer letzte Umſtand machte
eben die Entſcheidung der Frage zweifelhaft. Denn waͤ-
re das Adoptivkind zur Zeit des Abſterbens ſeines leibli-
chen Vaters ſchon emancipirt, und hierdurch auch von
der vaͤterlichen Gewalt des Adoptivvaters befreyet gewe-
ſen, ſo haͤtte die Frage gar keine Schwierigkeit gehabt,
weil ſodann dem praͤterirten Kinde die bonorum poſ-
ſeſſio contra tabulas zu ſtatten gekommen waͤre 94).
Papinian ſprach nun dem Kinde in dem vorliegenden
Fall die Inofficioſitaͤtsklage rund ab. Sein Entſchei-
dungsgrund war, quod filius ad patrem adoptivum totam
ſpem extendere debeat, non ſucceſſionem patris naturalis mo-
leſtare. Ein Grund, den hernach Juſtinian ſelbſt zum
Entſcheidungsgrunde ſeiner Verordnung macht. Das
Kind hatte ſich einmal von der Familie ſeines leiblichen
Vaters losgeſagt, und wurde in Anſehung deſſelben, ſo-
lange es in der Familie des Adoptivvaters war, wie ein
extraneus angeſehen 95); ja es konnte ſich uͤber das Te-
ſtament ſeines leiblichen Vaters um ſo weniger beklagen,
weil ihm ja derſelbe einen andern Vater zum Verſorger
angewieſen hatte 96). Aus dieſen Gruͤnden hatte auch
Ulpian Papinians Meinung angenommen 97). Allein
Paulus laͤugnete nicht ſchlechterdings, daß dem Adop-
tivſohne die Inofficioſitaͤtsklage gegen das Teſtament ſei-
nes leiblichen Vaters zuſtehe, nur glaubte er nicht, daß
das
[316]1. Buch. 7. Tit. §. 148.
das Kind viel damit ausrichten werde 98). Indeſſen,
daß ſie wirklich zuweilen mit gluͤcklichem Erfolg gegen
das Teſtament des leiblichen Vaters bey denen Centum-
virs angeſtellet worden, beweißt das Beyſpiel des roͤm.
Ritters M. Ancus Carſeolanus beym Valerius99),
welchen auch ſein Vater nach geſchehener Adoption praͤ-
teriret hatte. Martian endlich machte einen Unterſchied,
ob der Adoptivvater arm, oder ein vermoͤgender Mann
ſey. Im erſtern Fall koͤnne der praͤterirte Sohn die
Inofficioſitaͤtsklage gegen das Teſtament ſeines leiblichen
Vaters anſtellen; weil hier der Vater ſeinen Sohn offen-
bar hintergangen hat, daß er ihn von einem Unvermoͤ-
genden hat adoptiren laſſen. Im letztern Fall hingegen
habe der Sohn nicht Urſach ſich zu beklagen, da er aus
den Guͤtern ſeines Adoptivvaters noch ſein Erbtheil zu
hoffen habe 100). Allein wie? wenn nach dem Tode des
leiblichen Vaters auch der Adoptivvater das Kind eman-
cipirte? Was half es nun dem Kinde, wenn auch der
Adoptivvater noch ſo reich war? Die Hoffnung zur Erb-
ſchaft deſſelben war nun fuͤr das Kind auf immer ver-
lohren. Sonach konnte es alſo leicht geſchehen, daß das
Adoptivkind weder den leiblichen, noch den Adoptivva-
ter beerbte. Dieß ſuchte nun Juſtinian durch dieſe
neue Verordnung zu verhuͤten, worinn er will, daß nur
in dem Fall, wenn die Adoption von einem Aſcendenten,
z. B. von dem muͤtterlichen Großvater geſchehen, die
Verbindung mit dem leiblichen Vater, ſo lange naͤmlich
das
[317]De adoptionibus, emancipationibus etc.
das Kind in der Gewalt und Familie des Adoptivvaters
bleibt, aufhoͤren, und daſſelbe auf deſſen Erbſchaft allein
ſeine Hoffnung richten ſollte. Denn wuͤrde das Kind
vom Adoptivvater emancipirt, ſo ſolle es zu ſeinem leib-
lichen Vater zuruͤckkehren, und in Anſehung deſſelben ſei-
ne verlohrne Kindesrechte wieder erhalten. Ob jedoch
dem emancipirten Kinde auch noch nach dem Tode ſeines
leiblichen Vaters, wenn dieſer etwa das Kind im Ver-
trauen auf die Erbſchaft des Adoptivvaters praͤterirt haͤtte,
der Weg zur Succeſſion deſſelben offen ſtehen ſolle, hat
Juſtinian wenigſtens deutlich nicht beſtimmt. Indeſſen
glaubt es Emund Merillius in der unten angefuͤhrten
Stelle 1) nicht ohne Grund. Wenn hingegen die Adop-
tion von einem Extraneus geſchehen, ſo ſolle das Adoptiv-
kind die voͤlligen Kindesrechte in Anſehung ſeines leibli-
chen Vaters behalten, und zwar nicht blos in Betracht
der Inteſtat-Erbfolge, ſondern auch der Teſtamentari-
ſchen, wie auch der denen unbilliger weiſe enterbten Kin-
dern zuſtehenden Inofficioſitaͤtsklage. In Anſehung des
Adoptivvaters aber ſoll das Kind nur ſui heredis ius
ad eius ſucceſſionem ab inteſtato erhalten: non etiam
legitima iura ad familiam extranei patris adoptivi,
wie
[318]1. Buch. 7. Tit. §. 151. u. 152.
wie Juſtinian ſich ausdruͤckt, nec ipſa ad eum com-
munionem aliquam habeat; ſed quaſi extraneus ita
ad illam familiam inveniatur.
Daher entſtehet nun die Eintheilung der Adop-
tion im engern Verſtande in die vollkommene und
unvollkommene. Erſtere geſchiehet von einem Aſ-
cendenten, und wirkt auf Seiten des Adoptivvaters die
vaͤterliche Gewalt, auf Seiten des aufgenommenen Kin-
des aber ein vollkommenes ius ſui heredis; letztere hin-
gegen geſchiehet von einem extraneus, und wirkt wei-
ter nichts, als ein Recht zur Inteſtat-Erbfolge auf Sei-
ten des Adoptirten 2).
§. 152.
Rechte, welche die Adoption nicht giebt.
Die Adoption wirkt kein ius ſanguinis, wie Pau-
lus3) ſagt. Mithin werden diejenigen Rechte, welche
ſich lediglich auf Blutsfreundſchaft gruͤnden, denen Adop-
tivkindern nicht zu Theil, wenn gleich die Adoption eine
vollkommene, oder eine Arrogation ſeyn ſollte. Denn
auch dieſe giebt denen Adoptirten nur die gemeinen Fa-
milienrechte, welche der Diſpoſition des Vaters unter-
worfen ſind 4). Hieraus folgt,
1) daß Adoptivkinder den Adel des Vaters
nicht erlangen 5). Denn dieſer wird nur durch eine
natuͤr-
[319]De adoptionibus, emancipationibus etc.
natuͤrliche, eheliche Geburt, nicht aber durch eine recht-
lich erdichtete, erworben. Es muß alſo dem Adoptiv-
kinde der Adel von demjenigen beſonders ertheilet wer-
den, welchem das Recht zu adeln zuſtehet.
2) Succediren Adoptivkinder nicht in Fideicom-
mißguͤtern6). Denn dieſes Recht ſtehet nur denen-
jenigen zu, die der Geburt nach zur Familie des Stif-
ters gehoͤren. Man kann auch nicht annehmen, daß
der Stifter eines Fideicommißes, wenn er ſich desfalls
nicht deutlich ausgedruͤckt hat, unter ſeinen rechtmaͤſigen
Fideicommißerben zugleich adoptirte Kinder mit verſtan-
den habe, da ſolche keine wahre, ſondern nur erdichte
Kinder ſind 7). Ein anders waͤre freylich zu behaupten,
wenn die Agnaten, deren Intereſſe darunter leidet, das
Adoptivkind des letztern Beſitzers zulaſſen wollten. Denn
dieſe koͤnnen ſich ja ihres Rechts begeben.
3) Werden die an Kindesſtatt angenommenen auch
von der Lehnfolge ausgeſchloſſen 8). Der Grund da-
von iſt theils die ausdruͤckliche Verordnung des Longo-
bardiſchen Lehnrechts 9), theils weil die Lehnsfolge ein
auf dem Blut des erſtern Erwerbers haftendes Recht
iſt
5)
[320]1. Buch. 7. Tit. §. 152.
iſt 10). Jedoch ſind folgende Ausnahmen zu bemerken,
wo denen Adoptirten die Lehnfolge unſtreitig zu geſtat-
ten iſt 11). a) Wenn die Adoption mit Einwilligung des
Lehnsherrn und der Agnaten, oder b) der Erwerb des
Lehns mit der ausdruͤcklichen Bedingung geſchehen, daß
auch die Adoptirten eines Erbfolgerechts ſich darin zu
erfreuen haben ſollen; oder c) dieſelben vermoͤge des be-
ſondern Lehnhofrechts ſucceßionsfaͤhig ſind.
4) Stehet auch denen Adoptivkindern kein Recht zu,
die vom Adoptivvater oder deſſen Verwandten auſſer der
Familie veraͤuſſerten Guͤter mittelſt der Erbloſung
(ius retractus gentilitii) in Anſpruch zu nehmen 12). Denn
auſſerdem, daß dieſer Retract nur denenjenigen zuſtehet,
welche mit dem Verkaͤufer von dem Erwerber zugleich
auf eine rechtmaͤſige Art abſtammen, ſo war auch denen
Teutſchen die Annehmung an Kindesſtatt vor Einfuͤh-
rung des roͤm. Rechts voͤllig unbekannt, und die in der
Folge, nach Vorſchrift der Geſetze, an Kindesſtatt an-
genommene ſind niemalen bey den Teutſchen denen Bluts-
verwandten gleichgeſtellet worden.
5) Haben Adoptivkinder auch eben ſo wenig die
Rechte der Meiſtersſoͤhne zu genieſſen 13). Denn
faſt bey allen Zuͤnften haben die Meiſtersſoͤhne, wenn
ſie
[321]De adoptionibus, emancipationibus etc.
ſie bey ihres Vaters Handwerk verbleiben, ſehr betraͤcht-
liche Vorrechte, welche ſich auf mancherley Weiſe aͤuſ-
ſern 14). Sie beſtehen gemeiniglich darinnen, a) daß
dieſelben fuͤr das Ein- oder Ausſchreiben, auch fuͤr das
Meiſterrecht entweder gar nichts, oder doch nicht ſo viel,
als ein anderer, bezahlen; b) entweder gar nicht, oder
nicht ſo lang, wie ein anderer, wandern; c) eine kuͤrzere
Zeit in der Lehre bleiben, und d) die Sitz- oder Mut-
jahre nicht erſtehen duͤrfen. Zur Theilnahme an dieſen
Rechten aber wird erfordert, daß man ein leiblicher Sohn
eines Meiſters ſey, mithin ſind Adoptivſoͤhne ſchon von
ſelbſt davon ausgeſchloſſen.
Hieraus erhellet alſo, daß der Unterſchied zwiſchen
ehelichen leiblichen und adoptirten Kindern noch immer
ſehr betraͤchtlich iſt. Zwar ſagt Juſtinian15): In plu-
rimis cauſis aſſimilatur is, qui adoptatus vel arrogatus eſt,
ei, qui ex legitimo matrimonio natus eſt; und Niemand
wird dieſes bezweifeln, man denke ſich nur unter der
Adoption eine vollkommene. Allein eben dieſer
Kaiſer bemerkt auch an einem andern Ort ſeiner Inſti-
tutionen16) einen auffallenden Unterſchied. Minus
ergo iuris, ſagt er, habent adoptivi, quam naturales. Nam-
que naturales emancipati beneficio Praetoris gradum libero-
rum retinent, licet iure civili perdant. Adoptivi vero eman-
cipati et iure civili perdunt gradum liberorum, et a Prae-
tore non admittuntur, et recte: naturalia enim iura civilis
ratio perimere non poteſt, nec quia deſinunt ſui heredes eſſe,
poſſunt
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. X
[322]1. Buch. 7. Tit. §. 132. u. 153.
poſſunt deſinere filii filiaeve, aut nepotes neptesve eſſe,
Adoptivi vero emancipati extraneorum loco incipiunt eſſe:
quia ius nomenque filii filiaeve, quod per adoptionem conſe-
cuti ſunt, alia civili ratione, id eſt, emancipatione perdunt.
Ein anderer wichtiger Unterſchied zwiſchen leiblichen
und adoptirten Kindern aͤuſſert ſich noch beſonders bey
Fideicommiſſen und Vermaͤchtniſſen, die auf dem Fall,
wenn der Erbe ohne Kinder ſterben ſollte,
hinterlaſſen worden ſind. Eine ſolche Bedingung iſt
nur von leiblichen Kindern zu verſtehen 17), und kann
daher, wie Papinian im 6. Buch ſeiner Gutachten
ſagt 18), von dem Erben durch Aufnehmung eines frem-
den Kindes nicht vereitelt werden. Mehrere Differenzen
zwiſchen leiblichen und adoptirten Kindern hat Janus
Brants19) in der unten angezeigten Schrift angefuͤhrt.
§. 153.
Form der buͤrgerlichen Annehmung an Kindesſtatt.
So viel nun hiernaͤchſt die Form und Erforder-
niſſe einer guͤltigen Adoption anbetrift, ſo iſt
zwiſchen der eigentlich ſo genannten Adoption und der
Arrogation ein Unterſchied zu machen. Die erſtere
erfordert
1) die Einwilligung des Adoptirenden, weil dieſem
kein Erben aufgedrungen werden kann.
2) Den
[323]De adoptionibus, emancipationibus etc.
2) Den Conſens des leiblichen Vaters, weil dieſer,
wenn die Adoption eine vollkommene iſt, die vaͤterliche
Gewalt verliert 20). Auf Seiten des Kindes wird eine
ordentliche Einwilligung nicht erfordert, ſondern fuͤr hin-
reichend gehalten, wenn es nur nicht widerſpricht.
Daher kann auch ein Infans adoptirt werden 21).
Der Conſens des Vaters ergaͤnzt in dieſem Fall die Ein-
willigung des in die Adoption gegebenen Kindes um ſo
mehr, als zu vermuthen iſt, daß der leibliche Vater
dieſe Adoption nicht werde geſchehen laſſen, wenn dieſelbe
ſeinem Kinde nicht vortheilhaft waͤre 22).
3) Die Einwilligung des Sohnes, wenn deſſelben
Vater ein fremdes Kind als einen von ihm gebohrnen
Enkel annehmen will 23); der Grund hiervon iſt, ne ei
invito ſuus heres adgnaſcatur, wie Juſtinian ſagt 24).
4) Die obrigkeitliche Beſtaͤtigung. Dieſelbe ge-
ſchiehet aber heutiges Tages auf die Art, daß a) der
Richter das Anbringen der Intereſſenten protocollirt, oder
den eingereichten Adoptionsaufſatz zu den Acten nimmt;
b) in beyden Faͤllen unterſucht, ob der Adoptirende denen
Rechten nach zu adoptiren befugt, und die legale Ein-
willigung des leiblichen Vaters vorhanden, auch das
Wahlkind damit zufrieden ſey; und c) wenn ſich ſolches
findet, ſo wird die Einwilligung und Beſtaͤtigung beym
muͤndlichen Anbringen, in Geſtalt eines Decrets, ver-
X 2abfaßt,
[324]1. Buch. 7. Tit. §. 153.
abfaßt, bey dem ſchriftlichen hingegen dem Aufſatz angehaͤn-
get 25). Hieraus laͤßt ſich nun die Frage leicht entſcheiden,
ob die Beſtaͤtigung der Adoption von einem jeden Richter
geſchehen koͤnne? oder ob dieſelbe gerade von dem com-
petenten Richter geſchehen muͤſſe? Herr Geh. Rath
Nettelbladt26) behauptet das erſtere. Allein da dieſe
Beſtaͤtigung eine Unterſuchung der Sache zum voraus
ſetzt, und daher als eine Handlung der gemiſcht willkuͤhr-
lichen Gerichtsbarkeit an den competenten Richter gebun-
den iſt; ſodann aber auch die deutliche Vorſchrift der
Geſetze vorhanden iſt, nach welcher von dem competenten
Richter die Beſtaͤtigung erfolgen ſoll 27); ſo iſt die
Mei-
[325]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Meinung dererjenigen, ſo das letztere behaupten, wohl
unſtreitig vorzuziehen 28). Unmittelbare haben daher
heutiges Tages ſolche Beſtaͤtigung bey dem Reichskam-
mergericht, oder Reichshofrath zu ſuchen. Mittelbare
Perſonen hingegen wenden ſich an die Gerichte ihrer Lan-
desherrn, unter denen ſie ſtehen. Denen Pfalzgrafen
kann jedoch, da hier kein kaiſerliches Reſervatrecht vor-
handen, das Recht, Adoptionen mittelbarer Perſonen zu
beſtaͤtigen, nicht zugeſtanden werden. Dahero auch die
Reichsſtaͤnde die Guͤltigkeit ihrer Beſtaͤtigungen nicht
anerkennen 29). Uebrigens fallen heutiges Tages die
bey den Roͤmern und Teutſchen in den aͤltern Zeiten
uͤblich geweſenen Adoptions-Feyerlichkeiten ganz weg 30).
Die Arrogation hingegen erfordert auſſer der
Einwilligung der Intereſſenten, naͤmlich des Arrogiren-
den, und desjenigen, welcher arrogiret wird, noch in-
ſonderheit die oberherrliche Beſtaͤtigung31). In
X 3den
27)
[326]1. Buch. 7. Tit. §. 153.
den aͤltern Zeiten der Roͤmer war ſogar die Beyſtimmung
des ganzen roͤmiſchen Volks noͤthig, und die Arrogation
mußte auf den comitiis curiatis vorgenommen werden.
Denn hier galt es das Caput eines freyen Roͤmers, wel-
ches ohne Genehmigung des Volks nicht diminuirt, und
der Gewalt eines andern unterworfen werden konnte,
zumal da die vaͤterliche Gewalt ehemals ein Recht uͤber
Leben und Tod der Kinder begriff. Der innige Antheil,
welchen der Arrogirte an den ſacris familiae des Arro-
gatoris erhielte, machte zugleich die Auctoritaͤt des colle-
gii Pontificum nothwendig. Der ganze Act geſchahe
durch feyerliche Formeln; wovon Brißonius32) nachzu-
ſehen iſt. Nicht nur zu den Zeiten des roͤm. Freyſtaats,
ſondern noch unter den Kaiſern geſchahen die Arroga-
tionen vor dem Volk. Denn noch Cajus33) und Ul-
pian34) gedenken derſelben ausdruͤcklich. Auch Gel-
lius35), welcher des Cajus Zeitgenoſſe war. Jedoch er-
ſchienen ſchon ſeit Cicero’s Zeiten die Curien nicht mehr
ſelbſt,
[327]De adoptionibus, emancipationibus etc.
ſelbſt, ſondern wurden durch 30 Lictoren repraͤſentirt 36).
Nach neuern roͤmiſchen Recht wird die Genehmigung
des Kaiſers erfordert. Denn durch die Lex Regia erhiel-
ten die roͤmiſchen Kaiſer nicht nur die hoͤchſte Gewalt im
Staate, die ſonſt in den Haͤnden des Volks war, ſon-
dern ſie bekleideten auch das Amt eines Pontifex Maxi-
mus. Daher wurde ihre Auctoritaͤt fuͤr hinreichend ge-
halten, welche ſie durch Reſcripte zu ertheilen pflegten.
Wenn ehe jedoch die ehemalige Arrogatio per popu-
lum aufgehoͤret habe, und Principis auctoritas an de-
ren Stelle getreten, laͤßt ſich mit vollkommener Gewiß-
heit nicht beſtimmen 37). Sehr wahrſcheinlich aber iſt
es, daß der K. Antoninus Pius zuerſt die Arrogation
der Unmuͤndigen und Weibsperſonen durch kaiſerliches
Reſcript erlaubt habe 38); denn beyde konnten ehemals,
wie Gellius39) bezeugt, vor dem Volk nicht arrogirt
werden. Die Kaiſer Diocletian und Maximian40)
aber verordneten endlich, daß Arrogationen uͤberhaupt
anderergeſtalt nicht als durch fuͤrſtliches Reſcript geſche-
hen ſollten, und eine auf ſolche Art geſchehene Arroga-
X 4tion
[328]1. Buch. 7. Tit. §. 153.
tion ſollte eben ſo guͤltig ſeyn, ac ſi per populum iure an-
tiquo facta eſſet41).
Nach heutigen Rechten will man zwar behaupten,
daß auch bey Arrogationen des Richters Beſtaͤtigung
hinreichend ſey 42); allein es laͤſſet ſich nicht erweiſen,
daß das roͤmiſche hierin durch ein ausdruͤckliches Geſetz,
oder durch einen allgemeinen und unbeſtrittenen Gerichs-
gebrauch abgeaͤndert worden ſey. Nach der richtigern
Meinung der Rechtsgelehrten 43) iſt daher die Einwilli-
gung des Oberherrn im Staat zur Guͤltigkeit einer Ar-
rogation auch noch heutiges Tages erforderlich. Unmit-
telbare des Reichs ſuchen dieſe Beſtaͤtigung beym Kaiſer;
Mittelbare aber bey ihrem Landesherrn. Denen Pfalz-
grafen kann das Recht Arrogationen zu confirmiren we-
nigſtens in den Landen der Reichsſtaͤnde wegen des dar-
aus entſtehenden Nachtheils nicht geſtattet werden 44).
§. 154.
[329]De adoptionibus, emancipationibus etc.
§. 154.
Von Arrogation der Unmuͤndigen.
Unmuͤndige konnten vor den Zeiten des K. Anto-
ninus Pius auf keine Weiſe [...]arrogirt werden 45). Die
Urſache hiervon war, weil die Arrogation ſowohl die per-
ſoͤnliche Gegenwart des Anzunehmenden 46), als deſſel-
ben ausdruͤckliche Willenserklaͤrung zu ihrer Guͤltigkeit
erforderte 47). Nun konn[t]en Unmuͤndige weder auf den
Volks-Comitien erſcheinen, noch eine guͤltige Einwilli-
gung ertheilen. Man hielt es auch fuͤr unrecht und ge-
faͤhrlich, dem Vormunde eine ſolche Gewalt uͤber ſeinen
Pupillen zu geſtatten, daß er, wie Gellius48) ſich aus-
druͤckt, ein caput liberum, fidei ſuae commiſſum, alie-
nae ditioni unterwerfen koͤnne. Jedoch verwechſele man
mit Unmuͤndigen nicht Minderjaͤhrige (puberes, mi-
nores viginti quinque annis). Dieſe konnten ſchon laͤngſt
vor Antoninus Pius arrogirt werden. Denn ſo ſagt
Gellius a. a. O. adrogari non poteſt, niſi iam veſticeps,
das heißt, wie es Feſtus erklaͤrt, pubertate verſtitus.
Es war hierzu in den aͤltern Zeiten nicht einmal die
X 5Ein-
[330]1. Buch. 7. Tit. §. 154.
Einwilligung des Curators erforderlich, welches jedoch
Divus Claudius mit Recht geaͤndert 49), und Juſti-
nian nochmals beſtaͤtiget hat 50).
Allein K. Antoninus Pius51) erlaubte zuerſt die
Arrogationen der Unmuͤndigen durch fuͤrſtliches Reſcript,
jedoch nur unter folgenden Einſchraͤnkungen.
1) Soll zuvoͤrderſt unterſucht werden, ob eine an-
ſtaͤndige und dem Pupillen vortheilhafte Urſache zur Ar-
rogation vorhanden ſey 52). Bey dieſer Unterſuchung
iſt vorzuͤglich darauf zu ſehen 53):
a) wie der bisherige Lebenswandel des Arrogirenden
beſchaffen geweſen?
b) wie alt der Arrogator ſey, und ob es nicht ſchick-
licher und beſſer ſey, daß er ſelbſt heyrathe und Kinder
zeuge, als daß er aus einer fremden Familie ein Kind
annehme?
c) Wie die Vermoͤgensumſtaͤnde ſowohl des Arro-
girenden, als des Pupillen beſchaffen ſind? um aus Ver-
gleichung des beyderſeitigen Vermoͤgens zu beurtheilen,
ob die Arrogation zum Nutzen des Pupillen gereiche, oder
ob
[331]De adoptionibus, emancipationibus etc.
ob nicht vielmehr der Arrogator nur ſein eigenes In-
tereſſe dabey zur Abſicht habe?
2) Sollen die Verwandten des Pupillen mit ihrem
Gutachten uͤber die Arrogation gehoͤret werden, und der
Vormund des erſtern darein willigen 54).
3) Soll Arrogator Caution durch Buͤrgen leiſten,
daß er, wenn der Pupill waͤhrend der Unmuͤndigkeit ver-
ſterben wuͤrde, deſſelben Vermoͤgen denenjenigen zuruͤck-
ſtellen wolle, die ſolches geerbt haben wuͤrden, wenn
keine Arrogation geſchehen waͤre 55). Vermoͤge dieſer
Caution erhalten demnach nicht allein die geſetzlichen Er-
ben
[332]1. Buch. 7. Tit. §. 154.
ben des Pupillen, ſondern auch der von dem leiblichen
Vater deſſelben beſtimmte Folgeerbe (Subſtitutus) des
Pupillen Verlaſſenſchaft, worauf ſie ſonſt nach dem
ſtrengen Recht eigentlich keinen Anſpruch machen koͤnn-
ten 56).
Es
[333]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Es verſtehet ſich jedoch, daß der Arrogirte in der
Unmuͤndigkeit verſterben muͤſſe, wenn die Wohlthat der
Caution von Wirkung ſeyn ſoll 57). Denn erlebte er
die Pubertaͤt, ſo wuͤrde das pupillariſche Teſtament, ſo
von dem leiblichen Vater des Pupillen gemacht worden,
auf jedem Fall uͤber den Haufen fallen muͤſſen, wenn
auch gleich keine Arrogation geſchehen waͤre 58). Die-
ſem ſtehet auch nicht entgegen; daß der Arrogirte, wenn
er gleich die Pubertaͤt erreicht hat, dennoch, ſo lange er
in des Arrogators vaͤterlichen Gewalt bleibt, als Filius-
familias nicht teſtiren koͤnne. Denn man darf nicht
aus der Acht laſſen, daß der Arrogirte nach erlangter
Pubertaͤt um ſeine Entlaſſung (Emancipation) anhalten
kann 59). Thut er nun dieſes nicht, ſondern bleibt gern
in der Gewalt ſeines Arrogators, ſo koͤnnen ſich deſſel-
ben geſetzmaͤßige Erben uͤber kein Unrecht beſchweren, da
ſie es auch nicht haͤtten hindern koͤnnen, wenn der Arro-
girte ſich erſt als Pubes haͤtte aufnehmen laſſen 60).
4) Wenn der Arrogator das unmuͤndige Kind ohne
rechtmaͤßige Urſache emancipiret, oder im Teſtament ent-
erbt, ſo ſoll dem Kinde nicht nur ſein zugebrachtes Ver-
moͤgen wieder herausgegeben, ſondern noch uͤberdieß der
vierte Theil des Vermoͤgens des Arrogatoris uͤberlaſſen
werden,
56)
[334]1. Buch. 7. Tit. §. 154.
werden, welcher daher die Quarta Divi Pii genennet
wird 61). Dieſe koͤnnen auch die geſetzmaͤßigen Erben
des Kindes von den geſetzmaͤßigen Erben des Arrogatoris
fordern, wenn das arrogirte Kind nach dem Vater bin-
nen den Jahren der Unmuͤndigkeit verſtirbt 62). Ja
ſelbige gebuͤhret denen Erben des Arrogirten ſogar auch
alsdann, wenn gleich derſelbe noch vor dem Arrogator
verſtorben waͤre, im Fall naͤmlich das Kind, waͤhrend
ſeiner Unmuͤndigkeit, von dem letztern widerrechtlich
emancipiret worden ſeyn ſollte 63). Die wegen dieſer
Quarte zuſtehende Klage iſt nicht die Inofficioſitaͤtskla-
ge, ſondern die Condictio ex L. 8. §. 15. D. de inoff. te-
ſtamento, oder, wie ſie auch genennt wird, condictio ex
conſtitutione Divi Pii64). Dieſelbe wird von dem Arro-
girten, oder deſſelben Erben, gegen den Erben des Arro-
gatoris, welcher den arrogirten Unmuͤndigen widerrecht-
lich emancipirt oder enterbt hat, zu dem Endzweck an-
geſtellt, daß Beklagter den dem Klaͤger aus des ver-
ſtorbenen Arrogatoris Vermoͤgen gebuͤhrenden vierten
Theil
[335]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Theil 65) demſelben mit deſſen eigenen Vermoͤgen, (ſo-
fern ſolches noch nicht zuruͤckgeliefert ſeyn ſollte) auszu-
haͤndigen, fuͤr ſchuldig erkannt werden moͤge. Haͤtte
etwa der Arrogator aus der boͤſen Abſicht, den Arrogir-
ten um ſeine Quarte zu bringen, ſein Vermoͤgen durch
nachtheilige Veraͤußerungen zu vermindern geſucht, ſo
kann das Veraͤußerte, ſo weit Klaͤgern dadurch in dem
ihm gebuͤhrenden vierten Theile geſchadet worden, von
demjenigen, an welchem die boͤsliche Veraͤußerung ge-
ſchehen, mit der actione quaſi Calviſiana oder quaſi Fa-
viana wieder zuruͤckgefordert werden 66). Uebrigens darf
dieſe Antoniniſche Quarte, wie ſie Frommann67)
nennt, nicht nach den Grundſaͤtzen, die von dem Pflicht-
theile der Notherben gelten, mit welchem dieſelbe ange-
ſehene Rechtsgelehrte 68) irrig verwechſelt haben, beur-
theilet werden 69).
§. 155.
[336]1. Buch. 7. Tit. §. 155.
§. 155.
Heutiger Gebrauch der Lehre von der Adoption.
Daß es noch heutiges Tages roͤmiſche Adoptionen
gebe, und geben koͤnne, iſt an ſich keinem Zweifel unter-
worfen. Denn einmal iſt ihnen kein teutſches Geſetz entge-
gen; und dann zweytens kann man auch nicht ſagen, daß
die roͤm. Rechtslehre von der Adoption auf Grundſaͤtzen
beruhe, die ſelbige in Teutſchland unanwendbar mach-
ten 70). Vielmehr beweiſen die von ſolchen Adoptionen
in den Schriften der practiſchen Rechtsgelehrten vorkom-
mende Beyſpiele genugſam den heutigen Gebrauch derſel-
ben 71). Es kann indeſſen nicht gelaͤugnet werden, daß
die Faͤlle bey uns in Teutſchland ſo haͤufig nicht ſind, als
ſie bey den Roͤmern waren. Denn geſetzlich vorgeſchrie-
bene Sorge fuͤr die Erhaltung der ſacrorum familiae
privatorum, Strafen kinderloſen Ehen, Streben nach
einem plebejiſchen Tribunate, und große Vorrechte der vaͤ-
terlichen Gewalt, wodurch die Roͤmer vorzuͤglich zu Adop-
tionen
[337]De adoptionibus, emancipationibus etc.
tionen gereitzet wurden 72), fallen heutiges um ſo mehr
weg, da nach dem Juſtinianeiſchen Recht nicht einmal
eine jede Adoption die vaͤterliche Gewalt wirkt. Da je-
doch Adoptionen in den vorkommenden Faͤllen jederzeit
nach den Grundſaͤtzen des roͤmiſchen Rechts zu beurthei-
len ſind, wie unſer H. Verf. ganz richtig bemerkt, ſo
zweifele ich ſehr, ob Hommel’s73) Begriff von der heu-
tigen Adoption Beyfall finden moͤchte, wenn er ſagt:
mihi adoptio hodierna vix aliud videtur, quam pactum
ſucceſſorium ea conditione initum, ut adoptatus
nomen adoptantis gerat.
Die teutſche Einkindſchaft (unio prolium) hat
zwar in Anſehung ihrer Form und Wirkungen mit der
Adoption viel uͤbereinſtimmendes, ſie iſt aber doch noch
immer von der letztern ſehr verſchieden 74), wie zu ſei-
ner Zeit umſtaͤndlicher auseinander geſetzt werden wird.
(§. 1665.)
Ich bemerke nur noch zum Beſchluß dieſer Lehre,
daß der Adoptivname heutiges Tages durch das Wort
genannt angedeutet, und dem Familiennamen des Ad-
optivkindes beygeſetzt zu werden pflegt, z. B. von Suͤn-
derrode genannt von Kellner.
§. 156.
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. Y
[338]1. Buch. 7. Tit. §. 156.
§. 156.
Von Endigung der vaͤterlichen Gewalt.
Die vaͤterliche Gewalt kann auf mancherley Art auf-
hoͤren 75). Sie endiget ſich
1) durch den Tod des Paterfamilias, und
zwar dergeſtalt, daß wenn der Vater ſtirbt, die Kinder
hierdurch ſui iuris werden. Stirbt aber der Großvater,
ſo werden die Enkel anderer Geſtalt nicht ſui iuris, als
wenn ihr Vater ſchon vor dem Großvater geſtorben iſt.
Denn wenn dieſer noch lebt, und nun erſt durch des Va-
ters Tod ſein eigener Herr wird, ſo fallen die Enkel in
ihres Vaters Gewalt zuruͤck 76). Sie wird
2) durch Capitisdeminution (§. 128.) ver-
lohren; und zwar a) durch die groͤſſere, welche mit
dem Verluſt aller buͤrgerlichen Rechte verbunden iſt;
b) durch die geringere, welche durch Arrogation ge-
ſchiehet, denn die Kinder des Arrogirten kommen in die
vaͤterliche Gewalt des Arrogators (S. 310). Teutſche
Leibeigenſchaft und Relegation heben jedoch die vaͤterliche
Gewalt nicht auf 77). Auch feindliche Gefangenſchaft
ſetzt
[339]De adoptionibus, emancipationibus etc.
ſetzt ſie nur auſſer Activitaͤt, das ius poſtliminii bringt
alles wieder in vorigen Stand 78). Allein Reichsacht
wird noch heutiges Tages dem buͤrgerlichen Tode gleich-
geachtet 79). Die vaͤterliche Gewalt hoͤrt ferner
3) durch freywillige Begebung derſelben auf,
welche theils durch Einwilligung in eine vollkommene Adop-
tion, (S. 318.) theils durch Emancipation geſchiehet,
von welcher §. 157. ff. ein mehreres. Die unvollkom-
mene Adoption hebt die vaͤterliche Gewalt nicht auf.
4) Bisweilen befreyen die Geſetze ſelbſt die Kin-
der von der vaͤterlichen Gewalt. Die Geſetze haben naͤm-
lich verſchiedene Wuͤrden dergeſtalt privilegirt, daß
ſie von der vaͤterlichen Gewalt befreyen. Nach roͤmiſchen
Rechten gehoͤrt dahin a) die Patriciatwuͤrde. Dieſe
Wuͤrde kam erſt unter Conſtantin den Groſen auf, und
war denen vornehmſten kaiſerlichen Raͤthen bey Hofe ei-
gen 80). Sie heiſſen daher auch patres imperatoris.
Juſtinian81) ruͤhmt von ſich, daß er zuerſt durch ſeine
Conſtitution 82) der Patriciatwuͤrde dieſe Praͤrogativ beige-
Y 2legt
77)
[340]1. Buch. 7. Tit. §. 156.
legt habe, daß ſie von der vaͤterlichen Gewalt befreyet.
Jedoch macht das Zeugniß des Caſſiodorus83), welcher
ſchon vor Juſtinian unter den gothiſchen Koͤnigen Theo-
dorich und Atalarich lebte, die Sache etwas zweifelhaft 84).
b) Das Conſulat; c) die praͤtorianiſche
Praͤfektur; d) die Praefektur uͤber die Stadt;
e) das Feldmarſchallamt (magiſterium militum); f) die
Biſchofswuͤrde; g) das Fiſcalat (patrocinium fis-
ci), und uͤberhaupt alle Wuͤrden ſollten jenes Privilegium
mit ſich fuͤhren, welche von der Verbindlichkeit, Decurio
zu werden, befreyeten 85). Von verſchiedenen dieſer Wuͤr-
den wird in eigenen Titeln der Pandekten gehandelt,
wovon zu ſeiner Zeit ein mehreres. Man behauptet, daß
heutiges Tages die Stelle eines Ober-Officirs 86), ferner
die Wuͤrde eines Reichs-Cammergerichts-Beyſitzers, ei-
nes Reichs-Hofraths, eines Landesherrlichen geheimen
Raths und andere dieſen aͤhnliche Chargen 87) keinesweges
aber
[341]De adoptionibus, emancipationibus etc.
aber der geiſtliche Stand 88) auch nicht die Doktorwuͤrde 89)
von der vaͤterlichen Gewalt befreyen. Allein mir ſcheint
diejenige Meinung die richtigſte zu ſeyn 90), welche an-
nimmt, daß heutiges Tages Wuͤrden und Aemter an ſich
von der vaͤterlichen Gewalt nicht befreyen, ſondern nur
eine Veranlaſſung dazu geben koͤnnen, wenn naͤmlich der
Sohn, welcher ein oͤffentliches Amt erhalten, ſich von
dem Vater trennt, und ſeine eigene Haushaltung anſtellt.
Es iſt daher unnuͤtz zu unterſuchen, welche heutiges Ta-
ges uͤbliche Wuͤrden und Aemter mit denenjenigen, welchen
Juſtinian jene mehr gedachte Praͤrogativ beygelegt hatte,
zu vergleichen ſeyen?
5) Werde, ſagt unſer Verf., die vaͤterliche Gewalt
durch eine ſogenannte Uſurpation verlohren. Allein
dies laͤßt ſich mit den Begrif einer Urſurpation nicht ver-
einbaren. Uſurpation91) iſt, wie ich mir ſelbige vor-
ſtelle, die Anmaſſung und Ausuͤbung eines dem andern
Y 3zuſtehen-
87)
[342]1. Buch. 7. Tit. §. 156.
zuſtehenden Rechts, ſo dieſer entweder aus Unwiſſenheit,
oder, weil er es ſonſt fuͤr gut findet, geſchehen laͤſſet 92).
Von einer ſolchen iſt nun in denen, in der Note d von
unſern Verf. angefuͤhrten, Geſetzſtellen 93) eigentlich die
Rede nicht. Dieſe enthalten ſolche Faͤlle, da das Kind
ſich als ein homo ſui iuris ohne Widerſpruch des Va-
ters aufgefuͤhret hatte, und der Vater eben deswegen,
weil er dieſes eine geraume Zeit geſchehen laſſen, oh-
ne die Rechte der vaͤterlichen Gewalt in Ausuͤbung zu
bringen, ſeines Rechts fuͤr verluſtig erklaͤrt wird. Man
ſetze alſo die Tochter oder der Sohn fordere ſein Vermoͤ-
gen vom Vater, und unternehme deſſelben Adminiſtra-
tion ſelbſt, oder laſſe ſich einen Vormund beſtellen, und
der Vater ſchweige zu dem allen eine lange Zeit ſtill, ohne
ſich jemahlen ſeiner Rechte zu bedienen, ſo hat der Va-
ter durch Nichtgebrauch die vaͤterliche Gewalt ver-
lohren, eben ſo gut, als wenn er das Kind emancipi-
ret haͤtte, und kann nach dem Tode deſſelben das von
dem Kinde hinterlaſſene Teſtament nicht anfechten 94).
So wie jedoch, wenn ein Recht durch den Nichtgebrauch
verlohren werden ſoll, zweyerley erfordert wird; 1) der
Verlauf einer gewiſſen Zeit, und 2) die unge-
hinderte Gelegenheit, ſich binnen dieſer Zeit
ſeines Rechts zu bedienen95); ſo iſt auch beydes
noͤthig, wenn das Recht der vaͤterlichen Gewalt durch den
Nichtgebrauch erloͤſchen ſoll. Das Erforderniß der Zeit
iſt
[343]De adoptionibus, emancipationibus etc.
iſt jedoch in den Geſetzen deutlich nicht beſtimmt, denn
die L 1. Cod. de patr. pot. ſagt nur: cum diu paſſusſis etc.
welches die Gloße von einer Zeit von zehen oder zwan-
zig Jahren verſtehet 96). Hieraus folgt weiter, daß
wenn die Ausuͤbung der vaͤterlichen Gewalt durch Abwe-
ſenheit, oder Wahnſinn des Vaters gehindert wird, in
ſolchem Fall der Nichtgebrauch keinen Verluſt derſelben
nach ſich ziehen koͤnne 97).
6) Wird auch die vaͤterliche Gewalt zur Strafe
verlohren, wegen ſolcher unerlaubter Handlungen des
Vaters, wodurch er ſich der vaͤterlichen Gewalt unwuͤr-
dig gemacht hat. Hierher gehoͤrt,
a) wenn er die Toͤchter zwingen will, ſich, als Huren, an-
dern Preiß zu geben 98). Der Vater macht ſich hierdurch eines
lenocinii qualificati ſchuldig, welches nach Vorſchrift der
peinl. Gerichtsordnung Carls V.99) mit der Ehrloſigkeit,
heutiges Tages aber mit drey- bis vierjaͤhriger oͤffentli-
cher Arbeit beſtraft wird 100).
b) Wenn er die Kinder ausſetzt 1).
c) Wenn er zu einer zweyten Ehe ſchreitet, und
dieſe blutſchaͤnderiſch iſt 2). In dieſem Fall ſoll ſogar
Y 4der
[344]1. Buch. 7. Tit. §. 156.
der Vater ſein Vermoͤgen verlieren, und ſolches an die
Kinder verfallen ſeyn, welche jedoch dem Vater den noth-
duͤrftigen Unterhalt daraus nicht verſagen duͤrfen; Nam licet
legum contemptor et impius ſit, tamen pater eſt, ſagt Ju-
ſtinian.
Ich fuͤge nun noch folgendes hinzu.
a) Die Enterbung der Kinder hebt die vaͤ-
terliche Gewalt nicht auf; daher kann der Vater auch
denen enterbten Kindern einen Vormund im Teſtament
ernennen, und ihnen pupillariſch ſubſtituiren 3). Auch
endiget
b) die Ehe der Soͤhne und Toͤchter nach roͤm.
Recht die vaͤterliche Gewalt nicht. In Anſehung der
Soͤhne iſt die Sache auſſer allen Streit, daß ſie durch
ihre Verheyrathung nicht von der vaͤterlichen Gewalt be-
freyet worden ſind 4). Die Frau, welche einen Filius-
familias heyrathete, kam durch die Ehe zugleich in die
Gewalt ihres Schwiegervaters, und wurde ſua heres
von demſelben 5). Allein in Anſehung der Toͤchter wird
daruͤber geſtritten 6). Der Streit iſt jedoch leicht zu ent-
ſcheiden, wenn man einen Unterſchied macht, ob die Ehe
auf die alte feyerliche Art geſchloſſen worden, wodurch
die Frau in manum mariti kam, oder nicht. Im er-
ſten Fall gieng die Tochter aus der Familie und Ge-
walt
[345]De adoptionibus, emancipationibus etc.
walt ihres Vaters. Dieſes beſtaͤtiget Ulpian7) deut-
lich, wenn er ſagt, die Frau leide per in manum con-
ventionem eine capitis deminutionem minimam, und
aͤndere ſtatum familiae paternae; und Cajus8) ſagt:
uxor, quae in manu mariti eſt, ei ſua heres eſt, quiafi-
liae locoeſt. Allein im zweyten Fall wurde durch
die Ehe der Tochter die vaͤterliche Gewalt nicht aufgeho-
ben 9), ſondern nur, ſo lange die Ehe dauerte, ſuſpen-
dirt. Sie wachte wieder auf, ſobald die Ehe getrennt
worden 10). Dies hatte ſehr wichtige Folgen, denn uͤber-
lebte die Tochter den Vater, ſo beerbte ſie ihn, und ſtarb
ſie vor ihm, ſo fiel die dos profectitia derſelben an den
Vater zuruͤck 11). Wurde die Tochter waͤhrender Ehe
von Jemanden beſchimpft, ſo konnte der Vater deshalb
ſo gut, als der Ehemann, eine Injurienklage anſtellen 12).
Ja, war die Tochter Witwe, und noch nicht 25 Jahre
alt; ſo konnte ſie, wenn ſie auch die Freyheit der Eman-
cipation genoß, dennoch ohne Einwilligung des Vaters
zur zweyten Ehe nicht ſchreiten 13). Daß die Verhey-
rathung der Soͤhne, ſofern ſie nicht zugleich von dem
Vater ſcheiden, und eine eigene Haushaltung anſtellen,
die vaͤterliche Gewalt heutiges Tages nicht endige, iſt ei-
Y 5ne
[346]1. Buch. 7. Tit. §. 156. u. 157.
ne von allen Rechtsgelehrten anerkannte Wahrheit 14). Ob
aber die Toͤchter durch Verehelichung nach heutigen Rech-
ten aus der vaͤterlichen Gewalt gehen, iſt eine Frage, die
zwar von einigen verneinet 15), von den meiſten heutigen
Rechtsgelehrten aber bejahet wird 16). Ein mehreres
hiervon wird beym 161. §. vorkommen.
§. 157.
Begriff und Gattungen der Emancipation der Kinder.
Hauptſaͤchlich wurde jedoch die vaͤterliche Gewalt
bey den Roͤmern durch die Emancipation17) geendi-
get. Man verſtehet aber unter dieſer Emancipation
diejenige buͤrgerliche Rechtshandlung, da-
durch Kinder, und zwar der Regel nach mit
ihrer Einwilligung, durch die ausdruͤckliche
und geſetzmaͤſige Erklaͤrung des Vaters aus
deſſelben Gewalt entlaſſen werden. Das
Wort kommt von mancipium her, quaſi e mancipio da-
tio. Mancipium aber hieß ſoviel als Eigenthum 18),
insbeſondere aber das eigentliche buͤrgerliche Ei-
genthum, dominium quiritarium19). Ein ſolches
erfor-
[347]De adoptionibus, emancipationibus etc.
erforderte einen feyerlichen Act, wodurch das quiritari-
ſche Eigenthum auf einen andern Buͤrger uͤbertragen
wurde; und dieſe Handlung wurde mancipatio ge-
nennt, quaſi rei, quam alter manu capit, traditio, wie
es Iſidor20) erklaͤrt. Nach dieſer urſpruͤnglichen Be-
deutung des Worts wird zwiſchen mancipatio und eman-
cipatio kein Unterſchied gemacht. Denn wenn Juſti-
nian ſagt 21), daß in den aͤltern Zeiten die Teſtamente
per emancipationem waͤren errichtet worden, ſo druͤckt
Gellius22) dieſes aus, per mancipationem. Zu be-
bemerken iſt jedoch, daß das Wort mancipatio nur ei-
gentlich die Idee eines Verkaufs ausdruͤckte, aber nicht
die Bedeutung einer Befreyung aus eines andern Ge-
walt hatte. Daher iſt es gekommen, daß die ſolenne Ent-
laſſung der Kinder aus der vaͤterlichen Gewalt nie man-
cipatio, ſondern allemal emancipatio genennet wird. Und
Ulpian23) unterſcheidet eben darum mancipari und
emancipari ſehr accurat, wenn er ſagt: Liberi paren-
tum poteſtate liberanturemancipatione, id eſt, ſi po-
ſteaquammancipatifuerint, manumiſſi ſint. Schon
aus der Etymologie des Worts erhellet alſo, daß a) ei-
ne ausdruͤckliche Erklaͤrung des Vaters zur Eman-
cipation erfordert werde. Noch mehr aber beſtaͤtigen uns
hierin die Kaiſer Diocletian und Maximian24) wenn
ſie ſagen: Non nudo conſenſu patria liberi poteſtate, ſed
actu ſolenni uel caſu liberantur: nec cauſae, quibus motus
pater
[348]1. Buch. 7. Tit. §. 157.
pater emancipavit filium, ſed actus ſolemnitas quaeritur
Daher irren diejenigen 25) ſehr, welche eine ſtill-
ſchweigende Emancipation annehmen 26), wie
der ſel Canzler Boͤhmer27) und Diederich von Kuy-
ven28) gruͤndlich gezeigt haben. b) Muß die vaͤterliche
Willenserklaͤrung auch auf eine geſetzmaͤſige Art
geſchehen. Daher iſt die Emancipation in Ruͤckſicht ih-
rer
[349]De adoptionibus, emancipationibus etc.
rer Form von dreyerley Art iſt, naͤmlich die alte, die
Anaſtaſianiſche und Juſtinianeiſche.
§. 158.
Beſchreibung der alten Emancipation nach ihrer Form
und Wirkung.
Die alte Emancipation geſchahe durch feyerlichen
Verkauf, und darauf erfolgte Freylaſſung des Kindes.
Bey Soͤhnen mußte dieß aber dreymal wiederholt wer-
den; andere Kinder, naͤmlich Toͤchter und Enkel, wur-
den ſchon durch eine einzige Mancipation und darauf fol-
gende Manumiſſion ſui iuris29). Daß anfaͤnglich jener
feyerliche Verkauf ein wahrer, kein Scheinhandel gewe-
ſen, haben Oiſelius30) und Scheltinga31) ſehr wahr-
ſcheinlich gemacht. Es ſind auch die bekannten Worte
jenes Decemviralgeſetzes: Si pater filium ter venumduit,
filius a patre liber eſto: unſtreitig noch von einem wirk-
lichen Verkauf der Kinder zu verſtehen, wie gegen die
Zweifel des Hieron. Aleanders32), und Jacob Go-
thofred’s33), von Anton Schulting34) gruͤndlich iſt
erwieſen worden. Allein durch die Auctoritaͤt und Aus-
legung der roͤmiſchen Rechtsgelehrten wurde der vorma-
lige wirkliche Verkauf in einen erdichteten verwandelt-
Die
[350]1. Buch. 7. Tit. §. 158.
Die Feyerlichkeit dieſes Acts beſtund nun darin 35). Der
Vater verkaufte zum Schein ſeinen Sohn vor der Obrig-
keit an einem Buͤrger in Gegenwart einiger Zeugen, deren
weniger nicht, als fuͤnf ſeyn durften, auch roͤmiſche Buͤr-
ger und alle mannbar ſeyn mußten. Die Formel war:
mancupo tibi hunc filium, qui meus eſt. Der Kaͤufer er-
grif hierauf den Sohn bey der Hand, zeigte dem Vater
deſſelben eine Muͤnze vor, die ohngefaͤhr ein Seſterz ſeyn
mochte, und ſprach: hunc ego hominem ex iure Quiritium
meum eſſe aio, isque mihi emtus eſt hoc aere aeneaque libra.
Nun warf er die Muͤnze in eine Waagſchale, welche
eine beſondere Perſon in die Hoͤhe hielt, die hiervon
Libripens genennet wurde. Denn ſchon die Geſetze der
zwoͤlf Tafeln 36) verordneten, daß der Kaͤufer das Eigen-
thum der ihm verkauften, und uͤbergebenen Sache eher
nicht erwerben ſolle, als bis er den Verkaͤufer befriediget
haͤtte. Nach Empfang des Nummus, der den Kauf-
ſchilling vorſtellete, uͤbergab der Vater den Sohn noch-
mals an den Kaͤufer, und nun erſt erlangte letzterer ein
quiritariſches Eigenthum durch den Spruch des Praͤtors.
Des Anteſtatus habe ich bey dieſer Handlung mit
Fleiß keine Erwaͤhnung gethan, weil es noch ungewiß
iſt, ob derſelbe eine beſondere Perſon vorgeſtellet habe,
oder ob er nicht vielmehr mit dem Kaͤufer des Sohnes
der naͤmliche geweſen ſey, wie ich mit Auguſtin37),
Cujaz
[351]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Cujaz38) und Oiſelius39) aus denen von Chriſtian
Wilhelm Kuͤſtner40) angefuͤhrten Gruͤnden, jetzt eher
glauben moͤchte, als wenn man ihm die laͤcherliche Rolle
ſpielen laͤßt, daß er bey der Handlung jedem Zeugen ins
Ohr gezwickt, und dabey die Worte ausgeſprochen: me-
mento, quod tu in illa cauſa teſtis eris. Doch wieder zur
Hauptſache. Der Kaͤufer manumittirte hierauf den
Sohn, ſo wie man einen Sclaven freyließ, und der
Sohn fiel in des Vaters Gewalt zuruͤck. Dieſer feyer-
liche Hokusbokus mußte nun bey Soͤhnen dreymal wie-
derholt werden, ehe ſie ſui iuris wurden. Daß jedoch
die drey Mancipationen und Manumiſſionen hinter ein-
ander und zu einer Zeit erfolgen mußten, war nicht er-
forderlich 41). Daher konnte der Sohn, der nach der
erſten oder andern Mancipation von dem Kaͤufer war
manumittiret worden, das unterdeſſen errichtete Teſta-
ment ſeines Vaters durch die Ruͤckkehr in deſſelben Ge-
walt rumpiren 42). Merkwuͤrdig iſt es jedoch, daß dem
dritten Verkauf ein gewiſſer Vertrag (pactum fiduciae)
angehaͤngt wurde, wodurch ſich der Vater vom Kaͤufer
auf Treu und Ehrlichkeit verſprechen ließ, daß er ihm
den Sohn remancipiren, d. i. ihn jetzt nicht frey-
laſſen,
[352]1. Buch. 7. Tit. §. 158.
laſſen, ſondern dem Vater wieder verkaufen wollte 43).
Die Formel hiervon war: Ego vero hunc filium meum
tibi mancupo, ea conditione, ut mihi remancupes, ut inter
bonos bene agier oportet, ne propter te tuamve fidem frau-
der. Hiervon bekam der Kaͤufer des Sohns den Namen
pater fiduciarius. Die Abſicht dieſes Vertrags war, da-
mit der Vater ſelbſt das Patronatrecht erhielte, und ver-
moͤge deſſelben ſeinen Sohn beerben konnte. Vermoͤge
dieſes Vertrags manumittirte nun alſo der Vater ſeinen
Sohn ſelbſt, wobey er ſich einer Ruthe (vindicta) be-
diente, wie bey der Manumiſſion der Sclaven gewoͤhn-
lich war. So ward der Sohn ſui iuris, der Vater
aber deſſelben Patron, obwohl er nicht in allen Stuͤcken
wie der Patron eines ehemaligen Sclaven angeſehen
wurde 44).
Die Wirkung dieſer alten Emancipation war, daß
die Kinder dadurch in eine Art von Sclaverey geriethen,
die zwar nur erdichtet, (cauſa ſervilis imaginaria) aber
doch mit nachtheiligen Folgen fuͤr die Kinder verknuͤpft
war. Denn ſie hob die Familien- und Agnationsrechte
auf 45); und die von dem Emancipirten gezeugte Enkel,
die bey deſſelben Emancipirung in des Großvaters Ge-
walt geblieben, fielen nach dem Tode deſſelben nicht in
des
[353]De adoptionibus, emancipationibus etc.
des emancipirten Sohnes vaͤterliche Gewalt zuruͤck 46).
Da nun der Verluſt der Familienrechte capitis deminutio
minima genennt wird, ſo war alſo auch dieſe eine Folge
der alten Emancipation. Ein emancipirtes Kind wurde
demnach nicht mehr als ein Mitglied der Familie, (S. 174.)
als ein Agnat angeſehen, und beerbte daher weder ſei-
nen Vater noch jemand aus der Familie nach dem civil
Recht 47). Auch die Obligationes ſtricti iuris, welche
aus einem feyerlichen Verſprechen oder Formularcontract
entſtanden, wurden durch die alte Emancipation zernich-
tet, daher die Glaͤubiger des Emancipirten die Wiederein-
ſetzung in den vorigen Stand beym Praͤtor ſuchen muß-
ten, wovon lib. IV. Tit. V. de capite minutis handelt.
§. 159.
Von der anaſtaſianiſchen und iuſtinianeiſchen
Emancipation.
Kaiſer Anaſtaſius ſchafte die alte Emancipation
nicht ab, ſondern erfand daneben nur einen andern Weg
der Loslafſung. Der Vater konnte von nun an ſich
an den Kaiſer wenden, und von dieſem durch ein Reſcript
die Emancipation erlangen, welches Reſcript dann bey der
competenten Obrigkeit inſinuiret wurde. Aus der Conſti-
tution dieſes Kaiſers, welche Juſtinian ſeinem Codex ein-
verleiben laſſen 48), moͤchte man beynahe ſchlieſſen, daß
Ana-
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. Z
[354]1. Buch. 7. Tit. §. 159.
Anaſtaſius dieſe neue Art der Entlaſſung nur zum Be-
ſten abweſender Kinder erfunden habe, mithin dieſelbe in
dem Fall, wenn die Kinder in Perſon vor Gericht er-
ſcheinen koͤnnten, nicht habe verſtatten wollen. Allein
ſo iſt es nicht; ſondern Anaſtaſius hatte ſchon vor je-
ner Conſtitution eine andere Verordnung, die zwar im
Codex rep. praelect. nicht befindlich iſt, aber von
dem Kaiſer ſelbſt verſchiedenemal in andern ſeiner Conſti-
tutionen angefuͤhret wird 49), bekannt gemacht, in wel-
cher er einem jeden Vater die Erlaubniß ertheilte,
die Emancipation ſeiner Kinder durch ein fuͤrſtliches
Reſcript zu bewirken, nur ſollte das Reſcript dem
competenten Richter vorgezeigt, und dabey zugleich der
zu emancipirenden Kinder Einwilligung zu denen Acten
erklaͤret werden. Weil nun nach derſelben das zu eman-
cipirende Kind bey der Emancipations-Handlung noth-
wendig in Perſon vor Gericht hat gegenwaͤrtig ſeyn muͤſ-
ſen, ſo hat Anaſtaſius in der Folge durch die L. 5. C.
emancipat. liberor50) auch fuͤr Abweſende den Weg erfun-
den, daß ſie erſt nachher vor einem andern Gericht ihre
Einwilligung ertheilen koͤnnten 51). Vermoͤge dieſer andern
Ana-
48)
[355]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Anaſtaſianiſchen Verordnung koͤnnen daher ſogar eigentlich
ſogenannte Kinder, die noch nicht rechtsguͤltig conſenti-
ren koͤnnen, dennoch durch fuͤrſtliches Reſcript ſui iuris
werden 52), weil zu vermuthen, daß der Oberherr nicht
anders die Emancipation geſchehen laſſen wird, als wenn
er ſie fuͤr das Kind zutraͤglich findet.
Dieſe Anaſtaſianiſche Emancipation hatte nun
uͤbrigens gleiche Wirkungen mit der alten, nur darin
war ſie von der letztern verſchieden, daß ein Kind, wel-
ches auf die Anaſtaſianiſche Art war emancipiret worden,
das Succeßionsrecht in dem Vermoͤgen ſeiner Geſchwi-
ſier behielt, welche in der vaͤterlichen Gewalt geblieben
waren 53). Auch konnte der Vater in ſeiner Supplic
ſich [...]s erbitten, daß dem Emancipirten die Familienrechte
verbleiben ſollten 54).
Ich komme endlich auf die Juſtinianeiſche Eman-
cipation. Juſtinian ſchafte naͤmlich die gewiſſermaßen
injurioͤſe Feyerlichkeit der alten Emancipation gaͤnzlich ab 55),
Z 2und
[356]1. Buch. 7. Tit. §. 159.
und verordnete, daß die bloße jedoch ausdruͤckliche Wil-
lenserklaͤrung des Vaters vor dem competenten Richter,
daß ſein Kind von der vaͤterlichen Gewalt
frey ſeyn ſolle, eben ſo vollguͤltig ſeyn, nicht weniger
der Vater, der auf ſolche Art ſein Kind vor der
Obrigkeit emancipirt haͤtte, eben ſo gut ein Succeſſions-
recht erhalten ſolle, als wenn er auf die alte feyerliche
Art, per contractam fiduciam, Manumiſſor des Kin-
des geworden waͤre. Daher ſagt Juſtinian in ſeinen
Inſtitutionen 56), durch ſeine Conſtitution ſey der neue
Rechtsſatz eingefuͤhret worden: ut emancipationes liberorum
ſemper videanturquasi contracta fiduciafieri,
cum apud veteres non aliter hoc obtinebat, niſi ſpe-
cialiter contracta fiducia parens manumiſiſſet57). Wir be-
mer-
55)
[357]De adoptionibus, emancipationibus etc.
merken hierbey; a) daß Juſtinian dieſe neue Art den
Emancipation eigentlich nur in dem Fall habe verſtatten
wollen, wenn die Kinder in dem Gericht zugegen ſind 58).
Dieß erhellet auch aus der Formel, deren ſich der Vater
vor Gericht zu bedienen pflegte, welche nach dem Theo-
philius59) folgendermaßen lautete: hunc ego emancipo,
et e manu mea dimitto; nach dem Harmenopulus60)
aber: hic ut ſui iuris ſit volo, eumque manu mea dimitto.
Daher hat b) Juſtinian zum Beſten der Abweſenden
die Anaſtaſianiſche Emancipation ausdruͤcklich beybehalten.
Hieraus ergiebt ſich ferner, c) warum die oben erwaͤhnte
erſtere Conſtitution des K. Anaſtaſius, nach welcher
auch bey derjenigen Emancipation, die durch ein fuͤrſtli-
ches Reſcript geſchiehet, die Gegenwart der Kinder vor
Gericht erfodert wurde, aus dem Codex repet. praelect.
weggelaſſen worden ſey 61)?
Soviel die Wirkungen der juſtinianeiſchen Eman-
cipation anbetrift, ſo ſind die Ausleger des roͤm. Rechts
darin nicht einig, ob dieſelbe gleichfalls einen Verluſt der
Agnations- und Familienrechte, mithin eine Capitis-De-
minution zur Folge gehabt habe? Einige bejahen die-
ſes 62), andere laͤugnen es ſchlechterdings 63); verſchie-
Z 3dene
[358]1. Buch. 7. Tit. §. 159.
dene aber nehmen eine mitlere Meynung an 64); ſie be-
haupten, daß der Emancipirte nach dem neuern Recht
freylich nicht mehr in eine Art von Sclaverey ge-
rathe, wie nach dem aͤltern roͤmiſchen Recht geſchehen
ſey; allein er aͤndere doch die Familie, bleibe kein Agnat,
und behalte auch das ius ſui beredis nicht; in dieſer
Ruͤckſicht wirke alſo die neuere Emancipation allerdings
noch eine Capitisdeminution. Allein bedenkt man, daß,
wenn gleich Juſtinian die Solennitaͤt der alten Emanci-
pation aufgehoben hat, dennoch die Wirkung derſelben
verbleiben ſolle, nicht anders, als ob jene Feyerlichkeit
wirklich geſchehen waͤre; erwaͤgt man ferner, daß ſelbſt
Juſtinian65) ſagt, Emancipati iure civili nihil iuris ha-
bent, weder das ius ſuorum heredum, weil ſie zur
Zeit des Abſterbens ihres Vaters nicht mehr in deſſen
Gewalt waren; noch das ius agnatorum, weil ſie durch
die Emancipation aufgehoͤrt haben, Agnaten zu ſeyn,
und die Familienrechte verlohren haben; Bedenkt man
endlich, daß, wenn durch die juſtinianeiſche Emancipa-
tion die Agnations- und Familienrechte nicht aufgehoben
worden, es unnoͤthig geweſen waͤre, ſolche durch eine aus-
druͤckliche Verordnung 66) und als ein beſonderes Privile-
gium denen zu erhalten, die durch eine Wuͤrde von der
vaͤterlichen Gewalt befreyet wurden, ſo laͤßt ſich, deucht
mich, wohl nicht daran zweifeln, daß auch die juſtinia-
neiſche Emancipation, wie jede andere, eine Capitisde-
minu-
63)
[359]De adoptionibus, emancipationibus etc.
minution zur Folge gehabt habe. Da indeſſen Juſtinian
durch die 118te Novelle den ehemaligen Familien- und
Agnations-Nexus bey der Inteſtat-Erbfolge gaͤnzlich auf-
gehoben hat, ſo ſuccediren die Emancipirten vermoͤge des
Rechts der Blutsfreundſchaft, als welches durch keine
Emancipation zernichtet werden kann, ſo gut als die ſui,
ohne daß erſtere der Praͤtoriſchen Huͤlfe oder bonorum
poſſeſſio weiter benoͤthiget ſind 67).
§ 160.
Faͤlle einer unfreywilligen Emancipation. Verſtoſſung
der Kinder. Erlaͤuterung der L. 6. C. de patr. pot.
Die Emancipation erfordert der Regel nach die
Einwilligung des Vaters und der Kinder. Sie kann
alſo ſo wenig gegen den Willen des erſtern, als der letz-
tern geſchehen 68). Doch finden verſchiedene Ausnahmen
ſtatt. Denn
I) giebt es Faͤlle, wo der Vater gezwungen werden
kann, die Kinder zu emancipiren 69). Dahin gehoͤrt,
a) wenn er die Kinder grauſam und barbariſch be-
handelt 70).
b) Wenn ihm jemand etwas vermacht, oder ſchenkt,
mit dem Beding, daß er ein Kind emancipire; und er
das Vermaͤchtniß oder Geſchenk annimmt 71).
Z 4c) Wenn
[360]1. Buch. 7. Tit. §. 160.
c) Wenn er einen Unmuͤndigen arrogirt hat, dem-
ſelben aber nach erlangter Muͤndigkeit die Arrogation
aus einer hinlaͤnglichen Urſache mißfaͤllt 72).
II) Giebt es Faͤlle, wo Kinder wieder ihren Willen
emancipiret werden koͤnnen. Hierher gehoͤrt:
a) wenn
[361]De adoptionibus, emancipationibus etc.
a) wenn ich ein fremdes Kind adoptiret habe, und
dieſes muͤndig iſt, ſo kann ich die Verbindung mit dem-
ſelben nach Gefallen aufheben 73).
b) Wenn ſich die Kinder undankbar und pflichtwie-
drig gegen die Eltern betragen, ja ſich ſolcher ſchwerer
Vergehungen gegen dieſelben ſchuldig machen, wegen
welcher ſie denen Rechten nach die Enterbung verdient
haben 74). Z. B. wenn Kinder ihre Eltern ſchlagen,
denenſelben nach dem Leben ſtehen. Von ſolchen Kindern
ſagt Juſtinian75): eos, cauſa cognita, emancipa-
tione dignos eſſe; und Theophilus76) in ſeiner Pa-
raphraſe erlaͤutert dieſes durch folgende Beiſpiele. Quid
enim, ſi aut patri adoptivo (es iſt von einem arrogirten
Pupillen die Rede) inſidias fecerit, aut aliud quid egerit,
propter quod merito ex patris poteſtate abiici debeat? Die-
ſem iſt nun zwar nicht entgegen, wenn die Emancipa-
Z 5tion
[362]1. Buch. 7. Tit. §. 160.
tion in unſern Geſetzen eine Wohlthat, eine Ehre, die
der Vater wohlgearteten Kindern erzeigt 77), eine Frey-
gebigkeit, die er gegen ſie ausuͤbt 78) genennet wird.
Denn dieß hat in ſo fern allerdings ſeine Richtigkeit,
als die Emancipirten hierdurch ſui iuris werden, und
die Rechte eines Paterfamilias erhalten. In dieſer Ruͤck-
ſicht iſt es daher eine Strafe fuͤr emancipirte Kinder,
wenn ſie gegen den Vater eine grobe Undankbarkeit be-
gehen, daß ſie wieder in die vaͤterliche Gewalt zuruͤckge-
zogen werden koͤnnen 79). Demohngeachtet aber kann
doch die Emancipation auch eine Strafe fuͤr ausgeartete
Kinder ſeyn, in ſofern ſie ihnen die Kindes- und Fami-
lienrechte raubr, welches inſonderheit der Fall bey adop-
tirten Kindern iſt, die hierdurch alle und jede Rechte ver-
lieren, welche ſie durch die Adoption erlanget hatten 80).
Allein wie reimt ſich das mit der L. 6. Cod. de patria po-
teſt. nach welcher die roͤmiſchen Geſetze von der abdica-
tio, oder der Verſtoßung ungerathener Kinder, nichts
wiſſen ſollen? Nach der gewoͤhnlichen Erklaͤrung ſagt
man, daß durch dieſes Geſetz eine ſolche Emancipation,
die gegen den Willen der Kinder geſchiehet, denn ſo
erklaͤren ſie die abdicatio, von nun an verboten worden
ſey 81). Allein wenn gleich dieſe Meinung von der ei-
nen
[363]De adoptionibus, emancipationibus etc.
nen Seite dadurch zu gewinnen ſcheint, daß Juſtinian
in einer gewiſſen Novelle 82) eben dieß, als einen ganz be-
kannten und ausgemachten Grundſatz, annimmt, daß es
denen Vaͤtern nicht erlaubt ſeye, die Kinder wieder ihren
Willen aus der vaͤterlichen Gewalt zu entlaſſen; ſo ſtrei-
ten doch auf der andern Seite ſo wichtige Gruͤnde ge-
gen jene Vorſtellungsart, daß man unmoͤglich geneigt
ſeyn kann, derſelben beyzutreten. Schon laͤngſt haben
Lukas van de Poll83) und Chriſtian Heinrich Breu-
ning84) gezeigt, daß in der L. 6. Cod. de patr. poteſt.
von einer roͤmiſchen Emancipation gar nicht die Rede
ſey. Man wird ſich auch hiervon ſo fort uͤberzeugen
koͤnnen, ſobald man ſich die Muͤhe geben will, das Geſetz
ſelbſt etwas genauer zu betrachten. Die Kaiſer Diocletian
und Maximian reſcribiren naͤmlich an einen gewiſſen
Hermogenes folgendermaßen: Abdicatio, quae Graeco
more ad alienandos liberos uſurpabatur, et ἀποκηρυ-
ξις dicebatur, romanis legibus non comprobatur.
Hermogenes, an welchen dieſes Reſcript erlaſſen iſt,
war ohne Zweifel ein Grieche, und vermuthlich von ſei-
nem Vater auf eine ſo ſchimpfliche Art verſtoſſen worden,
als die Griechen ἀποκηρυττειν nannten. Weil nun dem
verſtoſſenen Sohne vielleicht durch die Haͤrte des Vaters
zu nahe geſchehen ſeyn mochte, ſo nahm dieſer ſeine Zu-
flucht zu denen Kaiſern, und frug zugleich in ſeiner Sup-
plic an, ob, ſeitdem durch die Verordnung des Kaiſers
Caracalla allen Unterthanen des roͤm. Reichs die Rechte
der
[364]1. Buch. 7. Tit. §. 160.
der Buͤrger waͤren mitgetheilet worden, noch eine Hand-
lungsart guͤltig ſeyn koͤnne, die nur bey den Griechen
gewoͤhnlich, denen roͤmiſchen Geſetzen aber gar nicht an-
gemeſſen ſey? Die Kaiſer reſcribiren hierauf, daß ei-
neſolche Verſtoßung, (abdicatio ſcilicet ea) welche
die Griechen ἀποκηρυξις nennen, von den roͤ-
miſchen Geſetzen, nach deren Vorſchrift doch
alle legitime Handlungen der roͤm. Buͤrger,
ohne Unterſchied ihres Wohnorts, vollzogen
werden muͤſſen, nicht gebilliget, und daher
auch fuͤr rechtmaͤſig nicht zu halten ſey. Dieß
iſt die ganz natuͤrliche Erklaͤrung des Geſetzes, fuͤr deren
Richtigkeit die Worte des Reſcripts ſelbſt buͤrgen. Da
indeſſen noch alles darauf ankommt, was bey den Griechen
ἀποκηρυζις eigentlich geweſen, und welche rechtliche Wir-
kungen dieſe Handlung gehabt habe? ſo iſt es noͤthig,
hiervon zur [Erlaͤuterung] noch etwas hinzuzufuͤgen. Diejeni-
ge Verſtoßung der Kinder, welche bey den Griechen
ἀποκηρυξις genennet wurde, war eine feyerliche Handlung
inter vivos, dadurch der Vater ſeinen ausgearteten
Sohn, der ſich wiederſpenſtig gegen ihn bezeigte, oder
durch liederliche Lebensart der Familie Schande machte,
von ſich und aus dem vaͤterlichen Haus entfernte, und
ihn von nun an nicht mehr vor ſein Kind erkannte 85).
Es war bey den Athenienſern ein ausdruͤckliches Geſetz,
welches denen Vaͤtern ein ſolches Recht verſtattete 86).
Nur durfte dieſe Abdication nicht ohne eine recht-
maͤßige Urſache geſchehen 87), dahero entweder vor Ge-
richt
[365]De adoptionibus, emancipationibus etc.
ticht 88), oder in Gegenwart etlicher unpartheyiſcher Zeu-
gen 89) eine Unterſuchung, ob eine ſolche Urſache vorhanden
ſey, angeſtellet werden mußte. Das Abdicationsurteil wurde
hierauf durch den Praͤco oͤffentlich bekannt gemacht 90)
wovon die Handlung ſelbſt den Nahmen erhielt. Denn
Κήρυξ heißt ſoviel als praeco. Die ganze Handlung
war demnach fuͤr den Sohn hoͤchſt ſchimpflich, und be-
raubte ihn ſeiner Familien- und Succeſſionsrechte 91).
Dem Sohne war jedoch erlaubt, gegen eine ſolche Ver-
ſtoſſung eine oͤffentliche Vertheidigung zu fuͤhren 92);
auſſerdem aber konnte er den Schimpf nicht anders aus-
loͤſchen, und ſeine vorigen Rechte wieder erlangen, als
wenn er ſich beſſerte, und mit ſeinem Vater wieder aus-
ſoͤhnte 93).
Von
[366]1. Buch. 7. Tit. §. 160.
Von einer ſolchen Abdication reden nun die Kaiſer
in L. 6. Cod. de patr. poteſt. Sie haben jedoch dieſe
keinesweges durch ihre Verordnung abgeſchaft, wie Va-
lentin Forſter94) ſich irrig eingebildet hat, ſondern re-
ſcribiren nur, daß ſie denen roͤmiſchen Geſetzen nicht ge-
maͤß ſey. Nun iſt zwar nicht zu laͤugnen, daß auch das
roͤmiſche Alterthum viele Beyſpiele aufſtellt, daß Vaͤter
ihre ungerathene Soͤhne von ſich entfernt, und aus ih-
rem Hauſe verſtoſſen haben. Denn ſo rechnet Sueron95)
unter die haͤußlichen Unfaͤlle des Auguſt, daß er ſeinen
an Sohnes Statt angenommenen Enkel, Agrippa, von
ſich entfernen (abdicare) mußte. Eben das beſtaͤtigt der
aͤltere Plinius96) mit gleichem Ausdruck. So erzaͤhlt
ferner Valerius Maximus97), daß der Roͤmer Titus
Manlius Torquatus uͤber ſeinen Sohn Silanus, der
in Macedonien Ungerechtigkeiten und Treuloſigkeiten be-
gangen hatte, vermoͤge ſeiner hausvaͤterlichen Gewalt Un-
terſuchung angeſtellet, und ihm, weil er ihn ſchuldig be-
fand, befohlen habe, er moͤchte ihm ſogleich aus den Au-
gen gehen, und hinfort ſein Haus, ſo wie den Staat,
meiden. Mehrere Beyſpiele hat Brißonius98) geſamm-
let. Allein dieſe roͤmiſche Abdication war weder de-
nen Geſetzen entgegen, noch mit der griechiſchen ἀποκὴρυ-
ξις einerley, vielmehr von derſelben nicht nur in Anſe-
hung der Form ſondern auch der Wirkung ganz verſchie-
den.
[367]De adoptionibus, emancipationibus etc.
den. Denn waͤre einmal dieſe Abdication ſchlechter-
dings wider die Geſetze geweſen, ſo wuͤrde ohne Zweifel
irgend ein alter Schriftſteller, der ihrer erwaͤhnt, ein
Wort uͤber ihre Ungerechtigkeit beygefuͤgt, oder wenig-
ſtens auf irgend eine Art ſeinen Unwillen zu erkennen
gegeben haben. Hierzu kommt, daß Valerius Maxi-
mus in dem angefuͤhrten Falle mit dem Manl. Torqua-
tus ausdruͤcklich den Gerechtigkeitseifer dieſes Roͤmers
ruͤhmt, und ihn als einen der roͤm. Rechte ſehr kundigen
Mann ſchildert. Denkt man ſich nun noch inſonderheit
den groſſen Umfang von Rechten der roͤmiſchen vaͤter-
lichen Gewalt, die ſogar in jenen aͤltern Zeiten ein Recht
uͤber Leben und Tod der Kinder begrif, ſo wird man
ſchwerlich dieſe Abdication fuͤr eine geſetzwidrige Hand-
lung wenigſtens nach den Rechten desjenigen Zeitalters,
aus welchem die davon vorkommende Beyſpiele herruͤhren,
halten koͤnnen 99).
Es war jedoch zum andern die roͤmiſche Abdica-
tion von der griechiſchen ἀποκηρυξις ganz verſchieden.
Denn die griechiſche war eine oͤffentliche und feyerliche
Handlung, die roͤmiſche hingegen nur eine Privathand-
lung, welche nicht ſowohl, wie jene, in den Worten ei-
nes geſchriebenen Geſetzes, als vielmehr in dem Recht
der haͤußlichen Gerichtsbarkeit, dem edelſten
Kleinod der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt, gegruͤndet
war 100). Die griechiſche ἀποκηρυξις beraubte den ver-
ſtoßenen Sohn ſeiner Familien- und Erbrechte; die roͤ-
miſche Abdicatio hingegen hob weder die aus der vaͤter-
lichen
[368]1. Buch. 7. Tit. §. 160.
lichen Gewalt zwiſchen Vater und Kindern entſtehende
Verbindung auf, noch entzog ſie denen Kindern ihr Erb-
recht, wenn nicht noch eine beſondere Enterbung nach
der in den Geſetzen dabey vorgeſchriebenen Form erfolg-
te. Denn nirgends findet man in unſern Geſetzen da,
wo die verſchiedenen Arten aufgezaͤhlet werden, wie die
vaͤterliche Gewalt aufgehoben wird, die Abdication er-
waͤhnet. Vielmehr iſt es bekannt, daß der Vater keinen
andern Weg hatte, ſein Kind von der vaͤterlichen Ge-
walt zu befreyen, als die Emancipation. Dieſe erfor-
dert aber gewiſſe in den Geſetzen vorgeſchriebene Feyer-
lichkeiten, welche bey der Abdication nicht vorkommen.
Blieb nun der abdicirte Sohn in der Gewalt ſeines
Vaters, ſo mußte er auch, als ſuus heres, ſein naͤchſter
Inteſtat-Erbe ſeyn, in ſofern ihn der Vater nicht auf ei-
ne geſetzmaͤſſige Art in ſeinem Teſtament enterbt hatte.
So war alſo die roͤmiſche Abdication ungerathe-
ner Kinder weiter nichts, als ein in den Rechten der vaͤ-
terlichen Gewalt und in der haͤußlichen Gerichtsbarkeit
gegruͤndetes Zuͤchtigungs- und Beſſerungsmittel 1).
Es fragt ſich nun noch, ob und in wiefern
es heutiges Tages einem Vater erlaubt
ſey, ſein Kind zu verſtoſſen? und welche
rechtliche Wirkung dieſe Handlung habe2)?
Was
[369]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Was die erſte Frage anbetrift, ſo ſind die Rechtsgelehr-
ten deßhalb verſchiedener Meinung, indem ſie von eini-
gen bejahet 3), von andern aber verneinet wird 4). Es
kommt vor allen Dingen darauf an, was man ſich von
der Verſtoßung der Kinder vor einen Begrif macht.
Wenn wir nun bey der Beſtimmung deſſelben auf den
teutſchen Sprachgebrauch ſehen, ſo enthaͤlt nach dieſem
ohnſtreitig die Verſtoßungeine ausdruͤckliche und
deutliche Erklaͤrung der Eltern, daß ſie alle
Verbindung mit ihrem ungerathenen Kinde
aufheben wollen. Es wird dabey vorausgeſetzt, daß
die Eltern dieſen Schritt aus Unwillen, und wieder den
Willen der Kinder thun, und dieſe Verſtoßung iſt an
ſich nicht unbillig, wenn ſie aus einer erheblichen
Urſache geſchiehet. Dahin gehoͤren die geſetzmaͤßigen
Enterbungs-Urſachen 5). Eine andere Frage aber iſt,
ob
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. A a
[370]1. Buch. 7. Tit. §. 160.
ob die Eltern ein ſolches ausgeartetes Kind, welches ſich
durch Undank, Ungehorſam, und andere ſchaͤndliche Ver-
gehungen der fernern Erziehung und Huͤlfe der Eltern
unwuͤrdig gemacht hat, mit eigener Gewalt verſtoßen,
und ſeinem Schickſal Preiß geben duͤrfen? Dieß glaube
ich nicht, ſondern halte dafuͤr, daß die Eltern in ſolchen
Faͤllen, wo die erlaubte haͤußliche Zuͤchtigung nichts
mehr helfen will, die Obrigkeit um ihren Beyſtand er-
ſuchen, und auf deren Urtheil es ankommen laßen muͤßen,
ob das durch nichts zu beſſernde Kind aller fernern Er-
ziehung unwuͤrdig? oder welcher Erziehung daſſelbe,
nach verbuͤßter obrigkeitlichen Strafe, noch wuͤrdig zu
achten ſey 6)? Denn wenn einem roͤmiſchen Vater eine
ſolche Verſtoßung des ungerathenen Sohnes vermoͤge der
ihm als Vater zugeſtandenen haͤußlichen Gerichtsbarkeit
erlaubt war; ſo kann dieß heutiges Tages darum keine
Anwendung finden, weil die teutſchen Rechte dem Vater
keine richterliche Gewalt uͤber ſeine Kinder zueignen 7).
Jedoch
5)
[371]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Jedoch wuͤrde es hinreichend ſeyn, in allen dergleichen
Faͤllen blos ſummariſch, und ohne Geſtattung gewoͤhnli-
cher Formalitaͤten des gerichtlichen Proceßes, zu verfah-
ren 8).
Die zweyte Frage anlangend, was eine ſolche
Verſtoßung fuͤr rechtliche Wirkungen habe? ſo ſind auch
hieruͤber die Meynungen der Rechtsgelehrten getheilt. Ich
glaube mit Herrn Prof. Guͤnther9) daß hier eigentlich
zwey Fragen zu beantworten ſind: die erſte: was wirkt
eine ſolche Verſtoßung in Abſicht der Kinder? die zwey-
te: Was wirkt ſie in Abſicht der Eltern?
Die Kinder verliehren zwar dadurch weder das
Eigenthum an ihrem peculio adventitio, noch ihr
kuͤnftiges Erbrecht in dem elterlichen Vermoͤgen. Denn
die Ausſchließung der Kinder von der Erbſchaft ihrer El-
tern erfordert nothwendig: a) daß ſie in einer letzten
Willensverordnung geſchehe, b) daß eine in der 115ten
Novelle beſtimmte Urſache dabey zum Grunde liege, und
c) daß dieſe Urſache wahr ſey. Dies iſt aber nicht der
Fall bey der Verſtoßung. Denn wenn gleich die Eltern
eine rechtmaͤſige Urſache zur Enterbung haͤtten, ſo iſt
doch eine bloſe Erklaͤrung der Eltern, daß ſie ihr unge-
rathenes Kind nicht mehr als ihr Kind anſehen wollten,
zur Enterbung deſſelben nicht hinreichend, weil dieſe durch
keine Erklaͤrung unter den Lebendigen bewirkt werden
kann, ſondern in einem Teſtamente auf eine legale Art
geſchehen muß 10). Allein es fragt ſich, ob ſolche un-
A a 2dank-
[372]1. Buch. 7. Tit. §. 160.
dankbare Kinder ſich nicht wenigſtens des Rechts, von
ihren Eltern fernere Alimente zu fordern, verluſtig ge-
macht haben? Auch bey dieſer Frage weichen die Rechts-
gelehrten in ihren Meinungen ſehr von einander ab. Herr
Prof. Guͤnther11) entſcheidet dieſelbe verneinend, weil
dieſes Recht natuͤrliche und poſitive Geſetze denen Kindern
gegeben haben 12), und der einſeitige Wille der Eltern
ſolches ihnen nicht entziehen koͤnne. Allein ich kann die-
ſer Meinung nicht ganz beypflichten. Denn daß Kinder
durch groben Undank und Vergehungen gegen ihre El-
tern ſich der Alimenten Forderung unwuͤrdig machen koͤn-
nen, beweißt das Reſcript an den Trebatius Marinus
beym Ulpian13) ganz deutlich. Daher behaupten nicht
wenig Rechtsgelehrten, daß die geſetzmaͤßigen Enterbungs-
Urſachen die Pflicht zur Verpflegung der Kinder aufhe-
ben 14). Damit jedoch das undankbare Kind nicht dem
Staate
10)
[373]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Staate und ſeinen Mitbuͤrgern zur Laſt falle, ſo bleiben
die Eltern auf den Fall, da es ſich ſelbſt ohne derſelben
Unterſtuͤtzung noch nicht forthelfen kann, wenigſtens zu
den nothduͤrftigſten Alimenten (alimenta naturalia) ver-
pflichter 15).
Was fuͤr Folgen hat nun aber die Loßſagung fuͤr
die Eltern? Wenn das verſtoßene Kind noch un-
volljaͤhrig iſt, ſo behalten die Eltern zwar die vor-
mundſchaftlichen Rechte uͤber daſſelbe, bis es zur
Volljaͤhrigkeit gelangt. Denn dieſe beziehen ſich auf die
Erziehungsverbindlichkeit der Eltern, und ſind, da ſie von
den Geſetzen zum Beſten der Kinder eingefuͤhret worden,
kein Gegenſtand der Renunciation. Nach dieſen Grund-
ſaͤtzen bleibt auch bey der Verheyrathung ſolcher Kinder die
elterliche Einwilligung erforderlich. Allein diejenige Rech-
te und Vortheile, welche die Eltern bey Leb-
zeiten der Kinder genieſſen, gehen, nach der all-
gemeinen Rechts-Analogie durch die Verſtoßung der
Kinder zu Grunde, weil ſie ſich derſelben durch die Losſa-
gung begeben haben, und, da ſie blos zu ihrem Vortheil
eingefuͤhret ſind, auch begeben konnten. Nach dieſer
Theorie verliehrt z. B. der Vater den Nießbrauch von
A a 3dem
14)
[374]1. Buch. 7. Tit. §. 160. u. 161.
dem Vermoͤgen des verſtoſſenen Kindes, und iſt, in ſofern
er etwa als Vormund die Verwaltung deſſelben behielte,
daruͤber Rechnung abzulegen verbunden. Das volljaͤhri-
ge Kind aber kann auf die Herausgabe deſſelben dringen.
Dahingegen gehet das Erbrecht der Eltern, ſo
ihnen auf den Todesfall der Kinder zukommt, durch die
Abdication nicht verlohren. Denn a) iſt nicht zu ver-
muthen, daß Eltern, die ſich aus Unwillen von ihrem un-
gerathenen Kinde losſagen, ſich auch dieſes Rechts, ſo
ihnen erſt nach dem Tode der Kinder zuſtehet, haben be-
geben wollen, weil jede Entſagung ſtreng ausgelegt wer-
den muß. b) Liegt auch der Grund des elterlichen Erb-
rechts nicht in der vaͤterlichen Gewalt, ſondern vielmehr
in der Blutsverwandtſchaft. Wenn alſo gleich der Va-
ter auf diejenigen Rechte Verzicht leiſtet, die ihm vermoͤ-
ge der vaͤterlichen Gewalt zuſtehen; ſo hat er dadurch
doch noch nicht auf die Rechte der Blutsverwandtſchaft
renunciiret. Dem ungeachtet aber fehlt es doch nicht an
Rechtsgelehrten, die das Gegentheil behaupten 16).
§. 161.
Heutiges Recht der Lehre von der Emancipation.
Nach der Lehre der heutigen Rechtsgelehrten, wel-
cher auch Hellfeld beypflichtet, theilet man insgemein die
Emancipation in die ausdruͤckliche und ſtillſchwei-
gende ein. Man behauptet, daß die Emancipation
ſtillſchweigend durch die Heyrath der Toͤchter und
die Anſtellung einer eigenen Haushaltung der Soͤhne
geſchehe. Einige nennen dieſe auch die teutſche oder
ſaͤch-
[375]De adoptionibus, emancipationibus etc.
ſaͤchſiſche Emancipation. Allein nicht zu gedenken,
daß hierdurch auf eine hoͤchſt ungereimte Art der roͤmiſche
Sprachgebrauch einem blos reutſchen, von der roͤmiſchen
Emancipation ganz verſchiedenen Inſtitute zugeeignet
werde 17), ſo liegt auch in dieſer gemeinen Vorſtellungs-
art eine unverzeihliche Inconſequenz. Den eine ſtill-
ſchweigende Emancipation wird diejenige ge-
nennt, quae tacito patris conſenſu innititur, wie unſer
Verfaſſer ſelbſt ſagt: und doch wird gleich darnach be-
hauptet, daß durch Errichtung eines beſondern Hauswe-
ſens auch wieder des Vaters Willen deſſelben Gewalt
aufgehoben werde. Was nun wider meinen Willen ge-
ſchehen und von mir nicht gehindert werden kann; das
laͤßt ſich nicht wohl in meiner ſtillſchweigenden Einwilli-
gung begruͤnden 18). Richtiger wuͤrde es ſeyn, wenn
man ſagte: daß die Befreyung der Kinder von der vaͤ-
terlichen Gewalt nach heutigen Rechten auf eine zwey-
fache Art geſchehen koͤnne, entweder durch die Eman-
cipation, oder ohne dieſelbe aus geſetzlicher Vor-
ſchrift, auch gegen des Vaters Willen. Die Eman-
cipation beſtehet heutiges Tages gewoͤhnlich darin, daß
der Vater vor dem Richter ſich ausdruͤcklich anerklaͤrt,
daß er ſein Kind der vaͤterlichen Gewalt entlaſſen wolle.
Es heißt dieſes die Juſtinianiſche Emancipation. Zu-
weilen pflegt jedoch der ordentliche Richter uͤbergangen,
A a 4und
[376]1. Buch. 7. Tit. §. 161.
und unmittelbar bey dem Landesherrn oder den kaiſerli-
chen Hofpfalzgrafen die Beſtaͤtigung einer ſolchen Ent-
laſſung geſucht zu werden, welches man die Anaſtaſi-
ſche Emancipation nennt. Ob nun wohl Beyſpiele
von einer ſolchen Emancipation ſowohl unter privat, als
erlauchten Perſonen vorgekommen ſind 19), ſo iſt ſie doch,
wie ein beruͤhmter practiſcher Schriftſteller 20) richtig
bemerkt, nicht ſehr gewoͤhnlich, noch anzurathen, weil
die Landesherrn dergleichen Supplicate an die Collegien,
und dieſe an den Richter der erſten Inſtanz entweder
zur Verfuͤgung oder Berichtserſtattung zu remittiren
pflegen, und alſo eine ſolche Vorbeygehung des Richters
nur Aufenthalt und Unkoſten verurſachet; in Anſehung
der Pfalzgrafen aber, die bereits oben bey den Legitima-
tionen und Adoptionen geaͤuſſerte Bedenklichkeiten obwal-
ten. Die juſtinianiſche Emancipation iſt daher heutiges
Tages die gewoͤhnlichſte 21). Sie ſetzt die Einwilligung
beyder Theile, des Vaters und des zu emancipirenden
Kindes, zum voraus, und die Feyerlichkeit derſelben be-
ſtehet darin, daß der Richter des Aufenthaltor-
tes,
[377]De adoptionibus, emancipationibus etc.
tes, mittelſt eines foͤrmlichen Decrets, auf vorhergehen-
de Anſuchung darum, dieſelbe beſtaͤtiget 22). Sind es
unmittelbare Perſonen, ſo ſuchen ſolche die Beſtaͤtigung
entweder beym Reichshofrath, oder bey dem Cam-
mergericht, indem die Jurisdiction beyder in dieſem
Punct concurrirt 23) Jedoch ſind die Beyſpiele davon
ſelten 24). Mit dieſer wahren Emancipation iſt aber das
Geſchaͤft nicht zu vermiſchen, da ein Kind, obgleich auch
durch den Richter, blos dazu, daß eine gewiſſe Hand-
lung zwiſchen Eltern und Kindern ihre Guͤltigkeit erhal-
te, oder wenigſtens unangefochten bleiben moͤge, der vaͤ-
terlichen Gewalt entlaſſen wird 25). Sie wird von eini-
gen emancipatio minus plena26), von andern aber eman-
cipatio particularis27) genennt. In den Geſetzen iſt die-
ſe Art der Emancipation eigentlich nicht gegruͤndet. Viel-
mehr iſt ihre Entſtehung dem Wahne zuzuſchreiben, daß
wegen Einheit der Perſon, zwiſchen dem Vater und den
Kindern, die noch unter ſeiner Gewalt ſtehen, auch noch
heutiges Tages keine buͤrgerliche vollguͤltige Verbindlich-
keit ſtatt finden koͤnne. Ob ich nun gleich an einem an-
dern Ort (S. 236) gezeigt habe, daß ſich die von den
Roͤmern erdichtete Einheit zwiſchen dem Vater und ſei-
A a 5nen
[378]1. Buch. 7. Tit. §. 161.
nen Kindern mit dem Geiſt der teutſchen Sitten nicht
wohl vertrage, nach welchen dem Vater nie ein ſolches
Eigenthum uͤber ſeine Kinder zugeſtanden, als die roͤ-
miſchen Geſetze demſelben ei [...][r]aͤumen 28), mithin, um
den Vertraͤgen der Eltern mit ihren Kindern eine ver-
bindliche Kraft zu verſchaffen, eine beſondere Emanci-
pation eigentlich nicht noͤthig iſt, ſo halte ich doch da-
fuͤr, daß man wohl thue, wenn man dieſe Handlung, da
ſie von vielen groſſen Rechtsgelehrten auch noch zu un-
ſern Zeiten fuͤr nothwendig gehalten wird 29), um kuͤnf-
tigen Steitigkeiten vorzubeugen, nicht verabſaͤumet 30).
Ich habe hierbey noch zweyerley zu bemerken:
I) Daß ein Vater ſeinen Sohn wegen ſolcher Hand-
lungen allein der vaͤterlichen Gewalt nicht entlaſſen koͤnne,
welche zu ihrer Guͤltigkeit den fortdaurenden und unun-
terbrochenen Zuſtand eines Paterfamilias erfordern. So
z. B. kann der Sohn nicht blos zur Teſtamentser-
richtung allein emancipirt werden 31). Denn es iſt
bekannt 32), daß, wenn ein Teſtament bis auf den Tod des
Teſtirers bey ſeiner Kraft und Guͤltigkeit erhalten werden
ſoll, es nicht hinreichend ſey, daß der Erblaſſer zur Zeit
der Errichtung deſſelben ein von der vaͤterlichen Gewalt
freyer Menſch geweſen iſt, ſondern er muß von dieſem
Zeit-
[379]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Zeitpunkt an gerechnet bis auf ſeinen Tod nie in einen
ſolchen Zuſtand gekommen ſeyn, der ihn der Teſtamenti-
faktion unfaͤhig macht, weil ſonſt ſein Teſtament irri-
tum wird. Wenn nun ein Sohn ad ſolum actum
teſtandi emancipiret werden koͤnnte, ſo wuͤrde er zwar
in dem Zeitraum, da er ſeinen letzten Willen errichtet,
wohl als ein Paterfamilias anzuſehen ſeyn, allein er
wuͤrde auch dieſe Eigenſchaft wieder verliehren, ſobald
die feyerliche Handlung der Teſtamentserrichtung voruͤber
iſt. Denn er wuͤrde nach geendigter Handlung wieder
ein Filiusfamilias, und hierdurch ſein Teſtament von
ſich ſelbſt unguͤltig (irritum) werden, weil ein Teſta-
ment uͤberhaupt einen bis auf den Tod des Teſtirers un-
unterbrochenen zur Teſtamentserrichtung faͤhigen Zuſtand
erfordert. Hieraus folgt alſo, daß ein Vater ſeinen
Sohn der vaͤterlichen Gewalt gaͤnzlich entlaſſen muͤſſe,
wenn er will, daß der Sohn guͤltig teſtiren ſolle 33).
II) Wird die Emancipation blos auf eine einzige
Handlung eingeſchraͤnkt, ſo iſt weiter keine Feyerlichkeit
dabey zu beobachten, als dieſe, daß der Richter unter-
ſuchet, ob beyderſeits die legale Einwilligung vorhanden
ſey, und ſodann bey der Abfaſſung oder Beſtaͤtigung des
Contracts, um welches willen die Entlaſſung geſchehen,
ſolches ausdruͤcklich erwaͤhnet 34).
Gewoͤhn-
[380]1. Buch. 7. Tit. §. 161.
Gewoͤhnlicher iſt es, daß heutiges Tages Kinder
durch Anſtellung einer eigenen Haushaltung,
und die Toͤchter inſonderheit durch ihre Verheyra-
thung aus der vaͤterlichen Gewalt gehen. Thoma-
ſius35) nennt dieſe Art der Befreyung von der vaͤterli-
chen Gewalt eine Quaſi-Emancipation. Allein richti-
ger wird ſie zu denenjenigen modis gerechnet, welche
aus geſetzlicher Vorſchrift auch wider des Vaters Willen
deſſelben Gewalt aufheben. 36). Denn mit der buͤrgerli-
chen Volljaͤhrigkeit erlangt der Sohn das Recht, als ein
freyes Glied des Staats aufgenommen zu werden. Die
Geſetze vermuthen alsdann, daß die Eltern demſelben
allen Unterricht ertheilet haben, deſſen er, zur Verwal-
tung ſeines Vermoͤgens, und zu ſeinem Fortkommen
bedarf. Sobald er dazu eine ſchickliche Gelegenheit fin-
det, ſo iſt kein Grund mehr vorhanden, die vaͤterliche
Gewalt noch weiter hinauszuſetzen; ja es liegt vielmehr
ſelbſt dem Staate daran daß die Vormundſchaft ſeiner
Buͤrger nicht ohne Noth verlaͤngert, und nicht dadurch
der Betriebſamkeit, der Freyheit im Handel und Wan-
del, unnoͤthige Feſſeln angelegt werden. Man kann da-
her mit Recht behaupten, daß die Befreyung der Soͤhne
von der vaͤterlichen Gewalt durch Errichtung einer eige-
nen Wirthſchaft dem Rechte der Vernunft eben ſo ge-
maͤß ſey 37), als ſie in der That eine herrſchende Sitte
aller europaͤiſchen Nationen iſt 38). Die roͤmiſchen Ge-
ſetzgeber
[381]De adoptionibus, emancipationibus etc.
ſetzgeber erſtreckten zwar die vaͤterliche Gewalt auf die
ganze Lebenszeit des Vaters hinaus, und wenn der Va-
ter ja die Kinder noch bey ſeinem Leben ſeiner Gewalt
entlieſ [...], ſo hatten ſie ſolches als eine beſondere Wohlthat
anzuſehen 39). Allein es waren nicht politiſche Gruͤnde,
nicht die Abſicht, dadurch die Regierung und die Sitt-
lichkeit zu befeſtigen, die Urſache jenes Despotismus,
wie Herr von Globig40) richtig bemerkt hat; ſondern
die Noth und der Eigennutz der Raͤuber, welche den roͤ-
miſchen Freyſtaat gegruͤndet hatten, fuͤhrten den Griffel
des erſten Geſetzgebers. Und obwohl das Zwoͤlftafelge-
ſetz und die Ehrfurcht fuͤr das graue Alterthum demſel-
ben das Siegel der Unvergaͤnglichkeit aufdruͤckte, ſo
daß auch bey allen nachherigen Milderungen der vaͤter-
lichen Gewalt, welche von den roͤm. Kaiſern gemacht
wurden, dennoch dem Vater dieſe immerwaͤhrende Herr-
ſchaft uͤber ſeine Kinder verblieb 41); ſo haben demunge-
achtet ſo wenig die Teutſchen als andere europaͤiſche Na-
tionen, welche die roͤmiſchen Rechte unter ſich eingefuͤh-
ret, hierin dem Beyſpiel der Roͤmer gefolget. Sie ha-
ben es vielmehr als Schuldigkeit der Eltern betrachtet,
das erzogene volljaͤhrige Kind ziehen zu laſſen, ja es ſte-
het in deſſen Willen, bey jeder ſich ereignenden vortheil-
haften
[382]1. Buch. 7. Tit. §. 161.
haften Gelegenheit, ſich von den Banden der vaͤterlichen
Gewalt los zu machen, und eine eigene Wirthſchaft an-
zufangen. Es findet auch in ſolchen Faͤllen das praemium
emancipationis, welches bey den Roͤmern in der Haͤlfte der
Nutzung der Adventitien beſtand 42), heutiges Tages
keine Statt 43), weil dieſe Befreyung nicht als eine
Wohlthat des Vaters, ſondern der Geſetze billig anzu-
ſehen iſt. Es entſtehet jedoch nun die ſehr wichtige Fra-
ge, was zur Anſtellung einer eigenen Haus-
haltung erforderlich ſey44). Ich muß geſtehen,
daß es leichter ſey, dieſe Erforderniſſe in abſtracto an-
zugeben, als in einzelnen vorkommenden Faͤllen die
Beſtimmung, ob eine wahre Abſonderung von dieſer Art
vorhanden ſey, richtig zu treffen. Man erfordert nun
nach den gemeinen Sitten der Teutſchen zur Errichtung
einer eigenen Wirthſchaft,
1) daß
[383]De adoptionibus, emancipationibus etc.
1) daß die Kinder diejenige Reife des
Alters und Verſtandes erreicht haben muͤſ-
ſen, daß ſie ihnen ſelbſt und ihrem Vermoͤ-
gen vorzuſtehen im Stande ſind. Ob hierzu ge-
rade die Volljaͤhrigkeit noͤthig ſey, iſt ſtreitig, und
ſelbſt die teutſchen Statuten enthalten hiervon keine
ganz deutliche Beſtimmung. Die gewoͤhnliche Sprache
derſelben iſt: daß Kinder zu ihren muͤndigen Jahren
gekommen45); — ihre mannbare Jahre erreicht46),
oder ihr muͤndiges vollkommliches Alter erreicht ha-
ben muͤſſen47). Die meiſten Rechtsgelehrten nehmen
daher an, daß dieſes von der Großjaͤhrigkeit zu
verſtehen ſey 48); andere hingegen halten auch ſchon
die vollkommene Muͤndigkeit des Sohnes fuͤr hinrei-
chend 49). Allein wenn gleich die letztere Meinung
dem Buchſtaben der Statuten gemaͤßer zu ſeyn ſcheint,
ſo ſtimmt doch die Meinung der erſtern mit der Analo-
gie des Rechts beſſer uͤberein, weil Minderjaͤhrige nach
teutſchen Rechten 50) zur eigenen Verwaltung ihres Ver-
moͤgens
[384]1. Buch. 7. Tit. §. 161.
moͤgens noch nicht faͤhig gehalten werden. Sollte in-
deſſen der Vater ein noch unvolljaͤhriges Kind zu Errich-
tung einer eigenen Wirthſchaft von ſich laſſen; ſo wuͤrde
ſolches zwar auch hierdurch aus der vaͤterlichen Gewalt
kommen, und die Rechte derſelben aufhoͤren, jedoch be-
halten die Eltern in einem ſolchen Fall wenigſtens die
vormundſchaftlichen Rechte, bis das Kind zur Volljaͤh-
rigkeit gelangt 51).
2) Wird zur Anſtellung einer eigenen Haushaltung
erfordert, daß die Kinder ſich durch Ergreifung
eines Gewerbes ihren beſtaͤndigen Unterhalt
ſelbſt zu verſchaffen, im Stande ſind, oder
wenigſtens von ihrem eigenen Vermoͤgen le-
ben koͤnnen.
3) Daß ſie ſich von ihrem noch lebenden
Vater wirklich und voͤllig abſondern, und
dieß zwar
4) in der Abſicht, zur Familie des Vaters,
als derſelben Mitglieder, nicht wieder zu-
ruͤckzukommen, und ſich von ihm ernaͤhren zu
laſſen, ſondern nun einen eigenen von den
Eltern unabhaͤngigen Lebenswandel anzu-
fangen. Es iſt jedoch hierzu nicht gerade noͤthig,
daß der abgeſonderte Sohn aus der Eltern Hauſe zie-
hen, und von denenſelben entfernt in einem beſondern
Hauſe wohnen muͤſſe; nein! der Sohn kann in der
Eltern Hauſe bleiben, wenn er nur ſonſt eine eigene
Haushaltung und beſondere Wirthſchaft fuͤhrt, und
nicht mehr von dem Vater unterhalten wird 52). Ja
es
[385]De adoptionibus, emancipationibus etc.
es iſt der eigenen Haushaltung billig gleich zu halten,
wenn der Sohn zwar bey dem Vater zu Tiſche gehet,
aber dem Vater das Koſtgeld zahlt 53) Es iſt auch
zu dieſer Abſonderung ſo wenig die Beſtaͤtigung des Rich-
ters 54), als die Zuziehung von Zeugen erforderlich 55).
Ob aber nicht wenigſtens die Einwilligung der Eltern noͤ-
thig ſey, wenn der nun volljaͤhrige Sohn den Weg zur
eigenen Haushaltung betreten, und von der Eltern Zucht
zum Leben eines freyen Buͤrgers uͤbergehen will, iſt ſtrei-
tig? Die dieſes bejahen 56), ſetzen den Grund ihrer
Behauptung in der Beſchaffenheit der vaͤterlichen Gewalt,
welche denen Kindern nicht erlaubt, einen ſo wichtigen
Schritt, welcher faſt allemal das Schickſal ihres ganzen
uͤbrigen Lebens beſtimmt, ohne den Rath und Beyſtand
ihrer Eltern zu thun. Bey den Eltern kommt noch die-
ſer wichtige Grund hinzu, daß ſie durch eine ſolche Ab-
ſonderung der Kinder einen nicht geringen Verluſt an
Rechten und Vortheilen leiden, welche mit der elterli-
chen Gewalt verbunden ſind. Nun aber ſcheint es un-
billig zu ſeyn, denen Eltern dieſe Rechte wider ihren
Willen zu entziehen, zumal da das Geſetz praͤſumiren
muß, der Sohn habe die Mittel zu ſeiner neuen Einrich-
tung von ihnen erhalten, oder doch wenigſtens durch den
von ihm genoſſenen Unterricht erworben. Allein wenn
es gleich jederzeit rathſam, und den Pflichten der kind-
lichen
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. B b
[386]1. Buch. 7. Tit. §. 161.
lichen Dankbarkeit und des Gehorſams allerdings gemaͤß
iſt, zur Anſtellung eines eigenen Hausweſens die Einwil-
ligung der Eltern zu erfordern, ſo iſt doch nicht zu er-
weiſen, daß dieſes eine geſetzliche Nothwendigkeit ſey. Es
finden auch die Grundſaͤtze von der roͤmiſchen Emancipa-
tion hier keine Anwendung, da die Befreyung von der
vaͤterlichen Gewalt durch Errichtung einer eigenen Wirth-
ſchaft eine Wohlthat der Geſetze iſt. Ich ſtimme alſo
aus dieſen Gruͤnden vielmehr denenjenigen 57) bey, wel-
che die geſetzliche Nothwendigkeit der elterlichen Einwil-
ligung in der Regel laͤugnen, wofern nicht etwa die be-
ſondern Geſetze und Gewohnheiten eines Orts oder Lan-
des dieſelbe erfordern. Glauben jedoch die Eltern ge-
gruͤndete Urſachen zu haben, ſich dem Vorhaben ihres,
obwohl majorennen Sohnes, in Errichtung einer eigenen
Wirthſchaft, widerſetzen zu koͤnnen, z. B. ſchwache Ver-
ſtandskraͤfte des Sohnes, oder deſſen unordentliches, ver-
ſchwenderiſches oder ſonſt leichſinniges Betragen, machen
es bedenklich, ihm die Fuͤhrung einer eigenen Wirth-
ſchaft zu uͤberlaſſen, ſo muͤſſen ſie ihre Bedenklichkeiten
der Obrigkeit anzeigen, und es auf dem Ausſpruch der-
ſelben ankommen laſſen, ob und in wie fern ſie fuͤr
gegruͤndet zu halten ſind 58). Hieraus ergeben ſich noch
folgende rechtliche Wahrheiten.
I) So lange die Kinder in des Vaters Brodt ſind,
und von ihm unterhalten werden, bleiben ſie in deſſelben
Gewalt, geſetzt auch daß ſie ſchon die Majorennitaͤt er-
langt haͤtten 59). Denn die Volljaͤhrigkeit an ſich
endi-
[387]De adoptionibus, emancipationibus etc.
endiget die vaͤterliche Gewalt auch nach teutſchen Rechten
nicht 60), ſondern berechtiget nur den Sohn, bey jeder
ſchicklichen Gelegenheit, die ihm den Weg zur eigenen
Haushaltung eroͤfnet, ſich der elterlichen Vorſorge und Ge-
walt zu entziehen. So lange er jedoch ſeine eigene
Wirthſchaft noch nicht angefangen hat, und ſich daher
noch bey den Eltern verweilet, entweder weil ihm Mittel
und Gelegenheit zur Verſorgung fehlen, oder weil die
Eltern und der Magiſtrat den Weg, welchen er gehen
will, nicht gut heißen; ſo lange muß die Verwaltung
ſeines eigenen Vermoͤgens und deſſen Nutzung noch dem
Vater verbleiben; ſo lange iſt der Sohn auch noch zu
haͤußlichen Dienſten und zur Unterſtuͤtzung der Eltern mit
mit ſeinem Gewerbe verpflichtet. Denn ſolches ſind all-
gemeine Vortheile, welche die Geſetze den Eltern billiger-
weiſe fuͤr die Beſchwerden der ganzen Erziehung gewaͤh-
ren 61). In wiefern jedoch ein Sohn, der zwar bereits
B b 2voll-
[388]1. Buch. 7. Tit. §. 161.
volljaͤhrig geworden, allein ſich von den Eltern, mit An-
ſtellung einer eigenen Nahrung und Haushaltung, noch
nicht abgeſondert hat, zu ſolchen buͤrgerlichen Handlungen
faͤhig ſey, die die Eigenſchaft eines Paterfamilias erfor-
dern, iſt ſtreitig. Zwar iſt man darin voͤllig einverſtan-
den, daß die Errichtung eines Teſtaments bis auf wirk-
lich erfolgte voͤllige Abſonderung des Sohns ſuſpendirt
bleiben muͤſſe. Allein die Frage, woruͤber eigentlich ge-
ſtritten wird, iſt dieſe; ob ein ſolcher Sohn ohne Genehm-
haltung des Vaters Schulden machen, und Wechſel aus-
ſtellen koͤnne? und ob, wenn er ſolches gethan, wider
denſelben eine Klage ſtatt finde? Die meiſten heutigen
Rechtsgelehrten entſcheiden dieſe Frage in der Regel ver-
neinend 62). Allein ſollte dieß wohl der heutigen Ver-
faſſung angemeſſen ſeyn? Der Hauptgrund, warum die
Roͤmer das Macedonianiſche Senatusconſultum abgefaſſet
haben, war ja, damit das Leben der Vaͤter durch das
Schuldenmachen der Kinder nicht in Gefahr komme.
Dieſer iſt aber gegenwaͤrtig wenigſtens nicht mehr in der
damaligen Staͤrke vorhanden. Denn die chriſtliche Mo-
ral hat das Leben der Eltern beſſer, als das Macedonia-
niſche Senatusconſultum, geſichert. Hierzu kommt, daß
es fuͤr redliche Glaͤubiger, die einen großjaͤhrigen Sohn
Gelder leihen, zumal in den Staaten, worinn die Voll-
jaͤhrigkeit erſt mit dem 25ſten Jahre den Anfang nimmt,
etwas hart zu ſeyn ſcheinet, wenn Letzterer ſich mit der
Einwendung, daß er ſich noch nicht aus der vaͤterlichen
Gewalt begeben habe, ſchuͤtzen, und durch dieſe Handlung
einen um das ihm geliehene Geld bringen kann. Denn
denen Kindern ſtehet es ja heutiges Tages nach erlangter
Volljaͤhrigkeit frey, ſich aus der vaͤterlichen Gewalt zu be-
geben,
[389]De adoptionibus, emancipationibus etc.
geben, den Eltern den Nießbrauch ihres Vermoͤgens zu
entziehen, und daruͤber ſelbſt zu disponiren, es wird auch
zu dieſer Handlung keine foͤrmliche Entlaſſung erfordert;
wie kann alſo ein Dritter das Familienverhaͤltniß, worin
ein großjaͤhriger Sohn, der ſich vielleicht auf Reiſen be-
findet, oder ſonſt ſich außer dem vaͤterlichen Hauſe auf-
haͤlt, mit ſeinen Eltern ſtehet; und ob es ihm gefallen,
der vaͤterlichen Gewalt zu entſagen, oder ſich derſelben
noch zu unterwerfen, immer wiſſen? Dieß ſind die
Gruͤnde, aus welchen daher ein beruͤhmter teutſcher Rechts-
gelehrter 63) jener gemeinen Meynung zu widerſprechen,
und dieſelbe einer noch zu ſtrengen Anhaͤnglichkeit an die
Begriffe der roͤmiſchvaͤterlichen Gewalt zuzuſchreiben, kein
Bedenken getragen hat. Allein mir ſcheinen dennoch die
Gruͤnde, die fuͤr die gemeine Meynung ſtreiten, uͤberwie-
gender zu ſeyn. Denn das Macedonianiſche Senatus-
conſultum iſt doch mit dem roͤmiſchen Rechte unſtreitig
in Teutſchland eingefuͤhrt. Es muß folglich einem jeden
zu gute kommen, der waͤhrender vaͤterlichen Gewalt
Schulden kontrahirt, und ſelbſt kein freyes Vermoͤgen 64)
beſitzt. Nun aber hebt die Volljaͤhrigkeit an ſich auch heu-
tiges Tages die vaͤterliche Gewalt nicht auf. Die Unwiſ-
ſenheit kann den Glaͤubiger gegen die Einrede jenes Rath-
ſchluſſes nicht ſchuͤtzen, ſo fern er wiſſen konnte, daß ſein
B b 3Schuld-
[390]1. Buch. 7. Tit. §. 161.
Schuldner zur Zeit, als er das Darlehn ſuchte oder em-
pfing, noch nicht ſein eigner Herr war 65). Denn wer
ſich willkuͤhrlich mit jemand in Geſchaͤfte einlaͤſſet, von
dem kann man vernuͤnftiger Weiſe fordern, daß er ſich vor-
laͤufig um die Verhaͤltniſſe derjenigen Perſon bekuͤmmere,
mit welcher er ſich einlaſſen ſoll 66). Hat er dieſes nicht
gethan, ſo iſt es ſeine Schuld. Ein anderes waͤre es,
wenn die Unwiſſenheit des Glaͤubigers rechtliche Ent-
ſchuldigung verdiente 67), oder durch den Betrug des
Schuldners ſelbſt waͤre veranlaſſet worden 68); wovon in
den Tit. ad Senatusconſultum Macedonianum ein mehreres
vorkommen wird.
II) Zur Anſtellung einer eigenen Haushaltung iſt
nicht genug, wenn die Kinder keine Alimente mehr von
den Eltern bekommen, ſondern ſich bey einer Herrſchaft in
Dienſt begeben, und von derſelben Lohn und Koſt erhalten,
oder der Sohn als Soldat Lehnung, oder als Geſell ein
Wochenlohn erhaͤlt, und davon ſich allenfalls ſelbſt ernaͤh-
ren kann; oder wenn das Kind ſo viel eigenes Vermoͤgen
hat, daß es davon fuͤr ſich leben koͤnnte; ſondern es iſt
ſchlechterdings nothwendig, daß die Kinder ſich haͤuslich
nieder laſſen, und durch Anſtellung einer beſondern Haus-
haltung ſich von den Eltern voͤllig trennen, wenn ſie von
der vaͤterlichen Gewalt frey ſeyn wollen 69). So lange
dieſes
[391]De adoptionibus, emancipationibus etc.
dieſes noch nicht geſchehen iſt, dauern die Rechte der
vaͤterlichen Gewalt fort, wenn auch gleich der Sohn mit
des Vaters Bewilligung ein Gewerbe triebe 70), oder ſonſt
ſich außer dem vaͤterlichen Hauſe aufhielte 71). Denn die
beſondere Wohnung der Kinder hebt die vaͤterliche Ge-
walt an ſich nicht auf 72).
III) Soviel die Toͤchter anbetrift, ſo iſt zwar
uͤberhaupt keinem gegruͤndeten Zweifel unterworfen, daß
dieſelben unter den oben angefuͤhrten Umſtaͤnden ebenfalls
durch Anſtellung einer eigenen Oeconomie ſui iuris wer-
den koͤnnen 73); doch iſt der Fall bey ihnen ſeltener. Denn
da das weibliche Geſchlecht wegen ſeines zarten Nerven-
baues der Verfuͤhrung am meiſten ausgeſetzt, auch zu
ſtrengen Arbeiten und buͤrgerlichen Geſchaͤften nicht recht
faͤhig iſt, ſo werden Eltern ihre erwachſene Toͤchter ihrer
Aufſicht nicht leicht eher entlaſſen, als bis ſie der Auf-
ſicht eines Mannes anvertraut werden koͤnnen 74). Toͤch-
ter gehen daher heutiges Tages gewoͤhnlichermaßen erſt
durch die Heyrath aus der vaͤterlichen Gewalt. Hie-
rin ſtimmen die Sitten der Teutſchen mit den heutigen
Gewohnheiten der uͤbrigen europaͤiſchen Nationen genau
B b 4uͤber-
[392]1. Buch. 7. Tit. §. 161.
uͤberein, wie Herr von Pufendorf75), ſehr ausfuͤhrlich
gezeigt hat. Daß durch die Ehe eines Sohnes allein
die vaͤterliche Gewalt noch nicht aufhoͤre, iſt ſchon oben be-
merkt worden 76). Ein anderes iſt, wenn er ſich bey ei-
ner Frau einfreyet, die ihre eigene Haushaltung und
Handthierung hat, und der Sohn durch Ergreifung die-
ſes Gewerbes ſich von dem Vater voͤllig ſcheidet. Z. B.
Er heyrathet eine Meiſters-Witwe 77). Verſchiedene
Rechtsgelehrte wollen zwar behaupten, daß dieſes heuti-
ges Tages auch bey der Verheyrathung der Toͤchter Rech-
tens ſey. Sie meynen, daß durch die Verheyrathung
derſelben die vaͤterliche Gewalt, ſo lange die Ehe dauert,
nur ſuspendiret werde, die Tochter aber nach erfolgter
Aufhebung der Ehe, wieder in die vaͤterliche Gewalt zu-
ruͤckfalle 78). Allein wenn gleich dieſe Meynung den
Grundſaͤtzen des roͤmiſchen Rechts allerdings gemaͤß iſt,
(S. oben §. 156. S. 344. folg.) ſo ſtimmt ſie doch mit
den heutigen Sitten und dem Gerichtsgebrauche nicht uͤber-
ein, wie Harpprecht79), Voet80) und inſonderheit
Chriſtoph Ludewig Crell81) aus uͤberzeugenden
Gruͤn-
[393]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Gruͤnden erwieſen haben. Wenn demnach eine Tochter
durch die Heyrath von der vaͤterlichen Familie einmal ab-
geſondert iſt, und ſie kehrt auch als Witwe wieder zu ih-
res Vaters Hauß und Tiſch zuruͤck, ſo wacht hierdurch die
einmal erloſchene vaͤterliche Gewalt nicht wieder auf 82),
ſondern die Tochter bleibt heutiges Tages ſui iuris, und
behaͤlt den Stand des verſtorbenen Mannes, bis ſie zur
andern Ehe ſchreitet. Hierzu kommt was Ulpian ſagt 83):
Qui liberatus eſt patria poteſtate, is poſtea in poteſtatem ho-
neſte reverti non poteſt, niſi adoptione, welches allerdings
hier Anwendung findet.
Ehe ich dieſen §. verlaſſe, muß ich noch eine Be-
merkung hinzufuͤgen. Man pflegt es eine ſtillſchwei-
gende beſondere Emancipation zu nennen, wenn
ein Vater die Obrigkeit erſucht, ſeinen noch minderjaͤhri-
gen Sohne, weil er mit demſelben ein gewiſſes Ge-
ſchaͤft ſchlieſſen will, einen Curator zu beſtellen, und von
der Obrigkeit dieſem Geſuche auch gewillfahret wird 84).
Allein daß dieſer Sprachgebrauch unſchicklich ſey, ergiebt
ſich aus den vorgetragenen Grundſaͤtzen von ſelbſt 85)
B b 5§. 162.
[394]1. Buch. 7. Tit. §. 162.
§. 162.
Wirkungen der aufgehobenen vaͤterlichen Gewalt.
Die Wirkungen, die durch Aufhebung der buͤrger-
lichen vaͤterlichen Gewalt hervorgebracht werden, ſind theils
ſolche, die in einem jeden Fall eintreten, ohne Unterſchied
der Art, wie die vaͤterliche Gewalt aufgehoben wird, wir
koͤnnen ſie gemeine Wirkungen nennen; theils ſol-
che, die in einer beſondern Art der Erloͤſchung ihren
Grund haben, beſondere Wirkungen.
I) Gemeine Wirkungen ſind folgende. Die
Kinder werden dadurch ſui iuris, und erlangen die Rech-
te eines Paterfamilias Sie koͤnnen daher, wenn ſie
nur das erforderliche Alter haben, ſelbſt ein Teſtament
machen, koͤnnen nunmehr ohne Einwilligung des Vaters
auf eine guͤltige Art Schulden kontrahiren, und zur Be-
zahlung derſelben angehalten werden, ohne ſich mit dem
SCtum Macedonianum weiter ſchuͤtzen zu duͤrfen Die
Herrſchaft der Eltern, die haͤuslichen Dienſte, die Be-
nutzung des eigenen Vermoͤgens der Kinder hoͤrt gleich-
falls auf. Das gewaltfreye Kind kann ſein Muttergut
dem Vater abfordern, und ihn zu deſſen Ablieferung mit
Recht noͤthigen. Hat der Vater Mobilien und Effecten
des Kindes in Verwahrung gehabt, ſo muß das Kind
ſolche vollſtaͤndig zuruͤck erhalten. Sind ſie nicht mehr
vorhanden, oder durch den Gebrauch abgenutzt, ſo muß
dem Kinde der wahre Werth verguͤtet werden. Dieſer
wahre Werth wird nach dem Zeitpunkte beſtimmt, wo
die Mobilien in des Vaters Gewahrſam gekommen ſind.
Der Sohn genießt von nun an die Rechte eines freyen
Buͤrgers, er kann nun nach eigenem Gefallen ſein Gewer-
be modificiren, und auch der Schritt zum ehelichen Le-
ben muß von ſeiner eigenen freyen Wahl abhangen. Zwar
wird
[395]De adoptionibus, emancipationibus etc.
wird die Pflicht, zur Schließung einer Heyrath die Ein-
willigung der Eltern einzuholen, nach der richtigern Mey-
nung der Rechtsgelehrten, durch die Endigung der vaͤ-
terlichen Gewalt eigentlich nicht aufgehoben, weil ſich die-
ſelbe zugleich auf die denen Eltern ſchuldige kindliche
Verehrung gruͤndet 86), welche durch Aufhebung der
elterlichen Gewalt nicht vermindert wird; indeſſen kann
doch die Nichtbefragung der Eltern nur als Undank
durch Entziehung fernerer Unterſtuͤtzung, nicht aber, wie
vorher, mit der Nullitaͤt der Handlung ſelbſt geahndet
werden 87). Die das Gegentheil behaupten, haben
nicht bedacht, daß es die Ruhe mancher Familie ſtoͤhren,
manche Perſon auf immer ungluͤcklich machen wuͤrde,
wenn zur Heyrath eines laͤngſt abgeſonderten, in der
Fremde lebenden Sohnes, die Einwilligung der Eltern
ein ſo weſentliches Erforderniß ſeyn ſollte, daß in Erman-
gelung derſelben laͤngſt geſchloſſene Ehen wieder getrennt
werden koͤnnten. Man pflegt es jedoch in einem ſolchen
Fall, da die Kinder abweſend ſind, bey einer vermuthe-
ten Einwilligung der Eltern nach dem Gerichtsgebrauch
bewenden zu laſſen, wenn keine gegruͤndete Urſache eines
Widerſpruchs abzuſehen iſt.
II) Beſondere Wirkungen der Befreyung von
der vaͤterlichen Gewalt ſind:
a) wenn Kinder durch den Tod des Vaters
ſui iuris werden; ſo muß nicht nur einem jeden Kinde
das
[396]1. Buch. 7. Tit. §. 162.
das Seinige aus dem vaͤterlichen Nachlaß voraus, und
zwar ohne allen Abzug, verabfolget werden, ſondern es
erben auch ſolche Kinder den Vater iure ſuorum here-
dum, das heißt, ſie acquiriren die vaͤterliche Erbſchaft ipſo
iure, und transmittiren ſolche weiter auf ihre Erben,
wenn ſie gleich dieſelbe bey ihrem Leben noch nicht ange-
treten, d. i. ſich noch nicht erklaͤrt hatten, daß ſie Erben
vom Vater ſeyn wollten 88).
b) Wenn hingegen der Vater die Kinder freywillig
emancipirt, ſo daß ſie dieſe Befreyung blos als eine
Wohlthat des Vaters anzuſehen haben, ſo muͤſſen ihm
die Kinder aus Dankbarkeit fuͤr die Emancipation den
Nießbrauch uͤber die Haͤlfte ihres unter der vaͤterlichen
Verwaltung bisher geſtandenen eigenthuͤmlichen Vermoͤ-
gens uͤberlaſſen, ſo lange er lebt. Man nennt dieſe Be-
lohnung des Vaters praemium emancipationis89), und ſie
findet unter den bemerkten Umſtaͤnden nach der richti-
gern Meynung der Rechtsgelehrten unſtreitig auch noch
heutiges Tages ſtatt 90). Dahingegen verbleibt dem
Kinde das peculium profectitium (S. 217.) unwieder-
ruflich, wenn der Vater ſelbiges bey der Emancipation
nicht zuruͤck gefordert hat 91). Wenn nun gleich emanci-
cipirte
[397]De adoptionibus, emancipationibus etc.
pirte Kinder nach dem juſtinianeiſchen Recht das Erb-
recht uͤberhaupt behalten 92), ſo verlieren ſie dennoch auch
heutiges Tages das Recht eines ſui heredis. Denn die-
ſes gruͤndet ſich auf die aus der vaͤterlichen Gewalt ent-
ſpringende genaue Verbindung zwiſchen einem Vater
und ſeinen Kindern, und das daraus entſtehende Mitei-
genthum der Letztern an dem Vermoͤgen des erſtern 93),
und es muß folglich ceßiren, ſobald jene Verbindung
durch Entlaſſung der Kinder aus der vaͤterlichen Gewalt
aufgehoben wird. Juſtinian hat zwar in der 118ten
Novelle beyde die Emancipirten und die Suos in Anſeh-
ung des Succeßionsrechts uͤberhaupt untereinander gleich-
geſetzt; ſo daß die Emancipirten nicht mehr noͤthig haben,
zur bonorum poſſeſſione ihre Zuflucht zu nehmen; allein
daß er denenſelben auch das ius ſui heredis mitgetheilt ha-
be, iſt unerweißlich. Denn dieß betrift die Art, die vaͤ-
terliche Erbſchaft zu erwerben. In Anſehung dieſer aber
hat Juſtinian nichts geaͤndert 94). Es iſt daher grund-
falſch, wenn unſer Verf. Not. t. ſagt: Emancipati re-
tinent iura ſuitatis, et hereditatem ipſo iure acqui-
runt, eamque, licet non aditam, in quoslibet transfe-
runt heredes. Endlich
c) wenn Soͤhne durch angeſtellte beſondere
Wirthſchaft, und Toͤchter durch ihre Verhey-
rathung aus der vaͤterlichen Gewalt kommen, ſo koͤn-
nen zwar die Eltern nicht genoͤthiget werden, ſolchen
Kindern, außer ihrem eigenen Vermoͤgen eine gewiſſe
Aus-
[398]1. Buch. 7. Tit. §. 162.
Ausſtattung zu geben 95); haben ſelbige jedoch kein ei-
genes, oder doch kein hinreichendes Vermoͤgen, ſo iſt es
die natuͤrliche Pflicht des Vaters, die Kinder, bey die-
ſer ihrer erſten Einrichtung, aus ſeinen Mitteln, nach
Moͤglichkeit, zu unterſtuͤtzen 96). Unter dieſen Umſtaͤn-
den muͤſſen daher Soͤhne, welche eine abgeſonderte
Wirthſchaft anfangen, zur Anſchaffung der Ge-
raͤthſchaften, welche der Betrieb ihres Gewerbes
nothwendig erfordert, mit einer Ausſtattung verſehen
werden. Aber auch denen heyrathenden Toͤchtern ge-
buͤhrt dergleichen Auſteuer, ſoweit ſolche zur Hochzeit
und zur erſten Einrichtung ihres Hausweſens noth-
wendig iſt 97). Wie weit der Vater dieſe ſeine Huͤlfe
erſtrecken wolle, kann ihm von den Kindern auf keine
Weiſe
[399]De adoptionibus, emancipationibus etc.
Weiſe vorgeſchrieben werden. Auch ſelbſt das Gericht
kann den Vater nicht noͤthigen, den Kindern mehr, als
die Nothdurft erfordert, zur Ausſtattung zu bewilligen.
Hiernaͤchſt faͤllt zwar das praemium emancipationis
bey dieſer Art der Befreyung von der vaͤterlichen Ge-
walt aus denen ſchon beym vorigen §. angefuͤhrten
Gruͤnden weg, ſollten indeſſen die Eltern dem Kinde
ſelbſt eine vortheilhafte Verſorgung verſchaft haben, wo-
durch es aus der vaterlichen Gewalt kommt, ſo wuͤrden
dieſelben in einem ſolchen Falle der Analogie und Bil-
ligkeit gemaͤß allerdings berechtiget ſeyn, ſich einen Theil
des Nießbrauchs, bis zur Haͤlfte des eigenthuͤmlichen
Vermoͤgens eines ſolchen Kindes, auf eine gewiſſe Zeit,
oder auch auf Lebenslang, vorzubehalten 98). Daß uͤbri-
gens ſolche abgeſonderte Kinder ihr Erbrecht nicht ver-
lieren, ſofern ihnen nicht etwa bey der Abſonderung ihr
kuͤnftiges Erbtheil von den Eltern ſchon zum voraus gege-
ben, und ſolche hiermit abgefunden worden 99), hat kei-
nen
[400]1. Buch. 7. Tit. §. 162.
nen Zweifel. Ja auch abgefundene Kinder koͤnnen den-
noch, als naͤchſte Verwandte, zur Erbſchaft der Eltern
gelangen, wenn zur Zeit des Todes der letztern keine unab-
gefundene Kinder vorhanden ſind, auch kein Teſtament
ihnen entgegen ſteht 100). Ueberhaupt aber wird eine
ſolche Abfindung der Kinder, die ihnen ihr weiteres Erb-
recht nimmt, im Zweifel nie vermuthet, ſondern das-
jenige, was der Vater denen Kindern bey ihrer Abſonde-
rung und zum Antritt ihrer eigenen Wirthſchaft giebt, in
dubio nur fuͤr eine Ausſteuer gehalten, welche zwar
bey der Beerbung des Vaters conferiret werden muß,
aber das Erbrecht ſelbſt nicht aufhebt 1). Es muß dem-
nach die gaͤnzliche Abfindung des Kindes, wodurch daſ-
ſelbe alles fernern Antheils an der kuͤnftigen Erbſchaft
der Eltern verluſtig werden, und ſich mit dem, was es
bey ſeiner Abſonderung empfangen, begnuͤgen laſſen ſoll,
keinem gegruͤndeten Zweifel unterworfen, ſondern deutlich
beſtimmt worden ſeyn.
Allein daruͤber iſt viel geſtritten worden, ob ein ſol-
ches Kind, welches durch Anſtellung eigener Oekonomie
oder durch Heyrath aus der vaͤterlichen Gewalt gegangen,
in Anſehung der vaͤterlichen Erbſchaft das ius ſuitatis
behal-
99)
[401]De adoptionibus, emancipationibus etc.
behalte? Verſchiedene angeſehene Rechtsgelehrte 2), denen
auch unſer Verf. beygepflichtet, haben dieſes zu behaup-
ten geſucht. Dieſe haben den Grundſatz aufgeſtellet, daß
durch die Abſonderung der Kinder die vaͤterliche Gewalt
zwar in Anſehung ihrer laͤſtigen, aber nicht in Anſehung
ihrer vortheilhaften Wirkungen aufgehoben werde. Hier-
aus haben ſie nicht nur gefolgert, daß denen abgeſonder-
ten Kindern das ius ſui heredis in Anſehung der vaͤter-
lichen Erbſchaft verbleibe; ſondern ſie wollen ſogar in dem
Fall, da der Sohn, welcher durch Anſtellung einer eige-
nen Haushaltung aus der vaͤterlichen Gewalt gegangen,
geſtorben iſt, und Kinder hinterlaſſen hat, den Großvater
fuͤr berechtiget halten, dieſen ſeinen unmuͤndigen Enkeln
ſowohl in ſeinem Teſtamente Vormuͤnder zu ernennen,
als denenſelben pupillariſch zu ſubſtituiren. Allein die
Gruͤnde fuͤr dieſe Meynung ſcheinen mir nicht uͤberzeugend
zu ſeyn. Denn durch die voͤllige Abſonderung der Kin-
der von dem Hauſe der Eltern, es ſey durch Heyrath,
oder durch Unternehmung eines eigenen Gewerbes, wird
die vaͤterliche Gewalt unſtreitig aufgehoben, folglich hoͤ-
ren auch ihre Wirkungen auf. Der Unterſchied zwiſchen
laͤſtigen und vortheilhaften Wirkungen iſt voͤllig unge-
gruͤndet, wie ſchon Harpprecht gezeigt hat 3). Es iſt
richtig, daß durch Aufhebung der buͤrgerlichen vaͤterlichen
Gewalt heutiges Tages die Rechte der Familie nicht ver-
loren
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. C c
[402]1. Buch. 7. Tit. §. 162.
loren werden; allein daraus laͤßt ſich noch nicht ſchlieſ-
ſen, daß die abgeſonderten Kinder auch das ius ſuitatis
behalten. Denn dieſes hat ſeinen alleinigen Grund in
der roͤmiſchen vaͤterlichen Gewalt 4). Daher kann eine
Mutter keine ſuos heredes haben 5). Wenn nun gleich
Juſtinian in der 81ſten Novelle Kap. 2. verordnet hat,
daß wenn ein Sohn durch eine Wuͤrde von der vaͤterli-
chen Gewalt befreyet wird, derſelbe in einem ſolchen Fall
gar keinen Verluſt an ſeinen geſetzmaͤſigen Rechten leiden
ſolle, ſo iſt doch dieſes ein beſonderes Privilegium, oder
wie es Somberg zu Vach uͤberſetzt hat, praecipuum
quoddam donum, welches mithin auf andere Arten der
Befreyung von der vaͤterlichen Gewalt nicht ausgedehnet
werden darf. Aus dieſen Gruͤnden bin ich daher geneig-
ter, der Meynung derjenigen Rechtsgelehrten 6) beyzutre-
ten, welche behaupten, daß auch durch die voͤllige Abſon-
derung der Kinder von der vaͤterlichen Haushaltung alle
Wirkungen der buͤrgerlichen vaͤterlichen Gewalt aufhoͤren,
mithin die abgeſonderten Kinder ſo wenig das ius ſuitatis
behal-
[403]De diviſione rerum et qualitate.
behalten, als ſich der Großvater das Recht einer Vor-
mundſchaftsbeſtellung oder pupillariſchen Subſtitution in
Anſehung der von ſeinem per ſeparatam oeconomiam
abgeſonderten und verſtorbenen Sohne hinterlaſſenen En-
kel anmaßen duͤrfe.
Lib. I. Tit. VIII.
De
diviſione rerum et qualitate.
§. 163.
Begriff von ius rerum, res und pecunia.
Von dem Perſonenrecht eilen die Verfaſſer unſerer
Pandekten etwas zu geſchwind zur Lehre vom Sachen-
recht fort, ohne zu bedenken, daß ſie das erſtere nach
ſeinem ganzen Umfange noch gar nicht erſchoͤpft haben.
Daher werden noch verſchiedene Lehren in der Folge vor-
kommen, die zum ius perſonarum gehoͤren, z. B. die
vom Ehe- und Vormundſchaftsrechte, andere zu geſchwei-
gen. Unter Sachenrecht (ius rerum) verſtehet man nun
einen Inbegrif derjenigen Rechte, welche
Sachen zum naͤchſten Gegenſtande haben7).
Sachen werden hier den Perſonen entgegen geſetzt, mit-
hin was keine Perſon iſt, und doch ein Gegen-
C c 2ſtand
[404]1. Buch. 8. Tit. §. 163.
ſtand eines Rechts ſeyn kann, das heißt hier eine
Sache8). Die Sachen, wenn wir ſie den Perſonen
entgegen ſetzen, laſſen ſich in zwey Hauptklaſſen einthei-
len. Es ſind entweder Handlungen der Menſchen
(Facta), in ſo weit dieſe als Sachen betrachtet werden,
oder es ſind eigentlich ſo genannte Sachen, d.
i. was man, nach der gewoͤhnlichen Art zu reden, Sa-
chen nennt, da man naͤmlich die Sachen den Factis ent-
gegen ſetzt. Es fragt ſich nun, wie menſchliche Hand-
lungen, als Sachen, betrachtet werden koͤnnen? Die
Antwort iſt: Wenn wir die Facta nur blos aus
dem Geſichtspunkte anſehen, daß ein Menſch
durch den Gebrauch ſeiner Leibes- oder Gei-
ſtes-Kraͤfte dem andern etwas leiſtet, oder
thut, was zu des andern Nutzen oder Schaden
gereicht, ſo betrachten wir die Handlungen eines Men-
ſchen als Sachen. In dieſer Ruͤckſicht gehoͤrt daher die Ar-
beit des Holzhauers, der mir mein Holz klein macht, die Ar-
beit des Schneiders, der mir ein Kleid macht, zu den Sachen;
denn es ſind Dinge, die ein Menſch dem andern leiſtet.
Hierher gehoͤren aber auch die unerlaubten Handlungen,
und Vergehungen, wodurch mir ein anderer Schaden
thut, welche in unſern Geſetzen ausdruͤcklich res genennt
wer-
[405]De diviſione rerum et qualitate.
werden *). Es geſchiehet alſo mit vollkommenen Grunde,
daß dasjenige, was ein Menſch durch Anwendung ſei-
ner Kraͤfte zu eines andern Dienſt und Nutzen leiſtet,
oder zu eines andern Schaden unternimmt, zu den Sa-
chen gerechnet wird. Weil nun alſo nach dieſer Vorſtel-
lungsart Handlungen der Menſchen allerdings zu den
Sachen zu rechnen ſind, ſo kommt es daher, daß wir ſie
mit andern Sachen in Anſehung des Werths oder
der Schaͤtzung in Vergleichung und Verhaͤltniß ſetzen
koͤnnen. Jedoch ich ſchreite zur andern Claſſe von Sa-
chen, welche man den Handlungen entgegen ſetzt, und
Sachen in engerer Bedeutung (res in ſpecie ſic dictne)
nennt. Es werden darunter diejenige Rechtsobjekte
verſtanden, die weder Perſonen noch Hand-
lungen der Menſchen ſind, ſondern in ſolchen
Dingen beſtehen, deren Subſtanz oder Nu-
tzen zu Jemands Vermoͤgen gehoͤrt oder ge-
hoͤren kann. In dieſem Verſtande unterſcheiden die
roͤmiſchen Rechtsgelehrten res und pecunia von einander,
und begreifen unter der letztern Benennung alles, wa [...]
ein Menſch wirklich ſchon im Vermoͤgen hat,
es beſtehe in baaren Gelde, oder andern bewegli-
chen oder unbeweglichen, koͤrperlichen oder unkoͤrper-
lichen Sachen. Hierher gehoͤrt die klaſſiſche Stelle
aus Pauluslib. 2. ad Edictum9): rei appellatio
latior eſt, quam pecuniae, quae etiam ea, quae
extra computationem patrimonii noſtri ſunt, conti-
net: cum pecuniae ſignificatio ad ea referatur, quae
in patrimonio ſunt; und Hermogenianlib. 2. Iuris Epi-
tomarum10) ſagt: pecuniae nomine non ſolum nu-
C c 3merata
[406]1. Buch. 8. Tit. §. 163. u. 164.
merata pecunia; ſed omnes res tam ſoli, quam mo-
biles, et tam corpora, quam iura continentur. In
dieſer Bedeutung kommt das Wort pecunia nicht nur in
dem bekannten zwoͤlftafelgeſetz vor, welches in Ulpians
Fragmenten 11) folgendermaßen geleſen wird: Paterfami-
lias uti legaſſit ſuper pecunia tutelave ſuae rei, ita ius eſto;
ſondern in eben dieſem Verſtande wird es auch in der
Stipulation genommen, welche man gewoͤhnlich bey dem
Verkauf einer Erbſchaft zu errichten pflegte: quanta pe-
cunia ex hereditate ad te pervenerit etc.12). Mehrere Be-
deutungen dieſes Worts hat Brißon13).
§. 164.
Eintheilung der Sachen I) nach ihrer rechtlichen
Qualitaͤt.
Sachen in der engern Bedeutung werden nun ver-
ſchiedentlich eingetheilt,
I) In Ruͤckſicht ihrer rechtlichen Qualitaͤt.
Wenn Hellfeld die Sachen blos in Ruͤckſicht des Ei-
genthums in res nullius, und ſolche, quae in bonis ſunt,
und dieſe wieder in res divini und humani iuris, letztere aber
in res communes, publicas, univerſitatis und ſingulorum
eintheilt,
[407]De diviſione rerum et qualitate.
eintheilt, ſo iſt dieſe Theorie nicht nur mangelhaft, ſon-
dern es ſind auch die Begriffe ſelbſt zum Theil unrichtig.
Denn wer kann den Begriff von rebus communibus ver-
dauer, wenn unſer Verfaſſer ſich darunter ſolche Sachen
gedenket, quae in communi omnium hominum dominio ex-
ſtant? Beſtehet nicht der weſentliche Character des Eigen-
thums in einem ausſchlieſſenden Rechte an der Subſtanz
einer Sache 14)? Wie iſt nun nach dieſer Idee ein
commune omnium hominum dominium denkbar? Res
communes im Sinne des roͤmiſchen Rechts ſind vielmehr
eine Art von herrenloſer Sachen, welche zwar jedermann
gebrauchen darf, wie und wozu er will, aber niemand
ausſchlieſſend ſich zu eigen machen kann, wie bey §. 169.
gezeigt werden wird. Meine Theorie iſt nun folgende.
Sachen, nach ihrer rechtlichen Qualitaͤt betrachtet,
koͤnnen auf viererley Art eingetheilet werden. Erſtlich
in Anſehung des Eigenthums, oder des Rechts, ſo ei-
nem Subject daruͤber zuſtehen kann. Zweytens in
Anſehung ihrer rechtlichen Beſtimmung und des Ge-
brauchs. Drittens in Anſehung des oͤffentlichen Schu-
tzes, und der daraus entſtehenden Unverletzlichkeit der-
ſelben; und endlich viertens in Ruͤckſicht ihrer Erwer-
bungsart.
A) In Anſehung des Eigenthums oder
des Rechts an einer Sache werden die Sachen in
unſern roͤmiſchen Recht in res divini iuris, die dem
goͤttlichen Eigenthum geweihet, und daher dem menſchli-
chen Verkehr und Dispoſition entzogen ſind, und res hu-
C c 4mani
[408]1. Buch. 8. Tit. §. 164.
mani iuris, woruͤber Menſchen disponiren koͤnnen, einge-
theilt 15). Dieſe Eintheilung ruͤhrt eigentlich noch aus
den heidniſchen Zeiten der Roͤmer her, und Juſtinian
hat ſie unbedachtſamer Weiſe beybehalten, ohne ſeine Zei-
ten von den damaligen genug zu unterſcheiden 16). Je-
doch haben die Sammler unſerer Pandecten in Anſehung
der rerum divini iuris manches geaͤndert und modificirt.
Nach der Lehrart des roͤmiſchen Heidenthums wurden
res divini iuris fuͤr ein Eigenthum der Goͤtter gehalten,
und dieſe theilte man in ſacras, religioſas und ſanctas ein.
Sachen, welche durch die roͤmiſchen Pontifizen mit gehoͤ-
riger Feyerlichkeit zum oͤffentlichen Dienſt der Goͤtter ge-
weihet waren, hießen res ſacrae17). Z. B. Tempel, Al-
taͤre 18), gottesdienſtliche Gefaͤße und Geraͤthſchaften 19)
und
[409]De diviſione rerum et qualitate.
und dergl. Die Weihung mußte jedoch unter oͤffentli-
cher Auctoritaͤt 20), und zwar zu den Zeiten des Frey-
ſtaats mit Genehmigung des Volks, hernach des Kai-
ſers 21), geſchehen ſeyn. Denn was einer ſich ſelbſt zu
ſeiner Privatandacht weihete, ward nicht als ſacrum ſon-
dern als profanum betrachtet 22). Graͤber und Grab-
ſtaͤtte, die den Seelen der Abgeſchiedenen oder den Diis
Manibus zu ihren beſtaͤndigen Aufenthalt dienten, nann-
te man res religioſas. Was uͤbrigens zur Religioſitaͤt ei-
nes Orts gehoͤrte, und was die Alten von den Cenota-
phiis oder Ehrengrabmaͤhlern, in welchen kein Leichnam
gelegt war, gehalten, werde ich beym folgenden §. ſagen.
Endlich res ſanctae wurden zur Zeit des heidniſchen Alter-
thums ſolche Sachen genennt, die den Schutzgoͤttern zu
deren Schutz geweihet, und dahero unverletzlich waren.
Dahin gehoͤrten die Stadtmauern; denn dieſe wur-
den bey Erbauung einer Stadt mit dem heiligen Pfluge
von den Prieſtern abgezeichnet, und dadurch den Schutz-
goͤttern geweihet 23). Allein bey den Thoren wurde
der heilige Pflug aufgehoben 24). Dieſe wurden daher
C c 5eigent-
[410]1. Buch. 8. Tit. §. 164.
eigentlich nicht divini iuris, wie Plutarch meldet, der
noch einen andern Grund anfuͤhrt, warum die Thore
nicht die religioͤſe Heiligkeit der Mauern gehabt haͤtten,
naͤmlich weil durch dieſelben todte Koͤrper und allerley Un-
reinigkeiten aus der Stadt weggefuͤhret wuͤrden. Indeſ-
ſen machte ihre Verbindung mit den Mauern, die man
fuͤr gottgeheiligte Sachen hielt, daß man ſie auf gewiſ-
ſe Art, obwohl nur uneigentlich, zu den rebus divini
iuris rechnete, und man nannte daher auch die Thore
res ſanctas, weil ſie, wie die Mauern, vom gemeinen
Gebrauch ausgeſchloſſen, und unverletzlich waren 25). In
der Folge hoͤrte jedoch jene religioͤſe Heiligkeit der Mau-
ern in der Maaße, wie ſie das Alterthum ehemals ver-
ehrte, auf, und es blieb denenſelben, wie den Thoren,
blos die Unverletzlichkeit uͤbrig. Daher wird in den Frag-
menten unſerer Pandecten sanctum immer nur dasjeni-
ge genennt, was um des gemeinen Beſten wil-
len unverletzlich, d. i. durch eine Poͤnalſan-
ction gegen alle Beleidigungen und Verle-
tzungen geſichert iſt26). Eben daher laͤſſet ſich nun
auch erklaͤren, warum die Sammler der Pandecten zwi-
ſchen Thoren und Mauern uͤberall keinen Unterſchied ma-
chen, ſondern von beyden ſagen, daß ſie nur quodammodo
divini
[411]De diviſione rerum et qualitate.
divini iuris waͤren 27). Ich werde hieruͤber noch eini-
ge Bemerkungen bey dem folgenden §. machen.
Was nun die res humani iuris anlangt, ſo ſind dieſe
entweder Niemanden zugehoͤrig, res nullius, von denen
die res communes eine beſondere Gattung ausmachen;
oder ſie ſind einem ganzen Statt eigen, res publicae;
oder einer einzeln Stadt, und anderer Gemeinheit, Ei-
genthum, res univerſitatis; oder ſie ſind ſolchen einzelnen
Perſonen eigen, die bey dem Eigenthum keine Gemein-
heit ausmachen, res privatae oder ſingulorum. Von den
letztern iſt in den Geſetzen nichts weiter angefuͤhrt, und
zu deren Erlaͤuterung zu merken, von den uͤbrigen
Arten der Sachen aber wird bey den §. 169. 170. und
171. umſtaͤndlicher gehandelt werden.
B) In
[412]1. Buch. 8. Tit. §. 164.
B) In Ruͤckſicht der rechtlichen Beſtim-
mung oder des Gebrauchs, wozu Sachen die-
nen koͤnnen, ſind dieſelben, vorzuͤglich nach dem heu-
tigen Recht, in ſolche einzutheilen, die zu frommen auf
Religion oder gemeines Beſte abzielenden Endzwecken,
(ad pios uſus), und ſolche, welche nur zum profanen
Gebrauch beſtimmt ſind. Letztere werden res profanae,
die erſteren aber res religioſae (§. 166.) im heutigen, je-
doch weitlaͤuftigen Verſtande, genennt. Die res reli-
gioſae ſind in Anſehung ihres Endzwecks wieder ſehr ver-
ſchieden. Sie ſind entweder ſolche Sachen, die zum
oͤffentlichen Gottesdienſt beſtimmt ſind; oder ſolche, die
zu Befoͤrderung einer andern frommen oder milden Ab-
ſicht dienen ſollen. Die Sachen der letztern Art wer-
den res religioſae in engerer Bedeutung, milde Sachen;
eine ſolche Stiftung ſelbſt aber, welche entweder zur
Befoͤrderung der Religion, oder zur Unterſtuͤtzung und
Verpflegung armer huͤlfsbeduͤrftiger Perſonen, oder zum
gemeinen Wohl und Beſten des Staats, oder zu Er-
reichung anderer aus Froͤmmigkeit und Menſchenliebe
herruͤhrender wohlthaͤtiger Abſichten abzweckt, cauſa pia,
eine milde Stiftung, oder fromme Anſtalt genennt 28).
Dahin gehoͤren Kloͤſter, Miſſionsanſtalten, Hoſpitaͤler,
Wayſenhaußer, Wittwenhaͤußer, Invalidenhaͤußer, Fin-
delhaͤußer, Armenhaͤußer, Zuchthaͤußer, Schulen, Sti-
pendien, Freytiſche, ferner was zu Begraͤbniſſen, zu
Ausſtattung und Dotirung heyrathender Maͤdchen, zu
Erhaltung der Bruͤcken, oͤffentlicher Wege und dergl be-
ſtimmt und gewidmet iſt. Daß dergleichen milde Sa-
chen und Stiftungen in unſern Rechten ſehr privilegirt
ſind, wird ſich in der Folge bey vielen Gelegenheiten zei-
gen
[413]De diviſione rerum et qualitate.
gen 29). Die Sachen der erſtern Gattung ſind nach dem
heutigen Kirchenrecht wieder von zweyerley Art. Ent-
weder ſolche, die unmittelbar zur Gottesverehrung die-
nen, res ſacrae im Sinn des heutigen Kirchenrechts, z.
B. Kirchen, Gottesdienſtliche Gefaͤße und Geraͤthſchaften
u. ſ. m. oder ſolche, die nur mittelbar zum Gottesdienſt
abzwecken, res eccleſiaſticae30). Dahin gehoͤren Kirchen-
guͤter, Capitalien, liegende Gruͤnde, Zehenden und an-
dere Gefaͤlle, welche zur Beſoldung der Kirchendiener,
Unterhaltung der Kirchengebaͤude und Pfarrwohnungen,
wie auch zu Beſtreitung des zur Verwaltung des Got-
tesdienſtes erforderlichen Aufwandes dienen 31). Von
dieſer Eintheilung wird bey dem §. 166. ein mehreres
vorkommen.
C) In Abſicht des oͤffentlichen Schutzes
und der daraus entſtehenden Unverletzlich-
keit ſind die Sachen entweder ſolche, deren Verletzung
um des gemeinen Beſten willen ganz beſonders beſtraft
wird, oder ſie ſind nicht in einem ſo hohen Grade unver-
letzlich, erſtere werden res ſanctae,heilige Sachen im
heutigen Sinne genennt. Die Beſtimmung, daß eine
ſolche
[414]1. Buch. 8. Tit. §. 164.
ſolche Sache von gemeinen Gebrauch ausgeſchloßen ſeyn
muͤße, gehoͤrt heutiges Tages nicht mehr in den Begrif
derſelben. Zu dieſen heiligen Sachen gehoͤren auſſer de-
nen, die zum unmittelbaren gottesdienſtlichen Gebrauch
dienen, auch die Gottesaͤcker und Grabſtaͤtte, ferner Re-
ſidenzen und Wohnungen des Landesherrn 32) deßgleichen
alle oͤffentliche Orte, wo oͤffentliche Perſonen ihr Amt
ausuͤben, als Raths- und Gerichtshaͤußer 33), Gerichts-
plaͤtze, Fechtboden, Tanzboden, Reitbahn, Hoͤrſaͤle, nicht
weniger oͤffentliche Gebaͤude, Mauern und Thore einer
Stadt, und andere oͤffentliche Orte, denen der Burg-
friede beygelegt iſt; wegen ihres beſondern Nutzens gehoͤ-
ren auch hierher die herrſchaftlichen Bruͤcken 34), ferner
Grenzmaͤhler, die unter oͤffentliche Authoritaͤt geſetzet
worden ſind 35), und Ackerpfluͤge 36). Endlich
D) in Anſehung der Erwerbungsart wur-
den die Sachen bey den aͤltern Roͤmern in res mancipi
und nec mancipi eingetheilt 37). In unſern Corpus iuris
kommt
[415]De diviſione rerum et qualitate.
kommt zwar auſſer der Conſtitution des Kaiſer Juſti-
nians, L. un. Cod. de nudo iure Quirit. toll. wodurch
dieſe ganze Eintheilung aufgehoben worden iſt, wenig da-
von vor; indeſſen hat ſie doch zur Aufklaͤrung mancher
Rechtslehren z. B. der vom Eigenthum und der Verjaͤhrung,
wichtigen Einfluß, und darf daher mit Stillſchweigen
nicht uͤbergangen werden. Res mancipi wurden nun die-
jenigen Sachen genennt, deren buͤrgerliches Eigenthum
nur durch eine feyerliche und oͤffentliche Uebergabe (man-
cipatio) erworben werden konnte 38). Dieß war der
Fall
37)
[416]1. Buch 8. Tit. §. 164.
Fall bey den Sachen, welche man ehemals, als dieſer
Unterſchied aufkam, fuͤr die koſtbarſten, ja fuͤr den eigent-
lichen Reichthum der Roͤmer hielt. Ulpian39) rechnet
zu den res mancipi Haͤuſer und Laͤndereyen in Italien,
oder auch ſolche, die auſſerhalb Italien wenigſtens iuris
italici waren; ferner Servituten auf dem platten Lande,
z. E. Fahrweg, Fußweg, Viehtrib, Waſſerleitungsgerech-
tigkeit ꝛc. ꝛc. (ſervitutes urbanae gehoͤrten alſo nicht hier-
her) auch Sclaven, und zahme Laſtthiere. Elephanten
und Kameele gehoͤrten in dieſe Claſſe nicht, denn man
hielt ſie fuͤr wilde Thiere. An dieſen konnte nun der Roͤ-
mer ein buͤrgerliches oder quiritariſches Eigenthum (man-
cipium) nur alsdann erwerben, wenn die Uebergabe auf
die unter Buͤrgern hergebrachte feyerliche Art geſchahe 40).
Die mancipatio ſelbſt wurde durch vorgeſtellte Zahlung
oder Zuwaͤgung des Preißes der Sache, mit gewiſſen For-
meln, und in Gegenwart von fuͤnf Zeugen auſſer dem
libripens vollzogen 41). Die Perſonen, welche dabey
vorkamen, mußten Roͤmer ſeyn, oder wenigſtens das
commercium unter ihnen haben 42). Alle andere Sa-
chen, an denen man das buͤrgerliche Eigenthum durch
ſimple Uebergabe erwerben konnte, hieſſen res nec manci-
pi43). Puffendorf44) ſetzt den Unterſchied dieſer Ein-
theilung
[417]De diviſione rerum et qualitate.
theilung in den Cenſus. Er behauptet, die res man-
cipi waͤren in die Schatzungstafeln und oͤffentlichen Ca-
taſtra nahmentlich eingetragen geweſen, die res nec man-
cipi aber nicht. Allein dieſer Hypotheſe ſtehet entgegen,
daß die Eintheilung geblieben, nachdem die alte Art der
Schatzungen laͤngſt aufgehoͤrt hatte.
§. 165.
Noch einige Bemerkungen uͤber die res ſacras, religioſas, und
ſanctas der Roͤmer.
res sacrae der Roͤmer erhielten ihre Heilichkeit
nur durch eine auf die hergebrachte feyerliche Art ihnen
zum Gottesdienſt gegebene Weihung, die man ſolemnis
dedicatio oder Conſecratio nannte 45). Die Goͤtzenprieſter
muſten die Worte der Einweihung vorſagen, die eigent-
liche Weihung ſelbſt aber geſchahe zur Zeit des Freyſtaats
durch einen Conſul, oder durch die vom Volk ernannte
Duumviri 46), in der Folge aber durch den Kaiſer, und
deſſen Statthalter oder Gevollmaͤchtigten 47). Ja die
heidniſchen Kaiſer nahmen das Amt des Ober-Prieſters
aus Politik ſelbſt mit an, und conſecrirten in dieſer Ei-
genſchaft die zum Gottesdienſt beſtimmte Sachen *). Wur-
de ein geweihetes Gebaͤude z. B. ein Tempel abgeriſſen,
ſo blieb, nach der Natur des Eigenthums, noch der Platz
des
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. D d
[418]1. Buch. 8. Tit. §. 165.
des Gebaͤudes eine der Gottheit gewidmete Stelle 48).
Nur die evocatio ſacrorum konnte die Eigenſchaft ge-
weiheter Sachen aufheben 49).
Eine res religiosa hingegen erhielt ihre Hei-
ligkeit durch Begraͤbniß und Beyſetzung des Koͤrpers ei-
nes Abgeſchiedenen, welches in den aͤltern Zeiten, da
man den Leichnam verbrannte, im Aſchenkruge, in der
Folge aber, da dieſe Gewohnheit nach Antonin aufge-
hoͤret hatte, im Sarge geſchahe 50). Die beſondere Wei-
hung durch Prieſter war hier nicht noͤthig, obgleich auch
Begraͤbniſſe unter ihrer Aufſicht ſtanden 51). Sollte je-
doch ein locus religioſus werden, ſo wurde auch erfordert,
daß die Beyſetzung des Todten auf immer, nicht einswei-
len, geſchahe 52). Es mußte ferner ein Platz ſeyn, der
dem Begrabenden eigenthuͤmlich zugehoͤrte. Wenn man
aber mit Einwilligung des Eigenthuͤmers den Todten auf
einem fremden Platz zur Erde beſtattete, ſo ward alsdann
der Ort auch religioͤs. Eine gleiche Wirkung hatte die
hernach
[419]De diviſione rerum et qualitate.
hernach erfolgte Genehmigung des Eigenthuͤmers 53). Der
Platz mußte ferner ein locus purus ſeyn, d. i. nicht ſchon
unter die res divini iuris gehoͤren 54), auch keinem Drit-
ten ſonſt ein Recht, z. B. Nießbrauch, darauf zuſtehen,
das durch die Errichtung der Grabſtaͤtte gekraͤnkt wor-
den waͤre, es muͤßte denn etwa der Dritte darinn gewil-
liget haben 55). Wenn ein Leichnam an mehrern Orten
zerſtuͤckt begraben lag, ſo wurde nur der Ort, wo der
D d 2Kopf
[420]1. Buch. 8. Tit. §. 165.
Kopf ſich fand, fuͤr religioͤs gehalten; quia una ſepul-
tura plura ſepulchra efficere non poteſt, wie Paulus56)
ſagt; und weil man uͤberdem den Kopf fuͤr den edelſten
Theil des menſchlichen Koͤrpers hielt, woran der Menſch
kenntlich iſt 57). Zuweilen wurde zur Ehre eines be-
ruͤhmten Mannes, oder geliebten Freundes, der auſſer ſei-
nem Vaterlande ſein Leben eingebuͤſſet hatte, z. B. er war
zur See verungluͤckt, und deſſen Leichnam man eben da-
rum nicht haben konnte, von ſeinen Landesleuten zu Hau-
ſe ein Monument errichtet. Ein ſolches Ehrengrabmahl,
wo kein Leichnam lag, hieß Cenotaphium d. i. ein vorge-
ſtelltes oder leeres Grab, wie es Florentinus58) er-
klaͤrt. Dieſes war nach einem gewiſſen Reſcript der
Divorum Fratrum d. i. der Kaiſer M. Aurelius Antoni-
nus und Lucius Verus, kein locus religioſus59). Mar-
cian, ohngeachtet er erſt nach den Divis Fratribus ge-
ſchrieben, war zwar einer andern Meinung 60), und be-
ruft
[421]De diviſione rerum et qualitate.
ruft ſich dabey auf das Zeugniß des Virgilius61).
Allein es ſcheint dieß eine bloſe Privatmeinung jenes
Rechtsgelehrten geweſen zu ſeyn, welche entweder, weil
ihm vielleicht das kalſerliche Reſcript nicht bekannt gewe-
ſen, welches jedoch kaum glaublich iſt 62), oder weil
daſſelbe dazumal, wie mehrere andere kaiſerliche Reſcirp-
te, noch kein allgemeines Anſehen gehabt, oder weil
auch bey ſolchen Ehrengrabmaͤhlern, wie bey ordentlichen
Begraͤbniſſen, religioͤſe Cerimonien gebraucht worden ſind,
oder aus andern dergleichen Gruͤnden entſtanden ſeyn
mag 63). Genug, daß ſeine Meinung keinen Beyfall
gefunden. Denn Ulpian blieb ſtreng bey dem kaiſerli-
D d 3chen
[422]1 Buch. 8. Tit. §. 165.
chen Reſcript 64), und legte es auch bey der Frage von
Veraͤuſſerung eines Cenotaphium zum Grunde 65).
Uebrigens war der Platz, wo ein Menſch begraben
lag, nur in der abgezeichneten Peripherie des Leichnams
(quatenus corpus humatum eſt) ein locus religioſus66),
und nicht im Commerz der Menſchen 67). Denn er war
der Seele des Abgeſchiedenen (Manibus) zu ihrem be-
ſtaͤndigen Aufenthalt geweiht. Daher durfte ein ſolches
Grabmahl nicht verkauft, verſchenkt, verſetzt, vermacht,
auch zu keinem profanen Gebrauch angewendet werden.
Bey Cenotaphien verhielt ſich die Sache anders 68). Je-
doch unterſcheide man von der Grabſtaͤtte ſelbſt das Recht,
einen Todten dahin zu bringen, denn dieſes war in com-
mercio69). Zuletzt bemerke ich noch, daß ohne Erlaub-
niß des Prieſter Collegiums, oder des Kaiſers, oder des
Praͤſes der Provinz kein todter Koͤrper aus ſeiner Grab-
ſtaͤtte genommen, und an einem andern Ort gebracht
werden durfte 70). Durch eine ſolche legale Wegneh-
mung des Leichnams aber verlohr der Ort, wo er gele-
gen, die Eigenſchaft einer rei religioſae71).
Was
[423]De diviſione rerum et qualitate.
Was die res sanctas der Roͤmer anbetrift, ſo
erhellet aus dem, was davon ſchon bey dem vorigen §.
geſagt worden iſt, daß dieſe Benennung eine zwiefache
Bedeutung gehabt habe. Im weitlaͤuftigen Verſtande
nannte man res ſanctas alle diejenigen Sachen, auf deren
Verletzung eine auſſerordentliche Strafe geſetzt war, wenn
ſie auch keiner beſondern Gottheit geweihet waren. In
dieſer Bedeutung rechnete man auch die Stadtthore, Sta-
tuͤen der Kaiſer u. a. m. dahin. Allein zu den Zeiten
des heidniſchen Alterthums verband man damit noch ei-
nen gottesdienſtlichen Begriff, indem man darunter ſol-
che Sachen verſtand, die denen Schutzgoͤttern beſonders
geweihet, und daher im eigentlichen Verſtande divini
iuris waren. Dieſe Bedeutung hatte ehemals blos bey
den Stadtmauern ſtatt. Ob nun gleich in dem chriſt-
lichen Zeitalter auch bey den Mauern nur die vorhin an-
gefuͤhrte erſte Bedeutung einer rei ſanctae uͤbrig blieb,
ſo daß daher die Stadtmauern und Thore in unſern Cor-
pus Juris uͤberall zuſammen geſetzet werden, ſo hat man
doch zu Juſtinians Zeiten noch manche Saͤtze unbedacht-
ſam beybehalten, wovon die dabey vorkommende Sancti-
tas nach der religioͤſen Vorſtellung der heidniſchen Roͤmer
der Grund ſeyn mochte. Hierher gehoͤrt z. B. daß die
Verletzung und Ueberſteigung der Mauern ſogar mit dem
Tode beſtraft wurde; auch niemand die Mauern ohne
Einwilligung des Kaiſers oder ſeines Praͤſes ausbeſſern
durfte 72); Saͤtze, die zu Juſtinians Zeiten billig haͤt-
ten aufhoͤren ſollen 73).
D d 4§. 166.
[424]1. Buch. 8. Tit. §. 166.
§. 166.
Verſchiedene Arten der rerum ſacrarum im Sinn des heutigen
Kirchenrechts.
Die hier vorkommende Begriffe von res ſacra, re-
ligioſa und ſancta im Sinn des heutigen Rechts, ſind
ſchon oben bey der allgemeinen Claſſification der Sachen
in Ruͤckſicht ihrer rechtlichen Qualitaͤt mit erklaͤret, und
wie von denenſelben res eccleſiaſticae unterſchieden ſind,
(S. 413) gezeiget worden. Ich habe alſo hier nur noch
etwas von den mancherley Gattungen der rerum ſacra-
rum im Sinn des heutigen Kirchenrechts hinzu zu fuͤ-
gen. Sachen, die zum unmittelbaren gottesdienſtlichen
Gebrauche beſtimmt ſind, werden bekanntermaßen auf ei-
ne feyerliche Art zu dieſem Endzweck eingeweihet. Dieſe
feyerliche Einweihung (dedicatio) iſt nun nach dem ka-
tholiſchen Kirchenrecht zwiefach. Sie geſchiehet entweder
mittelſt einer Conſecration, oder nur mittelſt einer
Benediction. Erſtere wird durch eine Salbung mit
Chrisma (heiligen Oehl), letztere aber durch Beſpren-
gung mit Weihwaſſer verrichtet 74). Solche Sachen,
welche mittelſt einer Conſecration vom Biſchof zum un-
mittelbaren Gebrauch des Gottesdienſtes eingeweihet wor-
den, werden res ſacrae im engern Verſtande; diejenigen
aber, die nur mittelſt einer Benediction dazu beſtimmet
worden ſind, res benedictae genennt. Zu den Gott ge-
heiligten Sachen der erſten Gattung werden Kirchen,
Altaͤre,
[425]De diviſione rerum et qualitate.
Altaͤre, Patenen und Kelche, zu den Sachen der letztern
Art aber Meß-Kleider, Altarleuchter, Wachskertzen,
Glocken, Gottesaͤcker u. ſ. w. gerechnet. Dieſer Unter-
ſchied faͤllt jedoch in der proteſtantiſchen Kirche aus be-
kannten Gruͤnden weg 75).
§. 167.
In wie fern ſind res divini iuris auſſer Commerz?
Daß die res divini iuris von den heidniſchen Roͤ-
mern als ein Eigenthum der Goͤtter ſind angeſehen wor-
den, habe ich ſchon oben (S. 408) bemerkt. An die-
ſen Sachen konnte ſich daher kein Menſch einiges Recht
zueignen. Sie waren vielmehr in Anſehung der
Menſchenres nullius, d. i. ſie gehoͤrten keinem Sterb-
lichen 76). Es konnte ſich alſo Niemand einer Verfuͤ-
gung daruͤber anmaßen 77). Sie durften nicht veraͤuſ-
ſert, nicht verſetzt, nicht zu einem profanen Gebrauch an-
gewendet, auch keiner Taxe unterworffen werden 78). Ob
nun gleich dieſe Grundſaͤtze das Gepraͤge des heidniſchen
Aberglaubens ſehr ſichtbar an ſich trugen, ſo erhielten
ſie ſich dennoch auch unter den chriſtlichen Kaiſern. Man
glaubte, daß geweihete Sachen durch die Conſecration ei-
D d 5ne
[426]1. Buch. 8. Tit. §. 167.
ne gewiſſe innere Heiligkeit bekaͤmen, und ein beſonderes
Eigenthum Gottes oder Chriſti oder der Heiligen wuͤrden,
denen ſie waͤren geweihet worden. Die Verordnungen
der chriſtlichen Kaiſer ſowohl, als der Concilien und der
Paͤpſte geben uns hiervon die unwiderleglichſten Bewei-
ſe. Noch Juſtinian ſagt daher in ſeinen Inſtitutionen 79):
quod divini iuris eſt, id nullius in bonis eſt: und
Gratian80) fuͤhrt unter des roͤm. Biſchofs Bonifacius
Namen eine Stelle aus den Capitularien der fraͤnkiſchen
Koͤnige an, in welcher es heißt: quidquid ſemel fuit
conſecratum, ſanctum ſanctorum erit domino. Ja
P. InnocenzIII.81) gehet ſo weit, daß er auch die nur
zum Unterhalt der Geiſtlichen beſtimmten Guͤter und Ein-
kuͤnfte der Kirche patrimonium Ieſu Chriſti nennt, welche
Sprache auch ſchon das Troslejaniſche Concilium vom
Jahr 909 fuͤhrte, in deſſen vierten kanon, als allgemei-
ner Satz aufgeſtellet wird: quaecunque Eccleſiae ſunt,
Chriſti ſunt, et quicunque ab Eccleſia aliquid ex his
quocunque modo alienaverit, abſtulerit, invaſerit,
vaſtaverit, minoraverit, ſive diripuerit, quia Chri-
ſtus et eius Eccleſia una eſt perſona, procul dubio
Sacrilegium committit82). Kein Wunder, wenn daher
auch die chriſtlichen Kaiſer die geweiheten Sachen der
Veraͤuſſerung unfaͤhig erklaͤrten 83). Nur in wenigen aus-
genom-
[427]De diviſione rerum et qualitate.
genommenen Faͤllen iſt von Juſtinian deren Verkauf
und Verpfaͤndung geſtattet worden, naͤmlich um gefan-
gene Chriſten aus den Haͤnden der Unglaͤubigen loßzu-
kaufen 84), bey Hungersnoth die Armen zu unterhal-
ten 85), und die Schulden der Kirche, die nicht wohl an-
ders getilgt werden koͤnnen, zu bezahlen 86). Allein heu-
tiges Tages denken ſelbſt die Catholiken uͤber das Eigen-
thum der zum Dienſt Gottes geweiheten Sachen richti-
ger. Ich will zum Beweiß nur einen der groͤßten Cano-
niſten unſers Zeitalters, den Joſeph Valentin Eybel
reden laſſen, welcher in ſeiner vortreflichen Einleitung
in das katholiſche Kirchenrecht87) Grundſaͤtze da-
von vortraͤgt, die mit dem Lehrbegriff des proteſtantiſchen
Kirchenrechts auf das genaueſte uͤbereinſtimmen. Es iſt
richtiger, ſagt dieſer aufgeklaͤrte Catholik, wenn ich das-
jenige, was zum Dienſt Gottes beſtimmt wird, vielmehr
Gott geweihet, als Gott geſchenkt, oder Gott zum Ei-
genthum gegeben, nenne. Denn Eigenthum iſt das
Recht, mit der Subſtanz einer Sache, und mit alle dem,
was aus ihr koͤmmt, und zu ihr gehoͤret, frey nach Will-
kuͤhr zu ſchalten; und dieſes Recht braucht Gott ja nicht
erſt von uns geſchenkt zu erhalten, wenn er es, als Gott,
und als der hoͤchſte Herr aller Dinge ausuͤben will. Er
hat es naͤmlich als Gott von ſelbſt. Menſchlicher
Weiſe aber, wie wir ſehen, uͤber er es nicht aus, ſon-
dern es wird denen Menſchen nach Art, wie es ſich ge-
buͤhret, auszuuͤben uͤberlaſſen. Gott hat alles, was er
in dieſer Welt erſchaffen hat, der Herrſchaft des Men-
ſchen
[428]1. Buch. 8. Tit. §. 167.
ſchen unterworfen 88), und verlangt nichts anders, als
das alles, was er erſchaffen hat, vernuͤnftig zu ſeinem ge-
hoͤrigen Zweck angewendet werde. Es kann alſo der
Menſch dem allerhoͤchſten Gott nichts eigentlich ſchenken,
kein Eigenthumsrecht [auf] Gott uͤbertragen, ſondern nur
blos etwas von ſeinen von Gott erhaltenen Guͤtern zum
Dienſte Gottes weihen und widmen. Fragt man nun
aber, wo dann das Eigenthumsrecht der Sache hinkom-
me, deſſen ſich derjenige begiebt, der ſeine Sache einer
Kirche opfert? ſo iſt dieſe Frage, ſagt Eybel ſehr leicht
zu beantworten. Es koͤmmt naͤmlich auf denjenigen,
dem dieſe Kirche gehoͤrt, und zwar kommt es mit dieſer
Bedingung auf ihn, daß er es zum Dienſte Gottes an-
wenden ſolle. Haben nun ſaͤmmtliche Mitglieder eines
Staats zu gemeinſchaftlicher Einrichtung und Ausuͤbung
des Gottesdienſtes mit einander beygetragen, ſo iſt das
Eigenthumsrecht von dieſer ganzen Stiftung beym ganzen
Staat, oder bey dem Fuͤrſten, auf welchen alles, was
der Staat eigenthuͤmliches hat, mittelſt des Unterwerfungs-
vertrags uͤbertragen worden iſt. Haben aber nur einzel-
ne Gemeinden im Staate unter ſich zur Stiftung gottes-
dienſtlicher Sachen beygetragen, ſo ſind zwar dieſelben
derjenigen Gemeinde von der Buͤrgerſchaft eigen, welche
ſie zu ihrer Religionsuͤbung auf ihre gemeinſchaftliche
Koſten angeſchaft hat, allein das majeſtaͤtiſche Recht der
oberſten Aufſicht in Religions- und Kirchenſachen ſtehet
dem Landesfuͤrſten auch uͤber die denen kirchlichen Gemein-
den im Lande gehoͤrigen Guͤter zu, vermoͤge welchen er
ſich in den Faͤllen, wo es die Beduͤrfniſſe des ganzen
Staats erheiſchen, dieſes Kirchen-Eigenthums ſeiner Buͤr-
ger auch wider ihrem Willen zur Rettung oder Erhaltung
des
[429]De diviſione rerum et qualitate.
des Staats zu bedienen berechtiget iſt 89). Haben endlich
einzelne Perſonen zur Gottesverehrung mit Genehmigung
des Landesfuͤrſten etwas geſtiftet, ſo kommt es darauf
an, ob ſie ſolches blos zu ihrem eigenen Privatgottesdien-
ſte, oder ob ſie es zur oͤffentlichen Religionsuͤbung einer
ganzen Gemeinheit gewidmet haben. Im erſtern Falle
gehoͤren ſolche Sachen, z. B. Hauskapellen mit ihren
Einrichtungen und Zubehoͤrungen denen Familien und
Perſonen eigenthuͤmlich, die ſolche zu ihrer Religions-
uͤbung geſtiftet und angeſchaft haben. Im letztern Fall
aber iſt wieder darauf zu ſehen, mit welcher Erklaͤrung
der Stifter dergleichen Guͤter zum Dienſte Gottes be-
ſtimmt und gewidmet hat. Sind dieſe Guͤter zur oͤffent-
lichen Religionsuͤbung einer ſchon exiſtirenden Gemeinde
vermacht worden, ſo gehoͤren ſie zu deren Kirchen Eigen-
thume. Hat aber der Stifter verordnet, daß die be-
ſtimmten Guͤter dazu verwendet werden ſollten, an irgend
einem Orte eine Kirche zum oͤffentlichen Gottesdienſte ei-
ner chriſtlichen Religionsparthey zu erbauen und einzurich-
ten; ſo ſind dergleichen Guͤter, als oͤffentliche Sachen,
dem Staate oder deſſelben Regenten mit dieſem Beding
uͤbergeben worden, daß, wenn die Beduͤrfniſſe oder der
Nutzen des Staats nicht eine andere Beſtimmung derſel-
ben erforderten, ſie nach dem Willen und Verlangen des-
jeni-
[430]1. Buch. 8. Tit. §. 167.
jenigen, der ſolche geſtiftet hat, verwendet werden ſollen.
Dem Stifter gebuͤhret aber in ſolchen Faͤllen das Pa-
tronatrecht, welches ſich, unter andern mancherley
Rechten und Pflichten, vorzuͤglich durch das Recht fuͤr
eine erledigte Pfarre einen Geiſtlichen zu ernennen, und
ſolchen der Gemeinde vorzuſtellen, wuͤrkſam aͤuſſert 90).
Soweit Eybel. Nach dieſen ganzen richtigen Grundſaͤ-
tzen koͤnnen alſo kirchliche Gebaͤude, und andere zum
unmittelbaren gottesdienſtlichen Gebrauch gewidmete Sa-
chen entweder in dem Eigenthum des ganzen Staats,
oder einzelner Gemeinden im Staate, oder einzelner Per-
ſonen oder Familien ſeyn. Was von ganzen Kirchenge-
baͤuden gilt, findet auch in Abſicht der Zubehoͤrungen der-
ſelben ſtatt. Ein Acceßorium der Kirchengebaͤude ſind
die Kirchſtuͤhle91). Das Eigenthumsrecht uͤber die-
ſelbigen koͤmmt daher der Kirche zu, wenn auch gleich
ein einzelnes Mitglied derſelben einen Kirchenſtuhl auf
ſeine eigene Koſten gebauet haͤtte 92). Die Kirche pflegt
ſie jedoch denen Gemeindegliedern auf verſchiedene Art
zu uͤberlaſſen, und davon Nutzen zu ziehen 93). Daher
ſind die Kirchſtaͤnde von verſchiedener Art. Sie werden
naͤmlich in oͤffentliche und privat Kirchen-
ſtuͤh-
[431]De diviſione rerum et qualitate.
ſtuͤhle, und die erſtern wieder in Herrſchaftsſtuͤh-
le, Amtsſtuͤhle und gemeine Kirchenſtuͤhle ein-
getheilt. Von den privat Kirchenſtuͤhlen giebt es eben-
falls zwey Arten, naͤmlich erbliche und nicht erbliche.
Letztere ſind alle diejenigen, welche Jemanden nur auf
Lebenszeit verliehen werden. Erſtere hingegen haften
entweder auf gewiſſen Hoͤfen oder Haͤuſern, ſo daß ſie
auf jedem Beſitzer derſelben erbweiſe oder unter einem an-
dern Titel uͤbergehen; oder ſie ſtehen einer gewiſſen Fa-
milie zu. Gemeiniglich erhaͤlt jedoch ein jeder Eingepfarr-
ter ſeinen Kirchenſtuhl nur auf Lebenszeit. Folglich wird
auch nicht vermuthet, daß irgend ein Kirchſtuhl erblich
ſey; ſondern dieſes muß gehoͤrig erwieſen werden 94). Das
Recht des Beſitzers eines nicht erblichen Kirchſtandes ge-
het alſo mit ſeinem Tode verlohren, und faͤllt an die Kir-
che, die ſolches nicht laͤnger ertheilen wollen, zuruͤck.
Mithin darf er weder in ſeinem Teſtamente daruͤber dis-
poniren; noch koͤnnen deſſelben geſetzmaͤſige Erben einige
Anſpruͤche daran machen 95). Viel groͤßer iſt hingegen
die Freyheit, welche denen Beſitzern an den erblichen
Kirchenſitzen zukommt. Solche Stuͤhle koͤnnen nicht
nur durch Kauf und andere dergleichen Handlungen un-
ter den Lebendigen auf andere gebracht werden; ſondern
ſie kommen auch nach dem Tode des Beſitzers auf deſſel-
ben rechtmaͤſige Erben. Der Kirche ſtehet an ſolchen
Stuͤhlen nur das Obereigenthum, denen Beſitzern hin-
gegen das nutzbare Eigenthum zu 96).
§. 168.
[432]1. Buch. 8. Tit. §. 168.
§. 168.
Von Veraͤuſſerung der Kirchenguͤter.
Wenn nun aber gleich Sachen und Guͤter einer
Kirche, ſie moͤgen zum unmittelbaren oder mittelbaren
Gebrauch des Gottesdienſtes abzwecken, nach den heuti-
gen gereinigten Grundſaͤtzen ſowohl des katholiſchen als
proteſtantiſchen Kirchenrechts nicht mehr fuͤr ein beſonde-
res Eigenthum Gottes oder Chriſti gehalten werden; ſo
erfordert es doch das Beſte der Kirche, daß ſolche Sa-
chen ihrem Endzweck gemaͤß, wozu dieſelben ihrer Natur
nach beſtimmt ſind, angewendet werden. Daher verbie-
ten geiſt- und weltliche Geſetze, Kirchenguͤter und inſon-
derheit ſolche Sachen, welche unmittelbar zum Gottes-
dienſt abzwecken, nach Willkuͤhr zu veraͤuſſern,
oder ſonſt einen fremden Gebrauch davon zu machen 97).
Soll naͤmlich die Veraͤuſſerung ſolcher Sachen auf eine
guͤltige Art geſchehen, ſo wird zweyerley hierzu erfordert,
1) daß eine rechtmaͤſige Urſache vorhanden
ſey, und
2) daß die geſetzlich vorgeſchriebene Form
(ſolennitas eccleſiaſtica) gehoͤrigermaſſen beobachtet werde.
Eine rechtmaͤſige Urſache der Veraͤuſſerung iſt
alsdann vorhanden, wenn entweder die Nothwendig-
keit z. B. dringende Schuldenlaſt, oder die Verbind-
lichkeit, Pflichten der Gottſeligkeit und chriſtlichen Liebe
gegen Arme zu erfuͤllen, oder wahrer Nutzen derjeni-
gen Kirche dieſelbe erheiſchet, welcher ſolche Kirchenguͤter
eigen-
[433]De diviſione rerum et qualitate.
eigenthuͤmlich zuſtehen. Jedoch darf hierbey der Unter-
ſchied nicht aus der Acht gelaſſen werden, daß res ſacrae
einer Kirche nur im Fall einer dringenden Noth, andere
Kirchenſachen aber auch des bloſen Nutzens wegen veraͤuſ-
ſert werden koͤnnen 98).
Zur Feyerlichkeit der Veraͤuſſerung hin-
gegen wird erfordert, daß dieſelbe nach vorhergegange-
ner reiflicher Erwaͤgung der Sache, und mit Concur-
renz und Einwilligung der dabey Intereſſirten, unter de-
ren Aufſicht die Kirchenguͤter ſiehen, naͤmlich der Kir-
chenvorſteher 99), des Patrons, und des Kirchenregen-
ten, welcher bey katholiſchen Gemeinden der Biſchof, in
evangeliſchen Landen aber der Landesherr iſt, deſſen Stel-
le jedoch meiſtentheils die Conſiſtorien vertreten, geſche-
hen muß 100). Das Veraͤußerungs-Decret, was in
ſolchem Fall ertheilt zu werden pflegt, wird bey uns Pro-
teſtanten mehr des beſſern Beweiſes wegen, als zur we-
ſentlichen Form einer ſolchen Veraͤußerung erfordert 1).
Iſt uͤbrigens die geſetzte Form gehoͤrig beobachtet worden,
ſo entſtehet daraus die rechtliche Vermuthung, daß eine
rechtmaͤſige Urſache der Veraͤußerung vorhanden geweſen
ſey
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. E e
[434]1. Buch. 8. Tit. §. 168. u. 169.
ſey 2). Es giebt jedoch Faͤlle, da dieſe Feyerlichkeit bey
der Veraͤußerung der Kirchenguͤter nicht erfordert wird.
Dahin gehoͤrt,
a) wenn ein Dritter die Alienation mit einem voll-
kommenen und unbezweifelten Recht verlangen kann. Z. B.
die Kirche hatte das Grundſtuͤck wiederkaͤuflich, oder unter
der Bedingung acquirirt, um denjenigen, der ihr das Ei-
genthum uͤberlaſſen hat, wieder damit zu belehnen. Die
Veraͤußerung geſchiehet in ſolchen Faͤllen vermoͤge recht-
licher Nothwendigkeit (alienatio neceſſaria).
b) Wenn die zu veraͤußernde Kirchenſachen von ge-
ringern Werth und Nutzen, auch zum gottesdienſtlichen
Gebrauch nicht unmittelbar beſtimmt ſind 3).
Das weitere hiervon gehoͤrt nicht hierher.
§. 169.
Von den mancherley Arten herrenloſer Sachen nach dem
Syſtem des roͤm. Rechts. Inſonderheit von den rebus
communibus.
Sachen, woruͤber Menſchen disponiren koͤnnen,
(res humani iuris) ſind entweder im Eigenthum, oder
Niemanden zugehoͤrig. Hier ſoll zuerſt von der letztern
Art gehandelt werden 4). Unſer Verf. gedenkt hier nur
der
[435]De diviſione rerum et qualitate.
der rerum communium, allein dieſe machen bey weiten
nicht alle Arten der im roͤmiſchen Recht vorkommenden
rerum nullius aus. Wir koͤnnen ſie in ſolche einthei-
len, die ganz herrnlos, und welche es nur gewiſſer
maßen ſind. Als ein Beyſpiel von der letztern Gat-
tung fuͤhrt Cajus5) die Erbſchaften an. Nam res
hereditariae, ſagt dieſer roͤm. Juriſt, antequam aliquis he-
res exiſtat, nullius in honis ſunt. Eine Erbſchaft, wozu
ſich der Erbe noch nicht erklaͤrt hat, iſt zu keines Men-
ſchen gegenwaͤrtigen Eigenthum zu rechnen. Der ehema-
lige Eigenthuͤmer iſt geſtorben, und derjenige, ſo, ſtatt
ſeiner, eintreten ſoll, iſt noch nicht eingetreten. Von
dieſer Seite betrachtet, iſt alſo eine Erbſchaft wirklich
herrnlos 6). Allein gewiſſer Folgerungen halben ſahe
man ſie auch vermoͤge rechtlicher Fiction als ein noch
fortdauerndes Eigenthum des Verſtorbenen an 7); da-
E e 2mit
[436]1. Buch. 8. Tit. §. 169.
mit ſie kein Gegenſtand der Occupation werden, und
Niemand, auſſer dem Erben, ſich daran vergreifen moͤ-
ge 8). Nur allein dem Erben ſtehet ein ausſchlieſſendes
Recht zu, die Erbſchaft zu erwerben, ſo ihm wider ſei-
nen Willen nicht genommen werden kann. Von ſeiner
Erklaͤrung haͤngt es alſo einzig ab, Herr davon zu wer-
den. Die Erbſchaft gehoͤrt ihm folglich unter dieſer Be-
dingung allein. Daher wird ſie nun auch res heredis
genennt, und, gewiſſer Folgen wegen, bereits als ein
Eigenthum des Erben betrachtet 9). Zu denen Sachen,
die
7)
[437]De diviſione rerum et qualitate.
die nur gewiſſer maßen herrenlos ſind, gehoͤren ferner
Sachen des Feindes, mit welchem man Krieg fuͤhrt 10).
An ſich ſind dieſe Sachen nicht herrnlos, allein ich bin
befugt, ſie wegzunehmen und mir ſolche zuzueignen, ſo
gut, als ob ſie res nullius waͤren, weil dies noͤthig iſt,
um Erſatz fuͤr die vom Feind erlittene Beleidigung und
kuͤnftige Sicherheit zu bekommen 11).
Ganz herrnloſe Sachen ſind wieder von ver-
ſchiedener Art. Entweder ſie ſind von Natur ſolche,
oder durch Dereliction des ehemaligen Beſitzers, d. i.
weil der Beſitzer ſeines Eigenthums daran ſich begeben
hat, oder durch das Alterthum der Zeit, wodurch
der ehemalige Eigenthuͤmer ſo unbekannt worden iſt, daß
es nun unmoͤglich iſt, ihn auszuforſchen, ſind ſie herrn-
los geworden. Zu den herrenloſen Sachen der letztern
Art gehoͤren die gefundenen Schaͤtze. Der Eigenthuͤ-
mer hat ſie zwar eigentlich ſeines Eigenthums nicht ent-
laſſen wollen, indem er ſie an einen ungewoͤhnlichen Ort
vergraben hat; Allein weil man nicht ausmachen kann,
wer er ſey, ſo werden andere Leute Eigenthuͤmer davon 12).
(§. 1746. Aut.) Res nullius der andern Art, werden
E e 3res
9)
[438]1. Buch. 8. Tit. §. 169.
res derelictae,verlaſſene Sachen, genennt 13), z. B.
der ehemalige Herr hat ſeine Sache weggeworffen, und
ſich ihrer begeben. Was zur Dereliction gehoͤrt, wird
erſt kuͤnftig im Tit. de acquir. rer. dominio (§. 1734.
Aut.) vorkommen. Sachen hingegen, die von Natur
herrenlos ſind, d. i. die noch nie einen Herrn gehabt ha-
ben, ſind entweder von der Art, daß ſie durch die Occu-
pation ein Eigenthum eines Jeden werden koͤnnen, oder
ſie ſind ſolche, die zwar Jeder zu gebrauchen, die Frey-
heit hat, davon aber Niemand ein ausſchlieſſendes Ei-
genthum im Ganzen erwerben kann. Sachen der er-
ſten Gattung werden res nullius im ſtrengen
Verſtande genennt, dahin gehoͤrt alles Wilpret, alle
Fiſche im Fluͤſſen, und was ſich an den Ufern der Fluͤſſe,
des Meers und der Seen, als deren Auswurf, findet 14).
Herrenloſe Sachen der letztern Art aber werden res com-
munes genennt. Zu dieſen werden in den roͤmiſchen Ge-
ſetzen die Luft, das flieſſende Waſſer, das Meer und die
Ufer des Meers gerechnet 15). Jedoch iſt alles dies nur
vom Ganzen zu verſtehen, nicht von kleinern Thei-
len, die man ſich hiervon allerdings zu eigen machen
kann 16). Die Luft an ſich, ſofern ſie dieſe ganze Er-
de umgiebt, und kein lebendiges Geſchoͤpf ohne ſie leben
kann, iſt unſtreitig eine commune Sache im Sinne des
roͤmiſchen Rechts. Ein jeder kann ſich derſelben zu ſei-
nen Beduͤrfniſſen bedienen, keiner aber iſt faͤhig, ſie ganz
zu occupiren. Allein der Luftraum, der uͤber Eines Grund
und
[439]De diviſione rerum et qualitate.
und Boden ſi[ch] befindet, gehoͤrt dem Eigenthuͤmer des
Grundſtuͤcks; Niemand darf daher einen Theil ſeines
Gebaͤudes, einen Erker, oder Wetterdach u. dergl. ohne
des Eigenthuͤmers Erlaubniß hereinragen laſſen 17). Auch
iſt der Eigenthuͤmer berechtiget, auf ſeinen Grund und
Boden eine Windmuͤhle anzulegen, wo nicht nach aus-
druͤcklichen Landesgeſetzen oder vermoͤge Herkommens die
Erbauung neuer Muͤhlen zu den landesherrlichen Rega-
lien gerechnet wird 18). Daß auch dadurch weder des
Landesherrn noch ſonſt Jemandes wohl erworbenen Rech-
ten Abbruch geſchehen duͤrfe, verſtehet ſich von ſelbſten.
Eben ſo verhaͤlt ſich’s auch mit dem vorbeyflieſſen-
E e 4den
[440]1. Buch. 8. Tit. §. 169.
den Waſſer. Es iſt hier nicht von Fluͤſſen die Rede,
welche, als publike Sachen, unſtreitig zum Staatseigen-
thum gehoͤren; ſondern von dem Flußwaſſer an ſich be-
trachtet, in ſofern es in beſtaͤndigen Lauf iſt, und ab-
und zufließt, mithin nie immer daſſelbige iſt 19). Die-
ſes iſt ohne Zweifel res communis. Denn jeder Menſch
kann Waſſer ſchoͤpfen, ſo viel er braucht. Allein einzel-
ne Portionen von dieſem Flußwaſſer werden durch die
Occupation unſtreitig ein Eigenthum des Schoͤpfenden,
und dieſer kann damit machen, was er will. Eben ſo
kann man auch von dem Meer nur einen geringen Theil
ſich zu eigen machen, den man neben ſeinen Grundſtuͤ-
cken hat 20). Man kann auch durch Anlegung eines
Baues auf demſelben, den damit belegten Platz ſo lange
zu ſeinem Eigenthum machen, als der Bau fortdauert,
nur daß dadurch der gemeine Gebrauch des Meers nicht
gehindert werde 21). Allein der Ocean ſelbſt iſt kein
Gegenſtand einer Occupation, und kann mithin von Nie-
manden
[441]De diviſione rerum et qualitate.
manden eigenthuͤmlich erworben werden 22). Von klei-
nern Meeren und Seen iſt hier die Rede nicht, denn
dieſe koͤnnen allerdings im Eigenthum einer Nation ſeyn 23).
Endlich die Ufer des Meers anlangend, ſo iſt darun-
ter eigentlich nur derjenige Raum zu verſtehen, welcher
bey der ſtaͤrkſten Anſchwellung und Aufbrauſung des Mee-
res, beſonders zur Winterszeit, unter Waſſer geſetzt
wird 24). Dieſe dienen zwar zu eines Jeden Gebrauch,
E e 5ſo
[442]1. Buch. 8. Tit. §. 169.
ſo daß man auf dieſen anlanden und austreten, die Schif-
fe anlegen, ſie ausbeſſern, die Netze trocknen, einen Ver-
ſchlag zu einem kurzen Aufenthalt ſich daſelbſt machen
kann u. ſ. w. 25). Allein im Ganzen findet keine Occu-
pation ſtatt. Daß jedoch Theile des Seeufers zum Ei-
genthum des Staats gehoͤren, und ſo fern ſie noch von
Niemanden occupirt ſind, auch durch Anbau ein Eigen-
thum einzelner Privatperſonen werden koͤnnen, lehren uns
ſelbſt die roͤmiſchen Geſetze. So z. B. ſagt Celſus26):
Litora, in quae populus Romanus imperium habet, populi Ro-
mani eſſe arbitror; und Paulus27) nennt das Seeufer
litus publicum, mit dem Beyfuͤgen, daß wer einen Bau
auf ſolchem Ufer anlegen wolle, eine Erlaubniß auswir-
ken muͤſſe. Dahingegen ſagt Ulpian28): Quodſi quis in
mare vel in litore aedificet, licet in ſuo non aedificet, iure
tamen gentium ſuum facit; und Scaͤvola29): In litore
iure gentium aedificare licet, niſi uſus publicus impediret. Es
darf alſo nur durch Anlegung eines Baues an dem Ufer
der See der gemeine Gebrauch des Ufers nicht gehindert
werden, dann bleibt der Platz ſo lange den Anbauer,
als der Bau ſtehet. Alioquin ſagt Marcian30), aedi-
ficio dilapſo, quaſi iure poſtliminii revertitur locus in priſti-
nam
24)
[443]De diviſione rerum et qualitate.
nam cauſam, et, ſi alius in eodem loco aedificaverit, eius
fiet.
Daß uͤbrigens heutiges Tages manche Sachen, die
bey den Roͤmern fuͤr ganz herrenlos gehalten wurden, zu
den publiken Sachen gehoͤren koͤnnen, deren Occupation ſich
die Landesherrn privative anmaßen, lehrt die Erfahrung 31).
§. 170.
Welche Sachen ſind unter den Publiken zu verſtehen, und
wie vielerley ſind ſie?
Wir kommen nun auf die Sachen, die im Eigen-
thum der Menſchen ſich befinden. Dieſe ſind wieder
von verſchiedener Art.
I) Solche, die ein Eigenthum eines ganzen Volks
oder Staats ſind. Dieſe werden res publicae,publike
Sachen, Staatsguͤter32) genennt. Sie ſind entwe-
der von der Art, daß ſie blos dem Staate im Ganzen
dienen, davon aber ein oͤffentlicher und gemeiner Ge-
brauch nicht jedem Mitgliede zukommt, oder ſo beſchaf-
fen, daß ſie eines jeden Buͤrgers gemeinem Gebrauche
uͤberlaſſen ſind. Die publiken Sachen der erſtern Art
machen das Patrimonium des Staats, oder Staats-
vermoͤgen aus; die von der letztern Art aber werden
Publike Sachen in der engern Bedeutung genennt.
Zu dieſen gehoͤren oͤffentliche Fluͤße, welche einen
beſtaͤn-
[444]1. Buch. 8. Tit. §. 170.
beſtaͤndigen Lauf haben 33), und Haͤfen. Ihr Ge-
brauch ſtehet jedem Buͤrger offen. Das Eigenthum da-
von gehoͤrt dem Staate. Jeder Buͤrger kann daher
nicht nur ſolche beſchiffen und darin die Fiſcherey uͤben 34);
ſondern auch in dem Fluße einen Bau anlegen, oder
etwas darinn wegbringen, niederreißen, und fortſchaf-
fen, wenn dadurch dem gemeinen Gebrauche, dem
Staate, und Privatperſonen kein Nachtheil erwaͤchſt 35).
Daher iſt es keinem Privatmann erlaubt, zu ſeiner Be-
quemlichkeit eine Bruͤcke uͤber einen oͤffentlichen Fluß zu
ſchlagen, wodurch die Schiffahrt gehindert wird. 36).
Die Ufer der Fluͤße gehoͤren zwar eigentlich denen an-
graͤnzenden Nachbarn, jedoch muͤſſen dieſelben jedem Buͤr-
ger frey gelaſſen werden, ſo weit er es zum gemeinen
Gebrauch des Flußes noͤthig hat 37), und blos in die-
ſem Verſtande wird von ripis geſagt, daß ſie publicae
ſeyn 38). Es ſtehet daher einem Jeden frey, mit ſei-
nem Schiffe an das Ufer anzulanden, die Schiffs-Seile
an den darauf gewachſenen Baͤumen zu befeſtigen, Fi-
ſcher-Netze daſelbſt zu trocknen, oder ſonſt eine Laſt dar-
auf zu legen, mit eben dem Rechte, als auf dem Fluße
ſelbſt zu ſchiffen 39). Nur darf Niemand etwas an oder
auf
[445]De diviſione rerum et qualitate.
auf dem Ufer unternehmen, wodurch der Schiffarth, dem
gemeinen Gebrauche des Ufers, oder auch den angraͤnzen-
den Nachbarn geſchadet wird 40). Uebrigens verſtehen
die Geſetze unter dem Ufer dasjenige Land, ſo den Fluß,
ſo lange er die natuͤrliche Richtung ſeines Laufs behaͤlt,
auf beyden Seiten einſchließt, und vom Waſſer auch
bey vollem Strom nicht uͤberſchwemmt wird 41). Zu
den publiken Sachen der letztern Art gehoͤren auch die
oͤffentlichen Wege, Land- oder Heer-Straßen42),
(viae regiae, zur Zeit des Freyſtaats aber praetoriae, conſu-
lares43); denn auch bey dieſen iſt Grund und Boden
oͤffentliches Eigenthum. Viam publicam eam dicimus, ſagt
Ulpian 44), cuius etiam ſolum publicum eſt. Allein in
jedem buͤrgerlichen Staate haben oͤffentliche Straßen
allgemeinen Gebrauch 45). Sonach iſt jeder Privatmann
befugt, bey der Obrigkeit Beſchwerde zu fuͤhren, wenn
jemand etwas unternimmt, ſo dieſen Gebrauch hindert.
Von den Haupt oder Heerſtraßen (viae publicae, regiae)
unterſcheiden unſere Geſetze vias vicinales,Neben- oder
Dorfwege, und vias privatas,Privatwege, nach-
barliche oder Gunſtwege46). Denn erſtere gehoͤren
gemei-
[446]1. Buch. 8. Tit. §. 170.
gemeiniglich zum Eigenthum einer Gemeinheit, und die-
nen vorzuͤglich zum Gebrauch derſelben, ſie werden jedoch
auch in gewiſſer Betrachtung viae publicae genennt, ſofern
ſie naͤmlich gemeinen Gebrauch haben, und auf gemein-
ſchaftliche Koſten unterhalten und gebeſſert werden 47).
Zum Patrimonium des Staats oder Staatsver-
moͤgen hingegen gehoͤren die Einkuͤnfte des Staats aus
verpachteten oͤffentlichen Guͤtern und Laͤndereyen, Abgaben,
Zoͤllen und Steuern der Unterthanen, auch Einziehung
eines ganzen Vermoͤgens eines Buͤrgers, oder eines
Theils deſſelben, woraus die oͤffentlichen Abgaben des
Staats beſtritten werden. Die Roͤmer unterſchieden an-
faͤnglich zwiſchen der Caſſe des Kaiſers, Fiscus, und der-
jenigen, woruͤber er und der Senat disponirte, Aerarium
publicum oder populi48); allein ſchon zu Ulpians Zeiten
hatte dieſer Unterſchied aufgehoͤrt, nachdem die Kaiſer
alles unter ihrem Deſpotismus gezogen hatten 49). Nach
den Grundſaͤtzen des allgemeinen Staatsrechts pflegen in
Ruͤckſicht auf den Regenten dreyerley Guͤter unterſchie-
den zu werden: 1) Staatsguͤter, Reichs- oder Landſchaft-
liche Guͤter, 2) Domainen-Domanial-Kronen-Cam-
merguͤter, 3) Privatguͤter des Regenten oder Chatullguͤ-
ter. Staatsguͤter ꝛc. ſind diejenigen, welche zur Be-
ſtrei-
[447]De diviſione rerum et qualitate.
ſtreitung der oͤffentlichen Ausgaben und Steuerung der
allgemeinen Beduͤrfniſſe des Staats beſtimmt ſind. Die
Cammerguͤter ꝛc. ſind diejenigen, welche zum Unterhalt
des Regenten und ſeiner Familie gewidmet ſind. Das
Eigenthum an beyden Gattungen oͤffentlicher Guͤter kommt
ordentlicher Weiſe dem Staate zu; die buͤrgerliche Ober-
herrſchaft daruͤber aber gebuͤhrt dem Regenten, welcher
ſie den Fundamentalbeſtimmungen derſelben, den Grund-
geſetzen des Staats gemaͤß, ausuͤben muß 50). Cha-
tullguͤter des Regenten endlich ſind ſolche, welche derſel-
be nicht als Regent, ſondern als Privatperſon betrachtet,
beſitzt und in ſeinem Eigenthum hat, deren Gefaͤlle alſo
nicht in die Staatscaße fließen, ſondern woruͤber dem
Regenten die freye Verwaltung und Diſpoſition zuſte-
het 51).
Ob wir in Teutſchland oͤffentliche oder Staats-
ſachen im Sinne des ehemaligen roͤmiſchen Rechts ha-
ben? iſt eine Frage, die wenigſtens in ſo ferne mit Nein
beantwortet werden muß, als wir mit den heutigen
Staatsrechtslehrern zum Grundſatz annehmen, daß unſere
teutſche Landesherren nicht fuͤr bloſe Nutznieſer ihrer Laͤn-
der und der zu ihrem Unterhalt ausgeſetzten Guͤter, ſon-
dern fuͤr wirkliche und wahre Herren und Eigenthuͤmer
derſelben zu halten ſind, woruͤber ihnen entweder ein
domi-
[448]1. Buch. 8. Tit. §. 170.
dominium allodiale oder utile feudale zuſtehet 52).
Es folgt hieraus, daß alle Theile eines teutſchen Reichs-
landes, die nicht von andern eigenthuͤmlich beſeſſen wer-
den, dem Landesherrn eigenthuͤmlich zugehoͤren, mithin
res publicaeoͤffentliche Sachen im Sinne des teut-
ſchen Staatsrechts diejenigen zu nennen ſind, die nicht
ſowohl dem Lande oder Staate zugeeignet
werden koͤnnen, ſondern deren Eigenthum
vielmehr dem Landesherrn ſelbſt zuſtehet, und
welche theils zum Unterhalt und Gebrauch
des Landesherrn, theils zu Abhelfung ande-
rer oͤffentlicher und gemeiner Beduͤrfniſſe
des Landes beſtimmt ſind53). In Gemaͤsheit die-
ſer Grundſaͤtze gehoͤren daher heutiges Tages zum landes-
herrlichen Eigenthume
I) die Fluͤſſe und Seen mit ihren Geſtaden,
Betten, (alveus) Inſeln, und uͤbrigen Zubehoͤ-
rungen54). Der Landesherr iſt daher befugt, a) pre-
tioͤſe Sachen, welche der Fluß mit ſich fuͤhrt, z. B. koſt-
bare Steine, Goldſand u. d. m. desgleichen auch die Nu-
tzungen der Fluͤſſe, z. B. die Fiſcherey ſich zuzueignen;
b) den privat Gebrauch des Waſſers andern zur Schif-
farth,
[449]De diviſione rerum et qualitate.
farth, Anlegung einer Muͤhle 55), Haltung einer Faͤhre,
u. ſ. w. gegen eine gewiſſe Abgabe (Zinns, Waſſer-
zoll) zu uͤberlaſſen; c) fuͤr den zur Anlegung, Unter-
haltung und Beſſerung der Bruͤcken und Schleußen ge-
machten Aufwand ein verhaͤltnißmaͤſiges Bruͤcken- und
Schleuſſen-Geld zu erheben, u. ſ. m. Denen Un-
terthanen iſt hingegen der Gebrauch der Fluͤſſe nur
in ſoweit freygelaſſen, daß Jedermann Waſſer zu ſeiner
Nothdurft daraus ſchoͤpfen, und ſich deſſelben bedienen
kann.
II) Die oͤffentlichen Wege und Heerſtraſ-
ſen 56). Jedermann kann ſie zwar paßiren, allein der
Landesherr kann fuͤr den zur Anlegung, Beſſerung und
Erhaltung derſelben gemachten Aufwand ein verhaͤltniß-
maͤßiges Wege- oder Chauſſee-Geld erheben.
III) Alle oͤde Plaͤtze, Berge, Huͤgel, Thaͤ-
ler, Waldungen, Gebuͤſche u. dgl., die nicht Thei-
le und Zubehoͤrungen von privat Guͤtern ſind, mit allen
davon zu erhebenden Nutzungen, dem Rechte, den An-
bau derſelben zu verſtatten, und ſich dafuͤr den Rott- oder
Noval-Zehnten auszubedingen 57).
IV) Die
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. F f
[450]1. Buch. 8. Tit. §. 170.
IV) Die Gold- oder Silber-Bergwerke im
ganzen Lande 58). Inſonderheit gehoͤren noch zum Ei-
genthum des Landesherrn, wenigſtens in den weltlichen
Reichslanden 59),
V) diejenigen Grundſtuͤcke, welche Cammerguͤ-
ter, Domainen, Tiſch- und Tafelguͤter genennt
werden 60). Es werden darunter in eigentlicher Bedeu-
tung diejenigen landesherrlichen Guͤter verſtanden, wel-
che von einem beſondern landesherrlichen Collegium, die
Cammer genannt, oder unter deſſelben Aufſicht von ein-
zelnen Bedienten, Rendanten u. dgl. verwaltet, und aus
deren Gefaͤllen der Unterhalt des Landesherrn, und an-
dere oͤffentliche Ausgaben beſtritten werden 61)
Was uͤbrigens weder im landesherrlichen noch pri-
vat Eigenthume befindlich iſt, wird herrenlos, Ades-
pota genannt. Daß nur der Landesherr, als Eigenthuͤ-
mer des Landes, ſolche allein ſich zuzueignen, befugt ſeyn
ſollte,
[451]De diviſione rerum et qualitate.
ſollte, iſt ganz irrig 62). Adespota koͤnnen auch von
einzelnen privat Perſonen occupiret werden. Z. B. Wil-
de Thiere und Voͤgel, ſofern ſie nicht nach der beſon-
dern Verfaſſung des Landes zur Regalitaͤt der Jagd ge-
hoͤren 63). Ferner manche dieſer Sachen koͤnnen als Zu-
wachs (iure acceſſionis) Privateigenthum werden. Z. B.
gefundene Schaͤtze, ſofern ſie ein Privateigenthuͤmer auf
ſeinem Grunde und Boden [findet]64); desgleichen derelin-
quirte Sachen, welche auf einem Privateigenthume gefun-
den werden 65). Stein- und Marmorbruͤche, Steinkohlen,
Salpeter, Kreide, Salzquellen, Turff u. a. m. wenn ſolche
Sachen in Grundſtuͤcken der Privatperſonen oder Gemein-
heiten ſich befinden, gehoͤren ohnedem den Eigenthuͤmern
dieſer Grundſtuͤcke als Acceſſorien und Zubehoͤrungen der-
ſelben 66). Jedoch muß hierbey auf die innere Verfaſ-
ſung und Verſchiedenheit der teutſchen Reichsterritorien
vorzuͤglich Ruͤckſicht genommen, und dabey der Unter-
ſchied zwiſchen landesherrlichen Eigenthumsrech-
F f 2ten
[452]1. Buch. 8. Tit. §. 170. u. 171.
ten (iura patrimonialia) und fiskaliſchen Gerecht-
ſamen und Revenuͤen des Landesherrn, welche dem
Landesherrn, als Regenten, vermoͤge der Landeshoheit
zukommen, nicht auſſer Acht gelaſſen werden 67). Zu
den landesherrlichen Einkuͤnften der letztern Art gehoͤren
diejenigen Gefaͤlle, welche der Landesherr von einzelnen
Unterthanen und deren Vermoͤgen in beſtimmen Faͤllen
zu erheben befugt iſt 68). Aus dieſen beſtehet diejenige lan-
desherrliche Caſſe, welche man den landesherrlichen Fis-
kus in eigentlicher Bedeutung nennt. Beſtimmte Faͤlle
und Gerechtſame deſſelben werden zwar ſchon immer bey
Erklaͤrung der einzelnen Materien der Pandecten vorkom-
men, doch iſt der Titel (de iure fisci lib. XLIX. Tit. 14.)
eigentlich dieſer Lehre gewidmet.
§. 171.
Gemeindeſachen (res univerſitatis) Gemeindevermoͤgen (patrimo-
nium univerſitatis).
Zu den Sachen, die im Eigenthum der Menſchen
ſich befinden, gehoͤren II) Gemeindeſachen, res uni-
verſitatis69). Jede Gemeinde, ſie ſey eine kirchliche oder
weltliche, (§. 88.) hat zu ihrer Formirung einen Zweck,
der dem allgemeinen Zwecke des Staats wenigſtens nicht
entgegen wirken darf. Die Erreichung dieſes Zwecks
ver-
[453]De diviſione rerum et qualitate.
verurſacht Aufwand, z. B. ſie braucht Diener. Dieſen
Aufwand zu beſtreiten, kann ſie Guͤter und ein eigenes
Vermoͤgen erwerben 70). (§. 89. n. 1.) Die Eigenthuͤ-
mer dieſer Gemeindeguͤter ſind nicht einzelne Perſonen,
ſondern mehrere, welche die Gemeinde, d. i. eine morali-
ſche Perſon formiren 71). Das Vermoͤgen einer mora-
liſchen Perſon iſt nun in Abſicht der Beſtimmung und
des Gebrauchs oder Nutzens, welchen daſſelbe denen
Mitgliedern der Geſellſchaft gewaͤhret, von doppelter Art.
Es iſt naͤmlich entweder von der Art, daß der Gebrauch
dieſer Gemeindeguͤter jedem einzelnen Mitgliede der Ge-
ſellſchaft in den Faͤllen erlaubt iſt, in welchen das Mit-
glied nach Maasgabe des Endzwecks, wozu dieſe Guͤter
beſtimmt ſind, derſelben benoͤthiget zu ſeyn glaubt; oder
es iſt von der Art nicht, daß die einzelnen Mitglieder
der Gemeinde auf eine ſo unmittelbare und in die Au-
gen fallende Art ſolches nach ihren individuellen Beduͤrf-
niſſen nutzen und gebrauchen duͤrften, ſondern die Nu-
F f 3tzungen
[454]1. Buch. 8. Tit. §. 171.
tzungen und Gefaͤlle werden zum Beſten der ganzen Ge-
meinheit uͤberhaupt, ſofern ſie als eine iuriſtiſche Einheit
oder moraliſche Perſon betrachtet wird, verwendet. Die-
jenigen Stuͤcke des Vermoͤgens einer Gemeinheit, welche
ihrer Beſtimmung nach allen einzelnen Mitgliedern der-
ſelben nach ihren individuellen Beduͤrfniſſen zum Nutzen
und Gebrauche dienen, werden gemeine oder oͤffentliche
Sachen einer Gemeinheit,res univerſitatis im engern
Verſtande genennt; z. B. gemeine Triften, gemeine Hol-
tzungen, gemeine Brunnen, gemeine Backoͤfen, Brau-
haͤuſer, gemeine Todtenaͤcker, Kirchen und Kirchhoͤfe,
u. ſ. w. Die letztere Art des Gemeindevermoͤgens aber
macht das Patrimonium oder den Schatz der Ge-
meinheit (aerarium univerſitatis, arca communis) aus 72).
Zu dieſem gehoͤren Kapitalien, Zinſen und andere Gefaͤlle,
die eine Gemeinheit jaͤhrlich zu erheben hat, desgleichen
Aecker, Wieſen, Weinberge und andere liegende Gruͤnde.
Eine moraliſche Perſon iſt eben ſo wenig, als ein
Unmuͤndiger im Stande, ihr Vermoͤgen ſelbſt zu ver-
walten 73). Folglich muß ein Gemeinde-Vermoͤgen im-
mer Vormuͤnder haben, denn deſſelben Eigenthuͤmer wird
nie volljaͤhrig 74). Dieſe Vormuͤnder oder Verwalter der
Gemeindeguͤter bekommen nach Unterſchied der Gemeinhei-
ten verſchiedene Namen. Bey Kirchengemeinden werden
ſie Kirchenvaͤter, Kirchenpfleger, Kirchenvor-
ſteher,
[455]De diviſione rerum et qualitate.
ſteher, Gotteshaus- oder Heiligenpfleger, Kir-
chenbeſchworne, Kaſtenvoͤgte u. ſ. w. 75); bey
Stadtgemeinden aber Stadtkaͤmmerer genennt. Zwi-
ſchen dieſen Verweſern und der moraliſchen Perſon ſelbſt
tritt eben dasjenige rechtliche Verhaͤltniß mit allen da-
raus flieſſenden Folgen ein, welches zwiſchen den Vor-
munde und ſeinen Mundel obwaltet 76). Dem Staate,
oder eigentlich dem Landesherrn, der die Gemeinde octroyrt
hat, ſtehet jedoch die Obervormundſchaft zu 77). Dieſer
muß daher das wohlerworbene Vermoͤgen der Gemein-
heit ſchuͤtzen, muß daruͤber halten, daß es zweckmaͤßig
verwaltet werde; auch uͤber die Zwecke ſelbſt ſtehet ihm
die Cognition zu, und ohne ſeine Einwilligung darf nichts
F f 4unbe-
[456]1. Buch. 8. Tit. §. 171. u. 172.
unbewegliches davon veraͤuſſert werden 78). Uebrigens
wird von der Verwaltung der Gemeindeguͤter
im 8ten Titel des 50ſten Buchs der Pandecten beſon-
ders gehandelt. Zum Beſchluß bemerkt unſer Verfaſſer
noch, daß einzelne Mitglieder der Gemeinde die derſelben
gehoͤrige oͤffentliche oder gemeine Sachen (res uni-
verſitatis in ſpecie) anders nicht benutzen duͤrfen, als es
durch Vertraͤge, Gewohnheiten, und Geſetze beſtimmt iſt,
und falls es an dergleichen beſondern Beſtimmungen man-
geln ſollte, ſo muß doch wenigſtens der Gebrauch nie
dem Endzweck, wozu dieſe Gemeindeſachen beſtimmt ſind,
zuwider ſeyn, auch nicht auf eine ſolche Art geſchehen,
wodurch die uͤbrigen Mitglieder an den gewoͤhnlichen Nu-
tzen behindert werden 79).
§. 172.
Eintheilung der Sachen II) nach ihrer phyſiſchen Qua-
litaͤt.a) in koͤrperliche und unkoͤrperliche.
Die Sachen koͤnnen nun auch noch II) in Ruͤck-
ſicht ihrer phyſiſchen Qualitaͤt verſchiedentlich ein-
getheilt werden 80). Sie ſind entweder einzelne, be-
ſondere Sachen,res ſingulares, diſcretae; oder ſolche,
die aus mehrern von einander verſchiedenen und abge-
ſonderten Dingen beſtehen, welche zuſammen unter einem
collectiven Namen ein gewiſſes Ganzes ausmachen. Sa-
chen
[457]De diviſione rerum et qualitate.
chen der letztern Art werden res univerſales oder univerſi-
tas rerum genennt z. B. eine Erbſchaft, eine Bibliothek,
ein Guts-Inventarium. Von dieſen werde ich zuletzt
handeln. Zuerſt alſo von den einzelnen Sachen
(res ſingulares). Dieſe werden in den Geſetzen 81) zwar
nur in koͤrperliche und unkoͤrperliche eingetheilt, mich
duͤnkt aber, daß ſich noch eine dritte Claſſe von Sachen
annehmen lieſſe. Es giebt naͤmlich Sachen, welche in
verſchiedener Ruͤckſicht eben ſowohl koͤrperliche als unkoͤr-
perliche ſeyn koͤnnen, z. B. das Geld. Koͤrperliche
Sachen werden nun in unſern Geſetzen diejenigen ge-
nennt, welche ſich fuͤhlen und beruͤhren laſſen, (quae
tangi poſſunt) oder wie ſie Cheophilus82), in ſeiner
Paraphraſe der Inſtitutionen erklaͤrt, Sachen, die man
mit den Haͤnden beruͤhren, und mit den Augen ſehen
kann. Unkoͤrperliche Sachen hingegen werden dieje-
nigen genennt, welche von der Art nicht ſind, daß ſie
F f 5betaſtet
[458]1. Buch. 8. Tit. §. 172.
betaſtet werden koͤnnen, (quae tangi non poſſunt) oder
wie Theophilus83) ſagt, die keinen Gegenſtand des
Beruͤhrens mit den Haͤnden und des Sehens abgeben.
Ob dieſe Begriffe von den Stoikern entlehnt ſind, unter-
ſucht Meiſter84) in der unten angefuͤhrten Schrift.
Man ſagt gemeiniglich, daß die Stoiker alle ſinnliche
Empfindung auf das Gefuͤhl (tactum) zuruͤckgefuͤhret
haͤtten; allein daß dieſelben nur einen Sinn angenom-
men haben ſollten, darf man deswegen noch nicht glau-
ben. Denn Plutarch85) lehrt uns, daß die Stoiker
deren gleichfalls fuͤnf gezaͤhlet, und nur denjenigen, wel-
cher durch ein Beruͤhren mit der Hand geſchiehet, tactum
κατ εζσχην genennet haͤtten. Sie nannten daher koͤrper-
lich alles dasjenige, was mit Sinnen empfunden wer-
den kann; alles andere aber, was einer ſinnlichen Em-
pfindung unfaͤhig iſt, unkoͤrperlich86). Nicht zu laͤug-
nen iſt jedoch, daß die alten Philoſophen in der engſten
Bedeutung diejenigen Sachen koͤrperliche genennt ha-
ben,
[459]De diviſione rerum et qualitate.
ben, die man ſehen und fuͤhlen kann, und daher in die-
ſem Verſtande nur ſolide, materielle Koͤrper mit der ei-
gentlichen Benennung der Koͤrper bezeichnet haben 87).
Dieſe ſolide Koͤrper aber theilen ſie wieder ein in ein-
fache, continua, unita, ἡνωμένα, deren Theile von
Natur cohaͤriren und gleichſam uno ſpiritu zuſammen-
gehalten werden, z. E. Baͤume, Steine, u. dgl. und in
zuſammengeſetzte, compoſita. connexa, συνημμένα,
die aus mehreren kuͤnſtlich verbundenen Theilen beſtehen,
z. B. ein Haus, ein Schiff, eine Uhr 88). Die roͤmiſchen
Juriſten, aus deren Schriften unſere Pandecten ſind com-
piliret worden, ſcheinen nun vorzuͤglich dieſe letzteren Be-
griffe von den Stoikern entlehnet zu haben 89), vermuth-
lich weil ſie einſahen, daß ſolche koͤrperliche Sachen, die
keine ſolide Subſtanzen, mithin des Beruͤhrens mit den
Handen, und des Anſchauens nicht faͤhig ſind, ſondern mit
andern Sinnen, naͤmlich dem Gehoͤr oder dem Geruch
empfunden werden, auf Rechte und Verbindlichkeiten
keinen ſonderlichen Einfluß haben, und folglich in der
Rechtsgelehrſamkeit wenig, oder gar keinen Nutzen ge-
waͤhren koͤnnen 90).
Doch
[460]1. Buch. 8. Tit. §. 172.
Doch genug von den Begriffen der Alten. Unſere
heutige Juriſten 91) lehren, daß koͤrperliche Sachen,
Koͤrper,res corporales, diejenigen zu nennen ſind, von
denen man ſich ſinnliche Vorſtellungen machen kann;
unkoͤrperliche aber diejenigen, welche von der Art ſind,
daß man ſich von ihnen keine ſinnliche Vorſtellungen
machen kann. Andere 92) ſagen noch beſtimmter, koͤr-
perliche Dinge ſind die zuſammengeſetzten Subſtanzen.
Was hingegen keine Subſtanz, oder nicht aus Theilen
zuſammengeſetzt iſt, heißt eine unkoͤrperliche Sache.
Sachen der erſten Art, ſofern ſie als ein beſtimmtes
Individuum, den Gegenſtand eines Rechts ausmachen,
werden in unſern Geſetzen Species genennr 93). Unkoͤr-
perliche Sachen ſind von verſchiedener Art. Einige
ſind ihrer Natur nach ſolche. Cajus94) rechnet
dahin ea, quae in iure conſiſtunt, das heißt, wo es
auf ein Recht oder auf eine Verbindlichkeit
uͤberhaupt ankommt. Daß dieſe Worte ſo verſtan-
den werden muͤſſen, ergiebt ſich aus den von Cajus an-
gefuͤhr-
90)
[461]De diviſione rerum et qualitate.
gefuͤhrten Beyſpielen: ſicut hereditas, uſusfructus obli-
gationes quoquo modo contractae. Hereditas heißt
hier ſo viel als Erbrecht, denn in den nachfolgenden
Worten erklaͤrt es der Juriſt ſelbſt durch ius ſucceſſionis95).
Auf den Gegenſtand des Rechts und der Verbindlichkeit
kommt es hier nicht an. Der Gegenſtand eines Rechts
oder einer Verbindlichkeit kann allerdings eine koͤrperliche
Sache ſeyn, deswegen iſt aber doch das Recht ſelbſt und
die Verbindlichkeit an ſich betrachtet nichts koͤrperliches.
Cajus bemerkt dies gleichfalls in den nachfolgenden Wor-
ten. Nec ad rem pertinet, quod in hereditate res cor-
porales continentur. Nam et fructus, qui ex fun-
do percipiuntur, corporales ſunt, et id, quod ex ali-
qua obligatione nobis debetur, plerumque corporale
eſt: veluti fundus, homo, pecunia. Nam ipſum ius
ſucceſſionis, et ipſum ius utendi fruendi, et ipſum
ius obligationis incorporale eſt. Zu den unkoͤrperli-
chen Sachen der erſtern Gattung ſind auch Klagen zu
rechnen, ſofern wir ſie fuͤr Rechtsmittel, ſein Recht zu
verfolgen, nehmen. Es giebt ferner Sachen, die zwar
ihrer Natur noch koͤrperliche ſind, aber doch fuͤr unkoͤr-
perliche Sachen darum gehalten werden, weil bey
denſelben nicht ſowohl das koͤrperliche Individuum ſelbſt,
als vielmehr der Werth der Sache in Betrachtung
kommt 96). Hierher gehoͤren ſchuldige Quantitaͤten
fungibler Sachen 97), die nach Zahl, Maaß und Ge-
wicht
[462]1. Buch. 8. Tit. §. 172.
wicht beſtimmet werden, bey denen es ganz einerley iſt,
ob man dieſes Individuum, oder ein anderes von gleicher
Qualitaͤt und Quantitaͤt hat 98). Wer alſo z. B.
100 Tha-
97)
[463]De diviſione rerum et qualitate.
100 Thaler, zehen Malter Waitzen, einen Ohmen Wein,
ein Pfund Butter u. ſ. w. zu fordern hat, der fordert
eine unkoͤrperliche Sache. Denn hier kommt es nicht
auf gewiſſe beſtimmte Koͤrper oder Individuen ſondern
auf eine Quantitaͤt gleichgeltender Subſtanzen an, die
an innern Gehalt und Werth gerade ſoviel ausmachen,
als die Forderung betraͤgt 99). Ich komme auf die oben
angenommene dritte Gattung von Sachen, naͤmlich die-
jenigen, welche in verſchiedener Ruͤckſicht zugleich koͤrper-
liche und unkoͤrperliche ſeyn koͤnnen. Unſer Verfaſſer
giebt ein Beyſpiel vom Gelde. Daß das Geld bald
als Quantitaͤt, bald als corpus betrachtet werden koͤnne,
ſagen unſere Geſetze deutlich 100). Als koͤrperliche Sa-
che wird das Geld betrachtet, a) wenn man es verſiegelt
Jemanden in Verwahrung giebt 1). b) Wenn es als
vor-
98)
[464]1. Buch. 8. Tit. §. 172.
vorhandene Baarſchaft, aus einem beſtimmten Kaſten,
oder einem andern beſchriebenen Orte vermacht wird 2).
c) Wenn ſolches Jemanden blos zur Pracht oder Prah-
lerey geliehen wird 3). In den meiſten Faͤllen wird je-
doch das Geld als Quantitaͤt betrachtet, z. B. im Dar-
lehn, bey Vermaͤchtniſſen, wodurch gewiſſe Summen
uͤberhaupt legiret worden, beym Kauf, Pacht u. ſ. w. wo
daſſelbe nur in Anſehung ſeines Werths in Betrachtung
kommt. Der Unterſchied iſt uͤbrigens von großer Wich-
tigkeit. Denn wenn das Geld, als Quantitaͤt betrachtet,
den Gegenſtand einer Verbindlichkeit ausmacht, ſo iſt
ſolches eine res fungibilis, geht es daher durch Zufall
verlohren, ſo muß der Schuldner dieſen Verluſt tragen 4).
Iſt hingegen das Geld, als eine koͤrperliche Sache betrach-
tet, der Gegenſtand einer Verbindlichkeit, ſo trift der
Ungluͤcksfall den Glaͤubiger 5). Ferner, wenn in einem
letzten Willen Geld, als eine Quantitaͤt, vermacht wor-
den iſt, z. B. der Teſtirer hat Jemanden ſchlechthin
100 Rthlr. vermacht, ſo muß der Erbe die legirte Sum-
me ſchlechterdings auszahlen, wenn ſchon kein baares
Geld im Nachlaß des Teſtirers vorhanden iſt, ſondern
vorher erſt Erbſchaftsſachen zu Gelde muſſen gemacht wer-
den 6). Wenn hingegen Geld, als ein corpus, ver-
macht worden iſt, z. B. der Teſtirer hat mir diejenigen
100 Rthlr. vermacht, welche in ſeiner Chatoulle in ei-
nem verſiegelten Beutel liegen, und es findet ſich dieſes
Geld in der Chatoulle nicht, ſo iſt das Vermaͤchtniß
ohne
[465]De diviſione rerum et qualitate.
ohne Wirkung, und darf ſolches der Erbe, vorausgeſetzt,
daß das Geld ohne deſſelben Fahrlaͤßigkeit entkommen iſt,
nicht anderswoher erſetzen 7). Ein anderes Beyſpiel, wie
ein und eben dieſelbige Sache in verſchiedener Ruͤckſicht
bald als eine koͤrperliche bald als eine unkoͤrperliche be-
trachtet werden kann, giebt uns das Vermaͤchtniß
kuͤnftiger Fruͤchte. Wenn kuͤnftige Fruͤchte aus ei-
nem Grundſtuͤck vermacht worden ſind, ſo kommt alles
darauf, ob die Beſtimmung des Grundſtuͤcks blos als
eine Demonſtration beygefuͤget worden, oder ob das
Grundſtuͤck taxationis cauſa genennt worden iſt, d. i. ob
der Teſtirer durch jene Beſtimmung und Aßignation des
Grundſtuͤcks dem Legat eine Bedingung habe beyfuͤgen
wollen, dergeſtalt, daß der Legatar nur aus dieſem Gute
die Fruͤchte erhalten ſolle, wenn ſoviel, als vermacht wor-
den ſind, darauf wachſen werden. Im erſtern Fall wer-
den die vermachten Fruͤchte als Quantitaͤten betrachtet,
welche nicht zu Grunde gehen. Der Erbe iſt daher ſchul-
dig, die beſtimmte Quantitaͤt an Fruͤchten auszuliefern,
es mag auf dem angewieſenen Grundſtuͤck etwas oder
nichts gewachſen ſeyn 8). Im andern Fall hingegen wer-
den
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. G g
[466]1. Buch. 8. Tit. §. 172. u. 173.
den die vermachten Fruͤchte, als beſtimmte corpora be-
trachtet. Hat alſo das Grundſtuͤck entweder gar nichts,
oder nicht ſoviel, als aus demſelben an Fruͤchten legiret
worden iſt, eingetragen, ſo iſt der Erbe nicht mehr als
den wirklichen Ertrag zu geben verbunden. Denn hier
wird ihm nicht wegen der Quantitaͤt, ſondern wegen des
corporis taxativi die Verbindlichkeit auferlegt 9).
§. 173.
b) Eintheilung der Sachen in bewegliche und unbe-
wegliche.
Die koͤrperlichen Sachen ſind entweder bewegliche
oder unbewegliche10).
I) Sind koͤrperliche Sachen von der Art, daß ſie
ohne Vernichtung und Schaden ihren Ort veraͤndern koͤn-
nen, ſo werden ſie bewegliche Sachen, Fahrniß, fah-
rende Habe genennt. Unterſucht man den Grund, wel-
cher es macht, daß eine Sache ohne ihre Vernichtung ih-
re Stelle veraͤndern kann, ſo findet man ihn entweder in
der Sache ſelbſt, oder auſſer ihr. Im erſten Fall wer-
den die bewegliche Sachen Moventien (res ſe moventes)
genennt, in andern Fall aber bewegliche Sachen im ei-
gentlichen Verſtande. Zu jenen rechneten die Roͤmer
Scla-
[467]De diviſione rerum et qualitate.
Sclaven, und Thiere 11). Jedoch werden auch unter-
weilen in unſern Geſetzen Moventien und Mobilien
mit einander verwechſelt 12). Zu den beweglichen Sachen
im eigentlichen Verſtande gehoͤren unter andern die ſo ge-
nannten ruta caesa, deren in unſern Geſetzen zu unter-
ſchiednenmalen Erwaͤhnung geſchiehet 13). So z. B. ſagt
Pomponius14): Ruta caeſa ea ſunt, quae neque aedium ne-
que fundi ſunt. Man verſtehet darunter alles, was zum
Nutzen eines Grundſtuͤcks oder Gebaͤudes aus
der Erde gegraben, oder gehauen, oder ſonſt
angeſchaft, aber zu den beſtimmten Gebrauch
noch nicht eingerichtet, oder noch nicht ange-
G g 2wen-
[468]1. Buch. 8. Tit. §. 173.
wender worden, oder wenigſtens nicht feſtge-
macht iſt 15). Hierher rechnen die Geſetze a) den aus
der Erde gegrabenen Sand, Ton u. dgl. ferner umge-
hauene Baͤume, gehauene Steine, Marmor u. dgl. 16);
b) die aus Brettern zuſammengeſchlagene, und zur Wirth-
ſchaft beſtimmte Kornbehaͤltniſſe, ſo im Boden nicht feſt-
gemacht ſind, ſondern ſich von einem Ort zum andern
bringen laſſen 17) (granaria ſupra terram); c) Wein-
phaͤle, die zwar um eines Weinbergs willen angeſchaft,
aber noch nicht in demſelben gebracht, und in die Erde
geſteckt ſind 18); d) Dachziegel, die zwar um ein Dach
zu decken angeſchaft, aber noch nicht aufs Dach gebracht
worden ſind 19) u. ſ. m.
II) Sind koͤrperliche Sachen von der Art, daß ſie
nicht von einem Orte zum andern gebracht werden koͤn-
nen oder duͤrfen, ſo werden ſie uͤberhaupt unbewegliche
Sachen genennt. Unterſucht man aber den Grund, wa-
rum gewiſſe Sachen ihren Ort nicht nach dem Willkuͤhr
ihrer Eigenthuͤmer veraͤndern koͤnnen, ſo iſt derſelbe ent-
weder
[469]De diviſione rerum et qualitate.
weder in der Natur dieſer Sachen ſelbſt, oder auſſer
thnen in einer beſondern Vorſchrift der buͤrgerlichen Ge-
ſetze anzutreffen. Sachen der erſten Art werden von
Natur (naturaliter) unbewegliche; Sachen der letztern
Art aber geſetzlich (civiliter) unbewegliche, oder unbe-
wegliche Sachen im rechtlichen Verſtande (iuris in-
tellectu immobiles) genennt.
Sachen, die von Natur unbeweglich ſind, ſind
wieder von doppelter Art. Einmal ſolche, die ihren
Ort ganz und gar nicht veraͤndern koͤnnen, z. B. Aecker,
Wieſen, Gaͤrten, Weinberge, Waͤlder. Zum andern
ſolche, die man nicht ohne Vernichtung von ihrer Stelle
bringen kann, z. B. feſte Gebaͤude 20). Beyde Arten
unbeweglicher Sachen werden liegende Guͤter,
Grundſtuͤcke, praedia genennt. Ich bemerke hier
nur noch, daß die praedia in unſern Geſetzen in urba-
na und ruſtica eingetheilt werden. Da jedoch, wie ſchon
von andern Rechtsgelehrten 21) bemerkt worden iſt, faſt
G g 3in
[470]1. Buch. 8. Tit. §. 173.
in einer jeden Rechtsmaterie, in welcher es auf dieſe
Eintheilung ankommt, z. B. in der Lehre von Servituten,
(§. 622.) vom ſtillſchweigenden Pfandrechte eines Ver-
paͤchters und Vermiethers (§ 1087. I. et II.) ferner von
Veraͤuſſerung der Grundſtuͤcke eines Minorennen (§.1381.)
ein eigener Begrif der gedachten Eintheilung der Guͤter
zum Grunde liegt, ſo werde ich zu ſeiner Zeit, wo es
die Materie mit ſich bringen wird, den wahren Begrif
davon zu beſtimmen ſuchen. Soviel will ich hier nur
vorlaͤufig erinnern, daß die gewoͤhnliche Erklaͤrung, nach
welcher man blos in Beziehung auf den Endzweck und
Gebrauch, wozu die Grundſtuͤcke beſtimmt ſind, zu den
pr ediis urbanis diejenigen, welche zur Wohnung und
Vergnuͤgen, zu den r [...]ſt[i]cis hingegen diejenigen rechnet,
welche nicht zur Wohnung oder Vergnuͤgen, ſondern
zum Feldbau und dem damit verknuͤpften oͤkonomiſchen
Nutzen gehoͤren, faſt durchgaͤngig falſch ſey. Auch laͤſ-
ſer ſich diejenige Beſtimmung, die der gelehrte Hr. Hofr.
Hofocker22) als eine allgemeine annimmt, nach welcher
alle Gebaͤude ohne Unterſchied urbana praedia, leere Plaͤ-
tze hingegen praedia ruſt ca heißen ſollen, auſſer der Leh-
re von Servituten, in welcher dieſe Begriffe geſetzlich be-
ſtimmt ſind 23), auf andere Rechtsmaterien noch nicht ſo-
fort uͤbertragen, wie Hr. Prof. Weber ſehr einleuchtend
dargethan hat 24).
Ich
[471]De diviſione rerum et qualitate.
Ich komme nun auf die andere Hauptgattung der
unbeweglichen Sachen, die man res civiliter im-
mobiles, ſeu iuris intellectu tales nennt.
Dieſe unterſcheiden ſich von der erſtern Gattung darin,
daß ſie ſolche Sachen ſind, welche ihrer Natur nach zwar
beweglich ſind, aber nach Vorſchrift der Geſetze eben ſo
angeſehen werden, als wenn ſie unbeweglich waͤren. Un-
bewegliche Sachen dieſer Art koͤnnen wir mit Voet25)
wieder in einer zwifachen Ruͤckſicht betrachten. Sie wer-
den entweder in Anſehung einer jeden rechtlichen
Wirkung fuͤr unbeweglich gehalten, oder nur in An-
ſehung einer einzelnen beſondern rechtlichen
Wirkung. Zur Claſſe der letztern gehoͤren die mobilia
pretioſa der Pupillen und Minorennen, welche in
Ruͤckſicht des geſetzlichen Veraͤuſſerungsver-
bots denen unbeweglichen Guͤtern ſolcher Perſonen gleich
geachtet werden 26). Eben ſo behaupten auch unſere
Practiker 27) einſtimmig, daß eine anſehnliche Bibliothek,
ein complettes Waarenlager, eine Buchhandlung, Apo-
theke, wenn auch gleich die darin ſich befindende Sachen
und Waaren an ſich beweglich ſind 28), dennoch darum,
weil ſie nicht leicht und auf einmal von ihrem Orte weg-
gebracht und veraͤuſſert werden koͤnnen, den unbewegli-
chen Guͤtern wenigſtens in Ruͤckſicht der zu lei-
ſtenden Sicherheit gleichzuachten, dergeſtalt daß je-
ne eben ſo, als dieſe, von der Caution pro reconven-
tione et expenſis befreyen. Hingegen werden beweg-
G g 4liche
[472]1. Buch. 8. Tit. §. 173.
liche Sachen nach Vorſchrift der Geſetze den unbewegli-
chen vollkommen d. i. in Anſehung aller rechtlichen
Wirkungen in folgenden Faͤllen gleichgeachtet,
I) wenn eine an ſich bewegliche Sache mit einer
unbeweglichen entweder durch Wirkung der Natur, oder
einer menſchlichen Hand dergeſtalt cohaͤrirt, daß ſie ei-
nen Theil der letztern ausmacht. So z. B. werden Baͤu-
me, Pflanzen, ſofern ſie Wurzel geſchlagen, Gewaͤchſe,
Fruͤchte, die noch nicht abgebracht ſind, wegen ihres Zu-
ſammenhangs mit dem Grundſtuͤck, worauf ſie ſtehen,
fuͤr einen Theil deſſelben gehalten 29). Eine ſolche Co-
haͤſion iſt ferner vorhanden, wenn eine bewegliche Sa-
che einer unbeweglichen ſo feſt einverleibt worden iſt, daß
ſie ſich ohne Schaden des Ganzen nicht wohl trennen laͤßt.
Ein Beyſpiel enthaͤlt die L. 17. §. 3. D. de act emti et
vendit. Quae tabulae pictae pro tectorio includuntur,
itemque cruſtae marmoreae, aedium ſunt. Denn die
ſtatt der bloßen weiſſen Wand (pro tectorio) in der-
ſelben eingemauerten Gemaͤhlde, desgleichen die darin
gefaßten Marmorplatten, laſſen ſich nicht wegnehmen,
ohne die Wand zu beſchimpfen. Darum ſind ſie ein Zu-
behoͤr des Hauſes. Eben dieſe Wirkung hat jedoch die
Cohaͤſion auch in dem Fall, wenn ſich die feſtgemachte
Sachen zwar ohne Schaden abſondern laſſen, allein die
Befeſtigung derſelben zum beſtaͤndigen Gebrauch eines
Grundſtuͤcks nach der eigentlichen oder Hauptbeſtimmung
deſſelben geſchehen iſt. Daher gehoͤren die Riegel und
Schloͤſſer an den Thuͤren, die Ziegel auf dem Dache,
die eingemauerten Keſſel auf dem Herd in der Kuͤche, ſo-
fern ſie blos zum oͤkonomiſchen Gebrauch des Hauſes ein-
gemauert
[473]De diviſione rerum et qualitate.
gemauert ſind 30), die im Boden feſtgemachte und zum
wirthſchaftlichen Gebrauch des Grundſtuͤcks dienende Korn-
behaͤlter 31), (granaria, quorum ſtipites in terra defoſ-
ſi ſunt) ferner die in einem Weinlager oder Weinkeller
befeſtigten groͤßern Weinfaͤſſer 32), (dolia in horreis de-
foſſa) die in einem Weinberge befeſtigte Kelter 33), u. ſ. m.
zu dem Grundſtuͤck, in welchem dieſe Dinge befeſtiget
ſind. Die Geſetze nennen dieſe Art von Pertinenzien
fixavincta:34) und unſere Herren Practiker formi-
ren ſich daraus die Regel: Alles was Erd-Wand-
Band-Mauer-Nied- und Nagelfeſt, in einem Grund-
ſtuͤck iſt, muß fuͤr ein Zubehoͤr deſſelben gehalten
werden. Daß es jedoch dieſer Regel an richtiger Be-
ſtimmung fehle, und der Richter hierdurch nicht in den
G g 5Stand
[474]1. Buch. 8. Tit. §. 173.
Stand geſetzt werde, nach feſten Grundſaͤtzen zu entſchei-
den, was Pertinenzſtuͤcke eines Gebaͤudes ſind, laͤſſet ſich
leicht beweiſen. Ich darf mich nur auf die Worte der
L. 17. princ. D de act. emti vend. berufen, wo es heißt:
multa defoſſa eſſe, neque tamen fundi aut villae ha-
beri; utputa vaſa vinaria, torcularia: quoniam haec
inſtrumenti magis ſunt, etiamſi aedificio cohaerent. De-
foſſa heißt hier was in der Erde durch Eingraben oder
Einpfaͤhlen befeſtiget iſt. Fundus begriff einen lie-
genden Grund mit oder ohne Gebaͤude. Villa war ein
Gebaͤude auf einem fundo. Torcularia ſind Wein-
preſſen oder Kelter. Sind dieſe gleich feſtgemacht, aber
nicht zum Gebrauch des Fundus, dieſer iſt z. B. kein
Weinberg, ſondern nur zur beſondern Wirthſchaft des Be-
ſitzers, (magis inſtrumenti ſunt) als Werkzeug ſeiner Hand-
thierung, ſo ſind ſie kein Pertinenz des Gebaͤudes. Daß
dieſes Geſetz von einer beſondern Nahrung verſtanden wer-
den muͤſſe, lehrt deſſen Zuſammenhaltung mit L. 21. D.
de inſtructo vel inſtrum. legat. Ein deutlicher Beweiß,
daß die kuͤnſtliche Cohaͤſion allein die feſtgemachte Sache
noch nicht gleich zu einem Theil des Ganzen mache, an
welchem ſie befeſtiget iſt, wenn nicht die Befeſti-
gung entweder zum oͤekonomiſchen Gebrauch
des Grundſtuͤcks ſelbſt, nach der beſondern
Beſtimmung deſſelben, geſchehen, oder wenn
auch die feſtgemachten Sachen nicht eben zum
oͤkonomiſchen Nutzen dienen ſollten, jedoch
ſo feſt einverleibt ſind, daß ſie ſich ohne Scha-
den des Ganzen nicht wohl trennen laſſen35).
Man
[475]De diviſione rerum et qualitate.
Man ſetze alſo, daß ein Schreiner ſein Haus verkaufte,
ſo kann der Kaͤufer die im Boden der Werkſtatt feſtge-
nagelte Hobelbank nicht verlangen 36). Eine gleiche
Beſchaffenheit hat es mit ſolchen Sachen, die dem Be-
ſitzer blos zur Pracht, Ueberfluß und Ueppigkeit dienen,
und nicht zur Vollſtaͤndigkeit des Uebrigen noͤthig ſind.
Dieſe ſind ſelbſt alsdann nicht als Zubehoͤr anzuſehen,
wenn ſie auch einigermaßen befeſtiget ſeyn ſollten. Man
glaubt die Befeſtigung ſey doch nur zu einer zeitigen Ab-
ſicht des Beſitzers geſchehen, ohne daß ſie deshalb bey
dem Gebaͤude immer bleiben ſollten. Dahin gehoͤren
feſtgemachte Spiegel, Wandblaker, Kronleuchter. Die-
ſe Ausnahme beſtaͤtigen L. 17. §. 4. D. de act. emti.
L. 245. D. de Verb. Significat. In der erſtern Stelle
heißt es: Reticuli circa columnas, plutei circa pa-
rietes, item cilicia vela aedium non ſunt. Reticuli
war das Gitterwerk zwiſchen den Saͤulen vor dem Hau-
ſe, das einen bedeckten Saͤulengang hatte, welches aus
Sennen zu beſtehen pflegte. Ein ſolcher mit Teppichen
uͤberſpannter Spaziergang vor dem Hauße hieß Hypae-
thrium L. 12. §. 20. D de inſtruct. vel inſtrum. leg.
Cilicia vela hieſſen Vorhaͤnge von wollenen Zeuge, wel-
che man vor die Thuͤren und Fenſter machte. In der
andern Stelle wird geſagt: Statuae adfixae baſibus
ſtructilibus aut tabulae religatae catenis, aut erga
parie-
[476]1. Buch. 8. Tit. §. 173.
parietem adfixae, aut ſi ſimiliter cohaerent tychni,
non ſunt aedium. Ornatus enim aedium cauſa paran-
tur, non, quo aedes perficiantur. Statuͤen, die blos zur
Zierde des Hauſes dienen, pflegen insgemein nur darum
einigermaßen befeſtiget zu werden, damit ſie nicht um-
fallen. Von Bildniſſen wird erfordert, daß ſie nur an
Kettchen oder Baͤndern haͤngen, oder an die Wand an-
gezweckt ſind. Denn anders wuͤrde es ſeyn, wenn ſie
eingemauert waͤren. Eben dies wird von Kronenleuch-
tern und Wandblakern geſagt, wenn ſie eben ſo ange-
haͤngt, oder angezweckt ſind. Alles dieſes iſt kein Per-
tinenz des Hauſes, weil es ein bloßer zum Uebrigen nicht
gehoͤriger Staat und Pracht iſt.
2) Werden auch bewegliche Sachen alsdann fuͤr un-
bewegliche im rechtlichen Verſtande gehalten, wenn ſie
nicht nur in der Abſicht angeſchaft oder gemacht worden
ſind, daß ſie einer unbeweglichen Sache zum beſtaͤndigen
Gebrauch dienen ſollen, ſondern ſich auch wirklich zu dem
Ende an dem Orte ihrer Beſtimmung befinden 37). Per-
tinenzen dieſer Art erfordern keine Cohaͤſion 38). Die
Geſetze rechnen hierher alles dasjenige, was nothwendig
bey einem Grundſtuͤck oder der Hauptſache ſeyn und blei-
ben muß, wenn es einen Gebrauch haben ſoll, und alſo
einen
[477]De diviſione rerum et qualitate.
einen Theil vom Ganzen ausmacht 39). Zum Beyſpiel
die Schluͤſſel eines Hauſes und der Zimmer, die Vorle-
ge-Schloͤſſer, (clauſtra) wenn die Thuͤre kein anderes
Schloß hat, womit ſie zugehalten werden kann 40); die
Rebpfaͤhle in einem Weinberge, ſofern ſie ſchon zu die-
ſem Zweck wirklich gebraucht worden ſind, wenn ſie auch
einige Zeit von ihrem Orte weggenommen worden, naͤm-
lich nur in der Abſicht, daß ſie wieder dahin gebracht
werden ſollen 41); die Waſſertroͤge von Bley oder Holz,
die man auch Roͤhrkaſten nennt, (caſtella plumbea42)
ferner die Deckel uͤber offenen Brunnen (opercula pute-
orum) 43); die metallenen Zapfen oder Spunde, womit
die Roͤhren auf- und zugedrehet werden koͤnnen; (Epi-
tonia) 44) die Aufſaͤtze und Figuren auf den Fontainen,
aus welchen das Waſſer ſpringt (ſigilla, columnae et
perſonae, ex quarum roſtris aqua ſalire ſolet) 45)
der Waſſereymer bey einem Ziehbrunnen (Situla) 46). So
ſind ferner die Braugefaͤße und zum Brauen noͤthige Ge-
raͤthſchaften Pertinenzien des Brauhauſes 47). Bey ei-
nem
[478]1. Buch. 8. Tit. §. 173.
nem Landgute iſt das Stroh, was zur Fuͤtterung des
Viehes, und der Miſt, der zur Duͤngung beſtimmt iſt,
ein Zubehoͤr deſſelben, und folgt beym Verkauf den Kaͤu-
fer 48). Wer hingegen ein Haus in der Stadt verkauft,
nimmt den vorraͤthigen Miſt, und ſein Stroh mit, weil
das Haus die Beſtimmung einer Ackerwirthſchaft ſeinem
Begriffe nach nicht hat 49). Das vorhandene Brenn-
und Nutzholz iſt auch bey einem Landgute nicht mit ver-
kauft 50). Man behauptet ferner, daß die Betten und
der Hausrath in einem Gaſthofe, ſofern dieſe Sachen
blos zur Gaſtwirthſchaft beſtimmt ſind, und zwar derge-
ſtalt, daß ſie beſtaͤndig bey dieſem Gaſthofe verbleiben
ſollen, als Pertinenzien deſſelben zu betrachten 51); z. B.
die Moͤbeln ſind mit der Zahl des Zimmers bezeichnet,
in welchem ſie befindlich ſind. Im Zweifel muß dieſes
jedoch ab allegante erwieſen werden 52). Ein ganzes
Regiſter ſolcher Pertinenzien hat Hommel53) geliefert;
man darf jedoch dieſes nicht fuͤr untruͤglich halten. Die
kleinere
[479]De diviſione rerum et qualitate.
kleinere Schrift des Herrn Prof. Weſtphals54) enthaͤlt
in vielem Betracht weit richtigere Grundſaͤtze. Da uͤbri-
gens die bloße Beſtimmung einer beweglichen Sache zum
beſtaͤndigen Gebrauch einer unbeweglichen noch nicht hin-
laͤnglich iſt, die erſtere zu einem Pertinenzſtuͤck der letztern
zu machen, ſofern dieſelbe ihrer Beſtimmung gemaͤß noch
nicht angewendet worden 55); ſo laͤßt ſich ſchon hieraus
urtheilen, wie irrig die Meinung derjenigen ſey 56),
welche behaupten, daß das Geld, ſo zur Anſchaffung ei-
ner unbeweglichen Sache beſtimmt iſt, fuͤr eine unbe-
wegliche Sache zu halten ſey 57).
Zuweilen kann eben dieſelbe Sache in verſchiedener
Ruͤckſicht zugleich eine bewegliche und unbewegliche ſeyn.
Ein Beyſpiel hiervon geben uns die Schiff-Muͤhlen.
Zwar iſt es unter den Rechtsgelehrten noch ſehr ſtreitig,
zu welcher Claſſe von Sachen dieſe gerechnet werden ſol-
len 58). Allein dieſer Streit laͤßt ſich dadurch am leich-
teſten beylegen, wenn wir einen Unterſchied machen, ob
Schiffs-
[480]1. Buch. 8. Tit. §. 173.
Schiffs-Muͤhlen in einem ſolchen Lande oder einem ſolchen
Orte angelegt worden ſind, wo die Erbauung derſelben
eine Sache des freyen Willkuͤhrs iſt, oder ob ſie an ſol-
chen Orten ſind angelegt worden, wo die Exſtruction der-
ſelben ein landesherrliches Regal iſt, und dieſe alſo ohne
beſondere Conceßion des Landesherrn nicht geſchehen darf.
Im erſtern Fall ſind Schiffsmuͤhlen, wie die Schiffe
ſelbſt 59), zu den beweglichen Sachen zu rechnen. Im
letztern Fall kann man ſie zu den unbeweglichen Sachen
rechnen, inſofern zugleich in der Conceßion ein gewiſſer
Ort iſt angewieſen worden, wo die Muͤhle angelegt werden
ſoll, ohne dieſe Stelle zu veraͤndern 60). Ein anderes Bey-
ſpiel geben uns die Apotheken. Dieſe, an ſich betrach-
tet, gehoͤren eigentlich nicht zu den Immobilien 61), ob-
wohl die Beſitzer derſelben, wie ich ſchon oben erinnert
habe, denen Beſitzern unbeweglicher Grundſtuͤcke in ſofern
gleich geachtet werden, daß ſie vor Gericht von Beſtellung
eines Vorſtandes wegen der Unkoſten und Wiederklage
frey ſind. Sonach gehoͤren alſo die Apotheken an ſich
eigentlich zu denjenigen Sachen, quae, wie Berger62)
ſich ganz richtig ausdruͤckt, in ſe mobiles, ſed certo re-
ſpectu ſunt immobiles. Allein haftet das Recht, eine
Apotheke zu halten, auf einem Hauſe, ſo ſind nach der
Mei-
[481]De diviſione rerum et qualitate.
Meinung des Leyſers63) die zu derſelben gehoͤrige Ge-
faͤße in Anſehung einer jeden rechtlichen Wirkung fuͤr un-
beweglich zu halten, indem man ſich in Anſehung die-
ſer auerdings auf Beſtimmung und Gebrauch beziehen
kann.
Daß uͤbrigens die Eintheilung der Sachen in be-
wegliche und unbewegliche wegen der davon abhangenden
rechtlichen Wirkungen einen ſehr großen praktiſchen Nu-
tzen habe, der ſich beſonders bey der Uebergabe, Verjaͤh-
tung, Veraͤuſſerung der Guͤter der Unmuͤndigen und Mi-
norennen, Reſtitution und Veraͤuſſerung der Dotalguͤter
einer Ehefrau, der Cautionsleiſtung u. ſ. w. aͤuſſert, wird
die Folge lehren 64).
§. 174.
In wieferne ſind unkoͤrperliche Sachen zu den beweglichen
oder unbeweglichen zu rechnen?
Unkoͤrperliche Sachen ſind eigentlich ihrer
Natur nach weder beweglich noch unbeweglich. Denn
man kann ſie nicht mit den aͤuſſerlichen Sinnen empfin-
den, ſondern nur mit dem Verſtande begreifen. Daher
werden auch Rechte und Befugniſſe, Schuldforderungen
(nomina) Klagen und uͤberhaupt unkoͤrperliche Sachen
ſowohl von beweglichen als unbeweglichen Sachen in un-
ſern Geſetzen deutlich unterſchieden, und als eine dritte
Art
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. H h
[482]1. Buch. 8. Tit. §. 174.
Art von Sachen betrachtet 65). Ein Beweiß, daß un-
ter dem Wort Mobilien in der Regel nur koͤrperliche
Sachen zu verſtehen ſind 66). Allein oft noͤthigen uns
Umſtaͤnde, die unkoͤrperlichen Sachen entweder zu den
beweglichen oder unbeweglichen zu rechnen. Dieß ge-
ſchieht, wenn das Vermoͤgen eines Menſchen in bewegli-
ches und unbewegliches eingetheilt wird, ohne die unkoͤr-
perlichen Dinge, Gerechtigkeiten, Anſpruͤche, Forderun-
gen u. dgl. davon zu unterſcheiden, und doch verſchiedene
Rechte bey den beweglichen und unbeweglichen ſtatt finden
ſollen. Eine ſolche Eintheilung machen zuweilen die Ge-
ſetze ſelbſt: z. B. ſo ſoll der Mann zwar bewegliche, aber
keine unbewegliche Dotalguͤter ſeiner Ehefrau zu veraͤuſ-
ſern befugt ſeyn. So ſind ferner in einigen Landen Ge-
ſetze vorhanden, welche bey der Erbfolge einen Unterſchied
zwiſchen beweglichen und unbeweglichen Guͤtern machen.
Z. B. nach Sachſenrecht erbt der Mann das Mobiliar-
vermoͤgen ſeiner Ehefrau, die Anverwandten hingegen
bekommen die unbeweglichen Guͤter derſelben. Zuweilen
macht ein Teſtirer eine ſolche Eintheilung ſeines Vermoͤ-
gens, und vermacht dem einem ſeinen Mobiliar-einem
andern aber den Immobiliar-Nachlaß. Nicht ſelten bringt
es auch ein Vertrag und der Wille der Paciscenten mit
ſich, daß man die unkoͤrperliche Sachen mit unter die
beweglichen und unbeweglichen begreife. Z. B. es ver-
pfaͤndet
[483]De diviſione rerum et qualitate.
pfaͤndet mir Jemand ſein geſammtes Vermoͤgen, beweg-
und unbewegliches, ſo muß eine ſolche Verpfaͤndung, ſo
ſehr auch andere dawider ſtreiten, auf ausſtehende Capi-
talien und Forderungen des Schuldners nach der vermu-
theten Abſicht der Contrahenten allerdings ausgedehnet
werden 67). Ein anderes wuͤrde freylich zu behaupten
ſeyn, wenn der Schuldner nur bloß ſeine bewegliche Guͤ-
ter verpfaͤndet haͤtte, ohne dabey zugleich des geſammten
Vermoͤgens Erwaͤhnung zu thun 68). Wenn nun alſo
eine dergleichen Nothwendigkeit vorhanden iſt, daß man
unkoͤrperliche Sachen entweder zu den beweglichen oder
zu den unbeweglichen rechnen muß, ſo haben entweder
ſchon die Geſetze ſelbſt in einem gegebenen Fall beſtimmt,
in welcher Ruͤckſicht und Maaße ſolche Sachen entweder
unter die eine oder die andere Claſſe gerechnet werden
ſollen, oder nicht. Im erſten Fall dient die geſetzliche
Vorſchrift zur Entſcheidung, und die Sache iſt auſſer
Streit. So zum Beyſpiel werden Servituten und an-
dere dingliche Rechte, wenn von einer acquiſitiven Ver-
jaͤhrung derſelben die Rede iſt, den unbeweglichen Sa-
chen gleichgeachtet 69). Dahingegen in anderer Ruͤckſicht
H h 2z. B.
[484]1. Buch. 8. Tit. §. 174.
z. B. wenn die Frage entſtehet, ob ein Uſufructuar in
dem Fall, da ihn ein anderer aus der Nutznießung mit
Gewalt verdraͤngt hat, ſich des Interdicts unde vi be-
dienen koͤnne? die Geſetze einen ſehr genauen Unter-
ſchied machen, ob ihm das Nutzungsrecht an einer beweg-
lichen oder unbeweglichen Sache zuſtehet? Conſequen-
ter dicemus ad res mobiles hoc Interdictum non per-
tinere, ſi quis uti frui prohibitus eſt re mobili, ſagt
Ulpian70). Im letztern Fall ſind folgende Regeln zu
bemerken 71).
a) Wenn eine unkoͤrperliche Sache als Zu-
behoͤr einer koͤrperlichen anzuſehen iſt, ſo be-
kommt ſie die Eigenſchaft derſelben, daß ſie
entweder fuͤr beweglich oder fuͤr unbeweglich
gehalten wird. Nam acceſſorium ſequitur ſuum
principale. Wenn demnach Rechte und Gerechtigkeiten
auf einem Grundſtuͤcke ruhen, mithin ein Zubehoͤr deſ-
ſelben ausmachen, z. B. praͤdial Servituten, oder das
auf einem Hauſe ruhende Apotheken-Kramladen-Gaſt-
wirthſchafts-Recht u. ſ. m. ſo werden dieſelben zu den un-
beweglichen Sachen mitgerechnet, und gehen mit dem
Grundſtuͤcke auf einen jeden Beſitzer uͤber 72). Wenn
im Gegentheil Rechte mit einer beweglichen Sache ver-
bunden ſind, ſo gehoͤren ſie zu den beweglichen Sachen 73).
b) Wenn
[485]De diviſione rerum et qualitate.
b) Wenn Rechte, Anſpruͤche und Forde-
rungen unbewegliche Sachen zum Gegen-
ſtande haben, ſo werden dieſelben ebenfalls
zu den unbeweglichen Guͤtern gerechnet; ha-
ben ſie aber bewegliche Sachen zum Gegen-
ſtande, ſo werden ſie unter dieſe Claſſe be-
griffen74). So z. B. wird die Eigenthumsklage in
Anſehung einer beweglichen Sache zu den beweglichen,
in Anſehung einer unbeweglichen Sache aber zu den
unbeweglichen Vermoͤgen gerechnet. Der Grund hier-
von iſt die Regel des buͤrgerlichen Rechts: Is qui actio-
nem habet ad rem recuperandam, ipſam rem habere videtur75).
H h 3Das
[486]1. Buch. 8. Tit. §. 174.
Das heißt, wer ein unſtreitig Recht hat, eine in der
Hand eines andern befindliche Sache als die ſeinige ab-
zufordern, iſt ſo gut vollſtaͤndiger Eigenthuͤmer, wie der,
welcher das Seinige ſelbſt in Haͤnden hat. Alle per-
ſoͤnliche Klagen hingegen, wenn ſie auch die Erlan-
gung einer unbeweglichen Sache zur Abſicht haben ſoll-
ten, werden zu den beweglichen Sachen gerechnet 76).
Denn dieſe haben eine perſoͤnliche Verbindlichkeit zum
Grund 77). Paul Voet ſagt a. a. O. 78). Ratio de-
ſumta eſt a perſona, quae ſtabilis non eſt, et facile
domicilium transfert: ut cum actio perſonalis oſſibus
perſonae adhaereat [,] ibi eſſe intelligatur, ubi perſona
ſedem et larem fixit ſuarum fortuuarum. Quae cum
variet quandoque, etiam actio ſitum mutabit. Daher
ſind auch ausgeliehene Capitalien der Regel nach
als bewegliche Guͤter anzuſehen 79), wenn gleich zu deren
Sicher-
75)
[487]De diviſione rerum et qualitate.
Sicherheit eine Hypothek ſollte conſtituiret worden ſeyn 80).
Denn es kommt hier blos auf den Gegenſtand meiner
Forderung an. Dieſer macht die Hauptſache aus. Die
Hypothek iſt nur etwas acceſſoriſches. In Anſehung per-
ſoͤnlicher Dienſtbarkeiten z. B. Nutzungsrecht
kommt es darauf an, ob ſolche auf einer beweglichen
oder unbeweglichen Sache zuſtehen 81). Dieſe Frage
entſcheidet ſich von ſelbſt. Ob aber das Recht, ge-
wiſſe jaͤhrliche Renten zu erheben, zu den be-
weglichen oder unbeweglichen Guͤtern gehoͤre? iſt ſtreitig.
Die verſchiedenen Meinungen erzaͤhlen die beyde Voete82)
ſehr ausfuͤhrlich. Ihre eigene Meinung iſt unſtreitig
die richtigſte. Sie machen naͤmlich einen Unterſchied
in er reditus reales, welche auf unbewegliche Guͤter ge-
legt ſind, und vermoͤge darauf haftenden dinglichen Rechts
von jedem Beſitzer derſelben alljaͤhrlich entrichtet werden
muͤſſen, und reditus perſonales, (Leibzinſen) welche eine
Perſon ohne Ruͤckſicht unbeweglicher Guͤter jaͤhrlich zu be-
zahlen ſchuldig iſt. Renten der letztern Art, die nur in
einer perſoͤnlichen Verbindlichkeit des Schuldners ihren
Grund haben, gehoͤren unſtreitig zu den beweglichen Guͤ-
tern. Allein wenn von reditibus realibus die Frage iſt,
ſo iſt wieder zwiſchen verfallenen (betagten) Zinſen,
die dem Zinsherrn ſchon haͤtten bezahlet werden ſollen, aber
zur Zeit noch ruͤckſtaͤndig ſind, (reditus, quorum dies
H h 4iam
[488]1. Buch. 8. Tit. §. 174.
iam ceſſit) und dem Rechte ſelbſt, vermoͤge deſſen
man aus einer unbeweglichen Sache alljaͤhrlich gewiſſe
Einkuͤnfte und Renten ziehen kann, zu unterſcheiden. Letz-
teres iſt zu den Immobilien zu rechnen 83). Erſtere aber
gehoͤren zum Mobiliarvermoͤgen 84). Aus eben dieſen
Grundſaͤtzen iſt auch die Frage zu entſcheiden, zu welcher
Claſſe von Guͤtern die Erbegelder gehoͤren? Es kommt
zufoͤrderſt darauf an, was man unter Erbgelde verſte-
het 85). Da dieſer Gegenſtand blos teutſchen Rechts
iſt, ſo muß der Begriff auch aus Vergleichung der teut-
ſchen Geſetze abſtrahirt werden. Die teutſchen Statuten 86)
ſtimmen nun darin mit einander uͤberein, daß man ſich
darunter dasjenige Geld vorſtellen muͤſſe, was ein
Erbe, dem in der Erbſonderung die Grund-
ſtuͤcke des Verſtorbenen fuͤr einen gewiſſen
Preiß ſind uͤberlaſſen worden, oder haben
uͤberlaſſen werden muͤſſen, dem andern Mit-
erben
[489]De diviſione rerum et qualitate.
erben wegen ſeines Antheils herauszuzahlen
hat, der ſeine Erbportion auf dieſen Grund-
ſtuͤcken ſtehen laſſen, und dem ſchuldenden
Erben wegen der Bezahlung Friſt gegeben87).
Das Unterſcheidende einer ſolchen Schuld von andern
Geldſchulden zeigt ſich in Folgenden.
1) Glaͤubiger und Schuldner ſind beyde Miterben;
ob ſie geſetzliche oder Teſtaments-Erben ſind? iſt wenig-
ſtens nach heutigen Rechten gleichviel.
2) Die cauſa debendi dieſer Schuld beſtehet da-
rin, daß in der Erbtheilung dem einen Erben, welcher
Schuldner iſt, dasjenige Grundſtuͤck fuͤr einen gewiſſen
Preiß iſt uͤberlaſſen worden, woraus derſelbe dem andern
Miterben ſeinen Antheil mit Gelde herauszuzahlen hat.
3) Die Sache, welche in der Erbſonderung dem
Schuldner des Erbgeldes iſt uͤberlaſſen worden, muß
ſchlechterdings ein unbeweglich Gut ſeyn 88).
4) Daſſelbe muß dem Miterben wirklich uͤberge-
ben worden ſeyn. Eine gerichtliche Auflaſſung iſt nur
in den Landen noͤthig, wo dergleichen zur Erwerbung
des Eigenthums bey Grundſtuͤcken erfordert wird.
H h 55) Es
[490]1. Buch. 8. Tit. §. 174.
5) Es muß eine Zahlungsfriſt beſtimmt ſeyn.
Insgemein pflegt particular Zahlung verabreder zu wer-
den, dergeſtalt, daß das Erbgeld in gewiſſen Termi-
nen bezahlt werden ſoll. Allein nothwendig iſt es nicht.
Noch weniger brauchen dieſe Termine gerade Jahres-
friſten zu ſeyn. Ein Zahlungstermin aber muß des,
wegen beſtimmt ſeyn, damit man ſiehet, daß der Glaͤu-
biger dem ſchuldenden Miterben ſeinen Erbtheil credi-
tirt habe, weil ſonſt letzterer das Eigenthum der ihm
uͤberlaſſenen Erbgrundſtuͤcke ehender nicht erlangen wuͤr-
de 89), als bis er den erſtern ſeines Erbtheils wegen
befriediget haͤtte. Ohne eine ſolche Friſt wuͤrde der
Miterbe, welcher jetzt der Glaͤubiger iſt, ſeinen Antheil
an den unbeweglichen Grundſtuͤcken des Erblaſſers, als
Miteigenthuͤmer, fordern koͤnnen 90). Dieſes voraus-
geſetzt, ſo wird nun die Frage, ob das Erbgeld zu den
beweglichen oder unbeweglichen Guͤtern desjenigen, der
ſolches zu fordern hat, gehoͤre, in den teutſchen Sta-
tuten folgendermaſſen entſchieden. So lange daſſelbe
noch unbetagt iſt, (ſi dies nondum venit) wird es
als unbeweglich Gut angeſehen, weil es auf unbeweg-
lichen Guͤtern haftet, und daraus bezahlet werden muß.
Dieſer Grund wird in den oben angefuͤhrten Geſetzen
ſelbſt gefunden, jedoch nimmt Herr Geh. Juſtitz-Rath
Walch91) noch einen andern Grund aus dem ſtill-
ſchweigenden Miteigenthum her, welches nach teutſchen
Rechten, auch noch nach geſchehener Erbſonderung in
Anſehung der dem einen Miterben uͤberlaſſenen Grund-
ſtuͤcke
[491]De diviſione rerum et qualitate.
ſtuͤcke denen uͤbrigen verblieb, und von wichtigen recht-
lichen Folgen war. Das betagte Erbgeld hingegen
wird zu den Mobiliarvermoͤgen des Glaͤubigers gerech-
net 92). Iſt uͤbrigens das Erbgrundſtuͤck, aus welchem
das Erbgeld gefordert wird, noch in der Guͤtermaſſe
des verſchuldeten Erbens vorhanden, ſo genießt das
Erbgeld nach heutigen teutſchen Rechten im Concurs ei-
nen groſſen Vorzug, wovon ich kuͤnftig (§. 1818. n. 5.)
ein mehreres ſagen werde.
c) Im Zweifel iſt eine unkoͤrperliche Sache zu
den beweglichen zu rechnen 93). Z. B. Tagezeitgelder,
die man von einem verkauften Gute zu fordern hat 94).
§. 175 a.
Univerſitas rerum 1) iuris 2) facti.
Den einzelnen oder beſondern Sachen, (§. 172.)
von welchen wir bisher gehandelt haben, ſind die res uni-
versales oder universitas rerum entgegengeſetzt.
Man verſtehet darunter einen Inbegrif mehrerer
einzelner Sachen unter einem gemeinſchaft-
lichen Namen, die zuſammen ein Ganzes aus-
machen95). Eine ſolche Univerſitas von Sachen beſte-
het
[492]1. Buch. 8. Tit. §. 175 a.
het nun entweder in einem ganzen Vermoͤgen, und be-
greift daher Sachen von verſchiedener Art unter ſich,
welche die Geſetze ſelbſt fuͤr ein gewiſſes Ganzes erklaͤrt
haben; oder nicht, ſondern die mehrern einzelnen Sa-
chen, welche die Univerſitas ausmachen, gehoͤren zu ei-
ner gemeinſchaftlichen Gattung. Eine Univerſitas der
erſtern Art heißt univerſitas iuris96), die der andern
Art aber univerſitas facti ſ. hominis. Univerſitates iuris
ſind z. B. eine Erbſchaft, ferner das peculium der
Kinder, die noch unter der vaͤterlichen Gewalt ſtehen
u. d. Univerſitates facti hingegen ſind z. B. eine Heerde
Vieh, eine Bibliothek, eine Apothecke, ein Kramladen
u. ſ. m. Der Unterſchied beſtehet uͤbrigens darin, eine
univerſitas iuris kann auch unkoͤrperliche Sachen, nem-
lich Rechte, Gerechtigkeiten, Anſpruͤche, und Activfor-
derungen in ſich begreifen. Es ſoll ferner bey einer ſol-
chen Rechtsuniverſitas die Regel gelten: res ſuccedit in
locum pretii, et pretium in locum rei97); oder welches
eben ſo viel iſt: in univerſitatibus iuris ſurrogatum
ſapit naturam ſurrogati98). Das heiſt, wenn mit dem
Gelde, ſo zu einer univerſitas iuris gehoͤrt, eine Sache
erkauft wird, ſo gehoͤrt dieſelbe ebenfalls zur univerſitas,
und hat nicht nur die Rechte derſelben, ſondern gehoͤrt
auch
95)
[493]De diviſione rerum et qualitate.
auch dem zu, der an dem Ganzen Anſpruch macht.
Wenn ferner eine Sache veraͤuſſert wird, die zu einer
ſolchen univerſitate iuris gehoͤrt, ſo tritt der Kaufſchil-
ling an die Stelle der verkauften Sache, und wird ein
Theil vom Ganzen. Bey der hereditatis petitione iſt
dieſe Regel vermoͤge des Juventianiſchen Senatus-
conſultum von beſonderer Wichtigkeit 99). Denn in
dieſem iſt unter andern enthalten: item placere, a qui-
bus hereditas petita fuiſſet, ſi adverſus eos iudicatum eſſet,
pretia, quae ad eos rerum ex hereditate venditarum perve-
niſſent, etſi eae ante petitam hereditatem deperiſſent, demi-
nutaeve fuiſſent, reſtituere debere100). Auch bey der Ab-
lieferung eines Fideicommißes, wie Papinian1) beſtaͤt-
tiget: Cum autem rogatus: Quidquid ex hereditate ſu-
pererit, poſt mortem ſuam reſtituere, de pretio rerum ven-
ditarum alias comparat, deminuiſſe, quae vendidit,
non videtur. Wie dieſe Regel bey dem Peculium der
Kinder zur Anwendung komme, iſt ſchon an einem andern
Orte dieſes Commentars (§. 136. S. 215.) geſagt worden.
Daß ſie jedoch vermoͤge der extenſiven Erklaͤrung der roͤ-
miſchen Rechtsgelehrten bey allen univerſitatibus iuris
ſtatt finden ſolle, ſagt Ulpian2) deutlich: non ſolum au-
tem in hereditate utimur Senatusconſulto, ſed et in peculio
caſtrenſi, vel alia univerſitate (ſc. iuris), alſo auch, wenn
von dem ganzen Vermoͤgen eines Menſchen, welches kein
peculium iſt, (patrimonium hominis ſui iuris) desgleichen
von
[494]1. Buch. 8. Tit. §. 175 a.
von dem ganzen Vermoͤgen einer univerſellen Societaͤt 3)
die Rede iſt. Ganz anders verhaͤlt ſich die Sache bey den
univerſitatibus hominis4). Z. B. Wenn Waaren aus
einem verhypothecirten Laden verkauft werden, ſo tritt das
daraus geloͤßte Geld nicht an deren Stelle. Der Glaͤubiget
kann mithin ſein hypothekariſches Recht auf ſolches nicht
ausdehnen. Denn in dieſem Fall erſtreckt ſich die Verpfaͤn-
dung blos auf diejenigen Waaren, welche zur Zeit der
Pfandklage noch auf dem Lager befindlich ſind 5). Noch
ein anderer Unterſchied zwiſchen univerſitas iuris und
facti beſtehet darinn, daß bey letzterer die zu ihr gehoͤri-
gen Stuͤcke ſowohl einzeln, als auch zuſammen unter dem
collectiven Namen der Univerſitas mit einer actione in
rem ſingulari vindicirt werden koͤnnen; allein bey einer
univerſitas iuris hat keine Vindication des Ganzen,
ſondern nur einzelner Stuͤcke derſelben ſtatt. Das Gan-
ze muß mit einer actione in rem univerſali abgefordert
werden. Hierher gehoͤrt die Stelle Julianslib. 55.
Digeſtor6). Vindicatio non, ut gregis, ita et pe-
culi-
[495]De diviſione rerum et qualitate.
culii recepta eſt, ſed res ſingulas is, cui legatum pe-
culium eſt, petet.
§. 175 b.
Eintheilung des Sachenrechts. Entwickelung der Begriffe
von ius in re und ius ad rem.
Wir kommen nun auf das Sachenrecht ſelbſt.
Daß ſelbiges Sachen zum naͤchſten Gegenſtande habe,
iſt ſchon oben (§. 163.) bemerkt worden. Nach der ge-
gemeinen Lehre der Rechtsgelehrten theilt man es in ius
in re,dingliches Recht, und ius ad rem,perſoͤn-
liches Recht, ein 7). Benennungen, die das roͤmiſche
Recht nicht kennt, obwohl die Eintheilung der Sache
nach allerdings in demſelben gegruͤnder iſt. Das roͤmi-
ſche Recht nennt ein dingliches Recht ius in rem, ein
perſoͤnliches Recht aber ius in perſonam8). Die Be-
griffe, die ſich uͤbrigens unſere Rechtsgelehrte vom ius in
re und ius ad rem, um dieſe im juriſtiſchen Sprachge-
brauche einmal aufgenommene Benennungen beyzubehal-
ten, machen, ſind ſehr verſchieden, und nur wenige in
allem Betracht richtig. Feltmann9) fuͤhrt zehen ganz
verſchiedene Definitionen davon an, und verwirft ſie alle.
Nur Schade, daß ſein eigener Begrif noch fehlerhafter
ausgefallen iſt, als die von ihm verworfenen nur immer
ſeyn
[496]1. Buch. 8. Tit. §. 175 b.
ſeyn konnten; wie Huber gezeigt 10) hat. Unter den
neuern Rechtsgelehrten ſcheinen die Begriffe des Hu-
bers11) den meiſten Beyfall gefunden zu haben. Die-
ſer ſagt: ius in re eſt facultas homini in rem competens,
ſine reſpectu ad certam perſonam.ius ad rem eſt fa-
cultas competens in aliam perſonam, ut nobis aliquid det vel
faciat12). Folgende Vorſtellungsart wird, deucht mir,
am leichteſten zu faſſen ſeyn 13). Ich habe oben (§. 163.)
geſagt: die Sachen ſeyen entweder Handlungen der Men-
ſchen, oder eigentlich ſogenannte Sachen. Es koͤnnen
alſo ſowohl menſchliche Handlungen, als eigentlich ſoge-
nannte Sachen der unmittelbare Gegenſtand eines Rechts
ſeyn. Dasjenige Recht nun, deſſen unmittelbarer Gegen-
ſtand ein factum hominis iſt, nennt man ein ius ad rem,
beſſer ius in perſonam. Ein ſolches Recht hingegen, deſ-
ſen unmittelbarer Gegenſtand eine res in ſpecie ſic dicta
iſt, wird ius in re oder ius in rem genennt. Menſchliche
Handlungen, welche Gegenſtaͤnde des iuris ad rem oder
eigentlich in perſonam ſind, koͤnnen wieder von zweyerley
Art ſeyn, entweder bloſe Handlungen, z. B. die
Arbeit eines Tageloͤhners; oder ſolche Handlungen, die
im Geben einer Sache beſtehen, z. E. wenn mir
Jemand Geld bezahlen, oder eine Sache uͤbergeben ſoll,
die ich von ihm gekauft habe. Bey den Factis der er-
ſtern
[497]De diviſione rerum et qualitate.
ſtern Art heißt die Verbindlichkeit zu denſelben obligatio
ad faciendum. Das Wort facere wird alſo hier in einem
engern Verſtande genommen. Bey den Factis der letz-
tern Art heißt ſie obligatio ad dandum. Sonach ſetzt al-
ſo alles ius in perſonam eine gewiſſe Perſon voraus, wel-
che einer andern zu einem beſtimmten Thun oder Geben
verbindlich gemacht worden iſt 14), es ſey nun dies ent-
weder durch ihre eigene, oder durch die Handlung eines
Dritten, ſofern man dieſe zu vertreten hat, oder ohne
ein beſonderes factum unmittelbar durch ein Geſetz ge-
ſchehen. Was das ius in rem betrift, ſo hat ſolches zwar
eine Sache ſelbſt, ohne alle Ruͤckſicht auf eine beſtimmte
Perſon, zum Gegenſtande; dies ſchadet indeſſen nichts,
daß nicht Folgeweiſe eine Perſon, welche naͤmlich dieſe
Sache in Beſitz hat, zu etwas, naͤmlich zur Reſtitution
oder Abtretung der Sache, verbunden ſeyn koͤnne 15).
Ja zuweilen kann jemand, ob er gleich eigentlich Beſitzer
der Sache nicht iſt, dennoch vermoͤge meines dinglichen
Rechts zufaͤllig fuͤr die Sache haften muͤſſen, naͤmlich
wenn er ſich muthwillig fuͤr den Beſitzer ausgegeben
(liti ſe obtulit), oder mit Vorſatz die Sache von abhaͤn-
den kommen laſſen, um nur meinen Anſpruch dadurch
zu nichte zu machen (dolo deſiit poſſidere) 16).
Da
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. J i
[498]1. Buch. 8. Tit. §. 176. u. 177.
Da uͤbrigens dieſe Eintheilung in ius in rem und
ius in perſonam vom Objecte hergenommen iſt, ſo
muß davon die Eintheilung in Ius reale und perſonale
wohl unterſchieden werden, die vom Subiecto, cui ius
inhaeret, hergenommen iſt. Dieſe Eintheilung liegt bey
der ſchon an einem andern Orte dieſes Commentars 17)
erlaͤuterten Eintheilung der Privilegien in Real- und Per-
ſonalprivilegien zum Grunde, und bedarf alſo hier keiner
weitern Ausfuͤhrung. Ob es nicht auſſer den angefuͤhr-
ten beyden Hauptgattungen des Sachenrechts noch meh-
rere gebe, iſt zweifelhaft. Die meiſten nehmen nur je-
ne zwey Arten des Sachenrechts an, naͤmlich dingliches
und perſoͤnliches Recht. Allein andere 18) fuͤgen
noch das Poſſeſſionsrecht nicht ohne Grund hinzu,
welches in denjenigen Rechten und Befugniſſen beſtehet,
die jemanden, der ſich im Beſitze einer Sache befindet,
um dieſes Beſitzes willen zuſtehen. Schon Frie-
ſen19) hat gezeigt, daß dieſes Ius poſſeſſionis eine ganz
eigene Gattung des Sachenrechts ausmache, die ſich we-
der unter das ius in rem noch unter das ius in perſo-
nam bringen laͤßt.
§. 176. u. 177.
Wirkungen des dinglichen und perſoͤnlichen Rechts.
Das der Unterſchied zwiſchen ius in rem und ius
in perſonam von großer Wichtigkeit ſey, wird ſich aus
den Wirkungen dieſer beyden Rechte ergeben.
I) Ein
[499]De diviſione rerum et qualitate.
I) Ein dingliches Recht haftet unmittelbar auf der
Sache ſelbſt, daher kann ich ſolches der Regel nach gegen
jeden, der mir die Sache vorenthaͤlt, oder mich ſonſt in
der Ausuͤbung meines Rechts ſtoͤhrt, verfolgen. Die
Klage heißt actio in rem, oder Vindicatio im weitlaͤuf-
tigen Verſtande. Daher ſagt Ulpian in L. 25. D. de
Obligat. et Action. Actionum genera ſunt duo: in
rem, quae dicitur vindicatio: et in perſonam, quae
condictio appellatur. In rem actio eſt, per quam rem
noſtram, quae ab alio poſſidetur, petimus: et ſem-
per adverſus eum eſt, qui rem poſſidet. Res noſtra
heißt hier nicht unſer Eigenthum, ſondern jede Sache,
an welcher uns ein dingliches Recht zuſtehet, wie es auch
unſer Hr. Verf. richtig erklaͤrt. Es giebt jedoch
a) Faͤlle, wo man ein dingliches Recht entweder
noch zur Zeit nicht, oder nicht gegen jeden dritten Beſi-
tzer der Sache, oder gar nicht gegen den dritten redli-
chen Beſitzer verfolgen kann 20). Das erſte findet ſtatt,
wenn mein dingliches Recht noch zur Zeit ruhend, das
heißt, in Anſehung meiner Perſon ohne Ausuͤbung iſt,
weil entweder ein anderer das ausſchlieſſende Recht zur
Ausuͤbung deſſelben hat, oder ſonſt ein Hinderniß vor-
waltet 21). In ſolchem Fall befinden ſich Kinder waͤh-
render vaͤterlichen Gewalt, eine Ehefrau waͤhrender Ehe,
der Eigenthuͤmer der von einem andern wiſſentlich (mala
fide) verbaueten Materialien, ſo lange das Gebaͤude ſte-
het, ne urbs ruinis deformetur, u. ſ. m. Der andere
Fall gehet auf diejenigen dinglichen Klagen, die ihrer
J i 2Natur
[500]1. Buch. 8. Tit. §. 176. u. 177.
Natur nach nicht gegen jeden Beſitzer angeſtellet werden
koͤnnen, zu dieſen gehoͤrt z. B. die Publicianiſche
Klage, die aus einem praͤtoriſchen oder praͤſumtiven Ei-
genthum gegen den erhoben wird, welcher entweder mit
gar keinem, oder doch geringern Rechte, als der Klaͤger,
die Sache beſitzt. Ferner die hereditatis petitio, die
nur gegen einen ſolchen Beſitzer der Erbſchaft angeſtellet
werden kann, der ſolche pro herede oder pro poſſeſſore
inne hat. Der dritte Fall kommt in denjenigen Gegen-
den Teutſchlands vor, in welchen die Regel angenommen
iſt: Hand muß Hand wahren, oder: wo man ſei-
nen Glauben gelaſſen hat, da muß man ihn wie-
der finden22). Nach dieſer Regel kann derjenige, wel-
cher durch einen Vertrag ſeine Sachen einem andern in
Gewahrſam gegeben, ohnerachtet er ihm das Eigenthum
dadurch nicht uͤberlaſſen hat, dennoch auf den Fall, daß
dieſer gegen des Eigenthuͤmers Abſicht dieſelben an einen
Dritten uͤberlaſſen und veraͤuſſert haben ſollte, dieſen drit-
ten Mann nicht in Anſpruch nehmen, ſondern ſich nur an
den halten, dem er getrauet hat. Sie iſt in dem alten
Saͤchſiſchen, Luͤbiſchen, Hamburgiſchen, Bremiſchen, Coͤl-
niſchen, Culmer, und mehreren ſtatutariſchen Rechten ge-
gruͤndet, und gilt bey Verſetzungen, Verleihungen, Hin-
terlegung der Sachen, gegebener Vollmacht, und in an-
dern aͤhnlichen Faͤllen. Die neuern Rechte haben jedoch
dieſe Regel auf mancherley Weiſe eingeſchraͤnkt 23), und
es
[501]De diviſione rerum et qualitate.
es kann daher heutiges Tages dieſelbe nicht weiter ge-
braucht werden, als ſofern ſie Geſetze oder Herkommen
noch wirklich beſtaͤtigen 24).
b) In den meiſten Faͤllen wird die real Klage ge-
gen den Beſitzer angeſtellt, allein in einem Fall, ſagt
Juſtinian25), kann doch auch derjenige, welcher im Be-
ſitz iſt, actione in rem klagen. Worin dieſer einige Fall
beſtehe, hat nun zwar Juſtinian nicht geſagt. Daher iſt
uͤber dieſe Stelle viel geſtritten worden 26). Da indeſ-
ſen Cheophilus in ſeiner Paraphraſe die Negatorien
klage, womit der Eigenthuͤmer, der im Beſitz der na-
tuͤrlichen Freyheit ſeines Grundſtuͤcks iſt, der von andern
ſich angemaßten Servitut widerſpricht, als den unum ca-
J i 3ſum
23)
[502]1. Buch. 8. Tit. §. 176. u. 177.
ſum angiebt, ſo kann man es dabey allerdings bewenden
laſſen 27).
II) Ein perſoͤnliches Recht hingegen gehet nur ge-
gen diejenige Perſon, die mir entweder durch eine Hand-
lung oder unmittelbar durch ein Geſetz zu einem beſtimm-
ten Thun oder Geben verbindlich gemacht worden iſt. Es
wirkt daher nur eine perſoͤnliche Klage, actio in per-
ſonam, welche auf die Erfuͤllung einer beſtimmten obli-
gatio gerichtet wird. Sehr oft geht dieſe obligatio auch
darauf, daß ein ius in rem entweder aus ihr entſtehen,
z. B. ein Servitutrecht dem Vertrage gemaͤß conſtituiret
werden, oder das dingliche Recht von der perſona obli-
gata auf den, welcher ſo lange nur ein ius in perſonam
hat, uͤbergehen, z. B. das Eigenthum des vorigen Beſi-
tzers auf den Kaͤufer uͤbertragen werden ſolle. Wenn
nun gleich Perſonalklagen nicht gegen jeden Beſitzer
angeſtellet werden koͤnnen, ſondern nur gegen die verpflich-
tete Perſon gehen, ſo leidet doch auch dieſe Regel ihre
Ausnahme. Es giebt naͤmlich Perſonalklagen, welche die
beſondere Eigenſchaft haben, daß ſie gegen jeden Beſitzer
angeſtellet werden koͤnnen. Sie werden actiones in rem
ſcriptae genennt. Dahin gehoͤren z. B. actio quod me-
tus cauſa, actio de pauperie, actio ad exhibendum.
In dem Tit. de edendo (lib. II. Tit. 13.) §. 273. werde
ich noch etwas mehreres hieruͤber ſagen. Hier merke
ich nur noch
III) corollarii loco an, daß aus allen demjenigen,
was von den Wirkungen des dinglichen und perſoͤnlichen
Rechts bisher geſagt worden iſt, ſich ſoviel ergiebt, daß
das dingliche Recht ein ſtaͤrkeres und dauerhafteres Recht,
als das perſoͤnliche, ſey.
§. 178.
[503]De diviſione rerum et qualitate.
§. 178.
Gattungen des dinglichen Rechts.
Die Frage, wie viel Gattungen des iuris
in rem anzunehmen? iſt von jeher ſowohl bey aͤl-
tern als neuern Rechtsgelehrten ſehr ſtreitig gewe-
ſen 28). Einige nehmen mit Born29) nur eine an,
naͤmlich das Eigenthum. Denn in den Geſetzen kommt
vor dominium hereditatis30), dominium ſervitutum31), do-
minium uſusfructus32). Allein dem ſey, wie ihm wolle,
ſo wird doch das Wort Eigenthum in einer ſehr un-
eigentlichen Bedeutung genommen werden muͤſſen. An-
dere nehmen deren zwey an, naͤmlich Eigenthum und
Pfandrecht. Die meiſten vier, Eigenthum, Pfandrecht,
Servitut und Erbrecht. Herr geh. Rath Nettelbladt
fuͤgt dieſen noch das Recht herrenloſe Sachen zu
J i 4occu-
[504]1. Buch. 8. Tit. §. 178.
occupiren hinzu, und nimmt ein ius in re nullius33)
an. Viele ſetzen noch die Poſſeſſion oder eigentlich
das Poſſeſſionsrecht hinzu. Noch andere dotem,
emphyteuſin, ſuperficiem. Allein es laͤßt ſich, wie
Heinrich Rellinghuſen34) ſagt, ſchon a priori bewei-
ſen, daß es nicht mehr als vier Hauptgattungen des iuris
in re gebe. Naͤmlich die Sache, woran mir ein Recht
zuſteht, iſt entweder meine eigene, oder eines andern. Iſt
erſteres, ſo entſtehet daher das Eigenthum. Iſt letz-
teres, ſo habe ich dieſes Recht entweder ſchon bey Lebzei-
ten des Eigenthuͤmers, oder erſt nach deſſelben Tode 35).
Im letztern Fall entſteht das Erbrecht. Im erſtern
Fall hingegen habe ich entweder das Recht, die fremde
Sache zu gebrauchen, oder die Sache haftet mir zur
Sicherheit einer Forderung. Erſteres heißt Servitut,
letzteres aber Pfandrecht. Hierauf laſſen ſich nun
alle andere Arten des dinglichen Rechts reduciren, nur
nicht das ius in re nullius, auch nicht das Poſſeſſions-
recht 36). Denn erſteres iſt undenkbar, und mit dem
Begriff und Wirkungen des iuris in re nicht zu verei-
nigen, da es keinen beſtimmten Gegenſtand hat. Das
daraus
[505]De diviſione rerum et qualitate.
daraus hergeleitete Ius occupandi aber iſt bald als ein
bloßer Ausfluß der natuͤrlichen Freyheit anzuſehen, bald
gehoͤrt ſolches zum Territorialeigenthum, bald zum Pri-
vateigenthum oder zu andern entweder dinglichen z. B.
Servituten, oder perſoͤnlichen Rechten eines Privat-
manns, je nachdem es entweder ius occupandi commune,
oder ius occupandi proprium publicum, oder ius occupandi
proprium privatum iſt. Was hingegegen von dem Poſ-
ſeſſionsrecht, oder, wie man ſich insgemein auszu-
druͤcken pflegt, von der Poſſeſſion zu halten ſey, wird
§. 181. lehren. Vorerſt etwas vom Beſitz uͤberhaupt,
und den mancherley Arten und Rechten deſſelben 37).
§. 179.
I) Was heißt Beſitz im roͤmiſchen Rechte?
Das Wort beſitzen,poſſidere, bedeutet eigentlich,
und im grammatiſchen Sinn genommen, ſo viel als in
ſeiner Gewalt haben. In dieſem urſpruͤnglichen
J i 5Ver-
[506]1. Buch. 8. Tit. §. 179.
Verſtande heißt alſo Beſitz, Poſſeſſio, die koͤrperliche De-
tenzion einer Sache, das iſt, die koͤrperliche Handlung,
vermoͤge welcher man eine Sache dergeſtalt in ſeiner
Gewalt hat, daß man daruͤber ungehindert ſchalten und
disponiren kann. Auch den roͤmiſchen Rechtsgelehrten
iſt dieſe Bedeutung nicht unbekannt. Dies beweißt
L. 1. pr. D. de acquir. vel amittenda poſſeſſ. Poſſeſſio
appellata eſt, ut labeo ait, a ſedibus, quaſi poſitio:
quia naturaliter tenetur ab eo, qui ei inſiſtit. Allein
im eigentlichen iuriſtiſchen Sinne heißt Beſitz
(poſſeſſio iuris civilis) die Detention einer koͤrperlichen Sa-
che, verbunden mit der Abſicht, dieſelbe fuͤr ſich zu haben
und zu behalten, jedoch verſchieden von der Proprietaͤt.
In dieſer Bedeutung des Civilrechts ſagen unſere Geſetze,
poſſeſſio ſey nicht blos corporis, ſondern auch animi38);
das iſt, die bloße Gewalt uͤber die Sache ſey zu einem
ſolchen Beſitz allein nicht hinreichend, ſondern dazu gehoͤ-
re auch der Wille, ſolche auszuuͤben, und die Abſicht, die
Sache fuͤr ſich zu behalten. Daher kann ein unmuͤndig
Kind ſo wenig als ein Sinnloſer fuͤr ſich allein einen
eigentlichen Beſitz im Sinne des Civilrechts erlangen,
licet maxime corpore ſuo rem contingant, wie Pau-
lus39) ſagt, weil ihnen Bewuſtſeyn und Willen fehlt.
Der Vormund oder Curator muß alſo dieſen Mangel
vertreten. Es waͤre denn, daß der Pupill ſchon zu den
Jahren gekommen, da er ſich ſinnliche Begriffe und Vor-
ſtellung machen koͤnnte. (Si eius aetatis ſint, ut intellectum
capiant) Unter dieſer Einſchraͤnkung nahm Paulus die
Meinung des Ofilius und Nerva an. Auf ſolche Art
unterſcheidet ſich nun der iuriſtiſche Begriff der Poſſeſſion
von
[507]De diviſione rerum et qualitate.
von jenem grammatiſchen ſehr deutlich, nach welchem
der Beſitz, da ſolcher blos in phyſiſcher Detention be-
ſtehet, nur allein corporis iſt, mithin nur einen Theil
von der poſſeſſione iuris civilis ausmacht. Allein die
Abſicht, und der Wille, die Sache zu haben, welcher,
wie Paulus40) ſagt, gleichſam dasjenige ergaͤnzt, was
dem natuͤrlichen Beſitze, bey welchen nur die koͤrperliche
Gewalt vorhanden iſt, noch fehlt, (quod deſit naturali
poſſeſſioni, id animus implet) beſtimmt den Begriff
der Poſſeſſion im Sinne des Civilrechts, und wird in
den Geſetzen affectus poſſidendi, affectio tenendi, oder auch
animi adfectus genennt 41). Jedoch ſtelle man ſich unter
dieſem animo poſſidendi nicht gerade, wie Ramos del
Manzano glaubt 42), einen adfectum domini vor, das
heißt, eine ſolche Abſicht, daß man die Sache als Eigen-
thuͤmer haben und behalten wolle. Nein, vielmehr ſagt
Ulpian43): nihil commune habet proprietas cum poſſeſſio-
ne, und die Geſetze 44) geben uns ſelbſt genug Beyſpiele
von Beſitzern, qui, licet iuſte poſſideant, non tamen
opinione domini poſſident, z. B. Pfandglaͤubiger. Gal-
vanus45) hat dies mit vieler Gelehrſamkeit erwieſen,
daß zum Beſitz kein Eigenthum, auch nicht einmal die
Abſicht, Eigenthuͤmer zu ſeyn, erfordert werde, wenn
gleich
[508]1. Buch. 8. Tit. §. 179.
gleich Harmenopulus und die griechiſchen Scholiaſten
die Stelle des Paulus in der L. 3. §. 1. D. de acquir.
vel amitt. poſſeſſ. adipiſcimur poſſeſſionem corpore et ani-
mo irrig von einem animo ſive affectu domini verſtan-
den haben. Zwar ſagt Paulus an einem andern Ort 46),
daß zuweilen das Wort poſſeſſio auch eine Proprietaͤt, ein
Eigenthum anzeige, allein das geſchiehet nur abuſive
bey privat und letzten Willensverordnungen, bey denen,
wie Marcellus47) ſagt, nicht immer die gelehrten wiſſen-
ſchaftlichen Wortbedeutungen zum Grunde zu legen ſind,
weil die Erfahrung lehrt, daß die Teſtirer zuweilen ſtatt
der eigentlichen Benennungen und Worte ungewoͤhnliche
Ausdruͤcke und Bedeutungen gebrauchen. Wie ſorgfaͤltig
aber die roͤmiſchen Juriſten die detentionem cum ammo
ſibi habendi coniunctam von der Proprietaͤt unterſchie-
den haben, ſiehet man unter andern noch beſonders aus
einer Stelle des JavolenusL. 115. D. de Verbor.
Significat. wo es heißt: Poſſeſſio ab agro iuris proprieta-
te differt. Quidquid enim adprehendimus, cuius proprietas
ad nos non pertinet, aut nec poteſt pertinere, hoc pos-
sessionem appellamus48). So waͤre alſo nun der oben
gege-
[509]De diviſione rerum et qualitate.
gegebene juriſtiſche Begriff von Beſitz auſſer allem Zwei-
fel, und ich bemerke nur noch, daß die roͤmiſchen Juri-
ſten die Poſſeſſion als eine rem facti betrachten 49), weil
die Detention ſowohl, als auch die damit verbundene Ab-
ſicht, die Sache fuͤr ſich zu behalten, beyde factiſch ſind.
Daher irren Merenda50) und Bachov51), wenn ſie
den Beſitz als ein Recht anſehen, denn wenn gleich nachher
in Anſehung der Wirkungen, welche die Geſetze dem Beſitze
beylegen, aus dem Rechte etwas hinzukommt, und daher
in dieſer Ruͤckſicht vom Papinian ſelbſt geſagt wird, daß
die poſſeſſio nicht allein corporis ſondern auch iuris ſey 52);
ſo iſt dieſes doch dem Beſitz an und fuͤr ſich nicht eigen,
ſondern es wird nur gleichſam aus dem Rechte entlehnt,
wie Papinian ſelbſt dabey anmerkt 53), und deretes54)
und cuperus55) ſehr gelehrt erlaͤutert haben. Ich wer-
de hiervon bey §. 181. noch ausfuͤhrlicher handeln. Uebri-
gens unterſcheide man vom Beſitze ſelbſt das Recht zu
beſitzen, (ius habendi rei alicuius poſſeſſionem) denn
dies kann man haben, wenn man auch noch nicht im
Beſitz iſt, oder wenn man aus ſeinem Beſitz vertrieben
worden iſt 56). Es iſt ein Theil oder natuͤrliche Folge
der meiſten dinglichen Rechte. Auch iſt das Recht des
Be-
[510]1. Buch. 8. Tit. §. 180.
Beſitzers an der innehabenden Sache von dem
Beſitz wohl zu unterſcheiden. Hierher gehoͤrt die Stelle
des Venulejuslib. I. Interdictorum57): Permisceri
cauſas poſſeſſionis et uſusfructus non oportet: quem-
admodum nec poſſeſſio et proprietas miſceri debent.
Namque (i. e. Nam neque) impediri poſſeſſionem, ſi
alius fruatur: neque alterius fructum computari, ſi
alter poſſideat. Recht und Beſitz iſt alſo immer zweyer-
ley. Daher iſt es nichts widerſprechendes, daß dem ei-
nem der Beſitz, der Nießbrauch, oder Eigenthum aber ei-
nem andern zuſtehet. Eben dies beſtaͤrkt auch Ulpian
lib. 76. ad Edictum*): Differentia inter dominium et
poſſeſſionem haec eſt, quod dominium nihilominus
eius manet, qui dominus eſſe non vult; poſſeſſio au-
tem recedit, ut quisque conſtituit nolle poſſidere.
§. 180.
Was iſt natuͤrlicher und was iſt buͤrgerlicher Beſitz
nach dem Sprachgebrauch der roͤmiſchen Rechtsgelehrten?
Der Beſitz wird nun in unſern Geſetzen in den na-
tuͤrlichen und buͤrgerlichen (poſſeſſio naturalis et
civilis) eingetheilt. Eine Eintheilung, die zwar von den
wichtigſten Folgen iſt, bey deren Erklaͤrung aber doch
die Ideen der Rechtsausleger ſo abweichend von einander
ſind, daß dieſe Lehre eine der ſchwerſten und ſubtilſten
in dem Syſtem unſers Civilrechts iſt. Wir wollen zu-
foͤrderſt nur einige unſerer vorzuͤglichſten Civiliſten hieruͤ-
ber hoͤren. Einige 58) ſehen bey Beſtimmung des Unter-
ſchieds
[511]De diviſione rerum et qualitate.
ſchiedes zwiſchen natuͤrlichen und buͤrgerlichen Be-
ſitz blos auf die Abſicht des Beſitzers, und verſtehen un-
ter dem letztern einen ſolchen Beſitz, bey welchem man
die Abſicht hat, die Sache als die ſeinige zu beſitzen;
unter dem erſtern aber denjenigen, bey welchem dieſe Ab-
ſicht nicht ſtatt findet. Nach dieſer Vorſtellungsart wird
auch einem unredlichen Beſitzer, der keinen hinlaͤngli-
chen Rechtstitel fuͤr ſich hat, ein Civilbeſitz eingeraͤumt.
Andere 59) hingegen ſchreiben dem letztern blos einen na-
tuͤrlichen Beſitz zu. Dieſe nennen einen Civilbeſitz nur
denjenigen, welcher eine Uſucapion wirken kann, und mit
der gerechten Meinung, daß man Eigenthuͤmer der Sa-
che ſey, verbunden iſt. Einen natuͤrlichen Beſitz
hingegen denjenigen, quae caret iuſto affectu aut iure do-
minii. Nach dieſer Erklaͤrung wird alſo zweyerley zu ei-
nem Civilbeſitz erfordert.
I) Daß der Beſitzer die Abſicht habe, die Sache
als die ſeinige, oder, welches einerley iſt, als Eigen-
thuͤmer zu behalten; (ut habeat animum et affectum domini
in re poſſeſſa).
II) Daß dieſe Abſicht von den Geſetzen gebilliget
ſey; (ut animus ille dominii ſit iuſtus) welches aus dem
Rechtstitel und der bona fide des Beſitzers zu beurthei-
len iſt. Der Beſitzer muß demnach a) einen Rechtstitel
fuͤr ſich haben, wodurch man ſonſt ein Eigenthum zu er-
lan-
[512]1. Buch. 8. Tit. §. 180.
erlangen pflegt (cauſam acquirendi ſ. poſſidendi) 60). Die-
ſem Rechtstitel muß aber noch b) die bona fides des Be-
ſitzers beytreten, welche in einer iuſta oder probabili opi-
nione dominii ad ſe translati beſtehet. Einen ſolchen
Civilbeſitz haͤtte alſo nur der wahre Eigenthuͤmer, und
derjenige Nichteigenthuͤmer, welcher bonae fidei poſſeſ-
ſeſſor iſt, d. i. welcher zwar eine fremde Sache beſitzt,
allein ſie aus gerechter Urſach als ſein Eigenthum anſie-
het, und ſo lange anſehen kann, als kein anderer die Sa-
che in Anſpruch genommen hat. Dieſe Vorſtellungsart
gruͤndet ſich hauptſaͤchlich auf die L. 10. Cod. de acquir.
et retinenda poſſeſſ in welcher der Kr. Conſtantin an
einen gewiſſen Maternus folgendergeſtalt reſcribirt:
Nemo ambigit, poſſeſſionis duplicem eſſe rationem, aliam,
quaeiureconſiſtit, aliam, quaecorpore. Utramque
autem ita demum eſſe legitimam, cum omnium adverſario-
rum ſilentio et taciturnitate firmatur. Interpellatione vero
et controverſia progreſſa, non poſſe eum intelligi poſſeſſorem,
qui licet (poſſeſſionem) corpore teneat; tamen ex interpoſita
conteſtatione ſuper iure poſſeſſionis vacillet ac dubitet. Man
beziehet dieſes Geſetz nicht, wie gewoͤhnlich, auf die Ein-
theilung der Poſſeßion in civilem und naturalem, ſon-
dern verſteht ſolches von den angefuͤhrten beyden Haupt-
fundamenten eines zur Verjaͤhrung erforderlichen Civil-
beſitzes, naͤmlich der koͤrperlichen Detention, und
der gerechten Meinung des Beſitzers, daß er
Eigenthuͤmer ſey, welche aus dem iuſto titulo cum
bona fide coniuncto entſteht. Von dieſen Attributen
werde daher der Civilbeſitz eine poſſeſſio legitima genennet,
quae iure conſiſtit61). Einen blos natuͤrlichen Be-
ſitz
[513]De diviſione rerum et qualitate.
ſitz haben hingegen nach dieſer Lehrart a) diejenigen,
bey welchen, wenn ſie gleich die Sache rechtmaͤſig beſitzen,
doch der animus oder affectus dominii fehlt. Dahin
gehoͤren Paͤchter, Miethsleute, Entlehner, Depoſitare,
Nutznieſer, auch Pfandglaͤubiger u. ſo m. 62)b) Be-
ſitzen auch diejenigen nur naturaliter, welche zwar ani-
mum dominii haben, bey denen aber doch dieſe Abſicht
von den Geſetzen nicht gebilliget, und daher ohne rechtli-
che Wirkung iſt; ſie moͤgen nun dieſen Beſitz entweder
mit Willen des Eigenthuͤmers, allein nicht ex cauſa iuſta
erhalten haben, wie z. B. ein Sohn die ihm vom Vater,
und eine Ehefrau die ihr vom Manne geſchenkte Sachen 63);
oder wieder Willen des Eigenthuͤmers, wie malae fidei
poſſeſſores, welche animo dominii iniuſto eine Sache
beſitzen 64).
LycklamavanNyholt65) glaubt, die poſſeſſio
naturalis ſey die Detenzion der Sache ſelbſt, man moͤge
ſie in der Abſicht eines Eigenthuͤmers, oder eines Uſu-
fructuars, oder eines Emphytevten, oder in was fuͤr einer
andern Abſicht beſitzen. Allein die civilis poſſeſſio beſtehe
in dem Rechte zu beſitzen, welches dem Eigenthuͤmer,
dem bonae fidei poſſeſſor, dem Uſufructuar und jedem
andern
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. K k
[514]1. Buch. 8. Tit. §. 180.
andern rechtmaͤſigen Beſitzer, vermoͤge ſeines an der Sa-
che habenden Rechts, zuſteht. Erſtere beſtehe alſo in fa-
cto66), die letztere in iure67).
Die Meinungen des Duaren’s68), Donell’s69),
Voers70), vanGreve71), und Weſtphals72) ſtim-
men bis auf Dauren, der unter einem Civilbeſitz
nur diejenige Poſſeßion verſtehen will, quae ſolo animo
retinetur, darinn uͤberein, daß blos ein rechtmaͤſiger Be-
ſitz, welchen man ex iuſta dominii acquirendi cauſa
erhalten, ein Civilbeſitz zu nennen ſey.
Ganz abweichend von dieſer gewoͤhnlichen Vorſtel-
lung iſt die Theorie des H. Cuper’s73) Dieſer bemerkt
zufoͤrderſt, daß die roͤmiſchen Rechtsgelehrten alles na-
tuͤrlich zu nennen pflegten, was von Natur iſt, und
mit derſelben uͤbereinſtimmt, oder was nach dem gemei-
nen Sprachgebrauche, in ſo fern derſelbe dem juriſtiſchen
entgegen geſetzt iſt, dieſe oder jene Benennung hat;
buͤrgerlich hingegen dasjenige, was vom Civilrecht her-
ruͤhrt, und mit demſelben uͤbereinſtimmt, oder in dem
Rechte
[515]De diviſione rerum et qualitate.
Rechte einen eigenen Sinn hat 74). Nach dieſem Begrif-
fen waͤre alſo natuͤrlicher Beſitz die koͤrperliche Detention
einer Sache ſelbſt, denn dieß heiße eigentlich Beſitz
nach dem gemeinen Sprachgebrauche: Civilbeſitz hinge-
gen die koͤrperliche Detention einer Sache, welche mit der
Abſicht, dieſelbe fuͤr ſich zu behalten, verbunden, jedoch
von der Proprietaͤt verſchieden iſt. Denn dieß heiße
Poſſeßion nach dem juriſtiſchen Sprachgebrauche. In
dieſer Bedeutung habe auch Paulus die Benennung
naturalis poſſeſſio in mehrern Stellen genommen 75); und
in eben dieſem Sinne werde von denjenigen, welche auf
den Namen eines andern beſitzen, z. B. von Nutznieſern,
Paͤchtern und Depoſitaren, in unſern Geſetzen geſagt,
quod naturaliter poſſideant76). So ſey endlich auch
Venulejus zu verſtehen, wenn er ſagt, daß ein Pupill
auch ohne Auctoritaͤt des Vormundes einen natuͤrlichen
Beſitz erwerben koͤnne 77). In allen dieſen Stellen ſey
poſſeſſio naturalis nichts anders als nuda rei detentio
corporalis, und werde der Poſſeßion im juriſti-
ſchen Verſtande entgegen geſetzt, welche mit einem
affectu poſſidendi verbunden iſt. Es verſtand ſich von
ſelbſt, daß natuͤrlicher Beſitz auch die phyſiſche Deten-
tion der Sache ſelbſt genannt werden mußte, in ſo fern
ſie einen Theil der Poſſeßion im juriſtiſchen Verſtande
ausmacht, quae cum animo poſſidendi coniuncta eſt.
K k 2Dieß
[516]1. Buch. 8. Tit. §. 180.
Dieß beſtaͤtige Paulus78), wenn er ſchreibt: Res mobi-
les, excepto homine79), quatenus ſub caſtodia noſtra ſint,
hactenus poſſideri, id eſt, quatenus, ſi velimus, naturalem
poſſeſſionem nanciſci poſſimus: d. i. bewegliche Sachen be-
ſitze man ſo lange auch civiliter, als man ſie phyſiſch
(naturaliter) inne hat. Eben ſo Javolenus80). Cum
heredes inſtituti ſumus, poſſeſſio, niſi natur aliter comprehenſa,
ad nos non pertinet: und endlich Marcian81): Alienare
pupillus
[517]De diviſione rerum et qualitate.
pupillus nullam rem poteſt, niſi praeſente tutore auctore, et
ne quidem poſſeſſionem, quae eſtnaturalis. Waͤre man
bey dieſen aus der Natur des Beſitzes entlehnten Begrif-
fen ſtehen geblieben, ſo waͤre der Unterſchied zwiſchen ci-
vilis und naturalis poſſeſſio gar keinen Schwierigkeiten
unterworfen. Allein nach und nach wurde dem Beſitz,
der ſeiner Natur nach blos factiſch iſt, durch die buͤr-
gerlichen Geſetze vieles Rechtliche beygemiſcht 82).
Nun wurde der Begrif der poſſeſſionis civilis theils
abgeaͤndert, theils erweitert; denn auf der einen Seite
war es nicht genug zum buͤrgerlichen Beſitz, daß man
die Abſicht habe, die Sache fuͤr ſich zu behaltem,
ſondern es durfte auch dieſe Abſicht, und uͤberhaupt
der ganze Beſitz von dem Rechte nicht verworfen ſeyn,
und auf der andern Seite war ſeitdem nicht nothwendig,
die Sache phyſiſch zu befitzen, oder den affectum poſſi-
dendi zu haben, ſondern ſchon hinreichend, daß vermoͤge
des Rechts fingirt, oder angenommen werden konnte,
man habe die Sache in ſeiner Gewalt, oder die Abſicht,
die Sache zu beſitzen. Hieraus erhellet, daß poſſeſſio
civilis in den Geſetzen nicht blos eine ſolche Detention be-
deutet, die mit der Abſicht, die Sache fuͤr ſich zu behalten,
verbunden iſt, ſondern vielmehr diejenige zu nennen ſey,
K k 3welche
81)
[518]1. Buch. 8. Tit. §. 180.
welche die Geſetze ſelbſt fuͤr eine ſolche De-
tention erklaͤren (quae in Iure talis, ſc. detentio,
eſſe ſtatuatur.) So ſagen z. B. die Geſetze, ein Sclave
koͤnne civiliter oder nach dem Civilrecht nicht beſi-
tzen 83), auch beſitze eine Ehefrau nach dem Civil-
recht die ihr von ihrem Ehemanne geſchenkte Sache
nicht 84). Dahingegen beſitze ein Herr auch ohne ſein
Wiſſen dasjenige civiliter, was der Sclave in Ruͤckſicht
des ihm von jenem verwilligten Peculium erworben hat 85).
Eben ſo werde nun auch natuͤrlicher Beſitz derjeni-
ge genennt, welchen die Geſetze affectum ſibi habendi
gleichſam entziehen, und einer bloſen Detention gleich
achten, wenn auch gleich der Beſitzer wirklich die Abſicht,
die Sache als die ſeinige zu behalten, haben ſollte. Eine
ſolche phyſiſche Detention fingiren aber die Geſetze, wenn
ſie z. B. eine Perſon fuͤr unfaͤhig erklaͤren, etwas eigenes
zu erwerben, und fuͤr ſich zu haben, wie z. E. Sclaven
und ehemals auch filiosfamilias, bey denen die Abſicht,
die im Beſitz habende Sache fuͤr ſich zu behalten, in keine
rechtliche Betrachtung kam, und bey welchen daher die
Geſetze nur einen natuͤrlichen Beſitz annehmen 86). Die
Meinung des Cupers gehet nun alſo, um ſie mit ſeinen
eigenen Worten anzufuͤhren, kuͤrzlich dahin: Naturalem
poſſeſſionem ſemper quidem notare corporalem rei deten-
tionem, ſed triplici tamen modo in hunc ſenſum adhi-
beri. Nam ſi de Poſſeſſione Civili ſermo ſit, dici na-
turalem possessionemipſam rei detentionem, quate-
nus
[519]De diviſione rerum et qualitate.
nus partem conſtituitcivilis: ſi vero univerſe agatur
de definiendo genere poſſidendi, eandem appellari,
quae vel re vera ſola conſiſtit detentione corporali, vel ea
ſola conſiſtere quacumque de cauſa in Iure cenſetur. Deni-
que civilem ſemper vocari eam, quae in Iure ſta-
tuitur eſſe detentio cum animo ſibi habendi coniuncta. Bey
dieſer ſo verſchiedenen Bedeutung des natuͤrlichen
Beſitzes muͤſſe alſo jederzeit aus dem Zuſammenhan-
ge der einzelnen Geſetzſtellen beurtheilet werden, in wel-
chem Sinne dieſe Benennung zu nehmen ſey. Die Stel-
len, in welchen die erſte und andere Bedeutung von na-
turalis poſſeſſio vorkommt, ſind ſchon vorhin angefuͤhret
worden. Es iſt alſo nur noch uͤbrig, diejenigen Geſetz-
ſtellen hinzuzufuͤgen, in welchen naturalis poſſeſſio in der
dritten Bedeutung d. i. fuͤr eine ſolche Poſſeſſion genom-
men wird, bey welcher, vermoͤge der Geſetze, blos phyſi-
ſche Detention fingiret wird. Dieſe Bedeutung komme
im folgenden Fragment des Ulpians87) vor: Stipula-
tionem,possidere mihi licere, ſpondes? an ſervus
poſſit utiliter in ſuam perſonam concipere, videamus. Sed
quamviscivili iureſervus non poſſideat, tamen ad
possessionem naturalemhoc referendum eſt: et ideo
dubitari non oportet, quin et ſervus recte itaſtipuletur. Eben
ſo werde Poſſeſſio Naturalis beym Javolen88) genom-
men, welcher auch von Sclaven ſagt: Peculium, quod
ſervusciviliterquidem poſſidere non poſſet, ſednatu-
ralitertenet, dominuscrediturpoſſidere. In eben
dem Sinne nehme ferner Julian die Naturalis Poſſeſ-
ſio, wenn er ſchreibt 89): Filium quoque donatam rem a
patre
[520]1. Buch. 8. Tit. §. 180.
patre pro herede negavit uſucapereservivs, ſcilicet qui exi-
ſtimabat,naturalem possessionempenes eum fuiſſe
vivo patre. Denn wenn auch der filiusfamilias, ſo wie
in den vorhergehenden Geſetzen der Sclave, den ani-
mum ſibi tenendi in der That gehabt haͤtte, ſo konnten
doch die Geſetze dieſem animo die rechtlichen Wirkungen
nicht beylegen, quia filiusfamilias neque retinere, neque re-
cuperare, neque adipiſci poſſeſſionem rei peculiaris videtur,
wie Maͤcian ſagt 90). Endlich duͤrfe auch Poſſeſſio Na-
turalis in folgender Stelle des Ulpians91) nicht anders
verſtanden werden, wenn dieſer ſagt: Deiicitur is, qui
poſſidet, ſiveciviliterſivenaturaliterpoſſideat;
nam etnaturalis possessioad hoc Interdictum perti-
net. — Denique et ſi (id eſt certe et ſane92)maritus uxo-
ri donavit, eaque deiecta ſit, poterit Interdicto uti: non ta-
men, ſi colonus.Ulpian handelt in dieſer Stelle von
dem Interdicto de vi quotidiana, wie Cujaz93) ge-
zeigt hat. Zu dieſem Interdict wird aber niemand ad-
mittirt, qui non ſibi poſſideat, ſed alteri94). Daher
kann ein Paͤchter ſich des Interdicts nicht bedienen.
Wohl aber eine Ehefrau, wenn ſie aus dem Beſitze einer
ihr
[521]De diviſione rerum et qualitate.
ihr von ihrem Ehemanne geſchenkten Sache iſt geſetzt
worden. Zwar hat die letztere auch nur einen natuͤr-
lichen Beſitz. Aber ſie beſitzt doch die ihr geſchenkte
Sache wenigſtens als die ihrige, wenn gleich das Recht
dieſen animum poſſidendi nicht anerkennt, ſondern ver-
wirft. Allein ein Paͤchter beſitzt die gepachtete Sache
blos auf dem Namen ſeines Verpaͤchters. Der Juriſt
wollte alſo ſo viel ſagen: Ea quidem poſſeſſio ad hoc
Interdictum pertinet, in qua Ius animum poſſiden-
di non curat, quam Ius infirmat, atque idcirco Na-
turalem vocat: ſed non ea, quae re vera corpore
ſolo conſtat, et alteri tenetur, licet et haec alibi
Naturalis Poſſeſſio vocetur95). Nun werden auch noch
verſchiedene Geſetzſtellen angefuͤhrt, in welchen die Na-
turalis Poſſeſſio in ſo generellem Verſtande von den roͤm.
Rechtsgelehrten genommen wird, daß darunter ſowohl
derjenige Beſitz, der wirklich nur in einer blos phyſi-
ſchen Detention der Sache beſtehet, als bey welchem,
vermoͤge der Geſetze, blos phyſiſche Detention fingiret
wird, verſtanden werden kann. Dahin gehoͤrt erſtlich
das Fragment des Ulpians96), welcher von der actione
ad exhibendum ſagt: Sciendum eſt, adverſus poſſeſſo-
rem hac actione agendum, non ſolum eum, quicivili-
ter, ſed et eum, quinaturaliterincumbat poſſeſſio-
ni. Dann zweytens das Fragment des Julians97):
Quod vulgo reſpondetur,cauſam poſſeſſionis ne-
minem ſibi mutare poſſe, ſic accipiendum eſt,
ut poſſeſſio non ſolumcivilis, ſed etiamnaturalis
intelli-
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. L l
[522]1. Buch. 8. Tit. §. 180.
intelligatur. Et propterea reſponſum eſt, neque colonum,
neque eum, apud quem res depoſita, vel cui commodata eſt,
lucri faciendi cauſa pro herede uſucapere poſſe. Filium quoque
donatam rem a patre pro herede negavit uſucapereservius:
ſcilicet qui exiſtimabat naturalem poſſeſſionem penes eum
fuiſſe, vivo patre. Die Beyſpiele, die hier der Rechts-
gelehrte zur Erlaͤuterung der Regel giebt, daß Nie-
mand ſich die Art ſeines Beſitzes zu eines an-
dern Nachtheil aͤndern, mithin, weder einen blos
natuͤrlichen Beſitz in einen buͤrgerlichen verwandeln, noch
einen andern Rechtstitel, als mit welchem er bisher
die Sache beſeſſen, fuͤr ſich einſeitig annehmen koͤnne,
geben deutlich zu erkennen, daß Poſſeſſio Naturalis hier
in jener allgemeinen Bedeutung genommen werde. Uebri-
gens wender Cuper gegen die gewoͤhnliche Idee, nach
welcher unter Poſſeſſio Civilis nur ein ſolcher Beſitz ver-
ſtanden werden will, der zur Uſucapion genuͤgt, und auf
einem rechtmaͤſigen Titel gegruͤndet iſt, hauptſaͤchlich
dreyerley ein.
I) Daß die L. 10. C. de acquir. et retin. poſſeſſ.
welche insgemein zu Unterſtuͤtzung jener Meynung ange-
fuͤhrt zu werden pflegt, nicht von den Attributen der
Poſſeſſion, ſondern vielmehr von den verſchiedenen Ge-
genſtaͤnden des Beſitzes, die freylich koͤrperlich und
unkoͤrperlich ſeyn koͤnnen, zu verſtehen ſey. Der Sinn
des Geſetzes ſey naͤmlich dieſer: Duplex eſt ratio poſ-
ſeſſionis, alia quae inbaeret in Iure, alia quae in Cor-
pore98), ſive, alia, quae verſatur circa Ius, alia, quae
circa
[523]De diviſione rerum et qualitate.
circa Corpus: utraque autem ita demum eſt legitima,
cum omnium adverſariorum ſilentio et taciturnitate
(per decem aut viginti annos) firmatur99).
II. Daß zu der Beſtimmung eines Civilbeſitzes kei-
nesweges erfordert werde, ut ſit iuſta poſſeſſio. Auch ein
fehlerhafter, ungerechter Beſitz koͤnne ein Civilbeſitz ſeyn.
Dies erhelle daraus, weil das Interdictum uti poſſidetis,
welches doch wegen eines blos natuͤrlichen Beſitzes be-
kannter maßen nicht ſtatt findet 100), auch demjenigen
nach den Geſetzen geſtattet werde, der den Beſitz durch
keinen rechtmaͤſigen Titel, ſondern mit Gewalthaͤtigkeit oder
heimlich erlangt hat, wenn naͤmlich ein ſolcher Beſitzer
ſich des Interdicts gegen einen extraneum, von welchem
er ſeinen Beſitz nicht herleitet, bedienen wolle 1). Zum
offenbaren Beweiſe, daß es bey einem Civilbeſitz an ſich
nicht darauf ankomme, ob er gerecht oder ungerecht ſey,
wenn nur die Geſetze den animum ſibi habendi des Be-
ſitzers nicht ſchlechterdings verwerfen 2).
L l 2III) Daß
[524]1. Buch. 8. Tit. §. 180.
III) Daß zum Civilbeſitz dominii perſuaſio nicht
durchaus nothwendig ſey, ſondern fuͤr einen ſolchen uͤber-
haupt diejenige Poſſeſſion in dem Rechte gehalten werde, quae
cum animo ſibi habendi a Iure non infirmato teneatur, ſive
opinione domini teneatur, ſive non3). So z. B. ha-
be ein Uſufructuar zwar in Anſehung der ihm zum Nieß-
brauch uͤbergebenen Sache nur einen natuͤrlichen Beſitz,
allein in Anſehung des Nutzungsrechts eine quaſi
Poſſeſſionem Civilem4). Denn dieſes uͤbe er in eige-
nem Namen aus 5), die nutznießliche Sache aber beſitze
er auf dem Namen des Proprietars 6). Nur wegen je-
ner quaſi Poſſeſſionis Civilis juris utendi fruendi ge-
ben ihm die Geſetze die Interdicta uti poſſidetis, und
Utrubi, deren ſich, wie ſchon vorhin bemerkt worden iſt,
uͤberhaupt niemand bedienen kann, niſi qui ſibi ſuoque no-
mine poſideat aut ius, aut corpus, quod ſe poſſidere
prae ſe fert7). Eine gleiche Beſchaffenheit habe es mit ei-
nem Pfandglaͤubiger. Dieſer hat zwar in Ruͤck-
ſicht auf Uſucapion nur einen natuͤrlichen Beſitz der
ihm zum Unterpfand gegebenen Sache. Denn, was
die Verjaͤhrung anbetrift, nehmen die Geſetze an, als
ob der Verpfaͤnder noch im Beſitz des Pfandes ſey 8).
Allein
[525]De diviſione rerum et qualitate.
Allein in allen uͤbrigen Faͤllen halten ſie den Glaͤubiger
fuͤr den Beſitzer 9). Dieſer kann ſich daher zur Erhal-
tung ſeines Beſitzes der Interdicte bedienen 10), kann
condictione furtiva klagen 11), welche keinem blos natuͤr-
lichen Beſitzer, z. B. keinem Depoſitar noch Commodatar
zuſtehet 12); begehet keinen Diebſtahl, wenn er die ver-
pfaͤndete Sache, welche er dem Pfandgeber vielleicht ge-
borgt, oder widerruflich eingegeben hatte, demſelben heim-
lich entwendet 13). Kann ferner auch actione ad ex-
hibendum14) nicht weniger mit der Rei vindicatione
belangt werden 15). Hieraus erhellet alſo, daß Javole-
nus16) keinen Irrthum begangen 17), wenn er ſagt:
Servi nomine, qui pignori datus eſt, ad exhibendum cum cre-
ditore, non cum debitore, agendum eſt: quia qui pignori de-
dit, ad usuc apionem tantumpoſſidet. Quodad
reliquas omnes causas pertinet,qui accepit,
poſſidet: adeo ut addici (i. e. adiici ſ. accedere) poſſit et
poſſeſſio eius, qui pignori dedit. Denn auch Paulus18)
ſtimmt hiermit voͤllig uͤberein: Per ſervum corporaliter
L l 3pignori
[526]1. Buch. 8. Tit. §. 180.
pignori datum non acquirere nos poſſeſſionem, iulianus
ait:ad unamenimtantum causamvideri eum a
debitore poſſideri:ad usucapionem.Nec creditori:
(ſc. quoad eam uſucapionem acquiritur poſſeſſio) quia
nec ſtipulatione, nec ullo alio modo per eum acquirat, quam-
vis eum poſſideat. (i. e. quamvis creditor ad alias om-
nes cauſas, wie Javolenus ſagte, eum civiliter pof-
ſideat).
Vergleichen wir nun dieſe verſchiedenen Theorien
mit einander, unter denen aber freylich wohl die letztere
des Cupers auf ganz vorzuͤglichen Beifall den gegruͤn-
deſten Anſpruch machen duͤrfte, ſo werden ſich hieraus
ſolche Reſultate ergeben, die uns an richtiger Beſtim-
mung des Unterſchieds zwiſchen natuͤrlichen und buͤrger-
lichen Beſitz nicht zweifeln laſſen. Natuͤrlicher Beſitz
zeigt immer in unſern Rechte die koͤrperliche Detention
der Sache ſelbſt an, entweder in ſofern ſie einen Theil
des buͤrgerlichen Beſitzes ausmacht, oder blos in phyſi-
ſcher Detention beſtehet, mit welcher keine Abſicht, die
Sache als die ſeinige zu behalten, verbunden iſt, oder
bey welcher dieſe Abſicht von den Geſetzen verworffen
wird. Buͤrgerlicher Beſitz hingegen wird erſtlich im
weitlaͤuftigen Verſtande derjenige Beſitz genennt, welchen
die buͤrgerlichen Geſetze fuͤr einen ſolchen erkennen, aus
welchem Poſſeßoriſche Rechtsmittel entſtehen; in dieſem
Verſtande kann aus denen von Cuper angefuͤhrten
Gruͤnden auch von einem Pfandglaͤubiger geſagt wer-
den, daß er das Pfand civiliter beſitze 19). Zweitens
heißt
[527]De diviſione rerum et qualitate.
heißt buͤrgerlicher Beſitz derjenige, welchen die buͤrger-
lichen Geſetze fuͤr eine ſolche Poſſeßion erkennen, bey
welcher man die Abſicht, die Sache als die ſeinige zu be-
ſitzen, hat und haben kann. Der Beſitz mag uͤbrigens
auf einen rechtmaͤſſigen Titel gegruͤndet ſeyn (Poſſeſſio
iuſta) oder nicht. (Poſſeſſio iniuſta). In dieſer Bedeu-
tung hat auch malae fidei poſſeſſor unſtreitig einen buͤr-
gerlichen Beſitz. Endlich im ſtrengſten Verſtande des
Civilrechts heißt buͤrgerlicher Beſitz eine ſolche Poſſeßion,
die zur Uſucapion erfordert wird, und auf einen recht-
maͤſigen Titel, wodurch man ſonſt ein Eigenthum zu
erlangen pflegt, gegruͤndet iſt. Dieſe Poſſeſſio Civilis
wird auch Poſſeſſio pro ſuo genennt. So ſagt Ul-
pian20)lib 15. ad Edictum:pro suo possessiotalis
eſt, cum dominium nobis adquiri putamus, et ex ea cauſa
poſſidemus, ex qua adquiritur, et praeterea pro ſuo: utputa
ex cauſa emtionis, et pro emtore et pro ſuo poſſideo: item
donata vel legata, vel pro donato vel pro legato, etiam pro
ſuo poſſideo.
§. 181.
In wiefern iſt die Poſſeßion iuris? Eigentlicher Sinn der Stelle
Papinians in L. 49. pr. et §. 1. D. de acquir. vel amitt.
poſſeſſ. Was ſind Wirkungen oder Rechte des Beſitzes? War-
um iſt der Beſitz kein dingliches Recht? Erlaͤuterung
der L. un. Cod. de alienat. iud. mut. cauſa facta.
Ich ſagte in dem § 179. daß der Beſitz zwar ſei-
ner Natur nach eigentlich blos factiſch ſey, aber doch
auch viel von der Natur des Rechts annehme, oder, wie
ſich eigentlich Papinian21) ausdruckt, viel aus dem
Rechte entlehne, und daher in dieſer Ruͤckſicht, nicht
L l 4nur,
[528]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
nur, wie eben dieſer roͤmiſche Juriſt 22) ſagt, corporis,
factiſch, ſondern auch iuris, rechtlich ſey. Es fragt ſich
nun, wie dieſes eigentlich zu verſtehen ſey? Die Aus-
leger des Civilrechts ſind darin mit einander einverſtan-
den, daß ſich dieſes auf die rechtlichen Wirkungen be-
ziehe, welche die buͤrgerlichen Geſetze dem Poſſeßions-
Factum beylegen 23). Es kann auch dieſes im allgemei-
nen nicht gelaͤugnet werden. Nur darf man nicht glau-
ben, als ob der Beſitz darum allein rechtlich ſey, weil der
Beſitzer um des Beſitzes willen viele Rechte und Vorthei-
le zu genießen hat, ſondern weil die buͤrgerlichen Geſetze
in vielen Faͤllen jemand fuͤr den Beſitzer halten, und ihm
die Rechte und Wirkungen des Beſitzes mittheilen, ob
er gleich die phyſiſche Detention der Sache nicht hat, und
im Gegentheil dieſe rechtliche Wirkungen zuweilen einem
Beſitzer entziehen, ob er gleich die Sache mit der Abſicht,
dieſelbe als die ſeinige zu behalten, koͤrperlich inne hat.
Daß dies die Meinung des Papinians ſey, erhellet aus
den angefuͤhrten Stellen ganz deutlich. In der erſtern
ſagt naͤmlich dieſer Juriſt: Poſſeſſio quoque per ſervum,
cuius uſusfructus meus eſt, ex re mea, vel ex operis ſervi
adquiritur mihi: cum et naturaliter a fructuario teneatur,
etplurimum ex iure possessio mutuetur. Durch
einen Sclaven, von welchem man den Nießbrauch hat,
kann man den Beſitz erwerben, wenn die Erwerbung
aus unſern Vermoͤgen herruͤhrt, oder allein durch die
Dienſte
[529]De diviſione rerum et qualitate.
Dienſte des Sclaven geſchiehet. Zwar hat der Sclave
die Sache phyſiſch in ſeiner Gewalt, zu einem eigentli-
chen Beſitze aber wird, auſſer der Abſicht zu beſitzen,
auch die koͤrperliche Detention der Sache erfordert. Al-
lein die Geſetze nehmen hier vermoͤge einer Fiction
an, daß derjenige, welcher den Sclaven im eigentlichen
Verſtande beſitzt, d. i. ihn nicht nur animo ſondern
auch corpore in ſeiner Gewalt hat, zugleich auch dieje-
nigen Sachen koͤrperlich detinire, welche der Sklave in
Haͤnden hat. Papinian ſagt es ſelbſt an einem andern
Orte 24): Corpore ſervi caeteras quoque res poſſidere poſ-
ſumus. Sonach hat alſo der vom Papinian in unſerer
Stelle angefuͤhrte erſtere Entſcheidungsgrund: quodna-
turalitera fructuario, ſervus nempe, teneatur, ſei-
ne vollkommene Richtigkeit, wenn gleich Bartholomaeus
chesius25) demſelben kein ſonderliches Gewicht beylegen
L l 5will.
[530]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
will. Es ſchadet nichts, daß der Uſufructuar nur den
natuͤrlichen Beſitz des Sklavens hat, denn beſitzt er gleich
den Sklaven ſelbſt auf eines andern Nahmen, ſo folgt doch
daraus nicht, daß er nun auch die ihm von demſelben
erworbene Sachen auf fremden Namen beſitzen muͤßte,
und nicht animum ſibi poſſidendi haben koͤnnte. Denn
das iſt ja eine Sache, die in facto beruhet 26). Ue-
berdem aber war auch eben dieſes bey Beſtellung des
Nießbrauchs zwiſchen dem Uſufructuar und Proprietar
ausdruͤcklich feſtgeſetzt worden, daß dem erſtern alles zu-
flieſſen ſolle, was der Sklave durch ſeine Dienſte oder
aus dem Vermoͤgen des Uſufruktuars erwerben wuͤrde 27).
Indeſſen ſahe Papinian wohl ein, daß der angefuͤhrte
Entſcheidungsgrund nicht uͤberall paßen, und daher allein
nicht
25)
[531]De diviſione rerum et qualitate.
nicht hinreichend ſeyn werde. Denn eines Theils ließ ſich
damit der in dem roͤmiſchen Gerichtsgebrauch eingefuͤhrte,
und von Papinian ſelbſt anerkannte Unterſchied unter
den Erwerbungsgruͤnden des Beſitzes nicht wohl vereini-
gen. Man haͤtte vielmehr in Gemaͤßheit jenes Entſchei-
dungsgrundes den allgemeinen Satz aufſtellen ſollen, daß
der Uſufructuar ſeiner Detention halben alle von dem
Sclaven innehabende Sachen beſitze, der Sclave moͤge
ſie aus dem Vermoͤgen des Uſufructuars, oder durch ſeine
Dienſte, oder aus irgend einer andern Urſache erworben
haben. Allein Papinian ſelbſt ſchraͤnkt ſeine Entſchei-
dung blos auf die beyden erſten Faͤlle ein. Und Ca-
jus28) ſetzt hinzu: Si quid vero extra eas cauſas conſecuti
ſunt ſc. ſervi, id ad dominum proprietatis pertineat. Wenn
demnach ein ſolcher Sklave zum Erben eingeſetzt, oder
ihm etwas vermacht, oder geſchenkt worden; ſo bekommt
ſolches nicht der Nutznießer, ſondern der Herr des Ei-
genthums. Und dieſes iſt auch der Analogie des Rechts
vollkommen gemaͤß, weil doch der Proprietar den Civil-
beſitz des Sclavens behaͤlt. Andern Theils aber war
es auch bekannten Rechtens, daß, wenn der Uſufructuar
dem Sclaven dasjenige, was er ihm aus deſſelben Ver-
moͤgen oder durch ſeine Dienſte erwarb, als ein Peculium
eingegeben hatte, dieſer ex peculii cauſa dem Uſufructuar
den Beſitz erwerben konnte, wenn letzter auch von der
Acquiſition des Sclavens noch keine Wiſſenſchaft erlangt
hatte 29). Dieſes ließ ſich nun eben ſo wenig aus der
Natur des Beſitzes herausphiloſophiren, weil eigentlich
Nie-
[532]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
Niemand fuͤr einen wahren Beſitzer gehalten werden kann,
der nicht mit der koͤrperlichen Detention der Sache auch
den affectum poſſidendi verbindet 30). Daß aber ein
Unwiſſender keinen Willen habe, iſt gewiß. Um alſo
dieſen Schwierigkeiten abzuhelfen, fuͤgt Papinian noch
einen andern Grund hinzu: Quod et plurimumex iure
poſſeſſio mutuetur. Der Sinn dieſer Worte gehet nun
dahin: es ſey eben nicht noͤthig, gar zu aͤngſtlich nach-
zuforſchen, ob auch auf Seiten des Uſufructuars alles
dasjenige vorhanden ſey, was ad factum poſſidendi er-
fordert wird, denn auch ohne dieſe Erforderniſſe koͤnnen
ihn die Geſetze fuͤr einen Beſitzer halten, und ihm die
Rechte deſſelben mittheilen; die Geſetze koͤnnen ihm
aber auch dieſe rechtliche Wirkungen des Beſitzes entzie-
hen, wenn gleich uͤbrigens alle Erforderniſſe der Poſ-
ſeßionshandlung vorhanden ſeyn ſollten. Denn uͤber-
haupt haben die Geſetze dem Beſitz viel von
der Natur der Rechte beygemiſcht.
Das andere Fragment des Papinians, welches je-
doch nicht ſo ſchwer zu erklaͤren iſt, lautet folgendermaſ-
ſen: Qui in aliena poteſtate ſunt, rem peculiaremtenere
poſſunt, habere, possiderenon poſſunt:quia pos-
sessio non tantum corporis, sed et iuris est.
Perſonen, die unter vaͤterlicher oder leibherrſchaftlicher
Gewalt ſtehen, (filiifamilias et ſervi) koͤnnen zwar koͤr-
perlich ein Sondergut (peculium) unter ſich haben, (te-
nere) aber eines eigentlichen Beſitzes im juriſtiſchen Ver-
ſtande ſind ſie nicht faͤhig. (habere, poſſidere non poſſunt). Sie
koͤnnen weder als Eigenthuͤmer beſitzen, noch auch aus ei-
nem andern Grunde, z. B. als Pfandglaͤubiger, Sachen
fuͤr
[533]De diviſione rerum et qualitate.
fuͤr ſich ſelbſt haben 31). Denn Cajus32) ſagt ganz
allgemein: Ipſe, qui in alterius poteſtate eſt, nihil suum
habere potest33). Kaͤme es freylich bey einem Be-
ſitze nur allein auf phyſiſche Detention und auf die Ab-
ſicht [a]n, eine Sache fuͤr ſich ſelbſt zu haben; waͤre der
Beſitz, wie Scaͤvola34) ſagt, nur facti et animi, ſo
muͤßte man nothwendig auch denen Sclaven und filiisfami-
lias eine poteſtatem habendi, poſſidendi zugeſtehen. Denn
wer will es laͤugnen, daß ſie eine Neigung, etwas fuͤr ſich
ſelbſt zu haben, in ſich fuͤhlen koͤnnen? Allein der Beſitz
iſt nicht blos factiſch, (corporis) ſondern er ahmt auch
in vielen die Natur des Rechts nach (etiam iuris eſt).
Nun aber achten die buͤrgerlichen Geſetze bey ſolchen Per-
ſonen auf ihre eigene Abſicht (voluntatem ſibi habendi)
nicht, es mag von Erwerbung eines Beſitzes, oder ande-
rer Rechte die Rede ſeyn. Sie nehmen vielmehr an, daß
ihnen die andere Eigenſchaft, ſo auſſer der phyſiſchen
Detention zu einem buͤrgerlichen Beſitz erfordert wird,
gaͤnzlich mangele.
Aus dem, was wir bisher zur Erlaͤuterung des
Papinians geſagt haben, laͤßt ſich nun leicht durch eine
allgemeine Regel beſtimmen, was vom Beſitz factiſch ge-
blieben, und was demſelben aus dem Rechte iſt beyge-
miſcht worden. Cuper35) giebt hiervon folgende Re-
gel: Der Beſitz beſtehtin facto, ſo oft derje-
nige
[534]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
nige vor Gericht als Beſitzer angeſehen
wird, welcher die Sache phyſiſch in ſeiner
Gewalt hat, mit der Abſicht, dieſelbe fuͤr
ſich zu behalten; oder wenn derjenige nicht
als Beſitzer gilt, welcher entweder die Sa-
che nicht phyſiſch detinirt, oder wenigſtens
nichtanimum poſſidendihat. In iurebeſteht hin-
gegen der Beſitz, ſo oft Jemand vor Gericht
fuͤr den Beſitzer gehalten wird, der entwe-
der die Sache phyſiſch nicht beſitzt, oder die
Abſicht nicht hat, ſie fuͤr ſich zu behalten;
oder wenn derjenige nicht fuͤr den Beſitzer
gilt, welcher wirklich ſowohl die phyſiſche
Detention der Sache, als auch die Abſicht
hat, ſie als die ſeinige zu behalten. Oder wie
ſich Cuper auch mit andern Worten ausdruͤckt: Res
facti poſſeſſio manſit, quatenus pro poſſeſſore habe-
tur is, cui naturalia poſſeſſionis requiſita praeſto ſint:
non habetur, cui ea praeſto non ſint. Plurimum
autem eſt ex iure mutuata, quatenus Lex ſua pote-
ſtate vel deficientia ſupplet naturalia poſſeſſionis re-
quiſita, vel contra deficere ea fingit, ubi non defi-
ciunt. Um alſo bey einer jeden Geſetzſtelle richtig zu
beurtheilen, ob der Inhalt derſelben der Natur des Beſi-
tzes, ſofern derſelbe factiſch iſt, angemeſſen ſey oder nicht,
hat man nur darauf zu ſehen, ob derjenige wirklich in
Beſitz iſt, der fuͤr den Beſitzer gehalten wird, und im
Gegentheil derjenige wirklich nicht beſitzt, der auch nicht
fuͤr den Beſitzer angeſehen wird. Ehe wir jedoch dieſes
weiter detailliren, und zeigen koͤnnen, was eigentlich der
Beſitz aus dem Rechte entlehnt hat, muͤſſen wir vorher
noch zwey Fragen beantworten, worauf uns Cuper in
ſeiner vortreflichen Schrift ebenfalls aufmerkſam gemacht
hat
[535]De diviſione rerum et qualitate.
hat 36). Die erſtere iſt: Wie haben die Geſetze
ihre Wirkung auf den Beſitz, als eine facti-
ſche Sache aͤuſſern koͤnnen? Die zweyte: Aus
welchen politiſchen Gruͤnden haben die
Rechtsgelehrten ſo manche Eigenſchaften
des Rechts dem Beſitze beigelegt?
Soviel die erſte Frage anbetrift, ſo ſcheint es
zwar ſchwer zu begreifen zu ſeyn, wie die Geſetze die Er-
forderniſſe eines Beſitzes, da, wo dieſelben fehlen, ha-
ben ergaͤnzen, oder dieſelben, da wo ſie doch wirklich
vorhanden ſind, haben fuͤr unkraͤftig erklaͤren koͤnnen,
gleichſam als ob ſie gar nicht vorhanden waͤren, da doch
bey dem Beſitz eigentlich alles auf das Poſſeſſionsfactum
ankommt, und die Rechtsgelehrten ſelbſt bey Entſchei-
dung mancher den Beſitz betreffender Rechtsfragen zum
Grundſatz angenommen, quodfacticauſaeinfectae
fierinulla conſtitutione poſſint, wie Tryphonin ſagt 37),
oder, wie ſich Paulus38) in einem ſolchen Fall aus-
druckt, quoniamres factiinfirmari lure Civili non
poteſt. Allein hierauf iſt zweyerley zu antworten. Erſt-
lich verſtehet es ſich freylich von ſelbſt, daß kein Geſetz
die Kraft habe, ein Poſſeſſionsfaktum wirklich ungeſchehen
zu machen, oder im Gegentheil ein ſolches zu erſchaffen,
wo dergleichen uͤberall in rerum natura nicht vorhanden
iſt. Allein daraus folgt noch nicht, daß die buͤrger-
lichen Geſetze auch nicht quoad effectus civiles jemand
fuͤr den Beſitzer erklaͤren koͤnnten, der es eigentlich nicht
iſt, oder demjenigen, welcher wirklich in Beſitz iſt, die rechtli-
chen Wirkungen des Beſitzes nicht entziehen, und den Beſitz
fuͤr
[536]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
fuͤr unguͤltig erklaͤren koͤnnten 39). Denn vor Gericht kommt
es ja nicht auf den Beſitz an ſich, ſondern auf die recht-
lichen Wirkungen an, welche die Geſetze demſelben bey-
legen. Zweytens kann aber auch nicht gelaͤugnet werden,
daß in vielen Faͤllen die buͤrgerlichen Geſetze der Natur
des Beſitzes, ſofern derſelbe in facto beſtehet, nichts
entzogen, und ſich aller Fiction enthalten haben. Ge-
rade von ſolchen Faͤllen handeln die angefuͤhrten Rechts-
gelehrten Tryphonin und Paulus. Denen ich noch den
Papinian beyfuͤge, welcher lib. 3. Quaeſtionum ſchreibt40):
Poſſeſſioplurimum factihabet: cauſa verofacti
non contineturpostliminio.
Wir ſchreiten nun zur zweyten Frage,aus wel-
chen politiſchen Gruͤnden die roͤmiſchen Geſetz-
geber dem Beſitze ſo vieles von der Natur der
Rechte beygemiſcht haben? Bey der Entwickelung
dieſer Frage ſoll zugleich an jedem Orte dasjenige ange-
fuͤhrt werden, was der Beſitz aus dem Rechte gleichſam
entlehnt hat. Cuper41) giebt dreyerley Gruͤnde an, und
leitet hieraus alle die rechtlichen Eigenſchaften her, die
dem Beſitz in dem roͤmiſchen Rechte beygelegt werden.
I) Der erſte Grund iſt das gemeine Beſte. Der
buͤrgerliche Geſetzgeber gruͤndet zwar ſeine Geſetze auf die
ewige
[537]De diviſione rerum et qualitate.
ewige und unveraͤnderliche Natur der Dinge, aber er
nimmt auch zugleich Ruͤckſicht auf das beſondere Wohl
ſeines Staats, und deſſen Buͤrger. In dieſer Abſicht
fingirt er zuweilen das Daſeyn einer nicht exiſtirenden Sa-
che, oder auch die Nichtexiſtenz einer wirklich vorhan-
denen Sache. Dabey ſieht er nicht ſowohl auf Wahr-
heit, als auf gemeine Wohlfahrt. Dieſe Maxime ha-
ben nun die roͤm. Geſetzgeber, ſo wie in vielen Rechts-
materien, alſo auch inſonderheit in der Lehre von Beſitz
befolgt, indem ſie dem Beſitze manche rechtliche Eigen-
ſchaften blos um des gemeinen Beſten willen
beygelegt haben, welche der eigentlichen Beſchaffenheit
des Beſitzes nicht angemeſſen ſind. Wir wollen nur fol-
gende hier anfuͤhren. Dahin gehoͤrt,
1) daß eine Gemeinheit durch einen oͤffentlichen
Knecht oder Gevollmaͤchtigten einen Beſitz haben und er-
langen koͤnne 42).
2) daß ein Kind, welches uͤbrigens zur erſten Er-
werbung des Beſitzes keine Gemuͤthsfaͤhigkeit hat, den-
noch guͤltig beſitzen koͤnne, wenn der Vormund fuͤr daſ-
ſelbe den Beſitz ergriffen hat 43).
3) Daß ein Beſitzer, wenn er hernach den Ver-
ſtand verliert, dennoch dadurch den bisher gehabten Be-
ſitz nicht verliere, ſondern denſelben fortſetze 44).
4) Daß
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. M m
[538]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
4) Daß der Schuldner, welcher eine Sache zum
Unterpfand gegeben, in Ruͤckſicht auf Uſucapion noch fuͤr
den Beſitzer gehalten werde 45).
5) Daß man durch einen Gevollmaͤchtigten den Be-
ſitz auch ohne ſein Wiſſen erlangen koͤnne 46). Das
heißt: wenn mein Anwald dem Auftrage gemaͤß ſich hat
die Sache uͤbergeben laſſen, ſo erhalte ich hierdurch den
Beſitz, wenn ich auch gleich von der nun wirklich ge-
ſchehenen Uebergabe noch weiter nichts erfahren habe.
Desgleichen wenn ich jemanden nur die Abſchließung ei-
nes Kaufs uͤbertragen, wegen der Beſitznehmung hinge-
gen und Uebergabe ihm nichts ausdruͤcklich geſagt habe,
mein Anwald aber dennoch ohne meinen beſondern Auf-
trag ſich den Beſitz der gekauften Sache eingeben laſſen,
ſo erhalte ich doch dadurch den Beſitz auch ohne mein
Wiſſen. Auch dieſer Satz iſt zum gemeinem Be-
ſten angenommen, um uͤble Folgen zu verhuͤten 47).
6) Daß
[539]De diviſione rerum et qualitate.
6) Daß ein Herr, oder Vater von demjenigen,
was deſſelben Knecht oder Sohn mit dem ihm anver-
traueten Pekulium erworben hat, auch ohne ſeine Wiſ-
ſenſchaft Beſitzer werde 48).
7) Daß bey Uebertragung des Beſitzes nicht noͤthig
ſey, durch koͤrperliche Beruͤhrung der Sache den Beſitz zu
ergreifen, ſondern die Uebergabe auch longa manu, oder
per Symbola geſchehen koͤnne 49).
M m 28) Daß
[540]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
8) Daß derjenige, welcher der ſichern Verwahrung
wegen Geld in die Erde vergraben, und ſolches nachher
nicht wieder finden kann, weil er den eigentlichen Ort
vergeſſen, wo er daſſelbe hinvergraben hatte, hierdurch das
Poſſeſſionsrecht nicht verliere 50).
9) Daß man einen ſchon habenden Beſitz auch oh-
ne beſtaͤndige Ausuͤbung einer koͤrperlichen Gewalt, durch
bloſe Beſtimmung des Willens, (ſolo animo) fortdau-
ernd beybehalten koͤnne 51).
10) Daß
[541]De diviſione rerum et qualitate.
10) Daß Unmuͤndige und Bloͤdſinnige, wenn ſie
gleich durch den bloſen Willen den Beſitz auf keine Wei-
ſe aufgeben koͤnnen 52), dennoch den Beſitz alsdann ver-
lieren, wenn ſie ihn an einen ſolchen uͤbertragen haben,
der ihren Zuſtand nicht kannte 53). Wer demnach von
einem Pupillen, den er aus verzeihlichen Irrthum fuͤr
muͤndig hielt, oder von einem Bloͤdſinnigen, den er fuͤr
einen verſtaͤndigen Menſchen hielt, eine Sache gekauft
hat, erlangt durch die Uebergabe wenigſtens einen ſolchen
Beſitz, daß er die erkaufte Sache verjaͤhren kann, wenn
auch im Uebrigen der Kauf nichtig iſt 54).
II) Der andere Grund, aus welchem die roͤmiſchen
Geſetzgeber dem Beſitze ſo vieles Rechtliche beygemiſcht
haben, liegt in dem Zuſammenhange der einzelnen
Saͤtze dieſer Materie mit andern, die damit ver-
wandt ſind. Denn darinn beſteht eine vorzuͤgliche
Pflicht der Geſetzgebung, uͤberall auf Analogie des
Rechts zu ſehen, damit jede Rechtsmaterie auch mit an-
dern, mit welchen ſie gewiſſermaßen verwandt iſt, genau
und auf die gehoͤrige Art zuſammenhaͤnge. Inſonder-
heit aber muͤſſen die allgemeinen Rechtsprincipien ſo viel
moͤglich bey Kraͤften bleiben. Um nun dieſe Analogie
auch in der Lehre vom Beſitz zu erhalten, ſo haben ſich
die roͤmiſchen Geſetzgeber manche Fiction erlauben, und
M m 3der
[542]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
der Poſſeſſion manche rechtliche Eigenſchaft beylegen muͤſ-
ſen. Daher iſt zu erklaͤren,
a) warum man Sachen, die ganz dem menſchli-
chen Verkehr entzogen ſind, z. B. einen geheiligten Ort,
eben ſo wenig, als einen freyen Menſchen, in Beſitz
haben koͤnne 55).
b) Warum ein Ehegatte die ihm von dem andern
Ehegatten geſchenkte Sache nicht civiliter, ſondern nur
naturaliter und pro poſſeſſore beſitze 56). Denn Schen-
kungen unter Ehegatten ſind unguͤltig, und bis an den
Tod des Schenkenden widerruflich.
c) Warum eine Perſon, die noch unter vaͤterlicher
Gewalt ſtehet, nur in ſo weit einen buͤrgerlichen Beſitz
haben koͤnne, als ſie ein Eigenthum zu erwerben faͤhig
iſt. Z. B. Wenn der Sohn Soldat iſt, ſo kommt ihm
wegen ſeines peculii caſtrenſis die Verjaͤhrung zu ſtat-
ten. Denn er hat einen Civilbeſitz 57). Allein das pe-
culium profectitium beſitzt der Filiusfamilias nur na-
tura-
[543]De diviſione rerum et qualitate.
turaliter, und der Nutzen der Uſucapion gehoͤrt daher
fuͤr den Vater 58).
d) Warum ein gemeinſchaftlicher Knecht jedem ſei-
ner Herren den Beſitz nur zu dem Theile erwarb, den
er an dem Sklaven hatte, wofern nicht etwa der Skla-
ve den Beſitz blos auf den Namen des einen ſeiner Her-
ren ergriffen, oder aber ex re unius condomini die Ac-
quiſition gemacht, in welchen Faͤllen nur dieſer Herr allein
Beſitzer wurde 59).
e) Warum man durch einen Freyen Menſchen, den man
aus Irrthum fuͤr ſein unter vaͤterlicher Gewalt ſtehendes
Kind hielt, weder Beſitz noch Eigenthum erwarb 60).
Denn uͤber einen Sohn, welchen man unter ſeiner vaͤ-
terlichen Gewalt hat, uͤbt man keinen ſolchen Beſitz aus,
wie uͤber einen Sklaven. Die wahre vaͤterliche Gewalt,
welche den Vater zur Erwerbung berechtiget, fehlt auch.
Alſo iſt gar kein Grund der Erwerbung vorhanden 61).
f) Warum der Glaͤubiger durch einen Sclaven,
der ihm vom Schuldner zum handhabenden Pfande ge-
geben worden, keinen Beſitz erwarb 62). Auch dieſer
Satz iſt Folge der Rechtsanalogie. Denn der Glaͤubiger
ſoll ja von dem Pfande weiter keinen Nutzen, ſondern
blos Sicherheit haben.
M m 4g) Warum
[544]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
g) Warum ein Bloͤdſinniger gar nicht, ein Pu-
pill aber nicht ohne Einwilligung des Vormunds den Be-
ſitz aufgeben koͤnne 63). Denn hierzu wird Freiheit des
Willens erfordert. Allein ein verſtandloſer Menſch hat
gar keinen Willen 64). Ein Muͤndel aber kann wenig-
ſtens in ſolchen Sachen, woraus ihm Schaden erwachſen
kann, und wozu Ueberlegung gehoͤrt, nichts ohne Einwil-
ligung des Vormunds fuͤr ſich rechtlich wollen 65).
h) Warum der bloſe Gedanke, ein zur Verwahrung
erhaltenes Gut abzulaͤugnen, und ſolches zu entwenden,
dem Deponenten den Beſitz nicht entziehe, ſo lange ſich
der Depoſitar noch nicht wirklich daran vergriffen hat 66).
(ſi non
[545]De diviſione rerum et qualitate.
(ſi non contrectaveris) Dieſen Satz bringt die Na-
tur des Diebſtahls mit ſich, weil ohne thaͤtige Vergreif-
fung (ſine contrectatione) kein Diebſtahl denkbar iſt 67).
Endlich
III) ein dritter Grund, aus welchem die Geſetze dem
Beſitz auch manche Eigenſchaften des Rechts beygelegt haben,
beſtehet darin, damit kein Widerſpruch, keine Unge-
reimtheit unter den einzelnen Saͤtzen, die zu dieſer
Materie gehoͤren, entſtehe. Denn es iſt Pflicht der
Geſetzgebung, nicht nur auf Zuſammenhang einzelner
Rechtsmaterien mit der ganzen Rechtsdiſciplin zu ſehen,
ſondern es darf auch innere Analogie unter den einzelnen
Saͤtzen einerley Materie nicht fehlen. Hieraus laͤßt ſich
nun ſehr vieles erlaͤutern, was der Beſitz von dem Rechte
entlehnt hat. Dahin gehoͤrt,
1) daß ein freyer Menſch, ſo lange er einem an-
maßlichen Herrn als Sklave dient, fuͤr ſich eines eigent-
lichen buͤrgerlichen Beſitzes nicht faͤhig ſey, weil er keinen
M m 5ani-
66)
[546]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
animum domini vel ſibi habendi unter ſolchen Umſtaͤn-
den haben kann 68).
2) Daß auch ein bloͤdſinniger Vater ex cauſa pe-
culiari durch ſeinen Sohn einen Beſitz erwerbe 69). Denn
einen peculiariſchen Beſitz erwirbt der Vater durch ſeinen
unter vaͤterlicher Gewalt ſtehenden Sohn auch ohne ſeine
Wiſſenſchaft 70).
3) Daß ein Vater von den peculiariſchen Beſitze
ſeines Sohnes Nutzen habe, ob er gleich nicht weiß, daß
dieſer unter ſeiner Gewalt ſtehet 71). Genug, daß ihm
die Gewalt uͤber ihn wirklich zukommt, und es bey der
peculiariſchen Erwerbung auf keine Wiſſenſchaft des Va-
ters ankommt.
4) Daß, wenn auch ein anderer den Filius-
familias als Sklaven beſitzen ſollte, dennoch der Va-
ter, nicht aber der anmaßliche Herr, die peculiariſche Er-
werbung genieße 72). Denn wenn gleich der Vater uͤber
ſeinen Sohn, da ſolcher ein freyer Menſch iſt, keinen ſcla-
viſchen Beſitz und Gewalt ausuͤben kann, ſo hat man
doch im roͤmiſchen Recht den Satz eingefuͤhrt, daß der
Vater blos wegen ſeiner vaͤterlichen Gewalt den
Beſitz
[547]De diviſione rerum et qualitate.
Beſitz durch ſeinen Sohn erwerbe, wenn er gleich den
Sohn ſelbſt weder beſitzt noch im eigentlichen Verſtande
beſitzen kann, weil ſonſt hieraus die Ungereimtheit ent-
ſtanden waͤre, daß ein Vater durch ſeinen Sohn gar
nichts beſitzen koͤnne 73).
5) Daß Sklaven und Filiifamilias dem Pater-
familias, in deſſen Gewalt ſie ſind, ſelbſt durch veruͤbte
Gewaltthaͤtigkeit ſeinen Beſitz nicht rauben koͤnnen, ſon-
dern des letztern Beſitz rechtlich fortdauere, mithin die
angefangene Uſucapion hierdurch nicht unterbrochen werde,
ſo lange die geraubten oder entwendeten Sachen in der
erſteren Haͤnden ſich befinden 74). Der Grund hiervon
iſt, weil ein Paterfamilias durch die Perſonen, die ſeiner
Gewalt unterworfen ſind, den Beſitz erwirbt, ſo kann ihm
folglich durch dieſe Perſonen der Beſitz nicht entzogen wer-
den 75). Und endlich
6) daß derjenige, welcher in unſerer Abweſenheit
ſich in den Beſitz unſerer Sache, mit der Abſicht, ſich
dieſelbige zuzueignen, geſetzt hat, dennoch nach dem Ci-
vilrechte ſo lange fuͤr den Beſitzer nicht gehalten werde,
als die Fortdauer unſers vorigen Beſitzes rechtlich fingi-
ret wird 76). Denn nach dem Civilrecht gehet unſer Be-
ſitz erſt von der Zeit an verlohren, da wir den neuen Be-
ſitzer
[548]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
ſitzer bey unſerer Ruͤckkunft in unſerm Eigenthum finden,
dieſer uns nicht weichen will, wir ſeine Gewalt fuͤrchten,
und uns abweiſen laſſen 77). Hieraus folgt, daß auch
erſt von der Zeit an, da der vorige Beſitzer durch ſein Zu-
ruͤckweichen den buͤrgerlichen Beſitz verlohren, der neue
Beſitzer civiliter zu beſitzen anfange 78). Der Grund
hiervon iſt, weil es fuͤr unmoͤglich gehalten wird, daß
Zwey die naͤmliche Sache auf einerley Art und mit glei-
chen Wirkungen und doch dabey im Ganzen beſitzen 79).
Mithin kann der Beſitz des zweyten nicht eher anfangen,
als bis der Beſitz des erſtern aufgehoͤret hat 80).
Uebrigens haben nun die Geſetze dem Beſitze um
des gemeinen Beſten willen mancherley Wirkungen bey-
gelegt, und denſelben mit beſondern Vortheilen verknuͤpft,
wel-
[549]De diviſione rerum et qualitate.
welche dem Beſitzer blos darum zukommen, weil er Be-
ſitzer iſt, oder weil er, wenn er auch in einem gewiſſen
Falle die koͤrperliche Detention der Sache nicht haͤtte,
doch wenigſtens nach dem Civilrechte fuͤr den Beſitzer zu
halten iſt. Dieſe nennt man Rechte des Beſitzes;
und ſie ſind von großer Wichtigkeit 81). Ich werde je-
doch hier nur in ſo fern derſelben gedenken, als es zu
Beantwortung der Frage noͤthig iſt, warum die Poſ-
ſeßion kein dingliches Recht ſey? Denn die
Materie von den Rechten des Beſitzes wird an einem an-
dern Orte (Lib. XLI. Tit. II. §. 1751.) vollſtaͤndiger
abgehandelt. Zu denen Rechten und Vortheilen des
Beſitzes gehoͤren z. B. folgende: daß der Beſitzer in der
Regel vom Beweiſe und Angabe ſeines Rechtstitels frey
iſt, wenn er ſeines Beſitzes wegen von Jemand in An-
ſpruch genommen wird; — daß in zweifelhaften Faͤllen,
und bey gleichen Gruͤnden, fuͤr den Beſitzer geſprochen
werden muß; — daß dem bonae fidei poſſeſſor
die Verjaͤhrung zu ſtatten kommt, und dieſer ſo lange
fuͤr den praͤſumtiven Eigenthuͤmer gehalten werden muß,
bis ein anderer das Gegentheil erwieſen. Vorzuͤglich
gehoͤrt auch noch hierher der Gebrauch der poſſeſſoriſchen
Rechts-
[550]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
Rechtsmittel, welche man Interdicta82) nennt, und von
denen das 43ſte Buch der Pandekten handelt. Dieſe
Interdicte, zumahl wenn ſie um des bloſen Beſitzes wil-
len angeſtellet werden, ſind jedoch nur perſoͤnliche Rechts-
mittel. Ulpian83) ſagt dies wenigſtens ausdruͤcklich,
wenn er lib. 67. ad Edictum ſchreibt: Interdicta omnia,
licet in rem videantur concepta, vi tamen ipſa perſonalia
ſunt: das heißt, wie Ulrich Zuber84) dieſe Stelle am
richtigſten erklaͤrt, wenn gleich Interdicte auch gewiſſe
Sachen, und nicht blos perſoͤnliche Verbindlichkeiten,
zum Gegenſtande haben, oder wohl von der Art ſind,
daß ſie, wie actiones in rem ſcriptae, gegen jeden Be-
ſitzer gehen, ſo ſind ſie doch ihrer Natur und Wir-
kung nach nur perſoͤnliche Rechtsmittel, weil ſie aus
keinem dinglichen Rechte entſtehen 85), auch nicht zur
Abſicht haben, daß dem Imploranten ein dingliches Recht
zuer-
[551]De diviſione rerum et qualitate.
zuerkannt werde 86), ſondern nur darauf abzielen, daß
Implorant die Poſſeßion erhalte, oder behalte. Ein
Beweiß, daß die Poſſeßion an ſich weder ein dingliches
Recht ſey, noch ein ſolches wirke 87). Denn ein ding-
liches Recht haftet unmittelbar auf der Sache ſelbſt,
(§. 176.) ſie mag uͤbrigens ſich befinden, bey wem ſie
wolle. Allein von der Art iſt kein Beſitz. Denn man
betrachtet den Beſitz entweder, in ſofern er facti, oder
in ſofern er iuris iſt. Im erſten Fall dauert der Be-
ſitz nur ſo lange, als man das phyſiſche Vermoͤgen hat,
uͤber die Sache zu diſponiren, mithin die Sache in un-
ſerer Gewahrſam iſt. Hierin ſtimmen Paulus88)und
Cajus uͤberein89). Allein auch im letztern Fall, wenn
man ſich unter dem Beſitz das Poſſeſſionsrecht denkt,
kann dieſes kein dingliches Recht ſeyn. Denn es ent-
ſpringt aus dem Beſitz, der Beſitz iſt aber kein dingliches
Recht. Die roͤmiſchen Geſetze geben auch um des bloſen
Beſitzes willen keine actionem in rem.Paulus90) lehrt
vielmehr das Gegentheil, wenn er lib. 24. ad Edictum
ſagt: Cum a te vi dejectus ſim, ſi Titius eandem rem poſ-
ſidere coeperit: non poſſum cum alio, quam tecum, Interdi-
cto experiri. Man wende nicht ein, daß dem bonae fidei
poſſeſſor des verlohrnen Beſitzes wegen die actio publi-
ciana zuſtehe, und dieſe eine dingliche Klage ſey. Denn
die publicianiſche Klage iſt ein petitoriſches, und kein
poſſeſſo-
[552]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
poſſeſſoriſches Rechtsmittel, was ſich nicht blos auf gehab-
ten Beſitz, ſondern auf ein praͤſumtives Eigenthum gruͤn-
det 91). Daher ſagt Ulpianlib. 16. ad Edictum92):
Publiciana actio ad inſtar proprietatis,non ad instar
possessionis,reſpicit. Scheinbarer iſt der Einwurf,
den die Vertheidiger der entgegen geſetzten Meinung aus
der L. un. Cod. de alienat. iud. mut. cauſa facta herneh-
men duͤrften. In dieſem Geſetze reſcribiren die Kr.
Dioclerian und Maximian an einen gewiſſen Atta-
lus: Cumin rem actionem possessio pariat
adversario; alienatione etiam iudicii mutandi cauſa ce-
lebrata, in integrum reſtitutio Edicto perpetuo permittatur:
intelligis, ſi rem, ne ſecum ageretur, qui poſſidebat, venum-
dedit, et emtori tradidit: quem elegeris, conveniendi tibi
tributam eſſe iure facultatem. Wer ſollte alſo nach den
Anfangsworten dieſes Geſetzes daran zweifeln, daß der
Beſitz eine Realklage wirke? Es iſt wirklich zu bewun-
dern, daß unſere Gegner dieſe Stuͤtze ihrer Meinung ſo
ganz unbenutzt gelaſſen, bey welcher die Vertheidiger un-
ſerer Meinung ſo viele Schwierigkeiten gefunden haben,
ſie aus dem Wege zu raͤumen. Cujaz93), Schul-
ting94) und Noodt95) haben ſogar zur Emendation
ihre Zuflucht nehmen wollen. Allein daß bey dieſer
Stelle keine Emendation noͤthig ſey, dieſelbe auch unſerer
Meinung ganz und gar nicht entgegen ſtehe, wird ſich
gleich ergeben. Die Sache des Attalus, an welchen
die
[553]De diviſione rerum et qualitate.
die Kr. Diocletian und Maximian in der angefuͤhr-
ten L. un reſcribiren, war von demjenigen, welcher ſie
in Haͤnden hatte, iudicii mutandi cauſa, an einen Drit-
ten verkauft, und auch demſelben wirklich uͤbergeben wor-
den, blos um durch Veraͤnderung des Gerichtszwanges
dem Attalus die Ausfuͤhrung ſeiner Anſpruͤche beſchwer-
licher zu machen. Attalus wandte ſich deshalb an die
erwaͤhnte Kaiſer, und frug an: ob er den alten oder
neuen Beſitzer belangen muͤſſe? Die Kr. antworten ihm,
er habe unter beyden die Wahl, gegen denjenigen, wel-
chet iudicii mutandi cauſa ſeine Sache an den Dritten
veraͤuſſert hat, koͤnne er actione in factum ex Edicto
Proconſulis Reſtitutionem in integrum ſuchen. Gegen
den dritten Beſitzer aber koͤnne er actione in rem klagen,
und zwar aus dem Grunde, quod in rem actionem poſſeſſio
pariat adverſario. Dieſe Worte koͤnnen auf zweyerley Art
erklaͤrt werden. Erſtlich, wennn man unter dem Ad-
verſario, den Gegner des Beſitzers, alſo den Eigenthuͤ-
mer der Sache, verſteht, welchem die Realklage gegen
den Beſitzer zukommt. Nun iſt der Sinn dieſer: weil
der Beſitz desjenigen, welcher die Sache in
Haͤnden hat, dem Eigenthuͤmer (adverſario)
eine Realklage gegen den Beſitzer verſchaft,
d. i. ihn in den Stand ſetzt, daß er ſeine Sache
vindiciren kann. So erklaͤren dieſe Worte Zugo
Donellus96), Joſeph Averanius97), dompierre
de
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 2. Th. N n
[554]1. Buch. 8. Tit. §. 181.
deionquieres98) und David. del’eſpaul99). Zur
Beſtaͤrkung dieſer erſten Erklaͤrung fuͤge ich nur noch hin-
zu, daß es in der Sprache unſerer Geſetze gar nichts
ungewoͤhnliches ſey, den Klaͤger, insbeſondere aber den
EigenthuͤmerAdverſarium, gleichſam den Gegner des
Beſitzers, zu nennen 100). Zweytens kann aber auch
unter dem Adverſario in der angefuͤhrten L. un. derjeni-
ge verſtanden werden, welchem die Sache iudi-
cii mutandi cauſa verkauft worden war,
und welchem eben daher ſein Beſitz eine Re-
alklage zuzieht, oder verurſacht, die ohne
dieſen Beſitz nicht wider ihn haͤtte angeſtel-
let werden koͤnnen. Dieſe Erklaͤrung nehmen Joh.
Wilh. Marckart1) und Herr Prof. Kluͤber2) an.
Auch dieſe Erklaͤrung iſt ſowohl dem gemeinen als iuri-
ſtiſchen Sprachgebrauche gemaͤß. Man denke nur an das
bekannte Spruͤchwort: Obſequium amicos, veritas odium
parit. In eben dieſer paſſiven Bedeutung braucht
Ulpian das Wort parere, wenn er lib. 30. ab Sabinum3)
ſchreibt: Nemo poteſt ſocietatem heredi ſuo ſicparere,
ut ipſe heres ſocius ſit. Es iſt alſo entſchieden, daß der
bloſe Beſitz nach roͤmiſchen Rechten dem Beſitzer
kein dingliches Recht an der beſeſſenen Sache, mithin
auch
[555]De diviſione rerum et qualitate.
auch keine Realklage giebt. Ob aber nicht nach kano-
niſchen Rechten ein anders zu behaupten ſey? iſt eben-
falls ſtreitig. Ich meines Theils kann mich davon nicht
uͤberzeugen. Denn aus den Texten, die man insgemein
fuͤr dieſe Meinung anzufuͤhren pflegt 4), erhellet nicht,
daß dem Spoliirten wider jeden dritten Beſitzer das Re-
medium ſpolii zuſtehen ſolle. Ich werde jedoch hiervon
an einem Orte der Pandecten (§. 1853.) umſtaͤndlicher
handeln. Hier bemerke ich nur noch zum Beſchluß, daß
N n 2durch
[556]1. Buch. 8. Tit. §. 181. u. 182.
durch die Verordnungen des Weſtphaͤliſchen Friedens dem
im Entſcheidungsziele 1624. gehabten Beſitze in kirchli-
chen Dingen ſowohl als auch in politiſchen Sachen, wel-
che mit den erſten in Verbindung ſtehen, die Wirkung
eines dinglichen Rechts zwiſchen den katholiſchen und
evangeliſchen Religionsverwandten beygelegt worden ſey 5).
Dies waͤre denn freylich eine ſehr wichtige Ausnahme
von den obigen Grundſatz der gemeinen und fremden
Rechte in Deutſchland.
§. 182.
Auch dem natuͤrlichen Beſitzer ſtehen Peſſeſſionsrechte zu. Vom
Quaſi-Beſitz unkoͤrperlicher Sachen.
Noch iſt die Frage zu beantworten uͤbrig, ob auch
einem natuͤrlichen Beſitzer Poſſeſſionsrechte zuſte-
hen? Unſer Verfaſſer will dies laͤugnen; allein man ma-
che einen Unterſchied zwiſchen ſolchen Rechten, welche blos
vom Civilbeſitz abhangen, und denen, welche die Geſetze
einem jeden Beſitze beylegen. Poſſeſſionsrechte der erſten
Art ſtehen freylich dem natuͤrlichen Beſitzer nicht zu. Z. B.
er hat nicht das Recht der Uſucapion 6), auch dann nicht,
wenn er gleich den Beſitz animo domini ausuͤbt, in ſo-
fern naͤmlich die Geſetze dieſe Abſicht des Beſitzers ver-
werfen, und den Beſitz deſſelben blos fuͤr einen natuͤr-
lichen erklaͤren 7). Ein blos natuͤrlicher Beſitzer kann
ſich
[557]De diviſione rerum et qualitate.
ſich ferner der Interdicte uti poſſidetis und Utrubi nicht
bedienen, denn dieſe ſtehen nur einem Civilbeſitzer zu 8).
Allein Poſſeſſionsrechte der letztern Art ſind ihm nicht ab-
zuſprechen. Es darf daher auch dem natuͤrlichen Beſitzer
ſein Beſitz nicht durch Privatgewalt entzogen werden, er
iſt vielmehr, wenn man ihn unrechtmaͤſig entſetzen will,
eben ſo gut, wie ein Civilbeſitzer, berechtiget, ſich bey
ſeinem Beſitze mit Gewalt zu vertheidigen und zu behaup-
ten 9). Auch ihm ſtehet das Interdictum unde vi zu 10).
Nur der Paͤchter kann das Interdict nicht in ſeinem Na-
men anſtellen 11). Er hat es aber doch, naͤmlich auf
den Namen des Verpaͤchters 12). Ferner ſtehet dem na-
tuͤrlichen Beſitzer in gewiſſen Faͤllen das Retentionsrecht
zu 13).
Zuletzt noch ein Wort von der ſo genannten Quaſi-
Poſſeſſion. Der Gegenſtand des Beſitzes koͤnnen eigent-
N n 3lich
7)
[558]1. Buch. 8. Tit. §. 182.
lich nur koͤrperliche Sachen ſeyn. Dies ſagt auch Pau-
lus14)lib. 54. ad Edictum ausdruͤcklich: Poſſideri au-
tem poſſunt, quae ſunt corporalia. Denn nur von den koͤr-
perlichen Dingen allein wurde nach den Grundſaͤtzen der
Stoiker ein eigentliches Daſeyn angenommen. Rechte,
Befugniſſe, Gerechtſame kann man zwar ausuͤben, und
gebrauchen, allein ein eigentlicher Beſitz, eine koͤrperliche
Detention derſelben iſt undenkbar. In ſpaͤtern Zeiten
haben jedoch die Rechtsgelehrten auch auf unkoͤrperliche
Dinge, naͤmlich auf Gerechtſame, die Grundſaͤtze vom
Beſitz angewendet. Dies lehrt Pomponius15)lib. 29.
ad Sabinum: Precario habere etiam ea, quaein iure
consistunt, poſſumus. Denn auch die precaria poſ-
ſeſſio iſt eine Art des Beſitzes. Man nahm hierbey die
Analogie zu Huͤlfe; denn daß der Gebrauch oder die Aus-
uͤbung einer Befugniß mit der Handlung, wodurch man
das phyſiſche Vermoͤgen erlangt, uͤber eine koͤrperliche
Sache disponiren zu koͤnnen, eine große Aehnlichkeit hat,
iſt ohne Zweifel. So entſtand alſo ein analogiſcher
oder Quaſi-Beſitz16), welcher in dem Gebrauche eines
Rechts
[559]De Senatoribus et officio Magiſtratuum Rom.
Rechts oder Befugniß beſtehet, ſo man in der Abſicht,
ſich dieſelbe anzumaßen, wenigſtens einmal ruhig ausge-
uͤbt hat. So z. Beyſpiel ſagt man, man ſey in der
Quaſipoſſeſſion der Jagdgerechtigkeit, wenn man ſie wirk-
lich ausuͤbt. Mit dieſer Vorſtellung ſtimmt auch Cheo-
philus uͤberein, wenn er in ſeiner Paraphraſe der Inſti-
tutionen ad princip. l. de Interdictis ſagt: quasi pos-
sessio eſt incorporalis rei uſus. Ein mehreres hiervon
an einem andern Orte (§. 1750.)
Lib. I. Tit. IX—XXII.
De
Senatoribus et officio Magiſtratuum
Romanorum.
§. 183.
Selbſthuͤlfe iſt unerlaubt. Regel, wenn ſie erlaubt iſt.
Anzeige und Beſtimmung der mancherley obrigkeitlichen
Aemter bey den Roͤmern aus den hierher gehoͤrigen
Titeln der Pandecten. Schriften.
Dem gemeinen Weſen iſt nun daran gelegen, daß ein
jeder ſein Recht durch richterliche Huͤlfe verfolge. Denn
Selbſthuͤlfe ſtreitet gegen den erſten Endzweck buͤrger-
licher Geſellſchaften, gegen die innere Sicherheit. In
einer ordentlich eingerichteten buͤrgerlichen Geſellſchaft muß
daher der Regel nach alle eigenthaͤtige Gewalt verboten
ſeyn 17). Die roͤmiſchen Geſetze 18) beſtrafen die Selbſt-
N n 4huͤlfe
[560]1. Buch. 9—22. Tit. §. 183.
huͤlfe mit dem Verluſt ſeiner habenden Anſpruͤche, und
wer Privatgewalt ausuͤbt, ohne einen rechtlichen Anſpruch
wirklich gehabt zu haben, muß auſſer der Ruͤckgabe der
weggenommenen Sachen, den Werth davon zur Strafe
oben drauf geben. Die teutſchen Reichsgeſetze haben die-
ſe Verordnung nirgends aufgehoben, ſondern vielmehr
nicht undeutlich beſtaͤtiget 19). Es iſt auch mit Grunde
nicht zu behaupten, daß das Geſetz zu hart ſey. Denn
da in jedem Staate Gerichte beſtellet ſind, die Recht und
Gerechtigkeit handhaben, und durch deren Beyhuͤlfe ein
jeder ſein Recht geltend machen kann; ſo iſt gewiß nichts
uͤbertriebenes darinn zu finden, wenn derjenige ſeines
Rechts verluſtig erklaͤrt wird, der es auf dieſem geſetzlichen
Wege nicht ſuchen, ſondern als ein Feind guter Ordnung
die Ruhe und Sicherheit des gemeinen Weſens zerruͤtten
will 20). Die Selbſthuͤlfe kann jedoch nur blos in ſoweit
fuͤr unerlaubt und ſtrafbar gehalten werden, als man ſein
Recht ohne allen Nachtheil gerichtlich haͤtte verfolgen und
erhalten koͤnnen. Sie iſt daher erlaubt, ſofern ſie
blos zur Vertheidigung des Unſrigen in ei-
nem ſolchen Fall angewendet wird, da die
Huͤlfe des Richters nicht ſchnell genug erfol-
gen kann, einen unwiderbringlichen Schaden
abzu-
[561]De Senatoribus et officio Magiſtratuum Rom.
abzuwehren21). Die Grenzen einer ſolchen Privat-
gewalt werden nach dem Angriffe, oder nach der wahr-
ſcheinlichen Beſorgniß abgemeſſen, und eine geringe Ue-
berſchreitung der Selbſtvertheidigung, welche ein jeder
anderer auch unternommen haben wuͤrde, kommt nicht
in Betrachtung. Kann nun aber durch erlaubte Selbſt-
huͤlfe eine Sache nicht beygelegt werden, ſo muß man
richterliche Huͤlfe ſuchen. Daher wird nun in den uͤbri-
gen Titeln dieſes erſten Buchs von den verſchiedenen
Magiſtratsperſonen der Roͤmer und deren Amte und Ge-
walt gehandelt. Da ſich jedoch dieſe obrigkeitlichen Aem-
ter auf die beſondere Regimentsverfaſſung des roͤm. Staats
beziehen, und heutiges Tages ceßiren, ſo ſey es genug, die
davon handelnde Titel wenigſtens curſoriſch hier anzufuͤhren.
Tit. X. de officio Conſulis, die Conſuln waren die Ober-
haͤupter des Senats, hatten Gerichtsbarkeit und legis
actio; (§. 184.) erkannten beſonders in Fideicommiß-
und Alimentſachen, vor ihnen konnten auch Adoptionen,
Emancipationen und vorzuͤglich Manumißionen geſchehen.
Tit. XI. de officio Praefecti praetorio: Sie waren nach
der Einrichtung des K. Auguſts bloſe Oberſten der kai-
ſerlichen Garde 22). Kr. Antoninus der Philoſoph mach-
te ſie zu ſeinen Cabinetsraͤthen. Unter Septimius Se-
verus erhielten ſie eine ordentliche und eigene Gerichts-
N n 5barkeit
[562]1. Buch. 9—22. Tit. §. 183.
barkeit ſowohl in buͤrgerlichen als peinlichen Rechtsfaͤllen;
ihre Gerichtsſtube hieß Auditorium23). Sie hatten auch
ihre eigenen Aſſeßoren, unter welchen die beruͤhmteſten
Rechtsgelehrten waren 24). Ja unter dieſem Kr. ſtieg
ihr Anſehen ſo ſehr, daß ſie die Gewalt der erſten Staats-
miniſter bekamen. Sie waren, wie Zoſimus25) ſagt,
magiſtratus a Principe ſecundus. Von ihren Rechts-
ſpruͤchen fand keine weitere Appellation ſtatt. Tit. XII.
de officio Praefecti urbi. Der Praefectus urbi hatte die
ganze Policey in Rom, und der umliegenden Gegend 26);
vor ihn wurden auch Criminalſachen, beſonders der Scla-
ven, gebracht. Bey ihm konnten auch Minderjaͤhrige
reſtitutionem in integrum ſuchen 27). Tit. XII. de of-
ficio Quaeſtoris. Die Quaeſtoren waren die geringſten
obrigkeitlichen Perſonen, quaſi primordium gerendorum
honorum, hatten jedoch Sitz und Stimme im Senat.
Einige von ihnen waren dazu beſtimmt, die Briefe und
Botſchaften des Kaiſers im Senat vorzuleſen, und hieſ-
ſen Candidati principis.28)Tit. XIV. de officio Praetorum.
Von den Praͤtoren waren einige zur Jurisdiction, ande-
re zum Iudicium publicum beſtimmt. In den Frag-
menten dieſes Titels wird nur ihrer Legis actio gedacht.
Bey ihnen konnten Manumiſſionen, Adoptionen und
Emancipationen geſchehen. Sie beſtellten auch Vormuͤn-
der
[563]De Senatoribus et officio Magiſtratuum Rom.
der 29). Tit. XV de officio Praefecti vigilum. Er com-
mandirte die Policey-Soldaten, mußte beſonders zur
Nachtszeit die noͤthige Sicherheitsanſtalten gegen Diebe-
rey und Feuersbruͤnſte treffen, und hatte auch in derglei-
chen Faͤllendie Cognition und ein Strafrecht. Schwerere
peinliche Faͤlle muſte er dem Praefectus urbi uͤberlaſſen.
Tit. XVI. de officio Proconſulis et Legati. Tit. XVII. de
officio Praefecti Auguſtalis, Tit. XVIII. de officio Praeſidis.
In jeder Provinz war ein Gouverneur, Praeſes Provinciae,
welches eine allgemeine Benennung war; wurde derſelbe
vom Senat ernannt, und in eine ſenatoriſche Provinz
geſchickt, ſo hieß er Proconſul, Propraetor; ernannte ihn
der Kaiſer zum Gouverneur, ſo hieß er Legatus Caeſa-
ris; Praefectus Auguſtalis30), dieſer letztere Name war
beſonders dem Gouverneur von Egypten eigen. Der Gou-
verneur hatte in der Provinz die Jurisdiction ſowohl in
buͤrgerlichen als peinlichen Rechtsfaͤllen. Allein ſolche
Rechtshandlungen, die zur iurisdictione voluntaria ge-
hoͤren, z. B. Emancipationen, Adoptionen, Manumiſſio-
nen, konnte er auch auſſer der Provinz beſtaͤtigen (L. 2.
pr. de off. Proconſ.) Er hatte zugleich die Sorge fuͤr
die Policey, u. ſ. m. Beym Antritte ſeines Amts erhielt
er eine Inſtruction vom Kaiſer (mandatum). Gewoͤhn-
lich hatte ein Gouverneur ſeinen Stellvertreter (Legatus),
dem er jedoch nur das uͤbertragen konnte, was ihm ſelbſt
Kraft ſeiner Charge zukam (quae jure magiſtratus com-
petunt), nicht was ſeiner Charge erſt beſonders vermoͤge
eines Volksſchluſſes, Senatusconſultum, oder kaiſerli-
cher Verordnung beygelegt worden. Hierher gehoͤrt
Tit. XXI. de officio eius cui mandata eſt iurisdictio. Alſo
was zur legisactio oder merum imperium gehoͤrt, durfte
der
[564]1. Buch. 9—22. Tit. §. 183.
der Legat des Gouverneurs nicht verrichten. Tit. XIX.
de officio Procuratoris Caeſaris, vel Rationalis; der Procura-
tor Caeſaris beſorgte die Finanzſachen in der Provinz,
nicht blos als Adminiſtrator der oͤffentlichen Einnahme,
ſondern auch mit einiger Jurisdiction. Tit. XX. de of-
ficio Iuridici. Der Name Iuridicus war dem Richter in
der Stadt Alexandrien vorzuͤglich eigen. Er war ein
Subaltern vom Praefectus Auguſtalis31). Jedoch hat-
te er auch legis actionem; und konnte Vormuͤnder be-
ſtellen. Endlich Tit. XXII. de Officio Adſeſſorum. Die
roͤmiſchen obrigkeitlichen Richter hatten ihre Beiſitzer,
die ſie in wichtigen Sachen um Rath fragten. Sie wa-
ren insgemein die beruͤhmteſten Juriſten, und werden da-
her Iuris ſtudioſi genennt. Ihr Amt betraf, nach Pau-
lusL. 1. b. t. cognitiones, poſtulationes, libellos
(ſc. ſupplices) edicta, epiſtolas32). Wer von dieſen
und andern obrigkeitlichen Aemtern der Roͤmer ein meh-
reres wißen will, dem empfehle ich vor allen andern haupt-
ſaͤchlich folgende zwey trefliche Werke: Iacobigutherii
de officiis domus Auguſtae publicae et privatae libri
tres Pariſiis 1628. 4. und M. Auguſtinicampiani
de officio et poteſtate Magiſtratuum Romanorum et
iurisdictione libri duo. Auguſtae Taurinor. 1724. 4. maj.
[]
Appendix A Zuſaͤtze und Verbeſſerungen.
- S. 4. Not. 8. add. Car. Siegfr. Abr. deaeminga Diſquiſ. an
moratorium adverſus creditores extraneos proſit? Gryphis-
waldiae 1771. 4. - S. 69. Not. 74. gehoͤrt das Allegat aus chesius nicht hierber,
ſondern zu S. 68. Not. 29. denn chesius erklaͤrt daſelbſt
nicht die L. 14. ſondern L. 24. D. de Statu hominum. Ich
bemerke hier nur noch, daß chesius a. a. O. unter Lex
naturae in der angefuͤhrten Geſetzſtelle nicht das natuͤrliche
Recht verſtehen will, ſondern das gemeine Recht
oder Geſetz der Geburt, (legem, quae ſuper nata-
libus in naſcendo ſervatur): Illa talis eſt, ſagt dieſer ele-
gante Juriſt, ut natus ſine matrimonio, matrem ſequatur;
non quod ius naturae eam legem conſtituat, ſed quod lex
illa ſuper natalibus ſit recepta, ideo lex naturae vocatur.
Die letztern Worte der L. 24 cit. niſi lex ſpecialis aliud inducat
beziehen die Ausleger des R. R. auf die Lex Menſia, wel-
che die Ehen zwiſchen roͤmiſchen Buͤrgern und Fremden un-
terſagte, und die daraus erzeugte Kinder vom Buͤrgerrechte
ausſchloß. Man vergleiche die ſchoͤne Diſſert. des Hrn. D.
Chriſt.rau de Lege Menſia. Lipſiae 1786. §. 6. - S. 86. Not. 30. iſt beyzufuͤgen puͤttmann Probabil. iuris civ.
lib. II. c. 16. wo bewieſen wird, daß die uneheliche Geburt
bey den Roͤmern mit keiner Anruͤchtigkeit behaftet geweſen. - S. 102. Not. 78. Eine hiermit uͤbereinſtimmende Entſcheidung
der Preuß Geſetzcommiſſion zu Berlin findet man in
Kleins Annalen der Geſetzgebung und Rechtsgelehrſam-
keit in den Preuß. Staaten I. Band S. 201. ff. - S. 123. Not. 48. iſt hinzuzufuͤgen Joh Fridr. Eiſenhart
von denen in dem teutſchen Rechte gegruͤndeten Vorrechten
der Geſunden vor den Kranken: im 2ten Bande der klei-
nen teutſchen Schriften S. 139 ff. - — — Not. 50 fehlt Io. Fridweidler Diſſ ſub tit. defectuum
corporis contemplatio iuridica. Vitembergae 1738. - S. 127. Not. 65. add. Iac.gothofredus in Commentar. in
Tit. Pand. de div. Reg. Iuris ad L. 40. h. t. Operum col. 860.
S. 135.
[]
- S. 135. Not. 6. add. finestres in Hermogeniano Tom. II.
pag. 691. - S. 185. Not. 39. ſind noch beyzufuͤgen Herm. Frid.teich-
meyer Inſtitut. medicinae legalis Cap. I. und W. G. Plouc-
quet vom menſchlichen Alter und den davon abhangenden
Rechten. Tuͤbingen 1779. 8. worin man trefliche phyſi-
caliſche Aufklaͤrungen zur Erlaͤuterung unſerer rechtlichen
Grundſaͤtze findet. - S. 190. Zeile 6. von oben ſtatt Warum, muß heißen: Die
Urſache, warum ꝛc. - S. 191. u. 192. ſtatt Proculejaner leſe man uͤberall Procu-
lianer. - S. 200. iſt zu bemerken Io. Gottl.winckelmann Comment.
iurid. de iuribus ſenum ſingularibus, praeſ. hommelio de-
fenſa Vitembergae 1790. - S. 226. Not. 94. add. Io. Car. Gottl.heise de patria poteſtate
circa vitae generis electionem filiorum, praeſ. D. Ern.
Gottfr. Chriſt.kluͤgelVitembergae 1785. - S. 296. Z. 14. muß ſtatt quem geleſen werden quam.
- S. 330. Not. 49. ſind uͤber die L. 8. D. de adopt. auſſer Wie-
ling vorzuͤglich nachzuſehen Petr. detoullieu in Col-
lectaneis pag. 269. und puͤttmann in Interpretat. et Ob-
ſervat. iuris Rom. Cap. XXVI. §. 1. welche gegen Wie-
ling gezeigt haben, daß in jener Stelle Divus Clau-
dius der andere, welcher im Jahr 268. den Kaiſerthron
beſtieg, und welchen die Kr. Diocletian und Maxi
mianDivum Claudium, Conſultiſſimum Principem et Pa-
rentem ſuum in L. 1. Cod. ne liceat potent. patr. nennen,
zu verſtehen ſey. - S. 467. Not. 11. Will zwar iauchius in Meditat. critic. de ne-
gationibus Pandectar. Florentinar. pag. 285. in der L. 93.
D. de Verb. Signif. ſtatt ſi tamen leſen: niſi tamen appa-
reat, allein Io. Gottfr.sammet in receptis lectionib. ad
Iauchium Diſputat. IV. cap. 42. hat dagegen gruͤndlich ge-
zeigt, daß in dieſer Stelle keine Emendation vorzunehmen
noͤthig, ſondern eine Art von Ellipſe vorhanden ſey, welche
man ἀνανταπόϑοτον nennt, und welche Io.goeddaeus
zuerſt gluͤcklich entdeckt hat.
[][][]
allein D.Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen
Rechts 2. Th. S. 109 ff. hat ihn gruͤndlich widerlegt.
tioſorum, quam conventional. (Ienae 1736.) §. 16. ziegler
de Iur. Maieſtat[.] lib. II. cap. 15. §. 43.
Pandect. Vol. XI. Supplem. Spec. V. obſ. XI.
gegen den Stoͤhrer eines Privilegiums iſt in petitorio, die
actio confeſſoria utilis, in poſſeſſorio das Interdictum uti poſſi-
detis utile. Siehe Schmidts Lehrbuch von gerichtl. Kla-
gen §. 471 ff. und §. 173. berger Oecon. iur. Lib. II. Tit. VI.
§. 3. n. 3.
canon. §. 221.
lib. II. cap. VI. n. 14.
I. Th. N. XV.Schnaubert Anfangsgr. des Staatsrechts
der geſammten Reichslande § 267.
Hofr. Schnaubert in dem angef. Buch §. 272. und Mich.
God.wernher lectiſſim. Commentat. ad Digeſta P. I. h. t.
§. 3.
halt eines andern ſchon vorhandenen Privilegiums ertheilet;
ein ſolches wird privilegium ad inſtar genennt; man ſehe
z. B. L[.] 7. C[.] de Advocat. div. iudic. L. un. Cod. de privileg.
urb. Conſtantin. Cap. 2. de privil. in 6to. Hier muß der Um-
fang und die Wirkung des Privilegiums nach dem privile-
gio exemplari beurtheilt werden. S. Chriſtoph
Adam RinderDiſſ. de privilegiis ad inſtar. Altorf. 1714.
emancipat. — nec in cuiusquam iniuriam beneficia tribuere,
moris eſt. So ſollen auch nach der neueſten Wahlcap.
art. 15. §. 3. die contra ius tertii, und ehe derſelbe daruͤber
vernommen, ſub- et obreptitie erhaltene privilegia caſſirt wer-
den. Dem ungeachtet aber giebt es doch Privilegien, die ohne
Nachtheil anderer dritter Perſonen nicht denkbar ſind. Ein
Beyſpiel geben die Moratorien, die privilegia de non ap-
pellando, das Reichsritterſchaftliche Retractsrecht, u. d. m.
Es laͤßt ſich indeſſen dieſes ſonderbare Phaͤnomen gar leicht
erklaͤren, wenn man erwaͤgt, daß nur allein die gemeine
Wohlfahrt oder ſonſt die hoͤchſte Billigkeit der-
gleichen Privilegien-Ertheilung zu rechtfertigen vermoͤge. Daß
jedoch auch alsdann noch erſt die Intereſſenten dar-
uͤber gehoͤret werden muͤſſen, iſt allerdings zu behaupten. S.
Hrn. Geh. R. GerſtlachersCorpus iuris germanici oder
Abhandlung von den Geſetzen, Ordnungen, Friedensſchluͤſ-
ſen, ꝛc. des teutſchen Reichs IV. Band (Stuttgart 1789.)
S. 367 u. ff.
lichen Rechts 2. Th. S. 113. und Hofr. hartleben in Me-
ditat. ad Pandect. Spec. XII. med. 4.
in ſpecie de modis, quibus finiuntur vel amittuntur Cap. I.
§. 17.
in Diſſ. de iuribus ex ceſſione tam valida quam invalida. (Roſt.
1780.) §. 10.
bach in Colleg. Th. Pract. Pandect. Lib. XVIII. Tit. IV.
§. 56 ff. hertius in Diſſ. de tranſitione privilegii perſonalis
ad alios §. 13. Opuſc. Vol. I. T. III. p. 31. Einer andern
Meinung iſt jedoch wasmuth in Diſſ. de privilegior. natu-
ra etc. §. XIV. ff.
nis etc. L. 1. §. 43. D. de aqua quotid.
n. I.
quaeſita revocari poſſe.
Laz. Car.woelker in Diſſ. de privilegiis odioſis et poena-
libus. Altorf. 1718. Die Bodenſche oder Beckmann-
ſcheDiſſertat. iſt ſchon oben 1. Th. S. 539. Not. 21. ange-
fuͤhret worden.
tam gratioſorum quam conventionalium. Ienae 1736.
haltene Privilegium zahlt, macht ſolches ſofort zu einem con-
ven-
Staatsrechts §. 262. S. 173. f.
dendis privilegiis. Vitemb. 1754.
mit den Vortheilen ſtehet, die ſich der Privilegirte von dem
Privilegium zu verſprechen hatte. Siehe Sam.stryck Diſſ.
de privilegiis titulo oneroſo quaeſitis. Halae 1704.
Guͤnderrode Abhandl. des teutſchen Staatsrechts III. Buch
7. Kap. Carl Fried. GerſtlacherCorp. iur. germ.
publici et priv. oder Abhandl. von Geſetzen ꝛc. des teutſchen
Reichs IV. Band 9. Kap. pūtter Inſtitut. iur. publici §. 224.
des 3. Th. Reſp. CCXXVI. n. 116. S. 803. lochner
Select. iuris univerſi P. I. pag. 37. f. f. Ge. Erasm. kobes
Diſſ. de effectu hodierno privilegiorum aevi antiquioris ad il-
luſtr. art. VIII. §. 21. Capit. Caeſar. Altorf. 1766.
Anfangsgruͤnde des Territorial-Staatsrechts §. 263.
die Reichsvikariate betreffend. Frankf. und Leipz. 1790. 8.
N. I.Welches iſt die rechtliche Norm, wornach
die Reichsvikariats-Gerechtſame zu beurthei-
len ſind?
perperam a nonnullis in dubium vocantur, in ſelect. Opuſc.
iuris publici T. II. Sect. I. §. 29. ſqq. Lib. Bar. a.wern-
her ſelect. Obſervat. forens. Tom. I. P. III. Obſ. 116. n. 361.
ff. S. 601. f. pūtter Inſtitut. iur. publ. germ. §. 465.
GerſtlacherCorp. I. P. et P. a. a. O. S. 372. und Ano-
nymi Tractat. de Sereniſſim. Imp. Vicariis eorumque iuribus,
ex legibus fundamental. et hiſtoria Imp. confectus. 1790. 8.
§. 8.
Regierungs-Rechten S. 830. f. und in der Nachleſe zum
Compend. iuris. publici pag. 208. auch im Staatsrecht Th. VIII.
S. 50. ff. Vorzuͤglich aber vergleiche man hier des Herrn
Rath Joſ. Edlen von Sartori Reichs-Vicariatiſches
Staats-Recht (Augsburg 1790. 8.) Kap. 3. §. 87 — 93.
und Kap. 7. §. 134. u. 144.
§. 5.
muth in der oben angefuͤhrten Diſſertation §. VI.
in dem neuen Leipziger Magazin fuͤr Rechtsge-
lehrte herausgegeben von C. A. Guͤnther und C. F. Ot-
to auf das Jahr 1786. 2. St. N. V. S. 165. ff. in wel-
chem dieſelbe bejahend entſchieden worden iſt.
P. I. Spec. XII. med. 4. und wasmuth cit. Diſſ. §. X.
ſagt: Tunc enim, cum privilegium quoddam maieſtati principis,
aut
ſtringendum eſt Accedit, quod nemo privatus, nedum Prin-
ceps, facultati ſibi competenti renunciaſſe praeſumatur.
de Reg. Iuris. leyser a. a. O. und hartleben a. a. O.
iure communi utitur.
vorzuͤglich empfehlen kann, ſind Io. Siegfr. wientzek Com-
mentat. de vero ſenſu L. 11. §. 6. et 7. et L. 12. π. de
minorib. iuncto examine regulae: privilegiatus contra privile-
giatum non utitur iure ſuo. Uratislaviae 1778. 4. und Joa-
chim Heinrich Chriſtian Luͤders naͤhere Betrachtung der
Lehre von der Concurrenz mehrerer Privilegien; im Nieder-
ſaͤchſiſchen Archiv fuͤr Jurisprudenz und iu-
riſtiſche Litteratur, herausgegeben von D. J. C. Kop-
pe. 2. Band (Leipzig 1788.) N. 34. S. 485—495.
verſus minorem reſtitui deſiderat, an ſit audiendus? Et Pom-
ponius ſimpliciter ſcribit, non reſtituendum. Puto autem in-
ſpiciendum a Praetore, quis captus ſit. Proinde ſi ambo cap-
ti ſunt, verbi gratia minor minori pecuniam dedit, et ille per-
didit: melior eſt cauſa ſecundum Pomponium eius, qui acce-
pit, et (vel) dilapidavit, vel perdidit.
daß in dem Fall, ſi ambo capti ſunt, keiner von beiden reſti-
tuirt werden koͤnne. Selbſt Cujaz dachte ſo, welcher daher
in Comment. ad Tit. Dig. de minoribus Tom. II. Operum (Ha-
noviae 1602.) S. 169 ſich folgendermaßen erklaͤrt: Si uter-
que captus ſit, ceſſant Praetoris partes, et vero ſi minor mi-
nori crediderit, et is pecuniam ſtatim perdiderit, ſatius eſt,
rem i Praetore intactam relinqui, ne dum vult uni ſubvenire,
in alterum iniurius eſſe videatur: quoniam et is, qui accepit,
captus eſt propterea, quod pecuniam amiſit, et is, qui dedit,
propter exceptionem aetatis. Quare neutri reſtitutione data,
melior erit cauſa eius, qui accepit, et conſumſit. Allein ſchon
Anton Faber erinnerte dagegen in ſeinen Rationalibus ad
Pandect. ad L. 11. §. 6. D. de minorib. ſehr gruͤndlich: male
dici in hoc caſu, a praetore rem intactam relinqui: nam non
poteſt fieri, ſagt er, ut non teneatur is, qui pecuniam accepit,
licet
Wem ſonſt, als ſeiner Reſtitutionswohlthat hat es alſo in
dieſem Fall der minderjaͤhrige Beklagte zu verdanken, daß
er von der Verbindlichkeit, das empfangene Geld zu erſtat-
ten, frey iſt? Denn nach dem ſtrengen Recht muͤßte er al-
lerdings bezahlen. L. 43. D. de Obligat. et Action. L. 101.
D. de Verb. Obligat. S. Io. Guil.marckart Interpretat.
receptarum iuris civ. lectionum Lib. I. cap. 21. Marc. lyck-
lamaànyholtMembranar. lib. VII. Eclog. 15. und Frid.
behmer novum Ius Controverſ. Tom. I. Obſ. 47. S. 313. ff.
pſodia Quaeſtion. Forenſ. Vol III. Obſ. 469. S. 104. An-
derer Meinung ſind Gebb. Chriſt. bastineller in Diſſ. de
eo, quod iuſtum eſt in privilegiorum colliſione. (Vitemb. 1727.)
§. XIII. und Hr. Geh. R. Nettelbladtin Syſtem. elem.
iurisprud. poſit. Germ. commun. general. §. 483. Allein die
Regel: lex poſterior derogat priori, findet aus den oben an-
gefuͤhrten Gruͤnden bey Colliſion der Privilegien keine An-
wendung. Vielmehr heißt es hier: poſterius privilegium prio-
ri contrarium pro ſubreptitio habendum. cap. 1. de conſtitut.
in 6to.
Reg. Iur. in 6to.
(ſe quomodo privilegiorum colliſio tollenda vel temperanda)
cum ad curam et officium Principis pertineant, conſequitur,
Principem hac de cauſa duntaxat adeundum eſſe ſuppliciter,
non litem intendi oportere privatam privilegio, iuſte in exer-
citio ſuo collidenti.
Worte ſind: Quodſi conſenſiſti obligationi, ſciente cre-
ditrice, auxilio Senatusconſulti uti potes.
publ. L. 9. C. de appellat.
ſiam quadragenaria temporis praeſcriptione tueri de re illa,
quam inconcuſſe quadraginta annis noſcitur poſſediſſe. add.
cap. 6. X. eodem.
lichen auf ſein privilegium fori berufen, wenn ihn letzterer
bey einem weltlichen Richter belangen wollte. Cap. 1. X. de
foro compet.
contra aeque privilegiatum non utitur iure ſuo, wollen zwar
dagegen die L. 8. pr. und L. 41. §. ult. D. de Excuſat. an-
fuͤhren, aber vergeblich. Das erſte Geſetz giebt den Solda-
ten nach ihrer ehrenvollen Entlaſſung (Veterani) die Frey-
heit von Uebernehmung der Vormundſchaften, ſagt aber aus-
druͤcklich, daß dieſes Privilegium gegen Soldatenkinder keine
Anwendung finden ſolle. Allein wo concurrirt denn hier ein
Privilegirter mit einem andern Privilegirten? Da das Pri-
vilegium wegen der Befreyung von Vormundſchaften den Ve-
teranen, nicht aber deren Kindern ertheilt iſt. Es iſt alſo
dieſer Fall fuͤr nichts anders als eine Einſchraͤnkung jenes
Privilegii der Soldaten anzuſehen. Und eben das gilt auch
von dem andern Geſetz.
norib.
in Not. ad h. L. lit. k.
meditat. 8. Reg. 3. S. 266.
fuiſſent, neceſſario antiquum praeponeretur poſteriori: ita et
hic privilegia neceſſarium eſt priori doti dare prio-
ra, et tum ſecundae, ut, quod antiquius et tempore
prius eſt, amplius obtineat robur et privilegium.
licet contra novercas antetioris matrimonii filiis, quibus pro
dote matris ſuae iam quidem dedimus hypothecam contra pa-
ternas res, vel eius creditores: in praeſenti autem ſimilem
praerogativam ſervamus, ne ius, quod poſteriori da-
tum eſt uxori, hoc anteriori denegetur.
fuͤhrten Commentation des Wientzeck, zumahl da ſolche
nicht in aller Haͤnden ſich befindet, anzufuͤhren, weil ſo viele
große Rechtsgelehrten behaupten, daß in dem gegebenen Fall
keiner von beyden Minderjaͤhrigen von ſeiner Rechtswohlthat
Gebrauch machen koͤnne, ſondern das gemeine Recht eintreten
muͤſſe. Die Stelle lautet Cap. I. §. 1. S. 12. folgender Maaſ-
ſen: Cum autem in ſpecie noſtra dicitur, minorem, qui mu-
tuam pecuniam accepit, non teneri (hoc enim ſibi volunt ver-
ba: d. L.melior eſt cauſa eius, qui accepit, iet vel
dilapidavit vel perdidit) neceſſe eſt, ut ob reſtitu-
tionem in integrum ei conceſſam obligatio ad reſtituendum ceſ-
ſet. Summo itaque iure dici poteſt: in caſu, ſi uterque
minor captus eſt, unum eorum reſtitui. Aſt quae-
ritur hic, cur, in ſpecie propoſita, alter minor non etiam
reſtituatur, cum tamen quoque laeſus ſit, quippe qui pecu-
niam mutuam dedit, quam non recuperat? Reſpondeo, hic
reſtitutionem plane eſſe impoſſibilem, hancque ob cauſam ceſſare.
Si enim minor, qui accepit, in integrum reſtituitur, huius
reſtitutionis hic eſt effectus, ut ſolvere, quod proprie deberet,
non teneatur. Iam ſi minor, qui dedit, etiam reſtitui debe-
ret, reus ad ſolvendum tamen obligatus eſſet. Sic itaque ſimul
et non ſolvere et ſolvere deberet, quod per principium contra-
dictionis eſt abſurdum.
angefuͤhrten L. 11. §. 6. D. de minorib. puto autem a Prae-
tore inſpiciendum, quis captus ſit? zu verſtehen. Captus
heißt ſoviel als laeſus. L. 3. §. 3. L. 7. pr. L. 9. §. 2. L. 29.
pr. D. de minorib. Sonſt heißt capi ſoviel als fraudari et
decipi. S. erissonius de Verb. Significat. v. capere n. 7.
S. 154.
welches ſind die vornehmſten Grundſaͤtze, worauf es bey Be-
ſtimmung der Faͤlle, da Privilegien aufhoͤren koͤnnen, haupt-
ſaͤchlich ankommt? in deſſelben kleineren juriſt.
Schriften 1. Sammlung (Buͤtzow u. Wismar 1772. 8.)
N. IV. I. G. F.wasmuth Diſſ. de privilegiorum natura,
in ſpecie de modis, quibus finiuntur vel amit-
tuntur. Goettingae 1787. Cap. II. hartleren Meditat.
ad Pandect. Spec. XIII.
deſſelben Erbe fuͤr die noch uͤbrige Zeit das Privilegium zu ge-
nießen, wenn nicht etwa aus dem Inhalt deſſelben zu erſehen,
daß ſolches blos auf die Perſon desjenigen, der es erhalten,
eingeſchraͤnkt ſeyn ſolle. S. wolff Iur. Natur. Part. VIII.
cap. IV. §. 880. wasmuth a. a. O. Cap. II. §. 21.
offerend.
S. 554.
ſitas ad unum redit, — ius omnium in unum recidit, et ſtat
nomen univerſitatis.
§. 2. D. de ſervit. praed. urban.
bus ſeu privilegiis, quatenus mutari aut revocari iure poſſint.
Erlangae 1743. Allein kuhn in Diſſert. de privilegii con-
ventionalis irrevocabilitate Heidelberg 1760. hat dieſe irrige
Meinung in ihrer ganzen Bloͤße dargeſtellt.
Quiſtorp in der angefuͤhrten Abhandlung S. 102. u. ff.
Reg. Rath Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerli-
chen Rechts 2. Th. S. 151. gruͤndlich widerlegt hat.
cap. XII. §. 45. gratuita privilegia libere quidem promittuntur,
ſed poſtquam promiſſa, valide ſunt ſervanda.
che Bedenken 2. Th. Bd 80.
beralitatis, ſed diſtat a donatione, eo, quod, qui donat,
ſic dat, ne recipiat; at qui precario concedit, ſic dat, quaſi
tunc recepturus, cum ſibi libuerit precarium ſolvere.
Tr. de Contributionibus Cap. XVI. Sect. I. n. 120. ſqq. voet
in Commentar. ad Pandect. h. t. §. 25. leyser Spec. XI.
med. 3. hartleben Spec. XIII. med. 2. et 3. Eichmann
Erklaͤrung des buͤrgerl. Rechts 2. Th. S. 152. ff. Chriſt. Henr.
breuning Quaeſtio iuris controv. an privilegia conceſſa titu-
lo gratioſo morte concedentis exſpirent? Lipſiae 1776.
Tubingenſ. Vol. V. Conſ. 58. n. 123. ſqq. Vol. VH. C. 29.
n. 32. ſqq. stryck in Diſſ. de privilegiis titulo oneroſo
quaeſitis. Cap. III. §. 5. leyser Spec. L. med. 10. wern-
her ſelect. Obſervat. forenſ. T. II. Part. X. Obſ. 377. hom-
mel Rhapſod. Quaeſtion. Forenſ. Vol. III. Obſ. 469.
cauſa promifſum eſt, ſive fuit cauſa promittendi, quae finita
eſt, dicendum eſt condictioni locum fore.
§ 23. hommel Rhapſod. Quaeſt forens. Vol. III. Obſ. 469.
n. 5. S. 106 gaertner Meditat. pract. ad Pandect. Spec. I.
medit. 36. S. 61.
§. 29. u. 30. Chriſt. Jacob von Zwierlein Nebenſtunden
1. Th. S. 66 ff.
ters Beytraͤge zum T. St. u. F. R. 1. Th. N. 9. Io Pet.
deludewig de obligatione ſucceſſorum in principatu. Halae
1714 Cap. IV.Schnaubert Territorial-Staatsrecht.
2. Buch 12. Hauptſt.
Cap. 24. X de privilegiis. — Privilegium meretur
amittere, qui permiſſa ſibi abutitur poteſtate.
Adde Cap. fin. X. de Reſcript. Vid. Sam.stryck Diſſ. de
abuſu iuris quaeſiti (Diſſertat. Vol. IV. Diſp. 9.) Cap. IV.
fuͤhrten Abhandlung S. 123. mevius P. 2. Dec. 158. n. 4.
5. 6. 7.
tur dolo. L. 226. D. de Verb. Signif. Allein auch eben ſo
bekannt iſt es, daß dieſe Regel nur in cauſis civilibus et pe-
cuniariis, wenn von Schadenserſatz die Rede iſt, L. 1. §. 1.
D. ſi menſor falſ. mod. dixerit; nicht aber in Poͤnal- und
Criminalſachen Anwendung finde. L. 7. D. ad L. Cornel. de
Sicar. S. püttmann Adverſarior. iuris univerſi. Lib. I.
c. 12. S. 201.
ſtorp in den Grundſaͤtzen des T. peinl. Rechts. 2. Th.
9 Abſchn. §. 567.
let aus Can. 7. Diſt. LXXIV. verb. Denunciamus autem etc.
und aus II. F. 27. § 17. verb. Quicunque advocatiam ſuam
vel aliquod aliud beneficium inornate tractaverit, et a domi-
no ſuo admonitus non reſipuerit etc. Richtig ſagt
daher der ſel. GR. von Boͤhmerin Meditat. ad Art. I.
Conſt. Crim. Carol. §. 9. Per gradus demum ad privationem
eundum, adeo, ut ne haec quidem aliter quam 1) obgra-
viſ-
eius abuſum. Lipſiae 1755. püttmann a. a. O. S. 202. und
in Element. iuris criminalis Lib. II. c. IV. §. 733.
n. 24. S. 1020.
nequit. S. boehmer Conſultat. ad Deciſion. Tom. III. P. II.
Deciſ. 7. n. 6.
nemlocum habeat. Man vergleiche auch hierbei wiestner
in Praelect. et Exercit. acad. iuris eccleſiaſt. Lib. V. Tit. 33.
art. IV. n. 56. 57. püttmann c. l. S. 201. und wasmuth
in der angef. Diſſ. Cap. II. §. 22. S. 45. f.
quae pro se introducta ſunt.
L. 2. D. de Veteranis. Honeſte ſacramento ſolutis data im-
munitas non labefactatur, ſi quis eorum voluntate ſua hono-
rem aut munus ſuſceperit. L. 12. Cod. de Excuſat. Volun-
tariae tutelae munera privilegiis nihil derogant. Das heißt,
wie Cujazin Recitat. Solemn. ſ. Commentar. in Cod. dieſes
Geſetz erklaͤrt: Si omiſſa excuſatione, quae mihi iure competit,
mea ſponte tutelam cuiusdam pupilli ſuſcepero, non ideo mi-
nus me potero excuſare a tutela nova, ſi deferatur. Er ziehet
hieraus die Folge: non amitti privilegium, ſi ſemel vel ite-
rum non ſim uſus privilegio meo. Ferner L. 2. Cod. de bis,
qui ſponte publica munera ſubeunt. (lib. X. Tit. 43.) Qui
publici muneris vacationem habent, ſi aliquem honorem, ex-
cepto decurionatu, (vid. L. 1. eod.) ſponte ſuſceperit, ob
id quod patriae ſuae utilitatibus ceſſerit, vel gloriae cupidi-
tate pauliſper ius publicum relaxaverit, competens pri-
vilegium non amittit. Pauliſper heißt hier pro ea vi-
ce,
tingae 1745.) §. 13. Car. Frid.dieterich Syſtem. elemen-
tar. iurisprud. civ. privatae P. l. Tit. 1. Part. general. §. 19.
p. 30. nettelbladt Syſtem. elem. Iurisprud. poſitivae Ger-
manor. commun. generalis. §. 472. (Halae 1781.)
aber zeigt dasjenige Recht an, quod in privilegio immunita-
tis iure communi Veteranis vel aliis conceſſo conſiſtit. Hier-
aus laͤßt ſich urtheilen, was von der Meinung derjenigen zu
halten ſey, welche behaupten, daß negative Privilegien,
welche in der Befugniß eine ſonſt nothwendig auszuuͤbende
Verbindlichkeit zu unterlaſſen, beſtehen, durch ein einiges dem
Privilegium gerade zuwiderlaufendes und wiſſentlich unter-
nommenes Faktum erloͤſchen; ich will mich deshalb auf Fran-
ciſc. deamaya Commentar. in tres poſteriores libros Codicis
Imp. Iuſtiniani. Tom. I. (Lugduni 1639. fol.) lib. X. Tit. 43.
n. 12. ſqq. vorzuͤglich bezogen haben, der dieſen Irrthum am
gruͤndlichſten widerlegt hat. Mit mir ſtimmt auch voet in
Comment. ad Pandect. h. t. §. 22. uͤberein.
es: Cum enim tanto tempore contra indulta privilegia deci-
mas ſolverint, eis renunciaſſe tacite praeſumun-
tur. Dieſem iſt nicht entgegen, wenn in L. 12. Cod. de Sa-
croſ. Eccleſiis geſagt wird: privilegia, quae generalibus con-
ſtitutionibus univerſis Sacroſanctis Eccleſiis orthodoxae reli-
gionis retro Principes praeſtiterunt, firma et illibata in
perpetuum decernimus cuſtodiri; denn dies iſt nicht von
einzeln ſpeciellen Privilegien zu verſtehen, ſondern von ſolchen
beſondern und zum gemeinen Beſten aller Kirchen eingefuͤhr-
ten Rechten, die zum ius publicum gehoͤren, und ob utili-
tatis publicae rationem beſtaͤndig aufrecht erhalten werden
muͤſſen, wie ſchon Tob. Iac.reinharth in Diſſ. de eo, quod
circa amiſſionem iurium et privilegiorum per non uſum iuſtum
eſt, (Erfordiae 1734.) §. XVIII. richtig bemerkt hat. Ein
gleiches iſt von den can. 1. et 2. Cauſ. XXV. qu. 2. in Gra-
tians Decret zu ſagen; wovon Ant. Dad.alteserra in
Innocentio III. ſ. Commentar. in ſingulas Decretales huius-
ce Pontificis, quae per libros V. Decretal. ſparſae ſunt. (Lu-
tetiae Pariſior. 1666.) Lib. V. Tit. 33. cap. 15. S. 591. nach-
zuſehen iſt. Sehr gruͤndlich widerlegt auch wasmuth in der
oͤfters angefuͤhrten Diſſertat. Cap. II. §. 25. jenen Irrthum,
daß Privilegien fuͤr res merae facultatis zu halten.
ne extinctiva cum interitu iurium per non uſum haud confun-
denda. (Marburgi Cattor. 1750.) und nettelbladt in Sy-
ſtem. elem. iurispr. poſitiv. Germanor. commun. general.
§. 467.
gonzalfz tellez in Commentar. in Decretal. Gregorii IX.
T. IV. Lib. V. Tit. XXXIII. ad cap. 6. X. de privileg. n. 6.
pag. 489.
tern Concilienſchluͤſſe fand zwar auch gegen Kirchen und geiſt-
liche Stiftungen die dreißigjaͤhrige Verjaͤhrung ſtatt. Man
vergleiche in Gratians Dekrete Can. 1. Cauſ. XIII. qu. 2.
und Can. 1. Cauſ. XVI. qu. 3. Allein Juſtinian fuͤhrte
in der Folge die vierzigjaͤhrige Verjaͤhrung ein. Nov. CXXXI.
cap. 6. und dieſe wurde auch durch die neuern Kirchenge-
ſetze und Canonen der Concilien beſtaͤtiget. can. 1. 2. und 3.
Cauſ. XVI. qu. 4. Dennoch aber blieb auch nach Juſtinians
Zeiten in manchen Kirchen und Dioͤceſen, z. B. in Spanien
und Frankreich, die vormahlige dreißigjaͤhrige Verjaͤhrung im
Gebrauch. Siehe can. 3. 4. 6. u. 10. Cauſ. XVI. qu. 3. So
iſt die in den einzelnen Verordnungen unſers kanoniſchen Ge-
ſetzbuchs desfalls vorkommende Antinomie zu heben. Conf.
Franc.florens in Operib. iurid. ab Ignat. Chriſtoph.lor-
berastoerchenNorimbergae 1756. editis: Tom. II.
S. 72. ff. und Car. Sebaſt.berardus in Gratiani canones.
Part. I. S. 189. (edit. Venet. 1777.)
S. 65.
derIII. ideo etiam elegit iuris veteris doctrinam, ut eo
citius exſpiraret Ciſtercienſium immunitas a decimis, quam
directo revocare noluit, ſed tantum eius uſum reſtrinxit. Haec
enim admodum eo tempore in invidiam deducta, ut in Con-
cilio Lateranenſi III. graviſſimae contra eam motae fuerint
querelae, quas recenſet ſuccinctemanriquein Annal Ciſterc.
Tom. III. ad annum MCLXXIX. c. 3. et quarum ipſe Pon-
tifex mentionem facit in cap. 9. X. de decimis, adeo ut ami-
cabilem compoſitionem cum epiſcopis fratribus Ciſtertii ſuaſerit
potius, quam rigidam immunitatis propugnationem, poſtquam
bona eorum in immenſum creverant.
ſiae 1698. Cap. II. n. 40. ſqq. und Cap. III. hartleben in
Meditat. ad Pandect. Spec. XIII. med. 5. S. 253.
vat. forens. Tom. I. Part. I. Obſ. 108. Daher bewirkt z. B.
das Verfallen der Gerichtsplaͤtze keinen Verluſt der Gerichis-
barkeit ſelbſt, wenn keine Verbrechen ſeit langer Zeit began-
gen worden, die dort haͤtten geruͤget werden koͤnnen. S.
Quiſtorp Grundſaͤtze des T. peinl. Rechts 2. Tb. §. 568.
currit praeſcriptio L. 1. Cod. de ann. except. Cap. 10. X. de
praeſcript. R. I. de 1654. §. 172. z. B. wenn wegen graſſi-
render Peſt keine Meſſen und Jahrmaͤrkte gehalten werden
koͤnnen, ſo kann dieſer Nichtgebrauch keinen Verluſt des pri-
vilegii nundinarum nach ſich ziehen. carpzov Part. II. De-
ciſ. 116. boehmer Conſ. T. III. P. 2. Dec. 7. n. 8.
enthalten „ſolches nach freyen Willkuͤhr zu ge-
brauchen“ wovon pfeffinger in Vitriario illuſtrat. T. III.
p. 1248. Beyſpiele geſammelt hat, ein ſolches Privilegium
wuͤrde freylich durch Nichtgebrauch nie erloͤſchen koͤnnen.
enenckel de privileg. Lib. III. Cap. 18. n. 33. lauter-
bach Colleg. Th. Pr. Pandect. h. t. §. 52. in fin. Daher iſt
in kaiſerlichen Begnadigungen, wenn deren Nichtgebrauch un-
ſchaͤdlich ſeyn ſoll, die beſondere Clauſel: ut non uſus non
praeiudicet, auch dafuͤr zu erlegende Taxe, gewoͤhnlich, wie
aus Moſers Staatsrechte T. IV. S. 178. zu erſehen iſt.
Privilegirte ſich ſeines Privilegiums freywillig und aus Nach-
laͤßigkeit nicht bedient habe. philippi in Uſu practico In-
ſtitut. Iuſtinianear. Lib. I. Tit. II. Eclog. 22. n. 8.
cipe, non utendo qui meruit, decennii tempore uſum amittit.
1704.) th. XI. stryck de nonuſu iuris quaeſiti. Cap. III.
n. 10. ſqq. boehmer Conſ. T. III. P. II. Dec. 7. puffen-
dorff de Privilegiis Cap. I. §. 141 — 144. und in Obſervat.
iuris univ. T. III. Obſ. 188. §. 42. lauterbach in Colleg.
theor. pr. Pandect. h. t. §. 52. ludovici in doctrina Pan-
dect. h. t. §. 12. heineccius in Elem. iuris civ. ſec. ord.
Pandectar. h. t. §. 120. hartleben in Meditat. ad Pand.
c. l. womit zu verbinden Erlangiſche juriſt. Littera-
turde a. 1778. I. Band S. 151. ff. gaertner in Meditat.
pract. ad Pandect. Spec. I. med. 37. Quiſtorp kleine juriſt.
Schriften. S. 119. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl.
Rechts. 2. Th. S. 173. ff. und hofacker Princip. iur. civ.
Rom. Germ. T. I. §. 100.
leyser in Meditat ad Pandect. Vol. I. Spec. XI. Coroll. 2.
und Vol. VII. Spec. CCCCLVII. med. 6. et 7. Tob. Iac.rein-
harth in ſelect Obſervat. ad Chriſtinaei Deciſion. Vol. III.
Obſ. 28. pag. 42. ſqq.Struben rechtliche Bedenken V. Th.
Bed. 76. S. 159 f. Puͤtter auserleſene Rechtsfaͤlle II. Ban-
des 4. Th. Reſp. 236. n. 11. et 18. Iac.rave Princip. univ.
doctr. de praeſcriptione §. 156. und Lud. God.madihn in
Principiis Iuris Rom. (Francof. cis Viadrum) Part. I. Prae-
cogn. §. 17.
reinharth in Diſſ. de amiſſione iurium et privilegiorum
§. 23.
u. 301.
P. II. Dec. 5. n. 3. et Part III. Dec. 661. n. 16. auch gaert-
ner in Meditat. pract. ad Digeſta Spec. I. med. 37. S. 63.
fertigen laſſe, wenn man ſie nur recht erklaͤrt, hat Ulric.
huber in Digreſſionibus Iuſtinianeis Lib. IV. c. 1. S. 255.
gezeigt.
salvo in Hermogeniani iuris Epitomar. libros VI. Commen-
tar. T. I. pag. 217. nachgeſehen zu werden verdient.
in des H. Kammergerichts-Aſſeſſors von Reinhard Samm-
lung juriſtiſcher, philoſophiſcher und kritiſcher Aufſaͤtze 1. Ban-
des (Buͤtzow u. Wismar 1777.) IV. Stuͤck N. VI. S. 263—281.
und Hn. Rath Majers Einleitung in das Privat-Fuͤrſten-
recht uͤberhaupt (Tuvingen 1783.) Kap. 2. §. 23. u. folgg.
habet. L. 32. u. 209. D. de R. I. Quod attinet ad ius ci-
vile, ſervi pro nullis habentur. L. 41. D. de peculio.
Nec ſervus quicquam debere poteſt, nec fervo poteſt deberi.
minis ſind richtig. Am laͤcherlichſten aber nimmt ſich der Be-
griff unſers Autors aus, wenn er ſagt: statum hominis
conſtituunt mutabilia, ob quorum exiſtentiam homini certa
competunt iura. Gehoͤrt nicht zum ſtatus hominis, daß Jemand
wetblichen oder maͤnnlichen Geſchlechts iſt? Dieſen Zuſtand
kann man doch gewiß nicht aͤndern. Auch iſt der Begriff, wel-
chen ſich andere Rechtsgelehrte vom ſtatus hominis machen,
wenn ſie ſich darunter eine Qualitaͤt, von welcher
Rechte und Verbindlichkeiten abhangen, vor-
ſtellen, viel zu unbeſtimmt. Denn nach dieſem Begriff wird
es ſchwer ſeyn ius perſonarum von dem iure rerum gehoͤrig
zu unterſcheiden. Z. B. daß ich Eigenthuͤmer von einer Sa-
che bin, iſt ja ohnſtreitig eine Qualitaͤt, von welcher Rechte
abhangen, z. E. die Sache zu nutzen und zu gebrauchen, ſie
zu beſitzen, daruͤber zu disponiren, ſie zu vindiciren, u. ſ. w.
Nach jenem Begriffe muͤßten alſo auch dieſe Rechte zum iure
perſonarum gehoͤren, da doch jeder Juriſt ſolche zum iure re-
rum zaͤhlt.
(edit. Chriſtph. Frid.harpdrechtiFrfti et Lipſiae 1743.)
diſcrimine hominum naturali vario Lipſiae 1727. Godofr.
Reinold.koeselisius de iure perſonarum ex ſtatu hominum
naturali. Ibid. 1733. et Sam.puffendorf de ſtatu hominum
naturali, in Eius diſput. academ. ſel.
canonici Part. Spec. Lib. I. Tit. I. S. 57. ff. (edit. 1785.)
ſten die Folge, eine poena capitis finde bey Sclaven richt
ſtatt, wie aus L. 12. §. 4. D. de accuſat. M. Ant.mure-
tus in Obſervat. iuris lib. ſing. Cap. 2. T. IV. Theſ. Otto-
niani p. 143. und Io. Guil.marckart in Probabil. receptar.
lecti-
ramus.
lis hieß im Sinn des roͤmiſchen Criminalrechts nicht allein
Todesſtrafe, ſondern auch jede Strafe, die den Verluſt des
buͤrgerlichen Zuſtandes zur Folge hatte. L. 14. §. 3. D. de
bon. libertor. L. 2. pr. L. 28. pr. D. de poenis. §. 2. I. de
publicis iudic. Man ſehe uͤbrigens Gundlings Gedanken
uͤber die Worte: Servus non habet caput, in Deſſelben von Stol-
len herausgegebenen Sammlung kleiner teutſch. Schriften
(Halle 1737.) N. XXIV. S. 465—482.
Io. Nic.hertii Diſſ. de pluribus hominibus perſonam unam
ſuſtinentibus. in Eius Opuſcul. Vol. II. Tom. III. N. III. pag.
61 — 90.
Kap. IV.
ſonas. Gieſſae 1699. in Opuſcul. Vol. I. Tom. III. p. 41—64.
L. 1. §. 1. D. de ventre inſpic. Man vergleiche hierbey S.
H. deidsinca Varior. iuris civ. cap. XIV. Edm. meril-
lius Lib. I. Obſervat. cap. 16. Ev.otto in vita Papiniani.
Cap. IX. p. 220. vorzuͤglich aber Hr. GJR. walch in not.
ad eckhardiHermenevt. iuris Lib. I. Cap. IV. §. 137. pag.
227—234. und Frid. Guil. boers de Anthropologia IC. Rom.
ſtoica. Lugd. Bat. 1778. 8.
abegit, a Praeſide in temporale exilium dandam: indignum
enim videri poteſt, impune eam maritum liberis fraudaſſe. Man
ſehe hier nach Io. Franc. ramos in Errorib. Triboniani de
poe-
tus, dum in ventre portatur, homo fieri ſperatur.
non tantum parenti, cuius eſſe dicitur, verum etiam Reipu-
blicae naſcitur.
Zach. huber in der Diſſ. de lege regia, quam recitat Marcel-
lus cap. ſecundo Pandectar. de mortuo inferendo: in eius
Diſſertat. iuridic. et philolog. Part. I. Diſſ. IX. pag. 235—262.
und Hr. Geh. J. R. walch ad Eckhardi Hermenevt. iuris
a. a. O. S. 232. ff.
Aegid. menagius in iuris civ. amoenitatibus cap. 21.
D. de poeniſ.
Corn. vanbynckershoeck in curis ſecundis pag. 87. Ger.
oelrichs in Ael. Marciano. Lib. I. c. 7. p. 42. und franc.
deamaya in Obſervat. iuris lib. III. Cap. I. §. 2.
ſententiae crimin. §. 17. und Hr. GR. koch Inſtitut. iuris
crim. §. 908. not. 2.
ſchon von Verf. angefuͤhrten Doͤringiſchen Schrift ver-
dienen noch folgende angefuͤhrt zu werden: Chriſt. wildvo-
gel Diſſ. de iure Embryonum. Ienae 1693. Caſp. verdyn
Diſſ. de iure eorum, qui in utero ſunt. pagenstecker Vi-
ſiones de ventre. Brem. 1714. Arn. Flor. Theod. mallinkrot
Diſp. de ſtatu nondum natorum, indeque dependentibus iuribus
et obligationibus. Gieſſae 1759. und Gottfr. Heinr. Mau-
chart uͤber die Rechte des Menſchen vor ſeiner Geburt. Frkf.
und Leipzig 1782. 8.
L. 1. C. de poſtumis beredib. inſtit. vel. exhered. Frid. Lud.
doering Diſſ. de iuribus, quae naſcituris et poſtumis intuitu
ſucceſſionis competunt. Erf. 1769. §. IV. ſqq.
Cap. III. Billig hat jedoch Hr. Hofr. hartleben in
Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. H. Faſc. I. Spec. XVI. med. 3.
S. 9. die Regel: quod naſciturus, quandocunque de eius favore
agitur, pro nato habendus ſit, durch den Beyſatz eingeſchraͤnkt:
niſi qualitas, quod ſit embryo, tollat requiſita ad iura et obli-
gationes neceſſaria. Sic, licet favorabile ſit, beneficio eccleſia-
ſtico potiri, certum tamen eſt ex iure canonico, quod em-
bryoni beneficium eccleſiaſticum conferri haud poſſit.
catur, nequaquam proſit.
ni generis converſo more procreantur: veluti ſi mulier mon-
ſtroſum aliquid aut prodigioſum enixa ſit.
rum Gieſſae 1712. Ier. Eberb. linck Diſſ. an monſtra ex ho-
minibus nata ſint homines? Argentor. 1732.
ein Teſtament zu brechen, worin der poſtumen Kinder keine
Erwaͤhnung geſchehen iſt. L. 3. C. de poſthumis heredib.
inſtit. vel exheredand.
S. 588. und in Epitome iuris ſacri (Lipſine 1777.) Cap. XIII.
§. 9. hartleren in Meditat. ad Pandect. Spec. XVI. med. 2.
Inſtitut. medicin. forens. Cap. I. §. 88. ludwig Inſtitut.
medic. for. §. 155. u. 406.
monſtroſum parentibus prodeſſe.
Iuliam et Papiam. Quaerat aliquis, ſi portentoſum vel mon-
ſtroſum vel debilem mulier ediderit, vel qualem viſu vel vagi-
tu novum, non humanae figurae, ſed alterius magis animalis,
quam hominis partum, an quia enixa eſt, prodeſſe ei debeat?
Et magis eſt, ut haec quoque parentibus proſint: nec enim eſt,
quod eis imputetur, quae qualiter potuerunt, ſtatutis obtempe-
raverunt, neque id, quod fataliter acceſſit, matri damnum in-
iungere debet. Ich darf hier die Verbeſſerung des Nicol. ca-
tharini lib. III. Obſervation. et Coniecturar. cap. 15. T. VI.
Theſauri iuris civ. et canon. Meermanniani pag. 787. nicht
unbemerkt laſſen, welcher ſtatt der Worte, an quia enixa eſt,
prodeſſe ei debeat, vielmehr folgendermaßen leſen will, an
quae enixa eſt, prodeſſe ei debeant.
ment. ad Leg. Iul. et Pap. Popp. Lib. II. c. 21. S. 344.
vet. Antejuſtin. pag. 611.
dus in Commentar. ad Leg. Iul. et Pap. cap. 12. heinec-
cius in Commentar. ad eand. Leg. lib. II. c. 14. pag. 264.
Ioſ. fernandez de retes ad L. 1. et 2. Cod. de iure libe-
rorum cap. I. Tom. VI. Theſ. Meermanniani pag. 89. Franc.
ramos del manzano ad Leg. Iul. et Pap. lib. IV. Reliqu.
34. Tom. V. Theſ. Meermann. pag. 502. Luc. van depoll
in lib. ſing. de exheredatione et praeteritione Rom. et hod.
(Ultraj. 1712.) Cap. XXXIX. §. 13. p. 247. Pet. degreve
in Exercitat. ad Pandectar. loca difficiliora, (Noviomagi 1660.)
Exercit. I. §. XVI. S. 15. Ant. ſchulting in Enarrat, par-
tis primae Digeſtor. h. t. §. 3. Vol. IV. Commentat. Academ.
Halae editar. pag. 48. u. a. m. Auf ſolche Art faͤllt alſo nun-
mehr aller Widerſpruch zwiſchen paulus in L. 14. D. de ſta-
tu hom. und ulpianus in L. 135. D. de Verb. Signif. weg,
und ich kann daher ſo wenig dem Em. merillius, welcher
in Obſervation. lib. I. cap. 33. eine Verſchiedenheit der Mei-
nun-
geben, als dem wissenbach de Emblematibus Triboniani
pag. 339. beytreten, welcher die L. 14. fuͤr interpolirt haͤlt.
Man vergleiche Ant. schulting in Not. ad Iul. Pauli libr. IV.
Sentent. Receptar. Tit. IX. not. 12. Iurisprud. vet. Antejuſtin.
S. 415. und Io. wybo in Triboniano defenſo ad L. 14. D.
de Statu hom. Allein Hr. Geh. J.R. walch in Notis ad eck-
hardiHermenevtic. iuris lib. I. cap. V. §. 199. S. 372.
glaubt nicht einmal, daß es noͤthig ſey, zu den Ueberſchriften
jener beyden Stellen der Pandecten ſeine Zuflucht zu nehmen.
Schon ihr Inhalt zeige deutlich, daß in beyden eine ganz
verſchiedene Frage entſchieden werde. Ubi paullo curatius,
ſagt er, perpendamusulpianiverba, ſolummodo quaeſtionem
in medium profert, num matri quoque ita proſit monſtrum,
quod in lucem edidit, ut ex eo colligendum ſit, illam ſtatutis
obtemperaſſe; et ideo non potuit, quin omnino haec adfirmetur
quaeſtio; paulusautem verbis, quae L. 34. D. de ſtatu ho-
minum habentur, quaeve etiam lib. IV. Receptar. Sentent. Tit.
IX. §. 3. exhibentur, ita ſunt comparata, ut ſolum, qui ſunt
liberi, definiant, hocque a numero liberorum monſtra exclu-
dant. Man wird indeſſen, ohne die Ueberſchrift zu Huͤlfe zu
nihmen, uͤber dieſe Stellen nie ein vollkommenes Licht ver-
breiten.
tribus manibus forte aut pedibus: ſagt L. 38. cit.
norum officia ampliavit, aliquatenus videtur effectus: et ideo inter
liberos connumerabitur. Ueber die L. 14. kann uͤbrigens nach-
geſehen werden Barth. chesius in Interpretat. iuris lib. I.
c. 27. n. 10. in Iurispr. Rom. et Attica. Tom. II.
nati, neque procreati, videntur; quia nunquam liberi appellari
potuerunt.
a myſterio baptismi excludit, ſagt Auguſtinde unico baptis-
mo lib. IV. c. 22. beym gratianoCan. 34. Diſt. 4. de
Conſecrat.
tummodo requirendo, ſi vivus ad orbem totus proceſſit. To-
tus wird hier von einem ſolchen ſoetu verſtanden, qui iam to-
tus exiit ex utero, in ipſo antea non extinctus partu: wie es
sichard. ad h. L. und Luc. van depoll in lib. de exhere-
dat. et praeterit. Cap. XXXVII. n. 10. richtig erklaͤren. Hier-
aus ziehet daher lauterbach in Colleg. th. pract. Pandect.
h. t. §. XXVII. die richtige Folge: Si ergo in ipſo partu in-
fans moriatur, et non tetus ad orbem vivus procedat, nec ſuc-
cedere poteſt, nec hereditatem ad heredes transmittere.
che man van depoll a. a. O. cap. 39. §. 5.
rumpere teſtamentum, natum accipe, etſi exſecto ven-
tre editus ſit: nam et hic rumpit teſtamentum. Und es kann
dem Kinde nichts benehmen, wenn Paulusin L. 132. §. 1.
D. de Verb. Signif. ſagt: Falſum eſt, eam peperiſſe, cui mor-
tuae filius exſectus eſt. Denn dieſes beziehet ſich wieder auf
jene Lex Iulia et Papia, wie die Ueberſchrift dieſer Stelle
lehrt. Wenn naͤmlich ein Latinus mit einer Latina ein Kind
gezeugt, und dieſes ein Jahr alt worden, ſo erlangten die El-
tern das ius Quiritium, desgleichen erwarb vermoͤge eines
der Legi Papiae beygefuͤgten Senatusconſultums eine Freyge-
laſſene das ius Quiritium, wenn ſie drey Kinder zur Welt ge-
boren hatte. Wie wenn ſie nun zwey bey ihren Leben gebo-
ren, das dritte aber ihr nach ihrem Tode aus dem Leibe ge-
ſchnitten worden, ſo entſtand die Frage, ob ſie als roͤmiſche
Buͤrgerin verſtorben, und alſo einen Erben nach dem roͤmi-
ſchen Buͤrgerrecht hinterlaſſen haͤtte? Dies laͤngnet Paulus;
und zwar mit Recht, wenn man bey der ſtrengen Bedeutung
des Worts gebaͤhren ſtehen bleibt. S. Luc. van depoll
cit. lib. cap. 39. §. 4. S. 243. und heineccius in Comment.
ad Leg. Iul. et Pap. Popp. lib. II. c. 9. Jedoch will es Tha-
deuspisoSoacius variar. Reſolut. lib. II. c. 6. n. 12. u. 13.
auch von dem Fall verſtehen, wenn einer Frauensperſon et-
was unter Bedingung waͤre vermacht worden: ſi pepererit.
cap. 39. §. 3.
und des Todes bey neugebornen Kindern.
focatis.
in iure civili. Cap. IX. §. 16. pag. 202. ſq.
veteres, nos decidimus. Cum igitur is, qui in ventre portaba-
tur, praeteritus fuerat, qui ſi ad lucem fuiſſet redactus, ſuus
heres patri exiſteret, ſi non alius eum antecederet, et naſcendo
ruptum teſtamentum faceret: ſi poſtumus in hunc quidem or-
bem devolutus eſt, voce autem non emiſſa ab hac luce
ſubtractus eſt, dubitabatur, ſi is poſthumus ruptum facere te-
ſtamentum poſſet? Et veterum animi turbati ſunt, quid de pa-
terno elogio ſtatuendum ſit. Cumque Sabiniani exiſtimabant,
ſi vivus natus eſſet, etſi vocem non emiſit, rumpi te-
ſtamentum: apparetque, quod et ſi mutus fnerat, hoc ipſum
faciebat: eorum etiam nos laudamus ſententiam, et ſancimus,
ſi vivus perfecte natus eſt, licet illico, poſtquam in terram ce-
cidit, vel in manibus obſtetricis deceſſit, nihilominus teſtamen-
tum rumpi: hoc tantummodo requirendo, ſi vivus ad orbem to-
tus proceſſit, ad nullum declinans monſtrum vel prodigium.
Es iſt dieſe Verordnung eine von den ſo genannten funfzig
Deciſionen des Kaiſers Juſtinian. Die eigentliche Streit-
frage, woruͤber die Sabinianer und Proculianer
disputirten, war dieſe: ab ein nachgebornes Kind, das ſeine
Stimme nicht hat hoͤren laſſen, dennoch das Teſtament des
verſtorbenen Vaters uͤber den Haufen werfe? Am beſten er-
laͤutert dieſe Deciſion Em. merillius in Expoſition. in L.
deciſiones Iuſtiniani. (Neapoli 1720. 4.) N. XXVIII. p. 79. ſq.
Wenn dieſer jedoch die Worte: poſtquam in terram cecidit,
von dem alten Gebrauch der Wehmuͤtter, die neugebornen
Kinder auf die Erde zu legen, erklaͤren will, ſo ſcheint mir
die Erklaͤrung des raguellus doch natuͤrlicher zu ſeyn, wel-
cher die angefuͤhrten Worte von einer ſolchen Geburt verſte-
het, qui in terram prolabitur non exceptus ab obſtetrice. Man
vergleiche auch Luc. van depoll de exhered. et praeteritione
c. XXXVII. §. 14. pag. 233.
Chriſtoph.baumgaertner Diſſ. de differentiis partus vivi et
vitalis Altorf. 1747. faselii elem. medecin. for. §. 30.
teſtamentum mariti non ſolvi, iuris evidentiſſimi eſt. paulus
Sentent. Receptar. lib. IV. Tit. IX. §. 6. Abortus vel aba-
ctus venter partum efficere non videtur. beym schulting
Iurispr. Antejuſtin. p. 417. Eine fuͤr den Juriſten wichtige
Schrift iſt D. W. G. Ploucquet uͤber die phyſiſche Er-
forderniſſe der Erbfaͤhigkeit der Kinder. Tuͤbingen 1779. 8.
Ludg. 1629. 4. und Car. Annib.fabrotti Exercit. I. de
tempore partus humani, in Theſ. iur. rom. Ottonis. T. III.
qui centeſimo octogeſimo ſecundo die natus eſt, hippocra-
tes ſcripſit, iuſto tempore videri natum.
Frucht (περι ἑπταμηνȣ) Einige wollen den Polybus fuͤr
den Verfaſſer dieſes Buchs halten. Dies kann uns jedoch
hier gleichviel ſeyn, da einmal die Geſetze ſelbſt die dem Hyp-
pokrates zugeſchriebene Meynung beſtaͤttiget haben.
perfectum partum, iam receptum eſt propter auctorita-
tem doctiſſimi viri hippocratis. paulusSententiar. Receptar.
Lib. IV. T. 9. §. 5. Septimo menſe natus matri prodeſt: Sc.
in SCto Tertulliano.
ſem haud unquam vitalis eſt.foesius ad hippocratem Lib. VI.
de morbis vulgar. c. II. Solent vero abortiones fere ante ſep-
timum in omnes menſes cadere.
Ante ſeptimum menſem expulſus foetus raro vel nunquam ſuper-
ſtes
Qui ante ſeptimum naſcuntur menſem, vel naſcuntur mortui,
quia abortivi ſunt, neque donationem neque teſtamentum rum-
pere debent, quia habendi ſunt, ac ſi nunquam nati eſſent.
Nec abſtaret, quod quis in ſexto menſe naſceretur, et per
aliquot horas, aut etiam dies viveret, ut fieri poſſe non eſt ita
impoſſibile, quin aliquando non contingat, — nam quia hic par-
tus habet cum vita talem repugnantiam, ut vivere nullo modo
poſſit, niſi ex miraculo, idcirco abortivus dici debet, neque te-
ſtamentum neque donationem rumpet.
lent Medici Cum vero plurima exempla habeantur foetuum
ſeptimeſtrium, qui diu non tantum ſupervixerum, ſed et ad
bonam ſenectutem pervenerunt, hinc tales partus non ampl [...]us
vocantur abortus, ſed ſimpliciter tantum praematuri. Des-
gleichen sauvages Noſolog. Method. T. III. p. 11. abor-
tuseſt foetus nondum vitalis ex utero excluſio. Immaturus
ſeu nondum vitalis eſt foetus, qui ſeptimum ſaltem vitae ſuae
a conceptione menſem non attigit, aut ſi attigerit, debilior
eſt, quam ut eo tempore excluſus extra uterum vivere queat.
ludwig Inſtitut. Medicin. For. §. 222. abortumſtrictiore
vocis ſignificatione appellamus eum, qui ante initia ſeptimi men-
ſis naſcitur.
delt Ploucquet in der angefuͤhrten Schrift §. 33—37.
ne §. VI. dehaller Elem. phyſiol. Lib. XXIX. p. 421.
tus p. 104. Si ſeptimo vel octavo menſe lucem ſalutet foetus,
ſigna ac teſtimonia imperfectionis ac immaturitatis afferet.
Ploucquet. a. a. O. §. 35.
nondumque vitalem per abortum excretum foetum a partu ſep-
timeſtri vel octimeſtri diſtinguimus.roederer Elem. Artis
Obſtetr. §. 716. Qui inter ſeptimi et noni menſis, a prima
conceptione, finem contingit partus, praematurusvocatur;
abortusvero, quando ante dictum tempus embrye excidit.
fectus in L. 12. D. b. t. Es iſt alſo daſelbſt von keiner
vollkommenen reifen Geburt die Rede. S. martianus in
Comment. ad Hippocratis librum de natura pueri p. 31. ſq.
baumgaertner cit. Diſſert. §. 24. und cocceji Iure civ.
controv. Tit. de his, qui ſui vel alien. iuris ſunt. Qu. 3. n. II.
S. 77.
nuptiis ſeptimo menſe natus eſt, iuſtum filium eſſe. Zweyer-
ley erfordert hier Paulus, wenn ein Kind pro filio
iuſto, d. i. fuͤr ein ſolches, welches die Rechte eines Kindes
erwerben kann, gehalten werden ſoll. I) Ut ſit ex iuſtis nup-
iis procreatus; II) ut ſit perfectus, d. i. vitalis, und dazu wird
erfordert, daß es nicht vor den ſiebenten Monat zur Welt
gekommen ſey.
Tit. hoc Qu. 5.
recht Art. 20. Auctor Vetus de beneficiis. Art. 44. Ale-
manniſches Lehnrechtcap. 14. Ferner Erfurter,
Goslariſche, Luͤneburgiſche und andere mehrere
Statuten beſtaͤttigen dieſes. Man vergleiche Hrn. GJR.
WalchDiſſ. de infante herede Ienae 1768.
iuris p. 38.
Io. Frid.eisenhart Inſtitut. iuris germ. privati Lib. I. T. I.
§. 2. und vorzuͤglich Hr. Hofr. oeltze in Commentat. de partu
vivo vitali et non vitali praecipue ratione transmiſſionis he-
reditatis. Ienae 1769. Hr. Hofr. hartleben in Meditat. ad
Pandect. Vol. I. P. II. Faſc. I. Specim. XVI. medit. 1. haͤlt
zwar auch dafuͤr, daß eine ungezweifelt unzeitige Geburt eine
Erb-
§. 2. lauterbach in Colleg. theor. pract. Pandectar. h. Tit.
§. XXVII.
1. Th. 6. Abſchn. 5. Cap. §. 270. Von der in ſolchem Fall
gewoͤhnlichen Lungenprobe handeln Ploucquet in der Ab-
handlung uͤber die gewaltſame Todesarten §. 151. Wilh. Hun-
ter in den wichtigen Bemerkungen uͤber die Ungewißheit der
Merkmale, ob uneheliche Kinder einen gewaltſamen Tod er-
litten. Joh. Gottl. Kuͤhn iſt die Waſſerlungen-Probe rich-
tig? Breslau 1786. 8. Car. Fridscholl Diſſert. med. for.
qua occaſione recentiorum quarundam obſervationum concluſio
ex ſubſidentia pulmonum recens nati foetus examinatur. Stutt-
gardiae 1786. u. a. m.
quo quarto, quinto vel ſexto menſe partus naſcitur, ille ſecun-
dum
bendige Geburt dieſe Erbfaͤhigkeit habe, wenn gleich die Vi-
talitaͤt fehle. Allein wie kann die Vitalitaͤt fehlen, ohne daß
ein Kind ein partus abortivus ſey?
keit §. 56. S. 123.
recuſ. Ibid. 1741. Ren. Paul. Ios.pin. Diſſ. quis inter fra-
tres gemellos pro primogenito habendus ſit? eisenhart In-
ſtitut. iuris germ. privati Lib. I. Tit. I. §. 2. hartleben
Meditat. ad Pandect. Specim. XVI. med. 7. Eſtor in der
buͤrgerl. Rechtsgelehrſamkeit der Teutſchen §. 69. a. a. O.
dierum terminum attigerit, quo ipſo omnium ſtatim iurium com-
pos fit, quando vero ante illud temporis ſpatium ſpiritum red-
dit, nec ſucceſſionis ius ei competit, nec teſtamentum is rumpit.
Siehe auch Ploucquet uͤber die phyſiſche Erforderniſſe der
Erbfaͤhigkeit der Kinder §. 73. S. 161.
torum, in eiusdiſput. iurid. Henr.linck Diſp. de partu hu-
mano, legitimo et illegitimo. Ien. 1669. Chriſtwildvogel
Diſſ. de partu legitimo. lenae 1710. Chriſt.rickmann Diſſ.
de partu legitimo. Ienae 1767. Car. Frid.kaltschmied
Diſſ. eiusd. arg. Ienae 1752.
in allgemeiner Bedeutung alle und jede unrechtmaͤſige
Kinder verſtanden werden. caiusInſtitut Lib. I. T. IV.
§. 8. L. 23. D. de ſtatu hom. L. 25. D. de captiv. et poſtl.
reverſ. §. 12. I. de nupt.eduard caldera Variar. Lection.
lib. IV. c. 3. Tom. III. Theſ. Meermann. p. 663. Sie heiſ-
ſen auch ἀπάτορες, quaſi ſine patre filii wie caius und iu-
stinianus §. 12. I. cit. bemerken. Wahrſcheinlich iſt hiervon
der Name Spurius abzuleiten, denn man bezeichnete die unehe-
lichen Kinder mit den Buchſtaben s. p. das iſt ſine patre, ſo
abbreviirte man auch den bekannten roͤmiſchen Vornamen Spu-
rius, kein Wunder, wenn durch Verwechſelung das Wort Spu-
rius allgemeine Benennung der unehelichen Kinder wurde. Dies
beſtaͤtigt auch Plutarch Quaeſt. Rom. pag. 288. Wenn uͤbri-
gens die Spurii quaſi ſine patre filii genennt werden, ſo bezie-
het ſich das auf jenen bekannten Satz: pater eſt, quam iuſtae
nuptiae demonſtrant: L. 5. D. de in ius voc. Nun aber ge-
ben die Geſetze uͤber unehelich erzeugte Kinder keine vaͤterli-
che Gewalt. §. 12. I. de nupt. L. 3. D. de bis qui ſui vel
al.
de interdict. matrim. L. 5. C. de natural. lib.
eine conſuetudo licita genennt wird. S. winckler Diſſ. de
genuino concubinatus ex mente Leg. Rom. conceptu. Lipſiae
1744.
Com. 1655. 8. Io. Matth.martini libell. acad. de favore
liberorum naturalium fecundum principia religionis noſtrae non
extendendo, multo minus ad adulterinos et inceſtuoſos appli-
cando. Buetzovii 1781. §. 3. I. L. E.pûttmann in Diſſ.
de querela inoff. teſtam. fratrib. atque fororibus contra ſpu-
rios haud compet. S. 4—10.
Iuſtin. 74. u. 89. und im Canoniſchen Recht manzeresc. 10.
§. 6. X. de renunc. genannt.
civ. Romanor. lib. 1. cap. 9. spanhemii Orbis Rom. Exerc. II.
cap. 22.
dos pet.
et ignorante de coniunctione filiae conceptus eſt, licet poſt
mortem avi natus ſit, iuſtum filium ei, ex quo conceptus eſt,
eſſe non videri. apuleius lib. VI. ſagt daher: Nuptiae patre
non conſentiente factae, legitimae non poſſunt videri, ac per
hoc ſpurius iſte naſcetur.
Romani contrahunt, qui ſecundum praecepta legum coeunt. —
Si adverſus ea, quae diximus, aliqui coierint: nec vir, nec
uxor, nec nuptiae, nec matrimonium, nec dos intelligitur.
Itaque ii, qui ex eo coitu naſcuntur, in poteſtare patris non
ſunt; ſed tales ſunt, (quantum ad patriam poteſtatem pertinet)
quales ſunt ii, quos mater vulgo concepit. Nam nec hi pa-
trem habere intelliguntur, unde ſolent ſpurii appellari.
§. 5. in Opuſc. Vol. II. T. 3. p. 256. Schott Einleitung in
das Eherecht §. 173. hofacker Principia iuris civ. Rom.
Germ. T. I. §. 537.
mannde ſpuriis et legitim. cap. 3. hat dieſes gegen Anton
Faber ſehr ausfuͤhrlich gezeigt. Man vergleiche auch hei-
neccius in Commentar. ad Leg. Iul. et Pap. Poppaeam. Lib. II.
c. IV. §. 4. S. 169.
beri ſemper patrem ſequuntur; non interveniente connubio,
matris conditioni accedunt. celsusL. 19. D. h. t. Vulgo
quaeſitus matrem ſequitur. ulpianusL. 24. D. eodem. Lex
naturae haec eſt, ut qui naſcitur ſine legitimo matrimonio,
matrem ſequatur, niſi lex ſpecialis aliud inducit. Ueber dieſe
Stelle verdient Barth.chesius in Interpretat. iuris lib. I. c. 27.
n. 10. Iurispr. Rom. et Att. T. II. nachgeſehen zu werden.
Durch Verwechſelung der Zahl iſt dieſes Allegat irrig zur No-
te 74. S. 69. gekommen.
auch UlpianL. 2. §. 7. eodem. Nullum patris delictum
innocenti filio poenae eſt, ideoque nec ordine decurionum,
aut caeteris honoribus, propter eiusmodi cauſam, prohibetur.
juriſtiſches Woͤrterbuch h. voc.
in Luͤnigs Reichsarchiv Part. Spec. IV. contin. 2. Th. 45. Ab-
ſchn. S. 545. Unterſchiedene teutſche Reichsſtaͤnde haben
dieſe Rechte uͤber uneheliche Kinder in ihren Laͤndern, theils
mit der Landeshoheit durch das Herkommen, theils durch kai-
ſerliche Begnadigungen an ſich gebracht. Man vergleiche Hek-
tor Wilhelm von Guͤnderrode Abhandl. uͤber das Recht
einiger teutſchen Staͤnde, die in ihren Laͤndern ſterbende un-
eheliche Kinder zu beerben; in Deſſelben von Dr. Ernſt
Ludwig Poſſelt herausgegebenen ſaͤmmtlichen Wer-
ken des teutſchen Staats- und Privatrechts
2. Band (Leipzig 1788. 8.) S. 176—186.
cius in Elem. Iur. Germ. Lib. I. §. 391. beſonders ſehe man
Phil. Lud.huth Specim. iur. germ. de his, qui notantur in-
famia. Altorf. 1723. §. XI.
erzeugten Buͤrger Teutſchlands an die teut-
ſchen Landesherrn. Eslingen 1784. 8. auch v. sel-
chow in Elem. iur. germ. §. 209. und Ge. Steph.wiesand
in Pr. de conditione ſpuriorum recte aeſtimanda, in Opuſculis
(Lipſiae 1782. 8.) S. 263—274.
de infamia. (Goett. 1770.) ſagt daher Sect. II. §. 13. ganz
recht. Quamquam nulli omnino dubio obnoxium ſit, has ipſas
veterum de ſpuriis opiniones ab omni aequitatis ſenſu quam
longiſſime abeſſe, conſtantiſſimo tamen fori uſu ſervata eſt pri-
ſtini iuris diſciplina. Siehe auch Joh. Andr. Frommann
in Diſquiſit. de levis notae macula §. 14—16. und Hr. Prof.
Plittin Diſſ. de levis notae macula ſec. ius germ. Marburg.
1784. §. 20.
nicht den Namen des Vaters, ſondern fuͤhrten den Ramen der
Mutter. S. heineccius in Comm. ad L. Iul. et Pap. Papp.
Lib. II. Cap. IV. §. 4. S. 169.
nuptiis procreavimus, ſagt gaiusL. 3. D. de bis, qui ſui vel
al. iuris ſunt.
de portione legitima §. 26. in Operib. a I. H.iungio editis
T. I.
vaͤterlichen Erbſchaft ſogar aus Gruͤnden der Chriſtlichen Re-
ligion rechtfertigen laſſe, iſt eher zu verneinen, als zu bejahen,
wie
depoll de exheredat, et praeteritione cap. XL. et XLI.
prud. vet. Antejuſt. p. 577.
chriſtiana in foro civili caute adplicanda,
multo minus ad illegitime natos a ſucceſſione
excludendos uſurpanda, in des H. D.Koppe nie-
derſaͤchſiſchen Archiv fuͤr Jurisprudenz und
juriſt. LitteraturI. Band N. 13. S. 136 — 160. gegen
die oben angefuͤhrte Schrift des Herrn JuſtizR. Martini
gruͤndlich ausgefuͤhrt hat.
GJR. BoͤhmersPrincip. iuris canon. §. 350. Zu einer
ſolchen Kirchlich foͤrmlichen Ehe erfordert das Tri-
dentiniſche Concilium bey den Katholiken die Erklaͤ-
rung des Eheconſenſes vor dem Pfarrer und zween Zeugen,
das proteſtantiſche Kirchenrecht aber die Trauung. boeh-
mer l. c. §. 349. Jedoch verdient beherzigt zu werden, was
Hr. Prof. Robert in den rechtlichen Gedanken uͤber den
Begriff der Ehe, Frankf. u. Leipzig 1787. S. 108. gegen den
Ausdruck matrimonium ratum erinnert hat.
Nun muß zwar eine jede Ehe, auch das matrimonium ratum,
den Vorſchriften der buͤrgerlichen Geſetze im Staat gemaͤß ein-
gegangen werden, wenn ſie anders nicht unguͤltig ſeyn ſoll,
indeſſen pflegt man doch vorzuͤglich und eigentlich diejenige Ehe
eine bloſe buͤrgerliche Ehe zu nennen, die ohne die kirch-
liche Form blos nach der Vorſchrift der buͤrgerlichen Geſetze
im Staat guͤltig geſchloſſen worden iſt. Schott Eherecht
§. 169.
S. 314. u. S. 347.
Vol. I. T. I. p. 348 — 408. Ern. Chriſt.westphal Diſſ. de
veris caſibus matrimonii putativi. Halae 1758. und Gottfr.
mascov Prol. de matrimonio putativo. H. GJR. Boͤhmer
Princip. iur. can. §. 386. und Schott Eherecht §. 138.
Kochsde ſucc. ab int. §. 36. in meiner Comment. de con-
ditione liberorum ex ſtupro violento aut nec violento nec volun-
tario procreatorum quoad ſucceſſionem ab inteſtato recte aeſti-
manda, §. 12 — 14. ſo im IV. Faſcikel meiner Opuſculor.
(Erlangen 1790. 8.) befindlich iſt, zu vertheidigen ge-
ſucht, wo ich uͤberhaupt die Materie von der vermeintlichen
Ehe in mehreres Licht geſetzt habe.
ehe an den Orten, wo das Tridentiniſche Concilium gilt, einer
groͤßern Schwierigkeit ausgeſetzt, denn dieſes erklaͤrt ſchlech-
terdings Seſſ. XXIV. cap. 1. de reformat. matrim. eine jede
eheliche Verbindung fuͤr nichtig und kraftlos, welche anders
als in Gegenwart des Pfarrers und zweener oder dreyer Zeu-
gen iſt eingegangen worden. P. BenediktXIV. in Con-
ſtitut. Satis nobis §. 6. et 7. de an. 1741. erlaubt eine Ge-
wiſſensehe nur denn, wenn eine gravis, urgens, et urgen-
tiſſima cauſa eine Diſpenſation rechtfertiget. Man ſehe Paul.
Ioſ. ariegger Inſtitut. iurisprud. eccleſiaſt. P. IV. §. LXXIII.
et LXXIV. S. 47. (edit. Vindobon. 1777.)
inter Illuſtres praeſumendis. Argentorati 1776. und vorzuͤglich
Chriſt. Ignat.wiese in der unter Io. Ge.schloer Vorſitz
zu Maynz 1782 vertheidigten Diſſertation, welche betitelt iſt:
Vindiciae legitimorum natalium liberorum, e matrimoniis S.
R. I. Principum Comitumve Auguſtanae Confeſſioni addicto-
rum, ſolo mutuo conſenſu matrimoniali, neglecta omni ſolemni-
tate
ganz recht: Status Imperii Evangelici ius diſpenſandi in cau-
ſis eccleſiaſticis propriis exercent, perinde ac Pontifex.
beym feltmann in Tr. de impari matrimonio P. I. Cap. 3.
n. 430. not. 2. klock in Relat. Cameral. Relat. XV. n. 114—
119. decramer in Obſervat. iuris univerſi T. II. Obſ. 515.
Merkwuͤrdig iſt das neueſte Reichshofraths-Concluſum in
Sachen der Grafen von Leiningen vom 15. Februar 1782.
ſo in der vorhin angefuͤhrten Maynzer Diſſertation Cap. II.
§. XXV. abgedruckt ſtehet.
Tr. R. Gatzertin Proluſ. de S. R. I. Principum Comitumve
liberis ex matrimonio conſcientiae illegitimis. Gieſſae 1773.
einer andern Meynung, allein Deſſelben Gruͤnde ſind in der
angefuͤhrten Maynzer Diſſertation genau erwogen und gruͤnd-
lich widerlegt worden.
Reſponſor. in L. 12. D. h. t. wo es heißt: Septimo menſe
naſci perfectum partum, jam receptum eſt propter auctorita-
tem doctiſſimi viri Hippocratis: et ideo credendum eſt, eum
qui ex iuſtis nuptiis ſeptimo menſe natus eſt, iuſtum filium
eſſe. Es entſtehet hier die Schwierigkeit, wie der hier be-
ſtimmte Zeitpunkt einer ſieben monatlichen Geburt zu berech-
nen ſey, welche dadurch noch vergroͤſſert wird, daß Hippo-
crates, auf deſſen Anſehen die Entſcheidung teſer Geſetzſtelle
gegruͤndet wird, bey Berechnung jenes Zeitpunkts mit ſich
ſelbſt nicht eins iſt, indem er einem ſiebenmonatlichen Kind
bald 204, bald 210, bald 182 Tage giebt. Um dieſer Schwie-
rigkeit abzuhelfen, ſo haben nun unſere Geſetze ſolches an ei-
nem andern Ort deutlicher beſtimmt, naͤmlich L. 3. § fin. D.
de ſuis et legitim. hered. welche ſo lautet: Qui centeſimo octo-
geſimo ſecundo die natus eſt, hippocrates ſcripſit, et D.
pius Pontificibus reſcripſit, iuſto tempore videri na-
tum. Da nun dieſe 182 Tage einen Zeitraum von ſechs
Monat, jeden Monat fuͤr 30 Tage gerechnet, und zwey Tage
ausmachen, ſo ergiebt ſich hieraus, daß eine ſiebenmonat-
liche Frucht diejenige ſey, welche nach ſechs Monaten,
und zwar in den erſtern Tagen des ſiebenten Monats zur
Welt kommt.
ſes mortis natus, non admittetur ad legitimam hereditatem.
Hier-
betrift, ſehr deutlich aus dem vom Paulus oben angefuͤhr-
ten Entſcheidungsgrunde: Septimo menſe naſci perfectum par-
tum, iam receptum eſt propter auctoritatemhippocratis.
In Anſehung des geſetzlichen Termini ad quem beziehe ich mich
auf L. 6. et 7. D. de ſuis et legitim. heredib. wo zur Erb-
faͤhigkeit eines nach des Ehemanns Tode gebohrnen Kindes
erfordert wird, ut ſit vivo eo conceptus, quia conceptus quo-
dammodo in rerum natura eſſe exiſtimatur; und auf Nov.
XXXIX. cap. 2. wo Juſtinian ſagt: daß ein im eilften
Mo-
L. 4. Cod. de poſthum. heredib. inſtituend. vel exhered.
minum, finem nempe trigeſimae nonae, et nonnunquam quadra-
geſimae hebdomatis, partui maturo natura, uti accuratior ob-
ſervatio docet, conſtituit.
menſem foetus maturus cenſendus non eſt. Vitalis quidem ſe-
ptimo menſe eſſe poteſt, recte tamen a maturo diſtinguitur.
Vagitum enim infantibus ſolemnem immaturus puer non edit,
ſed ſimilem fere ſonum ſuſpiriis adultorum obtuſis. Continuo
ſomno indulget; vix, niſi a cruciatu moveatur, vagit, niſique
excitetur, evigilatur, cibumque appetit. Multum vagiunt,
quibus inteſtina (doloribus colicis) dolent. Frigoris adeo im-
patiens eſt, ut manus mox pedesque frigeant, niſi externo
calore foveantur. Debilis etiam, et convulſionibus aptus, ni
omni cura et blandiſſime nutriatur. Er giebt hierauf §. 220.
folgende Kennzeichen einer unreifen Geburt an: 1) tota cu-
tis-
gebrachtes Kind darum nicht fuͤr rechtmaͤſig gehalten werden koͤn-
ne, quod non eſſet poſſibile dicere, partum de defuncto eſſe. Ne-
que enim in tantum tempus conceptionis extenſum eſt: oder
wie es Hombergk beſſer uͤberſetzt: Neque enim graviditas
in tantum tempus protenditur.
eſt, quin quandoque livet. Sanguis per tenerrimam epider-
miam pellucet. Manuum palmae pedumque plantae purpureo
vel livido colore ſplendent. 2) Mollis et longa lanugo cor-
puſculo inſtrata eſt, partibus praecipue faciei lateralibus et
dorſo. 3) Corpuſculum plerisque in caſibus macilentum, minus
toroſum; artus graciles, tenuesque; mobilis contracta et arida
cutis, quae vix aliquid, quin nihil pinguedinis, ſed nudos
muſculos velat. 4) Magnus fons pulſatilis, et cranii oſſa ex
facili mobilia. 5) Facies deformis, ſenilis quaſi, cum con-
ſpicuis lineamentis et rietu oris magno latoque. Totius em-
bryonis ingratus aſpectus et odor. Labia et aures tenerrima
epidermide tectae, colore rubrae; obſcurae vel roſeae: aures
pertenues membranis ſimiles, cum exigua auricula pendente.
Ex mento et naſi bulbo tubercula ſebacea, velut colliculi al-
bicantes, prominent. Lingua intenſa rubet. 6) Oculi clauſi,
palpebrae conniventes, quae haud multum aperiuntur, cum aver-
ſo a lumine infante tenebrae fiunt. Immaturi embryones cir-
cumſpicere vivide, velut alii infantes, non ſolent. 7) Capitis
capilli albicantes vel flavescentes et nitentes: ungues etiam ma-
nuum pedumque breves, teneri, molles, facile plicandi, velut
tenuis chartae folia, ultra digitos non prominentes, vix line-
am longi. Cilia et ſupercilia tenerrima et laeviſſima. 8) Scro-
tum rubicundum et tumens, teſticulis vacuum eſſe ſolet, qui
nonnunquam ſupra pubis oſſa in inguinibus reperiuntur, raro
unus vel alter in ſcroto. 9) Pondus immaturi foetu, ad ſex
libras non aſcendit, ſaepe intra quintam libram ſubſiſtit, alias
inter quintam ſextamque libram medium eſt.
S. 428. Struben rechtliche Bedenken V. Th. Bed. 86.
S. 179. Ploucquet uͤber die phyſiſche Erforderniſſe der
Erbfaͤhigkeit eines Kindes §. 38. u. 39.
ſeptimeſtri partu cap. 5. herſetzen, woraus man ſehen wird,
daß er von keinem vollkommenen reifen Kinde redet. Et ſu-
pervivunt quidem ſeptimeſtres, ſagt er, verum pauci etiam ex his
educantur. Neque enim craſſitudinem habent, quam perfectiſſimi
habent,
Qu. 3. a verbis: Aſtalia quaeſtio eſt, an ſeptimo coniugii
menſe editus pro legitimo ſit habendus? pag. 79. vorzuͤglich
aber Pet. Ludw.rehrmann in Comment. de termino naſ-
cendi naturali unico filiationis et paternitatis fundamento. Goet-
tingae 1784.
frage viele Schwierigkeiten gefunden. Man findet die ver-
ſchiedenen Meinungen in der unter Io. Guolfgang.kippingii
Vorſitze von Joh. Kopp vertheidigten Diſſ. de partu dubio,
quem ſcilicet vidua intra dies lugubres enixa eſt. Helmſtadii
1744. Er ſelbſt haͤlt §. XII. dafuͤr, daß nach der Regel:
pater eſt, quem iuſtae nuptiae demonſtrant, im Zweifel der ge-
genwaͤrtige Ehemann fuͤr den Vater des Kindes zu halten
ſey. Allein es kommt hier zunaͤchſt auf die Beſchaffenheit des
Kindes an, ob dieſes reif oder noch unreif iſt.
nues evaſerint. Ueberhaupt hat auch die Unvollkommenheit
eines ſiebenmonatlichen Kindes, gegen ein neunmonatliches
gehalten, ſchon das ganze Alterthum erkannt, wie fabrot-
tus de iuſto partu, in ottonis Theſ. Iur. Rom. T. III.
p. 1162. erwieſen hat.
und 99.
1779. Aug. aleyser Diſſ. de poſtumo anniculo ſeu duode-
cimeſtri Viteb. 1748. und deſſelbenMeditat. ad Pandect.
Spec. XV. med. 1. heisteri Differt. qua partus tredecime-
ſtris pro legitimo habitus proponitur, et ſimul partui nullum
certum tempus in univerſum tribui poſſe, oſtenditur: in ſchle-
gelCollect. opuſculor. ſelector. ad medicin. for. ſpectant.
Vol. II. n. VIII. nebel Diſſ. de partu tredecimeſtri legiti-
mo. Heidelberg. 1731. und wernher Obſ. for. T. III. P. 3.
Obſ. 36.
Rud. Aug.vogel Diſſ. de partu ſerotino valde dubio. vor-
zuͤglich aber Io. Bern.schnobel Diſſ. de partu ſerotino in me-
dicina forenſi temere nec affirmando nec negando. Ienae 1786.
ſae foetus moram in utero retardent, ut potius accelerent. Vi-
duae quidem vanis hisce ſpeciebus illicitam venerem defende-
re, hereditates aucupari, imo medicos nimis credulos vel lu-
eri cupidos in ſuas partes trahere ſtudent, ſed mera haec ſunt
ludibria, praetereaque nihil.“ Adde alberti ſyſtem. iurisprud.
medicae T. I. Cap. VII. §. 19.
cto ſind in der Bulgate nicht richtig uͤberſetzt, es muß eigent-
lich heiſſen ſub finem und ecimi menſis, wie Luc. van
depoll de exheredat. et praeterit. cap. 38. emendirt, und
Hombergk zu Bach auch wirklich uͤberſetzt hat.
mo menſe. fabrottus in der oben angefuͤhrten Exerc. I.
p. 38. raguellus in Commentar. ad L. ult. C. de poſthum.
hered. inſtit. carpzov Iurisprud. Forens. P. IV. Conſt. 27.
def. 15. gaertner meditat. pract. ad Pandect. Specim. I.
Obſ. 61. Luc. van depoll a. a. O. §. 13. S. 239. struv
Syntagm. iur. civ. h. t. Exerc. III. th. 4. u. a. m.
in ius Digeſtor. h. t. §. 5.
ne ſi quis ante nuptias in furtivos cum puella complexus ruens,
eam deinceps matrimonii vinculo legitime ſibi ſociaverit, nec
anticipata gaudia ipſe diffiteatur; non dubium, quin vel con-
feſtim a nuptiis contrectis, aut ipſo nuptiarum die editus, le-
gitimis liberis adſcribendus ſit, ſubſequente connubii foedere
omnem conceptionis maculam tollente. Adde hofacker Prin-
cip. iuris civ. Rom. Germ. T. I. §. 544. fin. und gaert-
ner in Meditat. pract. ad Pandect. Spec. I. med. 59.
de litteris natalitiis Ien. rec. 1732. Desgleichen Claproth
in der Rechtswiſſenſchaft von freywilligen Gerichtshandlun-
gen (Goͤttingen 1789.) 2. Abſchn. 2. Hauptſt. 7. Tit.
S. 149 — 157. und Hr. von Truͤtſchler in der Anwei-
ſung zur vorſichtigen und foͤrmlichen Abfaſſung rechtl. Aufſaͤ-
tze uͤber Handlungen der willkuͤhrl. Gerichtsbarkeit. (2. Aufl.
Leipzig 1786.) 1. Th. 2. Hauptabth. 3. Hauptſt. §. 53.
S. 300.
Pandect. Vol. V. Spec. CCCXXVI. med. 7.
Cap. III. Th. 2. und vorzuͤglich hofacker in Princip. iuris
civ. Rom. Germ. T. I. §. 547—550. S. 431. f. f.
rum a deſponſatis ante benedictionem ſacerdotalem, nec ex
poſt ſubſecutam procreatorum. idem in Diſſ. de probatione
filiationis ex concubitu conſponſorum ante hierologiam nec ex
poſt ſubſecutam, et de iure talis prolis, in eius Diſſertat.
Academ. Vol. I. Diſſ. XXXIII. et XXXIV. Io. Frid.eisen-
hart
Cap. 30. X. de ſponſalib. wird dem Beyſchlaf zwiſchen guͤltig
verlobten Perſonen die Wirkung eines matrimonii praeſumti
beygelegt.
209. 456. mevius Deciſ. P. II. D. 81. ſtryck de ſucceſſ. ab
inteſt. Diſſ. I. cap. 2. §. 1. gaertner meditat. pract. ad
Pand. Spec. I. med. 55.
S. Hrn. Prof. woltaer Obſervat. iur. civ. et Brandenb.
Faſc. I. Obſ. 10. in Saͤchſiſchen, vi Deciſ. Elect. 49. S.
wernher Obſ. for. T. I. P. III. Obſ. 41. n. 5. und in Wuͤr-
tenbergiſchen Landen vi Reſcr. de 1695. S. die oben
angefuͤhrte andere HarpprechtiſcheDiſſ. de probatione
filiationis Cap. II. Th. XI.
Zeller Diſſ. de partu ſponſae legitimo. Goettingae 1785. de
cramer in Obſervat. iur. univerſi T. II. Obſ. 515. a leyser
Meditat. ad Pandect. Spec. CCXCVIII. med. 4. Struben
rechtl. Bedenken III. Th. Bed. 131. §. 4. S. 456. Hr. G.J.R.
boehmer in Princip. iuris canon. Lib. III. Sect. II. Tit. II.
§. 352. Schott im Eherecht §. 150. hofacker in Princip.
iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 545 u. a. m.
dect. Lib. I. Tit. VI. §. 10. Gottl. Ger.titius in Iure pri-
vato lib. VII. cap. I. §. 15. Iuſt. Henn.boehmer in Iur.
Eccleſ. Proteſt. Lib. IV. Tit. 3. §. 50. lauterbach in
Colleg. Th. Pract. Pandect. Lib. XXIII. Tit 2. §. 4. Tob.
Iac.reinharth in ſelect. Obſervat. ad Chriſtinaeum Vol. VI.
Obſ. 10. p. 26 27. Aug. Rud. Ieſ.bunemann Diſſ. de ſpon-
ſae partu ſpurio. Goettingae 1753. G. Nic.grimmeisen
Diſſ. de liberis ob deficientem in parentibus benedictionem ſa-
cerdotalem non legitimis. Altorf. 1731. Vorzuͤglich aber ſehe
man die gruͤndliche Abhandlung uͤber der Brautkinder
Succeßions-Faͤhigkeit in den Guͤtern ihrer
Vaͤter in dem Archiv fuͤr die theoretiſche und practiſche
Rechtsgelehrſamkeit, herausgegeben von Theodor Hage-
mann und Chriſtian Auguſt GuͤntherIV. Th. (Braun-
ſchweig 1789.) N. VII. S. 177—217.
not. d. und Car. Sebaſt.berardus in Commentar. in ius ec-
cleſ. univ. Tom. III. (Venet. 1778. 4.) Diſſ. II. Cap. IV.
Quaeſt. I. auch Hofmann im Handbuch des teutſchen Ehe-
rechts (Jena 1789.) VIII. Hauptſt. §. 72 S. 233.
bus a filio eiusdem R. productis, quibus legitime comproba-
vit, praedictum R. matrem ſuam in capella S. Sergii adfidaſſe.
Adfidare gehoͤrt zur barbariſchen Latinitaͤt des mittlern Zeital-
ters, und bedeutet ſoviel als ſich durch Zuſage und gegebenes
Wort verbindlich machen. S. lindembrog in Gloſſario h v. In-
ſonderheit aber hieß feminam adfidare in uxorem ſoviel als einem
Weibe die eheliche Treue verſprechen. gonzalez ad cap. 2. X. de
con-
I. H.boehmer Iur. Eccl. Proteſt. Lib. IV. Tit. 3. §. 49.
ſprechen in einer Capelle geſchehen, ohnfehlbar alſo in Gegen-
wart eines Geiſtlichen; mithin iſt wohl kein Zweifel, daß das
Kind, uͤber deſſen eheliche Geburt nach dem Inhalt des Ca-
pitels geſtritten wurde, ein aus rechtmaͤſiger Ehe gezeugtes
Kind geweſen. gonzalez tellez in Comment. ad cap. hoc
12. X. qui filii ſint legitimi. Noch weniger Zweifel iſt bey
der L. 12. C. de nupt. vorhanden; wenn man die Worte mit
Aufmerkſamkeit lieſet, nullus exiſtimat, ob id deeſſe recte alias
inito matrimonio firmitatem, vel ex eo natis liberis iura poſſe
legitimorum auferri.
Hermaphroditum cui comparamus? et magis puto, eius ſe-
xus aeſtimandum, qui in eo praevalet. S. Caſp.bau-
hinus de hermaphroditorum monſtroſorumque partuum na-
tura. Oppenhem. 1614. Io. Henr.felz Diſſ. de iure androgi-
norum. Argentor. 1717. Io. Ulr.cramer Probl. de prae-
ſtantia ſyſtematis harmoniae praeſtabilitae in materia iuris de
Hermaphroditis, qui utroque ſexu potentes dicuntur; ineius
Opuſc. T. IV. n. VIII.guyot Repertoire de lurisprud.
art. Hermaphrodit. und Pet. Franc.monet Diſſ. de iure cir-
ca hermaphroditos, Argentorati. 1788.
rum. Hermaphroditus an ad teſtamentum adhiberi poſſit, qua-
litas ſexus incalescentis oſtendit.
T. II. p. 369. valmont de bomare Dictionn. d’Hiſtoire
natur. art. Hermaphrod. teichmeyer medicin, legal S. 99.
faselius elem. medicin. legal. §. 40. Arnaud uͤber die
Hermaphroditen. u. a. m.
mina in unſern Geſetzen von allen Perſonen weiblichen Ge-
ſchlechts, ohne Unterſchied, ſie moͤgen ledig oder verbeurathet,
Jungfern oder Witwen ſeyn, gebraucht werden; ſo wie in ei-
ner eben ſo weitlaͤuftigen Bedeutung das Wort vir alle Per-
ſonen maͤnnlichen Geſchlechts, Maͤnner und Knaben bezeich-
net. L. 25. §. 9. D. de auro arg. leg. L. 81. §. 1. D. de
legat. 3. L. 2. D. ad SCt. Vellej. In der eigentlichen Be-
deutung aber nehmen die Geſetze das Wort mulier fuͤr eine
ſolche Weibsperſon, die keine Jungfer mehr iſt, und ſetzen das
Wort virgo entgegen. L. 11. §. 1. D. de contrab. emt. L. 11.
§. 5. D. de act. emt. vend. L. 13. D. de manumiſſ. vind.
los quam feminas complectitur.
ſexu maſculino ad utrumque ſexum plerumque porrigitur. Die
Anwendung davon wird in L. 116. 163. §. 1. L. 172. L. 201.
D. de Verb. Sign. und L. 62. D. de legat. 3. gemacht.
§. 15. S. treckel Tr. de origine atque progreſſu teſta-
mentifactionis praeſertim apud Rom. Cap. III. §. 4. S. 60.
ganten Diſſ. de principio ſucceſſionis gentilitiae apud vet. Rom.
Halae 1788. §. 2. gegen die Meinung des Hrn. Prof. Hugo
in Comment. de fundamento ſucceſſionis ab inteſtato ex iure
Rom. antiquo et novo. Goett. 1785. §. 4. ſq. ſehr gruͤndlich
erwieſen.
ſchied des Geſchlechts habe machen wollen, beſtaͤttigen Pau-
lus
feminino vocabulo etiam maſculos contineri.
dect. Spec. XVII. med. 3. welcher jedoch den Fall ausnimmt,
da aus der Abſicht des Geſetzgebers, des Teſtators, oder der
Contrahenten ganz deutlich erhellet, daß unter der ausdruͤck-
lichen Benennung des weiblichen Geſchlechts auch das maͤnn-
liche mit verſtanden ſeyn ſolle.
ſtinian §. 3. I. de legitima agnator. ſucceſſ.
Io. Volck.BechmannDiſſ. de privilegiis mulierum. Jena
1720. Theod. Ge. Guil.emminghaus Comm. de praecipuis
feminarum in Germania iuribus. Ienae 1751. Henr.bale-
mann Diſſ. de foemina ex antiquitatibus legibusque Romanis,
germanicis, et praeſertim Lubecenſibus. Altorf. 1756. Joh.
Chri-
de origine ac fonte iuris circa mulieres diverſi, von den ei-
gentlichen Gruͤnden des verſchiedenen Rechts der Weiber.
Lipſiae 1738.
ſchnitt §. 1—6. hartleben Meditat. ad Pandect. Spc. XVII.
med. 1. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts
2. Th. S. 281. f. f.
Geſchlechts nach gemeinen buͤrgerlichen und beſonders nach
Mecklenburgiſchen Lehnsgeſetzen und Gewohnheiten, in Deſ-
ſelben kleinen juriſt. Schriften (Butzow. u. Wis-
mar 1772.) N. III. S. 69—98. vorzuͤglich aber Carl Ludw.
Chriſtoph Roͤslin Abhandlung von beſondern weiblichen
Rechten. I. Band Manheim 1775. II. Band Ebendaſelbſt
1779. gr. 8.
Beytraͤge zu der Lehre von gerichtlichen Klagen und Einreden.
(Schwerin und Wismar 1789. 8.) 3te Betrachtung
S. 36. u. folg.
Folgen. Denn hieraus laͤßt ſich erklaͤren, warum die Frauens-
perſonen, welche etwas dafuͤr erhalten haben, daß ſie eine
fremde Verbindlichkeit uͤbernehmen moͤchten; oder aber bey
Uebernehmung fremder Verbindlichkeiten nicht ſowohl Gefahr
laufen, als vielmehr wirklich die Abſicht und den Willen ha-
ben, das Ihrige zu des Schuldners Beſten aufzuopfern, mit-
hin aus bloßer Freygebigkeit (donandi animo) fuͤr ihn inter-
cediren, ſich jener weiblichen Rechtswohlthat nicht bedienen
koͤnnen. In dem Titel de SCto Vellejano werde ich dieſes
weiter ausfuͤhren.
angefuͤhrten Diſſertat. §. VIII. u. ff. ſehr gruͤndlich.
18. §. 9.
Attic. VI. 7. daß die Tarratia, eine Beſtalin, das ius teſti-
monii dicendi durch die Lex Horatia erhalten. S. treckel
de origine teſtamentifactionis §. XVIII. p. 105. §. LXIII.
p. 208. u. §. LXXI. p. 225. ſqq. reinold Varior. c. 5.
in Opuſc. S. 73.
de eine Ehefrau, die ſich in manu mariti befand, ſogar wie
eine filiafamilias angeſehen. Man ſehe caiiInſtitut. lib. II.
Tit. VIII. prine. vlpianiFragm. Tit. XXII. §. 14.
§. 2. D. de bonor. poſſ. contra tab.averanius in Interpre-
tat iuris Lib. III. c. XXVI. n. 9. p. 490.
wichtigen Folgen, denn aus dieſer Urſach kann eine Mutter
ihre Kinder rite praͤteriren, odne daß das Teſtament deshalb
nichtig wird, ihre Praͤterition hat die Wirkung einer Exhere-
dation §. 7. I. de exheredat. liberor, Aus eben dieſer Urſach
ſagt paulusL. 4. §. 2. D. de bon. poſſ. contr. tab. ad te-
ſtamenta ſoeminarum Edictum contra tabulas bonorum poſſeſ-
ſionis non pertinet; und ein gleiches iſt von der bonorum poſ-
ſeſſione unde liberi zu behaupten. S. schultingad Vlpia-
ni Fragm. Tit. XXVI. §. 7. not. 24. Iurisprud. Antej. p. 667.
und II. Th. S. 55.
tatis ad ſtatum familiae in re tutelari ſpectato. Goettingae
1753.
to et irr. teſt.
ſo unterſchieden werden, daß erſteres eine temporalis corpo-
ris imbecillitas, letzteres aber ein perpetuum corporis impedi-
mentum ſey. Unterweilen nehmen jedoch die roͤmiſchen Juri-
ſten das Wert Morbus in einer ſo weitlaͤuftigen Bedeutung,
daß es auch vitium mit unter ſich begreift. S. coelius sa-
binus in L. 1. §. 7. D. de aedilit. edicto, und massurius
sabinus beym Gellius Noct. Attic. IV. 2.
festus de Verb. Signif. v. mente captus.
maledix.
recept. §. 3. 4. I. de Curat. L. 25. Cod. de nupt. S. Paul.
zacchias in Quaeſtion. medico. legal. Lib. II. T. l. qu. 9.
n. 3. 15. 16. Ulr.huber Digreſſion. Iuſtinian. Lib. III.
cap. 18. §. 2. und beſonders Guſt. Bernh.becmann in Diſſ.
de acquiſitione hereditatis dementi delatae. Goettingae 1772.
§. 2. 3. 4.
ſertat. Select. N. XVI.
proceri privilegio. Vitemb. 1730. rec. 1746.
Commentar uͤber dieſe letztere Stelle giebt Job. Fried,
Joachim in der fortgeſetzten Sammlung vermiſchter An-
merkungen des Staats- und Lehnrechts. N. VI. §. 3. ff.
Henr. Maximil.kerſten Diſſ. de viſu privatis eorumque
iuribus Lipſiae 1773. Joh. Paul Kreß juriſt. Betrach-
tung von dem Recht der Taub- und Stummgebohrnen. Helm-
ſtaͤdt 1765. 4.
zugleich, daß die roͤmiſchen Juriſten darinn uneinig geweſen,
ob eine Handlung, ſo zur Zeit des dilucidi intervalli unter-
nommen wurde, guͤltig ſey? Man ſehe davon Em.meril-
lius in Expoſition. in L. Deciſiones Iuſtiniani N. XII.
Struben rechtliche Bedenken 1. Th. Bed. 138.
peinl. Rechts 1. Th. 2. Abſchn. 2. Kap. §. 39. boehmer in
Obſervat. Select. ad Carpzovii practic. nov. rer. crim. P. III.
Qu. 145. Obſ. 1. (von Reder) peinliches Recht nach den
neueſten Grundſaͤtzen vollſtaͤndig abgehandelt (Offenbach
am Mayn 1783.) I. Th. V. Kap. §. 7. 8. 9. Dorn Ver-
ſuch eines practiſchen Commentars uͤber das peinliche Recht.
1. Band S. 72. f.
mentis, Vitembergae 1737.
§. 5. D. de legat. 1. L. 40. §. 2. D. de auro arg. mund.
Man vergleiche uͤbrigens Marq.freher Veriſimil. Lib. I.
c. 26. in Theſ. iur. Rom. Ottoniano T. I. p. 898. und H. Prof.
püttmanni Diſp. de ineptis morientium voluntatibus. Lipſiae
1774.
mentiae. Halae 1719.
rioſis audiendos eſſe, in schlegel Collect. opuſcul. ſelect.
ad medicin. forens. ſpectant. Vol. II. N. X.
vorſichtiger Eingehung der Vertraͤge 1. Th. 1. Abſchn. 1. Hptſt.
§. 6. S. 12. u. 13.
§. 2. D. de tut. et curat. dat. §. 1. 2. I. quib. non eſt permiſſ.
fac. teſtam.
litatem intellectus. Lipſiae 1755. §. XIV.
rere coepit, et ſtatum et dignitatem, in qua fuit, et magi-
ſtratum et poteſtatem videtur retinere: ſicut rei ſuae domi-
nium retinet. Adde L. 31. §. 4. D. de uſurp. et uſucap.
mentum recte factum, neque ullum aliud negotium recte ge-
ſtum.
Tit. 3. §. 64.
mehr Chriſt. Gottfr.meissneri Diſſ. de ortu et progreſſu
ſer-
D. qui teſtam. fac. poſſ.
XI. u. XII. Sonderbar iſt die Erklaͤrung des M. lycklama
anyholt Membranar. lib. IV. Eccl. 11. S. 427. wo er die
Worte contra naturam erklaͤrt contra libertatem animi, und
die vorhergehende Worte qua quis ſo verſtehet: qua homo
corporeus.
manae empfehle ich die ſynchroniſtiſchen Tabellen in der oben
ſchon angefuͤhrten Meißneriſchen oder Wieſandſchen
Diſputation.
tirt Ge.d’arnaud in Diſſ. de iure Servorum. (Leovardiae
1744. 4) Cap. IV. et V.
Strafe des Corneliſchen Geſetzes auch alsdann noch ſtatt,
wenn gleich der Todſchlaͤger ſeiner Verbindlichkeit aus dem
Aquiliſchen Geſetz ſchon ein Genuͤge geleiſtet hatte. L. 23.
§. 9. D. ad L. Aquil. §. 11. I. eodem.
hieß es zwar: Servis ipſis nullam fieri iniuriam, §. 3. Inſt.
de iniuriis. Allein der Praͤtor hat dies geaͤndert. §. 7. I.
eodem.
babil. iuris civ. Lib. I. cap. XIII. §. 15.
Klage ſtatt, auch nicht einmal nach der Manumißion, wenn
die Schuld in der Sclaverey gewuͤrkt worden. paulusRe-
cept. Sentent. lib. II. tit. XIII. §. 9.
Fluͤchtling Barbarius Philippus beym Ulpianin
L. 3. de off. Praetor. ein oͤffentliches Amt erſchlichen, ſo aͤn-
derte dies ſeinen Zuſtand nicht, L. 11. C. de lib. cauſ. ob-
gleich deſſen Handlungen, die er waͤhrend ſeines Amts unter
oͤffentlicher Auctoritaͤt verrichtet, um des gemeinen Beſtens
willen, nicht reſcindirt wurden, L. 3. cit. L. 2. C. de ſen-
tent ct interlocut omnium Iud. Man vergleiche Auguſt.cam-
piani de officio et poteſtate Magiſtratuum Rom. et iurisdi-
ctione (Auguſtae Taurinor 1724. 4.) pag. 225—231.
veteres miniſteriis. Amſtelod. 1674.
puli Romani parte dimidia teſtamenti faciendi ius habet.
Herm.noordkerk Specim. lectionum ſ. Disquifitio de lege
Petronia. Amſtelodami 1731. 8.
§. 2. I. eodem.
D. de SCto Silan. Man vergleiche hierbey Weſtphal
Theorie des R. R. von Teſtamenten. §. 1241. und folgg.
S. 886. ff.
ſe venumdari patiuntur. Sie iſt der oben Not. 76. angefuͤhr-
ten Differtat. beygefuͤgt S. 84—128.
ſchluſſes geben d’ arnaud in var. coniectur. iuris civ. lib. I.
cap. XX. p. 135—146. und Andr. Guil.cramer in Diſſ. de
SCto Claudiano ad Taciti Annal. XII. 53. praeſide Adolph.
Frid.trendelenburg habita Kiliae Holſator. 1782.
dition. et ex SCto Claudiano. Siehe auch mercerius Opi-
nion. lib. I. c. 9.
apud Romanos. Lipſiae 1738.
Servitus poenae handelt ſehr ausfuͤhrlich Hr. G.J.R. Walch
in Diſſ. de donatione capite damnati. Ienae 1766. §. 2. Man
vergleiche auch noodt Probabil. Lib. III. cap. 12.
germanorum. Halae 1701. EbendeſſelbenDiſſert. de
uſu practico diſtinctionis hominum in liberos et ſervos. Halae
1711.
rum a Servis germaniae non Romanis derivando, et de uſu
huius doctrinae. Halae 1754. 4.
rem deſcriptis per familiam miniſteriis, utuntur. Suam quis-
que ſedem, ſuos penates regit. Frumenti modum dominus,
aut pecoris, aut veſtis, ut colono, iniungit: et ſervus hacte-
nus paret. Caetera domus officia uxor ac liberi exſequuntur.
propriis, in Opuſc. T. I. Vol. II. pag. 108. ſqq. Ioach.pot-
giesseri Commentar. iuris germ. de ſtatu ſervorum veteri pe-
rinde atque novo. Lemgoviae 1736. 4. (Joh. Chriſt.
Palm) Entwurf des Leibeigenthumsrechts. Hannover 1746.
4. Struben Bedenken IV. Th. N. 15. Cramer Neben-
ſtunden Th. CII. n. VI. und Th. CXVII. n. 9. Eſtors klei-
ne Schriften V. St. N. 5. de balthasar de hominibus pro-
priis eorumque origine natura, et iure in Pomeran. et Rug.
Greifswald. 1779. Weſtphal teutſches Privatrecht. I. Th.
32.
leute. Stralſund 1653. 4.
Oeconomia forenſis Tom. V. 8. Hauptſtuͤck, §. 196. ff.
mann Obſervation iuris germ. Lib. I. cap. VII. S. 81. u. folg.
Man vergleiche auch grupen in uxore Theodisca cap. I.
§. 13. stryck Uſ. Mod. Pandectar. tit. de operis libertor.
mevius P. IV. Dec. 131.
bonis defuncti hominis proprii, eius domino competente, vulgo
Haupt Recht, Haupt-Fall. Tübingae 1685. in Diſſertat. acade-
micar. Vol. II. N. LIX. p. 577 — 664. Carl Gottlieb
Knorrens kurze Nachricht von dem Urſprung und Beſchaf-
fenheit des Erbrechts, oder Hauptfalls, auch Unterſuchung
der Urſach, warum dieſes Recht tode Hand benennet wor-
den ſey? in Deſſelben rechtlichen Anmerkungen (Halle
1752. 8.) N. XXII.Weſtphal teutſches Privatrecht I. Th.
38. Abhandlung. S. 421. und Otto Ludw. von Eich-
mann Sammlung kleiner Abhandlungen aus der Rechtsge-
lehrſamkeit ꝛc. (Halle 1782. 8.) N. XIII.
tutione. Lipſiae 1736. Io. Phil.carrach Diſſ. de addictio-
ne in ſervitutem ſpontanea. Halae 1753.
§. 415. u. 416.
Germania pendentibus Cap. I. Ge. Lud.roehmer Progr. de
ingenuorum natalium probatione. Goettingae 1761. und Eben-
derſelbein Diſſ. de impari matrimonio ex iure liberorum
ex eo natorum circa ſucceſſ. feudal. §. VI. ff.
in Latein der Hoͤchſtfrey, und libertinus,Mittelfrey.
Wel-
und §. 20 — 24. Ebenderſelbe auch in Element. iuris
germ. §. 228. Von den Rechten der Freygebohrnen in Teutſch-
land handelt auſſer Hr. von Selchow, auch ſehr ausfuͤhr-
lich Hr. Reg. R. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤr-
gerlichen Rechts 2. Th. S. 320 — 330.
Frid.wache in Diſſ. de voce Mittelfreyen. Halae 1763.
Adde gebaueri Commentat. de libertinitate veterum Germ.
Goettingae 1759.
corum in Germania. Halae 1733. rec. 1739.
alten zweyen Muͤttern, und zweyen Altervaͤtern, und von
Vater und Mutter unbeſcholten iſt an ſeinem Recht, den kann
Niemand geſchelten an ſeiner Geburt, er habe denn ſein Recht
verwirkt.
noſſen, Hausleute zu nennen; doch darf damit der
roͤmiſche Begriff von domeſticis nicht confundirt werden.
domesticos nannten die Roͤmer alle diejenigen, welche zu
dem Hauſe eines Paterfamilias gerechnet wurden, und in
dieſer Ruͤckſicht auf irgend eine Art mit demſelben in Verbin,
dung ſtanden. Man rechnete daher zu denſelben nicht nur alle
Arten von Knechten, Dienſtboten, die Freygelaſſenen, und
Clienten; ſondern auch den Hausvater ſelbſt, Hausſoͤhne und
Toͤchter, Schweſtern und Bruͤder; und auch die Hausfrau,
wegen der Herrſchaft ihres Ehemannes uͤber ſie. S. Ian.
langlaeus in Semeſtr. Lib. III. c. 2. Der Unterſchied iſt
beſonders beym Hausdiebſtahl von Wichtigkeit. S. gün-
ther Diſſ. de furto domeſtico. Lipſiae 1785.
BechmannDiſp. de iure famulorum hodierno, quatenus
veteri Servorum iuri convenit, aut ab eo diſcrepat. Ienae
1672. Die uͤbrigen Schriften als Io. Th.schefferi Diſſ. de
iure famulorum, stryck, und harpprecht Diſſ. de iuribus
domeſticorum ſind ſeicht.
Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts 2. Th. S. 356.
fer cit. Diſſert. Cap. III. §. 3. leyser in Meditat. ad Pan-
dect. Vol. I. Spec. XVI. med. 4. müller ad Leyſerum
Obſ. 86. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen
§. 70. S. 85. der dritten Auflage u. a. m.
de emendat. propinquor. hierher, denn erſteres Geſetz redet
von Sclaven, letzteres von minderjaͤhrigen Verwandten, wel-
che unartig ſich betragen. L. 13. §. 4. D. locati aber erlaubt
nur einen Lehrmeiſter den ihm anvertrauten Lehrpur-
ſchen durch vernuͤnftige Zuͤchtigung zum Fleiß, Aufmerkſam-
keit und Ordnung anzuhalten; redet alſo auch nicht vom Mieth-
geſinde.
Glafey Vernunft- und Voͤlkerrecht S. 920. Struben
rechtliche Bedenken. III. Theil, Bed. 39. S. 153.
13. 14. Traugottthomasius in Diſſ. an ſervi et ancillae
actionem iniuriarum habeant?Quiſtorp Gundſaͤtze des
peinl. Rechts I. Th. §. 309.
Batav. 1707. Io. Wilh.goebel de iure et iudicio ruſticorum
fori germ. Helmſt. 1742. von BeneckendorfOecono-
mia Forenſis. Tom. V. 8. Hauptſt. 2. Abſchn. §. 233. ff. und
5. u. 6. Abſchnitt.
ſervo. Ienae 1745. I H.boehmer de imperfecta libertate
ruſticor. in Germ. estor de praeſumtione contra ruſticos in
cauſis operarum. pertsch de diviſione operarum in deter-
min et indeterminatas. engau in Iur. Germ. lib. I. Tit. 4.
eisenhart in Inſtitut. iuris germ. privati Lib. I. Tit. 6.
§. 3. u. a. m.
et ſeqq.
senckenberg de conditione ſervorum in Semeſtrib Gieſſenſ.
hauschild de praeſumtione pro libertate naturali ruſticor.
und Ant. Lud.seip Diſſ. de ſtatu ruſticorum ex medii aevi
rationibus caute diiudieando. Goettingae 1749.
Abhandlung von der ehemaligen Knechtſchaft der Bauern in
Teutſchland, in den Erlangiſchen gelehrten Anzei-
gen auf das Jahr 1752. Nr. XXXXV. et XXXXVI.
S. 353 — 368. In dieſer Schrift ſind die Zweifel des ric-
cius gegen die gemeine Meinung gruͤndlich erwogen und ge-
hoben worden.
handlung S. 241. u. ff.
der zwar auf dem Lande wohnt, aber doch eigentlich kein
Bauer
ben Sammlung juriſt. philoſoph. und kritiſcher
Abhandlungen 2. Stuͤck. von Buri ausfuͤhrliche Ab-
handlung von den Bauerguͤthern. Gieſſen 1769. 4. stru-
ben de iuribus villicorum. Hannov. 1768. 4. und ziegler
de praediis cenſiticis ruralibus. Vitemb. 1687.
a cenſu et operis.
Staatsrechts, Geſchichte und Statiſtik der freyen Reichsdoͤr-
fer in Teutſchland. Leipzig 1785. 8.
es nicht an. So wie denn auch das Leben auf dem Dorfe zum
Begriff des Bauers nicht weſentlich nothwendig iſt. Der
Bauer wuͤrde, wenn er auch in die Stadt zoͤge, aber doch
ſeine Bauerwirthſchaft noch continuirte, nicht aufhoͤren ein
Bauer zu ſeyn. Weſtphal a. a. O. §. 1.
V. Th. 8. Hauptſt. 6. Abſchnitt. vonburi Erlaͤuterung des
in Teutſchland uͤblichen Lehnrechts IV. Fortſetzung N. XX.
S. 284.
land uͤblichen Lehnrechts IV. Fortſetzung Cap. III. §. 2. N. V.
Quaeſt. 3. S. 43. und H. von BeneckendorfOeconom.
forenſ. a. a. O. §. 504. 505.
corum operis. Tubing. 1671. grupen von Dienſten und
Beden
ſticorum territoriales iuribus, eorumque praeſcriptione. Mar-
burgi 1789.
Frohndienſten der Teutſchen. Frankfurt 1760. puffendorf
Obſervat. iuris univ. T. I. Obſ. 121. vorzuͤglich aber ley-
ser Meditat. ad Pandect. Spec. CCCCXVI. CCCCXVII.
CCCCXVIII. und CCCCXIX. und H. von Beneckendorf
in Oeconom. For. a. a. O. 8. Abſchn. u. folgg.
Gmelin und Elſaͤſſer. V. Band. N. II. S. 22. ff. und
Frid.behmeri nov. ius controverſ. T. II. Obſ. 130.
fert operae venatoriae ad territoriales quatenus referendae
ſint? Wirceburgi 1790. 8.
minatas et indeterminatas, earumque exactione. Ienae 1731.
delt ausfuͤhrlich Hr. von Benekendorfin Oeconomia
Forens. V. Th. 8. Hauptſt. 9. Abſchnitt.
dorf a. a. O. 10. Abſchnitt.
rum debitarum mutatione P. I. II. et III. Gieſſae 1751. 4.
deselchow Element. iuris germ. privati §. 351.
S. 378.
mentat. cit. P. II. Cap. IV. §. 42. 43. Beyde halten die
Verfließung einer Zeit von 10 oder 20 Jahren zu ſolcher
Verjaͤhrung fuͤr hinreichend, andere erfordern jedoch eine Zeit
von 30 Jahren.
rechts IV. Fortſetzung 3. Cap. N. V. Quaeſt. 4. S. 44. ff.
aleyser Meditat. ad Pand. Spec. 417. med. 5. coroll.
S. 1081. mevius P. IV. Dec. 131. reinharth Obſervat.
ſelect. ad Chriſtinaeum Vol. II. Obſ. 33. Cramer Neben-
ſtunden X. Th. N. 11. pertsch cit. Diſſertat. §. 38. estor
in Comment. de praeſumtione contra ruſticos in cauſis opera-
rum. §. 16. und Ebenderſelbe in der teutſchen Recht[ſ]-
gelehrſamkeit 1. Th. 56. Hauptſt. §. 402. Schroͤter von
der ehemaligen Knechtſchaft der Bauern in Teutſchland § 11.
von
seip Diſſ. de ſtatu ruſticor. ex medii aevi rationibus caute di-
iudicando Cap. III. §. X. riccius in Spicilegio iuris germ
S. 137. u. folgg. gemeinnuͤtzige iuriſtiſche Beobachtungen und
Rechtsfaͤlle von Gmelin und ElſaͤßerV. Band N. II.
§. 24. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts
II. Th. S. 387. u. a. m.
§. 566. ff. Weſtphal teutſches Privatrecht I. Th. 32. Abh.
§. 1. 2. 3. hofacker Principior. iuris civ. Rom. Germ.
Tomi II. P. I. §. 1162. n. II. u. a. m. Daß dieſe Meinung
auch in den Gerichten angenommen ſey, beſtaͤrkt mûller in
ſeiner Practica civili Marchica Reſ. 99. §. 70. mit verſchiede-
nen Erkenntniſſen.
III.Buch Art. 32. wo es heißt: „welch einkommen Mann
(advena) ſich frey nennet, den ſoll man fuͤr frey halten, man
mag ihn denn das mit Gezeugen vorlegen; (donec per teſti-
monium hoc reprobetur) wer ſich aber frey nennet, und daß
ein Andrer ſpricht, er ſey ſein eigen, alſo daß er ſich ihm er-
geben hab, das mag jener mit ſeinem Eide wohl unſchuldig
werden, es ſey dann fuͤr Gericht geſchehen.“
§. 5. folgg.
not. 5. Otto Ludw. von Eichmann Abhandl. ob, im
Fall es zweifelhaft iſt, gemeſſene, oder ungemeſſene Dienſte
der Bauern zu vermuthen? in Deſſelben Sammlung
kleiner Abhandlungen aus der Rechtsgelehr-
ſamkeit ꝛc. N. XII. S. 159. folgg. u. Hr. Hofr. Schnau-
bert in der neueſten iuriſt. Bibliothek 2. Band (Gießen
1783.) S. 591. und folgg.
§. 4.
ner Diſſ. de operarum indeterminatarum determinatione. Lipſ.
1720. stryck de abſu iuris quaeſiti Cap. I. n. 35.
kendorfsOeconom. Forens. a. a. O. 8. Hauptſt. 9. Ab-
ſchnitt §. 578. folgg.
hat das Cammergericht zu Berlin in Sachen des Rittmei-
ſters von Grothuſen gegen ſeine Unterthanen des Laͤnd-
gens Baͤrwaldede 22. Aug. 1764. und 10. April 1765.
fuͤr Recht erkannt: daß ihnen auf eine Reiſe von einer halben
Meile eine Laſt von 15 bis 18 Pfunden, auf eine weite-
re Reiſe aber nur eine Laſt von 10 Pfunden aufzubuͤr-
den. S. Frid.behmeri novum Ius Controvers. T. II.
Obſ. 131.
Commentat de operarum debitar. mutatione P. I. Cap. II.
§. 11. und folgg. balthasar de operis ruſticor. cap. XVI.
S. 97. Cramer Nebenſtunden Th. XXII. N. 8. Hr. von
Buri in der Erlaͤuterung des in Teutſchland uͤblichen Lehn-
rechts IV. Fortſetzung 3. Cap. N. V. Qu. 9. S. 63. und die
Verfaſſer der Meditationen uͤber verſchiedene
Rechtsmaterien. 3. Band 138. Meditat.
Es iſt jedoch billig der Fall auszunehmen, wenn Natural-
frohnen z. B wegen Entlegenheit des Orts von dem Guts-
herrn ganz und gar nicht gebraucht werden koͤnnen. S. wern-
her Obſervat Forenſ. T. I Part V. Obſ. 28.
med. 29. Struben rechliche Bedenken IV. Th. Bed. 17.
a. puffendorf Obſervat. iuris univ. Tom. I. Obſ. 224. T. II.
Obſ. 71. wernher Obſervat. Forenſ. Tom. II. Part. IX.
Obſ.
T. I. Obſ. 224. S. 553. balthasar de operis Subditor.
Cap. 10. und rave de praeſcriptione §. CXVII. Schol. 2.
Quaeſt. 10. S. 67. Cramer Wezlar. Nebenſtunden
Th. XXXI. N. 8. Weſtphal teutſches Privatrecht 34. Ab-
handlung 8. Anmerkung S. 366. Meditationen uͤber verſchie-
dene Rechtsmaterien 3. Band 137. Meditat. S. 119.
med. 30.
iuribus. Goettingae 1751. Dieſe naͤmliche Schrift iſt auch
unter Johann Andr. Hanneſens Namen als ein liber
ſingularisGoͤttingen 1752. 4. erſchienen. Man verglei-
che auch des ſeel. Appellationsraths plattner unter Carl
Ferdinand Hommels Vorſitze gehaltene Diſſ. de uſu
hodierno diviſionis hominum in cives et peregrinos. Lipfiae
1750. Es hat zwar Io. Gotth.tilsner als Supplement je-
ner Plattneriſchen Schrift eine hiſtoricam Tractationem de
peregrini et civis notione Lipſiae 1786. edirt, allein da dieſe
Schrift zur weitern Aufklaͤrung dieſer Materie gar nichts bey-
traͤgt, und unverſtaͤndlich geſchrieben iſt, ſo kann man ſie ohne
Schaden ungeleſen laſſen.
Car.sigonius de antiquo iure civium Romanorum, in Tom. I.
Operis de antiquo iure populi Romani.Halae 1715. 8. und
Ezech.spanhemii Orbis Romanus. Londini 703. et cum
praefat. Io. Gottl.heineccii, Halae et Lipſiae 1728. 4.
plutarchus in Romulo p. 30. et in Numa p. 61.
D. de Verb. Signif, eine Beſchreibung von Provinzia-
len
Academ. Io. Frid.christii de iure Quiritium coniectura,
inſert. eiusNoctibus Academ. Specim. II. (Halae 1727. 8.)
Obſ. 6. Corn. Valer.vonck Obſervation. miſcellan. Cap. 24.
adiect. eiusSpecimini Critico in varios Auctores. Trajecti ad
Rhen. 1744. 8. et Franc. Car.conradi Commentat. de iure
Quiritium a civitate Rom. non diverſo. Helmſt. 1744.
den haben. Conradiin Parergis lib. IV. n. II. hat jedoch
alle Dunkelheit gehoben. Der Sinn jener Stelle iſt: Pro-
vincialen heißen nur diejenigen, welche in der Provinz wirk-
lich ihren Wohnſitz haben. Diejenigen alſo, die zwar in ei-
ner Provinz gebohren waren, aber ihr Domicilium veraͤndert
hatten, gehoͤrten nicht hierher. Mit ſolchen Frauenzimmern
durften ſich daher auch die Gouverneurs der Provinzen ver-
heyrathen, nur nicht mit Provinzialinnen.
schwarz Diſſ. de iure italico. Altorfii rec. 1741.
conſtitutionis de civitate univerſo orbi Romano datae auctore.
Halae et Helmſt. 1772. 8.
peregrinorum. Lugd. Batavor. 1759.
maniae, praeſ. Io. Rud.engau habita Ienae 1747. eiusdem
Diſſ. II. de indigenis eorumque praerogativis Marburgi 1758.
schilter Diſſ. de iure peregrinorum (inſert. eiusdemExer-
citat. ad Pandect. p. 103.) Frid. Wilhpestel Diſſ. iuſti-
tia et benignitas legum germanicarum erga peregrinos exami-
nata. Rintel 1754.
Unfaͤhigkeit zu teutſchen geiſtlichen Wuͤrden. 1783. 4.
§. 216. ſqq.
Geburt erworben, ſondern in den meiſten Staͤdten Teutſch-
lands hat der Sohn eines Buͤrgers nur manche Vortheile
bey der Bewerbung um das Buͤrgerrecht vor andern, die
nicht Meiſtersſoͤhne ſind. S. riccius in ſpicileg. iuris germ.
Lib. I. Tit. VI. m. 2. p. 267. puffendorf Obſervat- iuris
univ. T. I. Obſ. 8c. Allein in manchen Staͤdten Teu ſchlands
z. B. in Nuͤrnberg kann man auch von Geburt ein Buͤr-
ger ſeyn. S. D. Io. Alb.colmar Diſſ. de iure civitatis No-
rimbergenſis. Altdorf 1781.
Altdorf. 1724.
den Menſchen ſelbſt genommen, in dieſer Bedeutung unter-
ſcheiden unſere Geſetze zwiſchen caput liberum L. 1. D. de
tutelis, und caput ſervile, L. 3. §. 1. D. de cap. minut.
greſſion. Inſtinian. Lib. III. cap. 6—10. dompierredeion-
quieres in Specim. de Reſtitutionibus in integrum, Lugd.
Batav. 1767. 8. Tit. V. S. 334 — 360. Carl Adolph
Freyherr von Braun von der Eintheilung der capitis de-
minutionis, in den Erlang. gelehrten Anzeigen auf
das Jahr 1751. Num. 3. und in Schotts juriſt. Wo-
chenblatt 3. Jahrg. N. XIV. Franc. Car.conradi de minima
capitis deminutione, in Parergis Lib. II. N. II. p. 164—193.
und Hr. Prof. Roberts kleine juriſt. Abhandlungen. Mar-
burg 1789. 8. N. III.
costa, Theod.marcilius, und Ev.otto in Commentar.
verglichen werden koͤnnen.
cius in Syntagm. Antiquitat. Rom. iurisprud. illuſtr. Lib. I.
Tit. XVI. §. 10.
familiam dicimus plures perſonas, quae ſunt ſub unius poteſta-
te, aut natura, aut iure ſubiectae, utputa patremfamilias, ma-
tremfamilias, filiumfamilias, filiamfam. quique deinceps vicem
eorum ſequuntur, utputa nepotes et neptes, et deinceps. pa-
ter autem familias appellatur, qui in domo dominium ha-
bet: recteque hoc nomine appellatur, quamvis filium non ha-
beat: non enim ſolam perſonam eius, ſed et ius demonſtra-
mus. Denique et pupillum patremfamilias appellamus, et cum
paterfamilias moritur, quotquot capita ei ſubiecta fuerunt, ſin-
gulas familias incipiunt habere: ſinguli enim patrumfamiliarum
nomen ſubeunt: idemque eveniet et in eo, qui emancipatus eſt,
nam et hic ſui iuris effectus propriam familiam habet.
nium adgnatorum: nam etſi, patrefamilias mortuo, ſinguli ſin-
gulas familias habent; tamen omnes, qui ſub unius poteſtate
fuerunt, recte eiusdem familiae appellabuntur, qui ex eodem
domo et gente proditi ſunt.
ſervat. lib. I. c. 36. voorda Interpretat. et Emendat. iuris
Rom. lib. I. c. 4. püttmann Probabil. iuris civ. lib. ſing.
c. VIII. S. 66. u. folgg.
duisberg Diſſ. de principio ſucceſſionis gentilitiae apud uet.
Rom. §. 6. ſqq.
dus de rerum iudicatar. auctoritate lib. II. cap. 14. §. 2.
auch Calliſtratus uͤberein L. 5. §. ult. D. de extraord.
cognition.
welche erſt durch neue Geſetze ertheilet ſind,
gehen durch die geringſte Capitisdeminution
nicht zu Grunde. S. Hoͤpfners Commentar uͤber die
Inſtitutionen Lib. III. Tit. IV. §. 640.
Digeſta Tit. de cap. minut. Operum T. II. p. 121. ſalvo ſta-
tu civili zu leſen; wie ſchon dompierre in Specim. de Re-
ſtitutionib. p. 336. bemerkt hat.
quib. mod uſusfruct. L. penult. §. ult. C. de uſufruct.
S. 14.
nutio: exceptis his, quae in iure alieno perſonis poſitis defe-
runtur Wie dieſe Worte zu verſtehen ſind, ergiebt ſich zwar
aus den nachfolgenden: ſed legitimae tutelae ex duodecim
tabulis intervertuntur; allein deswegen haben ſie doch in der
Erklaͤrung ſelbſt denen Auslegern viel zu ſchaffen gemacht.
Es wuͤrde offenbar zu weitlaͤuftig ſeyn, wenn ich hier die ver-
ſchiedenen Emendationen und Interpretationen der Rechtsge-
lehrten uͤber dieſe Stelle vortragen wollte, es ſey genug,
meine Leſer auf Io. van dewater Obſervat. iuris Rom.
lib. III. c. 13. Herm.noordkerck Obſervat. cap. 3. Abrah.
wieling Lectiones iuris civ. lib. I. cap. 9. und in Omiſſis
pag. 279. Pet.faber Semeſtrium lib. III. cap. 24. p. 393.
lycklamaanyholt Membranar. lib. I. Ecclog. 21. Franc.
balduinus in Iurisprud. Mutiana T. I. Iurisprud. Rom et
Atti-
hibens uſum practicum capitis deminutionis mediae. Rintelii
1733.
Walch in den Anmerkungen uͤber eckhardi Hermenevt. iuris
S. 61. ſchon angefuͤhrt hat. Die beſte Erklaͤrung unter al-
len giebt der Scholiaſt uͤber die Vaſiliken. Dieſer verſtehet
unter perſonis in alieno iure pofitis diejenigen, quae remanſe-
runt in poteſtate uſque ad mortem patris. Denn daß ius fuͤr
poteſtas genommen werde, iſt bekannt. Nach dieſer Erklaͤrung
ſind alſo perſonae in alieno iure poſitae keine andern, als ad-
gnati proximi non emancipati: ſo wie es auch conradi ver-
ſteht in Parergis pag. 191.
ditat ad Conſtitut. Crim. Carol. Art. 198. §. 4. S. 907.
Man ſehe auch Fratr.becmannorum Conſilia et Deciſiones
P. II. Conſ. 72. S. 274. wo man einen merkwuͤrdigen Fall
finden wird, daß zuweilen der Verluſt des Buͤrgerrechts an
einem Ort auch den Verluſt des Erdrechts wirken kan, wenn
es der Teſtator zur Bedingung des Erben gemacht hat, an
einem gewiſſen Ort wohnhaft zu bleiben, und daſelbſt das Buͤr-
gerrecht beyzubehalten.
und die Wirkungen derſelben unterſchieden. S. Eichmann
Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 27. u. folgg.
stryck in Uſu mod. Pandect. Lib. IV. Tit. V. §. 3.
lienrecht nach dem Syſtem des roͤmiſchen Rechts findet
man
Not. 99. S. 173.
Perſon in Zweifel ziehen, als Andr. Flor.rivinus in Diſſ.
de figmento fictionis unitatis perſonae inter patrem et filium.
Vitemb. 1760. und Lud. God.madihn in Principiis Iuris
Rom. Part. I. §. 36. p. 51. Allein die unlaͤugbaren wichtigen
und gemein bekannten Wirkungen dieſer Einheit der Perſon
zwiſchen den Hausvater und den ſeiner Gewalt unterworſe-
nen Perſonen widerlegen jene Grille ſattſam. Man ſehe
Hoͤpfners Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 100.
S. 100. der neueſten 3ten Auſtage.
liae genennt.
lib. I.
et ſqq. Luc. van depoll de exharedatione et praeteritione
Cap. IV. V. et VI. Die neuere Diſſertat. des Theod. Ioan.
Adrian. vanlom de Familia. Lugd. Batav. 1785. 4. macht
jenen Vorgaͤngern den Rang eben nicht ſtreitig.
Diſſ. de hereditate ſacrorum privatorum, und Franc. Car.con-
radi de coemtionibus ſacrorum interimendorum cauſa factis
in eiusParergis lib. II. n. 1.
ſert. des Hieron. vanbassen iongbloet de dominio patris-
familias. Lugduni Batavor. 1785. 4. bezogen haben, in wel-
cher man alle hierher gehoͤrige Beweißſtellen beyſammen fin-
den wird.
ſelben Unterſchiede von dem gemeinen, oder eigentlich
ſo genannten Eigenthumsrechte (dominio ex iure
proprietatis competente) handelt ausfuͤhrlich Guil. Ioann.ple-
vier in Diſſ. de duplici dominio. Lugduni Batavor. 1785. 4.
L. penult. Cod. de caſtrenſi peculio.Weſtphal in Syſtem
des roͤm. Rechts uͤber die Arten der Sachen, Beſitz, Eigen-
thum und Verjaͤhrung. §. 860. S. 660.
his qui ſui vel alieni iuris ſunt. Halae 1712. 4.
familiarum; alii filiifamiliarum: quaedam matresfamiliarum;
quaedam filiaefamiliarum.patresfamiliarum ſunt, qui
ſunt ſuae poteſtatis, ſive puberes ſive impuberes: ſimili modo
matresfamiliarum.
na poteſtate. Nam qui ex me et uxore mea naſcitur, in mea
pote-
der Tit. Pandectar. Si familia furtum feciſſe dicatur. (lib.
XLVII. Tit. 6.)
eſt, nepos meus, et neptis, aeque in mea ſunt poteſtate; et
pronepos et proneptis et deinceps caeteri.
de: Dav.scheinemann Diſſ. de tempeſtivitate aetatis huma-
nae. Tubing. 1668. Chriſt.wildvogel Diſſ. de aetate et
iuribus circa eam obtinentibus. Ienae 1724. Chriſtph. Lud.
crell Diſſ. de iure aetatis. Lipſiae 1724. et in Collect. Diſ-
ſertat. Faſc. I. N. 4. vorzuͤglich aber Henr.molleri Diſſ.
de eo quod iuſtum eſt circa varias hominum aerates. Traje-
cti ad Rhen. 1732. et rec. Helmſtadii 1744. 4.
§. 3. D. ad SCtum Trebell. L. 70. D. de Verb. Obligat.
L. 2. D. rem. pup. ſalv. fore. L. 30. §. 2. 4. et 6. D. de
fid. libertat. junct. L. 1. §. 15. D. de magiſtr. conv. L. 9.
D. de acquir. hered. L. 217. D. de Verb. Signif. L. 5. D.
de R. I. In allen dieſen Geſetzſtellen heißt infans is, qui
fari non poteſt. Zwar finden ſich ein paar Stellen in den
Pandecten, in welchen der fuͤr die Periode der Kindheit be-
ſtim-
de boehmer in Meditat. ad art. 164. C. C. C. und Eben-
derſelbein Obſervat. ad Carpzovium P. III. Quaeſt. 143.
Obſ. I.
L. 111. D. de div. Reg. iuris.
lich L. 1. §. 2. D. de adminiſtr. tut. und L. 14. de ſponſal.
Allein die Hand des Tribonians iſt darin unverkennbar,
wie ſchon Iac.gothofredus in Commentar. ad L. 8. Cod.
Theod. de bonis matern. bemerkt, und Moller in der an-
gefuͤhrten Diſſertat. Cap. I. §. 3. augenſcheinlich dargethan
hat.
proximus pubertati ſit, capacem eſſe et furandi, et iniuriae
faciendae.
fuͤhrten Diſſertat. Cap. II. §. 1.
L. 127. D. de Verb. Obl. vinnius ad §. 10. Inſt. de inutil.
ſtipulat. huber Praelect. ad tit. Dig. de ſtatu hom. §. 6.
cocceji iur. civ. controv. Tit. de pactis Qu. 29. Hoͤpfner
im Commentar uͤber die Inſtitutionen S. 73. Eichmann
in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 3. Th. S. 70.
umhin, die Worte dieſes eleganten Rechtsgelehrten meinen Le-
ſern ſelbſt vor Augen zu legen. Infantiae proximus a proxi-
mo pubertati diſtinguitur non tam aetate, quam ingenio, cal-
liditate, malitia. Certiſſimo argumento eſſe poteſt, quod Ve-
teres in his diſtinguendis numquam aetatis, ſemper intellectus,
et malitiae meminerunt, et pupillos, non infantes, alios ha-
bere intellectum dixerunt, alios non habere: item aut eſſ-
doli ac delicti capaces, aut non eſſe. L. 111. D. de R Iur.
§. 10. I. de inutil. ſtipulat. L. 14. D. ad SCtum Silanian. L. 1.
§. 15. D. depoſiti. Quoniam vero ingenii vis in aliis citius,
in
L. 1. §. 3. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ.
L. 111. princ. D. de Reg. Iur.
Meiſter in den rechtlichen Erkenntniſſen und Gutachten in
peinlichen Faͤllen, I. Th. Deciſ. VI. n. 18. wenn er ſagt, daß
die P. G. O. unter den pubertati proximis,die nahe bey
vierzehn Jahren alt ſind, nicht alle junge Leute, die
von ihrem ſiebenten Jahre an, die Helfte zu ihrem vierzehn-
ten Jahre zuruͤckgelegt haben, als welche Berechnung des
Alters ohnehin von den Geſetzen nicht vorgeſchrieben ſey,
ſondern, wie der Augenſchein lehre, ſolche Perſonen,
die bereits im vierzehnten Jahre ſtehen, aber
ſolches noch nicht zuruͤckgelegt haben, oder
hoͤchſtens auch die, welche in ihrem dreyzehn-
ten Jahre dem Eintritte des vierzehnten nahe
ſind, verſtehe.
aetas eſt definita. Quamobrem exiſtimaverim, veroſimillimam
eſſe ſententiam eorum, qui putant, id totum arbitrio iudicis
committendum. L. 1. §. ult. D. de iure delib.
tar. ad Legem Iuliam et Pap. Poppaeam lib. II. cap. V. §. 2.
S. 181. u. folg. merillius in Obſervat. lib. V. cap. 17,
Daher kommen ſo viele Stellen in den Pandekten vor, in
welchen geſagt wird, daß Weibsperſonen nicht eher als nach
zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre mannbar, und tuͤchtig waͤren,
ſich zu verehelichen. S. L. 4. de ritu nuptiar. L. 32. § 27,
D. de donat, inter vir. et uxor. L. 17. §. 1. de rebus auct.
iud. poſſid. Dieſes anfaͤnglich blos wegen der Ehen geſetzlich
beſtimmte Alter der weiblichen Muͤndigkeit wurde in der Folge
durch die Gutachten der roͤmiſchen Rechtsgelehrten in allen
uͤbrigen buͤrgerlichen Rechtsfaͤllen, wo von Muͤndigkeit der
Weibsperſonen die Frage iſt, feſtgeſetzt. Z. B. bey Teſta-
menten, Pupillar-Subſtitution, Tutelen u. d. L. 5. D qui
teſtam. fac. poſſ. L. 2. pr. D. de vulg. et pup. ſubſtitut.
L. 11. pr. quod falſ. tutore. L. 3. de cenſib.
cap. 16. lib. VIII. cap. 29. bynckershoek Obſervat. iuris
Rom. lib. III. cap. 24. Ulr.huber Digreſſion. Iuſtinian.
lib. III. cap. 13. et 14. grotius Florum ſparſione ad Ius
Iuſtin. p. 30. deludwig Different iuris in aetate puberum
et maiorum. Halae 1725. gundling in Gundlingianis XXIV.
Stuͤck. N. 2. S. 340—366. mascov de Sectis Sabinianor.
et Proculejanor. Cap. IX. §. 2. ſqq.
tut. finit.
vulg. et pupill. ſubſtit. L. 11. pr. quod falſo tut. L. 3. D.
de cenſ.Cujazlib. XXII. Obſervat. cap. 20. und Augu-
ſtinlib. III. Emendat. cap. 5. wollen zwar jene Stellen fuͤr
interpolirt halten; allein ohne genugſamen Grund, denn auch
PaulusReceptar. Sent. lib. III. Tit. IV. §. 1. macrobius
in Somn. Scipionis lib. I. c. 6. und tertullianus de vel,
virgin. cap. 11. ſtimmen mit denſelben aufs genaueſte uͤber-
ein. Daß inzwiſchen die Beſtimmung der Pubertaͤt in An-
ſehung der Mannsperſonen bis auf Juſtinians Zeiten
zweifelhaft geblieben, zeigt merillius lib. V. Obſervat,
cap. 16.
quib. mod. tut. finit. — Pubertatem autem veteres quidem
non ſolum ex annis, ſed etiam ex habitu corporis in maſcu-
lis aeſtimari volebant. Noſtra autem Majeſtas dignum eſſe ca-
ſtitate noſtrorum temporum exiſtimans, bene putavit, quod
in foeminis etiam antiquis impudicum eſſe viſum eſt, id eſt,
inſpectionem habitudinis corporis, hoc etiam in maſculos ex-
tendere. Et ideo noſtra ſancta conſtitutione promulgata, pu-
bertatem in maſculis poſt decimum quartum annum completum
illico initium accipere diſpoſuimus: antiquitatis normam in foe-
minis bene poſitam, in ſuo ordine relinquentes, ut poſt duo-
decim annos completos viripotentes eſſe credantur.
ſes Geſetz Ios.averanius Interpretat. iuris Tom. II. lib. V.
cap. 9. Ich will nur ſeine Paraphraſe n. 5. S. 198. her-
ſetzen, welche allein ſchon Aufſchluß geben wird: Non con-
ſtituitadrianusgeneraliter, alimenta usque ad pubertatem
praeſtanda pueris et puellis deberi usque ad annum decimum
octavum ac decimum quartum: ſed in ſpecie definivit hanc
aetatem in pueris, ac puellis, quitrajaniinſtituto alimenta
accipiebant e publico. Qui conſecuti ſunt Principes, hanc de-
finitionem aetatis ſervarunt etiam in novis pueris ac puellis,
(d. i. bey denen uͤber die beſtimmte Zahl angenommenen Pfleg-
kindern) quibus e publico alimenta praeſtari praeceperunt. De
alimentis in teſtamento relictis, aut praeſtandis a privatis us-
que ad pubertatem nihil definitum fuerat ab Imperatoribus:
ſedulpianusexemplo alimentorum, quae e publico praeſta-
bantur, non incivile eſſe dixit, obſervare hoc tempus aetatis:
et formam abadrianodatam publicis alimentis, et ab
alexandro severoconfirmatam, extendit ad alimenta pri-
vata a teſtatoribus relicta: et id, ut ait,intuitu pieta-
tis. Melatentaverat alimenta pueris ac puellis relicta ad
tempus pubertatis reſtringere, adductus, ut puto, Imperato-
rum exemplo: ſed eius opinionem refutavitulpianusin ea-
dem Lege adde merillium lib. III. Obſervat. cap. 29. Den
Unterſchied, den uͤbrigens surdus in Tr. de alimentis priv.
legat. Cap. 58. n. 8. zwiſchen armen und reichen macht, ver-
wirft mit Recht averanius a. a. O. cap. 10.
§. 242—244.
ſubſtitut[.] L 8. §. 3. C. de bon. quae lib. Man ſehe nach
brissonius de Verb. Signiflcat. v. aetas. vorzuͤglich aber Aem.
Lud.hombergkzu Bachin Diſſ. de diverſo iure patris in
pecu[l]o adventitio pro diverſa liberorum aetate ad L. 8. §. 3.
C. de bon. quae lib. Marb. 1753. §. XI. et XII.
Iuris.
in den rechtl. Erkenntniſſen und Gutachten in peinlichen Faͤl-
len 1. Th. Deciſ. VI. n. 21. iſt eine das Alter erfuͤl-
lende Bosheit weder aus der Groͤße oder Wiederholung
des Verbrechens, noch des dadurch geſtifteten Schadens allein
zu beurtheilen, weil auch große Vergehungen leicht aus einem
der unbeſonnenen Jugend ſo natuͤrlichen Mangel der Ueber-
legung, und dem Leichtſinne erfolgen koͤnnen: ſondern es iſt
vielmehr eine ſolche Bosheit, die das Alter erfuͤllt,
ſodann vorhanden, wenn ein ſolcher junger Menſch die Groͤße
ſeiner vorhabenden Miſſethat mit ihren Folgen genugſam ein-
zuſehen im Stande geweſen, und wirklich eingeſehen, und
dennoch die Bewegungsgruͤnde, welche ihn davon haͤtten ab-
halten ſollen, muthwillig aus den Augen geſetzet; imgleichen
wenn er das Verbrechen mit einer ſolchen Argliſt und Schlauig-
keit, die einen geuͤbten Verſtand, und bedachtſame Ueberlegung
vorausſetzet, ins Werk gerichtet hat. S. auch boehmer
ad Carpzovium P. 3. Quaeſt. 143. Obſ. 2. kress in Com-
mentar. ad Art 164. not. 4.
rentis eſt impubes, ne auctore quidem patre obligatur, add.
L. 141 §. 2. D. de Verb. Oblig.
Cod. de bonis, quae lib. Man ſehe vinnius in Commentar.
ad Inſtitut. ad §. 10. n. 6. Inſt. de inutilib. ſtipulat. und zoesius
in Commentar. ad eundem §. 10. Inſtitut. S. 519.
Gewoͤhnlich ſchreibt man es dem Tribun M. Laͤtorius
Plancianus zu, und ſetzt es ins Jahr der Erb. Roms
CCCCXC. S. Io. Hieron.hetzer Diſſ. ad Legem Laetoriam.
Lipſiae 1749.
Pſeudolo Act. 1. Sc. 3. v. 68. 69.
et censorinus de die natali cap. 17.
ſich, wenn Ulpianin L. 1. §. 2. D. de minorib. ſagt: poſt
hoc
cramer D. de iure principis concedendi veniam aetatis (in
Opuſc. Tom. II. p. 572.) Io. Car.koenig Differentiae iuris
Rom. et Germ. in concedenda venia aetatis. Marburg 1753.
Diſſ. ad Legem ſecundam Cod. de his, qui veniam aetatis im-
petrarunt. Lugduni Batavor. 1785. 4.
wenn in den Geſetzen von denen, die die Großjaͤhrigkeit er-
reicht haben, geſagt wird, ſie waͤren ad ſuam aetatem, ad
ſtatum ſuum gekommen. L. 2. D. de negot. geſt. L. 77. §. 14.
D. de legat. 2. Eben deswegen wird auch die Majorennitaͤt
in unſern Geſetzen aetas perfecta, plena, robuſta, genennt.
S. brissonius de Verbor. Signif. v. actas.
tis impetravit. Ienae 1674. Struben rechtliche Bedenken
III. Th. Bed. 32.
minorennis ſimul. Roſtochii 1747. 4.
1664. Ern. Gottfr. Chriſt.klügel Diſſ de Senectute non
honorata, praeſ. Andr. Flor.rivinoVitembergae habita
1759. et Chriſt. Henr.breuning Diſſ. quatenus ſenectus
liberet a contumacia, ſi citatus non compareat. Lipſiae 1772.
carpzov Pract. rer. crim. P. III Qu. 144. n. 13.
3. Th. S. 56. u. folgg.
D. de iure immunitat. L. un. Cod. qui aetate ſe excuſant.
cum impubes eſt, deſiit in patris poteſtate eſſe aut morte, aut
emancipatione.
minor. Io Guil.marckart Interpretat. receptarum iuris civ.
lectionum lib. I. cap. 21. ſagt daher ganz richtig: Pubes eſt
integra perſona, quae integrum conſenſum declarare poteſt, quod
ad obligandum minorem ſufficit. Curatoris conſenſus id efficit,
ut difficilior fiat reſtitutio.
Hormogenian. T. I. S. 253.
L. 6. in fin. D. quod cuiusq. univ. L. 2. D. de munerib.
L. ult. §. 2. D. de Verb. Obligat. L. 18. D. de caſtrenſi
pecul. L. 6. et ult. Cod. de bon. quae lib. §. 4. I. et L. 2.
D. quod cum eo qui in aliena poteſt.
ſes Commentars §. 13. S. 96. 97.
Vindicat. L. 14. §. 13. D. de furt.Weber Entwickelung
der Lehre von der natuͤrlichen Verbindlichkeit. 3. Abth. §. 88.
S. 31. Ioſ.finestres Hermogenian. Tom. I. S. 533.
che nach roͤmiſchen Rechten zwiſchen den Vater und ſeinen
Kindern eintreten kann. Hierher gehoͤrt vorzuͤglich die bekann-
te Stelle aus den Schriften des Afrikanus in L. 38. D.
de condict. indeb. welche ſo viele Ausleger von Zeit zu Zeit
beſchaͤftiget hat. Die einzelen Schriften findet man im li-
penius und SchottsSupplement. unter condictio indebiti.
Jedoch vermiße ich Chriſtoph. David.gerlach Diſſ. unter
dem Titel: celeberrima atque Intricata Lex frater a fratre
38. princ. D. de condict. indebiti noviter ac dilucide explicata.
Tubingae 1738. 4. Vorzuͤglich empfehle ich aber Iac.cuja-
cius ad Africanum Tract. IX.
iuris Lib. I. cap. IX. vorzuͤglich aber Ioſ.finestres in Prae-
loctionib. Cervar. ſ. Commentar. academ. ad Tit. Pandectar.
de liberis et poſthumis Part. I. Cap. II. §. 7—11.
bus patriae poteſtatis. Uratislaviae 1672. fol. Pet.aerodius
de iure patrio (adiect. eiusdemPandect. rer. iudicat.) Abrah.
akerckraad de iure patrio Vltraj. 1708. 8. thomash
Diſſ. de uſu practico Tit. Inſtitut. de patria poteſtate. Beſon-
ders Hanns Ernſt von Globig Preißſchrift uͤber die Gruͤnde
und Graͤnzen der vaͤterlichen Gewalt. Dresden und
Leipzig 1789. 8.
§. 2. I. de patr. pot. proprium eſt civium Romanorum: nulli
enim alii ſunt homines, qui talem in liberos habeant poteſta-
tem, qualem nos habemus. Ueber den eigentlichen Sinn die-
ſer Worte vergleiche man den Ianus acosta in Comment.
ad h. §. 2.
parentum in liberos. Amſtelod. 1723. 4. Cornel. vanbyn-
ckershoek Opuſc. de iure occidendi, vendendi, et exponendi
liberos apud vet. Romanos in eiusOpuſculis varii argumenti
Lugd. Batavor 1719. 4. N. III. S. 145—231.
cap. 45.
gelehrten controvers iſt. Gebauer in Diſſert. I. do patria
poteſtate cap. 2. laͤugnet, daß die vaͤterliche Gewalt nach
roͤmiſchen Rechte ein Eigenthum geweſen ſey, und dieſe Mei-
nung vertheidigen auch Frid. Chriſt.iensen in Diſſert. de pa-
tria Romanor. poteſtate pro Gebauero. Suerin Buzov. et Wis-
mar. 1784. 8. Chriſt. Aug.guͤnther in Diſſ. de patria vet.
Romanor. poteſtate ex iure dominii non repetenda Lipſiae
1786. und Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen
Rechts 3. Th. S. 81. u. folgg. Hingegen ſtimmen mit mir
uͤberein bynckershoeck in Opuſc. cit. cap. I. und Car.
Guil.robert de Bynckershoeckii eique contraria Gebaueri
doctrina de patria poteſtate Rom. antiqua modeſtum iudicium
Wetzlar 1782. 4. und Ebenderſelbe in den kleinen juriſt.
Abhandlungen n. II. und dieſe Meinung gruͤndet ſich ſowohl
auf das deutliche Zeugniß des dionys. halicarnas. lib. VIII.
n. 403. p. 546. in fin (edit Sylburg.) Apud Romanos filiis
nullae ſunt poſſeſſiones propriae vivis patribus; ſed licet pa-
tribus et pecuniis filiorum et corporibus facere, quod lubet;
und des lactantii divinar. Inſtitut. lib. IV. cap 3. als auch
darauf, daß Ulpian in L. 195. §. 2. D. de Verb. Signif.
dem Paterfamilias uͤberhaupt ein dominium zuſchreibt; die
Kinder ferner in den XII. Tafelgeſetzen res genennt werden,
ulpian. Fragm. Tit. XI. §. 14. S. gothofred ad Tab. V.
c. 1. in IV. Fontib. iuris civ. p. 78. und ihre Entlaſſung
aus der vaͤterlichen Gewalt ritu mancipationis interveniente ge-
ſchehen mußte. Nun war ja mancipatio nach der Erklaͤrung
UlpiansFragm. tit. 19. §. 3. alienatio rerum mancipi. Ueber
alle dem aber waren ja auch die Wirkungen des Eigenthums
unverkennbar vorhanden, wie ſchon der §. ſelbſt lehrt.
dieſer von vielen mißverſtandenen Stelle ſehe man nach
noodt in Commentar. ad Dig. tit. de rei vindicat. Tom. II.
Operum pag. 192.
iuris civ. viciſſitudines ſubſtitutionis impuberum complexa.
Halae 1769. §. §. VIII—X.
p. 183. ſqq. will zwar behaupten, der Sohn ſey nach dem
aͤltern roͤmiſchen Recht alsdann allerdings faͤhig geweſen, et-
was Eigenes zu acquiriren, wenn der Vater den Erwerb des
Sohns nicht haben wollte. Allein die Beweißſtellen ſind aus
den neuern roͤmiſchen Rechten entlehnt.
§. III. folgg.
§. 1. D. de legat. 3. genommen, wenn es daſelbſt heißt: pe-
culium appellatur, quod praeſidii cauſa ſeponitur. Hier iſt
peculium eben das, was man im Teutſchen einen Noth-
Pfennig nennt, wie es auch averanius Interpretat. iuris
lib. II. c. 28. n. 15. u. folg. erklaͤrt. In dieſer Bedeutung
kann auch ein Paterfamilias ein peculium haben, wovon Chri-
ſtoph. Lud.crellii Obſervationes de peculio perſonarum ſui
iuris Vitemberg. 1751. 4. zu bemerken ſind. Auſſer dieſen Fall
aber laͤßt ſich ein eigentliches Peculium nur bey ſolchen Per-
ſonen gedenken, die in der Gewalt eines Patrisfamilias ſte-
hen, dergleichen Kinder, Sclaven und ehemals auch
Eheweiber waren, die in manum mariti gekommen. S. rav
cit. Diſſ. §. 4. 5. 6.
dictum eſt, in quibus conſtabat univerſa veterum ſubſtantia.
festus ſagt: peculium ſervorum a pecore dictum eſt, ut
pecunia patrum familiae. S. menagius Amoen. Iuris
cap. 39.
tium geſtum eſſe dicitur. Der Praͤtor gab aus dem Contract
des Sohns eine Klage gegen den Vater, welche actio de pe-
culio hieß; von dieſer wird unten ad Tit. de peculio lib. XV.
Tit. 1. gehandelt werden.
Vater ihm erlaubte, vid. §. 2 dictae L. 7.
de peculio.
qui in patris poteſtate eſt, donet, nullius momenti erit donatio;
quia patri quaeritur. S. Archiv fuͤr die theoretiſche
und praktiſche Rechtsgelehrſamkeit herausgege-
ben von Hagemann und GuͤntherI. Th. (Braunſchweig
1788. 8.) N. VI. S. 190—197.
Praeſidi provinciae oblaturus, dicturo ſententiam, quam tu
quoque dici volueris.
dattii diatr. de venditione liberorum occaſione dictae L. 2.
Cod. Ulmae 1700. 8. (in Theſ. Meermann. T. II.)
culio in primis filiorum familias. Halae 1745. lauterbach
Diſſ. de peculiis filiorum fam.
caſtrenſi peculi[o] militum et praefectianor.
retes de peculio caſtrenſi beym meermann Theſ. iur. civ.
et canon. T. VI.
ſorum. Lipſiae 1726. 4. Ein anders, jedoch aus unbedeuten-
den Gruͤnden, behauptet Io. Tob.richter in Diſſ. de ſumti-
bus ſtudiorum ad peculium quaſi caſtrenſe non pertinentibus.
Lipſiae 1752.
teſtam.
bonor. L. 7. §. ult. D. de donat. L. 1. §. 6. D. ad SCtum Tre-
bell. Zwar will Franz Balduin in Iuſtiniano lib. III. p. 208.
dieſe Stellen fuͤr interpolirt halten, allein daß Tribonian
daran
Deciſ. 50. n. 32. S. 91.
Uſufructu cap. VII. n. 7. rau Diſſ. cit. §. VI.
C. Th. de poſtul. Ant.schulting in Iurisprud. Anteiuſt.
p. 470. Not. 27. und Ioſ.finestres in Praelect. Cervarienſ.
ſ. Commentar. academ. ad tit. Pandectar. de acquir. vel omitt,
hereditate P. II. cap. V. §. 42. p. 330. erwieſen worden.
gebe, wovon der Mutter das Eigenthum zuſte-
het? im Archiv fuͤr die theoret. und pract. Rechtsgelehrſ.
I. Th. N. VI. S. 190.
rom. in foris Germ. Lipſiae 1732. Cap. III. §. 90.
Caſp. Chriſt. kober Diſſ. de peculio adventitio regulari ſ.
ordinario. Altorf. 1705.
quae lib.
bonis maternis.
acquir. vel. omitt. hered.
eſt permiſſ. fac. teſtam. L. 7. D. de denat. L. 4. pr. D. de
pecul.
L. 15. §. 1. eodem. L. 4. D. de iudic. L. 3. Cod. de cuſtr.
pec.
haupten, als ob dieſes Geſetz durch die Nov. 115. cap. 4.
aufgehoben worden ſey, man ſehe unter andern die Medi-
tationen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien
von zweyen RechtsgelehrtenII. Band Medit. 85.
Allein ſchon bauer in der oben angefuͤhrten Diſſert. de pecu-
lio quaſi caſtrenſi ſtudioſor. §. XXXIII. hat dieſe Meinung
widerlegt.
oben S. 182. u. Not. 32.
cap. 2. in fin. S. vinnius in Commentar. ad dict. Princ.
Inſtitut. quib. n. eſt perm. fac. teſt. n. 4. und beſonders Guil.
ranchinus in Tr. de Succeſſion ab inteſtato Cap. XI. §. 3.
(edit. Breuning. Lipfiae 1771. 8.)
Diſſ. de iuribus peculii militaris.
tris in peculio adventitio pro diverſa liberorum aetate ad L. 8.
§. 3. Cod. de bon. quae lib. Marburgi 1753. 4. Car.
Adolph. braun Diſſ. de uſusfructus parentum in bonis libe-
rorum tam de iure Rom. quam Germ. genuino fundamento.
Ienae 1743. 4. F. E. apuffendorf de uſufructu paterno
in bonis liberorum adventitiis Tom. I. Obſervat. iuris univ.
Obſ. 98.
heusinger Commentat. de iure peculii adventitii extraordi-
narli. Iſenaci 1751. 8.
1770. hinter der oben angefuͤhrten RauiſchenDiſſert. de
hiſtor. peculiorum. deselchow Elem. iur. Germ. privati §. 493.
cundum mores Germaniae. Ienae 1744. 4. Ferd. Aug. hommel
Diſſ. de uſu hodierno patriae poteſtatis Romanae in Foris Ger-
maniae. Lipſiae 1732. 4. Güntb. Alb. renz Diſſ. de mixtura
iuris rom. et germ. in materia patriae poteſtatis. Tubingae
1735. 4. Io. Eſhaenschel Diſſ. de genuino fundamento
et effectibus patriae poteſtatis Lipſiae 1761. 4. Io. Godofr.
krausii Progr. de effectibus patriae poteſtatis hodiernis.
Vitembergae 1733. 4. Weſtphal teutſches Privatrecht
2. Theil 49. Abhandl. S. 95. hofacker Princip. iuris civ.
Rom. Germ. T. I. S. 435. folgg.
ros. Ienae 1688. 4. Io. Iac. rothhahn Diſſ. de materna
poteſtate in liberos ex Germanor. legibus et more. Goettingae
1772. 4.
pertinet, pietas enim parentibus, etſi inaequalis eſt eorum po-
teſtas, aeque debebitur. adde §. fin. I. de Nupt.
eodem.
lichen Gewalt S. 99.
liberorum. Moguntiae 1755. (in Ant. schmidtTheſauro iu-
ris Eccles. potiſſimum Germ. Tom. VI. Diſſ. XVIII. S. 674.
folgg.) Struben rechtl. Bedenken I. Theil Bed. 144.
Lib. 12. §. 12. S. 681. und L. 13. §. 3. und 21. S. 804.
Moſer R. Hofraths Concluſa P. VII. S. 1037. und Eſtor
Anfangsgruͤnde des gemeinen und Reichs-Proceſſes Tit. 135.
§. 1083. S. 412.
tionis) beſtehen, nach deren Erreichung die Geſetze es den
Kindern freyſtellen, die vaͤterliche Religion, in der ſie erzo-
gen worden ſind, zu aͤndern, und zu einer andern geſetzlich
gebilligten Religion uͤberzugehen, iſt ſo wenig im Religions-
als Weſtphaͤliſchen-Frieden beſtimmt worden. Auch
bey den Nuͤrnbergiſchen Friedens-Executions-
Tractaten konnte man ſich daruͤber nicht vergleichen. S.
MeiernActa Pacis Execut. P. II. p. 804. 812. 813. 815.
825. u. 871. Nun iſt es zwar eine gemeine Meinung der
Rechtsgelehrten, als ob durch ein Concluſum Corporis Evan-
gelicorum unter den Evangeliſchen das vierzehnte Jahr
fuͤr den Unterſcheidungszeitpunct ſey feſtgeſetzet worden; Allein
man behauptet dieſes ohne genugſamen Grund, in dem vielmehr
das Corpus Evangelicorum jederzeit den Grundſatz eifrigſt ver-
theidiget hat, daß man bey Kindern, die uͤber wichtige ihr zeitli-
ches und ewiges Wohl betreffende Sachen ſich entſchlieſſen ſollen,
ſolche hinlaͤngliche Jahre erfordere, da ein reifes Judicium ſich
zu aͤuſſern pflegt, und wirklich ſich aͤuſſert, und daß es hoͤch-
ſtens moͤglich ſey, bey einem vierzehenjaͤhrigen Kinde ſolche
Ver-
tum, ut maſculi patris, feminae matris religione imbuantur,
ſint ſervanda? Rintelii 1752. 4.
§. 38. S. 485. u. f.
befugt, eine Verordnung zu geben, nach welcher die aus ver-
miſchten Ehen erzeugte Kinder ſo getheilt werden, daß die
Soͤhne dem Glauben des Vaters, die Toͤchter der Mutter
folgen? im Deſſelben NebenſtundenI. Th. IX. Ab-
handl. S. 171. folgg.
Frid. ludovici de iure et iurisprud. domeſtica cap. III. §. 4.
winbom D. quatenus liberi parentibus circa vitae genus eli-
gendum obedire debeant. Upſ. 1734.
von den Gruͤnden einer Religion urtheilen zu koͤnnen. S. Stru-
ben rechtl. Bedenken I. Th. S. 336. 337. Daher iſt eine
Pruͤfung ſolcher Kinder jederzeit erforderlich, wie auch der
ſeel. Canzler boehmer Tom. I. Reſp. 1. 2. 3. und in lur,
Eccleſ. Proteſt. T. III. p. 276. ſehr gruͤndlich ausgefuͤhrt hat.
Man vergleiche uͤbrigens hierbey noch von Steck Abhandl.
von den zur Religions-Aenderung erforderlichen Unterſchei-
dungsjahren; in Deſſelben Abhandlungen aus d.
teutſch. Staats- und Lehn-R. Halle 1757. n. I.
poteſtate in lib. §. 46.
big Preißſchrift S. 94. Schott Einleitung in das Ehe-
recht §. 189. not. *** S. 427.
hahn cit. Diſſert. §. 25—34. Tob. Iac. reinharth Diſſ.
de arbitrio patris et iure matris in nuptias filiarum Erf. 1732.
Em. Io. Fr. manzel Diſſ. de aequali utriusque parentis iure
qua conſenſum in ſponſalia liberorum. Roſtochii 1760.
des teutſchen Eherechts 2. Hauptſt. §. 10. S. 28.
quas ſuis parentibus debent ac praeſtant: in eiusdemDiſſer-
tat. Academ. Vol. I. n. 1.
ſertat. §. XXVI.
liberorum praeſtando: in eiusd. Diſſertat. Academ. Vol. I.
n. 2. renz mixt iuris rom. et germ. in materia patriae pote-
ſtat. §. XIX. Chr. Henr. breuning Diſſ. an pater teneatur
liberis ad mercedem praeſtandam propter operas praeſtitas.
Lipſiae 1772. Struben a. a. O. Eichmann Erklaͤ-
rungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 177. u. ff.
Schmidts Lehrbuch von gerichtlichen Klagen §. 410 ff.
c. 2. Th LX. c. 4.
T. VI S. 2. add Conſil. Tubingenſ. Vol. I. Conſ. 86.
rothhahn Diſſ. de materna poteſtate in liberos §. 44.
puffendorf Obſervat. iuris univ. T. I. Obſ. 98. §. 14.
wernher Obſervat. Forenſ. Tom. I. Part. III. Obſ. 141.
Lud. Godofr.madihn Princip. iur. Rom. Part. V. §. 3.
materno, qua conſtituendo. eiusdem Diſſ. de impedimentis
uſusfructus [ſtatutarii] mat. modisque eundem conſtitutum ſol-
vendi; idem de uſusfr. ſtatutarii materni eidemque combina-
tae adminiſtrationis adiunctis, et effectibus lucroſis. idem
de uſusfr. ſtatutar. mat. effectibus oneroſis; in eiusdemDiſſer-
tation. Academicar. Vol. II. N. 76. 77. 78. et 79. Aem. Lud.
hombergk zu vach Diſſ. de uſufructu parentum in Haſſia,
ſpeciatim de uſufruetu materno Marburgi Cattor. 1770. idem
de uſufructu materno in Haſſia, atq. diverſis eiusd. cauſis,
ſpeciatim de parentali poteſtate. Ibid. 1776. idem de uſufr.
materno in Haſſia, atq. div. eiusd. cauſis, ſpeciatim de com-
munione bonorum, unione prolium, iure devolutionis. Ibidem
1777. idem de fatis, ſtatu et conditione uſusfr. materni in
Haſſia. Ibidem 1778. Io. Gottl.heineccii Diſſ. de uſufructu
materno iuris german. et maxime Hamburgenſis. in eiusOpuſc.
variis. (Halae 1735. 4.) Exerc. XV. Frid. Lud.penzen-
kuf-
her ſelect. Obſervat. Forenſ Tom. I. Part. V. Obſ. 157.
n. 2. 3. ſchilter Praxi Iur. Rom. Ex. XXXVIII. §. 88.
Zwar will rothhahn in der oͤfters angefuͤhrten Diſſertat.
§. 12. behaupten, daß nach heutigen Rechten auch der Mut-
ter das Recht der Pupillar-Subſtitution zuſtehe; allein aus
den von ihm angefuͤhrten beſondern Rechten einiger teutſchen
Reichslande laͤßt ſich noch kein gemeines teutſches Recht in
Anſehung dieſes Puncts herleiten.
format. Noricae. Erlangae 1760. Io. Caſp.heimburg Diſſ.
de uſufructu materno in bonis adventitiis liberorum. Ienae
1763. rothhahn D. de mat. poteſt. in liberos §. 15 — 23.
fendorf in Obſervat. iuris univ. Tom. I. Obſ. 99. §. 8.
Struben rechtliche Bedenken II. Th. Bed. 68. S. 254. de
ſelchow Elem. iuris German. privati hodierni. §. 489.
rothhahn Diſſ. cit. §. 9. Weſtphal teutſches Privatrecht
2. Th. S. 95. Bern. Aug.gaertner in Meditat. practic.
ad Pandect. Specim. I. med. 75.
rorum in poteſtate eius exiſtentium. Lipſiae 1713. Chriſt.
Henr.breuning Diſſ. an fictio unitatis perſonae hodie noceat
pacto inter patrem et filium inito? Lipſiae 1771. Chriſt.
Gottl.einert Diſſ. de valore donationum inter parentes et
liberos. Lipſiae 1773.
T. I. P. V. Obſ. 189. hommel Diſſ. de uſu hod patr. poteſt.
Cap. III. §. 78. renz cit. Diſſ. Th. 20. Hoͤpfner Com-
mentar uͤber die Inſtitutionen §. 104. S. 105. müller ad
Leyſerum Tom. I. Obſ. 103. Die Verfaſſer der Medita-
tionen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien
III. Band 132. Meditat.
ben rechtl. Bedenken II. Th. Bed. 68. S. 254. Adolph
Diet. Weber Entwickelung der Lehre von der natuͤrl. Ver-
bindlichkeit III. Abtheil. §. 88. S. 31. Fiſcher Lehrbegriff
der Kameral- und Policeyrechte I. Th. §. 163. Unſer Herr
Verfaſſer §. 138. und die bereits Not. 24. u. 25. angefuͤhrte
Schriftſteller.
vaͤterlicher Gewalt ſtanden, nicht einmal unter einander buͤr-
gerlich guͤltige Vertraͤge ſchließen. Denn im Grund war es
eben ſo viel, als ob ſie mit dem Vater paciſcirten. L. 38. D.
de condict. indeb. Allein ſelbſt nach neuern roͤmiſchen Rech-
ten, ſeitdem die peculia adventitia eingefuͤhrt wurden, ließ
ſich dieſer Satz nicht mehr ohne Einſchraͤnkung behaupten.
Hoͤpfners Commentar §. 736.
rothhahn cit. Diſſert. §. 11. renz cit. Mixt. iur. rom. et
germ. Theſ. XXII.
Suitas heredis in Teutſchland wenig oder gar keinen Nutzen
zeige, dahingegen zur Verwirrung der vaterlaͤndiſchen Rechte
und Bekraͤnkung der Partheyen wahren Gerechtſame ein großes
mitwirke. Altdorf 1744. 4.
mixt. iur. rom. et germ. in materia patr. pot. §. 25. et 32.
tit. de tribut. act. §. 1. lauterbach Coll. theor. pr. Pan-
dect. eodem tit. §. 7. Hoͤpfner Commentar §. 1152.
ex iuſtis nuptiis procreaverimus: quod ius proprium civium
Romanorum eſt.
uxore eius naſcitur.
per decennium, reverſum anniculum inveniſſe in domo ſua;
placet nobis Iuliani ſententia, hunc non eſſe mariti filium.
bat, ſi conſtet, maritum aliquamdiu cum uxore non concu-
buiſſe infirmitate interveniente, vel alia cauſa; vel ſi ea va-
letudine paterfamilias fuit, ut generare non poſſit: hunc, qui
in domo natus eſt, licet vicinis ſcientibus, filium non eſſe.
Cap. 9. X. de poenit.cocceji Iur civ. controv. h. t. Qu. 6.
ment. ad D. h. t. §. 8.
Pand. h. t. §. 9. wernher lect. Comment. ad Pand. h. t. §. 6.
X. de confeſſ. cap. 4. et 10. X. de probat cap 10. de teſtib.
Claproth Einleitung in den ordentl. buͤrgerlichen Proceß
§. 218. S. 266.
que cum illius defectu aut infirmitate ſimul vitiatur mal-
blanc doctr. de iureiurando §. 117. Es iſt uͤberdem bekannt,
daß auch der Eid einem Dritten keinen Nachtheil bringen duͤr-
fe. Cap. 21. X. de iureiur.
eſt, nepos meus, et neptis, aeque in mea ſunt poteſtate; et
pronepos et proneptis, et deinceps caeteri.
hotomannus de ſpuriis et legitimatione, in eiusdisputat.
iuris civ. volumine uno, Lugduni 1569. et in Operib. T. I.
pag. 519. Chriſt.thomasii Diſſ. de uſu pract. doctrinae
de legitimatione Halae 1713. Iuſt Henn.boehmer Diſſ. de
legitimatione ex damnato coitu natorum Halae 1759. Ge.
iordens Diſſ. duae de legitimatione, in fellenberg Iuris-
prud antiqua Tom. II. n. 17. p. 325. Ern. Lud. Aug.ei-
ſenhart Diſſ. de legitimatione liberorum illegitimorum prae-
cipue ſecundum ius german. hodiernum. Helmſt. 1786. 4. Auſ-
ſerdem hat auch hiervon noch ſehr gruͤndlich gehandelt Deſider.
heraldus lib. I. rer. et quaeſt. iuris quotid. cap. I. ſqq. et
c. 4. Die von einzelnen Gegenſtaͤnden dieſer Materie han-
delnde beſondere Schriften werde ich gelegenheitlich anfuͤhren.
zweyten, achten und neunten Capitels der Nov. 89. vor.
Allein es iſt ja bekannt genug, daß jene Rubriken nicht aͤcht
ſind, denn in dem griechiſchen Terte finden ſie ſich nicht.
S. lauterbach Diſſ. de legitimatione per ſubſequens ma-
trimon. Th. 2. Io.wunderlich de legitimatione per oblat.
curiae §. 1. not. 6. noltenius haͤlt es daher in Lexico
latin. linguae antibar. p. 601. mit Recht fuͤr ein vocabulum
barbarum et minus latinum. Allein in Corpore iuris cano-
nici kommt es vor c. 13. X. qui fil. ſint. legit.
D. de ritu nupt.
man erkennt ihren Inhalt aus der Verordnung des K. Zeno
in L. 5. C. de nat. liberis, wo jener Erwaͤhnung geſchiehet,
und ſelbige erneuert wird.
Lib. II. cap. IV. §. 5.
p. 174. parentes aegre laturos hanc liberorum conditionem,
et cum concubina potius facturos iuſtas nuptias, quam ut eam
liberosque ex ſe natos, ſe mortuis in mendicitate vivere pate-
rentur.
Zenoin L. 5. Cod. de naturalib. lib. die Wirkung der Legi-
timation durch die nachfolgende Ehe der Eltern ebenfalls nur
auf die zur Zeit ſeiner Geſetzgebung ſchon gebohrne natuͤrliche
Kinder einſchraͤnkte, und dabey ausdruͤcklich erklaͤrte, daß er
das Conſtantiniſche Geſetz erneuern wolle.
ſacratiſſimae iuſſionis necdum prolem aliquam ex ingenuarum
concubinarum conſortio meruerint, minime huius legis bene-
ficio perſruantur: cum liceat easdem mulieres ſibi prius iure
matrimonii copulare, — et legitimos filios, utpote nuptiis
praecedentibus, procreare.
Kinder wirklich in dieſer Abſicht eingeſchraͤnkt habe, iſt aus
der Verordnung des K. ValentinianL. 1. Cod. Theod.
de natur. fil. zu erſehen; worin aber dieſe Einſchraͤnkungen
beſtanden haben? unterſucht Iac.gothofredus in Comment.
ad Cod. Theodoſ. Tom. I. Lib. IV. Tit. 6. S. 393. edit.
Ritter.
vel adoptionum praetextus, quae ulterius minime ferendae
ſunt, cum nimis ſit indignum, nimis item impium, flagitiis
praeſidia quaerere, ut et petulantiae ſervire liceat; et ius no-
menque patris, quod eis denegatum eſt, id altero legis colore
praeſumant. Dieſe Conſtitution wird irrig von einigen dem
K. Juſtinian zugeeignet. Allein man ſehe relandi faſtos
Conſulares pag. 686.
Diſſertationes de effectu religionis Chriſtianae in iurisprud.
Roman. Faſcic. I. (Groeningae 1776. 8.) Diſſert. IV. §. 19.
pag. 133. ſq.
Origin. Eccleſ XI. 5. 2. ducange in Gloſſar. v. Concubi-
na, iortin Remarks on Eccleſiaſtical hiſtory Tom. III.
pag. 226 und 228.
Principis Iuſtiniano Imp. tamquam auctori atque inventori vin-
dicatur. Tub. 1723.
Abfaſſung rechtl. Aufſaͤtze. I. Th. S. 301. nach der zweiten
verb. Auflage.
Verf. angefuͤhrten Abhandlung, Roſtock 1777. 4. am neue-
ſten geſchrieben.
Pet. Diet.volkmann in Diſſ. de legitimatione partus, a
parentibus ſedulo occultati, eiusque adulterini per ſubſequens
matrimonium. Gieſſae 1761. §. X. ſq. Hr. Oberappell. R.
Hoͤpfner im Commentar uͤber die Heinecciuſiſchen Inſtitu-
tionen §. 136. u. a. m.
in Commentar. ad §. ult. I. de nupt. ſtryck Uſ. Mod. Pan-
dectar.
et ex recenſ. eisenharti Halae 1769. 8. Chriſt. Iac.zahn
Diſſ. de fictionibus iuris Rom. Tubingae 1787. praeſide Chriſt.
gmelin defenſa.
de legitimat. ex damnato coitu nator. §. 14. und Car. Seb.
berardus in Commentar. in Ius Eccleſ. univ. Tom. III.
Diſſert. VI. Qu. 2. pag. 174.
fuͤhrten berardus uͤber dieſe Materie herſetzen, da dieſes
Buch nicht ſonderlich bekannt worden iſt. Quaenam abſurda,
ſagt dieſer a. a. O. emergere potuiſſent, inducta huius generis
fictione, facile eſt demonſtrare, uno propoſito exemplo. Ni-
mirum proponatur filius-familias eam in concubinam ſibi ad-
ſciviſſe, quam ideo uxorem non duxerat, quia pater nuptiis
cum ea contrahendis diſſenſiſſet. Interea ex ea concubina nati
ſunt liberi, iidemque iuxta Iuris Rom. etiam Iuſtinianei prin-
cipia naturales. Mortuo patre filius ſui iuris effectus, cum
concubina ſua nuptias contraxit Quoties in hac ſpecie finge-
retur, ad tempora concubinatus retrotrabi nuptias, quis non
videret, filios in concubinatu ſuſceptos habitum iri tanquam
ſuos avo, eidemque quaſi poſthumos agnaſci? At vero hoc
poſthumorum genus toti Romanae vel ipſi recentiori Iuſtinia-
neae iurisprudentiae prorſus incognitum eſt, et novis inaudi-
tisque controverſiis occaſionem praeberet.
liche Verbindung einer ledigen Mannsperſon mit einer unver-
heyratheten Weibsperſon, welche in der Abſicht, Beyſchlafs
halber, jedoch ohne eheliche Form und Affection, beyſammen
zu wohnen, auf eine nach den Geſetzen erlaubte Art einge-
gangen worden. S. jordens Diſſ. I. de Legitimat. Cap. III.
§. 2.
cap. fin.
cap. 4. §. 5.
Proteſt. Lib. IV. Tit. 17. und in Diſſ. de legitimat. ex damnato
coitu nator. in Exercit. ad Pandect. T. I. n. 20 apufen-
dorf Obſervat. iur. univ. T. I. Obſ. 163. volkmann in
Diſſ de legitimat. partus adulterini per ſubſeq. matrimon.
§. 14 ſqq. hofacker Princip. iuris civ. Rom. Germ. T. I.
§. 592.
in Ius Eccleſ. univ. Tom. III. Diſſ. VI. Qu. 2. pag. 176.
ſelectar. Interpretat. cap. V. n. 10 perez Praelect. ad Codic.
tit. de natural. liberis n. 12. Lud. God. madihn Princip.
iuris Rom. P. V. §. 5. pag 10. u. a. m.
lich berard a. a. O. S. 174. und folg.
beym HarduinTom. VI. Concilior. p. 2. pag. 1819. wor-
aus das cap. 6. X. qui fil. ſint legit. genommen iſt, heißt
es: tanta eſt vis ſacramenti.
cretale beym Harduin a. a. O. ausdruͤcklich beygefuͤgt.
Denn da ſchließt ſich dieſe paͤbſtliche Verordnung mit den
Worten: quoniam inter ſe legitimum matrimonium contrahere
non potuerunt; welche aber in dem cap. 6. cit. der Grego-
rianiſchen Decretalenſammlung weggelaſſen ſind.
IV. Theil I. Band Cap. 13. §. 362. not. e.Schott Ehe-
recht §. 99.
das Eherecht §. 187. add. Rud. Chriſt. henne Diſſ. de legi-
timatione liberorum per ſubſequens matrimonium §. 13. und
stryck in Uſ. Mod. Pandectar. h. t. §. 12.
und in Diſſ. de legitimatione ex damnato coitu nator. §. 17. ſqq.
findet man eine Menge von Beyſpielen, wo uneheliche Kin-
der von allerley Art durch die nachfolgende Ehe legitimirt
worden ſind.
§. 197. Schott im Eherecht §. 187. S. 415. u. a. m.
Obſerv. cap. 8. in ottonis Thesaur. Iur. Rom. Tom. II.
p. 1594. et iordens de legitimatione Diſſ. II. cap. I.
fentiente patre legitimatorum. Tüb. 1705. madihn in Princip.
iuris Rom. P. V §. 4. am Ende.
doctrinae de legitimatione. Cap. II. §. 3. not. d. I. H.boeh-
mer in Diſſ. de legitimat. ex damnato coitu nator. §. 26.
Paul. Ioſ. ariegger Inſtitut. iurisprud. eccles. Part. IV. §. 198.
Eybel katholiſches Kirchenrecht IV. Th. I. Band §. 367.
not. b.Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts
3. Th. §. 142. S. 217.
ſung einer ſolchen Ehe, wodurch die ſchon vorher auſſer der-
ſelben erzeugte Kinder legitimirt werden ſollten, erforderliche
confectio inſtrumentorum dotalium, eines andern belehren;
wie vinnius in Commentar. ad §. ult. I. de nuptiis und
noodt in Comm. ad Pandect. tit. de his, qui ſui vel al. iuris
ſunt, pag. 27. gezeigt haben. Allein daß dieſe ſchriftliche Ehe-
pacten zur Legitimation durch die nachfolgende Ehe heutiges
Tages nicht erforderlich ſeyn, wird beym §. 143. bemerkt
werden. Man ſehe nach volkmann Diſſ. de legitimat. par-
tus a parent. ſed. occultati eiusque adult. per ſubſ. matrimon.
§. XII.
Iuſtinian. S. 263—303.
wo Juſtinian nicht nur ſeiner eigenen Verordnung zu-
ſchreibt, daß natuͤrliche Kinder dadurch, daß ihr Vater die
Concubine, mit welcher er ſie erzeugt hat, dotalibus inſtru-
mentis compoſitis, heyrathet, in die vaͤterliche Gewalt gebracht
wuͤrden, ſondern auch noch hinzufuͤgt: Quod et aliis liberis,
qui ex eodem matrimonio fuerint procreati, ſimiliter noſtra
conſtitutio praebuit. Dieſe Worte haben den Auslegern bey-
nahe unuͤberwindliche Schwierigkeiten verurſacht. Denn es
verſteht ſich ja von ſelbſt, ſagt man, daß die Kinder, die ich
mit meiner ehemaligen Concubine nun in rechtmaͤſiger Ehe
zeuge, in meiner vaͤterlichen Gewalt ſind, was brauchte Ju-
ſtinian ſolches beſonders zu verordnen? Man hat alſo hier
eine Ungereimtheit zu entdecken vermeint, die anders nicht, als
durch Emendation, gehoben werden koͤnne. Cujaz las da-
her zuerſt: Quod, ſi alii liberi ex eodem matrimonio fuerint
procreati, ſimiliter noſtra conſtitutio praebuit. Nun ſey der
Sinn folgender. Es ſolle keine Aenderung der durch die Le-
gitimation einmal erworbenen Rechte machen, wenn gleich
hernach in derſelbigen Ehe noch mehr Kinder waͤren gezeugt
worden. Dieſe ſollten ihrer ehelichen Geburt halber keinen
Vorzug vor jenen haben. So verſtand auch Bynkershoͤk
lib. II. Obſerv. iur. Rom. cap. 11. den Juſtinian, jedoch
emendirte er etwas beſcheidener. Er lieſet naͤmlich folgender-
maßen: quod, ut aliis liberis, qui ex eodem matrimonio po-
ſtea fuerint procreati, ſimiliter noſtra conſtitutio praebuit.
Mehrere Emendationen anderer Rechtsgelehrten findet man
beym Gebauer in dem angefuͤhrten Excurs. IV. ad Inſtit.
Allein die neuern Ausleger halten wegen der uͤbereinſtimmen-
den Leſeart aller Handſchriften eine Aenderung im Text theils
fuͤr unſchicklich, theils aber auch fuͤr unnoͤthig. Man ſehe
püttmann Interpretat. et Obſerv. cap. 15. Wenn es in den
mehrgedachten Worten des §. ult. Inſtit. ſtatt fuerint procrea-
ti hieße fuerint editi, ſo wuͤrde ich geneigt ſeyn zu glauben,
Ju-
ting in Enarrat. partis pr. Digeſtor. h. t. §. 9. gebauer
in Excurs. cit. §. 9. iordens Diſſ. II. de legitimat. cap. 3.
gudelinus de iure noviſſimo lib. I. cap. 9. Hoͤpfner im
Commentar lib. I. Tit. 10. §. 139.
L. 5. L. 6. L. 10. et 11. C. de natur. lib. Nov. 12. c. 4.
Nov. 18. cap. 11. Nov. 19. Nov. 74. praefat. et §. 1. 2.
Nov. 78. c. 4. Nov. 89. cap. 1. §. 1.
lib. gezielt, wo er die Frage entſcheidet, ob ein ſchon vor der
Ehe empfangenes, aber waͤhrend derſelben gebohrnes Kind,
ebenfalls fuͤr rechtmaͤſig zu halten ſey? Es iſt daher wohl am
rathſamſten, mit Hrn. Prof. Puͤttmann a. a. O. S. 70.
anzunehmen, daß Juſtinian hier, ſo wie mehrmalen, ohne
Grund ſich geruͤhmt habe, etwas neues verordnet zu haben.
In der L. 10. C. de nat. lib. auf welche Verordnung Ju-
ſtinian ohne Zweifel gezielt hat, wollte er nur die auſſer
der Ehe mit einer Concubine gezeugten Kinder denen nachher
noch in der rechtmaͤſigen Ehe von ebenderſelben gebornen Kin-
dern gleich machen, damit ſich letztere ihrer ehelichen Geburt
halber keinen Vorzug vor den erſtern anmaßen moͤchten.
tonius in vita Claudii c. 26. et. 29. Daher wird ſogar die
dos oft fuͤr nuptiae ſelbſt in unſern Geſetzen gebraucht. §. 2.
I. de hered. quae ab inteſt. defer. Man vergleiche auch hei-
neccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap. Popp. Lib. II. c. 13.
pag. 255. wiesand in Opuſcul. Spec. VI. n. 2. und ge-
bauer Exc. IV. §. 4. in fin.
ſubſequens matrimonium. Erf. 1754. §. 10. ff. hofaker
Princip. iur. civ. Rom. germ. T. I. §. 594.
de eo quod iuſtum eſt circa matrimonium in articulo mortis
contractum. Regiom. rec. 1747. boehmer Diſſ. de legitimat.
ex damn. coitu nat. §. XXVII.
matr. accuſ. poſſ. cap. 4. X de reſtitut in integr.
nium §. 25. boehmer cit. Diſſertat. §. 25. stryk Uſ. mod.
Pandect. lib. I. Tit. 6. §. 10. hofacker Princip. iur. civ.
Rom. Germ. T. I. §. 594.
in deſſelben rechtlichen Abhandlungen und
Gutachten n. I. grupen de uxore theodisca cap. VI. ric-
cius in Spicileg. iuris germ. pag. 458. ff.
ſchweig und Luͤneburg Verordnung vom Ehebruch und Hu-
rerey, wie auch von den Mantelkindern vom Jahr 1693.
Corp. Conſtitut. Luneb. P. IV. Cap. 8. p. 51. bekannt, wel-
che in dem Gandersheimiſchen Landtagsabſchie-
de vom Jahr 1601. nochmals beſtaͤttiget wurde.
rio P. III. voc. Palla Pallium geſammlet.
di liberos per pallium. Altorf. 1747.
cit. Diſſ. §. XVIII.
Cap. IV. de opinata ſpuriorum legitimatione per ſubſecuta ſpon-
ſalia.
legit.
und Hommel ſelbſt in Epitome ſacri iuris Cap. LIII. §. 35.
not. a ſagt: rectius dixeris, hodie ſponſalia de praeſenti nul-
la ſupereſſe, quia ipſum Concilium Tridentinum Seſſ. XXIV.
de reform. cap. I. matrimonium quodvis irritum habet, abſente
parocho contractum, nec ſolus amplius conſenſus nuptias per-
ficit.
liber ſingularis. Ienae 1759.
verwirft jedoch dieſe Art der Legitimation ſchlechterdings.
P. III. §. 589. Eybel katholiſch Kirchenrecht IV. Th. I. Bd.
11. Hauptſt. §. 334.
Diſſ. de Legitimatione per reſcriptum principis. Gedani 1756.
cellaneor. ad ius pertinent. Spec. II. cap. 7. p. 10.
T. I. Sect. I.
§. 5. stryk Us. Mod. Pandectar. h. t. §. 17. Lud. God.
madihn Princip. iuris Rom. Part. V. §. 7.
lib. II. Obſ. 142. carpzov P. II. Conſt. 6. def. 27. hof-
acker Princip. iur. civ. Rom. T. I. §. 597. not. e. von
Truͤtſchler Anweiſung zur vorſichtigen und foͤrmlichen Ab-
faſſung rechtlicher Aufſaͤtze inſonderheit uͤber Handl. der will-
kuͤhrlichen Gerichtsbarkeit. I. Th. 2. Hptabth. 3 Hauptſtuͤck
§. 54.
thomasius c. l. madihn c. l.
n. 20. S. 403.
§. 10. cocceji in iure civ. controv. h. t. Qu. 13.
ſtant, nihil a legitimis filiis differentes.
S. 289.
§. 13. S. 271.
tis avitae eiusque probatione Cap. IV. §. 2. Henr. Gad.bauer
Diſſ. legitimationem per ſubſequens matrimonium nobilitatem
germanorum iure non reſtaurare. Lipſiae 1776. hofacker
Princip. iur. civ. T. 1. §. 597.
art. 72. der Sohn behaͤlt des Vaters Schild und Adel zu Lehn-
recht, ſo fern er ehelich gebohren iſt; — das ehe-
lich und freygebohrne Kind behaͤlt ſeines Vaters Heerſchild.
bleſſe.
acker Princip. iur. civ. T. I. §. 597. not. d.
1790. 8.)
P. IV. theoriam de iure hereditario cont. §. 61. pag. 48.
pis, pleniſſimum effectum tribaente, legitimi licet liberi extent.
Goett. 1748. koch de Succ. ab inteſtato §. 29.
auch Ge Sam.madihn in Diſſ. de legitime natorum portione
legitima in ſucceſſione cum legitimatis, Halae 1755. verthei-
diget.
hofacker c. l. §. 597. not. e.
Hoͤpfner im Commentar uͤber die Heinecciſchen Inſtitutio-
§. 688. eisenhart in Diſſ. cit. de legitimat. lib. illeg. C. III.
§. 17.
quispiam habuerit filios legitimos, non poſſit filiis naturalibus
eorumque matri ultra unam relinquere unciam, aut donare na-
turalibus aut concubinae.
Us. Mod. Pand. h. t. §. 16. fin.
Diſſ. §. XI. et in Princip. iur. Rom. P. V. §. 5. not. a.
welche die Ueberſchrift hat: Si pater vel mater legitimos libe-
ros in portione legitima inſtituat, licere ei omne reliquum pa-
trimonium illegitimis aut concubinae legare. Add. Ge. Steph.
wiesand in Opuſcul. pag. 274. not. m.
werksmißbraͤuche §. 11.
hofrathsordn. Tit. I. §. 3.
lectiſſ. Commentat. ad Digeſt. h. t. §. 14. und Eichmann
in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 245.
lit. β); allein ihre Gruͤnde uͤberzeugen nicht. Man ſehe
eisenhart Diſſ. cit. §. XIV. auch mynsinger Obſ. Cameral.
Cent. IV. Obſ. 31. blum Proc. Cam. Tit. VII. n. 31.
Pruͤfung derſelben findet man in Eichmanns Erklaͤrun-
gen des buͤrgerlichen Rechts. 3. Th. S. 260 — 281. und
Schnauberts Erlaͤuterung des in Teutſchlands uͤblichen
Lehnrechts 2. Fortſetzung. (Braunſchweig 1788. 4.)
S. 382 — 387.
ne legitimatorum per nuptias exule in feudis. Lipſine 1734. Ge.
Henr.ayrer Pr. de excluſione legitimatorum a ſucceſſione
feudali. Goetting. 1755. Io. Ge.estor Diſſ. de generato
extra nuptias cum equeſtri vel plebeia, matrimonio licet ante
partum vel coniugio poſt illum ſecuto, in ſeudis nec iure ger-
manico nec longobardico ſuccedente. Marb. 1771. Schorcht
von der Unfaͤhigkeit der Mantelkinder zur Lehnfolge. Jena
1780. pufendorf Obſ. iur. univ. T. I. Obſ. 90. Struben
rechtl. Bed. III. Th. Bed. 53. puͤttmann Obſervat. iur. feud.
cap. 22.
her lectiſſ. Commentat. ad Dig. P. I. h. tit. §. 11. gaert-
ner in Meditat. practic. Specim. I. medit. 63. pag. 94.
ſarum privilegiis. (Vitemb. 1761. 4.) §. XII. pag. 19.
handl. von Stipendien und den Rechten derſelben (Nuͤrn-
berg 1786. 8.) §. 7. S. 11.
T. I. Reſp. 196. Siebenkees a. a. O. §. 56. S. 83.
(rec. Gieſſae 1770. 4.)
Abhandlung §. 57.
ren ſowohl in ſpiritualibus als ſecularibus zu. cap. 13. X. qui
filii ſint legit.
anecdotor. T. I. pag. 1021. ſqq. und riccius in Spicileg. iur.
germ. pag. 464.
moraliſche, Perſonen, denen vermoͤge ausdruͤcklicher Conceſ-
ſion des Kaiſers oder der Reichsvikarien das Recht zuſtehet,
gewiſſe in ihrem Diplom benannte kaiſerliche Gerechtſame aus-
zuuͤben. Den Urſprung derſelben ſucht man vergeblich bey
den Roͤmern. Denn die Ueberſchrift des Tit. 34. lib. I. Cod.
de officio comitis ſacri palatii iſt falſch, und die unter dem-
ſelben Titel befindlichen Geſetze gehoͤren zu dem naͤchſtvorher-
gehenden de officio comitis rerum privatarum, wo ſie auch in
Haloanders Ausgabe ſtehen. Der Urſprung derſelben iſt
vielmehr bey den Franken zu finden. Sie waren bey dieſen
die oberſten Beamten in den koͤniglichen Pfalzen, und daher
hießen
to T. III. p. 110. ſqq. Von der Legitimation der perſona-
rum illuſtrium handelt die neuſte Wahlcapitulation
Art. 22.
den Sohn des Grafen von Oldenburg findet ſich nun abge-
druckt hinter cramer Tr. de iuribus et praerogativis nobili-
tatis avitae pag. 197. ſq.
cluſor. T. I. p. 286. T. II. p. 714. T. IV. p. 426.
ken nach, und beſtellten ebenfalls Pfalzgrafen des kaiſerlichen
Hofs oder Pallaſtes. Durch die Ausbildung der Landesho-
heit fiel das Anſehen dieſer kaiſerlichen Richter. An ihre
Stelle traten die jetzigen Hofpfalzgrafen, die nur einen Schat-
ten der Rechte jener aͤltern und eigentlichen beſitzen, naͤmlich
nur ſo viel, als dem Kaiſer uͤbrig geblieben iſt, und dieſer
ihnen ausdruͤcklich ertheilet hat. S. Chr.crusius in Prol.
de antiquit. comitum palatinor. in Opuſc. a klotzioAlten-
burgi 1765. edit. n. XII. und PuͤttmannProgr. de pote-
ſtate comitum palatinor. valde reſtricta. Lipſiae 1784.
Proceß S. 133. Das Cammergericht darf ſich hierunter kei-
ner Concurrenz anmaßen. tafinger Inſtitut. iurispr. cam.
§. 387.
terris principum imperii (in Opuſc. T. I. Sect. 2.)
Tit. 3. §. 13.
woltaer Obſervat. iur. civ. et Brandenb. Faſcic. I. Obſ. 11.
Elem. iur. germ. priv. hod. §. 497.
Cod. Aug. T. I. pag. 663.
teutſchen Staͤnde, die in ihren Laͤndern ſterbende uneheliche
Kinder zu beerben. §. 12. in Deſſelben ſaͤmmtlichen
Werken aus dem T. Staats- und Privatrecht
II. Band S. 184.
in ſ. Tractat von der Landeshoheit in Gnaden-
ſachen K. II. S. 6. ff.
wildvogel Diſſ. de ſuperioritate territoriali civitatum impe-
rialium.
mann Diſſ. de ſucceſſione ab inteſtato liberor. nat. et ſpurior.
in bona matris. Cap. I. Sect. I. §. 4.
§. 12. pag. 25.
Art. XV. §. 8. J. J. Moſers N. Geſchichte der Reichs-
ritterſchaft II. Th. S. 103. Joh. Ge. Kerner allgemeines
poſitives Staats-Landrecht der unmittelbaren freyen Reichs-
ritterſchaft. I. Abſchn. I. Kap. §. 20. f. II. Abſchn. II. Kap.
2. Hauptſt. §. 67. u. 68.
doctr. Digeſt. h. t. §. 15. voet de ſtatutis Sect. IV. cap. 3.
§. 15. anckelmann Diſſ. cit. Cap I. Sect. I. §. 4. not. t.
Moſer im teutſchen nachbarlichen Staatsrecht. B. IV.
Kap. 8. §. 6. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl.
Rechts. III. Th. S. 299. u. a. m.
Diſſ. de iure legitimandi principum imp. §. 12—21. myler
ab ehrenbach de Princip. et Statib. Imp. Rom. Germ. P. II.
Cap. 54. §. 10. mascov Princip. iuris publici p. 773. edit.
noviſſ.
pag. 158.
matione Cap. II. §. 4. not. b.
und foͤrmlichen Abfaſſung rechtlicher Aufſaͤtze 1. Th. 2. Haupt-
abth. 3. Hauptſt. §. 55. not. a. S. 302. God. Lud.madihn
in Princip. iuris civ. P. V. §. 5. in fin.
tutionen. Lib. II. Tit. 14. §. 487. n. 3.
masii Diſſ. de uſu pract. tit. I. de adoptionibus. Halae 1714.
vor Gericht fuͤr ſeinen Sohn erklaͤrte, ſo wurde nach dem
§. 12. I. h. t. ein ſolcher Sclave zwar frey, allein die Rechte
eines Sohns erlangte er dadurch nicht.
diſt. 3. — Alumnus non ſuccedit, niſi teſtamento heres ſcri-
ptus ſit, quamvis etiam ut heres ſcribatur, nulla iura exi-
gant.
expreſſe relicta, arg. L. 14. §. 2. D. de aliment. vel cib. legas.
leyser Specim. XX. medit. 4.
gegen nicht heyrathen §. 1. 2. I. de nupt. S. stryck Uſ.
Mod. Pandectar. h. t. §. 1.
appianus lib. III. de Bello Civ. p. 586. suetonius in vita
Caeſaris c. 83. Idem in vita Auguſti c. 102. in vita Tiberii
cap. 6. Idem in Galba cap. 17.
ſonde Formulis lib. VII. n. XXVI.Ulrich HuberDigreſ-
ſion. Iuſtinian. P. I. lib. II. c. 23. §. 2. Zacharias Huber
Diſſ. de teſtamento Iul. Caeſaris, quod Suetonius refert in eius
vita cap. 83. Cap. II. §. 3. in eiusDiſſertat. iurid. P. I.
p. 136. Trotzde memoria propagata Cap. IV. §. 1. Her-
mann CannegieterObſervat. iur. Rom. lib. II. c. 20.
u. a. m.
nominis ferendi ultimis voluntatibus adſcripta. Lipſiae 1780.
§. 6. et 7.
Trebell.richter cit. Diſſ. §. 4.
D. h. t.
pag. 42. PapinianL. 23. D. de lib. et poſtum. nennt
die Adoption imaginem naturae.
teſtas eſſe debet.
bey die richtige Bemerkung: per arrogationem fit iniuria Rei-
publicae, quia familia amittitur, quod non eſt ferendum niſi
ex cauſis. Aliud ergo in aliis adoptionibus iuris eſt.
tas, nec fictos liberos quaerat, qui poteſt habere veros,
niſi accipiat eos a vero patre, quo caſu adoptatus quidem
mutat familiam, ſed nulla familia amittitur.
a Iuglero editis p. 230—234.
God.wernher in lect. commentat. ad Dig. h. t. §. 5. pag. 51.
J [...]. Tob.richter in ſelectior, iuris principiis Diſſ. II. (Lipſiae
1747.)
cletian und Maximian denen Weibsperſonen zuerſt der
Weg zu adoptiren ſey geoͤffnet worden, iſt zweifelhaft. Gerh.
Noodtin Comment. ad Dig. h. t. und Gundlingad
τὰ προτα Dig. Tit. eod. §. 17. glauben dieſes. Allein ſchon
Ulpian in L. 29. §. 3. D. de inoff. teſtam. gedenkt der
Adoption der Weibsperſonen durch kaiſerliches Reſcript, und
zwar auf eine ſolche Art, daß man ſieht, ſie muͤſſe zu ſeinen
Zeiten etwas ganz bekanntes geweſen ſeyn. Ulpian aber
lebte laͤngſt vor Diocletian. Ueberdem iſt das Reſcript
der K. Diocletian und Max. gar nicht in den Ton abge-
faßt, als ob dadurch ein neues Recht habe eingefuͤhrt werden
ſollen, ſo uͤberhaupt in den Reſcripten der Kaiſer nicht ge-
ſucht werden muß, wie ich ſchon an einem andern Ort dieſes
Commentars (I. Th. §. 37. S. 259.) bemerkt habe. Viel-
leicht
gitimi non laedantur in legitima portione, adoptionem adhuc,
attamen reſcripto Principis interveniente, fieri poſſe arbitror;
cum enim pater liberis ſuis legitimis omnia praeter legitimam
bona iuſte auferat, non eſt, cur eatenus adoptandi facultatem
patri denegemus.
Lipſiae 1773.
foͤrml. Abfaſſung rechtlicher Aufſaͤtze. I. Th. 2. Hauptabtheil.
3. Hauptſt. §. 60. S. 306.
ritate Cap. II. §. 58. pag. 198. (ex recenſ. D. Car. Frid.ze-
pernick Halae 1779. 8.) Auch iſt Breuningcit. Diſſ.
§. 9. dieſer Meinung.
Antonin den Frommen aufgekommen, der uͤberhaupt die
Adoptionen durch kaiſerliches Reſcript eingefuͤhrt haben ſoll.
S. van dewater Obſervat. iur. Rom. lib. III. cap. 16.
ex cauſis Novellae Leonis ſapientis in Germania receptae dici
nequeant, hinter Becks angef. Tractat S. 403 ff.
Schmidts oͤffentliche Rechtsſpruͤche N. XXV. S. 171. ff.
nepotem habet: ſi vult nepotem, quaſi ex altero natum ſic
adoptare: poteſt hoc efficere, ſi eum emancipaverit, et ſic
adoptaverit, quaſi ex altero natum, facit enim hoc quaſi qui-
libet, non quaſi avus: et qua ratione quaſi ex quolibet natum
poteſt adoptare, ita poteſt et quaſi ex altero natum. Durch
die in dieſem Adoptionsfall erforderliche Emancipation wurde
der Enkel in Anſehung des Großvaters nach dem Civilrechte
wie ein extraneus betrachtet, und konnte nun wie jeder andrer
an Enkelsſtatt angenommen werden. L. 55. in fin. D. de
Rit. nupt. L. 41. D. h. t.
Jedoch iſt dieß nur von ledigen Manns- aber nicht Weibs-
perſonen zu verſtehen. S. Herm.cannegieter in Obſer-
vat. iur. Rom. lib. II. cap. 17.
crell in Obſervat. de adoptione in locum fratris non mon-
ſtroſa
juriſt. Abhandlungen II. Band S. 230 ff.
hoͤrigen Worte ſind: Nimirum in adoptionibus et omnibus
fictionibus iuris hoc demum monſtroſum eſt, ſi fingamus ali-
quid, ad quod efficiendum vires naturae ſimpliciter et abſolute
non comparatae ſunt, ſeu quod per rerum naturam effici non
poſſet, quamvis omnia media in promtu eſſent et adhiberentur:
ſen quod in ipſa definitione ſua contradictionem continet: ut
ſi quis fingeret, hominem, natu maiorem, eſſe filium eius, qui
natu minor eſt, et a minore generatum, hoc enim natura
nunquam efficere poſſet, quamvis omnia media adhiberentur:
ideoque adoptio filii, natu maioris, a minore ſuſcepta dici-
tur monſtroſa, quia adoptio debet naturam imitari. Sed ad
imitationem naturae hoc non deſideratiustinianus,
ut omnia illa proxime et immediate adſint, et inve-
niantur in adoptantibus, quae naturaliter adeſſe debe-
rent, ſi adoptandus a natura in illo gradu familiae conſti-
tuendus eſſet, in quem ille adoptatur, Hoc enim, ſi poſcere-
mus, multa monſtroſa admiſſa eſſent aiustinianoin adoptio-
nibus. — Certius eſt, ad imitationem naturae hoc
duntaxat requiri, ut adſint remota illa inſtrumenta, ſine qui-
bus naturaliter effici non poſſet, ut adoptandus ex familia
noſtra ſanguinem et originem duceret. Sic in adoptione filii
ſufficit facultas generandi, quamvis uxorem quis non habeat,
quae immediate ad ſobolem procreandam requiritur. Sic
in adoptione nepotis hoc unicum videtur neceſſarium, ut ea
aetate ſit adoptans, in qua poſſet filium habere, qui ipſi ne-
potem generare potuiſſet, et hunc octodecim annis aetatis ſupe-
raret, quamvis avus ſibi ipſe nepotem ſine filio naturaliter
facere non poſſit.
h. t. p. 65.
nen ſind zu vergleichen Ant.augustinus Emendat. lib. III.
c. 5. Iac.curtius Εικαςων lib. I. c. 27. u. Em.meril-
lius Obſervat. lib. I. c. 25. Jedoch werden dieſe Benennun-
gen zuweilen verwechſelt, wie ſchon Ge. Caſp.kirchmaier
in Opuſc. de latinitate Digeſtorum et Inſtitut. Opuſc. V. p. 242.
(edit. Halenſ. 1772. 8.) bemerkt hat.
lat. 2. — Vel [...]ipſo naturae exemplo induci neceſſe fuit, ſagt
dieſer elegante Rechtsgelehrte, ut non tam cito, nec ante ple-
nam pubertatem filium per adoptionem habuiſſe quis videretur,
ſiquidem in eo plus poteſt adoptio, quam matrimonium, quod
filium certo et indubitato facit, qui ex matrimonio cum con-
trahitur, tantum ſperatur. Atqui certum eſt, ſaltem poſt
plenam pubertatem eſſe quemlibet capacem generandi.
in fin. D. h. t. filium temporalem habere.Faberin Iurispr.
Papinian. a. a. O. Illat. IV. erklaͤrt die Worte moribus no-
ſtris von den moribus populi romani; allein ich verſtehe es
uͤberhaupt von der Natur und Sitten der Menſchen.
Sohne, und will noch ein fremdes Kind zum Enkel annehmen,
ſo entſtehen unter beyden Enkeln die Rechte der Conſanguini-
taͤt anders nicht, als wenn die Annehmung ausdruͤcklich und
unter der Bedingung geſchehen, daß der Arrogirte als ein
von des Arrogirenden Sohne und deſſelben Frau gebohrner
Enkel angeſehen werden ſolle. L. 44. D. h. t.
Ehehinderniß iſt auch im canoniſchen Rechte anerkannt cap.
un. X. de cognat. legali. S. riegger Inſtitut. iurisprud.
eccleſ. P. IV. §. 131.
ti idem, quod nativi filii, ius habent ergo ſuorum patrum
agnatos.
Agnatum enim heredem nemo invitus habet, cum poſſit teſta-
mento
vitum, ita invitus; cum non poſſit eum exheredare, niſi ex
certis cauſis.
neccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap. Popp. Lib. II. c. 1.
§. 4. pag. 113. Ant.schulting in Enarrat. part. I. Dige-
ſtor. h. t. §. 13. Ern. Mart.chladenius de gentilitate vet.
Rom. Cap. IX. pag. 102. ſqq. u. a. m.
harpprecht in Commentar. ad §. 12. I. h. t. ibique allegati.
eius erant poteſtate, nepotes apud adrogatorem efficiuntur:
ſimulque cum ſuo patre in eius recidunt poteſtatem. Quod
non ſimiliter in adoptione contingit: nam nepotes ex eo in
avi naturalis retinentur poteſtate.
in iure civili. Ant.faber in Rational. ad h. L.
Canzlers Kochde cognatis duplicibus, welche hinter Deſſel-
ben Tractat de Succeſſione ab inteſtato (Gießen 1790.) das
Auctarium III. S. 231—274 iſt.
(Noviomagi 1651.) Exerc. I. Obſ. 20. p. 18. in fin. ſqq. iſt
zwar
iurispr. ecclef. P. IV. §. 131. das Hinderniß der geſetzlichen
Verwandſchaft beſtehe in connexione perſonarum, ex arroga-
tione proveniente, und verwirft die Meinung derjenigen,
welche behaupten, daß dergleichen Ehehinderniß auch aus
einer jeden andern unvollkommenen Adoption entſtehe. Ihm
ſtimmt auch Eybel im kathol. Kirchenrecht IV. Th. 1. Band
13. Hauptſt. §. 362. not. d. n. 17. S. 443. bey.
deutlich fuͤr die gemeine Meinung, als daß jene Grille des
Greve uns irre machen koͤnnte.
ſine effectu derelinquit.
ner Inſtitutionen gehandelt, wie ſich aus der L. 30. D. de
inoff. teſtam. ſchließen laͤßt.
(edit. Neapol. 1720. 4.) Quod ſi filius parentibus in adoptio-
nem datus ab iis poſtea emancipatus fuerit, vultiustinia-
nus, filium reverti ad patrem naturalem, hoc eſt, ad ſuc-
ceſſionem ipſius. Non ſatis quidem expreſſit, utrum reverti
poſſit filius adoptivus emancipatus ad ſucceſſionem patris na-
turalis, ſive vivus, ſive mortuus ille fuerit: ſed quia ſupra
id vitium in diſtinctionemartianipropoſuit, ſane et illud
emendare voluit, ut ſcilicet filius emancipatus ab adoptivo
patre ex aſcendentibus, mortuo patre naturali, ad ſucceſſionem
ipſius revertatur, quamvis in aliena familia fuerit eo tempore,
quo pater moreretur.
Adoption handelt merillius c. l. pag. 44. ſehr ausfuͤhrlich.
pag. 54. leyser Spec. XX. med. 3.
litate adoptiva. Halae 1721. 1745. riccius von dem land-
ſaͤßigen
rentias in doctr. de fideicommiſſis. (Ienne 1743.) Cap. III.
§. 13. Eichmann a. a. O. S. 335. ff.
Halae 1753. Hofr. Schnaubert in der Erlaͤuterung des
in Deutſchland uͤblichen Lehnrechts 2. Fortſetz. §. 123.
Elem. iur. germ. privati §. 498. Eichmann Erklaͤrungen
des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 330.
§. 120.
Cap. XV. Diſtinct. 3.
ſchn. I. Abſatz §. 5. S. 265. berlich Concl. Pract. P. II.
Concl. 39. n. 20.
Specim. XX. med. 3.
werker (Stutgart 1780. 8.) 8. Abſchn. §. 87.
acosta in Comm. ad h. loc.
iur. lib. IV. c. 1. n. 11.
et adoptivorum. Lugduni Batavor. 1785. 4.
und foͤrml. Abfaſſung rechtl. Aufſaͤtze I. Th. 2. Hauptabtheil.
3. Hauptſt. §. 60. Die hierher gehoͤrigen Formulatien findet
man in der gedachten Anweiſung S. 350. N. VII. der
2. vermehrten und verbeſſerten Auflage Leipzig 1786.
gelahrtheit II. Th. §. 964. S. 497. (nach der dritten ſtark
vermehrten Auflage Halle 1784.)
per tres emancipationes, et duas manumiſſiones in filiis, aut
per unam emancipationem in caeteris liberis fieri ſolebant, cor-
rigentes ſive tollentes, cenſemus licere parenti, qui liberos,
in poteſtate ſua conſtitutos, in adoptionem dare deſiderat, ſine
vetere obſervatione emancipationum et manumiſſionum hoc
ipſum actis intervenientibus apud competentem iudi-
cem manifeſtare, praeſente eo, qui adoptatur, et non
contradicente, nec non eo, qui eum adoptat. In die-
ſem Geſetz wird zugleich die alte Feyerlichkeit der Adoption,
die durch ſolennen Scheinverkauf und darauf erfolgte Frey-
laſſung des Kindes (emancipatio) geſchahe, und von welcher
CiceroOrat. pro domo c. 13. ſq. und GelliusLib. V.
Noct. Atticar. c. 19. auch Georgd’arnaud var. coniectu-
rar.
Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 358. Hr. von
Truͤtſchler a. a. O. §. 59. Not. a.
a. a. O. §. 59. S. 305.
Teutſchen handeln heineccius elem. iur. germ. T. I. lib. I.
§. 152. Eſtor in der buͤrgerl. Rechtsgelahrtheit der Teut-
ſchen Hauptſt. 117. §. 891. Dreyer in Nebenſtunden
S. 260.
lich aufgehoben. Vielleicht hatten den Kaiſer die in den Ge-
ſetzen der Pandecten hin und wieder vorkommende, und auf
jenen ritus mancipationis ſich beziehende Formeln dazu ver-
anlaßt. S. Fr.balduin in Iuſtiniano lib. III. p. 270. 271.
pag. 701. (edit. Fr. Car.conradi Halae et Lipſiae 1731.
fol.)
prud. Antejuſt. pag. 103. Dieſem iſt die L. 2. D. h. t. welche
aus cajilib. I. Inſtitutionum entlehnt iſt, nicht entgegen.
Denn die Stelle iſt offenbat interpolirt, wie man aus Cajus
Inſtitutionen lib. I. Tit. V. §. 1. beym schulting c. l.
pag. 42. deutlich ſiehet. Ohne Zweifel hat Tribonian
ſtatt populus nach der Jurisprudenz ſeiner Zeiten das Wort
princeps ſubſtituirt, wie Abrah.wieling in lection. iuris civ.
lib. II. Cap. VII. pag. 108. laͤngſt bemerkt hat.
in lection. iur. civ. lib. I. Cap. III. pag. 12. und lib. II.
Cap. VII. pag. 109.
cap. VII. pag. 139. ſqq. Ioan. van dewater Obſervat. iur.
Rom. lib. III. cap. 16. Abr.wieling lection. iuris civ.
lib. II. cap. 7. Herm.cannegieter Obſervat. iur. Rom.
lib. II. cap. 19.
L. 8. §. 15. D. de inoff. teſtam. L. 17. §. 1. ſqq. L. 18. ſqq.
L. 32. §. 1. D. de adopt.
Tractat. de voluntaria iurisdictione (Tubingae 1658.) Th. VIII.
n. 6. Hr. von Truͤtſchler in der oͤfters angefuͤhrten An-
weiſung 1. Th. 2. Hauptabtheil. 3. Hauptſt. §. 59. not. e.
S. 305.
trov. h. t. Quaeſt. 2. Nettelbladt pract. Rechtsgelahrt-
heit §. 965. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutio-
nen §. 150. Eichmann in den Erklaͤr. des buͤrg. Rechts
III. Th. S. 351.
publici T. I. Sect. II. §. 14. pag. 56. püttmann Progr. de
poteſtate comit. palatinor. valde reſtricta.
poteſt.
iuris ſunt, in alienam ſeſe poteſtatem tradunt, eiusque rei
ipsiauctores fiunt. Der Arrogandus wurde deshalb mit
einer gewiſſen Formel von dem Oberprieſter befragt, welche
Ciceropro domo cap. 29. anfuͤhrt. Von dieſer und andern
bey einer Arrogation ehemals uͤblich geweſenen feyerlichen
Fragen und Antworten ſoll auch die Handlung ſelbſt den Na-
men Arrogatio erhalten haben, wie aus L. 2. pr. D. h. t.
zu erſehen iſt.
auctoritas intercederet in adrogatione, ante tenuerat, ſub Divo
Claudio recte mutatum eſt. Ueber den eigentlichen Sinn und
die Interpunction dieſes Geſetzes wird viel geſtritten. Man
ſehe nach wieling in lectionib. iuris civ. lib. II. cap. 8.
pag. 113.
Diſſ. de impuberum arrogatione. Tubing. 1663. und Greg.
maiansius Diſputat. T. I. N. 12.
den Roͤmern einer oͤffentlichen Perſon, einem Notarius (Ta-
bellio) geleiſtet werden. Solche Tabellionen waren anfaͤng-
lich ſervi publici, denn es war ein Grundſatz des aͤltern roͤ-
miſchen Rechts, daß man nur durch Knechte, Niemand aber
durch einen freyen Menſchen Rechte erwerben koͤnne. L. 1.
Cod. per quas perſonas nobis acquiritur. Allein die Kaiſer
Arcadius und HonoriusL. 3. Cod. de tabul. ſcribis-
que verordneten, daß kuͤnftig nicht mehr Knechte ſondern
freye Perſonen das Amt der Tabellionum verſehen, und auſ-
ſerordentlicher weiſe das Recht haben ſollten, fuͤr einem jeden
Buͤrger zu ſtipuliren, und demſelben Rechte zu erwerben.
S. muretusad §. 3. Inſtitut. de adopt. Heutiges Tages
iſt jedoch nicht mehr noͤthig, daß eine beſondere Perſon dazu
genommen werde, welcher das Verſprechen vermittelſt der
Buͤrgſchaft geſchiehet. Sondern es braucht nur uͤber die
Buͤrgſchaftsleiſtung eine Regiſtratur zu den Acten, welche die
Arrogationshandlung enthalten, gemacht zu werden; oder
man nimmt den Buͤrgſchein zu den Acten, und macht daruͤber
eine Regiſtratur, daß der Ausſteller deſſelben ihn, ſowohl
ſeinem Inhalt, als Unterſchrift nach, anerlannt habe. S.
Eichmann’s Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Theil,
S. 364. folg.
rogatore praeſtari debet: Ad quos en res pertinet, et liber-
tatibus proſpectum eſſe, quae ſecundis tabulis datae ſunt, et
multo magis ſubſtituto ſervo, item legatariis, nemo dubitat.
Nach dem ſtrengen Recht verliehrt eigentlich die Pupillar-
Subſtitution ihre Kraft durch die Arrogation, L. 17. §. 1. D. h. t.
Allein durch das Rechtsmittel der Caution wird die Erbſchaft des
Pupillen dem Folgeerben geſichert. L. 40. D. de vulg. et pup.
ſubſtitut. Quemadmodum legitimis heredibus auctoritate Prin-
cipali proſpicitur vinculo cautionis, ita ſi forte ſubſtituit na-
turalis pater impuberi, ſuccurrendum erit ſubſtituto. Es iſt
alſo kein Unterſchied zwiſchen den geſetzlichen Erben des Pu-
pillen, und den Subſtituten deſſelben. Daher iſt es falſch,
wenn Anton Faberin Iurisprud. Papinian. Tit. X. Prin-
cip. I. Illat. 11. pag. 485. ſqq. die oben angefuͤhrte L. 19. h. t.
blos auf einen ſubſtitutum ſervum einſchraͤnken, alle andere
Pupillar-Subſtituten aber von dieſer Wohlthat der Caution
ausſchließen will. Der ganze Zuſammenhang des Geſetzes
haͤtte ihn lehren koͤnnen, warum nur des ſubſtituti ſervi vor-
zuͤglich gedacht worden, und daß dieſes nicht ausſchließend zu
verſtehen ſey. Ganz recht ſagt daher Abraham Wieling
in Lectionib. iuris civ. lib. II. cap. 8. S. 116. uͤber die L. 19.
h. t. Duplex indicatur cautionis ſenſus: unus directus et pri-
marius, ſecundarius alter et per interpretationem a Iuriscon-
ſultis adiectus. Priori ſenſu heredes intelliguntur, quibus-
cum ſuo iure teſtamenti factio eſt, tum legitimi, tum ſubſti-
tuti teſtamentarii. L. 70. §. 1. D. de Verb. Signif. ibique
Guil. fornerius: ſenſu vero poſteriori legatarii, aliive a
teſtatore honorati; inter quos non ſolum cenſentur ſervi, ſe-
cundis tabulis manumiſſi; ſed multo magis qui impuberi a patre
ſunt ſubſtituti. Nach dieſer ganz natuͤrlichen und richtigen
Erklaͤrung iſt nun auch nicht noͤthig, das Wort ſervo in L. 19.
mit
impubes deceſſit.
lat. 11. pag. 488. ſq.
chen. Man ſehe uͤbrigens nach Ian. acosta in Comment. ad
§. 3. I. h. t. u. Weſtphal von Teſtamenten §. 713.
inoff. teſtam. Von dieſer Quarte desD. Pius handeln
Ant.faber in Iurisprud. Papinian. Tit. X. Princ. I. Illat. 12.
pag. 489 — 502. und Lud. God.madihn in Diſſ. de quarta
D. Pii eiusque uſu hodierno. Traj. cis Viadr. 1776.
D. Pii, licer non aliorum bonorum ſit, quam eorum, quae
mortis tempore in adrogatoris hereditate reperientur, tamen
iam inde a tempore factae per adrogatorem emancipationis in-
iuſtae, ac proinde vivo adhuc adrogatore ipſo debetur, usque
adeo ut ſi interim adrogatus decedat, petitionem eius ad he-
redem ſuum transmittat.
§. 565. ff. S. 269. u. folg.
fangsgruͤnde des gemeinen u. Reichsproceſſes III. Th. §. 18. ff.
S. 9. u. ff.
im angef. Lehrbuch §. 570. folgg. S. 297. folg.
degreve in Exercitat. ad Pandectar. loca difficiliora, Ex-
ercit. I. Obſ. 22. S. 21.
Pius, und den Pflichttheil der Notherben lehren
Ant.faber in Iurisprud. Papinian. pag. 501. Car. Chriſt.
zanders in Specim. acad. inaug. exhib. quaeſtiones quasdam
iuris civ. Rom. Lugd. Batavor. 1784. Quaeſt. I. u. Lud.
Godofr. madihn in Princip. iuris Rom. Part. V. §. IX.
pag. 15.
Eclog. 73.
kulpis de adoptionibus §. VII. I. H.boehmer T. III. P. 2.
Reſp. 12. cocceji iure civ. controv. h. t. quaeſt. 9. de
cramer Obſ. iur. univ. T. I. Obſ. 26. et T. IV. Obſ. 1235.
pufendorf T. III. Obſ. 46. Struben rechtl. Bedenken
II. Theil Bed. 62. Eiſenharts Erzaͤhlungen von beſon-
dern Rechtshaͤndeln 3. Th. N. 3. ſtryck Uſ. Mod. Pand.
h. t. §. 3. et lib. IV. Tit. V. §. 6. Den Gebrauch der Adop-
tion unter Perſonen von hohen und niedern Adel bezeugen
Burc. Gotth. ſtruve Iurispr. heroic. P. III. cap. 5. Sect. 1.
2. 3. Joh. Jac. Moſer Familienſtaatsrecht Th. II.
Kap. 17. §. 120. und Caſpar Lerchde ordine eq [...]eſtri
P. I. n. 12.
apud veteres Romanos. Lipſiae 1746.
Einkindſchaft (Nuͤrnberg 1785. 8.) §. 20 — 25. und
§. 32 — 34. hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I.
§. 609. 610. 611.
Diſſ. de uſu practico tituli Inſtitution. quibus modis ius patriae
poteſtatis ſolvitur. Halae 1716. deſenckenberg Diſſ. iura
egreſſus e patria poteſtate rom. et germ. Gieſſae 1743. in eius
Semeſtrium Nr. 9.
ſui vel al. iuris ſunt.
th. pr. Pand. h. t. §. 22. Verſchiedene Rechtsgelehrte machen
jedoch in Anſehung der ewigen Landesverweiſung
alsdann eine Ausnahme, wenn ſie mit der Fuſtigation ver-
bunden
§. 2. §. 5. Inſtitut. Iuſtiniani quib. mod. ius p. p. ſol.
iuribus lib. II. cap. I. pag. 143. Mich. Conr. curtius Com-
mentar. de Senatu Rom. poſt tempora reipublicae liberae (Ha-
lae 1768.) lib. IV. cap. 6. §. 93.
ſchilter Ex. 3. ad Pand. §. 10. und Io. Tob.richter in
ſelect. iur. princip. Diſſ. II. §. 8.
leges illis (Patriciis) tantam reverentiam detulerunt, ut in
ſacris poſitus, cum hoc fuerit honore praecinctus, paternae
poteſtatis nexibus exuatur.
a iuglero editis pag. 146 — 151. ſucht Juſtinian und
Caſſiodor mit einander zu vereinigen.
Tom. III. Part. II. Obſ 344. Allein richter cit. loc. §. XI.
verwirft dieſe Meinung.
acker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 616. Inſon-
derheit geben Siegel im Fuͤrſichtigen Wechſelglaͤubiger Kap. II.
§. 15. S. 46. und Io. Tob.richter in ſelect. iuris princip.
Diſſ.
ſtitut tit. quib. mod. ius p. p. ſolvit. §. 4. kaeſtner Progr.
an doctoralis dignitas liberet a patria poteſtate? Lipſiae 1723.
not. 3. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen
§. 163. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts
3. Th. S. 388. und L. G.madihn Princip. I. Rom. P. V. §. 20.
patio eine andere Bedeutung, wie PaulusL. 2. D. de
uſurpat. et uſucapionib. lehrt.
denjenigen Dignitaͤten, ſo nach dem roͤm. Rechte von vaͤter-
licher Gewalt befreyen, uͤbereinkommt und damit verglichen
werden kann, habe auch noch heutiges Tages die naͤmliche
Wirkung.
poſitivae Germ. comm. generalis §. 473. ſagt: usurpatio
eſt iuris alieni ſeu nobis non competentis exercitium.
Diſſ. de non uſu iuris quaefiti Cap. II. n. 37.
nemann in Commentar. ad L. 1. C. de patr. pot.
Recht §. 217. S. 668. f.
§. 2. L. 10. §. 5. D. de vulg. et pup. ſubſtit.
legum Moſaicar. et Rom. Tit. XVI. §. 2. gelliusNoct.
Atticar. Lib. XVIII. cap. 6.
et Rom. Tit. XVI. §. 2.
ad Dig. h. t. §. 13.
Cod. eodem.Struben rechtl. Bedenken 3. Th. N. XIX.
S. 164.
T. I. Obſ. 99. §. 8—10. ibique allegati.
Franequerae 1730. 1731. in fellenbergiurisprud. antiqua
T. II. n. 18. pag. 461. ſqq. Io. Caſp. heimburg difficillima
emancipationis romanae et germanicae capita. Ienae 1742. 4.
quia res manu capitur.
Frid. krause Different. emancipationis tacitae romanae et
germ. Vitemb. 1759. Car. Frid. walch Introd. in controv.
iuris civ. Sect. I. Cap. II. Membr. 2. §. 17.
L. 1. C. de patr. pot. Allein das erſte Geſetz kann auch eben
ſo gut von einer ausdruͤcklichen Emancipation ver-
ſtanden werden, welche der Vater nach dem Tode der Tochter
unter dem Vorwande anfechten wollte, als ob ſie nicht auf
die geſetzliche Weiſe, und in Gegenwart von Zeugen geſchehen
ſey. Dieſe Klage ſoll nach dem Tode der Tochter nicht mehr
ſtatt finden. Billig, quia ſibi debet imputare (pater), wie
Ant. faber in Rational. ad h. L. 25. ſagt, cur non moverit
eam quaeſtionem filiae viventi, quae et cauſam ſuam tueri
potuiſſet melius, et victa quoque extorquere a patre perpe-
tuis obſequiis aliam iuſtamque emancipationem. Nach dem an-
dern Geſetz aber ſoll ein Vater, welcher es geſchehen laſſen,
daß ſein Sohn ſich lange Zeit als Paterfamilias aufge-
fuͤhret, mit der Praͤjudicialklage de patria poteſtate gegen den
Sohn nicht mehr gehoͤret werden. Warum? weil die Klage
alsdenn verjaͤhrt iſt. Alſo nicht der ſtillſchweigende Wille
des Vaters iſt hier die Urſache von Befreyung des Sohns
aus der vaͤterlichen Gewalt. S. Eichmann Erklaͤrungen
III. Th. S. 389. ff. heimburg cit. Diſſ. §. VII—IX.
vel nuptias Cap. II. §. 15. in Exercitat. ad Pandect. T. I.
pag 944.
ningae 1781.
§. 3.
ting in Iurispr. Antej. pag. 54.
ting a. a. O. pag. 56.
jum not. 34. theophilusad §. 6. I. quib. mod. ius pat.
pot. ſolvitur. Barn. brissonius ſelect. ex iure civ. anti-
quitat. lib. I. c. 7. beſonders wernher ſelect. Obſervat. fo-
renſ. Tom. III. P. I. Obſ. 13. n. 61. ff.
donicum ſatisfactum eſcit.
pag. 58. welcher letzterer uͤbrigens dieſer Meinung gleichfalls
beyſtimmt.
Allein man vergleiche hierbey, was wernher cit. loco.
n. 192. ff. pag. 31. dagegen einwendet, der fuͤr die gemeine
Meinung ſtreitet.
Helmſt. 1732. et 1733.
Si a parente quis manumiſſus ſit folgendes hieruͤber: Non
usque adeo exaequandus eſt patrono parens, ut etiam Faviana
aut Calviſiana actio ei detur: quia iniquum eſt, ingenuis ho-
minibus non eſſe liberam rerum ſuarum alienationem. Man
vergleiche hierbey Ant. faber in Iurispr. Papinian. Tit. XI.
Pr. X. Illat. 4.
Worte ſind: Iubemus licere parentibus, id eſt, patri, avo pa-
terno, — ſi liberos, quos habent in poteſtate propria, —
per emancipationem, vel abſentes et peregre degentes, vel in
iisdem locis ſeu regionibus vel civitatibus commorantes, in
idi-
beyde Conſtitutionen, in welchen Anaſtaſius ſchon der von
ihm eingefuͤhrten Emancipation durch fuͤrſtliches Reſcript Er-
waͤhnung thut, ſind aͤlter, als die L. 5. Cod. de emancipat.
liberor. wie die Subſcription dieſer Verordnungen zeigt.
ſtinian in L. 13. Cod. de legit. hered. et L. ult. C. de
emancipat. lib.
Cap. IV. §. 1.
ſupplicationibus porrectis mereri ſuper hoc divinum oracu-
lum: hocque apud competentem iudicem, ad cuius iurisdictio-
nem actus emancipationis pertinet, inſinuare, ſuperque pre-
cibus a ſemet oblatis apud eum deponere.
Schluß: niſi infantes ſint, qui et ſine conſenſu etiam hoc mo-
do ſui iuris efficiuntur.
hered.
ſpeximus in emancipationibus vanam obſervationem cuſtodiri,
et venditiones in liberas perſonas figuratas, et circumductiones
inextricabiles et iniurioſa rhapismata (kommt her von ῥαπὶς eine
Ruthe, und ῥαπίσαι mit Ruthen hauen) quorum nullus ratio-
nabilis invenitur exitus: jubemus, huiusmodi circuitu in po-
ſterum quiescente, licentiam ei eſſe, qui emancipare vult, vel
ex lege Anaſtaſiana hoc facere, vel ſine ſacro reſcripto intra-
re
Tit. VI. §. 3. not. 43. Iurisprud. Antejuſt. pag. 57. macht
hierbey gegen Oiſelius, der in dieſen Verordnungen des
K. Juſtinians keinen Zuſammenhang finden konnte, die ſehr
elegante Bemerkung, daß wenn gleich die alte Solennitaͤt der
Emancipation aufgehoben worden, dennoch eine ſolche Fiction,
als ob der Vater den Sohn contracta fiducia emancipiret haͤt-
te, gar nicht uͤberfluͤßig geweſen ſey. „Dubitari enim pote-
rat, ſagt er, an pater, qui deſierat eſſe adgnatus filio per
emancipationem, nunc quidem ut patronus ad eius ſucceſſionem,
et, ſi impubes foret, ad tutelam eius vocaretur, cum iam non
amplius in uſu eſſet manumiſſio illa, per quam antea pater hoc
ius adquiſiverat. Jedoch ſetzt er hinzu: Poſtea adgnatis ſunt
exaequati cognati, Nov. CXVIII. ac tunc illa fictio coepit
eſſe ſupervacua.“
bus hoc facere permiſſum eſt: et filios ſuos, vel filias, nepotes,
vel neptes, vel deinceps progeniem in poteſtate ſua conſtitu-
tam, a ſua manu dimittere: et legitima iura omnino habere,
etſi non ſpecialiter hoc ſibi ſervaverit.
§. 5. und vorzuͤglich scheltinga Diſſ. I. de emancipat.
Cap. IV. §. 8.
degreve Diſſert. ad Inſt. Exerc. III. Th. 9 hofacker
Princip. iur. civ T. I. §. 622. scheltinga Diſſ. I. C. IV.
§. 7. et Diſſ. II. §. 2. und G. L.boehmer in Diſſ. de diſcri-
mine ſuorum et emancipator. in ſucceſſ. inteſtati iure novo ſub-
lato. §. V.
Iurisprud. Antejuſt. p. 593. huber in Digreſſ. Iuſtin. lib. III.
c. 6.
§. 19 et in Iurisprud Antejuſtin. pag. 593. heimburg Diſſ.
cit. §. XXXVII.
mod. ius p p. ſolv § 6.
§. 5. Nov. LXXXIX cap. 11.
Zahl dieſer Faͤlle erzaͤhlt Heimburgcit. Diſſ. §. 15—23.
nion. lib. II. c. 22.
cian glaubte zwar, daß ein Vater, wenn er von dem Erblaſſer
gebe-
zwungen werden koͤnne: poteſtas enim patria inaeſtimabilis res
eſt. S. L. 114. §. 8. D. de legat. 1. Eben ſo dachte auch Pa-
pinian, wie Ulpian erzaͤhlt in L. 92. cit. Ja Ulpian
muß ſelbſt geſtehen, daß er Anfangs der naͤmlichen Meinung
geweſen ſey; allein in dieſer L. 92. aͤndert er ſie wieder, und
erklaͤrt ſich nunmehr dahin, daß wenn aus dem Teſtamente
erhelle, daß der Teſtirer dem Vater das Legat in keiner an-
dern Abſicht habe hinterlaſſen wollen, als um ſein Kind dage-
gen zu emancipiren, der Vater, wenn er dieſes Vermaͤchtniß
angenommen hat, extra ordinem anzuhalten ſey, daß Kind aus
ſeiner Gewalt zu entlaſſen. Neque enim debet circumveniri
teſtantium voluntas. Sic deinde hoc accipiendum, quemadmo-
dum ſi ſub conditione liberorum emancipandorum ei fuiſſet le-
gatum relictum: vel ita ut eos emanciparet. Verſchiedene wol-
len die oben angefuͤhrten Worte extra ordinem, von einem
fuͤrſtlichen Befehl erklaͤren, wodurch der Vater zur
Emancipation zu noͤthigen ſey; z. B. Dionyſ. gothofredus
in not. ad d. L. 92. und thomasius in Diſſ. de uſ. pr. tit.
I. quib. mod. ius p. p. ſolv. §. 15. not. c. Allein dieſe Er-
klaͤrung iſt irrig. Es iſt vielmehr von einer perſecutione ex-
traordinaria die Rede, ſo wie bey Fideicommiſſen uͤblich war.
L. 178. §. 2. D. de Verh. Signif. S. Heimburgcit.
Diſſert. §. 21. Ant.faber in Iurisprud. Papinian. Tit. XI.
Princip. X. Illat. 9. Was uͤbrigens die Redensart: ius
extra ordinem dicit Praetor: eigentlich bedeute, erklaͤrt ge-
bauer in Comment. acad. de iurisdictione ſec. doctrin. Rom.
Cap. I. §. 11. Vergleiche auch den I.Th. dieſes Com-
mentars §. 1. n. 8. S. 8.
ſchließen, wo Juſtinian ſagt: Cum enim tanta fragilitas
eſt adoptionis, ut poſſit in ipſo die et filius fieri et extraneus
per emancipationem inveniri: quis patiatur iura patris natu-
ralis nexu divino copulata, ludibrio defraudari; ſondern eben
darum ſahe ſich auch zuweilen der leibliche Vater, der ſeinen
Sohn adoptiren ließ, durch eine Stipulation vor, wodurch
der Adoptivvater ſich zu einer gewiſſen Summe Geldes auf
den Fall verbindlich machen mußte, wenn er das angenom-
mene Kind ohne Urſach emancipiren wuͤrde. L. 132. pr. D.
de Verbor. obligat.scheltinga cit. Diſſ. I. Cap. V.
§. 3. S. jedoch Hr. v. Globig uͤber die Grenzen der vaͤter-
lichen Gewalt S. 135.
Rom. et hodierna Cap. VIII. §. 4.
Lugd. Batav. 1715.
L. 1. §. 6. L 3. §. 2. D. de bonor. poſſ. contr tabb. L. 4.
pr. D. ſi tabb. teſtam nullae exſtab. Conf. schulting in
Enarrat. part. 1. Digeſtor. h. t. §. 21.
ting in Enatrat. part. I. Digeſtor. h. t. §. 21. Hoͤpfner
im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 159. Eichmann in
den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts III. Th. S. 416.
et VIII.
L. 6. Cod. de patr. poteſt. Lipſiae 1753. 4.
abdicare ius eſto.
niusin Declamat. XXXVI. welcher letztere einen verſtoße-
nen
ra eſſet ac citra iudicium vindicta, ſed ad iudices vocat et
aeſtimatores conſtituit, qui neque per iracundiam, neque per
calumniam iudicent, quod iuſtum eſt.
bus meis coram vobis teſtibus etc.
lib. II. Tit. 4. p. 158.
miſtoc. cap. 1. meursiusin Them. Attic. Lib. II. c. 13.
cas van depoll cit. libro Cap. I. § 4.
ad Lycophron. v. 450. und casaubonusad Diogen. Laër-
tium in Periandro lib. I. n. 94.
vus, neque prodigus, neque ſcortator ego ſum, neque aleae
mentem adhibeo, quibus de cauſis legislator abdicare iubet.
van depoll cit. libro Cap. VIII. deshalb tadelt.
Abdicare. S. auch P.aerodiusad Quinctil. Declamat. 260.
iurisprud. Rom. Exercit. I. §. 47. pag. 103. ſqq.
Cap. V. pag. 24.
emendatio; bey calpurnius flaccusDeclamat. XVIII.
aber ira domeſtica genennt.
Prof. Guͤnther’s uͤber dieſe Frage findet man in dem von
Ihm und Hrn. Prof. Hagemann herausgegebenen Archiv
fuͤr die theoretiſche und practiſche Rechtsge-
lehrſamkeit. I. Th. (Braunſchweig 1788. 8.) Nr. XIV.
S. 303.—323.
Hoͤpfner im Commentar §. 159.
S. 416. Mich. Godofr.wernher in lectiſſ. Commentat.
ad Dig. Lib. I. Tit. VI. § 4. S. 40.
cap. 3. theophilusin Paraphr. ad §. 3. I. de adoptionib.
Es wird zwar gegen den Schluß, der von dem Recht der
Enterbung auf das Recht der Verſtoßung gemacht wird, ver-
ſchiedenes eingewendet, ſo aber ohne Bedeutung iſt. Denn
es kommt hier nicht ſowohl auf die Verſchiedenheit der Hand-
lung, die ich ſehr wohl einſehe, und wovon Luc. van de
poll lib. cit. Cap. I. §. 4. ſehr umſtaͤndlich handelt, ſondern
auf den Grund derſelben an. Da nun dieſer bey beyden
der naͤmliche iſt, und in dem ſchnoͤden Undank des Kindes
gegen ſeine Eltern liegt, ſo begreife ich nicht, warum Eltern
nicht aus der naͤmlichen Urſache ein ungerathenes Kind ſoll-
ten verſtoßen duͤrfen, aus welcher ſie ſolches zu enterben be-
rechti-
der Preisſchr. uͤber die Gruͤnde und Graͤnzen der vaͤterlichen
Gewalt. S. 94. und 95.
S. 236. bemerkt habe.
tern darum ein Recht, ihre Kinder aus verſchiedenen Urſachen
zu enterben, weil ſie glauben, daß dieſelben, wenn die Kin-
der ſich gebeſſert, zu der Zeit, da ſie an den Tod gedenken,
keinen Gebrauch davon zum Ungluͤck der letztern machen wer-
den. Gut! Koͤnnen denn aber nicht auch Eltern ſich mit ih-
ren verſtoßenen Kindern wieder ausſoͤhnen, wenn ſich dieſe
gebeſſert haben? Ueberdem da die Verſtoßung an ſich denen
Kindern ihr Erbrecht in dem elterlichen Vermoͤgen nicht ipſo
iure nimmt, ſo kommt es ja noch immer auf die Geſinnung
der Eltern an, ob ſie ſich ihres Rechts, das verſtoßene Kind
zu enterben bedienen wollen, oder nicht?
viusDec. 184. et 185. und Part. V. Deciſ. 152. et 153. be-
haupten, daß die Obrigkeit das Recht habe, Kinder ihres
Erh-
alend. liberis.
parens ſilium exheredare, ex iisdem poteſt ei denegare ali-
menta;
tern ſich einer Enterbungsurſach ſchuldig gemacht, z. B. ihre
Eltern groͤblich injurliret haben, und daß alsdann ihr Erb-
theil ihnen von dem Fiskus als unwuͤrdigen genommen wuͤrde,
wenn gleich ihre Eltern ſie deßwegen nicht enterbt haͤtten,
ſondern ohne Teſtament verſtorben waͤren. Allein dieſe Mei-
nung iſt in den Geſetzen nicht gegruͤndet, wie die Gebruͤder
Overbeck im 3. Band der Meditationen uͤber ver-
ſchiedene Rechtsmaterien Meditat. 170. S. 264 ff.
gezeigt haben. Vorzuͤglich aber vergleiche man stryk de
ſucceſſione ab inteſt. Diſſert. XII. Cap. II. §. 34. et 35.
§. 1286. in fin. und Hr. v. Globig in der angef. Preiß-
ſchrift S. 95. Not. *) und S. 127.
alend. lib. not. 39 bemerkt hat. Ihm pflichten bey voet in
Commentar. ad Pand. Tom. II. Lib. XXV. Tit. 3. §. 18. Io.
Ortw.westenberg in Princip. iuris ſecund. ord. Digeſtor.
Lib. XXV. Tit. 3. §. 22. und als eine Ausflucht gegen die
Alimentationsklage des Kindes fuͤhren eben dieſes boehmer
de actionib Sect. II. cap. I. §. 33. und Schmidt im Lehr-
buch von gerichtl. Klagen und Einreden §. 347. an.
T. I. Faſc. I. Obſ. 91.
liberorum ſui iuris factorum per ſeparationem vel nuptias.
Halae 1721. Cap. II. §. 2. gezeigt. Man vergleiche auch
riccius in Spicileg, iuris germ. pag. 475.
den Reflexionen zur Befoͤrderung einer gruͤndlichen Theorie
vom heutigen Gebrauch des roͤm. Rechts §. 20. S. 73. folg.
geruͤgt.
S. 404 f. Moſer Staatsrecht Th. XVIII. S. 38. u. 135.
Deßgl auserleſene Neichs-Hofraths-Concluſa
1. Stuͤck S. 33. ff.
foͤrml. Abfaſſung rechtlicher Aufſaͤtze. I. Th. II. Hauptabtheil.
3. Hptſt §. 63. Not. e.
Huld abeyben in Scriptis, quae de iure edidit, (Argentor.
1708. fol.) pag. 27. schilter in Praxi I. R. Ex. III. th. 16.
deludolf Obſervat. forens. P. II. Obſ. 165. wernher
Obſ. for. T. I. P. I. Obſ. 9. barth Hodoget. forens. Cap. IV.
§. 9 lit C. p. 728. leyser Spec. XXI. med. 3. et muͤller
ad Leyſerum T. I. Obſ. 101.
zen practiſchen Rechtsgelahrth. §. 966. S. 498.
tat. de adoptionib. et emancipationibus Principum §. 58. und
Moſer im Familienſtaatsrecht Th. 2. S. 780. ff.
tione minus plena. Altorf. 1759. 4.
Staatsrecht Theil XXII. p. 431.
Lib. I. Tit. VII. §. 10. pag. 93. und Struben in den recht-
lichen Bedenken 2. Theil Bed. 68. S. 254. ff.
rupto et irrite teſtam.
achtungen und Rechtsfaͤlle von Gmelin und El-
ſaͤßer, 2. Band Nr. XXI. §. 148 — 151. S. 228. ff.
telbladt a. a. O. S. 499. Es will zwar Heimburg
in Diſſ. de emancipat. Rom. et Germ. §. 84. einer ſolchen be-
ſondern Loslaſſung aus der vaͤterlichen Gewalt, welche bloß
wegen einer gewiſſen Handlung geſchiehet, alle Kraft und
Wirkung abſprechen, allein Eichmann in den Erklaͤrungen
des buͤrgerl. Rechts 3. Th. S. 433. hat ihn gruͤnd[l]ich wider-
legt.
Halae 1703.
S. 74.
pag. 91. ſqq. mit vieler Gelehrſamkeit erwieſen.
Sylburg.) Romanorum autem legislator (Romulus) omnem
poteſtatem patri dedit in filium, idque toto vitae tempore, —
etiamſi filius tractet rempublicam, etiamſi magiſtratus geſſerit
maximos, etiamſi ſtudii erga rempublicam laudem ſit pro-
meritus.
der, ſeine Enkel und Enkelinnen, ja uͤber die Kinder dieſer
Enkel, ſeine Urenkel, die vaͤterliche Gewalt. §. 3. I. de patr.
poteſt.
liberis ſui iuris factis a patre reſtituendis, nec non de prae-
mio emancipationis hodie ceſſante vel non ceſſante. Marburgi
1756. §. 18. pufendorf Obſervat. iur. univ. Tom. I.
Obſ. XCVIII. §. 17. ibique allegati DDres,Cramer Wetz-
lariſche Nebenſtunden Th. LXXXI. Nr. 7. S. 141. Hoͤpf-
ner im Commentar §. 163. S. 164. ibique Not. 11. allegati,
v. Globig a. a. O. S. 123. Not. *). Anderer Meinung
iſt leyser Spec. 164. med. 5. allein Hombergk hat ihn
a. a. O. gruͤndlich widerlegt.
Chriſtoph.harpprecht Diſp. de ſeparatione liberorum fami-
lias ab oeconomia paterna. Tubingae 1689. Vol. I. Diſſerta-
tion. Academicar. Diſſ. III. pag. 79 — 126. und Caſp. Gottfr.
ſchepler Diſſ. de iure liberorum vivis parentibus ſui iuris
factorum reſpectu ſucceſſionis in bona parentum. Halae 1752.
Schade, daß dieſe letztere Schrift, die nur Section. I. ent-
haͤlt, unvollendet geblieben iſt.
terbach ad Ius Prov. Würtemb. c. l. philippi uſ. pract.
Inſtitut Iuſtin. Lib. I. Tit. XII. Eclog. 77. n. 4. ſtryck
Uſ. Modern. Pandectar. h. t. §. 19. ſchepler cit. Diſſertat.
Sect. I. §. 27. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl.
Rechts 3. Th. S. 424.
civ. Rom. Germ. T. I. §. 621.
vom Jahr 1577. Tit. 32. §. 1.
in das Eherecht §. 193. stryck Uſ. Mod. Pandectar. h. t.
§. 20. Hr. v. Globig in der oͤfters angef. Preisſchrift
S. 120.
iuris germ. §. 500. hofacker cit. loco S. 484. Lud. Go-
dofr.madihn Princip. iur. Rom. P. V. §. 20. hommel.
Rhapfod. Quaeſtion. Forens. Vol. V. Obſ. 667. n. 2. p. 300.
cipat. rom. et germ. capit. §. 78.
Pandect. h. t. § 15. allein man kann, was teutſche Sitten
anbetrift, ſeinem Zeugniß nicht wohl trauen. Daß indeſſen
die erlangte Volljaͤhrigkeit des Kindes auf die Rechte der vaͤ-
terlichen Gewalt nicht ohne allem Einfluß ſey, iſt gewiß. Denn
was der volljaͤhrige Sohn durch ſeine Arbeiten erwirbt, oder
geſchenkt erhaͤlt, darf er nicht mehr ur Maſſe des in der
Adminiſtration des Vaters ſich befindenden Vermoͤgens ſchla-
gen, dieſes bleibt ſeiner voͤlligen Dispoſition uͤberlaſſen. In
ſo weit kann alſo der Sohn auch Schulden kontrahiren. Fer-
ner uͤber ein volljaͤhriges Kind duͤrfen die Eltern das Zuͤch-
tigungsrecht nicht mehr ausuͤben, welches ſich blos auf die
Erziehung und Bildung zum buͤrgerlichen Leben einſchraͤnkt, die
alsdann fuͤr vollendet zu achten iſt. Sie muͤſſen daher ihre
Klagen bey der Obrigkeit anbringen, obwohl ihnen eine Ue-
bereilung in der Hitze des Zorns wohl zu verzeihen iſt. S.
Hr. v. Globig in der Preißſchrift S. 122. u. 123.
niani in Germania Vitembergae 1715.
XI. Abſchn. S. 590 und folg.
voͤlligen Dispoſition der Kinder uͤberlaſſen, und daher dem
vaͤterlichen Nießbrauch nicht unterworfen iſt. Dahin gehoͤrt pecu-
lium militare, auch peculium adventitium irregulare. Hat der
Sohn ein ſolches Vermoͤgen, ſo ceſſirt das SCtum Macedonianum.
L. 1. §. fin. L. 2. D. de SCto Macedon. Nov. CXVII. Cap. I.
§. 1. Conf. Lud. God.madihn in Princip. iuris Rom. P. V.
§. 19. nr. 1.
forens. T. I. P. I. Obſ. 9. stryk Us. Mod. Pand. h. t.
§. 19. vorzuͤglich aber hommel in Rhapſod. Quaeſtion. For.
Vol. I. Obſ. 162.
Conf. harpprecht c. D. §. XIX. n. 101. §. XXIX. n. 176.
hommel Rhapſod. Quaeſtion. Forenſ. Vol. V. Obſ. 667. n. 30.
Hoͤpfner im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 463.
S. 164. u. a. m. Einer andern Meynung iſt jedoch Hr. Reg.
R. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts 3. Th.
S. 431.
Obſ. 115.
Lib. IV. Tit. II. §. 16. pag. 1248. und mehrere noch aͤltere
Rechtsgelehrten, welche mit ihren Gruͤnden Harpprecht
in der oͤfters angefuͤhrten Diſſertat. §. 51. anzeigt; unter den
neuern iſt Prof. Madihnin Princip. iuris Rom. P. V. §. 20.
dieſer Meynung.
S. 61. und hommel Rhapſod. Quaeſtion. For. Vol. V. Obſ.
667. n. 29.
Obſervat. forens. Tom. I. Part. III. Obſervat. 248. und Gottfr.
Reinb.koeselis Diſſ. de tacita eaq. particulari emancipatione
iure domeſtico fundata Vit. 1724.
vorzuͤglich aber Chriſt. Ilenr.breuning Diſſ. an, ſi a patre
filio ſuo petatur curator, hoc involvat emancipationem taci-
tam. Lipſiae 1770.
(Berlin und Stralſund 1789.) S. 18. folg. Lud. God. ma-
dihn Princip. Iur. Rom. P. V. §. 2. in fin. Einer andern
Meynung ſind jedoch harpprecht cit. Diſſ. §. 46. n. 236.
und Iuſt. Henn. boehmer in Iur. Eccl. Proteſt. Tom. III.
Lib. IV. Tit. II. §. 13. et 14. pag. 1247.
ab inteſt. L. 3. Cod. de iure delib.
que allegati DDres. Man ſehe auch die beym vorigen §.
Not. 43. angefuͤhrte HombergiſcheDiſſertat. §. XIX. und
Joh. Ulr. von Cramer: ob das praemium emancipationis
noch heut zu Tage in praxi camerali im Gebrauch ſey? in
Deſſelben Wetzlar. Nebenſtunden Theil LXXXI.
p. 117.
rum et emancipatorum in ſucceſſione inteſtati §. 13. und Hr.
Kanzler koch de ſucceſſione ab inteſtato §. 6. pag. 18.
Io. Ge.bauſch Diſſ. de ſubſidio parentum collationi obnoxio.
Goetting. 1773.
vulgo Ausſteuer, praeter dotem in pactis dotalibus promiſſo,
eiusque iure, quum maritus foro ceſſit. Marburgi 1744. Man
vermiſche dieſe Ausſtattung einer heyrathenden Tochter
nicht mit dem Brautſchatz oder Heyrathgut, dos,
denn dieſes wird dem Ehemann in der Abſicht, um ihn die
mit der ehelichen Beyhuͤlfe verknuͤpfte Laſten und Ausgaben
zu erleichtern, zugebracht. S. Henr. Gottl.pierer Diſſ. de
differentia dotis, et inſtructus muliebris. Lipſiae 1761. Der
Name Vaderphium, den wir in den Geſetzen der Longobarden
verſchiedenemal finden, und welcher nach Heineccius
Elem. iur. germ. Lib. I. §. 241. und Puͤtterin Elem. iur.
germ. §. 229. aus den Worten Vater und Vieh zuſammen
geſetzt zu ſeyn ſcheinet, bedeutet ebenfalls ſo viel als Aus-
ſteuer, welche bey den alten Teutſchen meiſt in Vieh be-
ſtand. S. Chriſt. Henr.breuning Diſſ. de vaderphio ve-
terum Germanor. Lipſiae 1752.
Meinung Specim. CLXIV. medit. 5. rechtfertigen. Mit mir
ſtimmt auch Hr. von Globig in der angef. Preißſchrift
S. 123. Not. *) uͤberein.
rorum per elocationem et diviſionem. Gieſſae 1711. Eine
andere Art der Abfindung der Kinder iſt diejenige,
welche an den Orten vorkommt, wo Gemeinſchaft der Guͤter
unter den Eheleuten obwaltet. Sie geſchiehet erſt nach dem
Ableben eines der Eltern, und beſtehet darm, wenn die Ge-
meinſchaft zwiſchen dem uͤberlebenden Ehegatten und den Kin-
dern, ſo bisher fortgeſetzet worden, durch die Theilung auf-
gehoben wird. Selbige wird daher auch eine Abtheilung,
Abſonderung auch Schichtung genennt. Eine ſolche
Abfindung hebt die elterliche Gewalt nicht auf, ſondern nimmt
dem abgefundenen Kinde nur ſein Erbrecht, weil es ſeinen
An-
Reſp. CCX. n. 21. S. 549. Struben rechtl. Bedenken
II. Th. Bed. 70. Chriſt. Henr. breuning Diſſert. an ſepa-
ratio liberorum involvat renunciationem hereditatis paternae
Lipſiae 1772.
gleiche vorzuͤglich Herm. Ge.bünekau Diſſ. de ſeparatione
liberorum ex iure germanico. Goettingae 1752. und Weſt-
phal teutſches Privatrecht II. Theil 46. Abhandl. S. 49 folg.
factorum per ſeparationem et nuptias, in eiusExercitat. ad
Pandect. Tom. I. pag. 913. ſqq. Ge. Lud.boehmer in Prae-
fat. ad cit. Tom. I. Exercitat. Sam. decocceji in iure civ.
controverſo h. t. Quaeſt. XII. Not. p. 110. lynker Cen-
tur. I. Deciſ. 97. u. a. m.
Batavor. 1786. §. 2.
patriae poteſtatis. theſ. 32. et 33. deselchow in Element.
iur. germ. priv. hod. §. 500. hofacker in Princip. iuris
civ. Rom. germ. T. I. §. 622. Not. f. pag. 486. grupen
Diſceptat. forens. Cap. II. membr. 3. S. 204. ſqq. Frid. Eſ.
apufendorf Obſervat. iur univ. Tom. III. Obſ. 1. rein-
harth ad Chriſtinaei Deciſion Vol. IV. Obſ. 27. Io. Chriſt.
koch Diſſ de liberis ſuis heredibus ad probationem abſten-
tionis non obligatis. (Gieſſae 1766.) §. 3 — 5. Hoͤpfner
im Commentar uͤber die Inſtitutionen §. 506. not. 2. Ge.
fein Diſſ. de herede ſuo ſub conditione inſtituto (Goetting.
1777.) §. 5. u. a. m.
Syſtem des roͤmiſchen Rechts uͤber die Arten der Sachen,
Beſitz, Eigenthum und Verjaͤhrung. Leipzig 1788. 8.
Auſſerdem haben dieſe Lehre ſehr gut vorgetragen Hr. Hofr.
hofacker in Princip. iuris civ. Rom. Germ. Tom. II. P. I.
Lib. III. und Hr. von Tevenar in dem Verſuch uͤber die
Rechtsgelahrheit. I. Th. 9. u. 10. Abſchnitt.
Sache, alles auf der Erde, ſo fern es ein Verhaͤltniß ge-
gen des Menſchen zeitlichen Vortheil hat. Unſer Autor hin-
gegen ſagt: Dicitur resomne id, quod in bonis eſt vel eſſe
poteſt: und ſo definiren mehrere Rechtsgelehrten eine Sache.
Allein ich habe mir hier die mehr gelaͤuterten Begriffe des
Hrn. von Reinhards in der Sammlung juriſt philoſoph.
u. kritiſcher Aufſaͤtze I. Th. IV. Stuͤck. N. VI. S. 272. u. f.
zu Nutze gemacht. Daß uͤbrigens das Wort res in unſerm
Iure noch mehrere Bedeutungen habe, iſt aus brissonius de
Verbor. Significat. voc. Res zu erſehen. Add.Eichmann
Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts IV. Th. S. 37. folg.
Stelle findet man bey Ioſeph.finestres in Hermogenian.
Tom. I. pag. 656. folgg.
Iuſtinian. pag. 599.
L. 97. D. de Verbor. Significat.
lung de pecunia, in ſo fern man darunter gepraͤgtes Me-
tall verſtehet, findet man in B.branchu Obſervation ad
ius Roman. decad. altera cap. XI. XII. XIII. et XIV. Add.
Car. Frid.haeberlin Diſſ. de uſufructu pecuniae. Erlan-
gae 1783. §. 2 — 5.
Dominii, in Deſſelben Sammlung juriſtiſcher,
philoſoph. u. kritiſcher AufſaͤtzeI. Band IV. Stuͤck,
N. IV. S. 245. u. folgg.
Diſſ. de natura et uſu diviſionis rerum in res divini et humani
iuris, illarumque in ſacras, religioſas et ſanctas. Vitembergae
1729. 4.
theilung, ſondern ſagt im §. 7. I. h. t.nullius autem ſunt
res ſacrae, et religioſae et ſanctae. Allein er fuͤgt gleich hin-
zu: quod enim divini iuris eſt, id nullius in bonis eſt. Hier-
durch beſtaͤtigt er alſo offenbar den Begriff der Alten, welche
lehrten, das res divini iuris in keines Menſchen Eigenthum
ſich befaͤnden, ſondern zum goͤttlichen Eigenthum gehoͤrten.
per Pontifices Deo conſecratae ſunt: veluti aedes ſacrae, et
donaria, quae rite ad miniſterium Dei dedicata ſunt. Dona-
ria heißen hier die Altargefaͤße, und Kleidungen, ſo man zum
Gottesdienſt ſchenkte. S. theophilus in paraphraſi graeca
ad h. l. Inſtitut. et L. 21. Cod. de SS. Eccleſ.
bewahrte, hieß Sacrarium. Dieſer Ort brauchte nicht ge-
weihet zu ſeyn. L. 9. §. 2. D. h. t.
hae, quae publice conſecratae ſunt, non private. Richtiger
leſen die Florentiniſchen Pandecten privatae, und die Baſilica
beſtaͤtigen dieſe Leſeart.
nia, qua urbes condebantur, ex antiquitate Romana. Vitem-
bergae 1731. recuſ. 1745. 4.
androDier. genial. lib. VI. c. 24. varrode ling. lat.
IV. 32. Coel.rhodigin. Lib. XIV. c. 5. alciatusad
L. 239. §. urbs de Verbor, Significat.
cap. 14. Ioſeph.finestres in Hermogenian. Tom. II. pag.
753. ſqq.Weſtphal im angef. Buche §. 7. et 10.
num defenſum atque munitum eſt. L. 9. §. 3. D eodem:
Proprie dicimus Sancta, quae neque ſacra neque profana ſunt,
ſed ſanctione quadam confirmata. Quod enim ſanctione qua-
dam ſubnixum eſt, id ſanctum eſt, etſi Deo non ſit conſe-
cratum.
civitatis, quodammodo divini iuris ſunt; et ideo nullius in
bonis ſunt. Die Leſeart, oder Erklaͤrung des Chriſtph. ric-
cius in Vindiciis iuris cap. 7. bey ottoTheſ. iur. Rom.
Tom. II. col. 775. welcher die Worte: Sanctae quoque res,
veluti muri, fuͤr einen beſondern Satz, dann die Worte: et
portae civitatis quodammodo divini iuris ſunt, fuͤr einen
zweyten Satz haͤlt, iſt ganz irrig. Denn daß man in dem
neuern Recht zwiſchen Thoren und Mauern keinen Un-
terſchied gemacht, erhellet aus mehrern Geſetzſtellen der Pan-
decten. S. L. 1. pr. D. h. t. L. 2. D. ne quid in loco ſacro.
Verſtehet man nun unter ſanctum alles, auf deſſen Verletzung
eine beſondere harte Strafe geſetzt iſt, ſo waren Thore ſo
heilig und unverletzlich, als die Stadtmauern, wie auch
d’arnaud a. a. O. pag. 92. ſchon gegen riccius erinnert
hat. Endlich beſtaͤtiget auch theophilus in ſeiner griechiſchen
Paraphraſe die gemeine Leſeart, welcher τείχη καὶ πύλαι
zuſammenſetzt. Die ganze Stelle des theophilus lautet
nach der Ueberſetzung folgendermaßen: Res ſanctae, ut muri
portaeque, quodammodo divini iuris ſunt, et propterea a ne-
mine poſſidentur.
§. 461.
piarum favore. lenae 1736. und Ern. Godofr. Chriſt.klügel.
Diſputat. de extenſis piarum cauſarum privilegiis. Vitemb.
1761. 4.
und jede Sachen genennt, die einer Kirche gehoͤren, und dar-
unter alſo auch res ſacrae begriffen. In dieſem weitlaͤuftigen
Verſtande werden den rebus eccleſiaſticis die res ſaeculares ent-
gegen geſetzt, und darunter alles dasjenige verſtanden, quod
ad eccleſiam non pertinet. S. Hrn. GJR. Boͤhmerin
princip. iur. canon. §. 457. u. 458.
oelrichs in Theſ. novo Diſſertat. Belgicar. Vol. II. Tom. I.
N. 3. Cap. 2. in welchem de religione terminorum mit vieler
Gelehrſamkeit gehandelt wird. Add. Car. Wilh.müller
Diſſ. de crimine termini moti. Lipſiae 1752.
delt bynkershoek in Opuſc. T. II. Fr. Car.conradiHelmſt.
1739. 4. Ger.meermann. Lugd. Batavor. 1741. Andr.
El.rossmannHalae 1740. und Carl Ferd. hommelLip-
ſiae
appellabant, quae ita abalienabantur, ut ea abalienatio per
quandam nexus fieret ſolennitatem. ulpianusFragm. Tit.
XIX. §. 3. Mancipatio propria ſpecies alienationis eſt rerum
mancipi. War eine res mancipi durch ſimple Uebergabe, oder
durch einen andern modum acquirendi naturalem auf jeman-
den gebracht worden, ſo erlangte dieſer kein buͤrgerliches, ſon-
dern das bloße natuͤrliche Eigenthum, welches zwar das Recht
uͤber eine Sache zu diſponiren, ſo lange man ſie beſitzt, und
von einer perſona obligata ſie zuruͤckzufordern, aber nicht
das ſtrenge Recht giebt, die Sache von jedem dritten, auch
unſchuldigen Beſitzer zu vindiciren, der ſie ſonſt ganz recht-
maͤſig an ſich gebracht hat. Denn dies war eine Wirkung
des quiritariſchen Eigenthums Daher ſagt ulpianusFragm.
Tit. I. §. 16. Wenn ein roͤm. Buͤrger einen Sclaven von
einem andern roͤmiſchen Buͤrger gekauft hat, der aber ohne
Mancipation dem Kaͤufer nur ſimpel tradiret worden, ſo er-
lange derſelbe an dem Sclaven kein buͤrgerliches, ſondern ein
bloßes natuͤrliches Eigenthum. Ulpian druͤckt dieſes fol-
gendermaßen aus: is ſervus in bonis quidem emtoris eſt: ex
iure Quiritium autem venditoris eſt. S. Io. Hartw.reu-
ter aenigmatis, quod Imperatori L. un. Cod. de nudo iure
Quirit. toll. viſum, in dominio quiritario ac bonitario ſolu-
tio. Halae 1755.
forens. T. III. P. I. Obſ. 13. und pufendorf Obſervat. iur.
univ. T. II. Obſ. 79.
dectenrechts I. Band §. 154. u. folgg.
cium eſt emendi vendendique invicem ius.
nec mancipi. Harum rerum dominia ipſa traditione adpre-
hendimus, ſcilicet ſi ex iuſta cauſa traditae ſunt nobis. Die
letztern Worte zeigen an, daß bey Erwerbung des buͤrgerli-
chen Eigenthums ſolcher rerum nec mancipi ein Rechtstitel
vorhergehen mußte, der die Abſicht, den andern zum Eigen-
thuͤmer zu machen, anzeigte, und die Verbindlichkeit zur Ue-
bergabe wirkte.
rum. Lipſiae 1729.
matthaei ad §. 8. I. de R. D.
fuͤhrlich kemmerich in der beym vorigen §. Not. 15. ange-
fuͤhrten Diſſertat. Cap. I. §. 9. folgg.
ritu more et legibus priſci funeris. Paris 1615. 8. recuſ.
Lipſiae 1671. 8. Io.kirchmann de funeribus Romanorum
Francof. 1672. 8. retes Relect. ad L 6. Cod. de religioſis
in Theſ. Meermann. Tom VI. B.brissonius Antiquit. Sel.
Lib. II. c. 15. Sam. Frid. willenberg de rebus religioſis,
in Disceptat. iur. N. 14. und Ge. Chr.platz de religione
ſepulchrorum. Lipſ. 1725.
Grabſtaͤtte auf den alten Steinſchriften aeterna ſedes genennt.
S. ferretius Muſaeo Lapid. III. 30. und Ev.otto in
Commentar. ad §. 9. I. h. t.
ſua voluntate facit, dum mortuum infert in locum ſuum —
Sed et in alienum locum, concedente domino, licet inferre.
Et licet poſtea ratum habuerit, quam illatus eſt mortuus, re-
ligioſus locus fit. Haloander und einige andere leſen vier
ratum non habuerit. Allein das non iſt unſtreitig ein Fehler,
und wegzulaſſen. Denn in der Florentiniſchen Handſcheift
findet es ſich nicht, wie augustinus Emendat lib. l. c. 2.
bezeugt. Auch iſt es in den Baſiliken nicht anzutreffen,
und theophilus in Paraphraſi graeca ad §. 9. I. eod. nimmt
es ebenfalls nicht an. Der Sinn dieſer Worte iſt alſo nach
der richtigen Erklaͤrung des Charondas dieſer: Religioſus
locus fit, quamvis non concedente domino primum illatus fuerit
mortuus: modo id poſtea ratum habuerit.
neque ſacer, neque ſanctus eſt, neque religioſus: ſed ab omni-
bus huiusmodi nominibus vacare videtur.
placet, niſi conſentiente uſufructuario, locum religioſum non
facere. Eben dieſes lehren auch L. 2. §. 7. D. de religioſ.
und L. 17. D. de uſufr. Nur der Erbe, deſſen Erblaſſer
Jemanden den Nießbrauch eines Grundſtuͤcks vermacht hat,
kann, wenn es an einem andern Platze fehlt, wider Willen
des Nutznießers den Erblaſſer auf ſolches Grundſtuͤck begra-
ben. LL. cit. 2. et 17. Der Nießbraucher kann aber auch
umgekehrt ohne Einwilligung des Proprietaͤrs keine Grab-
ſtaͤtte auf dem Grundſtuͤcke anbringen. L. 2. §. 1. et 7. D. de
religioſ.
Obſervat. iuris Rom. lib. I. cap. V. p. 22. merillius Obſ.
I. R. lib. II. cap. 40. marckart Interpretat. receptar. Iur.
Civ. lectionum Lib. II. cap. 19. und Herm. gannegieter
Obſervat. Iur. Rom. lib. I. c. 14.
ligioſum eſſe, ubi, quod eſt principale, conditum eſt, id eſt,
caput, cuius imago ſit, inde cognoſcimur, werden ſehr ver-
ſchieden geleſen. Die Florentiniſche Leſeart, cuius imago fit,
iſt offenbar fehlerhaft. Haloander lieſet, oder interpolirt
vielmehr die Worte folgendergeſtalt: unde, qualis cuiusque
imago ſit, cognoſcitur. Die richtigſte Leſeart haben unſtreitig
Hugo aporta, Robertusstephanus und Lud.blau-
blommius; cuius imago ſit, unde cognoſcimur.
tet auch, daß Marcian das Reſcript der divorum Fratrum
gekannt haben muͤſſe, weil er ſonſt die kaiſerlichen Verordnun-
gen genau anfuͤhrt; uͤberdem die Reſcripte der divorum Fra-
trum ſchon laͤngſt von papirius iustus geſammelt geweſen;
und wenn auch eines und das andere in dieſer Sammlung
nicht geſtanden, dennoch Marcian dieſe leicht wiſſen koͤn-
nen, da er in Auditorio Principis geweſen, und ihn das Archiv
offen geſtanden.
Iac.gothofredus Diatr. de Cenotaphio in Otton. Thef.
T. III. vangoens de Cenotaphiis Diatriba, gaudentius in
Iurid. Expoſit. Lib. I. cap. 15. Corn. vanbynkershoek in
Obſerv. iur. Rom. lib. I. c. 5. Abr.wieling in lectionib.
iur. civ. lib. II. c. 2. Hermcannegieter Obſervat. iur.
Rom. lib. III. c. 5. schroderus in Obſervat iur. civ. lib. II.
c. 5. vanvryhof Obſ. iur civ. cap. 10. Hieron. Ioan. arn-
zenius Miſcellan. iur. Cap. III. pag. 28. M. Aurel. galva-
nus de uſufructu Cap. XXX. n. 2. pag. 366. ſqq. gutherius
de iure manium lib. II. cap. 18. und Weſtphal in dem an-
gef. Buch S. 18. folg.
viol.pliniuslib. X. ep. 69. et 70. L. 1. Cod. de relig.
L. 14. C. eodem.
tuorum per territorium alienum ad L. 3. §. 4. D. de ſepul.
viol. Vitembergae 1734. §. 2—10.
diction beſchreibt aus dem Pontificali Romano ſehr ausfuͤhr-
lich Gottlieb Slevogt von den Rechten der Altaͤre,
Taufſteine ꝛc. Cap. II. §. 3. u. 4. add. P. Andr.ruedel Diſſ.
de eccleſiarum et altarium conſecratione. Heidelbergae 1754.
et Ant.schmidt Inſtitut. iur. eccleſ. germ. Tom. I. Cap. II.
Sect. II. §. 290. et not. **).
Slevogt a. a. O. §. 10. S. 100.
nullius bonis ſunt.
Conf. westphal. Interpretat. iur. civ. de libertate et ſervitut.
praedior. Sect. II. cap. 11.
D. de religioſ. L. 9. §. 5. D. de diviſ. rer.
nones Partis II. Tom. I. cap. 39. pag. 244. (edit. Venet.)
de SS Eccleſ. und des AnaſtaſiusL 17. C eodem, welche
K. Carl der Große ganz allgemein beſtaͤtigte, in baluzii
Capitular. Tom I lib. I. col. 746. S. riegger Inſtitut.
iurisprud. eccleſ. P. III. §. 301. u. 302.
im Syſt. des R. R. uͤber die Arten der Sachen ꝛc. S. 23.
Verhaͤltniß der Kirchenſtiftungen gegen die Staatsgewalt (un-
ter den Abhandlungen zur Erlaͤuterung des
Weſtphaͤl. FriedensII.Bandes Einleitung)
§. 7. behauptet, daß dem Staate ein Obereigenthum,
den Gemeinden aber nur ein Untereigenthum zuſtehe.
Allein man vergleiche die Abhandlung uͤber die Verwen-
dung des Kirchenvermoͤgens in dem Archiv fuͤr die
theoret. u. pract. Rechtsgelahrtheit von Hagemann und
GuͤntherII. Theil N. 1.
n. 5. ſqq. pag. 378 — 380. ſucht jedoch aus vielen Gruͤnden
zu beweiſen, daß dem Patron das dominium directum uͤber
die von ihm geſtiftete Kirche und deren Guͤter zukomme.
ſtuͤhlen findet man in Dr. Joh. Chriſt Conr. Schroͤters
vermiſchten juriſtiſchen Abhandlungen II. Band (Halle 1786.
8.) S. 322—362.
ner in Obſervat. iur. eccleſ. Obſ. 100.
eccleſiaſticorum commercio. Vitembergae 1769. 4.
ſubſelliis templorum Cap. I. §. 10. Einer andern Meinung
iſt leyser Spec. XXII. med. 4.
Conſiſtor. Lib. II. Tit. XXIII. definit. 364. n. 2. et 3. und de-
ſinit. 363. n. 6. 7.
3. Hauptſt. §. 13. u. 20.
in Opuſc. Tom. II. opuſc. 8. leyser Meditat. ad Pandect.
Spec. XXIV. schollmayer Diſſ. de rebus eccleſiae non
alienandis. Moguntiae 1780.
des Domkapituls erfordert, cap. fin. de his quae fiunt a maio-
ri parte. S. auch Struben Nebenſtunden 1. Th. 1. Abh.
§. 18. pag. 144 — 150.
iurisprud. eccleſ P. III. §. 309. ſqq.Eybel im kathol. Kir-
chenrecht IV. Th. 2. Band §. 401.
S. 83. u. 84. boehmer in Iure Eccleſ. Proteſtant. T. II.
Lib. III. Tit. XIII. §. 44.
§. 312. G. L.boehmer Princip. iuris Canon. §. 623.
Qu. 2.
Unterthanen, Perſonen und Vermoͤgen, Cap. 24. von Sa-
chen, die keinen Eigenthumsherrn haben.
Dan. nettelbladt Theoria general. doctrinae de iure in
re, quae eſt res nullius. Halae 1779. 4.
functi vicem ſuſtinet, repraeſentat defuncti perſonam, defuncti
locum obtinet etc. S. Princip I. de ſtipulat. ſervor L 34.
D. de acquir. rer. dominio. L 31. §. 1. D. de heredib. in-
ſtituend. Daß man ſich aber bey einer Erbſchaft, welche der
Erbe noch nicht angetreten, nach roͤmiſchen Begriffen den
verſtorbenen Erblaſſer noch als Eigenthuͤmer gedenken
muͤſſe, und was das fuͤr Folgen haben koͤnne, lehrt Her-
mogenianL. 61. D. de acquir. rer dom. Hereditas in
multis partibus iuris pro domino habetur, adeoque hereditati
quoque ut domino per ſervum hereditarium acquiritur. Man
vergleiche hierbey finestres in Hermogeniano Tom. II.
pag 928. Ja die Geſetze unſerer Pandecten ſagen ſogar, quod
qualisqualis in hereditate defuncti poſſeſſio ſit. L. 88 D. de
acquir. vel omitt. heredit Es verſtehet ſich von ſelbſt, daß
von keinem eigentlichen Beſitz die Rede ſeyn kann, ſo wie
der
Satz: hereditas iacens defuncti perſonam ſuſtinet noch meh-
rere andere Folgen, wie Henr. kellinghusen in Diſſ. de
legibus nonnullis Romanor. Franequ. 1744 (in oelrichs
Theſ. nov. Diſſertat. iuridicar. Vol. II. T. II. N. 1.) cap. XXI.
zeigt. Ich will nur ein paar Worte daraus anfuͤhren: Here-
ditas iacens repraeſentat defuncti perſonam, hoc eſt, manet poſt
mortem cuiusque ſtatus eius externus quoad bona. Ergo con-
dictio furtiva, licet ex delicto oriatur, in heredem eſt danda.
Ergo recte dixit Imperator, ſi tantummodo eſſet perſecutoria
ex lege Aquilia actio, in heredem competituram etc.
S. 10. Zwar ſcheint §. 2. I. de hered. inſtitut. entgegen zu
ſeyn, in welchem geſagt wird: nondum adita hereditas per-
ſonae vicem ſuſtinet, non heredis futuri, ſed defuncti; allein
dieſes
licher Beſitz iſt facti, und erfordert koͤrperliche Detention der
Sache; dieſe iſt beym Verſtorbenen aber nicht denkbar. Son-
dern das Geſetz ſagt qualisqualis poſſeſſio: hoc eſt, wie es
averanius Interpretat. iuris T. II. Lib IV. cap. XXII. n. 17.
p. 120. erklaͤrt, eiusmodi, ut poſſit iungi cum poſſeſſione fu-
turi heredis, nec per defuncti mortem interrumpatur. Dieß
beſtaͤtiget L. 30. pr. D. ex quib. cauſ. maior. poſſeſſio defancti,
quaſi iuncta, deſcendit ad heredem, et plerumque nondum
hereditate adita completur.
de Rer. diviſ. S. Io. Tob. richter Diſſ. de mobilibus pri-
vatorum rebus inter arma captis et alienatis. Lipſiae 1746. 4.
principaliter ſeu immediate vicem perſonae defuncti ſuſtinet,
non heredis futuri, niſi per conſequentiam, wie man aus pr.
I. de ſtipulat. ſervor. ſiehet. Denn ſobald der Erbe die Erb-
ſchaft angetreten, tritt er an die Stelle des Erblaſſers, und
repraͤſentirt nun deſſelben Perſon. Conf. nettelbladt cit.
Diſſ. Sect. I. §. 5.
§. 1. D. de Acquir. vel amitt. poſſ. §. 18. I. et L. 3. D. de
Rer. Diviſ.
vi aut clam.
auf dem Seinigen freyſtehe, oder ob nur der Landesherr
dergleichen thun, und alſo nur er das Recht, ſie zu erbauen,
andern ertheilen koͤnne? iſt zwar eine unter den Staatsrechts-
lehrern ſtreitige Rechtsfrage, welche hier auſſer meiner Sphaͤre
liegt; indeſſen ſtimmen darin die meiſten heutigen Rechtsge-
lehrten mit mir uͤberein, daß fuͤr die natuͤrliche Freyheit der
Unterthanen die Vermuthung ſtreite. Man vergleiche me-
vius Tom. II. P. IX. Deciſ 72. pufendorf Obſervat. iur.
univ. Tom. II. Obſ 45. hommel Rhapſod. Quaeſtion. Fo-
renſ. Vol. I. Obſ. 216. Struben rechtl. Bedenken II. Th.
Bed. 48. S. 165. wernher Obſerv. ſelect. for. T. I. P. II.
Obſ. 382. eiusdemq. Supplem. novo. leyser Meditat. ad
Pand. Spec. CCCCXXVI. med. 8. Puͤtter auserleſ. Rechts-
faͤlle II. Bandes IV. Theil Reſp. 238. 14te Frage S. 1060. f.
Faber Staatskanzley III. Th. C. 7. Faſc. 2. S. 650. ſqq.
Weſtphal teutſches Privatrecht II. Theil, 52. Abhandl.
S. 158. ff u. a. m. Wie ſehr bey dieſer Frage die teutſchen
Landesgeſetze und Gewohnheiten von einander abweichen, hat
Ge. Henr. ayrer in Proluſ. de diverſitate legum ac conſue-
tudinum germanicarum circa regale molarum. Goettingae 1772.
gezeigt.
§. 1. D. ne quid in loco publico fiat. In dieſer letztern Stelle
heißt es: Maris communem uſum omnibus hominibus, ut
aëris: iactasque in id pilas, eius eſſe, qui iecerit; ſed id con-
cedendum non eſſe, ſi deterior litoris marisve uſus eo modo
futurus ſit. Pilae iactae heißen hier aufgeſtellte, aufgerich-
tete, eingeſetzte Pfeiler, ſo erklaͤrt es Hr. Prof. westphal
in Interpretat. iuris civ. de libertate et ſervitut. praedior. Séct. II.
Cap. IX. §. 165. Not. 132. Es kann aber auch darunter ein
mit Steinen ausgefuͤllter Grund im Meere (moles in mare
iacta, L. 2. §. 8. eod.) verſtanden werden, worauf ein Ge-
baͤude errichtet werden kann. S. brissonius de Verbor.
Significat. v. Pila.
huber Digreſſion. Iuſtinian. lib. IV. cap. 13. Der Streit
uͤber die Freyheit und das Eigenthum des Meers zwiſchen
grotius de mari libero (hinter ſ. Werk de iure Belli ac Pa-
tis) und seldenus de mari clauſo Londini 1636. 8. iſt be-
kannt. Seldens Gruͤnde hat Huber widerlegt a. a. O.
cap. 14. 15. 16.
Imp. Rom. Germ. circa maria. Lipſiae 1744. Add. buder
Diſſ. de dominio maris ſuevici, vulgo lacus Bodamici. Ienae
1742. (in wegelinTheſ. rer. ſuevic. Vol. IV.) und Fr.
Ludw. von Cancrin Abhandl. vom Seerecht §. 57.
letztern Stelle ſagt Juſtinian:Eſt autem litus maris, qua-
tenus hibernus fluctus maximus excurrit. averanius Inter-
pretat. iuris T. I. Lib. I. cap. 20. n. 3. und maiansius Diſſ.
de litore maris in Diſſertat. T. H. n. 70. machen hierbey die
Bemerkung, daß fluctus hibernus nicht die Anſchwellung im
Winter anzeige, welche zu ſolcher Zeit nicht immer die groͤßeſte
zu ſeyn pflege. Hibernus fluctus heiße vielmehr ſoviel als
fluctus tempeſtate agitatus, alſo jede Anſchwellung der
See bey Sturm und Ungewitter. Auf die Jahres-
zeit kaͤme es hier nicht an. Denn Hiems heiße nicht blos
die ungeſtuͤme Witterung zur Winterszeit, ſondern jedes
Ungewitter zur See (tempeſtas maris irati). Allein
cannegieter in Obſervat. Iur. Rom. Lib. II. cap. 4. hat ihn
aus der Erfahrung widerlegt, und beruft ſich auf die Zeug-
niſſe
naufrag.
pretat. de libert. et ſervit. praedior. §. 167.
das Ungeſtuͤm und Aufbrauſen des Meeres zur Winterszeit
am groͤßeſten ſey.
mentis iuris ſupremae poteſtatis circa adeſpota ex iure publico
univerſali, iure Rom. et iure publico German. Goettingae
1789. 4.
dect. Specim. XXV.
de rer. diviſ. Conf. westphal de libert. et ſervit. prae-
dior. Sect. II. c. 10.
L. 10. §. 2. D. de aqua pluv. L. un. §. 1. et 4. D. ne quid in
flum. publ.
publ. navig.
L. un. §. 6. D. ne quid in flum. publ. Conf. westphal de
libert. et ſervit. praedior. c. l. §. 184 — 187.
§. 182. 183.
cap. 4. et Vinc.bartolucci Diſſ. de viis publicis. Romae
1786. 4.
Geſetzen res publicae im weitlaͤuftigen Verſtande alle diejeni-
gen Sachen genennt, welche nicht einzelne Perſonen zu Eigen-
thuͤmern haben, ſondern zum Eigenthum eines ganzen Staats
oder einer einzelnen Gemeinheit gehoͤren. L. 1. pr. D. h. t.
rechts I. Th. 5. Buch §. 42.
und westphal de libert. et ſervitut. praedior. Sect. II. c. 3.
§. 65. not. 63.
485. Runde Anmerkungen zu Buri S. 77. Schnaubert
Erlaͤuterung [des Lehnrechts] §. 59. S. 95.
ſaris, res Principis privata, dominica. L. 6. §. 1. L. 9. C.
de iure fiſci, L. 1. C. de offic com rer. privatar. L. ult. C.
de agr. et manc. domin. rer. Conf. gutherius de officiis
domus Aug. lib. III. cap. 25. ſqq. und A. F.rivini Diſſ. de
bonis principis patrimonialibus. Lipſiae 1737.
toriis Germaniae. Lipſiae 1780. Schnaubert Anfangs-
gruͤnde des Staatsrechts der geſammten Reichslande 3. Buch
5tes Hauptſt S. 110. ff.
Schnaubert Beytraͤge zum T. Staats- und Kirchenrecht
II. Th. N. II. S. 127 ff. und Io. Audr.hoffmann Diſſ. de
rebus Princibus S. R. I. regentibus ad imperium, dignitatem
et perſonam publicam, ſuſtinendum dicatis. Marburgi 1774.
winckler Diſſ. de iure circa flumina. Kiel 1758.
niß des Landesherrn keine Muͤhlen anlegen, stryk Diſſ de
iure prohibendi exſtructionem molendinor. hering de mo-
lendinis Qu. 15. n. 20. ſq.Weſtphal teutſches Privatrecht
II. Th. 52. Abh. §. 3.
de iure viarum publicarum regali. miller Diſſ. de eo, quod
iuſtum eſt circa vias publicas et militares in Imp. R. G. ex-
ſtruendas. Gieſae 1776. reuss D. de viarum publicarum mu-
nitione, vulgo Chauſſee-Bau, Stuttg. 1781.
Lehnrechts §. 74. S. 165. folgg.
S. 203.
ſondern dem Stifte das Eigenthum an den Stiftsguͤtern
zu, ſie moͤgen Tiſch- und Tofelguͤter, oder gemeine Stifts-
guͤter ſeyn. Dem geiſtlichen Praͤlaten iſt demnach blos die
Landeshoheit daruͤber, und die der Landes- und Stiftsver-
faſſung gemaͤße Verwaltung und Benutzung zuſtaͤndig.
Schnaubert Erlaͤuterung des Lehnrechts S. 98. Eben-
derſelbe im Territorial-Staatsrecht §. 141.
Gottfr. Schreber von Cammerguͤthern und Einkuͤnften.
Leipzig 1754. 4.
S. 208 folgg. auch Biener im angef. Buch S. 63 und
Schnaubert in den Beytraͤgen zum T. Staats- und Kir-
chenrecht II. Th. Num. 2. §. X. S. 128. folgg.
legati.
Mich.grassus Diſſ. de neglectis quoad acquirendi modos
fiſci commodis Cap. II. §. 26. wernher Obſerv. for. P. VI.
Obſ. 322. et P. VIII. Obſ. 411. hofacker Princip. iuris civ.
Rom. germ. T. II. P. I. §. 934.
Acceſſion in das landesherrliche Eigenthum kommen. Z. B.
wenn Jemand ein auf landesherrlichen Grund und Boden
ſtehendes Haus derelinquirt.
claproth de fiſco et patrimonio Prineipis, in Deſſelben
Sammlung juriſt. philoſoph. und critiſcher
Abhandlungen. 2. Stuͤck. N. III. S. 318. ff.
thanen, Perſonen und Guͤter; Schnaubert Anfangsgr.
des Staatsrechts der geſamten Reichslande §. 306.
quae germanice vocanturAllmanden.Tübingae 1740.
veluti quae in civitatibus ſunt theatra, et ſtadia et ſimilia, et
ſi qua alia ſunt communia civitatum. Ideoque nec ſervus
communis civitatis ſingulorum pro parte intelligitur, ſed uni-
verſitatis. Stadia ſind Plaͤtze, wo oͤffentliche Leibesuͤbungen
zur Beluſtigung des Volks, z. B. Wettrennen, Fechterſpie-
le u dergl. angeſtellet wurden. brissonius de Verb. Signifi-
cat. lib. XVII. v. Stadium. Der Sclave, der einer Stadt
zugehoͤrte, war nicht Sclave einzelner Buͤrger, mithin fielen
diejenigen Geſetze weg, welche das Verhaͤltniß des Sclavens
gegen ſeinen Herrn beſtimmten, wenn ein ſolcher Stadtge-
meinheitsſclave im Verhaͤltniß gegen einzelne Buͤrger betrach-
tet wurde. Ein Grundſatz, der bey den Roͤmern von den
wichtigſten Folgen war, wie die angefuͤhrte Geſetzſtelle in den
nachfolgenden Worten durch auffallende Beyſpiele lehrt.
S. 226. folgg.
Pupillen und Minderjaͤhrigen angedeihen, wie ich ſchon an
einem andern Orte dieſes Commentars (I. Th. §. 89. S. 483.)
bemerkt habe. Add. G. L.boehmer in Princip. iur. canon.
§. 629.
Henn.boehmer in Iure Parochiali Sect. VI. cap. 1. §. 17.
quibus dictorum locorum adminiſtratio committetur, ad inſtar
tutorum et curatorum iuramentum praeſtare, ac de locorum
ipſorum bonis inventaria conficere, et ſingulis annis de ad-
miniſtratione ſua rationes reddere teneantur. So wie ferner
der Vormund ſeinem Muͤndel den demſelben waͤhrend ſeiner
Vormundſchaftsfuͤhrung zugefuͤgten Schaden erſetzen muß; ſo
iſt auch ein Verwalter der Gemeindeguͤter einer moraliſchen
Perſon dazu verpflichtet. Und alle diejenigen Verordnungen,
welche dieſerwegen zur Sicherheit der Unmuͤndigen in den Ge-
ſetzen gemacht worden ſind, finden auch zum Beſten einer
moraliſchen Perſon gegen ihre Kaſtenvorſteher ſtatt. S. Wol-
taͤr a. a. O. S. 234.
Schloͤzers Staatsanzeigen XIV. Band. 56. Heft N. V.
§. 14. G. L.boehmer Diſſ. de iure principis circa loca et
opera publica, in eiusExercitat. iur. civ. T. I. p. 567. ſq.
et stryck Diſſ. de iure principis circa rationes civitatum.
Diſp. de alienatione rerum atque bonorum civitatis Frfti 1698.
et leyser Meditat. ad Pand Vol. XI. Spec. DCLXXVI. hof-
acker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. II. P. I. §. 753.
Rom. Germ. Tom II. Part. I. Lib. III. cap. 1. de rerum divi-
ſione ex qualitate (earum) naturali.
L. 1. §. 1. D. de diviſ. rer. Der Titel der Inſtitutionen iſt
ganz aus Cajus abgeſchrieben, wie man aus schulting
Iurisprud. vet. Antejuſtin. pag. 73. folgg. erſeben kann. Nur
darin findet ſich eine Differenz, daß in den Fragmenten des
Cajus ſtehet, quae manu tangi poſſunt. Nun will man zwar
das Wort manu fuͤr einen Anianiſchen Zuſatz halten, allein
da dieſer Begriff mit der Erklaͤrung des Theophilus in
ſeiner Paraphraſe der Inſtitutionen ſo genau uͤbereinſtimmt,
ſo bin ich geneigter zu glauben, daß Tribonian das Wort
manu weggelaſſen, als daß Anian, oder Goaricus, oder
wer ſonſt der Verfaſſer des Alaricianiſchen Handbuchs ſeyn
mag, ſolches eingeſchaltet haben ſollte. Conſent.Eichmann
in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts IV. Th. S. 158.
rale (σωματικὸν), quod et nomine cognoſcitur, et tactui
ac viſui ſubiacet. (καὶ ἀφῇ καὶ ϑέα ὑποπιπτει).
gnoſcitur, nec tactui et viſui ſubeſt (οὔτε δε ἀΦῇ ἤ ϑέᾳ
ὑποπιπτει).
Romanor. ſtoica in doctrina de corporibus eorumque partibus.
Ineiusſelect. opuſc. ſyllog. I. N. X. pag. 507—563.
corsiniFlorentiae 1750.)
rale eſt, aut incorporale; und bald hernach beſchreibt er letz-
teres mit Plato folgendermaßen, illud, quod nec viſu, nec
tactu nec ullo ſenſuum comprehenditurEbenderſelbe
ſagt an einem andern Orte, Lib XVIII. Epiſt. 107. Nun-
quid eſt dubium, an id, quo quid tangi poteſt, corpus ſit?
Tangere enim et tangi, niſi corpus, nulla poteſt res, ut ait
Lucretius.
laertius in Zenone lib. VII. Segm. 135. plutarchus de
placitis Philoſophor. Lib. I. cap. 12. meister cit. Progr.
§. 4. in Opuſc. pag 5 5.
c. 33. fornerius Select. Lib. II. cap. 17. meister cit.
Progr. §. 5. in Opuſc. pag. 516. ſqq.
ſer Meinung ganz beſonders PomponiusL. 30. pr. D.
de uſurpat. et uſucap. Mehrere noch hat meister cit. Progr.
§. 11. in Opuſc. pag 549. geſammlet.
eſt, quin credam, veteres ICtos, Stoicorum quidem rerum
corpo-
S. 313. ff. hofacker Princip. iur. civ. Rom. germ. T. II.
P. I. §. 720. et 723. Weſtphal Syſtem des R. R. uͤber
die Arten der Sachen ꝛc. §. 4.
pr. D. de legat. 1.
que, niſi ſemper, ſolis manibus oculisque ſubieciſſe, animad-
vertentes nempe, in reliquis rebus corporalibus, quae nimirum
ſolis auribus, naribusve ſubiacent, emolumentum ali-
quod ſolidum ad rationem vitae pertinens, aut finem in arte
ſua fere nullum.
ditas ſo erklaͤrt, quod ſit iuris nomen, et univerſitatem quan-
dam ac ius ſucceſſionis, et non ſingulas res demonſtret. L. 119.
L. 178. §. 1. et L. 208. D. de Verbor. Significat.
nomine intelliguntur ea, quae pondere numero et menſura con-
ſtant,
ben, in welcher von ſolchen Sachen, die man einem im Han-
del und Wandel zuzaͤhlt, zumißt oder zuwiegt, und welche
das gewoͤhnliche Object des Darlehns ausmachen, geſagt wird,
quod in genere ſuo (magis) functionem recipiant per ſolutio-
nem, quam in ſpecie. Ueber den eigentlichen Sinn dieſer
Worte iſt viel geſchrieben. Man ſehe nach J. gothofredi
Diſſ. de functione et aequalitate in mutuo, in Operib. atro-
tzioedit. pag. 515. Corn. vanbynkershoeck Obſervat.
Iur. Rom. lib. I. cap. 10. Marc.lyklamaanyeholdt
Membranar. lib. VII. Eclog. 14. Sa. Herm. abidsinga
Disput. de mutuo et veteri litterarum obligatione praeſ. Abr.
wielingioFraneq. 1736. habita, cap. II. § 9—12. in Ger.
oelrichsTheſ. nov. Diſſertat. Belgicar. Vol. I. Tom I.
pag. 130. und beſonders Aug. Frid.schott Proluſ. qua res,
quae functionem recipiunt, definiuntur; in Opuſc iuridic.
(Lipſiae 1770. 8.) pag. 212—230. Letzterer hat dieſe dun-
kele Stelle ohne Emendation, und unſtreitig am richtigſten
erklaͤrt. Er ſagt S. 218. Cum igiturpaulusaffirmet, eas
ſolas res in mutuum venire poſſe, quae magis in gene-
re ſuo functionem recipiunt per ſolutionem,
quam in ſpecie, quid, quaeſo, aliud voluit indicare, niſi
hoc, has res, dum redduntur, ſolvi poſſe non in ſpecie, hoc
eſt, non easdem ſpecies, quas debitor acceperat a creditore,
ſed in genere ſuo, nempe alias ſpecies eiusdem generis, ac
antea datae fuerant, quia eae ita ſint comparatae, ut omnes
eiusdem generis ſpecies ſibi poſſint ſubſtitui, ac ſecum permu-
tari,
quidem illa corpore praedita, ſed nos iis ita fungimur,
ut non tam corpus eorum ſpectemus, quam quantitatem.
Caeterae res corpore valent — Quae pondere numero et men-
ſura conſtant, quantitate valent potius, quam
corpore.
chen, quae pondere, numero, menſura continentur, aus-
druͤcklich denen corporibus ſ. ſpeciebus entgegengeſetzt. L. 30.
priuc. D. de legat. 1. L. 1. §. 7. D. ad Leg. Falcid.
de legat. 1. L. 108. §. 10. D. eodem. L. ult. D. de adim le-
gat. L. 46. D. de condict. indebiti und mehrere. Man ſehe
vorzuͤglich Ioſ.averanius in Interpretat. iuris Tom. I.
Lib. III. cap. 10. n 2. ſqq. pag. 399. und B.branchu Ob-
fervat. jur. Rom. Decad. alt. cap. XIII. pag. 54.
beant ſimilitudinem, ut nihil interſit, has an illas accipiat
creditor, eique adeo invito aliud pro alio ſolvi poſſit. Ergo
ex verborum coniunctione tuto colligitur, functionem hic
dici de permutatione et mutua ſubſtitutione earum rerum, quae
etiam tamquam ſpecies ſibi ſimillimae ſunt, in ſolutione vel in-
vito creditore permiſſa. Ita vero certum eſt, unde quaedam
res functionem recipere, vel, ut noſtri amant loqui,
fungibiles dicantur.
D. de obligat. et actionib.
leg. L. 37. D de Verbor obligat In der Bedeutung als
corpus wird das Geld in unſern Geſetzen mit einem fundo
legato verglichen, und ganz nach der Analogie anderer koͤr-
perlicher Sachen beurtheilt, L. 34. §. 4. D et L 51. D.
de legat 1 Recht trefliche Bemerkungen bieruͤber, und An-
wendung dieſer Grundſaͤtze auf einen wichtigen Rechtsfall fin-
det man in Hrn. Hofr. Io. Augreichardt gruͤndlichen und
ſehr eleganten Diſſert de fideicommiſſo eius, quod ſuperfutu-
rum erit, eiusque differentia a debitis, quibus accepta red-
denda ſunt in eodem genere (Ienae 1785.) §. 15 ſqq.
D. de aliment. legat.
quo et illud. D de Verbor. Obligationib. Conf. Ioſ.avera-
nius in Interpretat. iuris lib. II. cap. 27.
voet de mobilium et immobilium natura. Leodii 1699. 4.
und Lud. Godofr.mogen Commentat. iurid. de vera ac ge-
nuina rerum mobilium et immobilium indole ſec. diverſa iuris
Rom. et Germ. principia. Gieſſae 1760. 4.
item mobilium appellatione idem ſignificamus: ſi tamen
apparet defunctum animalia duntaxat, quia ſe ipſa move-
rent, moventia vocaſſe; quod verum eſt. Nach vocaſſe muß
man in Gedanken die Worte ſuppliren: ſecus eſt. Der Sinn
dieſer Stelle iſt nun dieſer. Wenn ein Teſt [...]rer jemanden alle
ſeine Moventien vermacht hat, ſo ſind unter dieſer Be-
nennung uͤberhaupt alle bewegliche Sachen des Teſtirers be-
griffen, ſie moͤgen Thtere oder lebloſe Mobilien ſeyn Denn
auch letztere werden Moventien genennt. (L 2. D de
ſupellect. legat) Ein anderes waͤre wenn der Teſtirer ſelbſt
zwiſchen Moventien und Mobilien einen Unterſchied
zu machen, und nur ſein Vieh unter den erſtern zu verſtehen
gewohnt geweſen waͤre. S. Io.goeddaei Commentar repet.
praelect in Tit. 10. Lib L Pandectar de verbor et rer. ſigni-
ficat. (Sigenae Naſſovior. 1597.) ad b. L. 93 pag. 743.
legat.
L. 5. §. 2. D. ad exhibend L. 17. §. 6. D de act. emt. und
andere mehrere Stellen S Ioſ Lud. Ern.puͤttmann Diſ-
ſertat. de rutis caeſis. Lipſiae 1776.
eruere iſt; denn ſo ſagt UlpianL. 17. §. 6. D. de act. emti:
Si ruta et caeſa excipiantur in venditione, ea placuit eſſe ruta,
quae eruta ſunt, ut arena, creta et ſimilia: caeſa ea eſſe, ut
arbores caeſas, et carbones, et his ſimilia. caesa kommt
alſo von caedere, hauen, faͤllen, her.
lis fieri ſolent, ita aedium ſunt, ſi ſtipites eorum in terra de-
foſſi ſunt: quod ſi ſupra terram ſunt,rutisetcaesisce-
dunt, i. e. accedunt. S. vicat Vocabular. iur. T. I. p. 230.
(edit. Pariſ. 1759.). Add. L. 60. D. de acq. rer. dom.
Fackel verzehrt, iſt Fahrnuͤß, in deren Gemaͤßheit
auch Haͤuſer, da ſie von Feuer verzehrt werden koͤnnen, fuͤr
Fahrniß oder bewegliche Guͤter gehalten werden. Jedoch iſt
dieſes blos particulaͤren Rechts. S. Mogen im andern Theile
der oben angefuͤhrten Commentat. welcher den Titel hat: Re-
rum mobilium et immobilium indoles ſec. principia iuris Ger-
man. ſiſtitur, atque aedificia et arbores radicatae mobilibus
vindicantur ad illuſtrandam paroemiam,was die Fackel
verzehrt iſt Fahrnuͤß.
Chriſtph.koch Diſſertat. de praedio urbano et ruſtico. Ienae
1757. und vorzuͤglich Adolph Dieterich Weber Verſuch uͤber
den wahren Sinn der L. 5. Cod. de locat. conduct. in Deſ-
ſelben Beytraͤgen zu der Lehre vom ſtillſchwei-
gen-
de Verbor Significat.noodt in Commentar ad Pandect.
Lib V II tit. 3. westenberg in Princip. iuris ſec. ord. In-
ſtitution. Lib. II. Tit. 3. §. 6.
Wismar und Buͤtzow 1783. 8.) N. I. S. 15. u. ff.
lect. obſervat. for. Tom. 11. P. IX. Obſ. 113. berger Elect.
Diſceptat. For. Tit. XXXIX. pag. 1008.
vend.
cumſtructum beißt hier der eingemauerte Keſſel zum war-
men Waſſer. Conſ. leyser in Meditat. ad Pandect. Vol. III.
Specim. CCIX. medit. 10.
terſchieden die Roͤmer cuppas oder cuppulas, darunter wurden
die kleinern Weinfaͤſſer z. B. Eymer verſtanden. Vid. bris-
sonius de Verbor. ſignificat. v. dolium.
wie Leyſer a. a. O. gezeigt hat, ich werde hernach ſelbſt
naͤher davon reden.
nen Frage haͤtten eigentlich ſo gefaßt werden ſollen: an hae,
(ſc. fiſtulae ſub terram miſſae de plumbeo caſtello aquam ducen-
tes in aënum, d. i. die unter der Erde weglaufende Roͤhren,
welche das Waſſer aus dem bleyernen Trog in den einge-
mauerten Waͤrmkeſſel fuͤhren) ut vincta fixaque, aedium eſſent,
an, ut ruta caeſaque, non eſſent aedium, ſo lieſet auch
Cujaz.
Lehre des gemeinen Rechts vom Kauf, Pacht, Mieth- und
Erbzinnskontract (Leipzig 1789. 8.) I. Th. I. Hauptſt.
4. Kap. §. 121. ff.
Sic cum aliquando tinctor doctori aedes vendidiſſet, et ahenum
calce adfixum,den eingemauerten Keſſeltollere vel-
let, hoc ei, contradicente licet emtore, permiſſum fuit. Er
giebt dabey die ganz richtige Regel: Vaſa et inſtrumen-
ta, quae non tam praedii et aedium, quam arti-
ficii exercendi cauſa comparata et defoſſa, et
infixa ſunt, non praedium, ſed artificis per-
ſonam ſequuntur, nec unquam emtori cedunt.
aet. emti vend.ea, quae perpetui uſus cauſa in
aedificiis ſunt, aedificii eſſe; quae vero ad
praeſens, non eſſe aedificii. Conf. Iac.born Exerc.
acad. de eo, quod inſtum eſt circa deſtinationem. Lipſiae
1704. Io. Phil.treiber Diſſ. de deſtinatione. Erford. 1713.
Chriſt.schreiter Diſſ. de mobilibus rebus in perpetuum
uſum deſtinatis. Lipſiae 1690.
aedibus adfixa non ſunt, ignorari non oportet.
eſſe aedium ſolemus dicere, quae quaſi pars aedium, vel pro-
pter aedes habentur, ut puta puteal. Puteal heißt eine Brun-
nendecke, wie die folgende L. 14. lehrt.
antequam collocentur, fundi non ſunt. Sed qui exemti ſunt
hae mente, ut collocentur, fundi ſunt.
ſunt, quia non ſunt fundi, tametſi ad eam rem comparata ſunt.
Electa diſceptat. for. Tit. 36. Obſ. 2. p. 1470. et in Oecon.
iuris lib. II. Tit. I. § 7. mencken in ſelect. controverſ. iuris
Diſputat. VII. §. 10 pag. 40. carpzov P. III. Conſt. XXIV.
Def. 10. boehmer in doctr. Digeſtor. h. t. §. 12. hell-
feld in Diſſ. de hypotheca mobilium Cap. I. §. 7. und mogen
in cit. Commentat. §. 15.
Regiſter, mit Zuſaͤtzen und Verbeſſerungen herausgegeben von
D.Carl Gottl. Roͤßig. Leipzig 1782. 8.
den Pertinenz-Stuͤcken eines verkauften Hauſes. Halle
1778. 4.
Conſil. 321. n. 46. et ſqq. voet in Tr. de mobil. et immobil.
natura Cap. VII. §. 10.
potheca mobilium Cap. 1. §. 7. in fin. auch schilter Ex. IV.
ad Pand. §. 23. voet in Comm ad Pand. h. t. §. 15. Eich-
mann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts IV. Th. S. 187.
Daß indeſſen jemand ein Recht haben koͤnne, die beſtimmte An-
wendung des Geldes zu verlangen, wird hiermit nicht gelaͤugnet.
den findet man in mogen angef. Commentat. §. X.
vi armata.
doch Schiff-Muͤhlen meiſtentheils zu den unbeweglichen Sa-
chen zu rechnen. S. Hommel in Pertinenz- und Erbſon-
derungs-Regiſter v.Muͤhlen S. 268.
feldin Diſſ. cit. Cap. I. §. 8. mogen a. a. O. und Eich-
mann in den Erklaͤrungen des B. R. IV. Th. S. 190. bey-
treten.
rerum in mobiles et immobiles. Tuͤbingae 1715. 4.
§. 2. D. de re iudicat. L. 1. C. de praet. pignore.
quoad rem immobilem a cautione in proceſſu praeſtanda libe-
ret, nec ne? Goett. 1783 §. 19. Daher ſind unter einer
Verpfaͤndung der Mobilien die ausſtehende Forde-
rungen des Schuldners nicht begriffen. Reinh.bachovii
Tr. de pignoribus et hypothec. Lib. 1. cap. VI. n. 2. ſq.
incorporales comprehendantur ſub hypotheca generali, in qua
mobilium et immobilium tantum mentio facta. Lipſiae 1773.
Meditationen uͤber verſchiedene Rechtsmate-
rienI. Band 44. Meditat.
Chriſt. Gottl. Gmelin von Aufſaͤtzen uͤber Vertraͤge §. 52.
S. 105. folg.
Cap. VII. n. 3. Eben ſo wird zur acquiſitiven Verjaͤhrung ei-
nes Rechts gegen eine Kirche, wie zur Verjaͤhrung eines un-
beweglichen Kirchenguts, ein Zeitverlauf von 40 Jahren er-
fordert. S. G L.boehmer Princip. iur. canon. Lib. III.
Sect. V. Tit. IX. §. 638.
mann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts IV. Th.
S. 199. ff.
potheca mobilium Cap. I. §. 12. Chriſt. Lud.stieglitz
Diſp. de iuribus et actionibus feudi titulo conceſſis Lipſiae
1747. §. 16.
Tit. I. §. 8. hellfeld. c. l.
ſolche Klagen ſich beziehe, wodurch man das Eigenthum einer
Sache verfolgt, hat Iac.gothofredus in novo in Tit. Pan-
dectar. de diverſis reg. iuris antiqui commentario ad h. L.
(Oper. atrotzioeditor. pag. 773. u. 774.) ſehr einleuchtend
bewieſen. Dieſer L. 15. ſcheint nun zwar eine andere Regel
in der L. 204. D. eod. entgegen zu ſeyn, welche folgender-
maßen lautet: Minus eſt actionem habere quam
rem. Allein der Widerſpruch iſt leicht zu heben Wir wol-
len den gothofredus ſelbſt reden laſſen. Iſtud non ratione
dominii atque adeo non reſpectu iuris diſponendi dicitur, ſed
propter commodumpoſſeſſionis et retentionis;
item propter ſecuritatem crediteris. Quo ſane perti-
net, quod dicitur, melius eſſe pignori incumbere, quam in rem
agere, L. 15. §. 4. D. qui ſatisd. cog. §. 4. I. de Interdict.
uno verbo, minus eſt actionem habere, quam rem,
ſi commodum poſſeſſionis retentionisque ſpe-
ctes: ſed non minus eſt, ſi dominium ſpectes do-
miniique effectus, quo banc regulam pertinere
eſtendi. Dieſe Erklaͤrung gewinnt beſonders dadurch, daß
Pom-
natura Cap. VIII. §. 6. und Io.voet in Commentar. ad Pah-
dect. h. t. §. 21. nachzuſehen.
schaumburg in Compend. iuris Digeſtor. h. t. §. 15. in fine.
Puͤtter auserleſene Rechtsfaͤlle III. Bandes III. Theil Reſp.
CCXCIX. n. 5. S. 747.
welchen die L. 204. D. cit. genommen iſt, hauptſaͤchlich von
der actione pigneratitia gehandelt hat; wie gothofredus
ad L. 204. in Operib. col. 1224. erwieſen. Man ſiehet alſo
bieraus, daß L. 204. zunaͤchſt von perſoͤnlichen Kla-
gen zu verſtehen ſey. So erklaͤrt dieſelbe auch voet in Comm,
ad Pandect. h. t. §. 21. und dies beſtaͤtiget noch mehr L. 15.
§. 4. D. qui ſatisd. cog.
in Diſſ de hypotheca mobilium Cap. I. §. 13. hofacker
c. l not e.Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl.
Rechts IV. Th. S. 203. am Ende u. folg. Seite.
Cap. IX. et Ioh.voet in Commentar. ad Pandect. h. t,
§. 22—26.
Diſſ. de negotii annuorum redituum et uſurarum mutui foene-
ratitii natura et different. Tuͤbingae 1687. §. 35. ſqq. gail
Obſervat. lib. II. cap. X. n. 3. Io. Phil.lyncker Tr. de re-
ditibus annuis, quos vocant redimibiles, wiederkaͤufliche Zin-
ſen (Ienae 1697. 4.) Diſpect. V. §. 3. pag. 112. ſqq. und ber-
ger in Oeconom. iuris lib. II. Tit. I. §. VIII. n. 2.
pecunia hereditaria Icnae 1708. iſt Car. Frid.walch Diſp.
de privilegio pecuniae hereditariae creditorum in concurſu.
Ienae 1776. 4,
Proceßordn. Tit. XLII. §. 7. Verbeß Altenburg. Proceßordn.
P. I. cap 37. § 13. Eiſenach. Proceßordn. Tit. XXVIII.
§. 7. Die alte Gothaiſche Proceßordn. P. I. cap. 18. §. 6.
Schwarzburg. P. IV. Tit. 11. §. ult. u. ſ. w.
§. X. pecunia hereditaria eſt pecunia, ab herede de bo-
nis immobilibus, ipſi bereditatis in diviſione adiudicatis, co-
beredi certo tempore praeſtanda.
dern, wird ſolches auch ſchon aus dem Namen ſelbſt gefol-
gert. Denn Erbgeld ſoll nicht von Erbſchaft, ſondern
von Erbe, welches bey den alten Teutſchen ſoviel als ein
unbeweglich Gut, praedium, bedeutete, herkommen. S.
Walch a. a. O. S. 22.
emt.
Rechts IV. Th. S. 208. folgg. verwirſt jedoch den Unterſchied
zwiſchen betagten und unbetagten Erbgelde, und haͤlt daſſelbe
fuͤr beweglich Gut, weil mein Recht doch nur auf eine be-
wegliche Sache gehet.
Obſ. 33. voet in Comment. ad Pandect. h. t. §. 16.
manor. comm. general. §. 37. Hoͤpfner im Commentar
uͤber
perſ. nob acquir. ſoviel als omnia ſimul bona acquirere e. g.
hereditate. caius lib. II. Inſtit. Tit. II. §. 1.
lio milit.
Sache trete? in den Erlangiſchen gelehrten Anzei-
gen auf das Jahr 1749. Nr. XXIV. S. 185—192.
buͤrgerl Rechts IV. Th. S. 147. folgg.
Excurſ. de Senatusconſulto Hadriani temporibus facto, quod
extat L. 20. §. 6. D. de heredit. petit. §. VIII. in Opuſ[e].
Poſtum. ſ. Hiſtoria Edictor. pag. 456. ſqq.
I. C. Tom. II. §. 739.
§. 1.
matiſchen Erlaͤuterung der roͤm. Geſetze vom Pfandrecht §. 135.
Zwar will Herr von Guͤnderrode in der Abhandl. von dem
Verkauf der Waaren aus einem verhypothecirten Laden §. 9.
in Seinen ſaͤmmtlichen WerkenII. Band S. 201. be-
haupten, daß das aus den verkauften einzelnen Waa-
ren geloͤßte Geld ebenfalls dem Glaͤubiger verhypotheciret
ſey; allein dieſe Meinung iſt den Geſetzen und der Rechts-
analogie zuwider.
B.branchu in Obſervation. ad Ius Rom. Decad. I. Cap. VI.
pag. 56. ſqq. erklaͤrt.
1666. 12. Ulr.huber in Digreſſionib. Iuſtinian. Lib. IV.
cap. X. pag. 296.—344. et Henr.hahn Diſſ. de iure rerum
et iuris in re ſpeciebus, recuſa cum adverſariorum ſcriptis et
diſſertat. apologet. Helmſtadii 1664. 4.
Klagen in actiones in rem und in perſonam eingetheilt §. 1.
I. de actionib.
Tit. I. §. 12.
cker in Princip. iur. civ. R. G. Tom. II. §. 780. genau
uͤberein.
ſcher Aufſaͤtze I. Bandes 4. Stuͤck Nr. VI. S. 274. folgg.
Ad. weishaupt ius civ. privat. T. II. lib. II. Sect. I. C. I.
§. 31. u. Prof. Woltaͤrs Grundſaͤtze der Rechtsgelehrſ. §. 216.
nennt. S. §. 2. I. de reb. incorpor.
Sect. I. §. 9. ſagt: Si ius eſt ius in re, deeſſe determinatam
perſonam obligatam, dici quidem poſſe: oſt deeſſe certam per-
ſonam obligatam, ſimpliciter dici non poſſe, dum, quoties res,
quae huius iuris obiectum eſt, poſſidetur ab alio, omnino certa
perſona obligata adeſt, nimirum praeſens rei poſſeſſor.
poſſeſſore. Erford.
tionen §. 280. (nach der dritten verbeß. Auflage.
Frankf. 1790.) S. 232.
poſſeſſorem non competente. Ienae 1769. 4.
1714. 4.
Chriſt. Weſtphals rechtliche Abhandlung derjenigen Faͤlle,
in welchen der Eigenthuͤmer ſeine in eine dritte Hand gediehe-
nen Sachen entweder gar nicht, oder nicht unentgeldlich ab-
fordern kann. Halle 1787. §. 6—22.
Lubecenſis, Hand muß Hand wahren. Gedani 1707. Mich.
Godofr.
§. 384 carpzovius in Iurisprud. For. P. II. Conſtit. XXVI.
definit 5. mevius Commentar. in ius Lubecenſe P. III. Tit. II.
Art. 2. pag. 587. ſqq. (Francof. et Lipſiae 1700. f.)
minus actoris partes obtinet, ſicut in latioribus Digeſtorum
libris oportunius apparebit.
reizParaphr. Theophil. Tom. II. p. 1222. Sigm. Reich.
jauch Diatr. I. et II. ad §. 2. I. de action Dresdae 1694.
et 1697. 4. dorettus ad § 2 I de act Lignit. 1737. et
Matth.saulling Diſſ. de interpretatione verborum in ſine
§. 2. I. de actionib. praeſide Io. Nepom.endresWirceburgi
1788.
manae; ubi rem meam invenio, ibi vindico, et inutilitate ger-
manicae: manus dans rem repoſcat a manu accipiente, Hand
muß Hand wahren, in plurimis Germaniae foris. Erlangae
176[1]. 4. Steins Abhandlungen des Luͤbiſchen Rechts Th. 3.
S. 118. 124. 136. 181. 183.
Diſſertat. quinque iuris in re ſpecies, quas vulgo tradunt, nec
ſemper tales eſſe, nec ſolas. Lipſine 1736. Wouter. Anton.
van derramhorst Diſſert. de ſpeciebus iuris in re. Lugduni
Batavor. 1784. und Imman. Frid.rappolt Diſſert. de nume-
ro ſpecierum iuris in re, et praeſertim an poſſeſſio illis ſit
adnumeranda? praeſide Henr. Godofr.scheidemantelStutt-
gardiae 1786. defens.
1756. 4. thomasius in Schol. ad Huberi Praelect. ad In-
ſtitut. h. t. n. 12. Diet Hermkemmerich Progr. de do-
minio, tanquam unica ſpecie iuris in re. Vitemb. 1724.
hered. inſtit.
poſſid. Nov. 2. c. 4. Nov. 22. c. 45.
oelrichsTheſ. novo Diſſertat. Belgicar. T. II. Vol. 2.
pag 64.
§. 169. S. 435. folg.
Specim. iurid. inaug. de poſſeſſione ſpeciebus iuris in re non
adnumeranda. Lugduni Batavor. 1784. 4. Naͤchſtdem aber
verdient noch bemerkt zu werden Gottliebsturmii Diſſ. de
poſſeſſione e iure in re et ad rem eliminanda; inter Diſſer-
tationes Eius Ienenſes Vitembergae iunctim editas et recu-
ſas Ima.
der Poſſeſſion verdienen folgende vorzuͤgliche Empfeh-
lung: Franciſc.ramosdelmanzano ad Tit. D. de acquiren-
da vel amittenda poſſeſſione Recitationes Novantiquae apud
meermannumin Theſ. iur. civ. et canon. T. VII. Ioſ. Fer-
nandes deretes Praelect. academ. ad Tit. eundem Dig. in
Theſ. Meermann. ibid. Eſſai ſur les principes du droit, tant
ancien que moderne, en matiere de poſſeſſion. Par M. I.
iupille. a Louvain 1780. und Angeli Iacobicuperi Obſer-
vationes ſelectae de natura poſſeſſionis. Lugduni Batavorum
1789. 4. Beilaͤuftig, jedoch gruͤndlich, handeln dieſe Materie
ab: galvanus de uſufructu Cap. XXXIII. und Herr Prof.
Weſtphal in dem Syſtem des roͤmiſchen Rechts uͤber die
Arten der Sachen, Beſitz, Eigenthum und Verjaͤhrung
2. Theil S. 33. folgg.
D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ.
et L. 46. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 3. C. de acquir.
et retin. poſſ.
§. 11—16.
de Noxal. Action.
quoque verbum poſſeſſionis ſignificat: ſicut in eo, qui poſſeſ-
ſiones ſuas legaſſet, reſponſum eſt.
mentorum ad definitionem utique deſcendendum eſt, cum ple-
rumque abuſive loquantur, nec propriis nominibus ac vocabu-
lis ſemper utantur.
dern Rechten unterſchieden worden; und was inſonderheit die
Urſache geweſen, weswegen die Rechtsgelehrten ſo ſorgfaͤlti.
ge Beſtimmungen uͤber den Beſitz allein machten, hat cupe-
rus in den angef. Obſervat. ſelect. de natura poſſeſſionis Part. I.
Cap. I. ſehr gelehrt und vortreflich ausgefuͤhrt.
ex quib. cauſ. maior.
cap. 29.
litt. E.
§. 1. 2. 3.
Germ. commun. §. 508. Hoͤpfner im Commentar uͤber die
Inſtitutionen §. 282. Eichmann in den Erklaͤrungen des
buͤrgerlichen Rechts IV. Th. S. 254.
lib. XXVII. c. 7 bachovius ad Treutlerum Vol. II. Diſp 21.
Th. 1. litt. F. merenda in Controv. iur. civ. lib. XII. c. 15.
ramosdelmanzano in cit. Recitat ad Tit. D. de acquir.
vel amitt poſſeſſ P. I. §. 17. galvanus de Uſufructu
Cap. XXXIII. n. X. ſq. pag 475. ſqq. vinnius in ſelect. iu-
ris Quaeſtionib. lib. II. cap. 36. hofacker in Princip. iur.
civ. Tom. II. §. 759. et 760. u. a. m.
lius Obſervation. lib. II. cap. 32.
herede L. 12. pr. L. 49. pr. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ.
L. 3 §. fin. D. ad exhibend. In allen dieſen Geſetzen wer-
den ausdruͤcklich die genannten Beſitzer nur naturales poſſeſſo-
res genennt.
et 10. D. de vi et vi armata. L. 26. D. de donat. inter vir.
et uxor.
L. 28. 29. 30. L. 36. D. de acquir. vel amitt. poſſ. L. 40. D.
de pign. act.
C. de acquir. poſſeſſ. L. 5. in fine D. de lib. cauſ. L. 7. C. ad
L. Iul. de vi publ.
Arten der Sachen 2. Th. 2. Kap. §. 52. ff.
Verbor. Significat. voc. Naturalis et voc. Civilis.
erſtern Stelle ſagt Paulus ganz ausdruͤcklich: naturali-
terpoſſeſſio tenetur ab eo, qui ei inſiſtit.
divid.
von laufen. Von dieſen verbleibt der Beſitz dem Herrn den-
noch. Der Grund der Ausnahme mag ſeyn, weil ein Sclave
den Beſitz von keiner Sache dem Herrn durch Diebſtahl ent-
ziehen kann. L. 15. D. de A. v. A. P. Aus dieſem Grunde
ſchloß man, daß er auch den Beſitz von ſich ſelbſt dem Herrn
durch die Flucht nicht entwenden koͤnne. Man betrachtete
die Flucht des Sclaven gleichſam als ein furtum fui ipſius.
L. 60. D. de furtis. L. 12. Cod. eod. L. 1. Cod. de Serv. Fu-
gitiv. Conf. finestres in Hermogeniani iuris Epitomar.
lib. V. pag. 856. ſqq.
Worten dieſer Geſetzſtelle: utsabinianisviſum eſt; quae
ſententia vera eſt, laͤßt ſich ſchließen, daß hieruͤber unter den
roͤmiſchen Rechtsgelehrten geſtritten worden ſey. Es ſcheint
auch Ulpian in L. 29. D. de Acq. vel Amitt. poſſeſſ. ganz
anderer Meinung zu ſeyn. Denn dieſer ſtellt den Satz auf:
Poſſeſſionem pupillum ſine tutoris auctoritate amittere poſſe:
non utanimo, ſed utcorporedeſinat poſſidere Quod eſt
enimfacti, poteſt amittere. Ueber die Vereinigung dieſer
beyden Stellen iſt viel geſchrieben worden. Man ſehe Cujaz
in Comment. ad L 29. D. cit. (T. VIII. Oper.) lopez de
madera in Animadverſion. iur. civ. cap. 27. Hieron de
oroz de Apicib. iur. Civ. lib. IV. cap. V. §. 12. et 14. et
Cap. XI. §. 6. merenda Controv, Iuris Lib. XII. Cap. 14.
25. et
Sollte einige Vereinigung ſtatt finden koͤnnen, ſo ſcheint mir
die Meinung des Herrn Prof. Weſtphals im Syſtem
des R. R. uͤber die Arten der Sachen ꝛc. §. 199.
die natuͤrlichſte zu ſeyn, daß L. 11. von der Aufgebung des
Beſitzes, die freylich von dem Pupillen allein, ohne Einwil-
ligung des Vormunds, nicht guͤltig geſchehen kann, L. 29. aber
von der Entſetzung oder einem ſolchen Verluſt des Beſitzes,
welcher ohne unſern Willen, wegen eintretender aͤuſſern Um-
ſtaͤnde verurſacht wird, zu verſtehen ſey.
Acq. vel. Amitt. Poſſeſſ.
acquir. vel omitt. beredit.
ad iſtum Tit. D. Tom. I. Operum.
rern Stellen unſerer Geſetze genommen, wie B.brissonius
de Verbor. Signific. h. v. nach der Heinecciſchen Ausgabe be-
weißt.
apud schultingin Iurisprud. Antejuſt. pag. 456. Cujaz
hat daſelbſt den zum richtigen Verſtande der Geſetze ſo wich-
tigen Unterſchied zwiſchen dem Interdicto de vi quotidiana und
dem Interdicto de vi armata vortreflich auseinander geſetzt.
loc. laud.
ſtem des R. R. uͤber die Arten der Sachen §. 534. S. 417.
Gegenſtaͤnden des Beſitzes auch in andern Geſetzen gebraucht
werden, iſt aus L. 2. §. 3. D. de Precar. und L. 3. §. 1. D.
de Bon. Poſſ. zu erſehen. Auch kommt die Redensart conſi-
ſtere
Cuper das vierte Kapitel ſeiner vortreflichen Abhandlung
gewidmet.
§. 12. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 31. §. 4. D. de uſur-
pat. et uſucap.
ſetzen oͤfters vor. So z. B. ſagt PaulusL. 3. D. de Ser-
vitut. Servitutes praediorum aliae in ſolo, aliae in ſuper-
ficie conſiſtunt; und CajusL. 3. §. 1. D. de Uſufr. ſagt:
Conſiſtit Uſusfructus non tantum in fundo et aedibus, verum
etiam in ſervis et jumentis, caeterisque rebus.
eodem.
Vindicat. et L. 13. §. 12. D. de Acquir. vel Amitt. Poſſeſſ.
welche letztere Stelle zu Folge der Inſcription ſich auf das
Interdictum Utrubi beziehet. Hierher gehoͤrt auch noch L. 46.
D. de donat. inter Vir. et Ux.
vel Amitt. Poſſeſſ.
lib. II. cap. VI. n. 7. et 28. in Iurispr. Rom. et Att. T. II.
Obſervat. p. 35.
ſitz ꝛc. §. 157. S. 149.
Iuris ſec. ord. Digeſtorum Lib. XLI. Tit. II. §. 6. uͤberein,
wo er ſagt: civilis possessioaliquandolateponitur pro
omni ea, quam Ius Civile agnoſcit, et ex qua Remedia oriun-
tur Poſſeſſoria; eoque ſenſu creditor pignus etiamciviliter
poſſidere dici poteſt.
princ. et §. 1. D. h. t. ad Lib. III. Quaeſtion. Papiniani ad
L. 19. D. Ex quib. cauſ. major. Operum Tom. IV.biccius
de poſſeſſione duorum Quaeſt. II. pag. 91. ſqq. aliique ibi lau-
dati; Ioſ. Fernand. deretes in Praelect. ad Tit. D. de acq.
vel amitt. poſſ. P. I. Cap. V. §. 1. et hofacker Princip.
iur. civ. Tom. II. P. I. Lib. III. Sect. II. §. 756.
et Attica curaheinecciiedit. Tom. II. col. 894.)chesius
behauptet daſelbſt, daß der Uſufructuar durch den Sclaven
nicht wegen phyſiſcher Detention deſſelben den Beſitz erwerbe,
ſondern wegen des Nutzungsrechts, was jener an dem Scla-
ven hat. Dieß ſucht er dadurch zu beweiſen, weil der Uſu-
fructuar den Beſitz auch eben ſo gut durch den Sclaven erwer-
ben koͤnne, wenn ihm gleich derſelbe davon gegangen waͤre.
So habe wenigſtens Paulus reſpondirt. L. 1. §. 8. D. de
acquir. poſſeſſ. Per eum, in quo uſumfructum habemus, poſ-
ſidere poſſumus: ſicut ex operis ſuis acquirere nobis ſolet.
Nec ad rem pertinet, quod ipſum non poſſidemus. Blos in
Ruͤckſicht des Nießbrauchs, den der Uſufructuar durch die
Entweichung des Sclavens nicht verliehrt, haͤtten alſo, meint
chesius, die Geſetze verordnet, daß der Uſufructuar auch
durch einen entflohenen Sclaven den Beſitz erwerben koͤnne.
Allein dieſe Erklaͤrung ſcheint mir ganz irrig zu ſeyn. Denn
wenn
daß er nicht beſitze, ſo iſt dieß von dem buͤrgerlichen
Beſitze zu verſtehen, wie auch Hr. Prof. Weſtphal in
dem Syſtem des R. R. uͤber die Arten der Sachen §. 156.
S. 149. ſchon richtig bemerkt hat. Dieſen hat freylich der
Uſufructuar nicht, da er den Sclaven auf des Proprietars
Namen beſitzt. Allein daß der natuͤrliche Beſitz des Sclaven
ſchlechterdings erfordert werde, wenn jene rechtliche Wir-
kung, nehmlich durch den Sclaven einen Beſitz zu erwerben,
ſtatt finden ſoll, ſagt Papinian in unſerer Stelle ganz aus-
druͤcklich, der doch wohl mehr Auctoritaͤt, als chesius, ha-
ben muß. Ueberdem hat ja auch chesius an einem andern Orte
Interpretationum Iuris Lib. II. cap. XL. n. 9. (in Iurisprud.
Rom. et Attica Tom. II. pag. 536.) ſchon ſelbſt das Gegen-
theil behauptet, und aus Gruͤnden erwieſen, daß mandurch
einen Sclaven, den man nicht beſitzt, auch kei-
nen Beſitz erwerben koͤnne. Welches auch den Ge-
tzen gemaͤß iſt. L. 1. §. 46. D. de Vi et Vi armata. L. 34.
§. fin. D. de Acquir. Poſſeſſ.
acquir.
§. 1. D. eodem. L. 7. §. 8. D. pro emtore. Conf. meier in
Colleg. Argentorat. ad Tit. de acq. poſſ. Th. XV. n. 17. et
Weſtphal in dem angef. Syſtem §. 145.
ad L. 49. §. 1. D. cit. Operum T. IV. et VIII.
ſen Satz nur von einem peculio profectitio gelten laſſen.
(S. 217.)
pag. 57.
Differentias Iuris Cap. LXII. welches die Ueberſchrift hat: Lex
interdum videtur fingere ſuper factis. Inter-
dum ſuper ipſis nec fingere poſſe aſſeritur.
Explicatur, quomodo id procedat, et reddi-
tur ratio differentiae; in Iurisprud. Rom. et Attica
Tom. II. col. 814 ſqq.
Cap. VI. pag. 62 — 76.
Fragm. Tit. XXII. §. 5. et ad Eundem Ant.schulting in
Iurisprud. Antejuſt. pag. 634. not. 9.
ausdruͤcklich: utilitatisenimcausahoc receptum eſt.
Auch in dieſer Stelle wird angemerkt: utilitate suaden-
te
L. 33. §. 4. D. de uſurpat. et Uſucap.
L. 1. C. de acquir et retin. poſſeſſ. Conf.Weſtphal in dem
angef. Syſtem §. 131. und §. 141.
lich: Per liberam perſonam ignoranti quoque acquiri poſſeſſio-
nem, et poſtquam ſcientia intervenerit, uſueapionis conditio-
nem inchoari poſſe, tam ratione vtilitatis, quam jurispruden-
tia receptum eſt. Hr. Prof. Weſtphal in dem angefuͤhr-
ten Syſtem §. 141. am Ende glaubt, das Wort Iurispru-
dentia muͤſſe hier durch Rechtsklugheit uͤberſetzt werden.
Allein
nis adferat. Statt relictum ließt Cujazreceptum;Byn-
kershoͤkObſervat. Iur. Rom. lib. VII. c. 25. aber relatum.
poſſeſſ. In der letztern Stelle ſagt Papinian: Quaeſitum
eſt, cur ex peculii cauſa per ſervum ignorantibus poſſeſſio
quaereretur? Dixi, utilitatis cauſa, iure ſingulari receptum,
ne cogerentur domini per momenta ſpecies et cauſas peculio-
rum inquirere. Nec tamen eo pertinere ſpeciem iſtam, ut ani-
mo videatur acquiri poſſeſſio. Nam ſi non ex cauſa peculia-
ri quaeratur aliquid, ſcientiam quidem domini eſſe neceſſariam,
ſed corpore ſervi quaeri poſſeſſionem. Dieſe ſehr ſchwere, und
faſt durchgehends mißverſtandene Stelle hat am beſten Anton.
faber in Iurisprud. Papinianeae ſcientia Tit. XI.
Princip. VIII. Illat. 26. pag. 636. erklaͤrt.
poſſeſſ. L. 79. D. de Solutionib. L. 74. D. de Contrab. Emt.
L. 9.
angezeigt werden ſoll. So erklaͤrt es auch Bartholchesius
Interpretation. Iuris lib. I. cap. XXXII. n. 17. (in Iurisprud.
Rom. et Attic. pag. 170.) Nam cum dicimus procuratorem,
ſchreibt dieſer elegante Ausleger des roͤm. Rechts, intelligi-
mus eum, cui mandavimus illud negotium expedire, ſive ſpecia-
liter, ſive ſaltem generaliter, generalem ei mandando admini-
ſtrationem L. 12. D. de Solution. Si ergo procurator poſſeſſio-
nem apprehendat, licet nos adprehenſam ignoremus, tamen, cum
animum habeamus, quandocumque apprehenſam acquirendi, et
nobis habendi, ſtatim ex noſtro animo eam acquirimus, niſi
forte aliquid obſtet.
iſt in dieſer Stelle das Wort immemoriaVergeſſenheit.
scipio gentilis Parergor. lib. I. cap. 6. behauptet, daß Pa-
pinian der einzige ſey, der dieſes Wort gebraucht habe.
Herr Prof. Weſtphal a. a. O. §. 164. will jedoch lieber
in memoria leſen. Das Geſetz ſelbſt iſt unſtreitig eine Ausnah-
me jener allgemeinen Regel, welche PomponiusL. 25.
pr D. eodem folgendermaßen vortraͤgt: Si id, quod poſſide-
mus, ita perdiderimus, ut ignoremus, ubi ſit, deſinimus poſ-
ſidere. Uebrigens erlaͤutert dieſes Geſetz cuperus ſelect. Ob-
ſervat. de natura poſſeſſ. P. II. cap. 34.
L. 45. D. de acquir. poſſeſſ. L. 4. Cod. eodem. §. 5. I. de
Interdict. L. 1. §. 25. D. de Vi et Vi armat.
le heißt es: Non eſt enim corpore et actu neceſſe apprehen-
dere poſſeſſionem, ſed etiam oculis et affectu. Statt corpore
et actu leſen grotius in Florum ſparſione ad Ius Iuſti-
nian. h. L. und Ant.faber de Errorib. Pragmaticor. Decad.
LXXV. Err. 2. corpore et tactu, welche Emendation auch
NoodtProbabil. lib. II. cap. 6. billiget, und die Ueberſe-
tzung der Griechen bey meermann in Theſ. Iur. Civ. et Canon.
Tom. V. pag. 43. beſtaͤtiget.
wird geſagt, daß dieſer Rechtsſatz utilitatis cauſa ſey ange-
nommen worden. Aequum enim eſt, ſagt chesius Interpreta-
tionum Iuris lib. II. cap. 39. wo er die letztere Stelle erlaͤu-
tert, ut emtor poſſit uſucapere, ne iuſtus error ei noceat, et
ne dominium in incerto ſit.
§. 678. und 679.
et L. 46. D. de donat. inter Vir. et Uxor. L. 1. §. 9. et 10.
D. de Vi et Vi armata. Die beyden angefuͤhrten erſten Ge-
ſetzſtellen hat Weſtphal in dem Syſtem §. 48. und 49. Die
L. 46. D. de donat inter V. et U aber cuperus in Obſervat
cit. P. II. Cap. 8 ſehr ſchoͤn erklaͤrt.
liusfamilias et maxime miles etc. haben den Aus-
legern Schwierigkeiten gemacht. Man vergleiche cujacius
in Commentar. ad Tit. de Uſurpat. et Uſuc. Oper. Tom. I.
bachovius ad Treutlerum Vol. II. Diſp. XXII. Th. 2. lit. B.
deretes in Praelect. ad Tit. Pand. de acq. poſſeſſ. P. I.
Cap. V. Sect. III. bynkershoeck Obſervat. Iur. Rom. lib. VII.
cap. XXII. und Weſtphal im Syſtem §. 517.
und 533. Adde L. 38. §. 7. D. de Verbor. Obligat. L. 2.
§. 2. D. pro herede et L. 93. D. de Reg. Iuris.
lich die Worte beygefuͤgt werden: Sicut in dominio adquiren-
do. Ferner L. 37. §. 3. L. 45. D. de Acq. Rer. Dom.
et Uſucap.
Domin. Vortreflich erklaͤrt dieſe Stellen Cuper in den an-
gefuͤhrten Obſervation. P. II. cap. 37. et 38.
Iure Codicillor.
omitt. heredit.
Weſtphal in dem oͤfters angef. Syſtem des R. R. uͤber
die Arten der Sachen ꝛc. §. 191. will unter der Con-
trectation des Depoſitums eine Veraͤuſſerung deſſel-
ben verſtehen. Allein das Wort contrectare, oder wie
die Alten auch ſagten, attrectare, heißt ſoviel als mani-
bus tractare, et tangere, wie es Ioſ.averanius Interpretat.
Iuris Lib. I. cap. XXVIII. n. 14. erklaͤrt, welcher uͤberhaupt
die L. 3. §. 18. cit. vortreflich erlaͤutert. Paulus ſelbſt er-
klaͤrt ſich hieruͤber ſchon deutlich genug, wenn er ſagt: Sed
ſi eam loco non moveris. Eben ſo erklaͤrt auch Juſti-
nian dieſen Ausdruck in §. 6. I. de obligat. quae ex delicto.
Man ſehe nach B.brissonius de Verbor. Signif. v. Con-
trectare. Alſo heißt contrectare ſoviel als ſich an einer
Sache
eine Regel, die ſonſt in der Natur des Beſitzes ſelbſt gegruͤn-
det iſt, einzuſchraͤnken, naͤmlich: ſolo animo nos poſſe
incipere poſſidere, ſi naturalis poſſeſſio an-
tecedat: L. 3. §. 3. D. de Acquir. Poſſeſſ. L. 9. §. ult.
D. de Reb. Credit. L. 9. §. 5. D. de Acquir. rer. domin.
Conf. Cuperus ſelect. Obſervat. cit. P. I. Cap. VI. Claſſ. II.
Aphorism. 28. not. 74. et chesius Interpretat. Iur. Lib. I.
cap. XXXVI.
rem Orte und Stelle wegnehmen. Dieß kann
auch geſchehen, wenn der Depoſitar den ihm in Verwahrung
gegebenen verſiegelten Beutel mit Gelde erbricht, und das
Geld unter das ſeinige thut.
§. ult. D. de acquir. rer. dom. et L. 118. D. de Reg. Iur.
juncta L. 23. pr. D. Ex quib. cauſ. major.
phal im angefuͤhrten Syſtem §. 145.
klaͤrt cuperus in Obſervat. ſelect. de natura poſſeſſionis P. II.
cap. 26. et 27.
Operum Tom. VIII. und Barthol.chesius Interpretat. Iuris
Lib. II. cap. 40.
L. 33. §. 6. D. de Uſurpat. et Uſucap. S. Weſtphal im
angef. Buche §. 441.
ſelbſt, hoͤrt jedoch auf, wenn ſolche Perſonen von der Gewalt
des Paterfamilias entlediget ſind: L. 13. §. 8. D. de A. vel
A. Poſſ.
Weſtphal a. a. O. §. 193. und 194.
ſidere non poſſunt. Contra naturam quippe eſt, ut cum ego
aliquid teneam, tu quoque id tenere videaris. sabinus tamen
ſcribit, eum, qui pecario dederit, et ipſum poſſidere, et eum,
qui precario acceperit. Idem trebatius probabat, exiſtimans,
poſſe alium iuſte alium iniuſte poſſidere. Duos iniuſte, vel
duos iuſte, non poſſe. Quem labeo reprehendit: quoniam in
ſumma poſſeſſionis non multum intereſt, iuſte quis an iniuſte
poſſideat Quod eſt verius. Non magis enim eadem poſſeſſio
apud duos eſſe poteſt, quam ut tu ſtare videaris in eo loco, in
quo ego ſto; vel in quo ego ſedeo, tu ſedere videaris.
cujacius Obſervat. lib. XVIII. cap. 24. biccius in libello de
poſſeſſione duorum, Argent. 1645. merenda Controverſ. Iuris
Lib. XII. Cap. 6. 7. 8. 13. et 23. inſonderheit aber cuperus
in Obſ. ſelect. ſaepius laudat. P. II. cap. 15. 16. 17. et 18. und
Weſtphal im angef. Buche §. 65. S. 67.
tzes handeln Hieron. deoroz de Apicibus Iur. Civ. Lib. IV.
cap. 8 et 9. Iuſtmeier in Colleg. Iur. Argentorat. Tit. de
acquir vel amitt. poſſeſſ. Theſ. 22. und Weſtphal in dem
Syſtem des R. R. uͤber die Arten der Sachen, Beſitz ꝛc.
II Th. 7. Kap. §. 200. folgg. S. 189. und folgg. In be-
ſondern Schriften aber fichtner Diſſ. de poſſeſſionis Com-
modis, Io Frid.boeckler Diſſ. de favore iuris civ. erga
poſſeſſores, Argentor. 1740. P.muͤller Diſſ. beati poſſiden-
tes; H.bodinus de beatitudine iuridica, et C. O.thylius
Diſſ. de beatitudine poſſidentium iuridice conſiderata. Heidel-
bergae 1722.
oder auſſerordentliche Rechtsmittel um des Beſitzes willen
einfuͤhrte, weil das buͤrgerliche Recht keine actiones legiti-
mas enthielt, quibus quis poſſeſſionem, rem in facto poſitam.
ex Iure Quiritiumsuamvocare auderet: S. festus de Ver-
bor. Significat. Voc. Poſſeſſio. et cujacius in Prolegom. ad
Tit. Cod. de acquir. et retin. Poſſeſſ. Operum Tom. IX.
de Interdictis Comment. VII. n. 42. ſqq.
Tit. XV. §. 7. pag. 547. (Franequerae 1698. 4.)
ordin. Digeſtor. Lib. XLIII. Tit. I. §. 16. behaupten, daß das
Interdictum Quorum bonorum aus dem Erbrecht, und das In-
terdictum Salvianum aus dem Pfandrecht entſpringe; allein
Huber a. a. O. pag. 547. hat dieſe Meinung gruͤndlich wi-
derlegt. Man vergleiche jedoch auch H. Prof. puͤttmann
Diff. de Salviano Interdicto Lipſiae 1773. Cap. I. pag. 13. vor-
zuͤglich aber Cap. IV. pag. 24. et 25.
Ausnahme, wie ebenfalls UlpianL. 3. §. 13. D. de Iti-
nere actuq. priv. bezeuget.
uſucap.
§. 983. folgg. S. 762.
pag. 65. it. ad Tit. de alienat, iud. mut. cauſ. facta in fin.
Inde illud in L. un. Cod. de alienat. iud mut. cauſ. fact.
poſſeſſio in rem parit actionem adverſario,
nihil aliud eſt, quam poſſeſſionem eius, qui rem poſſidet, hoc
praeſtare adverſarie, id eſt, petitori, qui rem vindicat, ut
cum poſſeſſore in rem agi poſſit: ſeu poſſeſſionem cauſam eſſe,
quae vindicanti actionem in rem tribuat adverſus poſſeſſorem.
vor. 1767. 8.) Tit. VII. §. VIII. pag. 436. ſq.
numeranda (Leiden 1784) §. XXIX.
ad Rhen. 1747. 8.) Lib. I. cap. 7. §. 2. pag. 46. ſqq.
Nr. XXVII. S. 115.
tor. Beyde Texte beweiſen nichts. Denn was zufoͤrderſt den
can. 3. anbetrift, ſo iſt derſelbe erſtlich untergeſchoben, und
aus Pſevdo-Iſidor entlehnt, S. David.blondellus in
Pſeudo-Iſidoro pag. 570.; er enthaͤlt zweytens eine unrichti-
ge Leſeart, denn gerade die Worte violentia maiorum, worauf
man ſich ſteift, ſind verdorben. S. eckhardi Hermenevt.
iuris Lib. I. cap. VIII. §. 317. Die beſten Codices vom Gra-
tians Decret leſen violentia malorum, wie der ſel. Canz-
ler boehmerad b. canon. bemerkt hat; und drittens iſt darinn
ſchlechterdings keine Abaͤnderung des roͤm. Rechts wahrzu-
nehmen, wie boehmerad b. can. beſonders aber Caſp.zieg-
ler in Commentar. ad Can. Redintegranda 3. Cauſ. 3. quaeſt. 1.
welcher nicht nur DeſſelbenPraelectionib. Public. in De-
cretales (Dresdae 1699 4.) pag. 167 — 201. einverleibt wor-
den, ſondern auch in des Hrn. Prof. WoltaͤrsObſervat.
iuris civ. et Brandenb. Faſcic. II. Obſerv. 35. mit vielen vor-
treflichen Bemerkungen befindlich iſt, ſehr ausfuͤhrlich gezeigt
haben. Das andere cap. 18. aus den Decretalen hinge-
gen geſtattet ausdruͤcklich die Spolienklage nur gegen einen
ſolchen Beſitzer, der wenigſtens Wiſſenſchaft von dem Spo-
lium gehabt hat, als er die Sache an ſich brachte; weil die-
ſer, da ihm das Spolium nicht unbekannt war, noch in der
Folge durch die Erwerbung der ſpoliirten Sache Antheil da-
ran genommen hat. Dieß laͤßt ſich aber auf einen dritten
bonae fidei Poſſeſſor nicht ausdehnen. Vid. cramer Diſſ. de re-
ſtitutione ſpoliati adverſus tertium b. f. poſſeſſorem Tom. III.
Opuſc.
§. 50. et 51. und Hofr. Schnauberts Beytraͤge zum deut-
ſchen Staats- und Kirchenrecht 2. Theil N. II. §. 14. S. 141.
et uſucap.
hat, bey Lebzeiten des Mannes keinen buͤrgerlichen Beſitz.
L. 26.
§ 4. D. de Uſurpat. et Uſucap. Jedoch kann ſich der Uſu-
fruetuarius des Interdicts uti poſſidetis bedienen. L 4 D.
Uti poſſidet. Auch der Pfandglaͤubiger, galvanus de Uſu-
fructu Cap. XXXIII. pag. 461. (edit. Tubingenſ.) denn bey-
der ihr Beſitz iſt gewiſſermaſſen ein Civilbeſitz. Siehe oben
S. 524. und 525.
1773. in Electis Iur. Civ. T. II. N. 13.
natuͤrlichen L. 1. §. 4. L. 16. D. de acquir. vel amitt. poſſ.
L 13. §. 1. D. de petit. bereditat. Mithin kommt ihr keine
Uſucapion zu ſtatten. L. 1. §. 2. D. pro donato.
vitus vindicet. L. 3. §. 17. D. de Vi et Vi armata. Die Par-
tikul quasi iſt der unterſcheidende Charakter, deſſen ſich die
roͤmiſchen Rechtsgelehrten bedient haben, wenn ſie von dem
eigentlichen und urſpruͤnglichen Sprachgebrauche abwichen, um
hierdurch zu erkennen zu geben, daß zwar dasjenige, was
die Benennung mit ſich bringt, eigentlich nicht vorhanden ſey,
allein doch etwas aͤhnliches. Conf. Henr.linck de Synca-
tegorematis Quaſi uſu iuridico. Altdorf. 1675. Chriſt. Gottfr.
hofmann Diſſ. de ſignificatione et uſu particulae Quaſi in Iure
Rom. Frfti 1727. und vorzuͤglich Io. Daviddieterici Diſp.
de genuina Quaſi notione iuridica. Goettingae 1740.
geſtum erit.
Iul. de vi privata.
Reichsabſch. v. J. 1532. Tit. 3. §. 15.
I. H.boehmer in Diſſ. de poena ins ſibi dicentis ſine iudice
Cap. 2. Nicol. Chriſtoph. L. B. delyncker in Praeſcriptio-
nib. public. (Viennae 1723. 8.) Praeſcr. VII.Medita-
tionen uͤber verſchiedene Rechtsmaterien von
zweyen Rechtsgelehrten I. Band Meditat. 51. und Ern. Lud.
Aug.eisenhart Diſſ. de poena legibus Roman. adverſus
vindictam privatam ſancita in foris adhuc valida. Helmſtadii
1787.
roͤmiſchen und teutſchen Rechten die Selbſthuͤlfe erlaubt
iſt, findet man am vollſtaͤndigſten in Hrn. Hofr. Claproths
Einleitung in den ordentlichen buͤrgerlichen
ProceßI. Theil §. 3. 4. u. 5.
origine dignitatis usq. ad [Conſtantinum] M. Vitembergae 1745.
et Arn.drackenborgii Diſſ. de officio Praefectorum Prae-
torio. Trajecti ad Rhen. 1707. inoelrichsTheſ. Diſſere.
Belgic. Vol. II. Tom. 2.
praeſid. Pet.burmanni rec. Francof. cis Viadrum 1752. et
Eduard.corsini Series praefectorum urbis ab urbe condita
ad annum usque MCCCLIII. Piſis 1763. 4. maj.
Legatum Caeſaris Goettingac 1737.
Dan.ritter in Obſervat. ad Heineccii hiſtor. Iuris Lib. I.
§. 177.
dioſis Trajecti ad Rhen. 1757. et 1758. in Gerb.oelrichs
Theſ Novo Diſſertat. Belgicar. T. I. Vol. II. N. 5. et 6. et
Io Frid. Theod.rolle Hiſtoria iuris civ. de aſſeſſoribus Ma-
giſtratuum Romanor. Lipſiae 1787.
- Lizenz
-
CC-BY-4.0
Link zur Lizenz
- Zitationsvorschlag für diese Edition
- TextGrid Repository (2025). Glück, Christian Friedrich von. Ausführliche Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bhpc.0